Goethes Faust
in der
Göchhausen..
Richard Weltrich
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57. Jahrgang. Q^g MAGAZIN ''^
LITTERATÜR DES 1^-^ IN- ÜMD AUSLANDES.
WOCHENSCHRIFT DER WELTLITTERATUR.
BKORÜNDET \ < iN HEU AUSGEGEHKN \ ON
<iOS£Pfl LEUMANH. WOLFGANG KIRCHBACH.
DRESDEN, DEN 31. MÄRZ 1888
in Jeder BnAhndhrac, Po4anii>lt
oderdirdU von V«riae d« üftguin
in Dresden, Sddllcntr. $6.
Jaitr artttagl» AMnA mm 4mi bhslt de« „Haculna" wird «nl Urnnd der CI«MtM Oi lllWMtlMIll» Twtelft
Sekatie des r«Utlc«B Blgvatuii aBtwmst.
Inhalti '
Adnir Kriedriefa Onf VOB Sflli'ftck: ,.ü«b«r IjrlMbc
PoMie," 205.
Krott Eckelein: „l'eher F»rlienl)Ci*ichnung.'" 2v'7.
Adolf Stern: „ijr«f Carl SnoiUkjra neoeite DicbloDgea."
I. TOB Jkfrow: „TolrtoT* Muht dar FiMtanoM im Thdfttn
libre." 214
Kichard W eltrich: ..Goetht« Fault ifl ^ff ft^H^llhfllimT^*"
LitUrariKhe Nra%kcftM. 91».
Aani8N.8aa
Von Adolf PrUdrittli Orsf Sftbftek,
Jlaii spricht in iii'nerei 7Ax utl von der „ei-
gentlichen Lyrik", indem man darunter das sang-
bare Lied Terstdit and geringschitzige SeHeabHeke
auf die Übrigren (lattunirfii licr lyrisrhen P(wsif wirft.
So las ich anlänigcüt irgendwo: Das echte lyrische
Kmstweit eei du Lied; dieses l)ed(life, am ia aeioe
volle Kunstpxistpnz zu irrten, erstens des PDPti'n,
der den Text schaffe, zweitens des Komponisten, der
die Weise dam aetce and drittem dA Slagw«, der
es mit dieser ausführe; was die Lyrik sonst noch an
sogenannten Gedichten hervorbringe, sei Zwitter-
oad Baetazi^KBMld.
Wie zuversiphtlieh eine solche Pehauptung anch
suftritU 80 ist sie doch, aus historischer Unkenntnis
nd «iiMeitiger GeadiinaekBriditaBg xoeammengewirrt,
gninilfalsnh und zeupt von einem höchst bornierten
ästhetischen Geüichtskreiis dessen, der sie uusMpricht.
L^iiadie Oediebte wurden bei den Griechen aar
Leyer fresungen nud die panze Gattunp liat hiervon
den Namen erhalten; aber dieses Singen war weit
'mehr ein Rezitieren; Oden, Hymnen, Dithyramben
und Klepien wurden zu den Klängen des Instni-
luentes vorgetragen; allein die, Worte waren dabei
durchaus die Hanpteache Unter allem, was von
griechischer Lyrik auf uns gekommen ist, findet sich
nichts ansern sangbaren Läedern Verwandtes; Volks-
^ lieder waren zwar aodi bei den Griedien vorirnnden,
I nnd Athenäus hat uns Bruchstücke davon aufbewahrt.
Allein keinem der groflen griechischen l^rOtsx ist
es je ein$^efal1en, dlesdbeii atdi aam Master ca a«li-
j nicn, und die iHjyer. die zum Preise der Götter and
I Heroen, zur Veriterrlichong der Liebe und Freund»
Schaft getont hatte, doreb tririalen Rngsang za ent-
weihen, wozu die NncliTvilnstpliinir dessen, was uns
I in der Natnr entzückt, notwendig führen mnea. Michtj»
kann den ae gqnieaoMn VipikiliadarB nnllnU«dier
1 sein, als die GesAnge des Pfaiidar, oder die freili 'h
I aar fragmentarisch anf aü gekonmeaen Dichtungen
des Alkios, Stestehorns, Wmnermna, Bakebilfdes,
IT^ikiis iinil selbst des erbten Anakreon (die gewohn-
I lieh sogenannten anakreontischen Gedichte sind
bekanntUeb efai Pradnkt dar apiten bysanttolsclieB
' Zeit). EfiPiiso vriren bei den BAmern die Oden des
üoraz, die Elegien des Tiball ond Properz für den
Oeaanff beredmet, ond oidit minder iplter bei den
Italienern die Canzonen und Sonette Petrarcas,
Bembos, Tassos u. s. v. Die Mosik war damals nur
die Diaäerin der EMehtkaaat; nklit anf die beijlalteB-
den Töne kam es im Wesentlirlien an, sondern auf
den poetischen Text. Die völlig untergeordnete Be-
dwrtang der mnaikalbdiea Korapoottionen erhellt
schon darnns, d;is^ dieselben kaum irg:endwo erwähnt
werden nnd da^s sie spurlos zu Grunde gegangen
sind; man hielt ea elwn nicht der lUllie für wert,
' sie aufzubewahren, während die fledickte, denen sie
I zur Begleitung gedient, als Kleinode gehütet und von
I Oesehleehe anf Oeadilecht flberliefert wurden.
I In neuerer Zeit verschmäht es die Musik, in F(d<?e
I ihrer anlJeronlentlichen, von den früheren Jaluhun-
derien nicht einmal geahnten AmsMldong, die Magd
der Dichtkunst zu si iti, ja die letztere nur als gleich-
berechtigt gelten zu lassen; wie sie in selbständigen
Schöpfungen sich ganz vom Gesänge losgerissen hati'
j so begnügt sie sieh, auch wo ihr noch Worte zu
: Grunde li^;eu, uichi damit, diese zu verdolmetschen
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und ihnen erhöhte Bedeatang za leihen, sondern er- |
drfickt s!e vidatlir MdMS«, wn selbst in Alleinherr- j
Schaft daznstehen. Dass SoIcIips der Fall ist. zeigen ^
die Werks unserer großen Liederkomponisten auf das I
EfidenttsCe. Sdinberts Lieder haben znm grSBten |
Teile höchst mrftelmüßige Texte, nnd letztere stören
uns nicht im mindesten im Genüsse der heiTÜchen i
Hnaik. Omide für viele seiner berühmtesten und '
am popnlärsten gewordenen Kompositionen hat er '
Uedichte gewählt, die so schlecht sind, dass man
gar nicht anf sie' Acht getMB darf, um iddit aus j
allf^n Himiiieln herabgerissen zu werden: so verh< '
fcti ükk mit dtni „Wanderer" von Sckmidi von Lübeck, !
dem „Ave Maria'*, einer elenden üebersetzung nach |
Walter Scott, dem „Lob der Tränfln-*, einer Reimerei
von Schlegel. Schubert hat auch einige der besten
Ooethescben Lieder gleich vortreffUeh in Musik ge-
setzt, z. B. : „Acli, wer bringt nur eine Stunde",
„De;ti Sturm, dem Regen", „So lasst mich scheinen,
Iiis ich werde" u. s. w. Wär«a nm WOCb jetzt die
Worte die llniiptisadie bei einem gesongenen Liede,
ja kämeu uiu bei deiuselben auch nur veMutUch in
Butrudit, so müssten die Kompositionen Schuberts
der genannten Goetheschen Gtedichte einen nnendlicli
höheren Gennss gewähren, als die jener su ganz ge-
ringen Verse, oder mehr: er irflrde bei seinem „Wan-
derer", seinem „Ave Maria" aclne Knast ganz ver-
gebens verschwendet haben; dlMe Terse, bei deren
Lektüre man sich kaum des Lachens enthalten kann,
würden uns auch in B«gleitiuig der Musik anwidern.
Nun aber verhUt es aich Uennlt gerade inngekehrt
Niemand hat noch behauptet, oder wird behaupten,
die Schubertschen SingweiMu zu Goethes Mignon-
liedern, so unvergleichHeh schön letetere sind, sprS- -
eben mehr zum Herzen uud zur Seele, als dicjenijfen
za den vorerwihnten wertlosen Texten; vielmebr
z^igt die Brfalirting, dan ,^Te Uaris, Wandorer"
n. 8. w. die größere, Verbreitung und Beliebtheit er-
langt haben, obgleich die mnsikaUsctae Schönheit der
elitären nicht geringer ist Mit Beethoven«, Hen>
delssohns, Schunianus Komiiositionen verhält es sich
eli«DM; auch für sie haben ihre Meister gleich oft
nittelmiffige, irie gute Gedidite geiwlldt) nnd wenn
wir sie singen hören, richtet sich unsere Schätzung
nur. nach der liöheren oder geringeren Trefflichkeit I
dfr Httdk, ohne daaa wir dsb« di» Verae berflck- |
sichtigten. Die Wahrheit ist: un.<ere großen Ton- i
Mtzer lassen die Musik allein das W'ort fiihren; bei
der Wahl ihr IMebtnngen kommt ea ihnen elmdg anf
die allgemeine Stimmung an; das Einzelne über-
decken sie. so mit ihren Kl&ngen, dass es gar nicht
in Betracht kommt; in di« tt(lebt«raat«n nnd pro-
saischsten Wendungen und .Ausdrücke wi.ssen sie
eine solche Fälle der Empfindung zu legen, sie ver-
stehen es, dieselben dnrch den Zauber ihrer Kunst
so zu adeln, dass in der That das Stümperweik eines '
erb&rmlichen Versifex durch sie in ein herrliches I
Oednkt nmfavnndalt wird. Boatboma ^AdaludB** [
ist trotz des Matthissonschen Textes die gefeiertste
seiner Liederkompositionen, nnd man stellt ihr die-
jenig«* von Goethes »Freudvoll und leidvoll* höch-
stens zur Seite, keineswegs ilbor sie. Beethovens
„Schottische Lieder' entzücken alle Welt; wollte man
indes Jemand fragten, wie die Worte lauteten, so
uürdt; er veimullich die Antwort schuldig bleiben.
— Die völlige Unrichtigkeit der erwähnten Ansicht,
als sei die Lirik ;\v. fü^ Musik gebunden, nnd al'^
bediirle ein l_viisciies Kuustwerk zu seiner Herstellung
noch des Tonsetzers und des Sängers, geht weiter
daraus unwiderleglich hervor, dass eine ganze Reihe
gerade der wundervollsten Goetheschen Lieder, z. B.
„An den Mond-', „Auf dem See", „Tmt in TkllMB*,
,.Es srhlug mein Herz", kaum je gesungen werden
und auch, wie es scheint, die Musiker nicht ha&on-
ders herausgefordert haben, Melodien für sie zu er-
finden, dass jedoch Keiner das bedauert, oder an den
Dichtungen etwas vermisst TcIj habe den „Fischer"
immer für ein vollkommenes Kunstwerk gehalten
und nie danach verlangt, dass ein Komponist und
Sänger ihn erst zu einem solchen machen soll, in
gleicher Weise fügt Zelters Melodie, so vortrefflich
sie ist, dem .König von Thüle" nichts an Wert hinzu.
— Wenn man die fiberschwänglich reichen Samm-
lungen von Liederkompositionen unserer guten Mo-
siker, wie Beisaiger, Kreutzer, Abt, Kücken, Franz,
Speyer n. s. w. mustert, findet man damnter eine
ungeheure Mehrzahl, welche sehr geringitlgige Texte
bei oft hinreißend adifiner Mekdie baben und wegen
leteterer in Aller Mnnde läran; iat es nun da nicht
absurd, es den Dichtern als ein hohes Ziel ihres
Strebens vorzuhalten, dass sie „aaogbare" Qedicbte
abfiuaen? Tat «a nidit daa inBerste ITaS von Un-
gereimtheit, in der Sangbarkeit iiberhaupt eine Voll-
kommenheit zu suchen, da dieselbe, wie die Erfahrung
zeigt, nichts mit poetiaehai Tortreffliebiceit zu
tun hat? Wenn die Produkte miserabler Vers-
schmiede schön gesungen nnd in sdiönen Melodien
gleich groSen nnd verdienten Bmfbll linden wie die
köstlichsten T/ieder von Goethe oder ühland, ja nicht
selten vor ihnen den Preis gewinnen, so iuuin ee
nur für etwa« vaUig Aeddaatdlea, mit dem Wert eines
Versstückes in keinerlei Verbindung Stehendes ge.
halten werden, dass da&selbe sich für den musika-
liadien Sats eignet od«r nidit' Ja, wenn man b«^
denkt, dass die matten Reimereien von X. und Y.
einen w^en Wettstreit unter den Komponisten er-
regt beben, aie in Mnaik in aetan, wlbrend „FUUeat
wieder Busdi und Tal" von den Letzteren bei Seite
liegen gelassen ist, so möchte man annehmen, Sang-
bttkfllt Bei weit OA«r eine X^maeluft der Hittet-
mäßigkeit, als der Vortrefflichkeit. Was hier eine
so heillose Verwirrung der Begriffe herbeigeführt
hat, ist daa Mlaaveffatindflia dei Wortea «aingen*.
Mit Recht !it:ßt der Tjvriker ein Sänger, mit Recht
werden seine Gedichte auch nGesänge" genannt;
aber wenn «in Orpheus oder ein Arieo «irUkli aaaf ,
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No. 14
Da« Magazin iür die LitUratar doi In- and Aaslmades.
207
d. h. seine rhythmisch gegliederten WorU; zur Leyer
rezitierte, so ist das Singen des heatigeu Dicliters
nicht ein &n6erliehai: dieser Ausdruck bezeichnet nur
das raelorü'ichn Ausströmen seiner r?efiible, den vollen
inneren Brujjltoa des Gesäuges-, nacli diesem bestimmt
sich der Wert eines lyrischen Gedichts. Ihn hat
Scliilli i . ihn hat Victor Hugo in den besten seiner
Oden in unendlich höherem Grade, als zahllose Ver-
faflsei' baUftbter „saii<,'b.irer'' Lieder, und jene hitid
diÜK'r nnerrnfssliih viel j,n-i'Uere Lyriker als diese.
Aus der aDge<ieuU:t«jii irrigen Auffassung sind
nnglanbUch viele verkehrte Urteile liervorgegangen.
So sagt ein achtbarer Schriftsteller in einem seiner
Aufsätze, Wilhelm Müller, der „reisende Waldliornist",
blbe rieh in den meisten seiner früheren Gedichte
als vorzüglichen Lyriker gezeigt, in seinen „Griechen-
liedern" dagegen den Fehler begangen, zu „reden"
statt /II „blatten*. Ich stimme nun in Bezug auf
Wilhelm Mtlller vielmehr Gustav Schwab bei, der
liinsichtlich seiner die Bemerkung macht, er halte
dessen frühere Gedichte zwar für recht artig, jedoch
nicht tiir so hervorragend, daas nicht auch mancher
Andere gleich gute produsderen kOnne; in seinen
„GriechenUedem" dagegen sei Müller in eine nr iu-.
weit vorgerücktere Phase seines Talentes eingetreten
und habe die größten Ervartongen erregt, die leider
durch seinen frühen Tod vereitelt worden. Wirklich
scbeinen mir «inige dieser ,Grieehenlieder*, vornehm-
lieb die auf den Kainpf and Fall too Hissolunghi
und auf den Tod Lord Byrons, von hoher Schönheit
und eines wahrhaft grofien Dichters würdig an sein ;
in ihnen flutet der Gesang fn voUeni rdcbem Slrome,
und ich habe durchaus kein Organ für die Aesthetik,
welche diese. Ergisfinngen echt poetischer B^eiste-
rsng dtireh du abgesehmaelrte Sticliwort „rhetorisch*
herabzusetzen sucht, um dagegeu das triviale Blasen
und Tuten schlechter Dorfmosikanten zu verherr-
Udien.
Der Ausdrui k „Lied" bezeichnete ursprüüjrlich
8«hr allgemein ein lyrisches Poem. Noch Schiller
bat sein« Rhapsodie „Die Olocke", Flaten sein in
antikom Odenmaße f,'i'dichtt'U'S „Trinklied von Baj;!-'
80 genannt In neuerer Zeit ist es Gebrauch g^e-
tr orden, mtter solcher Benoinung kleine, stimmungs-
volle Gedichie V(in melodiöser Fonu zu verstehen, in
welchen der Dichter seinen Empfindungen der Freude
oder der Trauer Ausdruck giebt Unsere Litteratnr
hat anßerordentIi<-Ii viel Scliönes in' der Gattung auf-
zuweisen, und viele haben sich von dem Zauber der-
artiger Tersstiicke^ wie sie nach dem Torgange von
Claudius und Goethe besonders vnrtrefflich vim T'h-
laad. Bicheodorff und Heine gedichtet worden sind,
so bestricken laaaeo, da«s si« d«a anderen hfiheren
Forint 11 der Lyrik kein Recht auf Existenz mehr
zugestehen woUen. Dem unbefangenen Beurteiler
mosB 'dieser lathetiselie Standpunkt als etn nneiMrt
beschränkter 'erscheinen. Nicht leicht hat etwas
Anderes einen gleich unlieilvolleu Einfluas aut unsere
Litt<>rntur geübt. In der Muidk betrachtet mau es
als ein sicheres Zeichen des ungebildeten Dilettan-
tismus, wenn Jemand nur für eine einfache, leicht
ins Ohr fallende Melodie Sinn hat, allpni ;i!if-r, was
darüber hinausgeht, s«iiü Oiii versthlieiii. Was eine
solche einfache Melodie in der Musik, i.->t nun das
Lied in d' i' Poe.iie. ^Tan kann Beides hochschätzen;
wie es jedin-lj von einer sehr unausgebilditcn Efu-
pfSnglirhkeit fdr das Schöne zeugt, nur für kleine
niidodis. hf^ SÄbte Sinn zu hnben, so steht such der-
jenifji- an' einer sehr uutergeordneten St'ife des Oe-
sdiniakks. der in dem Liede die höchste <jder gar
einzi^'e (iattong des lyri- lien Gedichts findet In-
dessen, handelt e^ sich nur um einen individuellen
Geschmack, und wird dies ai^geiprochen . so niöge
es noch hingehen. Wenn Jemand das kleine Wr-
gissmeinnicht am Bache allen amieitn Blnuien vor-
zieht oder das Veilchen wegen seines siiüeo Doftes
ganz besonders liebt, so lässt sich niclits dagegen
einwenden ; wenn er aber nun seiner individuellen
Neigung zu Liebe zu beweisen versuc-hte, Vergisa-
meinnicht oder Veilchen seien die höchste oder ein-
zige Oattung von Blumen, die herrliche Rose, die
prächtige Lilie hfttten kein Recht zur Existenz, so
würde man ihm mit Grund die Tür weisen. Auf
gleiche Art Iftast sieh auch manchen Freunden der
Poesie die Idiosynkrasie zn gute halten, dass sie die
innigen und geftthlstief&n Lieder eines Eichendorff
nnd Anderer als die sdiSnslen Bülten unserer Lyrik
verehren. Wollen sie aber nun dozieren, jene kleinen,
meist momentane Stimmungen snsdrückenden lyri-
sehen StOeke seien allein berechtigt, die sdiwnng-
volle Hymne, die gedankenreiche und zugleich von
Empfindung erwärmte Elegie dagegen gehörten einer
falsdiai Qattnog an, so moHi man sie alles Kmstes
zurechtweisen und ihnen dartun, auf wi*^ bodenloser
Verkehrtheit, welcher Unkenntnis der Utteratar,
velohwr flsthetiBcben Befangenheit eine soldie An*
siebt berakt
(Fortaatzong lolgt.)
Heber tarbeniMMieiiiiifr
Van Kna» Xekatein.
Ein dentseher CMehrter hat? tot Knraem die
Behauptung geäußert, unans(TeliiIdete Sprachen be-
' säßen keine eigentlichen Originalwörter zur Bezeich-
nung der Farben; sie seien vielmehr auf den Not*
behelf angewiesen, die Gegenstände mit anderen,
ähnlich gefärbten, zu vergleichen, und so beispicls-
j weise statt „grün" : „grasfarhig", statt „weiB":
! „milchfarbig" zu sa;?en etc.
Der Gelehrte zitiert unter Anderem eine alt-
testamendidw Bibelstelle. wo die Klarheit des Him-
mels mit der Farb^ des Saphirs Vf^rcrlichen wird,
und frftgt dann: H'artim vergleicht der Verfasser
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Du MmMb fir Littniar in Li- and Aw l — dw.
jener Stelle ffle Klarheit de« Himwieb nlt dar Farbe
des 8aphir>?"
Die Antwort lautet:
„Eiofadi, weil nine Spradie nocb ItHit Wort
Är den Begriff de» Blauen besaß."
Der Zweck der liier folgenden Zeilen ist, nacli-
znwnsen, dass ancb «hm«« aof^uniten „Original-
Wörter'" /ni Brz«irl>niiTip d>T Karben, wie „blau"',
„gfrän". „rot", ngelb" etc. nicbte Anderes aU solche
„Tergleiehe*, oder besser geaairt, BegrüTe aind, die
ursinHnfrlich mit der Farbe nii tif diis Gi-iinc-tf- zu
tun hatten, sondern lediglich ein Otjekt, ein Ding
beseidineteD, da« sieh ans irgend dMm Gmnde
qualiüzierte, al^ Ri pifist titaiit aller jÜmHeh geftrbteo
Dinge heraosgelioben zu werden.
Wt anderen Worten: IMe Fkrbenbemiehnangen
>iiid uns nicht i-Uvn. wie riii (Ifsciiciik lii's Himincl^i,
fix und fertig aus dem FiilUiorn der unbewowton
^raeh'FrodQlttioB in den Sebofi gi^len; noch ifar
bat irgend wie iiiifl wo rinc >^priidigeindnfl(' fiuicli
.Stimmenmehrheit beschlossen : „Wir wollen düse Farbe
von jetxt ab grfin nnd jmu gelb nennen t" — Viel-
mt'lir ist jcrlf Rczcirbnnng abgtlriiri, iin'l /.war von
demjenigen Uegenstand abgeleitet, an welcliem die
betreHeiide Farbe AnoiMfan o/l oder In he amd en mt-jm-
fiillirjfr Wrisc heobnchtet wurde.
Also nicht nnr die onaasgebildeten Sprachen, son-
dern andi die gcibiMetaten, wfe nowr Neabodi-
dent^iij. bedienen sich jenes „^■otbehelfs^ und nur
der Umstund, daas die lautliche Prägung dieser ab-
geleitetMi WSrto' «Idi In Lanf der Jabrhnnderte
Iiis zur l'nkcnntlichkpit nbsrhlHff. knnn Ans Be-
wosstsein des Volkes äber jenen ursprünglichen Zu-
auDmenliaag Ubnehen.
Diesp.r spriicliphilosophiM^iic I^f^hrsatz: fliis-.
es niemal.s ein Originalworl für eine Farbe gj^eben
babe, sondern lediglich WOrter (Br fbrbige Gegen-
stände — leuchtet uns a pnnri ein. wenn wir bedenken,
dass dem eigentümlichen Kei/.ung?^nstand nnstorer
Neüdiaat, den wir Farbe nenneD, eine lialbwQgs
definierbarf QnnlitÄt pnr nicht inne wohnt.
Mao erkennt dies sofort, wenn man veranebt,
den Begriir einer Farbe sa Ibrmnlieren.
Auf die Frage: „\V;is ist tia Kfirpir?' lautet
die kurze und klare Antwort: »Ein Körper ist alles
Dasjeuige, was einen Rannt «rfiUlt"
Fing ich dagegen: „Was ist blau?" so lÄssl sieb
aar indirekt durch Heranziehaitg blaogefärbter Ob-
jekte antworten. Die Antwort lautet Tielleicbt:
Blau i>t (lifji iiiK*- Farbe, die wir am unbewölkten
Himmel, am Vergi^smeinnicht, an der Korablume
wabmehmen.
WeiB ich aber nicht schon iin Vorauü. wie diese
Oegenstaode geüitt aind, so wird Niemand im Stande
sein, -mir durch eine bloHe Deflnition, oder selbat
durch eine pt)etlsche Schilderung, die sich mit aller
Krati der Beredsamkeit an die nachgestaltende
I Phantasie wendet, efne Voratdinngr von Den beim»
I bringen, was er „blau* nennt
I Schon hieraus ergiebt aich lUe Selbstveretftnd-
I Uebkelt Aea ob^ erwUmten Spracb-Pnnemea.
Pci f-inzehicti Farhcn-Xüanccii, dcrm genaue
Unterscheidung en^t bei einem gewisü>en Kulturgrad
Bedflrfats wnrd«, können wir diesen Proiees in !*einen
verschiedenen Stadien auch nhnp spracligej'cliiclitliche
Kenntnisse nnd Erwägungen unmittelbar konsta-
tieren.
Die srhwingnngsreifli«tf» F.nrhf dps S|i,-ktriinis.
eiue iii^chtarbe zwischen Blau und Kot. nennen wir
„violett", französisch «ejofafM", d. b. Vdlehen.
Hier fühlen wir zwar das urspriinffüch«» Sub-
stantiv auch noch deutlich heraus: aber auf dem
Wege des gekürzten Vergleiches abgeleitete Wort
,,\iolett" ist bereits dergestalt avanciert, dass wir
es ohne Weiteres als ganz legitima» Farbewort ver-
wenden, genau s" wie „rot", „grtin" oder „blau".
Wir behandeln das nnprünglicbe SnbstantiTnm
als Adjeklivum.
Wir sagen: „vmlalter Atlaa", „noiette Tinte"
l „violettes Band«.
In fHiberen Zeiten, da der Entwiekelnnsrs|iro-
zess von „violett" noch nicht so weit vorgeschritten
war, sagte man lieber: „violett-farbenes*' oder nVio-
lett-bbuwii" Band. Vergletcbe dl« alte ▼olkstOmUehe
Phra.sf' ,.Blui Miimt^rant. violcit-llan Band". In
diesem ^violettblau" liegt noch der ursprüngliclie
^ Vergleich: „blau. aber ttidit wie das ftewShtttlebe
I Blan (Himmel, Kornblume), sondern Idau. wie da.s
j einen leisen Stich ins Kote zeigende Veilchen". Das
I fransflsisch« Ja iMbiU* wurde von Volk nm m leicbter
verstanden, als d.xs lateinisclic „viola" in der Form
..Viole" schon längst in den deutschen Sprachschata
ühergciganfen war.
Aehnlichc- Fnrlipnbezeichnunrcn . die nn> noch
I jetzt als Dingwörter im Bewu£ätj>ein fortleben, sind;
„Lila", vom franzKsiseben Jätaf^, der Flieder.
„Ro8a^ IraniOtiadi von dem latelvbelien
„OrangBu"
„Pens^p"
Andere Farbwürter sind erst neuerdings einge-
führt worden. So & B.! nnwd*^* mer^M^t Jaebs",
„tabak".
Der maßvolle Schill tsldlei- wird wohl heute noch
lieber sagen: „Ibr Kleid war ,TB8edafarb^ od«r
,reseda-grün'. '
.\ber morgen vielleicht ändert sich seiu Ge-
: srhmack und sein .SprachgiMnhl.
Iln »stilvolloi" Modebericlitfu lA.sst man dioM
▼emittelnden Znsätze seit lange schon weg, wie e*
' denn in der Tat eben so bigisch klingt: „Ihr Kleid
war reseda", als: ,^1"^ 'KisöA war Jila' oder ,violef
Je mdir sieh — namentlfdi dnrch die Forde»
] rangen des Luxus und der durch denselben bf-
I guoatigten Industrie — der Sinn für die einzelnen
Mo. 14
Dm Maiaria Ar die Uttanter te b- «oi Awlaad»
809
Farben-Nüancen schärft, um so zahlreicher worden
derartige Neu-SchOpfungen dem SprachBchatz einver-
leibt werden. Im Deutschen hat dies TOrhfiltnifi-
mfiBig grCfiere Schwierigkeit, als etwa im Englischen,
wa die A4iektiv» nicht dekliniert w«rd«ii, aEtne
niae Sdddft' widenrtrebt — TieUaiiDlit vomdunUch
der undeutscher Vükalvorliindnag wegen —
eiostweilen Qocii ansreni Ciemu&
0«naa wie ndt dienen, aneh tär den Laien noch
iliirclisicbtigen Farbenbezeicbnnngen, verhilt ea sich
mit den Farbenbezeichnungen überhaupt
Wir aind geneigt. WOrter wie „Bebwarz",
„braun", ^gelb"*, ,rot'', „jiriin", „Mmr* etc. fiir sflt.-
Ktttodige, scbarfumgrenzte Bt^fie zu halten, für
A4je1ttiv»t AeM» jegliehe AnleJumng an Oegeoatlad-
|iehf'>' fremd ist.
Bei D&herer BetrachUmg stellt sich jedoch her-
BOs, datt iiter in jeder Beriehanf denebe Proaese
vorliegt, wie bei ^lila"*, ^orange", „violett", .pens^e",
„cr&iue", „i'eseda", .lach-n" u. .s. w. Ancb in den
ainnTerwaudten Vokabeln der griechischen und latei-
nisrhrn Sprache VA&st sich die heiiidichf Ideulitat
mit eiueui kunkreteo Gegenstand überall uachweis«a.
Fiir unsere Zwecke reicbl dia UngniaUselie Analyse
der deutschen Farbwörter aus.
Beginnen wir mit der Verneinung Jci Farbe
— im pliyBikaliaebeD Sinne - mit „Schwan".
Das Wort „Schwarz" bedeutet ursprünglich
„Rauch", „Brandqnalm". ..Kuß", „Schwalch", genau
wie das lateini»chea(«r, das lautUcliztiaMr«, arr-re, ardr-rr.
trocken sein, brennen, gehArt; — wovon ora, der Altar,
die Brandupferstfttte, der Hewd — ^,(oft irrtümlich vom
griechisclien airnn, erheben, abgeleitet). Das deutsche
Won „schwarz*' (gotiacb «mrfo, aogela^sisdi mtim)
staainit von ejnem altgermaniiehen Verbnm nakm,
das „brennen" bedeutet. Im NLuliocLdtiiisi Iieii lautet
dies Verbom ,^yi^kKaf d. b. «brennen", „brandig
sein**, von einer Wunde gebranclit — ..Brandige"
."^telleu einer Wunde «-erdeü „schwarz". — n>i.-> Wort
.^hwehlen" — (wovon .,Scbwalcb") — ist nur eine
Vaii*nte rtn ^idiTBren'*-
„ff'if" gehrirt zn dem Sanskritwone rwlhim, tind
bedeutet „Blut". Dieselbe Wurzel findet sich im
griecldnehein »ryM-fw, in Lateiniseltea ntf-dk» (rM-
lieh) und im altnordischen rioda (blutip mm-lu-n, mit
Blat beschmieren, „mifA-en"). Die angelsachsische
Form ffir ,jof ist raU, dl« altlHesiadie fitf, die
angHi^rhit rtd, die schwedische t'H.
„Üeib", ücljwtidiäjch <;«/. aiigelsüchsiscli gmieve,
englisch yeUow, mittelhochdeutsch güwe, gel, noch jetzt
volksiümlich ,.qeel' — fz B. in dem Kinderlied:
„Satraü macJit lüe Kuchen geel") — italienisch 9«a</o,
«panisch vtialdo, heißt „Glanz", „Helle". K.s gehört
zu dem altgemuumchen Zeitwort fiakut, das »hell
sein" bedeatet, bowoU für das Auge wie for das
Olir. Im Angels&chsischen heifit i/aian geradezu
.jdngen'* (a. B. ln^yoewnifaGediebt vom dreifacben
Kommen ibriati: JthMA «aha«" >« ein Abiebleda-
I lied singen); altsächsisch ualm bedeutet „Stimme";
' (z. B. in der Evangelienharmorie „yalm ./orf«" = die
Stimme Gottes). Von dem Urworte ualan, „hell sein".
Iritef .i^ich auch das deutsche „gellen", englisch »/«//
ab (vergl. „schreiende" Farben!), sowie die Nachsilbe
in den Wort: „Nachtigal" = der Vo^l, der in der
Nacht laut ist, der in der N;irlit singt Die Wurzel
tittl — findet «ich überdies im LateiDiaclMn und im
Gileehneben: mim, kakin = mfon.
„Brauii", aIlgel.'^^iohs■iscIl brün, schwedisch brun,
englisch brown, italienisch bmno, französisch bnm,
heilt „Brand" nnd gehört snn althoehdeatseb«!
hriiiwui, brennen. Ks bl.'ihp dahin gestellt, (jh nmn
hier mehr die Farbe des Feuers (griechisch pi/r) oder
mehr die angebnumten („gebrtQaten'O OegmilSode
im Auge hatti-. Ich Rlnnbe da.s Letztere, da hrAn im
AngeLsftchsischen nicht nur „braun", sondern überhaupt
»dankel" bedemtat {Mb^e/i = mit dankler Kling»).
Anch da.s italienische imlmmire _l „dunke! werdf-n",
„Nacht werden", spricht für die von uns bevorzugte
Annahme.
Zu M,ir„i,i (rehrtrt femer .hratpn". angelsächsisch
branhn. braten, sowie „BruU*, eugliich brea/i, gleich-
sam das durch Feuer Zubereitete. VergL die be>
liebte Zusammenstellong: „Du braona Brod" ;
Braten bräunt sich.*
„Orau' heißt soviel wie „Geröstetes", hatte also
ursprünglich ein« mehr nach „braun" liegende Be-
deutung, bis sich im Lauf der Jahrhunderte eine
Begriffswandlang vollzog, für die es auf aUen Ge-
bieten spracblieher Untersuchnng Analogieen giebt
Das Wort laatat im AngelstduiBdien gräg und
scheint dort bereits „grau" zu bedeuten: wenigstens
beißt der Bmsthaiaisch „(fräg-hanta'', von der Farbe
des Eisens. Die sohwedige Form ist gri, die dlniaehe
<]rn,t (sprich: gn). Ob das d«"utscli>' vrrf.« und das
hiervon abgeleitete französische ^ direkt mit aipaa"
xnsanmeBbftiigt, ist einigermafien flraglieh.
.r.niLi' gehört zu einen» verloren geganp;enen
Wort griuban, rösten, wovon unser „Qrapen", „Oropea",
.Kröppen*, althoelideotaeh v^V Bflatpfiune)
sowi(! di*- .tiriebe", niedersächsisch greve, n'irff, ein
geröstetes, angebratenes Speckstückchen. Vergl.
aneh englladi trütk (Boätpfaooe, KmebeopAMm«),
sowie frauMseh «riHr and ndiwediscii «lÄM» b:
rösten.
„QiW hedentet „▼egetation^ „Pflanze", „Wadi-
' snnrles", Ks pRhört ZU einem altgermanischen Zeit-
wüiiö i/niMa«, (lateinisch m — «««, wachsen/, wovon
neuhochdeutsch „Gras" nnd englisch yraM. VergleidM
englisch ,.<roi/", (wachwn), angelaitehaiscfa 9Nmn
(wachsen, grüaen). —
Die altsächsische Form des Eigenschaftswortes
lautet grdni, die angelsächsische und altfriesiscbe
i,T^, die englische r/rc«n, die schwedische und die
dänische grön.
£ine gaox aoaioge Entwickelnng zeigt uns das
\m*mSi^tmthm. W«rt mü» (ursprünglich widU), daa
*
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No. 14
ebenfalls „(j^rün" bedeutet. Es entstammt einer
Wnrael »V-, vü-, — Saft, Kraft. Hiervon tira-e, im
Saft stehen, grrünen (von der Vegetation gebrandit);
vü, die Saft- nnd Kraftnille . vir, der in voller Kraft
stehende Mensch, der Mann; vints, der Saft im
prägnanten Sinne, der Giftsaft: (das dentäche „Gi(i"
lieißt ursprünglicb auch nnr panz allgemein „Gabe",
„iii'gebenes"); virtus, die aus der Kraftfülle folgende
Tüchtigkeit, die Tapfwkät, dta MaBBestuffiiuL
Und .,/i/«u"?
Diese Farbenbczciclinung macht einige Schwierig-
keiten.
In dun älteren deutschen Mundarten deckt
eü ^^icb vielfach mit dem Begriffe des Dankein,
Düsteren, nahezu Schwarzen.
Der Umstand, dass das Griechische für „blau"
gleichfalls Bezeichnungeu hat, die nebenher noch
„dunkel" und ,^hwarz" oder doch »schwärzlich" tie-
denten, iet, beiläufig, gesagt^ der Aniass zu der be-
kannten Streitfrage geworden, ob das Ange der
Zeitgenossen Humers ui«rhaupt schon die blaue Farbe
als Blau empfand, <> der ob sich die B^ähigkeit der
menschlichen Netzhaut^ da» Blau als besondere Farbe
an per/ipieren, «rst in dfln IstitM dreitaOMnd Jnhrtn
mtvickelt habe.
Wir werden auf diei'e Debatte noch wdter unten
znrückkommen.
Ich bringe das Wort „blau" dänisch blaa \
(sprich bU>), angelsächsisch bh6, b!t»i, englisrJi Um,
französisch bku — mit einem altgeruianisclien Ver-
bnm bkuan, eugliscli Wow» dentach ^bUÜien'', „blasen",
lateinisch flwt, znaammen nnd interpretiere es „Wind",
„Brise", „Sturm".
Die Meere^fliche^ die bei unbewegter Luft ganz
lichtblaue, ja mitunter weitliehe Tinten zeigt, wird
sofort dunkelblau, wenn die Brise darüber hinfahrt
nnd jene vereinawlten iSchannik&mnie enaagi, die man
in Frankrrfcb „nuHOatuf benennt —
Dks Meer alter mit sf inen g^cwaUiu^'n Kindrücken ]
beherrscht das alte Gernianentum voUstftndig. Die
Goten (cfiittMiwX eh' sie nach Sttdoi zogen nnd Wolin-
sitze am Kingang der Balkanhalbiusel t-rtrotztm. I
bansten am Sittm Vmeüe«*, im heutigen Ostpreußen,
nnd waren so gate Seefahrer, wie die Rugier, die
Friesen, die Anpeln, die Sai'li.stMi, die Skandiir. . Ii r,
Wurde nun dieses Wort „blau", das ursprüng-
lich ^bewegte See^ bedeotete. zur Ciianikterteiening
anderer Gegenstände verwendet, sn hing es von dem
Belieben des Sprechers ab, ob er ab Aebnlicbkeits-
moment mdir die Fiarbe oder die Ucbtsttrke^ mehr
das „Blaue" oder das „Dunkle" im Auge hatte.
Die £dda bezeichnet den üabtin als Jtlaa-ii^.''
Hier tlberwo^ also die Vorstdlnng des Dimkein,
die Eiiijifindimg, das.s die Farhe ile.s Rahen einen
diametralen Kontrast bilde zu dem lichten Gefieder
etwa der Hdwe oder der Taabe. —
Ungefähr analog ist der_ Vorgang im Griechischen,
wo „JLyonor' b^ild das Blau ,der Ueerflut, bald die
Dunkelheit eines Gewandstoffes oder des Ilaupthaan
bezeichnet Uebrigens sprechen aucii wir von „blan*
schwarzem" Ilaar, ja selbst von dem ^.Uansehwanen"
Gefieder des Bähen.
Dftis Wuit „blau' hat im Npuhochdeutschen die
eine Hälfte seiner Bedcutnnc („dunkel") verloren;
nur die;Bedeufanc' der Karl>e ist iihri^r n:eblieben.
Eine ähnliche Schwankung jedoch, wie bei dem
gwmaaisdien Urwort «nd dem grieeUsehen lyiemr
findet sich im Nenti<ichdeutseheB hie nnd da noch
bei andern Farbwöriern.
So präponderiert bei „grün" bald die Farbe nnd
bald der Begriff des (ikk-Ii iiielif alipenchlossenen)
Wachstums — dergestalt, dass Jemand mit vollem
Reebte den sehrinbar unsinnigen Satx finrmalieren
mre: ,,Es i.st doch ni.-ikwiirdijj : ■wenn die Blsn-
beeren noch grün sind, dann sind .sie rot"
nOrOn*' bedeutet hier nnrelt
Auch saj^'en wir ..weißer Wein", olii^lejch die
Farbe des Weißweins eigentlich gelb ist
Es kBnmt uns in diesem Falle mehr anf die
Arcentuatioii der ITillii^keit. als auf die Niiance an,
genau wie dem Griechen und Italiener, wenn er den
Rotwein sehwarx nennt — (mdm, nen). ~~
Aus dieser sclieinharen Unsicherheit in der Be-
zeichnung der Farbe darauf schließen zu wollen,
dass die subjdttiTe Fähigkeit, die Farben so peni-
pieren. nnau-pebildet sei, ist offenbar ein Trugsrhluss.
Für die Gegenwart läset sich dies augenblicklich
nachwdsen.
Der Deutsche wird auf eine etwaige Inter-
pellation antworten: „Ich bin mir vollkommen be-
wnsst, dass ich den sogenannten WdBwein gelb seli&"
Der Italiener wird antworten: »Der ficbwnn-
wein ist eigentlich dnnkHrof.»
Die alten Griechen aber kann ein :äk«:i>tiker
unseres Jahrhunderts nicht mehr zur Rede stellen,
nnd so hat denn der enirlisdie Striaf,«;nianti (Iladstone
aus der Tatsache, dass hei dem Sänger der Odyssee
and der Ilias suwohl das Meer als auch das dnnkle
Tranrrfrcwand der Thetis „kyanos" (genannt wird,
dit- liUcli.st übereilte Folgerung gezogen, die Griechen ,
hätten für die Empfinden; der binnen Farbe über-
haupt kein Oifran besc«»en.
Der gleichiaib nicht zu leugnende Umstand,
dasa die Bncdebnaiig des Oriinen (rJUbrov) auch „blase*,
pfald", .gelblich* bedeutet, i;is>t Herrn Oladstane
I diase ungünstige Meinung über das Sehvermögen der
I Griechen noch veiter ausüiilnoen. Ms er dann ashliefl-
j lieh zu dem seltsamen l'csultate g-elanpt, die alten
• Hellenen hätten überhaupt mehr Helligkeitauuter-
t schiede, als Farben gesdien; die Welt wire also für
sie eine Art K'rei h - oder Bleistiftzeichnung' pewefen.
I Schon aus dem Wenigen, was wir vorhin über
! lUe Wandlungen und Begriffltsehwanknngen im Oe-
■ biete" der Farbewörter >:esai;t halien, wird sich der
Leser zu dieser kühnen Behauptung, die übrigens
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Dh Haguui illr dU Utting 4w !&• und AMliwuiM
Sil
heilte noch in der pelehrten Welt ihre AlblllgW
bat, die oOtigaB fiiutdbemerkangea büdeo.
ffinr sef noeh du Folfcnde taigebinudrt.
Der Begriff Ips Granen fällt auch für spätere
(«eoentioiieo mit dem des Fableo, Blassen. Gelblicben
^eUkah auamin«!.
Bei Shakespeare heiß* 'r-i^sieJitus^ (Griinkrank-
heit) daaMlbe. vas der Neuliochdeutsche aBleicbsncbt"
Bcaat
Die eigentümliche Fablheit, die durch gewisse
Leidenschafteo auf dem menschUcben AntUtz erzeugt
iritd, maiMii «fr »grifn und gelb". — .Er Irgert
sicli grün und gelb;" — .,Sie wird vor Neid grün
und gelb." Das sind iülgemein adoptierte Kedeiuarteo.
Die Ehii^ftoder Mgen Inner: »A« iosib fuii»
itreen", — (sie sieht ganz grün aus) — um die eigeu-
tfimliche Blässe zu kennzeichneii, die nach durch-
tiniter Nacht aof dem Aogeuldit eteer relilMureD
jiUgen Dame brfit(?t.
Ein Glüdstone der Zukunft wiii'de iiieraus dea
SebluiM ziehen:
„Bei den Deiitscljeii und Engländern des zweiten
Jahrtauseudi war die Filkigktdl, das Graue und
Gelbe zu sehen, noch nicht entwickelt : denn mit dem
Worte „grün" bezeichneten sie gleichermaßen die
Farbe des Grases wie die eines bleichen Mädchen»
gesichta. Den gelben Kheinwein empfanden die
Deutschen als weiß, das gelbe Gold noch vielfach
als rot, denn die Wendung „rotes Gold" findet sich
bei den Dichtern de^ neunzehnten Jahrhunderts fast
noch ebenso oft, wie bei den Äacelsacbsen — vergl.
Mlhien armoM« mAoHeL*
So spräche der neue Gladstone — und ganz
gewiss mit dem nftmlictteu fiecht» wie der alt&
Hiermit mheint mir die u mii fttr siefe so m-
irabrscheinliche Theoiie des britischen Staatmanns
und seines Apostels Lazaros Geiger binlaDgUcb
widerlegt, olme da» es des nmstSodUchen natnr*
wissenschaftlichen Apparates bedürfte, den Carns
Sterne in seiner Abhandlung „Ceber die l^twicke-
Inig des FarbflartuMS* beigeitnaeht hni
Dreifauwjnii Jahre sind in der Knt \iickehiiips-
geachichte der Menschheit ein so verschwindend kleiner
Zeitniim, dasa die M flgUdikeit eines so nngebeaeren
Fortschrittes, wie ihn der Ueber^ang von der »npeh-
lichen Farbenblindheit der Griechen zu unserem aus-
gebUdateD Itateridiaiidiigsfennflgeindaistellt, bla warn
Beweise des Gegenteils eo ipto abgelehnt werden mtisü
Was Gladstone anführt, erklärt sich auch ohne
die Annahme einer so onglanliilicliei Wendlnng.
Folglich ad Brtf! mit Keinen Phant.'israen !
Sind wir nicht fürbttnblind, weil wir „giv^u vor
Neid", „rotes Gold", „Weißwein" «ad „blaue Boh-
nen" (für „prn !o Bleiklugeln'O sagen; sind die Ita-
liener nicht faiäenblind, weil sie den Rotwein schwans
nennen, ae Immcht natürlidi auch Hdlaa nicht farben-
blind gewesen zn sein, bloß um seiner etwas laxen Ver-
wendung der Ausdrücke ddoro», tfiauko», kyanof willen.
Craf Carl SitOBkii MiMti lIHmgfi.
In seiner geistToUen Cbanicterbtik Tegnörs,
des berühmtesten aller schwedischen Dichter, liat
Georg BnaäM den Ausspnieb getan, dass der lit-
terarisdie Rttlim in den skandinavischen Undem
meistens ein rein lokaler bleiben müssa „Die wenig-
sten poetischen Erzeugnisse werden überhaupt über»
setzt und Ahr ein Werk, das sieh an den ScMnfaeita-
sinn wendet, für ein metrisches vor Allem, ist die
autere Sprachfonn, die in der U^rsetzong verloren
gfeht, Ten liSdiater Bedeotoag, sie gM»t ihm gleidi-
zeitig Daner und rnanz." Gewiss ist. dass nur eini-
gen nordischen Dichtern vergOnnt war, durch gute
nnd den Kern der peeUsebeB PenAnllelkeiteB er-
fassende IVbertrafning bei uns in Deutschland be-
kannt zn werden, noch gewisser, dass trotz der nahen
VerwajidtsdmfIderSitTBchen eigentlimlidieSdivierig-
kelten sich einer getreuen Verdeutschung gerade der
eigenartigsteu und selbständigsten dänischen und vor
:dlBD eebwedischen Dichter entgegensetzen. Gleich- •
wohl sind wir mit diesen Wahrheiten vuu der Ver-'
j ptlichtung dem Entwickelungsgang der stammver-
wandten skandiBaTiadien Litteratnren an feigen nicht
losgesprochen.
Nach einer Kichtuug hin kommt man freilich
in Deutschland dieser Verpflichtung vollauf nach:
die naturalistische Dramatik und Romandichtung
Dänemarks und Norw^ens nimmt im Interesse and
der Teilnahme dea deatsehen Tageslebens einen
breiten, allzubreiten Baum dtt. JCaum «in Werk von
oiniger Bedeutung, welchen dieser Richtung ange-
hört, ist unübersetzt geblieben, zahlreiche Arbeilen
Ibsens, I^eliands, BjCrnson», Jacobeens sind mehrfach
verdentsebt , eine Orui)|ie jnnger Kritiker adiwOrt
nicht höher, als bei Ibsen und selbst diejenigen,
welche die Weltanschauung der nordischen I'esai-
miaten (zn denen wir natürlich Bjömson nicht rech-
■ nen^ energisch liekamiifen, räumen ein. dass d.'tmo-
nische I^fl and lebendiger Geist aus deren Werken
spredien. In der einseitigen Würdigung dieser
Werke haben wir in Dent^chlaud eine z^m falsche
Schitzung der skandinavischen Gesammtlitteratur
«riavgt. Wir kennen die ganze Retlie der Dichter
nicht, bei denen ein andres Empfinden, eine andre
Weltauffassung vorherrscht, ah» bei den Aposteln der
aeUechtesteo Welt Weht einmal die wdtverhrei-
tete Annahme, dass alle großen nordischen Beg-a-
bungen auf der Seite ^üs radikalen i'eäsiuiiüi!iu.>> »tiiu-
den, trifft zu, nsbeo Bjömson, der nur Pessimist wird,
wenn er die Gegner des demokratischen WultiicILs
zn scliilderu hat, steht in Norwegen der kräftige und
liebenswürdige Jonas Lee auf uidereni B<>den. In der
schwedi-schen Litteratur sind es vollends nur s<j frag-
würdige Naturen wie Strindberg, welclie unter dem
Banner des alleinseligmachenden Cynismus kümpfen.
Die besten und bedeutendsten Talente Schwedens
verfolgen andere Wege und unser Bild von der nor-
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Dm
ttr di« Littenitar dn In- und
14
dUichen Uttmwturentwickelung wird ein wesentlich
aoderea^ wenn wir di« Tfttiglteit nnd Wirbing diewr
Diebtar betnchten.
Unter den gegenwftr% und schon seit einem
JahrzeliDt sclialTendeii schwedischen Dichtern st+'lit
keiner in seinem Vaterlande in höherem Ansehen als
Onf Carl Snoilsky, ein Lyriker von jener liefe
un(l Vielscitijrki'it, in welcher ilie Tjvrik zur Zosam-
menCassuDg des [KKUschen Geistes und Verm^eos
ttbeiluuipt wird. Die Tierte Snnmlanir seiner G«-
dii lit'^ f'Dikttr af Carl Snoil^kv FjArrie Sämlingen.
Stdckholtu, J. .Seligraanns Förlag), welche um Weih-
oiditea de» veriloMenea Jahres hervertrat, ward in
Schweden mit der gespannten Erwarttirp begrüßt,
die nur einem volkstümlich gewordenen, aligemein
anerkannteB Dichter entgegenkennit Die drei m-
aufgegangenen Gedichtsammlungen Snoilskys hatten
eine so weite Verbreitung gewonnen, als bei einem
Diditer In eehwediecher Sprache nur irgend mOgUoh
ist. Zu uns nach DeHtscIiliuid sind prst wenige der
trälleren Gedichte des Grafeu gtUruiigen, und unter
diesen wenigen war kaum eines, welches die tiefiite
und lehtiidifrstc. BfMindorlicit des Hchwedisrhen Dich-
ters offenbart hätte. lodciij wir üüa vurbehalten
in nieht allzu ferner Zeit eine Reihe von Proben aus
den verschiedeniin '^iiniinlungen Snoilskys deiit?-(^
mitzttteileu, wollen wir heute nur den Blick und die
Teilnahme jener Leser, denen die nordischen Spra-
chen nicht ganz fremd sind, auf den neusten Band
der Dichtungen hinlenken, der «»ich dem dritten Rand
der Gedichte des Grafen ebenbürtig anreibt. Für
ans Deutsche bat die vierte Gedichtsammlnn^^ >lfts
schwedischen Lyriker» dadurch noch einen besiuaderen
Reiz, dass sie grofienteils in Deutschland entstanden
ist. Graf Carl Snoilsky lebt seit einer Reihe von
Jahren im Ausland und besucht die schwedische
Heimat nur im Sommer; seine dritte Sammlung spie-
gelte di« poetiwhen Eiadricke eines mehijährigen
AnfatttiiahB in Italien, die vierte verrät in mehr als
einem Zug und vor allen in den entzückenden Stro-
phen aOeethes Oartenhaaa" wie der Dichter auf
deatschem Boden hehniseh geworden. Dass er sieh
schon vor Jahren nicht völlig fremd auf demselben
gefühlt, hat er poetisch schön und erj^reifend in einem
IHtbem Oedieht „Eine Nacht in Augsburg' ausge-
sprochen. Der Dichter geht zn Augsburg in eintjr
Mondnacht aua and die maleiiache Umgebung will
ihn phantaallwh Mtefarmt, dan er hier «in Fremd*
ling sei. Plötzlich aber belebt sich vor seinem in-
neren Auge die schweigende und öde Stadl mit ban>
tnm Yolkvgetttnunelf ein Uagst «ntaebwond«»«» 0«-
MsUflcht itnigt am aetnen Qrfiften empor:
Did
to loht w4
Hin filiKMlMld.
Dad atlriM ~ "
dar FMuaigkeit
Und MäU«r beb«« Eiader faeah
Dm ibs n
D«r ala ein R(>tU>r r.oif rom Noid
Durch Deutoohlaoda 0*au.
Ob rUnen latkaftai im ITtad
BlaairoldeD, frei,
Den DnteidrflckW« l^vibaitelan
Und Vslkermai.
Dm Bild ▼erfli«stt -— »or mir der Markt
Hoiuintitiein oiiihcr,
tah «(Md Tertawen — and onn doch
Kita VramdliBir
JeM wuMt ieb, dan iah
Aaeli hier MhoB fuid,
OaDB akht die Saholk fat
Dea yatarlaod.
Von ä«bwedcD «ah ich ■■■
In SUilt und L.uid,
Wo UufUv A.iolf ;
Der Name des Dichters allein verrät, da.s8 sein
GewUeeht nicht schon ndt den Ynglingem in Up-
gala gesessen hat, sondern erst seit desi T,il:i-:i iJe.s
grollen deutschen Kri^es dem Dordiachen ivuuigreich
angehört In der viertan Sammlnng der Oäiehte
giebt ein farbenreiclies Reisetdatt der Krinnemng wie
den gegenwärtigen Empfindungen Snoilskys leben-
digen AupdrncL Dnäaelhe ist „Laihaeh« llbendui«-
ben. Auf der Fahrt von Triost her hArt der Dich-
ter die geliebten Laute der italienischen Sprache
verklingen , ilavbdie THae mahaeii ibii, inas m ia
Krain sei, im Tale sieht er eine Stadt liegen, Uber
der Reihe der Berge ragt ein mächtiges Schnediaopt
empor, doveidnehe MMdun, eine aonnenüchrlante
Schaar, wenden auf den Wiesen umher das Heu. im
Tale herrscht sUdlündische Farbenglnt, am Horizont
leuchtet der Schnee. Er forecht nach dem Namen
des Orts, hei dem sicli Süd und Nord begegnen, er
erfährt, dass er in L&ibach sei und beim Klang
dianet Namena steigen ErütoemogiBn In ihm empor:
Kin cigensles Krinnera
Kmaebt mis kiei mit Recht:
Von l.oibach rind aiMgegani^n
Meis Name und mein OetcMecht.
Am Knecfateeliaft dar PapMoa,
Am bartcB DimIc, enUmna,
Im Sold der bUwselben FahM,
UlOcklich ein flOrlitVer Uaaa.
Er nahm de« 8Ud«n'< Soone
All Wexkott in den .<inn,
Doc TofKlaa wie« den Pfitd Um
0 Zun Solnea d« Naidau Ua.
Nun läebolnd «chAncs L&ibach
LieifKt du b«reit zum Fang, *
AU forderteit du mich wndov
Bai meÖMW Naoiena Klang.
^Qaicht apdi* ich dein Erb«
In meiDe« Blute« Brand;
Doch glaob' mir: Nicht« entreiM mieh
Je meinem «ohwedi*chen Land.
Der Dichter aagt weiter, daas sein Dank nnd
•efai Sang nach sehwedfacimr Weiae klingen, daes er,
obschon sonst frei wie die Lerchen, an Sehwedan feit
gebunden 8«L Und dann heidt et:
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No. 14
tlS
Doch wie ich io der Roke
Am FetMtor tr&ump frei.
Da achlaffen ihri^ Auuen
Auf di» ueliabUTi Zwi,
Von meines Jungi-n I.>{<)i<-n
Frisch wie der Mor>jt'D H)trinf{t
ll«iM Sprache — meine «igne üpnciM,
Di* «mimImII «fcUaii.
Nicht nur in diesem llel>enswünliß:Ln (iifiirht,
wadero aach io einer ganzen Folgt; anderer Dich-
tanfeB der vierten Sammlung gewinnt die tiefe
Heiuiatliebe iles I)ii'liter>, <iie Hingabe desselben an
Vergangenheit and Oegeowart seine« nordiaclien
Landes Gestalt nnd Farben. Die sehwediacben Bil-
der, die einen puten Teil der zweiten unfl Iritten
Oedicbteamnüong Graf Snoilsicys abgeben und ihn
nun fdeHinaten nnd geaehtetaten der neuen Bal-
ladendichter Schwedens geni;u1it haben, finden hier
in den Gedichten .iDie weiße Fran'', .Swedenborgs
Garten", ^Ein Abend bei Fran Tjenngren" (mm
hunflertjaiirigcn .TtihüSniii ficr M'liwnlisrlu n Akiidemie
der Achtzehn, deren Mitglied der Dichter L!«t), „Der
dniielmte Virx' flire Fortmtznng; aveli daa grSlere
Gedicht „Aunmi Könifrsniark-', welclies die SHtiim-
lai^r einleitet, gehOrt in gewissem Sinne zu diesen
•diiredladen BOdem. Befan Vergleich dieser Dich-
tungen miteinander un<l vollends beim Vergleich mit
den früheren Sehen der „Schwedischen Bihler" wird
ea innftchst klar, dara Cail SnoiMy weit entlbrnt
von allem ßänkel^ingertnni der ßalladen- nnd Ro-
inanzeuiJoe»ie bleibt. Er behandelt jeden seiner Stoffe
in einer Weiae wn Innen heraaa, dass «jeh nicht
cnr eine eigenttimliehr metrisrhe Frtnn für die gnind-
verschiedenen Aufgaben ergiebt, sonderu andi sprach-
üefa Jeder einzelnen Dielitang ein eigemster Hauch
7.n Teil wird. Will man die nis.'^liclie Fiiterscliei-
dong zwiivdieu niük'udeu und töneudcu Put-tci) tej^t-
balteii, 80 gehört Carl Snoil»:ky unzweifelhaft zu den
ersteren, obschon es der sriiwi'dischen Si»riii-he am
Kelz des Klange-S in alleu .seiuea Gedielit-eii wahr-
lich nicht fehlt. Liegt doch ein Hanptrerdienst
dieses Lyrikers nnd lyrischen Epikers darin, der in
Nachfolge Tegn^rs konventiun«!! gewordenen .^chwe-
diseben Dichtersprache einen Strom frischen Lebens,
nnalicher Unmittelbarkeit zugeführt nnd den Beweis
srbradit an baben, dass diese Sprache noch im höch-
sten Maße känsüeriscb büdnngirifthig iaL Selbst ein
Fremder vermag zn erkennen and zo empfinden,
dass zwischen der knapp gedrängten, an eigentfim-
Uchen Wortbildungen und Wendungen reichen, die
lebendigaten Anaehannngen und tiefsten Stinunnngen
in trei^deo BOdem verkör|)ernden Spracbe diesen
Dichters nnd der etwas verwaschenen . sicii in All-
gemeinheiteil bewegenden poetiecben £>iktioa anderer
BcliwediadMB Lyriker ein betrftehtifcber üntentchied
waltet. Wie ronss dieser rnt*r>rliie(l erst vuti den
Landeskindem sdbat empfunden weiden, wie er-
tMkuA ä» eelate SelbstliMiiffkflit <»irken. mit wet
elier dar Diditer den vwncMedeaaten AnllMn eis
; Gediebk von retfinr nnd eattener Btgenart abgowinnt.
j Der vierte Band enthalt eine ganze Folcfe von vidl-
i endeten Gelegeoheitsgedicbteo im höchsten Sinne.
I Wae wir von dein individneilen Olana nnd Dnft ein-
zelner Balladen rühmten, das gilt in ßrleichem nnd
höherem MaBe vou den lyriüdiea Gedichten. Die
Sammlung schließt mit einem Gedicht ,Anf J.
P. Jakobsens Tod*, dem Andenken des fräh ge-
I schiedenen dänischen Dichters gewidmet. Wer je das
tief eigentBmliche Buch „Frau Marie Grabbe" ge-
lesen, der erhückt in Snoilskys fi'edic.ht einen leuch-
tendeu Widers<-liein der Eigenart de.> (Je^jchiedenen.
In ähnlicher Weise charakteristisch erschienen die
Lieder und Bilder „Aii< dem Nurihn" nVorrifrän),
unter denen wir die grundverschiedenen nnd doch
gleich schönen „In der Papierfabrik von Valkiakoski",
,Bttttvik^ IjegUiekte Tage zn Sandshamm" beaonderN
henrorheben mficbten. Unter den Sagen enthüllen
nächst dem prächtigen Gedicht „Ginera", die alle-
gorischen „Daa neue Aachenbrödel" und „Die Wande-
rung der Poesie", am ersten das innerste Empfinden
des Dichters, lassen den dunklen Quell erblicken,
aus welchem die elegiachen nnd tiefernaten Stim-
mungen hervOTStrAmen. die in fast nUen Gediditeii
SnoiUkys vorwalten. Der Dichter ist von dem Weh
irdiacher Iteecbr&nkuag durchdraogen, er weift sehr
wohl, waram in der Poerie NenieiH die glück-
liche Harmlosigkeit und der Trauiu ?oIdner Tage
niclit völlig wiederkehren wollen. In seiner „Wande-
rung der Poesie-' erzählt er, urie ridh die adiBne
Muse der Poe.sie ans dem Kii-isr' iler Selis^m **eg-
seiileicbt, iliren Korb mit frischen Bosen füllt und
einen dnnklen Pfiid niederwärts antiittt
Auf Tr«|»pMitiilSui, unter TropliiteiulMifftB
üinir «ie »nr HOhle dunVIer Hoi hin«i»,
i^iii !r5*ti'lt«, die Ooldsandalun lOj^uu
Ufirii Schritt nch foft .itii ',chl(i|i(rit{<!n i;t'>t*io.
Sie kam hi«i »ah! Da ruuxcht« uu< dem c>ohw«||ea
Eid Köcb*ln wie n'r«i.hlaiiiiiit*r Strom rin^om.
Dem Korb eutgt^^:!-» luA+fifr HrlIl.l<^ Strt.'cki'n!
Doch Ml die BIuiii«d tiei der K»ckri 6ciiein.
Bb JiAhaedlehtw UaMtar Maid lom SduMhM:
8w bfiagt aar BioaiMt BlaaiM alttriti!
' Wohl floh «ie belmwftri« bei dM HohaM Gellcu.
Ini Obr den Schrei, den beieern. lomgeechweUt, — '
Und droben «pielten dor Kaskade Wellen —
Doch war Terwaodolt drs tiennasri W(>)t.
Die Seli(^n aas heitrer Tr&aniu Wik^i q
Krwacht, be^^Oten sie, die «chitn unii UoM,
Anf ihren Lappe« aber will reraiegen
Dar WaklbnMrom aad Kowa atm» m nelit
Mit dieser Erkenntnis hängt die tiefe und ^aite
I Teilnahme innig zusammen, die der aonat männUche^
I lelienBth)lie,ja«ehÖBli«ttstrnnkeneD{ebteraIlemm«naeb-
lii lien Leid gegenüber bewährt. Ein ^i winnender Zu;;
der Milde, der reinen Menschliclikeit geht, wie durch
die IltercM, so nach dnrch die jüngsten EMcbtaagian
des schwediaeken Lyriken bindnireh, aber leitet nioht
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tl4
Da
In b- nd
Vo. 14
inr SehwldM md nfigtod mr tehHiaftMi BeiexioB.
Die sinnlifhp Stärke und P'iisfhp, die scliÄrfste und
feuste Unterscheidung des l'wtischen und des bloß
Thetatiwsb Ethischen verlisst den Diditor ke(n«B
AtijrenWick und bei der innigüten Hin^,'('^n^E: an all-
geuiuine Fragen vergisst er nicht, da&s die hraijeu
lieh in li'iilenschaftliche Mitempfindang, in Anschan-
nnp. in Fleisch und Blut wandeln müssen, iu vor sie
der roe»ie etwas angehen. Die starke Wiikinifr des
Dicbtsi« beruht darauf, daiis er durch eine Wt lt voll
widersprechender Empfindungen, schwerer Bangnisse
und Zweifel in der Zuversicht liinschreitijt, dass diese
äcUlildieittrotl allem, ihre erlösende Kraft nicht völlige
verloren hniM. Und Graf Snoilsky ist wie wenige
beflhigt, die charakteristische 8chr»nlieit gar vieler
Erscheinungen und Momente wahrzunehmen und fest-
znhait«!. Unverkennbar «ind einige der henror-
rngenditen deutschen nnd franzOsieclien Dichter aaf
seine Entwickeinng vcm Einfluss fr>-\v i scn , ulu r nir-
gend« erscbeint er als Nachahmer, nirgend richtet
aieh seine IndiTidnalitKt »n dem Stabe einer anderen
eni|M»r, überall Im walm er jene frische EtnpfRnglich-
keit für alle Herrlichkeit der Welt und jene ernste
sdilichte Ruhe, di« bei poetischen Nordlftndem, un-
beschadet ilinT Ki^iiMiart. als gemeinst iiitM (ii luiilziip
wiederkehrt Verstehen wir gewisse Zuge und An-
livfe in Oraf Sncrflskjn neuesten tiediehten richtig,
80 ist der Dranir nach ein''i Ln-stalteinleii Koiizhu-
tr&tion seines nichen und grulicu Talente, nach Be-
wütifunir irrOlerer Stdfe te ihm lebendig geworden
und wir rlürfcn li^ffim, dem I>ifliti'r in gleicher Frische,
in gleich ernster, gleich gewinnender Kigeiitiimliih-
keit bald in tiaw grOteren SehOpfung wieder zu be-
gegnen.
Dresden. Adolf Stern.
TdstoTs „nacbt d«r FinsteraUs" in Tbeätre Libre.
Im Fcbruni J*-.s Jahres gelangte das obenge-
nannte W crk dts, Dank der Gönnerschaft Turgen-
jews, auch in Frankreich schnell berühmt gewordenen
russischen Dichters im Tli6&trc Libre unter großem
Beifall zur Darstellung. Die Teberselzung stammt
ven Pavlosky nnd M6t6niei un l ist von Tolstoi nicht
nnr gebilligt, sondern auch verbessert worden, so dass
sie also, um einen Lieblingsausdruck der dem Dich-
ter in mancher Beziehung geistig nahestehenden Na-
tnralisteD zu gebiMcben, einen doknmeatarischen
Charalcter beeitxt Das misisGhe Original ist hie
nnd da verändert und gewisse Ausdrücke sind g^
miUert «erden, aber doch nicht so sehr, das* die
Eigenart des Werkes, die brntaie Wahrheit, dadurdi
verwischt worden wäre.
üevor ich die «Puissance des Tentöres** bespreche,
«iBige Werte über das Thifttre Libre and die in Paris
herrschende Kussoroanie. WKlctif sich auch aof dem
Uebiet« der Litterator deutlich äußert.
Das ThMtre Ubre idaimt anter den Pariser
Bühnen eine Ausnalnnestellunp: ein, »h-m es itffnet
seine Pforten nur alle acht Tage, und zwar nur wäh-
rend der Theatenaison, hat kein zahlende« Pnblikum
nnri sptzt srinrn Abnnncntpn fast nur litternrisi'lie
Leckerbim-n vor, wekhe meist von ilen mitiiralisti-
schen Köchen oder, allgemeiner gcla.<st, von kiihntm
Neurem zubereitet wurden. Das Publikuni tn.^teht
im Wesentlichen aus Feinschmeckern, udthin und
darauf wollte ich lünaiis, — giebt der Eilolg im
Theätre Libre noch keine Gewfihr für einen .>idchen
in einem anderen Pariser Theater, wo sich das zah-
lende Publikum aus den verscidedensten Elementen
zusammensetzt. Augier, Dumas, Sardou haben die
Aufführung de.s Toktoischen Werkes fUr nnmSglieh
erU&rt, Zola hat sich im entgegengesetzten Sinne
ansgesprocben. Wie es htM%, wird es früher oder
sputer im Vandeville-Theateranfgelabrt werden; man
wird sich also bis dahin gedulden müssen. Da in-
desiwn Zolas Assomoir s. Z. an hnnderi Auffiihmngen
erlebt hat, so ist es sieherlieh nicht nnmSglich, dsss
man auch die viehisciie Truiikmheit der russischen
Bauern ertragen wird, und zwar um so mehr, als es
der ,.M«cht der Finsternlss** im Uebrigen an groten
Vurziiiren iiiclil fehlt und man in Paris den russi-
schen Dichtern ungeniäu wohl wiU. In Verhältnis-
miBig kurzer Zeit hat dch der davisehe Roman dort
Piirsri'ni'clit ci worlieii . und schon F^priclit man von
der Gründung eines TU6&tre Michel, auf dem nur
nuäsche Dramen daigenteOt irerden seilen. Diese
Bevorzugung der russischen Litteratur, welche sich
weder mit der deutschen, noch mit der englischen,
Ja vietlelcbt niebt einmal mit der zeitgendssischen
italit^nisrbfn Litteratur messen kann, ist vor%viec"f'nd
politischer Natur, wenn auch andrerseits die schon
erwähnt« Verwandtsclia Ii der litterarischen Tendenzen
in den beiden mit einander liebäugelnden Ländern
nicht geleugnet werden kann.
Auf den ersten Blick hin scheinen freilich Zola
und Tnlsfoi wcni? miteinander gemein zu haben, deoD
der eine ist ein Atheist und .Mat«riali8t, der andere
ein Theist, ja Mystiker. Und doch steckt in den
Werken beider ein sozialistisches Element, wie deaa
auch beide die idealisierende Form WTSchmIhen.
GltlA unerbittlich in ihren dii htcrisclien Konse-
quenzen schildern sie beide die Welt als ein Jammer-
tal und ille Menschheit als troatloe verworfen.
In der Tat, -- welch eine Welt, die uns in der
„Uacht der Finstemiss" entgegentritt! eine rassische
fianemwelt, deren geistige Verfinsterung die letzte
Ursache all der Greuel ist, di«^ dir rilchtiT vorfiilirt.
Die Unwissenheit, der Aberglaube und Uaad in Hand
damit die in Rnssland in der Tat nnr n vei^
breitete Ti iniksurht! In diesem Duiistki-eise der Ver-
rohung hat die Macht der Finsternis uatürlich leichtes
Spiel, nnd eine Sdinld zeugt die andere.
Das ist der Grundgedanke de,«; Wtrkes, das mich
in seinei' schauerlichen Folgerichtigkeit - mutatis
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Nft. 14
Dm JUgHda Ahr 4U Littmtw dn In- «ad AubadM.
tlfi
mataatUs — an Wagnen NibelnBgenriiiir erinnert
hat Wip liier das Gold allen, die e>: in HSiiden
iiaben, verliäng^svoll wird, so dort die Unwisseobeit,
dn Verkommsnbeit des manscheii BanenuUiHfa» den
lleldfn Tnlstni». Bei dem einen Dicliter handelt es
sicli um einen itbilusophi.sclien , bei dem anderen um
dnea poliüsoben Orandgedanken. Es Hegt anf d«r
Hand, daf^s das Wagnersdie Kinistwerk finen nlljrp
mein menscbiichen Inhalt bat, wtilirend da^yenige.
Tolstois nur für rusnsche Verbaltnifsse passt. Die
Habgier ist flllerorten ^leicli, die Unwissenheit nicht.
Die T<jl>t<iiscli9 Hnndlung setzt einen bestimmten
Grad jtnor Um» issnihcit voraus, der für uns Deut-
sche und die übrigen Kulturvölker nur ein sittentri;
schicbtUches Interesse Imi. Mitbin i:»! die „MacUL
d«r Itorternjai" kein Kunstwerk ersten Kanges und
kann unmöglich, wie is in einem russischen Blatte
geschehen ist, mit duu i'ragödien eines Aeschylos
verglichen werden. Aber wozu den liöohsten Mass-
stali anlegen! Wenn wir uns die Sittendramen der
tranzöslschen Dichter gefallen la.ssen, warum nicht
Rlicb die der russischen? Die blasierte Pariser Boule-
vardwelt ist wahrlich nicht interessanter, als die
trunkene russische Baucrnwelt, ja, der Rausch der
Eitelkeit ist auf die Dauer nodi mertrifBdier, als
der des Schnapse».
Gleich im ersten Akte kommt der in den t'rau-
//isiscbea Stücken so beliebte Ehebruch zu seinem
Hechte oder vielmehr — Unrechte, .\nicia, die
jugendliche Oattin des ewigem Siechtum verfallenen
nad dämm von ihr geha.sst»'n reiclien Bauern Peter
Hebt den Knecht Nikita. Und mit wie richtigem
draniatiflchen Instinkt der Dtehter, — wold wissend,
duss die BewegQDg das Lebenselement des Dramas
ist, — diese verbrecherische liehe wirksun heraus-
arbeitet! Akim, der Vater des Knecbtes, — beHinfig i
bemerkt, das Mundstück der dichterischen gottes-
fiirchtigen Moral und f»*t die einzige sjrmpatbische
Kignr In Werke - will Nlklta snr Ehe mit der
von ihm verführten .Miirina zwingen. Aniria ist '
«ulier sich, flndet aber in Matrooa, der kuppleriücfaea
und ehrgeizigen Mutter Nikitas,eioe mtetatige Bundes*
genossin. Sie begiiiivtigi das ehebrecherische Ver-
hältnis ihres Sohnes, denn tue rechnet aui den Tod
Peturs and zieht die reiclie Wittwe der unvermrtgen-
deii M;trin.i Scli\^ i'^pertochter bei Weitem v(ir. ■
Mikita schwört einen Meineid, dass er U&riaa niciit
verfahrt habe, der Vater giebt seni^Miid nach und
il 1 Liciihulif-r Anil ins wird noch ein Jahr länger im
ilause seines Dieusthenen bleiben. Der Ehebruch
TeraidBsst dm Meineid und der Mdneid eritiligUeht
die Fortsetzung iles Ehebruchs, der, wir ahnen es
bereits am Scbluss des ersten Aktes, nocit schwerere
Verbredien stur Folge haben wird.
All dicsi' Fijnu'U shvl meisterhaft gezeichnet:
Matrona, die bäurische Lady Macbeth des Stückes,
Nikita, der SeliOaste im Dorf und verwohnte Liebling
aller DorfediAnett, nielit Uesrti^, aber trig, wiUen-
lea, nnd gam in der Qewalt «einer vwwdiinititBn,
gewis.senlosen, nnr ihn Hebenden Ifn^ter nnd der rinn*
Liehen Anicia!
Im zweiten AlEte treiht If atrooa mit teufiiseliar
üebenedttngskunst Anicia zur Verpiftnnjr ihres Gatten,
den (ne nodi vor seinem l'ode des t^iglich an einem
anderen Orte verborgenen Geldes beraubt, um es
wicJerstrebend dem Geliebten zu gebpn. Man rnnss
ditiäeu Akt lesen, um die Kunst zu uuidigeu, mit
welcher der Dichter den inneren Kampf der Bäuerin
zwischen ihren Gewi.ssensskrupeln, ihrer Habgier und
ihrer sinnlichen Liebe gezeichnet hat.
Dei dritte Akt spielt neun Monate spftter. Peter
ist (restoi lu ll, Nikita hat Anicia geheiratet und deren
und imiimtJu- auch seine Stieftochter .\kulina zu
seiner Maitresse gemacht. Le otnage ä trois! Wie
widerwärtig ist das alles tind — wie walir! wie
folgerichtig! Anicia imile mit ileiu i\.iiei:hte die Ehe
gebrochen, der zum Herren Gewordene tut ihr nun
in demselben Hause dieselbe Schmach an Er kann
sie um so weniger achten, als er von ihrem Gittnioid
weiö; zum Trunkenbold geworden, vei schwendet er
das von ihr ererbte Geld, an dem sie mit b&nrischer
Habsucht hängt. Die, welche einst ihren ersten
Gatten miaahandelt hatte, moia nun die Tyrannei
des ZM'eiten ertragen. Sie vermag sich ihm nicht
einmal zu widei-setzen , denn sie liebt ihn und das
Scfiuldgetülil drückt sie nieder. In einer ergreifenden
Szene redet der alt« Akim, der die Trunkenheit seines
Sohnes nnd dessen ehebrecherisches Verhältnis be-
obachtet hat, dem Sohne vergeblich ins Gewissen.
Keine Münte l&nger will er dessen Oastfrenndscbatt.
genialen und lehddend ruft er ihm zu: ,.Brwaehe,
Nikita, habe ein Gewissen!" Dieser Abschied hat
den Trunkenen ernüchtert und als der Vorhang
.Mnkt, bricht er in Trinen ans: „0, mir ist wAe
ums Herz'"
Wie richtig das Stück gebaut ist! Den Höhe-
punkt der Handlung bOdet das strifliehe, betnahe
i)lutsi händerische Verhältnis Nikitas zu .\kulina, das
im vierten Akt die JCatastropke herbeiführt. Wir
sehen den Helden auf der höchsten StaflU seinen
vermeintlichen Glücks. Am SehhtSBdea dritten Aktee
begiimt bereits die Umkehr.
Der vierte Akt ist der ergr^eudste, aber aneli
der granenerrecremlste. Wenn mir der Raum nicht
fehlte, würde ich ihn mit dem zweiten Akte dea
Macbeth, der offenbar vorbildlieh gewirkt h»t, nus-
fillirlii li v<Tg!ci( lien. Hei Shakespeare ist das Gräss-
Itdie durch die Geislusgrulle seiner Figuren, durch
die Hobe ihrer Kiele, durch die gedankentiefe Spradm
unl eine wi^nderbare Symbolik di-r Gegensätze in
den auf einander folgenden Szenen gemildert, bei
Tolstoi nichL Ich bilde mir ein, kein «e v«rxarteltes
Gemüt 7,n haben, wie derfranzusisclie Theaterliesncher,
«bei ich gestehe es offen, dieser vierte Akt des rossi-
sdien Dtehter* ist mir deeb »i ^ ja, wie ea nennen?
— tn grobtragiedi» m naturalistiadi, m granenvoU,
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trotzdem es ibtn, wi« gmgt, w«hrlkli nklit «■ trs-
giRcben fiebitltf fehlt.
Das Vrrh»iltnis Nikitas zu seiner 8tieflocliit«ir
bleHit ■ieht ofnie FoI);en, dkse — l''olfr8]i aiod straf-
bar und dpren Eiifd^Tkuiin: crsclicint wm so jrcfjilir-
droliender. als im viVrten Akt ein Biiiicr uacli rassi-
schi r sitto für seinen Hohn um ÄkttUna wirbt Wieder
ist «i Matrona, welcbe zur Ermordiirifr des Neagebo-
renen rät, zn aiiwr Ermordung, mit der verglicbeu
der friibere Giftmord nur ein Kinderspiel ist. Anicia
TWböndet sich nämlich diesmal mit der Scbwieger-
nintter gegen Nikita ; sie will, dass auch er enipfinile,
WM «K hejBt, einen Mord ru>f <hn\ Gewissen zu haben;
sie will liidi ftberdiej; tiir diu iiir angetane Schmach
rächen: der Vater muss sein eigenes Kind umbringen;
wo nicht, bringt sie alles ans Licht, gleichviel ob sie
zum Tede vernrteiit wird oder nicht Und der Vater
echaiiMt dem eigenen Sünde imKelkr ein Grab und
t'idtet es, indem er es unter einem Brette zerquetscht,
itnf das er sich aetttl Dann hfirt er daa Wiinmera
des sterbenden klebten Wesens, snerst in Wirklich-
kt it, dann in der 'Stimme seines Gewissens. Heinahe
wahnsinnig, will er sich an Wdb and Uutt«i- rüchen,
hebt den Spaten gegen sie auf . . neSn, alles das
ist wirklich gar za «rratisiß;!
Der fünfte Akt^ dessen Schüderuag der Gewisseos-
peitt an die Udsterswuen der Zblasehen Th6rtee
Raqtiin erinnert, ninss ans ilicliterisclieii Grünllea
tragisch enden; ob dioiesEode realistisch ist, bleibe
dahingestelM. Bei der mit Sdraapshekaitomben ge-
feierten FTiich/eit AkiiliriHs let^t Nikila ein offenes
Bekenntnis seiner Schuld ab and der Vater segnet
ihn ndt den Werten: «Oott wird dir veneiben, ge-
liebtes Kind; da hist dieb nidit vwtcbont, er wird
dich, verscbonen."
Aaeh bei diesem sieh dnrebaos nicht absehwft-
chenden Schlll.^s^lk!e erkennt man wieder recht deut'
lieh die dramatische Begabung des Komaniiers darin,
diM er gerade die Hocbseit Akolinas, — giriehsam
ein Ehebruch vor der Hochzeit! 7:nni Anlass jenes
ächaldbekeontnisses wählt. Der Eliebruch hat Nikita
an XdnddigBn and som SndesaOrder gemacht,
man begreift, dass soin Gewissen vor der Befriinsti-
gung eines neuen, vor einer neuen Täuschung zu-
riekbebt.
Alles in Allem ei» hocbdrsmatisehes Werk!
Paria. E. ven Jagow.
CMiki hnt to der CSchhaoscisehei übsebrift.
Vra Biohard W«li>i«k
„Es ging mir wie Sul, dem Sotaia Kis*, der
auszog seines Vaters Eselinnen zu snchen tmd «in
Königreich tänd" — mit diesen Worten leiicl Ki ich
Schmidt den Berieht einer Auffindung ein, welche in
der Geschichte der Littentor (Br inuner denkwürdig
sein wird. I>enn nichts Geringeres hat sie ans lidit
gebracht, als Goethfs Faust in ursprünjrlicher Ge-
stalt, oder, genauer, die Faostdichtung in derjenigen
I Gestalt, welche ihr Cioethe in den Jahren 1773 bis
1775 gegeben liatte. in derjenigen Zahl nnd Reilien-
folge der Szwieu, welche Goethe iiu November 1775
nach Weimar mitbrachte. Der Leser kennt den Her-
gang der Entdeckung: „Um die Arbeiten der Goethe-
gesellschaft zu fördern, erbietet sich der Groünetfe
des weimarischen Hoffräoleins Luise von Gi3chbaasen,
Herr .Major von Göchliansen zn Dresden, den Nach-
lass der Längst verstorbenen zu zeigen; im Auftrag
der (iroßherzogin Sophie von Sachsen- Weiiuur rekl
Erich Schmidt zu .\nfang des Jahres 1887 nach
Dresden nnd findet, ein Sonntagskind, in einem
j Sammelband von Aut'zeichuuiigen und Auszügen, welche
j Luise von tiöchhausen seit 1766 niedergeschriebea
f hatte, einundzwanzig Szenen des Goetheschen Fsost
in einer älteren, von der bekannten vielfach ab-
weichenden Fassung. Beate liegt im Druck vor, was
die Handadnift mehr sls «b J^abrhandert stAI be>
wahrte •)
Das Friolein Luise von Güchhausea, die Uol-
dame der Herzogin-Mntter Amalia, die /rhnsn^e'
der weiinarischeu Ge>e]Iiiehaft , ist von Zeitgenossen
und Nachlebenden nicht immer mit Billigkeit bear-
«dlt worden. „Ein verwaefa8t|Ms and mcquantes
Gesi'liöiif" nennt sie ■^'rlnller in seiner scharfen Art,
nnchdeoi er in Tieffurt zuerst ihr begegnet war;
und dodi hatte sie damals die Arl^ilteft, dne Beec
für ilin zu breeheu. Auch in späteren -Talireu besaß
sie nicht sein Vertraaeui als Kömer ihren Umgang
ansehend fiiod, sdrrieb Schiller dem Freunde zu*
rück; „Die GochliaiLsen ist eine Person, wie man sie
an einem Hole nur wünschen mag. Obgleich keine
Aofrlehtigkeit von ihr xn erwarten, so ist es an
ihrer Stelle sojjfar Pflicht, jedem es wohl zu machen,
etwas Verbindliches zu sagen oder zu tbou, und die
heterogenen Elemente dureh ein gewisses Stndinm
der Schwachen zu vereinigen." Ein sehr zweifel-
haftes Lob, wie mau sieht. Aber Schiller liebte an
dfln Frsuen das Zarte, das Sentimentale, andi das
Pathetische; sein weibliches Ideal hieß „.\nmut und
Würde", und sein Urteil über weimarisdie Verhält-
nisse war beeinflusst durch Üharlotte von Kalb wie
später durch die Schwestern von Len^efeld. Lui.se
vou Göchhansen war uut einen anderen (irnndton
gestimmt: sie stand mit den Gestern schalkhaft spru-
delnder Lenne im Knnil, sie war tnat willig, neckte
und wollte geneckt »ein, sie ließ ohne Zwang sich
gehen und rümpfte über einen Scherz, auch wenn
er derb war, nicht leicht das Näschen. Ihre Zunge
koüüttä spottea, aber Personen, welchen Mutter Natur
eine Unbill angetan hat, tragen einen geheimen
I Stachel im tterz», and ihr rciabarer Qeist fühlt die
*) „GoethM Faust in anpranglicber Gentalt." N»«b dar
, GOchhaoaeoaubM Abachrifl he»tt«K«geb«n voa Kri«h Schuidk.
I Zwwtw aWraek, IMBs Vmmt, nSüau.
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Du HiiMik Ar 4b Utlntar Ii* nd Anrinte.
817
Pflicht, dnreh doppelte Welirhaftflfceit die HSniErel
der küri)frli(hen Erscheinung zu deckten T,ui-o von
Ofidthaoseit war dennoch der Uerzenswärmc faliigi
irir hnben aneb tob Anderen «fo von Kttrner das
Zeuffnis, dass sii' auf di»' Ges-llscliafl einen wohl-
tätigen Einfluss Übte, dass m eine behagliche £xi-
Btem am aldi m Teriweitea warnte. Beging de In-
diskretionen, ?n flrissfii (liest? ans itirciri TemperaiDCTt,
nicht BUS bOsem Willen. Auch war ihre Ungezwongcn-
heit nidit üngetamdenbeit; Rnehel rBbmi vielmdir
ihren ..strenpo TnoraUschen" l^inn. T?f'fr,iii (".'fistes.
emplaogUch tnr Dichtung, hat »w. den Welmariscben
Htm eine lirMradlielie StKtte bereiten helfen; «iid
dankbar haben es diese geftipt, diiss der N'nnie Oöcb-
hauseo von jetzt ab mit der litterari!«cben (beschichte
der grtftten raehtnni^ Goethes ▼erknüpft bleibt Goethe
hnt in dPTi ei-sten Jahren sein«**! Wfimarischen Aufent-
haltes wiederJioit Iwi Hof oiler bei Vertrauten aus
dem Faaüt vorgelesen: jto lernten Wieland, Einsiedel,
Knebel Teile der Diclitung kennen. Gleich ihnen
wird auch J^uise vou (ji>chliausen einer Vorlesung
l)eigewohnt haben, nnd, wie es scheint, hat sie das
Manuskript von Goethe sich «nief^lu t- ii Ob sie die
Abschrift mit Rrlanbnis des DicJiters machte? Wir
wissen es nir iii, uiul s« darf man die Galanterie
haben, einen Missbraucli nidit anznnehitieu. ObOoethe
die Veröffentlifhung. welche beut« vollzogen ist. mit
IJnmnt Ȁhe? Man liebt es nicht, die abgestreifte
Schlangenhaut sich wieder umlegen zu lassen, und
wie eine Versagung lauten die von Erich .Schmidt
selbst illierteii Vene:
..l^kNs .iix.'ii. <iu li.ilb vollbnaht.
Mich and andr« kenorn!"
W«U «• «M MT kr* mMM,
Waltep wW» w^Ammmtn.
Aber vir wissen auch, dass der große Dichter
keinen höheren Wunsch kannte, als dass seine Na-
tion lerne and lernend weiterachreite, und nicht irre
gCBBcht, nur gefl^rdert, gefbrdart ta SifMutoto vaA
Liebe, werden die h# ute Lebenden dnrdi die 7erBflbal^
Uchang seines Jugendwerks.
In Goethes ^taHlnlsdier Reise" flndet ileli, da-
tiert „Korn, den 1. März 1788", jene der Korrespon-
dens mit üenler zagehörige, für die Geschichte der
Fanstdiefatong hoebbedeatsame Stelle, deren Ter*
gegcnwfirtigung für unseri' Zwecki' dienlich «ein
mag. Goetiie schreibt: „Es war eine reichhaltige
Woeh«, die mir In der Erinaerang wie ein Honat
vorkonnnt. Zuerst ward der Plan zu Faust gemaclit.
nnd ich hoffe, diese Operation soll mir geglückt sein.
Natfiriieh ist es ein ander Ding, das Sttek Jetst
oder vor fünfzehn Jahren auszuschreiben . ir]i denke,
es soll nichts dabei verlieren, besonders da ich jetzt
glaube den Paden wiedergeronden m haben. Aneb
wns den Ton des Ganzen lietrifft. hin ich getröstet;
ich habe schon eine neue Scene ausgefiihrt, inul
-wmui ich das Papier rindere, so dfldite ich, foUte
■de mir niBmaiid «na den «tten beransfinden. Da
I ich dnrdi die lange Rnbe nnd Abgeschiedenheit ganz
nnf d;is Nivean meiner eigenen Exist^mz zurückge-
bracht bin, so ist es merkwürdig, wie sehr ich mir
gleiche, nnd wie wenig mein Tnneres durch Jabre
nnd Begebenheiten gelitten lial. Das alte Mannscript
macht mir manchmal zu denken, wenn ich es vor
mir sehe. Es ist noch das erste. Ja in den Hanpt-
srenen jrleidi so nlmc Toncept liiiifreschrlpben: nun
ist es so gelb von der Zeit, so vergriffen — die
Lagen waren nie geheftet — . so mUrbe und an den
Bändern zerstoßen. da!5S es wirklich wie das FrHg-
ment eines alten Codex aussieht, so dass ich, wie
ich damals in eiae frflbere Welt nicb mit ffinnen
und Afinpr vprsotzte. irh mioh jetzt in eine MlbSt-
gelelde V(»r/.t;it wieder versetzen muss."
Ohne Zweifel waren es die Mer beaebrietmea
Fanstpapiere, welche der Gfichbnn'^ensclien Absrhrift
zu Grunde lagen. Möglich, das* »ictttli«*, als er das
Manuskript verlieh, ans den losen l.>agen desselben
einzelne Blätter herausnahm, welehe fliicdfipe Kin-
f;il|p, skizzenhafte Andeutungen über ilic l'urtfiihrung
enthielten; aber sicheriidl war keine der spAter ver-
rdfentlirhten Szenen ausgereift oder auch nur zu
einem vorltiiifigen Abschlnsg gebraclit, als Luise von
GC4:hliausen die Handschrift empfing. FHe Gdch-
haus.-nsrhe Abschrift bietet somit einen Ersatz für
das von Goethe, wie Erich Schmidt glnHbt, um 1816
Vernichtete Original; nnd die.se.r Er.satz ist um so
H< liätzens werter, als die Kopie allem Anschein nach
von groter Treue nnd Sorgfältigkeit ist. Somit be-
I sitzen wir nunmehr den ersten Teil des Goetheschen
Faust in dreiwki Crestalt: l. in der Fassung und
Szeneareibe der GSehhanaensehen Abschrift; 2. in
der von (Joethe mit der Bezeichnung , Ein Frag-
ment" reraffentliehten Ausgabe des Jahres 1790;
3. in der die vollendete Dichtung enthaltenden Aus-
gabe von 1 HÖH.
(Es ist nicht die Absicht der tolgeaden Zeilen,
das Problem der geaehiehtiieben Eotet^nag der «dn-
ztdrien Teile der Fau>tdichtun? uuil den Prozess der
(PUuschöpfnng einlAssIich zu behaudelo. Allerdings
sollen Fragen dieser Art, da sie doch bestladi^ sidi
aufdrängen, niciit au>ges<-hl(>ssen ldeil)en, aber der
leitende Gesichtspunkt soll hier der io engerem
Sinne isthetisdie sein, auf die Formen und Geoetae
der dichterischen Kunst, soweit fiii deren F.rkennt-
nis aus der Vergleichang der Ausgaben ein Gewinn
n sielien ist. nnd auf die poetische Technik Goethes
S"ll /.un.'uli>t die rntersuchnng sich richten. Zu
diesem Zwecke scheint es geeignet, die £eihe der
sAmmtliehen aeaan^eflindeiiett Swnen an nas nor-
' fibcrjfphcn zu lassen und ihren Gehalt und Bestaml
ian der vollendeten Fanstdiehtung, teilweise auch an
dem fVagment von 1790 su prSfen. Um Jedoch
falsche Ansiirflchf fernzuhalten, iiiarr eine Bemer-
kung vorangehen. Der F&ost der Göchhausenscben
Abaehrift bat achon an den SSgentümlichkeitsn dar
«rthograpliiscben Sclveibung und dkr Idtarponktion
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Dm MbjmIii ttr Ali Uttantvr das !■> tuA AavhajlM.
Na. U
(teine besondere Physiognomie. Die Interpunktion
ist von gruQer Sorglosigkeit; auch die Schreibung
nimmt sich viele Freiheiten. Auf diese Ding^ kann
hier nicht eingegtiugen werden, wenn sie auch ge-
legentlieh hanartreten. Der Güchhausensche Faust
zeigt ferner gegenüber der späteren Gestalt des
Gedichtes eine betrichtliche Anzali! heute veralteter
oder provinzieller, dem Jugendstil Goetlies angehöri-
ger und der Sprache des Volkes näher stehender
Wortformen und 'Ausdrücke. Auch alle Kleinig-
keit4jn dieser .\rt aufzuführen halte ich nicht für
geboten, es wird genügen, mitt«lst einzelner Bei-
spiele auf die Feile, welche der Dichter nachmals
vollzogen hat, liinzudeuten.
£rste Szene. Der voUendete Faust schickt
dem Beginn der Tragödie die Zueiguungsstropheu,
das Vorspiel auf dem Theater und den Prolog im
flimmel voran; die OOcUiaasensche Abschritt beginnt
wie das Fragment von 1790 nnmittelbar mit der
Dichtung selbst, mit Fausts Monolog. Heide schli<'Oen
die erste Szene mit dem Verse: «Und froh int, wenn
er Regenwünner fiodet;" Fausts zvreiteT Monolog,
der Schritt zum Selbstmord, Glockenklang und i Imr-
gesang fehlen also im Faust von 1776 wie im Frag-
ment" von 1790. Soweit iß» erste Ssene der 69eh-
hausensclien Alsrhrift mit der späteren Dichtung
parallel geht, sind die Verse im Großen und Ganzen
die nimlicben, welche die Welt längst kemit; ^e
Untirbchifde sind verhältnismtAig geringfSgig. Die
vier ersten Zeilen lauten:
„Hab nun ach die Fbilotophey
Medizin und Jaritterey,
Und leider aaeb die Theologie
DerahMH itadirt ait triamt lUh."
In der späteren Fassung hat die \'ernltete Forrn
«PhUosophef " der gebräuchlichen und achtungsvoller
lautenden MFiithMOplde* Platz gemaeht; „Jvrfeterei-
durft« bleiben, aber um ili ^ Rt iiws der tlritten Zeile
willen und zugleidi zu Gumsten korreku^rer Betonung
der Silben rückte es vom Ende des zweiten Verses
an den .\nfang desjät-lb-'n. .Hab'* liat wit weiter
unten »Nas'', „UüU" u. s. w. seine Endsilbe erhalten.
Des Reines anf „Medizin" halber, aber andi sam
Vorteil Jes Wohllauts ist am Fmle des vierten Verses
an die SteUe von „Uiih" „Bemühn" getreten. Der
Artiicel vor „RdkMophey'* Ist wie vor „Theologie^'
^^ef^K^'''Hllen, im Einklang mit dem Sp radigebrauch,
H'elchcr den Artikel wegUtost, wenn das Objekt zu
„studiren" die FaknUitswiinenMbaft bUdet Ven 7
der n^chhausensrheti AVischrlft hat statt: „Heiße
Magister, b«i£e Doctor gar* die Worte: „üeisM
Dodttor ood ProfeBBor gar*. »Magizter' paust besser
zur 7.f'it des Faust, die Abänderung hat mittHbar
zur Folge, dass nun auch die der deutschen >:5prache
widerstrebeaden Plnmlfi»inen , Docktors, Professor«"
des 14. Verse."* durch .Dortorcn, MajristiT* einsetzt
werden. Vers 28: .Zu sagen brauche, was ich nicht
weis* statt des arsprängUdiett »Bede von de« was
ich nicht weis" giebt den Gedanken um eine Linie
bestimmter und richtiger! Für «Wlmie* setzt
Vers 50 der späteren Fassung die zur Alleinherr-
schaft gelangte Form .Würmer*. Die in der G5ch-
hanneosdieo Abnehrift hier folgenden Verse:
„Und bi« Ml« hohe GewOlb hiaftttT
Mit »iigetauebt Papier besteckt
Mit ÖUMm BIdmw ringt baeteUt"
hat noethe zu Guu>tt'n des Satzbaues der ganzen
Stelle verbessert, wobei auch der nasulisaige flexions-
lose Daüv der zweiten Zelte In Wegfall kam. Vers 58
lautete urspriing'i ' Sich inn in deinem Busen
klemmt?" »Inn* für ,ianen'',atiefinnen''batwohlguten
Sinn, TeratSftt aber gegen den Gebraoch und worde
von Goethe durch Bbang' i'rsetzt. Höchst spärlicht;
Abänderungen haben die Versreihen eriabren, welche
das Besehanen des UakrokMmnszeiehens nad die
neschwriruiip; des Knt^'eistes It-gleitcn; den hinreiüen-
den Strom und Sturui dieser Worte sdiöpfte Goethe
ans der Urkraft der ersten InspinitloB. Ven 118
lautete ursprünglich: ..All Fnlen M'eh und all ihr
Glück zu tragen-' i seit 17U0 lesen wir: „Der Erde
Weh, der Erde Glflck zn tragen", ffier hat der 7ers
eben.so «ehr an Sclii'^nheit al.s an rrrammatischer
Richtigkeit gewonnen; die nachlässige Schreibung
des jngeiidlicheii Goethe^ die Trenaaag der xnsammea-
gehOrigeu Kompositionsglieiler („P.rdt^n weh") hatte
dem folgenden „ihr * den trugenden Schein einer vor-
liandenen syntaktischen Beziehug gegeben. Dra Ge-
braurh t!e.< jiipeniliclien Lieblingswortes „all" hat
Goethe, wie Kricli .Schmidt hervorhebt, nachmals be-
schränkt Eia barter Vers begegnet VM in der
«jöcbhausenschen Abschrift: .Du! der, den kaum
lutiin Hauch umwittert*; „Bist du es? der, von
olMoem Hauch umwittert*, setzte dafür das Frag-
ment von 1790 ein. Der Göchhau.st uschen Absdirift
zufolge ei-scheint der Geist in dei Fkmuie wiedei -
lieber Gestalliv I.itzteren Beisatz tilgt« schon das
„Fragment". ,.ln widerlidier Gestalt- sapt. nicht
ganz daastlbe wits „sehiecklicii" ; auch der Eindruck
des dem Menschen Fremdartigen und deshalb ihn Ab-
stolSenden liegt in jener ße/.eii'!in»no'.
Der Erdgeist verschwindet und Wagner klopft
an die TbGre; Fanat spricht die Worte:
.,() T.jtl — ich kenn'« — dn^ ist ri. m Kttmtllw! •
L* wird mein »cbOutt«« ijlück xu nicht«!
D)u« die«» FUle der Geeichte
Der tfOAkae Schleicher ttOrea mumi"
I Hier z^ die GSehhansensebe Ahodirift zwei Va-
rianten. Für „Schleicher* steht „Schwärmer"; ohne
Zweifel ist das spätere „Schleicher* bes^r, ist ein
I scblrferer Stiidk in der Zeiehnnng Wagners. Der
/weite Vers aber lautete ursprünglich: „Nun werd
ich tiefer tief zu nichte". Erich Schmidt bemerkt;
I .Interessant ist, dsss nun auch Stellen, die bisher
der Interpretation Schwierigkeit matbfen, durch eine
blulSe stilistische Aendernng zwar formal geklärt,
I aber im Gedanken getrfibt eracheineo: Scberer und
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Sn HigmxiB Hr 41« Uttant« dw h- ud Aoikilni.
Min Schiller A. TJIieh fragten rieh, wie deoii Ftmt i
die niederschiiiettcrüde Cept guung mit dem Erdgeist j
als ascbfinstes Qlück* bezeichnen könne — der Vera
laotet anprünglfeb „Nan verd ich tiefer tief m
nichte', und die eiü:f'ntfiTMlich>' Steigni-ung des Ad-
verb« .... ist von Goethe 1790 ohne strenge Eück-
■icht auf den Gedankengang geSndert worden. Mit
Verlaubt Als Wilhelm Scherer jene Frape aiifwarf,
»tand er keineswegs auf der Höhe der Dichtung. |
Sehr wohl konnte Goethe von «achOnatem Glück* |
sprechen; denn wenn auch die Worte, rnit welchen
der Erdgeist verschwindet, wenn das ganze Gespräch
mit ihm anf nmat einen niederadmiettemden EJn-
dnick macht, so waren diese Augenblicke doch für |
den Uubefriedigtea, der mit der Geisterwelt in Ver-
kehr treten will, der des Lebens GohetmniaBe ao
schauen begehrt, von höchster Bedeutung. Mochte
immer der Geist, „tlieser" Geist sich ihm wieder ent-
ziehen, einmal waren doch die Schleier geri&sen, iretehe
die üliersinnüche Welt verhüllten; und das zu er- |
fahren, zu erleben, wenn auch mit Schrecken zu er-
lelNHt und mit halber Befriedignng, musste für einen
Faust unvergleichlicher Genuss sein, indem aber
Wagner klopft, schließen ulle lüiianel sich, und jetzt
bricht die ganze Prosa und Fruchtlosigkeit und Ueile
des vorigen Zustandcs über Faust wieder herein:
»die Fülle der Gesichte ' , dieses „schönste Glück" [
ist an Ende Ich kann wirklich nicht helfen, Scherer I
aetbat tat hier sammt Ulich in die Prosa geraten,
and seine F'rage h&tte kdue Beachtung verdient.
(VMaitaoiw ftld.)
LHtonriiolw NauiglnHtii.
Am 21. -'.IUI. iieReii Juiires wird im Wiener \'<;>lk-(jurt(-'n
oio UenklBttl Irniii Urlllp»rx»r», »on Prof Kund mLinn , in
Wiun erritlittt wercieii ; «« ilt d«r ticljeiizi(,'>iti-< .Kihicbtüg ili t
enteil Aalliihi iing vrin Onllpftrecra ..-^apphrj- um Burgtheiitoj . ,
Pietur Tag »olite eui Kt'«tliiK nvin IQr iillc Dcutscnt'u ; Jk nipur
gerad« in Grillp«rxer alt« ÜMa, «luitie VVekbl^mt and Cbft-
ndiUviriUaM 4a» P— tuMHerwichew poetucb« Ocatalt m- i
waaa, dwlo lathir Milan wir ibs alt uwcr AUer KefaUr j
Miiiea w wait ia dmWclMr SgnA» gadichtat mbO. TM-
■•ioiht kommt dar Tag. d» wir oiebt mokr voa daatacMMar» |
reicbiach«!! Dichtern reden tum üntertcbied Mb daMn im
R«icbe i mOge der Natu« DeutichlaDdc weni^iteat im gvistigra '
Gebiete der Namf i i>n«t,i<nili^rt'r Kiubi. it m-in.
Voiml» }■ arte de lei A.rulx's eu Espanu j Sicilia, por
Adolto Kederico de Schuck. Tiuducii u dtd ali>uiiii) por
Don J uatt V itlera, d« l» Rtid Acudenua Khjtaftola. Terer»
KdicioQ Madrid, Lclit-h sioh J.e reb4!r»rttuin{ »on Gral '
Sehadu (foeiie und Kuiut dm Anhti lu äpanieD*, eine vor- \
iS rf c b fafamgtM Uebertragung, von der in Spanien «ich be-
ram «faa viait« Aaflage nOtix tnacbt Der IJebenetaer Don
Joaa Valera i«t mit dem vidberilbaitiae Aiilor gtoiahaa Ihr
men« identicch. In» Spaaiicb« glaidifalla ebanatat witrd
V. Schaden , Ueochichto der dramatiavhen Kumt und Litte-
ratar in .s^janirr. ' durub Eduarde de Mier. (Uiatoria de 1a
LiiiTütiirii y di'l urti- dramatico en EspaAa, traducida dirvc-
lamuiite dcl ulciuiin al caaiiellano por E. d. M.) Kioe aua-
fUhiliefae Einieitong über tUmmthche SV<>rke des Grafen
Scbaek iat beigefügt und m. : 1 liil . I .iri' Aninorkungen ; uiu j
wohlgvloageBAi Fortrat de» Ueutaeben Dichtan nach Len- I
badto btkaaataB fiilde iit dam «ntaa Buida taiBiatallt.
Am 20. Hai dieaea Jahre* feiwt Hearik Iksaa Misan
pei-hzigst-pn Ophurtstaj?. 7.ii dif.^pm Zeitpunkt wird eine Bio-
graphie des DichtiT.H viiri Henrik .lUj^er in CbriKlimiia er-
•cbelDen, auf die auch die deutechen Verehrer de» Dichten
ftapaaat saia dfldtaa.
Die Jaiiurirminimer der ,Detit»eheri RundniiHü' (4) ent-
hielt einen trelHichon Aufsatz von U«org ürande« über
Enillo Zola, auf <1cd bicr noch naubtrUglich verwieaen aeia
aoU , weil er daa Scbihboleth dtM . NaturaUamaa* in eioi»r
neuen Weia« deutet, welche der Wahrheit aSher kommen
dOrfle, aJa dia latketiaeh« Tbaorian iiatwtaliatMokcr Meiatar
«ad Qeaellen. _
K^aar tk Oalflaaar tob Henrik Ibaen eradiao
soeben m Reelaoa UaiTanalbibliothek zum ertteo Mal« in
deutscher Uebertettung: „Saiaer und Galilfter." Die Ueber-
tragoDg die««« alleren „weltbii)tori»cheD Scbautplela" be*
aorL't«« E mal Branaewetter. Diiuaelbe rrnm.^ v-erdeut4chte
gUiubii-iliK' P. Qerrmann. Eine biagraphitLdn- Skizze von
Otto Brahm leitet di^i«! Arbeit rin. {'S. Fiaeber, Derlm.)
Band 12 dus ,N<juen Flutiir'.h" bi.raaii^'neben von Ru-
dolph v. G o t L a1 1 , enthnlt tiiiu trc!) Iichu kürzere Goethe-
bioffr^plii« Johann Mo1t|ranfr i. Goptlic vun Adolph ^tern.
N<jbi-n Gucdpkes und llfrimyii »uizüu Abneaen Ober den
L«b<'nii1aut lioeibe« darf die knapp« und uuiaicbtige Daratel-
lurig- Sti-ri.« einem waitaren Leterkreiae empfohlen aein wegen
eiuer gewiaaen PaiBhait der litterariacheu DarateUuu^, einer
eiiinebmeodeii vaA aiaacbmeichclndeD Kuba daa Stili, in dam
man die eiehere Baad daa epiacb gewandtoa KnkUara er-
kennt. Die Goethakaaaar Warden eine glockliebe Verwertung
dea biographiachan Makaiiab TOrfinden, die Liabhaber knapper
DantaUoiüp di« nagaKWwweBa Art Mhaua«, mit dar aiaar
ao adiwia^gan nod f«blSaliaa Aal^ba ganigl iat
Im Goethearcbiv zu Weimar bat Erich Schmidt einen
Entwarf ÜMtbaa cam iwmton Teile dea ,Faaat* voigatandan,
der Wihar mbekaaat war.
1 ; 1. ludtigefl i.ad ppu&fhafti.-H ßütbb. jjj , li' .: i^.r, n
iiiHiiieifii .^utUgi'ti vorliegt, int; Kn^Hsrhc» 8prii€li?iolinil2«ir,
«in b>iniiitii.tiM'!;er \'ortnig, gt'lialttn im Londoner dt'uUclipia
AtbctiüUDi vüu Ü Claru» üieti»la.c, M. A. (Karl
Schaibie). Ein wertvoller Anhang Ober deutache Vaniliaa-
namen in England, VeihallutgtiuaAregela in engUaehar Oa-
aallaebaft kt baigaiagt; die Uant daa MMagada" Aber
dBrita der Tarbag ■•Ibüt intariaalataa udi aiiiiar aaaraahliiif^
lieben Blumenleae von »paObattan UabaMatnngmchnitzeni,
welche z. 0. selbat GiOßen wie Wnitar Scott maaaeDbaffc
untergelaufen »ind. Wir gehen einige Proben au« Scotts
Deberaetzung dea „G6ts von Kerlicbingen":
„Gebe Gott, daaa udmt Jnage dem Weialiugen ntebt
mi< ttacfaligt." „Ood gtaat, aar boj nay pull dowa tbak
VVeitliogen."
Der Biacbof kroch zum Kreuz — und der gctroue
Berlichingen gab unerhCrt nach — „The Biahop complaioed
to the Circle iKreiagariaht) — wUla boaaat B. waa oon*
demned unheard — "
..Ba wOre 8«lM»da ittx aaa, waaa wir iha aieht
kriagtaa." „Twara a ahiBa ta aa, ahaold wa aat
figbrUai."
Sabr Inatig ttbaraatat Lard P. fiowar in aaiaaaa aag>
liaehen fmuA:
„Vielleicht iat er gar todt. O l'ein'
HAtt' ich nur einen Toti-inchein I"
„Perhapa he i« uead; o xad cnnilition.
Coald I but aee bt« apparition."
und
Keines d«r Vifri'
Stockt in dem Tiere.
NoDe ot tbe l'oui
Stand in the door.
Uebrigena Aigen wir binw, aollen wir Deotacbe niobt nUia-
aehr von ob« harabblkkaa aof aoloharln Sttndea dea Aaa-
lande* 3 wwb doutaeho Uaberaetaar leiiteten Unglanblicbaa.
So hat Quatav Pfizer in einer Blumenleae von Byron* Dich-
tungen die Stelle de« „Traum" ia the wild* of liery clime*
ho made hinunU n hom« flboraotai mit: er machto aieb in
giflhaadaa Xoeaa Wüdaia aalkal um Manm." Keea bamol
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9V>
Du Msfruin fftr die Littoratar de« In- nnd AnsluidM.
No. 14
jfrtrr^^f |rrlM i>art lm, |rrikir| (erriiiii). — |. Ittlirr, IDiri I, Pill}rilr U.
So<bm if) (diiidtrit unt> tuidi oQc $uitbanMmi()ni nu (Kjirlxn :
Äfiiip, Dr. 3., Tfutf(i)c§ i^fffbud) Sir^'^Ä'l.ÄÄ;
u^4^ ^rofa intt littrrortiiiiorifdifn Utfrfiitttn mb larfirQungcn.
*rftfr Hdt: pidHrni« »rs ^UUUnn». Srorltr, ofrbffTrrtf :^utlagr. ot.
IXII u. 218 €.1 M. l.ßO; m Ct^inaI=(^inIM^^: JfialMftfi mit »olMitfl M. 2.S
3lorifrT XJril: DiAInng »« üTniK^I« gr- >*• (XII u. 4H« S.> jV. :i.2fi; in Crigiiml.
^Slnt>an^ : tvatbtrtift mit (?^ll^^^tfl .V 3.70. — Itt :i. Ilxif (frofn) loitfc IKSK trfdifinfn.
2irnH4ni» nnltux ^f(r- nnfe JaiCrsBüdkrr fir C^qoinaflni, ^(raffiSnrrii nnft «ntrrm
tittua ttftr«nn<i"rifB. (IWH ) gi, B. i24 6.) c»riit;g.
t»CTl09 Don #rftth»|»f Härtel in gtippg.
Povfifi^c IDcrhc wott ^t»am IXtirliicntic}«
öbfrff||l Don Si^qfrteö ^^tpiucx-.
»anb II.
^oötcnfcter (Dziady).
ült frltlSrrnbfr C-inUitanB.
XXXII. II. 284 ®. gr. 8. (Skh. TO. 6.-: {Kb 7.-.
T(t Xiditrr brt .(SntftfUItfii $i omni)« ii<" bot Dor rin'igdi Mrtn bat gro^c 4{«tioiui1--
<il>o* t<t foUn i^m ^b(l^^5u* obrr btt Ut}U Cintitt in i'itbou<it) in ttutfdifi, bit poctiiAm
!^nb«ttrn itt Criginaie nad» SKÖKilit^ftit n>irtffg<brnbtt llbtttragung. Uli 2. !t*anb folgt jt^t
PK titfnnnigf, kibmtcbottliit bfrotgtf, oft titflitfntia<t gtrooltigf .iobttnfrifr", bit bat iRilb oon
iWiflKirir^" bidifm|(bcr '^tiiönlidiftlt frgonjt iinb tolifnbft. Ifötmi irgtnb ein Scrt flaoifdicn
editiftthuniff. ID grhört birlfj b<T SJtltlitttratur an. Zic oiiSfilhilicbr (finlritung gibt nrbtn
<iiirT (ingtliciitrn '^iprrdiung txt 3nb(iltt aiidi (inc anj)irb(iibf Sd)ilb<rung bre l'(b(n9' unb
tiiiiii>i(t(liiiig»gonqce M Xifflttt«, fctntr SdiicMalr unb Scrlmfämpft, lonxit fi.- fflr bat
ItiiMPni» Pf» ift-trfrt» in ißrtTadlt lommm.
Vm-Iag Ton La. Ehlermain in OfMdea.
K«rl Goedeke.
erindrlu »r Geschichte der Oeitoelien
Oloktnng.
Aal dn Qa«U«ii
2«tll«. ||*Dl ««u baarb*lt>«» Auflafa.
Eratttr Biuid. DAm MiUrlitltor.
Ilr. t. M> «. VIII B Mll luWt«ab*n. a. B««(«Mr.
Aar Vallnpapl« ^. M V »a; in H^bfnnibutf h
M. UM Aar Hehralbpapln = M I&: la Ualk.
flan>b*B4 = M. 17.
XwvlM>r Ritad.
nmM ■•rsrniBlIaaamsIMIter.
(ir D. 600 n VIII B. Mit lakalutWra. n. RauJMar
AurVtliapiplar — M 1 1 .40 ; 1" H»""'"»« = M 1140
Aar Schrilbpaplar ^ M 1«; In Hklbfiui = M. iO.iO
Dritter ■and. Vom drf'lMlatJAbrIcrn
kla raoi BlckeiiJMrlB«» Urltg*.
Of * SM a. VIII (1 MIIIahalMbart. u. BaolaUr.
Auf V«Unp>rln = M 7 «0 ; la IUlbfr»ti«b«ii4 m
M. (.40. Aar 8«hi«lbp>pt» — M. U. la Halb-
rraaibaul ~ M 14.
Dar gaaia UmranK dar II. AnflNt« lat aaTatwa
im nrarkbo(»n b«rechnlt . w%\<,Wt In awaoflMao
t<a4Un und In Utsdau aaa«ag*b«ii wanlan Uta
oral« l.lafaruuff raap dar arat« Hand wird tob jaiiar
llaebbandlunv aar Aaiirbl D«llaf«rt. Rlaaalaa
lUada oder Heft* wardan nicht ab(*«abaa
litu SMr| WtiM in HtMelberf «mchinn
vor KurMtn :
Die
0 ' Um
Ur. B. KMb«r.
Pnia 5 Mark.
Inhalt: Scbop«nhaaeni I<«h«n. - Schopeo ■
hauen Lehre. I. ProptdaaUk Brkaanliila*-
ttiaorl« II. MMaphjalk. |
in Vericangenbeit und Oegenwart.
Kritinche* nnd G eichichtliche«
roti
0. riOmacher. '
2. Aufgabe. PreU 7 Mark 20 Pf.
'••••••••••I
Varia« roa Wilb. Herta
üaaiaranba Ba«bbaBdlaaf In flerllBi
Die Weislieit Salomo's.
Schauapinl in fOnf Akt«n
roa
Panl Heys«.
Preii: 2 Mark fiO l'tennifi.
Srrlag Dsn üi. lil|lcTinann in Drr4&rn.
Inf«». P*i Stinx" !>» -!k<«ni> ISHI. 8.
12 Bogrit. 3n rirg. Stitficttung. biofd).
m».— : grb. mit Wotbft^nitt m. 4.—.
itmltt. Dt. C^r., l^ir <ifliirlir>»rC'rjit«Mg »b
I Aoairr ar*M(Atttn»l«t(Xtf(a<a. ». br.3ß. 1.80.
In Fr. Maike'i Vertag in J«ia «r
«chien i(oeb«^n :
Die Lebensgeschiohte
der Geetipne.
Eine pepalire Aatronoaile derFIxtterae
»»in
M. Wllh. Mejer.
Mit 4«iTextillaiit.. 2T«r u. 1 Tit«luild.
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^ bvjtfNTi fit nur ? III. plrTttl^brlid* ^urcl' oUr BmtKmMun^m , bnitf.tYn amb d^m PtHtilmirr f«inr f^Incfc pv«bniu«iwirm> annumDkir vom
.K un|kiDatt • D« T ld9 in rrrsbrn*,
IWr .KantiMn* airbt rin ^ftedn^irs UiU« nUH fiur ^r* 5(i)aff'B* aivf alUn <^l>iftrn 5d>önrn , |onI>«m amd* von ntam mb amtAtv^m
hur<t cinr <|tm) dwiMifigr nan^|d^3u ^llT(t< Trid)t:>ali\9r inittrtiurv^rn «,tvm Xo^f". hurcb rtnrn .fptrd'tiial''. brr Kmt» ho<t> r«&rurrnhfii IlUrnirrn
nirlruin^Muslflifi^ t«HAI ivutN, biutl-' ctiu' iilrt^fdlU In ibtri llii rinji^r «.'^niim^sKKiu*. ttir titU vt^tliarm ^btonMiin^rn obvt MttfllrTtld*« . lilirtttriicttf
un^ nuihrjltldff 4^««ni0aitt€ Nr ^^nt)itirtftrn tinb b«r C^QrfrM^ttrT vttitiä^nrt , iitfbc twr ^Hunttnhut" |«trtfm ,?irlr In rtrtrr llVtf# nadr , Mf rtnrm
llUnne trW Klon» jn t>rm «r^rnlUtlxn 2Iii»frni<f; t^a'f^lrn : .tTrnn rin t^ldll roi Ii r nbr i «Irl jnr rr4;trri Cni ipiif liin^ unb ibiiftinai
fommt, ift bamxt fäi |r6rn (S^rbilbrirn rim ««irrr jrivoRnrn.*' — Dir ^nw^ntiikitjfril br* ilUiirts hriHn umb frbi Ctfolt| ; rc fswnir
im {ttwlirn Puttrltalu itint* 3rftr^» o^nr ptriMttröbm^ Unirtin« unb 3***!'''' vr1rntTiit> rrwrtirin.
Otnjri^ von V>m^<. tllaftf- anti 2.1iMlT»rr(m, Crjnigniffrn »r» tTunii h«nb<t>rrr» Knti Curuf^r^mildnlitn jrtyi Sti (Inbrn ^lt^d1 >tn .KarrftuMfl' bn
ndtni b<r >ad|f nodi rin« rbrnf« urli«, oMt In |>lrmnn tTU^ jwrtf niA^t 4( Prriiniriiiia ^rri* Cvr ^^rlpdllmrn lIonfMTrillriirLtr 4" pf )
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Hadaktlo« roa Wolltaaf Klrrbtoab In Praadaa — Varia« daa >ia«a*lo für dl» Utwraiur da« In- «nd AaalMda« la Xir*M«i>-N»«a«adt
Dvttak TO« Kmil Hanwana aa&Wr la Laipal«.
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„.,AHK«A»a _ Y)AS MAGAZIN
17-
FÜR
LITTERATÜR DES
DIE
IN- UND AUSLANDES,
WOCHENSCHRIFT DER WELTLITTE RATUR.
HERAUSGEGEBEN VON
WOLFGANG KIRCHBACH.
int jeden
4 Mark vierteljUlriieh.
I nsf Tfltr
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i'i.s|.insult ii.lcr tlirckt vom Verlag de«
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Inhalt :
Richard Wel trieb: , linnthrt« Kaii^t in diir (W.i liliaiiMinjii:h
in ^
AI.Hfhritt." (ForUrt»ttngT2j'8.
tou Uettelheim: „Ntaen im
Antou Uettelheim: „Ntaen fmuSaiMlio Krittkar." M.
WilbclM Benckel: JOt htättip ttm/btOm LilUMt»» W.
KmI Blind: „Uekea in Gvltaldrt DmkwSrdiilnitoB."
rr. 861.
Leopold Katteber: „Matthew Arnold alt Dichter." 264.
E. R vnn Mor-Sünegg: „D«r KateliQg «nw AatogtmpbM-
Aiuiimiung." 2ß&.
UUennwh« Monigkaitwi. 267.
«8.
nnd bie und da da
An die SteUe dar
■attea Weadang:
Mm hnt ■ 4«r CMkanoHchM AMrlft.*)
Voa Richard Weltrioh.
(ForUietiuDg.)**)
Zu „tiefer tief' erinnert Erich äcbmidt au den
Ten des sweitas FansttflÜM, Akt B, Snae S: «Dto
Naclit scheint tiefer, tief liereinzmlringen". Vielldcht
dürfte aber das Komma, welciieä liier zwischen „tiefer"
snd «tief' iieh tndat, aach ftir das „tiefer tief za
nichte^ n ergtasen sein; in dieeem Kalle lli<r«' nicht
eine „Steigerang des Adverbs" vor. sondern die t onn
de» Positivs würde dem ein Werden und Wachsen
de« Zustandes andeutenden Ki>mi»jii'ativ sreg:eniibcr
den voUenduteu, fei tigea Zustand büZüictineDj wie ja
M. B. tfiB geht mir besser" in gewinea Sfauw ««Diger
sagt als: „es geht mir gut".
Auch das Gespräch zwischen Fausl und Wagner
stimmt in der Göchhausenschen Abschrift mit dem
Texte, welchen wir seit 1790 kennen, in der Haupt-
sache überein; die Ueberarbeitung beschränkte sich
darsof; Ideiae stOistbche UnfintigkeiteD
Dnoh UibMndag hnnWafMi"
setate Qoetiie nadinals: „Wie mD mm üb dareh
Ueberredunjr U'iten?"; der vorausgehende Vers „Kaum
darch ein Fernglas, nur von weiten" fehlt in der
Gflchbsnsenscben AbsdirilL An Stdle der Terse:
„Allein der Vortrag macht dea Rednen GlQok;
Ich fahl' e» wohl, noch bin ich weit lurQck"
lesen wir in der ursprünglichen Fassung:
JUWa d« Toilng aflit äm. Uäarn vid".
ironMif FiMist erwUnt:
*j Anmerknng. V«igleieh» Nr. 14 4w ,MsguiBS fdr
die Litteratar- S. 21 H.
♦♦) DruckfehlerbericlitiKun^; In Nr M. Seite 216,
Spalte 2, Zeile H hat «ich nach dem VVurt«. „Entdeckung"
«in ADfQhrungMrfii tun eingwchlichen , Seite 2U), Spalte 1,
Z«ile 7 iit diu Sclilunsiuiiühningaaeichen imch „geändert wor-
dra" weggebUeben. Ani gleicher Spalt« ist «tatt „von hSeh-
■tar BedeatiiDg-* in Umni ein Er«ignit einziger Art,
.,\Viut Vortrug! der i«t gut im
Mein Herr MttgiaUsr hab er KndR!
8ey er kein Schellenlauter Thor!
Und Fieundachaffi, Lieb«, ürfidaraohaSt,
TMg» die Mi akkl von Mlbor vor.«
Die spatere Fassnnp ist flüssifrer. ^iimal da sie
aucli im Folgenden die nachlässige Verbindung der
Sätze dnreh „ond" („Und all die Reden die so blin»
kend sind") l>eseitigt hat Bemerkenswert ist, das»
Goethe die zwei letzten der oben angeführten Verse
,.Und Freundschadt, Uebe" n. s. w. im dritten Teil
von „Wahrlieit und Diehtang" wiederholt; woher sie
stammen, wis-sen wir nun. Der Abgang Wagners
erfolgt in der Göchhausenschen Abschrift mit dem
Verse: „üm S4) gelehrt mit euch midi zu besprechen";
die vier folgenden Verse der Ausgabe von 1808, in
welchen Wagner der Hoffiiung Kaum giebt, „morgen,
al^ »III ersten Ostertage" das Gespriieh mit Faust
fortzu.-ietzeu, feldeu auch im Fragment von 1790.
Denn hier, nach den Worten: „Und froh ist wenn
er Regenwürmer findet" beginnt ja die „grolSe Lücke",
von welcher Goethes Brief an Schiller vom Ü, April
1806 spricht, und hauptsächlich auf die hier einge-
schalteten Szenen der Ausgabe von 18u8 wird mau
mit liöper die „groBen erflinilenen niul halbbearliei*
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Dm Magkzin l&r die Litteratar de« In- und Aualande«,
Nd 17
teten Kfas^ien-' beziehen müssen, deren Goetbe beidls
im Brief vom 24. Juni 1707 gedenkt Nicht nur
Kunst« zweiten Monolog nebst dem Schritt zumSeltot-
niurd, dein Glockenklang und Ostergesangf, Modem
Moh die Szene „Vor dem Tlior", den Osterspazier-
gang in aUeo seinen TeileD, «Ue Befegniiog mit dem
Pudel und das sich anschlieBenite Oesprtdi zwischen
Faust und Mephistopbeles nebst dem Gesang der
OeiateTf Mtwlo den An£uig des zweiten Oesprttchs
zwUeben Fftnst und HepbistopheleB nelmt der Wette
bracht« erst die Ausgabe von 1808. Ja die Lücke
ist in der G^ichbauseoscben Abschrift noch grSßer:
dem wShreind die swrfte Skene dee „Fragmentes"
mit einem abgerissenen Satze, mit dem Verse „Und
VAS der ganzen Menecliheit zugetlieilt ist" beginnt
nnd somit im Folgenden u» do(A den Entaddnes
Fausts, mit MeplüstopJieles die \VfUl;ilirt anzutreten,
bekannt giebt, fehlt in der Guclihauseaacben Ab-
selirlft jede EinfKhmng des Mephi^topheles bei Fitnst,
iiiiil jils zweite Szene ersrheint sof^liicli die Siene
zwificben JUepluatopheles und dem Schulen
Zweite Szena Hier zneret ergiebt die Ver-
gleichung des urspriinglichen und des späteren Textes
durchgreifende Unterschiede, Unterschiede, welche für
den dichteilMlien Charakter nnd Wert dee Ganzen
von Bedeutung sind. Mit feinster Ironie, mit beliag-
liebster Ueberiegenbeit dee Geistes, mit vollendeter
Ewnt niedite der reife Goethe die Ingrediensien,
nnil sein Pinsel sL'huf ein Kabinetsstück, ein Gem;ililc,
in welchem Zeichnung und Farbengebung von gleicher
Vollkomraenbeit sind. Niifends fUH Mephisto ans
seiner Rolle-, so lang ■t rlcg ,,trockni n Tarn" nicht
satt ist, behauptet die angenomm«Mie Würde da^i
Uebergewieht nnd hiH den UOdra SehtUer in ehr-
fürchtiger Entfernung; mit der Miene redlichen Ernstes
werden die liehrea tiefer Weisheit und weltumspan-
nender SSnsiebt vorgetragen, irSbrend doeh wie
Wetterlencbten sarknstisrhc Lichter tibcrnll auf-
zucken. So aus einem Gusse, ein Meisterwerk künst-
toriseher StUisierang Ist dw Mephisto der GOeh-
hnnsPTischfn Abschrift nicht. Z^rfir flehen die Gc-
spr&che der ursprünglichen und der späteren Fassung
ntreekenweiie paralld; and wenn aneh oodi niebt
der ganze Kreis der Faknltätswissenschaften um-
schrieben wird, wenn wir auch über die Becht«-
gdehnamkeit «ad Iber die Thedlegie noeh Icdn
„krÄftipes Wi°irtchrn" vernehnien. Kn 5:childrrt der
ursprüngliche Text doch schon das Coilegium logicum
und die Metaphysik, nnd aneh üb«* den „Geist der
Medizin" wird der Srhftler mit den nämlichen Worten
unterrichttiL, welcbe uus längst bekannt sind. Aber
mitten zwischen diese Reden oder vielmehr in den
Anfang des Ge-jpräches schiebt sich eine Reibe von
Versen ein, deren Inhalt der leiblichen Unterkunft
nnd VerpAegong in der Universitätsstadt gilt; der
neunngckomiTipne „Student' liört Mephistos Rat über
Kost nnd aLogie*-, und dieser ist sehr beflissen, ihm
praktische WInlie zn geben;
„Mephi«: ki*>i «toh
Kein Logie habt ihr? wie ihr tagt.
Stadont.
Hab noch nicht 'mal darnach (f«(r»K*-
Mein \VirtJi»hiiii> n&hrt mich Itidlicli ^»1,
Ffiriif Mi'n,'illp!ij ilrinn aufwarten thut.
Meph :
Uttrhäte UM iitM tütirl euch waiti
Caffce und Billard: Weh dem 8pM!
Die Mtgdleia ach aie g«il«0 TMll
VertripplialieklMlt MM Zeil.
Dagegen aaka «n« tatdUch gm,
Dms allfl Stüdioüi nah und loni
Cm waoigiiteDB einmal die Wochen
Kommen untere Alwaz gekrochen.
Will einer an uneerm Speichel sich li-isan
D«i tVitiit wir onfrer Rpfhtfln auzuin.
.siiident.
Mir wird ff^t )^r<-uli.'h vorm iieticht!
Das icbadt der guten i:s»che nicht."
iu ditiüeiii l'one geht es fort; Mephisto empfiehlt
das Hans der „Frau Spritzbierlein'* nnd schildert
die Küche, welche den Stndiosus erwarte: „der
Mutter Tisch'' müsse man an .\kudemien vergessen
und sich gewShnen, aStatt Hopfen Keim und jung
Gemüs* zu „genies-sen mit D.mk Brennnesselu sii.s",
wenngleich ein .Gänsestublgang" sieb einstelle. Üie
Knrdinnlngebi kommen au SeUim:
glleeet euren Beutel woh) Jmmgn,
BMOnder« keinem Frauuda botgaa
AW Mdlksh H kitaa MuImi
VMh, SehiNiier mä FmAmt MUsa."
Als Satire anf die Bohheit akademleeher Zn-
stände lies 17. und 18. Jahrliumlerts ist ilieses panze
Stück nicht übel, und von Witz sprudelt es hier ja
flheraU; aber es ist Witz niederer Art, Spaft für die
Kneiiu'. stndenti^i'Ii j^nih und studentisch grün. Mit
der Faustdichtung des reifen Goetbe vertrug sicli
derglelehen nnmOgUeh; hier war tan scharfer Schnitt
pel>i;f.'n, nielit nnr um <\ev vornelirneren Rolle willen,
welche Mephisto überhaupt spielen sollte, sondern
aneh zn Gooeten der länheitiiehlMit und inneren
Wahrlieit der vorliegenden Szene. Aul die Lippen
dee akademischen Lehrers, der so schmutzig sich
giebt, paoste die g^treidi feine beoie der nlebst-
folg-enden T^eJen nicht melir; >ind es ist kein Wan-
der, dass der Schüler, der hier fSrmlicb drängen
mtas, Ma ihm Mephbto etwas Klnges sagt, sidk
dreister geberdet nls in der späteren Ka<!^Ting des
Gedichtes. Im Einzelnen möchte noch zu bemerken
mIbV da« nach dem Verse nEoehdreahi natnrae
nennt's die Chemie" an.<fntt „S|K)ttet ihrer selbst
und weilt nicht wie" in der Göchliausenschen Abschrift
folgt: „Bohrt sieb aelbrt einen Esel and web niebt
wie"; und dass Mephisto, als es ihm pefinU, die
nackte Frivolität hervorzukehren, diese Wendung mit
den Wortm «iaiettet: »Bin de« Profeswr Tonn nnn
satt."
Dritte Szene, Auerbachs Keller, .\ucli
diese Szene wdcht in der Göchbausenschen Abs(-hrift
von der Fassung. Meli lie sie im „Fragment" uuJ iu
der Ausgabe von 1HU8 hat, wesentlich ab. Während
GeeOie naehmala den Vers einheitlieb dnrehfBhrte,
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Ka 17
Ott M^Mb flr.au UlMntaT te l»> «od AnkiiM.
beginnt der nrsprfiDgtteh« Text ndt einer BbUm ?ob
rii-nn Vorszpilcn, um alsflann znr Prosa äberzaspringen
und diese Form, abgesehen von den eingeschalteten
Lieden, bis mm Ende beinbehnltea. Eriek Schmidt
charakterisiert ihn als ..burschikose Prosa", „reich
an Derbheiten and I^okalspißen (Würzen neben Kip-
pneh n. s. w.), in Slebeto Wotanebmch ffibeir den melo-
dischen Gruß ans Liebchen voll der tollsten Quilibles, j
ungehobelt, an Wirkung tief unter der 8p&ter«su Vers-
rednktion, die hier ihres Amtes mit nicht genug zu
h^>\rnndemder Meisterschaft gewaltet , diis Alberne
und Hohe auspretrieben, niichtemt> Prusa in geist-
reiolie geflügelt«; Reime umgeprägt hat".- Noch fehlen
ohm'. ji'(bm Kisatz die kla,ssischen Stellen von „des
Ba.sise.<! Grundgewait"', von der Kneipkumpane ge-
ringem Witz und vielem Behagen, von der „Bestia-
liuit", welche „gar herrUcb'* aioh offenbart; und au
Htelle der Verse:
„Sie achsinen mir aa« einem edlen Haas,
Sie »fhen «tollt unti tjnmfriedeB aas"
begegnet uns >lii- in Gt^aukti und Ausdruck weit un-
fertigere, ungelenkere Rede: „Stillt das ist was vor-
nehmes inkognito, sie halben so was anzufriednes
böses im Oesiclit*. Deunocli möchte auch zu Gunsten
der prosaischen Fassung Einiges zu sagen sein, ja
ich gestehe, da<w ich ihr an einsaloen Stellen den
Vorzug vor der versiflzierten einrftnmei Wenn Siebel
in der Göchhaosenschen Abschrift, nachdem das Lied
▼an der Ratte zu Ende gesm^n ist, mit den Worten
einsetzt: .,Und eine hinltngUche Portion' Kattenpulver
der Köchin in die Suppe. Ich bin nit mitleidig, aber
so eine Ratte IcDnnte einen Stein erbarmen*', so ist
dkt «itdger md bat ta seinen trookensB Fntim
mdur Hnnor als die späteren Verse:
mI« üt uir «M iMhta KdbiI,
Dw MBn Battn GM m ttNonl»
Und die Heimschickung, welche HephisUipheles
den Spöttern bereitet» als sie ilin and Faust mit Herrn
Huis TOn BipiNM^ anfidflben, ist im ursprünglichen
Text noch besser gefügt als in drr Versreiiaktion. in
flotterer Parade von Stoß und Gegenstoß vollzieht
nidi das Wortgefeebt:
„Frosch.
loh will 'ea diu Wäime acUoa aus dec SUsme liebn, wo
sie herkommen I — Ist der Weg von Bippach berQber so
•chiimm, da« ihr w> tief in der Nacht habt leiaen mOaseii.
Fantt.
Wir InmnM dm Weeg nit,
FlMth.
lek ntinte etwa ihr MUM bey den W'-r'r' Han«
Mben tn Mittag geepeütk.
Fawk
loh kenn ih« niotrt«
Froloh.
0 «V int mn attau OMChloeM. Hat «ine wtBUMge
nr Mgpd wohl seiner Y^&b «iMT,
BMdn «ml 4«r vwMSk*Sw*RaiMMi''
Auch vermisst man ungern in der Versredaktion
einen Ersats für die brummigen Worte Branders,
«doher anf Mephistos AenAemng, in Simnian wlir*
den des Nachts so viel Lieder gesaugeu als Bteme
am Himmel stehen, erwidert: „Das verbät ich mir, ich
hasse dsa GfkHnpere^ ansser ««m ich einen Bansdi
habe, nnd schlafe, dass die Welt untergehen dürft*-, ■-
1" iir kleine Mädgon ists so was, die nit schlafen
kouuen. nnd am Fenster stdien Menden Eüblong
i eiii/susackeln." Und wenn in der späteren Fassung
Brander, nachdem Mephistopheles die erste Strophe
vom König and Seinem Floh gesungen hat, mit
vier Verszeilen sagt, (ia.ss der Schneider bei leibe
die liosen aufs Geuauest^ ine.sjsen soll, so ist der
ursprüngliche Text am seiner Kürze willen hi«r
besser: „Wohl gemeSen! Wohl! daß sie nur keine
Falten werfen!" begnügt sich Siebel zu bemerken.
Dazu sind die „tollen Quibbles" für den vemn-
glücktmi Liebhaber und die Sütuation, in welcher
wir ihn finden, ungleich chan^teristisclier als die
der prosaischen Rede entsprechenden Verse: Siebel
bricht, nachdem Frosch der Fraa Nachtigall einen
Gml an sein Liebdien befohlen hat, in ein Ge-
jmlU^r koniiH-ber iNclieltwOrte ans: „Wetter und Todt.
GrU.s mein Liebgeal — Eine Manunelmaaq^tete
mit gestopften dilmn Etehenbltttem vom Blocks-
berg, durcli einen geschuiidnen Haa.sen mit dem
Hahnenkopf überschickt, und keinen Grus von der
NaclitigaUl Kitt sie midi nicht — Meinen StuCs-
bart und alle Appartinienzien hinter die Tliüre ge-
worfen wie einen stumpfen Besen, und das um —
Drej TenibH Keinen Oms sag idi als die Fenster
eingeschmissin!" Wie diese Stellen zeigen, Lt die
Versredaktion doch hie nnd da hinter dem or-
q^rlbM^ieben Texte snrUckgieblleben, die Farben
haben an Fülle und Frt<<chc mitunter eingeblißt, die
prosaische Sprache war drastischer, war anch naiver.
Und ÜMt MleMa nn sagen, wenn es nach Shak«-
speare8 Muster erlaubt ist, in einem Drama je nach
^m Inhalt der einzelnen Szenen Prosa und Vers
abwechseln tn laaaea, so hatte in gegenwirtignr
Sjiene die Prosa eine Art Vorrecht : sie spiegelt« un-
mittelbar die Derbheit und Breitspurigkeit der
zechenden Barsche, ihr bequemes Skdigehenlassen
und das ungeordnete Aufsprudeln und Durebeinander-
5ch\sirren der Reden, äo spreclien Falstaff nnd
seine Gesellen in der Sdienke zum wilden Schweins-
; köpf; es ist Sliakespeares 8charf realistischer Griffel,
dessen die Ilaud des jugendlichon Goethe sich be-
diente. Doch mag, Alles in Allem gerechnet, zumal
da der prosaische Text nicht überall in sich voll-
endet ist, Verlust und Gewinn sich das Gleich-
gewidit halten.
Mit der formellen nnd Inhaltlichen Umbildung,
welche die Szene nachmals erfuhr, gehen kleine Ab-
änderungen in der Verteilung der Reden auf die
einxeUien Personen Hand in Uand^ ursprünglicb sang
Frosch, nicht Brander, das Ued ron der Rntte, nnd
manclie.s was in der spateren Fassung Frosoh ZU
hat sagen, fiel auf Branders Anteil, der wieder seiner*
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Dm Macnn Ar £• UttMikw 1^ tal Aududat.
Na 17
mite an Altaiayer (areprflnglidi JUten") abgielit
Weit bedeutsamer ist, dass im Urtext Faust in die
HaodloQg mit eiiigreiA; er beteiligt sich dea
W«elaelTedea, iroliei d«r noch Ungewandte nidit
immer cini' ] i Rolle sinVlt, und Faust irr > -
weldier den \\ eiuspok vollftUirt. Letzterer Zug eul-
sprieht, wie Eridi Sehmidt Imnerict, der poimUrai
T'elierliefei anp der Faustsage; um der höheren Würde
willen, in welche die vallendete Dichtung den Helden
heH noBBte nedinub IfephistopIwleB die ReUe dee
Zauberer» übernehmen. Nebenbei mag erwähnt sein,
i\&ss Faust die Weine, welche Auerbachs Keller ihm
bietet, mit aaneniflßer Miene lobt: „Meine Herren!
Oer W'v'm geht an! (hAii an wie in Leipzig die
Weiue alle angehen müsieu", bemerkt er, bevor er
seine eigenen Künste entfaltet, nnd dieses Urteil
kam siclierlich aas dem Herzen des Rheinländers
Goethe, der in Leipzii? di .s Vaters Keller wie „der
Halter Tisch" vennifist haben winl.
Vierte SzerM- Zwischen „Aaerlmcli.-* K-iller"
und die Grelchenszeueu tilgte das „Fragiueut'' die
1788 im Garten der Villa Borghese zu Rom gedich-
tete „Hexenküche" ein; der ursprüngliche Text hat
an ihrer Stelle ein kurzes Zwiegespräch zwisciien
Fanst nnd Mephüito, bestehend aus vier Verszeilen.
Die Snne tragt die Ueberschrift: „Land St rase.
Ein Erenz am Weege, reehta aaf dem Hügel ein altes
SdüoB, in dar Fan« «in BanacUlttgan'*. Darauf
folgt:
„Fsvit
Wim ptMt M«pliüto h»»i da Eilf
Wm Mhllgrt mva Kreiu die AuMB aMart
Meph:
Ich w»it wohl irt «in VoriiHen,
Allein g«BUDg mir into einirnU uiwieder."
Kk sind diti^elbüii Verse, welche Kieiner und
Eckermann 1837 in der Sammlung „Paralipomena
zn Faust" aus Guetlies Xaclilass veröffentlichten; die
G^hhansensche Abschrift bezeugt nunmehr, daa»
ihre Entatelinng in die firflOieate Periode der Faust-
dichtnng fttllt. Sp!ir treffend SB^t, Kricli Sclinn'dt
von der kleinen Szene, üie sei rgisd&ciii al» Üüclitigeä
Sitaattanliiild unterwegs auf der ersten Weltfulirt".
Aber so knapp diese Verse bemessen sind, sie sind
durchliHHcht vom Geiste des großen Dichters, uud
dei unlieimliche Eindruc^k, welchen Faust in diesem
Augenblick von seinem GefUirten empflngtt über-
tragt wirkungsvoll sich auf uns.
(BotMnff Met)
K«Mre fraBzösiscbe krkiker.
Zu keiner 2eit — meinte kürzlich l>68ir6e
Niaard, der Narter der DraoiBBiBolkea litterar-
historiker lint die Kritik eine so hervorragende
Stellung und Geltung emngen, als im XIX. Jahr-
hoodert Das bedeute eine Neoeranff in der fran- ;
aöeiacItMi Litteratur. Man aai gleteberwete entfernt I
vem XVn. Jabrlrnndert (ebirolkl ia den wen^er
kritischen Leistungen jener Zeit mehr als ein meister-
haftes Blau sich findet) and vom XVUL (obwolil
in BfllUna TraitA dea Btade« nnd in den Taoaenden
von Oijschmacksurteib^n Voltaires Alles zu beaeliten
sei und obwohl La Harpe, der Hauptkritiker jeuer
Epoche trotz nnznliag liebem Wiesen geannde An-
sichten offenbare). Gegenwärtig hätten sich neue,
weite Horizonte vor der Kritik auigetan. Die Fort-
sebritte der Fhiblogie nnd Textkritik bitten eine
genanere Prüfung nnd richtigere Wiirdigun*»: der
Scliöuheii^n der klassischen Litteratur gestattet. Das
Studium der modenen Spradien habe den Kreia der
Pflichtlektüre für Leser und Schriftsteller erweitert;
elie<lem nur unvollkommen oder gar nicht gekannte
Meisterwerke wüidsn bentaatage unablässig zur
Venjleiciiung herangezogen; da» littcrarische Sctiön-
Leitii-ldeal sei mächtig gewachsen. Der Geist der
.\nalyse nnd die von der strengen Forschung gege«
benen Beispiele hätten die Kritik zu einer exakten
Wissenschaft gemacht. Und diesen Fortschritten ent-
sprechend, habe sich auch Lust und Tüchtigkeit der
Jünger der neuen Heilslehre gesteigert. Leute k
l'hnmeur jugeuse seien angenblicklicli in unüber-
sehbarer Menge zur Stelle.*)
Die Kritik eine acience de precision! Das
klingt sehr zuversichtliclt. Nor Schade, dass grofie
Worte allein nicht überzeugen. So weit, um unsere
Meinung gleicb eingang» beransaiaagen, halten wir
noeb lange ntebt So wdt wird rann irobl gar nie-
mals halten. So viel selbständige Köpfe, so viel
kritische Metboden haben wir unter den französischen
Kritikeni zn nennen. Und ao ven^bden Ilur« Tampe-
ramente, so versihieden aind andi ibre KuBat- und
Weltanscb&auDgen.
Sainte-BenTe« nnerffillbarer Traom blfeb ea,
nirht bloß als Biograjibe-mora liste jedes seiner
Urbilder mit all seinen Besonderheiten und Heim-
liebkdten m studieren; er atrebte damaeb, geistige
Sii>i»en aufzustellen, wie das die Naturforscher mit
'Her- und Pflanzenf&milien ton; sein höchster Wonach
wlM ea gewesen, ein geistiger linnaens an werden.
Erfreulicherweise hegTiügte sich Sainte-Beuve damit,
di^ Theorie gelegentlich auszusprechen; in seiner
KnnatObnng btolt w sieh weaentHeh an das Indivi*
duelle; alle künstlielipu Klassifikationen, die Grnppie-
ruog litterarischer Talente nach Arten und l<'amilien,
so gebtreidi sie gedacbt nnd gemacbt werden mOgen,
führen ja zuguterletzt doch zu Willkür und Unnatur.
Diu iicharfen Abgrenzungen, welche Botaniker und
Zoologen der älteren Schnle beliebten, haben vor
Darwin und seinen nüchternen Beobachtungen der
Wirlilichkeit nic ht Ütaiid gehalten. Unvergleichlich
sdüicliter, bescheidener und einleuchtender erscheint
uns deshalb eine beüäoflge Bemerkung Sainte-Benvee:
*) D. Niiard de l'Acadimi« frany&iae. Nourcaui
milanges d'hiitoin at de litMntuie. i'arü, Livy, 1S8T.
(La» foriMislUm da fliiirta-fiam «» ffj
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No. 17
Dm llagMiB Ar Uttmter d« Im uA Anbad»
357
„Ich denke in Betraff der Kritik tw«i Dinge, die
eiBOTder nur seheinbar widersprechen:
L Der Kritiker ist nichts anderes, als ein
Uotsdi, der k'-sen kann und Andere leseu klirt.
2. Die Kritik, in dem Sinn, wie ich sie auffasae
and betreiben mGchte^ ist ein nnsnf hörliches Brfinden
«ad Schaffen.
Wer 8«inte>Be«ve als Meister der französischen
Kritik kennt nad Ifebt, weifi, dass in dieser nnschein-
l»tren Kun.-.tregel sein reiches, reich gesegnetes
Wirken, auf die tittneste Formel gebracht, be-
sdileesen liegt Ösm anders denit and arbeitet
Tu ine. Ihm sind, vric treffend bemerkt wurde, die
Waraeln wichtiger als der Baum mit all seinem
Blltter- nad Blütensebrnnek, die BrdsdioHen bedent-
sHiiier als die Ernte. Tn .seinen Essays und Studien,
in seiner Charakteristik l«a Foataines. wit: in der
eniflisehen Idtteratnr, theoieHseh nnd durch Ansclian-
unt^snnterrieht vertn'ft er immer dieselbe Lelire:
que los dioses morales oat comme les choses physi-
qnee des dipendanees et des eenditions. Des Land,
das Volk, die Zeit der Kntgtehang eines Kunstwerkes,
bedingen dasselbe nach Taine in erster lieibe: Be-
gabmig nnd Selbstherrliehkett des Künstlers kommen
daneben kaum in Betraclit. Goethes Wort in der
Einleitang zu Dichtung nnd Wahrheit: »ein Jeder, aar
mim Jahre frither oder spAter geboren, dürfte, was seine
eij^ene Bildung und die Wirkung nach außen betrifft,
ein ganz Anderer geworden sein' wäre das passendste
Motto Ar alle gesddehtlieben nnd 1caas^l(mH»U>
sehen Schriften Taiiies. Bewunderiing wird kein Unbe-
fangener der Gr6£e und Strenge dieses Denkers ver-
sagen. AnteO vndZdstimmniqrftideterselbst b^ seinem
nJtehsten Freund Renan, bei seinem Lieblingrssehüler
Paul Bourget nur mit starken Vorbehalten. Was
cbi Honentv nnsraes Eraehtenn sogar nur ein onteP'
geordnete-s JTornent in der Geschichte der geistigen
Großtaten ist, erscheint Taine als Eins und Alles.
Ein OMdc, trenn dieser mtditlge Geist keine Jinger
findet. Was .«clion hfl ihm, ninem der writMickendsten,
geschmackvollsten Polyhistoren unseres •labrhunderts,
Bidit dine GemtttltigkelCen und Wittenpraefae ab-
geht, wird bei unbedeutenden Nachbetern geradezu
in mechanisches, einförmiges Schematisieren um-
edilagen.
Die dritte Hauptrichtung der fmnzfisischen
Kritik, die eigentlich akadenUscIie der älteren Schule,
hält an den klassischen Ueberliefinrongen fest Die
Poetik von Horaz und Boileau bleibt ihrer Weisheit
letzter Schluss. Nisards Geschichte der franzlJ-
sischc-nT.itteratar, Ferdinand Bruneti^res Studien
nnd Kritiken vertreten diesen litterarischen Legiti-
niisiiiuti mit so viel Festigkeit als Unduldsamkeit Es
wäre unbillig, die Redlichkeit, den Emst, die stili-
stisehe Sürt,'fHlt dieser .\iitorcn nicht anzuerkennen. Sie
beugen sieh vor Boasuet und ignurieron udur hänseln
Flaubert. Die Romantik gilt ihnen nur als stören-
des Zwischenspiel Die Litterator des Mittelalters
lehnen sie schroff und pedantisch ab, genan so wie
das Laharpe und seinesgleichen getan. Als Kenner
und Schriftsteller, als geschlossene Persönlichkeiten
wollen wir den Parteigtngem dieser Richtung unsere
Achtung nicht versagen; in den Kampf der Geister
Tenndgen sie überhaupt nicht, geschweige entsdiei«
dend, einzugreifen.
Neue Sebnlen sind nicht auf den Plan getreten
(von den Bemfihnngen der romanistisehMi Faeii-
gelehrten, an deren Spitze der trefi'liche. auch litte-
rarisch hervorragende Gaston Paris steht, when
irir in dieeem Zusammenhang völlig ab). Die jüngeren
Essayisten nnd liitterarhii^toriker sieben meihr oder
weniger im Bann ihrer Vorgftager.
Der Mder alln Mh geedriedene Panl Alberl
verleugnet in einer Reihe gesammelter Vorträge
Uber die Lttteratorgesehichte des XVIL. XVm. und
XDC. Jahrhonderts nirgends den Binllnss von Sainte-
Beuve nur Sehade, dass er durchwegs einseitiger,
kleinlicher nnd hämischer sich giebt, ato sein Fährer.
Als vidverq^reehendea, ernst strebendee Talent
lilTenbiirt sich Emile Faguet in zwei vortrefflichen,
nidit genug zu empfehlenden Büchern: Lea grands
mritree dn dix-eeptiAms tükih nnd Etadee UttArairee
sur le dix-neavif^nie si^cle fPari.s , T-fcene Ä. Oudin.
1887). Faguet giebt nur kurze biographische Skizzen:
die HanptMehe sind ihm stllistin^ Dntersndinngen
der I.feistnufrfin, kritistOie Analysen der Ideen seinsr
Hehlen. Die klassische Litteratur ist Faguet so wohl-
vertreni, wie die dentsehe: Goethe »unal scheint sdn
Herzblatt zu sein. Ein Akademiker von unvergleich-
lich weitei-em Gesichtkreis, als ^iisard, Ünvilliei-
Fleoiy etc. begreift Fagnet vortreifUdi die Not^
vrendipkeit und Berechtigung widerstreitender Kun.st-
schulen, seine Charakteristiken von George Sand und
Bidiae sind deehalb gleich richtig nnd (tdrtig; er
•weiß das leichter gejiredigte. al.;; geübte Gebot litle-
rarischer Duldung zu beherzigen. Er zeigt, ohne
vid Worte dufiber m verlieren, dase Clmteanlniand
und seine Leute ihre Zeit ebensc natnrjrcmilG hahfln
mußten, wie ihre realistischen Nachfolger. 8eine ( 'ha-
raklsriatiken von Lamartine, Alfred de Vlgny, Küsset
sind ebenso wahr, als kräftig. Ein Meisterstück an
Unbefangenheit und Gerechtigkeit ist seine Wür-
digung Victor Hngoe, von dem er sprechen wollte,
wie dereinst nnsnrp T'renkel von ihm sprechen solb-n:
ohne Undankbarkeit und ohüt Aberglaube. Mit
scharfem Blick hat der treffliche Kenner in die Reihe
der HunptA'ertreter französischer Eigenart noch den
Mu.steTUövelli&teu Merim^e, den Geschichts-Vimonär
Michelet und den Kleinkünatter der Emails et cam^:
Tbeophil Gautier aufgenommen. Tn jedem dieser Por-
träts übenasclit uns der sichere Treff, die sorgsame
Künstlerarbcit Wir fühlen, daas Fagoet diese GrSilen
der fran7.ösi.Hchen Litteratur nnsercs .Tahrhundertü
über all ihre Nachfolger stellt: Balzac uüt all seinen
Irrtümern und Schwächen Überragt alle Naturalisten,
die sieb «eit 1860 bervorgetan; eine so echt gallische,
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S58
Dm Minute Ittr Ab UHanln In- ud Aarftota.
No. IT
nnd dabei echt poetische IMchterkraft , wie Müsset
ist ni<-ht wiedergekehrt; and einen Befreier und Er-
neuerer vom Schlage Chateaubriand» könnte die
altenids Litteratnr Frankreichs auch in unseren
Tagen wohl mit jauchzendem Zuruf begrüßen. Und
auch eines deutet Faguet fein an: neben dem Nieder-
gWHg der Poesie macht sich ein Antsohwung des
wissenschaftlichen Lebens bemerkbar. Wer eine Ge-
schichte der Ideen in der ersten Hälft« unseres
Jahrhiinderts schreiben wollte, mllsste vor Allem
B«iuamin Constant, de Maistre. Madame de 8ta4^l,
Gnizot, Consin, Stendhal, Prudhon studieren. Renan,
Taine nnd Saintd-Beuve (dem Fnguet (relegentlich zu
nahe tritt) wiren diMeo VorgAngem doch wohl eben-
bttiHg. IMese Jiistoire dsB fdiW braacbt unser Ge-
währsmann übrigens nicht mehr ms erster Hand zu
geben, Ediuand Scherer, ein niher, die deutsche
ttaeologiwbe Tonctnile nklit Terieagnender Autor, hat
in seinen acht Händen Ktndes sur la litt^ratnre
contemporaine (Paris, Lövy) gerade in dieser Be-
siehung tapfer vorgearbeitet.
Iteii Allennuiioi listen nndlich ii^t ein bewegliclier
Ironiker beigekommeo, der aein Bestes bei Sainte-
Benre felemt hat, wenngleich er leider ab nnd m
ni.xiisrlieii Skeptizisinus. Geistreichisieren und Kenom-
niieren mit vfiUiger, ästhetischer Gnndaatalosigkeit
tXtm kokett hervorkeihTt Bs ist Jvles Lemattre,
der (in drei .Abtf-ihincfen Etmles et pnrtrails litte-
raires) Lea contemporaina vornimmt (Paris,
Uetee et Oodin, ISM.'ST, drei berdta fn nenater
nnd zwölfter Auflage vorliegende Bände.) I^maitre
ist voll Schalkhaftigkeit und VerstAndnisinnigkeit
ABsdmdegnam ^moMf* er Seoan nnd dessen an
Selbstparodic streifende Art, .\lle.-i zu belächeln. Er
wird Zola gerecht in einem tief gründenden Äu&atz,
dessen lieh Qtarg Brandes -wiederhslt bei seiner
jüngsten Studie in der „neut.-selicii Rundschau" erin-
nert bat. Er porträtiert Paul Boorgel, 6ny de
Hanpassant nnd die tienevait in Bildnissen, die
manches ihrer Werke überdanprn -werden. Kr cliii-
rakterisiert Fastenprediger und Pariser Feuilleto-
nisten, fut ein Jfinger desseiben BenÜM. Ja, dieser
scheinbar weltmännisch unbewepfliche S'|int1er kann
zu guter Stunde auch heftig und streitbar wei-den: ;
SO in dem wuchtigen Angriff anf Ohncts philiströse,
verlogene Süfilichkeit nnd in der Abfertigung von i
Albert Wolff. Den subtilsten Fragen der Technik
geht Lemaitre in seinen Besprecbnngen der Dich-
tungen von C!opp6e, Sully-Prudhomme, Hanville efr.
nach. Das kritische Handwerk grUfit er in seinen I
Studien über J. J. Weiß, Sarcey, Bruneti^re nnd |
Aniierfn ITeherKll lernt man. iilierall ß^enießt man, ;
weuu nmn .sich auch einer Hepunjr des NeideM kaum '
erwehrt, dass die dent«che TH^eskritik kaum eben
Namen au fzn weisen hat, der neben I^eniHitre genannt
werden kann. Wir haben wohl Meister-Publizisten,
wie Speidel und Frenzel, die aber nehmen nnr sn
selten das Wort) um der Gegenwart geineht in
I werden; die moderne Produktion und hnaAda es
1 sich fielb«-* ! fite wie Keller, Meyer. Anzenpruber,
wird von li.iiti) kaum erwähnt. Eine Scküpfimg, die
nicht den Edelrost des Alters trägt, erscheint ihnen
fast niemals der Beachtung' wert . Wio anders Lemaitre.
Freilich meint der aumutige, auch dichterisch
begabte iVanzose irgendwo munter: „im Qnuide Mb
ich so wenig ein Kritiker, dass ich mich, wenn mich
ein Schriftsteller wirklich ,packt', ihm mit Leib and
Seele hingebe; dann packt mich ein Anderer viel-
leicht ebenso und ich vergesse dann möglicherweise
alle frühereu Eindrücke, so dass ich alles Vergleichen
gern und rasch aufgel»e . . Bei allem IJebenant Ter-
rit nns Lemaitre hier sein kritasches Meisteifeheiiinia:
er liAt die Litteratnr nnd wer sein Hern gewonnen,
dem sagt er den schönsten Dank, der dem Künstler
werden Itann, in der vomehmsten Form. Er ver-
tieft sieh in sein Wesen, er Tei^egenwärtigt sieb
und Andern sein Wollen, er beschwört ihn zu neuem,
reictieren I.teben, er emeat seine ScbSpfer^^Mideb er
vei^jüngt das Alte doreh seine «Tngendfrisehe nnd er
bekräftigt immer wiederum Gaethes Urwort: der
(•eist regt ewig den Ueist an. Wir fragw nicht,
ob mit solcher Gesinnnng die Anflassong der Kritik
als scienee de i)recision sidi vertra^i-t, siehcr ist,
dass Lemaitre seinen Beruf als Künstler ausübt, der
seines OUkfaen sndki
Wien. Anton Bettelhetn.
Me haO» mM» Uttmtir.
Zu den .seiifiiisten Krrnngensc.hiiften eines Men-
schen sowohl als auch einer Nation, gehört die Selbst-
erkenntnis nnd in der Selbsterkenntnis wird kdne
;ini|ere Xatimi von der russischen übertroffen. Denkt
maa aber an die Selbstüberhebong, welche sich,
namentUeh in der mssisdien JonmaKstfk der letzten
Jahre, .so breit gemacht hat, so konnte man
diesen Ausspruch vielleicht für paradox halten, ob-
sehon er veHkemmen wahr ist In der mssisdimi
Taltpiatur der vergangenen .Tahrzehnte finden wir
die bestiLudig ausgesprochene Absicht, wir möchten
fiiH sagen die Sncht. dnreh Analyse des Bestdienden,
durch strenge Kritik und Satire., dureb ein unbarm-
herziges Wühlen im eigenen Fleisch auf eine Besse-
mng der Mümtlichen Znstlnde, der nationalen Fdder
um! Mängel hinzuarbeiten. Die Kunst an und fiir
sich, als äell)8tzweck, hat in der russischen Gesell-
sehaft nnr wenig AnhAnger, man verlangt von ihr,
dass sie humanitlren Z^ve(■ken diene nnd tut .sie das
nicht, so betrachtet man sie als bloße Spielerei, als
Luxus nnd Zeitvertreib IMr MtUigglbiger; ernst«
Leute halten es fiir nn-würdi? sieh mit einer solchen
Kunst zu beükssen. Wir werden daher in den Dich-
tungen aller hervorragenden rasaisebet Schriftsteller
der jingnten ?erga«giaih«t da^enlge «ntdedten, was
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No. 17
Dm Uiguiii fflr dia Littantar <Im In- «od AulmdaiL
wir gemeiniglich als Tendenz bezeichnen, was aber
eigentiieh aü die ethiache Baaia der ntoderaen nusi-
seliflifi Lttteratar angeteben werdsn inaas. Diese
Litfcratur vcrtol^t die Alisiclit za unterhalten erst
in 8w«iter Linie, ihr UAupteweck iat zu beaaen und
dazn dient fhr Tonngaweiie dma AsMedceB und
Bloßlef?«'!! (lerjenitren Ftjlilcr und Maiifrel im Volks-
clutrakter, in der Gesellschaft und im palttischen
ttad «oiiBleA LtItttA ^ebe der Beaaenrag bedfirfen.
Sie verfthrt ■aU-t ilabei durchaus niclif flidaktisch,
im (Gegenteil, sie sucht ihre Absicht, welche ver-
ttimineD kfimtte, nOglicliat m Tnd«dten; der anf-
inerksatne Leser jedoch, welcher si< h nirlit IjIoR an
den Aniem Gang der Erzihlung, des Koniaas oder
Dramas hUt, ftadet ttlir bald den wabren Inhalt
der Dichtung Iutuiis und ist davon befriedigt. Keine
einiige Litteratur trägt diesen Stempel des Absicht-
lieben 80 devtiieh an der Stirn, trte die nnsiacbe
und wir dürfen wohl mit Recht behanjiten. dass c«
haapti$äeblich diese Eigentämlidikeit war, welche in
jSsgater Zeit die AitflnMfkMmlcdt der veileiinpfti-
sehen (lesellscbeft auf die nmlseke Litteratar luii'
gezogen hat.
Daaa noB dieae dwrakteriatiaebe Eigeaadiafl
der rnssi^ichen Litteratur wirklich ihr eigentliches
Lebensprinzip sei, finden wir dnrch die AusfiiliriuigeQ
eivee iMrvorrageaden nnaiKliea Kritiken beatil^
welcher es sich kfirzlich zur Atifsrahe marhte. der
jungen rnssischen ächrittsielterwelt einen Spiegel
vorzuhalten, nm ihr zu zeigen, wie nendlieb weit
sie hinter den großen Re]ir3<?entaiiten der mssisrhen
Diclitkuaüi zurückgeblieben it>t. Und da wir mit
d«n Ansichten des niaalacben Kritikers in der üaupt-
säche übereinstimmm, so wollen wir dem deutschen
Leser diei^er BlÜttei , der sich tin dt-n heutigen Zu-
stand der litterariscbeii Produktion in RussUmil in-
teressiert, den wHSHTitiii'ii' Ti !r-tiiilt der AastithningeD 1
des russischen Kritiker^ vcrnntteln. 1
Die russische Romanlitteratnr liat den Skepti-
zismus der zivilisierten We.steiiMprter besiegt und die-
selben gezwuugt'D, ihr da» Zeuguis zu geben, das^ sio
eine universelle Bedeutung beanspruchen därfe. Den
strengsten Kritikern Westeuropas ward dus Geständnis
entrungen, dass anter allen Litterataren der .Tetzt-
aeit die russische ein hervorragendes Interesse in
Anspruch nehmen darf. Flaubert, aU er Tolstojs
Roman „Krieg nnd Frieden" las, brach in den Ruf
aus: „Shakespeare, Shakespeare!" und der pessimi-
stische und mit seinem Urteil zurückhaltende Zola
sprach sich nicht minder enthusiastisch über desselben
Verfassers Drama „Die Macht der Finsternis" aus.
Es beweist die«, dass das Interesse fiir die russische
Idtteratar nicht das momentane .\uniackem einer
vorübergehenden Gefiihlserregung, sondern daswohl-
gepröfte Besultat einer gereiften Anerkenanng aei.
ESn Tolk ranss schon viel originelle Kraft nnd einen
rrroBen, angeborenen Schönheitssinn besitzen um die
Beachtung eines ao alten nnd erfabrenea Publikums
erzwingen nnd es so sehr enthinlauiderea an
können.
Legen wir aber ein aufrichtiges Bekenntnis vor
uns fwibst ab, so ünden wir, ^aa die Heiniiaf der
Ausländer über uns doch nur eine perinjre Bedeu-
tung liat, wir selbst können nns besser beurteilen,
als es der Analiiidsr kann. Dieser hat nar onsere
Auserwählten vor Augen, wir ilaf^ep^n nns«»re
ganze Schriftstellerwelt. Pranz«>8en und l>eutsche,
wenn sie von der rnssischen Litteratnr sprechen,
denken nur an Tolstoj, Turgenjew, Oontscharow,
Dostojowskij, riiüchkin, Lermontow, wir aber dürfen
auch die Herren Jassinskij nnd Albow nicht ver-
gessen. Wir wiss<»n sehr gut, dass es hauptsächlich
der russische lioman war, welcher nnsre Littcratur
in <len Kreis der europaischen Kultur einnihrte^ der
russische Roman, welcher durch die (iT)cns:fnanntKn
Namen repräsentiert wird- Leider aber ist die Mehr-
zahl jener Dichter nicht mehr am Leben nnd die
übrigen schreiben fast nichts mehr. Alle diese
Münner und alle ihre Schöpfungen gehören dci Ver-
gangenheit an — allerdings der jüngsten. MAgen
wir sie daher anch noch so sehr hochschätzen, so
dflrfen wir ihre Werke doch nicht der heutigen
Generation gntschrtiben. Da nun aber un.sre Zeit
und unsre Generation jetzt unsre Beachtung in An-
spruch nimmt, so müssen wir fragen: Was bietet uns
die Litteratnr der Gegenwart und was können irir
in der nächsten Zukunft von ihr erwarten.
Auf die Beantwortung dieser Frage können wir,
wenn wir ehrlieh sein irollen, nicht stob sein, sie
muss uns nieder<j:eschlagen und mutlos machen. Erst
nnl&ngst erklärte ein Mann, den wir als einen Re-
prisentanten des Tolksgewissens bezeiehneii mSetiten,
dass un.sre heutipen s^chriftsteller sammt und sonders
, — Liliputaner seien. Was kann man aber ?on
UUimtanem erwarten? Glüddicherwetse sind soiehe
^unImarlsche Urteile selten ganz gerecht.
Schon Bjelinsky sagte: die Talente wachsen,
nicht wie die Pilze aus dem Buden. Das Tnlent i.st
eine seltene Pflanze und wir können nicht verlangen,
dass sich viele gleichzeitig und auf dem nämliclien
Boden entwickeln. Wenn wir un.<«ere Beobachtuun;
auf einen engen Kreis beschränken, so enldeckeu
wir leicht einige junge, bekannte Talente, und wollen
wir gerecht sein, so sind es nicht einmal weniger,
ab) überhaupt in je^ler jungen Generation vorkommen.
Wir wollen auch nicht behaupten, dass es nnr kleine
Talente seien, die wir vor nns sehen. Wenn wir
z. B. Herrn Tschechow nehmen, so müssen wir ge-
stehen, daas er dnrch die Freiheit sein«^ Schaffons,
die Wahrheit seiner Schilderungen, die Präzision und
Klarheit seiner Charaktere, durch seine poetische
Diktion und durch die künstlerische Behandlung kom-
plizierter Aofgahen alle Achtung verdient Aehnllehes
kann auch von Wssewolod Garschin un<l Korolenko
gesagt werden, jeder von ihnen hat einseine Kompo-
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160
Das MagMio Or die Litter»tar de« In* ud AuImmI«.
No. 17
sitionen geliefert, die UM nnbedlDgt n dm Knast-
verken zählen moss.
Trotl «nedsni tnimen wir gestehen, dass keiner
vun allen nnsem jimgen ScbriftateUem einen Ein-
äius anf sein PabUkum auszuüben vermag. Der Eiu-
drnek, dm ihre Werke hervorbringen, ist schwach
und verflüchtigt sich bei der leisesten Beriilinini?
mit der Wirklickkt^it. Man könnte nun meinen, ilit.s
llgs an der Jugend dieser Scbrift«toller. Aber I/er-
montow sclirieb ^>i'inen „Held unsrer Zeit" als er
fünfundzwanzig Jahre alt war und Jahrzehnte lang
wurde mu nicht müde, ihn nachzuahmen. Turgen-
jew war noch nicht dreißig Jahre alt, als ci seine
.Aufzeichnungen eines Jägers" begann uud sie
machten einei gut bedeutenden Eindruck. Auch
Düstojewsky war noch sehr jung, als er seine ,.Armcn
Leute" schuf, welche bekanntlich gleichfalls ein
groBfö Aofsehen machten .... Öder ist vielleicht
unsre Gesellschaft zu sehr gealtert und ermüdet;
iiat sie vielleicht ilire jugendliche Regsamkeit und
En^b^liehkeit verloren, um die neuesten Erzeug-
nisse unserer Litteratur nach Verdienst w ürdigen
zu können? Auch dies ist nicht der Fall, denn
(4raf Tolstoj, Turgenjew, I)o.stojnwsky üben auch
jetzt noch ihre Anziehiuigakrail US, bringen auch
jetzt noch Eindruck hervor.
Die Schuld liegt also nicht am Pabliktllii, sun-
dem an den jangea Sohriftstellern aeSMt, und venn
wir ilire Werite anfintokmii betraditeD, so erkennen
wir leicht den Grund ihrer geistigen Ohnmacht.
Jede« känstlerisciie Scbaffian ist ein Reflex der innern
Natur de» Ktnstlen in «einem Werlte. In seinem
Bt;\viisst«ein muss das Ideal der Welt, die er schil-
dern will, lebendig sein. Dieses Ideal mnss die*
jenig^n Elemente besümmen, in denen rieh die In-
dividualität (li'.s Autors aus.s]iri{iit uml ;ui> welchen
er sein Kunstwerk zu gestalten beabsichtigt. Dieses
Ideal de« KUnstient, oder, mit andern Worten, die
Art uml Weist-, wie er das Ijeben auffasst, ist Diiv-
jenige, was wir die Individualität des Künstlers
nennen nnd irodnTeh er einen Binfloss anf «ein Pub-
likum ausübt. .Tf vollendeter und tiefer seine Auf-
fassung des Lebens , je harmonischer und klarer sie
ist. um so fr66er irird andi der Eindmelc «ein, den
der Autor hervorbringt.. Ebenso erklärlieh ist e.s
auch, dass, wenn die LebensanschauungeB des Autors
^eh anf nnbedeat^ale, flaebe, uninteressante Vor-
stelliingen gründen, oder wenn er gar keine präzise
Weltansdiauang hat, sondern sieh aussckUefilioli
dnreh nifUl^i;», Ufiefatige SUnunanfeu bdimadien
lasjit. .«seine Werke auch keinen tiefen, ilauernden
Eindruck lUnterl&ssen können und dass sie durch
Diafaannonie und Zummmmhangtorigkelt fbreo Ein-
flUBf verliereTT.
Betrachten wir nun unsre jungen Schriftsteller
von diesem Standpunkte ans, so flnden wir sofort,
dass ihnen die Individualitüt msTifrrlt. Keiner von
ihnen beeilst eine solche Weltanschauung, welche,
wenn sie die Grnndprobleme der Gedankenwelt und
die Grundbedingungen des menschlichen Lebens be-
rührt, ADen ein tieferes Intereem at^iewimieii MM.
Unsere jun(»en Sehrift.<teller haben für die Gntnd-
probleme der Gedankenwelt keine LOsung gefunden;
Philosophie nnd Honl — diene beiden «iTenMilleu
Lebensadern des menschlichen Seins — bilden
nicht diu Haäii» ihrer Weltanschauung, sie gehören
keiner philosophischen Schule an und anerkennen
kein ethisches Prinzip. Keiner von ihnen hat
sich eine bestimmte schöpferische Aufgabe ge-
stellt, nur die Zufälligkeit äußerer Eindrücke be-
herrscht sie. Daher sind sie alle nur Virtuosen,
welche kein anderes Motiv ikresi Scliafleus kennten,
als die Mögliehkeit des Schaffens an und für sich.
Sieht ein sokher Virtuos einen Bettler oder einen
Vagabund, so schildert er ihn, ist es ein Hund oder
eine Herde Schafe, so schildert er sie gleichfalls.
Daraus erklärt sich die Oberflächlichkeit, Dürftigkeit
und gleichsam auch die Gezwungenheit des Schaffens
unserer jungen SdiiiftiteUer. .Sie schaffen gleichsam,
als ob sie ein Pensum anaarbeiteten. Es ist in ihnen
keine Leidenschaft, kein Pathos des Sdtaffens, welch«
die Werke wahrer Meister durchdringt, die der Welt
etwas XU Terliiinden haben und die in ihrer Begai»
st«mngwenn auch nicht immer geniale, so doch jeden-
falls ho4rhbedeutende Werke schufen. Im Innern Zu-
sammenhang mit dem indifferenten Instinkt unsrer
jungen Scbiiftateller steht eine ESgenlieit untrer
lieutigen Litteratur, — die Zufälligkeit in der Wahl
dicbteris4dier Vorwürfe. Der Mangel einer fest aus-
geprägten IndlTidoaUtftt sehtieBt die H^febkdt aus,
sich eine einzelne, be.stiniiute Sldiare de.s SchafFens
zu wählen. An und für sich wäre zwar die Wahl
de« Stoflle« riemKch gleichgültig, wenn nur in der
Verarbeitung' de.sselben jedesmal auch die Individua-
lität des Autors zum Vorschein komm«i würde; dass
dies aber nidht der Fall is^ habmi wir bereits «r-
wahnts ünsre jun^'en Autoren verstehen es nicht,
sich die (Gegenstände der änJern Welt dienstbar xu
maeben, sie lassen sieh ihnen 1>eherr8eben und
daher kommt es, da.-.s der zufällige Weehs' l Ii v Er-
scheinungen ihre Individualität nicht zur vollkomme-
nen EiUtwickelung gelangen Usat Das, wnn nie
schaffen, sind keine ganzen Kunstwerke, sondern nur
Scherben, die sich niclit einmal durch Einheit der
Farbe, des Stoffi» und der F«rm auaniebBeo. Wflvden
wir alle Werke eine.«; solchen modernen f^rhrin.stellers
sammeln und an einander fügen, so bekämen wir
keine 7ovstellnn^ soner Endividuulitit; — die ScherlMD
passen nicht 7:usaninien, man kaau kein gUOSM 6u-
läü daraus zusammentügeu.
Besonders klar tritt diese GtgeotQndiehkeit der
neueren Schöpfungen nnsrcr T jtteratnr hervor, wenn
wir sie mit den Werken ihrer unmittelbaren Vor-
gänger veigleiebeu.
Nehmen wir den ohiektivsten unserer Dichter,
den Grafen L.. N. Tulst4jj. Wie mannigfaltig sein
Dm MagaiiB iftr di« LitUntar d« In- und Aolmdw
861
Si'liaffr'Ti auch Sf^in map, f.-^ ist doch ganz und j^ar von
einer einzigen, vielumfassenden Idee dorchdruogeo,
von dsm Verlausen naeh der LSmn^ des Rfttml«
der niensc!ili<'hen N'atur. Wo wir aurli liinldicken.
überall gewaliren wir, wie sein Interesse sieb darauf
konsentriert, m ergrilndeB, wie der ICeiiMih, seit er
vom Baum ilcr Erkenntnis gepflückt, »eine Freilieit
angew&ndt hat. Dieses Grundmotiv können wir in
aflen Werken des iiiToSen Meisters eifeeinien, mug
er nun vom d'aul niolstonijcra erzählen oder die
grandiose Epopöe des menüchlichea Lebeos »Krieg
und Frieden* dichten. Verflddien wir dagegen
Herrn Tschechow, den talfntvollstt ii und ariginellst >n
Repräsentanten der heatigen Üelletristen. Weder in
der NaUir noch im nenscIilielieB Leb» hat er irgend
ein Rfttfiel zu lösi^n, er hat nichts zn entziffern, seine
Aulmerksanikeit not' kein hochbedeutendes Problem
lu konMütrleren. Er tritt ins Leben hinans nnd
sp&ziert von einem fienrfnstand zum andern. Auf
diesem Spaziergang begegnet er interessanten Leuten,
eharakterbtiseheB Sienen, reizenden Landschaften
und bleibt dann ein Weilchen stehen, nm sie zu
schildem. Ist er damit fertig, so geht er weiter;
was ihn soeben beschäftigte, liegt hinter ihm nnd
er denkt nicht weiter daran. Nur auf diese Weise
kann man i^ich die schritlstellerische Tätigkeit des
Herrn l^chechow erldiTen, in welcher, Gott weit
weshalb, die hetero«:ensten Dinge in bunter Reihe
an uns vorüber zielten, ohne durch eine Idee, eineu
gemeinsamen Gedanken mit einander verknüpft zu
«ein. Nur in den Erzählun^^'n von Wssew. Garschin
vermögen wir den roten FaJeu zu entdecken, welcher,
mehr oder minder sichtbar, durch alle sdne Werke
Iiindiirrhzieht. nnd dessshalb glauben wir uns nicht
zu täusclieu, wenn wir v<m diesem Schriftt^teller das
Beste erwarten, was ans die heutige russische Sdirift-
stellergeneration zu bieten verspricht. Das wa.s
Gariichin bisher geleistet hat, berechtigt zu den schön-
sten Hoffnungen.*)
Wenn wir im Alltruneinen die Behauptung auf-
stellen, dass in unsicr heutigen jungen Schriftsteller-
weit nichts al.>» inhaltslose VirtuositÄt vorherrscht,
80 glauben wir damit durchaus nichts besonders Auf-
fallendes gesagt zu haben. Im Gegenteil, diese
Eigentümlii-likeit ist das natürliche Produkt eines
Seelenzustandes, in welchem sich gegenwfirtig unsre
ganze gebildete Gesellschaft befindet. Es ist nicht
nnr der Dichter, der für sein Schaffen kein deut-
liches Ziel vor Augen sieht, sondern die ganze Nation,
soweit sie dnreh die intelligenten Kreise reprisen-
*l Wtnewolod Gftrschin. Penimiitiacbe E^h-
Inngpn. V. A. Kruschew&n. Si«? ging nicht zu Gnindft
All» (ieiii Hu»«ii'eh#n flberaeUt von Wilh' lin Heucki»!. V(lu<-Iieti
Vi>riin,' von fr, Liiissprmann. — W&htenil ^irli dir-s»> Zeiieu in
<ler Druckerei liefan.ipn , erhielten wir <lii' 'I nm erkunde von
dem plöUlichea Iliuacbeiden de» jnnprn DiLKfer» W»»#wolo<l
GwaCJÜD. So ist deon aberiuaUi eia i unf - liolVnunKüvolk'r«
Talent dem uoeTbiUlichea SctückHkl, citiRm trübzciligea Tod,
nm Oiifw fefatlw. MkenH aber WiMwolod Ganielüii nnd
du UiMl» dar •«■•> Tod hnbeilUirt«. Mgt iu «iatr dwt
tiert wird, ist in der nämlichen Lage. Indifferente
Virtnosität ist das chararakteriBtiache Harlan^
enarer gegenwärtigen ms^isciien ZnstindB. Wir
s<-haft"en t'loO deshalb, nm die Ziel- und Zwedklosi^
keit ansrer Existenz zu vergessen.
Das Resnltat, welches wir ans nnsem Betra<^h-
tunEcen ziehen, i^t, da.-s wir an Talejiten dnnfiaiis
nicht arm sind, dass aber die Mängel nnarer heuti-
gen sehnowiBsenschafttidien Litteratnr in der eigen»
artigen Krankheit, an der unser Vafeiland leidet,
begründet sind. Diese Krankbett gestattet uns kein
anderes, als dn elementarisebes Lehen zn fiihren,
welelies eine selbständifre . ei'j:enartige Tiidiviiltialität
nicht zur Entwickelung kommen lässt 8o lange uosre
GeseHfidiaft an diesem Leiden kranitt, wird aueh
nnsre sch'inwisseiwchaftliche Prodtikti'm an Tni[iofenz
und Charakterlosigkeit laborieren und so lange
werden bri nns sach keine wahren, gottbegnadeten
und hetjeisterten Dirhter ersteher. Hir Platz wird
einstweilen durch mehr oder minder geschickte Vir-
tnosMi aosgelBlIi.
Mfiaeheii. Wilhelm Henckei.
• »• ■ * % < .
Uckca h (larihaldi's Denkwirligkeil«!.
VoB Karl Blind.
IV.
Die siziliani.Ni'Iie Krliehunp vnn 1860 war von
Mazzini geplant worden i das haben selbst Solche
anerkannt, die ihm poUtisdli elier fem oder sogar ge-
genüber standen. Guerzoni, der mit tiati-
baldi in London als einer seiner Schriltfuhrer war
nnd ebenfalls an wirlren, sehreibt:
„Utopist in so vielen anderen FinfTtn. war Gari-
baldi im Punkte der vorbereiteten Aufstände etwas
xnrn Zweifel geneigt Als Ertegsmann war er znm
T<ide bereit, doch unter der Bedingung, sein Leben
teuer zn verkaufen . . . Keiner der grofieo revolu-
tioniren Yenmehe in Italien ist aber von Ihm an-
geregt worden; am Allerweui?> ti- ii der in
Sizilien. Garibaldi bat nie nach der Krone eines als
Märtyrer sterbenden Vbritnfers getraehtet*
Indessen war dfsrh die bei Aspronion te geschei-
terte Unternehmung ganz üeine Sache gewesen. Man
kann sie üreiHeh nieht sn dm groCen revolationllren
Erhebungen i-echnen Von der hei ^fentana nnler-
legenen Erbebang hatte Mazzini vorher Kenntnis
gehabt Br missbilligte sie aber, indem er aof alle
Fälle zn einem .\ngriffe von der See her, wie in
Sizilien ii» Jahre 1660, riet^ statt von der Landseite
her. wie Garibaldi es tat Die Erörterungen Für and
wider habe ich damals vor dem Aufstände f^ehörl.
Auirallig ist nun in den vorli^enden Denkwürdig-
keiten, dass Garibaldi in bezug anf diese Unter-
nehinunc: sa?t:
„General der römischen Republik, niil auliei-
ordentlichen YollmSiCllten von jener Regierung W'-
Uetdet, der fesetaiillBsten («( jm* legitiimo)^ welche
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869
Dm XigMb Ar S» UtUnfenr In- and AubadtiL
N«. 17
je in ItalitiD bestanden hat; in einer üntltli;|keit
Ichend, welche ich stets fiir ein Vnreclit jsrrlialtPn
habe, wo noch so viel für das eigene Land zu tun
fibri^ blieb, stellte ieb mir vemanftigerweifle vor, es
sei rlfp Zeil rrf.i<„nimen, der päpstlichen BaiHcke
eiiitu Stuß zu gehen und Italien zu seiner berühm-
ten ÜHiiptstadt zu verhelfen.*
Hier greift GaiibaMi iiintzüch auf sein»' aUe
republikanische Volluuu^lil zut üi-k. ich erinuerf, mich,
dass xa Jener Zeit ein Brief vun ihm ausging^, ^rin
sehr eindrinfrlich auf diese VidliUHcht verwiesüu wur,
welche er kurz vor dem Ein/.npfe der Franzosen von
der verfassungg^ebenden Versamnilunp zu Kom er-
halten zu haben erklärte. Der Brief ließ sich einer-
seits als eine Stellungnahme Uaribaldi's gep^en-
tlber der, nach seiner (Jeberzengung ihrer natio-
nalen Pflicht untreu geworde nen .savoyisohen Mo-
narchie", wie er sie niehrnials nennt, andererseits
als ein Anspruch gegenüber <lein Triuinvirn Mazzini
auslegen. Nur in diesem Zusammenbange wird <Iic etwas
verbiillte Andeutung in dem Boche verstän<llich.
Warum er seine Dienste der französischen Ke-
gierailg Sedan anbot, ist in den Denkwärdlg-
Iteiten nleht näber angegeben. Viele seiner Mit»
kiimpfer hatten den Sclirilt bücb.st ungern gesehen.
Frau J es sie White Mario (Kngljlnderin von Ue-
bnrt nnd 6«mataHn von Alberto Sfario, der nnter
(iaribaldi stritt), welche als rflegerin der Verwun-
deten den Führer der Jiotheniden auf seinen Keld-
zilgen in Italien nnd Franitreleh begleitete, spri(-ht
in iliTL'iii W( ike von der Begeisterung, mit welcher
die Italiener den deutschen Siegen von Weißenburg
nad WSrtJi bis Sedan folgten, nnd wie sie „in Jedem
Siege Deutsi^Maiids t-ine I>(-iiiiitiY'inifr des französi-
schen Uebeiuiutes uud eine italieuisciie Bache er-
blickten." Ah das Kaiserreleb flel, tief man auf
d,T Halhinsel; ,.\arh Rom' Nrirli R.'.in'.» Die Hück-
gäbe Nizza'» warde ebenfalls stürmisch verlaugt.
Es ist Tielleieht wenif beitannt, daas Garibaldi
damals von der Akti()n>iiart. i gedrängt wunl*'. sich
Ni2za's, seiner Vaterstadt, zu bemächtigen, dieselbe
ifir eine frde Stadt m erUftren nnd die Oberbanpt*
Schaft in dersellj^n aiiziiln-t.u. ri-Iicr .ü'-sfri Punkt
kann ich aus Erfahrung sprechen Von Berlin aus,
bei Begbtt des Krieges, durch Vaterlandsfrennde
verscUiVdi'iier Parti-ipn aufLieffirdert, mit a rih n Mi
oder Mazzini in Verbindung zu ti-eten, um sie zu
einer, das beabeiditigte Bttndnta swbelien Napoleon
und Victor Kmanuel (inn-hkifnizctulen Erh''hung
in Italien aufzufordern, wofür Waüen und Ueldmittel
bereit tagen, glaubte iA, wegm der Spannang, welche
zwi.schen den beiden Führern der Aktionspartei
berrsehte, micli zuerst an Mazzini wenden zu sollen.
Garibaldi, so schloKs ich, würde sich dann auch finden
Inwn. Mazzini tiahni lier-Mtwillif^ an. In Stinsm
Briefe aus itaiieu sciaieb er au uiicli:
.Die Fn>ge ist nicht, die Franzosen in Bom
aaiagreifen — sie sind ant dem PnnlLte^ von selbst
I so gehen — , sondern das BSndnis zu verbindem,
dcs.<»en Pfand die Eiliimiinir Kom's ist. Dies Bünd-
nis zwischen dem Kmig Victor Bmaauel und dorn
Kaiser (Napoleon) ist eine bestimmte Tateadie. Ich
nehme die Sache auf miih, wenn ich nnter?tfitzt
I werde; das kann aber niclit geschehen, indeui laan
die P'rage lokalisiert, sondern indem man die Re-
I' gierung der Monarchie stürzt. Wir wünschen die
deutsche Einheit, wie wir die italienische Einheit
■wönScUen. \\ ir brauch* n Hmn nnd Nizza. Helft
uns, und rechnet auf uns! Wenn aber die Hülfe uns
I nützen soll, so niuss sie mit Blitzesschnelle kommen!*
j Wie groß liif (iefalir ^^itklich war, dass die
französische Partei in Italii Ti rnit Napoleon zusam-
i meu handle, d;us ist erst iui vinigen Jahre wieder
' im deut.sclien Reichstage von dem Fürsten Bismarck
selbst erwähnt worden. Glücklicherweise machten
die raschen deutschen Siege diesem bedrohlichen
Zustande bald ein Ende. Maazini aber sprach mir, nach
seiner Rückkehr aus Italien, warmen Dank für das
von Deutschland her in ihn gesetzte Vertrauen aus.
(Garibaldi seinerseits wollte sich auf die wegen
Nizza's an ihn herantretenden AufiSnrdeningen der
.\ktionspartei nicht einlassen, da er damit nicht blofi
mit Frankreich, sini inn auch wieder mit der italie-
nischen Regierung in hellen Widerstreit geraten
wAr«. fir glaubte nno wohl, dardi Anbietnng seines
D<1^ II- ati Frankreich Vizza nachträglich als Ge-
si-heuk für sein Vaterland zurückerhalten zu kOnnen.
I So wandte er sieh denn an die Regierung der Lsndes-
vi'i ti-iiÜL'iiiiLr, liaitc al'.T einen vollen Monat auT
Antwort zu warten und wurde dann auf die bekannte,
I u i nig ehrende Weise empfhngen. Garibaidf a Ad}a-
tant Bordon e liat das in seiner i^rlirift (C'in'haUi
H i'ÄrmU de» Vosgu, 1871) bezeichnend ge^schildert
Ks waren eben im franzOeisehen Heere der bon*-
partistischen Offiziere, «l* i rinmaiis und Marien-
Streiter zu viele, und Gallier und Börner haben sieh
seit alter Zeit sn schlecht vertragen, als dass Gari*
baldi ■v.irklirh winkotnnn'n ^re^vesl'^ wäre.
Sich dem ungestümen Drängen der italienischen
Aktionspartei zu entwinden, nnd anf einem Umwege
dwdi wieder Nizza zu erlnncreTi, das wird der Haupt-
grund von Garibaldi 's luntschluss gewesen sein. Als
er in Marsnlle landete, begriltte Ihn rin Blatt, die
I ..Ksfalite-, mit der Erkläninfr: .nachdem er Frank-
reich geholfen, werde man ihm seine Heimat, «ein
sehftnes Nicsa, znrflekerstatten." Man weiS, wie das
Versi>rf eben cinpelost wurde.
Ganlialdi's Schritt fiel mit Recht in Italien und
Deut.schland anf. Kr geriet dadurch mit sieh selbst
I in Wi l- rs[n in Ii Wiederholt halte er, vor 1870,
Schreibt'U au luicli gerichtet, welche zur Veröflent-
I Hebung bestimmt wareu und von den freundsebaft-
lichsten Gesinnungen für Deiit-iiiland zenprtfn. In
I einem dei"selben, vom 10. Apnl, lÖBTi, saptc er in
der ihm, wie Maz/iiii, i i^r, iien, begeisteiteu Sprache:
I «Der Fortschritt der Menschheit ist ins Stocken
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Nu. 17
Dm Mügazm Ar die littonter im In* ni AmIm^w
gieraten .... Es tehH der Welt elB Fflhrerrolk:
nicM -um sif zu bflierrsi lien, sondern nm sie zu
leiten auf dem Pfade der Pflicht, welch' letztere in
niebta anderem besteht «)s fn der VerbrQdermi)^ der
Nationen und in dein rmslnrze dtr Schranken, die
von der Sellffitsucht gezogen wurden 8in«l E» feliH
der Welt «In FAbrenmlk, du, einem rittertidien
K.'inip(>T) rliT VinYoit irli'ii'li, >-icIi «Icr AiiffraliH widmet,
das Unrecht zu befehden, die Schwachen zu unter-
stStwn, nnd welebea \tmii wftre, das eigene mate-
rielle Wohl eine Zpiflf\n£r zn f)pft>rn, ntn darliiir!) citi
viel kostbareres Gut zu erreichen, nämlich das hoch-
befriedigende BevoBfltBein. die Leiden seiner Mit-
menschen ijelindprt ttii haben. Trfttp fiii Vdlk imitif,'
in dieser Weise auf den Plan, es würde alle Unter-
drückten nm sieh sammeln, es wird« znm Retter
aller derjenipen werden, die iuh dem Abgrunde Afr
Erniedrigung etnporsteigen wollen, in welclien die
Verkehrtheit der Regierungen ne geworfen bat. Dieser
Ehrenposten, den die WechselfiiUp drr Zeiten unbe-
setzt gela.<$sen haben, könnte füglich von der Deut-
schen Nation eingenommen wenlen. In der ernsten
und philosoplii^schpii S'innesait Ihrer Mitbürger lirpt
eine Gewiihr d<is Vertrauens für die Zukunft Aller.
.Schüttelt daher Ihr mit Euren starken Armen . . .
(Hier folgt eine nicht wjc b iviiürr'icnde Stelle). BiWt t
daher Ihr im Herzen Eniopa s, das Ihr bewohnt, die i
achtunggebietende Einheit Eurer fünfzig Millionen
— nnd wir alle stürzen uns mit Begierde nod Bn^
zücken in Eure brüdeiliclitü Keihen."
Wie man sieht, nahm Garibaldi sogar die Ein-
heit von ganz Deutschland an, nicht bloft von swei
Dritteh» desselben.
Im Jahre 1868. als wegen Luxemburgs der Krieg
drohte, befürworteten Leute von der Friedens- nnd
Freiheits-Liga, deren EhrenvorsitzenderGaribaldl war, j
für den Kriegsfall die Notwendigkeit, Preußen der j
Ver^nselang anheicnzageben. Die Schweiz, Belgien '
und Ungarn sollten sich zum Zwecke der Nichtein-
mischung mit Süddeutschland verbinden. Oesterreich
diesseits der March wurde nicht erwähnt. Vielleicht
daditen jene Leate den Oesterreich diesseits der
March die Rolle eines Verbündeten Frankreichs zu.
Jedenfalls h&tte der Zweikampf «wiitchen Frank-
retcb nnd Prenflea gmnx dem Bonber'schefl Plane
ent.simH'Iien. Auf meine .\nfrage an Garibaldi, wie
er sich zu solchen Oesinnungen stelle, erwiderte er
umgebend: .Benaparte btikinipfeu bdBt das B8se
bekämpfen. Es sollte also nicht bloß ganz Deutsch- ,
land, sondern auch Italien, nein, die ganze Well
wider ihn anftreten.** |
In jenen Tac:t ii konnte Jeden Augenblick ein |
Krieg zwischen Frankreich nnd Deatschland aus- |
brechen. Noch gab es unter nnsem Oesinnunp- |
geTio^.m n e ine Anzahl durch die Kreipnisse von 18(>t)
tiefverbitterter Männer, denen wir unablässig ins
GewiMon m reden hatten fitar den Fall, da« der
alte Feind ron Westen her wieder einen ^agiilF
machen wurde. Da kam denn der Brief Garibnldfi,
dessen Name s» hoch-einflus.^n irh unter allen Volks-
Parteien Enropa's war, sehr erwünscht
Nach Sedan wnrde bekanntneh von der Regie-
rung der Landesverteidigung in Frankrpich die
soD«ierbare Loeang ausgegeben-. „Der Angriffidcrieg
habe seitens Frankreichs snfgeh&rt: jetzt aber be>
ginne der T?al•llf•kn^■tr,■* Damit war. unter srliliin
sein sollender Redewendung, klar gesagt, dass man
die alte Politik auch nach Napoleon'k Starz fortsn-
si'fzi-n licalisii'btip:«'». Nach Allfm.wHs (Tarib.^tlili früher
gesagt und geschrieben — denn er war grundsitz-
lich, im Punkte des von Frankreich unter den ver-
si'hiedensten Regierinu'im rrlinlicnpn Ansiiniclies auf
Führerschaft in Europa, ein ebenso entschiedener
Gegner Frankreldw, wie Msnfnf — wftre sein Plati
gewiss nicht in den Reihen iles franznsisilKii TTperes
gewesen. Sein Uebertritt in dasselbe erklärt sich
ans den oben angefiihrten Orflnden, dber welche er
jed'icli in ilcn DcTil;wiir(li£rl;eiti^n srliwcifrt.
Der Umstand, dass Mazzini damals für Denti^cb-
land gegen Fnmkreieh Partei nahm, mag Garibaldi
fini^'f-riiiaßen b*'(>inf1ils.st lialu-n: rlcnn auf di«' onlireiren-
gesetzte Sejt« zu treten, wenn der alte Kampf-
genesse auf die andere getreten war, ediien Gari-
linlrli mnni'tmia] rin Vprcnnfiis'''n zn bpffitpr. Mrtzzini
seinerseits blieb bis zu seinem Tode ein Gegner der
fransMsehen Aalfiuaangen, wie sie, snm Beispiel,
Renan nach dem Kriege norbmals zum H(i«j(pn <rnh.
In einer besonderen Schrift wandte .sich Mazzini
gegen die dsaristisehen Gesinnangen Reuan^s nnd
■^efron soine falschen Darstvllnncrfn bezüglich des
Krieges von 187(i— 71. „Preußens Sieg," hatte
Renan geschrieben, „war gnwisseinnaKett der Sieg
ili'N tre.schichtlichen Gottesgn.t<!pnrerbtes • .Nfir,"
antwortete der ehemalige Trinmvir der römisclicn
Republik; „das preußische Königshans ist das jüngste
in Europa. Was den Sieg betrifft, so war der
Sieg des deutschen Volkstnmes über diejenigen,
welche anmaßlicher Weise ffie Entwickelnng den-
selben zu hindern trachteten.'
An den letzteren Satz haltim wir uns. Das
,\jiil< le (Ti'li'irt tiir uns nicht zur Sache.
Im Uebrigen hat Garibaldi >-pfiter wohl seihst
den im .Tahre 1870 getanen Schritt bedauert. Ucber
den Gang der Dinge in Frankreich war Ur jeden-
falls tief erbittert Mir schrieb er ans Caprera
unterm .30. Dezember 1874: ,.Sie, als Freund und
(lesiunungsgenosse, sind gewi.ss Qbenengt. dass ich
in den Jahren 1870—71 keineswegs Deutsch-
land hatte bokAmpfen wollen. Ich diente nur
dem republikanischen Grunüntn." Dies klang wie
eine Art Rene. In den bis zum Jahre 1872 reichen-
den Denkwürdigkeiten sind die Vorgänge in Bordeaux,
wo man ihn so .schmählich bilianilclte , in eimr
Schreibart geschildert, welche von innerem, wenn
nittdi Vttrlinlteiiem Grimm »ngt Allein aaf die
«igentlldiai Uraaeheo» midie ihn Tonudaatten,
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964
Du Mtguin f&r die TjiU«ntar des In- und Atulandes.
Na 17
Frasknieli seine Dienste anzaMeten, gebt OuÜNÜdi i
nicht ein. 1
Seine TeUaaJuae an der innera t^ntwickelung
DeatBcblandfl bevfeo er noch im Jahre 187R, wo er
in einein BriL^fwccliscI mir mir über das in Italien bf--
Ktehende GeseU der Oewährleistnngen für das Papst-
tnm aieh in den whirftt«i Ansdrfidien gegen die i,Kaf-
fenbnden" erjrine: und bcilauerti', das» in der Kammer
kein Gesetz zu erlangen sei, welches die Abhaltung
flinee KcnddaTe« ffir eine Papstwahl aof italienisehem
Boden für immer vt rliöt»-. fii-^tf er
liinzu, «dürfen Sie darauf rechnen, dass die große
Mehrheit der italienisdien Nation die wSrmste Teil>
nähme für Dentsclilaml in sfint'm Kiuri|ife ;uif T.olifn
und Tod gegen das Jesultentuu unter allen seinen
Gestalten fimpAndet*
Vieles ist in den DeTikTirnrdi<,'ke!ten nirlif be-
rührt, durch welches „etwa;! mehr Licht" auf be-
dentsame Ere%nbae in Italien bitte geworfen werden
können. Doch an Schärfe der Sj.rju lu' leistet dEi>i.
abwechselnd mit glühender Leidenschaft, ja, mehr-
mals mit dnem gewissen Handw diehtwiseber Be-
gei«tpmnp ppschric^cnp. dann wieder in fofdattsrhe
Barschheit verfallende Buch an vielen Stellen Äußer-
ordentliches. Eän doppelter Oaribaldi kommt da mm
Vorschein. Mit einpm (ipfühle des Stannpns aber
mag das jüngere C4eÄ-hle<!ht lissen, mit welch' unge-
heuren Schwierigkeiten er sa kAmpfen liatte, nm
daa Große zu leisteinf du er wirklich geleistefc hat.
MaUbeii krwAi als Nchter.
Tom L««p»ld Kat*eh«r.
L
Derbl der UeberschrÜk genannte I)ic-hter, Heine-
kpnner und Essayist, der kürzlich von einer viel be-
sprochenen Vortragstour in den Vereinigten Staaten
nach England zuriickkchrte, gehört zu den größten
xeitgenössischen Poeten der Briten. Kr ist das
ilteete nnd berühmteste Mitglied der sogenannten
„Schale der Verfeinerung", die in der Qesebicht^ der
modernen engli.schen Poesie eine hervorragende Rolle
Sipelt und welcher auch Symonds, Lewis, Morris,
Garnett, George Eliot, Todhunter, Palgrave, Ernest
Hyers, Aubrey de Vere und Warren angehören, be-
nehungsweise angehörten. Einige Mitteilungen über
das Wesen dieser, „Schoul of Culture" genannten
Aicbtong werden «icherUch willkommen sein.
Man verdankt ihr mehrere gedankenreiche,
hochgebildete Dichter, deren Talente zur Hebung
des Wertes der neueren Dichtkunst beigetragen
haben. Viele snbtile Oedanken, tiel schSnen Natnr-
sinn und eine intensive \\'iir<lif;nn{r alles Scliönen
überbanpt kann man ihr nicht absprechen, wohl aber
im Grölen nnd Garnen Leidenacbaffliobkeit und
acbflpferische ErifL Dk Eigenschaften sieht reflek-
I tierender Art, an denen es ihr mangelt, müssen an»
I gelwren sein und lassen siih nicht erlernen.. Wa.s
: aber die auch ohne Naturanlage erreichbaren Vor-
I Züge betrifft — namentUdl Selbstbehemehuagt
trettlirlie StofFwahl, clciianter Stil, Stoffreichtum — ,
so verdient und findet sie hohe Anerkennung.
Eigentlleb sdieint es nicht ganz in Otdnnng,
eine Reihe von Autoren, die von einander grnndver-
sehteden sind, unter einer fieaeichnung zusanunen-
cnfassen. Die oben genannten Voaten befolgen keine
gemeinsamen Rej2:eln und haben keine sie als (Ic-
sammtheit kennzeichnenden Eigenheiten. Im Gegen -
teil, jeder von ihnen bat eigene Ansobannngeo tber
Welt und Kunst Dennoch ist die Benennung ..Sclirnd
of Culture" keineswegs unberechtigt, denn etwas
Gemeinsames Ist vorhanden: ffie Leistongwi der
„Schnle der Verf-in. r'ing" verdankten ihr Entstehen
mehr der Tätigkeit de«« hochgebildeten Geistes als
der direkten Sängebnng ed«r dem Binflnss Über-
wältigender lif^idenschaftlichkeit, melir dpm Denken
als dem Fühlen, mehr dem Verstand als dem Gemüt.
Die ,.AnbAnger der Verfiunerung'' hegen alle eine
li(dip Verelirnng für die klas.M8che Schönheit des
Altertnnjs und halten sich möglichst an die iioetisclieren
Glanbens- nnd Lebensverhältnisse der antiken Grie-
chen und pLÖiner. Daher rUbrl es, dass ihre Schöpf-
ungen eiütiii ;6ieuilich tilarkeu ijhilosophischen Anstricli
haben, nnd zwar einen in vielen Punkten gleich-
artigen: eine unbestimmbare Melancholie, das Scliwel-
gen in der ErioneruDg an eine für immer verlorene
Schönheit, sowie eine gewisse Sehnsucht nach dieser
ziehen sich dureh ilire Diehtnngen. Der Umstand,
dass die »Anhänger der Verfeinerung" mehr Ver-
standes- und Bildun^'^s- als Inspirationsdichter sind,
bringt es mit sieh, dass sie eine hervorsteoliende
kritische Begabung besitzen. Ihr verfeinerter Ge-
schmack Uast es nicht zu, dass sie sich dem lyrischen
Selbstvergessen, der reinen Gemütsfi-eude eines Bums.
Shelley, Berangcr oder Anakroon, einer Sappho oder
Elizabeth Browning hingeben. Matthew Arnold liat
vor sehr langer Zeit die .\nsicht ausgesprochen, er
sehe in jeder poetischen Jyeistung nicht bloß eine
schöpferische, sondern auch eine kritische Gabe, die
natürlich nicht immer die gleiche sei; bei Goethe
z. B. sei sie sehr bedeutend, liei Wordsworth ganz
gerin gfligig. Diese Theorie passt ganz gut auf
Arnold selbst nnd auf die übrigen Mitglieder der
..School of Cdtare", aber nur tdiwelse auf andere
Didhter. Arnold schreibt Byrons Stoffamiut, Sliellegn
Zosammenhangslosigkeit, Wordsworths Mangel nn
Vollst&ndigkeit und Abwechslung dem Umstände zn,
dass es diesen Poeten an Kenntnissen nnd kritischer
Befiihignng fehlte^ Bei den Verfeinerungsdicbteni
Unwiedemm sinelen Kenntnüse nnd Kritik znweüen
eine tibermäßige Rolle; es wäre manchmal besser,
sie folgten mehr dem Einflüsse des Gemütes und den
«nalttanMnn Anr^ngen der Xme. Sie zeidneiB
neh «ft gar xtt sehr durch interpretative — im Oa-
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Ntt. IT
Dm lbg«da flfar tattante b> vnl AuludM.
96S
geDsat2 zu scMpfcniwIier — Kraft aus. Dai» sie
in ihren Dichtungen aoviele Elemente der Kritik
und Reflexion aufweisen, ist übrigens begreiflich,
denn »ußer I.owis Morris — nicht zu vorwechseln
mit William Monis, dem Di'-Iitcr des „Irdischen
Paradies" — ist keiner vuu ilnieu au.ssciilieUlich i'üel,
sondern außerdem Beru&kritiker, Historiker, Bedak-
teur, Roiiiauschreiljer eto. Arnold selbst ist einer
der bedeutendsten Litteraturkritiker dvr Gegenwart
Seine zahlreichen Essays sind fein ausgemeißelte
Filigranarb^'iten , einer (iavon ist das Beste, was ein
Engländer über HeLnridi Heine geschrieben und er-
schien, wenn vir nicht irren, 1865, also zu einer
Zeit, wo, mit Ausnahme der Vorrede zu Bowrings
Ueine-Uebersetzongeu (1869) in England noch nichts
filier den „Mtr^iar von der me d'Amsterdam" er-
sehiensn irsr. Einiges ober diesen in Deutschland
k«ain niher bekannt gewordenen Essay dürfte von
Interesse sein.
Arnold wirft Carlyle vor, er habe für die ro-
mantische Schule Deutschlands eine allzugroße Vor-
liebe gehegt und darüber ganz die Heinesche Schule
vergetseo oder vielmehr sie absichtlicli Ubergangen.
Hit Besag auf Heines Ausspruch, er halt« nichts
auf litterariächen Ruhm, verlange jedoch, man möge
ilun ein Schwert auf den k!gen, da er einer
der bravsten Soldaten Im Eri^ der Befrdnng der
Menschheit gewesen, meint Arnold, Heine habe sehr
viel auf litterariachBD Ruhm gehalten und sei iro-
rade nfeht nster die ^bravsten" FrelMtiikäiiii» n
zu rechnen; aber er „war einer der glänzendsten und
wirksamsten jener Soldaten", und zwar „der wich-
tigste und bfldentendste seit Goethes Tode*. Ganz
besonders begreistert ist uiis*r Essayist davon , dass
der Sänger der „Lorelej" „den modernen fraosösiiichen
Wita und Oefot mit deatsefaem Gefühl, detttseber
Bildung und denlschei' Denkweise verbaiul". Für
dessen iiersönlicheQ Charakter ist er weit weniger
eingenommen. Nnr die aehtjlhrige Krukheitsperiade
entlockt ihm Worte des Li>bes; im Uebrigen aber sagt
er: „Seine Fehler waren schreiend. Unmäßige Em-
pfinÄidikett, nbegrelflldie Aagrü» auf Fdnde und
noch ubIh ^^reiflichere auf tYeunde, Mangel an Edel-
mut , unaufhörliches Spotten. Mir scheint seine
Sehwisehe nieht so sehr eb ITangel an Liebe —
wie Goethe sagte - als vielmehr ein M.ms:el an
Würde und Selbstachtung zu sein. Er hätte viel
gröiere Ergelnisse erzielt, wäre sein moralischer
Gehalt größer gewesen." Das litterarisehe Schicksal
Heines mit denjenigen Byrons und Shelleys verglei-
efand, aelBt oihnbttr voUkornnwa mibelhng«ae
Autor, Heines litt^rarisches Qlück sei größer gewesen,
als das der beiden Briten, und zwar weil das
dentsdn PhOistertam nicht, irie das englHche, der
Ideen entbehre oder gar für solche unzngilnglich sei;
wohl aber lege es in der Anwendung modemer Ideen
anf das praktisehs Lehen Sehwiehe qnd Zaghafüf*
k«it an den Tag.
Doch es ist an der Zeit , dass wir an die Be-
trachtung der poetischen l.f^istungen Arnolds schrei-
ten, die die neueste {H>titii>che Utteratur seiner Hei-
mat immer mehr beeinflussen. Seine Diditnngen kann
man „schön und melancholisch'^ nennen. Er ist der
Vörfeinerungsdichter par excellence, was viel be^en
will, wenn man seine eigene Definition der Bildung
in Betracht zieht; er nennt die Bildung „ein Studium
der VuUkummenheit". Er liat das Vollkuunnene mit
der hingebenden Liebe eines wahren Künstlers er-
forscht; er hat sich so lange mit den besten grie-
chischen Vurbüderu beschäftigt, da^s ein Widerhall
ihres Wohllautes auf ihn übergangen ist und er
stct.s einen TTauch ihres Dufte.s ausströmt. Während
der Lektüre seiner Werkt st-oüen wir zuweilen auf
TOne seltener Einfaclüieit und Unmittelbarkeit, die
unser an die verwickelten und subjektiven AeuAe-
rungen unserer moderner Dichter gewöhntes Ohr
seltsam berühren. Hat aber Arnold die Schönheiten
der antiken Welt sich angeeignet, so ist er auch
dnrch deren Einsehriaknng beengt. Daher mangidt
es ilun durchaus an den umfassenden Sympathien,
der grvSartigen Schaffenskraft, der titanischen Energie
Shakspeares und seiner ^itgenossen. Hit seiner zum
Klassischen hinneigenden Natur, seiner Selbstlie-
herrsebnng, seiner Höflichkeit, seiner Zartheit, seiner
FeiniBhligkeit hat Arnold mehr WahlmTwandtBehafli
mit dem Geist der atheniensischen Litteratur als mit
dem erhalienen, aber raabkräftigen Gleoins des
Nordens. Sein« Verse hodtsen dne atthiche Klaiheft
und erinnern lortwährend au den „griechischsten"
aller griechischen Dichter, den reinen, mafivollen
Sophokles. (ßOima Mgl.)
hr Iitalig ilMr AiltgnpbeBsunliig.
Von Eugen Ritter v. Mo r - S ünoogi;.
Antographeasammler können sich dnrchaos nicht
der Hold nnd des WohlwoUens der LftteratnrgrSiten
rühmen. Dabei läuft aber der Irrtum unter, dass
man sich in diesen Kreisen noch nicht gewöhnt hat,
Aatographensammler vad Antographenraarder zn
trennen, und doch nur letztere verdienen billig jene
Missgunst, die man ihnen allerseits und nicht cum
Wen^(Kten von den Aatographensammiem selbst
entgegenbringt Man glaubt in \ii'lit-!sanimelkrei>en
schon überaus milde genrteilt zu haben, wenn mau
das Selbstsehriftensammeta als nichtige Spielerei
ohne Wert nnd reellen Zweck bezeichnet, als einr»
.Papierschnitzeyagd", wie es Paul von SchOnthan
verlehtHdi nennt Dabei begeht man wieder hellen
l'ndank, indetn man jene schmäht, die man nnr zu
gerne, sei es als Schriftsteller, bildender Künstler,
SdianqHelor, EomponiBt^ als Staatsmann d. b. w. mit
schlecht gespielter Essigmiene als Barflmefpr seiner
Berühmtheit nnd Popularität im Munde führt Ja,
nM« bH (rieh ssfar mit VorliehB in der Zahl dieser
hOaen Gtister, von denen man ^tqiMV wird nnd
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Dm IbiMb Ar die tittmlar 4w b. ktänim
No. IT
giebt lieber mehr als weniger au. t rzÄblt wohl auch, I
wie viel ^Stunden" man allein tAglich zur Er- '
ledigung derart igei Gesuche „um eine Zeile von !
Ihrer Hand" verwende. Der echte, zweckbewusste
Autograpliensammler zählt diese Marder durchaus
niclit in seine Gilde, der „Berühmtheit'' aber ist es
mit ftren Stielten auf ilies< n>eD keioemregs immer
80 grausam ernst. Hierdurch wollen wir ganz nnd
gar nicht der Antographenbettelei das Wort geredet,
Mndern nur die vielfachen Klagen über dieselbe ein
wenig auf ihren Wert gepiöift haben. Doch wenden
■wir uns dem durch die Ueberschrift bezeichneten
Gegenstände zu.
Kttralicb ist Ja Paris ein Werk*) erschienen, das
ganz darnach angetan erBcheint, das Antographen-
samuieln in ein besseres Licht zu stellen nnd selbst
die mit dem Sammeln von Seibstachriften so unver»
tOhnlieli »ich geberdenden HUimer der Feder werden
<lit'st'iii Bui-lic ihre Anerkennung nicht versagen kennen
und vielleicht, uud das wjü:e nicht der geriogete
Nntzen, lassen aie rieh davon flberKengen, da» Anto-
graplienmanler und Aiifüü:ntiiIi(irisiuiuiiiernirlitd»<Milbe
aei und nur Erstere den Krieg verdienen.
Bis vor Knniem batte das Antog^aphenaammeln
nur eine f^;inz KiTinRe Litteratur aufzuweisen, die
aach für den Nichttianimler von größerem Interesse
gewesen wftre nnd die ganze Kenntnis vom Seltet-
schriftensammeln beschr.'tnktf f^icl) hei den I^ien nur
ani die sp&rlichen Notizen der Tages- nnd etlicher
illitstrierter Blfttter fiber den exorbitant hohen Preifs,
den »in dder das and<'r<? liorvorragende Stück ^f'i
dieser oder jener Auktion dLotrug. Der Katalog der
SammloBg Meye^^üaiias in BeriSn war der erste, der
eine bessere Einsicht auch bei Niclit.saitimleni lit-r-
vorrief and allersMts auch für die Utteratur als
wertvoll and dankenswert anerkannt wnrde. Doch
einerseits war der Katalog nicht ftir den Ruchliandel
bestimmt und insofern Vielen nicht zugänglich, an-
derendte nmfhsste tat nnr «hm Teil etaer Samm-
lung, die deutsche Litterattir vom np^riiinf dps acht-
zehnten Jahrhunderts bis auf die (regenwart. äu
wertvoll and anerkannt ti-efflich dieses Bndi ist, ge-
wlhrt es doch nicht vollen Einblick in eine Samm-
lung als Ganzes. Anders steht es mit dem Kataloge
Bovel, dessen Luxusausgabe mehr als zwei Jahre
spAter »!s die Auktion der Sammlung erfolgte, aus-
gegeben wurde. Die Einleitung dieses prächtigen,
1000 Seiten umfassenden Kuchee bildet eine Mono-
grapliie iilier das Autographensamnieln von Ktiennp
i'haiHvay, diu manches Neue bringt and in Kürze iu
dentsdisr Uebertragung von Ed. Fiseher v. Rüsler-
stamm erscheint. Nun folgen in 10 Serien 21.17 Num-
mern, zum Teile mehrere Stücke umfassend >um Üe-
gidiM das fSnltehnten JahrfauBderts. Der Stoff ist
•) Lettre« aulii^,'riipheB coDipoMkiit. I,i collection de M. Al-
trod Hovel deacnte« par ^Itienne rhunnuy. Ouvnifre irnprim«
•ou« la direction de Feraand « Alnu-ttA^, A VtLnn liiirAim*
Cbaiatav Frirw IttüT. luurim« tun Claudu Motterox a l'arii.
(LTI «fe 880 pi«. sr. 4«.)
ein so reieher imd wertvoller, dass wir leider bei dem
karg zugemessener Räume auf ein näheres Eingehen
in denselben veizichtcu müssen. Der Historiker eben-
sowohl als der liitteraturfurscher, der Künstto auf
den verschiedenen Gebieten, der Kulturhistorikern. s.w.
findet ein »o reiches Material in diesem Buche, mag
er was immer für einer Nation angehören oder irgend
einem Volke insbesondere seinen Forschereifer widmen.
Selbstredend ist namentlich Frankreich vorzüglich
vertreten und insbesondere die französische Revolu-
tion an äußerst seltenen Stücken und historisch wich-
tigen Dokumenten reich, ohne dasa man behaupten
könnte, dass eine andere Nation oder ein anderes
Gebiet außallend veraachMssigt wäre; selbst den
Deutschen wird ihr Beebt Ueber 3000 Fki^fle
von ganzen Briefen und Dokuiuenten, Zeiclinungen
und Unterschriften mit genauer fieaditaog «ad
Farbenwiedergabe sribst d«i Pai^ers Originale
zieren den Band, darnntiT 4;» separate Tafeln. Die
Platten za den Tafeln riUiren von Fillon her, dem
Erfinder eines neuen voraOgliehen Yerlskrans in der
Heiiogravur, die Leitung des Drui ke.s Iiatte Fernand
('almettes, ein Mherer Zögling der Ecole des Charten
besorgt, der Drack selbst fand bei der weitberühmten
Firma t jaude Alutteroz in I''aris statt So vereini^rt
sich denn Alles, Inhalt und Aosetattung, um ein
Praditwerk ersten Ranges »i sehafüBn. Das Werk
wurde in ri(Hi niinmierierten Ksemplareu hergestellt,
wovon läü Herr Bovel atch als DedikationsexempUre
znrüdtb^ielt, 890 sind Ar den Bnchhandel bestiamit,
241) auf inai-t^elfiein I'ajiier, fiO auf weißem Satin zu
je 15Ü Francs und 2ü auf japanesischem Papier za
Je SOO Francs. Rs ist «in Lnxnswerir, Ja, aber niefait
nur der .\ussfattnnf^, .<i)nile!'ii auch der Fülle und
der Kostbarkeit des Inhaltes nach. Welches Anf-
sehen dieses Werk in Frankreich naebt»» mng b»-
wei.sen, dai"^ die „Biljliotlu (jue universelle" eine Reihe
von Artikeln über dasselbe brachte, welche auch
gesammelt enebteaen.*)
Znm Sdilus.sp noch etwas über die erzielten
Preise. Diese waren durchwegs hoch, jedenfalls hölier
als man tS» in DentMUaad enislt Wir beben dnige
daraus hervor; Napoleon L eigenhändiger Brief mit
Unterschrift ans dem Jahre 1793 1 p. 4 brachte
1000 Francs, Galilei kam auf 690 Francs, ein sig-
niertes: fViknnient von F. Corneille auf 1785, ein
ebensolches von Moliere (Unikum) 2500 Francs, ein
ReaeUfan ISOO Frames, i in Luther lOOo Franc», ein
Hutten ein Les-sing 700, ein ungedmckter
Schilierbrief 5oo Franc», ein Swift 300 Francs etc.
Vielleicht anerkennen jetzt die Nichtsammler,
dass das .\utof!;rap]ien.suiunehi keine allzu nichtige
Beschätiigiing i^t uud doch manchen Baustein für
die Wtosmehaften rettet und bewahrt
S<Tl]jtii ni.iiu'nt. (.';iu«P! ii'rt :i propos do l.L cnllcctioo
d'»utugTa|jbu(> U» M. Aifrud Bovel (uir Philippe (Jodet. Nen-
ehatel lb«*7 Tire a qaatre oaata «MDiiliiin« aPB wi» 4am U
oomiBerce. 120 pag. S".
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Na IT
Dil UigniB. iKr 4U UttM^bir a» fe' <»i AuAUn,
Uttererheli« Ntifgkeiten.
Ein rii»il«olipit IXdl Uber die anslftadlceb« ZeltUBgfs-
pressi'. Wir \men in ciiilt riHfi^^cliou Z«it«cbrift : .OlNichoD
ili-iiiarL-k in «einer weltbtirihnitin RcJ« diePresne „mit Drucker-
Bciiwärui beecbmutztes l'üpii^r" naiiQte, so beweist dioRe Rede
deoDOcb, diua die Togenpresae im geielUchjiMichen und po-
litiicb«» Leben eine mm bedeutoode Rolle »pielt. Wenn uch
BitaMTok Uber die Ss«tna|no vtritohtliob aMMpriobt, m g**
•«hiebt M ucbt, w«0 ar um Macbt aioht uarnnat. Madwu
bloO deatiblb. weil er die k&uflicbe deuUcbe Preue im Sinne
hat, welche fast auinahmalos tklariBch vor ihm kriecht, wvil
sie dafDr bezahlt wird, oder weil andere, egoiatiache GrOode
■ie dazu Teranlauea. IHe Rerliner Presse ateht nicht imr gar
nic!,t anf der HSbe ihre» Berafa, aonJcru liiLft-r der Fresse
;inil>'r(>r i'umiiäiHijher Linder weit zninck. h'w Hi-ri:iier Jour-
naiiatik iieichnet «ich im groDen Ganzen <lur>'li 9tuinpr»innigc
SchwerfBlÜKkeit, lanf(weili|feD Doktriii tii^mjti und MünK^l lUi
lebftn'lij^em IrteTe»*« aa«. Ihr* Lfilurtiki;! Htmen trix-knen
l'y i.intii'iiiu? . dio Kril'.kcn über Lilti_T>ilur und Kuni^l niiid
^radezu «cbtilerfaalte Machwerke. iUporterberichtu , welche
u der «wropftifchen PnM« ein« «o hervorragende Stelle eia-
aahaeo, kenne« die Berliner Zeiton^en last gar nicht. Du
nan die BerliaerPram sof einer m medrigen Uetwicketaagt-
•tofe etebt, eo iet «■ Mich eiUlriioh, dnm die Repräsentanten
der«elben weder Micbtel eind noch eine hervorragende i^-
•ellecbaltliche Siwling einnehmen. Es fftllt ihnen daher
eebwer aich Geltung zu versebaffen und die Oflentlicbo Mei-
nung hat im Allgemeinen ein Vorurteil gegen diu Journalisten,
da man die Mehrzahl deraelben fQr Bumaickacbe Keptilien
hUt. Die wenigen Zeitungen , welche auanahmAweiia eine
unabhängige Stellung liehaupt^n, werden dafflr imf-t praii
eanute ^<>rimli:.-)^clt..*
Dann lulgt ein Lobtitbjiujuuit aul tliu Iriiozöditiuh« 1't«iii<>»,
in der Leute wie Clemenceau, Hi^brard, Spuller, Leon Say,
Kenan, Leroy-BeauUeu. Sarcey, Jultis Lemaitre, La Pommerais
betnebea aadwateb« Feuilletons ««a Z«|a, Oand«!« QoseMrt,
Ifaapeieani vad Boorget bringt. Eines aoeb grMeireB Be-
woia filr die Bedeutung de« ,fnit DruckerMhw&rze beschmutz-
ten Papier«* liefert die engliacbe Preki-e, von deren potitixcben
£influM, ihrer Unabhängigkeit. Selbat&ndigkeit und Freiheit
der rnaaiache Journalist, dem wir die«ea l'rteil verdanken,
<?inp M-hr hntic Mcinang htxt. Kr fHlirt fl:f Nntn(>(i von Ma-
<-.iiila_v . llinnivli . I iliid.<tour , S,ili*lr,iry um'! Iiih;i Miu!i'. an,
weithe alio im ilor Tiis<-'^l'rrH.if mii.j'u^rl.vitet hiilieti . irni z'j
beweiien, da*» iIk/kc l'rL-»'!f »Iii- iiOrlisti- Kutwickelun^,- c.rL-i>_-Lt
habe. Sie h^tln- ^war oicbt den Glanz, die I>ebendigku)t uud
I^i>>lii'ii«u Ordi^keit der franiOaiKchon Prvaae, zeichne aich da-
gegen durch äoiidit&t, reich< n Gehalt und L'nternehmiuigiigcii«t
aat. Leider Batariaait ee oaeer 0«i«Miienain eeia Otteil ober
die nmiiehe Frewe so fonaiiliereiBl (W. R.)
Rvtaitelie Erfelge In Frankreich. Neaerding« licub-
•icbtigt man, wie man ToUtoj« .Macht dt^r Kinstfrni»' in
Paris auf die Böhne bracht«, auch andere russifcbo IHainen
in Paris anixufQhren, und twar soll mit dem besten ijtacke
Ostrf>wskijp .Da« Cpwttti^r* der Anf.Uis; gtnxiacht werden.
D.tH Odpiinthcitfr in l'ur,< hat inuü dr.in]iiti."<-lii' Ilrgjbeitung
des Kum.inc vou Dust'ijL'w-Hkii ,Vurbn-<:liPii m.ii Slral'o" (in
deuttchiT U.jla^rM'Uurj^; .Ra-koluiknw- L.ct it.'lt.i »ur Auf-
IQhmng aagenuiumen und du'-pllK- winl ImtimI" i'iiiHudiert
lü.)
Danilewtk;i Eine Brnat (^brlsti erschien in deutscher
UebenatraME fem K. e. ttlaha. CMv^K* Verle« vaa Karl
lUilaer ttS.) Üi iafc jmnd« kriaenSttaiUig geiabeicbe
LektOi«, aaeh tat die uebertetcoBg aicht frei v«ib epmcb-
lidie« TriTMliUlen — anitftndige Nittelwaare, die da lehrt.
daMi e« auch in Ruailaad pbilieteifaaft eebanoe vad itUieia-
rende Autoren giebt Doch mtim etfirtg* Roaaaleicr hier
ihre Rechnung finden.
B«nt Lidwig T. Narelt (1665-1749) Eine aehr kscna-
wt<rti- littOTnrppiwjhichtliche Studio von Otto v. Greyer über
den Vprtasflfsr di>r .Lettrea «ur lea An^loia et lea Fran^ois'.
Den Ktinueru Irantösischar Litteratw im 17. und 18. Jahr-
hundert eine willkonuMM Bntamg ihnr 8tttdiea. (Haber,
Fiauentetd, imt
Jaaa da Hairele fftfhltalrt-n (heraui>gpgeb)-ii von
Kail ▼oUmSlier) und Loaie Megrete U TretU do la
fliWB^re Fraave^se (aaeb der eiaiüm Parieer Aa«g»ba
UMf, neu heranagegeben von Wradella nrater ia der .8anim>
lang iranzOsicher Neudrucke', eine Augenweide für Neuphilo-
legen. (Heilbronn, Gebr. Henningen. Diese Neudrucke ver-
■prechea ein Umt» sa werden filr die teotaa üraarteieebea
AaigabaL Liebhaber Utteiarieeber Selteahaftaa aeien danwf
nufmerkeaa feaiadit« di« Needra^ hni0*B daa Oaptga dar
Gewiaaonhalligkei»,
Borrowcd Pliinio«, ■|'r.ui>l»lions Irom 'hthhd Poete bv
James D H. (M ililrliv i-in>' Lllumenlese sum 'ii^il trefflich
gelunguijir t'i liLTHi f •iitp.''jii i. ich Heinrich Heine, Kudenatedt,
Gflnther W'uUing, Guibcd, iieyse, Goethe, Schiller n. A. Ka
ist viel Peiugeluhl in diesen englischen Heineliedern nnd
ächillergedicbt«n. Die Uebersetzungen nach SchiUer wollen
aaa in Ganaea atebr eiaieachten. aU » laanehee aaeh tteiaa;
bei dem LeUleren wirkt da* Kngl lache alebt immer mit vev'
wandter Macht eines geheinini«vollen Rhythmus, Ober den
Heine gebietet. Zum Teil hat der L'obursetzer gerade durch
direkte Nachahmung de« Rhythmna die eigontUinliche Wir-
kung verfehlt. Ks bat z. B. eine dakljrUsche Bewegung bei
dorn mehr «>in«ilHi,'t<n Charakter der «nglischen Spr.iLhn In
letzterer l im' titidn« Wirkung, als in JiniUcher Sprache. An
andren Steilen w'ire (.i»5<»;r d.ir Khyt'iin:i!< dfi dfut^f tiRii
Dichter« genau nai hL,"-.vhrii; wunli-n, Z H.:
Die Luft ist kfihl nml t'^ 'l'bc .lir i« l-uo1, i! i» diirklin({
Juiik.-l'
Und ruhig flielit der Khein; And amootbiy tluwF the Kbine,
Die Spitaa dae Beigee fimlielt TIm neoatains tops are apark*
ling
Im Abendionaentobein. Aad ^Ov ia tbe eaaeet-abiaa.
Nicht umoonst liegen die Worte »Tm AbeadfOnaenaebeia" ia
einem vollständig ungebrochenen RUythmiu. Die Mitgik der
Vorstellung der untergehenden Sonno i«t von Ueine leinfOhlig
im rein jambischen Charakter der liebungen und Senkungen
dargestellt. .And glow in tb« sunset shine* bringt mit dem
'pichten dnktylinchen Anklatii» auch eine leicht*! ITnrah«? in
ilir' \'.>ryLfliL.ij^' . wclijüt' iiii'hr ^.mj diT ."^tnnniurij^ dur S.iL-h^'
put^liricht. Soicbvclei Au*f<l«ilui>gtta iuiitsirKa »üUeu uui be-
n. dasa der Ueberaetzer ein Mann ist, mit dem man über
die leinen Oeheiuiuis«« der Kunat verhandeln kann, er leistet
gaas Ausgezeichnete«. .Die Luft ist kalil nad ea dankelt*:
drei Ü-Lautv! Auch «oglitche Dichter, z. B. ßjrroa, wirkea
mit diena Mitteln. Heine gebt weiter: er iKaat diesen U*Laat
i<»ner walten! (ruhig, lunkelt). Diu englische Spradia ver-
mag dergleichen vollkommen nachzuahmen, wir machten die
< Uebersetiter darauf aufmerksam machen, dau viel von dem
eigentOuilichen Stimmungagehalte nicht nar bei Heine mit
soTcberlei Kuiistmitteln zut'iuiimcnh&ngt.
I Neuettea aus der Colleetlaa »f Hrllish Anthoi* (Taueh-
I nitit): Brot Harte: .A Millioniur.' l^ u^h ,u,<Mteader* *>• A.
I und I,a<ly Augusta Nff': ^üiilifi*' ,> Mfrv "
.Jnacjih Kürsc hu' Ti, OlmiIncIic Xatlonalltttcratar
I bringt: .Top« ein Metüiihyüiktii^' von Leasing- lU cude l -
I söhn; .Vierhundert Scnwänke aus dem 16. Jahrhundert"
(Herausgeg. \oa Bobertagi ,l.«brhalte Litteratur des 14.
und U. Jabfhnadetta" ^«aC Vetter.)
Die WeidmaBaaehe Baebbandlung g.ib Meben die PMllk
Wilhelm Scherers aus dem NachUsa de« verstorbenen
, Litterarhistorikers heraus. Bich. M. Meyer besorgte die Ver-
Cffuntlichung des Fragments, über dessen Art und Geist daM
I „Magann" sich noch einl&ü^licber rtsrbrtttten wird.
i IMerers KonrerHallonNleslkoa erscheint, von dem rOhri-
, gen Joseph Kürschner herausgegeben, in siulienter Autlago
■ mit einem .Univei^al-.SpnjcIsPu-Lesdkon*. Man darf die Le^el'
I deii .Magazin."* »nhl luvnnih r^ ,>iit Jiesen origiuullea Gedan-
: kon autnierksarii miM;b«ni in lindiger Weise hat Kürschner
ein vielseitige* Sprachlexikon (a. A. böiuiscb, dBnisoh, grie-
■ cbiscb, holläudisvn, ungarisch, schwedisch, rnssiscb, «panisch
etc. etc.} alt den abliebe« lahalt daa Kanvanalimialankaae
verqniekfe «ad bhui oibh geetelwa. daaa «r aein altaa UeadiieiE
der Anordaaag wd Vebeiaiehtliebheit auch hier bawthrt.
Ee iet nicht %a sweifela aa der Nllttliebkeit nad Bnoebbar-
kml dieser Neuerung; wer ftatt ?ie1ev Lasikaii «■ aaHHBDaa-
fa«i«>ndea Vokabelbuch briaeht Mr allgeniaiaa Sweebe, wird
' hier entschieden «eine Rechnung QnJen.
Ein Buch . auf dos hiemit nacbdrdcklicfa verwiesen sein
I soll, ifft di« BiOifrarh:*' de« „UMinmerrJlatB'' von Anttm
. UcKollmini Kini' eiiHüHO grilndlich angelegt« For-i Iil-i
natur wie eiu iu:ii-<:niii^'pr Beurteiler hat iiettelheim in d<-r
Darstellung des L<'t>>'ii.>.tin>ji eines der interesaauteaten Krau-
zosen die glilckliohste Ü4tr«tellung«gabe und den Geiat. hew:ibrt,
welcher wie nrit innerer Vcrwandt»chafl «ich hiogra-
phkchea Qafoattaade anschmiegt. Unter uosren gegenwUr-
t^^aa Snnnataa von atraagerar UttaraiiMher Eiebtoag im
Sune der Mdeatendaa KmajiBten Fraakreteha aad Knglaadn,
welchen sich neuerdings in Namen wie K. Schmidt, Ricluiid
] Weltrich u. Anderen eine Schule deutscher Kritiker ebenb3rti(
I «M SWtj^rtellt. darf Aatoa Bettelheim in eiatar Heihe ge>
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Dm IhcMin Hr 43* UHmtar !>• «ad AuUna«.
DEUTSCHE POST
Illastrirte Halbmonateschrift für die Deataohea aller Länder.
UM «Im Allif emeiMB 1
d^H DentHcbthnmi« la
(0«. aSDOO Ml«U«lM).
I>mi rfeilve dsatioh-nMIOB»]* M«ilU«kl*U. Orl<luliiMhriali«*n Hb« Um Vmttikm nf
KnlkraiM, Artikel nod Maohriahtaa flW all« Oab^ d«« MtfiaolülebflA WlabM «nd
W i t n • Ho Tri eil« , !(et*U«a, Oodlcbt«, gkluMi. MIImMmi dia barOhalwlMi Ktullar und
H.ihrlfciiteUor <lci In- uimI AutUn.l» UrUri voll tntltcr, Krltlriik t>i t><i»Mt, f«Ui Mt,
b'trt lbw>. trau hlilrii, l»l Lall >r>itM. iaiiii Ircnt . &<b«rl iMKrUDl, ll)r»li<ili Ura, f. I-
i5!telBllilil"llii|ll!w^ ' J«>l'S<»,n<.«r4*r]MBlMb«»l^«MMH«lMB
w. TM M ••Hmarlit."
dat «Iniica I&utriitt «al <ai w rt wi ta i Uto Ixpcrtorgu AMtaAur t | >w <l»
lai^ncllebe« IniiertlvBMryaa für alle IndmrtvtoM»
Pr^ nr Üt TiatgMp. Konp. MU 00 PC
AboBS«IB*aU In Deatwb'uid, (JetUrrelch-l nKurn iml lluiiliDil 2 Nl^ viwtcljl
abrlR» AniUnilii I.M Mark. Sctiiil'r«r»|n«FBlttll«tf>r i<il»ii.it rl.u v.iTi>iDua«tmli* In'
ur.d lh.iiiiiirr;ii'li.Uiu!»rn für mu- ^ Murll, i " * i'lu I.. 'c - i - i »irk i?»n . :»hr'.<rK
Vtrlag drr Ho fbuc hha nril u ng Reinhgiil Kuhn in Berln W.. 1 i i[
ürrtofl Mn e«. Wttmam in ftvrtkni.
8. im. bu>\i). 4 ffi^ scb. b m.
|ir rriili|jilti$|tr illrr ppbrg-^ritungrn
9 ift tit .3auftTtit( Orraueii
mm 3|rihin(j.* 'StHflbt britigt
■ . joljrlii; 24 l\"ll^cIu unb
^^E^^^ mtm mit 28 ^iMöttmi,
^ ja ta^ ebne Untct6rcd)ung
' ^1 llHnnKrnf4rint(f.Cr^rr<
^^^^^ nttl'llnfliini Slrmpfl»
•■^^^^ ItaKt H)»9fn aOe U lagt
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.SRcfottvfli" <i1(i.(i, ifcldit Kiit Itirfm SnlKirtr
ton iil'tr 'iOOO ^l'tnRtungctt fammt
Tcit inciuiu» mfbf birttt als luitnt» ein AnNerrS
aVurti'.ti'att. .sährti^lj 12 5H(,iaqcn qcfacn an
<s4iiattmuf)(rii \w Sclbfianftttiguiig fict yjai-
Ixrotx füi 'Simxw iiiiC' Jtinttt rott feet S<ili>
iväfÄc übcrl>au)>t atniigrai füt »<n auSgett^
tcftcn Vcborf. - Xot UmnloItungSblfltt bnngt
angct Lobelien, (incm wlfrilig«! Scii>Qttou
HR» flMifcn ii»R tot «(dllWa(ittiM M« ia
fem OnMMfelai wtt Omn nyfm^igt SRit«
thrilutivit:! auf b<r grauttUMlt, Äunfiarmetfi.
li<M, fi.>irthf4aWi*f«, (Sörtnnci unb tJtitfj
moiipt, <o(aiin tick (iinßlcrif4) autacfü^m
3Dufhatiaiicn miss an SRobtn mb(i^ nixli
S^algcnb««: jätilidft übet 'lO Änird :nit über
250 abbilbungen, 12 gioB« forbigc£ls^(Mtl;:^cr,
8 jtiM|l flbljkiMlMRäi lüMIcnfdK S}<mXi
«Nttni BiO 8 <l|twMttR miltMdt Sanßra
tianni, fo tag dir 3ob( btr h(Ritn an 3000
jäbriiQ binonrcidit. Xnii anb«i(t iUuftrirtt^
Statt übtrl^upl, iimni^alb ottr aiigcttialb
X(ut1(tlottM, tann nur (ntftmt ükk 3obl auf»
nxifcn; babri bctiöqt (tr oirtttliSbilittt Mbuimc
racnt(>frd« nur 9(. 2,.'iO. — Die .O^rsftc :nue
p/iH mit flUfn Äiiftrrn" britifif au^rrtnn johrlut
nsii -40 i;[Df;r jüiti flc 4l^o."'cntl:;^ct, atio i!ilitli(J
üa Utioiiicic 'i^ci.iJbcn, iiiu> [ofia iiicUfliätliliÄ
4,25 SR. Uf. Im C ^firrrri* UiKiotu iiailnSoin«;,
Sbennrnunt« miürn jcbciMit annriiauuucti
ixi aOcn 0«[4NifeiiiiWii flK^ialten. —
'PnbannnRa |ntif nb fuiin a«u4 bic
OffCMtiHi; OnliR W, VMMmwr e«M|e 88,
Oim I, Opaii|iiffe 8.
(Sin fltvmancfcdi«.
2 9änb«.
flt. 8. 1888. »n(4. 8 K., ack. 10 St.
2lcue Poctifdje Blätter.
3eltrd)t1ft ffir Bfd)fhiin(l m\ liltnittifi^e ittnteclyttliung.
Cif^cinl 2iiMl monatlich, preis mf. 2.—
i^erouigebfr:
IHr. H. H>e|leirtretfflrt; unb |>^lf. B^vlft«
^mnkfttrt am iiain.
äiVr »iib'mj* tbäti3 ifi. iw: UtKinnitbr Uiittihaltuiig litbt, itnä« in ttti JX. SHl." :
f»ttnKihrtiiC( Vlnrtiiiiiifl. ^rit;f.iif 6« angd^hfnf"" Wutertn. {^Scbtning jnrqfi iaimtr.
ncntn 3nthiU: ü»<i»icl»te, {mittbc S[MtanM!in«)oii , '^>iitt'(vbdpi(diungcn, (lumgiiftij«^ > i<i(ini(iK i
Qeitlllsc, 92owant, @tij|nt, ftunftbtriitit, iifitthril-.itiv^ot nii« («m Iittciarif^icn l'cttn u. f. n.
Theorie und Praxis
.icr
Hibiiotbekwissenschaft.
Grimdliiiien der ArcbivwiaaeoacluifL
Mit 6 Form.
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J. ft. Scizlnfrer.
22 Bogen. Lex. S bromch !> M.
..Die im Bnclit- i.inthullenr eine v klo
prijischo \V i s s en s c h u f t sk D D d c »ic
4i«s Abucbuibl« üb«r die Öehriit-
werke und Urkna4*a wanhiM M Mr
Jeden iDteTOHUk, dar «iM kUllM wima-
(IHmL Itailir. im, N». MJ
i|t|rtifil|r (iHirluuii
nnb ijoirtrr
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Dr. $fml«r.
& tNPOMil. 1,20 M.
!«•
Peltliil^ ter liiit
Preis iJSh.
uifrtcliÄljrlirij (®. ttJ. fl. ürrs. ?..sn
ftmie itbc i^uilifeanblung unb ftofianjiad entgcgm. ({uigctiaiicn in btt Vofijrtlunq«lift( untrt
Kl. 4043. — Sinftnbunx) btC tKitrogt« tönna: ^cvti4c unb anblönbifd)« ii>ri<1niarlrn
rotrbot.
feine iBcluntnng fär unfece Beit.
8. bfOMh. 1.» M.
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„.y^^ DAS MAGAZIN
Ht 19-
FÜR
LITTERATUR DES
DIB
IN- UND AUSLANDES
WOCHENSCHRIFT DER WELTLITTE RATUR,
irERAUSGEGF.BEN VON
WO LEGAN G KIRCH BACH.
r
i4Maik
30 K fir dreigesp. KoBpwreilleMÜe. Ufet
DRESDEN, DEN 5. MA.I 18SS.
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xum Schutse des geistigen EigentumB
der Oesetxe und
Inhalt i
: „HaiM
WolfganfT Cireli^aob
«etsangj 285.
Btehard W «Itrich; ..QoothM Fl
Abacbrlft." (Vorttet taB fA 281.
O. Kirate: „Omer and Mejt«." 295,
A. Wittatock „Zur QeacliicHte
reiaiguDg. ° Si hljM.) 296.
Littamriaeb« NMiigkeitM. 299.
ÄBMigMk
,» (»tat.
dar dl
leto«B Ükbt«rwerk8tatt.
Von Wolfgang Kirebbacb.
Für die Pofsie, für eine dichterische Wertung
des Lebens und seiner Gefulüe, welche die Lyrik
sucht, ist damit freilich Nicht« gewonaeo. Heine
will Stimmung machen und nichts Andere«. Er will
nicht poetisch schaffeu, wobei die „Stinunnng" ab-
akhtaloB herau^priugt, wie es bei wahren Ljrrilcera
steht; er will nicht deu geistIpB Wert eines Gefühls,
einer Empfindung festhalten; er will die Stimmung
geradewegs erzeugen, nm sie zu erzeugen and daranf
hin wfthlt er seine Mittel. Er axbflitet^ irl« nuut n
aagttt piegt: anf den „Effekt".
Die mttel sind: gewisse konventionelle Tor^
Stellungen, an denen eine solche konveiitioneik Stim-
mung haftet, die Mittel der Badekunst xnm Unter-
aeUed Ton den eigentlich didtterisdien IDtteto; die
Mittel des Rhythmus.
Er ist gewiss ein Meister des Bhythmus, wenn-
gldeh er anch darin veder ntt eiiiein Goethe, noch
selbst mit manchem Geringeren zu vergleichen i.^t.
Aher das Loreleilied oder .Adonis', «Da bist wie
«tan Btnme" oder „Anf FIfigeln des Gesanges*, „Ich
Heb eine Blume, doch weiß icli, nicht welche" sind
ridur von leimster innerer KbyUumsierung. Darin ist
das Anf* nnd Abatmea 4et Bmpflndni^, veldbe ihn
bewegt, mcisle^rluift beobachtet und festgelialteu in
der Auf- und Abbevegung des Rhy thmus. Er liUüt
den Puls, und wenn eine bestimmte Vorstellung einen
gdienuBten Palssehlsg, tia Stodtsa der Atenbewegnng
mit sich bringt, so vermag er das im rhythmi-schen
Charakter de» Verses auszuprägen. Kr wendet den
Beim mit erstaunlicher Hdstenehaft an auf diese
Darstellung ikr Affektbewegiinji: im IJhylhmus. Ein
feiner Nerv, ein zartes Nervensystem! Wenn allein
rhythndsehe Begabung den Dichter machte und Poesie
zu erzeugen im Stande wäre, Heine müsste einer der
gröüten Dichter genannt werden.
Ks Lst die Eigenschaft, welche ihn volkstiimUeh
gemaclit hat. Es Lst die Eigenschaft mit der er
alle diejenigen Leser besticht, welche, mehr in einem
missverstandenen musikalischen Drange, als aus
poetischem Bedürfnis, mehr in einem unbestimmten
Bewegungsdrange jugendlicher UeberfUlle, welcher
ungefähr dem TanzbedUrfnisse der sUBen Backfische
entspricht, nach dem Rhythmus lyrischer Gedichte
greifen. Solchen Lesern ist es gki> Ltciiltig, ob die
Naslitigallen zur Abwechselung einmal Spaty.eneier
legen, aas welchen junge JPinken kriechen: die Haupt-
sache ist, dass Finken nnd Nachtigallen dabei vor-
kommen und vor Allem, dass e.s ri<:htig .klingt* und
„singt" darin und womöglich auch klappt! Diese
Sorte von Lesern kannte der klnga HeiniiiA aas
dna Gnmde, wenn er sang:
Aua alten M&rchen winkt aa
Hervor mit «eifler Hiiod,
Sa alagt m wid da klingt «a
Tan <
Er kannte sie, irann es aller Enden einmal heißt
„die Vogel sunsjen". wobei es folgerichtig vorher
irgend wie „geklungen* hat; er kannte sie, wenn
er ssgte:
Ich kaoB nicht ilHgen und apriagn
loh liog» krank im Uraai
leb Un lanaa Xllagan,
lab waiS alattt waa.
Er kannte das (■Jclicimiii'; ili-s Stabreims und iles
Ltantanklangs und wu.'üste wie umi mit demselben
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S86
Das llMHia Mr dte UUmlMt to lal AariHiM.
wirkt, wma luati „krank im Gras" liegt j oder das
germanische Ohr nlt HTsItem Ziaber d«r Skatden-
kfiiuto besticht:
Leias zieht duccb mein Gemüth
Liebliches QeUat«;
Klinge, kleinea Frflhlingalied
Ktiüg hiiiiiin iiiH Welt«.
aud er wuaste auclt, wie solch ein bewusst eioge-
■ehiuuggelter Laiitnim «nf das nBbßiniste 0»>
nieien wirkt:
Kliac hinaai bis aa du Haoi,
Wo dia BIohmh ■priaiaii . . .
Wir machen ihm liicrnns nicht etwa r-infn Vnrwutf!
Im Gegenteil! Wir bekennen, daes er alle diese
Mittel, M gtti «{« d{* Mittel des RlijrthniiiB mit
außwrordf ntlicht^r Fertigkeit und vo j^roßi'ni Takt
beherrsciit, dass der unbefangene Leser keine^wegä
merkt, vas ihn eigentlicb an der Sadie bwticbt.
Das ist anders bei Srhlr-p-p], Tieck und sonstif^en
Bouiantikern. Diese wirtschaften gleich dermalien
mit anfgestreiften Hemdtrneln im Hexenkessel
SpradiUcher Klnrig^mittel herunf. das» sie bis an
di6 Olireu im beilcDbcliauine stehen. Heine ist
Toraieiitieer and veiß mit großem Keingefttld die
Stimmung: seines Gedankens durch klug versteckte
Stabreime, durch Assonanzen der Worte, durch
Mheinbar absiohtsloi-e Lautreime, endlich durch jenes
nervöse Zartgefühl für illo rhythmische Bewegung
des Empündungsatheiii» nachzubilden and eine be-
stimmte Wirkung hervorzubringen auf Jeden, der
ilim Jaliei iiidit in die Karten guckt. Man weiß,
wie sein tt an seinen Gedichten gefeilt und ge-
boNselt hat; sein Bemühen irt liftnptalelilieli anf
soU:liei iei Sprachlist gerichtet gewesen und zwar war
es ein ganz bewusstes. Das wAre als Mittel zum
Zweck nun Alles voUkoniinen berechtigt; Alles, was
man prctiieinhin: „Zauber der Sprache" nennt, häni^t
daran und germanische Dichter haben das Recht dieae
Mittel zu gebrauchen, denn in den Lauten ihrer
Sprache ist viel unbewasst Geheimnisvolles, viel eigent-
tUmlicher Anklang an gewisse Nebenerscheinungen
der Dinge, welche der Sprachlaut bezeiclmen « ill.
Damm wirkt es in der Tat auf den dentschen Leser
90 zauberhaft bemhigend wie der geschilderte Abend
M&Mtt wenn Habe mgl:
.Die Loft i«t kBbI auJ i?» ilankalt
Und rnhig Hieltet ii«t Rhein;
Der Oipfel des Berge« fonkelt
Im Abendeonoentchein.
Das ist, wie wir schon früher bemerkten, Alles auf das
berabi^uide U gesangen; da wirkt sogar der Stab-
reim «nUg" and wUMio", der halbe Stabreim Jm
. . . AbendsoDDensdieiii'*.
Derlei geheimnisvolle Mittel hat Heine sich
nirgends eiit<reheTi la^sKu; wir haben dem Leser
die Anhuitspankte fj:eget)en; er wird dnreh eigne
Untersuchung sieh überzeugen, Jass fast siliiiiut-
liche Lieder Heines, welche ihm gefallen haben: I
hKm weifi nicht, waram-' oder ist so eigen.- I
tnmlich einfach, man weiß gar nicht, woher der Zau-
ber kommt" oder: „Das macht ihm eben Keiner nach!"
— ich sage, dass fast sämmtliche berühmte Lieder
Heines durch nichts Anderes, als durch diese Kunst-
griffe wirken. Es ist nicht wahr da«: „Es macht's
ihm Keiner oaehl" Wie Leasing sich dem ComeiUe
gegenüber uiiieiachig maebte Oim sämmtliche Tra-
gödien besser zu maclien: im selben Sinne und mit
gleicher Einschrinkitng mgldudi wollen wir dem Heine
all «einen „Zanber* naebtaacbenapielem. „Ich kenne
ilie Weise; ich kenne den Text."
Es soll aber damit Nichts gegen diese Mittel
als solche gesagt sein. Ckwtll« h*t sie — nar mit
noch etwas größereiu Feingefühl — angewendet;
sie sind gat; m haben ein tieflMgründetes Becht
im Wonndwesan deotadier Spraebe nni w«tiM
immer, wn mo mit Takt verwendet w erden, deutsches
Gem&t mit dunklem Zauber umstricken.
Aber bei Heine liegt die 8adi6 ntin doeh etwas
anders, als bei Hoethe. Er hat nur die halbe Kunst,
nicht die volle, sättigende, notwendige. Er macht
Bffidct; ja, aneh nar EftkUdieii; «id koomt niebt
darüber hinaus. Fr gleicht gewissen Schauspielern und
Virtoosen. welche wohl auch grofie Massen dnrch klug
aagebTaehtenMitwbeii''beatec3Mn;tbflr«sbMbea doeb
nur Effektchf'ii. Idie die Kunst der wahn ;i ?lTr>ter
ablebnL Ich gebtehe gern, dass, als ich in jungen
Jahren sam «rstan Mal Beines „CMtd« Harold" las^
6s mich mächtig ge.schauert hat und eine unaus-
sprechliche Wirkung mich gänzlich gefangen nahm:
.Eine »Utk« ichwarse BsAe
Segelt tnuierroll dahin.
Die retmammten and ▼witnamitm
LeicbenhOter ritzen drin.
Todter Dichter, itiUe liegt er
Mit eotblOOtetn Ange«icht.
Sein« blanea Augen tdiMan
lamn aooh am Haamlilkht.
Au« der TJpife ttfingte, als riefe
Eine kranke ^ixunbräut,
Und di* W«Un. ai« a«ricli«Ui«
Ak d«u mOm wie llagilaat
Ganz merkwürdig blan erschienen meiner Einbildung
die Augen dieses todten Dichters! Und pechkohlrabea-
schwarz die gespenstige Barke! Mdne Leser kennen
bereite den Kunstgriff. Auch hier: die Barke ist
nicht nur so schwars, weil die ,3arke" aal wBtarke"
T«imt, sondern weil drei A-buite rieh hänfen : starke,
schwarze Barke; die Dichterangen sind gar so
romantisch blau, weil der Klaaglant des Wortes
„blau", das „an*, sich in gleleber Webe wiederholt:
„blasen Augen schanenl* Die Leser beobachten anch
den durchgehenden DoppeUieim in den sechs führen»
den Venen des minkhaften fiflbkistll^ebttu.
Ks ist s^ehr lehrreich zu sehen, wie diese Effekt-
hascherei den Verfasser dem eigentlichen Diehter-
wesen entlVaradet Der Beim klappt richtig: „starke"
und .Barke"; die Sache selbst aber ist vollständiger
Unsinn. Jedes andere Wort wilre passender gewesen
aar Beasiidninng dsi sBaika*, als daa Wert «stark*:
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No. 19
Dm Ifaguin flir Littontnr dm In- nad AnalAades.
287
eine i^roSe, Bdiwwm Barke wlre der AneehMiang
ent ^n i rhonder! Das WiM t ..stark", et wa für niet-
und nagelüest gebrmucht, U^t gar nicbt notwendig
im Zasanmenbaaf der gegebeiMa poetiadMD Sltuttioa.
K8 ist rFMi; ili 'i! ]r> i-iu' und deni A-Laot BQ Liebe
gewählt, um Effekt m machan.
Wie Wer der IMehter durch dae Abertreibende
Krinneruns: an farl>ii^(^ Krsflieiming zu wirken sacht,
vermittels einer wiederholten Ueizang der blaaea
BmpHadiiag dmeb den Laut „an*, veldier merat
'im W irro bliiü") zur Erzeugung der Vorstpllnng
blau iiatwiikte, ao wird man anch im Uebrigen bei
Heine das dnrcbg<dieBde Bestreben erkennoi durch
eine pffcktvolle VerweBiInnp: von Worten für Farben
die Kiubilduugi>krart tWs Lesers zu fangen. Und da
ea dem großen Darcbsdioltt der Leaar sehaD geo>,
wenn ihre Hinbildung Uberhaupt nur farbig gereizt
wird, unabhängig von den Bildern, welche hervor-
gerofen werden, so bat Ht ine vielfach ein«i scheinbar
anschaaliclieu Zweck erreicht, selbst, wonn sich er-
weisen sollte, das» üeiue Malerei die Farben nach
den GrandaUaaii einer aaagebildetn QaifeanmaierBi
aufträgt
Jedermann bewundert in den Nordseebildern
Jene Schildemng der „Abenddämmerung" „am blassen
Heraesstrand safi ich gedankenbekttmmert und ein-
mal'*. In der Tat wirkt auf den ersten Blick diese
Schilderung wunderbar anschaulicli und bestrickend;
eigentüiDlicli reiivoU ist die firiniienmg an die Uir-
Olm dar KInderseHr:
.Wlhrami die fjroßtn Mluichsn
NabtJD dufU^Diion BlameatOpfüB
(je^eDübvr Arn Kttatir laMv,
RMensMiclttui,
L&cheuid ond mondbeglaml.*
In Wahrheit wird sich aber .Jedermann dabei er-
tappen, dass er diese rosigen Madchengesichter sich
keineswegs mandbeglänzt, sondern sonnenunter-
gangbeschienen vorstellt. Unwillkürlich berichtigt die
Einbildungskraft der meisten Menschen die unsinnige
Karbenmischung Heines. Sowie die Gesichter wirklich
„mondbegUnat" sind, ist es mit aller Rosigkeit
dsndlMiD vorbei; und ao lange sie umgekehrt als
Rosenpesic hter, entweder von der eigenen Frische
oder vom Abglanz der AbeadBonne ecsebeiaea, «olange
glänzt der Mond sieht, sondern er steht bleich und
glanzlos da, jreschweipe. dass er die öegenstfinile
begl&nxte. Es giebt sehr wohl einen Abeadglanz
dea Ifomka, der eigentlbnUeb magisch ist — aber
In der Mischung der Hein- Ii i Farben ist mehr
vom Effekt einer witzig kliigülnden Eiubildongskraft,
als tmn nnfekibistilten Zanber wahrer Natar. Inder
Tat, es ist emc eigentümlich rlielori-sierende Phan-
tasie, diese Phantasie Heines. Man kennt die Ballade
rom Ritter (Haf, «!■ IMstetstttek in ihrer Art, In
welcher der rote Rock des Henkers and als Farfoen-
witz die roten Lippen des Kitters eine so grote
Rolle spielen. Das prägt sich aDordil^ dar Fhao»
tasie heftig und breniieiMl «in; stMÜt «her, ud nag
der Bitter aaeh noch so matig nad Icfihn sein, gleich*
falls allzu nahe an ein äußerlidies Effektstiicki^lien.
Dergleichea Mittel bedurften größere Meister der Bal-
lade nicht; de «sssten mit noeh edleres Rnnstgriflien
zn wirken. Alipcsclien ilav^'H, i1;iss. wenn der Ritter
im Angesicht des Todes auch den größten Mut zeigt»
gar sehr sa streiten ist, ob selbst dann »eine Lippen
so schön rot bleiben würden ! Die Wurte, weli-he <lf'r
Heinere Ritter spricht, lassen denn doch aof eine
etwas feinere Spielart der Farbe d«r Lippen des
Mannes schließfin, als es gpnidp das prelle Hot ist,
welches mit dem Henkersrocke so eigentümlich zu-
sammenstimmt. — Wie gesagt, die FSrbe flrht ein
wenig ab bei Heine; sie ist nicht ganz echt; sie lint
etwati von der Schmink« des Theaters. Man knnu
es mit einem Worte ans „Btmini* beseichiien:
.LvidvnschattUch lind diu Düft«;
Ilm! Hü» Farben Sppig l>r>:'nncnd.'
In diesem lleberlr<iiben der Farbenwirkungen auf
die Phantasie, welehe die „Ummer weift «f» Ala-
baster' erscheinen Ilsst, in welchem es sogar heiftt:
JMa Wort* Uiii|«ii «i» ITorik
Oad daften wie die Roien*
ist ein gnt Stilek Yon konventionfllkr ßhetoilk, dner
Rhetorik, die auch nicht verschmSlit in der Schilde-
rung einer untergehenden äonne die Farben von
hinten aBÜratragea:
.Die Sonn« hebt sich noch einoul
Leuchtend vom Bodun ümpor
Und x«i^ mir jene Stolle,
Wo ich d» Liebate Terlor.
Ich gestehe, ob mir gleich die Einbildungskraft nicht
leicht versagt: „das Bild der Abeodssnw, die sich
noch „ein mal emporhebt" und zwar „VMn Bodan"
vermag ich nicht nachznschaffen.
l>iese und andere Erscheinungen wären mir
gaoa nuerkl&rlich, ich vermochte nicbt sn verstehen
das -srBBdsrlidHts sUsr EOdar, wetebes die ganse-
Heinesche Foede In Ihrer BheUnllc selbst kenn-
zeichnet :
.äprüUii eininal verd&oht'ge Funken
▲w 4m fto«ei> — »0tg« aiei
Diwa W«ilt glubt nieht ao Flamme«
ünd n» nimmt't iSr Paeiie.*
ich sage, icl» würde nicht verstfhn, warum die Welt
derlei jemals „für Poesie nehmen ** könnt«, wenn ich
nicbt wüsste, wie bei Heine ans der Romantik «Hat
starre Rhetorik wird. Denn allerdings nicht nur
in den eigentlich lyrischen Uedichten Heines singen
die Nachtigallen aus Versehen bei Tage, auch in
seinen Balladen, seinen Märclien tun sie es. Fs
singt z. B. die Ueinesche Nachtigall am hellen lichten
Tage in der Bonanae „fVflbliitg* (Nene Oedichte,
Romanzen):
Kit! Reiter reiU't den Flms eulhiiijf.
lOf grünt sie Bo blühRr.dcn jMiite:i.
Lhe Schäferin ■chant ihm nach to )>ang,
Fm ItetUit die r«d«r dw Bvtaa,
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Dw Hagma Ar 4te Uttmlnr d«fl h- AiutaadM.
No. 14»
Sie weint und wirft in den gleitendea Flu«
Die «cbOnea Blamenkrilnxe.
Die Nftchtinll nngt von Lieb uud Kum —
E« liebt »icD lo lieblich im LenM.
In der Thal entweder hat Heine niemals eine
Nachtigall singeu hüreu, entweder kennzeichnet er
sich in all diesen Zogen als ein lebloser, starrer
Rhetorikor, der all das, was schöpferiacbe Poesie be-
deutet, eben nicht kennt, der weder vom Volkslied
noch von Goethe im Ernftte iigend Etwas gelernt
lut — oder er ist unter einem andren Gesichtspunkt«
za betrachten. Nur schlimm, dass auch dieser an-
dere Geisichtspnnkt nidit in Miuer postiaehen Ekreii
rettung werden kann.
Man kann allerdings beobachten, wie ui-sprüng-
Uch in Heine eine March enpliantajsie waltet und
stell ibre Bilder zu scbaffeo troebteU Und swar ist
es eine Lyrik, welche idch der JCtrcbenphnttasle
liedient; ein Beginnen, welches wunderlich genug er-
■eheint, «ttin man erwigt, dasi die Heimat des
MiTchens denn doch im episch sehafTsaden Geiste
liegt Diese Märchenphantasie ITeine.s gestaltet da
überall ErfipeuUcbei, ja, eclit Kiinstlerisclies, wo sie
steh rdo als solehe i^ebt: wir ericenaen Ae Heister^
Schaft Heines als Romanzendithter willig an. Ein
Lied wie das berühmte „Loreleilied' gelang dieser
Phantasie ganz Tortrelfliclt: idi meine dies „Lied"
falle unter den Begriff des Märchtins; es ward so
volkstömüch, weil es ein altes M&rcben, eine alte
iSage unttbertrefflidt ersIUt und nur g«n> leise als
Ausdrack eine Seelenstimmnng des Dichters ver-
wertet. Nor unter diesem Geskbtqtnnltte einer
atbchenichafhndeo BinUDdnogskraflt trird ee dann
fiberhanpt erträglich, wenn Heine singt:
Die Veilchen kichern und koMB
Und ichaon nach den StMMa MUpor;
HaiakUoh «iiIUm die Bttwa
Sieh daflnd* lUnlkm in* OIv.
Aber in dieser einen Strophe ist anch bereits
da:3 Märchen im Begriffe zur Rhetorik, znr leblosen
Redefigur zu erstarren, ein Prozes«, der sich durch
die ganze Heinesche Lyrik nachweisen lässt Wir
werden das sogleich bestinuuter feststellen. Kein
Dichter steht dem Gegenspiele aller Poesie so
nahe, als gerade Heine, LobeastMBSehem , Hoff-
mannswaldanschem Schwulste, unwahrer und natur-
loeer Wortmacherei , gekfinstelter RedeschnitzeleL
Der eigentümliche Vorgang in Heines Lyrik ist nicht
etwa der, das« er die »Romaotik fiberwiiidet and be-
freit", sondern Tfelmdir, daas diese Bomantik in ihm
'/.in holden, leblosen rhetorischen Formel erstarrt
Die Märchenpbantasie des Dichters» welche in ihren
besseren AngenbUeken steh der MSrebenbaftigkeit
ihrer inneren Anschauung bewustit bleibt, wird im
großen Ganzen Bedegewolmheit, wird zur rethorischcn
Bflderspraehe und erstarrt zur teeren Fetmel, die
das vollkommene Gegenteil aller DUlhtong, die Toll-
kommene Unpoesie ist
Alle die Figuren der dkbteriachiBB Aede , die
Tropen und Gleichnisse der Poesie sind nur dann
poetlaeh und m w o Iu « ihn iwrtischa Herimaft aar
dann, wenn sie ans einem Ringen der Darst-ellungs-
kraft mit dem Ansciuiuen der Wirldichkeit ent-
spriigeiL Bs itl hic lip u tttde b , wenn et in einem
Goetbeieben Gedicht heilt:
-Liua hri<M danili Baieh aad Bichm
Zepbjrr meidet üimb hud,
Üaä dl* Birken mit Itaige»
Ikr den •astea Weibeadi ssT.*
Wer jemals ehu» Bfrl» betrachtet hat, wird es
meisterhaft ge-^agt finden, dieses .streun mit .S'pil'-pu!"
Auf die äufiere Form hin betrachtet köuat« es als
«be rhetorisdie Figur erscheinen; an die Beohadi*
tung der Wirklichkeit gehalten wird diese Figur
cum notwendigsten, wahrhaftigsten Ansdmck an-
ndttetbarer Ansehannng. Dia BMen scheinen tn der
Tat ihre Blätter zu ,.streaen", es ist der treffendst**
Ausdruck für den hängenden Wachs. Nebenbei be-
meAt tbd wnder ,hmf uoA JBegibjt* in dieseni
Zusammenhange als konventionelle Phrasen für Mond
and Wind sa nehmen, sondern es ist die Göttin selbst,
welche zi wandeln idiaint nrischstt den Binnen;
ist mythisch-poetiscbe Yoratettuag, die als aakhe
echt dichterisch ist.
Reich, unendlich reich ist Goethes und setsea
wir hinzn — Schillers Diditong an Redebildern,
welche aus .suklitim unmittelbaren Anschauen der
WirkHehkeit erwachsen, welche einem Ringen ent-
springen mit der Deutlichkeit und ilem Charakteri-
ätisclien der Vorstellang und eine solche dann auch
in nns erzeugen. Das i>t eben de gennine H«-kanft,
die EntstehnTigjtnrsache der »ogt«nannten rethorl-
schen Figuren, die stets poetisch sind, wenn sie
diese ihre genuine Herkunft nicht verleugnen. Der
eigentlich poetL-^che Genu^^-; liegt hier für jeden fei-
uereu Siun; und selbst das Schillersche „Oxymoron"
„Vater, es wird mir eng im weiten Land** erweist
seine wahrhaft poetische BeRcliaffenheit an seiner
Herkunft aus dem kindUchen Aensserungsdrange des
Tellschen Knaben.
Wie aber die Lehren von diesen Redewendungen
zum Alexandrioismos erstarrten, so erstarren anch
die rhetborischen Formen selbst inr aasehaaangs-
losen Unpoesie , d. h. zum Unsinn , zum Nicht-
sinnigen und Unsinnigen, wenn sie nicht ein Ans-
druck unmittelbaren Anschaaens sind. Dann tritt
j«ie leere Wortmacherei und gekttnstelte Gedanken-
ttberschminkung, jene angemalteAnsdiaaungsmengerei,
jenes konventionelle Aneinanderreihen von schiefen
oder anschaaungslosen Metaphern, jenes sprachüehe
Zigeunerwesen und FHtterwesea au^ wddiee als der
Huin alles schöpferischen Dichtens, al.s der Ruin Jeden
lebens?oUen poetischen Geniefiens erscheint
Die Heinesche IHehtang treibt mit ▼oihm Segeln
in diesem Unwesen hinein, sie ist in der Tat zum
grofien Teil konventionelle Shetotik, gerade da, wo
ri« alch als eigenCUdw Dritt gnhen nüchta: nnd «ine
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Na 19
Dm Magatin f&r dw Liii(«r*tar de« In- und Aaslandoa.
nocli Ärgrere Rhetorik brachte sie unter ihren Nach-
ahmern hervor. Darüber darf man sich nicht hinveg-
täiMcben lassen dnrch im fcheinbar eio&chen Ton
der Volksliedes, den Hdne «nstimmt; dnrch den so-
genannten Liedcharakter. Der Gntndcharakter dituiur
IJederdichtong ist rhetorisch; die hochgMtinmtesten
Hymnen eines (Tnctlii» sind dagegen von jener anschan-
ungskJareu Eiiiiacliiitit des W'ortesi, welche die echte
poetische Russe kennzeiclmet gegenflber dsn BMtar-
deo eines konventionellen Darstellens.
Wir müssen, wie gesagt, bei Heine unterscheiden
sviadbea den CkUhkn «tasr Ifftrc^eBphantacde nnd
jenen andern , nur zu zahlreichen , in denen diese
M&rchenphantasie , da sie nicht an der Natur und
Wrldkdilceit deh enteibidet, zu einer leblose« Blie-
teffik wird. In jenem oben citierten Liede:
Wo gros« Blutntn icknuefatca
Im goldnvn Abandlicht
Mft biRnUicbm 0«i«fal
Ist es eine Märcheneiabildung, welche es dichterisch
ermöglicht, da«s die Blumen sich zärtlich betrachten.
Der Dichter will ausdriicklich ein »Zauberland"
sehildeni od unter diesem HArcbenTorwande ist es
vollkommen poetisch gesagt, -n a.*^ wir anfUbren. Aber
bereits einen sehr seltsamen Streich spielt dem Dich-
ter diese Märcheneinbildung in dem vielbertthmten
Gangesliede ; „Auf Klügeln des Gesanges". E.s is't
der „rotblühende Garten", es sind die „frommen, klugen
Gazelln", Palmen und Lotnsbinnien aUe von echter
poetischer Rasse darin, denn der Dichter will uns
allen Erast«s Indien schildern; und er will es schil-
dern nicht als ein Märchenland , sondern als eine
Wirklichkeit, nach der er das Liebchen auf Flügeln
des Gesanges hintragen will Ganz abscheulich un-
puetisch fällt nun in die-^e realistische Darstellang
diies Wirklichen auf eimal die Härchenphantasie ein:
Die Veilchen Vichem und koHO
Und «eh»un nuch den Steraen mapor,
HeinUeb «nählea di« Eomh
akih dwftdida Wnli«! Im Okt.
Abscheulich! wiederhole ich. E^tschnldigfin Sie,
mein Fr&ulein, Sie bewundern das, nicht wahr?!
Ach — es klingt so sü8, so poetisch! „Kichernde
Teikhen" und gar „duftende Märchen!" Entschul-
digen Sie, mein Fräulein, als Ihre Großmutter selig
Ihnen die Geschichte erzählte : „Von Einem, der das
Gru.seln erlernte" oder „Vom Igel und Hasen", meinet-
wegen nach tßcbxmwiUi^'* — rochen Sie da
mifc jBflspekt n melden ffie Gesehiehtef
Ahscbealich! sagt der süfie Backfisch. Wie kann
min dn M fainmiischflo Qedicht so xetpAttckeD. D»
bOrt freüieh «lle Poeale snf. Da« kann man mit
Jedem Gedicht tun.
Nein, liebe Seele, das kann man nicht mit jedem
Gledichte. Und die Poesie fängt gerade da an , wo
die Märchen nicht gerochen «erdfli, aondfln WO man
sie allen Ernstes aohörU
Diese „duftenden Märchen" sind vor dem Throne
ApoUois nicht einen Pfifferling wert. Sehwi Sie, mein
Fräulein, das nennen die Aestlietiker di« BoMMtik,
die wir glücklich überwnndeu haben, wenn man eine
wahre Geschichte erzählen will , aus Versehen aber
pifitadidi ein Märchen daraus macht und dann be-
hanptot, das Märchen sei ja gar nicht wahr. . Nun,
und ein solcher Eraroinaatiker war gerade ihr ge-
liebter Heinrich; er war sogar noch schlimn»er: er
machte Ihnen weis, dass in Indien die Veilchen
kichern und kosen könnten — was Sie doch, unter
uns gesagt, jedenfalls ein bischen gegerstäckert, ein
bischen anfgeschnittea nennen mOseen — und glaubte
selbst nicht daran.
Was nun Hie anlangt, meine verehrten Herren,
so begreifen Sie mit mir, dass diese Märcheneinbil-
dung, welche hier die Veilchen „kicbem" Iftsst, auch
nacli der Richtung der Rhetorik bereits Weißbier
schenkt: Heinrich Heine wnsste nimlich, dass die
Rosen aucli „dnffcöB" nnd dn er so wie so ans der
RoUe der Wirklichkeitsschilderung hei ausgefallen
war , so benutste er seine Mircheneinbildung , um
den Rosendnft flfr ein Iflrehen ansmgeben, das sieb
die Rosen gegenseitig erzählen. Dies imi-oniert Ihnen
nun, meine Herren, well Sie den Witz darin richtig
herausgefunden haben, das hier eigentlich sehr viel
Verstand dahinter steckt, wenn man clenkt, da>s das
Mäx«henen&hlen der Kosen so folgerichtig daraus
motiTfert ist, dass die Bosen iteehen —
Aber es ist ja denn doch die baare Unpoesie!
Ein künstliches ZutodebetsMi des grachraubtesten
Vergleiches, halb Mlrdien, halb rednerischer Ver-
gleich unil noc'h so absrheulicli geziert, so gesucht
anmutig — wo wäre da jene naturvoUe sprachliche
Bildnerkraft, weldie wir an wahrhaft groto Dich«
tern bewundern.
Mau weiß, wie viel sich Goeüie la gut tat auf
den Tns:
„Wie traurig' »i^igi die unvollkommne Scheibe
De« tpaten Mottd» mit roU'r Olni heran!"
Das ist ein Maler; i»as ist Etwas! Wollen
Sie sehen, wie dagegen ein rhetorischer Oorkenroaler
vom Sdllage Tfaity Heine.»» verfährt:
„Kui diin Wolken niht der Mond,
Eine Rifttanpomtiunie — "
Was hat der Mensch fiir fünf Sinne, dass ihm
eine gelbe Pumeranze und der Mond im Auge einen
gleichen Eindruck hervorbringen! Rund sind sie
Beide, das ist richtig , gelb sind sie anch — aber
abscheulieh plump ist der Vergleich auch. Oerade
gut gemng für die stumpfen Sinne des großen Hau-
fen<i, gerade gut genug für die stumpfe Einbildungs-
kraft Heinrich Heines selbst, die ora den Beiz eines
Veilchens zu scliildem, die Farben so dick auftragen
muss, das» die Veilchen gleich „kichern nnd kosen"
und die Märchen „duften". Ein didtterisehes UnTer-
mögen ist es, welches zu solcherlei grober Wort-
nuderai fährt. Wann der Meister sagt vom Vetl-
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Dil JtMgKäm Mr 4i» UttaMlw te Iip «lA Avbata
Ro^ 19
eium, (Uss es dasteht „gebückt in sich und unbekaDiit'', i
SU weiO ich: der bat das Veikhen wirklich Hiicre- ^
seilen, der kennt den Wuchs ut incr IMüte «ni Sii-ngti: i
Was ist das aber, dass die Veilchen „kosen''. Liegt ^
in der Gestalt, im Wüchse, in der Art des Nebeii-
cinanderblühenn dieser Klumen irgend Etwa.s, wa.s
nur tmtfernt an das .Kosen" erinnmi k<nnte ? Bitte,
nit'in Fräiileiu. id\ liebe die Blumen noch mehr wie
unser iiariy, Sie auch, bitt«, wollen Sie mit mir in
den Garten gehen und die Veilchen suchen?!
Nein, es ist Nichts mit dieser Art von Poesie.
Aber gut, hier hätten wir denn ein Härchen und da
Indien als das Land der Märchen gilt, soll die
Märchenwillkür herrschen auch im (Gedicht Nur
Schade, doss damit Am ganze Gedicht sieh selber auf-
hebt! I>ennwenn der Dichter die Geliebte «llf» Klügeln
des Cesan^es* um sebSostea Ort trafen vitt, so hat
^esi; ganze Tenuuehanltehnng deeäelben als A.«-
druck seiner Liebe nur Wert, wenn das Land seiner
Sehnsucht jast kein M&rehen, sondern eine Wirk»
lichkeit ist, an die er glaubt« um dort nniederan*
sinken". Wir fragen wieder: Mftrchen oder Rhetorik?!
Sie wird aar willkürlichen Bilden<{iracbe, diese Hir-
eheutimniiDg.
„Am l-MiiliU-niiiMi Sotiuiirrmargta
Geh' ich itn (trirtttn lit-njo».
Ea flQiit«m iiii'i ii|irLir)]i.-ii die Blttum,
Ich aber, ich w.inilli- «tunini.
K* nOntern uod »pT«chm Uio BlaaMB
Uod «chttu'n mitleidig mich od;
„S«i UDar«r Schwester nicht bSta,
Du truüriger, blaner Mann."
Ks ist die baare, blanke Rhetorik und da«ti sie
sieh im Idndliehen TOne des Volksliedes giebt, dasa
der 1 i'dneri.'iche Vei-gleich in eine Sitnatiini unie;esetzt
ist oder wi« im Folgendeu buchstäblich zu Tode ge-
hetzt wird, «ladht lie Sache aar »odi poesieloser,
nur noch gdLttBStdteir, nnr noch gesdinaoktMer.
Mau höre:
Au monen Trftaea ipritOsa
Viel blähende Blumen hwfor,
Und raoin« Seufzer wwAm
Eio Nachtigkilenchor.
Und wenn du mich lieb htai, Kiaticheo,
Schenk' ich dir die Blomen all.
Und Tor deinem Fenster loll kliaitea
Dm hM im NachtigilL
Idi frape, was ist diis nun?! Ist da.'; ein Mär-
chen? Uder soll das dichterische Bildersprache sein?
Soll «s ein Aoadruek einer heettmmten Oemfltsstln-
nung ^•'■'in?
Nehmen wir da« Letztere an. Der Dichter sei
sehnenlieh, er sei sslif hevegt, so ist «s «hie
psychologische Tatsache, das.« ein stark hp- '
wegtes, ethisch gerührtes Gemüt niemals zur Mftr-
chenUldnig aa%elegt ist Stets wird das wahre
Gefühl sich zwar die WHt nm sich bplch^Ti, aber es
wird nicht diese Welt in ein Märchen verwandeln —
nicht einmal in Bindesalter. Selbst der Kinderfeist
lauscht Xlrcbon ud sehalR Wrohen nur In kam-
t«!mplativer Stimmung; Märchenbilden ist da« Den-
ken (le.s Kindes, ist der .lasdmck seiner Kontern-
[iIa,Liou, aber iiittuials der Ausdruck seines Affektes,
seiner ethischen Bewegtheit, seines GemntsKnstande«.
Da hftlt rfch im Gopcnteil da,« Kind an das Wirk-
liche und lebt ganz in dem Wirkliclien und s^nem
Gesetz. Ja, das wahre Gefühl sucht sich recht
eigentlich auch an die Wahrheit der wirklichen Er-
scheinung anzuklammern. Noch viel mehr ist es so
im spateren I^ebensalter. Wohl bedient sich ein
Httfj^egtes Grefühl der Bildersprache: Schillers .Lied
an die Freude" schafft im Affekt der pathetischen
Erregung die gewaltigste Bildersprache: aber diese
ist in sich real, sie knüpft an gegebene religiöse
und mythische Vorstellungen an, wenn sie durch den
,.Riss gesprengter Sirge" die B'reade im Chor der
Engel stehen tkgOA, sie als eine »Tochter ans £lf-
siam* begr8Bt im CHanben an die mythüche Bealitit
als solche. Es ist Pathos, und das Pathos und seine
eigentümliche poetische Bildersprache verfthrt nicht
nach dun Oesetse df« Htrehens. Es ist ein „Lied
an die Freude" zudem, da.s seine ethische Realität
ausweist in dem Zosammenfssaein aller sittlichen
Hanneskrafi: „Männerstob vor XODigstronen!", ge-
dacht als lebendige .\nrede au alle initßihiSldBn
Meoscheo: ^Brüder: gält es Gut und Blut!"
Dies ist eine Sache ffir sieh; das reale OeflUil
als sololies sndit sich tatsäclilicli mit psycliolopischer
Notwendigkeit an die llOglichkeiteu der wirkliehen
Welt sn halten, mit dteseo sidi datsastdlen, weil
es nur dadurch seiner Oefiililswalirheif inne wird.
Wenn aber die Empfindelei eines Meoi>ch6n sich
das Bild eradutflt, dass Blumen aus den Trinen
sprießen, .so hat entweder seine Pliantasie gar keinen
Anteil an diesen Worten, oder das Gefühl als solches
kt ntdit wahr, ist nidit wiiklldi empftmden, son*
dem ist ein künstliches Machwerk des Dieliters.
Das phantastische, utirchenhafte Geschäft der
Phantasie, nach de» ansTrftnen — man doike: —
Blumen ersprießen, was man nur in einem Mär-
chen sagen könnte, erfordert viel zu viel Kontern-
platlOB ^er s^eleiiden BSnbiUaniakmftt th dns ea
irfrend wie der inmittelbaTe Audn«k eiaM Afftktes
sein könnte.
Unter dem Oesichtspankte des Mlrehens kann
man die;, alsn nidit ansehen; es ist vielmehr Bilder-
sprache-, es ist Itlietohk und zwar höchst könstliciie,
hBdMt geadiranM«, Den« man niuss erwigco, daus
die Blumen hier wiederum r:n 'tidlicher .\n.sdruck
für — Gedichte sein sollen, welolien Umstand ab«r
der Leser erraten nnss und au* errataa kann m
' Folpe eines rhetorisch konventionellen Sprachpo
brauchs, der weder in AnschMOugeo noch sonstigen
ürsadien einen diehterisehefl Grund hat Das ist
die wahre Kalospinthechromokrene zopfiger Bhetorik,
das heißt in der Tat sich bunte Bänder aus dein
Halse dehai, die man erst im Aennd vwatecikt hat
als wahrer Meister Boeko md JletiaL
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Rdc 1»
Dm
Ar dia Uttantiir dM bi> and
991
Heine bat es eingeflbrt, das« man Vergleiche
und Bilder, welche als solche psycholo^^rti und poe-
tisch als Analogie nur Wert haben, &h eiae Neben-
erinnernng zur Verdeutlichung einer Vorstellung,
eigentlich nahm. Er konnte das nur in einer
niärclienhaftf'n Vertassiuip; scintr Phantasie; er ver-
gaß das aber und kam so dazu, die Vergleiche
in der abgcstiliiiiackteh^ten Weise todtzulietzen oder
zum Spiele eine» Wit2e,s zu machen. Da» ist Alles:
nur nicht gefählwahr, nar nicht ethisch und psycho-
logisch wahr, nar nicht (!iclittTi;^Ii and poetiürli!
Man denke: aus Tränca sollen Blumen sprießen
■Oll diem nnmfiglichen Blumen will der Dichter auch
nodiMmem Liebeben schenken. E^ist Parodie anf
das Poetische, Parodie auf jedes Bildern de« Geistes
im Affekt, denn in der Erregung itildert der ver-
gl«ichende Geist eben nicht so schulmeisterhaft weiter;
er brieht ab ron den Vergleidisbildem. die ilim auf-
steigen. Es ist scliulmeisterhaft, wenn die Seufzer
ein Nachtigallen chor werden, der auch noch vor
den Fenstern der liebsten klingt; es ist Alexan-
drinisnius , aber höchst unpoetisch. Heine nimmt
«eine eigenen VeiiB^etcliB wörtlich und zerstört durch
üem WMlklMlimen gerade den Begriff des Ver-
fieiehea.
(Schlau folgt.)
Tob Richard WeltrUk.
(FortMteoDg.r')
Was der Urtext von hier ab bis zum Schlüsse
(, gehört der Gretchentragödie an oder steht
doch anmittelbar mit ihr in Zusammi'nliang. Die
Handlung ist nahezu durchgehends die l&ngstbekaiiale,
einzelne Abweichungen sind jedoch nicht ohne Ge-
wicht; deegleicheD ist der Wortlaut auf große Strecken
mit dem Texte von 1790 and 1808 identisch, be-
deutsame Unterschiede fehlm alMT auch in dieier
Hinaieht nicht gänzlich.
Fünfte Szene, „Strase", erste Begegnung
Fausts n\it Gretchen. Nar an zwei Stdlea stoliea
wir hier aaf Fremdes:
.Vm M «hl bwrUdi mUdm KiDd
r>ie hat wa« in mir ftng^»(1mH*,
60 beiginnt Faust den Eindruck, welchen er von
Mamrantlie empbagen hat, m adBld«»;
( BmA M «Atat
Bo «twM lul»' leih ml* 8«idin!*
«etate Ooetbe nachmals dafür ein. Unstreitig ist die
altere Fassung: naiver, die Blutwelle der Sinnlich-
keit, welche Faust gerade in dieser Szene durch-
rieselt, giebt dem Ausdruck die angemei»«ne Farbe,
und darin lieg:t eiu ditliterisoher Vorzug. Man mnss
allerdings unterscbeiden ; nicht überall, wo der ur- ■
*) Aanerkang. Vgl. Nr. 17 de« „Migaziiu fOx die
LiMMKor", 8. ttS.
**) Dreekfeklerberiehtigung. In Mr. 17. Mta 25S.
flbett* 2 iil eeiMt .AfA UM" mUma: Asril 1801.
spränglicbe Text uns naiver und deshalb ansprechen-
der erscheint, darf die Beseitigung eines solchen
Goldkornes im Texte der vollendeten Dichtung be-
klagt werden. Denn eben diese, das Ganze der
Komposition, legte dem Künstler die F*rti(ljt«n ein-
heitlicher Stilisierung aul, und indem, uiu den Gehalt
der Sage zu erschö|)fen, beziehungsweise im Geiste
Giietlie.s wiederzugebÄren, der Held dundiwe^ anf
eine veredelte Stufe gehoben, indem die Töne im
Ganzen um eine Oktave geistig höher genommen
wurden, mnsste notwendig der eine und andere Au-s-
di uck, welcher im Zusammenhange des ursprünglichen
Textes, des noch unaiisgereiften Entwurf&s sein
gutes Recht hatte, hinwegfallen. Die Frage darf
nur so gestellt werden, ob Goethe nicht hie und
da dem nachmals beobachteten Stilgesetz grOßere
Opfer gebracht liat, als unbediugt geboten war, ob
nicht Manches, was er bei der Umdichtung beseitigt,
zum Vorteil hätte stehen bleiben können. Nur mit
sorglichster Vorsicht wird daraufhin die Unter-
suchung zu führen sein, vergesaen darf niemala
werden, um welche Schöpfung, welchen Schöpfer es
sieb hier handelti aber wir wissen ja auch, und
Niemand bat dies mit feinerem Tasteinn empfänden
als Friedrich Visdier. da.ss Goetlie, nachdem er in
eine klaasklBtiscbe und idealisierende StürichtUQg
eingelenkt hatte, nar alliu geneigt war, setnen
,lugeud.stil, der Grubnaturalistischeü enthielt aber im
Kerne von gesündestem Bealismns und echtgerma-
niaelie KnnstweiBe war, mit ünbOligkcit au betrach-
ten, und $:omit wird die Frage, ob die Ueberarbeitunu'
des Guten nicht zuweilen au viel tat, ob sieht auf
Reehaang de.«< „StUwedhaela* kommt; waa anachei-
nend die Stileinhelilidikeit erforderte, erlaubt sein.
Im vorliegenden Falle wii'd man sagen dürfen, dass
wir den derberen nraprfinglicben Trat vertragen
hätten: Faust, der in dieser Szene die Redewen-
dungen: „Hör, du masat mir die Dirno schaffen''
und «Eab* Appetit aoeh ohne daa*^ im Hnade fSbrt,
durfte auch des Austdruckes „Die hat was in mir
angeattndt" sich bedienen. Augeuscbeinlich war es
die nicht TSlIig rrine Spradiform, um derentwillen
Goethe die .A.enderun^ vornahm; wenigstens liieht
die siebente Szene der Göchhausenschen Abschritt
ein Analegen, welehea efaen RadcaeUttM geatattet
Dort n&tnlicli sapf Faust; „Ks kleidt dicli put das
Käsen und das Toben", und diese Stelle lautet im
endgültig«! ^Pwt: „TJüA klddet'a wie ein Basender
zu toben!" Die Riicksiiditnabnie auf ^jirachlirlic
Korrektkeit war ja im Allgemeinen nur löblich; da
jedoch im endgiltigen Text .aof der Gaaaea** nnd
dgl. stehen blieb, kleine .\bweichnnp:en des vnlfjiiren
Ausdrucks von der gi-ammatiscben B«gel also doch
um hMwrer Ghrflnde willen zogelaaan worden, ao kitte
auch pangezündt* sich zu behaupten vermocht.
Die zweite textliche Abweichung ist am Sclüusse
der Szene: nadt Fanati Akgang spricht HepUsto
otq^rfinglich:
Nik 19
.Er tbut aU wär er ein FürKt^n Sohn
H&tt Lozifer to ein Duzzeod Prinzen
Die «oUteD ihm •ohon wiu rermuiizen
Am Ende kriegt' er eine ComiMiOD*.
Der hier amgeqi'ocbene, in der vierten Zeile nicht
eben glOcUich zngespitxte Qeduke erimiert an die
Woii«, welche MephiKtophelfls am ScUotte der fiber»
Däebeton Szenu spricht:
,So MB retUabttr Tolur varpufil
Ewfe StMUMk Mond und •il* Sttnm
Zum Xaiftmtrtib d«n tAi/bgtn m 4w Ldft*.
Der an eisterer Stelle nucbmals gewUlte Ereatz
hosi'itirt diese WiedorholuDg, fügt in die Zeichnung
Von Meplii.stos Wesen und Treiben einen passenden
lianiüristischen Zug ein (Schatzgraben) und ermög-
licht, indem der Ausdruck von Me^htotos Unwillen
aufgespart wird, eine Steigerung.
Sechste Szene, Abend, Gretchens Zimmer.
Niihp;;«) gli'ii-hlantond mit dem endgültigen Texte.
Doch sagl Meplüätu nicht:
jjcb tbat euch S&choichen hiMia,
um «ins Andta la gawimiM*
- eendem:
.Ick Mg «Mh M iM Saeb« dreio.
Um «bM FBnlbi m gawianaa*.
Sollt« Krich Schmidt Recht haben, wenn er bemerkt'
Goethe habe, indem er „Andre" für „Fürstin" ein-
setzte, einer ,.hofmflnnischen Vorsicht" Gehör ge-
M-henkt? Man wünschte lebfiaft ein besseres Motiv;
„Andre" ist abgeblasst. In der folgenden Szene
trug Goethe kein Bedenken, die Zusammenstellung
„Jod und König" /.u belanen; die Aengetliehkcik wmr
alao kebienfalü groß.
Nacbdem Uargar«tbe den König in Thüle
gesungen bat, erbUekt m F«wto 0«8ebenk nnd
ruft aus:
.Wie komoit dM ichOne Kbtften hier herein V
loh acfaliN» doeh gm gvwiM den Scbnia.
Wm OMkgaek mg dadilöne eeyn ?■
Der dritte dieser Teree hat spi^ den Worten:
,Ei hl dMh «Mdartarl Was m»g wohl diiam uimV
Pfaltz gemacht, aber wie reizend, allerlielwt , dem
ersten Eristaunen des Volkskindes völlig gemäß war
die wrspriingliche Wendung! Hier wieder ergiebt die
Abrechnung einen Vcrinst. Man kann ja sagen,
der Fangt (ioethes iat ein Meer von Poesie, in welchem
ein einnelner Tropften die Fftlle nicht vorgrößei-t nnd
nicht vermindert; aber nachdem die älteste Fassung
uns vorliegt, müssen wir vergleichen ^nd anfangen
XU ziblen, nnd wenn wir geizen mit jedem Tropfen,
so ist nichts schuld als unsere leidenschaftliche liebe
ZU der größten Dichtung der neuem ZmL
Siebente Szene, ursprünglich fbersehrieben
, Allee", später »Spaziergang"; Fanst im Gespräche
mit Mephüitopheles. Die Untwsehiede im Text sind
hier hOchst geringfügig, nmefst Klehiigiceiten der
Feile. In Mephis^tos Hericbt folgten imcli der Zeile;
«den bat ein Pfaff binveggerafft" zunichst die
Vene:
einer auch Eln^ablut ini L«ibe,
t.T wflrde da «am Heering! Weibe";
d. h. alj.ij, er würde scliim|ifen wie ein Fischweib.
Der Gedanke war uithl übel, wenn auch entbehrlich.
„Mit Himmels Mann'" stand im ursprünglichen Texte;
I der Apostroph ging wider alle Ordnung nnd ließ
■ kaum verstehen, dass „mit Himmelsmanna" gemeint
I war. „Ach kristlich so gesinnt!" war ein halbfertiger
Ansdruck; „So ist man recht gesinnt!" lesen wir
seit 1790. Ein der Zeile: 3e waren sehr wbaut
davon" nadrauta vorgeaetites »Und" half den Bbyth-
mus anf.
Achte Szene, der Nachbarin Hans. IXe
allitterierende außer Gebrauch gekommene Verbin-
dung „Schmaek nnd Sehmeid" ersetzte Goethe durch
„SchmndE and Oeschmeide". „Was bringt er dann?
Neugierde sehr" sagt Martlia ursprünglich; „Ver-
lange 8^ — " lantet der fertig gestellte Sata. Das
harte: „Aeh wellt httt** wurde dnrch „Tdi wollf,
ich liHtt" eine frohere Mäliri ersetzt. „Am Rand
des Todts" schrieb (üoethe ursprönglicbi nachmals
besser: „Am Rand des Grabe".
,1km fehlte niehta als allsogem tu wundeCBi
Und fremde Weiber und der Wein"
lesen Mir in der Göchhansenschen Abschrift; den
uachlaÄsigen Ausdruck beseitigte die Fas.snng;
„Kr lii'btc nur das alliQ riele Waodern
i'nil frsmde Weiber und fromden Wpin."
Das „Lebt wohl" im Mande Margarethens fehlt noch.
Für die harte Datlvform „aokh Emen" trat „dam
Herren • ein, an das Wort „König" des folgenden
Verses wurde zu Gunsten des Rhythmus ein En-
dnoge-e geaatat. An einer Stelle ist die naelinaUge
Ablnderuig nicht recht verstlndlich:
.AlMa er iMt aela Oeld nhidiaflig mUUk raiMttotl.
üad «r bmnto Miaa WiMu tOxr'
schrieb Goethe zuerst, nnd dieses „Und** ist die na*
tnrliche Vorbindung der Gedanken; in den Ansgnben
von 1790 und l«ü8 steht aber dttfür „Auch".
Nennte Saene, nadnuate „Strafte" über-
schrieben; Gespräch zwischen Mephisto [iheles und
I Faust, dessen bessere Natur sich emporringt. Am
i Eingang ist die Yerteilung der Baden nicht gans die
nämliche wie seit 1790; in der OtScbbaasenadiiai Ab-
schrift lesen wir:
»Wepkt
Da« iat ein Weili wi(> »aaerleeMi,
Zum Kuppler und ZigeunerwwSil.
PmhI.
Sie ist luir lieb.
Mepb :
Doch gebt« nicht ganz uauunai.
Ein Qwnk Uk werth der andem wunt.
Wir kgm vn «ia gOltig ZeugdMiiisd«i*ii.*. w.
Die drittletzte nnd die vorletite Zdb wurden in
einer Weoliselrede. Auih der Wortlaut dieser Stelle
erfuhr Abänderungen. — Die Spötterei Mephistos über
FlansU Ehrliehkmt lautete ursprünglich:
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Mo. U
Am Ibfnia Ar dk tittantar da« b- nsd Aosludas.
S98
„0 b«ilger MaoD da wkt ihr'a oan !
Er ut gewiBB da« enit in eurem Leben,
Dum ihr faUch Zmgan» abgelegt.
Habt ihr Ton Oott. der WcTt, tind wa» «ich drinna nigt,
V'otu Mi^iii-chen. und was ihm in Kopi und Merzen aoUigt^
I'plinitiöiu'ii nii-ht mit nrnspr Kr,»ft pctgubon?
Und habt duTon in (ieiil iinil Hrii»t.
iio vjul al« vou Herni -■^LhwiTill<-iDi= Tnd ^ewawt".
Diese Verse liedurHenjiielirlacli der Naulihülfe. »Er
Ist gewiss" wird Schrelbf^ler Belli fllr .Es fet ge-
wiss"; auf iille Falle hat die snätere Formunj»: .Isf
es das erste Mal in eurem Leben' mehr Flüssig-
k«it. Dm Zdtwort „schlSgt" passte woU n Hm,
aber nicht zu Kopf, wwdialb bonits du »Frag-
Uieiil" liest:
..Habt itir von QoU, der Welt and w<u «ich d'rin b«wagt.
Vom Menicbeo, waa lidi ihm in Kopf und Qenen regt",
Üer Ver»;^ttMit frecher Stirne, käbner Brnt?"
wurde aagmUäamn. Audi itar Jb dm beiden totsten
Zeilen Begeodo Geduks erbielt b nowro AugeBUl-
„Und wollt ihr recht in« Innre geben.
Hallt ihr danm, ihr mint « i^md
- d «Hl
SohwMdkia't Ted gawuMl!
Und nocih tob andern üneibeoMten «orde der Text
dieser Szene befn it. In der Göchtiaasenschen Ab-
achrifl folgen drei Verae nnfeinander, von welchen
jeder mit „nnd" beginnt:
„Und in der Welt mit allen Sinnen
Und all« hOehitea W<nr(e gnUa,
Uad diaM Olet roa dar iaa bnaae*
Der gereinigte Text stellte an den Anfang lI^s
ersten Verses ein „dann", womit das Eintreten eine*
neuen Gedankens gegenüber dem Vurausgehenden
•(birfer markiert wurde-, er setzte, die Vorstellung
genauer bezeichnend, „durch die Welt" an die Stelle
▼on „in der Welt" und verband, auf eine Ktthnheit
desAnsdnttks verzichtend, das Zeitwort des zweiten
Verses mit „nach" („nach allen höchsten Worten").
Schließlich wäre noch zu erwfthnen, dass das nach-
lä.ssige „der hält« gewiss" (Vorausgeht: „Wer Recht
behalten will ....") durch „Beh<'s gewiss" enetst
wnrde.
Zehnte Szene, Garten. Einer aufgehenden
l«Yiihling88onno gleicht diese Szene, und in Herrlich-
kelt sab sie die erste schöpferische Stunde; der über-
arbeitende Dichter gab an wenigen Stellen der Sprache
die letste VnUeadnog, dem str«bleoden Edelstein
die letite Beinheit des SdüHTes. Sinimtlidie Einzel-
heiten dieser Art aufznzfthlen. erscheint von jetzt
ab nm so erlAsslicher, nachdem die bisherige Ver-
gldebong einen Ttü der Oerfebtspunkte, von welchen
aus Abänderungen vorgfiiiomiiK-n wunlcn, autsczeict
h«ti 80 mag hier wie im ITd^enden die Auswahl eine
All ftielle der Tene:
-O Baat»! Gknba daaa
wd^lkait iaf"
ssitacte dto AnsgalM von 1790:
„O üeeto, glanbe, wa« man so ventt&adii;
iat oft meDr Eitelkeit und Karxeinn".
Die urs|)rüngliche Nebeneneinanderstelluag zweier
Kümi>osita von „Sinn" war für das feinere Spracli-
geHihl störend, die Beseiiliruri? des Daüs Satzes (ral>
dem Ausdruck mehr Ungezwuiigeniait und llejzlich-
keit. An zwei Stellen erhielt der Vers durch die
spätere Korinnn<t niehr Ton und Fall, d»'r Gcdank«
VerstärkuDfr und le.ssetoQ Abschluj!^: iür „\\'ar.s
freundlich zapt>elich und gros" les«n wir seit 1790:
„WarV fi eundiich, zappelte, ward groß", und an die
Stelle vuti „doch schmekt dailir das Kssen und die
Rull" trat: „Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt
die Ruh". „Dass ihm sogleich die Lust mögt wan-
deln" wunle mit dem korrekter gebildeten : „Es schien
ihn gleich nur anzuwandeln" vertauscht. „Was soll
das? KeJnen Straus?" fragt Faust ursprtingliob;
„Einen Strauss? lag näher. Ehien textlichen Zu-
wachs brai'lite ei^it die Angabe von 1808} noch in
der Anagabe von I7»o fehlen die Verse:
(Marthe)
„Die armen Waibar aiad doah Sbal draa:
Kin Hitg«itols if( i
{Map . ,
Kt IeIkm nor amf anna Oleian
Mich eine« Bommh tu hf-lphrpn."
Eilfte Szene, »Ein Gsrtcnhäiu^n''. „Bester
Mann sdum lange lieb Idi didi*. sagt Margarethe
in der Gödiliausensdien Abschrift; „Bester ^Tnnn !
Von Uerzen lieb' ich dich!" in dem von Goethe ver-
eUbntliehten Texte. Das üebrige ist gleiddantead.
Zwölfte Szene Nunmehr folgt in der GSch-
hautienscben Abschrift .Gretgens Stube", das Lied
„am Spinn Roekcn", nnd diese Anordnang hat anch
die Ans^übe von ITDn-. die vcdl^ndete Dichtuncr iitier
schiebt hier die Szene „Wald und Höhle" ein. Gret-
chens Lied bat den ntmUdien Wortbnit wie die
Texte von 1790 und 1806, nur «a Einer Stell« isigt
sich ein Unterschied:
„Hein Schoo«! Gott! drilagt
8ich nach ihm hin"
hieß es ursprünglich statt „Mein Busen drängt" u. e. w.
Seinem Gretchen znlieb hat Goethe den Ansdmck
der Sinnlichkeit Iiier gemildert
Dreizehnte Szene, Harthens Garten, CiesprAch
zwischen Faust und Greteben, nadiher nwisehen
Mephistopheles und Faust. .Sag mir doch Hein-
rieh!" lautete «rsprfioglieh die Anrede, und Faust
erwidert: „Was tat dann*. Bas war ein anbeholfbues
Wort; »Was ich kann" lesen wir seit 1790, als Ant-
wort auf die Anrede „Versprich mir, Heinrich!".
„Für die ich liebe lies leb und Blut" sagt Faust
ursprünglich; bcsjscr gebaut, auch von besserem vu-
kaliscbem Klange ist: «Fdr meine läeben ließ' ich
Leib und BIni". Fknstn Bellgtaubdteantnia wddit
▼om spltereii Texte nur an zwei Stellen ab; statt:
.Uad aU«...
twiga Stana nicM hannf 9*
beiAt es In der
AbMshrift:
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IM
,VnA ticigen hüben und drttliM
Kwiga Stwm aieht hanmi!*
Oewami tierderCMuikau diehteriseher SehSn-
lieit^ 80 erhielt die vorletzte Zeile einen verdeutlichen-
den Zusatz: vor «SchaU" wurde ,iit" aingesetiL Fär
„Ilngef&hr »a^^t dw PfllTT«r ■ach'' hsea wir Im Ur-
texl: „oiiiigetalir sajrt das der CathechismuB auch".
Die Nennung der PersoD gi«bt eine 1 elendigere und
aneb sschlich passendere Vorstellung. „Widrig" bei
„Gesicht" ist späterer, verstärkender Zusatz; im Ent-
warf hiei es: „Ais des Mfineeheii sein Oeeicht". Oer
klftMdadie Ten „E> man eneh flolche RSnie geben*
b^ügt^ sicli in der Gürhlmusriisclifi) .\I>scIirift mit
dem Vorliufer: „Es i«t ein Kautz wie'a mehr noch
gebend Da« In „ee geben" ein Fr»nktortar Pro»
vinzialismns vorliej^-t, ist \on der Krlfik henifrkt
worden*); ich glaube diesen PJnral auch im Rhein-
pfMzjBcben gehflrt n haben. An die Stelle von
„Tn tiefen Srhlaf* tist später das richtigere: „Mit
tiefem Schlaf, ao die SteUe von „diese Engel« liebe
Bede" trat ^eae tren« Uebe 8e«le". Der schlep-
pende S'atz: „Dass iler nun Acn sie liebt verlohren
werden soll" wurde umgeprägt und erhielt den Wort-
laut: „Dass sie den liebstem Mann Twtonm halten
soll". „.MindniiR-Hvoll" iiml ,.liorj?nen" tinirlitcn zu
Ouosten der Sprachrichtigkeit den Formen „Ahnungs-
Toll** «od „wtoiBen" Plata, wobei am des Venes
willen das „ihr" vor „borgnpti" w(>pfli'i.
Vierzehnte Szene, Am Brunnen. Der Vers
„80 ist's ihr endlieh recht ergaagem** war in der
riörhliansenschen Absrhrift rhythmisch norh nnff'rfia;
und hatte an Stelle von „gegangen" daä mundart-
liebe ^gangen*. Die malende aber ungebriaoUteh«
Form „Ein fifespa zieren" wurde durch ^ein Spazie-
ren" ersetzt. „Hödauer siiü keiu Haar" sagt Lies-
chen im urs|irängUcben Texte. Die Vem^Qngs-
foniifi „kein Ha^ar" war in diostir Verbindung nicht
zu gebrauchea, die uaclibes-sernde Hand des Dichters
setzte „Bedauerst sie noch gar?" in den Vere. Das
rlieinländiseli-mundartliche ,,n' abe" wicli doiu hoch-
dt.'utscben „liinuEt«3f ' , „oit" hier wie anderwärts dem
„nicht", „Hexel" dem 8chrift<leiust:tien „Häckerling",
der Ausdruck: „Er ist auch dorcb" dem Schrift»
gemäßeren „Er ist anch fort".
Kiinf zehnte Szene, Zwinger, Gretchens Ge-
bet zur Mater dolorosa. Bis auf zwei Stellen mit
dem von Goethe veröffentlichten Texte völlig über-
einstimmend: im zweiten Absat2 hat die GÖchhau-
sensche Handschrift „mit tauben Schmerzen" statt
„mit tausend Schmerzen", in der letzten Zeile aber
„dein Antlitz ab zu meiner Noth!" statt „dein Antlitz
gnädig meiner Notb". (^" wird für „herab" stehen;
bei „tanben Sehmenen" kCnnte man an einen Sclireib-
fehler denken, eher aber steht „taub" im Sinne von
dumjd', dumpf machend, betäubend. Von „taubem
*) V«rRl. Erish Sebmidt, Bialatting 8. XXXDL Dm «nte
Druck der OeclibaiiWBwheB AbwhiiH hBto«,neg^ Ür jtotk"
Hisbrfiten" nnd „tanbem Schmerz" spricht aocb Ade>
lung. (Vergl. .Sanilers' Wörterbuch).
Sechszehn tt: Sirene. In der vollendeten Dich-
tung folgt hier die Valentin szene, beginnend mit Va-
lentins Monolog; in den riöchfiausensi-hen Absrhrift
wie iia Fragment von IIUO die Domszeue. Die ur-
sprüngliche Ueberschrift war: ,,\)mi — Exerjuien
der Mutter (Jretf^ens"; letztere Bezeichnung fehlt
in den .\.u.sga,ljeü vuu 17imj und 1808. Somit be-
stätigt die Güclieuhausensche Handschrift, „was schon
aus dem rTesano: des Dii-s irac, als zweiten Thciles
dt-s Kidiriuiein, zu vennuthen war und wirklich be-
reits vom Fürsten Radziwill varmnthet worden ist^'*) :
OS handelt sich bei der Domszene am «nen Traaei^
gottesdienst für Gretchens Mutter. Der Wegfall
de.s Beisatzes ,J£xequien" hatte die Ergänzung dem
Leser überlassen, ohne doch jeden Zweifel aoszn-
schließen. Die dramatische Motivierung der Szene
erscheint nun verstärkt, nnd ihr Inhalt wächst, in-
dem wir jene Vorstellung festh^tenf an erscbttttern-
der Oeiwalt an Furchtbarkeit: GreteiieB, Tenirteilt,
bei einem Trauerakt der Familie gegenwärtig zu sein,
mnss um so gewisser nnter den Qualen ihres Be-
wnsstseinB «»ammenbreehen. Vor das Bild dar
Mater dolorosa treibt .*ie ihr eigenas Bedürfnis, das
QeflUü schmerzlichster Verlassenheit, im Zwinger ist
sie wie im stillen KÜmmerleia, und Ihre Jasunerlante
durehdringt ein Haueh von ITolfnung, von lindernder
Kraft des C^ebetes ; in den Dom aber wird sie durch
eine Veranstaltung geführt, welcher sie steh niciht
entziehen darf, und da.ss es zu die.ser Veraastallung
kam, ist doch ihre geheime Schuld. Die Dämooen
des Öeiwlsaens treiben sie von diesem CN>te nrHelc
und .srlila{ren sie, da sie nicht weicht, zu Bodeu. Iiier
ist der Gipfelpunkt von Goethes richtender Tragik,
erhabenste Didttong, sIttHdie l^Jeatlt. Anch der Shit-
wickluup^ der drainatisidicn Handlung, dem Vor-
rücken der Fabel kommt es zu gut, wenn die Dom
szene einein Tranergotteadleiitt bedeutet
Der Vers ,,Auf deiner Schwelle we.s.sen Blut?"
fehlt in der Göchhansenschen Abschrift wie in der
Ausübe Ton 1790. Dass aber ifie TUdtong Valen-
in rui-Mi-'s ältestem Pl"!n<- lap:, l^l^st die bereit.s
m der Guctihausenschen AbiM^hrift, in der neunzehnten
Szene, sieh findende AeaSenutg des Mephlsbopheles
erkennen; ..Wisse, dass auf der ^tadt noch die Blut-
schuld liegt, die du auf sie gebracht hast. Dass
über der Stit« des Ersehtegmeo ri^wde Oeisler
schweben, die auf den rflckkehrenden Mi5rder lauern."
Der Vers „durch dich zur laugen, langen Pein
hinflber sehlief?* lautete unprOnglieh: „die durch
dieh sieh in die Pein 1 [inüberschlief". T> - T;. f1. civuni
bei „schlafen" war unbequem und ungefällig-, der
sprMhlleh veriMSserte Vers ist xagleteh ansdmok»-
voller, die Wiederholung des W<irte.s „langen" ver-
stärkt in dem Hörer die SchüUbi der Empfindung.
*) Erieh Sehniidt, S. XXVU der lÜBtoitMSg.
Das MepsiB Ib dto Uttssalnr dss Top oad Asdaadss.
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19
Dm Matuia für dia Ltttantar de« la- ud AwlaadM-
i96
deinam Racim,
dft aühk qirillmd mImo,
thuda MadMlnirtl
TM fagrtak didittd •ieb"
loen wir im Urtext. Die Grellheit der Farben, die
Uebentttnang den Aasdrockii beseitigte die apilere
.— Uod uter -~.M^
!U|t neb^ BicU qofllend Mkon,
Ünd tagitot dich and «ich".
(Fwtotlnng tolgt.)
Eise MiWwifae Ballade.
(TftVji'r.'.etjt von .T. Kiri«t«.*)
Liebe eitito einat z.wui junae Ueraen.
Mejra hieO die Maid, der JOoglin^ Omer.
AU im LeDl der UlumeD Knoapün »prtLii^oo,
Holder Hyacintbeu, dunkler Nelken.
Doch beim Ko*«n wurdea eie betroffea
Biaifc voB sagaOhr mm Omen Mailar.
Uad dk All« ■maeh m Üirau Salmas
„Omer, Kind, du Freude deiner Mutlar,
Lieb' doch nicht, mein Allee, dieiee
Rine beaa're hat fDr dich die Hott4n',
Altla(peen« Schatz, die «chOne Pata:
Wie im KMu; wt sie ttiifiir*>wachseti,
Hat nitht Moml, norh Soiwn' gei*dhen,
Wi'ill nicht, wu liiti WiMzenlhnm vfai"Hn«n,
Wo dw .'\L'hrcc und dii? (früni'n (irlwer,
Kennt auch nicht, wsu einun Muui wir neaneit.
SchOner ist lie noch, ala deine Mejra,
W ei Act, rosiger sind ihre Wangen;
AalacdiaB M äa aaa iciahani fiaaia.«
Doch dar Mattar gab rar Asiwuii OaMr:
..La«« mieh daah, o ineine liebe Mmttar.
Kmcbtom iat alebt Oold oad iat aiabi BUbar,
Sondern nur, wa* teuer i»t dem Uenen,
Fata nelinr ich nicht, bei meioom Leben!
Nur Sctün-Mojra will 7or Frau ioh wfthlan.**
Dann Duhm or dim s<:hi^Dvt.'r/-it]rtaa **"**^\
itarg darunlrr r>eir>e TiLiuLmnca
Und »cblich li'»^ tort Mi iraa Fenaltr;
,, Liebe Mejrii. «itinri mir dif 'l'Hre,
Wenn du- Tiir.. iii,]u. no liooli da« FenBter."
M(üra horcht und ötlnet «chnell da* Feseter:
JMig bin iab, daa ia» ja smib Oam."
Aber liab.] adiaa baauat aoch Oman Matter
Uod na apriebt la ihrem Sohne zornig:
aKaana tarildi, mahi Sohn, mein lieber Omer,
Komm zurOck, wenn liab dir ist die Mottar."
Aaf an Fata macht licb dann bdNnda
Omer« Mutter, um für ihn /.ii freien,
Oali ddti Uriiutrinir, da«» e?« riciiti^r wllre,
l.li'U ni)r knrr.i; KtiKt noch bin 2ur HocbMlti
Kin(> kurrf V nnt roii tincr WiH-ll<-,
Bloß um Hoclizi'itü^Siite ein/.uladtsn.
AI« die (iiV^to kaiiicin, dpr!u.'h die Mutter:
„Komm, mein Omer, meine« Herzen« Freude,
KaoHB «ad hol' die licaat mit deiaaa QMeB{
Daaa fBr dich g^mt \uA deine Motte*
Und daa Bnuitnog echoD darauf gagtbm.**
Omar aber wollte niobt geborcben,
Sonden bUeb ia aaiMai waiflaa Haaia;
HH dea OSataa ging allaia dia Matter.
(■edii lit lindet xii h in der „Sammlung «erbitcher
von V 11 k Kiir.iiii' fWien 1841. I) m vier ver-
Volkslieds von V ii k Kiir.iiif (Wien 1841. I)
Echiedf!r.#<ii K;i>»m)>:<-ii iNr :'.4'J- >A.ii. Ih-r HiT-iun^jeber b©.
merkt dasiu, dii»« difwe nur uinp Ausw»},! «ciwn »u« »iner
^Wißeren Anzahl, dii; iluii zu (itdiotn k'"'^!«'"*^'-"'' hätte, <in-tt er
jedoch die vuo iUiu zatirat guhiiite F;ba9ui>^, die ihm die
MbOBeto tu eeis dflnkte, nicht aufgezeichnet habe. Anoh im
aeefaiAaa Baada deneibea Sainuiluag (Nr. 1) iat dat Gedicht
mitgeteilt.
Meine üabanaUaiig fidgt bald dar
Ale b«i Aüagi^ lie eiDgetroffen,
Lief die SebOne ihnen gleich entgjyen,
KU««t die rechte Hand der alten Mutier:
„Mutter meine« Tielgeliebten Omer*.
I«t e« "Tag, wenn «ich »»rnt^ckt dii» Sonne?
Ut c» Nacht, wenn dir der Mond Dicht leaehMt
Oiebl i-H ebe Hochzeit ohne Hrtotigam,
Ohne Briutigiiin. ohne duincn OmT^
Ihr entgegnete die alte Mutter:
„HOr' mich an. o Altagi^eo« Schweatert
Habe keine Sorge um den Br&utigam,
Deinen Omer, matnaa Soba, dea Uabaa.
Oiaaer Wald hi«r, aagt man, iat Tenaahert
Oeni dariaaea haoiea bO»e Feen,
Die vom Ro*«e «tttnen jeden BrAutigam
Und ich fQrohtete fttr meinen Omer."
AI« «ie nun za Omers Hana« kamen.
Stiegen alle OT^iUi ab vom Pforde,
Nur die «chöne l'aUi blieb im SittLd ;
lianz Yerwundert fiiraeh m ihr die Mull«-r;
..Steig doch :ib vom Ron-e, lisbe Tochtor!"
..Nein, nicht «her will, \>ex ilottl ich lolgeo.
Bis uieht ÜniPr fafst des KoxsCh Zfllfel,
Iii« nicht er die Baad mir reicht zum Grote."
Auf den ^ardak*) ging die aUa MaM«^
Um des S&umeadea berfaaiaabokii:
Jimmm dacb, Omer, deiaer Mutter Sorge!
Mimm dia edle Braat von deiner Mutter,"
„Nein, ich will nicht, meine liebe Mutter!
Denn mein Wort hab' M^ra ich geaabaai
Nie und niromor untreu ibr m wRriien
l.'nd mein Wort itebt fester lU« die FeUea,"
I)i pntMBBk die Mattcrlirunl die A\l«:
,,Sfi verflucht die Milch, die du «"'"K'«"'.
Wenn /.uriick du weiüt die Bmut der Mutter."
Omer» Hflrz erbebto Tor dem Kluchc
Und er tat, was »cino Mutter wallte.
hänch erhob er sieh von «einem Sitze,
Um daa MAdchen wOrdig «t empfaageii.
Ten dam itoeea balf ar aabMm Bitaiebaa —
Ale m Oottea Antlfta aia Miebwofaa
Uad dia Macht «ich «cbon bemiedenenkte^
Ribite maa zum Braotf^mach daa Brautpaar,
SoboB wiest aieb in weichen Kiazen Fata,
Aber OoMr «taad noch immer aufrecht;
Langaam «o(r «r aä« die Priinkpewritidpr,
H&ngte an d:e Wlinde seine Wntfeii,
Nahm zur Hand die kleine Tnml>uriva,
I<ei>e tfinte «ie zu Omem Schwüre :
„Meine Mt^ra denkt, dius iuh jetzt hubo
Meiner Braut den Schleier von dem Antlita;
Nein, mein Liebehen, nein, bei meinem Lebe«'.
Bei dem nieinen, ao wi« bei dem daiaeBl
Meine Maira daabt, dam ieb Jetat diaa em
MIdebea loe d«> eatdlwa Ofirtel l»«e ,
Neia, maia Uebebea. sab, bai meinem Leben!
Bei dem BMinen. aO wie bei dem dainea!
Meine Mejra denkt ia baitea TtSnea:
Jetst wird «ich mein Omer nied#rbmi(re«,
tjm daa Antlitz, «einer Hntut fM lillsBen,
Aber mich, mich h»t er »chnn vflr^,;e»sen.
Nein, mein Liebchen, nein, bei meinem Leben,
Nie. bei meinem, ho wie bei dein dcuum!
Nie, bei un»cnu ersten Liebe«ko»eii !
Mu^en Walken auch die Sonne «cbwüraen,
.Meinü Treu« will ich niemaU brechen."
Naher tritt er daan dem «chl^nen MIdcbon,
Babk ib« vom Oaeiebt dea dsnaen SebUier.
BenÄiA abrdiHe !hn jung« SebOaa,
Wie die belle Sonne auf dm B«r«t>n.
Babig aber ipricht der junge Omt r:
„Allzu schon biHt du, mein teure« M&dchan,
Hfttte*t du die Meine werden «ollen,
Wilr' dir «olcl ff Srhriuheit nicht zu eigao,
Mejra kann - I; > : 1 nnt dir nicht mexaau.
Aber nither steht »ie meiiiem HBrren."
Kinen Ku«a nur drflckt er uui die .Stiroe,
Wie ein Bruder «einer heben äcbwe»ter.
Weinend apneb aa ihm daa aobftne MMobe«:
nb'luoh aml aia, aaf deine alta Matter,
DU daa Liab« von dim TanMn bnaat«,
*) Daa «beia
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Daa Uaguu für di« LittontUur des In- and Anslaodas.
No. 19
Oad vertu&hlte Unlieb mit Vorhauteiu."
Ihr entgegnet« der junge Omer:
„Reiche mir ein Blatt Papier und Ttntf ;
Heiner M'i' t' I- ' lii ich jetziind »ehrnibon,
Dbh* »ie gP|;«ii dich aiciit Argwohn bog«
l'iul dich 7.^ihe meine« fnllien Todtm."
AI» er mit dem Schreibet) wm ta Ende.
Sprach er hat M der ecbOnen Fata:
J^Moe knnra 8^ei bia morgen hOren,
Oiaa Olata mhig wattac aehowvaM,
UtSa» BabwMtan tätig Kolo*) Uman
iJod die Matter lorgloa Lieder tinge."
So in Seelenqnalen tprach Jung-Omer
Und »ein Geist entfloh mit «einen Worten. —
AU (ich hell der jange Tag erhoben
T'tid dip Snnne hühct »tiflfj ond hShor.
Vut^f »ieli ()iin>rB Mutt.rr an tu wundorn,
[Hisn der Soha Itin^n nicht i*ri>:chüinc-
l.ruhclnd nahm i:\n BuBdiuin-Striiuiichnn,
Uiu duQ Subo üMt t^iaam Scblut' ut wecken;
Und schlich leise sich cur Tär der Karomer:
„Omer, steh doch aui^ meia Uabea SOhachea!
Hg«h WB BiiMial iMMbM ■dm ^ a«m».
SduDall ut dir ja Fat« liab ^awordm}
Rillt du denn noch immer nicht snfriMfla,
Deine Braut mit Kttiaen zu bedeckam^
I>och alt aie die TQr geOlfnet hatte,
Zeigt (ich ihrem Blick da« »chSne Mftdolm
Trilni'nvollen AnRf«, pfttii rorawoifelt.
Zorni^r rutl de< Unicrn iklte Mutter:
.AhiT, (Init'r, doiner Muttor Freudp!
Schliifjt'n k&nnfit du deine junge (iatlia?
Kiae Schande ist ea vor den Menti hen,
Und Tor Gott i«t es die gröilte Sundu."
Aber Omer sab ihr keine Antwort,
Staam BDd todlwHtair ÜMt « taa BodM.
Ali cK« alto IfnlUr 4iaa iMuackto,
Schrie sie voll Entsetzen hiut zum Himmel*
„Ha, du Schlange! Gott soll dich bestrafen!
Weshalb hast du meinen Sohn erdrosaelt?"
Stolz entgegnet« das schOne MUchen:
„Flncliic nicht, du arme Mutter Omen!
Nicht erdrosselt ward vnn nur dein Omer,
(JestRrn Alicnd achon iKt er vomohieden,
Töiltlich ti^il der Kiiiiiuier ihn um Mejra.
Wenn du keinen (i!,tiii>en mir willst schenkea,
Lie« liier ilicHcn Hriet von doinein Rohae."
Abs die Mutler las de« äuhatsä Schreiben,
FOUtan baiM Ttlaw ihr die Augen.
BOrt, Wae b dm Briafe stand ge«ehri«b«n:
„Sammle mir, o nein« liebe Matter!
:>ammle nir da BahrentrAger junge.
Lauter junge unverlobte M&nner,
Dnd als TraoerglUte junge M&dchea.
Zieht mir an da« Hemd von feiner Seid»,
L*ii« mir «chonkte meine liebe Mejra;
Legt mir um dAt< goldduichwirkt« Halstuch,
Das mir utickte cueine liebe Mejra;
Schmucktit mich mit dunkelroten Ne!k«B,
Wie mich schmOckte nieine liehe Mejra.
So sollt ihr mich tragen durch die Guaae,
Wo das w«ilta Uoiehra Mmra« bUnkek»
^4 vom ^^'^l^i^'^StalJ^ MmT *"''*
itk mn aa ihr «ahrtah da teh hUa.*'
Alles was sich so Jung-Omer wOnaehla
Alles wurde treulich auch g«haIt«o.
Seine schwane Todtenbahre tragen
Lauter ^unge nnverlobt« Mllnner,
Nehen ihnen schritten jimge Miidchen.
üinKchallt war er in« «eidne Hemde,
I*n-< Ketchenkt ihm hutle suine Mejra;
Uni don Iliili tru)f er diiJi schöne Ilalttl
i)mi gi»itiokt ihm btttt« seine Mejra;
Oanx bedeckt war er von dunklen Nelken.
Wie ihn Mejra «onat m sohmflcken pflegt«.
Dmh 4i» Cwaw «oida er g«tragen.
Wo dw waila BtaiobaB Hejraa gllnste. —
In dem kahlen Schatten ihre« Fenster*
SaB SchOn-Hejra, in der Hand die Nadal,
Um fDr Omer ein Qeschenk za atüthm.
*) D*r ««rbüch« WationalUm.
Plötzlich fielen ihr uuf ibrou Rehmen
B«ide Rosen, die sie tru^ im Uuire.
Hoftip ncVink da« Mfidchen da imtMiimen
Und bi'Ktür?,t Hiirach «ie zu ihror Hutt«r:
..Weh! ein hnfes /eichen liebe Matter,
Heide Ronen fielen mir iu Hoden,
ijei>e Gott, diw» <niteii d*ä bedeutel"
TrOstend sprach ru ihr die alte Mutter:
„Gott ist gnftdig, hab« kein« Sorg«.*
Wieder apnwii m ihc daa jung« IlftdcliM:
„Rieebt aa nieilit vtßh Heiken don^ dw FmiMtf
Wie mich dUnkt. ist Omer in def
Traurig gab zur Antwort ihr die
„Aber, meine vielgeliebto Mejra,
Ut OS dir denn unbekannt geblieben,
Daas dein Omer g-e»t«rji seine Hochzpit
Mit der schOnun Fiitii li;it gefeiert V
Ach! di»in Omer hat <iiih «chon verneseen,
Seit er Atlii)(ieens Schiitr- gejohen,"
Kdl.^i /oru ergrS diu ;irniu Mejra,
TodtenblAsae deckte ihre Wangen,
Kiaetw wurde ea vor ihren Aagen
Ibra HM bnwh wtemi an BiIuinb
üvd M riam Oir die g«ldn«a fldna.
Doch da irrten ihre trOben Augen,
Aus dem Zimmer auf die helle Gasse;
Sie erblickt die Schaar der jaogea L«ut<'
Und die jungen Mftdch«n neuen ihnen;
Freudig «pringt sie aof mit hellem .Tauchaan:
..Sieh', da kommen meine HochreitigSstei
Die lu mir begleiten meinen Omer,
Nie um»ioni<t merk' ich den Duft, der Nelken,
Immer kOnden .lie luir meinen Liebsten."
Schnell l5ult »ie hinunter bis zur Türe,
Da bemerkt sie «nt die schwarze Bahra.
Todesqaal «rfMat ri* bei d«D AabUab,
Aaf aoDi Biauul aehMlt ne BMaiattnaad:
„0 bei Gott, bei dem ihr meine Brfldar,
Laeat berab ihn auf die »chwarca Erde,
Dass ihn seh* noch einmal «eine Mejia,
Ob sein Antlitz herrlich ist wie gettem.
Ob die Au^'en gl&ntea noch wie gesteim,
Ob die HHnti noch h< die Tamburica,
Daas er seiner Mejra Lieder ringe.
Laaat ihn nieder auf die xchwarz« Erde,
I>a*ii ich Arm» )«trt den 'l'odtea kflase,
I»a man ea mir wehrte, al» sr lebte."
Uud die Trnger lolg«n ihrem FUbea,
Steuern ssi die Side ihn Babn^
Auf den liebwi Todten «Mt «flli IHin.
Giw gabroabcB von dam sehwerttaa Uita,
T«r dam ecbmen wttoh die bange Saalh —
Als das Grab beretM war ttt Oi mg.
Lag auch Mejra soboB im diini|ifaB 8Mg«,.
Heider H&nde.l«^ man ineinander,
beide ruhen sie jetzt Srit' an Seite. —
Bald darauf, o seht daa grofle Wunder!
Keimt aa^ Omer eine grüne Fichte
Und aus M<Dr» eine nclilanke Tanne ;
Ihu die Fichte windet sich die Tanne,
Wie ein Mftdchen um den Hals des Liebsten.
Fluch soll jetst ood ewiff]
Die daa Liebe MB den T«
Bad TanafthkB Btiliab
▼•B Dr. Alb. WUlatBok
(Schluss.)
Wft« im viertea and fiinften Kapitel „von der
HochlSbl. Pnielitbriii^nideiii GsMlIsehift Nsman",
sowie deren ..nt'iiiilhli'n iind SprücliHn (xler Bey-
worteu" erz&blt wird, «rscIieiDt sctiUoßUch nur aüis
müßige Spielerei, die sogar sn €i«8ebmfleUos^fkeiteiii
ausartete. Hans Geurfr Fürst zn .\nlialt biet der
Wohlriecliende, seia Gemälde war äue aasge*
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No. 19
Dm Mag&zLa f&r die Litt«ratiir des In- nnd Ansludflla
Ufibt« Haiflnblame, sein Spruch : „MH «86 venmscht", 1
Heinricli von Krage der Geniiistetc^ mit dem
Bild: ein Scbeffi»! toU BobjieD, und dem Spruch:
^.Hiennft'*. Wilhelm LmidKnf der Kitsliehe, VOi-
Wülilaii:-;:! liliiUter Scbwarzilorn ohne Blätter, Wort: |
zor Blützeit, Ernst von Witzleben der Gekochte, '
¥fM z SuVbtj, Wort: F8ra Jnkkeo. Ferner gab «e
einen Saftigen, einen Entzündeten, Bittersüßen, Stfifen.,
Sauerhafteo, ScbarüspritzendeDi Dickeui Faselnden
SehMlieliKlai, Bdlendaa, Fdstea, Hodnr«tttebteOt
Nassen, KlebrichtMi, «iii«B TATttOfifeMleii, «iiMn Ein-
scblifemden.
Am den «eduten Kapitel „Tod der HoddlibL
Fruclitlringenilen Gesellschaft ingemein und was vor
Personen darein gebären", erfahren wir, „welcher
gentslt in vnMnD gelietbteii tentodien yatertande |
unti r~ f ir i'i he und hohe vornehme Weibespcrsonen '
sicti den Künsten ergeben und schöne l<Yücbte ihres
TentaadeB dnreh oflbndKeheii ünkt sehen lassen
und daher© von dem Palmenorden aueb Theil zu
haben verlanget: als ist allen dergleichen hochbe-
gnUsn FrsvenidniBer dnrdk ebmUitige Genebn»
haltang. sich ihres Herrn Gemahls orler ihres Herrn
Vaters Namen, jedoch ohne besondere Zahl, (iemahlde
oder Spradi m gvbnnelien mvilllgt worden. Unter
diesen Oesellschafterinnen leuchtet als eine Sonne
herfür die unvergleichliche Befreyende (Herzogin
TOB Branosekw^), die in nUen Wissensdnften,
Sprachen, in der Mnsik nnd allen fürstlichen Tugen-
den aUe andern ja auch sich selbst übertrifft."
Jh» siebende CnpiteT giebt dem „Sprossenden"
Veranlassung, indem es von der Aufnahme und deni
bei Tafel üblichen Zutrinken spricht, gegen „milicher
bfinen Leute ungeschliffene Nachrede" zu protestieren, ,
„dass nemlich dieser bochlöblicbe und durchlauchtigste
Pal morden nur eine Sau^esellschaft were". Er be-
schreibt nun den felwUchen Eintritt des Churfürsten
Johann Gi^orj» von Sachsen in den Ordi'i woriiluT
er Protücull lühren musste. üenselbc kam auf seiiK-r
Heimreise von der KaiserwaU zn Frankfurt durch
Weimar und wurde am 18. August KlfjS ,,deni ädlen
Palraoi"den einverleibt", und zwar imt „herrlichem
Ehrengepräng". Es war eine große Tafel, auf dem
Altan ließen sich „Trompeter und Heerpauker tapfer
hören". Der älteste Gesellschafter, der Gekochte
(Jägermeister von Witzleben) ging als Marschall
voran, ein langer Zug folgte, der ('hurfttrst wurde
geführt von dem Vielgütigen (Graf Anton Günther
zu Schwarzburg -Arnstadt) nnd dem Entlähmenden
(Gral Ludwig Günther za Schwarzburg - Sonders-
haosen). Der Schmakkhafte hielt eine Ansprache zu
Ehren der „Teutschen Helden- und Muttersprache",
Maraaf aatwortete der Cburfürst und erhieli nun
dra Namen „der iWfiwflrdige", das Qewiehs war
ein Cedernbaum und das Wort: „Besteht unwandel-
bar". nAlso and auf Torbesehriebene Ahrt wurde
•aeh der DnnU. UnMhitd»n (FHadiMi Wflhdm
Bemg m SMduMn-Altsnbnq^ der KrOnandn (Chri>
stian Herzog zu Sachsen-Merseburg), der Siegprangende
(Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig • Lünebui-g)
der GeeebmOekte (Wilhelm (Christoph Landgraf zu
Reesen-Bbmbni^) nnd der auch weyknd DurchL und
Höchstseligste Auserkorene (Wilhelm Laadg^raf in
Hessen) nnd andere hohe Fürstliche Personen mehr
eingenommen." Die Aufnahme, nanientlich t'ern-
wohnender, geschah auch durch Vollmacht oderdnidi
Emennnngsbriefe oder Patente, welche begannen:
Wir der Sebmakfchafte nbrknnden und bekennen
hiermit, dass wir den pp. für seinen Fleiß in Ans-
flbnng teutscher Beinigkeit aar Ebrenbelohnung und
AnfinnntemBg zu weiterem Fldll nnd Tugendlauff
in die Zahl der Palmgenossen aufnehmen und zwar
mit dem pp. Namen, Gewichse and Worte a. s. w.
Das achte Kapitel enthAH die Rolle der Gesell*
scliaft oder da« Mitgliederverzeichnis mit den Oi-dens-
uamen, Sinnbildem und Wahlsprüchen , und das
nennte, sdinte nnd elfte Kapitel handeln „voin der
Hochlöbl. Knichthringenden Gesellschaft Foit|iflan-
zung". Als Ludwig von AnhaltrKöthen, welcher von
1617—50 Oberhaupt war, staib, „haben die vornehm«
sten nnd ältesten Mitglieder nach zurückgelegtem
Traueijabr nicht allein aus einmütiger Zuneigung,
sondern auch naeh dem letiten Willen nnd Verord-
nung des Nehrenden den auch Ibirchlauchtig<it«n,
HochgöLülireiieü i ürsten und Herrn, Herrn WUhelmtm,
Hertzogen zn Saclisen, Jttlidi, GhTe und Berg etc.
den Dnrclilauchtigf-ten Schniakkhaftcn zu einem Re-
genton und Überhaupi einhellig erwehlet und den
ti. -Maji des 1651sten Jahres Seiner MrstL Dntvhl.
durch eine Iioch ansehnliche Gesandschaft den Erla-
schreiti mit dem großen silberu Siegel, Regi.stern
und andern dazu gehörigen Sachen überliefert"
Wilhelm iV. von Sachse.n- Weimar (der Schmakkhafte;
sein Sinnbild war eine Birne mit einem Wespenstich
und sein Wahlspruch: „Erkannte Güte") leitete den
Orden bi.s zu seinem Todestage, dtai 17. Mai lö6-i,
mit demselbeu Eifer wie iseia Vurgauger. Dann aber
geriet die Gesellscl^fift. ins Stocken. „Die vornehmste
Herren Gesellschafter insonderheit aber des Hoch-
.seligst- und weyland recht -preißwürdigsten Schinakk-
haflen Unterlassene Kürstlichi; Herm Sfihne, der
Richtigste, der Edle, der Trachtende und der Nach-
folgende sind biliich dahin bemühet gewesen, wie
die Hochlöbl. Fruchtbringende Gesellschaft mit einem
ansehnlichen und hicnsu tüchtigen Oberhaupte wieder
versehen werden mCchte : Welches auch xweifelsohne
nach zorttckgelegtem Trauerjah: lI I Verk
gestellt worden were, wo nicht die damals iierein-
brechende Türken GMkhr, welche bey einem und
andern Reichsstande >iel heilsame Gedanken ge-
bemmet and dann nachgehends die in der Nachbar-
schaft enstondene Brftntiscbe Ünmbe nnd andere
dazwischen gefallene wichtige Geschäfte dieses lüb-
liche Gesellschaftswerk in etwas zuräckgehalten."
En Vttging eine Zwiwbenieit ym mehreren Jahren,
bis man ein nsmee Oberhaupt wählte und zwar den
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Dm MagBiu tta die titUrmtor im to« und Autaade«.
ItOL 19
Ihnog ÄDgtist von IftuSfaMn, flrwShltfln TSrsbisdiof
zu MilgdeViurg, ,,Pcn ^^'oIllgel■ahtf■T)en". ..Den 15.
Heuinoii&tstag des 1667sten Jahres ist za Halla der
Ertaehrein mit seinem ZngdiBr dem Denen
verehrtesten Oberhaupt ausgeantwortet und über-
d^ebeD." Aognat wohnte ia Halle und hierher wurde
noo der Site des Ordens gdeft Doeh wurden nnter
dem dritten Vorstand weit weniger Mitp^licder als
früher angenommen, die Qesellscbaft starb langsam
dahin.
Das zwölfte ünd U-lzU; T\ni>itcl giebt Nachricht
„von der Hochl&bl. Fruchtbringenden Oesellschaft
hervoTnewnehMineB AHebten, Sebriften nnd BHehem*.
In der Tili sind viele heachteDswerte Leistungen
hervorzuheben. So bat z. B. der Schmackhafte, Her-
Wilhelm vw Weimar, geietliebe lieder gediditet,
flie, wie: ,.IIerr Jesn Christ, «licli zn nns weniF",
noch heute in den deutschen Kirchen gesangen wei-
den. Ebenm temiehtni eieli der Slegimagende,
Herzog Anton nrich von Brntmschwpinr. nnd der
Befreiende, Herzog August von Braunschweig, mit
GlBek im geintlidmi lAede; Enterer verfewte ein
„Christ-Fürstlichps Dands Harfenspiel" und Letz-
terer die „Evangelische Xirchenharmouie". ,,Der Wol-
gwnnnte (Meiitx hutignlt zn Heven) hat die Stern-
kunsi in unserer Sprache par zierlich beschrieben"
Der Vielgekrönte (Dietrich von dem Werder) gab
,J>ie sieben Bufipsalmea, Item vier und zwanzig
trostreiche FreudengesÄnge auf dip Stunden des
Todes" heraus. „Der Knöpfichte (Han.s Heinrich vou
Rietesel) hat viel tiefUmiigie Gediehte geechriehen."
„Der rTelirauL'lite (Ilartmann von Berlepsch) hat auB-
gelei üget eine Schmukkiuimmer aller Ehrliebenden
jungen Ritterslento so da begehren ehrlicli zu leben
■m l solii; zu sterben." „Der Erwachsene (Siegiiiund
von Hirken) hat mit «jiner sundurbaren nachdenklich-
wolsteigender Sehreibalirt voll Feuer und Kern niiter-
.scliiedliehe W'erkJein heranüg^eben.^' „Unseres Ge-
krönten (Martin Opitz) unsterbliche Schriften ^iud
som eftermal in Teutschland und auch in Nieder-
land znsaniDien gednikkt nnd tn*st in jcdörmanns
Händen." „Der Spielende (Georg rhilii>p liarsdörfer)
hat acht Theile seiner Gesprächspiele heransgcgeben,
in welciien Er auf eine seltene Ahrt alles behandelt
was der Jugend von nöliten ist. Femer des Poe-
tisdien Trichters drey Theile etc." „Der Genossene
(August Buchner) hat eine schnne Grund- nnd Kunst-
mäßige Proswlie oder Versch- Künast herausgegeben.
Ilim wird die Krfiiiiiunt,' lier Dactilischen Versehe
zugeeignet" Der Suchende (Justus Georg Schotte-
\ins) verfnaete ein für seine Zeit vortreffliches Werk
über die deutsche Sprache. Weiter werden die
Sdiriflen des Rüstigen (Johann Rist) aufgezählt, des
Vielberflhmten (Adam ülearius), des Träumenden
(Johann Michael Moscherosch, der sich in seinen
Schriften Philander von Sittewald nannte), „der
ancli geschrieben sehnldige Vorsorge eines getreuen
Vaten^ dn «dir miUlians findi, welehee bitüeh alle
Titer nod Mtttter wo! lesen und sieb dann» sar
gxtU-n Kinderziiclit erbauen selten." „Der Wolsetzende
(Philip Zesen) hat herausgegeben seinen Uocb-Teut-
sehen Helikon oder INcht- ond Reimkanst^ der Kenscbe
(Emst Christojih Hombursr) seine Clio ein Buch voll
schöner Gedichte, Lieder und andere kurtae Sinn-
sprüche flowol griat- als wettlicb.'* „Der Dnsterb-
liche (Andreas Grjrphius) ist billig unter die tre-
scliikkteste nnd tiefinnij^ Poeten zu rechnen."
Geoitr Nenmark, der Sprowende, führt ebeolSdlB seine
-Schriften auf fini V*(jlke lebt t-r for t durch sein T.ied:
Wer nur den lieben Gott lässi walten) nnd sdilieflt
mit der Hofflrang, dies „vermittelst gOttlieher Gnade
die Tentsche Spraelie in ihrem Elirent'ini über alle
andern erhaben werilen und zu endlicher Vollkommen-
heit gelaagen wird.**
Die fruchtbringende fiesellschaft hatte unstreitig:
ilire Verdienste, der große Palmenbaum breitete seine
Zweige Aber das gaaie Vaterland ana, nm dentaehe
Sitte nnd deutsche Sprache zn beschirmen, Fürsten,
Adel und Gelehrte aus allen Stän(ton fühlten sich
einig in etnem sehSien Ziele, belebt vm einer wai^
men Liebe filr deutsches Wesen und für die Mutler-
sprache. Wenn es der Cresellschaft dennoch nicht
gelang, dem Unsinn der Spraehmengerd einen hiit-
reirlienden r>amm entg-epen zu setzen, so jreht daraus
eben hervor, zu welcher Macht und Herrschaft das
Wilsehe bereits gelangt war. Wie sehr aber der
Odanke der deutschen Sprachreinig-uner alle patrio-
tisch Ge.'iinnten ansprach und wie anregend die
fruchtbringende Gesellschaft gewirkt hat, erkennt
man daraus, dass sich nach ihrem iluster mehrere
andere Sprachvereine bildeten, ja man kann sagen,
dass au ihr alle übrigen Sprachgeesllsefaaften hervor-
gegang:en sind. Die erste N'acliahmung war .die auf-
richtig« Tannengesellschalt ', welche 1633 zu Straß-
burg gestiftet w.ii-dti. Philipp von Zesen stiftete 1648
zn Hamburg die .Teutschge^innte Geuiwsenschaft",
Ji>hanii RLsl lütiü den , Elbschwaoeu-ürdeu"'. Der
bedeutendste Zweig der fruchtbringenden Gesellscliaft
ist die „Gesellschaft der I'egnitz-Sehftfer", später iler
„Pegnesische Blunien-Uideu' geuauat, der vor mia-
mehr 240 Jahren von Georg Philipp Harsdörfor zu
Nürnlierg gemundet wurde. Aber den meisten Ein-
fluss hat unstreitig die 1697 gestiftete Deutsche
Gesellschaft zu Leipzig nach und nach erlangt
Der eigentliche Stifter war der Professor Menken,
dessen Schüler sich in seinem Hause alle Monat ein
Mal versammelten. Die sprachlichen Untersuchungen,
welche von der Gesellschaft, so lange Gottsched
Senior war, herausgegeben wurden, verdienen noch
jetzt mit .\chtung genannt zu werden. Forner g^
hörten zu den Mitgliedern Männer wie Mahlmann,
Schwabe, Winkler, G. F. Weiße, Zollikofer, Morus,
Clodius, Garve, Huber, Adelung, Blankenburg und
Andere. Nach dem Beispiel der deutschen Gesell-
schaft an Leipzig bildeten sich Ähnliche an andereiB
üniranitfttan.
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NOk 10 t)m UagHiii ftr & littantor de« In- und AndudM. tM
In unserer Zeit versprechen die pnt premeintfn
Bestrebungen nacb Beinlieit der Sprache insofern
mehr Erfolg; d* maa dnemita bei voltem Bewnsat-
sein von der Fülle, Macht und Fähigkeit der dent-
schea Sprache sich doch von allem SaperporismoB fem
liUt, nBnentlieb bat lliigst d«atadi fewordenm Fremd-
wörtern, sobald sie Al)'ft'nndhin^('n durcli erhf dentsi^he
Silben gestatten ; dann aber ist man auch jetzt in
dfo alt« dmtidiai Sprodidenkmllar immer mebr
pingedrnngen. Und dies ist zur Bcreichenine: und
Erfrischung der Sprache tmerl&BsUch, neue Sprach-
gebilde mia§en ans dm tiefiBD Bora der Sprache
selbst geschöpft werden , wenn sie in Fleiscli und
Blut des Volkes tibergehen sollen. Es nätzt nichts,
bloB d«m ftnßeren Kleide der Sprache ni Mbnel-
den und zti schnitzeln , ohne den Spraehk^rper za
kennen, den jäueä Kluid iu üetuer natürlichen Ue^lüll
md SdiSnheit darstellen soll. Zar Sprachreinigung
gehört gesundes Urteil und geläuterter Gesiliniai-k
vor Allem gründliche Sprachkenntnis, tiefen Eiu-
dringen in die geschichtliche Kntwickelang der Sprache
lind in den VidLsgeist. Alle ftnßcrcn Mittel wirken
nur obei Üäclilicli, durcii tiloüe Fremdwörterbücher
irtrd die Sprache nicht verbfts3ert, gerade so vir
man noch kein deiitsnhdtnkenrler >ind deutsch-
tühlcnder Mann wird, wenn man eitie deuuche Ko-
karde an den Hnt steckt. Die alten Palmen-Ordens-
brüder hatten schon eine tiefere Anifassung von der
Sache, indem sie sich als einen „Orden" dachten mit
dem Gelübde, mit der Pflege der deutschen Sprache
die Erhaltung deutscher Sitte und Zucht und die
Beförderung deutscher Gesinnung zu verbinden. Sie
dachten, dass man nicht deutsch reden kann, ohne
deatKli au fühlen. Beides hftngt innig miteinander
UttartiM« InighillML
Tor «bSftr Mt gfaiff dordi dk Ul^amm di» Utb
«■ Mi k Onutkok «a noch SffMtKch varmut w«id«i
tra0«n Mine* gproben „nstunliititchen" lohnlto. Dm corpu
dwicti liegt nunmehr nach in einer deataehen Cb«n«Uunff
▼or: „Albertlnc** von Chrintinn Krohg tlt tnlM StOcc
einer „Serie nkturaliititeber Romane de« Nordena." (Budapeet,
Verliig Ton Q. Grimm.) Warum daa Buch verbrannt worden
mt. Temtolit man nicht recht. Ea itt eine siemlich trockene,
tiemlich lan^weili^ ond anrh nur halbwabre Geschichte von
eiovr armen Nähtenn, die gertie srliöne Kk'ider trajren mScht«,
IU viel giswiiMie 'i'iiluine träumt, ia «chiechte GcafiUiirhaA ge*
rftt and halb mit. halb gegen ihren Willen r.nr Arnx^ri HujAdere
wird. All beaonderea „nataraliiUachea" TOpfekhea auf dem
I M dismwl faMUkkit, «m aaf dta Psliieibureau jeder
gi M m n Stodt {■ Xai»|Ht «mer fftwiMM Zeit geechieht,
wan. dk Ank^md gewiaae arme Wesen k ^»ntaatiachen
TUkitaa Mi dk B*ndaz-voua geben. Ea iat wmig einza-
w«Bd«B gegen die ganze triibMiige Oeacbiehte -, et irt lmd«r
M ud moaa «o tein und e« mteen die Qeeetageber «dNOt
wie sie im Indem und ao« der Welt «ohsiffen Vrinnen.
Littcruriaeh belrachlet irtcheint (iieiie , Alliorline' iil«
eins der üb<.'rflOs«i(»st«n üücbor von der Welt. .SfÜK sind,
die da geistig arm tind!* hat Chri^tiiin Krobg riLdliücht pC-
(iaolit, äla fr die&e Geachieht« vom Gejichtspunkle einer
N&ht«riiiädchenphantaaifl ao» «chrielj ; den Blickpunkt, .^ugün-
punkl far die Geatchtavette seiner Studie nicht in «ich aelber,
Mndem in d«r Phartaik dar Hihtaik aoohta. kb weis wobl,
M giebt gt^riim Lwla, irahka dMto «faw b«oad«Mi 1k
«•h«a} «bar w fthart ain» aifiBe gaMigt AMfldtasg dam.
einmal die Welt nar anter dem Geslchtawlnkel einer NKhtor-
mftdchenphantaaie aazaschen, deren geiatiger Horisont {gerade
da aua iat, wo der Horitont jener Daman ap«t pbaatastiachen
Toiletten endet. Daa ii( nicht ein RomM, m Ktraatwark,
daa iat eine StilBbanf>, nnch dazu mit j«n«r anleidh'(^h«a
nordiacben Trockenheit und i^ttknust^lten «tihstim ln?n Kiu-
faltipinasl«! vorgetragen, welrli« 7.w,ir in einein i\uder»eu'«ch«n
HüTchen aU Naivit&t «racheiDt. ein«? Reihe nordiacher Hervor-
briugTinKen neuenlin^ aber mehr von Kretina geacbrieben
erHciieinen llsat, als von denkenden Männern, die einen H^vri-
loat bJitteo. der ikb^r den Honxoat ihrer NfthtermAdchea hin-
anageht. So lei dem diaae (Verbrannte* AlbartiB« allaa
jungen HademoiaeUen der Hodengeacb&fte, allen boSnniigB.
vollen Schneiderm&dchen and Putzmacherinnen an heiLaHnar
Kenntnianahme beaten« empfohlen. —
Alle Porta d'ltalla ran Ednoado da Amicia ar»
•cbien in neuer Aaigaba am cwal Ka]rital bankbait. (Rm-
telli Trevea.)
' „Mepblatapheles In Droadrloth'S a tatire. b> George
IFranciaArTrii-tronp iLond., Longm C?r*»n a C ) «?tne »ehr
hObiche Satire i:n .Stile von Byrons .Kugiifli Hrtids* u, A.
^ Mpphistophnles ist aus der Hölle in die Hölle anaerer Weit
gernteD und macht nun »eiae Hatih.tchen Bemerkungen Ober
dieselbe. Kia gewtreicber Vorwand für ein Spottgedicht, daa
mit viel Wits, viel Miaodigar Sprachbeberrachnng in treff-
lichen engliacben Veraea nah vorträgt und Annotronga Talent
von einer neuen Seite cejgt.
Die „Bibllotb^ae de FUloMpliI» Cratcmpor^a** briigt
in ihren neuoaten Blinden: ,Ia Criminalogie* von tiarofalo
und Ddgtoireacence et Criminalit4i par Cfa. Ft^r^. (Paris)
Ancienna Ubnizk Gaanar, fiaillkia at Co^ — In daa »Cka»
»Iqaea P«fiMraa^ (Laaka Ondk) vom Banri Labaatanr
Biiffon. —
Der Litti lif ! t , 1 I - i e Niaard, seit dem Tode
: de« ilrafen de V ieii-iastei iler iSeslor d«r Academi« Fran^aJae.
' ixt vor KurJCiii in »einein ^2. Lehetisjahre »u San Remo ge-
stürben. Zu Asfaug ««iuer Laurbftiiu MttMrtteiter am „Journal
dea D^bata" und am „National" bekehrt« ticb der acSMidiga
rhilolog und PobUciat bald an geni&Oigieran Anaichtan, waa
ihn aa hidMa imtan «id Kkmt bcMbtiai Oatar dam Mi-
niatariam Oaisat lia dar Uttatarbtatorikar aaeb aar poli*
tiachen Geltung nnd acMug aich im Jahre 1849 anf Battaa
dea Pr&tendenten. Diea brachte ihn in die AoMi^iiiia ki
Jahre IBRO gegi^n Alhred de Muaaet Seine Voileaungen im
College de France verliefen hie und da aehr atOrmiacb, da
die iitudi(<rF'nd<> Jugend republikaniach geainnt war und dm
rvaktionilren l'rofMaor nicht leiden konnte. Nach einer heftigen
RevüUi> mi Juhre IS.'S.') f-n»«pliSdigte Napoleon III. aeiosn am-
treuen Vertfiidiger lür ilie von den Studenten erlittentm l'u-
bilden mit dem Komtburkreui der Ehrenlegion. Ute Vor-
leaungen fianden von da ab eine Zeitlang unter AnweaeabaH
einer Ansahl handteatar PolkiaieD atatt. Die Uauptwavka
NiiBid'a aind kkaade: Ktudaa aar ka ueMaa ktina da k
d^aadaaea, 9 Bde. 1884; Hirt, da k tüTbaafalaa. 4 Bd«.
1844 — 61, lea Qufttre i^anda Hiatoriena latin«, 1874. AuSer-
dem bat er aeinc Krit:kdD und Uterariachen Aufs&tz« ge-
aammelt unter dem Titel; Ktule« critiquea et litt^irairea,
Nouvellea Etudet d'hiatoire et de littöratnre etc. — Vm den
durch Nifard's Tod erlindipt^n Pitz «enlen rirr Kandidat«»
kliui|)fen: zuerst der gegen Jules Cliuetie unt^-rltgene Vi-
conite Melchior de Vogät 'V'erfaHscr der bekttiintun üe-
i-L-bicht« de« roaaiachen Romana), dann der Romanacbritt>tener
A nd r e T ii e nri et . Hal^vyn Mitarbeiter Uenri Meilbac und
latt not leiwit 'l'b u re a u - ihvii n. J. Sz.
Berichtigung- Aul Seite 2,^8. 35eile '^0 von unt«n int
die „G«nevail" lu licricbtigen in tioncourt, Zeile I J von obeu
Proudhon (statt Frodhon), Z«ilo 4t;* „faat wie Junger deaaelben
Baiaf«". —
An diaPrannda aadBakaaataa Barthold Auerbach!.
lÜt d«r Aaaarbettaag einer Biagvaphie Bertkald Aaar-
hagha beachnitigt, zu deren Abfaaaang mir die Benutxung dar
Haahlaa« und Familienpapiere geatattet wurde, erlaube leb
mir, an alle Freunde, Bekiinnten und I.and<ileutn Ac* ver-
ewigten Dichtera, welche mich bei diesem Untemehiiien Tir-
dem konnten, die liitt« tu richten: mir, der .'Micho Liebe,
durch freundliche Mi tteilnng ihrer Krinneningen. dunh gütige
Uebprlasimtäg von Brief»phatt«n (in Ur- oder Abachrilt), durch
N.ichwpi>ungen etc. wohlwollend Oad hdlfraäch ibn Dator*
ttotaung angedeihen zu laaaea. '
Dr. AatOB Balialbain.
Wm, WIM« Mdiaaaa 8S
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80O
Dm
flbr «b mtnite te
Mbb 19
DEUTSCHE POST.
DlnBtrirte Halbmonatsschrift för die Doutaclieii aller Länder.
Vereiaablatt. de« AllKemcinen Deutseheu SchiUverelaii
nr IlMtang dr<< llnulHchtbuilia Im AulAhte
(M. MU<IU MltdllwlM).
ChabadftklNr: lauMt EaH FnilMrr vtn erottkH«.
nMüllraUaM. OrtilulnMkrMM«» ekn iit DmlMfc«a uf
■■rtil*lM tte JtoOrtiHI» «M anHUlikw Wtohwi nrf
» «tMM, MMM. «MuMk MIihMiIv <i* taMteMMm X«a««« nat
SskrUMallw to I» oait A«iH»<«t. totirl im lB|itar. fiMiM tw MmiMI, Mit Mi,
kwi mn, IM MMt, bri MI riHiM, ItHn ImM. M«t l iti lh i. IkfwrM« Im. r. K.
iMiff », bm IM miMml, tml «lAwl ■. •. w. K4» HntAtmlatm a allo Omm te
Uti», wa DibImIi* ia (iteMnr Asatkl wohora. J*^ naBOMi 4m D w t w hM Po«l MlbU« «Ibm
luhaUkaalMh r*dt«irUi> Hutlliaitll
IN* u*uticti< t'uit In iiDer Wcltniarkl»"
du «iaidg» illutriit* ui du TwtetltetaU Exportorgtn dtstaeh« flindu» lalur
■■■■igMay lieb ea iMsertloaMrffAN für »lle la^lMMtoa«
wcirhc AbHatx im %ii8lAnil« Hucfaen.
l'rv.i lür vi._Tj,'r;-p, N'Ju|i, Zeile ÖO Pf.
AlKiuu*m«utt In IXAatftctiluid, ODiUnaipb'Liifr^rn und Uutilftiiil 2 Hark *l«rt4l|lllrtltikB &!•
■hdgM AoaUod« I,M MMil. S«lNi<»«r*lM«il(UM«r MhalM» VmlisMiuaalM ia OmtMhlud
■•4 Onlwiit«h-DBg»ni for am S Marli, Ia AuImi4* (Dt nar • Nark gaBijiliTlioki
B>ii<mil KUiB Iii Barlln W.. Uiwilwnt«; ll&uaw
^ 1^ Ue «3la1lnitr Smmi« (tnfuigRi mf tn SrautnnKlt, AunflgcnKtti
UM.
den BSblkrtlMkeB foa
und NaiarM VMoiT.
IMber enehien: Cftt. Nr. 207 nif KI»m1<
•ehe Periode der denUcbvD Lilermtsr
▼on Klopatock'e Auftreten bis m
Qoethe'e Tode.
FnakfM ^Mala.
tCm.
KARL GOEDECKE.
Grundrisz
Dentscheii Dichtang.
^(itimg.* SieffItK (lingt Udiet, niTt^4aftli4((, «Sttnmi unft «lief'
iahilid) 24 3Ko^c^< un^ iiiapp«, fotiann eit(c rünft(cr{f4) oueoflii^rtt
28 Uii|{ttiQltim9*»9ium« 3[luftrnlioiifii iiti» ati i^^D^cn rnMlA nod)
iiitm mil 2x t^dbliitttni, goIiinuVj: iiiliili.ti i;brr .>0 "Jtiutcl nin iikr
10 »afi obiK Unlfrtirfdimifii aiiO Wttilfiiuäni, 12 fliof>t tartiüc lli«^ilIbl^^<r,
» 'i:ib\.y 'JtiM'tcrtilätUr (üt fütifiltrijilic vanb-
rcndtnäfiiji tvöcbflilUiii um
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ftcuct nicgm oUe 14 Xogc iötiTiq ^iiunnii^t. itcin au^c^c« lUufinrue
cntfhirt tieft 3«^ auf'
IKhle mit il)Rm 3i>|)ete a(ifai;baM6(t(l|ttcr»t(Ttieljäfii1t4ca6eniu<
Si(|t mUttu« mrliT 6i(ttt al9 tt|)(nb ein anberrt gabt mit aOen Jhipfera" bringt au^crbem jäliriidi
flMnMttt. ;>iihrUdi 12 ticikfteii jieben an no4 40 gioge facliige 9Ri>aenliiI&cc, alfo {aWiäa
Scfinittmiifii'n; ;;r Sclbflonferttgung »er ökir- 6(j betontere e<iiiabcn, unt foftct »ienfSjahrluti
J'v.ol.; iu[ l'.Mww. unb Jtiiibtt Wie iKX üeib» 4,25 SMJf. (in Cfp<rreidi=Ung<ini im* .£01:1?;
uiiiili: liKiiiiiiii i jenügcnö für bell ouegebebn« SIboiiiumtiit» mrivtit it^e^Jclt oniinicnimcii
i<i;i-;i i^röiiii. Ja« llnterlialtungeblait bnngt bei allen i^iulihaiiMiiiuini uuf i(Liftiinfi.utf;i. --
iinün Aoitll'-j , linem Dielleitigen SeuiQrtou Vrobeiiiitiiiitciii luati« unb frone« «uii^ bie
Ulli« iluitni Ulm ia» gc(efli(fra|llld)e Veten in Sxpeiiition, ^rlin W, ~ " ^ *
^at (j^toBitatteii unb Odbnit ngdttiügige !Rii> SSien I, Cpnnsajje 3.
b*a(b*il«l« Aaflaf*.
Krittrr nnnd. Dm MliiclMlK r.
Ol. a. MW n. VIII Mit loh^tioban. u. IU«Ut<r.
A«r T«|iaf>pUi ^ M !> . > In Hatlliiaitiii —
K. UM. Aaf 8r>,r,..h,.ii., = M. !•( Ii aeik»
tr.niK»E.d M 17.
Zwelifr Dand.
Dm HcforaaMtonaBaltaHa*.
Gr. «. MO n Vill 8. MU lahaltaeba«. «. Baflalar.
Aa(V*lliipaplw = M. Il.i0; laBalbfnM^K IS M.
Aaf fl«hn<bp*ri«r=: M 18: io lUlbfnni = M «i Su.
Dritter Band. Vom droUolcjahrlKrn
bis an III ■trhouJItlirlKC'n Krl^K^.
Ot. a. tu « vin < Mit Ich>1uiit.<rn. a.B««!«!«.
Aal VaUapspiOT m ;«<>; in iiilMlaaiikaa« ■
H. 14*. Au' >.Li.lbi..rk.r f M. It; hl Bil^
Icmnabaad = M . 14.
Die Verlagahandlung' kann eine
rasche Fortsetzung dieses Werkes
in sichere Aussicht stellen, nach»
dem die ioasent wertvollen Vor-
arbfiti n des berühmten \'erfasser5
nach dessen Tode in ihren Besits
übergegangen sind.
ITiU „rirnfit MI".' foiTitl-.(rl ,
von irt ^illlf ^vi £.1' - .rj-i'fitm.itji
l'frwlrl. » f i v; 14 1 H>i ^ ^■■| iul;r
^09 ollr Vanfl MiWattl m ^» ii
nur gtfankt« ]a l|at«n hax^n, ii
tin ^Konlarifn !■ ** - Ml^t abft
(fd^ ^f«l^tb. weil f* 2lii^tfn dtict
paiMira Iniiuii l(l|n) yi fttfi vkVni
rtafffiatanaa-Blaii. ht|'"*>"<'
•I».
^olbmonatlid/e ÜKunbj^au ütxi
lM#fittqi> ON<i«Ce tntttlUi» Btt^en^ tRlltt|fo, ilnntf||tm»tgei?lt it.
^ fr*II*Nii 1*f »tUT 2 , UV PifTtfliAhrli* ^II^<^ allr aHfrlHinMun^rn . 6rulf.t:m ltn^ Jflrrr. fifljMmffT, f«itif ffllfi<i* profcTriuTHmrrn) anmlrtfllvir rem
ün )^ 1 1 . l> c t Ui ^ in rrtiticn'
Z)cT yKjmdBMlt* glrbl Hn ^rdn^lfft Uilb nid?t nur im Sd^nffcii» auf alim iSvbirtrn bcs fo(t6rm ol»;!] iiruni mö (U1tr^^^rTt
i7 rbantta, bk Hil W«(tf M|ajf*R Ifinilta« In SM<ni. ^ritfi^ttfln ot«f Dotlcdgcn ju loijr iniin Iluid» tUnt (ciiduffdac ibn niidrti» jrui^n
iMiidl riat aam ri aw a a ll ) ! XnHajM, Iäc4i irldttallift ilHiirtlaiigtR ,Mm butd; ctiwn .£pt«l;|<Ml*, l*t botiit pon l^><i< tetwaicn^rii miiuimi juin
llliliiaii||iwiliin|ijr liiiaei aaiti, Inib riac (IdditaU» in Ulm :irt cinilft ^e4iu>i4i|<lMii'. Dir aUt ipidillfnii ÜMianMiin^m »^t Itiiai(ril4|t , UinTsitiii^r
ai* najwMIM)» vngntJUbt Ir Srtt(qt4|tcn an* b«c Cagcsblliict pnjndrntt. fhch l>n ,Kuaffaiiiut' fcinrm 3hI( in ciwi DMft aa^. ^' rmrm
niaant arit lOaa» OtMl) la km affialUaini Uatlptad) htmgtrn: .^can lia UUii poiUtjrnbtc jut ttdtKit Cmuiiflaat aak IPtilun«
lemml, i|l kami« f at {•»«n AiMIkttta «Ia aalfft #4at $t«»aatn.* — Dir ^iw«ni4titMl brt aUHn Nartr« «iMl| (rta Cifalg: » loanir
1^ im imimi DimtliaV f<hiM IWMn* alpa fRitnWI>t VaifaBa aak 3nl|all latfrailidt crairiitia.
(SbiiHjdi wn Xur(I-, ntiiHr. uw UmSjmmm, CiJiajMfca m* XaaMiniSBinft aab {oiaMtjrnildiibta jcbct IIa Itabm burdi bia .Kaaftmitl* tn
tlalpr 6rr äodf« nadi «Hiw rbmlo aifln. aiU hi (elirttm Ittait intctfindil^c Onbnlninj prrU brt .1 jr| palrram nonrimtlbjrilt +o (>f >
I n* dia UUamar te b> i
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s,^o^ DAS MAGAZIN
FÜR
LITTERATÜR DES
DIE
IN- UND AUSLANDEa
WOCHENSCHRIFT DER WELTLITTE RATUR.
WOLPGANQ KIRCHBACH.
it jeden SooMbend.
4 Mark vie
DRESDEN, OBH N. If AI 1*88.
30 PC Hf dto
2 Abonnements in jeder Bachhandlune,
PoiUnntalt oder direkt vom VerUg des
MacatiD ia Oretden. SchiUentruM 56.
uabeftiffte Abdruck aus dem Inhalt des „Maguin" wird auf Gniiid 4cr
intanwtionalen Vertrtge sum Schutse de» gdatig«» Eigentums nnlerMct
Oeaetse und
Inhalt:
„An <iie Herren Mitarbeiter und i<a««r des Maauuiu." 317.
frank Silier: „Ein BUek in dw HMriloHnehM Dkhttv
wald." ai8.
Willi«la Btsekel: „Wiaawolod OanaUa." 881.
B«b*rt Bosberger: „RflekerU SteUimg tar WeltlHtof»-
tur." rSrhluM.) :t2».
Bie hard W e 1 1 r i <<b : .Oftetha» Fauat in der GftcUuMnangchen
. •• iT . j
Ultanriscbe NeuigktiUa. 881.
Anteigen. 382.
ii Üib Ikmi Ittarbtttfr wi LeMr
des
«.Nagaziis^ WoehwMkrUt der WelUittontir.
Hierdoreh gestattet sich die nnterceichBet« Lei-
taag aa die Herren Mitarbeiter dieser Zeitaehrift das
ebea so kerzliche wie dringende Ersnehen sn richten,
in ihren ßeitrl{s;en nnd Einsendnn{s;en sieh nach
Krlftea aller auuötigen Fremdwfirtcr sn eathaltea
aB4 solche dnreh IkielekaMrf« nad lUHnlftige
ieatscbe Wortbildnagen su enetxen.
Die Schriftleitung giebt zugleich bekannt, d;us.s
sie auf den Handschriften und Fahnen der zum Druck
bestimmten Beiträge diejeniß:en .Aufsätze, welche nicht
auf eine reine deutsche Ausdrucksweise hinansgefieilt
oadiefaMB, aaeh bester Einsicht nnd eigenem Sprach-
gevlKsen selbst verdeutschen wird. Sie wird dabei
nadi ganz bestimmten Grundsätzen verfahren, deren
Ansttbang ohne alle falsche Engherzigkeit gMchieht
Es wird sich nicht darum handeln, diejenigen grie-
chisehen and lateinischen Wörter auszurotten, welche
anentbehrliches ISigentum eines 'vielseitigen Denkens
geworden sind, nicht dämm, nnersetzbare fremd-
ländische Fach&Oidrflcke (wie z. R J^oesie", „Ljr-
rik", ,,Element", „Organ") auszumerzen, sondern vor
Allem jene zahlloflen französischen, italienischen nnd
sonstigen mmanliehen Wildlinge fernzuhalten, mit
deem das wHgea a Miteh e Spnwliwmen dnrehwaefasen
ist. Wir werden nachsic-litii^'er sein gegen englische,
holländische und nordische Fremdworte gennanUcber
Abkaafl, m w«tt ans deMetbea etwa eine verwaadt-
schaftliche Bereicherung un.serer Sprarlie ohne Zwang
.sich ergiebt; wir werden dagegen mit möglichster
Kddukbtdoeigkeit aomiU die nmiaaiwdien, irie da»
wischen und sonstigen unverwandten Fremdlinge ab-
stofien. Wir bitten auch die unnStigen lateinischen
Hockshlrsche m neiden, waA aUadUte aar jene
scliwer ersetzbaren griechischen Wurzeln zu ver-
wenden, welche uns aas einer überlegenen griechi-
schen BUdoog notwendige BUdnngsmftdir geweiden
sind.
Die Schriftleitung hat den Wunsch, alluiaiilich
aus dieser Wochenschrift der Weltlitterater ein
deutscli geschriebenes Blatt zu niaehen, das womög-
lich belebend auf den zeitgenössischen Sjirachgeist
wirken kann.
Zn diesem Zwecke richten wir an die Mitarbeiter
im Norden m gut wie im Süden, im Osten und
Westen das Ersuchen, wenn sie das Bedürfnis haben
in geistreicher oder sdilagkräfliger WVise Kamtif-
und Sclilagworte zu gebrauchen, sukiie iiiciji dem
Auslande, sondern Tolkstümlichen Mundarten in Fran-
ken wie in Schwaben, im hohen Ostpreußen wie im
Plattdeuts«hland, in oberbaiern wie anderweit zu
entlehnen.
Wir richten aber ingleich an alle Leser des
..Magaziui« die Bitte lurtgesetet und nnverdrossea
für alle griechischen und soustigen Fremdwörter,
die sie noch in dieser Zeit^schrift tinden werden, nns
eatsprrehende deutsche Ansdrttcke, die ihuen gegen-
wärtig sind, auf einer Postkarte mitsoteileu, wovm
daua, falls die Wertbildnigen sieh braaehbar er»
WMsen, bei nächster Gele^geaheit Nutzen gezegea wird.
.Auf diese Weise gedenken wir aus dem „Maga-
zin" ein lebendiges nnd lebensvolles SpracliwSrter-
bach dentscher Rede zu gestatten. Wir haben Iralne
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318
Om IhffMh Ar iS» immUm 1» «ai AmIh^m.
N«^ 91
aAcftd^mie" irle die Franzosen ; aber wir kOnnen in
gMAnilercr Wcba^ als irgend Etwas, für eine solclte
vorarbeiten . wenn wir zunächst ein Blatt Mbafta.
das dentscütm SpracLreichtunis voll ist.
Keine Zeitsdirift aber dürft« so m^Iu dazu ge-
eignet irin wie diese« „Magazin". Es is ein «elt-
hfirgerlicher Zweck, der in diesem Blatte die schönen
Spracherzeugniasti aller Völker einer Rundschau
unterstellt, alle Gegenstände der verschiedensten
(Jeistpswisspnschaften kommen hier zur Verhandlung,
ein üebörbück über das Schrifttum selbst ist die Ab-
sicht: wie fruchtbar könnte gerade hier dM Be-
mühen der Herren Mitarhrit^r and Ije?er werden:
über ausländischen Geist mit deutschen Worten, das
iat dentsehdenkend zu reden und m urteilen. Dieses
.Magazin" kann in der Tat seine geistige Aufgabe
nur erfüllen im feinsten Siiiu«, wemi fs diu Srhrilt-
erzeognisse fremdsprachiger Völker in klaren deut-
schon Worten überdenkt. Bericlite in franziisischer
Sprache über ihre Dichter und SchriftsLellei iiabeu
je die Franzosen selbst zu Halttet üinen wie uns
selbst kann dieses ,.5Iagazin" nur wertvoll seiü,
wenn es dtutäcbc Denk- und Redeweise an dm
Werken der Völker hdr?wleekt und so die wahre
wechselseitige BereidieniBg lud Befiroohtnng der
Geister schafft. —
In diesem höheren und sachlichen Sinne soll von
noB an die ^racbe meer» Hitarbeiter dnroh ale
selbst, durch die verehrten Leser und durch den
Heraasgeber des Blattes überwacht werden. Letz-
terer iet seit dem Jabre 1888 nicht erlalmit, ven
seinen eigenen Schriften nach Möglichkeit jenes
fremdsprachliche Unwesen fernzuhalten; er hofft
dengemlB aneh nicht an der An^be m «nwtten,
die hier gestellt wird, wenn von Seiten der ver-
ehrten Leäer und Mitarbeiter nur einiges Entgegea-
lEOiDiDen gewährt wild, um des liiennit henlidi ge-
beten sein soll. —
Der Herausgeber
des „Magazins", Wochenschrift der Welflitteratnr.
^1 Wid u den amrikaiisebM fitektoniiM.
Von Trunk Silier.
Er ist nicht groti, er ist nicht tief, dieser Dichter-
vald. BUolun wir, emstlidi anehend Uneiii, ae -wiU
es scheinen, als afthen wir trotz des üppigen Ast-
ond Blattgewi^ in nicht gar grofier Feme eine
flchrefb Felawand. Dort atoht in nnaoeUleehlicben
Lettern eingegraben — nicht ein Gedicht, aber
ein Schriftstück, bedeatender als Jedes Gedicht,
ein Sebrifkstllek, ebne welches fon DMbtnig in
Amerika wohl heute noch nicht die Rede sein künnle,
und zu dessen Empfängnis nnd Durchführung der
Geist eines nicht undichteriscl» angelegten tiefen
Denkers nötig \\&v. Dies Scbiiftätück trägt die Be-
urkundung des 4. Jali 1776 und schließt, aieh Aaf-
Zählung der verschiedenen Gründe, warum es ge-
schaffen wnrde, folgenderuiaüen : „J^arum ve,ri)ffentlichen
I und erklären feierlich Wir, die Vertreter der Vefr
einigten Staaten von Amerika, im General-Kongress
vemmmelt, nnd an den Weltenrichter als Zeugen
der Redlichkeit unserer Absichten nns wendend, non
im Namen nnd in Vartretaog der guten Volker*
Schäften dieser Kolonien, daSB diese vereinigten Kolo*
nien Freie und Unabhängige Staaten sind und von
Rechts wegen eein sollte; daas sie aller Lehns-
pflicht gegen die britische Krone entledigt sind, und
dass jede staatliche Beziehung zwischen ihnen und
Groß-Britannien ginaUcb geMtet ist nnd sein sollte;
und dass, als Freie und Unnbhängige Staaten, wie
volle Gewalt haben, Krieg zu erklären, Frieden zu
scUieBen, Verbindungen einzugehen, Verkehr zu b^
grflnden nnd alle anderen Schritte an thnn, xu denen
Unabhängige Staaten berechtigt sind, l'nd zur Auf-
redithaltong dieser Erfcltonng, in fester Zuversicht
anf den Sehntz der Qüttiieben Vonehong, ▼erbflrgen
wir einander gegenseitig unser Leben, unsere (iüter
nnd unsere heilige Ehre." Der Verfasser dieser ewig
denkwürdigen UnabbSngiglreito-Erktflmng war Tlio-
mas Jeffcrson.
Unter dem Schatze di^er Felswand und von den
Morgenatrahlen der nenaufgegangenen FnnbeitsBonne
ervarntt, entsprossen dem frischen Boden bald Spröss-
linge, welche, obwohl dem Samen des Mutterlandes
entkeimt, tdeh doch, in don geistig gänzlich venehie-
denen Boden und Klima, eigenartig entfalteten, und
nun, da wir darin Dmacbaa halten, nebst demJMngeren
Naebwneha einen nicht mehr nnbadentenden Dichter^
hain bilden, welcher, kaam über das erste Jahr-
hundert seines Bestehens hinaus, doch schon anch
der atten Welt naneh* erfriadhende Pradit ge>
sandt hat.
So fäUt denn der Beginn des amerikani»ehea
SehrifttoBa in den Anfiung diesea Jahrhiinderta^ In die
Zeit, zu welrh r in England die ..Seeschule" in der
Dichtung überwiegend war, und es ist darum selbst-
Teratiadliflb, daas die ersten ameriknniacihen Dichter
anfingen, vorwipr^pn^ in derselben Geiatesrichtong
sich zu entwickeln und zu schaffen. Doch begann
adion bald dl« Eigenurt der Nnttr, mit der aidi |n
die.se Richtung vorzugsweise be.schaftigte, den ameri-
kanischen Dichtem in ihrer ganzen Auffassung etwa«
FriaelMirea, Urwfebaigerea an geihen ab ihroi eog^
lisrlien Zeitgenossen. In die.«em Sinne ist besonden
William Cnllen Bryant mit Wordsworth zu ver-
gleidiBn, der Dhihter der ünntar .daa imnhen Nea>
England mit den AltrBnglaada, daa einem Park
ähnlich ist
ObweU HaniyBIefaafd Daaa, weMiaraa nfliataB
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No. 21
Dm IhgHBii tia üa Littonter im In- und AoaUndae.
319
■n di« «BgUMbe 8««Mbiil6 «rinnert, elnife Jahre
firSher das Lieht der Welt erblickte als Bryant beziigl.
1787 und 1794, so fing die Schaffmaperiode dea Letz-
taren doch «bensa frith an -wie die des BivtereiL und
srlilng anrh früher eine ripenp Riclitring ein und
wird darttiu auch vuo eeinem Volke als deesen erster
bedeatander IMdhter aiifflMbeii. Besoelera aebSn ist
seine Fähigkeit, die Betrrtclitunjr von Naturvorgänpfm,
mit fflenadüicbem Fübkn zu verschmelzen. Seine
„Thaaatopeig* (Todtenaehaa) in ftofniigeii Jamben
(Blankverse) ungoreinit, ein Versmaß, das er meister-
haft beherrscht, ist von Strodtmano, Zttndt and An-
deim ftA Deotadi vied^rgegeben worden. Als
Aoüdruck einer zarteren Stimmung brineren wir hier
eines seiner Lieder, das wir bisher in deutscher
Uebertiagdiiy flicht gefandeo haben:
FrOblingiwehiaiit.
Wohl itrahtt d«T MHienionn« Lieht
AdI Wald and Wime, Flur nad Rum,
Dgok Sie, auf deren An|i^«mckt
ffia Lächeln kam bt-im FflUnig^gnS,
Boht naa im Gnb,
In rtia« Qmbt
Die BlSmlein tilüh'n. wo Fir'.i i 'i- S'fid
Hia«cUkngeit ao des Waldea Haad;
Book Si«, di* oA MplOokt «« ha^
Di* b«M* lUM, vi» Mrter Hu4,
Baku »u te Onb»
Ud itOlM OnAI
IhmVt Wald^bes« nah und feni
Erschallt der Vöglein froher Sang;
Docb Sie, der ich gelauiicht so j;erB,
Wenn ihre btimme hell erUug,
Boht naa im Grab,
Im itillen GrabI
Drua wenn der LeoK den Wald erfUlt,
Uad die Matar rieh aea belebt,
P imft mir 4m Ben, üb Mae quillt,
Dmb äie, die vor dem Sina m(
Ruht tief im Grab,
Im «tillea GrabI
Biyant, wie melirere seiner zeitgenössischen
Dichter, war oft OffeBtUdier Redner bei politischen
und anderen Gelegenheiten nnd erreichte auch wie
mehrere der Aaderen ein hobee Alter — 84 Jahre.
Dm verdankt Amerika aneh eine getreoe Ueber-
aetlDng Homers in „blancvtT.se",
Uenrj Wordawortb Longfellow ist in Deutech-
land wohl Ihat ebenso bekannt wie tn Amerika, wenn
anch teilweise in schreckhaft unzulan^lirlien tlebcr-
aetzangea, wie fast alle solche, die „en masse" ge-
nMUifat werden, gewahnUiA anafikllen. Dmb Sinn geben
«e rwar einigermaßen, aber die schönrn Worfbilder,
in denen er ein ileiater war, wie auch ttberbaapt
der Reiz seiner herrlichen Anedraekeweise gehen da
oft verloren, wenn flor Uebersetzer die deiitsclie
Sprache dichterisch nicht beherrscht wie der Urheber
die eng l hehe. An dieser Stdl« vollen wir bemericen,
dass folgemie Namen unter den deutschen Ueber-
aetxem amerikanischer Dichter von dem obigen Tadel
frei sind und dasi ihre Uebenetaeagen den VorbU-
den treuer hleflwi «Is die nMlsten Anderen: FrelUg-
rath, Strodtmann« Fr. Spielhagen, B. 0. Holl; E. A.
Zrt Ir A. Laun. — Es mag auch noch andere piite
gebtn, deren Namen uns aber augenblicklich nicht
beühUett. Da ÜMt Jeder geUldete Dentecbe mdir
oder weniger mit I,iongfellowg Werken büknnnt ist,
bleibt vielleicht nur noch zu bemerken, dass er unter
den nmerikubehen Diehtem . des weltbfirgerlldie
Element vertritt. Er hat aus nll--'n (^uf-llen p:e-
schfipft und seine Dichtungen sind so vielfältig zu-
snmmengeaetBt wie die ameiikanieehe Nation eelbet eine
Zusammenschichtung von TeilenfastallerVO'.kprstfiiiime
ist. Seine liebevollste Aufmerksamkeit wandte er
jedoch der Dichtung zu, welche die Urbewohner seines
Landes poetisch schildert mit all* ilirern Aliprpliinbfn
und air ihrPTi Sagun. Neben seinem „Hiawatha"
wird wohl auoli noch sein kleines Gediclit „Excel-
sior", das den echten Idealisten zeipt, dem Dichter
Unsterblichkeit sichern. Dtii KuLrreiui diesei. Liedes
ist allmählich das Losungswort der Idealisten aller
Völker geworden. Trotz der verschiedenen bekannten,
doch im Sinn und Wortlaut vom Urbild mehr oder
weniger abweichenden Uebersetzungen, erUnhen wir
uns, hier eine sinn- nnd wortgetreuere zu bringen,
als wir bisher in irgend einer Sammlung gefunden
„Excelaior,"
Die nächt'gea Soliatttti Mokien rieb,
Darch« Aluendorf »chrilt fuierüch
Bin JUnjijlitig, der ein HunnCr trug, —
Trot» Sclmee und Eis — mit dieeem Sinracb:
„EnMMarl»
Die Stin war enttt, dea Aug« amOht*
.Ww^ Bohwait, dM niaa dM flduid' «ataMitt
üad «ia «ia dlbem Horn erUHf
D«r Bof, im sich der Bmit ni
„Kxcelsior*
•Mittag:
Rings in den Hütten kot'm glauim
Oer Sabein dee Herdee, traut und fromm;
Dia OkUohei tagten geisterhalt. —
Br liaf bawag^ «ooh veUar Kiaft:
„BxcaMmr!*
„O meid' den Pajiü[" eiti Sotintr ipnwb,
Da« Wpt[«r hr(\M. Unj^eirUieh ! •
Wild rajit ili-r iüeübiich, breit und ti«!!"
Doch laut die klare Stimme rieti
..0 l.Ieib,*' Haid ipnwh, „ruh dtfa Haapt
Auf dieser Brai^ dir Ni*e erlaubt!«
Ka TMalaü mM Min licbtbiM Aih\
Dia Btfanaia bliiurti wie Seufzer* Bmoi:
,,Kxcelsior!"
..Das dürre Uolr. dmht dir CiL-iahr!
Vor der Lawine dich l>i-wabr"!'
Diee war des üi^nncrs ..Gate Macktl"
▼ea ObM tOnt die stimme MOht;
„KxceUlor'."
In MnrgengriUi'n, ak hoflk «npOT
Der Bembardiner frommer Chor
'iiuo Himmel sandle sein (iabet —
Roft'a Cinhar, wia vom WiwI vtnraht:
nBiMUarl»
Kin Wandrer, schneebedeckt, welch' Fand,
Ward hier dem BBrahardiner Hand'
Fest biiU die sliitn.^ Hund iiocli durt
Dae Banner mit dem fremden Wort:
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890
Dft« Magazin ffll
te «ad
D» Uff im SwMlekt, graa aal kall,
Pia ■chOiM, lebltM OMUlt
Und hoA vom Biamwl, kUi uai nn,
IM «Im SliwM, «i> •» Bt«m:
Sshr fwdIeBt luit sich Longfellow auch darch
vorziigliehp üeber<!etznng:eii dentscher Dichtungen ins
Englische gemacht, wie auch durch eine vorzügliche
ü«1)efir»gnng von Dantes .Göttlicher Komödie" ins
Knglische (in reimlosen Terzinen). Sein tiefes Stu-
dium dieses iulienischen, wie auch der deutschen
ntehter bat einen starken Einfluss auf seine künst-
lerische EntWickelung ausgeübt und ihn auch düram
den deatschen Gemütera so nahe geführt.
John Greanleaf Whittier ist der vierte in dem
Quartett der T>i(hter-Patriarchen Amerikas. So be-
deutend sein Anstillen in seinem Vaterlande ist, als
Mensch so sein wie als Dichter, so werden seine
Werke doch wohl diesseits des Meeres nie viel Ver-
breitung finden, hauptsächlich, weil sie «ne «u ge-
mne Kenntnis amerikanischer Verhaltnisse voraus-
setzen. In i>i» tischer Erzählung und im Zeit-
gedicht liegt seine Stärke. Sdne Sprache tat wach-
tiger, aber nicht so kunstvoll wie die seiner Zeit-
genosRen. ..Maud Miller* ist sein bekanntestes und
aucli beliebtestes Gedicht, sehr gut deotsdl Too
E. O. Hopp wiedergegeben. Sollten wir ilin mit
einem deutschen Dichter TeigleichMit 80 w&re es
ühland, der ihm jedoch in der schöneren Form über-
legen ist.
Zn den alteren noch tfttigen Dichtern zfihlt auch
Walt Whiiman, doch tat er 'woU mdir ein .edler,
nenadienfrenndliclier, dichteriscli angehauchter Son-
deriing als ein Dichter. Was er geschrieben hat,
ist meistens von poetiscbem Inhalt, eine Art Rhap-
sodie, aber Rhythmus, Reim und überhaupt jedwede
poetische Form sind ihm fremd. Freiligrath bat manche
seiner Schriften poetisch übertragen rad dieee leien
sidk besser in der Febert ragung als im ürgedicht
Edgar^ Allan Foe ist der einzige der bedeutenden
amerikanischen Dichtfr, von den bereits Torstorbenen,
der nicht ein hohes Alter erreieht Ii it V\<' Anderen
sind alle, mit der Weisheit der Jahre gesegnet, die
geistigen Fdbrer threa Volkes gewwden. Er allein
starb jung [40 Jahre), arm, unglücklich, mit sich und
der Welt zerfallen. Ueber sein Leben ist so viel
geschrieben worden, daas hier nidit der Plate ftr
eine Skizze des-selben ist. Außer seinen kurzen Er-
zählungen, vielleicht die spannendsten und auf-
regendsten, die im SctelfteBvomt tagend «tner Ibachs
zu finden smi, hat er nur ein kleine.s Rilndchen Ge-
dichte der Welt hinterlassen, diese gehören jedoch zu
(tan oreigentdnidehsten, abBonderUdiateB üd Ibnn»
vollendetster), die Amerika oder auch England herbei-
gebracbt hat Zuweilen verleitet ihn seine Freude am
WortUangjedoehUsnnnOekiaateltai. län Vergnügen
gewährt es, seine Gedichte vorzulesen, denn die Worte
scheinen schon in ihrem Rhioge den Sinn anzudeuten
nnd manebe seiner Qediehte^ gut voigeleMii, IdlngOB
irie WuSk. NatflrUdi tat solehe FViraToIlendaag
schwer zu übersetzen, dennoch haben sich manche
deutsche Versknnstler nicht ohne Erfolg damit be-
fldilfUgi — lein belctoateat« Qedidit tat „Der
Eabe". Ein besonders in gewissen Kreisen beliebtes
Gedicht, die „Verse an seine Schwiegermutter", geb«i
wir hier tn efner UebeiMlinag^ mlche klisUeh bei
einem Wettbewerb in Bsribi den Preto «rtdelt:
Ad Maria Clcmm.
Weil tief ich ii füble. (Imh im Hinimel dort
'."•i< K)]^! ' ilr'.Hi III ri'!, rir ihr tief BrnpAndtB
Kein ({lUbend inmgcies Liebeawort,
Kain waUwvallacM ab ,Mvtt«T* finden}
Daroai hab* ieh don N*inem dir gegeben,
Die da mir mehr biit aU die mich geWt
Dir, die vom Tod, in meinem HersenelebsD
Den PlaU erhielt der eintt „Virginia* wmt.
Die eigne Mutter, die ich trOh Terloren,
Wnr nur di« Mutter meiner eelbet, docti dir
Vordunktu ich da« Weib, das ich erkorvo,
Drum hat da teurer ale die Matter mir.
So aehr wie jene*, daa dn mir gegeben.
Mir teurer war »I» ni«ioer Se«le Lsben!
VerfaiÜtnismäfiig jung, im Alter von 53 Jahren
Starb aadi der beoraden in Deotadilaiid aiiBerw
ordentlich beliebte amerikanische Dichter, Bayard
Taylor, dem die englische Litteratnr eine vorzäg-
liehe Debertragnag den ernten Tefla Ton Goetliee
„Fanst" verdankt Nach langen Reisen durch fast alle
bekannten Leander, deren Frucht Beiseschildemngen in
Ftoesie nnd Prosa sind, weilte er jahrelang in Deatndi«
land, mit besonderer Vorliebe für Thüringen, wo
mehrere seiner besten poetischen Arbeiten reiften.
Hier entstand aodi seine Lieblingsdichtnng ^^Lars^,
ein Idyll Norwegens, da.« kürzlich in vorzüglicher
deutscher Uebersetzuag von Margarethe Jacobi im
Verlage von Kobert Lutz, Stuttgart, erschienen tat.
In vielleicht noch holierem Grade als Longfellow war
Taylor der Pionier deutscher Bildung unter den
Anglo- Amerikanern, und als solchem wurde ihm
auch der Gesandlschaftsposten seines Landes in
Berlin gegeben, wo er, leider zu früh, inmitten seiner
bedentendsten Tätigkeit starb.
Richard Henry Stoddard ist jetzt noch im drei-
tindsechzigsten Leben^ahi'e in reger Tätigkeit. Ihm
gelingen kleine, bald zarte, bald leidenschaftliche
Lieder am besten. Sein Romanze „Leonatus" von
Friedrich Spielhagen etwas frei, aber doch sehr
schön ins Deutsche übertragen, gilt fiir seine beste
Dichtung und wohl mit Recht. Eine sehr anmntsroUe
Ueberäetzung eines seiner Lieder, daa ihn in seiner
kedtsten Laune zeigt, fanden wir in einer deutsch-
amerikaniaehen Zeitschrift, l^der ohne Angabe des
Namens:
Liebe.
Kür üersw. dio sich lieben, giebt
£• Sünde nicht und Schuld;
De* nieder» Staube« Macht Mittiebt
Vor ihrer Liebe Huld.
Sie tind neneU, Bich selber noz.
Fremd jeder andern Pflicht,
Dw WahagMata dw Erdeaflor
-iwSiijri
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Ho. 11
Dm KiCMb flr Uttemtar In fii>
8S1
DniBi iia^ mir Dimmer: Lieb«
Sich «iUar Mriclit« Wort —
DiBB jeden Febl dos LiebstAn •cheoahit
Der Liebe Lächeln fortl —
Als Verbüidungsglibd zwischen den bereite ge-
nannten filtesten nnd filteren Dichtem und dem nenen,
jetzt li&opt«8chlich noch tätigen Heschlecht solcher,
die teils Proüii, teils Gedichte schreiben, steht der
greise (geb. 1809) Ollver Wendell Holmes da, unter
den lebenden der älteste amerikAnische Humorist. In
seinen Prosasclirifteii pliilosophiert er als „Ego" ge-
mütlich über alles Mögliche und auch fast Unmög-
liche in einer Weise dahin, die dnn derttschen Leser
im Al!geniein«a wohl kalt lassen würde, wenn nicht
dann nnd wann ein niedliches Gedicht, bald heiterer,
bald ernst«r Art, ihm den Dichter von seiner besse-
ren, gemötTollen Seite zei^ Wir bringen hier
«in* der LetsteroD vardentBcbt.
I»«r Bil4ha«er.
Ein Bildhauer mhm «init dm HaiM nr Baad,
Kin«m Mannorbloflk Farmea ni geVm,
Und wAhread er sinnend noch nebon ihm stand.
Sab ein Tratunbikl vor4tb«r er Msbwebun,
Wie ein Engel scbön. — Mit Hammer and Stebl,
In (icher gemeȟeneu S(<hlft((en,
0^i|^^dein JOa^ling, die« MmI
Bildner de« Dasein« »ind wir ja anch;
Wie der Marmor erscheint nnt da» T^«l>en,
Fonnln«, bi* durch der Gottheit Hauch
liBKrem tietite ein Vorbild ^eK^ben;
ftaa. Will« ak Bamiiuor and Wahrheit ale Stahl
IiMrt ia«t {Ri Oentttt ee mm piiffmi,
8e m^Mm trir «m «ja Idnl,
Dm «m leitet auf dT «ai-kw Wegta! -
Ralph Waldo Emerson, schon vor fünf Jahren
dahingeschieden, dürfte, trotz eines von ihm her-
rahrendfla Bäaddieiu G«didite — oder wohl mehr
nwtriadMnr Bespreehnngen afttliehdr Fragen — wohl
kaum unter die Dichter gez&lilt werden, wenn nicht
ein wahrhaft dichterischer Geist seine fast unvergleich-
lich voraögUchen ▼«nadie nnd philosophischen Abhand-
Inngen belebte. Kr hat in hohem Grade den Geist der
deutfcbea M«UphyBiJ(ar dem heitoii Mierikanischen
Draken cfmrariflfH, fjOi noch heute fßr den
tiefsten Denker seines Volkes. Von ihm sagte Long-
feUow eimt' „et ist der einzige amerikanische Schrift-
fltellflr diiBiMi JdirhniHlerte, deaseii oldcleifMehriebene
Gedanken ein Jahrtausend überleben werden, denn
sein Geist ist seinem Zeitalter Jahrhunderte vor-
atel* —
James Kussel Lowell, gemeinschaftUcli mit Hol-
mes der Gränder der bedeatendsten amerikanischen
Monntaaehrift, des „Atlantic Voufhly", Boston, ver-
dankt seine Volkstümlichkeit liauptsächlich den „Biglow
Papers", satirischen Gedichten im Yankee^pnoh-
mtachmMdi hanptsidilidi gcfm Sklaveref und Ißw-
brlnche wahrend des Krieges mit Mi gerichtet.
Die älteren Prosa-Erzkbler Irving und Cooper
wie andi Hanlet Beeduir*St(nre durch ihr EnUings-
mnrk »Qnkil Tont Bfitte*, liul in TonOgfidiai
gtnSgeiid bekannt. Doch
Nathaniel Hawthorne, vor dessen Blick das tiefste
Innere der meoschÜÄchen Seele mit den allerver-
boigaostett Winkeb des Fiilileus und Denkens fast
bis zu einem übernatürlichen Grade, wie ein offenes
Buch daUegt, ist leider deu deutschen Lesern metsteos
unbekannt. Das liegt teilweise daran, dass seiner
Zeit die in allzugroßer Eile gemachten* deutsches
üebertragungen grundschlecht waren, teils, dass die
meisten seiner Erzählungen und Romane auf ameri-
kanischem B<jden und unter dem Pnritanertam sieh
abspielen. Einer jedoch macht hiervon eine Aus-
nahme: „Marble Faun", in England unter dem Namen
„Transforuiations" wiedergedmckt In diesem Boman
ist das Künstlerleben in Rom wunderbar geschildsri
Die besten Eig^chaften eines Richard Voss und
Paul Heyse vereint, würden eine annähernde Idee
der Schreibweise Nathaniel Hawthomes
(tUlMftlft
Abermals erlitt die russische Litteratur einen
heiben Verlust — Wssewolod Michailowitsch Gar-
schin, einer der begabtesten unter den jüngeren
Schriftstoliem, stnb klndich im Alter von 93
Jahren eines nnerwarteten, qualvoUea Todes.
Üarschin wurde am 14. Febmnr 18S6 allfeinem
(Tute im Kreise Bachniut des Jekaterinoslawschen
Regierungsbezirks geboren. Seinen Unterricht erhielt
er in einem Petersburger Gymnasium. Ah er die
letzte Klasse erreicht liattc, wurde er geisteskrank,
genas jedoch schon nach einigen Monaten. Man be-
hauptete, die Krankheit sei anf eine ererbte Anlage
zorückzoführen. Tm Jnhre 1874 wurde Garschin
Student des Berg-Institats: als aber der letzte rus-
sisch-türkische Krieg ansbrach, trat er ab Ftdwil-
liger in ein Infanterie-Regiment und beteiligte sich
an dem Feidznge. In der Schlacht bei Ajaslar, am
23. August, wurde Ihm ein Bein dnrdiMsIiMBen, nnd
man brachte ihn nach fharkow zu seinen Verwandten.
Der amtliche Berieht erwähnte, dass der Freiwillige
Wssewolod' Garschin dnreh peralhiUehe Tapferkeit
seine Kampfgenossen begeistert und zum Erfolge
des Tages beigetragen habe. Garschin wurde zum
Offizier lieflMart. TeriieS jedodi den Dienst und
nahm Knde 1878 seinen Abschiwl. In Charkow
schrieb er die £rajUüung »Vier Tage', welche sofort
bei Ihrem Brsdiefaien in d«i »yatevUodisdien Aa-
Balen" die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Man erkannte, daas sich hier eine aufiergewGhnlicbe
Kvnstbegabung oftnbart habe, and die gehegten Br-
Wartungen wurden von den späteren GeÜ!tesrr7:en?-
nissen Qarachina voUaaf bestätigt Jede seiner neuen
EnBhlnngen vermehrte den Rnhm des IMchters md
die ihm von allen Seiten entgcgeugebrachteo Qe-
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AUe bezeugten, dass er Deijaiigift Mi, mnf dm am
die größten Holfaangen setze.
Nachdem Oarschin sich gänzlich der Litteratur
zn widmen entschlossen hatte, suchte er sich dnrdl
die Veryollstindiguiig seiner Kenntnisse dazu vor-
zttberdtMi and widmete sieh sprachwisseoscbaftlichen
Studien an der Petersburger Hochschalek Während
dieser ZaiC eebrieb er auch die meisten Ton seinen
EtnlUnni^. Aher sclion im Herbst des Jahres
1879 verfiel er in einen Znstand krankhaften Trüb-
aiims, welcher im folgenden J»bre danernd ward and
ihn nötigte, Zailudit in einer Irren -Heilanstalt zu
suchen Krst pc^en Ende des Jahres 1880 gelangte
er wieder in den Besitz seiner Geisteskrifte, konnte
sich aber aneh spllter noch lingen Zeit liindnrch
niclit von einer gewissen, unfreiwillig- trüben Ge-
miitsstimnuuig und einem Zosttind der Beklemmung
befreten, bis er sieh enAtoh «Mmed etaM Mdni>
halbjähnirr. n ^Vnfentbilts im slldliehea RosslAud
gänzlich erholte.
Im Mai 1689 kehrte OarscUn nadi Petersburg
zurück, um »eine schrift.-^tfllt ri.si lifa Arbeiten wieder
aufzunehmen. Jetzt erschien das erste B&ndcben seiner
Erslhlnngen; den Sommer verbrachte er anf dem
(jutf .T. S. Tiirfit-nji'ws, Spasskoje-Lutowiriawo, wo vr
die .Aufzeichnungen des Gemeinen Iwanow' schrieb.
Am '23. Februar 1883 heiratet« Oiraddn Frtulein
Soliitüw, eine Studentin der Medizin, welche, nach-
dem sie ihre Studien beendet, sich der ärztlichen Tätig-
keit widmete. Garadiin eriilelt nun die Stelle ejnes
Sekrr-tärs ile.s Allgfiiieiueii Ki':>-nl';iIinverbJindeK, die
er fast fünf Jahre hindurch bekleidete und erst kurze
Zeit vor sefaiein Tode ao^b. Er hatte nun ein
«»rgenfn-ies L*'b.ni, 'las ihn in den Stand setzte,
seine schriltstellerische Tätigkeit con amore fort-
nselien. Im Jahre 1888 sehrieh er «IXe rote
Blnmp", in der er Erinnernnfren aus dem Trren-
hause verwertete, und „Die Bären"*; 188.5 die No-
velle «Nadeehda Mkolajewna*, deren Hddin «r be-
reit» früher die Erzählung „Eine Epiwjde" gewidmet
hatte; 1886 schrieb er die »Sage vom liofEärtigea
AggeJ« nnd 1887 die Erzählnng «DBaagnat«. Seta»
schriftstellerisclie 'l'.'iiig-keit wurde jedoch fortwäh-
rend durch wiederkehrende Anfalle von Triib-
ainn unterbrochen. Diese KrankheitseradieinangieD
traten gewöhnlicli während iler Sommermonate
auf und erst im ^piiUiurbst war er dann im-
stande, sich wieder in der G^ellsehaft su ie%ai,
wo er als der frühere geliebte und wohlfilllipe
Kamerad enschien. Sein letzter Anfall von Tief-
sinnigkeit dauerte bis kurz vor seinem Tode. Als er
anfing, sich wuhler zu t'iihJeu, fasste er den Ent-
schluss, sofort nach deut Kaukasus zu reisen, in
Kiselowodak eine Badelcnr su gebrauchen und «idi
dort vollständig zn erholen. Die Reise verzögerte
sich jwiüch, uud am 31. Miirz zwtöchen 8 — 9 Uhr
morgens trat er unbeTiierkt aus seiner im vierten
Stockwerk befindlieben Wohnung, begab sieh bis zum
Ib. II
Bwciten Flur hinab and stürzte sieh von hier aas
über (las Treppengeländer hinunter, wobei er sich ein
Bein brach. Anfan^rs schien sein Zustaad nicht be-
sonders bedenklich; er war bei vollem Bewusstsein
und wurde noch am gleichen Tage in eine Heilanstalt
geschafft. Dort verlor er jedoch schon am nächsten
Morgen das Bewasst^ein, welches aach bis zu seinem
Tode, der am 5. April nm 4 Uhr mnrgois erfolgt^^
nicht wiederkehrte.
Während der Zeiten, in denen Garschin sich im
Znstande des Trübsinns befand, hielt er sich für
gänzlich ohne Können und sein Leben für ein verfehltes.
Diese 2!eitabschnitte eines selbsttiuälerischen Gemttts-
matandes wurden immer l&nger und ancb sein kOrpeiv
Uehea Befinden wnrde stark davon in mt^odeiuehaft
gezogen: er magerte zusehends ab und wnrde so
sehwach, dass er lange Zeit daaBetthfiten mnssie, Aach
wenn er sieh aoseheiiwndgeBnnd fühlte, übte diese Iflrdi»
terliche Krankheit einen unheilvollen F.int1us.s anf das
Gemüt dsa Dichtars aus; er war in beständiger Angst
vor efaer Wiedeticehr mfnea LeideBS nnd dieser Go-
danke verbitterte sein ganzes Dasein. Er äuAerte
häufig, daiw er diesem peinvollea Oeisteszostaodo
das fOrditerfiehste kSrperiiche Leiden Tondehen
würde und der Gedanke an seine unheilbare Krank-
heit raubte ihm häufig jede Energie und Scbafiens-
InaL Smt zwei Jahren war OarscUn mit einer
gfrößeren Arbeit, einer historischen Novelle ans der
Zeit Peters L beschäftigt ; auf dat» Studium dieser
OesehfehtMidt hatte er berelta viel 2Seit und Müh«
verwandt, der T'Ian war vollständitr ausgearbeitet, die
Charaktere der handelnden Personen waren vor-
gentehnet — sein LeUen renifehtete dies alles bis
auf die letzte Spur; sein Erinnerungsvermögen er-
löschte, sein Interesse an dem begonnenen Werk er-
bbmte und «eis pUttsUdier Tod «rlflate ihn «ndlicli
von der peinlichen Pflicht, daü mit so großen Hoff-
nungen begonnene Werk zu Ende zn führen.
Oanchins Tod ist niebt nor da sebwerer Ver-
lust tiir das russische Sclirifttuni, noch weit !5<.''hwerer
ist «iT für seine zahlreichen Freunde j denn aad^ als
Henseh war GaradiiB dne im hAehsten Grade woU'
fällige Erscheinung. Tm Freundeskreise war er
geradezu bezaubernd; eine zarte, frauenhaft« Natur
Ton nnendUeher Oiite, deren rOcInichtsvoneB Wesen,
deren mitleidsvolle Scale an allen Freuden und Leiden
seiner Mitmenschen inoigeo Anteil nahm. Seine GUt«
mtd sein gl«didnr Ifangel an Setbataueht mosaten
einen Jeden für ihn einnehmen. Garschin war ein
eifriger Freund der Litteratur, deren Erfolge und
Mlssgeadhicke er ebenso lebhaA emirfaBd, wie seine
eigenen. Jedes neu auftauchende Talent bewillkomm-
nete er mit aufrichtiger Freude, mit wahrer Bruder-
Usba; tm Neid und Mi^anst war in ihm bdn«
Spur vorhanden. Jeder Krfolg eines jungen An-
fängers freute Um, als ub es sich um seinen eigenen
Erfolg handelfe Anf solche liebevolle Weise tbt»
kdixte QMmebia aber nich.t nur mit aeinian OBn om aa
Das MafBiin flir die Ittlontar das b- lad Ansfamdssi
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Dm Magma iRr in Uttantar im Im- vaA AmUadai.
von der Feder, seine Liebenswürdigkeit erstreckte
iüch anmahmslos auf alla Menaehan* namentlich aocIi
uf Kfinatler, tdt denen er hlnHf ih Barfihrmg kuo,
und Alle liebten ihn. In unserem zeitgenössischen
ÖflseUacililtBleben, wo Eigennutz und SellxstRiidit
eineMluimmgendellone spielen, ist eine Natnr vfe
die des Dichters Garschin geradezu eine Glanzer-
echeiimng; denn nur selten findet man heutzutage
eine PersSnli chkeit, die so frei von Selbstwdikeit ist, wie
Garschin es war. Er Latte sich stets die beste
Eigenschaft der Jugend, einen gesunden Idealismus,
so bewahren gewusst, ebedton er etoeii eduofm BUek
für die Fehler und Manpel seinei' MUinensflien be-
safi. Garschin gehörte zu Demjenigen, die zwar das
Bdee baawB, die in ibrar Heneongllte aber auch In
bösen Menschen noch ^\üe Seiten zu entdecken ver-
mfigen und die selbst (Or schlecht« Handlungen noch
EBtsefaaidiginigagrfinde flodeo. Er war in dieier
Beziehung ein echter Nachfolger seines großen Vor-
bildes Dostcgewsk^j. Seine Heraensgüte hinderte ihn
Jedodi iridit, das Bilm eifrig zo bdEimpfen; nor
übertrug er seinen Has« nf' i i:f die Menschen, welche
nach seiner Meinung der Siiude unfreiwillig firöhnen
und die man daher aadk nicht dalKr verantwwrtiidi
machen darf. Garschin war eine wahrhaft chri.sf-
liehe Natur voller Xhüdungj er hasste das Böse,
aber Briite die Henadea. b dieser SSgeaheit adnea
Wesens liegt der Zanber, den seine Persönlichkeit aus-
übte und die Ursache seiner allgemeinen Beliebtheit.
In vorigen Jafan erschienen einige von Oar-
schins Erzählungen in deutscher Uebersetzung unter
dem Titel: , Pesainuatisdte ErsAhlungen", obachon
der Terfltaaar selbat ate ddit aSt ISam Bdirort
bezeichnet hatte. Wer aber diese Erz&)ilnng:en liest,
kommt unwillkürlich zu der Ueberzeugung, dass des
Yerfkaaara WeltanadiaaBBff eine dnrdiava weltveraeh-
tende gewesen ?ein mnss. Unter anderen Stants- und
Geüellschaflä- Verhältnissen hätte Gai-scLtins Rich-
tung sich wohl noch sefaftrfsr ausgesprochen, aber
anch jetzt unterliegt es keinem Zweifel, dass die
Zustände und Leiden seines Vulke^i itiui tief zu Herzen
gingen und dass der Grundzug aller seiner Eraib-
langen die Bekämpfung der Sünden und La<iter seines
Volkstums, seines Landes und seines Zeitalters wnr.
Jetat 'wissen wir auch, weshalb ea ihm nicht ver-
gönnt war, sirli, pleich seinen Vor^änpern und Vor-
bildtrn, Turgenjew, Dostojewski) und L. Tolstoj, zu
größeren nnd vuUendeteren Kunstwerken hindurch-
rnai lieiten, ex fehlte ihm nicht nn Kunstbepabnne; dazu,
sondern au leiblichiT und geistiger Gesundheit. Ob-
wohl Garschin nur zwd Ideine BSndchen veröffent-
lichte, die Wenige 'l'apre vor seinem Tode in neuer
Auflage trschieneu, wird .sein Name dennoch einen
Ehrenplatz in der Geschichte der russischen Litte-
ratur einnehmen nnd wenn Rassland seine besten
Mäuner nennt, wird auch des nnglücklidieu, lieben-
den und («liaMan Oandiiia Nama oldit inarwlhnt
bleiben.
Rusi^lands große Dichter sind die wahren Vertreter
einer menacfahittta- würdigen WeltaoadiMiang, einer
Weltanadiaaang, welche wir bei ihren Oegnem,
die jetzt in Rus.slund das p^roße Wort führen, so
schmerzlich vermissen. Jenen Dichtern und Menaehen-
freondeo kOnsen wir mit vollem Hechte aodi Vaae-
wolod Garschin beizählen, dessen niartervolles lieben
anascbliefilich der Nächstenliebe gewidmet war. Und
weoB nna zaweQeB ZweHbl anfiAdgen, d) dena wirk*
lieh bei einem Volke, in welchem seit Jahrz'-hnten
Haas und Feindschaft gegen ans gepredigt wird,
meh efaie Unitehr an vemttnftigen Heaadibdta-Aa-
schauungen ?;n erwarten sei. dann trilstet uns <ler
Gedanke, dass ein Volk, welches Männer wie Tur-
gei^ew, DoetnjennAiJ« Leo ToiatqJ «od OaneUn er-
zeugte, trotz Staatsverderhnis nnd Zi;<ring:herrscliertun)
einer helleren Zukanft entgegengehen muss. Vcrgegen-
irtotigt man deh, was daa nudadie Vdk in aeLier ,
tauäendjähri^n Geschichte erdnldet und Uberwunden '
hat, dann darf man nicht daran verzweifeln, dasa
dn aoldMB Tdk aadk die geeaowlrtii» Zdt des
RidEWirtaregiera» neeh glttdcUck flbsnrtduni nird.
Mtneben. Wilhelm Henekel
Uderts Stelloug zur WeltUUenUr.
(SchloM.)
Schon oben war von dem peniadMB Obaael als
einer glücklichen Bereicherung: nn<!erer poetisrhRn
Formen, die wir Rückert verdanken, die Hede. Sie
ist deshalb eine so glückliche Form, weil sie, ähnlich
wie die altdeutsche Priamel, sehr geschickt ist, Ge^
daakeu, die nur losen Zusammenhang untereinander
haben, durch den gemeinsamen, stets an den paaren
Stelion wiederkehrenden Reim „aneinander zu reiben''.
Auch ist das ein den Persern sehr geläufiger Aus-
druck für diese Dichtungsform, indon der Beim mit
einem Faden, die Gedanken mit daran zn reihenden
Perlen verglichen werden. Daher auch die häufige
Wiederkehr dieaBa Bfldea bd Büdurt
Ji.'tzt streu' loh Perlen ;tor< un i >■ in.iiri achtet drauf,
Einst »treu' ich keine ;iielir. iliirm li*»t ilir ilieoe auf.
Man vergleiche auch die Makame vom „Perkn-
stlcker" und die kleinen Gedichte unter dem Titel
„Angereiht« Perlen". Besondere Formen des Gha-
sels, die Kiickert mit gleicher Mei$t«r8chaft gehand-
habt hat, sind die „Vierzeilen' (Rubiat), die, wie
eben der Name be8flg:t, nnr vier Zeilen haben, deren
erste, zweite und vierte deu gleichen Keim aufweisen,
während die dritte reimlos ist, und die Easside, die
t'!!i tii'sti!nmtes Maß von Versen nicht überschreiten
darl, uud in deren letzten vier Vensen dar Dichter
•enwB Namen, dn wirklichen oder den anganm*
naBcnea Diditatitanien nennt Dieaar letrtan war
Digiiizcü by CoOgle
3S4
Dm Magtna Ar Sk Uttontar to ufl Awhvd«.
No. 21
ia seiner Jagend bek&imtlicb Freimund Kalmar, i
AlM ki IVdgeade elo» «dtte IKtaUit:
(Goschrioben im wrägti^n Lfiben^ahr«.}
fitch, liiMl, iukt ia dw Wttit« Jeborab wunderbar geiohrt,
Er bat dick nm VMkiitaBfdaode darcb Intm niiSg Jab'
gehlbrt.
8r bat diah wallM aMtn Iwien, damit vaqtagl da
üebect ein;
Sr hai; daaattrmft datlttfaMt, iUt tuirn ak Maar
Er hat dkli wollen darsten iMion, am dir den Quell mm
FelaKestein
Zu achla^n; er hat Tag« im Donoer, dich Nacht« in Blitcea
klar geiahit.
Er hat dich laMea irre ^hn, damit i!u kämst ftn» rechte
Er hat <iii.h langsuru , »xltsivm, aber er bat dich iramordar
geführt.
Vnd aln du zum verlunSuen Land« nun hingelangt, warst,
fLSCput du:
Er bat mich wunderbar geleitet, doch mieb mecht fOrwahc
fiAUwth
So nM Fraluaad, d«k dam WM« dir Sun im
Danaar aad im BUti,
Daiab Ltat'raaBifmMr b» nna Liebla, «aai Utbaihoelhallar
a, w« aiab dia Inaa
aofgelM:
Ir bat (bwabr niab f««bt galeitet, er hat nicit wnwlailiar
gernbrt.
Dhs erste Reim|>aar ist der ,>;atit", die ilbrigien Vera-
paare mit dem immer wiederkehrenden Reim des
Satzes sind die Tonveränderongen, der Scbluss macht
die Nutzanwendung anf den Dichter. Man könnte ein
Buch schreiben über die Vortrefflichkeit dieser Form
und über die Meisterschaft, mit der RUckert sie iu
diesem herrlidien Gedichte angewandt bat. Und
aleht allein in diesem; er bat noch viele andere von
derselben Vortrefflichkeit frodichtet
Diese Form der Dichtung hat Kückert znerat
angewandt in «einer Debertragung des DsehelfU-
eddin Rnmi , i<"nf> gfroßen fis-rsisolieii Mystikera,
deeaen Mesnewi das Oet»et- und Gesang-Buch der
Derwiflcbe bt Bben dJeses Vesnewi flbWMtste
Bückrrt xunachst filr Cottas Damentascbenbodl TOn
1821 mit den einleitenden Vierzeilfn:
Die Form de* Ubaiela.
Die neue Form, die ich zuerit in deinen Oartaa pflum,
0 Deut»chlarn1 , winl nicht Obel st«h'n in deinnm reichen
Kranz«.
Sich tiii.-mem Vorgang mag »ich nun !:nt lll'Ück verMichen
Manchf r
&3 gut im persiBchcn Ghit*pl. wip ifimt in wUUfher bliinae, l
(denn die Stanze bat nüt dem tihasei die Aehnlich-
kdt, dsM derselbe Bdm wesigat«» dreimal wie^-
krhrt, nnd ein Eeimpaar ilie Sfniplu' iilisrfiließt, wie
US im Gbasel sie einleitet), und es kränkte ihn, als
D»B Sinter da» Erstredit «Beser Strophenform Platen
zuschreiben wollte, dessen Ohaselen imverdlentor
Weise, so schön sie sind, mehr Bewunderer fanden
als die RüekertaeheiL ObgletehmiD der gwu» DIvait
(t JeJielil^ammlnnp; des Hafis in dieser Strophenform
gedichtet ist, so verwandte doch Eäckert in seiner
Naehalmimg des BaJIs m d«n ,0«rtli«]ien Roaan'
(Leipsig, Brockbans, lQ2i} meist andere Formen, be-
sonders torlftige dentsdMir nUht peniicH ^mailBii,
die mir aus meiner Jngend BOeh j/tHÖi in dOD Obmi
8>cljwirmj, he.sonders:
O i^i in keinem Augenblick,
Mein Hern., von Rauach und Liebe learl
0 wirf die Welt dir vom Genick
Und daiaa lobhaft wirf im Meer!
Ib OMaandianw hUk da «war,
Doeb, Bal^^diMrt aneh da dem Herra;
«ia wie* na Ooril dw ImV
Es ist ebe eigen tfimlicbe Ironie des Scliicksals,
welche.s auch Verdienste bisweilen nach Willkür aus-
teilt, daas die bodenlos schlechte Deberaetxnng dea
Halb TOD dem gelehrten Senior Orientalisten Joseph
von Hammer sich Jas Verdienst erworben hat, die
zwei größten Dichter des achtzehnten und neunzehnten
Jahrhimderta, Goethe und Bilekert, auf den groBen
persischen T.yriker Hafls hingewiesen und N'ach-
ahmungen desselben Westdatlicber Di van" und
„Oestliche Bosen") bd üuteii terr o rger u fen m liaben.*)
Zwar halben nneli ciiiiore Gedichte des Hafis mystischen
Sinn, wehalb er die pm^tische Zunge" genannt
wnrde; Tergleiiehe Goethe ed. Hempel IV, 8. S8
und ^1a^ von IIaf!> angereg^te „J^elige Sehnsucht*'
(Buch des Sängers Nr. Iti), woraus sich Klickert in
seinam «Poetiselien Tigsbneh* nodi 1853 die Stropiian
abschrieb & IM):
In eiceltin (ROokerttche Uebenchrfll^
Sagt ea Nipmand, mir den W^ieen,
Weil die 'rnrheit gleich rerhöhnet!
Da« Lebendjge will ich preieen.
Dm aaob naannailod iiab aabaat.
Und SD lang du diu nicht haSt)
I>iei«t Stirb and Werde!
Biet da nar eis trflber Geat
Avf der dooMen Brde.
Aber die meisten seiner Lieder singen von Wein
und in&eber Liebe, ja sogar Knabenliebe, oiine
natürlich an deren Anssehweifangen zu denken.
Erat einem reichbegabten, aber bodenlos verlump-
ten dentedMD IHebta', dessen Namen ieh hier nidit
nennen mag', um ihn nieht in die rhrcnrollp Ge-
sellschaft von Hatis, Goethe, Hücker l und Flaten
I zn bringHii war es vorbehalten, in seinem Angriff
auf Finten, tnts seiner ab und zn einmal sieh
*) Daaiit abar *• Hammer den Nicht-Orientalieteo nicht
in einem gar xu urhlimmcn Lichtu or»cbi-ini:t. mtn« gengt
werden, datt Huminer ulk'i-diDg^ iruitir bliuiig schluderte,
aber, wenn er mit Liebe arbeitete, auch Jingenun schuf.
Seine ..Ge»i:hichte der sphoneu RedekOast« IVr^iens" iit ein
uediegtinL'i! WVrk utid war für Rttckcrt eine uaernebiSpflicbe
^undgrubo, üh<>t welche mein litterahicher Freund, P&nOr
C. l'Qtx in GundeUheim bei Qonienhaueen io Bauern eine ba>
«ondaBaAibaitaavariMtaitlielMa ««dankt. Bamnml%JUUan"
iat eiDa aebaM Lriatnaf , di« an KBckerte fMebtaagoiB «rtanait.
Ka i<t wiederum ein eiganei Schicksal, da«a gerade die voUu-
tOmlichite Dichtung Rflckerta, die „Parabel von dem Manne
iat STiatläad" iaat gaas «ot «üiar Hammar'aclMo CbatMtaoag
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Ko. 81
Du MagKiB fflr dk Uttmlnr da« Ib- and Amlandw.
385
ängstij^endeTi Lotosblume, eine solche Unkenntnis abend-
ländischer Dicbtoog zu zeigen oder zu erbeacbeln, da^
er glaubte, Plftton wegen einiger Naehaliinungen
dieser Schenkenlieder des Hafls (vergl. das Schenken-
bach in Goethes „Divui'*) einen Schandfleck anbeft«n
zn kOmum. A«di über Au Veriiet de« Wetnes wtcte
sich Hafis, wie überlianpt die Perser, trotz ihrer
Bechtgläabigkeit, hinweg: der Teig seines Leibes,
belwnpteA« er, sei bob einmal «n SchüpftnigilBge
mit ^^'ein angeknetet worden. Es ist nun einer-
seits das nidit geringe Verdienst Goethes, das
Anr eia m ffoflw Didrt» wie er Mi enrarben
könnt«, durch das Mittel der sfhlnchtpn von Ham-
merschen Uebersetzung die Urüiie de» persischen
Dichters dnrelisduuit und in seiner Nachahmung
gliicklirh getroffen zu haben. Aber Hammer konnte
keine Giiaselen bilden, nahm sich wenigstens in f^einer
lleberlieften Ueber8«*tzer-Tätigkeit nicht die .' - Ii zu,
and 80 konnte Goetlie , dem das Urgedioiit nicht
erreichbar war, ihm auch keine nachdichten. Dieses
Verdienst blieb Rückert vorbehalten, der bei seiner
Rückkunft aus Rom den miindlicheil Untcrriclit Ham-
mers geiioi<s und durcli ihn erat in das Studium der
abendländischen Sprachen eingeweiht wurde, deren
Professor er sp&ter in Erlaogeo und Berlin wurde.
Luder wissea wir von diesem so taterrt wichtigen
Aufenthalte KQckerts in Wien und von seinem Unter-
richte bei H^mm^r ao gut wie nichta. Aber vom da
an erst b^innt der grofle Zng in der Rlldcertaehen
Poesie, der ilin in dem stillen Landaufenthalt zn
Neosess zum Mitbürger aller Völker macht und
ihm «B Olir Tarkilit für «De ihre Leiden bimI IVbb-
den. Waa fBr ÜUands „Merlin* der Wald üt, der
— in nlcht'ßM Stundfi
Hat villi aein Ohr geruuBcht, '
Da»* e* in aeiuam Oruiide
Den Geist der Welt erlaiucht,
das ist für Bttdurt seine Bücherei auf dem Gold-
berg, die er sich mm Teil dareh AlttcliTeiben her-
stellen musst«. Nur aus Einer Spr;ir!ie liat er nicht
nach dem Urgedicbt abersetzt, weil er sie nicht
gidemt bat, er muaste ans HoUs latelniBeben
Uebersctzuntcen die dicliterischcn Schönheiten und
Feinheiten des Schi-King, der chinesischen Hamäsa
erraten. Dabei mager denn im Einzelnen fehlgegriffen
haben, im Ganzen hat er andt Ider jedenlUU das
Richtige getroffen.
Aber w«R wire alle Meiatersdiaft In der
Form, wenn iler Geist, der belebende, fehlt! „Der
Bncbätabe tödtet, aber der Geist macht leben-
dig.* Bebe Weltanadtannag wweHerte akli, je mehr
Sprachen er hinzulernte; er ward nicht mit jeder
Sprache ein Anderer, wob! aber mit jeder ein Voll-
konuneneror. INeaa tarnend Stimmeo des Wdtverw
kehrs rrklanpen in seinem Geistesohre nicht wirr
durcheinander, sondern in volltönendem Einklang. In
dieaer Hiaakllt kSimte man wohl auf ihn selbst an-
wenden, was er an dem Scbfi^r Himmels nnd der
£rde preist:
Tatarohr. dw tain»
«baiürat 4«r äA lotodn OmmIm! ^
0 Natur, mit deinem Haache Uatero die Üni-U.
Dan (ie wulerh»!'.« rein dein ölocVenipiel, da^ Mine'
Gicb, 111 dem großen Einklanff (ipiiier Stimmea jede«
MenfchsTilii-r/ hiirmoniicb »chmel««, ob e« jauchi", ob weine!
Wolliviolir! vor dfra );eMUD^en TOm Beginn der ZflttM,
Die .lahrhuniicrt* hcTä.h, »iel Dichter im Verein*:^
Ihrer .Saiten Widenpmcb i«t T«r dir MM^t|lltlMa;
Ihre honderttituMad Stimmen bOlMt ila •!• t»e.
Lau in deinem Abendwind» BoMn dUueln Aber
Eiaes jeden, der dir lang, nun •«Uvmmande Gebeine!
Law den freien DieStemiMd hier d«in«a Lob» di«MB,
Bis is Bngebnmgen dsft lidk ttüut wMuA Muwi
Wt aoldien Kenntniaaea nnd mit elfter aoldten
Liebe für alle Völker, deren Gebete in tausend
Sprachmi täglich zum Himmel emporsteigen, zu dem
Weaen. das sie alle nicht kennen und darum ver-
schieden benennen nnd verehren, das aber sie alle
kennt nnd mit gleicher Liebe hegt und leitet, konnte
er freOieti nldit gni ein katholischer Christ sein, der
anf die «allein seligmachende Kirche", noch aber
auch Altlutheraner, der auf das »unbefleckte"
Angabvrger Beikenntnla adiw6rt : seine diehteriaehe
Weltanschauung war die pantlnistisehe, in seinem
häuslichen Leben, iu der Kindlichkeit und Tiefe seines
Gemütes war er ein guter, deutscher, protestan-
tischer Christ. Jene Kindlichkeit des Gemttts, die
so lühreud ist bei einem Weltdichter und Welt-
Sprachgelehrleii wie Rückert, hat ihn auch bis
in da.s höchste Alter niclit verlassen. Wie rührend
kiudlidi klingt sein letztes Lied, zwei Tage VOr
Tod«, den 99. Jamur 1866, gediditet:
Verwelkte Blnme,
Heneohenkind,
Man eenkt gelind
Uick in die £rd«
Dutt «fad ob dir
Dar Raaan grSB,
Und Blumen bTfih'ä,
Und du bUUu*
Den jüngeren Dichtem aber, wenn sie durch Spracli-
bemühungen sich dazu beffihigt haben, hat er ein
leuchtendes Ziel vorgesteckt, soweit es nicht dun Ii
die Geisteskraft und Tätigkeit des einzigen Rückert
schon hat erreicht werden können, ein Ziel, an wel-
chem nur dem deutschen Vulke die Palme winkt:
Daram nur munter Torwbtc, luiisabeulen
D«a liste Sdiaafatb dn akhfc «nrtthH mb SAeik,
Hu IimmU tasb«t daiiMB Volk to dantto,
Uta «lue dich ihm bliebe taubea Bn!
Wttn mt der Menschheit Glieder, dls tMitNOtfla,
Gesammelt lind ana earop&'sche Den,
Wird aein ein neue* Paradiee gewonnen,
8o gut aa Uob'n kaim aatem SknU dar Sodmb.
• *
*
Hier konnte Idi adilieien, wean Idi nidit die
mir von der verehrten I^eitung dieses Blattes ^e-
botene Gelegenheit benutzen mlisste, auf zwei
Nenigkeiten hinmweiseu, <fie anf den gefetartein
Gegenstand meinem Aufsatzes Bezug haben. Die
eine ist da« schon erwähnte « Poetische Tage-
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S96
Dm Magfizia flir die Litteratar des In- and AnsluidM.
No. 21
bach« (Frankfurt a. M., Sanerländor. 1888), durch
dessen Herausgabe sich Fräuleiu Marie Ruckert cia
noniiB bedentendes Verdienst nm die Werke ihres
Vatei-s erworben hat. Nur weulge Lieder von dem darin
aufgespeicherten Schatze waren &chuu früher durch
Dr. C. Beyers »Nachgelassene Gredichte" und durch
meine ^öckert^tudien" bekannt geworden. Vehn-
gens mnss neben der HerauBgeberiu auch noch ein
Herausgeber tiitis: gewesen sein, wie sich aas der
Bemerkniig S. 262 ergiebt, und dieser hfttte wohl
vegblellwn können, da das Zusanitnenarbeiteu mit
ihm der Arbeit selbst nicht förderlich gewesen zu
Min Bcbuiit Gerade von dem auf dieser Seite mit-
getefltra Oedidit, welches zuerst in Dr. C. Beyers
^.Xeiien Gefliehten Riickerts" vcrr.ffentlicht wurde
(S. 20), hab« ich eine Abschrift, die ich bei dieser
QelegedieH; terOlTeiiftiehen mitchte. Zunächst ist xa
erinnern, dass die vier ersten Zeilen dem .Liebe.v
Mhüng'* eotlehat sind)*, wie auch der «Uerans-
geber* umerkt. Hier iber iMotea, wie in meiner
AbMiirift dm Gediebtes. die viar enten Tene:
▼eo Cyfto«ii lui den lindea
Xnuu dir windea!
Dum iUiit
AbMluttt f«rt:
Diese beUen Verse bei Dr. Beyer lud
im Tagebuch. l)ius.s sie von Riickert sind und
nicht etwa vom nEeiaosgeber*, darauf mficbte ich
■ebwflren. Wamm fehlen sie? Hat Bfidnrt de ans-
ge-sfriihen? Oder der ,.HerHiisgeber?* Das wollten
wir uns doch sehr verbeten babeai eher hAtten wir
un das von Frftoletn Rttekert g elUIeD lassen. 8o11
nns etwa folgende .Aninerkaii^ de.s Heraiisjrcliers"
«itschädigea — doch ich unterdrücke weitere Be-
merknngen, weil vieUeiehtweiblieheBZiurtgenM durch
die.se Zänkerei beleidig' t w. i den könnte. Es wird
Aufgabe der künftigen Kiickeri-Forscbung sein — and
waram seilte es nkht noch dnmal diie BüdiMt-
Forschung ß^eben, wie es schon eine Goethe-Forschung
giebt? Mag man über ihre Leistungen spotten,
80 viel man will, sie mnss bestehen, um Sehaden zu
verhüten — die Deichte noch einmal mit den in pulen
Händen befindlichen Urschriften za vergleichen.**)
Dies wird «iite mtlbelose Arbelt sein in Tergleidi
zu der hßehst mühevollen, der sich die Heransgeberin
bei ditsser Verüfleatlichuuf,' unterzielien musste, und
•) Werke I. S. ö86. Krluger Aang. 5. Aufl. I, & 431,
2. Ad8. S. 426. AvmU, 17. Aqfl. 8. 800i FimUmi^^ dM
LMMifrfihliiun 8. Sf &
«*> ..kgidt&M Bdekeft^FbOtltMa" wiU idi
Um mvr mdi •■»«ilttn: 1) Am mta« AlMohnil ümi Oe-
dos Titel fOhrt: Mit ia» Grab. 2) Dtwt ich, ob-
gMcAi die Utatan 10 Bogen de« „TKgebuche«" mir Doch fehlen,
•chon jetzt er«ehe, duM daa bei Beyer rorhergehende Oedicbt
unmöglich „der kranken und der toten Gattin" geltes kann.
Das erste (!or ..letzten Lieder": „Den Gehalt in meinem Busen"
(S 3 bfi [li'vpr. etwa« tür die ..Gootho - Philologen") Teractzt
Bejer in den „Winter 168S", FAuleia ROckevt Iföl o. «. w.
wofür wir ihr nicht genng danken kßunen. Denn
sie hat uns einen wahren, reichhaltigen Schatz ech-
tester Poede erschlossen. Wir würden noch er-
staunter, noch dankbarer sein, wären wir nicht durch
frühere Veröffentlichungen aus Rückcrts Nachlass,
ich meine die „Kindertotenlieder" und die .Lieder
und Sprüche", schon an das Vortreffliche gewöhnt
worden. Hier sei, weil ich nicht mehr Raum in An-
spruch nehmen darf, nur noch folgendes Gedieht an-
geführt, welches nnsers Bückerta Doppelleben in
Natnr und Büchern trefflich TeranschauHcht (8. 38):
Griecbiaehe BQcher und deutoi he, la(«iriij<che. »lawiAch«, weliche^
Peniaohe Munt .SKnitkrit. Tflrkinch. ArabiMhe« «uch;
Also bnnt iit lie=i.!ttt mrin Tisch, doch keinf der Gericble
Mandet mir beute, da Lenz draußen die Tafel gwieckt.
La»«, 10 flOrtert «a Zafir, die Wintetkort «nd dm Winlisr-
Tn»t oni itm Wiatarftoit! Bade nit Bluman in Trat
Tkioln d«n KMumXk «m bUUMadm KetdMa mit BImmb)
Üad Ambiwia ni dir der EUmimwig Kom!
Und mit dieser Veröffentlicliunfr ist der Riickertsrhe
Nachlass noch nicht einmal erschöpft j noch andere
sind In Aussieht genomnieo, ond es wire mehr als
Undank der Leserwelt, wenn sie nicht darch zahl-
xeichea Ankauf dieser sauber und fein ausgestat-
teten, aodi sa Festgeschenken geeigneten Aitagab«
dem Verleger zu ftoMrea VeröfientUfihnngeia Hut
machen wollte.
Ehe sweite Gabe, fMKeh nidit mr Rttekert-
Litteratnr. itber zu Rückerts Gedächtnis ist das
treffliche Bild Bfickerts von der kunstfertigen Hand
der Schwester von Rfiekerts Sehwiegertoditer, Frihi-
Jein Bertlia Ft i rif i in Weimar. Auf meine Bitte
hat mir - diese talentvolle Malerin darüber folgende
Anslnratk gegeben:
„Datielbe i«t nmsh in nieineai Bedla nad hMS ioh Iwimst
noeh die Uoflaoag, daM ei einen eeiner. d.li. itm 0<gmrteiidsa .
■wSidigW Fteto in «dw Sammlung berflhmter MSraw-BildniMB
fiadaa wHrd«. fchbalw ea gemalt im M&rs 1)^4, die Qelegenbeifc
benutzend, dam fUtalnit «inem Bildhauer Sobeffal uS, so einer
Baste iftr daa Hoebitill ta Frankfürt, welche, beiltafig bemerkt,
aber nicht a\it ampefallen iiit. An meinem RiH hatt« der alts
Herr große Freude und auch die Fiunüio »nr sehr zufrieden
diuiiit Hfi'f'Igendea (iedichtchpn hat '-•':h kürzlich in Keinem
^ .1 lih^n . üden und wird a : h il ..-t |i tzt cruchninenden
iSiimmluiig mit ttb^edrupkt. l<:h hafj» du* liilU ta Terschic-
denen Zeiten in vielen Stftdten uuHgeatellt und immer viel
Anerkennende« darOber gehört. Vor etwa rier Jahren habe
ich nach dieeeu Bild äa groSat PWtrilt Keroacht in ganiar
Figur, «ittaad in dma OarUaUkuebai auf dem Goldberg mit
dar Aainabt «nf dia Vaato Kobuig. Die«ei Bild hat amb
nal lata w e orragt, W« jadi abac anch leider noch kainaa
bleibenden Plats gafindaa« ohcWak lob nehrmal« die Aue-
iticht darauf batta. Ea iat ndsM in BaiKii in der Aantel-
lung der KQnttlorinnen aoageitellt gewoaen, was leider dnrch
die Krankheit und den Tod dei Kueen kein gfinetiger Mo-
ment war, denn die Interewen waren <^nrrh dies«* tTanrige,
jille Welt bewegende Ereignii iO in An.iiiruch senoimnen, du*»
Niemand für Anderea Gedanken hatt«. Dm Uiid kommt jetzt
an mich xurQck und wird TorBaa«ichtUch einige Zeit hier
bleiben. Wenn Sie, geehrter Herr, in der Zeit einmal nach
Weimar kommen lollten, wflrde ea mich sehr freaaa, «aoa
Sie •• sich betrachten würden. B«id« Bilder, daa BraaUuM,
aawia daa ia nmer rijnv, aiad in Baibat wm BMibaii(Cil
ia miMihaa Ar daa KuuUiBnda] ia Tanobiadaaaa Gietaaa
phatographiert worden. Ich habe ea aber bis jetit hier noch
an keinem der Bilderladen gesehen. Es würde mich freuen,
wenn meine Notizen Ihnen la Ihiam Aainta aAtalick
wflrdea and bin gern bereit, Ihaan Meli Mihafaa ai
waan 8ia «a hmubaa kdaaten.
Hacha<~hluiigfivoll ergebeaat
Bertha, Froriep.
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Nfc 91
Do luHl dmId bim mit Liebe fualk
OnuB Iii M M MhOn Mlungm:
Dmb wo ant da« bdiNkm MtaM rtrahk,
Sm ist aui Uab* «atqnufni
Davoo die Spar
Trifft iede Flor
In Fiirh«nabii«hattunffMi,
Dan iüt diii l.ifbo <k'r Natur!
lind Kutift, (iif ihr nacheifert nur,
Ilat ffleiehen Sieg erningAo,
Mit Liebe dea ätott betwongeo.
Aa BwttUk Fmi«. Pr. B«ek*r«.
Sttlsa. Dr. Sob«rt Boxbarg«r.
<MtM tat k iwOMluiNMfewIliMl.*)
Ton Richard WeltrUh.
rFoititetsuDg.)
Mit der Duiui^zene schließt das Fragment von
1790; die Walpurgisnacht und den Walpurgisnachts-
traum lieft die Aasgab« von 1808 folgen; die 64)ch-
hanBenflehe Abschrift aber bringt an dieser Stelle
als Siebzehnte Szene den Monolog Valentins mit
der Vorbemerkang „Nacht Vor Gretgeos Haus".
Der Text ist mit dem von Ooethe selbst veröffent-
lichten naheza gleichlautend; ein paar kleine Aende-
mogen wio „Und die Geselleo mir den FUtf anstatt
defi ursprünglichen „Und all and all mir all den
Flor" reinigten den Ausdraik, olme der Sprache von
ihrer derben und geraden Art das Geringste za
ndimen, ohne die Holssebnittmanier der Zetchnang,
welche Goetlie der prächtigen, herz<'ri)uirki'nden Ge-
stalt Valentins gegeben bat> m schädigen. Hier ist
dB Beispiel glücklichsten Aaagleiehes xwisehen den
strengeren Anforderungen, welrlin rler gereifte Dichter
' an die Sprachform stellte, und der Pflicht, dem von
Anfang an ünSbertreffHeben sein Recht m belassen.
A clitzelin tt- Szene. Die Ausgabe von 18(i8
fügte an den Scbloss von Valentins Monolog die
TecM:
j.Wm konmt heran? Wm acUeicht herMt
ur* iek aicht, ee eiad ihrer Zwei,
tat •i'a, glmoh paek' iflh ilm boiiii FaUay
Soll ^etSlMMBdls TCB der SMIe*'
Dinnit ist der Tebergung zum Fi)lgenden gegeben,
zu Mephistos Ständchen, dem Zweikampf zwischen
Paost «od Valentin, den ersefafitteradea OesprSch
zwischen Hretcljen und ilirem sterbenden Bruder-
Höchst merkwürdig sind die Unterschiede, welche
die GHieUiaasenBelie Abschrift hier -nafweist. Der
Monolog Valentins schließt mit der Zeile: iint'
ich sie doch nicht Lägner beissen^'i die eben ange-
fUhrton vier Vers« Mlen noch. Nnn tretan Faast
nnd MepUstopheles auf; Faust beginnt:
„«ie foa dm Vflwter 4ec» im MuMw
Dar fieMa 4w «wgea Lanp« aafMtrtt UnoMdi".
nnd ebenso folgen, nur unwesentlich abweichend, die
aus der Aasgabe von 1808 bekannten Versa bis za
der Zeil«:
VVÄglaMe Nr. 1« im JUgtdm Ar die LÜtantar".
8. »U ■
„Ein biMgen Diebegeltttt ein biiagea Bammeler".
Während aber in der Anflgab« von 1808 Mephisto
fortfährt:
„So «pukt. mir •cfaon durch all« OlisdlT
Di« herrliche WalpQrjfisnüi-ht,
Diö Itummt unB übertnor({i'n wieder,
Va woiil man doch, warum man wacht",
während uns also eine Andeutung auf die Walporgis*
nacht TsriMNitet — dar Leier erinnert sfeh, dain
in der voUerdcter Dichtung die Valentinszene mit
allen ihren Teilen zwischen die Zwingerszene und die
Domszene eingeschaltet ist — folgen in der Gfich-
hausenschen Abschrift auf die 2^ile «Ein bissgen
Diebsgelflst ein bi^iügen üammeley" 28 Verse, welche
die Ausgabt von 180S am Ende der Szene „Wald
und HAhle" hat Die eisten dieser Verse sind:
„Nun friich dann xu! Da« ioi «ia Jaanner,
Ihr geht nach eure* (^iebgen« ffimiMir
AI« ({iiiRt ihr in <ifii Tü<U"
(..Nur fort! Es i»t L'in greller JütuiDer'.
Ihr aoUt ia «um Liebchena Kamiiier,
HkU etwa ia iw T«d>« -
lieet die Ausgabe von 1808);
die ScUussMilea sind:
Und hiemit ist der Inhalt der Szene eiMbIHpA: von
einem Ständehen Mephistos, einem Zusammenstofien
F&nsta mit Valentin lesen wir noch nichts. Aul
die UmgeataltUDg des Ftaaaa werden wir zurück»
kommen; znnÄchst Ist zn sagen, da.ss die .Abände-
rungen, -welche die Ausgabe von IHdS an der ge-
.schilderten Versreihe vorgenommen hat, wiederum
dii» weiseste Haft eiahalten. Urspriinglich schrid)
Goethe :
„VVat i*t die HimaeU Preod in ihren Aram
Da« darch erschättem, durch erwärmen?
Verdrftn^ ee dieae Seelen Noth.
Ha bin i«h nicht der Flflchtling, ÜTibfhauat«*' ■. w.
Dafür brachte die Ausgabe von 1808:
„Was i*t die Hinmeltfreud' in ihren Araaa?
Lus mieh aa ihrer Bruiit «rwarmen,
iHbr ich Bi«bt inmer ihre Noth?
na ieh der niehlUac »UM, «er UahtlHMiat«'' o. a. «,
Die kleinen Vorteile, welche die Stelle gewann, liegen
auf der Hand. aMaga schnell geschehn was muss
gescfaein* lesen wir in der GücMiaasenschen Ab-
schrift; „Was muss geschehn, mag's gleich geschehn!".
Steht in der Ausgabe von 1808. and diese form ist
die energischere, die Worte, welche den gewalt*
samen Entschluss bezeichnen, nunmehr den aushallen-
den Tnimpf der Hede bilden. In MeiihisUM Eirwi*
deraog war orspränglich das Wort ^hnnielt'' gei-
brauclit; das nachmals dafür eingesetzte ,.siedet" ist
der SchriflUpracbe vertrauter und wahrte doch ganz
die fBfiwdeite Toratollnog.
Neunzehnte Szene, G^tridi zwischen Faust
and Mephistopheles. In Fns», nie In dar Ausgabe
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»8
Dm lUga^ Ar «• Uttomtur 4m b. Amaaaim.
fioii 1808, in tatetorsr Mtf den Walpniffnachtstnnin
folgend ODd äberechrieben : ^Trüber Tap. Feld".
Die Aenderungen, welche Go«ithe &d etwa eiaem
Dutzend Stellen vom&hm, geben zumeist dem Oe-
danken mehr Nachtlnick uud Bestimmtheit, der
Sprache mehr Ton uud FliLä.wigkeit. Su wiederholte
die Ausgabe von 1808 das inhaltschwere Wort:
Dahin („Bis dahin! Dabin!'), B<^tzt« für .abge-
schmackte Frenden-' das zutreffendere ^abgeschmackte
Zerstrennogen", verbesserte „dem Umi^tüneDdcn" in
.dem Niederstürzenden". Vor„olIl gefiel vor mir hrrzn-
trotten ' stand ursprünglich „nächtlicher Weik", uiclit
„nächtlicher Weist '. Die Konjektur „Weile" liatte
Düntzer sii:li erlaubt, und sie wird nunmehr scheinbar
bestätigt; doch besteht kein zwingender Grund zu der
Annahme, dass Goethe nicht absichtlich „Weise" an die
Stelle setzte; guten Sinn geben beide Worte. Der Satz:
„Jammer! Jammer! von keiner Menschenseele zu
fassen, dass" u. s. w. schloss ursprünglich mit dem
Wort : „vor den Augen des Ewigen". Schöner, viel-
sagender ist das spätere: „vor den Augen des ewig
Verzeihenden". Mehrfache Ucbcrarbeitung erfuhr die
erste Uafere Widerrede des Mephistopheles. Sie
Isntflt in der GOehhaasenBchen Abschrift: „Gros
Hans! nun bist du wieder am Ende deines Witzes,
an dem Fleckgen, wo euch Herrn da» KdpljEen ttber^
schnappt Warnm machst dn Gem^sduflfc mit nns
[wenn du ni<-ht mit uns] answirthschafflen kannst.
Willst ftiegen and der Kopf wird dir schwindlich.
Eht drangen irir ans Är anf oder da [dich] nns?"
Der Vorwurf „Gros Hans", das höhnende ,.Kh!" waren
in diesem Zasammenliange nicht unpassend; einleuch-
tender ist dass die spfttere Fassnnf statt des „Köpf-
gens" den .,?;inn" überschnappen liisst und dass „aus-
wirthschafiten" einem (sie) ndarchfohren" Platz macben
mnsste.
Zwanzigste Szene, .^acItU Ofien Feld. Faust,
Mephistopliefes auf sdtwanen Pferden daher brav-
send". Kin gespenstisches Nachtbild, nach Vischers
höchst zutreffender Bezeichnung von ntranmartiger
GeaialitU*'; dar Test sürnnk W«rt ilr Wert mit
der 'Awiabe von 1808 IlbeMiii.
Einnndswauigste Ssese. Kerker, ffler, anf
den letzten Blättern, überrascht uns noch einmal die
Güchhansenscbe Abschrift: die Kerkerszene liegt in
Prosa VW ms. Das Oetippe der Oedaakeii mid Mo-
tive ist das nämliche wie in der fertigen Dichtung;
aber der Unterschied der Form ist der wirknngs-
Tolbte. Und svar sebaiit nlr, daH die Xerkersisne
in ungebundener Rede mit der Kerkerszene in Vers-
form sich nicht messen kann, dass jene tief anter
dieser stobt; ich venrag mit der Anstellt, weldier
Erich Schmidt das Wort leiht, nicht vf^Ilig ttberein-
sostintmeu. Schmidt bemerkt, der Leser werde beim
Vergleich «die kxdnende nod Terklftrende Eüiber»
maeht der reifta Kunst bewudem md nicht ein«n
Augenblick schwanken, anf welcher Seite, beim Jüng-
ling oder beim Manne, die reinere poetische Wirkung
liege* , dennoch, fügt er bei, werde niao den Jugend-
eotwurf, der schon „ein unvergleichliches Amalgam
von Zartheit und W\icht'' darstelle, „vielfach dem
kunstreichen Versgebäude an dramatischer Accentoa-
tion und ursprünglicher schlichter Natnrstärke über-
legen finden". Dieses „vielfach" zum Mindesten wird
bestreitbar sein. Der Vers, fährt E. Schmidt fort,
idealisiere, schmücke, mildere, verschleiere nicht nur,
sondern rufe auch bei dem gröBten Künstler durch
das Bedürfnis der Reime, möchten diese noch so nn-
gezwungen, wohltflnig nnd inhaltschwer strOmen, hie
und da Zutaten herbä, die als Füllsel empfanden
würden. Es kommt anf die Bdege an. Sdräridt er-
wähnt, Goethe habe die ergreifende Einfalt des Seuf-
zers „dein Kind" durch die ^Paraphrase" „War e«
nicht dir nnd mir gesdienkt?* „Terfldchtigr, habe
ferner dem herbeieilenden Mephistu „ein paar Sing«
spielverse" in den Mund gelegt Was den eratge*
nannt«! Fall betrifft, so wird man die sehfiehte Oe>
walt, welclie in der ursprünglichen Fassung liegt,
nicht verkenoeo. Die' Stelle lautet: Jdeine Matter
heb Iflh «ugebrachtl Mein Kind hab ick ertrftackt
Deb Kind! Hemridi!" Bnllr lean vir adt 1808:
„Meioe Mutter hab' kh gafSbiNaht
Mein Kind ha,V ich attiiaU.
War m ai«i>t dir wid mbt g su h ioktt
IKr nmIi — **
Kein Zweitel, jeuer Seufzer, zumal mit dem beige-
fügten Namensanruf ist zentnerschwer! Aber auch
die spütere Fassung hat ilire eigentümlichen Schön-
heittiu. Zunächst ist zu bemerken, dass dieser ganze
Gesprächsteil eine Cmbildnng erfahren hat, welche
von der Vertauschung der Proeaform mit dem Verse
nicht abhängig ist Die unmittelbar vorausgehende
Rede Margaretens lautet« ursprünglich: „Ich be-
greiffs nicht! Du? die Fesseln loa! Befreyst mich.
Wen befireyst dn? Weist dn's?* Im Texte der voll-
endeton Dicktoqg kaan wir:
„Und birt da'« dau? VwA Wut düF» «adi |««iei?
Dn machtt die F«m«Ib loi.
Nixuiui wi»dec mich uD ^^k^aUM sahMtf
ünd irrftt da dam, mtln Ttnoad, wm da MMH?"
Also ancli hier ist zu Sätzen gestreckt was nrsprüng*
lieh in konen BedaatOteii harrorbriokt Daa Ifal
der Gefühlsbewegung ist ein anderes geworden,
die Stimmung, aus welcher Margarete nachmals
spricht, Ist um dn wtaig» nk%^, aanflar, trahdur.
Eine Welle lindester Empfindung schmeichelt sich
an sie heran, und sie lässt sich von ihr tragen; aber
die bdaan Gedanken wnehen aod^ als sinne sie nach,
kommt ihr langsam die eine nnd andere Erinne-
rung, und indem sie die Frage steUi, wird ihr all-
miUteh der gaose Dmfang ihrer Schnld deutlich
bawnafc and «hiektiv. In diesem Ablauf einer Eni*
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wickdloug ist keia Glied m «ntbeliren, dje Form
des Ansdnickü bedingt sich gegenseitig, und nicht
um ein „kunstreiches Verageb&nde" handelt es
sich, sondern am ein« ndt Tolto n dlw Kanst durch-
gefiUirte Modulation der Stimmung:, i)"' Gemälde
der Henschenaeele, iu welche der Dichu»r luit dem
durchdringenden Auge eines Qottes geschant hat.
Es i -t ja aber auch dieser Thü flpr Szene wieder
uur im ^usammenhanf mit dem Uanzen zu fassen;
das Auf- und Abwoj^en wechselnder Stimmungen, die
leiseste Abstufung der Tüne vollzieht sieh durch-
aus nach GeaeUsen, an dmaa sich nichts rücken und
rütteln Ifisst, und die schmenlidM Klage „0, dass
dem Menschen nichts vollkommenee iritd" wHI vor
dieser Schöpfung v crstuiamen.
W«B Aber den zweiten von Erich Schmidt aus-
gesprochenen Tadel betriflk, «o hiii kh nodi «n-
gl&abiger. Die Verse:
MAnfl Od«r ihr i«d wIomb.
UobMmi g igw. Zand« und PUwtaB!
MaiM Pffcd* tduHidani,
Der Motgen d Ammert wai"
aullen ein paar Sin?spielverse sein. Höchstenü von
einem ganz äußerlichen Anklang kömit«) die Hede
sein; aber man sehe doch zu: Wie lautete denn ur-
sprünglich die Stelle? „Auf oder ihr seyd verlohren,
meine Pferde schaudern, der Morgen dämmert auf"
Also genau die nämlichen Worte, welche uns in der
Versredaktion wieder begegnen! Dass in der Aus-
gabe von 1808 in Venieilen abgesetzt wurde, was
ursprünglich in fortlaufender Zeile als scheinbare
PioM geecbrieben war, kann unmflgUch des Sing-
Spielcharakter hinzagebracht haben. Nun schaltet
allerdings die spätere Fassung noch einen Oedanken
ein, und ebendeshalb ergeben sich vier Verszeilen,
«tfle1>t steh Mch ein Reim; aber dea Reim verlangte
die vom Dichter gewählte Versart, und die ungedul-
dige, dr&Qgendak in der panfftHig der Worte den anf-
qnellenden TerdroM yemtende Mahnung: „Unnützen
Zagen, Zaudern und Plaudern!" ist der Situation so
gtnz aod gar angemessen, ist von der dramatiscben
Entwiekelung so unbedingt gefordert, dtts wir diaMii
Gedanken vermissen wiirden, wenn er nicht ansge-
sprochen w&re. „Grell xeichoet Goetbe die DmriaM
der dlmoniBdi dnnttlen Encbeiiuuig dee nr Efle
treibenden Mephistophele.«, die wie aus dein Abgrund
plStdich aa&teigt" — diesen Eindruck hat Friedrich
inaeher fon Ausgang der Siene empfangen, und
wahrlich, wenn Goethe sich hier auch nur um einen
ViertelMon vergrifen h&tte, Friedrich Vischers Ohr
bitte es nieht flberbSrt
Bevor wir den prosaischen Text der Kerker-
siene mit dem Texte der Aingsbe von 1808 weiter-
hte vwgMieben, sebrint es vmAmMIg n sdn, doe
F 'IjT- rnng: /.uriickzudrSng^en , welche jetzt schon gel-
tend gemacht werden ktonte. Wenn n&mlich die
Tenndaktlott in didtteriidMr vaä dnnntlbdMr Be-
lielnuif der iMweliMdkai Karkemene ttberl«fen ia^
80 werden diejenigen, weloh» der Versforra prin-
zipiell die höhere ästhetische Berechtigung zuschreiben,
einen sehr kräftigen praktischen beweis zu gewinnen
glauben. In der TiA traten die nntSrliolien Voiv
teile de.s Verses auch im gegenwärtigen Falle in
dentUchsteti Licht; aber eüien allgemeingültigen
Schluss, eine bindende tiieentiKhe Regel ahadeiten,
wäre doch übereilt.
Der Streit über den Wert des Verses im Drama
gegenüber der Prosaform hat in der deutschen lit-
teratnr, und nicht nur in der deutschen, wiederholt
geijpiült. Ab im vorigen Jahrhundert die Blüte der
deutschen Dichtung aas der Kaoepe iprang, als Les-
sing, Goethe und Schiller ihre ersten Dramen in
Prosa schrieben, bedeutetti der Daichbruch dieser
Form einen flieg der Wahrheit und Natürliciikeit«
eine Abwendung: von der st-eifen. gezierten und klap-
pomd-einförmigen Sprache der älteren Tragödie, in
Sonderheit vom Alexandriner. In Frankreich hatte
Diderot den wirksamsten Anstoß zum Emp^irkovnnen
der Prosa gegeben. Auch in noserui luiirhuu-
dert hat es an leidensdiaftlichen Verhandlungen
nicht gefehlt, und so oft erneuter Realismus
die liosung wird, läuft der dramatische Vers
Gefahr, in Acht und Bann zu geraten. Ks ist Am
Jambus, der heute als verbrauchte dramatische Form,
als ausgefahrenes Geleise verschrieen wird, und zu-
mal die scliwachen NachahmongeB Schillerscher Dra-
matik haben eine Abneigung gegen den Gebrauch
dieses Verses hervorgerufen. Der Umschlag, soweit
er Beachtung verdient, hat also wiederum in be>
stimiQteiD geiehicbtiichea Verhiltoissen seine Ur^
sadw. Wlbrend aber bei den Dichtem der Gegen-
wart ein Schwanken sich zeig^, ist die neuere
ästhetiiGbe Tbeofie fär den Ver« nachdrioklich ein-
getreten. Vbeber iodet Is der Andrildnig des
Jambus zum dramatischen Vi-rs „genialen Takt",
da der Charakter desselben der dramatischen Be-
wegung vorzüglich entspreche; yemiBchung mit Pmea
gesteht er dem hohen Drama zu, wenn difsf dazu
diene, eine grasae Wiiklichkeit durchbrechen zu
laawn, eder mm Kenisebes eingeeehoben "werde.
Nicht weniger günstig »iiricbt Eduard von Hartmann
vom füußiifiigea Jambus des englischen und deutschen
Drunas, and Mbr einslebtstran tet» was er, die Vor-
züge von Vers und Prosa gegen einander abwägend,
bemerkt: wibread in der Aoweoduog des Verses die
Gefahr Hege, in ein« minder gedrängte, schneidige,
bewegliche und charakteristische r>iktiun zu verfallen,
liege in der prosaischen Diktion die entgegengesetzte
G«hhr, aneb inhaltlich prowiKh, nflditem, ver-
standesmäßig, reflektiert und poesielos zu werden.
„Gerade die prosaische Diktion bietet den Vorteilt
Ton dem hSehsten Sehwnage dIthjrmmbiMdier
geisternng bi-s In nmter zur nUchternst«n Bemerkung
alle Abstufongen der Kedeweise unmerklich ineiu-
aader IberfHhrei zn können, ohne die Efadmlt der
Spndiftra n nnteibredieo. Dngagen legt ein ein«
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Dm
a« b. lud
mal gewlUlat TenmaS dem Dichter, wenn er es
darch das ^nze Drama festhalteii wUl, weit spflr-
barer« Beschränkangen anf, md wenn er ea wechseln
will, bringt es ihn in Gefahr, die Einheitlichkeit dos
formellea Oesammteindmckes za «tOren. Je gröfter
ond weiter die Skala der dareUanfbnen StininianKen
ist, desto störender macht die Fessel des Vers<^.< nich
für den Dichter epfirbar; anderereeiU aber gelangt
der DTehter, wenn er tndä -vm dfeeer PeiMi beflrdt,
leiclitcr dazu, aus der einhcitliclien rtrundstimmung
der Dichtung steUe&weise haraosaafaUeu.'"^) £b ist
liier am Ort, auf dto GeefelitqMiBkte UnniweiMii,
welche der Heriiiisgeber dieser Zeitschrift, Wolfj^ang
Eircbbach, geltend gemacht hat. Im Vorwort snr
swdten Avflafe eefnea Tranerspiels „Waiblinger"
bemerkt Kirolibach: ,.Wo nur irgend ein größerer
Znachaaerrauui ist, greift man zum Verse, damit
das Wert des Sebatu^elevs dentlicber veraonmeii
werde. Auch die besten Schausiiieler veniüigen nicht
diese ph^sikaUecben Tatsachen nmznstoßen, wenn
ti» Fron epredieiB. Ganz imwfllkttrlieli giÄen eie
der Prosa einen gemessenen ^^ rti i welcher sich
durchweg &na rhythmischen Elementen zoeanunen-
eetst Der Vero ist aar die bewoMl» nnd fewduilte
Anwendung die:«er Tatsache. Er zwingt nicht nur
an sich zu deutlicherer Aosspracbe, sondern die
regelnitif rlorthnisebe Bewegnng der SdiallwellMi,
welciie er hervorbringt, erleichtert rein physiologisch
das Hören. Dies ist physikalisches (iesetz. Der
Vera ist ein nstfiifidiea Spraehrehr. — Dem Dieliter
aber zwing't aus dem gleichen Gmndc der Vers ztir
größeren Energie und Plastik des Wortes. Denn
was mit giKlter DeatlkblNit den Olv tok Tanna«
den phy?!ikaliscli vernehmlich sein dm ninss auch
eine hohe geistige Deutlichkeit enthalten. Durch sie
wird das diebteriacbe Werte in der Tat erst poetitch."
Hiensu halte man eine andere Aetiftemnt? dfis nüm-
ücben Autors **) : .Darum bedienen die heiligen Veden
rieh dMt Tenmaßes, eines Rliytbnus, weil der
Rhythmus eine regelrechte Verteilung physikalischer
Kraft ist; weil jede augetfpannte Kraft, jede Kon-
zentration der Kraft .... sich rhythmisch äußert in
der Natur. Maschine arbeitet in einem Rhyth-
mus, jeder Kauer drischt iiu Ehythmus, jed«r Uaui
tralit in einem regelrechten Rhythmus, und wenn
wir nur auf der Straße j^ehen, suchen wir cüsf^rn
Schritt regelrecht zu verteileü, wodurch wir KralL
sparen und ziigleidi geiwinnen. Und genau so zwingt
den J,iederdichter. wenn alle seine Kräfte gesteigert
sind, die Not seines liebenden und erfüllten Kerzens
nun Rhythmus; genau so wird jede konzentrierte
energische Anschauung darstellender Einbildungskraft
nach einem Rhythmus trachten. So i.st denn der
Vers die wahre realistische Form der Dichtung,
weil die Natur aelbet in dieaer realistischen Form
«)Bd. T.
1887; & 766-767.
rhythmisch arbeitet und ihre Kraftteistungen be-
wältigt. Uoiera Eüeenbahnwagen rollen sammt ilireim
,Rea1ismi^ iv eiaein ganz regelmäßigen daktylisdien
Rhythmus auf ihren Schienen dahin ; der Rhythmus
ist die Form, in welcher sich die tftt^ge, wirkliche
Kraft darstent."
Sind diese Gedanken voller BeJichtung wert,
liast sich somit kü Gunsten des dramatischen Verses
el«e Ben» gewichtiger Orflnd» anffSlira, so darf
doch die Verteidigung de-s Verses, wenn sie konkrete
Fälle zu ihren Zwecken heranziebt, der Vorsicht
aieli nieht blieben. Bekaantlidi iMSitMii wir vtm
mehreren Dramen unserer großen Dichter eirn TV.
bearbeitong neben der Veraredaktion, nnd gerne wird
am der Tatsaehe, daas in die8«tt FIUmi ih rii?Üh
mische Fassung die ungleich wertvollere ist, auf die .
Minderwertigkeit dnr Prosa im Allgemeinen gb-
selilossen. Auch Ed. von Hartmam beriekt aidi,
allerdings i stimmte Werke zu nennen, anf
Ueberarbeiuuigeo von Dramea, welche zu eigenem
Gewinn die Prosaibrm mit dein Verae vertanseht
h itTrn Ooethe hat Iphigenie und Tasso in Prosa
begonnen, beiden Dramen aber rhythnüsche Form
gegeben, als sieh «Uirend nnd nadi der ftaUeDlaeben
Reise ein Umschwung in seinen KonstanschauTingen
vollaog. Auch das omgekehrte Verhältnis, aoch die
ünastnng ▼ob In Pteaa bat stettgnflndan:
Schillers Prosabearbeitung des Don Karlos folgte
auf das in Versen begonnene Stück. So leicht nun
der NaehwieiB fllH, daaa die prosaiache TfUge^
rli r prosaische Don Karlos an dichterischer Schön-
heit und Wirksamkeit hinter den rl^ythmiscben Be-
arbeltangea zarOdibldben, so sind diese Bdspiele
doch wenig geeignet, den prinzipiell hßheren Wert
des Verses au bestätigen. Denn die prosaische Fas-
frische Bestandteile, ja diese gehobene Prosa ist der
Rhythmik schon so sehr genähert, d&ss der ursprüng-
lidM Text, noeb ehe die Veiaradaktifln augnAhrt
war, mit versartig abgesetzten Zeilen gedruckt werden
konnte. Andererseits wurde die Proeabearbeitong
des Don Earlos aas loBerUcbai R ticksichten nnter-
nommen, um .unterfeordneter" Schauspieler willen,
welcUiiU der Vortrag jambischer Verse Schwierig-
keiten machte und einem PabBkum zuliebe, dessen
Ohr für den Vers nicht genügend gebildet war*);
dabei sclilichwi aus der rhythmischen Fassung her-
iber Vena and Versstücke sich ein, und das Ganaa
gewann eine ungleichartige, uneinhf iili ' • Form.
Hier wie dort ist also der Vers, die veisartige Dik-
tion in der Prosa gewissermaßen kteut, und dieae
Halbheit, fbVse Ungleichheit der Redeweise wirkt unbe-
I Iriedigend. Man versteht sehr wohl die Klage Korners,
> der mit Bezug anf eine AuffSbrnag des Don KarlOB
am Dresdener J he-iter dem Dichter schreibt: „Don
Kariös wird hier nach dem Maauscript gespielt, daas
, 8. 16« ff.
18. DWL 1181 ,
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No. Sl
Du ItagAxin für di« Littantar d«s tn- waA AariAndas.
331
du Bfllbrt im. Theator gesobra ItMt Da iraiat aber
damals zu nachgiebig und zerstörtet die Jamben,
Otowbwohl eriiebt sieb die Diktion über die Stofe
«tai«8 nicht metrbelieii Dialogt. Dl« sWrte mich
jetzt weit mehr als ehemals, da man nunmehr durch-
aus Jauben enrarteU* Unstmtig hat die Vers-
rediktioii der Iidugente den dieeem Drama dgeo-
tämlichen Geist nnd poetischen Duft erst ganz ent>
banden i wenn aber die ästhetische Theorie die Be-
deatang des Vetaea flr di« draatattseb« Cteltvag
iiutt'rsuchen will, so darf sie nicht Halbfertiges,
HaibdorchgebUdetes mit FerUgeiu und Ausgereiftem
▼ergleiciieii. Vidmelir mtaate flinsni nrft TvlkadiBter
rhythmischer Kanst geformtem Drama ein in Prosa
geschriebenes Drama, welches letztere doch die roUe
Liab« mid 8org€dt dea IHditan ftr di« SpradM,
die volle geistige Energie seines Schaffens erkennen
üed«, gegenübergestellt werdea. Vielleicht würde
utar diaaer Badiagaag daa Urtail aidit am elaer
allgemein bindenden Regel gelangen, sondern sich
mit der Weisheit des praktuchen Leben begnügen:
nEiw sddekt nicht fBr AUe", and das Oeheimnis
dar Kanst w&rde darin be<?tehen. dass der Dichter
den Takt bat, die seinem ütigeastande und dem Ton,
waichen er als Oraadton festgehalten wissen will,
entsprechende Form zu wAhlen, sei es die prüsaisthe,
j>ei es der Vers. Der Geist ist es, welcher den
Körper sich baut. Bd. V. Hiirtmann meint, auch die
mei.stinhafte.st« Pros« mache In einem draimitischen
Kunstwisrk. den ilimiruck eine» EnlwurlV's, einer vor-
läoilgen Bearbeitung, welche auf iiirt^ endgültige
Gestaltuiig noch warte ; es uiüchte aber !i .-'i höchst
fraglich sein, ob Jemand iiu üj-nste eiumül ^>^ewiinscht
hat, Scliillers Räuber möchten in Versen geschrieben
sein, ol) Jemand in diesem Stücke den Vers je ver-
niisst liat. Die unheimlich packende Wirkung der
„Nora"- Ibsens beruht zu nicht geringem Teile auf
der Prosa; indem die Personen dieses Stückes sich
der Redeweise unserer Gesellschaft unmittelbar be-
dienen, wird ans greller bewnsst, an welchen Ab-
gnünden die Zeit wandelt Auf solche Wirkungen
mit technischen Hittahi himnarbeiten, hat aber der
Dichter das Recht, denn er ist der Spiegel der Zeit
und der Mond dar Völker ; und sobald er mit künst-
lerischem Q«i«i« sein« Mittel gebraucht, ist der Vor-
chter" töricht.
Llttararisohe Neuigkeiten.
Alired frierttiiinn ffehört %a nnaeren fruchlKarit«n
ern, Ali Nuvolh»! und l'laudfrer, aber auch als
Lyriker h»t er »ich «ehon lüngat einen ^«»ctileUa Nameit
ecw w rbi a i Nu b t faitt «r Mcb mit einom Romiin: r,Zw\
Ihmß dm Bchi uy l alfc Sein Aateitt iat eia eebi glflck-
Iklier. Wie ZobdtitM .N«eae^)ewMid«, m Ut maA Min:
JEvai Eben" ein GeeeUeeliaflebild, aar dM* FViedmaiin lea-
llittieber nnd ptjchologinch vertiefter i«t «ie «ein genannter
Bnder in Apoll.
^ ^ejp EwaaaniiehdscfMiablanei, Bachj,b«ir<>hmtoBlIaiUia'
▼oll. Er eehildert die Ehen iweier Peare mit lo vieler
M«D«ehenkeantni«, eo vieler scharfer Beobachtons , eo wahrer
l'uMie , den durch dieae SchBpfun^ der Veruaier eeiuen
Beruf als RomandichteT dpullich und Toll^ltisf »rwienen bat.
Diene beiden Khepaare sind der Oekotioin Kritz Hart-
maaa und neic« flotte blrmde i'rwa Zerline timl der Oberet
Woroain vad «eine arhl.inke dankelaugiKe . em«l anfjele^
Oerda. Die beideu eriCerea lieben ticb anläa^lich irlBckbch
und keine gewaltä«ren Eigenechaiten ttOron das QlOck ihrer
jungen Ehe — b«ide sind keine vulkaniacheu Naturen — , die
letEteren ««td«M tm «iwb iilwmap nu ai H w a liw <» har,
— aber plOtalkib lata« ndh d*e KM, donsh tSuM hhub-
loee VerdAchtiganffen erl&brt Zerline, da«» ihr Mann vor
ihr, bezQgi. vor ihrer Ehe ecbon Andere geliebt habe, und
nun tHIbt tioh der Bhehiramel bedenklich. Sie macht ihm
VorwQrfe flir eeiae voreheliche Treuloeigkeit.
Mit feinem peycholo^trben Scharfblick tchildert uni
dur Dichter diese im Herzen dtr jun^fcn Frau erwachend*'
Eiteraucht — nach rflckw&rta, die allerdings nichU außarge-
wohnliche« iut. Die darau* entatehenden aeelieclum ver-
wickeloogeu und d:e Hchließlsch« IjAtiing der Probleme weiS
W (leidualU vonU^Iioh ?.n veranschaulichen.
Auch twischen (ierda and Fürat Woroniu «uupiunt «ich
auf dem QokMi dM «haliielMa LstatM tuk erbitterter Kanpl'.
bervorgeruCm «faiidi HhmnliaMiM ^«r «ntgegengeeeMaB
li4bMu- und WcltaiiKbaunng und EiferanchUnoaeB , ab«r
aMib hier wendet »ich achlieoTich Alle« zum Guten.
Besondere trefflich gelangen aind die Frauengestalten :
Zerline and Gerda. Nicht ta bat mir die kokettenhatte Ope-
rctletiiiltigpriii i,'>'f.Llteii, die «iob — odtie vemilufligen Grund
dem verheirateten Mann an den Hiils werlen will, ol<Hchon
die<er Kl« riemlich brOsk nufickweiit. So weit wir die Ope-
retUnoHnKerinnen kaUffi, pAagl ftwUmlich ds« OegiOtiil
der Fall ru suin.
Sämrntlicho oi^jen aof>jBfa88te Charaktere erwecken
unser lebhiUle« Interesae. Ea sind Menacben, durcbaus au«
dem Leben geanini, Ma Bcbw i SB uid Schalt—, dSMB naa
Stodiecetabentatt BMMdrt,
In 4md Robm kcMBrt «ta Adalbert tob Seedorf im, dtr
«iah bal Fktti HartOMUB aofhllt nad für dessen Frau •ehwtrmt.
ohne ee ihr je gMlehm. Da nicht da« «leade. „scfamutxige
Verhiltnis* sich «ntepinnt, ja, nicht einmal der Versuch
la einem solchen gemacht wird, iat die Fra^» berechtigt:
cni bono? Wae «oll dieae Figur? ... .\ch ja, er rettet
«chliRSlifh die Kinder der beiden Eben, indem er de aaf? dem
W^Kfer zifht — dass i»t j4 »ehr nett nnd der Mann verdient
gowiss eine I)enkiii*1n»e Hlr !<flb*B<rett.«ng — aber da/u be-
darfte es »einer niobt, d.ir« hlitte auch ein Schiffer tun k>">niien.
Diese kleine Aostteliung kann mich nicht davon ab-
halten . der Schöpfung Alired FriadmaBBi bmib« voUsie
Anerkennung zn loUen. Da iat etwa* nialur ab gaeehllli-
raUiige üntwhaltaiyimsiBtoi : da ist (MM, diebtanadw €ta-
eUltuDgikzah, UmaebMliachtang und «omalnna Spiadw
— Vanflgt, dia aioht alhu hSuÜ^ angetroffen werden. (A. K.)
Vaia kalllMlUeben Nactadriak deutsdier Geiateecf-
seugniaee lamtan wir durch Zofall ein Beispiel kennen, daa
sprechend wie wenige von der unglaublichen Unverfroraahait
sengt, mit der unsere Nachbarn die deutsche Littenittir .,«««•
iobucbten". Die .■Vmstetdamer Wochenschrift ..De I'orte-
ieuille" bringt in einer einzigen Natumcr — und noch dazu
in der ertteu des neuen , anders ausgestatteten J/ihrgangt,
wahrscheinlich ftl« ihrer ProHenummer — nicht weniger. «1«
drei lieitrü^c aus einür deut'chea Zeitschrift, dem „Kunit-
wart". Beim einen deneluen, „Uebar Saogbarkeit'' , iat wo-
nigstena „een medewerkar vaa da Knaatvait" al* VarCasaar
genannt. Dar await«, »Edaaid Grall Bbar IntenmaBtalmank*.
iH gaai tvWg dar OngiaalaofiiatE dea „Poitafaaiile" gegeben.
Dar dritte nad llagata ab«r, .Nonveaatea* tob F. Avenarioit
haiSt im Holl&ndiechen «S^ilea Kanktar* aad f. AfaaanBa
heißt im Holiandisehea .B. Bittaar Boa* — daaa ao kt dar
Nachdruck nntereeichnet.
Ein Dichter, auf dun wir nicht naohdrflcklich Kaang T«r-
wetMn knnneD. iat Poi da Hont, der wackere VorkSmpfer
tlAmi.'^cher Spra<'he, dessen Gedichte Heinrich Fteinmich
(Aoe Flacidern und Brabant, Epische« und Ljrrischea von Pol
de Ifont, Freibiir|< i. B., 1888, Adnlf Kiepert) zum Teil meister-
lieh verdeutücbt. kat. Dicbtungeu wi« die .Kinder der Man-
sshen*, „Nach der Weinlese* u. s. w. sollte jeder Deutsche
geleaen haben, der sich an den baiteii ScbSpfungen zeit-
' 'lar WaKUttmtur »rfranL
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83S
im Itt*
«ÖL n
9k
ol6iiu(&nmblogeiierrclben.
Bon
Dr. Cljr. $cinl*r.
8. biwt. 1,30 ».
'S»*
feine <3e2ieut«ni
fär tttifm Bftt.
am
Dr. C%f; l^mUv.
8. in4. 1«S0 92.
Oroan für D4<^nj* unb MriHf.
^rrouigfsebfn Don pml ^riinr.
(Hfi5 holbj-ihrit* 5 niarf.
Z>ic(t ifit nuiraitliT 8 !ia.\nm bcßc^oitf 3eitf4(i|t
nie teiiK «Am funOI VMifilc Mipfnat* —
tflrt 3>I4m Mm llsf, nt4 fiititt fvnn tMunfttmiittr
Xaltnit. Sal „3^tf(i« Di^ta^m" mtimt: 9t6id>tc, titto
ranfdie. 6is«Ta>l>if4c, a^idif^t, tM/fän uni lütctar«<)ifion|4i«
t(uf1ät}e, Jtiin^« unt eifltnbR« Saite, Offam 6vt«Maal,
Aorrcipnixnj k. k. nb MM fttam Ul l t l ltl to l l aQ^idUl
Aiin6 erla§ tinrl
ÖdcgmlKil, ibrt ftidittnfiiir Ji^vibunq 311 frprobftt. I8<i Nm
Bon bcT 9t(ba(tion (oeb<;t tiu'icr.tii itiiftfii „'jjttiJauljiHrrilKn"
öcmialttn Da» ^rtiändjtcran:! jiarl (%frot, j>irroniimniS üonn,
Drtiu ttmll gn Sdiänoldi-ßarolflKi. ttnifl 6on »llömbniil)
une ^ul tnn^, .v^trauegtlxt brt „S:cutidi. Ii(tiiftt)." aar
näbtrcn Oeftiminungni, bfrra gciurat^e Jltnntnie «n 6<mTtern
unniat^id), tnUiäit 'iit. 13 tam VIII. 3o^naug ocnaiintni
eioiM. Me auf fltaaM iMM bcr «EnitMtion ix«
„TmViitn 3>ii(«(i4dmr' fli »lU X luC lriffm in «Mtcn kfk.
Verlai VM
U. EblwiiMi Ii DrwMR.
Theorie und Praxis
der
Bibliotbftkwrssensehaft.
Qnuidlinica der
ArchirwisBenaehafL
Mit 6 Fom.
J. ü. Selzlnger.
22 Bogen. Lex.-8. broacb. 5 M.
.,I>ie im Bucha enthalUne
oncyklopRdi» ch fW innen-
« ch lif t « ku tni 1- '.VI.! iliüAb-
s t h n i 1 1 c ü Im r il i i-S 1- Ii r i 1 1 •
werke und IrJcuniien
müchen c« tilr U'dea iniex-
aMkni, der eine höhere wiiMn-
■ohftiUich« Bildung anstrabt.*'
Koiltr. tau, Mt.
" '*^" " (tragt iSbifiit n40, SoTtitmt unb Briefmappe, fobann »icle ISnf)'
tung.« tHefcOc ttinit fSbifi«
24 SRolKll. un» 28 Unttr--
t)o(tu!ifl».iWiimmcm mit 2H iPci:
bliilKiit, (o bafi ctinc Untrr
b:tJ.iiinq rcittlniüßig ioüdiciulirti
ciiK-9iiutiuitr crfilicinl (f. Cefltt-
itiiii Uiinnin ^cr Sitmpclftciift
tixacn aüc 14 iag« rin« lopprl»
Stummer). £ieaM»t>en 'i^aimmcrn
fuib tct ..Stoteinselr gleid),
_ WMIt mit i^rait SatoOe Hs
iSbifiA'^itr nOO lUttbmigen fammt ttft
an» mtifx bietei att 'trgeat (in onbere« WtCenblatt.
3äl)ili(6 12 eeilaflfn geben an SAnitlmuftem jut
CWb^nfcittnur.ii Str t*ttr^cr^>be für !Dttmen unb
Wiber nie iJ' irjuidi: übetbaupl genügcnb für
ben au8nebcl|n!c)irn Cttarf. — lo« UntrrbaIfjnqS=
blatt bringt außcr'Jiowlltn, citieniDidtcuigrti ,^c;i[Urton
U^•.^ '!8ri:*m i:^rr f.i? qi-'tri j-,fj(!''!li.l ! l'tlim in f'fn
Icri'* auSgefübtte ^Uuftralionen iirb an SRobni
cnMii) iiodi j^Dlornbet: jäljilid) über .'>0 Ülrtttel iiiit
ülxi lÄtlbil^l^ngfn, 12 groB« farbige Üiot^nbilber,
8 jLir;i'.i;,( aiufKiblciUtt 'li: tilüftlenfclie .^aiiDorbeifeit
u^^ H lirttü^^'lättei mit fifleii ^niifftfltioittn, |o Soft
bie 3al)l ber Icptcitn an aOlKi icbitidl binontcdjt.
Kein anDeiee lUuftrirtt« tlUitt üb((|^up(, inneibalb
ober augrrbolb £«utfd|Iattbl, toim nur entfernt bicle
^abl aufnofen; bobd bctril^ btr »icrtcliäfrrltdie
■tinmiMlif>wtl «MC n. iJM. — tk .9(o6c
VbI^ mh dbtt Jtnbfmi' Mngt angcrbtiB jattTiii
ntK^ 40 groge farbige gtobenbilbet , olfe jübilict
68 befonbcte Beigaben, unb tofict bierutjährli«^
3R. 4,2& (in Oeftciieiiti-Ungatn natb Sour«).
StbomtementC »aben jeberieit angenommen bei
aütn «^udttwnbtMngen unb 'ßofianftaltcn. — 'ifrobe
ni;;iii:i:nt L|iail« miD fraiKO tiiiTd) t\( if riHfitUMi,
«ic;i :i SS, 'tiotflbamct emiit 98. £iieu l, CpetU'
•Jii:;wi'.::;i.i;a
Verla« »Ml
1^ i888.fMf4. 4ii-. lO-ftar.
liilir fei» icl^c».
Si« tloaoBc^cfaf.
Ben
gr.8. 1888. InM. 801., gA. 109L
DEUTSCHE POST.
lilustrirtt HalbmonatMehrlfl Tiir die Oeuttohen alltr Umiar.
VaretniUatt daa AUgamaiata DaaUchen Sobalrtniai
IMT liMtBi« daa DentaoiitliiHi ii
(oa. Moaa MiiaiM«).
Cbefredaktenr: JaMat Enil FraMiarr VM
Dm ilulg. d«al«ib.MM<Mi*to VMilUmiblaM. OriglaalMMkftaMiB
'"nn ■'aiS J * rff w £it''*?i yi B w &£^^
■«BMM, MoTtllM, MMM*. «Um. HUuMIm «• tartkaMH
XaaMlw ua 8«hrlftnall«r Ah !»• Aa«lM>4M awkifl tm
Imtor, riMrU tn IMiattott, r<ll> Mi, Ktan, Entt bkitita,
■irl lall rnaiN, Jtlln tniM, labwt tiBfrliij, altrMrai« Ura,
r. I. ItWMtr, Itni« fM WINMtnil, Kriti Hlikirl n. «. KIkm
BMlahlmUtt« an all.a Ortaa im Krd» , fKi.ucb. in (tOimth
Aaiahl «ohnaa, Jada Mamaar Am DmtMiMn Paat aatlAlt atsaa
iu eiasigt Ulutrirta ud du
lipattorsan dantadiar Spraaha, dahar
laa Inaertianaoivaii fllr alle ludaatrien,
w«l«h« Abaali Im Aulude anehen.
Nimp.-Zeila «0 Pf.
AljuuunaiMi ia 1lNMNna\ Omanalali-Uatan axi BnMUad
t Marli rttiMUaMMk, tm aMgM AuUs«. t,M Mar«. Scliiri>ar«lai
■IlflMar arhalM« ata TacalMaiianb. fak DaotKhUad und r <.,'^iT..i u-
Uaaan tat aar • Baril, ia Aubaaa tti aai • Mark aan
Virlai tu IMiMiMi M MilMH MmImM iOm
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eradmiMk \m Bn db JAKino, der Hanptatadt Braailienü,
wOdMnllid] ein« bia swelnttl.
mm DES III. JAUKGAKGBS: 1. Joli 1888.
Diese ZeituchriJt hat sich dunh dii» A ii«hr<>itnn(r
ihrus Lt'surkrpisea über dii^ mit l!r.i»ilifii haiHlr' 1 1 rduTnIiMi
Lümli r <'.(!D Ran>f eineh iiiterrnitinn.ilcn Orifiui« i-ru nlien.
A!= ^iilch>nfi lieiert sif ri'i;''l:"il»''i!?'- "nii siiicrkiinnt. zu
verlüi.aji^'' Hericbta Obi-r iU«> wirt^olmfllicbi', I ii.iii/ii'lii'.
konimeriieüc , j'^litiscbe und soxiale LiiBc de» «Od-
iini>'n>am»> bull Kiu«erreicba und «einar Proriozttn oder
Tailfk ainiM Mar 4m inlMMiUMMlM Baria hoMfi tum
b r \ ..rbAUniaae iai drtat dto Mläii^^dmH.
liir sUei 4to ■ItBnMlItoMTtrMBiMMfM Matofw
„RIO-POST"
die einz!K<' ^ urharidciir nichfre
und fort Ihu I t-iiilo I II for ui AtioriMquelle.
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57» Jahrgang.
Dresden, den 38. Juli 1888.
— i>il>i ^
Nr ji.
DAS MAGAZIN
FÜR
LITTERATUR DES
DIE
IN- UND AUSLANDES.
WOCHENSCHRIFT DER WELTLI TTERATUR.
HanniBBlMr: Wollh;Mic Klichbadi ia DtMdan.
Hrschcint jeden Sonnabend. — Prel« 4 Mark victteljihrlich. BeMellungen wtrdrn von
jeder Huthbiuidluoi;, jedem Poslamt (No. jj89 der Fottzcitancilisle) sowie vom Verlage des „Maguin" in UiL-sdco-N. eotgcgengcnoinmen.
■It SS Pf, IBr äu «iHgnpahiH Moapnfllk'ZailB
All* Recht« vorbehalten. Unbefugter Nachdruck wird auf Ornnd der Oeaetse und Veririge verfolgt.
t: Eugen von Jagow: „L'Immortel". Richard Welt rieh: „Goethes Faust in der Göch-
hauscnschcn Ahsclirift." (Fortsctzunt;.) - Alberto Maioli: „Luigi Albcrti." OttoKämmcI: „Leo
Toistoj als Kricgsdarstcllcr in seinem Roman »Krieg und Frieden**.' (Schluß.) — Therese Höpfner:
i^Pkul Patoff by F. Marion Crawford/' — Littetariache Neui^Kiten.
L'ImmorteL*)
Moenrt Parisiennes vun Alphons« Daudet
Bceprochcn von Eugen vod Jagow.
Wt jedem neuen Roman (Pariser Sitten) Daudeta
verschwindet das, was man welch' ein altmodischer
Begriff! früher Fabel nannte. In Sappho war noch
eine Fabel zu erkennen, von der sich die Haupt-
cbaraktere deutlich abhoben. Diesmal handelt es
sich nur um eine Stttenschilderung des Lebens der
vierzig Un^tci I '.ichur. und jener Pailleronschen „Welt,
die sich langweilt" und die Akademie in ihren Dunst-
kreis hflBt. Aber warum dann flberiiaui>t diese ent-
fernt an den alten Roman erinnernde Form?
Ich bin nicht engherzig. Was kümmert es mich,
ob die Forin der Obcriicferung entspricht, wofern sie
nur etwas kanstlerisch Geifbares liefert, wie etwa
„Sappho**. Aber „Immortel" bedeutet eine völlige Auf-
lösunj^ je^^lichcr Form, und wenn ich das unheimliche
Bild „Gehirnerweichung" hier nicht aufkommen lasse,
so geschieht es nur deshalb nicht, weil das Werk, das
den Eindruck einer fieberhaft entworfenen Umrißteich-
nungl macht, voller Geist, voll menschenkennerischer
Feinheiten ist, durch flüchtig gezeichnete, aber geniale
Charakterzüge, durch einen glücklichen, bilderreichen
Stil and durch einen geflüfigen, natflrlk>hen Witz
jjlänzt Aber ist d.-is alk-.s, was man von dem ersten
oder wenigstens von einem der ersten Romandichter
Frankreichs verlangen darf? Ist dies akademische Jahr-
markutrdbcn, welches uns Daudet vorführt, wirklich
vidnMhr,ab der duich einen genialenDidÜertittenrisch
verberrUchte Klatsdi derEmpfangwSkr Bleibt diese
*) Pute, M AlphoaM Lamm.
Studie, diese iCcrrbildncrei nicht ganz an der Ober-
fläche? Mag man von der Akademie denken, was
man will, ma^,' man die Sucht, ihr anzugehören, nicht
viel höher achten, als die nach Orden und Titeln, mag
man die Kameradenwirtschaft und Verzopfung die-
ses heute recht üherflü.ssijjen Instiliitos auch noch so
scharf verurteilen, es bleibt ihm doch immerhin ein
gewisser Inhalt. N'cst pas savant, qui venti möchte
ich sa^. Ein eiserner Bestand von Wissen und
ernstem Streben ist in dieser erlauchten, etwas lang-
weiligen und kalilhäui)ti|i;en Versammlung immerhin
angehäuft, und du- menschlichsten und — unmensch-
lichsten Schwächen derselben können es nicht recht-
fertigen, daß Daudet aus ihr ein Gcnossenversammlung
von 40 akademischen Tartarins de Tarascon madit.
Diese letztere Bemerkung veranlaflt mich gleich
jetzt zu einer anderen, für die ich im folgenden viel-
leicht keine Gelegenheit mehr habe. So sehr ich
auch finde, daß Daudet in mancher Beziehung seit
Fromont jeune et Risler *\ni besonders als Stilist
und Sittenmaler Fortschritte gemacht hat, die von
ihm immer iiu lir lu folyten Grimdsätze der naturalisti-
schen Schule tühren auch ihn zur Verquickung der
verschiedensten Kun s tgatt u ngen. Immortel ist —
um auf dieses Werk anzusprechen im Grunde
genommen eine Satirc, ja, zuweilen eine so ausge-
sprochene Karikatur, daß es den Flicgcntlen Blättern
nicht zur Unehre gereichen würde — und doch er-
hebt es den Anspruch darauf, als eine ernste Sitten-
Schilderung des Pariser Lebens angesehen zu werden.
Und in der That ist vieles so treu, .so charakteristisch
wiedergegeben, daß man es bewundem, aber diese
urtetlslose Verquickung mit dem satirischen Elemente
um so mehr bedauern und als stillos beseichDen muß.
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47«
Nr. 31
Daudet bildet sich ein, mit winem „Schlüssel-
romane" — einem Romane mit beinahe vierzig
„Schlüsseln'"! die ..vt'i'itt.' vraic" zu Lnil
doch braucht man nur die mehr als dürftige Fabel
Sil bctrachlcn , um sich wa flbenevgeii, daß es mit
jener naturalistischen ..v^'ritd vraic" eine eigene hv-
wandlnii hat. Der Held des Werkes ein kläglicher
Held, was natürlich an sich kein Fehler ist endet
durch Selbstmord in den Fluten der Seine, haupt-
«Idilieh deshalb, wdl sich herausstellt, daß seine
ko^^fb.iren, Karl V und anderen bedeutenden Persön-
lichkeiten zugeschncbcncu Handschriften i^efälscht sind
und dafi der große Mann sich betrügen ließ. Nehmen
w mua die ente, beste Geschichte der Akademie
2ttr Hand, welche bekanntlich von Richelieu gegründet
wurde und folt^ücli ein recht ansehnliches Alter be-
sitzt. Wo findet sich da ein Selbstmord eines Aka-
demikers.' — In überaus vereinzelten Fällen! Gerade
die Median, die exalcte Wissensciuft, auf welche sich
die neue litterarische Schule Frankreichs so viel zu
Gute thüt, erweist durch statistische Antraben, daß der
Selbstmord bei l>ejalirtcn Personen selten ist, wie denn
dne andere Statistik feststellt, daß die Afitglieder der
Akademie meist^ bejahrte Herren sind Mithin w.'ihlt
Daudet einen Ausnahmefall. Lim denseUjen gewisser-
maßen als Hintergrund für sein allgemein gültiges
Bild der Körperschaft aufzustellen. Das ist weder
geschickt, noch — vom gesetdichen Standpunkte
seiner Schule aus btrarhiet — zu rechtfertigen.
Aber freilich liebt es jene ju ssimistisch angehauchte
Richtung, in ihren Werken die Ausnahme für die
Regel zu geben und darin tritt Daudet nur in die
Fußstapfcn Zolas.
Es ist übrigens mit dem si,i<;ennnnten Schlüssel-
roman ein eigen Ding. Für die meisten Leser und
leider auch fOr viele Beurteiler bestellt sein Hauptreiz,
ähnlich wie vor einein Bildnis im Empfangssaal, in der
kindlichen Freude des Wiedererkennens. „Dieser
Daudet ist ein W'undcrmann: Renan, Dumas und et-
liche andere sind so vortrefTlich aufgenommen, als wären
sie photographiert. Welch ein Wiindermann dieser
Daudet!" AhiT w.is \vi!l das bedeuten' Von einem
Dichter, wie Daudet, darf man doch wohl annehmen,
daß er nicht nur zur Befriedigung der Klatschsucht
oder seines Hasses — seine Gegner werfen ihm näm-
lich vor, er riche sich dafür, daß man ihm die Thö-
ren der .Akademie verschlossen habe! daß er nicht
nur für die Gegenwart schreibt, sondern auf eine
bedingte Unsterblicldeeit rechnet. Und da liegt die
Fragi- t'.:;he v,t;I • rri Werk noch litterarischen Wert ;
haben oder auch nur .^nziehun<j;skrart ausüben, wenn
Seine Vorbilder tot sind? Ich fürchte, daß dies
nur in einem gelingen Grade der Fall sein wird.
Die genaue Abfichrtft der Wirklichkeit — insoweit von
Genauit^keit ülnrhaupt die Rede sein kann! kann
doch nur den Zweck iiaben, den Gestalten eme grö-
ßere Wahrheit zu geben, als dies der sclbstbildneri-
scbenEinbildungskraft des Dichters möglich sein würde.
Eine gewisse Schule hält diese Art und Weise des Ar-
beitens tür eine conihtui sine qua non di r künstleri-
schen Wahrheit. Ich selbst habe dieser Auffassung
lange gehuldigt und will sie an dieser SteUe auch
keineswe^ la widerlegen radien. Aber eines ist doch
klar: diese Form der künsderischen Her\'orbringung
ist mir ein, beiläufig bemerkt, frapwurdifjes Mittel zu
dem Zweck, eine starke Illusion des wirldichcn Le-
bens, des äußerlichen und seelischen, su eneugen.
Sobald sich der Leser aber mir für das Mittel in-
teressiert, so i.st eben der Zweck des Werkes verfehlt,
und letzteres fürchte ich eben gerade für das Daudet-
sche. Es wird keines der ,, unsterblichen" sein.
Und doch birgt es, wie schon erwälmt, Vortreff-
liches. Dieser alte Asticr-Rdhn, Mitglied der Aka-
demie, Daudets Unsterblichkettsmuster, Harpagon ge-
gen seine Familie, Verschwender in seiner Lieb-
h.iberei fTir altertümliche und seliene Handscfiriften,
ist geistreich eiUwoden, aber von vertiefter Charak-
teristik in der Art Balzacs ist nicht die Rede. Die
allgemeine SittenschikleraDg und die Malerei nehoiMi
allzuviel Raum weg, und Daudet giebt selten melir
ab 350- 400 Druckseiten in dem bekannten Format
Nicht minder anziehend gezeichnet ist die Gattin
des „Unsterblichen", welche mich an das Goethesdie
Wori erinnert. ,,es ^ieht keinen großen Mann vor dem
Kammerdiener I" Noch weniger vor der Fraul könnte
man hinzusetzen. Frau Astier weiß sehr gut, dafi der
Kopf ihres vielbewunderten Gatten nur eine taube Nuß
ist, aber sie trägt geschickt dazu bei, ihm eine Um-
rahmung zu ^eben, mi Weltton des akademischen Em-
pfangssaalcs für ihre Zwecke Anbänger zu machen, zu
rankesQchtebi und die um ihre und ihres Gatten Ffir-
spräche werbenden Kandidaten der Unsterblichkeit
an der Nase hcrunuulühren. Aber sie geht in einer
änischen Liebe für ihren liedarlicben Sohn auf. Um
den verscbwendertscben Neigungen des jungen B«n-
kfinstlers zu fröhnen, stiehlt sie dem Gatten — in
einer Meisterszene, beüäuRy bemerkt seine kost-
barsten liandsdiriltcn und treibt diesen kaltherzig zum
Selbstmord, während sie sich vom Sohne fast miß-
handeln läßt. Auch dieser ist eine eigenartig be-
zeichnende Gestalt. Er macht der verwitweten Prin-
zessin t.Oli'tte de Rosen, einer Hekannten des Lesers
aus den „Königen im Exil", den Hof, welche seine
Mutter, eine Ehevermittlerin ersten Ranges, mit dnem
anderen verkuppelt , zu spät erfah.rend, daß Sie des
viulgelicbtcn Sohnes Pläne durchkreuzt hat.
Diese unbedeutende Fabd giebt der Feder des em^
pfindsamen Daudet den Vorwand zu den köstlichsten
Skizzen. Die alüualiliche Verwandlung der Witwen-
trauer in eine rein herkömmliclic. die Fahrt der Prin-
: Zessin mit dem GeUebtcn nach dem Fire I Jirhaim lur
' BekrSnrang des Gattengrabes , ist — mit einer bei-
I nahe grausamen Naturwahrlu-it liöchst chaiakte-
ristisch, aber leider, leider viel zu flüchtig.
Doch darf man darüber mit dem Dichter nidit
rechten; seine Kunstlehre legt den) Hauptton darauf,
daß die Aulicnscite der Dmge scharf beobachtet wird.
Nur hier und da dringt Daudet tiefer. Einen Begriff
von dieser Sittenscbilderei zu geben, ist nur durch An-
ziehen von besonders merkwürdigen Stellen möglich.
Welche den Kulturgeschichtstorscher mindestens eben-
so sehr anmuten werden, wie den litterarischen Fein-
sdunedcer
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Nr. 31
Das Maeazin fBf iHa Littwilu im la- md AmlMtd«!.
479
Victorien Sardon erklärt in der Vorrc^de zu sei-
ner „Patric", daß er stets eine große Verehrung für
die Frau gehabt habe, weil sie hochherziger sei, als
der Mann. Daudet dagegen ist Menscheaverächter
und als solcher beurteilt er Evbs Tfichter etwas weni-
ger pünsti^. Wer weiser denkt, ilarühcr kann wohl
kaum »'in Zweifel sein. ,, Übrigens keine Gcwi&äcns-
1: , schreibt der Verfasser von seiner Heldin,
welcbc »oeben die Uandscbriftenschätie ibics Gatten
gestohlen tmd verailbert hat: „nicht onmal der lei-
SLstf N.ichjjeschmack der begangenen , schlechten
Handlung; die Frau kennt dergleichen nicht Ganz
und gar der Augeobliclealaune sich fiberlassend, sind
ihre Aupcn so umschrHnkt , daß sie nicht um sich
blicken kann und ihr jene Nachdenküchkcilen er-
spart werde n, iTiit welchen der Mann sciiK entschei-
denden Handlungen belastet."
Der Beginn ctes fitnften Kapitels könnte dem Buche
als Wahlspruch dienen. „Sei vorsichtig , lieher Bru-
der — ich k«;nnc jenen Streich, von dem Du mir
schreibst, das ist der Schtepperstreich ... Im Grunde
genommen fühlen sich die guten Leute fertig und
unter der Kuppet ihres Institutes verschimmeln sie —
die Akadi'tTiie ist ein sich verlierentler fli-schmack,
ein entmodeter Ehrgeiz. Ihr Erfolg ist nur ein schein-
barer. In der That erwartet die iierühnite Gesell-
schaft ihre Kunden nicht mehr bei sich, steigt in
die Straße und sucht sicli notdürftig zu ergänzen.
Allenthalben, in der (ie.se;i->clKilt, in den Malerwerk-
stätten, in den Bucltbaiullungen , in den Wandelgän-
gen des Schatdiauses, in allen litterarisdiea und
künstlerischen Kreisen findet niai» den akademi.schen
Schlepper, welcher den aulknospenden jungen Ta-
lenten zulächelt : „die Akademie hat Sie im Auge,
junger Mann I" Wenn der Ruf schon da ist, wenn der
Veifasser, wie Du, bei seinem dritten oder vierten
Buche ist , so ist die Eiii!adun^' tiocli unverblümter:
„denken Sic an uns, mein Lieber, jetzt ist es Zeit"
oder noch roher mit einem «ohlwollenden Scherz-
wort: ^st es denn wahrhaftig wahr, daß Sie nicht
einer der Unseren sein wollen? Der Schlcpper-
streich macht sich auch — nur mehr durch die Blume,
nur zarter — mit dem Weltmann, Übersetzer des Ariost
und Fabrikant von Gesellschaftsstücken: „Ei, eil —
sa^en Sie mal! Sie wissen doch, daß ." l'nd
wenn der Gcsellschaitsincnsch sich wegen seiner
UnwSldigkeit, seiner unbedeutenden Person und
Leistung wehrt, rückt der Scbleipper mit der üblichen
Redensart heraus: „Die Akademie ist ein Empfangs-
saall" Großer Gott, was hat diese Redensart: „Die
Akademie ist ein Empfangs&aal, — sie nimmt nicht
nur das Werk, sondern, ai^ den Menschen auf* oft
herhalten müssen' Indessen ist es der Schicppcr, welcher
aufgenommen, umschnicichcli wird und bei allen Gast-
mählem, bei allen Festen zugegen ist. Er wird zum
Schmarotzer, den alle von ihm erweckten und sorg-
sam genährten Hoffnungen vergöttern.'*
T lochst tiroUig ist die Schilderung des Besuc hes,
welchen einer der Unsterblichkeitsbewerber dem
alten Astier nacht, um ihn um seine Fürsprache zu
bitten Die Gattin ctnpnin^'l ihn, nachdem sie sich
von ihrem Gatten in aller Eile hat sagen lassen,
was in dem Buche ihres Rfsnrhers stehe, mit der
stehenden Redensart: „ich bin entzückt, icli iiabe
die ganze Nacht mit dem Lesen Ihres schönen
I Werkes verbracht." Der auf diese Weise Umschaiei-
I chette ist so glückselig, daß er ihr, der Gattin seines
rheina1i;:^'en ..hochverehrten" Lehrers, sofort zehn-
tausend Franks borgt, um dann überrascht
von den Genossinnen der Dame zu hören, daß auch
sie die ganie Nacht vor Entzücken nicht haben
schlafen k&nnen.
Daudet fiiiirt uns in den akademischen Empt'angs-
saal mit seinem Klatsch, seinen äi>elen Nachreden, sei-
nen Rinken, sdnen Zoten. Man sieht die alten Herren
in ihrer krassesten Selbstsucht, für ihre Günstünf^c
auf den Tod des Gc iinssi n rechnend und heuchlerische
Worte des Btnkncis uii Munde, man bewundert sie
als Nebenbttliler in den Liebesabenteuern eines buck-
ligen Buchbinders tmd in greisenhafter Sinnlichkeit
um die Beinschwünge einer Tln/erin i-inen so rngen
Kreis bildend, daß den Damen der Gesellschaft die
Aussicht auf jenes mcricwtinlige akademische Schau-
spiel von den Unritte ritchen völlig verschlossen wird.
Man sieht die Mit^jUeder, welche das Rotwälsch der
Akademie in drei Kla.ssen teilt, nämlich ui die der
Ducs (Adlige und Ceistiiclie), Petsdeloup (Professoren
und Gelehitis) und Csbotins (Advokaten , Schriftsteller)
im vollen Heiligenscheine ihrer Habsucht sich um die
geringsten Summen unter einander pöbelhalt zanken
und gar einen Duc im Zweispänner vorfahren, um
wegen zehn ]*"i,inks aufzubegehren
Doch mau lese ^clbbt das Bucii, das gelesen zu
werden verdient, und urteile selbst, ob der Dichter
nicht allzu willkOrlich nur die Schattenseiten der
Akademie berficksichtigt hat und ob in Manne,
wi K her tlen traurigen Mut des Selbstmordes besitzt,
nicht etwas mehr steckt, als ein Daudetsciwr Aka-
demiker.
Goethes Faust
in der Göchhausenschen Abschrift*)
Vm RlckarJ Wcltrich.
(FortMUang.)
Halbfertig, eine nicht völlig aulgetragene Frucht
ist nun auch die Kerkerszene, wie sie in der Göch-
hausenschen Abschrift uns vorliegt. Ja, ^^erade dieser
Abschnitt der Dichtung belehrt uns eindringlichst, mit
welchem Ahfistab ehi nteht geringer TeB des neuauf-
gcf'jndcnen Textes ifcmcsscn sein will Streckenweise
und ivogar iiu gatucn citizchicf Szenen erkennen wir
vollendete Arbeit, sei es, daß der Dichter der in ihm
wogenden Gedankenwelt im ersten Zeugen die fUr
immer gültige Gestalt gab, sei es, dafl seuie inneren
Gellüde einen Niedersclda^ fanden, welcher der
nachmaligen Fassung gegenüber eine ältere und als
soldie cu Recht bestehende Entwieklungssdüdite der
*j Vgl. Nr. 21 de» „Maijaiin» füt Oic LilUiitui", S. 327.
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Nr. 31
Faustdichtung bedeutet. Daneben aber begegnen uns
Swnen wie SenenabMiinitte, welche weder in unbe-
dingtcm noch in bedingtem Sinne als fertig gelten
können, welche vielmehr recht eigentlich, wenn auch
in sehr verschiedenem Grade, Entwurf, Skizze, Kon-
■ept sind. Ich rede hier nicht von den Lücken des
Planes, sondern von der Ausführung des Enuelnen,
von der tcxtliclien Gestaltung. Mjir) darf gewiß nicht
vergessen, daß gar manches, was vom Standpunkt
der beilt^eo Sprache aus als abänderungsbedürftig
erscheinen möchte, Goethes Jugendstil, jugendliche
Eigenart und Gewöhnung, auch» Dichtersprache der
Zeit ist und somit Lcbrnsrcchl hnt. daß e s nicht nur
ein kleinliches, sondern auch ein ganz ungcschicht-
lidies Verfahren wAre, daran xa mikeln; in eineeio'
hcitüche Sprachfarbc i?t nüc; y;ftniu-hf, was in der
Straßburgcr und l-rankfurttr Pcnodc von prusaischcn
und poetischen Schriften, von Briefen zumal dem
atüraienden Titan entquoll, und wenn es begreiflich
Ist, daß das vollendete Drama in semem hoben Stil
imd Geist dir Beseitigung überwuchernder Provinzia-
lismen, mundartlicher oder der Sprache des gemeinen
Volkes entlehnter Redewendungen vcriailgte, SO durfte
doch die Faustdichtung der Jahre 1773— 177s »ch
ihrer bedienen. Aber um diese Dinge handelt es
sich hier nicht, sondern vielmehr um Stellen, welchen
die restlose Wiedergabc des Gedankens in der
Sprache, die mangellose Ausprl^ung der dichterischen
Anschanunp, die natürliche Ausgestaltung des Ge-
dankens noch abgeht, Satzstücke, Ausdrücke, Verse
von dieser Beschaffenheit sind uns auf dem lang« n
Wege, weichen wir seither zurückgelegt haben, in
ehter Reihe von Szenen atrfgestoßen und ihr Vor-
handensein '•'''^ Vnrlaf:c der Cörh-
hauscnschen Abschrift als von emcm noch im Werden
begriffenen oder doch dem Flusse des Entstehens
noch nicht völlig entsogenen, ab von einem zur Ver-
öffentlichung noch nicht gereiften Werke zu reden.
Der Juf^'endstil Goethes hat eine in ihrer Art vall-
konuncnc und mustergültige Ausdruck.swcise erzeugt,
man denke nur an den Werther oder an den ersten
Götz von Berlichingen. Auf dieser Stufe aber steht
der Faust der Göchhausenschcn Abschrift im t^miii n
und ganzen nicht. Der Dicrhter wußte wohl, warum
er die in den Jahren 1773 — 1775 geformten Szenen
dem Druck vorenthielt. Als Drama war auch der
Faust von ijgo noch unfertig', ja, er war in [gewisser
Bezichimg nuch unvullbtanüiger, ab die an das Fräu-
lein von Göchhausen gegebene Abschrift; aber die
Szenen, welche Goethe 1790 drucken liei^ waren doch
samt und sonders sprachlieh ausgereift. Das ist bei
flem Fau.st der Göchhausenschen Abschrift, mit Aus-
nahme einzelner Stücke, noch nicht der Fall. Auch
das größte dichterische Genie findet nicht Ol jedem
Augenblick die dem inneren Schauen ganz und gar
gemSße Form des sprachlichen Ausdrucks, und in-
dem die flüchtige Stunde der Zeuj^un^ notij^>t, daß
das Wesentliche geschehe, daß der Verlauf der dich-
terischen Inspiration ungehemmt einem Garnen das
I.cbcn gebe, hat der Geist nicht Zeit, heim Einzelnen
zu verweilen. Den Guß zu remigen, die kleinen Un-
ebenheiten, twekfae xurOclegebUebensind, aussuglitten,
ist eine zweite Arbeit, und diese letztere war an der
Vorlage der GAchhausensdien Abschrift nodi nicht
i durchweg vollzogen. Rokanntlich hat Goethe im
I lukhsten Alter zu Eckeimann geäußert: „Der Faust
: entstand mit meinem Werther, ich brachte ihn im
i Jahre 1 773 mit nach Weimar. Ich hatte ihn auf Post-
I papier geschrieben und nichts davon gestridien; denn
ich hiitete mich, eine Zeile niederzuschreiben, die
nicht gut war und die nicht bestehen konnte." Diese
Äußerung läßt sich mit den Thatsachen nicht wohl
vereinigen, und entweder hat Eckermann die Worte
Goethes ungenau wiedergegeben, oder Goethes Er-
innerung haftete an denjenigen Szenen, an welchen
auch die spätere Ausgestaltung des Werkes kaum
etwas zu verbesaem fand. D^ es aber mit dem
Ganzen sich nicht so verhielt, da»; erweist ja die nim-
mehr veröffentlichte Aiischriit de» ursprünglichen
Textes; die kleinen Änderungen, welche Goethe bei
Herausgabe des „Fragmentes" für nötig erachtete,
zahlen nach hunderten, und Ausdrucke, wie „mit
Himmels Mann"", „Ach kristlich so gesinnt" 11. s. w.
waren eben „nicht gut", „konnten nicht bestehen".
In ihnen verrät sich die Spur erster Nicdcrsdaift
mitsamt den natürlichen Mftngeln einer solchen.
Wir haben die Kerkemene des urq)rÜngUchen
Textes eine halbfertige Dicbtong genannt Sie at
CS schon deshalb, weil sie vielfach zum Vers ansetzt,
ohne ihn durchzulühren, weil sie ein Gemenge von
Prosa und Vers giebt. Ganze Sätze, ganze Zdlen
wiederholte die rhythmische Fassung ohne die ge-
rmgste Veränderung ihres Silbenbestandes und ihrer
Wortfolge, t)ei andern blieb der Wortlaut nicht
völlig der nämliche, wohl aber die SUbenzahl, der
Silbenfall, der Wechsel von Hebung imd Seidcung
des Tone.s Tlier wird man freilich unterscheiden
müssen: Satze wie lolgende: „Wo üt er! Ich hab
ihn rufen hören!' „Ich herze Dich mit tausend-
facher Glut" konnten zufällig in den Verstakt gefaßt
haben, ja die letztere Stelle hört sich entschieden
als Prosa an, sobald man mithört, was ihr unmittel-
bar vorausgeht und nachfolgt: „Folge mir, ich herze
dich mit tausendfacher Glut. Nur folge mir", lautet
das Ganze, und dies ist Frosarede. Aber andern
Beispielen jj< nüber wird die Annahme einer zu-
fälligen und 1,'anii äußerlichen Cbereinsiunmung schon
schwieriger: Die Stellen: „Wehl Wehl sie kommen.
Bittrer TodtP* — „Es falk midi lingst verwohnter
Schauer" (nachmals: „Mich faßt ein langst entwöhn-
ter ücliaucr") — „Auf! — Dein Zagen zögert den
Todt heran!" (nachmals: „Fort! Dein Zagen zögert
den Tod heran") sind von Ursprung an von einer
rhythmischen Bewegung durchdrängen, welche vers-
artig ist und vom Ohr als solche empfunden wird.
Noch bestimmter und überzeugender spricht sich
<fieses Veridltnia in nachstellenden mien aqa:
GldihaiiMMdM iUw^rilt Aiii|ilw vna lUS.
Mnter. MMf*r«ie.
„Meine Mutter h«b ich tomge- „Mtinc Matter h*V ich amcc-
br»cht ' Mein Kind hab ich , bracht,
crbänckt" i Miin Kind hab' ich ertTlala."..
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481
MargT. I Margtrctc.
„DahiMusl Nicht um die Wtlt. . Da hlnau«?
I<t das Grab draus, komm.. FauM.
Laac-rt dtr ToJi : kumm. Von | V'f^
luci in"» ewige Ruhe Mett weiter M«rg»rete.
■icht «intn ScMtt." 1^; 'U* Grab draaß,
I.Muri i!er Tod, lo komm!
Voi; hii-r Uli twn;c Kuhebell
Und wciicr kelDcn Schrill — '
kWIimi iHt mr dctt 9ag vorbei '.
0> aitit mrinc Mattet «uf einem
Stein,
Bi Mt mkli kill beia Schöpfet
D« tHM mlMMaitttr nli
,»WlNB wte anr 4ca Bcig vmtcy,
dsiiiit meine MoHcraaftioca
Sie «la«ktaicbl el««!«!!!
miekc, iht Kopr t«t thr
•cbweef.'*
Margr.
„E» inckl 1)1 iLili-ni N'ack<;
Und wndtdl mH den Kefife;
Sie wlikt nkhb *le ntckt «idN. ihr
Kvpf tu Um- sdmer.*' .
, Schrill 71u~Vt n.Tl !( Jf(lt:in N-i:k'j:i
Sdilltfedi« nach meinem xockt r . Di« ÖchJUre, die nach meinem
j ifcitt.»
Diese Stellen bedurften in der That nur des
Absetzens in Vcrszcilcn, um auch dem Leser als
förmliche Verse oder doch als szenische Bestandteile,
welche vom Rbythmiu gebundener Rede durchaus
beherrscht sind, sichtbar tu werden. Aber auch da,
wo die iir'^jirün^'Iicbf Fassung dem Gedanken oder
Ausdruck nach mit der späteren sich wciii^'er di ckt,
erkennt man, daß die Empfindung den Dichter von
Anfang an aus der Proai unmerklich in die Versform
hinübntirSngte. „Ich bin so hmg, so iung, und war
schön und Iiin ein armes iunges Madien", sagt Mar-
garete, und das ist Prosarede. Wenn sie aber fort-
Tahrt : „Sich nur einmal die Shanen an, sieh nur ein-
mal die Krön", so tragen uns schon wieder Wellen
des Verses. Desgleichen bricht versartiger Rhythmus
hindurch in den als Prosa ^jeschncbenen Satzi-n:
„Wische sie ab ich bitte Dich! £s ist Blut dran —
Stecke den Degen ehil Mein Kopf ist verrückt*'
und in mehreren and m.
Der Nachweis, daß die ursprüngliche Kerkerszene
in viden Bestandteilen eine Art Scheinj<r<>sa enthält,
dGrftie hiermit erbracht sein. Sie bietet so wenig wie
die prosaische Iphigenie oder der pfosaiscbe Don
Karlos ein reines Beispiel dramatischer Prosa, und
wie bei der Iphigenie und dem Tasso die besondere
innere Veranlagung der Dichtung zu der Versform
hindrängte, so hat auch ihren geistigen Gehalt und
Duft erst der Vers su voller künstlerisch-sinnlicher
Erscheinung gebracht.
Der Mangel der Ausgestaltung der dicbtcrischcn
Motive verrSt die „prosaisdie** Kericersfcne tunSchst
in s^cwissen sprachlichen Unvollkommenhcitcn. Faitst
tritt an die Kerkcrthürc mit den Worten: ,,Es falSt
mich lan^,'st verwohnter Schainr Inneres Grauen
der Menscbiieit. Hierl Hierl — Auf I — Dein Zagen
tigert den Todt hennt** Man fühlt ja wohl, das
Abgebrochene, Stockende dieser Worte hat auch
seine Bedeutung, Fausts innere Bcklüiiunenhcit, der
Widerstreit der Empfindungen malt sich in dieser
Redeweise. Aber der unanagebildete Sstz .inneres
Grauen der Mensdihdt." wird damit nicht cntschul-
dii;t, und wenn es recht eigentlich die Aufgabe der
Poesie ist, das Innere nach aulkn zu kehren, wenn
der Mensch mit den Lippen des Dichters „sagen"
knnn und sapcn soll, ,,was er leidet", so ist es doch
ein Zuviel von Gedanken und Erlebniisen, was sich
hier hinter Gedankenstrichen verbirgt. Zwischen
„hierl'' und „aufl" spielt in der Seele ein Vorgang
sich ab, eine Bewegung des Empfindens findet statt
und es macht den Kindruck des allzu Knappen, des
Dürftigen, wenn dic'ien Übergang eine Redepause
vertritt vnä Xiq^ich die sehr verschiedenartigen Ge-
mütsregungen, «dche durch jene Worte beieichnet
werden, nadietnander durch ein ansgestoßenes Wort,
in der Form dt-s Ausrufs sich kundj^eben Im Fol-
genden bricht Faust bei der Jammerrede der Ärm-
sten, die sich vor ihn hinwSlzt, in die Worte aus:
„Sie verirrt und ich vermags nicht". Hier bleibt es
wiederum' bei einer Andeutung, die Höhe der Leiden-
schaft will aber mehr Derartige Einzelheiten haben
symptomatische Bedeutung, sie sind Kennseichen
ßlr den skizsenhaften Chnäkter der „pros a fa c h e n**
Kcrkcrszenc. Erst die rh>'thmische Fas.srmg h.it die
leiseren Übergänge, die seelischen Obcflone, die
Fülle des ganzen Lebens herangearbeitet; der ur-
sprüngliche Text gleicht einem Bilde, zu welchem
der Maler die Umrisse auf <Ke Leinwand geworfen
hat, die Zeichnung ist markig, ist mit kräftigster
Hand gefuhrt, aber die feinere Modellierung, die
Füllung der Fliehen, die Verteilung de: Lichter und
der Schatten, die Farbe selbst, weiche den Gestalten
die Blutwirme giebt, dies alles steckt noch in den
Anfängen. Es ist aber nicht so sehr diese oder jene
Redewendung als Einzelheit, welche eine unbefrie-
digende dichterische Ausgestaltung der Szene er-
kennen läßt, sondern die Verknüpfung der Wecbsel-
reden zu einem Ganzen, das Gesamtgefüge. Der
Verlauf unserer Untcnuidtung wild hiörfDr 4fie Be-
lege ergeben.
Am 5. Vbi 1798 schreibt Goethe an Schiller:
„Meinen Faust habe ich um ein gutes weiter gebracht.
Das alte noch vorrätige buchst conluse Manuscript
ist abgeschrieben und die Teile sind in abgesonder-
ten Lagen, nach den Nummern eines atisfOhrlichen
Sehemas hinter dnander gelegt ; nun kann ich jeden
Augenblick der Stimmung nutzen, um einzelne Teile
weiter auszuführen und das ganze früher oder später
zusammenzustellen. — Ein sehr sonderbarer Fall er-
scheint dabei: Einige tragische Szenen waren in
Prosa geschrieben, sie sind durch ihre Natürlichkeit
und Stärktr, in Verhältnis gegen das andere, ganz
unerträglich. Ich suche sie deswegen gegenwärtig in
Räme zu bringen^ da denn die IdM, wie dnrdi einen
Flor durchscheint, die tmmitfelhare Wirkung des un-
geheuren Stoffes aber gedäinplt wird." Ohne Zweifel
gehört die Kerkerszene zu denjenigen Szenen, von
welchen Goethe hier bricht. Jetzt, da ihre prosaische
Fassung uns vorfiegt, vermftgen wir den Bndniek,
welchen der Dichter empfand, uns zu wiederholen.
Und es ist nicht anders die jirosaische Kerkerszene
wirkt erschütternd, aber so, daß das Entsetzliche uns
erdrückt Die ästbetischie Empfindung, welche jedes
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482
Das Mafuiii für di« Litl«mar de» In- «ad AuilMde«.
Nr. 31
Kttitttwcrk, welche auch die herbste Traßik m uns
hervorrufen soll, kann nicbt aufkommen bei dieser
ObeifuUe von Grauen, welche ihre Schatrenwolken
auf onserc Scdc herabsankt. Das sind Janimorlaute,
die an allen unsern Ncrveata>>ern zerren, das ist ein
Bild von mensdilichem Elend und erbarmungslos den
Menschen zertretendem Schicksal, bei welchem zu
verweilen in der That „unerträglich" wird. Es ist ja
nicht die Absicht des Dichters, ins Ciicllc, ins Häß-
liche zu zeichnen ; und dennoch, bei dieser Nacktheit
mafilosen Leides haben wir eine fibnliche EmpfHidui^
wie etwa hei dor Statue des j;eschundenen Bartolo-
mäuä im MaUandct' Dom. In einer solchen Wirkung
aber besteht nicht das Höchste der Kunst, so sehr
wir den Künstler bewundem mdgen. Auch die Ker-
kersaene in Versen etadiüttert uns im Tiefsten, auch
bei ihr faßt „der Menschheit ganzer J.imnicr" uns
an; aber die Empfindung des Fürchlcilichcu wird
gemildert durch die lindernden Mittel der Kunst,
bdem wir durah ein Thal der Schrecken wandeln,
reicht uns die lichte Gestalt höchster SdiOnheit die
hitfriricfu- Hand. Dif tiagLschen Geschicke bleiben
die nämlichen wie zuvor; das Gemälde des tiefsten ,
Elends ist seinem stofflichen Bestand nach nicht ver-
ändert ; aber wir sehen die Dinge durch ein Medium, |
das wie ein verklärender Goldton sich über sie legt, I
durch einen Schleier, welcher eine Schoniinj^ unserer
Augen bedeutet. Und in der That^hc, daß die
Ktmst eine soldie Summe von Grauen ai überwin-
den, geistig genießbar zu machen vermag, empfangen
wir die eine Bürgschaft, daß die Barbarei des Erdcn-
lelntiis itberwältigt wird durch den menschlichen Geist,
daß Geist, Liebe und Schönheit gleich den Strahlen
dner besseren Welt das Irdisdie durchleuditen.
Etwas Idealisierendes, von der Herrschaft des
Schreckens Befreiendes, etwas \Vohkhut:ndc:s liegt
schon in dem Wohllaut der Sprache, welcher hier
ausgegossen ist Eine Musik der Worte schlägt an
unser Ohr, wie sie in der deutschen Sprache und
vielleicht in keiner Sprache der Welt zum zweiten
Mole erklungen ist, eine Musik der Sprache, welche
mit aller ScMichtheit und Natürlichkeit den höchsten i
Grad von Schönheit, von Beseelung verbindet. Wenn
„der Menschheit j^anzer Jammer" uns aus dieser
.Szene entgegenschreit , so vernehmen wir zuf^'leich
auch die süßesten Stimmen der Liebe. Und wie j
bedadit ist der Vers, der Reim, alle weicheren Em- '
pfindungen, jeden ITerzensl.iut der Treue, der Hin-
gebung, des wehmütigen Ermnerns an vergangenes
Glück in die Sprache zu locken I Dort, in der pro-
saischen Ssene, volUieht sich der Ausdruck der Ge-
fühle in kurzen StSfien, die Sprache verstummt und
in hartem Cber^ani; folgen wechselnde Affekte; hier,
in der rhythmischen P'assung, tont jeder Pulsschlag ]
der Kinptmdung in seiner Fülle aus, und der Rhyth- 1
mus des Verses trSgt den Atem der Seele. Hier ist 1
nichts von äußerlicher Zuthat , nichts von Füllsel, '
nichts von Schmuck; der Vers wird zur natürlichen :
Sprache der Leidenschaft, er ist die Form seilet, 1
hl der die leisesten und innersten ^Bewegungen des I
Seelenlchrtis .sich vollziehen
Eine Vergicichung der Einzelheiten beider Texte
ist gerade in dieser Hin.sicht höchst lehrreich; die
vorliegende Abliandlung würde jedoch zu «nem
Buche anschwellen, wenn sie auf Hnidentungen sich
nicht beschränken wollte. Begaflgen wir uns also
mit ein paar Beispielen I
In der Göehihaoaensdien Absdnilt lesen wir:
H^igct (dar lidi n ihr Uswirik)
Cictgca!
Margr. (die ildi mftebt)
Wo lit <rr Icft Im* IIb nkn bBrenr n mrCtctscnf Kr liaf
adrt Wft bt er) 4sicb mll <Irs Hnlm «m1 Zalwldiyiwi
•fknu ich Um. er mit »It; Gfrtgrnl (Sich vor ihn oiadHwwited)
MaMlf Ibnn' CIcli mir ihn ichnlT mir ihn' Wo ist tri'
Kauac (crfafit «ie «rjUand om den HiJa)
Meine Ltetal Meise Ualiet
Margr.
(»inkt ihr llaapt in Minen Sehoos vcibcrKcnd).
K«utt
Auf meine l.ichcf r>cin Mörder wird Dein BafraTar. Anfi
~ (Kr »chlieCl über ihrer UetHabang die Ann KcOa sof) KaiHM,
wir entgehen dem tchröcklichcn Schicktaal."
Dafür setzte die Ausgabe von 1808;
,, Kaust (wirft sich nieder).
Bin Uclteaiier Uegl Dir in Fflikn,
Margarete ".virli m-h 7u ilim).
ü laß uns knien, die itcil'gcn anxurufcnl
Sich! iiri;<;r ilirten ^^nlfan,
llnitt 'Itr Schwell«
Sioicl r.lc HOIkl
Dce HoM-,
Mit ru[clit'>nn.m GriHHia,
Macht ein Getöse!
Kaast (taut).
Orctclicn! Crelchen!
Matgaccte (aufmerksam).
Dm war des Freundes Stimme!
(Sic springt auf; die Ketten fallen ab.)
Wo ist er? ich hab' ihn rufen hören.
Ich bin fri-i' Mir soll NicoMMMl wehten.
An s<in<r. Il:ils will ich fli«|ta»
An seinem Husen liegen!
Er rief Oretchen' Er Mainl .^uf <icr Schwelle
Mitten durchs Heulen und Klappen der HSIIe,
Durch den grimmigen, teuflischen hlohn
Erkannt' ich den tOfien, den Uebendea Ton.
FSD*t
Ich bha'al
Margoiota.
Da hiat'sl 'O Mg e« noch einmal t
(Ihn fassend.)
Kr ist's! Er isr's! WoMa ist alo Qsal»
Wuhln die Angst des Kctlctr«) Dar KattaB}
Du bist 's! Komnat. mich n reUent
Ich bin gerettcti — ScboD l*t die StTiga iriadar da.
Auf der ich dich inMi entco Mala sah,
Und der heitei« Garten,
Wo ich sad Marthc deiner Marien
Kaust (foitstrebcnd).
KoBm mlU Korn «dtl
Margatat«.
O «ailal
Weil' ich doch m gnii. «o da «wikit.
(liahhaaaad.)
Fanst
Wi.ni-. Ju nicht eilest,
Werden wit's Ibcttcx bttüen mttuen."
üigiiizeü by GoOglc
483
Es ist in Kürze kaum zu sagen, in welchem
Grade und in wicvulin Stücken dieser Abschnitt
durch die Überarbeitung gewonnen hat Der Ein-
druck, weldien Gietdien von Pausts Ersetteinen em-
pfangt, die Verändrnin^' , wekhp in ihrem Sef^len-
zustand sich vollzieht, ist ungleich reicher entwickelt ,
die Empfindungsübergänge sind von ihrem Werden
■n bloi^elegt und jeder Affekt lädt in seinem ganzen
natQrticlien Umfang, in votler StSrke sich aus. Faust
schlit ßi die Ketten der Unglücklicln n .nuf; tnit leisem
Wort hat er zu ihr gesprochen, und von Mitleid er-
schüttert wirft er zu ihren Füßen sich nieder. Sic
erkennt ihn nicht, sie mißversteht seine Gcbcrdc;
aus HinbrQten und Selbstvergessenheit, aus dem
Dämmcrieben ihrer Traume jahüngs auffjeschrcckt,
fühlt sie die grausame Berührung der Wirklichkeit,
und alle Ängste des Todes weiden Ober sie Herr.
Die entsetzlichsten Frinnemnpshilder jagen durch ihre
Seele, wie Blutstropfen des Htiisens brechen rührende
Klagen von ihren Lippen; auch die Marter des Ge-
wissens wacht weder auf, tuid als drohten die finste-
ren Gewalten der Hölle die Anne noch einmal nach
ihr auszustrecken, wirft ;>ie in heißem Flehen zu den
Himmlischen sich iu Boden. Eine Spur dieser Angst-
vontellung enthält auch der pro-saische Text; aber
nur undeutlich und oacbtrtalicb bringt sie der Aus-
druck „ach durch all dts Heulen und Zihnk1ap>pen"
zur Geltung. Xun ruft F.iust 7Utn ersten Male mit
lauter Stimme den Namen „Gretchcn"; sie wird
„aufmerksam", sie erkennt sogleich ,,des Freundes
Stimme", aber bevor der Erguß der dadurch erweck-
ten Empfindung ihr vom Herzen stürzt, tritt eine
flüchtige l'nusc ein, dieselbe Pause, in welche das
Aufspringen, das Abwerfen der Kette filllt, und dieses
Zdtteilcliens bedarf die Verstörte, um das ungeahnte
Ereignis zu fassen, um des Wechsels der I>ingc sich
bewußt zu wi:rdcn. Jetzt aber bricht der Sturm des
Jubels durch die geöffneten Pforten und ein Strom
der Rede b^leitet ihn^ in dessen g^en den Ausgang
tu immer mehr jagenden und anschwellenden Rhyth-
men der Stumpfste der Stumpfen die steigende Hoch-
flut leidenschaftlichen Glücksgefuhls, leidenschaftlicher
Freiheitaenipfindung heiau^ört Die Prosa kommt
dieser Bewegung nicht nach und überstürst sich
schließlich in gewaltsamem Anlauf. Dabei ist es nur
zu loben, daß die ursprünjj liehe Anrede: ,,Mannl
Mannl Gieb mir ihn!" u. s. w. weggefallen ist: nach-
dem Gfetdien einmal die Stimme des Gdiebten er-
kannt hat, ist e<! nicht mehr wohl möj^lich, daß sie
den vor ihr liegenden geradezu mit dem Henker
verwechselt oder als einen Fremden anspricht. Die
eigentümliche geistige Verfassung, in welcher Grct-
clien sich befindet, ist überhaupt von der iliytbmi-
schcn Kerkerszene fnlgerichtij^er j;ezeichnet. Das
Helldunkel des ßevvul.Häcms, in welchem sie lebt,
bedingt es, daß sie von den Übergängen aus ver-
wonener zu lichterer Erkenntnis sidi nicht Recben-
sdudt gicbt, dafl sie Ober ihr eigenes Denken und
seine verschlungenen Pfade nicht denkt. Wenn sie
aber in der prosaischen Ssene auf Fausts Zuruf:
„Ich bin^a, komm ndf * erwidert: „Ich begreiffs nicht",
•o tbut sie einett Schritt «us dieser Unbewußtbeit,
I atts einem Zustand, in welchem ganz allein das un-
mittelbare Gefühlslehen ihr die Richtung gicbt, her-
aus. — Nehmen wir aber den Faden der Unter-
sucbong wieder «of I „Des Freundes Stnnme" hat
auf Gretchen die mächtigste Wirkung geübt; aber
freilich, seine Wiederkehr, seine Gegenwart, das ist
ein so ungeheurer, ein so plötzlicher Umschwung,
daß die Seele sidi an ihn erst gewöhnen roufi.
Höchstes GKicfc, welches den Menschen mit der
Schnelle des Blitzes überrascht, will geglaubt sein,
will gewissermaßen mit geistigen Händen gegriffen
sein; so sdimiegt sich die Zitternde an Faust mit
den Worten; „Du bist 's! O sag es noch einmal I**
und er.st indem sie selbst wieder und wieder die Be-
stätigung sich zu Gehör spricht, kehrt die Ruhe hol-
der GewüUicit in sie ein, wiegt sie sich auf dem
Gipfel der Seligkeit Dieser Zug Fehlt im prosmschen
Texte durchaus: di" Frage: ,, Heinrich, bist du's?"
welche die Prosa an späterer Stelle einschaltet, ist
von ganz anderer Bedeutung, ist mißtrauische Rede
des zweifelnden Verstandes und bat an der entspre-
chenden Stelle des rhythmischen Textes ebi Gegen-
stück , freilich kein völlig gleichartiges : denn die
Worte: „Und bist du's denn? Und bist du'i auch
gewiß?" sind mehr in träumerischem Tone gespro-
chen, und wie sie einer Wendung des Gespricfaes
angehören , gemSfi wetctMT Gfetdien dem tum Han-
deln dringlicher mahnenden Faust gegenüber wieder
in sich selbst zurücksinkt, so nimmt ihnen auch der
Wegfall des Namensanrufs und der Wegfall der hier
ursprünglich folgenden Rede: „Ich begreiffs nicht"
den Charakter des sachlich Prüfenden, des Skejiti-
schen. ■ Aber noch in anderer Hinsicht ist das
Gretchen des prosaischen Textes ärmer : das Wieder-
aufsteigen der liebHcbsten Erinnerungen fehlt ihr.
Auch dieser seelische Vorgang ist Notwendigkeit, ist
so natürlich als rührend: die Geister unscliuldigen
Frohmuts kil.ren auf einen Augenblick wieder, die
nämlichen, welche in den Tagen junger Liebe Gret-
chen umKhwebten ; so ffiefirä ans Gegenwart und
Vergangenheit die Gedankenbahnen zusammen, die
Bilder der ersten Begegnung mit dem Geliebten wa-
chen auf, und das von weichster Milde durchhauchte
Wort „O weile!" ist ein Flehen, welches das reine
GlQck des Gedenkens und das trügerische Geschenk
der Stunde zugleich festhalten möchte. — Jetzt erst
hat eine seelische Entwickeluog ihren voUen Ablauf
gefunden, jetzt erst hat ein in sich gesddosaener
Kreis V(-r F-r^pfindungen atisgetönt. Wie dürftig,
wie unzulänglich ist der Gesamtheit dieser Verse
gegenüber die Prosa! Das „wütend" der szenarischen
Anweisung, als Wort so recht ein Merkmal des Genie-
stils, bleibt an den Pforten der aus tiefster Menschen-
kenntnis geschöpften Tragik dieser Szene ; erst die
rhythmische Bearbcitimg hat das Fortissimo dichte-
rischer Empfindung in die Rede selbst übergefOhrt
und dabei doch jedes Stoffliche ve^eistigt
(FCttHlIlUl« folgt.;
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48*
Dis MagBiin für dir LiUetstur des In- und AHsUadct.
Nr. 31
liuigi AlbextiL — Contro corrente.
Fircnze. — Mariane Ricci. — 1888.
Selten lese ich die neuesten Bücher in ziervolien
Etzevir-Ausgaben und jene sogenanolsn fittenritdien
ZL-itschriftcn, dk' allwöchentlich tO slICD TcUcit Italiens
das Licht der Welt erblicken.
Diesmal aber Mn ich von meiner Gewohnheit
ahf^pwichon, und warum diesmal? Erstens weil das
Buch, von dem ich sprechen will, kein F.lzcvir ist
ohne beleidigende Absicht gegen den geneigten
Leser sei's gesagt — sodann weil die verschiedenen
Stücke, die das Bücldein biMen, vom wahren
galant uomo Herrn Alberti geschrieben sind.
Und wenn ich das auch nicht gesagt hätte, würde
der erfahrene Leser es doch aus jeder Seite des
Buches herausfilblen. Ja das ist einer der größeren
Vorzüge, insofern die darin enthaltenen Stflcke gar
mannigfaltig an Form und Tnlialf sind, und das Buch
auf den ersten Blick etwa wenig anziehend oder gar
— Verzeihui^l ~ schlüpfrig scheinen könnte.
Und doch findet sich in ihm keiner dieser beiden
Fehler, im Gegenteil, die Ehrenhaftigkeit der darin
dargelegten Grundsätze und die meisterhafte Hand-
habung der toskanischen Sprache üben auf den Geist
des Lesers einen dauera<ten Reis aus. Doch, ob-
wohl ich ihm versichere, daß er das ganze Buch von
Anfang bis zu Ende mit Vergnügen lesen wird, will
ich einige Mängel nicht verhehlen, die er in den
prosaischen Stücken finden wird, wie etwa einige zu
lang gezogene, mit Satzseichen und Einsifhaltungen
tiespickte Satzgcbilde (S. 79, 97 u. a.), einige weniger
gut als die andern gelungenen Skizzen, und xwar
nicht wegen der Form, die stets gewfthlt und sprach-
gerecht erscheint, sondern vielmehr wegen des darin
entwickelten Grundsatzes (z. B. i fiori, S. 85 — qi. u. a.)
Doch das sind kli-inc Flfckcn, du: in F.izcug-
nissen jeder Art unvermeidlich sind, und wenn es
sidi mn Icflnstlerische Beurteflong handelt, dringt
sich da«! ?;iib;ektivf Element, nv.ch wider Wunsch
und Willen, stets lisnein und niei.steit ... nach
eigenem Ermessen. Wie dem auch sei, gewiß
scheint mir, daß die Gedichte weit höher als die
prosaischen StOdee stehen, in ihnen offienhart sich
und glänzt ohne Unterbrechung der ixietische Schw ung,
der in unserem Verfasser aus einer geistreichen
Einbildungskraft und einer durdi die Klassiker fein
gebildeten Seele entspringt.
Ich kann nicht sagen, daß mir die Selbstschil-
derung, die uns der Verfasser im Eingang des Buches
gicbt, besonders gefallt ; vielleicht weil schon andere,
höher angelq^ Geister uns in dem SelbsttiUdnis
vollkommen befriedigt haben, daf^ wir wenig besseres
hoffen und erwarten, vielleicht auch, weil andere
Gedichte dieses Buches uns weit mehr befriedigen,
sowohl durch Lieblichkeit der Form als durch Ge-
wdildieit der Verstrildung, als auch durch grdfiere
Erhabenheit der entwickelten Gedanken, wie z. B.
„l'ultimo nottc di una tradita" (Letzte Nacht einer
Verlassenen, S. 37—40)» npwole d'amore" (Liebes*
Worte, S. 55— 47)-
Das sdi&Mte StOdc des Buches ist, wk erkllren
ohne lii-dcnken. ,,il ro.siH)" i:die Krott
sonder-
bar fürwahr, daß über solchen Gegenstand Verse
von uovergleidilieher Schönheit und vor allem von
ergreifender Geflankcnhohcit möglich sind.
Und dennoch »st dem .so! „Die Kröte" ist nicht
allein ein glänzendes Gedicht in .siebensilbigen Versen
(in dreifüßigen überzähligen Jamben), sondern auch
tUn wirklicher, kräftig durchgefikhrter Kampf gegen
jene Dichterschule, jene Cbertreilning. die den Namen
Veri.smus trägt und ihren htrrvorragendstcn Vertreter
in Lorcnzo Stecchetti besitzt. In unserem Verfasser
verschmelzen sich der Dichter imd der Satyriker,
der Kunstrtchtcr und der Kdnstler und durchdringen
sich gegenseitig derart, ilal.' in clieseni wie in allen
anderen Stücken die ehrenhafte Gestalt des Verfassers
lidttvoU erscheint.
ffh weiß nicht, ab dem Vrrfnssrr jenes Geset?;
bekannt ist, das ein den Engländern und Dculschco
so teurer und uns Italienern nicht unbekannter Schrift-
steller (Lewes) vor langer Zeit gefunden hat, nämlich
dafi die Worte große Mittelpunkte der Ideensn-
s.uiimlung sind, und daß die Tüchtigkeit eines Schrift-
.steliers um so größer ist, je besser er durch ge-
schickte Verwendung der Worte schöne und zahl-
reiche Gedanken zu erwecken vermag. Gewiß ist
es, beim Lesen der letzten vier Verse der „ultimo
notte dl una tradita" Krhabcnheit der entwickelten
Gedanken, wie z. B. „I'ultiino nottc di una tradita"
(Letzte Nacht einer Verlassenen, S. 37 — 40), „parole
d'amore" (I.icbc5wnrtc, S s.'; .«7), oder „la madre
ptivero d un soldato inortn a Saati" (die arme Mutter
eines bei Saati Gefallenen 1 Diese Gedichte ent-
halten Stellen von rührender Schönheit und wun-
derbarer Gedankentiefe. Selten Ist Se Versweiflung
einer treulos Verlassenen rührender und schöner
geschildert worden als in dem ersterwähnten Gedichte.
La madre povero ist eine herbe Streitrede g^gen
die italienische Afrikaexpedition.
Ma pcrche i »ndato ~ laggiü lonlano?
Questo »olunlo — Torrei »apcri
M'haa dülto latti — ■ che i morto invano
Si^ni' ;illr.i ^Icri.i v^if il Mi't (li>vt-T*..
ruft die verzweifelte Mutter. Sic hätte den Sohn
hergegeben, wire er fan Kampfe für haBens Freiheit
gestorben Aber so! fe morto invano, senr' .-iltro
gioria che il suu dover. Welche BiUerkcU iicgl mclit
in diesen Worten.
Der mit der zeitgenössischen italienischen Litte-
ratur vertraute Leser wird in dem Buche nodi man-
chen scharfen Hieb gegen die gegenwärtigen littera-
rischen Zustände in Italien finden, wie z. B. in dem
Gedicht „Voci d'un morto" (Stimme eines Toten) u. a.
Or tiHiqvPto I* vte paw», • ■anld*
A WH ip«M geotn, ün» aeesM
Ddl* oUki M pMMtot
Bcco H vtlM**)
*) Vut wetlMlb tat I
In 4<e Femer Jeder legt alr
Dafl nmMmt tda Blot vcrtaeeeB
RutiTT.to.« nur iter PflicM ^horchend.
Und er geh! tulsig «einen Weg und widnet
Nan einer andern «eine Livbe><chwUre. Des Vcml
Bedeckt der Tod. Da» »l d» Leben I
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Nr, ji
Dt»
die LitNnliir dm tu»
4B5
offenbart du Gesetz des englischem Kimstrichters
in voller Kraft (sei es nun limi Hi irn AI In' t ri W-
kaimt oder nicht), und wir, bewegt von solclier
Schiinheit des Ausdrucks, von solcher Reinheit der
Sprache, von solclier Ehrenhaftigkeit der Grundsätze,
fngen uns: watum sind sokhe Dichter hetti zu
Tage ao selten?
Florens. Alberto Maioli.
Leo Tolstoj
als KriegadarsteUer in seinem Roman
„Krieg und Frieden**.
Von OUo Kümmel.
(ScUvfi.)
^^'^irfllls <!ms t;r(>ßarfi[.;'-tr \vo!i1 iil)rrli.-iu| il al'rT
SchlaclUtiiibilder, die jcnial.s einem modernen Dich-
ter gehinycn sind, ist die Darstellong des gewal-
tigen Kampres von Boradino am 7. September
26. August 1812 (auf fast 100 Seiten des ,1. Ban-
d< si Hier knüpft Rostow auf russischer Srite
alles an drei Personen, Graf Pierre Besuchow,
der hinausfährt , um die erwartete Schlacht als
friedlicher Beobachter mitanzusehen , an Fürst Bol-
konskij, damals Oberst eines Jägtiict;iim»nts und
an Kiitusow, .ui drei Männer, die nicht nur nn
sehr verschiedenen Punkten des ungeheuren Schlacht-
feldes sieh befinden, sondern auch in höchst ver-
schiedener Stellung zu den !'i< is.;nisscn sie mit sehr
verschiedenen Augen bctrachlcn. der trslc als Laie,
der zweite als mithandelndcr Offizier , der dritte als
Oberbefehlshaber. Auf der anderen Seite dreht sich
alles wieder um Napoleon.
In brriti-r EintcitKn^' sc-Iiiliti-rf Tolstoj zunächst
die Vi rlxTfitvingcn und die Stimmungen auf beiden
Seiten an dem Sonntage, der dem Kampfe voraus-
ging und voUkcHiunen «tili verlief. Wir begleiten
sunSchst Besnchow auf das Schlachtfeld hinaus durch
bunt u < ( lis(']nc)<'. .scharf von einander lieh abliebende
Scenen hindurch.
Am 25. August (6. Scpti-mbcr) frflh morgcni fahr Graf
Bcsuchüw (Piene) aui Moshaisk hlnaa«. Auf <)cm langen, gc-
»uiidvncn Abüliüg von einem RerKc, <)cr «u» der Stadt an einer |
Uath oben tiitwjUts ütchenilen Kirche, wo el>en (jottcsdicntl und |
PMlUgt MMlfand. votUberruhrle, sprang Pierre «us dem Wagen
und Ring lu Fuße weiter. Hinter ihm kam ein Reiterregiment
herab, leiiie .Sän;;er Toraus. Ihm entgegen aticg ein Zag von
Bauernwagen (Telje(jM) empor mit den Verwundeten aus dem
gestrigen C^efechL liie Bauern, welche >ic lenkten, liefen von der
«ioen Seite «nr rindern, woliei »ie in die Pferde hincin^chriccn
und mit 4cr Knute auf sie losschlagen. Ute Wagon, auT denen
xa J oder 4 verwundete Soldaten *.ißcn oder lagen, schwankitn
aof dem gewundenen Wege über die .Steine, welche wie tjut Art
PflMler ihn ^Hcl. t Vt -n. die Verwundeten, mit Lappen verbunden,
Mdcb, (liL I.:;'t LU 7 iiaammengepreßt and die Brauen zusammen-
geiugen, liictien sich an den Stangen fest, da sie in den Wagen
hin und her gestoßen worden.
Pierret K .iiM h. r r:. f einem Haufen Vcnirnndttei lu, sie
solllen »ich 7 .1 . ,i!ialtcii Das Reitcricgimcnt, welches singend
t)ii Sir.Pr hctutiHrltiim, bewegte »ich auf Pierres Wagen tu und
(•tLi:|:it rliii Weg. Pierre hielt an, indem er sich an den Rand
des Hohlwegs drückte. L>ic Sonne erreichte hinter dem Abhänge
hetvor nicht die Tiefe des Weges, dort war es kell and feucht;
Pi«m «a Hlupien dagegen •chieii «U« wmim Affuinunt uitd
htHter kUng Glockengellute. Rin Geschirr mit Verwundeten hielt
am Rande de« Wcf* dicht bei Pierre. Der Leakar in Bastschuhen
lief aabuncnd sa (einen Wagen, legte einen Stete mtcr die rclf-
losen Hlulcrrader «nd beginn das Riemenzeug seines Rößlelns
in Ordnung tu bringen.
Ein Vcrwimdclcr. cm aller SoMal mit «erlMndcDer Hand,
der hinter der Tettega ging, faSlc de mit der getsadea Hand
und iah auf PierNi
„Wie, Landcaiain, woikn lic «aa Ucr Ketea Ibm«b oder M$
Motkao Bclitepp«n>" Hgtc er.
Picrr« war *o in Nachdenken earnnkaB, daft er die Ph^ie
QbciliSrtc. Er sah bald anf dai RaHemcimeni, watches jcttt dem
7.age der Verwundeten bafegnetn, bald nadi der Tdljega, attf der
«in Venraadctar anfraelil itaiBd,
nnd einat lag. Der ehM Tom
der Wange eerwtmdet. Sein ganier Kapf war
banden und die eine Backe tnr Dicka «iaaa Kiadika|»fea attf-
gtuieben, Mond and Naae aa dar Seiu. Kaan Soldat bückle
nach dei Kirche and bekninil|ta aldi. Oer andere, ein Junger
Uaaaeh, ein Rekrat, aikhbailic and blaieh, mit fait blotlaaem.
■cbmalen (Icsiehl, Utektt baatlndig mit gntmlltiBeD UebilB auf
Pierre. Der dritte lag tUf, m daft taa aainam Gaai^ 1
^chcD war. Die knvaUciistiichea Slapr
der Teljaga rorliai. — —
.Ja in framdam Undc boMCR," brfennen i4e ein
SoMataaliad. Wia ein Bch«, doch i» andtar WMw MM? , Mai^m
in der Hdha die metaliiidHa KMagc daa GeÜUMM. i;ad
mit einer andarcn HaiiaAA iba fgomew di« HHw d«i ;
liegenden Abhanges di« waimaa SeBPenitfahleB. Aber 1
Abhänge bei dam Wagaa mit daa Verwaadelm
aehaanfenden Rttglaln, bei dem Pterte ttand,
finster nnd tranrig.
Der Soldat mh dar ecndUroitaM Backe bNckl« Irgeriicb
auf die singenden Reiter. „PniMUaaar «agle «r tardrieHUcfa.
,MtM ^elit'a Bldit VM SeMilca. kb habe awh
gaeben; Banara, aneb di« irtHm aie bena," aagl» aiit
Ucbahi dar SoMait. der Matar der T«Qega ataad, la** at ikfc
an Herfa wandte. hHmI« glebta kdaea UntcncUcd. MR dam
gamen VoUm *r«ii«n «l« dfiiber herfalicn, mir aia Wert gpit:
Moskau r" ObmiU 41« Worte nickt ve^ dcvtlkh wafca. w ba*
griff doch Ptitra aVci, wa«
■tiBiBMkd wäx 4nK KkOpA«
Der Wag «wdi« ba
hinanter. Slwa eilt W«iM «ailcr begegnete er
kannten und wandle llcb bcadig an ibn. Et W«
Oberscabiiman der Arme«; «r hbr ia
entgegen, aafl nebea dacm Jmichi Am» «ad Hafi, d* «r rtem
erkannte, aeiaas X«MkM, ditr alt KalMher auf ifs B«dm
aa8, halten.
„Gnfl wi« kammita Sie hiciberr fragte er. — JA wellte
mir die Sadie etwa* eMehen." — „Ja, Ja, a< aehea wird'*
etwaa geben." Tttt» «praag ab ttid mkürt» dem Ante «ciae
Abdcht, an der Schlacht IcUmneluaen. Dir Ant liat ikm. aicb
wciO. wo Sie ibn in der ScUneht finden", wgm er, einen BUclc
mit aeinam juigia BcgicHcr tanicbiad, „nber dar HB^alMBUBaa*
dicrendc kennt Sie aad wird Sie gnUlg «afiicfaman. Ja, thun
Sie dair
Der Arft aeblea enUBdat wtä aiHg.
„Sie dealtea — — ? Dodi ich mSehia Sie noch fiagan, wo
die Steltang eigeatUcb Mr engt« n«ft«.
»Dia StaHaagr Dm geht mich nlehia aa. Fabran SU 1
TitartaMW«, ileit aebnaica aia aa etwaa Otoim. Dort
Sie anf aiaea Htgd: «ea da iiiV aa aaban."
,.V«B doit iit'* sa adkaa) — W«na Sl« arir . . .
der Ookiar «alcrbiach Iba «ad waadta ilcb aar
„Idi wgide Sie UnObran, weift Colt ^ aber <«
dem HalM) leb bclae aom Xar|MhawaBadanr. Wlmaa Sie, wle'a
bei uns Hobt» — Sie wlmea, Graf, metgaa gM«'« etam Schlacht:
auf 100,000 Mann «mfl man gering gailbR io,MO Verwaadete
rechnen; aber wir babea Weder Ttagßm aoeh Slraelcfaeltca «Mb
Ketdacherer ««cb Aiale aash aar Hr 6oeou lovooa Taljegca alad
da. aber ec itt ««cb aadama aOtig; wie man aidi bettet, M
liegt man.»
Der «ekiaai
gcioader Leabh
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Dn IbgadD für di> L l il wi i u i du In« oad Awlmdai.
Nr. Jl
•of meinen «reiß«» Hui griflini. wihrMheiolich 2o,o<>rj ra \\'uiiden
und Tod bMtlmmt «clen (flcDetdU eben die, welche er getehen).
•ncbaderie Pierre.
„Sie werden morKen vielleicht slerben, we»halb denken »ic
•n irgend etwas anderes als itn den Tud>"
Und plöulich itand ihm fn einer KeheimnIivoUen Gedanken-
verbindung die Fahrt von d«»i I1cr;^e liei Muihaisk vor der Seele,
die Wagen mit den Vvnvundcten , da» Oel&ule, die schrlgen
Strahlen der Sonne und der Ceaang der Reiter.
„DlCM Reiter ziehen <ur Sclilacht und begegnen Verwundelen
Vnd nicht «ine Minute denken sie ilarüber nach, wa« sie erwartet,
•Mid«tn ziehen vorüber und winken Iboen ««. Und von dicaen
•IteB *ind 20,000 dem To4e S*w«ii>t, mui sie wondeni sich über
pwinen Half Seltsam!" dachte Pierre und fuhr weiter nach
Tularinowo.
Bei dem lüielhofc Tatarinowo, auf der linken Seite der Straße,
standen Kquipagcn, Kourgons, Haufen von Ofiiiicrsburtchcn und
Schildwachen. Uorl lag der Ilöchstkommandicrcndc. Aber als
Pierre ankam, war er nicht da and fast niemand vom Gencralstabe.
Alle waren in der KiMhc. Er Tuhr weiter nach Gorki,*)
Als er den Bcic Uainf kam und in die kleine Dorfgasse
biueinfahr, sab er lum crstcnmair Landscurmbauern (Upoluchcniy,
»Om Narodnoe Opoltschenjc) mit Krcuicn an den Mützen und in
weißen Hemden, die unter lautem Reden und Lachen, aurgcrcgt
Wid erhilit, an irgend etwas rechts vom Wege, auf einem großen
(rMbcwachscncn littgel arbeiteten. Die einen gruben mit Seluilifelil
tm Berge, ander« führten in Schubkarren auf Bretcrn die El4e
fort, noch ander« standen müßig umher. Zwei Offiiicte standen
auf dem HUgel, die sie anwiesen. Als Pierre diese Bauern sah,
die sich offenbar noch Uber die ihnen ungewohnte kriegerische
ergötzten . erinnerte er sich der verwundeten Soldaten in
Mosheiak, und ihm wurde begreiflich, was der Soldat mit dem
Audraek: „Mit dem ganzen Volke wollen sie drflber hcifallen,"
kalte sagen wollen. Der Anblick dieser auf dem Schlachifcide
■ibcilendcn bkrtigcn Bauern mit dem lekweitflbadclen Nacken
ml den weit «ufgcicblagenen Hemdkragen, aus denen hervor
man den «erbramilfln Hals sah. wirkte auf Pierre stirket als alles,
wa« er U> Jctit voa der Keieillchkeit «od Bedeutsamkeil des
bavOMtektadäl Aagmblicks gesehen und fcbdtt hatte.
Pierre sprang aas dem Wagen und stieg an den arbeitenden
LandsiUrmern vorüber den Hügel hinauf, von dem das ganze
Schlachtfeld sichtbar war. Es war 1 1 Uhr morgens. Die Sonne
stand ihm etwas links und rückwUrts und beleuchtete Inder reinen
Kkaifco Luft hell das ungeheure Rundgcmilde, das sich auf dem
awpMlheatralisch ansteigenden Gelinde vor ihm ausbreitete.
Nach links hinauf lief, dies Amphitheater durchschneidend,
die grofie Straße nadi Smolensk. Sie führte durch ein Dorf mit
WCtflCt Kirche, das gegen 500 Schritt von dem HQgel entfernt
nad etwas tiefer lag. Das war Borodin6. Die Straße aberxchriti
unterhalb des Dorfes eine BrUcke und wand sich dann bergauf
bergab immer höher und hüher nach dem auf 6 Werst hin »idil-
Imko Dorfe Walucwo. Dort war Napoleons Hauptquartier.
Hinter Walucwo verschwand sie In dem gelbgrSnen Walde am
HorlMBt. In di«*cm Birken- und Tannenwalde gUusle in der
Smune icchta von der Richtung des Weges fernher das Kreut und
der Kirchturm des Koloskijklostera. In dieser blaaea Fcme (ah
man rcchls und links vom Walde und von der Stnfie tn ver>
«cbiedencn Stellea rancbcnde Feuer und zahllose Mataen russischer
Uld feindlicher Thippen. Rechts, lings des Lanies der Kolotscha
und der Moskwa, war das (Glinde schluchlenrelch und bergig,
/.wischen den Scblucbteu sah man in der Fern« die DSrfcr
Bessubowo nnd Sacharino Nach links war das Land mehr
eben, dort lagen Gi';ri.H!'.r'.'ldcr und man gewahrte ein ciiuigcs,
niedergebranntes, noch rauchendes Dorf, .Sseraenowskaja.
Altes, was Pierre zur rechten und zur Uakco sah, war ao
unbestimmt, daß weder die eine nock die «ndeie Seite des Feldes
seine Erwartung völlig bcfriedific. El W«t flbeiliaB^ nicht ein
Schlachtfeld, wie er es zu sehen erwaitele, sondcni Fcidar, Ebenen,
Trappen, Wilder, rauchende Feuer, DlMcr. Hfl^l, BKche, und
■otriel anck Pierre sich die Sache klar zu Badm nclUa, er
konnte in diesem lebeneifullten Gelinde die „StiUiim" nickt
Indaa, jn «1 lumiita nickt eiiunal una tt c Trappan ««■ dm faind-
Uehm «Nan^aideii.
'< Kleines Dorf über der XolMiclw, finde (CgtaMbcr von
Borodioo, I Wem cntfant
Ein Adjutant madit ihm dann das Enuelne deut'
lieh und spricht die Erwartung aus, daß der Feind
den Versuch machen werde, den schwachen rechten
Flügel zu umgehen. Während dem verbreitet sich
die Kunde, die „heilige Mutter Gottes von Smolensk"
werde über das Schlachtfeld getragen. Da dien Land*
.stüriiuT, SoVI.ili^n, O'Tiiricrc dem wunderthäfit;cn Bilde
entgegen, bekreuzigen sich vor ihm, werfen sich in
die Kniee und beten, auch Kutusow bezeigt seine
Verehrung ; es soll allen deutlich werden, daß es ein
heiliger Krieg ist, der da geführt wird, eine acht
rus-^.ische Scnu- , liu- den ganzen tiefen F.rn.st der
Lage und die Stimmung des Heeres bell beleuchtet
Doch die Kc^hrseite fehlt nicht. Ptem trifft mit
Boris Dnihezkf^j zusammen und muß da sehen, daß
diese Htiriiifi nur an die Ncbenbuhlcrsciiatt und Ei-
fersucht zwischen Kutusow und Bennigsen denken
und noch mehr danui, twie sie unter allen Umständen
und namentlidi durch die bevorstehende Sdilacht
Beförderung erjaj^en können, cim n anderen Zwt ck hat
überhaupt für sie dies Ereignis nicht. Aber dieser
Eindruck tritt rasch wieder zurück, denn indem nun
Pierre mit Boris Onitxszkoj und Bennigsen durch die
ganxe AufsteHnng der Russen reitet, trifft er zuletzt
am auCst-rstcn linken FKij^cl mit dem ihm wohlbe-
kannten Fürsten Bolkonskij zusammen, der in einer
einsamen Scheune sein Quartier bat; ringsum liegen
seine Jäger. Eben hat er sein panzcs bisheriges
Leben an sicli \orubcrgchcn lassen, alles kommt ihm
nichtig vor gegenüber dem Tode, der ihn morgen
treffen kann (und trifft); in ausführlichem Gespräch
setzt er dann Pierre seine Aiucbautmgen vom Wesen
de-; Kri^ea und namenflidi dieses Krieges «»ein-
ander
Die Sccne wechselt, wir befinden uns auf der
anderen Seite, im Hauptquartiere Napoleons bei
Waluewo, etwa drd Werst hinter Borodino. Ab er
( hell bei seiner Ankleidung ist, die mit einer gewissen
satirischen Ausführlichkeit beschrieben wird, bringt
ihm der Hofpräfekt de Boss^ von Paris als Geschenk
der Kaiserin ein Bild seines kleinen Sohnes, des
Königs von Rom, wie er mit einer Kuyel spielt
Doch diese Kugel ist die Weltkuj^e! unii sem Stab
das Scepter. Als „echter Italiener" - - „Commediante l"
sagte F^pst Pius VII. — sehauspidert Napoleon sei-
nem Gefolge tiefe v.itcrliche Rnhnmg vor, bis das
ihm selbst langweilig wird, dann laßt er da& Bild
vor dem Zelte aufstellen, damit seine Garde für den
einjährigen Knaben sich begeistere. Der Gegensats
dieser echt Napoleonischen Genertiidt und Sdbst-
vcrijötterunf; zu der tiefernsten Stimmung der russi-
schen Massen auf der anderen Seite wirkt unwidcr-
stdiUch, imd diese Wirkung wird noch verstärkt,
wenn man sieht, wie nun Napoleon, nachdem er seine
Aufstellung nochmals besichtigt, vor Innerer Auf-
regung die Nacht nicht schl.ilVn katm , früh j Uhr
schon steht er auf, läßt sich Punsch bringen und
unter b< sich mit seinem Generaladjutantcn Rapp
über seinen Schnupfen, die Verpflegung der Garden,
den menschlichen Körper, die Kriegskunst u. s. f.
UiTi } Uhr geht er hinaus, die Nacht ist feucht und
kalt und alles ringsum still ; dann hört er das dumpfe
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Nr. 31
4«7
GtH^ söner Trappen, die ikfa in Bewegung setzen.
Mit \vci^i<^en Striche» zdcbnct nutt Tol»toj den
Schauplat/f
„K> Iii;;, der llimmrl helllc »ich «uf, nor ÜB 0»leu stand
«in« Wolke. Di« vctUiiScnrn Wachtfeuer verglommea Im fallleil
MMgenUdit.
D« drOlmte nr Rechten laut ein vvn-inzcltcr Kanonenschuß,
■r «wImUic Md «ntMb in der allgemeinen Stille. Einig« Minuten
wrBoiBca. Ein swdlcr, «in driuct Sehnll ktackis, die Lnik watdc
«nnAiKi . . ein «Icrict, d* fUnftar donmrto nahe «nd feieiUch
iriendw» vm mbUber.
Koch waren die ersten SchUsü« nicht verhallt, als noch an-
dere kiadlten, wieder ond wieder, ineinander fließend und einet
dcB udetB iiUerbTMiteDd,
Napokon ntt adt Mimn O^Mgit n«d) der Feldiclianic bei
Sclicwerdino «nd »lieg ««M Ftetdc. Dm SfM bepan.« — —
Wir verfolgen die Ereignisse des furchtbaren
Kampfes zunächst mit Pierre Besuchovv in liuclist
wirkungsvoller Steigerung. Anfangs überN^ iegt bei Bc-
«ucbow die unbefangene, gewissennaOen IcQnsÜenscbc
Freade Aber die Pracht des Schauspiels vor seinen
Augen, dann die Neugierde bei den einzelnen Vi>:t,'nn
gen, die er anfangs nicht reclu versteht bis endhch
die ganze Furchtbarkeit dessen, was er crlclit, ihn zujn
Bewußtsein kommt und das Entsetzen ihn packt.
Das aber ist die Wandlung der Empfindung bei jedem,
der dies großartige Schlachtengemäkte betrachtet, ein
waiuhaft dramatischer Autbau.
„AU Pierre auf den ItÜKcl gestiegen war, schaute er vor-
UViltt und KerieC außer sich toi HntiUcken Ober die SchUnheil
dieses Sdiaiupicls. Es war dasselbe Rundbild, welches er gestern
von dieseco Httgel aas lieb gewonnen hatte , aber jclit war dies
ganze Gellinde von Truppen und Rauchwolken bedeckt und die
«eitrigen Strahlen der hellen Sonne — die etwas links hinter ihm
wAlicg — warfen in der reinen Morgenluft ein mit goldncD und
reteo Tinten detehwobcncs Ucht darauf und lange dunkle Schatten.
Die fernen WaMuugen, welche das Rundbild begrenzten, erschie-
nen, wie BUS einem kostbaren, gelbllchgrUnen Stein gehauen, auf
geschwungenem HShenzug am Horitont und zwischen ihnen schnit
hinter Waluewo die große Smolensker Straße durch, ganz mit
Truppen bedeckt. Nilher gISiutcn goldne Felder und junger Wald.
ObereU, veWt *nr Redblen und zur Unken, sah man Truppen.
Allel dies wer «eil Leben, großartig und Ul>erraschend, aber, was
Piene iMonders erstaunte, das war der Anblick des Heblachtfcldcs
edbet, von Borodlno und des Thaies der KoloUcha auf beiden Seiten.
Über der Kolotscha, in Borodino und lu beiden Seiten, be-
sonder» links, dort, wo zwischen sumpfigen Ufen die Wojna in
die K«lol»cha fHllt, stand ein Nebel, welcher ellea, wu dnrcll ihn
Uudorcb Mchtbnr war, verhallte, beim Aufstellen der hdlen Sonne
tetfloA Oad alles außerordentlich verscliänerte und achirfer hervor-
iMb. Mit diesem Nebel verschmolz der Rauch der Schlisse, und
la ihai and in dem Randie leuchteten Überall die Bliue des Mor-
fenltchll. bald auf dem Waseer, bald nuf dem Tau, bald auf den
BijMcIten der Truppen, die sich an den irfern und in Borodino
drlaelen. Durch diesen Nebel hindurch sah man die weiß« Kirche,
dort die Dücher einiger Hluscr von Boro<lino, dort geschlossene
Trappenmassen , dort grüne Pnlverwagen und Geschütze. Und
allca da* bewcBlc aicb oder »diien sidi in bewegen, weil Nebel
oad ftaacb Iber dlcce ganxe Strecke aMdebnten. Wie an
dieacB NledanuifeD vm Borodtoo , Qbcr denen der Nebd lag, so
■Hagen aneh weher oben nnd besonders xor Linken aaf dar guien
Liaia, m den WUdem, aaf den Feldern in den Niedermgen, auf
den HMian ODonteibroclKn die Rauchwolken der Cesdrillxc auf,
bald «iueln, bald in Mass«, bald saliner, bald lilniiger; aaadival-
fand, SBB^bBand, akb snsawenfcallfBd, indnandarlUafind waian
m tai dtasar ganaan AasdebaiaBg aicbtliar.
tneia Randwolken nad «atdanat walaa die TAna dar Sekdas
Mldeien die HaaptscMlakalt das Sckaaapiali. ... Ba ackian bald,
als oh die Raycbwolkidi «wbdMa. kaU all nk aie fasMlIadeB
ud die Wilder, die FeMar aad «a bIttsMidBa B^onaita mter
ikoan wtkeHMIm. Alf der Itokea Sdte stiege« amiattrbmdica
dtaaa gf ela W«ilMn auf all Ihtaa ■HjoiMiiclNa SttauMB lad
noch nüher in den Niederungen nnd Wildem die kleinen Rauch»
udlkchcn der Gewehre, die nicht im stände w.-iren, sich zusammen-
zuballen, und genau so ließen sie ihre schwachen Sümmchen hOren.
Trach— ta— ta— tack knaltcttc da* Gcwehifencr swat bliafig, aber
unregelmäßig nnd kUgUcik im Vcrgleidi »II dett Daaact de*
CeschOtse. . . .
Vor ika lag clac Brtteke nnd an der Biflelm standen Cmemda
Soldaten. Pierre rill zu ihnen. Ohne es zu wissen, befand «t
sich Sn der BrScke Uber die Kolotscha zwischen (^oiki and Bo*
rodino, welche zu Anfang der Schlacht nach der Wegnahme von
Borodino die i^raniosen angriffen. Pierre sah, daß vor ihm die
Brßcke lag und d*fl «if beiden Seilen der Brücke und auf der
Wies«, bei den Hetlhuletli die er gestern bemerkt hatte, im Rauche
Soldaten irgend etwas Teinakaica. Doch trotz des unaufhörlichen
Schießens dacht« er ntdit, dafl dort das Scblachifeld sei. Er hört«
nicht die FUmenk^gcIn, die von allen Seiten pftflTeii und die Gc-
aeboHa, die Iber ilm wegflogen, er sah nicht den Feind, der jen-
sdta das Flniiaa alaad «nd laoge aach aicht T«te and V««wiuidatc,
obwohl «tele nidit weit ton ihm MeB." . . .
Einern .Adjutanten sich anschließend, kommt crztl
der großen Feld.schani'e i.m Mittcltreffen, der schick-
salsvollen Racwskyschanze , derei-, F.rstiirinung durch
die sächsische Kürassicrbrigadc den Franzosen bt-
kanntlich als die Entscheidung der Schlacht galt.
Hesiu lvnv ahnt von der Bedeutung dieser unschein-
baren Erdaufschüttungen gar nichts und da er weiter
niemand stört, so lassen ihn Offigieie und SoMaten,
obwohl <^ie sich über den sonderbaren Kautz wun-
dem, doch wo er ist und er erlebt so alles, was um
die.se Schanze herum vorgeht, immer noch ohne die
Bedeutimg der Einzelbetten recht zu begrtdfcn.
JOa* Ronen daa Gaidto» nad Gewekrfcaeis waid* auf dem
ganMa SAtacblfrWa atlrkar, kaaandaia aar Liaikca, dort, wo dia
. Sdiamea Bagratioaa lapn, akar «or PMIfBidaiupf war von dar
Stelle aai. wo Plarra sich kafend, ntekia aa acten. Die Baokadi*
lang diese* Paaiiiankicliea ao an aagia von Lcvtea, dIa sidi, alH
geschlossen f«B alle» aadavcB, In dar Baticria Mkadcn, feaadta
seine ganze AaHnerksamkaib Sdaa anu wilNwafl*4l«ndlie Mt-
regang, die der Anblich and die Tdna daa SchtacktfeMc* hareOT'
gerufen, halle sich jetzt, hcsoadaia nach dem Anbüclc janea eiaialn
daÜHiandaa dtlOiem) SoMaian aaf dar Vneic, ia ein aadeiaa
GefUI «erwaadeft. Anf dam Akftlla dar Braalwciir tilMBd, bO'
obachtete er die Gesickter rings nm rfdi. . . .
Um to l/hr kalten sie scken ta Lade ans der Bstteria ge>
tragen, zwei GcschBtie waren schußunnUtig, immer Öfter fielen die
Geschosse ia die Batterie und von fern Hogeo Klinienkogela dar>
aber hinweg, snmmand nnd pfeifend. Dia Laole ia der BaUcrie
schienen du nicht » bemerken , von allen 8«il«a kStte man heitres
Gesprich and Scherze.
„Nicht hierher!" rief ein Soldat einer zischend heranfliegenden
Crnna;!- lu, ..:-.m: FaCvulk!" fügte ein anderer lachend hinzu, als
et betucrkii-, <iaß Jii lifitnate vorüberflog und In die Reihen der
Bedeckung (in-rMji;
„Wie, 's war wohl «ine Bekannte?'* lAchte ein anderer Uber
ciata Bauern, dar iidi ««r dacB vocikcrlliigcndca Gnchoft «er-
beugte.
Einige Soldaten laauMllca licb aal WaU aad bctiachlct«»,
was vorj» g<r*ch»h
.,sii ti.ii'cti ilie Linie rin^;r7..r'(;<.n, sieh, sie liad aattc h g e '
gangen," sagten sie. Uber den Wall zeigend.
„Seht auf Eure Sache!" schrie ihnen ein alter Unten Ifi. :!.!
zu. Und er packte drii rini-ii Soldaten bei der Schalter und gab
Ihm mit dem Knie c;iitn 'sioG Lautes Laclven erscholl.
„Zum 5. Geschau, heran damill" schrie es von der anderen
Seite....
tloi 10 Uhr gio^; das Fußvolk zuriick, das vor der Batterie
In daa GcblSCkeB and an der Kamcnka gestanden. Von der Bat-
terie ans sah naa, wie die Leute rSckwärts an ilir TorbeiUcfea
nnd dibti Verwiiadete aof den Gewehren tragen. Irgend ein
Gensral kam mit seinem Gefolge auf den HOgel, sprack mit dem
Obataten und ritt wieder hinunter, indem er der InfiateficlNdcckBag
IdnMr dar Baturie den BeMd gab, sidi medersolefsn, am weniger
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488
Da» MaKa/io für die Littcralur da In- uod Aiulandc».
Nr. 3t
Vcilwti dnr^ du Felur M crlddtab DiiMCk hSite ntn 1» dm
Reihen dN Vribolkt lecbl» tub der Btttnie TMUUMlwiriNl, Keai^
naadafale ud md mti, wie & Rellin lick «oiwinibcwciticii,
Flem Mh Bbrr den WilL Bnct Ad Ihat boeudcn in die
Aa|Hi. war «n jniiB«r OffiiMr. der ail Meichcai, jngendKcbcia
Oetidil Untea ctae, den Sibcl gaotiin md mmUg um tick
tMclMBd. Die ReiheD der le&alerie venettweiidcii In RMcb, «IM
Wne BwM leanaafiMB Raf md Mark« Gcweluldwr. Nach
cla^» ManlaB Iriwan Haafim von VerwandetaD and TraB«a «en
dorfhcr. In die BaltMia aeUagen noch btafiiw dte Gtaelioisc. . .
Um die fjaiclAlia bewegtan aiek aac^ aaf|lieliar and aa%crcc!l«r
die Soldaian. . . Bta alter Ofiiiler arit aanawaaniasacBBeBi Gasieht
ginf ailt groBia, rai^n Eckfillen von eiaam GeediUs anai an-
dern. Ha jnager OfEaiar beleUlgla noch crUiater, aoefa an-
gcMicBfleT die Soldalen. DIew hcaduan die Ladaafcn bena,
wandten sich, lud«» nad dialen ihm Flieht adl enwaaganar Xiihn-
heit. Sie «prangen heian arie te« Federn geaehncUt.
lUe drohende Walke adiwaU an and heU braaMa m aller
Angcn das Fcnert dctaen Anfloden Piene aeffalgt haue, fir ataod
neben den alten OHItler. Der jaafe Offiaiar lief hetan mA der
Hand en der Mitte: »lA habe da Ehre aa niddMi, Herr Obeifl,
dal wir nar noch acht Iiadaagen haben, baCehlaa Sie daa Kcncr
üHtanaetieni" ftagle er.
KKaitnKheB)" adwie, ahne Ihm a« antwerian, dar atta Offi-
>ier> Iber den Wtdl Hiekcnd.
nocdich leicbah Irftnd eiwe». Oer jaRfe OMaier tchne
imd al()t amwendend seute er aldi auf dm Baden, wie ein iai Flnfe
gciroif«a«r VaftL ABet warde mUhm, anklar, -iunktl «r Plem
HInterdJiander taMtan die Oe a ch o ate, »chlogcn in dl* Bnisi-
Hchr, In die GcfchttM. Flcfi« hatte Mher dicic TSae gar nkhi
ticliQit, jcut hStte er ur ile. Zw Seite der Batterie, reclu*, Uefen
die Saldat«» mit ,JIwr»bl" ntdit *ot«lttt, aoadcn taticfc, wie c*
Ihm vgrkoB.
Ela GcKheO achlug In die Krane des Wailr«, vor den ?iene
aiand, wMUl« die Eide aaf, an aeinea Ai^-cn flog dn Mliwener
BeBett «erllber «nl Ja deiaaelbBit AngnUidie plelaie «• auf iticnd J
etwa» awt Die LaaiiilinBar, waiahe eben aar Balieile kaaicn, |
Helen snrddc.
„Alk aiit KattMKbeaM' Mbic ein Offiaier. Bia VntaroOaicc j
licr anf den «Im Obaittaa a« und a^n ihn nit emduockanini
FMitem (wie wem bd Tiadi dar HatMhetaatMar den Vinna neidet,
ca gibe den wtlaagl«* Weh Bkht aiehi), daS nan kcinea SchnB-
aerrat neh» habe.
»Die HaBwtktii, waa nachca ^ dal" aebit da* Oberst,
aid na^Flerre MnwendcmL Du Guteht daaABan anr rat und
athitat, die snianim«Dg«iagai)an Angin Inkaiian. ,fjmi ana Ra»
««rr«, leliaffe Kui;clwageii bcrl" rief er, irferHch Iber Pteire
hiaadnad nad tkb m »cim-n SolHittcn wendend.
,Jch gehe," sagte Pierre. Oer Offizier ging, ohne ihm lu
antworten, mit {.'r^'Gcn "^tiiritun Hi.th «kr 5iti4erea Sdle,
„Nicht feilem! Abweisen " »cl-rit er
IVr Si '. lal, dem er befohlen, nnth SchußvnrriU .-i: tt-^ien, traf
mit i i.m iij^ainmen. „Ile, Herr. il iTt i.i kein i'lnti (iir Dich,"
sagte tt uiiJ rannte hinuni' r I'i. rit r citite liinler ihm drein, wo-
bei er um <icri Plali herumging, »o der junge Offiiier m6,
I iTi ',,-;cU:,-i. ein iKcite», ein drittes flog Ober ihm hin, schlug
ein, vom, »cilwüns, lUckwärt». Kierre lief hinaniet. „Wohin?"
heunn er sieb plCulich, «U er »chon die grünen l'ulvetwagen
erreicht hntte. Er hielt unenlsehlnssen an, ob er zurück oder »ot-
«iin^ m hti; v >llte. Plötzlich warf ihn ein ftuchtbarer Stoß rflck-
l-n^s .-iir Kl. Ii In diesem selben Augenblicke flaminlc ein mKch-
I r I . II. Ti. Ik .:i m » ihm auf und in demselben Augenblicke knuhte
<>et<*ulicn<i und im Obre nachklingend ein Donnern, Knallern und
Pfeifen. Zu sich kommend, saß Pierre rUckwürtx gelehnt, mit den
llUndcn in die Erde greifend; von dem Pulvcrwagen, bei dem
er gewesen, war nicht» mehr da. Nur grOne, angebrannte Breiter
wn'l Kctjen rollten auf dem verbrannten Raaen und ein Pferd, die
I i i( : Ml ichsel in SlQcke lerbrochen, galupplertv davon, ein zweite»
lag ebenso wl« Piene mut der Erde ond wiebeite darchdringend.
Ab er wieder rieh umsidit, erblickt er fremde
Uniformen in der Sf linn/r, die Franzosen haben sie
erstürmt, aber unniiuclbar darnach nehmen die
Russen sie wieder. In der That wurde cie dreimal
verloren und wieder genommen.
„Ana diR Batterie fUnte man Gdaagent^ darenler «incv vcr-
wandelen fraaaOdadicn Caneral, den die OMiicrc amingtM.
HaaAn van Verwandelen, bckaanttn and anhakannten, Ruaaea
nad Fraaaeaan nR ichMitii wii n iikn Gcdditem gingen, «thleppteii
ikk deUa «dar Warden »if Tiagblhntt au der Batterie gebracht,
neue ati^ aaf den Higcl, wo er nehr ek etae Stande attgebradit
and fend von den FaniBeakrcitc, der ihn anlar lieb edlfeenaiailian,
keinen aiehr. Vidc Tale lagen deit, die ihn anMcaant wnrcB.
Aber einige erinnale er. Jener Jnage OttiicT aaB gau aagcltalut
aa Rade dea Walka In einer Blodeche. ^ Km* HeT Uanb.
„Nein, jelat laam de daa, jeiat cntielacn aic lidi aeibar flb«r
d», wee ila gcihan h.'xbenl" dacht« er, I n den aa ncUas hinter
den Haafim Ton Tragbahreo beigfiig, die eicfc Ton ScUachtfeldc
ategj>twtgten."
Aber die Sonne, in Rauch gchUlk, sianJ nutli 'loch «in'I
vorn und besonders zur Linken bei Ssemcnu» skui . li < ■.i iiiim< lit
es im Rauche, und der iJlrm der SchOste, Uewiln Tt -jl r urnl
Kanonendonner verminderte »Ith nicht nur nicht, sonderet ,>Mrl.te
«ich bis zur Verzweiflung, wie ein Mensch, der zerrissen wird,
nit der Ictilcn Kraft aodi icbrelt
Von den weiteren Kämpfen um die Batterie ist
keine Rede mehr. Besuchow, der sie bis jetzt mit
erlebt hat. taucht nicht wieder auf Dafür zci^t
Tolstoj auf der einen Seite Napoleon, auf der an-
deren Kutusow in scbarfem Gegensati. Napoleon
hält bei Schewardino und sieht in das wüste, rauch-
verhülltc Getümmel vor sich; nicht wie sonst spren-
gen \-on BÜen Seiten Adjutanten mit Sicgcsnach-
ricbten henn, sondern von allen Seiten werden Ver-
stilfkongen verlangt, die er nicht zur Verfü^^ung hat.
„Er wußte, was es bcdcu1i-tc, d.iG iincli Stunden
nach allen Anstrengungen der Angrcilcr die Schiacht
nicht gewonnen hatte, er wußte, daß das eine ver-
lorene Schlacht war und daß der kleinste Zufall jetzt
auf dieser scharfen Kante, auf der die Schlacht stand
iliii und sein Heer verderben koiiiUt " Er ver-
fallt in dumpfes Brüten, aus dem ihn die Nachricht
reifit, daß ilie Russen seinen tinkeo FlOgel angreifen.
Da setzt er <;trh /u Pferde und reitet über d.i.s
Schlachtfeld nacli dvm ihm gegenüber liegenden
Ssemenowskoe.
,.ln dleaem Itageam seriie6endcn Pulverdaropfc, auf dieser
ganzen Strecke lagea in Blotlachen Pferde und Menschen eiiueln
und in Haufen. Ein Ibniiche« Schreckfaild, eine solche Maase
eon Gefallenen saf dactt e« kleinen Itanne heMe weder Napoleon
noch einer »einer Oeneiale jcnials gceehcn. Der Donner der
rieachatzc, der nun lO Simidcn hhUCTcintiKler nicht aufgebStt
hatte und das Obr serqallle, gab diesem Schauspiele eine besondere
Bedeutung, wie die Maiilt hei lebenden Bildern. Napoleon ritt
auf die Hübe fOn SjuntMWWekoe und sah durch den Rauch Reihen
von MAnitem i« bttlllen UnifMtnen, die für sein Auge ungewohnt
waren. Das waren die Russen. Die Russen standen in dichten
Reihen hinter Ssemenowskoe und dem HUgel (der Raewskijsehaiue)
und ihre CeschQtze brüllten und rauchten ohne Aufhören in ihrer
Linie. Das war keine Schlacht mehr, das war ein fortgesetitee
Morden. — Napoleon hielt sein Pferd ui niul verfiel wieder in
tiefes Siaoen; — er koaiue da», was da eot Pua and um ihn
herum vorging und wa» angeblich *on ihm geMlet werde nad
abbiiigig war, nicht eanallett, md zum ersiennele erac h ten Ihn
das. weil es erfolglos war, als unnAti umi ([iSßlkh." — —
Inzwischen befindet sich Kutusow auf einem
Hügel bei Gorki , im Zentrum seines Heeres. Er
sitzt scheinbar imthAt^i auf einer Bank und giebt
keine eigentlichen Befehle, ordnet nichts an, weil er
%vi-if\ il.iG <].is nichts iirltrn wild , um .so sornfättif;er
beobachtet er den Ausdruck in den Zügen der Ad-
jutanten und Ordonnanxen, die ihm Meldungen brin-
gen, weil er danui» db Stimmtmg adner Truppen
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Nr. 31
489
erkennt, und er thut alles, um diese zu beleben, |
denn er weiß, daß in ihr die Entscheidung bcgt.
»In der dritten Stunde endeten die Angriffe der Franiüien.
A«f d(n GeddilBm aUat dam, di« Toa SchlachtfcMc beranriuen
■Bd ianr, ^ gai fta ftandea, las KatiiMW dm Aiudiuck der
SpauMf, die den hOchtten Grad erreicht ImM«. Er war mit j
dem Brfolcc dct Tages (Iber Hrwartcn ««Mede». Aber die
karpertichen Kxlikc verließen den Alten, cinlgemalc lanV >ctn Ko|>r j
tief herab, aJl wenn er amfiillen wölke, und er fing an ta liliern.
Man gab ihn n «fiCD." Da kommt der KlaKeladjut.-ini Woltüjieu ;
TMI Barklaj de Tollfi der Oatci dem Rmdruclie der rurclitbaren '
Vailma die ScMacht Ar vcilM«a bllt md deagenKft Mctduae
aniMtan Ulk.
jaOa fiaätu WMmr StaDang dnd te dem Hindai de» '■
Fchid^ nd et tat «nlillch, Um ncttekimrarlaii, weil Icctiw .
Tni|>pea wiliawlaB lind: aia tf^an and ai giabt kaioc MdgKch-
k«lt, lie nm Stahen tniiiieB", baiieklate ar. |
KutiKow wandte >ich cntalUI^ ale tanuhc er akhl wa* man
ihm sagte an Woliogen. ^
,,S-.i luiht n ^lilIkh, Sil tial^cri gesellen — " »ehri»: «. r stirii-
runzetnii, tuUt.£i] lt mcS tu^ih «.rhub itnd auf Wulxogiin zu^^ui^i
„Wie — wie, Sic ».Ti;eri " n^l ur mit einer drubenden lland-
bewegun^, Sie \\\i^L-n, giiatdtgcr Herr, dos mir zu »ngen! Sie
wi»«is iur)it>' S:i^iit Sic in meinem Namen dem (ieneral Barclay,
daß »citiL Ni,iirutiUn unnchl?^' sind iim\ daÜ der wirkliche li:in>;
der SiM.iclii mir, «Kiri 1 )lK tbt!tiiliS.iLii t, ^icMt r l;i L.ir.tii ]-.' ali
ihm." VVuiÄu^cii wulliL tlAi.s unilfu aller Kutu&oW unter-
brach ihn: „üer Kt;iiil i%I aul dtrn Iin»iii KIQgel lurQckgewurren
und auf dem retlitLU ^f.sLl:I.i^i n >if falxcli |ee»(?lien hnticii,
gnldigcr Herr, iliuiu ti-'iit n Mc i:i f;■ilI^:^l nu lti v<iti Liin^m, iliv
Sie nicht kenne», KtiLc» Sie ^ctiitti^^tie zum i'ci.t-r,il BartUy uiiU
ueldeu Sil ihrii für morgen meinen unwt>lLTru'lii tun Entschluß,
delt FciJiU :iti2U^reifen," saj^le »trtrn^ KnlusfiiA. A'!l 3M:Hwiegen,
man hörte nur Uit stl.vscrLu Att [rjiu^iir ilt \ .littn (niicniU, tief
nach Luft tj]-^, ,,>it: iirul L:»(.r;ill :ib^v si luin^tli- Ll,iliir ihitikc ich
(joll unil unsitm tiijjfi Tc;! Iltvrt ['Lr Kt njj m 'itiaci mid
morgen i^tttltn ^ir ttin vuu tiwni Hajen Uea heiligen Kußlund
jagen," sprai !i Kutu^ow, sich bekreuiigend. «nd pUttUch MbhttfclU
er anf unter aalMuiyetidt-n ThrUneii. — —
„Ja, da ist ir, mvin !I<M " wandle er lieh zu einem starken,
roten, >chwanh«arigk;ti General, der in dem Augenblick «uf die Hübe
knm. Das war Kaewskij, der den ganien Tag l uf Jciu llaapt-
pankie den Felde» von Boro<lmo xogebracht hatte. Ei meidcle,
U'lii 'lir rru]')N M Wit .lül ihren Mütien itOmlaB imd dafl die
KriaiuscQ nicht mehr aniugtcilen wagten.
Als er ihn la Ende gehört, sagte Kulusow auf FraniOsisch :
«Sie deitken nicht, wie andere, daA wir aardckfelM» mBaKu)"
„Im OefeMcil. DarcUencht. ta anenleehiedeaeR KKmpfen
Meibt der H.irtii!lrl.i(;c- Si<.t;cr," arjtwortirtc Rjtwskij,
Kutusow bclichit darauf den aU^Jcmeinen Angriff
für morgea allen Truppenteilen anzukündigen. Er
spricht nur das Geföhl aus, das im g»iueo Heere
kbt. Es fühlt sich nicht geschlagen und ist also
nicht geschlagen.
Noch führt uns Tolstoj, um dies ruhige, uner-
schotterliehe Standhalten der Russen zu zeigen, zu
dem Jägerregiment des Fiirstcn Bolkon.skij, lias un-
thätig im Hintertreffen steht und im temdlichen Kugel-
regen die größten Verluste hat, ohne sich doch von
der Stelle zu rühren. Endlich am Nachmittage wird
auch Bolkon-skij von einem Granatsplitter tödlich
getroffen und nach dein Verbandplätze ^jebracht,
dessen erschütternde Bilder der Dichter noch greif-
bar deutlieb vor Augen stellt.
Zuletzt zeigt er uns noch einmal Napoleon, wie
er erschöpft, halbkrank, abgcstiunpft auf seinem Feid-
stuhle bei Schewardino sitit. Selbst <Ue letzte ge-
waltige Anstrengung, das Feuer au.s .»oo Gcfschützcn,
bleibt vergeblich. „Unser Feuer reißt sie reihcn-
wei.se nieder, aber ne stehen," mddet ihm ein
Adjutant.
Über dem ganzen Felde, das frtthcr mit seinen Bajonetten
und seinen R«iichwülkcr5 '.v. fh'r Nforge-nsonnr %r< heiter<dchön war,
stand jelit c^:i l>.iu^\ v n 1 l ut h: ii ur.<i R-iuch, und e» roch
seltsam sluerlich nach .Süliivtei und n n h Hlui Wolken halten
sich gesammelt und der Regen rieselte ml ilu- Toten, die Ver-
wundeten die cntseUtcn Dnd erschöpften und an ihrer Sache
selber xweifenden Menschen herab, alt ob er spriche: .,lic»U|2,
ICenug. ihr Mensdieii. lliirt ,iuf — besinnt euch. Was tbut ihr?"
Mit diesem düstren Stimmungsbitdc schließt
Tolstoj die eigentliche Schilderung die-scr furchtbarsten
aller Schlachten des ic), Jahrhunderts. Erbat gar nicht
die Ab.sicht, mit dem Cjoschicht^>schrcibcr zu wcittcifcrn,
so gründlich er auch den wirklichen Verktuf des Ereig-
nisses kennt, er giebt wieder ntur einzelne, scheinbar zu-
s.itnmcnhangslose Bilder, einiije kleine Unichstiickc des
Ganzen, aber er weiß idaitn ähnlich der 1 Xirstcllung
des Münchner Malers Adam in si uu r Si U)st'.itbeil8-
bcschreibung) deuthciier, eindrucksvoller aU jede ge-
schtchtswiRsenschaltliche Schilderung es vermöchte,
den CharaktLr dieser Srbl.iclit zum Bewußtsein zu brin-
gen; die riesigen An.'itrcngungcn der Franzosen und die
zähe Ausdauer der Russen, das entsetzliche Würgen und
die Erschöpfung^ auf beiden Seiten, endlich das Ge-
fühl der Erfd'.^ltisiglccit des angeblichen „Sieges"
bei den einc-n, das Bewußtsein der L^ni;be: w.ndiichkeit
bei den andern. Schließlich kommt auch hier wie-
der der Satz des Aristoteles am Gdtm^, dafi dte
Dichtung „philoMqiliischer" sei ab die Geschichte«
Paul Patoff by F. Marion Crawford.
3 vot*. London, MacntillMi Co.
Crawfords schriftstellerische Fruchtbarkeit ist
in hohem Grade erstaunlich und dürfte von We-
nigen erreicht oder gar fibertroflen werden. Erst
Vir wenig Monaten erwähnten wir seine letzte
Erzählung: „Marzios Cniciftx", die schnell auf Sara-
cinetea gefolgt war und jetzt liegt uns ein dreiblndi-
ger Roman vor, der wiederum ont<;chieden all^je-
mciner lie.-ichtung wert ist, obschon es uns hier zum
ersten Male bei einem seiner Bücher in den Sinn
gekommen, d»& es in künstlerischer Beziehung gewon-
nen haben dflrfte, wenn es etwas kflrzer gefaßt w9re.
so anriehrnd ,in imd für sicli alle Einzeihriten ^^ind.
Der Rotnan spieit teils in Konstantinopci , teils
in England. Hier und dort ist der Verfasser mit
Land und Leuten, ja, mit allen Verhältnissen, soweit
er sie in den Kreis seiner Darstellung zieht, voll-
kommen vertraut, und seine Schilderunf^'en sind
frisch aus dem Leben gegriffen. Er gicbt uns nichts
aus zweiter Hand, und darum wifict diese frische
Unmittelbarkeit so mächttjj und so fesselnd
Wir erwähnen beiläufig, und zwar besonders fiir
solche Leser, die sich für die Person des Verfassers
interessieren, daß Crawford mehrmals läi^ere Zeit,
in Konstantinopel verweilte, und zwar, als er um '
seine jetzige Gattin warb und sich dann mit ihr
vermählte. Durch die hohe StcUimg seines Schwic-
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Dm Kifatta tb die LIticraliir int nd Awbndn.
Nr. 3»
gervatefs, des amerikanischen Generals Berdan, wurde
er selbstverstlndlidi sofort in die staatsmSoiuschen
Kreise cinpcfiihrt und hatte Gc!( |^'enhi it. das I.cben
in Konstantiriopcl in einer Weise kennen zu lernen,
wie es nur wenig Bevorzugten zu Teil wird. Die
Hauptsache aber ist: solche Gelegenheit zu benutzen,
und das konnte keiner besser thun, als er mit sei-
nem offenen Ati^'< und offenen Sinn, mit seiner
feinen Beobachtungsgabe und .meinem unvergleichlichen
Gedächtnis.
Seine Schilderungen von Konstantinoprl , der
Stadt und der Umgebung, des gesellschartUchcn cu-
ropai^ichen und dci türk-.schi. n Lebens sind ganz
vorzüglich, und von denen möchten wir freilich kein
Wort «dssen. In diesen hfidist anziehenden Rahmen
fügt sich die anziehende Handlung ganz naturgemäß.
Paul Patoff ist ein junger Beigeordneter bei der
russischen Gesandtschaft, der seinen Bruder Alexan-
der, einen um swei Jahre älteren russischen Gardc-
offizier zum Besuche bei sich hat, — nicht gerade
zu seiner Freude, denn Ali x;iin!< r ist ohne Hin-
ladung, aus bloßer Neugier hingekommen, und er-
weist sich als höchst anspruchsvoller Gast, der sei-
nem Bruder endlose Verlegenheiten bereitet.
Die Charaktere der beiden Brüder treten gleich
von Anf.mg an in sclmrlcm tJe^ensatze hervor und
entwickeln sich im Laufe der Handlung folgerichtig
ihrer Anlage gemäß. Alexander bt der schöne, ge-
schrr •'■Hii-' t.icl)Iing seiner ^Itittc^r, von ihr und später
von aller Well verwohnt, !»eibstsüchtig, rücksichtslos
im Grunde, trotz der ihm eigenen feinen Formen,
ctte er dem Bruder gegenüber nicht zu beobachten
für ndtig findet, gewöhnt, jeder I^une 8U folgen,
jeden Wutiscl: 7ai l:icfricdigen. Paul ist vun Ju|^einl
auf zurückgesetzt worden ; er ist keineswegs hälilich,
aber nicht schön wie sein Bruder, hinter dem er
immer hat zurückstehen müssen, und der ihm ab-
sichtlich und bewußt den Rang abläuft, wo es ihm
paßt. Ohne Selbstsut ht ist .lucli Tau! nicht, schon
um der Selbsterhaltung willen kann er es nicht sein,
aber sie hat bei ihm eine gewisse Berechtigung und
nimmt ganz andere Formen an. vor allem siegt sie
nur Libcr sein besseres Kmpltndcn. Mit eiserner
Willenskraft hat Faul in seinem eigenen Wesen alles
überwunden, was seinem Erfolg im Leben etwa im
Wege stand, wie eine ai^eborene Steifheit und Ver-
le<,'enbcit, die schon aus der Zurücksetzung^ im Ritern
hause leicht zu erklären ist, hat sich mit eisernem
FleiCe aelbst die Laufbahn gesehaflen tuid ist ein
gewandter und tüchtiger Staatsmann geworden . der
skb sowohl des Vertrauens und der Gunst semes
Vorgesetzten, wie einer gewissen Beliebtheit in der
Gesellscbaft «freut Ein Rest von Hirte und Schroff-
heit ist in seinem Wesen fwOckgeblieben, tritt aber
selten hervor Alles in alleni ist er ein tüchti^'er
und gediegener Mensch und wird es mehr und mehr.
Alexander hat eine romantische Schwärmern (&r
eine vornehme Türkin gefaßt, deren Gesicht der
dichte Yaschmak freilich ganz verbirgt, die er sich
aber nach ihrer anmutij^en ( n stalt und zierlichen Hand
als jung und schön vorstellt. Trotz aller Warnungen
Mines Brudets, der ihnii veiseblich die ihnen von der
Empfindlichkeit und Rachsucht der Türken drohende
GeTahr klar zu machen sucht, begeht Alexander die
Unvorsichtigkeit, bei einer zufälligen Bej^c^^nun^ im
Roscnthal sich der Dame zu nahern und ihr sogar
eine Schmeichelei zu sagen. Der sie begleitende
Nc^er achligt nach ihm, denn er sieht seine Herrin
tfitlich beleidigt; Paul ßngt den Schlag auf und ver-
hindert seinen leichtsinnigen Bruder mit Mühe, von
seinem Revolver Gebrauch zu machen. Er fürchtet
schlimme Folgen von dem Auftritt, der ihn als Mit-
glied einer fremden Gesandtschaft unangenehm bloß-
stellen muß ; indessen die Folgen werden in der That
^anz anders uod viel achlimmer, als er es ahnen
koimtc
Vfir finden die BrOder bald darauf in der Hagia
Sofia , der weltberühmten großen Moschee , wo sie
einer der gfoüen religiösen Wcihhandiungen während
der letzten Woche des Ramazan beiwohnen. Die
Schilderung dieser Sicne gehört au dem Besten, was
Crawford je geschrieben hat, und schon beim Lesen
werden wir so davon hinj^enommen, daß wir es t,'anz
begreiflich linden, wie Paul Patoff in das seltsame
Schauspiel versunken, das er am Gelindcrgang der
Moschee anschaut, einen Augenblick seinen Bruder
aus den Augen verUert. Als er sich nach ihm um-
sielit, ist Alexander verschwunden und alles Bemühen,
ihn aulzuAnden, bleibt vergeblich. Man fürchtet, dali
er durch irgend eine Unvorsichtigkeit den Zotn der
wütenden Muselmänner gereilt habe und ihrer Radie
zum Üpler gefallen sei. '
Dieser Ansicht ist namentlich Paul selbst, der
sich Tage, ja Wochen lang im Suchen nach dem
Bruder fast aufreibt. Im GeAihle seiner Unschuld
ist er deslialb entsetzt, zuerst vifn seinem ihm durch-
aus wohlgesinnten Hauptvorgesetzten vernehmen zu
mtlssen, daß böswillige Menschen wohl auf den Ge-
danken kommen könnten, Paul habe den Bruder,
durch dessen Tod ihm ein reiches Erbe zufallen
wurde und mit dem er ja nicht zum Besten gestanden,
aus dem Wege geräumt.
Der Gesandte veranlaßt ihn, sieh, nachdem alle
Nachfor.iclmngen nach Alexander vcrj^eblich geblieben,
zunächst aul längere Zeit von Konstantinopci /u ent-
fernen. Paul sucht seine Mutter auf, die er an einem
Heilort im Schwarzwald unter der Obhut eines Arztes
findet, und zu seinem namenlosen Entsetzen klagt
sie selbst ihn an, seinen Bruder ermordet zu haben
und zwar in einer Weise, die ihn an ihrer Zurcch-
nungsHihigkeit zweifeln Ufflt. Der sie begleitende
.•\rzt Prof Eutler glaubt schon längere Zeit Spuren
von Getstc^zeirütiung an ihr zu bemerken und be-
obachtet sie als einen denkwürdigen Fall. Er wird
in seiner Ansicht bestärkt durch einen vermeintlichen
Selbstmordversuch der Frau PatotT, bei dem er ihr
d.ts Leben rettet, und darauf bringt er sie zu ihren
Verwandten nach England. Sie ist nämlich Eng-
linderin von Gebort und wird von ihrer Schwester
rmf«tcnommen, die an einen Gutsbesitzer. John Carvcl,
verheiratet ist. Paul geht unterdessen auf semen
neuen Posten nach Persien.
Somit wechselt der Schauplatz und wir befinden
uns in einem englischen Landhause, dessen breite
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Nr. 31
Dju MagMiii für die Litlcralui dn In» md AusUadrs.
49»
Eichaglichkeit der Verfasser efiensd nnschauHch schü-
dert, als die Bewohner desselben, Johti Carvel, den
braven und gescheuten Squire, seine liebenswürdige
sanfte Frau mit ihrer tlb«M geheimnisvollen Fröm-
mißkeit and allbereiten Wohlthätigkcit , und deren
hübsche junge Tochter Hrrtniinu-, i m echt engli-
sches Mädchen mit zwanzig Jahren, nur eben er-
wachsen, ehie streng geschlossene Knospe, in der
aber verborgene Kraft schlummert. Dann ist da
aber noch die Tante Chrysophrasia mit atl ihren Lau-
nen und Liebhabereien und verdrehten Ideen , eine
Gestalt voll so köstlichen Humors, daß nur Dickens
Shnhehes geteichnet hat — indessen ohne alle Üher-
treibuny;. C"hr\'t.f>phra5ia wirkt erheiternd, sobald sie
nur auf dem iyrhauplatz erscheint, selbst in den
emstesten AugenbUeken.
Frau Patoff lebt im Hause ihres Schwagers in
strengster Abgeschlossenheit und wird wie eine
Geisteskranke gehütet. Sie spricht fast gar nicht
und scheint alles Vei^ngene vergessen zu haben.
Indessen ihre Michte bezweifek Düren Wahnsinn und
bringt sie durch ihr kluges und licbev(>lK s Zureden end-
lich dahin, daß sie zugiebt, ganz bei Verstände zu sein.
Es wire demnach ihr bisheriger Zustand nicbts als
ehie hartnäck^ durchgeführte Verstellung gewesen —
was von den andern dadurch zu begründen ver-
sucht wird, daß <lie m-rvos überreizte l'r.ui sich
jenes Versuches ihr Leben zu enden sich geschämt
habe. Der gdstige Zustand dieser hdchst eigen-
tümlichen Frau ist ein meisterhafter psychologischer
V'cEiuci», den wir vielleicht niclit so vollkommen
würdigen könnten, wäre uns nicht aus eigener Er-
fahrung ein Fall bekannt, der diesem gleichlief, und
der auch, nachdem nach lang festgehaltenem, hart-
näckigem Sclnveigen ganz plötzlich ein scheinbar
gesunder Geisteszustand eintrat, schließlich m furcht-
barem Wahnafaui endete.
Nachdem Paul Patoff ein Jalir in Persien ge-
wesen ist, macht er seinen Verwandten in England
doen Besuch und gewinnt bald das Herz seiner
schönen P ve I>as dunkle Gerücht von seiner
Schuld am Tode seines Bruders taucht wieder auf;
Hermione glaubt natürlich nicht daran und will treu
ZU ihm stehen; er aber sagt, sie dürfe keinem
Manne angehflnn, atif dem audi nnr der Schatten
eines Verdachtes mhe, und geht zurück nach Kon-
stantinopel, um die Nachforschungen nach dem Ver-
schwundenen nochmals aufzunehmen. Dieses Mal
wird er von einem schlauen Griechen und einem
amerikanischen Freunde unterstutzt. Sachen, die
dem \'erschv.'undenen angehört haben imd nun in
einem Lager zum Verkauf ausgestellt sind, führen
aitf die rechte Spur. Wie Alejonder endBcb aufge-
funden und befreit wird, mttß man selbst lesen und
dem Verfasser, der Ja türkische Zustände kennt, die
Möglichkeit der Geschichte glauben, die er jedenfoOa
sehr wahrsch«tn!ich zu machen weiß
Kurz vor dieser merkwürdigen Entdeckung ist
aber die ganze Familie Carvel nebst Frau Patoff
nach Konstantinopel gekommen. Alexanders Wie-
deierscheinen beglückt das Hers der Mutter und
entfernt jeden Schatten von Schuld von dem schwer-
geprüften Paul.
Ihn denkt, nun mflsse alles ein frahKches Ende
nehmen; es ist aber nach Menschenkenntnis ganz
I richtig, daß die alten Gegensätze zwischen den
I Brüdern sich bald wieder geltend machen, die alte
Vorliebe der Mutter fQr iliren schönen Alexander
sowie ihre ungerechte Abneigung gegen den jungen
Sohn bald wieder hervortritt. Alexander, stets ge-
wohnt die erste Rolle zu spielen, will den Bruder
jetzt bei Hennionen ausstechen; und die thörichte
Mutter, welche nur den Wunsch ihres Lieblings im
Auge hat, daneben aber auch eine ganz eigentüm-
liciu-, inst leidenschaftliche Zuneigung (in ihre Nichte
fühlt , sucht seine Atraichten in jeder Weise zu för-
dern, am meiste« dadurch, dafi sie in erfieuchelter
Zärtlichkeit für Paul die.sen fast gar nicht von ihrer
Seite läßt, auf daß Alexander bei Hermione freies
Feld behalte. Das auf diese Weise entstehende Zer-
wQrfnis ist um so ernstlicher und um so schwieriger
zu lösen , als Herrn Jones Gefühl ins Schwanken ge-
rät, und auch das ist wohlbegründet. In stiller Ab-
geschlosseniieit aufgewachsen, kannte .sie die Welt
noch nicht, als sie in Paul die Verwirklichung ihres
Ideals zu finden glaubte. Er war der einzige jimge
Mann, der ihr je näher getreten, jetzt sieht sie
andere, sieht den schonen Ale.v.iiuk-r, der ihr in
ganz anderer Weise zu huldigen und ihr unerfah-
renes Herz kibisthch zu umgarnen weiß. All diese
seelischen Vorgänge sind mit großer Feinheit und
mit ebensoviel Wahrheit gezeichnet.
Von wahrhaft dramatischer Lebendigkeit und
packender Anziehungskraft sind die Vorgänge auf dem
Ma.skcnball , wo sich die Brüder bewußt ads Neben-
buhler gegenüber stehen.
Bei dem Gartenfeste, das der Amerikaner Griggs
der Gesellschaft giebt, fühlt man wie bei Gewitter-
schwüle das Herannahen des verhängnisvollen Er-
eignisses, welches den Char.tktcr der beiden Brüder
ins grellste Licht ^etzt und Hermionen mit einem
Schlage die Klarheit giebt, deren sie zu ihrer von
nun an unabänderlichen Entscheidung bedurfte.
Die Erzählung ist reich an Begebenheiten, fast
überreich ; manche davon strdfen das künstUch Auf-
regende, und wüßten wir nicht genau, auf des Ver-
fa.ssers eigenes Zeugnis hin, daß er jeden seiner
Romane vollendet, ehe er ihn zur Veröffentlichimg
an eine Zettsehrift giebt, so würden wir geneigt sein
zu glauben, dieser sei auf das Erscheinen in einzelnen
Nummern berechnet — was bei manchen unserer
neueren Romanschriftsteller der künstleriach vollen-
deten Leistung Abbruch gethan hat.
Für uns liegt die Hauptanteilnahme nicht in
dem Aufregenden oder Sji.innenden i G schichte,
das aber jedenfalls dem Buche viel Freunde und
Bewunderer gewhmen wüd, sondern in der vortrefT-
lichen Gestaltung und folgerichtigen Entwickchmg
der Charaktere, und in dieser Beziehung können wir
ihm die höch.ste Anerkennung, ja lebhafte Bewunde-
rung zollen, die ebenfalls den Schilderungen des
Schauplatzes gebiUurt.
Digitized by LiOügle
492
Dm
B flir die Llltcntar 4» to> «nd Avduidei.
Nr. 31
Der Verfasser legt die Geschichte Paul Griggs
in den Mund, dem ameriloniadien Zeitungsschreiber
den wir schon aus seinem Erstlingswerke, Mr. Isaacs
(das Crawfords Namen so schnell weltbekannt machte)
als vorzüglichen Erzähler kennen, und dessen feiner
Menschenkenntnis und gesundem Humor wir hier
gorn wieder b^egnen. Indessen ist doch ein Be-
denk» n hei der Sache: di^'^s ist /w.tr bei vielen
der von ihm erzählten Eici^njase Augenzeuge, greift
auch hier und da mit in die Handlung ein und will
das übrige von den Beteiligten selbst erfahren haben,
indessen er erzahlt doch manches, was er nicht wissen
oder so nicht wissen kann, was ihm z. Ii wu (ler-
mione besonders beteiligt ist, nicht so mitgeteilt
werden konnte, wenn sie selbst es erlebt und em-
pfunden hätte. Lbcrdics würde <^rii,^i^s nach seiner
Eigt:nart, die mehrfach hci voiltiu, manches ganz
anders aufgefaßt haben, und es fragt sich, ob die Er-
zähhing nicht gewonnen hätte, wenn sie der Verfasser
selbst, ohne dieses Mittelswesen, vorgetragen
Den j^i wt'ihnlichcn Romanlesern wird solcli' l ii^
Bedenken schwerlich kommen; hoffentlich aber werden
auch sie sich bewußt .sein, daß bi< ln( r einen Roman
in Händen haben, der sehr weit über das Mafi des
Rom. Therese Heepfner.
Litterarische Neuigkeiten.
Von R. Bongbl» ,3wri> di Roiw» iit Mabm der llng»«-
erwartete «weile Band cncMcacii. (Milaao, FiM«IH TNm, iCW.)
DimM hOcIiit wiahücc, nr ilt-rBoiiicbcD QndleBkude and Zvit-
huHmmung cemdcni mcmbetollelie Werk wird in den Kru<.u
der (ictchichlsfrcuniic willkommen M:in. Oer vurlicücnjr Kami
enthalt das vierte hii zum sechsten Buchr. Das vierte Buch be-
handelt die ehr <Ur rnmi»chcn (beschichte i i-, iuin hihr.
283 n. u. c. LiDa lünKc üach beliebt !ilch auf die Qaellrnknnde ;
das sechste endlich brin|rt die eigentliche geschichtliche D*rsleUuu|i
OI>er die Uisptttnge Rons ud seine Ucscklcbte in den ersten
Filippo Üuisini juniore hctiult ii-, (i F. ii 11 1 o (\i s i . 1 nuo vos
neucsle .Schöpfung, welche soclKn bei den l-'tjilrlli Ttevet in Hai-
VM 4« MadMM JalieCt« A4SSt «IKheint demnächst
»On i<ve sw> I« dl^>iii". at welchen Traom man »»illig (;«»p*nnt
Min darf.
Ein Gebiet der WiMeatcbsft, das Itlslier mr ncnpiriscli"
iMlinnt wurde . enchlieflf lieb am «neli den Fardenn^n der
iireBfeMa Fencbnngi Ott ML «te »dlMi", eine IHltnxiMfae
«nd geichicfaiUcbe Slndie nH sieben Zierbildcben von Prtipont
(B«Tger-L«vrau)l, Nancy.)
£in neuer Roouut roa Albert Delpit: „Pi^inm" eiKbeiat
Von Cariyles Briefen (1826—1835) erscheint eine neue Kol^e
inswci BUtdco, wclüic Prot Norloo bcraiugicbL (Macatittan a. C.>
Wir MiHMi «fen betGeanm, dal) die TednabailoiigiMit
amanr IcMiwelt der miccnBiAaeii wmi Hwkrlieb der lyrischen
tllchtinc taCcn'ber nm grüGten Teil vnaem bcntigcn Dichtern Mlbst
SUZUschrciben lal. Daher empfindet man gegenüber dea riaian^
VannivMtlichw Umamv^: Wai%ai« Kiiehtacb la
anspruchsvoll autgcstatletcn Bllchersammlun|>cn, welche jährlich
auf den Bachermarkl kommen, ohne eigentlich den Anspruch auf
•ttfieren Clans darcii inneren Weit tMgrInttcn an IcOnnen, eine
doppelte PvradB, wem man einem Werke b^egnet, bei dem das
■MfdMlMta Ve ABlinl» obwaltet. INcw «rrreolIclK Snetelmmg Irin
ms in den» nenreten Vnebc des «ach als TsgcascbrifbtcRer Kbott
Ungit rnViiilklL htl.,i:ihKri n^ui-.rh-Amerlkanef'- Kail Knorti
entgtj;-!! Aii iLricM U» luci«;« Jerscibe - falls c« Uberhaupt noch
einet Hl -i.iii/iing dieser allbekannten Thatsache bedarf — einen
vollgiliigeii Ucwcis rUr die unversiegbare Kraft deutschen Wesens
und deutscher Cjesiiinung auch In fernen Landen. Wenn es als
feattlebend gelten liann, daA man seine Mnttersfitacbe etat dam
mit ToHkommMr fMhalt sn haadhaban ecrUebt, aobald ans
aach «ine fteade Spnchc wo ilcnll^ behemcbt, m Heer
Knoitc obenan anf der Stafenlelter derer, die sich rShtnen Mnnen,
Meister im (iebraaehe ihrer Muttersprach«- ;ii >>Lin. ^lIm n .luiih
die bluße ThnUsiche, daß er eine schier utigl.uUiK'lLe Aju-iiil
frtmili r Sj.r:ich< i. I'raiuöbiscb — vom Altfrantüsischcn angefangen
— Englisch, ebeululls von seiner unprQngllchslen Hntwickeinngs-
stufe an, Italienisch, Spanisch. DKnisch, Schwedisch, Holllndisch,
Cbinesiscb, Arabisch, Petaisch n. a. w. aieh vSUig aaeeeigact liat
oad im den Caiat der IHchliMigcn dicaer Velber «iap^lniBcaB iai.
Das ssttiUBclwle XcnacidMn tlafOr liefern sciine ^IMw am
der yVetttJe" beliteftm freien rbersetiungen. 7wer cnitieilcn ^ic-
siHiLn ;iu;*i tji^^.ii<' [I. ■tlrsi.^u' i'*r.'i u ^tii^ m 'Ki \"'iJi^sLrb, und
wahrlich mtlit du. [.t-hlivLUaScii , \h; U,.ij(iUriha.l ik > im Verlage
von J Vogel-tUarus etsehicneilen Wetkcheus besteht aus ('her-
tragungen ausländischer Brieugni>»r, worunter die aus der iweiten
Heimat des Dichters den hervorragendsten Platx bcanspracHeO.
In der That liUdan sie ancb unter der Oberscfaiill mM* ^aai
aaaribraladwB Dicbterwaklc" dnan bcMUdam AbicbnJtt, dem
aieh alidaiai ab »waMar Teil „Fremdes «ad Bicana^ aMdht.
Hlerl>el hrt nar sn bedauern, daß Iclileret von enteren nicht
■:tr..ru' i;> ■.r'ii, den ist, um durc'i Ah'ivinti nir<K 'h r Si ll.silKiiräge
eitaei) kitiblick in das innerste Wesen uuseres Ubetsei.'airchen
i.andsinannei zu gestalten. Allein so viel ist auch l>ei der gegen-
wärtigen Anordnong ersichtUch, dafi Ucit Kdocu während seines
jabrelaagan Aofenihalis im Lande der Yankees nicht das gcringite
von seiacm «rdevtscbea IdcidhoMis cii^cbllik hat. Zugleich eet«
raten nach dia aondetlisch anterikantsehen Gediebia ibies Biele Hart,
LongMIaW, Savage, Fatrcett a. a. eine t~:cf&hlstiefe, die wlt
„ideale" RaropHer den nUchternen, praktischen Amerikanern ab-
iLbjif.ctiti. r. ir fU/a geneigt sind. Wir haben daher allen (irund,
Karl KnorU auch dafür, daß er uru darcll Sein eigenes Beispiel
und das von Vollblulamerikancrn elaaa Basseren belehrt, dea
/.ins unserer Dankbarkeit sa sollen. Dr. Carl Pinn.
AnaUndtoehe Urteil« ttber mtic Bracheinungen der
deutaSen Litteratur. Eingangs einer Besprechung des .^Aus
meinem Lelicn und aus meiner Zeit" von Ernst II , Hertog von
Sachsen-Koburg-tjoth ^ /mlü 1^ in , I he Nation" vom 17.
Mai d J.. ..Der Verfasser dii-itr Eiiime«U!igen spricht von der
bemerkenswetten Seltenheit solcher in Deutschland im Vergleich
tu deren Falle in England ond besonders in Frankreich. £r
hätte MasaMfea USancn, daS diese SekeiAelt aocb aaffalleadct
wird, weiui aaii bedtülct. daS ia fast jedcM mdaiM Liitatatai-
iweige die Dealachen die beiden aadetcn VBIker «nlaehieden
Ubcrttcifen. Romane bilden vielleicht die ciniigc ändert li.iin r
kenswerle Ausnahme hiervon. Wenn aber deutsche Erinui^i uuj;!. u
verhältnisirjUßii' iijim iniJ. mihI ilit von Herrschern verfallen
noch sellenei, und m itai das vorliegende Werk einen doppelten
Anspruch auf Beachtung, der noch datu durch dessen innere Vor*
zUg« bestärkt wird, Der nicht geringste dieser VonOgc iit dsasao
gef^Ullse Danttlkiiig, die s» weit alB miBgUGh tob dam achwewn,
earwlckallm and armUenden Satsba« eatTcnil ist, welcber dia
SeblUten der meisten berartmllUgen deatsehen Sehriftslener
abstoßend nn l iii-.lr. ri>;. nd sein läßt. Der Hci.* mIih:' i i 'n n
nicht wie ein betutsmäüigci Scbnftotcilcr, sondern wie ein gebil-
deter Weltmann." A.
tdm|B.t»iai
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57- Jahrgang.
Dresden, den 9S - August i888.
Nr. 55-
DAS MAGAZIN
FÜR
LITTERATUR DES
DIE
IN- UND AUSLANDES.
WOCHENSCHRIFT DER WELTLITTERATUR.
Hcnnigsber: Wol^ang Kirehbach in Dreadto.
Enchrini jrdcn Sonnabend. Preis 4 Mark vierteljlhrlich. BeMellungen werden von
jolcr Buclihanillunj;, jcJeni Postamt ( Nn. \!^Sq der Po»lti:ilnnK»li«<e) »<>wic vom Vcrla(;e Je» „Maguiii" in Dri:«den-N. entgeeengenoniDca.
Anzeigen werden mit 25 Pf. für die vicrgcspaltenc Nonpareille • Zelle berecboel.
Alle Recht« vorbehalten. Unbefugter M*eb4ruek wIrdVttf OrvaA dar Oaacta« «ad Vcrtrdf« vtrfclgt
Inhalt: Richard Weltrich: ..Gof tlus I'aust in der Göchhausenschen Abschrift " itst t/un^ ) -
R. Oöhn: „Sclbstbiognphie des Gencials Philipp 1 1. Sheridan." — Wolfgang Kirchbach: „Wilhelm
Schcfen Poetik." (Schluß.) — Xanthijipus: „Giucn Abend." — Eugen von Jagow: „Zola über
die Zukunft (kr Littcratur." M. Nolle; „Eine neue Cbersetzung der göttlichen Komödie.' —
Hermann Koskoschny: „Apollon Nikolajcwitsch Alaikow." - Litteraiiachc Neuigkeiten.
Goedies Fautt
in der OOchhauaenschen Abschrift*)
Von Riclinr.l W. Itrich.
(KurUcUUDß.";
Vergegenwärtigen wir uns zwei andere Stellen I
Der ur.spriinfjlichc Text enthält die Rede: ,,Ncin du
sollst überbleiben, überbleiben vf>n allen. Wer sorgte
für die Gräber! So in eine Reihe ich bitte dich,
neben die Mutter den Bruder dal Mich dahin und
mein Kleines an die rechte Brust Gt^ mir die
ll.md drauf du bist mein Heinrich." Hier lautet die
Umdichtung :
JMu. «■ mall Mg bleiben t
Ich Win dir die Gilber heMhiaiban,
PBr die aialit da eoigea,
Der Mader den besten Flau geben,
Mds Brader eegleleh dameben.
Mich ein ««aig bei Seh*.
Nar nicht gar n wettl
Und da* Kleine mir aa die ledNe Bnw.
NlenMnd wM coart bd alt liegen! —
Kleb an deine Seile n •ehmleffen.
Da» war ete «dlca, dn holde» <;iflelct
Aber e* will mir nidt mehr gelingen:
Mir 1*1*1, ab mUt' idi attch sn dir twlngcn,
AI* sde6eM dn mich «en dir sarflck.
rnd (loch hist tlu"» um) Mu lst \n ^iii. \t> fromm "
Die Prosa ist nicht in allen Teilen von der Glut
dichterischer Emi)findung glelchm.ißig durchdnmgen :
der hypothetisch -abstrakt erscheinende Satz „Wer
*) S. Nr. Jl dn ..Magazin fttr die LitU't.tlur".
**) DrackfelilerbcrlchtiKunf;. In Nr. Jl, .S. 481 iil <n
Icun „den .Minct'l" %iM ..der M.in):L-l", und ebenda 8. 4ta „dnc
Bttrgicliad" %lna „die vine UQrgachart".
• soT^gte fDr die GrSberl" hat etwas NOcbtemes. Ein
Mr-vtcrwerk aber ist die rhythmische Fassung. Die
kurzen Sätze, in welchen Gretchen ihre letzten Wün-
sche ausspricht , haben die Bcstimmtlieit eines auf
jedes entbehrliche Wort versichtenden Vermächtnisses.
Wie ein Gewicht UVst sich Silbe um Silbe langsam
von ihr<-in tiidlich j4<']iri '..^ti-n und doch dmi Schicksal
ergebenen Herzen; der Atem des Horchenden muß
stocken, wenn eine um die andere dieser Bitten sich
in seine Seele senkt. So knapp und schlicht aber
die Worte sind, alle Liebeskraft und Gatheit und
Bescheidenheit des herrlichen Geschöpfes driblgt nch
in ihnen zusammen; die zwei Zeilen:
,3i0ch ein wenig bd Seit',
Nar nicht gar sa wcitl"
sind Bände von Dichtungen wert. — Das im nr-
s]irüngliclien Te.xte folgende Wort: ,,Gib iTiir die
liond drauf du bist mein Heinrich" ist an sich-tief-
ergreifend, aber es durfte wegfallen; Faust wBre ein
Nichtswürdiger, wenn er die Bitten Grctchcns zu er-
füllen vermag und nicht erlTillt, das Verlangen einer
Zu.sage ist entbehrlich wie die Zusage selbst. rXis
Wort mußte aber auch wegfallen; denn der in der
Seele lesende Dichter glebt hier einer Wendung
der Vorstellungen Raum . welche den Gesetsen
der Ideenassoziation gemäß in natürlicher Weise
sich einstellt. Indem aber in der vom Leben sich
scheidenden die Erinnerung an selige Vereinigung
mit dem Gellebten noch einmal auTzDckt, einem
Lichte gleich, welches aufflackert vor dem l'"rlöschen,
verändert der Dichter zugleich den Gang und Takt
des Verses: breiter und stolzer fluten seine Wellen,
angeschwellt von der Macht der Liebe, von welcher
Gretchen sich einst getragen fühlte.
Digilized by Google
Mr. 55
Die zweite Stelle lautet im ursprünglichen Texte:
„Sic winckt nicht, sie nickt nicht, ihr Kopf ist ihr
schwer Sie sollt schlafen daß uir kannten wachen
und uns freuen beysamincn." Dagegen in der Um-
dkhttmg:
,,Sie nuLi, sit ii\i:t nicht, ihr Kopf iüf ihr fchWcr,
.Sit ^rl'.Uti' j j l:cu,:i., lit .»acht nicht mehr.
Sil st-liliLi, il.itu:! w.; flauten.
Kl waren glückliche Ziritea!"
Die erste Zeile dieser Verse gehört dem balla-
denartipen Gesang an, in welchen Gretchon, ringend
mit ihren Traumgesichten, fallt ; sein Ton, seine Ge-
walt wirkt nach auf die folgende Rede, während <Ji r
ursprüngbche Text unvermittelt in die Ernüchterung
der Prosa fibersprini^. Es ist aber auch eine Welt
von schwersten Erinnerungen, welche in fliesom
Augenblick durch Grctchens Seele zieht; so ^jczicint
dem Verse feierlich emster Laut und schwerer Atem.
Bilder des Glückes mengen sich ein und (arben die
Stimmung; aber über den Schlaf der Mutter, aber
den verdcrblicht;n Schlaftrunk, welchen diese erhielt,
wolkn die Gedanken, die Lippen nicht hinüber; das
Wort wird wiederholt und in einen wchmQt^D Seuf*
aer tönt die widerspruchsvoll« Empfindung aus.
Durch alle Teile der Szene bindurcb fiefie so
si[:h erweisen, daß eine ei-'icli(i;)fende künstlerische
Versinnlichung innerer Vorgänge erst in der zweiten
BearbeKang trälbogen iat» daß erst der Vers, dessen
wech'teK'oller Bau im ersten Teile des Faust ja frei-
lich von eines groüen Dichters reifster Weisheit zeugt,
den tiefsten Seclenlaut entbunden und sprachlich ver-
dichtet bat, daß mit der Rhythmüc der Sprache die
,,dfiunatiacbe Aocentuation" nicht verloren, sondern
wesentlich gewonnen hat. Schönheit und Wohllaut
brachte die Versform hin?u. aber auch eine Fülle
realistisch -psychologischer /ü^< , und das Wunder-
bare ist, daß die größere Schlichtheit und Unmittel-
baileeit häufig auf Seite der rhythmisclwn Fassung
liegt. Wenn G retchen ursprüni^'.u h s.i^f ,. Ach Hein-
rich könnt ich init dir in alle Welt ', so spricht sie
ja natürlich und warm j,'enug ihre Empfindung aus,
aber das W'ort der rhythmischen Dichtung „Du gehst
nun fort? O Heinrich, könnt' ich mit!" ist doch noch
besser, es ist stärker und einfacher; der (ied.inke,
an welchen der Wunsch anknüpfen muß, wird aus-
gesptodien, und der auf das notwendigste Wort sich
beschrünkrndp Wunsch hat die größere Krnft
Dabei liül dur Vers in der Kerkerszene noch
eine besondere formsymbolische Bedeutung. Gret-
chens Zustand ist nicht Wahnsinn, aber er atreift
nahe daran. Schuldgefühl, bitterste Verlassenheit,
Schmach und Todesanj^st Listen auf ihr mit so fuieht-
baren Gewichten, daß ihr 15e\vtißtsein aus den Fugen
gerückt werden muß, und si hon das Mifiverhältnis
zwischen Ursache und Wirkung könnte ein Menschcn-
gehim, welches darüber nachdenkt, zerrütten. Nicht
als ob das Drama darin zu t.idein wäre das wirk-
liche Leben verfährt genau so grausam und liebt es,
geringe Schuld mit der nimÜcben Mafilosigkett zu
rächen. Das arme Grctchen bricht zusammen. In
ihrer Seele, in ihren Phantasien hat nichts mehr Raum
als die Vorstdlung des Erlebten; ihr ganzes Sein ist
nach innen gerichtet, der Zeitsinn, der Ortsinn, die
I Empiant;li< hkcit und Unterscheid; ingsi^abe für die
nächste l'niiiehunj:; sind Miriibergehend außer Thätig-
ikeit gesetzt. Sie gleicht einer Träumenden, atier
auch einer Hdlaeherin; sie scheint irre an reden, und
doch ist, was sie sagt, voll Sinn und tteffjeschöpfte
; Wahrheit. Und dieser Abgeschiedenheit von Welt
und Tagcshellc, dieser Entferntheit von äußerer Wirk-
lichkeit, diesem seltsam rätselvollen erhöhten Seelen-
snstand kommt die von der Prosa zum Verse ge-
steigerte Ausdriicttsweise vorzüy'ich zu statten Die
Pro.sa ist an Mch m iclir vü;i vcrötaiide.smaüit^er Be-
stimmtheit beherrscht, um einer Art von Seelenleben,
I wie es hier «raltet, bis auf seinen letzten Hauch hin-
I aus den sprachlichen Körper m geben, um diesem
Traiunreden, dieser Däninierwelt und ihren weichen,
verfließenden Umrissen überall nachzugciicn. Aber
I der Vers vermag es, und indem er es leistet, «fiUk
I er gerade hier bestens seine Bestimmung, uns aus
■ der Sphäre einer gemeinen und alltäglichen Wirk-
lichkeit in die einer höheren und außerordentlichen
zu vcr^tzcn und uns von der psychologischen Wahr-
heit ebies dem GewöbtiUchen gans entrfldtten Zu-
Standes auf das V'fillknmmrnRfe zu fiberzeupcn.
Nein! Nicht von der prosaischen Kcskerszcne,
I wohl aber von der rhythmisch gefaßten gilt Vischcrs
I Wort, daß ihr die Geschichte des Dramas keine
größere an die Seite tu stellen habe, und nichts
wünschte ieli mehr aus den Vorbemerkungen des
hochverdienten Herausgebers der Göchhauscnschen
Abschrift gestrichen zu sehen, als den von ihm
mit Beziehung auf die Kerkerszene gebrauchten
Ausdruck „Zierform des Verses". Glättung war
das Geringste, wa5 die L'mdiehtun^ liezweckte,
„Zier" lag vollends ihr meilenfem; aber den Natur-
laut der Leidenschaft hat sie entfesselt, aber das
dramatische Gcfttf^e hat sie gefestigt, aber die GfdU
heit der Farben iiat hie gcdiitnplt.
Auf zwei Einzelheiten des Textes dflffte in sacb*
lieber Hinsicht noch aufmerksam SB madien sein.
In der fertigen Dichtung spricht Gretcfaaa ifie Worte:
„Sil- Mngcn Lieder auf mich ! Ei ht bO» TM dm LtttlHlf
Kill altes MUrchen endigt lo,
Wer heißt bie's deuMof"
Löpers Faustkommentar*) bemerkt zu dieser
Stelle, der „ansprechenderen", der aus dem Charakter
der ganzen Szene geschöpften Deutung gemäß hätten
nicht die Wächter, beziehungsweise der Türmer, dn
Gretchen verhöhnendes Lied gesungen, sondern Cret*
chens eigenes Lied, da?; I-ied vom Machandclboom,
erscheine der Verwirrten als von andern gesungen.
Was die crstere Auffassung bctrifii , so ist sie von
solcher Plattheit und springt mit der gegelwnen
Dichtung so willktirlich um, daß man jeden Wider-
spruch l'ur (.bL i flüssi^ bauten seilltc ; es ist aber im-
merhin nützlich. daLs sie nunmehr ganz und gar aus
der Welt geschafft werden kann. Der Text der pro-
saischen Szene läßt n:i:iilich über Goethes eigene
Meinung nicht den geringsten Zweifel. Hier steht
*) Puux. — Mit EiaIcitingHi uiui criUilerndcn Amncrltiiiigcn
m G. r. LBpcr. ZweHe Bcubclnim, Bcrila l9n>
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Nr. 35
Om M«(wSn für die LiUcritar 6t» Ib< oihI Aoslan^ei,
54j
der cntsprcclicndr piosaische Satz in näht-rcr Vcr-
t>induog mit dem Vorausgebenden und die Stelle
lautet: „Sieh das Kindt Muß kh's doch tränken.
Da hatt ich's eben. iJa! icfi li.ilis ).;i-tr;inrkt. Sic
nahmen iiiirs, und sagen ich hab es umgebracht, und
singen Licdjjcr auf mich! - Es ist nicht wahr ,
es ist ein Märchen das sich so endigt, es ist nicht
auf mich daß Sie's singen." Somit sind diejenigen,
\v( U:Iif das Kind weggenommen liahcn und diejenigen,
von welchen sich Gretchen verhöhnt glaubt, die näm-
lichen ; d. h. in beiden Ffillen sind es keine wirklich
vorhandenen ,, Leute", sondern Gestalten, welche
Gretchcii sich selbst schaiYt ; Jjc gan^u AuLvctun^
zeichnet einen Phantasievorgang und dieser Zug ist
höchst charakteristisch. Banges Horchen täuscht mit
Tonefn|>iindttngen, wie der gereizte Augennerv Vi-
sionen er/eut;t ; die crschrccktc , ;iuf|.;e\vill'.ltc I'in-
bildungskratt verlegt innerlich gchurtcb nach aulien.
Das ist bei Gretchens Zustand doppelt begreiflich.
Ob es |*efade das Lied vom Alachandelbaum ist,
welches in Gretchen in diesem Augenblick fortklingt,
erscheint mir zweifelhaft; es können auch Lieder,
Volkslieder vom verlassenen Mägdlein, von Verfüh-
rung und Kindsmord in ihr aufgewacht sein und Sue
geängstctc Seele mit einem Gespinnst von Bezieh-
ungen auf eigene Erlel)nisse umfangen. Die Verse
„Bin doch noch so jung, so jung die Blumen zer-
streut" deuten auf liedartige Erinnerungen. — Der
swette Punkt geht den Schluß der Ssene an. Im
prosaischen Text fehlt noch die „Stimme von oben".
Daü diejentge»„gerettet" ist, welche von Faubt, dem
Gefährten des Mephistophelcs, sich scheidet, welche
büßend ihre Seele den „heiligen Engeln" übcrgicbt,
wissen wir auch ohne das vertntrgende Wort; aber
Mephistos „gerichtet 1" verlangte den hörbaren Wi-
derspruch.
Es bleibt nur Obrig , auf die Li^, in welche die
Faustfor.schtinr; durch die Entdeckung Schmidts sich
versetzt siclit und aut das dramatische Ganze , wel-
ches in der Göchhausenschcn Abschrift zum Veir-
schein gekommen ist, einen Bück zu werfen. Jene
ist veiindert graug, und ich weiß lücht, ob die Kritik,
soweit sie das Alter und die fjeschiehtliehe rntsteh
ung df.r einzelnen Szenen zu be.stimaitn versuchte,
durchweg viel Ursache hat, das Haupt stolz zu tra-
ge». Manche bisher nicht gesicherte Annahme ist
heute urkundUch und in glänzender Weise bestätigt;
aber ;iuch eine Reihe von Irrtümern, und oft recht
hartnäckigen Irrtümern^ ist in die schärfste Beleuch-
tung gerdckt. lihn darf nicht verkennen, daß der
Boden , auf welchen die Forschung bisher sich ge-
stellt fand, em ungemein schwieriger und schlüpfriger
war, während doch, wie v. Löper mit Recht bemerkt,
keinem, der emstlich über Faust schreiben wollte,
erspart blieb, ihn sn betreten. Wenn aber mißglGcktes
Bemühen auf mehr oder wcm^'er Nachsicht Anspruch
hat, so besteht doch die l'lhcht, den Rechnungs-
abschluß mit aller Gewissenhaftigkeit zu verbuchen.
Es war eine Feuerprobe, welcher die Kritik sich zu
unterziehen hatte, und nicht nur um ihre Aufstel-
lunj^en als solche handelte es sich, sondern /u
einem gewissen Grade auch um die Methode der
Forschung. Da nun die Methode etwas Bleibendes
ist oder sein will, so kann es der titterargeschicht-
Kchen Wissenschaft nur nutsUcb sein, wenn sie den
gegenwärtigen Fall mm Anlaß nimmt, bei sich EtD<
kehr zu halten.
Wie schon angedeutet, läßt sich nkht schlechter-
dings behaupten, d.iß dl<' -S/enen, welche das Fräu-
lein von Göchliausen in der Handschrift des Dichters
cnjpfing, bis auf den letzten Rest alles umfassen, was
Goethe bis ni jener Zeit an seinem Faust geschrie-
ben hatte; die MagMchkeit, daß daneben auf Blättern,
well In- eiii- \veirn.Tri--chcn Freunde nicht sahen, flüch-
tige Einfälle, abgebrociicnc Versreihen u. dergl. ver-
zeichnet waren, kami lächt in Abrede gestellt wer-
den. Aber unter Miterwägung gewisser geschicht-
licher Zeugnisse, welche wir zuvor besaßen, unter
Mitberücksichtigung gewisser auf ästhetisch-kritischem
Wege gewonnener Einblicke in den inneren Bau tmd
den Plan des Gecßchtes dürfen wir doch mit höch-
ster Wrihrscheinlichkeit nus dem textlichen Bcstnnde
der Göchhausenschcn Abschrift folgern, daß um 1775
keine der in ihr nicht enthaltenen Szenen
der Fausttragödie ausgereift oder au
einem auch nur vorläufigen Abschluß
gebracht war. Andrerseits haben wir nunmehr
bezüglich einer bestimmten Anzahl von
Szenen derjenigen nämlich, welche in der Göch-
hausenschcn Abschrift enthalten sind — die Gc-
witSheit, daß sie der ersten und ältesten
Porioiie der F :i u s t d 1 c h 1 u n an 14 ehi j ren. Aus
diesen beiden That&achcn crgicbt sich für die Frage
der Entstehung des GediclMes und den heutigen
Stand der Faostforschung eine Reihe widtt^^r
I Schlüsse.
I Jeder Unsicherheit, jedem Streite entrückt ist
I von jetzt ab das Alter der Gretchenszenen. Schröer
I hat in der zweiten wie in der ersten Auflage seines
i Faustkomment.irs • eine Unterscheidung zw iseli. n
i älteren und jüngeren, beziehungsweise nach 1773
„eingeschalteten** Gretchenssenen gewagt Und zwar
I stellt er zu einer zweiten exlcr jünf^cren Gruppe zu-
, sammcn die Svenen Grutchtui am Spinnrad, die
lirunnenszenc, Gretchen vor dem Bilde der Mater
dolorosa und die Domszene; nach seiner AuiTassung
: stehen diese Szenen sSmtlich „nicht mehr bn Zu«
sammenhan^^ mit der eisten Konzejition" des Gc-
I dichtes, „nicht im Ziis.inmicnhang mit dem Ganzen",
! sind vielmehr als ,,ein7i ln« ffiMer" entst.inden „in
einer Zeit, als die Erianerui^ an die Gebilde der
I ersten licgci.sterten Schaffenslust schon verblaßt war",
„als dem Dichter die titanische Gest.ili Faiists iti den
j Hintergrund trat .... und in ihm nur mehr die all-
gemein menschliche Tdlnahme an Gretchens rüh-
j rcnder Gc<:!a!t fortlebte"; vom Verlauf der 1 landlung,
I vusii Vcfblciben Fausts werde in ihnen „nichts er-
sichtlich". Auch von der Valcntinszcnc, in welcher
I Gretchen mitbeteiligt ist, lesen wir, sie reihe sich
jenen „Bildem" an, sie stehe mit dem Ganzen nk:ht
I *i KnaM von r.oflhc. Mit Einicilang und furtlautcndcr Ef-
l;l;,rui.(.' h, ^.^u^^;,:|;^^>tll ^uu K. J. .Scliröer. Er*te Allfll|l ISBI,
, ZMcilc, iloichau» rexiJieiti: AaAagQ 1886 — i8S8. '
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i44
!>■• Matuaii üir titttnnir dtt fa* imI AadtitdM.
Nr. 35
in klarem Zusammenhang. Merkwürdig unsicher und
unklar äußert sich Schröcr über die Zeit, weicher er
die angeblich Jüngere Gruj)pc der Gretchenszcmn
«iweisen möchte. In der auf S. LIX— LX der zwei-
ten Auihge sidi findsnden Ober^chtstafel werden
die genannten 5 Szenen der Zeit von ,177' 1786"
zugeschneljcn, doch fügt Schrüer in Klammern bei
„vielleicht nur bü IJJ""- Zwei Seiten zuvor gelten
ihm die Jahre i775'^t786 als die „wahrscheinliche"
Entstehungszeit der als einzelne Bilder Ixzeichneten
Szenen, an nndrn n Stellen heißt es: ,,ihre Anfange
reichen mindestens in das Jahr 1777 hinauf", sie ge-
hören in die Ztnt, in der Goethe ,.am 1. Buch des
Wilhelm Meister schrieb"; die Szenenreihe, „in der
Grctchen allein auftritt", „scheint etwa um 1777"
entstanden zu sein. Schröcr läßt indessen noch
weiter mit sich handeln: ä. Lll lesen wir, einzelne
jener Bilder kftanten sidi „allenfalls auch sehen 1775
in Frankfurt gestaltet haben, wenn auch mehr nr>ch
für 1777 spricht", und tinige Seiten wciIlt unten,
die Lieder ..N'.ruu Ruh ist hin" und „Ach neige du
schmerzensreiche" habe Goethe „vielleicht schon von
Frankfurt mitgebiacht" und (später) als selbstindige
Szenen „in das Faustmanuskript eingeschaltet". Man
sieht, Schröcr weiß selbst nicht recht was er will
und möchte am Hebsten weder „so" noch „so'* gesagt
haben.
Ganz unhaltbar ist die Zeitbestimmung „1775
bis 171'"')" l.iisscti wir dris Zeugnis der Gi)rhh,iusrTi-
acbcn Abschritt zunächst noch beiseite: Scliröer ver-
giik den Brief, welchrn (jocthc am I. März 1788
ans Rom geschrieben hat*). Sein ganzer Inhalt sagt
uns, dafi ein langer Zwischenraum verflossen ist. seit
Goethe dii; H.uuist hriti nicht wieder geöffnet hat:
sie ist inzwischen zu einem von der Zeit vergilbten
„alten Codex'* geworden; Indem Goetlie die Arbeit
wiederaufnimmt, muß er sich in eine „selbstgelebtc
Vorzeit" zurückversetzen und fühlt wohl, daß es ein
ander Üing ist, „das Stuck jetzt oder vor fünfzehn
Jahren" — also 1773 ~ „auszuschreiben". Alle diese
Äußerungen ^nd sehleditweg unmOgUeb, wenn der
Dichter bis gegen TjSh hin am Paust geschrieben,
geändert, eingesciiaitcl hat.
Aber auch die Zeitbestimmung „um 1777" läßt
sich nicht aufrechthalten. Hier gilt Erich Schmidts
Bemerknng: „Für die zehn Jahre 1776 1780 ist
Arbeit an Faust, hinai:--M, nJ fii„ ^ i gelegent-
liches stilles Fortspinnen dtr GcdaukciUaJen, schlech-
terdings nicht nacilwdabar. Im geheimen freilich rückt
der KrystaUisatiQnsproecß des Lebenswerkes weiter,
mehr unbewußt als bewufit .... aber nirgends findet
sich eine leise Aruteiitnii|.;, d.1'3 der nlte (..Dde.x Neues
in sich aufnahm." llrich Schmidt darf folgern: „Wir
empfangen" in der Göchhausenschen Abwhrift, ab-
gesehen von einigen Notizblättern und von unfjo-
schriebenen Plänen, „alles was Goethe nacli \\ dni^i
mitbrachte", .die Früchte von 1773- i775". Nun
enthält die Göchhausensche Abschrift sämtliche Gret-
chenscencn, audi jene von ScbrOer einer jüngeren
Gruppe zugewiesenen, mit Ausnahme der Szene zwi-
•) Sieb« & 317 dm „M*|iiIm Air 4i« LiMctitar".
Scherl Grftchen und Valentin, und vnn Jschröcrs kün.st-
liclit-f Ti(.nnun^; würde niclit lan^jer zu reden sein,
wenn nicht ein mit so liebevollem Fleiß um die
Dichtung sich bemühender Forscher einige Anspruch
hatte, sich verteidigen zu dürfen.
Es sind innere wie äußere Gründe, .ml' wdclun
Schräer seine Annahme aufgebaut bat. Auf jene,
soweit sie gewisse scheinlnre oder thatsSchfiche Wi-
dersprüche im Inhalt der Gretrhcnszenen betreffen,
werden un an spatnei ^itelle zurückkommen; hier
ist nur zu sagen, daß Schröcr mit Unrecht behaup-
tet, diejenigen Szenen, in welchen Gretchen „allein",
in wetclwn „das verlassene Gretchen" mis vorgefUhrt
I u er<le, stünden mit den übrigen, mit der dramatischen
1 {andlung III keiner inneren Verbindung. In einer
Lii lx:stragödie geht alles was den einen Teil trifl%,
1 auch den andern as; was Gretchen erfahrt oder er-
1 duldet, wirft seine Schatten auf Fausts Leben zurfick,
mag dieser nun in der Nähe sein oder nicht, mag
er von den Schicksalen der Geliebten wissen oder
der Teilnahme sich zeitweilig entziehen. Mit Fausts
Abwesenheit wächst seine Schuld. Es ist wunder-
lich, wenn Schröer sagt, die Üomszene gehöre „wohl
I in eminenter Weise" in die Ri ihi' derjenigen Bestand-
i teile des Ganzen, „die nicht im Zusammenhang mit
I der ersten Kenseption, sondern spBter als einzehie
Büdpf entstanden sind", wunderlich, wenn er bei der
Zwin^crsicnc kiaicn Zusammenhang mit dein Ganzen
vermißt; diese Szenen sind nach dem Vorhergegan-
genen als Ausbrüche des Jammers und der Ge-
I Wissensqual unentbehrlich, und die dramatische Hand-
[ lung, zu welelier j.i doeti mich das wcchselvolle Ge-
' mälde seelischer Zustande gehört, rückt mit ihnen
fort. Und was soll hier heißen erste „Konzeption"?
j Wir wissen aas Goethes eigenem Bericht, daß die
1 Anfänge des Faust in die Strafiburger Zdt fallen,
' daP d.Trn.ils Götz von üerlicl'.inyen wie Faust in ihm
! „zu poetischen Gestalten sich ausbilden wollten";
; wir werden durdi eine Kette von Zeugnissen, deren
I Glieder Andeutungen des Dichters und Äußerungen
1 seiner Jugendfreunde sind, darauf hingewiesen, daß
I Mir i niclits niedergeschrieben war, daß du: Ab-
fassung der älteren Szenen zumeist in das Jahr 1774
, ftllt und m „Anfang des .^thres 1775 das fiherte
Gedicht in .':einen Tlanplbest.indtciirir* *) fertig war.
In welcher Aulemandcitulye at;icr die Gtundlinien der
I dichterischen Fabel in Goethes Geist sich gestalteten,
läßt sich nicht unterscheiden, und hier zeitlich son-
dern, kalendermäßig gliedern zu wollen, ist schon
deshnlb rin tinfruchtbares Bemühen, weil die let2ten
Ausgangspunkte genialen Schaffens im Unbewußten
liegen und was aus der Gährung als ein Nacheinan-
der hervortritt, ursprünglich sehr wohl ein Neben-
einander sein kann. Ein geistig erregter und zugleich
ein grobsinnlich begehrlicher .Menscii ist der l'.-iust
der Fuppenspielfabel, der Faust der VoUcssage. Der
stürmische Drang der Geniezeit ahnt in dieser Ge-
stalt ein Spiegelbild, unter den Händen Goetbea
*) Kuno Kisclicr, CocUiis Kaukt nach Mincf Battlehung, Iiicc
ond K«npo«itio]i, Zweite, oea bcub«itetc im4 wmrwhrtc Aoflage.
Suttlfiut iSl7.
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Nr. 35
Dm Ma^axio {ät die UumUir 4c» Iw und AasUodet.
S45
nimmt sie das geistige Ringen, die Gedankenwelt,
die Scelenkäm]ifo des i8. Jahrhunderts in sich auf;
aus dem mittelaltt^riichen Grübler, Zauberkünstler
und Gaukler wird ein nach den tiefsten Quellen der
Erkenntnis scliflrfiender Denker, aus dem LOstling
wird ein von der lodernden Glut der T.iclH- ergriffe-
ner Mcn&ch. Eine Umbildung des Stotics geht vor,
und diese Umbildung ist in jedem Sinne eine Er-
höhung, eine Vergeistigung; aber die Elemente der
alten, der Volksdichtung, und der neuen, der Gocthe-
schen Dichtung, cnts]irechcn einander, und die \'cr- '
bindung eines leidenschaftlichen Wissensthcbcs und 1
eine!! leidenschaftlidien Lebenatnebes in Enier Gestalt I
i^! geWiebrn, wie sie von Ursprung an gegeben, wie
sie vorgcbildcl war. Indem Goethe in der Schrift j
„Aus meinem Leben" der Sclu i tinii^ des Faust zu- 1
erst gedenkt, bemerkt er: „Auch ich hatte mich in '
alleni Wissen umhergetrieben ttnd war frQh genug <
auf die Eitelkeit desselben hinj;e\\ iesen \vnrden Icfi
hatte es auch im Leben aut allerlei Weise versuch:
und war itnnier unbefriedigter und gequälter zurück-
gekonunen. Nun trug ich diese EHngc, sowie manche
andere, mit mir herum und ergetzte mich daran in
einsamen Stunden, ohne ;ednch etwa'- davon aiif/u-
schreiben." Diese Äußerung ist sehr bezeichnend.
Die GegenQberstellung von „Wissen" und „Leben" j
f,.aiich im Leben'"! läßt erkennen, daß von Anfang
an der WicdcrklautJ, welchen die Faustsage in Goethe
erweckte, ein doppelter war, daß der schöpferische
Trieb des Dichters sich des Stoffes bemächtigte, weil
fltr die bdden Selten dessdben seine Seele gestimmt, !
durch Wirkung von Lebenseindrürken cmpnin;;!!!-!!
gemacht war. ,,Die bedeutende Pupiiensiiidlabcl
klang und suminte gar vicltönig in mir wieder,"
achrdbt Goethe an der nämlichen Stelle. Unter die-
sen Umstanden halte ich es fQr verfehlt, anzunehmen,
daß gerade nur derjenige Teil der Tragödie, in wel-
chem uns „Faust allein" vorgeführt wird, zur Zeit
von Goethes „eigenem Titanismus ' entstand, daß
die Licbesssene zwischen Faust und Greteben „das
Nächste waren*' und eine „jrweitc Masse" bildeten;
und für ebenen wiUkwrlicli, ebenso unglaubwürdig
balte ich es, weim Schröcr hinzufügt, die Szenen, in
welchen „Gretchen allein" auftrete, entspridien einem
„dritten Entwicklung-^stadium" im T.eben des Dich-
ters, einer Zeit, in wclchci er für das Ganze seines
Faust schon „erkaltet" war und nur noch durch die
Gestalt Gretchens (die Erinnerungen an das Frank-
furter Gretchen) „festgehalten wurde". Zum Tita-
nismus Fai!-;> [,'ehört auch, daß er Gretchens . kleine
Welt" ,,zu Trümmern" schlägt. Selbstverständlich
sind nicht slmtUchc Grctchenszenea auf einmal ent-
standen, was von der Dichtung im gansen gilt, wird
audi von ihnen gelten : die Szenen rücken allmählich
fort, jetzt in größcrem Zusaininrnhanj^ auf das Ta-
pier „hingewühlt", hingeströmt, jet/.t mehr im Gang-
sdiritt kleinerer Zusätze. Ein so zusammcngesetetes
Gan7<», wie ein Drama, liegt überhaupt nicht blitz-
artig leiti^ vor dem Geiste, vielmehr bewirkt erst
die Ausfülirunf,'. das Xiederscl'.reil.ien die Klärung; und
Vervollständigung der inneren Gesichte ; hier kommt
henmiend, ja auch stOrend himu, daft die SdiSpTung
des Göt;; von Berlichingen, des W'erther, die Ent-
würfe de» Prometheus, des Mahomei, des Ewi^^en
Juden, daß eine Fülle von Liedern, eine Fülle von
satirischen DichtunigeD swischen die Arbeit am Faust
sich di€ngt. Dennoch mufl die Geschidite der Didi-
tunf^ alles, was zwischen ij-i, und 1775 am Faust
geschieht, als das Erzeugnis Eines Zeitraumes, als
eine zusammengehörige Masse betrachten; denn die
innere Welt, der Lebensgrund, auf welchem das
Schaffen des Dichters ruht, bleibt im Wesentlichen
der nämliche, und scharf trennt sich dieser von dem
nächstfolgenden ab, in welchem mit der Ubersiedlung
nach Weimar veränderte Stimmongen, neue, anders-
artige Pläne und Werke (Iphigenie. T.issol hervor-
treten und die Arbeit am Faust zurückgelegt wird.
Wohin .Scliröcr mit seinen Auffassungen gelangt,
mag ein Beispiel se^en. Die Saene am Spinnrad,
meint er*), stamme, inaofem sie ein Bestandteil des
Dr.Hiii.is sei, aus einer Zeit, in welcher Goethe an
dem Titanen Faust wie an Fan«;t dctn Liebhaber
nicht mehr Teil genommen habe, aus einer Zeit, in
welcher ihm nur noch die Gestalt Gretchens (des
Frankfurter Gretchen.s) in ergreifenden Bildern er-
schienen sei. Schröer verweist auf das fünfte Buch
von „Wahrheit und Dichtung", auf die Stellen:
„Gretchen saß am Fenster und spann", „Gretcben,
die bis zu diesem Angenblick fnrtpesponnen hatte,
stand auf"; er ylaubt, daß üocthc nachmals diese
Erinnerungsbilder in den Faust verwoben habe; das
Lied „Meine Ruh' ist hin" könne früher entstanden
sein, sei aber urspritnglidi ohne stenarisdie Dber-
schrift, nicht mit Beziehung auf das Drama geschrie-
ben, v ielmehr „erst später eingereiht". Nun ist ja
möglich, daß das Bild des Frankfurter Gretchens
dem Dichter vor die Seele trat, als er das Gretchen
der Dichtung uns in hSuslidier Beschäftigung, am
Spinnrocken zeigte; möglich, wenn auch weder cr-
weisbar noch mit Notwendigkeit anzunehmen, da
doch das Spinnen in Bürgeiliäusem im vorigen Jahr-
hundert häufig zu sehen war und auch die Gestalt
Friederikens an der Dichtung Anteil hat. Aber ange-
nommen, daß das Frankfurter Gretchen hier die Sze-
nerie veranlaßt hat — warum .sollte jene Erinncnuig
dem Dichter erst „später" gekommen sein, nkht in
der Fiankfurter Zeit, in der Zeit von 1773- 1775,
als er die Geliebte Fausts zeichnen wollte? Schröer
meint, mit dem Spinnrad habe das Lied „nichts zu
thun", „fortspinnend" könne Gretchen „das leiden-
scfaafÜiehe Lied nicht singen". Aber tu stogeo
braucht sie es ja nicht , vom dramatischen Stand-
punkt aus ist es sogar weit besser, wenn sie das
Lied wie aus dem Traum leise vor sich hinspricht;
und weiß denn der geleiute Mann nicht, daß das
Spinnen zu einer mechanischen, unbewtifit fortgehen-
den Arbeit wird ' D.-nß Gretclien nacli dem Takte
des Spinnrads spricht oder singt, wie etwa die Mägde
Sentas im F"licgenden Holländer, daran denkt doch
kein Mensch! Und kann denn das Rädchen nicht
einmal stillstehen? Auch von der Ssene am S^imi-
rad gilt, was Viacher von der Ssene „AbemL
ZinU« Anflac«, & LVUt iL LXXXV.
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50
Sät Malawi ISr die Littmiar des b- md Ant lindn.
Nr. 35
kleines, reinliches Zimmer" bemerkt: „Wenn man
die rührendsten Frauenbilder dramatischer Dichter
zusammensteht, wird man finden, daß sie d.is !!(">c'i.ste
an Reiz hervorbringen, wu sie, nachdem Uaiür gc-
Mfjgt ist, dafi wir uns die Erscheinung anmutig vor-
stdlen, die Anmut mit der Lauterkeit und Güte
verbinden. So ist Ophelia, so ist Desdemona. Der
It t/tcrm nuiP man .inrh bei dem Zuge gedenken,
den Goethe wirken läßt, da er Grctchcn zum zweiten
Mal einführt; jene plaudert unter dem Auskleiden
mit Emilien, Gretchen mit sich, während sie die
Zöpfe flicht; das nebcnherlaufende zufällige Thun
druckt <Jfr SiUmtum dm ganzen Stempel dki L'n-
bdauscbUicit auf und alles rückt ins Licht der reinen
Naivetit.*' Scbröer geht von der Ansicht aus, die
Szene am Si>innrad strhr mit dem Drama, mit der
dramatischen Handlung niclit in unmittelbarem Zu-
sammenhang. Aber das Gegenteil ist der Fall! Das
Drama muß das Vorrücken, das Umsichgreifen der
Leldensduiil auseinanderlegen, und nicht besser konn-
ten wir einen Hinblick in Grctchens Sceli-n/iistand vt:-
winnen, als indem wir sehen und hören, wie inauiten
der j^cwohnten schlichten Arbeit, in jedem Thun und
Treiben, ihr Sinnen und Denken von der Glut der
Liebe anfgesehrt wird. SchrSer weiß an anderer
Stelle sacli'.icli treffend /u s.i^en : , .Dieses Lied ! Meine
Ruh ist hm ), bang, leidensciiaitlich, gewitterschwer,
das auch als Monolog gelten kann, zeigt uns Gret-
chen in dem Zustand h(>cl]Ster Beseligung und Er-
regtheit durch die Liebe, wo jede Besinnung aufhört,
jede Umkehr unnup^^lich scheint. D.is Verhängnis . .
unabwendbar." Hiermit ist ja doch zugegeben, daß
die Szene am Spinnrad einen dramatischen hochbe-
d<-tit<iniTU-n Wcndepunict hitdef ; und ft'irwnhr tirent-
iK'lulich lit sie, uncl mit ^iitrni Gtund steht sie un-
mittelbar vor der Szene, in welcher Gretchcn den
Schlaftrunk fQr die Mutter annimmt.
Doch wir mOssen SchrVer «u Ende hören. Fort
imd Tort kommt er auf einen Umstand zurück, in
welchem er eine Bestätigung seiner Annahme sieht,
und m der That wächst das ganze Nest seiner Irr-
tümer aus ihm heraus. Dilntzers mikrologisch ge-
bautem Auge war es aufgefallen . daß Goethe in ei-
nigen Szenen den vollen Namen ,,Mart;arete", in
anderen die Form „Gretchen" gebraucht, bchröer
legt auf diesen Nainenswedisel das größte Gewicht
und glaubt, da die genannten fünf Szenen im Gegen-
satz zu den übrigen die „Schreibung" Gretchen ha-
ben, im Besit/e eines zuverlässigen aLißerliclu-n Merk-
mals für ihre Zusammengehörigkeit und spätere £in-
schaltui^ fo sein. Aber der Text der Göchhausen-
fichen Abschrift lehrt nunnu hr, daß dieses Kennreichen
nicht zutrifft. Denn niclu nur finden iich in ihr be-
reits die Szenen Am Spinnrocken, am Brunnen,
Zwinger, Dom und von der Valcntinszene der Mo-
nolog mit der Sdireibung „Grctgen**, welche schon
wegen des der Verkicincrungssilbe auf die ältere
Periode des Dichters, auf die Frankfurter Zeit hin-
weist; sondern es hat auch gerade eine derjenigen
Svenen, weichen Schröer mit Rücksicht auf die Namens
fofm „Margarete" höheres AHer mschrieb, ursprüng-
lich duichaua die Form „Gre^n**: die Seene ^Mar-
thens Garten", das Gespräch über Religion, lö mal
steht hier im Texte der Gfichhatisenscnen Abschrift
„Gretgen", nur 2 mal „Marj^r<te", und erst das
„Fragment" von i7()o setzte an allen Stellen , .Mar-
garethe" ein. Indem aber Goethe in der ursprüng-
lichen Handschrift innerhalb Einer Sscne wechselt,
indem er in die Überschrift „lihrgrete, Faust" setzt
und in der fol;.^enden Zeile, in der Überschrift der
ersten Rede, mit „Gretgen" fortfährt, liegt am Tage,
daß der Augenblick, der Zufall ihn bei der Wahl
der Bezeichnung geleitet hat. Das ist nun freilich
ein Ergebnis, welches die wenigsten überraschen
wird, /Wedelnde rieinfiter aber !la!)en es jetzt
schwarz auf weiß, und Schröer kann seine Ent-
deckung, daß Goethe „Gretchen" gesehrieben habe,
als er nirht inrhr ,,tiTi Zufje war", betrübt nach
Hause tragen. l'bngtii.s j;ebiauchte auch die Aus-
gabe von 1808, innerhalb der Kerkerszene, die Form
Gretchen (in der Anrede) neben der Form Margarete
(in der Dberschrift der Reden), und daß Faust .,das
arme Gretchen hetliören" werde, sagte doch Me-
phisto in jener auch von Schfoer der ältesten i'c-
riode zugewiesenen Szene, welche mit den Worten
beginnt: „Wie ist's? Will's Ordern? Will's bakl
gchn?" — zwei Fhigerzeige, weldie Sdufler bitte
behenigen dürfen. (SddvB föigt.)
SdbBtUographie
I des Generals Philipp H. Sheridan.
Von R. Döhn.
Zu den hervorragendsten Feldherren während
' des nordamerikanischen Bärgerkrieges, welcher der
, Einsetzung der N^ersklaveret in den Vereinigten
Staaten ein Ende machte, gehßrt neben U. S. Grant,
\\' T Slierrnan, Gef>r;i;e G Meade u. a. ohne Zweifel
Philipp H. Sheridan. Letzterer, der leider in
jün$^er Zeit schwer krank dacniederlag*), hat nun
ähnlich, wie Grant es gcthan, dem Andrängen seiner
Freunde nachgegeben und seine Denkwürdigkeiten
i;er-chrieben, welche im Herbste d. J. im Verla<; von
Charles L. Webster & Co. in New- York imtcr dum
Utel: „Personal Memoirs of P. H. Sheridan*' erschei-
nen und ehenfalls zv^ii Bände iimfnf^sen werden.
Ein günstiger Zufall hat uns in den Stand gesetzt,
den Hauptinhalt des anziehenden BucheS Iii kurxen
Zögen nachstehend wiedersugeben:
Das Werk beginnt mit einem kurzen Berichte
über die ersten Lebensjahre Sheridans und schildert
in ansprechender Weise .seine Jugendzeit. Im Jahre
I Kj I geboren, zog er mit seinen aus Irland stammen-
den Eltern von ^iassachusetts nach dem Staate Ohio,
von wo er 1818 als Kadett in die bekannte Militär-
akademie zu West Point aufLjeneimmen wuiile Fünf
Jahre darauf verließ er als zweiter Lieutenant der
Infanterie diese Anstalt und wurde nach dem an der
Grenze von Texas und Mexiko gelegenen Fort Du-
ncan gesandt, wo wiederholt blutige Streitigkeiten
*) Adih. d. U. UoterdcMCD haben «Uc Zeitungen bereits
T«d
I dm T«d dM
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Nr. 35
Du Maguin für üic I.itieratur dei In- uod AutUodes,
547
«wischen Indianern und Mexikanern einerseits und
Bürgern der Vereinigten Staaten andererseits zu
schlichten waren. Da Sheridan sich bei Gelegenheit
dieser Wirren ebensn durch energisches Handeln,
wie durch umsichtige Klugheit auszeichnete, so
wurde er von der mexikanischen Grenze nach Ore-
gon in die Näh« des Columbiafiusses versetzt und
erwarb sieb seit 1856 den Ruf eines der fUi^rten
Bckämpfcrs wilder Indianerhorden. Piese Kämpfe,
welche bis dahin nur wenig bekannt waten, schildert
Sheridan mit ebenso lebhaften Farben, wie geschicht-
lidier Treue; wir lernen aus seiner Darstellung nicht
nur die Kampfesweise der RothBute kennen, sondern
auch ihr sonstiges Kebcn und Treiben An der
Schilderung von aufregenden und gefahrvollen Aben-
teuern fehlt CS nicht.
Beim Ausbruch des BOrgericneges wurde Sheri-
dan von der Küste des Stiften Meeres mehr nach
dc;n Osten versetzt Von General iiallcck, dem
Oberbefehlshaber des wichtigen Bezirkes von Mis-
souri, gegen Ende des Jahres 186 1 mm Qiiarticr-
meister in Südwest-Missouri ernannt, versah er diesen
Dienst in einer so ausgezeichneten Wei.se, daß General
U. S. Grant in seinen I lenk Würdigkeiten von ihm
sagen konnte: „So lange Sheridan in der Kigenschaft
eines Qwutiermeisters wirkte, kostete es kerne MOhe,
Zufuhren herbeizKschaffcn , jedoch perict er wi-^en
setner strengen Verordnungen zur Verhinderung des
Gebrauches öffentlicher Beförderungsmittel zu Privat-
twecken in Schwierigkeiten mit seinen unmittelbaren
Vorgesetzten." Er kam deshalb um seine Endassung
von vveiti-ren Dienstleistiinf^en ;ils Quart iermeistcr
ein, und .sein < jesuch wurde genehmigt. Als General
Halleck im April des Jahres 1862 den Befehl im
Felde Qbcmahm, wurde Sheridan aum Dienst in
dessen Stabe befohlen. Während des Vormarsches
aut' Corinth im Staate Mississippi wurde die .Stelle
des Obersten beim zweiten Michigan - Kavallerieregi-
mente offen. Gouverneur Blair bat General Halleck
durch den Draht, ihm zur Ausfüllung dieser freien
Stelle einen Berufssoldaten vorzuschlagen, und fügte
hinzu, er würde, falls letzterer ein tüchtiger Mann
sei, die ümcnnung vollziehen, ohne sich vorher an
den Staat ta wenden. Sheridan wurde ta diesem
Posten ernannt und zeichnete sich in so hervorraf^en-
der Weise aus, daß er, nachdem das Meer Connth
erreicht hatte, den Befehl iiln r eine Kavallcricbrigade
de« MississippUieeres erhielt. Am 1. Juli führte er
den Befehl über zwei kleine Regimenter in Boone-
ville, wo er von i-iner feindlichen Macht angegriffen
wurde, welche dreimal so stark wie die seinige war.
Durch geschickte Manöver und einen kühnen Angriff
schlug er jedoch den Feind vollst.indii; in die Flucht.
Infolgedessen wurde er zum Bn^adt <4c noral ernannt
und gehörte zu den hervorragendsten Personliclikeiten
des bei dem oben erwähnten Corinth stehenden
Uniondweres.
Es würde uns zu weit führen, wenn wir nSher
auf die cmzcltiun Kampfe und Märsche eingehen
wollten, in denen sich General Sheridan im Laufe
des Bürgerkrieges durch Umsicht, Mut imd Thatkraft
s, wir erwihMa deshalb nur «Inige der
j Hauptschlachten und schnellen Märsche, die Ilm als
. einen der bedeutendsten Feldherren des groüen üIk'j-
secischen Freistaates erscheinen lassen. Zunächst
that sich Sheridan in der blutigen Schlacht bei
Chattanooga (i86j) hervor, dann 1864 in den Käm-
pfen in der sogenannten „Wilderniß'" und iS^s in
der Schlacht von Five-Forks ; als Reitergcncral wurde
er weder von einem der nOrdlchen, noch der süd-
lichen Truppcnfiihrcr übertroffcn , wir verweisen in
dieser Beziehung nur auf semcn Zug ^'e^en Rubcrt
E. Lee, den tapferen Obcrfeldherm der südlichen
Aufstündigen, und auf seinen kühnen Ritt nach
Winchester.
Hinsichtlich der äußeren Form der Darstellung
muß bemerkt werden, daß letztere durchaus nicht
trocken, sondern lebhaft und anziehend ist; 2b Kar-
ten vecanschauUchen die besprochenen Märsche und
Sdiladiten. Es standen dem Verfasser alle amtlichen
Belc^'e aus ilem Kric^sttiinisteriuni u s w zu Gebote;
außerdem sind dem Buche verschiedene Illustrationen
und Bildnisse bedeutender Krieger und Staatsndtuier
beigegeben. Die Verleger erhielten die Handschrift
bereits im Frühling d. J., allein Sheridan forderte
dasselbe wieder zurück, tun es noch einmal genau
durchzusehen.
Scbliefilieh sei noch darauf aufmerksam gemacht,
daß das in Rede stehende Werk mehr oder weniger
ausführlich auch darauf hinweist, daß General Sheri-
dan während des letzten deutsch-französischen Krieges
der militärische Berichterstatter der Vereinigten
Staaten im deutschen Hauptquartier war und sowohl
vom Kaiser Wi'lu liri. wie aiich vom damaligen Kron-
prinzen, dem .späterer» Kaiser Friedrich, gern gesehen
wurde. Auch mit dem Fürsten Bismarck und dem
großen Schlacbtenlenker Moltke verkehrte der ame-
rikanische Feldherr nicht selten. Bismarck hatte den
Vertreter der Vereinigten Staaten we^en semcs ein-
fachen und doch stets würdigen Bcnduncns lieb ge-
wonnen und wegen seines militärischen Scharfblicks
schätzen gelernt. Von letztcrem erhielt der große
deutsche Staatsmann verschiedene Proben, so z. Ii.
in dem blutigen Ringen bei Gravelotte. Während
dieser Schlacht beobachtete Sheridan in der unmittel-
baren Nihe Ksmarcks den Verlauf des Kampfin.
Noch w.ircn weder Kaiser Wilhelm, noch der Reichs-
kanzler im Stande, sich über das Ergebnis des blu-
tigen Ringens eine bestimmte Ansicht zu verschaffen,
als sich plötzlich General Sheridan, der den Gang
der Schhcht still, aber mit grofier Aufmerksamkeit
beobachtet hatte, an Bismarck wandte und demselben
mit großer Bestimmtheit zurief: „Die Franzosen sind
geschlagen!" Der in den verschiedenen Arten von
Kämpfen lange Jahre hindurch geübte Scharfblick
des Amerikaners hatte aus den mannigfachen Be-
wej^unj^'cn der tranzösischen Trup])enk<)r)ier, sowie
aus dem der Richtung nach geänderten und schwä-
cher werdenden Dam|^ der G^chfltte richtig erkannt,
daß der Feind den Rilckziig , vorlüiifig allerdings
maskiert, antrete, Iis wahrte auch nicht lange, als
aus der Gefcchtslinic ein Offizier heransprengte und
das Urteil des amerikanischen Kriegers bestätigte.
Wir gehen kaum bu wdt, wenn wir eikbUen,
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54«
Nr. 35
daß •'icli die „Dcnkwürdigkieit«!!" von P. H. Sheridan
dem ({icichnatnigcn WerlK von U. Grant wQrdi^;
an die Seite reihen.
Wilhelm Scherers Poetik.
Vod Wolfffanf Klrdtbach.
(Schluß.;.
Ebendeshalb weiß man gleich genau, warum es
gewisse Gesetze dichterischen Schauens pioht. welche
ein«' ..Poetik ' .ili,'i;]-.,T;ndcln hätte, Gesetze, die im Laufe
der Zeiten seit Aristoteles zum Teil auch von klugen
Geistern aur^efunden worden sind. Das grOßte Genie
in allen kommenden Jahrtausenden, und maß es sich
noch so Mehr auf den Kopf stellen, wird müssen
poeti.sch Denken unter den Sprachfornien der Meta-
pher, Metonymie, des Gleichnisses und einiger an-
deier schon von den griechischen Rhetorikem be-
schriebener dichterischer Denk formen und wir werden,
nach ganz bestimmten, von allen Eingeweihten still-
schweigend anerkannten und ausgeübten Grundsätzen,
das wahre Genie erkennen immer an der Art, wie
es sich dieser notwendigen Formen geistigen Ver-
knüpfens liedient. Und so giebt es genug Merkmale,
an denen „wahre Poesie" — aus Gründen einer le-
bendigen Poetik — erkannt wird.
Schcrer hält von all' dem nichts. Zwar läuft
auch .seine Poetik auf nichts anderes hinaus, als daß
er die alten rhetorischen Unterscheidungen, wenngleich
höchst verständnislos wieder aufnimmt; er hat es
aber für eigenartig und neu gehalten das Pferd am
Schwänze aufzuxiuimi n er will gänzlich voraus-
setzungslos von ästheti.-.chen Urteilen und eigenem
Geschinacke allein aus geschichtlich zufälligen Be-
trachtungen durch die Methode „wechselseitiger £r-
helltmg" eine „empirische Poetik" begranden, welche
;j,li'i(-.l:^:i!n auf naturwisscnscliartlicbom Wege OeUC
Aufschlüsse über das Dichterische giebt.
Wir sahen, dafi er behauptet, was eigentlich die
,, wahre Poesie' sei, T,vis«;rn die Ästhctilccr nicht Er
behandelt sie mit gebührender Verachtung, merkt
aber , daß er damit nicht weit kommt ; ganx ohne
GeschmacksurteU kommt er nicht durch, wenn er
just ein Gebäude der Poetik errichten will; Scherers
gamc Weisheit faßt sich da plötzlich (5. 148) in die
Worte zusammen :
„Der Dichter darf die Welt nicht ansehen wie
jedermann — er muß sie mit Dictitrmn^jcn an':eher,"
Wenn aber die th(..ticlui; „Ästhetik" d-.r Zwi ilel-
fragc nicht .,gel<">st" hat, zu erkennen, w.ns wahre
Dichtung sei, woran erkenne ich denn dann die
„Dichteraugen**?
Mit solchen luiniiii^ni. Tii; hts';,i-^'enden Redens-
arten füttert er die Studenten ab. Die „wechsel-
seitige Erhellung" wird dadurch rrdlich nicht geRir-
dert, daß man gerade das, wa-; m.-m hel;;iin:i^'n will,
ab das Mittel betrachtet, mit dem man kämpft; aber
«s nag wohl aein, dafl dk» andächtigen Zuhdrer ob
' der geheimnisvollen Weissagung tiefsinnig ihre nicht-
begreäfenden KSpfe wiegten.
Was \ t i ".«^ht nun aber Sclu. ici und ^eine Leute
unter „Ein|>irie"' Die Sache liegt so: man hat
einmal etwas von einem gewissen Darwin gehört,
vielleicht auch gelesen; hat I.ubbock und einige
andere, die von vermeintlichen Urzuständen der
Men^t lilu it geschrieben, angt -i hrn und da Dar-
win durch eine höchst scharfsinnige Art vorsichtigen
VeTgleichens (wechseheitigen Erhellung) zu so geist-
vollen Srhlf'mscn Über die Knfwicki'lung der Arten
kam, so siienue Scherer, durch Anwendung dieser
Forschungsart auf — Litteratui^eschichte nicht etwa
' Litteratui^cschichte erlicllen zu können, nein —
Poetik. Etwas so Gedankenloses, Schiefofariges ist
I vielleicht noch ni.'rlit dagewesen, so lange Menschen
denken. l>an\,iis Art voraussetzungslosen Abwägens
und Vergleicl'.cii-. , v^dclic nicht sowohl emr ,, Me-
thode", sondern die Grundverfassung seines Geistes
war, entsprach den Gcg^enständen und ihrer Natur,
welche die Untrr'.-i|^<' si-inc-- FOrschens waren. Eine
Qualle und ein Elefant, eine Sinnpflanze und ein
Argusfasan, ein AflTe und der Mensch als eine kör-
perliche Gestalt sind nämlich wahrhaftig ganz andere
I Gegenstände, als ein Epos und eine Zcitungsplau-
; derei, ein Märchen und eine Zeitung.snachricht. Ei,
denkt Schcrer, wie wäre es, wenn wir den Darwin-
schen Gedanken der Entwickelimg auch emmal auf
die dichterischen Formen anwenden würden?!
Und er thut s und richtig, es ent.steht eine Ent-
wickt lur.^'. lehre poetischer Formen, welche das ge-
treue Abbild der Art ist, wie in den „Fliegenden
: BiKttem" aus einem „Radi" (Rettig) ein jcwetbdniger
Mensch nach und nach entsteht.
' Da ist CS z. B. eine Tbatsache, daß allerdings
Tanz und Poesie vieKhcb feoieiiuam auftreten, lüi-
türlich „entwickelt'- sich folgcricbt^ die „Poesie" aus
dem Tanz, ja, mehr noch:
„Der Rhythmus ist entsprungen aus dem Tanz.
Das Wohlgefallen am Rhythmus beruht auf der Er-
innerang an das Vergnügen des Tanzes; durch Ver-
erbung wird diese Erinnerung, dies \^^lh|rr^.f,^n,.^ so
gesteigert, daß es späteren Generationen vielleicht
geradezu angeboren ist." f.S. 274.)
Die Sache klingt erstaunUch „darwinisch". „Ver-
erbung" — wenn Einem da nicht das Wasser im
Munde zusammenlaufen <(^]' n<icl:st /citi^cmaß,
I höchst naiurwissenschaftlich-cmpinsch-cxakt-metho-
I disch ! Zwar, daß es Unsinn ist, will nidit viel sagen.
I Jeder Tanzbär weiß, daß der Rfnfhmus p,ir nicht
j aus dem Tanze entsteht, .sondert! der Tanz aus dem
Ulivthmu;, wi lelier l'citschenhiebe heißt; und Jungfer
Dorothea weiß aucli, daß der gorillaäbnlichste Kaffer
I so wenig wie sie selbst tanzen lernt, wenn nWit just
vnrhcr rh^thmi.sche Empfindung vorhanden i-t. nach
der überhaupt erst die Tanzbewegung bemessen
werden kann. Mit der „Vererbung!" ist also hier
nichts; die wäre vollständig das fünfte Rad am Wa-
gen und die „Poesie" Csofem sie Grundlage einer
„Poetik") werden v. ir di inL;<::näß samt ihrer Rhythmik
j nicht aus dem „Tanz" entwickeln — und selbst wenn
I es die PbaUustänze der Australier wären — sondern
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549
wir werden Darwinsche Mcthod«; /invuhst den Bo- I
Unikcm und Zoologen überlassen und erwägen, daß
„«in Tisch ist keine Ofenbank".
nie Schcrersche Forschunt;swcisc ergicbt a!>er
n»>ch viel hübschere Uliiten „einiiirischer Poetik". [
Ich meine, es ist klar, daß ein Affe und ein Fa-
san als Werke der materiell schöpferischen Natur und i
Erscheinung dtirch Materie, etwas anderes sind ihrer |
fjanzen Art nach als ein Sfiri l-.v.utt .ind < irc Zci-
tunj^splauderei? Letztere aisid Gt. hirnwerke , Ge-
danken werke, und es dürfte gewiß nicht so ohne !
weitere» sich eine materielle Entwickelung «denn i
um Entwickelung materieller, stofflicher Gegen- |
stände handelt es sich hei Darwin i von Din^ji n ausem
ander herstellen lassen, die (sofern eine „Poetik" sie ;
fjotrachtet i gar nicht „materieller" Natur SindM Das j
Wäre ja wohl eine conttwlictio in adjectn.
Aber bei Scherer ist alles möglich. Bei ihm j
„entwickelt" sich thatsächlich dir ..IN r-i. • nicht nur |
aus „Tanz" und „Lachen", nein, die einzelnen Gat- j
tnngen entwickeln sich auseinander; so sind ihm
z, B. die Denksprüche, Maximen und Aphorismen ( wie
.sie Goethe gi^schrieheni „eine Form der Pro.saauf-
losung des Lehrgedichts. Eine andere ist der Essay,
woraus sich das Feuilleton entwickelt, wenigstens
gewisse Teile desselben — andere anderswoher,
7. B die Rezension aus dem ^lott- und Lot^e-
dicht." iS. 25.)
„Die ReiaeKtteratur beginnt mit der Odyssee,
wie man wohl sagen kann." (S. 25.)
,JSo vertritt die Tagosncuigkeit das uralte Ele-
ment der Anekdote oder No' i lle, das Herumtragen
merkwürdiger Fälle, welches Kern des Märchens ist.
Deshalb konnte Achim von Arttim den Didltcm ra- 1
ten, ihren Stoff in der Zeitung zu suchen. Denn |
dies Element des Unterhaltenden ist das eigentliche I
Element tk-r l'iKjsic und so rc;iriiscnticrt «Jn- nn- |
terhaltcnde Nachricht in der heutigen großen
politischen Zeitung die Poesie.'*
Der Radi, der Radi! Ich beglückwünsche unsere
Berichterstatter zu ihrem Scbcrcr! Sic haben end-
lich ihren Asthetiia-: ^ciunden; de Eselswiesenpoetik
ist endgiltig erfunden.
Das klmgt nun alles so „tttterarhlstorisch*', so
„eropiri.sth" f^ffrißt ;uis vergleichender Beobachtung
litterargeschichtlicher Eisclieinungen. Um Gottcs-
willen und bei allen teuren Heiligen des Katheders,
wo will das hinaus ? Es ist aber auch rein Utterar-
geschichtUch einfach nicht wahr, dafi die Reeension
sich aus dem ,, Spott und L<jb|^edicht" entwickelt.
Wo dennr I Die Griechen setzten sich Kunstrichtcr vor
ihre Sdnubfihncn zu Zeiten, als man noch keine Re-
zensionen schrieb und das geistige Bedürfnis, welches
zu einem geschriebenen Kunsturteil führt, ist himmel-
weit verschieden von dem „anderen Trieb" der
wiUdge Köpfe in Reimen und Versen Dinge sagen 1
laßt, die aus einer anderen ethischen Verfassung \
wachsen Unfl so wird man wolil aueh ?;nn<;t nicht
bezweifeln, daß der Übergang poetischer Gattungen 1
ineinander nur ein Schein ist: in Wahrheit sind es
verschiedene ethische und geistige Bedürfnisse des ,
Menschengeistes, wek±e in sdbstind^em Mebenein- 1
:\ndfr sich u'.icfi ilu- ;ni(uTcn l'rirtnr;i ^e-^taltiTi . so-
fern diese einen wirklichen dichterischen Inlialt ber-
gen. Soll man wiikÜcb nachweisen, dafi Rdselit'
teratur und Odyssee gar nichts miteinander zu thun
haben ( „litterargeschichtlich !") trotzdem Odysscus
der vielgereiste war? L^nd nun vollends „Märchen"
und „Tagesneuigkeit". Es klingt nur so, als wäre
dahinter wirkliche Litteraturfor^hong, aber es Ist
Wind, windiger Wind sngarl Daß 55cherer an sich
ein fleißiger Arbeiter war und viel Utterargeschicht-
lichc Kenntnisse besaß, soll damit nicht etwa be-
zweifelt sein — wenn nur Kenntnisse und Kenner-
Schaft einer 5^che sich immer deckten!
Das .t1s<i sind die Ern;n^<.-nt;chaften der neuen
.Mctliodc, welche „litterarhisturiäche Empirie" an Stelle
der „theoretischen Ästhetik" setzen will. Ja, wenn
es nur „Empirie" wäre; zu deutsch Erfahrunc^^wi^j'icn-
schaft. Wenn man ganz flachk<ij)fig ist, wenn man
gänzlich unbefähigt zum Forschen und Denken ist,
dann sucht man so ein Wörtchen, das die schmäh-
liche Blöße deckt. „Empirief Heißt zu deutsch:
nichts wissen und alles falsch verstehen in diesem Frille.
Und wie sicher werden dann die schwierigsten
und tiefsten Fragen der „Ästhetik" gelöst, daß
Aristoteles und Schiller in den Boden versinken
müssen. Da ist z. 6. das „Eriiabenel"
Viele Gedankrr. l-.aben jene Männer üIm i dit se
ästhetische Empfindung gehabt, sogar sehr tiefe.
Scherer hat das Ei des Kolumbus» aus dem er frd*
lieh c^lber nie ganz herausgekrochen ist, gleich auf-
gestellt. Man höre ihn; (S. g4.)
,,Hicr erkennen wir .schon, wie das Große und
Erhabene ästhetisch erfreulich wirkt und weshalb
es Vergnügen macht. Am deutlichsten tet es immer
zu Sfi;.^rn : durch die Vorar.'-sct/tmi; <1it Snt>sl:tution.
Wenn die Bibel Gott mit titiu Wort sclialYen läßt,
so ist auch dies eine wünschenswerte vergnügliche
Vorstellung: wir wOnschen solche Macht zu be-
sitzen.**
Also darum! Ja, ja:
,,Wgnn Ich dnmal <lct IlcrrcoU wir*,
Mein HtsIv» »Hr« eins
Ich Bübrne actiie AUnacbt her
0«i4 Mhar «in «raSw Fafir*
Nein, so wie wir wünschen solche Macht zu besitzen,
ist auch sofort die erhabene Empfindung der Sache
zerstört; das „Erhabene** kommt nicht von „haben*'
und ,4»ben wollen", sondern — im Qbrigeo haben
Michelangelo. Beethoven, Schiller und einige andere
praktisrli und thLi.rctisch uns der Mühe überhoben,
noch Weiler über Herrn Schcrcr zu lächeln.
Keine Seite von den 2j() des Buches, wo nicht
gleiche Beweise der ausgebildeten Fähigkeit zur Al-
bernheit vorhanden wären. Eine große, eine er-
>;cfiri c kende geistige Zahlungsunrähit;kt it ' Warum
wir den Leser so lange mit diesem thörichtcn Werke
der Plattheit und UnbiMung gelangweilt? Weil der
Mnnti , der e« f;^s^^rie^H■tl hat , von einer rührigen
Schar wunderlicher Kopte als ein neuer Held tier
Gedanken gepriesen ward, weil es dem Herrn in
seinem kurzen Leben gelang, nur zuviel Einfluß zu
gewinnen auf den Geist, der an unseien Hodwcbulen
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$50
Nr. 35
herrscht und ein hnchmntis^cr, flacher und anmaßen-
der Geist ist dieser Scbcrcr^ci^t, der sttut erst zu ler-
nen und zu vorstehen, was feine Geister \on Aristrv
teles bis Eduard v. Hartmann gefunden, berichtigt und
an edlem Wissen anfgespeidtert, in fahriger Weise
bei Seite stößt, um dafür die ntcht-^niitzifjste
Kleinigkeitskrämerei fflr Wisscnschatt zu verkaufen
und eine wahre Denkverwüstun^ anzurichten unter
denen, weldie irgendwelche Nötigungen des Lebens
zwingen, auf diese TrtigbotschaÄ m hSren. Weil
diesen Händen ilas j^ieistipe Erbe des <,'röOten der
Deutschen anvertraut war - es ist nicht mehr der
Fall, der .Mann ist tot — weil diese troddeiartige
Gcistesb^abung sogar in die Deutungen des Geistes-
thuns des Welsesten der Weisen täppisch Mneinge-
grifTen hr;t, weit die I rirmtrommcl gcriihrt ward für
diese innere Geistcsohnniacht, als gälte es die Stand-
reden eines zu Köpfenden mit Trommelwirbeln zu
übertönen.
Ein ridiculus musl Schon herrscht Fahnenflucht
unter den et;;enen Soldaten, schon geben sie zu, daß
dies Werk nicht zu halten sei. Sie werden noch
viel mdir zugeben. Wir wollen nicht simmtlidie ^be-
rühmte" Werke des Meisters gleicherweise prüfen, wie
diese nachgelassene „Poetik", die glücklicherweise nur
BruchstQck geblieben ist. Wir wollen schonen, wir
wollen warten!
Die Herren sagen: wo bleibt die „PletitI" du
,J-eicIu nscli;inder" Sie mögen wisscn, daß CS keine
Pietät giebt m Sachen des Geistes, der ewiger
ist, als die veigingllehen Menschen. Wichti-
gere Dmge giebt es m gentigen Fngjtn, als die
GefQhle dieses und jenes zu schonen. Wenn das
den I!err<-n .uif die Nerven ^eht, wenn der Schreiher
dieser Zeilen Unrecht hat, so verlangt auch er kerne
Schonung für rieh. Seht dem Marsyas das Fell über
die Ohren, aber - schneidet euch dabei nicht in die
Finger! Noch ist nicht all mein Pulver verschossen. —
Solches meUUt iler I le::ius^;eber der „Poetik",
Richard M. Meyer, über seinen Meister, als er an
diesem unsterbGehen Werke schuf:
..Er ersfauntc selbst, wie er wiederholt aussprach,
über die gi-rmge Aluhe, die ihm die Vorberei-
tung niachte : die Gedanken strömten ihm SO Idcht
und in solcher Fülle zu — "
Ich glaub's wahrhaftig, daß dem so war.
Grgen Abend.
Freie NacbdichtunK von Enrico }'r.u2acchl'i Veno »vra.
Nwve lirii i- , Mi .inf. l8»8, p. 151.
Vo I Xanthippoi.
Schon •ilut tü, HertMt» IMii Schleier
Legt trilb' Ii h rab GcfiMe.
Wu wilbl <* 1. Wicr Kreier»
Wa« führet mrr im SchiMcf
Vcrhur die lieben HUgel —
P .•.« dichte, feuchte Perlen,
Der West •cbwiagt adne FlUgcl,
Uad tuNct n 4(a Briea.
Die Welkt« «m Tteatcrc
Wie KUter Alt ha IN||«I.
AHpoiMm ihn Tieta
Mit tief wlHbi|teni ZSceL
Wie trüb', o Cfi.:' ilic Knta
In diese» Untag« Grolle '
Aufstöhnet in Beschwerde
Die Brut, die Khuacbtsvolle.
Wie bhi da, «dt, feta«.
Da pietaw* HcncM SaSet
Wie Km, wie gern, wie gerne,
Sani;' ich an deine Fäßcl
Iliiiitirlj' ücr Tig; der Regen
Ei:Ui)ijj>; klatscht hernieder.
Ach! en die Scbttiter legen
Dein Kttplelnt kClWl kh'» tvledert
O NMta, w eimem Uogel
Da dnaSen henlen die Winde.
O IMie Ich Aag' vnd Weiyi
Basel dem hcnlgen tClmlel
Zola über die Zukunft der Litteratur.
Von Eugen von JaKo«.
Seit das Berichterstatterwesen oder Bericht«^
statterwiweaen in der franiösiachea Presse eine so
grofle Ausdehnung gewonnen hat, bsaen sich auch
die sn^'en.innten ,, Meister*' der I.itteratur ., inter-
viewen,*' um sich, meist in orakelhafter Form, über
eine Tagesfragc zu äußern und an diese anknüpfend
das zu entwickeln, was ihnen gerade am Herzen liegt.
Ein solches Tagesereignis war die Aufführung
von emi(.;en kleineren Werken der berühmten „Fünf'
(Bonnetain, Descaves, Guiche«, Matguerite, Rosny),
welche, ehetnalige Schiller Zolas, diesem nadi dem
I'rschcincn meines "Romanes „l-a Terre" in einem
poinpiKüten offenen Briefe den Krieg erklärten. Was
darin stand, ist meinem Gedächtnisse zum giolien
Teil entschwunden und hat in der Tbat auch keinen
nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Zola besetchnet
die Fünf wie überhaupt c]ieieni).;en jimtjen T.eute,
welche „neue Forinclii" »n Stelle der naturalistischen
setzen wollen, als ..Symbolisten," eine Wortbildung,
weiche fast so barbarisch klingt wie die der ,Jiata-
rallsten.'*
„Als ich den Naturalismus in eine Formel ge-
bracht, d. h. diejenige litterarische Bewegung getauft
hatte, welche sich seit Balzac und Stendhal bei uns
gcäuf^rt hat und maßget>end gewesen ist," so drückte
sich Zola aus, „hatte ich weder die Anmaßung, die
französische l.itterntur lur inuiier lestziile^en , noch
ihr jede Vorwärtsbewegung zu untersagen. Ich möchte
fast sagen: Im Gegenteil.*'
Er hat damit, so ffllirt er weiter aus, nur den
philosophischen Charakter der Littcratur zu Ende
des Jahrhunderts kennzeichnen wollen, und zwar den
einer bejahenden und malerialistiscben Philosophie,
wlhrend im 17. Jahrhimdert die des Deacartes, im
iR die eines Roussemu, Diderot und Voltaire mzü-
gebcnd gewesen sei. Mit einer neuen Philosophie
werde notwendig audi «nie neue Uttarator entstdieii
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Nr. J5
und dann werde er ohne Bitterkeit zuschauen, wie
seine Bücher, die ihre AufgaUe glorreich erfüllt hätten,
in die AltcitLinicrsammlung wandern %siitiiLn Nur
glaube er nicht, daß dies so bald geschehen werde,
wie es sich die jungen Leute einbiMeten, denn dura
mOsse eben erst dii- neue Philosophie vorhanden sein.
Ist CS nun aber wirklich richtig, daß eine neue
I-itteratur ohne eine neue Philosophie nicht denkbar
sei? muß die Litteratur tminer religiösen oder philo-
sophischen Ursprungs sein? wechselt die Form, die
von der riiilosophic zii rnürh unabhängig ist, nicht
weit mehr, als der Inhalt di r Litteratur? Ja, giebt
es überhaupt eine „nnic Plnlosophie,'* wie Zola es
nennt? Alle philosophischen Flanlegungen, die heute
ihre Anhänger haben, bestanden längst in anderer
Form, und jedes so^Tuanntc nvue System ist im
Grunde genommen nur eine neue Verbindung der
alten Grandformen. Und nicht immer dnmal eine
neue! Es verhält sich mit den philosophischen
Systemen so unehrerbietig ci klingen mag
wie mit den Moden: sie kommen auf, sie verschwinden,
um — man weiß selbst katun warum — nacli un-
bestimmter Zeit nenbelebt zu werden. Es Hegt in
<!cr T.tif!, in Jrr Zeit, in den stnatlichcn Schicksalen
cint:j> Volkes, und ich kann es nur tlxnbo gut vor-
stellen, daß eine „neue Litteratur" eine „neue Phi-
losophie" »itigt, wie das umgekehrte. Alle philo-
sophisdien Gebäude, alle litterarisehen Formen be-
Strhfn' in i-int-ni ^rußcn Vnlkf iniini-r |^li-ii:li>:ci!ig,
nur daß immer nur ein System oder eine htterarische
Form teitgemifl ist, während die anderen im Schatten
bleiben und nur von einseloen oder wenigen ge-
pflegt, bebaut werden.
Doch kommen \v;r :iuf Zola zurück.
„Wie die Ronuintik," so sagt er „ein Gegen-
sdilag gegen die bOif erlidie Litteratur (RtAwlure
brtitr^'poisr ; wnr. so ist der Symbolismus ein solcher
gegen üic wi^.scnschaftliche Litteratur. Es ist klar,
daß die bejahende Philosophie unsere Instinkte nicht
völlig leugnet, wenigstens die meisten Instinkte nicht.
Sie befri^igt nidit das unbestimmte und Qbersinn-
licht- ni-clihfr.is in uns. Comte sagte und ich .sage
wie er; Um das, was ich nicht verstehe, kümmere
ich mich nicht. Aber ich begreife, daß man sich
darum kümmert. Und ich bin der Ansicht, daß der
Symbolismus dieser Sorge entstammt. Nur geht er,
wie jedci Rückschlag, zu weit unJ vcrrällt in das
entgegengesetzte Äußerste. Et vernachlässigt grund-
sfttalicb alles Materialistische, wie es Morits Bants
in seinem ,, Unter den Auj^en der Barbrtrcn" frothan
hat, um sith nur mit dem >;iciiiwirklichca ^irrilcUj
SU beschäftigen."
Es ist immerhin von Wert, in einem Blatte von
der Bedeutung des Magazins das Bekenntttis des
großen Mannes festzulegen. daP er sich ,,um das
Dicht kümmert, was er nicht versteht.*' Im gewöhn-
lichen Leben ist ja das ein großer Vorzug, und
wenn alle Leute so dächten, gäbe es keine Quack-
salber, keine staatsklugen Kannegießer und ähnliches
Gelichter. Aber bei einem Schriftsteller, welcher dus
Leben in seiner Ganzheit widerzuspiegeln wähnt,
wird diese Beschddeidieit zu ehier Unterlassung»-
Sünde. Die Leser kennen das bekannte französische
Scherzwort von dem Pferde Rolands, das alle mög-
lichen Tugenden und nur den einen lY-hler besitzt,
tot zu sein. Was würde man von einem Verkäufer
sagen, der sehie Ware anpreist, dem man aufs Wort
glaubt und der einem nach Abschluß de"? Kaufes
mit den Worten ein totes Pfetd überbringt. „Für
die Sehnen und Lungen des Pferdes sage ich gut,
aber von seiner Seele verstehe ich nichts. Ich weiß
nicht einmal, ob ein Pferd Oberhaupt eine Seele hat^*
Kurz und gut, Zola müßte doch offen und ehr-
lich zugestehen, daß er das Leben eben gerade nicht
wirklichkeitsgetreu wiedergebt, da ihm dn wesent-
licher Teil, utn nicht tu safcn die beaseie Hälfte
desselben entgeht. Man braucht durdlaUS nicht An-
hänger einer liekenntnis Reli(;j(in, vielleicht nicht ein-
mal Gottgläubiger zu sein, um dies „unbestimmte und
fibenfamliche Bedfirlhis" in uns (ce qu'il y a de
vague cn nous, et d au delä) als berechtigt oder
doch wenigstens als vorhanden anzuerkennen. Und
in der That — der Atheist und Materialist Zfila
schreibt ja selbst: „Aber ich begreife, daß man sich
darum kOmmert."
l'nd w.innri begreift er da«' Vielleicht, weil er
das Getühl des d au delä m sich eben so wenig zu
ersticken vermochte, wie seine Dichternatur durch
seine Theorie und seine unAstbetiscbe Ästhetik. £s
versteht sich aber von selbst, daß er für sein „Be-
greifen" eine andre Erklärung hat. Er sagt nämlich:
„Der Idealist ibi lie (n;ist ist in Frankreich zu
lebendig gewesen, sctnc Obmacht ist so groß ge-
wesen, daß er sich nicht erdrosseln lassen kanü«
ohne sich zu verteidigen. Seit den ersten Siegesfeiern
der wissensrhaftliclien Litteratur war Cs k!ar, daß
der Kampf ein heißer sein werde. Aus diesem Hand-
gemenge shid all diese sanften und liebenswQrdigen
Werke hcn'orgegangen. welche die litterarische Ernte
des Tages sind. Der Symbolismus ist die letzte
Zuckung des sterbenden Ideals."
Des sterbenden Idealst wie doch das Partei-
gesünk verblendet! Als wenn das Ideal, weldies für
die Seele ebensolche Notwrndif^keit ist wie für den
Körper Kssen und Tnnkcn, jemals sterben könnte,
solange es Menschen giebt I ZoUl verwechselt
das Ideal mit gewissen Formen, hi weldie es von
bestimmten litterarischen Schulen gekleidet wird und
beiMeift niel'.l. d.il? Realismus und Idealismus durch-
aus nicht, wie Herr Zola und 1 Icrr Hugo, unversöhn-
liche G^ensätBe bilden. Um sich von seinem Irr-
tum zu überzeugen, brauchte er nur Goethe zu
studieren, der gleichzeitig Idealist und Realist ist,
der einerseits hdlit. glaubt imd zweifelt, anderersi'its
Studiert, prüft und beobachtet, der zugleich Dichter
imd Mann der Wissensetuift ist Obrigens steht
Zola, wie «ich aus dem Folgenden ergiebt, der eben
von mir dargelegten Auffassung nicht so fern, wie
er es glauben machen will und all seine Irrtuuu r
rühren nur daher, daß er die litterarischcn Schulen
mit den Grundformen der mensdilichen Geistes-
thätigkcit (Idealisieren und Beobachten) verwechselt:
Er fährt fort:
1 „kfa eridSre mir dioB BedOrfnis nwh neuen
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bai Ml«»!» lör dfe Ultcntor des !■- vmA Aailwdw.
Nr. 3S
Formeln, und ich ziehe diesen Rückschritt (den der
Symbolisten nämlich), welcher alles in allem sein
Interesse hat, einem auf <U r .Sto;ic Treten hundert-
mal vor. Aber es ist noch immer nicht das, was
es sein tnOsste (ce n'est pas enoore cela). Und was
müßte CS sein' fragen Sic mirli Irh antworte Ihnen:
für mich ist die Liltcjutur der Zukuntt materialistisch,
aber gemildert durch den Symbolismus;
d. h. sie wird nicht alles durch den Einfluß der Um-
gebung und der Erblichkeit erldlren, wie wir es
thun, norh durc h die alleinige Idee, wie es die Sym-
bolisten lliun "
Soweit Zola! Hiernach sieht er, wenn ich ihn
recht verstehe, in der „Litteratur der Zukunft" eine
Mischung von Realismus und Idealismus, und ich
begreife nicht, wie er dann von „dem letzten Zucken
des sterbenden Idealismus" sprechen kann. Übrigens
glaube ich nidit an die Richtigkeit der Zolaschen
Vorhersage, wenigstens nicht in der Weise, wie er
sie versteht. Für Zolas litterarische Richtung, welche
er als „ein Kind der tu jalu nden und materialistischen
Phitosopliie" bezeichnet, ist nämlich zweifellos der
Feasimbmus kennieidinend. Für nuch aber ist der
Pessimismus nichts andi ii s wie ein cinscrripcr Tind
krankhafter Ideahsmus, und caiuiii kann ich auch
nicht zugeben, daß die moderne Litteratur idealisti-
scher Bestandteile entbehre. Wie in jedem Menschen
so ist auch in jeder Lttterattir das ideenmäßlg» und
wiijclichkeitsgemäße Element gleidtmälSig vertreten
und nur deren Form wechselt.
Doch Wenn man auch die Ausdrücke realistisch
und idealistisch im landläufigen Sinne gelten lassen
will, so sind sie doch in letzter Linie immer nur
\ Olli f ii liliitf des Dichters abhängig. Eine littcrarische
Schule ist nicht das Erzeugnis zwingender, begriff-
licher Gründe, sondern ein natürliches Sichbcgcgncn
von zeitgendssiscben Schriftsteliem gleicher Stimmung
des Blutes.
Eine neue Obersetzung der gOtUi^en
Komödie.
Von M. Solu.
Zu den schon bestehenden etwa dreißig Ver-
deutschungen der f^nttlichcn Komödie ist soeben bei
Wilhelm Hertz (Bcsscrsche Buchhandlung) in Berlin
eine neue erschienen, die wir mit aufrichtiger Freude
begrüßen dürfen, entstammt sie doch der tüchtigen
und hochgeschitzten ObersetzerTeder Otto Gilde -
Uli- isters, Alic, wi lrlu' Jus Verfassers bisherige Lei-
stungen auf diesem Gebiete kennen — vor allem die
meisterhafte Byraaöbertrsgnng — werden, Mrie zu
seinem „Ariost", gern zu seinem „Dante" greifen
und in ihren Erwartungen gewiß nicht getäuscht sein.
Zunächst fesselt den Leser eine vortreffliche
Einleitung: eine mit sicherer Hand in knappen ker-
nigen Worten entworfene Schilderung der Zeit Dantes
und seines Lebens in der Zeit. D.is ^;cübtc Auge
des erfahrenen Staatskundigen hat scharfsichtig die
E^entOmlidikeiten einer Zeit staaüicher und gesell-
schaftlicher Wirren erkaimt, einer Zeit, wo Provinzen
und Stidte in heiUoser innerer Selbstzerfleischung
sich verzehrten und dennocli die Kultur mit Riesen-
schritten sich vorwärts bewegte, wo schon heimlich
dk Knoqien trieben, die m der Renaissance-Zeit Mch
voll und prächtig entfalten =:alltcn.
Dante Alighieri wurde im Mai 1265 zu Florenz
geboren, Schon früh lernte er Beatrice Portinari
kennen und lieben. Dieses zarte und feurige Ver-
hältnis erechlofi ihm em „neues Leben" und wirkte
veredelnd auf seine Kunst; der Trid der Geliebten
lieli ihn trostlos ajurutk. Nur ])hilosüphische Arbei-
ten und eifrige Thätigkeit im Staate vermochten ihn
aufrecht zu halten. Ijetctere lolmte ihm seine Vater-
stadt sehledit; die weUische Partei verbannte den
Ghibellinen. In der Vt r!).-jnnung unstät umherirrend,
stellte sich Dante über den Hader der Parteien und
verfolgte rastlos sein Ideal: Vereinigung der kaiser-
lichen imd päpstlichen Macht in Rom als dem Mittel-
punkt des einigen Italiens und der ganzen christlichen
Welt. ' Der vorsichtige , eigennützige Habsburger,
Kaiser Albrecht, war für Dantes Idee trotz flammen-
der Worte, die ihren Widerhall im 6. Gesänge (76 tt.)
des „Fegefeuers" finden, nicht zu gewinnen. Erst
sein Nachfolger, Heinrich VII., unternahm einen Kö-
merzug, der mit des Kaisers Tod endete. Der bitter
enttäuschte Dichter, der durch des Lebens heftigste
StOrme, herbste Erfahrungen und feurigste Leiden-
schaften zu liolieni inrun n Frieden gelangt wiir, Ic^^te
jetzt im gereittcn Mannesaltcr „die Summe seines
Lebens", seine Schicksale, seine großen Gedanken
und Hoffnungen, in einem unsterblichen Gedichte
nieder. Er hoffte, daß dieses Lied den Haß der
Florentiner besiegen (s Par. j^. 1 1 j 1 und ihm die
Thorc der Vaterstadt wieder öffnen würde. Vcr-
gebensl Zu stols, um sidi die ROdckehr in die
Heimat durch eine Dcmütiguni; zw erkaufen, starb
er, ohne t.ic wiedergesehen zu haben, t.j-'i zu Ra-
venna.
Den Inhalt seines wundersamen Gedichts biklet
eine im Jahr 1300 gelegte traumgesichtartige Reise
des Dichters ins Jenseits, du- in drei Abteilungen,
„Hölle", „Fegefeuer" und „Paradies" zerfällt. Durch
die ersten beiden fuhrt ihn Virgil (die weltliche An-
sehenschaft), im letzten die verldärtc Beatrice (die
kirchliche Ansehensschaft). Die düstere, grause „Hölle**
ist durch die Inschrift ihres Thores gekennzeichnet:
„Laßt, die ihr eingeht, alie Hoffnung fahren I" Im
Büßerland herrscht mitleidsvolle Wehmut. Den Grund-
ton für das „Paradies" bilden die Worte: „O sichrer
Reichtum, den nie Wünsche stören." Eine gewisse
Trockenheit läßt sich dieser letzten Abteilung' iniolj^e
j der sich darin breit machenden Scholastik Thomas
j von Aquinos nidit absprechen.
I Dante uar der erstf, der statt des T.atcinischen,
j der damals, üblichen Schriftsprache, das itaUenische
zu seiner Dichtung verwandte. Er schuf zugleich
mit seinem erhabenen Kunstwerk auch die muster-
gültige Form, die es aufndmien sollte. Dieses ver-
rät sich in mancher latcinisicrcnden Wendung, in
1 manchem aus der älteren Sprache entlehnten Wort.
I Doch ist die Sprache Dantes trots ihrer gediaogtcn
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Nr. 35
Ott Mkfuia (Ar LUltivtur des la- und Auilandu.
553
Gedankenfülle manchmal von gcrailc/u alltäglicher
Einfachheit Diese Eigentümlichkeit »clicint uos der
Obersetaer sehr flfidclieh festKchalten zu haben.
Gildemeisters Spr.u he ist ebenfalls äußerst schlicht
und klar, schwunf»voll ohne allen Redeprunk, maß-
voll ohne Kälte. Sie entbehrt nicht der tiefen Düster-
heit und der markigen, feurigen Krnft, wenn es gilt
Höllenqualen zu schildern, WeissaLMmycn und Gc-
siclitc wiederzugebrii , noch fehlt <■> ilir an zartem
dichterischen Hauch beim Nachempfinden und Nach-
dicbten der duftigen, lyrisch -anklingenden Strophen
und der «timmunffsvollcn Naturhildtr, welche, na-
mentlich im „Fcytteucr", so reichlich eingestreut
sind. Es fehlt hier leider der Raum, um etwas aus
der Übersetzut^ anzuführen, wir weisen auf die un-
serer Ansicht nach bestgelungenen Stellen hin. HOlle:
Der I, Grsany; I'r/ii;i'un(; der Francesca da Rimini
im 5. Gesang, Stlulderung des Waldes der Selbst-
mörder im 13. Gesang und des Geryon (Sinnbild
des Betrugs) im 17. Gesang; die grause ErsUilung
des Grafen Ugolino im 3.V Gesang (meisterhaft Ober-
setat!). Fegefeuer: I)u- t^riil>r Strllr ..Skhu in It.i
U. s. w. im 6. Gesang; das Gesichte Dantes im
9. Gesang; die Abschiedsworte Vii^k im 17. Ge-
sang (127 -142); die Schilderung des irdischen Pa-
radiesgartens am Beginn des 28. Gesanges — eine
wahre Perle der Cbcrsetzungl Paradies: 2., ji 36,
und der ganze 23. Gesang, dessen poesievolle An-
fiuigsstrophen ein weihevolles PreisUed atif Maria ein-
leiten. Die Übersetzung Gildemeisters steht für uns
höher, als z. B. die von StreckfuU oder die von
Kannegießer; wir fanden, dafi Ste auch derjenigen
von Philalethes (König Johann von Sachsen) an Treue
der Wiedergabe nicht nachsteht, diese aber an Form-
VoIIcndmii^ ÜtxTtrifff PhiLiU-thrs iii)crsi-1/ti- ln'k.uiilt-
lich in reimlosen Jamben und lieü die tür Dante so
bezeichnende Terzine fahren, welche reimfroh und
fließend aus Gildemeisti rs Feder tjuillt ; keine Zwangs-
jacke, sondern ein Icicht^'etra'^L lus Gewand.
Die Fülle von perscmiiclu-n, ,L;e<chiclitl;chen, stern-
kundlichen und religiös-philosophischen Beziehungen
machen die göttliche KomOdie ohne ErUutenmgfr-
anpjabr iinpcnießbnr. Gifdcmcister wendet, um einer-
seits Dunkcllieiten im Text, andrerscit-s die unerquick-
lichen Anmerkungen unter demselben zu vermeiden,
ein Vetfahren an, das allseitigen Dank verdient. Mit
feinem Takt hat er aus dem Wust italienischer und
deutscher Erläuterungen das Wissenswerteste heraus-
geschält und jedem einzelnen Gesänge vorangeschickt,
innerhalb weluhcni der also vorbereitete Leser sich
gans dem Zauber der Dtchtimg hingeben kann.
Möchte Gildemeister, der mit dem Kopf des
Gelelirten und dern 1 lerzen des Poeten uns einen
der größten Dichter nicht allein Italiens, sondern der
ganzen Welt vermittelt, die reichen geistigen Schäbse
Dantos recht vielen unserer Landsleute eröffnen !
Dein Freund der Geschichte bietet sich in der gött-
Uchen Komödie ein Spiegelbild jener Zeit, welche
indes niemals zur bk>Qcn „kulturgeschichtlichen Ur-
kunde und Sammelwerke mittelalterlicher Anschau-
ungen" herabsinkt Das religiöse Gemüt erl.iruit sich
an dem grol^rtigcn Grundgedanken dieser Epopöe
der menschlichen Erlösung, wie an zahllosen Neben-
allegorien und frommen Bildern. Der ernste Denker
findet die tiefsinnigsten philosophischen Fragen er-
örtert und !^el<'i't Und alle, welche für das W.ilire
und Schone m der Kunst empfänglich sind, werden
die göttliche Komödie lieb gewinnen , weil sie die
mächtige Persönlichkeit Dantes widcrspir<»elt, die er-
habene Einbildungskraft, «he glühende lle;^;cistcrung,
den uneisciiiittei liclu-n ('ilaulien seiner herrlichen,
nach Wahrheit dürstenden, „in Zorn und Liebe lo-
dernden" I^chterseeie.
Apollon Nikolaje witsch Matkow.
VriTi ütrininn Roikoschny.
Ein russische! Dichter und — kein Pessinust!
Ein russischer Dichter, welcher mitten im düstem
Emst der Zeit einen heiteren Bück und ein frohes
GemQt sich bewahrt hat und m der schAnen, klang-
u ichen Sprache si ines \'Mlkes zu uns In Worten
spricht, die vom Herzen kommen und zum Herzen
dringen ein echter gottbegnadeter Sänger I
Das ist in allgemeinen Umrissen das Bild eines
Mannes, der es längst verdient hätte, in Deutschland
bekannter zu sein als er es heute ist, eines Dud'.lers,
den wir vom deutschen Standpunkt als eine der an-
sprechendsten Ersdieintmgen der neueren russischen
Litter,;tur lii'/etrhren mfi<!sen de«; unstreitig größten
russischen Lyrikers. A]niik)n Nikolajewitsch Maikow.
Die Lyrik war lani^'e Zeit das Stiefkind der rus-
sischen Litteratur; im kalten Norden schien kein
Boden zu sein, in dem sie gedeihen konnte. Durch
alle lyrischen Di: htuuj^en Lermontows, K.it/uws u :i.
bebt es wie Schmerz und Wehmut, das froiic Wort,
I das sich auf die Lipj>en drängt, erstirbt rasch UOd
der Ton dei Lust und Freude klingt in wehmuts-
voller Entsagung aus. Schwer lasteten die traurigen
gesellschaftlichen Zustände auf der Litti r.itur und
ein getreues Spiegelbild deraelben war das traurige
Schicksal der ersten bedeutenden rassischen Dichter.
In einem Zeitraum von dreißig Jahren fanden Pusch-
kin, l.erniuntuw und Grihojedow den Tod im Zwci-
k.imiit oder durch Meuchelmord, Rylcjew endete am
Galgen, Bitjuschkow und Gogol im irrenhause. Zieht
man noch alle jene in Betracht, welche in der Ver-
t>annun^', im Kaukasus oder in Sibirien starben und
jene, welche elend zu (irunde gingen wie Kolzow
und Wcnjcwitinow , dann muß man gestehen, daß
Alexander Hcrsen redit hatte, wenn er die russische
Litteraturgeschichte als ein Veneichnis von Mirty-
rern oder von Sträflingen bezeichnete
i Seitdem ist vieles anders geworden, die littera-
I risdien Verhältnisse haben sich wesentlidi gebessert,
aber gleichzeitig hat sich ein Umschwung vollzogen,
der nichts weniger als geeignet war, den Schöpfungen
I der rassischen Dichter die Aufnahme in die Welt-
litteratur zu erleichtem. Nur die deutsche Gutmütig-
keit oder Gemütfichkeit konnte es tu stände bringen,
gegenüber dem in den Werken der nctieren nr-isi-
scben Dichter mehr oder minder unverblümt hervor-
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554
IlH Ua^dm Mir iBe Uttmlw in vwl AniUiii^.
Nr. 35
tretenden Dpiitschenhaß die vnlkte Gerechti^krit m
bewahren. In nicht j;enngeiii Maße hat die Teil- ^
nähme, welche in Deutschland für die littcrarischc
Thätigkeit RuiUands rege wurde, die Aufmerksamkeit
anderer Völker auf dieselbe f^lenkt und rassischen
Werken du: Anfnafunc in rindere Spnchgcbictc er-
leichtert. Und doch litjUcii wir unter den jetzt le-
benden litterarischen Größen RuiUands, deren Werke
unseren Büchermarkt Qberschwemmeii, von dem ärg-
sten Deutsehenhasser, dem Pürsten W. Mesch-
tscherski, bis auf den hei uns so hoc!i^,'ifeiertcn
Grafen L. Tolstoi nicht einen, der es verschmäht,
durch Seitenhiebe auf da.<s Deutschtum, durch Zerr-
bikler deutschen Wesens bei einem aus bekannten
Gründen dem Deutschtum feindlichen I^eserkrcisc auf
billi(;e Weise ein l»eirallif»es l^ächeln hervorzurufen.
Der Deutsche ist ihnen allen — wenn ich einen der-
ben Ausdrudc gebrauchen darf ^ der Harlekin-
Um so angenehmer berührt es, wenn man end-
lich einem russischen Dichter begegnet« welcher hoch
Ober dem Kampf der Leidensehaften steht und die
hehre Aufgabe des Dichters in etwa.s an>li r. m er-
blickt als in der Schürung derselben. Und ein sol-
cher Dichter ist A. M. Maikow. Auch er ist, wie so
manche andere Ru.s.sen, hv'i deutschen Mei.slem in
die Lehre {legangen, aber er hat nicht mit Haß und
L'iui.ml^ vi^r^joitcn, was er von meinen Veiiliildern
gelernt. Die russische Littcratur verdankt ihm trcüf-
Ocbe Obersetzungen vieler Lieder Heinrich Heines,
niißerfleni ein/einer Dichtungen von (locthc, Cha-
misso u. a., und .■>cinc große Vertrautheit mit den
Meisterwerken deutsciwr Dichtkunst ist nicht ohne
EinßaÜ auf seinen ganzen Entwickelungsgai^ ge-
blieben. Es wdit ein eigenartiger Geist durch seine
Dichtun^^en, der uns .mmntet '.■.!<■ ein KLm^; nus der
Heimat und uns den Dichter iieb gewinnen läßt, als
wäre er der Unseren einer es ist deutsches Ge»
fühlsleben mit russischer Weltanschauung gepaart.
Im Jahre 1821 in Hoskau geboren, widmete sich
Maikow anfangs neben seinen reditswissenschafUichen
Studien mit Feuereifer der Malerei, aber ein immer
mehr sich verschlimmerndes Augenleiden zwang ihn
bald, dieser Kunst zu entsagen. Er suchte Ersatz
für sie in der Dichtkunst. Schon im Jahre i8j8 war
er mit seinen ersten Gedichten hervorgetreten und
eine Saniinlung derselben erscl'.icn 1H42, bald nach-
dem er die Hochschule verlassen hatte. Nach großen
Reisen im Austande, namentüch in Italien, folgte
1855 eine neue, .st.irk vermehrte .Ausfjnbc. Welche
bereits die Mehrzahl der trettlschstcn Dichtungen
Maikows enthielt, die eine Frucht der im Ausland
empfangenen Eindrücke waren. Immer deutlicher
prSgt sich nun die Rnhtung aus, welcher Maikow
sein ganzes Leben lang treu geblieben ist: er ist der 1
Sänger des sonnigen, warmen Südens im düstern, '
eisigen Norden Italien hat tu seinen besten Dich- |
tungen die Anregung gegeben. Seiner Vorliebe für ,
dasselbe, sowohl für das neue als ftir das alte Italien, '
und seiner gründlichen Vertrautheit mit der Welt |
der Alten entsprangen zunächst in den vierziger j
Jahren die herrlichen „Römischen Skisfen", sp*.- I
ter die größeren Dichtungen „Savonarnln", ,,Dic
letzten Heiden", „Lucius' Tod"'*), die Lieder-
sammlung „Miß Mary. Ein neapolitanisches
Album" und das lyrische Drama „Zwei Welten",
welches den Kampf des Christentums mit denr Hei-
dentum schildert Dt r Ausbruch des Krimkriege»
und die niacJuigc Lrrcgung, welche sich damals des
ganzen russi.schen Volkes bemächt^tc, ging an Mai-
kow nicht spurlos vorüber und leitete ihn eine Zeit-
lang auf andere Bahnen. Sehne vaterländischen Dich-
tungen während des Krimkrie^t s 1 ..Sendschreihen
ins Lager", ,,Der verabschiedete Soldat Pcrfiljew"j
haben begeisterte Aufnahme gefunden und seinen
Ruf in Rußland licgründet, aber wenn er auch in
der Folgezeit wiederholt sich heimatlichen Stoflfen
zuwandte, in deren Behandlung er dieselbe Meist i;r-
scbatt bewies („Drei Wahrheiten", „Der Fischfang",
„Durotschlca", die Liedersammhing „Zu Hause" u. s.w.}
so kclirte er doch immer wieder zu seinem ge-
liebten Italien und der ihn über alles aiuieiienden
Welt der Alten surflck.
Eine vierte Ausgabe seiner Dichtun^'cn drei
statthche Bände — erschien 1 884 und zahlreiche neue
Werke — „Die Fürstin. Eine Tragödie in Ok-
taven", „Der Pilger", ferner eine meisterhafte
Übersetzung des „Heereszuj^s l^urs", Über-
setzungen und Nachahmungen griechischer und rö-
mischer Dichtungen — zeugen von einer unenimd'
liehen Schfipfun^knft und einer unserstArbaien Gei-
stesfrische, welche drm heute Viereits dem siebzigsten
Lebeii-sjahre nahen Diciuet eiyen geblieben sind. Die
Gedenkfeier seiner fünfzigjährigen dichterischen Thä-
tigkeit, welche vor kurzem seine zahlreichen Freunde
zu begeisterten Anerkennimgsbeseugungen vereinte,
fiildet wohl einen Markstein, aber gewilS noch lange
nicht einen Abschluß seines Schaffens.
Der deutschen Lesewelt ist Maikow bis heute
ziemlich fremd j;el>"iiel)en In deutj-cheii Zeilschi iften
erschienene Übersetzungen seiner (iedichte sind mir
lüdit bekannt MOgen die folgenden, den „Römi-
schen Skizzen" und der Liedersammlung „In Frei-
heit" entnommenen dazu beitragen, auch in Deutsch-
land die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken und ihm
auch bei uns recht viele Freunde zu erwerben!
Im Regen I
Denkst du noch, wie unerwarlvt uns ein RtgCD
ÜbtTficl auf t'incm Weg Tom lUu» entlegen?
L'nter eine alte Tanne Aoh'n wir uhnell,
Angst und Jubel ohne Knd'! Unrch Regen hell
Sctiicn die ^omr, und unlcim Unume, dem nutoabedccktvll,
Wir so wie in einem gold'nen K.lfit; btcelttcn.
Viele Peilen riu|;sum «uf den llo.len hUpÜeu,
KegrnUupfen durch die TanneniKideln »chlüpften,
Fiele» itlilzcmd, funkelnd auf daiD KApfcben nieder
Oder ruUlen vun dem Busen DnMn Miwl«*.
Denkut du noch, wie dann verstummte unser Lachen,
AI* den IJunner Uber am wir hörten krachen,
Da gctdilow'ncs Angt» mir im Arm gOsf/eni —
O litt prSckl'fc» Stami Du MgMUNielMr Rcfenl
*) In den »itltereii Ceunitmgaben bat Mailtow dies« Dick-
nuB ,J>iei T«d«» geSMlM. Xina gßU Übenctsnnc brachte Um
„Mofdiieli» ftaadMhm". 1. Brad, 4. HefL
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Nr- 35
Dis MifUiD ßkf iU Litimtur de« la* vmd AMhn det.
555
In meinem fernen Norden.
In »«iiicm fernen Nortlen will
Ich di«»«:!» AbeniJa »Irls t;cdenken(
Wir blickten nacli den Weiden still,
Die sich zum Weiher niedenfrenkcn.
In blauer Fern' der I.orbeerlulii . . -
Dm Oleanders BlUlcn |>ran)(Ien,
Und uodurchdrinclich ub im> xwei'il
AU Dach alch diclilc Myrten raBktea.
Es wurden blau die llüh'n umher...
Zu schwlnmen in die Kerne scIiiedaD
Durchs KulddurcbcIOle N'clK'lniecr
Die Aquidakle und Ruinen.
Und bei des S(<rinKi)aclls riltschcrn hier.
In dieses Scnnenglanics Helle,
Sprachst dm ta mir bcnaacbl: Mit dir
Ktint' itttbm lA m dttaer Stada 1
Mondlose Naclitt
N!,ii;illus< Sil, l,t !il> iUhe »ie von Lieb' entbiannl,
l.ntj Intnrt.i tn] ii-U, » ie Von /aubcr fcstifebannt.
W'nt l"ir ich unter deinem SiliUar für ein Klingen,
K»Q»il.i ri.i^-: l;:ii he SilberklanjS «um Ohre dringen?
Da bilit <:in MAI- ueil drauf ein Demanttiopfcn tank,
Der V<i);ti /'wits.litin hör' ich dort da» Feld entlang,
|irr rlir>-ii Iii km i:ltul. mi llQatln !ir|Kli ' .lillcn,
Und 'Iln |-'luui::k Si:ltlll Urllul <ilc Luit cinillcD
Der I rikin Oi jre an dem Qbcrschwemraten Ort,
Wir iimr Urnii! Orjjel dumpfiT Hsliakkord
In iill >lu- nKilil'i;.- l'rulLl li.ül. Ii;, Li !,;.ilit
ErstcfWri^i, wit üti W iii'lliiiurji iiitrüi>eiljiiui;cE,
Das dumpfe Kla|>peiD i uli f- rnen Mühle dringcL
Und rTtt die Sicrnf' ;ii lUr Iii lutn HimmeUpracbt
l'.iK'iin' in iKtLii -illi.ju^l;.njLrl'ilIlit:i linhocD
Ich ihre« ew^cu L^u:cä .SjiliAfwSbklang lu ahnen!
In tiefem Sinnen Sitte ich «Hein mit dir . . .
In ticfein Sinnen silse icfc ■nein mit dir,
Wie fonat Tor uns die BerR« wd dia Umk Ftnc»
Doth mit gehcinem Bangen llOt 4« vMm «nf mit
VoU MMUtwk>««Uer Scknsticht Mm AnfCMteme.
Denn «ine NclNüMilfiiB «emnltit 4« ->
Dodi Itnne Jim|e MaM — d« kwMt'a jn li>m —
Uicb liclrt die Mubb* Fena •ndcfn Löhs n.
Du nidat die Sdnniefet MiMn CeiM veneluea.
So wie eiwedM au tOfien Lielxairtvaieii,
In leioen Adern (ttblet Sbcnchiumen
Anfo nea dt« KrUlc der gefang ne Held, nnd wia
Handt' LaltocUaa rig tiaai der BaiAarr naniaiia.
Auf der Wendenebeft.
Der Alpaaihllar Saioh «tOier Hantulrt nein,
Mit waIckHi Meid belnidNa ick da HIiiacii«H ddnl
Wcik Met dia GMele Biditl Kami daB In des cMcB Tifce
Dia Prtldiafi dia GclHigii Biche aicde^tian,
Datcto Grtn, dan Jnee, imtuciwad von den BciSübOb'a,
Da wild dein ifi wägi i la ii i fcKlunlciM itaaimil adrta
Dorek der GaOlurlin deiaca Lebeaa frdtei Koicn
HR lüieBliMaiian dir od Bit den jvngM Roten,
Uad Midie Gaben hriaci tm Feld die Heede aach,
BiOllct v«a der IMadicn Oilacr daft'cen Kaodi:
Und in den Catta« Mot der Sang der NacMcall.
Und ante« Dadia awilaelMra aneh die SdMaibcM dl,
Zn Uflt'ndcn Apialbaaa im dafi'gcn Gatten Irin.
Da lieiiet den Vlchalen, and der CVcilieit geaa erleben,
Umi aUca dB) wanadi leit j« die Menadtan aizdicii]
Das alte Ronx
Iclt aab daa aiie Rom: in tnuirigcm Zerfidl
Die |f Mbewaclia'nen Tempel and PalMe dl.
Die glanen Fflaiieiiulna dier StraflciH
Dia ftldetapaian natann Tilampluitorbegeai
Im Uoadlidit, tron Arbadan rii^ ninsogen,
Dae Kolaaieaau hdbaerrdl'pe Meaien . . .
lamitien dieaer Maneia, in dta Faroa» Stanbk
Ane dem «atpar dcb «and dee dankd> Eptnlnt Laab^
Bdm Wagen atdt dea graOlrflnrige Sticrgiapaan,
Gareeialt am korlaA'adien Stdeaadiaft . . . Etregl
Da« laa idt dciim Chronik, Rom, *«■ AaCmg an,
Ifnd aU SmaOckan meine Sede kat bewegt.
So wia der Hiit Inmiiien ttdcr Flnrea
Im Peia entdecket dea Giganten Sparae
Uad de bdraclhlet ebifardiilivoii and aden,
Dnd deaktt Kala Mmidi, ein Gtilt giag Uer mrbd
So naa mit aiuaim toten Hcman, aim an Gaiet,
Um unfraebtbafan Stammea Sttbnea dek etaalet
Ab Fabd nar die RieaeagrOda ddnar 2dt
Und deiner Genien Werk da SebnIbecediemkeiL
Bin fremd Geadiledit edieiat Ider gdabt an imben,
Daa eaina Spar dem Boden dn gcg rdien
FBr eVie 2eit, im FUeden grol, in Krieg md Kat,
Im Galen gioA, «lock miadcr afc&l in aebHiamer Tiiet.
Da ii^. dock ao wie da gelebt . . . ia ddnem FaN
Daaidbe sodb wie eitM. da da, dctr Frribdt Wdi,
Fb aie brat Gat and Blat dabiagitebia,
Dea Vdk braeb dea Scnatia Wideiatreben . . .
So irar dein End' aadl . . . MochlT der ecUaaen 8cUa^g■ gtaieb
In deiae ew'ge Stadt vom gaaeca Gotieariidi
Sidi daa Giachiccbt dee Laalen and der Ftavdintt
Blmcbldcben hinter delaem atUam Wagen ber,
Meg HddcMaat daa Volk enagen aiwicimebr,
Ifag ca daa Staob sa dea Udalw FMea,
VeD DentR dieaer idbct die Sparen kMen
Vom Chadiai' SendeVen, ichlagen an die Bnul,
Voe teinam Bilde wttoend Mtgen Im Gebet —
Dm Fddem rcicb* Emie wiid «t echiaheth
Die ScMBe aavcnchit tor Heimal kakea;
Da hall dem tttrfcea Gdd, de» jeden Xteyl bcddil,
Vcrfnieabcll gciadit ... die ddner «iidlg irar.
O achi. det dten Stdsea Imwrt aoeb dclit bar,
Der Grcia dit sehat bat bdn Giftpdial gekeil:
wSo la^p jnag Ihr leid, bekrlaaet den Pohdl
F«r Bach noch giebt ea der Pdltte Ft«^ and Glaaa,
Und edmdle Rome, Wagenreatma, Sang aad Taaa,
Der Ziiltanpide SchMckeaaMIder, Blat and Qadi . . .
Bdm Fett die Bli^ dem Skdette tagdeebit,
GcaicBct allei, w«a dat Leben bietet aal
Weaa dann der Ftaadcoibedier gaas gdeerct.
Dm CdtM Ktaü In Todedunpf beaflhrit.
Um «Mlg au beicMefiea Ben» Lcbeaibahn:
Die Adeta Mbet Bad tat Freaadcdciaiic,
Ihr Mrcad te die ri^'ge Todcawciici"
Litterarische Neuigkeiten.
KEn ergreifcniles Sehnnsplcl von Calderun, da* hti Jelst
I nof^i ntvht in> IiMiUitit ijlu rir i^t v. \k :ir Yai K. l'asch dcB
deutschen Lttciu darLli «■.;ir ^i-ulili^iiunKi-iu- lln-mtfunf! nnd
IreflUclic Einleitung »ug.in.lliLli (.v Hi tlii I'it l Ihjtscuuih; natliun
, Melles oater dem Titvl. Obere Grab hinau« noch Heben.
lanariidiea Drama «oa dMeraa Ubanatxt «an Kaaead Piadl.
Wien tsas. Der SloF dea Drainaa iit der Aafdaad und Xaaipr
der Moiiioea, der Ictiteo Matnen m Giaaada, gegca die cpadicha
Ubermacht und das erschütternde Ende einer edlen Maurin, deren
grausame Ermordung ihr (beliebter nn dem Mörder ritcht. In
dem tragischen Geschicke de* Liebespaares uhilderl du I<'ch;>r
die lodabcrwindcndc Macht echter Liebe, die durch die Dunkel
des Rassenhassea und der Krieiisgreuel wie reines Sterncnllcht
dardi die raochunblllllcn Flanuaea eine» «cradiTeadeB Feaera
leachlet. BemerkcBBtrcrl iai cc Obrigem^ daB CaMnan la dieeem
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Du Ufuta ttn die UUeraUir dt% tu- and AvihadH.
SckampkU die Moräcen, die alieii OBycnOhiilkhai Frimk der
Spuicr, mit LMm bctttiiddt and die afluliu«c Uvtadridkooff
dumÜMB lideli, •]$ UtU er ItetlMi nach einer Settens, die elaer
PefMn dee Scheeepiekt ia Kmd gelegt im, gelumdelC: „Bn edler
Mann nimmt edles UngMck ia Schatz." Drr vcTdicnstroIlc Ober-
sctzcr dieses mit Recht geschttxtcn TraucrbiMcIcs hat bereits im
vorit;vn Jnhre ein andere» Drama vun Caldentn : ,,Deä Promethctu
GOttcrtiild" (Wien lHH/} in gelungener Ülwrscliung vcrüfTcntlicht
Caldcron liat den Mytliut von Prometheus in dic&cm Stücke zu
einem »iuitelcheii Sing* und Fcsttpicl, uIdc Art Opcniiext, bcnnui. i
Die DiclMat etelk den Sieg der VeraunA und der WieiniechaA I
■ad dam Vattniter Preacdieii» Uber die Lddemcliafk «nd Gewalt, '
die Bpimetlicee eeitritt, dar, wobei eich iiigleidi die Lltiterang
dea Promcthetu darrh Slmfe und Leiden, die den Dulder die
gdttliclic Verzeihung erwirken, vollzieht. Der Schiaß erinnert an
•dia DIchterwoit
,,Nur duicih die SlraTc untrer t>ij-K.*n I haten, j
liurrh I.tuli n nur veriiihnen wir uns wieder j
Mit den Unficrfalichen und mit nna seltiat." |
B. D. I
Ein japanischer Roman. i'Mmi inu <"liryi>it i'uiin , von ^
i'ierrc Luli, i illubü. liaud iii S". Vvil.is; soa (".iliu in j. I Ovy.)
Wtc 'Ur Vi irii>i'.r hell-'it Im I-aule seiner l-'rxhhl«n^ ,!( Ii ^i nlUtli j
erwShnt, be»tcln iliesc» liuch nur iius den zartesten l-urtK-nlüpklchen,
Förmchen und Dürtchen. Nach beendetem Lesen muß man gc- i
«teben, daß bei dem Charaitter einca Lande* wie Japait und durch j
die Aagen «tDct BclaBctolliclt gtitinMen Sehrllbtellert bctaacbtet,
bei Minea aa die InngJlMge Anedminaf eea Hlmoid and Meer,
dieser beiden OneDdlleMieilen, gewiSImleB Blick es oleht ander«
der Fall »ein konnte. M.m fDhIl liersu», daß der Vi rf . .^t r l. v
..IVchfUr d'Ul.inde '.Isl.iniiiitlicr Kivchcri" sich auf dit5L[iL .n '
ciiicrr. Miii: .TuiiAhmen und in zitrlichtr Art (^chjltL-Dtn (itbicte
ulcbl recht frei zu bewegen vctmuehlt;. und die K:ndrUcke, die er
dnsetbst empüng. haben sich l>ci ihm nicht durch eine Uberwaltj-
Bsadc Grofieitigkeit, sondcro durch ihre nikroeliopiselM Genauig-
keit (diend fenadit. Der Bend «lamclt een Faibea, Femen,
CcrIclieB «. 1. w. aad MgtetotleABAMholbclics Geprlge; aber
GelUile, LetdenetiBften, Haadhng vemiSt man dattn. Die ganze
Anziehuii^nkraft von „Madam« Chrysantheme" liegt im Stile des
Schrillstellcrs, dessen Talent sich in ziddrciclien rcrsch»eiiderlsch
durch das ganze Huch ^H^lreulcn Sehilderungen gt r.lllt .\ul.HTilrin
ist dasselbe noch mit niedlichen und phantastischen, etwas zu aus-
|>efUhrI und sorgHUttg (gehaltenen und sehr reicidich im Texte,
•elkrlialb deiiclbcn ood sdbsl an den Rtadem vcrttilica Hok> ;
■t^iillan anntanat „IMimt Cttyiantblwe" ist derName einer j
kMmn JapaneiiBi wekhe ein Marineolfiiler ia der Zeit, wo teln {
SeUr te Hate traa Nagasaki liegt, „hctoat«*«, da ihai eelcbee |
Mine Mittel Ittr den Anleaihalt in Nipon gealalten. Dieses Ftaaca-
aiaiaMr wird ihm darcb eine erigindle Pentallcbkcit, wekhe die
Vermmdang aelcber aeitwciligeB nad fae«|neaieB Verbladangia ge>
werkniSig betreibt, verschallt. Die Ehe wbd ia S4 Staadcn «al>
sogen und nun beginnt ein I.c(>eii in I1111I linVtllllltllilHII, we l d i t i
den Ilaupimhall der Novelle ln% zur vorgesehenen Trennung
hiMet DiiM- Clie dauert so l;lrl^^ « n. i;;>. Riiacii und Pierre
l.oli Zeichnet uns hierbei sehr ^enau und eingelicml da^ Mild eines
in Ja|i.in verlebten Summer«, in einem jener inwendig so >chinuckea^
aber nach auflen ditetcr und unfreundlich erscheinenden lIIuadMO,
ianiitea daer fcBiperlidi eekwechen, bl* ine laBCfsle Mark geekct^
ten. vonttadlhUilclMa. duch toviel Jabitaadene ikh momieaarlig
fortfriiiendea Reite, die bei BcTttbang mit den neoen Elenen-
tcn des .\bendlandcs bald in l>cffiitleidenswertvr Liehe rlicbkeil
und Sonderbarkeit d.iileht. Demselben Vorurteil, derscil>en pusi-
miitisclien .Viisi 1. 1 uuin; lii s Ilichtcra begegnet man ebenso allcnl-
balben wieder angesichts einer Natur, die itun vcrkammert und
entstellt vorkommt. Klein, trmlich, iK-sehrinkt, hiermit faik er
aOee anaannuin: oA wicderhalcn eich dicee Aasdrücke hiatar*
ciaandcr, tat dntr Wciic, daft DMa aeitwaBiK eher glanbt, eia Me*
gesia Japaidadier Matiooeiiia aa dardiwaaders, ab Weees vea
Fleisch irad Blnl vor sich sn aebea. Seihet die dortigeB Land*
si h:ifien finden vor Pierre Loti keine (»nadc, der infolge scintr
b^telJuni; «Is Schiffslieutenant die großartigen Sccncrien des Meeres
gewOlint iht. Knie i^iL>lie d.wuii l'iii<!tn wir sugleicli in den ersten
Seilen ilts^ llurlio .,[JiiM K Mize Üppige und saftstrotscndc Natot
trug den fieinJirlij^i 11 i.-i>:u.ivrhen Charakter an rieh, der in den
bixarren Kotmeu der Berggipfel und in dem eigenitbniiclica
Wesen vea ouiacltem, w«a Ihr gewAbalich gcflJlig aad aaspraehead
ist, aem Vtaicbda kam. Blnae bildctea Gni{ipea ia denelbca
steifea Art wie aaf Theebrettem. Gewaltige Fekea itiegea
ganz jnh in die Hfihe, in unnatoriicher Oesultung, neben Hflgda
von sanften (.'mrisscn, die mit zartem Rasen bekleidet waren. Vit-
i;'.i.uli.utn:e l.iindbehartsciementc fanden sich vereinigt, wie bei
künstlichen tiegenden." Am Schluß des Huches möchte man es
\iii;k'ii:hcn mit jenen drolligen l'ovsenreilycm. jenen elfenbeinernen
Affenfigufen, jenen s«pGgcn Marionetten, die ans dem Wnndet-
lande alles Zopfes stasanea nnd des VerÜMier sich vorMelkn
gleidi ciaem ,Jcaer boekeadea Arbeiter, wdche mlMlit nasidil*
liarer Werbaeage die Sberraaekeadea Nipptiidiwaader aehnilMa,
wodurch gewisse cnropaische Sammler dem nie gesehenen Japsa
so außerordentliche Anziehungskraft verleihen." (bleich ihnen iU
PiLiie I.oti ein trelTlicher .XrlRiter, der mit einem so cint'.vchen
Werkzeug, als die Fcdei ist. Überraschende Wunder von Keinheit
and ZierlteUteit, wie jene Madame Chrysanthimc , ta schalen
vennag.
Paria. Loaia de Heaaaab
6«(bcii ift crf i^inMR n. btm^ oOc 8iU^t*iibIuiiflai 4« bcjit^n
ftwi WM*. B«. (ZLVm u. 774«.) M. 8: «b. in dnrm
WHib (edmMmft mit MenMtn tujb ttst^qn«!) M. 10.60.
l imk: Colifron'eilCTttnr. StBmMMWcM- tUli-
■IM, ||nbgiM4t,iMt4oi«||if4evillllttRMg«1pUlt.
Int Salbcroit« Wlhnii (XL u. m «.) .>/. 4.
n. fnA: WfWMt. ttxcMt uiib aefd|i4tllitt Srnmcn.
irlfUittr «tWulflf. viii u. 4:1« «.) .1/. 4.
SltUtktTKOfliiKO' '"■6 «ul(I1,«<rl)^<lR't-^l><l6tSli^lltlnlialtlc^en
triiliitiKiicn liirrai'liifciint^cit citicnrni. Hu»Dnl>ni UBt )lct(r|csuii|i(a. pttdf
iimtii M< »ifMiiiiii.liiin ini; Ur. 'Wnttii t<t AtDtCB 7ul)lct« tli itdUien
«icMrii niili uicl<» |U iiijT.iitiru iimu littt, teftliiiinKii »nt ticr1o|f<r »ur
if CTtiftrntiKtiUHfl frincr Uat&rr.-n'iiubirii Vli C<aupi^uKCt l^liiucbtc ibm kut.
Mf voiilii)lii$ticn Wrtte ticS tIAtirt tuiiti ;u:.tuli;li<ti(. ^c^ <ift":;;itrnfliiiij
uat M Cili«nlK«(B M lpanit<[)<n Cniiu-.n:} pdi«» lvlltlrltl<t>rll^t nnalg^cii
M aalailc* laail ta nstbataMiafttn aitaalcninafa. nanuaUiA la diikttifilirr
" - tBttaiaa eal ttelatMaM s>ri^iwiiiMlt'|t llmiielaiit i<-
' Ktot. Mittsai aidkii iagla|lt4 m aMd**.
j^a« %utt ttst ili2en[dtli(:tt
•Ia §9»* I« M «(|«»iaaatB sea ^tiarl4 >aft.
M. I. „f ar an» «eMCi!».
«lue fruitrilaeoen: 9<t A. eeiyllnkct M tsr lalk du aceletiT , ,
t<raui . Ilc Mlatt M Mdbrs nMü Irattvsn aa ttaer A«|< cai>«t, Mt
i»rtt äSrr Sa« #r*{(Baial Vaau«r«gt. ta« ins aii<c t« iaitcn lotr «caiSM
finft. . . . «cn iebtm viK(M<tini e^nuni«, SiUtcn» Voa mfrn ÄiUm, Iii .SM
sab Kotilta' (iiK gtiin>l»le t'MttBn«. . . . (»icn. H-l — 3t*d airauilb Ist
fi4 rine fo tr^' Jtaraa»« leiodMl. Mc 0- ■ ■ > M( Vatlea fliM
t!.*ortc Vfitm! . . «tun uanfi-tthr,) — .to* «ir» »cf IKcnla^- tritt Matr
Jtec naits lubea tl< a<«artls)l<« gMjIrnserli allct ■ • ■ 1^4 **■
i«|aat€T«»rB. ar«|arfl«(a |lrtlan tu «twilea, »ti» «« ctafk itlMa IttmttlJ
eM4(aai Ia tta«fl, t* nunincm btt baatea Satten ket Wscl ua* »laaoi,
SdUbiM« tauldica Sic valaica. . . .* (««(.'><.) — ... «in tteif **n aaetlranr
. . tjei
lau'd , Wien. M. S> IC x.
Oon ^adas Aart.
tle «nftildtitti. CoittiMiM, ^iiin 1 ;iiM -..i: lT,.tt/n: r.ufii.
7 0: n :. L i-.n ■ in -■ '.^l' -i. i . . ■ ,; ; M .; i
Derlag uon ^auinrrt ^ lloiigr, (S[o^rut)ain^fi|lfi|.
VMaphnitUdHr
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57' Jahfgwg. Dneaden, den i.^September 1886. • Nr. 36.
DAS MAGAZIN
FÜR _ , Q DIE
LITTE RAT ÜR DES^^ IN- UND AUSLANDES.
WOCHENSCHRIFT DER WELTLITTE RATUR.
Hmosgeber: Wolfgang Kirchbacb ia Dresden.
Bndidnt jadm Soanabmd. ^ Pnto 4 M«k viMBÜlbiliBh. ^ Pielluiifwi werden «oe
jeder BocUMadtaagt Jedem Pouamt (No. }j89 der Posi2ciiuiicilisle)*owie vom Vcducc d«t „Mtcaein" in Dri-«d»-M.«BttigeBgeMiniaiee.
AnsetKcn werden mit 35 Pf. für die Tiergespahciie Noapareflle-Zcn« beiccbnct.
Alle Rechte vorbehalten. Unbefurter Naehdruek wird auf Orund der Oetetce und VertrBge verfolgt.
Inhalt: J. J. Ilonc^ger; „Aus Dranmors Skijütenhcftcn." - Richard \Vt;ltiich: ..Goethes Faust
in der Göchh.nr . n iien Abschrift." ( Fortsetning.) — A. G. von Suttncr: „Trente ans de Paris." —
Arthur Leist: „Die Wirklichkeitsdichtung im aimenischen Schrifttum." — David Asher: „EngUache
Littentur.** — Hans N. Krauß: „Ein Volksdichter.«* — Litterartsche Neuiglntten.
Aus Dfanmon Sldxsenheften. I
Zur Charakteristik Dranmors,
Der >chweiieri8ch>ainerikaiiiache Dichter Dran-
mor, vor kursem nach hSchst bewegtem und wech- ;
selschwi-n-ni I.i-bcn In Sfincr Gc-lnirts^'.iili Hern j.;f-
storben, viele Jahre mit dem Unterzeichneten be- '
fieundet, imteifalelt mit diesem von Rio de Janeiro I
aus einen vertrauten Briefwechsel. Außer den höchst |
charakteristischen Briefen liegen in meiner Hand
noch einzelne ungedruckte Gedichte (Selbstdichtun-
gen und Übersetzungen) und femer allerlei zerstreute
EtnflUle und Betrachtungen, die der Dichter selber mit
der BctTicrkiing übt-rschrieb ,, Zur Selbstkritik" In allen
die.sen Kundj^cbun^jen ^jicbt sich jedenfalls ein über-
legen denkender Kopf zu erkennen. Wir werden
liier zunSchst eine Anzahl jener „Fragmente" mit»
teilen, in der Absicht hernach einzelne bedeutsame
FSriflf in.soweit zu \ fn")tT<'titllclien , als sie sich von
allen individuellen Beziehungen und Bemerkungen
aofgaara frei machen lassen und flta- die Denkweise
des gcistreidienllbnnes besonJ« ! s bezeichnend sind.*)
Zürich. J. J. Honegger.
In vielen Fällen ist der Undank eine sehr
idittttMwerte Bdoboung. Beso n ders der Weiber
Undank befiett das eigene Hen.
•) Die *oiilct«BdeBDcBks|irMwich^MawttN hBclüt l>e-
•ckinead fir die Art, wie der DcalKlie ia SUeaerik«, Ia der Be-
tahraag adl des epeaiMli-cIdaBerikaaiechcB Wcicn, Bit seiaca
Fmm dcalMB Itnt, et tiBd dk DrauBor'ediea AnSetwigea •«
voriiBdHcfc Ar die Alt, wie auA nuuuber aadeie Deeleche dort
•idi amMIdcl, daS wir lictaen Aaitand aekaMn eu den von Prof.
Hoacgger am aaveiniatea Voiret iimIi neaelMt sa dndwn, was
■ckr fW awel Seitaa engiailitM weidca kaaa. (D. H.)
Sterben mag keiner, aber mandier mScbte
gerne tot sein.
Chercbez Ia bont^ chea Ia femme — jamaia Ia
g^TOSit^.
L'homme dans Ia vaniti5 s'enivre des transpoi-ts
scnsuels d'ime fenune, oubKe que ce qui parait
passion amoureuse n'est trte souvent que jaiousie
et besoin de domination.
Die wahre Größe liegt oft, ja gewöhnlich nur
in passiver Resignation.
.Man ist gewöhnlich weniger bedeatend durch
das, was man thut, als durch du, was man unterläßt
Wer seine Phantasie nicht bändigen kann, muß
sein Gewissen bescbiridit^n. Es g^t nicht anders.
Der menschliche Ideenkreis erweitert, und der
sprachliche .'\usc!ruck veredelt .sich itnmcr mehr.
Deshalb ^jlaube ich nicht (wie Proudhon und anderej,
daß jeder Vers schon geschrieben sei.
Aber ich bin überzeugt, daß Shalceapeaie und Byron,
Goethe und ScKller sich in der heutigen Atmo-
sphäre nicht würden entwickelt haben. Jetienfalls
reicht heut jene Dosts Genie, mit der man früher
berahmt wurde, nicht mehr aus, um auch nur
bekannt au werden.
Wie furchtbar mich die meisten I.cute, vor
allen aber meine Freunde beleidigen. Und zwar —
ohne es zu wissen!
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558
ICr. 36
Wenn wir um ein Jahrhundert turöckdcnkcn,
ergreift uns Erstaunen, wenn wir uns aber vorstellen
wollen, waa die Welt nach hundert, ja schon nach
lunfrig Jahren sein wird, betäubt uns Schwindel
Der denkende Teil der Menschheit ist schon
deshalb un|;'ücld;ch, weil er über ewig unlösbare
Probleme ewig zu grübeln verdammt ist. -
Und doch lie^Jt ein titanischer Stolz darin, sich 1
durch die Größe seiner Gedanken unglücklich zu |
fühlen. j
Wer aus Poctenstoff geformt ist, hängt, außer 1
anderen Gründen, schon deshalb nicht am Mammon,
weil er des Geldes nicht zu bedürien glaubt, um
eine gewisse Notorirtat /u erlangen. Bei gewöhn- '
liehen N.ituicn ist Habsucht oft nur Drang nach
Auszeichnung und äußerer Vergoldung : jeder will j
betrachtet sein, |
Die Unstciblichki-itsprcdigcr beschäftigen sich
viel zu ausschiicülich mit dem gebildeten Teile der
Menschheit und deren künstlich entwickelten Aspi-
rationen, während sie die gro(k.-, rohe Masse und
die gesamte, in iiKincln n (Gattungen ebensofein wie
wir gegliederte Tier\^'elt außer Acht lassen.
Mit dem Dnscin vi i --rihrn'n ksnn nur jene Zu-
friedenheit, die keines dauernden Glückes bedarf, Ja
die ein solches geradem ausachliellt.
Die ewige Leier von der ersten Liebe ist ein
Uoainn. Man kann mit der Liebe sehr früh anfan
gen und hundertmal mit der gleichen Heftigkeit und j
ZSrttidikeit geliebt haben. [
Es ist immer noch besser an Überdruß und Er-
mattung zu Grunde zu gehen, als am aufreibenden
Arger über nicht befrietÜgte Gelüste.
Koketterie i^i nuht immer nur Sucht andern
SU gefallen, sondern &chr oft angeborene r Schr nlK its-
sinn, Bedürfnis, seinem eigenen Augi iu ticnugen.
Lügen werden oft zu den größten Wohlthaten.
Aber nun kann sagen: O der schönen Welt,
die ohne LOge nic^t bestehen könntet
Der äufkrste Bildungsgrad der Menschheit würde
vielleicht dann erreicht sein, wenn sowohl AdvoV.iti 11
als Theologen keine Kundschaft mehr landen.
On ne peut se guerir d'un antour — je dis:
amour, et non caprice (|ue par un autre amour.
Bei einem ächhftstelier ist nichts so schändlich,
wie »eine Hypokrisie. — Die Verworfenheit öflTent»
lidi in i!<n riTi:ij;fr stellen, und si^lbst in Gedan-
ken und Handlungen verworfen sein wie häufig
shid solche Beispiele, besonders in Frankreich I
Im Gespräche findet der Denker die richtige
Antwort gewöhnlich um ein paar Sekunden zu spät.
liegeistcrn uns ^^crne für Fremde — für
intime Freunde, so lange sie leben ~ nie.
Die PhilfK^ophif ist h.TtipHrichHrh die Kunst, an-
derer Leute Unglück geliiii.*>cn ertragen.
Hochbegabte, künstlerische Naturen suchen ui
LiebesverhSltnissen^ welche die Welt verdammt, eine
Erholung von ihrem Gednnl:rnf^n^f- , und ihr Cynis-
mus ist oft weiter nichts als innere Delikatesse , die
teils vor Unwahrheit zurückschaudert, teils schöne
Weiblichkeit nidn (kr TrivialiUüt häuslichen Zusam-
menlebens pjLisiiLbcn mag.
Nach einigen Jahrhunderten wird sich vielleicht
der Pantheismus oder, was im Grande gleichbedeu-
tend, der Atheismus aller denkenden Wesen be-
mächtigt haben. Möglich, flaü alsd.inn die furcht-
b.vix n Konsequenzen des Unglaubens die Welt aus
ihren Fugen sprengen werden, doch ist auch diese
traurige Möglichkeit noch kein Aigiunent für die Auf-
fcdtterhaltung und Fortpflanzung des Aberglaubens.
Wollust ist höchste Potenz des Lebens, und, in
ihrem Ernste, dem Tode deshalb so nahe verwandt.
Wenige Men'-cln 11 '~ nd eines anderen Dankes
fähig, als des nur momentan aufwallenden.
Gii'w.all.vani nnlt-idiückter Lyrismus wird IMCh
und nach zu einet uulicUbaren Krankheit.
Den Papierschnitzelkukos in seiner unsauber-
sten, gcf^rlichsten Gestalt kennt man nur in Deutsch-
land. Alexander von Humboldt, Varnlm^un. Rahel,
jean Paul, Pückler - Mu&kau und andere o wie
häfilidi oder albern sehen sie aus, jetzt, da sie uns
.so nahe gerückt sind. - Man denke sidl einen
Jean Paul und eine Rahel verheiratet.
Der wahre Dichter besitzt zwei Eigenschaften,
die ihm angeboren sind. Enthusiasmus und
Luxidität. Dieerstci fmdi t sicli oft und in i-L-hr
hohem Grade, aber ohne die zweite ist sie nichts
ab ein Strohfeuer.
Alle Gefühle lassen sich auf ^olninis surflck-
führen. In Wohlthaten äuflert steh der Egoismus
großer Herzen.
Ein Mann darf sich die wildesten Wut- oder
SchmeraensausbfÜidie einer Frau ruhig gefallen lassen
nicht sefaiet- sondern ihretwillen.
Un Wen enviable temp^rament ont ceux qui
n'aimcnt quc !curs femnicc (]ti,ind ils sont au]n\''s de
Icurs femmes. et qui pouitant aiment leurs maitresses
quand Ik sont auprte de leurs maitresses.
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559
Am vorteilhaftesten sind die Schlechten daran,
was schon daraus hervorgeht, daß der F.dlc am
Scliliuie sdner Laufbaton lu nichts anderem gelangt,
ab zu aUgeoieiiler Veneibudg.
Die „Langeweik" ist nicht, wie so oft gefaselt
wird, ünmer und überall ein Zeichen geistiger Ar-
mut. Im Ge^cntcitl
Geschriebene Wahrheiten machen nur dann
Eindruck, wenn sie Erlebtes bestitigen.
Für die Untreue einer Geliebten rächt man sich
■m besten duidi Hdflicbiceit.
Gerade weil der echte Dichter an sich selber
?Avi ift !t, bedarT er, wie der Schauspieler, des lauten
Bciialls.
£in genialer Mensch lechzt nach allgememer
Anerkennung, weil er darin nicht allein ein Zeu^'nis
für seine Gcistcsgabcn, sondern aucli eine Entschul-
digung, ja eine Freisprechung tindtit, lür die zahl-
losen Charakterschwiehen, deren er sich selber an-
klagt. „Entweder" — so sagt sich mancher — „bin
kh ein Genie oder ein Lump."
En politit^uc commc ailleurs, lorsque la fatalitä
s'en meie, platzt eselave que valet.
jConunis par un penseur le suidde est toujours
tiD acte de gnnde hardiesse.
Dos Talent ist harmonisch, das Genie melodiadL
Nicht seiner selbst willen, aber wegen dessen,
was daran hängt, ist der Kaufmannsstand unverträg-
bcb mit der Kavalicrsetare.
Wer Liebe zur Liebe empfindet iineJ dem Re-
üütlnisse zu lieben und Gcgcnhebc zu verdienen,
fr()hnen muß, dem konunt es auf die Individualität
des Gegenstandes wenig an.
Wer mit di r nütigen Philosophie ausgerüstet ist,
findet sich schließlich auch in der furchtbarsten Lang-
weile cureeht, als in einem hauptsächlich physisch
be^rfmdeten , meimentan rasch verschwindenden und
deshalb gtüuLdig zu ertragenden Übel.
Die säitUchstc eheliche Lieb« bedingt keine
physische Trene.
Die Seligkeit künstlerischen Schaffens wird meiir
als aufgewogen durch die daran geknüpfte qualvolle
Geistesarbeit.
Maler, Bildhauer, ja selbst musikalische Kompo-
nisten, wenn sie irgend ein Instrument spielen, sind
weit glücklicher als Dichter, und zwar, weil die Be«
schäftigung der Hände den Sclunen des Denkens
teilweise neutralisiert.
in vorgerückten Jahren klagt mancher darüber,
daß er keine Freunde mehr hat. — Gemeiniglich
weil er keine mehr au haben verdient
Mein ganies Leben xerfällt in swei Hälften: die
eine heifll Fieber, die andere Betäubung.
Gebildete Menschen pflegen da, wo sie nur
hassen oder verachten, sur Nachsicht geneigt zu seht.
BUnd und grausam macht sie nur der Meid.
Nach Besiegung seiner Eitelkeit gelangt man
zur al.ertiarmenden Liebe, die keine Eifersucht
mehr kennt.
Das Dämonische in ilrr Menscl-.onhnist i';t nicht
so sehr das Unreine, Unmoralische, als viclmelir das
Kastlose, die krankhafte Sucht immer aufoubauen,
imi immer niedenureifien.
Wer das Leben mit yru'.ier Glut umfaßt, der
fängt erst dann an zu leben, wenn ihm so ziemlich
alles gleichgültig geworden ist.
Unglaubliches läi^t sich ertragen, wenn man nur
nodb eines guten Schlafes genießt oder sich einen
solchen veiacbaflen kann.
Keine realistiache Schilderung reidit an das
uirkliclie Leben heran. Seine Photognpliie leigt
nur die Übcrli.idie.
Um zufrieden und namentlich um dem weiblichen
Gesdilecht gegenüber ruh^ zu sein, mi^ man sidi
bisweilen an ili-ehreckendcn Vorstcünn^'rn nhKühlcn.
Gegen intempcstivc, sentimentale Wallungen schützt
uns am besten ein gewisser Cynismus des Denkens.
„Ich bin zu romantisch, um irgend etwas lange
und mi< Verstand gründlich zu sein." So sprach
Pückler- Muskau. Ihm, dem Fürsten, war der Ro-
mantismus erlaubt und hoch angerechnet Aber
den andern? _
Wenn von I^martine die Rede ist , wird ge-
wöhnlich die Frage aufgeworfen: Kann ein Dichter
audi Staatsmann sein?
Jeder wahre Dichter befraj^e .sein Gel'.irn und
sein Herz, und beide werden iliin antworten ; nein I
Ein uferloses Meer würde sofort im Weltall
verdampfen.
Energisches Auftreten fördert momentan; auf
die Dauer wirkt nur passhrer Widerstand.
Den besten Schutz ijewahrcn uns nicht glftn-
zcnUc Wüittn, Sündern ein dickes Fell.
Zwei Mächte streiten um die Weltherrschaft
Das Judentum, das Proletariat
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Nr. 36
Keine Aufiening bat mich mit so flberwältigcn-
dem Erstaunen erfüllt, wie die von Lesstng oft wieder-
holte Behauptung ; daß er niemals geträumt habe ... 1
Ergötzlich iht es, in der Voßschcn „Luise"
nachzulesen, wie oft die „geschäftige Hausmagd"
gelobt und gepriesen wird. Dennoch liegt in solch
bausbackeDer Poesie, wie sie nur das deutsche Kräh-
winkel ersetzen konnte, etwas ungemein Rührendes.
Der Mensch bedarf der Beruhigung seiner Ner-
ven, komme >!(■ wiilu r sie wolle. Daraus erklären
sich die klugen Lehren und die berückende Gewalt
der katholischep Religion.
Der einsame Denker gelangt dahin, daß er an
wrltliclii ii , s(-i^i-rianTiti'n ,,Vcr).;nii|^ungen" und ,, Zer-
streuungen" keinen Teil inelir nehmen mag, selbst
an denen nicht, die er gar nicht kennt.
Es giebt Naturen, die sich in dem, was man
„günstige, beneidenswerte Verhältnisse" nennt, nicht
zurechtzufinden wissen. Sobald sich ihnen keine
soliden authentischen Sorgen mehr aufdrängen, ver-
schwenden sie ihre Knft an den furchtbaren Kampf
mit Phantomen.
Er<;t nnch flrt-ißii;j."i!ii ii^eni, intimom \\":rkohr mit
einem den hohen komnicr^u ik n .Sphären angehören-
den Kr e und, kam es atwisclu n uns, wie selbst ver-
sländiich nach einem guten Diner, zu einem Ge-
„Ja, wenn ich meiner Hand ndier wire** oder
„wrnn i's nirfit wvh thätc" das schützt viele
vor Sclbsttr.urd, Gelinge der Chemie die Ent-
deckung eines Narcoticums, welches unser Herz sanft
einschläferte, imd uns unbewulk in das Nirvdna
hinQberschlummem ließe, welcher Gewinn] Nicht
fiir dir .i'lt.'l^^licl.cn Menschen, .uic:i nicht filr alle
Denkenden, aber für die „Überzeugten".
Das Privilegium eines Dichtf-rs liegt in der Be-
seligung eines eigentümlichen Rausches; seine Buße
dafür in bodenloser Emüchtertmg, überall anstoßen-
der EmiifindUcbkeit und einer höchst peinlichen
Clahvoyanee.
Zum l ataiistcii wud jeder denkende Mensch, [
aber nur instrfcm, als er in den unveränderlichen
Grundzügen seines Wesens das ihn tmterjocbende
Fatum erblickt.
Es ist gleichgültij» , auf welchen (doch immer
hypothetischen^ Grundulun die Systeme unserer
berühmten Philosophen beruhen. Wichtig dagegen
ist die Motivierung einzelner Erscheinungen, wie
wir -sie Tinriicntlich bei Sclioi^nhauL-i so schön dar-
gestellt hnden. Hieraus schopten wir Befreiung von
manchen Zweifeln, Linderung für manche Selbstqupl.
Welchen Gewinn wir aus dem Leben ziehen isönnon,
und wie es mit dem Sterben aussieht — das zu
Wttsen ist Sa Hauptsache.
.spräche nicht ganz gcwfihnBchen Schlages. Er warf
mir meinen Skeptizismus vor und verstieg sich soweit,
daß er endlich fragte:
„Aber haben Sie denn niemals in die Höhe ge-
blickt und an die Stemenwelt gedacht?"
worauf ich antwortete:
„Ich habe mein ganzes Leben lang nichts an-
deres getban."
Goethes Faust
in der Göchhausenschen Abschrift
Von Richard Weltlich.
(P«4tietetiig.)
Die Szene „Nacht, offen Feld" ist durch
die Göchhausensche Abschrift lieute als einer der
ältesten Bestandteile der Faustdichtong erwiesen.
Daß die Kerkf-r».zrn r in <i[-r Zeit von 177 ; 1775
gedichtet oder duch t.ujvvuilen >ei, inuLiic .schun auf
Grund eines äußeren Zeugnisses angenommen wei^
den. 1776 erschien Heinrich Leopold Wagners
Trauerspiel „Die Kinderm8rderin", dessen Inhalt an
Goethes GretchendictuiinL; , zumal :in <]\c K<Tkt r.
Szene, erinnert, und Goethe selbst erzählt uns, daß
er dem Frankfurter Freunde seine «Absicht ndt
Faust, besonders die Katastrophe von Gretchen"
mitgeteilt und Wagner ihm von seinen Vorsätzen
etwas ,,weggeschnaj)]if' habe. Von ^li-:cli schwe-
rem Gewicht waren die inneren Gründe. „Die
Kerkerszene ist außer Zweifel in ihrer Konzep-
tion und nicht wenigen .Teilen dor .Ausführung
eine der ältesten Schichten, die dem Feuerherde ent-
flossen sind, welchem der Faust sein Dasein verdankt
Man fühlt ihr die ganie Unmittelbarkeit, Inn^eit.
Gewalt der jugendlichen Dichterseele an; man wird
erschüttert, daß man kaum Zeit hat, auf die
Künstlerhand zu achten, welche diese Welt von Herz,
Liebe, Jammer, Weh zu einer Einheit geordnet bat,
und nur deswegen wird Goethe bis 1807 gezaudert
haben, die Szene zu geben, weil er lange warten
mußte, bis im eigenen Innern die nötigt Abkiiiilung
»ich einstellte, um durch Nachhilfe im einzelnen das,
was er im Sturm des Gefühles niedergeschrieben
hatte, künstlerisch durchzubüili n und so erst zur
höchsten Wirkung zu rufen.' iJic^e Ansicht machte
Friedrich Vischer bereits im Jahre 1875 geltend*),
und er hat Recht behalten. Löpcr führte aus, die
Kerkerszene sei tm Mai 1798 umgedichtet worden
und mit Bcstiinmtlifit sfi an/u!i<-limcn , daß sie ur-
sprünglich in prosaischer (iestalt vorhanden war;
wenn Vischer erwidert**), es sei ebenso möglich,
daß sie bereits in Versen angelegt war, «jo ist
Löper der Walirheit zwar näher gekommen, aber
unser Nachweis, daß die Kerkerszene der Göch*
*) C.ölhv o Kaust. Ncae Beitrtge »ir Kritik 4» G«4iditt
vun FrMticb Viadiet, S, ir.
**) Friedrich Vweticr. Ahci aad Nene*. Haft a, Stoilfvt
iMl („Zar VnlMd]g»i( attiBcr Sdirift: Goethes F*ait").
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Nr. 36
Das Mügazin für <li« LiUciatur des In- and AuslaDdrs.
561
hauscnschcn Abschrift brn its in ^TcnL,'c rhythmische
Elemente, Verse und versartigc Kcdc enthalt, giebt
sugleich der Auffassung,' Vischers eine },'ewisse Be-
stätigung, und Lö|>er hat sich mit der Annahme,
daß die gereimte Kerkerszene als eine „völlig neue
Schöpfung" gedacht werden müsse, von der Er
kenntnis des wirklichen Sachverhaltes wieder ent-
fernt. In Gegensat« zu Viseber tmd cu Lfiper
>tfl!if sich Sctiriicr . zsi-ar erkanntr imch er die Kn-
kcrs^cene ab emes der ältesten Stückt; dvt Fau.st
dichtung an, aber er meinte, sie trage „so sehr den
Charakter eines «nten Entwurfs, der mit allen Un-
ebenheiten und Dunkelheiten unverändert stehen
gcblicVion'" sei, daß lt sie nicht nls T."iiiarbcitung 1
iiühcrcr Prosa ansehen könne. In diesem Punkte <
verrttt SchrBer nicht nur Mangel an SpQrsinn, son- {
dern auch Hen nii^tictzendcn Puls ästheti'scht-r Em
pfindung; denn wenn die Kerkerszene nach Anlnyc
und Gehalt als ein unmittelbares Werk des Genies
erscheint, so trägt ihre Ausführung doch überall das
Gepräge höchsten Knnstverstandes, weisester künst-
lerischer Überlepun;,' und von „Unebenheiten" ist in
ihr nichts, von „Dunkelheiten" sehr wenig zu mer-
ken. Den Ansichten Vischcrs gicbt die Veröffent-
lichung der Göchhausenschcn Abschrift noch in einem
besonderen Punkte Recht. Vischer bemerkt zu der
Stelle: ,,lJa sit;^'. meine Mutter auf einen Stein und
wackelt mit dem Kopfe", der klassizierende Goethe
hBtte diese Worte nicht su sagen gewagt. Sie gelten
ihm nk ein R<^ispifl elm-s ..Realstils", wie ihn dir-
Weit itmc! tiic gesehen habe noch sehen werde.
Löpcr greift diese Äußerung auf, um sie gegen
Visebers Kritik au verwerten. Da die Kerker-
nene, wie sie in der fertigen Diditung vorliegt,
erweislich i7<)8 gedichtet ist, so folj^crt l.öper:
„,Da sitzt meine Mutter auf einem Stein Und
wackelt mit dem Kopfe' — der classizirende Goethe
hätte es nicht su sagen gewa<4», nu int Vischer; aber
gerade dieser hat es 171)^ Utvvagt, obschon den
Kopf gLtülli mit der Athiüt i.s, im alten Manuscript
konnten diese Verse noch nicht stehen." Vischer
Ist die Antwort auf diese anscheinend schlagende
WiderlcpuDf; nicht ^rhutdij^ {jchÜJ'hfn ; iiTi zweiten
Heft der S.uinnhing ,,Alte.>. und Neiii's-' kummt er
auf Löpers Faustkommentar zu sprechen und be-
merkt: „Für das letztere (für die Annahme, daß jene
Verse hn alten Manuscript noch nicht stehen konn-
ten) wüßte ich zwar I^cItu ii Grund, doch das beiseite I
Ich antworte: nein! der klassicirende Stil hat es nicht
geschrieben, sondern der Goethe, der zwar bereits
diesem einseitig zu ergeben sich begonnen, aber glück-
licher Weise noch manche Stunde hatte, wo er den
Marninrmcißfl wej^ti-^te und nach der Palette des
A. Dürer, Rubens und Rcmbrandt griff, wo er nicht
Sfipfaokles sein wollte, sondern Siakespeare war.
Goethr ist ja nicht — der klassicirende Stil, sondern
ein Mensch, und dieser Mensch hnttr, wie jeder, seine
onterschiedlichen Stunden und Stimmungen, konnte
vom betretenen ja gar wohl zeitweise auf den
alten ztirücktreten. Aber wann folgte denn die
„Natürliche Tochter"' Ich denke, bald ^^enu^: 1H..1
wurde ja der erste Akt gedichtet! Und konnte der
Goethe, der so alle Kanten d< s individi;e!l< n Lebens
au.srundete, glatt striech, wie hier, konnte der an
seinem Faust eine Freude von einiger Continuttftt
haben und mit Liebe ihn weiterführen.'" Hic-mit
hatte Vischer eine Mißdeutung seines Satzes zuiück-
ijewiescn; jetzt kommt ihm das urkundliche Zeug-
nis zu Hilfe und lelut, dafi er der Sache nach
das Richtige getroffen hat. Denn die Stelle „Waren
wir nur den Berty vorl'e\ , da siz/t meim- Mutter
auf emem Stein und wackelt iiiit dem K-opf ' stand
ja wirklich „im alten Manuscript". in der Vorlage
der Göchhausenschcn Abschrift, und geschaffen hat
sie nicht der „classicirende Goethe", nicht das Jahr
ijt^R, sfind<Tii der Ju^jendstÜ.
Eine besondere Bewandtnis bat es mit den Va-
lentinszenen. Im „Fragment" fehlen sie gänzlich,
und so hätte die Venntitun'^' hier freien Spiel-
raum gehabt, Wenn nicht eine von» Dichter selbst
herrührende Datierung Halt geboten hätte. Die Kö-
nigliche Bibliothek zu £ertin besitzt die Valentin-
szenen in einer Handschrift Goethes, deren Einband
die Jahreszahl iJIrjo trägt. Hierdurch erachtete sich
die Kritik für gebunden , wenn sie auch den der
älteren Schicht der Faustdichtung entsprechenden
Geist und Ton dieser Szenen nicht verkannte: Vi-
scher bezeichnete in .seinem Faustbuch die Valentin-
szenen als emen Beweis, ,, welche I^iille \<in männ-
licher Dicbtcrkraft noch hervorbrach, wenn Goethe
der alten, echten Fauststimmung Luft Kefi*), und
L()|iers Kommentar war geneigt, um ihres ,,sf> ühcr-
aus real::,ti.'ichen Tones" willen und wegen gewisser
in ihnen erkennbarer Lokalzügc, auf welche Creize-
nach aufmerksam gemacht hatte, einen älteren Prosa-
entwurf anzunehmen. Dagegen liefi sich Kuno Fi-
.scher**) durch die DatienniK' r Berliner Handschrift
bestimmen, nicht nur die Ausführung in das Jahr i »»oo
zu rücken, sondern auch (gleich Scherer) die Folgerung
anzuknüpfen, Goethe habe zur Anpassung an die Va-
lentinszenen im Jahre iHoj in die Szetje „Trüber Tag.
Feld" die Worte „Wisse, noch hegt auf der Stadt
Blutschuld von deiner fiand" u. s. w. eingeschoben
— wühlend doeb, wie wir sahen, der Text der Goch-
haiisrnschen .'Xhschrift dicso Sjpüe hfr<-if«i enthält.
W'tc die Dinyc m Wahtheit liegen, erkennen wir
heute: die Valentinszenen stammen wenigstens teil-
weise aus der ältesten 2^it, und die Jahreszahl
{800 ieann sich nur auf Ihre Ergänzung und thn-
dichtung und auf die Herstellung einer Reinschrift
beziehen. Und zwar findet sich der Monolog Va-
lentins nahezu vollständig in der Göchhausenschcn
Abschrift; vom folgenden aber enth< diese, wie
bereits hervorgehoben, nur die ersten 13 Verse, und
ein spater in die Szene ..Wald und Holile" euij^c-
scbaltetes Stück ist an die letzteren angeknüpft Daß
ValenHn durch die Hand Fausts das Leben verliere,
war in der urcprnngHchen Dichtuntr bereits geplant
aber nicht aus^i-juhrt, die Szene „Waid und Höhle"
•) Vcrgl. Alu niiil Nru. s. Hefl 3, S. $.
*•) Goethe» l jUst u N » /.weite Auflage. S. Zfit,. Die
Bcmcrkuni; S. 287, weshalb Lö|Mr die Annahme einet Klieren Vor-
lage rtlr gani ausgeschlossen halte, leuchte nichl ein, kann itck
nur auf Upen AaikntDg Aber die Walpugiiucht bcskbeii.
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56i
1>H Macixiii fBr die Liticntar dea tu- und Auludcfl.
Nr. 36
war als solche noch nicht vorbanden. Mit ihr haben
wir uns jetzt zu beschäftigen.
Fio beginnt in der fertigen Dichtung mit einem
Monolog, der an Krhabcnhcit der Sprache, an Schwere
und Fülle des geistigen Gehaltes seines gleichen nicht
hat. Die jambi^ichen FünfTüßler, zu welchen Goethe
hier übergeht, stellen ihn der Form nach in einen Ge-
gensatz zu den in> ersten Teile des Faust die Herr-
schaft behauptenden Hans Sachsschen Reimpaaren und
legen die Annahme nahe, daß er in der Zeit von 1 788
bis 178Q, in den Jahren der jambischen Bearbeitung
der Dramen Iphigenie und Tasso entstanden ist. Mit
dem Auftreten des Mephistophcles begegnui uns
wieder gereimte Verszeiien; es folgt das Gespräch
zwischen Faust und Mephtstopheles, in welehem es
dem Arglistigen gelingt, in F.iuv^s Si cli- dii Sehn-
sucht nach Grctchcn wicdcrauc rw ecken , den Ent-
schluß, zu ihr zurückzukehren, in ihm hervorzurufen.
Auffallend ist, daß diese Szene im Fragment von
i7<>o an das GesprSch zwischen Gretchen und Lics-
clii n sich anschlicf.'t , wiilirciid sie in der fertigen
Diclituny auf die Szene im Gartenhäuschen folgt;
dort aiit Fausts Fhicht in die Einsamkeit in die Zeit
nach der Verführung Grctchens, hier geht Fausts
Entweichen zuvor. Ist der Gang der Ereignisse so
gedacht, daß Faust, erschrocken über sein eigenes
Herz, über die tiefe Empfindung, welche er in Gret-
chen entzündet hat, sieb entfernt, um in der Ein-
samkeit auf sich sitbst zu besinnen, so geht des
„Kupplers" Mephistophcles nächste Absicht dahin,
das Feuer in Fausts Brust wiederanzufachen, zu w il-
deren Flammen zu erregen. Ist aber, gemäß der
Anordnung im „Fragment", die Verfährong Gret-
chens bereits ^'L.schchi n. so \v:inK: Mi ; -Iiistos Locken
den Sinn haben, Faust in noch schwerere Schuld zu
verwickeln, Begebenheiten, wie die Tötung Valentins,
heraufzufubren. An sich würde das eine wie das
andere in den Gang des Dramas sich einfügen lassen ;
gewisse Verse aber, welche die Szene ,,\Vald und
Höhle" in beiden Ausgaben enthält, passen besser
zu der Ordnung, welche das „Fragment" bat: die
Worti- Mf;.lll.v1,,5
„i>iir vuh\ mein Krcun<l' Ich hat» cacb oft beneidet
Vms Zwilling^iiKur, das unirr Raicn windcl?'
und auch die Aufknmg Fausts
,,So I.Taml' ich von RcKicrdi: zu Genuß,
L'yii] ini l iiniHs "v r rsr ;ini I 1 1^ ' i^l'. I'.i '^'i . -iK '
lassen kaum anders sich deuten, als daß Gretchen
sich dem Geliebten schon hingegeben hatte. Daß
der Plan des Dichters gerade in diesem Teile des
Dramas starkem Schwanken unterlag, beweist die
wechselnde Einordnung der Szene, und dieses
Schwanken wird durch den Text der Göchhausen-
schen Abschrift aufs neue bestätigt. Soweit in letz-
terer Teile der spater mit der Bezeichnung „Wald
und Hfthle" ausgeführten Szene sich finden, sind sie
an eine Stelle gerückt, an welcher sie keine der bis-
her tiekaimten Fassuogea hat: sie schließen an die
Worte sich an, unter welehen Faust und Mephisto-
pl ( Ii s zur Naclit di r Wuhnung Gretchens sich
nähern. Auch bei dieser Anordnung ist Gretchens
Fall l&ng^t vorhergegangen; das Fragment von 1790
steht hier der ursprünglichen Dichtung näher als die
Ausgabe von 1808. Bestätigt ist nun aber auch die
von Düntzer zuerst hervorgehobene Uncinht itlichkcit
der Szene „Wald und Höhle", ihre Zusammensetzung
aus Stücken, welche in weit auseinander Uzenden
Zeiten gedichtet wurden, ist erwiesen : von Fausts
eröffnendem Monolog findet sich um 1775 noch keine
Spur, währiiid drr Sihl iß der Szene der Sitesten
Periode der Faustdichtung angehört.
Der Schluß, nicht aber die Mitte. Und hier
stoPrn wir niif cinrn Punkt, weicht r lehrt, daß
der Inhalt der Gochhausciisciini Abschrift uns nach
einer bestimmten Richtung hin eine ganze Reihe
von Aufschlüssen giebt. Welche Szenen, welche
Teile der Dichtung in den Jahren 1788 und
1780 entstanden sind, als Gictlut den ,,.'jlten
Codex" seiner Faustpapiere wieder duiclisah und
zu überarbeiten begann, davon hatten wir bis
jetzt nur sebr mangelhafte Kenntnisse. Daß die
Hexenköche in Rom gedichtet ist, wußten wir zu-
fi'l^;« einer Äußerung Goethes gej^t-nübi i Fcki rmann;
weshalb es geboten erscheint, den Monolog der Szene
„Wald und Höhle" ungefähr in die nämliche Zeit ztt
verlegen, habe ich oben erwähnt. Al>er was ist im
übrigen damals hinzugekommen? So lange ein die
altere Dichtung; vci };( [^cnwärtigcndcr Text uns nicht
vorlag, mußten wir im Ungewissen sein, und nur
soviel vermochte die Kritik zu erkennen, daß die
Znthat df-r Jahre 1788 und i;S, sich auf wenige
Szenen bc:,chrankte. Jetzt besiUcn wir ein unschätz-
i bares Mittel, den Text der Ausgabe von 1790 in
I ältere Bestandteile und in solche, welche 1788— i;8g
hinzugekommen sind, zu scheiden. Und hierbei er-
] giebt sich, daß Goftl:rs Arln.it lici \VicdLTaufi-..,l'.nn;
der Dichtung in Rom und unmittelbar nach seiner
Heimkehr aus folgenden Hanptposten bestdit:
1. Er vollzog an ?A\cr\ S^enrn, uidrhc er nw?. dem
„alten CodL.\." iii das ,,Fragintn;" lu-rübcrnahm,
eine sprachliche Reinigung, welche in der Regel
auch eine geistige Liutertmg und Erhöhung des
Stoffes bedeutete.
2. Er gab (als unvollendetes Stück' dns Gespräch
zwischen Faust und Mcphistopheles, welches im-
mittelbai- auf den Abschluß der Wette folgt,
hinzu.
Er erweiterte das Gespräch zwischen MepUato-
plu Us und dem Scbßter, und gab der Smac
ilu'cn Schluß.
4. Er setzte die Szene „Auerbadi« Keller" in Veiw.
5. Er dichtete die Hexenküche hinzti
6. Er schul duii Monolog ,, Erhabner (ieist, du gabst
mir, gabst mir .^lles" u, s. w. und verband ihn
mit einem aus der älteren Dichtung stammenden
Bruchstück zu einer neuen Szene, der Szene
„Wald und n.>h!c".
7. Er erweiterte in dieser Szene das Gespräch zwi-
schen Faust und .Me[ihistophcles um qo Verse,
weiche zum Seelenvollsten und Schönsten ge-
hören, was der Menschengeist jemals vernommen
hat. Es ist die mit dn Zii'.c ..ILilit üir min
bald das Leben g nug geführt?" beginnende, mit
der Zelle „Auch selbst Gelegenheit zu machen*'
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Nr. 36
Du ItiluiH ttt db Lfctcntar des In» ud Auslaodei,
563
endende Versreihe, ein Absdmitt, der tt. a. die
Stolle enthält:
..Sic steht am Fenster, sieht die WolkM ticira
Chef flif alti.- Sta<i(iiiautr hilL
W enn ich vi» VO);li.iii »ür', SP gabt Ihr CcHng
'Inf.'-' 1^1'^. Ii»lt>u Nichte lllllg.
Einmal ist sie mniiter, nclM tMQllbt,
Kinmtl recht aU9}:t«retBit,
Unna uit'ilcr ru)it|i. w(e'* tdichlt.
l'n<l immrr virlicl>t "
Diese Verse, welche samt den nächststehenden
deutsche Art und Kunst in ihrer ransten lilütc
zdgcn, sind, wie wir nun wissen, eine Sciiöpfung
der Jahre 1788 — 1780. Ab Goethe sie niedeTSchrieb,
stand er im Alti r vnn n.itir/n m , Jatimi ; eine Tli.ir-
Sache, wekhe bedeutsam genug ist, wenn man nach
dem zeitlichen H<ihepunkte seiner dichterischen
Kraft fragt.
Ob die Hexenküche in Rom völlig neu er-
funden oder auf Grundlaj^o ältcr»;r Absicht ausj^eführt
worden ist, bleibt fraglich ; die Äußerungen Goethes,
er habe den „Plan zu Paust gemacht," es sei ein
ander D'.n\^. dns Stück jetzt oder vnr ''•infzchn Jahren
„auszuschrcibin," er glaube „den l'adcn wieder-
gefunden /u hab<>n" und habe schon eine Sxene
ausgeführt, welche ihm, was den Ton betreffe, Nie-
mand aus der alten herausfinden solle, lassen die
eine wie dii andere Annahme zu.
Was III A-silietisch-kritischer Hinsicht zu bemerken
war, haben Vischer und Löper trefflich (»t^sagt.*)
Als dramatischer Bestandteil ist die Hexenküche von
hohem Wt;rt; sie führt uns durch Szenerie und
Handlung aufs }»lücklichste in das fratzenhaft -verderb-
liche Treiben mephistophelischer Geister ein und
verbindet hiermit einen besonderen Zweck: Faust
soll, als er die Wcltfahrt mit Mcphistophclrs antritt,
um ., io Jahre" verjüngt werden, soll nach Mephistos
Absicht einen Trank genießen, der seine Sinnlichkeit
in Flammen setzt. Unmittelbar auf die Hexenküche
folgt die Szene, in welcher Faust Gretehen zum
ersten Mal sit-lit. wenn im Ti:\ti- (K-r Gruh-
hausenscben Abschrift den Kindruck dieser Begegnung
mit den Worten zu sduMem beginnt:
„D.T!. ist ein herrlich ithötie» Kind,
[>ie hnt wuü in mir nnj^exündt."
SO könnte die Wirkung des Tranks (von welchem
freilich die Göchhausensche Abschrift noch schweigt ►
nicht drastischer gegeben sein. Ich habe an früherer
Stelle an i;i r.ilirt, daß wir im Zusammenhang mit
Fausts unmittelbar folgentlen Reden die sinnliche
Farbe jenes Ausdrucks ertragen bitten. Vbm kann
einwenden, die spätere Fassung im Himmel, die.ses
Kind ist schön!" usw. habt den Vorzug, daß sie der
edleren Richtung, welche Fausts Empfinden nehme,
gemäßer sei; bedeutsamer Weise bricht Faust erst
mit dem Hinzutreten Mephistos in zynische Worte
aus. Ich glaulic nicht, daß hiermit viel gewonnen
ist; dem entgegenhalten ließe sich wiederum, ein
Mann, welchem die Gewalt seelischer Liebe leise
das Hen gerührt hat, werde nicht im nächsten
Viich.-T S 1^ der ..Neuen Ki .1 i: Löpci
auf S LVill und LDC dei xwciun Autl. sein« K«UktJ(ommcalu».
Atlgcnblick rt ({. n ,.wie Hans Liederlich". In der
That reinigt, •ii ij^t istigt sich Fausts Mmpfinden erst,
nachdem er in Gretchens Zimmer eingetreten ist;
er selbst hat für diese Umwandlung die bezeichnend-
sten Worte. Bei der ersten Begegnung aber brennt
die Flamme noch mi! tjctnilitr ni I.icliti' Vi.scher
bemerkt, der Faust, der Gretehen erblickt habe, sei
eht anderer, ein viel jüngerer als der Paust der
ersten Szenen ; man lasse sich diese Unwahrschcin-
lichkelt gerne gefallen, erwarte aber nicht, daß das
jugendliche I-'euer auf dem ersten Schritt ins Leben
so rücksichtslos sinnlich, ja mit I>on Juahischer
Verftihrungslust hervorbrechen werde; weniger an
ftor Hitze als an der Gewissenlosigkeit nehme man
Anstoß. Die Hexenküche aber, der Zaubertrank
rechtfertigen den Dichter doch wohl genfigcnd; man
muß dieses dramatische Motiv nur völlig ernst
nehmen: Faust hat höllische Geister im Leibe,
Inti-n s.mt ist, w.i- Schröer nach den Erinnerungen
des Scliauspiclers Karl Laroche eriählt. Als Goethe
im Jahr 1829 die erste Auffuhrung des Faust in
Weimar 7i:-:.ih. Ins or ztinfirjmt einer Gesellschaft von
Freimden und Mitj^liuiiuin der Bühne den ganzen
ersten Teil der Dichtung in seinem Hause vor.
Hierbei sprach er die Rolle Fausts im Baß eines
älteren ftfannes bis zu der Stelle „Laß mich nur
schnell noch in den Spiegel .scham n ' ' von diesen
Worten an bis zum Ende des Dramas sprach er sie
„in klangvollstem Jünglingstenor."
Daß uns die neuaufgefundcne Urkiuide die Frage
lösen hilft, welche Stucke der Tragödie erst der
dritteln Periodi' tl> 1 IVuist Jicfitun^, der unter Schillers
Mahnen und Drängen zwischen 1797 und 1806 er-
folgten WiedeiaufnalMne der Arbeit entstammen, bat
sich aus dem Verlriiif tinsrer Untersuchung zum Teil
schon ergeben. Nur dem Scheine nach la^cn in
dieser Beziehung die Dinge einfacher, d.is Mehr,
welches die Ausgabe von 1 S08 gegenüber dem Frag-
ment von i7qo enthalt, durfte ja nicht ohne Weitere«
als die s]Ki:rT hinzugekommene Masse b darhti t
werden; inm ie Gründe wie vereinzelte geschichtliche
Zeugnisse nötigten immer ZU der Annahme, daß
Goethe in der Ausgalw von 1808 manches zum
ersten Male verOflbntllcht hat. was lange vor 1790
gedichtet und doch im IVa^Mncnt mciit enthalten
war. Inwiefern heute auch in dieser Kicbtupg unser
Gesichtskreis erhellt, unser Wissen gemeiert ist, be-
darf noch an wenigen Punkten drs .Aiifzt igon^
Wiciand hat im Jahre 1790 die .Außi ruiig ge-
than, die interessantesten Szenen der Tragödie, z. B.
die Szene im Gefängnis, in welcher Faust so wütend
werde, daß er selbst den Mephistopheles erschreclre,
habe Goethe in das Fragment nicht auf^^s ninntüon.
Augenscheinlich liegt hier eine verwoi rcne Krinncrung
vor: die Erwähnung des Gefiingnisscs bezeugt, daß
Wiciand von der Kerkerszene wußte, während die
Inhaltsangabe, Faust werde so wOtend usw. sich nur
auf die Szene „Trüber Ta;^. Fild-' ln'/.iclit-n k:iun.
Auf diese spielt auch eine aus dem Jahre ijjö
stammende Äußerung Einsiedds an, dessen launiges
„Schreiben rlm s roliti!:.ci N .in die Gesellschaft" den
Dichter mit den Versen neckte:
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564 Do* IbPHD fnr di« Li(
„FirMÜrt «feil 4nar Doklar ftmt. \
P^'.G 'mi Ti jfi.1 selber vor ihm er:r.il"i
Fnulich tehito auch ein Gegenzeugai.s luchl. und ■
Düntzer legte ihm entscheidendes Gewicht bei: I
Riemer, dör seit i8oj als £rzieber von Goethes
Sohn um den Dichter lebte, berichtet in seinen 18 it ^
v«röffentlichten „Mitti !l.inj,'en," die Szene „Trüber j
Tag" habe ihm Goethe eines Morjjens „fast un- |
mittelbar nach der Konzeption" in die Feder diktii-rt. '
Vischvr ließ sich nicht irre machen; er fülirtc aus,
die prosaische Fassung, der „fjanz in Goethes feiier-
sprühendem JufjcndiHM't.- gehaltene Stil," der Um-
stand, daß hier Mcphistopheiea dem älteren Plane
des I^bters gemäfl noch als der beauftragte Diener
des Erdgeistf"; rrschcir.o, %cicn Belege für hohe
Alter der S/onf, und i!wi.sclii-ii „Zeit der Ablassung"
und „Zeit d> r lintstchung, d. h. der Conception und
der ersten schriftlichen SIcizze" sei wohl zu unter-
scheiden. Desgleichen erklärte l.öper, die Szene
„Trüber Tag" mache den Eindruck, als sei sie schon
sehr frühe entstanden; so brennende und starke
Farben trage nur die Jugend auf; die Szene werde
Goethes Versuch einer tiietrischcn Umschmclzung
wiederstanden und ihn gt ni t j^t haben, sie in ihrem
abweichenden, „vielleicht bei dem Diktat an Riemer
etwas gemilderten" Kolorit stehen zu lassen. Dies
alles erweist sieh ab volUeomtnen richtig und ist '
gegen jeden Einspruch gesichert, seitdem in der
Göchhausenschen Abschrift die Szene „Trüber Tag"'
in ihrer ursprünglichen Fassung ans Licht trat.
Von der Walpurgisnacht nigt sich in der
Göchhausenschen Abschrift noch kerne Spar. Zu
eini>rn Stn it iilur ilir Alter war der Kritik kaum
Anlaß gegeben: die von Goethe selbst herrührende
Handschrift der Berliner Bibliothek trägt auf dem
Einband die Datierung 1800 und 1801, und dieser
Zeitbestimmung widersprach die innere Beschaffen-
heit ilii st r Szrnr in keiner Weise Ob die Harzrcisc
des Jahres 1777 „die ersten dunklen Motive" ge-
weckt hat, bleibt dahingestellt; die Sage und das
alte Vr>!ksschausf licl wissen von Fausts Beteiligung
an dci \Valpi:ri;isnaclit niclUs, wohl aber von Teufels-
versaminhmgcn, und Ivcroits Löwens 1756 veröffent-
lichtes komisches Heldengedicht führt Faust auf den
Brocken, den lutfonalen Boden des Hexenspuks.*)
Was das ,,Inlernie/zri,'' dt-n „Wal pii r ^ i s n a c h t S-
traum" anlangt, so sind wir über die Zeit der Ab-
fassung tän^t unterrichtet; so suröekhaltend Goethe
zu sein pflegt, wenn er von seiner Arbeit am Faust
spricht, so spärlich und dunkel die Aufschlüsse sind,
welche er über das Fortrücken der Dichtung im
Einzelnen giebt, hier gewährt uns der Briefwechsel
mit Schiller genügenden Einblick: der Walpurgis-
nachtstraum oder „Oberons und Titanias <: >ldnL'
Hochzeil" verdankt seinen Ursprung der Xenienzeii
und Goethe hatte diesen Haufen satyrischer Einfälle
fOt Schillers Musanalnuanach auf das Jahr 1798 be-
stimmt. Am 2. Oktober 1707 überschickt Schiller
den Alrnanacli an Goctlic mit dem Bemerken, er
habe Oberons goldnc Hochzeit nicht aufgenommen: !
*) VfL UfN». S. LXI ff. Ulli WUMiB Creltcnach, dar |
Utetic Fsaupf ol«K {Knltmi, 1M7}. <
ir de« iui4 Aaslaadc*. Kr. jfi
„erstücli dachte ich, würiie es gtit sein, wenn wir
aus diesem Almanach schlechterdings alle Stacheln
wegließen und eine recht fromme Miene machten,
und dann wollte ich nicht, daß die gotdne Hochzeit,
die noch so vielen SiniT zw einer größeren Ausführung
gtebt, mit so wenig Strophen abgethan würde. Wir
besitzen in ihr einen Schatz fOr das nächste Jahr, der
sich noch sehr weit ;^usspinnen läßt." Goethe ant-
wortet am :o. Dezember: „Oberons goldnc I lochzcit
haben Sie mit gutem Bedachte weggelassen. Sie ist
die Zeit über nur um das Doppelte an Versen ge-
wachsen und ich sollte meinen, im Faust mäflte sie
am besten ihren Platz fanden." Man braucht diese
Äußerungen sich nur 2« vergegenwärtigen, um über
den kritischen Maßstab, der hier allein der zutreffende
ist, außer Zweifel zu sein. £s ist gewiß zu weit
gegangen, wenn Vischer zu der Ansicht gelangt,
Goetlie liatte am besten „den ^^an/en Hmckeneinfall"
geopfert; daß aber der „Walpurgisnachtstraum" eine
Einstreuung von ..satyrischem Hflckerling in ein ewiges
Gedicht" ist, daß dir?p Sammhinf^ von ,,fnitrn und
schlechten," zum Teil ,.rem ephemeren" Hjn^ramnion
in die Faustdichtung nicht gehört, dann hat Vischer
vollkommen recht. Löper entschuldigt die Einschal-
tung; aber die Ktitik hat nidit die Aufgabe zu be-
schönigen, sondern zu Ix iirteilcn, und ua< aiisL;e-
sprochenermaßen als unorganischer Zusatz, durch Zu-
fall, durch eine Art bequemer Laune des Künstlers in
das Drama geriet, wird durch keinerlei Deutung oder
litterargcschichtliche Verglcichung zu einem recht-
mäßigen Bestandteil, zu einem Spri.t.Uuij.; echten
Blutes, übrigens giebt Löper Vischers Ansichten
über die Walpurgisnacht nur ungenau wieder. Dem
,,|>hnntasti«:chen und dem satvrischen Element des
i aust, dt;in reinen Humor darm und der Freude atn
Bildlichen" ist Vischer sehr wohl gerecht geworden
und ausdrücklich hebt er hervor, daß Goethe es
ganz vermocht habe, „uns bi die irre Traum- und
Zauberstiinninnt^ zu versetzen," daß der Sturm im
Wald und Gebirg, der Hexenschwarm zu Anfai^
„Meisterbildcr" seien und in einzelnen Stellen Goethes
ganze dichterische Kraft zum Vorschein komn«.
Was Vischer an der Walpurgisnacht tadelt, ist vor-
züglich die i-pisodische Behandlung; des (3an/en, die
Komposition, welche einen Mittelpunkt der Handlung
vermissen lasae; si^leidi stOit ihn das Eindringen
litterarischer und zeitgeschicluliciu r Satyre
Für die S^ne „Vor dem Thor" nebst Fausts
Ostenpaiieiitng hat man gern einen älteren Entwurf
angenommen, obgleich dieser ganae Abschnitt im
„Fragment" nodi fehlt und Schröer wie Kuno Fischer
rechnet sie hestimnit zu den veir 1776 entstandenen
Szenen. Aber die Göchltau&en&cbe Abschrift läßt
uns nii^ends einen Vorläurer gewahr werden, und,
wie die Dinge liegen, läßt sich nur saj^en, daß Goethe
diese Szene um löoo, als ihn die „grotie Lücke"
beschäftigte, ausgeführt hat, wobei er die eine und
andere jugenderinnerung wiederaufgefrischt haben
mag. Zur Ausftlllong dieser Lücke war audi die
große Disinitationsszene bestimmt, welche Goethe
nach dem Jahre iKoi wieder fallen ließ; auch von
ihr findet sich in der GfichhauMoadien Abschrift noch
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Nr. jü
Das Magazin (ur die Litleralttr de» In- untl AunlanJet.
565
keine Spur PcfncrkrTTswert ist, daß sie in ihrem
durch die „F'arahjjymcna zu Faust" bekannt gewor-
denen Schema eine Mindcutunj; auf die Hexenküche
zu enthalten acheint: Mcphistophcles verspricht auf
die Frage nach dem „schaffenden Spiegel" „ein an-
deimal" Rede zu stein n
Nachdem die wesentlichen Punkte, in welchen
die VeröffentUebang der Göchhausenschen Abschrift
unsere gcschtchtltrhc Kenntnis gefördert hat. nnftjc-
führt sind, dü.-lU; es manchem Leser wiitkommen
sein, wenn ich, die Ergebnisse älterer und neuester
Forachung verbindend, tum Zwecke einer Übersicht
nisamfnenstetle, was wir aber die zeitliche Entsteh-
ung der Tra'.:" Iii- licute wissen. Diese Zusammen-
stellung berichtigt zugleich die von Schröer auf
S. T.IX — LXI seines Kommentars gegebene Ober-
sicbtstafel.
Faust, der Tragödie erster Teil, ist in 3, durch
längere Zwischcmtume unt^btochenen Zeitabwhnlt-
ten gedichtet.
Die erste Periode der Faustdichtung reicht von
1770 bis Ende 1775, von <1rr Strn'Mmi^or Zeit bis
nir Obersiedeiung Goethes nach Weimar.
Die Wiederanfnahme der Arbeit beffinnt 1788
in Italien, uinl tüi sc zweite Periode r. ic*i^ Iiis zur
Fertigstellung des „Fragments" ; „Faust will ich als
Fragment geben", „Faust ist fragmcntirt das lieißt
in seiner Art für diesmal abgethan", schreibt Goethe
dem Herzog im Juli, beziehungsweise im November
1 781) ; zu ätem 1790 erscheint „Faust. Ein Frag«
ment".
IMe dritte Periode der Faustdiebtimg beginnt
nach Schillers Annäherung; 1797 kommt die Arbeit
in Fluß, im Winter iHoö auf i2k>7 führt Goethe sie
zu Ende; so Ostern 1808 erscheint das fertige
Drama.
Die Ausführung der einzelnen StOcIee und Sze-
nen verteilt sich auf diese Zeitabschnitte wie folgt:
Zueignung, Vorspiel auf dem Theater und Pro-
log im Himmel: gedichtet 1797.
Fau.sts erster Monolog, Eisclu'inunf^ <lrs Erd-
geistes, Fausts erstes Gespräch mit Wagner : gedich-
tet 1773 «J*' '774-
Faustf; zweiter Mono!or;, Schritt zum Selh'stmord,
Glockenklang und L'horgcsang der Engel ; gedichtet
uro 1800.
Szene vor dem Thor, der Osterspaziergang, Er-
scheinen des Pudels: gedichtet um 1800.
zwi-
schen
•773
und
1775
ge-
dichtet.
I77.<
u- '775
ge-
dichtet.
F.III st
St
iiair/niiuKT ,
Hcsrtnv önini.
dcis, erstes Auftreten des .Mcphistophcles: gedich-
tet 1800.
Gespräch zwischen Faust und Mephi'stophclfs
nebst Abschluß der Wette ; bis zu den Worten „Soll
keinen Schmerzen künftig sich verschließen" um
tSoo geschrieben, das Folgende bis zum Schluß der
Szene 1788 — 89 gedichtet.
Mcphistophcles und di t Sclniler: gedichtet zwi-
schen 1773 und 1775, überarbeitet 178Ö — 89.
Auerbachs Keller in Lei|>äg: entstanden 1775,
flberarbeitet und in Verse umgesetzt 1788^^.
Hexenküche: 17Ü8 gedichtet.
Frstr ncocijnunfj zwisehrn Fnust und
Gleichen, Gespräch zwischen Faust und
Mephistopheles ;
Gretchens Zimmer;
Spaziergant;, Faust in Gedanken aul-
und a));^'r]u'nd. ZU ihm Mephistt^hcks ;
Der Nachbarin Haus;
Straße. Faust und Mephistopheles;
Gnrtcn, Grctchen und Faust, Marthc
und .Mephistopheles;
GartenhiusdMii; f
Wald und Höhle: der Monolog und dn? anf ihn
folgende Gespräch zwischen Faust und Mcphistophc-
li s bis /II den Worten: „Auch selbst Gelegenheit zu
machen" in den Jahren i788'-i78<), das Folgende
bis zum Schluß zwischen 1773 und 1775 gedichtet.
Grctchen am Sjiinnrad; zwisch.
Marthens Garten, Gretchen imd Faust,
nachher Mephistophdes;
Grctchen und Uescben am Brunnen;
Zwingerszene;
Valentins Monolog: bis zu den Worten: „Lügner
heißen" zwischen 1773 und 177^ ;;tdiflitrt ; derglei-
chen die Verse: „Wie von dem Fenster — Raauue-
U i ': d.is Obrige zwischen 1798 und 1800.
Domszene: zwischen 177.} und 1775 gedichtet.
Walpurgisnacht: iKoo iSoi gedichtet.*
Walpurgisnachtstraum: 1797 gedichtet.
Trüber Tag, Fekl: zwischen 1773 und 1775 ge-
dichtet.
Nacht, offen Feld: zwlsclien 1773 und 1775 ge-
dichtet.
Kerlcerszene: in Prosa entworfen rwischen 1773
und 177.S, in Versen ausgeführt 17^8.
Wenn der ästhetische Teil unserer Untersuchung
gezeigt hat. daß der dichterische Wert der in der
Göclibausenschen Abschrift zu Tage getretenen Sze-
nen dem vollendeten Drama gegenüber nicht übcr-
schiitzt werden solhc, so rlnrfte die litt fr.-ir(.;esctiiclit-
liche Bedeutung des Fundes um so weniger ver-
schwiegen werden. Ich habe die Bezeichnung „Ur-
faust", unter deren vcrhcißun^isvollcm Klanjr der
erstaunten Welt die Auftinduni^ der üochhausenschen
Abschrift verkündet wurde, vermieden, Von einem
ursprüngUcbcn Text, emem Urtext wird man, sofern
man einzelne Szenen und Stellen his Ai^e faflt t<e-
den dürfen; aber das Wort „Urfaust" erweckt !ciclit
unrichtige Vorstellungen und sagt zuviel. Denn den
l'>e>^;nff „Urf.iust" bildet strenge gcnoininen nur das
Ganze der Faustdichtttng , wie sie bis zum Ablauf
des Jahres 1775 der Geist des Dichters in sich trug,
und zu diesem Ganzen i:cl;<irt auch das Unt;eschrie-
bene aber bereits nach Gestaltung Ringende, gehören
auch die möglicherweise damals viorlumdenen, aber
dem Friinlein \(in GoehlLiusen nicht zu Gesicht jx«"'-
kommencn ,ski/.;cenhatten FortseUjungen oder Pläne.
Die (iiiclihausensche Abschrift deckt sich mit diesem
Begriffe nicht völlig. Die fiezeichntuig „Urfaust"
deutet aber auch auf etwas als abgeschlossen sich
Gebendes, in f;e\visseiii Sinne Ah^^esclilossenes. und
dieses Verhältnis trilft wiederum nicht genau zu.
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Um, M«gauo für die Litleratnr dm In* und Auilaiutes.
Nr. 36
Denn r\Ach dorn Jahre 1775 koinmt die FauStdichtunK
zwar ins Stocken; indem aber der Dichter die Arbeit 1
wiederaufnimmt, ist nicht seine Absicht, ein neues
Stück zu iichfeiben, er fUhlt sich nicht in einem Ge- 1
f>en8ats zu dem frOher Gesehaflenea , sondern die '
alten Pläne sollen aiis^i-fiihrt werden, und b:s zu
einem gewissen Grade geschieht es auch. Bedenken
gegen die Bezeichnung „Urfaust" liat bereits Max |
Koch erhoben*), wenn auch nicht gerade die näm-
lichen und Erich Schmidt selbst hat wenigstens auf
dem Titel seiner Ausgabe den rieht igt ren Ausdruck
„Goethes Faust in ursprünglicher Gestalt" eingesetzt.
f,..f^, (SchlnflfelKL)
Trente ans de Paria.
Plr Alphnn«c Daailtrt.
(C. Maipon et K. FUmmiirion.)
Frostzittemd in dönnen Somnierkleidem, mit
zwei Franken im Vermögen, zwischen singenden und
trinkenden Matrosen in einem Wagen dritter Klasse
eingekeilt, so hielt nach zweitägiger Fahrt ein sech-
zehnjähriger Junge mit einem armseligen Ränzlcin in
der Hand — aber dem Keim des Genies im Kopfe
seinen l'in/iip in der gri f5< n prächtigen Seine-
Stadt, dem Ziele aller, die sich in ihren feurigen
JugendtiSunien zu einer großen Rolle berufen sehen.
Allein mv wenige von t& dies«) käinpfendcn . rin-
genden Wesen sind aUserwShki TOchtigcs geht ne-
bt ti Untüchtigem zu Grunde ... in den Naturgesetzen
giebt CS keine Ausnahmen.
Audi dem annen Ex-Schulgehilfen, der steh da
von seinem fernen langucdoc schen Winkel aufge-
macht, um sein Glück in Paris zu suchen, wäre es
schon unterwegs schlimm ergangen, wenn sich die
braven Seeleute nicht des jungen Reisegenossen er-
barmt bitten, der da habtot vor Hunger und Kllte
in seiner Ecl;r l:auc-rtc. Ein herzhafter Schluck aus
ihrer ßranntwciiUlasche brachte ihn wieder zu sich
und gab ihm den Lebensmut XurQdc, der schon be-
denklich zu sinken begonneii.
Partei Dort, in der Bahnhofhane, stand erwar-
tun^'-'.iill (ii-r Bruder, ijer mit (jrni ;^;m>:i'n Pflicht-
bewußtsein des Alteren und des reichen Mannes -
er vercßente monatlich 75 Franken — den Ankömm-
ling unter seine schiitzpndcn Fittige nahm. Ein kräf-
tiges Frühstück und mehr bedarf ein Secluehn-
jährigcr nicht , utn wieder alks im rosigsten Lichte
vor sich zu sehen.
Noch vieler Jahre mutvoHen Strebens bedurfte
es aber, ehe dem jungen Dichter gelang. -Icli
über die Flächenhuhe der frierenden und hungernden
Dutzendpoeten zu erlul en Glücklich, wenn seine
Geidveibllltnisae ihm den Ankauf einer Kerze ge-
statteten, um hoch oben In seiner Dachkammer die
Nacht mit Verscm.ielien und DiLiinen I'ntwürfen zu
verbringen, wäiu-end von der ebenerdigen Gaststube
die Stimme seines Landsmannes Gambetta herauf-
*) Deutscht» LitUtalttrblMl, 1Ü88, Nt. 4.
hallte, der inmiiren seiner Snidienjrenossen bereits
damals das große Wuu lührte und in schauspieleri-
schen Reden die Frage von der Freiheit, Gleichheit
und Brüderlichkeit bebandelte.
Staatsdinge waren nie Daudets Sache; zäh und
ausdauernd schritt er den We^ fort, den er aU den
richtigen erkaiwt, und als er endlich ein Uandchcn
Gedichte zusammengeschrieben hatte, begann er sei-
nen Rundgang bei den Verlegern. Allein auch hier
sollte es noch lange nicht auf Rädern gehen: die
Herren, die vermutlich ahnten, worin die Schmerzen
des ärmlich gekleideten jungen Menschen, den man
ihnen anmeldete, bestanden, waren der Reihe nach
. nicht /u ünitHt;", und selbst wenn er ein andermal
wieder vors|iräch , immer dieselbe Antwort : „nicht
SU Hause".
Endlich ein Hoffnungsstrahl I Das le^timistische
Taj^chlatt „Lt S(K;ctatera*' erk^e s!ch bereit, ver-
suchsweise emiije Chroniken on ihm zu bringen.
I Der erste Beitrag soll erscheinen — klopfenden Hei-
I zens erwartet der Verfasser, sich gedruckt zu sehen.
, dn p'.ntzt Orsinis Bombe und der Spcctatc'ir i-^t
ciacs der ersten Opfer gewaltsamer Unterdrückung; !
„Jch tötete mich nicfit .('»er ich dachte an Selbst-
mord," gesteht Daudet. Dieser Schlag hatte wieder
alle seine Hoffnungen vernichtet.
Da kam inmitten der Tm^tlnti^drcit unerwartet
der Helfer in Gestalt eines selbstschaffenden Ver-
legers , der fit'.in Geschäft in derselben Straße hatte,
welche der junge Mann bewohnte — und endlich
preßte ridi ein SolfEer der Erleichtening aus der
Brust des Dichters: das erste Werk lag im Sdnu^
fenstcrl
In seiner dreißigjährigen Sdwiftstellerlaufbahn
hat Daudet Gelegenheit gehabt, mit allen jenen Per-
sonen in Berührung zu kommen , welche der I.itte-
ratur teils als Schaffende, teils als Förderer nahe
Standen. Unter anderen widmet er auch dem be-
rühmten Grunder des „Figaro", Villemessant , ein
Kapitel - einem der sonderbarsten Käuze unter den
dortigen I-itttraiurselbstherrschem. Ein Mann, der
aus so mannigfaltigen einander schroff entgegenste»
hcnden Ei^nschaften zusammeogesetzt war, daß es
eigentlich schwer Ist, zu entscheiden, ob HerzensgHte
oder Sellistsueht ! .ieheti'-v. iii i lij^keit oder Roheit
— Großmut oder Knau.serei .seine hervorragendsten
Eigenschaften gewesen. Da hatte er einem Wett-
unternehmen seinen Leitaufsätzler unter Anbiefung
eines Ministergehalies t-ntführt, um denselben kurz
darauf mit dem gröbsten AusHillen thatsächUch aus
der Leitung zu jagen — und warum? Weil ein paar
Boulevardschlcnderer sich abfällig Ober (tessen Chro-
niken geäußert hatten. Der Schwerl>eleidii:le berief
sich auf seinen Vertrag. „Un.ser Vertrag.'" erwiderte
Villemessant höhnisch — „Das ist guti Versuchen
Sie, Klage tu fQhnHi — das wird spaßig sein:
ich win Ihre AuMtze dem Gericht8h<^e vorlesen und
wir werden .sehen, ob es einen Vertrag giebt, der
mich zwingen kann, ähnliche Dummheiten in mein
Blatt zu stopfen I" Der Qirontst gab seine Stelle
auf und klagte -- nicht.
Nach Jaiircn aber, nach dem Tode desselben.
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*
Nr. 36
ließ CS sich Villcmcssani nicht nehmciit ddi iGadeni
einen Ruhegehalt auszusetzen! — -
Der Zufall brachte Daudet mit einem Manne zu-
sammen idcin er s|>äicr in seinem Nabab eine Rolle
/.ugcteüt hat ), einem Beamten, der durch die Ungunst
der Verhältnisse seine Stelle verloren hatte. IJer
arme Mann wagte es nicht, den Seinen die schlimme
Botschaft zu brin|r«n imd that dergkichen, als habe
er noch immer ■-, Inrn Posten inne. Jeden Morjjen
wurde von seinen l ochtern an ihm die Musterung
vor^jcnotnmen : die eine band ihm das I lalstuch, die
andere bürstete den Rock, dann wurde er mit einem
Kusse entlassen, und der arme Teufel irrte steHe-
svichrnd und fruchten Aiii^c-s durch die Straften
Daudet, von Mitleid ergriffen, ging zu Villemessant
und enShlte ihm die Gescbtdite. „Halt, eine Ideel"
versetzte dieser, ,,\Vit vii l \ f rdiente Ihr Schützling
im Monat?" ..Zvvcüiundcti Franken." Villemessant
erklarte sich bereit, monatlich diese zweihundert 1 ran
ken tu erlegen. Nach Ablauf eines Vierteljahres fand
der Gerettete eine Stelle und er wußte so zu sparen,
daß er schlicßlicli eines morgens hei Daiirlft erschien
und demselben die sechshundert Franken einhändigte.
Villemessant war vor Staunen außer sich, als letzterer
mit der ecsparten Summe crscliicn. Nicht möglich!
Der Millionär hatte im Gespräche die Cloldstücke tn
Rollen nebeneinander aufgestellt. Plötxlicli w.in iti
er sich an den Besucher: „Ei, hören Sie einmal,
Daudet — da fehlen ja hundert Sous auf die Rech-
nung !"
In der That, ein kkincs Gold- Fünffrankstück
hatte sich im Futter der Weste verirrt und Daudet
beeilte «ch, die Summe xu ergänaen« die der andere
dann in aller Gcmütsnihe m sich stecictc.
Das erste größere Werk, das Daudet unter die
Feder nahm, war „Le petit chose**. Von demselben
sagt der Verfasser selbst, daß keines seiner Böcher
tintcr L;le:c lien nr:t;e. irilni ton i:nd launischen Verhält-
nissen geschrieben worden sei, wie dieses. „Weder
Plan noch Aufzeichnungen — eine Zwai^-Stegreif-
schreiberei auf langen Blättern Packpapiers nieder-
geschrieben." Der erste Teil blieb lange Zeit liegen,
ohne daß der Verfasser an die Fortsetzung dachte,
da ihn ein lUmerad aus der ländlichen Stille, in die
er sich geflüchtet, wieder nadi Paris endQhit hatte.
Dann kam ein feierlicher, zukunftsbestimmender
Augenblick in seinem Leben: seine Heirat. Hier,
an dieser Stelle, sei der wackeren Frau und Hebens-
würdigen Dichterin gedacht, in welcher der Meister
eine treue Lebensgdährtin und eine fleißige, ver-
ständnisvolle Mitarbeiterin j^'enimlrn hat. Ihrem be-
lebenden und ermunternden Einflüsse verdanken
wir ea, daß der „Zigeuner", wie er sich selbst nernit,
zum seßhaften Staatsbürger wurde, den nicht mehr
der Wandertrieb so unwiderstehlich befiel, daß er,
von irgend einer ])!öt/,lichen Sehnsucht ge|>ackt,
das Ränzlein schnürte, um uellos durchs Land su
vagabundieren. Jetzt sah er deutlich ein Lebensziel,
einet) Lebenszweck vor sich; an der Seile der sanf
ten Ratgeberin, der liebenswürdigen und hochgebil-
5«7
deten Kamcraditi uru-ntwi'j^t tiem Gipfel zustrtben,
auf dem er sich in seinen Jugendträumen thronen
gesehen.
Erst nach der Ilnrhzritsrcise wurde der ..Pcti!
chosc" wieij. r auigcnonuiien und zu l-.iidu gclulirt,
[ unter den scliattigen Bäumen des Parks, auf moos-
gepolsterter Bank — im schaukelnden Kahn auf dem
Teiche — oder, wenn Regenwetter eintrat, im Ar-
beitszimmer, wo die Gattin riioj.in -;.i< lte. wählend
seine Feder über das Papier flog, wurde das Buch
in einem Atem beendet. Es ist der Nachhall seiner
Kinder- und Knabenjahre.
Einen Hauplrciz der Daudetschen Muse bildet
<iie - ich möchte sa^'en trulde. ^utlier/'ii;c Spött-
lichkeit, die stellenweise hervortritt. Sein Witz hat
nidtts Beleidigendes an sich; die Person, die er sich
zur ZicKcheitic |.;<»wnh!t. wird uns deshalb noch nicht
in a li ii) und Jedem lächerlich oder gar \c:aclitlicb
erscheinen; es sind eben die kleinen oft komischen
menschlichen Schwachen, die ein scharfer Beobachter
vielleicht an jedem ohne Ausnahme entdecken wird,
ohne daß diesr FntdecJnint,' den BetrefTenden zu
einer unliebenswiirdigen Erscheinung zu stempeln
braucht.
Einmal nahm aber doch einer die Sache krumm.
Das war, als „Tartarin de Tarascon" erschien. Tauclite
da eines Morgens bei einem Freunde Daudets ein
riesiger Schnurrbart auf, der schnurstracks von Ta-
rascon gekommen war, um die Pariser Weltaus-
stelliirti; tu besuchen in Wahrheit aber, tim die
schwerbeleidigte Stadt an dem Manne zu rächen, der
CS sich herausgenommen, das köstliche Musterbild
des sonnigen Südens in seinem Buche su verewigen.
„Que, nous y aOons ches Daudet!" waren die
ersten Worte; und da es der gemeinscbnftliclu- Fretmd
übcdlüssig fand, sich zur Vermittelung ditöcs Be-
suches herzugeben, st) durchirrte der Schnurrbart die
Straßen, die Ausstellungsanlagen, die Zelthäuser, im-
mer auf der Suclie nach dem gottlosen Burschen,
der die brave Stadt Tar.e.con bis in ihr irmerstes
Mark verletzt hatte. Wie Tartarin auf dem Minaret
soll der Rächer auf einem der TOrmchen des Pa-
lastes gestanden h.ibcn . scharf aushi^'rnd und die
Frage an seinen Begleiter richtend; ..Sicht man von
hier sein Haus.'" — „Wessen Haus?" — „Te', • ■ ■
diesem Daudet seines, bei Cottl" Er bekam zum
GlOck das Haus ebensowenig zu sehen, wie dessen
Inu iihm I sonst h.'itte es vielleicht ein Blutbad —
im südl.indischcn Smne natürlich - abgesetzt.
Da^ Hiich bietet des Erwähnenswerten und Scho-
nen so viel, daß es schwer ßlUt, sich bei Bespre-
chung desselben in bescheidenen Grenzen zu halten.
Ein anregendes Knfiitel ist anr fi lenes, welches
dem heutigen Erz-Boulangisten Rochefort zum Ge-
genstande hat. Der FOhrer der Intransigenten, der
bekanntlich einer alten hochadeligcn Familie ent-
stammt, trat auf in Paris als bescheidener kleiner
Kanzlist im Gemeindehause, von wo aus er seinen
Anlauf nahm, um, mit der .rücksichtslosen, tiefritzen-
den Feder in der Hand, »ch einen eigenen Weg
zu bahtteir Er i'^t also dn self-made nun im vol^
' sten Sinne des Wortes.
Da» MssMin für dir LiUcralar du In- und Aiulanidei.
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S68
Nr. 36
Daudet läf^t uns nb Tind zu einen Blick in seine
Werkstätte wcricn, so an einer Stelle, wo des län-
geren von seinem tretTlichon Romane „Jack"' die
Rede ist. Die Gestalten sind alle aus dem Leben
^'enommen — id dreißig Jahren hat der fleiBige Mann
^cm;.;i nd Gcle};enhclt gehabt, Paris in seinen ver-
schiedensten Schichten kennen zu lernen, und er ließ
sichs viel Mühe und Zeit kosten, überall Bemerkungen
zu sammeln und dieselben nach und nach in seinen
Büchern so kunstvoll zu verwerten. Als Regel galt
\n\ ihin Augen und Ohren offen halten. Darum
sind alle seine Personen so lebenswahr gezeichnet,
dämm weifi er auch jeder das in den Mund so le-
gen, was zu ihrem Stande und ihrer Frziehung paßt.
„Dies die Grundlage eines Romanes:" sagt er,
„eine Vorbereitung, bedächtig nach Möglichkeit, aber
gedrängt und doch ausgestattet, aus welcher für den
Dichter Erfindung. Stil und der echte Zauber des
Werkes hervorsprießen." Seit Beginn si iner Lauf-
bahn sammelt er in flüchtig geschriebenen Bcmcr-
kungen alles, was ihm auffallend und bemerkenswert
scheint; er hat seine wohlge füllten Skizzenhefte wie
der Maler: eine Rew<;gung, einen Tonfall, eine Rede-
wendung oft Namen, die mit dem C!harakter ihrer
Träger so nahe verbunden sind, daß sie lebhaft die
GesamtpersSoUchkdten vor schien Atigen auftauchen
innrhcn TX shalb auch oft das Gezeter der Leute, j
die in seinen Gestalten lebende Personen erkennen !
oder erkennen wollen natürlich nie sich selbst,
wohl aber sogleich den nächstbesten Nachbar. Das
ist gewifi der sprechendste Beweis, daß der Dichter
seine Mitmfn<;chcn vom Grunde aus kennt , d.iR er
die Rasse mit rnci^ti rliafter Hand zu zciclineii weiß.
Mit „Fromont um et Risler aine" hat Daudet
den eigentlichen Grund im seinem wolilverdicntcn
Ruhme gelegt. Er sehrieb den Roman inmitten der
Umgebung, die er zum Schauplatz seiner Erzählung
gemacht. Da floß das Ganze wie von selbst aus der
Feder: rings von Fabriken und KunstwerkstStten
uinfjcbcn. lebte er sozusagen t.H^lic»i ein K.'q'Htcl in
der Wirklichkeit durch aiie Personen, die dann
spielen, haben in seiner Nähe gelebt und leben zum
Teil noch.
Der Roman ersdiien zuerst im Plauderteile eines
Tageblattes. Da begannen sich nun allmälilich Stim-
men aus der Öffentlichkeit zu melden eifrige I^-
ser, die sich in die Erzählung hineinlebtcn ... es
bildeten sich römüicbe Parteien fUr diese oder jene ,
Person — der Dichter fühlte, daß es ihm endlich
gelungen, ein< n <:l istigen Benig zwischen aicb und
der Masse herzustellen.
Zu jener Zeit versanrnielte sich allsonntSglich in
Fl.itiberts Wohnung ein Kreis, um im Vertranlichi n
zu Mittag zu essen und sich in Gesprächen ubu i
Kunst und Liitnatur einige angenehme Erholungs- |
stunden zu götuien. So bildete sich ra.sch zwischen 1
Flaubert, Goncourt, Zola, Daudet und Turgenjew ein l
K-nnv iadscbaftshunil , welchen der ni'^sischc Roman-
dichter scherzhalt den der „ausgepfiffenen Schrift-
steller" nannte.
Ab nun „Fromont jeune et Risler aine'" eine 1
Aufl^^ naiCb der anderen m «lebeii begann, fühlte 1
sich Daudet den Freunden ppf^enuber bcfanjjcn —
fast beschämt und nur zögernd antwortete er auf die
jedesmalige Frage : „NuB, wieviele Tausend in dieser
Wochcr"
„Wir Qbfigen werden nie gekauft werden ver-
setzte dann Zcla wthmütig.
Das war voi zw« II Jahren und „ich muß lächeln,"
ersililt Daudet, ..wt nn mir heute der niedergeschla*
genc. mutlose Ton in Erinnerung kommt, mit dem
Zola seufzte: „Wir übrigen werden nie gekauft
werden V
Nochmais muß es tietont werden, daß der fein-
sinnigen Gattin des Meisters einige Blitter ans seiner
Lorbccrkrrni '^'rbfsTiiin Sic war in allen .seinen
Unternehmungen du- [iirati-nn. du- \'ertraute, die
geistige Mitarbeiterin, dir.' n^' miidv wurde, auf seine
vielen Fragen, wie ihm eben nach und nach die Ein-
fälle seiner Arbeitsentwickehmg durch den Kopf
schössen. Antwort zu geben. ,.Ah, pnuvrc s femines
dartistes!" ruft er selbst aus, fügt aber hinzu : „liest
vrai que U nnenne est tellement artistc cllc-m^me,
eile a pris une teile part k tout cc que j'ai 6crit!
Pas une page qu elle n'ait revue, retouchrfe, oü eile
n'ait jet<5 un j)eu de sa belli (»uidte a/vir et or. Et
si modeste, si simple, si peu fcmmc de lettres." Ja,
das ist wahr: ich hatte selbst Gelegenheit su be-
merken, wie sie ihre eigenen Schöpfungen, di« f,'<»wiß
zu den hervorragenden gehören, übergeht, um nur
die Rede auf jenen zu bringen, dessen schönste
Lieder dank ihrer ntitempiindenden Gegenwart er-
klungen sind.
Man muß ihn aber auch sprechen, von seinen
Werken erzählen hören! Freilich, er sagt: „Wehe
dem Besucher, der mich in meinem Schaffensfieber
unterbricht I Unbarmherzig rede ich in seiner Gegen*
wart fort und trotz der Langweile, der sichtlichen
Zerstreuung der F.hckr, die vor meiner überreich-
lichen Stegreiferündung zu fliehen trachten, liaue ich
mein Kapitel auf und entwickele dasselbe in Worten."
So behauptet er in seiner Bescheidenheit aber es
ist unrichtig : den wahren Kunstgenuß, den ganz ech-
ten Zauber fühlt man gerade dann, Wenn man Daudet
über Daudet sprechen hört.
A. G. von Suttner.
Die Wirklichkeitsdichtung im armenischen
Sduifttum.
V«n Artbar Ltiit.
Die Wirl;lii:!ikeit«;«;childcnin^^' ndrr der Realismus,
der m den abendländischen Littcraturcn soviel von
sich reden macht und durch seine falsche Deutung
oder Anwendung sogar hartnäckige Kämpfe hervor-
gerufen hat, endieint in der modernen armenischen
Littcratur als eine natürticlt selbständige Geistes-
richtiuig, die sich ohne Scliwicngkcilcii aus dem
I.>eben heraus ihren Weg gebahnt hat. Die Frage.
Ins su welchem Grade der schaffende Dichter der
Bnbildungskraft oder der Beobachtung zu folgen
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Nr. 36
habei Ut in der armenischen Litteratur fast nie er-
örtert worden und ihre Wirklichkeitsdichter folgten
nur ihrer natürlichen Neigung, ohne steh um irgend-
welche Ichrli.iftf Griiriflsat/i' zu ln-kiimmcrn. Aus
dieser Erscheinung sieht tnan wieder einmal, wieviel
folgeridit^ Wdt- und Kunstanschauung mitunter
im urwüchsigen, ungcschultcn littcrarischtn Schnffen
zu finden ist. Es mag allerdings verwundern, daß
gerade im Morgenlande, das immer dem Phantasti-
schen gehuldigt hat, die Litteratur eine solche Ricb-
tong einschbi^ konnte. Und doch ixt dem so,
aber es i=:t nuch nücir.ii.; nur das armenische Schrift-
tum, in weichem dieser nuclitcrnc Zug immer mehr
«ir Geltung gelangt, W&hrend sich in anderen mor-
genlindischen Littenituren fast nichts davon wahr-
nehmen ÜUSt "
übrigens kann man aucli im alt.irmcnischen
Schrifttum« eine verhältnismäßig nüchterne Auffas-
sung mensdilicher Dinge finden und der morgen-
ländischc Sinncstaumol. der von Iran ausgehend einst
in das poetische Schart\.n aller >«'achbarvölker ein-
drang, tritt selbst in der armenischen Volksdichtung
vergangener Jahrhunderte nur schwach zu Tage. Wir
finden dort allerdings einen oft grellen Farbenreich-
tum, Cbcrschwx'nglichkeit im Ct^^fühl, a!>r r nie die
zügellose Sinnljrhkeit, die bei den ptriis-chcn Dich-
tem so häut g an/utreflfcn ist. Sajatnowa, der größte
anoenische Volks&äuger des achtzehnten Jahrhunderts,
steht schon siemüch weit ab von seinen persischen
Vfjrliildcrn und berauscht sich weder am Werne der
irdischen Freuden, noch am all-einheitlichen Weine
reltgidseQ Oberschwanges. Trots aller Begeisterung
und Farbcnfreiide bleibt er dpnnn-ch ein nüchterner
bcobachter mensclilichcr Dmge und wandelt vor-
sichtig den Mittelweg.
Das Märchenhafte hat zwar seine Wiege im Mor-
genlande, aber auf der armenischen Hochebene ist
es nie zur rechten Blüte ^eke.mmeii Alleidin^s hat
es aus dem sonnigen Iran steinen Weg hrnaul ge-
funden, vei A>r aber unter dem rauheren Himmel Ar-
meniens bald die südliche Farbenglut. Der rechnende
Sinn des baikscben Volkes vertrug nicht die Ober-
sc:luvcnglichkeit, die den VOlketn heifierer 2<onen
zusagt.
So ging also schon durdi die frfihere Volka-
dichtnnj: der Armenier ein Zug zur Wirkliclikeit, der
mit dem Aufleben ihrer zeitgenössischen Litteratur
viel Stirker und ausgeprägter werden sollte.
Der erste Anlauf- war allerdings kein nüchterner,
er war im Gegenteil mSrchenhaft, phantastisch und
zwar nur deswegen, weil die ersten Wegbahner der
modernen armenischen Litteratur aus sich selbst her-
austraten und mit dem Zuckerwasser des deutschen
Romantikertums ihr Blut verdünnten. Chatschatur
Abowian war der erste, der bei den deutschen Ro-
mantikern m liie Schule ging und bei ihnen eine
dem armenischen Charakter ganz fremde Rührselig-
keit ertemte. Nach ihrem Vorbilde schrieb er Ge-
dichte, die keinen Menschen rühren, weil in ihnen
selbst schon alle Rührung aufhört und keiner mehr
zu flennen im Stande ist, als der Dichter selbst.
Dasselbe kann man von seinem Romane „Die Wun-
I den Armeniens" sagen, in dem Ossianschc Schauer-
poesie mit deutsch-romantischer GefOblsduselei Hand
in Hand geht.
Auch Raphael Patkanian, der hervorragendste
neuarmenische Dichter und Novellist, war in seiner
Jugend vom deutsehen Romantikcrtum angekränkelt
und solange er auf dem Boden der Nachahmung
stand, .schuf er nicht.s. was das Gewöhnlichste über-
ragt hätte. Erst als er wieder ganz Armenier wurde
und sich aller fremden Einflüsse entschlagcnd dem
Studium des armenischen Volkslebens ergab, gelang es
ihm jene vt.ämisrli-derhen Charakterbilder zu sch.affen,
die da.-, ücste sind, was bisher von Armeniern auf
dem Gebiete der enifatenden Kunst geleistet worden
ist. Patkanian ist em gewandter Schilderer der Wirk-
lichkeit, der das SchSne mit dem NtchtschSnen, das
i Anziehende mit dem Ab.stoßenden geschickt zu ver-
binden weiß. Wenn er dabei auch mitunter etwas
zu derb wird, so gerät er doch nie ins Abgeschmackte,
zieht auch das Häßliche nicht an den Haaren herbei,
I .sondern ninmit es auf, weil es eben zur Wesentlich-
j keit vieler Schattenseiten seines Volkes nötig ist.
1 Vom Fabulieren ist bei ihm keine Rede, denn die
I Zustande und lifenschen, denen man in sdoen No-
yc]\vr. begegnet, kann man täglich im Leben wieder^
finden.
Einen ähnlichen Wirklichkeitssinn pflegt Gabriel
Sundukianz in seinen Lustapielen. Auch er hilt sich
strenge an die Wirklichkeit und f&hrt Menschen vor,
leilx n und leben. Wenn das Poetische oft
schlecht dabei wegkommt, so versteht er es jedoch
das Ergreifende an seine Stelle zn setzen. Den Vor-
wurf 7.U «meinen Stücken entnimmt er ausschließlich
dem Kaufmannsleben, wie es auch Patkanian vor-
. wiegend thut und dieser Umstand trägt schon an
und für stcli viel zur nattvwahren Färbiuig seiner
Bühnenwerke bei.
A!s den dritten der zeitf;en"'Ssi<c!u-n armenischen
Wirktichkcitsdiciiter könnte man den Novellendichter
Raffl bezeichnen, wenn eben in dessen Erzühlongen
mehr Sachlichkeit lüge.
Im ganzen genommen diSrfen die Werke der
obcner\^ ahnten Schriftsteller noeh keinen Ansprtich
auf höhere künstlerische Vollendung machen, aber
jedenfalls sind sie als die ersten SchOSlinge emer
jungen, eif^en.irtigcn Litteratur nicht zu unterschätzen.
Wer '.veiü, ob nicht in nicht allzu lan<;er Zeit das
Morgenland in der neuesten Weltlitteratur sein Wort
mitsprechen wird. Das IVIorgenland ist ja kein leercf
Begriff, sondern ein Ding, das Körper und Geist hat
und trotz aUv: S<lb.st/ufriedenheit in Kunst und
Litteratur lenkt das Abendland doch immer wieder
seine Blicke nach dem Osten. So geschieht es seit
ein paar Jahrhunderten in der Malerei und auch in
der Litteratur dringt der Späherblick immer mehr
nach dieser llimmelsncl.iun^; vor Aber wie lange
dauert es immer, ehe sieb die Sucher lüerbei zum
klaren Bewußtsein kommen, ehe ^ überhaupt wis-
sen, was sie zu suchen haben! Seit der venetiani-
schen Schule und Rcnibrandt lit nioiücnländischc
Flacht und Tracht vielfach in der Kunst gepflegt
worden« und doch wußten die Maler lange nicht, was
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Nr. 36
sie «gentlidi im Moigenlande sucliten. Ihr Ahnen
MRte ihnen nur, daß es ein etw :»s st?i, das im Abcnd-
landc fehle, vielleicht eU^a dic blaue Blume, und so
fanden sie erst n.nch lanjjem Suchen die einfachen
Dinge wie: Licht, Farbe und Linien.
Wird es nicht in der LUteratur eben so sein?
Wahrscheinlich, denn im MoiL^cnlan.^c iic^t noch ein
groÜcr Schatz für uns, den wir erst dann erkennen
werden, wenn die ostlBodische Volkspoesie in ihrem
ganeen Reichtum vor un» aufgedeckt sein wird.
Nachträgliches
zur englischen Litteratur.
Ein RQcIcbiiclc auf die jüngsten Hervorbringui^en
des eni^isdien Schrifttama Befert abermals den Be-
weis, tlaP neben dem fort und fort üppi^ aufschie-
ßenden Romane, mit Ausnahme einiger weniger
hervorragender Werki^ anderer Gattung, diesem zu-
nächst die Lebembeachrcibui^ und was damit zu-
aammenfaangt, ebeoM» wie, ja noch mehr als bei uns,
vornigswcisc drüben gepflrtji wird und den littcra-
rischen Markt beherrscht. Bei einem so sachlichen
and aufs PraktSache gerichteten Volke, wie die Eng-
länder muß diese Scibstbcspicgclung weit mehr be-
fremden, als bei den mehr subjektiven Deutschen.
Daß eine solche sowohl dem Romane, der ja in den
allermeisten Fällen in der Scbtiderung englischer
Charaktere und gesellschaftlicher Zustande sich be-
\vcj;t, wie der Lcben'>L!:u'-!t lniriL; lu rvorragender Per-
sönlichkeiten, und zumAt der Selbstbiographie und
den Briefen solcher Persönlichkeiten zu Grunde liegt,
wird ja oieoiand abstreiten. Allein das Befremden,
welches diese Riehttmg der ncncsten englischen Lit-
teratur erregt, wlnl >it;l'. '.i-ic-ht vcrmiüiicrti , xwiiti
man sich erinnert, wie dieselbe Richtung sich ehe-
dem, Eamal rni «gentlidien goldenen Zeitalter der
englischen Litteratur, in dem der Elisabeth und
Jakob 1., sich geltend machte und das Drama schuf,
auf welchem Gebiete sie das höchste geleistet hat.
Und was die Aufgatie des Dramas ist, das hat ja
der grSßte SchopTer dramatischer Werke für alle
Zeiten in jenen licriifimtcn Worten ausgedrückt, die
er Hamlet in den iMund gelegt: „Der Natur gleich-
sam den Spiegel vorzuhalten: der Tugend ihre eignen
Züge, der Schmach ihr eignes Bild und dem Jahr-
hundert und Körper der Zeit den Abdruck seiner
Gestalt zu zeigen."
Nach diesen kurzen Andeutungen, mit denen
wir unseren Bericht öber die neuesten Eischei-
nuni.;en der ent^lisrhen Litteratur diesmal einleiten
zu müssen glautJten, der wir ja stets, als einem
und demselben Boden mit der deutschen entwach-
sen und dieser soviel naher verwandt als die roma-
nischen Lltteratoren , die meiste Berücksichtigung
schenken, ^elien wir zum nerie'nte selbst ülie: Wir
erwähnen zunächst da die wichtigste dieser Erschei-
nw^n, MOanrins Leben und Briere", in diesen Blat-
tem bereits ausführlich behandelt ward, die Selbst-
bkigrapbfe des berühmten Malers W. P. Frtth:
,.My Autobiography and Remini^ccnces" betitelt.
Auch dieses erfreut sich des ungcieiiten Beifalls der
Beurteiler und derselben günstigen Aufnahme und
Beliebtheit bei der Öffentlichkeit, wie seine Oeroäkle.
Durdi die eingestreuten Geschichtchen über zeitge-
nössische Maler und andre (.gewinnt die ScIbstlebCftS-
beschreibung noch einen besonderen Reiz.
James Elliot Cabot |^ebt ein wahrheitsgetreues
und anziehendes Bild vom amerikanischen Cariyle,
wie er genannnt Worden, unter dem Titel: „A Me-
moir of Ralph Waldow Emerson" 12 Bändi-, London,
Macmiilan & Co.). Der Verfasser ist von Emerson
selbst zu Sehlem Httenurischen TestaraeotsvoUstrecker
ernannt wnrdrn und de'^scn l'amilie hat ihm die Auf-
gabe anvertraut, ditic Gudächtnisschrift seines ver-
storbenen Freundes, welche das Athenaeum als end-
gültig bezeichnet, zu schreiben. „Der Eindruck, den
diese Lebensbesdirdbong im ganzen behn Leser
zurückläßt," KiiQt das genannte Blatt, ,,ist der eines
durciiaus wohlthatigen Lebens, aus dem aueli :iiles
Gute, dessen es fähig war, für die Menschheit ge-
schöpft worden ist. Emerson war zwar keiner der
selbständigen Denker, die nur Wahrheiten vorbringen,
nocli der ündlichen F"orscher, die sie beweisen.
Vielmehr war er der Fortsetzer der alten Gbcriie-
fetung des Glaubens in Sehlem weitesten Sinne, einer
idealistischeti AnfTn^stini:; der Nntnr, eines X'ertraiiens,
dali die Weil auls> Oute abgesciicii »ci. ijeine Lei-
.stung war gut dazu angepaßt, seine eigne Nation
und Zeit zu beeinflussen und wird wohl noch einige
i Gcschlechtsfolgen hindurch jungen und glühenden
Seelen einen mächti;.;en Sporn gewähren, rnd nun.
da sein Lebenslaut ohne l^bertrcibung und ohne Lücke
erzählt worden, ist dem amerikanischen Weisen ge-
bührende Ehre gezollt, und wir erwarten, daß sein
großes Vaterland andere, ebenso verdienstvoll, als
er es war, hervorbringen werde."
Es bedarf wohl nur des Hinweises auf den Titel;
„A Colleetion of Letters of W. M. Thaekeray"
(London, Smith, Elder S Co.), um die Verehrer des
bedeutendsten englischen Romandichters seit Walter
Scott auf den großen Genuß aufmerksam zu madleB,
der ihnen durch die Veröffenthchung dieser ausgie^
zeichneten Briefe ihres Lieblings bereitet worden imk)
sie erwartet. Ld'.s mc, was nicht anders ansunebmen,
zu denselben greiten.
Eine abermalige Selbstschilderung ist das „What
I Remember" betitelte Werk von Thomas Adol-
ph us Trollops., in 2 Bänden (London, Bictiey &
Sohn). Mit diesen 2 Bänden ist der bisherige Le-
benslauf oder vielmehr sind die darin mitgeteilten
Erinnertmgen aus demselben zwar noch nieht abge-
schlossen, doch verspricht der glückliclierweise noe!)
lebende Verfasser, bekanntlich der Bruder des ver-
storbenen allgemein beliebten RomanschiiftsteUers
Anthony Trollope, sie fortzusctjren. Nnch dem bereits
Gebotenen und Vorliegenden kann man nur wün-
schen, daß es ihm beschieden sein mSses, sein Ver-
sprechen zu erfüllen.
Der unermGdliche John Cordy Jeaffreson hat
diesmal seine Helden aus der poKtiaclien Welt ge-
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Nr, 36
wSMt und eine Ehrenrettung einer scMeeht beleu-
ninnsl<t(^n Frnti versucht, die zu ihrer Zi*it c'tnc he-
dt:utcnd<j Rullf gespielt hat Das Weik lühil dcii
Titel: „Lady Ikiniiltnu and ijjrd Nelson; an llisto-
rical Biograpby bascd oa Lcttcrü and other Docu-
ments in the Possession of Alfred Morrison, Esq."
(2 Bände, London, Hurst & BLickLi; i Während der
Verfasser den sittlichen Lebenswandel der Lady
Hamilton, früheren Amy LyoiM oder Emma Hart,
wie «ie es liebte sich xu nennen, einigermaßen zu
bcseböidgen sucht, mufi er ihr hin^^egcn, auf Grund
eingehender Prüfung lU r ix treffenden l rkaiuii n, il.is
Verdienst, welches siic sich rütimte, um die englische
Regierung nnd die Königliche Familie voaNeapel durch
ilirc I)i< nstc sich erviorben zu haben, absprechen. Er
hndcl und iliut deutlich dar, daß dieser Anspruch ihrer-
seits auf Entstellungen und falschen Angaben beruhe.
Der letzte Beitrag zur Lebensscbilderei, den wir
diesmal zu verzeichnen haben, iat betitelt: „Memo-
rials of Cu'.< orton : beiny Letters from L'olcridgc,
Wordsworih, and his Sister, Southey, and Sir Walter
Scott to Sir George and Lady lieaumunt, 1803 t)is
i«34." Editi.3 Ij> William Knight. 2 Bände
(Edinburg, Duu^ji^a^. Durch diese Briefe an Sir Ge-
orge bcaumont, den siebenten Baronet von Coleorton
und dessen Gattin seitens der genannten berühmten
Dichter wird bauptsaddidi Q>1eridges Leben beleuch-
fct, und man muß dem Herausgeber für die Ver-
utienUichung sowohl wie für die Anordnung, Anno-
tirung und treffliche Vorrode dankbar sein. Die erst
kürsiicb erschienene deutsche Lebensbeschreibung des
letztgenannten Dichters wird übrigens nun erst zu
vervollständigen sein, und dt rcii Verfasser dürfte die
Lelue daraus ziehen, dalS ihm, dem Ausländer, doch
nicht alle Quellen zu Gebote gestanden, um eine
wirklich erschöpfende Leistung an den Tag zu for-
dern. Er wußte nur anzugt-ben, daß Coleridge „nach
Colcorton zu Sir George Beaumont, einem grofkn
Kunstliebhaber, der selbst Landschaften malte und
mit Wordsworth inn^ befreundet war, zog." Auch
erwähnt er nichts \nn di r herrlichen Stelle, welche ;
in den „Lines to Wordsworih", die t'oleridge im Ja-
nuar 1ÜÜ7 Sir Beaumont sdiickte, t ntli..l;ni war und
in dem hier angesehen Werke nach der von letz-
terem auTbewahrten Handschrift ans Licht gebracht
worden ist. David Asher.
Ein Vollndichter.
Den ncsuclu in mhi Franzensbad fallen immer
angenehm die Mädchen auf, welche im Padce den
KaAee verabreichen. Ein roter, faltiger Rock flattert
um ihre Knikhel, um das schwarte Mieder und
kurzärmelige, blühweiße I k iiid schlugt .sich ein bunt-
seidenes Busentuch, über die Stirne herein nicken
die Zip/el de« scbwarsen Kopftuches. Die Kurgaste
erhalten regelmäßig auf ihre Fragen den Bescheid,
das ?ei die e^( rl'inJer Volkstrat lit .Sn j^.inz nclitig
ist das aber nicht, üie echte egerländer Tracht ist
so gut wie verschwunden, mit ihr die alten Sitten md
Gewohnheiten, Pestgebrauehe nnd Nationalspcisen.
571
Nur die Sprache ist den Bewohnern des Eger-
Inndes geblieben, ihre Miindnrt, die ficf«;t ??flbst In Utende
und selbstlautcrreichste unter alien deutschen Mund-
arten. Das Alter der egcrländer Mundart reicht
weit über das des Neuhochdeutschen hinauf, bis ins
14. Jahrhundert. Sie besitzt außer den vier Endungen
des Schriftdeutschen nocli den sogenannten „Instru-
mental" iva wa ~ wodurch, durch was, weswegen;
döi durch das, dessentwegen), eine Zweizahl,
(unka [unna] ss unser), neben der anzeigenden und
verbindenden Art auch eine bedingende i i namat —
ich würde nehmen; i löissat - ich würde lassen).
Das Zahlwort „Zwei" hat Ausgänge für alle drei
Geschlechter: ZweYn Manna = zwei Männer; zwou
Kirch'n — 7wci Kirchen; zwoa Kinna — zwei Kin-
der. Die Mundart besitzt eine größere Anzahl von
Ausdrücken , wekhe ntur noch im Althochdeutschen
vorkommen.
Für die eigentümKche Klangfarbe der Sprecbart
mögen folgende Beispiele dienen. Die deutsche
Letter tt bezeichnet einen Laut, der zwischen a und
o die .Mitte hält.
Wassrl (Wassercheni, W«ssa (Wasser), Wosen
(der Rasen);
fahln (fehlen), frtlle (fallen), Fohlen (junges Pferd);
hal (glatt j, hal (gesund, heil), Holm (Hahn);
weiß (weiß, als Farbenempfindung), waiß (teh
weiß:, Woißl ;\vildrr, wüster Mensch);
hcLan (heiraten), Haid (Heide), hoian ^Püotcn
schlagen, rammen);
bäign (schreien), böign (biegen);
rSian (abstekem, rinnen), röian (rühren, er-
schüttern 1 ;
Hos n (Hasen), Huas n (Hosen).
Das Geltungsgebiet der egcrländer Mundart ist
ein sehr kleines; rein gesprochen wird sie nur im
eigentlichen Egcrland, jenem hochgelegenen Kcssel-
lande.das von den Ausläufern des Fichtel-, Erz und
Teplergebirges und des Böhmerwaldes unuirkt wird.
Ober die Mundart ist schcm vieles geschrieben
worden, in der Mundart nur weniges Bis vor eini-
gen Jahren suciitc jeder auf seine Art das Lautge-
wirre der Mundart schriftlich dar^.usteücn. Erst dem
Archivar der Stadt Eger, Heinrich Gradl, ist es ge-
lungen, eine vernünftige Schreibart aufzustellen nnd
mit derselben auch durchzudrint^en
Von Verfassern, welche in der Mundart schrie-
ben, .sind zu nennen: Dr. Adam Wolf (Egerlfinder
Volkslieder), Dr. Lorenz (Vers- und Prosastückc),
Graf Clemens Zedwitz-Licbcnstcin (Gedichte, öfters
sehr derben Inhalts, noch <-;ter aber vom prächtig-
sten Humor durchweht), Johann Schmidt, Krauß &
DQmml fProsastOcke). Die Arbeiten erschienen teils
als sclbstandii^'e .Selirrftcn, teils finden '^ic sich ab-
gedruckt in den beiden Egerer Jahrbüchern, den
„Deutsche Blätter" und den Zeitungen des Ländchens.
Am besten beherrscht wohl gegenwärtig die
Mundart G. N. Dümml. Vor kurzer Zeit erschien
von ihm im Verlage von A. E. Witz in Eger ein
Bändchen Mundart -Gedichte, in weichem das Beste
stdit, was in dieser Art bis jetit in der egerlAnder
Hibindart geschrieben wurde. DQmml ist auf deni
Dn MsBwia ISr die Lfitcraiw 4f« swl AmlMdei.
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57*
Du Magaaia (Br 41« LiucrMar de» In- und AutUndei.
Nr. 36
Lande geboren und aufgewachsen, gegenwärtig be-
treibt er in £ger das Schustergewerbe. £s ist er-
staunlich, wie dieser Schuster, der 80 gut wie keine
Bildung' ^'cnossen, der kaum einige Jahi c eine Volks-
sciiulc besuclit, den egerländcr Volkston trifft, dieses
Gemisch von spottfroher Laune, Trotzköpf^keit, tief-
innerlichster Gemütsbewegung und praktischer Klug- ;
hcit und Verschmitztheit. Dümmls Gedichte sind j
nicht, wie so viele Mundartgedichte, für das Volk
geschrieben, sondern aus ihm heraus, die richtige
Verkörpening seiner Gefühls- und Anscfaattun^wdt
Man lese die folgenden Zeiten:
E) Hai>!.l. ci Haiul
Ei H*i»). ei HmoI,
W« ii 4* den *' Nott»
WiMt'k UndteU») teurtieVi^
HAH! 4'4eBkt 11 haut d'gmaint,
Ii Wied* dMWbclm
D* — Kdirbn'ii ^'loitn
So DCdct und hKnselt der Egerländcr seinen
Kameraden, seinen Freund, den, wekhen er lieb hat.
— Welch' Tolkstümlicher Htimor quillt aus dem Ge-
diclit .,Dli wimasrliMins M<?idl", in weldiem der
Liebende zum Schlüsse sagt:
A Mm im» fbnm,
IfciM siCBklMu Schuh*),
I UÜt da'f vriiBl«
U ini miil tlaiDti
B« dl« hiiiis nii fr iat —
Ei, bait ncn da Dcixl
Kam AlUD b«i(n) fwilitt^
In: „Koanmannl" (Kommännchcnl behandelt
Dfimml die Volkssage, daü im üclrcidc ein Männ-
chen lebe, das man nur sehe, wenn der Wind gehe.
Es ist die Verkörperung des Wiegens und Wogens
beim reifenden Korn.
,An Siimmii binhl ma's, wiii'c dl Wiwl
1 rt-i^'l Iiji', K;.'i:i Koan,
l «»itiTii;! (iriikt, <:\i b liint'n i«,
Sa laOt't scho(D; wieda voan,"
In: ,y Dnawle" zeichnet der Dichter einen '
Oheim fVcttarl, der seinen Neffen heruntermacht,
weil er sein ganzes Geld als Tabakrauch in die Luft
bläst; in: „VafaUts Handwerk" steUt er der Be-
schäftigung der Mutter die des Sohnes gegenfiber
Sic war Betweib.
. . . „FUa d' ßaiuuti fl« 4' SiMdIciU,
Ftta mi u (Ua si,
lldiil'i Uct't: ValitnUlM,
Grüßt bi!!.! du Marie.
Ja, d' Lvut. ddi hubm tohiM,
Niat gmaahat, nJal b:i|{e«h(, —
WiM, '■ Himmki^D) kiiaUM
!■ kalt «I WM WM( . , , ,
Kr dagegen machte Veise, doch achaote dabei
nichts heraus.
>) Ursula.
') gelehnt.
*) bockUderiK Hmcu und liegcnledcm« $ti«(chi gahdrten
SMr cgvrXndt'f Bauei
*) hin gBWcht.
* viu'.>:. is'v «fgadwihit,
Ri-»t sau« i- V i!i nl.r
Üuh haut m- 1. .'- m Mu s^-i
An Pü&cbauoa'J drar g schcokl.
Da God wOll's niat kafbi,
KM(n) Christ is duPl».
}a, d' Bauan, wi)i d' Sioodlenl
SoRii SlIiv.I fiin'i Papial . . ."
Das eluinstc Gedicht in dem Büchlein ist: „'s
Reumannl Ein Egerlinder, der lange Zeit in der
Fremde gelebt, kommt in seine Heimat «trück. £r
hatte weder Glück noch Stern in der Fremde. Wfli-
reiui <T nun dii- .ilt^jewohnten Wege wieder schreitet,
die Gegend betrachtet, die sieb fa&t gar nicht ver-
ändert trotz der langen, langen Jahre, ist es ihm
plötzlich, als schreite ein graues Männchen neben
ihm her. Es läßt sich mit ihm in ein Gespräch ein.
Das Männlein erzählt und erzählt, dem Hörer fahrt
jedes Wort wie ein Dok:bstoß durch die äeeie. £r
erkennt, daß er die Schukl trSgt an setaem Unglfick,
daß sein Leben und Streben ihm verronnen wie
die Wasser eines Baches. Endlich schweigt der Er-
zähler, der Wanderer blickt auf, sieht aber niemand
weit und breit. Jetzt wird er tnne, dafi es nicht ein
Fremder, sondern eine Stimme in seiner eigenen
Brost war, die ihm seine Sdnüd vorgehaltai.
. . . .BICiMMn«. criKa) WkM —
Ored Km Utt abt giMiht.
Ka(a) Franl waw nu t'ammi -
hm Rcamaud zuwiibt
Eger, Hans N. Kraufl.
Litterarische Neuigkeiten.
Zur Jubfhuiidvitfiricr Ludwins I. vuü U»ycii> b^t der L^^iCtt
di't MUachner Hof- und ätaatsbüchtrri Ur. G. Laubmann eine
Umraiiiche Ftaigabe gebotea, üwleiii ci die iwtsclien 1848—11)68
VHchainm 0«HdM dM Inwldantgim Ktaifii liaraMBih. B(
•Unat darin die Uehc d«* edlfm Finten tat Knut «od *«m ajaifcn
DcottcMand, GMcfa in dem entcn Otdichte „An 3S4 denncbc
KUiutIcr". welche dem Küri js: unTi l1c.^:yLn Thtoncntsagung eine
Dnokadri-Mc übtrriricht hat(t.>>, »itui In li^uuudi- <jed»nk<:ii aui-
gcsprochcD .P' 1 IKrtschaft firiSßf vor der Kuost »<:( liw :-ii1< l ',
..Cemcin nur uimt Kuotl «rschiint die Welt", ,,lJtv Reicht eadrn
und die Throne stUneli, vertilgend liehcl über sie die Zell — die
KuMtgcbttdc Bur da* Leben wlncii". In anderen Cedicblen »prteht
der hMiükhc Dicht«r seine Preodie dacflber aoi, daft er aiehl ««r-
lebeM ftitbt bebe, WcU dn deaticfae NaiionallKWvlitttiN sv
vollen Gcitnng komiDe. LaabnaaM Blchlein**) bringt neben dem
Wortlaute Uli .Irr 2^4 M lU-r auch das \ ^ i.-t u lnil^ .icr
KuiniJutilionen ton <->edicbieu tle^ Künigs und e>ii Viriiiitm»
aller littcrarischen Werke de» kunsitinnigcn KQnten und der Über-
SL-tiungen derselben, Die Schrift Laubmanos, dessen fachiuinni-
schc Tüchtigkeit aU DlrebtOC ^acr grt>&in Bilchctci bekannt ici,
aeigf groAc SacUumdai» und volle BehenachoDE de* biUtegr*'
phiichen Staffel. Dr. S,
Drainatisch<' Dichtungen Mn, Parlo (ioizi crschknon in
neuer Übcneuang «iuxeli Viillüuai .Müller (Dresden, E. L Knecht)
(der König der tjeiater, Liebe macht klug, und das blaue Unge-
heuer.) IHe ÜbeiMtuinii iit ieabw Bad atm Teil sogar <eü>; «la
«■pToUea Min.
: -WoUipuic KitcUeeh m
-▼•IIa«
•) Pfifferling.
•*) »Ü^S — IX'/X. Cedichtc Lud»i(5» des Kr»ttn, Künii:> von
Bayern. Mit kutiitgesdiichllichen und bibUuKraphisehen Beilagen,
hcrauscegcben von Dr. tieurs» L-ojI nuiin Mßmlirn, Tht n !(it Riedel.
daa Uacuxia lur dui IjlUlat&r *» In- ona Aiulaiul». ui ÜKMlvii-Keiut«'!).
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57' Jahrgang.
Dresden, den 15. September 1888.
Nr. 38.
DAS MAGAZIN
FOR jgj^^ DIE
LITTERATUR DES IN- UND AUSLANDES.
WOCHENSCHRIFT DER WELTLITTERATU R.
HumugBlMr: W<d%ang Kirchbach in Dresden.
I JadtB Sonnabend. — Preiit 4 Mark viertcljShrlich. — BMHQlingcn werden von
jeder Buclihmdlnc jadm PoatUBt (Nr. ü^') HusuciiuiiK&listcj suwic tum Verlane de* ,Jtl«|{aiin" in Uiiüdcn-N. rDtgcgcngcnomiiiea.
VWtei mit ^ Pf. Ür die vicrgc*|>al<ciic Nonpareille Zeile berechnet.
All« R«chi« v«rb«k«lt«ii. IlBbafufttr Naebdruck wird aaf Oraad dar Oaaatac and Vartrig« varfolgi.
Inhalt: Rieh W'cltrich: ..Goethes Kaust in der Gödlhamenschcn Abschrift:' l-^Kc
. ...... ■■■ ww—— »-w...^..^.. ^.^.^ .. .»<>|i)il1; „Katharin.! II
als Schriftstellerin:' ~ M. Stempel: „Uas Lessingtheater!* -- H. Hardcgcn : „Eine sonderbare Geschichte
WIRidni I. und des Dentsdien Rdcbes!' — Dr. E. Groth : „Zur GeschicbtsütteFitiir Frankreidis:* — Ad. Schaf-
heitlin : ,JOie Frauen Sakmaa!*— F. v. Scb6nthan : MLHterariscbe Spesialisten!' — Litterarisdie Neuigkeiten.
Goethes Faust
in der OOehhauaemchen Absdirift*).
Von Richard Weltrich.
(Schlufiaufsilz )
Es ist aber nicht nur die Erkenntnis der zeit-
lichen Entstehung; des Werkes, welche durch das
Hervortreten der Göchliausenschen Abschrift in au-
fSerofdentlklier Weise geRirdert worden ist, sondern
auch über die Kun«itforni , in welcher Goethe die
ältesten Szenen yeschricben hat, belehrt uns nun-
mehr der Augenschein. Bekanntlich hat Wilhelm
Scberer die Hypothese aufgestellt, daß Goethe den
Faust is Prosa begonnen habe, daß ein „mehr oder
Weittger ausgeführter I'"nt\\ iirf in Tnisa schon zur Zeit
des ersten Götz im Winter 1771 auf 177-* zu Papier
gebracht wurde und dann als Grundlage der Um-
arbeitung in Verse, etwa seit 177J diente". Diese
Meinung hat als eine der Erwägung würdige Sache,
als eine offene Krage gegolten, obgleich ilie nani
härtesten Kaustkritiker, wie Friedrich Vischer und
Kuno Fischer, sie abkhnten. Heute ist jeder Zweifel
ausgeschlossen, daß Scherer geirrt hat, Thafsiichlich
beschränken sich die tragischen Sz<'nen, von deren
ursprOnglich prosaischer Fassung Goethes Brief vom
Jahre 1798 spricht, auf zwei: atif die Szene „Trüber
Tag" tmd die Kerkerszene. Letztere wrurde damals
in Verse umgeschmolzen, w.Hhrend die Szene , .Trüber
Tag" aus guten Gründen ihre Prosa behielt. Im
Obrigen war nur die Szene „Auerbachs Keller" ur-
sprflitglldi in Prosa entworfen; hierlwt ist jedoch zu
•) S. Nr. 36 dM „Magaiim fir die LiMcnlef*.
**) Drackr«hl«rbariektigaBB. In Nr. 36, S. s^J »*
UM MdcB Mhllcke« HShepaakie" ra kwn: „de« wMIdien H«hc-
puiriucn" and Man „brIdM": „bicdie".
beachten, daß sie in der Gocliliausens< In n .'\l)sclirift
mit Versen anfängt und Goethe nach ilen ersten
Zeilensn prosaischer Rede, als der für den Inhalt und
Geist der Szene geeigneteren Kunstform, öbcrsprang.
F.s ist nicht der Irrfuni an sich, die unrichtige
Ansicht als solche, um ileren willen die Auffindung
des ursprünglichen Textes für Scherer zu einer Nie-
derlage wird, sondern die Art seiner kritischen Be-
weisführung. Wer in einer wissenschaftlichen Unter-
suchung zu einem verfehlten Krgelniis gelangt . ist
halb entschukligt, wenn der Weg, den er einschlug,
eine gewisse Berecfatigting zu lulien schien, wenn
ilii S il Iii' zweideutig lag und tlie redlichste Mühe
mit 1 iL: iii Ruten und Tasten sich abzutintien gt:n<>tigt
war So alirr fand Sdierer die Dinge nicht vor.
Die i'rosahypotheae nur aufzustellen, verboten die
gewichtigsten Zeugnisse: die Äußerungen Goethes
selbst, durch Weiche wir erf.ilin il, daß er di'U .Xnfang
lies Niederschreibens in das Jahr 1773 setzt, dali der
..Kodex ' seiner alten Papiere nicht eine doppelte
Bearbeitung, sondern „die erste", in den i lauptszcncn
„gleich so ohne Konzept" ausgeführte Niederschrift
enthielt, d.iß sirli in seinem „alten Manuskript"
„ein^e" tragische Szenen in Prosa vorfanden, „einige",
nicht alle oder viele. Scherer setzte sich fibcr diese
Zeugnisse, deren Wortlaut und Cbereinstimmung
jede Deutelei auschlol.>, hinweg, und .schon hierin lag
pure Willkür. Indem er aber für seine Meinung aus
der Beschaffenheit des Gedichtes Beweise zu ziehen
unternahm, gab sieh sein isthelisch-kritisches Urteil
die schlimmsten RK'ißen. In der That. nicht .Scharf-
sinn zeigte sich hier, sondern Eigensinn, nicht Hin-
gabc an die Sache, sondern eitle Selbstliebe, nicht
lautere Empfänglichkeit für das Dichterische, sondern
Nkhtaditung des Kunstwerks.
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S90
Nr. 38
Noch vor der Vtniffcntlichun^' der Göchhaiison-
schen Abschrift ist eine scliarfc Zurückweisung Sche-
rers nicht ausgeblieben. Wilhehii ("reizenacli hat in
einem Aufsatz, welcher im Ton nicht zimperlich war,
die Ansichten Scherers zum Gegenstand einer Unter-
suchuHj,' }^emacht und die Prosahypothesc zerpflückt*)
VV'cnn die .Saclu- mehr ^ilt als die Person, s<) war
diese Abfcrtijjunn eine verdiente; und wenn ilurch
Crcttenachs Angriff der Vorwurf hindurchtclini;t, daß
die Gemeinde Schcrcrs oder ein Teil derselben >^c-
wodnhi itsmiißij^er Keklanie und sell>stsiicliti(^cr Ka-
nicradcric hiildi^'e, so kann diese schwere und pein-
liehe Anklage nicht besser widerlegt werden, als
indem die Schule unumwunden die f jel>recl^<Ti i'ires
Lehrers einriuutit Tüchtige Männer stehen in il-.rcin
■.w trr. Verband und grofSe Auf^jahen sind in ihre
1 lande gcie]^: möge sie von allem Kleinlichen sich
frei machen! Wenn fieilich wieder und wieder ims
zu^rnr.itr! wird , daß wir an Schercr den Mut zu
irren verehren sollen ; wenn starkj;eistit» heißt was
schwach, und fördernd, was verwirrend gewirkt hat,
wenn Miene gemacht wird, die Faustdichtuni^ und
Schercr als eine untrennbare Verbindung zu l)chan-
deln dann ist es kein Wunder, daß Verstimmung
um sich t;reift und Gegner erwachsen, jener „Mul
zu irren" heißt richtiger Unbcscheidcnhcit, und in
Sachen der Faustdichtunj; jjehiirt .Scherer in den
llinterj;rund. Wohl schmeichelte er sich mit der
Meinunt;, als stecke ein schaflender KSuttler oder
Dichter in ihm, als vertraue die Muse vor andern
ihm ihre Geheimnisse an. Aber der Gdttin den
Schliicr /uriirkz;ischl.i(,»en, ist Herrn Scherer nicht
^e^luckt, und mehr als eine seiner Sclirilten bezeugt,
daß das Wesen der Kunst ihm innerlich fremd ge-
blieben ist, daß er wohl Uuten gehört bat, aber nicht
«isanifflensch1a(,'en .
Man braucht von Scherers Verdiensten nicht
gering zu denken und kann dennoch überzeuj^t sein,
daß sie mit dem Ruhme, welchen er uenoß, mit dem
Einfluß, dessen er sich vi-rstc"ii it hatr. , m keinem
richtigen VerhSltnis stehen. Ist die Nachwelt seinen
t.Äistunj'en jjt ^^eniibor strenge, so übt sie damit nur
ausgleichende (ierechtijjkeit, und es ist eine .Art sitt-
lichen Ntitiirtjesetzcs, daß das Urteil der Späli rkoni-
mcnden um so erbarmungsloser lautet, je mehr sich
die Mitwelt zu einem Übermaße des Lobes bestini*
men liefi. Wie grausam ist Blatt för Blatt von dem
Lorbeerkränze, welchen sich Gottsched aufs Haupt
gesetzt hatte, heruntergerissen worden! Und doch
fragt es sich . ob (jottsched beim jüngsten (jericht
nicht noch etwas mehr des Guten und Nützlichen
in die Wagschale zu werfen hat als Wilhelm .Schercr.
oder genauer, ob die -1 h.ntliclir 11 Wiikungen, welche
Scherer geübt hat, nicht in noch hübercm Grade
seine nützlichen Qbcfwiegen als es bei Gottsched
der Fall ist.
Schcrtr war ein thätiger und geschäl tigcr , in
mancher Beziehung ein anregender Mensch. Er hat
*) C;ienzh<)i<ii I«»;: „Willitliii Sc>uui unU «Uc Enuitliunj^!.-
gcuhk ))(<.' \t,n (;..>ilub KaiMi. e<n lkiiT4ie lur <M!ScMdKe dct
IHcfarikrtn.'!) llujiiliU^>' .
dem Gebäude seiner Fachw issenschaft einen schmucken
Stein eingefügt : auf den herlx-n und einseitigen Ger-
vinus. auf den trockenen imd ehrlichen ( miKIce
j folgte Schercr, der die i.ittcraturgeschichtc den Leu-
I tcn von Welt munf^crccht zu machen verstand, der
der jiliilologischen Arbeit den .Aulputz künstlerischen
.Schinuners gab. Ich sag«: absichtlich : Aufputz. Nicht
Tiefe und Ursprünglichkeit der Auffassung, nicht
durchdringende Schärfe des Urteils, nicht das un-
ermüdliche Bestreben, den StofT zu erschöpfen, in
seiner Ganzheit zu bew.iltigen, ist die F.igenschaft,
welche seiner Gesctuchtv der deutschen Lttteratur
I das besondere Geprüge giebt, sondern Eleganz; auf
den geistreichen Plauderton ist alles gearbeitet. Man-
ch<-r gewinnende Alischnttt steht in dem Buch :
freilich auch mancher flache oder schiefe Ciedanke.
I Schercr legt großes Gewicht auf die Darstellung, auf
einen geschmackvollen, einen schönen Stil und dieses
Bestreben hat so viel .Schätzenwertes, daß man nur
wünschen miicbte, die tleutschen Gelehrten verspür-
ten es öfter. Aber ein Musterschriftsteller ist Schercr
1 nicht. Sein Stil quillt nicht immer aus dem Geiste
; der Sache und der tiatürlichen Empfindung, welche
sie erweckt 11 i-^t auch nicht reich an innerer üe-
wcgungsfäliigkeit, :>ondcrn ließe sich leicht auf einige
I immer wiederkehrende Formeln. Figiuxn und Griife
zurückführen. W'er eine Keihe von Seiten des Bu-
ches nacheinander liest, empfindet die Eintönigkeit,
empfindet, daß die gewählte .Schreibart eine gesuchte
! wird. Der Ursprung dieser Mängel liegt darin, dali
j hier nicht dnc starke Persönlichkeit und eigenartige
hvlividualitiit »lie Form der Rede sich schafl^t; die
Rede ist vielmehr einstudiert, ist gelernte Rolle.
I Fbendarum wird der Stil zur Manier und Schablone.
I Dabei nimmt es Schcrer zu Gunsten gefälliger Ab-
I rundung mit den Forderungen des geschichtliehen
Stoffes oft sehr bequem. Line Arbeit dieser Art
\ besticht durch ihren Glanz, wenn sie auch weder
; hinsichtlich der Kunst der UarstcDung, noch hinsicht-
lich des Gehaltes die höchsten Ans|)rüche befriedigt
j Daß in Scherers Faustsludien*) einige brauch-
I bare Gedanken zu fmdi n sind, soll nicht in Abn-de
gestellt werden. Aber sie verschwinden unter der
Masse des Verfehlten und der Gesamteindnick ist
, der unerquicklichste; denn i-in müßiges Spiel mit
Vermutungen macht sich breit und die Dichtung wird
im Namen der „Forschung** vergewaltigt. Ich darf
es an l'.eispieli n fiii .S in rers Verfahren und Meth<>de
nicht fehlen lassen iiiul liebe deshalb mehrere Ein-
zelheiten hervor, teils solche, wt iche von Cr<'izenach
bereit!) zur Sprache gebracht worden sind, teils an-
dere, welche er mir öbrig gelassen hat. Schercr
will lieweisen, d;if^ i'ii (»rosaische Szene ,, Trüber
, Tag" in der nämlichen Zeil geschrieben sei wie die
erste Bearbeitung des Götz, der Gc>ttfrii-d von Ber-
lichingen, im Jahre 1771 oder 1772. „Parallelstellen"
w erden in An.sprucb genommen ; sehr natürlich, denn
I „Parallcbtellen" sind das gclicbtestc RQstzcug der
*) (Jutikii «uhI K.)r»i1niii,:i Ii iui .sj'UcU- Uii<l Kull>U|{isi Kii hlt
I dc< <.cnini>i'.cli<.'ii V.}lk.t, IKK XXXIV: Aua CmIIici PMIhMril,
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Hr. j8 Oaa M«K*nB 13r die Liilcntur det In- und Auklaades.
modemcD Litteraturforschun^, uinl die Mehrzahl iin- : Schaft fahi^; ist. Uelde Stellen lassen sich also mit
serer neusprachlichen Philologen glaubt nur mit grö&' jenem im Gottfried von Bcriidiingen gebrauchten
tcm WiderwiDen an eines Dichters «engende Eigen- Ausdruck, welchen man als shalcespearisierendes
krafi. an ihn nötigenden Zwanji der Mutter Natur, Kräfrwnrt nrlunm ma^;, uar nicht verjjkichcir Sehr
ist aber äußerst beglückt, wenn sich findet, daU ^ ert;*'tzlich i>t es nunmehr, zu sehen, wie Schcrer
ähnliche Empfindungen, ähnliche Situationen bei ver- Gocthen das Konzqx verbessert. Er ist nSmItcb
schietUnen .SchriftstelU-rn in ähnlichen Ausdrücken . der Ansicht, daß die S/cne „Trüber Tag" ..t:inheii-
geschiliicrt wer»len: man pflej^t aus diesem Umstand lichc Haltung" vermissen lasse, daß ein Teil der
zu folgern, daß dt»- alt^ ie Stelle dem jüngerru .Autor Reden von Gt ( tln- '.;)äter ..interpolirt" sei. leider
„vorschwebte", und wenn ein und der nämliche beweist die Göchhauhcnsche Abschrift heute das
Dichter sidi eine Wiederholung beigehen läßt, so Gegenteil: die von Scherer als vermdntKche Zusfttse
w iril ani^enommen, daß die einander ähnlichen StclK-n einjjeklamrii i ti n \\'rit t.. : „Über des Erschlagenen
im gleichen Jahrgang gedrechselt sind. So erfahren Stätte .schwtlaii raciiir. ii Geister' und „Mord und
wir denn auch durch Scherer. daß hi'>chst merkwür- j Tod einer Welt üImt dich Ungeheuer!" nebst ver-
diger Weise sowohl im Gottfried von Bcrlichingen schicdenen anderen finden sich bereits im ursprilng-
als in der Stene „Trflber Tag" die Wörter „elend" ' liehen Texte. Aber Scherer nennt eben diese Stellen
und „schniieden" in nit lii <.d< r wrnii^'rr ähnlich einen ..Versuch des fast sechzigjährigen Goctlu , (im
bildeten Sätzen vorkommen. AI« r in ilich „entscliei- Jargon seiner Jugend zu sprechen", scheidet sie aus
dend** soll dies nach Scherer inclu s( i)i. nur unter- und macht einen Vorschlag ZU besserer Steigerung
Stützend; größerer Nachdruck wird darauf gelegt, dalS I von Rede und Gegenrede; „etwa .so," hebt er an
gewisse übertreibende Ausdrücke sich wiederholen, und legt uns s<'in „.Schema" vor, überzeugt, daß die
Sehen wir uns aber diese Ubi n nistututum^' i :nir..il ,^arbc ,,i^an/ andt rs geklungi-n" haben würde, wenn
des Näheren an! Schercr verwci.st auf jene Szene ^ der Dichter Schcrer sie gemacht hätte,
des Gottfried von Berliehtngen , in welcher Kran«, I VteOeicht wird der eine oder andere I^ser, wel-
nachdem ihn ,, Adelheid auf den schönstm ! ohn v t r eher mir vorschnell verübelt hat, daß ich von geisti-
tröstet" hat, ausmft: „Wenn sie Wort halt Da-, ger Unbescheidenheit sprach, nunmehr doch stutzig,
wird ein Jahrtausend vergangener HöHcntju^tK ii m Vielleicht fragt nim --xh außi'rhalb der gelehrten
einem Augenblick aus meiner Seele verdrängen", i Kreise, ob denn wirklich die Auffassung, zu welcher
Schcrer bemerkt, alle derartigen Stellen seien im | Scherer besflgÜch der Szene ..Trüber Tag" gelangt
Götz von 177J wegyi ^chafTi , t r Hihit fiiii „Die ist, bei Fachgenossen sich Gi^iung verschatu Jiat.
Kaustszene bietet; ,Du grinsest gcias.sen ül>er das Ja. dies ist wirklich der Fall gewesen, und Schroer,
Schicksal von Tausenden hin! Den gräßlichsten der nicht einmal zu der Gemeinde Scherers gehört,
Fluch über dich auf Jahrtausende!' - Das entschei- I ersählt seinen Lesern, dieser habe die „wichtige Ent-
det. Es ist unmöglich, daß ein Dichter, der an J deckunn" gemacht, daß die Szene „Trüber T.ig"
einem Werke iir.t su 'i < ir.i;^ i^t, ■-olche Übcrtreibun- schon im Jahre i;;. ..entstanden sein müsse",
gen wegzuschaffen, sie an einem anderen sollte neu Indem Schercr seinen Grundgedanken verfolgt,
gemacht haben.*' Das entsdiekkt? Aber die Stellen giebt er sich Mflhe, in den übrigen Teilen des Ge-
der .Szene „Trül)er Tag" sind ja «jar keine l l < r- dichtes nach stehen gebliebenen Spuren der Ver-
treibung! Der böse (jeist. der Gretclicii ,,h!lfUis meintlichen alten Prosafassung zu suchen. Was er
verderben" läßt, hat ja wirklich tausend anilere in hierbei gefimden hat, erregt billig das größte Er-
die Tiefe des nämlichen Elends gestürzt, und die | Statuten. Wir lesen, lesen als neuentdeckte, als ge-
große Zahl, die ungeheure Summe seiner Schuld muß ' sicherte Wahrheit, daß die Domszene, von den h-
i!i:n ins fu siebt i^t scMc nili i't v, rri-!rn, nachilem Me- teini.srlu i; fli-sängctl abgesehen, „lauter Prosa" sei,
phisto zuvor Ulli lu#l!iicU(.U:ui Achselzucken gesagt daß dt i Dialog;
hat: „Sie ist die erste nicht!" Daß diese Außerun- „Was weben tiie doi t u n Itu Rahenstein?
gen unter sich nisammenhüngen, hat Schercr nicht j Weiß nicht, was sie koclusn und schalen" u. s. w.
einmal gesehen! Er greift das Wort „tausende" auf j als Prosa zu gelten habe, daß die Stelle der l^ene
um! find« t, dal* die Personen des jugentllichen (ioethe „Marthens Garten" . „Der Allumfasscr cwi^e Sterne
„mit großen Zahlen um sich werten"! Und von . niclit herauf?" und die Stelle de:> ersten Monulogs:
diesem Mann, der dem Ganzen der dichterischen | „Es wölbt sich über mir — Enthülle dteh!" pro-
Szene so stumpf gegenübersteht, hat die Gedächt- saische Stücke seien. Ilicriiber ist kaum ein Wort
nisrede eines seiner Jünger zu rühmen gewagt, er | mehr zu sagen ; wtrr ohne Gehör auf die Welt gekom-
habc die „GiK-thepcdanten" und die ,,Schönheits- i men ist, dem läßt sich eine Melodie nicht vorde-
metaphysiker" abgewiesen! Mir scheint, er hat den monstriercn, und wer einem eigensinnigen Verstan-
Goethepedantcn nidtt bange gemacht, ges^chwdge ' deseinfall zu lieb seine Sinne taub macht, der wird
den Si:lir,nlu-itsmeta]ihysikern; t r hat von ilrn i iiu n an sich selbst zum Räuber. Nur die let,-ti'ii- r-i iner-
gelernt und von den andern hätte er li;rni.i) aulkn. i kung gilt für Scherer. der aller .seiner Utieiütlustori-
Auch die zweite der aufgeführten Stellen lieweist ' sehen Gelehrsamkeit ungeachtet verleugnet, daß es
nicht das Geringste; ein Fluch „auf Jahrtausende" auch freie Rhythmen, daß es auch Verse ohne Keime
will nichts anderes sagen als ein Fluch atif ewig, ' gebe, der, verliebt in seine Meinung, gegen die
i\nd nach einem solchen Ausdruck; tjri ift jeder, der ' größten dichterischen Schönheiten sich verschließt,
teuflische Niedertracht erfährt und höchster Leiden- Denn eine auiäerurdentliclM: Schönheit ist es doch
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Du Maguin für die Litleralar des In- und Autlauidet.
Nr. 38
wohl, wie gerade in jenen Sirlli n ilit- rrn-^un>; dc^
Augenblicks, die anschwellende Lcidcnscliaftltchkcit j
und Ffille der Seele den Rhythmus unnihig macht
oder sprengt, und wie Goethe aiis der freieren üc- .
wegiing des Verses in die reyelnKjil>i|;L- \vicd(.r zu-
zurücklenkt. D;is nennen die klugen Leute dann
Prosa, Herr Schröer macht jüngere „Einschaltung"
daratis, und Herr Scherer weiß „Rhythmus und innere
Form" der Prosa vom Vri srln tlimus nicht zu unter- j
scheiden. Als ein wichtiges Ikwcisstück lührt Scherer ,
auch die Stelle: „Liebt mich - kein Ende!" an.
Hier geht allerdings im letzten, mit „O acbaud're
nicht!" beginnenden Absatz die Rede In wirkliche
Prosa über, und schon im vomu.sgehi thIi n will der
Rhythmus sich auflösen; aber gewonnen ist lür
Scherers Hypothese auch hiermit nichts, da in dieser
Stelle wiederum eine hochgesteigcrte Gemütsbeweg-
ung, das Zittern, Jauchzen und Beben der Seele, den
ini;iiittclbaren sinnlichen Ausilruck findet, und schlecht-
hin lächerlich ist es, wenn Schröer die Vermutung 1
äuflert, der reimtoae Abschnitt - — also das Hervor-
hrcchcn dci Lii hc-^'^lnt. .luf welches die ganze Szene
hmdt ängi! vvcrdecin spater eingeschalteter „Drucker" '
sein. Schröer ist, wie man sieht, der Verführte; er
macht sich die Ansicht Scherers nicht völlig zu eigen,
hat aber doch ^oßen Respekt vor ihr und legt sie
sich in seiner Weise /urecht Welche Früchte diese
Verführung trägt, ist ein Jammer vor Göttern imd
Menschen. Das reimlose Liebe^festBtldllis Pausts
gilt einmal als vcrdächti;^' ; nun findet Schröer, daß
auch Mephistos Aulkrung: „Ja, und wu wollen fort '
„unvermittelt" ist. Flugs steht ihm vor Augen, wie
die Stelle ursprünglich ausgesehen haben mag; und
zweimal, tn der Einleitung und in den Anmericungen
zum Te.xte. p;i(»lit er seine Wahrnehmung sum besten.
Dieser zufolge lautete die Stelle vor der „Einscltal- |
hing** also:
Paatt: I
Ja, BciB Kind] L*fl dlc*c« Btnaimnroit '
IMr GWterail»k|>ruch sein.
Mephi»to: {
Ja, and wir «-«liei» hn. |
Jetzt reimt sich's; iet^t ..entsteht <ri[,'ar ein voller
Alexandriner", wenn nun iuniiich die Worte: „Dir
Götterausspruch fort" als Eine Verszeile liest. ,
Was sich aber nicht reimt, daß ist die vollkommene
Abgeschmacktheit und die Goethesche Dichtung;
und was entsteht. \u im man in sfecher Weise wirt-
schaftet, das ist ein Alexandrincrtum, dessen die ver-
rufensten Gelehrten des Altertums schwerlich fähig |
gewesen sind. Daß die Äußerung Mephistos keines-
wegs „unvermittelt" ist, daß sie vielmehr fallen nuiß
als Antwort auf Martheiis IHenu rk-uni; ..Die Nacht ,
bricht an", dafür ist Schröer blind j imd daß das
„Ja", mit welchem er den Mephistopheles einsetzen I
laßt, von einer nicht tu überbietenden Fadheit w-ire,
macht ihn nicht äiigstlxh. Er reibt sich die Hände,
glücklich, einen „Alexandriner" gefimden, einen Reim-
znsammenbang hergestellt zu haben; er merkt nicht, .
daß er den Dichter schulmeistert, und von einer I
Stelle, welche zur Saclic gehört wie dns Licht zur
Flatntnc, von Fausts Liebesbekenntnis, trägt er die ,
Meinimi; vor, sie könne „Unbeschadet des Zusammen-
hanges wegbleiben".
Doch wir mQssen cu Scherer sufUckkditen. Ein
Nebenumst.ind, der .-ihr-r dach wieder etwas Charak-
teristisches hat, »st noch heivojzuheben. Scherer
läßt einfließen, aus der ursprünglichen Fassung seien
uns wichtige prosaische Stücke „gegenwärtig in ab-
gesetzten Zeilen gedruckt" etbaften. Eben in diesem
Zusammenhang führt er die Dom^zenc, die Stelle
,,l)cr Allumfasscr" u. s. w., dre Stelle „Liebt mich
Nicht Liebt mich" u. s. w. auf; letztere druckt
er in fortlaufenden Zeilen ab, als Prosa, und mit
kleinerer Schriftgattung, wie er für ein eingeschalte-
tes län^^eres Zit.it zu wählen pflegt. Diese .Art der
Darsellung muß Joden täuschen, der sich vom Sach-
verhalt niebt genauer Überzeugen kann, muß jeden,
(hT 7.. R. das ziemlich •selten i,'e\vnrdcne ,, Fragment"
vom Jahre i7<)o nicht zur Hand hat, auf die Meinung
bringen, „gegenwärtig" . d h. in den neueren Aus-
gaben, nicht aber in den alten und echten, seien
jene Stellen als Verse abgedruckt. Daß sie bereits
die Göchhauseiisclie .Mxchrift sämtlich in \'er>zeili-n
abgesetzt enthalt, konnte Scherer meist wissen, er
läßt aber auch kein Wort davon verlauten, daß das
Gleiche in der Ausgabe von 1 7i>o, in dem von Goethe
selbst herausgegebenen „Fragment", der Fall ist.
Von einer wissentlichen I äiischun!^' kann keine Rede
sein; aber von der nachlässigen und nichtsnutzigen
Art, mit welcher die Beweisführung gehandhabt wird,
ist hier ein Beispiel. W.is tu wie sen werden soll,
scluebt sich unwillkürlicli aL>. ein bereits bewiesenes
iinttir, und die „Entdeckung" muß sich nicht den
Thatsachen, sondern die Thatsache muß sich der
„Entdeckung" bequemen.
(Dm Ende 4kMi Sehlußauriatjv* und dnmii 4ca pmt» Aitiküli
folgt in Nr. 39.)
Katharina II. als SchiiftsteUeriii.
Von Ernst Koppel.
Trotzdem die Gegenwart mit ihrem Ringen und
Streben, diese merkwürdige neue Zeit, den Denken-
den, der sich nicht nur mit der Oberfläche des
.Seins und der Dinge begnügt, vollauf beschäftigt,
sind doch Zeitläufte der Vergangenheit vorhanden,
die fortgesetzt zur Betrachtung anregen, da sie, ob-
gleich durch mehr oder minder weite Zeiträume von
der Gegenwart geschieden, mit dieser dennoch in
Verbindung stehen. Namentlich ist dieses mit der
merkwürdigen zweiten Hälfte des vorigen Jahrhun-
derts der Fall, dem Zeitalter Friedrichs des Großen.
Goethes und Sehillers in Deutschland, Volt.iires in
Frankreich, Katharina II. in Rußland, Maria Theresias
und Josephs II. in Österreich. Die gro6e Geistesom-
wäl/.iinf; 7.ci'^ xm^ühüurv Kreise, sie drang wie in die
tiefsten Tieleii, sn auf die h<ichsten Höhen, auf die
mächtigsten Throne t.iir .p.;s \\m ihr schreibt sich
eine neue Welt- und Lebensanschauung her, staat-
liehe und gesellschafdiche Errungenschaften und Um-
\vä!/un}:^en, ein ungeheures geistiges K:ii4ital, dns n<ich
heute nicht zerronnen, sondern immer neue und vcr-
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Nr. 38
Dm tla^auD Iii die Lititimtw da 1b- uh4 AotUad«».
993
nn-hrtc rr.')f,'un^;en gestattet, so verschieden die Mün-
zen auch an Wert und (iestaltunj; sein in6j;en, die
ihm entstammen.
Wihrcnd die übrigen Länder, wetchc der Welt 1
diese neuen, langsam imd lange vorbereiteten Guter
offenbarten, auf eine bt dciitt nrli.' Kultur zurückblicken
Iconnten, bietet da^^cgen Kußland in jenen Jahren
das Schauspiel einer Entwickclung . die so jäh ein-
trat, daß sie einem Wunder ähnlich sah und an ihrer
Dauer zweifeln ließ. Freilich war durch Peter den
Großen, durch das Zulassen curo[)aischen Einflusses
eine neue Zeit angebrochen, aber erst einer Frau,
Katharina II., war es vorMiahen, die Ideen des Jahr- '
hunderts voll in sich auf/unohnu :n und teilweise durch
die That für ihr Reich verwerten Sic hat so
einerseits das Erbe Feters des Großen übernommen,
andrerseits aber Wege betreten, die von jenein noch ^
nkhl einmal geahnt wurden, nicht geahnt werden ,
konnton und ilii- dem i^'t-^inwärtif^ nuf der Tages-
ordnung stehenden i'anslavismus gegenüber doppelt
merkwürdig erscheinen. Die Beziehtmgen der Kai-
serin Katharina zu Voltaire Diderot und den Ency-
klupädisten sind bekannt. Namentlich war es Vol-
taire, der, wie ihren großen Zeitgenossen P'jicdnch 1!
auch die „nordische Semiramis", wie er »ic nannte,
besatiberte, und der Bneftiredisel zwischen ihr und
i"ttrn Patriarchen von Feniev ist ein merkwürdiges
Seitcnstuck zu demjenigen /wischen diesem und dem
großen Preußenkönig. Beachtenswert ist es, daß
beide michtige Selbstherrscher, die dem Einfluß des 1
Praniosen so grofien Spielraum einräumten, Deutsche |
\»,;iren und sich, bei allem Bewußtsein der eigenen
Persönlichkeit, im Vergleich mit der vollendeten 1
Geistesbildung in liebenswürdigster Form, wie sie {
das damalige Frankreich kennzeichnet , in gewi.sscr
Weise als Barbaren empfanden und alles Heil von
jenem \vt stlichen Tagesgestirn erwartt :en Sie such-
ten sich so viel als möglich ihm zu nähern und selbst 1
die Sonnenflecke, die namentlich der sdiarfsichtige, |
menschendnreh.seh.-iiiende .>\dliT!)lick Friedrichs an ;
ihm entdeckte, vermochten ihm das Licht und die
Wirme, die es auf ihn ausstrahlte ^ nicht auf die
Lftnge m trüben. — »
Wihrcnd aber fOr den Philosophen von Sans-
Siuici die :ill^^estr<'nL;te un.T.urhi"irIiclu' Geistesnihcit in ;
Krieg und Frieden ein Bedürfnis war, nehmen sich j
diese Bestrebungen bei Katharina absichtlicher aus j
Ks scheint, daß sie weniger der Sache huldigte, als I
in ihr ein neues Mittel sah. der eißenen Persönlich-
keit f ilnn/ zu veilt ihen Bei manchen I ierrsrhet
tugendcn und bedeutenden Charaktercigenscbaften .
blieb sie doch eben ein Weib, das mit nhlreichen |
Fehlern ihres Ges^chleclits. init unj;e\vnhnlicher weib-
licher Schwäche irti l'unkte der Sittlichkeit den Ehr-
geiz, das Staatsbewußtsein einer Selbsthcrrscherin
verband. In ihrer Regierung wiegt das TheatcaUache,
mit Geist und Staatskunst absichtlich Gßlnsende, eine
gewisse GeTiüsncht mit \Vr>:!en. denen nicht immer
die Thaten folgten, vor. Sie wußte Regungen im
Geiste Ludwigs MV. und Richelieus mit der Ver- I
ehning Voltaires und Beaumarchais' zu vereinen, dm
aufgeklärten Absolutismus mit den Freiheitsschauern
der neuen Zeit, ein L'mstnnd, der zwar wmi;; für die
Logik ihrer Handlungsweise, wohl aber lur den
staatsklugen Takt ihrer weiblichen Natur spricht.
Wie wenig ernst es ihr im Grunde mit ihren Maß-
regeln war, 7cigt die schwere Probe, die sie tu be-
stehen hatte, die französische Umwälzung vnn j'^n
und sie bestand diese Probe nicht, für welche die m
niancht r Beziehung nich: m leugnende Heldenschaft
dieser Frauennatur denn doch nicht ausreichte. Be-
zeichnend fQr sie i.'st es, daß sie, trotzdem ihr geistige
Nahruii^^ und der Ideenaustausch mit ih n d.ainali;,'i n
Stiminführern der europäischen Littcratur und Bil-
dung sdir willkommen, ja. notwendig war, sieh nie
mit Rousseau befreunden konnte, dessen demokra-
tliche Gcöinnungen ihr besonders im „Contract so-
cial" zuwider waren und dessen „Emile'* sie in Rufl-
land verbot.
Unter dem Einfluß europüscher Geistesbildung,
bei der eigenen ^'eisfi;^er. Kiihri^kcit ist es nicht zu
verwundern, daß die Kaiserm selbst zur Feder griff,
wie sich in der dainaligen hohen Gesellschaft Ruß-
lands überhaupt ein bis dahin in dieser Ausdehnung
unbekannter Drang nach littcrarischer Äußerung zeigte.
Man hatte sich mit Jen neuen Ideen vo]lt,;es<)j^en,
aber da sie nicht auf dem Untergrund nationaler
Kultur und Bikiung hafteten, blieben At immer etwas
äußerliches, unorganisches, mehr eine liebgewordenc
Mode als inneres Bedürfnis. Was Katharina an-
langt, so teilte sich die litterarische Thätigkeit der-
selben in eine erziehungswissenschaftiichc, tagesschrtft-
Stellerische, geschichtliche und dramatische, wozu noch
Arbeiten auf dem (jelnete der Geset/yehung und
Sprachwissenschaft kommen. Schon aus dieser Man-
nigfaltigkeit ersteht man, daß keine derselben beson-
ders tiefgehend sein konnte, wie ihnen denn auch
unverkennbar ein liebhabermäßiges Gepräge anhaftet,
wenn auch Geist und Scharfsinn in vielen Einzel-
heiten vorbanden ist.
Der Eifer, mit welchem die Kaiserin eine er-
zieherische Reform anstrebte, beweist, wie sehr diese
ungewöhnliche Frau ihre I ierrschcrpflichten von per-
sönlichen Neigungen zu unterscheiden wußte. Diese
sinnliche, lebensvolle Natur hatte wahrlich keinen
Trieb, die Erneherin zu spielen und das VerhültniB
zu ihrem einzigen Sohn Paul, dem sie die Herrschaft
vorenthielt, deutet eben auf keine besondere Stärke
des MuttergeflUiIs. Außer den unmittelbar von ihr
veranlaßtcn Erziehungsschriften und Gesetzesvorlagen
griff sie .selbst zur Feder, um auf dem (lebiete des
Erziehungswesens zu wirken. So entwarf sie eine
„Instruktion" an den Fürsten N. J. Soltykow, den
Erzieher der Großfürsten Alexander und Konstantin,
ihrer Enkel für diese sammelte sie selbst nationale
Sprichwörter, unter dem Titel: „Au.sgewählte russi-
sche Sprichwörter" und schrieb: „Allegorische Mär-
chen". Es macht einen eigenen Eindruck, die Frau,
die ihren innnliehen Lüsten kanm Ztl^el anzulegen
\'ennochte, l'ierin die Tugend und .Sittlichkeit ;iieisen
und anempfehlen zu sehen. Dies ist sowohl in der
„Instruktion** wie in einigen Märchen der I-^all. In
dem Märchen vom ..('nrewic lUor" ist die Tugend
als „Rose ohne Dornen" dargestellt. In der „In-
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Nr. 38
struktion" erkennt man die Schüleritl LockcS, Mon-
taigne«, Rouüseaus und Basedows.
Die Zcitungsarbeitcn der kaiserlichen Schrift-
stellerin fatlen in die Jahre 1769^1784. Später, als
die Vorboten der fransSstschen Umwälzung sich an-
kiinf'.if^ten und endlich dlo-v ^rlhst --'.ch fiitliid. än-
derte sich, wie vieles ai-din , ,iu.;li ihr Verhalten zur
l'rcsse, dieillretn bcw< L;luii. n ( .. ist, ihrem Verlangen
nach Anregung und Abwccbsvlung so mannigfache
Nahrun)i; geboten hatte. Sie verfolgte mit einem
durch Alter und \*t 1 ■ insamunjj jiesteij^crten Mil>-
traucn jede freisinnige Rtyung und jede selbständige
Meinung; war ihr verhaßt, ein trauriger Abschlufi für
ein MerrscherlelH n. das so wie das ihre lange unter
dem Zeichen des freien Geistes gi-standen und dein
Volke die Fackel der Aufklärung des achtzehnten
Jahrhunderts vorangctragcn hatte.
Von i76q- -1774 fallen ihre ersten zeitungsschrift-
atellcrischen Versuche und zwar i-rschienen dieselben
in der Zeitschrift: „lUuit«.:. Alietlei". Der russische
Titel lautet: „Wsjakaja W'sjacina". Dieselbe wurde
unter ihrer Leitung von Kozickij herausgegeben und
beschränkte «ch auf das satyrisehe Gebiet. Als
Schriftstellerin von wahrhaft saluis.hir Begabun|.^
aber erscheint die Kaiserin erst spater in der von
der Fürstin Dashkow geleiteten Zeitschrift: „Gesell-
schafter für Freunde russischer l-itteratur". Hier
veröffentlichte die Herrscherin eine Reihe von Plau
derstücken unter dem Gesainttitel : ..(ieschehene:-
und Erdachtes" (Byli i Njcbylicy), in denen Mit-
glieder der Petersburger Gesellsehai^ verspottet wur-
den, in welchen man nicht schwer bcstinunte liekannte
Persönlichkeiten erkaniue. Immerhin ist der klare
Blick für .Schwächten der Gesellschaft wie des I'in
zelnen bei einer Frau und Selbstherrschcrin erstaun-
lich imd die flüssige Leichtigkeit des Stils bemer-
kenswert; diese scharfe Beobachtungsgabe wird man
auch in den später /u erwiihnendcn Lustspielen der
Ul^wöhnlichen Frau wied»:rfmden, die sich als voll-
kommene Kealistin wie im i^ben SO als Schrift-
stellerin bekundet.
In ihren geschichtlichen Arbeiten : Antidote, ou
cxamen du mauvais, Ubre, .«(uperbcmcnt imprimti, in-
titul^: Voyage en Siberie und in den „Notixen zur
üesrfiirhtc Rußlands" erweist sich die Kaiserin al*
Frau und Selbstherrscherin, indem sie «iich die (Je-
BChicbte »urechtlegt, wie es ihr gut dünkt Su- sucht
zu beweisen, daß die Zustände Rußlands in der Ver-
gangenheit und der damaligen Gegenwart nicht schlim-
mer seien als die anderer Lander. Wenn auch das
Werk des Abbe ("happe d'Anteroche; , .Voyage eii
Siberie" ein durchaus unwahres und oberflächliches
Machwerk ist, so kann die Widcrlcgun.:, wii Katha-
rina sie darstellte, nicht als beweiskratug j^i Iten und
sie hat selbst mehr oder minder heftige Beurteilungen
dieser Arbeiten erfahren, die sie jedoch gutlaunig
hinnahm, da sie es damals noch für gut fand, sich
mit dem Glanz i-ini r ilurrhaus inenschlifhcn , die
Wahrheit suchenden und Allen Gehör leihenden Herr-
scherin zu umgeben, was wii cl: .11 erwähnt, gegen
Ende ihres Lebens nicht mehr der Fall war.
Auch das Kansimittel, die Sprache, die sie als
Schriftstellerin in so mannigfacher Wei.se handhabt«;,
regte die geniale Frau zu emsigem Nachdenken an
und .so kam ein merkwürdigis Wirk zusammen:
„Wörterbuch aller Sprachen und Mundarten", das
in den Jahren 1787 und 1789 in «wei Bänden in
St. I'etersb:trj^' < rschien. Ks liefert bei mancher Un-
vollkommenheit wertvollen StotT für die vergleichende
.S])rachwissenschaft. Fs ist selbstverständlich, da&
1 die Kaiserin bei diesem Werk sich auf die roannig-
' fachste Art von Fachleuten unterstützen Heß, und
daÜ ihre Arbeit eigentlich nur eine Zusammenstellung
, des von jenen Gebotenen ist. Der russische Schritt -
I steller Pallas, der Ik-rliner Buchhändler Nicolai, die
Studien französischer Sprachforscher und anderer
trugen den Wissensvorrat herbei, aus dem der Bau
entstand, aber .■\nregung und Ausführung bleilH;n
nichtsdestoweniger das Verdienst der Herrscherin.
Die Arbeit ist immerhin dergestalt geartet, daß sie
die Aufnn i k .iiiikeit eines Mannes wie Jakob Grimm
erregte und das sagt genug.
Unter den schöngeistigen Schriften dieser viel-
j seitigen Frau, die man ihre litterariscbe Thätigkeit
• im engeren Sinne nennen könnte, nehmen ihre dra-
:ivi;ischen Arbeiten den größten l'aiini nii>! aic 1 rstc
Stelle ein. Namentlich die l.ustspieie otlenl)aren
!• Geist, Wit« und gute Laune. Man erkennt in ihnen
d<-n satyrischen Zug wieder, der bereits bei den
Zeitungs-OtTenbarungen der Kaiserin erwähnt wurde.
Auch das Wechselgespräcli ist stets lebhaft und natür-
lich. Für die bcstgelungenen dieser Lustspiele tuüt
man allgemein: „O Zeit" und „Der Fmu Wordalkina
Namenstag", die beide aus dem Jahre 1772, also aus
einer verhältnismäßig frühen Lebenszeit der Ver-
fasserin stammen. Heidt: arlx'itcn, was die Charak-
teristik anlangt, mit derben Mitteln und es werden
darin allerhand namentlich weibliche Untugenden
verspottet, so die Scheinheiligkeit, die Klatschsucht,
der Al>erglaube u. s. w. Auch einige dramatische
,,Proverbes", im Stil der Franzosen und in ihrer
I Sprache geschrieben, gehören der dramatischen Thä-
! tigkeit Katharinas an; al>er alle diese Arbeiten waren
zunächst nur dem Hot kreise zugän^ln h. l.i -ie auf
^ dem Theater der Eremitage aufgeführt wurden. Dies
I erachtete die Kaiserin mit Recht für angemessen, da
' ninnrhi rlrrselben eine scharfe Streitlust .itine ti-n tmd
I von dem llewiif^tscin ihrer Urheberin lui vicli .s l n-
I zulängliche, was sie umgab, ein vollgültiges Zeugnis
! ablegen, während sie, wie früher bei Gelegenheit des
I „Antidote" erwähnt wurde, dem Auslände gegenüber
I den Schein aufrc; !:! :'it ri ti.i'li n suchte, als seien tiie
russischen Zustämie niciit sclilimmer, ja, eher besser
als die anderer Staaten. Auch Opern entstammen
ihrer Feder, aber in der Weise, daß sie dieselben
in l'rosa ausföhrte und dann, da ihr jedes eigentliche
-sj)raclKlichteri.sche Talent abging, in Ver.st; setzen lieli.
Ctmarosa. und andere komponierten diese Opern, von
denen keine einzige sich erhalten hat, wie es fast
immer mit „auf höchsten Befehl** entstandenen Wer-
ken der Fall ist.
Diese mannigfachen Erzeugnisse ihrer dramati-
schen Thätigkeit sah die Kaiserin während ihres
Lebens gesammelt vor sich unter dem Titel: „Rc-
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Nr. 38
D&> Macazin fUr <lic Littcratat ilss In- ttod Au»lu»tc*.
595
cu< n (!( s [iil■cl ^ lionnöcs a» thcätrc de l'KrTiiitaj;e".
Unter ihnen sei noch der Lusts|»it lc, Re^cn die Frei-
maurer gerichti-t. ^'odacht. Es sind: „Der sibirische
Schamane", „Der Betrüßcr" und .,l>er Betrogene",
wie die Spottschrift „Das Geheimnis des anti-absur-
den Ordens, enthüllt v«»n citu 11 Ni. htlx teih^ten ".
Man begreift, daü eine rassische Sclbstherrscherin
des achtzehnten Jahrhunderts, bei allen Regungen
In irn (]c\<c-~. \\\c sie ihre rr^t.itnilirhe Erscheinung^
auÄiit ;cliii. n. Uli das iintstehen und die Verbrcitunjj
eines ( M In iitibundes unter itren Augen, dessen Ziele
und Zwecke sweifeiloa manDigfach übcrtriclien und
falsch gedeutet wurden, nicht gleichf-iltig bleiben
konnte und neben anderen Maßregeln •^' ■j^rv. den-
selben auch littrrarische Waffen benutzt wurden, wie
sie der geübten Hand der streitbaren Frau zu Gv-
bote standen. Für sie war das Freimaurertum jileich-
bedeutend mit Betruj^ und in dem Lustspiel: „Der
Uetriiuer" wird Caf^iiitstrc» ^e^eißclt. wodurch der .Stand-
punkt, den die Kaiserin dem Frcimaurcrtum gegenüber
einnahm, treffend gekennzeidmet erscheint. Für die
sittliche und fthis-hc .Seite dessi^lben dangen man-
gelte ihr otletiUai jedes Verständnis.'
In \V(!lcht;m Malie aber die Kampflust überhaupt
ein Bestandteil der litterarischen Thätigkcit Katha-
rina.«« ist, beweist die Oper „Ritter Kosometovtc von
di r ti :iuri>ien Gestalt", In ihr wird Kc'ini^ (justav III.
von Schweden, der Vetter der Librettistin. der aber
ntchtsdeatoweniger in oRenem staatsmännischi-n ( Ge-
gensatz zu ihr stand, verspottet, denn jede Waffe
war der kühnen und ener^;ischen Frau recht, wenn
CS sich um st.culu lu- Gej^enstromuiv,,! u '.> Ite,
So genügten ihr Streitschriften nicht, um den
mit der Feder ebenfalls schlagfertigen Gegner su be<
kfiTri;ifcr!. «rnflcrn ^'-r ;:rff 71! dein damals wie heute
eini^tiiiialkii unt4c\^oiiiiiiclu n Mittel einer komischen
Oper, um ihn l.icherlich zu machen, eine Art des
Kampfes zvvischen gekrönten Häuptern, wie sie in
jener Zeit des Alteinhcrrschertums wie zu jedcMr Zeit
etwas Unerhiirtes war.
Wenn man die Gesamtheit der litterariscben
Erzeu^;nisse Katharinas betrachtet, so merkt man.
daß ein grotkr Teil derselben ungeschrieben geblie-
ben sein wnirdc, wenn sie nicht Herrscherin gewesen
war«'. Staatsmännische und kriejjerische Gründe, die
mit ihren Ideen von Aufklärung, Fortschritt, Volks-
erzichung u. s. w. in engem Zusammenhang stdien*
haben diesellH-n veranlagst, wahrcnf) ein an<lerer Teil
seinen l'rsprunji dem jjeistij^en Ik-ilüiihis dieser viel-
vcrlanj^enden Natur, das in ihrer Umjjebung nicht oft
und %-oll befriedigt wurde, verdankt. Von der Ke-
gmtin und Schriftstellerin ist es daher fast selbstvet'
st.m.ilicli, sie sich auch ein^eh« t'.<) tüit schö])feri-
scher Ijesetzgebung bcschäfti^jte. So .setzte sie 1700
die „Kommission behufs Projektenentwurfs eines
neuen Gesettbuchcs" ein. Aus diesem Titel schon
ersieht man. wie f^roüi die Schwierigkeit der Herstet-
limj; dies» in lu-n Gesetzbuches der Kaiserin .selbst
erscheinen mußte und in der Tiiat ticlcn diese An-
regungen bald in nichts zusammen, da die Urheberhi
derselben sich über die Traywfirr der rlmfurrh hr-
zweckten fortschrittlichen Maßregeln nicht recht klar
war iin<l als sie dies<>lben eikanntc, v.c drun .An---
führung, wie namentlich der Abschaflung der I-eib-
eigensdialt, zuriickschrecicte, unterstützt durch den
Widerstand des Adels und der Grundbesitzer, die
<iieses Wetterleuchten einer neuen Zeit wie ein dro-
hendes Unwetter entsetzte
Als Grundlage für die Verhandlungen jenes
Atisschusscs nun entwarf Katharina den „Nakaz",
tl. h. eine llntcrwei<5iin<^ von S2(> Parnt'rnphen , von
denen ungefähr die i ialfte dem berühmten Werk
Montes<|uieus „lisprit lies lois" entlehnt sind, ferner sind
Locke, Montaigne und andere benutzt. Wenn die
hier aus^'edrückten und vorbereiteten GrundsStze
und Maßregeln auch nicht zur Ausführung nelanjjten,
I so ist der Mut und di«' Kühnheit der Verfasserin,
die weibliche Schwachheit mit großen Herrsdier-
iijf<-nsc]uil't(^n verband, doch bewun(!irn<:wert und
man bc^:i itt. daß dieser lirscheinunj; nüber ein
Voltaire nicht zu schmeicheln braucht • , wie es oft
den Anschein hat, wenn man den merkwürdigen
Briefwechsel, den der Patriadi von Femey mit der
„nordischen Scmira-nis" führte, durchfnr-^cht. Dieser
liriefwechsel Katharinas mit l>e<leuterHlen Zeitfjenossen
zeit;t mehr fast als ihre litterarischen Arbeiten die
Anmut, den Witz und die Vielseitigkeit ihres Geistes
tind taut spricht für sie die Anerkennung Friedrichs
des Großen, dii-, «. sehr ■^ii- vi,n hf'ifi-chcn und
staatsklugen kücksichten bestimmt sein maß. ein
j^utes Teil Aufrichti^jkeit in sich trägt. Ihm, dem
1 leiden, mußte dieses 1 leldentum eines Weibes Ach-
tung einflößen, so viel Ges))reiztes, Fffektliaschendes
auch an dieser Frscheinung haftet.
Friedrich U. hat nicht wie Katliarina von Ruß-
land die französiadte Staatsumwflfzung erlebt. Sie
luißte erfahren, daß die Geistesinächte, die sie ein
.Meiischenlelien hindurch verehrt, als deren Schülerin
sie sich empfunden, ein völlig niiu s Zcitalti 1 , li is
dem AHeinherrschertum wenigstens tlieoretisch den
Todesstoß versetzte, heraufbeschworen und so em-
pfand sie sich im A!u r in Zwiespalt mit sicJi s( llxt
und der Welt. So luuLite ihr der Tod , der sie am
17. November i7<|() ereilte, alseine Wohlthat erschei-
nen, denn auch das Altem muike dieser sinn Ikh wie
^tssti^' fast unersättlichen Natur Leiden bereiten.
Min merkwürdiges .S; n :;i iliil 1 ihres bewegten, voll
ausgelebten Daseins wie eine merkwürdige litterari-
sehe Leistung überhaupt sind flire allbekannten
,,I>enkwiin:!it;kciffn", welche von Herzen herausge-
gel>en wurden. D.i.s ilu 1111 Jahre 1M74 in Petersburg
errichtete Denkmal gilt natürlich der Kaiserin, aber
auch die Schriftstellerin von genialer Begabimg, die
sich audi als solche hoch über die Gienzen Ihres Ge-
! scUechts erhob, ist in demselben verewigt.
I
Das „Lessing -Theater".
Der Trieb, den dramatischen Musen möglichst
zahlreiche Heimstätten zu bereiten, schien nach dem
Brande des Wiener Ringtheaters eitiige Jalire lang
entschieden in der Abnahme bcgritTen. Selbst den
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^qo Dia Mayatte Hr dte
vcrwt'f^jcnstcn Thcaterfjründt^rn hatten schauer-
lichen Einzelheiten des erschütternden Un^ilucksfalles !
einen heilsamen Schreck eingeflößt, und die ver- ;
schärften sicberhcitspolizeUichen VorschiiTten thaten I
ein Qbrigcs, um die damals so (Ippig wuchernde 1
Biihnen-V'ermehrunßsv.rt (Um \ i iI'.Nt.itulii^rn Kriöschen
nahe zu brintjen. Krst in jüngster Zeil sind die Schau
häuserpläne wieder herrlich ins Kraut geai^osscn
wie di« Pilze nach dem Regen, und wenn es mit |
Anmut so weiter^'eht, werden die deutschen Wälder I
bald nicht nuln IIdIz jjenufj /u all den wekbedeu-
tendcn Brettern haben, die von leichtblütigen Unter- i
nehmern mm Bau neuer Kunstlempcl verbrawht '
werden.
Seltsamerweise und j^anz im Gegensatz .11 trübe-
ren mißlichen Erfahrun^jen kann man si>:h her von
diesem GrQndungsfiebcr, das immer bedrohlicher um
nch SU greifen beginnt, in eiiuelnen AusnalimefSJIen
gute Kolgen für dir- t^^cdeihliche Entwicklung unsrer
- trotz aller Retormbestrebun<ien noch sehr im
Arjjen Heftenden Rülwienverhättnisse versprechen. An
allen £cken und Enden wird das Merkwort „Volks-
büline*' ausfjegeben. Die Operette scheint plötz-
lich in Acht und Bann jjethan und fieberhaft halten
die Direktoren nach „Volksstückcn" Umschau, ohne ,
sich noch recht darüber im Klaren «1 sein, welchen |
Begriff sie ntit die.seni Wnrtc vi rbinitm snürn Iis
dämmert ihnen nur unbt stiüuiii aui, ilaü ein neuer
Geistesfrühiiny auch für die Bühne hereingebrochi 11
sei, daß unsere Zuhörerschart von der ewigen Tingel- i
tangelei, von der hundertfach aufgewärmten Kost aus \
Ml istr-, OtTenbachs Küche nichts mehr wissen wolle,
Die Uperette liegt in den letzten Zügen, die Posse,
die gebrechlich am Stabe einher>^ankt, wird ihr fol-
gen, cobald die leisten Brocken verschlungen sind,
die von dem Tische des seligen Kaiisch flbrig bhe-
ben Solchr Anzrirln n \v iril jrdrt l>esonnene l.it-
tcraturfreund, der mit gerechtem Unwillen die Bretter
mehr imd mehr cumTummdplatx sdditerSchlflprrislceit
erniedrtf,'t sali, mit htTzlichcr Freiiilr (iciirüßen. Mit
Genut;tauun^ wud er wahrnehmen, Juli selbst die
Großen im Reiche der Kunst sich dem belebenden |
Hauche, der durch die Coulisscnwelt geht, nicht zu
entziehen vermögen. Man denice nur an die Volks- |
l'iiliiK- 1 udwig Barnays, die unter di 111 Tiirl
„lurltner Theater" demnächst ins Leben treten
soll. Diese Bflhne kann, wenn ihr I^iter dem in
der Presse angedeuteten lobenswerten Programm
auch nur einigermaßen treu Meiht, unendlich viel
dazu bei!r.-i;;rn , <'<'n ( IcKcliniac': dv: Menge zu ver-
edeln und die dichterische Arbeit von der schie- i
Ten Ebene fransSselnder Nachäfferei wieder in die \
m'rrtrif !?ahn ehrlicher dcuttichcr .Arbeit zi; lrnl;en,
Hainay will ii-uuIk:]; in r. rsicr Luuc die Klassitcer und
das ,, Volksstück im höheren Sinne" ]>flegen. Was
er unter „Volksstück" versteht, wird sich ja zeigen ;
jedenfalls ist unsere Dramenlitteratur an volkstüm-
lichen Dichtungen Vivn I'iibnrn W'irksamkeit durch-
aus nicht so arm, wie tynische Spotter, die sich als ,
„alte Praktiker" aufzuspielen beliehen, IctchtglSulMgCn
Nichtswissern gern weismachen möchten — es ver- .
olbnt sich also wo suchen, man braucht nicht tief zu I
ttr dt* h'- Airiawki. Nr. i&
graben, um Goldadern zu entdecken. Sehr zu Gun-
sten des „Berliner Theaters" spricht auch der Um-
stand, daß für die Vorstellungen billigste Eintritts»
preise in Aussicht genommen sind, also nicht nur
den „oberen Zehntausend", sondern wbfcUdi dem
.,\''il5-:<-", eine rc^c Teilnahme an den Sdiau-Ge-
nüsscri ermöglicht wird.
Noch bedeutsamer für das dramatische Schaf-
fen der Gegenwart verspricht eine andere Bühne
zu werden, an deren Spitze der früher als Theater-
Ix'urteiler und iefztals Lust ■^pieKiichter so vielf^rn.iniit«?
ßcrlmcr Schriftsteller Oskar Blutncntbal steht: das
;,Lessing'Theater", das seine Pforten den Zu-
schauern eben geöffnet hat.
Zunächst einige Worte über das verlockende
l'rog r.i rii tu , das O.sk.ir iiliimenthal seinem Untei-
nehincn als ersten Geleit bricf in die Öffentlichkeit
mitgab t
.Clcstatten Sie mir" se> sclirie!) \\t'ni;^e Wo-
chen vor Pfingsten vergangenen Jahres der damalige
Haus - Rezensent des ^.Berliner Tageblatts'* seinen
Berliner Zeitungsgenossen — „Sie mit einem neuen
Theater -Unternehmen bekannt zu raachen, das ich
seit Jahren v< irliereitet habe, um es mm endlich sei-
ner Verwirklichung entgegenzuführen. In steter Ver-
bindung mit befreundeten ScbriftsleNem und KSnst-
lern trage ich mich ^ctt lann;er Zeit mit dem Plan,
ein neues Berlmcr i heater zu bcgrandeu, welches
zu den anderen Bühnen der Hauptstadt nicht in
fruchtlosen Wettbewerb treten, sondern sich ergän-
zend neben sie stellen und ausschlfefttich der mo-
dernen Bühnenproduktion L;e\vidniet sein soll. Es
fehlt uns nicht an Theatern, welcJic sich die edle
Pflicht auferlegt haben, die Werke der großen Toten
liebevoll und würdig zur Darstellung zu bringen.
Sowohl die HofbQhne wie das „Deutsche Theater"
haben dieser Aufgabe einen (iSenvicgenden Teil ihrer
Thatigkeit geweiht. Aber eben deshalb kommen die
lebenden Dichter nur in spSrHcher Auswahl fuWort.
Wir haben hervr^rra^'endo Werke bi-^weilen ritif ent-
legenen Vorstadtbüh.nen aufsuchen mii.sscn. Allem
Kühnen und Unversuchten pflegen unsere Bühnen-
leiter mit ängstlicher Sprödigkeit auszuweichen. Die
theatralischen Hirenschulden gegen die Dichter der
r,et:(n\vart bleibeii vie'fach iineinL;elnsf . . und liier
ist's, wo d.is von nur i;e;..l;inte neue Theater ergän-
zend eintreten soll I :s soll, um es mit einem Worte
ZU Ngen, das Theater der Lebenden werden.
Hier will ich. unabhängig von meinen eigenen fcriti-
schi n Neijumi^en und .'\t>neimjn^^en, dii- /eit(;enf>ssj.
sehe Bühnendichtung in allen ihren charakteristischen
Erscheinungen parteilos zu Wort kommen lassen.
Und an der Spitze diese«; Unternehmens werde ich
nur von dem einzigen l:,hr^ciz erfüllt sein, zwischen
den modernen Bühnendichtern und dem Berliner
Publikum, ein rühriger und vorurteilsloser Vermittler
zu sdn . . .*•
So f^sk.ir Blumenthnl über den edlen Zweck
seiner Bühne. Neben den Kimstgenüsscn Stellte er
dann eine Reihe anderer, nicht zu verachtender An-
nchmlicfakdten praktischer Art in Aussicht: Pferde-
bahnvotindingt Sicherheit gegen Feuersgefahr usw.
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597
Hit s« I'ii.rtrningcn können hier btUig Obcij^ngcn
wurden. Die Zuschrift schloi^:
„Mit erquickenden Beweisen der Zastlmmung
ist der Gc'danke des Unternehmens in schriflstclleri-
schen und künstlerischen Kreisen schon jetzt iH-yriiLU
worden und wenn die \'(>rl>cr<ntunj»en so rasch
weiter gefordert werden, wie es den Anschein hat,
so i^aulM ich Ihnen schon In kurzer Frist die i;e-
sicherte üi^^riiüdung des Unternehmens berichten zu
können, liuwtschen {jestatte ich mir, Sie um eine
sympathische Aufnahme meines Plans zu ersuchen."
Natürlich i-^t diese Berufung an die Herren Ge>
nossen nicht un<;Llifirt verhallt, im GegenteH haben
'-ich ;,-ui^i-n<i(.' v',n tlnl.vitjrTi Hrunlrti L;crrL;t, um Herrn
Blumcnthal wieder und immer wieder auf dem Wege
der Druckersciiwafze m veraicbem, daß in deutschen
Zeitun^sstuhen sein Plan in der Thal jener wohl-
wollenden Aufnahme bejjegne, welche man überall
tla so nachdrücklich zu bekunden pflegt, wo Krfolge
auf litterarischem Gebiet zu berücksichtigen sind.
Das Theater der Lebenden ist in die Höhe (^wach-
sen, rinprinutet von allen kU inrn und ^tofH'ii Glocken
der Anpreisun)», die cifri|i d.iiur in Bewcgunu gesetzt
wurden. Aber das soll nicht einmal getadelt werden,
denn Klappern gehört heutzutage nicht nur lum
Handwerk, sondern — leider? •- auch rar Kunst,
und <'inc l; Ute Sache ri-t iiirrrtii.;! m.Tnciiin.Tt den lu
kannten Satz von den Mitteln, die der Zweck heiligt.
WkhtiKef ist die Frage, ob die litterarische Ver-
jjangcnheit Blumenthals hinreichende Bürj;«chaf! dafür
leistet, daß er Manns genug ist, seine Verheiüungen
in Thaten umzusetzen.'
Wenn nicht alles trägt, so wird man diese Frage
mit einem „Ja" beantworten dUrien.
Prüft man iinVperatifji'ii den litterarischen Knt-
wicklungsgang Oskar i>UuiRnthals , so drängt sich
SWingend die Überzeugung auf, daß man es hier mit
einer schriftstellerischen Kraft zu thun bat, denn
ernstes Streben unbedingte Achtung abnötigt.
O'-.k.ir niuini nth.:il l>r^;.inn .lU f tiT.TUs(;eber eines
vielbespötlelten Blattes für Mondscheinlyrik, der
„Deutschen Dichterhalle", um bald darauf die Feuille-
ton ■ I.eitung des , .Berliner Tageblatts" zu nhcr-
nehmen und sich dort als witzelnder Thcatci richtcr
zu entpuppen, der selbst vor dem bluti^-t< ii Kalauer
nicht turiickschrecktc. Hatte er in der „Deutschen
ENchterhalte'* vornehmlich als Verfasser anzüglicher
Mricn-rn'itrn Nf ifizi-ri ^^e;^t"in/l. die oft eint- nicht m wuhn-
liche Liegabung lür epigraiUiiiaSisclic Schiirte veiiielen,
so pflegte er als kunstrichtender Anfänger zunächst
den schnoddrigen Berliner Wortwits, jenen Bastard
des Humors, der einer Augenblicks -Wirkung zuliebe
sich jeder tieferen satiriscfien Absicht lifgiebt und
mit silbenstccherischer Unverfrorenheit die erhaben-
sten Dinge in den Kot der iJcherliehkeit henbierrt.
Durch seine herbe Art, mit einipen woh^fi ilen Ka-
lauern strebsame Bühnendichter und Scluus])ieler
kurzweg abzuthun und dem Gespött aller Berliner
Hohlköpfe preiszugeben, wußte er in nicht gerade
gutem Sinne die allgemeine Aufmerksamkeit auf sieh
lenken, und seine niclit Iniüier ..goldene" Rück
sichtslosigkcit im Absprechen erwarb ihm den zwei-
fi'Ihaften Reinniiien .,der blutige Oskar". .Als solcher
ist er eine Zeitlang mit wahrhaft schari richterlicher
I Grausamkeit seinen Opfern an die Kehle gegangen
und manches junge Talent hat unter seinem Henker-
beil bluten müssen. Der Berliner BierphiHster frei-
lich, für des.sen Eisbein- und Sauerkohl -Ästhetik ein
Jacobsonsches Coupkt den Gipfelpunkt dichterischer
Leistungsfähigkeit bedeutet, nahm mit schmunseln-
j dem Reli.i^^'en von iliesen Massen Hinrichttinpen Notiz
j und munterte den Lessing des „Berlmcr lagcblatts"
: zu immer gröberen Anzüglichkeiten auf.
1 Das Blatt wandte sich erst ein weni^, als Oskar
I Blumenthal selbst anfing, BQhnenstücke zu schreiben,
Bidinenstücke so anfängerh.iften G. iiräj^es, d.iG wohl
I nur die Furcht vor der Rache des Kritikers die
I Direktoren bewog, dem Dichter Blumenthal die
Bühnen-Arena zu öffnen. Seine ersten schüchternen
(Gehversuche auf den weltbcdcutenden Brettern er-
wiesen sicli atn-r .tls so täppisch und unzulänglich, daß
eine Ablehnung unvermeidlich war und die zahlreichen
Gegner des gefDrehteten SchriftsteDers sieghaft ins
Fäustchen lachen konnten 7o^ <kKh die dichte-
rische Niederlage BlumeiUhaLs auch den Kunst-
richter stark in Mitleidenschaft, da man gerade in den
Kreisen seiner getreüesten Anhänger am zäbesten der
Ansteht huldigte, ein Sdtriftstelkr, der andern so
sel'.nrf auf die Finger zu passen verstehe, tnüsse es
auch besser zu machen wissen als diese. Jeder
einigermaßen geschulte Primaner weiß nim zwar,
daß solche Ansicht ebenso lächerlich wie unge-
recht ist, denn Urteilen und Schaffen sind zwei
grundverschiedene Dinge und die Meisterschaft auf
dem Gebiete der einen schließt nicht atis, daß man
ein Stfimper auf dem Gebiete der anderen sein kann;
aber zu }:<'innen w.ir es Herrn Blumenth.il immerhin.
I daß er von dcrsi Iben oberflächlichen Menge, die seine
] Beurteilungen mit heißhungriger Gier verschlungen
I und ihn als „geistreichen Aboin" auf den Schild ge>
hoben hatte, jetzt infolge der bewiesenen dichte-
' ris( hen Unkraft auch als Bi tirteiler so ^;r,ui-
sam verllöhnt wurde. Möglich, daß Blumcnthal die-
sen jähen Wechsel der öffentlichen Gunst sich zur
Lehre dienen ließ, mn^dich auch, daß er heim
Schaffen einsehen gelernt hatte, daß aufbauen doch
ein gut Teil schwieriger sei als niederreißen : kurz,
die angenehme Folge seiner mißglückten Bühnen-
Versuche war die, daß er in seinen Urteilen
t"i)rtan eine«; milderen Tunes sicli /.u befleißigen ,in-
hng, daß er den Geheimnissen des poctisclitn Schaltens
sorgffltlger nachsuspüren sich bemühte und ebenso
warm anzuerkennen lernte, wie er früher herbe ge-
tadelt hatte. Der verletzende Ton schwand mehr
und mehr, an .Stelle stichter Witzhascherei trat ein
wohlthuender Ernst, und wenn er sich ja einen sa-
tirisehen Ein- oder AtisTatl nicht „verknetfen" konnte,
.so kleidete er ihn mi-i«; in ein so zifrliches Ge-
wand, daß selb.st dei (jetiinü tu dem losen Spötter
nicht dauernd böse zu sein vermochte. Der Welt
bheb natürlich diese gründliche Umkehr zum Bes-
seren nicht verborgen, und der halb und halb schon
erschütterte Ruf niunienth.ils festii;te sich in dem
1 MafSe von neuem, als seme Rechnung auf die rohen
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59»
Dm Majpnin Nr die Uuenlur dm In- vnd Aiislandn.
Nr. iS
[nstinkte der Masse dem Bestreben wich, (irr klei-
neren Schar wahrhaft Gebildeter durch gediegenes
W'is^i n und sachlich begrQndetes Urteil Achtung
einzuHößen.
Frellfch i»t ja auch heute noch immer die Zahl
der Widi'T^acher Bluim-ntlial-. kein»- ^'rrinL;!' , fr«-ilich
wird er .aicli liciite noch fast so heftij^ I >i kiniipft und
angefeindit wie früher, ai)cr doch meist von jenen
Revolverhelden der Presse, die ihren Mangel an Sach>
und Fachkenntnis durch eine gehörige Zuthat Frech-
iieit vertuscln n können glaiilx-n iiml t-inem Schrift-
steller nie das sciiwore Verbrechen verzeihen, ihnen
geistig abcrtegcn /.u sein t lannloscr stellt sichdasBcgin'
nen einiger urteilender Hei&spome dar - - ,,gra!;^r<lner
Litteraturlcnaben", \ne Herr Blumenthal treffend sagen
wüivlc .Iii- mit redlichem, abt.r leidor oft blindi-m
Eifer seine lilterarischen Verdienste noch unter die
Höhe schriftsteHcrisdier MlttelmSOI^eit herabdrQcIcen
möchten irnil dabei n>i( ji'ntT iK-neiilenswerten Oln-r-
flächlichktit /.u Werke gehen, welche so liäiifig die
Geburtshelferin jugendlicher Kunstbegeistcnmg zu sein
pflegt. Da werden Stellen aus Blumcnthalschcn
Theaterstücken und Beiirteiluitgen unwillkürlich hcr-
au'^s;' 1 i' n und aus verfehlten F.inzelheiten kühne
Schlüsse aufs Ganze gezogen ; der Hlumenthal der
Vergangenheit wird gegen den lilumenthal der (je-
genwart ausgespielt, und der harmlose Leser durch
den angeschlagemm Brustton der Cberzeugimg und
einen tönenden Wortscliw .ill iLnii verblüfft, dal> er
am Ende die Erfolge Ulunicnthals für gleichbedeu-
tend mit dem Verfall der deutschen Litteratur
zu hallen geneigt ist. Gegt-n solche ungeheuerliche
Übertreibungen, die von nichts weniger als vfirn«-hin
abwagender Gründlichkeit und ruhiger Wahrheits-
liebe zeugen, muß Einspruch erhoben und den jungen
Starmem geraten werden, lieber bei Blumenthal
in die .Schule zu gehen, Statt ihm den Standpunkt
klar machen zu wollen.
In seiner Schule läin sirli \k-[ lernen, denn
Blnmentbal verfügt - - das iiiuti ihm der Neid bssen
— neben ausgebreitetem litterarischen Wissen über
eine ganz hervorragende kritische Begabung. Man
nehme sein Buch „Theatralische Eindrücke"
sur Hand, das eine Auswahl seiner besten Zeitungsbe-
spr<-f hiiHL^en bietet, jede einzelne s<irgraltig durchgefeih
und eigaiizt. Welch' eine Fülle fi-iner Bemerkungen
Seite für Seite ! Welch* ein scharfer, tlurchdringen-
der Verstand, wckh' eine unerbittliche Ixvgik der
Untersuchung offenbart sich in diesen Abhand-
lungen, die sich wie leichtgeschürzte Plau(i<Tei<'n U'Si n
und doch bei aller Anmut der Form, aller Zierlichkeit
des Witzes und der Satire den Frnst der Sache zu
wahren wissen ! l'reilich, die Methode hat manch-
mal einen Beigesclim.ick von Jesniiismus, Blumen-
thal spricht über Wildenbrurb - uml er naht sich
dem Dichter, den Hut in der Hand und ein Lob auf
den Lippen, um ihn dann abschfitaetul ni vermöbeln,
daß es rt'ir Art hat, Anrici-n bei .Santnii' I »en
laßt Blumenthal SpießruK n l.mien, kto])ft ilua »iann
freundlich auf die Schultt:r und scheidet von ihm
mit begeistertem Händedruck! Der Leser gewinnt
den Eindruck, als ob dieser Wildenbnich trotz all'
seiner Vorzüge ein StQmper, und dieser Sardou trotz
; all' Reiner Fehler ein Genie sei. Schließlich merkt
er die Absicht und wini \ L rstimmt. Aber abgesehen
von solchen Anwandlungen stark persönlicher
Natur — wer sich frei davon RHih, werfe den ersten
Stein! Mctet der kritische Stoff, den Oskar
! Bluinenth.il la diesem Buche anguliauli iiai, genug
] des Wertvollen und Anziehenden, um ihm unter
j den k:bcnden Beurtcilcm, insbesondere Berlins, einen
j ersten Platz tu sichern. Er versteht es wie kaum
I ein zweiter, den Nagel, um den es sich handelt, auf
, den Kopf zu treffen, eine poetische oder schau-
spielerische Leistung S( im u > hii n Namen zu nennen!
Über du: dichterischen Fähigkeiten Blumen-
thals hat man viel hin- und hergestritten; die einen
haben ilm in ihn Himmel geholn-n , die andern ihm
seine Uültnenerfulge nach Möglichkeit zu verbittern
getrachtet, und mancher kritische Probepfcn, der von
dieser Seite gegen ilm abgeschossen \vur<le, ist mit
einem Tropfen wirksamen Giftes getr.änkt gewesen
' Die Wahrheit dürfte auch hier, wie so oft, in der
j Mitte liegen. Es wird sich Gelegenheit bieten, später
I auf diesen Gegenstand znrfickzukommen; wir werden
ihm nicht aus dem Wege gehen. F'ür heute nur
die sachliche Bemerkung, daLv Blumenthal auch als
Bühnendichter stetig fortgeschritten ist und in all*
und jeder Beziehung ein Strebi n nach immer höheren
Zielen gezeigt hat. Vom ..Probepfoil" bis zum
„Tro))fen Gift" welch' ein .Schritt! Wahrend
I L'Arronge und Andere tiefer und tiefer in die
I Sphäre des litterarischen Dilettantentums herabsteigen
, und mehr und mehr die l'"ühhing mit dem Geiste
der Zeit \'erlieren. weiß fiskar Blumenthal seine
Bühnenbilder innner farbiger auszumalen und immer
neue Gebiete des modernen Lebens seinen Zwecken
i nutzbar m machen.
l'nil das erfüllt uns mit frohen 1 1 fTr.iin.^en für
I die Zukunft der Bühne, die seiner eigensten thatkräf-
' tigen Inangrift'nahme ihre Entstehung verdankt. Ein
Theater der Lebenden! WahHiaftig, es verlohnt
sich, diesen fnichtbaren Gedanken, der seit Jahren
in Z«'itungen und Zeitschriften ein theoretisches l)a-
sein fuhrt, praktisch auszugestalten. Das Berliner
„Deutsche Theater**, das mit so pomphaften Ver-
sprechun'.^ II 'r. I'.rscheinung ir.it, i<t seinen Idealen
schnell gl iui^ ,ii)trünnig geworden, sür den leben-
I ilen <ii-utschen Dichter, für die Pflege moderner
I heimischer Poesie ist kaum ein bescheidenes Eck-
I chen darin übrig gewesen. Und hier ist es ja,
wo Oskar Biuineiitbal ,,<'rg;inzenil eintreten will".
Sein zähes Wollen, sein scharfes Verständnis, sein
achtbares litterarisches K<innen geben uns Gew.Hhr
dafür, daß er sein Ziel, „die zeitgenössische
Bühnendichtung in allen ihren charakte-
I r i st i sehen Erscheinungen" zu pflegin. nicl t
so leicht aus dem Auge verlieren wird. Mag er nun
wirklich „parteilos" dabei verfahren! Mag ihn
nun wirklich ..nur il^ ' ( 'n/i.;;' l-hri^i i,'" . rfullen,
,, zwischen den moderiivu iiuit!ii tKln.:li;v rn uiui ilcin
Publikum ein rühriger und vorurteilsloser Ver-
I mittler" zu seint Die „theatralischen Ehrenschulden
1 gegen die Dkhter der Gegenwart" werden dann
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Nr. j8
1>A> M3|*.-i7.in flir dtc t.itt«ra(ur <)c-» In- und Auslandes.
599
nicht r ..iiii<-in>;clost" bleiben, wir werden hcr-
vorraj/endc- Werke, wie Wildenbruchs „Neues Gebot"
und „Väter und Söhne'*, nicht länger auf „entlcf;enon
Vurstndtbiihnen" atifzustichcn bralpchen und Herrn
Bhimenthal, der als Thealcrleitcr „allem Kühnen und
l'nversuchten" nicht „än^jstlicli auszuweichen" ver-
spricht, gern die kleine Abweichung von seinem
Pro^mm gestatten, dafi er sein Theater der Lefaen-
dcn mit driii Werk eines f»r<>ßen Toten eröffnet und
mit dein Namen eines grolieu Tuten geschmückt hati
Berlin. Max Stempel.
Eine sonderbare Geschichte „Wilhelma I. i
und des Deutschen Reiches". '
William I. and thc German Empire. ^
By C- BkiMU Smltli. l.utHlon Sompion Low, Manl«n. Searl«, and ^
Rivincloii mXJt
Lin Icithlkrti^er gearbeitetes, odu: •lii liiKhi n;-
snmmen^je.stoppeltes Buch, als diese so;^;i ii intiU' ( ',,
schichte „Wilhelm» i. und des Deutschen Kciclie»", i
ließe sich kaum denken. Eine Anzahl der bekann* |
testen f;eschichtlichcn Thatsachen sind aufs Unglaub-
lichste durcheinander j^eworfen Mancher wichtigen
Vorjjänne wird in dem ^(^•, Sciltri umfassenden
Werke mit keiner Silbe erwähnt. Einzelne Persön-
lichkeiten von hcrvorrajjender Stellung; sind j»arz
»mterdrückt; und /vwir ti.d es den Anschein, als ob
ihre Nicht-Nennung durch eine gewisse politische J
Farteilidikeit des Verfassers veranlaßt sei. Die |
Schreibung von Namrn ist iiu hr^i':!! i ? ^mllhornt. '
Kurz, dies Buch, durch wtlciies wii uns mit Mühe
durchgeschleppt haben, ist eines der uner<iiiicklichsten
Erzeugnisse auf dem Gebiete der zeitgeschichtlichen .
Darstellung.
riU-ich jju Kingany werilrii itic I'rci;,;-ii-s<-. \m "che
in l'reulien im Jahre iH.\]: und m ^nm. i^eutsclii.tnd
in den Jahren i84Ä'— 49 spu ItLii, auf die unerhörteste
Weise vermengt, sodaß der Leser wie in einem
Labyrinth heillos umhernetrieben wird. Von der
Deutschen Nation il M i s-dumlunj;, welche bekanntlich,
infolge der März - Erhebungen, ani itl. Mai zu ,
Frankfurt unter GlockengeMute und Kanonendonner ;
eröffnet wiinie, heißt es auf S. .'Ii:
„Ks iDag iner erklärt werden, daß au: irvolutio-
näre Bewejiung des vorher^ejjanj^enen Jahres die ■
deutschen Fürsten gezwungen hatte, der Wahl einer
Nationalversammlung oder eines allgem^nen Kon- |
j>re-sses von Vertretern dt< dnitschen Volkes /uzu-
stimmen. Die Versammlung trat zu Frankfurt 1K49
zusammen und wählte den Erzherzog Johann von
Österreich aum Reichsverweser, um die Angelegen- .
heiten der deutschen Nation überhaupt ru verwalten. '
r-i ulW n nnhni ilif Wahl übel auf Die Versammlunj^
erkor zunächst den König von Preuüen als erblichen 1
Kaiser der Deutschen." |
Also im f.-ihre iK)9 trat dif !Viit';chf Nat-onal-
vcrsaminlung zusammen! Und weii Freulicn die ,
Wahl d<'s I'r^hcrzogs übrl aufniliin. darum <TA.ih!te
man „zunächst" den König von Preußen! Solche
Verkflrsung der Geschichte ist wohl kaum noch da-
gewesen.
Daß der Bundestag zu Krankfurt, in welchem
alle deutschen Regierungen, einschließlich Preußens,
vertreten waren, vor seiner AuAüsung förmlich, namens
aller dieser Regierungen säne verfassungsmSßtgen
Befugnisse und Verpflichtungen an die neue Zentral-
gewalt iilxTtrug und dieselben „insbesondere mit
dem Vertrauen in die Hände Euerer kaiserlichen
Hoheit, als des deutschen Reichsverwesers, Ic^e,
daß für die Einheit, die Freiheit und die Macht
Deutschlands fM<.t"M . <iv'<li winli" davon hat
Herr Harnett .Siiuth kerne Ahnung, obwohl irgend
ein \V< rk übi r tiic Deutsche Revolution ihn darüber
im Nu belehren könnte.
Thoricht wäre es natürlich, von einem aolchen
(k-scIi > liisl.i niu r auch nur zu erwarten, daß er deu-
tsche Wörter und Namen richtig abschreiben könnte.
Die „allgemeine Wehrpflicht** stdit sich bei ihm
sanskritisch, ungeheuerlich als „/Mlgemeinewehr-
[>flicht" dar. Der Geschichtsschreiber und V'olks-
vertri ter Dahlmann heißt bei ihm „Dalimann
Uuncker „Dunker*', Festung Lotzen „Lontzein",
Würtemberg „Wflrtembuig" n. djjl. m.
Manche der merkwürdig« nOi;, 1"; n .^f = Verfasssers
sind wohl auf französischem lioden zu suchen, denn
Weißenburg und PfaUbui^ heißen Ixi ihm immer
noch „Wissemburg" und „Phalsburg" -• aller-
dings eine Mischung französischer und dctttscher
Schre ibart I )•(• '.i-n l' iriligrath ruhmvoll 1 ii'smi^<'tu'
Berliner März - Erhebung ist ihm - wiederum fran-
zösisch — nkbts als eine „Erneute". Das „I^ibregi-
ment", wofür sich eine dem englischen Leser ver-
ständliche Übersetzung hätte finden lassen, giebt er
als „Leib regiment". Nach sonstigen ProlK-n seines
Wissens möchte nun beinahe annehmen, daß er
„Leib" för einen Personennamen gehalten hat. Von
der liberalen Presse sagt er nachdem er vorher
I li-rrn I.owe angeführt, der eine Lebenslu'.schreibung
des Reichskanzlers verf.ißt hat, aus welcher Herr Baniett
Smith fleißig absdircibt — , sie habe bei Emennimg
Bismarcks geantwortet: „Bismarck — c'est le
coup d'etat". Die -liut^>'n Presse bedient sich
also der franzosischen Sprache! Wo es sich ge-
schichtlich um den Tod »ines Mannes handelt, der
im Get'Mn^^'ni-; seinem Leben mit eigener lland ein
Ende rnaciue, ila behauptet Herr .Smith: „er sei hin-
gerichtet worden; was von <les Ministers Standpunkt
vielleicht nicht die klügste That war".
Daß bei Schilderung der VcTfassungskfimpfe in
Preußen während der Sicli/i.'.er Jahre dem Leser
nichts über die cigeniamliclie Rolle gesagt wird,
welche Lassalle dabei spielte, obwohl der Rcuhs-
kansler sich selber später darüber äußerte, wird nach
dem Vorhergehenden kaum Wunder nehmen. Nach-
ti.i^lich In in n wir: Das 1 liiipt/:''! der .,dernnkr.i:i-
sehen Arbeiterpartei, deren Hauptquartier in Stutt-
gart tnid Leipzig war, imd die dnen Dredisier und
Journalisten zum Führer gehabt, sei gewesen, ,, Europa
und inübcsondere Preußen und den Norddeutschen
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6oo
Du Ma^caiiB ßlr die Liucraiur des In- and AutUndcs.
Nr. 38
Bund in eint- An/ahl kleiner kommunistischrr
Republiken au«.cinanilcf /.u brcclien". Man kann
Grundsätze und Ziele dieser Partei sehr woh! miß-
billigen; aber solcher ftrischtnaach und solche Ver-
drehungen der bekanntesten Dinge sind denn doch
nicht erlaubt.
Zu der schleswig-hol&tein&chen Sache entwickelt
der Verfasser ebensoviel Unkenntnis, wie deutschfeind-
liche nesinnung. Im übrij;cn ist seine Darstellung auch
hier cm wahres Muster von Kraut- und Rüben-Durch-
einander. Er beschuldi}{t Deutschland eines „Geistes
des Übergriffs" und der gcwaltthätiKcn Unterdrilck-
ung. Er stellt die Staatsstreichspolitik dänischer
K(init;e über tlas bekannte verbriefte Re< bt >ler Her-
zogt Utner, „zusammen zu bleiben auf ewig und un-
geteilt'*. Dieses verbrieften Rechtes erwähnt er na-
türlich gar nicht oh aus Unwissenheit, oder aus
Absicht, das bleibe unerörtcrt.
Den schleswig-holsteinischen Krieg von 1863—64
leitet er mit den Worten ein: „Als das Jahr ifi()\
anbrach, wnr n' ch einifje Hoffnung! vorhanden, es könne
der Knet; abgewendet werden. England sympathisierte
Stark mit Dänemark in Bezug auf die Schwierigkeiten,
welche dasselbe mit — Preußen hatte." Also mit
Preußen? Nicht mit der j;esantten deutschen Nation,
durch welche bekanntlich die Regierungen zu Berlin
und Wien erst in die richtige vaterländische Haltung
durch eine unwiderstehliche Massenbewegung hin-
eingezwungen werden mußten?
Gleich darauf .sagt freilich Herr Barnett Smith
selbst, jedoch abermals mit der schauerlichen Ver-
worrenheit, welche seine Darstellungen meistens
kcnnzeiclinet ,,( istei :t ich uii'i I ii 1 s c h 1 a n d , welche
im Januar von den deutschen Liberalen als Freunde
der nationalen Sadie angeklagt wurden, erkannten
noch die Rechte ("hrictians IX nuf die ganze deutsche
Monarchie unter Jein trage von 185^ an." Hier
steht „Deutschland" statt Preußens, oder vielmehr
Statt der Berliner Regierung!
Bei Besprechung des polnischen Aufstandes von
1863 64 treffen wir wieder auf die erstaunlichsten
malerischen Verkürzungen. Herr Bamett Smith kennt
da hl den paar Zeilen, die er einer Erhebung wid-
met, uelelie (l.ullnk i^nm üuropn aufregte, und liir
russi.sche Streitmacht f.i^t ein Jahr in Anspruch nahn»,
nur den Namen Mi( i o sla a , k i nicht den L an -
giewiczs. Von der Haltung Maz/in:s in dieser
Sache hat er nicht entfernt den richtii^i ti Hegriff. In
den prt ui.M^cht n Verfassungskämpfen unterdrückt er
die Namen der bedeutendsten Fortschrittsführcr.
Obwohl er nicht bestreKen kann, dafl die Verfassungs-
hevtimmitnj^'en t;e\valtthätig gebrochen wurden, ver-
mag et CS ( itetiD.tr nicht über sich zu gewinnen.
Männer von elnnso bedeutendem politischen wie
wissenachafdicbca Kufe zu nennen, welche in jenen
Tagen das Parlamentsrecht vertraten. Herr Smith
ileiilet an, daP er auf dem Standpunkte f '.irl) be-
steht. Dicsct redete t)t'kanntiich der starken per-
sönlichen Regierung das Wort. Die Stimm- Urnen
wollte Carlyle mit den Fußen weggetreten wissen.
Dem General Wolseley sprach er einmal die Hoff-
nung aus, ihn eines Ta'^es das englisehe Parlam^t
I auseinander treiben zu sehen.
„Der Pöbel urteilt nie mit VerstandesgrOndcn*'
1 (mobs never arguel .sagt Herr Smith bei Erörterung
' der Berliner März-Ereignis.se von tH^n. Auf Grund
einer der t iefen ^ 1 u i le n . a us denen er .schöpft, bezeichnet
er kurzw«^ als „Verleumdungen" die klarsten, von den
hervorragendsten Zdtgenos.wn (man braucht nur an
Varnhagcns „Tagebücher" zu erinnern! bejicugten
Thatsachen, wenn ihm Uu-se nicht in sein Gemälde
passen Indcs.sen genug und fibergenug von einem
Werke, das den mit den Ereignissen und Persön-
lichkeiten nicht Bekannten trrellchtelieFend t&uscht
und daher, was Verläßlichkeit betiifR, eigentlich ZU
den „verbotenen Büchern" zählt.
Hugo Hardegen.
Zw Oeschichtslitteratur Frankreichs.
Unter den französischen Geschichtsschreibern der
Gegenwart nimmt der Herzog von Broglie eine her-
vorragende Stellung ein
Während sich in dem letzten Jahrzehnt eine
Reihe namhafter Forseher, wie Boulay de la Meurthe,
; Albert Sorcl, A ("hii<;i:et u. a. mit einer (pielli nge-
' treuen Klarlegung dci I ranzösi.schcn Staatsumwakung
, beschäftigen, setzt der Herzog de Broglie mft
Benutzung neu entdeckter Urkunden seine Unter-
, suchungen über das Zeitalter T^udwigs XV, fort.
Kridiere Arlieiten Über die roiiii';che Gesclnchte im
vierten Jahrhundert , über julianus Apostata und
Theodosiu.v hatten ihm schon vor Jahren einen
Platz in der Acadt'mie fran*;aisc verschafft. Allein
' seine staatsmännischc Thätigkeit als Abgeordneter.
Gesandter und Minister, die er nach dem unglück-
I liehen Kri^e von 1870—71 auszuüben hatte, hielt
ihn fem von seinen Studien, und erst nachdem ihn
seine ^Tißc^fo!;:^• atif «;t<Tatsbürger1ichem Gebiete von
jeder ötfcntiichen Stellung zurücktreten ließen, wid-
mete er wieder alle aehie Kittfte der Geschidits-
«risseiucbaft.
So erschienen von ihm: Le secret du rai, cor-
rcipnmlances secre'es de j.ouis XV avec ses agcnts
diplomatiques - bredtfric II et l.ouis .XV Fred<J-
ric II. et Marie-Therese - hieran .schließt sich das
in diesem Jahre in zwei Bänden veröffentlichte Werk:
Marie Therese, Imperatrice. 1744 1746. Paris.
Calmann I.evy. Das.selbe erschien als eine Reihe
von Abhandlungen im vorigen Jahre in der „Kevue
des deux mondes*' und erregte sdion hier al^emeine
Aufmerks.itnkeit durch eine Fülle feiner Bemerkun-
gen, die /.um Teil aus wenig bekannten Urkunden
geschöpft waren, durdi kbne und mparteiische Auf-
fassung der hl jenen Jahren so verwickelten staat-
lichen VerhShnisse und durch eine warme oft schwung-
\nlle. aber niemals hnchl raliendt- DarstcUungsweise
\\.ihtcnd aber Broglie in der „Revui;" die.scs
Werk bezeichnete: Etudes diplomatiques, la scconde
lutte de I' rcd«Jric Ii et de Marie - Therese , dapris
des documents inddits, hat er für die Buchausgabe
üigiiized by Go9gle
Nr. 38
Das Magasin Air dje iineimtiir des In- mul Aaslanda.
«Ol
den Titel gewählt: Maric-Th(^rt;se, Imperatrice, und
zwar ohne recht ersichtlichen Grund. Man wäre da-
nach berechtig, eine Charakteristtk der Kaiserin,
eine Darstrllun^' ihrer krit ^cri^chen und volkswirt-
sctiaftlichcn Unternehmungen von Urogiie zu erwar-
ten. Aber von diesen Dingen wird in dein Wetke
nichts oder verschwindend wenig gesprochen; es
hehandeh fast ausschließlich die militärische und staat-
liche Teilnahme Frar.kri ichs an dem osterreii:tii-.rb. n
Hrbfolgekri^c in den Jahren 1744 — 1746 und führt
uns vor Avffen die Btaatsmanntschen Beziehungen
zuisciun Fticdriih !L unil l.;u!\vi;4 XV. und die «je-
hcmua, hinter l-ricdrichs klicken gepflogenen Um-
triebe zwischen den francösischen und 5»terreichischen
Gesandten.
So kommt er denn auch am ScMuß seiner ge-
schichtlichrn rntt tsitchunK zu dem Krjjebni-; , ilal»
es lächerlich sei zu behaupten, l'"rankreich halx- \or
Ausbruch des siebenjähri}<en Krieges Pu ußtn nnr (
deshalb verlassen und sich auf Seite des ei^^enen
(jejjncrs gestellt, weil Maria Theresia mit der Pom-
padour liebäugelte und Friedrich der Groi« su h un-
vorsichtige Scherze über Ludwigs XV. Liebschaften
erlaubte, wie noch jetzt in allen Geschichtsbüchern
zu lesen sei; der wahre (inmd dieser unerwarteten
Wandlung ist, nach llrd^^lic, ernsthafter und liegt
tiefer. „Das plöt/licl.c 1 ntstchen einer großen be-
waffneten Macht in den Ebenen Brandenburgs," sagt ;
er, „mußte ohne Frage die alten Bundnisgruppcn j
d'ancien syst6mc fedt'ratifi Europas xerändcrn, ebenso '
wie ein neuer Planet, der zufällig sin Weltraum auf- 1
taucht, die ganze Ordnung des Sonnenplanes, wie
ihn Kopernikus und Neuton darstellen, notwendig I
stören muß." (II, 403.) Leider ging den französi- |
sehen Staatsmännern diese Erkenntnis /u spat ai;t
Hätte Ludwig XV. die geheime „Konvention'* von .
Mannover zwischen Pteuflen und England benutzt, !
wie ihm wiederholt angeboten wurde, um Friedrich,
als den ersten Abtriinnigen, zu verlassen, wäre eine
bis jetzt selbst von Arneth und Droysen nicht voll |
gewürdigte oder gekannte Verhandlung zwischen
Ludwigs Gesandten Vaulgrenant und dem dster- I
reichischen Harracli \\;;Iirend der Schlacht bei Dres-
den zum Abschluß gekommen, so würde Frankreich
in jenem Kriege nach fünf Jahren blutiger Kämpfe \
ehrenvollere Krfolf,'e aufzuweisen haben. „C^es deux
faits, Tun trop neylige, lautre rcst^ inconnu jusqu'ä
nos jours, jettent ime vive lumiere sur la suitc des
dvdnements dont nous subissonscncurc, m£me ;
aujourd'hui, 1a cons^lquenee." (II, 404.)
Der dritte schlesische Krie'^ wäre dann sofort
ausgebrochen und Friedrich iiätte keinen Soubise
oder CIcrmont zum Gegner gehabt, sondern Moritz
von Sachsen, der das Heer gewiß nicht zu den Nie-
derlagen bei Roßbach md li^nden geführt hatte.
RictieÜ!-'.! , Ma/arin odi r Ludwig X!V wilnlen '
Sich jene günstige Gelegenheit nicht haben entgehen
lissen, aber das Genie dieser Männer wjir zu Grabe
getragen. 1
Auch gab es in Frankreich mehr Schwärmer fftr I
Ftiedrich dt-n Großen als für Maria Theresia. Zu
diesen gehörte vor allem der damalige Minister
d'Argenson, ein Freund und Gönner Voltaires; von
I letzterem hatte d'Argensoo auch die feste Über-
zeugung, daß mit Friedrich „ta vertu et le gAile
' etaient montds sur Ic tröne." (1, 92.)
I BrogUe behandelt eingebend das Verhältnis Vol-
I taires zu d'Argenson und hebt auch nodi an anderen
Stellen di( Rolle liervor, welche der Dichter in jener
Zeit spielte. So mußte Voltaire , als Elisabeth von
l^nt;land sich zur l-'riedensvermittelung anbot, den
I sehr geschickt abzufassenden Brief an die Zarin
I schreiben. Diese Gelegenheit benutzte der lichter,
; um seine Henriade initi-usenden, init einer Widmung,
I in welcher er tiagte, er habe Eli&abeth von England
besut^en und wQnsche nichts sdmUcher, als eine
andere Flisabcth zu feiern, ,,qui egalait la premiere
paä SU niagnificcnce en la suqiassant par ses autrcs
vertus" (I, 3271. Bei der Vermählungsfeierlichkeit
des Dauphin halte Voltaire, der sich damals „au
comble de la faveur" befand, ein BOhnenstück ge-
scliileben ,,La Princesse de N'ai.arre", in welchem
allcidings mehr die Musik und die Tänze als die
Verse gefielen; alu r \ oliaire WUrde „hiatafiographc"
und erhielt ein Jahi^ehalt von aoooLlvres. So hielt
er es denn auch ffir seine Pflicht, nach dem glSn-
zenden Sieg bei Fontciioy die fran/üsisehen Helden
zu besingen. Da er aber in dreihundert Versen nahe
an sechzig Personennamen nennen mußte, um es
allen recht zu machen, <n wurde das Gedicht ziem-
lich schwerfällig und langweilig; bald erschienen denn
auch Paiodun; so erwähnt Broglie: „La plaintc du
cur^ de Fontenoy", in welchem der Pfarrer von
Fontenoy den Dichter beschukfigt, ihm in der Aus-
stelluni; ve.n T<.tenschelncn Erwerbschaden zumachen.
In einem andern Spottgedicht heißt es:
II • Umi 4e|Mil» MMiliea,
jMqa'M B«ta4K petft momui,
PoTtsitt talMS tPVgf k Venailla . . .
.1 macht Broglie dem Dichter den Vorwurf,
er habe die Verdienste der einzelnen 1 leerfiihrer nicht
zu schätzen versUnden, Rlchdieo sei zu hoch ge-
priesen. Ntnritz von Sachsen nieht genug gewQrdigt;
IctztcreiTf sei der Sieg zu verdanken.
Diesen Sieg bei Fontenoy hält Broglie überhaupt
für die letzte '-chöne Rithmesthat des alten Frank-
reichs; er vergleicht jene ritterlichen Tage mit der
Verworrenheit und Unnst der Gegenwart: „Tous
los dons que la fortune nout a nvis, peuvent nous
etrc rendus; notre influcnce abafestfe peut se relever,
la frontii:re rc'tre'cic peut s'iJtendre. ^Tais et tte grftoe
qui parait le front de la France d une bcaut«! or^i-
nakJ . . . tout cct eclat, en im mot, qui charmait le
monde et qui seduit encorc l'histoire, qui jamaia
jwurra nous le rendref" (I, 4}8-)
Man merkt es dem Geschichtsschreiber an, wie
oft ihn ein bitterer GroU g^en Preußen ergreift;
und doch kann er sich dem mächtigen Eindruck
nicht verschließen, den Friedrieh ih r CroCn- auf jeden
ausübt, der unbefangen die Geschichte desselben
erforscht.
Daß Friedrieh die- franzüsischen Gesandten i^e-
rade nicht sehr höflich behandelt, hätte broglie aber
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602
Das Maguin für di« Liltcratur ila in- und Auvlnnileii.
Nr. 38
hcsx r anT I\LTfinun<: clcr Gesandten und der fnOI-
zosisclicii Slaatskun^t tcin , ,ix.'n sollen.
Wie hätfo der K^üh^^ seinen bcrcchtijjtcn Un-
willen über Ludwigs Unttiätigkeit auch anders äußern
soUen, als in scliarfen aber witzigen Remerkungen.
,.1'ouvez- vous mc din , iimnvxnr," saj^t er /u Du
Mcsnil, „cc quc dcvicnt Ic quadruple Xcnophonr" ~
„Sin, je connais pss son nom." „Ehr e'est Ic na- i
ri'-cfin! df Iiro;;lie, qui s't:st rt:tin' de Bavittre ;i\cc
quaiunte mille homnics , tandis que Xcnophon n'en
CUt jamais que dix mille."
Besonders entrüstet ist Broglic über Friedrichs
Verhalten, als es sich darum haiülelte, den in Elbin-
j^'t-rade . iliaftt '.rn ind siiäter nach F.n^,'land ^fi-
schafTten < j( san.lt«. tj lit lic-lsle zu befreien. Aber der
Könitz machte darülM i m iuc Spälie und Irayte auf
einem Maskenbali verkleidet einen franscösischen Ldel- ,
mann: „Kennen Sie mich? Ich bin der Amttnanii
von KIbinKcrode, eben derselbe, der <]i :i lli irn von ,
Belle-Ulc festgenommen hat," und indem er auf sei- {
nen Begleiter wies, „d» ist dar Dragoner, der ihn
in (^<tf-nnic bewahrt. Fragen Sic ihn 'mal, ob es
nicht wahr ist."
Danng. Dr. Ernst Qroth.
„Die Frauen Salonas".
Tragödie mit Chui 111 I Akt von Hvrnt. Lingg*).
Vm Adolf Seharhcitlin.
Daß wir niiljnrn hätten, 'aIc lüi' Alten in Taor-
mina, mu lit r^.iLhaii , udvi v,<jnn das nicht miß-
lich, inniitten eine.s hohen t-'ichtenwatdes. Da wQrdc
wohl, niemand wagen, Sehnsucht sn tragen nach dem
Flittcrputz von Skandalstncken )
In der Stille eines ernsten Kichlenhaim l.i< ich
da,s kleine Hühnengedicht 1 lernjann Linjjgs, das den
obigen Titel führt.
Diocietian, freiwillig vom Thront; t;i'>*titjit,n. wan-
delt in einsamer Muße in der Halle seines Garten-
schlosses zu Salona am adriatischen Meer. Er denkt
zurück an die wcltgcbictcndc GrötSc, der er entsagt,
sieht die Stille der Vci^essenheit , in der er jetst
weilt und bereut seine Wahl nicht. Denn
„Ai'li, wfiiM Hir nllfT W iins<-)u- /icl tfirftiigcn,
Kril <lTiiin iiii|ifmiltii wir um KMixcr WmIiIi
Wie iiti'til«, wie ti(tl uUi'a.
Doch aus seinem Frieden stört ihn der Krieger
Hcrodian, Abgesandter des Licinius, der kommt, den
greisen Ösar zu ermorden. Denn der neue Impe-
iaii>;, i ji < \ '■: I , ist eifersiichti}; auf
den Ruhm des altea 1 Irii.stlu r.s, Umcletian, der sich
eben noch glücklich pries, der Welt entsagt /.u ha-
ben — und nun durch die Forderung des Herodian,
sich selbst den Tod t\i ^eben, so furchtbar vom
Schicksal beim Wort jjenonunen und vor den plötz-
lichen Tod gestellt das ist Von erschütternder
Tragik. Doch die I leldensecle des alten Imperators
sicf^ ; er tjeht. sich dem Tode zu weihen. I lerodian
bleibt allein /uriick, beschämt vor der Geisteshoheit
*■ .München hfi J h Ackirni im.
dessen, den er zwingt, zu sterbi-n. Da ;ui^
hcimer Pforte stürzen die Furien empor, Schrecken
im Blick. Vor dem erstarrenden Herodian ertönt
ihr dunkles l.icd:
,.So fHMlIiintui Jen Wall und Jci Keirnle (ieiell
liisrc .Mlllter iltieiii%I in dein Krie^ um die \\,\:.
.Sic beflcitca tlie Stadl, denn »ie Skchwilll^en Itllt .Mut
In der lächeiidii/ H i I die 2ersli'>rrndc (ilul
Die Frauen Salonas sind s, die alljährlich den Tag
Teiem, an dem sie ctnst, als Furien verkicklct, die
Feinde von den Mauern ihn r Si.idt geschreckt. Sie
wollen in das Gc-tnach des Casars dringen. Herodian
Winst sie zurück:
HDioetetbn kl nicht mehr!" —
„Bf ist nicht mclir? . . , Wer wh <kr MSidrr?
Du mufii «s wiMcn. Da want hier!** —
„Nur «■» ein Hflcliflw mlMifalil, icichati." —
„Ein liffdiiicr — wcr^*'
„Rom Impcnior."
.Jttl
l'iid t)ii u .mi Miin VolkinickM, Du kml ihn
Ennordct . . .
Du (Iclit er, der <l<n Moni be|inr — er aterba!"
Die Frauen dringen erbittert auf ihn l in lirrodian
sinkt, von ihnen durchbohrt, als oben Uiucletian er-
.schcint. r>ie F'rauen umringen ihn. jubelnd, tlaß er
lebe. Aber er winkt ^.ie rrn«if ab. Er ist bert>it, diese
„Vun s<dcll« .'^chniiieh und l'nl)i,il »jc von Keulen
Ik'flickte Weh"
zu verlass^-n.
„I.elit »lle u'uhll Sinüt, wenn mm bald CjrpKHCIi
Mein Urab amschallcn werden, »iniict mir
mn Hkrtenlkdl»
Doch da stürmen lüc Hi^lfcrshclfi-r dt-; Dermü.Tti in
die Halle. Sie erblicken diesen erschlaj^Lü und wol-
len schon die racheglühendc Hand an die Frauen
legen, als Diocietian ihnen gebietend zuruft:
„Haltt Hallet ein, wnlM, ROowr, «ure WaEcnl
Dct Rieliten W«*k kt U«r geilmn! r.tht Mn,
Sa|t cnetiM Hetni: «r hnOcbe jünger nicht mAt
In FUrdK SU «ein vor Einem, der ihn hoch hielt.
Und den er »triiigt, nicht avr in uerixM), modern
Andi arii Vewdrtmn tßgß» ihn lu »tcrbont —
Zeus mnl Athene, euch den Weihe);iuti.
Km'. ' ' r' 'Ii - I ' -ti K^-MeilUc Leihen'"
Und wieder ertönt tler Kiimcnidun Chor.
AU' dieses sah idi vor meinem Attge vorüber-
schweben Dir 'Aunflcrharc Musik der Verse zau-
berte mich III ji iie Zeiten zurück, wo noch Wohllaut
die erste Bedingung für den Hühnenvortrag war:
nach Hellas und Grofigricchenland. Aber deutsche
Verse und deutsches Land, sie umgaben mich.
In dem Dämmerlicht ties htichstämmige>i Ilaiius um-
stand mich eine Heldenschar. Die Schlakii , ge-
schmückt mit dem frischen Lorbeer aus grofieni
Kampf, sehnte jetzt sich ihr Herz nicht nach
überkütwteitem Sinnetrug, sondern nach großen, tief-
sinnigen Vorgangen, nach Sei lenlaulen. Finen Hcl-
dcngcsang verlangten sk, würdig ihrer selbst, würdig
des Landes, fUr das rie geblutet. Und so staiulen
sie schweigend und lauschten dem Schicksalslied:
^Wai» ciM:liüU4;rt ctu:li ko, d.iß ihr %ltdtcl und i^inut i
Ef entlinict «fHeh da* .Srhuen, di-nn die KI;>kv heginnt,
l'inl du- KIaj;c, »-ic txu^I
W'ii dein t;r,ilH'" <ir).rtnek, d.T* nllrin uii* l*cii^l
üx iMnchüUct davor nkhl dii; Ilidii- der Maeiit.
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Nr. 38
Nii'lil <jir IJebe, wie Ichr ■!<.' st>r|;il uml uaclit
D.ii \ <:rKiiii)<ni* kommt, wrnn ilii. Zeit hiuli i.truUi,
l'N M.hTt'ifii )u'r:ii) unnahbar und littlll
Uik. \<i^vy>.Kiw Si-hnlil uml «Im RHchi-r lugk-ich
Iti ilir rlIl^Iera Reich —
Sil lulini r» iIk- WcUf «Ist Xultunri!"
Von ernsten FraucnlipjK-n erklang es und ver-
fttändnisreich folgten Mannesseelcn dem Gesang, bis
er Idse dahinschwand. - - Wo waren dk Lauschen-
den? Fichten nur um mich, dämmernd im Alicnd-
lichtl Doch horch, was säuseln ilirc Wiplclr Der
Wald fing das Lied aut. il<'r deutsche Wald bewahrt',
er tn^ es weiter machtig, braincnd, wie Meeres-
wellen - - wenn Menschcnherzcn es nicht hören!
(LMdwiplinfcn «m B«<l'n^<>.'
Litterarische Spezialisten.
„Wrr Ictifii in imkt |ir;*l.tist Iili» /ril
Uml alW> iTiiht si>-ti ut 1M11I1 .
Heinrich l.«ui)iul<l.
Jawohl: „Spezialisten". So wie sich unter den
Arsten I leilkiinstU r (ür Au;;en-, Ohren . Ma^. 11 oder
llalskrnnklieiten aus^jeschieden liaben, st» lai es auch
in der Welt der Litteratur Sitte geworden, sich auf
ein „Fach" /.u werfen, auf welches, daräber ent-
scheiden Neit^im^ tinti Zufall.
Ich kenne einen samnii lfl( ittij,'en .Schriftsteller,
der jährlich seine paar taui^end Künsticranekdotcn zu
verzehren hat, er kennt das Leben aller bcrahmtei«
Schriftsteller, aller großen Scllaus])leler. der Maler iMul
Uildhauer, Musiker und K<>ni]«>nisten sehr ^jenau, freilich
nur aus dem anekdotischen (iesichtswinkel ; er besitzt
ein vortrcftiiches Gedächtnis und erinnert sich, wenn
Gelegenheit ist, es anzitbrintfcn, „sehr lebhaft** eines
Zusammenttt fiVtis der unver^efMichc-n (joßniann il'ro-
kcsch- Osten i mit dem Altmeister Laube auf der
Bivnnenpromcnade in K,ii,- >ad. oder er hat einer
launigen Unterhaltung zwischen dem sonst so schweig-
samen Makart und dem genialen Komponisten Stmuß
auf tier lisplanade in Ischl hei^'ewohnt. er war Zeuj^e
wie der alte Döring diesen oder jenen feinsrnnigcn
Kalatier zum Besten gab, wie die berühmte Hofschau-
spielerin X sich in Oslende i'''' üUertrielienen
I lotelpreise sträubte, er kennt ilio l'mständ«'. unter
Welchen der viel^'enannte KiirstenmaUr Z. an den
cngli-schcn Hol kam, ihm sind die lustigen Einzel-
heiten des ersten Auftretens unserer nunmehr gefeier-
ten ** Von vertrauenswürdiger .Seile \ erl)iir^t worden,
er erinnert siel» mit Vergnügen dei' anre-^'i-nden Stun-
den in der (iesellschaft des j^rofVn N. , der geist-
reichen X, wobei es immer auf irgend einem zu er-
zählenden Spaß hinauslauft, er hat mit eigenen Ohren
^Ji'n':". Ai. ilii witzij,'e Primadonna dem grofVn
Staatsmann Ii. eine schlagfertige Antwort gab u. s. w.
u. s. w. Er sammelt kleine Zöge, bemerkenswerte
Aussprüche, interessante Erinnerungen, wie ein an-
derer Briefmarken, Pferdebahnbillcts oder Mono-
t;ranmie sammelt ; sein (Gedächtnis Lst ein Bort
mit unzähligen kleinen Fächern, man öffnet eims
und aus allen Zeiten «nd Orten zusamnien^jetra^enc
„Im iiir.! mii-> r/- springen heraus, nr.J t\\c
Welt, welche liir eine Anekdote Jankliarer ist, wie
für die ^;riiiiilli( 'i^tr i:nil s.u iiv.erii.il.M- Sehilderung
oder Würdigung eines Lebensbuies, ist tlamit zu-
frieden. Wer von dem großen Cäsar auch sonst
nichts weiß, dem ist sicher bekannt, daß er einmal
das stolze Wort ,.Veni, vidi, vici" ausgesprochen hat.
untl selbst diej< nig<-n, tlie über Alexander des firoßen
, Thaten nur sehr mangelhaft unterrichtet sind, wissen
am Ende doch, dafi er einmal „Wenn ich nicht
Alexanticr w.ire. m'Vchte ich wohl l)io;;rnrs s< iii,"
gerufen haben soll mindt^sti-ns aber haljca .-»le von
seinem kühnen Kitt auf dem unbändigen Pferd aus
seines Vaten Stall gehört und Kolumbus brauchte
Amerika nicht entdeckt zu hftben, der Kniff, wie er
ein Im zum Stehen btadite, hat ihn nnsicrblicH
gemacht.
Der litterarischc Anekdoten-Onkel ist ein stets
gern gesehener Gast, er stellt sich regelmäßig ein,
wenn eine Herühmtheit aus dem Leben geschieden
ist , man erkennt ihm willig die Berechtigung zu,
durch die Thräne der Trauer lächelnd, sich plötzlich
heiterer Zuge aus dem Leben des Entschlafenen zu
erinnern, der milde Ton seiner Lrzähhin^ wirkt wohl-
thiiend und vermiücht sich zum Linklang mit den
t dinnpienGrabgesSi^en emsthafter wehmQtigerTodes-
' nachrufe. —
Eine andere Besonderheit tmter den vielen, deren
vollständige Aufzählun'^ <li< >i. ni Artikel den Charakter
I einer anspruchslosen Studie streitig macltcn würde —
I bt der Kaminplanderer, ein aus dem tSndelnden,
plr)iic!crrr<ihcn Paris n:ich Deutschland verpf?.in/tes
L-iuUr.uit. W'ii .lilc kennen ihn. Kr ist unlMzumg-
lich und unwiderstehlich, er besitzt einr ;.4änzende
I Dialektik, die nimmer versagt, eine beneidenswerte
I Schlagfertigkeit, eine wohlerzogene feingebildete
ZuriLi-, si-ine (iebärilen sind ilie eines M.innes von
W ell und eine geistreiche Spottlust maciu das Gc-
j)laudcr mit dem liebenswürdigen Schwerenöter ZU
j einem der erlesensten Genüsse. Das bevorzugte
rosige kleine und feinmodellicrte Ohr, vor welchem
sein Wit/feuerwerk abgebrannt wird, gehört einer
schönen und geistreichen Frau an, die eine ent-
■ zückende Art besitzt, sich fQr kleine Bosheiten zu
rächen, eine Dame, welche tlie reizenih^n .Schwiichfi
ihres verehrten Geschlechts nut bezauberndem Man-
gel an Logik als berechtigt oder unverschuldet hin- •
[ zustellen weiß, eine Partnerin, die entwaffnet, die
verfährt. Sie besitzt den unbeschreiblichen Reiz einer
interessanten Weltdame, alle äußeren Vorzüge uml
der Ghin/ einer wählerischen Erziehung umgeben
sie; m.in l>Miicht sie nur in der lauschigen Lcke,
vom rötlichen Schimmer des Lampeoachleiers über-
gössen mit dem l'"ächer s|»ielen zu sehen, um sein
Lntziicken, seine treue .\rili.iiiL;lichk<:it /ii in-':; 1 ifcn.
1 Ach und es ist so fein und vornehm, man denkt
sofort an das Haus jenes Reichen, von dem der se-
li|.^'r Knü^^cli irL;i n>l-.v<: riihtnte: „Von oben bis unten
war alles mit Kaviar Iwstrichen." Sie ist gewöhn-
ich Baronin und er besitzt den akademischen Grad
eine« „Doktors", das ist nun einmal Sitte. Sic sitzen
I beim Kamin, wie dies bekanntlich in den deutschen
Lmpfangss.lli 11 .ill^entein üblich ist sie sind uin die-
I sem Licblingsplützchei) gar nicht wegzukriegen, obwohl
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6o4
Das Magaun fUf die LUtantlir des In- unil AuaUodss.
Nr. 3«
der modfrm- iniltcl.iltfrlichf F.rkor vielleicht ein j>e-
eignetertr und natiit laherer Scliaujilatiis tur dieses
ritterliche Wortijcplänkcl, für dieses {{länzcndc Witz-
tumier abgeben wüide. Der Kaminplauderer ist der
beneidenswerteste unter allen Genossen, denn ach,
(t ist zweifellos noch so reich an llhjsioncn, und
steckt wahrscheinlich noch so tief in Jenem unbe-
fangenen Zustand, den Meine einmal zutreffend aber
grob „holde Jugendcscici" nennt.
Ein neuartiger Zweijj der Zeiliinysschriftstellerei
ist die „feuilletonistische Stadtevergieichun^". Dieses
Fach durfte nicht viel älter sein, wie der Aufschwung,
die BlOte der deutschen Reichshauptstadt. Seither
ist es Sitte jjewordcn, HL-rün mit Wien oiier mit
Hans ver^jleichen, ja, uiaii k.triii von einein Ikruls-
zwei^ sprechen; es gicbt Leute die davon leben,
daß sie die deutsche Hauptstadt mit der Justigen Kai-
serstadt*' an der Donau vergleichen, die sich davon
crn.ihien, daß sie die Frafic erörtern, welcher die-ei
beiden Hauptstädte der Vorzug gebührt? -— Dieser
beliebte Stoff ist immer wieder und fiir <fle Zeltungen
aller Parteirichtunjjen zu vcnvcnden, jn, man braisrhl
nicht einmal in Wien oder Hciiin zu leben, um in
diesem anziehenden Streit ein kräftig Wörtlein mit-
zureden, man kann in Magdeburg oder sonst wo
sitsen. Die Vorzfige und Nachtdie der beiden Ne-
tienliuhliT sind ja bekannt. Der Wit-net ist leicht-
lebig, der Berliner ernst, arbeiLsam und zuriickhal-
tend, die Wiener „Maodl'n" ein un^^luckin her
Versuch ein Dialektwort einzuflcchten , schadet der
Wirkung nicht im geringsten, also sind die Wiene-
rinni'ii ..liildsaiiber", die liei linerinnen gebildeter und
tiefer. Der Berliner spricht nicht viel, während das
Wiener Kind aHas FrOadlH (schon wieder falsch I)
sich vor Mitteilungslust nicht zu lassen weiß und
„halter" immer spricht. Wenn die Völkerpsychologie
in ihren kleinsten Erscheinungen abgethan ist, kom-
men die Veigleichungen der Städte als solche an |
die Reihe. Auch darAber tißt sich ein zutreffendes '
Urteil leicht fäl'en, denn seihst die Bürger von In- |
sterburg, Staliupönen und (>umt>mncn wissen nach-
gerade, daß der Wiener Fiaker nur dann mit der
fierliner Droschke zu vergleichen ist, wenn man es
daratif anlegt, diese herrliche BIfitc des echten feschen
Wietu rtunis /u beschimpfen. Und dann die Haupt-
sache, die Theater: der Umstand, daÜ Wien kaum
ein paar Schauhftiiser erhalten kann, vom mangelnden
Nachtleben ganz abgesehen, beweist k!.ir den Rück-
gang der österreichischen Reich.sstadt. .vahrcnd Herlin
etwa 36 Bühnen ohne das anatomrst he ., I heatcr"
^ besitzt. Wie stolz das klingt. Davon, da(ä sich
diese 10 bis 12 BtUinen, die wir in Wirklichkeit be-
sitzen, mit .Ausnahme der I !■ ■ftheater, /ieinlich nuih-
seltg dtn einschlagen, steht ja nichts auf den Ankün-
digungssäulen ; dieser nicht unwichtige Umstand ent-
zieht sich daher der Erwägung unseres fiir das Ber-
liner Theaterleben schwärmenden Städtevergleichers
Diese Spezialisten j^ehi n iibrigens mit um so größe-
rer Wirme und Gründlichkeit vor, je oberflächlicher
sie die eine oder die andere Hatiptstadt kennen.
Natfirlich gesrhielit es ihnen .-nich, daß sie schweren
Irrtümern veilalien, wie es der schreibefrohen Gräfin 1
Halm Hahn erging:, die einmal nach dem schönen
Baden bei VV'ien kam und sich durch den Umstand,
daß sie am Marktbrunnen mehrere slovakischc „Ra-
stelbinder" ihr frugales Mitugbrot venehren sah,
verieiten BeS, in ihren Reisebrief die Bemerkung ein-
zufügen : „Die Bewohner von Baden sind schmutzig,
sie vcrsiainineln sich mittags am Marktplatz, wo sie
ihr aus Schwarzbrot und Speck bestehendes Mittag'
mahl einnehmen " Auch dem wanderlustigen
Gustav Ra-sch, seUj^en Anf;cdenkun:5, .smd solche Miß-
griffe nicht erspart geblieben. Da wären wir bei den
„Reiseschriftstellem" angelangt, sie bilden gleichfalls
einen eigenen Geschäftszweig, auch sie gehören zu den
,,titterarischen Siu /ialisten", deren rharakteristik mit
diesen Zeilen, wie gesagt, nicht zu erschöpfen iiit.
Berlin. Paul von Scbönthan.
Litterarische Neuigkeiten.
Poinisctie Litteratur. L'nttr der Rt-Jakiiun t\ci pulniscticn
laiu-ruilu-itucikcis iin<l wnlKnMvolUlin Mickicwiczfonchcrn, t>r.
F«tcr Cbiaiclowfki, cnclii«ii in Watadun dia anl«, aUan Ab-
»prttelicii abMT Klajiilwcaditio« «Mtpmdiett4
SdiriAcn AiUn KicUnrloM. IMe vier Stada
wcidn aach mit «nun nidBlne «Bd alncai l^bensabiinc in
Dichter» vcrüchi'ii i%X ctithallcn mnnchr» Nct<i , < . ln-.l.(.r r.in
in llamlkchrifUn vurbamk-ii wai. Neben dem b(>i«.libtucke ciik^
Dfamas: „Jakoli J-iüliiski", Arbeiten didukliuhcu Ch*iakte[S, uic
„Der gTuQe Zukuiifukrirg". „Alexander l'uiikin", ..Ober den Volk»-
peist". ..Cbei die VeinDnflicen und die Wahniinnißen", ,.1'bci die
BntrctHiBifen der VOUccC, „Mattini und die Ma»liti*lcii", „Der
Soilallimil»", „Die Banera"; ftnwr dia Mlrchan „Zjwila", «leli-
rcre Octtcte* iMiMhaftcT Autitentixh« ond polaische Obanab-
uni^n der fhuitVibchen Scliririen Mirkiemirz». Fii«t gUtcIncidf
ei>ch«int zu Lemberg ' nu irii< :>.si>antr bibliographische Arbeit
untci dem Titel „('ümineticetnuat du picmivr livrc du pcKine
d'Adam MiekicKicz „Monmeur Thudee", tradnil en i>fuf lauüucs
eurnprennc*." Mickiewicis Meisterueik wurde ttticrectit. im
Böhmische von Sabolk* itb». van Taar 1873. von Coli 1878,
vo« Kra»ii»h«rsk« iMs; ins KuniKlui von Batg 187$. ucli von
Paiaün aad BefwdUuow; Ii» Kldaraaattelie «»» Wol;iie£ 18741
Ina WciCniasbchc vnn M.irriTtkiewirz iSjq, von Jctski iKSji. in»
KnuHfiHisrlir von (JaiKowt. hierauf \ün <Ir. PiTMdflecki 187(1; in»
Italienische von .\iif;u lioilo 1K71 , ins Spanische vun l.eon Medina
iJ47i; ins Kn^lische vim Maudc A^hnril Higgt 1885; in» l,itiui»clic
vun Hischnr Itaranuwski. ini DcUscIk' endlich vun Spuliief i8j(/,
von Lipiuer iSSJ. — Uic mir in einer geringen AaMbI von Kxcm-
plaren gcdittclita Sciwift Iii ia onteT Linie IBr autiriniee BiUio-
ihekcn btatiniBt and bat Aa» Zw««k, die ikhtlftiamcr, walete lieh
bis nan dai MlckicwicHche Epoc niehl. ansaeicncr, lu einer Ober-
tr.igung de!»selbeii ftn2uie^en. In t.undon erscheint die engliselie
.\us;;al>e der ,.Menimren de» Kiirslen Adnm Cianloryski", ledin'ert
vun .Ailnir i.i.tni l l>;e Ausgabe Ist >iel reichhaltigct al» die
fran^üsisiche von Maxade. Sie erzUhtt das l.eben des KUrslen bis
zu seinem im Jahre 1862 eirulgten Tode, und biingl manche bi»
jetzt nicht vcrttirciuUclilc Doltamcnlc, brttcflcnd die Unletitand-
lung«« des FflnlcB am tttt, Fm, Lofd Braattw" *"<l PalMei*l«B.
- Der bekannte polniacbe Enlhlct T. T. J(i (Z. Mllkowaltl)
bringt in »einen „Rrinnenmgen" intcrcMante Dclailt «im dem Lehm
J. KraiZcKskis, insbcsondele (Iber dessen LebeusgeOihiliii I'r m
Heinitz. - Im Augusiheft des WarKlutucr „AüicD&um" findet sich
eine anerkennensw erie Studie MiiaMHralEls nÜbcr die Entwiche-
lung der «ieuiKlien ÄiÜKtilt".
ViwbiMMliriiiir Bemxi^: VelhaaK CiirMiarli in IhUHtoib — Tki^ im
ilHMk raa Mmmm tUMt la Dttaitm,
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57- Jahrgang.
Dresden, den 33. September 1888.
Nr. i9.
DAS MAGAZIN
FÜR «pjf^^
LITTERATUR DES IN- UND AUSLANDES.
WOCHENSCHRIFT DER WELTLITTERAT U R.
BmmgAtKi WoUfiiic Elrehbaeb in
Jaden Sonnabend. •» Rita 4 Mark vl«M|ttHli«ik — BeaieUttagtB
Paaianu (Nr. 3589 der FoMntansiliMc) »owia «w Vadafi d« „Maguiii" in
Iii 35 K Ar dia *lMgcapalteM NonpaieiDe-Zalla iMiedHMt.
«ntgcgcngcnoa
Alle Kcelit« vorbnhnlMa. Unbefafier Naehdruek wird nuf Orand dar Ommm «ad Vartrif« varralgt.
Inhalt : Johannes Flach
G öchhauscnschc n Abschrift;
DoD Quichotes!'
„Die akademische Frau"
(Schluß.) — Gerhard
Ric li.trd Welt rieh: ..Goethes Faiist in dt-r
Amyntor: „Eine Urieilsrevision in Sachen
— Karl Sachs: „Der Dandy und seine. Wandelung in Frankreich:* — Tb. Höpfner:
„Tbe baUnce of militaiy power in Europc" — Litterarische Neuigkeiten.
Die akademische Frau.
Von Johannrs Fl:»ch,
In Amerika ist vor einigen Jahren das Verlangen
ausgesproehen worden, daB die Frau, wenigstens die
alleinstehende Frau, bei den Wahlen stimmlxTcchtigt
sein sollte, und dies Verlangen hat in einifjen Krei-
sen Knt^'l.mds, wo bekanntlich jede, auch die thö-
richste Neuerung einen fruchtbaren Boden findet,
einen lauten Wideriiall gefunden. Als dann einige
Zeit spiitcr di r Roman ..Endymion" in England er-
schien, in welchem einer der größten Staatsmänner
und bedeutendsten Schriltsteller des Lande.s, Lord
Beaconsfield, nach seinen eigenen Erfahrungen
achilderte, in welcher Weise die Karriere selbst flh*
die hi'chstcn Staat5.ämter in England vor .sich zu
gehen pflegte, entstand in der kultivierten Welt ein
allgemeines Staunen darüber, daß ausschließlich rSnke-
sQchtige und einflußreiche Frauen den Boden fQr dieses
Vorwärtskommen zu plätten, die Hindernisse hinweg-
zuräumen und die letzten, entscheidenden Schritte zu
veranlassen die Aufgabe haben, so daß ohne einen
derartigen, sehvrerwiegenden Snlhifi einer angesehe-
nen Frau eine so'che StaatsUuiTbalui heute kaiMii noch
bewerkstelligt werden könne. Diese in jenem Roman
geschilderten dnfluUreichen Frauen bestanden aus
verwfllmten, ^sellschaftlich bervom^nden Erschei-
nungen, welche einen gewöhnlich alteren Ehemann,
der entweder sehr ri'ieher imd dadurch allm3chtif,'er
Bankier <»der sehr hoher StaatslH-aniter war, in der
Weise zu lenken vermochten, daß er in Personal-
fragcn den Wünschen der Ehegattin unbedingten
Gehorsam gewähren mußte.
Bt?sonders auch in Deutschland erre^^te iliese
Darstellung, die ohne allen Zweifel vollständige Glaub-
wOrdigkeit beanspruchen dOrfte, al^emeines Erstau-
nen und man pries die deutschen Verhältnisse, in
denen doch in y.inz antlerer Weise die wirklKlse
Befähigung und das Talent anerkannt würden und
ohne die Hilfe weiblicher Bahnbrecher ihren siehem
Weg ztirückzulegcn im stände w.ärcn Gi-wiß hatte
man insofern Recht, als .ill^euiein f)ekannt ist, daß
die größten Staatsmänner, welche Deutschland her-
vorgebracht hat, ihren Weg selbständig gemacht und
in einer unbedeutenderen Stellung schon die Auf-
merksamkeit des regierenden Fürsten oder seines
entscheidenden Ministers auf sich gezogen haben,
bis lit dann in einem geeigneten Av^enUick zu der
benromigenden Stellung herangesogen wurden. Es
ist kaum nötig, an das Beispiel des Fürsten Bismarck,
mier des uns<Tes alti^ebietenden I,<'nkeis des Post-
und Telegraphcnwcsens, Herrn Dr. v. Stephan, zu
erinnern. Gehen wir aber ZU anderen Stfinden Aber,
so ist beispielsweise ebenso bekannt, wer zuerst auf
den Kriegsminiscr v. Roon, den Schöpfer der preußi-
schen Heercseinrichtung aufmerksam machte, wie,
wer das bahnbrechende Genie des Feldmarschall v.
Moltke oder des Grafen v. Waldersee oder des Ge-
nerals V. Blumenthal zn.rst erkannte, oder durch
welche Eigenschaften der iriiliere deutsche (Jesandte
in Rom, Baron v. Keudcll, seine wichtige Stellung
erhalten hat In keinem der genannten Fälle ist
auch nur der geringste Einfluß eines weiblichen We-
sens wahrnehmbar, durch welches eine Gönnerschaft
oder ein Heranziehen oder eine Empfehlung und
Vermittlung ausgeübt worden ist. Ja, es ist bekannt,
daß manche auch trotz der Ungunst weiblicher Wi-
dersacher eine glänzende und ihren Fähigkeiten ent-
s))rechende Laufbahn genommen haben. Und so k.>n-
nen wir allerdings, wie es scheint, mit Stolz behaupten,
dafi die großen staatsgebietenden und achSpferiscfaen
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6o6
Dm Mafuin flir die LIticnitur dea In» niid Amlaadc*.
Nr. 39
Miaoer des deu^beo Vaterlandes ihren obne
weibBche Hilfe zu machen pflegen, und daß es Wohl.
zumal in dein % (irsir'nti}^i ii, umsichtigen und im wr-
sentlich sachlichen Systtn» der Staatsverwaltung in
Preußen liegt, daß die riciiti^'on Mnnncr gefunden
und ao die richtigen Plätze hingestellt werden, ohne
daß eine Hilfeleistung maßgebender Damen dazu
notwendig wiin-
Wenn die Beobachtung eines berühmten Ge-
schichtsscbreibers ridttig istidaßbeiauTstrebenden und
bliihi ndt-n Striritcn der Mann im Vordcrgninr! stoht,
bei abwärts yclicndcn und verkommenen daj^cy>. n die
i""rau, so ist ausgcniacht, tlaß die deutsche Nation
sieb noch im VoUgenuß ihrer Blüte befindet, wie
das en^egenges«tzte Urteil bekanntlich von hervor-
ragender Siriti- üh( r Frankreich gelallt worden ist.
Denn fast m aÜLn hältnissen steht die deutsche
Frau nicht im X'orcicrgrund, sondern der Mann. Ja,
nun wird nocli inebr.«agen können, daß die Frau bei
den Germanen durch die Oberticferung der Vorzeit
vielfach zu sehr im Hintergrund gestanden hat, ganz
im Gegensatz zu den Gewohnheiten der romanischen
Völker, und selbst in den gebildeten Ständen nur
die Sklavin der Männer gewesen ist* welche ihm
Kinder geboren und Essen gekocht hat. Daß erst
durch die als W irkung des Cl'.rist< tiluin.s .utfzufas-
sende Tciliulimc der t rau für die Angelegenheiten des
Mannes, z. B. auch für seine staatsbürgerliche und
religiöse Überzeugung, durch ihr Verständnis für alles,
was das Wohl und Wehe ihres Mannes betrifft, durch
ihr Eingeweihtwerden in die Berufsthatigkeit desselben
das Band der Ehe wegen der geistigen Cbcrcinstim-
mung fester und unaurKteiicher wnrd , dürfte kaum
/Avt ircIlKi!! .siiri, und deshalb gi lnitcn schon heute
ciujcnigcn l iaucü keineswegs, zu den .seltenen Aus-
nahmen, welche im stände sind, ihren Mann in seiner
Thätigkeit zu untcr;;tützen, z. b. durch Anfertigung von
Oradcbericht i^iin^cn, durchAbhaitung von Muslk-oder
anderen StutuU r, us'.v Aber eine btestimmtc Grenze
muß hier vorgeschrieben sein, daß die Frau niuii
in den Angelegenheiten von liinHuß ist, in denen
das Urteil des Mannes über die Leistungen vnd amt-
lichen l'ähigkeiten anderer Persdniichkeiten zu ent-
scheiden und deren Scliick?.al zu be.itimir.en li.it, weil
hierzu eine Fachsicbcriieit gehört, die selbst der ge-
scheitesten und gebildetsten Frau abaugehen pfl^t
Aus dieaom Grunde hätten uns jene englischen
i!.nthuiiungca nicht zu sicher und sorglos machen
ioUen, denn es dürften doch bei aufmerksamer Prü-
fuqg auch in unserem deutschen Vaterland Berufs-
Idassen gefunden werden, in denen die Einwirkung
der Frauen zum Schaden des Manm s si llist »ichl
von der Hand zu weisen ist. Am allerwenigsten
fivilidi wird dies vom Offisiersstand gelten. Der
Offizier ist <;leichzcitig nach drei Richtungen zu fest
entwickelt, als daß er leicht unter den Pantoffel
kommen könnte. Er ist körperlich um uns so
auszudrücken — ebenso entwickelt, wie praktisch
und im VerkehrsverhSltnis zum Weibe überhaupt
bewandert, gewöhnlich duroli seine ^jan/e ViTj^ant;eii-
hcit und den schon truiizcitig von ihm gepflegten
Umgang mit dem weiblidien Geachkcht. Wenn man
vielleicht tih einen Sch.idcn die durch schlechtere Schu-
lung weniger au-s^ebildete Gcistesstkrke mancher Ofti-
zicro anführen wollte, oder ihren Mangel an beson-
deren Kenntnissen, so steht es fest, daß es diese
Eigenschaften durchaus nicht sind, welehe die Herr-
schaft eines Weibes über den Mann verhindern könn-
ten. E.< wird daiKT selbst in den Fällen, in denen
ein Offizier erst durch die Heirat mit einem reichen
Madchen in die Lage gekommen ist, ein Haus ma-
chen tmd größeren gesellschaftlichen Verpflichtungen
nachkommen zu können, selten Gelegenheit zu der
Beobachtung gegeben sein, daß er dadurch in die Ge-
walt der Frau gckomin< n i.st, wie dies oft in kaulinän-
niscben Kreisen der Fall ist. Im Gegenteil ist es in
den meisten Fallen viel wahrscheinlicher, daß er auch
über d.is Geld der Frau eine rix lir als ein l.errliche
Herrschaft ausüben und dasselbe sich dienstbar machen
wird, ohne daß die Frau an Auflehnung denkt und ohne
daß schwefele Meinuflgsunterschiede entstehen werden.
Ganz im Gegensatz dazu steht nun derjenige
.Strind der Jetztzeit, dem vorzugsweise die beiden
Eigenschaften, die dem Offiziersstand bisweilen ab-
gesprochen werden, eigentümlich m sein schdnen
oder wenigstens in den Augen der Mrr^c rnVrom-
men — Geist und Kenntnis.^ — ich meine den
Stand der Professoren oder Akademiker. Wie
er schon durch diese Ligenscliaftcn in einem ge-
wissen Gegensatz zum Durdischnitt des Mtlitilntandes
getreten ist, so findet dies in noch höherem Grade
durcli das gewöhnliche Fuhlen jener bei den Offi-
zieren hen'orragend entwickelten Ei^Badiaßen statt.
Der Durchschnittsprofessor ist ebensowenig körper-
lich entwickelt, wie es der Offizier fast immer ist,
v.'irveeilil es naturlich, ebenso schöne, starke, schlanke,
schöngcwachscnc Professoren giebt , wie es kleine,
unansehnliche und häßliche Offiziere vorkommen,
selten vielleicht körperlich unentwickelte. Schon der
sitzende Beruf, der doch gewöhnlich bei Gelehrten
von den Studentenjahren hu ubt wird und der
ebensowenig einer naturgemäßen Verdauung förderlich
ist, wie einer glücklidwn Entwiekelong der körper-
lichen Verhältnisse und Kräfte, führt gewöhnlich ein
Zurückbleiben des Koqwrs nm sieli. Au diesem
sit/-en<leit Beiu! halien at)er alle Professoren Anteil,
mit Ausnahme der Mediziner, die durch Kurse, Am-
bulatorien, Therapie, Praxis usw. doch stets Unter-
brechungen im Stil'.sitzen erhallen. Auch die prak-
tische Kntwickelutig fehlt vielen Ucichrten, da die-
selbe gewöhnlich durch eine dauernde Beschäftigung
mit Büchern verloren geht Damit pfleigt aber vor-
zugsweise eine mangelhafte Metischenkenntnis Hand
in Hniul /u ^'eiien, weicher Mangel in dem ehelichen
Verhältnis nicht selten von miüUchcn Folgen begleitet
ist, da das Mißverstehen oder Verkcinen des einen
Teils in der F.he fjrnßore Zwistipkciten herbeizuführen
pllcgt. Wenn Wir .ibei die Übung in dein Umganj;
mit dem weiblichen Geschlecht ins Auge fassen, so
ist einleuchtend, daß jeder Otfizter dem Gelehrten
weit überlegen ist, selbst wenn der letstere ans dem
boten Il.iuse staniiilen und stets im Umgang mit
dem Weibe gelebt haben .sollte.
Aus diesen Gründen wird nun begreifen, warum
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Nr, 39
gerade im Profe<;<;rirenstand so häutig die Erschcinunj^
anjjctroHen wiiu, die wir mit dv.m sinnbildlichen Aus-
druck zu bezeichnen pflegen, daß der Mann „unter
dem Pantoffel steht". Ja, e5 giebt kleinere
Hochschulen Detitschlands, in denen dieses VerhSltnis |
ctwns !;o f;e'\v<")hnliches ist, daß das Gcgrntcrl voll-
ständig als Ausnahme betrachtet und empfunden wird.
So bcdcutun^OS vielleicht auch eine solche Erschei-
nuDg für das gsnse gesellige Leben sein mag — wiewohl
dasselbe natfirlidi gemiß den größeren Vergnügungs-
bedürfnis des Weibes eine erhebliche Steigerung n\
erhalten pflegt — von »o ernsthaften, teilweise ver-
hüngnisvollen Folgen wird dieselbe für die Beförde-
ninga- uad Berufungsverhältniese begleitet sein. Denn
das Weib, welches den Mann beherrscht, pik-gt nicht
nur die Teilnahme an allen Angelegenheiten des
Mannes zu beanspruchen, sondern auch seine Zu-
neigung und Abneigung dort geltend zu machen,
wo der Mann auf das Schicksal von Persönlichkeiten
Kinllul> /.II haben berufen ist. Es ist daher weder
ungewölinlich nocli grundlos, daß an manchen Uni-
versitäten Studenten, Doktoranden und Dozenten,
die von einem weibbeberrschten Mami etwas erlai^en
wollen, den Rat erliah< n. zut^rst ?.u der Frau zu gehen, ,
was in den meisten 1 .lilen eine günstige Wirkung
au haben pflegt, wenn der betrcITcnde Jüngling nur
geschickt su verfahren versteht £s ist cbarakte-
ristisch für das mittelalteifiche und veraltete Institut
unserer Hochschulen, daß dcrartijic ^;ar.z nfifcnkun-
digc Verhältnisse — mag mau sie nun beurteilen,
wie man will — jahrelang bestehen können, ohne
daß eine Fakultät oder Behörde einschreitet, und
ohne daß irgendwie eine öflcntlichc Rüge darüber
ausgesprochen wird.
Doch vielleicht wird jemand dies alles für kein
Unglück, vidleiebt sogar fUr emen vemflnftigen Zug
in der Ehe oder für einen einer talentvollt^n Krau zu-
kommenden, ja unter Umständen sogar dem Wtisen
einer zweckmäßigen Mündigung des Weibes ejrt-
sprechenden erldären. Man wird vielleicht sagen,
daß es eise khige Professoffrau wohl verstehe, in
die Angelegenheiten ihres Mannes dieser Art cm^^c
weiht zu werden und in ihnen gleichsam eine be-
ratende oder gar entscheidende Stinnne sa crbahcn.
Wir wagen dieser Ansicht auf da^ bcstimmtr-sto zu
widersprechen, schon dariiin, weil es m der Rc^cl
weder kluge noch talentvolle Frauen sind, die in
solcher Weise den Rahmen weiblicher Thätigkeit
flbersehreiten. Gewifi soll die Fiau entes Gelehrten
ode'r hiihcren lUamten, soweit es ihre Fassungskraft
zulaßt, .sich mit den Angelegenheiten ihres Mannes |
beschäftigen, aber so wenig ein Minister oder Staats 1
anwalt selbst in den besten dielichen Verhältnissen
seine Frau von allem unterriditen wird, was sich auf
ii.is .Schicks;il von Persönlichkeiten bezieht. d\c zu
dem Kreis seiner Berufsthätigkeit gehören, so sehr
soll der Professor alles dasjenige der Kenntnis seiner
Frau entziehen, was mit dem noch zu entscheiden-
den Schicksal einzelner Berufsgcnos.sen im Zusam-
menlian^( steht. Denn eine Fiau kann weder eine
Stimme haben, wo die wissenschaftliche Befähigung I
eines Mannes in Flage kommt, da sie keine Fach- I
minnia ist und dem allgemeinen Personalwesen, um
das es sidi handeh, vollsttndig fernsteht, nodi wird
sie eine gewisse Bcurtcileriri sein, wo die Persön-
lichkeit als solche in Frage kommt. Denn eine l*rau
wird zunächst der Regung ihres Herzens und ihres
Gef Ullis nachgeben, was ja vielleicht in manchen
i a;ku, besoiKlers auch wo das Mitleid einen ent<
scheidenden Einfluß haben sollte, ganz zweckmäßig
ist, schwerlich aber in der Gesamtheit oder in der
Mehrsahl der Fälle nfitxlich sein dOrfte.
Wenn wir auf diese Weise gezeigt zu haben
glauben, dai.s der Gelehrtenstand am meisten der
Gefahr ausgesetzt ist, daß die Frau sich in unweib-
licher und unvortcilhalter Weise in die amtUcben
Angelegenheiten des Mannes derart ehimisdit, daß
sie einen hestimmten Einfluß darin zu erlanf^en
sucht, so ist ei. auth da;» gesellschaftliche Leben m den
heutigen akademischen Kreisen, durch welches eine
unzweckmäßige Einwirkuqg in hervorragender Weise
get^äfdert wird.
Es ist in hohem Grade bedauerlich, daß beson-
ders in kleineren Universitätsstädten, in denen be-
kanntlich wenig vorhanden ist, was allgemeines In-
teresse erregen könnte, ein so aufregendes geselliges
Leben im Winter zu sein pflegt, daß der Nid)taka<
demiker sein Staunen mclu unterdrücken kann, in
welcher Weise Studium und Unterricht dainit nah
veremigt werden kdnnen. In dem Raosdi der Ge-
sellschaften und Verijnii^ungen wül man f^'lcichsain
Vergessenheit trinken tur die zahlreichen, langwei-
ligen und unterhaltungslo&en Stunden, denen man
in dem Städtchen ausgesetzt ist. Auch hier ist
es gewöhnlidi die vergnügungssüchtigere Ehefrau,
welehc den armen Gatten, der gewiß ofimals nach
angestrengter Tagesarbeit üeber schlafen gehen oder
auf dem Sopha lesen m6chte, Abend für Abend in
die Gesellschaft schleppt, so daß man nicht selten
l'roi'csiüicn mit wankenden Knien und schlifrigcn
AMgen in diesen Gesellstfhalten sitzen sieht, in denen
ihre Frauen lebhaft gerötet das große Wort führen
und durchaus kerne Neigung haben, das Sdilachtfeld
zu vei"ass(n Neben dem Vergnü^unj^shcdürfnis
aber ist es auch die dem Weibe mehi zukommende
Eitelkeit, welche zu einer Übertreibung derjenigen
Genüsse verleitet, in denen das beanlagte Weib
selbst des bedeutendsten Gelehrten eine grdflere
Rolle zu spielen verrnaj; Piese l'.rscheinuntj nimmt
anerkanntermaßen von Jahr zu Jahr überhand.
Es ist allgemein sagestanden, daß tßeses Re-
f^imeni der Frauen in akademischen VrrhrÜfnissen
v(ja den nacliieiiigsten Folgen begleitet ist Niciit
nur sind Dozenten dauernd zurückgesetzt worden,
denen es nicht gelungen war, die Gunst der maß-
gebenden Frauen su gewinnen, sondern es sind an-
dere befördert worden, nur weil sie es verstanden
hatten, einige Frauen für sich zu gewinnen, von
denen die gdiorsamen Ehemänner bearbeitet wur-
den. Wenn nun auf der einen Seite das dem Stu-
dium und ernster Gelehrsamkeit abholde Wesen,
welches das Überhandnehmende gesellschaftliche Be-
dürfnis im Gefolge bat — besonders kommt auch
das Lesen guter BOdier in diesen Kreisen heute
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6o8
Das Msguin fiir die Littentni de* In- hucI Auiludet.
Nr. 39
sehr zu kurz v<m bedt nklichem EinfltiP siif die
Tüchtigkeit der akademischen Lehrer und Gelehrten
sein inoß, so ist noch viel bedenklicher, daß mehr
und mehr Mlbiiwr «i «kademtachen SteOen befördert
werden, weldhe weder dnen fnnemi wiaseiwclnlt-
Uchcn Dranj; licsif/c-n. mtch du- Fähigkeit, einem
solchen in fruchtbringender Weise nachgeben zu
können, noch eine auch auf andere Gebiete sich er-
streckende allgemeine Bildung, wie sie die Laienwelt
beim Professor vorauszusetzen pflegt. Wie groß aber
der Schaden ist , c'« r dadurch den HochscViuU n und
der Wissenschaft erwächst, ist leicht einzusehen.
Deshalb wende nun zeitig Vornchtsinafiregeln an,
damit nifbt einstmals zu sp^lt nur mit Bedauern als
erklärende Begründung des Niedergangs die Worte
geiprachen werden: „Cherches la fernnet"
Goethes Paust
in der Göchhausenschen Abschrift*).
Von Richiril Wellrich.
(ScUuO.)
Aber weiter im SOndenreipsterl Denn acbl wir
sind noch nicht am Ende. Es ist Scherer, der die
Zwinfjfis2ene fiir eine Variante" der Deirnszenc er-
klärt, der behauptet, in beiden Szenen sei „dasselbe
Motiv" und Goethe habe die Absiebt gehabt, die
eine durch die andere zu ersetzen". Es ist Schcrcr,
der, wenn auch in anderer Weise als Schröer, mit
dem Nanienswechscl von Mar;^arete und Grctchen
sich zu schaffen macht und behauptet, die Grctcben-
ssenen trügen einen entschieden tragischen Charak-
ter , die ^farpa^ctcns^^^c^ seien „eher heiter" zn
nennen (also auth die Kcrkcrszcnc, in welcher Goctljc
bat Bezeichnung der sprechenden Person überall
,jlllargarete*' gebraucht I). Es ist Scherer, der aus
der größeren oder geringeren Häufigiceit zweisilbiger
Senkung und aus des Dichters mehr oder weniger
„ausgeprägtem Streben nach paarigem Reim" das
Alter und die seitliche Zusammengehörigkeit der
einseinen Sunen zu bestimmen den Versuch macht.
Er hat sieh metrische „Tabellen entworfen*', aus
welchen „in der That sich Unterselii<-de ergehen";
weim auch „die Folgerungen nicht sehr schlagend
sind**, so kommt er doch wiederholt auf diese Unter-
schiede zurück. Den Hiatus (NB. den Hiatus I) hat
er „schon bei einer andern Gelegenheit erwogen"
und in einer akademischen AlUiandlung bes]ireiclien,
welche den würdigen lateinischen Titd führt: Com-
ment. pMlot. in hon. Theod. Mommseni. Er muß
sich selbst fjestehen, daß „hier weiter vordringen zu
wollen vct^cülich scheint"; aber zu wnciii kleinen
Versuch , die Szenen zu „gruppieren", reizen .seine
Hiatustabeilen ihn doch, und bei der Szene „Wald
und Höhle" wird der Hinweis auf die Latttverbin-
dung „das arme arTenii:n^<' P.lut" niclit vergessen.
Als ob nicht jeder Versuch, m dieser Richtung „vor-
dringen" SU wollen, von vornherein tfaöricht gewesen
wäre! Nur eine Stunde an solche Unter<^iiflnin^t»n
zu hängen vi.ar verlorene Zeit, und der Einfall als
solcher ist ein Beweis, daß dem Herausgeber der
Schrift „Aus Goctbts Fröhseit" suweUen jcgUcbes
Verständnis seiner Aufgabe abhanden kam. Denn,
wohl^cmcikt ' nicht der I^orm an sich j^alt jene me-
iribclic und sprachliche Untersiuhung, sondern die
Frage der zeitlichen Entstehung der einzelnen Szenen
und eben damit Fragen der dramatischen Kompo-
sition zu lösen war die Absicht, und nicht von Ge-
gensätzen wie antikes oder deutsches Maß, jamtii-
scher oder Knittelvers ist hier die Rede, sondern
von Dingen, welche nimmermdir unter eine äußer-
liche Regel oder ein technisches Gesetz gebracht
werden können. Ja wi-nn es um einen ehrsamen
Zunftgenossen des Meistergesangs sich gehandelt
iiättel Oder nur tun eine andere Dichtung ab ge-
rade den Paust! den Faust, bd wekbem wie bei
kaum einem zweiten Kunstwerk das Innere, der Geist
das Außere, die Form sich geschaffen hat, den Faust,
bei welchem die Seele des Gedankens bis in das
Einzelne hinein die Behandlung von Vers und Reim
dnrdidringtl Und nun gar den Hiatust WSre nur,
als der Meister auf diesen derj Faust zu prüfen un-
ternaiim, einer der Schoiarcn um ihn gewesen, aus-
gerüstet mit jener Klapper, von welcher Swift in der
Reise nach Laputa errihlt, und hätte ihm zugerufen:
Merk auf! Du bist nicfht in lateinischer Poesie ! Lei-
der ist's unterblielien
Vor einem Kabinetsstück anderer Art wollen
wir unsem Gang durch diese Galerie von VeriEehrt-
heiten schließen. Schcrcr gedenkt der Szene „I^nd-
straße" und läßt sich folgendermaßen vernehmen:
,,Die Worte sind nicht so merkwürdig als die Sze-
nerie: .Landstraße Ein Kreuz am Wege, rechts
auf dem Hügel ein altes Schloß, in der Feme ein
Bauerhüttchen' Ich finde die deV:orativen Elemente
den fünfttn Aktes vom zweiten Teile wieder: die
Kapelle, in welcher Philcmon und Baucis zu Fausts
Ärger ^iiuten, knieen, beten'; Fausts Palast; die Hütte
der beiden Alten. Natürlich wagt man nkfata weiter
daran r /u l>aucn; die Ähnliebkeit nicht zu bemerken
aber wäre stumpfsinnig."
Und nun gcnugl Denn es ist gleichgültig, wie
viel, wie wenig jetzt noch im Rest bleibt und nicht
dem Mann, sondern der Richtung ;^i1t der Kampf.
Wie eine zur Erheiterung der Gaste erzählte Anek-
dote hat manches Pröbclien dieser Dicbtererklärung
gelautet, und der gespreiste Ton, die Miene Ober-
legener Einsicht, mit welcher wir belehrt wtTdcn,
würzt noch den Spaß. Aber das Lachen ist doch
kein lustiges und eine bittere Nachempfindung bleibt
zurück. Denn der Mann, der mit der Dichtung
Goethes so umgesprungen ist, wie wir erfahren ha-
ben, der eine so unfruchtliare, eine von künstleri-
schen Gesichtspunkten so gänzlich verlassene philo-
logische Methode auf sie in Anwendung gebracht
hat, ist von gelehrten Kreisen und von Blittem der
Tagespresse bis in den Himmel erhoben worden,
I und daß dies geschehen kfjniiti-, darin lie^t der Krnst
I der Sache, liegt die Mitschuld der Zeit. „Gocthe-
! pbiklogie" nennt sich die littierarhtstoriscbe Betblp
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Nr. j9
Dh ICaiulB Ar di* Hamm 4c« !»• «nd AagtoadM.
6oq
tigung, deren POhrer Sdierer geworden ist; Goethe-
mißhandlung hieße sie manchmal viel besser.
Daß die zum Verständnis der Faustdichtung ver-
öfiTentüchten Schriften mit Vorsicht eafzuiiebtnen sind,
dürfte die gegenwürtipe Kritik attf« neue j^excigt
haben. In der That, die Faii',tliticEatur, so überreich
nach der Stückzahl sie ist . so verhältnismäßig arm
ist sie an Trefliem. Das Bessere aaftuzihlen, ist
tticht meine Pflicht, aber die hier dfter erar&hiMen
Werke verlangen noch einige Worte Sieger im
Kampf ist Friedrich Vischcr geblieben. Die Ver-
ftffentlichung des ursprünglichen Goctheschen Textes
KU «rieben, hat ihm das Schicksal nicht gejtönnt;
aber dasjenige Buch, welches durch sie die {,'i rin^,'ste
Einl)u(k' erlitten h.it, trn^t seinen Namen. Von allen,
welche über den Kaust geschrieben haben, hat keiner
dem Dichter so tief ins Avffe gebHckt als er. Und
dies ist wohl begreiflich; denn Vischcr war nicht ni:r
ein Gelehrter und ein scharfsinniger Denker, sondern
auch ein Kenner des Lebens und ein Mann, begabt
mit der höchsten Empilinglichlceit für das Dicbter-
wort und mit dem ahnenden Sinn des Genies. Neben
Friedrich Vischers ..Neuen Reitrfifjen zur Kritik des
Gedichts", dem geistvollsten Buch der gesamten
Faustlittcratur, muß auch Kuno Fischers Arbeit ge-
rühmt werden; in ansprechender, n.icli vielen Seiten
hin zutreffender Weise legt sie die persönUdhen Be-
ziehungen Goethes 711 seinem \Vcrl<e dar und gicbt
Über die Entwicklung der Volk-ssagc cmcn lichtvollen
Dberblick. Wer zum Pentagnpnma, zum Drudenfuß,
tum Proktophantasmistcn. zu selteneren Wortformen
u. dergl. eine Erkläfun<j wünscht, wird bei Schröer
die reichlichste und sorgsamste Belehrung finden ,
aber das ästiietische Urteil dieses Führers kann nur
unfoverlisdg genannt werden, und hinsichtlicb der
Behandlung der geschichtlichen Fragen ist sein Buch
heute ungleich veralteter als v. Löpcrs Kommentar.
Daß Schröers Deutsch mitunter recht holpeng ist,
mag nebenher bemerkt sein.
Lmein Einwurf zu begegnen, welcher, wenn nicht
gegen die gesamte Faustkritik, so doch gegen einen
guten Teil derselben sich richtet, dürfte nicht ganz
fibei۟sMg sein. Mancher, der adnen Faust mit
warmer Empfindung gelesen hat, verspürt an der
Schwelle jeder geschichtlichen Untersucliung des
Textes ein Widerstreben. Ist diese mühsame For-
schung nach dem Werden des Gedichtes auch frucht-
bar, fruchtbar im höheren Sinne, fordert sie wirklich
das Verständnis des Kunstwerks? Ist es nicht um
vieles besser, dem ästhetischen Verhalten gemäßer,
auf das Ganze zu achten, als das Ganse in Stücke
aufzulösen? Solche Fragen vernimmt man nicht
selten aus dem Munde dcrjcnijjen, welche der Faust-
litteratur ausweiclien, iihi-rzcum , daß die Dichiunj^
selbst sich ihnen genügend erkläre. Auch gute
Köpfe, welche das uimihtislbare lathetische Genießen
mit einer denkenden Refr.iehtung des Kunstwerks
zu verbinden ^J^iwohnt und, wandelt die Besorgnis,
in eine schädliche Richtung gedrängt zu werden,
einmal an, wenn sie in die Wirren, welche besäglich
der Entstehung des Gedichte« vorhanden sind oder
waren, ehien freilich nur flüchtigen Bück geworfen
haben.
Ich weiß nicht, ob diese Bedenken und Anti>
pathten durch die vorliegende Untersuchung, soweit
sie mit (h-n geschichtlichen Fra^i.-n nnd ihrer litte-
rarischen Behandlung sicli befaßte, verstärkt worden
sind, oder ob etwa die Fieseii.ifrenhcit gewisser Er-
gebnisse sie zurückdrängen half. Gerechtfertigt wäre
die geschichtliche Betrachtungsweise, auch wenn sie
wirklich zum Verständnis des Kunstwerks nichts
beitragen würde, schon unter dem Gesichtspunkte
der Biographie, und der Anlafi, nach dem Wann
und Woher zu fragen, kehrt tim sn öfter und dring-
licher wieder, weil die Arbeit am Fau.sl .sieh durch
Goethes ganzes Leben hindurchzieht, weil ei ilm
I stückweise vollendet und veröffentlicht bat. Daß
I durch einen genaueren Einblick in den ftufierllchen
Ver!aiir von GoLfhes Schaffen die Erkenntnis seiner
künstlerischen Entwicklung zu gewinnen vermag, ist
selbstverrtindlich. Wollte aber jemand die Anteil-
nahme an der Penon des Dichten von der Betrach-
tung des Werkes absichtlich trennen, er würde dodi,
sobald er die Schöpfungen Goetlu s nur ifirem Be-
Stande nach kennen lernen will, zu emer Erwägung
geschichtlicher Verhältnisse gedrängt werden; denn
die Dinge liegen ja nicht so wie s. B. bei Klopstocks
.Mcssiadc, Goethe hat den ersten Teil des Fatist
nicht in Abschnitten, welche als l''firts<-t/.imyen an-
einander sich anschließen, veröffentlicht, sondern die
Ausgabe von 1808 ist gegenüber dem Bruehstflck
von I 7Q0 eine neue Be.nrheitnnj;, imd in dem Texte,
welchen das Friulein von Göchhausen abschrieb, ist
uns das Drama nunmehr in einer dritten und aber-
mals abweichenden Fassung geboten. Eine ver-
gleiebende Kritik, eine anf Gnmd gesehichtfober
Thatsachcn vergleichende Betrachtung ist also nicht
auszuschließen, und nachdem die Autmerksanikeit
sich auf diesm Punkt ebunal lenken mußte , hängt
es niclit von uns ab, in welche FöUe von Einsel-
fragen die Untersuch un<; auslSoft. Man kann ein-
werfen, dieses Interesse sei litterarhistorlscfier Natur,
das ä-sthetische Erfassen und Gcnußen dürfe sich
an das fertige Kunstwerk halten. Aber eben dieses
! fertige Kunstwerk birgt in sich Widersprüche, welche
in der Art der Entstehung und Veröffentlichung des
Ganzen ihre Quelle haben, es enthält Reste der
i älteren Fassungen, welche in die letzte Bearbeitung
sieh innerlidi nkbt einfOgen. Hier liegt der ent-
, scheidende Punkt- die Tragödie, als Kunstwerk, er-
klärt sich nicht völlig; aus sich selbst. Nun giebt
es ja freilich einen naiven Genuli der Dichtun^^, wel-
cher diese Widersprüche nicht gewahr wird, und es
sind nkbt eben die scbleditesten Leser, deren kii-
I tische? Gewissen unbehelligt bleibt; aber jedes tiefere
I Eindringen muß ihnen begegnen, ist mit ihnen sich
auseinander sa setien genötigt.
Chr. Herrn. Weiße hat zuerst darauf hingewiesen,
daß im vollendeten Faust Spuren eines Planwechaels
unbcseitigt geblieben sind. In der Sseoe „Wald und
Höhle** spricht Faust die Worte:
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6io
Dm fehguiD nir 4i« UUcMtar dai In- iiiid AoilandM.
Nr. 39
„Er(iabi>er Oeiit. du gab»! mir. sahst mir »Ue»,
Warum ich bal. Do ha»« mir nichr (i!n<-fi?i»t
Dein Angesicht im Feuer lUgrWtn l>r
Gabit mir die Iwnllcbe Nalw luio Knnigrrich,
Kraft, üc lU raUcB, n gcoiefin —
O. diift den Mtw^a "Bichl* Voilkommcc wird,
EiBpfiiid' Ich Mm. Om fabst lu dietcr W«ww,
Die Mteh den QButm mdi «nd nKticr hringt,
Mir dcH G« Muten, den ich schon nicht mehr
Bndwlirc* Icaim, wenn er gleich kult und frech
Mi«h vor mir sdbtt erniedrigt and m Nicht»
Mit einem Worthauch deine t Lilien « .ntlLlt
Dcsj^ltiicht^n lesen wir in der Szene „Tiüber Tag,
Feld": „Wandle ihn, du unendlicher Geist, wandle
den Wurm wieder in seine Hundsgestalt, wie er sich
oft nachtlicher Weise gefiel, vor mir hersutrotten,
dem harmlosen W.uulnr vm d'w Füße zu kollern
und sich dem niederstuiiendtii auf die Schultern zu
hängen! Wandle ihn wieder in seine Lieblingsbil-
dung, daß er vor mir im Sand auf dem Bauche
krieche, ich ihn mit Fufien trete, den Veworf-
tu-ii ' ..... Ciroßor. herrlicher Geist, di r du
mir zu erschemcn würdigtest, der du mein Herz
kennest und meine Seele, warum an den Schand-
{^(••ii-lli^n mich schmieden, der sich am Schaden wei-
det und ajii Verderben sich letzt?" Ohne Zweifel
ist der in diesen Stellen angeredete Geist der lird-
gcist, Mephistopheles ist vom Erdgeist zu Faust ge-
sandt Man ist genötigt, den Sdilnfi tu tieben, daß
Goethe ursprunglich ein wiederholtes Erscheinen des
Erdgeistes beabsichtigte; in der ausgeführten Dich-
tung versagt sich ja der Erdgeist dem flehenden
Faust, er verschwindet, indem er eine Gemeinschaft
mit jenem ablehnt. Auch ist jenen Worten zufolge
Faust dem gespenstischen Pudel ruif üächtlichen We-
gen wiederholt begegnet; die dramatische Handlung,
wie sie vorliegt, stimmt hiermit wiederum nicht
überein. Noch weniger ist der Prolog im Himmel
nebst der Vcrtr.it;sszcne, deren Inhalt dem Gnmd-
gedanken des Prologs entspricht, mit den angeführ-
ten Stellen im Einklang. Im Prolog ist es der Herr,
der die Versuchung »ittßt und ordnet, Goethe fQhrt
t in an die Hiribdichlxing erinnerndes Motiv ein; nicht
uhr.c Ankhnanj; an dda X'olksscliauspicl, da, wie wir
ncuestens durch Wilhelm Creizenach erfahren haben,
die englischen Komödianten, weiche Marlowes Faust
in Deutschland auflQhrten, Ihn mit einem Vorspiel
eröffneten, einer aus T^n^^^? Dckkcrs drninntiselier
Bearbeitung der Bruder Rausch-Sage licriibcrgciiom-
menen Teufelsversaminlung oder Beratung böser
Geister Goethe „verlegte den Schauplatz" des Vor-
spiels „aus der Hölle in den Himmel". Wir wissen
nicht, in weli "le Jil-re die Absicht Goethes, seinem
Faust ein Vorspiel zu geben, zurückreicht; gedichtet,
„geschrieben" wurde „die Zueignung und der Prolog"
nach der „Chronologie der Entstehung Goethescher
Schriften" im Jahre i-g;. und hiermit stimmen die
Eintrai^e aus (joethes "fagebüchcm , welclie Irlich
Schmidt im Anhang zum Texte der Göchluuscnschcn
Abschrift verOflentlicht hat, Oberein: tarn 24. Juni
170; i'^t bemerkt: „Zueignung an Faust". zum
9. August 1799: „Die Prologen wurden abgeschrie-
ben". Die Ausführung, wenn nicht die Entstehung,
des Prologs im Himmel fiillt also in diejenige Periode
der Dichtung, welche wir als die dritte bezeichnet
haben; und dem gleichen Zeitraum ^'ehiVt die nrn
iäoo gedichtete Wette an. Dagegen stammt, wie
wir sahen, der Monolog ,JErhabner Geist" aus den
Jahren 1 788 -89 und das erste Stück der Eingangs-
szene mit der Erscheinung des Erdgeistes aus den
Jahren 177,3—74- Faust, mit dem Erdgeist ringend,
in Verbindung mit ihm, hat seine Wurzeln in der
Sturm- und Drangzeit, in ihrem gBhrenden Streben,
ihrer ge\va!t';am ersf:ji'r;en T,eben=:formpn '.md
tülLiu \V issL-n zu den Quellen des Empfindens und
Erkennens. zur unverfälschten Natur sich wendenden
Sehnsucht. Indem die Dichtung diesen Stimmungen
den höchsten Ausdruck verleiht, Ist sie eine Welt
für sich; Vdti atuterer llerkunrt, von wesenilirh an-
derer Färbun^; i.-.t diis .Mytiv tler Versuchung, das
Motiv des Vertrags und der Wette. Mt ihm erst
wird das Drama zu einem Bilde der gesamten sitt-
lich ringenden Menschheit, zu einem für jede Zeit
gültigen Bild ihres Falls und ihrer Erlösung; der
Inhalt des Prologs wie der der Vertragsszene bat
aber cur Folge, daß der Erdgeist an Bedeutung fiir
die dramatische Handlung'' verliert Der Faust der
Sturm und Drangperiode spiej^ell den Titanismus;
der Faust mit dem Prolog im Himmel ist religiösen,
theosophiscben Gehalts, ist, wie Kuno Fischer mit
Recht betont, die divina conunedia der Neuzeit.
Beide nnindmotivc zu einer or<^anisclien !"inheit, zu
einer Einheit der Handlung zu verbmdcii, war die
Aufgabe des überarbeitenden IMcfaters, aber das Er-
gebnis war kein voUkommenes, konnte kein voll-
kommenes sem; on ungelöteter Bruch ist geblieben.
Von den namhafteren Auslegern macht nur Schroer
einen Versuch, die Einheit des Dramas zu retten,
während Kuno Fischer den Gegensatz so stark em-
pfindet, daß er von zwei Dichtungen, einer alten und
einer neuen, spricht. Schröer sieht in dem Erdgeist
eine „Manifestatum" Cldttes als Erdengott Aber zu
dieser Auflassung wollen die Worte: „Ich Ebenbild
der GotfheitI Und nicht einmal dirl" nicht passen,
und wollte man auch annehmen, daß der Frdireist,
der „der Gejttheit lebendiges Kleid wirkt" :n der
dramatischen Handlung den Gott des Prologs, den
„Weltengott", vertrete, so widerstrebt doch eine
Gestalt, welche in ihren wesentKehen Merkmalen das
Natur'.eben ['ersonifizierf, einer Übernahme derjenigen
Zuge, gemäß welchen Gott im Sinne der Hiobdich-
tung eine Versuchung des Menschen zuläßt. Der
Herr des Prologs, der Herr der himmlischen Heer*
scharen und Mephistopheles als abgefallener, teufli-
scher Geist, ^i'hiiren in eine mythi^clie Welt, der
Erdgeist stammt aus einem anderen Vorstcllungs-
kreise. Und wiederum wollen der Erdgeist und
Mephistopheles nicht recht zusammenpassen. Der
, Name Erdgeist und die Schilderung, welche dieser
; selbst \ nn seiner Tliatl|.^keii gleSvt , deutet auf eine
j Personifilcation der in der irdischen Natur wirkenden
I Gnindkraft, und ihrer gerade wöl ja der Faust des
ersten Monologs mit Hilfe der Magie sich bcmSch-
I tigen. Mit den BegrifTen gut und böse, weldw der
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Nr. $9
Du Hagula fOi di« Littnaiur dtt Ja> ita4 Awlandc».
611
sittlichen Sphäre im enperen Sinne angehören, hat
der Erdgeist ^lunächst nichts zu schaffen, er verhält
sich ihnen ge^^cnüher gewissermafien neutral; die
Szenen „Wald und Höh'e" und „Trüber Tag" lassen
jcduch auL^cr Zwcilcl , daii er nicht auf Seite der
bösen Geister steht. Mephistopheles dagegen ist und
Ueibt ein böser, ein satanischer Geist, er stammt
atu der Hölle. Di« AufTassung, daß Mephistopheles
ursprünglich als rtcmentari^ei-^f, als ird:--ctier ki'hold
artiger Dämon gedacht sei, welcher den Teufel nur
„parodiere**, läßt sich nicht halten; es sind Scbein-
prfmdc , welche Kuno Kischcr und Wilhelm Schcrer,
der ilini gefolgt ist, für diese Annahme vorbringen,
und mehrere treffend* Hinwendungen hat scl-.< n
Friedrich Vischer gemacht*). Auf einen Punkt
könnte noch hingewiesen werden. Ntir als höllischer
Geist schlägt Mephisto ..vorm Krrnz die Augen nie-
der" ; die Szene aber, in welcher dies geschieht, die
Siene ,,Land Strase", gehört laut Ausweis der Göch-
hausenschen Abschrift der ältesten Schicht der I-aust-
dtchtuni; an. Auch der Schluß der Kerkersseene, der
prosaischen Kerkerszenc, läßt ^^ar keinen Zweifel, in
welche Klasse von Geistern Mephibtopheles zu rech-
nen sei. Freilich ist er keine Figur, welche auf dne
abstrakte Formel abgezogen wcfden könnte; er ist
nicht immer „der Böse", auch der Schalk spricht
aus ihm und er hat srii;ar Anwandlnni^en vini Hu-
mor; aber diese Mischung von Zügen, dieses Scbil-
lemde der Zeichnung macht ihn zu einem höchst
glücklichen Gebilde der Kunst, zu einem Wesen von
Fleisch und Blut: „er kann leben, denn er wider-
spricht sich.**)
Wie aus diesen Andeutungen hervorgeht, ist es
die Ungleichartigkeit der TeQe, «fas Vorhandensein
innerer W'idersprüche , welches dir I'"rat;c nnch der
zeitlichen Entstehung der einzelnen S^ieacn autdrängt.
JBb wäre hübsch, wenn die Göchhauscnschc Abschrift
uns auch die geheimeren Fugen des ursprünglichen
Planes erkennen Keße, wenn wir z. B. ans ihr ent-
nehmen Jc<"jnnten, wie Goethe sieh die I''infQhrimg
des Mephistopheles ursprünglich j^cdacht liat Aber
in dieser Beziehung erfahren wir aus ihr nichts Neues
tmd vergeblich wird es sein, sich den Kopf darüber
zu zerbrechen. Ja, wie die Dinge liegen, wird man
sagen müssen, ein strent;<'r riesaint])ian hat der
Dichtung von Anfang an gefehlt, und dieser Umstand,
nicht nur die innere Umwandlung, welche mit ihrem
Schöpfer vorging, ist schuld, daß es ihm in späteren
Jahren so schwer ward, den Faden abzuspinnen, das
Begonnene zu enden W'.is alier \orliegt, findet
seine geheimste Verknüpfung in Goetiies Leben,
seine letzte Erklärung in Goetiies Art zu arbeiten.
Das Gedicht spiopclt seine cicjcnc Entwicklun;^, jede
Epoche Goethes tlndet ini l aust ihren Niederschlag ,
in Zeiten der Umluldung des Dichters ruht und
stockt die Arbeit und fert^ wird er mit dem Gan-
ten eingchließlich des zweiten Teils erst, als der
Zeiger seim r Tage Hült, als die Uhr seines Erden
daseins stilbtcht. Indem er den Faust zu einem
•) Mm «ti Nmi«. II, S. $8 t.
•*) ViMhM^ Neu B«M|c v. ». w., S. a79>
Gel&ß macht, in welches er den tiefsten Inhalt seines
ganzen Lebens legt, (Qllt sich das Gedicht mit einem
solchen Reichtum, dafl ihm in dieser Beziehung kein
anderes verglichen werden Icann , und indem er die
Arbeit an ihm für die Stunden der besten Stiiiiriiung
aufspart, wird alles Einzelne überherrlich. Aber das
dramatisclie Gesamtgefüge mußte bei dieser Er-
streckung über lange Zetträume, bei dieser vielfachen
l'nterbrerhuni; sich lockern; denn die Gesetze der
dramatischen Gattung gebieten, dalS das Werk aus
einem Gosse gemacht sei. Niemand wird die Dbige
anders wünschen als ';ie gekommen sind, da doch
unser Gewinn den Verlust weit überwiegt; aber es
darf auch gesagt werden, daß Goethe diese Art des
Arbeitens schwerlich eingehalten hätte, weim ihn,
wie es bei Schiller der Fall war, die Innerste Natur
seines Genius gezwungen hätte, in dramatischer Form
zu dichten. Was er irgend iKi^aim, wir erkennen
in ihm den Güttcrsohn, den begnadeten Liebling des
Himmels; aber wäre es in solchem Grade für ihn
wie für Schiller angeborene Notwendigkeit gewesen,
in dramatischer Form sich a^:■•,^u^;)rechen , so hätte
ihn dieser Naturlrieb zu einem strengeren Zusam-
menfassen des Planes, zu einem Abschließen ge-
drängt. Denn den dramatischen Techniker und
Künstler als solchen macht der Aufhau des Planes,
und er kann nicht Ruhe finden, bis er die innere
Verbindung der Teile bewerkstelligt hat, mag immer-
hin die Ausarbeitui^ der einzelnen Szenen mit
Lücken <;ich vollziehen. Es sind aber nicht nur die
großen und üi der Art der Schöpfung; des Werkes
gelegenen Hemmnisse, welche den Zusammenhang
des Ganzen gelockert haben; auch während eines
der Ausfilhmng auf längere Strecken hin günstigen
Zeitraumes unterbricht Goethe die Arbeit öfter, .ils
der Verknüpfung der Teile vorteilhaft \*ar. Auch
in der Reihe der Grctchenszenen, welche doch einem
Zeitraum ent s t a mmen, ist nicht immer auf die Ver-
bindong der Begebenheiten geachtet. Schröer er-
innert, daß das Gespräch zwischen Gretchen und
Lieschen in der Art, wie es geführt wird, nicht wohl
stattfinden konnte, nachdem die Nacht, in welcher
Greteben dem Geliebten sich hingiebt, ihrer Mutter
den Tod gebracht bat. Man kann ihm hierin nicht
vfillit; Unrecht geben, \^■enn auch die Foli^'entng,
welche er an diesen Umstand yeknuptt hat, nicht
stichhaltig ist. HinwegriUfflen kann man solche Un-
ebenheiten nicht, aber verstehen kann man sie lernen.
Die Liebe zum Dichter, die Bewunderung seines
Welkes verliert dabei nicht einen lu-ut. lUnn ma^'
immer die Sonne ein paar Flecken haben, mag ein
kritisches WöBedien an ihr vorbeiflehcD: deniiocb
bhiht sie das gesegnete Gestirn, welches unermeß-
liches Licht, unermeßliche Wärme verbreitet.
(Siiida.)
Eine Uiteilsrevision in Sachen
Don Quichotes.
Das zähcste Leben liat die Lüge, die bewußte
und imbewufite; das „Semper aliquid haeret'* gilt
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6l2
Du Macuio für die LiUsntiu de* In- und Amltod«».
Nr.
nicht nur in Hinsicht auf Verleumdung, sondern
auch auf unverdientes oder in falscher Kichtui^ er*
teittes Lob. Schiefe Urteile Ober Personen und
Dinge werden leicht von rir.-^chlLcht zu Geschlecht
vererbt, und hat nun gar einmal ein deutscher Pro-
fessor irgend einen Irrtum durdi Druckerschwärze
verewigen lassen, so kann man darauf wetten, daß
in unserm gcscgtutcn Vaterlandc die Nachbeter
jeoes Irrtums niemals gänzlich .uis^ttthtMi wcrdt-n.
So wird fast in allen unseren Littcraturgcschichtcn
der Don Qukhote des Cervantes ab bumoristisdies
Mi:>tfr- und Meisterwerk 5,'fpric?en, i:nd dieses Ur-
teil wild auch von solchen nachytbpruchcn, die den
Don Quichote oft gar niclit gelesen haben. Es ver-
lohnt sich, der Frage etwas näher zu treten, ob
jenes unsterbliche Werk des groflen Spaniers «riilc-
lieh ( in Meisterwerk gerade in humoristischer Hin-
sicht und als solches mustergiltig sei.
Ein schweres lii denken das uns gegen die un-
bedingte Bejahung dieser Frage aufsteigt, ist doch
wohl die Uratsache, dafi Cervantes selbst sein Werk
als ein Tcnd« nzwerk lioEcichnct, und ein Tondenz-
werk wird sich nicht so ohne Weiteres in das I"ach der
humoristischen Meisterwerke einreihen lassen. Auch
muß man erst die vielerlei, teilweise recht weitschwei-
figen Nebenhandlungen streichen, die mit dem Helden
des W'i rkcs i^.ir nirl'.ts /u schaffen haben (z. B. die
Erzählung des Sklaven, Kap. 39, 40, 4 t des ersten
Teiles), ttm überhaupt den eigendidien Roman des
Ritter« von der tr.'uiri^cn Gestalt zu gewinnen; von
jenen aus.zu.>chcidcndcii Nebenhandlungen wird wohl
kein Zurechnungsfähiger bch iuiitcn wollen, daß sie hu-
moristischer Art seien. Der alsdann verbleibende Rest
des Werkes, fOr den man nun vielleicht mit um so
größerer Hartnäckigkeit die Bezeichnung ..humo-
ristisch" beanspruchen wird, ist aber immer noch
mit vielen umständlichen und gar nicht sur Sache
gehörigen Gesprächen durchsetzt, die an und für
sich teilweise recht bedeutend und anisiehend sein
mo^;l-■n, durch die Verzögerung" der Handlung aber die j
Geduld ^des I^escrs oft geradezu auf die Folter span- i
ncn. Nehmen wir diese endlosen Zwicgcspriche, die 1
allem Humor gleichfaib völlig fremd sind, nun auch
noch heraus, so haben wir erst den eigentlichen
Kern fies Werkes, den man mit Ki'cht als teihvcis
humoristisch bezeichnen kann. AU teilweis humo-
ristkeh; deon so unbestritten tms efauelne Kapitel
k(S<t]\cb[e Blüten des l;oirii.';c-hen Humors anmuten,
so zvvt'itcilui. üilcn andLte Kapitel aus dem reinen
Begriff des Humoristischen heraus und Stellen sich
vielmehr als satyrisch dar.
Man kann das ganseWeric mit dnem Gemeng-
stein \oll Edelerzen und bitter- salzigem Gestein
vergleichen, in das zahlreiche funkelnde Krystallc
einer milden, versöhnenden und tief hiunoristischen
Weltanschauung eingeqwengt sind. In erster Linie
Ist und bleibt der Don Qutehote eine Satyre gegen
den damals im .Sdiw.inL^c befindlichen l'nsinn der
Kitterromanu, eine vernichtende Satyre, die auch bei
ihrem ersten Erscheinen von denLesem sofort absotehe
verstanden wurde, aber merkwürdippr Weise nicht
recht Anklang finden wollte, bis ihr der Verfasser
durch allerlei Kunstgriffe, die dcrn AufrcgungsbcdQrf-
nis des sich ewig gleich bleibenden Lescpobels ge-
schickt Rechnung trugen, endlich Bahn bfäch. Wer
. wollte leiienen, d.il> der Cdier.iiis ^'!uckliche Blick,
i den ( ctvantes tür das Komische auch ,.au( der
Nachtseite menschlicher Efsebeinungen" besitzt^ uns
geradezu zu entzücken vermag } Wer fände es nicht
in der Ordnung, daß sich das Werk eines so glück-
lich vcranl.^^ten Dichters, dem zudem noch eine so
seltene Meisterschaft in der Charakteneichnung
eigen ist, einen bleibenden Pbts in der WeMittefatur
errungen hat' Aber immer wieder muß betont
werden, dali auch durch das lauteste Nachplarrcii
der Urteile gedankenloser Littcraturgcschichten-Ab-
sdu-eiber der Uon Quichote nimmer ni einem gerade
humoristischen Meisterwerke empoi^eschrieen werden
kann. Der reine Humor verlangt cini von jeder
absichtlichen Übertreibung freie Darstellung des
menschlichen Lebens nach seiner komischen und
tragischen Seite hin; der Ritter von der traurigen
Gestalt ist atier keine in aflen ZOgen lebenswahre
i FiL;ur, srmdern mehr ein drolliges Zerrbild, und
[ wenn man ihn als Karikatur nicht wollte gelten
, lassen, müßte man ihn unter die Verrückten sSKIefi;
I ein Verrückter aber, so komisch er sich auch ge-
I berdcn mag, erregt mehr unseren pathologischen
I Anteil, .ils daß er uns über die ("irenze des nur
Komischen in das Gebiet des Humoristischen empor-
zuheben vermAebte. Ndunen wir den Don Quicbote
nun als das, was er ist und sein .soll, als komische
Karikatur, so können wir doch die Thatsacbe nicht
gänzlich übersehen, daß dem nur Komischen mehr
oder minder immer eine gewisse Gemütlosigkät an-
hafUt.
„Was dem Verstände als Widerspruch oder
logische Verkehrtheit erscheint," sagt E. v. Hartmann
(Phil, des SdlOoea), „das ist für die in den Widern
Spruch emgegangeiien Jndividueo zugleich Schmerz
und T^id; indem die kombche Auffassung von
diesem Ceriihlsreflex des Unlogischen abstrahiert und
abstrahieren muß, wird sie der Totalitat des im
isthctischen Objekt Gegebenen nicht gerecht und
macht sich einer Einseitigkeit schuldig, die um so
bedenklicher ist, als sie den Vorwurf auf sich zieht,
für das Leid der Welt kein Herz zu lialien •' Ich
weiß nichts ob es andern ähnlich gegangen ist wie
mir. leb las den Don Qtidtmbe ram ersten Itble
als Schüler ich mochte vielleicht sechzehn jähre
alt sciii und trotz des Genusses, den ich an
manchen Kapiteln fand, konnte ich mich doch eines
gewissen schmerzlichen GeitUiis nicht erwdiren, daß
der brave und thörichte Held so unbarmherzig oft
und viel ^'cpriij^elt wird. Ich stellte mir im l''i.rt-
schrciten der Lesung das Bild des mit Stöcken,
Lanzen und Degen zcrbläutcn Thoren vor das geistige
Auge und wurde durch den Anblick dieses blut-
rünstigen und lendenlahm geprügelten Ritters, an
dem ja kein Hautfctzcn mehr heil sein konnte, sn
mitleid^ gestimmt, daß die hunooristische Wirkung
seiner Abenteuer stdienweise gtaslidi in die Brüche
Später las ich den Don yuichoie wieder — ich
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Nr. 39
Dm Maguln Alf <li* Liuerawr 4m In> und AwItiidM.
war inzwischen zam Manne (jcrcifk — und wenn sich
meine Gefuhl^weicbhdt auch etwas verloren und
mehr einer gewissen Härte Platz gemacht hatte, so
fand ich doch wiederum, daß der Held dach ;^ar zu
oft und zu viel Prügel bekomme, daß der Ausgang
aeiner Abenteuer fast immer derselbe sei imd daß
uns diese nicht wegzuleugnende F.intönigkeit leicht
ermüdet. Und als ich ihn jüngst zum dritten Male
mehr |irvitcnd Li-^, tand ich das bestätigt, was ich
frülier nur unklar empfunden liattc: dalS man einen
Witx nicht tot hetten darf und daß ein Mlndermafl
von Prügeln den humori^^tischin Gehalt des Helden
vielleicht n<M:h besser zur GeUung kommen lassen
würde.
Der Begriff des waltfen Huraon, jenes welt-
weiten Humors, der zugleich die umfassendste
und höchste Gestali c!c> Schönen <I.ir>tt llt , in
welcher alle vom Schönen durchlauieutn Arten
aufgchulKn und mit erhöhtem ästhetischen Werte
bewalirt üind , ist eine solche rara avis unter den
^lenschenkindcm, selbst unter den mit Dolttordiplo-
mi-Ti ausgerüstet <'n rc^asusfiachtcrn, daß hi^hi r nur
wenige zum Mißtrauen gegen die landläufige Be-
tdehowig des Don Quidiote ab eines humoristi-
schen Mit«terwerkes ^elanf:t sind. Als ich in einer
Abhandiunjj über den Humor mir eine kurze An-
deutung dieser meiner Wertung des Don Quichotc
gestattete, machte der Leiter d«^ Feuilletons, in dem
ich (ten Aufsatz verdffentfichte, sofort zu meiner An-
deutung ein dirkrs !Va|:;czi ich(>n in einer Fußnote,
ohne jedoch sritic alnviiclu'nde Ansicht Irgendwie
ZU begründen; es ist eben bequemer, sich in den
ausgetretenen Geleisen der Überlieferung zu bew^en
und auf das Ansdien anderer zu stützen, als durch
Selbstprüfung ein eigenes Urteil zu t^fwiiMu n und
dasselbe, wenn es dem Herkommen widerspricht,
auch zu vertreten. Es herrschen ja die wunder-
barsten Ansichten über das Wesen des Humors;
selbst manchem Philosophen von Fach ist es ein
Buch mit sifbcn S:ci.^L'ln «^'cbhcbcn. Man drnki; nur
an Kirchrnann, der das Humoristische als eine un-
bereehtigtie Ssthetisdie Kategorie geradezu verurteilt
hat Ed. V. Hartmann klagt daher mit Recht, daß
die Lehre vom Humor einen der schwächsten Punkte
der ganzen bisherigen Ästhe tik bikli- \\\r nicht
auf die Worte anderer schwört imd den Don Qutcbote
»elbatindig und vorurteiltfrei atif seinen wahren Wert
zu (»rüfen iintf-rnimint, der wird mir wenn er .'indcrs
meine An.schauunj,; über das Wesen des Humor»
teilt, wahrscheinlich beistimmen, daß unseres Eritz
Reuters „Ut mine Stromtted" als rein humoristisches
Werk turmhoch Ober dem Don Quichote utehe, weil es
durchaus frei von jedem störenden Xebenwerk, von
jedem salyrischen I3eigeschmack, von jeder absichts-
vollen Cbcrtreibung ist und uns häufig die Thränen
der Rührung ins Auge lockt, die wohl noch kein
Leser des Don Quichote vct^ossen haben wird.
In tk r That, der Iiiin (Juichote nitt i;elei;entlich
nur die Thränc des Gelächters über das rein Ko-
mische hervor, daß oft ein derb und niedrig Komisches
ist. Wer hat nicht Thränen petacht, als er zum
ersten Male das Abenteuer in der Nahe der Walk-
mühle las, wo Sancho Pansas Befriedigung eines na-
türlichen BcdOrfnisses in einer beinahe allzu derben
I Weise beschrieben wird? Aber diese ThrSnen
sind keine huriinrerzeii^ten ; sie verhaken sieh zu
den Thränen, die uns Eritz Reuters göttlicher Humor
I ins Auge treibt, wie Rbeinkiesel zu Diamanten. Das
Komische ist noch lange kein Humoristisches; die
Selbst-reductio ad absurdum des Komi.schen wird
erst zum Humoristischen, wenn sie sich mit dem
I Rührenden oder Tragischen vermählt, und erst das
I Univetsell-Humoristische, d. h. das rigentlich Tragi*
I komische, ist nach einem schönen Worte E. v Hait-
I manns befähigt, „das Diesseits mit Liebe zu um-
! fassen, weil es zum Jemeto IQlirt, aber auch es er-
i leichtert fahren zu lasaen, wenn es im Eiuielfall in
I untftstMre Konflikte verwickelt, und ihm dodi nodi
im willigen Scheiden die Liehe /u bewahren, die es
als Erlösungsmitte] für das Ganze verdient." Ich
glaube, es mit unverletztem Gewissen aussprechen
S.U däjfen, daß mich der Cervantes'sche Humor wohl
oft behaglich gestimmt, aber nur selten mit jenen
heiligen Schauem des Tragikomischen ertü'.lt hat,
, das in der Vereinigung des in die Enge dc4> erschei-
I nenden Daseins gebannten Inunanent-Humoristisicben
und des die Erde überwunden habenden Transcen-
dent - Humoristischen besteht. Dieses Univcr.se1l-
Humoristische ist, wie ich dies an an<Jeier .Stelle
des Breiteren ausgeführt habe („Der Humor und das
Qiristentum") bi^ier ausschließlich das Erbteil des
^'ennanischen und ihm verw andter Stämme gewesen,
und weder romanische Stämme noch die Juden haben
einen einzigen Humoristen im eigentlichen Sinne
des Wortes erzeugt; der Jude kann kein Humorist
sein, da ihm das Durchgangsmoment der christlichen
Weltanschauung fehlt, und den Romanen hindert die
Unfreiheit des Geistes gegenüber dem bekenntnismäßi-
gen Christentum ; was der Jude gern für Humor aus-
giebt, ist meist nur Komik, oft niur üdeXt kalter
Wortwitz, und der Romane gelangt nur da vorflber-
^ehend zum Humor, wo er sich, von alk n ^ekiieten-
den Einflüssen frei, auf sich selbst und den ge-
mnten Weltprooeß besinnt, der, ästhetisch betrachtet,
im höchsten Sinne des Wortes eine Tragikomödie ist.
Wir glauben dem unsterblichen Werke des
großen Spaniers gerecht zu werden, wenn wir es
als einen teils satyrischen, teils humoristischen Roman
bezeichnen, der seiner Zeit einen völligen Umsdiwung
' im schöngeistit^'en Schaffen und im Gcsrhmacke
, der Lesewelt hervorgebracht iwt und auch heute
noch geeignet ist, durch einzelne humoristische und
1 komische Abschnitte dem Leser höchsten Genuß
zu bereiten; wir fügen aber einschrSnkend hinzu,
daß die'-rr Rniiian an vietfacli (in>^eh<'>rigcn Ein-
schiebsein und uü unerträglichen Längen leidet, daß
große Teile desselben gänzlich aus dem Begriffe des
i-iumoristischen herausfallen und daß es somit eine
Übertreibung ist, wenn er uns heute noch als gerade
humoristisches Meister und MustiTwerk ^eiiriesen
I wird. Wer mit den Ansprüchen, die eine solche
I Sdiitmng gestattet, an die Lesung des Do« Qidcbote
hpranj^eht, der wird befriediget werden ; wer aber ein
Musterwerk erwartet, indem er den landläuligen Redens-
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6i4
Dis Mi^axin die Litterator des In- und AusUoda«.
Nr. 39
arten der I.itteraturi,'t\scli;chtcn - Zus.i:nmenstöp|iltM
traut, der wird sicher eine Enttäuschung erfahren.
Humoristisch« Musterwerice änd nur in unseim
Vaterlands und hc\ unsern guten Vettern jenseits
des Ärmel-Kanals erzeugt worden.
bidefli wir diese Zeilen der Begutachtung der ße-
mfenen vorlegen, sind wir uns des Wagnisses bewußt,
was nnt einer solchen Urteilsnachprflfung yerknüpft ist.
Es giebt elx'H Ansichten, dir dr.rrb Ansehenskraft und
die Länge der Zeit so lest gcstül/.i sind, daß jedes
Rütteln an denselben leicht als eine Art Kirchen-
scliändung erscheint. Sollten wir sachlich und über-
zeugend widerlegt werden , so werden wir dies als
eine Hrnchti^iin^^ iinsctor kün-.tlcrischcn Anschau-
ungen dankbar anerkennen ; für alle Fälle aber werden
wir Alfrieden sebi, wenn wir mm Nachdenken und
zur Verhandlung über einen Gegenstand ant,'cregt
haben sollten, der des Schweißes der üdlen wert ist.
Gerhard von Ainyntor.
Der Dandy und seine Wandelung
in Frankreich.
Der ahf französische Sat/ ,,pliis change plus
c'est la m&mc chose" hat wohl nirgends solche Gel-
tung ab gerade in Pranicreich, dem Lande, das
jetzt wieder der Welt ein herrliches Beispiel des-
selben geben zu wollen scheint, wo Boulanger das
oft vetlnch'.f Wort Napoh <>ns Iii. ,,rempirc c cst la
paix" nur in die ebenso unwahre Redensart „Bou-
langer c'est la paix" umwandelt, M>rigem aber ganx
seinen Spuren zu folgen sich anschickt. So finden
wir auch hier die eigentümliche Krscheinung, daß
die letchtshmige vornehme Gesellschaft, welche sich
aus reichen jungen Leuten anwirbt, trotz ihrer un-
endlich bSttfigen Namensänderunfr im großen ganzen
rüc.sc'be ist wie vor hunderten \'r>n Jahren, maj,' arjch
ihre i-vleidung vor allem eine wesentlich andere ge-
worden sein. Über sie hat unter andern C. Robert
in der „Taalstudie" genannten wiasenachaftlicben Zeit-
schrift in einem Hefte von r88o gehandelt, dessen
Auf'-.ilz uir hicrniit \Trv<ii!.sl.'indii;i-n unllcn 7ui-rst
tritt uns diese absonderliche Menschenart blasierter
junger Herren am Hofe Heinrichs III. entlegen, wo
sie als Mignons sich eines wenig anziehenden Rufes
erfreuten. Unter seinem Nachfolger Heinrich IV,
und untt r Ludwig' XIII nnnnti. n sie sich Mu'.nK-ts
(Maiblumen, aber auch Jungfemkncchtc) und Raninds,
unter Ludwig XIV. petits-maltres und gros crev^
über welche St Simon allerhand Lustiges berichtet
hat. Unter dem Regenten Philipp von Orleans blühten
die Rou^s, die sich nicht entblödeten, die Bezeich-
nung „Geräderter", durch Lüderliclikett „Herunter-
gekommener^' wie einen Ehrentitel antnsehen. Von
Ludwij,' \'\' t)is zur St.i.itsutiiwalzilTii; fmdcli wir dir
Musque.s und die Mirhtiores, wcicli' leiztrer Name aucli
wieder unter dem ersten Kaiserreiche auftaucht. Zur
Zeit des Dtrektoriums nannte sich die Jeunesse dorde,
über wekbe mein Wörterbuch unter dons xu ver-
gleichen . Muscadins merveilleu.x oder Incroyables
und wer ihre abgeschmackte Tracht sieht, mit ries^
hohem Haistuch und langer Schleife, langer dureh
zwei lehren iiüt Ketten ver/ietter W'e.^te . langem
Leibrocke, Lederhosen und hohen Stiefein, wird sich
über die Selbstironic jenes Namens nicht wtindem,
der gelegentlich auch mit Beaux und Fetits-sucrds
vertauscht wurde, um 1808 alier den Bezeichnungen
Freluqucts, Scdans. Petit^^-maitres Platz zu machen Un-
ter Ludwig XVIII. nannten sie sich Gandins oder
Fashionables , um i8jo Werthers nach Goethes Ro-
man oder Ltons, während unter Louis Philipp spAter
der wahrscheinlich ursprünglich französische, aber
über Enj^'land erst wn der nacli I'rankreich gekom-
mene Name Dandy seinen Einzug hielt. Um 1609
unter Napoleon HI. finden wir dann den Petit Cnvi,
den Roqucplin tms <;childerte als <*l<!gant cfflanqu^
et ridicule qui iic doit pas faire de vieux os; ihr
Name stammt von der absonderlichen Haartracht,
chemin k petits ciev^, welche der Berliner etwas
drastisch „Läuse-Chaossee*' nennt. 1870 kommt der
Name Cocod^s auf, abfjeleitet von der Bezeichnung
jener Frauenzimmer cocodette oder cocotte. mit
welchen sie ihr Vermögen vergeudeten. Daneben
findet sich Col-cassd nach dem umgekippten Hais-
kragen und Gommeux. Luden Rigaud, der in sei-
Tieiri Hictionnaire d'.irj.;ot moderne, Paris \ on
Gandin sagt, es werde von einigen von gant Hand-
schuh, von anderen von dem Boulevard de Gand
oder von dem Namen einer Person in Barriirc's Pa-
risiens de la Ddcadence abgeleitet, anderer ebensowe-
nig sicherer W'ortableitiin^^en zu ^eschweij^a-n, erklärt,
das Wort sei 1867 abgekommen und sein Nachfolger
petit erev^ habe 1873 dem Worte gonuneux Pbts
gem.icht , das scincr-^rits der Haute Gommc , der
' lüderlichen Welt jener Kreise, den Namen gegeben
; hat. Ob es daher stammt, daß seine Träger „empesds,
I gommtfs dans leure toilette" — oder weil ihre Aua-
schweifungen sie dahin gebracht haben, dafi sie auf
den Genuß von sirop de gomme zur Kur angewiesen
sind, ist nicht mit Sicherheit zu ergriindcn Bald
nennen sie sich Petits-gras; 1876 bringt Dunias fils,
dem so mnche* geflügelte Wort au verdanken, in
seiner Etratlgire den boshaften Namen vibrion
:.i forme hiitnainc) auf, naeli der Infusorienart Vibrio,
Zittertierchen, neben welchem eine vibrionne aU seine
Geliebte aufritt. 1882 ersettt Pschutt(eux) dieses
Wort, neben welchem die ebenso unfranzdsisch klin-
genden Tschotte und Tseng auftreten, um bald durch
H' -udinc ersetzt zu wercien , das wohl wie lucus a
non lucendo mit einer von boudin, Blutwurst, abge-
leiteten Form ironisch jene diinnen, oft sehr bleich
aussehenden Stutzer bezeichnen sollte, aber wie das
gicichzcitiye Cri-cri, nach detD ent.selzlichen damals
auftauchenden Musikinstrumente genannt, durchaus
nicht als Schimpf gefDhlt wurde. 1883 begegnen
wir neben Larbin<, Stotser mit weitem, langem Rocke,
v^ieder einer netten Benennung', ah', neben Pantre
(Tölpel), Gogo und Chic, weSclic auch v'lan <klitsch
klatsch), Dzoff und Pois.seux ersetzen. Dieser letzte
Ausdnidc, im Argot gleich Straßenjtmge, machte dem
Gr^Hnd oder (monsieur du) gratin Pkts, au dessen
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Nr. 30
Das MafuiD fDr die LlUcralor des In- mnd Auslandes,
6iS
Erkifirung man zwischen den beiden ersten Bedeutun-
gen von gratin in meinem Wörtcrfmch nnch üelicbcn
wählen möge; ihm folgte n<icli in demselben Jahre
Gtteux (Verdorbenerl, Bath anx oignons, ein der
Gaunersprache entlehnter Ausdruck, der doppelt „das
Feinste" bezeichnet, daneben Faiiclunix und i88^
Tchink, Tschock und Pitchenlair, wt iclij man vt t
gebens in dem Dictionnaire de l'Acad^mic suchen wird.
1885 begegnen wir dem Grelottenx, dem Zitterer,
dem B^carrc (Auflösungszeichen; Fon de becarrc
ganz toll), dem TyjK-, dem Hmbaum<5, dem Aminci
(ein dem boudin^ diametral entgegengesetzter Aus-
druck), dem Cr^meux (dem Sahne -reichen), dem
Lutsant oder Leuchtenden . dem Huileux (dem öli-
gen), welches Wort nacli dorn Fi:^\iro vr:>ni 1 Febr.
1886 mit H cxtr6incniL-nt aspirc gt^Eprochcn wird und
endftch dem Copurchic. Dieser aus |>ur und chic
zusammengesetzte Ausdruck, der nach Taalstudie vom
7. Juni 1886 die letzte Fleischwerdung du jeunc mo-
derne ist, bezeichnet den jungen Stutzer in .illu nister
Tracht nach amerikanischem Muster, der zwar nicht
mehr h\n<\ argot redet, aber nach Art der drei
Stehenden Figuren im Journal amüsant Gontrnn und
Genossen das Non plus ultra steifer Abgeschmackt-
heit darstellt, wenn auch im letzten Jahre die für ihn
aufgekommene Bezeichnung Phosphorcscent den An-
schein erwecken roödite, er sei munterer und geist-
reicher als seine Vorgänger. Der letzte Ausdruck
fiir diese wunderbaren Gestalten, deren hervor-
stechendste Eigenschaft die Blasiertheit bleibt, ist
Emousse, ein Wort, dem an Deutlichkeit nichts mehr
fehlt, da es mit dem vor t$a Jahi«n beliebten Routf
zienilich dieselbe tnurige BcdeutUDg h.it
Brandenburg. Karl Sachs.
The bolance of military power in EUfope
bf Coloncl Maaricc.
Tkndmiii • Sdidoii.
Ilicsc-i sclir bcachtrnswrrti;, ri-.it t;n"intric[R !- S.icli-
kcnntnis und möglichst großer Unparteilichkeit ge-
schriebene Buch empfiehlt sich der grofien Leserwelt
besonders durch den Vorzug, daß es militärische
Angelegenheiten und Verhältnisse so klar und faßlich
darstellt, daß sie auch dem Lai^n thu chaus verständlich
sind. Den Stil können wir nicht unbedingt loben;
durch vielfache Einschaltungen wird er oft schwer-
fällig. n("^=:rn ungeachtet weiß man immer, was
Col. Maurice sagen will, auch wenn der Satzbau nicht
mustergiltig ist, denn er jlt mit sich selbst im klaren
und beherrscht sein ausgedehntes Stoffgebiet mit
vollkommener Umsicht Von seiner Polemik gegen Sir
riunlt s Düke, dem er rils F.Tchm.'inn auf rniiit;iri.sch<Mri
Gebiete ebensosehr überlegen erscheint, wie an Ge-
radheit seines nicht durch eigenni.t/itjc l'artcizwecke
beirrten Urteils, wollen wir hier absehen, oder uns
begnügen zu sagen, daß er ihn, den Verfasser der
Aufsätze in der Fortnightly Review, bei streitigen
Punkten schlagend widerlegt. Col. Maurice liat für
alle seme Bchaii^>tungen sofort die Belege zur Hand
und darum folgen wir seinen Ausführungen mit einem
Zutrauen, daß für den Leser um so wohlthucnder ist,
je mehr er sich als I^ie einem Gewährsmann gegen-
über fühlt, der dabei durchaus nicht den Anspruch
erhebt, jede andere Meinung auszuschüefSen.
Der W-rlassfi bclLindcIt meinen Stoff in ver-
schiedenen Aufsätzen, die er im wesentlichen so be-
lassen hat, wie sie zuerst vor 3 — 4 Jahren in Macniil'
lans „Citizen Scries" erschienen; Änderungen und
Zusätze, welche seitdem nötig geworden, hat er öfter
in Anmerkungen als im Te.xte angebracht. Auf eine
sehr ausführliche Einleitung folgen vier Aufsätze:
Rußland und England. — Deutschland, Frank-
reich und Belgien. — Dour^cMand, Ruf^bnd untl
Österreich. Italien, die Türkei und (.nglisclie
Bündnisse.
Den Anhang bildet ein genaues, sehr schätzbares
Sachverzeichnis, das den Leser In den Stand setzt,
sich mit Leichtigkeit z'.inrht zu finden und jeden
der behandelten Gegenstände sofort nachzuschlagen.
Welch' eine Erleichterung wäre es, wenn eine
solche Zugabe auch bei deutschen Büchern, nament-
lich wissenschaftlichen und Fachwerken zur allge-
meinen Sitte würde.
Was Col. Utourice nachzuweisen und seinen Lands-
leuten ans Hen m legen bestrebt ist, sind besonders
folgende Punkte:
Daß die in England neuerdings begonnene Re-
form des Meeres und der Flotte geeignet ist, die
Macht des Landes aufs haushälterischste und zweck-
maftigste zur Verteidigung des grofkn britis(Aen
Reiches zu vrrwtnden . daß Indien, selb-^t wenn
die Engländer es übt:iliaupt verteidigen können, nicht
in einem Zustande völliger Sicherheit zu erhalten ist,
SO lange sie Rußland nicht von einer anderen Seite
als von fndien aus mit Erfolg beikommen kOnnen.
Fcrni r weist der Vcrfnsscr n:\c.h. daß England für
seine Heeresmacht nicht mehr ausgebe, als die
Festlandsmächte, sondern viel weniger, weim
auch die Barauslage größer erscheine unid zieht hier-
bei besonders den Vergleich mit Deutschland, das
durch seine allgemcinL- W'chrp'licht die fdclsten
Iund kostbarsten Kräfte des Landes aufopfere
und durch mittelbare IKnbußc am allgemeinen Wohl-
i Stande schon in materieller Hinsicht viel mehr
verliere als England durch seine unmittelbaren Aus-
lagen für das Heer, abgesehen von ilrm un-
schätzbaren geistigen Material, was dem Lande
dadurch entzogen würde, daß i£e gebildetsten, fidiig-
■:tcn . erlesensten Mnnncr n!s gemeine Soldaten in
Keih und Glied treten und Zielscheibe für die feind-
lichen Geschütze werden mCßten. Der ethischen
Bedeutung unserer allgemeinen Wehrpflicht, die er
„Zwangsdienst'* — nennt, wird ein Englander nie
■^:in.'- St ri cht vM ttJcn Von seinem Standpunkt aus
I aber hat er Recht in seinen Ausfühnmgen. Er be-
tont, daß England keine persönlichen Opfer zu
bringen habe, wie die Länder mit allgemeiner Wehr-
pflicht, und daß es den vollen Wert seiner Baraus-
lage erhalte. Auch die Grüßt: dts cn;^l;schi n Ten-
sionsfonds wird gerechtfertigt, einerseits durch den
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6i6
Du Magazin (Ur die Littcrator des In- und Atulandcf.
Nr. 39
Vorteil, keine zu alten Orfi/u'rc im Dii'nst zu haben,
andererseits erklärt dadurch, daß in England nicht
wie in Deutsdiland die Berechtigung ausschcldctider
Militärs zur Anstellung im Zivildienst bestände. Ge-
gen jede Herabsetzung der Gehälter spricht Mau- |
ricc sich höchst ener^'isch aus Für gcrins^en Geld
sei keine gute Ware zu haben — dieser an sich ein-
leachtende, von Staatsmünnem, die von Militaraaclien
nichts verstehen, oft abci mißachtete Satz wird durch
schlagende Beispiele widerlegt. - ■ Maurice giebt zu,
daß die Art, das Getd auszugeben, bisher nicht haus-
hälterisch gewesen sd, „sondem kopflos, unüberlegt,
leiditfertig — darauf berechnet Kriegsministem Stoff
zu wirksamen Reden im Hause der Stände zu liefern, I
und nicht von Mfinnern geplant, welche Macht und
Verantwoitlicl-.keit wirksam zu verbinden verstanden;
denn Macht und Sachkenntnis sind hoffnungslos von
einander getrennt worden, weil jede Abteilung der
Reigierung für sich und n'.cl.t eine für alle gesorgt hat."
Maurice hält nichts für so schädlich für die Stärke
und Taditif^it des Heeres als den Einfluß von
Parteileiden<:chaft. wo er, "^ich um militärische Vcr-
waltungssachen und Emiichtungcn handelt.
Von der deutschen Verwaltung hat er den
allerhöchsten Begriff. Femer kommt er zu folgenden i
Schlössen T fn der gegenwärtigen Lage des Fest- |
lands (d.Ts Buch ist Anfang 18RR, also vor dem :
Tode Kaiser Wilhelm.«! I., erschienen, in dem auch
Verfäaaer einen Hort des Friedens sah) ist die große
kxMiservative Mittdmacht Deutschland durch Gren-
zen, Lage, Organisation, durdi militärische Zucht
und Stärke noch, imnur die stärkste in Europa, j
Österreich ist eine Notwendigkeit für Deutschland,
und obschon Österreich nicht so stark ist wie Ruß- 1
land, würde es sich doch vermutlich stärker erweisen, f
als in früheren Kriegen. Frankreich ist zweifellos un-
ermeßlich viel starker als im Jahre 1870, aber es
sind in seiner Heeresgcstaltung „Elemente der Un-
gewiOieit*', wie sie sidi nielit DeutsdMand finden.
- Dic^e Unsicherheit (oder Ungewißheit! ist durch
die langvorbereitete Mobilisation des letzten Jahres ;
und durch das neue Militärgesetz nicht gehoben worden.
Rußland muß kraft seiner ungeheuren Bevöike- |
rungszahl und der gewaltigen Mittel, die es atif seine I
Kric[,'sri;stun^en \er\vendct, immer eine große ^ftli- ^
tärmacbt bleiben; indessen hat es durch die vctan-
derten VertiMtnisse moderner Kriegsfuhrung nicht
gewonnen, sondern verloren. — In RulUands
FShigkcit, morgenlSndische Völker anzupassen und
S<) seine .Macht wälireml de'- VorrQckens auf Indien
fortgesetzt zu verstärken, btstehl für Rußland eine
Hauptstärke und für England eine Hauptgefahr, —
denn dieses Fortschreiten nach Osten ist kein zu- ;
fälliges, sondern von langer Hand in Petersburg ge-
plantes und mit aller List verstärktes
Unter diesen Umständen liegt es in Englands
Interesse, nidit in „insulariscber At^jicschlossenheif*
zu verharren, .sondern sich mit denen zu verbinden,
welche gleichen Anteil daran liabcn, den Planen
Rußlands entgegenzutreten. Für England liegt also
der Schwerpunkt des europäischen Gleichgewichts
in den Beziehungen anderer Mldite su Ro^nd
Wenn Rußland Deutschland an^^riffe, „würden
die Lebclgewchre jenseits des Rh< ins von selbst
losgelun".
In Bezug auf die Grenzverhältnisse zwischen
Deutschland und Frankreich und Deutschland und
RiiÜhiud kommt Maurice zu dem Schlüsse, daß sie,
trotz allen Anscheins vom Gegenteil und trotz aller
von den Gegnern getroffenen Vorkehrungen för
Dei:tsch1and günstij^er Heften. Indessen bleibt die
Gelalu' für Deutschland groß, wenn es nicht krältig
unterstützt wird.
Dänemark unditaliensind nicht zu unterschätzende
Faktoren.
Wenn Dänemark zwischen einem Bündnisse mit
Frankreich oder mit Deutschland zu wählen hätte,
würde es natürlich versucht sein, sich für das erstere
zu entscheiden; stände aber £n|^and auf Deutsch-
lands Seite, so würde TMineniarle sich far ein englisch-
deutsches Bündnis entscheiden, Flu-nsowichtig also
wie für England seine Stellung zu den Mittelmächten
ist für Deutschland sein Verhältnis zu England.
Maurice weist nach, daß England durch Unter-
stützung Italiens, dessen Küsten im Falle eines Kriegs
stark bedroht sein wurden, durch den Schutz der
deutschen Seeküste und dadurch, daß es Dänemark
verhindern würde, Ctfl0 Gnindbge fQr russisch-fnuisOsi-
schc Angriffe zu werden, den Mittelmächten eine Bei-
hiiie gewähren könne, die mehr als eine halbe
Million Mann wert sein WÖrde; daß es ferner Kon-
stantinopel und Vama vor einem Al^rüfe von der
europäisdien Sdte her sditttaen IcÄne. Die EediHi-
tung des schwarzen Meeres für Österreich wird da-
bei in Betracht gezogen.
Außer den Vorteilen, welche die engUadie
Flotte den Verbündeten gewähren könnte, müßte
England aber noch im stände sein, beim Ausbruch
des Kriegs (der für Maurice nur eine Fräste der Zeit
zu sein scheint), zwei gut ausgerüstete Armeekorps
und eine KavalleTiedivision an irgend einem bdieb^en
Punkte landen zu können und da? türkische Heer
in den Stand zu setzen, Rußland zu widerstehen.
Wenn es das kann, dürfte es wohl mit den andern
Mächten solche Bedingungen abschließen können,
daß Rußland oder Fnmkreteh nicht daran denken
könnten, es in Herat oder semstwo anzugreifen.
Es würde also ein Bündnis zwischen England
und den Miiielinächten die sicherste Gewähr für
den Frieden und die Erhaltung des europäischen
Gleichgewichtes sein.
\Vii!)rend Österreich unij Tt.ilien nicht den Wunsch
verhehlen, daß F.ngland dem Bündnis beitreten möge,
hält Deutschland sich zurück, obschott es woU am.
meisten dabei zu gewinnen hätte.
„Der Grund ist klar. Deutschland weiß, daß es
mit englischen Staatsmännern zu thun hat, die,
welche Partei auch am Ruder sein möge, die mili-
tirisdie WldJtigkeit der Prag« nicht verstdien oder
nicht zu begreifen versuchen. Alle deutschen Staats-
männer , wekhe dieselbe vollkommen verstellen,
fühlen, daß sie sich in der Lage eines Roßhändlers
befinden, der ein Pferd von einem Manne kaufen
möchte, der die E^enschaften seines eigenen Tieres
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Nr. 39
Das Magaiin rSi die LitterBtnr des In- und Aiulandcj.
617
nicht kennt W'rnn wir wissm, was für Vurtclle wir
ru bieten l;aben, können wir nach Belieben unsere
eigenen Bedingungen Stetten.**
Eine zweckmäßig'*- Verstärkung r(er Heerteile
(besonders der öfters ciwulmten zwei Arnieekürps
und die Kavalleriedivision in Bereitschaft) und Bünd-
nisse mit anderen Staaten, das sind die Funkte, auf
welche Verfasser inuner wieder zurüddcommt. „Wir
haben versucht zu zeigen, auf welche Weise wir am
haiishaltcribchsfcn den schrecklichen Gefahren entgegen
treten können, mit denen wir zu rechnen haben. -
So viel ist gewifi, wenn wir ans nicht selbst helfen,
wird Icetne andre Macht uns helfen. Wenn wir nicht
Milfe j,;ewähren können und wollen, werden wirkeine
liiltc tinden. Es handelt sich darum, lur einen
mäßigen Preis die unberechenbaren Segnungen de.«
Friedens zu sicbem oder in den jedenfalls kost-
spieligsten und wahrscheinlich verhängnisvollsten
Krieg \ er\^ iekelt zu Werden, den wir je t;elul-,rt [inl)en."
Mit diesen Mahnungsworten schließt das Buch.
Sie sind durch die jüngsten Ereignisse nldit bedeu-
tungslos geworden, noch ist die England drohende
Gefahr durch die Begegnung der beiden nordischen
Kaiser verringert worden. Wie sich aber auch das
europäische Staatsbetriebe gestalten möge, die sach-
lichen Ausiftlmingen von Col. Matuiee, der sich in Bemg
auf deutsche Grenzverhältnisse besonders auf Haupt-
mann Kirchhammers „Deutschlands Nordostgrenzc"
und auf „Die Befestigung und Verteidigung der
deutsch-russischen Grave und deutschen Armeen,
dargestelh von einem deutschen Oflisiere" benift,
behatten ihren Wert.
Th. Hoepfner.
Littenoiadie Neuis^ten.
Ha&chiaeh. Kni.li >iiv. n .u; dem modernen Ägypten »on
Otto 1' uchs, (Calab) Urc«<ien und Lci(>ii(;. K. Plenoiu VvrU|{
iSUSq- Im Lande dci Pharaonen nnd Krokudile, 4tr Pynuiilden
und Obeiitkcn «pleleii 4icic ci(eMni|{en ScbUdcnm(ni, teilirciM
«!• „idct Amnll dca ValkM"» car Zeit dir Bombardtemc «ob
AIcmmMm. Jüdiafilli tat ihi (SM hiulB ins volle Menschen-
leb«ii «Dd frtSicntellt wirkt et raeli telcrciMUiL Am üelungcntim
durften die Nummern »ein , IVr Srh»h der icliwürinn Hunde",
„Ein SchlangcnbiG", „Mciti liImdLr Ftcund" und vui aiUta „Die
Mtruufienculah". Die iUniiMt 1 r.'-.ülui.t; , „Der Anwalt de» Vol-
le«»", gkbt Mar ein treffendes Bild Jcr »taallichen Ziutlnd« des
■Im NtDindes, wird aber ia Beiug auf anscliaalichc, Mwwrolle
WIrkiiBg von den obengenannten itnbcdtiigt Ubenruffen.
Thoma» Carlylc. Ein LcbcMbild und GoldkOrncr atu seinen
Werken. (I.eipzi|{, Verlag von \V, Kriedrich). Di»c gedanken-
reiche Schrid Eugen Oswald, des Vorsitzenden der Londoner
Carlylc-OeselUchüft, darf wohl fUr dcalschc Leser als die passendste
EinfUluiinf In itai Ocitteakben de» gfoütu «ucliMluin Deakera gelten,
der noch iauner nkta ctalgeiid in DmacMand belcannt tat im
poftra Kicta» dar LMcnraft. Ea|cn Oawilda ZaMUHMSildlunft
«en denkwfirdiien Awaprilebeii Caflyle*, tänt BrSrtctmgett dbcr
das Wesen dieses eigenartigen Geistes dürfen als ebenso geschickt
wie xatreB'end gelten. Das Boch soll erneut empfohlen sein.
Adalbert von Hanstctna Biographie Alb«ttLindnef, m seinem
Laben and acinan Watkan dargcMaUt (Berlin, Max ScUidbcrgcr, iBSI),
inrhi olini- liL-fi n TtLriL-nMiiiti il It^en wird. Das Schiet.!;"' <ä:l.^L'. un-
glücklichen Dichters ist m kuoen, aber ch»^«kItn^l]^^ In ii 7ü;:in
mit einer stillen Meisterschaft geschildert, »< l' hc il< m i .il< i.ti Hüd-
iiein« r.m l.ehensbeschrciliung lur hohen Ehre gereicht. Die WQr-
dl^^:n^ dr. Dichters, weil entreml von faltdier ObMldlklnmg, darf
als wahrhaft gerecht b<7iicl :iti umJcn.
Max Koch, Profe^s^f lu ^tjtiU^i^, hiii m titicr .\l>h:iiullur.^
der „Litterarischen Volkshcflc" (Richard Kcksleio, N.n hf . '.^i i in
geistreicher Wvi!>e die Summe dessen zu liehen verkuciii, was sich
an praktiichcn Kisij^if uiigrn für dus teilgendssische Kunsticbea ana
WaBBci« R«famibci«r«]>«ogeii crgieU; kein Fremd der W«gn*r>
scbaa Idaan wird dicM «buiciitavollc UntcmclMUHS «bbe Awcghng
aiM dar Hand le§tni die Caper weiden daa Maft nnd dia itdlieh«
Bemlbuig «tm KMraag der Metmumen und SttelUkagen «cbiuen,
iviinn sie auch nicht in allem sich als übeneugt finden sutiten.
Ein aaoiMlgca Talent »eigen die „Foawa of Bo— Terry
Cooke" (OonilMCfer), tob danan wir Idar aiaa PMb* lalMnt
j Birdte* Valentine.
I warn • Valentine
Who will bc minc?
ISlie most have lips as red, as red
As strawherries in Ihe garden bed :
Shc nttst have eye» as bloa and tyrnt
Aa ipaad weil bloiiona al iMr feet;
Two cheek* a« (oft a* tnauner ro«c«
Tb« tiniciti laiücit aaaca;
iA ebln aa ronnd aa n]>plaa m,
And dimples twInklEnf liVe « Mar;
I A fiiri hi-.-.d :.n:.-;ntl-, .TIl-l Vi IV ^Tll,
! ^V'ith !»hii.in|.'. sli.niuwy, ttin',Mi,4 liisr,
j A l.i.j'.. tiutli 5;iUi v uin: Liimuetlish,
Sumcitmes loo swcet, somelimes tgo peltlib;
A laugb likc any bobolink,
To gajr to acold, 100 (lad to diink;
A Hnl*, wllM, BMrtnl ttting.
Thal 10 ita iweetbaart'a am» wiH ipcing,
And ktta aml leaic In c()ltal measnrr —
l,;r.lii- CSU \h:s h« you. my tti:i5ilit'
Eine neue VcrOffcnlliclraiig Ci } p a „Loulou" cncUea bei
Cabaann Ldfjr (Parti). ~
bttnaaatf* „Piiwlin ilnfanban* pu M. Rdtaond Bir4-
welebe «leb mli Namen w{e* ^eriS5 r Laiaanina, Almat n.
bcscblfii^i r. im:! v<ii'. vir! icriir.chcT Bagnbog laBgaa, encUenen
bei Vitte cl Perruscl (farisj.
Der «nerikaaliche Oeawal Otiant aoM eine paß* AnaaU
hanoiatitcbar Aaciidaicn handichiiAlieh hinMiiMMB habtn aacb
seinen ErfahmnEen in der Amee, welcha In K<r«e bei C L. Wel^
sier u. C. veröffentlicht werden »ollca.
I» Notember werden bei MatpOD u. Fi
Feder Alpbnnte Dandeta cndidaeni ,.iicr.^-rr,,fi Uümme
I de lettre«", von .ifru-Tt mm sich viel Anregung versprechen darf.
<juy de Maupassanl gab ein stimmnngsvolica Buch,
„Sur l'Eau" (Ntarpon u. Flammarion, Paris) heraus, eine Art
Tageback «elnca Anranthalt«« aa der KOale de« BiUeUlbidkMlMa
Meetts. ,Je ne Mli «araid 4 dofae cbaqite Ja«, ca qw j'ai t«
et c« qtte ]'ai penad." Und er hat altarbaMl gedädt and allar.
band geacben ReisvoOe NatanebilderaBgCB, knne GcKitUblebe»
wechseln ab mit Bctraclilungeii Ober dringende Kragen der Zeit
und da» harmlose Tagebuch veTsli'i|ft sich in eine erstaunliche
Redekunst w, nn i< ^rilt die Entrüst;)iii'. .kr X'Ltf.issi:^ .m: <;tM M.mn
zu bringen Uber ücii Zeitgenössischen Kricii. Kr rit'eil ^eticn .Moltke
und dessen Ansicht vom Krieg wie ein neuer Cato sein cclenUD
ccaieo iclileadeTt; er liadct nicbl Worte genug da« Verdammaa g «-
wUrdlga daa Kriagia m adiüdani aed dm deiMkhte Scbla^im-
leritcr M be i pg U el n . tJad dann wieder leitaiikek er «ieb btbag-
lidi »at d«n WeUan da« Maare«. — Daa tack in dardi antaDekand«
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Nr. 3g
ZcicbüMfea von Rion (Gtsvorc <ic GitUhmne Frtick) Bcschinttckt,
dcidcicliMi Mlbit in den fiuMOtiMkcN IMdicm Riebt «lle Tage
■n AiidMi aiBd nnd wann du Wark niclu von MsnpaMot wlre,
«a wlre alleba tehon »elicniwcH wecen dieun hftclial gtimmaim-
*e|len I,ttn<l»cllii!'li n auT kli inst.-n-. R-uir.^.
Pranfoia -Joseph I et »üh r«^!"«: l»4«— |«H>1. Par A, O.
Bertha (WeatluuMr, Paris l»88}. Eine Schrift sur <;<'lcgcnheii
des vIaiii|ateB Jalweatafi des K|i«nndcii Kaiaen von ÖMcmich,
welclw einen RackUtcfc auf die GeacMclite dieecf vlani( Jabce
ewtMtt. hSdiit woMwolland gemeint i^i, faat an wohlwollend.
Wenn der VerfaHM mclal, Prüm Joseph liaba «ieti icincr Zeil
duich sc-ini: Piliierfahrt nach Nnnzic an <]■<.' (itibcr !kt'iitL-r Yoi-
r:ihr«n als einen Franacwcn ,,faxt a\s einen Krnnzo*en" bekennen
wollen, so i»l <ta< allerdings eine caplatio bcnevolcnli.ie «n <len
franzikiitcben Lcsci, deren es noch mehreie in dein Uuche i;icbt,
»eiche uundetlieh und harmlus KenUK iai. Dci Verfusaer hofTl
aber, dafi «eine t>chHA «ine nenc Gelegenheit biete die Miftrcr-
■tlndaiaie in acnlicdena ,iqae Ton ■ eonlu falra natu« entra dcox
dials, an fand aiii pout sc comprendre".
M. V. Wilhelm Jensen, der anerniUdlich SchilTemlc, hat j
nna nenardlnp mit iwei inh.iltreichen Werken bcscheuVt. dem |
CMtMdilen-CykItia „Atta achwerer Verfangenbeit" (Leip«ig, K.
EKtdwr) und dem swciblndlEeB Konnn nna dar Gasänwan ,.Daa
Anylwcht» (Smiiari, Dentache V«i)aca-AM4a1t)b von welchen bei- 1
den neneaten Gaben de* au«eezeiebnrten Dichten wir hettic tu- j
UdlK dem nietit genannten Werke einige Worte viidnien wollen
Der Roman ..Dai Asjrlrecht" verdankt seinen Titel einer in
denselben eingestreuten gleichnamigen Novelle atit der Zeis K ik. r
Maximilians, um welche der eigentliche Inhalt de* Romans herum-
geflochtrn und »a( welche im weiteren Verlaufe der in „Tumeh-
nen" Kreiien «pielendcn EnüMiMg immer wieder Ueaog genom-
ncn tat. Diele U«ne Novelle iit, wna din IVeua dar gcachidMJicbeD
Ptrbnc nnd die fein motlviarta Zaiehnnag dar inteMaaaaten Cha-
nktera, dla aigenartigen Sinaelhcilen der Schilderang und Dar-
alelinng angebt, «elbat ein dichteriaches Meisterwerk und wtide
Bach fQr «ich den L»ct vom Anrang bis zum Knde fesseln. Sie
erhKlt aber imcl. . u li^ n l u 1. Hcii dadurch, daß der Dichter
iic in den .MilUlpunkt sKitwn Kuiu^ns (■eslelll hat und Menschen
ttitd Dinge in die matini){faUij(sten llcziehungen zu ihrem Inhalt
treten Itmi. So sind an passender Stelle auch den llaujitpctMilken
Urteile Uber die kleine (beschichte in den Mund gelegt, die wie
aie an aich fltr die venchiedenen Binaelartcn dieier Personen
benddacad chtd, di* in der Knvdfe gaadiildatlen Begeben-
heilen nnd dm Ahaiehlen, die der Verfaiaer bei ihrer Danlelltmg
verfolgte, in bttdit anilehende wechselnde Beleachtvns rücken.
Wir tliun : . i^cwissermalSen anziehende Einblicke in eine dich-
tenaclie Werkstatt — (Jcrold Kredeheides, wie sieh der Verfasser
der Novelle .,Dhs Asylrecht" Denn! , wir k(>nnen aber ebcmognt
sagen Jensens selbst - in die Werkstatt eines Uicbtcn, an desSCn
..Idealer Weit" die ,, reale Welt" der wirkll^n VcrhlltDliae «nd
des allilgllcben Leben* in witkaamen Gcgemala gast eilt wbd.
Die xharA, oll recht grdl« nnd diastiiche, hln^ Ironie- nnd hn-
morrollc Hcrvotbcbang dieses Cegcnsataea bildet den eitientlichen
Vorwarf, ma nicht an sagen dl« Tendenz des Romans, und in
<-Liiiiii V .II 1,11 .Iii I'redeheidc nii rt:ci -liiii 1". ncn Gedicht (Iii, I, |
S. tT.; wir<i «iKSer (jegensati besonders wirkungsvoll losam-
mengcfaßt. Daß in dein Roman die „ideale Welt'* schließlich
anm !»iege gclai^gjt, ist bai einem tHcbtei wie Jensen selbslvefsttnd-
lieh, tmd ea liegt aogai elim den dichteriacb nachempfindcndsn
Leser aagenahm beribnnde derbe AhalehUlehilcett darin» wie der
Vairaia<r «n ScMnS der Enbhloic diesen Sieg dnreh da* ent-
»A t e de We , MlfaMiiswms« Anlireten von Gorta Meseriti außer alleo ,
ÄwHfrt »cf«t. Die Handlung des Romans ist nicht reich itn ge- '
^ uIiüIilIll II >1I::|L du sl s Worts, si. ttl^cllcinl .^UWeilcn SOgftr '
siui.kLiiU uuii >i.li}ei>t'<.ii4, wie im Anfang des zweiten llandes. und
einiclnes dunkt uns, wie man zu sagen pflegt, unwahräthitnlich, '
so der hUUicbe !>iieicb, den der doch im ganaen «l* sehr gut- |
hamlg dnifaalcHl« Ftaur Schmolk gegen dCD SeUnA dar Kialh- >
lang Gerold Fredehaide spielt, und den wir, aneb den UmsUUiden
nndt, nicht gni gUnfaen Ünnen. Aber der Leeer findet dch ISait»
wählend gefcasett dnreh die TOle didnerisch nnd mcnsehenknniBg
bedenlaamer EinseltBge und Wendnngen, ans wddien heraiM sidi
der Faden der Erzählung fortwebt: anziehende Gesprüclie, herr-
liche I.andschaflxschildcrungcn. den traulichen Reiz echt dichterischer
.^tirriTiuiiL'. -.^ vi.: t (i.n,LTi ir. i-i.buiiil'_ I L-ni M.ili.. '.Lt!"-*!! i>t , üiii.i
wie sie auch Uber diesem Werke, den l.exer bannend, iiu&gegui»eii
Ist, durch die psychologisch feine Art, in der Jensen die Handlung
an* der venchiedenen Anlage der Cbaraktsre entwickelt luid ilas
mciataibnAa GaaeUck, mit dem er Aber den achllefiUdien Anigang
der Snttlimg U* anm Ende demelben s« tuschen welB^ An die-
sem, fttr die „ideale" WellatMchannng „gWen Ende" belehnt was
der Dichter — und damit streichen wir ebenfalls eine wesci>tliehe
Gedankenselle des Romans, — „daß ScIiCiiheil and Geist nicht
geleichbedeulcnil mit sii in IK-rri-n sind, und daß alle Poesie der
idealen Weltanschauung tioch nicht zum Siege vcrhilft, wenn die
Liebe ihr nicht tum Beistand entgegenkommt" . . . Jensen findet
in den Werke ancfa Gelegenheit, siemlicfa oft seinem liomot —
nnd er bMÜtt «Mdb^ Rmw in rakiham MaSa, ghiitiGh adnctt
bertthmtnn nemde Wilhdm Raab« — die Zlgd adneflan an
lassen nnd stark satirischen Anwandinngen Genttge an thnn. Oaa
geschieht insbesondere Ubeiall da, wo das schnörkelhafte Schablo-
neiitum gewisser Kreise dei , .Geistes- und Gebuits.iristokralie", in
deren Urti:; .Ii. | i rsonliche Leistung gegen die VoiiUge von
Titel und lioirang nicht nufiukommen vermag mit ironischem,
leider nur lu sehr berechtigtem L'bermule geißelt. Auch die dtin-
kclbafte. vonutcilavolle Unwissenheit, mit welcher in dienen ICreiscn
Uber die nenen valadtndiBeh* LiMnmlnr iHlllMhweigeod, metet
ohne Kenntnia davon au nehmen, ahgeutelll sn werden pÜegt,
ist In dem Werke gebOtig «ad wohlverdient an den Ftangcr ge-
StcUt. Das sind „goldene Rücksichtslosigkeiten", die, nenn auch
noch so maßvoll, wie hier von Jensen, vorgebracht, „eifrischelld
wie tjuwitter" w irken, um] w ir erbUcLen hi' nii iin.. der Dickt an
wenigsten wertvollen Seiten des Jensenschcn» Komiins.
Haben wir Uberhaupt noch eine Litteratur ? von Leo Berg.
(IJroßenhain und Leipzig, llaumert u. Ronge.) Der Verfasser
dieses ikhriftchens hat die grofie ünklugheil gehabt seinem Ver-
leger einen lirief von Georg Brandes tu Kopenhagen zur Ver-
fügung an stellen, der niw von jenem ab Anshtagcschild dir die
Schrift Leo Belgs benMxt wird. Er Innlelr „Ihr Bnch ist ein
klhnrn Wort. Sie haben insofern gewiA dem Qodankcm mancher
Atislindcr Ansdnick gegeben, als ea aehoa lange nicht selten war
zu hören, t.iebls denn noch eine I.itleratur in Ileutschland ! Die
deutsche Litteratur ist im ganzen, glaube ich, in diesem Augen-
bUcke in Europa wenig gelesen und tM:ui,^ ^i..:' Lt . . , I:!, Iic^l
wohl so, daß Ihre guten Köpfe seil vielen jaiiieu lu tieii octietal-
stab oder in die höhere Administration hineinstreben und darüber
die LiUetatnt verschrnkbcn, und daran ist die üniformitlit des
ReldM In der AntWiebimg der lndl«MtnlligieB adwiM. Im gaaa«
bin ich mit Ihnen einvcniaiidcn nnd habe einmal in Berlin In
einem Vortrage Bber das geistige Leben im Norden (mit dem
deutschen verglichen) i;^-" .Vlmtiche» gesagt, besonders Ubei den
Einfluß mancher Vtrli (;ir uii I gewisser Redakteure . . .Sehr
richtig haben Sie [:ii;s :iU5(;..fUbll, Was Ich aUtI: ::i jL:lrlil \ ul-
trage l>eiiierke : Die Littcralui ist nicht bei Ihnen ^w ie uu .\uriicii^
eine Macht Ich erwarte nichts von Vereinigungen," sagen
Sie sehr richtig sum Scblnß, O wie wahrl „Üer cinaige «Itd
«ein Ugentnm.'* — Bh g|ebt niehm andema — Wir whrden
Berga SdnUt wie mencfeen andenn Nntacfatei TMttcrcr Jtuigen Llt-
terainr rahig haben verhallen lassen, wenn niebt der Ünntand. dafi
das Wort eines au»liin<!:s 'im. '^i I rin^i. Iii i» wie Unind. !. :il> Iju-
pfehlung des Kilchlcins dient, die Antwort herausforderte. lUiüi»
olF! Ob wir Deutschen eine Litter.tlur haben oder nicht, das ist
eine Sache, die wir luniichsl unlcrctnandcr aoszumachen linbe»
und fdr die junge deutsche Schriflsleller nicht nach den Meinangen
des Analandca nmherachanen sollen. Be^ Schrift, die gewift im
Gnude von MtfaHchea AMcMcn emgegeben tat — dar Name
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Nr. 39
Dm M«cwiti Mt dte LiMMrahur 4ti h- *mi Attthndcc.
619
IHthr
und umgr-
<lc* V«rfa»*et* Mtjfi nw dafllr — tnthllt au Mbr tllgcmeiae Klagan |
Sbcr ilte UaAhiEk«it «mcnt KmlriclMMehali, uucrtr Sciulfl»
m«IIm. uHiMr LcMt, nniwMet «b«r •» »dir Nftn«n m Mimen,
daB wir nielit finden kCinicD, der Vcrfauer habe serne SRcke
trusllich licim Nümm grn«nnt. K» ist nicht wihi 1 ii» 1, i^i n lliur-
tcilcr so unbedingl DichUnuui^ m-itn. Wir IwiiUui. .1 1 k:it»..hl«nd
eine »tultlichc Kc'ilie bct'iilii^u t M ' T.rur, alle und jun^e, welche
»ebr «rithl den Mal und die hahigiicx ihrer Mcinting hahcn, sehr
viel Kinlluß (Ibtrn «uf die UiTciitliche Meinung and manchen littc-
nriichcD Aberglauben mit Erfolg bekCmpft haben. Daß in einan
Reiche «w> 45 MlUienen McmdMi lilt«twtedw Bnekalmmf*»
nidit M Kbnen darcbdiinf^n «ie im tümim Lande von s'^* Milti«iK»,
dat ict wqM «in« iWahrtieil; nnd wahr bleibt ancfa der alte Spruch
(Juelhes ' „SüllcQS die LieUtschen Dill Diink erkennen, ao wollen
SIC /eil halten", (tar nirliU aber wird der Snrlie ;;edienl, wenn
. '-tliriflMcllcr, Sinti durch eigene beurtcilinde m .i M -ligc
LeislaQ£cn durch die That eiwai anderes beweisen, forttt^iireiid den
Lew:m erzählen, doO wir Itetttc Lillernlur mehr hätten. Natürlich
Angl die tböhcbie Mcnga svletu an daran ta glaaben, und wenn
cur ein wAnattadar" wi« Brandet deigleiclMn beaadgt: daaa «Itei^
diagi techaet nan nicht «cUecht mit «Incr «Ken Schwida dea
Deaiacben, der ^ch noch iaancr (b «chlcchieT and imbedealead«T
^chAllen hat, »V- m is; DaU die doulscbc Litter.itur im gKnim
lur Zeit in Kuiu^' i ii^uij: i;ek'seu und Kellebt aci, mag wohl ri>. 1-
t]g still, aber es ist nicht ,!> ^1 liuld der <leulsch«M: ] tir'.:.-.ui
son^lern die Kruclit jener wahnsinnigen Angst vor lieuuciUand,
Welche in Krankreich künstlich geiUchlcl wird, in USnemark und
RaOlaDd nitcbgtftSI wird, daher denn keine Zeit und Neigung
AMg blclU m fondteBi Wa» dcBtachcr Uenl auch In dieacn Zeiten
aaf aeine Wcim in StiUca aehaft. Wir haben nur eine ander«
Litteratnr ala die NordUader nnd die FraMoaen und dem Danticben
wird die Diehlun^E icnwer etwas anderes bedeuten >l> jenen-
Kreilich itt c» eine alte .Sache, dalS wir nicht so viel Aufhebens
machen wi« jene vo:i \iJci n.inf] Erscheinung; der Dtutiche hat
sieh im l.aule der J^JiiliUtii^erte ein gewisses nil uduiir:iri aiige-
wtibiit, und wenn ein Uuch wie Krohg* ..Albertinc" in Deutschland
crscheineu wttrde, u} wUrde sich tchwerilch ein deUtKbcr Brande»
finden, der für aolchc .Nahiermtik1lcbb»ri*e«l« bähe Worte Onde.
Die KcantaiB, die der dcwach« Leacr gcrad« *M Werk«» den
Inlaadc« wie de» Ana lande» bat, hat Ihn ein wenig vcrwühnt; er
bt akht an leicht eerblUSt über da» „Neneite" nnd so wird es
freilich den deutschen Dichtem saurer gemacht tum Ruhiue lu ge-
langen als ikm N ordländer. Aber das schadet den Deutschen
auch nichts liuuieihin haben wir eine ganz achlungswerte I.iitc-
ratur auch in diesen /.eilen. Wenn die Nurdliitider üjürnson
and Ibieo ha)>cn, nun so sind ihre deutschen Altersgenossen
Kalln, Hefte, Konr. Meyer nicht schlechtere, nein, bei weitem
bcafcre Dichter In Ihrer An, denn ale haben diene Art in ilch
wihrcnd die Nachwch vor den Werken BjSidMoa
«Ittsi wie vur einem groOen kUtutletiacben Fragcieiclien
liehen wird. Kine ganie Reihe von Krügen, welch« die deulschc
„BaiiaaMtiiW. St, fHembnig l«8S. t. Bd,
kehrt; abei d,tt;kUs E^'^iieia, «Uli wu kerne i*illec;fctur hätten,
das wäre eine hSchsl ungeschichtliche Delrachlungswcise. Jene
bocbarkbügcn Ehe- and FrauenbefteiangsTragen . welche dtoc
amdiachen Dichter behandeln, licgca der großen Masse de« dentacben
Valthm noch siealidi fcrtti aatliiicb, daft aach dc a a c n Dickler «ttdere
Fkngea hahaindaln: ahtr deahalb haben die Daatiehen gerade ihre
Utleralitr ao gut wie andere VAIker. Alto: unter uiti, Herr
Bergt Seien wir t.«ssingc nnd andere groSe Kunstrichtcr unter .
uns' l>€r (Jtist 'Itr W al ih. i; wird eher dabei .Muntu als »er-
liercn. Vergessen ^ir mcbt, was selbst %'oii den Jurigcu befehdete '
,,alt« Herren" denn doch geleistet und leisten, denken wir nicht |
an leicht vun dem, was auch von den „Jungen" thnUichlicli sehnn
gckiatd itt nnd ia»«n wit nichl die nteclsttclitige Laune dea
AaganbllckB suh Mallatab dea gelatigan Thima cinat Volkai von
4S Millionen werden. Et wird ikh achon feciainraiipela, d l eaa a
VMkchea, hat achan ■inachea Maler iklil
Diece« hnchinterceunte Bach dea bcrUkmten. nater falacher NaBKns*
Flagge segelnden l'laaderers vom Petersburger ,. Herold" enthalt
eine Sammlung von Reiseeindriicken in den Ostsee|iruvliuen,
Deutschland und der Schweiz. Scherl' Kt ,il>.u-huir,^' i:<HstvoUer
llumur, lUndendcr Witt zeichnen diese iictjciivv> lidligen L'nterhal-
inngcn vor anderen Erzeugnissen dieser Art aus. Nicht ohne leb»
hafciin Anteil wird man die Anschauungen eines Kiemden ttber
unsetc «ngeiMn Vc r hlll w i n c ««rfolgeo, eine« ~ wie »ebr er aieh
aach dag^n ibtabaa amg — aclhat-gMcktichca Opiiagiislanr det
aieh rar galiliger VarkaAchcnnf «v hcwahfen gawaltt hat. Be-
sonder« «nerkcnneniwert Ist der wanne Anteil, welchen Le
Fllnenr, der Russe, den rreundschaftlichen Betichungeo seine*
VaterUodi-s lu Deut;, '' l r, ■ . :ii;;< ;;enirllgl. Kreilich findet sich
neben Tiefei» «n>! i .u-,; . ■ 1|. u .i.iLh maiHhi» Klache und Ober-
(l*thu, h, V. S.
Adam Mickicwic*. »a vie et »on ocuvrc par M. Ladislaa
Mlcklewic*- Niemand war vielleicht gedfneter eine Elwel-
aekrift Iber den berOhmlcn potoiidiett Dichter s« iclmnbcn, ab
adn eigener Sohn. Jeder, der ^itdicn über den berllhmtcn fden
nniuslellen gedenkt, wird künftig lUrUckgieifen rallsien auf dieses
maßg'''«'''!«-" Werk. Zugleich aber zahlt Krankreich eilten Rhren-
ill ;i; t lie»em Werke ab, den es dem Manne schuldig war, der
vcni. l•L^t._n Kr.lfte, nachdem er die (.astfrenndschan Krankreiclis
in Arii[iiui (1 i:Liiiimiin.n, dein Pariser College de Krance opferte,
und dci einci der ersten war, die In Frankreich den Geachmack
an fremden, and baomdara an ilatriachen UUeratwan »erbteJtete«.
In d< i. \ r ri:in;>;u 11 M.i:iii n N'urihuoerikita , den; I.üH'Il der
Doktrinjlrmuialiateii, wiid gegcnwürtig ein färnilichet Kicuz<ug
gegen Zola gt^iredigt; ein groücr UuchhSndler. Vizilelly in New»
Vork, der wöcbcntlkb looo Binde 2ola «erkauft, IM wegen Ver»
breilang amittlicher Schriften in Anklaget lAad «etMUI w«r4ea.
V.» scheint dies die ente AnBerang einer allgemeinen Bewegung
gegen die Kolpoitagebnrhhlndler lu adn. ▼. S,
Kine neue Saiiiiiiluu;.' v n Goctheachrilten beginnt soeben
im Verlage von Carl Winters L'niv.-Uuchhandlung, Heidelberg, la
anchotaan, deren eniee Heb einen am 26. Mai in Weimar bei
der ditttea GcncraivciaalBinlimg der Cocihe-CeaeUtwhaft gehnMicnea
Vortrag Kano Flacher» Wnt Goethes Iphigenie biclet. Dar
Name des bekmnlen Philosophen und Ästhetikers Idatet ichon
an nnd fur sich Gcwihr Ar eine gesteigerte Teilnahme nn der
Samm'.uin:
Die emnUat von Friti Mnuthntr . II. Band von „Berlin W".
Drei Ronane. Dresden and Lcipaig. Verlag von Heiarieh MIa*
den. ittSK. Krili Mnuihner behauptet In der deatsehen Uueratur
liingsi einen ehrenvollen Platx und sein VerfeHemame hat durch
eine Reihe von geistvollen Werken — wir nennen nur ,,Nach
berühmten Mustern", „Vom armen Kranischko", „Xanthippe"
— einen guten Klang erhallen. Die (Charaktere In dem vor-
Uegenden Werke sind mit sicherer, gewandter Hand gezeichnet
0^ vor allen die Schllderiing des Bctlincr PrclSgctricbes mit allem,
aaBammcahlingl, wirkt Icbenavoli und anstehend. ,J«»
II nsveaoW'Trienits*', die acroiifendc Tochter and
Schwester von wahrer adeliger Oesintiinig, lat eina naaalt, walcha
die Teilnahme jedes denkenden I>eten wecken muB. Ancb Doktor
I',. il. niii scLiiti kitiacn Ksthe, der seiner Liebe so schwere ( J|i 1,1
biingi, beinalic am Kosten seines bessern Selbst, der natttriicli lia-
fQr auch bitter biiUen maÜ, auch diese Beiden rattssen unser Mil-
geKbl erregen. Leontinc, Mettmann scn-, I'inkus, Herr von HüfTtier*
Hera«, Frtulein Betty, die Malerin, das sind alles Im^jut.ii, %n
iehinawahr and «IgMWftigi daß aie wie Menschen von Fleisch and
Blat vor nafanm gdailgMl Avgc «leben. Dia bddan jangwn
Mltnner Richard nnd AcM», diia aieh siiflrcleb darcii «U* Uh«M-
kümpfc <len guten Kern ihres Wesens retten, sind wert, der Rru-
diT un'l fieliebtc Johmr. c ,-r. sein. F-inJclii.. '-.■..jutii ^ suii
packender Wirkung, so i. K. *iu Lnontioe das Kodizill zu dem
Tcilaaical» ihra» veniotbcn«n Gatten varaichUL Dcscen RoB-
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620
Das Mtguiii fUr die Littcratui' dv» In- und Auslandes.
Nr. 39
welchen tie uiivfnnuu t auf iliin Rall. ri vl'ft, iiodiiß
ihr eilt hiiüljchcr 5khrri cndil.it, wianlatSt l'npa Mettiininn za den
»albungtvollen Weiten: „Die vcrdamniten Dienstboten' Alles lassen
sie <u (»runde gehen. Xn, der Schaden ist ja nicht Kroß." Wie
Ire/Tend itl die S«lh*t>Dcht alter dieser MenMrhen üeschllderl! Als
Richudi Vatct crftkn, daft dcnclbc «ine Opn g«schricl>eB Imi,
wb bMiMt «r diM
titAne TCrlctit Aneli J«1unuiM Malter, Vn» mn Trtenitt, nhnmt
aüc \utoY''-nui: itirrr Tm-Jit. r als «elbstvtrsIHndÜ' ti liin nni: Isi
nij._h l.t^i^.''-- lischt ^ufi ii'^lL-n iliiirit. fite »'iH sie sch-j'iuu^^^li ; j
rU'lT if niil H.ifT:ltl - HLtiiL i.Miij'i-li, <!|));[lh |i di- a ji ?^!in:li:ti..liil
ktint:i l'ins;iT rührt al» l.eonuntt die l",hr« seiner ernrhincii Ktiial
lu ihn rn iij/rinn \ nrteil besudelt, Wie rührend ist der Zorn der
dwUebon Maurei&fiau BojAko Ohct den vorndinen, feinen Hetrn im
koMham Mamk, der der «nwn Finw Xlike *o MbeRiuic^itecii
wNfM Walm te B«nc nf Ikraa Gaitm tnbt! „AUt laKm ife
ja die Watwlicit gawlto, dar (anu Ban, dar BIckar nebcBM, ao-
|ar in der Destille, wo sie den Spiritus >u°i KalTeekuchen geholt
hat, bis herunter lu die Mamsell, das schmotiige — Und alle
httten sich lieber rli. /iirj)?. .Iiy. b:s5t i, — Der ..bctUhmtc Maler"
Dissclhof, der Johaiiiiü tiurch seine ausKefeimte SpilzbOberei in ein
ehrenrühriges Licht bringt, der „Verleger" Mettmann mit seinem
wardigeu Ad Ums Ünkiu, der KUlia b«i ihrtr Liebt so Ihrem
Galten fafit «od nadidam «r ala la ukaacHUMaaD SahiiOea wv
leitet hat, baliMhia j» den Read dci Grabet M«g|li aie alle oflea»
ihrt MitneMebtn nr ihrer Scthatracht
Ein neuer Band Gedichte run A. Swinburne w ird ri>n eng-
Uiehcn Blattern als dcmnXchst erscheinend angekündigt.
Die lustigen jallada of Hana Breitmann, dies« crgätilichen
aniLrii.iuiiaLlii.ti i itwlnci- iin . ngiisch-dtulschen R .-m iilbLli, erschei-
nt» iliti I riibner u. in einer um neue StUckc lerratiirlen. vom
Verfasser tvcu durchgesehenen Auflage Wir verweisen bei dieser
Crckgenheiit auf das Buch, das noch laoB« nicht ganuc in Danlich-
laad hekamt ist und dodi «wk jadaa DaviKhaii awrfcwtedlg teilt
.Jttto w«seB der ioitigan UtterariMhan VcraMUn« die hier leine
SpBcbe aift den bsKaeh da» NordanarlleaiMn dttgebt
Abermals ein nenar Vamch einer Wcltspraclic : World-Eng-
liah; the Unitnaaal I.a^uge, bjr AUxander Melrilla Bell.
(TfAMT B. C) Dar Vetbncr vtrawlit dit Bag^iadw ala Welt-
ifiacke vtnaKhlacca, laden er daaadbe landidi hadnlabierend
ickrdlit. Br hoR damit die firtcmmic der eiiclbclico Sprache
den übrigen Völkern lu erleichtern.
Henrik Ibsens Dramen erscheinen in Amerika unter den
Titel : „The pUtars of aociety and other Play«" In den „Came-
Igt Sefit=", litt .iU3i'n;c '»'.II 'IuilI H.utl.i k Kltis.
Beiciägo 2ur zeiiKenüsduschen Politik. Die Reihe der
Schriften des Allgemeinen Vereins fär deuUchc Litteratur ist durch
eine SammianB von Aafritica dea beJuanten PoIMkera and
P. H. CnrOcan bar«lck«tt Mtden, an dam
BetiaUt orarda» darf, vtt die denit^ ptfUtiieke littaramr
anfWeiH*). Geffkea gekert nicht nnr xn den UarMea f oHtlkem
unserer Tage, sondern auch lu den gewandtesten Schriftsii-IU m.
seine Darstellung reicht an das VonQglichste heran, was aal dem
Gebiete de» poli'.m licn AutMii.'i » iti Deutschland, Krankreicb und
England geleistet n urdi l nu-]>cliiidet seiner persönlichen Partei-
»tellung und seiner Auffassung von Menschen und Verhlltnissen
aeirhnat lich aein'e Schilderung durch ittcogatc Siacliliclilieit ana
and auch der gewhsenWtesl« Kvrsckcr wird di
Buche niete den V«nrwf machen ktanan, di
Heilen pnüdaiAcn t>anleilnB(en nnaucr Zelt nicht enpart werden
Icann, dafl In ihm Mcnsclien und Dinge nach der staatsbürgerlichen
PatteiOlrbung de« Verfassers mü^hnndeh worden seien. Der erste
*) Politische Fedeneichnnngf n, sweite AWhge (UerUn, Pactcl
Aufsall hanJclt \ "i: i- Mi A rilin 1k n Weltreich; den Lesern der
deutschen Rutj4*clwa is; diiJ«;!«; sin wesentlichen bekannt, die
fafbcnpiüchtige Darstellung ist gelegentlich der britischen Kolo-
nlalausstellung verUffentlicht worden und hat nicht nur in Deutsch-
land sondern auch in F.nglanil gebührendes Aufsehen erregt. Die
mnraiacnde ICenntnit der vencfaiedenen Seiten dea Iwritiicben Weit»
raichca, bcaondam auch dar kolonialen Varkaltniaia siebt anA
den alt don cmliKkeB Lehe» weniger «ntiwtteii Leset ein dcnt>
Itcha imd cTtchOpfcniles Bttd tron der Fülle md Wannigraltigkeit
it'. dtra "-"t.i ii:- J-'lii I'-.ills angesammelten KrKftf Im«' "^rh>» u lie
il-i 'liiinliLii .Maclu und die Unsumme von Fcii)«.i;i utri Mit\-
crrli ii, '.mIi h«: die Staatskunst de» Inaelreichc« im l^ufe «i'.r lLt;:Ln
Jüiificiiiuc beginngcn hat, wird von (ieffkrn nicht verschwiejceu
oder beschönigt, mit scharfen aber durchaus gerechten Worten
•pildit er *«laen Tadel Iber die Kette von ItnSmem and
Staden ml», welche Bngüand» SUatMitiuier tett dta Ted«
Lofd Fainantonaa *« Temeidan nicht im alaade waren. Der
sweite Anbatt beadillUgt fleh mit dar '^cUldernng der staadlchcn
Wirksamkeil des Primen Albert, jene* hochsinni^en KUrstcn,
der auch auf das Slnstslebcn Deutschlands und die Hntwirkelunt;
unserer Kinheilsbc^in l iiti^Lti einen so bedeutenden KinlluO .lusgc-
iibt bat. Der slaalsmünniiicJten (jeschichte Rnglan«ls ist auth der Stoff
der beiden folgenden AufsJItzc entlehnt, die sich mit Lord Pal-
Beta t OB« and der Gc^eBttberMeUnng der beiden Männer twfaaicn.
Welche der en^ladieit GctcKMiie dea icntan MenacheDalteia ihr
eieenttailiehea Kenneidien aa^cdtflckt haben, BeacMfleldn
tmd Claditonaa. Das Urteil Geffkeai Wtcr den geiatvolleB und
in vielen Mitteln gerechten letxtercn .Stitatsmunu, welcher als Gon>
vcrneur der ;anischen Inseln noch Zeit find, über die Kirbenlehtc
Chancers und der fjricchen gelehrte Untersuchungen »i .tu^l' ii,
ist ein Uberaus hartes, .ibei angesichts der Verirrungcn, welchen
der sachbegabte Mann verfallen ist, kann man dasselbe glcichfalla
nor alt ein begründclea bocichnen. Mit der Wirkaamltcit de»
Hem Natk*»tbi daa eetatorhencn bd|^hen GetMdtaa in Bei»
lin, der an dem Kampfe acinee Vatedaadea tin die Errlafnag der
naUonaleB SelbiUndl^eit and Unabhlnsictkclt den wcilcebcadMeR
Anteil genommen hatte, bef.ißt sich der vorletzte AufsaU, wihrend
uns der leUte eine wurmempfundene , von dein (jefUhle edelster
Krenndschaft und dankbarster Krinnerung dutchwehir Schildetung
der Uedeutung gicbt, welche Graf und Orllfin Circourt in dem
slaatllclien Leben der iweitcn Hilftc dieses Jahrhunderts mit Fug
und Recht bcampmcbca dürfco. Ueffkcn* Bach wird ohne Zweifel
in der falHickm and iaaehiehdichaa Lttteramr Dentichlaads einen
bleibende» Plan liGanipnicha»: Md» mA, waa Schreibweiae
anlangt, hinter Treitachkei blwaenreieker Spra^ aarMck, in Sber-
ragt es doch die geschichtlichen und polititcken Anblice dietat
Schrinslellers durch die Sachlichkeit und Leid mach aftlloa^kelt
Ull i Ml 1111U 1. einer Stelle h.tt uns die Dtnlclhni| an dai BB-
ül itrti . !i Ii . 1 L \ i iibild Maccaulajrs erinnert.
M.iiii. Ludwig Faid.
Im VLr'jtiL V :,n B. Ellaeher Nachfolger in Leipzig tr.Miuenen:
Ekiuard Engel's Litteraturgeschichten :
Geschichte der französischen
Litteratur.
Von ihren AnfUngen bis auf die Geecnwut. ZwCltC lUB-
gearlMdiletc viMl vermehrte Auflage. Van Bdaard SlanL ^
ttarker Bend in fr. 8*. cleg, gcli. »UT, fefat gebvnd. lSJlW<^
Geschichte der englischen
Litteratur.
Von ihren Anlangen bis auf die «Jcgcnwart. Mit einem An-
hange: <!<>- ^merikan. Littcrainr. «. veruelirte AnOiif«.
Von E«i. F.iiKel. Bh ataifc. Band in gr« 8*. clcg. gek. I< <M,
fein geb. l.i ^ 50 ^■
(Verlagsliataloc gntim nnd nrasko.)
Vel%at( Kiwhtaih In Dieite. — VMik 4w 1
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