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Full text of "Geschichte der stadt Pforzheim"

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iR — ARD. N U 


| IN COMMEMORATION OF THE VISIT OF 
* HIS ROYAL HIGHNESS 
PRINCE HENRY OF PRUSSIA 
MARCH SIXTH,1902 
ON BEHALF OF HIS MAJESTY 


THE GERMAN EMPEROR 


ESENTEDBYARCHIN) ALD "CART CO0LIDGE PHD. & 
:ABSISTANT PROFESSOR OF BARRTONE — 











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der 


Stadt Pforzheim. 


Bearbeitet 


von 


3..6. $. Müger, 


Direktor ver höhern Töchterſchule in Pforzheim. 


Pforzheim, 1862. 
Drud und Kommilfionsverlag von J. M. Flammer. 
(VB. Behrens.) 


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Inhaltsverzeichnißz. 


Seite 

Zweites Kapitel. —— (600 v. Ehr. — ST n. br.) 4 

$ 1. Die Kelten. ; s ; ; ö 4 

N 2. Die Germanen (Suesen, Warfomanıen) ; ; 6 

Drittes — Römerzeit (10 -5400) . ROT It TE - 

$ 1. Allgemeines j ’ A . ; . . 8 

$ 2, Römerftraßen .190 

$ 3. Leugenzeiger, Grabheine, Mtäer, Biihde, Münzen . 13 

$ 4. Römifhe Gebäude und Mauerrefte ; . . 3 

. Pforzheim, eine Nomerftadt . j i ; u 
Diertes Kapitel. Pforzheim während der großen — 

und Völkerkämpfe in den nachfolgenden Jahrhunderten (240—900) 26 











8 1. Die Memanen . : ; i : ’ ; 26 

$ 2. Die Franken } j . i wo 29 

$ 3. Der Enzgau r 
Fünftes Aupitel, Die früpehen Derren von Dreh 00-1200 

$1. Die Grafen von Calw ; i 5 

$ 2. Die Grafen von Cherflein ; : i ; . 37 

3. Das Klofter Hirfchau . r 40 

$ 4 Die Herzoge von Swan (Bopenflaufen) . 44 

$5. Die Pfalzgrafen bei Rhein ; ’ ’ . 4 

Sechstes Kapitel, Pforzheim badifh (um 1220) ee 

$ 1. Die Markgrafen von Baden . ’ : i . 50 

g2 > Yforzpeim wird babifch ’ } ; . 2 

Ciebentes 8 itel. Pforzheim im 13. Saprbunbert 55 

e $ 1. Allgemeines j j A 2 55 


$ 2. Befonveres. (Borzpeim Außen, Üelegefhlehter 


der Umgeaenvd) . R R . j R ; 47 


VI Inhaltsverzeichniß. 


Seite 

$ 3. Innere Verhältniſſe Pforzheims. (Schultheißen, Stadt» 
rath, ftädtifche Abgaben, Klöfter 2c.). R 70 

84. Umfang, Ausſehen, Theile, Namen und Siegel ber 
Stadt; Spradprobe aus dem 13. Jahrhundert : 77 


$5 forsheimer Gef un es : : ; r 81 
$ 6. Eine Sage ; A . 87 


Achtes Kapitel, Pforzheim während — mehrfach er * T lan 
en und Zerflüdelungen der Marfgrafichaft Baden bie 


Wiedervereinigung des Getrennten (meift 14. Jahrhundert) . 91 

$ 1. Allgemeines ; ; ; ; : , 91 

2. Befonderes * eim nach Außen 94 

3. Inneres . 101 

a, Shultpeißen j ö j R - 4101 

J b. Klöſter, Kirchen, Spitäler : 104 

c. Ausſehen und einzelne Theile der Stadt «120 

d. Gewerbe, Handel ıc. _. . ß ’ ä 123 

e. Pforzheimer Bürgergefchlecter . . : ee 
Neuntes Kapitel, Pforzheim unter den Markgrafen Bernharb I., 

Jakob I, und Karl L (größtentpeils 15. Jahrhundert) . 4136 

$ 1. Allgemeines : j A ß ‚ ; j . 4136 

$ 2. Befondered ; ; R ; ; ’ i . 142 

3. Inneres . . 147 

a. Stävtifhe Berhättniffe im Allgemeinen . . 4147 


b. Kirche und Schule (Errichtung eines Rollegiatflifts, 
Reformation der Klöfter, Gründung einer Iatei- 
nifhen Schule) . s : . j i . 148 
c. Gewerbe und Handel, herrfchaftlihe Einkünfte in 
Pforzheim, Bruderſchaften, Preife der Lebensmittel 155 
d. Staptheile, Bürgergefhlechter i i r . 162 
SA Sohann Reuchlin a 
Zehntes Aopieen Bay unter Martgraf Chriftopp — 
$ 1. Allgemeines i j i } ’ A s 
$ 2. Befonderes A 177 
$ 3. Gründung einer ———— in "Pforzheim Com 1500) 189 
$ 4 Die Pforzheimer Gelehrtenfchule Cum 1500) 193 
$ 5. Gründung der Singergeſellſchaft se) ü ä . 1% 
$ 6. Zur Gittengefchichte jener Zeit . ; ' 206 
Elftes Kapitel. Stapvtverfaffung (von 1500) ; an 
$ 1. Borbemerfungen. „DOrbnung und Polizei“ von 1491. 213 
$ 2. Der Ortsvorftand : - ’ ? . 
a. Schultheiß und Gericht A R ‚ i i . 2331 
b. Bürgermeifter und Rath ER i A . 28 


Inhaltsverzeichniß. VII 


Seite 
$ 3._ Die Gemeindedienſte . . ’ . i 37T. 
$ 4. Die Bürgerfehaft ; j ; «__247 
$ 5. Polizeiliche —— und — 248 
a, Allgemeine Polizei ; i r ._ 249 
b. Befondere Polizei j i .__253 
Zwölftes K itel, forzheim unter den Mart — ilipp, Ern 

und Karl I. (15015 - 1577) A ’ s 264 
$ 1. Allgemeines : i ’ 264 
$ 2. Befonderes. Dforzpeim — Sürften gegenüber) . 270 

$ 3. Inneres, CVerſchiedenes, Stiftungen, Fe 


fhaft und Schügenfeft 1561, fonftige Ereigniffe) 282 
$4 Die Stadt felbft : ä 292 
$ 5. Kirchliche Berpälmifte Pforgpeims im ——— 
zeitalter 302 
a, Bor der Einfügrung ber Reformation ” Baden- 
Durlah (1517—1556 . j . 302 
b. Einführung ver Reformallon (1556 n) . 319 
$ 6. Berüpmte Pforzheimer aus dem Reformationgzeitalter 330 
obannes Unger . ö : ; ’ : 230 
b. Johannes Schwebel 336 


c, Vikolaus Gerbel 3444 
Dreizehntes Kapitel. Pforzheim unter der vormundſchaftlichen 
Regierung und den Markgrafen Ernſt Friedrich und Geor 
Sriedrib (1577—1622) ; : ö n . ’ 3 
$ 1. Allgemeines . i . 351 


§ Beſonderes. Prorgpeim feinen Fürften gegenüber) . 354 
$ 3. Inneres. (Stiftungen, Berfchievened, Angeftellte in 


Pforzheim um 1600) . : 0.360 

4. Religionsunruhen in Pforzheim 16011604 365 
Dierzehntes Kapitel. Afonselm während des — ẽrie 

ges (1618— 1648) ; : ; i R j ; . 375 

$ 1. Eineitung . ’ ’ . 375 

§ 2. Die erften Jahre des Rrieges (16181622) 377 


$ 3. Die Schlacht bei Wimpfen am 26. April (6. Dai) 
17223 —————380 


$ 4 Bon der Schlacht von Wimpfen bis zur Schlacht von 


Nördlingen (1622— 1634) 394 
$5 Die Schlacht von —— uud * Folgen F 
—1636) . 404 


& 6. Religionsbebrüdung in Pforzheim (16351643) 412 
$ 7. Fortfegung. Glaubendtreue der Pforzheimer (168) . 423 
- 8. Letzte Jahre des Krieges (1643—16489) . . 437 


VIII Inhaltsverzeichniß 


nfzehntes Kapitel, Pforzheim in der Zeit vom weſtyhäliſchen 
— bis zum ¶ac {nen au — F . 444 
au emeines 


3 Blice in’s ſtädtiſche — * Buͤrgergeſchlechter. 


4. Zunft- und Gewerbsverhältniſſe. Preiſe ver wichtigften 
tebensbedürfniffe. Maaß, Gewicht ꝛc. . 485 














5. Zur Sittengefbidte . i 493 

86. Zum holländiſch-franzöſiſchen ciicembirghcen) Kriege 
(1672—1679) . i 902 

Seisgebntes Mapitel. Wozkeim im orianeraen Arig 108 
— 508 

Einleitun : 5 

e 63 Brieged 68 zum erfen Bram 
(Herbft 1688 bis Januar 1699). . .  . SA 

$ 3. _Bom_erfien bis zum zweiten Brand. (anuar bie 
Auquf 16899) . — , . . . . . 518 

$ 4. Zuftand ver Stadt nach dem zweiten Brand. Bemügun- 
gen zur Berbefferung deöfelben (1689-1691) _ _. 518 


5, Neue Berwüftungen. Berennung und Plünderung Pforze 
eims. Treffen bei Pforzheim und dritter Brand (1691 





un 169) . . —— — 94 
$6. Die folgenden ur Der a zu — 
(16931697) . . 530 
1697 — 1746 938 
ı 
$ 2. Beſonderes. Wieveraufbau der Stadt; Berfuge zur 
Herbeifüprung beferer Zuftände_ . . .  . 4 
$ 3. Bortfegung des Borigen; Bevölferungsverhältnifie 
nad dem Krieg; weuc Einwanderungen .  . _. 598 
und im polnifchen Krieg (1733-1735) . .  . 563 
$ 5. Gründung des Waifenpaufes zu Pforzheim (1714) . 572 
$ 6. Der Privilegienftreit (1716-1730) , ,» . . 57 
a. Johann Heinrich My. . . —226 
b. Johann Burkard My. . . . .  . 99 
c. Karl Zofepp Bongine , . .» : . 58 
Achtzehntes Kapitel. Yforzpeim unter Karl Brieoric bis zum Aug- 
bruc der franzöfifpen Revolution CITA6-1789) , . . 5% 


S 1. Algemeine 0 98 


Anbaltsverzeihniß. IX 


Seite 
2. Beſonderes i i A . 602 

$ 3._ Inneres (Räbtifche Berpäftniffe, Gewerbe, Handel, 
Kirchliches, befondere Ereigniffe) r ‚ i « 610 

g 4. Entftepung und Entwidlung ver Bijeuleriefabeitatien 
in Pforzheim (1767 ff.) . ‚ 624 
a. Erfte Anfänge, Errichtung einer Uprenfabrit . . 624 

b. Erweiterung der Uhrenfabrik zu einer AJumelen-, 


Gold- und Stahlwaarenfabrit f - . 627 
ce. Trennung der Quincailleriefabrik von der Ühren- 
fabrif . i z A : i ’ j 6333 


d. Weiterer Fortgang der Uhrenfabrikation 643 
e Weiterer Fortgang der herrſchaftlichen Stahlfabrik; 

Verkauf derſelben; Entſtehung neuer Kabinete . 652 
f, Einführung ver Golpfontrofe; weitere summietunn 


der Pforzheimer Bijouteriefabrikation . 656 

Neunzehntes Kapitel, Vom Beginn ver Ieangeffgen Revolution 
bis auf die neuefle Zeit (1789— 1862 : \ z . 668 
$ 1. Allgemeines i j : 668 


Pforzheim während der Franzöf fen Brige ‚677 
$ 3. Innere Verhältniſſe Pforzheims; Schluß j 683 


Bormort. 





Nach Iangjährigen Vorarbeiten übergebe ich hiemit der Deffentlichkeit 
die Gefchichte einer Stadt, die eine der Älteften unferes Landes ift, Jahr: 
hunderte hindurch auch die größte Stadt der alten Markgrafſchaſt Baden 
und geraume Zeit die Nefidenz ihrer Fürften war, bei vielen wichtigen 
Ereigniſſen, welche dieſe und ihr Land betrafen, eine hervorragende Rolle 
geſpielt, eine große Zahl bedeutender Männer hervorgebracht hat und 
heute in Bezug auf Gewerbthätigkeit unter den badiſchen Städten den 
erften Rang behauptet. Ich Habe weder Mühe noch Zeit gefpart, aud) 
fonftige Opfer nicht gefcheut, um eine möglichft zufammenhängende und 
ausführliche Darftellung der Vergangenheit Pforzheims liefern zu können, 
und ich hoffe, in erfter Reihe den Bürgern und Einwohnern diefer Stadt 
jelber, jodann Überhaupt Allen, welche fich für vaterländifche Gefchichte 
intereffiren, eine nicht unmilltommene Gabe zu bieten. Muß es für 
jene doppelt wichtig erfcheinen, mit den Begebenheiten und Veränderungen 
näher bekannt zu werden, weldye ſich auf dem Stüd Erde, auf dem fie 
fih tagtäglich bewegen, ſchon zugetragen haben, fo ift auch für den Freund 
der Gejchichte überhaupt die Darftellung der Hiftorifhen Vergangenheit 
eines einzelnen Ortes Schon darum von Bedeutung, weil fich einerfeits 
darin im Kleinen Alles wiederholt, was die Meltgeichichte im Großen 
aufweist, und weil andererfeitS zu eben diefem Großen und Ganzen der 
Geichichte jenes Kleine und Einzelne die erforderlichen Baufteine liefert, 

Erzibt fi) daraus die Bedeutung des Einzelnen für das Ganze, 
\e kann wiederum Jenes nur in Zufammenhang mit Diefem richtig auf- 
gefaht und vwerftanden werden. Es wird deshalb eine Ortsgefchichte nur 
dann ihrem Zweck entſprechen, wenn fie nicht bloße abgeriffene Einzel: 
beiten zufammenhangslos aneimanderreiht, wie das fo häufig in Chroniken 
xſchieht, jondern wenn Alles, was fie enthält, nicht nur in möglichft 





II 


enger Verbindung unter fich, jo daß eine ftete Entwicklung des Einen 
aus dem Andern erfichtlich ift, fondern au im Zuſammenhang mit der 
vaterländiichen, ja der allgemeinen Geſchichte dargeftellt wird. Sch babe 
diefem Grundfat bei Ausarbeitung des vorliegenden Werkes durchweg 
gehuldigt. Jedem Kapitel ift das, was zum allgemein gefchichtlichen 
Verftändnig und zur Feithaltung des hiftorifchen Zufammenhangs des 
Einzelnen mit dem Ganzen zu wiffen nöthig iſt, worangeftellt, und es 
wird mir Freude machen, von kompetenten Beurtheilern meines Buches 
zu vernehmen, daß ich darin nach richtigem Plane gehandelt und auch, 
indem ich mid auf das Maaß des Nöthigen beſchränkt, das Mechte 
getroffen habe. 

Dei Abfaffung vorliegender Geſchichte Pforzheims konnte ich mehrere 
Vorarbeiten benügen, da ſchon früher einige Verſuche gemacht worden 
find, manches Wichtige aus der Gefchichte diefer Stadt zufammenzuftellen. 
Dies geſchah zuerft gegen Ende des fiebzehnten Jahrhunderts durch dem 
von Pforzheim gebürtigen Dr. 3. H. May in feinem „Leben Reud: 
lins“ (Durlah, 1687), fpäter durch E. L. Deimling im Vorwort 
zu feinem Drama: „die vierhundert Pforzheimer” (1788), durch Gehres 
in feiner „Heinen Pforzheimer Chronif“ (1795 und 1811), theilmeiie 
auch durch Noller in feinem „Verſuch einer Beſchreibung Pforzheims“ 
(1811); Fragmentarifhes hat Lotthammer in feiner Zeitſchrift: 
„Biorzheims Vorzeit“ (1835) geliefert. Alle dieſe Schriften enthalten 
für eine zufammenhängende Geſchichte Pforzheims manches brauchbare 
Material, aber auch Vieles, was ohne forgfältige Prüfung nicht benußt 
werden konnte, weshalb ich überall, wo es möglich war, auf die Quellen, 
aus denen die Verfaffer jener Schriften ſchöpften, felber wieder zurüds 
gegangen bin. Am fleifigften und gründlichiten unter den Genannten 
hat Lotthammer auf dem Gebiete der Geichichte feiner Vaterſtadt ge 
arbeitet; doch ließ ihn der Tod fein Werk nicht vollenden. Geine 
Manuferipte, die ſich im Großh. Generallandesarchiv zu Karlsruhe be: 
finden, haben mir manche ſchätzbare Ausbeute gewährt, obgleich auch hier 
wieder auf Grund neuerer Forfhungen und der Ergebniffe derſelben 
Vieles zu berichtigen und zu ergänzen war. 

An fonftigen Quellen, und zwar gedrudten und ungedrudien, 


HI 


babe ih, wie mein Verzeichniß derfelben nachweist und wie auch aus 
ihrer unten folgenden Angabe erfichtlich ift, eine ſehr große Zahl benükt, 
und es ift mir durch Verarbeitung des aus denſelben geichöpften Materials, 
das, in Zufammenhang gebracht, oft ganz überrafchende Ergebniſſe lieferte 
und ein Weiterbauen gejtattete, auch gelungen, über manche Barthien der 
Geſchichte Pforzheims, die bisher noch wenig aufgehellt waren, Licht zu 
verbreiten, Anderes, was irrig anfgefaßt und demgemäß auch nicht ganz 
der Wahrheit entfprechend und lückenhaft dargeftellt war, zu berichtigen 
und zu verpollftindigen, und überhaupt ein zufammenhängenderes und 
mehr ins Einzelne gehendes Bild der Vergangenheit Pforzheims zu ent- 
rollen, als dies bei frühern Verſuchen der Art geſchehen. Ungedrucdte 
Duellen fanden fich zunächſt im biefigen Stadtarchiv, und obgleich 
ein großer Theil desfelben den Flammen des orleans'ſchen Krieges zum 
Dpfer fiel, fo ift doch noch eine Anzahl für den Geſchichtsforſcher werth— 
voller Urkunden, alter Lagerbücher, Kopialbücher, Raths— 
protofolle, Bürgermeifter- und Stiftungsrehnungen ıc. 
vorhanden, die nebft Akten des Großh. Oberamts und der Heil: 
und Pflegeanftalt dahier, fowie alten Kontraktenbüchern des 
Großh. Amtsreviforats, ferner alten Kirchenbüchern, Zunftrech— 
nungen, Familienaufzeihnungen u, f. w. vielen Stoff zur 
Verarbeitung lieferten. In noch höherm Grad war dies beim Großh. 
Generallandesarhiv in Karlsruhe der Fall, das mir durch die 
iberalität Großh. Minifteriums des Innern zugänglich gemacht wurde, 
und aus dort aufbewahrten Urkunden, Nepertorien, Kopial: 
und Lagerbüchern, Akten ꝛc. konnte ich für meine Zwecke ein fehr 
reiches Material erheben. Die Quellen, aus denen ic) geſchöpft habe, 
find in meinem Werk überall angegeben, und zwar in der Regel die 
Hauptquellen zu Anfang eines jeden Kapitels, andere Duellen unter dem 
Tert, Alle einzelnen Stellen mit Citaten zu belegen, wie das in ge: 
lehrten geſchichtlichen Arbeiten zu gefchehen pflegt, hielt ich dem Zwecke 
meines Buches nicht entfprechend ; doc) ift diefes in meinem Manuſeript 
geihehen, und ich bin deshalb im Stande, Jedem, der vielleicht eine 
derartige nähere Auskunft wünſcht, im Einzelnen Rede zu ftehen und 
meine Quellen zu nennen, 


IV 


Schließlich muß ich mich der Pflicht der Dankbarkeit gegen die: 
jenigen Männer entledigen, deren freundlicher Unterftüßung ich bei meiner 
Arbeit mic, zu erfreuen hatte. Es find dies zunächft in unferer Stadt 
die HH. Oberamtmann Fecht und Oberbürgermeifter Zerrenner, 
fodann die HH. geh. Hofrath Dr. Vierordt in Karlsruhe und Pro⸗ 
feſſor Dr. Fiedler in Mannheim. Zu ganz befonderm Danke aber bin 
ih den HH. Archivdirektor Dr. Mone, Archivrath Dambaher und 
Archivrath Dr. Bader in Karlsruhe verpflichtet, die mir im Allgemeinen 
wie im Einzelnen aufs Bereitwilligfte mit Nath und That an die Hand 
gegangen find und in Ausarbeitung meiner Pforzheimer Drtsgefchichte 
fo wefentlichen Vorſchub geleijtet haben. 

Und fo möge diefelbe dern hinausgehen und um fo nachfichtigere 
Beurtheilung finden, als ich nicht Gefchichtfchreiber vom Fach, fondern 
auf dieſem Feld bloß Dilettant bin, wenn auch das Studium der Ge: 
ihichte von jeher zu meinen Lieblingsbefchäftigungen gehörte, Weiß mein 
Buch aber nicht allein bloße Neugier zu befriedigen, fondern auch zu 
belehren und Freude und Intereſſe an der Gejchichte einer Stadt, die 
mir eine zweite Vaterſtadt geworden, zu erwecken, ſowie innigere An: 
bänglichfeit an diefelbe und den vaterländifchen Boden überhaupt, nament- 
lich aber auch Liebe zu einem Fürftenhaus zu pflanzen, das Pforzheim 
immer zu feinen Kleinodien zählte und von dem fo manche erlauchte 
Ahnen der Stadt mit ganz befonderer Gunft zugethan waren, fo find 
erfüllt die Wünfche 

Pforzheim, im Sommer 1860. 


des Berfaffers. 


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Grfies Kapitel, 


Sagenhaftes. 


Die Ältefte Gefchichte Pforzheims ift in ein Dunkel gehüllt, das 
völlig zu durchdringen auch der gründlichiten Forſchung nie gelingen 
wird, weil die Quellen, aus weldyen Zuverläßiges gejchöpft werden Könnte, 
gar jpärlich fließen. Kaum ijt für fpätere Jahrhunderte einzelnes Ab— 
gebrochene, Fragmentarifche aufbewahrt worden, und es erjcheint oft 
als eine ſehr undankbare Mühe, alle die an nnd für fich faft nichts: 
fagenden Notizen zu fammeln, nm aus deren Vergleihung ein Ergeb: 
niß zu erzielen, das eine gut erhaltene zuverläßige Quelle in einigen 
Zeilen uns ficherer gewähren kann. Für ältere Zeiten ift man faft 
ganz auf Fombinirende Urtheile und Vermuthungen verwiefen. 

Mo indeffen die Gejchichte fchmweigt und oft kaum Vermuthungen 
geitattet, dan ift die immer rege Phantafie des Menfchen um fo gejchäftiger, 
die vorhandenen Lücken auszufüllen und an die Stelle der gefchichtlichen 
Thatſache die Sage zu ſetzen. Zeigt ſich diefe Erſcheinung in der 
Geſchichte Faft aller Völker, warum follten wir ihr nicht aud) in dem 
engern Nahmen begegnen, in welchem ſich eine Stadtgejchicdhte bewegt ? 
In der That hat es aud in Bezug auf die älteſte Geſchichte Pforz— 
heims, namentlich auf die Gründung der Stadt, an Verſuchen nicht ges 
ſehlt, dieje im die graue Vorzeit zu feßen und Pforzheim den Rang 
unter den Älteften Etädten der Melt anzumeifen. 

As die Griechen, jo erzählt der berühmtefte aller Pforzheimer, 
Johann Reuchlin,1) nach zehnjähriger Belagerung die in Kleinafien ge 
legene Stadt Troja im Jahr 1184 vor Chriftus erobert und zerftört 
hatten, da fuchten fich manche ihrer bisherigen Bewohner, weldye vom 
Schwert verſchont geblieben waren, eine neue Heimath. Der befanntefte 
unter diefen trojanifchen Flüchtlingen ift Aeneas, der nah Stalien 








) Reuchlin, de verbo mirifico, 1494, — J. M. Maji vita Reuchlini, p. 95— 97. 
Pflüger, Pforzheim, 1 


2 Erfies Kapitel. Sagenhaftes. 


ging und deſſen Sohn Askan dafelbft die Stadt Albalonga gründete, 
welche fpäter die Mutterftadt von Rom wurde. Aber ein anderer ed: 
ler Trojaner, Namens Phorkys, jegte feinen Wanderſtab noch weiter 
und kam endlich in den Schwarzwald. An einem Haren Fluſſe machte 
er Halt, und als er von einem alten Manne den Namen „Enz“ ver: 
nahm und dafür Aeneas verſtand, rief er begeiftert aus: 

Bift du jener Aencas, welchen dem Troer Anchifes 

Venus die Schöne cebar an des Simois phryaiihem Etrome? 
Und nun beſchloß Phorkys, an diefer Stelle eine Stadt zu bauen, die 
er, als es geichehen, nacı feinem Namen Phorka taufte, woraus dann 
ipäter der Name Pforzheim entitanden ift. 

Ob diefe Sage von der Gründung der Stadt Pforzheim durch 
die Trojaner älter als Neuchlin iſt und von ihm nur wiedererzählt 
wurde, oder ob fie in feinem eigenen Kopf gewachfen: das will ich 
nicht enticheiden. Letzteres möchte indeß das MWahrfcheinlichere fein, und 
dürfen wir ung darüber nicht wundern, da es ganz im damaligen Ge: 
ſchmacke lag, den Urſprung der Städte möglichit weit zurücd zu datiren. 
Aehnliches geihah ja auch bezüglih der Stammbäume der Adelsge— 
ſchlechter, die manchmal bis zur Are Noahs zurüdreihten. Es fehlt 
zu obiger Erzählung, um die Aehnlichfeit der Gründung Pforzheims 
mit der Roms in noch belleres Licht zu feßen, nur noch ein Albalonga, 
und es ift zu verwundern, daß Meuchlin nicht an Langenalb gedacht 
und daflelbe in Beziehung zur Entitehung Pforzheims gebracht hat, 
was doch fo nahe gelegen wäre. Zu bemerken ift bier noch, daß fich 
Melanchthon über dieje Erzählung Neuchlins Tuftig machte, In einem 
zu Ende des 17. Jahrhunderts erfchienenen Büchlein, 1) worin der 
Gründung Piorzheims durch die Trojaner auch Erwähnung gejchieht, 
fett der Verfaſſer treuherzig hinzu: „Ich fürchte aber, die guten Tro— 
janer feyen bieher über das Gebürg nie kommen.” Wir dürfen als 
fiher annehmen, daß der Mann Recht hat. 

In eine nur wenig fpätere Zeit fett ein württenbergifcher Chronift 2) 
die Entftehung von Pforzheim, bringt diefelbe aber auch, vielleicht von 





1) Der Durchlauchtigften Zürften und Marggraien von Baaben 
Leben, Regierung, Großthaten und Abjterben ꝛc. x. (Frankfurt und Leipzig bei 
Riegel, 1695.) ©. 91. 

2) M. Ib. Srifchlin, Hiftorifche Veichreibung des Landes Württemberg 
(v. 1614), 11, 43. 


Erftes Kapitel. Sagenhaftes. 3 


Reuchlin verleitet, mit flüchtigen Trojanern in Verbindung. Er erzählt, 
im Fahr 2I00 nad Erfhaffung der Welt hätten fih Grunius und 
Phorcis vom Stamm des Aeneas Sylvius (eines jüngern Sohnes 
des Trojaners Aeneas, den dieſer nach der Angabe des Dichters Birgil 
in Italien mit Ravinia, der Tochter des laurentiniſchen Königs Latinus 
erzeugte,) in der Gegend des Schwarzwaldes niedergelafien. Grunius habe 
die Stadt Gröningen (Mart:Gröningen in Württemberg), Phorcis aber 
die Stadt Pforzheim an der Enz gebaut. 

Es ift ſchon in der Weberfchrift dieſes Kapitels gefagt, wohin 
derartige Erzählungen verwieſen werden müßen, nämlic in das Neid) 
der Sage, oder, da die Eage doch in der Regel noch einen gejchicht 
fihen Untergrund hat, in das Gebiet der vollftändigen Erfindung. 


1* 


— — 


— — — — 


weites Kapitel, 


Urgefchichte, 
(600 v. Chr. — 15. n. Ehr.) 


61. Die Kelten. 


Die älteften Bewohner Mitteleuropas, alfo auch Deutfchlandg, 
waren die aus Hocafien um 600 vor Chriſti eingewanderten Kelten 
oder Celten. Namentlich fcheinen das Nheinthal und die dasſelbe be- 
grenzenden Borhügel des Schwarzwaldes ſchon frühe durch die Kelten 
angebaut worden zu fein, und bis auf unfere Tage haben fih Spuren 
feltifcher Niederlaffungen und Eeltiicher Kultur als Denkmäler einer dun— 
feln Vorzeit erhalten. Es gehören dazu die Erdwälle und Gteinringe 
die Trichtergruben und Hünengräber, die man ſchon in verfchiedenen 
Theilen unferes Landes aufgefunden hat, und namentlich find die Grab: 
hügel mit Steinplatten und die beim Nachgraben zum Vorſchein gefom: 
menen Schmudjachen von Gold, Kupfer oder Bronce und geſchmolzener 
Erde zuverläßig Keltifcher Herkunft. Auch die Namen mandyer unferer 
Städte find Feltifhen Uriprungs, fo Juliomagus (Stühlingen), Bodumgo 
(Bodmann), Brigobanne (Bräunlingen), Briſiacum (Breifah), Lupodunum 
(Ladenburg), Bruchſal (von brug sal, was fo viel als großes Haus oder 
Wohnfit bedeutet). 1) 

Es ift kaum zu bezweifeln, daß auch der Nordabhang des Schwarz— 
waldes fanımt dem fich daran anfchließenden Hügelland und den dasſelbe 
durchichneidenden Thälern von den Kelten bewohnt war, wenn aud) 
hiefür ein beſtimmter Beweis durch aufgefundene keltiſche Alterthümer big 
jetzt nicht geliefert werden fan, Der Umftand jedoch, daß das Alb: und 
Pfinzthal mit dem durch eine Teicht zu überfteigende Wafjerfcheide davon 
getrennten Enzthal von jeher einen bequemen Uebergang vom Nheinthal 


) Mone, Zeitfchrift zur Gefchichte des Oberrheins, VII, 281. 


Zweites Kapitel. Urgefchichte, 5 


in das Neckarthal boten, ſomit ohne Zweifel auch die Kelten bei ihren 
Wanderungen dieſen Weg eingeſchlagen haben, berechtigt zu dem Schluſſe, 
da dieſelben ſchon früh auch in die Gegend von Pforzheim gekommen 
fein und Einzelne davon ſich da, wo die Vereinigung dreier nie verfie- 
genden Flüffe und ein fruchtbarer Thalgrund zur Anfiedelung einluden, 
niedergelaffen haben mögen. Unverfennbare Spuren feltijcher Abſtam— 
mung finden fi bei manden Orts- und andern Namen der Gegend 
von Pforzheim.) So läßt fi) der Name des Fluſſes Nagold von 
dem Feltifchen an aghallt, oder mit abgefürztem Artikel 'n aghallt, 
ableiten, was auf deutſch Dirfhbad heißt. Es ſpricht dafür 
nicht nur der ſpätere Name des Fluſſes und des Städtchens Nagold, 
der in Urkunden aus dem achten and neunten Jahrhundert Nagalt 
und Nagalta lautet, fondern es ftimmt damit aud der Name des 
an der Magold liegenden, im neunten Jahrhundert gegründeten Kloſters 
Hirfchan überein. Der Name Enz kann vom keltiſchen an, Waſſer 
gebildet fein, dem fpäter das deutfche t angefügt wurde, das ſich dann 
wie bei vielen andern Wörtern, in s oder z verwandelte. Aus uchel, was 
jo viel als hoch, luftig, thurmartig bedeutet, faın Huchenfeld eben 
jo gut entftanden fein, als Heuchelberg, (alt Huchelberg), Heuchelheim ꝛc. 
(Daß diefe Namen nicht von Hugo herkommen, zeigt ihre Schreibung.) 
Nielleiht ift and der Name der Anhöhe Hachel von diefem uchel 
berzuleiten, fowie die Struoth oder Strutt, wie die fog. Strüt: 
oder Strietäcker rechts der Wurmberger Siraße früher (jo noh 14392 
hießen, von sruth, d. b. Bad, Fluß abgeleitet werden kann, indem 
wirklich ein Bach in der Nähe jenes Feldes entfpringt, der dafelbft früher 
Weiher bildete. Ittersbach heißt auf Feltifh Wachholderbadh, De 
ihelbronn wäre gleih Binfenbronn, Niefern läßt fich von ’n ibhar, 
Eibenbaum, herleiten u. ſ. w. 

Auch für den Namen der Stadt Pforzheim darf man um Feltifche 
Ableitung nicht verlegen fein. Es liegt wenigftens nahe, denfelben mit 
dem wälſchen ffordd in Zufammenhang zu bringen, was fo viel als 
Straße, Durchgang bedeutet und dem deutichen Pforz (altdeutſch Phorz) 
genau entjpricht. Jene Bedeutung ftimmt auch vollfommen mit der 
Lage der Stadt, über welche fchen in frühefter, vielleicht Feltifcher Zeit 


— 





) Man vergl. zum Folgenden Mone, Urgefchichte Badens, II, 81. 
2) Sahs, Einleitung im die Geſchichte der bad. Markgrafſchaft, 1. 323. 


6 Zweites Kapitel. Urgeichichte. 


wichtige VBerbindungsitraßen führten, überein. Der Name Pforzheim 
würde alfo in diefem Falle die Bedeutung von Straßenheim haben. 
Es fehlt nicht an Beijpielen von Ortsnamen, die von alten Straßen 
herrühren, 3. B. Straßenheim bei Ladenburg, Straßen bei Luremburg.!) 
Auch der Name Straßburg ijt verwandter Bedeutung. 

Ob übrigens, wenn man die Berechtigung diejer Ableitung aner- 
fennen will, nad der erften Einwanderung der Kelten, melde, wie be— 
reits erwähnt, ſchon mehrere hundert Jahre vor Ehrijtus erfolgt fein mag, 
oder bei der Rückwanderung feltifcher Abkömmlinge aus Gallien, die ing erjte 
Sahrhundert der chriftlichen Zeitrechnung füllt und von ber im folgen- 
den Kapitel die Rede fein wird, am Einfluß der Nagold in die Enz 
eine keltiſche Niederlaffung gegründet und ihr der erwähnte Name ge 
geben wurde, läßt fich natürlich nicht ermitteln. 


$ 2. Die Germanen (Sueven, Marfomannen). 


Die Keiten blieben nicht im ruhigen Befit des Landes. Vom 
hohen Norden Europas ber, als ihrer eigentlichen Heimath, drangen 
noch vor Deginn der chriftlichen Zeitrechnung die wilden Germanen 
oder die Deutfchen immer weiter gegen Süden vor, und die Kelten, 
oder wie man fie Später auch hieß, die Galen oder Gallier, mußten 
ihrem unwiderftehlichen Andrang weichen und, jedoch nicht ohne Tange und 
blutige Kämpfe, auch das rechte Nheinthal, alſo damit unfere Gegend, 
verlaffen und ſich auf das linke Ufer des Stromes zurücziehen. Obne 
die ſpätere Dazwiichenkunft dev Mömer wäre e8 den Germanen ficher 
gelungen, die Sallier ſich ganz unterwürfig zu machen. 

Die Germanen bildeten nicht ein großes, zufammenhängendes Volk, 
jondern zerfielen in viele, theils größere, theils Kleinere Völkerſchaften 
oder Volksſtämme. Derjenige von ihnen, welcher den ſüdlichen Theil des 
heutigen Deutichlands, alſo auch das jebige Baden und Württemberg, 
einnahm, hieß Sueven oder Hermionen Aus eriterm Wort ift 
fpäter der Name Schwaben entftanden. Die verfchiedenen Gaue oder 
Heinern Staaten derſelben, namentlich die zwifchen dem Nheine, der 
Donau und dem Maine liegenden, errichteten unter fi) ein Bündniß, 
eine Art Eidgenoſſenſchaft, und nannten fih Martmannen, aud 


) Mone, Zeitfcrift für die Geichichte des Oberrheins X. 202. 


Zweites Kapitel. Urgeichichte. 7 


Markomannen, d. h. Grenzmannen. Dieſer Suevenbund wurde 
beſonders den Galliern furchtbar, uud endlich zog ein ſueviſcher Fürſt, 
Arioviſt oder Heerveſt, 72 Jahre vor Chriſti Geburt, mit einem 
Heer, das bis zu 120,000 Mann anwuchs, über den Rhein, um ſeinem 
Bell im heutigen Burgund fchönere und fruchtbarere Wohnpläße zu 
verichaffen, als fie die bisherige Heimath bot. In ihrer Noth wandten 
fih die am meiften bedrohten galliſchen Völker an den römiſchen Feld— 
herrn Julius Cäſar; zwiihen ihm und Ariovift Fam es darauf im 
Sahr 58 bei Befangon zur blutigen Schlacht, in welcher die Kriegskunſt 
der Römer den Sieg davon trug. | 

Dbgleich Cäſar bald darauf das linfe Rheinufer mit dem römifchen 
Reiche vereinigte, jo wagte er doch nicht, in Deutjchland jelbft Erobe— 
rungen zu machen; nur am Mittelvhein verfuchte er zwei Uebergänge 
(bei Trier in den Jahren DD und 53 v. Ghr.), die jedoch feine weitere 
Folge hatten. 

Die Marktomannen mochten indefen in den Nömern doch allzu gefähr: 
lihe Nachbarn erkannt haben und für ihre Unabhängigkeit beforgt gewefen fein. 
Sie bejchlofjen deshalb, ihre bisherigen Wohnfite zu verlaſſen und ander: 
wärts, entfernt won der vömiichen Uebermacht, ein fetes Neich zu grün: 
den. So zogen fie alfo um das „Jahr 9 oder 15 n. Chr. unter Anz 
führung des Fugen und muthigen Marbod oder Marobod nad 
Böhmen. Es genüge hier die Bemerkung, daß ſich diefer Fürft zwar 
im Anfange den Römern jehr furchtbar machte, jpäter aber durch Ver: 
rath im deren Hände gerietb und als Gefangener in Navenna ruhm— 
[08 ſtarb. 


Drittes Bayitel, 


Nömerzeit. ') 
(15 — 400.) 


$ 1. Allgemeines. 


In dem durch den Wegzug der Marfomannen faft menfchenleer 
gewordenen Landſtrich zwifchen Main, Donau und Rhein, demnach auch in 
unferen Gegenden, ließen fih Einwanderer aus Gallien, alſo Nachkom— 
men der frühern Bewohner des Landes, der Kelten, nieder, mit denen 
ſich vermuthlih die wenigen zurüdgebliebenen Germanen vermifchten, 
Da fie fich unter römischen Schutz ftellten, fo fcheinen fie von den Rö— 
mern als Gegenleiftung zur Entrihtung von Natural- und Geldabgaben, 
vielleicht des Zehnteng, verpflichtet worden zu fein, weshalb man davon 
den Namen Zehntland (Agri decumates) abgeleitet hat. (Letzterer 
Name wird übrigens auch „vermeffenes Land” überſetzt von dem Kreuz 
[>< = einem römiſchen Zehner], welches die römischen Geometer zogen, 
ehe fie ihre Feldmeffungen begannen?) Indeſſen faßten die Römer 
jelbft immer mehr Fuß in dem für fie und ihre Zwecke fo günftig ge: 
Vegenen Land, und namentlich jcheinen noch im Laufe des erften Jahr: 


) Hauptquellen: Mone, Urgeſchichte Badens; Mone: Zeitichrift zur 
Geſchichte des Oberrheins; Stälin: Württembergifhe Geſchichte; Leichtlen: 
Forſchungen im Gebiet der Geſchichte, Alterthums- und Schriftenkunde; 
Creuzer: Zur Geſchichte altrömiſcher Cultur am Oberrhein und Neckar; 
Wilhelmi: Sinsheimer Jahresberichte; Rappenegger: Aurelia aquensis 
(Beilage zum Mannheimer Lyzeumsprogramm für 1853); Arnsperger: 
Bericht Über die im Hagenfchieß bei Pforzheim 1832 aufgefundenen Alterthümer 
(Pforzh. Teobadhter von 1832, No. 68—65); Memminger: Beichreibung 
von Württemberg; Paulus: die Römerftraßen, fowie deffen archäologiſche Karte; 
bie Schriften des bad, Altertbumsvereins x. Wo no andere Schriften 
benügt wurden, find fie an dın betreffenden Etellen angegeben. 

2) Niebuhr, römische Geſchichte. 


Drittes Kapitel. Römerzeit. 9 


hunderts folche Römer und römiſche Provinzialen den Kern der Be 
völferung gebildet zu haben, welche urfprünglih als Beteranen und 
Linientruppen eingezogen waren und als Belohnung für treu geleiftete 
Kriegsdienfte Ländereien erhalten hatten. Die fürmliche Aufnahme der 
fühweftlihen Ede Deutichlands in das Syſtem der römischen Provinzial: 
verwaltung mag um das Jahr 34 nad Chr. erfolgt fein, während das 
Land ſchon vorher, vielleicht fhon unter Kaifer Auguſtus, militärifch bes 
feßt war, (Das ältefte römische Denkmal unferes Landes mit Zeitan- 
gabe Fällt in die Megierungsperiode des Kaifers Trajan, alſo zwiſchen 
98 und 117 n. Chr.) Das Land zwifchen der Donau und der rauhen 
Alp wurde zur Provinz Rhätien, der obere Theil unferes jetigen Groß: 
berzogthums zu Sequanien, der untere zu Obergermanien gefchlu 
gen, deſſen Oberbefehlshaber der Herzog (dux) zu Mainz war, und der 
vermuthfich für unfere Gegend, wie für die ganze fpätere ſpeier'ſche Diö— 
zefe, feinen Unterbefehlshaber in Speier hatte, 

Unter der Herrichaft der Römer gelangte das neuerworbene Land 
bald zu befferem Anbau , namentlich da diefelben manche Gewächſe des 
Südens, wie die Nebe, in das Rheinthal verpflanzten, und als auch 
in Folge der wachfenden Bevölkerung und der Nermebrung der Ort: 
ihaften, der Handel in Aufnahme kam, bauten die Nömer ſowohl zur 
Begünftigung desfelben, als auch zu militäriichen Zwecken, ausgedehnte 
Heerſtraßen, die fih zum Theil bis auf unfere Zeiten erhalten 
baben. Außerdem Tegten fie eine Menge von Bädern, Tempeln, 
Landhäufern, Kaftellen, Wartthürmen ꝛc. an, die heute noch von dem 
regen Leber, welches damals in unfern Gegenden geherricht haben mag, 
Zeugnig geben. Bei dem bedeutenden Handelsverkehr, der fogar zur 
Gründung ftändiger Handelsgefellfchaften, führte, 1) it es natürlich, daß 
unter den römischen Gottheiten namentlich der Beſchützer des Verkehrs, 
Merkur, ſich einer befondern Verehrung erfreuen durfte. Aber auch 
andern Göttern der Kultur, fo dem Apollo, dem Aeskulap, dem 
Bulfan, dem Neptun, der Diana u. A. wurden Denkiteine geſetzt und 
Altaͤre errichtet, von denen die Gegenwart noch eine Anzahl aufzuweifen 


!) An Ettlingen beftand 3. B. ein contubernium nautarum, db. b, cine 
Schiffergeſellſchaft. Da indeſſen die Alb nie jhiffbar war, fo können darunter 
nur Flößer verftanden fein, wie man ja auch heut zu Tage noch die Flößer 
re Schiffer heißt und in Gernsbadh darum eine „Schiffergejellichaft” 
titebt, 


{0 Drittes. Kapitel. Römerzeit. 


bat, Daß übrigens durch die Römer auch frühe, ſchon das Ehriften- 
thum in unfere Gegenden fam, ift jehr alaublich, wiewohl Beweife durch 
Schriften und Denkmäler fehlen. Mandye Städte unferes Landes haben 
den Römern ihre Gründung zu verdanken; der Hauptort des weftlichen 
römischen Vorlandes jcheint aber die Civitas Aurelia aquensis, das 
heutige Baden, gewejen zu fein. Diefe Stadt bildete einen Haupt: 
jtraßenfnoten und erſtreckte fich ihr Gebiet, nach aufgefundenen Leugen— 
fteinen zu fchließen, in ziemlicher Entfernung gegen Eüden , nody weiter 
aber (17 Leugen zu 7500 Fuß, alſo etwa 10 Stunden) nad) Norden, 
demnach bis in die Gegend von Pforzheim. 


$ 2. Bömerftrafen. 


Pforzheim war, wie nebenftehendes Kärtchen zeigt, ein Knotenpunkt 
für eine größere Anzahl von Nömerftraßen. Die wichtigfte derfelben war und 
ift wohl diejenige, welche von Straßburg und Baden her über Ettlingen und 
Pforzheim nadı dem Nedar führt. Cie zieht von Baden aus zuerft in nörd— 
Yicher Richtung längs des Gebirges hin, wendet fi) aber von Ettlingen an, 
wo eine andere Hauptſtraße von Xauterburg her eingemündet haben 
muß, nah Dften. Hinter Ettlingen, wo ein Seitenweg nad Spiel: 
berg, Ittersbach ꝛc. ausläuft, führt fie im Albthal bei der fogenannten 
Mattmühle durch einen Wald den Berg hinan, wo die Quaderfteine 
mit tiefen Geleifen noch fichtbar find, und geht dann an Reichenbach 
und Langenfteinbach vorbei, wo fie zwei bis vier Fuß tief unter dem 
Aderfeld Hinftreicht und Steinſtraße heißt. Weiter führt fie durch 
MWiefengelinde in den Eichbuſch an Auerbach Hin über die fogenannte 
Bernhälden, auf deren höchitem Punkt fie die heutige Straße durch: 
jchneidet, und fteigt dann ins Pfinzthal hinab, woſelbſt eine Zweigſtraße 
vom Kraichgau her einzutreffen scheint. Zwiſchen Nöttingen und Ell— 
mendingen, an der Kelter des letztern Orts, gebt die Straße wieder 
aufwärts unter dem Namen Hochſtraße, führt ſodann ſchnurgerade 
über feſte Schichten von Kalkftein, über welche. fie nur als ein bie und 
da wohlerhaltener 12 Fuß breiter Damm von kleinen Steinen hervor: 
ragt, (weil die Grundlage eine Funftmäßige Straße überflüffig machte), 
links an Dietlingen, wo wieder eine Eeitenftraße nad) Birkenfeld fich 
abzweigt, am obern Saum der Weinberge, denen die Straße bie und 
da hat weichen müfjen, vorbei, in das Brößinger Feld, und von bier 


Drittes Kapitel. Römerzeit. i 11 





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I. Straße von Baden und Ettlingen her über R = Reichenbach, 
L Langenſteinbach, E = Gllmendingen, D —= Dietlingen, Br = 
Brögingen, P = Pforsheim, Th — Tiergarten, S = Seehaus und 
T = Tiefenbronn nad) Leonberg und Kannftatt. — II Seitenftraße 
über Spielberg und ttersbad gegen Bi — Birkenfeld. — II. Sei: 
tenftraße über N — Möttingen und Königsbach in den Kraichgau. — 
IV. Seitenftrate von D — Dietlingen nah Bi — Birkenfeld. — 
V. Straße über K — Siefelbronn und D = Dürm an den Nedar. 
— VI. Seitenftrafe von Th = Thiergartn an R = römiſchen 
Ruinen im Hagenfchieß vorbei nad) O — Oeſchelbronn. — VI. Straße 
von Baden und Gernsbach ber über N — Neuenbürg nad Pforzheim. 
— VII Straße von Baden und Gernsbach her über den Dobel nad) 
Porsheim. — IX. Straße über die höchſten Höhen des Schwarzwaldes, 
zulegt über Langenbrand und S — Salmbach nad Pforzheim. -- 
X Straße von Neuhaufen, Ho — Hohenwartb, an Hu — Huchenfeld 
vorbei nach Pforzheim führend. — XI. Straße über E — Eutingert, 
an N — Miefern ꝛc. vorbei nad Illingen und Bietigheim, —- 
XI. Straße von Pforzheim über den Wald nad) O — Oeſchelbronn. 
— XII. Straße von W — Wurmberg nad) Illingen. 





12 Drittes Kapitel. Römerzeit. 


dur den Wald Mittelsberg und über den Wallberg binter Brö- 
Bingen auf die das Enzthal bei Pforzheim auf der linken Seite be 
gränzende Anhöhe, wo die Nömerftraße, nachdem fie die jeßige Durlacher 
Straße surchichnitten hat, unter dem Namen alte Boftftra ße oder Kut— 
ſcherweg befannt ift. Von der Springer Höhe an, wo fich wieder 
eine Seitenſtraße abzweigt, die durch die Gemarfungen von Göbrichen, 
Kiefelbronn, Dürrn ꝛc. an den Nedar führt, ift unfere Nömerftraße als 
- folhe eine Stredte weit nicht mehr zu verfolgen. Doch ift gewiß, daß 
fie von dort rechts ab in das Enzthal hinunter, hinter der Schloßkirche 
vorbei, durch die Lindenftraße oder das frühere Zigeuner gäßchen, 
defien Namen abermals auf eine Römerſtraße Hinmweift, durch die 
Altftadt und unterhalb der jetigen Altjtädter Brüde, wo fich eine 
hölzerne Römerbrücke befand, mit ned andern bier zufammenlanfenden 
Straßen über den Fluß führte und fi) am Schafhof vorbei den jenfei: 
tigen Bergabhang wieder hinaufzog. Oberhalb des Thiergartens, da wo 
der Wald anfüngt, ftößt man auf die Fortſetzung der Straße, woſelbſt 
fie als dammförmige, durch Duaderfteine gebildete, in der Mitte gewöhn— 
lich) etwas gewölbte Erhebung Teicht zu erfennen und durch den Hagen: 
ſchieß zu verfolgen ift. Sie zieht dafelbft am Seehaus vorbei durch den 
fog. Hegelsbuſch, Folgt der jetigen Landftrake, die fie zwei Mal durch— 
ichneidet, nad) Tiefenbronn, und feßt ſich ſodann über Leonberg gegen 
die Solitübe und von dort nad Kannſtatt fort. 

Diefer interefjante Straßenzug hatte wie die meiften Römerftraßen 
die Eigenthümlichkeit, daß er, abweichend vom heutigen Gebraudy Bei An: 
fegung neuer Straßen, nicht den Ihälern nachzog, fondern fich, wo 
immer möglich, auf den Landhöhen hielt, und bei unvermeidbaren Thal 
einfhnitten die Höhe und Waſſerſcheide raſch wieder zu gewinnen ver: 
ftand. Auf diefe MWeife waren die römiichen Straßen feindlichen Ueber: 
fällen weniger ausgeſetzt, dienten vielmehr jelbft als eine Art Schutzmauer 
gegen biefelben und litten ohnehin weniger durdy die zerftörende Witte 
rung. Gegen Teßtere ſchützte überdies der Bau der Straßen, dem bie 
Römer eine folche Dauerhaftigkeit zu geben verftanden, daß unfere Zeit 
den römiſchen Strafenanlagen kaum etwas Aehnliches an die Ceite 
ſetzen kann. Einige Mitteilungen hierüber dürften noch am Plate 
fein. Die Bauart der römifhen Straßen verlangte einen erhabenen 
Damm, beftehend aus großen, manchmal viercdig gehauenen, unten 
feilförmig zugeipisten Steinblöden, welche die Grundlage bildeten und 


= 


Drittes Kapitel. Römerzeit. 13 


durh Gips, Kalt, ja jelbft Eifen mit einander verbunden wurden. 
Darüber ftampfte man einen Lehmboden, und erſt auf diefem lag die 
eigentliche Fahrbahn, beftehend aus einer Lage von Kies und Steinen, 
die durch Mörtel dicht verbunden waren. Natürlich bradıten die ver: 
ihiedenen Gebirgsarten, durch welche diefe Straßen zogen, in den allge: 
meinen lan auch wieder manche Befonderheit. 

St der eben befchriebene Straßenzug der am beiten nody erfenn- 
bare, fo haben audy die andern mehr oder minder deutliche Spuren 
binterlaffen. Mehrerer Seitenftraßen ift ſchon Erwähnung geſchehen. 
Ein anderer Straßenzweig läßt fi vom Thiergarten aus in der Rich— 
tung gegen Dejchelbronn durch den Hagenſchieß ebenfalls verfolgen, und 
it ein Stück derfelben auf der Höhe zwifchen Eutingen und Niefern 
unter dem Namen der „alten Poſtſtraße“ wohl bekannt. Gie 
führt an den römifchen Nuinen im Hagenſchieß vorbei und mochte haupt: 
ſächlich dazu beftimmt fein, die Verbindung zwifchen diefen Gebäulich— 
keiten ac. und den Hauptftraßenzügen zu unterhalten. Die übrigen 
Römerftragen "der Umgegend von Pforzheim find auf vorftehendem 
Kärtchen verzeichnet. Alle diefe verfchiedenen Straßen mögen aud) ver: 
ihiedenen Zwecken gedient haben, wie das bei den Römern der Fall 
war, bei-denen es bejondere Militärftraßen, Handelsftraßen, Boten: 
wege ıc. gab. 

Der Zeitpunkt der Erbauung unſerer Nömerftraßen, namentlich 
der Hauptzüge derfelben, läßt fich mit Sicherheit nicht beſtimmen; nad) 
den Jahrzahlen aufgefundener Leugenzeiger (Meilenſäulen) zu ſchließen, 
mag die Anlegung derjelben etwa in die Zeit zwifchen 200--225 nad) 
Chr. fallen, wenn nicht manche davon ſchon einem frühern Jahrhundert 
ihre Entftehung verdanken. 


$ 3. Sengenzeiger, Grabfteine, Altäre, Bildfläche, Münzen. 


Die Gegend von Pforzheim weiſt eine große Zahl römischer Alter: 
thümer auf, die daſelbſt zu verfchiedenen Zeiten aufgefunden wurden, 
und da fie ſehr wichtige Zeugen römischer Kultur find, weldye dem Un— 
tergang nicht anheim fielen, jo ergibt fich hieraus ihre große Bedeutung 
für die Erforſchung unferer ältern Gefchichte von feltit, Aus diefem 

unde mag es gerechtfertigt erfcheinen, wenn alle derartigen Alterthümer 


14 Drittes Kapitel, Römerzeit. 


bier aufgezählt werden. 1) Es find hauptſächlich Leugenzeiger, Grabſteine, 
Altäre, Steinbilder und Münzen. Von den Ueberreften vömifcher Ge: 
bäude wird unten die Rede fein. 

Leugenzeiger oder Meilenfäulen wurden bei Nöttingen und 
Ellmendingen, und zwar an Stellen, wo die Römerſtraße durchzog, 
aufgefunden. Es find deren drei, und wurden diefelben zu Ehren der 
ſeveriſchen Kaiferfamilie (nämlih der Kaifer aracalla, Clagabalus 
und Alerander Serverus) in dein Zeitraum von 213 bis 223 errichtet. 

An Grabfteinen fand man in Pforzheim den eines Mehr: 
mannes der 4. Kohorte der achten Legion, fodann einen andern eine 
Viertelftunde oberhalb der Stadt an der Enz, den ein gewiſſer 
Duintus, und endlic einen dritten, von dem aber nur noch die Hälfte 
vorhanden und in dem Altar der Kirche zu Eutingen eingemanert 
it, den eine Mutter, Arruntia Victoria, bat feten laſſen. Bezüglich 
des erften Grabfteines jei hier bemerkt, daß die darauf genannte achte 
Legion, weiche die Beinamen Augusta. Augusta Pia, Fidelis Con- 
stans, Antoniniana führte, für den Schuß und die Kultur des Land: 
ſtrichs diesſeits des Rheins neben der 22. Legion von befonderer 
Michtigfeit war, und fcheinen ſich einzelne Kohorten derfelben in unferer 
Gegend aufgehalten zu haben, (namentlich im zweiten Jahrhundert,) 
fowie außer in Pforzheim aud in Offenburg, Straßburg und Mainz. 
Nah der Provinzialifirung des ſüdweſtlichen Deutſchlands kommen 
außerdem noch die 1., 14. u. 21. Legion vor. 

Ein römifcher Altar wurde bei Brößingen, ein anderer bei 
Nemdingen aufgefunden. Auf den vier Seiten des erfteren befinden 
fi) verfchiedene Figuren, darunter Vulkan als Fräftige männliche Ge: 
ftalt, in kurzem, leichtem Gewand, mit Zange, Hammer und Ambos. 
Der letztere ftellt auf drei Seiten Bilder aus der Odyſſee dar; die vierte 
Seite ift Ieer, 

Am bedentendften iſt die Zahl der aufgefundenen Steinbilder 
und Bildſtöcke. Dahin gehören, überfichtlich zufammengeftellt: Br ö- 
kingen: a) ein Bildſtock, auf allen vier Seiten mit Tiguren, darunter 
Vulkan unverkennbar, in den übrigen Jupiter und Victoria ꝛc. zu ver: 
muthen; b) ein Kubus, abermals mit dem Bildniß Vulkans, wahrfcein- 


1) Diefelben befinden ſich theils noch an den unten angegebenen Orten, 
theils in der Mltertbumshalle zu Karlsruhe, theils find fie wieder verloren 
gegangen. 


Drittes Kapitel. Römerzeit. 15 


fich auch des Merkur und der Leda. Dietlingen: ein Stein mit dem 
Bildnig Merfurs, und ein anderer mit einer männlichen und einer weib— 
lihen Figur, mit nicht ungeibtem Meifel erhaben ausgehauen. Ell— 
mendingen: ein Bildnik Aeskulaps mit dem Schlangenſtab. Nöt: 
tingen: ein Merkur mit Sclangenftab und Geldbeutel, ferner ein 
Hirtenftüc, beide in erhabener Arbeit. Remchingen (jegt ein Hof, 
fonft ein Dorf zwiihen Wilferdingen und Singen) früher an der nicht 
mehr vorbandenen alten Kirche eingemauert: ein Merkur und ein Bild: 
ſtock mit Satyrn und fonfligen Figuren. Wilferdingen: Botifftein mit 
römischer Inſchrift, früher im Garten des Pofthaufes dafelbft eingemauert; 
man fand darunter Münzen von Trajan und Hadrian.t) Königsbad: 
eine reitende weibliche Figur, Flachbild. Göbrichen: Nelieffiguren, in 
tanzender Stellung. Dürrn: ein Stein oder Altar, worauf in erha— 
bener Arbeit die Thaten des Herkules und die Befreiung der Andro: 
meda durch Perſeus abgebildet find. Endlich wurden auch bei den im 
Fahr 1832 im Hagenſchieß bei Pforzheim (fiebe unten) veranftalteten 
Nachgrabungen Bruchſtücke verſchiedener Bildftöde aufgefunden, von denen 
einer die Buchftaben „.. NOBE (Abnobe, vollft. Deae Abnobae, d. i. 
der ſchwarzwäldiſchen Göttin Diana), der andere die Inſchrift MIIRCV, 
d. h. Mercurio (dem Merkur) zeigte, 

Schließlich jei auch nod der römischen Münzen erwähnt, welche zu 
verjchiedenen Zeiten in bedeutender Zahl in und bei Pforzheim aufge: 
funden worden find. Sie reihen von Galigula bis Walentinian, alfo 
vom Jahr 37 bis 378, und gehören den Negierungszeiten der Kaiier 
Baligula (37 — 41), Trajan (98—117), Bolufian (251), Tacitus (276), 
Valens und Nalentinian (364— 378) u. U. an. 


$ 4 Nämiſche Gebaude und Mauerreſte. 


Von eben fo großer Wichtigkeit für die Ältere Geſchichte Pforzheims 
find die in der Nähe der Stadt noch vorhandenen Ueberreſte römiſcher 
Gebäude, Mir reihen den ſchon aufgeführten Alterthümern eine Be- 
ſchreibung derfelben an. 

Etwa eine Viertelftunde hinter Brögingen, in einem einfamen Thale, 


1) Bei MWilferdingen wurde 1859 beim Eiſenbahnbau aud ein römifches 
Schwert einem uralten Todtenfelde enthoben. 


16 Drittes Kapitel. Römerzeit. 


am Abhang des oben ſchon erwähnten Mittelbergs Liegen die Trüm— 
mer von einem unter dem Namen altes Schloß beim Wolfe befann- 
ten Gemäner, das ganz mit Bäumen bewacfen if. Man kann die 
Grundmauern von drei oder vier Gebäuden von nicht ganz gleicher 
Größe noch deutlich unterjcheiden. Diefelben find wieder von einer ge: 
meinjchaftlichen Mauer umgeben, welche etwa 80 Schritte in die Breite 
und 100 Schritte in die Tiefe, den Berg hinauf, mißt. Die Regel: 
mäßigfeit der Anlage; der Umſtand, daß diefes fogenannte Schloß gar 
feine Gegend beherricht, vielmehr von höhern Bergen überragt wird, 
alfo Feine jener freigelegenen Ritterdurgen fein kann; daß es ferner, 
gegen die Gewalt der Nordwinde geſchützt, gerade dem Sonnenaufgang 
zugefehrt iftz die alte Ueberlieferung, nad welcher die Kirche zu Brö— 
Bingen aus den Steinen diefer Trümmer erbaut fein ſoll und aljo 
wahricheinlich auch die oben erwähnten Bilditöde eben daher find, nicht 
weniger die Nähe der Nömerftraße, welche nur einige Hundert Schritte 
oberhalb vorbeiläuft: — alles Diejes zufammengenommen läßt vermutben, 
daß fein Schloß, fondern eine römiſche Kapelle hier geftanden habe. 

Auf dem Vorſprung einer Höhe, eine Viertelftunde von Kiefelbronn 
und eine halbe won Dürrn entfernt, finden fich die Ueberreſte eines 
großen Gebäudes mit einem Heinen Nebengebäude, Man hielt dasjelbe 
früher immer für eine mittelalterliche Nuine ; allein Haufen von römi— 
ichen Leiftenziegeln und römische Wärmeleitungsröhren, die man dafelbit 
fand, ſowie die ganze Bauart laſſen keinen Zweifel, daß es römijchen 
Ursprungs: ift. 

Ein Alterthumskenner 1) bringt auch das fogenannte Eifinger 
Loch, einen Erdfall zwifchen Eifingen und Göbrichen, mit den Römern, 
und zwar mit römischen Bergwerken in Verbindung , welde die Nömer 
dajelbft eröffnet hätten. Daß die Nömer auf diefer Höhe, welche weit 
hin, ja bis Yandau fichtbar it, bejchäftigt waren, jcheint dev Name 
Heidenfeller anzuzeigen, den ein erſt jeit Anfang diefes Jahrhun— 
derts völlig verichwundenes altes Gemäuer in der Nähe diefes Erd: 
falles führte, 

Noch umfangreicher und wichtiger, als alle bisher aufgeführten 
Mauerrefte, find aber die Gebäudetrümmer im Hagenſchieß. Wenn 
man von dem Wege, welcher auf dem rechten Enzufer von Pforzheim 


1) Meinbrenner im Morgenblatt v. 1807, No. 199. 


» 


Drittes Kapitel. Römerzeit. 17 


nach Eutingen führt, etwas näher an letzterem Orte, als an Pforzheim 
rechts abbiegt und dajelbit denjenigen Theil des Hagenſchießes, welcher 
der Kanzler heißt, betritt, jo gelangt man ſchon nad) einer Kleinen 
Biertelftunde an einen Theil jener Baurefte, welche, auf eine Fläche von 
beinahe einer halben Quadratmeile zerftvent, ſich an mehr als zwanzig 
verfchiedenen Orten befinden, Sie beftehen zum Theil freilih nur noch 
aus moosbedeckten Haufen von Steinen nnd Ziegeljtüden, zum Theil 
aber auch aus wohlerhaltenen Grundmauern, welche bald Kleine, bald 
größere, oft auch von Quermauern durchzogene Räume umfchließen, über 
denen fich einft Gebäude erhoben haben. Namentlich läßt der größte 
diefer Räume, der ungefähr 300 Fuß im Geviert mefjen mag, troßdem, 
daß er jest ganz mit Tannen überwachſen ift, noch mandye Gebäude: 
trümmer erkennen. Nur wenige Schritte von jener Umfafjungsmauer 
entfernt, befinden fich die Trümmer eines andern Gebäudes, das drei 
Heine, nad einer Seite abgerundete, nifchenartige Kabinete mit eben 
jo viel anftoßenden kleinen vieredigen Gemächern enthält. Diefe Ein- 
richtung, fowie die doppelten Böden mit dazwiſchen durchführender Röh— 
venleitung, welche man bei Nacgrabungen vorfand, gaben früher zu der 
Anficht Veranlafiung, daß das Gebäude ein römiſches Bad gewefen fei, 
während jene Vorrichtungen mit den Möhren ac. wahrfcheinlih nur zum 
Heizen der verfchiedenen Zimmerchen angebracht waren, deſſen die Römer 
in unjferm Klima noch mehr, als die eigentlichen Bewohner des Landes 
ſelbſt, bedurften. Solche Heizeinrichtung beftand immer in einem Heiz: 
lekal, das unter dem ganzen Zimmer durchlief (hypocaustum),. Auf 
den vielen Backſteinpfeilern desjelben ruhte der Boden der Zimmer, der 
aus Stein: oder Ziegelplatten, oder aus geftampfter Erde beſtand; übri- 
gens ftrömte die Hige nicht bloß durch die Steinplatten, jondern auch 
durdy die vieredigen Badfteinröhren (tubuli), weldye die ganze Zimmer: 
wand befleideten und mit einem Anwurf von Gips bedeckt waren. Diefe 
Röhren ftanden ſenkrecht über einander; ihre wagrechte Verbindung unter 
fi) wurde durch vieredige Löcher bewerfjtelligt, die in der Mitte der: 
jelben angebradyt waren. Großen Flächenraum hatten die einzelnen 
Zimmer nicht, nad dem allgemeinen Charakter der bürgerlihen Wohnungen 
bei den Römern. ine ähnliche Heizeinrichtung zeigte fih beim Nach 
graben auch in dem Geitengemady eines anderen Gebäudeüberreites. 
Tiefer im Hagenſchieß Liegen weitere Bautrümmer, die unter dem Namen 


des Fohlenſt alles und des Hardheimer Schlößchens befannt 
Pflüger, Pıorzbeim, 2 


18 Drittes Kapitel. Römerzeit, 


find. Nachgrabungen förderten bei erftern verſchiedene Alterthümer, 
darunter den Kopf eines Denkſteins, den Numpf eines Neiterbildes, ver: 
fchiedenes Geräthe von Bronce, viele Scherben von Gefäßen aus Siegel: 
erde, Glasſcherben, Bruchſtücke von Ziegen, ja eine völlige Begräbniß- 
ftätte mit Trümmern von Ajchenfrügen mit noch daranhängender Ajche 
zu Tage!) Bei diefem Fohlenftall ftand früher ein unter dem Namen 
„Taufſtein“ bekannter großer Stein, in Form eines Beckens, mit Iatei- 
niſcher Umfchrift. Leider wurde derfelbe von einem Steinhauer zu einem 
wirffihen Taufſtein umgearbeitet und befindet fich jett als folcher in 
der Kirche zu Eutingen. Das fogenannte Hardheimer Schlöfchen bes 
fteht aus einer etwa 3 Fuß dien Umfangsmauer, weldye ein vollkom— 
menes Viereck bildet, das nach jeder Seite 125 Fuß mißt. Innerhalb 
desfelben miüfjen mehrere Gebäude geftanden haben, von denen das größte 
etwa 50 Fuß lang und 30 Fuß breit war. Hier wurden verſchiedene 
Alterthümer,, jo unter andern ein Bruchftüd von einem Altar aufgefun: 
den, aus deſſen Anfchrift hervorging, daß derjelbe und vermuthlich das 
ganze Gebäude, das vielleicht ein römischer Tempel geweſen fein mag, 
dem Merkur gewidmet war. — (Siehe oben.) Auch in noch andern 
Theilen des Hagenjchießes wurden zu verfchiedenen Zeiten allerlei alter: 
thümliche Gegenftände aufgefunden, jo Ueberreſte eines Ziehbrunneng, 
thönerne Platten, Nöhren von gebranntem Thon , Bruchftüicde von Ge: 
füßen aus Siegelerde, Glasſcherben mit eingebrannten Farben, große, 
in YMattenform gebildete Hufeifen, Waffenſtücke ꝛc. Ber Urbarmahung 
des früheren Meurah: Waldes, (Mäurach, Mäuerich, Gemäner), welche 
zu Anfang diefes Jahrhunderts erfolgte, follen mancherlei merkwürdige 
Geräthſchaften von Metall zum Vorſchein gefommen fein, find aber, vote 
es ſcheint, unbeachtet geblieben und nicht gefammelt worden. — An der 
nad) Tiefenbronn ꝛc. führenden Nömerftraße ftieß man bei Aufgrabung 
eines Hügels, der ſchon Lange die Aufmerkſamkeit erregt hatte, auf römt- 
ſches Mauerwerk "mit. römifchen Ziegeln und einem Haufen ifenerz 
im verjchiedenften Zuftand der Bearbeitung durch Feuer, nämlich theils 
ganz roh, theils halb gejehmolzen, theilg als völlige Schladen. Dafelbft 
war ohne Zweifel eine römifche Eifenfchmelze, und an den Bergabhängen 


1) Viele folcher Gegenflände waren bis 1842 im Seehaufe aufbewahrt; 
jet find fie in der Altertbumspalle zu Karlsruhe. Dort befindet fi auch 
eine im Jahr 1849 zu Pforzheim aufgefundene römiſche Wafferleitungsröhre 
aus Thon. 


Drittes Kapitel. Römerzeit. 19 


des nahen Würmthals, wo vor nicht langer Zeit nody Bergbau auf 
Eijenerze im Sandfteingebirge betrieben wurde, beurfunden mehrere tiefe 
und breite Gräben, mit denen die Erzgänge verfolgt wurden, daf dort 
ſchon die Römer den einfachen Bergbau unternommen haben. 

Auf Spuren des frühern Anbaus des Bodens ftößt man allent- 
balben ; ſogar von ehemaligem Weinbau find fichere Zeugen vorhanden, 
indem am Hardheimer Rain nod einzelne Stöde der wilden oder ver: 
wilderten Rebe ftehen, welche weit umher wildwachjend nicht angetroffen 
wird, Diejenige Fläche des Hagenfchießes, wo fi) alle diefe Ueberrefte 
römiſcher Niederlafjungen und römischen Anbaues finden, fcheint alfo 
früher nicht mit Wald bededt geweſen zu fein. 

Zu welchen Sweden haben wohl diefe Gebäulichkeiten ꝛc. gedient 
und wer hat fie bewohnt? Es ift natürlich nicht möglich, auf diefe 
Fragen eine beftimmte Antwort zu geben. Das Mahrfcheinlichfte ift, 
daß die römiſchen Gebäude im Hagenſchieß ein fog. Präfidium, d. h. 
eine vorgefchobene Militärftation waren, die beim Einrücken der Römer 
in das Land angelegt, aber von den Soldaten wieder verlaffen wurde, 
als man die Linien wieder weiter vorfhob. Die Gebäude fammt dem 
umliegenden Lande mögen alsdann mit friedlichen Koloniften beſetzt wor: 
den fein, die unter dem Schub des nachher angelegten Römerkaſtells 
an der Enz (fiehe unten) Feldbau trieben, aud die Erzgänge des Ha: 
genſchießes ꝛc. anszubeuten fuchten. Jedenfalls deutet es auf eine zuletzt 
friedliche Niederlaffung, daß auf feinem der aufgefundenen Ziegel ꝛc. 
eine Zegionszahl zu finden war. Daß es aber urfprünglic eine foldhe 
war, läßt ſich auch darum bezweifeln, weil die praftifchen Römer der: 
gleichen Tandwirthichaftliche Anlagen wahrfchemlich nicht an dem gegen 
Norden gerichteten Abhang des Thales gemacht, fondern dazu lieber die 
fonnigere Südfeite gewählt haben würden. 

Es ift in diefem Kapitel bereits eines Merkurstempels Crwäh— 
nung gejchehen, Ein ſolcher befand ſich höchſt wahrfcheinlich auch da, 
wo jegt die Schloß- oder Michaelstirche fteht. Es kann nämlich ber 
Beweis geliefert werden 1) daß man am Oberrhein nad Einführung 
des EhriftenthHums die Heinen Merkurstempel in Michaelskapellen ver: 
wandelt und an die Stelle des römischen Handelsgottes einen chriftlichen 
Erzengel gejeßt hat. Dies geſchah beifpielweife zu Niegel am Kaiſer— 


1) Mone, Urgeſchichte Babens, J. 293 und 264. 2 


20 Drittes Kapitel. Römerzeit. 


ftuhl, bei dev Michaelskapelle in der Nähe von Bruchſal, Ähnlich beim 
Michelsberg bei Gundelsheim und Bönnigheim ꝛc. Alle diefe Punkte 
find durch Ausgrabungen als Römerftätten erwiefen. ft e8 da um: 
wahrfcheinfich, daß auch an der Stelle der heutigen Michaelsficche früher 
eine Michaelsfapelle ftand, in weldhe der Merkurstempel bei Einführung 
des Chriftenthums verwandelt wurde? Der weitere Umftand, daß die 
Römerhaupiſtraße an diefer Stelle vorbeizog und letztere ſich ſehr zur 
Errichtung eines Tempels eignete, mag die ausgefprochene Vermuthung 
nod weiter unterſtützen. 1) 


55 Pforzheim, eine Nömerſtadt. 


Zu welchen Schlüffen berechtigen nun die bisherigen Zufammen: 
ftellungen und Beichreibungen in Bezug auf’ Pforzheim? Denn 
nur auf Schlüffe ift man bei dem Umſtande angewiejen, daß Fein römi— 
ſcher Schriftiteller einer Stadt erwähnt, die da gelegen fein könnte, wo 
fich jetzt Pforzheim findet, und daß auch auf feiner vömifchen Haupt: 
ftraßenfarte, wovon zwei auf unfere Zeit gefommen find und von denen 
eine ?) auch das füdliche Deutfchland umfaßt, an der Stelle, wo jett 
Pforzheim liegt, ein römiſcher Ort verzeichnet ift. Letzterer Umftand 
darf Übrigens weder befremden, noch überhaupt von etwaigen nähern 
Unterfuhungen und daraus zu ziehenden Schlüffen abhalten, da zu ber 
Zeit, wo jene Karten gefertigt wurden, nämlich gegen Ende des 4. Jahr: 
bunderts, die Nömer nahezu aus unfern Gegenden vertrieben waren. 
Aus diefem Grunde findet man darauf auch Keine der Heerjtraßen ver: 
zeichnet, welche vom NRheinthal in das Innere des Zehntlandes führten. 
Wenn indeffen auch Beweiſe durch Schriftiteller fehlen, fo ſprechen die 
bereit8 angeführten römiſchen Alterthümer, als Altäre, Grabfteine, 
Leugenzeiger, Münzen, Gebäudetrümmer, Straßenzüge ꝛc. um fo dent: 


1) Klüber, (Baden, 1.) ſpricht fogar von ſchönen römischen Ruinen , die 
man in der Amtsfellerei, alio der heutigen, Hinter der Schloßkirche liegenden 
Domäncnverwaltung bemerken könne. Diefelben fcheinen indeß nicht mehr 
vorhanden zu fein, oder jene Angabe beruht auf einem Jirthum. 

2) Die peutinger'fche, fo genannt nach einer Augsburger Ratricierfamilie, 
in deren Befig fie früher war. Seht ift fie in Wien, Sie befteht aus 12 
Blättern, ift im Ganzen 20 Zuß lang und 1 Fuß bod. 


Drittes Kapitel. Römerzeit. 21 


licher, und berechtigen, da ſie für die Anweſenheit der Römer in der 
Gegend von Pforzheim unumſtößliche Beweiſe liefern, zu weitern 
Schlußfolgerungen. 

Die Römer unterließen aus ſtrategiſchen Gründen, die bei ihnen 
überall in erſter Reihe in die Wagſchale fielen, es ſelten oder nie, die 
Ausmündungen (Débouchés) der Gebirgsthäler durch Schanzen und 
Kaſtelle zu decken. Zur Anlegung eines ſolchen Kaſtells an der Enz 
waren nun mehrere Gründe vorhanden. Einmal münden bei Pforzheim 
zwei Thäler in ein drittes aus, und zwei von dieſen drei Thälern, 
nämlich das Enz- und Nagoldthal, Öffnen zugleich den untern Schwarz: 
wald. Da wo jet Pforzheim liegt, war alfo jedenfalls ein fehr wich 
tiger Punkt für Befeftigungen, da er gleichjam die Pforte des Schwarz: 
waldes bildete und ficherlich von Seite der Römer jede mögliche ftrategifche 
Beachtung fand. Zu diefer Annahme drängt aber noch der weitere 
Umftand, daß, wie ſchon gezeigt, bei Pforzheim eine größere Anzahl der 
Römerftraßen zufammenliefen. Die Nömer legten überall längs ihrer 
Straßen in entfprechender Entfernung von einander Kaftelle an, damit 
erftere immer offen bleiben und vom Feind nicht unterbrochen oder abge: 
fchnitten werden konnten. Mit manchen folcher Kaſtelle, namentlich wenn 
fie an wichtigern Punkten lagen, mochten vielleicht auch befeftigte Lager 
verbumden geweien fein, die eine größere Beſatzung aufnehmen und 
dadurch auch den benachbarten Kaftellen zur Dedung dienen konnten. 

Der Enzübergang mit feiner Brüde war zur Anle: 
gung eines ſolchen Kaftells wihtig genug, und da Tebtereg, 
wie erwähnt, auch zugleich den Zweck hatte, den Eingang in zwei wich 
tige Schwarzwaldthäfer zu beherrichen, fo dürfen wir wohl annehmen, 
daß das an der Enz liegende Kaftell nicht nur einen bedeutendern 
Umfang hatte, fondern daß auch ein feites Standlager zur Auf: 
nahme einer größeren Truppenabtheilung damit verbunden war, und aus 
Beidem nad) und nad) eine eigentlihe Stadt mit nicht umbedeutender 
Bevölkerung fi) bildete. 

Hiemit ift auch die fpecielle Lage derſelben oder des römiſchen 
Pforzheim feſtgeſetzt. Wie oben bemerkt wurde, war der Straßenüber: 
gang über die Enz unterhalb der jetzigen Altftädter Kirche, wo eine 
hölzerne Brüde die Verbindung zwifchen den beiden Flußufern herſtellte. 
Dort ftand alfo audy das Nömerkaftell und nahm mit feinem Lager ıc. 
den größten Theil der heutigen Altftadt ein, die auch daraus hervor 


22 Drittes Kapitel, Römerzeit. 


gegangen ift. Dafür, fowie für den römifchen Urfprung der Altftadt 
überhaupt, die ſich dadurch als dem älteſten Theil N forzheims ausweist, 
ſprechen noch andere gewichtige Gründe. Faſt alle römifchen Münzen, 
die man in Pforzheim (fo 3. B. 1832) ausgrub, wurden in der Alt: 
ftadt gefunden; ebenfo iſt diefe auch der Fundort römischer Steindentmäler 
und Inſchriften. Es ift ſogar wahrfcheinlich, daß die Fundamente der 
jegigen Attftädter Kirche römifchen Ursprungs find. 

Ein weiterer gewichtiger Beweis für eine Nömerftadbt an der 
Stelle der jetigen Altftadt it der Name der letzteren. Es ift darunter 
überall, wo er vorkommt, nicht ſowohl ein alter Theil einer Stadt, 
als vielmehr eine alte Stadt zu verftehen. „Das Wort Stadt 
(auch Dorf, Weiler, Burg) findet man häufig mit Alt verbunden. 
Wenn daneben eine Neuftadt vorfommt, fo hat man feinen Grund, 
aus der Bezeichnung alt auf einen römischen Ort zu ſchließen; ſteht es 
aber allein, fo ift es nicht des Unterichiedes wegen geſetzt, jondern be— 
deutet hohes Altertum, und ift dann eine römiſche Niederlaffung zu 
vermuthen.“ 1) Das Alles trifft nun bei der Pforzheimer Altſtadt voll- 
fommen zu, und es find jedenfalls zwei weitere Umftände bezeichnend 
genug, um folche Vermuthung der Gewißheit näher zu bringen. Einmal 
Kennt der Sprachgebraudy bis auf den heutigen Tag keine Altftadt, fon- 
dern eine „alte Stadt"; ſodann wird nod in Urkunden des Mittel: 
alters die Altftadt nie als integrivender Theil des fpätern Pforzheim 
aufgeführt, fondern e8 heit immer: Die Stadt Pforzheim, die „alte 
Stadt“ (alfo auch nicht Altftadt) ſammt den Vorſtädten. 

Mit der Nömerftadt am Enzübergang war vermuthlih auch eine 
Boftftation verbunden. Auf allen Römerftraßen befanden ſich nämlich 
folhe Etationen, und waren diefelben entweder Städte und Dörfer, 
oder wenigſtens ſog mansiones, wo man übernachten Eonnte, oder 
mutationes, (Geſpannwechſel), wo Pferde und Wagen untergebracht waren. 
Daß eine folche mit dem römifchen Pforzheim verbunden war, dafür fpricht 
nicht nur eine halbverflungene Sage, daß einmal jenfeits der Altftädter 
Brücke, da, wo jest der Schafhof fteht, in uralter Zeit eine „Poſt“ ge: 
weſen fei, fondern auch der Umſtand, daß die Nömerftraßen, die über 
Pforzheim führen (fiehe oben), auf zwei Streden in der Nähe Pforz 
heims, nämli auf ber Iſpringer Höhe gegen die Durlacher Straße 


1) Mone, Urgeſchichte Badens, J., 208. 


Drittes Kapitel, Römerzeit. 23 


und im Hagenſchieß zwiſchen Eutingen und Niefern, heute noch „alte 
Poſtſtraßen“ genannt werden. 

Das Nömerkaftell zc. an der Enz ftand jedenfalls einerjeits mit dem 
Präfidium oder der Niederlaffung im heutigen Hagenjchieß , andererfeitg 
mit einem römiſchen Wartthurm auf dem in der Nähe liegenden 
Wartberg in Berbindung. Dort diente das Kaftell zum Schuß; hier 
mußte ihm der Wartthurm in allen Fällen, wo ſich dies als nöthig 
erwies, die erforderlichen Signale geben. Der jeßige Thurm auf dem 
Wartberg ift zwar ſchwerlich römischen Urfprungs, fondern ſtammt wahr: 
ſcheinlich aus dem Mittelalter. Das hindert aber nicht zu glauben, 
daß auch die Nömer auf diefem höchſten Punkt der linken Seite des 
Thals einen Thurm erbaut hatten, der wiederum einerſeits mit dem Kaftell 
auf dem Thurmberg bei Durlah, deſſen ältefte Theile nachgewieſener 
Maßen römiſchen Urfprungs find, andererjeits mit dem Wartthurm zu 
Befigheim, vielleicht auch zu Leonberg korreſpondirte; doch geſchah Letz— 
teres, da eine direkte Verftändigung von dieſen Thürmen bei der Lage 
derjelben faft nicht möglich war, vermuthlich mit Hülfe eines andern 
Thurmes, der ſich auf einem noch höhern Punkt unferer Gegend als der 
Wartberg ift, und zwar jehr wahrfcheinlich zu Hohenwarth, befand, 
wo ohnehin aud eine Römerſtraße vorbeiführte, denn der Name 
dieſes Drtes deutet offenbar auf eine früher dort geweſene „hohe 
Warte“ Hin, Diefelbe mochte wohl auch wieder mit der Niefenburg 
in Liebenzell in Verbindung ftehen, von der ein großer Theil noch 
in ihrer jetigen Geftalt von den Nömern herrührt. Alle diefe Wart— 
thürme (specula) waren fo angelegt, daß fie für Signale gebraucht 
werden Tonnten, und zwar Tags durch Rauch und eine Art Telegraphen, 
Nachts durch Pechfakeln. Solche Signale gaben aber die Wartthürme 
nicht nur fich ſelbſt gegenfeitig, jondern auch den Burgen und Kaſtellen, 
welche in den Thälern und namentlich, wie in Pforzheim, an den Fluß: 
übergängen lagen, um fie zu warnen. Manche folcher römiſchen Warten 
wurden von den Alemanen zerftört, worunter wohl auch die bei Pforz— 
heim gehört haben mag, die alfo dem Schickſal der Niederlaffung im 
Hagenſchieß nicht entging. Diefe Thürme wurden aber meift im Mit 
telalter wieder aufgebaut, um zu gleichem Zwed, wie zur Römerzeit 
zu dienen. 

ir haben nun noch Unterfuchungen über den Namen anzuftellen, 
der dem römijchen Pforzheim gegeben worden fein mag. Wie oben 


24 Drittes Kapitel. Römerzeit. 


ſchon erwähnt, finden wir einen ſolchen weder bei einem römiſchen Schrift: 
fteller,, no) auf römischen Straßenkarten. Wir find deshalb auch hier 
wieder auf Vermuthungen angemwiefen. Hatten bereits die Kelten da, 
wo jett Pforzheim liegt, eine Niederlaffung gegründet, fo wurde vielleicht 
der Ältefte Name der Stadt von den Nömern beibehalten und in ihrem 
Munde Tatinifirt. Es kann jedoch auch fein, daß die Nömer ihrem 
Kaftell und Standlager ꝛc. an der Enz jelbitftändig einen entiprechenden 
Namen gaben, und da dürfte denn die Bezeichnung Porta, die Thüre 
oder Pforte, Vieles für fi) Haben; denn die Stadt lag ja wirklich am 
Eingang des Schwarzwaldes und des römischen Zehntlandes, und mit 
geringer Lautveränderung und durch Anhängung der urdeutſchen Silbe 
bein oder heim, aud hain und haim, welde die Franken jpäter gern 
an fremde Ortsnamen fügten, wäre der dermalige Name der Stadt her: 
geftellt. Unwahrfcheinlicher ift der Jufab, „„Hercyniae“ zu Porta; denn 
derfelbe ift zur Ableitung des Namens Pforzheim nicht mur überflüffig, 
fondern e8 kann auch Teicht nachgemwiefen werden, daß der Schwarzwald 
zur Zeit der Römerherrſchaft gar nicht mehr Hereynia oder Orcynia 
(weßhalb man früher Pforzheim von „Orcynheim“ ableiten wollte 9), 
bieß, fondern Abnoba, aud) Silva Martiana. ?) 

Ohne auf Berechtigung Anſpruch machen zu wollen, dürfte bier 
auch der möglichen Ableitung der erjten Silbe des Namens Pforzheim 
von „portus“, der Hafen, die Schifflände, die Anfurt, Erwähnung ges 
ſchehen. Wenn e8 nämlich richtig ift, daß die Nömer auf den Flüffen 
Enz, Würm, Nagold und Nedar Flößerei getrieben haben, (und daran 
it faum zu zweifeln), jo war die Stelle, wo jet Pforzheim liegt, da: 
mals ſchon, wie heute noch, für einen Anlandungs: und Haltpunkt fehr 
geeignet. Sowie mın das lateiniſche Wort, nauta eben fo gut einen 
Flößer, als einen Schiffer bedeutet, eben fo kann auch unter portus ein 
Halt: und Anbindeort, eine Anfurt für Flöße verftanden werden. Der 

1) Beatus Rhennans, Lih, rer. germ. (Basil., 1531.) 

2) Der Grieche Eratosthenes erwähnt zuerft eines „orcynischen‘‘ Waldes. 
Cäſar kennt einen „Hercynia silva“ ebenſo Etrabo, Tacitus einen „Abnoba“, 
verſchiedene andere Schriftfteller haben vafür ‚„‚Rauraci montes“, Ammianus 
Marcellinus (ein römiſcher Geicichtichreiber aus dem vierten Jahrhundert) nennt 
den Schwarzwald Silva Martiana und fo heißt ev auch auf der peutinger’ichen 
Tafel. Für Abnoba ſprechen auch mehrere aufgefundene römifche Denkiteine. 


(Müllenbach: Deanae Abnobae; Rötbenbady im Würtmb: Abnoba ; Hagenſchieß: 
.. nobe. .; Mühlburg: Deae Abnobae), 





Drittes Kapitel. Römerzeit. 25 


Üebergang des Wortes portus in Porz, Phorz, Porz, liegt mindeftens 
eben jo nahe, als der des Wortes porta oder des keltifchen ffordd, und hat 
auch) einige Analogien für fih. Bei Altenwört an der Donau (in Ober: 
öfterreich) war früher ein Drt Porz oder Pforz, der aber längft vom 
Fluß weggefpült worden ift, und als Hafenort feinen Namen von portus 
erhielt. Dasjelbe ift ficherlichh auch der Kal ‚mit dem Flecken Pforz 
zwifchen Lauterburg und Rheinzabern, 

Lebterer gibt bier noch zu einer Bemerkung Anlaß. Man hat 
nämlich früher den Namen Porca, den ein römijcher Schriftiteller (der 
fog. Geograph von Ravenna) anführt, auf Pforzheim bezogen. Da 
indeffen alle andere Orte, die er mit Porca nennt, auf der linfen Seite 
des Nheines liegen und Porca zwifchen Speier und Straßburg. aufge: 
führt ift, fo ift unter diefer Bezeichnung ficherlich nicht Pforzheim, fon: 
dern der erwähnte Flecken Bforz zu verftehen. 


Viertes Kapitel 





Pforzheim während der großen Völkerbewegungen und Völker: 
Fämpfe in den nachfolgenden SFahrhunderten. !) 
. (400— 900.) 


$ 1. Die Alemanen. 


Zwei Jahrhunderte Yang hatte ſich das oberrheinifche Grenzland 
eines Friedens erfreut, der durch zweimalige Einfälle der wilden Katten 
in den Sahren 51 und 161 wohl vorübergehend gejtört wurde, aber 
doch die ungehinderte Entwicelung diefer römiſch gewordenen Provinz ge: 
ftattete. Wenn nun aud die Römer viel für die Kultur derfelben 
thaten, jo darf man dabei freilich nicht vergeffen, daß die Beſitznahme 
der Länder am Oberrhein zu einer Zeit erfolgte, da in Rom der alte 
Geift, den wir fonft an den Römern fo jehr bewundern, längft ver: 
ſchwunden, und mit der damaligen römischen Kultur ein Sittenverderbniß 
verbunden war, das die Bezeichnung eines deutfchen Gefchichtsjchreibers : 
„glänzendes Elend“ vollkommen rechtfertigt. Und fürwahr, theuer 
genug, nämlich mit dem Berlüft des Vermögens, der Freiheit und der 
Sprache, mußten die unterworfenen Völker diefe römische Scheinkultur 
bezahlen, und endliche Verarmung, Erfterben alles nationalen Bewußt- 
feing und geiftige Verwirrung waren die unausbleibliche Folge der römi— 
ſchen Herrichaft. Bald indeffen traten Ereignifje ein, welche die letztere 
und die durch fie herbeigeführte Kultur nicht nur ſchwer bedrohten, jon- 
bern zulegt Beidem ein Ende machten. 


1) Benügt wurden bauptlählih: Mone: Urgeihichte Badens; Bader: 
badiſche Landesgeſchichte; Preuſchen: badiſche Gefhichte; Leichtlen: Bei: 
träge; Häuſſer: Geſchichte der rheiniſchen Pfalz; Stälin: Württembergiſche 
Geſchichte; der Codex Laureshamensis; Dumbeck: Geographia pagorum 
u. ſ. w. Andere benutzte Quellen find bei ben betreffenden einzelnen Stellen 
angegeben. j 


Viertes Kapitel. Pforzheim vom 5. bis 10. Jahrhundert. 27 


Die Römer hatten zur Sicherung ihrer Erwerbungen im füdlichen 
Deutichland nicht nur eine größere Zahl von Kaftellen und Thürmen, 
ſowohl im Innern, als hauptfählih an den Grenzen angelegt, jondern 
außerdem auch zur Dedung der Djtgrenze des Zehntlandes einen fog. 
Landhag oder Pfahlhag, d. h. einen Grenzwall, errichtet, der fi von 
der Donau (bei Megensburg) bis an den Main (bei Aſchaffenburg) 
und von dort an den Unterrhein zog, und zum Theil aus ordentlichen 
Mauerwerk oder Steinreihen, zum Theil aus bloßen Verhauen, einfachen 
Erddämmen oder manerartig aufgeführten Nafenftüden beftand. Jen— 
jeits dieſes Grenzhags wohnten ſueviſch-germaniſche Stämme, namentlich 
die Hermunduren, zu denen übrigens die Nömer lange Zeit in durchaus 
friedlichen Verhältniſſen ftanden. 

Ums Fahr 240 jedoch durchbrachen die Deutichen, durch die Ge: 
waltthätigfeiten und Graufamfeiten der Nömer gereizt, diefen Landhag. 
Es vereinigten ſich die verjchiedenen ſueviſchen Volksſtämme zu einem 
Bündniffe, von dem fie den Namen Alemanen oder Alamanen 
befamen. Diefe fielen nun verwüftend in das römiſche Gebiet ein. Es 
erhob fich dadurch zwifchen ihnen und den Römern ein Kampf, der mit 
wenigen Unterbredungen weit über 100 Jahre dauerte. Wenn e8 auch 
dem einen oder andern der römischen Kaifer gelang, die Alemanen zu: 
rüdzudrängen, wie 3. DB. dem Probus, der fie fogar über den Pfahlhag 
zurücdwarf und diefen ftärker befeftigte, jo wiederholten fich die Eins 
fälle doch immer wieder, bis endlich zu Anfang des fünften Jahrhun— 
berts der römiſchen Herrichaft am Oberrhein gänzlidy ein Ende gemacht 
war und die Alemanen ſich in ungeftörtem Befite des Landes befanden. 

Bei diefen unaufhörlichen Einfällen und Kämpfen ging auch die 
Kultur, welche die Römer herbeigeführt hatten, wieder zu Örunde, und 
namentlich wurden alle römischen Städte und Kolonien verwüſtet. Dieſes 
Schickſal traf auch — vielleicht Shen in der Mitte des 3., wahrjcheinlich 
aber erit gegen Anfang des 5. Jahrhunderts, um welch leßtere Zeit 3. B. 
auch Baden zerftört wurde — das römische Pforzheim und die Kolonie 
im Hagenfchieß. Bei näherer Unterfuchung der an lebterm Ort vorbhan- 
denen Bautrümmer zeigt es fich, daß über die Niederlaffung, welche ich 
dafelbit befand, eine allgemeine und fo gräulihe Beraubung und Zer— 
ftörung, Tettere theils durch Menſchenhände, theils durch Fener erging, 
daß faft auch nicht das geringite Zeichen, das davon noch eine beftimmte 
Kunde geben könnte, unzertrümmert gelafien wurde. Doch kommt non 


28 BViertes Kapitel. Pforzheim vom 5. bis 10. Jahrhundert. 


diefen Zerftörungen auch viel auf die Rechnung anderer Völker, fo der 
Bandalen, Alanen, Hunnen (fiehe unten), die im 5. Jahrhundert dieje 
Gegenden verheerend durchzogen. 

Indeſſen fcheint im Allgemeinen hauptſächlich die Städte, Kaſtelle 
und Mititärkolonien der Römer diefe Zerftörung betroffen zu haben, weni— 
ger die Hütten: des Landvolkes, deſſen Loos e8 war, in die Leibeigenſchaft 
der neuen Herren zu gerathen und ſich nach und nach mit den neuen 
Einwanderern zu verfchmelzen. Dieſe Hütten waren fehr einfach; denn 
fie beftanden gewöhnlid nur aus über einander gelegten Balken oder 
dichten Flechtwerk, darüber ein Strohdach. Doc ahmten die Alemanen 
fpäter auch die Baufunft der Nömer nad. Feſte Wohnfige in größern, 
ummauerten Städten waren ihnen aber damals noch verhaßt ; fie er: 
fchienen ihrem Freiheitsſinn als Gefängniffe und Grabftätten. Doch mochten 
die Hütten, die von neuen Anfiedlern neben den Ruinen unferer zerftörten 
Nömerftadt erbaut wurden, wie das anderwärts ebenfalls geſchah, 
mit einander alg Ort (villa) den Namen des römischen Pforzheim auch 
ferner führen, der jedoch im Munde dev Alemanen vermöge der rauhen 
Klänge ihrer Sprache jedenfalls eine Veränderung erfuhr, welche ſchon 
damals den Uebergang zur fpätern Bezeichnung vermittelte, 

Das den Römern entriffene Rand theilten die alemanifchen Heer: 
führer oder Fürften unter fih, jo daß jeder derjelben ſein befonderes 
Gebiet (pagus) erhielt. Es ift nicht unwahrſcheinlich, daß diefe Gebiete 
oder Randbezirke in den fpätern Gauen fortgedauert haben. Derjenigen 
alemanifchen Fürften, welche auf diefe Weife in den Beſitz des oberrheis 
nifchen Grenzlandes kamen, waren es eilf: Suomari, Hortari, Ehnodo: 
mari, Serapio, Uri, Urficin, Wefteralp, Gundomad, Badomari, Macrian, 
Hariobaud. Welchem von denjelben die Gegend von Pforzheim gehörte, 
ift unbefannt. Vermuthlich war e8 aber Hortari, defjen Gebiet als den 
Städten Worms und Speier gegenübergelegen bezeichnet wird. 

Koch während die Kriege zwiichen den Alemanen und Römern 
dauerten, begann die Völkerwanderung. Die aus Afien nad) 
Europa vordringenden wilden Hunnen machten 375 befanntlih damit 
den Anfang. Wenn fich aud die Wellen ihres erſten Stoßes nicht bis 
an den Oberrhein fortpflanzten, jo wurde die Gegend von Pforzheim 
jedenfalls durch) den Zug des Hunnenfönigs Attila berührt, der 450 
aus Ungarn, mit 5— 700,000 Mann aufbrach, der Donau entlang 
und durch die Ränder des Oberrhein, wahrfcheinlich dabei die frühern 


Biertes Kapitel, Pforzheim vom 5, bis 10, Jahrhundert. 29 


Römerftraßen benügend, nad Gallien vordrang, umd nach der Schlacht 
von Chalons nad, Italien ging, wo er an einem Blutfturze ftarb. Eine 
alte Sage, die wohl gefhichtliche Wahrfcheinlichkeit für ſich hat, will 
wijjen, daß zu den von den Hunnen auf ihrem Verwüftungszug zerftörten 
Drten au Pforzheim gehört habe.) Minder wahrfcheinfich ift 
ber ebenfalls behauptete Wiederaufbau des Ortes durch den fränkischen 
Statthalter Emmerich im Jahr 510; denn damals war das rechtsrheinifche 
Alemanien ſicherlich noch gar nicht in fränkiſchem Beſitz. 


$2. Die Franken. 


Faſt gleichzeitig mit den Mlemanen am Oberrhein hatte fi am 
Niederrhein ein anderes deutfches Volk, die Franken, gegen die römifche 
Herrihaft erhoben. Sie gingen über den Rhein, durchzogen Gallien, 
und es dauerte nicht lange, fo befand fich der nördliche Theil dieſes 
Landes, dem fie alsdann ihren Namen gaben, troß des Widerftandes 
der Nömer, in ihren Händen. Nun hatten ſich aber in einem großen 
Theil Galliens auch Alemanen niedergelaffen; zwifchen beiden Völkern 
entjtand Eiferjucht, und endlich Fam es zum offenen Kampfe, der 496 
zur Schlacht von Zülpich führte und mit der Unterwerfung der linke: 
rheinifchen Alemanen endigte. Aber auch auf das eigentliche Alemanien 
am rechten Rheinufer blieb diefe Schlacht nicht ohne wichtige Folge; die 
Franken ſchoben ihre Grenze vom Main her gegen Süden immer weiter 
vor, und endlich bildete die Dos die Scheidelinie zwijchen fränkiſchem und 
alemanifchem Land. Diefelbe zog fi von der Dos über die Murg am 
Enzurſprung vorbei über die Höhen zwifchen der Nagold, Würm und Glems 
gegen den Nedar ꝛc. Auf folche Weife Fam — wahricheinlid um das 
Sahr 536 — auch die Gegend von Pforzheim unter fränfifche Herr: 
haft und bildete einen Theil des ausgedehnten Herzogthums Deutjch- 
franfen, welches jpäter in ein Rhein- und Oſtfranken abgetheilt 
wurde. | 

Aber auch andere deutiche Stämme vermochten der wachjenden 
Kriegsmacht der fränkischen Könige auf die Dauer nicht zu widerjtehen, 
und bald bildeten auch die Herzogthümer Sachen, Baiern und Alema— 
nien oder Schwaben Beftandtheile der großen fränkischen Monardie. 


ı) M. 3b. Friſchlin, biftorifche Beichreibung von Württemberg. 


30 Biertes Kapitel, Pforzheim vom 5. bis 10. Jahrhundert. 


In welches Verhältniß die jett badiſchen untern Landestheile, da: 
runter auch die Gegend von Pforzheim, zu den fränfifchen Eroberern 
getreten find, läßt fich bei dem Mangel genauer Nachrichten im Einzelnen 
nicht beſtimmen. Doc icheint es, daß mit den Befiegten bier härter 
verfahren wurde, als im füdlichen Theil Alemaniens. Der Kern ber 
alemanijchen Bevölkerung wurde wahrjcheinlich hinausgedrängt und durch 
fränfiihe Einwanderer erſetzt; namentlich jcheint eine größere Anzahl 
fränkiſcher Grafengefchlechter in den eroberten Landestheilen Wohnſitz ge 
nommen zu haben. 

Durch die Franken kam auch das Chriſtenthum in unfere Gegenden 
und trug ſehr viel dazu bei, die Sitten zu mildern und den Segnungen 
allmäliger Givilifation den Weg zu bahnen. Wann und dur wen 
indeß die neue Lehre zuerft verbreitet wurde, kann nicht angegeben werden. 
Sicherlich aber hatte fie bereits im 7. oder 8. Jahrhundert bei ung 
Wurzel geihlagen, und es mag bald auch mit dem Bau hriftlicher Kirchen 
begonnen worden fein. Die hieroglyphiſchen Figuren über dem Haupt 
eingang der Altjtädter Kirche find jedenfalls uralt und mögen wohl aus 
der Zeit der Einführung des Chriftentfums ftammen. Wahrſcheinlich 
follen fie den Sieg desfelben über das Heidenthum ſymboliſch darftellen. 
Auf ein hohes Altertfum deuten aud die Drudenfüße am Portal. 
Die Gründung mandyer unfer älteften Kirchen fällt in das 8. und 9. 
Jahrhundert, alſo noch in die Farolingifche Zeit, die überhaupt an 
religiöfen Schöpfungen fehr reih war. In dem von Pforzheim nicht 
weit entfernten Illingen wurde ſchon 775 eine Kirche gebaut, in Hoch— 
dorf bei Vaihingen 812, in Dürrmenz 836. In das 10. oder 11, 
Sahrhundert iſt wohl aud der Anfang des Baues der Schloß ober 
Michaelskirche zu jeßen, wenn er nicht fchon in eine frühere Zeit füllt. 
Schon ihr Name deutet auf ein hohes Alterthum. Vielleicht ging fie 
aus einer Michaclstapelle hervor, in welche der wahrjcheinlich früher an 
ihrer Stelle geftandene Merkurstempel (S. 19) bei Einführung des 
Chriſtenthums verwandelt wurde. (Kine Michaelsfirhe wurde beifpiel- 
weife fchon 793 auf dem Michaelsberg bei Bradenheim in Württemberg 
gebaut). Der ältefte Theil der Schloßkirche ift das Portal und die 
Vorhalle, über welcher fich jest die Orgel befindet. Beide zeigen den 
byzantiniſch⸗romaniſchen Bauſtyl, deſſen Hauptkennzeichen halbkreisrunde 
Bögen auf würfelförmigen Säulenknäufen ſind, welch letztere wieder auf 
ſchwerfälligen Säulen ruhen. Bei vielen ältern Kirchen trifft man dieſe 


Viertes Kapitel. Pforzbeim vom 5. bis 10. Jahrhundert. 31 


Bauart. Aehnliche Drudenfüfe, wie an der Kirche der Altftadt, finden fich 
auch am Portal der Schloffirhe. Man verfteht darunter die Bündel oder 
Neftel, welche im Kreis, oder auch A=, 6: und Bedig künſtlich verichlungen, 
fo daß man weder Anfang noch Ende erkennt, an den Thüren folcher 
Gebäude in Stein ausgehauen find. Der Druden:, eigentlich Druiden: 
füß (Druiden hießen die keltiſchen oder gallifhen Priefter) kommt ſchon 
auf keltiſchen Münzen vor. An Gebäuden fcheint er geheime Maaß— 
verhältniffe angedeutet zu haben, zugleich aber auch ein Seichen der 
Treue und des Heils und ein Bannntittel gegen böfe Geifter geweſen zu 
fein.2) —  Sedenfalls ift aber die Altftädter Kirche (d. h. die jebige 
nur noch in einzelnen Theilen) älter als die Schloßkirche; denn wir fin 
den, daß jene noch i. J. 1344 die Mutterkirche, letztere die Tochterkirche 
oder das Filial derfelben heißt. 

- Zur Verbreitung des Chriftenthums und zur Pflege desfelben 
wurde fchon früh eine Anzahl Bisthümer errichtet, jo auch eines im 
Speier, wohin Pforzheim mit Umgegend gehörte, Diefes Bisthum 
blühte unter den ſächſiſchen und jalifchen Kaifern in Folge reicher Schen- 
tungen bald auf. 

In allen den Rändern, welche nunmehr die Franken in Befiß ge— 
nommen hatten, wurden auch die fränkischen Militär: und Staatsein- 
richtungen eingeführt, welche fi in der Gauverfaſſung vereinigten. 
Nach der ungeführen Hundertzahl (Centen) der Männer oder Yamilien 
ftand die in einzelnen Höfen oder fonftigen Niederlaffungen angefiedelte 
Einwohnerfchaft unter einem Gentvorfteher oder Centgrafen; (ſchon 
im 8. Jahrhundert Sculthaizeo, Schultheiß genannt); viele folder Hun- 
derte bildeten mit einander einen Gau, an defien Spite ein Gaugraf 
ftand. Diefe Gangrafen, als Oberrichter und Kriegshauptleute der ver: 
fchiedenen Bezirke, waren königliche Amtleute, über denen der Herzog als 
oberfter Gerichtshere und Heerführer waltete. Die Namen mander fol: 
her Gaue haben fi) bis auf unfere Zeit im Gebrauch erhalten, jo des 
Breisgaus, des Hegaus, des Kraichgaus u. f. w. 


83. Der Enzgau. 


Zu den Gauen unferer Gegend gehörten der Nagold:, Wirm: und 
Enzgau. Letzterer erftredte fi über dag mittlere und untere Gebiet 


1) Mone, Anzeiger, 1833, S. 251—53. 


3% Biertes Kapitel. Pforzheim vom 5. bis 10. Jahrhundert. 


der Enz, alfo hauptfächlich iiber die heutigen Oberamisbezirke Pforzheim, 
Baihingen, Maulbronn und zum Theil nod) Neuenbürg und Bretten, 
während der Wir mgau einen Theil des Würm- und Nagoldthales 
ſammt anliegenden Orten, der Nagoldgau dagegen das jeßige würt: 
tembergijche Dberamt Herrenberg und Theile der Oberämter Horb, 
Freudenftadt und Nagold umfaßte. AS zum Enzgau gehörig erfcheinen 
in den Urkunden des Klofters Lorſch,) aus denen man überhaupt von 
dem Vorhandenfein eines Enzgaus etwas weiß, zum Theil auch in 
andern Schriftſtücken, folgende (jebt meift württembergifhe) Orte: 765 
Illincheim (Illingen), 766 Breteheim (Bretten, wird aber jpäter immer 
im Kraichgau aufgeführt), 766-Linzingen (Lienzingen), 767 Rotmars- 
heim (vermuthlich ein Schreibfehler ftatt Lotmarsbeim, Lomersheim) 
769 Helmufisheim (Helmsheim, D. U. Bruchſal, fommt fonft immer 
im Kraichgau vor), 769 Mulner marca, (Mühlader), 770 Hubestat 
(Ubſtadt O. A. Bruchſal, fonft zum Kraichgau gehörig), 774 Eseincheim 
(2), 779 Turmenz (Dürrmenz), 781 Reginhershusen (?), 782 Glate- 
bach (Glattbach), 734 Horoheim (Horrheim), 789 Budincheim (Bie- 
tigheim), 791 Autinesheim (Detisheim), 792 Saraesheim (Sershein), 
793 Alaolfingen (Eilfinger Hof) und Rutgisingen (Rieringen), 800 
Lotmarheim (2omersheim), 801 Hochtorph (Hochdorf), Horoheim 
(j. o.) und Hasalah (Haslah, D. U. Vaihingen), 801 Lengenfeld 
(Reinfelder Hof), 813 Reod (Ried bei Vaihingen oder Ruith bei Bret- 
ten), 836 Tardingen (Dertingen), 854 Lotmasen (LXomersheim), 
Gladebach (f. o.), Nessenbrunn (Oeſchelbronn ?) und Andensen (Detis- 
heim), 892 Gumboldeshusen (?), Mulnhusa (Mühlhaufen a. d. €.) 
und Hadardesheim (?), 1100 Zeizolfeswilre (Zeiſersweier), Lenzin- 
gon, Durminzi (beide f, o.), Cussilbrunnin (Kiefelbronn), Enzeberch 
(Enzberg), Dagelvingen (?). — Vom anftogenden Pfinzgau werden 
in den Lorſcher Urkunden aufgeführt: 769 Sigengen (Singen), 895 
Vulvirincha (Wilferdingen), und aus dem Kraichgau: 770 Nuz- 
boumen (Nußbaum), und 900 Gebergingen (Göbrihen). Schen im 
9. Jahrhundert Hatte auch das Klofter Reichenau Beſitzungen in der 
Gegend von Pforzheim , jo zu Nettingen (Nöttingen), Singen, Theo- 


1) Es wurde 763 duch den Grafen Gancor geftiftet, der durch feine 
mütterlihen Borfahren wit dem farolingiichen Königsgeichledht verwandt war. 
Es Tag in dem heutigen Großherzogthum Hefjen zwischen Bensheim und Worms. 


Biertes Kapitel, Pforzheim vom 5. bis 10. Jahrhundert. 33 


telenhusen (Dietenhaufen), Almousdingen (Ellmendingen), Ysingen 
(Eifingen), Uitingen (Eutingen), Chuningespahe (Königsbach) ꝛc. 

Es geht daraus hervor, daß die Zahl der Dite des Enzgaus die 
theil® villa, theils marca genannt werden, jchon vom 8, bis zum 
12. Jahrhundert eine ziemlich bedeutende war, Der Name Pforzheim 
kommt in diefen Urkunden nun freilich nicht vor.) Ueberhaupt fehlt 
für die Gegend zwifchen Neuenbürg und Pforzheim jede urkundliche 
Gaubezeichnung. Daraus darf aber keineswegs der Schluß gezogen 
werden, daß andere Drte, als die oben angeführten, noch nicht vorhanden 
waren und der Enzgau nicht noch manche umjchloß, die eben zufällig 
mit dem Klofter Lorſch zc. in keine Berührung Famen. 

Der Enzgau felbft. wird in den erwähnten Urkunden Enzingowe, 
Enzigowe, Encingowe, Entzgowe, Enzgowe genannt. Cine Unterab: 
theilung desjelben jcheint dev Schmiegau gebildet zu haben, 

Db der Enzgau feine bejondere Grafen gehabt hat, ift zweifelhaft. 
Es kommt zwar jchon im Jahr 902 ein Graf im Enggau, Namens 
Walaho, ein Glied des ſaliſch-fränkiſchen Haufes, vor; er war aber auch 
zugleid, Graf des Worms, Speier:, Kraich- und Einrichsgaus (letzterer 
nördlih von Mainz.) Es ereignete ſich überhaupt nicht felten, namentlich) 
gegen das Ende der Farolingifchen Zeit, daß einzelne Grafen über 
mebrere Gaue gleichzeitig gejet waren. So finden wir um das Jahr 
1100 einen Bruno von Laufen als Grafen des Elſenz-, Kraich- und 
Enzganes, Nicht jelten waren die Gaunamen auch bloß geographiiche 
Benennungen, unabhängig von aller politifchen Eintheilung, und vielleicht 
noch ererbt aus der altalemanifchen Zeit, welche dem Eindringen der 
Franken vorherging. Es ift möglich, daß dies aud beim Enzgau der 
Fall war. Auch das darf nicht überfehen werden, daß zwiſchen 
einem obern und einem unten Enzgau unterfchieden werden muß. 
Pforzheim gehörte zu erfterem, und es könnte fein, daß deſſen Geſchicke 
fogar mehr mit dem angrenzenden Wirmgau, als dem untern Enzgau 
verfnüpft waren, und daß, wo bisher von Grafen im Enzgau die Rede 
geweſen, bloß der untere damit gemeint war, namentlich wenn derjelbe 
feinen für ſich abgefchlofienen, felbftftändigen Grafenfprengel bildete, 


1) An der Gott’sauer Chronik von Leitlin ift (S. 14) zwar gelagt, 
daß als zum obern Enzgau gehörig genannt würden: Brögingen, Pforzheim, 
Euffilsronnen und Novum castrum (Neuenbürg). Es ift jedoch nicht anzugeben, 
wo biefe Orte mit folcher Bezeichnung vorkommen. 

Pflüger, Pforzheim, 3 


34 Viertes Kapitel. Pforzheim vom 5. bis 10, Jahrhundert, 


Es dürfte hier der Ort fein, auf einen früher vielfach begangenen 
Irrthum aufmerkſam zu mahen, Bon der Annahme ausgehend, daß 
Pforzheim und Umgegend immer zu Schwaben gehört hätten, glaubte 
man auch die Geſchicke der Stadt mit der Gefchichte diefes Herzogthums 
verflochten und. gelangte durch diefe irrige Vorausſetzung auch zu ganz 
unrichtigen Schlüffen und Folgerungen. Pforzheim und der Enzgau 
gehörten aber zu Rheinfranfen (Franeia teutonica), wie bereits 
auseinander gejeßt wurde. Es kann deshalb auch in der Mitte des 
zehnten Jahrhunderts wohl fein Herzog Leopold von Schwaben in Pforz- 
heim feine Nefidenz gehabt haben, wie ſchon behauptet wurde.1) Heberdies 
lebte damals gar Fein fchwäbifcher Herzog dieſes Namens, fondern von 
949 His 954 (+ 95T) regierte in Schwaben Herzog Kiutolf, ein 
Sohn von Kaifer Dito J. (Sein Vorgänger: war Herzog Herrmann I. 
von 926-948, und fein Nachfolger Herzog Burkhard von 954--973). 
Was es deshalb mit der weiten Erzählung, daß jener (erdichtete) Her: 
zog Leopold im Jahr 985 Stuttgart angelegt habe, auf- ſich hat, können 
die Leſer ſelber ermeſſen. nme N 


) Bon Ib. Friſchlien a. a. D;, u. von &ebhres- in feiner Pforzheimer 
Ehronif, ER A 


Sünftes Rapitel. 





Die frübeften Herren von Pforzheim. ') 
(900 — 1200.) 


$ 41. Die Grafen von Calw, 


Zu den fränfifchen Gefchlechtern, welche, wie oben bemerkt, nad 
Befiegung der Mlemanen bei Zülpich in das linksrheiniſche Land zogen, 
das zum fränfifchen Neich gefchlagen worden war, gehörten auch, tie 
fi) mit Sicherheit annehmen läßt, die Grafen von Calw, und ihre 
Stellung muß um fo wichtiger geweſen fein, als ihr Wohnfig unmittel- 
bar an der alemanifchen Zandesgränze Tag, wo fie das vorherrichende 
Gefchlecht waren. In ihre Hände wurden fpäter auch die Grafenämter 
mehrerer Gaue, fo des Wirm-, Zaber: und Murr-, insbefondere aber 
des Uf- und Pfinzgaues, gewiß auch des von diefen Landfchaften ganz 
eingeichlofjenen Enzgaues, wenigftens des obern, gelegt, (wenn näm— 
lich derfelbe mehr als ein geographifcher Begriff war. ©. 33.) 

Als die Gaugrafenimter nach und nach erblich wurden und die 
Grafen ihre große Dienftgewalt hauptfächlic dazu benügten, in ihren 
Sprengeln möglichft viel eigene Güter zu erwerben, gelangten auch die 
Grafen von Calw zu ausgedehnten und zahlreichen Familienbefißungen, 
die in dem ganzen Landftrich zwifchen dem Nhein und Nedar, alſo im 
uf⸗, Pfinz:, Wirm:, Glems-, Enz, Zaber:, Murr- und Schotzachgau, 


1) Benüßt wurden hauptfählih: Mone: Quellenfommlung ber badiſchen 
Landesgeſchichte: Mone: Zeitſchrift zur Geſchichte des Oherrheins; Bader: 
Wahrer Urſprung Badens; Bader: Badenia (die ältere); Krieg: Geſchichte 
der Grafen von Eberſtein; Preuſchen: Badiſche Geſchichte; Fecht: Geſchichte 
der badiſchen Landſchaften; Sachs: Einleitung in die Geſchichte der badiſchen 
Markgrafſchaft; Häuſſer: Geſchichte der Pfalz; Stälin: Württembergiſche 
Geſchichte; Cruſi us: Schwäbiſche Chronik; ber Codex Hirsaugiensis (eine der 
füt die ältere Geſchichte Pforzheims wichtigſten Quellen) u. . er 


36 Fünftes Kapitel, Die früheften Herren von Pforzheim. 


zerftreut lagen. Es wird darunter eine Menge von Orten aus der 
Gegend von Pforzheim urkundlich genannt, fo im jetigen Oberamt 
Pforzheim namentlich Schellbronn und Hohenwarth, im jetigen Würt— 
temberg: Liebenzell, Möttlingen, Münklingen, Merklingen, Döffingen, 
Weil, Vaihingen, ebenfo Neuenbürg und Umgegend. Es darf mit 
Sicherheit angenommen werden, daß nody manche andere Orte, fo 
namentlih Pforzheim, zu den Befigungen der Grafen von Calw ge: 
hörten, und es fehlt nicht an Stimmen, welche fogar behaupten, daß 
Pforzheim der Sit derfelben war, und daß mit dem Bau der Schloß: 
kirche jhon durch die Grafen von Calw begonnen worden fei, 1) 

Die älteſte Geſchichte diefer Grafen liegt übrigens im Dunkeln. 
Ein Erlafried und fein Sohn Noting, Biſchof von DVercelli, fowie ein 
im. Jahr. 870 vorkommender Graf Adalbert, welcher nach einer Urkunde 
des Klofters Lorfch im Nagoldgau Güter eintaufcht, find als Altvordern 
der Calwer zu betrachten, Ein anderer derjelben ftiftete im Jahr 830 
oder 832 das Klofter Hir ſchau. In den Zeiten, wo ſich die Geſchlechter 
nod nicht durch. die Namen ihrer Burgen von einander unterfehieden 
— dieſer Gebrauch Fam erft im 14. Jahrhundert auf — Haben zum 
Geſchlecht der Calwer vermuthlic, einige Gaugrafen gehört, weldye den 
Namen, Adalbert trugen, den gewöhnlichen Taufnamen des calwiſchen 
Geſchlechts und. welche Gaue verwalteten, worin ſpäterhin Beftandtheile 
ber calwiſchen Befitungen vorlommen, fo der Zabergaugraf, der im 
Jahr 1003, der Murrgaugraf, der im Jahr 1009, ein Ufgaugraf, der 
in. den „Jahren 1041 und 1046 auftritt. Der erfte, der mit der Be— 
zeihnung von Calw (Comes de Kalewa) vorkommt, ift Adalbert I. 
1037. Ihm folgte fein, Sohn. (oder Enten) Adalbert IL. Diefer machte 
fh durch Gründung des Klofters Sindelfingen, neue Stiftung des 
Klofters Hirſchau, ferner als Anhänger des Gegenkönigs von Kaifer 
Heinrich IV., Rudolph von Schwaben, berühmt. Zu dem Glanze dieſes 
Grafen und feines Haufes mußte überhaupt nicht wenig beitragen, daß 
in Leo IX. (1050) ein Schwager, in Viktor IL, (1055), vielleicht ein 
Bruder, in Stephan IX, (1057), der Oheim einer Gattin den päpft- 
lichen Thron zierte. Der berühmtefte feiner Söhne war der jüngfte, 
Gottfried, von welchem weiter unten noch die Rede fein wird. 





!) Bergl, Fickler, in „das Großherzogthum Baden * von Heunifh und 
Bader. 


Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim, 37 


Da die Geſchichte Pforzheims mit der der Grafen von Calw 
fpäterhin nicht mehr zufammenhängt, fo fei nur in Kürze bemerkt, daß 
fi ihr Gefchleht in der Mitte des 12, Jahrhunderts in 3 Linien 
fpaftete, Calw-Calw, welche 1262, Calw-Löwenſtein, welche um 
1300 und Calw-Vaihingen, welche in der Mitte des 14. Jahr⸗ 
bunderts erloſch. 


$ 2. Die Grafen von Eberfein. 


Daß die Grafen von Eberftein von den Calwern abjtammten, 
unterliegt nach dem dermaligen Stand der gejchichtlichen Forſchung keinem 
Zweifel mehr. Alle eberfteinifchen Beſitzungen, ſammt der Burg, wovon 
das Gefchleht den Namen - erhielt, waren nrfprünglich calwifch, und fielen 
dem Aſte als Erbichaft zu , den das Gefchlecht der Calwer jenſeits des 
Gebirges getrieben hatte. 

Es wurde nämlich oben ſchon erwähnt, daß die Herrn von Gatto 
aud) Grafen im Ufgau oder Oosgau geweſen feien. Als die Grafen: 
ämter nach und nad) erblich wurden, fheint das im Ufgan auf einen 
Seitenzweig diejes Geſchlechtes übergegangen und Tängere Zeit als Graf 
haft Vorchheim oder Forchheim bei demfelben geblieben” zu fein, 
nachdem nämlich die Gewohnbeit aufgefommen war, die Grafenfprengel 
nicht mehr bloß mit dem Gaunamen zu bezeichnen, fondern häufiger mit 
dem Namen der gewöhnlichen Grafenfige oder Gaugerihtsftätten. Die 
älteften Grafen im Ufgau, die in Urkunden vorkommen, waren Gebhard 
(um 950) und Conrad (987). Ob diefe beiden ſchon Calwer waren, 
läßt ſich nicht beſtimmen; wohl aber dürfte dies von dem Grafen Adal 
bert (alfo wie die Calwer gewöhnlich hießen), behauptet werden, ‚der 
in der Mitte des 141. Jahrhundert Tebte (er wird, wie ſchon bemerkt, 
in Urkunden von 1041 und 1046 genannt), Diefer ſcheint nun vier 
Söhne und eine Tochter hinterlaſſen zu haben, unter welche er feine Güter 
vertheilte. Von der Tochter wird weiter unten die Rede fein. Nach 
den Beſitzungen und Schlöſſern, welche den Söhnen zufielen, nannten 
ſie ſich: Anſelm von Forchheim (im jetzigen Bezirksamt Ettlingen, 
unfern des Rheins), Burkhard von Staufenberg (bei Gernsbach) 
Berthold von Eberftein (bei Gernsbach) und Adalbert, wahrſcheinlich 
von Hohenberg (bei Berghauſen im Oberamt Durlach). Es mag. 


38 Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim. 


bier bemerkt werben, daß Berthold von Eberftein der erfte Graf ift, der 
unter diefer Bezeichnung vorkommt, Indeſſen hätte fich fchon fein 
Vater diefelbe eben fo gut beilegen können, als er fich Graf von Ford: 
heim oder im Ufgau nannte, da der Sit der Grafen im Ufgau von 
Forchheim auf die Burg Eberftein übergegangen war, Neben den ges 
nannten Grafen erjcheint um diefelbe Seit, wahrfjcheinlih von frühern 
Theilungen berrührend, ein Graf Neginbot von Malſch (bei Ettlingen) 
und ein Graf Wezel von Grötzingen (bei Durlach). Alle dieje 
Geſchlechter farben bald wieder aus, und nur das der Eberſteiner hat 
fih länger erhalten. 

Nicht umfonft habe ich mich bier etwas ausführlicher, als dem 
Zweck diefes Buches angemeſſen erjcheint, auf genealogifche Verhältniſſe 
eingelafien; denn aus noch vorhandenen Hirſchauer Urkunden geht hervor, 
daß von dreien der genannten vier Brüder jeder im Befit des achten 
Theils von Pforzheim war. Ohne Zweifel befaß auch der vierte 
Druder, Burfard von Staufenberg, den gleichen Antheil; wenigſtens 
war er bei Pforzheim begütert, — ein dort Tiegendes Gut, welches 
Vogt Ebert von Speier dem Klofter Hirſchau theilweife vermachte, 
hatte früher dem Herrn von Staufenberg gehört; — und wenn diefer 
Burkard nun felber dem genannten Klofter neben 3 Huben?) Landes 
zu Niefern 1/5 der dortigen Kirche (d. h. des Kirchenſatzes) vermachte; 
wern Gleiches durch Berthold von Eberſtein geſchah; wenn auch die 
Brüder Herrmann und Alwig von Forchheim, die Söhne Anfelms von 
Forchheim und Erben Adalberts von Hohenberg, zufammen 1/, der Kirche 
zu Niefern an Hirfchau vergabten und alfo ſich daraus ergibt, Haß die vier 
dbengenannten Brüder mit einander die Hälfte der Kirche zu Niefern beſaßen: 
jo mag dies Alles nicht nur abermals dafür fprechen, daß wirklich dieſe vier 
Brüder zufammen das halbe Pforzheim ihr Gigenthum nannnten, fon: 
dern auch die Vermuthung zur MWahrfcheinlichkeit, ja Gewißheit erheben, 
daß fie dasfelbe von ihrem Water Adalbert ererbt hatten, welcher dem: 
nad) die ganze Hälfte wie von Pforzheim, fo auch von der Kirche zu 
Niefern, ungetheilt befefen haben muß. Vielleicht hatten die Grafen 
vou Forchheim oder Eberſtein auch die andere Hälfte im Beſitz, und 
ein badiſcher Geſchichtſchreiber 2) ſagt auch wirklich, daß Pforzheim 


Eine Hube war 30-40 Morgen groß. 


) Fecht, Geſchichte der badiſchen Landſchaften S. 219. Die Quelle iſt 
jedoch nicht angegeben. 


Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim, 39 


im Jahr 1002 als eberfteinifches Dorf Marktrecht erhalten habe, 
Bielleiht war auch die eine Hälfte von Pforzheim im Beſitz des Haupt: 
ftammes der Calwer geblieben, während die andere an den: Seitenaft 
im Ufgau, alſo an die Eberfteiner übergegangen war. Ich werde auf 
dieje Annahme weiter unten zurückkommen. So viel wird aber aus dent 
Bisherigen, wie zum Theil auch aus dem Nachfolgenden herporgehen, 
daß die damaligen Verhältniſſe Pforzheims noch ehr zerftüdelt und 
wecjelvoll waren. Zu bemerken ift, daß im den erwähnten Urkunden 
Pforzheim nicht Stadt. genannt, fondern mit dem Worte ‚‚villa“ be 
zeichnet wird. Es bedeutet dasfelbe nicht fowohl einen „Weiler“, wie 
man abzuleiten leicht verfucht it, fondern überhaupt eine zufammen: 
hängende Niederlaffung oder einen Flecken, und zwar, weil in den 
betr. Urkunden bereits von einem Markte in Pforzheim die Rede ift, 
(S. 40) einen Marktflecken. Es ſcheint alfo Pforzheim damals das 
Hauptmerkmal der Städte des Mittelalters, Mauern und Gräben, noch 
nicht befefjen zu Haben, fondern ein offener Ort gewefen zu fein. 
Zwar gab es im Mittelalter auch befeftigte Flecken und Dörfer, die 
indefien in der Negel bald die Rechte und Einrichtungen der Städte 
und auch den Namen von foldhen erlangten, 

Es mag bier die Bemerkung eine Stelle finden, daß einige Ge 
ichichtfchreiber und Chroniften behaupten, Pforzheim ſei im der- Zeit, da 
es nach den bisherigen Auseinanderfeßungen calwiſch oder eberjteiniich 
war, der Wahlort zweier deutjchen Könige geweſen, nämlidy Mi Kon: 
rads I.,t) und 1077 Rudolfs von Schwaben, des Gegenfaifers von 
Heinrich IV.?) Beide Angaben beruhen aber auf einer Verwechslung Pforz⸗ 
beims mit Forchheim bei Bamberg in Baiern, wie aus Urkunden und 
andern Duellen nachgewiefen werben fann.3) Immerhin mag aber bie 
Angabe intereffant fein, daß im Jahre 1067 Kaifer Heinrich IV. zu 
Pforzheim eine Urkunde ausftellte?) nach welcher er dem Grafen 
Eberhard von Nellenburg einen Wildhbann in den Gauen Gletgau und 
Hegau verlieh. | 
796% 3.8. 3. Bed in feinem Lehrbuch der allgemeinen Gefchichte III., 40, 

2) So Zeiler, ſchwäb. Ehronif, ©. 14, Erufius, ſchwäb. Chronik, 
U, Thl. 7. Buch, 9. Kap., ©. 468, Schopper, historia eccles. Germanorum 
I1., 763 u. X. 

3) Vergl. namentlih Luden VL, 316 und IX, 126. 

4) Sie befindet ſich abichriftlih im Echaffhaufer Arhiv und es erwähnt 
ihrer Stälin I, 618, 


40 Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim. 


Mir können den Zeitabfchnitt, bis zu welchen die Darftellung der 
Geſchichte Pforzheims bis jetzt gediehen ift, nicht verlaſſen, ohne noch der 
Einfälle der Ungarn in Deutjchland zu erwähnen, die ihre Verheerungs- 
und Plünderungszüge mehrmals, fo in den Jahren 909, 910, 913, 
915, 917, 937 und 955 bis an den Schwarzwald und noch weiter aus⸗ 
dehnten. Am Jahr 917 drangen fie z. B. durch Schwaben bis nad 
Lothringen vor, 937 überfchritten fie ebenfalls den Rhein, 955 kamen 
fie bis in die Echwarzwaldgegenden. In letzterm Jahre jedoch befreite 
Kaifer Otto I, nachdem die Ungarn fchon 933 durch Kaifer Heinrich L 
bei Merfeburg befiegt worden waren, durch die Schlacht auf dem Lech— 
felde Deutichland auf immer von diefer Plage. 


83. Das Kloſter Hirſchau. 


Die in 4 Achtel getheilte Hälfte von Pforzhein wurde indeffen 
bald wieder vereinigt. Um das Jahr 1085 vermachte Graf Berthold 
von Eberftein neben andern Gütern in der Ortenau und im Ufgau 
fein Achtel von Pforzheim, mit Ausnahme des Marktes, dem Klofter 
Hirſchau. Zwei weitere Achtel erfaufte ſodann dieſes Klofter von 
Graf Herrmann, dem Sohne des obengenannten Anfelm und Neffen 
Adalberts, defjen Erbe er auch war, um 70 Mark. Ueber das vierte 
Achtel, das Burkhard von Staufenberg bejaß, geben die Hirfchauer 
Klofterurfunden, denen diefe Notizen entnommen find, feinen Aufſchluß; 
es ift indeß anzunehmen, daß diefer Graf nach dem Beifpiel feines 
Bruders und Neffen dem Klofter Hirſchau, dem alle Eberfteiner aus 
alter Familienanhänglichkeit jehr zugethan waren und als deſſen Wohl 
thäter fie häufig erjcheinen, fein Achtel ebenfalls entweder (um billigen 
Preis) verkauft oder verſchenkt habe. Gleiches that er ja auch, wie oben 
bemerft, mit dem ihm gehörigen 1/, der Kirche zu Niefern, So kam 
alfo das halbe Pforzheim an das Klofter Hirſchau. (Um dieſelbe Zeit 
gab auch Siegfried, Dechant zu Pforzheim, nachmals Mönch zu Hirfchau, 
dem Klofter 200 Malter reiner Frucht, die zu 20 Mark gerechnet 
worden; ferner ftiftete er 4 Mark und wieder 7 Markt, ebenfo em 
Pferd, das für 5 Mark verfauft wurde und noch verjchiedenes Andere, 
fo 24 Talente zum Ankauf eines Eigenthums zu Münzesheim und 7 
Talente zum Ankauf eines Weinbergs in Zeutern bei Bruchſal.) 


Fünftes Kapitel, Die früheften Herren von Pforzheim, 4 


Srlangte auf folhe Weife das Klofter Hirfhau das Hoheitsrecht 
über einen anfehnlichen Theil der Stadt, fo beſaß es, wie aus Hirfchauer 
Urkunden hervorgeht, ſchon früh auch eigene Güter dafelbft, die im Laufe 
ber Zeit durch Schenkung und Kauf noch vermehrt wurden, und zu 
denen allerlei fonftige Berechtigungen kamen. Die meijten der lebten 
gingen in der Folge durch Kauf oder Tauſch an das Frauenklofter der 
Dominikanerinnen zu Pforzheim über. Zu folhen Rechten gehörte auch 
die Rollatur der beiden Pfrümden in der Kirche der Altftadt und der St. Niko— 
lauskapelle, ſowie die Frühmeßpfründe dajelbft, das Fiſchwaſſer in der Enz bei 
Pforzheim, der Zafelzins von Häufern, Scheuern ꝛc. zu Pforzheim, der 
große Zehnten zu Pforzheim (ſpäter mit Lichtenthal getheilt), der Wies 
fenzing aus Meurach, Kappelwiefen (d. h. St. Nikolaus-Kapellenwieſen) 
x. Mit der Bewirthichaftung der eigenen und Lehengüter, jowie der Er: 
hebung und Aufbewahrung von Zehntfrüchten hing ficher der Hirſchauer 
Hof zufammen, der in der Altftadt bei der St. Nikolausfapelle lag und 
deſſen ſchon in den früheften Urkunden Erwähnung geichieht. (Wir erfahren 
beifpielweife, daß Markgraf Rudolph J. diefen Hof, der jchon feinem 
Vater verſetzt geweſen war, 1282 dem Kloſter zurüdgab, wahrſcheinlich 
weil die darauf ruhende Schuld bezahlt wurde.) Der Umftand, daß bei 
ben erwähnten Pfründen und dem Hirfchauer Hof immer nur die Alt- 
ftadt genannt wird, berechtigt zu der Vermuthung, daß diefe damals, 
als Pforzheim in den theilweifen Befit des Klofters gelangte, noch den 
wejentlichften Theil der Stadt bildete und die nene Stadt erſt in ihren 
Anfängen vorhanden war, Der Hirfchauer Hof, wenn aud längſt 
verihwunden, hat fi doch dem Namen nad als „Kappelhof“ oder 
„Sapellenhof” erhalten, (von ber dabei befindlichen Nikolauskapelle fo 
genannt) und wurden vor etwa 30 Jahren die Ruinen des alten Hof: 
gebäudes aufgegraben. — Diefes muß fehr umfangreich gewefen fein, da 
der Hirſchauer Hof ipäter (1565) als in 3 Höfe getheilt erjcheint, deren 
jedem ein anjcheinlicher Theil von Gütern zugemwiefen war. Zum erjten 
berfelben gehörten beifpielmeife: Haus, Hofraithe, Scheuer und Garten, 
1 Stüd Krautgarten, 40 Morgen Ader und 81/, Morgen Wiejen, zu 
allen Hreien etwa 140 Morgen Feld.1) Diefer Hirfchauer Hof ſcheint 
im SOjährigen Krieg mit der ganzen Altſtadt abgebrannt und nachher 
nicht wieder aufgebaut worden zu fein. 


1) Erneuerung und Beihreibung ber Gülten und Zinje bes Frauen 
Hofters von 1565, 


42 Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim. 


Das Aureliusffofter Hirihau, vier Stunden von Pforzheim ent- 
fernt, im Nagoldthale gelegen, wurde im Jahre 830 oder 832, wie 
oben ſchon erwähnt, dur die Grafen von Calw gegründet.1) E8 zeich- 
nete ſich ſchon unter den erſten Aebten Liudebert, Gerung und Regen: 
bodo namentlich durch trefflihe Schuleinrichtungen aus, gerieth aber 
bald in Verfall, bis e8 in Folge feiner im Jahr 1075 erneuerten Stif— 
tung aud zu neuer Blüte gelangte, befonders unter dem vortrefflichen 
Abt Wilhelm, dem großen Reformator des Benediktinerordens (+ 1091). 
Da der Raum des urfprünglichen Klofters, welches auf dem rechten 
Nagoldufer ftand, die Mönche nicht mehr faßte, fo baute Wilhelm, hie: 
bei unterftügt von dev Marfgräfin Judith von Baden, (fiehe unten) das 
neue Klofler auf dem linken Nagoldufer, von welchem noch ein Kirch: 
thurm vomanifcher Bauart über Ruinen emporragt. 

Unter Abt Wilhelm kam auf oben bemerften Wege das halbe 
Pforzheim an das Klofter Hirſchau, blieb indefjen nicht lange in deſſen 
Beſitz, weshalb bier zur Gefchichte des Klofters, das indeſſen lange 
nachher noch in Pforzheim viele Eigengüter und Berechtigungen beſaß, 
nur noch Furz bemerkt werden mag, daß Hirſchau nach etwa fiebenhun- 
dertjährigem Beftehen zur Zeit der Neformation fäfularifirt und im Jahr 
1692 ſammt einem Jagdichlok, das fi) Herzog Friedrich) I. von Würt- 
temberg auf einer Anhöhe, ganz in der Nähe des Klofters, erbaut hatte, 
niedergebrannt wurde. Die maleriichen Ruinen find heute noch eine 
Zierde des freundlichen Thales. 

Am Ende des 11. und im 12. Jahrhundert hatte Hirſchau weit 
ausgedehnte Befitungen, und war durch diefelben wohl eines der reichften 
Klöfter des ſüdlichen Deutjchlands. Außer der Hälfte von Pforzheim 


1) Die Geſchichte der angeblichen Gründerin des Kfoflers, Helizena, 
weche in das Jahr 645 gelegt wird, muß dem Reich der Sage zugewiefen 
werben, Sie lautet: Einer reichen adeligen Wittwe, Helizena v. Calw, welche 
finderlos war, eriheint ald Traumbild eine Ebene, wo aus einem Stamm brei 
Tichtenbäume bervorjproßten, mit der Mahnung, bier eine Kirche zu gründen. 
Diefem himmliſchen Winfe folgend, zieht fie gleich mit Anbruch des nächſten 
Tages, von zwei Dienern und einer Magd begleitet, hinaus, trifft das ihr im 
Traum erichienene Wahrzeichen, küßt ben Boden und ftiftet nach eingeholter 
Einwilligung ihrer Verwandten, namentlih Eawarbs und Leopolds , eine mit 
Gütern reich ausgeftattete Kirche. Ihr Sündenkleid, ihren Schmud ꝛc. übergibt 
fie an bie St. Nifolaifapelle in Calw, Fleidet fich als Nonne und flirbt darauf 
in Tübingen. 


Zünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim, 43 


befaß das Klofter, wie zum Theil ſchon erwähnt, aus Schenkungen und 
Käufen des 11. und 12. Jahrhunderts in den nächften Kadifchen und 
württembergifchen Umgebungen der Stadt urfundlich Güter bei oder zu 
Niefern (3 Huben und 1/, der Kirche fchenfte um 1100 Burkhard 
von Staufenberg, 4 Huben und 1/; der Kirche Berthold von Eberftein, 
Herrmann von Sulz 6 Huben, 2 Huben Rapsto von Breitenau, 1/, 
der Kirche Herrmann und fein Bruder Alwig von Forchheim, 5 Huben 
Ludwig, Graf von Arenftein), Brötzingen (Adelbert, wahrſch. von 
Hobenberg, ſchenkte 2 Huben dafelbft, Rudolf, Graf von Himmelsberg, 
41/, Huben), Dietlingen (Volker und defien Bruder Seliger von 
Stettfeld 1/, Hube und 1 Weinberg, Berthold von Eberftein 2 Huben, 
Sunderad von Thalader 2 Huben), Ellmendingen (Berthold von 
Eherftein 2 Huben, Winther von Deweil 4 Huben und die Kirche), 
Göbrichen (Schwigger von Eberdingen 21/, Huben, deſſen Söhne 
Simon und Schwigger 1 Hube, Efbert von Speier u. A. 12 Huben), 
Hohenwarth (Gottfried von Calw gab das Dorf mit Allem, was 
dazu gehörte), Huchenfeld (Gerhard von Oberader 4 Huben), Neu: 
haufen (ob aber der Ort im Bezirk Pforzheim gemeint ift, weiß ich 
nicht: Adelbert, Priefter in Plieningen und fein Bruder Wolfram 
1 Hube, Hiltebert von Neuhaufen 1/, Hube daſelbſt), Defhelbronn 
(Buggo von Ruthmarsheim 2 Huben, Kleriter Adelbert 1 Hube, deffen 
Sohn 1/, Hube, Etiho von ertringen 1/, Hube,) außerdem beſaß 
Hirſchau Güter in Schellbronn und Tiefenbronn; — ferner hatte 
das Klofter Befikungen in Liebenzell, Schömberg, Biefelsberg, Calm- 
bad ꝛc., ſodann in andern Theilen Badens bei Stupferih und Wein— 
garten (Amt Durlach) bei Zeutern (Amt Bruchſal), bei Burbach und 
Forchheim (A. Ettlingen), bei Kuppenheim und Raftatt (A. Raftatt), 
bei Sasbach und Achern (A, Achern), bei Oppenau (X. Oberkirch), bei 
Endingen und Forchheim (N. Kenzingen), bei Sinsheim (U, Sinsheim); 
ferner außer dem, was aus den württembergifchen Nemtern Calw und 
Neuenbürg ſchon angeführt wurde, noch andere Befitungen in denfelben, 
fowie in den Bezirken Freudenftadt, Herrenberg, Horb, Nagold, Nür- 
tingen, Reutlingen, Rotenburg, Sulz, Tübingen, Urach, Ulm, Aalen, 
Hal, Mergentheim, Backnang, Befigheim, Böblingen, Bradenheim, 
Sannftatt, Eßlingen, Heilbronn, Leonberg, Ludwigsburg, Marbach, 
Maulbronn, Nedarfulm, Stuttgart, Vaihingen; — endlich auch noch 
in Hechingen, in Bätern nnd im mittlern Rheinlande. 


44 Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim. 


$ 4 Die Herzoge von Schwaben, 


Eine Hirfhauer Urkunde gibt uns Auskunft, in wefen Hände 
Pforzheim, das nad) den bisherigen Auseinanderfeßungen nach einander 
calwiſch, eberjteinifh und, wenigjtens zum Theil, hirſchauiſch war, in 
der Folge gelangt fein muß. Laut jener Urkunde hatte nämlich Herzog 
Friedrich) von Schwaben einen Dienftmann, Dragebot von Pforzheim, 
dem er die Erlaubniß gab, eine Hube Landes zu Pforzheim dem Klofter 
Hirfhau zu vermachen. Für diefe Erlaubnig mußte der Kämmerer deg 
Klofters, Walcuno, dem Herzog eine Mark ausbezahlen. Aus diefer 
Urkunde läßt fi nun wohl mit Grund der Schluß ziehen, daß Pforz- 
beim damals entweder theilmeife, oder vielleicht ganz, den Herzogen von 
Schwaben, alfo den Hohenftaufen gehört haben muß; denn das Recht, 
die Erlaubniß zu einem Verkauf oder einer Vergabung von Gütern zu 
ertheilen, fteht doc offenbar nur demjenigen zu, der die Landeshoheit 
oder das Eigenthumsrecht desjenigen Ortes hat, in deſſen Gemarkung 
die weggegebenen Güter liegen. 

Auf welche Weife Pforzheim an die Hohenftaufen kam, läßt fi 
gejchichtlich nicht nachweifen; doch ijt es ſehr wahrfcheinlich, daß diefelben 
durch Heirath in nahem verwandtfchaftlihen Verhältniß zu den Grafen 
von Calw ftanden und von diefen wenigſtens das halbe Pforzheim’ an 
die Hohenftaufen überging. Wielleicht erwarben fich letztere dann auch 
die andere Hälfte durh Kauf, Tauſch oder im fonftiger Weife vom 
Klofter Hirihau , fo daß alfo die ganze Stadt in ihre Hände gelangte, 

Wann diefes gefhah, läßt fih um fo weniger mit Beftimmtheit 
fagen, als obige Hirſchauer Urkunde Feine Jahrzahl zeigt, alſo derjelben 
auch nicht entnommen werden kann, welcher der hohenſtaufiſchen Schwa: 
benherzoge, die den’ Namen Friedrich trugen, darin gemeint ift. Da 
indefien der ebenfalld darin erwähnte Kämmerer Walcuno in andern 
Urkunden mit dem Hirſchauer Abt Bolmar zuſammengenannt wird, der 
von 1120—1157 den Krummftab führte, jo muß jene Schenkung auch 
um diefe Zeit, jedenfalls aber nicht viel früher oder fpäter erfolgt fein, 
(wenn auch Walcuno den Abt Nolmar überlebte.) 

Nun regierte über Schwaben von 1079 — 1105 Herzog Fried: 
rich IL, von 110541147 Herzog Friedrih II. und von 1147 -1152 
Herzog Friedrich III., der in letztgenanntem Jahre deutſcher Kaifer 
wurde und unter dem Namen Friedrich I, der Rothbart in der Ges 


Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim. 45 


ſchichte genugſam bekannt if. Der in obiger Urkunde genannte Herzog 
Friedrich ift alfo ficher entweder Friedrich IT. oder III., mwahrfcheinlich 
aber der eritere. 

Für die Art und Weife, wie die Hobenftanfen in den Beſitz von 
Pforzheim famen, ift jedoh noch eine Möglichkeit vorhanden, die hier 
nicht unberührt bleiben kann. Es ift oben die Bermuthung ausgefprochen 
worden, daß das halbe Pforzheim noch in Beſitz der Grafen von Calw 
verblieb, als die andere Hälfte an die verfchiedenen eberfteinifchen Zweige 
diefes Gefchlechtes und fodann an das Klofter Hirſchau überging. Zu 
Anfang des 12. Jahrhunderts Hatte Graf Gottfried von Calw in Folge 
des Umftandes, daß fein Älterer Bruder Adalbert III. noch vor feinem 
Bater ftarb und der jüngere Bruder den geiftlihen Stand ermählte, 
alle Macht feines Haufes wieder auf fi) vereinigt; er befaß fomit auch, 
wenn obige Annahme richtig ift, das halbe Pforzheim. Es liegt nun 
jedenfalls nicht außer dem Bereich der Wahrfcheinlichkeit, daß er auch 
die andere Hälfte von Pforzheim als uraltes Familiengut dur Kauf 
ober Tauſch oder auf irgend anderm Wege von Hirfchau nieder an fich 
brachte, was er um fo leichter Konnte, als er als Vogt des Klofters zu 
deinfelben in nahen Beziehungen ftand, und als ein Mann bekannt 
war, der, wenn e8 darauf ankam, ſich auch nicht ſcheute, mit folchen 
geiftlichen Anftalten nicht eben jehr glimpflich zu verfahren, namentlich 
aber für die Dienfte, welche ev ihmen leiftete, ſich theuer bezahlen zu 
laſſen. Da Gottfried das Unglück hatte, feinen einzigen Som früh ing 
Stab finken zu fehen, fo fiel jein reiches Hausgut an feine Tochter 
Uta, melde um 1130 die Gemahlin Herzog Welfs VI. wurde, und 
ihm ein reiches Erbe, darunter wahrfcheinlich auch Pforzheim, (menigftens 
urkundlich nachgewiefen Orte in der Nähe von Pforzheim, wie Lieben: 
zel, Ernftmühle, Schömberg, Biefelsberg ꝛc.) zubrachte. Sie lebte aber 
mit diefem Welf in Feiner glüclichen Ehe, fo daß bald wieder eine 
Trennung der Ehegatten erfolgte. 1) Welf gerieth fpäter häufig in Geld: 
verlegenheiten, aus welchen ihn fein Schwefterfohn Kaifer Friedrich der 
Rothbart bereitwillig befreite. Zum Lohn dafür wurden dem Kaifer 
und jenem Haufe viele welfiſche Befigungen, darunter auch erheirathete 


1) Uta zog fih auf das Schloß Echauenburg in der Ortenau zurid, wes— 
halb fie öfters Herzogin von Schauenburg genannt wird, und gründete 1196 
in hohem Alter das Klofter Allerheiligen, 


46 Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim, 


calwifche Güter, auf die Zeit des Ablebens Herzog Welfs VI. (+ 1191) 
zugefagt und jogleich zu Leben, Einiges aud bereits zu eigen 
gegeben. Könnte darunter nicht auch Pforzheim geweſen fein? 

Da indefien Herzog Welf mit Verſchleuderung feiner Güter erft 
nach dem Tod feines einzigen 1167 gejtorbenen Sohnes begann, fo 
müßte unter dem Herzog Friedrich der oben genannten Hirfchauer Ur: 
kunde entweder Friedrich IV,, ein Gefchwifterfind von riedrih dem 
Rothbart, (1152 —1167), oder noch wahrfcheinlicher Friedrich V., der 
zweite Sohn Rothbarts (1167 — 1191) verftanden und angenommen 
werden, daß letterer diefem feinem Sohne das von Herzog Welf erwor: 
bene Pforzheim übergeben habe. 

Die Hohenftaufen, die nach und nad zu jo großer Macht und fo 
hohem Anfehen gelangten und dem deutfchen Reich eine Neihe der treff- 
lichften Kaifer gaben, nannten fich urfprünglic Herren von Büren (jo 
ſchrieb ſich z. B. noch der Urgroßvater von Friedrich Barbaroffa), bie 
Friedrich I. in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die Burg 
Staufen oder Hohenftaufen zwifchen Göppingen und Gmünd erbaute 
und fein Gejchlecht fi) davon benannte. Dieſer Friedrih I. gelangte 
in Folge jeiner Anhänglichfeit an Kaijer Heinrich IV. (1056 — 1106), 
defien Tochtermann er auch wurde, in den Befit des Herzogthums 
Schwaben, wodurch er den nachmaligen Glanz jeines Haufes begründete. 
Sein zweiter Sohn beftieg den deutfchen Kaiferthron unter dem Namen 
Konrad II. (1137—1152); diefen folgte als Kaifer fein Neffe Frieds 
rich I. der Rothbart (1152— 1190), hierauf defjen Sohn Heinrich VL 
(41190—1197), diefem zuerſt fein Bruder Philipp (1198— 1208), dann 
jein Sohn Friedrih I. (1212 — 1250), deſſen Sohn Konrad IV. 
(1250— 1254) die Reihe der hohenftaufiichen Kaifer beſchloß. Mit 
dem Tode Konradins, des Sohnes von Konrad IV., der auf Befehl 
Karls von Anjon in Neapel 1268 enthauptet wurde, erloſch das glor— 
reiche Geflecht der Hohenftaufen. — 

Dasfelbe war nad und nad) zu reichen Familienbeſitzungen gelangt, 
die in Schwaben, Franken, dem Elſaß, Burgund, dem heutigen Baden ıc. 
zerſtreut Tagen. Von den leßtern führen wir außer Pforzheim hier noch 
an: die Städte Sinsheim, Eppingen, Durlach, Ettlingen, Gengenbach, 
Zeil am Hammersbach, die Burg Mahlberg, und eine Zeit Tang gehörte 
auch das Schloß Badenweiler den Hohenftaufen. 


Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim. 47 
55. Die Pfalzgrafen bei Uhein. 


Noch einmal follte indeffen Pforzheim feinen Herrn wechfeln, bevor 
es an dasjenige fürftliche Haus kam, in deſſen Beſitz es bis auf den 
heutigen Tag faft ununterbrochen geblieben ift. Auch über dieſem Theil 
der Gejchichte der Stadt ſchwebte früher ein Dunkel, bis dasjelbe vor 
nicht langer Zeit durch eine Urkunde theilweife aufgehellt wurde, welche 
dem verloren geglaubten, aber glüdlicherweife wieder aufgefundenen 1) und 
für die ältere Geſchichte Pforzheims fehr wichtigen Archiv des Klofters 
Herrenalb angehört. In jener Urkunde, auf welcher ſich die Jahrzahl 
1195 findet, thut nämlich Heinrich, der Sachſen Herzog und Pfalz 
graf bei Rhein jeinem Schultheißen und feinen Bürgern 
zu Bforzbeim (Phorceim) zu wiſſen, daß er das Klofter Herrenalb 
und Alles, was demfelben gehöre, in feinen Schub und Schirm genom— 
men und dasjelbe von Zoll und aller ungebührlichen Dienftbarfeit bes 
freit habe.2) Wer war nun diefer Pfalzgraf Heinrich) und wie kam 
Pforzheim in den Beſitz desfelben? Die erfte Frage läßt ſich mit Be— 
ſtimmtheit, die zweite wenigitens in einer Weiſe beantworten, die‘ den 
Stempel der Wahrfcheinlichkeit trägt, Es ift jedoch nöthig, zu dieſem 
Zwede etwas auszuholen, | 

Nachdem die Würde eines rheinifchen Pfalzgrafen, die ihren Ur— 
fprung am fränfifchen Königshof in Aachen hatte, erblich geworden und 
lang bei einer und derjelben Familie geblieben, auch durch Kaifer Hein- 
th V, im Jahr 1113 dem oben fchon genannten Grafen Gottfried 
von Calw zur Belohnung für gefeiftete Dienfte verliehen worden war, 
fam die rheinifche Pfalzgrafichaft bald nad dem (11431 erfolgten) Tod 
Gottfrieds an das Haus Hohenftaufen, indem fie Kaiſer Friedrich I. der 
Rothbart 1156 feinem Bruder Konrad übertrug. Defien einzige Tochter 
und Erbin Agnes hätten nun die Hohenftaufen gerne mit einem ihres 
Namens vermählt, um die Pfalzgrafenwürde bei ihrem Haufe zu erhal: 
ten; aber die Liebe flegte über die Politik, und Agnes heivathete den 
ſchönen und ritterlihen Sohn eines Verbannten, nämlih Heinrich 
den Yangen oder den Schönen, deflen Vater der — freilich durch 
eigene Schuld — unglücliche Welfe Heinrich der Löwe von Braunfchweig 


1) 1842 durch Archivrath Dr. Bader in Salem. 
2) Diefe Urkunde ift vollftändig abgedrudt in ber (Altern) Badenia IM, 
189 von Bader, 


48 Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheint. 


war. Nach dem Tode feines Schwiegervaters 1195 wurde Heinrid) 
der Zange audy der Nachfolger desjelben als rheinifher Pfalzgraf, und 
zwar mit Zuftimmung Kaifer Heinvihs VL, und eben diefer Pfalzgraf 
Heinrich war es nun, der das oben erwähnte Schreiben an feinen 
Schultheißen und feine Bürger zu Pforzheim richtete. Herzog von Sad: 
fen nannte er fich zugleich darin, um anzudeuten, wie wenig vechtlic, be— 
gründet es ihm erjchien, daß ihm oder eigentlic) feinem Vater, der durch 
feine Treulofigkeit gegen Kaifer Friedrih den Rothbart fi ſchwere 
Strafe zugezogen hatte, auch die ſächſiſchen Stammgüter entrifjen wor: 
den waren, 

ie war aber Pfalzgraf Heinrich in den Befis Pforzheims ge 
langt? Dffenbar auf feinem andern Weg, als dem der hohenftaufiichen 
Erbſchaft. Mar ja doch fein Schwiegervater Konrad der Sohn jenes 
Herzogs Friedrich IL, den wir oben bereits als wahrfcheinlichen Herrn 
von Pforzheim kennen gelernt haben. Bon diefem vererbte fich wohl 
manches hobenftaufifche Beſitzthum, darunter ficher auch Pforzheim, auf 
Pralzgraf Konrad, der es wiederum nad) feinem 1195 erfolgten Tode 
feiner einzigen Tochter und damit zugleich feinem Schwiegerfohn hinterließ. 

Nehmen wir jedoch an, daß Piorzheim auf dem oben auseinander 
gejetten welfifchen Ummeg an die Hohenftaufen, und zwar durch Kaifer 
Friedrich I. den Nothbart an feinen zweiten Sohn, Herzog Friedrich V. 
fam, fo müßte die Stadt entweder ſchon bei den Lebzeiten des letztern, 
oder nad) feinem 1191 erfolgten Tod in die Hände feines Onkels, des 
Pfalzgrafen Konrad übergegangen ſein, was um fo leichter gefchehen 
fonnte, als Herzog Friedrich V. unvermählt und kinderlos ftarb. 

So viel dürfte aus dem Bisherigen hervorgehen, daß Pforzheim 
im zwölften Jahrhundert, aljo während der Zeit, da es hobenftaufiich 
und pfäßiih war, feine entfcheidende Entwidlungsperiode durdylebt hat 
und aus einem Flecken zur Stadt berangeblüht fein mag, die bereits 
mit Mauern und Gräben umzogen war und überhaupt ftädtifche Ein: 
richtungen hatte. Doch wird, was wir hier anzuführen nicht verfäumen 
wollen, Pforzheim in einer zwifchen 1490 und 1197 ausgeftellten Ur: 
funde noch villa (©. 39) genannt.) Ms folhe muß es aber ſchon 
von Bedeutung gewefen fein, fonjt wäre wohl die Burg Enzberg darin 
4) Stälin, I. 384, wo mitgetheift ift, daß der Erzbiſchof Johann von 


Trier die bei ber „villa“ Pforzheim gelegene Burg Enzberg an fi gebracht 
babe, 


Fünftes Kapitel. Die früheften Herren von Pforzheim, 49 


nicht al® „bei Pforzheim liegend” bezeichnet. Schon zu biefer 
Zeit beftand auch ein Nonnenklofter in Pforzheim. Da unter den 
8 Klöftern, welche Pforzheim fpäter befaß, 2 Frauenklöfter waren, näm— 
ih der Eifterzienferinnen und der Dominifanerinnen, der Or: 
den der Letztern aber erft im 13. Jahrhundert (1206) geftiftet wurde, 
der erjtere aber bereits 1099, fo kann das erwähnte Pforzheimer Frauen: 
flofter nur den Eifterzienferinnen angehört haben. Es ſpricht dafür der 
weitere Umftand, daß im 12. Jahrhundert noch mehr Gifterzienferklöfter 
in der Gegend von Pforzheim gegründet wurden, jo Maulbronn um 
1140, Herrenalb 1148. Die Cifterzienfer hatten ihren Namen von 
dem Stammflofter des Ordens, nämlich Citeaux unweit Dijon in 
Frankreich, das der Benediktiinerabt Robert gründete. Durd die Thä— 
tigfeit des heiligen Bernhard von Clairvaux, der diefem Orden angehörte 
war derjelbe fhon 100 Jahre nach feiner Stiftung in den Beſitz der 
reichften Abteien Europas gelangt. 

Noch ift zu bemerken, daß das Kloſter der Cifterzienferinnen zu 
Pforzheim nach fpätern urfundlihen Andentungen in der Altſtadt lag — 
wo, das läßt ſich nicht mehr beftimmen. 


Pflüger, Pforzheim, 4 


Scehstes Anpitel, 


Pforzheim badifch.!) 
(Um 12%.) 


81. Die Markgrafen von Baden. 


Wir haben im vorhergehenden Kapitel gefehen, wie die Hoheitsrechte 
über das getheilte oder ganze Pforzheim nad) einander in verfchiedene 
Hände gelangten. Es bleibt nun noch die Aufgabe, zu zeigen, wann und 
auf welche Weife die Stadt an dasjenige Fürftenhaus kam, in defien Befit 
fie Schon mehr als ſechs Jahrhunderte hindurch faft ununterbrochen ges 
blieben ift. Zum beffern Verſtändniß diefes Nachweifes, ſowie der fpä- 
tern Gefchichte Pforzheims überhaupt, ift es nothwendig, auf den Ur: 
iprung des Haufes Baden und die Gründung der Markgrafichaft, welche 
diefen Namen trug, zurückzugehen. 

Ungefähr zu derjelben Zeit, als Pforzheim in den Beſitz ber 
Grafen im Ufgau oder von Eberftein übergegangen fein mochte, nämlich 
im 11. Jahrhundert, Iebte als Graf im Breisgau und Thurgau Ber: 
tbold I, ein Nachkomme der alten Grafen, welche vielleicht ſchon mehrere 
Jahrhunderte lang diefe Gauen, fowie die anftopende Baar, verwalteten 
und vielleicht fogar von den alten Herzogen von Alemanien abftammten. 
Als Entfhädigung für das ihm von Kaifer Heinrich” III. für geleiftete 
Dienfte verfprochene, aber nad defien Tod vorenthaltene Herzogthum 
Schwaben erhielt er das Herzogthum Kärnthen und die Mark Verona, 
welch Tetere er feinem zweiten Sohn Hermann übertrug, der ſich 
deshalb „Markgraf von Verona“ nannte. Beide wurden zwar 
in den Kriegen, welche unter Kaifer Heinrich IV. ausbrachen, im Jahr 
1073 ihrer Würden wieder entfest, behielten aber aud ihre Titel 


N) Quellen: Verſchieden. 


Sechstes Kapitel, Pforzheim babiſch. 51 


bei,t) Daher kommt es, daß die Nachkommen und Nachfolger Bertholds 
in directer Linie, als fie ſich fpäter, wie die meiften Gaugrafen, richt 
mehr nach ihrem Gau, fondern nad ihren Mohnorten nannten, den Titel 
„Herzoge von Zähringen“ führten, obgleich es Kein Herzogthum 
Zähringen gab, Auf gleiche Weife ift eine „Markgrafſchaft Ba- 
den“ entitanden, Denn jener Herrmann vermählte fih mit Judith, 
einer Tochter des Hauſes Calw-Eberſtein und vermuthlich Schweiter der 
oben ſchon (S 37) angeführten vier Brüder Berthold, Anſelm, Burk— 
bard und Adalbert, welche ihm als Mitgift oder als Erbſchaft verſchie— 
dene Befigungen im Uf- und Murrgau, darunter die Stadt Baden, 
zubrachte, und ihn, den Markgrafen von Verona, num auch zum 
Herrn von Baden machte.?) Ueberdies hatte er als väterliches Erbe 
Befisungen im Breisgau, namentlich die Burg Hochberg erhalten. Unter 
den fpätern Nachfolgern Herrmanns I, wurden im 12. und 13, Jahr: 
Bundert die beiden Titel „Markgraf von Verona“ und „Herr zu Baden“ 
in den einen: „Markgraf von Baden“ verfchmolzen. 

Bon Herrmann I, mag noch erwähnt werden, daß er 1074 im 
Kiofter Elugny in Burgumd, wohn er fi — bis zum Tode umer: 
kannt — zurücgezogen hatte, fein Leben befchloß, weshalb er auch der 
„Heilige“ heißt. Ihm folgte fein Sohn Herrmann Il. (1074—1130), 
der wahrſcheinlich das alte Nömerkaftell bei Baden zu einer bewohnbaren 
Ritterburg einrichtete und in den letzten Urkunden, welche feiner erwäh— 
nen, bereit8 marchio de Badin, d. h. Markgraf von Baden genannt 
wird. Wie fein Vater, jo nahm auch Herrmann II. (1130 — 1160) 
an Neichsgefchäften Iebhaften Antheil, weshalb wir ihm fehr häufig im 
der Umgebung der hohenſtaufiſchen Kaifer Konrads III. und Friedrichs J. 
finden, welch letztern er auch auf einigen ſeiner Züge nach Italien be⸗ 
gleitete. In ähnlicher Weiſe nahm ſein Sohn und Nachfolger Herr⸗ 
mann IV. (1160-1190) an dem Kreuzzuge Theil, den Friedrich J. 
in hohem Alter machte und wobei er ertrant, Auch Herrmann IV. 
follte nicht mehr in fein Vaterland zurüdtehren, indem er 1190 in 
Antiochia von der Peſt Hinweggerafft wurde, Er hinterließ 3 Söhne: 


1) Ein fpäterer Herrmann (III.) erhielt zwar bie Mark Verona durch Kaifer 
Friedrich I. zurüd, war jedoch nur kurze Zeit in ihrem Beſitz. 

2) Dieſe Judith ſtarb 1091 zu Salerno in Italien, wo ſie den Papſt 
Gregor VII. beſucht hatte. Sie iſt eben ſchon als Miterbauerin des auf dem 
linken Nagoldufer liegenden neuen Kloſters Hirſchau genannt er 


52 Sechstes Kapitel. Pforzheim badiſch. 


Herrmann V,, Friedrich und Heinrich. Lebterer wurde auf die Herr: 
ſchaft Hochberg mit der Landgrafſchaft im Breisgau abgetheitt, während 
die beiden andern das väterliche Erbe gemeinfchaftlic übernahmen, Nach 
dem Tode Friedrichs, der auf einem Kreuzzuge ftarb, war Herrmann V. 
(1190 — 1242) alleiniger Herr der vom Vater ererbten Befikungen, 
die indefjen noch keine fehr große Ausdehnung hatten, da fie bloß die 
Herrichaft Baden mit zerftreuten Gütern im Uf- und Pfinzgau, die 
Herrichaft Iburg mit der Burg gleichen Namens und den Kirchipielen 
Steinbach und Sinsheim, die Vogtei Selz und endlich verfchiedene Güter 
und Lehensherrlichkeiten in Schwaben umfaßten.!) Was Herrmann V. 
als Neichsfürft Teiftete, daß er 3. DB. ein treuer Anhänger der hohen: 
ftaufiichen Kaifer Heinrichs VI, Philipps von Schwaben und Friedrichs II. 
war und namentlich letztern auf vielen feiner Züge, jo audy 1241 gegen 
die Mongolen oder Tataren begleitete, die verwüftend im öſtlichen 
Deutſchland eingefallen waren: das Alles mag bier nur kurz berührt 
werden. Um fo mehr müflen wir aber bei diefem Fürften deswegen 
verweilen, weil er die Macht und das Anfehen des badifchen Haufes 
durch neue Zändererwerbungen, darımter auch der Stadt Pforzheim, um 
ein Bedeutendes vermehrt bat, 


$ 2. Pforzheim wird badiſch. 


Herrmanns V. Gemahlin, Jrmengard, war eine Tochter eben 
jenes vheinifchen Pfalzgrafen Heinrich, der 1195 an feinen Schultheißen 
und feine Bürger zu Pforzheim das oben (S. 47) erwähnte Schreiben 
richtete. Als Mitgift erhielt diefelbe neben andern Be: 
fißungen fiher die Stadt Pforzheim.?) Das war ein jehr wich: 
tiger Zuwachs für die damals noch fehr Kleine Markgafihaft Baden! In 
welchem Jahr aber Pforzheim mit diefer vereinigt wurde, läßt fich nur 
annähernd beftinnmen, da bei der Feititellung der eben erwähnten That- 
ſache doch über die Zeit des Anfalls beftimmte Angaben fehlen. 
Irmengard war um 1203 geboren,3) und wurde nach einer Sitte, die 


) Bader, wahrer Urſprung Badens ©. 45 und Bader, Herrmann V. 

2) Majus, vita Reuchlini, ©, 109, — Bader, Herrmann V., ©, 45, 
Bader, Rubolf IL, S, 11. Tolner, L. 33, u.a. a. O. 

°) Vergl. Häuſſer, Geſchichte der Pfalz. 


Sechstes Kapitel. Pforzheim babifch, 53 


damals bei den fürftlichen Käufern herrſchte, vermuthlich ſchon zwiſchen 
1210 und 1212 mit Herrmann V, verlobt, während die Bermählung 
erjt mit den mannbaren „Jahren derfelben erfolgte. Mean wird nun nicht 
fehl gehen, wenn man annimmt, daß diefe um 1220 ftattgefunden habe. 
Erhielt num Irmengard die ihr zugebachten Ländereien wirklich als Mit: 
gift, jo muß Pforzheim um das Jahr 1220 badiſch gewor- 
den fein. War jenes nicht etwa der Fall, fondern fiel Pforzheim erft mi, 
dem Tod des Schwiegerwaters Herrmanns V., welher 1227 erfolgtet 
als Erbichaft an Lebtern (was umyaßrfeinticher ift), jo bleibt jedenfalls 
jo viel gewiß, daß Pforzheim zwifchen 1220 und 1227 von der Pfalz 
an Baden überging. 

As Erbſchaft feiner Gemahlin erhielt Herrmann V, im Jahr 1227 
gemeinfchaftlich mit feinem Schwager, Dtto dem Erlauchten, auch bie 
welfiiche Stadt Braunfchweig. 1) Da indeffen die weite Entfernung und 
der getheilte Beſitz den Werth diefes Gewinnes fehr verminderten, fo 
ergriffen beide Fürſten mit Freuden den Antrag Kaijers Friedrichs IL, 
dag braunſchweigiſche Erbe gegen andere Beſitzungen an ihn abzutreten. 
Dr Markgraf ging einen Tauſch mit ihm ein, wornad er für fein 
Haldtheil die Stadt Durlach zum Eigenthum, die Stadt Ettlingen 
als Lehen, und die Städte Sinsheim, Eppingen und Yaufen 
für die Summe von 2300 Mark Silber als Pfandichaft erhielt. 
Letztere jcheint jedoch im der Folge bald wieder abgelöst worden zu 
fein. Gewiß iſt indeß, daß die Erwerbung jener zwei Städte eine 
dauernde und darum von großer Wichtigkeit war, da biefelben, in Ver: 
bindung mit Baden und Pforzheim, als vier fefte, bald auch mit bür— 
gerlichen Einrichtungen, befuchten Märkten, anfehnlichen Gemeindegütern 
und geiftlichen Stiftungen ausgeftatteten Orte, die Hauptfäulen bildeten, 
auf denen die Marfgrafichaft Baden emporwudhs, 2) 

As Markgraf Herrmann V. ftarb, konnte er feinen Söhnen fchon 
ein anfehnliches Fürſtenthum hinterlaffen, das theils everbt, theils ertaufcht, 
theils auf verfchiedene andere Weile, auf die hier nicht eingegangen wer— 
den kann, erworben war, Es beitand dasſelbe zunächſt aus den ges 
nannten wier Städten, denen noch Steinbach als ſolche, ſowie die Schlöffer 
Mühlberg und Gröbingen angereiht werden können; alsdann in einer 

1) Bergl. Bader, Markgraf Herrmann V., ©. 46, und Sachs, Einlei- 
tung im die Geſchichte der bad. Markgrafihaft I., 346. 

2) Bergl. Bader, Markgraf Herrmann V. 


54 Sehstes Kapitel. Pforzheim badiſch. 


ziemlichen Anzahl von Flecken, Dörfern und‘ Höfen, welche dieſe Städte 
umgaben, und endlich in einigen zerfireut und entfernt liegenden Be— 
figungen , wie in den Städten Baknang und Befigheim, in einem An: 
teil an Altenfteig, wahrjcheinlich auch in dem Amt Lindenfels im Dden- 
wald, welches aber jpäter 1277 wieder an die Pfalz verkauft wurde, ?) 
und in den Pfandſchaften von Selz, Eppingen, Sinsheim und Laufen, 
Bon diefen Städten war Pforzheim auch deshalb noch) von befonderer 
Wichtigkeit, weil e8 einen geeigneten VBerbindungspunft zwifchen ben ba— 
diſchen Befigungen im Nheinthal und denen am untern Nedar und 
. Schwarzwald bildete. 

Noch jei erwähnt, daß die Gemahlin Herrmanns V., Irmengard, 
im Jahr 1245 „zum Geelenheil ihres (1242) verftorbenen Gemahls, 
zur Sühne ihrer Vergehungen und zum bleibenden Gedächtniß ihrer 


Söhne” das Klofter Lichtenthal gründete und beide Ehegatten dort 
begraben Tiegen. 


i) Vergl. Häuſſers Geſchichte der Pfalz, I, 127. 


Siebentes Kapitel 





Pforzheim im 13. Jahrhundert‘) 
$ 1. Allgemeines. 


Als Markgraf Herrmann V. im Jahr 1242 geftorben war, folgten 
ihm in der Negierung feine beiden Söhne Herrmann und Rudolf, 
welche diefelbe gemeinſchaftlich führten, bis evfterer 1349 durch die Hand 
der verwittiweten Herzogin Gertrud von Defterreih die Regentſchaft 
diefes Landes erhielt.2) Von diefer Zeit an regierte Nudolf I. allein, 
Er war ein Mann von großer Umſicht, Thätigkeit und Kraft, und 
namentlich ſtets eifrig bemüht, jede fich ihm darbietende Gelegenheit zur 
Vergrößerung feines Landes zu benüßen, was ihm auch fo fehr glückte, 
daß er als der eigentliche Gründer der- Markgrafihaft Baden betrachtet 
wird.) Die wichtigfte Erwerbung war die eines Theils der Grafichaft 
Eberftein, wodurch das badiihe Befigthum nicht nur anfehnlich erweitert, 
fondern auch abgerundet wurde. 


) Benügt wurden bei biefem Kapitel außer einigen der früher ſchon an: 
geführten Gefhichtswerfe namentlich die Urkundenarchive der Klöfter Herren: 
alb, Lihtenthal und Rehenshofen, zum Theil auch Bebenhauſen, in 
der Zeitjchrift für die Gefchichte des Oberrheins, Band I. bis IX. ; ferner ber 
Codex Hirsaugiensis; Klunginger: Geihichte des Klofters Maulbronn; 
Urkunden, Repertorien, Kopialbüder und Lagerbüch er des Lan- 
desarchivs, ſowie auch des Stadtarchivs; Kolb: Lerifon von Baben; Baber: 
Markgraf Rudolfl.; Kausler: Beichreibung des Oberamts Neuenbürg u,a. m. 

2) Herrmann ftarb jeboch ſchon 1250, nachdem er noch einen Erben gezeugt, 
jenen Prinzen Friedrich, welcher mit Herzog Conradin, feinem unzertrenn— 
lihen Freunde, auf dem Schaffot in Neapel 1268 fo traurig geendet hat. 
Derjelbe erjcheint in der Geſchichte, was durch die eben berührten Verhältniſſe 
erflärlih wird, bald als „Friedrich von Baden“, bald als „Friedrich von 
Oeſterreich.“ 

3) Ausführlicheres über dieſen Fürſten in Baders Schrift: Markgraf 
Rudolf 1. von Baden. 


56 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13, Jahrhundert, 


Die Regierung NRudolfs I, war eine äußerft unruhvolle. Sie fiel 
großentheils in jene „kaiſerloſe, jchrecliche” Zeit, die man das Interreg⸗ 
num zu nennen pflegt. Unter die Fürften, welche die Auflöfung des 
oberften Neichsverbandes dazu benüßten, fi) Länder zu erwerben, und 
fürftliche Hoheit, ſowie reihsunmittelbare Selbjtftändigfeit zu erlangen, 
gehörte auch Markgraf Rudolf. Solche Zus und Mebergriffe verwickelten 
ihn natürlich in eine Neihe von Händeln mit feinen Nachbarn, aus 
denen der ritterliche Degen indefjen größtentheils ſiegreich hervorging. 

Im Jahr 1273 wurde Rudolf von Habsburg zum deutjchen Kaifer 
gewählt. Es ift bekannt, welche Mühe fich derſelbe gab, die Verhältnifie 
des deutjchen Meiches, das ganz aus feinen Fugen zu gehen drohte, 
wieder mit Fräftiger Hand zu ordnen und die innere Sicherheit herzuftellen. 
Zu dem Ende begann er feine Reichsverwaltung damit, Alles entſchieden 
zurüdzufordern, was die Fürſten und Herren während des Interregnums 
dem Neiche widerrechtlich entzogen hatten. Eine jolche Forderung mußte 
die DBetheiligten, darunter Markgraf Rudolf, empfindlich treffen, und es 
bildete fi) deshalb in Schwaben und am Rhein ein Bündniß wider 
den bemeideten und verhaßten Habsburger, defjen Häupter der Markgraf 
von Baden und der Graf von Württemberg waren. Kaifer Rudolf 
aber befetste vafch die Länder feiner Gegner, noch ehe der Widerftand 
gehörig organifirt war, und unfer Markgraf mußte fi) dem neuen 
Neichsoberhaupte unterwerfen, Doch fand der fehdeluftige Herr auch 
in der Folge wieder Anlag zu Händeln, namentlih mit dem Biſchof 
von Straßburg. 

Dar Markgraf Rudolf auf der einen Seite ein ritterlicher Degen, 
der fein halbes Leben in Fehden zubrachte, fo war er auf der andern 
Seite auch gläubig und fromm im Geifte feines Zeitalters, Kirchen 
und Klöſter, unter letztern befonders Lichtenthal, Herrenalb, Gottesau 
und Maulbronn erfreuten fich feiner freigebigen Hand oder feiner wohl: 
wollenden Gefinnung. 1) 


1) In jener Zeit des Minnefängerthums fand au die Dihtfunft am 
Hofe des Markgrafen willige Pflege. Ein Minnelänger, Boppe, ber fih an 
demfelben aufhielt, viihmt „den von Baden und ouch von Berne (Verona), den 
alten (Rudolf) und den jungen (Herrmann VIl,)“ als Einen „der ere gert“; 
wenn cr Unmöglihksiten aufzählen will, nennt er die, daß „der edel vürste 
von Baden das alte Gebzenstein (Gebjenftein im Amt Blumenfeld) durch 
vorhte ufgit (durch Furcht aufgibt).“ (Stälin.) 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 57 


Alt und lebensſatt, und nicht ohne Manches, was er gethan oder 
veranlaßt hatte, bereut zu haben, verfchted Markgraf Rudolf im No: 
vember 1288 auf feinem Schloffe zu Eberftein, und wurde in Kichten- 
thal beigefeßt. 


$ 2. Befonderes. 
(Pforzheim nah Außen, Adelsgefhlehter der Umgegend.) 


Daß auch die Stadt Pforzheim in jener bewegten Zeit vielfach 
in den Strudel der Ereigniſſe hineingezogen wurde, wird wohl begreiflich 
erſcheinen, wenn ung auch die Geſchichte Einzelheiten darüber nicht auf— 
bewahrt hat. Als Rudolf von Habsburg bald nach ſeiner Erwählung 
zum deutſchen Kaiſer die widerſpenſtigen Fürſten, darunter Markgraf 
Rudolf, zur Ordnung brachte und raſch das Land und die Städte des 
letztern bejeßte, da mag auch Pforzheim neben Baden, Mühlberg, Dur: 
ah und Größingen Taiferlihe Truppen in jenen Mauern beherbergt 
haben, Als im Jahr 1287 Herrmann, der ältefte Sohn Nudolfs, au 
der Stelle feines alten Baters, deſſen Fauft das Schwert nicht mehr zu 
führen vermochte, begleitet von zwei Söhnen und an der Spibe von 
6000 Man, darunter ficherlidh auch Pforzheimer, ins hintere Nagold: 
thal z0g, um mit dem Grafen von Hohenberg einen Strauß um das 
Städtlein Altenfteig auszufechten, zu welchem Zweck er bei der Stadt 
Pforzheim ein Anlehen gemacht zu haben fcheint, (fiehe unten) und als 
er hierauf, nad) erfämpftem Siege, verheerend in das Gebiet des Pfalz: 
grafen von Tübingen einfiel: da mochte man wohl aud in Pforzheim 
mit Beforgniß den Gang der Ereignifje verfolgen, da bei einer Nieder: 
lage Herrmanns vielleicht das gleiche Schickſal die badifchen Lande ge— 
troffen hatte, wie e8 über die eines andern Fürften erging, Es waren 
verhängnißvolle, fchwere Zeiten! 

Markgraf Rudolf hatte feine Reſidenz theils zu Baden, wo er 
dann das obere Schloß bewohnte, theils zu Pforzheim. In den 
legten Jahren feines Lebens hielt er ſich meift auf der (alten) Burg 
Eherftein auf, wo er auch ftarb. 

Im Sahr 1263 übergaben die Brüder Berthold und Belreim von 
Wizenftein) (Weißenſtein) laut einer zu Etheningen (Ettlingen) aus: 
gefertigten Urkunde dem Markgrafen Rudolf „in Anerkennung der vielen 


58 °  GSiebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 


Wohlthaten, welde ihnen vom Markgrafen und feinen Vorfahren zuge: 
fommen“ alle ihre Nechte auf die Burg Lie benegge mit der aus— 
drücklichen Willenserklärung, daß „das vollfommene Herridaftsrecht, der 
freie, unbeſchränkte Beſitz ſowohl auf genannter Burg, als dem Dorf 
MWirme und allen andern dazu gehörigen Befitungen in Höfen und 
Feldern, bebauten und unbebauten, in Lehensleuten und Xeibeigenen, 
Miefen und Waiden, befahrenen und unwegfamen Gegenden, Wäldern 
und Gebüfchen, Mühlen und Mühlwerten, Waflern und Wafferabfällen, 
Tifchereien und Jagden und allen damit verbundenen Rechten, welche 
anf irgend eine Weiſe zur Burg felbft gehören” dem genannten ihrem 
Herren mit vollem Rechte zugehören folle. Bloß das Dorf Huoden- 
delt (Hucenfeld) wurde von diefer Eigenthumsübergabe ausgenonmen, 
welches die Brüder von Weißenftein mit Vorbehalt ihrer Lehensherrſchaft 
an folgende Perſonen als Lehen überließen: Cunrad, genannt Colbe, 
Sohn Albert Colbos, dem auf Burg Vurftenede (Fürftened . bei 
Dberfirh), Bertold, genannt Wiedener von Ingersheim (zii: 
ſchen Ludwigsburg und Befigheim), Liotwin von Glatebach (Glatt- 
bach bei Vaihingen), Sibotto von Hule (2), Albert von Helfen: 
berg (bei Marbad), Conrad und Sibotto, Gebrüder von Scho— 
nowe (Schönau hinter Heidelberg), „Wir erlauben aber”, beißt es 
am Schluß der Urkunde, „daß die vorgenannten Perſonen freie Macht 
haben follen, das genannte, von ung zu Lehen gegebene Dorf in bie 
Hände und Gewalt unferes oft genannten Herin, des Markgrafen zu 
überlafien, ohne daß die ung fchuldige Lehenspflicht dabei ein Hinderniß 
fein folle.” Der Urkunde find die Siegel der beiden Ritter von Weis 
Benftein, ferner Con rads von Roffewac (Roßwag bei Vaihingen), 
Reinhard Kimons von Baden und Bertholds von Nemdingen 
(bei Wilferdingen) angehängt und in derfelben find als weitere Zeugen, 
aufgeführt: Conrad von Node,t) Hugo von Werbenwac (Wer: 

ı) Rod, von roden, reuten, ausreuten abgeleitet, mag es mehrere 
gegeben haben, Ein Ort Rod lag nad einer Herrenalber Urkunde. vom 
48, Februar 1263 zwifchen Pforzheim und Weißenftein, und trägt bafelbit eine 
Anhöhe diefen Namen nad. Bielleiht war biefer Ort aud ber Sig eines 
Rittergefchlechtes, das ſich darnach benannte, und von weldem oder von einem 
andern Rob die heute noch blühende Adelsfamilie der v. Röder abftanımt, 
welche dieſem Namen noch ben ihrer Burgen beifegten, 3. B. Röder von Diers: 
burg, Röder von Mberg, Röder von Hohenrod, Röder von Rodeck. Ein Burk: 


hard von Rode erſcheint ſchon im Gefolge Hermanns V., ein Udalricus de Rode 
im Cod, Hirsaug,, 72. 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13, Jahrhundert. . 59 


venwag, Sifrid von Ottenkeim (Detigheim), Borhhard, genannt 
Burner, Heinrih von Barchuſen, (Berghaufen) und Walther 
von Eberftein, Conrad, Schirmvogt von Remdingen und 
Blicger von Steinach (am Nedar). 

Der Inhalt diefer Urkunde ift hier etwas ausführlicher angegeben, 
einmal um darzuthun, welche wohlwollende Gefinnung die Weißenfteiner 
gegen den Markgrafen hegten, die überhaupt auf das Verhältnig dee: 
jelben zu feinen Bafallen ein günftiges Licht wirft, ſodann um zu zeigen, 
wie zerftüctelt damals die Verhältniffe mancher, felbft Heiner Orte, wie 
Huchenfeld waren, und endlich, um überhaupt die Form folher Urkunden 
einigermaßen kennen zu lernen, wie fie in damaliger Zeit ausgeftellt 
wurden, | 

Daß fih Markgraf Rudolf auch von Zeit zu Zeit im Schloß 
Liebened aufgehalten habe, bezeugt ein Schreiben vom Februar 1268 
(oder 1269), das er von dort aus an die Stadt Straßburg richtete. 

Bon feiner wohlwollenden Gefinnung gegen die der Stadt Pforz- 
heim nahe liegenden Klöfter Hirihau und Maulbronn zeugt, daß 
er erfterm 1282 einen Hof zu Pforzheim zurüdgab , der feinem Vater 
ehemals verſetzt geweſen war, (S. 41) und daß er lehteres von feinem 
Schloß Mühlberg aus am 16. Januar 1258 „wegen feines großen 
Eifers in Uebungen der Andacht bei Tag und Nacht“ vom Zoll und 
Umgeld der Stadt Pforzheim befreite. Dieje Freiheit wurde unterm 
38. Januar desjelben Jahres von der Stadt Pforzheim felbft beftätigt. Solche 
Gefinnung jheint fein Enkel, Friedrich IE. getheilt zu haben, indem er 
im Dezember 1295 den jeweiligen Schaffner des Klofters Herrenalb zu 
Pforzheim mit Zuftimmung der dortigen Bürgerfchaft von allen Steuern, 
Abgaben und Dienftleiftungen gegen jährliche Entrichtung von 5 Pfund 
Heller, welche jedes Mal an Oftern und — an die Stadt bezahlt 
werden mußten, befreite. 

Endlich ſei auch noch erwähnt, daß in einer Schenkungsurkunde vom 
27. Ditober 1288, durch welche Rudolf dem Kloſter Lichtenthal zu 
einem Seelgerette für feine „Miſſethat“ verfchiedenes Eigenthum ver: 
macht, der marfgräflihe Schreiber zu Pforzheim, Konrad, als Zeuge 
genannt ift. 

Da manche Glieder derjenigen Nittergefchlechter, welche in der 
nähern oder entferntern Umgebung Pforzbeims auf ihren Burgen faßen, 
in die Geſchichte der Stadt vielfach verflocdhten find und einige derfelben 


60 Siebentes Kapitel, Pforzheim im 13. Jahrhundert, 


fpäter fogar eigene Häufer in Pforzheim befagen, fo möge eine Zuſam— 
menftellung diefer Gefchlechter, wie fie mit Benutzung der manchfachften 
Quellen ermöglicht war, bier folgen. Wir beginnen mit den vorhin 
genannten 

Herren von Weißenſtein (Mizzenftein, Wyſſenſtein). 

Bekanntlich waren früher in und bei Weißenftein drei Burgen, die 
im Munde des Volkes heute noch Rabeneck, Kräheneck und Ho— 
heneck genannt werden. Die Ruinen der erftern finden fich bei der 
Kirche von Weikenftein , der zweiten etwas weiter oben im Wald; von 
der dritten, die jenfeits der Nagold am Kallert lag, ift faft jede Spur 
verfchwunden. In MWeißenftein hatte einft ein angefehenes und begütertes 
Adelsgefchlecht feinen Sit, und wir begegnen verſchiedenen Gliedern des- 
jelben, namentlich in den Urkunden der Klöfter Herrenalb, Frauenalb, 
Maulbronn und Nechenshofen oder Marienfron (bei Hohenhaslach im 
Amt Baihingen, jest Hof und Domäne), ſowie anderwärts, So finden 
wir eines Berthold von Meißenftein als Zeugen bei der Hochzeit des 
Ritters Kuno von Menzenberg im Tübingen 1231 erwähnt. Im Jahr 
1240 find die drei Brüder Berthold, Belreim?) und Helferid 
von Weißenſtein als Zeugen in der Stiftungsurfunde des Kloſters Re: 
henshofen aufgeführt, weldes von einem Ritter Efel von Efelsberg 
gegründet wurde. Die beiden Erftern finden fich ebenfalls als Zeugen 
in Herrenalber Urkunden von 1254 und 1256, An das Klofter Nechens: 
hofen vergabten, bez. verkauften 1354 Berthold und fein Bruder Gott: 
bert von MWeißenftein, letzterer Pfarrer zu Haslach, fpäter 1265 Rektor 
der Kirche zu Brötzingen, ihre Güter, Zinſe nämlih und Weinberge 
mit allem Andern (Leibeigene ausgenommen) ſammt dem Patronatrecht 
der Kirche zu Haslach; doch behielt fich Gottbert eine Tebenslängliche 
Benfion von 50 Pfund Heller vor. Im Jahr 1257 verkauft Ber: 
tholhd von Weißenftein an Herrenalb Güter in Neuſatz (am Dobel) und 
verzichtet 1257 zu Gunften des Klofters Nechenshofen auf feine Güter 
und das Patronatsrecht in Heffelbah (DO. A. Vaihingen). Berthold 
und Belreim von Meißenftein erfcheinen 1263 wieder als Zeugen in 
einer Herrenalber Urkunde und übergeben, wie ſchon erwähnt, in dem: 
jelben Jahr Liebeneck ꝛc. an den Markgrafen Rudolf von Baden. 


N) Diefer Belreim oder Belrem von Weißenftein ift der Gegenftand einer 
anzichenden Eage, welche Ludwig Auerbach bichterifch verarbeitet hat. 


Siebentes Kapitel, Pforzheim im 13. Jahrhundert. 61 


Berthold von Weißenſtein fommt 1265 wieder als Zeuge vor, umd 
fein Bruder Belreim verkauft 1276 an das Klofter Maulbron feinen 
Hof in Zaifenhaufen mit einem Drittel des großen und Kleinen Zehntens 
daſelbſt, nebſt Leibeigenen an verjchiedenen Drten um 255 Pfund Heller, 
und verzichtet auf jeinen Antheil an zwei Mühlen dafelbft, welche fein 
Bruder Berthold, von dem das Franenalber Salbud) 1277 zwei Töchter, 
Gertrud und Metze fel., anführt, dem Klofter geſchenkt. Das Klofter 
Maulbronn erhält 1281 von Betriffa, der Witwe des (Ältern) 
Berthold von Weißenftein 24 Pfund Heller und einen Nachlaß von 
10 Schilling jährlicher Gefälle zu einem Jahrestag für fie und ihren 
verftorbenen Mann mit weißem Brod, Wein und Fiſchen. Berthold 
(der jüngere) won Weißenſtein ſchenkt 1295 dem Klofter Maulbronn 
alfe feine Güter zu Magftatt (DO. U. Böblingen), einen Hof, beide 
Mühlen, (die aber ſchon 1276 theimeife werfchenkt wurden), und einen 
Theil des großen Zehntens in Zaifenhaufen, fammt dem Patronatrecht 
der dortigen Kirche, und übergibt im nämlichen Jahr alle feine Lehengüter 
feinem Better Rudolf von Roßwag. Er kommt noch einmal 1301 im 
Trauenalber Salbud) vor. 

Bon diefer Zeit an verſchwinden die Weißenfteiner aus der Ge: 
ſchichte, und Berthold mag, wie fich dies aus feinen Schenkungen ergibt, 
der letzte feines Gefchlechts gemweien fein. Auf das weitere Schiefal der 
Burg Weißenftein werden wir unten zurüdtommen. Das Siegel und 
Wappen der Weikenfteiner zeigte einen dreiedfigen, vierfach quergetbeilten 
Schild. 

Die Herren von Niefern (Mievern, Nieuern, Nieffern, 

Nuffran ꝛc.). 

Bon ihrer Stammburg Hohenniefern, die auf einer Höhe bei dem 
Dorfe Niefern Tag, ift feine Spur mehr vorhanden. Doc ſcheint im 
Drte Niefern felbft noch eine zweite Burg vorhanden gewefen zu fein, 
und zwar an ber Stelle, wo jetzt die Niefernburg fteht; denn im Jahr 
1555 übergab Markgraf Karl IL. feinem Kanzler Achtſinit „den alten 
freiadeligen Burgftadel” in Niefern, um darauf zu bauen. Die Edeln 
von Niefern waren, wie Viele andere Nitter der Gegend, Dienft 
leute der Grafen von Vaihingen, Sie kommen vom 12. bis 14. Jahr⸗ 
hundert in zahlreichen Gliedern vor.) So ift fhen 1186 ein Hein: 


1) Hauptlählih in Maufbronner, Herrenalber, Franenalber, Rechenshofer 
und Lichtenthaler Urkunden, 


62 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13, Jahrhundert. 


ri von Niefern in einer Herrenalber Urkunde als Zeuge aufgeführt; 
41203 übergaben Albredht und Konrad v. N. dem Klofter Maul: 
bronn ihren Theil des Patronatsrechts zu Delbrenn und Elfingen, 
1251 und 1266 erfcheint wieder ein Konrad v. N., 1258 ein Ger: 
lad v. N, 1277, 1279 und 1281 em Heinrich v. N. (Hohimnie- 
vern), in leßtgenanntem Jahr aud ein Adalbert v. N., der mit feiner 
Tochter Elifabeth (1284 Gifela genannt) Schenkungen an Herrenalb 
macht; im Jahr 1285 verzichten die Brüder Albert und Konrad 
von Niefern zu Gunften des Klofters Maulbronn auf alle Anfprüche 
an die Hälfte des Vogtrechts über den Hof Elfingen und den Ort Oel: 
bronn, 41289, 1293 und 1299 kommt diefer Albert von Niefern 
wieder als Bürge und Zeuge vor und verfauft 1294 mit feiner Frau 
Kunigunde wegen vielfacher Unglücsfälle und unerträglicher Schuldenlaft 
fein Fifchwafler bei der Stadt Mulnagger (Mühlader) um 30 Pfund 
- Heller an Maulbronn; 1296 treffen wir auf Konrad, Gerlad und 
Heinrich von Niefern, auf den Erftern wieder 1314, 1321 auf Hein 
rich und Gerlad von Niefern; 1332 erſcheint wieder Heinrich 
v. N. mit feiner Frau Guta von Eifingen und Beider Sohn Rein: 
hard, 1338 Heinrih v. N; 1342 ftiftet Klara v. N., Wittwe 
Heinrichs von Roßwag, eine Präbende zu Roßwag und begabt fie. 1365 
wird eines Heinrich von N, erwähnt. In den Jahren 1412, 1422 
und 1436 treffen wir einen Hans von Niefern, als defien Kinder 1496 
Bernhard, Jörg und Margaretha genannt werden. Nach dem 
Kichtenthaler Todtenbuch ftarb dafelbft am 6. Januar 1541 die Nonne 
Dorothea von Nieffern und 15. April 1546 die Nonne Urfula 
von Nieffern. 
Die Herren von Enzberg (Entberg, Enzeberg, Enzebere, Enceberc, 
Encenberch ꝛc.) 

Von ihrer am 14. Sept. 1384 durch Pfalzgraf Ruprecht J. in 
Folge eines Streites mit dem Kloſter Maulbronn zerſtörten Stammburg 
ſind noch wenige Ueberreſte vorhanden. 

Die Herren von Enzberg werden ſchon im 10. Jahrhundert ge— 
nannt und waren, wie die von Niefern, Lehensleute der Grafen von 
Calw und Vaihingen, ſpäter aber der Markgrafen von Baden. Nach 
einer zwiſchen 1190 und 1197 ausgeſtellten Urkunde (vergl. S. 48) 
ging die Burg Enzberg zu jener Zeit von Konrad, Graf von Calw, 
an den Erzbiſchof Johann von Trier über, der ſie aber jedenfalls nicht 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 63 


lange behielt. Die Herren von Enzberg kommen in Urkunden vom 13, 
und 14. Jahrhundert jehr häufig und im äußerſt zahlreichen Gliebern 
vor, zum Theil mit allerlei Beinamen, 3. B. 1368 Reinhard von 
Enzberg, genannt der Nix, 1381 und 1395 Albrecht, genannt Schü- 
helin von Enzberg, 1436 Friedrich von Enzberg, genannt Bitfcher, 
(derfelbe beſaß 1443 ein Haus zu Pforzheim;) 1314 Frie drich von 
Enzberg, genannt von Hohenriet, Albrecht won Enzberg, genannt von 
Gemmingen, Konrad, Heinrich, Friedrich und Gerhard, die 
Rummeler genannt, 1363 Albrecht von Enzberg, zu Öteichenberg, 
Amt Eppingen) gefeffen, 1378 Albrecht von Enzberg, zu Ochſenberg, 
(Zabergäu) geſeſſen ꝛc. Won den drei Schleglerfünigen, welche Graf 
Eberhard von Württemberg 1395 in Heimsheim gefangen nahm, 
waren zwei Enzberge, nämlich Reinhard und Friedrich, Die Enz: 
berge hatten im 13. Jahrhundert das Vogtrecht überMaulbronn, was 
zu manden Händeln Beranlafjung gab. Sie befaken Güter und 
Rechte zu Zaifenhaufen, Delbronn, Tiefenbach, Elfingen, Detisheim, 
Weißach, Kiefelbronn, Schmie, Lienzingen, Zaifersweiler, Schübingen, 
Knittlingen, Dertingen, Oeſchelbronn und Rauenthal, Klingen, Düren, 
Bauſchlott, Lomersheim, Gölshanfen, Richen, Stockheim, Steppach, 
Iſpringen, Roßwag ꝛc. Alle dieſe Beſitzungen ꝛc. gingen aber nach 
und nach durch Verkauf oder Vergabung in andere Hände, namentlich 
an verſchiedene Klöſter über, und 1405 verkauften Georg von Enzberg 
und feine Söhne Konrad und Georg nach Zerſtörung ihrer Burg 
auch al ihr Einfommen und ihre Nechte zu Enzberg, Düren, Bau: 
ſchlott und Kiefelbronn um 770 Gulden an das Klofter Maulbronn, 
und verfpracdhen, ſich megen der Brechung ihrer Burg nicht zu rächen. 
1443 finden wir noch einen Triedrih und 1456 einen Hans von 
Enzberg. | 
Die Herrenvon Dürrmenz (Durmenze, Dormenk, Durmencze), 
aus welchem Geſchlecht Ulrich J., Biſchof von Speier 1161 zu diefer 
Würde erhoben worden, waren bis in das 15. Jahrhundert im Beſitz 
von Dürrmenz, welches aber dann ganz an das Klofter Maulbronn 
und jpäter mit diefem an Württemberg fam. Ein Albrecht von Dürr- 
men; war 1412 Vogt in Pforzheim. — Die Herren von Dürrmenz, 
von Niefern und von Enzberg mögen urfprünglih nur einen Stamm 
gebildet haben; denn alle drei Gefchlechter führten einen Ring im Wap- 
pen, Die Trümmer der Burg zu Dürrmenz, welche auch Löffelſtelz 


64 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13, Jahrhundert. 


beißt, find nocdy vorhanden. — Aus ihrer Nachbarſchaft erwähnen wir 
noch ferner dei 
Eden von Illingen, 
deren Güter ebenfalls nah und nah an Maulbronn übergingen, der 
Edeln von Lomersheim, 
von deren Stammburg noch ein Thurm übrig ift, und von denen Einer, 
Walther, um 1140 das Klofter Maulbronn ftiftete, welches nach dem 
Ausfterben der von Lomersheim zu Anfang des 16. Jahrhunderts den 
ganzen Ort an fi brachte, — der 
Herren von Roßwag, 
deren Stammſchloß bei dem gleichnamigen Dorfe an der Enz lag. Sie 
gehörten im Mittelalter zu den reichſten und angeſehenſten Rittergeſchlech— 
tern unferer Gegend. Sie waren Dimaften vom erften Rang, denen 
urkundlich das Anfehen „erlauchter Perſonen“ gegeben ward. Verwandt 
mit ihnen waren die Herren von Weißenftein. Die Herren von Roß— 
wag kommen bereits im 12., noch mehr im 13. Jahrhundert in Urkun— 
den häufig vor, ftarben aber ſchon im 14. oder 15. Jahrhundert aus. 
Die Roſe im Wappen deutet auf Verwandtſchaft mit den Eberfteinern 
‚bin. (Der Grabftein einer am 13. Dezember 1291 geftorbenen Irmen⸗ 
gard von Magenheim, Gemahlin Rudolfs von Roßwag, wurde im 
Frühjahr 1858 auf dem Schulplatz in Pforzheim ausgegraben.) — 
Endlich, fei auch noch der 
Eden von Mühlhauſen und 
derer von Detisheim erwähnt. 

Fragen wir nach den Adelsgeſchlechtern, welche nördlih von Pforz⸗ 

_ gewohnt haben, fo treffen wir zunächſt auf die 
Herren von Neidlingen (Nidelingen). 

Wir finden ihrer fchon im 12. Jahrhundert erwähnt, wo (in 
Hirfhauer Urkunden) ein Adelwig und ein Arnold von Nidlingen 
vortommen. Das Dorf Neidlingen fammt der Burg des gleichnamigen 
Adelsgeichlechts Tag zwifchen Kiefelbronn und Göbrichen, weſtlich von der 
Straße von Pforzheim nad; Baufchlott, und bezeichnet der fog. Neulinger 
Berg no die Stelle, wo jenes Dorf geftanden Es fcheint indefjen 
ſchon zu Ende des 14. Jahrhunderts nicht mehr eriftirt zu haben, fon= 
dern bereits in Iſpringen, das früher ein Filtal von Neidlingen war, 
aufgegangen gewefen zu fein. Als Gemarkungsname wurde indefjen ber 
Name Neidlingen noch lange beibehalten. 1321 lebten die Brüder 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 65 


Johann und Marquard von Neidlingen, vorher ihr Vater Berthold 
von Neidlingen. Marguards Frau war Gifela von Horkheim (D. A. 
Heilbronn) und ihre Kinder hießen Kraft, Anna und Johann. 
jener ältere Johann fehenkte dem Kloſter Lichtenthal den halben Laien: 
zehnten in Eifingen, Die beiden Brüder Johann und Kraft v. N. 
fommen wieder 1344, 1355 und 1357 vor. Mit dem Dorf jheint 
auch bald das Adelsgeſchlecht verſchwunden zu fein. Die von Neidlingen 
waren Minifterialen der Markgrafen von Baden. Ihr Wappen war ein 
dreiedfiger Schild mit einer Hag: oder Schafſcheere. — 

Bon den 

Herren von Eifingen (fingen, Mingen) 
bat die Gefchichte nur wenig aufbewahrt. Doc finden wir 1197 einen 
Siegmund von Eifingen, und ift derfelbe in einer Schuldurkunde, 
welhe Markgraf. Herrmann V. und fein Bruder Friedrich dem Abt 
Helmwich in Selz für geliehene 200 Markt Silbers ausftellen, mit An: 
dern als Bürge genannt. Die Frau Heinrichs von Niefern war 1332 
eine Guta von Eifingen Eine Chriftine von Illingen, genannt 
von Mpingen, ift 1431 als Frau des Bürgers und Nichters in Pforz— 
beim, Großhans Roth, genannt v. Vaihingen, bezeichnet. Wahrſcheinlich 
war e8.diefelbe Chriftine von fingen, welche 1447 (in zweiter Ehe) 
als die Gemahlin Erhards von Königsbach aufgeführt ift. Im Jahr 1495 
verfauft Ludwig Illinger, genannt von Eifingen, das ihm gehörige letzte 
Viertel von Eifingen an Markgraf Ehriftoph von Baden um 1519 fl. 
Ein Ludwig von Eiſingen hatte 1501 ein Haus in Pforzheim, ein 
Peter von Mfingen kommt 1519 vor. 

Die Herren von Stein, (Amt Bretten). 

Auf den Grundmauern des alten Schlofjes daſelbſt fteht jet das 
noch von einem Graben umgebene Pfarrhaus. Ein Ulrich von Stein 
fommt 1252 ff. in Urkunden vor, fo beifpiehveife in dem Freiheitsbrief, 
den Markgraf Rudolf I. 1258 dem Klofter Maulbronn gab (fiehe unten). 
1370 treffen wir einen Wolfgang von Stein, und 1631 war bei 
einer Geſandtſchaft, welche der ſchwäbiſche Kreis nach Wien ſchickte, ba- 
diſcher Seits ein Friedrid von Stein, Es gab aber fo mande 
Adelsgefchlechter Hiefes Namens, daß nicht mit Beftimmtheit ausgemacht 
werden Kann, ob die Genannten dem Geſchlechte der Herren von Stein 
bei Pforzheim angehörten. Der ziemlich verftümmelte Grabftein eines 


Eden von Stein findet ſich in der — Kirche. Ihr Wappen war 
Pflüger, Pfotzheim. 5 


66 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 


ein dreiediger, von der Nechten zu Linken getheilter Schild, wovon 
der untere fchraffirtt mit Goldpunften, der obere geſchacht mit einem 
Goldpuntt in jedem Viered, Die 
Herren von Königsbach (Konngespach, Küngespach, Küngſpach, 
Kingespach, Kungsbach,) 
finden wir vom 13.—15. Jahrhundert in vielen Gliedern und Zweigen 
vertreten. Im Jahr 1259 ericheint Heinrich v. K. mit feinen Söhnen 
Herrmann, Helwig und Heinrich; 1271. übertragen die Brüder 
Herrmann, genannt Veſe, und Sigmund v. K. dem Schultheißen 
Diether von Ellmendingen und Diether bei der Kirche alle ihre Güter 
in der Gemarkung von Ellmendingen und Weiler zu Eigenthum; als 
Zeugen erfcheinen u. A. die Gebrüder Herrmann und Kuno von 
Königsbady; die Schweiter Beider, Bertha, war die Gemahlin Alberts 
von Sicingen. Bon 120 an fommt häufig en Simon von Königs: 
badı vor, als deſſen Kinder 1303 Simon, Emehard, Herrmann, 
Reinbot, Gifela, Agnes, Kunigunde und Engela genannt 
werden, in welchem Jahr fie einen Hof in Spranthal an Herrenalb 
verfaufen. 1336 erſcheinen Kuno, Grozbott, Klainbott, und 
Balfam von K., 1338 ein Diem v. K., 1363 Herrmann und 
Konrad nv K., im 15. Jahrhundert Wilhelm v. K., 1423 Pele 
v. K., Wittwe Wolfs von Grafened, 1447 Erhard v. K., der 1458 
mit feiner Fran dem Markgrafen von Baden alle feine Güter zu 
Königsbah für den Fall ihres Abſterbens vermacht. Noch finden wir 
1482 und 1491 einen Hans von Königsbach, der Vogt zu Pforze 
beim war und dort ein eigenes Haus beſaß. Später ſcheint das Ge- 
ſchlecht erloihen zu fein. Das Wappen desjelben zeigte zwei von einan— 
der abgewandte halbe Wafferräder mit quadratifcher Abtheilung. 
Die Herren von Remdingen, 

die zum alten deutfchen Adel gehörten, bejaßen zwei Burgen, die den 
Namen Remchingen trugen. Die eine lag zwifchen Wilferdingen und 
Singen, da wo jest noch ein Hof diefes Namens fich befindet. Die 
andere lag zwiſchen Dietlingen und Schluttenbah im O. A. Neuenbürg. 
Ein Wolfardt von Remchingen wohnte ſchon 1165 einem Turnier in 
Züridy bei. In den folgenden Jahrhunderten erſcheint diejes Geſchlecht in 
äußerst zahlreichen Gliedern, von denen mandye im weitern Werlauf der 
Geſchichte Pforzheims noch vorkommen werden. Die Burg Remchingen 
(bei Wilferdingen) mit Zubehörde wurde 1429 von Markgraf Bern: 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 67 


hard von Baden an Gumpolt von Giltlingen auf Wiederloofung um 
4000 Gulden verkauft. Die von Remchingen beſaßen jedoch in der 
Mitte des 16. Jahrhunderts wieder einen Theil des Schlofjes, den fie 
mit dem Dorf Langenfteinbad 1562 an Markgraf Karl I. um 45000 
Gulden verkauften. — Das Wappen der Remchingen zeigte auf drei- 
eckigem Schild kreuzweis auf Stäbe gelegte Lilien. 
Die Herren von Gräfenhaufen (Grauenhufen), 

die ihre Burg beim Dorf gleiches Namens im Oberamt Neuenbürg 
hatten, fcheinen frühe ausgeftorben zu fein. Ein Adalbert und Liut- 
fried von Gr. kommen fhon im 11. Jahrhundert in Hirſchauer Ur- 
Eunden vor, In der Mitte des 13. Jahrhunderts treffen wir als 
Dienftmann der Grafen von Baihingen einen Kraft von Gr., zu gleicher 
Zeit einen Albert von Gr. und defien Sohn Heinrich, welche den 
Beinamen der Drofcheler, Troffiler, Troschelarii hatten. Letzterer erfcheint 
noch 1294. 

Grafen von Neuenbürg (Nuwenburc, Novum Castrum) 
nannten fi) mand Mal auch die mächtigen Grafen von Vaihingen, fo 
1289: Konrad von Vaihingen oder von Neuenbürg, — von denen 
bereits als eines Zweiges der Grafen von Calw (S. 37) die Rede mar. 
Stadt und Schloß Neuenbürg waren zuerft calwifch, dann eberfteinifch, 
dann vaihingiſch; hierauf erhielten Beides die Markgrafen von Baden 
und zulest die Grafen von Württemberg. 

Die Herren von Strubenhart (Strobenhart, Straubenhart) 
befaßen eine Burg in der Nähe von Neuenbürg. Sie kommen in 
Hirfhaner Urkunden ſchon im 11. und 12. Jahrhundert vor. Ein 
Eberhard v. St. ift in der Stiftungsurfunde des Klofters Herrenalb 
von 1148 aufgeführt und kommt im 12. Jahrhundert noch mehrfach 
vor. Die Straubenharte befaßen ziemlich ausgedehnte Güter, To zu 
Gräfenhaufen, das ihnen fait ganz gehörte, zu Pfinzweiler bei Neuen: 
bürg, zu Spranthal ꝛc. Im Jahr 1364 ftiftete ein Berthold von 
Strubenbart fammt feiner Gemahlin Gera eine Frühmefje auf Marta 
Magdalena Altar im Frauenkloſter zu Pforzheim. Die Straubenharte 
waren im 14. Jahrhundert Mitglieder des Schleglerbundes, welcher gegen 
die immer mächtiger werdenden Grafen von Württemberg gerichtet war. 
Ihre Veſte wurde 1367 von Eberhard dem Greiner erobert. Die 
Straubenharte erhielten diefelbe zwar 1374 wieder zurück; bei der Forts 
ſetzung des Schleglerkrieges jedoch wurde die Burg a amd Eher: 


68 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13, Jahrhundert. 


bard und fein Sohn Ulrich von Württemberg gaben dem Markgrafen 
Bernhard von Baden 1381 die Zufiherung, den Wiederaufbau derfelben 
niemals zu gejtatten, Man fieht noch Mefte davon im Wald bei 
bei Neuenbürg. — Die Straubenbarte, deren einer, Schönhard von 
Straubenhard, in der Kirche zu Weiler begraben Tiegt, wie fein Grab: 
ftein zeigt und die auch in Pforzheim anfäßig waren, (ein Meb von 
Strubenhart befaß um 1400 ein Haus hinter dem Prediger » Klofter, 
und der alte Obervogt in Pforzheim, Ehriftoph Scherer von Strauben- 
hart stiftete 1590 100 fl. ins dortige Almofen), beſaßen die Burg im 
14, Jahrhundert gemeinfchaftlich mit den 
Herren von Schmalenftein (Smalenitein), 
nachdem diefe ihre bei Weingarten gelegene Stammveſte an die Pfalz 
verkauft hatten. Bei der Eroberung Strubenharts 1374 wurden fünf 
diefer Herren, nämlich Hans, Großkunz, Kunz der Meutterfohn, Klein: 
funz und Reinhard gefangen genommen. 1382 vearfauft Kunze». Schm. 
feinen Antheil an Strubenhart ſammt Jugebör, fein Dorf Langenalb, 
ein Viertel des Dorfes Dobel, jeinen Hof und feine Reben zu Niebels- 
bach, auch alle feine Leibeigenen, um 900 fl. an die Markgrafen Bern: 
hard, und Rudolf von Baden. Das Geſchlecht der Schmalenftein erſcheint 
noch am Ende des 15. Jahrhunderts, nachdem faft alle feine Befigungen 
an Württemberg gefonmen waren, 
Die Herren von Kapfenhart (Kapbenhart) 

befaßen eine Burg beim Dorf gleiches Namens in einem Seitenthal der 
Nagold bei Reichenbach. Diefelbe wurde 1299 von Hedwig, Wittwe 
Heinrichs von Kapfenhart, und ihrem Schwager, Friedrich von Enzberg, 
zum ewigen Heil ihrer Seelen dem Klofter Maulbronn übergeben gegen 
ein Leibgeding für die Frau und Kinder und Anfprüche der Iettern auf 
freie Wohnung im Klofter, ſowie gegen Entrichtung von 100 Pfund 
Heller an genannten Friedrich. Diejelbe Edelfrau machte 1305 ein 
Vermächtniß von 15 Pfund Heller an das Klofter Nechenshofen. Die 
Burg Kapfenhart bejaßen am Ende des 13. Jahrhunderts die Herren 
von Enzberg und von Nippenburg. 

Die Herren von Liebenzell, (Liebencelle, Libincelle, Libuncelle) 
faßen auf der fog. Niefenburg auf einer Anhöhe bei der Stadt Lieben: 
zell an der Nagold, wo noch die anfehnlihen Ruinen derfelben, darunter 
ein Thurm römischen Urfprungs, fichtbar find. Im 13. Jahrhundert 
kommt namentlich ein Lubwig von Xiebenzell mit feinen Vettern Nein: 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 69 


hard und Wolfram vor. Bon feinem Streit mit der Markgräfin Ir— 
mengard von Baden wird unten die Nede fein. In der Folge machte 
er auch mehrfad Schenkungen an Herrenalb. Auf der Burg Liebenzell 
(in castro Libincelle) jtarb am 21. April 1254 Kunigunde, die Ge: 
mahlin Rudolfs I. von Baden. Die Sage erzählt, daß die Burg Lie- 
benzell einjt von einem Markgrafen von Baden erobert und der Befiter 
derjelben, unter dem Namen des Tyrannen von Merklingen befannt, von 
dem Thurm berabgeftürzt worden ſei. — Das Wappen der Herrn von 
Liebenzell bildeten zwei von einander abgewendete, vierzähnige Schlüfjel. 

Der Herren von Stein zu Steined, 
welche im Befiß der mun in Trümmer liegenden Burg gewejen zu fein 
icheinen, bevor diefelbe jammt dem jog. Gebiet an die Herren von 
Gemmingen gelangte, finden wir jchon im 12. Jahrhundert erwähnt, 
zu welcher Zeit ein Adalbert von Steine mit feinen Söhnen Reinbot, 
Reinhard und Konrad vorkommt. Ferner erfahren wir, daß 1324 ein 
Wolf von Stein und Wolf, feines Bruders Sohn, einen Vertrag mit 
Maulbronn fchließen, Fraft deſſen jene Fein Recht an den Wald Hagel: 
hieß, und das Klofter feines an den Wald bei Steinegg haben, 
letzteres auch verbunden fein jolle, dem Herrn von Stein jährlich zwei 
Bundſchuhe und einen Gürtel im Werth von 1 Schilling zu geben. — 
Ein Wolf von Stein war einer der drei Schlegelfönige, welche Graf 
Eherhard der Raujchebart von Württemberg 1395 zu Heimsheim ges 
fangen nahm. Im Jahr 1442 kauft Dietrich von Gemmingen von 
einem Hans von Stein zu Steined die Hälfte des Städtchens 
Heimsheim, der felber wieder diefes Beſitzthum von den Pflegern der 
Wittwe feines verftorbenen Bruders, Margaretha von Stein, und 
ihrer Kinder erftanden hatte. (Der Grabftein eines „Hans von Stey— 
ned” von 1519 mit Wappen [Mühlrad] ift in der Schloßkirche zu 
jehen). 

Die Herren von Neuhauſen (Newhuſen) 
find auch wenig bekannt. Ein Hildebert und ein Helmwig von Neu: 
haufen kommen um 1100 in Hirfchauer Urkunden vor. Zu Anfang 
des 16. Jahrhunderts gelangte ein Reinhard von Neuhaufen in den 
Befib von Weißenftein, und findet ſich fein Wappen (ein Löwe, der einen 
Aft hält,) dafelbit eingehauen, 

Die Herren von Lehningen (Xoningen) 
müfjen früh wieder ausgeftorben fein, da ſchon im 15. Jahrhundert 


70 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 


die von Gemmingen den Ort Lehningen als badiſches Lehen befaßen. 
Im Zahre 1272 wird ein Werner von Lehningen genannt, deſſen 
Wittwe, Adelheid von Weil, ihrem Sohn Konrad im Klofter zu Her: 
renalb Verſchiedenes vermacht, wovon fie ſich jedoch die Tebenslängliche. 
Nutznießung vorbehält. Dieſer Mönch, Konrad von Lehningen, kommt 
1275 in einer andern Herrenalber Urkunde als Zeuge vor. 
Die Herren von Heimsheim (Haimeshain, Haimishain, 
Haimensheim, Heimitheim) 

kommen jchen in frühern Hirfchauer Urkunden vor. Ein Heinrid v. 
H. ericheint 1181 als Zeuge in einer Herrenalber Urkunde, ein Albert 
v. H., welcher Mönd im Kloſter Bebenhaufen (bei Tübingen) war, ift 
1279 und 1281 mehrmals als Zeuge in Bebenhaufer Urkunden genannt, 
In Heimsheim hatten übrigens noch mehrere Adelsgeſchlechter ihren Sik. 
Stadt und Schloß Heimsheim (Heimfen) fpielten im Schleglerfrieg eine 
Rolle. (Ein Heinrich von Heimsheim kommt 1263 aud als Pforzheimer 
Bürger vor.) 

Bon Gliedern anderer Adelsgefchlechter der Umgegend, die (in 
Hirſchauer Urkunden) fhon im 11. und 12. Jahrhundert genannt wer- 
den, aber jehr bald wieder ausgeftorben zu fein fcheinen, möge bier noch 
eines Helwinus von Bilfingen, eines Birtilo von Brößingen 
und 1075 eines Buob von Grunbad Erwähnung gefchehen. 


$ 3. Innere Verhältniſſe Pforzheims. 
(Schultheißen, Stadtrath, ftädtifhe Abgaben, Klöfter ıc.) 


Ueber die innern Verhältniſſe Pforzheims zur Zeit des Anfall an 
Baden und unter der Regierung Hermanns V. und Rudolfs J., alfo 
im Laufe des 13. Fahrhunderts, läßt fich im Allgemeinen nicht viel 
Ausführliches angeben, da die Quellen noch immer ſehr fparjam fließen. 
Indeſſen geftatten manche noch vorhandenen Urkunden, ſowie verfchiedene 
furze Notizen, denen wir da und dort in Ältern und neuern Gefchichte: 
werfen begegnen, wenigitens einige Anhaltspunkte. 

Es iſt bereis gejagt worden (©. 47), daß Pforzheim ſchon zur 
Pfälzer Zeit feinen eigenen Schultheißen beſaß. Welches der Geichäfte- 
freis desfelben war, wird im zehnten Kapitel ausführlicher auseinander 
gejegt werden. Es gemüge hier einftweilen die Bemerkung, daß der 


Siebentes Kapitel, Pforzheim im 13, Jahrhundert. 71 


Schultheiß ohne Zuthun der Gemeinde vom Fürſten ernannt wurde. 
Doch fiel dabei feine Wahl meiſt auf angeſehene Bürger der Stadt 
jelber. Der Schultheiß führte im Gericht der Stadt im Namen des 
Fürften den Vorſitz, wie in der Folge Namens ber Stadt im Rath ber 
Bürgermeifter. Deswegen beginnen auch alle ältern Erlaſſe der ftädtifchen 
Dberbehörden mit der ftändigen Formel: Wir Schultheig, Bürger: 
meifter, Gericht und Math der Stadt ꝛc. Später wurde das Amt des 
Schultheigen einem jeweiligen Beamten übertragen. | 

Um die Mitte des 13. Jahrhunderts, nod zur Zeit Herrmanns V. 
und vielleicht ſchon, als Pforzheim badiſch wurde, bekleidete jenes Schult- 
beigenamt Erlewin Liebener. Er gehörte einem angejehenen Patri— 
ciergefchlecht der Stadt an, wird in manchen wichtigen Urkunden als 
Zeuge aufgeführt und darin Häufig vor andern Adeligen genannt. So 
fommt er am 25. März 1240 bei einer Schenkung des Pforzheimer 
Bürgers Wernher an das Klofter Herrenalb vor; ferner bei einer 
Schenfung, welde die Söhne Herrmanns V. ihrer Mutter im März 
1245 machten, um fie in den Stand zu jeßen, den Bau des Kloſters 
Lichtenthal zu vollenden; jodann im Juli 1246 in einer Urkunde, laut 
welcher Biſchof Heinrich II. von Speier und das Domkapitel dafelbit die 
eben erwähnte Schenkung betätigen, und endlich 1256 in einer weitern 
Urkunde, nad) welcher die Mönche von Herrenalb einen Theil des Zehn: 
tens zu Dietenhaufen an fich gebracht. Daß Liebener auch ein reicher 
Mann geweſen fein muß, geht daraus hervor , daß er im Jahre 1257 
in feinem Teftamente feine Güter in der Altftadt dem Nonnenklofter der 
Dominikanerinnen in Pforzheim vermachte, daß er am 26. Januar 1259 
dem Klofter Maulbronn em Gut zu Königsbach fchenkte, wobei die 
Brüder Reinhard und Ludwig von Liebenzell, von denen er es gekauft 
hatte, fich verbindlich machten, das Klofter in ruhigem Befib davon zu 
lafjen, wenn fie noch 25 Pfund Heller von Erlewin erhielten; — und 
daß er gemeinschaftlich mit feiner Frau Mechthild vom fteinernen Haus 
am 22. Juni 1259 ein Hofgut vor dem Grötzinger Thor zu Durlad) 
kaufte, das letztere nah dem noch im nämlichen Jahr erfolgten Tode 
ihres Gemahls dem Kloſter Herrenalb ſchenkte. Als Zeugen find in 
der Schenkungsurfunde unter Andern aufgeführt: Godibertus, Kleriker 
von Wizinftein und Hugo, Priefter von Brediheim (Brögingen ?). 

Auf Schultheiß Liebener mochte wohl unmittelbar Schultheiß 
Friedtich gefolgt fein, der am 22, Februar 1290 einen Vermächtniß— 


72 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13, Jahrhundert. 


brief des Priefters Konrad von Neibsheim beglaubigt. Inı Jahr 1292 
war bereits Heinrih von Steimar an feine Stelle getreten, welcher 
am 12. März j. J. eine Urkunde ausjtellt, laut welcher der Priefter 
Eberhard, Sohn Albert Liebeners, dem Kloſter Herrenalb eine Schen: 
kung macht. Wichtiger ift ein anderes Schriftftüd vom Dezember 1295, 
weil daraus hervorgeht, daß unter dem Schultheißenamt Steimars be: 
veits zwölf Bürger der Stadt als Gefhworene oder als Stadträthe 
gewählt waren. Mit ihnen erfahren wir auch verſchiedene Namen der da: 
maligen Patriziergefchlechter in Pforzheim (ſiehe unten). Sie hießen: 
Steimar der Ältere, Heinrih v. Durlach, Berthold, Sohn 
Gozolds, Albert Weife, Gotbold Weiſe, fein Bruder, — 
Erlewin, genannt Rümmelin, Gozzold Liebener, Heinrich 
Rovte, Walther v. Vaihingen, Eberhard Steimar, Hein: 
rich, Sohn Kunos — und Boldmar, 

Welche immern ftädtifchen Einrichtungen Pforzheim im 13. Jahr: 
hundert ſonſt befaß, ift im Einzelnen ſchwer zu ermitteln. Wenn Mart: 
graf Rudolf 1258 das Klofter Maufbronn von Entrichtung des „Zolles 
und Ungelts” zu Pforzheim befreite; wenn ferner Markgraf Friedrid) 
dem in der Stadt wohnenden Echaffner des Kloſters Herrenalb mit 
Zuftimmung der Bürger eine ähnliche Befreiung von ftivre (Steuern) 
bete (Grund und Gewerbfteuer), vsziehen (Ausziehen), bureſchaft 
(Bürgihaft), wahtphennige (Machtpfennig), torlon (Xhorlohn), 
rovbbete (Maubbete), überhaupt von allen Bürgerleiftungen, Ab: 
gaben und fonftiger Dienftbarfeit gegen alleinige Entrihtung von jährlichen 
5 Pfund Heller angedeiben ließ, jo geht daraus hervor, daß in Pforz: 
beim dergleichen Abgaben damals erhoben worden find. Auch der 
Zehnten fpielte eine wichtige Nolle, und befand fich das Recht zur 
Erhebung desjelben nicht nur in den Händen des Adels und der Klöfter ꝛc., 
fondern ging durch Kauf auch vielfach an Privatperfonen über, So kaufen 
die Brüder Wernher, genannt Hopphin von Pforzheim, den Zehnten 
an der Straße nad) Vaihingen von Wernher von Roffewac und feiner 
Frau Elifabetb am 23. Juni 1279 um 100 Pfund Heller; fo finden 
wir ferner, daß im Jahr 1295 (18. Nov.) Heinrich Hopfen (vielleicht 
der Sohn eines der eben Genannten) und feine Frau Ellinde dem 
Klofter Herrenalb neben einem halben Hof zu Hochdorf aud die Nutz— 
nießung des achten Theils des dortigen Zehntens ſchenken ꝛc. 

Haben wir oben geſehen, daß Markgraf Rudolf ſich wohlwollend 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13, Jahrhundert. 13 


gegen das Klofter Maulbronn bewies, jo können wir dasjelbe auch von 
einigen Bewohnern Pforzheims fagen, wie denn bereits einer Schenkung 
des Scyultheigen Erlewin Liebener an diefes Klofter erwähnt wurde. 1) 
Am 8, Dftober 1266 übergibt Mengozo, Bürger zu Pforzheim, dem 
Abt und Konvent in Maulbronn alle feine Gefälle bei Pforzheim um 
9 Pfund Heller, Am 411. September 1291 vermacht Wortwin 
(MWörtwein), Rektor oder Dekan der Kirche zu Pforzheim, dem Klofter 
Maulbronn 30 Schilling Heller und 21/, Ohm jährlichen Weingefälle 
in Kürnbach, auch 13 Ohm Wein und 4 Quartalien in Gindertbach 
zu einem Jahrestag, der mit weißem Wein, Waizenbrod und Fiſchen 
begangen werden fol. Am 27. Sanuar 1293 vermacht Neinlind, 
MWittwe des Konrad Zehner in Pforzheim dem nämlichen Klofter ein 
Haus zu Speier in der Herdgafie und 4 Morgen Weinberg in Dür- 
renzimmern. 

Das Kloſter Maulbronn, deſſen um das Jahr 1140 erfolgter 
Gründung bereits (S. 49) gedacht worden iſt, gelangte nach und nach 
zu ſo reichem Beſitz, daß es an mehr als hundert Orten begütert war. 
So gehörten ihm u. A. Güter, Rechte und Gefälle im württembergiſchen 
O. A. Maulbronn (in den Orten Dürrmenz, Enzberg, Illingen, Mühl— 
acker, Oelbronn, Oetisheim, Wiernsheim, Wurmberg), in den Oberäm— 
tern Beſigheim, Brackenheim, Heilbronn, Leonberg, Mergentheim, Neuen: 
bürg, Stuttgart, Vaihingen, im jebigen Großherzogthum Baden in 
den Aemtern Bretten, Bruchfal, Bühl, Carlsruhe, Durlach, Eppingen, 
Pforzheim (in den Orten Pforzheim mit Kollaturrecht, [vergl. unten] 
Bauſchlott mit Kollaturredyt der Frühmefje, Düren, Kiefelöronn, 
Niefern, Oeſchelbronn), Philippsburg, EC chwebingen ; außerdem in der 
Pfalz noch viel Eigenthum. Im Befib des Klofters war auch ſchon 
1285 der Wald Hagenfhieß, (wenigftens ein Theil davon), über 
welchen damals zwijchen dem Klofter und den Herren von Enzberg ein 
Streit entftanden war. Derfelbe wurde dahin entſchieden, daß dem 
Klofter der Hagenſchieß gehöre; doch follten die von Enzberg das echt 
haben, unter Aufficht des Klojters zum Bau von Speichern in ihrer 
Burg tannene Dielen daraus hauen zu laſſen. Ein ähnlicher Streit 
entftand fpäter 1324 wegen des Hagenfchießes mit den Herren dv. Steined, 


1) Vergleiche hiezu die Negeften in Klunzingers Gechichte von Maul: 
bronn, S. 1541, 


74 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13, Jahrhundert, 


der im Mey des Vergleichs (S. 69) ebenfalls zu Gunften des Klofters 
feine Entfcheidung fand. — Noch mag hier. bemerkt werden, daß die 
Wappen der Eden, welche Maulbronn begabten, dort großentheils noch 
zu jehen find, fo aus unferer Gegend die der Herren von Dürrmenz, 
. Enzberg, Königsbach, Niefern, Remchingen, Roßwag, Lomersheim, Vai: 
hingen, Weißenſtein ꝛc. 

Solche Schenkungen an Klöſter lagen im Geiſte der damaligen 
Zeit, die gegen Kirchen und Klöſter im Allgemeinen ſehr freigebig war. 
Man gab Güter hin für ſein und der Seinigen Seelenheil, für ein 
Begräbniß in der Kirche, bei eigenem Eintritt in ein Kloſter, für ein 
aufgenommeues Kind, für ausgewirkte Abſolution, vor Antritt eines 
Kreuzzuges und dgl. Wie viel ächte Frömmigkeit dabei mitwirken 
mochte, mag hier ununterſucht bleiben. So viel iſt gewiß, daß Mancher 
ſich durch derartige Gaben und Vermächtniſſe mit ſeinem Gewiſſen am 
Beſten abfinden zu können glaubte. 

Wurden Schenkungen von Pforzheimer Bürgern vielfach an aus— 
wärtige Klöſter gemacht, jo hatten ſich auch die Klöſter der Stadt ſelbſt 
gleicher Gunft zu erfreuen, Zu dem ſchon 1150 gegründeten der 
Cifterzienferinnen kamen im Laufe des 13. Jahrhunderts auch die Klöfter 
der Dominitanerinnen, der Franziskaner und der Domini: 
taner, 

Der Drden der Dominikaner, oder der Mönche und Frauen 
des Predigerordens, welcher zu Anfang des 13. Jahrhunderts (1206) 
dur den Baftilianer Dominitus Guzmann geftiftet wurde, fand fchnell 
große Verbreitung, und ſchon um 1250 muß den Do minifanerinnen 
ein Klofter in Pforzheim gebaut worden fein, Zum erften Mal geichieht 
desfelben 1257 bei einer Schenkung Erlewin Liebeners Erwähnung 
(S. 71). Sodann kommt e8 wieder in einer Urkunde vom Jahr 1265 
vor. Die Gebäulichkeiten diefes Klofters, welches auch oft das Frauen: 
Hofter zu Maria Magdalena oder der Büßerinnen heißt, be 
fanden ſich da, wo jeßt die Heil: und Pflegeanftalt fteht, und zwar da— 
mals und jpäter noch außerhalb der Stadtmauer („vswendik der more"). 
Das Kloſter der Dominikanerinmen erwarb ſich nach und nad) ver: 
fchiedene Güter und gelangte dadurch bald zu bedeutendem Beſitz. Co 
verkaufte Graf Konrad von Vaihingen den großen Zehnten dafelbft am 
30, Zuni 1265 an bejagtes Klofter, fo übertrug am 26. Oktober 1269 
der Geiftlihe (decanus) Gottfried von Vehingen (Vaihingen) feinen 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 75 


Antheil am Zehnten zu Baihingen an das Frauenklofter vom Orden 
der Büßerinnen bei (apud) Pforzheim. Unter den Zeugen erfcheinen 
in der betreffenden Urkunde außer einigen Bürgern von Pforzheim auch 
Gottebreth von Weißenſtein, Rektor der Kirche zu Breccingen 
(Brögingen) und Heinrih, Pfarrer (plebanus) von Kuffelbrunne 
(Kiefelbronn); jo geftatten ferner am 28. Juli 1287 die Grafen Kon: 
vad und Heinrich von Vaihingen dem Frauenkonvent des Predigerordeng, 
unter gewiſſen Vorbehalten eine Hofftatt zu Vaihingen zu kaufen ꝛc. — 

Die Franziskaner (bier auch Barfüßer, Minoriten, mindere 
Brüder,) deren Orden 1209 vom heiligen Franziskus von Aſſiſi geftiftet 
wurde, fiedelten fich im Jahr 1270 in Pforzheim an, und vier Jahre 
nachher wurde ihnen bereits eine prächtige Kirche gebaut, die mit einem 
in gothiſchem Styl aufgeführten Thurm gefhmüdt war. Das Franzis: 
fanerflofter ftand da, wo ſich jest die Taubjtummenanftalt befindet, und 
noch ift das Chor der Kirche erhalten und wird zu den Gottesdienften 
der katholiſchen Gemeinde benutzt. Auf die Gründung dieſes Kloſters 
war ficher die Anweſenheit des berühmten Franzistaners Berthold (Lachs) 
von Regensburg (+ 1272) in Pforzheim nicht ohne Einfluß. Dieſer, 
eis feuriger Redner, der überall herumreifte, durdy die überwältigende 
Macht jeiner Worte rohe Gemüther erjchütterte, die Ablaßprediger bes 
fümpfte, als riedengftifter auftrat und auf eine Verehrung Gottes im 
Geift und in der Wahrheit drang), predigte im Oktober 1259 unter 
ungebeuerm Zulauf aud in Pforzheim ?), und «8 liefert einen fchönen 
Beweis von der eindringlichen Gewalt feiner volfsthümlichen Rede, ſowie 
von feiner Wirkſamkeit als Triedensapoftel, daß er den Ritter Ludwig 
von Liebenzell zu bewegen verftand, von feinen langjährigen Feindſelig— 
keiten gegen die verwittwete Markgräfin Irmengard abzulaffen und fi 
nicht nur bezüglich einer ZJehntabtretung an das Klofter Lichtenthal dem 
Ausſpruch eines Schiedgerihts zu fügen, ſondern auch diefen Kloſter 
das Patronatsrecht der Kirche zu Iffezheim mit allen anklebenden 


1) Hafe, Kirhengeichichte, 3. Auflage, S. 338, und Kling, Berthold des 
Sranzisfaners Predigten (Berlin 1824). 

2) Schon 3 Jahre vorher war er aud in Konftanz aufgetreten. Die 
Konftanzer ZJahrbücer (in Mone, bad, Arhiv IE. 193) enthalten darüber 
folgende Notiz: „Anno Domini 1256 Brediet Bruoder Berchtolt ze Eoftenk 
zem erften.“ 


76 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 


Rechten abzutreten. 1) Auch diefes Klofter erwarb fi) im Laufe der 
Zeit anfehnliche Beſitzthümer, was fpäter den Mönchen nicht zum Vor: 
theil gereichte, So finden wir, daß Wernher von Roſewach und feine 
Frau, eine geborne v. Sternenfels, am 30. Juni 1284 demfelben 
einige Befitungen in Urach ſchenkten, während Letzteres mieder feinerjeits 
diejenigen Befitungen, welche ihm daſelbſt von Albert won Urach zuge: 
fallen waren, im April 1291 dem Klofter Herrenalb übergibt ıc. Aus 
leßterer Urkunde erfahren wir auch, daß der damalige Guardian (Abt) 
des Kloſters Dietrich hieß. Der Urkunde ift das Klofterfiegel (in 
bräunlichgelbem Wachs an Pergamentftreifen) angehängt. Cs läßt ſich 
darauf, Jo weit es noch übrig, ein Engel mit einer Fahne tiber dem 
Fegfeuer erkennen. 

Dis Dominifanerflofter, auch Prebigerkloſter zu 
St. Stephan, wurde an die Stelle gebaut, wo fich jett die beiden 
Schulhäufer und der Schulplat befinden, Es fcheint dies im Jahr 
1279 gefchehen zu fein; denn damals bewilligt Markgraf Herrmann VII. 
den Predigermönden, in Pforzheim ein Haus (d. 5. ein Klofter) zu 
bauen. Dieſes Klofters ift in einer Urkunde des Klofters Nechenshofen 
von 1336 als beftehend zum erften Mal beftimmte Erwähnung gethan. 
Am Jahr 1340 ftiftete Mechthild, Witte des Heinrich Not, einige 
Pfründen in diefes Klofter. Bei der Aufzeichnung der geiftlichen Pfrün— 
ben und Gülten, welche 1580 ftattfand, war der ältefte noch vorhandene 
Kapitalbrief 1348 ausgeftellt. Diefes Klofter gelangte überhaupt bald 
auch zu großem Befitthum, (Mäheres weiter unten.) 

Einer eigenthlimlichen Beftimmung bezüglich der geiftlichen Güter 
begegnen wir im Jahr 1287 (30. März). Diefelben waren nämlich 
in der Negel frei von Abgaben und Dienftlaften. Dadurch entging der 
Herrfchaft ein Bedeutendes an Steuern, ebenfo den Gemeindeeinnahmen, 
was den Bürgern um fo empfindlicher fiel, als die Gemeindelaften, 
namentlich auch die perfönlichen Leiſtungen an Frohnden, Wachten ıc., auf 
das Grundeigenthum gelegt waren. Die Bürger von Pforzheim, in deren 
Gemarkung ſehr viele Kloftergüter lagen, fuchten fich Erleichterung zu ver: 
ichaffen, und wußten den Markgrafen Herrmann VII. der vermuthlich ein 
Anlehen bei der Stadt machen wollte (S. 57), als Bedingung desfelben, die 


1) Vergl. das Urkundenarchiv des Klofters Lichtenthal in Mones Zeit: 
ſchrift VII, 95 umd die von Dambacher gemachte Bemerkung. 


Siebentes Kapitel, Pforzheim im 13. Jahrhundert. 77 


wahrſcheinlich dem Markgrafen ſelbſt nicht unerwünſcht war, zu einem Erlaß 
zu bewegen, durch welchen eine Verminderung der Güter in todter Hand 
verfügt und den Klöſtern aufgegeben wurde, all ihr liegendes Eigenthum 
auf Pforzheimer Gemarkung binnen Monatofriſt zu veräußern, Dadurch 
war aber den Klöftern auch wieder eine Begünftigung gewährt. Wurden 
isre Güter zum Verkauf ausgefest, jo konnten diefe die Bürger aller: 
dings erwerben ; thaten leßtere dies aber nicht, jo Fonnten fie fich in der 
Folge auch nicht mehr über Schmälerung ihrer Gemeindeeinnahmen be: 
Hagen.?) 

Außer den Klöftern und ihren Kirchen begegnen wir in dieſer 
Periode wiederholt auch der Kirche zu Pforzheim. Ob damit die 
Kirche der Altftadt oder die Schloßkirche gemeint it, weiß ich nicht. 
Vielleicht die erftere, da die Schlofirche noch im folgenden Jahrhundert 
als Filial der Altftadtfirche bezeichnet wird. In einer Urkunde von 1240 
fommt ein Morhard, Proviſor der Kirche zu Pforzheim vor. In 
einer andern von 1277 finden wir einen Dekan „„Wortwinus“ (Wört: 
wein) als Zeugen aufgeführt. Daß derfelbe 1291 eine Schenkung an 
Maulbronn machte, ift ſchon (S. 73) erwähnt worden. In einer 
weitern Urkunde von 1282 wird bereits au die St. Nikolauska— 
pelle in der Altitadt genannt. Diejelbe lag neben dem Hirſchauer 
Hof, von welchem ©. 41 die Rede geweſen. 


$4 Umfang, Ausfehen, Cheile, Mamen und Siegel der Stadt, 
Eine Spracprobe aus dem 13. Jahrhundert. 


Treudig war Pforzheim, nachdem aus dem Flecken eine Stadt ge: 
worden, berangeblüht, und es erfcheint fhon im 13. Jahrhundert neben 
Baden als der bedeutenöfte Ort der Marfgraffchaft, der mit Mauern, 
Zwinger, Wall, Graben und Thürmen verjehen und vermöge folder 
Befeftigung zu einer Zeit, wo das Schiekpulver noch nicht erfunden war, 
jedem feindlichen Anfall trotzen konnte. Es ift ſehr wahrſcheinlich, daß 
die Befeftigungswerke, deren Reſte fich bis auf unjere Zeit erhalten 
haben, wie z. B. die zwei alten Thürme in der Aue, der vieredfige 
Thurm bei Kupferſchmied Machlet, die an verfchiedenen Stellen noch 


1) Vergl. die Bemerkungen von Dambadher in Mones Zeitihrift, II. 
236 ff. 


78 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13, Jahrbunbert. 


vorhandene Stadtmauer ꝛc., lettere wenigftens zum Theil, aus dem 
13. Jahrhundert ſtammen. 

Ein recht ſtattliches Ausſehen, das ſich auch in den folgenden Jahr— 
hunderten wenig veränderte, mochte Pforzheim ſchon damals gewähren 
mit feinen eben erwähnten Befeſtigungen, ſeinen Mauer: und Thorthürmen, 
wozu auc noch die Thürme mehrerer Kirchen kamen, die, wie aus dem 
Borhergehenden erfichtlic, damals ſchon gebaut waren, namentlic aber 
auch mit feinen drei Vorftädten, deren Namen ſchon in fehr früher Zeit 
vorkommen. Die Altjtadt, die, mie bereits erwähnt, älter als die eigentliche 
Stadt ift und darum nicht, wie die Brößinger Vorftadt, erft angebaut 
wurde, war von jener ganz getrennt, da der Zwiſchenraum zwiſchen Stadt 
und Altſtadt, alfo das fpätere ſog. Pfläfter (jet Sophienſtraße), damals 
noch nidyt überbaut war, hatte eigene Mauern und Thore, und war 
überhaupt die Altftadt nicht in dem engen Verband zur eigentlichen 
Stadt, wie das heut zu Tag der Fall. In dem Teftamente bes 
Schultheißen Erlewin Liebener von 1257, worin er den Pforzheimer 
Nonnen Güter vermacht, ftehen die bezeichnenden Worte: In veteri 
eivitate juxta Phorzhein, d. h. in der alten Stadt bei Pforzheim. 
Noch im Jahr 1352 finden wir Konrad den Weingärtner, Wortwin 
den Weber und Konrad den Schopperer als befondere Richter der Alt- 
ſtadt bezeichnet. Die Altitadt fcheint früher auch größer als jetzt ge 
weſen zu fein und erſt im SOjährigen Krieg nicht nur ihre Befeftigungen, 
fondern auch viel von ihrem Umfang verloren zu haben. Aber auch 
damals noch finden wir immer noch einen befondern „Viertmeiſter“ der 
Altſtadt. Wie die Altftadt, fo waren auch die Aue und die Brösinger 
Vorſtadt mit befondern Befeftigungsmwerken verſehen. Jene iſt ſehr alt, 
was ſchon der Umſtand beweiſt, daß viele der älteſten Familien der 
Stadt aus der Aue abſtammen. Die Brötzinger Vorſtadt wird zum 
erſten Mal 1323 genannt. (Siehe unten.) 

Wenn Markgraf Rudolf I. feine Reſidenz, mit Baden und Eber— 
ftein abwechſelnd, zu Pforzheim hatte, jo kann daraus dev Schluß ge: 
zogen werden, daß in letzterer Stadt damals auch ſchon ein fürſtliches 
Schloß erbaut war. Jedoch fehlen alle fichern geſchichtlichen Nachweiſe 
über die Zeit der Erbauung eines jolhen. Der Name Schloßberg 
fcheint indeß erſt fpäter aufgefommen zu fein, da wir denjelben 1383, ja 
noch im 16. Jahrhundert als „Kilchberg“ oder „Kirchberg“ bezeich— 
net finden. Bon jonftigen Häufern und andern einzelnen Theilen der Stadt 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert, 79 


finden wir in alten Urkunden) erwähnt: „Des Liebeners Hof“ 
in der Altſtadt 1257 und 1284, das „Haus des Blochelins“ 1256, 
ein „Frauenthor“ (porta dominarum) 1290, — und endlich außer: 
halb der Stadt: „des Kürfhners Wingert“ (vinea pellificis) 1284. 

Was den Namen betrifft, den Pforzheim im 13. Jahrhundert 
trug, jo begegnen wir am bäufigften der Schreibweife Phorzbein, 
und da dieſelbe auch in dem damaligen Stadtfiegel vortommt, fo muß 
fie als die offizielle und richtige betrachtet werden, 

. Diefes Stadtfiegel, das fi, in Wachs abgedrüdt, an vielen Urkun— 
den des 13., 14. und 15. Jahrhunderts, das erſte Mal 1256 an einer 
Herrenalber Klofterurfunde vorfindet, ift vund, zeigt, wie aus der bier 
befindlichen Abbildung zu erjehen ift, einen dreiedigen, gewölbten Schild 





mit dem badifchen Schrägbalten und der Umſchrift: SIGILLVM CIVIVM 
IN PHORZHEIN, b. h. Siegel der Bürger in Pforzheim. 

Bei der ſchwankenden deutfchen Orthographie jener Zeit, die natür- 
ih noch Feine allgemeine war, jondern immer nur den betreffenden 
Mundarten, diefen in der Negel aber mit größter Treue entſprach, darf 
e8 ung nicht wundern, wenn wir noch auf verfchiedene andere Schreibweifen 
des Namens der Stadt ftoßen. So wird diefelbe in der oben erwähnten 
Pfälzer Urkunde von 1195 „Phorceim”, in einer andern aus jener 


1) Meiftens Herrenalbern. 


80 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 


Zeit „Porzeim“ (S. 48) genannt. In den Jahren 1256 und 57 
finden wir neben der richtigen Schreibweife auh Phorzheim, Phortzeim 
und Phorcezen, 1266 Phorſhleim, 1279 und 1284 au Phorz- 
bain, 1287 neben Phortzhein auch Pforzein, und tritt im folgen: 
den Jahrhundert neben dem Ph das Pf immer häufiger auf. Wir 
finden diefen Webergang auch bei andern Ortsnamen, fo 3. B. bei 
Poren (bei Donanefhingen), das in Urkunden aus dem 9. Jahrhundert 
unter dem Namen Forra, Phora, Phorra vorkommt. 

As Probe der damaligen Spradye unferer Gegend möge die 
ältefte deutſche Urkunde des Klofters Herrenalb bier ftehen. Sie 
it vom 28. Juni 1287. Alle Altern Urkunden, ſowie auch viele fpätern, 
find in lateinischer Sprache abgefaßt. Doc begann im 13, Jahrhun— 
dert die deutſche Sprache fi) nach und nad daneben geltend zu machen. 
Das erfte befannte Beifpiel, daß ein König, Konrad IV., eine Urkunde 
deutfc) »ausftellte, ift vom Jahr 1240. Zu beflerm Verſtändniß unten: 
ftehender Urkunde muß bemerft werden, daß die Grafen Conrad und 
Heinrih von Waihingen darin dem Frauenfonvent des Predigerordeng 
in Pforzheim zwar” geftatten, das darin bezeichnete Eigenthum in Vai— 
hingen zu Kaufen und frei zu befiten; aber von andern Gütern, die fie 
noch in Bau nähmen, müßten fie Bete geben; ohne Benilligung der 
Grafen follten fie feine neuen Güter erwerben; Güter, die ihnen ge- 
ſchenkt würden, follten fie den Grafen oder ihren Bürgern binnen Jahres: 
frift zu kaufen anbieten ıc. Man fieht daraus, daß. die Grafen von 
Baihingen zu ganz Ähnlichen Maaßregeln wie Markgraf Herrmann VII. 
griffen, um ſich ihre Einkünfte an Steuern nicht fchmälern zu laſſen. 

„Wir grade Cuonrat und grave Heinrich von Veihingin duen Hunt 
allen den, die diien brief horent leſen, daz wir den frouwen von dem 
conuente der predier ording ze Pforzein mit bedadhtem muote und mit 
vnſerm ganzem willen und vnſerre erben han erlonbet zefoufenne eine 
houeftat ze Vaihingen, da fie mugen vf gebumwen ain büs, ain fehiw: 
ern, vnd ain Gäden, 1) daz fie in der houereit iv zehenden, ir wagen, 
und ir Farreche mugen geftellen, vnd ſol div felbe honereite vri fin, ez 
fi deine, daz fi ander guot buwen, egger, wifen, oder garten, der fol 
bete geben von ir wegen vnd won finen wegen nach dem guote, az er 
denne buwet. Sie fuln auch dehein guot furbaz me da gewinnen, wan 


1) Hier wohl Schopf, Schuppen. 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 81 


mit vnſerm willen. geminnent fie ez dar vber, jo fuln wir, oder vnſer 
erben der ſelben guotes onderwinden. ft aber, daz in Albreht Kalt: 
ifen durch got, oder zekovfe dez felben zehenden dailit 1) git, daz fol in 
dem felben rehte fin, alfe da vor geſchriben ſtat. Furbaz me ift, daz 
man im durch got deheinerflahte?) guot da git, daz fuln fie in der jars 
vrifte uns, oder vnſern burgern geben ze kaeufe. Die vor geſprochen 
frovwen vergebent ovch des mit vns am difen gegemmartigen briefen, 
daz fi durch vnſer liebe, und durch vnſer bete ſuln begen aller vnſerre 
pordern järgezit, vnſer felbes, vnd aller vnſerre nach kumen an dem 
fritage vor dem palme tage. Diz fint die gezuge, die an vnſerme 
dinge 3) waren, die da nach gefchriben ftant: ber Albert der Firchere 
von Beihingin, Heinrich der Fircherre von Sarweſhein, Guonrat von 
Sterrenvelz, Volrih von MWefingin, Heinrih von Remihingin, Lodewie 
und Stofelin von Horhein, dar nad die rihter von Vaihingin, Albreht 
Kaltifen, Dietmar, Cuonrat der Smit, Anjelm von Damme, und ander 
biderbe livte, die dar an waren. Daz diz ftete belibe vnd fefte, dar 
vmbe han wir vnſer jnfigel, des marcgrauen Hermans von Baden, vnſers 
iwefter mannes graue Eberhardes von Tuwingen, der rihter von Spire, 
der vor gefprochen frovwen, hern Dietrihes eins ritters von Lomerfbein, 
und des von Enziberg bern Cuonrat, an difen gegenwartigen brief ge 
bentet. Diz geſchach, da von gotes geburte waren dufent jär, zewai 


hundert jar, vnde fiben und achizig jar, an dem Mendage nad) fante 
Jacobs dage.“ 


85. Pforzheimer Geſchlechter. 


Es it bereits (©. 71) angedeutet worden, daß Pforzheim eine 
Anzahl patriziſcher Gefchlechter beſaß, die fich‘ durch ihren Neichthum 
auszeichneten. Es find dazu einige Erläuterungen nothwendig. Man 
muß im Mittelalter zwijchen einem Land: und einem Stadtadel unter: 
ſcheiden. Jener wohnte auf feinen Burgen, diefer in den Städten und 
bildete hier den angefehenften Theil der Bevölkerung. Man findet diefe 
Erfheinung im vielen Altern Orten. In den Händen diefes Stadtadele 
oder der Patrizier, die man Häufig auch einfach „Geſchlechter“ oder 


1) Getheilt, nur in Theilen. 
2) Keinerlei. 

) Berhandlungen. 

Pflüger, Pforzheim. 6 


82 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 


„Hausgenoſſen“ hieß, und die aus militärifchen Beſatzungen der Städte 
von frühern Jahrhunderten, in Pforzheim vielleicht fchon von der Calwer 
Zeit, hervorgegangen fein mochten, lagen alle Theile der obrigkeitlichen 
Gewalt, und e8 wurde forgfältig darüber gemacht, daß fich kein Unberufener 
eindrängte, Als ſich aber in manchen Städten nach und nad) die Korporatio- 
nen der Zünfte bildeten und diefe am jtädtifchen Regiment ebenfalls ihren 
Antheil beanipruchten, Fam es vielfach, fo 3. B. um 1330 in den Städten 
Speier, Worms und Mainz, zu Zunftempörungen, wodurch die Regie— 
rung der Patrizier geftürzt wurde und die Vertreter der Fünfte die 
Gewalt an fi riſſen. Ob Aehnliches auch in Pforzheim gefchah, ver: 
mag ich nicht zu fagen; wohl aber ift daraus, daß wir Glieder patri- 
zifcher Gefchlechter no im 15. und 16. Jahrhundert fortwährend obrig- 
feitliche Stellen befleiden fehen und neben ihnen auf Handwerker als 
ihre Kollegen ftoßen, dev Schluß zu ziehen, daß die Gewalt fpäter eine 
geteilte war. Die Geſchlechter wermifchten ſich übrigens in der Folge 
fo jehr mit den anderen Bürgern, daß der Unterſchied wegfiel und man 
nur noch zwifchen Bürgern (darunter der frühere Adel) und Nichtbirgern 
unterfchied. Das Aufzählen der vwornehmjten und bekannteſten jener 
frühern Patriziergefchlechter mag der Jufanmenftellung der Namen von 
fonftigen Bürgern vorausgehen, wobei der Bollftändigfeit wegen in der 
Zeit fowohl etwas zurück- als vorwärtsgegriffen werden muß. Noch ift 
zu bemerken, daß ſich das Andenken mancher Glieder diejer Patrizier: 
gefchlechter in Grabfteinen erhalten hat, die ſich in der Schloßfirche vor: 
finden, welche Begräbnißftätte, im Vorübergehen gejagt, auch wieder ein 
Beweis für den höhern Stand ift, dem die Betreffenden im Leben an: 
gehört haben. 
Ktebener, _ | 

Des Schultheißen Erlewin Liebener ift bei den Jahren 1240, 
1246, 1256, 1257 und 1259 bereits gedacht worden. Seinen hohen 
Stand mag das beweifen, daß er 1245 als Zeuge vor dem Ritter 
Kymo von Baden und im gleichen Jahr und im gleicher Eigenfchaft vor 
Konrad Schenk von Winterftetten genannt wird. Wir finden im 13. 
und 14. Jahrhundert noch mehrere dieſes Gefhlechts, jo 1256 einen 
Eberhard L., 1265 Heinrich L., 1275 Eberhard 8, (älteſter Grabftein 
in der Schloßfirche, 1) wahrfcheinlich der nämliche 8, wie 1256), 1292 

1) Er fteht an der Wand einer Seitenkapelle, und find Name und Jahr— 
zahl noch Teicht zu entziffern. 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 83 


wieder einen Eberhard und einen Albert %., 1295 Gozold und feinen 

Sohn Berthold L., 1339 Albert L., 1380 Gozold 8, Für den Reich: 

thum der Liebener zeugt, was oben bereits davon gejagt worden ift, 
Weiß (Meife, Weiſo, Waife). 

Die Weiß find ein uraltes Pforzheimer Geichleht. Schon in einer 
Urkunde von 1179 kommen ein Udalrieus und ein Herrmann Meiie, 
wabrjcheinlid von Pforzheim, mit der Bezeichnung ingenui viri, d. h. 
freigeborene Männer, vor, Erſterer wird auch 1186 wieder als Zeuge 
in einer andern Urkunde genannt, worin Kaiſer Friedrich I. Barbarofja 
den Verkauf von Gütern in Dertingen an Herrenalb beftätigt. Ferner 
finden wir von diefem Gejchleht: 1256 Albert W., 1234 Berthold, 
Albert und Gottbold W., 1295 Albert und Gottbold W, (als Stadt: 
räthe), 1302 Gottbold W., 1319 Sigfried W. und feine Frau Hedwig, 
eine Edle von Mönsheim, Albrecht, Trautwein und Gotthold W,, 1321 
Aldrecht, Erlewin und Gotthold W., 1328 Gotthold W., 1329 Heila 
W., 1336 und 1338 Sigfried W,, 1345 GSigfried und Werner W,, 
(Beide haben Antheil an Gräfenhaufen), 1352 Sigfried, Hartmann, 
Wilhelm W., 1358 Walther W., 1376 Priefter Wortwein W., 1383 
Wernher W. ꝛc. Bon dem ausgedehnten Befit und dem Neichthum 
der Weiß mag das zeugen, was unten noch über ihre Verkäufe und 
Vergabungen geſagt werben wird. 

Roth (Route, Rovte, Renten, Rotte, Rot), genannt Vai— 
hinger oder von Vaihingen. 

Ein Geſchlecht, das ſich bis in die neuere Zeit verfolgen läßt. 
Ein Heinrich, genannt Veyhinger, kommt ſchon 1259 vor; der nämliche 
als Heinrich von Vaihingen 1263 und 1265; ein anderer Heinrich 
Rovte (vielleicht auch derſelbe) iſt 1295 Mitglied des Stadtraths, ebenſo 
ein Walther von Vaihingen; 1328, 1332, 1347 und 1358 ſtoßen wir 
wieder auf einen Heinrich R., welcher in leßtgenanntem Jahr Schieds: 
mann in einem Streit zwifchen der Pfalz und. der Stadt Speier ift!); 
1358 kommen and ein Eucdarius und ein Günther R. vor; 1371 it 
Günther von Vaihingen unter den Pflegern des Franziskanerkloſters; 
1396 Heinz R. und fein Sohn, (verf. ein Haus ꝛc. in der Altftadt) ; 
1400 Konzlin und Heinrich Not; 1420 ein Johannes R., Priefter 
(Grabftein in der Schloffirhe), 1428 Petrus Roth, genannt Vaibinger, 





1) Lehmann, Speierer Chronik, 769. 


84 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert, 


(Grabftein ebendafelbft); 1431 Großhans R., Richter (verkauft 1/, des 
Zehntens zu Nußbaum an Herrenalb), 1442 Hans R., ein württem: 
bergifcher Lehensmann, 1468 Peter Not, genannt Baihinger; 1487 Hans 
R., Pfarrer zu Mönsheim; 1515, 1939 und 1544 Eucharius Bai- 
binger, 1552 Hans R., 1609, 1623, 1643 Ulrich R., genannt Vai— 
hinger, 1610 Bitus R., genannt Baihinger, Pfarrer von Dietlingen ; 
41676 Beter R., (Zeugmacher) ift letzte Spur diefes Geſchlechtes. Das 
Wappen desfelben fcheinen drei verfchränfte, mit den Spiten in fenkrechter 
Richtung zufammenftoßende Vierecke geweſen zu fein, 

Hopf, Goppho, Hopphin, Hopfen). 
Ä Diefes Patriziergefchlecht jcheint bald wieder ausgeftorben zu fein. 

Ein Eberhard H. ift z. B. 1256 Zeuge in einer Urkunde, welche die 

Gebrüder Berthold und Belreim von Weißenſtein ausftellen; derſelbe 
ericheint audy 1265 wieder; die Gebrüder Wernher, genannt Hopphin 
1279, ein Heinrih Hopfen 1295 :c. 

Imhof (im Houe, im Hove). 

Die Gebrüder Einhart und Günther (im Hove) kaufen 1279 die 
Dörfer Eutingen und Rieſch (2) von den Herrn von Roßwag. Ein 
Volkmar ift 1295 Stadtrath, wahrjcheinlih ein Imhof, denn diefer 
Name kommt bei diefem, Gefchleht noch mehrfah vor, fo 1319, 
1339 (Richter), 1347, 1396 (Richter); — 1321 erfcheinen ein Gün: 
ther J., 1354 eine Frau Mechthold, genannt die Einhardin im Hofe, 
ihre Tochter Pele, die Klofterfrau (jtirbt 1360 und wird in Maulbronn 
begraben), und ihre Schweftern, die Legelerin und die Rappenherrin, die 
aljo an Angehörige anderer Patriziergeſchlechter verheirathet waren. 

Legel (Legelin, Xegeler). 

1339 find Heinrich und Konrad L. Bürger und Richter in Pforz— 
beim; 1348 ift ein Kraft, genannt Legelin, Herrenalbifcher Klofterpfleger 
in Pforzheim, 1400 kommt ein Webel Legelin vor ıc. 

Rappenherr. 

Ein jehr veiches und angefehenes Geſchlecht, das aber erſt im 
14. Jahrhundert vorfommt, 1343, 1354 und 1356 begegnen wir einer 
Guta Rappenherr, von deren Reichthum ihre Verkäufe und Schenkungen 
von Gütern, Rechten ꝛc. an verichiedene Klöfter Zeugniß geben. (Siebe 
unten). Gie ftarb 1372 (Grabftein in der Schloßkirche) Im Jahr 
1345 verfauft ein Günther Rappenherr mit Sigfried und Wernher Weiß 
feinen Antheil an Gräfenhaufen um 414 Pfund Heller an Württemberg. 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 85 


Im Fahr 1380 kommt ein Dietrich Rappenherr vor; ein anderer Rap: 
penherr ift 1392 badifcher Kanzler. 1400 wird eines Conz Rappenherr 
erwähnt; 1429 ftarb Elsbeth, Tochter von Albert Wels und Gemahlin 
von Günther Rappenherr (Grabitein in der Schloßkirche); ein Johannes 
R. it 1434 und 1452 Pfarrer und 1452 ein Dietrih Rappenherr 
Vitar; 1460 ift ein Theodor R. Vicar des Michaelſtifts; ein anderer 
diejes Geſchlechts ericheint 1442 als württembergifcher Lehensmann ꝛc. 
Dieies Geflecht war auch in Weil der Stadt anſäßig und begütert. 
Unter den 1388 bei der Schlacht von Döffingen durch Graf Eberhard 
von Württemberg Gefangenen war auch ein Rappenherr von Wyl. Die 
Grabfteine der Rappenherre in der Schloßfirche find an dem Wappen 
mit 2 gegeneinander gekrümmten Fiſchen Tenntlich. 
Steimar oder Steinmar. 

Ein Heinrid von Steimar erſcheint 1292 und 1295 als Schultheiß 
in Pforzheim, ein Steimar der Aeltere und ein Eberhard St. gleichzeitig 
als Stadträthe. Ein Steimar vermacht mit feiner Frau Edelind 1324 
den Klöftern Herrenalb und Kichtenthal eine Gült von 8 Mealtern Rog— 
gen zu Förch und Sandweier (bei Naftatt), 1371 kommt wieder ein 
Eberhard Steymar fel. vor, deſſen Tochter Heilentrud eine Beguine 
(fiehe unten) war, 

Tlad, (Vlade, lade). 

Am Fahr 1312 erjcheint ein Heinrich Flad ‚mit feinen Kindern 
Konrad, Heinrich, Dietmar, Konrad, Elifabetb und Meta Flad. 
1322 wieder Heinrich F., derſelbe 13285; 1347 und 1351 kommen 
eine Sanne lad und ihre Söhne Heinz, Günther und Dietrich vor, 
und ftiften diefelben eine Frühmefje zu St. Michael; 1371 Dietrich 
ad, der won Lichtenthal ein Gut bei Au am Rhein lehnt; fein Bruder 
Günther F. ift gleichzeitig Pfarrer in Pforzheim; 1400 und 1402 Hart 
mann lad; 1401, 1407 und 1422 Heinz Flad, Schultheiß. Ein 
Bernhard Flad war 1460 unter den erften Kanonikern des Michaelſtifts. 
Die Grabfteine von Konrad F. geit. 1422 und noch anderer diefes Ge: 
ichlechts find in der Schloßkirche. Sie find an dem Wappen mit einem 
laden (Kuchen) leicht zu erkennen, 

Goldelin, Göldelin, Goldener von Tiefenau. 

Ein reiches und angefehenes Gefchlecht, won dem unten mehr die Rede 
jein wird, das wir aber bier der Zufammenftellung wegen aufführen. 
Diefem Gefchlecht gehörte unzweifelhaft ſchon ein Berthold an, der 


86 Siehentes Kapitel. Pforzheim ım 13. Jahrhundert. 


1298 unter dem Namen „der Goldmann“ vortommt. 1328 war 
Wernher Göldlin Schultheig in Pforzheim; 1371 ftirbt nad einem 
Epitapd in der Schloffirhe, über welchem ſich Inteinifche Verſe 
befinden, Luitgarde, die Frau des Schultheigen Heinrich G., ber ohne 
Zweifel identijch ift mit dem Schultheißen Heinz, Kunzen fel, Sohn, 
welcher 1359 eine Pfründe in der Schloßkirche ftiftete und auch 1361 
erwähnt wird; 1371 kommen ein Heinrich und ein Wernher Goldelin 
vor; 1397 begegnen wir wieder eimem Heinrich G. Mehr von ihm 
unten. Ein Wernher Göldlin machte 1412 dem St. Thomas und 
Andreas Altar in der St. Michaelskirche eine Stiftung von 1 Schill. 
6 Schillg. Pi. und 3 Faftnachtshühnern, die auf der Bleichwiefe am 
Mebelgraben rubte. 
Goßlin oder Gößlin. 

Ebenfalls ein durch Reichthum ausgezeichnetes Geſchlecht. 1340 
kommen Wernher und Walther Gößlin, 1348 und 1402 kommt ein 
Aberlin Gößlin vor, der u. A. auch Beſitzungen in Heimsheim hatte; 
diefem Goßlin jchuldete beifpielmeife auch Heinrich II., Graf von Eher: 
ftein, 20 Pfd. Heller, und erbot fi, im Fall er acht Tage nach erfolgter 
Mahnung nicht zahlen könne, einen Knecht mit einem Pferde auf feine 
Koften in eine öffentliche Herberge zu legen bis zur gänzlichen Tilgung.t) 
1368 und 1371 beffeidete ein Gößlin das Schultheigenamt, und ift der: 
jelbe vielleicht die nämliche Perfon mit dem Schultheigen Albert, der 1383 
dem Stift St. Maria zu den Greden mn Mainz ein PBarthie Holz 
ſchenkt. Um 1400 kommen ein Mernher und Walther Gößlin, 1402 
wieder ein Schultheiß Goßlin vor; 1419 ein Aberlin Göflin, 1454 
ein Werner Gößlin; 1460 gehörten Peter und Ib. Gößlin zu den 
erften Kanonikern des Michaelitifts; 1466 ift Ib. Gößlin Pfarrer zu 
Pforzheim; 1533 und 1585 war ein Peter Goflin Bürgermeifter in 
Pforzheim ꝛc. 

Wels. 

Bon diefem Geſchlecht kommt ein Aberlin Wels fchon 1376 vor 
und beſaß derjelbe ein Haus im der Bröbinger Gaſſe. Doch fpielten 
die Welfe in Pforzheim erft im 15. Sahrhundert eine Rolle. Nach 
einem Grabfteine der Schloßkirche ftarb 1400 Anna Welfin, Ehefrau 
des Marquard Plus. 1400 und 1422 Iebten ein Hans, Konz und 


) Krieg, Geſchichte der Grafen von Ekerftein. 


Siebentes Kapitel, Pforzheim im 13. Jahrhundert. 87 


ein Mbert W.; des letztern 1429 geftorbener, an Günther Rappenberr 
vermählt geweſener Tochter Elsbeth ift ſchon Erwähnung geichehen. 
Balthafar Wels war 1470 und 1473 Schultheiß im Pforzheim und 
ftarb 1476, Die Grabfteine der Welje in der Schloßkirche (fie Tiegen 
rechts vom Hanpteingange) jind gewiß fchon Jedem durch das riefige, 
gefrönte W., das ſich darauf befindet, aufgefallen. 

Rumelin, Rümelin. 

Ein Erlewin Rumelin ift 1295 Stadtrath; derjelbe wird noch 
einmal 1296 und wieder 1304 mit feiner Tochter Frau Heilmig genannt, 
die an Herrenalb eine Schenkung macht. 

v. Durlach. 

Ein Konrad v. Durlach erſcheint 1240; ein Heinrich der Jüngere 
v. Durlady 1256; derjelbe (wahrſcheinlich) 1279; ein Heinrich v. Dur: 
(ah ift 1295 auch unter den oben angegebenen Stadträthen. Ein Traut: 
wein v. Durlach ift 1347 nnter den Stadtridtern. 

Bon nod) anderm Bürgeradel, dem wir in einzelnen Gliedern begeg: 
nen, mögen hier angeführt werden: Sifried genannt v. Heimsheim 1263, 
Konrad der Schmied, genannt von Nußdorf 1279, Konrad Bernhufer 
(von Bernhaufen) 1279, Wri von Winrefheim (Miernsheim) 1319, 
u. ſ. w. Bon andern Pforzheimer Bürgern, bei denen nicht unterfucht 
werden foll, ob fie zu den Patriecirn gehört haben oder nicht, kommen 
im 13. Jahrhundert vor: Wernher und feine Frau Judela 1240, 
Diether und Heinrich Gozold 1240, Guntram 1245, Berthold Mar- 
fhall 1256, Heinrich Snabil (Schnabel) 1256, Albert der Krämer 1256, 
Blochelin 1256, Rufelin 1256, Konrad Genfelin 1256, Mengozo 1266, 
Mahtolf 1272, die Gebrüder Diethmar und Marquard 1279, Konrad 
Zehner 1293, Berthold, Sohn Gozolds 1296, Berthold Widmann 1300. 

Auch von diefen Bürgern fcheinen viele ſehr bemittelt geweſen zu 
fein. Wenn ferner, wie ©. 76 erwähnt, Markgraf Herrmann VII in die 
Rage kam, bei der Stadt Pforzheim ein Anlehen machen zu müffen, fo 
mag fich diefelbe auch in Feinen ungünftigen Vermögensverhältniſſen be— 
funden haben, 


86. Eine Sage. 


Unter ber Regierung Rudolfs L, nämlich im Jahr 1260 oder 
1267, fol fi) in Pforzheim eine Begebenheit zugetragen haben, welche 


88 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13, Jahrhundert. 


in ältern Chronifen mit bald mehr, bald weniger wunderbaren Zuthaten 
erzählt wird. Da fie unzweifelhaft einen geichichtlichen Kern bat und 
einen Blick auf eine dunkle Schattenfeite der damaligen Zeit eröffnet, fo 
möge eine Furze Erzählung derjelben aud hier ihre Stelle finden. 1) 
Ein altes Weib — fo lautet die Gefchichte — verkauft aus ſchnö— 
der Gewinnſucht ein fiebenjähriges Mägdlein, mit Namen Margaretha, 
an die Juden. Dieſe verftopfen ihm den Mund, öffnen ihm die Adern, 
und umwinden es, um fein Blut aufzufangen, mit Tüchern. Nachdem 
das Kind unter dev Marter geftorben war, wird es von den Juden 
unterhalb des Scleifthors in die Enz geworfen und mit einer Menge 
von Steinen beſchwert. Nach einigen Tagen reckt e8 die eine Hand im 
die Höhe, Die Schiffer eilen voll Schreden Hinzu und zeigen das 
merkwürdige Ereigniß in der Stadt an, Der Markgraf kommt felbft 
herbei, und als das Kind aus dem Waſſer gezogen wird, richtet es fich 
auf, bietet dem Fürften die Hand und fordert ihn zur Rache auf. 
Darauf finft es wieder todt zurüd. Man wirft nım einen Verdacht 
auf die Juden, und läßt fie zujammenfordem; und wie fie ſich dem 
Leichnam nähern, fangen die Wunden von Neuem an zu bluten.2) Da— 
rauf hin geftehen die Juden die Greueltbat, das alte Weib ebenfalls, 
und werden nun allefammt theils gerädert, theils gehenft. Der Leichnam 
des Kindes, das vom Volke als Märtyrerin betrachtet wird, kömmt in 
einen fteinernen Sarg, der in der Schloffirche beigefeßt wird und die 
Aufſchrift erhält: Margaretha a Judaeis oceisa ob. (it) feliciter 
Anno Domini MCCLXVII Cal. Jul, fer. VL, d. h. „Margaretha, 
von den Juden umgebracht, ftarh jeliglich am Freitag den 1. Juli 1267.“9) 


1) Quellen für diefelbe find: Sachs, IE,, 16, der aber feinen Gewährs: 
mann, ben Thom, Cantipratanas (IL. 11, Miraculorum et Memorabilium sui 
temporis) zitirt, welcher wiederum erzählt, daß er die Geihichte aus dem 
Munde zweier Ordensbrüder vernommen. Man fieht, daß viel „Hörenjagen“ 
dabei ift. 

2) Der Glaube, daß die Wunden eines Gemordeten wieder zu fließen ans 
fingen, wenn ber Mörder in bie Nähe des Leichnams fomme oder ihm berühre, 
war im Mittelalter allgemein verbreitet, und diente fogar als Mittel, um bie 
Schuld oder Unſchuld deſſen, der eines Mordes bezichtigt war, an ben Tag 
zu bringen. Man nannte ein folhes Verfahren das Bahrrecht. 

3) Bon der Jahrzahl MCCLXVII Tann übrigens das VII. aud zu Cal, 
Jul, gehören; dann wäre ber Mord am 25. Juni 1260, (der auch ein Freitag 
war,) erfolgt. 


Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 89 


Sämmtlihen Schiffern aber verlich der Markgraf zur Belohnung für 
das Auffinden des Kindes und zugleich als beitändige Erinnerung an 
diejes wunderbare Ereign iß für fih und ihre Nachkommen auf ewige 
- Zeiten die Machtfreiheit in der Stadt Pforzheim, zugleich aber aud) 
das Vorreht, daß alle Jahre am Frühjahrsmarkt 24 Schiffer mit 
Hingendem Spiel und Ober: und Untergewehr auf dem Markte aufziehen 
und an diefem Tage die Stadt allein bewachen, fowie für Sicherheit 
des Marktes forgen durften. 

Zur Ergänzung öbiger Wundergefchichte wird weiter, erzählt,1) daß 
nad; eimer Aufzeihnung im Heiligenbuch des Dominikanerinnenklofters 
das Grab des Kindes im Jahr 1507 im Beiſein des Kardinals Bern: 
hardinus geöffnet und der Leichnam noch ganz unverwest gefunden worden 
ſei. Im Jahr 1647 Hätte man denfelben jedoch in einem andern Zu— 
ftande, nämlich ganz dürr, doch fo, daß man die Nägel noch hätte 
wahrnehmen fünnen, und mit abgefondertem Haupte im Sarge ange: 
troffen, und fei der Leichnam fo nad) Baden gebracht worden, 

Die ganze Gefchichte von dem „durch die Juden getödteten Mägd— 
lein® ift ein wunderliches Gemifch von richtigen Angaben und abergläu: 
bigen Zuthaten. Daß der Mord, abgejehen von allen Nebenumftänden, 
eine gefchichte Thatſache ift, läßt fich wohl nicht bezweifeln, da der fteinerne 
Sarg, der den Leichnam des gemordeten Kindes barg, in der Schloß: 
firche noch aufbewahrt und als folcher bezeichnet wird. Er fteht rechts 
vom Haupteingang an der Wand. Die Inſchrift, die Übrigens nicht in 
den Sarg eingehauen, fondern darauf gemalt ift, Kann nicht mehr ent: 
ziffert werden, wenn ſich auch noch einzelne Buchftaben derfelben erkennen 
laſſen. (Ein anderer, aber größerer fteinerner Sarg mit Dedel fteht 
neben dem des Kindes.) Sodann war es im jenen Zeiten gar nichts 
Seltenes, daß man die Juden der Ermordung von Chriftenfindern be: 
ſchuldigte, angeblich, weil fie das Blut derfelben zu magischen Zwecken 
migbrauchen wollten. Solche Fälle ereigneten ſich nicht nur in Pforze 
beim, fondern auch im noch andern Orten. Es waren überhaupt die 
Auden im 13. und 14, Jahrhundert bei jedem Anlaſſe den fchredlichiten 
Berfolgungen ausgefebt, Brach irgendwo eine anſteckende Krankheit aus, 
jo hieß es, die Juden hätten die Brunnen vergiftet, und es mochte wohl 
häufig vorkommen, daß die Unglüclichen, um den Qualen der Folter 


1) Bon Gamans; ebenjo in Maji vita Reuchlini, p, 109 seq. 


90 Siebentes Kapitel. Pforzheim im 13. Jahrhundert. 


fich zu entziehen, Verbrechen eingeftanden, die fie nicht begangen hatten. 
Bon den gräßlichen Judenverfolgungen des 14. Jahrhunderts wird weiter 
unten die Rede fein, 

Was num den AJufammenhang betrifft, in welchen die Pforzheimer 
Flößerzunft mit diefer Wundergefchichte gebracht wird, fo ift fo viel 
richtig, daß die Flößer bis auf die neuere Zeit allerdings wachtfrei waren 
und von ihrem Ehrenreht, am Märzmarkt öffentlich aufziehen und die 
Stadt bewachen zu dürfen, unausgeſetzt Gebrauch machten. Der uralte 
Flößermarſch, der jedes Dial beim Aufzug geblafen wurde, bat ſich 
bei Vielen noch in Tebendiger Erinnerung erhalten. 1) Ob folder Ge: 
brauch ſammt Wachtfreiheit fi) wirklich von oben erzähltem Ereigniß 
herſchrieb, müſſen wir dahin geftellt fein laſſen. Daß übrigens im 
13. Jahrhundert ſchon eine geordnete Flößerzunft in Pforzheim beitand, 
ift ſehr wahrjcheinlich, wen auch die Urkunden erft im folgenden Jahr: 
hundert über das Floßweſen jener Zeit helleres Licht verbreiten. 2) Die 
Flößerei ift jedenfalls in Pforzheim fehr alt (©. 24), und mag den 
früheften eigenthümlichen Nahrungszweig der Bewohner gebildet haben. 


2) Verfaſſer diefer Geſchichte Hat fich dieſen Marſch von einem alten Flößer 
vorpfeifen Taffen und ihn in folgender Weiſe notirt: 





2) Auf eine Spur von Flößerei ſtößt man in einer Herrenalber Klofter- 
urfunde vom 28, März 1294, — 


Achtes Aapitel 


Pforzheim während der mehrfach erfolgten Theilungen und Zer⸗ 
ftückelungen der Markgrafſchaft Baden bis zur Wiedervereinigung 
des Getrennten. (Meift 14. Jahrhundert.) ‘) 


$ 1. Allgemeines. 


Die Gefhichte der Markgrafſchaft Baden bietet nad) dem Tode 
Rudolfs I. und faft während des ganzen vierzehnten Jahrhunderts das 
unerfreuliche Bild mehrfacher Theilungen und Zerftücelungen, wodurch 
nicht nur eine weitere kräftige Entwidlung der Markgrafichaft in der 
Weife, wie foldhe unter Herrman V. und Rudolf I begommen, unmöglid, 
gemacht wurde, fondern auch eine auffallende Abnahme des früher erwor: 
benen Anjehens erfolgte. Indeſſen wand fich doch das badifche Fürſten— 
geichlecht durch alle diefe Theilungen am Ende noch glücklich hindurch, 
bis Nudolf VI. oder der Lange im Jahr 1368 die getrennten Lan: 
destheile wieder vereinigte und fein Nachfolger Bernhard der Große, 
wenn auch erft nach nochmaliger, aber vworübergebender Halbirung 
(1380 bis 1391), als der dritte Gründer der Marfarafjchaft Baden 
auftrat. 

Nah dem Tode Nudolfs I., welcher im Jahr 1288 erfolgte, 
wurde fein Land unter feine 4 Söhne, Herrmann VII, Rudolf IL, 
Heſſo und Rudolf III., getbeilt. Die Stadt Pforzheim kam dabei 
an Herrmann VII, welcher übrigens ſchon bei Lebzeiten feines Vaters 
Antheil an der Negierung genommen und unter Anderm die ſchon 
(S. 76) erwähnte Verminderung von Gütern im todter Hand (im 
Jahr 1287) verfügt hatte. Diefer Herrmamı VII war aud der 
Fortpflanzer des markgräflichen Stammhauſes, indem zwei feiner Brüder, 

1) Die Hauptquellen find größtentbeils diefelben, wie im vorhergehenden Kapi: 
tel, Wonoch amdere Quellen benügt wurden, find fie unter dem Text angegeben, 


92 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 


nämlich die beiden Rudolfe, kinderlos verſtarben, der andere, Heſſo, zwar 
zwei Söhne (Herrmann VIII. und Rudolf Heſſo) hinterließ, die indeſſen 
ebenfalls ohne männliche Nachkommen mit Tod abgingen. Dadurch, 
ſowie durch Heirathen gelangten ihre Beſitzungen ſpäter wieder an den 
Hauptſtamm ihres Geſchlechtes zurück. Aber auch hier erfolgten noch 
mehrfache Theilungen. Markgraf Herrmann VIL, der feinen Vater nur 
um drei Jahre überlebte, und ſchon im Jahr 1291 ftarb, Hinterließ 
drei Söhne, Friedrich I, Rudolf IV. und Herrmann, weld 
Yeterer aber ſchon als Kind feinem Vater in die Ewigkeit nachfolgte. 
Rudolf war in feiner Jugend für den geiftlichen Stand beftimmt wor: 
ben und beffeidete 1302 bereits die Stelle eines Chorherrn zu Speier. 
Er legte indeffen fpäter das Priefterfleid wieder ab und verwaltete mit 
feinem ältern Bruder Friedrich gemeinſchaftlich die Landestheile, welche 
ihnen ihr Vater als Erbe binterlafien. Diefe gemeinfame Regierung 
hörte aber bald auf, da die beiden Brüder es für gerathener 
fanden, zu einer Theilung ihres Landes zu ſchreiten. Rudolf IV. erhielt 
dabei nebſt andern Befigungen die Stadt Pforzheim, die er nad) 
erlangter Volljährigkeit zu feiner Nefidenz wählte und von weldher er 
den Namen: „Herr zu Pforzheim“ führte, Zum Unterfchied von 
feinem damals noch Tebenden Oheim, Rudolf II, heißt Rudolf IV. auch 
ber Junge; mand Mal wird er au der Weder genannt, Es wird 
weiter unten von ihm noch mehrfach die Rede fein, 

Bezüglich des Stammes Friedrichs II. fei nur in Kürze bemerkt, 
daß derjelbe mit feinem Sohn Herrmann IX, wieder ausftarb, weshalb 
alsdann die dahin gehörigen Befigungen an die Nachkommen Rudolfs IV, 
fielen. Deſſen Söhne waren Friedridy II. und Rudolf V, Erſterer 
nahm feinen Sit zu Baden, Lebterer zu Pforzheim, weshalb er auch 
den Titel feines Baters: „Herr zu Pforzheim” fortführte. Gleich 
dieſem und noch häufiger als der Bater heißt auch Nudolf V. der Weder. 
Er ftarb 1361 in Pforzheim kinderlos, weshalb alle badischen Befigungen 
in der Hand des Sohnes feines Altern Bruders, nämlich Rudolfs VL 
oder des Yangen, wieder vereinigt wurden. In dem Lehenbrief, den 
ihm Kaifer Karl IV. 1362 ausftellte, ift zum erſten Mal offiziell von 
„einem Fürſtenthum der Markgrafſchaft Baden” die Rede, 
Kam es aud) bald nad) feinem Tod, welcher 1372 erfolgte, zu einer 
neuen Theilung feines Landes unter feine zwei Söhne Bernhard I. und 
Rudolf VIL, fo fielen doc des Lebtern Befitungen bei feinem Abfterben 


93 


Achtes Kapitel, Pforzheim im 14. Jahrhundert. 








nahe ds Rudolf I. + 1288. 

Rudolf von Habsburg j Le en, 

A on Ra Herrmann VII. +1291. Rudolf II. + 1295. Hefe + 1297. Nubolf IN. + 1332. 

1291—1298. CPforzheim.) 

Albrechtl 1298—1308. — 

Gen VE, iz,Friedrich IT. 41933. Rudotf IV. F1348. Herrmann ; 1300. Herrmann VI. Rudolf Heffo + 1335. 

Ludwig ber Baier und (Herr zu Pforzheim.) 

price! von Defterreid) BEE — — — — — — — — 

313—1330.bez. 1347. 

Karl IV. 1347—1373.)Heremann IX. 7 1353. Friedrich II. 7 1353 Rudolf V. 7 1361, Margaretha, Adelheid, 

(Herr zu Pforzheim.) Gemahlin Gemahlin 


— — — — 


Friedr. III. Rudolfs V. 


Wenzel 1378 — 1400 Friedtich und Rudolf Rudolf VI + 1372. 


Pals Kinder. (Pforzheim.) 


—— — ——— — — 
Bernhard I. 7 1431. Rudolf VII. 7 1391. 
Pforzheim.) 


94 Achtes Kapitel. Piorzheim im 14, Jahrhundert. 


im Jahr 1391 wieder an jenen zurücd, jo daß Bernhard. oder der 
Grofe wieder Herr der ganzen Markgrafichaft Baden war. 

Vorſtehende genealogifhe Tabelle, welche die Zeit von Rudolf J. 
bis zu Bernhard I umfaßt, wird behufs leichterer Meberficht ſowohl der 
badifchen Gefchichte im Allgemeinen, als der Stadt Pforzheim, ſoweit 
fich diefelbe auf die Herren von Pforzheim bezieht, eine nicht uner: 
wünfchte Zugabe fein, Die damit verbundene Neihenangabe der deutichen 
Kaifer mag demjenigen, der eine nähere Kenntniß der deutfchen Gejchichte 
befitt, ebenfalls zu befierer Orientirung dienen, 


$ 2. Defonderes. 
(Pforzheim nah Außen.) 


Da Pforzheim in damaliger Zeit die bedentendfte Stadt der Mark: 
graffhaft und Nefidenz mehrerer Markgrafen war, die fich zum Theil 
nad) ihr benannten, fo kann es nicht auffallen, daß fie bei manchen 
Negierungshandlungen, namentlich Fehden ihrer Herren, die in jener 
unruhvollen Zeit jo häufig waren, genannt wird, und nicht felten auch, 
wie fchon früher, in den Strudel der Ereigniſſe hineingezogen wurde, 

Im Jahr 1314 war e8 nach dem Tod des Kaiſers Heinrich VIL 
von Luxemburg bei der Erwählung eines neuen Kaifers leider zu einer 
Doppelwahl gefommen, indem fi ein Theil der Stimmen auf Ludwig 
von Baiern und der andere auf Friedrich den Schönen von Defterreic) 
vereinigte. Daraus entitand ein achtjähriger werheerender Krieg, der erft 
1322 dur die Schladht von Mühldorf, in welcher Friedrich gefchlagen 
und gefangen genommen wurde, fein Ende fand. Die Markgrafen von 
Baden ftanden zuerſt auf der Seite Friedrichs von Oeſterreich, und da 
die nahegelegene Stadt Speier dem Kaiſer Ludwig gehuldigt hatte, fo 
wurde fie vom Bruder Friedrichs, dem Herzog Leopold von Oeſterreich, 
mehrmals belagert, jo im Jahr 1320, wobei ihm Markgraf Rudolf IV. 
Hilfe Teiftete. - Unter den Städten, welche das Ahre dazu beitrugen, 
wird neben Durlach, Stollhofen, Befigheim und überhaupt 88 andern 
auch Pforzheim genannt. 1) Nachdem ſich jedoch das Kriegsglück für 
Ludwig von Baiern entichieden hatte, fchloffen fich die Markgrafen von 


N Lehmann, Chronika der freien Reichsſtadt Speier, ©. 761. 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert, 05 


Baden an diefen an; Rudolf IV. fühnte fich alsdanır auch mit der Stadt 
Speier wieder aus, und erjegte ihr den Schaden, den er ihr zugefügt, 
dur Erlegung einer Summe Geldes, 

Im Jahr 1338 trat die Burg Weißenftein fammt Zubehör, 1) 
jowie tbeilweife auch Pforzheim, in ein eigenthünliches Lehenverhältniß 
zu Mainz. Nach den wenigen und Furzen Notizen darüber, welche noch 
vorhanden find,2) mag der Sachverhalt folgender geweſen fein: die erfte 
Gemahlin Markgraf Rudolfs IV. war Luitgarde, Wittwe des Grafen 
Albrecht von Löwenſtein. Bald nad ihrer VBermählung, welche 1322 
erfolgte, gab fie für ihren minderjährigen Sohn erjter Ehe ihrem nun: 
mehrigen Gemahl das Städtchen Bönnigheim und die Burg Magen: 
heim 3) zu Kaufen, eine Veräußerung, welche 1329 der indeß volljährig 
gervordene Sohn Xuitgardens, Graf Nikolaus von Löwenſtein, beftätigte.?) 
Nun ftanden aber jene beiden Orte unter mainzifcher Oberlehensherr: 
fichkeit, weshalb Markgraf Rudolf von dem Erzbifhof von Mainz damit 
belehnt wurde. Bald darauf, nämlich 1338, verkaufte ex jedoch Bönnig- 
heim wieder an einen Edeln von Sachſenheim. Es ſcheint dabei 
die Xehensverbindlichkeit gegen Mainz unter der Bedingung aufgehört zu 
haben, dag der Markgraf andere eigenthümliche Güter an Mainz über: 
gab, und von dort wieder als Lehen zurücdempfing, und zwar die Burg 
MWeißenjtein ſammt Zubehör, ferner das Schultheißenamt, das 
alte Ungeld und alle Mühlen zu Pforzheim. Dieſes Lehen: 
verhäftnig dauerte mehrere hundert Jahre. 

Auf Ludwig den Baier folgte Kaifer Karl IV. Als derſelbe nach 
Beendigung des Neichstages von Nürnberg 1347 die oberrheinifchen 
Städte befuchte, hielt er fih, von Leonberg fommend, auch bei dem 
Markgrafen Nudolf IV. am 9. Dezember zu Bforzheim auf und 
nahm in der Stadt, wahricheinlih im markgräflichen Schlofie, fein 
Nahtquartier. Bon bier aus befahl er den Landvögten Eberhard (dem 





) Tiefe beftand in dem Thal Weißenftein mit den Höfen und Häufern 
Dillftein und Falkengarten und andern dergl. Höfen und Häufern, allen Steuern, 
Bülten, Strafen, Frobndienften, Benügung von Wald, Waide und dem Zehn: 
ten von Büchenbronn, ferner der Mühle zu Weißenſtein, den Wäldern Waſſer-, 
Mühl: und Zwerchhalde und dem Waflerzoll. 

2) Bergl. Sachs, I, 200 und Lotthbammer, Pforzheims Vorzeit, 169, 

3) Beide liegen im heutigen wilrttembergijchen Oberamt Beſigheim. 

4) Stälin, IH,, 683. 


» 


96 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert, 


Greiner oder Rauſchebart) und Ulrich von Württemberg, das Kloſter 
Herrenalb, das er in feinen Schirm genommen, zu ſchützen, und beftätigte 
der Deutihordensfommende zu Ulm den Beſitz der Pfarrkirche zu Herr: 
lingen. Am folgenden Tag ſetzte der Kaifer feine Reife nach Bafel fort. 

Auf Markgraf Rudolf IV., der 1348 ftarb, folgten, wie ſchon 
erwähnt, feine Söhne Friedrich III, und Rudolf V, Beiden huldigt 
am Dienftag nad) St. Nikolaustage 1348 die Bürgerfhaft von Pfor z— 
beim und ſchwört „ben hochgeedelten Markgrav Friedrihen und Mark: 
gran Nudolfen, genannt dem Weder, Gebrüdern von Baden und Herrn 
zu Pforzheim, ſich mit ihrem Leib und Gut, mit ihren Weibern und 
Kindern niemals von ihnen zu entfremden.” Durch ſolche Huldigungen 
fuchten die Fürften einerjeits die Landftädte ſelbſt fefter an ſich zu Fetten, 
damit fie nicht von den Meichsftädten, die damals in Fräftigfter Blüte 
ftanden und zur Beſchränkung der fürftlichen Macht fich durch Bündniſſe 
fefter aneinander fchloffen, in ihr nterefje gezogen und vom Gehorfam 
gegen ihren Landesherrn abwendig gemacht werben möchten; andererfeits 
wollten fie dadurch auch verhindern, daß nicht einzelne Bürger ſich von 
den Reichsftädten als fogenannte Pfahlbürger aufnehmen Tießen oder zu 
andern Herrn zögen. Es läßt ſich annehmen, daß die benachbarten 
jhwäbiichen Neichsftädte es Pforzheim gegenüber an ſolchen Verſuchen 
nicht fehlen Liegen. Aehnliche VBerficherungen wie der Markgrafen von 
Baden ließ ſich um jene Zeit auch der Graf von Württemberg von den 
Städten Böblingen, Bradenheim, Leonberg ꝛc. geben, und fogar noch 
den Zuſatz machen, daß fie im Tall der Entfremdung „als treulog, 
ehrlos und meineidig feiner Herrichaft mit Leib und Gut gänzlich ver- 
fallen wären. #9) Im Jahr 1382 Tieß fi) Markgraf Bernhard fogar 
ein Privilegium von Kaifer Wenzel darüber ausftellen, daß Niemand 
von Fürſten, Herren oder Städten einen badifchen Unterthan in fein Land 
oder Burgrecht aufnehmen ſolle. 

Zu den vielen ftaatlichen Wirren gefellte fi) damals noch eine 
andere Noth. Der Shwarze Tod, eine furdtbare Seuche, melde 
Erdbeben, furchtbare Stürme und Hungersnoth vorausgingen, war durch 
Kaufleute aus dem Morgenlande nad Italien verfchleppt worden und 
verbreitete fi von dort aus über ganz Europa mit folder Wuth, daß 
in wenigen Jahren vielleicht zwei Drittel der ganzen Bevölkerung unferes 


‘) Stälin, HL, 331. 


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bau euch Phovanfı I 


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Achtes Kapitel, Pforzheim im 14. Jahrhundert, 97 


ErötHeiles Hinmeggerafft waren. Beſonders viel Opfer forderte diefe 
Vet in den Städten, von denen manche ganz verödeten. So ftarben 
3. B. in Villingen 4000, in Bafel 14,000, in Straßburg fogar 16,000 
Einwohner. 1) Es fehlen ung nähere Nachrichten über das Auftreten 
diefer Seuche in Pforzheim und die Verheerungen, weldye fie dafelbft 
angerichtet; fie mag indefjen in diefer Stadt nicht weniger als ander: 
wärts gewüthet haben. Damals war e8 auch, daß fich der rohe Fana— 
tismus des Volkes gegen die Juden wandte und diefe ohnehin vechtlofe 
Bewohnerklaſſe beichuldigte , die Peft durch Vergiftung der Brunnen ꝛc. 
herbeigeführt zu haben, Es ergingen deshalb über die Juden die blu: 
tigiten Verfolgungen. In Konftanz z. B. mwurden 27 Juden, denen 
man Läfterlihen Muthwillen mit dem Saframent des Altars vorwarf, 
lebendig verbrannt, und 1348 mußten fogar alle Juden, welche ſich 
nicht zum Webertritt in die chriftliche Kirche verftanden, den Feuertod 
erleiden. In Baſel wurden die Unglüdlichen in eine hölzerne Hütte, 
die auf einem Rheinfloß erbaut war, eingefperrt und ſammt diefem 
und jener 1349 den Flammen preisgegeben, Einige Tage nachher über: 
lieferte die Stadt Freiburg alle Juden dem Feuertode; Gleiches geſchah 
zu Dreifah, Neuenburg und Endingen. Der Magiftrat der Stadt 
Straßburg ließ im nämlichen Jahr 900 Juden lebendig verbrennen, 
In Eplingen verfchloffen fich die Juden jelber in ihre Synagoge und ſteckten 
folche m Brand. In Pforzheim mag man mit ihnen nicht glimpflicher, als 
anderwärts verfahren fein; denn daß Juden dafelbft wohnten, beweist der 
ichen früh vorkommende Name der „Judengaſſe.“ (Vergl. auch ©. 88.) 
Man rechnet, daß in dem einzigen Jahr 1348 nicht weniger als 12,000 
Juden durch ſolche Verfolgungen ihren Tod gefunden haben.) Waren 
leßtere der ftärkite Ausfluß des Fanatismus, den der ſchwarze Tod 
erzeugt hatte, fo veranfaßte auf der andern Seite der tiefe Eindrud der 
herrfchenden Peſt das Aufkommen einer Sekte, welche durch Geifelungen 
und Geifelaufzüge den Zorn Gottes verföhnen wollte. Man nannte fie 
deshalb Geisler, (Hlagellanten, Flegler). Sie zogen von Dit zu Ort 
in ganzen Schaaren, gewöhnlich eine prächtige Fahne woraus, wurden 
mit Glodengeläute empfangen und trugen Mäntel und Heine Hite mit 
rothen Kreuzen, Ihre gemeinfchaftlichen Selbitpeinigungen beitanden 


1) Bader, bad. Landesyeihichte, ©. 292, 
2) Vergl. Bader, bad. Landesgeihichte, S. 292 und Stälin TIL, 244, 
Pflüger, Pforzbeim. 7 


98 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert, 


darin, daß fie fich der Reihe nad) auf die Erde niederlegten, worauf 
ihr Meifter ihren entblößten Rücken fo lange geifelte, bis das Blut 
ftrommeis herunterlief. Ein ſolcher unbeimlicher Geislerihwarm z0g im 
Frühjahr 1349, von Würzburg bertommend, auch durdy unfere Gegen: 
den,!) und mag neben Weil der Stadt, Calw, Herrenberg, Tübingen 
und andern benachbarten Städten, wo fein Erfcheinen gejchichtlich nach: 
gewiefen werden kann, auf feinem Zug, der zuleßt durdy Baden nad 
dem Elſaß ging, au Pforzheim berührt haben. 

Im Sahr 1361 am Dienftag nah Oculi verlieh Kaifer Karl IV. 
dem Markgrafen Nudolf VL, (dem Langen) zu Nürnberg die Freiheit, 
für fi und feine Nachkommen in der Stadt Pforzheim vom Wein 
und Getreide ein Ungeld zu erheben, und zwar in ähnlicher Weiſe, 
wie dies durch andere Fürften auch gefchehe. 9) Die betreffende Urkunde 
lautet: 3) 

„Wir Karl von Gottes Gnaden, römiſcher Kaifer, zu allen Zeiten 
Mehrer des Reichs und König zu Boheimb, bekennen und thun Fund 
öffentlicy mit diefem Brief allen denen, die ihn fehen und hören leſen, 
daß wir haben angejehen ftete und getrene Dienſte, die ung und dem 
heiligen Reiche der bochgeborene Nudolf der Jüngere, Markgraf zu 
Baden und Herr zu Pforzheim, oft gethan hat und thun foll und mag 
in fünftigen Zeiten, und haben ihm von unfern fonderlichen Gnaden 
ſolch Gnad gethan und thun auch mit diefem Brief, daß er und feine 
Erben in feiner ehgenannnten Stadt Pforzheim ein Ungeld auf Wein 
und Korn aller Früchte fegen, und davon nehmen mag und jollend, nad) 
des Landes Recht und Gewohnheit und ohne alle Gefährde, als wir und 
des Reiches Fürften und Herren in Unferen und ihren Städten pflegen 
zu nehmen. Mit Urkund diefes Driefes, verfiegelt mit Unferm kaiſer— 
lichen Infiegel, der geben ift zu Nürnberg nach Ehrifti Geburt dreyzehn— 
hundert Jahr, darnach in den einundfechszigften Jahr des nächſten Dien- 
jtags nad) dem Sonntag, als man jaget Oculi, Unferer Reiche in dem 
fünfzehnten und des Kaiſerthums in dem jechsten Jahr. * 

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts herrſchten faſt fortwährende 
Kämpfe zwifchen den ſchwäbiſchen Neichsftädten, die ſich zu einem Furcht: 





1) Stälin, 111,246; Tifhendorf, die Geisler (Leipzig 1810), S. 19 ff. 
) Sachs, IL, 163. 
3) Akten des Generallandesardivs. 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert, 99 


baren Bunde 1) vereinigt hatten, und den Herren, deren Länder an 
ihre Gebiete gränzten, bejonders aber dem Grafen von Württemberg. 
Dagegen ſchloſſen die Herren auch wieder ihre Bündniſſe, von denen 
der Löwenbund und der Schlealerbund, die ſich aber felbft oft wieder 
in den Haaren lagen, die befannteften geworden find, 2) fo daß bei der 
Ohnmacht und Untüchtigfeit des damaligen Kaifers Wenzel ganz 
Deutſchland, namentlich das füdliche, das Bild einer wilden Zerrifien- 
heit bot. Auch die Markgrafen von Baden nahmen an diefen blu: 
tigen Kämpfen, bei denen gegenfeitige Mordbrennerei an der Tages: 
erönung war, mehrfach Theil, was unter Anderm im Jahr 1388 
eine Verheerung der badifchen Lande, 3) jedenfalls im erſter Reihe 
der den ſchwäbiſchen Neichsjtädten nahe Tiegenden, aljo auch der Ge: 
gend von Pforzheim, zur Folge hatte. Heiß entbrannte namentlich) 
der Kampf im Auguſt 1388 um den befeftigten Kirchhof des Dorfes 
Döffingen, (d Stunden von Pforzheim und 1 Stunde von Weil 
der Stadt entfernt); wohin die württembergifhen Bauern beim Ein: 
bruch der Stüdter ihr Vieh und ihre Habe geflüchtet hatten. ber: 
hard der Greiner brachte aber den letztern mit Hilfe des Pfalzgrafen Rup— 
vecht, des Markgrafen Rudolf VII. von Baden und anderer Herrn, 
freilich mit Verluſt feines Sohnes Ulrich, eine empfindliche Niederlage 
bei. Bald nachher, nämlich 1395, eroberte er durch unvermutheten 
nächtlichen Ueberfall das Städtchen Heimsheim (Heimfen) und nahm 
dafelbjt mehrere Häupter des Schleglerbundes gefangen. Unter den: 
jenigen, welche bei der Niederbrennung des Städtchens Verluſte er: 
litten batten und deßhalb gegen den Grafen Eberhard auf Schadlos- 
haltung Elagten, war auch der Bürger Aberlin Gößlin aus Pforz— 
heim, der cine Forderung von 500 Gulden ftellte. 3) Ob er diefe 
Summe vom Grafen erhalten, weiß ich nicht. Da die Schlegler 


) Es gehörten dazu die Städte: Augsburg, Ulm, Konftanz. Eplingen, 
Reutlingen, Rottweil, Weil die Stadt, Ueberlingen, Memmingen, Biberach), 
Ravensburg, Lindau, St. Gallen, Kempten, Kaufbeuern, Leutkirch, Ißnuy, 
Wangen, Pfullendorf, Weyl in Thurgau, Buchhorn, Buchau, Nördlingen, 
Dinkelsbühl, Bopfingen, Aalen, Rottenburg a. T., Gmünd, Hall, Heilbronn, 
Wimpfen, Weinsberg. Später Famen noch mehrere andere dazu. 

2) Namentlih durch Uhlands „Eberhard der Greiner.“ 

3) Sachs 11, 1%, 

*) Gchres, Ehronif von Weilerftadt, ©. 75. 7. 


100 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert, 


troß diefer Niederlagen und Verluſte nicht ganz unterdrüdt werden 
Fonnten und auch eine gegen fie gerichtete Verordnung des Kaifers 
Wenzel unbeachtet blieb, jo gaben die Fürften ihren Bündniffen gegen 
die Schleglev eine weitere Ausdehnung, und es vereinigte fich zu 
dem Ende am 18. Dez. 1395 in Pforzheim cine größere Ans 
zahl von Fürften, fo der Erzbiſchof von Mainz, der Biſchof 
von Speier, der Pfalzgraf, der Markgraf von Baden, Herzog Lupolt 
der Die von Deftreih, Graf Eberhard von Württemberg und bie 
Abgeordneten von 15 jchwäbiichen Städten. Aehnliches geſchah bald 
nachher auch zu Mergentheim. Da verzweifelte die Schleglergejellichaft 
an einem weiteren Grfolge ihres Widerftandes und Tieß fih am 
3. Februar 1396 in Pforzheim zu nachgiebigen Verhandlungen 
mit dem Grafen von Württemberg herbei. Noch im  nämlichen 
Jahr erloſch der Bund. ') 

Es ift fo eben von dem befeftigten Kirchhof zu Döffingen die 
Rede geweſen. Dergleichen gab es damals in vielen Dörfern, und 
fie dienten den Landbewohnern bauptjächlich dazu, den werthvollern 
Theil ihrer Habe bei Kriegsgefahr dahin zu flüchten. 2) Ueberreſte 
derartiger DBefeftigungen finden fi) noch in manden Orten, jo 3. B. 
in Niefern, Dietlingen, Eifingen ꝛc. In Oeſchelbronn find fie mit den kaſſe— 
mattenähnlihen Gewölben in neuerer Zeit verichwunden; dafelbjt waren 
fie mindeftens ſchon im 14. Jahrhundert vorhanden, 3) An Diet: 
Uingen und Eifingen hatte früher jeder Bürger des Orts auf dem 
Kirchenſpeicher einen einen Bretterverfchlag, Gaden genannt, wo er 
jeine wertbuollfte Habe bergen konnte. In Gifingen mußten für 
jeden Gaden jährlih 1 bis 3 Kreuzer Zins bezahlt werden, und 
es vererbten fich diefelben in den einzelnen Familien. %) 

Wie in Schwaben, jo fehlte es auch anderwärts an Fehden 
zwifchen dem Adel und den Städten nicht. So war 1373 ein 
heftiger Streit zwifchen Speier und den Herren Konrad, Heinrich 
und Ulrich von Remchingen und dem Ritter Miprecht von Helmftätt, 
Vogt zu Pforzheim, entjtanden. Bei einem Streifzuge erichlugen die 


) Stälin, II. b 
2) Vergl. Mone, bad. Archiv, IL, 148, 
3) Mone, Anzeiger VL, 241. 
A Pforzheimer Diozes, Kirchen: und Schulbefhreibung von 1735 (Landes: 
archiv). 


Achtes Kapitel, Pforzheim im 14, Jahrhundert. 101 


Söldner von Speier den Nitter Ulrich von Nemchingen vor feinem Haufe ; 
bei einem amdern Zug jedoch erlitten fie auf dem Feld von Bruch— 
fal und Möffingen großen Verluft, da fich der Adel durch Bürger 
von Bretten und Pforzheim verftärtt hatte. Einige Tage nachher 
wurden jedoch wieder einige Bürger von Pforzheim gefangen nad) 
Speier gebracht. So fcheint das Kriegsglück noch mehrmals gewechjelt 
zu haben, bis endlich Bifhof Adolf von Speier zwifchen beiden 
Theilen zu Germersheim am Samstag nad Urban deſſelben Jahres 
Frieden ftiftete, ') 


$. 3. Inneres. 
a) Schultheißen. 


Im Anſchluß an das, was oben (©. 70 ff.) über die erften 
Schultheißen Pforzheims gejagt ift, möge hier die Reihenfolge der 
jelben um jo mehr ergänzt werden, als diefe Beamten auf die 
innern Verhältniſſe der Stadt einen großen Einfluß ausübten und 
wifchen Megierung und Bürgern ein weſentliches Mittelglied im 
damaligen ftaatlihen Organismus bildeten. Auf Heinrich von Stei— 
mar folgte wieder ein Schultheiß Friedrich oder Frizze (Frizzo.) 
Derjelbe wird in verichtedenen Urkunden genannt, jo in einer ſolchen 
vom 1. Septbr. 1300, worin das Stadtgericht in Pforzheim eine 
Schenkung des Bürgers Berthold Widmann und feiner Frau Nichenza 
au das Klofter Herrenalb beglaubigt; ebenfo kommt er wieder im 
Februar 1302 vor, an weldhem Tage Schultheiß und Stadtgericht 
zu Pforzheim 2) urkunden, daß Diether, Schultheiß von Ellmendingen, 
und feine Frau Irmentrut um 60 Pfd. Heller, die fie empfangen 
haben, an das Klofter Herrenalb den von diefem um 1 Malter 
Spelz jährlichen Zinfes bisher als Zinslehen befefienen vierten Theil 
des Groß: und Kleinzehntens zu Ellmendingen verkauft, übergeben 
und auf alle ihre Rechte daran verzichtet haben, doch fo, 


I) Lehmann, Epeierer Chronif 814. 

2) Die Urkunden beginnen mit der ftändigen Formel: Nos Fridericus 
scultetus, jurati, ceterique cives in Phorzhein :c., d. h. Wir Ehultheißgriebrich, 
bie Geihworenen (Stadträthe) und die übrigen Bürger zu Pforzheim ac, 


102 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 


daß der Irmentrut und ihrem Sohn Diether der Kleinzehnt auf 
ihre Lebenszeit verbleiben, nad ihrem Tode aber dem Kloſter zu: 
fallen ſolle. ) Endlich wird Schultheiß Frizze als Bürge in 
einer Kaufurfunde vom Juli 1303 genannt, nach welcher der Nitter 
Simon von Königsbad und feine Kinder einen Hof im Spranthal 
um 30 Bd. Heller an Herrenalb verkaufen, — Im Mai 1312 dagegen 
urfundet bereits ein Schultheiß Heinrid mit dem Gtadtgericht eine 
Schenkung des Bürgers Heinrich Flade und feiner Kinder (von Weinbergen 
in Dertingen an Herrenalb), und finden wir dieſen Schultheißgen in 
einer Urkunde vom 24, Dez. 1319 als Heinrich von E berdingen oder 
Eberdringen?) bezeichnet. Daß derjelbe in Pforzheim ein eigenes Haus, 
und zwar „am Waffer vor dem Tränkthor“ bejaß, geht aus ber 
Stiftungsurfunde der früheften Siechenanftalt vom Jahr 1322 hervor. 
(Siehe unten.) I) Doch fcheint er damals nicht mehr Schultheiß 
geivejen zu fein, da bereits am 20. Juni 1321 ein Schultheiß 
Wacker in einer Urkunde genannt wird, nad welcher die Bürger 
Albrecht, Erlewin und Gottbold Weiſe als Pfleger und VBormünder 
der Kinder des verftorbenen Goltbold für ihre Mündel eine Schuld 
von 20 Pd. Heller mit Zinſen und Gefällen zu Ellmendingen und 
Schellbronn bezahlen, Im Sabre 1328 bekleidete das Schultheißen- 
amt Wernher Göldelin, und wird mit den Bürgern und Rich— 
tern „Öozzolt der Waife und Gunter in dem Hone” -in einer Ur: 
kunde vom 17. Dftober jenes Jahres aufgeführt, nach welcher ber 
Bürger „Hainrid) der Rife zu Pforzhain um jiner fele hailes willen 
und aller jiner vordern vnd nad) fummen” den vierten Theil des Laien: 
zehntens zu Weingarten, „daz aim fehztail ift alles zenhenden zu 
MWingarten in dem Dorf und vf der marg, ze velde und ze valde, 
an korn, an wine, an ballern oder an andern nüben, wie die haiz— 











) Allen diefen Urkunden (meift aus dem Herrenalber Ardhiv) ift oder 
war das Seite 79 abgebildete Siegel der Stadt Pforzheim angehängt. 

2) Eberdingen vder Eberdringen am Strudelbah im O. A. Vaihingen 
war ehedem ein badiſcher Ort, der mit andern calwilchen Befigungen an Baden 
gekommen war. Die v, Eberbingen waren Lehensleute der Grafen von 
Calw, jpäter von Löwenftein und fommen vom 12, bis 14. Jahrhundert vor, 

3) Eein Grabftein ift nod vorhanden und fteht an der Wand der vordern 
rechten Seitenkapelle der Schloßkirche. Bon der Umſchrift Taffen fi noch bie 
Worte entziffern: 7 Anno dmni, 1324 in die, ,... Henricus de Eberdringen 
“+. scult, requiescat in pace am, 


Achtes Kapitel, Pforzheim im 14. Jahrhundert. 103 


zent oder wie man die nennet”, dem Kloſter Herrenalb übergab. 
Die Familie der Göldlin ftand im 14. Jahrhundert in Pforzheim 
in großem Anfehen ') (S. 85) und hatten diejelben ihren Namen ihrem 
Neichthum zu danken; denn eigentlich hießen fie ven Tiefenau, 2) 
und werden deßhalb fpäter auch als Göldlin von Tiefenau aufge: 
führt. 3) Das Schultheißenamt fcheint auch während eines großen Theiles 
des 14, Jahrhunderts bei diejer Familie geblieben zu fein; wenigſtens 
ipricht dafür eine in der Schloßkirche noch erhaltene Inſchrift 4) auf 
Luitgarde, genannt Göldenerin, Gattin des Schultheißen Hein: 
vich, welhe 1371 ftarb. (Daß Göldener und Göldlin identifch 
find, ift wohl nicht zu bezweifeln.) Im Jahr 1345 hieß der Schult: 
heiß Seßelin; 1367 und 1371 Goßlin; 1383 Albert, wahr: 
iheinlich auch Göldner oder Goßlin. — Vogt zu Pforzheim war 1356 
Wiprecht von Helmftett, Herr zu Biſchofsheim und Buchelbach, 1373 
Gerhart Utzlinger, 1388 und 1391 Hans Conzmann. Diefer be: 
fiegelt im erfterm Jahre einen zwiſchen Württemberg und Baden zu 
Leonberg gejchloffenen Einigungsvertrag; 5) in letzterm Jahre iſt er 
Mitbürge für die Summe von 400 fl., weldhe Markgraf Bernhard I. 
zu einem Seelgeräthe für feinen verftorbenen Bruder Nudolf dem Kloſter 
Lichtenthal ausgejeßt hat. Conzmann wurde fpäter Amtmann in Baden, 
wo er fich viele Vergehungen zu Schulden kommen ließ, weßhalb er 
abgejegt wurde und Entſchädigung leiſten mußte, 


1) Vergl. Lotthammer, Piorzheims Vorzeit, ©. 146, Sachs Il, 235, 
Tihudi, Schweizerchronif 1, 624, Leichtlin, Beiträge, 186. 

:) Das Stammſchloß Tirfenau lag wahricheintich bei Sinzheim (DU. 
Baden, und trägt dafelbit ein Hof dieſen Namen noch. 

) Ein Heinrich Göldlin von Tiefenan gerieth zu Ende des 14. Jahrhun— 
derts) im heftigen Streit mit bem Markgrafen Bernhard. Es wird ſpäter mehr 
daven die Rebe fein. 

+) Diejelbe findet fih am der Wand ber einen Seitenfapelle und lautet: 
Anno domini 1371 feria sexta post dnicam letare obiit Luitgardis dieta Göln- 
denerin uxor heinrici Stulteti, amen. Pfortzheim. Requiescat in pace. D. h. „am 
Jahr des Herrn 1371 am Samstag nach Lätare ftarb Luitgard, genannt Gölnd: 
nerin, Gemahlin des Echultheißen Heinrich, Amen. Pforzheim, Sie ruhe in 
Frieden!“ 

5) Stein hofer, württemb. Chronik, IL, 464. 


104 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 
b. Klöfter, Kirchen, Spitäler ꝛc. 


Vielfach finden wir wieder in Urkunden zc. des 14. Jahrhunderts 
verschiedener Klöfter und der Beziehungen gedacht, in welche die Stadt 
Pforzheim oder einzelne ihrer Theile, auch Familien und Bürger darin 
zu denfelben getreten find. Sehen wir, um folhe Verhältniffe aus- 
einander zu feßen, zuerit nach den betreffenden auswärtigen Klöſtern, um 
fodann in der Stadt felbft wieder die nöthige Umfchau zu halten. 

Bon jenen ift im erfter Reihe Lichtenthal zu nennen Der 
Gründung diefes Gifterzienferflofters durch Marfgräfin Irmengard (1245) 
ift im vorigen Kapitel bereits gedacht worden. In Folge frommer Ver: 
mächtniffe, ſowohl von Seiten der badifchen Markgrafen, als des benach: 
barten Adels, war dasjelbe nach und nad zu bedeutendem Befisthum 
gelangt, 1) umd namentlich waren ihm auch die Kirchenfäte von Baden, 
Ettlingen, Mali, Steinbach zc. und damit das Patronatvecht diefer 
Kirchen gefchentt worden. Gleiches geſchah 1344 auch mit den beiden 
Kirchen in Pforzheim.) Am 21. Februar jenes Jahres ftellte Mark: 
graf Rudolf IV. eine Urkunde aus, nach welcher er mit feiner Gemahlin 
Maria, Gräfin von Detingen, und mit ZJuftimmung feiner Söhne, der 
Markgrafen Friedrich IT. und Rudolf V. und ebenfo feines Neffen, des 
Markgrafen Herrmann IX. und defjen Gemahlin Mechthild, Gräfin von 
Vaihingen, mit Berathung der Aebte Mernher von Neuburg und Nupert 
von Herrenalb und mit Wiffen ihres Wetters, des Grafen Berthold von 
Eberſtein und des Nitters Burfard von Spät, das Batronatrecht über 
die Kirche zu Pforzheim mit allen anflebenden Nechten und Nutzungen 
an das Klofter LichtentHal vergab, welches fortan das Einkommen der: 
jeden nach erlangter Inkorporation der Kirche in das Klofter beziehen 
und auf Lebensunterhalt und Kleidung feiner Angehörigen und die Auf: 
befferung feiner Pfründen verwenden, dafür aber auch ihr, ihrer Vor— 
fahren, Erben und Wohlthäter und insbefondere ihres Oheims, des 
Markgrafen Nudolf III. Gedächtniß begehen follten. Die Inkorporation 
wurde am 5. Juli 1344 durch Biſchof Gerhard von Speier mit Zus 
ftimmung des dortigen Domkapitels vollzogen, um, wie es in der betr, 


1) Vergl. Herr: Das Klofter Lichtenihal, jeine Kirche und Kapelle (1833) ; 
Bader: Kurzgefaßte Geſchichte des altbadiſchen Franenklofters Lichtenthal (1845) ; 
Bader: Die Stifter des Klofters Lichtenthal ꝛc. (1845), 

2) Vergl. Mones Zeitihrift VII, 482, 490, VII. 81, 456, 


Achtes Kapitel, Pforzheim im 14. Jahrhundert. 105 


Urkunde beißt, der großen Noth, worin fich das Klofter befand, dadurch 
abzubelfen. Die päpftliche Beſtätigung aller diefer Inkorporationen 
(Baden, Ettlingen, Pforzheim ꝛc.) erfolgte erſt 1379. — Unterm 
26. Juni 1347 wurde das neue Verhältniß, im welches die beiden in- 
forporinten Kirchen von Pforzheim, nämlih die Mutterfirde von 
St. Martin (Altftadt) und die Filialkirche von St. Midael 
(Schloßkirche) zu dem Kloſter treten follten, ebenjo das Verhältniß diefer 
beiden Kirchen zu einander, durch den Speierer Propſt Ulrich von Wir: 
tenberg geregelt. Dem Klojter war nämlich ſchon in der Uebertragungss 
urfunde die Verpflichtung auferlegt worden, für die Pforzheimer Kirche 
einen eigenen Pfarrer oder doch einen ftändigen Pfarrverweſer (vicarius 
perpetuus) zu halten und aus dem Kirchenfage, der jedenfalls ſehr bes 
deutend gewefen fein muß, zu bejolden. Es wurde nun feſtgeſetzt, daß 
ber Pfarrverweier alle Nccidenzien, die Zinfen der für Jahrestage ges 
machten Stiftungen, und den Kleinen Zehnten in Stadt und Altjtadt, 
jowie den umliegenden Filialien (Würm, Huchenfeld, Dillften, Weißen: 
ftein) als fein Einfommen erhalten, aber verpflichtet fein jolle, daraus 
jähriih 30 Pfund Heller an das Klofter Lichtenthal abzugeben. Er 
mußte zwei Hilfspriefter halten, von denen einer bei Tag und Nacht in 
dem dazu beftimmten Haufe bei der Altjtädter Kirche bleiben mußte, um 
mit Hilfe des dortigen Hirſchauer Präbendarius (wahrjcheinlich der 
St. Nikolauskapelle) alle kirchlichen Funktionen zu verrichten, namentiic 
Sterbende zu verjehen. Alle Kinder, der alten Stadt jowohl, als der 
neuen und der Filialgemeinden, jollten nur in der Kirche zu St. Martin 
und nicht zu St, Michael, und zwar entweder vom Pfarrverweſer jelber, 
oder von einem feiner Hilfspriefter getauft, und in derfelben Kirche aud) 
alle Bekanntmachungen, Verfündigungen ıc. vorgenommen werden, Der 
Pfarrverwefer, oder irgend ein Anderer, der einen großen Theil des 
Kirchengutes beſäße, jolle auch verpflichtet fein, das erforderliche Zucht: 
vieh, nämlich den Farren, Eber und Widder zu halten, Käme der 
Pfarrverweſer jeinen Verpflichtungen, namentlich bezüglich der Verſehung 
von Sterbenden und der an Kichtenthal zu bezahlenden 30 Pfund Heller, 
nicht nach, fo folle er ohne Weiteres vom Biſchof abgefet werden können. 

Die Urkunden, denen alle diefe Beftimmungen entnommen wurden, 
find jehr belehrend für manche der damaligen Verhältniſſe Pforzheimse. 
Zum erjten Male ijt darin mit Bejtimmtheit von den beiden Haupts 


106 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14, Jahrhundert. 


firchen der Stadt, nämlich der St. Martins: ') und der St. Michaels— 
Ficche die Mede, und wird jene die Mutter- und diefe die Tochterkirche 
oder das Filial genannt, Doch drohte die Tochter der Mutter bereits 
über den Kopf zu wachen, was daraus zu entnehmen, daß der Pfarrer 
für beide Kirchen in der neuen Stadt, in der alten dagegen nur ein 
Hilfspriefter die Wohnung zu nehmen hatte, Immerhin blieb aber da— 
mals St Martin vor St. Michael das Necht der Proklamationen, der 
Taufen ꝛc. gewahrt. Es geht aus allen dem von felbft hervor, daß 
die Altſtadtkirche die ältere it und daß, wenn früher im Allgemeinen 
von einer Kirche in Pforzheim die Nede war, zumächft diefe und in 
zweiter Reihe die Schloßkirche gemeint fein fonnte, Daß letztere Kirche 
aber in der Mitte des 14, Jahrhunderts vollendet daftand, ift eben jo 
wenig zu bezweifeln. Vom älteften Theil diejer Kirche und der wahr: 
icheinfichen Zeit feiner Erbauung it oben (S. 30) ſchon die Nede ges 
weſen. Die Erbauung des Langhauſes ijt mindeſtens in das 13. Jahr— 
hundert zurüczuverießen. Es fpricht dafür nicht nur die ganze Bauart 
desjelben, jondern auch die über dem füdlichen Eingange befindliche In— 
ihrift: Petite et aceipietis (d. h. bittet, jo wird euch gegeben), deren 
Buchftabenform ganz die Tateinifch = gotbifche ift, wie fie im 12. und 
13. Jahrhundert üblib war. Das Chor der Kirche ift, wie wir fpäter 
nody berühren werden, vom Jahr 1460, ein Anbau auf der Nordjeite 
von 1487. — Die jetige Altſtädter Kirche ift natürlich nicht mehr die 
ursprüngliche, mit Ausnahme der Grundmauern und des Steins mit 
den Hieroglyphen über dem Portal, vielleicht auch noch andern Mauer: 
werks. Die dermalige Kirche mag erft nach dem dreißigjährigen Krieg, 
in welchem die Altftadt abbrannte, gebaut fein. Ihre Vorgängerin, die 
der Nachfolgerin noch mandye Reſte binterließ, wurde vielleicht 1419 
aufgeführt; denn noch zu Anfang des laufenden Jahrhunderts war an 
einem Grundpfeiler der Kirche ein Wappen wahrzunehmen, welches einen 
Berſchfiſch vorftellte, in deffen Rücken eine Gabel jtad. Darüber jtand 
der Name Friedrih Berfh und die Jahrzahl 1419, womit vielleicht 
der Baumeijter dev Kirche und die Zeit des Wiederaufbaues derſelben 
bezeichnet werden follte. 


— — 


1) Sachs IV., 135 ſagt, daß die Altſtadtkirche nach einer Urkunde von 
1385 St. Maria geheißen habe. Es ift dies aber fi.yerlih ein Druck- oder 
Schreibfehler oder eine unricgtige Lesart, anftatt St. Martin. 





Achtes Kapitel, Pforzheim im 14. Jahrhundert, 107 


Wie die Kirchenfäge jelber, jo ging auch das Recht der Vergebung 
des Mepneramtes der Altjtadt, und damit zugleid das Einkommen 
desjelben, an Lichtenthal über. Im Jahr 1352 verkauften die Pforz— 
heimer Bürger Walther, Albrecht, Wernher und Berthold Weiß 
ihren Antheil am Meßneramte der Altftadt, das ihre Familie bisher zu 
verleihen hatte, um 24 Heine gute Gulden von Florenz. ') Ebenfo ver: 
Faufte die Wittwe von Siegfried Weiß, Hedel von Mönsheim, fammt 
ihren Söhnen Hartmann umd Wilhelm Weiß 1353 ihren Antheil am 
Mepneramt um 30 fl. ebenfalls an Lichtenthal. Von diefem Kloſter 
ging jedoch fragliches Meßneramt bereits 1359 um die Verkaufsſumme 
von 130 Pfund guter Heller mit aller Zubehörde an Hirichau über. 
Um darauf nicht wieder zurüdtommen zu müffen, fügen wir bier noch 
bei, daß dag Recht der Verleihung des Meßneramtes bei Aufhebung 
letztgenannten Klofters an Württemberg und 1563 durch Tauſch an die 
Markgrafen von Baden Fam. 

Es möge bier auch der Stiftung zweier Pfründen aus dem Seit: 
raume, in welchem die Pforzheimer Kirchen an Lichtenthal fielen, erwähnt 
werden. Im Jahr 1544 ftiftete die Pforzheimer Bürgerin Guta 
Bhennerin eine ſolche Pfründe in die dortige Kirche und verlieh das 
Kollaturrecht dem SKlofter Maulbronn. Im Jahr 1359 hing Mark: 
graf Rudolf V., Herr zu Pforzheim, fein Siegel an einen Brief, in 
welchen Agnes und der Konvent des Frauenkloſters zu Büren (Beuern, 
Drt, zu welchem Lichtenthal gehört), grauen Ordens von Cytlers (Gifterz), 
dem Schultheigen Heintz, Kunzen ſel. Sohn, erlauben, eine Frühmefie 
zu ftiften in der Pfarrkirche zu Pforzheim zu St. Michael, 

Der erjte Geiftliche, den Lichtenthal 1347 anftellte, hieß Rudolf. 
Im Jahr 1353 war ihm bereits Johann Steimelin oder Stenne 
fin nachgefolgt. Das Einkommen desjelben wurde wegen Unzuläng: 
fichfeit dev Pfarrbefoldung um 1 Fuder Wein, (oder ftatt defien 12 Pfd. 
Heller), 1 Fuder Heu und 1 Fuder Stroh erhöht. Dafür mußte er 
aber verjprechen, nicht nur die Verbindlichkeiten gegen Lichtenthal pünkt— 
licher als bisher gejchehen, zu erfüllen, fondern auch die 19 Pfund 
Heller Rückſtände, welche das Klofter noch zu fordern hatte, in Terminen 
abzubezahfen. Eine abermalige Nufbefierung der Pfründe erfolgte 1357 


1) Man vergl. zu diefer und zu andern Stellen das, was weiter unten 
über den Geldkurs des 13. bis 16. Jahrhunderts gejagt if. 


108 Achtes Kapitel. Pforzheim ım 14. Jahrhundert, 


unter Pfarrer Johann Eifenmenger, der fich beklagt hatte, „daz die 
phründe zu fleine were, und daz ev fich vnd die zu im horten (gehörten, 
nämlich) die beiden Hilfspriefter,) von der jelben phründe nüczen nit 
herneten und begen mohten“ (nicht zu ernähren und zu erhalten ver: 
möchte). Er erhielt darauf bin 12 Malter Roggen weiter, auch wurde 
ihm das Mekneramt geliehen. Doch mußte er verfprechen, fich mit der 
nun wiederholt aufgebefierten Pfarrpfründe bei Strafe des Verluſtes 
derfelben fortan begnügen zu wollen. Sein Nachfolger Günther 
Flad vertaufchte 1384 die Pfarrei Pforzheim gegen eine andere Pfründe 
an Berthold Trautmwein, welcher die fchriftliche Verficherung geben 
mußte, daß er „jelbe pharre zuo Phorkhein in finen händen haben 
wil und ein pharrer dar uf bliben die wile er gelebe, und fol da mit 
feinen wechjel vmb eine andere pfruonde nummerme getun in deheine 
wife, dann mit einer eptifjen zuo Xiechtental guoter wille.” Er wird 
auch 1385 als Pfarrer genannt. 1) 

Außer dem Kircheniate und dem, was daran hing, machte Lichten- 
thal in Pforzheim noch verichtedene andere Erwerbungen, Im Jahr 1347 
faufte e8 von dem Schultheigen Eberhard von Iptingen (württemberg. 
DU. Maulbronn) und feiner Fran Lugart ihr Haus, Scheuer und 
Hof zu Pforzheim unten am Prediger-Kloſter, welches Alles von dem 
ebenfalls befagtem Schultheigen gehörigen Steinhaus und Garten getrennt 
und unterfteint war, um 8 Pfund Heller Gült, mit der Auflage, daß 
jährlich auf Pfingſten dem Kloſter Hirſchau 6 Heller Erbzins entrichtet 
und zwifchen der Scheuer und dem Steinhaus nie gebaut werde. Im 
Jahr 1363 vermadht diefer Eberhard, der nach dem Tod feiner Frau 
und feiner Tochter Irmel in das Dominikanerkloſter zu Pforzheim ge: 
gangen war, an Lichtenthal auch befagtes Steinhaus, nebſt Keller und 
Hof, wofür alljährlich für ihn, feine Frau und alle feine Kinder ein 
Jahrestag gehalten werden ſollte. Diefes Steinhaus lag einerfeits neben 
ben Frauen von Lichtenthal (vergl. 1347), andererfeits neben dem 
Garten des Frauenklofters zu Pforzheim, und hatte früher Konrad Wet: 
mäanteln gehört. Wenn wir nun noch weiter hören, daß das Kloſter 
Lichtenthal 1347 von den Dominikanern in Pforzheim auch deren hinter 
dem Kloſter gelegenen Speicher ſammt Zehnticheuer um jährlihe 12 
Schillinge pachtete und jpäterhin käuflich erwarb, jo folgt aus dieſem 


) Urkunde in ©. L. Archiv. 


Achtes Kapitel, Pforzheim im 14. Jahrhundert, 109 


Allen, dar Lichtenthal im Beſitz aller der Häuſer war, die in der Spi— 
talſtraße dem jegigen neuen Mädchenfchulhaufe gegenüber liegen oder 
lagen; denn der Lichtenthal'ſche Zehnthof war befanntlih an der Stelle, 
wo jetzt das Haus von Fabrikant Kübeleberle fteht und wurde evt zu 
Anfang der 1850er Jahre abgeriffen. — Auch einen Garten befaß 
Lichtenthal dafelbft, der beiſpielweiſe 1396 um jährlih 1 Pfund Heller 
verpachtet war, Noch verdient bemerkt zu werden, daß der Pforzheimer 
Bürger Dietrich Flad 1371 von den Lichtenthaler Nonnen ein Gut zu 
Au am Rhein (O.-A. Raftatt) pachtete; endlich daß Lichtenthal von 
Heinz Nötte (Neth) 1396 ein Haus fammt Hof und Scheuer in der 
Altstadt um 29 Pfund Heller erfaufte, 

Wie im 13., fo finden wir auch im 14. Jahrhundert, daß das 
Klofter Hervenalb!) der Gegenftand der Aufmerkjamteit und der 
Begabung mancher Pforzheimer Bürger und Bürgerinnen war, von 
andern auch Dies und Jenes käuflich erwarb. So ſchenkte 1301 der 
Bürger Berthold Widmann (S. ST) und feine Frau Richenza dem 
Kloſter Herrenalb ihr ganzes Vermögen, das fie in Pforzheim und an 
andern Orten befaßen; (1302 verkauft Schultheig Diether von Ellmen— 
dingen mit feiner rau Irmentrut den von ihnen bisher bejeffenen 
vierten Theil des großen und Kleinen Zehntens in Ellmendingen um 
60 Rund Heller); im April des nämlichen Jahres (1302) reverfiren 
ber Pforzheimer Bürger Gottbold Weiß und feine Frau Adelheid, daß 
fie an Herrenalb um 300 Pfund Heller verkauft haben: zwei Theile 
an der Mühle zu Pforzheim, genannt „der VBoglerin Mühle", den dritten 
Iheil des großen und fleinen Zehntens in den Dirfern und Markungen 
Brößingen und Birkenfeld, ferner Güter in Brögingen, Ellmendingen, 
Neidlingen und Göbrichen und den vierten Theil des großen und Meinen 
Zehntens daſelbſt; — alle diefe Güter und Zehnten erhält aber Gott- 
bold Weiß vom Kfofter als Zinslehen wieder zurück um einen jährlichen 
Zins von 44 Malter Roggen, 27 Malter Spez, 42 Malter Haber 
und 10 Pfund Heller und 5 Schilling. Da Weiß den bemerkten An: 
theil des Zehntens in Brögingen und Birkenfeld vom Markgrafen Trieb: 
rich II, zu Lehen trug, das Klofter ihn aber als freies Eigenthum 
erwarb, fo mußte Weiß dem Markgrafen einen Hof neben der Kirche zu 
Pforzheim als Lehenerfat geben und empfing denfelben wieder zu Lehen. — 


1) Vergl. hiezu die Herrenalber Urkunden in Moncs Zeitichrift, 


110 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14, Jahrhundert. 


Im Jahr 1304 ſchenkt Heilwig, die Tochter Erlewin Rumelins, zu ihrem 
und ihres verftorbenen Gemahls Heinrich Hegening Seelenheil, dem 
Klofter Herrenalb 221/, Pfund Heller. Ebenſo ſchenken 1312 Heinrich 
lad und jeine Kinder Konrad Pfarrer zu Hirichlanden, O.A. Leon: 
berg), Heinrich, Dietmar, Konrad, Elifabetb und Meta dem Kiofter 
als eine Gabe unter Lebenden fünf Morgen Weinberge zu Dertingen; 
Sigfried Weiß, Sohn des obengenannten Gottbold Wei, und feine 
Tran Hedwig, (eine geb. won Mönsheim) geben 1319 mit Zuftimmung 
der Pfleger der minderjährigen Gefchwifter Sigfrieds und des Mark: 
grafen Rudolf IV. an Herrenalb, um des bei 1302 genannten Lehen: 
zinfes ledig zu werden, die dort bezeichnete Mühle mit allen dazu ge 
hörigen Nechten und Nutzungen, nämlich verſchiedene Brodichrannen zu 
Pforzbeim, wovon alle Woche 5 Heller oder ebenfoviele Hellerbrode 
fallen, jammt 1/, des großen und fleinen Zehntens zu Brötingen und 
Birkenfeld.) — 1321 bezahlen die Pfleger der minderjährigen Kinder 
des Gottbolds Weit eine Schuld von 20 Pfund an Herrenalb mit 
Zinfen und Gefällen in Ellmendingen, Dietlingen, Nöttingen, Schell: 
bronn ꝛc. — Am Jahr 1328 übergibt der Pforzheimer Bürger Hein: 
rich Riſe um feiner, feiner VBordern und Nachkommen Seelenheils willen 
dem Kloſter Herrenalb den vierten Theil des Laienzehntens zu Wein— 
garten (O.-A. Durlach) (S. 102), den er felber vier Jahre vorber von Pe— 
triffa von Remchingen, Wittwe Heinrichs von Roßwag, um 300 Pfund 
Heller erlauft hatte. — Im Jahr 1336 nehmen Rudolf der Nenner von 
Pforzheim und jeine Fran Mechthild, „der Zurgelern Tochter”, vom 
Klofter um jährlih 2 Pfund Hellers in Erbbeitand die Hofitatt und 
das Steinhaus und was dazu gehört, den Keller ausgenommen, zu 
Pforzheim unten am Markt, „zwifchent der Hederinen bus und der 
Zurgelerin® gelegen. — 1336 verkauft Albert Liebener von Pforzheim 
an Herrenalb alle feine MWeingärten in und bei Dertingen um 90 Pfd. 
Hellers. — Bon Pforzheim aus nahm Kaifer Karl IV. 1347 aud 
Herrenalb in feinen bejondern Schirm, — und endlich erfahren wir aus 
einer Urkunde von 1348, daß diefes Klofter einen befondern Pfleger 
oder Guftos, Namens Kraft, in Pforzheim hatte. 

Wenden wir ung num nod nad) dem Klofter Maulbronn, um 
von diefem das, was auf Pforzheim Bezug bat, anzugeben. ?2) Es ift 


1) Die Urkunde folgt unten ganz. 
*) Bergl. Klunzinger, Geichichte von Maulbronn, S. 25 ff, der Regeſten. 


Achtes Kapitel. Piorzbeim im 14, Jahrhundert. 111 


dies bei verfchiedenen Vermächtnifien und Berfäufen der Fall. Im Jahr 
1302 ftiftet die Beguine Guota (jiehe unten) von Pforzheim, genannt 
Schwertfeger, 8 Schilling jährliher Zinſe in den beiden Glattbach (DO. X. 
Baihingen) zu einem Wahslicht auf den Altar zum heiligen Kreuz in 
Maulbronn, mit der Bedingung, daß, wenn dies nicht genau eingehalten 
würde, die Gefälle an die Kirche zu Pforzheim fallen ſollten. — Im Jahr 
1328 verkauft Sigwart, genannt Herzog zu Pforzheim, dem Klofter 
etliche Güter zu Bauſchlott. — Das Jahr darauf (19. April 1329) 
verfauft Heila Waifin (Weiß) den Kloſter 6 Malter Roggen, 6 Malter 
Hafer und 86 Schilling jührlicher Einkünfte zu KRußelbrunnen (Stiefel: 
bronn) für 34 Pfund Heller. Am 17. Jannar 1343 verkauft Guta 
Rappenherrin von Pforzheim dem Klofter Maulbronn einen Hof zu 
Flacht. Diefelbe verkauft im Juli 1356 dem Kloſter den Gailingshof 
ſammt einer Mühle und dem Patronate zu lacht nebjt "/, des 
Laienzehntens daſelbſt um 350 Fund Heller. — Am 10. April 
1344 übergibt Guta Pfennerin oder Phennerin von Pforzheim, 
Gerungs Wittwe, dem Klofter Maufbrenn die Kollatur der von ihr 
in ber Pfarrkirche zu Pforzheim geftifteten Prründe (S. 107). Dies 
jelbe „edle Matrone“ ftiftet 1359 zu einer täglichen Meffe auf dem 
Altar des heil, Beneditt zu Maulbronn 400 Pfund Heller, Eine 
andere dieſes Geſchlechts, Irmela, wahrſcheinlich Tochter der Guta, ver: 
macht am 25. Februar 1975 dem Klofter einen Hof zu Speier. — 
Am 25. Mai 1359 vermaht Guta Veſenmayerin von Pforzheim dem 
Klofter zu einem Seelgeräthe ebenfalls 400 Pfund Heller, — 

Mas num die Klöfter der Stadt Pforzheim felber betrifft, 
jo ift der Gründung von vieren derielben, welche im Laufe des 12. und 
13. Jahrhunderts erfelgte, bereits Erwähnung gejchehen, nämlich der 
Gijterzienferinnen, dev Dominifanerinnen, der Domini: 
faner und der Kranzisfaner. Am meiften begegnen wir im Laufe 
des 14. Jahrhunderts dem zweiten diefer Klöfter, und wir finden dasjelbe 
namentlich bemüht, fein Befisthbum zu vermehren. So erfauft es am 
d. Auguft 1325 von Markgraf Friedrich IL und feinem Sohn Herr: 
mann IX. 3 Pfund Keller Gült an der Mühle zu Nöttingen, — um— 
gekehrt verkaufte Priorin und Konvent des Klofters an das Frauenkloſter 
zu Nechenshofen am 7 Nov. 1336 einen halben Hof mit der halben 
Kelter im Dorfe Haslach und einige Weingärten und Acer dafelbit mit 
Bewilligung des Markgrafen Rudolf IV. von Baden und „des geiſch— 


112 Achtes Kapitel, Pforzheim im 14, Jahrhundert. 


lichen heven des priors und des conventes der prediger zu Phortzhein.“ 
Im Jahr 1338 erfauft diefes Klofter wiederum von dem Bürger Geis 
fried Weiß zu Pforzheim und feiner Frau eine Hube in der Neidlinger‘) 
Mark, ihren Theil des großen Zehntens zu Göbrichen und 1 Simri 
Delgeld vom Heinen Zehnten daſelbſt. — Am St. Marrentag 1344 
„verſchreibt jich das Frauenkloſter Predigerordeng zu Pforzheim über 
das gekaufte Dorf Ellmendingen, (das dem Klofter bereits 1313 
verpfändet geweſen war,) einer MWiederlofung gegen ihren Herrn Mark: 
graf Herrmann IX.” — Am Jahr 1355 befak dus Klofter auch den 
Dberhof zu Springen und gab ihn in diefem Jahr dem Walther Faul- 
feder in Erbbeitand.?2) 1350 verlieh ein Graf von Eberftein gemein: 
Ichaftlich mit dem Markgrafen von Baden diefen Klofter den Pfarrſatz 
zu Dürvenglattbad).3) Am Jahr 1365 verkaufen die Edelknechte Ber: 
thold Göler und feine Brüder Konrad und Hans, alle von Enzberg, 
Söhne des Nitters Konrad von Enzberg, mit Willen und Rath ihres 
Vaters an die Priorin Lutgard von Asberg ) und den Konvent des 
Vredigersffrauenklofters auswendig der Stadtmauer (S. 74) ihre Kirchen: 
fäße zu Iſpringen und Nydelingen um 1500 Gulden, und „geloben fie 
zu fertigen mit ihres hochgeborenen Herren Hand, ihres Lehensherren, 


) Bergl. ©. 64, wo von biefem bald verfchwundenen Ort die Nede ift. 
Ein anderer unterzegangener Ort im Bezirf Pforzheim tft Bonlanden, der 
zwifchen Pforzheim und Meil der Stadt, bei Steinegg, gelegen haben muß. 
Er kommt in einer Herrenalber Urfunde (Bonlanden apud Steinecke) von 
1310 vor. — Daß früher aud zwiſchen Tforzheim und Weißenftein ein Dörf- 
hen Rod lag, ift Eeite 58 bemerft worden. 

) Aften des Großh. Dberamts Pforzheim. 

2) Krieg, Grafen von Eberftein, ©. 62 (nad Gabelfofer). 

4) Das Andenken diefer 1377 geftorbenen Qutgard (Lucgard, Quitgarbde), 
welche jhon 1340 Kloiterfrau in Pforzheim war (Stälin, IM., 709), erhält 
noch ein Grabjtein, der ihr und einer Lutgard von Tübingen gemeinjchaftlich 
nefegt wurde und im Hof der Helle und Pflegeanftalt zu Pforzheim in einer 
Mauernifche aufbewahrt wird. Es befindet fih darauf das Bildniß einer Frau 
in Nonnentracht mit der Umichrift: + ANNO DNI MCCCLXXIHE PRIDIE 
ANTE GREGORI ORUT SOROR LUCGARD PALATINA DE TUWINGEN 
ET POSTEA IN TERCIO ANNO FELICIS ET ADAUCTI OBIIT DOMINA 
LUCGARD PALATINA DE ASBERG SOROR NOSTRA + d. b.: „Im Jahr 
1374 am 11. März ftarb die Schwefter Lucgard, Pfalzgräfin von Tübingen, 
und im britten Jahre nachher am 30. Auguft ftarb die Frau Lucgard, Pfalze 
gräfin von Asberg, unſere Schweſter.“ 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14, Jahrhundert. 113 


des von Leuwenſtein“, der ſodann im folgenden Jahre (1366) diefe 
Kirhenfäge zu feinem und feiner Vordern Seelenheil dem Klofter als 
freies Eigenthum übergibt. Am 13. Februar 1376 verkaufte diejenige 
Prisrin, welche auf Lutgart von Asberg folgte, nämlich Anna von Balz: 
bofen, mit der Sanımmung (Konvent) des Franenflofters an Maulbronn 
verihiedenes Einkommen zu Unterömwisheim. Daß 1363 die Domini: 
fanerinnen einen Garten hinter dem Dominikanerklofter befaßen, ift oben 
(S. 108) fchon gejagt worden, Aus einem Vergleich, der zwifchen den 
Herren von Württemberg und Baden 1402 gefchloffen wurde,t) erjehen 
wir, daß die Dominikanerinnen ein ftenerfreies Höflein zu Vaihingen, (mahr- 
ſcheinlich das ſchon S. 75 u. 80 angeführte) und einen Weingarten zu Di: 
zingen befaßen, wegen deffen fie damals in einen Rechtsſtreit mit Hans von 
Gültlingen verwidelt waren; daß fie ferner an Pfaff Seifried und Hug 
von Venningen 20 Pfund Heller Guts und an Eberhardt Sölern 
3 Pfund und 2 Sch. Heller forderten, welch Tettere Summe ihnen 
erblich zugefallen fei zu einem Geelgerette von ihrer Mitſchweſter 
Alhaußen von Gröningen, daß fie endlich in Eberdringen eine halbe 
Ohm Wein und Zinfe von Fritz von Xiebenftein zu beziehen hatten 2c. 
Außer den bereits genannten Priorinnen lernen wir 1370 auch zwei 
Nonnen dieſes Klofters Kennen, nämlich Gerhus, Schweſter des Bürgers 
Heinrich Pforzheim von Grüningen (Marfgröningen) und deren Mubme, 
Alhus von Damm (Than, O. U. Ludwigsburg). Sie beftimmten im 
angegebenen Jahr, daß nach ihrem Tode 1/, des Laienzehntens zu Vai: 
hingen und 2 Meingärten in Horrheim (O. U. Vaihingen) an das 
Klofter fallen follten. Um diefelbe Zeit war aud eine Pfalzgräfin 
Elsbeth von Tübingen, genannt Schererin, „Cloſterfrow“ zu Pforzheim. 
Das Klofter der Dominikanerinnen wurde überhaupt nah und nad) jehr 
reih. Außer den Schon genannten Beſitzthümern, Einkünften ꝛc. erwarb 
ſich dasfelbe noch ein Viertel des Zehntens zu Birkenfeld, Brötzingen 
A), Neidlingen (*/,), Kiefelbronn (1), Mipringen (ganz), Glap— 
pach, Nußdorf (1/4), Vaihingen (1), Dürm (1), Dizingen ('/ı), 
Utingen (Eutingen), Ingersheim (.); — ferner Gülten und Renten zu 
Uttelsburg, Mutſchelbach, Nußdorf, Vaihingen, Düren, Enzberg, Utingen, 
Sngersheim, Merklingen, Wurmberg, Erfingen, Dingen, Bietigheim, 


) Steinhofer, Württemb. Chronik IM,, Gehres, Chronik von Wels 
lerſtadt, ©, 72, 
Pflüger, Pforzheim, 8 


114 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Sahrbundert. 


Geberhingen (Göbrichen), Friolzbeim, Illingen, Mühlhauſen, Asberg, 
Baden, Backnang, Bradenheim, Boppenweiler, Bönnigheim, Baufchlott, 
Kannjtatt, Dürrmenz, Elfingen, Ellmendingen, Eßlingen, Gartach, Groß- 
fachjenheim, Grönningen, Güglingen, Gruppenbad, Gertringen, Gem: 
mingen, Gabelnberg, Heidelsheim, Hefligheim, Hutigheim, Heimsheim, 
Hirſchlanden, Hohenhaslach, Hefnerhaslach, Illingen, Kirnbach, Königs: 
bach, Lienzingen, Liebenzell, Münſingen, Mönsheim, Magſtatt, Mühl— 
hauſen, Münſter, Nußdorf, Nußbaum, Niefern, Nippenberg, Oberöwis- 
beim, Oeſchelbronn, Pfaffenhofen, Reutlingen, Schmieheim, Stein, Stutt- 
gart, Steinach, Seelbach, Tuttlingen, Weiler, Weilerjtadt, Weiler im 
Zabergau, Wafferburg, nzweihingen, Wiernsheim, Würm, Wimpfen, 
Waiblingen, Warmbrunn, Zaberfeld, Zaijersweiher, Zuffenhaufen 
u. a. a. O.!) 

Zu der Zeit, als die erwähnte Lutgard von Asberg Priorin des Domi— 
nikanerinnenkloſters war und auch die andere Lutgard von Tübingen darin 
den Schleier trug, beherbergte dasſelbe längere Zeit einen auf eigene 
Weiſe dahin gekommenen vornehmen Gaſt, nämlich Euphemia oder 
Eugenia, eine Tochter Eduards III., Königs von England. Ihr 
Vater hatte ſie für einen Grafen von Geldern zur Gemahlin beſtimmt. 
Da dieſe Verbindung aber gegen ihre Neigung ging, ſo entfloh ſie aus 
England nach Flandern, reiſte von da aus zu Fuß nach Köln und ver— 
richtete in einem dortigen Gaſthofe unter dem angenommenen Namen 
Gertrud längere Zeit Magddienſte. Da ſie ſich durch Fleiß und Ge— 
ſchicklichkeit vor allen andern Dienſtboten auszeichnete, ſo erregte dieſes 
große Eiferſucht, und eine ihrer Nebenmägde wußte ſie dadurch in den 
Verdacht des Diebſtahls zu bringen, daß ſie ein Kleid, das ſie zu die— 
ſem Zweck entwendete, unter Euphemiens Kopfkiſſen verſteckte. Ihre 
Abſicht gelang ihr vollkommen. Euphemie oder Gertrud wurde des 
Diebſtahls beſchuldigt und zu einer für ſolche Fälle üblichen Strafe, 
nämlich zur Tragung des Halseiſens am Pranger, verurtheilt. Sie 
ertrug dieſelbe mit Gelaſſenheit, wäre aber von einigen Engländern, die 
ſich unter den Zuſchauern befanden, beinahe erkannt worden, wenn ſie 
nicht ihr Geſicht durch ihre Thränen unkenntlich gemacht hätte. Nach 
überſtandener Strafe wurde fie aus der Stadt gewieſen, kam nad 
langen Beichwerden nach Pforzheim, wo. fie im Kloſter der Domini: 





1) Vergl. Gültbeſchreibung des Frauenkloſters zu Pforzheim (Landes-Archiv.) 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 115 


fanerinnen gaftlihe Aufnahme fand und nach abgelegtem Gelübde bis 
an ihren Tod verblich, welcher um das Jahr 1367 erfolgt fein folt. ') 

Des Prediger: oder Dominifanerflofters finden wir in 
diefer ‘Periode auch mehrmals wieder erwähnt. Daß der frühere Schult- 
heiß von Sptingen, Eberhard, als Mönd in dasfelbe trat, nachdem 
feine Frau und feine Tochter geftorben waren, ift bereits gejagt worden. 
Im Jahr 1368 finden wir darin aud feinen Sohn Johanues als 
Lesmeiſter, d. h. als Lehrer für den jungen Klerus, und 1373 war der— 
jelbe bereitS zur Würde eines Priors aelangt. Als foldhen finden 
wir diefen Johannes von Iptingen in einer Urkunde von gedachten 
Jahr, worin er namens jeines Klofters von Engeline Pfaff in Weil 
der Stadt vierthalb fund Heller entlehnt und ihr dafür Pfaff Heinrich 
Schribers Haus, zu Weil am Kirchhof gelegen, verpfündet. An diefer 
Urkunde hängen die Siegel des Klofters und des Priors. Auf erfterem 
befindet fih ein Marienbild mit der Umichrift: CONVENTUS FRAT- 
RUM PRAEDICATORUM PHORZHEIMENSIS (Konvent der Pre— 
digermöndhe zu Pforzheim). Das andere iſt dadurch intereffant, daß 
auf demfelben dargejtellt ijt, wie ein Abt einen neuangehenden Mönch 
auf diefelbe Weiſe mit einer Ruthe Eräftig züchtigt, wie dies auf einen 
gewifjen Körpertheil bei Kleinen Kindern zu geichehen pflegt. Es fol 
diefer Gebrauch deshalb eingeführt worden fein, um die Herren vom 
Adel, die durch ihren Stolz die Ordnung in den Klöftern vielfach ftörten, 
vom Eintritt in diefelben abzuhalten. 2) 

Dom Klofter dev Kranzisfaner oder Barfüßer erfahren wir, 
daß dasfelbe 1371 von Schweiter Heilentrud aus Pforzheim (wahrſchein— 
lich; einer Beguine) ihren Hof zu Gölshaufen (B. U. Bretten) um 
60 Pfund Heller erkaufte. Dieſen Hof ſchenkten die Barfüßer in der 
Folge dem Spital in Pforzheim, von welchem er 1451 um 155 Gulden 
an Herrenalb kam. Als Pfleger des Klofters werden 1371 genannt: 
Heinrih Golbdelin, Günther von Vaihingen, Schultheiß Goßlin, Günther 
lad und Wernher Goldelin, 

Vom Kloſter der Eifterzienjerinnen, über defjen Gefchichte 
fortwährend ein Dunkel Liegt, habe ich auch für dieſe Periode nichts 
Beftimmtes in Erfahrung bringen können. 

9) Die Quelle für diefe Erzählung ift Maji vita Reuchlini, pag. 116 - 118, 
Man vergl. auch das anı Echluffe diefes Kapitels folgende Gedicht, 
2) Gehres, Chronik von Weilerftadt, S. 27, 


116 Achtes Kapitel, Pforzheim im 14. Jahrhundert. 


Sonſtige Klöjter, die vermuthlic dem 14. Jahrhundert ihre Ent: 
ftehung verdanften, waren in Pforzheim :1) Ein geboppeltes, regulirtes 
Auguftinerflofter, das aus zwei Flügeln beitand. Der eine diente 
den Kanonikern, der andere den Eremitern zur Wohnung. Die 
Kanoniker oder vegulirten Chorherrn Tebten, aßen und fchliefen gemein- 
ihaftlih unter der ummittelbaren Aufficht des Biſchofs oder Abtes. 
Nah der Reihenfolge der kanoniſchen Stunden begannen noch tief in 
der Nacht ihre frommen Uebungen. Für ihren Unterhalt forgte der 
Biſchof aus dem Kirchengutz doch war ihnen Einiges zu befigen erlaubt. 
Den Eremitern verlieh Papſt Merander IV. 1256 die Privilegien der 
Bettelorden. Sie entſtanden aus verfchiedenen zerftreuten Mönchsvereinen.?) 
Die Klofterficche gehörte den Kanonifern und Eremitern in Pforzheim 
gemeinſchaftlich. Wo diefes Klofter geftanden, läßt fich nicht ermitteln, 
und ift überhaupt wenig davon bekannt. — Außer demfelben wird 
aber noch eines andern Auguftinerflofters erwähnt,3) das 
wenigftens 1380 ſchon beftanden haben fol. 2) Näheres darüber ift auch 
nichts befannt. Es foll da geftanden haben, wo fidh jebt das Schlacht: 
haus und das Maifenhaus befinden.) Erwähnung gefhhieht bloß 1499 
einmal eines Altars „St. Nicolai in ecel, monial, St. Augustini“, 
d, h. „zu St, Nikolaus in der Auguftiner Kloſterkirche.“6) 

Den Klöftern ift aud em Beguinenhaus anzureihen, deſſen 
41379 gedacht wird, indem die Beguine Katharina Arnoldin in jenem 
Jahre ein folches in Pforzheim bauen ließ, während Beguinen ſchon in 
früherer Zeit dafelbft vorkommen (jo 1302 20). Beguinen oder Be: 
gutten (weibl), forwie die Begharden (männl.) hießen ſolche Perfonen, 
welche fid), ohne Kloſtergelübde gethan und die Regeln eines Ordens 
angenommen zu haben, zu Vebungen der Andacht und Wohlthätigkeit 
vereinigten und Geſellſchaften bildeten, in eigenen, oft durch Schenkungen 
fehr bereicherten Beguinenhäufern zufammenlebten und fi) durch Fleiß 
und Gittlichfeit, fowie durch Sorgfalt für die Jugend auszeichneten, 





1) Vergl. Kolb, Lerifon von Baden, I, 61. 

2) Vergl. Hafe, Kirchengeſchichte, S. 200 und 334. 

3) Bon Peter Lancillotus, der ein Verzeichniß aller Auguſtinerklöſter 
ber ganzen Welt machte. Vergl. Kolb, II, 61. 

*) Jüngler, Notate. 

5) Franc. Petri Suev, Eccl., pag. 666 und Kolb a. a. O. 

6) Nepertorium des Generallan desarchivs. 


Achtes Kapitel, Pforzheim im 14. Jahrhundert, 117 


Solcher Geſellſchaften waren feit Ende des 11. Jahrhunderts viele vor: 
banden; fie mußten aber durch die Eiferfucht der geiftlichen Orden ſchwere 
Verfolgungen erleiden. Klausſchweſtern, wahrſcheinlich Beguinen, kommen 
noch 1511 in Pforzheim vor. 

Zu diefen Klöftern ꝛc. Famen im Laufe des 14, Jahrhunderts 
auch einige Stiftungen, deren Zweck vwerbefierte Krankenpflege war, und 
von denen eine auch Höfterliche Einrichtung hatte. Im Jahr 1323 
gründete Markgraf Rudolf IV. mit feiner Frau Luitgard in der Bröbin: 
ger Vorftadt das „ Hofpitalhbaus des heiligen Geiftes." Das: 
jelbe hatte klöſterliche Einrichtung und waren die Hofpitaliter, die nad 
der Regel des heiligen Auguftin lebten, zur Kranken: und Armenpflege 
verpflichtet. Soldyer Hofpitalhäufer des heiligen Geiftes gab es im 
Allgemeinen nur wenig, fo in Schwaben, außer in Pforzheim, noch in 
Marfgröningen, Memmingen und Wimpfen. 1) Der Anfang des Stif: 
tungsbriefes?) Tautet (im heutigen Deutfh): „Wir Markgraf Rudolf 
von Gottes Gnaden, Markgraf von Baden der Jüngere (IV.) und 
Fran Luitgard, die Markgräfin, unfere eheliche Frau, Kunden allen denen 
die diefen Brief immer gefehen oder leſen hören, daß wir mit guter 
Betrachtung angefeben haben die große Würde und fondere Gnade, 
die der göttliche Orden des heiligen Geiftes in dem Spital zu Nom 
erworben hat vom heiligen Water der Ghriftenheit und Papſten des 
Stuhles von Rom, und darum fo haben wir mit gutem Willen und 
Andacht dem Meifter und Brudern desfelben Ordens aufgeben zu rechter 
Gab, die man nennt unter Lebenden, den Spital, den wir geftiftet haben 
in der Vorftadt unferer Stadt zu Pforzheim ꝛc.“ — War diefes Heilig. 
geiftfpital oder Heiliggeiftklofter ſchon bei feiner Gründung mit den erfor: 
berlihen Einkünften verfehen worden, (auch Hirſchau verzichtete damals 
auf 28 Heller Zins ab dem Platz, auf welden das Kloſter gebaut 
wurde,) fo hatte es ſich aud in der Folge reiher Schenkungen und 
noch einmal der Huld feines Stifters zu erfreugn. Am Freitag nad) 
St. Walpurgtag 1336 vermadten Markgraf Rudolf und feine eheliche 
MWirthin Maria 3) dem Spital die Summe von 25 Pfund als jährliches 

) Stälin, I, 712. 

2) Sachs, II., 129. 

3) Die zweite Gemahlin des Markgrafen, Wittwe des Grafen Wernber 
von Hobenberg. Seine erfte Gemahlin war die ſchon erwähnte Luitgarb, Wittwe 
des Grafen Albreht von Löwenftein, welche fchon 1324 farb, Vergl. ber 
durchlauchtigſten Fürſten und Markgrafen von Banden x. ©, 151, 


118 Achtes Kapitel, Pforzheim im 14, Jahrhundert, 


und ewiges Hellergeld, Als Meifter des Spitals wird 1367 ein Heinrich 
von Nau genannt; ſchon 1323 hatte fich ein Bruder, Heinrih von 
Mainsheim (Mönsheim), in dasjelbe eingepfründet, Zum Heiliggeift: 
jpital gehörte wahrfcheinfich das demfelben gegenüber liegende Kreuz: 
firchlein, das als beftehend zum erſten Male 1454 genannt wird. 

Der Gründung des Hoipitalhaufes zum heiligen Geifte war aber 
die eines Siechenſpitals im Pforzbeim vorausgegangen. Am 25. 
Juli 1322 kaufte die bereits erwähnte Marfgräfin Luitgard, Gemahlin 
Nudolfs IV., laut eines alten, abjchriftlich noch vorhandenen Stiftung: 
briefes 1) das Haus des Schultheißen Heinrich von Eberdringen (S. 102) 
zwifchen den Waſſern vor dem Tränfthor, und beftimmte es zu einem 
Spital für elende und arme Siehen. Dieſes Haus ftieß an das Frauen: 
Elofter der Dominifanerinnen und lag alfo, wie ſchon die Bezeichnung 
„vor dem Tränkthor“ beſagt, außerhalb der Stadtmauer. Das Siechen- 
ipital gelangte mach und nach zu reihem Einkommen und bezog 2) Gülten 
und Zinfe aus Pforzheim, Gräfenhaufen, Ellmendingen, Büchenbronn, 
Huchenfeld, Ispringen, Eifingen, Stein, Nußbaum, Göbrichen, Kiefel: 
bronn, Deichelbronn, Glattbach, Wurmberg, Nußdorf, lacht, Weißach, 
Eberdringen, Mönsheim, Wimsheim, Brötzingen, Birkenfeld, Dietlingen, 
Würm, Merklingen, Simotzheim, Heimsheim, Eutingen, Lomersheim, 
Illingen, Sersheim, Großſachſenheim, Detigheim, Bönnigheim, Kirchheim 
a. N., Boppenweiler, Ditzingen, Stuttgart, Rechenshofen, Dürrn, Klein 
ſachſenheim, Brackenheim, Gernsbach, Lehningen, Iptingen. Für dieſes 
Spital wurde ſpäter eine eigene Kirche gebaut, und zwar ganz in der 
Nähe deſſelben, nämlich unterhalb des jetzigen Gaſthauſes zur Kanne, 
wo ſpäter die Stadtmetzig war und jetzt das Haus von Bäcker Schuſter 
iſt. Vorläufig ſei hier bemerkt, daß bald nach Aufhebung des Frauen— 
kloſters (LITT) das Siechenſpital durch die Gebäulichkeiten des letztern 
vergrößert wurde, aber 1689 abbrannte. Im Jahr 1714 erbaute ſo— 
dann auf der Stelle, wo dasſelbe geſtanden, Markgraf Karl Wilhelm 
ein Landeswaiſenhaus, deſſen Räumlichkeiten aber nach einander ver— 
ſchiedenen Zwecken dienen mußten, bis die Anſtalt ihrer urſprünglichen 
Beſtimmung, ein Siechenhaus oder eine Heil: und Pflegeanftalt 
zu fein, im Jahr 1854 zurücgegeben wurde. 


1) Akten der Großh. Heil- und Pflegeanſtalt Pforzheim, 
?) Zinebuch bes Spitals zu Pforzheim im Landesarchiv. 


Achtes Kapitel, Pforzheim im 14. Jahrhundert. 119 


Zu diefen zwei Spitälern Fam nod ein drittes. Außerhalb der 
Vorjtadt Are Tag auf einer Anhöhe das St. Georgenftift, das 
iheon 1348 vorhanden war. 1) Es beftand damals aus einem großen 
Haus mit einem gefchloffenen Hof; fpäter Famen noch eine Kapelle und 
andere Gebäulichkeiten, 31/7, Morgen Ader und 1 Morgen großer Wald 
dazu, und gelangte überhaupt das Stift nah und nach zu bedeuten: 
dem Wermögen, jo namentlich vielen Kapitalien, die zu Anfang des 
vorigen Jahrhunderts, obgleich viele bderfelben in den Kriegen des 17, 
Jahrhunderts verloren gegangen waren, noch ein jährliches Einkommen 
von 741 fl. 291), tr. abwarfen. 2) Das St. Georgenftift diente als 
Ant für anſteckende Kranke, war alfe, wie aus allen Andeutungen ber: 
vorgeht, ein ſogenanntes Leproſenhaus. Solcher Anſtalten, die auch 
Gutleuthäuſer, Miſelhäuſer, (von Miſelſucht, Ausſatz), Malazhäuſer 
(vom franzöſiſchen malade) hießen, gab es im Mittelalter ſehr viele, 
ſelbſt in kleinern Orten. Sie waren in der Regel außerhalb derſelben 
erbant, um die Verbreitung der anſteckenden Seuchen zu hindern. 3) 
Das war auch bei dem St. Georgenftift der Fall. Daß ein ſolches Le— 
profenhaus ſchon zu Anfang des 15. Jahrhunderts in Pforzheim be: 
ftand, geht daraus hervor, daß damals die Erlaubniß zur Erhebung 
einer Kollekte für den Bau einer Leproſenkapelle ertheilt wurde, 9) 
und wenn fpäter mehrfach angegeben wird, 5) daß leproſe ‘Berfonen in 
das St. Georgenftift aufgenommen wurden; wenn den jtädtiichen Metzgern 
verboten war, Schweine ꝛc. aus diefem Stift zu Faufen; 6) wenn endlich 
die Bauart desfelben ganz mit der von andern Leprofenhäufern überein: 
ftimmte: jo geht wohl mit Sicherheit daraus hervor, daß aud dag 
St. Georgenftift ein ſolches Leproſen- oder Gutleuthaus war. Berühmt 
war von jeher das Waſſer des Stiftsbrunnens, und man hielt dasjelbe 
für befonders beiffräftig bei Lähmungen und fonftigen Uebeln. Nach 
einer alten Sage foll dasfelbe fegar unter der Enz hindurch in die 
Stadt geleitet und dafelbft zu Bädern benüßt worden fein, jo z. B. in 
der vorhin erwähnten Siehenanftalt. In einer um die Mitte des 





1) Repertorium des Generallandesardivs. 

2) Aften der Großh. Heile und Pflegeanitalt Pforzheim, 
3) Mone, Zeitichriit IL, 259. 

#) Aften des Landesarchivs. 

5) An Rathsprotofollen (im Stadtarchiv). 

6) Metzgerordnung von ca, 1500 (im Stadtarchiv). 


120 Achtes Kapitel, Pforzheim im 14. Jahrhundert, 


vorigen Jahrhunderts erfchienenen Schrift 1) Heißt es u. A: „Die 
Heilkraft des Waſſers ift berühmt, und man hat dasfelbe, fowie in der 
Stadt und auch anderwärts, aljo auch beim Waifenhaus in vielerlei 
Umjtänden, befonders dei Eontracturen, Lähmungen, zu der Verbefferung 
des verdorbenen Geblüts und fonften vielmal gar fonderbar bewährt 
gefunden. Der Geſchmack gibt nicht das geringfte Kennzeichen von 
einigen darin enthaltenen Meineraltheifen, fondern es ift nur ein fehr 
reines Waſſer. Dasſelbe, Furmäßig getrunken, thut ebenfalls gute 
Wirkung,“ Es war deßhalb auch in dem ehemaligen Waiſen-, Toll— 
und Zuchthaus ein eigenes Bad eingerichtet, zu welchem das Waſſer 
des St. Georgenbrunnens benützt wurde. Ein ſpäterer Sachverſtändiger 2) 
ſagt über dieſes Waſſer: „Es wird in viele Häuſer als ein beſon— 
ders gutes Waſſer geholt, indem es die Krätze bei ſolchen, die eine 
Anlage dazu haben, auf die Haut treiben, aber auch wieder heilen 
ſoll. Das Waſſer enthält ſalzſauren Kalk ꝛc.“ Heut zu Tage ſcheint 
man von der Heilkraft dieſes Waſſers — und mit Recht — keine ſo 
günſtige Meinung mehr zu haben. Der St. Georgenbrunnen, ſowie die 
St. Georgenfteige find dermalen noch die einzige Erinnerung an dag 
längſt verſchwundene St. Georgenftift, 


ce. Ausſehen und einzelne Theile der Stadt. 
(Zum Theil aus dem Bisherigen hervorgehend.) 


Das allgemeine Ausfehen der Stadt mag fi vom 13. zum 
14. Jahrhundert und während des letzteren nur wenig verändert haben. 
Durch die beiden Auguftinerklöfter, die Kreuzkirche, die Spitalkirche zc, 
erhielt Pforzheim einen nicht unbedeutenden Zuwachs zu den zahlreichen 
Thürmen, die früher eine Hauptzierde der Stadt waren. Deutete der 
Umftand, daß ſchon im 13. Jahrhundert die badiichen Markgrafen ab: 
wechjelnd ihren Sit in Pforzheim hatten, auf das Vorhandenfein eines 
fürftlihen Schlofjes hin, fo kann ein ſolches um fo weniger im 14, 
Jahrhundert gefehlt haben, als die Stadt bald nach 1300 längere Zeit 
Refidenz der Herren von Pforzheim wurde, und die Markgrafen mehr: 


1) Umftändlihe Nachricht von dem Waiſenhaus in Tforzheim. Karlsruhe 
bei Maflot, 1759, 


) Roller, Beihreibung von Pforzheim, 1811, 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 121 


fach hohe Befuche, fo im Jahre 1347 den Kaifer Karl IV., und zwar 
fiherlih in ihrem Schlofje beherbergten. Sehr umfangreich kann das: 
jelbe übrigens nie gewefen fein, da die zum Theil noch vorhandenen 
Befeftigungsmauern, welche das Schloß mit den dazu gehörigen Ge: 
bäulichkeiten von der Stadt abjondern und dasſelbe früher zu einer 
Art Eitadelle machten, feinen ſehr großen Raum einfchliegen, von 
dem überdies die Schloßkirche mit andern Gebäulichkeiten, die jetzt 
meift nicht mehr vorhanden find, einen ziemlichen Theil in Anſpruch 
nabın. Einen Hof neben der Kirche beſaß 1302 der Bürger 
Gottbold Weife. Welche Kirche damit gemeint fei, ift aus der Urkunde 
nicht zu entnehmen. Dielleiht war e8 der Hof in der Altjtadt, den 
wir 1257 und 1284 (©. 79) unter dem Namen des „Liebeners Hof” 
fennen gelernt haben. Vom Marktplatze, der wermuthlic von jeher 
diefelbe Geftalt wie jett hatte und bei Anlage der Stadt einen praftis 
ihen Sinn bewies, ift 1336 die Nede, und wir erfahren bei der näm— 
lichen Gelegenheit, daß das Klofter Herrenalb unten am Markte ein 
Steinhaus mit einer Hofftatt befaß, an welches rechts und linls 
die Häufer der „Hederin® und der „Zorgelerin“ anſtießen. 
Die ausdrücdlihe Bezeihnung „Steinhaus“, der wir mehrfach begegnen, 
berechtigt zu dem Schluß, daß fteinerne Häufer damals in Pforzheim 
noch etwas felten und die meiften Gebäude nur „unterfteint“ und wahr: 
ſcheinlich mit Riegeln aufgeführt waren. Wenn jogar noch im folgenden 
Sahrhundert, nämlich in der Landesordnung von 1495, Herzog Eber: 
hard im Bart verordnen mußte, daß wenigftens in den Städten ber 
Unterbau der Häufer von Stein fein und leßtere mit Ziegeln gedeckt 
werden müßten, 1) fo läßt fich) daraus entnehmen, wie es im Allge— 
meinen beim Bauen vorher gehalten wurde. Der jührliche Beſtand von 
2 Bid. Heller, der für dieſes Steinhaus und die dazu gehörige Hofftatt 
bezahlt werden mußte, läßt einen Blick auf die Geldverhältniffe und die 
Miethpreife der damaligen Zeit thun. Bei diefem Steinhaus, das in 
einer Urkunde vom San. 1304 abermals genannt ift, Tag auch dag 
Haus Liebeners, und kommt ferner am nämlichen Ort das Haus 
der „Soltfmidin” vor, Eines Haufes, das Heinz Roth und fein, 
Sohn in der Altjtadt beim Brunnen befaßen und das hinten an die 
„Wydem“ und vornen auf die „freie Reichsſtraße“ ſtieß, iſt' 


ı) Stälin, Ul, 784, 








122 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 


bereits gedacht worden. Mehrfah wird aud der Wogelerin 
Mühle („der Voglerin mon”) aufgeführt, fo 1302 und 1319. 
Mahricheinlih ift damit die Obermühle, die in fpätern Urkun— 
den au Zwingelmühle heißt, gemeint, 1348 ift die Pfriemen— 
mühle außerhalb Pforzheims, alfo die Nonnenmühle, fammt 
einem dazu gehörigen Stampfrad erwähnt, — Daß das Fllofter 
Tichtenthal hinter dem Dominikanerkloſter, alfo in der heutigen Spital: 
itraße, verfchiedene Erwerbungen machte und dafelbft auch die Domini: 
fanerinnen einen Garten befaßen, ift oben ſchon bemerft worden. Won 
den damaligen Straßen der Stadt werden aufgeführt: die Brötzinger 
Gaſſe 1366 und 1376, eine Fiſchergaſſe („des Tchulers Haus in 
der Fiſchergaſſe“ in der Au), die Brunnengafie, (jet verlängerte 
Lammgaſſe bei der Synagoge hinunter), wo das Begninenhaus war ıc. 
— Die Straßen der Stadt waren damals noch nicht gepflaftert; denn 
diefe Sitte Fam erft im folgenden Jahrhundert auf. Im Jahr 1416 
gab Augsburg ein Beifpiel, vielleicht das erſte, mit der Pflaſterung, das 
andere Städte im Lauf der Zeit nachahmten. Des „Altorfer- oder 
Altſtädter Thors“ erwähnt eine Urkunde von 1389. Sodann wird 
auch noch 1322 eines „Tränkthors“ gedacht, vor welchem, und zwar 
zwifchen dem Waſſer, das Hans des Schultheißen Heinrich von Eber: 
dingen Tag, das die Markgräfin Luitgard ankaufte und zu einem Siechen— 
haus beftinmte, Dasfelbe ftieß, wie ſchon erwähnt, an das Kloſter ber 
Dominikanerinmen, das (S. 74) ebenfalls außerhalb der Stadtmauer war. 
Sowohl dag Tränkthor, als das früher (S. TI) genannte Frauen: 
tbor, die beide gegen das Kloſter hinführten, mußten verichwinden, als 
jpäter die Stadtmauer erweitert und das Kloſter ſammt manchen an: 
ftoßenden Häufern ebenfalls mit derſelben umfchlofien wurde. Wenn 
das Haus Heinrichs von Eberdingen als „zwiſchen dem Wajfer“ 
liegend bezeichnet wird, To geht daraus hervor, daß damals (1322) der 
Mühlkanal, der ja mit der Enz und dem Nommenmühlfanal den 
Stadtteil einfchließt, wo fich jenes Haus befand und die Heil: und 
Plegeanftalt jetzt fteht, fchen vorhanden war. Auch des Metzelgra— 
bens und der daran ftoßenden Bleichwiefe geichieht chen früh Er: 
wähnung (S. 86). Die Auer Brüde wird unter dem Namen 
„Stevnin Bruden” zum erften Male 1365 genannt, (Kirfchau 
befaß das Fiſchwaſſer oberhalb dieier Brücke und unterhalb bis Et, Martin.) 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 123 


Der Altftädter Brücke gefchieht 1383 Erwähnung, und war der 
Zimmermann Conzlin Zurn (Zorn) mit der Auffiht darüber betraut. 


d. Gewerbe, Handel x, 


Daß nicht bloß der Mühlbach im 14. Jahrhundert ſchon vorhan— 
den war, fondern daß überhaupt die Stadt damals ſchon von noch 
andern Kanälen, jowie heut zu Tage, durchftrömt worden fein muß, be 
weist der Umftand, da in einer Urkunde von 1342, nämlich dem unten 
folgenden Floßvertrag, bereits vier Wehre in der Enz bei Pforzheim 
genannt werden, alſo nur eines (das Finkenſtein'ſche) weniger, als es 
heut zu Tage noch find. Daraus läßt fich auf das frühere Norhanden- 
fein noch mehrerer Viühlen, deren ohnehin auch 1338 als mainziſcher 
Lehen Erwähnung geichtebt, und fonftiger Waſſerwerke, (Delfchlagen, 
Schleifmühlen, Walkmühlen, Lohftampfen ıc.), wie wir derjelben beute 
noch längs des Gewerbfanals finden, ein Schluß ziehen, und man darf 
wohl annehmen, daß fchon im 13. und 14. Jahrhundert eine ähnliche Tebhajte 
Gewerbthätigfeit geherricht haben muß, wie wir derfelben in den folgen— 
den Jahrhunderten, am meijten aber freilid in der neueften Zeit bes 
gegnen. Wurde eine foldhe ſchon durch die Lage Pforzbeims ſehr be 
günftigt, das von jeher über bedeutende und nie verfiegende Waſſerkräfte 
verfügen konnte, jo mochte auch der Umfland nicht wenig zur Erhöhung. 
jenev Gewerbthätigkeit und zur Belebung des Verkehrs überhaupt beis 
tragen, daß jchen im 14. Jahrhundert zwei Reihshauptftraßen 
über Pforzheim gingen. Die eine, bereits (S, 121) erwähnte, führte 
vom Rhein ber nach Kannjtadt. Dort war, wie fehon zur Mömerzeit, 
ein Hauptftraßenfnoten, und Tiefen daſelbſt noch zwei andere wichtige 
Straßen aus, nämlich eine, die von Bruchſal über Maulbronn, und eine 
andere, die von Heilbronn über Laufen dahin 309. Die gemeinfchaftliche 
Fortſetzung diefer drei Straßen ging über Eßlingen, Plochingen, Göp— 
pingen, Geiflingen nad) Ulm ꝛc. Cine andere NReichshauptftraße führte 
von Frankfurt ber über Bretten, Pforzheim, Merklingen, Weiler: 
ftadt 2c. nad) Ulm, und von dort in die Schweiz und nach alien. 
Diefe Straße war früher wichtiger, als die andere, was ſchon die vielen 
Verträge über das Geleit auf derfelben beweifen, denen wir fpäter bes 
gegnen. Zu al dem kommt noch, daß die Stadt Pforzheim, die. bes 


4124 Ahtes Kapitel, Pforzheim im 14, Jahrhundert. 


deutendfte der alten Markgrafichaft Baden, von ihren Fürſten immer 
jehr begünftigt wurde und ihren Bürgern die freiefte Negfamteit, joweit 
ſich diefelbe mit den damaligen Verhältniffen vertrug, eben fo gut, als 
den Bewohnern der Neichsftidte verftattet war, Pforzheim zeigte fich 
auch den badijchen Fürften feit dem Anfall der Stadt an diefelben be: 
ftändig treu ergeben, Wird ihnen doch ſchon in der Studtordung von 
1491 von Markgraf Chrifteph das Zeugniß ertheilt, daß fie fich gegen 
feine „vordern Löblicher gedechtnis allwegheer zü ſchympf vnnd zü ernnſt, 
mit getruwen darjtrefen, hilff vnnd ſtuvr gehorſamlich erzeigt, willig vnnd 
wolgehalten hand.“ 

Wie in anderen Städten unſeres Landes,!) jo mochte ſich auch in 
Pforzheim ſchon im 14. Jahrhundert ein geregeltes Zunftweſen aus: 
gebildet haben, wie wir demfelben fpäter jo häufig begegnen. (Vergl. 
©. 82). Die ſtädtiſchen Zünfte fpielten feiner Zeit eine wichtige Nolle, 
und brachten, wie ein badifcher Gejchichtsfchreiber bemerkt,2) „nicht nur 
Ruhe und Ordnung, fondern auch eine nützliche Miſchung der verichie: 
denen Bürgerftände, ihrer Grundſätze und Eitten, eine ftrenge Ehrbarkeit 
und, einen fichern Wohlftand hervor, worüber man e8 gerne vergißt, daß 
fie ihren Urfprung doch in einer engherzigen Abſchließungs- und Bor: 
theifsfucht hatten,” Nebenbei hatten aber die Zünfte auch einen mili- 
täriſchen Zweck, und erfchienen bei drohenden Gefahren wohl geritftet, 
jede unter der Anführung ihres Zunftmeifters, um den gemeinfamen 
Feind muthig zu befimpfen. An Gelegenheit dazu fehlte e8 in den da— 
maligen unruhvollen Zeiten nicht. 

Ueber die einzelnen Gewerbe und Zünfte, weldhe in Pforzheim 
damals beftanden, erfahren wir übrigens urkundlich Näheres jet noch 
nicht, und finden wir nur über einige derjelben unbeftimmte Andeutungen. 
Der Mühlen ift ſchon gedacht worden. Diefelben waren meiſtens 
Eigenthum der Fürften, Klöſter ıc., und wurden an dazu geeignete ‘Ber: 
fonen in Erblehenpacht gegeben. Zu der „Vogferin Mühle“ gehörten 
1319 fünf verichiedene Brodfhrannen der Stadt, nämlich Die 
Schrannen „der Ranfaltin, Heinrich Getzinf, Vlrichs von Winrefheim, 


1) &o 3. B. in Villingen, Freiburg, Konftanz, Ucberlingen, Kenzingen 
u. a. In Villingen wurden ichon 1324 die Zunftmeifter mit 4 Beifigern in 
den Rath aufgenommen und Pfullendorf erhielt 1383 cine Zunftverfaffung, 
(Bader, bad. Larndesgeichichte, Seite 303 ff.) 

2) Bader, a. O. 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14, Jahrhundert. 125 


Counratz Schvmels vnde der Volmarin fehrannen, vnde der Nanfaltin 
Baches (Backhaus),“ und fielen von denfelben allmöchentlih 5 Heller 
oder eben fo viel Hellerbrode der Mühle zu. Des Haufes einer 
„Goltſmidin“ ift auch ſchon Erwähnung geſchehen, ein Beweis, daß 
das Gewerbe der Goldichmiede damals ſchon in Pforzheim vertreten war. 
Emmen Weber Wortwin und einen Weingärtner Konrad, die 
beide in der Altjtadt wohnten, haben wir bereits auch kennen gelernt, 
Ein Bäder Heinrich Hagen kommt 1347, ein Seifried Ferwer (Für: 
ber) 1361, Guntram der Schmied 1366, zwei Fiſcher Entlin 1363, 
ein anderer Friedr, Krieg 1383, ein Zimmermann Zurn 1365, 
ein Götz Krämer 1395 vor. 

Am meiften tritt im 14. Jahrhundert das Floßweſen aus dem 
Dunkel, welches früher noch über demfelben geſchwebt. Wichtig dafür 
ift der Vertrag, der in Betreff des Flößens auf dem Nedar, der 
Enz, Nagold und Würm zwifchen Baden, Württemberg und Heilbronn 
im Jahr 1342 abgefchlojfen wurde. Es geht daraus hervor, wie bes 
deutend ſchon damals die Flößerei auf diefen Flüffen war, fo daß eine 
Regelung derfelben nothwendig erſchien. Nach dem Vertrag, welcher bie 
Deffnung der erwähnten Flüffe bezwedte, hatten die Flößer zwar an 
beftimmten Mehren Zölle zu entrichten, doch follten diefe Wehre und 
die Waſſerſtraßen überhaupt ohne Unfoften für die Flößerei erhalten und 
von dem Holz, welches auf den Flößen Tiege, nichts bezahlt worden, 
Das fichere Geleit, welches den Flößern und den Kaufleuten, die Holz 
fauften, zugefagt wurde, follte auch in Kriegszeiten nicht beeinträchtigt 
werden. Bei der Michtigfeit diefer Vertragsurfunde mag fie bier voll 
ftändig mitgetheilt werden. ') 


„Copie Vergleichs zwijchen den fürftlihen Häufern Baden und Mürtem- 
berg wegen Flößens auf der Würm, Nagold, Enz und Nedar von 
1342. 

Wir Marggraff Rudolph von Baden, vnnd Wir Graue Ulrich von 
Würtemberg verjehen ?) offentlih an dieſem Brieff für Vns, Vnſer 


1) Eine Abſchrift derſelben befindet ſich bei den hieſigen Flößerzunftakten, 
und iſt ſie hier benützt. Für ihre Korrektheit kann ich nicht gutſprechen. 
Gin (vermuthlich fehlerhafter) Abdruck derſelben ſieht Kausler, Beſchreibung 
des Oberamts Neuenbürg, S. 154 ff. 

2) bejahen oder bekennen. 


436 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 


Erben, vnnd all vnſer nachkommen, vnndt thuen fundt allen denen, die 
In Immer anſehendt, lefendt, oder hörendt leßen, das Wir durch nub 
vnndt fronmen Vnſer, Vnſeren Erben, vnndt aller Vnſer Nachkommen, 
vnndt auch durch Bitt der Erſamen weißen Leut, der Burgermeiſter, des 
Rhats vnnd der Burger gemeinlich zu Heilbron ſeyn vbereinkommen, 
vmb das Floſſen vff der Würm, vff der Nagold, vff der Entz, vnndt 
vff dem Nekher, alſo das Wir dieſelben Waßer vnnd auch die Straßen 
vff denſelben Waſſern haben geoffnet, vnndt gevffet, und das es Immer— 
mehr, ewiglich ein geoffnete, vndt gevffente Straß vff denſelben Waſſern 
ſein ſoll vndt bleiben zu gleicher Weiß alß hernach geſchriben ſtett. 

Von Erſt jo haben Wir die Würm gevffent, biß geen Pfortzheim 
in die Entz, vnd wer daruf Floſſen will, der ſoll von jedem Hundert 
Zimmerholtz, oder von jedem Hundert Dilen geben zu Zoll, zu Lieben— 
egge an dem Were ſechs Heller. 

Darnach haben wir die Nagolt gevffent, bis gehn Pfortzheim in 
die Ent, vnnd wer darauff Floſſen will, der foll von Jedem hundert 
Zimmerholtz oder von Jedem hundert Dilen geben zu Liebenzell an dem 
Miere zu Zoll ſechs Heller, vnndt zu Wißenſtein zehn Heller. 

Darnach jo haben Wir die Entz gevffent, allg fern man darauf 
gefloffen mag bis gehn Beffigkfheim in den Nekher. Darnach jo haben 
Wir den Nekher gevffent zu Beifigheim bis gehn Hailbronnen an die 
Stattmauer, mit ſolcher Beicheidenheit 1) wer darauf flofjen will, der joll 
von Jedem hundert Zimmerholtz, oder von Jedem hundert Dilen geben, 
zu ber Newenburg?) zu Zoll von zweyen Wehren zwankig Heller, 
darnach zu Pforkhein von vier Wehren viersig Heller, zu Vtzingen 3) 
von einem Mehr vier Heller, zu Nüffern von einem Wehr vier Heller, 
zu Dürmünge von einem Wehr vier Heller, zu Lomerßheim von einem 
Mehr vier Heller, zu Mühlhaußen von einem Wehr vier Heller, zu 
Roſſenwage von einem Wehr vier Heller, zu Vayhingen von zweyen 
ehren zwantig Heller, zu dem obern Rixingen von einem Mehr zehen 
Heller, zn dem niedern Niringen an einem Wehr vier Heller, zu Ne: 
midheim von einem Wehr vier Heller, zu Buffingen von einem Wehr 
vier Heller, zu Beifigkheim von zweyen Mehren, zwanzig Heller; Es ift 
ift auch geredt, zu welchem Wehr man Zoll gibt alß vorgeſchriben ftehet, 
da ſoll Jeder Herr, oder Jeder Armmann) dem man den Zoll gibt, 

1) mit ſolchem Beſcheid, d. h. mit ſolcher Beſchränkung. *) Neuenbürg. 
8) eigentl. Uttingen, Uitingen, Eutingen. *) arme Mann, Leibeigener, ber 
mit der Erhebung des Zolles beauftragt war. 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 497 


Schußbretter an dafjelb Wehr machen, das zwiſchen den Seulen fen 
zwölff Schue weit, vnndt jollen die Schußbretter bawen vnnd machen, 
on dev Fuhrleüt!) ſchaden. Man joll aud zu keinem Viſchs vahe 2), 
noch „Jjendert 3) anders, dan alß vorgejchriben ift, feinen Zoll, nod) 
nichtzit?) geben, were auch, das daß Waßer Jendert vergruße, oder 
vergrundt 5) würdt, oder jenft vnützs würde, das man nicht wohl ges 
flofjen möchte, bey weß Wehr oder Mühlen das gefchehe, der foll es 
vffrichten vnnd vertig macen ohn der Furleüt ſchaden. Es iſt aud 
geredt, was vff den flofjen leit wngeuerlich 6) von Holtzs, es jene vff dem 
Zimmerholßs, oder vff den Dilen, oder Wehre das man jchelleich 7) 
oder Legichiff $) an die Floß hend, das fell alles freilihen®), und ohn 
allen Zoll faren, vnnd geen, vnnd jell auch niemandt den andern wor: 
bietten, noch befümmtern 10), das an den Flöſſen geirren oder gehindern 
möchte, in feinen Weeg ohn alle geuehrde 1), 

Es iſt auch geredt, was vff den Floſſen liege von Holtzes, oder 
was darauf fehrt von Feileuten, das foll vff und ab fridt vnnd Gleidt 
baben, vor allermenniglich, es ſeye in Krieg, oder ohne Krieg, dafjelb 
Gleidt follen auch die Nauffleut die Kauffendt, oder vngeuehrlich Fauffen 
wollen, fie fahren vff den Floſſen, oder fie gangen, oder fie Neiten vff 
dem Landt vff oder .ab, haben ohn alle geuehröt, Were Aber darwider 
thett, vnnd den Friden und das Gleidt!?) wberführe oder breche, das follen 
Wir Marggraff Nudolff von Baden, wnndt Wir Graff Vlrich von 

türtemberg, vnndt Vnſer Erben, vnnd all Vnſer Nachkommen, weren 
vnnd wenden, alß fern Wir Fünden und mögen ohn alle gevehrde. Dep 
zu Vhrkundt vnnd zu einer ewigen Gezeugnuß, baben Wir Marggraff 
Rudolff von Baden, vnndt Graue Vlrich von Würtemberg, die vorge: 
nanndten, dieſen Brieff befiegelt mit Vnſern Inſiegeln, die daran hans 
gende, der geben iſt zu Stuttgartten an dem weiſſen Sonntag da man 
zhalt von Chriſti Geburth, dreyzehen hundert Jare, vnndt in dem zwey 
vnndt vierzigſten Jare.“ — 


— — — — — 





1) nämlich der Flößer. *) Fiſchfang. 3) jo viel als etwa. 4) nichts. 
5) verſchlammt. 9) ungerähr. 7) Echäfeichen. 9) Nadyen. *) frei. 10) bes 
läftigen. 1) Gefährde. 12) Geleite. Durch gegenicitige Berträge hatten bie 
meisten Fürften die in jenen unrubigen Zeiten zur Eicherbeit des Hanbels fo 
notbwendige Verpflichtung übernommen, die durch ihr Gebiet reifenden Kauf 
leute zu ſchützen. Natürlich mußte für jolches Geleit auch etwas bezahlt werden. 
Von ſolchen Geleitverträgen wird weiter unten mehr die Rede fein. 


158 Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 


Es ift zwar nun im diefer Urkunde nicht gefagt, daß eine geordnete 
Flößerzunft in Pforzheim damals ſchon beftand; es kann indeß aus dem 
ganzen Anhalt derjelben mit Cicherheit gefchlofien werden. In Porz: 
beim mußte wohl eine Hauptitation fein, da die Enz durch Aufnahme 
der beiden andern Flüſſe hier erft völlig flößbar wird, und es läßt ſich 
mit Gewißheit annehmen, daß da, wo zu einem Erwerbszweig fi) eine 
fo Schöne Gelegenheit bot, auch viele Hände ſich damit befaßten und die 
Flößerei im ntereffe der Ordnung und eines geregelten Betriebs, wie 
jedes andere Gewerbe in damaliger Zeit, fehr früh ſchon zünftig wurde. 
Daß die Pforzheimer Flößer 1383 ihr Gefchäft bereits bis nach Mainz 
ausdehnten, zeigt ein Eintrag im Seelbuch des Stifts Mariä zu den Gre— 
den zu Mainz, welcher lautet: Anno dom. 1383 Albertus scultetus 
de Porzheim dedit ad edificia beate Marie virginis in lignis emptis 
erga ipsum 35 libr. hall, cujus memoria habeatur in perpetuum, t) 
d. h. Albert der Schuftheiß von Pforzheim gab zum Bau der feligen 
Jungfrau Maria an von ihm erfauften Hölzern 35 Pfund Heller, defjen 
Andenken beftändig bleiben möge. 

Zum beſſern Verſtändniß mancher Angaben, wie fie dag gegen: 
wärtige Kapitel fowohl, als die frühern enthalten, und auch die folgen- 
ben Abſchnitte bringen werden, und um überhaupt einen allfeitigern 
Maapitab zur BVergleihung der Vergangenbeit mit der Gegenwart zu 
haben, ift es nothwendig, auf die Geldverhältniſſe früherer Zeit 
näher einzugehen. 2) Die Vergleihung der alten Münzwerthe mit den 
jetzigen ift übrigens fehr fchwierig, weil diefelben früher in einzelnen, 
oft nahliegenden Drten und Bezirken ganz verfchieden waren und auch 
der Münzfuß fi Häufig änderte. Das ältefte und gemwöhnlichte 
Rechnungsgeld war das Pfund, weldhes aber niemals in einem 
Stück ausgeprägt wurde, weil man feine Prägftüde für fo große Mün— 
zen hatte. Die unbeholfene Prägung der Theilftücke, die Feine beftimmte 
Größe und feinen fcharfen Nand hatten, machte e8 nöthig, diefelben aufs 
Pfund abzumwägen, während man ſich heut zu Tage mit dem Zäh— 
fen begnügt, weil die Scheidemünzen genauer geprägt find. Am meiften 
ift Bis jebt die Dezeihmung „Pfund Heller” vworgefommen. Gleichbe— 
deutend damit war ein „einer Gulden von Florenz." Diefe Gulden 


1) Mone, Zeitichrift XL, 260. 
2) Vergl. Mone, Zeitichrift IT, 385 ff., III., 309 fi, Vl., 257 ff. IX, 189 ff. 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 129 


waren von Gold und wurden zuerjt in der Stadt Florenz geprägt, 
daher der lateinische Name florenus (franz. florin) und das Zeichen 
fl. für Gulden. Ein Pfund Heller beftand gewöhnlid aus 20 Schil- 
fing Heller, auf jeden Schilling Heller gingen 12 Heller, fo daß alfo 
ein Pfund Heller durchichnittlich 240 Stück Seller zählte. Aehnlich 
war die Pfennigrechnung; 12 Pfennige waren 1 Schilling Pfennig, 
und 20 Schilling Pfennig waren 1 Pfund Pfennig; nur war 1 Pen: 
nig das Doppelte von 1 Heller, 1 Schilling Pfennig das Doppelte von 
1 Schilling Heller und 1 Pfund Pfennig das Doppelte von 1 Pfund 
Heller. Auf 1 Pfund Pfennig gingen alſo durchfchnittliih 240 Stüd 
Pfennig oder 480 Stück Heller. Der Werth von einem Pfund 
Heller war aber nun nah Zeit und Ort außerordentlid ver: 
ſchieden; namentlich wurde derſelbe im Lauf der Zeit immer geringer. 
Während er 3.2. zu Anfang des 14, Jahrhunderts für die Gegend von 
Pforzheim etwa 6 fl. 15 fr. betrug, aljo 1 Schilling Heller 183, kr. 
und 1 Seller etwas über 1'/, Kreuzer unferes Geldes werth war, 
ftand das Pfund Heller 1321 auf 6 fl. 12 fr. und um 1350 war der 
Werth desjelben bereits auf 4 fl. AL fr. gefunfen. Hundert Jahre 
ipäter, nämlid um 1460, galt 1 Pfennig ungefähr 11/, (genau 125/54) 
Kreuzer des jeßigen Geldes, alfo 1 Schilling Pf. etwa 153/, Kreuzer, 
1 Pfd. Pfennig demnach 5 fl. 14 kr., 1 Pfund Heller 2 fl. 3T kr. 
Nah Pforzheimer Lagerbüchern aus dem 16. Jahrhundert (1527, 
1565 und 41574) waren die damals üblihen Münzen noch die 
nämlichen, wie früher, nur daß fich der Pfennig noch in 4, und 
der Heller in 2 Ortlin oder Dertlin abtbeilte. Auf den Ned: 
nungsgulden gingen zu jener Zeit 14 Schilling Pfennig oder 
23 Schilling Heller. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts war nun 
der Werth eines Rechnungsguldens gleich 2 fl. 52%, Fr. unfereg 
Geldes; alfo galt 1 Pfund Pfennig 4 fl. 6'% kr., 1 Pfund 
Heller 2 fl. 31, kr., 1 Schilling Pfennig ungefähr 12%/, kr., 
1 Pfennig alfo etwa 1 kr, 1 Heller war gleich 1/, Kreuzer. Gegen 
Ende des 16. Jahrhunderts betrug der Nechnungsgulden nur noch 
2 ft. 16 Mr. unferes Geldes, alſo war 1 Pfund Pfennig = 3 fl. 
14 kr., 1 Pfund Heller 1 fl, 37 kr., 1 Schilling Pfennig = 
/z kr., ein Pfernig etwa 3/, Kreuzer u. ſ. w. Als der alte Pfen— 
nig und Heller nach und nad auf den jegigen Werth (1/, und 1/5 


Kreuzer) herabjanten, jo wurde die Pfundrechnung der Guldenrech— 
Pflüger, Pforzheim. 9 


130 Achtes Kapttel. Pforzheim im 14. Jahrhundert, 


nung gleich, deshalb Fam jie als unnöthig außer Gebrauch; denn 
1 Pfund Pfennig war alsdann 1 Gulden und 1 Pfund Heller 
1/, Gulden. 

Neben dem Handel und den Gewerben blühten in den meiften 
damaligen Städten auch Wiſſenſchaft und Künfte in erfreulicher Weife. 
Bürgerlihen Schulunterricht findet man im 14. und 15. Jahrhundert 
ihon in jehr vielen Orten. Pforzheim mag darin hinter andern Städten 
nicht zurüdgeblieben fein. Zu den reihen Kontingent der Sänger und 
Dichter, welcher damals hen und im der Folge noch zahlreicher aus 
den Städten hervorgingen, bat auch Pforzheim feinen Mann gejtellt. 
Es ift dies Meifter Heinrich von Pforzheim. Leider it von ihm 
weiter nichts, als fein Name und ein einziges Gedicht befannt, das die 
Ueberſchrift: „Des Fifhers Rache“ führt. ') Dasjelbe befteht aus 
nicht weniger als 425 Verszeilen umd erzählt in launiger Weife ein 
Abentheuer, das ein Fiſcher mit einem Geijtlichen hatte. Es beginnt 
mit den Worten: 


Merfe nad) der welte pblicht 

Ir kurtze wil ift anders nicht 
Waz man finget oder fait 
Vuzucht vnd da bu trumchenbait 
Hat man für ein toren Ipiel 
Da von ich nit fafen wil 

Aller welt ze für 

Wil ich jagen ain auentür 

Bon einen viicher wol gemuot 
Der ye vor ſchaden was behuot 
Der vnder Burg jaz ze tal 

Da nam ain wazzer bin fin val ꝛc. 


' Läßt fi) aus dem Anfang diejes Gedichte, ſowie aus den mitgetheil- 
ten Bruchftücen ꝛc. einiger Urkunden die Sprache des 14. Jahrhunderts, 
wie fie in der Gegend Pforzheims üblich war, erfehen, fo mag zu diefem 
Zwede noch in ausgedehnterm- Maaße eine ganze Urkunde fich eignen, 
welche Schultheiß und Gericht der Stadt am 24, Dezember 1319 aus- 
geftellt haben. Diefelbe ift fchon mehrmals citirt worden und mag alfo 





1) Es ſteht in Lapbergs Lieberfaal, Thl. 3, S. 217. — Bezüglich des 
Nomens bes Dichters ift indeß auch zu vergleichen, was ©, 133 iiber das Adels: 
geigleht „von Pforzheim“ gefagt ift. 


Achtes Kapitel. Piorzheim im 14. Kahrhundert. 43 


auch zum Beleg für verfchiedene Thatjachen und Angaben dienen, deren 
bereitg Erwähnung gejchehen it, oder die mitgetheilt worden find. ") 
„Bir Heinrich von Eberdringen (S. 102), der fchulteiz, vnde die ribter 

gemeinlich von Phorzhein, vergeben offenlich an diſem briefe, daz an ge— 
vihte vor vns ſtuont unſer burger Sifrit von Phorzhein, Gotboltes 
jeligen des Weifen fon, vnde Hedewig, fin eliche wirtin, vnde veriahen 
vnd erfanten fich des, das fie vm den cinf, den fie ſcholdie warn ze ge 
ben eweclich dem clofter der monde von Albe, den dei vorgenanten 
Sifrides vater vnde mooter verkouften vm driv hundert pfonde guter 
heller, der fie gewert wurden von dem vworgejeriben clofter, aber def 
vorgenanten cinjes waf alle jar vier vnde vierzie malter rocken, jiben 
vnde zweinzic malter dinfeli, und zwei vnde vierzic malter habern, vnde 
eilf pfont heller ame fvnft jchillinge, von den guoten, die hie nach aeferi- 
ben jtent, daz ift div zweiteil der mvln zu Phorzhein, die man heizzet 
der Vogelerin moln, des zehenden daz britteil, clein vnde groz, zu Bre— 
gingen vnde zv Birkenvelt, beidiv in den dorfern wnde vf den marken, 
vnde och vf anderme gvote, die fie haut zu Bretzingen, zu Nidelingen, 
Geberhingen, vnde zu Elmendingen ligen. Daz fie des vorgenanten 
cinfes ledic wurden eweelich, dar vm jo hant die vorgenanten Sifrit vnde 
Hedewig vor vnſ vf geben ewechcd, dem vorgejeriben clofter die moln, 
die da vor genennet ift, mit allem dem reht vnde notzen, die 30 derſel— 
ben mol horent, daz ift mit namen die brotjchrannen der Ranfaltin, 
Heinrichs Getzinſ, Wrihs von Winrefhein, Conratz Schumels, vnde der 
Volmarin fchrannen, vnde der Nanfaltin bachvs, da von alle wochen 
vallent fvnf heller, oder alf’maniget heller brot, vnde daz dritteil dez 
zehenden , beidiv groz vnde clein, vber die marke zu Brebingen vnde zu 
Birkenvelt, vnde och in denjelben zwein dorfern. Difiv vorgenanten guot 
hat Sifrit vnde fin wirtin, die da vor genennent fint, geben reht vnde' 
redelich dem vorgeferiben clofter zu Albe ze har eweclich vnde ze niezzen, 
jwie ef im gvot oder notze mac gefin. Wir Heinrich, dev fcholteiz, vnde 
die rihter von Phorzhein, die vor geferiben, vergehen och an dieſem 
briefe, wan der vorgenante Sifrit hat gefwifterit, Wernhern, Criſtin, vnde 
Elſebeten, die nit fint zu irn tagen Eomen, fo hat her Abreth der alte 
Weife, Drvtwin, Gozfolt, och die Weife, der vorgenannten Einde pfleger 


— — 


) Sie iſt aus dem Herrenalber Kloſterarchiv und ſteht in Mone's 
Zeitſchrift, V., 466. g* 





139? Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 


vnde fvrmont, in der hant Gotbolt jelic jatte vnde gab vor den rihtern 
mit irme gvote ze tun, ſwaz fie wolten, die hant vergehen vor vnſ an 
der Finde ftat, fwaz Sifrit vnde Hedewig fin wirtin hant gerihtet vm 
den vorgenanten cinf mit dem clofter von Albe, alf da vor geferiben 
ftet, wan ez mit ir willen vnde vate geſchehen ift, ftete vnde gan ze 
ban an alle geverde. Vnde dar om fo git vf vnde verziehet ſich Sifrit 
vnde Hedewig, vnde her Abreth der alte Weife, Drutwin vnde Gozſolt 
och die Weiſen, die da vor genennet ſint, der vor geferiben kinde formont, 
an der jelben finde ftat, für fich, für alle iv erben vnde nachkumen aller 
der reht vnde anfprache, die fie jolten oder mohten gehan oder gewinnen, 
nv oder hernach, an geiflichem oder an weltlihem geriht, vnd globent 
och, daz vorgenante clofter niemer ze irrent oder ze hindern mit worten 
oder mit werfen an den vorgenanten geten beinlich oder offenlih. Daz 
aber diz allez gant vnde ftete blibe dem vorgenanten clofter ze Alte, 
dar vm jo han wir Heinrich der ſcholteiz, vnde die rihter von Phorzhein 
durch der vorgenanten Iote bete willen, Sifrides, Hedewige, vnde od) der, 
die da formont fint der vorgeferiben Kinde, zvo dem ingefigel vnſers her: 
ren, margraven Rudolfes, des jungen, von Baden, vnſere ftete ingefigel 
gehenfet an diſen gegenwertigen brief. Wir der vorgenante marcgrave 
Ruodolf von Baden vergehen offenlic an diefem Briefe, daz allez, daz 
da vorgeferiben ftet, mit vnſerm gonſte vnde guten willen gefcheben fi, 
vnde globen, daz vorgenante clofter von Albe niemer ze irren an den 
vorgenanten guten vnde dar vm fo henken wir vnſer ingefigel zoo dem 
ingefigel unfer borger von Phorzhein an difen gegenmwertigen brief zu 
einer gezivenifje der vorgeferiben ſache. Dirre brief wart gegeben an 
dem heiligen abent zoo wihennaht, do man zahlte von gotz geburte driv- 
zehen Hundert jar, da nach in dem nivnzehenden jar.“ 


e. Pforzheimer Bürgergeſchlechter. 


Die Patrizierfamilien, welche fi) im 13. und 14. Jahrhundert zu 
Pforzheim befanden, find ſchon im vorigen Kapitel aufgezählt worden. 
Es mögen hier nody andere Namen, die im 14. Jahrhundert in Pforz: 
heim vorkommen, zufammengeftellt und dabei unentjchieden gelafjen werden, 
ob fie zu den Pakriziern gehörten oder nicht:1) Guta, genannt Schwert: 


1) Diejenigen Gefchlechter, welche fich feit jener Zeit bis bente in Pforzheim 
erhalten haben, find durch gefperrten Drud bezeichnet. 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 133 


feger 1302, Heinrich Hegening 1304, Ranfalt 1319, Heinrich Getin 
1319, Konrad Schumel 1319, Volmar 1319, Heinrich Nies 1321, 
Konrad Netmantel 1321 und 1368, Sigwart, genannt Herzog 1328, 
Rudolf der Nenner 1336, Heder 1336, AZurgeler 1336, Wernher 
May 1339, Guta Phennerin 1344 und 1359, Künlin, Sohn Kuno 
Mayſers 1346 1), Sigfried Seßhelin (Nichter) 1347, Heinrich Hagen, 
Bäder 1347, Konrad der Weingärtner 1352, Walter Wolff 1352, 
Wortwin der Weber 1352, Konrad der Schopperer 1352, Heinzlin der 
Suter 1352, Berthold der Schürer 1352, Benz Korn 1352, Alb: 
vecht der Schüb 1352, Johannes Schreiber von Straßburg 1358, 
Guta Veſenmayerin 1359, Seifried Ferwer 1361, Walter Entlin der 
At und Walter Entlin der Jung, zwei Fiicher aus der Au 1365, 
Guntram der Echmied 1366, Aberlin Sturmler 1367, Einhart Drud: 
herr und Volkmar, jein Sohn 1368, Irmela Phennerin 1375, Kunzlin 
Zurn der Zimmermann 1383, Friedrich Krieg der Fiſcher 1383, Cunz 
Glos 1394, Götz Krämer 1394, Berthold Männlin 1395, Albrecht 
Hofe (Richter) 1396, Einhard Ziegelkolb 1399. 

Aus Urkunden von 1316 und 1320 erfahren wir aud, daß es 
damals, wie früher fhen (S. 44), ein Adelsgefchleht gab, das fich 
von Pforzheim fchrieb, Am erftgenannten Jahr wird eines Speierer 
Fürgers, Herrmann von Pforzheim, erwähnt, und im Jahr 1320 
hat Ritter Ulrich von Kröwelsau (bei Weilerftadt) einen Tochtermann, 
Günther von Pforzheim, Auch jpäter kommt der Name Pforz: 
heim noch mehrmals als Gefclechtsbezeihnung vor. So hatte Kaifer 
Marimilian I, 1492 und 1493 einen Sekretär, Lukas von Pforz 
heim, den er im erftgenannten Jahre zu feinem „oberſten Auffeher und 
Gegenfchreibergeneral aller ſeiner Auffchläge, auch jeiner und feiner 
Dienftleute Steuern im Defterreih ob und unter der Eng und zu 
Gmunden“ ernennt. — 1502 bis 1508 Tebte zu Bafel der Buchöruder 
Jakob von Pforken Er war aus Kempten gebürtig; es kann 
alſo das „von Pfortzen“ nur der Familienname gewefen fein, wenn 
er nicht aus dem nicht fehr weit von Kempten entfernten Pforzen an 
der Mertach bei Kaufbeuern gebürtig war, ein Ort, der in Urkunden 
jogar auch unter dem Namen Pforzheim vorkommt, wie unfere Stadt 
9) Diefer Name zeigt, auf welchen Urfprung die verfchiebenen Pforzheimer 


Geichlehtsnamen ber Kienle, Kiehnle, Kienlin ꝛc. zurücdzuführen find. Künlin 
beißt jo viel, als der junge oder Kleine Kuno; 


134 Ahtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert. 


an der Enz. Vielleicht war auch der erwähnte Faiferliche Schreiber aus 
dieſem Pforzen oder Pforzheim gebürtig. — Daß 1370 in Markgrö— 
ningen ein Bürger und Richter Heinz Pforzheim hieß, ift oben auch 
ſchon bemerkt worden. 


AUnbang. 


h 2 1 
Euphemia.“ 
Von A. Banspach. 

Die Glocke zu der Hora war verklungen 
In Pforzheim bei den frommen Kloſterfrau'n; 
Ein Bußpſalm, von der Nonnen Chor gelungen, 
Drang ſchwer und bang durch's frühe Morgengrau'n: 
Da tönt das Glöckchen an des Haules Pforte ; 
Doch ungehört verhallt ver leiſe Klang, 
Berhallet gleich dem ſchmerzgehauchten Worte, 
Das fi empor aus wunder Seele vang: 


„> möge mir dies nicht zum Zeichen werben, 

Daß aus mich jchließt dies heilige Aſyl! 

Kennt doch mein cinzig Hoffen noch auf Erden 

Nur dieſes eine, dieſes legte Ziell!“ — 

Rauh durch den Garten fährt der Sturm, der wilde, 
Der neue Tag beginnet feucht und falt; 

Da knieet fill vor dem Madonnenbifde, 

Im Frofte zitternd, betend die Geſtalt. 


So ward fie von den frommen Frau'n gefunden 
Und dann geleitet zu der Oberin, 

Die ſchon erfannte in den erjten Stunden 

Der Fremden reinen, glaubensvollen Einn; 
Denn ob fie auch, geheimnißvoll verschwiegen, 
Nicht Kunde gab aus ihrer frühern Zeit: 

Der Seele Adel iprach aus ihren Zügen; — 
Die Freiftatt war für immer ihr bereit. 


— — — — 


) Vergl. S. 114, 


Achtes Kapitel. Pforzheim im 14. Jahrhundert, "135 


So lebte fie denn manches Jahre im Stillen 

In Pforzheim’s Klofter, dienend Allen gern; 

Sie kannte nur den einz'gen Wunſch und Willen, 
Zu wandeln auf dem rechten Pfad zum Herrn. 
Erſt als fih nahte ihre Tegte Stunde, 

Da löste endlich fie der Zunge Band, 

Und nannte mit jchon Halberblih'nem Munde 
Den Namen von dem fernen Baterland: 


„Am Thron von England ftand einft meine Wiege; 
Mein Bater ift der König Eduard. 

Man jagte oft, ich trage feine Züge, 

Als von der Welt mir noch gehuldigt ward. 

Da follt! ich dem von Geldern mid vermählen, 
Dem lngeliebten, dies trieb mid zur Flucht. 

Was ih erlitten — laßt mich's nicht erzählen ; 
Mir ward des Ungehoriams bitt’re Frucht. 


„Ich bab’ gefehlet — und ich hab’ gebüßet ; 
Gott ift gerecht, doch er ift gnädig auch; 
Er bat zulegt den Leidensfelch verfüßet, 
Gerührt von der Gebete Opferraud. 
Grüßt mir den Vater! — Mög’ er mir vergeben — 
Die Palme winft — der Sieg ift endlich da.’ — 
Sie lächelt jelig, es entihwand ihr Leben, 
Und ausgelitten hat Euphemia. 


Neuntes Kapitel 


— — 


Pforzheim unter den Markgrafen Bernhard J., Jakob J. 
und Karl I") 
(Größtentheils 15. Jahrhundert.) 


$ 1. Allgemeines. 


Die beiden Söhne, welche Rudolf VI. oder der Lange hinterließ, 
nämlih Bernhard IL und Rudolf VII. (S. 95), waren bei dem Tode 
ihres Vaters noch minderjährig, weshalb fie unter die Vormundſchaft 
von Kurfürft Ruprecht I. von der Pfalz geftellt wurden. Dieſelbe 
icheint jedoch um 1380 zu Ende gegangen zu fein; denn in diefem 
Jahr nahmen beide Brüder eine Theilung der väterlichen Lande vor, 
wobei Bernhard I. die Städte Pforzheim und Durlach ſammt ber 
untern Markgrafichaft, Rudolf aber Baden erhielt. Mit dem Tode des 
Letztern, welcher 1391 erfolgte, wurde die ganze Markfgraffchaft in die 
Hand Bernhards wieder vereinigt. Schon bei ihrem Negierungsantritt 
hatten die beiden Brüder, denen nicht entgangen war, wie ſchädlich die 
vielen bisherigen Theilungen auf das Anfehen des marfgräflichen Haufes 
eingewirkt hatten, einen Erbvertrag miteinander abgefchloffen, worin feft: 
gefeßt wurde, daß die Markgrafichaft Baden Fünftig nie mehr als zwei 
Herren haben, das Recht der Erſtgeburt gelten und eine Linie der 
andern beim Ausfterben in ihrem Landestheile nachfolgen ſolle. Ebenſo 
wurde die Veräußerung von Land und Leuten gänzlih unterfagt und 
beftimmt, einerfeitS wie es mit Verpfändungen gehalten werden, anderer: 
feits, welches das Einkommen nachgeborener Söhne und die Ausfteuer 
der Prinzeffinnen fein folle. Diefer Vertrag ift eine der wichtigften 


) Die allgemeinen Geihichtsquellen find meift die frühern; die befondern 
find Überall angegeben, 


Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15, Jahrhundert, 137 


Handlungen Markgraf Bernhards, und es ift nur zu bedauern, daß er 
unter feinen Nachfolgern nicht immer beachtet wurde, 

Die vielen Fehden, welche Bernhard I. theils zur Wahrung jeiner 
Linder und der Ehre feines Haufes, theils zur Unterftüßung von Bun— 
desgenofjen Tınd Freunden unternahm, Können bier füglich übergangen t) 
und nur fo weit berührt werden, als die Stadt Pforzheim dabei 
in irgend einer Weife genannt wird. So beldenmüthig im Krieg, ebenfo 
thätig und umfichtig war er in friedlichen Geſchäften, und forgte nicht 
nur für die Vermehrung feiner Länder, fondern auch für deren innere 
Drdnung und den Wohlftand jeines Volkes. Markgraf Bernhard ftand 
deshalb auch bei den andern deutjchen Fürften in hohem Anſehen, und 
mag den Beinamen des Großen, der ihm vielfach gegeben wird, eben 
jo gut, wie mandye andere Fürften verdienen, denen man diefe Benen— 
nung beizulegen pflegt, Wenn er auch von allzu großer Leidenfchaftlichkeit 
nicht frei zu Sprechen iſt. 

Bon den drei Söhnen Bernhards I. überlebte ibn nur einer, 
Jakob I, der deshalb auch in den ungetheilten Beſitz der badiſchen 
Lande gelangte. Er regierte fie von 1431 bis 1453 mit dem Lobe 
eines ebenjo gerechten und weifen, als friedliebenden Fürſten. Durch 
ihn wurde die Markgrafichaft abermals nicht nur mit neuen Erwer— 
bungen anfehnlich vergrößert, jonden auch für Ordnung, namentlich 
aber auch für die öffentliche Sicherheit beftens gejorgt. In feinem 
Teftamente beftimmte Markgraf Jakob, daß von feinen fünf Söhnen 
drei, nämlich Karl, Bernhard und Georg feine Yänder unter ſich theilen, 
die beiden andern aber, Johann und Markus, fich dem geiftlichen Stande 
widmen follten. 2) Nach dem Tode Jakobs ging jene Iheilung auch 
wirklich vor fi, und fam dabei Stadt und Amt Pforzheim, wel 
letteres damals aus den Orten Würm, Dietlingen, Ellmendingen, 
Langenalb, Friolzheim, Tiefenbronn, Neuhaufen, Steinegg, Hamberg 
und Lehningen beftand, an Bernhard, diefes Namens der Zweite. Er 
heißt auch der Heilige, weil „in feinem ſchönen Leibe eine noch ſchönere 
Seele ihre Wohnung hatte, die er mit Demuth, Mlitleiden und Heilig— 


— 





1) Ausführlicheres darüber bei Sachs, II., 177— 296, zum Theil auch 
bei Baber, bad, Landesgeihichte, S. 326 fi. Preuſchen, 504 — 516, jowie 
in andern Gejchichtewerfen. 

*) Erfterer wurde Erzbifchof von Trier, Letzterer Biſchof von Lüttich. 


138 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15, Jahrhundert, 


keit, als der Krone aller Tugenden, zu ſchmücken fuchte.”') Aber fehen 
im folgenden Jahre, nämlich 1454, trat Markgraf Georg zu Pforzheim 
jeinen Länderantheil an feine zwei Altern Brüder gegen eine Summe 
von jährlichen 1000 Gulden ab, widmete fich ebenfalls dem geiftlichen 
Stande und wurde jpäter Bischof von Metz. Als nun auch Bernhard IL, 
feinem Bruder Karl die Negierung jenes Yandes übertrug und auf 
einer Gejandtichaftsreife, die er im Auftrag des Kaifers Friedrichs III. 
an alle europäiſchen Höfe zum Zweck eines Kreuzzuges machen jollte, 
in Oberitalien 1458 plöglic jtarb, jo gelangte Karl I. in den Befit 
der ganzen Maͤrkgrafſchaft, und die Gefahr, die dem Anfehen des ba: 
diſchen Haufes durch abermalige Länderzerſplitterung gedroht batte, war 
für jet wieder befeitigt. 

Markgraf Karl I. regierte von 1453 — 1475. Diefe Zeit war 
eine äußerſt unruhvolle, da der kriegeriſche SM des Markgrafen, der 
ihm auc den Beinamen des Kriegers zuzog, ihn mehrfach verleitete, 
ih in Händel zu mifchen, von denen er ein umbetheiligter Zuſchauer 
hätte jein Können, Wem ihm auch das Lob eines guten und verftän- 
digen Regenten gezellt wird, fe tadelt man auf der andern Seite das 
an ibn, daß er in jeinen Entſchlüſſen nicht die nöthige Feſtigkeit zeigte. 

Unter den Kriegen Karls I. ijt feiner bekannter geworden, als der: 
jenige, den ev mit dem Kurfürften Friedrich dem Siegreichen von der 
Pfalz führte. Da derfelbe auch Pforzheim mehrfach berührt, fo 
muß bier ausführlicher darauf eingegangen werden, 2) 

Im Jahr 1461 entjtanden nach dem Tode des Erzbiſchofs von 
Mainz heftige Streitigkeiten bezüglich der Perſon des Nachfolgers. Auf 
der einen Seite machte ein Graf Diether von Iſenburg, auf dev andern 
Graf Adolph von Naſſau Anſprüche auf den erledigten Biſchofsſitz. 
Des Erftern nahm ſich der Kurfürſt Friedrih von der Pfalz an, für 
den letztern traten insbejondere der Markgraf Karl von Baden, Graf 
Wrid von Württemberg und Biſchof Georg von Metz, des Mark: 
grafen Bruder, in die Schranken, und da eine friedliche Beilegung diefes 
Streites nicht gelang, jo wurde zum Schwert gegriffen. 

Kleinere VBerwüftungen gingen voraus; im ebruar 1462 aber 

1) Sad, 11, 509. 

2) Bergl. Sachs, M., .432 ff. Bader, bad. Geſch. 354 ff., Häuſſer, 
Geſch. der Pfalz, I, 369 ff, Stälin, württemb. Geſch. TIL, 535 ff, Mone, 
Quellenſammlung, TIL, 140 ff, 





Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15. Jahrhundert. 139 


wurde der Krieg ernftlich begonnen. Der Kurfürſt fiel mit jtarker 
Heeresmacht in die Markgrafichaft ein, drang bis gegen Pforzheim 
vor, verbrannte dafelbft drei Dörfer und verheerte das Remchinger Thal 
(das Seitenthal der Pfinz, das von dem frühen Dorf Remchingen oder 
auch von Singen aus nad Königsbach und Stein führf,) mit Feuer und 
Schwert. Dafür erfchienen im März verheerende Schaaren aus Würt: 
temberg und Baden in der Pfalz, drangen bis gegen Heidelberg vor, 
verwüjteten die ganze Umgegend und Tegten eine Menge von Dörfern 
in Aſche. Im Mai ging Markgraf Karl über den Nhein und ver: 
heerte die pfälzischen Befitungen im Elſaß. Dieſes Iangfame Hinzögern 
und Länderverwüften ohne entjcheidenden Schlag mußte Niemand vers 
derblicher fein, als dem Pfalzgrafen. Es Ing ihm darum Alles daran, 
eme raſche Gelegenheit zur Entſcheidung zu erhalten, und diefe wurde 
ihm von feinen Gegner geboten. Durch falſche Beurtbeilung der 
Kräfte des Pfalzgrafen und fonftige irrige Nachrichten getäufcht, ent: 
ichlofien fich die verbündeten Kürten, in Maſſe in der Yfalz einzufallen 
und den Gegner durch einen gewaltigen Schlag zu überwältigen. Am 
25. Juni vereinigten fich die badischen und württembergiichen Heere bei 
Pforzheim, eimfchlieglih der Hilfstruppen von Trier und Meb in 
einer Geſammtſtärke von SUOO Mann zu Fuß und zu Roß.1) Beim 
Eintritt in die Pfalz (bei Bretten) begann ein wahrer VBerwüftungszug. 
Manche Reiter Ganden ihren ‘Pferden breite Baumäfte an die Schwänze, 
um in den KTornfeldern, durch welche fie ritten, die Nerwüftung zu ver: 
größern. Ein Angriff auf die pfälziſche Veſte Heidelsheim mißlang, 
weil der Kurfürft, den die Verbündeten fern in Baiern glaubten, felber 
darin war. Bon dort zog das Heer weiter unter Brandlegung in allen 
Dörfern bis gegen Heidelberg hin, mit Fühnen Abfichten auf das dortige 
Schloß und in der fihern Hoffnung, in Kurzer Zeit die ganze Pfalz 
einzunehmen. Bei St. Leon wurde eine Wagenburg geichlagen und 
das Fußvolk dafelbit zurücgelafien, während die Fürften mit ihren TOO 
Pierden in der Nacht vom 29. auf den 30. Juni einen Streifzug gegen 
Zedenheim am Nedar bimumter machten. Am andern Tag aber 





) Graf Ulrich hatte vorber an Markgraf Karl geichrieben , er möge Fürs 
fchung thun, daß ihm und den Seinigen, wenn fie bei Pforzheim Nachtlager 
bätten ober bis folgenden Freitag verziehen würden, Wein und Brod um billige 
Bezahlung widerfahren möge. Steinhofer, TIL, 59, 


140 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


brady der Pfalzgraf, der ganz im der Stille feine Leute (über 2000 
zu Fuß und 1000—1200 zu Pferde) gefammelt hatte, plötzlich aus 
dem Schwetzinger Wald hervor und überrafchte mit feiner Weberzahl 
die Gegner, welche, von ihrem Fußvolk abgefchnitten und zwifchen den 
Nedar und Rhein eingeflemmt, die ungünftigfte Stellung hatten. 
Heiß entbrannte die Schlacht, in welcher troß der muthvollften Ge— 
genwehr feiner Feinde der Pfalzgraf einen glänzenden Sieg erfocht 
und den Markgrafen Karl von Baden, den Grafen Ulrich von 
Mürttemberg und den Biſchof Georg von Meb nebit vielen Herren 
vom Adel gefangen nahm.?) Letzterer wurde auf das Schloß Eicholz- 
beim bei Mannheim, die beiden Erſtern aber nad Heidelberg ge: 
bracht und nach erfolgter Heilung ihrer Wunden auf dem Schloß 
daſelbſt eingekerkert. Nach einjähriger Gefangenichaft, während welcher 
die Fürften äußerſt ftreng gehalten und nicht mur in Feſſeln gelegt, 
fondern fogar einmal fünf Wochen lang in den Stock geſchloſſen 
wurden, jchlug endlih die Stunde dev Befreiung, aber unter welchen 
Bedingungen! Außerdem, daß die Fürſten verfprechen mußten, nie 
mehr feindfelig gegen den Pfalzgrafen aufzutreten und ihn mit 
dem Papſte, der ihn in den Bann getban, binnen Jahresfriſt aus: 
zuföhnen, im alle der Nichterfüllung bei einer Strafe von 30,000 





!) „Als ein A mit einem I aeziert, (M) 

Vier Hufeifen waren formirt, (CCCC) 

Eine Art und der Apoſtel Zahl, (LA) 

Geſchah die Schlaht am Nederthal. 

Da ſchlug und fing ein junger Pfälzer 

Einen Bader, Jäger und Sälzer, 

Friedrich, der Eiegreiche wohlgenannt, 

Der Kurpfalz Zier dur alle Land,“ 
jo heißt cs in einem Liede aus damaliger Zeit. (Der Jäger ift der Württem— 
berger wegen bes Jägerhorns, das er auf dem Helm führte, und ber Sälzer 
ift der Bischof von Meß wegen der reichen Salzgefälle diefes Hochſtifts). Be: 
kannt ift auch die Ballade von Guftav Ehwab: „Das Mahl zu Heidel: 
berg,” worin der Dichter die Sage behandelt, daß der Pfalzgraf feine Ge: 
fangenen am erften Abend (Andere jagen bei der Freilaſſung) föftlich bewirthet, 
ihnen jedoch fein Brod vorgejegt habe , weil fie ihm „leine Mühlen verbrannt 
und feine Fruchtfelder -verwüftet hätten,“ — Unter den Gefangenen, welde in 
Mones Qucllnfammlung, III., 147 und 148 aufgezählt find, jcheinen auch 
Pforzheimer gewefen zu fein, jo Wernher Plus, Martin Dietrih, Konrad Flach, 
Hans Wolf, Ulrich Schoch, Hans Felder u, 4. 


Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 4141 


Gulden für den Markgrafen: mußte Lebterer auch noch verichiedene 
Lindereien abtreten oder Anſprüche, die er darauf geltend gemacht 
hatte, aufgeben, die Stadt Pforzheim zu einem pfälzifdhen 
Lehen machen, das dur nichts, als die Bezahlung von 40,000 
Gulden aufgefagt werden könnte, und endlich außer den Aufrechnungen 
für die Beköſtigung im Gefängniſſe als Löſegeld die für die dama— 
lige Zeit ungeheure Summe von 100,000 Gulden, wovon 20,000 
Gulden baar, bezahlen.1) In der betreffenden Urkunde wurde auch 
fejtgefeßt, daß der Kurfürſt das Geleit?) von Pforzheim nad Bretten, 
der Markgraf dagegen das von Bretten nad) Pforzheim haben folle, 
Bei folhen Bedingungen durfte Friedrich den Markgrafen fchon 
feierlich entlaffen, was auch unter dem Schalle von Trompeten und 
Pfeifen gefchab. 

Bon der Zeit an war die Megierung des Markgrafen eine 
durchaus friedliche, Es wird zwar von einem Chroniſten 3) erzählt, 
der Markgraf ſei 1469 dem Grafen von Württemberg mit SOO Mann 
zu Pferd ins Land gefallen, habe ihm etliche Dörfer in Brand ges 
ſteckt und bei 2000 Schafe hinweg nah Pforzheim treiben laſſen. 
Es ift dies indeffen darum unmwahrfcheinlich, weil beide Nürften damals 
in jo guten Einvernehmen ftanden, daß fogar Graf Eberhard von 
Württemberg für die Zeit feiner Abweſenheit (er wollte eine Pilger: 
fahrt ins heilige Land machen) 1468 dem Markgrafen Karl die Re 


1) Stälin, II, 543. Wie fih der Markgraf diefe Gelder verichaffte, 
leien wir in Eifhart Arktes v. Weiſſenburg Geſchichte feiner Zeit, 
(Mone, Archiv II., 269), wo es heißt: „Am obaenanten jare (1463) gab 
feifer Friederich der Dritt dem marfgraven von Baden, feinem fwager, bie 
Judden-ſchatzung, alfo das ein iglicher Judde, ber do was uber brei jare, follt 
geben ein gulden bevor us und darnad je den britten (nad anderer Lesart 
den zehnten, vergl. die Urkundenmittheilung des Wiener Archivs in ben 
Schriften des bad. Alterthumsvereins, Bd. IE, ©. 243.) pfenning alles fins 
guts, alio, das dem marfgraven me dan zweimal hundert taufend gulden, als 
man jagt’, wurden, baburd er fing fchadens wider zu fam. Zu bem bet er 
au alles fin fand geichegt.! (Der Markgraf mußte jedoch [Baben, 
12. März 1464] verſprechen, bie Hälfte des reinen Ertrags der Judenſteuer, 
nad Abzug der Einfammlungstoften, dem Kaiſer nah Frankfurt oder Ulm zu 
übermaden, Bergl. die Echriften des badiſchen Alterthumsvereins Bd. IL, 
S. 243.) 

2) Bergl. ©. 127. 

s) Bernhard Herzog in der „Elfaßiichen Chronik.“ 


142 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert, 


gierung der öfterreichiichen Vorlande übertrug. 1) Beſonders war Mark: 
graf Karl darauf bedacht, feine Linder zu vermehren, was ihm gleich 
feinen Vorfahren auch gelang. Von mehreren jeiner Negierungshandlungen, 
welche Pforzheim betreffen, wird unten die Rede fein. Karl I 
farb am 24 Februar 1475 an der Peſt in feiner Mefidenzitadt 
Baden, 


$ 2.  Befonderes. 


Markgraf Bernhard I. hielt oft feinen Hof in Pforzheim, 
wenn ihm auch fein unruhiger Geift nicht gejtattete, in irgend einer 
Stadt jeine ftändige MNefidenz zu nehmen. Im Befite aller ritter: 
lichen Eigenſchaften, Friegerifch jein ganzes Leben hindurch, war Bern: 
hard beftindig von einer großen Zahl jeiner adeligen Vaſallen um— 
geben, welche ihn im Krieg unterftüten, im Frieden aber den Glanz 
feines Hofes erhöhen mußten. Inter denjelben vagte durch Reichthum 
vor Allen hervor: Heimrih Göldlin von Tiefenau,?) einem alten 
Patriciergefchlechte Pforzheims angehörig (S. 85). Seine Vorfahren 
hatten mehrfach das Schultheigenamt daſelbſt bekleidet (S, 103), und 
es jtand überhaupt die Familie Göldlin in der Stadt in großem 
Anfehen. Mit dieſem Heinrich Göldlin gerietd Markgraf Bernhard 
in einen heftigen Streit, dem wahrjcheinlich Geldforderungen zu Grunde 
lagen, und der jo weit führte, daß der Markgraf feinen Vaſallen zu 
Pforzheim für feinen Feind erklärte, jo daß Göldlin aus Pforzheim und 
der Marfgrafichaft fliehen mußte. Da wurde er von tiefem Haß gegen 
den Markgrafen erfüllt, und überall fein Necht, oder feine Rache gegen 
denjelben, oder vielleicht Beides fuchend, begab er fich in den Schuß 
de8 Grafen von Württemberg. Darüber beflagte fid) der Markgraf, 
und es entjtand daraus ein heftiger Streit zwifchen beiden Fürſten, der 
1399 durch ein Schiedsgericht zu Leonberg beendigt werden follte. Die 
Aufammenkunft war aber eine fruchtlofe, ebenfo eine andere zu Weil 
der Stadt, bis endlich 1402 in Vaihingen die Streitfache dahin ent- 
ihieden wurde, daß Graf Eberhard dem Markgrafen gegen Göldlin 
behilffich fein müſſe. 

) Stälin, UI. 564. 
2) Bergl. Lottbammer, Pforzbeims Vorzeit, 147 ff. 


Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15. Jahrhundert. 143 


Diefer zog nunmehr nad Zürich, wo er ſich als Bürger aufnehmen 
ließ I) und alsbald auch zum erften Neichsvogt gewählt wurde, Bon 
dort aus verfuchte er aufs Neue feine Nechte gegen den Markgrafen 
geltend zu machen, und legte fogar zu dem Ende dem Kaifer Nuprecht 
von der Pfalz Briefe und Urkunden vor mit der Bitte, ihm zu dem 
Seinigen zu verbelfen.?) Die Urkunden wurden aber ſowohl von dem 
Markgrafen, als von den kaiſerlichen Räthen für unächt erklärt. Nach 
dem Tode Göldlins ernenerte fein Sohn Heinrich 1414 jeine Forde— 
rungen an Bernhard, und als fie ihm nicht gewährt wurden, Fam es 
zu offener Fehde, da fich die Zürcher ihres Mitbürger annahmen. 
Doch wurde ned im mämlichen Jahre der lange Streit durd einen 
Vergleich beendigt, bei welchem fich der Markgraf zu Gunften der Fa— 
milie Göldlins zu einer Entſchädigung verjtanden zu haben fcheint, 3)" 

Nie Pforzheim jehr häufig von den Kürten der an die Markgraf: 
ichaft angrenzenden Länder zu ihren Zuſammenkünften gewählt wurde, 
wenn irgend gemeinfchaftliche VBerabredungen zu treffen oder Streitigkeiten 
zu fchlichten waren, fo jchlofien auch am 14. Januar 1400 der Kur— 
fürft Nuprecht von der Pfalz und der Herzog Lupold der Dide, dem 
die Megierung der öfterveichtichen Dorlande übertragen war, zu Pforz- 
heim wahricheinlichh unter den Augen Markgraf Bernhards, — 
einen Vertrag mit einander, welder zwar zunächſt auf die Erhaltung 
der Ruhe und Sicherheit ihrer Länder abzielte, aber den hochgehenden 
Planen Ruprechts, der wenige Tage nachher zum römiſchen Kaiſer ge 
wählt wurde, auch jonft fürderlich jein mochte, Welches Inhalts diejer 
Vertrag war, geht daraus hervor, daß Graf Eberhard von Württem— 
berg darin von den zu DBefehdenden ausdrücdlich ausgenommen wurde. 

Das oben (S. 96) ſchon erwähnte Privilegium, weldyes Kaifer 
Menzel dem Markgrafen Bernhard 1382 verlieh, nach welchen „kein 





1) — — „Derjeib vih Göldlin was von Piorzheimb vB des Marg: 
grafen Land, von ſinen vordern, und bat ouch eiwas Rechtung an der Stadt 
ze Pfortzheim, und was vor Jaren als er etwas Spänne mit dem Marggraven 
gehebt, gen Zürich gezogen, und dba Burger worden“ ꝛc. Tſchudi, Schweizer 
Chronik, I., 674. 

2) Nach einer Notiz im Piorzheimer Archiv belief fich feine Schuldforberung 
an den Markgrafen auf die ungeheure Eumme von 60,000 Gulden. 

3) Vergl. Tihudi, J., 674 und Sachs I., 235. Das Geſchlecht der „ 
Göldlin von Tiefenan fommt ſpäter in Pforzheim nicht mehr vor, 


444 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


Fürſt, Herr oder Stadt oder ſonſt Jemand keinen der Seinen zu 
Burger abempfahen, und, wenn es ſchon vorher geſchehen wäre, ſolches 
null und nichtig ſein ſolle,“ verwickelte den Markgrafen in mehrfache 
Händel, namentlich mit den Städten, gegen welche er nie die freund— 
lichſten Geſinnungen hegte, jo unter Anderm 1397 mit der Stadt Speier, 
weil der Math derjelben um 1394 einige markgräfliche Unterthanen und 
Reibeigene aus Pforzheim und Ettlingen zu Bürgern aufgenommen 
batte.') Diefer Streit kam bis vor den Kaifer Wenzel, der ihn zu 
Gunften der Stadt Speier entſchied,?) jedodh den Herren das Recht 
zugefland, ihre Leute innerhalb Jahresfrift zurücfordern zu dürfen. Aus 
ähnlicher Urfache, die verfchiedene Pladereien im Gefolge hatte, erhob 
fh um 1420 ein Streit zwijchen Bernhard und den breisgauifchen 
Städten, der 1424 eine Verwüftung dev Marfgrafichaft nach ſich zog 
und durch den Vertrag von Mühlburg beendigt wurde.3) Zwiſchen 
Markgraf Bernhard und Württemberg, das auch am Kriege theilge: 
nommen batte, kam es zu einem befondern Vergleich, bei welchem feitge- 
jest wurde, daß die Richtung, zu Pforzheim gemadt (2), bei Strafe 
von 5000 Gulden beibehalten werden ſollte. — Berührte dieſe Ver: 
heerung des Landes die Gegend von Pforzheim und die Stadt felbft 
weniger, als die im Rheinthal gelegenen Theile der Markgrafichaft, fo 
war dafür ein Krieg im Jahr 1402 dem an Württemberg anjtoßenden 
marfgräflichen Rande um jo verderblicher gewefen, weil Graf Eberhard 
in Württemberg, mit welhem Markgraf Bernhard ohnehin nicht im 
freundſchaftlichſten nachbarlihen Verhältniſſe lebte, mit andern Fürften, 
die der auf Bernhard wegen Ungeborfams erboste Kaiſer Ruprecht gegen 
ihn aufgeboten hatte, nebjt diefem felbjt verwüſtend in die ihm zunächft 
gelegenen Theile von Baden eingefallen war. Ob Pforzheim aud) ba: 
bei gelitten habe, iſt nicht bekannt. 

Am 9. Auguft 1418 beherbergte Pforzheim in feinen Mauern 
wieder einen hohen Saft, nämlich den Kaifer Sigmund, von dem Konzil in 
Konftanz wohl zur Genüge, aber gerade nicht von der vortheilhafteften 

1) Nebenbei auch, weil die Speierer dem Markgrafen für verfchievene Be— 
Ihädigungen, welche feinen Ländern in ‚vorhergegangenen Kriegen erwachien 
waren, feine Entihädigung leiften wollten. 

?) Lehmann, Speierer Chronik, ©, 848, 


3) Bergl. Königshofen in Mone, — — I. 255 u. 285, 
und Sads, II, 264 fi. 


Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 145 


Seite bekannt. Er reiste damals in Schwaben umher und hatte fich 
einige Tage in Baden aufgehalten, von wo er über Ettlingen, Pforzheim 
und Weil der Stadt nach Eflingen ꝛc. Fam. Markgraf Bernhard erwies 
dem Kaifer viel Aufmerkfamkeit und veranftaltete ihm zu Ehren namentlich 
große Jagden,) wozu die ausgedehnten Waldungen des Landes, zu denen 
damals der Hagenſchieß 2) ſchon gehörte, reichlich Gelegenheit boten. 
Daß die Lehensverbindlichkeit gegen Mainz wegen Meißenftein ꝛc. 
(S. 95) noch unter Markgraf Bernhard fortdauerte, erfehen wir daraus, daß 
derfelbe am Dienftag nah Audica 1426 von dem Kurfürften Konrad 
von Mainz zu Pforzheim anfs Neue mit Burg Weißenftein ſammt Zu: 
bebör, dem Schultheißenamt, dem altem Ungeld und den Mühlen zu Pforz: 
beim belehnt wurde, Dieſes Vehenverhältnig nahm indefjen bald nachher ein 
Ende;3) denn im Jahr 1444 trug bereits Dietrich von Gemmingen 
das Schloß Weißenftein fammt Zugehör von der Markgrafichaft zu 
Lehen, nachdem derſelbe 1439 mit feiner Ehefrau Agnes von Sidingen 
die Dörfer Neuhauſen und Lehningen, den fechsten Theil an den Dör— 
fern Tiefenbronn, Friolsheim und Mühlhaufen, desgleihen feinen Theil 
an den Weihern auf der Struott, wie auch feine Zinſe und Rechte zu 
Reichenbach, Hohenwarth, Scellbronn und Mödlingen um 4200 fl., 
fowie im Jahr 1440 feinen Theil an Steinegg, Burgitadel und Thal, 
um 450 Gulden an den Markgrafen Jakob I, verfauft hatte. Das 
Schloß Steinegg ſammt dem Thal, der Mühle und Sägmühle, aud) 
verjchiedene Waldungen erhielt ſodann Dietrich von Gemmingen von 
Jakob I. 1448 als Erblehen zurücd; das Gleiche geſchah nochmals 1461 
durch Markgraf Karl I, und wurde dabei die Erbbelehnung auch auf 


N) Der Markgraff von Baden tet dem Konig große Ere und furte in umb 
in feinem Land jagen. Eberb. Windeck bei Stälin, HL, 415. 

2) Weber ben Hagenſchieß vrgl. auch ©. 72. Die Älteften Nachrichten über ben: 
felben in einem der Lagerbücher, die in der Regiftratur des Forftamts Pforzheim 
fih befinden, reichen zwar nur bis 1499; doc geichieht des Hagenſchießes als 
Eigentgum der Markgrafen von Baden ſchon um 1460 (S. 157), 1461 bei 
Sachs, I, 427 undin einer Urkunde des ftädtifchen Archivs von 1480 Erwähnung. 

9) d. h. 88 begann von Neuem, als Weißenftein wieder an die Markgrafen 
zurüdgefallen war, So finden fich Lehenbriefe über Burg Meißenftein, Schult: 
beißenamt, Weinungeldb und Mühlen zu Pforzheim vom 17, April 1583, aus: 
geftellt von Erzbilhof Wolfgang und vom 7. Februar 1711 von Erzbiihof Lo: 
thar Franz. Wann dirjes Lehensverhältnig aufgehört bat, weiß ich nicht. 
(Bgl. Lünig, corp. jur. feud, Il, 189 bis 192.) 

Pflüger, Pforzheim, 10 


146 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


die Dörfer Tiefenbronn, Hamberg, Schellbronn, Hohenwarth, Neuhanfen, 
Müůhlhauſen und Lehningen, mit den dazu gehörigen Unterthanen, Steuern, 
Wildbännen und befonders den Wald, der Hagenichieß genannt, ausge: 
dehnt, nachdem der gleiche Markgraf zwei Jahre vorher, nämlich 1459, 
auch die Belehrung mit Weißenſtein erneuert und die Dörfer Huchen- 
feld und Büchenbronn hinzugefügt hatte, Letzteres Lehen blieb indeffen 
nicht bei der von Gemmingen’ihen Familie. Denn ſchon 1464 murde 
es nebſt Dillftein von Karl I an Heffo von Kaltenthal als 
Mannlehen (d. h. nur auf die männliche Nachkommenſchaft forterbend) 
übertragen, und zwar unter den gleichen Bedingungen, wie es Diet 
rich von Gemmingen erhalten hatte, namentlich mit Vorbehalt des Deff: 
nungsrechtes, d. h. der Beſitzer von MWeißenftein mußte den Lehensherrn 
zu allen Zeiten ohne Weigerung in das Schloß aufnehmen. Doc 
blieb Weißenſtein auch nicht bei diefem Gejchlecht, fondern wechſelte feine 
Befiger nod) mehrmals, So bejaß es 1488 ein Edler von Ehingen, 
41512 kam e8 an Reinhard von Neuhauſen (©. 69), 1566 an 
Martin von Remchingen, der es aber nicht lange behielt, fondern 
an den Markgrafen von Baden, wie die Sage berichtet, wieder verfpielt 
baben fol. Von der Zeit an verfchwindet Meißenftein allmählig aus 
der Geſchichte, und ſcheint das untere Schloß nie gewaltfam zerftört, 
fondern nad und nad, zerfallen zu fein. 

Im Jahr 1451 jah Pforzheim, wie das früher ſchon mehrmals 
der Tall geweſen war, eine Anzahl Fürften in feinen Mauern verfammelt, 
Es war nämlich zwifchen Ludwig, Herrn zu Lichtenberg, und den Grafen 
von Leiningen ein heftiger Streit entbrannt, der nach der rohen Sitte 
feiner Zeit fogleih auch zu gegenfeitigen Länderverwäftungen führte. 
Markgraf Jakob fuchte Frieden zu ftiften, und nachdem zwei Konvente, 
zu Heidelberg und Speier, nicht zum erwünfchten Ziel geführt, kamen 
die ftreitenden Parthien nebft den Friedensvermittlern, darunter Biſchof 
Reinhard von Speier, Markgraf Albrecht von Brandenburg, Markgraf 
Jakob von Baden und der Deutjchmeifter Zoft von Benningen, zu Pforz: 
beim zufammen, wo der früher fchon gefchlofiene Waffenſtillſtand bis 
auf den Dreilönigstag des folgenden Jahres verlängert wurde. Der 
Streit ſelbſt aber ging erft bei einer neuen Zuſammenkunft zu Straß: 
burg 1452 vollftändig zu Ende, R 

Am 27. Juni 1473 beherbergte Pforzheim wiederum einen 
hohen Saft, nämlih den Kaifer Friedrich III, Derjelbe fam vom 


Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15. Jahrhundert, 447 


Reichstag, von Augsburg, wo er. vergeblich verfucht hatte, die Fürſten zu 
einem Kriege. gegen die Türken und zu einem Feldzug gegen Karl den 
Kühnen von Burgund zu beftimmen, und reiste nun über Um, Göp— 
pingen, Eßlingen, Stuttgart, Leonberg, Weil und Pforzheim nad 
Baden, um dort feinem Schwager, dem Markgrafen Karl, ſowie feiner 
Schweſter einen Beſuch zu machen!) Welche Ehrenbezeugungen dem 
Kaijer von der Stadt Pforzheim bei der Durchreife erwieſen wurden, 
darüber ift nichts befannt. Groß werden fie Übrigens nicht gewefen fein, 
da Friedrich III, in Deutfchland in feiner befondern Achtung ftand und 
in feiner Perſon die Hoheit des Neihs nicht wenig herabgejunfen war.?) 


$ 3. Inneres. 
a, Städtifhe Verhältniffe im Allgemeinen. 


Was die Entwicklung der ftädtifchen Verhältniſſe, insbefondere bie 
Einrichtung des, Ortsregimentes betrifft, wie ſich daffelbe im fünfzehnten 
Jahrhundert geftaltete, jo hat fi nod eine merfwürdige „Ordnung, 
wie Gericht, Rath, Bürger: und Baumeifter erwählt wer: 
den follen“, vom 10. November 1409, aljo aus der Regierungszeit 
Bernhards I, erhalten.d) Da diefelbe indefjen mit der Stadtordnung 
von 1491 und den in den folgenden Jahren als Zufäße und Ergän— 


1) Karl I, hatte zur Gemahlin Katharina, eine Tochter von Herzog Ernft 
dem Eifernen von Deftreih, dem Bater Friedrichs IM, Die Hochzeit mit ber: 
jelben war 1447 in Pforzheim aufs Prachtvollfte begangen worben. 

2) „Er reit alfo in dem lande umb alß ein betteler und ſchatz ein flatt 
nod ber anderen. Zuoleſt ritt er gon Metze und betitelt ouch da ſelbeß. Er 
bett dem rich ouch nie fein guots, die wil er Feiffer was, — — Darnach z0ge 
er in Swoben und bettelt in allen richftetten draffter, fo in Swoben ligen. 
Zuo left fam er gon Dugsburg, do er vor ouch gewellen was und zertte do 
und wolt nyeman nuch geben umb das fir.“ Fortjegungen des Königs— 
bofen in Mone, Quellenfammlung, 3,, 265. — Auf dem folgenden Reiche: 
tag zu Augsburg blieb der Kaifer an Zehrungstfoflen 6736 Gulden ſchuldig; 
bie Kölner mußten ihn auslöjen. Als der Kaifer abreifen wollte, hielt der 
BZunftmeifter der Hufichmiede wegen einer Forderung, die er er an den Hof zu 
machen hatte, die Faiferlichen Pferde auf. Stälin. III, 569. 

8) Kopialbuch im ftädtifchen Archiv, S. 194 fi. — Markgräflicher Vogt 
zu Pforzheim, der wahrfcheinlich bei der Abfafjung diefer Wahlordnung mit- 
wirkte, war um jene Zeit (ficher 1412) Albrecht von ih 63). 


148 Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


zungen bderfelben gegebenen andern Ordnungen im engjten Zufammen- 
bang fteht, jo mag fie auch erft weiter unten am gehörigen Ort 
umftändlicher berüdfichtigt werden. Nicht unerwähnt kann ich bier 
laſſen, daß die Stadt Pforzheim mehrfach die Ehre hatte, für Kleinere 
und größere Anlehen, welche die Markgrafen, namentlih Karl I., mad; 
ten, Bürge und Mitfchuldnerin zu werden, fo 1454 für eine Summe 
von 13 fl. 20 Er,, welche Markgraf Bernhard von Wernher Goplin 
aufgenommen, ferner für 1200 Gulden, welche Bernhard an Heinrich 
von Berwangen und Albrecht von Zeutern fchuldete, fodann für andere 
Schulden desjelben im Betrag von 1950 Gulden, — ebenfo für 100 
Gulden, welche Markgraf Karl I. 1459 von Berchtold Horder von 
Gertringen, für 1000 Gulden, melde er 1469 von den Wormfern zu 
Straßburg, für 1000 Gulden, welche er im nämlichen Jahr von Dechant, 
Kapitel und Vikarien des Chores im Hocftift zu Speier, fiir 400 Gul: 
ben, die er ebenfalls im Jahr 1469 von Dechant, Kapitel und Vikarien 
des Hochftifts zu Straßburg, für 1200, weldye er abermals 1469 von 
Probft, Dechant und Kapitel des Stiftes zum jungen St. Peter, für 
40 Gulden, welche er 1472 von unferer lieben Frauen Kirche zu Tie— 
fenbronn aufnahm u. ſ. w. Bei der Stadt felbft wurden ebenfalls An- 
Vehen gemacht, jo 3. B. 1450 von den Söhnen Jakob I., Karl, Bern: 
hard und Georg. Die Summe ift jedoch nicht genannt. 1) Es brachten 
folche Umftände die Stadt, die felber mehr als einmal in der Lage war, 
zu Geldaufnahmen jehreiten zu müffen, häufig in Verlegenheit, und die 
auf ſolche Weiſe entitandenen Schulden, zu denen fpäter noch) verfchiedene 
andere kamen, lagen wie ein Alp auf der Stadt und wurden namentlich 
im 17. Jahrhundert, während deſſen faum die Zinfen derfelben bezahlt 
werden konnten, immer größer und drückender. Ich werde darauf 
zurückkommen. 


b. Kirche und Schule. 
(Errichtung eines Kollegiatſtiftes, Reformation der 
Klöſter, Gründung einer lateiniſchen Schule.) 
Das Wichtigſte, was in kirchlicher Hinſicht im Laufe des 15. Jahr: 
bunderts geſchah, war die Umwandlung der Pfarrkirche zu St. Michael 


2) Alle diefe Angaben find ehemaligen Aufzeichnungen im Stadtarchiv 
entnommen, 


Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15. Jahrhundert. 149 


in ein Kollegiatftift. Das Beifpiel, das Jakob I, in der Stadt Baden 
gegeben hatte, indem er dafelbft 1452 die Hauptpfarrlicche zu einer 
Stiftskirche erhob, ahmte fein Sohn Karl I. zu Pforzheim im Jahr 1460 
nach, nachdem der Papſt Pius II, am 29. November 1459 von Mantua 
aus feine Zuftimmung zu diefer Umwandlung gegeben und den Bifchof 
Johann zu Speier, fowie den dortigen Domherrn Rutker von Lauter: 
burg mit der Einrichtung des Stifts, foweit diefelbe die geiftliche Be— 
börde anging, beauftragt hatte. Ferner verordnete der Papft auch die 
Kleidung , deren ſich die Stiftsherren bedienen jollten. 1) Das Kapitel 
des neuen Gtiftes beftand aus einem Dedant, 12 Kanonikern, 12 Vita- 
rien oder Kaplänen, welche den Gottesdienft nach der ihnen vorgefchrie- 
benen Ordnung beforgen mußten und die Erjpeftanten für die Stifte: 
pfründen waren, ferner 2 Miethlingen (Helfern) und 4 Chorichülern. 2) 
Erfter Dekan war 3) Jodokus Bonet. Zu den erſten Chorherrn gehörten: 
Magifter Sebaſtian, Mag. Melchior, Lizentiat Peter Gößlin, Jakob 
Gößlin, Ambrofius von Kirchheim, NIE. Dorfe, Nik. Dude, Bernhard 
Flad, Joh. Eberlin, Peter Dufer; es kamen noch dazu: Joh. Gerud 
und Loft Müller; — zu den Bilarien gehörten: Joh. Bader, Joh. 
Boner, Leonhard Bannwarth, Joh. Befideym (Befita), Math. Zürcher, 
Joh. Bender, Heinrich von Durlach, Theodor Rappenderr, Joh. Kubder: 
mann, Job, Weiler. Bon den Chorherin wurde fpäter einem das Amt 
eines Kuftos, einem andern das des Sängers übertragen. Eine Probftei 
des Michaelftiftes wurde jedoch erſt jpäter (1505) errichtet. Bezüglich der 
Beſetzung aller dieſer Pfründen, joweit das Necht dazu nicht in andern Hän- 
ben war, behielt fid) der Markgraf das Patronatrecht vor, und mußte das 
Kapitel jedem neuen Randesfürften, wie das z. B. 1521 geſchah, Huldigen 
und bekennen, daß die Mitglieder desjelben „Sr. fürftl. Gnaden gehor: 
fame Kapläne, und derſelbe ihr Landesfürſt und Superattendens fei.“ 
Das Beſetzungsrecht aller Pfründen fuchte Markgraf Karl durch Tauſch 
und Kauf nah und nach am ſich zu bringen, und taufchte unter andern 
ihon 1460 an Herrenalb das Patronatreht der Kirche zu Nußbaum 


1) Der betreffende Akt wurde am Mittwoch vor Allerheiligen (27. Okt.) 
1460 durch den Taiferlihen Notar Johann Seelbah aufgenommen. Vergl. 
Alten des Landesarchivs. 

2) „Die geiftlihen Güter im Land betreffend und deren Meftitutiongeres 
fution“ im Lanbesargiv. 

s) Akten des Landesarchiv, 


150 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


und der Frühmeffe zu Göbrichen gegen die Leihung der Pfründen unferer 
lieben Frauen und St. Johannes des Täufers. Solcher Pfründen mit 
den entiprechenden Altiven in der Kirche war es eine bedeutende Zahl, 
und fie hatten zum Theil fehr reiche Einkünfte, So treffen wir einen” 
St. Fabians- und St. Sebaftians-Altar, einen St. Yauren: 
tiug: Altar, einen St. Ratharinen: Altar, einen St. Matthäus— 
Altar, einen Altar der heil. drei Könige, einen Altar der Heil. 
Dreifaltigkeit, einen St. Mar. Magdalenen: Altar, einen 
St. Thomas: und Andreas: Altar, einen St. Peter: und Pauls: 
Altar (ſchon 1347), ein St. Johannes des Täufers: und Evan- 
geliften=- Altar, einen Altar Circumeisionis Domini oder der 
Beichneidung des Herrn, (von Graf Wilhelm von Eberftein 1431 ge 
ftiftet), 1) einen St. Jakobs-Altar, einen St. Niflaufen:- Altar, 
einen St. Koften=- Altar, einen Altar Omnium sanctorum oder 
Allerheiligen, unferer Franen: Altar (ſchon 1413 erwähnt) und 
einen St. Michaels: Mltar.2) Andere Pfründen waren noch: bie 
Pfarrei zu St Michael (durch Lichtenthal zu vergeben, ©. 104), bie 
Prädikantenpfründe und die Spitalpfarrei. 3) Das Einkommen des 
St. Michaelftiftes war eim jehr anfehnliches und weist z. B. das Stifte: 
lagerbuch von 1502 Gülten auf zu Glappach, Nüßbom, Ufpringen, 
Kuffelbronn, Würm, MWurmberg, Dürn, Buchinpron, Hamberg, Wyſſen⸗ 
ftein, Nieffern, Entzberg, Bresingen, Tütlingen, (Dietlingen), Birkenfeld, 
Menshenm, Woffach, Löchkeym, (Löchgau), Wimßheym, Utingen, Tilſtein, 
Dürmentz, Küngspach, Birkenfeld, Pfortzheim, (hier am meiſten); ferner 
2/, des Kornzehntens zu Reichenbach (das andere 1/, bezog die St. Mar: 
tingfiche), und es jcheint, daß hauptfächlich zur Aufbewahrung diefer 
Fruchtbezüge das Stift 1482 vom Bogt Hans von Königsbach namens 
de8 Markgrafen den alten Herrichaftsipeicher erfaufte. Sonft mußten 
die Stiftsherren zu Pforzheim verfprechen, Keine Güter am fich zu 
bringen, welche der Herrichaft eigen, betbar, ftenerbar oder dienſtbar 


— — 


) Der Grabftein desjelben ift in ‚der Schloßkirche, links vom nördlichen 
Eingang. 

2) Mehrere diefer Pfründen waren 1365, 1411 und 1414 geftiftet worben, 
bie zweitleßte buch Pfaff Wernher und feine Schwefter Irmel. 

) Vergl. Hiezu das Stiftslagerbuh von 1502 und das Stifts-, Lager: 
und Zinstud von 1559 im Landesarchiv, 


Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15, Jahrhundert. 151 


wären, (um die Einkünfte der Herrfchaft nicht zu jchmälern, weil alle 
geiftlichen Güter abgabenfrei waren, vergl. ©. 76), und follte dem 
Markgrafen, wenn das Stift je dergleichen Güter in der Markgraf: 
ihaft Baden oder den dazu gehörigen Herrichaften erwerben würde, 
das Wiederloofungsvecht zuftehen. — ntiprechende Wohnungen wur: 
ben ben GStiftsherren unterhalb der Schloßfirhe in ber Prediger: 
oder Pfarrgafje eingerichtet. Diefelben brannten jedoch im orleang’: 
ſchen Kriege 1689 mit der Stadt nieder. Die Trümmer dev Stifte: 
berrenwohnungen ftanden aber noch 1778, wurben indeß bald da: 
rauf abgebrochen und der Pla in einen Garten verwandelt, unter 
welchem fich aber die GStiftsfeller zum Theil bis heute erhalten haben. 

Ueber die innere Organifation des Stifts ift weniger befannt, Da 
indeffen anzunehmen ift, daß diefelbe der des Chorberrenftiftes in Baden 
entſprach, fo mögen einige Mittheilungen aus dem Statut des legtern 
bier ihre Stelle finden. 1) Als Einkommen follte der Probft jährlich 
100 Gulden, der Dechant 50, der Euftos und der Sänger jeder 40, 
ein anderer Canonikus oder ein Bilar 30 Gulden beziehen, 2) Die 
Stiftsgeiftlichen hatten von dem Wein, den fie zu eigenem Gebraud) 
einlegten, kein Ungeld zu bezahlen; doch durfte ein Prälat nicht mehr 
ala vier, ein Canonikus nur drei, ein Vikar nur zwei Fuder Wein eins 
legen. Dem Markgrafen blieb das Präfentationsrecht vorbehalten. Unter 
ben zwölf Stiftsherren follten vier Doktoren oder Lizentiaten, die andern 
aber fromme und gelehrte, aus vechtmäßiger Che erzeugte Männer fein, 
Was den letzten Punkt anbetrifft, jo behielten fi die Markgrafen das 
Recht vor, ausnahmsweife ihre eigenen natürlichen Söhne in Vorſchlag 
zu bringen, und folkten diefelben ohne Widerrede angenommen werben. 
Im Falle zwifchen den Markgrafen, ihren Beamten oder Untertanen, 
und den Siftsheren und dem Kapitel ein Streit entftehen würde, jollte der: 
felbe durch ein Schiedsgericht erledigt werden, von deffen vier Mitglies 
dern zwei aus den Mäthen des Fürſten und zwei aus dem Kapitel 
ernannt wurden. Wenn diefelben nicht einig werden Fonnten, mußte noch 
eine fünfte Perſon als weiterer Schiedsrichter erwählt werden, und zwar, 
je nachdem der Streit eine geiftliche oder weltliche Sache betraf, entweder 
durch die Geiftlichen oder die Näthe. Beim Ausſpruch des Schiedsge- 

1) Sachs, IH. 358 ff., nad dem Cod, dipl. Bad. 

2) An Pforzheim müſſen indeß die einzelnen Pfründen beſſer dotirt ges 
weſen fein, ben die zu Mar, Magd, Altar trug 3. ®, 42 fl. 


152 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


richts in feiner derartigen Zuſammenſetzung > es alsdbann fein 
Bewenden haben. 

Eine wichtige Veränderung war ſchon 1443 mit einigen Klöftern: ber 
Stadt vorgegangen. Es kann als bekannt vorausgejeßt werden, tie 
traurig ſich nach und nach die Juftände der Kirche geftaltet Satten, und 
wie namentlich die Klofterzucht in Verfall gerathen war. . Allgemein 
theilten deshalb alle Beflergefinnten den Wunſch einer Reformation der 
Kirche an Haupt und Gliedern, und der Ruf nad) einer folchen hatte 
bauptfächlich die Kirchenverfammlung in Konftanz veranlagt, welche von 
1414 — 1418 jtattfand, aber bezüglich einer Kirchenverbeſſerung leider 
fein Ergebniß hatte, fondern im Gegentheil den frommen Johann Huß, 
der eine folche angeftrebt hatte, zum Scheiterhaufen verurtheilte. Bald 
nach Beendigung des Konftanzer Konzils trat ein anderes zu Baſel 
zufammen 1431 — 1443, das troß der Proteftationen des Papſtes zur 
Berbefferung des Kirchenregiments und der Kirchenzucht energiſche Bes 
fchlüffe faßte und unter Anderm eine Reformation der Klöfter: befahl. 
Alsbald berief Markgraf Jakob I. den Franzistaner-Guardian Nikolaus 
Caroli von Heidelberg zu diefem Zwecke nah Pforzheim. Derfelbe 
gehörte zu den ſog. „Objervanten,“ oder „ben mindern Brüdern von 
ber Objervanz”, zum Theil auch „Necolleften“, d. h. „Eingezogene” ges 
nannt, welche einen bejondern Zweig des Franziskanerordens bildeten, 
als ſolcher nach Langen Verfolgungen von der Kirchenverfammlung zu 
Konftanz anerkannt worden waren, und ſich durch ftrengere Beobachtung 
der Kloftergelübde auszeichneten, beftändig barfuß gingen (daher der 
Name „Barfüßer *), und ſpäter über die übrigen Franziskaner, oder 
„Sonventualen, Minoriten der gemilderten Regel” die Dberhand befamen. 
Bereits hatte Earoli auch das Franzisfanerklofter in Heidelberg, wohin 
er mit drei Ordensbrüdern auf den Wunſch des Kurfürften Ludwig 
aus Frankreich gefommen war, reformirt, und vollführte diefes Merk 
nun auch in Pforzheim. Im Einverftändnig mit dem Bevollmächtigten 
des Markgrafen, Baul Lutran (Leutrum) von Ertingen t) und einem” 


1) Wahrſcheinlich derjelbe, dem Markgraf Karl 1458 „einen Garten zu 
Pforzheim vor dem Altorfer (Altſtädter) Thor am Waffer und an ber Prediger 
Garten, genannt Friedrich Tyfels Wyer Garten“ gegen eine Schuld abtrat, 
welche Lutran namens feiner Frau an den Markgrafen zu fordern hatte. 
Sads, I, 405, 


Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15, Jahrhundert. 153 


Experten, den der Markgraf ebenfalls ernannt hatte,1) wurde das ord⸗ 
nungswidrig erworbene Vermögen des Franziskanerkloſters eingezogen 
und dem Spital in Pforzheim mit der Bedingung überwiefen, an das 
Siechenhaus zum heiligen Georg (S. 119) jährlih 10 Gulden abzu: 
geben, wovon 5 zur Erhaltung der Gebänlichkeiten und 5 zu 
jonftigen Bedürfnifien verwendet werden follten. Den Mönchen wurde 
bloß ein Kapital von 400 Gulden zur Unfhaffung von Büchern und 
zu der Bauerhaltung des Klofters beftimmt. Auch im Innern bes 
Klofters wurden Reformen vorgenommen, die Zucht verfchärft, die Mönche 
zu ernftern Befhäftigungen angehalten und überhaupt die Umwandlung 
der bisherigen „Konventualen” in „Obfervanten” bewerfftelligt, (Bei den 
Barfüßern wurde am 8. September 1467 begraben: Johann Nir von 
Hoheneck, gen. von Entenberg, ehemals Biſchof von Speier. Er hatte 
dieſe Würde freiwillig niedergelegt und fi) mit Vorbehalt eines jähr: 
lichen Einkommens 1464 zu feinen Freunden nad) Pforzheim begeben.) ?) 

Hehnliche Veränderungen gingen mit dem Frauenkloſter der Domi- 
nitanerinnen vor, Mochten ſich auch hier, wie allenthalben, die 
Nonnen gegen die Reformen noch widerfpenftiger als die Mönche zeigen, 3) 
jo gelang es dem Markgrafen doch, das Klofter durch feine Maafregeln 
in fo guten Ruf zu bringen, %) daß fünf Bewohnerinnen desfelben 1463 
ins MWiürttembergifche berufen wurden, um dort ähnliche Ordnung ein- 
zuführen, fo namentlih in dem Kloſter Offenhaufen oder Gnabenzell, 
befien Nonnen durd ihre ausjchweifende Lebensart großes Aergerniß 
erregten. Sie fanden aber gar feine Folgſamkeit, trafen Scherben an, 
auf die Treppen geftreut, damit man die Ankunft der Mufternonnen 
befier höre und Zeit gewinne zum Verſtecken fehr ungeiftliher Gegen: 
jtände. Da weinten die fünf armen Schweftern beftändig, und ließen 


1) Vergl. Vierordt, Geſchichte der Reformation in Baden, I., 33, 

?) Lehmann, Speierer Ehronif, S. 1009. 

3) Der von feiner Zeit hochverehrte Kartbäufer zu Güterflein bei Urach, 
Conrad von Mündingen, hatte ſchon einige Wochen nad Beginn ber Refor: 
mationsbeftrebungen bes Markgrafen einen beiftimmenden Brief an benfelben 
geichrieben und ihn aufgeforbert, auch unter bie geiftlichen Frauen Zucht unb 
Ordnung zu bringen, jeboch die charakteriſtiſche Aeußerung beigefügt: „Ver: 
knöpfet einen Sad Flöhe, fo viel ihr möget ; dannoch enthupfen und verfchlupfen 
fie.” Bierorbt, L, 35. 

+) Es war, fagt ber ſchwäb. Ehronift Grufius, mit hohen Mauern umgeben 
und wohl beichloffen, und waren viel ehrlicher und frommer Jungfrauen/darin, 


154 Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15, Jahrhundert. 


fi, auch durch die zürnende Frage eines Karthäuſers wenig tröften : 
„Meint ihr, man habe euch ins Paradies geholt und nicht zur Befferung 
Ihlimmer Sitten? Und würdet ihr euch in Pforzheim nicht ſchämen, 
wenn ihr unverrichteter Sache heimkämt?“ — Dennoch mußten die armen 
Nonnen ohne vollzogene Reformation zurüd.') 

Markgraf Jakob Hatte auch mit noch andern Klöftern Verbeſſe— 
rungen im Sinme. Leider gingen aber die Früchte des Bafeler Konzils 
durch die Miener Concordate, welche dev ſchwache Kaifer Friedrich III. 
mit dem Papſt Eugen IV. 1448 abſchloß, wieder verloren, weshalb 
auch der Markgraf die weitere Neformation feiner Klöſter nicht durch— 
ſetzen Konnte, fo daß wahrfcheinlich die Mehrzahl derfelben in Pforz: 
heim unangefochten blieb. (In dem der Eifterzienferinnen hatte 
ſich Kurz vorher eine Tochter des Markgrafen Bernhard, Margaretha, 
als Nonne befunden und ftarb darin 1431.2) 

Aber auch fonft hatte fi in Pforzheim das Bedürfnig nah Kir: 
chenverbefferung geltend gemacht und ſogar die huffitifche Lehre Eingang 
gefunden. Ein huffitiicher Priefter, Friedrich Reifer, kam mehrmals, fo 
auch 1446 nad) Pforzheim und gab ſich dafelbft, wie anderwärts, Mühe, 
die Zahl der „Bekannten“, wie man die heimlichen Huffitenfreunde 
nannte, zu vermehren. In Straßburg aber fpünten ihn die Domini: 
faner aus, und er wurde daſelbſt 1458 nebft vielen feiner Anhänger 
verbrannt. Unter andern Zeugen der Verhöre erjcheint auch eine Pforzs 
beimerin, welche eimen Belenner der verfolgten Lehre mit dem Namen 
„Johannes vom Nhein” bezeichnete; diejer habe ihr zu Pforzheim in 
ihres Vaters Haus den Entfchluß, Nonne zu werden, ansgeredet und 
fie an einen andern Ältern Prediger gewiefen, durch welchen ihr Glaube 
an die herrichende Kirche vollends wanfend geworden fei.3) 

Eine recht erfreuliche Erfcheinung in dem fünfzehnten Jahrhundert 
ft zu Pforzheim die Gründung einer lateinifhen Schule Das 
Bedürfnig nach ſolchen von Klöſtern unabhängigen Anftalten war in 
damaliger Zeit um jo fühlbarer geworden, je mehr die Klofterjchulen 
in Verfall gerathen waren. Wer in Pforzheim jene Schule ing Leben 
rief und wann dies geſchah, iſt unbekannt. Möglich, daß ihre Grün- 
dung mit der des St. Michaelſtiftes zufammenbing, deren vielen Geift- 


1) Vierordt, I, 36. 
2) Kolb, Lerifon IL, 62. 
3) Bterordt, I, 59. ff, 


Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 155 


fichen duch den Unterricht am der lateiniſchen Schule eine paſſende Be: 
ihäftigung geboten war. Gewiß ift, daß die Schule fchen in den fetten 
Fahrzehnten des Fünfzehnten Jahrhunderts fich in Blüte befand und 
viele andere ähnliche Anjtalten weit überragte, Hatte doch ſchon Jo— 
hann Reuchlin zwifchen 1460 und 1470 feine erfte gelehrte Bildung 
an diefer Anftalt geholt, und war nach feiner eigenen Verficherung *) 
eine große Zahl von Gelehrten aus Pforzheim hervorgegangen, die den 
Grund ihrer umfaffenden Bildung ebenfalls auf der Mittelichule diefer 
Stadt gelegt hatten: 


e. Gewerbe und Handel, herrſchaftliche Einkünfte in 
Pforzheim, Bruderjhaften, Breife der Lebensmittel, 


Wurden jo die geiftigen Intereſſen in erfrenlicher Weife gepflegt, fo 
mag die Frage am Plate fein, was denn im fünfzehnten Jahrhundert 
zur Förderung der materiellen Intereſſen Pforzheims gejchehen fei und 
welchen Fortgang, namentlich die gewerbliche Entwiclung, der Handel der 
Stadt ꝛc. in diefer Zeit genommen. Die Frage it fchneller geitellt, 
als beantwortet, da die vorhandenen fpärlichen Notizen nur wenig Auf: 
ſchluß geben. Durch die vielen Kriege, welche namentlich Bernhard L, 
fpäter auch jein Enkel Karl I führten, mußte der Verkehr natürlich 
vielfältig. beeinträchtigt werden, und wie groß die Unficherheit beiſpielweiſe 
zu den Seiten Karls I war, geht daraus hervor, daß um 1460 Nies 
mand ſich unterftchen durfte, nur eine Stunde weit zu reifen, ohne der 
Gefahr der Plünderung ausgeſetzt zu fein, und daß wegen dev allgemein 
berrichenden Unficherheit fogar an vielen Orten verboten wurde, die 
Frankfurter Mefje zu befuchen.?) Unter ſolchen Umftänden waren die 
Bürger der Städte, wenn auch hinter den Mauern derfelben ficher, doch 
in der Regel auf ein Feineres Feld gewerblicher Thätigkeit angewieſen, 


1) De verbo mirifico, ed. Tub,, 1514, p. 3.: „Literatorum ingens numerus 
inde genitorum.“ Wer diefe frübeften Gelehrten Pforzheims waren, fagt uns 
bie Gejchichte nicht; wohl aber wirb weiter unten von andern ausgezeichneten 
Männern dieſer Art, die ber folgenden Zeit angehören, die Rebe fein. 

2) So warf unter Anderm auch ohne Scheu vor ber geiftlichen und weltl. 
Macht 1440 der Ritter Sigfried von Zyllnhart ben Kämmerer bes Papftes, ber 
von Frankfurt heimkehrte, nieder und jchleppte ihn als Gefangenen in das 
Schloß Steinegg bei Pforzheim. Vierordt, I, 10, 


156 Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15. Jahrhundert, 


welche zunächſt nur örtliche Bedürfniſſe umfaſſen konnte, und erft eimer 
fpätern Zeit war es vorbehalten, derfelben einen erhöhten Aufihwung zu 
geben. Immerhin aber mochte in den friedlichen Jahren, welche zwiſchen 
den einzelnen Fehden lagen, Pforzheim ſich eines in Anbetracht 
der Verhältniſſe lebhaften Verkehrs erfreuen, da, wie jchon bemerkt 
wurde, mehrere Neichshauptitraßen über diefe Stadt zogen und Pforz: 
beim eine jehr einträgliche Zollftation für die Markgrafen war. Welch 
Gericht letztere auf diefe Einkünfte legten, iehen wir daraus, daß Karl L 
im Jahr 1468 bei Kaifer Friedrich II. ein Privilegium ausmwirkte, nach 
welchem diefer, um den Betrügereien der Fuhrleute ein Ende zu machen, 
die zur Umgehung des Zolles zu Pforzheim und Durlach von der 
Straße abfuhren,, diefen Fuhrleuten bei einer Strafe von zehen Mark 
löthigen Goldes befahl, den gewöhnlichen Zoll alsdann entweder zu 
Singen, oder wo es fonjt dem Markgrafen gefällig wäre, zu entrichten. 

Wie viel in Pforzheim an Zöllen bezahlt wurde, darüber gibt une 
ein altes Verzeichniß der herrichaftlichen Einkünfte in Pforzheim, Huchen- 
feld und Büchenbronn, 1) Auffchluß. Nach demfelben mußte um bie 
Mitte des 15. Jahrhunderts in Pforzheim an Wafferzoll entrichtet 
werden: von 100 Hölzern oder Borden, groß oder klein, 8 Schilling 
Pfennig (2 fl. 6 Er. vergl. ©. 129) von gezimmertem Holz von 
40 Schub Länge und darunter, für jedes Stüd 1 Pfennig (19, kr.); 
— an Landzoll: ein Magen voll Eifen zahlt 14 Pfg. (etwas über 
18 kr.), Salz oder Wein 8 Pfg., ein Karch voll Wein 2 Pfg., eine 
Tonne voll Honig, Häring, Fiſche zc. 3 Pfg., ein Zentner Wachs 3 Pfg., 
ein Karren voll Wildwerf für Kürfchner und Schubmader auf jedes 
Pferd 15 Pig, ein Karren voll gebrochenen Knoblauchs das Pferd 15 
Pfg., Knoblauch mit Kraut daran 4 Pfg., ein Wagen voll Gewand, bie 
für die Frankfurter Meſſe beftimmt find, für das Pferd 3 Sch. Pfg., 
ift der Wagen nicht voll, jedes Stück Tuch 2 Pfg., ein Magen voll 
ausgeführter Butter, Schmalz, Unfchlitt ꝛc. jedes Pferd 15 Pig., ein 
Wagen voll ausgeführter Speichen, Reife, Felgen 2 Pfg., ein Wagen voll 
Frucht in die Stadt 2 Pfg. ein Pferd, das Frucht trägt, 1 Heller, jeder 
Magen voll Frucht aus der Stadt 1 Heller, ein Pferd, das auf dem 
Biehmarkt gekauft oder verkauft wird, 1 Pfg., 2 Schafe 1 Pfg., ein Pferd, 


2) Es befindet fi im Landesarchiv und wurde um 1460 aufgeftellt. 


Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15. Jahrhundert. 157 


das durch die Stadt geführt oder getrieben wird, 2 Pfg., ein Rind 
2 Pig., 2 Schweine 2 Pfg., 2 Schafe auch 2 Pfg. u. ſ. w. — Außer 
dem Zoll bezog der Markgraf in Pforzheim an Bete: von jedem 
100 Gulden Steuerfapital 1 Gulden, auf Michaeli zu bezahlen; doch 
wurde 1471 der Stadt Pforzheim von Markgraf Karl ein Freiheitsbrief 
ausgeftellt, daß die Bürger von ihren Gütern, liegenden oder fahrenden, 
mehr nicht, als 1 Schilling von 100 fl. bezahlen jollten. Im nämlichen 
Jahr übergab auch Markgraf Karl, was ein nener Beweis feiner wohl: 
wollenden Gefinnung gegen die Stadt Pforzheim war, bderjelben das 
am Markt gelegene Kaufhaus ſammt allen Gefällen. — Ungelbd: 
von je 15 Maaß Wein 1 Maaß, wovon jedod die Stadt die Hälfte 
bezog (unter Markgraf Karl aus befonderer Gnade bis auf Wiederruf 
das Ganze); — Zinfe: z. B. von den 26 erblid, verliehenen Metel- 
bänfen von jedem 10 Sch. Pfg. (2 fl, IT kr.) außer 9 Sch. Pig. Zunft: 
geld, das die Metzger zu bezahlen hatten; von den Brotbänten der Bäder 
zahlte jeder 10 Sch. Pig. (neben 15 Sch. Pfg. Zunftgeld); außerdem 
bezog die Herrichaft Zinſe von ihrer Walkmühle und Delmühle an der 
Enz (damals aber in den Händen der Stadt), ihrer Ziegelichener, 
3 Schleifmühlen, 2 Kupfermühlen, Sägemühle im Hagenfchieß, von 
Weingärten, Häufern, Jahrmärkten ac,; — Wafferzinfe: vom Fiſch— 
wafler unterhalb der Altftädter Brüde und oberhalb der jeßigen Non: 
nenmühle bis Birkenfeld, Fiſchbankzins ꝛc. — Wiefenzinfe: von der 
Scheuern-, Bleichwieſe x. Mühlzinſe: von der Wagmühle 
(vergl. unten) jährlich 39 Malter Kernen und 39 Malter Roggen, und 
zwar alle 14 Tage von beiden Fruchtgattungen je 12 Simri (dag Malter 
faßte aljo 8 Simri); von der andern Mühle oder Spitalmühle 
bei der untern Badftube, alfo der jegigen Eichmühle, jährlid 39 Malter 
Kernen umd eben fo viel Roggen; von der Schepplers Mühle, jest 
Kloftermühle, jährlich 291/, Malter Kernen und eben fo viel Roggen; 
von der Göppingers- oder Pfriemenz, jet Nonnenmühle von 
beiden Fruchtforten 26 Malter; von der Zwingelmühle jet Ober: 
mühle 26 Malter; — ferner gehörten der Herrſchaft fümmtliche 
Frevel, groß und Hein, — endlich eine Anzahl Wälder in der Ge 
gend von Pforzheim, darunter namentlich der Hagenichieß, über den ein 
eigener Förſter gefegt war. Was den Zehnten betrifft, jo bezog den- 
felben noch 1404 das Klofter Hirfchau allein, und zwar den großen und 


158 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert, 


Heinen SZehnten,?) mußte aber dafür in Pforzheim dem Markgrafen 
beftändig ein Pferd mit einem Knecht und einen wohlgerüfteten Wagen 
zu Reifen halten und den Jägern bei Jagden Zehrung geben. Später 
war der Zehnten zwiſchen Hirſchau und Lichtenthal getheilt, und wird der 
Verpflichtung zur Stellung eines Wagens nicht mehr erwähnt, wohl 
aber der Lieferung von 200 Bund Stroh in den fürftlihen Marſtall, 
und der Verpflichtung, die Jagdhunde des Fürften zu füttern, wenn ders 
jelbe in der Gegend von Pforzheim jage. 

Eine nicht unbedeutende Einfommensquelle war für mande Ger 
bietsherin auch das Geleit (5, 127). In den gerade im 15. Jahr: 
hundert durch die wiedererwachte Raub: und Fehdeluſt des zahlreichen 
Adels ſehr unruhigen Zeiten war diefelbe Vorficht für den Handel nothe 
wendig, welche im 13. Sahrhundert die mächtigen Verbindungen ber 
Hanfa und des rheinischen Städtebundes hervorgerufen hatten. Die 
Fürften hatten auch allmählig einfehen gelernt, daß ein ficherer. Verkehr 
fowohl ihren Untertbanen — was num freilich weniger in Anfchlag ger 
bradyt wurde — als namentlich den fürftlichen Kaffen von Vortheil fei, 
und um die öffentliche Sicherheit zu befördern, wurden häufig Veran 
ftaltungen bezüglich des Geleits der Kaufleute und der Kaufmannswaaren 
getroffen und Berträge darüber abgeſchloſſen. Die erfte Nachricht über 
einen folchen Vertrag, welcher Pforzheim betraf, ift von 1452. Im 
biefem Jahr verabrebete fi) Markgraf Jakob mit dem Kurfürften von der 
Pfalz dahin, dat Baden die Handelsleute von Pforzheim nad Bretten 
zu dem alten Galgen und auf der andern Straße zu der Ziegelhütte in 
Rinklingen, Pfalz aber von diefen beiden Punkten nad) Pforzheim geleiten 
ſollte. Diefer Bertrag wurde 1463 (©. 141) dahin abgeändert, daß umge: 
tehrt Baden das Geleit von Bretten nad) Pforzheim, und Pfalz von Pforz⸗ 
heim nad) Bretten haben follte. Es hielt jedoch ſehr fchwer, die gefchlofienen 
Verträge über das Geleit immer aufrecht zu erhalten. Bald wurde geflagt, 
daß Diefer zu wenig Mannfchaft jchife und die Straßen nicht ficher 
balte, bald follte Jener den Kaufleuten zu viel Geleitsgeld abnehmen. 
Daher kommt es, daß wir von Zeit zu Zeit neue Beitimmungen über 
das Geleitweien finden, 

Welche Gewerbe in Pforzheim bejonders blühten, geht aus mehreren 


) Vergl. „Snftrumentirte Kundſchaft iiber die Präftationes, jo das Klofter 
Hirſchau“ ac. im Landesardiv. 


Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15. Jahrhundert. 159 


Urkunden, insbefondere den verſchiedenen Gewerbordnungen hervor, welche 
zum Theil noch im fünfzehnten, zum größten Theil aber zu Anfang des 
fechszehnten Jahrhunderts für die Stadt gegeben wurden. Es wird 
davon meiter unten ausführlich gehandelt werden. Daß aber im 
fünfzehnten Jahrhundert ſchon eime große Gewerbthätigkeit in Pforzheim 
geherricht haben und Kunft wie Wiſſenſchaft jorgfältig gepflegt worden 
fein muß, geht daraus hervor, daß Reuchlin bereits 1503 feine Water: 
ftadt „‚honor artificum fabricatrix ingeniorum“ nannte, ) d. 5b. eine 
Ehre oder Zierde der Künftler und Hervorbringerin bedeutender geijtiger 
Kräfte. Aus Pforzheim war der finnige Holzichneider Johannes Kern, 
der die Chorftühle in der Stiftskirche zu Baden verfertigte, In Pforz— 
beim, als der wichtigften Stadt der Markgrafichaft, war auch die fürft: 
liche Münzftätte, denn wir finden unterm Jahr 1413 einen „Jakob 
Pröglin, Miüngmeifter, zu Pforzheim gefeflen,“ aufgeführt. (Unterm 
25. November 1421 verkaufte Markgraf Bernhard an denfelben und 
defien Frau Anna die Badſtube, zu und um die Stadt gelegen, die 
früher Heinrich von Berwangen zu Lehen befefjen, auch einige Stüde im 
Hagenſchieß, aud zu Eutingen und Söllingen gelegen, ſowie verſchiedene 
Gefälle und Zinjen zu Darmsbach, Pforzheim und Ottenhaufen, Güter 
und Zinſe zu Dietlingen und endlich den vierten Theil von Nußbaum 
und der dort fälligen Bete und Zinfen um 550 fl.) 2) Daß Pforzheim 
auch einen fehr geſchickten Armbruftmacher beſaß, erfehen wir daraus, 
daß Markgraf Karl I. 1466 diefen „Michael Armbrufter den Jungen 
zu Pforzheim von befundern unfern Gnaden, auch das er den unferu 
zu Pfortzheim mit ſinem Handtwerf deiterbaß vor gefin möge,“ alfo 
wegen feiner für die damalige Zeit, in welcher Schießgewehre noch wenig 
verbreitet waren, wichtigen Kunft, von allen Steuern, Frohnden und 
fonjtigen Laſten befreite. Der Name „Armbrufter” ift in der betreffen- 
den Urkunde Handwerks: und Gefchlechtsname zugleich, wie wir folchen 
Bezeichnungen in damaliger Zeit häufig begegnen. So finden wir um 
1400 3) unter den Pforzheimer Bürgern einen Heinrich Goldſchmied, 
Klaus Kantengieker, Heinz Wollenfchläger, Hans und Berthold Spengler, 
Überlin Schreiner, Kunz Murer, Arnold Fiiher, Weblin Taugenhauer 


) So fagt Schwarz im Heidelberger Univerfitätsprogramm bei ber 
Preisvertheilung von 1811, S. 21. 

2) Herrenalber Archiv. 

2) In Reperiorien und Urkunden des Landesardhins. 


160 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert, 


u. U. m. Unter den Gewerben jcheint das der Wollenweber ſchon 
damals jehr ftark vertreten gewejen zu fein. Neben dem obengenannten 
Goldſchmied fommt gleichzeitig auch ein Bürklin Kremer der Ringlein: 
macher vor, 

> Intereſſant find die verfchiedenen Bruderihaften, die ſchon im 
Zaufe des 15. Jahrhunderts unter den Angehörigen verfchiedener Zünfte 
beftanden. Das Handwerk hatte nämlich eine doppelte Innung oder 
Vereinigung, eine rechtliche, die in der Zunftordnung enthalten war, und 
eine religiöfe, wofür die Bruderfchaft beftimmt wurde, Beide Beziehungen 
hielten das Gewerbe in Ehrbarkeit zufammen, führten zu gegenfeitiger 
Hilfeleiftung und gaben der Arbeit Weihe und Xeoft. 1) So ift 
1423 2) einer Bruderſchaft zwifchen den Bäckerknechten und den 
Meiftern und Pflegern des Siechenipitals zu Pforzheim, und zus 
gleich der Stiftung eimer Jahreszeit durch die Bäckerknechte erwähnt. 
Durch jene war die Pflege und Verforgung erfrankter oder arbeitsun- 
fühiger Handwerksangehörigen gefichert, durch diefe den gegenfeitig ein: 
gegangenen Verbindlichkeiten die veligiöfe Weihe gegeben. Einer ähnlichen 
Bruderſchaft von Geiten des Schneiderhandwerts begegnen wir im 
Jahr 1410, der Tucher und Weber 1469, der Weingärtner 1491, 
(diefelben beſaßen in der Mltftädter Kirche einen eigenen Altar, den zu 
St. Pantaleon), der Zimmerleute 1509, der Schuhmacher 15293) ꝛc. 
— Neben diefen Bruderſchaften bei einzelnen Zünften beftand aber unter 
der Bürgerfchaft Schon 1407 auch eine allgemeine Vereinigung, welche 
man „St. Matthiejen Bruderihaft” hieß.) Das Vermögen 
aller diefer Bruderfchaften wurde fpäter (1533) zu einem allgemeinen 
Almofenfond verfchmolzen. Wir werden darauf zurückkommen. 

Wie wichtig die Mühlen der Stadt waren, gebt daraus hervor, 
daß diefelben nebft Weißenftein und dem Schultheigenamt zu Pforzheim 
1338 zu einem mainzifchen Xehen gemacht wurden (S. 95), in welchem 
Verhältniß fie noch lange ſich befanden. Sie find im VBorftehenden 
bereit8 genannt. Man fieht daraus, daß die vier Mühlen, weldye 
Pforzheim heute befitt, ſchon vor 400 Jahren vorhanden waren, bie 
fünfte aber, die Wagmühle, verfchwunden iſt. Sie lag in der großen 


N) Bergl. Mone, Zeitichrift IT, 3, 

2) Urkunde des Landesarchivs. 

3) Lagerbuch des Almoſens — (Stadtarchiv.) 
) Lagerbuch des Almoiens (Stadtarchiv), 


Neuntes Kapitel, Tforzheim im 15. Jahrhundert. 161 


Gerdergaffe, wo ein Mühlrad mit der Rahrzahl 1568 am Haufe des 
Särtners Frank den Ort diefer Mühle, die hinten an den Mühlkanal 
ſtieß, noch bezeichnet. Außerdem werden an andern Waſſerwerken auf: 
geführt: Huf: und Waffenfchmiedmühlen, (befanden fi da, wo jekt 
der obere Hammer ift), weiter abwärts am Kanal Walk- und Schleif— 
mühlen , andy eine Delfchlage, die obere und untere Stampf- oder Rin- 

denmühle der Gerber, Kupfermühlen ꝛc., die Oelſchlag- und Schleif: 

mühle in der Altſtadt bei der St. Nikolauskapelle. Auch an Sägmühlen 

war fein Mangel, und befand ſich die Stadt felbit im Beſitz einer folchen, 

welche einem „Stadtfäger” zur Belorgung übergeben war. ') Daß auch 

die Flößerei im 15. und 16. Jahrhundert in Blüte war, jagt ung ein 

geographiicher Schriftiteller, der in der Mitte des 16. Jahrhunderts 
Tebte, in folgenden Worten:2) „Das Volt, fo bei der Kinzig wohnt, 

bejonders um Wolfach, ernähret fih mit den großen Bauhöfzern, die fie 

durdy die Kinzig in den Rhein flözen und groß Geld jährlich erobern. 

Desgleichen thun die von Gersbach und andern Fleden, die an der 

Murg gelegen find, gleichwie die von Pforzheim groß Flöz 

in den Nedar treiben.“ Ausführlicheres über die gewerblichen 

Verhältniſſe der Stadt im folgenden Kapitel, 

Es waren oben die Gehalte erwähnt, die den Stiftsheren zu Baden 
und aud in gleihem Werhältniffe denen zu Pforzheim ausgeworfen 
wurden. Wen jene Summen nieder vorkommen, der vergeffe nicht, daß 
ihnen die damaligen Preife der wichtigften Lebensbedürfniffe entſprachen. 
Einige Mittheilungen darüber dürften nicht am unvechten late fein. 
Zu Anfang des 15. Jahrhunderts wurden zu Durlach ein Mlalter 3) 
Korn um 4 bie 5 Schillinge (48 fr. bis 1 fl.), eine Ohm Wein um 
10 Schilling (2 fl. 3 fr.), ein Hammel oder ein Echaf um 41/, Schil— 
ling (56 fr.), zwei Kühe und ein Kalb um 5 Pfund (20 fl. 30 fr.) 
verfauft und für einen (auswärtigen) Schüler jährlich 4 bis 41/, Pfund 
(16 fl. 24 — 18 fl. 27 %.) fammt einem Sad Korn als Kojtgeld 
bezahlt. %) 

Nach ftatiftiichen YJufammenftellungen über die Preife der Lebens: 


1) Kopialbuch im Stabtardhiv, ©. 239: „Stabtjägersorbnung,“ 

?) Seb. Münfter, Cosmographia, 

3) Ein damaliges Malter batte 8 Simri oder Mepen, 1 Simri hatte 
4 Vierling, ein Vierling — 4 Viertel oder Meßlein. 

9) Sachs, I. 387. 

Pflüger, Pforzheim, : 41 


162 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


mittel während der letzten ſieben Jahrhunderte, 1) die auf die jetzt üb- 
lichen Maaße, (aljo bei den Getreideforten und Hülſenfrüchten auf das 
neubadifhe Malter) berechnet find, Eoftete im 15, Jahrhundert das 
Malter Kernen oder Waizen im heutigen Baden durchfchnittlih 1 fl. 
30 kr., Halbwaizen, Erbjen und Linfen 1 fl. 19 fr., Kom, Molzer und 
Bohnen 1 fl. 2 fr., Gerfte und Weljchkorn 56 fr., Dinkel 36 kr., Haber 
32 kr., der Zentner Heu 9 Fr., ein Bund Stroh 1 fr. Dem entſprechend 
waren die Holzpreife. Im Jahr 1517 koſtete bei Pforzheim das Klafter 
Holz 34, bis 4 kr.?), und noch am Schluſſe des 17. Jahrhunderts 
wurde das Klafter (gemifchtes) Brennholz in den Pforzheimer Stadt: 
waldungen um nicht mehr als 30 fr, verfauft, und ein Klafter Gipfel- 
oder Abholz kam nicht höher, als auf 4—8 Kreuzer zu ftehen. 3) 


d. Stadttheile, Bürgergejhledter. 


Schließlich mögen noch diejenigen Stadttheile, ftädtifchen Anftalten zc., 
welhe im 15. Sahrhundert zum erften Male vorkommen, fowie 
die Namen mander Bürger aus diefer Zeit aufgeführt werden, Bon 
Stadttboren finden wir des Brötzingerthors und Häufer 
vor demfelben, aljo in der Brößinger Vorſtadt, die ſchon 1323 vor: 
kommt, ferner wieder des Altorfer: oder Altftädter Thors, des Schleif: 
thors fammt dem Plab davor, noch immer auch eines Tränfthors 
und Predigerthorg, in weld, letzteres fi das Frauenthor (S. 79) 
verwandelt zu haben jcheint, erwähnt. Letztere beiden Thore beweifen, 
daß das Klofter der Dominifanerinnen fammt andern Gebäuden noch 
immer außerhalb der Stadtmauer (extra muros) lag, was auch durd) 
Urkunden beftätigt wird; ferner findet fih ein Steinthörlein. Don 
Straßen werden außer den im vorigen Kapitel fchon genannten die 
Altftädter Gafien, die obere und untere Lauergaſſe (Xower: aud) 
Löwergafie, d. h. Loh- oder Gerbergaffe), eine Judengajfe, das 
Barfüßergäßle, die „Slappergaffen” (ſchon 1400), wie die 
jetige Baumftraße vor ihrer Umtaufe hieß, die Schelmengajfe (untere 
Augafje), die Kloftergaffe, die Brunnengaffe (verlängerte Lamm: 


') Bergl. Heunifd und Bader, „das Großherzogtfum Baden.” 
2) Gött. hist, magaz., VIII, 347 und 352, 
®) Pforzheimer Bürgermeifterrehnung von 1688, 


Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 463 


ſtraße) aufgeführt. — Bon den Gebäuden, welche für Gefundheits-, 
Armen» und Krankenpflege beftimmt waren, miüfjen neben den drei 
Spitälern, die Pforzheim damals beſaß, nämlich dem Giechenfpital, 
dem Spital zum heiligen Geift und der St. Georgenpflege, auch das 
Seelhbaus und die zwei Badftuben genannt werden, “jenes Tag in 
der Brötzinger Vorftadt, beftand ſchon 1456 und hatte die Auf: 
gabe, nicht nur Arme überhaupt, fondern namentlich Franke und durch: 
veifende Bettler mit „Hol, Schmalz und Salz" nad Nothöurft zu 
verjehen. 1) Die eine Badftube, die obere, lag am Mühlbach ummit- 
telbar hinter dem Schofßgitter, die untere befand fi beim jeßigen 
frädtifchen Waiſenhaus. An ſolchen Badftuben, die entweder Eigenthum 
der betreffenden KHerrichaft oder der Gemeinden waren und durch Ver: 
fauf oft auch in Privathände übergingen, fehlte e8 früher in feiner Stadt, 
ja faum in Dörfern, und e8 wurde fehr darauf gehalten, daß fie im 
gutem Zuftand blieben und Gefunden wie Kranken dienen Fonnten. 
Gewöhnlih waren Dampfbadeinrichtungen damit verbunden. — Bon 
fonftigen Häufern der Stadt möge hier noch der adeligen erwähnt 
werden, deren Pforzheim als bedentendfte Stadt des Landes, die an den 
adelreihen Kraichgau anftieß, ſchon im 15. Jahrhundert eine ziemliche 
Zahl aufweifen konnte. Es gehörten dazu: 1400 das Haus Eberhards 
von Gertringen, 1401 des Hans von Wachingen, 1443 das 
Haus Friedrihs von Enzberg, genannt Bitjcher, beim Barfüßer Kirch 
hof; 1451 das von Paul von Leutrum beim Prediger Klofter; 1468 
das von Dietrih) von Gemmingen in der Kloftergafie; 1477 die 
Flehingen'ſche Behaufung, die früher Wendel von Remchingen 
gehört hatte; 1478 das Haus von Hans von Berwangen am Kirch— 
oder Schloßberg; 1480 das freiherrlih von Nippenburg’fche Haus, 
ebenfalls am Kirchberg; 1482 Haus und Garten von Hans von Kö— 
nigsbach bei der obern Badſtube; 1491 das Haus von Hans Eber: 
hard von Reiſchach, in der Altftädter Gaſſe, das früher denen von 
Storfhedel gehört hatte; 1492 das Haus Wilhelms v. Neipperg. 

Pforzheimer Bürger, deren Namen im 15. Jahrhundert in Urkun— 
den, Lagerbüchern, auf Grabfteinen ꝛc. vorfommen, waren: 2) Michael Arm: 


1) Lagerbuch des Almofens von 1711 im Stadtarchiv. 
N Diejenigen Gefchlechter, die ſich feit jener Zeit bis heute in Pforzheim 
erhalten haben, find wie früher durch gefperrten Drud er 2 


464 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


brufter, Hang Bauer 1411, Hänslin Beh 1400, Kunzlin Bender, 
Friedrich Berfch der Zimmermann (vielleicht der Erbauer der frühern Altitädter 
Kirche? Vergl. S. 106), Ulrich) Blau, Kunz Bradyert, Ulrich Brodbed, 
Hans Buchmüß, Hänslin Bull, Jerg Dreier, Hans Dulwer, Lutz Dürr: 
mann, Klaus Dürrmenz, Hans Engelhard, Heinz Fallinbach, Hans Filer 
der Schloffer, Hans Fink 1400, Arnold Fiiher, Hans Fiſchlin, Hans 
Frank, Aberlin Fürft, Hans Geiger 1400, Michel Gerwig 1486, 
Jakob Gilg, Hänslin Goldeifen, Heinrich Goldfhmidt, Klaus Göppinger, 
Hans Groß der Eeiler 1447, Heinrich Güldenmeijter, Konrad Gürtler, 
Heinz Hagdorn, Heinrich Hemler, Friedrich Heintz, Konrad Hintermeier, 
Hirtenhans (pachtet 1403 von Markgraf Bernhard das obere Bad in 
Liebenzell um jührlihe 20 fl.), Peter Hubenfchmied, Aberlin Huter, 
Soft Hutmader, Ulrich Kayſer 1460, Klaus Kantengießer, Job. 
Kern, Schreiner (vielleicht der S. 159 genannte Künftler?), Soft 
Kepler, Jakob Kiefer 1479, Kunz Knebel, Berthold Kittel, Klaus 
Koch 1480, Nikolaus Kommerell 1430 (Grabftein in der Schloß: 
firhe), Hans Kraft, Friedrich Krieg, Walther Künlin (400 (vergl. 
©. 133), Jakob Landzwinger, Werner Liefh, Hans Lungel, Joſt Lu & 
1460, Kunz Mäulin (Mäule, Meulen, Meyle) 1401, Hans Maler 
1491, Berthold Mennlin, Peter Meslin, Mathis Müller 1400, Kunz 
Murer, Burkhard Narr, Joh. Nettinger (Grabftein in der Schloßkirche), 
Benz Oeſchelbronn, Thomas Palm, Bertſche Pfenner, Herrmann 
Pfiiter, Hans Ratmann, N. Neinfleifh, Michael Reinhard, Michael 
Räpple 1413, Georg Reuchlin, Wernher Riſch, Kunz Ruf, N. Rüf— 
lin (Mieflin, Riefle) der Meber 1400, Günther Sattler 1400, 
Hänfel Schäfer 1455, Kunz Scheff, N. Scheppler, Fritlin Scherer, 
Uin Schmidt 1400, Otto Schneider 1400, Burkhard Schreiber, 
Aberlin Schreiner, Stephan Schuhmacher, Reinhard Seyler der Waffen: 
ihmied, N. Sigelin (Siegele, Eiegle) der Schwertfeger 1400, Peter 
Suler (Grabftein in der Schloßkirche), Peter Start, Michael Strub, 
Hans Stuberlin, Klaus Stump, Weblin Taugenhauer, Hans Traut: 
mann, Albert Trechſel, Friedrich Tyfel oder Teufel (Grabftein in der 
Schloßkirche mit einer abſcheulichen Teufelsfrage, vergl. S. 152), Hänslin 
Unger oder Ungerer der Gerber 1411, Hänslin Vetter, Konrad. 
Wagner 1419, Hans Wappeler, Endris Weeber 1480, Aberlin 
Wegener, Heinz Weidenbufh, Hans Weidenlaub, Kunzlin Weinzieber, 


Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 165 


Heinz Weißenbach, Burkhard Weblin, Wendel Milderfinn 1471, 
Heinz Wirme, Heinz MWollenichläger, Aberlin Wücklinger, Raul Wyler. 


$ 4 Johann Meudlin. 


Diefer ausgezeichnete Mann, einer „der Brennpunkte literariſcher 
Beftrebungen in dem Zeitalter der Morgenrötbe bumaniftifcher Geiftes- 
bildung, ein Hauptbegründer der ernſtern Beichäftigung mit der griedhi- 
hen Sprache,“ und — für die dhriftliche Welt — „Bahnbrecdher zur 
Kenntniß des Hebräiſchen,“ 1) auch „Vorläufer der Neformation ,“ wie 
er ſonſt vielfach genannt wird, verdient wohl in einer Gefchichte feiner 
Vaterſtadt befondere Berückſichtigung. Wenn er auch feine umfafjende 
Thätigfeit nicht innerhalb der Manern derielben entfaltete, ja feine Wirk: 
jamfeit, ſoweit diefelbe mit dienftliher Stellung verbunden war, größten- 
theils nicht einmal feinem Waterlande angehörte, fo mag doch Pforzheim 
immerhin darauf jtolz fein, den Mann erzeugt zu haben, der einjt einen 
jo nahhaltigen Einfluß auf feine Zeit ausgeübt hat, daß noch heute 
„die Anfänge und Grundlagen unferer Bildung vielfach auf ihn zurüd:, 
weifen“, und der dadurch, daß er zu dem in feinem Zeitalter „beginnen 
den Kampf des freien Geiftes gegen menschliche Autorität, der Glaubens: 
freiheit gegen Glaubenszwang” 2) einen Sauptanftoß gegeben, der ganzen 
Menſchheit angehört. 

Johann Neuchlin wurde am 23. Dezember 1455, alfo während 
der Negierung des Markgrafen Karl J., geboren. Sein Vater war 
Georg Reuchlin, und bekleidete wahricheinlih das Amt eines Verwalters 
des Klofterguts bei den Dominikanern, Derfelbe batte außer Johann 
noch einen Sohn, Dionyſius, der fpäter ebenfo wie fein Bruder eine 
wiſſenſchaftliche Yaufbahn betrat, und eine Tochter, Elifabeth, welche den 





1) Stälin, IN, 717. 

2) Vergl. die Schrift: „Johann Reuchlin, eine biographiſche Skizze“ 
von Lamey, die hier hauptſächlich zu Grund gelegt iſt. Bekannt— 
lich hatte Reuchlin ſchon früher auch feine Biographen gefunden, ſo 
namentlich feinen Landsmann May (Vita Reuchlini, Durlach 1687), ferner 
Schnurrer, Mayerhoff, Erhard x. Auch Gehres gikt in feiner Fleinen 
„Pforzheimer Chronik” einen Lebensabriß Reuchlins nach „Schubarts literari⸗ 
ſchen Fragmenten.“ 


166 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


eben fo reichen, als gründlich gebildeten Johann Reuter in Bretten 
heirathete und dadurd die Großmutter Melanchthons wurde, ') 

In feiner Jugend befuchte Johann Reuchlin die damals blühende 
Schule feiner Vaterftadt und legte hier einen guten Grund in der lateis 
nifchen Sprache und in der Muſik. Im Alter von 141/, Jahren bezog 
er die Univerfität Freiburg, wo er am 19, Mai 1470 als afademifcher 
Bürger eingefehrieben wurde und aufs Eifrigfte philoſophiſche Studien 
betrieb. Nach feiner Rückkehr von Freiburg wurde er wegen feiner 
ſchönen Stimme unter die Hoffänger aufgenommen, und e8 mag wohl 
während diefes Aufenthalts in feiner Vaterſtadt geweſen fein, daß er 
an ber Anftalt, der er früher als Schüler angehörte, nun auch aushilfg- 
weife als Lehrer unterrichtete. Markgraf Karl, der auf den talentvollen 
Jüngling aufmerffam geworden war, erwählte ihn 1473 zum Begleiter 
feines dritten Sohnes, des Prinzen Friedrich,?) auf die Hochſchule zu 
Paris. Hier feste Reuchlin nicht nur feine in Freiburg begonnenen 
Stubien fort, fondern er warf ſich auch mit großem Eifer auf die Er: 
lernung der griechifchen Sprache. Aber noch im nämlichen Jahr mußte 
er Paris wieder verlaffen, wahrſcheinlich um den Prinzen Friedrich in 
bie Heimath zurück zu begleiten. Doc ſchon im folgenden Jahr 1474 
finden wir den ftrebfamen Jüngling auf der Univerfität zu Bafel, mo 
mit Lernen, aber aud mit Lehren drei fruchtbare Jahre vergingen ; denn 
Reuchlin hielt dafelbft bereits Vorleſungen über die Iateinifche Sprache 
und erklärte feinen Zuhörern die Klaſſiker. Zugleich arbeitete er dafelbft 
ein Yateinifches Wörterbuch aus, das erfte Merk, welches von ihm erfchien. 3) 
a, der junge Mann, der bereits 1474 Baccalaurens und 1477 Magifter 
ber Philoſophie geworden war, eröffnete fogar Vorlefungen über die 
griedhiiche Sprache, die ihm aber von Seiten der Mönde unter ben 
Basler Lehrern, welche befürchteten, daß derartige Studien von der 
Religion abführen möchten, ſolche Anfendungen zuzogen, daß Reuchlin, 
vielleicht in Folge derfelben, Baſel verließ und zum zweiten Mal nad 
Paris ging. Dort wußte er fi) durch Abſchreiben griechiſcher Schriften 


) Ihre Tochter Barbara wurde nämlich die Frau Georg Schwarzerds, 
Rüftmeifters zu Bretten; aus diefer Ehe ging Philipp Schwarzerb ober Me: 
lanchthon hervor. 

2) Derfelbe war 1458 geboren, wurbe 1496 Biſchof von Utreht und flarb 
1517. Sads, IL, 627 fi. 

) Es erlebte von 1477—1504 nicht weniger als 23 Auflagen. 


Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 167 


nicht nur die Mittel zu feinen weitern Studien und zur Anfchaffung 
von Büchern, die damals noch jehr theuer waren, zu verichaffen, jondern 
jenes Abſchreiben brachte ihm auch großen geiftigen Gewinn, da er da: 
durch tiefer in die Schriftfteller eindrang und ganze Stellen feinem Ge: 
dächtniß einprägte. Schon 1478 begab fich aber Reuchlin nad, Orleans, 
wo er zuerft Vorlefungen über griechiiche und lateinifche Sprache hielt, 
auch eine griechifche Grammatik ausarbeitete, nebenbei aber auch juriftifche 
Studien betrieb. Diefelben ſetzte er nachher in Poitiers fort und kehrte 
1481 als Lizentiat des bürgerlichen Nechtes in feine Heimath zurüd. 
Da er bier für feine Kenntniffe und fein wifjenfchaftliches Streben ‚den 
rechten Boden nicht finden mochte, fondern nach einem umfafjendern Wir: 
kungskreis Verlangen trug, fo wählte er die Univerfitätsftadt Tübingen 
zu feinem Aufenthalt. Dort praftizirte ev zuerft als Advokat, wurde 
aber noch im Jahr 1481 als Licentiat der Univerfitit immatrikulirt, 
las als Privatdocent über griechiſche Sprache und erwarb ſich den Grad 
eines Doktors der Rechte. Dort verheirathete er ſich auch und lebte 
mit feiner Frau in langer und glüdlicher, wenn auch Finderlofer Che, 
Don Tübingen aus bejuchte er wohl auch von Zeit zu Zeit feine Vater: 
ftadt Pforzheim; doch fcheint es zu einem längern Aufenthalt. dafelbft 
nie mehr gekommen zu fein. 

Durch jeine Fertigkeit im Lateinifchiprecben wurde Neuchlin mit dem 
Herzog von Mürttemberg, Eberhard im Bart bekannt, der ein ſolches 
Vertrauen zu ihm faßte, daß er ihn zu feinem täglichen Gejellichafter, 
Geheimfchreiber und geheimen Rath machte. Den Herzog mußte Reuchlin 
aud auf einer Neife nach Nom begleiten, wo eine lateinifche Rede, welche 
leßterer vor dem Papſt und den Kardinälen hielt, große Verwunderung 
erregte. Nach der Rückkehr nahm er mit dem Hofe feinen Wohnfit 
in Stuttgart, wo er 1484 Aſſeſſor beim Hofgeriht und 1485 zum 
Anwalt de8 Dominikanerordens für ganz Deutjchland gewählt wurde, 
Bon Stuttgart aus machte er auch mehrere Gefchäftsreifen, jo 1492 
mit dem Herzog Eberhard zu Kaifer Friedrich III. nad Linz, wo 
er fih bis ing folgende Jahr aufhielt und fammt feinem Bruder 
nicht nur im den Adelsftand erhoben wurde, fondern auch den Titel und 
die Mechte eines Faijerlihen Pfalzgrafen erhielt. Dort fand er endlid) 
auch die langgefuchte Gelegenheit, die hebrätfche Sprache zu lernen, indem 
er darin von dem kaiſerlichen Leibarzt Loans, einem Juden, unter: 
richtet wurde, 


168 Neuntes Kapitel, Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


Bald nad feiner Rückkehr nad) Stuttgart gab er feine berühmte 
Schrift: „Vom wunderthätigen Wort“ 1) heraus, Leider war feines 
Bleibens daſelbſt nicht mehr lange; denn ala Herzog Eberhard 1496 jtarb, 
mußte Reuchlin Württemberg als Flüchtling verlaffen, da Eberhard der 
Jüngere fein Feind war, Er wandte fi) nach Heidelberg, wo er frobe 
Tage verlebte und mehrere Werke jchrieb, jedoch ein akademiſches Lehr: 
amt nicht bekleidete, Der Kurfürſt ernannte ihn 1497 zum furfürftlichen 
Rath und oberften ZJuchtmeifter der kurfürſtlichen Söhne gegen hundert 
Gulden Gehalt, ein Hofkfeid und Entſchädigung für zwei Pferde. Auch 
Reuchlins Bruder, Dionys, war damals in Heidelberg, ftieß aber in feinen 
Bemühungen, einen Lehrſtuhl für griechiſche Sprache an der Univerfität 
zu errichten, auf den entjchiedenten Widerftand der dortigen Mönche.?) 
Bon dort machte J. Neuchlin im Auftrag des Kurfürften 1498 feine zweite 
Reife nach Nom, erntete dajelbft durch feine Gelehrfamfeit von Neuem 
allgemeine Bewunderung, und hatte die Freude, bald nachher wieder nad) 
Württemberg zurüdfehren zu können, da fich die Verhältniſſe unterdejjen 
geändert hatten. Aufs Neue gab er fich dort wifjenfchaftlichen Arbeiten 
bin, die mehrere Schriften zur Folge hatten, 3) aber freilich auch durch 
die. Gefchäfte eines Bundesrichters des ſchwäbiſchen Kreiſes, wozu er 
1502 mit einem Gehalt von 200 Gulden ernannt wurde, häufige Une 
terbrechungen erlitten. Nebenbei fette ev das Studium der hebräifchen 
Sprache fleißig fort, und es ift faſt unbegreiflich, wie er zu allen dieſen 
Beichäftigungen und Studien, wozu neben einer Korreſpondenz, die. fich 
auf die gelehrte Welt in Deutichland, Frankreich und Italien ausdehnte, 
noch verfchiedene Neifen und Gejandtichaften kamen, Zeit und Kräfte 
finden Tonnte. Im Jahr 1506 erfchienen feine „Anfangsgründe 
de8 Hebräifhen“ Pforzheim bei Anshelm), ein Werk, wodurch 
Reuchlin auf diefem Gebiet die Bahn brach. Von Stuttgart aus mochte 


) De verbo mirifico. Die erften Auflagen erichienen in Baſel, die ſpätern 
in Tübingen. 

2) Diefer jüngere Reuchlin fieht im Matrifelbud der Univerfität Heibel- 
berg am 26. Juli 1498 eingefchrieben ald M. Dionysius Rüchlin de Pforzen. 

3) So auch die Gelegenheitſchrift: „Doktor johanes Reuchlins tütfch mifftve, 
warumb die Juden fo lang in ellend find, Datum in Wyhenacht 
feiertagen zu einem guten feligen jar. Ad anum 1505. Gebrudt zu Pforzheim.“ 


Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15, Jahrhundert. 169 


er auch dann und warın wieder nach Pforzheim gekommen fein, und vermuth: 
fich hielt er bei einem folchen Beſuch die Vorträge, an welche der fogenannte 
Reuchlin'ſche Hörſaal in der Schloßkirche, das einzige Denkmal, das 
jeine Vaterſtadt noch aufzumeiien bat, erinnert, ') Bei feinem jedesma- 
ligen Aufenthalt in Pforzheim, wo fih von 1507 an der Grofneffe 
Reuchlins, Philipp Melanchthon aus Bretten befand, ?) prüfte er auch) 
immer forgfältig die Kortichritte des Knaben und belohnte fie bald mit 
griechiichen, bald mit Lateinifchen Büchern. Bei einer diefer Befuchsreifen 
wurde Reuchlin von den gerade verſammelten Geiftlichen des Pforzheimer 
Landfapitels zum Gaftmahl geladen; da trat nad) Beendigung des Mahles 
der geliebte Knabe mit Irenikus und andern Mitſchülern vor die Gäfte 
und führte eine Lateinische Komödie auf, welche Reuchlin damals 
herausgegeben hatte. Bei diefer Gelegenheit verwandelte auch Reuchlin 
‚den beutichen Namen des Knaben, Schwarzerd, in das griechifche 
Melandthon. 3) 

Bald darauf begann der „Judenſtreit“, der die Übrige Lebenszeit 
Reuchlins fo ſehr verbittern follte. Ein getaufter Jude, Johann Pfeffer: 
korn, griff teils aus eigenem Haß gegen feine ehemaligen Neligionsgenoffen, 
theils als Werkzeug der Dominikaner zu Köln, die Juden durch Wort 
und Schrift aufs Heftigfte an und beſchuldigte fie, daß in ihren Schriften 
gottesläfterliche Dinge enthalten wären. Die Sache erregte großes Auf: 
fehben und kam bis vor den Kaifer Marimilian, der die Vernichtung 
aller hebräifchen Bücher gebot, welche eine Schmähung des Chriſtenthums 








1) Diefes „Collegium Reuchlinianum“ befindet ſich über ber ehemaligen 
Eafriftei (Südſeite der Schloßfirhe). Dort war auch die Bibliothek Neuling 
(S. 171) aufgeftelt, Der Grabjtein, den Reuchlin feiner Mutter mit ber 
Inſchrift ſetzte: „Elissae Eckinae Georgii Reuchlin uxori, Johannes Capnion filius 
matri pientissimae posuit,‘* ift Jeiber nicht mehr aufzufinden, obgleich er noch 
vor wenigen Jahren vorhanden gewelen fein muß. 

2) Nah bem Tode des Baters und Grofvaters Melanchthons zog bie 
Wittwe des Lebtern, die Schweiter Reudlins, 1507 mit ihren zwei Enkeln nad 
Pforzheim, wo Philipp bie lateinische Schule befuchte. 

3) Nach der Sitte der Gelehrten jener Zeit. Der griehiiche Name Reuch: 
lins war Kapnion. Es ift auffallend, daß Reuchlin unter diefem Namen 
wenig, Melanchthon dagegen unter feinem deutichen Namen Schwarzerd fait 
gar nicht befannt iſt. 


170 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 


enthielten. Da letzterer Umftand aber ſchwer zu ermitteln war, fo ging 
Pfefferforn noch weiter und verlangte, daß alle Bücher ber Juden, mit 
Ausnahme des neuen Teftamentes, verbrannt werden follten. Darüber 
wurden von mehreren Univerfitäten und Gelehrten, unter andern auch 
von Reuchlin, Gutachten eingeholt, und diefer erklärte ſich 1010 ent: 
ſchieden gegen ein folches gewaltthätiges Verfahren, das ficher die erwartete 
Wirkung nicht haben, fondern nur Erbitterung erzeugen werde, und das 
ohnehin aud gar nicht gerechtfertigt fei, da die Bücher der Juden nichts 
Schlimmes, fondern im Gegentheil recht viel Gutes enthielten, das fich 
auch der Chrift zu nu machen könnte, Sebt fielen aber die Domini: 
kaner mit aller Gehäffigfeit über ihn her, und Pfefferforn gab gemein: 
ichaftlih mit dem Profeffor und Dominifanerprior Jakob von Hoog: 
ftraten eine Schrift unter dem Titel „ Handipiegel” heraus, welche die 
gröbften Schmähungen gegen Reuchlin enthielt. Neuchlin blieb aber feinen 
Gegnern die Antwort nicht ſchuldig und jchrieb feinen „Augenfjpiegel,“ 1) 
worin er fih auf das Kräftigfte vertheidigte. Damit hatte er aber 
Del ins Feuer gegofien; denn jebt fing der Streit erft recht an, und 
namentlich wandte fich der Angriff der Mönche nunmehr gegen die eben 
genannte Schrift. Es würde zu weit führen, bier den ganzen Verlauf 
des literariihen Kampfes zu verfolgen; es genüge die Bemerkung, daf 
faft das ganze gelehrte Deutfchland daran Theil nahm, und die aufge: 
Härtern Geifter auf der Seite Neuchlins ftanden, darunter auch die be: 
rühmten Ritter Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen. Nament: 
ih war es letzterer, der durch fein emergifches Auftreten für Reuchlin 
die Dominikaner in Köln dahin brachte, daß fie in Nom am Ende felber 
die Niederfchlagung des gegen Reuchlin eingeleiteten Prozefies erwirken 
und diefem die durch denfelben erwachjenen Koften wieder erfeßen mußten. 

Nach Außen bin aber hatte diefer Streit mächtig gewirft und die 
Geifter jo aufgeregt, dak er den Mönchen gegenüber mit der Feder noch) 
lange fortgefegt wurde. Nicht wenig trug auch das Zuſammenſchaaren 
der ausgezeichnetften Männer Deutichlands um Reuchlin dazu bei, daß 
dadurch für die bald darauf erfolgende Neformation eine breite Grund: 
lage gewonnen wurde und Luther mit feinem entjchiedenen Auftreten 
nicht vereinzelt daſtand. Dieſer Neformator hatte vor Reuchlin die 


') 1511 bei Anshelm in Tübingen erfchienen, 


Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15. Jahrhundert. 171 


größte Hochachtung, was namentlich ber Brief beweist, den er am 
14. Dezember 1518 an ihn fehrieb, und Neuchlin rief bei der erften 
Nachricht von dem offenen Auftreten Luthers erfreut aus: „Gott Rob, 
nun baben fie einen Mann gefunden, der ihnen fo blutfaure Arbeit 
machen wird, daß fie mich alten Mann wohl in Frieden werden Hin 
fahren laſſen!“ 

Doch follte den alten Mann noch verfchiedenes Ungemach treffen. 
Wegen gefährlicher Kriegsunruhen war er 1509 genöthigt, nach Ingol— 
ſtadt zu flüchten, ohne die Liebe feines Lebens, feine Bibliothek, mitneh— 
men zu können. Im Anfang litt er dafelbft bittern Mangel; fpäter 
befierten fich aber feine Berhältniffe wieder, namentlich als er an der 
dortigen Univerfität Vorlefungen über griechifche und hebräiſche Sprache 
eröffnete. Bald aber vertrieb ihn die Peſt wieder aus Ingolſtadt und 
er kehrte nach Stuttgart zurüd, wo er fein Hauswefen wieder einzurich 
ten gedachte. Aber die Univerfitit Tübingen ließ ihn einladen, daſelbſt 
feine Borlefungen fortzufeßen. Schon waren die nöthigen Einleitungen 
dazu getroffen; bereits hatte die Kunde, daß der berühmte Mann wieder 
lefe, viele Studenten, namentlich aus Heidelberg herbeigezogen: als die 
andauernde Kränklichfeit Neuchling in ein gefährliches Fieber ausichlug. 
Bergebens war 1522 eine Badkur in Liebenzell; man bradte den 
Kranken nah Stuttgart zurüd und am 30. uni. 1522, in feinem 
67. Jahre, fam Reudlin zur Ruhe. Auf dem Lazarethirchhofe in 
Stuttgart liegt er begraben. 

Seiner PVaterftadt hatte er ſchon ein Jahr vor feinem Tode feine 
reihe Bibliothet mit der Beſtimmung vermacht, daß diefelbe im 
St. Michaelsſtift dafelbft zu freiem Gebrauch aufgeftellt werben follte. 
Pforzheim befitt aber diefe Bibliothek Tängft nicht mehr. Sie wurde 
nämlich im dreißigjährigen Krieg nad) Weilerftadt geflüchtet, und nach 
mancherlei Verſchleppungen kam der Reft davon in die Großherz. Hof: 
bibliothet in Karlsruhe, wo ſich namentlich auch noch die auf Pergament 
geſchriebene hebräifche Bibel befindet, welche Kaifer Friedrich III. Reuch— 
Iin in Linz gefchenft hatte. — Zu Anfang diefes Jahrhunderts war in 
der Schloßlirche noch der Katheder und Bücherkaſten Reuchlins zu fehen. 1) 

Das Geſchlecht der Reuchlin, das in Pforzheim längſt nicht mehr 


) Roller, Beſchreib. von Pforzheim, ©. 15. 


172 Neuntes Kapitel. Pforzheim im 15, Jahrhundert. 


vorfonmt, bat der Bruder von Johannes, Dionys, fortgepflanzt. Derfelbe 
wurde nämlich fpäter Geiftlicher im Elſaß, nahm eifrigen Antheil an der 
Reformation und verheirathete fi. In jenem Land und im gleichen Stand 
blieben fpäter auch die meiften feiner Nachkommen, und blüht das Ge— 
ihleht der Reuchlin fowohl in den Niederlanden, als in Württemberg 
nody fort. 9) 

) Frühere Biographen Reuchlins ftellten unter Mittheilung von Geſchlechts— 
vegiftern die Behauptung auf, daß das Geichlecht der Neuchlin 17383 mit einem , 
in diefem Jahre au Straßburg verftorbenen Geifllihen, Friedrih Jakob R. 
erloichen fei. Es hat jedoch ein 1782 ebınfalla zu Etraßburg mit Tod abae: 
gangener Wunbarzt, Andreas Franz Reuchlin, männliche Nachkommenſchaft 
binterlaffen, und ftammen die noch lebenden Reuchlin (darunter der Ge: 
Ihichtichreiber Herrmann Reuchlin) von ibm ber, — Das diefem Abichnitt 
beigenebene Bildniß Johann Reuchlins ift nach dem Delporträt gemacht, 
welches aus der VBerlafjenichaft des erjten ausführlichen Biographen Reuchlins, 
des Profeffors Mai in Gießen, in ber bortigen Univerfitätsbibliotbef aufbe: 
wahrt wird und auch ſchon Thorwaldfen für feine Walhallabüſte gedient bat. 
Das Facfimile ift einem der Reuchlin'ſchen hebräifchen Godices in der Großh. 
Hofbibliotgef zu Karlsruhe entnommen. — Beides, Porträt und Facfimile, 
findet fich bereits als Titelbild in der oben angeführten Schrift: „Johann 
Reuchlin, eine biographiihen Skizze v. Dr. Ramen“, und fonnte der noch 
vorhandene Stein, der dort ſchon zu lithographiſchen Abzügen diente, auch 
bier benüßt werben, 


Schntes Bapitel, 





Pforzheim unter Marfgraf Ehriftoph, 
(1475 — 1515.) 


$ 1. Allgemeines. 1) 


Markgraf Karl I. Hatte drei Söhne hinterlaffen. Der jüngfte, 
Friedrich, betrat die geiftliche Laufbahn, während die beiden ältern, Chri— 
ftoph und Albrecht, 1475 vom Kaifer die Belehnung mit den badifchen 
Landen empfingen und diejelben auch gemeinfchaftlic vegierten. Im 
Jahr 1482 geſchah jedoch eine Theilung zwischen den beiden jungen 
Markgrafen; allein ſchon nad 6 Jahren vereinigte Chriftoph nach erfolg: 
tem Tode feines Bruders Albrecht ſämmtliche badische Lande wieder in 
feiner Sand. Diejelben beftanden damals aus der Markgrafſchaft Ba: 
den, weldhe die Aemter Pforzheim, Durlach, Ettlingen, Mühlburg, 
Graben, Kuppenheim, Naftetten, Steinbah, Neu-Eberſtein, Bühl und 
Stollhofen umfaßte, aus der Herrſchaft Hachberg, der halben Graf: 
haft Eberjtein, der halben Herrichaft Lahr (pfandweife), den Aem— 
tern Altenfteig und Liebenzell und der halben Grafſchaft Spon- 
beim. Während feiner langen Regierungszeit aber vergrößerte Mart: 
graf Ehriftoph fein Land durch zahlreiche Erwerbungen, fo namentlich 
in Folge eines Erbvertrags mit dem letzten Sprößling des hachbergifchen 
Hauſes durch die Landgrafihaft Saufenberg mit den Herrichaften 
Nöten und Badenweiler. Bon fonftigen Erwerbungen in der Näbe 
von Pforzheim find folgende zu nennen: Im Jahr 1483 übergab 
Bartholomäus von Gertringen an Markgraf Chriſtoph zwei Theile an 
dem Dorf Wyler (Meiler), die Theile an den Vogteien zu Singen 


1) Vergl. hiezu neben Sachs und andern mehrfach ſchon angeführten 
Merken für badiſche Gefchichte namentlich den Auflag : Eine altbadiiche Fürſten- 
geftalt, von Bader in feiner Babenia (Jahrgang 1858), 


474 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


und Mutſchelbach mit allen Zugehörungen, den Hof zu Treyß (Trais 
bei Königsbach), zwei Huben zu Nöttingen, 1'/, Huben zu Wilferdingen, 
den halben Kirhenfab und halben Raienzehnten zu Nöttingen, wie er 
(Gertringer) und feine Vorfahren Solches von der Markgrafihaft Baden 
zu Lehen getragen, gegen ein jährliches Leibgeding von 1400 Gulden. 
Schon das Jahr vorher 1482 hatte er von Abt Johannes und dem 
Konvent des Klofters Maulbronn ein Viertheil des Dorfes Niefern 
um 1200 Gulden gekauft; zwei weitere Viertel des Ortes erftand der 
Markgraf 1510 von Ritter Georg von Bad um 2400 Gulden und 
ein gegen der Frühmeſſe zu Altenfteig übernommenes Kapital von 1000 
Pfund Hellers, nebft der Verbindlichkeit einer jährlichen Gülte von 
2 Pfund Hellers und 8 Malter Korngelds an die Frühmeſſe zu Nie: 
fern. Im eben genannten Jahr 1482 erfaufte der Markgraf von Elfe 
Billing, Wittwe des Heinrich Wyler zu Pforzheim, ein Viertheil des 
Dorfes Eifingen um 550 Gulden; ein weiteres Viertel diefes Ortes 
erftand er 1495 von dem Nitter Ludwig von Illingen, genannt von 
Mingen, um 1519 Gulden. 1) Einen Theil des Dorfes hatte ſchon 
Markgraf Bernhard 1415 von Reinhard Hofwart von Kirchheim erkauft, 
fo daß aljo jeßt das ganze Eifingen badiih war. — Bemerkt mag bier 
noch werden, daß Markgraf Ehriftoph im Jahr 1499 die Burg Liebened, 
welche ſchon 1466 nebjt dem Dorfe Würm von den beiden Markgrafen 
Bernhard und Karl um die Summe von 800 fl. an den Pforzheimer 
Obervogt Paul Leutram (Leutrum) von Ertingen verpfändet worden 
war, an den Sohn besjelben, Ludwig Leutrum von Ertingen, fammt 
dem Dorfe Würm mit „Leuten, Gütern, Beten, Steuern, Zinfen, Ge: 
fällen, Gerichten, Freveln, Einungen, Dienften und Frohndienften, Wald, 
Waſſer, Aedern ꝛc.“ als Erblehen übergab, und daß Liebened bis zum 
Jahr 1828, wo ein Austaufch verfchiedener Herrichaftsgüter gegen 


') Bon den beiden Zeugen: Konrad von Enzberg und Erhardt Theurlinger 
oder Thorlinger findet fich der Grabftein des letztern, ber 1480 das freiherrl. 
von Nippenburg’she Haus am Schloßberg Faufte, in ber Schloßkirche. Auf 
demſelben erblickt man die Geftalt Ihorlingers in ritterlichen Gewand, neben 
ihm die feiner Frau. Der Grabftein trägt die Umſchrift: Anno dni 1528 vff 
den fünft tag mertz starb der vest Erhart Thorlinger, Anno dni 1472 vfl sundag 


nach philippi vnd Jacobi starb die ersam fraw vrsel Thorlingerin der sel in 
friden ruhe. — Konrad von Enzberg ftarb 1497 und wurde bei den Barfüßern 
begraben. (Cruſius, ſchwäb. Chronik.) 


Zehntes Kapitel, Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 175 


Leutrum'ſche Beſitzungen ftattfand und die Burg felbft fammt dem 
umliegenden Grundeigenthum wieder an den Staat fiel, im Befiß ge 
nannter Familie war. 1) 

Außer den angeführten Erwerbungen wurde Markgraf Chriftoph von 
Kaifer Friedrich III, und deſſen Sohn Kaifer Marimilian I., denen er 
wichtige Dienfte leiftete, als Belohnung dafür mit verfchiedenen Ländereien 
belehnt und unter Anderm aud) zum Gouverneur des Herzogthume 
Luremburg ernannt. 

Obwohl ſich nun Ehriftoph an Neichsgefchäften lebhaft betheiligte 
und dabei wie wenige andere Fürften das volle Vertrauen der beiden 
genannten Kaifer genoß, am deren Hof er fich deshalb auch häufig be: 
fand, fo war er dennoch für das eigene Haus und Volk fo landesväterlich 
beforgt und thätig, daß man ihn mit vollem Recht den „Karl Friedrich“ 
feiner Zeit nennen darf, Denn abgefehen von den Ergänzungen und 
Erweiterungen feiner Yande, lag ihm deren innere Sicherheit und Ord— 
nung zunächſt am Herzen. 

Strenge hielt der Markgraf in feinen Gebieten auf die Handhabung 
des vom Kaifer Marimilian 1495 verfündeten ewigen Landfriedeng, 
deſſen Einführung durch ihn ſelbſt fo jehr gefördert worden war, und 
ebenjo trat er gemeinfchaftlih mit andern Neichsftänden dem Unweſen 
ber-Vehmgerichte Fräftig entgegen. Irrungen und ftreitige Verhältniſſe 
im Land oder mit benadhbarten Herren und Städten fuchte der friedfame 
Fürſt durch Verträge zu fehlichten und zu vereinigen, während jeine 
Schukbündniffe mit den angeſehenſten Häufern die Markgrafſchaft nad) 


— — 


1) Da die Herrn von Leutrum in ber Geſchichte Pforzheims vielfach vorkommen, 
jo mögen einige Notizen über diefelben hier fteben. Die Familie von Ertingen ent« 
fprang aus dem Orte Ertingen (jegt ein Marftfleden von etwa 2000 Einwohnern) 
bei Riedlingen (Württemberg) an der Donau, wo fie auf der benachbarten Höbe 
eine Burg erbaut hatte. In Urkunden des Eifterzienfer:Klofters Salem fommen 
ſchon 1280 ein Adelbert, Heinrih und Bertbold von Ertingen vor. Die Er: 
tinger gebörten urfprünglich zu den Lehensleuten der Grafen von Wartftein, 
verbreiteten fich aber nachmals in verfchiedenen Gegenden. Ein Aft der Familie 
fiedelte fich zu Biberach bürgerlich an und erlofch 1440 mit dem dortigen Bür— 
germeifter Sigmund von Ertingen. Der andere Aft dagegen pflanzte fi in 
dem Zweig ber Leutrum von Ertingen bis auf unſere Tage fort, wobei ber 
alte alemanifche Mannsname Liutram in ber Familie erblih und durch Vor: 
fegung anderer Perjonennamen Gejhlehtsname wurde. (Die Schreibart 
Leutrum ift eigentlich unrichtig.) Vergl, hiezu: Bader, Herrmann V., ©, 101, 


176 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriftoph. 


Außen hin befeftigten. Hauptſächlich aber war Chriftoph auf eine zeit: 
gemäße Erneuerung der alten Landes: und Stadtordnungen bedacht. 
Mas er darin für Pforzheim that, wird in einem befondern Kapitel 
ausführlicy gezeigt werden. Es darf uns deshalb nicht wundern, wenn 
ihm ein Zeitgenofje 1) folgendes Zeugniß gibt: „An Seelenavel und 
Biebderkeit übertrifft der Markgraf von Baden alle übrigen Fürften in 
Deutichland; die ganze Seit her hat der Kaifer nichts Wichtiges ohne 
ihn unternommen, da er aucd einer der verftändigften und tapferften 
Herren des Reiches iſt.“ Don feiner durd und durch ehrenhaften Ge: 
finnung zeugt namentlich, jein Benehmen gegen den Pfalzgrafen Philipp. 
Diefer war vom Kaifer in die Acht erklärt worden, und verjchiebene 
Türften benüßten diefen Umftand, um im Trüben zu fiſchen und 
Zändereien des geächteten Fürften an fich zu reißen. Auch dem Mark: 
‚grafen muthete man zu, bei einer fo günftigen Geleyenheit dasjenige 
wieder an fich zu bringen, was der Pfälzer Fritz feinem Vater ab: 
genommen hatte. Allein Ghriftoph wies ſolch Anfinnen mit den 
Worten von fih: „Ehr’ und Eid geh'n über Land und 
Kent!" 

Nur einen großen Fehler beging der edle Fürft für die Yu: 
funft feines Landes: die Wertheilung desjelben unter feine drei 
weltlichen Söhne! Er traf nämlich 1515 die leidige Verfügung, daß 
nad) jeinem Tode fein älteſter Sohn Bernhard die ſponheimiſchen 
und luremburgifchen, fein mittlerer Sohn Philipp die badiſchen, 
eberfteinifchen und Iahrifchen, der jüngfte aber, Ernft, die hadybergi- 
hen, faujenburgifchen, rötelnfchen und badenweilerihen Lande und 
Befigungen erhalten ſolle. Wegen Kränklichfeit übergab er feinen 
Söhnen ſchon damals die Werwaltung der bezeichneten Länder auf 
vier Jahre, Bald jedoch gejellte fi) bei ihm zu des Leibes Blödig— 
feit aud noch eine Gemüthsfrankheit, fo daß er unter die Vormund— 
fchaft feiner eigenen Söhne gefegt werden mußte. Der greife Herr 
erlangte feine Gefundheit nicht wieder, lebte aber noch bis 1527, 
in welchem Jahr er in feinem Schloffe zu Baden verfchied. 

Die Regierung des Markgrafen Chriftoph ſowohl, als feiner 
nächſten Nachfolger fiel in eine Außerft bewegte Zeit. Unter ben 


1) Beroaldo, der Erzieher des erften Sohnes von Ghriftopp, in ber 
Widmung einer von ihm herausgegebenen Echrift. 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Ehriftoph. 177 


altherfömmlichen Einrichtungen, Berfaffungen, Gefegen, Sitten und 
Anfhauungen, welhe dem Mittelalter jein eigenthümliches Gepräge 
verliehen, hatten fi) gar manche überlebt, während eine Menge fo 
bedeutender Neuerungen in das öffentliche und Privatleben eindrangen 
und fich dort geltend machten, daß dadurch für die menjchliche Ge— 
jellichaft eine neue Sulturperiode begründet wurde. Es gejchah dies 
bauptfählih dur die fo wichtigen Erfindungen und Entdedungen, 
welhe im 15. Sahrhundert und zum Theil ſchon früher gemacht 
wurden. Don erftern ift namentlich die des Schiekpulvers und 
ber Buchdruderfunft, von den Entdedungen die des Seewegs nad) 
Dftindien und insbejondere von Amerifa zu nennen. Durch alle 
diefe Ereigniffe traten in Wiflenfchaft und Kunft, in Kirche und 
Staat, in Politik und Kriegswefen, in Handel und Gewerbe, folche 
Veränderungen ein, daß jene Zeit wohl mit der unfern, in der Dampf: 
mafchinen, Eifenbahnen und Telegraphen eine fo wichtige Rolle fpielen 
und bereits fo mächtige Umgeftaltungen zu Stande gebracht haben, 
wohl verglichen werden fann. Am meiften machte ſich aber die Er: 
regtheit der Geifter auf kirchlichem Gebiete geltend, und es fällt noch 
in die leßten Lebensjahre des Markgrafen Chriſtoph, die freilich bereits 
geiftig umnachtet waren, jenes folgenveiche Ereigniß, welches in der 
Gefchichte unter dem Namen der Reformation befannt ift, Dei 
ihr wird jedoh erft im 12. Kapitel ausführlicher verweilt werden, 


$ 2. Beſonderes. 


Markgraf Chriſtoph hatte feine gewöhnliche Reſidenz in Baden, wo 
er zuerft im obern oder alten, fpäter aber in dem von feinem Vater 
Karl I. gebauten neuen Schlofje wohnte. Im Stadtbrief von 1510 
erflärte Chriftoph die Stadt Baden für die „erjte und fürnehmſte“ feines 
Fürſtenthums; doch machte ihr darin Pforzheim als größte Stadt 
des Landes immerhin Konkurrenz, Vorübergehend mag ſich der Mark: 
graf auch in Pforzheim aufgehalten haben; zu einem längern Verweilen 
ſcheint e8 nie gekommen zu fein; wenigftens findet ſich über foldyes nir— 
gends eine Andeutung Wie wohl übrigens Chrifteph der Stadt wollte 
und welchen Werth er auf fie Iegte, zeigt fi) am Beiten in der „Orb: 


nung und Polizei,“ welche er ihr 1491 verlieh. Wir werden im 
Pflüger, Pforzheim, 12 


178 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


folgenden Kapitel ausführlicher dabei verweilen. Wir bemerken nur bier 
ion, daß fich der edle Fürſt durch feinen Freiheitsbrief in der Stadt 
Pforzheim ein Denkmal gefetst hat, das mehrere Jahrhunderte überbauerte; 
und wenn der Brief auch bei veränderten Zeitverhältnifien feine Bedeu: 
tung verlor und zuletzt ganz außer Kraft trat, jo verdient doch der Fürft, 
der einft Pforzheim jo manche Vortheile zumandte und damit eigentlich 
ben eriten Grund zur fpätern Bedeutung der Stadt Iegte, für immer 
ein danfbares Andenken 

Sehen wir ung nad diefen Vorausſchickungen näher nach demjeni— 
gen um, was für die innere Gefchichte der Stadt in mehrfacher Be— 
ziehung von Bedeutung it. Den Zoll, der dem Markgrafen Karl I. 
von Kaifer Friedrich III. von allen Fuhrlenten auf allen Straßen inner- 
halb einer Meile von Pforzheim zu erheben verftattet wurde (©. 156), 
beftätigte derjelbe Kaifer 1477 aud dem Markgrafen Chriftoph, wodurch 
biefem eine nicht unbedeutende Duelle des Einkommens offen blieb, die 
er auch fpäter für fi allein in Anfpruch nahm, als er von andern in: 
direften Steuern einen Theil der Stadt überließ. Am Jahr 1482 
verficherte Markgraf EChriftoph eine Summe von 600 Gulden, melde 
Markgraf Albrecht von Brandenburg dem Stift Baden, wo kine Toch— 
ter Amalie begraben war, gegeben hatte, auf die Städte Pforzheim und 
Ettlingen. 1) Der Entwidlung des Handels und der Gewerbe war ber 
ber Stadt 1491 verliehene Privilegienbrief äußerſt günftig, da verſchie— 
dene Beftimmungen bdesfelben, wie 3. B. die Errichtung eines Geld: 
wechfels, hauptjächlic darauf berechnet waren. Zu den Giemerben, die 
damals, wie früher fhon, in befonderer Blüte ftanden, fcheint in erjter 
Reihe das der Tuchmacher gehört zu haben, Diefelben waren entweder 
Tucher, die ganzes Tuch machten oder Sergenweber, die Sarſch 
(serge) oder leichten Mollenzeug verfertigten; es gehörten zum Hand: 
wert aber auch nod) die andern Gewerbe, die ſich mit der Verarbeitung 
ber Wolle beichäftigten, alfo Spinner, Kämmer, Walker u. dgl. Für 
dies Mollengewerbe, das damals in der ganzen Marfgraffchaft von 
großer Bedeutung gewefen zu fein fcheint, erſchien 1486 eine eigene 
„Wollenwebersrönung”, die nicht weniger als 128 Paragraphen zählte 
und als frühes Beifpiel einer Gewerbeordnung für ein ganzes Fürften: 


‘) Sachs, II, X. 


Zehntes Kapitel, Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 179 


thum alle Beachtung verdient. ') An die Tucherzunft verkaufte 
bie Stadt mit Genehmigung des Markgrafen unterm 13. Februar 1497 
ihre „walkmuele mit dev oelſſahin und ſlyffmuele an der Enk, auch die 
bofftatt dazwueſchen ußwendig Bretzynger vorftat by der ziegelhuette, 
funder auch den vamgarten underhalb dem nuwen thurn binder der 
obermuele gelegen, mit ix aller begriffe, rechten und zuogehorungen.” 2) 
Dafür mußte das Gewerbe auf Martini eines jeden Jahres bezahlen: 
an die herrſchaftliche Amtskellerei zu Pforzheim 7 Pfund 6 Sch. Pfg., 
dem Spital auf Frohnfaften 1 Pfd. 21/, Ch. Pfg. an Et. Antonien 
Altar 1 Pd, an St. Michaels Stiftsbau 10 Sch. Pfg., ebeudahin auf 
Pfingften 2'/, Sch. Pf. und dem Frauenklofter (dev Dominikaneriimen) 
vom Nahmgarten 10%/, Sch. Pf. Dafür erhielt aber dag Gewerbe 
auch den Ertrag von der mit der Malkmühle verbundenen Delfchlag 
und Schleifmühle mit jährlihen 4 Ps. 21), Sch. Pig. Aus diefen 
Raften, die ein Kapital von über 1000 Gulden vepräfentirten, gebt her— 
vor, daß die Zahl derer, welche dem Wollengewerbe angehörten, fehr 
bedeutend gewejen fein muß. Ohne Zins wurde den Tuchern ferner 
überlafien „um ire tuochramen fuerter zuftellen und ufzurichten” der 
„platz ußwendig der ftatt ffeifthore underhalb der ſteynyn Brucken zwiſchen 
der ſtattmuere und der Ente.” Ebenſo wurde ihnen bei der Walkmühle 
felbft ein Plat eingeräumt, um „zwo vamen zuo wiflingen (grober, ge: 
wöhnlich ſchwarzer Zeug, defien Zettel Leinengarı, der Einſchlag Wolle,) 
oder tuochen zu ſetzen.“ Ferner wurde ihnen vom Markgrafen zuge: 
fihert, daß er ihnen, wenn fie „ein nuw waldmuele an der Wirm bu: 
wen woelten”, zu diefem Zwecke „ein gelegen bofftatt dartzuo auch one 
fundern zins und andere befwernis geben und volgen laſſen moelle,“ 
Man fieht hieraus, wie fehr der Markgraf diefes wichtige Gewerbe zu 
beben bemüht war. chen einige’ Jahre nach dem Uebergang der 
Walkmühle an die Tuchmacher geriethen diefe 1604 in Streit mit dem 
Obermüller Theus Müller wegen des Neinigens des Mühlkanals, der 
durdy den Markgrafen geichlichtet wurde. 3) 


1) Sie ift abgebrudt in Mones Zeitſchrift, IX, 147 ff. Ein Sergenweber 
war auch Hans von Lienzingen, deſſen Grabftein fib außen an der Südſeite ber. 
Schloßkirche befindet und der 1519 ftarb, 

2) Urfunde im ftädtiichen Archiv. Vergl. auch Zeitfchrift für Gefchichte 
bes Oberrheins, IX,, 160. 

2) Vergleich im ftädt, Archiv. 

12* 


180 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


Aus den Gemwerbeordnungen, die Markgraf Chriftoph gegeben hat 
und von denen unten mehr die Rede fein wird, läßt ſich entnehmen, 
da auch noch andere Gewerbe damals in Pforzheim von großer Be 
deutung waren und Pforzbeim überhaupt, wie früher ſchon, den Rang 
als erfte Gewerbftadt der Markgraffchaft behauptete, Weiter oben 
(S. 159) war bemerkt, daß Pforzheim einen geichieften Armbruftmacher 
gehabt hätte. Einen „Hubenſchmied“, (S. 164) d. h. Hauben- oder 
Pickelhaubenſchmied erhielt e8 1491 und wurden demfelben in Anbetracht, 
daß er „feines handwerks geübt und ſubtyl“ fei, vom Marfgrafen be 
fondere Freiheiten verliehen, wie dies im Mittelalter bei Waffenfchmieden 
nicht felten gejhah.t) Letztere waren in Pforzheim natürlich ſehr noth: 
wendig, da jeder Bürger wehrhaft fein mußte. — Wie früher des ge 
ſchickten Holzichnigers Johannes Kern erwähnt wurde, jo treffen wir 
4502 auf einen ähnlichen Pforzheimer Künftler, Antonius Bild— 
ſchnitzer,?) bei dem, wie in andern Fällen, letzterer Name zugleich 
Geſchäfts- und Gefchledhtsbezeihnung war. Näheres über ihn und feine 
Geſchicklichkeit ift jedoch nicht befannt. 

Der Pforzheimer Gelehrtenſchule, die unter der Negierung Markgraf 
Chriſtophs ihre größte Blüte erreichte, werden wir einen befondern Abfchnitt 
widmen. Gleiches ſoll bezüglich der Buchdrucderei geichehen die Pforzheim 
fhon 1502 erhielt. Erwähnenswerth find aber bier noch zwei Männer, 
die ſich als Schriftfteller in ihrem Fach ausgezeicdnet haben, Der eine 
ft Alerander Hug, Stadtichreiber zu Pforzheim ſchon um 1487 big 
noch 1529 (vorher in gleicher Eigenschaft zu Calw). Er gab ein Buch 
heraus unter dem Titel: „Nhetorica und Kormulare beinah aller 
Schreiberei.“ Dasfelbe wurde im 16. Jahrhundert in Tübingen häufig 
aufgelegt; 3) — Der andere, der einen großen Namen in der Arznei: 
tunde hatte, ift Johann Widmann, in lat. Ueberfegung Salicetus, 


— — — —— — nn 


1) Vergl. Mone, Zeitſchrift, VE., 186. 

2) Pforzheimer Lagerbuch von 1502, ©. 35 und Mones Anzeiger, V., 390. 

3) Vergl. Stälin, IM, 777. — Ein Brief, der wahrſcheinlich von ihm 
berrührt und am Samftag nad Martini 1486 geichrieben ift, (er ift bloß 
„Stadtſchreiber von Pforzheim” unterzeichnet), findet fih im Landesarchiv. 
Derfelbe ift an den damals in Baden ſich aufbaltenden Vogt von Pforzheim, Hans 
von Küngſpach, gerichtet und betrifft Ungeld- und andere Einzüge. Eine 
Nachſchrift am Schluß lautet: „Lieber junkher wüft ich das ir ein brettipil zu 
Baden vermöchten, jo wölt ich zu euch fomen.“ 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 181 


genannt Möchinger (nah Maichingen, feinem Geburtsort), In Pavia 
in der Arzneifunde ausgebildet und mit dem Doktorhute geſchmückt, 
wurde er 1480 marfgräflich badifcher Leibarzt zu Naftatt und 1484 
ordentlicher Lehrer der Arzneikunde an der Univerfität zu Tübingen, wo 
er großen Beifall fand. Im Auguſt 1492 bejtellte ihn Kaifer Mari: 
milian zum Lehrer der Arzneitunde in Freiburg; doch zog ihn bereits 
im September des Jahres 1493 Eberhard im Bart wieder zu ſich als 
Leibarzt und Profefjor in Tübingen. Am Jahr 1506 wurde Wid— 
mann Ulmer Stadtarzt, bald darauf markgräflich badifcher Leibarzt in 
Pforzheim, als weldyer er 1524 ftarb. Als Schriftjteller machte er ſich 
verdient durch feine gedrucdten Abhandlungen: „Traetatus de pustulis 
quae vulgato nomine dicuntur Mal de Franzos,“ (Tübingen, 
1497), — „Von der Peſt“ (De pestilentia perutilis, Tübingen, 
41501, vermutbhlih 2, Auflage, da diefe Schrift ſchon im der vorher: 
gehenden citirt wird), — „Bom Wildbad“ (Tractatus de balneis 
thermarum ferinarum vulgo Wildbaden, Tübingen, 1513), — 
„NRegimen, wie man fih in pejtilenzialiihem Lufft halten 
fol”, (Straßburg, 1519). Letztere Schrift ift ein umgearbeiteter Aus: 
zug der erjtgenannten, den Widmann laut der Vorrede feinen Töchtern 
zu Liebe in deutſcher Sprache gemaht und zum Velten des gemeinen 
Volkes dem Drud übergeben bat. ') 
Menden wir ung nunmehr zu den Kirchen und Klöftern der Stadt. 
Die durh Markgraf Karl I. durd den Anbau eines neuen Chores 
vergrößerte Stiftskirche zu St. Michael erhielt auch duch Markgraf 
N) Vergleihe Fuchs, die älteſten Schriftiteller über die Luſtſeuche in Deutjch: 
land, Göttingen 1843, S. 396, fowie die Schriften des Alterthumspereins zu 
Baden, H., 244 und Stälin, II, 774, — Das Andenfen Bidmanns erbält 
in Pforzheim cine fteinerne Tafel an einem der vordern Pfeiler der Schloßkirche, 
worauf fih die Inichrift findet: Anno dni 1522 bat der wirdig bochgelert 
ber Johan Widman genannt Moechinger der Argnei doctor fin ampt von 
Ho KHwirdigen Sacrament des fronlihnams unſers bern Iheſu crifti 
allen Donerftag In einigfeit zu Singen geftifft uff dem alltar der heiligen drey 
kunig.“ Nach, der Stiftungsurfunde im Landesarchiv beftimmte er dazu ein 
Kapital von 190 fl. Der Grabftein ciner 1551 gejtorbenen Tochter Wid— 
manns, Cordula, verebelichten Grempin, befindet ſich ebenfalls in der Edhloß- 
fire. Sie wird in der Vorrede der letzten der oben angeführten Schriften 
genannt, 


182 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Ehriftoph. 


Chriſtoph 1487 einen Anbau auf der Nordfeite, wie die dafelbft noch 
fichtbare Jahrzahl beweist. Freilich wurde die Symetrie des Baues 
dadurch nicht wenig geſtört. Doch hat man in neuerer Zeit (1858) 
wenigitens das Dach des Anbaues, das die ſchönen gothiſchen Fenſter des 
Mittelihiffs ganz verdedte, wieder entfernt, Daß der Dechant des 
Stiftes 1496 Paul Plus hieß, erfahren wir aus einer Kaufurfunde, 
nach welcher Markgraf Chriftoph von ihm und dem Amtefeller Hans 
Bremgarten zu Pforzheim, als VBormündern dev Kinder Hanfens von 
Niefern, den achten Theil von Söllingen ſammt verfchiedenen Gütern 
und Gülten daſelbſt und in Berghaufen erfaufte, 1) Ihm fcheint Jo— 
hann Schölderlin gefolgt zu fein, der 1517 eine Abjchrift des Pforzheimer 
Privilegienbriefes mitbeglaubigt. 2) Im Jahr 1505 errichtete Chriſtoph 
eine Propſtei des Michaelitiftes, (S. 149) wozu der Biſchof von Speier 
unter der Bedingung feine Einwilligung gab, daß ein Biertheil der 
Gefälle des eriten Jahres bei der Einſetzung eines jeden neuen 
Propſtes an ihn bezahlt werden müßte. 3) Es rief diefe Beftimmung 
mehrfach Neklamationen hervor, jo 1538 bei Ernennung des Propftes 
Aſtmann und 1552 bei Georg Bod. +) — Das Patronatsrecht behielt 
fich inde der Markgraf vor. 5) — Im nämlichen Jahr erwarb berfelbe 
von der Stadt Pforzheim das Recht der Leihung der Kanonien von 
St. Fabian und St. Sebaſtian, wofür er der Stadt die Gerechtigkeit 
zu St. Laurentius Altar einräumte. 65) Hauptfählih aus Grabſteinen 
der Schloßkirche erfahren wir auch die Namen einiger Stiftsgeiftlichen, 
fo 1485 des Vikars Johann Beſecka (S. 149), 1506 des Vikars 
Sohann Mayer, 1491 geichieht Hanfen Malers, des Kaplans des 
Atars St. Peter und Pauls im Stift zu Pforzheim Erwähnung , 7) 
1497 des Mag. Koh. Sram, der Canonikus geworden, 8) von 1510 





1) Sads, Ill, 54. 

2) Städtiſches Archiv, 

8) Lib. spirit, Spirit, VIII, 106. 

) Landesarchiv. 

5) Sachs, IIl., 75. 

6) Sachs, HL, 75, 

°) Hiſtoriſch geneal. Nachrichten ber Jam. Maler, ©, 1. 
®) Lib, spirit, dioec, Spir. ©. 34. 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Ehriftoph. 183 


findet ſich der Grabftein des Canonikus Nikolaus Wyler, 1) der ſchon 
1484 als Vikar des Stifts vorkommt. 2) 1521 wird Joh. Pleuß als 
Ganonifus und Cantor genannt, nahdem Markgraf Philipp das Jahr 
zuvor „des Sängers Amt” geftiftet hatte. Daß der Pforzheimer Stadt: 
Pfarrer bis 1510 ein Dr. Peugler 3) war, und fein Nachfolger Lukas 
Schleppel 1511 Weihbifhof zu Speier wurde, mag bier auch Erwäh- 
nung finden, ebenſo, daß fich zwiſchen feinem Nachfolger Mathis in 
Pforzheim und den dortigen Bettelmönchen ein heftiger Streit erhob, den 
der Bifchof von Speier durdy den nach Pforzheim gefandten Dr. Gallus 
ichlichtete. 5) Auf Mathis folgte 1520 Pfarrer Paul Pfeffer, der in 
genanntem Jahr der St. Matthifenbruderihaft (S. 160) 20 fl. mit der 
Bedingung vermachte, dag der Zins von 1 Gulden jährlih zur Aus: 
teilung von Brod an arme Leute verwendet werden jollte, 6) 1539 
wird ein Dietrih Weiler als Pfarrer in Pforzheim genannt. Dem 
Ruralkapitel wurde 1539 geftattet, ein eigenes Haus zu bauen; das— 
jelbe wurde jedoch 1559 wieder verfauft. — Außer den ſchon genann- 
ten Grabmälern der Schloßfiche mögen noch folgende, die dem 15. und 
16. Jahrhundert angehören, hier angeführt werden, fo weit fie nicht 
fonft vorfommen: Don 1518 findet fih ein Denkſtein, betreffend die 
Stiftung einer Mefje durch Burfard von Reiſchach, Landhofmeifters 7) 
zu Baden, am Altare der heil, Dreifaltigkeit zu leſen, 1532 von Io: 

1) Der Grab: oder eigentlich Gedenkftein it an einem Pfeiler des Mittels 
ſchiffs befeftigt. Die Anfchrift lautet: Anno dui 1510 uff den 10. tag July 
ift der wirdig her Niclaus Wyler canonid dig Stifts geftorben Ein ftifft Zweye 
meß uff heilig crüß altar ein von der beilligen drivaltigfeit uff Suntag zu » 
fefen, die andere uff mitwoch von dem liden crifti zu fingen Zu troft fin vatter 
und mutter gefchwifterig Auch die ev injunderheit vermeynt und allen glaubigen 
felen Die beilig drivaltifeit und das liden Grifti wol ir Selen gnedig barm— 
hertzig tröftlich fin. In Pace quiescant Amen,” 

2) Pforzheim, Renovation 1580 (im Landesarhiv). 

3) Sein Grabftein ift in der Schloßkirche. 

4) Remling, I, 221. 

5) Adami theol, v. Pelican. 

6) Nepertorium im Landesarchiv. 

?) Da biejer Name, wie ber des Haushofmeifters noch mehrmals vorfommen 
wird, fo fei bier bemerkt, daß der Landhofmeiſter überall im Lande ben 
Fürften als defien oberjter Befehls- und Willensträger vertrat, während dem 
Haushofmeifter die Leitung alles desjenigen oblag, was den Hofflaat . 
und bie Hoföfonomie beiraf, Vergl. Bader, Babenia, I., 65. 








184 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriftoph. 


hannes Hochberg und feinem 1543 geftorbenen Bruder Sebaftian Hoch: 
berg; (erfterer war Propft des Michaelftifts und beglaubigte als folcher 
1517 eine Abichrift des Privilegienbriefes, nachher wurde er Kanzler 
des Markgrafen, — Sebaſtian Hochberg bekleidete das Amt eines 
Küchenmeiſters); 1533 von Veit Breitfchwert dem eltern; von 1543 
findet fich eine hölzerne Gedenktafel für Ama von Ehingen, Bernhard von 
Hartens Ehefrau; von 1558 ift der Grabftein von Bernhard Friedrich 
Widergrin von Stauffburg (Staufenberg), der am 12. Juli 1558 durch 
‚den markgräflihen Kammerjunker Wolf Kifcher im Schloffe zu Pforz- 
beim entleibt wurde. 1) Die übrigen Denkmäler werden an den dazu 
geeigneten Orten genannt werben, 

Ein intereffantes Grabmal der Schloßfirhe vom Jahr 1498 verdient 
indeffen noch befondere Erwähnung Es ift das eines „Johann, 
Freigrafen von Kleinegypten.“ Der Stein lag früher im 
mittlern Gang der Schloßkirche vor der Kanzel, ift aber jet an dem 
Pfeiler aufgejtellt, der bei der Safriftei das Mittelfhiff von der vordern 
Yinfen Geitentapelle fcheidet. Die Umfchrift Tautet wörtlihd: Anno 
dni 1498 vf mentag nach vrbani starb der wolgeborn her Johan 
frygraf vsz klein egipten dem got gnad des sel got barmherzig 
sy.2) Auf dem Grabftein befindet fich ein viergetheiltes Wappen; 
auf zmei einander übers Kreuz entgegenftehenden Feldern befindet fich 
je ein fpringender Hirſch, auf jedem der beiden andern ein Stern über 
einem liegenden Halbmond, Auf dem Schild fitt ein gefrönter Helm, 
über welchem abermals Stern und Halbmond erfcheinen. Diefer rei: 
. graf Johann war ein Oberft der Zigeuner, diejes morgenländifchen, 
wahrſcheinlich aus Indien oder aus Nordafrifa abftammenden Volkes, 
das 1417 zum erften Mal in Deutichland auftauchte, wohin einzelne 
Horden desjelben, immer mit einem Führer an der Spite, aus der 
Moldau eingewandert zu fein jcheinen. Nach der Schweiz kamen ihrer 
im Jahr 1418 auf einmal 14000, Man hielt jie anfangs für Pil- 
ger, die aus dem gelobten Land kämen, that ihnen nichts zu Leide und 
ertheilte ihnen jogar Schuß: und reiheitsbriefe, fo Kaiſer Sigismund 
im Jahr 1423, Ahr erftes Erfcheinen in den jeßt badifchen Landes: 

!) Lagerbud) des Almojens von 1711 im Stadtarchiv. 
2) In ber „Ihwäb, Chronik“ von Cruſius find Thl. III, noch zwei andere 


ähnliche Grabſchriften von Ziegeuneranführern aufgezeichnet. Wo fich biefelben 
befinden, ift nicht angegeben. 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriftoph. 185 


theilen fällt ins Fahr 1422.1) Nah Konftanz und Umgegend kamen 
fie 1430. Man hatte jedoch bereits erfannt, weß Geiftes Kinder fie 
feien 2) und unterließ nicht, die nöthigen Norfichtsmaßregeln gegen fie 
zu gebrauchen. Sicherlich geſchah dies auch, als eine Horde der Zigeuner 
1498 vor den Thoren Pforzheims erſchien und, mie die Sage berichtet, 
genöthigt wurde, um die Stadt herum zu ziehen, weil ihr die Thore 
verfchloffen blieben. Das Zigeunergäßchen, N jetzt Yindenftraße, 
foll davon den Namen erhalten haben, ine Ausnahme foll bloß mit 
dem Franken Zigeuneroberft gemacht worden fein, der dann in der Stadt 
ftarb und in der Scloffirche beigelegt wurde Noch fei übrigens 
bier bemerft, daß früher (fo noch 1735) eine Ähnliche Tafel, wie der 
eben befchriebene Grabſtein, fich auch in der Kirche zu Brößingen befand. 
Sie zeigte das Bild eines Mannes, mit einem Kinde an der Hand, 
fammt einem Wappen und der Umfchrift: „Anno domini 1552 den 
28. April ftarb der Mohlgeborne Herr Antoni Frey: Graff aus Klein: 
Egipten des Seel Gott gnädig und barmherzig ſeye.“ 4) 

Gehen wir von der Gtiftsfirhe zu St. Michael über zu der 


1) „ATS die beiden genamt Arraciner des erften in bis lant 
fament 1422. An dem vorgeſchriben jare an Dornftag vor ſ. Mleriontag 
(16. Juli) do fam ein Hergog, bieß hertzog Michel von Egiptenland, bar in 
das Wielental wol mit 50 Pferden und was ein ungeftalt jwarges Volt und 
warent vor me ze Bajel und anders wo gefin. Das jelbe Volk was aller 
menglichen unwert und warent allewegen zuo velde und unter feim tache. und 
battent von dem babeft und unferm herrn dem fung und von andern berrn 
guote geleigbriefe, das halfe ſy alles nutz, man hatt ſy dannocht ungern, und 
warent ouch frowen under inen.“ Fortfegungen bes Königshofen in Mo: 
nes Duellenfjammlung, I., 298. 

2) In dem 1430 jar do fam ein ſchwarz folf gezogen, hieſſ man Ziginer 
und warent uff dem mindern Egipten x. Die zugent mer ben ichs oder 
fiben jar in allem land mit groffer armuot und cllend un) mit groffer untruw, 
wan fie ſtalent, was fi an foment und wic es in (ihnen) werden mocht mit 
zoberliften, warfagen, und menger hand fund und liſt, die fi tribent ꝛe. Kon- 
Ranzer Chronik in Mones Quellenfammlung, I, 334. 

3) Der Name desfelben kommt ſchon 1565 vor. Es ift indeffen bereits 
(S. 12) bemerkt worden, daß der Name Zigeunerjtraße oder Zizeunergäßchen 
auf römischen Urſprung hindentet. 

4) Pforzheimer Diozeß, Kirchen: und Schul : Beihreibung von 1735 (im 
Landesarchiv). 


186 Zehntes Kapitel, Pforzheim unter Markgraf Chriftoph. 


St. Martins: oder Altftädterfirhe, fo finden ſich auch über 
diefe für den gegenwärtigen Zeitraum einige kurze Notizen. Noch immer 
waren neben Würm die Orte Huchenfeld, Dill: und Weißenftein (S. 105) 
in diefelbe eingepfarrt und mußten aud) ihre Todten zur Beerdigung dahin 
verbringen. Für Huchenfeld trat 1496 darin eine Aenderung ein, indem 
nach einem zwifchen dem Weihbiſchof von Speier, dem Pfarrer der 
Altftadt und der Gemeinde Hucenfeld zu Stande gekommenen Vergleich 
letztere ihre Todten von nun an im Orte jelbjt beerdigte. ') Im Lahr 1504 
ftifteten Konrad Stahel und feine Frau eine Wieſe zu dem Altar 
St. Anna in der Martinskirche.?) Ferner erfahren wir, 3) daß im 
Jahr 1512 der Altjtadtpfarrei eine neue Einrichtung gegeben wurde. 
Morin diefe bejtand, weiß ich nicht zu fagen. In ebendemfelben Jahre 
erfolgte daſelbſt die Präfentation eines neuen Geiftlihen, und zwar wie 
gewöhnlich durch einen Abgejandten des Biſchofs von Speier, dies Mal 
durch den Domherrn Thomas Truchjeß. %) Diefe Geiftlihen waren 
aber eigentlihh nur Helfer oder Diakonen, da die Altſtadtkirche von 
St. Michael aus paftorirt wurde, 

Daß das Tranzistanerklofter fein Vermögen 1443 verlor 
und auf das Nothwendigfte beſchränkt wurde, ift bereits (©. 152) er: 
zählt worden. Von der fpätern Armuth der Mönde zeugt ein Brief 
aus der Zeit von 1483—1490, den der Straßburger Kanonikus Peter 
Schott ſchrieb und der vermuthlih an einen einflußreichen ‘Prediger in 
Straßburg gerichtet war. 5) Er fagt darin unter Anderm: „Die 
Tranzisfaner wollen für nächſten Sonntag Cantate ein Kapitel halten 
in” ihrem Pforzheimer Klofter, das aber aus Armuth eine jo große 
Verſammlung nicht zu ernähren vermag, zumal da wegen der vorzu— 
nehmenden Wahl eines Provinzial die Zahl ungewöhnlich groß fein 
wird. Sprid dem Volk zu, daß es dem auf Almojenfammeln ausge: 
fandten Pater reichlich fpende, welder in Bologna mein Beichtvater 
(1478 ff.) mehrere Jahre lang geweſen ift. Diefe Pforzheimer find 


9) Urkunde im Landesarchiv. 

2) Generalia, Religion, Kirchengut x. in der Markgrafichaft Baden betr. 
1629, Generallandesardiv. 

3) Aus Sachs, IV, 135. 

NEbendaſelbſt. 

5) Siehe deſſen Schrift: Lubrucatjunculae, ©, 154. 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 187 


gute Leute und fogenannte Dbfervanten.” Das endliche Schickſal dieſes 
Klofters wird unten bei der Gejchichte der Reformation erzählt werden, 

Das Spital oder Klofter zum heiligen Geiſte in der Brößinger 
Borftadt erhielt 1500 in der Perfon des Matthias Hütlin einen 
fehr wadern Meifter, Der Generalvifitator der alemanifchen Klöfter 
zum beiligen Geift, Rulin Kyſel, Meifter zu Stephansfeld im Elſaß, 
befahl nämlich, daß das Spital zu Pforzheim einen andern Meifter 
wählen müffe. Der Markgraf präfentirte dazu den genannten Hütlin, der 
die Stelle auch erhielt, 1) und fie im Jahr 1514 noch bekleidete, wo 
er mit Joh. Bet, Präzeptor und Meifter zu Oröningen einen Bertrag 
abſchloß. Sein Nachfolger war wahrfcheinlich Nikolaus Faßmann, wegen 
deſſen Verlafjenichaft der Markgraf 1544 mit Marr von Ruffach, dem 
Drdensmeifter zu Stephansfeld, einen Vergleich traf. 2) Abm folgte 
Johann Fabri, der aber ichen 1547 als Ordensmeiſter nad) Stephans: 
feld berufen mwurde.3) Daß zu den damaligen Brüdern des Heiliggeifie 
Hofters auch Joh. Schwebel gehörte, wird unten bei der Geſchichte der 
Reformation erzählt werden. Ein anderer Sonventual hieß 1528 
Barth, Schweizer. 

Das Frauenklofter der Dominifanerinnen zu Maria 
Magdalena nahm Markgraf Chriftoph im Jahr 1487 in feinen 
befondern Schuß, nebſt deflen Dörfern Brögingen, Springen und 
Eutingen. Zugleih nahm er dasfelbe von der neuen (1486 pro: 
viforifch gegebenen) Ordnung aus, d. 5. er befreite es von der 
Bezahlung des Ungelds von Wein, Fleifh und Frucht ꝛc. Dagegen 
verfehrieben ihm die Nonnen An jährlihes Echirmgeld von 25 ul: 
den und verftanden fi dazu, dem Markgrafen mit ihrer Unter: 
thanen Fuhr und Dienjt gewärtig zu fein. Genannte drei Dörfer 
erhielten darum aud 1509 einen Frohndienitbrief. 4) Daß der fog. 
Oberhof, ähnlich wie der dortige Schafhof, bei Iſpringen ebenfalls den 
Klofterfrauen gehörte und 1486 in Erbbeitand gegeben wurde, erfehen 
wir aus einer Urkunde von jenem Jahr, 5) Einer Kleinen baulichen 

1) Generalia, Religion, Kirhengut, Spitäler ac, in der Marfgrafihaft 
Baben betr. 

2) Sachs, IV., 43. 

3») Aften des Landesarchivs. 

4) Sachs, IL, 127. 

5) Alten Großh. Oberamis, 


188 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Ehriftoph. 


Veränderung des Klofters mag hier auch erwähnt werden, In ihren 
Garten an der Stadtmauer machten die Kloſterfrauen ftatt des bisherigen 
hölzernen Gedrills eine Mauer, wovon das Kloſter die eine, die Stadt 
die andere Hälfte bezahlen mußte. 1) Da indejjen nicht lange nachher 
die Stadtmauer um das Frauenkloſter gezogen wurde und dasſelbe als: 
dann nicht mehr extra muros (auswendig der Mauer) war, fo verpflich— 
tete ficy die Stadt, dafür zu forgen, daß das Geficht der Mauer nicht 
gegen das Klofter gerichtet werde, und zu diefem Behufe das erforder: 
fihe Dielwerk machen zu laſſen und ewiglich zu unterhalten. Dafür 
bezahlten die Nonnen der Stadt die Summe von 200 fl. — Vom 
Klofter der Eifterzienjerinnen, das mur felten aus. dem Dunkel 
hervortritt, in weldyes die Geſchichte desjelben gehüllt ift, erfahren wir, 
dag Ottilia, die zweite 1430 geborene Tochter Markgraf Chriftophe, 
die den geiftlichen Stand erwählte, Aebtiſſin desjelben war. 2) 
Verweilen wir noch eimen Augenblick bei den Namen derjenigen 
Perjonen, welche vorzugsmeife die Obrigkeit in Pforzheim bildeten. Als 
Dbervogt in Pforzheim wird 1484 Hans von Kingsbad (Königs: 
bay), 1512 ff. Binder oder Blyckardt, Landſchad von Steinad genannt, 3) 
deſſen Unterfchrift auch die 1517 gefertigte Abſchrift des Privilegienbriefs 
trägt.) Das Amt eines Schultheifen befleideten bis 1476 Bal- 
thafar Wels (vergl. oben ©. 87)5) 1484 Hans Tulwer, 6) 1499 
Paul Hofmanır, 7) 1501 Laurenz Ganshorn, gen. Widmann. 8) — Zum 
eriten Male erfahren wir auch in diefem Zeitabfchnitte die Namen einiger 
Pforzheimer Bürgermeifter. Im Jahr 1486 bekleidete diefe Stelle 
Sohannes Meibel, 9) 1498 Konrad Whler, 19) um 1510 Laurenz Gang: 

1) Freiungen der Markgrafichaft Baden. Landesarchiv. 

%) Petri Suev, Eccles. €. 667. 

3) Zeitfchr. f. d. Geſch. des Oberrheins, I, * 

+ Im ſtädtiſchen Archiv. 

5) Sein Grabſtein befindet ſich in der Schloßkirche. Auf demſelben er— 
blidt man das Wappen der Welſe, drei Thürme, und unter diefen ein großes 
Yateinifches W. 

s) Seneralia, Kirchen ꝛc. ©. 173, 

N Regifter, darnach allerhandt der Stadt Handlungen zu juchen, Lade O. 
(Stadtardiv). 

> 8) Generalia, Kirchen ac. 

9) Stabtordnung von 1486 im Landesarchiv. 

10) Ertract Vertrags, wie es in der Mühle an der Würm, Tiefenbronner 
Gemarkung, gehalten werden fol, (Stadtarchiv.) 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Ehriftoph. 189 


born, 1) 1517 Heinrich Lueſch,?) um 1520 Peter Wynzieher 3) zc. 
— Die „zwölff ratshern die ouch vrteil ſprechen follen” (vergl. unten 
„Stadtordnung,”) hießen 1486: 4) Hans Plus, Konrad Wyler, (diefe 
Beiden gehörten zugleich zu den 4 Megenten, vergl, unten), Hans Dul⸗ 
ber, Hans Lueſch, Balthaſar Scholl, Gabriel Engelhart, Kunk Sattler, 
Wendel Heilgenhoupt, Thomann Sattler, Klaus Göppinger, Laurenz 
Widmann, Michael Nüfflin. Die „zwölff von der gemeinde” (Aus: 
ſchuß) waren: Dietrich) Wyler, Ludwig Lienzinger (diefe Beiden Re: 
genten), Hänfin Kumerell, Hänfin Teſchlin, Hänfin Lienhart, Hanns 
von Hall, Martin von Biberach, Joß Hutmacher, Gerwig Pur (Bauer) 
der Jung, Michel Gerwik, Martin Badanen und erg Tryer (Dreier). 


$ 3. Gründung einer Ducdrucerei in Pforzheim. (1502). 


Nachdem Johann Guttenberg um das Jahr 1440 die fegensreiche 
Erfindung der Buchdruderkunft gemacht hatte, war nad) wenigen Jahr— 
zehnten fchon eine ziemliche Anzahl von Drucdereien in Deutfchland ge: 
gründet. Die ältefte Spur einer Drudichrift, welche in unferm engern 
Vaterlande erfchienen ift, findet fih 1466, und zwar zu Heidelberg, 
Augsburg erhielt eine Druderei 1468, Ulm, Eflingen und Rauingen 
1473, DBlaubeuern 1475, Freiburg 1480, Urach 1481, Reutlingen 
und Memmingen 1482, Stuttgart 1486, Konftanz 1489, Offenburg 
1496, Tübingen 1498. 

In Pforzheim wurde die erfte Druderei dur Thomas Ans: 
beim oder Anfelm aus Baden im Jahr 1502 gegründet. Der 
Umftand, daß er fich ſelbſt bei der Unterfchrift eines durch ihn gedruckten 
Werkes als Magifter bezeichnet und daß er in den freundfchaft: 
lichſten Beziehungen zu Reuchlin ftand, der ihm fogar folhe Titel 
gab, wie fie damals nur Gelehrten zufamen — mag beweifen, daß er 
fein gewöhnlicher Bucydruder war, fondern eine fehr umfaffende, ja 
gelehrte Bildung beſaß. Daß gelehrte Männer die Gründung von 
Drudereien unternahmen, war überhaupt in feinen Zeiten nichts Seltenes, 


1) Abichrift des Priv. Briefs von 1517 im Stadtardiv, 
2) Ebendaſelbſt. 

%) Lagerbuch von 1527. 

) Stabtordnung von 1486 im Landesardiv. 


190 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markaraf Chriſtoph. 


Am Verlag Anshelms erfchten während der Zeit, da er in Pforzheim 
fein Gefchäft betrieb (1502 — 1511), eine Menge von Schriften, die 
fich durch feld ſchönen und Forreften Druck auszeichneten, daß Anshelm 
zu den berühmteften Buchdrudern feiner Zeit gezählt wurde. Daß diefes 
Lob ein durchaus werdientes war, wird Jeder anerkennen, der Gelegen: 
beit hatte, einzelne noch vorhandene Erempfare folher Schriften zu fehen. 
E83 gehören dazu: ) „Dr. Brants Traum” (1502); — „Behend 
und hübſch Nehnung vf allen Kauffmannicaften” (1502); — 
„Memorabilesevangelistarum figurae“ (1502, 2. Auflage 
1504); — Johannis Reuehlini L. L. Doctoris Liber conges- 
torum de arte praedicandi (1504 und 1508); — „‚Magneneii 
Rabani Mauri de Laudibus sanctae Crueis“ :ıc. (1503); — 
„Rabani Mauri de Institutione Clericorum opusculum 
aureum‘ (1504, zweite Auflage 1505); — „Henrici Bebelii 
opuscula varia“ (1504); — „Rationarium Evangelistarum 
omnium* :c.; (1505, neue Auflagen 1507, 1510); — „Doktor johanes 
Reuchlins tütſch miffive warumb die Juden fo lang in 
ellend find. Datım in Wyhenacht feiertagen zu einem guten 
feligen jar. Ad anmım 1505. Gedruckt zu Pfortzheim;“ — 
„Joh. Reuchlini Phorcensis Rudimenta hebraica“ 
(1506 ; eines der am vorzüglichiten ausgeftatteten Druckwerke 
Anshelms, das allein fehon Hinreichen würde, ihm einen ehrenvollen 
Platz in der Geſchichte der Buchdruckerkunſt zu fihern); — „Ja- 
cobi Wimphelingii Apologia pro republica christiana“ ꝛc. 
(15066); — „Grammatica Jacobi Henrichmanni“ x. 
(1506, 2. Auflage 1507, weitere Auflage 1508); — „Epistolae 
Francisci Philelfi ex originario transsumptae“ (1506); — 
„Roberti Gaguini de arte metrificandi libelli“ x. 
(1506); — „Opusculum de sagis maleficeis Martini Plantsch 
concionatoris Tubingensis“ (1507); — „Jac. Wimphelingii 
Schlettstattensis Theosophi Oratio desanceto spirituzc. (1507). 
„Cassiodorus senator de anima“ ıc, (150%); — „Bucolica 
Antonii Geraldini poetae laureati et protonotarii apostolici‘ 
(1507); — „Joh. Reuchlini Phorcensis Sergius vel Capitis 
caput cum commentario Georgii Simleri“ (1507, 2. Ausg. 1508); 


) Vergl. Banzers Annalen der ältern deutſchen Literatur, 8. Bd. 


Behntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriftoph. 19 


— „Commentaria epistolarum conficiendarum Henrici Be- 
belii‘ ⁊c. (1508, neue Aufl. 1509, 1510); — „Joh. Reuch- 
lini Phorcensis Scenica progymnasmata cum commentario Georgi 
Simleri‘“ (1508, neue Aufl. 1509); — „Ein nußlid vegiment wider 
die boſen frantzoſen mit ettlihen Fugen fragſtücken, von Alexander 
Sytz“ (1509; der Aebtiſſin Eliſabeth Schötlin gewidmet); — „Opera 
Bebeliana“ (1509); — „Jacobi Wimphelingii Sletstadiensis 
Elegantiae majores“ zc, (1509, neue Aufl, 1510); — „Bartholo- 
maei Coloniensis Dialogus mythologieus‘“‘ (1509); — „P. V. 
(Virgilii) M. opuscula cum familiari expositione‘“ (1510); — 
„Annotationes Phil. Beroaldii Bonomiensis in commentarios 
Servii, Virgiliani commentatoris“ (1510); — „Joh. Brassicani 
institutiones‘ ıc, (1510); — „Vocabularius Joh. Altenstaig 
Mindelheimensis‘“ ac. (1511); — „Liber hymnorum in metra 
noviter redactorum, Apologia et defensio po&tice ac oratorie 
majestatis“ ⁊c. (Jahr ungewiß), 

Man wird aus diefem Verzeichniß, das anf Vollftändigkeit keinen 
Anſpruch macht, entnehmen Können, weld ein rühriger Verleger und 
Drucder Anshelm war und welche ausgezeichneten Schriften aus feiner 
Offizin bervorgingen. In feiner Druderei fol Melanchthon, der fich 
damals auf der Pforzheimer Schule befand, eine Zeitlang das Amt eines 
Korreftors verfehen haben. Im Jahr 1511 zog Anshelm von Porz 
heim nad Tübingen ') umd ließ fih 1515 in Hagenau nieder. An 
beiden Orten errichtete er Drudereien und verlegte eine Menge der frei: 
finnigften Werke, in Tübingen namentlih viele Schriften Reuchlins. 
Kräftige Unterftüßung fand er dabei an Wolfgang Aext, Druder, 
Philolog und Dichter zugleich. Diefer war ein vertrauter Freund Reuch— 
ling, des Erasmus und Ulrichs von Hutten, und hatte feinen geringen 
Antheil an der Ausarbeitung der epist. obscurorum virorum (Briefe 
ber Dunkelmänner). Wahrſcheinlich arbeitete er als Gehilfe bei Anshelm, 
was er bei feinen zahlreichen Verbindungen gewiß nicht gethan haben 


1) Wir begegnen übrigens dem Namen Anshelm auch fpäter noch in Pforz: 
heim. Im Zahr 1548 fommt ein Johann Anshelm, 1565 ein Kalpar und 
ein Hand Anshelm vor; fpäter 1632 ein Anton, 1650 ein Martin und 1662 
ein Hans Anshelm. Db dies Nachfommen von Thomas Anshelm waren, weiß 


ih nicht, 


192 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


würde, wenn nicht Anshelm ein feines Umgangs würdiger Mann ge: 
wejen wäre. 

Ob bei dem Wegzug Anshelms nad) Tübingen 1511 aud) zugleid) 
eine Verlegung feiner Pforzheimer Druderei dahin ftattfand, oder ob er 
in Tübingen ein neues derartiges Geſchäft begründete und feine Druderei 
in Pforzheim in andere Hände überging: das vermag id) nicht anzugeben. 
So viel ift gewiß, daß die Behauptung von Gehres in feiner „Pforz— 
heimer Chronik,“ Pforzheim babe von 1011 an bis zum Beginn des 
19. Jahrhunderts Feine Druderei mehr gehabt, entichieden unrichtig ift; 
denn in den Sahren 1522 und 23 treffen wir als Buchdruder in 
Pforzheim Johannes Greiffenberger, Neben diefem feinem eigent: 
lichen Gefchäft beflig er fi aud der Malerei ') und war überdies der 
Verfaſſer mehrerer Schriften, die er felber drudte und verlegte.) Man 
erfieht dies aus der erften diefer Schriften, die gegen „bie falfchen 
Propheten” gerichtet” ift. Nachdem ſich Greiffenberger auf dem Titel- 
blatt als Verfafjer derjelben genannt hat, fteht am Ende der Schrift, fo 
daß hierin die Angabe des Druders und Drudortes zu erkennen ift: 
Bon mir Johannes Grepffenberger zu Pforzheym, 1524. Wahrjchein: 
lich verlegte er auch Schwebels „Ermahnung zu den Queftionirern” 
1522 und defien „Predigt vom guten Hirten,” 1524. 3) 

Zur Vervollſtändigung diefes Abichnittes mag, wenn wir auch ber 
Zeit etwas vorauseilen, bemerkt werden, daß die Grenffenberger’iche 
Offizin in der Folge vwermuthlic wieder erlofhen ift und Pforzheim 
vorübergehend feine Druderei beſaß. Es läßt ſich dies daraus fchließen, 
dag Markgraf Karl IL bei Einführung der Reformation 1556 bie 
„neue badifche Kirchenordnung” nicht in feiner Nefidenz Pforzheim druden 
ließ, (mas doch ficher geſchehen wäre, wenn diejelbe eine Druderei gehabt 
hätte), ſondern in Tübingen. Allein ſchon vom Dezember 1557 an 
erfchienen bei Georg Rabe in Pforzheim wieder nad) einander mehrere 
Schriften, meift theologiſchen Inhalts, jo 3. B. eine von einem Edelmann 
am Hofe des Markgrafen in Iateinifcher Sprache verfaßte und von 
Pfarrer Iſrael Achatius in Pforzheim ins Deutjche überſetzte Schrift: 
„Wahrhafter Bericht alter und neuer, das ift evangelifcher und papiſti— 

1) Nürnberger Gelehrienlerifon von Will, I, 571. 

2) Vergl. unten Geſchichte der Reformation in Pforzheim. 

2) Bergl. unten Schwebels Lebensbefchreibung und „Geſchichte der Nefor: 
mation“ in Pforzheim. 


Zehntes Kapitel, Pforzheim wirter Markgraf Chriſtopb. 193 


{cher Lehre.“ — Im Jahr 1559 verlegte Nabe die „geiftliche immer: 
währende Praktik (Kalender) auf das Jahr 1560° v. Mag. Kaſpar 
Brunnmpl, lutheriſchem Prediger in Geißlingen, — ferner die zweite 
Auflage einer ſchon 1557 zu Tübingen herausgefommenen Schrift: 
„Kurzer und einfältiger Bericht von de8 Herren Nachtmahl,“ von 
Dr. Andrei, mit einer Vorrede von Brenz, endlich das „verbütfchiert 
mit 7 Siegen verfchloffene Buch” von Seh. Frank. Im Jahr 1560 
erfchten bei Nabe ein Merk über „forſtliche Oberherrlichkeit“ von Noe 
Meurer, wohl die Altefte Schrift diefer Art und heut zu Tage noch 
brauchbar. 

Mit der Verlegung der Nefidenz von Pforzheim nah Durlach 
1565 ſcheint Pforzheim auch feine Druckerei wieder verloren zu haben, 
MWenigftens verlautet von einer ſolchen in der folgenden Zeit nichts mehr. 
Erft dem laufenden Jahrhundert war es vorbehalten, Pforzheim wieder 
mit einer Preffe zu verfehen. Ich werde weiter unten darauf zurück— 
fommen. 


$ 4 Die Pforzheimer Gelehrtenfchule um 1500, 


Welch ebrenvollen Rang die lateinische Schule zu Pforzheim unter 
ähnlichen Anftalten bald nach ihrer Gründung einnahm, ift jchen oben 
(S. 155) gefagt worden. Die Zeit ihrer größten Blüte ſcheinen aber 
die zwei erften Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts gewefen zu ſein Eine 
Reihe ausgezeichneter Lehrer und eine große Menge fpäter berühmt ger 
wordener Schüler liefern Zeugniß, in welch vortrefflihem Stande fi 
die Pforzheimer Schule befand. Von jenen verdienen folgende befondere 
Erwähnung: Georg Simmler. Er war zu Wimpfen geboren, hatte 
fi) zu einem der ausgezeichnetften Schüler Reuchlins herangebildet und 
wurde Rektor in Pforzheim, weldye Stelle er bis 1511 beffeidete, Von 
feiner Befähigung als Lehrer und feinem erfolgreichen Wirken zeugen 
die Morte eines feiner Echüler, Franz Sreniens, welcher fi‘) über 
Simmler alſo ausſpricht: „Daß ich ja des trefflichen Lehrers nicht zu 
erwähnen vergeffe! Immer werde ich die vielfeitigen Kenntnifle Georg 
Simmlers rühmen, der lange mein Lehrer war, und unter deſſen Zucht: 
ruthe ich zuerst geftanden und meine geringen Fähigkeiten ausgebildet 


‘) Jrenicus, Exeges. Germ,, II, 
Pflüger, Pforzheim, 13 


194 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


babe, dem ich mehr, als meinem eigenen Vater verpflichtet bin, ja dem 
ich nächft Gott Alles verdanke, was ich gelernt. Diefer Mann unter: 
wies mich in beiden Sprachen (in der Tateinifchen und griechifchen).“ 
Auch Melanchthon jpendet diefem feinem Lehrer das größte Lob. Am 
Jahr 1511 verließ Simmler Pforzheim, um einem Ruf als Lehrer ber 
Rechte an die Univerfität Tübingen zu folgen.?) An jeine Stelle trat 
Sohann Unger (1511 — 1524), Bon ihm wird unten ausführlicher 
die Nede jein. Auf Unger folgte als Rektor Martin Hilsbad. Ein 
Kollege von ihm war Job. Meifter, ber 1538 in Pforzheim ftarb. 
Später befleidete die Stelle eines Neftors Bobhard, genannt Schüß, 
ber 1552 dem Meagijtrat zu Pforzheim ein Buch: „de studio literarum‘‘ 
widmete. Schon früher hatte an der Pforzheimer Schule Jakob 
Wimpfeling aus Schlettjtadt gelehrt und während feines dortigen 
Aufenthaltes (er war um 1502 in Pforzbeim) eine große literarifche 
Thätigkeit entfaltet.?) Er wird in der Geſchichte der Neformation 
weiter vorkommen. Gin Kollege Simmlers in Pforzheim war Johann 
Hildebrand aus Schwebingen, der früher feine Bildung an der näm— 
lichen Schule erworben hatte, an welcher er nun als Lehrer und Kon: 
reftor wirkte, Bei ihm batte Melanchthon das Studium der griedifchen 
Sprache begonnen. Im nämlichen Jahr wie Simmler (1511) zog auch 
Hildebrand nad) Tübingen, wo er Profeffor, fpäter Ephorus wurde. 
Sein Vorgänger in Pforzheim fcheint Gerhard Lift gemweien zu fein, 
den Irenicus 3) feiner ausgezeichneten Sprachkenntniſſe wegen einen zwei— 
ten Reuchlin nennt. 2) Gleichzeitig mit Simmler und Lit lehrte in 
Pforzheim Nikolaus Gerbel. Ausführlicheres über ihm wird unten 
folgen. Unter den fonftigen Pforzheimer Lehrern der damaligen Zeit 
ft oh. Knoderer aus Notenburg a/R. nicht zu vergeffen, der 
früher auch ein Zögling der Pforzheimer Anftalt gewefen war. Er 
trat im der Folge in wirttembergifche Dienfte und ftieg dort zur Würde 
eines Nathes und Kanzlers empor. 

Bon denjenigen ausgezeichneten Männern, welche auf der Pforz— 


— — — — 


1) Vergl. Camerarius, Vita Melanchth, 7, Adami vita philos., 85, Secken- 
dorf, hist. Luth, 11., 158. Letzterer nennt ſogar Simmler den Gründer ber. 
Pforzheimer Schule (S. 203). 

?) Riegg. amoen. Frib., 267. 

3) A. a. O. | 

) Vergl. über ihn auch Lampadius, Beiträge, S. 208 ft. 





Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriftopb. 195 


heimer Schule den Grund zu ihrer Bildung legten, die aber 
zum Theil fchon einer frühern, zum Theil einer fpätern Zeit ange 
hören, find befonders zu nennen: Melanchthon, Kapite, 
Schwebel, Frei, Glaſer, Grynäus, Haller, Hedio, 
Srenicus, Weftheimer, die beiden Wertwein. — Melde 
Umftände Philipp Melanchthon nach Pforzheim führten, wird 
fpäter bei der Lebensgefchichte Johann Ungers erzählt werden. Daß er 
Profeſſor in Wittenberg und der treue Gehilfe Luthers beim Werte 
der Reformation wurde, kann ich als befannt vorausſetzen. — Wolfgang 
Kapito, einer der ausgezeichnetften Zöglinge der Pforzheimer Schule, 
1478 zu Hagenau geboren, wurde fpäter Doftor in drei Fakultäten, 
Prediger in Bruchſal, befleidete vor- und nachher akademiſche Stellen 
zu Freiburg, Bafel und Straßburg und ftarb 1541 an der Peft. Er wirkte 
eifrig für die Sadye der Neformation. (Siehe ımten.) 1) — Von Johann 
Schwebel werde ich ausführlicher reden. — Adam Frei, ein ges 
borener Pforzheimer, wurde Magifter und Kantor an der Stiftskirche 
zu Baden. Gr begleitete den älteſten Sohn Markgraf Chriftophs , den 
Prinzen Jakob, 1489 nad Rom, und wurde fpäter markgräflicher 
Kanzler. Er wurde zu den ansgezeichnetften Juriſten feiner Zeit gerechnet 
— Kaſpar Glaſer war ebenfalls zu Pforzheim geboren, wo fein 
Geſchlecht damals in mehreren Gliedern blühte, 2) Er ift als gründlicher 
Gelehrter bekannt. Am Jahr 1592 war er Lehrer an der lateinijchen 
Schule zu Gemmingen, ging aber im folgenden Jahr nach Zweibrücen 
als Erzieher des dortigen Erbpringen. Daſelbſt wurde er nad) Schwebels 
Tod 1540 Generalfuperintenden. — Simon Grynäus, eigentlich 
Gruner oder Greiner, war 1493 zu VBeringen im Hohenzoller'ſchen 
geboren. In Pforzheim, wo er den bereits in feinem Vaterland erhal: 
tenen Unterricht fortſetzte, ſchloß er innige Freundſchaft mit Melanchthon 
und begleitete denjelben wahricheinlich auch nad Tübingen. Von dort 
ging er nad Wien, wo er Profeffor der griechiſchen Sprade wurde, 
Einige Jahre nachher finden wir ihn als Schulrektor in Ofen, wo ihn 
aber feine Hinneigung zum Proteftantismus ins Gefängniß brachte, aus 


— 


1) Näheres über ihn in Adami, vit. Theol. und Seckendorf, hist, 
Luth. I, $ 41, Nro. 4, Iſelin, IL, 428, 6b. 
2) Wir finden 1519 und 1520 einen U Glaſer, Philipp Glaſer, Hans 
Glaſer, Wilhelm Glaſer. 
13 * 


196 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


welchem ihn nur die eifrige Fürſprache des ungarifchen Adels rettete, 
Bald darauf Fehrte er nach Deutjchland zurüd und nahm in Heidelberg 
eine Profefjur der griechiihen Sprade an. Noch einmal drohte ihm 
in Speier das Gefängniß; doch entfam er mach Baſel, wo er nad 
einem bewegten Leben endlich Ruhe fand. Er ftarb dafelbft am 1. Auguft 
1541.1) — Berthold Haller,?) zu Rotweil geboren, erhielt feinen 
erften Unterricht. in Pforzheim zur Zeit, als die dortige Schule unter 
Simmler in ſchönſter Blüte ftand. Lehrer und Mitjchüler, unter letztern 
wieder Melanchthon, waren geeignet, den ohnedem lernbegierigen Jüng— 
ling zu ausgezeichnetem Fleiß anzufpomen. Melanchthon erinnerte fich 
Haller auch in jpätern Jahren noch mit großem MWohlwollen. Im 
18. Lebensjahre ging Haller auf die hohe Schule nah Köln, von wo er 
in jeine Vaterftadt zurückkehrte. Im Jahr 1513 ging er nad Bern, 
wo er das Werk der Reformation begann und vollendete. 3) — Kafpar 
Hedio, eigentlich Heydt, 1494 in Ettlingen geboren, auf der Schule 
zu Pforzheim, ſpäter auf der Hochſchule zu Freiburg gebildet, war in 
ber Folge Lehrer in Baſel, Hofprediger in Mainz, Domprediger im 
Straßburg, wo er für die Sache der Neformation aufs Eifrigfte wirkte, 
Er ſtarb dajelbft am 17. Oktober 1553. — Franz Srenicus, eigentlich 
Triedlieb, ebenfalls aus Ettlingen gebürtig (um 1495), erhielt feinen 
eriten Unterricht in feiner Waterftadt, vertaufchte jedoch denfelben bald 
mit dem der Schule in Pforzheim, wo er mit Melanchthon gleich Gry: 
näus, Haller u. A. fi innig befreundete. Dort nahm er auch an dem 
Schaufpiel Theil, welches vor Reuchlin aufgeführt wurde, als biefer 
einft von Stuttgart in feine Vaterftadt kam (S. 169). Später ftudirte 
Irenicus in Tübingen und Heidelberg, wurde an letzterm Orte Magifter 
1518 Nektor der dortigen Katharinenſchule und Mitglied der philofophi- 
Ihen Fakultät, 1524 Stadtpfarrer in Ettlingen, 1530 nad) feiner Ver: 
treibung von dort Pfarrer in Gemmingen, Er ftarb um 1565. 9) — 
Bartholomäus Weftheimer, 1499 in Pforzheim geboren, fcheint 
um 1525 Kaplan in Raftatt geweſen zu fein, wo er den Drud einer 


) Näheres über ihn Riegg. amoen, Frib., p. 211. 
*) Vergl. über ihn: Kirchhofer, Berth. Haller oder die Reformation in 
Bern, Zürich, 188. 

°) Eijenlohr, Kirchengeihichte und Melch. Kirchhofer, a. a. O. 

*) Camerarius, vita Melanchth, p. 8, und Cent epist. Henr. Schweb, 
No. 23, p. 68. 


Zehntes Kapitel, Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 197 


Schrift des württembergijhen Neformators Brenz: „Bon Milterung 
der Fürften gegen die auffrürifchen Bauern“ veranftaltete, Er zeichnete 
ſich auch ſpäter nicht nur als theologiſcher Schriftjteller, fondern auch 
als gelehrter Buchdrucker aus. Er ftarb als Greis in Horburg in der 
Grafſchaft Mömpelgard, unter deren Neformatoren er einen ehrenvollen 
Plag einnimmt. Gleich feinem Landsmann Reuchlin vermachte er feiner 
Vaterftadt feine Bibliothek. (Diejelbe wurde im vorigen Jahrhundert 
nah Durlad gebracht und jpäter mit der Hofbibliothek in Karlsruhe 
vereinigt.) -— Chriftopb Wertwein war um 1510 in Pforzheim 
geboren. Er ſtammte aus einer alten Jamilie (S. 77).1) Im Jahr 
1536 kam er nach Freiburg, nachdem er porher in Tübingen ftudirt 
hatte, wurde ſpäter Doktor in Padua, worauf er nach Wien ging. Dort 
wurde er Almofengeber und Hofprediger von Kaiſer Ferdinand I. und 
endlich Biſchof von (wieneriſch) Neuftadt. Nach dem Tode des Biſchofs 
Naufen von Wien erbielt er deſſen Stelle und wurde nun auch dee 
Kaifers Gewifjensrath. Er ftarb dajelbft 20. Mai 1553, nachdem er 
noch vor feinem Tode feiner Vaterftadt ein Kapital von 300 Gulden 
zum Beten armer Ztudirender vermacht hatte, — Mathias Wert: 
wein, des Vorigen jüngerer Bruder, geboren um 1520 in Pforzheim, 
jtudirte von 1541 an in Freiburg. Später folgte er feinem ältern 
Bruder nad Wien, wurde 1552 Domherr an der dortigen Metropolis 
tanfirche, am 17. September 1553 Dekan des Domtapitels, 1556 
Dompropft und Kanzler der Univerfität, und erhielt die Würde eines kaiſer— 
lichen Pfalzgrafen. Im Jahr 1559 gab er jenen Poften auf, wurde 
alsdann Domherr in Augsburg, fpäter im Briren und zugleih Kanzler 
des dortigen Fürftbiihofs, wo ev 6. Nov. 1580 ftarb. Er machte vor 
feinem Tode eine Stiftung im Betrag von 6000 Gulden für ſechs 
ftudirende Sünglinge, theils von Briren, theils von Pforzheim. Diefelbe 
ging jedoch im dreikigjährigen Krieg wieder verloren. 

Andere ebenfalls berühmte Männer, theils geborene Pforzheimer, 
theils Zöglinge der dortigen Schule, waren aus diefer und etwas fpä- 
terer Zeit: Hieronymus Ju dus, Doktor beider Rechte und Rektor zu 


1) Aus derjelben fommen noch vor: Peter Wertwein 1521, Philipp W. 
1565; ein anderer Peter W., wahricheinlid Sohn des eben genannten, war 
1565 Amtmann bes Frauenflofters zu Pforzheim. Chriſtoph Wertwein, der 
um 1620 ftarb, ift der fette dieſer Familie gemejen. 


i98 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Ehriftoph. 


Freiburg, 1523 (aus Pforzheim); 1) Mart. Mercator aus Pforzheim, 
1526 Lehrer an der Tat. Schule zu ſchwäb. Hall; 2) Johann Lorhard, 
vermuthlich ebenfalls aus Pforzheim, Profefjor des Gymnaſiums in 
Durlach, ftarb 1609 in hohem Alter als Prediger zu St. Gallen; 3) 
oh, Marquard, Doktor der Rechte, aus Pforzheim gebürtig, gehörte 
zu den Räthen des Markgrafen Ernft und murde von diefem auf den 
Neichstag nach Negensburg gejchielt LOL 54) Konrad Detinger, eben: 
falls ein geborener Pforzheimer, trat in den Dienft des Landgrafen von 
Hefien und war 1534 Hofprediger des Herzogs Mlrih von Württem— 
berg; 3) Peter Bilfinger, Johann Schopf, Schroppius, Not 
u. U. m. 

Bereits im zweiten Viertel des fechszehnten Jahrhunderts, ale 
Pforzheim feine berühmteften Lehrer verloren hatte und feine ebenbürtigen 
Kräfte an ihre Stelle traten, hörte dev Ruhm derfelben allmählig auf. 
Biel trug nun allerdings auch der Umftand dazu bei, daß andere ähn— 
liche Anftalten gegründet wurden und raſch zur Blüte gelangten, fo 
namentlich die Schule zu Straßburg, ſpäter (1586) auch das Gymna— 
fium zu Durlach. 


$5. Gründung der Singergefellfhaft. (1501.) 


In diejenige Zeit, deren Darftellung die Aufgabe dieſes Kapitels 
ift, fällt auf die Entjtehung des älteſten Vereins unferer Stadt, nämlich 
der Singergefellfhaft, Schon ihr Alter, in gleihem Grade aber 
auch die Veranlafjung ihrer Gründung läßt fie intereffant genug erjchei- 
nen, um ihr einen bejondern Abjchnitt zu widmen und Unterjuchungen 
über ihre Entſtehung anzuftellen. 

Die älteſte, urkundlich belegte Nachricht von dem Beſtehen der 
Singergejellihaft it von 1695. Am 17. Dftober jenes Jahres nämlich 
erjhien laut noch vorhandenen Rathsprotokolls Herr Niklaus Burkard 
der Goldſchmied Namens der Singergejellihaft als damaliger 





1) Riegg. amoen. Frib. 

2) Pfaff, württemb. Geſch. ©. 9, 

3) Eijenlohr, Kırdengeichichte. 

) Sachs, IV., 41. 

°) Fischlin, memor. theol. Wuert. L, 3, 


Zehntes Kapitel, Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 199 


Obermeifter derfelben und Flagte gegen Hans Knaus, daß diefer 20 fi. 
in die Gefellichaft ichulde, die zur Kirche in Pforzheim verehrt (vermacht) 
worden ſeien. Weitere zuverläffige Kunde über den Verein gibt das 
im Jahr 1701 angelegte und noch vorbandene neue Stammbuc des: 
jelben. Damals erfolgte nämlich, nachdem während des verheerenden 
orleans'ſchen Krieges die alljährlihen Verſammlungen der Gefellichaft 
unterblieben waren, ihre neue Konftituirung, und zwar durd) diejenigen 
Männer, welche fhen im Jahr 1694 Mitglieder des Vereins geweien 
und 1701 noch am Leben waren. Zu diefen gehörte u. A. auch der Hafer 
Chriſtoph Wilderfinn, der nach feiner eigenen Angabe im Stammbuch 
der Geſellſchaft 1684 beigetreten war und 1689 die Stelle eines Ober: 
meifters befleidet hatte. Auf der eriten Seite des Buches findet fich 
num folgende Bemerkung: „Diefe löbl. Sengergefelichaft rühret von 
Einer erjchredlichen peft Zeit ber, im Jahr 1501, wo fich niemant 
mehr zu dem andern getrauet, ohne jeinen Dodt zu ſuchen, md ift 
das erfte Buch durch den Brant verbrant worden ano 1692. niemant 
ift berechtigt. ſolche aufzuheben, oder weg zu nehmen.” Wer diefe Zeilen 
geſchrieben, ift dabei nicht angegeben. Es ijt indeß mit Sicherheit an- 
zunehmen, daß es durch ein Mitglied der Geſellſchaft geſchah, welches 
das Ältere, 1692 verbrannte Stammbuch geleſen und obige Mittheilung 
über das Jahr der Gründung des Vereins und die Deranlaffung dazu 
daraus geichöpft hatte. Ob mun jenes ältere Stammbuch, welches in 
erwähnter Notiz als das „erfte” bezeichnet wird, auch das urfprüngliche, 
d. b. ein bei der Gründung im Jahr 1501 begomnenes war, ob über: 
haupt damals, oder nicht erjt ſpäter ein folches angelegt und die An: 
gaben über die Gründung der Veberlieferung oder gefchehenen Aufzeich- 
nungen entnommen wurden: das Alles läßt fi nicht mehr ermitteln. 
Ammerhin aber fteht die Weberlieferung, die ſich bis heute lebendig er: 
halten bat, jener Angabe im dermaligen Stammbuch beftätigend zur 
Seite und weiß diefelbe noch mehr zu vervollftändigen. Ms im Jahr 
1501, jo erzählt fie, eime fürchterliche Peft wüthete, dev Nachbar den 
Nachbar verließ, jeder fein Hans verſchloß, die hilfloſe Lage der Kranken 
noch jehredlicher war, als der Tod felbft und manche Geftorbene in den 
Kammern, wo fie verfchieden waren, vermesten: da bildete ſich in 
Pforzheim ein Verein der biederften Menſchen, welche fih unter einander 
verbanden, ihren erkrankten Mitbürgern unentgeldliche Hilfe zu leiften, 
feinen im Tod zu verlaffen und nicht nur für ihr Begräbniß Sorge zu 


200 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


tragen, fondern fie auch unter Abfingung frommer Lieder zu ihrer letzten 
Ruheſtätte zu begleiten (daher der Name „Singergefellihaft”“), 
Zu fteter Erinnerung an dieje Peſt und am die aufopfernde Nächten: 
liebe, die fich dabei Fundgegeben, dauerte der Verein auch noch nad) 
dem Aufhören der Seuche fort, und er Hat ſich, wie bekannt, bis auf 
den heutigen Tag, wenn auch felbtverjtindlich mit verändertem Zweck 
erhalten, 

An dem Hohen Alter der Singergejellichaft läßt fi) nach dem 
Bisherigen eben jo wenig zweifeln, als der Erzählung von der Veran: 
lafjung derfelben irgend gegründete Bedenken entgegen ftehen. Nahe aber 
liegt dabei noch die Frage, von welcher Art denn eigentlich die Peſt 
gewefen, die zu Anfang des 16. Jahrhunderts in Pforzheim fo ver: 
-beerend aufgetreten fein fol. Weder mündliche, noch fchriftliche Ueber: 
lieferungen geben in Pforzheim felber auf diefe Frage Beſcheid. Es 
it darum nöthig, denfelben anderweitig zu ſuchen. Er läßt ſich aud 

finden, fällt aber auf eine Weiſe aus, die eine erläuternde Einleitung 
wothwendig macht. 

Gegen Ende des 15. Jahrhunderes tauchte in Deutfchland eine 
abjcheuliche Krankheit auf, von der die Chroniften jener Zeit behaup: 
ten, daß dieſelbe durch deutſche und ſchweizeriſche Landsknechte, die. 
in franzöſiſchem Dienft nad Neapel gelommen waren, nad) Deutfch: 
land gebracht worden ſei. Ihre Verbreitung war eine fo raſche, daß 
fie im Verlauf weniger Jahre ganz Europa durchzog, und in man: 
hen Gegenden, namentlich in Süddeutſchland, ſogar mit großer Hef⸗ 
tigkeit epidemiſch auftrat. Das Uebel ſchonte keines Geſchlechts, keines 
Alters, 1) keines Standes.?) Geiſtliche wie Weltliche, Vornehme wie 
Niedrige wurden befallen. Fragen wir, wie das möglich war, fo geben 
ung medizinische Schriftfteller jener Zeit darüber Auskunft, Sie erklären, 


') Hieronymus Emfer von Um zählt in einer 1510 von ihm erſchie⸗ 
nenen Schrift eine Menge von Kindern auf, welche von der Seuche befallen 
wurden. 

) Man weiß heute noch eine Menge von Namen theils durch ihren Rang, 
theils durch ihre Bildung hervorragender Perfonen, welche zwijchen 1495 und 1510 
von der Seuche ergriffen wurden, fo Ulrich von Hutten, ber auch jpäter daran 
farb, der Bischof Hieronymus von Brandenburg, Herzog Ernft von Sachen, 
Heinrich III., Graf von Echaumburg u. A Aud der Markgraf Philipp von 
Baden mußte 1533 der Krankheit erliegen. 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 201 


daß die Anſteckung ſchon durch das Zuſammenwohnen mit Kranken, die 
Benügung von Kleidern, Betten, Badanftalten, chirurgiſchen Inſtrumen— 
ten, Trink- und Tifchgeräthen, welche in ihrem Gebrauch geweien, das 
Küffen und einfache Berührung mit der Hand erfolgt ſei; ja man be: 
hauptete fogar, daß der Athem der Kranken und die von ihnen aus: 
gehende Luft hinreichend fei, um ebenfalls von der Seuche befallen zu 
werden. Wenn wir nun weiter erfahren, wie jehr die Gefundheitspolizei 
damals no im Argen lag, wie die Abfonderung der Angeftecten, 
namentlich in der erſten Zeit des Auftretens der Seuche, wirklich fo ſehr 
vernahläffigt wurde, daß in Bädern, Gaſthäuſern, Barbierftuben :c., 
Kranke und Gefunde durch einander fich derfelben Gefäße bebdienten , fo 
daß beifpielweife der Kurfürft von der Pfalz durch eine eigene Verord— 
nung diefem Mißbrauch Einhalt thun mußte; 1) wenn ferner, wie es 
befannt ift, die Aerzte fich ganz rath- und thatlos zeigten, und bei ber 
Neuheit der Seuche ihnen fein Mittel gegen diefelbe bekannt war: fo 
dürfen wir ung nicht mehr wundern, daß diefelbe jolche allgemeine Vers 
breitung finden und jo verheerend auftreten fonnte, namentlich) da auch, 
wie verfichert wird, ihr Charakter ein noch viel bösartigerer war, als er 
e8 heut zu Tage if. Alle Zeitgenofjen jchildern die Krankheit, wie fie 
damals auftrat, als ein häßliches, furchtbares, bösartiges und giftiges 
Uebel, vor dem die Menfchheit zurüdichaudere, das den Leib auszehre, 
ben Geift erfchöpfe nnd die Kranken in lebendige Leichen verwandte, 
Sie that fi in der Negel bald nad ihrem Beginn dadurch fund, daß 
fie ihre Gift über den ganzen Körper ergoß und diefes einen Hautaus— 
ſchlag erzeugte, der fi) entweder zu dien Kruften gejtaltete, oder in 
warzen⸗ oder zapfenartige Geſchwüre überging, die ſchwarzes Blut und 
ftinfende, giftige Jauche ergoffen, nicht felten bis auf die Knochen drangen 
und Fäulniß Über den ganzen Körper verbreiteten. Nicht wenigen Kran: 
fen fielen die Nafen ab, andern brannte das Uebel die Wangen hinweg 
oder Löcher in den Leib, zumeilen wurden ſelbſt die Augen zerftört und 
die Knochen blosgelegt. Der Berlauf der Krankheit war in der Negel 
ein fehr Iangwieriger und darum um fo qualvollerer, und endigte in 
den meiften Fällen mit einem janmervollen Tod, namentlich wenn den 
Kranken Löcher in den Hals fielen, daß fie Feine Nahrung mehr zu fich 
nehmen konnten. Aber auch diejenigen, die wieder genafen, trugen von 


1) Pfälzer Kop. Buch XVIL, und Häuſſer, Gel. der Pfalz L, 457, 


202 Zehn tes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


der Krankheit lebenslängliche Gebreſten davon. „Es ward vil armer 
leuthen darvon vergifftet, lamm, feldſiech, etliche kamend umb hand und 
füß,“ ſagt ein Schriftſteller der damaligen Zeit. 1) 

Wenn nun dieſe Krankheit ſo fürchterliche Erſcheinungen zeigte und 
ſo leicht ſich auf Andere übertrug, ſo darf es uns nicht befremden, wenn 
der Freund den Freund, der Bruder den Bruder floh, wenn manche 
Kranke auf die elendeſte Weiſe, oft durch Hunger, zu Grunde gingen, 
wenn felbit die Ausiägigen, deren es damals nicht wenige gab, nicht 
mit folhen Kranken zufammenwohnen und verkehren wollten, weil fie 
fürdhteten, von einem noch ſchlimmern Uebel, als das ihre war, befallen 
zu werden. ) 

Daß es eine derartige Seuche und feine andere Peſt war, die zu 
Anfang des 16. Jahrhunderts in Pforzheim fo entfetzliche Verheerungen 
anrichtete und die Gründung der Singergefellichaft veranlaßte, läßt fich 
wohl nicht bezweifeln. Es fprict dafür auch der Umstand, daß jene 
Krankheit zu gleicher Zeit, wie in Pforzheim, aud im andern jebt 
badischen Städten geherrſcht bat, fo 3. B. in Freiburg, wo 1501 
dev Peſt ausdrüclich erwähnt wird, 3) jo in dem näher Tiegenden 
Bretten, wo dieje Krankheit, an der aud der dortige Schulmeifter litt, 
Veranlaffung wurde, daß der Großvater Melanchthons diefen aus der 
Schule nahm und für feinen Enkel einen eigenen Hauslehrer hielt, — 
fo namentlich in Heidelberg, wo, wie ein Gefchichtsichreiber verfichert, 4) 
die Seuche in Stadt und Umgegend zu Anfang des 16. Jahrhunderts 
gränzenlos wüthete, und, wie oben ſchon erwähnt, ein Eurfürftliches Dekret 5) 


N) Siebold Schilling, Priefter in Zürih, bei Meyer-Ahrens: 
Gefchichtliche Notizen über die Luftfeuche in der Schweiz, 1841, ©. 17. 

2) Zu dieſer Darftellung der Entſtehung und Berbreitung der Seuche und 
ihrer äüußern Erſcheinung wurde bauptjählid bemügt: Fuchs, die älteſten 
Echriftfteller über die Luftienche in Deutſchland von 1495— 1510. (Göttingen, 
1843.) In diefem Bud find 13 folder Schriften, darunter auch Job. Wid— 
manns „Tractatus de pustulis‘“ (jiche oben ©. 181) vollſtändig abgedrudt 
und aus vielen andern (fo aud aus Wibmanns „de pestilentia“*) Belegſtellen 
mitgetheilt. Am Schluß gibt der Herausgeber eine Furze Darftellung der epis 
demiſchen Luftieuche in Deutichland. 

3) Sautier, Philantropen von Freiburg, oder die Stifter und Wohlthäter 
der Univerfität, ©. 144, 

4) Häuſſer, Geſchichte der Pfalz, I, 457, 

5) Ebendaſelbſt. 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgtaf Chriſtoph. 208 


hervorrief, das mit den Morten beginnt: „Als der allmechtig got ein 
ſchwere anbengig Tangwierig Franfheit difer Ziten vber die menſchen diejer 
gegend verhengt, die Yon einem zum andern greiffet, genant die franzufen, 
und es nun Etlich Jar gewert und noch Fein wfhoren hat“ x. Ummahr: 
ſcheinlich iſt bloß das, daß die Seuche in Pforzheim nur im Jahr 1501 
geherrfcht bat. Sie mag ſchon einige Jahre vorher dafelbft fich gezeigt, 
ſcheint aber 1501 ihren Höhenpunkt erreicht, und damals neben ander 
Maßregeln dagegen auch die Gründung der Singergefellichaft als eines 
freiwilligen Vereins zur Folge gehabt zu haben, deſſen Mitglieder ſich 
die Pflege der ſonſt verlaffenen Kranken und die Beftattung der der 
Seuche erlegenen Zodten zur Aufgabe machten. 

Daß die Krankheit auch in den folgenden Jahren noch fortdauerte, 
erfehen wir aus einer 1509 in Pforzheim (vergl. S. 191) erſchienenen 
Schrift, die zugleich „wiederum einen Beweis dafür liefert, daß bie 
peitartige Seuche in Pforzheim wirklich von der bezeichneten Art 
gewefen. Die Nebtiffin des Dominikanerinnenklofters zu Pforzheim, 
Eliſabeth Schöttin, Hatte dem Meifter (Arzte) Alerander Sytz (Seiz) 
dafelbjt Fünf Fragen über die herrfchende Seuche vorgelegt. 1) Diejer 
beantwortete fie in einer Echrift, welche den Titel führte: „Ein 
nuglich vegiment wider die bofen Frangojen mit ettlichen klugen rag: 
ſtücken.“ Der Verfaffer behauptet darin, daß die Krankheit im Jahr 
1491 in Alvernia (Auvergne) angefangen habe und „eine rut und ftraff des 
Himmelsfürften, unfer Sind damit zu ftraffen,“ jei.?2) Wenn Eeiz feine 
Schrift unbefangen der erwähnten Aebtiſſin widmete, wenn auc ber 
mehrfach angeführte Johann Widmann 14519 feinen Töchtern zu lieb 
einen deutjchen Auszug aus jeiner jchon 1497 über diefen Gegenjtand 
erfchienenen Schrift machte; wenn endlih aud Ulrich ven Hutten eine 
Schrift über den gleichen Gegenjtand 1519 ganz argles dem Erz: 
biihof von Mainz widmete: fo gebt darans hervor, dak die Krankheit 
damals nicht den anrüchigen Charakter trug, wie das heut zu Tage der 

4) Vergl. Bierordt, Geſchichte der evang. Kirche in Baden, II, 99. 

2) Die Anfiht, dab die Seuche cine Strafe Gottes jei, welche ſich die 
Menſchen durch ihre unverbeſſerlichen Sünden, dur ihre Gottesfäfterungen, 
ihren Hochmuth, und vorzüglich durch das häßliche Laſter der Unfeufchheit zu- 
gezogen hätten, fand weite Verbreitung. Am Jahr 1495 erließ Kaifer Mari- 
milian ein Edift gegen bie Göttesläfterer, worin ausdrücklich erwähnt wird, 
daß neben andern Plagen vorzüglich die Luſtſeuche Beranlaffung gebe, die Frevler, 
welche den Zorn Gottes erregten, ſttenge zu beftrafen. 





204 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriftoph. 


Tall iſt. Es erklärt ſich diefes ohnehin aud) daraus, daß eine Anſteckung 
ganz leicht erfolgen und jomit den meijten der von der Seuche Behafeten 
ber Vorwurf der Unfittlichkeit nicht gemacht werden konnte. Groß aber ift 
das Verdienſt jener Männer, welche die Zingergefellihaft gründeten und 
bereitwillig Gefundheit und Leben aufs Spiel fegen, um ihren von der 
efelerregenden Seuche befallenen Mitbürgern oder deren Angehörigen 
Troft und Hilfe zu bringen oder, wenn fie dejjen nicht mehr bedurften, 
ein ehrliches Begräbniß zu verfchaffen. Wenn die Namen diefer Edeln 
auch nicht bekannt find, jo wird doch ihr Andenken in beftändigem 
Segen bleiben ! 


Anbang. 





Die Peſt in Pforzheim (1501). 


Welch Lärmen, welch Gebränge 
Stört Pforzheim's Morgenrub’? 
Was treibt in bunter Menge 
Das Bolf dem Rathhaus zu ? 

D wär e8 nie geſprochen 

Das ſchauervolle Wort: 

„Die Peſt ift ausgebrochen!“ 

So tönt’ von Drt zu Ort. 

Heute roth, 

Morgen todt — 

Hilf uns, Herr, in der legten Noth ! 
Und wer nod wandelt im goldnten Licht, 
Gedenke des Todes, der Chriſtenpflicht! 


D Leid! An jedem Haufe 
Kehrt Klag’ und Jammer ein; 
Die Würgerin, die graufe, 
Berihont nicht Groß und Klein; 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriftoph. 


Das Kind, ben fräft’gen Gatten, 

Das Weib im Schönheitsglanz, 

Din Greis, den altersmatten, 

Die Braut im Myrthenkranz. 

Heute roth, 

Morgen tedt — 

Hilf uns, Herr, in ber fetten Noth! 
Und wer noch wandelt im golden Licht, 
Gedenke des Todes, der Ehriftenpflicht! 


Verbdet ftehn die Straßen, 
Es ſchweigt der Arbeit Schall, 
Des Hirten muntres Blaſen, 
Gefang und Peitſchenknall; 
Die Sterb'glock' hört man hallen, 
Der Nonnen Klageplolm, 
Biel hundert Opfer fallen 
Jach wie bes Graſes Halm. 
Heute roth, 
Morgen todt — 
Hilf ung, Herr, in ber letzten Noth! 
Und wer noch wanbelt im goldnen Licht, 
Gedenke des Todes, der Ehriftenpflicht ! 


Der Kirchhof wird zu enge, 
Er firäubt fi mehr und mehr, 
Der Todten ſchwere Menge 
Zu faſſen nad Begehr; 
Am Wege, vor den Thüren 
Häuft ſich der Leichen Zahl; 
Kein Menſch will fie berühren, 
Es fteigt die Angft und Dual, 
Hente roth, 
Morgen todt — 
Hilf uns, Herr, in ber letzten Noth! 
Und wer noch wandelt im golduen Licht, 
Gedente des Todes, der Chriftenpflicht! 


Der Bruder flieht die Schwefter, 
Den Hausherren das Gefind, 
Den Freund ber Freund, fein befter, 
Die Mutter felbft ihr Kind. 
Geſprengt find alle Bande 
Der Sitte, der Natur; 


205 


206 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


Ver übt noh Macht im Lande? 

Die Peſt ift Harrin nur! 

Heute roth, 

Morgen todt — 

Hilf uns, Herr, in ber legten Noth! 
Und wer noch wandelt im goldnen Licht, 
Sedenfe des Todes, der Ehriftenpflicht ! 


Derweil nun, pefigepeinigt, 
Die Stadt voll Jammers war, 
Hat Rathes fi vereinigt 
Von Bürgern eine Schaar 
Und glaubensjtarf geichlofjen 
Ten edlen Singerbund; 
Biel wadre Gildgenofjen 
Gelobten ſich's zur Stund: 
„Was euch droht, 
Qual und Tod, 
Laßt uns lindern der Kranken Noth! 
Und wer noch wandelt im goldenen Licht, 
Er üb' an den Todten die Chriſtenpflicht!“ 


So führten ſie mit Singen 
Ihr Amt, der Stadt zum Heil, 
So Hohen als Geringen 
Ward Hilf' und Troſt zu Theil; 
Die Lieb' und Treue kehrte 
Zurück in's Thal der Enz, 
Und Gott im Himmel wehrte 
Dem Grimm der Peſtilenz. 
Heute roth, 
Morgen todt — 
Hilf dem Nächſten nach Gottes Gebot! 
Wer weiß, wann die Noth in's Haus dir bricht! 
Gedenke des Todes, der Chriſtenpflicht 


86. Zur Sittengefdicdhte jener Deit. 1) 


Die vorhandenen Quellen geftatten zwar die volljtändige Entwerfung 
eines GSittenbildes für jene Zeit nicht; indeſſen find einzelne Pinfelftriche 


1) Hauptſächlich nach vereinzelten Notizen aus Schriftſtücken des ſtädtiſchen 
Archivs. 


Behntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 207 


zu einem folchen immerhin interefjant genug, um bier in möglichitem 
Zufammenhang mitgetheilt zu werden, 

Daß die damaligen Sitten zum Theil ftrenger als die heutigen 
waren, erjehen wir aus einigen Beſtimmungen der Yandesordnung ?) von 
1495. So follten z. B. Gottesläfterer, die bei Gottes oder jeiner lieben 
Heiligen Namen, Öliedern oder jonft ſchwören oder in anderer Weife 
Gott dem Schöpfer Unchre than, auch alle, die mit ſolchen Leuten ver: 
kehren, fie beherbergen oder ihnen zutrinken würden, hart beftraft und 
im Lande gar nicht geduldet werden. Wer der Ehre einer Jungfrau 
zu nahe trat, mußte ihr, wenn er fie nicht ehelichen wollte oder Fonnte, 
dafür eine bedeutende Geldjunme als Entihädigung bezahlen. Auf 
Ehebruc war eine Strafe von 10 Pfund Pfennig (etwa 42 fl.) geſetzt ıc. 
Trotz der ſtrengen Strafen, welche für derartige Vergeben beftimmt waren, 
ſah es im Punkte der Sittlichkeit in damaliger Zeit im Allgemeinen viel 
ihlimmer aus, als heut zu Tage, und diejenigen haben ſehr Unredt, 
weldhe meinen, daß man in der „guten alten Zeit” in diefer Beziehung 
weniger zu Flagen gehabt hätte. 

In Pforzheim, wie in manchen andern deutfchen Städten, machte 
damals der jteigende Luxus, der Üübertriebene Aufwand bei Taufen, Hoch: 
zeiten 2c. Gejeße dagegen nothwendig. So wurde 5. B. im Jahr 1495 
beftimmt, daß bei Strafe von zehn Pfund Pfennig zu einer Hochzeit 
nicht mehr als fünfzig Perionen geladen und über „fünf gemeiner Efjen“ 
nicht gegeben werden dürften in Hochzeitgeſchenk durfte nicht über 
2 Schilling Pfennig (gegen ZU kr.) betragen ; nur nahe Verwandte und Aus: 
ländiſche durften geben, jo viel ihnen beliebte. KRindbettgejchenfe waren bei 
Strafe von 30 Schilling Pfennig verboten; Tauf- oder Pathengeſchenke 
durften den Betrag von 2 Schilling Pfennig nicht überfteigen. Nehnliche 
Berbote mußten gegen das Spielen erlafien werden, Damals übliche 
Spiele waren namentlih das Damenbrett, 2) die Würfel und die Kar— 
ten. Letztere, bekanntlich eine franzöfiihe Erfindung aus dem Anfang 
des 15. Jahrhunderts, waren ſchon zu Ende desjelben in Pforzheim 


—r. 


3) Eiche elftes Kapitel. 

2) Verſprach ja doch der Pforzheimer Stadtichreiber A. Hug dem in Baden 
befindlichen Piorzbeimer Vogt, Hans von Königsbach, zu ihm zu fommen, wenn 
er „ein Brettjpiel vermöchte“ (S. 180). 


208 Zehntes Kapitel, Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


befannt, 2) Damals wurden aber alle dergleichen Spiele unterfagt, und 
nur geftattet, „um Kurzweil“ und nicht höher, denn um einen Pfennig 
zu fpielen. Einzelnen ftädtifchen Bedienfteten, wie namentlich den Büt— 
teln, waren die Karten und Würfel im Wirthshaus ganz verboten und 
nur auf dem Nath: oder Kaufhaus erlaubt. 

Daß man in der „guten, alten Zeit“ eben jo wenig als heut zu 
Tage einen fchmadhaften Biffen und einen guten Trunk verfchmähte, 
dafür laſſen fich manche Beweiſe beibringen. Namentlich aber wurde 
ein „Trunk“, wo e8 immer anging, mit jedem Gejchäft verbunden und 
auch immer zum Voraus bedungen. Sehr häufig mußte auch der Ger 
meindefädel dazu herhalten, und die Mitglieder der ftädtifchen Behörden 
pflegten darin _am wenigſten zu knauſern, wenn ihnen felbft etwas davon 
zu gut kam. Es «boten ſolche Anläffe, Etwas zu „verzehren“, Erſatz 
für Diäten, von denen in Geld Feine ausbezahlt wurden. Wie man 
ſich dafür ſchadlos hielt, zeigt unter Anderm eine Schäfereirechnung, die 
zwar aus etwas fpäterer Zeit ftammt, 2) aber zu der Annahme beredh- 
tigt, daß es früher auch nicht anders gehalten worden. Die ganze Ein— 
nahme der Schäferei, die damals in Stadt und Altftadt aus 1356 Etüd 
Schafen beftand, belief ſich auf 145 fl. 14 fr. Davon blieb außer den 
unumgänglich nöthigen Ausgaben, worunter z. B. für Papier 2 fr., für 
Stellung der Rechnung 24 fr. und ein Ertragejchent für den Skribenten 
von 13 fr., nicht mehr reine Einnahme übrig, als 13 fl. 48 kr.; dae 
Uebrige wurde größtentheils „verzehrt“, und zwar nahmen Alle daran 
Theil, die mit der Echäferei irgend Etwas zu thun hatten. So heißt 
e8 unter Anderem: „Als mit den Echäfern das Lamm nad alter 
Gewohnheit verzehrt worden, gingen bei Schwertwirth Chriftoph Leonhard 
drauf 7 fl. 24 fr.” ; ferner: „Bei Einziehung des Salzgeldes wurden 
durch Bürgermeifter, Ban: und Pferchmeifter, die Schäfer und ihre 
Meiber verzehrt 10 fl. 52 fr.” u, ſ. w. So finden wir auch in den 
alten Zunftrechnungen bei jeder Gelegenheit einen „Trunk“ verrechnet. 
Driginell ift jedenfalls auch der Umftand, daß auf dem Rathhauſe zur 
Bequemlichkeit der Gerichts: und Nathsverwandten ein eigener Koch be: 
ftellt war, Auch an einem „Tanzboden“ fehlte e8 auf dem Rathhaus 


) Die bebeutendften Epielfartenfabrifen waren zu jener Zeit in Ulm, von 
wo biefelben in Jäſſern bis nad Sizilien, ja in alle Welt verſchickt wurden. 
2) Bom Jahr 1629, 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriftoph. 209 


nicht. Don Weinen waren damals die befannteften und getrunfenften : 
Landwein, Ortenaner, Breisgauer, Elſäßer, Rheinwein. Keine biefer 
Weinforten durfte aber bei hoher Strafe mit einer andern gemifcht wer: 
den; ebenfo war das Weinanmachen ꝛc. ftreng unterfagt und nur das 
Schwefeln geftattet. Ein Berfahren, den Wein füß zu erhalten, war 
damals ſchon befannt. Nener Wein durfte jedoch ohne Erlaubniß Bür- 
germeifters und Raths vor Martini nicht ausgefchentt werden. Daß 
man auch zu Haus dem Weine fleißig zuſprach, bemeist eine Beſtim— 
mung der Ungeldordnung, wornac bei Bezahlung eines Averfums für 
das MWeinungeld auf eine Perfon jährlih 3 Ohm gerechnet mwurden; 
dabei zählten vom Gefinde zwei Perfonen für eine. Dem unbefchränften 
Zehen in den Wirthshäufern ſchob der damals fchon übliche „Nacht: 
gulden” einen Riegel vor, den nad) der ‘Polizeiftunde, weldhe im Som: 
mer auf 10, im Winter auf 9 Uhr feitgefeßt war, Gaft und Wirth 
bezahlen mußten, Die Maaß gewöhnlichen Weins koſtete durchfchnittlich 
2 Pfennig, Daß neben dem Wein- damals auch das Biertrinken 
üblich) war, davon babe ich Feine Spur gefunden, wenn nicht der Aus: 
druck „Maltzenſchow“ (Malzſchau?), der fich in einem Beſcheid vom 
Jahr 1507 findet, ) etwa auf die damals bier übliche Kunft der Be— 
reitung des edeln Gerjtenfaftes eine Folgerung geftattet. In dem Pri— 
vilegienbrief (fiehe unten) kommt übrigens ein Ungeld vom Bier nicht vor; 
dasfelbe würde doch ficherlich nicht gefehlt haben, wenn fchon ein Bier— 
verzapf in größerm Umfange ftattgefunden hätte. Erſt im Lagerbuch von 
1615 ift die Rede vom Ungeld von Wein und Bier. 

Die üblichften Speifen, welche namentlich die Wirthshäufer ihren 
Gäſten boten, waren Suppe, Eier, Fleiſch, Fifche, letztere gebraten, ge 
baden, gejotten und gefulzt, ferner Stodfiiche und Häringe, weld 
leßtere, nad dem Umftand zu fchließen, daß ein eigener Häringfchauer 
in der Stadt beftellt war, vielleicht in verhäftnikmäßig größern Quan— 
titäten als heut zu Tage verzehrt wurden. Das Stüd galt 1 Pfennig. 
Eier Faufte man damals 5 Stück um 1 Pfennig. An Fifhforten wur: 
den verfpeist: Forellen, Karpfen, Hechte, Barben, Eichen, Nafen, Schupps 
fiſche. Auch Krebfe ſcheinen belicht gewefen zu fein. Daß der Markt 
gewöhnlich auch mit Geflügel vwerjehen war, iſt verfchiedenen Angaben 

') Beſcheid vff Allerhand Punkten, vßbeth Abzug, Prieſter gueter, Meifige 
Knecht, hußweinungelt der vom Adel, vnd ber Maltzenſchow halb, anno 1507 


(früher in der Lade Q im ftädtifchen Archiv, ſpäter verloren gegangen), 
Pflüger, Pforzheim, 14 


210 Zehntes Rapitel, Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. 


zu entnehmen. Was die Fleifchpreife betrifft, jo galt damals 1 Pfund 
Kalb:, Lämmer- und Kützfleiſch 4 Pfennig und fo nach Verhältnig auch 
die übrigen Fleiſchſorten; ein Kalbsgekrös Koftete 5 Pfg., ein Küslein- 
oder Lämmergekrös 4 Pfg., ein Kalbskopf I Pfg., vier Kalbsfüße 3 Pfg., 
ein Ochfenmagen 1 Sch. Pfg., ein binterer Darm 8 Pfg., ein Engbeutel 
6 Pig., ein Fuß d Pfg. Auf den Umfang des Fleifchverbrauhs läßt 
fih aus dem Viehſtande, der jehr bedeutend war, einigermaßen ein 
Schluß ziehen, Natürlich waren die eben angegebenen Preife die nor= 
malen; zur Zeit einer Theurung ftiegen fie auch und riefen jogar außer: 
ordentliche Maaßregeln hervor, So wurde 5. B. im Jahr 1548 (Sonn: 
tag nach Medardus) wegen der Theurung des Fleiſches und der Fiſche 
den Wirthen ftreng unterfagt, an Fleiſchtagen Beides zufammen zu be— 
reiten; an verbotenen, d. h. an Fafttagen durften fte, außer für Krane, 
bei ſchwerer Strafe fein Fleiſch kochen. 

Bon Gewürzen wurden außer den gewöhnlichen (Salz, Kümmel zc.) 
auch Ingwer, Zimmt, Nägelein, Muskatnüſſe ꝛc. benützt. Aus denfelben 
machte man verjchiedene Mifchungen, die mit den Namen Süßwürz, 
Speifwürz und Pfefferwürz bezeichnet wurden, Das vorgefchriebene 
Rezept derfelben war folgendes: Zu einem Pfund Süßwürz nahm 
man 14 Loth Ingwer, 4 Loth Mustatnüffe, 6 Loth Zimmt, 2 Loth 
Nägelein, 6 Loth Pariskörner und 31/, oder 4 Loth Safran; zu einem 
Pfund Speiswürz kamen 12 Loth Ingwer, D Loth Zimmt, 4 Loth 
Mustaten, 4 Loth Pfeffer, 6 Loth Pariskörner und 31/, Loth Safran; 
zu einem Pfund Pfefferwürz wurden 14 Loth Ingwer, 3 Loth 
Mustaten, 6 Loth Zimmt, 2 Loth Nägelein, 4 Loth Grenn (grains ??) 
und 3 Loth Pfeffer genommen. 1) Die einzelnen Beftandtheile diefer 
Würzen mußten vorher forgfältig getrocknet und geftoßen werden. Den 
Berkauf beforgten eigene Würzfrämer, die namentlich auf Jahrmärkten 
und Kirchweihen ihre Gefchäfte machten, und denen ftreng auf die Finger 
gejehen wurde, damit fein Betrug unterlief. 2) 

Die Kleidungsftoffe, welche im jener Zeit verwendet wurden, bes 
ftanden hauptfächlih aus Linnen und aus Wolle. Zum vollftändigen 


1) Die Rechnung bei diefen Rezepten ift eine etwas wunbderliche; beim 
erften kommen auf das Pfund 351/, —36, beim zweiten 24°/,, beim britten 
32 Roth, 

2) Vergl. hiezu Würzkrämerorbnung, von Markgraf Chriftoph am Montag 
nah St. Maria Magdalenentag 1515 gegeben, (Stadtarchiv.) 


Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Chriſtoph. >11 


Anzug einer Bürgersfrau gehörten: ein Unterhemd, ein Unterrod, ein 
Dberrod, ein Schaubenrod, 1) ein Gürtel, der manch Mal mit Silber 
ober Gold beſetzt war, ein Mantel und ein Schleier. 

Daß damals die Leichen nicht nur auf den Kirhhöfen, fondern noch 
immer auch in den Kirchen felbft begraben wurden, ift bekannt. Der 
Gebrauch der hölzernen Särge fcheint jedoch noch nicht allgemein geweſen 
zu fein, Es geht dies aus einigen Beftimmungen der im nächſten Ka: 
pitel folgenden „Zodtengräberordnung” hervor. Wurden nämlich mehrere 
Leichen (auf einander) in ein Grab gelegt, fo mußte diefes für jede der⸗ 
felben einen Schuh tiefer gemadyt werden. Wären fie in Särgen ge: 
weien, jo hätte ein Schuh nicht hingereicht. Ferner heißt es darin: 
Kommt eine Leiche von Fremden ber in einem Baum (Todtenbaum, wie 
im Oberland der Sarg noch heute genannt wird), oder begehrt Je— 
mand, in einem Baum begraben zu werden, jo mag das gejchehen ıc, 

Die Werkleute und Taglöhner mußten Sommers und Winters 
Morgens an die Arbeit gehen, ſobald es fo hell war, daß man eines 
Pfennigs Münz oder Gepräge erkennen konnte. Feierabend wurde ges 
macht, wenn man das Salve läutet. Zu welcher Zeit dies gefchehen 
follte, hatte der Bürgermeifter nad Beschluß Gerichts und Raths zu 
beftimmen. In ähnlicher Weife wurden Morgens auch bie Thore der 
Stadt „aufgeläutet,” 

Der Glaube an Heren ftand in jener Zeit nody im jchönften 
Flor, und wie allgemein verbreitet derfelbe war, ehrt die Bulle von 
Papft Innozenz VIII. vom Jahr 1484, durch welche die Herenprozeffe 
eine feitere und geordnete Einrichtung bekamen. Auch in Pforzheim 
fcheint e8 an folchen nicht gefehlt zu haben. 2) So erwähnen alte Akten 3) 
einer Ama Nocdin von Nfingen (Eifingen) als einer Here vom Jahr 
1491, ebenfo der alten Hebamme von da; ferner der Barbara Dres 
berin und Brigitta Segerin von Dietlingen von 1532, der Doro: 
thea Hugin von Huchenfeld von 1524, der Hebamme von Pforzheim, 
die deswegen den Namen der Unholdin erhielt, von 1491, der Katha— 


1) Ein Tſchauben- oder Tſchobenrock, mit einem Tſchoben, d. h. einem 


befondern Leibchen. 
2) In Pforzheim wurde 1507 auch eine Schrift: „Ueber bie Hexen“ gebrudt, 


deren Berfaffer der Pfarrer Mart. Plantih von Tübingen war (S. 190). 
3%) ‚Regiſtrum, darnach allerhandt der Stadt Pforkheym Handlungen zue 
ſuchen,“ früher im hieſigen Stadtarchiv, jegt aber nicht mehr — 


192 Zehntes Kapitel. Pforzheim unter Markgraf Ehriftoph. 


rina Hedin und der Menſchin von Bilfingen aus der nämlichen 
Zeit. Wie die Prozeſſe ausfielen und ob und mie die der Hererei 
Beſchuldigten beftraft wurden, ift in den Alten nicht gefagt. Meiſt 
traf der unglüdjelige Verdacht der Hexerei die Weiber, befonders 
wenn fie alt, gebeugt und triefäugig waren; aber e8 kamen aud 
Beiipiele von Männern vor, die fi mit dem Verheren abgaben, fo 
zwei Männer aus Dietlingen, Edart und Schnefels, im Jahr 
1533. — Eines Herenprozefies, der zwar in eine etwas jpätere Seit 
fällt, kann bier gleich mit ermähnt werden. Derfelbe fpielt in Er- 
fingen im Jahr 1576. Als der franenalbiiche Amtmann Chriftoph 
Rothfuß am 23, Oktober jenes Jahres in Erfingen Herrengericht 
hielt, wurde die dortige Hebamme, Margareta Banerbader, all 
gemein der Hexerei befchuldigt. Cie verhere die Weiber, wenn fie 
niederfommen wollten, greife das Vieh an, lähme und tödte «8. 
Meiber und Kinder in Erfingen und Bilfingen entſetzten ſich vor ihr, 
und die Pfarrherrn beider Orte wollten fein Kind mehr taufen, wenn 
die Hebamme dabei fei. Auf diefe Klagen bin wurde diefelbe ge- 
fangen gefeßt und am 1. Dezember zu Ettlingen verbrannt. Schon 
einige Jahre vorher (1573) waren drei Weiber aus Erfingen wegen 
Hererei in Unterfuhung genommen worden, Zwei davon, Mar: 
garetfa Burfard und Katharina Hildebrandin, ftarben in Bas 
den auf dem Scheiterhaufen,; die dritte, Anton Rots Frau, ent 
leibte fich felbit im Gefängniffe. 1) Ergötzlich ift eine Bittfchrift, welche 
Schultheiß, Gericht und Gemeinde zu Erfingen und Bilfingen unterm 
7. Februar 1577 an den Markgrafen zu Baden richteten, und mo: 
rin fie ihn um Gottes willen baten, daß er fie doch von ihren 
vielen böfen Weibern (Heren), die mit Lähmung und Tödtung des 
Viehs fortwährend großen Schaden anrichteten, befreien möchte, Ob 
und wie der Markgraf diefer Bitte entiprochen bat, vermag ich nicht 
zu fagen. 2) 

1) Vergl. hiezu: Deduftion, das Recht des marggr. Haufes Baden auf 


bas Klofter Frauenalb, S. 134, 252 und 334, 
2) Andere Beiträge zur Sittengefhichte des 15. und 16, Jahrhunderts 


find im folgenden Kapitel zu finden. 


Glftes Kapitel, 





Stadtverfaffung von 1500, ') 
$ 1. Vorbemerkungen. „Ordnung und Polizei“ von 1491. 2) 


Zu denjenigen Städten, deren innere Verhältniſſe unter Markgraf 
Chriſtoph und durch denfelben in einer Weile geregelt wurden, die ſo— 
wohl den frühern Herkommen die Tebenskräftigen Elemente entnahm, 
als denfelben auch neue zeitgemäße Beitimmungen anfügte, weldye bie 
Grundlage zu weiterer fröhlicher Entwicklung bildeten, gehörte auch Pforz- 
heim. Bon jeher ein Kleinod in der Krone ihrer Fürften und darum 
immer der Gegenſtand befonderer Aufmerkſamkeit derfelben hatte fich 
die Stadt feit ihrem Anfall an Baden ihren Landesherrn beftändig fo 
ergeben gezeigt, daß Markgraf Ehriftoph befchloß, ihr in Anerkennung 
der feinen Borfahren bewiefenen Treue und um ihren Wohlftand und 
ihre Blüte zu befördern, befondere Nreiheiten zu verleihen und alle ihre 
innern Verhältniffe im Sinne derfelben zu ordnen und zu befeftigen. 
Der Anfang dazu wurde gemacht durch eine „Ordnung vnd fry— 
heit der ftat pfortzheym“, welche der Markgraf der Stadt auf 


1) Der nachjtehenden Darftellung find hauptſächlich Urkunden, Kopialbücher.sc, 
des Stadt, zum Theil auch des Landesarhivs zu Grunde gelegt. Berglei- 
Hungsweife wurden auch die „Ordnungen“ anderer Orte, fo z. B. von Rafatt, 
(Mone, bad, Archiv, I. und Eifinger: Zur Topographie und Geſchichte von 
Raftatt, Beilage zum Lyzeumsprogramm von 1855), Baden ꝛc. (Zeitichrift 
für die Gefchichte des Oberrheins, IV., 291 und 129 ff.) benützt. 

2) Es fommen in dielem Kapitel viele Geldangaben vor. Um ben Lejern 
die Reduktion auf den heutigen Geldwerth zu erleichtern, bemerfe ich mit Hin- 
weifung auf das ©. 129 und 130 Gefagte, daß der Heller zu "/, Kreuzer, ber 
Pfennig zu 1 Kr., der Schilling Pfennig zu 12 Kr., das Pfund Heller zu 
2 Gulden, das Pfund Pfennig zu 4 Gulden in runder und bequemer Summe 
berechnet werben Tann. 


214 kit Kaptiel. Exraktverfafiung von IHM. 


St. Michels bes beiligen Erzengel Tag (29. Sept.) 1356, und zwar 
vorläufig auf 6 Jahre und unter der Bedingung verlieh, „daß, ob im 
ſechs jaren, ben nehiten nah dato dißs brieffs nachennander vollgende, 
wir oder ennhere erben, an vnſſelbs vnnd an rat, befunnden würden, 
das iellibe erönungen, frobeiten vnnd vfffagungen, innhalt der gemelten 
verſchrybungen, vns end den von Piortzheym nit guet noch nützlich 
werent, das mir dann jelihs gang vnnd gar widderumb abtuon 
vnnd vffheben“ ꝛc. An die Etelle diejer provifortihen Stadtorönung 
trat noh vor Umfluß genannter 6 Jahre eine definitive „Ordnung und 
Polizei”, welhe Markgraf Chriſtoph der Stadt am Montag nah Neu: 
jahr 1491 ertheilte, und melde in der Hauptſache mit der erften „Orb: 
nung und Freiheit” von 1456 übereinftimmte, in Manchem aber auch 
Veränderungen eintreten ließ, welche ſich durch die gemachten Erfahrungen 
als eine Nothwendigkeit berausgeftellt hatten. 

Im Allgemeinen enthielten die von Markgraf Chriſtoph ertheilten 
Städteordnungen eine Menge theil$ gemeinfamer, theils befonderer, den 
Dertlicykeiten der betreffenden Städte angepaßter Beitimmungen, welche 
unmittelbar auf Förderung der Freiheit, Sicherheit, Ruhe und Gedeih— 
ficykeit ihrer Bewohner berechnet waren. Doch darf nicht überfehen wer: 
ben, daß fie auch eine Vermehrung der fürftlihen Einnahmen bezweckten, 
indem fie die direkten Steuern aufhoben und dafür die Verbrauchsaccife 
einführten, welche weit mehr abwarf, da ihr die Geiftlichkeit, der Adel 
und die herrichaftlihen Diener, wenn auch theilweife unter etwas ver- 
änderten Beftimmungen, ebenfo unterlagen, wie die Bürger. (In einer 
Woche Oftobers 1486 gingen beifpielweije in Pforzheim ein an Salzgeld, 
MWeinungeld, Fleifhungeld, Frucdtungeld und Stättgeld beinahe 57 Pfb. 
Pfennig oder gegen 300 Gulden, was jährlich an 15000 fl. machte, — 
eine bedeutende Summe für jene Zeit.) 1) Die gleihmäßiger ver 
theilte Steuerpflicht mußte aber wohlthätig auf das ftädtifche Leben wirken 
und vermögliche Fremde herbeiziehen, wodurdy Gewerbe, Handel und 
Wandel nur gewinnen konnten. So mußten fih bald die Stadtbriefe 
als eine Einrichtung bewähren, welche alljeitig von den fegensreichiten 
Folgen begleitet war, 2) 

Der „Ordnung und Polizei” folgte für Pforzheim nach und nad), 


1) Stabtorbnung von 1486 im Lanbesardhiv. 
2) Bergl, Baders (neue) Babenia, I, 68. 


 Elfies Kapitel. Stadtverfaffung von 1500, 215 


— nicht auf ein Mal, fondern wie ſich unter Zugrundlegung derfelben 
das Bedürfniß dazu ergab — eine Menge anderer „Ordnungen,“ durch 
welche das Ortsregiment, das Gewerbsweſen zc. zeitgemäß geregelt wurden, 
Diele derfelben wurden aus früherer Zeit beibehalten, andere neu ges 
geben, zum Theil noch von Markgraf Chriftoph felber, zum Theil von 
und unter feinen nächſten Nachfolgern, und ſpäter nach Bedürfniß ergänzt 
und verändert. Alle aber bildeten ein ineinandergreifendes Ganzes, das 
ung über die innen Verhältniſſe der Stadt, wie ſich diefelben zu Ende 
de8 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts geftalteten, die intereſſan— 
teften Aufſchlüſſe ertheilt und darum bier ausführlicher beſprochen wer: 
den muß. Che ich es jedoch verfuche, ein Bild diefer Verhältniſſe zu 
entwerfen, müffen einige Bemerkungen vorausgeſchickt werden. Die wid; 
tigfte der erwähnten „Ordnungen“, nämlich die „neue Ordnung und 
Polizei“ von 1491, ift no im Original vorhanden und zwar im ftäd- 
tischen Archiv, Es ift ein ehrwürdiges Dokument, aus 8 zufammenges 
befteten Pergamentblättern bejtehend, wovon 6 beichrieben find und 2 den 
Umschlag bilden. An der durchgezogenen roth- und gelbfeidenen Schnur 
hängen die Siegel des Markgrafen und der Stadt Pforzheim. (Lebtereg 
ift das fhen ©. 79 beichriebene). 1) Bon den übrigen „Ordnungen“ 
find bloß Kopien vorhanden, die in ein Buch 2) gefammelt find. Sie 
alle ausführlich mitzutbeilen, wäre zu umſtändlich und würde allzu viel 
Raum in Anfprucy nehmen. Sch werde ftatt deſſen verfucdhen, den 
wefentlichen Inhalt derfelben in einem Gefammtbild darzuftellen und 
diefem, wie es gerade nöthig tft, einzelne Stellen aus jenen Ordnungen 
ausführlicher einzufchalten. Die Schwierigkeit diefes Gefchäfts dürfte etwaige 
Mängel in der fachlichen Bollftändigkeit entihuldigen. Die Stadtordnung 
von 1491 felber aber möge zuerft ganz folgen. 


1) Außerdem find im ftädtifchen Archiv 3 Kopien davon, eine von 1517, 
eine zweite von 1698 und eine dritte von 1716, Eine größere Anzahl von 
Abichriften befindet fih im Landesarchiv bei jpätern Akten, namentlid den— 
jenigen, welche ben zu Anfang des 18. Jahrhunderts ausgebrochenen Privi— 
legienftreit betreffen. 

2) Dasfelbe bildet einen ftarfen Folianten von 339 beichriebenen Blättern, 
und fheint gegen Ende des 17. Jahrhunderts vom damaligen Stabtichreiber 
Boch angelegt worden zu fein. Die Aufeinanderfolge der Einträge ift durchaus 
feine chronologiiche, fondern es herricht darin die größte Willfür, was aud bie 
Meberficht ſehr erſchwert. 


216 Elftes Kapitel, Stabtverfaffung von 1500. 


Derer von Pforzheim nene Ordnung und Polizei. 1) 
A, Einleitung. 


Wir Chriftoph, von Gottes Gnaden Markgraf zu Baden ꝛc. und 
Graf zu Sponheim, befenmen öffentlich mit diefem Brief und thun kund 
allen denen, die ihn immer anfehen, Tefen oder hören leſen: Nachdem 
wir aus angeborner fürftlicher Natur geneigt und begierig find, den 
Unfern, die ſich täglich gegeri ung gehorſamlich erzeigen und halten, ung 
auch mit Willen und Treuen dienen, folde unfere Hilfe und Gnade 
gnädiglich mitzutheilen, durch die fie mit Förderung des gemeinen Nutzens 
an Ehre und Gut mögen zu Aufgang kommen: darum, und fo die 
ehrfamen unfere lieben und getreuen, Bürgermeifter, Gericht, Nath und 
Gemeinde unferer Stadt Pforzheim ſich gegen unfere Vordern Löblicher 
Gedächtniß und ung allwegher, zu Schimpf und zu Ernſt, mit getreuen 
Darjtreden, Hilfe und Steuer geborfamlich erzeigt, willig und wohl ge 
halten haben, und dergleichen biefür auch thun follen uns, allen unfern 
Erben und Nachkommen, die Markgrafen zu Baden, und der Stadt 
Pforzheim regierende Herren zu fein geordnet werden, und dann auch 
bedenken, wiewohl die gemeldte unfere Stadt Pforzheim mit fammt 
der Altenftadt und den Worftädten daran in unferm Fürftenthum der 
Markgrafichaft ein merklich Glied, und zum Handel und Wandel am 
Beiten gelegen: fo ift fie doch bisher nicht höher, denn anders unfere 
Städte im der gemeldten unferer Markgrafichaft, gefreit, und lange Zeit 
mehr zum Ab- denn Aufgang gerichtet geweien. Solches auf beffern 
Weg zu bringen, han wir aus ehgemeldter fürftlicher Mildigfeit und 
fonders gnädigen Willens, fo wir zu der gemeldten unferer Stadt Pforz- 
beim und ihren Einwohnern tragen, mit guter Vorbetrachtung und nad) 
unferer Freunde und Näthe gepflogenem zeitigem Gutbedünfen und Rathe 
die Obgemeldten von Pforzheim etwas mehr und weiter wollen freien, 
Polizeien und Ordnungen geben, durch die in künftigen Zeiten diefelbe 
unfere Stadt von ihr felbjt gebeffert und zu mehrerer Achtung, Bau 
und unzergänglichem Weſen gehalten und gehandhabt, diefelben Einwohner 


) Des befjern Berftändniffes wegen ift die Urkunde in heut zu Tage übli- 
her Orthographie und Interpunktion mitgetheilt. Die einzelnen Paragraphen, 
die im Original bloß durch etwas größere Schrift der erften Worte angedeutet 
find, wurben bier nummerirt, mit Ueberfchriften verfehen und der leichtern 
Ueberfiht wegen unter vier Hauptrubrifen gebracht. 


Elftes Kapitel. Stabtverfaffung von 1500. 217 


auch an Ehren und Gut zunehmen und Andere von auswendigen Orten 
befto mehr gereizt und hinein zu ziehen begierig werden mögen, infon- 
derheit jo Alle, die jebund da wohnen oder hinfür dahin ziehen, mit 
ihren Nahrungen in allerlei Werbungen frei und umverborgen dafelbit 
dar und dannen handthieren, üben, brauchen und handeln mögen zu 
ihrem Beſten; freien und geben auch jetund den genannten Einwoh: 
nern zu Pforzheim, in der Altenftadt und den Vorftädten daran, gegen: 
wärtigen und künftigen, ihren Erben und Nachkommen, eine neue Freiung, 
Ordnung, Sabung und Polizei für ung, alle unfere Erben und Nach: 
fommen Markgrafen zu Baden, wifjentlih und unwiderruflich in Kraft 
dieſes Briefes, als wir denn Soldhes von eigener Macht wohl thun 
mögen und hiemit gethan haben wollen, Alles in der förmlichiten Weife, 
wie das in- und außerhalb der Nechte und Gewohnheiten am kräftigſten 
und beftendlichiten fein fol, kann und mag, inmaßen und wie von 
Punkten zu Punkten hernady eigentlich gefchrieben ſteht. 


B. Ordnung. | 


4. (Steuer: und Frobndfreiheit) Zum Erjten jo haben 
wir fie frei gemacht und gejeßt und freien fie auch williglich und wohl- 
bedachtlich durch Kraft diefes Briefes aljo, daß fie auch alle ihre Nach: 
kommen in berfelben unfrer Stadt Pforzheim, auch im der Altenftadt 
und in den Vorftädten, nun fürbaß mehr aller Bete, Schatung, Steuer, 
Frohndienft, Landſchadens, Führung und aller Beſchwerniß, nicht ausge 
nommen, in künftigen Zeiten und Lagen ewiglich ganz frei, ledig, unbe— 
fünmert und ungedrängt fein und bleiben, fondern das Alles nicht mehr 
geben oder thun, wir auch ihnen Soldyes nicht mehr auffegen oder zu: 
muthen, noch das von unfern Wegen fchaffen oder geftatten follen noch 
wollen in feiner Weiſe weiter, denn wie nachfolgt. 

2. Perſönliche Freiheit.) Weiter haben wir fie auch gefreiet, 
daß mir, noch unfere Erben oder Nachkommen, noch Jemand von unfern 
Megen keinen Bürger oder Einwohner unfrer Stadt Pforzheim, auch 
in der Altenſtadt und Vorftädten, nun und hernachmals an ihren Leibern 
oder Gütern nicht anders, denn zu Recht angreifen und fahen, fie auch 
mit Thürmen oder Blöden, 1) no Solches zu gefchehen fchaffen follen, 

1) An den Fußblod einfchließen, Der Gefangene mußte figen nnd feine 
Füße ausftreden, die zwiſchen zwei burchlöcherte Balken eingeichloffen wurden. 


218 Elftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500. 


noch wollen, e8 fei denn vorhin durch unfer Gericht dafelbit zu Pforzheim 
mit Recht erkannt, — ausgeſchieden,) ob es wäre, daß derjelbe Bürger 
oder Einwohner zu Pforzheim um feine Verhandlungen nicht Bürgen 
hätte oder für fich felber an feinem eigenen Gut nicht vermöchte, dafelbft 
dein Nechte nachzukommen und genug zu thun, und dann Bürgermeifter 
und Rath zu Pforzheim fich des- oder derſelben auch nicht wollten ans 
nehmen, uns, oder an unfrer Statt unferen Amtleuten oder Schultheißen 
zu Pforzheim, den= oder diejelben auf unfer Gefinnen zuräcdhalten und 
handhaben, als wir ihnen hierin zu thun Macht geben: alsdann fo 
mögen biefelben unfere, unferer Erben und Nachkommen Amtleute oder 
Schultheißen, fo je zu Zeiten fein werden, den: oder diefelben im Thurm 
oder fonft behalten, damit man des Rechten von ihnen ficher jein und 
befommen möge. Doc in allweg ausgenommen, ob die That oder der 
Mißhandel den Leib oder das Leben berührte; um Solches mögen wir, 
unfere Erben und Nachkommen den: oder diefelben mit Nedyt und nicht 
weiter ftrafen laſſen. 

3. (Strafreht über die fürftlihen Diener) Wir haben 
ung doch infonderheit vorbehalten, unfere Amtleute, Diener und Knechte 
zu Pforzheim zu jedem Mal um ihre Händel ihres Amtes halber im 
Thurm und fonft zu ftrafen, wie wir das bisher dafelbft zu Pforzheim 
und in andern unjern Gebieten zu thun Macht han. 

4, (Freizügigfeit.) ir geben, gönnen und erlauben — 
hiemit den genannten unſern Bürgern und Einwohnern und allen ihren 
Nachkommen der vorgenannten unſern Stadt und den Vorſtädten einen 
freien Zug, alſo daß ſie mit ihren Leibern und allen ihren Gütern aus 
und ein mögen ziehen, fahren, wohnen und kommen, wann und wohin 
einem Jeglichen, ev ſei reich oder arm, je zu Zeiten füglich eben und 
gelegen wäre, Doc daß derfelbe, der alfo von Pforzheim ziehen wollte, 
dies thue mit Wiffen eines Schultheißen dafeldft, und daß ex ſich zuvor 
mit allen feinen Schulönern vertrage. Und ob fich Icht 2) in Zeit feines 
Weſens dafelbft begeben hätte, darum foll er dem Schultheißen Ver: 
ſprechniß thun, daß Solches mit Recht zu Pforzheim, und nirgends 
anderswo gerechtfertigt und ohne ferneres Ziehen ausgetragen werde, 
und darauf auf Stund nad foldher Verſprechniß feiner vorgethanen 
Pflicht, desgleichen feines Leibes und Gutes ganz unverhindert ledig fein, 


1) ausgenommen. *) Etwas, 


Elftes Kapitel, Stabtverfaffung von 1500. 219 


Eie mögen auch in- oder außerhalb der Stadt Pforzheim und außer 
unferm Fürftenthfum der Markgrafichaft Baden an fremdem Ende, 
wohin und wann fie wollen, mannen und meiben !) dazu mit ihrem Gut, 
ltegendem und fahrendem, werben und handeln, das verfeen, verkaufen, 
verändern, fich felbft damit verfehen und in allweg damit gefahren, 2) 
thun und lafen, wie einen Jeden zu jeder Zeit allergefälligft und nütß: 
lichſt ift und fein mag, ohne Irrung, Eintrag und Hinderniß unfer, 
unferer Erben und Nachkommen und Männiglihs von unfern Wegen, 
Es fol und mag auch eim jeglicher unfer Bürger und Einwohner zu 
Pforzheim fein Gewerbe mit Gewahr aus und ein und zu Pforzheim 
treiben und führen, und einem jeden davon die Stadt mit Ein= und 
Ausfahren ganz offen fein, e8 wäre denn, daß feiner Gewahr in der 
Stadt bedürflic und noth wäre. 

5. (Gemeindsgut und Nukungen.) Wir erneuern und be 
ftätigen aud) für uns, unfere Erben und Nachkommen in Kraft dieſes 
Briefs den genannten Bürgermeifter, Gericht, Nath und ganzer Ge: 
meinde zu Pforzheim, auch in der Altenftadt und den Vorftädten und 
ihren Nachlommen, alle ihre Almenden, Wälder, Waffe, Wonn, Waibde, 
Zwing und Bänn, befonders auch ihre Almend und Kallhartwälder der: 
maßen, daß fie die Dehmen 3) von denfelben beiden Wäldern einen jeg- 
fichen Fünftigen Jahres nutzen und nießen follen und mögen. Doch 
follen fie eines jeglichen Jahres, fo die Eder tragen, um ſolche Nutzung 
und Nießung ung und unfern Erben ein Pfund Pfennig zu Bekenntniß 
unfrer fürftlichen Obrigkeit geben und ausrichten, Darnach fo erneuern 
und beftätigen wir auch für uns, unfere Erben und Nachkommen ihnen 
und ihren Nachkommen alle ihre Nechte und reiheiten, gönnen und 
laſſen ihnen auch dazu ihre Gefälle, Weggeld, Meßgeld, Waggeld, Kauf: 
haus, Stättgeld darauf, Rathhaus, Zwingolf, %) Stadtgraben, Siegel 
hütten, Waltmühle, Schleifmühlen, Fijchenzen, 5) Wafchhäufer, und auch 
die Nügungen der Mebger, Bäder und Müller, Felder und Wälder, 
ob und wie fie das Alles und Jedes befonders bei weiland unfern 
Bordern und Voreltern löblicher Gedächtnig und uns bis auf heut 


1) Einen Mann oder ein Weib nehmen. *) verfahren, 3) Walbertrag 
bezüglih der Eichelmaft oder des Ederichs, +) Zwinger, ber Zwiſchenraum 
zwijchen ber Heinen äußern und ber größern innern Stadtmauer, 5) Fiſchwaſſer, 


Fiſchrecht. 


220 Elftes Kapitel. Stadtverfaflung von 1500. 


Datum diefer Ordnung mit Briefen oder fonft hergebracht und noch 
haben, fie dabei bleiben zu lafen, alſo daß fie das alles Jetztgemeldete 
binfür ausrichten, befetsen und entjegen, und zum Bejten und Nützlichſten 
"zu allermalen verhandeln follen und mögen. Und um daß Solches 
nach Nub und füglich geicheben und gehandelt werden möge, jo jollen 
fie zu jeder Zeit, fo ſie deßhalb Ordnung machen wollen, unfern Schult- 
heißen dazu berufen, und wo demjelben nichts Befjeres, denn ihre Auflag 
oder Fürnehmen wäre, bedünken wollte, jo joll er Macht haben, Solches 
aufzuhalten, weitern unfern Rath darunter zu haben, 

6. (Deffentlihe Ruhe.) Item fürder, jo haben wir geordnet, 
ob oder wann es fich füge, daß zween Bürger oder Einwohner uneins 
würden und dem Schultheigen dephalb Sage füme, jo mag er jeder 
Partei gebieten unjern Frieden bei zehn Pfund Pfennigen, Oder fo, 
zween auf der Gafje, oder wo das wäre, in Gezänk oder Hader kämen 
io ſollen ein Schultheiß, Bürgermeiſter, ein jeder Nichter oder Gebüttel, 
die das fehen oder hören, denfelben auch unfern Frieden gebieten bei 
fünf Pfund Pfennigen; und welder dann über fold Gebot dem Andern 
Schmah, Schande oder Schaden zufügen würde oder zu geſchehen 
ſchüfe, e8 wäre mit Worten oder Werfen, derſelbe brüchige Theil fol 
dann ſolcher obgemeldten Poen, 1) bei der dann einem “Jeden Frieden 
geboten wäre, verfallen fein, davon uns drei Theile und der Stadt das 
vierte zuftehen fol. 

7. Ausnahme der herrihaftliden Rechte.) Doch fo 
haben wir ung, unfern Erben und Nachkommen, Markgrafen zu Baden, 
in dieſer vorgefchriebenen Freiung namentlic, vorbehalten unfere fürftliche 
Obrigkeit und Herrlichkeit, Geleit und Wildbänne, Gebot und Verbot, 
dazu alle unfere Gülten, Zinfe, Nenten und Gefälle, wie und wovon 
uns die bisher zu Pforzheim in der Stadt, der Altenftadt und Bor: 
ftädten gefallen, eingebracht und verrechnet find, oder binfür zuſtehen 
würden, es fei von Käufern, Hofitätten, Mühlen, Aedern, Wiefen, 
Gärten, Waſſern, Wäldern, Feldern, Dehmen, Zöllen, Freveln, Unrechten, 
Einungen, Bußen, Megelbänfen, Brodbänken u. A., wie folches Alles 
auf ung kommen, und wir es bisher ingebabt, und nad) laut unferer 
Zinsbücher dur unfere Amtleute, Keller und Knechte haben einbringen 


1) Strafe. 


Elftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500, 221 


fafjen, genübt und genofjen, und gemeinlich alles das, fo unfrer Dbrig- 
feit anhängig, und durch weiland unfre Vordern feliger Gedächtnig und 
uns über das, jo wir den Unſern von Pforzheim, wie vor und nach in 
diefem Brief begriffen und mit ausgedrückten Worten geſetzt und beftimmt 
ift, zugeftellt, dnfelbit zu Pforzheim bergebracht und bisher gebraucht und 
inne gehabt haben, gar nichts ausgenommen. 

8. (Kriegsftener und Kriegspflihten) Wir haben un 
auch ansgedungen, wäre es Sach, 1) daß wir, oder unfere Nachkommen, 
Markgrafen zu Baden, einer oder mehrere, der dann unferer Stadt Pforze 
beim rechter Fürſt oder vegierender Herr wäre, gegen Jemand nieder: 
legen 2) oder gefangen würden, davor Gott der Allmächtige uns allzeit 
behüten wolle, daß wir dann nach Gelegenheit der Sache von den Uns 
fern von Pforzheim in der Stadt, auch in der Altenſtadt und in den 
Vorſtädten eine ziemliche Steuer und Schakung fordern, auffeßen und 
nehmen mögen, fie auch fchuldig und pflichtig fein follen, die zu geben, 
in der Summe und Mafje ungefähr, als fie von andern eigenen Leuten 
unfers Fürſtenthums aufgefett, geheifchen und genommen würde; und 
foll doch darnach, fo oft das gefchehe, dieſe unſere Freiheit gleichwohl 
ungefhwächt, ſondern allweg zu ihren Kräften bleiben, gehalten und 
dadurch nicht überfahren fein, noch werden. Die von Pforzheim follen 
auch in allen SKriegsgeichäften ung mit aller Hilf gehorfam fein und 
bleiben, wie andere unfere Lande und Leute, ungefährlich ; desgleichen mit 
Stallungen zu Schimpf 3) und zu Ernft, die zuzuräften nach unfern 
Geboten und Gelegenheit der Sache gehoriam fen. Dazu, ob oder 
warn einiger Zugriff, Beſchädigung oder andere Aufruhren in unſrer 
Markgrafſchaft gefchehen ‚und gemeinlich fo die unfere Amtleute fie zu 
Zeiten Noth bedünken und die Unfern von Pforzheim deshalb von ihnen 
oder ihretiwegen ermahnt würden, daß fie dann nacheilen, retten und 
helfen follen nach allem ihrem Vermögen, wie andere die Unfern das 
zu thun auch fchuldig find, 

I. (Fürſtliche Schulden) Db aud wir, unjere Erben und 
Nachkommen hiefür einigerlei Hauptguts zu vergulten aufnehmen) und 
die von Pforzheim, ſammthaft oder fonderlich, 5) mit und zu uns oder 


1) Wenn es geichehen ſollte. *) unterliegen. 3) Bei Feierlichkeiten, wie 
Aufzügen, Turnieren 2. *) Ein verzinsliches Kapital aufnehmen, 5) Mit 
andern Städten zufammen, oder für fich allein, 


229 Elftes Kapitel. Stadtverfaijung von 1500, 


ohne ung für fich felbit, zu Bürgen und Mitfchuldnern geben und feßen 
würden, da follen fie auf unfere Schadlosbriefe, jo wir ihnen die im 
ziemlicher Form zuichiden und geben laſſen, allweg auch gehorſam ſein, 
zu thun ohne Widerrede. 

10. (Verbindungen) Es ſollen auch die obgenannten Bürger: 
meiſter, Gericht, Rath und Gemeinde noch Einwohner, ſammthaft noch 
ſonderlich, unter ihnen ſelber noch mit jemand Anderm keinerlei Bündniß 
machen, zuſammen verſchreiben, geloben, ſchwören noch verheißen ohne 
unſer, unſerer Erben und Nachkommen Wiſſen und Willen. 

11. (Gericht sweſen.) Es ſoll auch hinfür unſer Gerichtsſtab 
zu Pforzheim gehalten und gehandhabt werden durch unſere Amtleute 
und Schultheißen, ſo wir jederzeit zu Pforzheim haben, nach laut der 
Ordnungen, die wir ihnen zu allen Malen geben werden, mit aufgeſetzten 
ziemlichen und billigen Poenen darin begriffen, zu Handhabung desſelben 
unſeres Stabs. Doch ſoll dieſelbe Amtsordnung den Punkten, hierin 
ausgedrückt, denen von Pforzheim keinen Abbruch bringen. Dieſelben 
Gebote und Poenen ſollen auch alle von unſerm Schultheißen und Amt: 
mann aufbewahrt, ung und unfern Erben drei Theile, und der Stadt 
Pforzheim und auch ihren Nachkommen der vierte Theil zur Befferung der 
Stadt folgen und werden, Ob aber wäre, daß Einer folhe Poene 
nicht zu geben hätte, den mögen wir aus der Stadt verbannen; doch 
ausgeſchieden unſer Geleit, Mildbänne und hohe Obrigkeit, mögen wir 
mit Geboten und Strafen verbieten und halten nad unferm Gefallen. 

12. (Stadtwahe) tem, wenn Thurmknechte, Wächter und 
Thorwarte von ber Stadt beftellt und gedingt werden, das foll ge: 
ſchehen im Beifein unferes Schultheißen an unferer Statt, demfelben fie 
auch von unfern Wegen zuvorderft follen geloben und ſchwören und 
darnach der Stadt, wie fich denn einem Jeglichen nach Gelegenheit feines 
Dienftes zu ſchwören gebührt, 

13. (Thorſchluß.) tem, die Schlüffel zu allen Thoren unferer 
Stadt- Pforzheim fol haben unfer Schultheiß, und es mit Auf und 
Zuſchließen derfelben Thore Tag und Nachts halten nach unferm Beſcheid. 

14. Bürgerannahme) tem, ein jeglicher Fremder, der gen 
Pforzheim ziehen will, foll von unferm Schultheißen angenommen werben 
und geben einen Schilling Pfennig der Stadt, einen Schilling Pfennig 
dem Schultheißen und einen Schilling Pfennig den Gebütteln, 


Eiftes Kapitel, Stadtverfaffung von 1500. 223 


C. Polizei, 


Und um daß den genannten Bürgermeifter, Gericht, Rath und 
Gemeinde und Einwohnern unferer Stadt Pforzheim mit ſammt ber 
Mtenftadt und den Vorftädten und ihren Nachkommen diefe vorgefchrie- 
bene unjere Freiung und Begnadigung defto fruchtbarlicher und ftattlicher 
erichiegen und ihnen zum Aufgang und Nuten, als e8 denn in ung aus 
ehrbaren und nothdürftigen Urſachen gemeint und angefehen ift, dienen 
möge: fo haben wir gejett und geordnet dieſe nachgefchriebene Polizei, 
binfür von ihnen gehalten zu werben, 

15. (Mehlaccis.) Zum Eriten, daß ein jeglicher Bürger oder 
Einwohner, geiftlich und weltlich, auch ein jeglicher Bäder und Müller, 
Niemand ausgenommen, zu Pforzheim, der Altenftadt und den Vorftädten 
von allen Früchten, die er zur Mühle thut und zu Brod verbaden läßt 
oder jelber verbadt, zu vechtem Ungeld geben fol, nämlich von einem 
jeden Malter Kernen zwölf Pfennig, von jedem Mealter Roggen 
neun Pfennig, von jedem Malter Dinkel fehs Pfennig und von jedem 
Malter Gerfte, die geſtampft ') oder gegerbt würde, drei Pfennig. Und 
ob des etwas mehr oder minder ungerad wäre, darnad von jedem 
Simri Kernen anderthalb Pfennig und von einem ungeraden Simri 
Roggen auch anderthalb Pfennig, von zwei Simri Roggen dritthalb 
Pfennig, von einem ungeraden Simri Dinkel einen Pfennig, oder von 
zwei Simri Dinkel anderthalb Pfennig und von einem jeden ungeraden 
Simri Gerfte einen halben Pfennig. 

16. Beeidigung des Mühlgefindes auf die Accife) 
tem, kein Müller, feine Hausfrau, Knechte, Mägde, Kinder noch Ge: 
finde ſollen bei ihrem Eide, fo fie deshalb jährlich umd zu jedem Geding 
oder Eingeng eines neuen Gefindes ſonderlich ſchwören werden, feinem 
Bürger noch Einwohner zu Pforzheim keinerlei Frucht, weder Kernen, 
Noggen oder Dinkel zu mahlen noch keinerlei Gerfte zu ftampfen oder 
zu gerben auf die Mühle fehütten, fie haben denn zuvor dagegen die 
Wortzeichen 2) von dem, des die Frucht ift, in ihren Händen und Gewalt, 


1) gerollt, 2) Wortzeichen waren die Wahr- oder Beweiszeichen für ben 
bezahlten Accis. Sie beftanden in Pforzheim in runden Blechſtücken von ber 
Größe eines halben Guldens, auf denen mit Buchftaben und Zahlen ber Name 
der Mühle, fowie die Menge und Gattung der zu mahlenden Frucht angegeben . 
war. Später traten Zettel an deren Stelle. 


224 Elftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500. 


17. (Desgle ichen der Bäder.) tem und desgleichen jo fol 
ber Bäder feinem Bürger nod Einwohner zu Pforzheim, der Altenftadt 
und den Vorftädten, geijtlichen noch weltlichen, noch auch feinem Müller 
oder ihm felber, — dam die Müller und Bäder gleicher Weife wie 
Andere hierin auch begriffen fein follen, — feine Frucht oder Mehl zu 
Brod baden, er babe denn zuvor auch die Wortzeichen, deshalb erlöst, 
in jeinen Händen und Gewalt. Es foll auch Kein Bürger nody Ein: 
wohner, geiftlich noch weltlich, nody ihr Gefinde fein fremd Mehl kaufen, 
und ob “Jemand anders, denn die Bäder, ihm jelbft baden wollte, der 
fol doch Fein Brod davon verkaufen. 

18. (Mehlverkauf.) Auch foll Kein Müller einer Perfon auf 
einmal mehr denn ein men!) Mehls verkaufen oder zu Kauf geben, 
aber wie die?) eine oder mehrere Perfonen kommen und Mehl be— 
gebren zu Faufen, jo mag ers ihnen geben und fein Mal mehr denn 
ein men, 

19. Weinihanf) Zum Andern, den Weinfchanf betreffend, 
ordnen und jeßen wir: Welcher Bürger oder Einwohner, geiftlich oder 
weltlic, Niemand ausgenommen, zu Pforzheim, in der Altenftadt und 
den Borftädten Mein ſchenken will, der foll Kein Faß zu verfchenfen 
anjtechen, es fei denn zuvor von den Gefchworenen verjiegelt. Wann 
aud ein Faß, alſo verfiegelt, zu ſchenken angeftochen würde, fo foll e8 
ganz verungeldet und von jeder Ohm 8 Maaß Weins in Geld ge- 
geben werden, 

20. Weinaccis.) tem, welcher Bürger oder Einwohner zu 
Pforzheim, der Altenftadt und den Vorftädten Wein einlegen will, der 
jo von dem, jo er in feinem Haus vertrinft, zu Ungeld geben von jeder 
Ohm 6 Piennig. 

21. (Fleiſchaccis.) Zum Dritten, das Fleiſch betreffend, ordnen 
wir, daß ein jeder Mebger von einem jeden Zentner Fleiſch von Rin— 
dern, Ochſen, Kühen, Kälbern und Schweinen, das fie meßgen und 
verkaufen, 185 Pfennig zu rechtem Ungeld geben joll; und ob des etwas 
minder oder ungerad wäre, fo geben je fünf Pfund 1 Pfennig, und wie 
fi des nach Markzahl je zu Zeiten begibt und gebührt, — tem, von 
einem jeglichen Milchkalb foll man geben zu Ungeld 5 Pfennig, — 
stem, ob auch ein Bürger oder Einwohner, geiftlich oder weltlich, zu 





*) Imi, der vierte Theil eines Simris. ?) oft. 


Elftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500, 225 


Pforzheim in feinem Haus einigerlei Vieh, was das wäre, nichts aus— 
genommen, meßgen lafjen wollte, davon foll er zu Ungeld geben und 
thun, mie vorfteht, gleicher Weiſe der Metger davon geben und thun 
muß. Ausgenommen jeglicher Haushabe *) follen ungeldfrei fein eines 
jegliches Jahres die allererften zwei Schweine und nicht mehr, fo fie in 
den Häufern meßgen nnd brauchen; die übrigen Schweine alle, die ein 
Jeder desjelben Jahres mebgen laſſen würde, foll er verungelden wie 
anderes Fleiſch, und alſo von jedem Zentner 18 Pfennig geben, und 
allmeg fo ſoll ein jegliches Jahr damit ans und ausgehen auf St. Mar- 
- tins Tag. Und doc vorbehalten die Priefterfchaft und den Adel, die 
jest zu Pforzheim find und fünftiglicy dahin ziehen: wie wir Markgraf 
Chriſtoph oder unfere Erben diefelben des Ungelds Halb halten und 
lafien werden, dabei foll es bleiben, und wie fie alfo von uns gelaffen, 
davon foll denen von Pforzheim ihr Viertheil werden, wie von Andernt. 

22. (Salzverfauf.) Zum Vierten ordnen wir, daß hinfür der 
Salzkauf zu Pforzheim ung Markgraf Chriftoph, unfern Erben und 
Nachkommen und der Stadt zuftehen und bleiben, alfo daß Niemand 
dafelbft oder außerhalb in der Altenftadt und den Vorftädten, geiftlich 
noch weltlich, bei Poene Leibs und Guts in feinem Haus Feinerlei Salz, 
woher ihm das kommen möchte, brauchen foll, er habe denn dasselbe Salz 
von der Stadt erfauft. Und ob wohl etliche Bürger oder Einwohner 
zu Pforzheim mit Salz werben ?2) wollten oder würden, fo follen fie doch 
davon in ihren Häufern bei worgefchriebener Poene ganz nichts verbrauchen, 
noch ihr Gefinde davon. brauchen laſſen. Db aber Emes Hausfrau 
oder Gefinde das thäten, die follen auch alfo, wie vorſteht, geftraft wer: 
den und das obgemeldte der Stadt Salz von der Stadt zum Nützlichſten 
gefauft und verfauft werden mit ziemlichem befcheidenem Gewinne, Der: 
ſelbe Gewinn foll auch zu Ungeld gegeben und verrechnet werden. 

23. (Strafe der Uebertreter,) Welcher Bürger oder Ein: 
wohner , wer der wäre, Niemand ausgenommen, durd, fich felbft, ferne 
Hausfrau, Kinder oder Gefinde an obgefchriebenen Ordmungen und Uns 
gelden, es wäre von Brod, Fleiſch, Wein, Salz oder Anderem, Icht ver 
halten oder verichlagen würde, der: oder diefelben follen darum geftraft 
werden an Leib und an Gut, alfo, daß ein Jeder, welcher das von dem 
Andern gefehen oder wifjens hätte, bei feinem Eid unferm Vogt oder 


1) Haushaltung. 2) handeln. 
Pflüger, Pforzheim, 15 


226 Elftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500. | 


Schultheißen zu Pforzheim auf Stund anbringen, biefelben denn mit 
fammt dem Bürgermeifter gegen dem- oder denſelben ſtrack die Strafe 
an Leib und Gut vornehmen und auffegen jollen nach der Berfchuldigung. 

24 Beihränfung der Unterfäufe) tem alle Unter: 
käufe follen binfür aufzuheben, durch unfre Bürger zu Pforzheim, Ges 
riht, Rath und ihre Nachkommen beftellt und verfehen, und aljo zu: 
ſammt dem GStättgeld, fo fürder auf dem Markt zu Pforzheim wird 
fallen, in unfere Theilung wie von anderm Ungeld, als vorftehet, gegeben 
und gelegt werden. 

2%. (Pfundzoll)t) Aller Pfundzoll von Gewerbe und Kaufe 
mannjhaft glerhand Gewaare ſoll fürohin gemindert fein, und von 
jedem Gulden nicht mehr denn ein Pfennig gegeben werden. Doch une 
ergriffen den Landzoll; derjelbe Pfundzoll und Landzoll joll uns, unfern 
Erben und Nachkommen allein zuftehen und bleiben wie von Alters ber. 

26. (Grund: und Kapitalfteuer der Ausmärker.) tem, 
was Ausleute, fie jeien geiftlich oder weltlih, Güter zu Pforzheim Haben 
oder überfommen werden, die von Alters her nicht gefreiet find, es ſeien 
Pfennig, Gülten, Häufer, Aecker, Weingärten, Wiefen, Gärten oder 
Anderes in der Bet Herkommen, auch die ſolche Güter jelber nicht bes 
figen, joll ziemliche Bet gejeßt und von ihnen gegeben werben. 

27. (Geldwechſel.) tem «8 foll auch ein Gold» und Geld- 
wechfel zu Pforzheim aufgerichtet und allweg von einem Schultheißen 
mit ſammt dem Bürgermeifter zum Höchiten verliehen werden. 

28. Derrehnung, Bertheilung und Verwendung der 
Steuergefälle; Beftellung der Steuerbeamten) Das ob: 
geihriebene Ungeld alles, von Frucht, Brod, Wein,. Salz, Tleifch mit 
der Ausbet, ſoll durch die Schreiber und Knechte, die man dazu ordnet, 
getreulich aufgehoben, eingefammelt und alle Jahre auf eine beftimmte 
Zeit uns Markgraf Chriftoph, unfern Erben und Nachkommen Mark: 
grafen, oder unfern Räthen, die wir zu allen Malen an unferer Statt 
dazu ordnen und ſchicken, vor Bürgermeifter, Gericht und Nath, auch 
einer Anzahl der Gemeinde, von denen von Pforzheim dazu gemäblt, 
bafelöft zu Pforzheim Einnehmens und Ausgebens ehrbarlich verrechnet 
und in 4 Theile getheilt werden, Davon follen wir aufheben und 
nehmen 3 Theile, und die von Pforzheim den übrigen 4, Theil. Mit 


1) Raufaccis von Waaren. 


Eiftes Kapitel. Stadtverfaſſung von 1500. 227 


demfelben 4. Theil jollen fie in gutem, gebührlihem Bau, Befferung , 
und billigem Weſen unzergänglich balten und handhaben und davon 
verlohnen der Stadt Graben, Zwingolf, Mauern, Thore, Thürme, 
Brüden, Wege, Stege, Straßen und andere der Stadt Bann und 
Zugehörde, dazu alle Wachten, Huten, nichts ausgenommen; dann das 
Schloß, Frohndienſt und andere ihre anliegende Nothdurft, und fich feldft, 
noch feinen Einwohner, zu feinem Wege ferner beſchweren, noch drängen, 
Aber den Knechten und Sammlern obgefchriebenen Gefälls alles follen 
wir, unfere Erben und Nachkommen nad Anzahl unferer aufgehobenen 
3 Theile allweg geben und ausrichten 3 Theile an ihrem Lohn, darum 
fie werden gedingt, und die von Pforzheim nah Markzahl ihres Vier: 
theils auch den 4. Theil an ihrem Lohne geben, Diejelben Schreiber, 
Knete und Diener follen aud jest anfänglich von ung, mit fammt 
unfern Bürgern zu Pforzheim beftellt und angenommen, auch bei ihren 
Handlungen und Dienften getveulich gehandhabt und beſchirmt werden, 
Wenn aber derjelben Knechte einer hinfür Todes abgeht oder fonft ab: 
geſetzt wird, als wir des nad) eines Jeglichen Verſchulden Macht haben, 
fo jollen wir, unfere Erben und Nachkommen und darnad die von 
Pforzheim, je Einen um den Andern zu beftellen benennen, aljo, daß 
fein Theil darin Vortheil haben oder fuchen möge; doch fo follen fie 
ung und der Stadt allweg getreulich geloben und ſchwören, als fich ihr 
jedes Dienftes halb gebührt. 

29. (Rechnungsabhör.) Es follen aud die Obgemeldten von 
Pforzheim um den obgefchriebenen 4. Theil des Ungelds, auch anderer 
ihrer Gefälle, vor ung, unſern Räthen oder Amtleuten, oder wen wir 
dazu ordnen oder ſchicken werden, eines jeden Jahres auf einen benannten 
Tag Rechnung thun, wo und wie Solches angelegt und verwendet jet; 
doch ob uns eines Jahres auf den benannten Tag die Unfern zu ſchicken 
oder zu ordnen nicht füglich oder gelegen fein würde, fo mögen wir foldhe 
Rechnung Ändern oder fürfchieben nach unferm Gefallen. 


D. Schluß. 


30. (Befehl zur Aufrehthaltung diefer Ordnung.) 
Und wir Markgraf Chriſtoph obgenannt gereden und verfprechen bei 
unfern fürftlichen Treuen, Würden und Ehren für uns, alle unfere 
Erben und Nachkommen Markgrafen zu Baden ꝛc., de 2 vorfteht, 


228 Elftes Kapitel. Stadtverfafiung von 1500. 


regierende Herrn zu Pforzheim find, die vorgemeldten Bürgermeiſter, 
Gericht, Rath, ganze Gemeinde und Einwohner der Stadt Pforzheim 
mit der Altenftadt und den Vorftädten und ihre Nachkommen bei allen 
obgefchriebenen Stüden, Punkten und Artikeln, und auch bei andern 
obgemeldten Freiheiten zu handhabeu, zu ſchützen und zu ſchirmen umd 
darein nichts zu legen, oder zu tragen, durch uns felbft, unfere Amtleute 
oder Jemand von umfertwegen, aud Niemand, welches Standes ber ei, 
wider dies obgejchriebene Ungeld, Drdnung und Neuerung zu freien, 
denn mit der Unfern von Pforzheim Willen, ausgenommen Priefter und 
Eheleute, mit denen follen wir e8 Macht Haben, zu halten, wie in 
einem befondern Punkt hievon begriffen ift. Sondern wir heißen und 
gebieten ernftlih und feſtiglich für uns, unfere Erben und Nachfommen, 
allen unfern Amtleuten, Vögten, Schultheigen, Kellern, Zollern und 
allen Andern, die jeßt in unferm Dienft zu Pforzheim find und hernach 
immer dargefegt werden, daß fie bei ihren Eiden und Pflichten, uns 
jeder Zeit gethan, die vielgenannten unfere Tieben getreuen Bürgermeifter, 
Gericht, Rath und Gemeinde und alle Einwohner der Stadt Pforzheim, 
auch in der Altenftadt und in den Vorftädten und alle ihre Nachkommen, 
bei Allen vorgefchriebenen Almenden, Wäldern, Waflern, Wonnen und 
Waiden und bei allen obgerührten Freiheiten verbleiben laſſen und ſich 
nicht dawider legen, Hinderung thun, oder dazu tragen noch gejchehen 
laſſen, mit Worten oder Werken, fo lieb einem Jeden fei, ſchwere Un: 
gnad deshalb zu vermeiden, Endlich jo jeßen und ordnen wir, daß die 
von Pforzheim in der Stadt, Altenftadt uud den Vorſtädten, und ihre 
Nachkommen, nah unferm Tode unſern Erben und Nachkommen Mark: 
grafen, wie vorfteht, nicht Huldigen, geloben noch ſchwören ſollen, es ſei 
denn, daß diefelben unfere Nachkommen Bürgermeiftern, Gericht, Nath 
und ganzer Gemeinde daſelbſt zuvor in ziemlicher Form verjchrieben 
und verfprochen haben, fie bei allen obgemeldten Freiheiten, Satungen 
und Ordnungen inhaltlic, diefes Briefs verbleiben und weiter ungedrängt 
zu laſſen, fie auch dabei zu jchirmen und zu handhaben. 

31. (Revifion diefer Ordnung, Gelöbnif der Stadt.) 
Wir behalten auch ung und ihnen hierin vor, alfo ob diefe Neuerung, 
Gnade und Freiheit jekund nicht fo gründlich als noth bedacht wäre, 
fondern fich bernad) etwas Mehreres, Minderes oder Anderes erfinden 
würde, uns und der Stadt auch nutz und gut: daß wir dann zu beiden 
Theilen ſammthaft, und doch kein Theil ohne des andern Gunft, Wiffen 


Elftes Kapitel. Stabtverfafjung von 1500. 229 


und Willen, infonderheit dasſelbe alfo zu Beſſerung auch feßen , ordnen 
und handeln mögen, es ſei von Pfundzoll, Brüdenzoll oder allerlei 
anderer Gewaare und Zufällen, wie fih Sölches jederzeit nach Gelegen- 
heit erheijchen würde, alle Gefährde, Untreue und Arglift hierin gänzlich 
vermieden und ausgefchieden, Und des Alles zu wahrer Urkunde, fo 
haben wir Markgraf Chriſtoph unfer Infiegel öffentlich thun henken 
an eine jeidene Schnur, durch diefen Brief, in Buchsweiſe auf jechs 
Blätter gefchrieben, gezogen; und wir vielgenannte Bürgermeifter, Gericht, 
Rath und ganze Gemeinde der Stadt Pforzheim, mit der Altenftadt 
und den Vorftädten, bekennen und verjehen alle einhellig und unfcheidenlich, 
daß mir Alle und egliche des oftgenannten unfers gnädigen, Tieben 
Heren Markgrafen Chriſtophs Freiung, Ordnung und Neuerung inhalt 
lich diefes Briefes zu befondern großen Gnaden in billiger Dankbarkeit 
aufgenommen haben; wir, unfer aller Erben und Nachkommen follen 
und wollen auch allen Punkten und Artikeln, hierin begriffen, ganz 
unabbrüchlich, getreulich, ehrbarlih und aufrichtiglich nachfommen, die 
vollziehen und vollführen, wie das in allen und jeglichen Worten bievor 
von ung gefchrieben fteht, ohne alle Gefährde. Und des Alles auch zu 
wahrer Urkunde und mehrerem Gezeugniß, fo haben wir der Stadt 
Pforzheim Inſiegel zu des benannten, unferes gnädigen Herrn Inſiegel 
an dieſelbe ſeidene Schnur auch gehängt an dieſen Brief, der zween 
gleichlautende geſchrieben ſind, uns Markgraf Chriſtoph der eine, und 
ung, Bürgermeiſter, Gericht, Rath und ganzer Gemeinde der Stadt 
Pforzheim, der andere — Gegeben auf der Kanzlei zu Baden auf 
Montag nad) dem heiligen Jahrstag zu Latein Circumeisionis domini 1) 
genannt, als man zählt nad) Chriſti unfers Herrn Geburt Taufend 
Vierhundert Neunzig und Ein Jahr. 

Ein wichtiges Seitenſtück zu diefer „Stadtordnung ” bildete die 
„Landsordnung, bey Leben Marggraf Chriftophen vßgangen.“ 2) 
Wie ſchon ihr Titel jagt, galt fie nicht bloß der Stadt Pforzheim, fon= 
dern überhaupt der Markgrafſchaft Baden; dod mag fie für Pforz- 
beim befonders zuredyt gemacht worden fein, um mit der einige Jahre 
vorher gegebenen Stadtordnung im Einklang zu ftehen. Darauf deuten 


1) Montag nad Neujahr. 
) Diefelbe ift datirt vom Montag nad Kreuzerhöhung 1495 und füllt im 
Copialbuch 27 Blätter. 


230 Elftes Kapitel. Stabtverfafjung von 1500, 


wenigftens alle die Stellen, in denen von der Stadt befondere Rebe ift. 
Nach entfprechendem Eingang, welcher die Beftimmung enthält, daß bie 
Landesordnung alle Jahre ein Mal öffentlich vorgelefen werden folle, 
fommt zuerft der Befehl, daß alle Bürger, Einwohner, (fo auch Knechte, 
Bürgersföhne zc.) die über 14 Jahre alt wären, dem Fürften den Hul— 
digungseid ſchwören müßten; alsdann folgen Bejtimmungen über Erb: 
ichaftsangelegenheiten, über Pflegſchaften, ſowohl für Minderjährige, als 
für die kirchlichen Fonds, Beitrafung von Gottesläfterern, Verbot der 
Spiele, Beftrafung von fleifhlichen Vergehen, wie Ehebruch, Beftrafung von 
Geiftlichen bei etwaigen Vergehen, Verkauf ꝛc. von herrichaftlichen Lehen: 
ober Zinsgütern, Inſtandhaltung öffentlicher Gebäude, baupolizeilicye 
Beitimmungen, Bewachung der Stadtmauern und Stadtthore und Ber: 
fahren bei Deffnung der leßtern zu ungewöhnlicher Zeit, Strafen für 
Verderbung von Landgräben, Wehrhägen ꝛc., Verpflichtung zum Nach— 
eilen und Retten bei Ueberfällen und Angriffen, Anftandhaltung der 
Straßen, Verbot von Bündniffen und Gefellichaften gegen die Regierung, 
Verbot von allzugroßem Aufwand und Geſchenken bei Hochzeiten, Kind: 
taufen 2c., Verbot des Stationivens (mit Ausnahmen), 1) Verbot des 
Anbringens einer Klage anders, denn beim zuſtändigen Gericht, Verbot 
des Wuchers, der Weinverfälfhung, der Vermiſchung verichiedenartiger 
Weine, Strafen für Umgehung des Zolles und Ungeldes, Strafen für 
verfchiedene Frevel, (Berlegungen, Verwundungen) ohne Zulaffung einer 
Appellation, Strafen für Wilddiebftahl 2. — Den „fürftlihen Amtleu— 
ten” wird in diefer Landesordnung vielfach eingefchärft, fich ftreng dar- 
nach zu richten und die gefetlichen Beſtimmungen derfelben überall, wo 
es erforderlich ei, zur Geltung zu bringen. 

Was nun die übrigen „Ordnungen“ betrifft, jo laſſen fich die 
wefentlichften Beftimmungen derfelben jammt andern dahin gehörigen 
Notizen, die fih da und dort zerftreut vorfinden, fowie endlich das, was 
fi als Ergebniß von Vergleihungen herausftellt, des Leichtern Verftänd- 
niffes wegen am beften unter gewifje allgemeine Gefichtspunfte zuſam— 
menbringen, die eine geordnete Meberficht gewähren. Es foll deshalb 
in den nachfolgenden Paragraphen zuerft vom Ortsvorftand, ſodann 
von den Gemeindedienften, hernach von der Bürgerſchaft und 


1) Auch im Hochftift Speier wurde ben Pforzheimer Dominikanern 1541 
das Betteln verboten, (Archivakten.) 


Eiftes Kapitel. Stabtverfafiung von 1500. 231 


zuletzt von der allgemeinen und befondern Polizei, foweit diefelbe in 
der Stadtordnung nicht fchon berührt ift, gehandelt werden. 


$ 2. Der Ortovorſtand. 


Derfelbe theilte fih im eine rihterliche und eine verwaltende 
Behörde, jo daß alfo Juſtiz und Adminiftration von einander getrennt 
waren, Erftere wurde beforgt duch Schultheiß und Gericht, 
Vegtere dur Bürgermeifter und Rath. Diefe uralte Einrichtung 
zweier ftädtifhen Kollegien war in der proviforifhen Stadtordnung von 
1486 zu Ändern verfucht worden. Vom Gericht wurde darin Umgang 
genommen und deſſen Befugniffe dem Rathe übertragen, von dem bei 
gerichtlichen Verhandlungen der Bürgermeifter nicht Mitglied war, fondern 
der aladann vom Schultheißen präfidirt wurde. Der ganze Rath wurde 
nur bei wichtigen abminiftrativen Angelegenheiten zufammenberufen und 
auch mandmal nod, „wenn die Sach dapffer und treffenlich“ war, die 
„42 von der Gemeinde” als weiteres Kollegium dazu genommen, bie 
indefjen nur rathen, nicht beſchließen, aber bei der Bürgermeifterwahl 
mitwirken durften, Die gemeinen täglichen Händel follte der Bürger: 
meifter mit den 4 ſog. Regenten ohne Zuziehen des Nathes erledigen. 
Bon lestern wurden 2 aus dem Rathe und 2 aus den Zwölfen von 
der Gemeinde genommen, und zwar follten es aus beiden Kollegien 
die „vernünftigiten, tauglichſten und weifeften” fein. Diefe Einrichtung 
fcheint fich indefjen nicht erprobt zu haben; denn es wurde jchon 1487 
die Zahl der Negenten auf 2 ermäßigt und fpäter wieder ganz auf die 
frühere Einrichtung zurücdgegangen, als der Privilegienbrief von 1491 
definitive Geltung erhielt. Die Kompetenz beider Kollegien, aljo des 
Gerichts und Raths, war indefjen nicht ſcharf abgegränzt, und vertraten 
ſich audy die Mitglieder derfelben, wenn es nöthig war, gegenfeitig bie 
Stellen. Manche wichtige Berathungen und Beichlußfaffungen fanden 
in gemeinfchaftlicher Sitzung ftatt, 


A. Schultheiß und Geridt. 


Den Shultheiken (fpäter „Untervogt” oder „Amtmann“) er: 
nannte der Landesherr ohne Zuthun der Gemeinde, Seine Pflichten 


232 Elftes Kapitel, Stadiverfaffung von 1500. 


und Befugniffe waren ihm in einer befonden Schultheißenordnung 
vorgezeichnet, Laut derfelben war ihm mit Hinweiſung auf der Stadt 
Freiheiten unterfagt, einen Bürger anders, als unter den dort angegebenen 
Vorausſetzungen gefünglic einziehen zu laſſen. LXebteres durfte aber unbe. 
dingt gefchehen, wenn ein Bürger wegen Schulden oder Bergehungen 
flüchtig ging und ergriffen wurde, Blieb Einer wegen Schulden über ein 
Vierteljahr weg, fo mußte der Schultheig durch gerichtlichen Zugriff auf 
das Vermögen des Flüchtigen defjen Schulönern zur Zahlung verhelfen. 
Mer einer Worladung des Schultheißen „aus Verachtung oder ohne 
redliche Urſache“ Leine Folge leiftete, durfte vor ihm rechtlich belangt und 
wegen Ungehorfams zur Strafe gezogen werden. Gegen Strafen, welche 
von Schultheiß, Bürgermeifter, Gericht und Rath erkannt worden waren, 
fand, ſofern fie nicht Leib und Leben betrafen, Appellation an ben 
Schultheißen ſtatt; wurde jedoch das erfte Urtheil beftätigt, jo mußte 
der Beklagte eine weitere Strafe von 10 Schilling Pfennig „für feine 
Widerſetzlichkeit“ bezahlen. Weigerte er fich defien, jo wurde ihm aus: 
gepfändet; im Fall weiterer Widerfeglichfeit durfte ihn der Schultheif 
in den Thurm werfen laſſen. ingriffe in die Nechte und Freiheiten 
der Stadt waren dem Scultheißen ftreng unterfagt. *) Dem Wegzug 
eines Bürgers oder Einwohners durfte er Feine Echwierigfeiten in ben 
Meg legen, wenn derjelbe dabei die vorgefchriebenen gejeglichen. Formen 
beobachtete. Bei Pfändungen und Zugriffen auf Tiegende Güter durfte 
der Schultheiß ohne Wiffen des Bürgermeifters, Gerichts und Raths 
gegen den Beklagten nicht vorfahren. Am Schluß der Schultheigenord- 
nung folgen einige Beftimmungen über gerichtliche VBorladungen, über 
die Bedingungen bei Bürgerannahmen, welche ebenfalls Sache des Schult- 
heißen waren (fiehe unten), über Schuldflagen ꝛc. — Weber das Ber: 
fahren bei gerichtlichen Pfändungen waren dem Schultheißen, in deſſen 
Kompetenz fie hauptſächlich gehörten, ausführliche Vorſchriften ertheilt. 
Die betreffende „Ordnung“ enthält die Meberfchrift: „Wie man um 
Schulden nad) der Stadt Recht pfänden, Klagen und angreifen mag,“ 
mit den Unterrubriten: Wie man pfänden fol; von fahrenden Pfän- 
bern; von lebenden Pfändern; wer des Schultheißen oder Bürgermeifters 


1) Daß dies nicht immer befolgt wurde, erhellt aus einer Klagichrift, welche 
um 1500 Bürgermeifter und Rath beim Markgrafen einreichten, und worin 
fie fih in 13 Klagpunkten über bas Benehmen des Schultheißen befchwerten. 


Eiftes Kapitel, Stadtverfafiung von 1500. 233 


gemachte Ziel nicht hält; fo Einer nicht zu bezahlen hätte; auf wen 
und wie man Klagen foll; wie Lidlohn bezahlt werden ſoll; was Lidlohn 
ift; von Bezahlung des Hauszinfes; wie Kinder bezahlen follen; wie 
geftorbener und verdorbener Leute Schulden bezahlt werden follen; t) wie 
liegende Güter umgefchlagen oder angegriffen werden ſollen um verfallene 
Gült, ebenfo von Schulden wegen ꝛc.; am Schluß: Feſtſetzungen im 
Einzelnen darüber, was fahrende und liegende Güter feien ꝛc. Neben 
derartigen Funktionen hatte der Schultheiß die Schlüffel fämmtlicher 
Thore der Stadt zu verwahren (©. 222), die von der Stadt ange: 
ſtellten Thurmknechte, Wächter und Thorwarte im Namen des Fürften 
zu beeidigen (©. 222) ꝛc. — Die Zahl der Richter war zwölf, 
und wurden diefelben aus der Bürgerfchaft genommen. Die Art und 
Weiſe der Wahl der Richter beftimmte eine befondere Wahlordnung. 
Diefelben wurden jedes Mal für ein Jahr gewählt. Nach Umlauf 
diefer Zeit verfammelten fich ſämmtliche Richter, erhielten vom markgräf— 
lichen Landhofmeijter und Näthen, oder an deren Stelle vom Vogt und 
Schultheiß ihren Abſchied und verließen das Zimmer, in welchem mur 
Zandhofmeifter und Räthe, oder Vogt und Schultheiß fammt dem Bür— 
germeifter und Stadtjchreiber zurückblieben. Der Bürgermeifter ſchlug 
nun einen bisherigen Richter zum Mitglied des neuen Gerichts vor, und 
wenn die anmwefenden fürftlichen Beamten gegen denfelben nichts einzu: 
wenden wußten, fo wurde er hereingerufen, vom Stadtſchreiber als Nichter 
ins Brotofoll eingetragen und nahm feinen Plab ein. Diefer erfte 
Richter ernannte den, zweiten, der zweite dem dritten ꝛc., alle aus dem 
bisherigen Gericht, und immer mit Genehmigung der anweſenden fürftlichen 
Beamten, bis zehn Richter ihre Plätze eingenommen hatten, Diefe 
wählten dann gemeinfchaftlih die zwei noch fehlenden Mitglieder des 
Kollegiums, durften dazu jedoch die zwei noch außen ftehenden Mitglieder 
des alten Gerichts nicht nehmen. Auf diefe Art mußte fi) das Gericht 
innerhalb 6 Jahren nad) und nach nen ergänzen, indem jedes Jahr 
2 Mitglieder austraten Mehr durften e8 ohne merfliche Urfache nicht 
fein; doch follte, wenn folhe vorhanden, die Zahl der überhaupt aus: 
tretenden Mitglieder 4 keinesfalls überfteigen. — Die Kompetenz des 
Gerichts, fowie das Gerihtsverfahren beftimmte theils die Ge: 
rihtsordnung, theils eine Menge einzelner, darauf bezüglicher 


1) Angefangen auf Thomae Apostoli An, 1508, 


234 Elftes Kapitel. Stabtverfaffung von 1500. 


Artikel, welche folgende Ueberfchriften führen: Wie um liegende Güter 
erfannt werden fol, — wie Einer den Andern feiner Ehre befagen 
mag, — wie das Gericht erkennen foll in Sachen, die Ehre betreffen, 
— von Belohnung des Gerichts, und zwar: von gewöhnlichen Gerichts: 
tagen, von Teftamenten und Gemächten, von Verunterpfandung, von 
vertagten fremden Parteien, von Verurtheilen von Fremden, von Urs 
teilen, fo die Untergericht holen, von-Kaufgerichten, von verfammelten 
Gerichten, außerhalb der gemeinen Gerichte, von Kundfchaften der 
Bürger; Poenen, fo dem Gericht zugehörig; Belohnung von Untergängen ; 
von verganteten Gütern; — von den Ungeborfamen, fo die verfchuldeten 
Poenen nicht geben wollen. Es geht daraus, ſowie aus dem ziemlich 
ausführlichen Nichtereid hervor, daß das Ortsgericht die Civilgerichts— 
barfeit in erfter Inſtanz beſaß, auch verichiedene polizeiliche 
Geſchäfte zu erledigen hatte, ferner die Auffiht über die Waifenpflege 
führte ꝛc. Davon, daß diefem ftädtifchen Untergericht auch die Nechte: 
pflege in Kriminalſachen zuftand, habe ich kaum Beweiſe auffinden 
fönnen. Diefelbe fcheint im Gegentheil den hiezu angeftellten fürftlichen 
Aumtleuten faft in allen Theilen überwiefen gewefen zu fein. Den vor Ge 
richt erfcheinenden Parteien durften Fürſprecher berathend zur Seite 
ftehen und fie auf Verlangen wohl auch ganz vertreten. Näheres da: 
rüber enthielt die „Ordnung der Fürſprecher“, denen die nöthigen 
Beftimmungen über „Belohnung der Fürſprecher“ nadfolgten, 
Jeder Fürfprecher oder Fürſprech mußte, wenn er nicht rechtzeitig vor Gericht 
erfchien, ſechs Schillinge Strafe bezahlen. Wer einen fremden oder andern 
Fürſprech, als die geſetzten, brauchte, mußte letztern nicht deſto weniger 
ihren Lohn geben. In gewöhnlichen Streitſachen durfte kein Fürſprech 
vor Gericht ohne beſondere Erlaubniß desſelben mehr als zwei Mal 
reden und ſollte ſich dabei möglichſter Kürze befleißigen „ſonder Spitz 
oder Reitz oder Schmähwort der Parteien;“ in ſchweren und wichtigen 
Sachen jedoch durften die Fürſpreche reden, jo oft und „did“ fie woll⸗ 
ten, damit „feine Partei gefäumt werde." Keiner durfte dem Andern 
in feine Rede fallen mit fpiten Morten bei Strafe eines Schillings 
Pfennig; wer ungegründete Klage erhob oder in Schuldfachen eine 
größere Summe einflagte, als er zu fordern hatte, wurde um 10 Schi 
fing Pfennig geftraft. Wer mit feinem Fürſprech nicht zufrieden war, 
durfte einen andern nehmen, jedoch nicht den des Gegners, Kein Fürs 


Elftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500. 235 


ſprech durfte nad Austrag der Sache weder auf der Parteien Koften 
in einem Wirthshaus zehren, noch font „Koften auf diefelben treiben, ? 
auch Fein Geſchenk nehmen. Von jeder gemeinen Sache durfte der Für⸗ 
ſprech nicht mehr als einen Schilling Pfennig Lohn nehmen; bei wich— 
tigern Rechtsſachen erhielt er dns Gleiche von jedem Gerichtstage, auf 
welchem diejelben verhandelt wurden ; doch durfte er ohne der Parteien 
Rath und Willen die Sache nicht Hinausziehen, um etwa mehr Lohn 
zu befommen, Ein Fremder mußte den doppelten Kohn bezahlen. In 
ſchweren Sachen fonnte der Fürfpreh dem Schultheißen und Gericht die 
Feſtſetzung einer entiprechenden höhern Taxe überlafien. Was ein Für⸗ 
ſprech außergerichtlich für eine Partei that, darüber hatte er ſich ſelbſt 
mit derſelben zu verftändigen; wurden fie nicht einig, fo ſetzte dag Gericht 
bie Taxe feit ꝛc. Ä 


B. Bürgermeifter und Rath, 


Wie ſchon erwähnt, bildeten diefelben den ad miniftrativen Theil 
der Ortsbehörde. Der Rath wurde auf gleiche Weiſe, wie das Gericht 
gewählt (jiehe oben), und bejtand wie dieſes ebenfalls aus zwölf Mit: 
gliedern. Gericht und Rath wählten gemeinfchaftlich den Bürger: 
meifter, aud) immer nur auf ein Jahr. Aud) bier ſchrieb die mehr 
erwähnte Wahlordnung das Verfahren vor. Nachdem fi) alle Richter 
und Räthe verjammelt hatten, mußten fie ſammt dem bisherigen Bürgers 
meifter ab: und dann nad einander einzeln wieder eintreten, um vor dem 
Landhofmeifter und Näthen, oder Vogt und Schultheik ihre Stimmen 
abzugeben, die der Stadtjchreiber in das Protokoll eintrug. Zuerſt 
flimmte der alte Bürgermeifter, dann ein Math, dann ein Nichter, 
dann wieder ein Rath u. f. f., bis Alle ihre Stimmen abgegeben hatten, 
Wer die meiften Stimmen erhielt, war für das nächte Jahr Bürger: 
meifter. Den Dienſtkreis und die Befugnifie desjelben enthielt einestheilg 
die „Ordnung eines Bürgermeifters“, amnderentheils der Eid, 
den derfelbe bei Antritt feines Amts zu ſchwören hatte, Im erften 
Monat feines Amtsjahres mußte er Schultheiß, Gericht und Rath um 
fh verfammeln und Jeden auf feinen Eid fragen, ob er „inwendig oder 
auswendig der Stadt etwas gehört oder für fich ſelbſt gedacht oder 


256 Elftes Kapitel. Stadtverfaſſung von 1500. 


wiffend hätt, das unferm gnädigen Herrn, oder der Stadt oder der 
Bürgerfchaft zu Nuß oder Schaden komme.” Das Alles mußte dann 
der Stadtfchreiber notiren, und es wurde gelegentlich durch Gericht und 
Kath darüber berathen und die nöthigen Beichlüffe gefaßt. Der 
Bürgermeifter hatte überdies das Gemeindsvermögen zu verwalten, die 
Einnahmen und Ausgaben zu beforgen, am Echluffe feines Dienftjahres 
Rechnung abzulegen und durfte jeinem Nachfolger keine Ausftände hinter: 
Iafien. Er hatte die Beichlüffe des Gerichts und Naths zu vollziehen, 
und jollte „Für fich felbft wider den Rath ganz nichts handeln, fondern 
er foll dem Gericht und Nath ihr Befehl gehorfamen und nicht wider: 
wärtig ſein;“ auch follte er auf der Stadt „Freiheiten, Recht und Ge: 
wohnbeiten, auch ihre Gerechtigkeit, Gefäll, Nutzung und Gebau ein 
fleißig Auffeben haben.” Ihm Tag ferner ob die Aufſicht über alle Be: 
dienfteten der Stadt, die Handhabung der Polizei in Stadt, Feld und 
Wald, gemeinschaftlich mit dem Baumeifter die Aufficht über alle ſtäd— 
tischen Gebäude und Neubauten fc. So oft er es für notwendig fand, 
mußte er Gericht und Nath zufammen berufen. Die Beobachtung des 
Amtsgeheimnifjes war ihm zur ftrengen Pflicht gemacht. Wie weit be: 
züglich mancher Ausgaben feine Kompetenz ging, ficht man daraus, daß 
er 3. B. feinen „Bau der Sadt halb für fich felbft ohne Beſcheid Ge: 
richts und Raths thun durfte über zwei Pfund Pfennig“ u. dgl. Sein 
jährlicher Gehalt betrug 16 Gnlden. — Cine Ordnung des Raths 
finde ich nirgends; wohl aber einen „Raths-Eid“, der jedoch in ganz 
allgemeinen Ausdrücken abgefakt ift. Webrigens ift aus dem Bisherigen 
der größte Theil der Amtsbefugniffe des Rathskollegiums ſchon zu ent: 
nehmen, Durch Schultheiß, Bürgermeifter und Rath wurde 3. B. 
auch die Brunnenordnung vom 13. Sept. 1526 erlafien, während 
die Baupolizei von Schultheik, Bürgermeifter und Gericht gehand- 
babt wurde. 

Mie fchon oben bemerkt, ſaßen in manchen Angelegenheiten Ge: 
richt und Nath gemeinihaftlih, und diefe gemeinfame Kompetenz 
ſcheint eine ziemlich umfängliche gewejen zu fein. So wurden alle jtäb- 
tifchen Dienfte durh Gericht und Nath defekt. Die „Beckhenord⸗ 
nung” von 1514 wurde durch Schultheiß, Bürgermeifter, Gericht und 
Rath gegeben, die Mühlenvifitationen wurden ebenfalls durch Abgeord- 
nete Gerichts und Raths vorgenommen ıc. 


Elftes Kapitel. Stabtverfaffung von 1500. 237 
$ 3. Die Gemeindedienfte. 


Die Zahl derfelben war jehr groß. Jeder der Bedienfteten erhielt 
feine einfache, klar abgefaßte Dienjtinftruftion; auch war jedem derfelben 
ein bejonderer Eid vorgefchrieben, den er bei Antritt feines Dienftes zu 
ſchwören hatte. In dieſen Eidformularen waren zum Theil die Dienfts 
verrichtungen wieder enthalten, die jedem Cinzelnen zur Pflicht gemacht 
wurden, nur in etwas abgefürzter Form. Die Dienfteide fingen faft 
alle mit den Worten an: „Ahr werdet mit Treuen geloben und zu 
Gott dem Allmächtigen fchwören, unſerm gnädigiten Herrn und der Stadt 
getreu und Hold zu fein, ihren Nuten zu fördern und vor Schaden zu 
warnen“ ꝛc. Alle diefe ftädtiichen Dienfte wurden bezahlt, aber in der 
Negel immer nur auf ein Jahr verliehen. Da die Dienftinftruftionen 
fich in der Hauptquelle, woraus diefe Mittheilungen gefchöpft wurden, 1) in 
feiner beftimmten Ordnung folgen, jondern darin zerſtreut enthalten find, 
fo will ich im Aufzählung der ftädtifchen Dienfte die Neihenfolge der 
vorgejchriebenen Eide, die Feine zufällige zu fein fcheint, beobachten, und 
bloß noch bemerken, daß dieſe Dienfte theils polizeilicher, theils ökono— 
mifcher, theils jonjt anderer Natur waren. 

f. Der Stadtſchreiber.?) Er hatte alle ftädtifchen Schrei: 
bereien zu bejorgen, umd Konnte ſich dabei von einen oder mehreren 
Gehilfen unterftügen laſſen. Diefen war ein befonderer Eid, der „Sub: 
ftituten- Eid“ vorgeichrieben, wenn einer von ihnen die Stelle des Stadt: 
fchreibers in feinem „Abwefen oder jonft“ vertreten mußte, Ueber die 
Belohnung des Stadtichreibers finde ich Aufſchluß in der Anftellungs- 
urfunde von Dioniſius Kefil3) als Nachfolger Werander Hugs 
(S. 180), dem die Stadtjchreiberei fein Lebtag verſchrieben gewest und 
noch iſt.“ Diefer Keil erhielt jährlich auf Martini 20 Gulden Britt: 
bald Schilling Pfennig (1486 hatte die Stadtjchreibersbefoldung nur 
412 Gulden betragen), dazu 10 Klafter Holz und verſchiedene Gefälle, 
mußte fich aber eine halbjährliche Kündigung gefallen laſſen, „wenn er 
ſich Erenhalb oder ſunſt jo liederlich vnnd vnfängklich bielte, das es 
nit möcht geduldet werden.“ Sonſt war die Anſtellung eine lebenslängliche. 


1) Dem mehrfach erwähnten Kopialbuch. 

2) Eine „Stadiſchreibersordnung“ finde ich nirgends, wohl aber einen 
„Stadtſchreibers-Eid“. 

9) Sie befindet ſich im ſtädtiſchen Archiv und iſt vom 7. April 1529 datirt. 


8 Eiftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500. 


2. Der Baumeifter. Derfelbe jcheint neben dem Stadtfchreiber 
die wichtigfte Perfon unter den ftädtifchen Bedienfteten geweſen zu fein. 
Ich fchließe dies namentlich daraus, daß ev nach der Wahlordnung von 
1409 unmittelbar nady dem Bürgermeifter und auf gleiche Weiſe wie 
diefer gemählt wurde. Er konnte aus dem Rath oder aus der Bürger: 
jchaft genommen werden. Im letztern Falle: erfolgte feine Wahl auf 
unbeftimmte Zeit. Der Baumeifter hatte die Oberauffiht über alle 
frädtifchen Gebäude, Thore, Mauern, Brunnen, Brüden, die Schoß: 
gitter ꝛc. zu führen, (die nächite Aufficht über die Brücden, Brunnen und 
Schofgitter Hatten die anweſenden Nachbarn, bei den Schoßgittern 
namentlich die betr. Waſſerwerksbeſitzer,) gemeinfchaftlih mit dem Bür- 
germeifter oder einem von diefem Beauftragten die Weggeldftöde aufzu— 
jchließen, an den Jahrmärkten mit einem Mitglied des Gerichts oder 
Raths das Stättgeld einzuziehen, die ftädtiichen Taglöhner und Arbeiter 
auszubezahlen, Letzteres jedech nicht, ohne einen „Gezeugen“ bei fi zu 
haben. Einen Bau, deſſen Anfchlag über 1 Pfund Pfennig betrug, 
durfte er nur in Beiſein des Biürgermeifters verdingen, ohne Erlaubniß 
Gerichts und Mathe durfte er der Stadt Feines Jahres über 1 Pfund 
Pfennig abverdienen, auch ihr nichts zu kaufen geben oder abfaufen ac, 
(1486 waren es jogar zwei „Buwhern“, von denen derjenige, der das 
Geld „innympt und vßgipt“, jährlih 3 Gulden, der andere 2 Gulden 
bezog). 

3. Die Ungelder, die laut $ 28 der Stadtordnung bon ber 
Stadt und der Herrfchaft, und zwar abwechſelnd angeftellt wurden, hatten 
das Ungeld vom Wein zu erheben. Wegen der Einziehung des Mein: 
ungeldes bei Privaten mußten fie alljährlih um Martini in alle Keller 
gehen, (Die Ohm Wein foftete 6 Pfennig. Vergleihe $ 20 ber 
Stadtordnung.) 

4. Der Kornfhreiber mußte das Ungeld von der Mahlfrucht 
erheben und zugleich die Bäder und Bürger Kontroliren, ob fie fein 
fremdes Mich! verbadten, beziehungsweife verbaden ließen, Zu dem 
Ende hatte er zwei Bücher zu führen ; in dem einen waren alle Müller 
mit ihren Kunden, in’ dem andern alle Bäder mit ihren Kunden 
verzeichnet. Jeden Samftag Mittag nad 1 Uhr mußte er auf das 
Rathhaus kommen, um fein Ungeld, gleich den übrigen Erhebern des— 
jelben, abzuliefern. Dort mußten auch fämmtlihe Müller und Bäder 
der gegenjeitigen SKontrole wegen erjcheinen, Das eingenommene Ungeld 


Elftes Kapitel. Stadtverfaflung von 1500, 239 


hatte der DBürgermeifter alljährlich mit der Herrichaft zu verrechnen. — 
Der Kornfchreiber bezog einen jährlichen Gehalt von 10 Pfd. Pfennig, 

9. Der Salzmefsfer hatte den Salzverfauf, welcher laut $ 22 
des Privilegienbriefs Negal der Herrichaft und der Stadt war, zu be 
forgen. Es war ihm zur ftrengen Pflicht gemacht, Neichen und Armen 
gleich zu mejjen, (das Salz wurde nämlich) damals nicht ausgewogen, 
fondern ausgemefjen, oder e8 fam in Scheibenform in den Handel,) 
gegen Fremde freundlich zu fein und Niemand zu lang warten zu laſſen. 
Bei Licht Salz herzugeben, war er nicht verpflichtet, ebenſowenig an 
Sonn = und Feiertagen, ausgenommen an Fremde. Das erlöste Geld 
mußte er getreulich abliefern. Machte er ſich einer Verlegung der ihm 
vorgejchriebenen Ordnung ſchuldig, oder rechnete er „einen unmäßigen 
Abgang”, fo Konnte ihm durch Schultheiß, Bürgermeifter, Gericht und 
Rath „über Nacht” der Salzverfauf abgenommen werden. Sein jähr: 
licher Gehalt betrug 5 Pfund Pfennig. 

6. Die drei Fleiſchwäger und der Fleiſchſchreiber mußten 
bei jedem Mebger alle Fleiſchtage das vorhandene Fleiſch auf der Fleifch 
wage wägen, ſammt der Zahl der Kälber, Hämmel und Schafe auf: 
zeichnen und von etwaigen Defraudationen die Anzeige machen. Jeden 
Samstag Nachmittag mußten fodann alle Mebger aufs Rathhaus 
fommen und in Gegenwart des Fleiſchſchreibers nach den Notizen des— 
felben das Ungeld bezahlen. Fleiſchſchreiber und Fleiſchwäger bezogen 
einen jährlichen Gehalt von je 31/, Pfund Pfennig. 

7. Die Weinfiegler und Weinfchreiber hatten jedes Faß 
Mein, das in einen Keller gelegt wurde, auf dem einem Boden zu 
„verpitichaften“, jedes Faß, das angeftochen wurde, zu verfiegeln und 
feine Größe und den Preis des Weines zu notiren. Jeder bezog dafür 
jährlich 31/, Pfund Pfennig. 

8. Die zwei Faßeicher und der Eichſchreiber. Jene mußten 
beim Eichen „die Mefier ſtecken“ und nach erfolgter Eichung die „Kerfen 
gegen einander abzählen,“ jede Woche wenigftens ein Mal in die Keller 
aller Wirthe und Weinſchenken gehen, um nad) den Siegeln auf den 
Fäfjern zu jehen, und alle leeren Fäſſer, die fie vorfanden, alsbald mit: 
nehmen und eichen, Von einem Faß, das bis zu drei Ohm hielt, bes 
kamen fie 1 Pfennig, bis zu 6 Ohm 2, über 6 Ohm 3 Pfennig ꝛc. Der 
Eicherlohn in der Altjtadt dagegen betrug von jedem „Vierling“ auf oder ab 
5 Pfennig, von einem halben Fuder 7 Pfennig. Das Maaß der Fäſſer 


240 Stiftes Kapitel. Stabtverfaffung von 1500. 


hatte der Eichſchreiber zu notiren. Letzterer hatte ein jährliches Ein- 
fommen von 6 Pfund Pfennig. 

9. Die Brodſchauer Y mußten jede Woche ein bis drei Mal 
bei Tag oder bei Nacht bei jedem Bäder das Brod und zwar fowohl 
zu Haus, als „unter den Hütten oder auf den Brodbänten“ befichtigen, 
und wenn e8 zu Klein, oder vermwäflert oder nicht weiß genug war, fo 
batten fie die Befugniß, es zu Eonfisziven und den Bäder jedes Mal 
um 10 Schilling ‘Pfennig zu ftrafen. War dies drei Mal nach einander 
geſchehen, jo Fonnte im fernen Wiederholungsfall eine noch höhere Strafe 
angefegt, ja dem Bäder das Handwerk für eine Zeit lang niedergelegt 
werden. 

10. Die drei Fleiſchſchauer oder Fleiſchſchätzer, von denen 
der eine vom Gericht, der andere vom Rath und der dritte von der 
Gemeinde ernannt wurde, mußten jeden Morgen mit zmei gefchworenen 
Mebgern in die Mebig gehen und mit bdenfelben das Fleiſch befehen 
und ſchätzen, jegliches nach feinem Werth. Cie hatten überhaupt die 
Aufficht über den Fleifchverfauf, und mußten nöthigenfalls dem Bürger: 
meifter die Anzeige machen, wenn fie etwas nicht in Ordnung fanden. 
Fleiich, das „pfennig (finnig), beinbrüchtg oder fonft nicht Kaufmannsgut 
oder währſchaft“ war, durften fie in der Mebig nicht feil bieten laſſen, 
fondern mußten e8 aus derfelben auf die fog. „Pfinnbank“ (Finnigbanf) 
vermweifen. Wenn ein Schauer zu fpät kam oder ausblieb, fo wurde 
er geftraft, 

11. Der Fiſchſchauer Hatte die Aufficht über den Fiſchmarkt. 
Denn er irgend verbotene Garne, Hamen ꝛc. von fremden oder heimi- 
ſchen Fiſchern auf dem Markt oder fonft auffand, fo mußte er es rügen 
und dem DBürgermeifter die Anzeige machen, Keinen Fiſch, der nicht 
Kaufmannsgut war, durfte er verkaufen und feinen Salmen oder Lachs 
ungeſchätzt ausjchneiden laſſen. 

12. Der Häringſchauer mußte dem Aufbrechen einer jeden 
Tonne Häringe beiwohnen, und wenn die Häringe nicht in der Ordnung 
waren, fo durften fie nicht verkauft, fondern die Tonne mußte fogleich 
wieder zugejclagen werden. Bon jeder Tonne zu befehen erhielt der 
Häringfhauer einen Häring oder einen Pfennig, Bei Strafe von 5 


1) Die Ordnung der Brodjchauer enthält einen Zufagartifel vom 16. Sep: 
tember 1555, 


Giftes Kapitel. Stadtverfafjung von 1500, 24 


Schilling Pfennig durfte keiner eine Tonne Häringe aufbrechen ohne in 
Gegenwart eines Schauers. | 

13. Die Eicher für Meß, Maaß, Wag und Gewicht 
durften ihren Dienft nicht anders, denn in Gemeinfchaft beforgen und 
mußten dazu das Mufter: Gewicht, -Maaß und -Meß beim Bürger: 
meifter, der es in einem befondern Tröglein verwahrte, ablangen. Alle 
Sabre mußten fie in der Stadt das Gewicht und Maaß bejehen und 
probiren und nöthigenfalls umändern, was aber nicht mehr zu ändern 
war, oder fi zu Hein erfand, zerjchlagen. 

14. Die zwei Markttmeifter mußten die Aufficht über die Märkte 
führen, den Verkauf von Allem, was nicht Kaufmannsgut war, verbieten, 
alle Vorkäufe vor Beginn des Marktes verhindern, und durften auch nicht 
zulafien, daß Einer dem Andern in den Handel fiel ıc. 

15. Die Kornmeffer durften feine Frucht, die nicht Kaufmanns: 
gut oder des Marktes nicht werth war, verkaufen belfen und fie auch 
nicht mefjen, ebenjo feine Frucht, die nicht vorher um eine beftimmte 
Summe gekauft worden war. Sie durften von Niemanden ein Geſchenk 
annehmen, mußten ehrlih und unparteitich mefjen, jeden Betrug anzeigen 
und den auf die Stadt fommenden Antheil am Meßgeld getreulich ab- 
liefern. Der Ungeldtontrole wegen durfte in Keinen Sad mehr, als ein 
Malter gemefjen werben. 

16. Der Wagknecht mußte alle Frucht auf der ftädttichen 
Mage wägen, bevor fie in die Mühle fam, ebenio das aus der Mühle 
zurüdfommende Mehl ſammt der Kleie; auch mußte er beim Ab: und 
Aufladen behifflich jem. Dafür erhielt er für einen Sad von 6 Simri 
an 1 Pfennig, unter 6 Simri 1 Heller. 

47. Der Weinftiher hatte die Aufficht über den Wein zu führen, 
der zu Markt gebracht wurde. Er durfte den Wein, den er nicht als 
Kaufmannsgut erfand, vom Markt zurüchveifen und hatte, wenn er ihn 
für verfälicht hielt, die Anzeige zu machen. Niemand als der Wein: 
ftiher oder die, denen er es erlaubte, durften Wein anftechen und ver: 
ſuchen laſſen, aber an Marfttagen nirgends anders, denn auf dem Markt, 
im Winter nicht vor 9, im Sommer nicht vor 8 Uhr. Ein Fremder, 
der Wein zu Markte brachte, durfte ihn ausſchenken, aber nur auf ber 
Achſe; er mußte fein Pferd, Schiff und Gefchirr dabei behalten, jeden 
Tag einen Heller an der Maaß abſchlagen und durfte keinen Wein 
mehr binwegführen. 

Yflüger, Pforzheim. 16 


242 Elftes Kapitel. Stabtverfaffung von 1500. 


18. Die Untergänger waren fowohl Feldmeffer als Markt: 
ſteinſetzer. Bon einem Morgen zu mefien erhielten fie 4 Pfennig, 
von einem Stein zu feßen von jeder Partei 3 Pfennig. 

19, Die Büttel oder Stadtknechte waren Gerichtsdiener, 
Gerichtsvollzieher, Gerichtsboten, Gefangenwärter, Polizeidiener, Aus— 
rufer 2c. Jeder von ihnen erhielt außer feinem Dienftkleid und außer 
den Accidenzien jährlid 21 Gulden Kohn. Wer ihnen eine Garbe von 
dem Felde gab, der war ihnen für jenes Jahr Fein „Fürbietgeld“ vor 
Gericht ſchuldig. 

20. Die Biertleute oder Viertmeifter mußten im den 
Vorſtädten ein fleißiges Auffehen haben auf alle „Spiel, Gezänf, 
Hader, Aufruhr und ander Unfuhr,” ebenfo auf alle verdächtigen Leute 
„zu Fuß und Roß“, um nöthigenfals fogleich die erforderliche Anzeige 
machen zu können. 

21. Die Thorwarte und Thorzufhließer in der Stadt 
und den Vorftädten hatten neben forgfältiger Wache den Zoll und das 
. Weggeld zu erheben und in die betreffenden Stöde zu legen; ferner 
durften fie von jedem Karren Holz, das ein Fremder einführte, ein 
Scheit und von jedem Wagen zwei Scheiter für fich nehmen. Eine 
befondere Inſtruktion hatte der „Obere-Mühl-Thürleins-Zuſchließer.“ 

22. Die Schar: und Nachtwächter in Stadt und Borftäbdten 
mußten, wenn fie ihre ftündlichen Rundgänge durch die Stadt machten, 
die Schlöffer und Ketten an den Thoren rütteln, was fie fanden, aufheben 
und am Morgen abgeben, die Stunden rufen, nächtliche Ruheſtörer zur 
Ordnung weifen oder auch verhaften ꝛc. Die Vorſtadt-Nachtwächter 
hatten denen der Stadt, wenn fie von der Stadtmauer zu ihnen 
berüberriefen oder jchellten, zu antworten, alles Verdächtige ihren 
Viertmeiftern oder dem Bürgermeifter anzuzeigen 2c. Die Scharwächter 
auf der Mauer wurden jede Nacht drei Mal abgelöst. Der Wächter, 
der über St. Michaels Kirchhof ging, mußte dem Wächter auf dem 
Schloßthurm jede Naht ein oder zwei Mal zurufen. 

23. Der Stadtzimmermann und Stadtmaurer mußten 
gemeinschaftlich mit den Thorwärtern die Thore, Werren (Wehre) und 
Zugbrüden, mit den dazu beauftragten Nachbarn die Brüden, Brunnen 
und Schofgitter, mit den Scharwäctern die Stadtmauern in Acht 
Haben und werm fie etwas mangelhaft fanden, dem Bürger- oder 
Baumeifter die Anzeige machen. Keiner durfte für ftädtifche Arbeiten 


Elftes Kapitel. Stabtverfaffung von 1500. 243 


mehr als zwei Gefellen verwenden; wenn er aber einen Afford ge: 
macht hatte, fo viel er wollte Ein Meifter erhielt 2 Schilling 9 Pfg., 
ein Gefele 2 Schilling 4 Pig. Taglohn. Ueberdies durfte der 
Zimmermann alle Späne behalten, die unter dritthalb Schuh Yang 
waren. | 

2A. Der Tuch- oder Wollenfhauer mußte, fo oft er «8 
für nöthig bielt, das von den Tuchmachern verfertigte Tuch an den 
Rahmen oder auf der Tafel nach Farbe, Breite, Stoff ꝛc. unter: 
fuchen, ebenjo die Gewichte, Gefchirre und was fonft zu des Hand: 
wert Ordnung gehörte, und wenn er etwas nicht recht erfand, 
fo war er verpflichtet, Anzeige zu machen. (Solde Schauer Le 
ftanden bei allen Zünften und hatten über die vrönungsmäßige Be: 
jchaffenheit der Waaren zu wachen. Der Tuchſchauer möge als Beifpiel 
für alle übrigen gelten.) 

25. Die Feldſchützen. Ihre Dienftverrichtungen wichen von 
den heute üblichen nicht ab, An Lohn befamen fie außer ihrem An: 
theil an den Strafen von den Feldbefigern nad) Umftänden 4, 2 oder 
1 Garben Frucht. ') 

26. Die Waldſchützen. 

27. Der Schäfer hatte eine ſehr umfafjende Dienftinftruftion, 
welche die damalige Nichtigkeit der Schäferei beweist. Eigene Schafe 
durfte er nicht über 125 halten, Kein Bürger durfte mehr als 16 
Schafe oder Hämmel halten, von Fremden durfte der Schäfer feine 
annehmen ꝛc. An Belohnung erhielt er von jedem Schaf oder Hammel 
5 Pfennig und von jedem Lamm 1 Pfennig. Dem Schäfer zur Seite 
ftanden 

28. Die Pferhmeifter, nämlich zwei für die Etadt und einer 
für die Altſtadt. Sie hatten alle auf den Pferd bezüglichen Anord— 
nungen zu treffen, nach denen ſich der Schäfer richten mußte. 

29, Die Hirten. Die Zahl derfelben muß groß gewefen fein, 
da das Vieh aus der Stadt, der Altjtadt und den Vorſtädten gefondert 
gewaidet werden mußte, und die einzelnen DViehgattungen abermals ges 
trennt waren. Genau war vorgejchrieben, wohin die Pferde, die Kühe, 
die Schweine, die Schafe, die Ziegen und die Gänfe getrieben werden 


1) Die Feldihlikenoronung ift wie bie meiften andern Orbnungen ohne 
Datum, enthält aber einen Nachtrag vom Tonnerftag nad — 1551. 


244 Elftes Kapitel. Stadtverfaſſung von 1500. 


durften und welche Waiden zum Grafen benütt werben follten. Ebenfo 
finde ich genaue Bezeichnungen darüber, wie weit fi) das Waidrecht 
der umliegenden Dörfer erſtreckte Den Hirten war ein bejonderer Eid 
vorgeichrieben. Einen eigenen Eid aber mußten wiederum die Eckerich— 
birten ſchwören, weldye die Schweine in den Wald zu treiben hatten, 
wo diefen die Eicheln, Bucheln, wilden Wepfel und Birnen zur Nahrung 
dienten. Der Ederidy galt nämlich als ein Maftmittel, auf das damals 
nod) großer Werth gelegt wurde. (Es geht dies au aus $ 5 ber 
Stadtordnung hervor.) | 

30, Der Meßner. Neben dem Fürften und der Stadt mußte 
er auch den Geiftlichen Gehorfam ſchwören, auf Kirchen und Glocken 
fleißig Acht haben, die Kirchen rein und fauber halten, deren Gefäße 
und Zierden fleißig verwahren, die Uhren in gehörigem Stand halten 
und weder zu früh, noch zu fpät läuten, Sein Jahrlohn beftand in 
3"/, Pfund Pfennig, die er vom St. Michaels Pfleger erhielt; dazu die 
Accidenzien. 

31. Der Todtengräber Er mußte zwei Maße haben für die 
Tiefe der Gräber, ein D1/,[chühiges für Kinder, ein 69/, ſchühiges für 
Erwachſene. Gräber in der Kirche mußten aber nod einen Schub tiefer 
fein. Kamen mehrere Leichen in ein Grab zufammen, jo mußte für 
iede noch ein Schuh Tiefe zugegeben werden. Arme Leute aus dem 
„elenden Haus” mußte er umfonft begraben. Leichname von Hingerich: 
teten war er zu beerdigen nicht verbunden. Ihm Tag die Verpflichtung 
ob, den Kirchhof fauber zu erhalten. 

32. Der Wafenmeifter. Auf beide Wochenmarkttage mußte 
er in das Schindhaus gehen, um die Ausihindlinge hinweg zu tragen. 
Erfuhr er, daß in einem Drt zwei Rinder oder zwei Kühe gefallen 
feien, jo mußte er die Mebger darauf aufmerffam machen; ftarben aber 
in einem Orte fchnell nacheinander drei Rinder ober Kühe, fo mußte 
er den Mebgern denfelben verbieten, und dies Verbot blieb fo lange in 
Kraft, bis innerhalb ſechs Wochen und drei Tagen dafelbft fein Vieh 
mehr gefallen oder erfranft war. Für das Abziehen zc. eines geftorbenen 
Stückes Vieh erhielt er feinen vorgefchriebenen Lohn, mußte aber dem 
Befiger die Haut ins Haus liefern. Von diefem Lohn mußte er jedes 
Jahr auf Martini dem Nachrichter in Baden den Gulden bezahlen, den 
die Stadt demfelben zu entrichten ſchuldig war. 

33. Der Shulmeifter. Alle Schüler, die über 14 Jahr alt 


Elftes Kapitel, Stabtverfaffung von 1500. 245 


waren, mußte er dem Fürften und der Stadt Treue ſchwören Yaffen und 
die Kinder ſämmtlicher Bürger und Fremden nad beftem Verftändnik 
und zu ihrem Nuten und Künften, guten Sitten und Tugenden lehren 
und unterweifen. Er jelbft follte feinen Schülern mit gutem Beifpiel 
vorangehen, fich nicht mit weltlichen und ungebührlihen Händeln unter 
die Laien mifchen, zu feinem Tanz, auch ohne redliche Urfache des Nachts 
nicht auf die Straßen geben, dafelbft nicht hofiren, (1) noch andere Un: 
gebühr treiben, auch kein Spiel thun ꝛc. Bon den Schülern bezog er 
fein Schulgeld, nämlich auf Frohnfaften von jedem Kind 2 Schilling 
Pfennig, von armen Kindern aber nur 1 Schilling Pfennig und an 
Dftern 50 Eier oder dafür 10 Pfennig; fonft durfte er fie, mit Aug: 
nahme eines Scyeites Holz, das jedes Kind während des Winters all: 
täglich bringen mußte, (oder ftatt defien für die Dauer eines Winters 
1 Pfennig), mit andern Forderungen, als Defen:, Fenſtergeld ꝛc. nicht 
behelligen; ebenfo von feinen Helfern feine Beſchwerung der Schüler 
leiden, ausgenommen, wenn ſie denfelben befondere Unterrichtsftunden 
ertheilten ꝛc. Wie jeder andere ftädtifche Bedtenftete mußte auch der 
Schulmeifter jedes Neujahr von Neuem „um die Schule bitten.” Aus 
Orten, wo anfteddende Krankheiten berrfchten, durfte er feinen Schüler 
aufnehmen. 

34. Die Windwächter mußten bei entftehenden ftarken Winden 
die ganze Nacht hindurch alle Straßen der Stadt durchgehen und auf 
etwaige Feuersgefahr Acht geben, Gegenftände, welche der Wind von 
den Häufern auf die Straßen geworfen hatte, aufheben und dem Eigen: 
thümer wieder zuftellen zc. 

35, Der Stadtfäger. Er war zur Beforgung der der Stadt 
gehörigen Sägmühle geſetzt und erhielt für das Sägen von Borden, 
Ratten ꝛc. die vorgefchriebene Belohnung. Der Lohn von Privaten, 
welche die ftädtifche Sägmühle benüßten, fiel zur Hälfte der Stadt zu. 

36. Der Viehſchauer f) hatte alles gefallene Vieh zu befichtigen 
und fogleich die Anzeige zu machen, wenn ſich etwas Verbächtiges vorge: 


1) Diefe Stelle, jowie auch die Mehrzahl der folgenden, jcheint erſt ſpäter 
freirt worden zu jein. Es ftammen überhaupt die Eide, welche ven noch fol- 
genden und theilweife auch den bisherigen Angaben zu Grunde liegen, aus 
ſpäterer Zeit. (Sie ftehen nicht im Kopialbuch, ſondern auf zerftreuten Blät— 
tern, die in bemjelben liegen.) 


246 Eiftes Kapitel, Stabtverfaffung von 1500, 


funden, Er mußte überhaupt die „bei dem Nindvieh, Pferden, Schafen, 
Schweinen und anderm im gemeinen Leben vortommenden Vieh obwaltenden 
Krankheiten fleißig erforichen und die Merkinale, woraus die etwa vor: 
bandenen Mängel ficher abzunehmen, auch wohl befannt machen”, die 
Urkunden und Atteſtate gewifienhaft ausftellen und namentlid) bei drohen: 
den Seuchen alle Maßregeln treffen oder veranlaffen, welche die Nerbrei- 
tung derfelben verhindern konnten. 

37. Der Waghausinſpektor mußte auf die im Waghaus be- 
findlihen Waaren Acht haben, Wag und Gewicht in Ordnung halten, 
jedem Fremden und Einheimifchen auf Verlangen feine Waare getreulich 
wägen, von Zeit zu Zeit das Gewicht prüfen und das mangelhafte in 
gehörigen Stand bringen lafjen, das Waggeld erheben und auffchreiben, 
und der Stadt wie der Herrichaft den daran gebührenden Antheil all- 
jährlich abliefern, ! 

38. Der Hanfwäger hatte Ähnliche Funktionen. 

39. Die Stadtprofuratoren hatten die Verpflichtung, jebes 
Mal, wenn es nöthig war, vor dem Oberamt und Bürgermeifteramt 
pünktlich zu erjcheinen, jeden Klienten nach beſtem Wiſſen zu be- 
rathen, Alles gewifienhaft vor Gericht mündlich oder ſchriftlich vorzutragen 
und Niemand über die geſetzliche Belohnung zu fordern, die Ordnung 
bei Taufen, Hochzeiten und Leichen zu überwachen, bei Todesfällen be 
bufs der Obfignation fogleich dem Stadtfchreiber die Anzeige zu machen, 
bei Inventuren und Theilungen als Taratoren zu fungiren, anvertrautes 
Geld getreulich zu verwalten ꝛc. 

40. Die Holzmeſſer. 

41. Der Heubinder. Jeder Bund Heu mußte 21 Pfund 
wiegen ꝛc. 

42. Der Feuerfhaner. 

45. Die Wingerthüter. 

44, Der Armenfranftenwärter hatte über das Seelhaus 
(S. 163), die Kreuzkirche umd den anftoßenden Gottesader die Aufficht 
zu führen und diefelben in gutem Stand zu erhalten, die Uhr in der 
genannten Kirche aufzuziehen und zu richten, die ihm übergebenen Ge- 
räthe, Bettgewand ꝛc. zu reinigen und in gutem Stand zu erhalten, die 
im Seelhaus aufgenommenen Armen menfchenfreundlih zu behandeln, 
die Kranken zu pflegen ꝛc. 


Eiftes Kapitel, Stadtverfaffung von 1500. 247 


$ 4 Die Dürgerfchaft, 


Vergleichen wir den Eid, den die Bürgerſchaft Pforzbeims im 
Jahr 1348 ihren Fürften hatte ſchwören müſſen (S. 96), mit den 
Beftimmungen des Privilegienbriefes von 1491, worin volle Freizügigkeit 
geftattet, jede Art von Frohndienſt, Schagung, Steuer ꝛc. aufgehoben 
und die Dürgerfchaft überhaupt auf alle Weife „gefreit“ war, fo 
kann uns nicht entgehen, wie fehr ſich die Verhältniffe zum Vortheil der 
Bürger geändert hatten. Mußte doch nach der neuen Ordnung jeder 
Bürger ſchwören, daß er feinen „nachfolgenden Leibesherrn“ (d. h. feinen, 
der von früher Anfprüche auf ihn machen könne,) babe und namentlich, 
aller Leibeigenſchaft ledig feil Nirgends finden wir auch eine 
Spur mehr von Verbindlichkeiten und Dienftleiftungen, wie diefelben mit 
dem Verhältniß der Leibeigenfchaft zufammenhiengen, 

Es ift oben des Bürgereides gedacht worden. Derjelbe enthält 
außer dem erwähnten Eingang das Verſprechen, ſich nad der Stadt 
Drdnung zu richten, ohne Erlaubniß des Schultheigen (Untervogts) nicht 
wegzuziehen, ohne den im Privilegienbrief vorgefchriebenen Verpflichtungen 
nachgekommen zu fein. Ferner mußte beſchworen werben, daß das vorgezeigte 
Gewehr Eigentum und nicht emtlehnt ſei, und daß es der betreffende 
Bürger nicht verkaufen wolle, Der Schultheiß, der die Bürgeranmahmen 
zu beforgen hatte, durfte nämlich feinen annehmen, der nicht fein Mann: 
recht Cd. h. Freiheit von Leibeigenfchaft), ziemliche Habe, einen Harniſch 
und ein Gewehr, damit er für die Noth gerüftet fei, befaß. Daß diefe 
Bedingungen noch lange aufrecht erhalten wurden, erfehen wir aus den 
Ratheprotofollen des folgenden Jahrhunderts, worin ausdrüdlic gefagt 
it, daß jeder aufzunehmende Bürger fein Mannrecht beweifen müffe und 
feiner fein Bürgerrecht antreten dürfe, ev habe denn zuvor fein Gewehr 
präfentirt und feine Schuldigfeit (wegen Bürgerannahme) entrichtet, 
Ebenfo durfte auch Feiner heirathen, der nicht vorher ſich feine Waffen 
anſchaffte, und diefe konnten einem Bürger, der zahlungsunfähig wurde, 
jo wenig, als fein Handwerkszeug genommen werden. Bezüglich der 
Wehrhaftigkeit der Bürger hatten die fürftlichen Amtleute überhaupt 
fireng darauf zu fehen, daß, wie es in der Landesordnung von 1495 
beißt, „die Unjern mit ihrem Harniſch, Gezelten, Neiswägen, Gewehren 
und Anderm zum Krieg, desgleichen mit Leitern, Hafen, Eimern und 
anderer Bereitfchaft zu Feuersnöthen allweg und in fteter Nüftung be: 


248 Elftes Kapitel, Stadtverfaſſung von 1500. 


ftelit und geordnet feien.” Aber auch in Friedenszeiten mußten die 
Bürger, wenn e8 die Noth erforderte, „nacheilen und retten“ (S. 230), 

. im Falle die Stadtfnechte allein nicht fertig werden konnten. So lange 
"die betreffenden Bürger auswärts und ihrer nicht über 15 waren, erhielt 
jeder „für einen Tag und eine Nacht, für Lieferung und alle Ding” 
3 Schilling Sold; bei größerer Zahl war man ihnen zu verabreichen 
nichts fchuldig, wenn nicht Gericht und Rath aus befonderer Urfache 
anders beichlofien. Zu Kriegszeiten durfte Fein Bürger ohne Urlaub 
de8 Schultheigen auf einen Jahrmarkt ziehen; wenn es nothwendig er: 
fchten, konnte der Schultheif die Bürger, die das thun wollten, „mit 
Drdnung eines Hanptmanns und mit ziemlichen Gewehren” dahin ziehen 
laſſen. — Das Bürgereinfaufsgeld betrug Taut MPrivilegienbriefs 
3 Schilling Pfennig; einen davon erhielt die Herrichaft, den zweiten die 
Stadt und der dritte fiel den Bütteln zu (S. 222). Jeder Bürger war 
zn allen Nemtern wählbar, wenn auch das aktive Wahlrecht ein beſchränktes 
war. Doch wurden jedenfalls and Gericht, Rath und Bürgermeifter 
urfprünglich von der ganzen Genteine gewählt. 

Daß die ganze Bürgerſchaft in Zünfte eingetheilt war und diefe 
auch einen militärifchen Zweck hatten, ift früher ſchon (S. 124) bemerkt 
worden Wie groß die Zahl derfelben im 15. und 16. Jahrhundert 
war, ift nirgends angegeben; wohl aber ift fpäter immer von 24 Zünf: 
ten die Rede. Daß dazu ſchon um 1500 die der Mebger, Bäder, 
Mirthe (und Kauflente), Flößer, Fiſcher, Schneider, Schuhmacher, Küfer, 
Goldſchmiede (und Glaſer) u. A. gehörten, geht aus den unten folgen: 
den Gewerbeordnungen hervor. 


65. Polizeiliche Einrichtungen unb Anordnungen. 


Manche derjelben find ſchon im Bisherigen, namentlich auch in der 
Stadtordnung felber berührt worden, da die amtlichen Werrichtungen 
fehr vieler DBedienfteten polizeilicher Natur waren. Indeſſen wurden 
dabei mehr die Perfonen als die Sache berücfichtigt; andere Verhältniffe, 
die in dem vielgegliederten ſtädtiſchen Gemeinweſen von großer Wichtig: 
feit waren, konnten dort weniger berührt werden, fo daß eine befondere, 
wenn auch gedrängte Darftellung derfelben nothwendig erfcheint, um das 
Stadtbild, defien Ausmalung der Zweck diefes Kapitels ift, zu ergänzen. 


Elftes Kapitel. Stabtverfaffung von 1500. 249 


Am beften laſſen fich jene polizeilichen Einrichtungen und Anorb- 
nungen in folhe, welche mehr allgemeiner Natur waren, und in 
folche, welhe auf bejondere Verhältniffe, wie z. B. auf das Gewerbe: 
weien Bezug hatten, eintheilen, 


A. Allgemeine Polizei. 


1. Feldordnung. 

Das, was fid) aus dem mehrerwähnten Kopialbuche unter dieler 
Ueberſchrift zufammenfaflen läßt, bejteht aus ſechs verfchiedenen Artikeln, 
welche folgende Meberfchriften führen: Vom Bau des Feldes und Zu: 
adergeben, von der Feldalmend, von Feldbäumen, vom Wegſchneiden in 
der Ernte, vom Megmähen, von Feldrügungen, Jeder diejer Artikel 
zerfällt wieder in einzelne Stems oder Paragraphen, welche meifteng 
Verbote enthalten und denfelben die auf die Uebertretung geſetzten Stra> 
fen beifügen. So mußte z. B., wer ohne Erlaubniß über einen einge 
fäeten Ader fuhr, 10 Schilling Pfennig, wer von einer Almend fich 
etwas aneignete, 2 Pfund Pfennig, wer ohne Erlaubniß des Bürger: 
meifters einen Daum auf feinem Feld umhieb, 10 Schilling Pfennig 
Strafe bezahlen ꝛc. 

2. Waldordnung, 

An bierher gehörigen Bejtimmungen finde ich nichts, als einen 
Artikel, überfchrieben: Von der Stadt MWaldeingung. Er enthält u. A. 
die Beftimmung, daß, wenn ein „gemeiner Hau“ erfolgte, der Plat 
eine Zeitlang von dem Vieh gebegt werben follte, damit der Wald 
wieder wachfe; ferner, wer ftehend Holz abhieb, jo groß als ein Geifel: 
ftecten oder größer, mußte Strafe oder MWaldeinigung im Betrag von 
171, Schilling Pfennig bezahlen ꝛc. Wer aber in der Nacht oder 
Morgens ohne Erlaubniß im Wald Holz bieb, wurde gerichtlich geitraft. 

3. Marftordnung. 

Jede Woche waren zwei Wochenmärkte, am Mittwoch und 
Samftag, beide mit urfprünglich gleichen Freiheiten, Das wurde aber 
fpäter 1) dahin abgeändert, daß nur der Mittwoch ganz frei fein, am 
Samstag dagegen ein fremder Krämer auf erhobene Klage nicht feil 


1) Auf Montag nad Qubilate 1556 durch Beichluß des Schultheißen, 
Bürgermeifters, Gerichts und Raths. 


250 Elftes Kapitel. Stabtverfafjung von 1500, 


haben dürfe, damit „den Bürgern nicht das Brod von dem Mund ab: 
geſchnitten werde.“ Alle Gegenftände, die zu Markt gebracht wurden, 
durften nur auf dem Markt jelbft verfauft werben, und fein Thorwart 
oder Zuhüter durfte fi) unterftehen, unter dem Thore etwas an Schmalz, 
Käfe, Eiern, Hühnern, Vögeln, Obft u. dgl. zu Faufen oder zu beftellen. 
Ebenfo durfte auch Fein Händler, und zwar Sommers (von Georgi big 
Michaeli) vor 10 Uhr und Winters (von Michaeli bis Georgi) vor 
11 Uhr bei Strafe von 5 Schilling Pfennig Etwas Faufen oder beftellen, 
und aud an andern Tagen mußten die Waaren zuerft wenigſtens zwei 
Stunden feil geboten worden fein. jeder Bürger, der feil Gut über 
einen Gulden an Werth Faufte, mußte Andere auf Verlangen am Kauf 
Theil nehmen laffen, damit „Feine Theurung gemacht werde.” Was 
den Frucht markt betrifft, fo durfte Keiner, geiftlich, weltlich, fremd 
oder einheimifch bei Strafe von 1 Pfund Pfennig „Fruchtred haben 
oder feilfen”, jo lang das Marktfähnlein noch ausgeftet war. Alle 
Fruchtläufe durften nur im Kaufhaus gefchehen. Kein Bäder noch 
Anderer durfte mit unbeftimmten Worten, wie: was die Frucht gelten 
werde, fo viel wolle er aud zahlen u, ögl. kaufen, jondern er mußte 
immer mit beftimmten Worten erflären, wie viel er geben wolle, Müller 
und Berfäufer durften ohne befondere Erlaubniß des Bürgermeifters 
vor 412 Uhr Feine Frucht kaufen. Wer größere uantitäten Frucht 
Taufte, mußte Andere auf ihr Verlangen daran Theil nehmen Yaffen. 
Roggen oder Dinkel follte vor dem Hafer ausgemefien werden, Wer 
einen Sad, voll oder leer, auf den Zahltifch legte oder ftellte, mußte 
dafür 5 Pfennig Strafe zahlen ꝛc. Die Fruchtverkäufer durften ihr 
eigen Maaß mitbringen, doch mußte es vor dem Gebrauch in der Stabt 
geeicht werden. Wer Fein eigenes Maaß mitbrachte, durfte nur dag der 
Stadt benutzen, mußte aber 1 Pfennig bezahlen; dafür befam er auf 
einen Tag „ein Simmerin, ein halb Simmerin und einen PVierling.” 
Ueber die Vieh- und Jahrmärkte finde ich wenig, von Yebtern nur 
den Betrag des Standgeldes für Tuchkrämer und daß ihrer jährlih 4 
gehalten wurden. — Die Ordnung des Marktes bandhabten zwei 
Marktmeifter (©. 241). 
4. Brunnenordnung. ') 


1) „Durch Schultheiß, Bürgermeifter und Rath fürgenommen und beihlof: 
fen auf ven 13. Sept. Anno domini 1526.“ 


Elftes Kapitel. Stabtverfafjung von 1500. 251 


Bon einem untergefehten Kübel durfte Niemand weglaufen, und 
den vollen mußte man gleich binwegtragen. In die Brunnenfäften durfte 
fein Fiſchkorb gelegt, darin Fein Tuch genetzt, Fein Stodfifh, Häring, 
Reif, Beſen, Schaub, Gefchirr u. dgl. geſtoßen oder gewaſchen, dabei 
fein Kraut, Wendel, Fenfter, Kübel, Zuber, Schub u. dgl. gewaschen 
und zu den Brunnen kein Feget, Wuft, Mift u. dgl. getragen nod) ge 
fchlittet werden. Auf alles Zuwiderhandeln waren angemefjene Geld: 
ftrafen geſetzt. Die zwei nächſten Nachbarn eines jeden Brunnens hatten 
darüber zu wachen, daß derſelbe ſich (S. 238) immer in gehörigem 
Stand befand, und im entgegengefeßten Tall dem Bürger- oder Bau: 
meifter die Anzeige zu machen. 

5. Bauordnung (Dom Bau von Häufern und Scheuern.) 

Der einen Neubau aufführen wollte, durfte den alten nicht eher 
abreißen, bevor er von Schultheiß, Bürgermeifter und Gericht oder den 
von ihnen dazu Geordneten befehen worden war, damit ‘der neue Ban 
auf der Almend nicht weiter vorgefeßt werbe, als der alte Ein Ueber- 
ftoß an einem Haufe durfte ohne Erlaubniß nicht über 11/, Schub 
herausgeben, und war in engen Gaffen beim unterften Stod gar nicht 
geftattet. Wer gegen einen Nachbar Traufrecht haben follte, mußte wie 
diefer 11/, Schub Tiegen lafien, wenn nicht Recht und Billigfeit es 
anders verlangten, Unterfagt war, ohne befondere Erlaubniß des Schult: 
heißen, Bürgermeifters und Gerichts Abtritte in Winkel zu richten, mo 
vorher Feiner geweien, Waflerfteine in eine gangbare Straße zu richten 
ohne Kanal am Haus herunter, dem Nachbarn ohne deſſen Bewilligung 
„ein Geficht ins Haus zu machen“, das Licht zu verbauen, auf feinen 
Nahbar „zu ſchütten oder zu werfen ohne befondere Gerechtigteit oder 
rebliche Urſache.“ Ein „Gefiht vom Himmel herab“ Fonnte jedoch nicht 
verwehrt werden. Wer ohne Berechtigung auf einen Almendplat baute, 
mußte den Bau binnen Monatsfrift wieder abthun. — Die Landesord- 
nung von 1495 enthält überdies folgende baupolizeiliche Beftimmungen : 
Jeder Neubau muß wenigſtens kniehoch von der Erde untermauert ei, 
damit die Schwellen nicht fo bald faulen. Alle alten und neuen Ge: 
bäude follen mit „Leimen, Schornfteinen und fonften Feuers halber ver: 
ſehen fein.“ Zwei vom Gericht müfjen jedes Jahr wenigſtens zwei 
Mal behufs der Fenerfchau zc. umgehen. 


252 Elftes Kapitel. Stabtverfaifung von 1500. 


6. Reinlichkeitspolizei.9 

In den Straßen durfte von Niemand, der einen eigenen Hof oder 
Miſtplatz hatte, Miſt gemacht werden, und überhaupt fein „Geſperr“ 
ftattfinden, (mit Ausnahme einiger Häuferbefiter); ebenfo mußte der Platz 
beim Schleifthor in- und auswendig der Stadt unbelegt und unverfperrt 
bleiben, mit Ausnahme von Holz oder Dielen, die man drei Tage da- 
jelbft aufgeſetzt Lafien durfte. „Kerich, Gemüll, Aſchen, zerbrochene 
Häfen“ ꝛc. durfte man nicht auf die Straßen und in Winkel werfen, 
ebenfo wenig „einig todt Thier, Schelm, Hund, Kaben, Schwein, Gäng, 
Hühner, Natten, Mäuß u. dgl.”; erftere Gegenftände mußte man vor 
die Stadt hinaus (in die „Krüpfen bei der Bleichftaffel”) tragen, letztere 
entweder ins Waſſer werfen oder dem Wafenmeifter abliefern, (Von 
MWaflerfteinen und Priveten fiche Bauordnung.) Fließende Kloaken durf: 
ten nur bei großem Negen, und wenn das alsdann nicht gefchah, jedenfalls 
nur bei Nacht gereinigt werden. Andere zu bejchütten, bei Tag oder 
Nacht, oder zu bewerfen, namentlich wenn die betr, Perfonen bei Nacht 
ein Licht trugen, war bei Strafe unterfagt, In jeder Gaffe waren ein 
oder zwei Bürger aufgeftellt, „ein Nuffehen zu haben“ und Ungehörig- 
feiten dem Bürger: oder Baumeifter anzuzeigen, 

T. Sicher heitspolizei. 

Ich finde hierüber nur zerſtreute Beſtimmungen, von denen bie 
meiften in den Dienftinftruftionen und den Eiden der Büttel, Schar: 
wächter 2c. enthalten und fchon zum Theil berührt worden find. Es 
gehört hierher noch: Man durfte Niemanden ohne Erlaubniß des 
Schultheißen oder Bürgermeifters länger als 8 Tage beherbergen, 

8. Maaß und Gewidt, 

Nach vereinzelten Angaben und darauf geſtützten Vergleichungen 
und Berechnungen betrug : 

Längenmaaß: eine Ruthe — 16 Schub oder 8 Pforzheimer 
Ellen; ein Schub — 12 Zoll, Dabei die Bemerkung: „Die Längen 
der Ruth findet man am Glodenthurm zu St. Michael gegen der Gruft 
bei der Ziegelformb.“ (Dies ift, fo viel mir befannt, auch beim Ein- 


1) „Ordnung bes Mifts, Keritt, der Wafferftein und Priveten“ 
(ohne Datum). Ferner: „Ordnung Mifts“, duch die Rathsverordneten 
in Beifein bes Kanzlers Oswald Gutt, des Vogts Volder von Uetzlingen 
und bes Dr. Marquard, allen fürftlihen Räthen, verfaßt auf Dienftag nad 
Pfingiten 1539, 


Eiftes Kapitel. Stabtverfaffung von 1500, 253 


gang in das Freiburger Münfter der Fall.) Bei wen man eine Elle 
fand, die um zwei-Heller zu kurz war, wurde um 11/, Schilling ge 
ftraft; 3 oder 4 Heller zu kurz koſteten 5 Schilling; noch mehr zu 
kurz zog gerichtliche Strafe nad fih. In der Stadt durften Ellen: 
waaren nur nach Ellen verkauft werden, welche der Stadt Zeichen trugen, 

Klaftermaaß: Jedes Klafter mußte 61, Schub hoch umd 
61/, Schuh weit oder breit, jedes Sceit Holz 41, Schub lang fein. 
Ungemefjenes Holz durfte nicht verkauft, auch nicht verfchiedenes Holz 
vermifcht werden, 

Getreidemaaß. Ein Matter hatte 8 Simmerin, 1 Sim: 
merin faßte 4 Imi oder 4 Vierling oder 3 Dreiling. Von rauber 
Frucht (Spelz, Haber) hatte das Malter 10 Simmerin. 

Flüſſ igkeitsmaaß. Eine Ohm betrug 12 Viertel, ein Viertel 
6 Maaß. 

Gewicht Genaue Beltimmungen darüber finde ich nicht; es 
feinen indeß die verfchtebenen Gewichtsahftufungen diefelben wie heut 
zu Tage (Zentner, Pfund, Loth, Quintchen, Gerftenförner) gewefen zu 
fein, ebenfo ihr Verhältniß zu einander, Ob der fpätere Unterjchied 
zwifchen Frohngewicht und Kramgemwicht (meld Tebteres etwas 
leichter als erfteres war,) fchon beftand, vermag ich nicht anzugeben, — 
Die Krämer durften an Wagen und Gewichten fein Blei, Eifen ober 
Stein ꝛc. hängen bei Poen von 1 Pfund Pfennig, War ein Pfundge- 
wicht um 1/5 Roth zu leicht, fo zog das eine Strafe von 3 Pfund 
Pfennig nad) ſich; ein ganzes Loth koſtete 5 Pfund Pfennig; noch mehr 
wurde gerichtlich beftraft. . 


B, Beiondere Polizei, 


Diefelde umfaßte, mie ſchon oben bemerkt, die verſchiedenen Ge: 
werbeordnungen. Diefe wurden natürlich nicht alle auf ein Mal 
gegeben, auch nicht auf längere Zeit unabänderlich feſtgeſetzt, fondern 
erhielten nad Bedürfniß und Umftänden zeitgemäße Zufäge und Um: 
wandlungen, weshalb fich beifpielmeife in dem vielerwähnten Kopialbuche 
neben der von Schultheiß, Bürgermeifter, Gericht und Rath im’ Jahr 
4511 gegebenen „Beckhenordnung“ noch eine alte „Bedhenord- 
nung von der Cantzley geben” von 1506 findet. Von allgemeinen 


254 Elftes Kapitel. Stabtverfaffung von 1500. 


Beftimmungen über das Gewerbsweſen ftoße ich auf wenige, jo auf das 
Berkot der Benübung auswärtiger Handwerksleute ohne Erlaubniß des 
Bürgermeifters bei Strafe von 10 Schilling ‘Pfennig u. ſ. w. Alle 
Gewerbeordnungen hier vollftändig mitzutheilen würde natürlich zu weit 
führen. Ich befchränfe mich deshalb auf die wichtigen und gebe 
dag Mejentlichfte derjelben im Auszug. Meine Quellen enthalten deren 
folgende: Müller, Bäder:, Metzger-,Wirths-, Würzkrä— 
mer-, Fiſcher-, Flößer:, Ziegler:, Dahdederordnung, 
Nach einem noch eriftirenden Verzeichniß deſſen, was das ftädtifche Archiv 
vor 1689 enthielt, fanden fich in der Lade B. B.: Drdnungen aller 
Handwerke, davon fpeziell angeführt: Deß ſchnyderhandtwerkhs, ber 
fhuhmadyer, der Bader (gar Alt), des Fueffer handtwerkhs u, ſ. w. 

1. Müllerordnung. 

Nach verſchiedenen Beftimmungen über die Art und Bejchaffenheit 
der Getreidemaaße der Müller, die Mühlfteine und fonftige Mühlein- 
richtungen wird ihnen das Kaufen von Frucht im Haus oder auswendig 
der Stadt ohne befondere Erlaubnig des Bürgermeifters, aber auch in 
diefem Fall nur zu eigenem Gebrauch, nicht um fie wieder zu verkaufen, 
bei hoher Strafe unterfagt, ebenfo die Annahme und das Mahlen von 
Frucht ohne erhaltene Wortzeichen (S. 223), und wenn damit die 
Truchtmenge nicht übereinftimmte, jo mußten fie die Anzeige machen, 
Jeder Müller durfte nur feinen Kunden mahlen. Er durfte feinen 
Mühlknecht noch Lehrling länger als acht Tage behalten, ohne daß der— 
jelbe dem Schultheißen gelobt hatte, die Ordnung des Ungeldes zu be: 
obachten. Der den Mühlfnechten vorgeichriebene Eid war ein fehr aus— 
führliher, Sie mußten ſich darin verbindlich machen, den Müller des 
Ungeldes wegen zu kontroliren und nicht ohne Urlaub des Schultheißen 
hinweg zu wandern. Auch die Frauen, Kinder und Dienftboten der 
Müller mußten ſchwören, ohne die Meifter oder Knechte Teine Frucht 
anzunehmen (S. 223). Die Miller mußten die Frucht aus den Kun— 
benhäufern abholen und das Mehl wieder dahin verbringen Che aber 
die Frucht in die Mühle kam, mußte fie auf der ftädtifchen Wage durch 
den dazu beitellten Wagknecht gewogen werden, ebenfo, wenn Mehl, 
Kleie ꝛc. aus der Mühle zurückkamen. Molzer und Abgang durften 
von einem Malter Kernen 16 Pfund, von gemifchter Frucht 15 Pfund 
und vom Roggen 14 Pfund betragen. Ohne Wiffen und Willen des 
Eigenthümers durfte Feine Frucht genegt werden. Geſchah es, fo mußte 


Elftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500. 95 


der Müller den Wagknecht in Kenntniß fegen, um den Abgang darnach 
bemefjen zu fünnen An Mülter oder Molzer durften fie nehmen: 
Bon einem Malter Kaufkernen einen gehäuften Vierling Kernen 
und einen geftrichenen Vierling Mehl; von einem Malter Gerbfernen, 
den man mahlt und gerbt, 1/, Simri Kernen und einen geftrichenen 
Bierling Mehls; von einem Malter Roggen oder gemifchter Frucht 
1/5, Simri geftrihen und fein Mehl; von einem Malter Haber, zu 
Mehl gemahlen, 1 geſtrich. Vierling Mehl. Ferner von einem Malter 
Dinkel zu gerben 2 Pfennig; von einem Malter Kernen oder Roggen 
zu beuteln 1 Kreuzer. Sämmtlihe Mühlen mußten jährlich 2 bis 4 
Mal durch Abgeordnete Gerichts und Raths vifitirt werden (S. 236). 

2. Biderordnung. 9) 

Ein neuangehender Bäckermeifter mußte das Mann: und Bürger: 
recht haben und als Einftand 4 Pfund Heller und eine „mäßige Kan: 
ten”, jowie der Herrihaft 10 Schilling Pfennig „Hüttenzins“ geben. 
Er mußte der Meifter Stubenknecht fein und ihnen Wein und Brod 
zutragen,, bis ein anderer neuer Meifter an feine Stelle kam. An ge: 
botenen Feiertagen durfte vor der Predigt nicht ausgetragen werden. 
Die verordneten Meifter und Stubenmeifter mußten jedes Jahr Rech: 
nung ablegen. Kein Meifter durfte von einem Lehrknaben weniger 
Lehrgeld nehmen, als 3 Pfund Pfennig; außerdem hatte diefer „ge: 
meinem Handwerk” zu geben eine mäßige Kanten und 1 Pfund Wachs 
oder 21/, Schilling Pfennig, und den Knaben auch 1 Pfund Wade 
oder 21/, Schilling Pfennig. Kein Meifter durfte einem andern einen 
Knecht abdingen, auch feinen nehmen, der, wenn er vorher einem andern 
Meifter irgend Schaden angerichtet, diefen nicht zuvor erfegt hatte. Die 
Beftimmungen über „Fruchtlauf von Bädern und Müllern“, von der 
„Bäder Schwein und wohin fie die treiben follen”, von der „Bäder 
und Müller Metzeln“ — mögen bier übergangen werden. Alle Tage, 
mit Ausnahme von Sonn: und Feiertagen, mußten die Bäder frifches 
Brod haben, und dasfelbe unter „den Hütten“, d. h. in einem gemein- 
ſchaftlichen Verkaufhaus gleich den Mebgern feil bieten. Zu Haus durf⸗ 
ten fie nur an Fremde und ausnahmsweife zur Nachtzeit verkaufen, 
Das gewöhnliche Brod beftand in Zweipfenniglaiben und Hellerwecken, 


1) Bon 1511, mit Zufägen v. 12. Eept, 1558, 13. Nov. 1562 u. 14. Mai 
4582, und Dinweiſung auf eine ältere Bäckerordnung von 1506, \ 


356 Elftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500. 


im Falle eines Fruchtaufſchlags auch in Vierpfenniglaiben, doch nur mit 
Erlaubniß des Bürgermeifters. Die Preife änderten ſich alſo nicht, 
wohl aber das Gewicht, Herrſchte Mangel an feilem Brod, fo wurden 
die Bäcker geftraft. Keiner durfte an mehr als einem Laden feil haben. 
Schlecht gebadenes Brod durfte nur mit Erlaubniß der Brodfchauer und 
zwar um ermäßigten Preis und außerhalb der Hütte verkauft werben. 
Die Bäder durften Niemand Brod verweigern und mußten Dreinbrod 
geben. Eine bejondere Abtheilung der Bäder bildeten die „Haus: 
beckhen“, die den Leuten ihr Brod aus dem ihnen überbrachten Mehl 
baden, erforderlihen Falls auch in den Häujern fneten mußten, alsdann 
aber für fich zum Verkauf nicht baden durften. Sie erhielten von einem 
Malter Mehl zu baden 1 Schilling 10 Pfennig. Frudt:, Mahl 
und Badproben wurden von Zeit zu Zeit von Vürgermeifter, Gericht 
und Rath vorgenonmen. Am Schluß der Bäderordnung wird ange: 
geben, wie fi) die Bäder des Ungeldes wegen in den Mühlen halten 
follten. 

3. Mepgerordnung. 

Jeder neuangehende Meifter zahlte in die Zunft 10 Gulden; eines 
Mebgers Sohn oder eines Bürgers Sohn, der eine Mebgerstochter bei: 
rathete, bezahlte nichts. in angehender Lehrling zahlte ins Handwerk 
5 Schilling Pfennig, eine mäßige Kanten und 2 Pfund Wade „an 
unferer lieben Frauen Kerz.” Keiner durfte einen Knecht nehmen, der 
nicht gute Zeugniffe aufmweifen konnte, Kein Metger durfte einem andern 
in einen Kauf fallen. Ungeſchätztes Fleifch durfte nicht verkauft werden. 
Alles Vieh mußte im Schlachthaus gefchlachtet werden. Kein Metzger 
durfte das Fleiſch in feinem Haufe ausbauen, fondern nur „unter den 
Hütten”, d. h. in der gemeinfhaftlichen Mebig, wo jeder jeine Trleifch: 
banf hatte, die aber nicht länger als 7 Schuh fein durfte In Som: 
mer durfte vor 5 und im Winter vor 7 Uhr kein Fleiſch in die Metzig 
gebracht und alle Fleifchjorten mußten gejondert aufgehängt werben. 
Tanden die Fleiſchſchauer das Fleiſch übelriehend und überhaupt nicht 
in der Ordnung, jo durfte es nicht in der Mebig, ſondern mußte außer: 
balb derfelben um geringern Preis auf der ſog. „Pfinnbank“ (S. 240) 
ausgehauen werden. Dahin gehörten auch die Farren, die geringen Schafe, 
das Eherfleifch, das Fleifch von unverheilten Schweingmüttern u. f. w. 
Wurde aber das Fleiſch ganz verdorben erfunden, fo mußte e8 der Mebger 
bei BVerlierung des Handwerks dem Wajenmeifter überliefern. Diefem 


Elftes Kapitel. Stabtverfaſſung von 1500. 257 


wurden auch finnige Schweine zuerkannt, Wer am Dfterabend fchlachtete, 
übernahm dadurch die Verpflichtung, die Mebig das ganze Jahr bin- 
durch mit Fleiſch verforgen zu helfen; wer das Schlachten an jenem 
Abend unterließ, hatte das Schlachtrecht für das ganze “Jahr verwirkt, 
(Krankheitsfälle ausgenommen). Alles Fleifh muRte mit dem Rücken 
gegen die Mebig aufgehängt werden. Niemand durfte einem Fleiſch— 
füufer entgegen Taufen oder ihm zurufen. Wer Schweine oder Rind: 
fleifch feil hatte, durfte Fein anderes Tleifc daneben aushauen, im leßtern 
Fall nur Kalbfleiſch, Kigene und Lämmerfleiſch. Das Loos entichied, 
welche zwei Mebger eine Woche bindur Hammel: oder Schaffleiſch 
(getrennt) und Fein anderes daneben feil haben mußten; doch durften 
Schafe und Himmel nah St. Andreastag (30. November) nicht ge: 
ftochen werben, letztere höchſtens mit Erlaubniß des Bürgermeiiters, 
Zur Abgabe von Kalbfleifch waren die Metger nicht verpflichtet, wenn 
man nicht Nindfleifch dazu nahm; eine Ausnahme davon machten Kranke, 
Schwangere und Kindbetterinnen. Sonft mußte der Metzger Jeder— 
man, Meichen und Armen, das Fleiſch geben, wo man es verlangte; 
der Ausfchlag durfte nicht mit einer andern Fleiſchſorte gemacht werden, 
Blut von verſchiedenen Thieren durfte nicht vermiſcht, und die Würſte 
von jedem Schwein mußten gefondert verkauft werden. Bratwürfte durften 
nicht gemacht werden „denn von Duallen, damit fie das Gebein nicht 
zu genau fchinden”; anderes Tleifch dazu zu nehmen, war unterfagt. 
Ein Kalb mußte wenigftens vierthalb Wochen, eine Geiß 16 Tage alt 
fein; Vieh, das erft innerhalb 14 Tagen gerindert hatte, durfte nicht 
geichlachtet werden bei Berluft des Handwerks; cbenfo war unterfagt, 
Vieh von St. Georgen (dem Leprofenhaus) zu faufen u. f. w. 

4. Wirtbsordnung. 1) 

Zwifchen Gaftgebern und Weinfchenfen wurde ein Unterfchied ges 
macht. Gaftgeber Fonnte nur fein, wer Stallung für 10 Pferde beſaß 
und mit Futter ꝛc. dafür verfehen war, ebenfo auch 10 Perfonen über: 
nachten konnte. Bloße Weinfchenten durften Niemand beherbergen, aud) 
feine andern Speifen hergeben, als Käs und Brod; bloß die Jahrmärkte 





1) Am Dienftag nad Pauli Bekehrung 1541 entworfen vom Vogt Bolfer 
von Neglingen, Dr. Marquart, dem Schultheißen Ulrich Sayler, dem Bürgers 
meifter Peter Goiflin und etlichen des Raths, beftätigt von Markgraf Ernft, 
mit Berufung auf einen Abfchied von 1531 und mit einem Zufag vom Sonn: 
tag nach Medardus 1548. j 

Pflüger, Pforzheim, 17 


| 258 Elftes Kapitel. Stadiverfaffung von 1500. 


geftatteten eine Ausnahme, Jeder Gaftgeber mußte feinen Schild haben, 
jeden fremden Gaft beherbergen und nad feinem Wunſch bewirthen ; 
wer einen Fremden ohne genügende Urjache ausichlug, mußte 1 Pfund 
Pfennig Strafe bezahlen. Jeder Wirth und Weinſchenk war verbunden, 
alle „Frevel und Unfuhr“, die ſich in der Wirthichaft erhoben, deu 
Schultheißen, Bürgermeifter oder den Stadtknechten anzuzeigen; Teiner 
durfte bei Strafe von 1 Gulden einen Bürger im Sommer nad 10, 
im Winter nad) 9 Uhr in feinem Haufe dulden, ausgenommen, wenn 
er einem Fremden Gefellichaft leiftete, oder ſonſt ein ehrhaftes Geſchäft 
hatte. Kein Bürger durfte am Sonntag unter der Predigt im Wirths— 
haus fiten, auch nicht im dev Stadt herumftehen oder fpazieren, bei 
Strafe eines Guldens, die im erften Falle auch den Wirth traf. — 
Ein jeder Wirth oder Weinfchent, der ein oder mehrere Faß Wein aus: 
ſchenken wollte, mußte den Wein bei Strafe durch den Büttel ausrufen 
(affen, der dafür eine Maaß Wein oder 2 Pfennig erhielt. 

6. Flößerordnung. 1) 

Kein Schiffer oder Flößer durfte angenommen werden, wenn er 
nicht in Pforzheim oder der Markgraffhaft anfäßig war und fein Manns 
recht hatte, Kein Holzhauer durfte zugleich Flößer fein und umgekehrt. 
Seder, der im Lauf eines Jahres fein Handwerk auszuüben dachte, 
mußte auf einen beſtimmten Tag einen halben Gulden erlegen; die da: 
durch erzielte Summe jollte auf Erhaltung der Floßwege, unbefchadet 
ber Wehre und der Mühlkanäle, verwendet werden. Eines Flößers 
Sohn, der an die Stelle feines verftorbenen Vaters trat, mußte ' fl. 
Einftand bezahlen; ein Anderer, der das Flößerhandwerk ergriff und 
nicht eines Meifters Sohn war, 1 Gulden; wer lebtern nicht auf den 
beftimmten Tag pünktlich entrichtete, verlor für jenes Jahr das Recht, 
für ſich felber zu flößen, Die kinderlofe Wittme eines Flößers durfte 
nod ein Jahr Yang mit Hilfe eines tauglichen Knechtes das Handwerk 
fortfegen; hatte fie Kinder, von denen eines über 10 Jahre alt war, 
fo übte fie das Gewerbe ihres verftorbenen Mannes unbeichräntt aus, 
wenn fie ſich nicht wieder verheirathete. Werzichtete fie auf ihr Hecht, 
wollten aber das die Kinder nicht, jo follte jedes derjelben zur „Hand: 
babung ihrer Erbgerechtigkeit“ jährlich einen Schilling Pfennig in die 


1) Am 19. April 1501 „von wegen und bevelhe“ des Markgrafen Chriſtoph 
„der Schifferfhaft zu Pforgheym geben“. 


Eiftes Kapitel. Stadtverfaſſung von 1500, 259 


Zunfttafie bezahlen. Ueber die Kaufs- und Verkaufsplätze des Holzes 
am Rhein, Nedar und den Nebenbächen follten jedes Jahr fefte Beftim- 
mungen getroffen werden. Wer, wie oben erwähnt, feinen halben Gul- 
den bezahlt und fich damit das Recht des Flößens für ein Jahr er: 
worben hatte, follte bei Strafe von 6 Gulden feinen Knechtslohn "zu 
verdienen fuchen; nur im Falle von großem Waſſer, wenn. nicht genug 
Knechte aufzutreiben waren und die Noth fchnelle Hilfe gebot, durfte 
folhe von Meiftern in Anfpruc genommen werden. Bei Verzollung, 
Ausbindung und Ablieferung des Holzes durfte im Verbinderungsfall 
Stellvertretung ftattfinden. in Flößer, der mit einem Floße in Pforz 
beim gerade abzufahren im Begriff war, durfte Knechte, die eben von 
einer Tloßfahrt zurückehrten, in Anfprucd nehmen, auch wenn ihr bie: 
beriger Meifter fie bereits mit dem Auftrag zu weiterer Arbeit nad 
Haufe geſchickt hatte; einem Meifter jedoch, der nicht in diefer Ordnung 
begriffen war, durften Knechte, bei denen dies der Fall, nicht helfen bei 
Strafe von 1 Gulden, Gleiches galt von den Meiftern bezüglich der anzu: 
fteflenden Knechte. Jeder, der ein Jahr hindurch Knecht fein wollte, 
mußte fih auf einen beftimmten Tag vor dem Amtmann und den vier 
verordneten Meiftern, die jedes Jahr durch das Loos gezogen wurden, 
ftellen und ſich einfchreiben lafjen, mußte aber bdesfelbigen Jahres ein 
Knecht und durfte Fein Schiffer fein bei Strafe von 3 Gulden. Dingte 
ein Meifter einen Knecht und kam der eine oder der andere feinen Ver: 
pflihtungen, der Knecht im Arbeiten, der Meifter im Arbeitgeben, nicht 
nad), jo hatte das für den Schuldigen die Folge einer Strafe von einem 
Ort (5.129) für jeden Tag, wovon bie eine Hälfte der Obrigkeit, die andere 
dem Betbeiligten zufiel. Welcher Flößer Holz verkaufte im Werth von 
60 His 100 Gulden, der mußte einen andern Meifter am Handel Theil 
nehmen laſſen; betrug der Werth 130 Gulden und darüber, jo mußte fich 
der Betreffende 2, bei 160 Gulden und darüber 3 Theilnehmer gefallen 
laſſen, die durchs Loos beftimmt wurden. Wenn ein Fremder behufs 
Holzkaufs nach Pforzheim kam, dem durfte Feiner nachlaufen, fondern er 
mußte vor den Amtmann und die DVerordneten gewiefen werden, welche, 
dann einen billigen Preis machten und immer zwei von den Schiffern 
der Reihe nach beftimmten, die den Handel übernehmen follten. Kein 
Schiffer durfte jährlich mehr denn 5000 Stüd Holz oder Bord vom 
Walde beftellen und verführen; was darüber war, verfiel der Herrſchaft 
und der Schifferichaft. Die Floßzeit follte an Oftern Ru und am 


60 Elftes Kapitel. Stadtverſaſſung von 1500, 


Sallustag (16. Okt.) aufhören, damit die Schiffer „die heylig zyt der 
vaften und oftern, auch zu wyhennachten deßbas mögen anheym biyben 
und inen uff dem wafjer Feltin und wynters halb nit ſchade erwachſe;“ 
auf die Uebertretung diefer Beſtimmung war eine Strafe von 10 Gul— 
den gefeßt. Knechte, welche im Walde arbeiteten, erhielten täglich nebjt 
der Koft 2 Plappart (nad unferm Gelde 18— 20 fr.), auf dem. Waffer 
ohne Koft 4 Plappart. Auf einen Sanıftag oder Vorabend eines Feier: 
tages in Pforzheim mit einem Floß anzufahren, war bei Strafe von 
2 Pfund Pfennig unterfagt. Unterhalb Pforzheim durfte Fein Holz an 
Sägmühlen verkauft werden bei Strafe von 5 Pfund Pfennig; dafür 
mußten aber die Pforzheimer Beamten den Flößern behilflich fein, daß 
ihre Sägflöße zu Pforzheim von den Sägern rechtzeitig beforgt wurden. 
Welcher Pforzheimer Flößer mit einem Waldichiffer, (dev das Holz auf 
Enz Würm und Nagold nad Pforzheim brachte,) einen Holzfauf zu 
feitem reis auf ein Jahr abgejchlofjen hatte, der war bei einer Strafe 
von JO Schilling Pfennig daran gebunden, wenn nicht beide Theile fich 
gütlich verglichen. Wenn ein SJimmermann das Holz zu einem Bau 
auf dem Waſſer transportiren wollte, jo mußte er das Geſchäft durch 
die Floßknechte um den Taglohn bejsrgen laſſen, oder er mußte es den 
Meiftern im Accord übertragen. Alles Holz mußte nach einer beftimm: 
ten Größe gehauen werden, dod) nur was als „Kaufmannsgut“ gelten 
fonnte, Alle Jahr fand vor dem Amtmann und den verordneten 4 
Meiftern Rügung ftatt, wobei Meifter und Knechte bei ihrem Eide Alles 
angeben mußten, was irgend gegen die Flößerordnung gefchehen jei, um 
jedes Zumwiderhandeln mit der vorgefchriebenen Strafe zu belegen. Wer 
nicht erfchien, durfte für jenes Jahr dag Gewerbe nicht ausüben und 
wurde, wenn das Ausbleiben ein „frevenliches“ war, noch obendrein um 
10 Gulden geftraft. Am Montag nad) Dreifönig jeden Jahrs mußte 
Bruderfchaftstag gehalten werden bei Strafe von 1 Pfund Wachs 
„unferer lieben rauen“ ; demfelben folgte eine Seelenmefje für die ab: 
geftorbenen Zunftgenofjen; zum Nügungstag wurde immer der darauf fol: 
gende Montag angejebt; an einem weiter anberaumten Tag jedes Jahr 
mußte die Tlößerordnung verlefen werden. Welcher Flößer einen andern 
Flößer an einem Kauf oder Verkauf hinderte, verfiel in eine Strafe 
von 5 Pfund Pfennig Don allen Strafen fiel der Herrſchaft und der 
Stadt die eine Hälfte, der Scifferichaft die amdere zu; erftere Hälfte 


Elftes Kapitel, Stadtverfaffung von 1500. 261 


wurde zwifchen Herrfchaft und Stadt wie das Ungeld getheilt (zu 37, 
und 1/,). — 

Die Flößerordnung wurde 1555 bedeutend abgeändert und auf 
die kurzen Beftimmungen von 17 Paragraphen redueirt, die im Weſent— 
lichen folgende Beftimmungen enthalten: 1) Wer noch nie geflöht hat, 
muß vorerft 5 Sch. Pfg. erlegen. — Wer feinen Flößer zum Vater 
hat und Feines Meifters Tochter zur Ehe nimmt, muß wor dev Meifter: 
fchaft erft Bürger werden und 10 Gulden bezahlen, heiratet er aber eines 
Meifters Tochter, nur dfl. — Wird eines Meifters Sohn Meifter ohne 
ſolche Heirat, jo zahlt ev 2 fl., nimmt er aber eines Meifters Tochter, 
fo gibt er nichte. — Das Flößen fängt an auf Mitfaften und Hört an 
Martini auf. — Wem ein Meifter oder fein Knecht zu Pforzheim 
angefahren it, fo fell ihm fein anderer das Land hinab verlaufen oder 
fchiden und feine Waare anbieten, damit dem erften der Nerkauf nicht 
verdborben werde, — Schmähen fid die Flößer über ihr Gefährt, To 
verliert der Knecht wie der Meifter die Arbeit, bis fie fich rechtlich ver: 
tragen haben. — Kein Flößer darf von dem Andern Holz leihen, aud) 
ohne beiondern Befehl Fein zurück gebliebenes Holz nachführen. — Ein 
Schiffherr darf mur mit einem Flößer einen Jahrkauf abſchließen und 
feinem andern Holz geben, bis der erite Käufer fein bedungenes Quan— 


tum empfangen hat. — Jeder Meifter darf nur 2 Flöhe auf, einmal 
abführen, nur beim Hochwaſſer kann er daraus 3 machen. — Wenn 


ein Knecht zur Minterszeit aus Noth von einen Meifter Geld auf 
Arbeit Teiht, fo darf er feinem andern Meifter arbeiten, bis er den Nor: 
ſchuß abvwerdient hat, — Keiner darf dem Andern fein Holzzeichen ab: 
hauen oder fich zueignen, fonft wird ihm die Waſſerſtraße verboten. — 
Wenn ein Holzbauer falfche oder gar Feine Zeichen auf das Holz macht, 
fo verliert er feinen Lohn und wird geſtraft. — Ein Knecht, der mit 
dem Meifter das Land Hinabführt, muß bei demfelben bleiben, jo lang 
er ihn braucht. — Kein Knecht darf ohne Wiſſen und Willen feines 
Meifters etwas auf den Floß laden; wenn aber ein Knecht den: Meifter 
vom Walde hilft (alfo von oben herab), fo foll e8 mit der Ladung wie 
bisher gehalten werden, — Wer diefer Ordnung nicht nachkommmt, und 
ihre Strafen nicht erlegt, wird aus ber Gefellfchaft ausgefchloffen und 
um 5 fl. geſtraft. — Von allen Einnahmen der Schifferfchaft gehört 


i) Vergl. Mone, Zeitichrift, AI, 274, 


262 Elftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500, 


die Hälfte der Herrfchaft, ein Viertel der Gefelihaft und ein Viertel 
dem Almofen zu Pforzheim. — Es werden 2 Flößer aufgeftellt, um 
diefe Ordnung zu handhaben. — Im Jahr 1588 wurde diefer Flößer— 
ordnung noch beigefügt, daß derjenige, der flößen wolle und ſchon ein 
Gewerbe treibe, 20 Gulden zu bezahlen habe, — 

Die übrigen Ordnungen übergehend, füge ich nur noch den wefent- 
lichen Inhalt einer andern am, weil diefelbe fih auf die jetzige Haupt: 
induftrie Pforzheims bezieht und vielleicht Stoff zu Vergleichungen bietet. 
Ich meine die 

6. Soldfhmiedsordnung. 

Sie umfahte auch zugleich alle Silberarbeiten, und waren Iebtere 
viel häufiger, als goldene, Gegoſſene filberne Waaren mußten 14, ge 
ſchmiedete 141/, löthig fein. Wurden fie von den Schauern, die alle 
richtigen Waaren zu zeichnen hatten, geringer an Gehalt gefunden, fo 
hatten diefe das Recht, fie zufammenzufchlagen, und der Goldichmied 
wurde noch obendrein für jede Mark um einen Gulden geftraft. Legirt 
durfte das Silber nur mit Kupfer oder Meffing werden. Uebertretungs: 
fälle wurden mit Konfiskation der Waaren beftraft. Silberne Waaren 
wurden häufig vergoldet oder golöplatirt; konnten fie aber die Kratzbürſte 
nicht aushalten, fo waren fie bei Strafe verboten. Vergoldete Waaren 
durften nicht von Neuem, meffingene gar nicht vergoldet werden, mit 
Ausnahme von Monftranzen. Keiner durfte eine Münze jo vergolden, daß 
fie dem Gold oder Gulden gleih war, ohne ein Loch hindurchzuſchlagen. 
Kelche, Kruzifire und andere Kirchengeräthe durfte man von verbächtigen 
Leuten nicht kaufen. Glasflüffe und falfche Edelfteine in Gold zu faflen, 
galt für Betrug, und war Solches nur für einen Fürften erlaubt. Das 
Gold wurde für den gewöhnlichen Verkehr bezüglicd, feines Gehalts nicht 
nad Karaten berechnet, ſondern im Allgemeinen nur rheiniſch, ungariſch, 
und Dufaten- Gold unterfchieden. Bei Strafe war verboten ungarifch 
oder Dukatengold für fein Gold, vheinifches Gold für Dufatengold und 
überhaupt „böferes für beſſeres“ auszugeben. 


Schlußbemerfung. 


Werfen wir noch einmal einen prüfenden Rückblick auf die Beftim- 
mungen diefer „Stadtordnung” und alle die verfchiedenen fonftigen Ein: 
rihtungen, welche damit im Zuſammenhang ftanden, fo können wir ihnen 


- 


Elftes Kapitel. Stadtverfaffung von 1500. 263 


unfern Beifall, ja unfere Bewunderung nicht verfagen. Nirgends ver: 
läugnet fi, wenn auch mande Beftimmungen etwas Heinlich erfcheinen, 
der Geift der Humanität und der Billigfeit, dem fie entſprungen, und 
diefer Umftand mag namentlich diejenigen eines Beſſern belehren, welche 
mit Geringſchätzung, ja Verachtung auf die Gebräuche und Einrichtungen 
älterer Zeit zurüdzubliden pflegen und mit Bezug auf diefelben ſich fo 
gern der Ausdrüde „Roheit“ und „Barbarei” bedienen.- Zugleich ver: 
rathen aber auch alle diefe Borfchriften eine Erfahrung, eine fo tiefe 
Kenntniß der Kebensverhältniffe bis in die ſcheinbar geringfügigften Eins 
zelheiten, daf fie gegen manche auf dem Bureau und Hinter dem Schreib- 
pult gemachten Verfügungen und Verordnungen fpäterer Zeit nicht wenig 
abftehen und feinen Augenblick zweifelhaft fein Fan, wohin ſich beim 
Vergleich die Schale größerer Zweckmäßigkeit neigen muß. Es iſt daher 
auch nicht zu verwundern, wenn die Bürger von Pforzheim auf ihre 
Privilegien und ihre ganze Stadtverfaffung ftolz waren und mit Eifer: 
fucht darüber wachten, daß auch nicht der Mleinfte Buchftabe davon ver: 
Yet wurde. Es wird fpäter Gelegenheit geben, zu zeigen, wie diefer 
Geift , der dem in den Meichaftädten zur Zeit ihrer Blüte herrfchenden 
wenig nachgab, Großes und Schönes bewirkte, aber auch auf der andern 
Seite‘ die Stadt mehr als ein Mal in unangenehme und fehrwierige 
Händel verwidelte, 


Swölftes Kapitel 


Pforzheim unter den Markgrafen Philipp, Ernft und Karl IE. !) 
(1515 — 1577.) 


$A1. Allgemeines. 


Es iſt Shen S. 176 bemerft worden, in welcher Meife die durch 
Markgraf Chriſtoph vorgenommene Theilung ftattgefunden und daß fein 
zweiter Sohn Philipp dabei die Markgrafihaft Baden fammt den 
eberfteinifchen und geroldsedifhen Befigungen erhalten habe. Diefer Fürft 
hatte Kriegsluft und Kriegskunft ſchon als Jüngling unter franzöfifchen 
Fahnen im Kampf gegen die Türken bewährt und war aud ein Treund 
der Miffenfchaft. Von feiner Stellung zur Neformation und feinen 
Sympathien für die evangelifche Lehre wird in einem beſondern Ab: 
fchnitt die Rede fein, Wie fein Bater auf die Vermehrung feiner Land: 
fchaften bedacht, wußte er verfchiedene neue Erwerbungen zu machen. 
So erfanfte er u, A. 1529 den vierten Theil des Dorfes Niefern 
fammt dem Burgftadel, auch den halben Antheil an der Kelter dafelbft 
von Konrad von Mallftein, der all dies Beſitzthum von den Herren 
von Enzberg erftanden und von den Markgrafen von Baden zu Lehen 
getragen hatte, um 1500 Gulden. 2) Damit war nunmehr (vergl. 
©. 174) das ganze Dorf Niefern badifch geworden, (Das Patronat- 
recht der dortigen Kirche hatte fhon 1323 Markgraf Rudolf vom Klofter 
Sinsheim erworben und Markgraf Pernbard um 1417 diefelbe an bie 
Präfenz der St. Michaelskirche in Pforzheim gegeben, jedoch der Kirche 
zu Niefern daraus jährlich 45 Malter Korn, Dinkel und Heu, 1 Fuder 
Mein, den Heinen Zehnten ꝛc. zugefchieden.) Ebenſo kaufte Markgraf 





1) Die gefichtlichen Hauptquellen find die nämlichen wie früher; die be— 
fonbern find überall angegeben. 
») Sachs, III., 184. 


Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert. 265 


Philipp im Jahr 1531 vom Klofter Herrenalb das Dorf Göbrichen 
fammt allen Nutungen, Gerechtigkeiten und Zubehörden, und löste 
gleichzeitig den Zehnten von Göbrichen und Stein von den Stiftsherren 
von Baden um 3000 fl. ein. (Bon genanntem Dorf hatte Herrenalb 
die Hälfte 1290 von den Herrn von Enzberg, die andere Hälfte 1390 
von Heinrich von Hovingen erworben.) ') Bon Mürttemberg fam um 
1528 das Dorf Dietlingen durch Taufch an das markgräfliche Haus, 
und wurde dafür die Hälfte des Dorfes Schwann, ein Viertel des 
Dorfes Dobel, ein Viertel von Dennah und die Burg Straubenhart 
(S. 67) hingegeben. 2) (Dietlingen hatte, che es württembergifch wurde, 
den Herrn von Straubenhart und von Nemchingen gehört, und war 1335 
und 1346 an Württemberg übergegangen.) 

Mährend der Negierungszeit des Markgrafen brach der Bauern 
frieg aus, bei dem wir um jo mehr verweilen müfjen, als er auch 
in der Markgrafichafi Baden und in der Nähe von Pforzheim fpielte. 

Der Zuftand der Bauern am Ende des 15. Jahrhunderts war 
ein trauriger. Sie hießen „arme Leute“, und waren das in der That. 
Die Laft der Leibeigenfchaft, der Steuern und Abgaben verfchiedenfter 
Art lag ſchwer auf ihnen, und rückſichtsloſe Behandlung der Bauern, 
namentlidy von Seiten des Adels, war an der Tagesordnung. Mecht 
fonnten die Unterdrüctten in der Megel nicht finden, und auc die Yand- 
tage verfchafften Feine Abhilfe, da der Bauernftand auf denfelben nicht 
vertreten war. Zu all diefer Noth kam vielfache Bedrängniß, herbei: 
geführt durch die Landsknechte, die fich, da fie oft fich felber überlaſſen 
waren, auf Plünderung des Landmannes verlegten. Auf der einen Scite, 
nämlich bei Fürſten, Adel und Geiftlichkeit herrichte Lurus und Schwel- 
gerei, auf der andern die bitterfte Noth. Unter foldyen Umftinden ift 
es micht zu verwundern, wenn unter den Bauern nad und nach eine 
Gährung entftand und bald vereinzelte Erhebungen derfelben von der 
übeln Stimmung Zeugniß gaben, die unter ihnen Platz gegriffen hatte. 
Solches geihah ſchon 1476 im Taubergrund und 1493 im Elſaß, we 
die Bauern ihr Bündniß „Bundfhuh” nannten. (So hieß die all: 
gemeine Fußbekleidung der Bauern, und da fie diefelbe auch auf Stangen 
veraustrugen oder auf ihre Fahnen malen ließen, fü galt bald der Aus: 


1) Sachs, III., 185. 
) Sachs, IV, 17, 





266 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


drud „Bundſchuh“ als gleichbedeutend mit Banernaufrubr.) Im Jahr 1502 
trat in dem bijchöflich = jpeterifchen Dorfe Untergrembad die Unzu: 
friedenheit mit den bejtehenden Verhältniſſen, insbefondere der Haß gegen 
die überreiche Geiftlichkeit, ebenfalls in einem Bundſchuh zu Tage, Der: 
jelbe fand bald auch in andern Ortichaften Theilnehmer, fo in Bruchjal, 
Kislau, Jöhlingen, Weingarten, bis nah Erfingen, wo der Bürger: 
meifter ermordet wurde, und Pforzheim berüber, („von Pforten 
viel und von andern Orten und Gnden”,)1) jo daß ihre Zahl auf 
etwa 7000 angewachfen fein foll. Die Bauern legten ihre Wünſche 
und Forderungen in 14 Artikeln nieder und hatten nichts Anderes im 
Sinn, als die bifhöflichen und fürftlichen Amtsſitze und die Klöfter zu 
überfallen und Fürſten, Adel und Geiftlichkeit zur Bewilligung  deifen, 
was fie verlangten, zu zwingen. An der Spite des Bundſchuhes ftand 
ein Grombacher Bauer, Joß Frit. Die Lofung und das Erkennungs— 
zeichen der Verſchworenen war der Spruch: 


Mas iſt das für ein Weſen? 
Bor den Pfaffen fann man nicht geneſen. 


Aber die Sache wurde durch einen Mann aus der Markgraffchaft 
Baden, Namens Laur Rapp, an die Biſchöfe von Speier und Straf: 
burg und an den Markgrafen von Baden verrathen.2) Raſch wurde 
nun eine große Anzahl von Bundſchuhern feftgenommen, 10 derfelben 
enthauptet und geviertheilt und an den Straßen als Warnıngszeichen 
aufgehängt; Andern wurden die Finger abgehauen, drei des Landes ver: 
wieſen, noch Andere am Vermögen geftraft. Frit von Grombach, der 
„des Bundſchuchs haubtmann und anfenger geweßt“, wußte zu entkommen. 
Laur Napp aber erhielt als Belohnung nicht nur reiche Geldgefchente, 
fondern auch eine Stuhlbrüderpfründe zu Speier. — Bon Theilnehmern 
diefes Bundſchuhs aus Pforzheim und Umgegend kommen vor: Kon: 
vad Beiperleuter von Pforzheim, Ambrofius und Kafpar Eberle von 
Brößingen und Martin Kreußler von Erfingen. 

Achnliche vereinzelte Vereinigungen und zum Theil Aufftände fan: 
den 1512 unter dem Namen „der arme Konrad” in Württemberg, 
4513 zu Lehen bei Freiburg, 1514 zu Bühl und Umgegend ftatt, bis 
endlih 1525 die Flamme des Bauernkrieges allenthalben, im jetzigen 


1) Bericht des Landfchreibers Brenz in Mones Archiv, IL, 165. 
°) Bergl, Mone, bad. Archiv IL, 165 fi. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert. 267 


Baden namentlich im Seefreis und im Taubergrund, blutig emporloderte 
und die fchredlichjten Gräuel im Gefolge hatte. Eine ausführliche 
Schilderung diefes Krieges kann nicht unfere Aufgabe fein. Es genüge 
die Meittheilung, daß nicht nur in manchen Gegenden Württembergs, 
von wo fi nad der Schlaht von Böblingen der dortige Vogt Leon: 
hard Breitſchwert fchußfuchend nad Pforzheim flüchtete, *) fondern 
auch im Brurbein wieder Aufftände losbrachen und die Bauern der untern 
Marfgraffchaft ſich demjelben anſchloſſen. Sie zogen in der Palmwoche 
1525 vor Durlah, wo die Dürger 2500 der Aufrührer aufnahmen 
und ihren Vogt ins Gefängniß warfen. Ein anderer Haufe fand zu 
Berghaufen günftige Aufnahme. Die Bauern fielen namentlich über 
die Klöfter her und Gottesaue, Herrenalb, Frauenalb und Schwarzach 
wurden ausgeplündert und verbrannt. Markgraf Philipp ſuchte zuerft 
den Aufftand mit Gewalt zu unterdrüden und ließ 3. B. in Berghaufen 
durch feine Meifigen mehrere Häufer niederbrennen. Bald aber gewann 
er die UÜeberzeugung, daß er auf diefem Weg nicht zum Ziele gelangen 
fönne, Er trat deshalb in friedliche Unterhandlung mit den Bauern 
und. hatte die freude, zu ſehen, daß fie freiwillig wieder zum Gehorſam 
zurückkehrten. Aehnliches gefchah im Oberland, wo Markgraf Ernft der 
Empörung ebenfalls ein baldiges Ende machte, Anderwärts aber wurde 
bie, Flamme des Aufruhrs mit Strömen von Blut gelöfcht; mehr als 
100,000 Bauern fellen in diefem Kriege das Leben verloren haben und 
das Roos der Befiegten wurde noch härter, als es vorher gewejen. 
Markgraf Philipp ftarb 1533 zu Baden, wo er aud) beigefeßt 
wurde. Seine Gemahlin hatte ihm 6 Kinder geboren, von denen aber nur 
eine Tochter den Vater überlebte. Es kam deshalb zu einer Theilung feiner 
Rande unter feine zwei Brüder Bernhard und Ernft, nachdem fie zuerft 
verfucht hatten, dieſelben gemeinichaftlic zu regieren. Dabei erhielt Ernſt 
zu feinen oberländifchen Befitungen aud den untern Theil der Mark: 
graffchaft mit der Hauptftadt Pforzheim, Bernhard aber den obern 
heil, mit der Stadt Baden. Diefe Markgrafen find die Gründer 
der zwei Linien Baden-Baden, weldhe auch die bernhardinifche, 
und Baden: Pforzheim, fpäter Baden-Durlach, welche auch die 
erneftinifche genannt wurde. Beide Linien wurden erft nach dem 


N) Zimmermann, Geichichte des Bauernkriegs, III., 147 fi. 


268 Zwölftes Kapitel. Pforzbein im 16. Jahrhundert. 


Ausfterben der Markgrafen von Baden Baden im Jahr 1771 wieder 
dauernd vereinigt. 

Markgraf Ernft war ein gerechter und friedliebender Fürft, aus 
deffen Handlungen überall Mäßigung und Klugheit bervorleuchteten. 
Sein Verhältniß zur Neformation und zur evangelifchen Lehre wird 
weiter unten gefchildert werden. Im Jahr 1537 machte er einen Ent: 
wurf zur Theilung feines Landes unter feine drei Söhne Albrecht, 
Bernhard und Karl. Indeſſen ftarb Albrecht noch vor feinem Vater 
1552, und auch defien Bruder Bernhard, der dem Vater durch fein 
zügellofes Leben viel Kummer bereitet hatte, folgte ihm zu Anfang des 
Jahres 1553 nad. Er wurde in der fürftlichen Gruft unter der 
Schloßkirche zu Pforzheim, die Markgraf Ernft als Familienbegräbnik 
hatte erbauen laſſen, beigefeßt. Sein Standbild befindet ſich am der 
rechten Seitenwand des Chores (von der Kirche ausgefehen), und trägt 
das Fußgeftell eine entfprechende Inſchrift. Auch auf dem Boden des 
Chores ift eine Grabjchrift des Prinzen. — Markgraf Ernft ſelbſt ftarb 
am 6. Februar 1553 und wurde ebenfalls in der Schloßkirche zu Pforz: 
heim begraben. Mitten im Chor derfelben ift das prachtwolle Denkmal 
dieſes Fürſten mit Umfchrift zu fehen. Es zeigt die liegende geharnifchte 
Geftalt des Markgrafen, neben ihm die feiner zweiten Gemahlin Urſula 
von Nofenfeld. Zu deren Füßen liegt ein in Stein ausgehauener Hund, 
ber diereheliche Treue, und zu denen des Markgrafen ein Löwe, ber 
die Stärke oder Tapferkeit voritellen fol, (Die erite Gemahlin von 
Markgraf Ernit, Elifabeth von Brandenburg ift in Stuttgart, die dritte, 
Ama Bombaftin von Hohenheim, in Sulzburg bearaben.) ') 

Der Erbe aller Beſitzungen des Markgrafen Ernſt war fein jüngfter 
Sohn, Markgraf Karl Il. der von 1553—1577 regierte. Vorzügliche 
Anlagen des Gemüthes und trefflihe, auf religiöfe Grundſätze geſtützte 
Erziehung ließen ihn des Vaters mürdigfter Nachfolger werden. Geine 
wichtigfte Negierungshandlung war die Einführung der Neformation in 
feinen: Lande, von der unten ausführlicher die Nede fein wird. Geachtet 
von dem Kaifer und den Fürften des Neiches und geliebt von feinen 


N) An der Schloßkirche befindet fich der Grabftein einer 1546 geftorbenen 
Anna von Hohenheim, genannt Bombaftin, geb. Schilling von Kanıftadt. Sie 
war wahrfcheinlich die Mutter der Obengenannten und vermutblich die Ge: 
mahlin von Ulrich Bombaft von Hohenheim, ber den Markgrafen Ernft 1530 
auf einer Reife nach Augsburg begleitete. Bergl, Sachs, IV,, 2. 


Zwölftes Kapitel, Piorzheim im 16, Jahrhundert. 269 


Unterthanen nimmt Karl IE eine der erften Stellen unter den badifchen 
Fürſten ein, Wie alle guten Negenten wußte auch er trefflihe Diener 
zu wählen, und unter ihnen hatte namentlich fein Kanzler Martin Acht: 
ſynit oder Amelius, aus Freiburg i. DB. gebürtig, den der Markgraf 
ſchon in defjen 28, Jahre zu diefer Würde und der Kaifer Yerdinand J. 
in den Adelftand erhob, großen Antheil an der Wirkfamfeit des Mark: 
grafen. Es mag hier bemerkt werden, daß derfelbe 1556 das Schloß 
Niefernburg erbaute, das ein Denkmal der vom Fürſten erhaltenen 
Gnadenbezeugungen fein und ihm zum ruhigen Aufenthalt im Alter 
dienen follte. Zu diefem Zwecke hatte ihm der Markgraf den „frei 
abelichen alten Burgjtadel zu Niefern fammt Zubehör“, darunter 46 Vior: 
gen Waldungen, von denen ein Diftrift heute noch das „Treibern: 
wäldchen“ heißt ') 1555 übergeben, Er jchrieb fich deshalb au: Herr 
zu Niefernburg. Einige noch vorhandene Inſchriften am Schloſſe, das 
nach dem Tod Achtſynits in die Hände feines Tochtermanns, des Amt: 
manns Johann Wolf von Mundelsheim fam, und 1741 fammt den 
dazu gehörigen MWaldungen wieder an die Herrfchaft zurüdfiel, 2) nad) 
einander verjchiedenen Zwecken gedient und fich vor etlichen Jahren im 
eine Kinderreitungsanftalt verwandelt hat, beziehen fid) auf die Erbauung 
desfelben. Das Grabmal Achtipnits ift in der Schloßkirche zu Pforz— 
beim, und zwar gleich Iinfs vom nördlichen Eingang. Man erblidt auf 
demjelben die in Stein ausgehauenen Geftalten des Kanzler jelber und 
rechts und links von ihm zweier Frauen, alle drei aber fehr bejchädigt. 
Ueber bdenjelben fteht auf einer Tafel von ſchwarzem Marmor eine 
größere lateiniſche Inſchrift. Nicht weit von diefem Denkmal findet fid) 
an der Wand auch der Grabftein der Gemahlin Achtſynits, Elifabeth, 
einer geboren von Meitetten, geftorben 1579. Achtſynit ſelber ſtarb 
1592. Ich werde auf ihn bei der Geſchichte der Neformation in Pforz- 
heim zurückkommen. 

Markgraf Karl II. ftarb 1577 in Durlach, wo er an der Stelle 
eines Jagdſchloſſes ein geräumiges Schloß nad) eigenem Plane und unter 
eigener Aufficht hatte aufführen lafien, das nad feinem Gründer bie 
Karlsburg.genannt wurde. Der Türft, welcher feine Arbeiter eigen: 


1) Beichreibung bes Forftreviers Seehaus von Arnsperger in der Regiftratur 
des Forſtamts Pforzheim. 
2) Nieferner Lagerbuch. 


970 Amölftes Kapitel. Pforzbeim im 16. Jahrhundert. 


bändig ausbezahlte, erhielt davon den Beinamen: Karl mit der Tafche. 
Die Stadt Durlach, die er verichönerte und mit neuen Thoren verfah, 
ſprach ihre Dankbarkeit durch Aufitellung feines Standbildes auf dem 
Marktbrunnen aus, wo e8 heute noch zu fehen it. — Der Leichnam 
des Fürften wurde in der Gruft zu Pforzheim beigeſetzt. In der Mitte 
der Hintern Ghorwand befindet fich fein prachtvolles Monument, und 
zeigt das Standbild des Markgrafen, rechts und links davon die Stand- 
bilder feiner beiden Gemahlinnen Kunigunde von Brandenburg und Anna 
von Veldenz. Außerdem ftehen im Chor noch die Statuen eines 
Sohnes von Karl II, des Prinzen Albrecht, der in Folge feiner Aus: 
ſchweifungen ſchon 157% im 20. Lebensjahre ftarb, und der beiden in 
jugendlichem Alter verblichenen Prinzeffinen Maria (+ 1561) und Anna 
Maria (+ 1573). 


$ 2.  Befonderes. 
Bforzheim feinen Fürften gegenüber. 


Mit der Marfgrafichaft war bei der Yandestheilung von 1515 
auch Pforzheim an den Markgrafen Philipp gekommen. Es mag 
bier bemerkt werden, daß im Theilungsvertrag unter Andern auch Bür: 
germeifter, Gericht und Rath der Stadt Pforzheim als Zeuge aufgeführt 
find. ) Die Bürgerfchaft dafelbft hatte dem Fürften indeſſen ſchon 1510 
gehuldigt, weil damals (ja ſchon 1505) eine Dispofition zur Theilung 
getroffen worden war, wogegen der Markgraf ihr folgenden Revers aus: 
ftellte: 2) „Wir Philips von gottes gnaden Marggraue zuo Baden ꝛc. 
Bekennen mit dieſem brieffe: Nachdem der Hochgeborn furft und herr 
herr Chriftoph Marggraue zuo Baden onnd Hochberg, Grafe zu Spanheim, 
herr zu Roteln vnnd Sufemberg, vnfer aller Tiebfter herr vnnd vatter 
in feiner vätterlichen gnaden ſatzung, ordnung, zuſcheidung, vwertheilung 
vnnd letſtem willen zwiſchen vnnſern gebrüdern vnnd vnns jüngftes zu 
Mulinberg vffgericht, vnns vnnd vnnſer eelich libserben mennlichs ge: 
ſlechts, nach finer Vätterlichen gnaden abgang todes, den gott lanng vff⸗ 
zuhalten hatt, zu rechten regierenden fürſten vnnd erben des löblichen 


1) Sachs, III., 105. 
2) Er befindet ſich im ſtädtiſchen Archiv. 


Amölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert, 271 


fürſtenthumbs der Marggrauefchaft Baden fampt andern geordnet vnnd 
zugefcheiden hatt, vnnd die erfamen vnnſern lieben getruwen Burgermeifter, 
gericht, rate vnnd gemeinde der Statt Pfortzheim vnns vff deffelben 
vnnſers lieben herrn vnnd vatters jchriftlichen befigelten benelhe huldung 
vnnd vorpflicht getun, Nach abgangk finer Vätterlichen gnaden vnns, 
vnnd ob wir alsdann nit im leben weren, das gott gnediglich verhüten 
wölle, vnnſere eeliche Inbserben, Mannesperjonen, So wir die hinter 
vnns verlaffen betten, zu iren waren vnnd rechten regierenden fürften, 
bern vnnd erben anzunemen, gewonlich buldung zu thund vnns oder 
denjelben wunnjern erben, Mannsperfonen, als irer rechten herrfchafft zu 
gehorjamen vnnd gewertig zu find, inn aller maſſe fie benannten unnjerm 
lieben herrn vnnd vatter by irem eben vnnd bisher geweit vnnd noch 
find, — So haben wir inen die fruheit, Polizei vund Ordnung, die 
gemelter vnnſer Lieber herr vatter inen vor jaren thun geben am Datum: 
„Sehen vif der Cantly zu Baden vff Mentag nad) dem heiligen jars— 
tage, zu Iatein Circumciſionis domini genant, als man zalt nad) Erifti 
vnſers lieben herrn geburt Tuſend Vierhundert Nuntzig vnnd ein jare* 
— gnediglich confirmiert vnnd beſtetigt, Confirmieren vnnd beſtetigen 
inen die hiemit inn kraft dies brieffs. Gereden vnnd verſprechen auch 
by vnnſerer furſtlichen wirden vnnd eren, ſie dabei gnediglich bliben zu 
laſſen, zu ſchützen, ſchirmen vnnd handhaben, dawidder nit zu ſind oder 
zu tund, noch ſchaffen getun werden in kheiner wege alles one geuerde. 
— Unnd des zu urckhunde han wir vnnſer inſigel tun hencken an dieſen 
brieffe, der Geben iſt zu Pforzheim vff Mittwoch nach der heiligen Eilf 
tuſend jungkfrauwen tag anno domini Milleſimo Quingenteſimo Decimo 
(1610).“ — Die Beſtätigung der Freiheiten der Stadt wurde nach dem 
Tod des Markgrafen Chriftoph unterm 29. Auguft 1527 erneuert. ?) 
Wenn nun auch obige Urkunde von Pforzheim datirt ift, fo hatte 
doch Markgraf Philipp feine Nefidenz nicht in diefer Stadt, fondern in 
Baden. Er fcheint jedody dann und wann herüber gefommen zu fein, 
vielleicht um des edeln Waidwerks zu pflegen; es jpricht wenigitens da— 
für der Umftand, daß in einem PVerzeichniffe von Urkunden des alten, 
im orleans'ſchen Kriege größtentheils verbrannten und verlorenen Stadte 
archives ſich folgende Notiz findet: „In der Laden B ift die Eopie einer 


1) Urfunde im Stabtardiv. 


272 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


Dankfagung derer von Pforzheim gegen meinen gnädigen Herrn, den 
Markgrafen, von wegen eines geſchenkten Hiriches anno 1522.“ 

Zwifchen dem Markgrafen von Baden, und dem Herzog von Würt— 
temberg wurde 1516 ein Vertrag weges des Geleits (S. 158) in der 
Gegend von Pforzheim abgefchloffen. 1; Der Markgraf folle, fo wurde 
beftimmt, das Geleit von Pforzheim bis an das Thor von Neuenbürg, 
der Herzog von da bis an die Norftadt von Pforzheim haben. In 
ähnlicher Weiſe jollte es zwiſchen Neuenbürg einerſeits und Ettlingen, 
Gernsbach und Ellmendingen andererjeits gehalten werden Diejenigen 
Perſonen, welche von Pforzheim nah Gernsbach, ohne nad Neuenbürg 
zu gehen, ſich begeben wollten, jollte der Markgraf bis nah Schwann, 
der Herzog von da bis Gernsbach begleiten; bei umgekehrter Neife aber 
jollte erfterer das Geleit von Gernsbad nad Schwann, leßterer von da 
nach Pforzheim haben. Befondere Beftimmungen über das Geleit erließ 
Markgraf Philipp unterm 11. April 1530 von Baden aus an feinen 
Vogt zu Pforzheim ,2) worin gefagt ift, daß man in Betrachtung ber 
jegigen geſchwinden (d. 5, gefährlichen) Zeiten allerlei „Nothöurft des 
Geleites” vornehmen müfje. Es wurde darum fortgefeßt: Das Geleite 
jolle befehligen der Vogt felber, oder ein Wirth, oder ein ehrbarer Ge: 
jelle, und zwar fo, „daß derjelbe denjenigen, jo zu Zyten der Frankfurter 
Mefien oder fonft kommen und Glaits begehen, es ſeyen Kauffleute 
oder andere, von unfertwegen by dem Wyer oder See jenſeits Dieffen- 
brunn gelegen, da unfer Glait anfahet, dafjelb unfer Glait empfahe 
und annehme.“ Hierauf follten die Geleitleute den Reifenden mit ihren 
Geleitbüchfen durch Tiefenbronn und den Hagenſchieß nad) Pforzheim 
begleiten, jedod) nicht weiter, und von jedem ©eleiteten nicht mehr ala 
12 Pfennig fordern und annehmen. Wenn Einer etwas Vedächtiges 
erbliden würde, folle er e8 fogleich anzeigen, ebenfo der eleitfuchende, 
wenn er etwas über den Geleitsmann zu Flagen babe. 

Eines Vertrages, den Baden mit Württemberg wegen des Flößens 
auf der Enz, Nagold und Würm 1517 abſchloß und der eine Er- 
neuerung des Tloßvertrages von 1342 (©. 125) war, mag bier aud) 
gedacht werben. 

Im Jahr 1532 konnten die Bewohner Pforzheims Zeugen eines 


1) Steinhofer, württemb. Chronif, I., 265. , 
2) Akten des Randesardivs. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 273 


militäriihen Schaufpiels fein. Die beiden Markgrafen Philipp und 
Ernft hatten nämlich beichloffen, den Kaifer Karl V. in dem damals 
ausgebrochenen Türkenkrieg mit Truppen zu unterftüßen. Ueber diefelben 
wurde im Juli genannten “Jahres bei Pforzheim eine große Mufterung 
gehalten, der die beiden Fürſten beimohnten, t) 

Nach dem Tode des Markgrafen Philipp huldigte Pforzheim feinen 
beiden Brüdern Bernhard und Ernſt gemeinschaftlich, und wurde auch 
der Stadt von denfelben unterm 1. Dezember 1533 der übliche Revers 
‚wegen ihrer Freiheiten ausgeftellt. 2) Als jedoch die oben bereits er: 
wähnte Theilung vorgenommen war, verlegte Markgraf Ernft 
1535 feine Refidenz von Sulzburg nah Pforzheim, dag 
nun nad) längerer Unterbredjung wieder ein ftändiger Fürſtenſitz wurde, 
Aus melden Theilen damals das Schloß in Pforzheim beftand, erfahren 
wir aus der Lagerbucherneuerung von 1527, aus der unten Mit: 
theilungen folgen. Ueber die Hofhaltung des Markgrafen in Pforzheim 
find noch einige intereffante Einzelheiten anf unjere Zeit gefommen, die 
von Bartholomäus Saftrow, einem geborenen Pommer, berrühren, 
welcher eine Zeitlang Schreiber auf der markgräflihen Kanzlei zu Pforz- 
heim war und feine wechjelvollen Lebensſchickſale jelber beſchrieben hat. 3) 
Zu Hofe, fagt er, wurde jparfam bausgehalten, daß es gleichwohl fürft- 
lic und löblich herging. Die Lebensweife war von der pommerſchen 
Art fehr verfchieden, an Fleisch und Fiſchen, allerlei Zugemüß, gefottenen 
Feigen, Haferbrei und mancherlei Kraut, Dazu gab es ziemlich Brod, 
und ein Jeder befam in einem zinnernen Becher bei anderthalb Stüd 
Tiihwein, womit. man, namentlih des Sommers, Tange nicht reichen 
konnte. Auf der Räthe Tifche wurde zwei Mal eingefchenkt, . während 
die Schreiber fi) mit einem geringern Maaß begnügen mußten. Den 
Kanzler Oswald Gutt ſchildert Saſtrow als einen alten, grämlichen 
Mann, der den Schreibern fehr auf die Finger gefehen habe. (Diefen 
Eindrud macht aud) fein Bild auf feinem Grabftein in der Schloßkirche.) 
Bon dem Markgrafen Ernft wird gefagt, daß er ein frommer Herr und 

1) Sads, IV., 26. 

2) Urkunde im Stadtarchiv, 

®) Bergl. Bartholomäi Saftrowen Herfommen, Geburt und Lauff feines 
ganzen Lebens, herausgegeben v. ©. Eh. F. Mohnife, (Greifswald, 1823) 
Thl. II., ©. 266 ff, und Bartholomäus Saftromw, ein merfwürdiger 


Lebenslauf des 16, Jahrhunderts, von Ludw. Grote. (Halle, J. Fride 1860.) 
Pflüger, Pforzheim, 18 


274 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


iparfamer Haushalter geweſen fei, der feinem Lande wohl vorgeftanden 
habe. Sein Gemach hatte der Fürft unmittelbar iiber dem Haupteingang 
des Schlofjes, um Alles überfehen zu Fönnen, was vorging. Bei feiner 
fleigigen Aufficht konnte nicht leicht ein Verſehen oder eine Untreue feiner 
Diener unentdecdt bleiben. Dabei trugen fid) dann zuweilen ſehr poſſir— 
riche Scenen zu, worüber der Markgraf fein Gelächter und feine Kurze 
weil hatte. Cinsmals, jo erzählt Saſtrow, wollte der Küchenmeijter 
einen ichönen großen Karpfen ftehlen und verftedte ihn unter den Mantel, 
um ihn jo mit hinunter zu nehmen. Allein der Fiſch war fo groß, daß 
fein Schwanz unter dem Mantel bervorgudte. Als der Markgraf es 
bemerkte, rief er den Küchenmeifter zurück und fagte: „Hörſt du, 
wenn du wieder einen Karpfen ftehlen willft, fo nimm entweder einen 
Heinern Fiſch oder einen längern Mantel! — Ein ander Mal kamen 
zwei Köche aus der Küche, um hinunter zu gehen. Der eine hatte 
zwei rein gemachte Kapaunen Hinten in die Riemen gehängt. Nun 
brachte man gerade etliche Fäaſſer Wein in den Keller. Als der Mark: 
graf die beiden Köche vorüber geben ſah, rief er ihnen zu, fie follten 
Hand mit anlegen. Sogleich fprangen fie zu und warfen ihre Mäntel 
ab; aber der, welcher die Kapaunen genommen hatte, vergaß derfelben, 
Als er nun mit am Geile arbeitete, wippten ihm die Kapaunen auf 
den enden. Der Markgraf mußte herzlich lachen; feine Gemahlin mußte 
auch kommen, um die Kurzweil mit anzufehen, und fo wurde der Dieb 
vor dem ganzen Hofgefinde beſchämt. — Wenn Markgraf Ernft einen 
Gefangenen fiten hatte, den man abthun follte, jo hatte er folgenden 
Gebrauh: Er ließ den Miffethäter, wenn er zum Richtplatze hinaus: 
geführt werden follte, vor fid) fommen und vwerbat ſich mit ihm, daß ers 
ihm verzeihen follte, was er ihm thun laffen müßte. Dann redete er 
ihm zu, er follte nicht verzagen; denn der Sohn Gottes hätte nicht um 
der Gerechten, jondern um der Sünder, alfo auch um feinetwillen fein 
Blut mildiglich vergofen, daran follte er nicht zweifeln, Damit gab er 
ihm die Hand und Tieß ihn abführen, 1) — 


1) Wie fih Saftrow jelber einmal in einer großen Verlegenbeit zu helfen 
wußte, erzählt er in erwähnten Buch ın ſehr Tauniger Weife. Er hatte ein 
wichtiges Dokument zu Fopiren. Es war, jagt er, To viel, daß man bie größte 
Kälberhaut dazu nehmen und noch wohl enge fchreiben mußte. Bartholomäus 
war zwar nicht wenig darob bekümmert, weil er es dem grämlichen Kanzler, der 
mit Scheltworten und Strafen gleich bei der Hand war, nicht vecht zu machen 


Awölftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert. 275 


Bei den wohlwollenden Gefinnungen ‚des Markgrafen ift eg natür— 
lich, daß ihm auch die Pforzheimer fehr zugethan waren. Zum Zeichen 
ihres Dankes für erwiefene fürftlihe Huld ließen fie 1938 ein fteinerneg 
Standbild des Fürften anfertigen, das fie auf den Marktbrunnen ftellten, 
wo es heute noch zu ſehen iſt. Es zeigt die geharnifchte Geftalt des 
Markgrafen, jedoch mit entblößtem Haupte; die rechte Hand ſtützt fich 
auf feinen Schild, die linke umfaßt das Schwert. Unten am Brunnen 
war früher die Infchrift: AN. MDXXXVII PRINZIPE HERNESTO 
MARCHIONE BADENSI CIVITAS PHORCENSIS F. FECIT, 
d. h. „Im Jahr 1538 hat die Stadt Pforzheim dem Markgrafen 
Ernft von Baden (diefes Denkmal) errichten laſſen.“ 1) 

Da der zweite Sohn Ernfts, Markgraf Bernhard, dem die Stadt 
Pforzheim bereits 1550 gehuldigt hatte, 2) gleich dem erjten noch vor 
dem Vater ftarb, fo Fam die ganze Markgraffchaft mit Pforzheim an 
Karl II. Den üblihen Revers bezüglich der Stadt Freiheiten ftellte er 


fürchtete; doch ging er fleißig an die Arbeit, Nun hatte er bereits zwei Tage 
an biefem Briefe gefihrieben, da entdedte er, daß er glei zu Anfange mehr 
als eine ganze Zeile im Goncepte Überfchlagen hatte. Bartholomäus wußte 
erft feinem Leibe feinen Rath; doc befann er fid) und fiel auf folgende Kriegs: 
lift. Das Haus Pforzheim Tag auf einem hoben Berge, die Kanzlei unten in 
der Stadt. Als man nun Mittags zu Tijche blies, blieb er bis zulegt in ber 
Kanzlei, ergriff eine Kage, tunfte der den Schwanz ins Zintenfaß und jagte 
fie dann über den Brief. Da wurde der ganze Brief mit Tinte bejubelt, und 
bie Spuren ber Kapenfüße waren nicht zu verfennen. Nach diefem Kunſtſtücke 
ſchloß Saftrow die Kanzlei zu und ging auch zu Tiſch. Nach dem Eſſen ließ 
er die andern Kanzleiverwandten vor fi hinunter gehen. Als die bie Kanzlei 
aufichloffen, ſprang ihnen die Kate unter die Augen. Zugleich ſahen fie, wie 
auf dem Tiiche Hausgehalten war. Hernach fam auch Saſtrow. Nun zeigten 
ihm bie Andern den Brief und erzählten, wie die Kaße gegen ihnen aus ber 
Kanzlei gefprungen wäre. Cie fünnten nicht wiffen, fagten fie, wer bie Kate 
verſchloſſen hätte. Saftrom flellte fich ſehr verdrießlih und war übel zufrieden, 
daß er den Fleiß und die Arbeit umfonft gethan hätte. Die Andern mußten 
ihn noch zufrieden fprehen. Aljo ift er mit allen Ehren beftanden, Hätte er 
feine Zuflucht nicht zu diefer Lift genommen, fo würde es nicht ausgeblieben 
fein, er hätte etliche Tage im Thurme panem doloris (Schmerzensbrod) efjen 
müſſen. 


Ein Stein mit dem badiſchen Wappen, deſſen Umſchrift mit ber Jahr— 
zahl 1537 auf Markgraf Ernſt Idutet, ſteht in der Schloßkirche. 
2) Revers im Stabtardhiv, 8 
18 * 


276 | Amölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


unterm 10, Februar 1553 aus.) Der bald nad feinem Regierungs: 
antritt zu Pforzheim verfammelte Landtag bemilligte dem Markgrafen 
„zur Erzeigung unterthänigen Gehorfams, auch Ningerung und Erleich— 
terung feiner merflichen hohen und gar unerträglichen Schulden und 
Randesbefchwerden” eine fünfzehnjährige Hilfe, die in einer Abgabe von 
1 Ort (1, Pfennig) von 100 fl. Steuerfapital und dem Maaßpfennig 
beftand. Dabei hatte fi auch die Stadt Bforzheim dazu verftans 
den, dem Markgrafen auf 15 Jahre lang jährlih 1000 Gulden zu 
bezahlen, „doch ihrer Freiheit (wornad fie von Entridytung jeder direkten 
Steuer befreit war) in alle Wege unnachtheilig und unſchädlich.“ Das 
gegen erlaubte der Markaraf, daß die Stadt Pforzheim während diefer 
15 Jahre von jeder Maaß Wein, die in Pforzheim in Wirthshäufern 
oder fonft ausgefchenft würde, 1 Heller erheben dürfe?) Noch vor 
Umlauf diefer Zeit jedoch hatte ſich der Markgraf mit der Landichaft 
dahin verftändigt, daß die bewilligte Steuer wieder wegfallen, der Maaß- 
pfennig dagegen nicht nur 45 Jahre lang, fondern für immer bezahlt 
werden folle. ine ähnliche Zumuthung, die auf 15 Jahre bemilligten 
1000 Gulden „ewiglich“ zu entrichten, wies die Stadt Pforzheim zurüd, 
da fie „eine ſolche ewigliche Beſchwerde nicht auf ſich laden wolle.“ 
Doch verftand fie fich dazu, jene Summe zu bezahlen, „jo lang Sr. fürft: 
lihen Gnaden männliche Leibserben und Erbers-Erben in abfteigender 
Linie vorhanden”, erbat ſich aber, da wegen vielfältigen Mißwachſes und 
daraus entftandener Theurung (fiehe unten) der bisher erhobene Maaf- 
beller zur Entrichtung der 1000 Gulden nicht hingereicht hätte, die. Erz 
laubniß, fünftig ftatt defien einen Maaßpfennig, ähnlich wie im ganzen 
Zand, erheben zu dürfen. Dies wurde ihr am Dienstag nad Judica 
1573 vom Markgrafen Karl auch geftattet. 3) Wir werden auf diefe 
gegenfeitigen Bewilligungen weiter unten zurückkommen. 

Das wichtigfte Ereigniß für Pforzheim, das ſich unter der Regie— 
rung des Markgrafen Karl II. zutrug, war die 1565 erfolgte Ber: 
legung der Refidenz von Pforzheim nah Durlach. Als Urfache 
derjelben wird gewöhnlich angegeben, daß die Pforzheimer deshalb den 


) Er ift im Stadtarchiv und trägt bie eigenhändige Unterfchrift des 
Markgrafen, während ben frühern Reverfen nur das Siegel ber betreffenden 
Fürften angehängt if. j 

2) Urkunde im Stabtardiv v, 11. Nov.’ 1554, 

2) Urkunde im Stabtardiv. 


Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert, 277 


Unwillen des Markgrafen erregt hätten, weil fie fich zu einer Jagdfrohnd 
nicht verftehen wollten, die er ihnen — allerdings ihren Privilegien ent 
gegen — zugemuthet habe. Der Grund der Verlegung ift aber wohl 
eher darin zu fuchen, daß der Markgraf mehr in der Mitte feiner eigent- 
lich badifchen Landestheile wohnen wollte und darum Durlach zu feiner 
Refidenz wählte. Bon ber Klugheit Karls IL. ift nur ein wohlüber: 
Vegter Beweggrund für folhen Entſchluß zu vermuthen. In Durlach 
war ſchon 1532 ein fürftliches Schloß; 1) feit 1563 wurde es aber 
erweitert und vom Markgrafen Karl II. Karlsburg genannt. Es war 
alfo die 1565 gefchehene Verlegung nicht die Folge eines plötzlich ges 
faßten Entſchluſſes. Nach der Sage fol längere Zeit eine Tafel am 
Schloſſe in Pforzheim befeftigt gewejen fein, worauf die Urfache ſolcher 
Veränderung angegeben geweſen wäre. 2) Intereſſant bleibt immerhin 
noch das, daß der Markgraf 1558, alfo nur wenige Jahre vor der 
Verlegung, innerhalb des Echlofjes zu Pforzheim eine neue Kanzlei er: 
bauen ließ. Von derjelben iſt noch ein Denkftein vorhanden, der ſich der: 
malen hinter der Domänenverwaltung befindet, Unter der Jahrzahl ift 
bas badifche Wappen mit dem Bildnif des Markgrafen Karls IL, und 
darunter jtehen folgende Iateinifche Diftichen : 3) 


Carolus has princeps Badensis construit aedes, 
Ut sint consiliis Curia sancta bonis, 

Hic populo par est aequas präescribere leges, 
Omnibus ex merito reddere jura suo; 
Ambiguas justo decidere tramite causas 

Et celeri miseras fine juvare preces, 

Hinc procul affectus animi seponere pravos 

Et rem judicio noscere quamque bono, 


Auf deutfh: „Der badifche Fürft Karl führte diefes Gebäude 
auf, daß es fei ein geheiligter Gerichtshof für gute Urtheilsfprüce, Hier 
geziemt es fich, dem Volke gleiche Geſetze vorzufchreiben und Jedem nad 
Verdienſt Gerechtigkeit widerfahren zu Laffen, auf gerechtem Weg zweifel: 
bafte Fälle zu entfcheiden und durch fchnellen Entſcheid die Bitten des 
— — — » 

1) Durlader Lagerbuch von 1532 (vergl, Bierordt, Geſchichte der Karls: 
ruher Mittel ſchule, ©. 9). 

) Sachs IV., 140. 

) Die auch Sachs IV., 140 und nach ihm Gehres, ©. 22, aber mit 
Auslaffung zweier Zeilen mittheilen. 


278 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert. 


Elenden zu erledigen, weit von hier die verkehrten Xeidenfchaften zu 
verbannen und jede Sache durch gerechtes Urtheil zum Austrag zu 
bringen!” — Ein anderer Stein mit Wappen aus der Megierungszeit 
Karls II, nämlich von 1575, befindet ſich über dem Schloßthor. 

Von dem 1577 erfolgten Tode des Markgrafen und feiner Bei: 
feßung in Pforzheim ift oben (S. 270) ſchon die Rede gewefen. 

Es ift [hen im neunten Kapitel (S. 156 ff.) eine Ueberficht der 
Einkünfte gegeben worden, welche die Markgrafen von Baden (bez. die 
Herrihaft) in Pforzheim bezogen. Bei Anlegung eines neuen Lager: 
buchs im Jahr 1527, 1) alfo unter Markgraf Philipp, wurden diefelben 
abermals verzeichnet und zufammengeftellt, und zwar in größerer Boll: 
fändigkeit als früher, weshalb es um fo weniger überflüffig fein dürfte, 
das Verzeichniß ebenfalls hier mitzutheilen, als dasfelbe manche belehrende 
Einzelheiten enthält, 

Die Lagerbucherneuerung gefhah durch „Leonhard Weibel, 
Kellner, und Leonhard Maler von Calw, weiland des Stadtſchreibers 
Diener zu Pforzheim, von kaiſerlicher Macht offenen (öffentlichen) No— 
tarius.“ Zeugen waren: Philipp Vollandt, Schultheiß, Auguftin Leon: 
hardt, Vürgermeifter, Peter Wonzieher, alter VBürgermeifter und Hang 
Braun des Raths, alle zu Pforzheim. — Es wurden in Pforzheim an 
Strafen bezahlt: Für einen Blutrinsfrevel, d. h. wenn Einer 
einen Andern blutrünftig ſchlug, 4 Gulden 4 Schilling Pfennig; 2) für 
einen Klein- oder Trodenfrevel, d. h. für eine thätliche Beleidigung, 
die nicht mit einer Verwundung verbunden war, 1 fl. 4 Sch. Pig; 
für ein groß Unrecht, d. h. eine grobe, abfichtliche Verletzung oder 
Nichtachtung der Polizeiordnung 1 fl. 1 Sch. Pfg.; für ein klein 
Unrecht, alfo eine minder bedeutende Vernachläſſigung derſelben 
5 Sch. Pf.; für eine Lügainung, d. 5. eine abſichtliche Tãuſchung 
richterlicher Perſonen 3 Sch. Pf.; für eine Spielainung, wenn 
Säfte in einem Wirthshauſe verbotene Spiele ſpielten, 5 Sch. Pfe. 
Alle diefe Strafen gehörten dem Markgrafen allein. Dagegen gehörten 
von einem Friedbruch, d. h. wenn Einer, nachdem ihm Friede ge: 

4 


) Dasſelbe befindet ſich im Landesarchiv zu Karlsruhe. 

*) Vergl. ©. 129 und die zweite Note S. 213, Zu vergeffen ift nicht, 
daß der Rehnungsgulden zu Anfang des 16. Jahrhunderts 2 fl. 524/, kr, 
des heutigen Geldes betrug und daß 14 Sch. Pig. auf 1 Gulden gingen. 


Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert. 279 


boten war, mit Schimpfreden ꝛc. fortfuhr, ſowie von fonftigen Strafen 
und dem Ungeld 3/, dem Fürften und 1/, der Stadt, wie es F 28 
des Treiheitenbriefes von 1491. vorſchrieb. — Diejenigen Bewohner 
Pforzheims, welche Teibeigene Ausleute waren, auf die alfo die Freiheiten 
der Stadt Feine Anwendung fanden, wurden behauptredtet, db. 5. 
nad) ihrem Tode hatte der Markgraf das Necht, den beiten Theil ihrer 
Habe, namentlich das ſchönſte Stück Vieh, für fih in Anſpruch zu 
nehmen, 

Die Verleihung und Präfentation der Pfründen geht, jo heißt 
es weiter, an die Kanzlei nach) Baden, — Der große Zehnten in Pforz: 
beim gehört den Klöftern Lichtenthal und Hirſchau zu gleichen Theilen 
zu. Davon geben fie jährlid an den Marftall zu Pforzheim gut 
Roggenſtroh 200 Bürden. Auch müfjen die Lichtenthaler Nonnen die 
Sügerpferde und Hunde des Markgrafen, jo oft diefe zu ‘Pforzheim liegen, 
beftreuen (S. 158). 

Des Markgrafen eigene Güter find: 1. Das Schloß 
mit dem Zwingelgarten gegen die Stadt herab, aud mit Marſtall, 
Scheuer, Hof und Hofraithe, dazu „dem nähern Zwingel ufjerhalben 
zwifchen den beiden Stadtmauern von Schloß hinab bis an den Keit- 
gaſtthurm, auch der Kirchhof (felbftveritändlih auch die Schloßkirche) 
— ohne alle Befchwerung der Stadt." Zum Schloß gehört ferner 
der Scloßgarten am Eifinger Weg (dev fpätere Waifenhausgarten). 
Der SKlofterfrauen zu Pforzheim arme Leute (Leibeigene) in ihren 
Dörfern zu Brößingen, Eutingen und Springen müſſen das gemeldte 
Schloß in Frohnd beholzen. — 2, Die Bleihwiefe am Mebelgraben. 
Diefelbe zinst auf Martini an Sankt Thomas und Andreas Altar zu 
Et. Michael in Pforzheim 1 fl. 6 Ch. Pig. und 3 Faftnachtshennen 
oder dafür 2 Sch. Pig., geftiftet durch weyland Wernher Göldlin laut 
der Gonftrmation von 1412 (©. 86). Die Büchendbronner und Huchen— 
felder müfjen diefe Wieſe in der Frohnd beforgen, und die Brößinger 
müffen das Heu beimführen in den Marftall. — Die Kelter in der 
Altjtadt (vor dem jebigen Gafthaus zum Ochſen) gehört dem Mark: 
grafen; dahin find die Pforzheimer Weinberge gebannt; das Fuder gibt 
4 Viertel Kelterwein. — Der Lande, Weg: und Waſſerzoll ges 
bört dem Marfgrafen allen. — Vom Stättgeld am freien Markt 
gehört 1/,, an Jahrmärkten das Ganze der Stadt, — Die Mebger geben 
Zunftgeld 9 Sch. Pig. Jede Metzelbank, deren 26 find, zinst 


280 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


10 Sch. Pig, macht alfo 18 fl. 8 Sch. Fig. — Die Bäderzunft gibt 
von ihren 2 Metelbänten, um ihre Schweine dort auszubauen, des 
Jahres 1 fl. 6 Sch. Pig. — Jeder Mebger, der Feine eigene Bank 
bat und doch metzelt, zahlt dem Markgrafen 5 Sch. Pig, — Die 
Bäderzunft zahlt 1 fl. 1 Sch, Pfg. Ein Bäder, fo allein gebeu- 
telteg oder Roggenmehl badt und in feinem Haus feil hat, zahlt dem 
Markgrafen 5 Sch. Pig.; trägt er e8 aber in die Hütten, 10 Sch. Pig. 
Mer 1, Jahr vor Martini anfängt oder aufhört zu baden, zahlt für 
diejes halbe Jahr 5 Sch. Pig. — Jeder Fiſcher zu Pforzheim oder 
nächfte Nachbar, der auf der Fiſchbank in Pforzheim feil hat, zahlt dem 
Markgrafen jährlih 3 Sch. Pfg.; ein Fremder aber zahlt 6 Sch. Pig. 
Der Fiſchbankzins erträgt ungefähr 10 Sch. Pig. — Das Wein: 
ungeld 9 beträgt für Wirthe je die zehnte Maas, Jeder Bürger, wenn 
er nicht deswegen gefreit ift, gibt von jeder Ohm Legweins 6 Pfg. Haus: 
ungeld, und welcher Bürger oder Anwohner Malvafier, Neinfaldt, Ver: 
netfcher 2) oder dergl. ſüßen Mein vom Zapfen ſchenkt, gibt davon ent— 
weder die zehnte Maaß von der Ohm, oder die alte große Maas. — 
4 Malter Kernen gibt Fruchtungeld 1 Sc. Pig, 1 Mitr. Kom 
9 Dig, 1 Mltr. Dinkel 6 Pig. — Bon jedem gemebelten Zentner 
Fleiſch beträgt das Ungeld 18 Pfg., und von 5 ungeraden Pfd. je 
1 Pig; von 1 Kalb 5 Pig; von 1 Hammel, Schaf, Geiß, Bock 
4Pfg.; wenn ein ſolches Thier noch ſehr jung ift, fo wird nichts bezahlt. 
Bon allem diefem Ungeld gehört der Stadt 1/,. — In den Salzkauf 
legt der Markgraf 3/,, die Stadt 1/,, und der Gewinnft wird auch fo 
getheilt, — Mühlenzins (vergl. ©. 157): Claus Müller von 
Mühlhauſen hat erblich die Wagmühle, zinst alle 14 Tage 12 Simri 
Kernen und 12 Simri Korn (Pforzh. Maas); Georg Herichner hatte 
erblicy die Spitalmühle, zinst alle 14 Tage 10 Sr. Kernen und 
10 Sr. Roggen; Henfin Leonhardts Erben (1527 Michael Geiger) 
haben erblicy die Kloftermühle an der Ichbrücke (Cihmühle), zinfen 
alle 14 Tage 9 Sr. Kernen und I Sr. Roggen; Klaus Göppinger 
(1527 Hans Geiger) bat erbli die Nonnen: oder Bfriemenmühle 


1) Man vergl, zum Folgenden die Beftimmungen des Privilegienbriefes 
von 1491, S. 224, 

2) Malvafier — ein griehifher Wein aus Napoli di Malvafia in Moren ; 
Reinfaldt war Wein aus Rivoglio in Stalien. Woher der Vernetfcher ftammte, 
weiß ich nicht. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert. 281 


am Trauenklofter und der Stadtmauer, zinst alle 14 Tage 8 ©r. Ker⸗ 
nen und 8 Sr. Roggen; Peter Müller hat erblih die Zwingel: 
mühle (DObermühle) bei dem obern Bad, zinst alle 14 Tage 8 Sr. 
Kernen und 8 Sr. Roggen. — Der Nonnenmader (Kaftrator) 
zahlt für die Erlaubnig, das „Amt Pforzheim zu beſchnyden“, 1 fl. — 
Stefan Engelfried der Plattner (Harniſchmacher) zinst von feiner Balier: 
mühle, genannt Keffelmühle, an der Enz bei der Walfmühle herab, 
gegen Melchior Waffenichmieds Mühle über, 1 Pfund 6 Sch. Pf.; 
Melch. Waffenfchmied zinst von feiner Schleifmühle 1 fl.; Us 
Melchior Lederlin, Pulvermader und Alt und Jung Hubenjchmied zinfen 
von der Baliermühle, oberhalb der Walkmühle an Stoffel Waffen: 
ichmied gelegen, 1 Pfd. Pfg.; Valtin und Stoffel Waffenſchmied zinfen 
von ihrer Schleifmühle unten an beiden KHubenjchmieden 10 Sch. 
Pfg.; die Meifter Gerber Handwerks zinfen von ihrer neuen Ninden: 
mühle, fo vorher eine Balier: und Schleifmühle und Conrad Huben- 
ſchmieds geweſen ift, gegen ihrer andern Mühle über an dem von Nip— 
penburg’schen Garten gelegen, 11 fl. 11 Cd. Pig; Hs. Kepler zinst 
von jeiner Kupfermühle im Sirebenweiler an der Enz vorm Alt: 
ftädter Thor unter der Lohmühle 1 fl. 6 Sch. Pig; Hs. Lutz der 
Säger hat erblich die Sägmühle ober der äußern Ziegelhütte gelegen, 
zinst jährlih 4 fl, 4 Sch. Pfg.; Bürgermeifter und Rath zu Pforzheim 
zinfen jährlih aus der unten Sägmühle, unter dem großen Weg 
auf dem Wörth gelegen, dem Markgrafen 1 fl. — Jährlicher Waffer: 
zins in die Kellerei: Hs. Beil fammt feinen 3 Gebrüdern, ferner H8. 
Lungel im Spital, Erhard Vetter mit feinen Brüdern, Leonhard Better, 
Georg Bauer jammt feines Bruders Sohn, Claus Billing, Wendel 
Reinhard und Hs. Reinhard haben das Fiſchwaſſer von der St. War: 
tinsficche und der Altftadt bis zur Meuracher Kling, geben für jede 
Trobnfaften 33 Sch. Pfg., thut jährlich 9 fl. 6 Sch. Pfg.; wenn Einer 
von ihnen ohne männliche Erben mit Tod abgeht, fällt fein Antheil dem 
Markgrafen wieder zu. So viel Lächſe darin gefangen werden ſollen 
fie in die Kellerei geliefert werden, und befommen die Fifcher für jeden 
Lachs 3 Sch. Pfg. Von genannten Mannlehen find vergangenen Jahres 
4 Stüd, genannt Hillerwed, unferm Herrn Markgrafen zugeftorben. 
Das Fiſchwaſſer an der Enz von der Spitalmühle über Birkenfeld bis an 
die Tennenfurt hat Ib. Geiger, zinst 12 fl.; Claus Göppinger zinst jährl. 
vom Waſſerabfall oder Lager bei feiner Mühle 7 Sch. Pfg.; 98. 


282 Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16 Jahrhundert. 


Nüfflin vom Wafferabfall bei der Wagmühle 1 fl. 4 Sch. Pla; — 
Us Ritters Wittwe zinst von einer Haus: und Hofraithe in der Kloſter— 
gaffe, zwifchen der gemeinen Straße und Math. Meerwein gelegen, 1 fl; 
Ambrofius Stark, genannt Holzſchuhmacher, zinst von feinem Haus 
bei der obern Badftube zwifchen Wendel Eattlers und Matern Weilerg 
Scheuer Hinter Junker Hans Kechlers von Schwandorf Gärtlein 2 fl. ; 
die Herrſchaft zinst auf Michaelis 15 Sch. Pig. vom neunten Theil 
de8 Zehnteng in Dietlingen an die Pfründe zu St. Georg zu Pforz- 
beim; — item zinst aud die Herrſchaft 2 Sch. 3 Pfg., ferner 200 
Eier, 1 Halb Huhn, 1 Malter Korn, 1 Malter Dinkel, 1 Malter Haber 
an St. Cath. Altar zu St. Michael vom halben Xaienzehnten zu 
Nöttingen, der auch dafür Unterpfand ift laut eines Briefes v. 1494. 


$ 3. Amneres. 


Wir ftoßen in diefem Zeitabjchnitt mehrfach auf Streitigkeiten, 
welche fich zmifchen Pforzheim und etlichen Nachbarn der Stadt erho— 
ben haben. Ging aud die Maidberehtigung im Hagenſchieß, welche 
den Herrn von Leutrum zuftand, im Jahr 1524 im Wege friedlichen 
Vertrags von MWurmberg auf Pforzheim über, das fi dafür zur 
Ablieferung von jährlichen 18 Mealter Hafer an die Herren Ludwig 
Ehriftoph, Georg und Philipp von Leutrum verpflichtete, *) jo entbrannte 
dafür ein heißer Streit zwifchen Pforzheim und Würm wegen Holzbe: 
rechtigung. Derſelbe kam bis vor dag Neichsfanmergericht in Speier und 
wurde nad jahrelanger Dauer des Prozeſſes 1060 zu Gunften Würms 
entjchieden. 2) Die Sache ift nicht wichtig genug, um ausführlid darauf 
einzugehen. Wegen des Waidgangs auf dem Node, der zu mehrfachen 
Serungen Beranlafjung gegeben, kam es 1543 zu einem Vergleich zwifchen 
Pforzheim und dem Junker Reinhard von Neuhaufen zu Weißenftein, 
und abermals wegen Markungsitreitigleiten und Viehtrieb im Kallert 
zwifchen den beiden gleichen Theilen 1547 zu einer gütlicyen Weber: 
einkunft. 3) — 


1) Kopialbud im ſtädtiſchen Archiv. 

2) Urtheilsbrief im ftädtifchen Archiv. Außen darauf ſteht: Tara zwölf 
Gulden. 

3) Urkunden im Stadtarchiv. 


Zwölftes. Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 283 


Am Jahr 1569 übergab Markgraf Karl der Stadt Pforzheim 
den Ederih im Hagenſchieß auf Pforzheimer Gemarkung gegen einen 
jährlichen Dehmen (hier Ederihzins) von 200 Gulden, die unablöslich 
fein follten; doch blieb mehreren Perfonen das Recht vorbehalten, ihre 
Schweine dehmenfrei laufen zu Iaffen, fo dem Vogt zu Pforzheim 2, 
dem Amtskeller 2, dem Waldförfter 2, dem Herrn von Leutrum 20, 
den Kanzler Achtſynit oder dem — von Niefernburg 12 Schweine. 1) 
Man mag daraus wiederholt (vergl. S. 244) entnehmen, welcher Werth 
damals auf die Eichelmaft gelegt wurde. Der Dehmen von 200 fl. 
wurde indeflen, wie wir ſpäter jehen werden, felten oder nie- bezahlt, fo 
daß er zuleßt zu einer ungehenern Summe anwuchs und zu Streitig— 
feiten zwiſchen Stadt und Herrſchaft VBeranlaffung wurde. — Des Kaufs 
von einem Stück Wald an der Strutt, zwiichen der Stadt und St. Geor- 
gen Wald gelegen, den die Etadt Pforzheim 1531 von dem Bürger 
Hans Dütlinger und feiner Frau Anna Nüflerin um 50 fl. erftand, 
mag bier ebenfalls Erwähnung gejcheben. 2) 

Bon größerm Intereſſe dürfte es fein, zu erfahren, daß die Stabt 
Pforzheim im Jahre 1538 die Ehre hatte, beim Vehmgericht ver: 
Magt zu werden. Dies gefchah durch einen gewiſſen Jerg Fünfſtetter — 
aus welcher Urfache, weiß ich nicht — und zwar bei dem Freiſtuhl zu 
Medenbach in Weſtphalen. Aus dem fpäter in diefer Sache erfolgten 
Urteil des Reichsfammergerichts zu Speier 3) läßt fich entnehmen, daß 
einer der „angemaßten“ Stuhlherrn, ein gewiſſer Heinrich Beckmann, 
der fi) nannte „einen Freigrafen und Richter des Treiftuhls in Weſt— 
phalen zu Medenbach“, einen „nichtigen, muthwilligen, freventlichen 
Spruch” Hatte ausgehen und auch durch einen heimlichen Boten an das 
Rathhaus in Bretten anfchlagen laſſen. Ebenſo hatten die Stuhlrichter 
Philipp Schent von Echmeinsberg und Johann Farmund oder Vor: 
mund nebft dem genannten Beckmann gemeinschaftlich eine Ladung an 
die von Pforzheim ergehen laſſen, die man an der „Stadtporten” ein: 
gefteckt fand, und als derfelben Feine Folge geleiftet wurde, fo hatten fie 
die von Pforzheim für ungehorfame, unehrliche, verfäumte, verachtetete, 


1) Urfunde im Landesarchiv. 

2) Urkunde im Stadtarchiv. An — hängt das Siegel des Vogtes 
Eberhard von Reiſchach. 

3) Es befand ſich früher auf dem Pforsheimer Stadtardiv, iſt aber jet 
nicht mehr vorhanden. 


284 Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


verurtheilte, treulofe und meineidige Leute erklärt, die alles Rechts ent: 
feßt, vom Frieden in den Unfrieden ꝛc. gefeßt fein, Da man in Pforz- 
beim aber allen diefen Urtheilsiprüchen feine Gültigkeit beilegte, jo wurde 
ihrer Etliche, die auf die Frankfurter Meſſe gereist waren, nämlich der 
Bürgermeifter Peter Gößlin, Klaus Engelhard, Jakob Ryſyſin (Reiß— 
eifen), Klaus Vaihinger und Stoffel Hochſt, am 14. September 1538 
von einem, der von genannten Stuhlrichtern als Anwalt gefendet worden 
war, nämlich Peter Scheyd von Medenbach, „angefallen und angeregt, 
vermeinter nichtiger heimlicher Acht halben und zu ihrem großen Schaden, 
Berluft und Nachtheil daſelbſt in der Meſſe, da fie ihrer Handierung 
und Kaufmannfchaft warten und einkaufen follten, aufgehalten.“ Ueber 
alle dieſe Unziemlichkeiten führte Markgraf Ernft Klage bei dem Reiche: 
fammergericht, welches alle Urtheile der erwähnten Freiſchöppen für nichtig 
erflärte, den Beckmann in die Gerihtsfoften verurtheilte, die verklagten 
Stuhlherrn aber, jowie den Jerg Fünfſtetter freifprad). 

Rühmend muß hier einiger im Lauf des 16. Jahrhunderts ges 
machten Stiftungen zu wohlthätigen Sweden gedacht werden, die fich 
zum Theil bis auf unfere Tage erhalten haben. Es gehört dazu in 
erfter Reihe die des ftädtiichen Almojens Um das Jahr 1533 
wurden ſämmtliche Bruderichaftsfonds von Pforzheim (vergl. ©. 160) 
fammt dem des Seelhauſes (S. 163) mit dem Haus felber zu einem 
gemeinichaftlihen Almojenfond verjchmolzen, 1) woher fich auch defjen 
Urfprung datirt. Da derfelbe von der Bürgerſchaft und den Zünften 
herrührte, jo erhielten Bürgermeifter, Gericht und Nath die Aufficht nnd 
das Verfügungsreht darüber, hatten die Almojenpfleger ein: und abzu— 
feßen und die jährliche Abhör der Nehnung in Gegenwart der Beamten 
und des erjten Stadtgeiftlichen vornehmen zu lafien. Das Almojen er: 
hielt in der Folge mandye zum Theil veiche Bermächtniffe, fo 1548 von 
Joh. Luk, Vikar des Domftifts zu Speier 300 fl., 1552 von Peter 
Gößlin 100 fl., 1554 von Thomas Heppler 100 fl. 1557 von Lukas 
PBiftorius 100 fl., 1568 und 1575 von Marzolf Wolff und Frau 
200 fl., 1570 und 1572 von Peter Gößlins Wittwe 120 fl. u. f. w. 
Bon frühern Stiftungen hatte das Almofen auch die Verpflichtung über: 


2) Lagerbuch des Almojens von Pforzheim (im Stadtardiv). Es ift darin 
auch von ber Älteften Almofenrehnung von 1533 die Rede; dieſelbe ift aber 
nit mehr vorhanden. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 285 


nommen, arme Kindbetterinnen zu unterftügen, an die lateiniſche Schule 
für Pflege des Kicchengefangs jährlich 12 Gulden zu bezahlen u. dgl. m. 
— Einer Stiftung von 300 fl., welhe Chriftoph Wertwein, ein 
geborner Pforzheimer, ſpäter Bifchof in Wien und Beichtvater von Kaifer 
Ferdinand I. (vergl. S. 197), 1555 in das Almofen aus Dankbarkeit 
dafür, daß er felber als Unterftüßung beim Studiren etliche Gefälle 
einer Pfründe von St. Michael bezogen, zum Beten armer Studirender 
machte, muß deshalb noch befondere Erwähnung gefchehen, weil diefe 
Summe fpäter (1763) aus dem Stadtalmofen wieder ausgefchieden wurde 
und feither befondere Rechnung darüber geführt wird, 

ine ähnliche Stiftung von 600 Gulden, wozu 1564 weitere 200 
Gulden famen, machte 1559 ein anderer Pforzheimer, nämlih Peter 
Geiger, Kanonikus des Stiftes zu Baden, Die Zinfen follten nad) 
dem Tode des Gtifters für 6 junge Knaben, darunter für einen, der 
Theologie ftudiren würde, beftimmt fein. Diefelben mußten aber dem 
Geiger'ſchen Gefchlechte angehören, und nur im Fall davon nicht genug 
vorhanden wären, durften auch andere fromme und unvermögende Bür- 
gergkinder, insbejondere von Pforzheim, genommen werden, Jeder auf 
zunehmende Knabe folle 7 Jahre alt fein und 7 Jahr lang das Schul: 
geld. für ihn bezahlt werden. Bei einem alsdann in Gegenwart Bür- 
germeifters, Gerichts und Raths, ſowie der zwei Aelteften des Geigerichen 
Geſchlechts vorzunehmenden Prüfung folle der fähigfte und gefchictefte 
der Knaben zum Studium der Theologie beftimmt, die andern aber zu 
Handwerkern in die Lehre gethan werden. Der Ausgewählte hatte num 
Grammatik, Dialektik und Rhetorik zu ftudiren und ſodann auf diejenige 
Univerfität zu geben, wo die Wifjenfchaft der Theologie am reinften ges 
Vehrt würde. Dem Stipendiaten, der 6 Jahre lang jährlich 25 Gulden 
erhielt, wurde zur Pflicht gemacht, fleißig und anftändig, letzteres beſon— 
ders auch in der Kleidung zu fein. Nach vollendetem Studium follte 
er verpflichtet fein, feinem Vaterland, namentlich der Stadt Nforzheim 
mit hriftlicher Lehre, Predigen, Austheilen der Saframente ıc. zu dienen, 
und wenn er in Pforzheim feine Anftellung erhalten könne, fo folle er 
ein Jahr die Bürgerskinder in Pforzheim im Katechismus unterrichten, 
und wenn er dies zur Zufriedenheit gethan, fo folle er das Stipendium 
mit 25 Gulden erhalten Wer fi aber von den Stipendiaten nicht 
gut aufführe, der folle 2/3 des Etipendiums wieder erftatten. Wer 
den erwähnten Katechismusunterricht vermweigere, der folle i/; zurüd- 


986 Awölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert. 


erſtatten. Wenn derjenige, der ein Stipendium genoffen, im Inland 
feine Anftellung finde, fo dürfe er auch ins Ausland gehen. Wer 
während des Studiums die Theologie aufgebe, folle das Stipendium 
nicht mehr befommen. Wer durch Krankheit unfähig werde, das geiftliche 
Amt zu führen, dem folle der oben vermerkte Erſatz erlafjen fein. 1) — 
Peter Geiger ftarb 1569 zu Baden und befleidete, wie auf feinem in 
der Marienkapelle der dortigen Stiftskirche befindlichen Grabftein erficht- 
lich, zuleßt das Amt eines Vicedefans des Stiftes. 2) 

Eine Stiftung anderer Art darf hier nicht vergeffen werden. Der 
Kanzler Achtſynit vermachte um 1560 ein Kapital von 100 Gulden mit 
der Beitimmung, daß die Zinſen davon mit jährlichen 5 Gulden jedes 
Jahr oder alle 3 Jahre bei Abhör der Bürgermeifterrechnung vertrunfen 
werden follten, und zwar in Niefernburger Gutedelmein. 3) Diejer Auf: 
lage kamen die betreffenden Väter der Stadt viele Jahre hindurch ges 
treufich nad), verſchmähten indeffen aud einen befjern Trunk nicht, wenn 
fie die Luft dazu anwandelte. In Jahren, wo megen unterbliebener 
Abhör der Rechnung auch Fein Stiftungswein vertrunfen wurde, ift dies 
in fpätern ftädtifchen Nechnungen als etwas ſehr Wichtiges immer ge- 
treulich bemerkt. 

Um diefelbe Zeit, als mehrere diefer Stiftungen gemacht wurden, 
tritt auch ein heute noch in Pforzheim beftehender Verein aus dem 
Dunfel hervor, das über feiner Entftehung ſchwebt. Es ift dies die 
Schüsengefellihaft Sie muß ſchon ſehr früh gegründet werden 
fein, vielleicht gleichzeitig mit den Schüßengefellichaften anderer Städte, 
wie folche beifpielweife ſchon 1451 zu Offenburg und 1459 zu Villingen 
betanden, 2) Gewöhnlich erwählten fie den heiligen Sebaſtian, welder 
der Sage nach mit Pfeilen erſchoſſen worden fein foll, zu ihrem Schuß: 
patron und gaben ſich deshalb den Namen „St. Sebaftiansbruderichaf: 
ten," Die Mitglieder derfelben gebrauchten bei ihren Webungen ur: 


2) Diefe Beſtimmungen find dem Nathsprotofoll von 1711 entnommen, 
Der Stiftungskrief if bier nicht mehr vorhanden. 

2) Auf dem Kirchhof zu Pforzheim, und zwar an ber jüdlichen Wand ber 
Kapelle, befindet fich der Grabftein einer „Urſula Geigerin“, Wittwe bes 
Forftverwalters Ib. Meerwein, weldye 1718 ftarb und auf dem Grabftein als 
die Letzte des Geſchlechtes des Geiger'ſchen Stipendienftifters bezeichnet if. 

2) Sads, IV,, 179. 

) Mone, Zeitfehrift V., 486 und VI, 76, 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 27 


ſprünglich die Armbruſt, ſpäter, nachdem das Schießpulver erfunden und 
andere Schießwaffen in Gebrauch gekommen waren, die Büchſe. Arm— 
bruſt- und Büchſenſchützen kommen in Pforzheim ſchon im Jahr 1487 
vor. Damals wurde nämlich denſelben „zu Handhabung der Stadt zu 
Schimpf und zu Ernſt etwas Freiung zugelafien, alſo daß ein Jeder 
fein Gefhüß frei tragen und damit furzweilen und jchießen mag, es fei 
Vogel, Enten u. dgl. Ob aber einer Hafen oder Gewild ſchießen würde, 
fo foll er von jedem eine geſetzte Ppoen geben, wie das im Land zu 
Württemberg und anderswo wird gehalten." ) Bon Markgraf Philipp 
erging 1529 die Weifung an die Stadt Pforzheim, Armbruſtſchützen 
nad) Speier zu ſchicken.?) Intereſſant ift das Schüßenfeft, das die 
Schütengefellihaft zu Pforzheim im Jahr 1561 veranftaltete, und ver- 
dient dasfelbe eine eingehendere Bejchreibung. Als 1561 die Schügen- 
gefellichaft zu Pforzheim den Markgrafen Karl II. um die Erlaubniß 
bat, ein Schicken halten zu dürfen, geftattete e8 dieſer nicht nur, fondern 
ſchenkte auch der Gejellichaft als Hauptgewinn für das Schüßenfeft einen 
fetten Ochſen, und beauftragte einen feiner Edeln, Hans Sebold von 
Siglingen, 3) die nöthigen Anordnungen für diefes Felt zu treffen. Dem: 
felben wurden zu diefem Zweck von Seiten des Raths und der Schüßen- 
gefellichaft einige Mitglieder beigegeben, Zunächſt wurden nun durd) 
öffentliche Ausichreiben die auswärtigen Schüten zu diefem Schießen 
feierlichft eingeladen und dabei bekannt gemacht, daß derjenige, welcher 
unter 15 Schüffen nad der Scheibe diefelbe am öfterften treffen würde, 
beim Hauptſchießen den erwähnten Maſtochſen oder ftatt defien in Geld 
30 Gulden, beim Nachſchießen aber 12 Gulden erhalten follte. Neben 
dem wohl gebauten Schübenhaufe, das vor dem brößinger Thor ftand 
und außer den Schiefftänden einen weiten Saal ſammt einer freund: 
lichen Sommerlaube enthielt, wurden noch zwei Hütten errichtet, in denen 
man die Büchſen wijchen und laden Konnte; überdies hatte man für die 





1) Akten des Landesarchivs, mit ber Weberichrift: Allerhand Ordnung und 
Polizeiſachen 1487. 

2) Schreiben des Markgrafen, im Stabtardiv. 

3) Der Grabftein desfelben findet fih in ber Kirche zu Stein. Er zeigt 
folgende Anichrift: Anno domini 1570 d. 29. Nov. ift in Gott verſchieden ber 
edel und firenge Herr Hans Sebold von Siglingen, des durdl. und hochgeb. 
Herrn Ludwig von Bourbon, Prinzen zu Conde, Herzogen zu Angien, gewester 
Obriſter über ein Regiment Landsfnecht, dem Gott genad, Amen, 


a8" Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


hohe Herrichaft ſechs Zelte dabei aufgefhlagen. Scheiben waren in 
Menge da und daneben Hütten, hinter denen die Zeiger ficher ftehen 
konnten. Am 3. October begannen die Teftlichkeiten. Man z0g mit 
Pfeifen und Trommeln unter dem VBoraustritt eines Fahnenträgers auf 
den Schübenplan hinaus, wofelbft der Stadtfchreiber Johann Groß die 
Eröffnungsrede hielt. Alsdann erwählte man die fogenannten Neuner, 
denen das Geſchäft oblag, Alles, was das Schießen jelbft betraf, zu 
ordnen. Hiezu wurde Namens des Markgrafen, des weifen Raths der 
Stadt, der Schütengejellichaft, ferner von Kurpfalz, Württemberg, der 
Stadt Straßburg, der Nitterfchaft, der Markgrafihaft Baden und der 
geiftlichen Fürftenftädte je ein Mitglied ernannt. Dieſe Neuner erwähl- 
ten die Zeiger und andere zuverläffige Männer, die auf die Schüffe 
Acht geben ſollten; hierauf wurden die Schießregeln verlejen, die Büchſen 
unterfucht und die betrügerifch zugerichteten verworfen. Nun machten 
die Neuner ſechs Xoofe, um die Reihenfolge der Schügen zu beftimmen, 
nämlih: für den Markgrafen, feine Ritter und Dienerfchaft, für 
Kurpfalz, für das römische Reich, für Württemberg, für die 
untere Markgrafſchaft, und endlich für die Ritterſchaft und den 
Adel, Ein jeder Schüße mußte jodann einen Gulden einlegen, um 
daraus Gewinnfte machen zu können. Sonntage den 5. Oktober 
fing das Scheibenſchießen an, Wenn ein Schüße die Scheibe getroffen 
hatte, gab man ihm eine Fahne in die Hand und führte ihn zum 
Schreiber hin, der den Schuß einfchrieb. Den Schüten hatte der Mark: 
graf ein Fuder Wein geſchenkt; alle Priticher Hatte er neu gekleidet und 
ihnen filberne Schilde gegeben; auch Ind der freigebige Fürft die Neuner 
oft zu Gaſte. Auf dem Schießplane waren zur Beluftigung des Volkes 
auch Spielbuden errichtet, in denen man um mäßigen Einſatz Silber: 
und Zinngefhirr gewinnen konnte. Die Pritfcher hatten allenthalben 
vollauf zu thun; denn fo oft Jemand einen ungeſchickten Streid) machte, 
befam er die Pritſche. Am Freitag den 10, Dftober fing man an, zu 
ftehen; am folgenden Tage wurde der Preisochſe aufgeführt. Zwei 
Jünglinge in weißem Anzug, mit Fähnlein in der Hand, gingen voraus, 
und zwei fchöne Jungfrauen, ebenfalls weiß gekleidet, führten den Ochjen, 
den man mit einer feidenen Dede geziert hatte, auf welche des Mark: 
grafen und feiner Gemahlin Wappen geftictt waren, ine große Anzahl 
Bürger, mit Harnifhen angethan, folgte mit Trommeln und Pfeifen. 
Den Zug beſchloß der Stadtrath. Als derjelbe an Ort und Gtelle 


Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert. 289 


angekommen war, ftellten ſich die Herren in einen Kreis und nahınen 
die Jungfrauen mit dem Ochfen binein, Cine berfelben trug einen 
goldenen Kranz in der Hand, den fie dem Sieger im Mettfchießen, 
Hans Schatz aus Straßburg (der den beiten Schuß gethan hatte), feier: 
Lchft überreichte. Den Preisochſen aber gewann Jakob Laſtner von 
Kuppenheim. Nun ging es an die Austbeilung der Gelöpreife, die ſich 
in ledernen Sädeln befanden, welde man an lange, oben mit Fahnen _ 
gezierte Stangen aufgehangen hatte. Es waren deren im Ganzen 38, 
Einem Schüten wurde fein Preis ſammt Fahne wieder abgenommen, 
weil fich feine Büchfe nachträglich als unrichtig erwies. Dem Schützen Hang 
Balthas Mutſchaß aus Zürich wurde ein Schwein zu Theil, damit er 
den weiten Weg nicht umfonft gemacht haben möchte. Man hatte auch 
nach einem hölzernen Mann gejhoffen, und für die drei beiten Schüffe 
darauf waren ebenfalls Preife ausgejeßt. Dev Stadtjchreiber Groß 
erklärte hierauf das Schießen für beendigt und jtattete fowohl den 
Neunern, als allen auswärtigen Schügen im Namen der Stadt und 
der Schübengefellichaft feinen Dank ab, worauf Hans Schatz aus 
Straßburg einige pafjende Worte ermiderte, Sonntags darauf begann 
das Nachſchießen, weldyes zwei Tage dauerte. Den erften Preis dabei 
gewann Jakob Bachofen aus Zürich. Damit ſchloß das Schüßenfeft. 
Unter den auswärtigen Bejuchern desfelben war and) der Leineweber 
und Meifterfänger Heinrih Gehring aus Züri. Derfelbe bejchrieb 
nachgehends das Feſt mit allen jeinen Einzelheiten in einem langen Ge: 
dichte, das er dem Markgrafen Karl II. widmete. 1) Er jildert darin 
unter Andern auch verfchiedene Arten von Volksbeluſtigungen, welche 
außer den fchon angeführten mit dem Schützenfeſt verbunden waren, 
Es mögen zwei darauf bezüglicye Stellen aus feinem Meiftergefang, je: 
doch zu beffevem Verſtändniß im jet üblicher Schreibweife, bier ange 
führt werden: 


9) Dasſelbe ift diefer Beichreibung zu Grund gelegt. Es befindet fich heute 
noch auf Großh. Hofbibliotget in Karlsruhe, hat 33 Blätter Tert und auf 12 
weitern Blättern, die Abbildung des Preisochien mit feiner Dede (fogar von 2 
Seiten) und ſämmtlicher Schützenfahnen, von denen aber eine ausfieht, wie bie 
andere, nur daß fie bald links, bald rechts flattern. Poffelt hat diefe inter: 
teffante Handſchrift zuerft benügt zu einer Schilderung des Pforzheimer Schü⸗ 
Benfeftes in feinem wifjenichaftlihen Magazin MI, 642, (1788). 


Pflüger, Pforzheim, 19 


290 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 


Ein’ Pritfhenbrüd’ war auch gemacht, 
Der hat gar Mancher a’nug gelacht, 
Denn fie war g’bauen auf ber Enz. 
Ach wünſch' den Narr'n die Peitilenz, 
Sie haben mid, geworfen d’rein, 

Ich acht', fie find mir feind gefein, 
Sie hätten mid) fonft nicht gebabet; 
Doch hat es mir nicht viel geichabet ꝛc. 


Ferner: 
Potz Lung, Eins hätt' ich ſchier vergeſſen: 
Man thät auch da die Mäuler meſſen, 
Und welcher die größte Goſchen hätt', 
Der gewann ein'n Käs gleich an ber Stätt'. 
Des Meſſens Mancher g’nug thät lachen, 
Man maß, daß Mancem die Lefzen krachen. 
Es fam cin Bau’r, derjelb’ war voll, 
Ohn' Zweifel war’s ein grober Droll, 
Hieß Stoffel Ruf von Weißenftein. 
Er hatt’ ein Mündlein, als ich mein’, 
Was mehr denn fieben Zollen weit; 
Der g’wann den Käs zu jelber Zeit. 
Bon dem ih Abenteuer muß fagen: 
Den Küs hat er nit heimgetragen, 
Eondern ift mit unter die Bauern g’feflen, 
Und baben ihn gleich von bannen g’frejien. 


So weit die Älteften Nachrichten über die Pforzheimer Schüßenge- 
ſellſchaft. Wir werden auf diefelbe fpäter zurückkommen. 

Es mag hier noch einiger fonftigen Creigniffe gedacht werden, bie 
gewöhnlich in Chroniken eine große Nolle fpielen, immerhin aber für 
diejenigen Bewohner Pforzheims, die damals lebten, von Wichtigkeit waren, 
Wir meinen damit Feuersbrünfte, große Waffer, Theurung, 
wohlfeile Zeitzc. — Daß Pforzheim früher von Bränden heimgefucht 
wurde, erjehen wir aus einer Abjchrift des Privilegienbriefes, die im 
Jahr 1517 angefertigt wurde, 1) und worin es heißt, daß „viele ber 
Stadt nützliche Briefe verbronnen“ ſeien. — Ein Eisgang riß 1522 die 
„Steynin Bruden” (S. 122), nämlich die Auer Brücke, mit ſich fort, 2) 
und abermals gejhah dies 1573. Unter Markgraf Karl wurde hierauf 


1) Stabtardiv, 
2) Stadtarchiv. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 991 


diejenige Brücke erbaut, deren Pfeiler der großen Ueberſchwemmung des 
Jahres 1824 zum Ofer fielen. Ein heute noch erhaltener Stein gibt 
von jenem Brüdenbau von 1573 Zeugniß. Seine Infchrift lautet : 


Anno MDLXXII. 


Das Eys vnd gros Wassergüssen 

Die Bruck mit Gwalt zv Stvckn rissen 
Darvmb ein Rat zv nuz der gmaind 
Den Pfeiler sezt von starken Stein 
Der Landsfürst Marggrav Carolvs 

Den ersten Stein legt on Verdruss, 


Der Theurung von 1548, die fogar eine Verordnung des 
Markgrafen Ernſt hervorrief, durch welche das Fleiſcheſſen beſchränkt 
wurde (S. 210), gingen 1539 und 1540 zwei Meinjahre voraus, wie 
ſolche nicht oft vorfommen. Schon 1539 gab es fo außerordentlicy viel 
Wein, daß nah dem Chronikreim 

Tauſend fünfhundert dreißig und neun 
Galten die Fäffer mehr als der Wein. 


Der Wein von 1540 übertraf aber an Menge und Güte feinen 
Borgänger noch. Im Elſaß gab es Orte, wo man die Schweine mit 
Trauben fütterte, und im Breisgau gebrauchte man Wein ftatt Waffer 
zum Eichen der Fäffer.!) Viele Leute foffen fich, wie ein alter Bericht 
fagt, zu todt. Ein Edelmann Tieß feine Bauern feinen Wein in der 
Frohnd austrinfen, und wöchentlich zweimal gingen fie, mit Brod und 
Käſe verfehen, an diefes luſtige Geſchäft. Händel und blutige Köpfe 
gab e8 dann genug, und der Edelmann ftand ſich als Gerichtsherr dabei 
befier, als wenn er den Mein verkauft hätte, 2) — Der großen Theus 
rung von 1563 gedenken folgende Zeilen, die man heute noch an der 
in jenem Jahr gebauten Scheuer der Niefernburg Iefen kann: 

Als ich thet bauen biefe Scheuer, 

Da war bie Frucht fehr clemm und thener; 
Fünf Gulden galt ein Malter Kern, 

Der Roden fünfzig Batzen gern; 

Mit zwanzig Bagen warb bezahlt 

Der Hafer und zu Mehl gemahlt. 


ergl. Bader, Babenia (die neue), I., 40. 


*) Häuffer, Gedichte der Pfalz, I, 586. 19 * 


292 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


Und ftund die Frucht im Feld jo reich, 
Daß man nit dendet der geleich; 
Auch als die Ernt’ warb g'ſchnitten cin, 
Gleich ward geftillt des Hungers Bein. 
5 Die neue Frucht um halbes Geld 
Man näher fauft, denn obgemelt. 
Dem lieben Gott jey Danf und Preik 
Um Leibes und der Seelen Speiß. x 


$4 Die Stadt felbfl. 


„Pfortzheym ift nicht groß, bat nur eine Kirche (2), Tiegt gar im 
Grunde an einer jchönen Iuftigen Wifen, dadurch laufft ein clares, ge 
fundes Wafjer, gibt allerlei wohlſchmeckende Fiihe, daran man bes 
Sommers gar gute Kurzweile haben fan, zwuſchen vberaus hohen Ber: 
gen, jo mit Holgungen, einer Wiltnuſſen nicht ungleich, bewachſen, fo 
guth Wildbreth gibt. Das fürftlihe Schloß ligt woll niderich, aber 
respectu oppidi (im Vergleich zur Stadt) zimblid hoch; font hat die 
Statt viel gelerter, beicheidener, freuntlicher, wollerzogener Leute, vnnd 
Alles, was man zur Leibes Notturft, auch Erhaltunge zeitliches Lebens 
in Geſuntheit vnnd Kranchheit von Nöten, an Gelerten, Ungelerten, 
Apothekern, Balbiern, Wirthsheufern, allerlei Handtwerfern, nichts aus: 
genommen, in Predigen vnnd Gefängen Euangeliſche Neligion,” So 
fchildert der ſchon ©. 273 ff. erwähnte Saſtrow die Eindrücke, welche 
Pforzheim auf ihn während eines Aufenthaltes in diefer Stadt machte, 
der vom 24. Juni 1544 bis 16. April 1545 dauerte. 1) — Der 
Meifterfänger Heinrid; Gehring, der 1561 das Schütenfeft zu Pforz- 
beim bejchrieb, weiß für das Lob der Stadt nicht genug Worte zu 
finden; er vühmt ihren weitverbreiteten Handel, ihre Gewerbe, den da— 
binftrömenden Ueberfluß, namentlih aber aud) die vielen und guten Her: 
bergen. — In einem 1543 erftmals erfchienenen, berühmten geographifchen 
Werke 2) wird von Pforzheim, nachdem von Gründung der Etadt und 
ihren frühern Herrn die Rede gewefen, Folgendes gejagt: „Es ift faft 


1) B. Saftrow, Herkommen ꝛc., berausgeg. von Mohnike (Greifswald, 
18331 1., 266, — neu bearbeitet von Grote (Halle, 1860) S. 142, 

2) Cosmographey, oder Beichreibung aller Länder ꝛc. durch Eebaftia- 
num Diunfterum. Gedrucdt zu Bajel 1543, 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 2953 


die fürnemfte ftatt fo die Marggrauen in jver herrſchafft haben, wiewol 
Baden des heiſſen waſſers halbs eines groffen anfehens und namens. 
Es ligt Pfortzheim in einer gegend genannt am Hagenſchieß.“ Ya, 
Münfter ftellt uns fogar ein Bild des damaligen Pforzheim vor Augen; 
da indeffen derfelbe Holzichnitt noch verfchiedene Male in der „Cosmo: 
graphey“ vorkommt und auch als Abbildung anderer Städte dient, fo 
dag man nicht weiß, welche Stadt ev eigentlich bedeuten fol, jo unter: 
laffen wir die Mittheilung diefer Abbildung, und zwar um fo mehr, 
weil fie mit dem wirklichen Pforzheim jener und jetiger Zeit gar feine 
Aehnlichkeit bat, 

Was Saftrom über die Einrichtungen der Stadt für Gefundheite: 
pflege jagt, läßt fih aus andern Quellen allerdings belegen. in Lud— 
wig Germann oder Germey der Arzt, auch kurzweg Meifter Ludwig ges 
nannt, tommt 1502, 1514 und 1520 vor. Zweier weitern Aerzte aus 
jener Zeit, nämlich Johann Widmanns und Alerander Seiß’s ift bes 
reits (S. 180 und 203) Erwähnung geichehen. in fpäterer Kollege 
von ihnen war Philipp Schopff, wahrfcheinlich aus Pforzheim felbft 
gebürtig, der 1565 Magifter zu Tübingen, 1575 Arzt in Kreuznach 
und fpäter Arzt in Pforzheim war und 1587 die Stelle eines Pro: 
feffors der Naturwiffenihaft an dem meugegründeten Gymnaſium zu 
Durlach bekleidete. Schon während feiner Amtsthätigkeit in Pforzheim 
machte er fich als mediziniſcher Schriftiteller bekannt. 1) Als Apotheter 
zu Pforzheim wird 1562 bereits Michael Gröninger genannt, Zweier 
öffentlichen Badftuben ift oben (S. 163) ſchon erwähnt. Auch an 
PBrivatbadeinrihtungen muß es nicht gefehlt haben; dem 1536 verkaufte 
„Margarethe von Velberg, Witwe Sebaftiang von Gültlingen, an 
Dietrih) von Gemmingen Haus, Hofraithe, Brunnen, Badftube, Stal- 
fung und Zubehörde im Predigergäßlein.” 2) Minder gefund waren 
damals die Wohnungen, in denen man durchichnittlich ſehr beichränft 
wohnte. Man traf deshalb in faft allen Häufern behufs der Raumge— 
winnung jene Einrichtung, nach welcher die Betten auf einer Art Empor: 
bühne, zu der man auf einer Treppe binaufitieg, ſich befanden, und 


ı) Bierordt, Gejchichte der Karlsruher Mittelihule, S. 15. — Der 
Grabftein eines Peter Schopff, der 1574 ftarb und vielleicht ein Bruder des 
Dbigen war, befindet ſich auf dem Kirchhofe, wahrfcheinlich vom Kreuzkirchhofe 
dahin gebracht. 

3) Repertorium im Landesarchiv. 


294 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert. 


zwar oft fo nahe an der Dede des Zimmers, daß man faum ins Bett 
gelangen konnte und leicht den Kopf an der Dede anftieß, wenn man 
denfelben, im Bett Tiegend, etwa erhob. Auch die Winkel zwifchen dem 
Häufern, die man heute noch jo Häufig trifft, die aber damals nirgends 
fehlten, trugen vwermöge der Ausdünftungen der dorthin einmündenden 
Abtritte, Waflerfteine ꝛc. zur Pflege der Gejundheit eben nicht ſonderlich 
bei. Wie e8 mit der Straßenveinlichkeit beftellt war, mag bie bereits 
(S. 252) angeführte „Miftordnung” von 1538 beweifen. 

Mas Saftrom und Gehring über die große Gewerbthätigkeit 
Pforzheims fagen, hatte allerdings feine Richtigfeit, und find dafür im 
Frühern ſchon mehrfach Nachweiſe geliefert worden, namentlich in den 
vielen Gewerbordnungen und in der Angabe der Namen der einzelnen 
Handwerksmeifter, in Zufammenftellung der vielen Mühlen, als Mahl:, 
Schleif:, Balter-, Säg-, Oel-, Rinden:, Kupfer:, Waltmühlen ꝛc. Wird 
ja aud in der Stadtordnung von 1491 ausdrüdlich gefagt, daß Pforz— 
heim unter den Städten der Markgrafſchaft für „Handel und Wandel 
am beiten gelegen ſei.“ Sehr ftarf waren fortwährend die Gewerbe 
der Tuer und Seidenweber („Engeljeitweber“), fowie der Ger: 
ber vertreten, und wurden mit den Erzeugnifjen derjelben viele auswärs 
tige Märkte, auch die Meffe zu Frankfurt bezogen. Pforzheim bejaß 
1527 auch einen Bildhauer, 58. Zimmermann von Tiefenbronn, 9) 
1533 einen „Urlinmader” (Ührmader), 2) 1566 einen Orgel: 
macher Gg. Schweizer, 3) und waren nod andere, zum Theil feltene 
Gewerbe dafelbft vertreten. War ſchon früher eines Armbruſtmachers 
(S. 159) und eines Pidelhaubenihmieds (S. 180) erwähnt, jo kom— 
men nun auh Waffenſchmie de überhaupt (S. 231), darunter ein 
Plattner oder Harniſchmacher vor, fo genannt, weil damals für die 
Panzerhemden die Harnifche mit Eifenplatten in Gebrauch kamen, Auch 
das Gewerbe der Sporer war in Pforzheim vertreten und hatte fchon 
Karl L einem Angehörigen desfelben verichiedene Freiheiten verliehen. 
Eines Pulvermachers Lederlin gefchieht 1527 Erwähnung (S. 81). 
Daß es auch an Juden nicht fehlte, zeigt der früher fehon vorgefommene 


1) Lagerbucherneuerung von 1527, 

2) Artiful und Beihwerniß ber Stadt xc., früher in ber Lade B im Stadt: 
archiv, und 1539 im der Beichreibung ber Gefälle des Frauenkloſters. 

9) Beichr, ber zehntfreien Acder von 1566. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 295 


Name einer Judengaſſe, fowie verichiedene Stellen in alten Urkun— 
ben, wo von ihnen die Rede ift. Obiger Name dürfte ſogar der Ver: 
muthung Raum geben, daß die Juden mit ihren Wohnungen auf einen 
beftimmten Theil der Stadt befchränft waren, wie es auch in andern 
Städten vielfach der Tall war. 

Daß Piorzheim aud, wie Saftrow fagt, viel gelehrte Leute bes 
fefjen habe, dafür folgen in den nächſten Abſchnitten dieſes Kapitels 
einige Belege. Das jechszehnte Jahrhundert mit feinen gewaltigen Er: 
eignifjen, namentlich der Neformation, wedte überhaupt manche geiftige 
Kraft, und in Pforzheim trugen die dortige Gelehrtenſchule, die Buch: 
druderei 2c. das Ihre dazu bei. Auch die edle Dichtkunft muß in 
Pforzheim forgfam gepflegt worden fein; denn in einem Straßburger 
Meiftergefang von 1597, der alfo einer kaum fpätern Zeit angehört, 
als diejenige ift, welche in diefem Kapitel behandelt wird, heißt es: 

Noch leben Heut 

Zu Leipzig und zu Dresden, 

Zu Eflingen, Nördlingen, Wien, Breslau, 
Zu Danzig, Balel, Steyer, 

Zu Kolmar, Frankfurt, Hagenau, 

Am römiſchen Neich zur Speier, 
Weißenburg gleich, 

Pforzheim ift rei 

An Dihtern, wie wir lee. 4) 


Wenn Saſtrow nur von einer Kirche in Pforzheim fpricht, fo meinte 
er damit wohl die Stiftsfirche zu St. Michael. Die Kirche der Altftadt bes 
trachtete er als nicht zur eigentlichen Stadt gehörig; die übrigen Kirchen 
hatten als Klofterfichen ihre befondern Beſtimmungen, waren alfo eigent: 
lich keine Etadtlirhen. Erſt nach Aufhebung der Klöfter, von der im 
nächiten Abſchnitt bei der Gefchichte der Neformation in Pforzheim die 
Rede fein wird, trat darin ein anderes Verhältniß ein. Es möge hier 
bemerkt werden, daß die Kollatur der Stiftsfirde, die 1344 an Lich— 
tenthal übergegangen war, unterm 15. Mai 1555 vom SKlofter dem 
Markgrafen Karl wieder abgetreten wurde. Es mußte aber zur Kom: 
petenz aus feinem Zehnten zu Pforzheim 15 Malter Korn, 40 Malter 
Dinkel, 10 Malter Haber und 15 Ohm Mein abgeben, wogegen der 
Markgraf verſprach, das Klofter am Einzug feiner dortigen Gefälle nicht 


1) Lobſtein, Geſchichte der Muſik im Elſaß (1840) ©. 2. 


2% — Zwöfftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 


hindern zu wollen. Gegen Erlegung einer Summe ton 250 Gulden 
wurde Lichtenthal auch von der Verpflichtung der Fütterung der fürft: 
lichen Jagdhunde in Pforzheim (S. 158) in feinem dortigen Zehnthauſe 
und der Scheuer, fowie von andern Koften entbunden, mußte fich aber 
dazu verftehen, jährlih 100 Bund Zehntſtroh in das Schloß und 150 
‚ weitere Bund zur Streuung der Hunde abzugeben, wogegen der Mift 
ber letztern den Zehntbeftändern überlaffen wurde. in ähnliches Ueber: 
einfommen wurde mit Lichtenthal 1573 wegen des Novalzehntens zu 
Pforzheim, d. 5. des Zehntens von nenangelegten Feldern getroffen, 
und mußte fih das Klofter u. A. dazu verftchen, dem Markgrafen für 
die Vergangenheit eine Entſchädigungsſumme von 1500 fl. zu bezahlen. 
Noch fei hier erwähnt, daß 1577 die Negierung ein Haus in der Pre: 
diger- oder Pfarrgaffe, das bis 1536 einer Frau von Gültlingen, dann 
den Gemmingen im Hagenfchich gehört hatte (S. 293), 1543 an 
Chriſtoph von Landenberg und fpäter in noch andere Hände übergegangen 
war, anfaufte und dasfelbe zur Diafonatsmwohnung beftinmte. 

In den frühern Kapiteln find immer die Theile der Stadt, bie 
zum erften Mal genannt werden, als Straßen, Thore, Brüden ꝛc. mit 
den in den betreffenden Zeitabjchnitten vorkommenden Bürgergeichlechtern 
überfichtlich zufanmengeftellt worden. Es mag dies aud bier wieder 
geichehen, jedoch bezüglich der letztern nur mit denjenigen, die heute noch 
eriftiren, da die Angabe aller Bürger, welche in den für die Darftellung 
ber Berhältniffe des 16. Jahrhunderts benüsten Quellen vorkommen, zu 
weit führen würde, 1) 

Es werden genannt: A, Stadttbore (außer den frühen): 
1500 da8 Steinbrüderthor (an der Auer Brüde), 1500 das 
Erkerthor (in der Altſtadt), 1500 dag Auer Brunnenthor (am 
Ende der Kreuzftraße in der Au; auch dies wird manch Mal Erkerthor 
genannt), um 1500 das obere Mühltbörlein (bei ber obern 
Mühle), 1502 das obere Grabenthor oder obere Brötzinger— 
thor (am Ende der obern Vorftadt), 1502 das Hillerthor (am 
Ende der obern Augafje), 1502 das Schelmen: oder Gaucht hor 
(am Ende der untern Augaſſe; erfterer Name deutet darauf Hin, daß 


1) Eine vollftändige und zufanımenhängende Veſchreibung bes alten Pforz: 
heim folgt im 15. Kapitel; diefelbe paßt aber in den meiften Theilen ſchon auf 
bas Pforzheim des 16. Jahrhunderts. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 297 


vor demfelben eine Begräbnißftätte oder ein Schindanger war, denn 
„Schelm“ heißt altdeutfc ein Kadaver; der andere Name datirt fich 
von Erhard Gauch, der dort wohnte und auch einen Garten, den Gauch— 
garten, befaß;) 1502 das obere Brunnenthor (wahricheinlic das 
Schäferthor bei der Schäferbrüde); 1527 das Heiligfreuzthor (am 
Ende der Vorftadt bei der jetigen Beckh'ſchen Bierbrauerei); 1530 das 
Thörlein unterhalb des Schleifthors, wo die Jahrzahl der Erbauung 
noch vorhanden. Des Brökinger: und Altftädterthors it fchon 
früber Erwähnung geſchehen. ; 

B. Straßen: Die Brögingergaffe, die obere Lamm gaffe, 
die Brüder: oder Brüderbronnengafte, das Barfüßergäßle, 
die Scheuerngafle, der Kirch: oder Schloßberg, das Höllgäßle, 
die Tränkgaſſe (jett Deimlingsftraße), die Kloſter gaſſe (beim Schwert), 
der Klofterhof (Waifenhausplag), das Mühl gäßlein (beim Kloſter— 
bof), der Hiller (obere Augafie), die Schelmen gaffe (untere Augaffe), 
die beiden La uer gaſſen (Gerbergafien), die Vieh gaſſe (Spitalftrake), 
die Kutzen bach (Kauzenbah, jetzt Theaterftraße), das Roß gäßle 
(Roſenſtraße), die Kirch gaſſe (Schloßkirchenweg), die Predigergaſſe 
(Pfarrgaffe), die Altſtädter-, Altborfer- oder Altheimer: (Alte: 
mer=) gaffe, die St. Niklaufengafe (in der Altftadt an der Kapelle 
gleiches Namens vorbei). * 

C. Namen von Saffen oder Plätzen ac. in der nähern 
ober entferntern Umgebung der Stadt: Der Viehmarkt 
(vor dem Altftädter Thor unten am Maffer), das Pfläfter (Sophien— 
ftraße), der Bucdenberg, das Nennfeld, das Nagoldfeld, bie 
Bleihwiefe, der Metzelgraben, die Wart, außerhalb der 3 Aune, 
das Rod, der Meiherberg, das Weihergäßle, der Kreben: 
weiler, das Bronnengäßle (vor dem Mltftädter Thor), das Zigen: 
nergäßlein (1565), der Egelfee (1565, der jett verſchwundene fog. 
Nägelfee), der Tilgraben (1565), die Wifflinger Steige, ber 
Schloßgar ten im Srebenweiler u. ſ. w. Es geht aus diefem Allem 
bervor, daß Umfang, Eintheilung ꝛc. der Stadt ſchon vor 300 Sahren 
faft diefelben wie heute waren, wenn diefe nun freilich damals noch ihre 
Befeitigungswerfe vollftändig beſaß. Daß fie auch mit Gefchüß verfehen 
war, ergibt fih daraus, daß 1523 „zwei Feldfchlangen und etliche Stein“ 
(Steinkugeln zum Schießen) nad Pforzheim gefchiett wurden, und 1534 


298 Zwölftes Kapitel. Piorzheim im 16. Jahrhundert. 


die Markgrafen Bernhard und Ernſt einen Büchjenmeifter dahin entfand- 
ten, um das Geſchütz zu befichtigen. 1) 

Fragen wir nad) einzelnen wichtigern, namentlich auch öffentlichen 
Gebäuden, die fih damals in Pforzheim befanden, und deren Bau zum 
Theil in das 16. Jahrhundert fällt, fo mögen folgende genannt werden: 
Das Rathhaus, unter Markgraf Karl II. 1557 gebaut, und zwar 
an der Stelle des bisherigen Kaufhaufes am Markt, das dann damit 
verbunden wurde; (das frühere Rathhaus lag in der Brötzinger Gaffe, 
wie eine Urkunde von 1502 beweist; das jetige Rathhaus iſt aber auch 
nicht mehr das von 1557, ſondern erjt nad dem orleans'ſchen Krieg 
gebaut); — die Stadtſchreiberei (das jegige Rupp'ſche Haus am 
Markt), unter Markgraf Ernft 1552 gebaut, wie aus dem daran befind: 
lichen Wappen mit Jahrzahl noch Heute erſichtlich; — das freiherrlich von 
Schauenburg'ſche Haus am Schloßkirchenweg (jegt Veltmann und 
Maier) mit der Inſchrift: Melcher von Schaumwenburg, Hofmeifter von . 
foren, 1556; — das freiberrli von Flehing en' ſche Haus (jetzt Die- 
terlin’fche Bierbranerei) mit dem Flehingen'ſchen und Göler'ſchen Wappen 
und der Inſchrift: „Anno dmni 1567 bat Ludwig Wolf von und zu 
Flehingen und Anna von Flehingen, geborne Gollerin (d. h. Gölerin 
von Ravensburg) diefe Behaufung erbaut;“ 2) -- das Schlachthaus 
1568 erbaut. — Im Jahr 1588 wurde auch unterhalb der Altjtadt ein 
neuer Kirchhof angelegt,3) der jet noch benüßt wird. Das erfte Ein- 
gangsthor auf der Nordfeite des Kirhhofs wurde, wie die darüber bes 
findliche Jahrzahl zeigt, 1587 gebaut. Der Erfte, der auf diefem neuen 
Kirchhof feine Nuheftätte fand, war 1588 Klaus Engelhard des Ges 
richts. Mit der Anlegung diejes Triedhofes ging der Kirchhof um die 
Schloßkirche ein, und reichen auch die Jahrzahlen der Denkmäler dajelbft 
nur big 1579; bloß der Kanzler Achtſinit + 1592 ſcheint nod dort 
begraben worden zu fein. Es mögen die übrigen in Pforzheim noch 
vorhandenen Jahrzahlen und Inſchriften aus dem 16. Jahrhundert, 
foweit fie nicht fchon vorgefommen, der Reihenfolge nad) zufammengeftellt 
werden: 1527 Stein im Garten von ©. L. Kiehnle, in einer Seiten: 
wand eingemauert, (über der Jahrzahl fteht noch die von 1698); 1531: 


1) Notizen aus dem Stabtardhiv, 

2) Der Nämliche hat auch 1556 das Schloß zu Flehingen erbaut, wie bie 
baran befindliche Infchrift beweist, 

9) Notiz im Kirchenbuch von 1717, 


Zwölftes Kapitel.- Pforzheim im 16. Jahrhunderi. 299 


Jahrzahl über einer zugemanerten Gartenthüre unterhalb der Schloßkirche; 
1542: Jahrzahl über einer zugemanerten Gartenthür in der Pfarrgaffe; 
1554: Stein mit zwei Wappen, (bei einer im Juli 1858 im Thal abge: 
brochenen Brüde aufgefunden); 1554: Stein mit Pforzheimer Stadt: 
wappen am Fuchs'ſchen Haus in der Bröginger Vorſtadt; 1555: Haus 
von Schreinermeifter Veihl unterhalb der Schloßkirche (es ſoll früher 
den Herrn von Sachſenheim gehört haben); 1558: artenpfoften am 
Holzgartenweg, (am andern Pfoften fteht: ren. 1784); 1560: Jahrzahl 
auf einem Gartenpfoften in der verlängerten untern Augaffe (jet nicht 
mehr vorhanden); 1560: Pfoſten in der Theaterftraße von Baltas 
Jelin (jetzt nicht mehr vorhanden); 1561: Gartenpfoften in der Altftadt; 
1564: Stein mit einem lateiniſchen Diftihon (Chronoſtichon), früher 
am Testen Haus der Calwer Straße, jet im Befige des Herin Fabri— 
fanten Neuhäuſer; die Inſchrift lautet: 


TeMpora qVe ponant rogltas sepes operosas 
Litera Verba refert ponDere nota tlbl, 


d. 5, „du fragft, welche Zeit diefe mühfamen Umzäunungen feste? Der 
durch feine Bedeutung bekannte Buchftabe gibt dir darüber Auskunft.“ 
(Unter folhen Buchftaben find in obigen Verfen diejenigen zu verftehen, 
welche zugleich Zahlen bedeuten und des befjern Auffindens wegen 
groß gedrudt find; aljo M = 1000, D = 50, L=50, YYV/ = 
10, IHI+I+I = 4, zufammen 1564.) Diefer Stein rührt wahrfchein- 
lich von einer Umfriedigungsmauer der frühen St. Georgs- Pflege, die 
in der Nähe ftand, oder von der ehemaligen Stadtmauer, vielleicht auch 
von einem Garten herz; — 1565: Gartenpfoften am Holzgartenmeg ; 
1566 : Gartenpfoften in der Altftadt ; 1566 (und 1570): Jahrzahlen mit 
Mappen am Gartenhaus von W. Neuhäufer an der St. Georgsiteige ; 
1568: Haus von Gärtner Frank in der großen Gerbergaffe; es ſtand 
dafelbft, wie auch das darauf befindliche Mühlrad zeigt, früher die Wag— 
mühle (S. 160); 1574: ältefter Grabftein auf dem Kirchhof (Peter 
Schopf und Frau); 1584: älteſter Grabftein auf dem Friedhofe bei der 
Altftädter Kirche (Joachim Giftheil, Pfarrer zu Nöttingen) ; 1584: Gar: 
tenpfoften in der Altftadt; 1584: Stein in einer Mauer an der Dill: 
fteiner Straße; 1587: Jahrzahl mit zwei Wappen über dem üftlichen 
Eingang ing Amtshaus; 1594: Thörchen in der Stadtmauer bei der 


300 Zwölftes Kapitel. Pforzbeim im 16. Jahrbundert. 


Gruner'ſchen Lohſtampfe; 1595: Gafthaus zum Karpfen in der Au; 
1596 : Jahrzahl mit Wappen am Rohreck'ſchen Hauſe; 1596: Grabitein, 
im Hof von Peter Dittler eingemauert (Hans Veit Breitfchwert); 1599: 
Grabjtein von Schiffer Abrecht, mit hübjcher bildlicher Darftellung, auf 
dem Altſtädter Kirchhof. 

Auf die Lage einzelner Privathäufer der Stadt einzugehen, würde 
zu weit führen, obgleich dazu Anhaltspunkte genug geboten wären; es 
möge deshalb nur noch wie früher der adelihen Käufer gedacht werden, 
deren Zahl aud im 16. Jahrhundert ehr bedeutend war, da Pforzheim 
als größte Stadt der ganzen Markgraffchaft und Nefidenz derfelben auf 
den ummohnenden Adel Feine geringe Anziehungskraft übte, Es waren 
folgende : 1500 von Hertingshaufen (am Viehmarft); 1501 Bern: 
hard von Bad; 15014 Ludwig von Eifingen; 1502 Hans von 
Weiſſach (Gerberyafie); 1502 Hans von Komersheim (große Ger: 
bergafie); 1502 Anton von Gertringen (Hinter dem Predigerffofter); 
1502 Jürg von Münchingen (Bröginger Vorftadt); 1502 Philipp 
Leutrum von Ertingen (bein Predigerflofter); 1536 Sebaftian von 
Gültlingen (Predigergäßlein, ging an Dietrich von Gemmingen ıc., 
fiehe oben); 1537 Ludwig von Neipperg (Kirch oder Schloßberg); 
1539 Konrad von Wallftein; 1544 von Riepur (beim Schloß); 
1548 Chriſtoph von Landenberg (beim Prediger: Kirchhof); 1555 
Ehriftopg von Mündingen (beim Prediger Klofter); 1556 Melchior 
von Schauenburg!) (unterhalb des Schloffes), ging 1560 über an 
Mäntel von Steinfels, (der noch zwei Häufer in Pforzheim befaß); 
1558 Peter von Menzingen; 1560 Sebold von Siglingen; 1560 
von Kaltenthal (am Schloßberg); 1560 Gred von Kochendorf; 
1567 Ludwig Wolff von Flehingen (in der Lammftrake); 1569 
Kehler von Schwandorf (beim obern Bad), 2) 1570 Daniel von 
Remchingen (am Viehmarkt);3) 1572 Ludwig von Neuhauſen 


1) Der Grabftein einer 1555 geitorbenen 11 Monat alten Kunigunde von 
Schauenburg, wahrſcheinlich eines Töchterchens bes Obigen, ift in der Schloß: 
kirche. 

2) Der Grabſtein eines Hans Kechler von Schwandorf und feiner dran 
Margaretha von Winded vom Jahr 1507 ift in der Schloßfirdhe. 

2) In der Schloßkirche ift der Grabftein einer 1562 geftorbenen Katharina 
von Remchingen, geb. Schenfin von Winterftetten. 


Zwölftes Kapitel, Pforzbeim im 16. Jahrhundert, 301 


(im Predigergäßlein); 1577 Hans Dietrih von Nothafft (am Brö- 
singer Thor); 1579 Gremp von Freudenftein (am Viehmarkt). 

Bon jest noch vorhandenen Bürgergefchlechtern kommen ſchon im 
16. Zahrhundert vor: 1) Aab (Ab, Ap, Ch, Obb,) Baftian, Simen 
Hans, Bartle 1519, — Abrecht (Abricht, Obrecht, Obricht, Obrich,), 
Hans, 1602, — Baumann, Hans, 1565, — Becker, Wilhelm, 
1502, — Bub, Hans 1519, — Bud, Alban, 1539, — Deim— 
ling, Bechtold und Valentin 4565, — Dittler, Mathias, 1519, — 
Enderle, Peter, 1519, — Erhard, Peter, 1519, — Effig, Hans, 
1539, — Eudele (Eihlin, Aichelin, Nichelein,) Simon und Hans, 
1519, — Fauler, Erhard, 1502, — Felner oder Feldner, Michel, 
1583, — Heinzelmann, Georg, 1565, — Jaifer (Haile, Jeisle, 
Jaißlin), Jakob, Hafner, 1583, — Keller, Hans, 1519, — Ker: 
her, Matth. 1502, — Lenz, (Xenk, Link, Linz, Lone, Leine), Jörg, 
1502, — Leyerle, Jakob, 1539, — Lotthammer, Serg, 1502, — 
Meerwein, Matth., 1502, — Meier, Klaus, 1519, — Ringer, 
Adam, Leineweber, 1565, — Rothader, Alerander, 1509, — Saif, 
Jakob, 1519, — Schäfer, Endris, 1565, — Schanz, Joh., 1533, 
— Schmidt, Stoffe, Steffen, Jakob, Wendel, Simon, Bartlin, 1519, 
— Stief, Jakob, 1519, — Türk, erg, 1519. — 

Schließlich mögen bier noch, wie immer, die Namen der erften Ber 
amten der Stadt überfichtlich zufammengeftellt werden. (Vergl. ©. 188.) 
Dbervögte waren: 1518 Blicker Landſchad von Steinah, 1526 
Stephan von Gültlingen, 1531 Eberhard von Reiſchach, 1541 Volker 
von Uzlingen, 1565 Chrift. Meyer, Vogtamtsvermefer, 1565 Chriftoph 
Kechler von Schwandorf, 1580 Chriſtoph Schöner von Straubenhart, 
1588 und 1589 Valentin Kurz, Ober: und Untervogtamtsverweier, 
1589 Hans Jerg Stein von Neichenftein, 1590 bis 1596 Piſtor von 
Seuslig. — Us Schultheigen werden genannt: 1521 Joh. Wild. 
Heß, 1527 Philipp Vollandt, 1541 Ulrich Sayler, 1567 Joh. Hörger. 
— Bürgermeifter waren: 1527 Auguftin Lennhardt, 1533 bie 
1538 Peter Gößlin, 1566 Jakob Simmerer, 1580 Veit Breitichwert, 
1582 Hang Krumm, 1585 Peter Gößlin, 


1) Man vergleiche dazu die Zufammenftelungen S. 133 und 164. 


302 Zwölftes Kapitel. Pforzbeim im 16, Jahrhundert. 


$5. Kirchliche Verhältniſſe Pforzheims im Weformationszeitalter. 1) 


A. Bor der Einführung der Reformation in 
Baden-Durlach. 
(1617 - 16566) 


Die geſetzliche Einführung der Reformation in Baden-Durlach, alſo 
auch in Pforzheim, erfolgte zwar erſt im Jahr 1556; aber die erſten 
Verſuche, der Lehre Luthers in diefer Stadt Eingang zu verfchaffen, 
fallen in eine weit frühere Zeit, und es ift jedenfalls eine eigenthümliche 
Erſcheinung, daß diejenigen Männer, an denen der Faden der Refor- 
mationsgefchichte in unferm Vaterlande fortläuft, meift geborene Pfor- 
beimer oder Zöglinge der Pforzheimer Schule waren. Ebenfo darf 
nicht unbemerkt gelaffen werden, daß die Pforzheimer, in deren früherer 
Geſchichte als eigener Charakterzug das Beſtreben, Alles, was fie unter 
nahmen, ganz, Nichts halb zu thun, mehr als einmal zu Tage tritt, 
ſich der neuen Lehre eben fo entjchieden zumandten, als fie bisher eifrig 
Eatholifch gemwejen waren. Sie bewieſen fi in der Folge auch als 
foldye, welche nie wankten, fondern der evangelifchen Xehre, wie fie von 
Mittenberg ausgegangen, unter allen Umftänden treu blieben. Die Vor: 
fälle der Jahre 1601, 1604, 1622, 1635 und 1643, die weiter unten 
erzählt werden follen, mögen dafür den Beweis liefern. 

Es kann als befannt vorausgejeßt werden, welches große Verderben 
nad) und nach in der Kirche eingerifjen und wie der Ruf nad) einer 
Reformation derfelben an Haupt und Gliedern immer lauter und drins 
gender geworden war. Sehr viel zur Berbreitung foldher Ideen trug 
die um das Jahr 1440 von Guttenberg aus Mainz erfundene Buch— 
druderkunft bei, Die Schriften, welche die Zuftände der Kirche beleudhe 
teten und durch die Preſſe mit fo leichter Mühe vervielfältigt werden 
konnten, wurden allenthalben begierig gelefen und bereiteten die Gemüther 
auf die wichtige Veränderung vor, welche nun bald erfolgen jollte, 

Auch in Pforzheim wirkten verfcjiedene Umftände zujammen, der 





) Hauptquellen: Vierordt, Gefhichte der evangelifchen Kirche in Bas 
den; — Vierordt, de Johanne Ungero, Pforzhemiensi (Beilage zum Karls: 
ruber Lygeumsprogramm für 1844), Alten und Manuferipte des Landesarchivs, 
verihiedene Schriftftüde des Stadtarchivs. Wo aus nod andern Quellen ge 
Ihöpft wurde, ift dies unter dem Tert bemerkt. 


Awölftes Kapitel, . Pforzheim im 16. Jahrhundert, 303 


neuen Lehre einen günftigen Boden zu bereiten, Daß früher fchon 
die huffitifche Xehre in Pforzheim Eingang gefunden, ift bereits (S. 154) 
erwähnt worden, und mochte diefer Umftand nicht wenig dazu beigetragen 
haben, mandye Bewohner der Stadt auf das, was noth that, aufmerkſam 
zu machen. Die damals jo blühende Pforzheimer Schule, in weldyer 
die klaſſiſchen Studien mit Eifer gepflegt wurden und aus ber fo viele 
für die Reformation begeifterte Männer bervorgingen, mochte auch dazu 
mitwirken, die Köpfe ihrer fonftigen Pforzheimer Schüler zu erhellen und 
für Reformationsideen empfänglic zu machen. Aus der Druderei von 
Anselm in Pforzheim (Seite 189 ff.) gingen verfchiedene Schriften 
hervor, welche Firchliche Gegenftände betrafen und ohne Zweifel auch in 
der Stadt, in welcher fie ans Licht traten, mit Begierde gelefen wurden. 
Außer den Schriften Reuchlins ift hierher namentlid, ein Bu Wimpfe 
lings 9 zu rechnen, weldes im Jahr 1506 in Pforzheim erfchien und 
in dem er unter Anderm über die pofjenhaften Auftritte klagt, welche in 
der Kirche vorkämen, 3. B. wenn Möndye einen Laien unter ihren Zu: 
börern dazu beftellten, daß er ihnen mitten in der Predigt allerlei Furz- 
weilige Cinwürfe made. So habe er unlängft mit angehört, wie ein 
Brediger mit den Worten unterbrocdyen worden fei: „Du lügft, du feifter 
Mönch!“ Gewöhnlich erhebe dann das Volk ein fchallendes Gelächter, 
und fo werde die evangelifhe Wahrheit in elende Poſſenreißerei verkehrt. 
— Wie durch ſolche Schriften, fo wurden auch durch ſatyriſche Bilder, 
die man da und dort fogar an und in den Kirchen antraf, manche Miß- 
bräuche und Mißftände gegeißelt. So befand fi in der Stiftskirche 
zu Pforzheim bis zum Jahr 1556 ein fehr altes, kunſtreich geftidtes 
Kiffen an der Rückwand besjenigen Lehnftuhls, auf welchem der Probft 
bes Stiftes zu fiten pflegte. Es ftellte einen Wolf vor mit einer 
Mönchskapuze, aus der eine geraubte Gans auf feinem Rüden herab: 
ing. Der Wolf ftand auf einer Kanzel, unter welcher ein Fuchs lauerte, 
las aus einem Buche vor und hatte als Zuhörer eine Menge Gänfe, 


1) Bergl, S. 190: Jacobi Wimphelingii Apologia pro republica christiana, 
Jakob Wimpfeling aus Schletiftabt war einer der eifrigften Vorkämpfer für 
die Reformation. Er griff in zahlreichen Schriften bie kirchlichen Mipbräude 
an und wirkte auch im Geifte der religidien Aufflärung auf feine Schüler ein, 
während er als Lehrer im Heidelberg, Freiburg, Straßburg und Schlettſtadt 
thätig war. 


304 Awölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


die im aufgeiperrten Schnabel Paternofter trugen. Nings um den Wolf 
ftand der Reim: 


Ich will euch guitte Fablen sagen, 
bis ich füll den meinen Kragen, 


Mit welchem Eifer ſelbſt Kloftergeiftliche den Lehren, welche durch 
die Neformation zur Geltung kamen, ſchon im Voraus zugethan waren, 
und mit welcher Entjchiedenheit fie fich dazu befannten, davon gibt ein 
Beifpiel der Guardian des Franzisfanerflofters zu Pforzheim, Konrad 
Kürsner, auch Pelikan genannt, Derfelbe war ein Schüler Reuch— 
fing, wurde 1501 im Pforzheim ordinirt und hatte ſchon 1506 in Bafel, 
wo er noch vor feinen Lehrer Neuchlin (1503) eine Anleitung zum 
Studium der hebräiſchen Sprache herausgegeben hatte — der frühefte 
gedructe Verſuch dieier Art — feine Zweifel bezüglich verfchiedener Lehren 
der Kirche nicht geheim gehalten. Während er die erwähnte Stelle im 
Nranzisfanerffofter zu Pforzheim (4511 — 1514) beffeidete, 1) ftand er 
in den freundfchaftlichften Beziehungen zu Dekolampad (Hausfchein) 
in Heidelberg 2) und dem Prediger Wolfgang Capito (S. 195) in 
Brucfal. Die Freunde famen oft zufammen, und bei einer der Unter: 
vedungen, welche fie bei folchen Gelegenheiten pflogen, theilte Kürsner 
dem Prediger von Bruchfal auf deffen Bitte feine Anficht vom heiligen 
Abendmahl mit und fügte Hinzu, es fei Pflicht des geiftigen Menjchen, 
nicht alle Lehren der beftchenden Kirche ohne Weiteres hinzunehmen, 
fondern fie nad) dem Haren Ausdruck der bibliichen Offenbarung, ale 
der höchſten Einficht, einer Prüfung zu unterwerfen. Als Kürsner noch 
Manches in ähnlichem Sinn über die ſogenannten kirchlichen Autoritäten 
binzufügte, verficherte Eapito, der Meifter habe ihm aus der Seele ge: 
redet, und anf die Zeit habe man fi zu freuen, wo die erkannte 
Wahrheit nimmer in der Bruft verfchloffen werden müſſe. Es läßt ſich 


1) Gleichzeitig mit Kürsner war auch Sebaftian Münfter in diefes Klo: 
fier getreten. Er verließ basjelbe aber bald wieder, um 1515 in Tübingen ges 
meinfchaftlich mit, Melanchthon feine Studien fortzufegen, und wurde jpäter 
Profeſſor der hebräiſchen Sprache und Hofprediger zu Heidelberg. Unter feinen 
zahlreihen Schriften ift bejonders die deutche Kosmographie zu bemerken, bie 
er zuerſt 1543 herausgab. (Bergl, S 292.) 

2) Damals Lehrer der griehiihen Sprache dafelbft, jpäter Profeffor an ber 
Univerfität in Baſel. Bekanntlich nimmt er unter ben fchweizeriichen Refor— 
matoren eine ehrenvolle Stelle ein. Er farb zu Bajel im Jahr 1531. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16 Jahrhundert. 305 


wohl annehmen, daß Kürsner auch bei andern ähnlichen Beranlaffungen 
aus feinen Anfichten über manche Kirchenlehren fein Hehl machte, Daß 
er es beifpielweife feinem jüngern Freunde Schwebel 1) gegenüber gethan, 
ift gewiß.?) 

Als Luther in Wittenberg ſich gegen den Ablaß erhoben und feine 
Anfihten über den Mißbrauch, den die Kirchengewalt damit trieb, am 
31. Oktober 1517, dem Geburtstag der Neformation, durch jeine 95 
Sätze ausgejprochen hatte, waren letztere im wenigen Wochen mit Hilfe 
der Preffe in ganz Deutjchland verbreitet, und fanden gleidy andern 
Schriften Luthers, die jenen Thefen bald nachfolgten, wie 3. B. über 
„den ehelichen Stand,“ über das „Papſtthum“, an den „chriſtlichen Adel 
deutfcher Nation“ ꝛc. allenthaiben die lebhafteſte Zuftimmung. Aus 
verfchiedenen Theilen unjeres Landes erhielt Luther Jufchriften, worin die 
Freude über fein Auftreten ausgeiprochen war und der fühne Neformator 
ermuntert wurde, auf der betretenen Bahn fortzuichreiten, — fo von 
einem Geiftlichen in Ettlingen, ferner von dem Domherrn Johann von 
Bobheim aus Konſtanz, von Kafpar Hedio, damals in Bajel, von Se 
baftian Hofmeifter, Profefjor im Franziskanerkloſter zu Konftarz u. A. m. 
Kürsner hörte die 95 Sätze in der Gegend von Bafel an der Tafel 
eines Kommenthurs öffentlich vorleien, und bekannte fich in Gegenwart 
aller Gäfte mit freudiger Entſchiedenheit zu den darin ausgefprochenen 
Anſichten. Wie der alte Reuchlin die Nachricht von dem Auftreten 
Luthers aufnahm, iſt oben ſchon (S. 171) erwähnt worden. 

Auch in Pforzheim felbft follte es an einem Manne nicht fehlen, 
der den Muth hatte, öffentlich die Sache Luthers zu der jeinigen zu 
machen. Johann Schwebel, ein geborener Pforzheimer und damals als 
junger Mönd im Heiliggeiftklofter feiner Vaterſtadt fich aufhaltend, durch 
Kürsner und feinen Jugendfreund Melanchthon längft für die Ideen 
der Neformation gewonnen, fing im Jahr 1519 mit großer Entſchie— 
denheit im Sinne Luthers zu predigen an. Allen fein Auftreten batte 
für ihn die Folge, daß er vom Markgrafen Philipp den Befehl erhielt, 
Pforzheim zu verlaſſen. Daß jedoch der ausgeftrente Same nicht ver: 


1) Man vergleiche hier wie überall, wo von Echwebel die Rebe tft, deſſen 
Lebensbeichreibung. ; 

2) Es fei über Kürsner hier noch in Kürze bemerkt, daß er im erften Jabr 
der Reformation fein Ordenskleid ablegte, fih verehelichte und in hohem Alter, 
als Profefjor der griechiſchen und bebräifhen Sprache in — ſtarb. 

Pfluͤger, Pforzheim. 0 


306 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


foren war, zeigt die Gefchichte der folgenden Jahre, und mag das Auf: 
“treten Schwebelg mit Urfache geweſen fein, daß ſchon 1520 und in den 
folgenden Jahren viele Konventualen des Predigerkiojters zu Pforzheim 
dasfelbe verließen und in den weltlichen Stand zurüdtraten. Zu den- 
jenigen, welche in ‘Pforzheim alsbald für die Sache der Reformation 
gewonnen worden waren, gehörte auch Georg von Leutrum, und wenn 
Schwebel ihn und die andern Pforzheimer Freunde der evangelifhen 
Wahrheit von feinem Eril aus zur Standhaftigfeit ermahnt, jo geht da= 
raus hervor, daß die Lehre Luthers in Pforzheim auch jonftige Anhänger 
zählte. Diefe mochten nicht wenig darüber erfreut fein, daß Schwebel 
vom Markgrafen noch im nämlichen Jahr die Erlaubniß erhielt, in feine 
Vaterſtadt zurücdzufehren. Sicher war audy ein vorübergehender Aufent- 
halt Huttens 1) in Pforzheim in Sommer 1521 nit ohne Einfluß 
auf die Entwicklung der VBerhältnifje geblieben. Was den Markgrafen 
Philipp betrifft, dem damals, wie bereits erzählt, die untere Markgraf: 
haft und fomit auch Pforzheim gehörte, jo darf aus der Vertreibung 
Schmwebels Feineswegs geihloffen werden, daß jener Fürft der Sache der 
Reformation abhold gewefen wäre. Er zeigte ſich im Gegentheil in den 
folgenden Jahren als Gönner gemäßigter Neformationsmaßregeln, und 
zwar nicht bloß in Bezug auf fein eigenes Land, fondern bald nachher 
als kaiſerlicher Neichsftatthalter oder Worfibender des Neichsregiments, 
wozu er 1524 durch das Vertrauen in feine anerkannten Einſichten be 
rufen wurde. Freilich mochte gerade dieſes wichtige Amt auch mit Ur: 
fache fein, daß Philipp fich ſpäter nicht entfchieden in die Reihe ber 
evangeliichen Reichsſtände ſtellte. Schon ſeit 1520 hielt er die Kollas 
toren badifcher Pfarreien mit Strenge an, für gewifienhafte Beſetzung 


2) Bei Gelegenheit eines Beſuches, den er Franz von Eidingen machte, 
welcher fih damals in Wildbad aufbielt. Vergl. „Ulrih von Hutten,“ von 
Dr, D. F. Strauß. 1857 Thl. IV. ©. 196, wo von dieſem „Ritt nad Pforze 
beim” in wenigen Worten die Rebe ift. „Ulrih von Hutten, ber geiftvolle, 
mutbige Kämpfer für Licht, Freiheit und Recht, ber Luther feinen Schuß an« 
geboten hatte, der Mitbefämpfer ber Mönche in den Briefen der Dunfelmänner, 
der trefflihe Dichter, der deutihe Mann, der 400 Kronen Zahresgehalt ver: 
ihmähte, weil Frankreich, nicht Deutjchland fie ihm bot, ber in freiwilliger 
Armuth lebte und nur feine Feder Kinterließ, vom Papft verfolgt und von ben 
Fürſten aufgegeben war, ftarb 1523 einfam und verbannt auf der Infel Ufnau 
im Züricher See, ſchon im 36, Jahre feines Lebens, aber unvergefjen von ber 
Nachwelt.” (Böttiger, deutſche Geſchichte, S. 398.) 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 307 


ber leßtern zu forgen. Ebenſo befahl er in einem Ausfchreiben an die 
Pfarrer vom 6. September 1522, den Frieden der Kirche zu erhalten, 
ohne Zankſucht das Volk aus der heiligen Schrift als der Quelle des 
göttlichen Wortes zu belehren, aber feine Aenderung in der Weffe oder 
im übrigen ottesdienft vorzunehmen, ehe eine ſolche Aenderung durch 
eine allgemeine Kirhenverfammlumg angeordnet werde. Da: 
rauf bauten Philipp und die folgenden badiichen Markgrafen ihre Hoff: 
nung bezüglich einer Kirchenverbefjerung, und die Hoffnung auf eine 
geſetzliche Löſung der Firchlichen Fragen auf folhem Wege war der Haupt: 
grund, daß die Neformation in Baden erft fpäter als in manchen andern 
deutjchen Ländern eingeführt wurde, Ebenſo wird es daraus erklärlich, 
warum auch Markgraf Philipp bei feiner Achtung vor der Kaiferlichen 
Autorität und den Beichlüffen der Neichsverfammlungen, je nachdem die- 
felben den NReformationsbeftrebungen günftiger lauteten oder ihnen ent: 
gegentraten, auch fein Benehmen in feinem Lande diefen Beftrebungen 
gegenüber einrichtete, jo jehr er im Allgemeinen von der Nothwendigfeit 
einer Kirchenverbeſſerung überzeugt war. 

As die Prefien Pforzheims im Sinne der Reformation thätig 
zu werden begannen, legte ihnen bev Markgraf Feine Schwierigkeiten in 
den Weg. Datirt vom 1. Dezember 1522 erjdien in Pforzheim eine 
Drudichrift Schwebels unter dem Titel: „Ermahnung zu den Queftio: 
nirern, überflüffige Koften abzuftellen.” (Bergl. ©. 192.) Eine Pre: 
digt: „Weber den guten Hirten Chriftus”, welche Schwebel bei einem 
neuen Befuche in feiner Vaterftadt 1524 in der Spitalkirche dafelbft - ge: 
balten hatte, erſchien ebenfalls im Drud, und erlebte in kurzer Zeit 
drei Auflagen, deren eine von einem Brief Gerbels 1) begleitet war, 
worin er feine Tandsleute zu Pforzheim ermahnt, der einmal erkannten 
evangeliihen Wahrheit treu zu bleiben. Sogar ein Laie trat damals 
zu Pforzheim für die Sache der Reformation als Schriftfteller auf: 
Johannes Greyffenberger, Buchdruder und Maler zugleich (S. 192). 
Eine feiner Schriften richtete fi gegen „die falfchen Propheten, vor 
benen ung Chriftus gewarnt bat,” und fordert die Melt auf, die Augen 
zu öffnen bei den „Gräueln der Möndye, Biihöfe und Doktoren der 
hoben Schulen, welche nicht Ehriftum predigen.* In einer andern 


1) Man vergleiche die Lebensbefchreibung biefes ſo ausgezeichneten Zöglings 
und jpätern Lehrers der Pforzheimer Schule. 90 * 


308 Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


Schrift, welche unter dem, Titel erfchien: „Dieß Biechlin zaygt an, 
was ung lernen und gelernt haben unfer Maifter der Gefchrift” — 
vertheidigt er Luthers Lehre vom rechten Glauben gegen die Werkheilig— 
keit. ine dritte, welche die Auffchrift führt: „Die Welt fagt, ſy 
ſehe kain Befjerung von denen, die ſy lutheriſch nennt“, erlebte gleich 
nach ihrem Ericheinen 1524 eine zweite Auflage. Eine vierte, gleichfalls 
vom Jahr 1524, enthält „eine chriftenliche Antwordt denen, die da Iprechen, 
das Evangelium hab’ jein Kraft von der Kirchen,” m einer fünften, 
mit dem Wahlfpruche: „Den Armen würdt das Evangelium gepredigt”, 
veripricht Grenffenberger „ein troftliche ermanung den angefochtenen im 
Gewiſſen,“ und fo läßt er ſich noch im drei andern gleichzeitigen Fleinen 
Schriften über Ähnliche Gegenftände aus, 1) 

Sobald die Reichstagbeſchlüſſe zu Nürnberg nimmer fo ungünftig 
gegen die Neformation lauteten, beförderte auch Markgraf Philipp ent— 
fchiedene Neformationsfreunde zu wichtigen geiftlihen Stellen. Als 
Stadtpfarrer zu Ettlingen ericheint 3. B. der gelehrte Irenicus 
(S. 196), und befand fich derielbe fogar im Gefolge des Markgrafen, 
als diefer fi 1526 zu dem Meichstag nach Speyer begab. Hier pres 
digte Irenikus offen in evangelifchem Sinne. Die Predigerſtelle an der 
Stiftskirche zu Pforzheim überting der Markgraf 1524 dem aus diefer 
Stadt gebürtigen Jugendlehrer Melanchthons, Johann Unger oder 
Ungerer,?) nachdem derſelbe von 1511—1524 die Stelle eines Rek— 
tors an der dortigen lateiniſchen Schule befleidet hatte, und erlaubte ihm 
fogar 1527 die Ehe, ohne ihm feine Pfründe zu entziehen. Im Ge: 
gentheil erhielt Ungerer mehrfach, Beweife der Gewogenheit feines Fürften. 

Hatte Markgraf Philipp in folher Weife weientlih im Sinne 
firchlicher Verbeſſerungen gewirkt, jo nahm er jeit dem Jahr 1525 noch 
andere wichtige Neformen vor, namentlich als der Neichstag zu Speyer 
1526 den Beihluß gefaßt Hatte, daß bis zum Zuſtandekommen einer 
allgemeinen Kirchenverfammlung jeder Reichsſtand es in feinem Gebiete 
in NReligionsjachen io halten könne, wie er e8 vor Gott und dem Kaifer 
zu verantworten ſich getraue. So ftellte er in feinem Lande feine 
Geiftlihen mehr an ohne ftrenge Prüfung ihrer Tauglichkeit, drang auch 
nicht auf Chelofigkeit derfelben, weil diefe auf Volt und Priefter gleich 


1) Banzers Annalen, I., 96, 180, 285, 331. 
?) Näheres über ihn im feiner Lebensbeichreibung. 


Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert. 309 


ſchädlich wirke. Sole Kleriker, die, ftatt ihren Dienftpflichten nachzu— 
fonımen, die Pfründen anderswo verzehrten, erklärte er derfelben für 
verluftig und zog die Pfründen zum Vortheil der Kirdhe ein. Dies 
geihah unter Anderm dem Frühmeßner Jakob Sehemann in der Alt 
ftadt zu Piorzbeim Ihm wurde, weil er nicht Präſenz leiftete, feine 
Pfründe, deren Kollatur das Jahr vorher dem Markgrafen dur das 
Klofter Hirfchau übergeben worden war, faut fürftlihen, an den Vogt 
Stefan von Gültlingen zu Pforzheim gerichteten Schreibens vom 26. Juli 
1526 genommen und beftimmt, daß die Cinfünfte derjelben, die im 
Geld, Hühnern, Früchten und Zehnten bejtanden, durch zwei ehrbare 
Männer verwaltet und zur Wiederherſtellung des Langhauſes der Alt: 
ftädter Kirche verwendet werden ſollten. (Ueberhaupt wurde aud die 
Altſtadt damals wieder zu einer eigenen Pfarrei erhoben, nachdem fie 
‚ lange Zeit bindurh von der Schloßkirche aus durch Helfer verfehen 
worden war. Als Filiale gehörten dazu: Würm, Huchenfeld, Dillftein 
und ein Theil von Meißenftein (wo die jeßige Kirche ſchon 1521 ftand), 
fowie das Sonderfiehenhaus zu St. Georg.) Auf der andern Seite 
fuchte aber auch der Markgraf die gefuntenen Pfarrfompetenzen wieder 
zu erhöhen, wie ein Schreiben vom Jahr 1525 (Samftag nad) Dionys) 
an Vogt, Schultheiß, Bürgermeifter, Gericht und Nath der Stadt Pforz- 
beim beweist. Wie früher fhon, jo ertheilte er auch im dieſem Jahr 
einigen Pforzheimer Dominifanern die Erlaubniß zum Austritt aus 
ihrem Klofter. 1) Ihre Namen find: Balthaſar Sarhirt aus Xieben- 
zell, Andreas Biel aus Gartach, Balthafar Wurm aus Liebenzell, Bal- 
thafar Haen aus Pforzheim, Alexander Frei aus Mertesheim und 
Peter Walter aus Enfisheim. Außerdem ſuchte der Markgraf die 
Prozeſſionen allmälig abzufchaffen, die Feier der Meſſe auf die Sonn: 
und Feſttage zu befchränten, die Belehrung durch Predigten zu verviel- 
fültigen, weshalb er ſolche auch an den Werktagen zu halten gebot. Als 
Slaubensnorm empfahl er den Geiſtlichen die heilige Schrift, die er 
1529 in deufher Sprache zu Durlach druden ließ. Beim Gottesdienft 
führte er deutſche Geſänge ein und erlaubte den Geiftlichen, Kranken, bie 
es verlangten, das Abendmahl unter beiderlei Geftalt zu reihen. Sonft 
geftattete jedoch der Markgraf am äußern Gottesdienft feine Aenderung, 
und ließ namentlich die Abſchaffung dev Meſſe nicht zu, obgleih ihm 





') Züngler Notate: Religion, Kirhengut, Spitäler x. 1629. 


310 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


ſchon i. J. 1526 Männer, wie der erwähnte Irenikus, wiederholt zu: 
iprahen. a, er beftrafte fogar ſolche Geiftliche, welche fich in äußern 
Kultformen Willkürlichkeiten erlaubten, und ließ 3. B. den Pfarrer von 
Düren bei Pforzheim, welcher an manchen Sonntagen Feine Meſſe oder 
doch nur eine deutiche las, and Salz und Waſſer nimmer fegnete, durd) 
den Vogt Stefan von Gültlingen zu Pforzheim, indem er in die an 
Anfehen jehr geſunkene Strafgewalt der Biſchöfe eingriff, geradezu eins 
iperren. Sonjt nahm ſich der Markgraf evangeliſch gefinnter Geiftlichen, 
welche in andern bdeutfchen Gebieten ihres Glaubens wegen bedrängt 
wurden, gerne an, und übertrug unter Anderm dem Subprior des 
Klofters Herrenalb, welcher der Tutherifchen Lehre zugethan und aus dem 
Kloſter in feine Vaterſtadt Pforzheim geflohen war, 1530 die Pfarrei Weiler. 

Es ift oben ſchon bemerkt worden, daß Markgraf Philipp ſich in 
Neligionsfadhen immer gern an die Reichstagsbeichlüffe hielt. Wenn diefe 
den Neformationsbeitrebungen günftiger lanteten, jo war er auch nicht 
abgeneigt, manche zeitgemäße Aenderungen zu geftatten; doc konnte er 
fi) mit rafchen Neformen nie befreunden und drang befonders feit 1528 
auf Beibehaltung der hergebrachten Kultformen und Wiedereinführung 
vieler Ceremonien, die durch manche Geiftliche eingeftellt worden waren. 
As der Markgraf jedoch auf dem Reichstag von Speier 1529, auf 
dem bekanntlich die evangelifchen Neichsftände wegen ihrer Proteſtation 
‚gegen den Neichstagsabichied den Namen Proteftanten erhielten, um: 
fonft bemüht geweſen war, der neuen Kirche einen gefetlichen Beftand 
zu verichaffen, als vollends von dem Reichstag in Augsburg 1530 auf 
welchem die Proteftanten dem SKaifer ihr von Melanchthon verfaßtes 
Glaubensbekenntniß, die fogenannte Augsburger Konfeffion, über: 
reichten, nur feindjelige Beſchlüſſe gegen die ewangeliiche Lehre erfolgten: 
da fügte ſich auch Philipp in den meiften Stüden dem Sinn der Reiche: 
abjchiede und fiel, wie fich ein damaliger Chronift ausdrüdt, „fein ge 
mad wieder zum Papftthum abe.” Möglich, daß auch das Zureden 
zweier Eaiferlichen Näthe, die den Markgrafen 1528 in feiner Refidenz 
Baden beiucht hatten, nicht ohne Erfolg geblieben war, und daß bie 
Furcht vor der Ungnade des wieder nad) Deutſchland zurückgekehrten 
Kaifers 1) ihm mit bewog, im feinen Begünftigungen der Reformation 

1) Karl V. hatte vorher in Italien einen blutigen Krieg mit Franz I. 
von Frankreich geführt, und war überhaupt mehr im Ausland, als in Deutſch— 
land jelbft beſchäftigt. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 314 


manche Beichränfungen eintreten zu laſſen. Diele der Neformation 
ftreng zugethane Geiftliche, die anderswo ein Unterfommen finden konn: 
ten, ſuchten deshalb die badifchen Dienfte zu verlafien, fo z. B. ber 
mehrerwähnte Irenikus in Ettlingen, der 1530 einem Ruf nad) Gem: 
mingen folgte; andere legten geradezu ihre Stellen nieder. Diefe Ver: 
änderung in den Öefinnungen und dem Benehmen des Markgrafen war 
auch nicht ohne Einfluß auf die Geftaltung der kirchlichen Verhältniſſe 
zu Pforzheim. 

Die Bewohner diefer Stadt waren bereits der Lehre Luthers eifrig 
zugethan und hielten fehr darauf, daß ihnen das Wort Gottes nicht nur 
recht fleißig, fondern auch im Sinne der heiligen Schrift verfündet 
würde. So fehr man nun auch mit dem Gtiftsprediger Unger zufrie: 
den war, dem deshalb manche Beweiſe der Liebe und Verehrung, fo: 
wohl von Seiten des Markgrafen, als der Bürger, zu Theil wurden, 
fo wenig ſchien Teßtern ihr Pfarrer zu genügen, woran mun freilich 
fein Förperlicher Zuftand hauptfächlich die Schuld trug. Es wendete ſich 
deshalb Schultheiß und Geriht am Mittwoch nah St. Thomas 1529 
mit folgender Bitte an den Markgrafen: „Wiewol wir ein gut Zytt 
nit wenig gebrechen und mangel an unjerem Pfar befunden, derohalb 
wir gut fug gehapt, folidy gebrechen an Ewre fürftlihe Gnaden langen 
ze laſſen; Haben wir uns doch gelitten, der hoffnung, es folle fih mit 
ime gebeffert haben. Diewyl aber fih fon Krankheit täglich mert, alfo 
daß er ganz felten ußgon, und, wann er gleich webern (d. h. predigen) 
mag, ift er doc) fo heißerer Ned, dag man ine nit merden noch veriton 
fann, und zu dem allem er fein geſchickten oder touglihen Miethern 
(Vikar oder Diakon), mit dem ein Gemeind verfehen (wäre, hat): haben 
wir nit follen unterlajien, Ewrer Fürftlichen Gnaden def anzuzeigen, und 
bitten underteniglih, Ewrer Fürftl, Gnaden welle hierzu gnedigs Inſehen 
thon, unferen jeßigen Pfarh mit einer andern pfrund in ander weg, 
bargegen uns mit einem geſchickten Pfarhern, fo der gemeind mit ver— 
fündung des Wortes Gottes und fonft vorſton konde, gnediglich vers 
fehen.” — Diefer Bitte war noch eine andere beigefügt, woraus einer: 
jeit8 hervorgeht, wie fehr der ftädtifchen Behörde daran gelegen war, die 
Predigten möglichit allen Bewohnern der Stadt zugänglich zu machen, 
andererjeits entnommen werden kann, daß ähnliche Klagen, wie man fie 
heut zu Tage noch oft vernimmt, fchon vor mehr als 300 Jahren laut 
wurden. „Am Andern,“ jo beißt es weiter in der erwähnten Bittfchrift, 


319 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


„nachdem, daß dev Kirchgang zu St. Micheln in die Pfarrkirch etwas 
mühſam und findenden wybern, alten Franken Lüten, ouch fonderlih den 
armen, fo mit Kindern beladen und der Kirchen wytt geſeſſen (d. h. 
weit von der Kirche entfernt wohnen), befchwerlich, alfo daß viel Volkes 
das Gottes wort nit hören, (darzu «8, wo zu den Parfußern oder Pre: 
digern dasjelb verfund wurde, mit gutem Fug kommen mocht) : were 
unfer meinung und undertenig bitten an Ew. Fürftl. Gn., zu bewilligen, 
daß die Predigt Trevtags und Werktags beichehe in einem der clöfter 
durch den Pfarrer und Predifanten. Die Brüder (Mönche) könten in 
derjelben zutt mit ivem gefang abjton und dem Worte Gottes 
rum (Raum) geben” — Weder Beſcheid auf die letztere Bitte 
erfolgte, weiß ich nicht; was das erftere Anfuchen betrifft, jo fcheint der 
Markgraf den Pforzheimern den Nath gegeben zu haben, einen Theil 
der pfarramtlihen Gefchäfte durch Ungerer beforgen zu laffen; wenn 
dies aber nicht ginge und der Diakon feiner Stelle nicht gewachien fei, 
fo möchten fie fich jelber nach einem andern tauglichen Pfarrer umfehen 
und von ihrer Mahl der fürftl. Kanzlei in Baden die erforderliche 
Anzeige machen. Darauf erfolgte eine zweite Eingabe, bdatirt vom 
Sonntag nah Eirtus 1530, worin Schultheiß und Gericht die Noth— 
wendigkeit eines andern Pfarrers wiederholt darlegten, da der bisherige 
mit dem beten Willen wegen fortdauernder Krankheit feinen Verpflich— 
tungen nicht nachkommen könne, der Miethling aber ein junger Gejell 
und der Bürde nicht gewachien fei, und der Prädikant (Unger) mit 
Predigen genug zu thun habe. 1) — Um gleichen Tage (7, Auguft) 
wandten ſich Schultheiß, Bürgermeifter, Gericht und Nath mit folgendem 
Schreiben an den Pfarrer Melchior Hellwerk zu Löchgau (bei Befig- 
heim im heutigen Mürttemberg): „An den wolgelerten erfamen- 
Meifter Melchior, Pfarhern zu Lockheim, unfern fonders guten Freund. 
— Nachdem unjer Pfarher Lyps halb zur Verfehung der Pfar untaug- 
(ich, haben wir won unfers gnädigen Hern Räth bevelch, umb ein an— 
dern umbgeiehen und inen anzuzeigen. Dewyl wir dann bericht (find), 
daß der almechtig üch mitt ler und fynen gaben gnediglich begabt, fo 
it am üch unfer frundlich bitt, iv wellet üch folih pfarr (darzu mir üch 








1) An dielem Schreiben ift von „fRerbenden Läufen“ in Pforzheim 
die Rede; auch in Freiburg herrſchte damals bie Veit, d. h. eine anſteckende 
Krankheit. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 313 


beruffen) unterziehen und zu ung verfügen. Wellen wir ung gern der 
maß halten, daß ir darob wolgefallens tragen, und zwyfflen nitt, der 
allmechtig Gott werd hiezu ſyn gnad ouch geben, alfo daß es zu ſynem 
Lob und unnfer aller Befferung dienen werde, und jo üch gelegen wer, 
unnfer Bitt zu hören, wellet üch mit zeiger diß zu ung verfügen, um 
von Sachen zu reden; wo nitt, bitten wir doch Euer Antwort, Datum 
fonntags nad Sirti anno XXX. Schultheiß, Bürgermeifter, Gericht 
und Rath der Stadt Pforzheim.“ — Schon unterm 10. Auguft erfolgte 
eine Antwort „Meifter Melchiors an ſyne günftigen Lusherrn in Pfortz— 
heim”, worin er jagt, daß er mehr „erjchredt als erfreut“ fei, in eine 
„sold fürftlihe Stadt zu geben“, und fich Bedenkzeit ausbittet. Er 
nahm auch wirklich den Ruf nach Pforzheim nicht an, weshalb der bie- 
berige alte Pfarrer, der fein Unvermögen, den pfarramtlichen Pflichten 
nachzukommen, ſelbſt einfab, dem Markgrafen den Kanonitus Marr an 
der Stiftäfirche zu Pforzheim zu feinem Nachfolger vorſchlug. Auf eine 
vom Markgrafen an die Vorgeſetzten zu Pforzheim unterm 1. März 
1532 gerichtete Anfrage, ob der Empfohlene zu fraglicher Stelle auch 
geeignet jei, erfolgte unterm 12. März der Beicheid, daß fie nicht wüß— 
ten, und auch nicht zu beurtheilen im Stande wären, wie er predigen 
könne; was aber feine Perſon angebe, jo hätten fie Bericht, daß er 
„von den franzofen ſchaden, dazu das podagra habe, allio das er die 
Zytt Hin mit vil inn der Kirchen gewest, wo er dann lips bledigkeit halb 
nit mocht webern ꝛc.“ — Endlich im Juni jenes Jahres erhielten die 
Pforzheimer einen Pfarrer in der Perfon des Johann Wieland, eines 
gebornen Heimsheimers und bisherigen Dechanten des Ruralkapitels 
Dberrieringen im Herzogthum Württemberg, welches ſich damals noch 
in öfterreichtfcher Gewalt unter ſtreng-katholiſchen Kirchenformen befand. 
Schon am 6. Juli trat derjelbe in den Stand der Ehe, wobei der 
Prediger Unger die Trauung vollzog und drei andere Pforzheimer 
Geiftliche, nämlich Dr. Not, genannt Baihinger, Johann Wild und So: 
dann Schwarz Zeugen waren. So hatte Unger einen Kollegen gefun— 
den, der ihm in feinen veformatorifchen Beitrebungen aufs Kräftigfte 
unterjtüßte, 

Diefelben ftießen jedoch bald auf große Schwierigkeiten, da fid) 
mittlerweile die Verhältnifje in der oben angegebenen Weiſe zu Unguniten 
kirchlicher Meformen geändert hatten. Markgraf Philipp hatte unterm 
13. Juni 1531 ein Ausfchreiben an alle feine Amtleute, jo auch an 


314 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


den kurz vorher nad) Pforzheim gekommenen Vogt Eberhard von Rei: 
ſchach, erlaffen, welcher dasjelbe auch ſogleich publicirte, und worin den 
Beamten befohlen war, genau darüber Bericht zu erftatten, wie es bie 
einzelnen Geiftlichen ihres Bezirkes mit der Taufe, der Beichte, dem 
Abendmahl, der Mefje, den Geremonien ꝛc. hielten. Zugleich ertheilte 
der Markgraf dem Benannten die Inftruftion, fireng darliber zu wachen, 
daß die heilige Schrift nur im Sinne der kath. Kirche ausgelegt, alle 
Feſttage gefeiert, am jedem derfelben Predigt und Meſſe gehalten, alle 
Faſttage und Geremonien genau beobadytet, das Volk jedoch hinreichend be— 
lehrt werden folle, damit es nicht auf dieſe Äufßerlichen Uebungen, ſon— 
dern auf Chriſtum allein fein Vertrauen ſetze. Jeder Beamte follte 
überdies eine fchriftliche Erklärung der einzelnen Pfarrer, ob fie diefen 
firchlichen Anordnungen nachzukommen gefennen feien, der Regierung 
überfenden, die das Meitere ſodann anordnen werde, 

Da diefe Negierungsbefehle und ebenfo ein anderer gegen bie 
deutſche Sprache bei Taufen den frühern Erlaß, nad welchem den 
Kranken der Kelch beim Abendmahl bewilligt worden war, nicht 
aufhoben, fo blieb der Kelch auch in Uebung; ebenfo war die Priefterehe 
durch jene Verordnung nicht verboten, wie auch aus der Verheirathung 
Mielands hervorgeht. Als jedoch bald darauf der Helfer desfelben, den 
Chorrod am Arm, mit Hoftie und Kelch, beides bededt, zu einem 
Kranken gehen wollte, fo traten ihm auf Befehl des Vogtes Eberhard 
von Reifhad die Stadtfnechte in den Weg, mit dem Bebdeuten, „er 
folle ſolches fürder abftellen.” Darauf wandte fih Mieland zwei Mal 
mit Beſchwerden an den Stadtrath und ftellte demfelben vor, daß ſchon 
manche Sterbende, ſeit dev Kelch nicht mehr gereicht werden bürfe, er 
Härt hätten, lieber „unverfehen und uff Gottes Barmherzigkeit fcheiden 
zu wöllen.“ Auch über die Wiedereinführung der lateinischen Sprache 
bei Taufen als einer Sprache, die ja doch Niemand verftehe, befchwere 
fi die Gemeinde, und Viele drohten, die Neugeborenen in andere Drte 
zu tragen. Er bitte alfo, dahin zu wirken, baß die frühern Verwil— 
ligungen aufrecht erhalten würden; geſchehe dies nicht, fo müſſe er bitten, 
ihn der Pfarrei, auf welche er ohne fein Zuthun berufen worden fet, 
wieder zu entheben. Beide VBorftellungen Wielands überfandte der 
Stadtrath mit einem Beibericht an den Markgrafen. Geht aus jenen 
hervor, welche Gefinnungen in der Gemeinde über Taufe und Abend- 
mahl herrſchten, jo erfahren wir aus diefem die Anfichten des Stadt: 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 315 


raths darüber, und können aus Beiden erfehen, wie jehr ſchon mande 
Lehren der Reformation in Pforzheim Wurzel gefaßt hatten und mit 
welcher Entſchiedenheit diefelben auch von der weltlichen Behörde der 
Stadt geltend gemacht wurden. Der Bericht des Stadtraths Tautet 
wörtlich (mit Hinweglafiung des Eingangs und Schluſſes): „I. Er ſt— 
Lich dewil in reichung des touffs by ung nie nichts geendert, ſondern 
alle wefentlihe Stud und Geremonien bisher gehalten worden find, ußer 
dag mit Wiſſen Ew. Fürftl. Gnaden die latiniſch ſprach im die tütjch 
verdolmetfcht oder verteufcht, damit ein jeder wiffen mag, wozu der touff 
nub, was gehandelt, welche inſatzung und wie der touff beſchehe, und 
damit der verderplichen Sect des Miedertouffs merklicher widerftand be: 
ſchehe, wie fi) dann diefelb Sect allhie offtmals inflichen wollen: 1) 
fo bitten wir Em. Fürftl. Gn. underteniglih und Tut, umb Gottes Ehr 
und der armen Gewiffen und der Selen Geligfeit willen, die wolle gne— 
diglich zulaffen, die Kinder teutfch zu touffen. — 2. Am Ans 
dern, dewil Ew. Fürſtl. Gn. ußfchreiben, fo in Ew. Fürſtl. On. Land 
allenthalb offentlidy verfündt, ußtrudlih, vermag, daß den Kranken in 
Todesnöten das heilig Nachtmal Chriſti (d. h. unter beiberlei 
Geſtalt) gehalten werden möge, und dewil vil erlih und fromme Lüt 
bisher mit Nießung des heiligen Nachtmals uß diefer Zyt ungezwyvelt 
Gott gefelliglich gefcheiden find: fo bitten wir Ew. Fürftl. On. abermals 
unbderteniglichft, die wolle daßelb Hinfüro uns und andern gnediglichſt 
nitt verhalten, fondern, unfres Herrn Chriſti Inſatzung nad, ſyn heiligft 
Lip und: Blut im heiligen Sacrament in Nöten gedyhen, und den ellen- 
ben Siwermern und Zwingliſten (!) nitt Naum geben, den armen Grey: 
Ben in legten Nöten iv Heil und Troſt nitt entziehen, noch dahin kom: 
men lafjen, daß fie ohne dieß göttlich und höchſt Sacrament mit größter 
geverd irer Selen hinfaren.“ 

Diefe Bitten des Pfarrers und der Gemeinde hatten den gewünſch— 


1) Zu den Wiedertäufern aus unferer Gegend, welche namentlich in bem 
unter öſterreichiſcher Herrichaft ftehenden Württemberg aufs Graufamfte verfolgt 
wurben, gehörte auch Georg Baumann, ein Bürger aus Baufchlott, der zwar 
anfangs duch jchredliches Foltern zum Widerrufe gebraht wurde, nleich darauf 
aber feine Reue barüber zu erkennen gab und von Neuem der furchtbar ftrafen: 
ben Gewalt unter das Antlig trat. Zwei andere Wiebertäufer aus Bilfingen, 
Eberlin Schott und Konrad Schütz ergriffen 1543 die Flucht, als man fie als 
folche erkannte. Ihre Güter wurden hierauf konfiscirt, 


⸗ 


316 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


ten Erfolg nicht. Im Gegentheil mehrten ſich fogar die Verfolgungen 
und Entlaſſungen proteftantiih gefinnter Geiftlihen, und namentlich 
mußte auch aus Pforzheim Melanchthons gelehrter und frommer Freund, 
der Schulreftor Michael Hilsbach (S. 194) fortziehen,; er fuchte und 
fand mit feiner zahleihen Familie eine Unterkunft im Zweibrückiſchen. 
Aulegt wurden fjogar Unger und Wieland gefänglih von Pforzheim 
nad; Baden geführt, um dort durch die Räthe des Markgrafen verhört 
zu werden. Sie erhielten zwar nad) gehöriger VBertheidigung in Bälde 
ihre Freiheit wieder und wurden ihres Amtes auch nicht enthoben; doch 
benütte Wieland die erfte Gelegenheit, welche fich ihm barbot, die 
Markgrafichaft zu verlafien, und, vom Herzog Ulrich von Württemberg 
als Superintendent nach Vaihingen berufen, in fein Vaterland zurüdzu: 
tehren, das 1534 den Defterreihern wieder entriffen worden mar, 

Markgraf Philipp ftarb am 17. September 1533, nachdem er 
wenige Monate Bor feinem Tode das Verbot kirchlicher Veränderungen 
in Gebeten, Gefüngen und Geremonien wiederholt hatte. 

An feinen Nachfolger Markgraf Ernſt fand die Neformation zwar 
feinen ftrengen Gegner, aber aud) feinen Beförderer. Mild von Charakter 
und allen gewaltfamen Maßregeln abgeneigt, ließ er in Pforzheim den 
Religionszuftand fo, wie er ihm angetroffen. Dem Prediger Unger gab 
er vielfältige Beweije feines Wohlmwollens und feiner Hochachtung, erklärte 
die Ehe desfelben für rechtmäßig und nahm ihn, feine Frau und feine 
Kinder in feinen befondern Schuß. Inter ſolchen Umſtänden darf es 
nicht auffallen, wenn der oben jchon (S. 273) erwähnte Saftrow fid) 
bei feiner Befchreibung der Stadt Pforzheim des Ausdrucks bedient : 
„Pforzheim hat in Predigten und Gefängen evangelifche Religion.” — 
Mie fein verftorbener Bruder Philipp hielt Markgraf Ernft jedoch die 
Hoffnung feſt, daß die Erledigung der Tirchlichen Streitigfeiten durch ein 
allgemeines Konzil erfolgen und auf dieſem gefetlichen Wege auch eine 
Kirchenverbejlerung zu Stande gebracht werden würde. In diefem Sinne 
war auch die Inſtruktion abgefaßt, die er dem Dr, Aftmann, PBropft 
des St. Michaelftiftes zu Pforzheim, nah Hagenau zu einem Reli— 
gionsgefpräch mitgab, das dafelbft zwifchen Fatholiihen und evangelifchen 
Theologen ftattfinden follte. Aftmann wurde beauftragt, dahin zu wire 
fen, daß die Beſeitigung der Lehrftreitigkeiten einem allgemeinen oder 
nationalsdeutihen Conzil itberwiefen, die Geiftlihen aber zu einem gott: 
jeligen Leben mit aller Strenge angehalten werden jollten. Wie er jelber 


Awölftes Kapitel, Piorzheim im 16. Jahrhundert. 317 


darauf drang, zeigte 1538 jein Verfahren gegen den Pforzheimer Kano— 
nifer Michael Hahn, den er, weil er mit einer gejchiedenen Ehefrau in 
verbotenem Umgang lebte und mit ihr Kinder erzeugte, gefänglich nad) 
Speyer führen und deſſen DBeihälterin er des Landes verweifen ließ. 1) 
Auch in feinem Teftamente, welches der Markgraf ſchon 1537 verfahte, 
verordnete er, daß ohne Gonzile und Reichtagsbeſchluß nichts an der 
alten Religion geändert werden folltee Cr mußte fpäter freilich die 
Ueberzeugung gewinnen, daß auf diefem Wege eine Neformation nicht 
zu Stande fommen fonnte. Unter den Geiftlichen unferer Gegend, welche 
um jene Zeit (1536) fich offen zur evangelifchen Lehre befannten und 
nicht nur zur Ehe fchritten, fondern auch das Abendmahl unter beiderlei - 
Geftalt zu reichen anfingen, befand fi der Pfarrer Düjfing von Er— 
fingen, 2) das dem Kloſter Herrenalb gehörte, aber, wie das ganze Ge- 
biet diefes Klofters, der LYandeshoheit des Markgrafen von Baden-Baden 
unterworfen war. Der damalige Markgraf Bernhard IH. befannte 
fich ebenfalls zur augsburgifchen Konfeffion. 

Der evangelifchen Lehre, die fich feit 30 Jahren gegen alle Erwar: 
tung faft in allen Theilen Deutſchlands verbreitet hatte und bereits 
Millionen von Anhängern zählte, drohte indeflen noch ein Mal eine 
große Gefahr, die ihren ferneren Beſtand eine Zeitlang jehr in Frage 
ſtellte. Immer fchroffer hatte fich nad) und nach das gegenfeitige Ber: 
hältniß zwiſchen Katholiken und Proteftanten geftaltet, und der Kaiſer, 
der nach Beendigung feiner auswärtigen Kriege wieder in Deutjchland 
erfchienen war und aufs Neue Sriegsrüftungen betrieb, gab den evan- 
geliichen Neichsftänden auf ihre Frage nad dem Grund derjelben bie 
Antwort: Er beabfichtige, mit einigen Ungehorfamen dem Rechte gemäß 
zu verfahren. Schnell rüſteten fie fich zur Gegenwehr und erneuerten 
im Winter 1545 auf 46 zu Frankfurt den Bund, der bereits 1531 
zu Schmalfalden von ihnen abgejchlofeen war. Nod im Jahr 1546 
brady der Krieg aus, der in der Gefchichte unter dem Namen des 
Ihmalfaldifchen befannt if. Da unter den Proteftanten feine rechte 
Einigkeit herrſchte und ihr Heer troß feiner Ueberlegenheit durch unfchlüf: 
ſiges Zaudern die günftigfte Zeit verftreichen ließ, jo unterwarf ſich der 
Kaifer ſchnell nicht nur die evangelifch gefinnten ſchwäbiſchen Reichsſtädte, 
9) Akten des Landebarchivs. 


2) Er heirathete fogar eine „Begine oder graue Waldſchweſter.“ (Convents⸗ 
bericht weg. Pfr. Düſſing v. 1549.) 


318 Awölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 


fondern auch den Kurfürften von dev Pfalz, rüdte nad Sachen, wo er 
.1547 den Sieg von Mühlberg erfoht und den Kurfürften Johann 
Friedrih von Sachſen und bald darauf aud) den Landgrafen Philipp 
von Heſſen, aljo die beiden Häupter des ſchmalkaldiſchen Bundes, ger 
fangen nahm. Das Schidfal des Proteftantismus in Deutjchland märe 
entſchieden geweſen, wenn nicht politifche Gründe und das gejpannte 
Berhältniß, in welchem der Kaiſer damals zu dem Papſte ftand, fowie 
die Meberzeugung, welche jener auf feinem Zuge durch Deutfchland von 
der großen Verbreitung der evangelifchen Lehre gewonnen hatte, in Karl V. 
eine Veränderung feiner Anfichten und Pläne hervorgebracht hätte, Er 
war zu der Einficht gefommen, daß auf dem Wege ftrenger Gewalt 
nicht durchgegriffen werden konnte, und ertheilte deßhalb, um die getrenn- 
ten Religionsparteien der Vereinigung näher zu führen, drei deutſchen 
Theologen, darunter einem evangelifchen, den Auftrag, einen Entwurf 
auszuarbeiten, nad) welchem fich die beiden Meligionstheile einftweilen 
(interim) zu richten hätten, Es wurden in bemfelben faft alle katholiſchen 
Einrichtungen beibehalten und den Proteftanten feine weitere Zugeftänd: 
niſſe gemacht, als daß fie den Kelch im Abendmahl beibehalten durften 
und ihrem Geiftlichen die Ehe geftattet war. Diefes Interim wurde 
auf dem Neichstag zu Augsburg 1548 als Neichsgefek verkündet, troß 
der Einfpradhe der Proteftanten und der allgemeinen Unzufriedenheit 
welche dasfelbe hervorrief. Denn auch Rom war damit nicht einver: 
ftanden, nannte es eine Keberei und zwang durch förmliche Eintzweiung 
den Kaifer, auf die proteftantifchen Reichsſtände, wenigftens auf bie 
mächtigern, mehr Rückſicht zu nehmen, als dies fonft gefchehen wäre. 
In Folge des Interims war der Zuftand der ewangelifchen Kirche 
in Deutfchland ein jehr gedrücter und wurde ihre weitere Entwicklung 
und Verbreitung dadurch wefentlich gehemmt. Ueberall mußte die Meffe 
wieder eingeführt werden, die Faftengebote wurden verfchärft ꝛc. Letzteres 
geichah beifpielweife auch durch Markgraf Ernft, der am 8. Juni 1548 
in allen badifchen Orten, jo auch in Pforzheim, „mit beleuteter Glockhen“ 
öffentlich verkünden ließ, daß an den verbotenen (d. h. Faſt-) Tagen bei 
Strafe von 10 Pfund Pfennig, Kranke ausgenommen, in feiner Her: 
berg ober offenenen Gefellichaft, bei Hochzeiten ꝛc., Fleiſch gegefien wer: 
den dürfe, Doc nahm der Fürft dabei nicht das Interim, fondern die 
berrfchende Theurung zum Vorwand, und verordnete zugleich, daß auch 
an Fleiſchtagen aus diefem Grunde nicht zugleich Fiſche in einem Wirths⸗ 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert. 319 


baufe verabreicht werden dürfen, außer an Soldye von der Herrichaft, 
an Grafen, Herren vom Adel ꝛc. 1) 

Unerwartet fchnell änderten ſich aber nad) einigen Jahren ſchon die 
Berhältniffe wieder zu Gunften der Proteftanten. Der Herzog Moritz 
von Sadjen, der, obgleich Proteftant, ſich dem ſchmalkaldiſchen Bund 
nicht angejchloffen, fondern auf die Seite des Kaifers geftellt Hatte, mochte 
über fein Benehmen jeinen Glaubensgenofjen gegenüber Neue empfinden 
und jet erſt die Gefahr erkennen, in welche die evangelifche Kirche durch 
jein Mitverfchulden gerathen war. Auch war er. nicht wenig darüber 
entrüftet, daß der Kaifer die beiden gefangenen Häupter des ſchmalkal— 
diſchen Bundes bis jeßt nicht freigegeben hatte. Genug, — Moritz 
überfiel den Kaiſer plöglicdy mit anjehnlicher Heeresmacht in Insbruck 
und zwang ihn 1552 zu dem Bertrage von Pafjau, worin der Kaijer den 
PBroteftanten verfchiedene Jugeftändniffe machen und das Verfprecdhen der 
möglichſt baldigen Abſchließung eines fihern und dauernden Religion: 
friedens geben mußte. Diefer kam nad) langen Verhandlungen im 
Jahr 1555 in Augsburg zu Stande. Durdy ihn erhielt die evangeliſche 
Kirhe geſetzliche Geltung und rechtlichen Beſtand. 


B. Einführung der Reformation. 
(1556 ff.) 


Schon nad) der Abſchließung des Vertrages von Paſſau 1552 
ging der greife Markgraf Ernft mit dem Gedanken um, der evangelifchen 
Lehre öffentlich beizutreten, Er hatte fich überzeugt, daß feine Hoffnung 
auf Entfernung der kirchlichen Mißbräuche durch ein Conzil eine vergeb- 
liche fei, und glaubte fih jetzt zu jenem Schritte gefeglich berechtigt. 
In diefer Anficht wurde er namentlid) durch feinen Hofprediger Truden- 
brot beftärft, mit welchem fich der Markgraf über die Einführung der 
Kirchenverbefierung bereits bejprochen hatte. Aber der Tod kam der 
Ausführung feines Vorhabens 1553 zuvor, 

Sein Sohn und Nachfolger Karl TI. war der evangelifchen Lehre 
fehr geneigt und hatte fi auf den Wunſch feines Vaters auch mit einer 


1) Der Erlaf findet ſich S. 67 des mehrerwähnten Kopienbuches im Pforz⸗ 
heimer Archiv als Anhang zu ber Wirthsordnung von 1541 und ift ſchon 
©. 210 geführt worben, 


320 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert 


evangelifchen Prinzeffin vermählt. Doch trug er noch Bedenken, in feinem 
Sande den gejeßlichen Eintritt der Reformation zu begründen, bevor ber 
verheißene Meligionsfriede förmlich abgefchlofen war. Dieſe Bedenklich— 
feiten nährte namentlich der alte Kanzler Dr. Oswald Gut. Dod 
diefer ftarb nach eimer dreikigjährigen Verwaltung feines Amtes am 
28. März 1554 in Pforzheim, 1) und an feine Stelle trat Dr. Martin 
Achtſynit (Amelius), eim auf der Hochſchule feiner Vaterſtadt Frei: 
burg gebildeter Jurii, und furz vorher vom Kaifer Ferdinand in den 
Adelftand erhoben. Kaum mar der Neligionsfriede am 25. September 
1555 in Augsburg verkündet, fo trat jest Karl II. unter dem Schuß 
der Reichsgeſetze offen an die Seite der proteftantiichen Fürften, und 
der lebhafte Antheil, womit er die evangelifche Kirche feines Landes 
gründen und bis an feinen Tod befeftigen half, erwarb ihm im Munde 
jeines Volkes den Beinamen des Frommen. 

Noch im Jahr 1555 begann er das Werk der Neformation damit, 
daß er die Zahl der Klöfter in feiner Nefidenz Pforzheim allmählig 
zu vermindern fuchte. Die Reihe der Aufhebung traf zuerjt die Klöfter 
der Franziskaner und Dominikaner. 2) Bei dem Michaelftift begann er 
mit Einziehung einzelner Kanonien, namentlich aber der Dechantei, nad) 
dem der bisherige Dechant refignivt und feine Haushälterin geehelicht 
hatte, Vergebens rief der Kanonikus Johann Freyermund dagegen, 
jowie gegen die Neformationsverfuche des Markgrafen überhaupt, die 
Hilfe des Biihofs von Speier an. 3) (Der damalige Probft des Stiftes 
bieg Georg Bol.) Damm fah fi) der Markgraf nad) tüchtigen Geift: 
lichen um, denen er das Merk der Kirchenverbefferung übertragen konnte, 
In feinem eigenen Lande fand er ſolche nicht; denn Unger, der dazu 
anı beiten zu gebrauchen yewejen wäre, war 1553 in hohem Alter ge: 
ftorben, und andere hervorragende Kräfte jcheinen nicht vorhanden gewefen 
zu fein. Deshalb bat fich der Markgraf aus mehreren andern Gebieten 
tüchtige Gottesgelehrte aus, damit diefelben namentlich eine neue Kir: 
henordnung für Baden-Durlach entwerfen follten. Es kamen alfo 
nad Pforzheim Dr. Andrei von Göppingen, Dr. Mar Mörlin, 
Hofprediger von Koburg, Dr. Johann Stöffel von Heldburg und der 





) Sein Grabftein, worauf jein Bild ausgehauen ift, befindet fich in ber 
Schloßkirche linfs vom Eingang in die Sakriſtei. (Vergl. S. 273.) 

2) Vergl. Kolb II, 61, und Sachs IV., 80. 

’) Alten des Generallandesardhivs. 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Sahrhundert, 321 


Hofprediger Michael Diller von Heidelberg. An die Stelle Andreä’g 
trat fpäter Dr. Jakob Heerbrand von Giengen. Diefen vier geift- 
lichen Herren wurden noch zwei weltliche Näthe beigegeben, und der 
Vorſitz in diefer Reformationskommiſſion dem Kanzler Achtfynit über: 
tragen. Nachdem der forgfältig berathene Neformationsentwurf die 
Genehmigung des Markgrafen erhalten hatte, wurde derſelbe gedruckt 
unter dem Namen: SKirhenordnung der Markgrafihaft 
Baden, Pforzheimer Theils, am 1. Juni 1556 dem Land ver: 
fündet,, und bei der bald darauf folgenden allgemeinen Kirchenvifitation 
jeder Gemeinde zur freien Annahme vorgelegt. Weberall wurde fie mit 
großer Freude begrüßt; nur von einer Gemeinde wird gejagt, daß fie 
der Neuerung widerftrebt habe, nämlich von Neulingen oder Neidlingen 
bei Pforzheim. (Vergl. ©. 64.) 1) 

Den Inhalt der neuen Kirchenordnung vollftändig anzugeben, 
würde bier zu weit führen, Ich theile deshalb nur die Hauptpunfte 
berfelben in Kürze mit. Sie handelt zuerft von der Lehre und 
VBredigt des Wortes Gottes. Als Duelle des Glaubens wird 
die heilige Schrift zu fleikigem Gebrauch empfohlen; auf fie foll 
die Predigt gegründet und die deutſche Mutterfprade, fowie 
der deutſche Gemeindegefang bei allen Theilen des Gottesdienftes einge: 
führt werben. Hierauf wird vorgefchrieben, wie es mit der Spendung 
ber Saframente, nämlich der heiligen Taufe und des heiligen 
Abendmahls, fowie überhaupt beim Gottesdienſte gehalten werden 
folle; endlich wird darin über die Feſttage, das, was bei Trans 
ungen, Kranfenfommunionen, Zeihenbegängniffenze, zu be- 
obachten fei, das Nöthige feftgefeßt und fchließlich verorönet, daß die 
Geiftlichen fich bei allen kirchlichen Verrichtungen des gewöhnlichen Chor: 
rods bedienen follten. 

Welche Veränderungen mit der Einführung der neuen Kirchenorb: 
nung in Pforzheim verbunden waren, wann bafelbjt der erfte evan- 
geliſche Gottesdienft gehalten wurde — darüber fchweigen die Quellen. 
Die Akten im Staͤdtarchiv, welche nähere Auskunft geben könnten, find 
wie noch manche andere bei dem Brande von 1689 zu Grunde ge: 
gangen. Nur das erfahren wir, daß allen Fathofifchen Geiftlichen der 


1) Diefe Angabe dürfte aber nicht richtig fein, da der Ort Neidlingen ſehr 
wahrſcheinlich im 16. Jahrhundert nicht mehr eriflirte, 
Pflüger, Pforzheim, 21 


322 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


Stadt, welche nicht zur neuen Lehre fich befennen wollten, unterm 
20. Auguft 1556 der Schub und Schirm aufgefündet wurde. I) Der 
erfte evangeliiche Stadtgeiftlihe, Spezial und Superintendent in Pforze 
heim nach Einführung der Reformation war der erwähnte Dr. Heer: 
brand felber; ihm folgten 1558 Iſrael Achatius, um 1560—1580 
Rupreht Dürr, 1600 Benedilt Ungerer, 1607 Konrad Jenni— 
chius, 1618 Stephan Rohrfelder, 1630 Georg Wibel, 1648 ob. 
Burkhard Erad, 1673 Joh. Phil. Weiniger, 1681 Matthäus 
Kummer ꝛc.?) — Pfarrer der Altſtadt war 1561 Erasmus Fes— 
tus, 1565 Johann Grave, 1574 Nik. Mollinger, 1579 Kilian 
Werner, 1582 Math. Konr. Berblinger, 1601 Ruprecht Grave, 
1614 David Rangenberger, 1635 ob. David Sauter, 1645 
Petrus Kercher, 1651 Rob. Seuterlin, 1655 Elias Nietham— 
mer, 1678 ob. Sat, Bürenftein, 1691 Berthold Deimling, 
1736 Ernſt Ludwig Deimling +. — Ws Hofprediger erfcheint um 
1556 Jakob Rab, nah ihm 1563 Reißenzahn, als Spitalpfarrer 
Lorenz Fuchs, als Diakon ein Kab ꝛe. — Auch von einigen Landorten 
find noch die Geiftlichen befannt, welche daſelbſt jchon zur Zeit ber 
Einführung der Neformation oder kurz nachher thätig waren, fo in 
Brögingen 1558 Leonhard Kiftler, in Ellmendingen um 1560 Beter 
Rotenburg (+ 1583), Eutingen 1561 oh. Fleiſchmann, Niefern 
1561 Kilian Werner, Baufchlott 1581 Daniel Schrötlin, Eifin: 
gen 1580 Joh. Raiter, Göbrichen 1561 Wolfgang Pfennig, Itters— 
bad 1569 Thomas Werner. 

Im Jahr 1557 hatte der eben genannte erfte evangeliiche Stadt: 
geiftliche Pforzheims, Dr. Heerbrandt, noch die Pflicht der Seelforge bei 
einem Sterbenden zu üben, der auf eine eigene Art nach Pforzheim 
verfchlagen worden war, nämlich beim Markgrafen Albrecht von 
Brandenburg, wegen feines unrubigen Geiftes, feines Heldenmutbes 
und feiner Schickſale auch der bdeutiche Alcibiades genannt. In die 
Kämpfe jener Zeit vielfach verflodhten und diefelben zum Theil felbft 
hervorrufend, war er, vom Kaifer geächtet, nach Frankreich geflohen und 
kam eben, um Gnade bittend, nad) Deutſchland zurüd, als er bei einem 


1) Akten des Landesarchivs. 
N Diozeh Pforzbeim, Kirchen: und Echulenbefhreibung von 1735 (Lan: 
desarchiv) u. a. Quellen. 


Amwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert, 323 


Beſuch, den er ſeinem Schwager Karl II. in Pforzheim machte, in der 
Blüte feiner Jahre am 8. Januar 1557 einen ſchnellen Tod fand, 
Er wurde in der fürftlichen Gruft daſelbſt beigefett. ) Wie fehr das 
Unglüd feinen Stolz gebeugt hatte, davon zeugt das von ihm verfaßte 
fhöne Lied: „Was mein Gott mil, gefcheh’ allzeit.“ 

Nachdem die evangelifchen Fürften im Frühjahr 1558 auf einem 
Konvent zu Frankfurt ihre unverbrüchliche Anhänglichkeit an die auge: 
burgifhe Konfeffion verfichert hatten, fo verfammelten fie fih auf Ein: 
ladung Karls II. nochmals im Auguft desfelben Jahres zu Pforzheim, 
um das Band ihrer rühmlichen Eintracht aufs Neue zu befeftigen. Um 
die gleiche Zeit fuchte ein Edelmann am Hofe des Markgrafen in einer 
lateiniſch gefchriebenen Schrift den Beweis zu liefern, daß die evan: 
gelifche Lehre umrichtig als neue Meligion bezeichnet werde, fondern weit 
älter, als die dermalige Fatholifche fei, Diefe Schrift wurde von Pfarrer 
Iſrael Achatius zu Pforzheim ins Deutfche überfeßt und unter dem 
Titel: „MWahrhaftiger Bericht alter und neuer, das ift evangelifcher und 
papiftifcher Lehre” bei Georg Nabe in Pforzheim gedrudt (S. 192). 

Die Aufhebung der Pforzheimer Klöfter nahm indeffen ihren ort: 
gang. Diejenige des Auguftinerkfofters, das den Kanonifern und Ere- 
mitern gemeinfchaftlich gehörte, mag um 1560,2) und die der andern, 
foweit diefelben nicht ſchon bei oder vor der Sinführung der Refor: 
mation aufgehoben worden waren, um die nämliche Zeit erfolgt fein, 
Der größte Theil der Mönche war indeffen ausgewandert; doch hielten 
fi) bis 1561 noch Dominikaner in Pforzheim auf. Am meiften Wider: 
ftreben fand der Markgraf bei den Nonnen, in Pforzheim namentlich) 
bei den Dominifanerinnen. Er hatte ihre Einkünfte unter die 
Aufficht eines Schaffners geftellt und einigen Geiftlichen das eben fo 





) Sein fteinernes Standbild findet fih auf ber rechten Seite des Chors 
der Schloßfirde. Am Fuße desfelben fteht die Anfchrift: "Anno 1557 den 
8. Januarii ist Seligklich abgestorben der Durchleuchtig Hochgeborn Fürst, 
Herr Albrecht der jünger, Marggraf zu Brandeaburg, in Preussen, zu Stettin, 
Pomern, der Cassuben und Wenden, auch in Schlesien, zu Oppeln und Ra- 
tiborn Herzog, Burggraf zu Nürenberg und Fürst zu Rügen, der Deutsch, streit- 
bar und manlich Heldt, welcher vmb des Vatterlandts Deutscher nation frey- 
heit, Landt und Leut, gut, ehr und blutt treulich zugesetztt und gewagt hot. 
Seine alters im 35, vnd regimentzs im 16. jahr, der lieben selen verlihe gott 
ein frolich urstendt, A, 

2) Kolb, Lerifon II. 61. 

21* 


324 Amölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


ſchwierige, als nußlofe Geſchäft übertragen, den wiberftrebenden Klofter- 
frauen Neligionsunterricht zu ertheilen. Sie beihmerten ſich durch ihren 
Provinzialen, Wilhelm Brand, bei Kaifer Ferdinand I. darüber, 1) daß 
ber Markgraf fie mit der neuen Religion jo fehr ängftige, fo daß fie 
genöthigt feien , den Kaiſer um Hilfe anzuflehen und ihn zu bitten, fie 
in dag Klofter Kirchberg in Oeſterreich aufzunehmen. Zu biefem Bes 
Hufe möchte der Kaifer dahin wirken, daß ihnen mit Hab und Gut 
freier Abzug geftattet oder doch vom Markgrafen ein Jahrgeld zu ihrem 
Unterhalt ausgefeßt, oder endlich ein für alle Mal eine Abfindungsjumme 
ausbezahlt werde, wobei fie fi) aber, falls die katholiſche Religion in 
Pforzheim wieder eingeführt werden follte, ihre früheren Rechte vorbehiel- 
ten. Der Kaifer verwies dem Markgrafen fein Vorgehen gegen die 
Klofterfrauen und jhicte zwei feiner Näthe nad Pforzheim, um das 
Geſuch der Klofterfrauen zu unterftügen. Der Markgraf antwortete 
dem Kaifer in einem befondern Schreiben, daß er bereit fei, Sr. Maje— 
ftät zu willfahren, obgleich er durch die Reichsgeſetze dazu nicht ge- 
zwungen werde, gegen die er ſich auch bisher in feinem Denehmen ben 
Dominikanerinnen gegenüber nicht verfehlt habe. Wenn er mit den 
Klofterfranen eine Reformation verfucht habe und fie zum fleißigen Anhören 
ber Predigt göttlichen Wortes, ſowie zum Leſen hriftlicher Bücher anzu: 
halten bemüht gewejen wäre, fo babe er nur gethan, wozu er als ihr 
- Randesherr berechtigt fe. Man märe jedoch dabei aufs Schonendfte zu 
Werke gegangen. Ihr Vermögen könne er ihnen eben fo wenig ohne 
Abzug ausfolgen, als es der Kaifer jelbft in einem ähnlichen Fall thun 
würde. Er erbiete fich jedoch, die Klofterfrauen, wenn fie nicht anders 
wollten, entweder mit einer Abfindungsfumme oder einer Iebenslänglichen 
jährlichen Penſion ziehen zu laſſen. Am 20. Juni 1564 wurde nun⸗ 
mehr ein Vertrag entworfen und am 24. Auguft ausgefertigt, worin 
ſich der Markgraf verpflichtete, ſämmtliche Klofterfrauen nad) Kirchberg 
ziehen zu Yaffen und ihnen ein für allemal in kürzeſter Friſt die Summe 
von 10,000 fl. (ftatt der von den kaiſerlichen Räthen geforderten 
42,000 fi.) auszubezahlen, überdies fie für das, was fie an Wein 
Frucht, Vieh ꝛc. zurüdliegen, mit weitern 1000 fl. entihädigen zu 
wollen, Dagegen mußten die Klofterfranen auf all ihr bisheriges Be— 
ſitzthum und ihre Nechte für immer und ohne Vorbehalt verzichten. 


ı) Man vergl. hiezu Sachs, IV., 107 fi. 


Zwölftes Kapitel. Pjorzheim im 16, Jahrhundert. 325 


Diefer Vergleich 1) wurde in gehöriger Form ausgefertigt, gefiegelt und 
von der Subpriorin Anna Juliana Kirferin, (die Priorin Barbara 
Schützin war 1562 geftorben), der Schaffnerin Barbara Lychtin, ſowie 
von den Konventualinnen Ottilia Heſſin, Apollonia Linhardtin, Apollonia 
MWertweinin, Anna Mulmeifterin und Barbara Heinin unterzeichnet, 
ebenfo von dem Provinzial. Da der Kaifer Ferdinand I. inzwifchen 
geftorben war und die Klofterfrauen befürchteten, die Faiferliche Beftä- 
tigung des erwähnten Vergleichs möchte allzulang auf fi) warten laffen, 
jo ließ der Markgraf die vorhandenen 39 Schweftern, (1556 waren es 
ihrer einfchlieglidy der Laienſchweſtern noch 46 geweſen), auf ihr Bitten 
noch vorher abziehen und zahlte ihnen die für die Neife beftimmten 1000 
Gulden fogleih aus. Am 1. Dezember 1564 erfolgte die Beftätigung 
von Seiten Kaifer Marimilians II., worauf diefe Angelegenheit voll- 
ftändig bereinigt wurde und der Markgraf in den Befit des Klofters 
und deſſen was dazu gehörte (darunter auch der Waldungen desjelben, 
von denen der fog. „Frauenwald“ heute noch an feine früheren Befite- 
rinnen erinnert), gelangte, 

Ausführlihes über die Vorkommniſſe in diefem Kloſter und 
namentlih über das Widerftreben der Nonnen gegen eine Reformation 
enthalten die Aufzeichnungen einer Klofterfrau felber aus den Jahren 
1556 — 1564. 2) Der Anfang davon lautet: „Sn dem MDL und 
VI Jahr (1556) acht Täg vor Georgi: dazumal regiert in allem tüet- 
ſchen Landt und allermeift die aller groß Ketzery des Lutterers, und 
uß Yngebung etlicher falfcher Nattgeber und predicantten, die vil daruff 
geprediget und geleret haben wider die heiligen Sacramentten und den 
göttlichen Dienft, wider die geiftlichen in den clöftern, dadurch uffrierifch 
gemacht fend worden die Fürften und Hern in etlichen landen und fteten, 
aljo daß leider, got erbarms, im der ftatt Pforkheim, in der marggrof: 
haft Baden und Hochberg gelegen, in welcher jtatt gelegen iſt unßer 
clofter und gotzhuß, dazumal zu dißer Zyt predicant ift geweßen mit 
namen Jacob rat, auch ander böß rattgeber, die haben unfern 
fürften und bern markgraff Karle dahin gebradht, ung gemalt zu thun 
und uff den nüwen glauben zu Bringen, und unf des ein gewalttzbrieff 


1) Er ſteht vollftändig bei Sachs, IV. 109-111, 
2) Sie find abgebrudt in: Katholiihe Tröfteinfamfeit, XIE, 
©. 203-254 (Mainz bei Franz Kirchheim, 1858). 


326 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


in unferm clofter vor dem ganzen Convent laſſen lefen, in dem Erfte 
ung abgefünnt und abgefchlagen, Fein meß me zu fingen, noch zu lejen, 
weder heimlich noch offenlih, und haben uns uffgebept unfern gotzdienſt, 
daß wir den nit me follen vollbringen, weder heimlich noch offenlich, 
fondern wir daran ergriffen würden, es ſy by Tag oder by nacht, fo werden 
wir fallen in des fürften ungnaden. Auch jollen wir in die lutterifch 
predig gen und düetſch pfalmen fingen. Auch haben fie ung verbotten 
all münd und pfaffen, die da fend uff unſer Neligion, daß die nit me 
zu unß jollen gen weder heimlich noch offenlich by hoher großer ftraff, 
aber wann man ein by unß ergryff, fol man ihn von ftund an in den 
Durn werffen” ꝛc. — Es wird dann weiter erzählt, wie der genannte 
Pfarrer Nat ihnen zwei Mal in der Woche gepredigt habe, wie nad) 
ihm der Spitalpfarrer Lorenz Fuchs, ein „ußgeloffener münch“, fodann 
ein Wrädicant Kap aus Zwiefalten, der Pfarrer Iſrael (Achatius), 
Dr. Heerbrand, Dr. Ruprecht (Dürr), der Pfarrer Reißenzahn, kurz in 
ſechs Jahren überhaupt 18 verjchiedene Geiftliche fid die fruchtlofe 
Mühe gegeben hätten, die Nonnen zu belehren, ja wie jogar einmal 
die ganze badifche Neformationsfommijfion (S. 320) mit dem Kanzler, 
Doktor erg, Doktor Hänsle Schnydergeisle und Doktor Hans Schmid 
zu gleichem vergeblichen Zweck ins Kloſter gefommen fei. Bitter wird 
über einzelne diefer Geiftlichen geflagt, jo über Nat, daß er Gott und 
die lieben Heiligen ſchändlich ausgerichtet und gefhmäht und zu den 
Klofterfrauen gejagt habe, man folle fie ausbrennen wie die [hädlichen 
Raupennefter, weil fie mit ihrem ärgerlichen Leben das ganze Land ver: 
wüfteten und verunreinigten; über Katz, der auch das Gift der Ketzerei 
in die unfchuldigen Herzen haben ausgießen wollen; über Achatius, der 
die DBeichtoäter der Nonnen Blatthengfte, Stadtfarren, Meßſäu, Seelen: 
mörder ꝛc. geheißen und das erite Nachtmahl nad) lutheriihem Gebraud) 
in der Kloſterkirche ausgetheilt habe; über Dr. Ruprecht, daß er fo 
ſchändlich und abſcheulich vom heiligen Sacrament und gegen den Papſt 
gepredigt und diefen den Antichrift genannt habe u. f.w. Dem Pfarrer 
Heerbrandt, der den Nonnen freigeftellt hatte, zu beftimmen, wann es 
ihnen eben und gelegen fei, daß er ihnen predige, wurde der Beſcheid, 
dag er zu feinem Male ihnen geſchickt ſe. Im Sahre 1561, jo wird 
weiter erzählt, ließ der Kanzler durch drei Zimmerleute den Hodyaltar 
und das Gitter abbrechen, das ſich zwiſchen der Kirche und dem Chor 
befand, damit „man künd jehen, ob wir an die predig gen.” Bald 


Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert, 327 


auch wurde dem Klofter an die Stelle des langjährigen Amtmanne 
Peter Wertwein ein neuer Schafiner, Konrad Biſchler von Hall, geſetzt, 
den das Klofter mit Weib und Kind umd einer Magd abholen mußte. 
Ueber defien gewaltthätiges Benehmen wird in den heftigften Ausdrüden 
geklagt, ebenjo über die ftrenge Controle, die er in Verwaltung des 
Klofterguts ausübte und wobei er den Nonnen fharf auf die Finger 
fah. Im Jahr 1562 ließ er nad dem Tode der Priorin Barbara 
Schütz alle Schlöffer inwendig an den Thüren des Klofters abbrechen 
und an die Außenfeite derjelben anfchlagen, damit Niemand ohne fein 
Wiſſen und Willen mehr ins Klofter gehen konnte; auch mußten ihm 
alle Gültbriefe desfelben verabfolgt werden, Auf Kreuzerhöhung wurden 
alle Heiligenbilder aus der Kloſterkirche entfernt, ſämmtliche Altäre ab: 
gebrochen und „ein abgöttifcher althar mitte in die kirchen gemacht, da— 
rauf fie ihre nachtmal geben.” In der Adventszeit 1563 kam ber 
Kanzler mit dem dermaligen Prediger des Klofters und den fürftlichen 
Räthen, fowie dem nach Pforzheim bejchiedenen Vogt Sebaftian Hor— 
nold von Bietigheim, um die Nonnen in die „nüwe und ketzeriſche relis 
gion des Lutterers zu incorporpren.” — Er entband fie von allen 
Kloftergelübden und den Elöfterlihen Gebräuchen, und verkündete ihnen, 
daß überhaupt eine neue Ordnung im Sllofter werde eingeführt werben; 
hierauf hielt ihnen Dr. Ruprecht eine ‘Predigt in gleichem Betreff und 
wurde ihnen ſodann aufgegeben, immer nur deutſch zu beten, was fie 
aber nicht thaten, Auch auf jonftiges Zureden, das bei jeder einzeln 
verfucht wurde, namentlich in Betreff ihrer Verheirathung, gaben alle 
entfchieden abweifenden Beſcheid. Bon den Büchern, welche die Nonnen 
erhielten, um ſich daraus zu belehren, wurde fein einziges gelefen. Weil 
die Nonnen nicht in deuticher Sprache zu Tiſch beten wollten, jo aß 
der Amtmann jammt feinem Gefind mit ihnen und verrichtete mit diefem 
abwechſelnd das Gebet; aber den Nonnen ift dabei „dick weh vor lachen 
gefchehen; denn er (der Amtmann) hat eine folliche wieſte ftimm gebept, 
als welt er unß zerryßen und zerzerren.” Dem Dr. Dürr, der fie 
fragte, wie ihnen feine neuejte Predigt gefallen habe, worin er fie in die 
Hölle verfebt, wurde von den Klofterfrauen wißig erwidert: „Mit wels 
hem Maße er ihnen mefje, folle ihm wieder gemefjen werden." Einer 
Predigt, die ihnen Dürr über den Eheftand hielt, folgte der einjtimmige 
Beicheid der Nonnen, daß feine von ihnen einen Mann wolle Wieder: 
holt wurde von ihnen darüber geflagt, daß immer fo viele weltliche Leute 


3283 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


im Klofter gewejen feien; „yetz ift der Kantler mit den rethen fumen, 
ve fein die predicanten zu un kumen, des ift die Fürſtin mit ben 
frawen fumen, fo bat die Fanglerin mit ihren Eindern hinen geffen und 
it den hinen bliben biß finfter nacht.” — Die Ankunft der kaiſer— 
Yihen Kommiffarien erregte im Kloſter große Freude, noch größere die 
Hoffnung auf baldigen Auszug aus demfelben. Die Bemühungen Acht: 
fonits, die Nonnen zurücdzuhalten, waren natürlich jest um fo weniger 
von Erfolg. Auf ihn ift die Aufzeichnerin aller diefer Vorkommniſſe 
überhaupt nicht gut zu Sprechen; er fei, fagt fie, oft „in die Zellen ges. 
loffen von einer zur andern, als wer er unfinnig und hat fo ein unzüch— 
tig weßen und gebert gehept mit füßen und Ieden, jonderlich der jungen, 
und ift fein Zell gewefen, er bat gewißt, wo ein jegliche Int, und hat 
ihn gar übel verdroffen, wan wir einander verhütt haben; — — er 
bat auch etwa die in dem comvent geßen, und hat fid) zu den aller: 
jüngften gefeßt, und bat den ein follich Inchtfertig weßen geführt mit 
reden und guffern, und bat gejagt, fie follen zu pforten belyben, fo well 
er ihnen einen man geben und der gelychen.“ — Ueber die marfgräf: 
liche Kommiffion, weldhe die Aufnahme des beweglichen Eigenthums des 
Klofters zu beforgen hatte, um darnach die den Nonnen zu Teiftende 
Entihädigung bemeffen zu Können, wird weidlich gejcholten, weil fie den 
Klofterfrauen gar nichts gelaffen habe; nicht einmal mehr als 3 Kiffen (!) 
feien einer jeden geftattet worden; „fie haben unß das hunig genomen 
und den gebrenten wein, den eßig, keß, düre öpffel- und birenſchnitz, das 
unſchlit, das öl, bivengefafft, und Haben ung gejtolen (!) höfen mit Tatt- 
wergen, auch loden mit lattwergen, das wir alles mit großer arbeit und 
mit großen foften gemacht haben, auch fanffen; fie haben uns genom: 
men die düren fiſch, als ftocfifch, blattyslin, den fped und dem jchmer ; 
— — fie haben alle ding verbitfchirt, alle Feften, kamer, alle trög, all 
felter, fie fven Klein oder groß geweßen“ ꝛc. — „Da wir mın“, fo heißt 
es am Schluß diefer Aufzeichnungen, „uß dem clofter jend kumen, da 
ift eine folliche menge volks zugeloffen jung und alt, daß ich all myn 
tag nit me volfs gejehen hab. Da haben fie geweint; doc, ift die klag 
der armen über fie all gangen, und fend unf weit uß gefolgt. — Dies 
Alles und noch me, das zu vil zu ſchryben wer, iſt unß begegnet in 
dißen acht jaren, doch aber diß letzt jar hat ung me und fchredlicher 
angriffen, und glaub ohne zwyffel, weren wir noch zu pforken, jo weren 
wir zerfterrt worden und weren nüme bey einander. Got dem allmäch- 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 329 


tigen ſy lob und ehr on end amen!“ — Go weit die Aufzeichnungen 
unferer Klofterfrau, die ung troß ihrer Befangenheit manche intereffante 
Blide in die Klofterverhältniffe zur Zeit der Neformation thun Täßt. 

Durch die Gebäulichfeiten des nun aufgehobenen Klofters wurde 
fpäter (1579) das anftoßende, von der Markgräfin Luitgarde 1322 er: 
richtete Spital (S. 118) erweitert. 1) Dabei wurde feitgefegt, daß 
darin 16 Herrenpfründen für männliche und meibliche Perſonen beftehen 
follten, zur Hälfte für Hof- und andere Bediente, zur andern Hälfte 
für betagte fromme Leute aus der Markgrafichaft. (In dieſes Spital 
vermadhte die Markgräfin Anna, die Wittme- Karls IL, 1586 bie 
Summe von 1000 fl.) Da eine befondere Spitalficche jet nicht mehr 
nöthig war, weil dazu die bisherige Klofterkirche verwendet werben konnte, fo 
wurde die Spitalkirche abgebrochen und an ihre Stelle die Stadtmetzig er: 
baut.2) Auch die übrigen Klöfter hatten ſchon andere Beftimmungen erhalten. 
Das Heiliggeiftipital in der Brößinger Vorftadt verwandelte ſich ebenfalls 
in eine Metig, die fpäter abgebrochen wurde; die Dominikanerkirche 
wurde zur Stadtkirche verwandelt ꝛc. — Gleich nad Aufhebung des 
Klofters der Dominikanerinnen 1565 ließ der Markgraf eine Erneue— 
rung der Gefälle desfelben vornehmen. 

Sind im Bisherigen viele geborene Pforzheimer oder Zöglinge der 


1) Akten Großh. Heil- und Pflegeanftalt. 

2) Vielleicht erhielt damals die Klofters nunmehr Spitalfirhe ein neues 
Thürmchen, nämlich, das noch vorhandene hübſche gothifche auf der Heil- und 
Pflegeanftalt, an die Stelle des alten Thurmes, wenn ein folder überhaupt 
vorhanden geweien war; denn das jeßige Thürmchen ift jedenfalls nicht das 
urjprüngliche des jhon um 1250 (&. 74) in Pforzheim erbauten Frauenklofters, 
ba es ben jpätern gothiſchen Bauftil des 15. oder 16, Jahrhunderts zeigt. Eine 
Veberlieferung will wifjen, daß das Thürmchen der Heil und Pflegeanftalt von 
einer andern Stelle, wo es früher neftanden, dahin werfegt worben ſei. Es 
ift dies möglich, und Fünnte ſich die Sache fo verhalten, daß ſich das Thürm— 
chen früher auf der nahen Spitalfirche (unterhalb der Kanne) befand und eine 
Berfegung besfelben erfolgte, als dieſe Kirche, wie oben erwähnt, abgebrochen 
wurde. Vielleicht ift fragliches Thürmchen auch das bes frühern Heiliggeift- 
fpitals in der Brößinger Vorftadt. Immerhin muß, wenn eine Berjegung 
ftattfand, die Aufführung ber diden Grundmauer, welche das Thürmchen jetzt 
trägt, gleichzeitig erfolgt fein, ba Beides wie aus einem Guß erſcheint. Auch 
das ift möglich, ba bei der Vereinigung ber Gebäulichkeiten des Klofters mit 
dem Spital gewiß auch verſchiedene bauliche Beränderungen darin vorgenommen 
werben mußten, 


330 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 


Pforzheimer Schule genannt worden, welche entjchiedene Anhänger und 
Beförderer der Neformation waren, fo mag aud eines eifrigen Gegners 
derfelben gedacht werden, als deſſen Geburtstadt ebenfalls Pforzheim 
bezeichnet wird, Es ift dies der Dominikaner Dr, Wendelin Fabri. 
Derjelbe war um das Jahr 1520 Prediger im Nonnenklofter Zofingen 
bei Konftanz und wurde ſpäter Generalvitar des Bisthums Konftanz. 
As folder jollte er 1527 einem Neligionsgeipräh in Konſtanz, das 
aber nicht zu Stande Fam, amwohnen. Zwei Tage nachher, nämlih am 
10. Mai 1527, treffen wir ihn als Mitglied des geiftlihen Gerichts, 
welches den Frühmeßner Johannes Heuglin von Sernatingen in Meere: 
burg zum Sceiterhaufen verurtheilte, weil ſelbſt die Folter dem Uns 
glüdlihen das Geftändnig nicht erprefjen konnte, daß in Luthers Schrif— 
ten lauter verdammenswürdige Ketzerei enthalten fe. Won der Gefühl: 
lofigkeit Fabris zeugt fein Benehmen beim Berhör Heuglins. 1) — Nach 
einer St. Galler Handſchrift?) hat er folgende Schriften herausgegeben: 
1. „Das ewig hail allen leſenden diſen traftat wunjd ich Wendelinus 
von Pforgzen prediger ordens lesmaifter der göttlichen geſchrift.“ Es 
ift ein Traktat von dem Sakrament des Altars, und der Verfaſſer fagt 
davon in der Vorrede: „Diffe materi hab ich zu tail geprediget zuo 
Navensperg in coena domini, und daz mertail zuo Conſtantz in f. 
Catherinä Hofter genant Zoffingen.“ Angehängt find diefer Schrift 
2. eine Predigt; 3. ein Traktat über die Meſſe und jo noch verfchiedene 
andere Schriften und Predigten. 


86. Berühmte Pforzheimer aus dem Weformationszeitalter. 
A. Johannes Unger.) 
(1482 — 1553.) 


Zu denjenigen Pforzheimern, die fich nicht nur durch ihre Gelehrſam— 
feit, fondern auch, wie wir bereits oben gejehen, durch die wichtige Rolle 





1) Bierordt, L. 283. 

2) Vergl. Schriften des badiihen Altertfumsvereins, J. 256. 

») Hauptquellen: De Johanne Ungero, Pforzhemiensi, von Vierordt; 
Geſchichte der evangeliſchen Kirche, v. Vierordt; Manuferipte des Landes: 
archivs u. |. w. 


Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16, Jahrhundert. 331 


ausgezeichnet haben, welche fie zur Zeit der Neformation in der Ge: 
fchichte ihres Vaterlandes und zum Theil auch ihrer Vaterſtadt fpielten, 
gehört Unger. Diefer Grund, fowie der weitere Umftand, daß er der 
Sugendlehrer Melanchthons war, find hinreichend, ihm eine ehrenvolle 
Stelle unter den bedeutenden Männern zu fihern, welche jeine Vaters 
ſtadt hervorgebracht hat, 

Johannes Unger oder Ungerer wurde um das Jahr 1482 zu 
Pforzheim geboren. Er ſtammte aus einem Geſchlecht, das zu den 
älteften der Stadt gehört und vielleicht fhon im 14. Jahrhundert ſich 
in derfelben eingebürgert haben mag. (Im Jahr 1411 kommt vor: 
„Henslin Unger, dev gerwer, Burger zu pfortzheym“, 1480 Hans Unger, 
der wysgerwer; fpäter, nämlich 1519, finden wir einen Chriſtmann Ungerer, 
einen Konrad Ungerer und noch viele andere diefes Namens). Nachdem 
er die Schule feiner Vaterftadt abjolvirt hatte, widmete er fih dem 
Studium der Theologie und zugleich, wie dies die der Gottesgelehrtheit 
Beflifjenen damals nicht felten thaten, aud) der Medizin, Auf welcher 
Univerfität dies geſchah, ift nicht bekannt, 

Nah Vollendung feiner Studien wurde Unger im Jahr 1504 
nach Bretten berufen. Dort war damals für den Unterricht der Jugend 
ziemlich ſchlecht geſorgt; denn die Stadt befaß nur einen einzigen Schul: 
meifter, der aber jo jehr an einer edelerregenden Krankheit litt (S. 202), 
daß mande Eltern Anftand nahmen, ihm ihre Kinder zum Unterricht 
anzuvertrauen Aus diefem Grunde ſah fich der Kaufmann und da— 
malige pfälziiche Schultheiß in Bretten, Johann Neuter, nad) einem ges 
ſchickten Lehrer um, dev feinem Enkel Philipp Schwarzerd oder Me: 
landtbon und einigen andern Knaben die nöthige Unterweifung ertheilen 
follte. (Diefer Neuter, ein fehr unterrichteter Mann, war der Großvater 
Melanchthons von mütterlicher Seite; denn feine Tochter Barbara hatte 
den Vater Melanchthons, Georg Schwarzerd, weldyer das Amt eines 
pfälzifhen Geſchützmeiſters in Bretten bekleidete, zum Manne.) Einen 
zum Hauslehrer geeigneten Mann fand Reuter in Johannes Unger, 

Diefer verweilte zum Zwecke ſolchen Unterrichts drei Jahre lang 
(von 1504— 1507) in Bretten und fand an dem beim Beginn desjel- 
ben erſt fiebenjährigen Melanchthon wohl feinen ausgezeichnetften Schüler. 
Hören wir, wie diefer fpäter felbft über die Kenntniffe und die Lehrges 
ihiclichfeit feines Pehrers urtheilt. „Ich habe,” fagte er, „die lateiniſche 


IN 


Grammatik bei Johannes Unger, einem Pforzheimer, gelernt, einem ge— 


332 Zwölftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


lehrten und beſcheidenen Mann, der mich mehr zum Reden und Ant: 
worten getrieben hat, als mir damals lieb geweſen iſt; jet erfenne ich 
es dankbar, daß Unger gar nicht aufbörte, zu fragen.” Und an einem 
andern Ort fagt Melanchthon: „Ich babe einen Lehrer gehabt, der 
ein ausgezeichneter Grammatifer war, und mich ebenfall® mit Macht in 
die Grammatik hineintrieb. Für jeden Fehler gab er mir Schläge, 
doch mit Mäßigung. Auf folhe Weife machte er mich ebenfalls zum 
Grammatiker. Er war ein vortreffliher Mann und liebte mich wie 
einen Sohn, ich ihn wie einen Vater, obgleich er ſolche Strenge zeigte.” 
In einem furzen Bericht, weldyer 1560 in Wittenberg als Melanchthons 
Nekrolog erfchien, ift Ungers ebenfalls gedacht und zugleich) auch der 
raſchen Fortfehritte, welche Melanchthon unter feiner Leitung gemacht 
babe. Es heißt dert: „Da hielt ihnen Hans Reuter, ein feiner, ver: 
ftändiger Mann, der felbft ftudirt Hatte, einen befondern Pädagogum, 
Johann Hungerer, von Pfahlheim 1) genannt, der lehret die Knaben in 
das Großvaters Haus mit allem Fleiß. Und Iernete Philippus für 
Andere feine Grammatifam wohl, daß er fein fertig darinnen war. Da 
nun der Großvater den Fleiß fpüret, Fauft er ihnen ein Miffal, damit 
den Knaben neben anderer Lehr auch die Kirchengefänge eingebildet wür—⸗ 
ben; denn fie mußten ihm alle Feiertage mit zu Chor treten. Zu der 
Zeit zogen die großen Bachanten 2) im Lande Hin und wieder. Go 
denn Einer gen Bretta Fam, fo hetzete der Großvater Philippum mit 
Disputation an ihn. Es war aber felten Einer, der ihn beftehen mocht. 
Das gefiel dem alten Mann faft wohl und hatte feine fonderliche Freud 
daran, Auch gewann der Knab große Luft zum Studiren. So Tief 
e8 auch der Großvater an Büchern und andern Dingen nicht fehlen, 
damit der Knab ja nicht gehindert würde,” 

Am Oktober 1507 ftarb der Großvater Melanchthons, und wenige 
Tage darauf folgte ihm der Vater des Knaben nah. Die Wittwe des 
Erfteren, die Schwefter Johann Neuling, verließ nun Bretten, kehrte 
in ihre Vaterſtadt Pforzheim zurüd und nahm ihre Enkel mit fi, um 
ihmere Gelegenheit zu geben, die dortige lateiniſche Schule befuchen 
zu können. 


) Irrthümlich, ftatt Pforzheim. 
2) Reifende Handwerfsburfche des Lehrerftandes, die bald Ichrend, bald 


lernend, immer aber beitelnd oder fechtend die Welt durchzogen, 


Amölftes Kapitel. Pforzbeim im 16. Jahrhundert. 333 


Im Jahr 1511 Fehrte auch Unger in feine Baterftadt zurüd, nachdem 
er, wie es fcheint, den in Bretten angefangenen Unterricht mit andern 
Knaben bis zu diefer Zeit fortgefeßt hatte, Der feitherige Rektor 
Georg Simmler in Pforzheim hatte nämlich einen Ruf als Yehrer der 
Mechte nach Tübingen erhalten. An feine Stelle trat nunmehr Unger 
und beffeidete diefelbe von 1511 bis 1524, alfo 13 Fahre lang, mit 
dem ſchönſten Erfolg. Wie ihn ein innige® Band auch ferner mit 
feinem frühern Schüler Melanchthon verfnüpfte, fo entitand auch bald 
das freundichaftlihe Verhältniß zwiſchen Unger und ſolchen Männern, 
deren Namen wir bei der Gefchichte der Reformation in unferm Bater: 
lande fo oft begegnen. Zum Schulfollegen hatte Unger in den erften 
Jahren feines Mektorats den Johann Knoderer von Rottenburg 
welcher fpäter einen Nuf nad Württemberg erhielt und dort zur Würde, 
eines Kanzlers emporftieg (©. 194). 

Im Jahr 1524 übertrug Markgraf Philipp an Unger, der wohl 
des Schulftaubes fatt geworden war, wahrfcheinlih auf Verwendung 
Melanchthons, der um diefe Zeit feine WVaterftadt und au Pforzheim 
befuchte , die Predigerftelle am Stifte dafelbft („die Predifanten-Pfründ 
am St, Michaelsſtift“). Sicherlich trug auch das Verlangen, im Sinne 
der Neformation eine umfaffendere Thätigkeit zu entfalten, als diefe 
zwifchen den vier engen Wänden der Schulftube möglih war, nicht 
wenig dazu bei, daß Unger fih um erwähnte Stelle bewarb. Dieſe 
Thätigfeit konnte eine um fo freiere fein, als Markgraf Philipp, wie 
das bereits oben ausführlicher anseinander geſetzt worden ift, damals 
manche reformatorifchen Beitrebungen begünftigte und unter Anderm auch 
ben Geiftlichen feines Landes keine Schwierigkeiten in ben Weg legte, 
wenn fie in den Stand der Ehe zu treten fich entfchloffen. Diefen 
Schritt that auch) Unger im Jahr 1527 mit Genehmigung des Mark: 
grafen. Wie fehr ihm derjelbe gewogen war, erjehen wir daraus, daß 
Ungerer bald nachher (1529), als der Kanonikus Trutwein Mager zu 
Pforzheim geftorben war, aus ber eingezogenen Pfründe desfelben (zu 
Maria Magdalenen Altar) eine Gehaltszulage von 15 Gulden erhielt, 1) 
um auch ferner „Gottes Ehr zu fördern und damit die Bürger zu 


) Jenes Kanonikat ertrug 42 Gulden, bavon erhielt Ungerer 15, ber 
Stabtpfarrer zu Pforzheim 7 Gulden; die übrigen 20 Gulden follten nad ber 
Beftimmung bes Markgrafen zur Erhaltung des baufälligen Haufes verwendet 
werden, bas zu biejem Kanonifate gehörte, 


! 


334 Awölftes Kapitel. Worzbem im 16. Jahrhundert. 


Pforzheim an Verkündigung des heiligen Gottesworts nit Abgang haben.” 
Auch fonft gab ihm der Markgraf manche Beweiſe feines Wohlwollens. 
Daß Unger au in Pforzheim fehr beliebt war, erhellt aus dem ehren: 
vollen Zeugniß, das ihm der Magiftrat daſelbſt ausftellte: „Er ver: 
ficht ſyne Predigen mit höchſtem Fleiß, erpietet fich ouch, alle tag abends 
zu Salve Int ein freiwil Stund ungeverli ermanıng und richtig zu 
thun, wie man fich im dieſen fterbenden Leuffen (S. 312) und fonft 
gegen Got den Herin halten und mit getroftem Herzen wider den Tod 
fechten und kempfen foll,* | 

Daß bei Markgraf Philipp in den Iehten Jahren feines Lebens 
eine mächtige Sinnesänderung vorging und er faft alle von ihm einge: 
führte Neformen felbjt wieder rückgängig machte, ift oben fchon erzählt 
worden, ebenfo, wie manche der Lehre Luthers zugethane Geiftliche ver: 
folgt, ja ihrer Stellen entießt wurden, wenn fie e8 nicht vorzogen, bie: 
jelben freiwillig niederlegen. Auch Unger follte erfahren, daß man, wie 
Melanchthon fih darüber ausdrüdte, „um des Evangeliums willen auch 
feiden müſſe.“ Mit feinem Freunde und gleichgefinnten Gollegen, dem 
kurz vorher nach Pforzheim berufenen Pfarrer Wieland, wurde Unger 
gefangen nach Baden, der gewöhnlichen Mefidenz des Markgrafen, ge: 
führt, um ſich dert vor den Näthen desfelben jeiner religiöfen Richtung 
wegen zu verantworten. Dies gefchah mit ſolchem Freimuth und folcher 
Unerfchrodenheit und zugleich in fo bündig fchlagender Weife, daß Beide 
ſogleich wieder freigelaffen und ihrer Nemter nicht entfeßt wurden. 

Eine ruhige Zeit begann für Unger, als Markgraf Ernft feinem 
Bruder Philipp in der Negierung des badifchen Unterlandes 1535 
nachgefolgt war und in Pforzheim feinen Sit genommen hatte Er 
* trug auf Unger, nachden er deffen perſönliche Bekanntſchaft gemacht, 
die Achtung und das Wohlwollen über, das ihm bereits fein Vorgänger 
gezollt hatte. Den deutlichiten Beweis bievon gab er Ungern 1542, 
Diefer hatte nämlich, weil zu befürchten ftand, daß feine Ehe von Sei: 
ten des erzbiichöflich-fpeierifchen Ordinariats angefochten werden möchte, 
fih mit der Bitte an den Markgrafen gewandt, ihn, feine Frau und 
feine Kinder in feinen befondern Schuß zu nehmen. In dem darauf 
erfolgten Erlaß des Markgrafen vom Chrijtabend 1542 erffärte derfelbe, 
„daR wir dem Allem nach gnediglih und mildiglih betradyt und erwo— 
gen haben den getreuen Fleiß, Mühe und Arbeit und hriftens 
lihe Wolmeinung, jo obgemeldter Hanıs Unger mit Berfehung des 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 335 


Predigambts in unfer Statt Pfortzheim fo lange Jahr erzeigt, und bes 
wieien hat, auch fürs mit Gnaden und Hilft Gottes erzeigen und be: 
mweifen mag, wie er denn, fo lang ihm Gott Vermöglichkeit verleihen 
würdt, zu thon geneigt und erbüttig iftz und ift auch genugfam kundt 
und wifjen gemacht, daß e8 mit feiner Eh, wie oben gemelt ergangen, 
und dem Allem nach ganz unpillich were, daß gegen feiner Wohlthat 
getreuen Dienft und emjigen Vleiß, den er in Lernung des 
riftenlihen Volcks mit dem Worth Gottes erzeigt, feine Kinder, ev oder 
fein Hausfram an ihrer zeitlichen Habe, jo Ihm Gott verliehen, jollten 
dur einig Weg vernachtheiligt werden, und haben demnach, als ber 
Landsfürſt und in Crafft unfer Iandsfürftlichen Oberfeit, mit gutem zeit: 
lichem Rath mohlbedechtlih und us vielen redfichen gegründeten Urſachen 
den obgemeldten Hannfen Unger, fein ebelih Hausfraw und Kinder 
in Unfer und Unfer Erben befondern Schub, Schirm und Vorſpruch 
empfangen und uffgenommen“ 2. — Am gleichen Tage erhielt Unger 
noch einen zweiten Erlaß des Fürſten, worin ihm als Erſatz für bie 
Einkünfte des Kanonifats des Altars Petri und Pauli, die er bisher 
bezogen aber abgetreten hatte, „feiner Underhaltung, Leipfrund und 
Befoldung halben, auch Beſſerung und Merung derfelben, im Anfehen 
der merflihen Müe, Arbeit und Vleiß, fo er mit Verkündung 
des heiligen Mort Gottes 18 Jar Yang in unfer Statt Pforkheim ges 
hapt,“ aus den Gefällen der Wallfahrtsfirche der heiligen Jungfrau 
zur Eich in der Nähe von Wilferdingen (ift 1560 eingegangen) jährliche 
100 Gulden zugemwiefen wurden. Auch geftattete ihm der Markgraf, 
in dem Haus, das zum erwähnten Kanonifate gehörte und das Unger 
bisher bewohnt hatte, auch ferner bis an feinen Tod bleiben zu dürfen, 

Ueber die lebten Lebensjahre Ungers iſt nichts Näheres bekannt. 
Am Sahr 1545 machte er in das Pforzheimer Almofen eine Stiftung 
von 50 fl., deren Zinſen zu feinem Gedächtniß jedes Jahr auf Martini 
an Arme ausgetheilt werden follten. Sicherlich hatte fich Unger, als 
Melanchthon in den Jahren 1536 und 1541 von Wittenberg aus wie: 
derum Meifen in fein Vaterland machte, auch des Beſuches desfelben zu 
erfreuen, und e8 mochte dem Lehrer nicht wenig fchmeicheln, daß fein 
früherer Schüler durch die Nolle, welche er bei der Neformation fpielte, 
zu ſolcher Berühmtheit gelangt war, Daß Unger fortfuhr, das Wort 
Gottes rein und lauter zu verfünden, erfahren wir von einem Ohren: 
zeugen, der 1541 durd Pforzheim kam und über Unger Folgendes 


336 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


ſchreibt: „Ich babe in Pforzheim den alten Unger geſehen, diefen 
beiten und redlichiten Mann, und habe ihn die reine evangelifche Lehre 
vom Sohn Gottes, unferm Herrn Jeſu Ehrifte, den Fürften und dem 
Bolt auslegen hören.” 

Die geſetzliche Einführung der Neformation in, feinem. Vaterland 
follte Unger nicht mehr erleben. Er ftarb im April 1553 in feiner 
Daterftadt, nachdem ihm fein fürftlicher Herr im Februar des nämlichen 
Jahres vorausgegangen war. Doch hatte er noch vor feinem Tod dur 
den 1552 in Paſſau abgefchloffenen Vertrag die freudige Gewißheit er: 
langt, daß der neuen Kirche ficheres Fundament gegeben fei. 

Bon den nächſten Nachkommen Ungers ift mir nichts Näheres be— 
fannt. Ob der Superintendent in Pforzheim, Benedikt Unger, dem 
wir weiter unten beim Jahr 1601 begegnen werden, ein Sohn oder 
ein Enkel von ihm war, vermag ich nicht anzugeben. Das Geſchlecht 
der Unger oder Ungerer aber ift in Pforzheim befanntlic noch in zahl 
reichen Gliedern vertreten. 


B. Sohannes Schwebel.') 
(1490 — 1540.) 


Sohannes Schweblin, gewöhnlid Schwebel genannt, wurde 
1490 in Pforzheim von vermöglichen Eltern geboren. Diefelben ftamm: 
ten aus Wafferburg in Baiern. 2) Don ihnen zum eifrigen Beſuch der 
lateiniſchen Schule feiner Waterftadt angehalten, machte Schwebel ſchon 
in feiner Jugend die Bekanntſchaft Melanchthons, und es entipann ſich 
zwifchen Beiden ein inniges Verhältniß, das auch fpäter noch fortdauerte. 
Am Jahr 1514 erhielt Schwebel in Straßburg die Prieftermeihe, wo: 
rauf er in das Kloſter oder Spital des heiligen Geiftes zu Pforzheim 


1) Quellen: Johannis Schwebelii vita auctore Henrico Schwebelio; 
Seckendorf, historia Lutheri, I,; Entwurf einer Kirchen und Reformationg- 
zefhichte von Zweibrücken, (Frankfurt 1784); Maji, vita Reuchlini; Lam pa⸗ 
bius, Beiträge, ©. 200 ff; deutjche Schriften von Schwebel, herausgegeben von 
ieinem Sohn (Zweibrüden, 1597); Iſelin, Lexikon; Vierordt, Geſchichte 
der evang. Kirche in Baden, I. xc. 

2) Das Pforzh. Lagerbuch von 1527 führt einen Hans Shweblin im ber 
Altſtadt auf; ein Schweble fommt in einem Müllerzinsbuch v. 1519 vor, 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert, 337 


eintrat. Hier wurde er bald mit dem Guardian des Franziskanerkloſters, 
Konrad Kürsner oder Pelikan, befannt, und Schwebel ſcheint fich die 
aufgeflärten religiöfen Anfichten desfelben raſch angeeignet zu haben. 1) 
Auch zu Gerbel ftand Schwebel ſchon während feines Klofteraufenthaltes 
in den freundfchaftlichiten Beziehungen. 

Als Luther am 31. Dit. 1517 feine 95 Thefen gegen den Ablaß 
veröffentlicht hatte und ihnen bald auch noch andere Schriften folgen ließ, 
fing Schwebel, der längſt für die Idee einer Reformation begeiftert mar, 
in Pforzheim 1519 im Sinne Luthers zu predigen an. Die nächſte 
Veranlaffung zu diefem offenen Auftreten mag der väterlihe Freund 
Schwebels, Pelican, geweſen fein, der fich aber damals nicht mehr in 
Pforzheim befand, fondern in Baſel aufhielt. Ebenſo mag der Brief: 
wechſel, den er mit Melanchthon, damals Lingft in Wittenberg, führte, 
nicht wenig zu dieſem Entſchluß beigetragen oder ihn doch darin beftärkt 
haben. Bon diefen Briefen find manche noch vorhanden. 2) So richtete 
Melanchthon an Schwebel am 11. Dez. 1519 ein Schreiben, 3) worin 
er unter Anderm fagt: „Im Juni ift mein Bote bei Euch gewefen, 
Du fragft nad) unferm Studium? Im Sommer habe ich den Matthäus 
erklärt; ich würde Dir meinen Commentar darüber geſchickt haben wenn 
der Bote nicht fo ſehr geeilt hätte. Die des Römerbriefs bin ich 
Dir zu fchiefen bereit, Wenn ich doch mündlich mit Dir reden könnte! 
Grüße Reuchlin und Caſpar (Glafer) und alle Freunde! 11: Dez. 
1519." Mehrere andere diefer Briefe geben Zeugniß von dem engen 
freundſchaftlichen Verhältniß, das zwiſchen beiden geiftesvermandten 
Männern beitand. So theilte Melanchthon Schwebel im Vertrauen 
feine von Luther abweichende Anficht über das heilige Abendmahl mit 
(1520), % und Melanchthon, deſſen ängftliches und verſchloſſenes Weſen 
bekannt ift, würde ficherlich nichts Derartiges Luthern gegenüber, den er 
fo unausfprechlich verehrte, geäußert haben, wenn der Empfänger bes 


1) Bergl, bier wie überall: „Geſchichte der Reformation in Pforzheim,“ 
©. 304 fi. 

2) Sie ftehen in Centuria epistolarum ad Schwebelium, 1597 herausgege— 
ben vom Sohn Schwebels, dem Kanzler Heinrih Schwebel. 

2) Dasielbe ift überichrieben: Philippus Mel, Johanni Schwebelio sacerdoti 
sancti spiritus, fratri suo carissimo, d. h. Philipp Melanchthon an Job. 
Schwebel, Priefter bes heiligen Geiftes, feinem geliebteften Bruder. 

*) Der Brief ſteht Seckendorf, hist, Luth,, I., 303. 

Pflüger, Pforzheim. 22 


338 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert. 


Briefes nicht in fo innigem freundichaftlichen Verhältniß zu ihm geftan- 
den wäre, Bon letzterm gibt aber auch noch ein weiterer Brief Melanch⸗ 
thong vom nämlihen Jahr Zeugniß. Er fchreibt darin unter Anderm: 
„Du irrft, wenn Du glaubft, mein lieber Schwebel, daß ich von irgend 
Jemand angenehmere Briefe erhalte, als von Dir, deſſen Herz mir ſchou 
fo Yange erprobt iſt. Meine heimathlichen Freunde haben mich fait alle 
vergeffen, aus den Augen, aus dem Sinn. Faft bift Du noch der 
Einzige, der an mich denkt. Die Studien find mein Troſt. Luther ift 
größer, als ich mit Worten ausdrüden kann; ich bewundere ihn mehr, 
als Mecibindes feinen Sofrates. Ich ſchicke Dir einen Brief von Hutten, 
Grüße Gerbel und Eafpar Gtafer.” — 

Das erfte Auftreten Schwebels in Pforzheim zu Gunften der 
Reformation fcheint indeffen nicht ganz den erwarteten Erfolg gehabt 
zu haben. Sei es, daß die Gemüther dazu noch nicht gehörig vorbereitet 
waren, oder daß Schwebel nicht mit der nöthigen Vorfiht und Klug: 
beit verfuhr, oder daß Markgraf Philipp feine Ueberzeugung nicht theilte 
oder doc, Gründe hatte, ihr nicht zu folgen: genug, Schwebel mußte 1521 
auf marfgräflichen Befehl Pforzheim verlaffen und fah fi) genöthigt, 
jenfeit® deg Rheins bei dem Ritter Franz von Sickingen auf der Ebern- 
burg Schuß zu fuchen. In diefer „Herberge der Gerechtigkeit”, wie 
die NReformationsfreunde Sickingens Burgen zu nennen pflegten, fanden 
au Oekolampad und andere Ähnliche Männer bereitwillige Aufnahme, 1) 
Dort fanden zwifchen ihnen und Sidingen, fowie den Rittern Ulrich 
von Hutten, Dieter von Dalberg und Hartmuth von Eronberg 
vielfache Befprechungen über Gegenftände politifher und religiöfer Natur 
ftatt, an denen Schwebel den eifrigften Antheil nahm. Einer der 
wichtigften Gegenftände ihrer Verhandlungen bildete die Mefje. Sie waren 
zuerft uneins, ob diefelbe abgeichafft oder in deutfcher Sprache beibehalten 
werben folle. Zu leßterer, als einer vermittelnden Anficht, neigten fich 
zulegt die meiften der Anmefenden, was zur Folge hatte, daß Sidingen 
bie deutſche Meſſe auf allen feinen Gütern einführt. Die weitern 
Punkte, über melche namentlich die beiden Ritter Hutten und Sickingen 


1) Befanntlih wurde auch Luther, als er zum Reichstag nad Worms 
reiste, von Sicdingen eingeladen, auf der Ebernburg Sicherheit zu ſuchen, 
wenn er es für nöthig fünde; aber Luther machte von biefem Anerbieten feinen 
Gebraud). 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 339 


fich einigten, waren: 4. Einführung des Abendmahls unter beiden Ge 
ftalten; 2, Abſchaffung des Heiligenkultus; 3. Abichaffung der klöſter— 
lichen Gelübde; 4. Abichaffung des Cölibats. Daß Schwebel aud) 
dieſer Anficht huldigte, geht aus einer Stelle eines Briefes hervor, wo 
er ſchreibt: „Daß ich die Meſſe deutfc) Fee, halte ich für fein Ver— 
geben, ſchäme mich auch defjen nicht und brauche das Licht nicht zu 
fchenen. Ich thue diefen Schritt öffentlih mit dem Wunſche, daß mir 
alle darin nachfolgen möchten, Unrecht war e8 either, daß diefe heilige 
Handlung in einer den Laien umverftändlichen Sprache vorgetragen wurde. 
Warum foll denn der Jnhalt der heiligen Schrift, den fie mit Andacht 
mhören, ein Geheimniß bleiben? Irre ich, fo bitte ich, daß die heilige 
Schrift mic auf den Pfad der Wahrheit zurüdführe. ” 

Während feines Aufenthaltes auf der Ebernburg machte Schwebel 
im Jahr 1522 im zwei Ausgaben ein Schreiben bekannt, das Franz 
von Sickingen an den Vater feiner Schwiegertochter, den Ritter Diet: 
rich von Handſchuchsheim, gerichtet hatte und worin diefem feine Bedenk- 
Vichfeiten gegen die Einführung der Neformation genommen werden 
follten. Schwebel begleitete diefe Schrift mit einem Vorwort an Georg 
von Keutrum zu Pforzheim. In demjelben (datirt von der Ebern: 
burg, 29. Juni 1522) lobt Schwebel jeines „Lieben günftigen Junkers 
Georg Luthrumer” hriftliches Gemüth, bittet ihn, die Pforzheimer Freunde 
der evamgelifhen Wahrheit zur Standhaftigkeit zu ermahnen, und be 
dauert, daß er (Leutrum) nicht Zeuge fei, wie eifrig Franz von Sickingen 
am Schickſal des Evangeliums Theil nehme. Die Sachen hätten fich 
heutigen Tages feltfam verkehrt; ehemals feien die Laien über dag Geſetz 
Gottes durch die Priefter unterrichtet worden; jet müßten umgekehrt die 
Briefter durch fromme Ritter, wie Sidingen und Cronberg, an Gottes 
Gefe erinnert werben, 

Markgraf Philipp hatte fih mit Schwebel ſchon 1522 wieder 
verföhnt, und es fcheint Teßterer im nämlichen Jahre entweder von ber 
Ebernburg oder von Landftuhl aus, wo ihm Franz von Sickingen nad 
bereit3 erfolgter Ablegung feines Drbdenskleides die Pfarrei übertragen 
hatte, einen Beſuch im Pforzheim gemacht zu haben. Wenigftens ift 
eine Schrift, die er herausgab und die von Hans Greiffenberg dafelbit 
gedrudt wurde, datirt: „Pforzheim den 1. Chriftmonat 1522.” Dies 
felbe führt den Titel: „Ermanung zu den Queſtionirern (d. 5. Bettel- 
mönden), überflüjfige Koften abzuftellen.” Auf dem Somit des 


340 Amölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


Titelblattes ift der Papft mit der dreifachen Krone abgebildet, und zwar 
hinter einem vollen Sad ftehend , der die Auffchrift trägt: „Umb gelt 
ein Ablaß, zu verfundigen gegen gelt.“ Nicht weit davon fchwingt ein 
Knabe in jeder Hand eine Schelle; zur Seite fteht eine gefüllte Geld- 
fifte und Iniet ein Bauer, der Abla verlangt und dafür einen Hahn 
und, wie es fcheint, ein neben ihm liegendes Schmein bietet. Diefe 
Schrift, eine der interefjanteften und befannteften Schwebels, beginnt mit 
den Worten: „Den würdigen, andechtigen Herren, fo wegen der armen 
und fpitalen gunft halten (d. h. kollektiren) und Almueſen fammeln, 
wünfchet Joannes Schweblin, Diener der armen, gnab und frieden 
Gottes." Der Schrift felbft entnehmen wir folgende Stelle: „Für 
die Armen zu forgen und zu ſammeln ift Pflicht, befonders aber derer, 
welche dazu gefett find. Letztere haben jchon die Apoſtel verordnet, die, 
mit dem Worte Gottes beichäftigt, der Tiſche nicht warten Fonnten. 
Noch jebt gibt das Volk willig für die Armen; aber es kommen oft 
Unmürdige, welche recht gut arbeiten Könnten, Die römifche Gewalt 
läßt zu, daß Almofen gefammelt werden, und wir reiten mit fchmerer 
Zehrung gen Rom, zahlen dort die Kopiften, Notarien, Sefretäre und 
viele hundert Dufaten in des Papftes Kammer für ein Pergament mit 
angehängten Blei, darin wir als päpftliche Bevollmächtigte auf einige 
Sabre beftellt werben zur Einziehung des Ablaſſes. Aber wozu die 
großen Koften, aus fremdem Land Erlaubniß zu holen? Jeder darf 
in Nöthen Almofen jammeln, und wozu römiſchen Ablaß? Chrijtus, 
unfer lieber Herr und Seligmacher, hat ung genugfam angezeigt den 
höchſten Ablaß: Ihr habt mich gefpeist, gekleidet, getränft. Was wird 
Chriſtus zu denen jagen, die fich zueignen, was den Armen gegeben 
wird? Das gefammelte Ablapgeld gehört den Letztern. — Wer den 
Bann des Papftes fürchtet, der vernehme, was Chriftus zu einigen 
Süngern fagte, die gegen eine famaritifche Stadt Teuer vom Himmel 
verlangten: Des Menjchen Sohn ift nicht gefommen, zu verderben, 
fondern felig zu machen, was verloren if. Die Summe für päpftliche 
Bullen fteigt je mehr und mehr; bei jedem neuen Papft muß die ECon- 
firmation der vergebenen Freiheiten frifch bezahlt werden mit vielem 
Gelde, und doc jagt Chriftus: Meine Worte werben nicht vergehen! 
Wollte man einwenden, ſolche Botſchaften und Gunften find nothwendig, 
damit nicht Einer aus eigener Gewalt fich deſſen anmaße, fo entgegne 
ih: Über nicht foll e8 mit fo großen Koften gejchehen, Die Gelder, 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Sahrhundert, 341 


welche die Biſchöfe und Prälaten einſtecken, follen den Armen zufommen. 
Für ein Mandat muß man dem Bifchof 40 Gulden bezahlen oder auch 
mehr; dann fommen aber erft noch Pfarrer, Frühmeßner, Kaplan, Schul: 
meifter, Meßner, Colleftores u, dgl., welche alle ihre Jura haben und 
von dem DBettel reich werden wollen. Wenn ein Tyrann die Armen 
beraubte, mürde Jedermann Mord über ihn ſchreien. Dazu kommen 
noch mancherlei Stationirer, die das unverftändige Volk verführen, aus: » 
gelaufene Mönche, die für einen alten Bildftod fammeln, der gut fein 
ſoll gegen Peftilenz zc,, der ein Mittel fein fol gegen wüthende Hunde ꝛc. 
Kurz, von 1000 Gulden, die gefammelt werden, fommen vielleicht nicht 
10 an die Armen. Bedenfet das wohl, auf daß es anders werde.” 
Dean fieht fowohl aus einzelnen Stellen diefer Schrift, als aus der ges 
nauen Kenntniß, welche Schmwebel über das ganze Mefen hat und an 
ben Tag legt, daß er felbft Meifter vom Fach und wohl eine Zeitlang 
Dueftioniver geweſen war. 

Am Jahr 1523 erhielt Scwebel einen Ruf nad Zweibrücken, 
wo Pfalzgraf Ludwig IL. ihn zum Superintendenten ernannte und ihm 
das Gefchäft der Neformation in Luthers Sinn und Geift auftrug. Um 
fiher zu fein, nichts Voreiliges oder Unbefonnenes zu thun, bevieth er 
fich vorher forgfältig mit Johann Sturm aus Straßburg, diefem 
gelehrten Mann und eifrigen Neformationsfreunde, uud eine foldhe 
Mäßigung war um fo nothiwendiger, als nad) dem Tode Ludwigs II. 
von Zweibrüden deſſen Bruder Ruprecht die Vormundſchaft für den 
minderjährigen Sohn Ludwigs, Wolfgang, übernahm und fi mit Ein- 
führung der Reformation nicht übereilte. 

Schwebel befuchte auch tm darauffolgenden Jahr 1524 feine geliebte 
Baterftadt wieder, und hielt dafelbft in der Spitalficche am Sonntage 
Misericordias eine Predigt, die in mehreren Auflagen unter dem Titel: 
„Bom guten Hirten” gedrudt wurde, ine derjelben ift von einem 
Driefe des Schwebel innig befreundeten Nikolaus Gerbel in Straßburg 
begleitet, worin derfelve feine evangelifch gefinnten Landsleute in Pforz⸗ 
beim auffordert, der einmal erkannten Wahrheit treu zu bleiben. Die 
Predigt (über Joh., 10) ſpricht von der Pflicht des Predigers, bie 
Sünde feines Standes zu verfchonen, vom Unterfchied zwiſchen dem 
Hirten und dem Miethling, der ſich felbft, nicht die Schafe weide, ihnen 
aber ſchwere, ja unerträgliche Laften auflege. „Der gute Hirte Jeſus 
Chriſtus aber läßt frei die Speife, welche Gott gefhaffen hat, bindet 


342 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 


uns ar feinen Tag und Feine Zeit. Wehret auch nicht, ehelich zu werden 
den Geiftlichen, fuchet nicht zeitliche Ehre und Herrſchaft; denn Chriſtus 
hat fein Leben gelaffen für die Schafe, hat genug gethan für die Sün— 
den der Melt, wovon ich nächſt Freitags geredet habe, ?) warne vor 
den Blinden, die Andere leiten wollen und mit ihnen in die Grube 
fallen. Die „Miethling” aber werfen auf, etliche den Bernhardum, 
etliche den Franzisfum, die dritten den Dominifum u. dgl., davon fie 
fich nennen, obgleich nicht diefe für uns geftorben find. Am Schlufie 
der Predigt heißt e8: „Ich acht, liebe Freund und Brüder, daß Gott 
gewollt hat, daß ich noch eins bei end) predigen follt, wie jegund ges 
fchehen ift, und eben das Evangelium, damit ich euch ermahnt, bei dem 
Hirten zu bleiben, weil ev euch wiederum beimgejucht und fein Wort 
euch mittheilt. Iſt meine Bitte um Gottes willen, ihr wollet bei dem 
Evangelium bleiben und Niemand laſſen abwenden; ob mir ſchon Gott 
die Gnade nicht mehr thut, daß ich bei euch Könnte predigen, will idy 
jetst ermahnt und gebeten haben, bei göttliher Wahrheit zu bleiben und 
Gott für mich zu bitten, daß ich im rechten Glauben bleibe, will ich 
auch thun für euch. Hiemit Gott befohlen, Amen.“ 

Daß Schwebel mit dem Markgrafen Philipp jest auf beftem Fuße 
ftand, geht daraus hervor, daß er auf Verwendung bdesfelben, als er 
fih nod im Jahr 1524 verebelichte, einen großen Theil des Vermögens 
zurück erhielt, weldyes er einft als junger Mönch feinem Klofter in Pforz— 
beim zugewendet hatte. Schwebel hatte indeffen den Markgrafen, mit 
dem ihn das Schieffal mehrfach zufammenführte, durch und durch erkannt, 
und ihm in einem Briefe, indem er ihm zu feinen Reformen Glück 
wünfchte, zugleich and die Warnung angerufen : „Ne respiceres Aegyp- 
tum“, d. 5. daß er fich nicht nach den Fleiſchtöpfen Aegyptens umfehen 
folfe. Der weitere Verlauf der Reformation in Pforzheim beweist, wie 
gegründet diefe Warnung war. 

Sein wichtiges Amt als Superintendent in Zweibrücken beffeidete 
Schwebel mit treuem Fleiße bis zu feinem Tode, welcher am 19. Mai 
1540 erfolgte, nachdem er namentlich eine Reihe von Jahren hindurch 
in freundfchaftlichitem Umgang mit Johann Bader, dem Stadtpfarret 
zu Landau , gelebt hatte. Von feiner ſchriftſtelleriſchen Thätigkeit und 


1) Beweis, daß Schwebel während diefes Aufenthaltes in Pforzheim nicht 
nur ein Mal dafelbft gepredigt hat. 


Zwölfles Kapitel, Pforzheim im 16, Jahrhundert, 343 


der ausgebreiteten Korreſpondenz, welche er führte, zeugt eine. größere 
Anzahl von Schriften, die er theils felbit herausgab, theils fein ältefter 
Sohn Heinrih zum Drude beförderte, 

Der Nachfolger Schwebels in Zweibrücden wurde aud wieder ein 
Pforzheimer, Kajpar Glaſer (S. 195), den er 1532 als Lehrer 
und Erzieher des noch minderjährigen Herzogs Wolfgang dahin berufen 
hatte, 5 

- Was den Charakter Schwebels betrifft, fo zeigte ſich derjelbe ftets als 
ein milder und verföhnlicher, und um des lieben Friedens willen war Schw. 
oft mehr zur Nachgiebigkeit geneigt, als feine Freunde billigen wollten. 
So wurde er von Gerbel, als er 1521 eine Schrift herausgeben wollte, 
deren Druck diefer beforgen follte, wegen der darin enthaltenen Stelle: 
„Damit will ich dem Papſt feinen Ablaß nicht verworfen haben”, ges 
tadelt und von Gerbel aufgefordert, diefelbe zu ftreihen, Daß er auf 
der Ebernburg nicht für Abſchaffung der Meffe ftimmte, ift bereits er- 
zählt worden. 

Unter den Theologen feiner Zeit nahm Schwebel eine bedeutende 
Etelle ein. Sein Lieblingsftudium mar das Hebräifche, weshalb er oft 
mit Juden verkehrte, was ihm die Katholiken nit wenig zum Vorwurf 
machten, indem fie fagten, er fite des Sabbaths unter den Juden und 
lehre das Volk das Judenthum. Seine freiern Anfichten über manche 
theologischen Streitpunfte brachten ihn fpäter bei den Xutheranern in 
den für die damalige Zeit entjelichen Verdacht, daß er ein Zwinglianer 
fi. Daß er fid) namentlich in Bezug auf die Lehre vom heiligen 
Abendmahl mehr der Auffaffung der reformirten Kirche zuneigte, geht 
aus mehreren Stellen feiner Schriften und ſodann auch daraus hervor, 
daß er die damit ziemlich übereinftimmende Confessio tetrapolitana, 
d. b. das von ben oberbeutichen Neichsftädten Straßburg, Konftanz, 
Memmingen und Lindau dem Kaifer auf dem Reichstag in Augsburg 
4530 neben der Augsburger Gonfeffion noch befonders überreichte lau: 
bensbefenntniß förmlih annahm. Don allem Parteieifer und Partei: 
Haß war er aber weit entfernt, und wollte auch weder lutheriſch noch 
paulinifch heißen; nur ein Chrift wollte er bleiben; „denn“, fagte er, 
„wicht Luther ift für mich geftorben, fondern Chriſtus.“ 

Was die Familie und Nachkommen Schwebels betrifft, jo ift feines 
älteften Sohnes Heinrich, der zweibrücdifher Rath, fpäter Kanzler 
wurde und nicht nur feines Vaters Briefmechjel herausgab, fondern aud 


344 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 


deffen Leben befchrieb, mehrfach erwähnt worden. 1604 lebte Joh. 
Ludw. Schwebel, zweibrüdifcher Beamter; ) 1777 ftarb Nitol. 
Schwebel, ein Gelehrter aus Nürnberg, Rektor an der Schule dafelbit 
und zu Ansbach, welcher mehrere Werke herausgab; — 1778 bis 1782 
war Friedrich Schwebel Pfarrer zu Bifchweiler. 2) Der franzö— 
fifche Generaltonful in Tripolis 1833 hieß Schwebel. ) In Porz 
beim ſelbſt ift das Gefchlecht der Schwebel Tängft erlofchen, 


C. Nikolaus Gerbel.®) 
(1490—1560.) 


Nikolaus Gerbel war um 1490 in Pforzheim geboren und ber 
Sohn eines Malers dafelbft. Er befuchte in feiner Jugend die fo be 
rühmte Schule feiner Vaterftadt und begab ſich fpäter zur Fortſetzung 
feiner Studien nah Köln. Schon damals (1507) knüpfte er einen 
lebhaften Briefwechfel an mit Tritheim, dem berühmten Chroniften von 
Hirſchau, 5) wie er denn auch fpäter in bejtändigem fchriftlichen Verkehr 
mit faft allen ausgezeichneten Männern feiner Zeit ftand. — Von Köln 
ging ©erbel nad) Tübingen, wo er 1508 Magifter wurde, 6) und Fehrte 
dann auf eine Zeit lang nad) Pforzheim zurück, wo er an der nämlichen 
Schule, der er früher als Schüler angehört, und an welder damals 
Simmler und Lift wirkten, nunmehr auch als Lehrer thätig war. Um 
feinen Kenntniſſen einen noch weitern Umfang zu geben, begab er fich, 
mit Empfehlungen feines väterlichen Freundes Reuchlin, namentlich an 
den ausgezeichneten Juriſten Crifpinian verfehen, 1512 auf die Univer- 
fität nad Wien, Er ſcheint zuerft unfchlüffig geweſen zu fein, welchen 
Studien er ſich vorzugsweife hingeben follte; denn er jchreibt an Pfing: 
ften 1512 von Wien aus an Reuchlin: ) „Sch erwarte, was Du aus 


N) Kulmann, Geſchichte von Biſchweiler, S. 33, 136. 

2) Ebendaſelbſt, S. 116 und 139, 

2) Greuzer, zur Gefhichte altrömifcher Kultur, ©. 105. 

) Quellen: überall angegeben. 

8) Siehe die zwei Briefe in Trithemii Abbati Spanhemiensis epistolarum 
familiarium libri duo, Hagenau, 1536, ©. 273; Jung, Beiträge, IL, 19. 

6) Erufius, ſchwäb. Chronik, II, 368, 

?) Der Brief fteht in; virorum illustrium epistolae ad Joh. Reuchlin, 
lb I, Tub. 1514, (Jung, Beite, IL, 195.) 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert. 345 


mir machen willft. Soll ich die Griechen ftudiren? Soll ih Platonilker 
werden? Sol ih den Livius leſen?“ — Sein Hauptftubium fcheint 
aber nunmehr die Rechtswifjenfchaft geworden zu fein, in welcher er fo 
glänzende Fortfchritte machte, daß er in Wien felber, wenn auch nur 
vorübergehend, den Lehrftuhl befteigen Konnte. 1) Auch trat Gerbel ſchon 
damals als Schriftfteller auf 2) und begann damit eine Zaufbahn, auf 
welcher er in der Folge eine ungemeine Fruchtbarkeit entfaltet, Nach 
zweijährigem Aufenthalte in Bafel (1514 und 1515) ließ ſich Gerbel 
in Straßburg als NRechtskonfulent nieder. Schon früher war er außer 
mit dem fchon erwähnten Tritheim auch mit Ulrich von Hutten in 
Yiterarifche Verbindung getreten, welcher ihn zu den hauptfächlichiten Be— 
förderern der Haffishen Studien zählte, 3) ferner mit dem Freiburger 
Auriften Zafins, welcher ebenfalls höchſt ehrenvoll über ihn urtheilt, 2) 
ebenjo mit feinem Sugendfreunde Melanchthon und mit Erasmus 
von Rotterdam, der ſich in einem Briefe 5) alfo über Gerbel ausſpricht: 
„Seit mandem Jahr habe ich an keinem Umgang mehr Freude gehabt, 
als an feinem, und von feinem Menſchen veripreche ich mir Größeres, 
als von „Beatus Nhenanus und von Gerbel,“ 

Sn Straßburg entwidelte er neben den Gejchäften, welche fein 
Beruf mit fih bringen mußte, und zu denen auc die Löfung der 
Nechtsftreitigfeiten des dortigen Domftiftes gehörte, eine erftaunliche 
wiſſenſchaftliche Thätigkeit, namentlich auf den Gebieten der alten klaſ— 
fifchen Literatur und der Geſchichte, und gehörte ſchon 1518 zu den 
berühmteften Männern feiner Zeit. So gab er in den Jahren 1515 
und 1516 unter Anderm Ovids Metamorphofen, (Straßburg bei 
Shurer) und den Terenz heraus, Als Luther das Werk der Refor— 
mation begann, gehörte Gerbel zu denjenigen Männern, welche ſich als: 
bald mit großer Entfchiedenheit auf die Seite des kühnen Möndyes in 
Wittenberg ftellten und überhaupt an den Neligionsangelegenbeiten jener 
Zeit den eifrigften Antheil nahmen, Aus diefem Grunde Tag er mit 
Ausdauer dem Studium des neuen Teftamentes, der Kirchenväter und 


1) Vergl. Denis, Gefchichte der Wiener Buchdruckerei, 1782. 

?) Denis, Gefhichte der Wiener Buchdruckerei, S. 85 und 19. 

3) In ber Borrebe zur erften Ausgabe des Livius (Mainz, 1518), welde 
in Deutſchland erſchien. 

*) Riegger, Udal, Zasi opist. ©, 2 und 284. (Qung, I., 194.) 

5) Röhrich, Reformationsgefchichte des Elſaßes, I, 126. 


346 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 


der neuern theologifhhen Schriften ob, vielleicht auch mit zu dem Zweck, 
um feinen Freund und Lehrer Reuchlin in den Berfolgungen, welche 
diejer damals auszuftehen hatte, nicht nur mit feiner Jurisprudenz und 
feinen bumaniftifhen, fondern auch feinen theologiichen Kenntniffen um 
fo kräftiger unterftüßen zu können. Noch mehr als alle Straßburger 
Theologen jebte er fih mit den Mittenberger Neformatoren in engite 
Berbindung, und er war es hauptſächlich, dev durch Verbreitung ber 
Schriften Luthers gemeinfhaftlih mit Math. Zell in Etraßburg am 
meiften dazu beitrug, am Oberrhein die Gemüther für die Lehren 
Luthers zu gewinnen, Dies gefhah vorzüglich dadurch, daß alle Schrif— 
ten Luthers, um die große Nachfrage zu befriedigen, nachgedruckt wurden, 
und zwar oft wenige Mochen nach dem Erſcheinen des Originals, Mit 
den Straßburger Geiftlichen, mit Ausnahme des erwähnten Matth. Zell, 
war übrigens Gerbel nicht zufrieden; er fchreibt darüber an Schwebel: 
„Hier. in Straßburg find wir im zwei fich haſſende Parteien getheilt. 
Straßburg ift mein Tod; nur Wenige haben Chriftum lieb; nur ein 
Prediger (Zell) predigt das Evangelium; die anderen find Kalt.“ 9) 
Sein freundſchaftliches Verhältniß zu Schwebel zeigt ein ſchon früher 
(Juli. 1519) an denfelben gefchriebener Brief. Gerbel fagt darin 
u. A.: „Wenn Du aud) über mein Nichtichreiben Hagft, jo bin ich 
doc, Dein alter Freund, bejonders da Du von Kindheit an zu meinen 
Freunden gehörft. Schreibe mir von Deinen Studien nnd grüße den 
Meifter (nämlich des Heiliggeiftipitals, in welchem ſich Schwebel damals 
noch befand, wahrſcheinlich Hütlin, S. 187) und Deine Brüder daſelbſt!“ 

An Luther fchreibt Gerbel (18. Mai 1521), als jener auf dem 
Reichstag in Worms war, einen Brief voller Liebe und Theilnahme; 
aber derfelbe fcheint Luthern erft auf der Wartburg zu Handen gekom— 
men zu fein. 2) Mit defien übrigen Treunden war Gerbel übrigens in 
größter Angit über Luthers plößliches Verſchwinden bei der Rückreiſe von 
Worms, wurde jedoch von Luther in einem Brief, den er unterm 
4. Nov. von der Wartburg aus an Gerbel fehrieb, beruhigt. Er vers 
ſprach, ihm feine neueften Schriften durch Spalatin zu ſchicken und 
wünschte ihm Glück zu feiner neulich vollgogenen Heirath. Luther wurde 


ı) Kung, Beiträge, IT, 61. 
2) Seckendorf, hist. Luth,, V., 361, 


Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16, Jahrhundert 347 


ſpäter auch Pathe jenes erfigebornen Sohnes. 1) Noch im Jahr 1524: 
beforgte Gerbel eine Ausgabe des neuen Teftamentes im Urterte (Has 
genau in 49), da die Nachfragen nach biefem Buche kaum zu befriedigen 
waren, Mit Eifer bekämpfte er in der Vorrede den Grundſatz, daß 
es in der hriftlichen Lehre Geheimniffe gäbe, melde der Menge nicht 
mitgetheilt werden könnten, weil fie nicht empfänglich dafür fei, und führt 
dagegen an, daß Ehriftus ja auch feine befeligende Lehre vor Fiſchern 
u. oͤgl. gepredigt habe. 

Ein abermaliges Schreiben Luthers an Gerbel ift vom 29. März 
1522 datirt, „Ohne Zweifel“, heißt es darin, „ilt mein Brief aus 
der Müfte (Wartburg) Dir durch Phil. Melanchthon zugefchiett worden.“ 
Luther erzählt in diefem Briefe unter Anderm, daß er in Wittenberg 
babe Ruhe jtiften müflen. Im nämlichen Jahre ließ Gerbel als Frucht 
feiner theologifchen Studien der Kirchenväter die Schriften des Hermas 
in Straßburg druden ?) und fuhr auch jonft fort, die Schriften Luthers 
in Straßburg, Hagenau und zum Theil auch in Bafel fo ſchnell als 
möglich durch die Preſſe vervielfältigen zu laffen Wie er dadurch der 
Sache der Reformation vortreffliche Dienfte Teiftete, jo nahm er fich 
auch willig der Anhänger der Neformation an, wie unter Anderm ein 
Empfehlungsbrief beweist, ben er einem Geiftlichen an Zwingli mitgab. 
„Der Mann“, fchreibt Gerbel, „it lange im Gefängniffe gewefen und 
wohl im Stande, fih, Frau und Kinder mit Hülfe einer Vehrſtelle 
durchzubringen.“ I) Wie umfaffend die Studien Gerbeld waren, zeigt 
eine Stelle aus einem Briefe von 1523, worin er felber fagt, daß er 
fi jest am liebſten mit dem Hebräifchen befchäftige im Verein mit 
feinem Tiebften Straßburger Freunde Hebdio. *) 

Mit Luther ftand Gerbel aud in den folgenden Jahren in une 
unterbrochener Korrefpondenz. Betrafen ihre Briefe meift theologifche 
Gegenftände, jo einige derfelben die Verirrungen Karlftadts, den Luther 
des Ehrgeizes beſchuldigt 5) und den Gerbel den Verläumder Luthers 
nenmt: fo blieben auch ihre gegenfeitigen häuslichen Werhäftnifie darin 


) Röhrich, I, 309. 

2) Jung, Beitr. 

) Schuler, I, 192. 

*) Centuria epist, theol, ad Schweb., p. 38. 

5) Luthers Werke, herausgegeben von Wald, XV., ©. 2445, und 2452, 


348 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert, 


nicht unberührt. Als Gerbel fih im Jahr 1525 zum zweiten Male 
mit einer gewifien Dorothea (es ift nichts Weiteres über fie bekannt) 
verheirathete, erhielt Luther ſogleich Nachricht davon, und fehrieb deshalb, 
an Gerbel:1) „Grüßet Eure Frau und bittet fie mir auf Pfingften 
zur Gevatterin, wo e8 ein Töchterlein iſt; ift e8 aber ein Sühnlein, fo 
müßt Ihr Gevatter fein, wo hr mic; deffen würdig adhfet.“ (Der 
Sohn hieß Johannes und wurde des Vaters Liebling.) Und 1527 
ihrieb wiederum Gerbel an Luther: „Ich bin wohl und erwarte näch— 
fter Tage Segnung vom Herrn; denn meine Gattin ift in Hoffnung, 
und ich weiß nicht, welche nahen Freuden, welche Süßigfeit fie mir ver: 
ſpricht. Wenn das Ereigniß mit göttliher Gnade gut vorüber geht, 
was gibts, fage mir, Glüclicheres und Erhabeneres, als Gerbel?“ 
Als Probe des derben Briefftyls Gerbels , deſſen er fih manch Mal 
bediente, wenn er an Bekannte fchrieb, mag folgende Stelle aus einem 
Schreiben an Luther vom 23. März 1525 dienen:?) „Zu ganz ge 
legener Zeit haft Du mich, mein Luther, gemahnt, mich nicht darüber zu 
wundern, daß, wenn wir unfere Mannjchaft aus dem Lager führen, der 
närriihe Satan ſogleich auch Alles in Bereitichaft ſetzt, um das Voll 
Gottes zu bekämpfen. Wie wenn er (der Satan) nicht wüßte, daß die 
- Evangelifhen durch den heiligen Geift aufs Beſte gepanzert feien, und 
daß derjenige, der recht hinterliftig zu fein meint, gerade zu allererft in 
die Grube fällt! Ms Du vor einigen Jahren die römischen Prieſter 
und den ganzen römifchen Sklaventroß derb durchhechelteft, wie fie es 
verdient hatten, da war ihnen das doc) etwas zu hart” ꝛc. — In einem 
andern Brief vom 21. Oft. 1530 mit der Aufichrift: „Dem durch 
Frömmigkeit und Ausdauer ehrwürdigen Mann Martin Luther, dem 
Beihüger, feinem -Gevatter, feinen freundlichften Gruß Nikol. Gerbel," 
ermahnt er am Schluſſe Kuthern zur Standhaftigkeit mit den Worten : 
„Dleibe Div gleich, wie Du Dir bisher beharrlich gleich geblieben bift, 
und laß Dich durch Feine Menfchengunft von Gottes Gnade abwenden.” 
Einer der letzten Briefe Gerbels, vom 1. Auguft 1544, ift an Melandh: 
thon gerichtet. Er empfiehlt demſelben darin einen jungen "Mann, Na: 
mens Hieron. Bopp, der im Begriff war, die Univerfität Wittenberg zu 
beziehen. 
1) Wald, XXL, 1004, 
2) Schadaei, epist, de re sacramentaria, 1. 


Zwolftes Kapitel, Pforzheim im 16. Jahrhundert. 549 


Das Amt, das Gerbel in Straßburg zuletzt bekleidete, war das 
eines Profefiors der Gefchichte, worin er, wie in manchen andern Wiffen: 
haften, gründlich bemandert war. Auch die Mufe feines Vaters war 
ihm Hold, und wenn er fi) von den Sorgen eines fo vielfach thätigen 
Zebens zurüdziehen konnte, fo füllte nicht felten die ftille Beichäftigung 
mit Malerei feine Stunden aus, wie aus manchen feiner Briefe an 
Luther und aus einer gemalten Anſicht von Genua hervorgeht, mit der 
er, als den Werke feiner Hand, 1540 auf dem Tage zu Hagenau 
einen feiner Gönner (den franz. Geſandten Baif) beſchenkte. 1) Gerbel 
ftarb in hohem Alter zu Straßburg den 20. Januar 1560. 

Auf den Charakter und die Gefinnung Gerbels laſſen fi ſchon 
aus dem Bisherigen, namentlih aus den mitgetheilten Bruchſtücken 
feiner Briefe, manche Schlüſſe ziehen. Unter allen Straßburger Ge: 
Vehrten, die zur Zeit der Reformation Tebten, zeichnete fich Feiner fo fehr 
durch Eifer und Thätigfeit aus, als Gerbel, der neben feinem Rechts— 
ftubium auch die theologifhen Wiffenihaften in dem Umfang, den bie 
Reformation ihnen gab, emfig verfolgte. 2) Er war einer der eifrigiten 
Beförderer der Reformation und hing mit glühender Verehrung nament: 
ih an Luther. Von feiner Entichiedenheit in Abſchaffung der Firchlichen 
Mißbräuche zeugt fein Brief an Schwebel, worin er bdiefem über die 
Aeußerung: damit will ich dent Papfte feinen Ablaß nicht verworfen 
haben — gegründete Vorwürfe macht. Wegen feiner Gelehrſamkeit und 
feinen unermüdlichen wifjenichaftlichen Beftrebungen ſowohl, als wegen feiner 
Zuverläffigkeit und Nectichaffenheit ftand er bei feinen Zeitgenoffen, 
namentlich denjenigen, welche der Neformation zugethan waren, in höchfter 
Achtung. Einen Beleg dazu liefert die allgemeine Entrüftung , welche 
darüber entftand, daß ein Ungenannter in einem Buche über die Rhe— 
torit Gerbel als Beiſpiel eines Kirchenräubers hingeftellt hatte, Gerbels 
Freunde, aufs Tieffte erbittert über eine ſolche Schmach, wandten ſich 
an Melanchthon, der den Verläumder Fannte und dahin zu bringen 
wußte, daß er öffentlich Abbitte that. Schließen wir die Worte des 
Lobes über unfern Landsmann mit denen eines damaligen Schriftftellers,3) 
dann wird uns, indem wir auch auf das oben angeführte Urtheil be- 
rühmter Zeitgenoffen über Gerbel nochmals verweiſen, nichts mehr Hin: 

2) ung, IL, 61. 

®) Thuanus, lib. 26. 


350 Zwölftes Kapitel. Pforzheim im 16. Jahrhundert. 


zuzufegen übrig bleiben. „Nikolaus Gerbel von Pforzheim”, fo heißt 
es bdafelbft, „ein vortreffliher Mann, ausgezeichnet ebenfowohl durch 
Gelehrſamkeit, als durch Feinheit feiner Sitten und feines Benehmens.“ 

Bon den Nachkommen Gerbels find nur wenige befannt, Sein Enkel, 
Teodor Gerbel, war Rathihreiber in Straßburg.t) Ein Nikolaus 
Gerbel ftand 1573 in württembergifchen Dienften,2) Ein Georg 
Gerbel kommt 1540 in Straßburg vor.3) Ein anderer Gerbel (ohne 
bek. Bornamen) ebendafelbjt 1590. 99 ine Enkelin desfelben war die 
Ehefrau des Joh. Pappus (um 1600). In Pforzheim ſelbſt ift das 
Geſchlecht der Gerbel, gleich dem der Schwebel, Tängft nicht mehr 
vorhanden. 


1) Röhrid, I, 170. 

2) Sattler, 5, 168. 

s) Kolb, 3, 163. 

*) Fecht, epist., ©. 877, 


Dreischntes Rapitel. 





Pforzheim unter der vormundfchaftlihden Negierung und den 
Markgrafen Ernft Friedrich und Georg Friedrich. !) 
(1577 — 1622.) 


GA. Allgemeines. 


Karl II. Hinterließ drei Söhne, Exrnft Friedrich, Jalob und Georg 
Friedrich, über weldye aber, da fie beim Tode ihres Vaters noch min- 
derjährig waren, eine Vormundfchaft niedergefeßt wurde, Dieſe Vor: 
münder febten wiederum eine Landesregierung unter dem Statthalter 
Hans Landſchad von Steinach ein, dem der Kanzler Achtſynit zur Seite 
ftand, Von Beiden ift auch der wegen der Freiheiten der Stadt Pforze 
beim übliche Revers unterzeichnet, der unterm 1. Juni 1580 ausgeftellt 
wurde. 2) Die vormundichaftliche NMegierung nahm jedoch ſchon 1585 
ein Ende, nachdem diefelbe nad dem Wunſche der drei Brüder eine 
abermalige Theilung der baden=durlachiichen Lande beſchloſſen hatte, 
Ernft Friedrich erhielt die untere Markgrafichaft, 3) nebft Befigheim, 
Mundelsheim und Altenfteig; Jakob befam die hochbergiihen Befitungen 
nebft Sulzburg; Georg Friedrid wurde Saufenberg, Röteln und Ba— 
denweiler zugetheilt. Jakob ftarb jedoch ſchon 1590, nachdem er vorher 
noch zur Tatholifchen Kirche übergetreten war und bereits Anftalt ges 
troffen hatte, auch feine Untertanen wieder katholiſch zu machen; %) 


1) Die allgemeinen gefchichtlihen Quellen find die frühen; die bejondern 
find überall angegeben. 

2) Städtifches Archiv. 

3) Der im ftädtifchen Archiv befindliche Beftätigungsbrief der Freiheiten 
der Stabt ift vom 3. Februar 1585 datirt, 

*) Markgraf Jakob Tiegt in der Gruft zu Pforzheim begraben. Fein 
Standbild, welches die ſchöne Keibesgeftalt dieſes Fürſten zeigt, befindet ſich im 
Chor der Schloßlirche, und zwar, von ber Kirche aus gejehen, auf ber linfen 
Seite desſelben. 


352 Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert. 


und da ihm 1591 fein einziger männlicher Leibeserbe im Tode nach— 
folgte, fo theilten fich feine Brüder in feine Befigungen. Wurde dadurch 
das Gebiet Ernft Friedrichs vergrößert, jo dehnte er bald nachher feine 
Herrſchaft auch in noch anderer Weiſe aus. Markgraf Eduard Fortunat 
von Baden-Baden hatte ſich und fein Land durch feine Verſchwendungen 
in tiefe Schulden geftürzt und ging zufegt mit dem Gedanken um, die 
Markgraffchaft janımt dem Erbrecht zu verkaufen. Nun waren beide 
Markgraffchaften wegen älterer Schulden ungetrennt verpfändet worden, 
Mährend aber der durlachifche Antheil daran längſt bezahlt war, Hatten 
die badifchen Schulden ſich immer mehr gefteigert, und zuleßt fuchten 
die Ältern Pfandgläubiger bei Baden: Durlady Befriedigung. Um ſich 
fiher zu ftellen, ließ Ernft Friedrich 1594 Baden-Baden befegen und 
fi als Adminiftrator huldigen. Alle Bemühungen Eduard Fortunats, 
fein Land wieder zu erhalten, waren vergebens, ob er gleich feinem 
Vetter Ernſt Friedrih mit Gift, Zauberei and gedungenen Mördern 
nad) dem Leben trachtete, Nachdem er noch Kalihmünzerei und Stra: 
Benraub getrieben, flarb er 1600 in Folge eines Sturzes von einer 
fteinernen Treppe. Von den Anfprüchen, die fein Sohn Wilhelm auf 
Baden-Baden geltend zu machen fuchte, wird unten bei der Gefchichte 
de8 breißigjährigen Krieges die Rede fein. Ebenſo energifh, wie gegen 
Eduard Fortunat, bewies fi Ernft Friedrich gegen das Klofter Frauen: 
alb. Weil die dortigen Nonnen durch ihre unfittliche Lebensart viel 
Aergerniß erregten, fo vertrieb er fie aus dem Klofter, worauf einige 
nad Lichtenthal gingen, andere ſich vermählten. Die Priorin Paula 
von Meitershaufen begab fi nad Pforzheim, wo fte 1609 ftarb. 1) 
Wegen Baden-Baden war Ernit Friedrich genöthigt, immer eine größere 
Truppenmacht zu unterhalten, als es fi) mit den Kräften feines Landes 
vertrug. In feiner Geldverlegenheit nahm nun der Markgraf zwei 
Handlungen vor, die fpäter bitter bereut wurden, aber nicht mehr unges 
ſchehen gemacht werden fonnten, Im Jahr 1595 verkaufte er an den 
Herzog von Württemberg die Nemter Befigheim und Mundelsheim um 
die Summe von 334,486 fl, — und 1603 ging er mit dem nämlichen 
Fürften einen Taufch ein, der für diefen eben fo vortheilhaft, wie für 
Ernft Friedrich und feine Nachfolger nachtheilig war. 2) Der Markgraf 
I RoI6, Saiten, 1, 206 


2) Der Taufchvertrag ift abgebrudt bei Kausler, Beichreibung bes Ober⸗ 
amts Neuenbürg, ©, 162, 


Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16, zum 17. Jahrhundert, 353 


gab an Württemberg Stadt, Schloß und Amt Altenfteig mit allen 
Dörfern; ferner Stadt und Burg Liebenzell nebſt den Dörfern Meiler 
Hangitett, Beinberg, Biejelsberg, Ober: und Unterlengenhardt, Maifen: 
bach, Ernftmühle, Dennjächt, Schwarzenberg, Kollbach, Igelsloch, Schön: 
berg, Monakam und Reichenbach mit allen Waldungen, Berechtigungen 
20; — dafür erhielt er von Württemberg die Orte Malſch, Yangenftein: 
bach, Auerbah, Dietenhaufen, Itters bach, Spielberg, die Mar: 
fung von Obermutſchelbach zc. nebit einer Ausgleihungsjumme von 
481,700 Gulden. Diefes Geld ging fort, und die herrlichen Wal: 
dungen, wie fie die obere Nagolögegend aufweist, blieben für Baden 
verloren! 

Die religiöfen Wirrſale, weldye der Hinneigung Ernft Friedrichs 
zur veformirten Lehre entjprangen, wird ein bejonderer Abſchnitt behan— 
dein. Der Markgraf ftarb 1604 und wurde in Pforzheim beigejett. 
Sein Standbild im Chor der Schloßkirche (das erſte links, von der 
Kirche aus gefehen,) zeigt die ftattliche Leibesgeſtalt dieſes Fürften. 1) 
Im Gefichte drückt fich jene ftarre Unbengfamfeit aus, die ein Haupt: 
harakterzug Ernft Friedrihs war. Da derielbe feine Nachkommen 
hinterließ, fo fam die ganze Markgraffchaft, wie fie Ernſt Friedrich theils 
ererbt, theils an fich geriffen hatte, an feinen Bruder Georg Fried: 
rich, 2) 

Im Jahr 1573 geboren und fehr forgfältig erzogen, hatte diefer ſchon 
frühe eine wifjenfchaftlihe Richtung erhalten, die indeffen fo wenig, als 
der urfprünglic ſchwächliche Körper den kriegeriſchen Sinn des Fürften 
zu unterdrücken vermochte. Schon 1600 machte er einen Heerzug gegen 
die Türken mit, 1610 befehligte er mit dem Kurfürften von Branden: 
burg im Effaß, 1618 jchleifte er Udenheim (Philippsburg) ꝛc. Bon 
feiner Theilnahme am dreißigjährigen Krieg wird im folgenden Kapitel 
gehandelt werden Er war ein Meifter in der Kriegskunſt und fchrieb 


— — 


Nah Sachs, IV., 273 ſoll Ernſt Friedrich, der im ſchönſten Mannes: 
alter ftarb, (er war erft 44 Jahre alt,) in ben letzten 10 Jahren feines Lebens 
an den untern Extremitäten gelähmt geweſen fein, jo daß er fih im einem 
Seſſel oder einer Sänfte tragen laſſen mußte. 

*) Der im Stadtarchiv befindlihe und von Georg Friedrich eigenhändig 
umterfchriebene Revers wegen der Privilegien ift vom 2, Mai 1604 batirt. 


Pflüger, Pforzheim, 23 


354 Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17, Jahrhundert. 


felber ein Werk darüber; 1) — doch murde er bei feinen kriegeriſchen 
Unternehmungen im Allgemeinen vom Glück wenig begünftigt. 

Megen der Behauptung von Baden-Baden mußte aud) er fort: 
während eine ftarfe Truppenmacht auf den Beinen erhalten, namentlich 
da die Söhne Eduard Fortunats ihre Anfprüche zu erneuern nicht 
unterliegen. Bon neuen Erwerbungen ift bier des Schloſſes und des 
halben Fledens Baufchlott zu erwähnen, welche beiden Befigungen 
Georg Friedrih von Hans Chriftoph von Landenberg 1604 um 
16000 fi. erfaufte, 

Mit der Wiffenfchaft des Krieges verband Georg Friedrich aber 
auch eine genaue Kenntniß der Angelegenheiten und Bedürfniffe feines 
Landes, und er fuchte darauf alle feine Sorge zu verwenden. Die 
Kirchenzucht überwachte er ftrenge, und der fromme Fürft fol felber die 
heilige Schrift mindeftens fünfzig Mal ganz durchgelefen haben. Beſon— 
ders war er auch auf eine pünktliche Mechtspflege bedacht und Tieß zu 
dem Ende ein eigenes Geſetzbuch bearbeiten. 

Auf Georg Friedrid folgte nad Niederlegung der Megterung 
(fiehe unten) 1622 fein ältefter Sohn Friedrih V. (bis 1659), Er 
wird in der Geichichte des dreißigjährigen Krieges vorkommen. 


$ 2.  Befonderes. 
Pforzheim feinen Fürften gegenüber. 


Hatte fih die Stadt Pforzheim troß ihrer Privilegien ſchon unter 
Karl II. dazu verftehen müfjen, ausnahmsweiſe direfte Abgaben, ſelbſt— 
verjtändlich in der Hoffnung zu Teiften, davon baldmöglichit wieder be— 
freit zu werden, jo wurden ſolche Anmuthungen in der Folge wiederholt. 
Dies gefhah 3. B. ſchon unter der Vormundſchaft 1582 in Betreff der 
Longueville'ſchen Hilfsgelder. Damit hatte es folgende Bes 
wandtnig. Im Jahr 1503 war Philipp, der letzte Markgraf von 
Hachberg-Saufenberg-Röteln geftorben und feine Länder waren laut Erb: 
vertrags von 1490 in Ermangelung männliher Nachkommen auf den 
Markgrafen Chriftoph von Baden übergegangen (S. 173). As fih 


') Die drei Foliobände bdesfelben, von des Markgrafen eigener Hand, be 
finden fih in der Manuferiptenfammlung ber Großherzoglichen Hofbibliothel 
zu Karlsruhe. ö | 


Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16, zum 17. Jahrhundert, 355: 


jedoch die einzige Tochter des verftorbenen Markgrafen Philipp, Johanna, 
1504 mit dem Herzog Ludwig von Yongueville vermäßlte, erhob diefer 
Ansprüche auf die Länder jeines Schwiegervaters, und es entjtand da: 
rang ein Prozeß, der beinahe SO Fahre dauerte, bis er endlih am 
28. Auguft 1581 durch Vergleich feine Erledigung fand. Die Familie 
der Longueville entfagte allen Anfprüchen auf bemerkte Linder, wofür 
fie eine Entfchädigungsfumme von 225,000 Gulden erhielt. Diefe 
wurde nunmehr auf das Land zu einer „Fünfzehnjährigen Hilfe“ in der 
Meife umgelegt, daß von 100 Gulden Werthgut jährlih 8 Batzen be: 
zahlt werden ſollten. Auch von der Stadt Pforzheim wurde troß ihrer 
Privilegien die gleiche Beiftener verlangt. Ein beſonders erwählter Aus: 
ſchuß begab ſich mit Bürgermeifter, Gericht und Rath am 3. Februar 
1582 zur Verhandlung über diefen Gegenftand in das Schloß zu Pforz: 
beim, wo eine fürftlihe Gommiffion ihrer harıte, die aus Hans 
Philipp Landſchab von Steinach, kurfürſtlich pfälziihem Fauth (Vogt) 
zu Bretten, dem Statthalter Hans Landihad von Steinach, dem Kanzler 
Achtſynit, dem Doktor Chr. F. Kircher und dem Kammerrath 
Wilh. eurer beftand. Wie früher ſchon, fo beriefen fich die Pforzheimer 
auch jebt wieder auf ihre „Ordnung und Polizei von 1491”, Taut 
welcher fie von allen direkten Steuern ꝛc. befreit feien; fie klagten, daß 
die 1554 bewilligte jährliche Hilfe von 1000 Gulden (S. 276) fie 
in bedeutende Schulden gejtürzt habe, da der Maaßpfennig zur Beftreis 
tung diefer Summe nie binreihe; fie brachten auch fonft verfchiedene 
Beſchwerden vor, namentlich daß die Stadt Pforzheim fi „nit vmb 
ein gering bauptgutb, als Bürgen und mitſchuldner, inn viel weg bißhär, 
neben der Landſchafft, vmb große Summa verſchrieben:“ — fie mußten 
eben in den fauern Apfel beißen, und fich zur Bezahlung der 8 Batzen 
vom Hundert, freilich „ihrer Freiheit unbefchadet”, verftehen. Doc) erlang: 
ten fie wenigſtens jo viel, daß ihnen für die Dauer dev Bezahlung diejer 
Longueville'ſchen Hilfsgelder die früher abverlangten jährlihen 1000 Gul: 
den erlafjen und fie auch chen jo lang jeder Reichs- und Kriegshilfe 
enthoben fein follten. Weit der Entbindung von den 1000 Gulden 
durfte natürlich aud; die Stadt den Maafpfennig nicht mehr einziehen, 
ſondern es nahm ihn die Herrfchaft wie im ganzen Land für ſich in 
Anſpruch; dody wurde der Stadt davon als einem neuen „vfſatz“ der 
vierte Theil bewilligt, den fie laut ihrer Privilegien von allem Umgeld 
anzusprechen hatte. Die über ſolche Beſtimmungen — Ur: 
% 


356 Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16, zum 17. Jahrhundert, 


Funde 1) trägt die Unterfchriften der oben genannten fürftlihen Kommiſ— 
fton, und es hängen an ihr die Siegel des Markgrafen, des Vogts 
Schöner von Straubenhardt und das Siegel der Stadt, das aber nicht 
mehr das frühere einfache, jondern bereits in zwei Hauptfelder getbeilte 
itt.2) Da in der Urkunde die Namen der damaligen Mitglieder des 
Gerichts und Rath, fowie der Deputinten der Bürgerfchaft genannt 
find, fo mögen diefelben auch hier eine Stelle finden. Gericht: Hans 
Krumm, Bürgermeifter, 3) Veit Breitichwert, Hans Ruef, Baumeifter, 
Kaſpar Rohr, Klaus Engelhart, Hans Forcheimer, Dietrih Weiler, 
Konrad Gupp, Konrad Pfuderer, Beat Vifcher, Jakob Simmerer, Peter 
Gößlin. Rath: Peter Geyger, Mathis Meerwein, Fabian Stieß, 
Mich. Ib. Grieninger, Hans Lienhart, Hs. Ib. Klein, Hans Defchler, 
Ib. Kercher, Matern Dolmetih, Mathis Klotz, Marzolf Schoch, Ege— 
nolf Geyger. Von der Gemeinde: Jak. Jößlin, Georg Schlund, 
Hans Haan, Hans Silbereifen, Wendel Genger, Klaus Spitz, Heinrich) 
Mayer, Schreiner, Mart. Mang, Mid. Muolin, Georg Hofmann, Mel: 
chior Kieß, Hans Widmann, Theus Schoh, Ib. Meerwein, Georg 
Flacht, 35. Pfifterer, Hans Enderlin, Paulin Scheff, Hans Heuſchlof, 
Michel Beh, Peter Hügelin, Ib. Safhoier und Peter Plochinger. 

Zu diefer nicht umbedeutenden Steuer Fam nach dem Negierungs: 
antritt Ernſt Friedrihs noh eine andere. Theil zur Tilgung der 
ſchweren Schulden, die auf dem Lande Tagen, theils zur Beftreitung der 


1) Eie befindet fih im ſtädtiſchen Arhiv und ift vom 3. Februar 1582 
datirt. Eine andere barauf ebenfalls bezügliche Urfunde trägt das Datum bes 
10, Mai 1582. 

*) Während an der Etadtordnung von 1491 noch das alte Siegel von 
1256 Fi. (S. 79) hängt, findet fi im ftädtifchen Archiv bereits von 1521 an 
ein neues Siegel, und zwar ift der Etod desjelben noch vorhanden und trägt 
auf der Rüdfeite die Jahrzahl 1521. Dies fcheint das Fleine Siegel der Stadt 
Pforzheim geweſen au fein; denn neben bemfelben findet ſich auch ein bedeutend 
größeres. Beide zeigen ben Wappenſchild in zwei Hauptfelder getheilt; bas 
linke enthält ben badiihen Wappen mit dem Querbalken; das rechte ift in 
4 Heinere Querfelder getheilt mit ber Bezeichnung für vothe, weiße (Silber-), 
blaue und gelbe (Golb:) Farbe — alfo wie das Wappın heute noch ift. Die 
Umicrift jenes Siegels von 1521 lautet: S,\SECRETVM,CIVIVM,IN,PHORZ- 
HEIN,. Wann, dur wen und bei was für einer Veranlafjung Pforzheim 
das neue Wappen erhielt, ift unbefannt. 

3) Hier war alfo der PBlirgermeifter Mitglied des Gerichts, wenn auch 
nicht Borfigender desſelben. 


Dreizchntes Kapitel, Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert. 357 


Koſten der fürftlichen Hofhaltung legte der Markgraf feinen Unterthanen 
neben den Longuevillefchen Hilfsgeldern noch eine weitere Steuer von 
4 Basen von 100 Gulden Werthgut auf, die jo lang als jene bezahlt 
werden follte, und ftellte au eine Erhöhung des Maafpfennigs in 
Ausficht. I) Und die gefreite Stadt Pforzheim? Sie mußte fi aber: 
mals troß ihrer Privilegiem glei dem ganzen Lande zur Bezahlung 
diefer Abgabe verftehen, natürlich nicht ohne Verwahrung, daß fie dies 
ihrer Freiheiten unbejchadet thue; umd der Markgraf ftellte ihr auch 
einen dahin Yautenden Nevers aus. 2) Alle diefe papierenen Verwah— 
rungen und BVerfiherungen hatten aber feinen großen Werth; denn die 
Stadt kam aus der Bezahlung folder Abgaben gar nicht mehr heraus, 
jondern fie wurden fpäter zur regelmäßigen und ordentlichen „Schatzung“, 
wie wir weiter unten fehen werden. Damit war aber der $ 1 des 
Privilegienbriefs thatfächlich außer Kraft gejekt. 

Es find im vorigen Kapitel (S. 278 ff.) aus der Lagerbud: 
erneuerung von 1527 allerlei Mittheilungen gemacht worden. Cine 
ſolche wurde auch 1615 wieder vorgenommen. Es möge bier dasjenige, 
worin ihre Ergebniffe von den frühern abweichen, Überfichtlich zufammen: 
geftellt werden. Zeugen bei der Kagerbucherneuerung waren die „ehren: 
baften, ehrſamen und beſcheidenen Valentin und Berthold Deim: 
ling, Mathes Ejfig, Georg Art und Paulin Lotthammer.“ Zuerſt 
folgen die nöthigen Beitimmungen über das Geleit. Diefelben ent: 
ſprachen no immer den Verabredungen von 1516 (©. 272) und 
1581, find aber durch folgende Beltimmungen ergänzt: Baden hat 
das Geleitreht Tiefenbronn zu bis an das MWäfferlein, beim See 
genannt; Wurmberg zu bis Mönshein an dem Bach; Vaihingen 
zu bis Mühlader; Speier zu wird von Pforzheim aus geleitet bis 
Stein und von da nad Grombach zum hölzernen Bildftod; Durladı 
zu bis Durlach) und von da nah Mühlburg oder Graben. — Die 
Kaufleute, die zur Frankfurter Meſſe ziehen und durch den Hagenſchieß 
fontmen, zahlen 13 Kreuzer (früher 12 Pf.); die, fo den Beutel (zwi- 
ſchen Huchenfeld und Reichenbach) herabziehen, zahlen 9 Kreuzer 
Seleitgeld.. 


4) Urkunde im Stadtarchiv vom 15. Juli 1585. 
°) Er befindet fih im Stadtarhiv und iſt vom Marfgrufen eigenhändig 


358 Dreizehntes Kapitel, Pforzheim vom 16. zum 17. Sabrhunbert. 


Trevel und Unrecht: Berg. ©. 278 ff.) Ein Blut: 
runsfrevel, 8 h. mit Meffer, Kolben, Stod, Waffen verwundet 
oder blutrünſtig gemacht, zahlt 3 Pd. Pfg. an den Fürften; ein Heiner 
oder trodener Frevel mit trodenen Streichen, ohne daß ein Glied ge- 
lähmt wird, zablt 1 Pd. Pfg.; mit der Fauſt em Stoß, daß Nafe 
oder Mund bfutet, zahlt 1 Bid. Pfg.; wer nach dem Andern zudt oder 
fticht oder jchlägt, zahlt 1 Pfd. Pig; wer nach dem Andern wirft und 
ihn trifft, daß er blutrünftig wird, zahlt 3 Pfd. Pfg.; wer nach dem 
Andern wirft und ihn trifft, aber nicht blutrünftig macht, zahlt 3 Pfd. 
Dig. Ein groß Unrecht zahlt 15 Ch. Pig; ein Flein Unredt 
5 Sch. Pig; eine Lügainung 3Sch. Pig. ; eine Spielainung 5Sch. 
Pfg.; alle diefe Strafen gehören dem Markgrafen allein. Ein Frie— 
densbrud zahlt I Sch. Pf.; davon gehören 3/, dem Fürften und 1/, 
der Stadt. — Abzug. Die Bürger find frei laut Privilegienbriefs 
von 1491. Fremde zahlen von 100 fl. 10 fl., 1/, dem Markgrafen, 
1/, der Stadt gehörig. — Bon den Gütern außerhalb Pforzheimer 
Markung gehört der Abzug dem Fürften allein. — Hauptreht und 
Abzug von zugefefienen Leuten. Jeder Manns: und Frauensperion, 
fo fonft Teibeigen it, nach Pforzheim zieht und der dortigen Polizei 
einverleibt ift, wird die Leibhennen- oder Leibfteuer zc. erlaffen, nicht aber, 
wenn die Leute wieder wegziehen. — Fruchtzehnten. Der große 
Fruchtzehnten auf Pforzheimer Gemarkung gehört zur Hälfte dem Mark— 
grafen, zur andern Hälfte dem Klofter Lichtenthal, ausgenommen einige 
Heer 2.1) Vom großen Zehnten hat Kichtenthal jährlich) zu liefern 
dem Markgrafen 450 Büſchel Roggenſtroh; nad) neuerm Bertrag mit 
der Aebtiffin zu Tichtenthal von 1555 (S. 277) bloß noch 250 Büſchel. 
— Der Kleinzehnten auf Pforzheimer Gemarkung von Sommergerfte 
Hirfen, Erbſen, Linfen, Hanf ꝛc. gehört der Pfarrei in der Altſtadt. — 
Dem Markgrafen gehören eigen (vergl. ©. 279): a. Das Schloß 
mit dem Zwingelgarten daran gegen die Stadt zu, nebſt der Kanzlei, 
dem Speicher, Marftall, Wagenpferdftall, der Hoffchmiede, auch dem 
Nebenzwingel außerhalb zwijchen beiden Stadtmanern vom Schloß hinab 
bis an den Leitgaſtthurm, und der neue Garten außerhalb der Stadt 
und dem Schloß an der Straße (1d Morgen groß, auf 3 Seiten neben 


1) Diejenige Hälfte des großen Zchntens, welche früher (©. 279) dem 
Klofter Hirſchau gebört hatte, war alfo an den Markgrafen übergegangen, 


Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert. 359 


der Almendftraße gelegen und oben an die Bremenhofäder ftoßend). b. Wie: 
fen: Die Bleichwieje am Metzelgraben; (die Büchenbronner und Huchen- 
felder müfjen fie beforgen und mähen, aber der Markgraf muß das Heu 
fahren laſſen); 1) die Schenerwiefe zwifchen dem Scheuerberg und der 
Nagold; die Seewieſe, die Landſchaftwieſe, die Frauen-Langewieſe, die 
MWeiherwieje. e. Die Sägmühle. d. Die Kelter in der Altſtadt. 
e. Der Zoll. 

Das Weggeld gehört der Stadt. Bezüglih des Standgel: 
des, Umgeldes und Salzverfaufes fiehe 1527. In Betreff 
des letztern enthält das Lagerbuch, von fpäterer Hand geichrieben, die 
Bemerkung: Der Markgraf bat den Salzhandel allein admodirt und 
der Stadt dafür als ihr Viertel 97 fl. durch die Obereinnehmerei Karls— 
burg reihen laſſen. — 

Jährliche Bet. Alle Bürger und Anwohner, fo der Stadt 
Pforzheim Polizei, Begnadigung und Freiheiten unterworfen find und 
bürgerlich dafelbft wohnen, find frei von der Bet. — Jährlicher 
Bogtgulden. Bürgermeifter und Nath von wegen gemeiner Etadt 
Pforzheim geben dem Markgrafen zum rechten, jährlichen, ewigen, unab— 
läſſigen Bogtgeld oder Gült auf Martini 10 fl — Jährl. beftän: 
diges Zunftgeld und Metzelbankzins (wie früher), — Jährl. 
Brodbanktzins Die Brodbank neben der Metelhütte vom am Markt 
ift abgefchafft und Jeder hat in feinem Haus feil; alfo fällt kein Zins 
mehr. — Hährl. Fiſchbankzins. Die Fiſchbank ift auch vom 
Markt abgeſchafft; alſo Fällt auch Fein Zins mehr. — Nunnenmader 
(Viehverſchneider). Der Markgraf bat das Necht, Nunnenmacher anzu— 
nehmen und ihnen die Waide zu verleihen, trägt bisher 11/, Pfund. — 
MWafenmeifter Die Wafenwaide zu Pforzheim, der Altftadt und 
dem ganzen Pforzheimer Amt verleiht der Markgraf. Jedoch iſt der 
Mafenmeifter bisher von der Stadt beftellt und vom Schultheißen ver: 
pflichtet worden und bezahlt jührlih dem Markgrafen 5 Pfund, — 
Jährl. beftändiger Zins von Walk-, Schleif-, Balierz, 
Sig: und Kupfermühlen (wie früher). — Ziegelhütte. Georg 
Haas als Inhaber der Ziegelhütte vor dem Bröbinger Thor zingt jähr: 


1) Früher hatten es die Brößinger als Hörige des Frauenkloſters thun 
müſſen (S. 279); Ießteres war aber bei der Reformation eingezogen worden, 
wodurch die Berpflichtung des Heuführens auf den Markgrafen felber überging. 


360 Dreizehntes Kapitel. Pforzbeim vom 16. zum 17. Jahrhundert, 


fich dem Markgrafen 10 Sch. Pig. (der fpätere Inhaber war Joachim 
Leibbrand). -— Jährl. Waſſerzins, Gnadenlehen (wie früher). 
— Wafferzins von Abfällen oder Kagen (wie früher). — 
Jährl. beftändige Fruhtgülten, von den Mahlmühlen zu 
Pforzheim gefallen, umd follen folhe Früchte auf den Speicher 
geliefert werden, (wie früher; es waren immer noh 5 Mühlen: die 
MWagmühle, die Spital- oder Efelsmühle, jest Kloftermühle —, die 
Eichmühle, die Nonnenmühle und die Zwingelmühle, ſonſt Obermühle 
genannt). — 


$ 3. Inneres. 


Den Stiftungen zu wohlthätigen Zwecken, deren im letzten Sa: 
pitel gedacht wurde, müfjen hier einige weitere angereiht werden. 

Am Jahr 1580 ftiftete der aus Pforzheim gebürtige Mathias 
Werthwein, ein jüngerer Bruder des oben genannten Chriſtoph Werth: 
wein, — früher Domberr in Augsburg, zuletzt Domherr und erzbiichöf: 
licher Kanzler zu Briren in Tyrol, ein Kapital von 6000 Gulden 
(S. 197), deſſen Zinfen an ſechs Jünglinge aus feinem oder feiner 
Mutter (einer geb. Münzinger aus Baufchlott) Geſchlecht, die in Frei— 
burg ftudiren würden, alljährlich ausbezahlt werden follten. Im Falle 
feine väterlichen oder mütterlichen Verwandten von ihm vorhanden wären, 
jollten drei junge Pforzheimer und drei Jünglinge aus Briren die 
Stiftung zu genießen haben. Ein bei den Freiburger Univerfitätsakten 
niedergelegtes Verzeichniß weist nad, daß wirklich Studirende aus Pforz: 
heim in den folgenden Jahren im Genuß des Stipendiums waren, fo 
1588 ein Martin Mangold, 1606 Chriftoph Gerwig, 1615 Johann 
Gerwig In den Sriegen des 17. und 18. Jahrhunderts jcheint aber 
das Stiftnngsfapital verloren gegangen zu fein, wie das bei noch vielen 
andern Freiburger Studienftiftungen der Fall war. Unterſuchungen da: 
rüber, welche im vorigen Jahrhundert angeftellt wurden, 1) haben zu 
feinem befriedigenden Ergebniß geführt. 

Am 29, Auguft 1602 machte der Pforzheimer Bürger und Hans 
delgmann Kafpar Chriſtoph Rohr vor einer Meife, die ev nach Stalien 
„zu Erlernung der Sprachen und mehrerer Erfahrung” zu unternehmen 





) Von Gehres. Bergl. deſſen Heine Pforzheimer Chronik, ©. 133 fi. 


Dreizehntes Kapitel. Piorzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert. 361 


gedachte, fein Teftament und beftimmte darin ein Kapital von 2000 ft. 
„zur Unterhaltung zweier Studenten, welche der rechten augsburgifchen 
Konfeffion zugethan, oder (wie fie genannt werden) lutheriſch feien; und 
foll jährlich ein jeglicher von den ertragenen Zinſen 40 Gulden acht 
Jahre lang erhalten, die übrigen zwanzig Gulden aber follen zur Beſſe— 
rung de3 Stipendii gereichen.” — „Es foll aber,” jo heißt es im 
Teftament weiter, „die Kollatur bei einen ehrſamen Nath zu Pforzheim 
ftehen, doch dergeftalt, daß derfelbe zuvörderſt bedenfe meine Befreundte 
von Vater oder Mutter; wo aber feine Befreundte vorhanden wären, die, 
fo aus der Stadt Pforzheim gebürtig, Andern preferiven; fo auch deren 
Keiner mit Ernft ftudiren oder feine Studia continuiren wollte, die 
Markgräfiihen vor andern Ausländifchen damit begabe und immer 
vaciren laffe. Auch fol Keinem befagtes Beneficium conferirt werden, 
er feie denn allerft bei einer Academie oder Univerfität, Letztlichem 
follen folche beede Beneficiarp alle 2 Fahre durch qualificirte Perſonen 
entweder bei der Akademie, da fie ftudiren, oder zu Pforzheim exami— 
nivt werden, Beides in der Neligion und ihren Studis, und fo fie in 
der Religion irrig oder in Studiis nachläffig befunden werden und fc) 
nicht auf den rechten Weg wollten weifen laſſen, ſoll ein ehrſamer Rath 
ihnen gemelt Beneficium entziehen und Andere, die e8 beſſer werth, 
conferiren.“ Auch dem Almojen vermachte Rohr 200 fl., von deren 
Zinfen alle Jahre 8 Gulden vor der Pfarrkirche an Hausarme, der 
Reſt an fonftige Arme ausgetheilt werden follten. Eine Anzahl fonftiger 
Legate möge hier unberührt bleiben. Zu Teftamentsvollitredern er: 
nannte Rohr den marfgräflihen Rath Martin Sigwardt und den Ge: 
richte: und Rathsherrn und nachmaligen Vürgermeifter Peter Maler. 1) 
Seinen fünmtlihen Erben hatte Rohr die Verpflichtung auferlegt, feiner 
Mutter einen Grabftein jeßen und für fie wie für ihn ſelbſt nad) feinem 
Tode je ein auf einer Tafel gemaltes Epitaphium in der Pfarrficche 
anbringen zu laſſen; feines diejev Denkmäler dürfe aber unter DO fl. 
koften. (Mad) der Stipendienrechnung von 1604 wurden dafür 182 fl 
ausgegeben.) Nach den noch vorhandenen älteften Stipendienrechnungen 2), 
die bis 1636 reichen, betrug der Grundſtock 1607 exit 2044 fi, 1614 


1) Vergl. hiezu: Lagerbuch des Rohr'ſchen Stipendiums im Stadtarchiv, 
angelegt im Auguſt 1710, 
2) Im Stadtardiv. 


| 362 Dreizehntes Kapitel, Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert. 


bereits 2144 fl., 1623 war er auf 2533 fl. und 1632 auf 2785 ft. 
geftiegen. Bon dem urfprünglichen Kapital waren 500 an die Stadt, 
150 an die Gemeinde Niefern, das Uebrige an Pforzheimer ausgeliehen. 
Verrechner des Fonds war von 1604 bis 1613, aljo bis zu feinem Tod, 
Peter Mealer, von 1615 bis 1625 Seremias Defchler, 1628 bis 1636 
Joachim Bub. (1636 hören, wie jhon erwähnt, die Rechnungen auf.) 1) 

Am Jahr 1616 machte auch der Bürger und Handelsntann Niko: 
[aus Kontelin eine Stiftung von 1000 Gulden, deren Zinſen eben- 
falls als Beneficien an ftudivende Jünglinge verabreicht werden follten. 
(Die Ältefte noch vorbandene Schuldverſchreibung vom 29. Sept. 1625, 
ausgeftellt won Jeſajas Hündlin von Springen über 56 fl., 2) nennt als 
Verrechner Job. Erat, Baumeifter und Hans Ritter.) 3) 

Nicht unerwähnt mag bier auch eine Stiftung des Pforzheimer 
Bürgers Dito Beh bleiben. Aus den Zinjen eines Kapitals von 
1200 fl., das er für verfchiedene wohlthätige Zwecke ftiftete, follten 
jährlich 8 fl. für die Geiftlichkeit und 5 für die Mufifgejellihaft der 
Stadt Pforzheim zu einem gemeinfchaftlichen Schmauſe verwendet wer: 
den, der fpäter gewöhnlich am Felt des heil. Laurentius ftattfand und 
erjt in meuerer Zeit nicht mehr gehalten wird. ) 

Es iſt oben bereits von der Schütengejellfhaft und ihrem 
frühen Beftehen die Rede geweſen. Wir finden, daß Markgraf Georg 
Friedrich ein befonderer Freund derfelben war und ihr zu einem beftän: 
digen Gedächtniß ein Gnadengeld von jährlichen 15 fl. beftimmte, woran 


) Nach dem Schober’ihen Familienbuche ftebt diejes Geſchlecht in weiblicher 
Linie zu Rohr fowohl, als dem Stifter eines andern Stipendiums, nämlich 
Peter Geiger, in verwandtichaftlicher Beziehung. 

2) Im Stadtarchiv. 

) Auf dem Kirhhofe, und zwar an ber vordern Wand der dortigen Ka: 
pelle befeftigt, ficht der von ber Kreuzkirche dahin gebrachte Grabftein, ben 
Nifolaus Fontelin feiner 1606 geftorbenen Frau Barbara geb, Grieninger hat 
ſetzen laſſen. Die Ueberſchrift Tautet: 

Ihr liebe Brüder und Schweſtern mein, 
Die hier im Herrn entſchlafen ſein, 
Gott helf mir auch zu euch hinein! 
Dies Nikolaus Fundtelin bitt 

Von Gott, der wirds abſchlagen nitt. 

) Das Grabmal Otto Bechse, der am 1. Januar 1625 ſtarb, iſt im Chor 
der Altſtädter Kirche. 


Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert, 363 


die Stadt mit der Hälfte Antheil nahm. ') Georg Friedrich war über: 
haupt der Stadt Pforzheim ehr zugethan, auf den dieſe ſchon 
große Hoffnungen fegte, als er nod nicht ihr Herr war. Die unten 
folgende Geſchichte der Neligionsbedrüdungen von 1601 und 1604 gibt 
davon Zeugniß. In den Taufbüchern aus der Zeit von 1607 an ft 
er oft als Pathe von Bürgerfindern genannt. Am Jahr 1618 hatten 
fidy die Bürger von Pforzheim befhwerend an den Markgrafen gewandt, 
weil ihnen von Geiten der marfgräflichen Kanzlei bezüglich der Abholung 
eines neuen Spezial verjchiedene Zumuthungen gemacht worden waren, 
die fie mit ihren Privilegien nicht vereinbar fanden. In einem unterm 
6. Sept. erlafienen Beſcheid erklärte der Markgraf, daß die Pforzheimer 
bie „ohne fein Wiſſen an fie begehrte Abholung zu thun nicht fchuldig, 
und von ihnen, daß fie fich deren verweigert, ganz recht geichehen, wie 
er fie denn weder dies Orts, noch fonften wider ihre Privilegien im 
Geringften zu bejchweren nicht gemeint, jondern dabei der Gebühr hand: 
zuhaben und vielmehr diefelben nad) Gelegenheit zu vermehren, als zu 
ichwächen gedenke.“ — Der Markgraf befahl feinem Ober: und Unter: 
vogt zu Pforzheim, Johann Heinrih Mosbach von Lindenfels und 
Stephan Heinrich Haffner, diefen feinen Befehl dem Bürgermeifter, Ge: 
richt und Nath der Stadt in deren Verſammlung vorzulefen und ihnen 
zugleich zu erkennen zu geben, daß fie, wenn ihnen Fünftig wieder der— 
gleichen zugemuthet oder fonft wider ihre Privilegien etwas zugefügt 
würde, fie fich bei ihm „um Hülf, deren fie ſich unfehlbar zu getröften, 
anmelden follten.“ 2) Dies Alles mag e8 erklären helfen, warum die 
Pforzheimer dem Markgrafen Georg Friedrich fo fehr zugethan waren. 

Den Schluß diefes Abſchnittes möge die Zufammenftellung ber 
Namen der Angeftellten machen, die fich zu Anfang des 17. Jahr: 
bunderts in Pforzheim befanden. 3) 


1) Statuten der Schügengejellihaft. — Im Jahr 1824 jollte die herrichaftt. 
Gabe von 7 fl. 30 fr. aufhören, auf erfolgte Verwendung jedoch gab Groß: 
berzog Ludwig die Weifung, daß die ganze Summe von 15 fl. fünftig vom 
Domänenärar übernommen werden jolle. Die Schüßengefelihaft ftiftete aus 
dieſer Beranlaffung einen filbernen Pokal mit den Bildniffen Georg Friedrichs 
und Ludwigs. 

2) Kopialbuch im ftäbtifchen Ardiv. 

sy Eie fommen im älteften Taufbuch (1607 — 1646), in Kopialbüchern, 
Urkunden x. vor. 


364 Dreigebnt:s Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert. 


Dbervogt: Johann von Münfter 1601, Martin von Zandt 
1607, Hang Reinhard Mosbad von Lindenfels 1611—18, Johann 
Georg Bertram von Herihbah 1621--34. — Foritmeifter: Emft 
Jak. von Nemdingen 1608 — 14, Phil. Joach. Gremp von Freuden: 
ſtein 1618-A, Heinrich Truſchſeß von Hoffingen 1624— 27. — Forſt— 
verwalter: Hans Jak Deimling 1623. — Untervogt: Hieron. 
Bechler 1607, Steph. Heinr. Haffner 1609 —23, Joh. Ib. Dienſt 
1629—34, Georg Faber 1642. — Syndikus: Georg Zobel 
1608—W. — Amtskeller: Thomas Drach 1605—18. — Land— 
ſchaftseinnehmer: Joh. Pfiſterer 1613—16, Wendel Lang 1617, 
Joh. Jak. Geiger 1636. — Münzmeiſter: Joh. Jakob 1609 und 
10 (Münzgeſell: Klemens Feuchter 1610). — Geiſtlicher- und 
Stifts-Verwalter: NE Kaufmann 1607—9, Melchior May 
1610—20, Job. Mart. Schmidt 1626—31. — Gegenſchreiber: 
Hans Aychele 1612. — Aerzte: Dr. Mathäus Müller, Phyſikus 
41608 —11l, Dr, Zach. Herler 1609, Dr. ob. Gemp 1611 — 34, 
Dr. Rob. Pet. Auchter 1615— 21, Dr. Dav. Camerarius 1516—18. 
Apotheker: Joh. Joach. Grieninger 1608 — 34, oh. Barthold 
1615 --42. — Getftliche, und zwar erfter Stadtgeiſtlicher- und 
Superintendent: Benedikt Ungerer 1601, ob. Conr. Jenichius 
1607 — 17, M. Stephan Rohrfelder 1622 — 29, Joh. Grg. Wibel 
1630-46. — Mltftädter Pfarrer: M. Ruprecht Graf 1607 —14, 
M. Dav. Langenburg 1617— 38, Joh. Dav. Sauter 1641 —45. — 
Spitalpfarrer: Sirtus Sartor 1608, Leonh. Kiftler 1612 —14, 
M. Joh. Berloher 1617, M. Ehrift. Heinz 1619, Nif. Emmic 1633, 
M. Wolfgang Schaupp 1634—42. — Mitprediger: Dr. Thom. 
MWegelein 1613 und 14. — Diakonen: Joh. Konrad Roßnagel 
1607, M. Rupr. Hammer 1608—10, M. Joh. Berloher 1609 und 
—10, M. oh. Jak. Rülich 1612, Ad, Seiffner 1616 und 17, Joh. 
Agritola 1618—23, Joh. Mel. Büchelein 1623 — 33, Peter Walz 
1625 — 30, (1632 Pfarrer in Niefern), Eberh. Lug 1633, (erſter 
Diafonus), M. Conr. Stalp 1633 (zweiter Diak.), Joh. Säuterlein 
1656. — Lehrer an der lateiniſchen Schule, und zwar Rektor: 
M. Joh. Oder 1607—10, M. Dav. Langenberg 1613, Chr. Welſch 
1629, Albert Herold 1640—42. — Praeceptor primarius: M. Dav. 
Zangenburg 1612 und 13, Tob. Gartelius 1615 —17. — Praeceptor 
seeundae classis und Cantor: Alb, Herold 1626. — Deutſcher, 


Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16, zum 17. Sahrhundert. 365 


Schulmeifter: Konrad Heyderlein 1607, Eudjarius Demuth 1612, 
Andr. Tarer oder Daher 1618— 34, Job. Fenn 1646. — Organiit: 
38. Ib. Schertlein 1615 — 17 (in letzterem Jahr wird er „Organift 
und Zoller” genannt). — Das Amt eines Bürgermeifters be 
Meidete 1607 — 1609 Peter Maler 1), 1611 Ib. Simmerer, 1614 — 
1621 Jeremias Deichler, 1622 — 1627 Wolf Karle, 1629 — 1639 
abwechſelnd Joachim Bub und Hans Felder, 1642—1665 abwechielnd 
Georg Weeber, Hans Beckh und Hans Friedrich Kern ıc. 


$ 4A MWeligionsunruhen in Pforzheim, 
(1601 — 1604.) 2) 


Markgraf Ernft Friedrich hatte Freude am Umgang mit gelehrten 
Männern, der indeß auf feine Glaubensanſichten einen gewaltigen Einfluß 
ausübte. Lebterer ging, da diefe Männer alle der kalviniſchen Lehre 
zugethan waren, zuleßt jo weit, daß der Markgraf fih 1599 selber 
öffentlich zu dieſer Lehre bekannte und feine Glaubensanfichten in einem 
Religionsbuch, dem jog. Stafferter Buch, niederlegte. Ernſt Friedrid) 
verlangte nun, daß das ganze Land ebenfalls die reformirte Lehre an— 
nehmen jolltee Der Stadt Durlach wurden Prediger dieſes Bekennt— 
niſſes anfgedrungen, und das Gleiche follte auch in Pforzheim geſchehen. 
Hier aber traf der Markgraf auf einen Widerſtand, den er in folder 
Stärke ficher. nicht erwartet hatte. Es verdient das, was fi) damals 
in Pforzheim ereignete, eine ausführliche Darftellung. 

Am 2. Auguft 1601 predigte der Superintendent Benedikt Ungerer 
über das Evangelium von den faichen Propheten und wandte ſolches 


) Sein Bildniß, wie das feiner Frau Barbara, geb. Kercher, befindet fich 
auf dem Rathhaus. 

2) Quellen: Beltendiger und warhaffter Bericht, Erflärung und Defen- 
fionihrift Herin Peter Ebergen, der Rechte Doktorn, nnd deß ꝛc. Kammer: 
gerihts zu Speyr Abvocaten, wider die newe Staffortiihe Kalvinifter und 
Zwinglianer, betrefjend die fürgefallene Neligionshandlungen mit ber Stadt 
Pforzheym u. ſ. w. Lebt aufs New überjehen, marginirt und mit Bewilligung 
deß Auctoris nachgednrudt im Jahr 1603 (4%); — Bierordt, Gelhichte der 
evangelifchen Kirche in Baden, II. ©. 33-36; — Manufcripte des Landes: 
archivo. Die weitere Literalur Über dieje Vorfälle ſiehe Sachs, IV., 269. 


EZ 


366 Preizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Sahrhundert. 


auf die reformirten Geiftlihen an. Darüber fing der Obervogt 
Johann von Münfter, der dem Gottesdienft anwohnte, in der Kirche 
felbft einen ärgerlichen Lärm an und ftieß die Drohung aus, „daß er 
die Iutherifchen Geiftlihen in ihrer Religion zu Schanden machen oder 
ein Schelm fein wolle.” Der Superintendent befchwerte ſich darüber 
bei dem Fürften, erhielt aber ftatt einer Antwort nad) einigen Tagen 
janımt dem Diakon, dem Spitalpfarrer und dem Pfarrer der Altftadt 
feine Entlaffung. Die Bürger baten um Wiedereinfeßung ihrer Geift- 
lichen oder doch um andere augsburgifcher Konfeffion aus dem Oberland 
oder den benachbarten Württemberg, fanden aber bei Hofe fein Gehör, 
fo daß die Stadt einige Zeit ohne Seelforger war. 

Am 29. Auguft kam eine Kutfhe („mit vier weißen Pferden be: 
ipannt“) in Pforzheim an, welche den Statthalter Wilhelm Beblis 
fammt drei reformirten Geiftlihen brachte. Auf die Nachricht davon 
liefen die Bürger auf ihre Zunftſtuben zufammen und verpflichteten fich 
dur Handtreue, daß fie die kalviniſchen Prediger nicht annehmen woll- 
ten, Am folgenden Tag (30. Auguft) ließ der Statthalter die Bürger: 
ihaft auf das Nathhaus zufammenberufen („in ein Zimmer, welches 
fonft ein Tanzboden war,") bielt in Gegenwart des Obervogts, des 
Sefretärs Grell und der reformirten Geiftlichen eine Anrede wegen der 
„Abſchaffung“ ihrer bisherigen Prediger und ftellte den Bürgern ihre neuen 
Seeljorger vor. Er Eonnte aber feine Rede nicht vollenden, weil die 
Bürger zu räufpern, zu fchreien und mit den Füßen zu ftampfen an- 
fingen, viele auch fi) aus der Verfammlung entfernten. Es blich dem 
Statthalter zulegt nichts Anderes übrig, als das Gleiche zu thun und 
fi) auf das Schloß zu begeben; er wurde aber auf der Straße von 
der Tieben Jugend und dem Pöbel verhöhnt. 1) Nachmittags verfam: 
melte fi die Bürgerfchaft abermals und befhloß, an den Markgrafen 
die dringende Bitte zu richten, der Stadt die kalviniſchen Prediger ab: 
zunehmen und ihr dafür lutheriſche zu geben. Zugleich wurde das Un— 
weſen entfchuldigt, das die Jugend und das Gefinde angefangen. - Auch 
darauf erfolgte Feine Antwort; es fehlte jedoch nicht an Anzeichen von 
gewaltſamen Maaßregeln, welche man gegen die Stadt im Sinne hatte. 
Darauf deutete man wenigftens auch die Anwefenheit eines pfälziſchen 
Hauptmanns aus Bretten, der mehrmals über den Markt ging, was 


) „Sie bohrten ihm den Efel nad und jchabten Rübchen.“ 


Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Sabrhundert, 367 


auch nicht ohne Verfpottung des Pöbels ablief. Auch ein kalviniſcher 
Geiftliher, welder aus dem Wirthshauſe berausfehen wollte, wurde 
ausgelaht, bis er endlich die Stadt wieder verließ. 1) Da die Pforz- 
heimer von Hofe feinen Beicheid erhielten, waren fie auf ihrer Hut, 
nahmen den Neichsfammergerichtsadvofaten Eberb 2) zu ihrem Sad) 
walter an und jchwuren am 11. Sept. auf öffentlihem Markt unter 
freiem Himmel, daß fie bei der reinen Lehre der angsburgifchen Kon: 
feffion leben und fterben wollten. 3) Hierauf ließen fie ſich ein beſon— 
deres filbernes Siegel machen, auf welchem um das Bild des aufer- 
jtehenden Erlöjers die Norte eirgegraben ftanden: „Siegel der Ein- 
tracht zu Pforzheim” (Sigillum Concordiae Phorcensis), verfiegelten 
damit eine jchriftlihe Erflärung, weldhe fie dem Markgrafen nad) Dur: 
lad fandten, und wählten einen Ausihuß von 13 angefehenen Männern, 
welche die Neligionsgeichäfte beforgen und ſich durd einen feierlichen Eid 
verpflichten mußten, die augsburgifche Konfeffion unverändert den Nady: 
fommen zu überliefern. Der Ausſchuß ſchickte auch auf Verlangen des 
Magiftrats und der Bürgerfchaft den Stadtjchreiber nebft einigen andern 
Bürgern an Markgraf Georg Friedrich, als ihren Fünftigen Erb: 
herrn, auf die Hochburg ab, um feinen Beiftand in ihren Religionsbes 
drüdungen zu erbitten, Er gab ihmen die Erklärung, daß er an ihrer 
Beftändigkeit, mit welcher fie in der einmal erfannten Wahrheit verharren 
wollten, ein gnädiges Wohlgefallen habe; fie möchten fich aber in Allem 


1) „Aber jo vol, daß man hätte die Thür mit ihm aufrennen können,“ 
fagt Ebertz a. a. O. ©. 218, 

2) Er war aus Jeny gebürtig und mit einer Pforzheimerin verbeirathet. 
(Bierordt, U,, 35.) 

°) Derjelbe Eid lautet (in heutigem Deutih): „Ich gelobe und jchwöre 
freiwillig, ungezwungen und ungedrungen einen leiblichen Eid zur Gott dem 
Allmächtißgen, daß ich zur Ehre Gottes, zur Erhaltung der wohlhergebrachten 
augsburgifchen Konfeffion und zur Verhütung alles Verweiſes bei den lieben 
Nahfommen einer ganzen Gemeine Pforzifhen Bürger: und geichworenen 
Brüderichaft zur Behauptung der väterlichen Religion mit Leib, Gut und Blut 
treuen Beiftand leiften und was dem Einen Wibriges begegnet, jo anſehen 
wolle, als jei es mir ſelbſt widerfahren; dem Gegner, wer der auch fein möge, 
nichts Geheimes offenbaren, auch auf des von der Bürgerjchaft erwählten Ge: 
ihwornen:Ausihuffes begehren aud da, wohin ich bejchieden werde, einftellen 
wolle; jedoch unferm gnädigen Fürften und Herrn in weltlihen Saden unter: 
thänigen gebührenden Gehorfam zu Ieiften unbenommen. So wahr mir Gott 
helfe und das heilige Evangelium |” 


368 Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert. 


einer chriftlichen Beſcheidenheit befleißen, Fir den Nothfall ſagte er 
ihnen jeinen Beiftand vor dein Meichsgerichte zu. 

In Durlach ſchienen die kalviniſtiſchen Räthe des Fürſten mittlere: 
weile eingefehen zu haben, daß man in Pforzheim etwas zu plump 
vorangegangen wäre. Sie juchten deshalb alle Schuld der Unruhen, 
die darob entitanden, auf den dortigen Obervogt zu wälzen, und theilten 
dem Rathe der Stadt in einem fürftlihen Schreiben mit, man wolle 
den Obervogt, weil man bemerkte, daß er in Pforzheim gehaßt wäre 
und daß wohl feinetwegen die dortigen Unruhen entjtanden feien, von 
dort verfegen. Er befam aud wirklich die Weifung, fi nad Rem— 
hingen zu begeben, verließ aber Pforzheim nicht, ohne den Bürgern noch 
eine Heine Abjchiedsrede zu halten. Es war nämlid am Tage feines 
Abganges (17. Sept) Morgens 2 Uhr ein heftiges Erdbeben entjtan: 
den; darauf hin hatte Münfter die Schwachheit, zu fagen, das ſei ge: 
ſchehen, weil die Pforzheimer nicht Ealwiniich werden wollten. („Für 
einen proteftantifchen Edelmann ift dies fait zu läppiſch“, fett Ebertz 
hinzu.) 

Am nämlihen Tag entftand aber in Pforzheim noch die größte 
Verwirrung. Es hatte ſich nämlih das Gerücht verbreitet, daß die 
Stadt in der fommenden Naht durch einige Hundert Mann Krieges 
knechte vom Schloßthor aus Üüberrumpelt werden folle, Es fand dies 
Gerüht um fo mehr Glauben, da der Obervogt in Begleitung eines 
marfgräflihen Hauptmanns an diefem Tage fehr fchnell abgereist war, 
verjchiedene verdächtige Bürger ihre Effekten geflüchtet hatten und mehrere 
Kaufleute, welche von der Frankfurter Meſſe kamen, in Pforzheim nicht 
übernachten wollten, ſondern nad, Tiefenbronn weiterritten, Ueberdies 
vermutbete man einige Kompagnien pfälzifher Truppen in dem nahen 
Heidelsheim, welche ſich daſelbſt im Einverſtändniß mit dem Markgrafen 
zufammengezogen hätten. Alles in der Stadt geriethb nunmehr in Be— 
wegung. Die Bürger rüfteten ſich zu emergiicher Gegenwehr und ver: 
ſammelten fich auf ihren Zünften; man verftärkte die Wachen und ftellte 
auch außerhalb der Stadt an mehreren Orten Spähwachen aus, fo auch 
eine am Klaffnert (dem Wald gegen Durlach). Gegen Morgen er: 
blifte diefe von ferne mehrere Fackeln, welche fich gegen die Stadt zu 
bewegten. Aufs fchnellfte eilten nun die Spähwächter mit der Kunde 
in die Stadt, daß der Feind im Anzug begriffen je. Der Wächter 
am Brößinger Thor meldete es fogleich dem Dr. Ebertz; noch ſchneller 


Dreizchntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert. 369 


aber verbreitete ji in der Stadt die Kunde, daß bereits 400 Mann 
in das Schloß eingelafjen worden feien und die Gefahr den höchſten 
Grad erreicht habe. Ebert nahm fi faum Zeit zum Ankleiden, hing 
ſich jelbft die Lärmtrommel um und flug durch einige Straßen tüchtig 
drauf los, bis dev Stadttrommler fam und ihn ablöste. Ebenjo wurde 
die Sturmglode geläutet, Schnell hatte ſich die Bürgerfchaft, der fich 
die in Pforzheim Wohnenden vom Adel anjchloffen, auf dem Marktplatze 
verfammelt, und Ebertz rüdte mit einem Theil derfelben vor das Schloß 
mit der Aufforderung, ihm das Thor augenblicklich zu öffnen. Dem 
Verlangen wurde durch des Amtskellers Schreiber jogleich entſprochen; 
man fand aber im Schloß keine Spur von Truppen, beſetzte es jedoch 
mit entiprechender Mannfchaft und ließ c8 mit einer Wagenburg umgeben, 
Endlich brach der Tag an; allein es war von Kriegsvöltern weit und 
breit nichts zu ſehen; wohl aber erfuhr man, daß wegen des Todes des 
Ritters Wolfgang Dietrih von Gemmingen, welcher Tags zuvor in 
Durlach geftorben, zwei Boten abgeſchickt worden jeien, weldye fich der 
Dunkelheit halber mit Fackeln verjehen hätten. Dieje hatten nun den 
Alarm in der Stadt veranlaßt. Es mag an diefem Tag in Pforzheim 
an langen Gefichtern nicht gefehlt haben. 

Die Bürger mochten wohl denken, daß der Markgraf die Nachricht 
von dieſen Borgängen nicht gleichgiltig aufnehmen werde, und fchieten 
deshalb am nämlicyen Tag noch (18, Sept.) ein Entihuldigungsfchreiben 
nach Mühlburg ab, wo der Fürſt damals ſich aufhielt. Diefer, aufs 
Heftigite erbittert, verfammelte ſogleich feine Räthe um fi; aber fie 
fanden die Anwendung von Waffengewalt unförderlih. Zwar der per: 
jönlich beleidigte Statthalter Peblis ſchrieb drohend an die ftädtifche 
Dbrigkeit zu Pforzheim, er werde fie alle mit Weib, Kind und Gefind 
peinlich belangen; aber dod) rieth er dem Markgrafen, man folle dem 
veformivten Kult vorerit nur eine der Pforzheimer Kirchen zu öffnen 
ſuchen. Auch der Obervogt Münfter rieth von gewaltfamem Vorgehen 
gegen eine Bürgerſchaft ab, mit der er nicht fertig hätte werden Können, 
obgleich er als Amtmann zu Wied am Niederrhein eine ganze Graffchaft 
zur vechten Lehre befehrt habe. Es fei namentlich zu befürchten, daß 
viele von der Bürgerſchaft am Ende auswandern und dem Markgraf 


bedeutende Einnahmen an Zoll, Steuer und Schatzung verloren gehen 
Pflüger, Pforzheim, 24 


370 Dreizehntes Rapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert. 


möchten. Ebenſo war ein anderer rechtsgelehrter Rath, Juſtus Reuber, 
der Anficht, daß man die Sache etwas fubtiler hätte angreifen und nicht 
drein fahren follen, wie „der Hagel in die Häfen.“ Hätte man vorerft 
gefucht, einige Pforzheimer für die veformirte Lehre zu gewinnen und 
dahin zu bringen, felbft um eimen kalviniſchen Geiftlihen anzuhalten, fo 
wäre es ficherlich beffer gegangen und die neue Lehre würde den Bür— 
gern ſelbſt nicht mißfällig gewefen fein. In gleihem Sinn ftimmten die 
übrigen Räthe (Joh. Rupr. Tiichelin, Jakob Commali und Karl Paul); 
fie wiefen auf die Gefahr eines allgemeinen Aufjtandes bin, da auch 
dag Landvolf gut lutheriſch gefinnt ſei und die Stadt Pforzheim auf 
den Beiltand des Markgrafen Georg Friedrich zähle, 

Darauf hiu beſchloß der Markgraf, der Sache einen mehr politischen 
Charakter zu geben, die Neligion weniger insg Spiel zu bringen, aber 
gegen die unrubigiten Köpfe unter den Bürgern, namentlich) gegen ihren 
Nechtsbeiftand Dr. Ebertz, einen peinlichen Prozeß einzuleiten. Er 
jandte darum am 25. September zwei Difiziere, den Hauptmann Karl 
von Scyornitetten und den Lieutenant Weinſchenk, nah Pforzheim und 
gab ihnen ein Schreiben mit, worin er der Bürgerichaft ihr Benehmen 
gegen den Statthalter Peblis, den Obervogt v. Münſter, ihren Troß, 
ihre Halsftarrigfeit und ihr aufrühreriihes Weſen vorbielt und ihnen 
gebot, ihr Bündniß aufzugeben; denen, die davon abgingen, follte ver 
ziehen, die übrigen aber mit peinlichen Strafen belegt werden. Am 
26. September Vormittags 9 Uhr verfammelten diefe Abgeordneten 
die Bürgerſchaft und laſen nach vorausgegangenem Trompetenihall den 
fürftlichen Befehl vor. Die Bürger verlangten eine Mbfchrift und Be 
denfzeit; erſtere wurde verweigert, lebtere bis Mittags 1 Uhr geftattet. 
Während der Zwiſchenzeit verfaßten die Bürger eine Erklärung und 
laſen fie öffentlich ab. Sie fagten darin, daß es nie ihr Wille gewefen, 
noch wirklich fei, ihrem Fürſten ungehorfam zu fein; fie verlangten nur: 
1, bei ihrer bisherigen lutheriſchen Neligion gelafjen zu werden; nur 
diefe hätten fie beſchützen wollen, was fie bei ihrem Eide bezeugen 
könnten; 2. verlangten fie, bei ihrem Neligiongeide zu bleiben, weil folcher 
gegen Niemanden gebe; 3, bäten fie aud) um einen lutheriſchen Super- 
intendenten und um Bejorgung von Kirche und Schule durch lutheriſche 
Geiftlihe, und 4, um Mittheilung des fürftlichen Befehls, um fich ver- 


Dreizebntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17, Jahrhundert. 371 


antworten zu Fünnen. Die fürftlihen Abgeordneten gingen auf diefe 
Begehren nicht ein, bemühten ſich aber, die Bürger zum Abfall von 
ihrem Religionseid zu bewegen und betheuerten dabei mit derben Flüchen 
(„der Teufel jolle fie mit Leib und Eeel! holen”), daß der Neligion 
der Pforzheimer fein Eintrag mehr gejchehen und daß Ebertz ficher 
Geleit haben jolle. Ja, der Hauptmann von Schornftetten erbot fi) 
fogar, ihnen die Kapitalbriefe über viele taufend Gulden, die er bei der 
Zandichaft liegen habe, als Unterpfand für die Aufrichtigfeit feiner Be— 
theurungen zu hinterlegen. Die Bürger ſchienen nicht ganz abgeneigt, 
denfelben Glauben zu fchenten, wurden aber von Eberk bald wieder 
„herumgebracht.“ Mittlerweile war vom Markgrafen der Befehl einge: 
laufen, Ebertz zu verbaften und gefangen nach Durlach abzuführen, 
As deshalb am andern Tage die beiden Abgeſandten fi) abermals auf 
dem Nathhaus eingefunden hatten, um diejenigen Bürger aufzunehmen, 
welche bei dem bürgerlichen Huldigungseid  verhawen wollten, (dazu 
waren wohl alle geneigt,) wurde jedem Einzelnen bei jchmerer Leibes— 
ftrafe geboten, ſich des Dr. Ebert in feiner Weife anzunehmen und 
ruhig nah Haufe zu gehen. Um 4 Uhr Nachmittags wurde nun aud) 
Ebert vorgerufen, Er ſäumte nicht, zu erfcheinen, da er fich zu jeder 
Verantwortung bereit finden laſſen wollte, war aber nicht wenig erftaunt, 
als. man ihm Arreft anfündigte und ihm befahl, alle Akten, die Huldi— 
gung betreffend, fowie auch das Geld, das die Bürger zuſammengeſchoſſen, 
auszuliefern, Ebertz erklärte fi) zu Allem bereit, ſogar zum Arreft, 
wenn man ihm die Verficherung gebe, daß ihm feine Gewalt angethan 
werde. Das wurde von den Abgeordneten zugejagt, jedoch am folgenden 
Tage bei Fortſetzung dev Verhandlungen dazu bemerkt, daß Ebert laut 
eingetroffenen fürftlichen Befehls nach Durlach verbracht werden müſſe. 
Dagegen proteftirte Ebertz, weil ihm natürlich bei der Sache nicht wohl 
zu Muthe war, und da ihm ohnehin Verfchiedenes, was in feiner Gegen: 
wart vorging, ſehr verdächtig erichien, jo paßte er einen günftigen Augen: 
bi ab und jprang umverfehens zur Thüre hinaus, Unter dem lauten 
Zurufe, daß man ihn halten folle, folgte ihm Schornftetten nad, faßte 
Ebert beim Aermel, als diefer eben das Treppengeländer ergriff, Fonnte 
ihn aber nicht zurücziehen, und fo purzelten Beide miteinander die halbe 
Treppe hinunter. Mittlerweile war auch der Lieutenant Weinihent 
24 * 


372 Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17, Jahrhundert. 


nachgefprungen, brachte den Kopf Ebertz's unter feinen Arm, verftopfte 
ihm, da er fortwährend laut nach den Bürgern ſchrie, den Mund und 
griff ihm nach der Gurgel. Durch das Rufen und Schreien aufmerkfam 
gemacht, fprang jest ein Bürger, ein Wollenweber, mit einer Art herbei, 
ſchwang dieſelbe drohend gegen Weinfchent und rief aus: „Daß euch 
potz Saferment ſchänd! Heißt das Fried und Geleit zugefagt ?" Es wäre 
jedoh um Ebert gefchehen geweſen, da jebt auch einige Kriegsknechte 
die Treppe herab nad) ihm ftießen, wenn ihm nicht der Schreiner Jo— 
hann Eichelin mit einer Hellebarde zu Hilfe gefommen wäre, Wein— 
fchent mußte nun von Ebertz ablaffen, der mit einem Sat die Treppe 
hinunter fprang und auf den Marktpla eilte, wo fich bereits die Bür- 
gerichaft in Waffen aufzuftellen begann. Alles war aufgebracht über 
das Benehmen der Offiziere, die nun im Rathhaus in fiherm Gewahr: 
ſam gehalten wurden, („fie hatten fi) im Adler eine Mittagsmahlzeit 
beftellt; daraus wurde aber eine Abendmahlzeit, weil fie bis 6 Uhr 
Abends eingefperrt waren; nach mancherlei Veriprechungen wurden fie 
endlich fortgelaffen und im Wirthshaus bewacht,“) bis Ebert ins Würt⸗ 
tembergifche in Sicherheit gebracht war. Bon dort ging er über Bruch: 
fal nach Speier, wo er zwar auf Begehren des Markgrafen durch den 
Magiftrat gefänglich eingezogen, aber durch das Neichsfammergericht 
bald wieder befreit und auch gegen die ferneren Verfolgungen Ernſt 
Friedrichs in Schuß genommen wurde. 

Man follte nun glauben, die Erbitterung des Markgrafen müßte 
einen noch höheren Grad erreicht und ihn zu nod) fhärferen Maafregeln 
gegen die Pforzheimer bewogen haben. Won Beidem fand aber das 
Gegentheil ftatt. Es fcheint, daß es den Bemühungen einiger Bürger, 
darunter namentlich des Apothefers und Rathsherrn Mich. Koh. Gries: 
ninger, gelang, den Markgrafen zu bejänftigen und ihm fiber die 
BVerhältniffe zu Pforzheim eine andere Anficht beizubringen. Auch war 
ja jet derjenige, den der Fürft für den Hauptanftifter und Rädels— 
führer bei den Pforzheimer Unruhen hielt, nämlicd Ebert, aus der 
Stadt entfernt. Genug, es lief am 29, September ein Schreiben an 
jene beiden Offiziere ein, worin der Markgraf ſich anheiſchig machte, 
zur „Erklärung feines fanftmüthigen Gemüths“ den Bürgern ihre bes 
gangenen hochſträflichen Frevel zu „condoniren und nachzufehen”, wenn 


Dreizehntes, Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert, 373 


fie die Bewachung der beiden fürftlichen Gefandten aufgeben nnd ver- 
ſprechen wollten, fi) des Dr. Ebert, diefes ehr: und eidvergeflenen Ge: 
fellen, welcher uns am unjerer fürftlichen Ehr und Neputation und in 
anderm Meg ehrendiebifcher, freventlicher Weiſe angegriffen,“ nicht mehr 
anzunehmen. In einem Poftferiptum zu diefem Schreiben heißt es fer: 
ner: „Uns jammert der armen unverftändigen und verblendeten Leute 
zu Pforzheim, daß fie um des ehr: und eidvergefienen Mannes, Peter 
Ebert willen, neuen Tumult angefangen und unter fo viel Hunderten 
nicht Einer geweſen, der da bedacht hätte, daß foldhes Ehrendiebes Ver— 
baftung ihnen mehr zur Gnade, denn zur Ungnade angefehen, ja mehr 
zur Ehre, denn zur Unehre, wie auc ihren Weibern und Kindern zum 
Beiten gereicht 2c.* Genug, die Pforzheimer fcheinen bezüglich der bei: 
den Gefangenen dem Markgrafen zu Willen geweſen zu fein und aud 
bald darauf ihre Iutherifchen Prediger, mit Ausnahme des Superinten: 
denten,, wieder erhalten zu haben. Damit war ja auch der Grund zu 
weiterer Widerſetzlichkeit für jet befeitigt. 

Allein nach faſt drei Jahren brad der Sturm, und zwar ernftlicher 
als je, von Neuem los. Es follte ein wiederholter Verſuch gemacht 
werden, die Stadt Pforzheim zur veformirten Lehre zu bringen, und 
zwar, da andere Mittel fruchtlos erjchienen, durch Gewalt. Am 
14, April 1604 309 der Markgraf an der Spite einer Anzahl Solda- 
ten, die er durch bewaffnete Bauern verftärkt hatte, won Durlach aus gegen 
die unfügfame Stadt, Als die Nachricht davon in Pforzheim eintraf, 
verrammelten die Bürger ihre Thore mit Laftwagen und ähnlichen 
Mitteln, wie fie die Eile des Augenblickes ihnen darbot und griffen zu 
ben Waffen, um die drohende Gefahr mit ftandhaften Muthe zu em: 
pfangen. Doch die weitere Kunde, die bei ihnen eintraf, lautete auf 
eine ganz andere und unerwartete Weife. In Remchingen, dem ſchon 
mehrerwähnten Flecken, der fich zwifchen Durlach und Pforzheim befand 1), 


—— — 


‘) Im Jahr 1735 war von demſelben noch die Kirche vorhanden und 
wohnten bei derjelben aber nur noch 6 Haushaltungen,. Die Orte Wilferbingen, 
Singen und Kleinfteinbah waren damals bahin eingepfarrt. (Pforzheimer 
Diozes-⸗, Kirchen: und Schulbeihreibung von 1735 im Landesardiv.) 


374 Dreizehntes Kapitel. Pforzheim vom 16. zum 17. Jahrhundert. 


wurde der Markgraf an jenem 14. April vom Schlagfluß getroffen, der 
jeinem Leben noch am gleichen Tage ein Ende machte. Die Tradition 
gibt ald Grund davon den Aerger an, welchen der fehr ftarf beleibte 
Ernſt Friedrih in Remchingen bei der eben eintreffenden Nachricht em: 
pfunden habe, daß Pforzheim fich zur entichloffenften Gegenwehr rüfte. 
In ftillem Zuge kam feine Leiche in diefer Stadt an, um im fürftlichen 
Erbbegräbniß daſelbſt beigefeßt zu werden. Mit feinem Tode und 
dem Negierungsantritt Georg Friedrichs hörten alle Religionsbedrückun— 
gen auf. 


Viersehntes Bapitel 


Pforzheim während des dreigigiährigen Krieges. ') 
(1618 — 1648.) 


$ 1. Einleitung. 


Der im Jahr 1555 zu Augsburg abgeſchloſſene Neligionsfriede 
(S. 320) war leider nur ein äußerlicher gewejen. Unter den evange: 
lichen und Fatholifchen Ständen Deutjchlands und den verfchiedenen 
Neligionsparteien überhaupt herrſchte feine Eintracht, fjondern der Riß 
wurde von Jahr zu Jahr größer, der Hader immer bitterer, bis endlich 
ein Krieg ausbrach, biutiger und anhaltender, als jelbft die ſchwärzeſte 
Ahnung ihn hätte vomusfagen fünnen, 

Da das gegenfeitige Mißtrauen zwiſchen Katholiken und Proteſtan— 
ten allmälig einen hohen Grad erreicht hatte und durch jeden ausgeho— 
. benen Soldaten, jeden reifenden Gefandten, jeden Kourierwechſel genährt 

wurde, jo traten die meiften evangelifchen Fürſten Deutichlands 1608 
zu einem Bündniß zufammen, das fie Union nannten. Zu den eif- 
rigften Mitgliedern derjelben gehörte Markgraf Georg Friedrich von 
Baden-Durlach. Ihm wurde das Kommando über einen Theil der 
aufzuftellenden Unionstruppen, nämlich die Neiterei, übertragen, während 
der Kurfürft von der Pfalz das Direktorium des Bundes erhielt. Die 
Gründung der Union rief bei den Fatholifchen Fürften eine ähnliche Ber: 
einigung, die Riga, hervor, an deren Spite der Kurfürft Marimilian 
von Baiern fich ftellte. Auf beiden Seiten wurden die umfafjendften 
Kriegsrüftungen betrieben, und auch in Baden-Durlach wußte der Mark: 
graf die Zahl feiner Truppen nad und nach fo zu vermehren, daß er 
im Jahr 1617 über eine Heeresmaht von 15,000 Mann, darunter 


ı) Quellen verfchieden, meift betr, Orts angegeben. 


376 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 


viele geworbene Truppen, Mufterung halten konnte. Es gehörten dazu 
auch die 4 Landmwehrregimenter, die er gleich den übrigen Fürften der 
Union errichtet hatte, nämlid) Unterbaden, Oberbaden, Hochberg und 
Kötteln. Das erfigenannte hieß auch das weiße Regiment und beftand 
aus Angehörigen aller zwifchen Pforzheim und dem Rhein gelegenen 
Drte. Eine der 9 Kompagnien des Megimentes hatte die Stadt 
Pforzheim geftelt. — Solche Kriegsrüftungen Tegten dem Lande 
fchwere Laften auf. „Man ift im diefem Jahre”, jo klagt 1614 die 
Chronik des badiſchen Dorfes Britingen, 1) „mit Muftern und Ererziven 
der Unterthanen heftig umgegangen und bat, mit Veränderung der 
Mehren zu Fuß und zu Roß, auch mit Röcken und Kleidungen der 
ausgewählten Truppen große Koften gemacht.“ Nicht ange nachher 
erging auch ein Befehl des Markgrafen an feinen Vogt und Oberft- 
lieutenant Bertram v. Herſchbach zu Pforzheim, nach welchem er bezüig- 
ich der Befeftigungswerfe der badischen Städte und Schlöffer genaue 
Aufpektion halten und, wo nöthig, zu Herftellung derjelben das Exrfor: 
derliche vorfehren follte. 2) Vielleicht zu theilmeifer Deckung ſolcher Koften 
oder ähnlicher Ausgaben war der Markgraf genöthigt, am St. Thomas: 
tag (21. Dez.) 1617 bei den Pforzheimer Amtsfleden ein Anlehen 
von 1720 Gulden zu machen, das 4 Jahre lang nicht, nach Umfluß 
berfelben aber, wenn noch nicht heimbezahlt, mit 5 vom Hundert verzinst 
werden follte. 3) : 
Zur Erhöhung feiner Truppenmacht hatte nun freilich Georg Fried: - 
rich noch einen befondern Grund. Wie ſchon (©. 354) erzählt, befand 
fich die Markgrafihaft Baden-Baden fortwährend in feinem Befit, weil 
er den Kindern des Markgrafen Eduard Fortunat, der 1600 geftorben 
war, die Erbfähigfeit nicht zugeftehen wollte. Sowohl die Mittwe 
desjelben, als ihr äHtefter Sohn Milhelm fuchten die Anfpriüche des 
Kestern auf Baden: Baden zur Geltung zu bringen. rftere reiste 
überall umher, und bei den Fatholifchen Fürften und dem Kaifer felbft 
fand fie ein um fo bereitwilligeres Ohr, als ihr Sohn eben diefer Kirche 


1) Bierodt, IE, 152. 

2) Akten bes Generallandesardivs. 

s) Obligatio von Herrn Markgraf Georg Friedrich Durchlaucht geg. bie 
Pforzheimer Amtsfleden ; im Stabtardiv. 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breifigjährigen Krieg. 377 


angehörte, während Georg Friedrich ein eifriger Lutheraner war. Bei 
Ausbruch eines Krieges ftand, fo fürchtete der Markgraf, der Befit von 
Baden-Baden auf dem Spiel, und um fi denfelben zu fichern und 
nöthigenfalls ſelbſt durch Waffengewalt zu verteidigen, hatte er fo aus: 
gebehnte Nüftungen veranftaltet. Es follte fich Später zeigen, daß feine 
Befürchtungen nicht ungegründet waren. 

Am Fahr 1618 brad in Böhmen der Krieg endlich aus, ber 
Deutichland dreißig Jahre lang verheeren und fo unfägliches Elend auch 
über unfer engeres Vaterland und über Pforzheim bringen follte. Aus 
den Trümmern zweier böhmifchen Kirchen, welche die proteftantifchen 
Unterthanen Fatholifter Gutsherrn gebaut hatten, die aber auf Befehl 
ber letztern wieder niedergerifien wurden, fehlug die verderbliche Flamme 
des Krieges empor, 


82. Die erften Jahre des Krieges. 
(1618— 1622.) 


Die Böhmen hatten dem Kaifer Mathias den Gehorfam aufge: 
fündigt und wollten nad deſſen Tode, durch glückliche Waffenthaten er: 
mutbigt, auch feinen Nachfolger, den bigotten Kaifer Ferdinand IL, 
niht als ihren König anerkennen, jondern beriefen den Kurfürften Fried: 
ih V. von der Pfalz auf den böhmifchen Thron, zu welchem er aber 
weder Kopf, noch Herz, noch eine zum Kampfe geeignete Fauſt mit- 
brachte. In kurzer Zeit hatte fich deshalb das Waffenglück gewendet, 
und mit Blitzesſchnelle ftürzte das vereinigte Heer der Liga und des 
Kaifers, unter dev Anführung Marimilians von Baiern, über das un- 
glückliche Böhmen. Am weißen Berg bei Prag wurde das Heer Trieb: 
richs 29. Dit. (8. Nov.) 1) geichlagen, und der König begab fich auf 


1) Die Leer werben in ber Geichichte des 30jährigen Krieges jowohl, als 
während bes ganzen 17. Jahrhunderts, immer boppelten Daten begegnen. 
Dies rührt von der Kalenderverbeſſerung ber, die 1582 durch Papft Gregor XIII. 
deswegen vorgenommen wurde, weil fi) herausgeſtellt hatte, daß der bisherige 
julianifche Kalender unrihtig und man damals in der Zeitrechnung um 10 
Tage zurüd war. Es wurden deshalb im genannten Jahr 10 Tage ausge: 


378 Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


die fchleunigfte Flucht. Da während feiner Abweſenheit aus dev Pfalz 
die Spanier unter Spinola in diefe eingedrungen waren, jo juchte er, 
vom Kaiſer geächtet und feiner Würde und feines Landes für verluftig 
erklärt, feine Zuflucht in Holland. Seine Sache jchien vettungslos ver: 
loren, erhob fih aber von Neuem gegen die furchtbare Uebermacht 
Oeſtreichs, Spaniens und der Liga durch die Tapferkeit einiger Män— 
ner, welche für den Kurfürſten und zugleich für die gefährdete proteftans 
tifche Kirche das Schwert ergriffen. Es waren dies der Graf Ernſt 
von Mansfeld, der Herzog Chriftian von Braunfchweig und bald darauf 
au der Markgraf Georg Friedrih von Baden. 

Mar der Schauplab des Krieges in den erjten Jahren feiner 
Dauer auf Böhmen und Deftreich beſchränkt geweien, jo breitete er 
fi) bald über ganz Deutjchland aus und wurde jhon im Jahr 1621 
in unfere Gegenden verlegt. Mangfeld, aus Böhmen verdrängt, hatte 
fih bis in die Rheinpfalz durchgeichlagen und kämpfte bier nicht ohne 
Erfolg gegen die eingedrungenen Spanier. Im Spätjahr 1621 brands 
ſchatzte er Bruchſal und die übrigen bijchöflichen fpeierifchen Orte, und 
bei diefem Anlafje erhielt Pforzheim feine erſten Kriegsgäjte, welche 
duch ihre Ankunft nur zu deutlich verrietben, daß ihnen bald jchlim- 
mere nachfolgen würden. Es waren dies Einwohner von Bruchſal, fowie 
der umliegenden Orte, namentlich von Grumbach und Heidelsheim, welche 
in Pforzheim vor den Mansfeld'ſchen eine Zuflucht fuchten. (13., 30, 
Nov., 12.— 21., 26. Dez. 1621, 9. Jan. 1622). Der Graf von 
Mansteld begab fi indefjen bald auf die linke Nheinfeite zurüc, wo er 
dem biichöflih jtraßburgiichen Gebiet ein gleiches Schickſal wie dem 
fpeierifchen bereitete. Mittlerweile war auch der Liguiftifche General 
Tilly vom Main her durch den Odenwald und das Nedarthal in die 
Pfalz vorgedrungen, um den vechtsrheinifchen Theil derfelben für den 
Herzog Mar von Baiern zu bejeten, während der Spanier Spinvla 





laffen und die erforderlichen Einrichtungen getroffen, um der Wiederkehr ähn— 
licher Jrrungen vorzubeugen. Den neuen verbeflerten oder gregorianiichen Ka— 
lender nahmen aber damals nur die Katholifen an; die Broteftanten entjchloffen 
fi viel jpäter erit dazu. Man hatte deshalb noch lange zwei Kalender neben 
einander, nämlich ben „alten“ und den „neuen Stils“, daher bie doppelten 
Daten. Das Datum neuen Stile ift oben immer in Klammer beigefeßt. 

1) Städtiſches Kirhenbudh von 1607—1646, S. 140, 141 und 142, 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 379 


in ber überrheinifchen Pfalz ftand. Zu diefen zwei feindlichen Heeren 
kam noch ein drittes, welches der Biſchof von Straßburg, Erzherzog 
Leopold, im Elfaß zufammengezogen hatte, — Grumd genug für Mark— 
graf Georg Friedrich, auf feiner Hut zu fein, um ſich von dem drohen: 
den Gewitter, das fich über ihm zufammenzog, nicht umworbereitet 
überfallen zu Laffen. Er ſuchte deshalb feine ſchon ſehr beträchtliche 
Truppenmacht noch mehr zu vergrößern, nahm den Herzog Wilhelm 
von Weimar und deſſen fpäter jo berühmt gewordenen Bruder Bern: 
bard, fowie den Herzog Magnus von Württemberg in feine Dienfte 
und Tieß in der Schweiz, den ſüddeutſchen Neichsftädten und Weſtpha— 
len erneuerte MWerbungen anſtellen. Es fcheint, daß die Söldlinge, 
weldhe Herzog Magnus dem Markgrafen zuführte, jammt ihm einige 
Zeit in Pforzheim in Garnifon lagen, Wenigfteng wird der Küchen— 
meifter des Herzogs als in der Stadt anweſend aufgeführt. Ein Ka: 
pitän diefer Truppen hieß Georg Wolf von Landsberg, der ung am 26. 
Dez. 1621 und 9. San. 1622 begegnet. Das Korps, weldes im 
März als in der Stadt liegend erwähnt 1) und von weldem ein Ka: 
pitän Gültlinger, ein altwürttembergiicher adeliger Name, genannt wird, 
it wohl dasjelbe gewejen. 

Noch hatte indeffen der Markgraf am Kriege keinen thatſächlichen 
Antheil genommen, und Oeftreih gab fih alle Mühe, ihm nicht nur 
davon abzuhalten, jondern ihn auch zur Entlafjung jeiner Truppen zu 
bewegen. Der Erzherzog Leopold fuchte ihm namentlich darzuthun, 
daß feine Befürchtungen wegen der Herausgabe von Baden-Baden ohne 
allen Grund jeien, Allein der Marggraf traute ſolchen Verficheruns 
gen nicht, und als vollends der vertriebene König Friedrid von Böhmen 
aus feinem Eril unerwartet in Landau ankam, mit Mangfeld in Ger: 
mersheim zufammentraf und einen Eilboten um den andern an Georg 
Friedrich mit der Bitte um Hilfe jandte, da brachte die ritterliche Ge: 
finnung des Markgrafen für den verlaffenen Pfälzer den Entſchluß zur 
Reife, fih offen am Kampfe zu betheiligen. Am 15. (25.) April 
brach er mit einem KHeere von 15,000 Mann von Durlad auf und 
309 über Stafforth in den Kraichgau. Dahin fette fih auch Mansfeld 
in Bewegung, und bei Wiesloch fam es zwiſchen ihm und Tilly am 


') Städtiſches Kirchenbuch. 


380 Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigiährigen Kricg. 


17. (27. April) zu einem Treffen, welches legterer verlor. Tilly zog 
fi nunmehr über Einsheim nach Wimpfen zurüd, während Mansfeld 
die Belagerung von Ladenburg unternahm, 


$ 3. Die Schlacht bei Wimpfen 
am 26. April (6. Mai) 1622. 1) 


wi es 





Das Schlachtfeld von Wimpfen. 


H = Heilbronn, NG = Nedargartah, BH — LBellinger Hof, 
OE — Obereifisheim, TUE — Untereifisheim, Wi = Wimpfen, Bo 
— Bonfeld, F = Fürfeld, Sch = Schmaigern, Bi — Biberach; 
— N = Nedar, BB = Bellinger Bad, Br = Brüde darüber, 
Wa — Wartberg bei Biberach, DW = Dome Wald; — L = 
erfte Aufftellung Markgraf Georg Friedrichs, I. — zweite Aufftellung 
Georg Friedrichs, IT. —= Tilly, IV. —= Cordova. 


1) Quellen für diefen Abichnitt der Pforzbeimer Geſchichte, der von jeher 
für einen Glanzpunkt berfelben galt, find: Alten und Manufcripte Großh- 


Vierzehntes Kapitel, Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 381 


Nach dem Abzug Tilly's nahm der Markgraf Sinsheim, Hilsbach 
und noch andere Orte ein, und folgte alsdann auf der Straße von 
Schwaigern und Biberad den Tiguiftiihen Truppen nad. Bei letzterm 
Drte nahm der Markgraf feine Stellung, während Tilly näher bei 
MWimpfen ftand. Georg Friedrid) war feinem Gegner an Macht über: 
legen, weshalb Tilly in aller Eile den nicht weit entfernten General 
Gonzalo de Cordova zu feiner Unterftübung herbeirief: ein Umftand, 


———- 


Generallandesarchivs, darunter namentlich ein Schreiben, welches Georg Fried— 
rich Über die Wimpfener Schlaht acht Tage nad derielben, nämlih am 3, 
(13,) Mai, von Durlad aus an ben Markgrafen Joachim Ernft von Branden— 
burg richtete, — ferner ein Schreiben des Sefretärs Abel an den Nürnbergi« 
[hen Stadtoberften v. Leubelfingen,, „wie es in ber Wimpfener Schlacht herges 
gangen.” — Alten aus den Archiven der Stäbte Heilbronn und Wimpfen, — 
Bericht eines ungenannten Augenzeugen, (vaterländiiche Blätter von 
Schreiber, 1812). — Deimling, E. 8, die vierhundert Pforzheimer (1788), 
— Der durchlauchtigſten Fürften und Marfgrafen von Baden Leben ꝛc. 
(Frankfurt und Leipzig, 1693), — Heyd, Geſchichte der Stadt Wimpfen 
(Darmftadt, 1836) mit der gleichzeitigen „Relation eines Wimpfener Dominis 
kaners.“ — Jäger, Geihichte der Stadt Heilbronn nah bandichriftlichen 
Duclen. — Khevenmüller, Annales Ferdinandei, Band IX., (Leipzig, 
1724), — Kontraktenbücher auf Großh. Amtsreviforat zu Pforzheim. — 
Laroche, die Schlacht bei Wimpfen, (Abhandlung in der Zeitichrift für Kunſt 
und Wiſſenſchaft des Krieges, Jahrgang 1846, Heft 7 und 8, Berlin). — Las 
roche, der breißigjährige Krieg vom militärischen Standpunkt. (Schaffhauſen, 
1848). — Leichtlen, Badens Kriegsverfafjung, bejonders Landwehr und Land: 
fturm im 17. Jahrhundert, (Karlsruhe, 1815), — Mallinger, Th. Tags 
bücher 1613—1660, in Mone's Quellenfammlung I,, (Karlsruge, 1854). — 
Münd, E., Erinnerung an die Schlacht bei Wimpfen, (Freiburg, 1824). — 
Nicolai Helvieci Chronicon (1641). — Poſſelt, Dr. dem Baterlandstob, 
der. 400 Pforzheimer, (Karlsruhe, 1788). — Stiftungsrehnungen im 
Stadtarchiv zu Pforzheim (1604-1633). — Taufbuch, älteſtes, der Stadt- 
pfarrei Pforzheim (1607— 1646). — Theatrum Europaeum, I, (&. 626). — 
Bekanntlich ift auch der Heldentod der 400 Pforzheimer bei Wimpfen vielfach 
bichteriich gefeiert worden, fo von Ferrand, Brauer, Vogel, Babo, Hofmann, 
Dieter, Kempte u. U, Auch Tromlig bat benfelben zum Gegenftand einer 
Novelle gemacht. — Die nachfolgende Echilderung der Schlacht iſt nach ihrer 
militärischen Eeite meift nach Larodhe, als einem Mann vom Fach, gegeben, 
der dazu hauptſächlich die betreffenden Akten aus den Archiven ber Stäbte 
Heilbronn und Wimpfen zu Grund gelegt bat. Selbſtverſtändlich ſind aber 
auch die andern Quellen dabei mitbenügt worden. 


382 Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


der im Verlauf der Schlacht fehr zum Nachtheil des Markgrafen in 
die Wagfchale fallen follte, 

Das ganze ftreitbare Heer Georg Friedrichs beftand, wie oben 
bereit8 bemerkt, aus etwa 15,000 Mann, melde fih auf 6--8 Regi: 
menter Fußvolk, 24 — 28 WReiterfähnlein und die Geſchützmannſchaft 
vertheilten. Zur Änfanterie gehörten die vier jchon erwähnten Land: 
wehrregimenter Oberbaden, Hochberg, Nötteln und Unterbaden oder 
das weiße Negiment. Xebteres zählte 9 Kompagnien, wovon 2 
auf Stadt und Amt Durlah, 1 auf das Amt Graben, 1 auf das 
Amt Mühlburg, 1 auf die Stadt und 2 auf das Amt Pforzheim, 
41 auf das Amt Stafforth (und nody einen Theil von Durlach) und 1 
auf die Aemter Stein und Langenſteinbach kamen. Jede Kompagnie 
war 300 Wann, das ganze Regiment alfo 2700 -Vtann ftart, Das: 
jelbe wurde vom Oberften v. Helmftädt befehligt. Stadt und Amt 
Pforzheim jtellten aber gemeinjchaftlich mit Stein und Langenſteinbach auch 
ein Reiterfähnlein, das 100 Mann zählte und, weil Pforzheim den 
größten Theil davon ausrüftete, das „Pforzheimer“ genannt wurde. 
Bon den „400 Pforzheimern”, die in der Schladht von Wimpfen 
mitfämpften, war alfo weitaus der größte Theil won der Stadt Pforz 
heim gejtellt. Außer den 4 Landwehrregimentern zählte das Heer Georg 
Friedrihs 1 Pfälzer und 1 Weimarer Regiment. Diefe beiden hatten 
dem Markgrafen die Herzoge Wilhelm und Bernhard von Weimar 
zugeführt, Andere Theile des Fußvolkes waren ſolche Truppen, bie 
der Markgraf felber in der Schweiz ꝛc. geworben, in ganzes Re: 
giment Schwabenreiterei, 1500 Mann jtark, hatte Herzog Magnus von 
Mürttemberg dem Markgrafen zugeführt. Die Kavallerie zählte über: 
dies auch einige Abtheilungen Franzojen. In der nächſten Umgebung 
des Markgrafen war feine Reibwache, eine 154 Mann ftarfe Abtheilung 
Neiterei und ein Fähnlein Fußvoll. Die Mannſchaft des letzteren trug 
glänzende Nüftungen, und war Jeder mit zwei Rohren und außerdem 
mit Schwert und Lanze ausgerüftet. Das ſchwere Geſchütz zählte 40 
Feldſtücke und außerdem 70 fogenannte Spit: oder Spießwagen. ‘Dies 
jelben waren eine Erfindung des Markgrafen. Eine Haubiße, die leicht 
gedreht werden konnte, ruhte auf zwei Balken, welche wieder auf zwei 
bis drei Achſen mit vier oder ſechs Nädern auflagen, doch jo weit von 
ben Nädern entfernt, daß diefe mit dem Wagen leicht gewendet werden 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg 383 


tonnten. Die Balken waren mit nad) außen gerichteten eifernen Spitzen 
befchlagen, daher der Name Spitwagen. Diefelben Teifteten vortreffliche 
Dienfte gegen die Neiterei und wurden gewöhnlich in die vorderfte Neihe 
der Magenburg geſteckt. Theils zur Errichtung einer folchen, theils zur 
Fortihaffung von Proviant, Munition, Sturm- und Schanzzeug, auch 
von Schiffen zu einer Sciffbrüde, verfügte der Markgraf über 1800 
Magen. Geſchütz, Wagen ꝛc. ftanden unter dem Befehl des Feldzeug— 
meiſtets Oberften» Klaus von Bödln Als Unterfeldherr fommandirte 
der Wild: und Nheingraf Otto, Graf zu Salm; einzelne größere Ab: 
theilungen der Truppen wurden, außer von den ſchon gemeldeten Her: 
zogen von Weimar, dem Herzog Magnus von Württemberg und dem 
Dberften von Helmſtädt — von zwei Söhnen de8 Markgrafen, den 
Prinzen Karl und Ehriftopb, von dem Wild: und Nheingrafen Johann 
Kafimir und den Herren v. Waldmannshaufen, Bertram v. Herſchbach, 
Dbervogt in Pforzheim und Sturzel von Buchheim geführt. 

Kehren wir nad diefen Angaben zur Schilderung der Schlacht 
jelber zurüd, Der Markgraf ftellte fein Heer am Morgen des 26. 
April (6. Mai) links und rechts der Straße auf, die von Biberach, 
den Bellinger Hof vechts laſſend, nach Obereifisheim führt. Er benügte 
dazu bauptfächlih die Anhöhen. Im Rücken des Heeres befand ſich 
ber Bellingerbadh, der in damaliger Zeit, wo berlei Gewäfjer noch nicht 
fo wie heut zu Tage regulirt waren, eine nicht unbedeutende Breite 
und viele verſumpfte Stellen gehabt haben muß; Letzteres namentlich 
war wenigſtens nach Karten der damaligen Zeit auch bei andern ähn— 
lichen Bächen auf der benachbarten Gemarkung Heilbronn der Fall. 
Diefe Umftände müfjen den Uebergang über diefen Bach nur mit. 
Hilfe von Stegen und Brüden geftattet haben, namentlid wenn 
derfelbe, wie es am Schlachttag in Folge von vorausgegangenen 
Regengüffen der Fall gemefen ſein fol, aud noch angeſchwollen 
war, Eine ſolche Brücke befand fich jedenfalls beim Bellinger Hof; eine 
andere, von der unten weiter die Mede fein wird und die von 
größerer Bedeutung war, führte und führt noch auf der Landftraße von 
Mimpfen nad Heilbronn über den Bad, der ſich bald unterhalb der: 
jelben in den Nedar ergießt. — Tilly ftand verdedt im Obereifisheimer 
Walde, der fi längs eines Theils der Front der Badener hinzog. 
Bald aber rückte er ans demielben hervor und begann ein lebhaftes 


384 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


Feuer auf die badijche Meiterei, womit er die Schladht eröffnete. In 
kurzer Zeit nahm das Gefecht eine größere Ausdehnung an, und Tilly 
ftürzte ſich mit Heftigfeit auf den Markgrafen. Aber unerfchütterlic 
kämpften die Badener; Tillys Truppen mußten weichen, ein Theil feiner 
Meiterei ergriff fogar die Flucht, und die größte Unordnung drohte in 
feinem Heer einzureißen. Da jandte er — es war mittlerweile nahezu 
Mittag geworden — zum Markgrafen und ließ um einen Waffenftill- 
jtand nachſuchen, den diejer allzu großmüthig bewifligte, jtatt feinen 
‚Gegner zu vernichten, I) Während der Dauer desjelben veränderte 
Georg Friedrich feine Stellung, indem er Truppen, Geſchütz, Wagen zc. 
von den Höhen herab auf das flache Feld gegen Obereifisheim führte, das 
er bejegte. Hinter jich hatte der Markgraf jein Lager und feine Bagage, 
zur Rechten den Nedar, zur Linken und im Rücken den Bellingerbad 
mit feinem Brücenübergang. Dieje Veränderung der Aufjtellung, (die 
in alten Chroniken jehr getadelt wird,) bejchäftigte die Badener während 
der brennenden Mittagshike, indeß die Liguiten im Schatten des Wal: 
des ausruhen und ſich erguicen Fonnten. Das badifhe Heer überließ 
ſich jedoch fpäter auch. der Ruhe. 

Nah 1 Uhr jah der Markgraf im Rüden des liguiftiichen Heeres 
Staubwolfen auffteigen; und da er nicht anders glaubte, als daß 
Mansfeld herbeiziehe, jo gab er raſch Befehl, die Schlacht zu erneuern 
und, um für diefelbe mehr Raum zu gewinnen, fämmtlihe Lransport: 
wagen über den Bach zu führen. Nicht Mansfeld aber war «8, der 
berbeieilte, jondern Gordova, der Tilly mit anſehnlichen Streitkräften zu 
Hilfe kam und ihm dadurch die Uebermacht verſchaffte. Als die beiden 
liguiſtiſchen Feldherrn die Abfahrt der Bagagewagen bemerften, glaubten 
fie, der Markgraf habe ihre Bereinigung erfahren und beeile fih, dem 
Rückzug anzutreten. Deshalb beſchloſſen fie, ungefäumt vorzugehen und 
den Gegner anzugreifen, Bald entbrannte die Schladht von Neuem, 
und die Geſchütze feuerten jo heftig, daß die Chronik erzählt, es habe 
gedonnert und geprafielt, als wenn Himmel und Erde zufammenbreden 
wollten, Bald nady dem Wiederbeginn der Schlaht hauchte Herzog 
Magnus von Württemberg fein Heldenleben aus, Er wurde, da er 


— — — 





1) So die Heilbronner Akten. Andere Quellen ſprechen nur im Allgemei— 
nen von einer zweiſtündigen Waffenruhe. 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breifigiährigen Krieg. 385 


mit allzu großer Kühnheit fih unter die Feinde wagte, von feinen 
Leuten getrennt und durch mehrere Schüfje und Hiebe zu Boden geftredt. 
Bon den badifchen Truppentheilen, welche Obereifisheim bejetst hatten, 
wurde nach Erſtürmung des Ortes dur die Baiern eine Kompagnie 
gefangen und fpäter unter das liguiftiiche Heer eingetbeilt. 

Während diefer Vorgänge hatte fich der Markgraf mit dem Haupt: 
theil feines Heeres ruhig im Hintertveffen bei der Wagenburg gehalten 
und nur nad) Bedürfniß Verftärfungen dahin entjandt, wo es noth— 
wendig erſchien. Jetzt aber, da die Feinde immer mehr drängen, ftürmt 
der tapfere badifche Fürſt mit voller Macht auf feinen Gegner ein und 
jeine Truppen verrichten ſolche Wunder der Tapferkeit, daß die Liguiften 
auf allen Seiten weichen und ein Theil ihrer Neiterei nach der bei 
Wimpfen über den Nedar gejchlagenen Schiffbrüde Hin fich flüchtet. 
Der Markgraf rückt mit feinen kampfbegeiiterten Badenern nach und der 
Sieg fcheint nicht mehr zweifelbaft. 

Plötzlich aber bricht Cordova aus einer bis jetzt nicht gefehenen 
Verihanzung hervor und ftürzt ſich unvermuthet den raſch Wordringen: 
den entgegen. 1). Zwar richten die badiſchen Truppen große Verheerun⸗ 
gen unter. den Spaniern an, jo daß fürmliche Gaſſen in deren Reihen 
entftehen, Aber die Weichenden hatten indeffen Zeit gewonnen, fich wieder 
zu jammeln und von allen Seiten auf die Badener zu werfen, die fi 
zum Rückzug entichliegen mußten. Allein ſchon auch hatten fich die 
Liguiften in ſtürmiſchem Andrang auf die Rückzugslinie des Markgrafen 
geworfen, und es entſpann fich jest ein blutiger Kampf, in welchem 
wegen des aufgerworfenen Staubes Freund und Feind kaum von einan- 
der unterfchieden werden konnten, Noch aber hielten die Badener wader 
Stand; noch hatte der Markgraf Hoffnung, dem Feinde alle Vortheile 
zu entreißen: da zündete ein Schuß den Pulvervorrath auf einem oder 
mehreren der rückwärts ftehenden badifhen Wagen an, die mın mit — 
ungeheurem Getöje in die Luft flogen und mehrere hundert Menfchen 
und Thiere verwundeten, was bei den Vordern die Meinung erzeugte, 
der Feind fei ihnen ſchon im Nücen. 2) Das vermehrte die Unordnung, 





9 Nach den Annal, Ferdinand, ®b. IX,, S. 1706 batte er Tilly 4000 
Mann Fußvolt und 22 Neiterfähnlein zugeführt. 

*) In der „Relation eines Wimpfener Dominifaners* wird erzählt, ein 
Soldat von dem fpanifchen Regiment des Cordova habe während ber Schlacht 


in ber Luft die Jungfrau Maria in glänzendem Gewande geieben, welche die 
Pflüger, Pforzheim, 25 


386 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breifigjährigen Krieg. 


den Schreden und die Verwirrung, welche Rauch, Staub und Schlacht: 
lärm bereits veranlakt hatten, und ſchon fingen einzelne Heerestheile des 
Markgrafen zu meiden an. Zuerſt flohen die franzöfiichen Weiter, 
welche die Spiekwagen und das Geſchütz decken jollten, und eilten Nedar- 
gartah zu. Noch immer aber hält der Markgraf mit dem größten 
Theil feines Fußvolkes und feines Geſchützes Stand, und ſucht nament- 
fi) feine Wagenburg zu vertheidigen, die von Tilly mit großer Heftig— 
feit angegriffen wird. Hier, jo wie an der nahen Brüde über den 
Bellinger Bach, verrichtet nun das badifche weiße Regiment 
Munder der Tapferkeit und kämpft mit ſolchem Muthe und foldyer 
Todesverachtung, daß in kurzer Seit zwei baierifche Negimenter völlig 
aufgerieben wurden, Tilly rief jofort die Spanier berbei, und nad 
blutigem Kampfe gelang es ihm, neun badiſche Geichüße zu erobern, 
die jofort gegen die Truppen des Markgrafen gerichtet wurden. Aber 
auch jett noch leijtete das weiße Negiment verzweiflungsvolle Gegen: 
wehr, 1) und es war dabei — jo ſetzt die Tradition Hinzu — nament: 
lich den Bforzbeimern die Aufgabe zugefallen, den Zugang oder ben 
Mebergang über die Brücke des Bellinger Baches zu vertheidigen und 
damit den Nüdzug des Fürften zu decken, der jetzt — e8 war Nach— 
mittags gegen 4 Uhr — angetreten wurde, weil an eine Wiederher: 
ftellung der Schlacht nicht mehr zu denken war. „AS nun,“ fo erzählt 
die ins Einzelne gebende und poetiſch ausgeſchmückte Ueberlieferung weis 
ter, „in faufendem Galopp und unter donnerndem Viktoriarufen die 


Katholifchen mit Znwinken zum Streite ermuntert und ihnen ben Sieg ver: 
Iprochen habe. Darauf ſei der Eoldat ein wenig vorgegangen und habe zu: 
fällig mit dem under feines Gewehres ein Geihüg Tosgebrannt. Auf einmal- 
ſeien die Kugeln mit ungeheuerer Gewalt herausgefabren und bätten die Puls 
verwagen des Feindes entzündet, 

1) „Der Oberſt Helmftädt hat fich mit dem weißen Regiment bis auf den 
legten Mann gewehrt, hätte auch die Viktorie erhalten, wenn nur bie Reiteret 
Stand gehalten hätte, welche fih aber jogleich davon gemacht, weil fie gar feine 
Netirade hinter ſich gehabt.” So berichtet der oben genannte „Augenzeuge*, 
und mit ihm übereinitimmend das Theat, Europ. 4, 627, ferner das aud 
ſchon erwähnte Büchlein: „Der Fürften und Marggrafen zu Baaden Leben 2.“ 
(Frankfurt, 1695), Seite 352, Auch in Nicolai Helvici Chronicon (1641) 
S. 351 wird die Tapferkeit des weißen Regiments mit begeifterten Worten 
gerühmt. 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breifigjährigen Krieg 387 


feindliche Neiterei heranjagte, prallte ihr wilder Anlauf ab an der eher: 
nen Bruft der Pforzheimer, welche die Brücke über den reißenden Bel: 
finger Bad) gefperrt hielten, während ihre Musketire, am Ufer hinter 
Meiden aunfgeftellt, manchen Geharnifchten von feinem Noffe nieder: 
ſchoſſen. Drei Mal griff die Kavallerie an; drei Mal ward fie zurüd: 
geichlagen. Micht beffer ging es einem Infanterie-Regiment. Zwar 
ftrectten feine Kugeln den vierten Theil der Pforzheimer in den Sand; 
durch einen heftigen Ausfall ward es zerriffen und zurück gedrängt, und 
in fchönfter Ordnung zog ſich die Heldenichaar in ihre alte Stellung 
über die Brüde zurück. Tilly, erftaunt, erfchüttert, begeiftert ob folcher 
Kühnheit, ließ das Häuflein durch einen Trompeter auffordern, die 
Brüde gegen freien, ebrenvollen Abzug zu räumen. Der Antrag 
ward verworfen, und der letzte Kampf, der heißeſte, nahte heran. 
Während nun aber die Liguiſten in zahllofer Menge fich aufftellten, 
jogar eine Feldſchlange auffuhren, um alſo die Tapfern zu vernich— 
ten, während fie unter Trommelwirbel und Trompetenklang beran- 
rückten zur blutigen Entſcheidung: kniete die dem Tod neweihte Schaar 
nieder, und über den Leichen ihrer Brüder und über den Leichen ihrer 
Feinde jtieg der Geſang zum Himmel empor: „Ein’ feſte Burg ift 
unfer Gott!“ — Der Reind felber war aufs tiefite ergriffen und 
wagte nicht, fie im ihrer Andacht zu ftören. Der letzte Kampf 
beginnt. Gleich einem Cherub tritt Berthold Deimling , der Anführer 
der Heldenichaar, die flatternde Fahne in der Hand, auf die Brücke vor 
das zujammengeichmolzene Hänflein und ruft: „Gedenkt eures Schwu— 
ves und fteht!” Ein Musketenſchuß zerfchmettert ihm das rechte Bein; 
er kniet auf das linke und ſchwingt die Fahne hoch empor. ine Tran: 
benkugel zerreißt ihm den vechten Arm; er nimmt die Nahne in die linfe 
Hand, Noch einmal hebt er fie emper und finft alsdann, von feind: 
licher Kugel durchbohrt, zu Boden. Gin Jüngling (dev Waffenſchmied 
Rofer) ergreift die Fahne, und gleich Löwen ſtürzen die Übriggebliebenen 
Achtzig dem Feinde entgegen über die Brücke. Furchtbar wüthet der 
Tod; denn er mäht mit feiner fchärfften Senfe, mit der Verzweiflung. 
Leichen thürmen ſich auf Leichen; immer tiefer dringen die Piorzbeimer 
ein in den Feind. Gin Regiment desjelben öffnet fich, es ſchließt ſich; 
verſchwunden it die SHeldenfchaar, wie von einem Waſſerwirbel ver: 
Ihlungen. Siehe, noch einmal flattert die weiße Fahne; noch einmal 
biigt ihre goldene Inſchrift: „Ein' feite Burg iſt nuſer ge iiber das 
5 + 


388 Bierzebntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 


Teld des Todes: da jaust ein Schwert durdh die Luft; die Fahne 
finft; der letzte der Pforzheimer ift nicht mehr.“ 

Der Markgraf aber befand fich bereits in Sicherheit. Er traf 
gegen Abend allein am Landtburm ein, der an der weltlichen Gränze 
der Markung der Stadt Heilbronn am Waffergraben ftand. Bon 
Staub bededt und von Durſt gequält, ruft er dem Zoller hinauf: 
„Gebt mir einen Trunk, ich bin der alte Markgraf von Baden.” Der 
Zoller aber hatte feinen Wein und reichte ihm unter vielen Entſchul— 
digungen einen Trunk Waſſers. Er Ieerte den Becher und ritt weiter.1) 

Tilly verfolgte den Markgrafen nicht, einestheils wohl, weil e8 zu 
ſpät dazu mar, amderntbeils, weil er fich zu ſchwach dazu fühlte, 
Nur die Spanier kamen bis Nedargartah. Am Abend jedoch war die 
ganze liguiftifche Armee wieder in ihrem alten Lager verfammelt. 

Die Schlacht hatte blutige Opfer gefordert, Won beiden Geiten 
bedecten je 5000 Todte die Wahlftatt. 2) Unter den badiiherfeits Ge: 
fallenen waren außer dem Herzog Magnus von Württemberg aud der 
Pfalzgraf Chriſtoph von Birkenfeld und fonft viel edle Herren. Außer 
der gebliebenen Mannſchaft verlor aber Georg Friedrich auch fein 
ſämmtliches Geihüß, eine bedeutende Zahl von Wagen, viele Muni: 
tion und endlich feine ganze Kriegstaffe, die an Geld über 225,000 
Reihsthaler enthalten haben foll. 3) 


AUnbang. 


Dies die Schilderung einer Schlaht, wobei fowohl zuverläffige 
gefchichtliche Duellen zu Grund gelegt wurden, als auch, wo dieje nicht 
ausreichten und namentlich über mande Einzelheiten des Kampfes bei 

1) Tilly (in feinem fehr einfeitig gehaltenen Schladhtbericht) und nad) ihm 
bie Ann, Ferd. erzählen, der Markgraf bat auf feiner Flucht fogar bie Leib: 
rüſtung weggeworjen, die bernac als Siegeszeichen dem Erzherzog Leopold 
übermacht worden jei. 

2) Die Angaben darüber lauten indeß fehr verfchieden. Der Sekretär 
Abel (S, 381) fagt, es feien von badiſcher Seite nur 600 Mann auf ber 
Wahlftatt geblieben, während man vom Feind 2500 Mann erlegt gefunden 
babe. 

2) Mallinger (fiebe oben) gibt den Verluft des Markgrafen außer 


Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 389 


MWimpfen fich nicht verbreiteten, der Tradition ihr Recht widerfuhr. 
Jedenfalls darf diefe nicht ignorirt werden, wenn auch davon alles das 
wegfallen muß, was mit umwiderlegbarem gejchichtlihem Nachweis im 
Widerſpruch fteht, oder ſich auch nur damit nicht vereinigen läßt. Es 
find hiezu noch einige Bemerkungen nothwendig. 

Daß fih das weiße Megiment bei Wimpfen vor allen andern 
durch Tapferkeit auszeichnete, ift gefchichtlich bewiefen. Keine der oben 
angeführten Quellen aber erwähnt etwas davon, daß fich irgend ein 
Theil des Negimentes noch bejonders hervorgethan hätte. Daraus 
fließt aber nicht die Berechtigung, die Behauptung aufzuftellen, daß bie 
Geſchichte von der Heldenthat der Pforzheimer bei Wimpfen eine Mythe 
fei, wie dies von verichiedenen Seiten gefchehen it. Wollte man über: 
haupt mit dem silentio inter aequales (dem Stillfchweigen unter den 
Zeitgenofien) bei der Gefchichtichreibung eimen Maaßſtab anlegen und 
darnach feine hiſtoriſche Kritit einrichten, fo müßten auch die Thaten 
eines Leonidas, eines Tell, eines Winkelried zc. aus dem Buch der Ge: 
ſchichte geftrichen werden. Die VBerfaffer der erwähnten Schlachtberichte 
fagen vielleicht deswegen nichts von der That der Pforzheimer, weil fie von der 
wadern Haltung des weißen Negiments nur überhaupt, und nicht auch 
einzelner Fähnlein desjelben vernahmen, oder weil fie die Beſtandtheile 
des Negimentes nicht Fannten, alfo auch Kein beftimmtes Fähnlein des: 
jelben bezeichnen Fonnten, oder endlich, weil fie dies für unnöthig hielten, 
da mit Nennung des weißen Negimentes im Allgemeinen der Pflicht 
eines Berichterftatters Genüge gethan ſchien. Das kommt auch fonft 
vor. Wie oft mag es ſchon der Fall geweſen fein, daß beiſpielweiſe 
ein ganzes Armeekorps nach erfochtenem Siege als dasjenige bezeichnet 
wurde, das am meiften zum günftigen Erfolg beigetragen babe, während 
vielleicht nur ein einzelnes Negiment am rechten Ort und zu rechter Zeit 
den Ausichlag gegeben batte, Aber der Markgraf felber erwähnt nichts 
davon, jo höre ich weiter einwerfen. Ich frage dagegen: Sind denn 
alle feine Briefe oder fonftige Schriftitücte, worin er Notizen über bie 
Schlacht von Wimpfen niederlegte, no vorhanden? ferner, — müßte 
tonfequenter Weiſe die tapfere Haltung des weißen Regimentes über: 
haupt nicht ebenfalls in Zweifel gezogen werden, weil der Markgraf, 
weil die Berichte Anderer ihrer auch nicht erwähnen? Und doch nimmt 


fämmtlihem Geſchütz auf 50 Spiswanen, 450 Munitions: und Bagagewagen 
und an Geld auf 125000 Thaler, ferner auf 1100 Gefangene an, melde 
Tilly machte. Vergl. Mone's Ducllenfammlung, I, 530. Der Markgraf 
felber ſchlug indeffen feinen Verluft nicht hoch an. In feinem fhon erwähnten 
Schreiben an ben Markgrafen von Brandenburg fagt er, die Echlacht fei „ohne 
befonders großen Berluft abgegangen, außer daß die Artillerie und etlich Geld, 
welches doch noch wohl zu verichmerzen und boffentlih ins Fünftige wiederum 
anderwärts einzubringen, dahinten verblieb,” e 


390 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breigigjährigen Krieg. 


man diefelbe als richtig und bewiefen an. Daß der Webergang über 
den Bellinger Bad) wichtig genug war, um zur Sicherung des Rüdzugs 
des Markgrafen mit Aufbietung aller Kräfte vertbeidigt zu werben, 
feuchtet ein, ebenso, daß zur Beſetzuug der Brücke felber Fein ganzes 
Regiment erforderlidy war, weil ein ſolches darauf oder zunächſt dabin- 
ter und eine Strede längs des Baches kaum Platz gefunden Hätte. 
Awar wird bezüglich dev Bertheidigung der genannten Brücke entgegen 
gehalten 1) daß eine ſolche ganz überflüfiig gewefen fei, indem die Brücke 
bei der Seichtigkeit und der geringen Breite des Bellinger Bades auf 
beiden Seiten von Fußvolk und Reiterei mit Xeichtigfeit hätte umgangen 
werden Fünnen. Dieſer Annahme aber halten wir diejenige entgegen, 
von ber bereits oben (5. 383), auf gute Gründe gejtüßt, ausgegangen 
wurde, Es wird nun freilic) auch noch geltend gemacht, daß für die Wagen, 
die der Markgraf bei Wiederaufnahme der Schlacht am Nachmittag 
über den Bach zurücdbeordnete, bei ihrer großen Zahl eine Brücke 
unmöglich hätte genügen können, folglih mande Wagen den Bach felber 
hätten paſſiren müſſen. Um über die eine Brücke zu kommen, brauch— 
ten die zahlreichen Wagen allerdings viel Zeit; gerade daraus aber, daß 
nachher eine ſo große Anzahl derſelben in die Hände des Feindes ge— 
rieth, muß wohl mit Recht gefolgert werden, daß man wirklich nicht 
Zeit genug gefunden hatte, ſie alle über den Bach und damit eher in 
Sicherheit zu bringen. Beweist nicht gerade dieſer Umſtand, daß in 
der Nähe des Schlachtfeldes nur ein Uebergang vorhanden war? — 
Aber der Markgraf hätte doch ohne Zweifel, wenn der Bach ſelber 
wirklich nicht paſſirt werden konnte, ſchon um ſeiner Sicherheit willen, 
noch mehr Brücken ſchlagen laſſen, To höre ich ferner einwerfen. Biel: 
leicht geſchah dies auch und die Brücken (wohl einſchließlich derjenigen, 
welche ſich beim Bellinger Hof befand,) wurden beim Andrängen des 
Feindes raſch wieder abgebroden, um ihm die Möglichkeit des Weber: 
gangs zu benehmen. Vielleicht geihab es auch nicht, weil der Mar: 
graf in feiner Siegesgewißheit derlei Vorlichtsmaßregeln für überflüffig 
hielt. „Sie müfjen unfer fein, die Baiern, und das heute noch, mein 
Leben jeß’ ih dran und werd's nicht jchonen. Was will der Haufe 
gegen ung? Und an Succurs it für ihn gar nicht zu denken. Laßt 
fie nur ein paar Mal anprallen und fidy verbluten, fie weichen gewiß 
xc. 20”, diefe Worte des Markgrafen, die er beim Beginn der Schladht 
an feine Generäle richtete, drücken gewiß einen hohen Grad folcher Sie— 
gewißheit aus. 

| SM im Bisherigen dargethan, daß der Annahme, daß ſich ein 
Theil des weißen Negimentes neben der tapfern Haltung des letztern 
im Allgemeinen nody beſonders ausgezeichnet habe, durchaus Feine ftich- 
haltigen Gründe entgegen jtehen, jo erhebt die Tradition diefen Umſtand, 


1) Bon Laroche, a. a. O. 
® 


Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 391 


fowie, daß das Lob einer befonders heldenmüthigen Wertheidigung dem 
Pforzheimer Fähnlein gebühre, zur Gewißbeit, wenn man 
nämlich nur den Kern derielben feithält und fie aller fonftigen Yu: 
thaten, die mit der neichichtlichen Wahrheit nicht beitehen fünnen, ent: 
Heidet. Um diefer Doppelpflicht eines Geichichtichreibers zu genügen, 
müſſen wir ſolche Tradition näber ins Nuge fallen, 

Am Jahr 1788 gab der Pforzheimer Bürger und Kaufmann, 
Ernſt Ludwig Deimling, dur das Leſen des franzöfiichen Dra— 
mas: „Die Belagerung von Galais” dazu vweranlaßt, unter dem Titel: 
„die vierbundert Pforzheimer“ em Bud heraus, Worin eine 
Erzählung, die ſich in feiner Familie durch Weberlieferung lebendig er: 
halten hatte, dramatisch bearbeitet war. Am Nachwort zu feinem Schau: 
fpiel jagt er, da er die Erzählung von der Heldenthat der 400 Pforz⸗ 
heimer nicht nur von feinem Water, Bechthold Deimling, der felber ein 
Geſchichtskundiger geweſen, ſondern ſchon als Knabe auch von alten Leu— 
ten, die das Grab längſt decke, häufig vernommen. Seinem Vater habe 
deffen Vater, der geweſene PRürgermeifter Chriſtoph Deimling , diefe 
Gefchichte auch oft erzählt, und diefer babe fie wieder aus dem Munde 
feiner Großmutter, der Frau des Bürgermeiiters Berthold Deimling, 
die ihren Mann zur Schlacht von impfen begleitet babe, vernommen. 
Diefelbe fer eine Tochter des Pfarrers Faber von Markgröningen und 
eine Frau von befter Erziehung und beroiichem Charakter geweſen und 
babe ein Alter von 78 Jahren erreicht, alfo Tange genug gelebt, um 
ihren Kindern und Enkeln die Begebenbeit mit allen Umftänden wieder: 
holt mittheilen zu können. Die aanze Grzäblung lief alfo während 
eines Zeitraumes von etwa 150 Jahren durch den vierten Mund, bis 
fie niedergefchrieben wurde und zur Oeffentlichkeit gelangte. Es war 
diefe Zeit einerfeits nicht zu lange, um nicht, wie bereits bemerkt, einen 
geichichtlihen Kern treu feitzuhalten, andererfeits aber lange genug, den: 
jelben mit ſolchen Zuthaten auszuſchmücken, die, weil als erdichtet 
leicht nachzumeiien, vielfach Zweifel an der Michtigfeit der ganzen Er— 
zäblung, miewohl mit Unrecht, erweckt haben. Verſuchen wir ſchließlich 
noch ſolchen Nachweis. 

Beim letzten Kampfe an der Brücke des Bellinger Bachs bat ſich 
wahrſcheinlich nur noch das 300 Mann ſtarke Fähnlein Fußvolk, das 
Pforzheim ſtellte, betheiligt, da die Reiterei am Schluſſe der Schlacht 
keine Rolle mehr ſpielte. Wenn daher auch 400 Pforzheimer bei 

mpfen kämpften, To gebührt der Ruhm beſonderer er ‘erfeit neben 

en Regiment im Allgemeinen insbelondere den Dreibunder: 
hi don Pforzheim. 

: Diefe 300 fünnen aber bei Wimpfen — alle 
EEE fein. Es läßt nö dies zwar nicht aus den Todtenbüchern 
er damaligen Zeit beweisen, da Tolche nicht mehr eriftiren; wohl aber 
kann man e8 auf Grund des älteften der noch vorhandenen Taufbücher, 


392 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


das von 1607 bis 1646 reicht, Nach demielben wurden in Pforzheim 
(ausſchließlich der Altitadt, für welche aus jener Zeit feine Kirchenbücher 
mehr vorhanden find) geboren: 1607: 146 Kinder, 1613: 126 K., 
1618: 124 K., 1619: 116 8. 16%: 137 8, 1621: 127 K.., 
1622: 114 8., 1623: 121 K., 1624: 143 8, 1625: 144 K., 
16236: 129 K., 1627: 103 K., 1628: 140 K., 1629: 122 K., 
1630: 133 8. u. 1. w Man fiebt aus diefer SJufammenftellung, 
daß eine Abnahme der Geburten nad dem Jahr 1622 nicht ftattfand 
was doch durchaus hätte der Fall fein müſſen, wenn 300 oder gar & 
Bürger und Bürgerföhne einer Stadt bei Wimpfen geblieben wären, 
deren Bürgerfchaft, wie im nächſten Kapitel nachgewiefen werden wird, 
im erjten Drittel des 17. Jahrhunderts höchſtens 600 Köpfe zählte, 
Eine größere Anzahl von Gefallenen des Pforzheimer Fähnleins ift nur 
unter der Worausießung anzunehmen, daß die Mehrzahl der Mann: 
ihaft desfelben nicht aus geborenen Pforzheimern, jondern aus gewors 
benen Yeuten bejtand. 1) 

enden wir uns nunmehr zur Perſon des Berthold Deim: 
ling, welcher nad) der erwähnten Weberlieferung Bürgermeijter von 
Pforzheim und Anführer des weißen Negimentes geweſen fein fol. 
Daß er leßteres nicht war, fondern daß ein Herr von Helmftädt 
das Negiment befebligte, it oben ſchon bemerkt worden. Wohl aber 
kann Deimling Hauptmann des Pforzheimer Fähnleins geweſen fein. 
Ein Berthold Deimling war aber 1622 nicht Bürgermeifter von 
Pforzheim. (Man vergleiche die Namen der Bürgermeifter, wie fie ©. 365 
für das erjte Drittel des 17. Jahrhunderts bereits angegeben find.) 
Nenn ein Berthold Deimling bei Wimpfen mitkämpfte und dort ben 
Heldentod jtarb, jo muß die Frage aufgewworfen werden: Welcher 
Berthold oder Bechthold Deimling es eigentlih war? 
Denn das Taufbuch jener Zeit führt zwei Ddiefes Namens auf, Der 
eine, defien Frau Katharina bie, wird in den Jahren 1609— 1624, 
der andere, der eine Efther zur Frau hatte, von 1618—1635 darin 
genannt, beide aber ohne die Dezeihnung „Bürgermeifter“, (wie aus 
dem Vorhergehenden ſich ergibt), Der letztere dagegen wird mehrfach 
„Bed“ oder „Weißbeck“ genannt. Nun heißt e8 auf dem 1823 ver: 


— — — — — — 


) Auf dem in der Schloßkirche befindlichen Denkmal der 400 Pforzheimer 
ſtehen nur folgende (dem Lagerbuch von 1615 entnommene) 61 Namen: Berthold 
Deimling, Aab, Abrecht, Bauer, Baumann, Bedb, Breibt, Brenner, Bub, Bud, 
Eichelin, Erhardt, Eſſig, Fauler, Fink, Geiger, Gerwig, Hafner, Heinzelmann, 
Holzhauer, Jaiſer, Kercher, Keller, Kiefer, Kienle, Koh, Korn, Kornmann, Leib- 
brand, Lenz, Lotthammer, Lug, Maler, Mäule, May, Mayer, Meerwein, 
Merkle, Merz, Mürrle, Neudörfer, Nojer, Sattler, Echäfer, Schanz, Scheerle, 
Schmidt, Schneider, Schober, Siegele, Sold, Stich, Trautz, Türf, Webelhör, 
Ungerer, Wagner, Wecber, Weit, Wilderfinn, Wolf, 


vu m mu du HE 


>: 17“ 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im bdreißigiährigen Krieg. 305 


faßten Stammbaum der Deimling’fchen Familie, von dem ein Eremplar 
fi im obern Rathshausſaal zu Pforzheim befindet: „Berthold 
Deimling, Bürgermeifter und Weißbäck, geboren 1586, vermäßlt 
mit Efther, Tochter des Spezials Faber von Markgröningen. Er 
war Chef und Commander jener Pforzheimer, welde das weiße 
Regiment genannt und, als Garde des Markgrafen Georg Friedrich, 
am 6. Mai 1622 in ver Schlacht bei Wimpfen den Heldentod für 
Religion, Fürſt und Vaterland geſtorben ſind.“ Dieſer Bäckermeiſter 
Deimling, der eine Eſther zur Frau hatte, kann aber unmöglich bei 
Wimpfen geblieben fein, wenn es auch denkbar tft, daß er da- 
ſelbſt mitfämpfte; denn er kommt nach dem Jahr 1622 noch mehrfach 
vor. So wird er am 8. Februar 1625 (Taufbuch Seite 171) als 
Bater eines Knaben Baltbajar, am 24. Nov. 1627 (T.-B. ©, 199) 
als Bater eines Knaben Vechthold aufgeführt, am 6. Dez. 1628 ſtellt 
er über eine Summe von gelichenen 100 fl. eine Schuldurfunde aus: 
die mit den Worten beginnt: „Ich Berthold Deimling, Bürger und 
Weißbeck zu Pforzheim und mit Ihme Ich Eſther, feine eheliche Haus: 
frau 20.” (Kontrattenbuh auf Großh. Amtsreviforat); am 4. April 
1629 (Taufb. S, 215) wird ihm wieder ein Töchterlein Eſther gebo: 
ven; am 12, April 1631 (TB. ©. 241) ſteht er zu Gevatter; am 
26. Auguft 1631 (TB. ©. 246) wird er als Water eines Sohnes 
Hans Walther und am —* Februar 1635 (T.B. ©. 302) einer 
Tochter Maria Barbara genannt. Diefe wird aber in dem betreffenden 
Taufbucheintrag als „posthuma“, d. h. als nad) dem Tod ihres Va— 
ters auf die Welt gekommen bezeichnet und fteht überdies noch dabei: 
Bater: Berthold Deimling, gewefener Bürger und Bed, Er muß 


dbemnach 1634 oder 1635 geſtorben fein.?) — Wenn alfo ein Ber: 


thold Deimling bei Wimpfen das Pforzheimer Fähnlein befehligte und 
dort feinen Tod fand, jo Kann es nur der erfte von den beiden Oben- 
genannten gewefen fein, Es jprechen dafür auch verichiedene Umftände, 
Einmal kommt er im Taufbuch zum lebten Mal am 10. Mat 1621 
(TB. ©. 185) und nachher, nicht wieder. vor. -(Als Vater von Kin— 
dern wird er darin vorher in den Jahren 1609, 1610, 1613 und 1614 
aufgeführt). Sodann Beweifen die Namen der Pathen, die bei den 
Kindern der beiden Deimlinge im Taufbuch eingetragen find, daß 
2 er an Deimling der Vornehmere geweien fein muß und darum 
ßvolk befehligt haben kann; denn als ſolche Pathen 

” ur aufgeführt: der Untervogt Heinrich Haffner, der 
— h und Syndieus Georg Zobel und der Bürgermeifter Se 
remias — 1621 dieſelben, mit Ausnahme Zobels. Wenn daher 
ein Berthold Deimling 1611 und 1615 „Spitalpfleger“ genannt wird, 


1) Seine Wittwe Efther wird noch am 1. April 1657 in einem Kontraf- 
tenbuch Großh. Amtsreviforats als Tebend aufgeführt. 


394 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


fo werden wir nicht fehlgeben, wenn wir darunter den Ebengenannten 
um fo mehr wieder verftchen, als die Bermögensverhältnifje des Andern 
nicht der Art gewefen zu fein jcheinen 1), daß ibm die Verwaltung der 
reichen Einkünfte des Pforzheimer Spitals ohne Bedenken hätte über: 
tragen werden können, — Wenn nun bei Aufjtellung des Deimling’ 
[hen Stammbaumes eine Verwechslung zwiichen den beiden Deimling 
geſchah, und der Mann der Ejther als der Held von Wimpfen bezeich— 
net wurde, fo ift dies um fo erflärlicher, als auc; Ernſt Ludwig Deim— 
ling bei Abfafjung feines Dramas den Vornamen feiner Ur-Urgroßmutter 
nicht gekannt zu haben fcheint, da er fie Sophie heißt. 


So die Darftellung der mit der Wimpfener Schlaht in Ver: 
bindung ftehenden Umstände, wie fie dev Gefchichtsichreiber geben kann, 
ber fih die Wahrheit zum oberiten Geſetz gemacht und alle dabei zu 
Gebote geftandenen Quellen gewiſſenhaft und mit größter Unparteilichkeit 
benütt bat. Wurden bei diefem Geichäft auch manche Einzelheiten, mit 
denen man jonjt die Erzählung von dem Heldentod der 400 Porz 
heimer bei Wimpfen ausfhmüdte, vor dem Auge gaenauerer Unter: 
fuhung nicht probehaltig gefunden, jo bleibt doc als wahr jtehen, 
daß fi) das badifhe weiße Negiment bei MWimpfen unverwelk— 
liche Zorbeeren errungen bat, und wir dürfen auch der Tradition glau— 
ben, daß fich dabei in erfter Neihe die beim Megiment befindlichen 
Pforzheimer ausgezeichnet und darum wohl verdient haben, daß die 
Nachwelt die Helden von Wimpfen in bejtändigem ehrendem An: 
denfen behält. 


g 4 Yon der Schladt von Wimpfen bis zur Schladt von 
Nördlingen. 
(1622 — 1634.) 


Der geichlagene Markgraf war über Heilbrom und Laufen nad) 
Stuttgart geflohen, wo der wahrfcheinlich ſchon vor der Schlacht gefaßte 
Entſchluß, die Regierung von Baden an feinen Sohn zu übertragen, 
zur Ausführung kam.  Lebterer, nunmehr Markgraf Friedrich V. 


1) Nach den mehrerwähnten Kontraftenbüchern. 


Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 395 


notifizirte die Abdanfung dem Kaifer am 2, (12.) Mai und am 13. 
(23.) Mai kam fie zur Ausführung. "Am 21. (31.) Mai Huldigte 
die Bürgerfchaft von Pforzheim bereits ihrem neuen Fürften, ‚der am 
gleichen Tage die Privilegien der Stadt beſtätigte. , Da Tilly den 
Markgrafen Georg Friedri nah der Schlacht von Wimpfen nicht. hatte 
verfolgen Können, weil ev noch zwei andere Feinde, nämlich den im ber 
Pfalz ftehenden Grafen von Mansfeld und den vom Niedermain fich 
ebenfalls nähernden Herzog Ghriftian von Braunfchweig aufzufuchen 
hatte, jo gewann der Markgraf Zeit, feine zerfprengten Truppen. bei 
Durlad) wieder zu jammeln, Trotz der Vorftellungen feines Sohnes, 
der dem flegreichen Tilly bereits das Verfprechen gegeben hatte, daß 
die badiſchen Truppen entlafjen werden follten, vereinigte fich doch Georg 
Friedrich mit Mansfeld und. beide eilten zunächſt in das untere Elſaß, 
wo fie das biſchöflich ſtraßburgiſche Heer zurüchvarfen. Nun brachen 
fie ins Darmftädtiiche ein, um ſich mit. Chriftian von Braunſchweig zu 
vereinigen. Ehe dies aber geſchehen Konnte, wurde Letzterer am 10. 
(20) uni. 1622. von Tilly bei Höchſt geichlagen, worauf Georg 
Friedrich den dringenden Vorſtellungen feines Sohnes endlih nachgab 
und feine Truppen am 12. (22.) Juni entließ.2) Gleiches that Mang- 
feld jammt dem geächteten Böhmenkönig einige Tage nachher, worauf 
leßterer wieder im Ausland, Georg Friedrich aber zuerft auf feiner Feſte 
Hochberg, ſpäter in Genf perjönliche Sicherheit fuchte. Allein der Der: 
gleich mit dem Kaifer, auf den fie Beide gebofft hatten, ſchlug leider fehl. 

Kehren wir nad diefer kurzen Auseinanderfegung, die zum Ber: 
ftändnig des Ganzen nothwendig ift, ‚zur eigentlichen Geſchichte Pforz— 
heims zurüd, Es gebt aus dem Obigen hervor, daß unmittelbar, nad 
der Schlacht von Wimpfen wohl keine liguiftiichen Truppen nad), Pforz- 
heim gekommen fein können, wie dies von den frühen Chroniften be- 


1) Meuers Herrn Friedrichen Marggrauens zue Baden vnd Hochberg ꝛc., 
vff Ihrer frftl. Gnaden vnderthänige geleifte Erbhuldigung, Burgermeifter, Ge— 
richt, Rath vnnd Gemeindt der Stadt Pforzheim gegeben Dienstags den 21. 
May Anno 1622. (Städtifches Arhiv.) — Schon aus dieſen Nevers geht 
hervor, daß die Mitiheilung mancher Gejchichtichreiber, Georg Friedrich habe 
vor ber Schlaht abgedankt, unrichtig ift. 

2) Man vergleiche hiezu das Schreiben, das er an feinen General Pleifarb 
von Helmftätt richtete. Sachs IV., 440 und 41. 


396 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breigigjährigen Krieg. 


bauptet wird. 1) Doch blieb die Stadt von den Schreden des Krieges 
nicht Tange mehr verſchont. Bald nachdem Georg Friedrich feine Trup— 
pen entlafjen hatte, nämlich im Juli, wurde das badifche Unterland von 
baierifchen, polnischen, ungarifchen und andern Völkern, welche in kaiſer— 
lichen Dienften unter dem Erzherzog Leopold ftanden und über den 
Nhein herüber kamen, überſchwemmt und durch Sengen und Brennen, 
Plündern und Morden ſchrecklich verwüftet.2) Markgraf Friedrich hatte 
fih fchon vorher mit feiner Familie nad Stuttgart geflüchtet. Damals 
icheint jedoch Pforzheim wenigftens von Brand verfchont geblieben zu 
fein. Noch im nämlihen Monat wandten fich die kaiſerlichen Truppen 
ins Württembergiiche, wo fie ebenfalls aufs ſchändlichſte hausten, unter 
Anderm das benachbarte Delbronn verbrannten und dafelbit 450 Ein: 
wohner erfchlugen. Der Schaden, den allein das Maulbronner Amt 
erlitten, wurde auf 64,000 Gulden berechnet. 3) Die Opfer, welche Pforz: 
heim und Umgegend bringen mußten, waren ficherlich noch bedeutender, da 
Baden als Feindesland behandelt murde. Mit dem Einfall diefer kaiſer— 
lichen Truppen hängt fiherlih auch die Flucht vieler Bürger aus Pforz: 
beim und die Nettung der Rohr'ſchen Stipendienaften zufammen, wofür 
die Pfleger 6 fl. verrechneten.2) Aber nicht allein von den Truppen 
Leopolds, fondern auch von denen Tillns wurde das Land heimgefucht, 
nachdem Letzterer fiegreih vom Main zurücgefehrt war und die Belage: 
rung Heidelbergs und Mannheims eröffnet hatte. inzelne Schaaren 
derfelben drangen vom Juli an auch in die untere Marfgrafichaft ein, 
und nicht fie allein übten fchwere Mache für Georg Friedrichs Theil: 
nahme an dem Kampf der lebten drei Monate; denn hinter den Tillv- 
hen Truppen zogen ganze Schaaren von Bauern aus dem bifchöflich 
ſpeyeriſchen Gebiet herüber und halfen rauben, um Andern die ſchwere 


— | 


1) So von Deimling und. Gehres. Wie Beide erzählen, fol ber 
Diebl: oder Thilgraben in ber Bröbinger Vorftadt feinen Namen von 
Tilly haben, Allein jener Graben fommt unter dem Namen Dihlaraben ſchon 
41565 im Lagerbuch des Pforzheimer Frauenkloſters (S. 329) und 1580 im 
Pforzheimer Lagerbuhb vor. Wenn Tilly 1622 nit in Pforzheim war, jo 
können aud bie Shanzäder nicht von folden Echanzen ihren Namen baben, 
welche Tilly gegen Mansfeld aufiwerfen fick. 

2) Sachs IV, 441. 

9) Steinhofer, L, 488. 

*) Roh r'ſche Stipendienrechnung von 1623. 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißtgjährigen Krieg. 397 


Mißhandlung heimzugeben, welche ihnen durch Mansfeld zugefügt wor: 
den war. 1) „In unferer Gegend”, fo ſchreibt ein Gymnaſiallehrer 
ans Durlah am 6. (16) Auguft, „haben die Kaiferlihen und Baie— 
rifchen entfeglich gehaust und thun es noch; fie haben geplündert, haben 
Dörfer verbrannt und eine Menge Unſchuldiger niedergemeßelt. Lie— 
dolsheim, Königsbach, Neureuth, das feſte Mühlburg fammt feinem 
Schloffe, ferner die Orte Muggenfturm, Wörth, Bühl Tiegen faft ganz 
in Afche.” 2) Der Pfarrer von Stein Joh. Ehriftopb Keller, wurde 
von den plündernden Kroaten drei Mal in der Pfarrſcheune aufgehängt, 
body am Leben erhalten. 3) 

Zu den Gräueln des Kriegs gejellten fih noch Hungersnoth, 
Seuchen und unerhörter Geldmangel, weldher eine Tolge ber 
fhon lange dauernden Kriegsrüftungen und der heillofen Verwirrung 
war, die damals im deutfchen Münzwefen berrfchte. Im Jahr 1619 
ftand dev Reichsthaler, der ſonſt 1 fl. 30 Er. galt, bereits auf 1 fl. 
48 fr, im Jannar 1621 auf 2 fl. 20 kr., im Januar auf 2 fl. 24 kı. 
und im Dezember desfelben Jahres bereits auf 6 fl. 30 fr. Der 
Dukaten, deſſen Werth im Februar 1621 3 fl. 30 fr. betrug, flieg 
während diefes Jahres auf 142 Gulden, der Goldgulden in der gleichen 
Zeit von Afl 830 kr. auf 8 Gulden. Sa der Dufaten fam fpäter 
noch anf 16, der Goldgulden auf 12 fl.d) Unter ſolchen Umſtänden 
und in Folge von Mißernten und Wucher erreichten die Preife der Le— 
bengmittel eine fait unerfchwinglice Höhe. Im angränzenden Württems 
berg Eoftete im Spätjahr 1623 der Laib Brod zu 6 Pfd. 1 Gulden, 
die Maas ordinären Weins 2 fl, 1 Pfund Schmalz oder Lichter 1 fl. 


) Vierordt, IL, 175. 

2) Vierordt, a. a. O. 

) Kirchenbuch von Stein. Vergl. Vierordt a. a. O. 

*%) Steinhofer, I, 484 ff. Am Jahr 1623 machte die „von ben Sol—⸗ 
daten zimblich lang Betrengt geweßene uud in großen Nöthen geftedte* Ges 
meinde Langenalb bei den Pforzheimer Gerichtsverwandten Hans Trauz ein 
Anleben von 2000 Gulden, welche Summe im Jahr 1630 durch gegenfeitiges 
Uebereinfommen wegen der veränderten Geldverhäftniffe auf 800 Gulden herab: 
gelegt wurde. (Vergl. Eontraftenbudh von 1653, ©. 5.) Diefelbe „mit Ein- 
quartirung baierifcher Reiter fehr grapirte Gemeinde* nahm auf Pfingften 1623 
bei Math. Krauß in Malſch 1200 fl. auf, wobei ber Reichsthaler zu 6 fl. 15 
kr. berechnet wurde. Es erfolgte deshalb fpäter eine Reduktion diefer Summe 
auf 283 fl, (Eontr, Buch von 1657), 


398 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 


20 &.1) Im März und April 1623, fo verfichern gleichzeitige Briefe 
aus Durlach, war das Malter Korn nur ſchwer um 30 fl. zu befom- 
men, das Pfund Fleiſch nicht unter einem Gulden, die Ohm Wein faum 
um 60 Gulden; das Land fei bereits verarınt durch ungeheure Lieferungen 
an das feindliche Heer, das nad) längft erfochtenem Siege an fein Fort: 
geben denke. 2) Im Breisgau galt 4 Viertel Waizen 30, Korn und 
Gerſte 24, Haber 12, 1 Sefter Salz 7 Gulden, 4 Pfund Schmalz 
12 Basen, 1 Pfund Nindfleifh 5 Basen und Kalbfleiih 6 Basen, 1 
Saum weißer Wein 50, vother 60 fl.; eine doppelte ſpaniſche Piftolette 
galt 22, ein Dufaten 12, ein Neichsthaler 7 und ein filberner Könige: 
thaler 8 Gulden. 3) — Die tiefe Noth entwölferte das Land fo fehr, 
daß in wenigen Jahren viele Dörfer in Baden und Württeniberg leer 
ftanden. In den Straßen wuchs Gras; ganze Schaaren bettelnder 
Familien überfchwenmten diejenigen benachbarten Gegenden, welde noch 
weniger von der Noth des Krieges empfunden hatten, %) 

Am 16. (26.) Auguft 1622, alfo gerade 4 Monate nad der 
Schlaht von Wimpfen, fprach der Kaifer das Urtheil, daß der Markt: 
graf Baden» Durlad die ſeit 1594 widerrechtlich beſetzte Marfgraf- 
ihaft Baden » Baden dem redytmäßigen katholiſchen Erben zurückgeben 
und ihn für die Zeit, da diefelbe im Befit der durlachiſchen Fürften 
geweſen, entichädigen müſſe. Dem mehrerwähnten Erzherzog Leopold, 
der mit feinen Truppen bereits das Land befest hatte, wurde die Exe— 
eution übertragen. Derſelbe jeßte den jungen Markgrafen Wilhelm in 
die Regierung ein. Das erfte Geſchäft des neuen Fürften war, die 
katholiſche Lehre mit Gewalt wieder in feinem Lande einzuführen. Ver— 
gebens waren alle Proteftationen Markgraf Friedrichs V,, namentlic) 
gegen die Entihädigung für den bisherigen Befit von Baden-Baden. 
Mit Mühe brachte er e8 beim Kaifer dahin, daß die Erefutionstruppen, 
welche ganz Baden-Durlach und fomit aud Pforzheim beſetzt hielten, 
am 20. (30.) Mai 1623 abzogen, 3) und fo fein Land von diefen un: 
gebetenen Gäften, die fich überall die roheſten Gewaltthätigfeiten erlaub- 
ten, befreit wurde. - 


ı) Steinhofer, L, 487, 

2) VBierordt, II, 186, 

3) Hiſtoriſch-genealogiſche Nachrichten von der Familie Maler ©, 14. 
#%) Vierordt, IL, 187. 

5») Sachs, IV, 517. 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 399 


Die Ruhe, die num folgte, war indeffen von kurzer Dauer. Weil 
Friedrich V. gegen die ihm zugemutheten Entjhädigungen an den nuns 
mehrigen Markgrafen von Baden-Baden fortwährend proteftirte und 
wahrfcheinlich auch bei der Höhe derfelben gar nicht im Stande war, 
fie zu leiſten, fo rücten im folgenden Jahr 1624 aufs Neue Exeku— 
tionstruppen, diesmal Tiguiftiiche unter Tilly, in das Land ein, und 
Pforzheim fah wieder feindliche Völker vor feinen Mauern. Erft 
nach zwölfſtündiger tapferer Gegenwehr öffnete die Stadt dem General 
Tilly ihre Thore, Näheres über diefe Belagerung und Einnahme von 
Pforzheim ift nicht bekannt. 1) Eines der erften Geſchäfte Tillys nad) der 
Eroberung der Stadt war die Wiedereinführung der Franziskaner und 
Dominikaner, deren Klöfter, wie oben (S. 320) erzählt ift, 1555 auf: 
gehoben worden waren. Diefe Mönche fcheinen indeß aus Pforzheim 
bald wieder verjagt worden zu fein; auf welche Weife und durd, wen, 
läßt fich nicht angeben, 2) 

Vergebens bemühte fih Markgraf Friedrih V., das Loos feiner 
ſchwer heimgejuchten Unterthanen durch dringende Bitten beim Kaiſer 
zu linden, Am Mai 1627 reiste er jelbft nad Wien, theild um die 
Entfernung der Truppen zu veranlafien, die fein Land ausfaugten, theilg 
um eine Herabfegung der Summe zu bewirken, welde er an Markgraf 
Wilhelm auszahlen follte. Da er aber der Zumuthung, katholiſch zu 
werden, Sich ftandhaft widerfeßte, jo wurde jene Summe auf eine in 
folder Nothzeit unerichwingliche Höhe feitgefeßt und dem Markgrafen 
Wilhelm ein Theil des badensdurlachtichen Gebietes, nämlich die Aemter 
Remchingen und Stein, als Verſatz zugefagt. 3) Ja, als es zur Kunde 
des Kaifers Fam, daß der alte, im Eril Iebende Markgraf Georg 
Friedrich aufs Neue die Waffen gegen den Kaijer trage, wurde vers 
ftärkte Erefution ins Land gelegt, damit diejes noch fehwerer für die 


1) Eine kurze Notiz darüber findet fich in Theatr, Europ., I., 820, bei 
Steinhofer, 1, 493, Sads, IV., 446 und 517. 

?) Die eben angefilyrten Quellen jprechen die Wiedereinführung der Franz 
zisfaner und Dominikaner im Jahr 1624 zu beftimpt aus, ald daß daran ger 
zweifelt werden fünnte, Andere Quellen, wie 3. B. das über ſolche Vorkomm⸗ 
niſſe genau berichtende Petri Suev, eccles. kennen dieſelbe nicht, ſondern nur 
die von 1631, von welcher weiter unten die Rede ſein wird. Auch in den 
Protokollen des wefiphälifchen Friedensſchluſſes iſt das Jahr 1624 mit dieſer 
Wiedereinführung in Verbindung gebracht. 

s) Bierordt, A, 187. 


400 Vierzehntes Kapitel. Piorzheim im breißigjährigen Krieg. 


Handlungen feines ehemaligen, feit fünf Jahren von der Regierung 
zurüdgetretenen Negenten büße. Es war nämlid Georg Friedrich ber 
Antrag gemacht worden, ſich als dänifcher Generallieutenant an die 
Spite von 5000 Söldnern zu ftellen, die er aufftoften Englands und 
Dänemarks werben und gegen die kaiſerlichen nach Norddeutſchland 
führen ſolle. Der nod immer friegsluftige Mann ging bereitwillig 
auf diefen Vorſchlag ein, die Truppen waren bald geworben und an 
den Ort ihrer Beftimmung gebradt. Allein der Markgraf wurde vom 
kaiſerlichen General Schlid in Holftein im Ceptember 1627 gejchlagen, 
und zog ſich über Holland nad) Straßburg zurüd. Theils hier, theils 
in Genf brachte er die letten Jahre feines Yebens zu, ohne an den 
folgenden Kämpfen weitern Antheil zu nehmen. Nur von Zeit zu 
Zeit, wenn befreundete Waffen fiegten, ſah der greife Fürſt fein Vater: 
land, vielleicht auch die Stadt Pforzheim wieder. Er ftarb am 
14. September 1638, wahrfheinlih in Straßburg. Wo er begraben 
liegt, iſt nicht bekannt. In der fürftlihen Gruft zu Pforzheim befindet 
fid) fein Leichnam nicht. 

Die Zuftände in Pforzheim und der Markgrafichaft überhaupt 
feinen in der Zeit von 1627 bis 1629 wieder etwas erträglicher 
geworden zu fein. Näheres darüber kann indeß nicht mitgetheilt wer: 
ben, weil alle Nachrichten aus diefen Jahren fehlen. Mehr läßt ſich 
aus der darauffolgenden Zeit jagen. 

Der Kaifer Ferdinand IT. hatte am 6. März 1629 das joge- 
nannte Reſtitutionsedikt erlaflen, nad welchem alle feit dem 
Paflauer Vertrag 1552 eingezogenen Kirchen: nnd Kloftergüter zurüd: 
gegeben und den Neformirten die weitere Uebung ihrer Religion unter: 
fagt werden ſollte. Es war dies ein Donnerfchlag für die proteftantifchen 
Türften, die in Gefahr ftanden, durch eine derartige Herausgabe einen 
großen, ja den größten Theil ihrer Macht einzubüßen. Vergebene 
waren alle Proteftationen gegen einen ſolchen Machtſpruch, zu welchem 
den Kaiſer hauptfählich die Jeſuiten getrieben hatten. Der Markgraf 
erhielt von den zur Erefution des Reftitutionsediftes im ſchwäbiſchen 
Kreis ernannten Kommiffarien die Mittheilung, daß man im Januar 
1631 durch fubdelegirte Räthe in feinem Lande zu erequiven anfangen 
werde. Auf diefe Nachricht Tieß der Markgraf allen feinen Unterthanen, 
vornehmlich den Bürgern zu Pforzheim, deren offener MWiderftand 
gegen den Vollzug am meiften befürchtet wurde, durch Beamte und 


Vierzehntes Kapitel, Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 401 


Prediger ein ruhiges Verhalten empfehlen und ertheilte Letztern die 
MWeifung, nur der Gewalt zu weichen. 1) Am 3. (13.) Januar 1631 
erfchienen die Kommifjarien und verlangten vor allen Dingen die Her: 
ſtellung des Michelftiftes in Pforzheim und der früher bedeutendſten 
der dortigen Klöfter, nämlich der beiden Dominikaner: und des Tran: 
zisfamerflofters, ebenfo des Haufes zum heiligen Geifte und des Hir— 
ſchauer Hofes nebit den dazu gehörigen Gütern. Am 29. Jan. (8. Febr.) 
wurden die Dominikaner und Franziskaner durch die Faiferlihen Kom: 
miffarien, welche eine Truppenabtheilung bei ſich hatten, felbft in Pforz: 
heim eingeführt und in den Befig der Kloſtergebäude eingewiefen. 2) 
Bon der ehemaligen Dominikanerkirche, die feit der Aufhebung des 
Kloſters als Stadtkirche gedient hatte, wurde den Dominikanern jebt 
das Chor zur Benützung zugeichieden. Der Markgraf ließ es an Ein: 
ſprachen gegen das Verfahren der Kommiſſion nicht fehlen und gab dem 
württembergiichen Kanzler Löffler, der auch für Baden-Durlach zu dem 
vom Kaifer berufenenen jogenannten Kompofitionstage nad Frankfurt 
veiste, Folgende Erläuterungen: 3) Das St. Michelsftift Tiege 
innerhalb der Mauern des Schloſſes, enthalte die fürſtliche Hofkapelle 
und die Stiftsperjonen feien die Kapläne des Markgrafen (S. 149). 
Das Stift fei, ehe es zum Stift erhöht wurde, die Pfarrkirche geweſen 
und ſchon vor dem Paſſauer Vertrag jei das Exercitium Augustanae 
Confessionis introdueirt worden. Die Markgrafen Hätten das 
Stift fundirt, feien Erbkaſtenvögte und Patrone desfelben und hätten 
dort ihr Erbbegräbnig. «Das Dominikanerkflofter jei gleichfalls 
von dem Markgrafen fundirt und dotirt und 1561 die Mönche fort: 
gefchafft worden ıc. Das Dominifaner:Weiberklofter fei jet 
Spital, feitden es 1564 von den Nonnen mit aiferliher Bewilligung 
verlafjen worden, Das Franzistanerklofter betreffend finde man 
gar Feine Nachricht, warn dieſes fchlechte Bettelklofter zur Neformation 
gezogen worden ſei. Das alte Spital, das Haus des heiligen 
Geistes, fei nicht mehr vorhanden, fondern „abgebrochen und uff ſolchem 
platz die jezige Mezig“, und wegen der langen Zeit könne man feine 


1) Fascikel: Neflitutionserefution 1630—1631 im Karlsruher Archiv, 
2) Petri Suev. eccles. 665. 


) Schreiben, betr. den zu Frankfurt angeftellten Kompofitionstag, oder 


gütl. Handlung wegen Reftitution der geiftl. Güter (Landesarchiv). 
Pflüger, Pforzheim, 26 


409 Vierzehntes Kapitel, Pforzheim im breißigjährigen Serien. 


Nachricht geben. Wegen des Hirſchauer Hofes feien nach dem Reli— 
gionsfrieden zwifchen Württemberg und Baden, auch durch Privatperjonen 
unterfchieöliche Kontrakte geichloffen worden. Die Befiter hätten oft 
gewechjelt und ihr Recht jei verjährt. 1) — Die Kommiffarien jcheinen 
fih vor der Hand mit Herftellung der genannten zwei Klöſter begnügt 
zu haben. Die der übrigen, jowie des St. Michelitiftes ftieß allerdings 
auf größere Schwierigkeiten, welche zu heben die in kurzer Zeit wieder 
veränderten Zeitverhältnifie nicht geftatteten; denn bald darauf erfchienen 
die Schweden auf dem Kriegsſchauplatze.?) 

Mit einem nicht jehr großen, aber tapfern Heldenheere von nur 
45000 Mann war der hochherzige König Guſtav Adolph von 
Schweden am 25. Juni 1630 in Pommern gelandet, um feinen Glau— 
bensgenofjen in Deutjchland zu Hilfe zu kommen. Wie im Triumphe 
durchzog er das nördliche Deutfchland, und zwang in ihrem eigenen In— 
terefje mehrere proteftantifche Fürften, gemeinichaftlihe Sache mit ihm 
zu machen. Zu denjenigen , welche warme Sympathien fir den König 
von Schweden empfanden, gehörte Markgraf Friedrid) von Baden-Dur: 
lach, und im Geheimen verabredete er mit andern evangeliihen Ständen 
Süddeutfchlands die Sammlung von Truppen. Allein diefe Abficht 
wurde durch den Erzherzog Leopold, der nach Abtretung feiner beiden 
Bisthümer Strapburg und Paſſau an feinen zwölfjührigen Neffen 
Negent von Vordersiterreich geworden war, durch eine neue militärifche 
Beſetzung des Landes, welche im uni 1631 erfolgte, vereitelt. 3) Bald 
aber Fam die Nachricht von dem großen Siege, den Guſtav Adolph am 
7. September 1631 über Tilly bei Breitenfeld unweit Leipzig erfoch— 
ten. In raſchem Triumpheszug drang der Schwedenfönig in Franken 
ein, war Ende November ſchon in Frankfurt, wo ſich zu feiner Bes 
grüßung Markgraf Friedrich von Baden, fowie auch der aus dem hol: 
ländiſchen Eril fchnell herbeigeeilte pfälziſche Kurfürſt Friedrich V. ein- 
fand, und nad) der Einnahme von Mainz, Speier und Mannheim und 
nachdem der größte Theil der untern Pfalz am Ende des Jahres 1631 


— — — 


1) Dieſen Hirſchauer Hof (S. 41) beſaß 1631 Greck von Kochendorf; vor: 
ber gehörte er durch Kauf vom Klofter Hirſchau dem Kanzler Achtſynit. 

2) Doch Hatte der Markgraf auch das jo theuer erworbene Amt Langen— 
ſteinbach (S. 353) dem Klofter Herrenalb zurücgeben müſſen. 

®) Theatrum Furopaeum, IM,, 397, Bierordt, II, 198, 


Vierzehntes Kapitel. Pforzbeim im dreißigjährigen Krieg. 403 


von den Schweden erobert war, wieder in fein Land eingejeßt wurde, 
Am Frühjahr 1632 begleitete er Guſtav Adolph nach Baiern. Aus 
der Pfalz waren einzelne Abtheilungen des jchwediichen Heeres auch 
in die Marfgrafihaft eingedrungen, um diefelbe von den Faiferlichen 
Truppen zu jänbern, und eine derjelben fam über Bruchſal und Bret: 
ten am 23: Jan. (2. Febr.) nah Pforzheim. Hier fanden fie die 
Klöſter, welche erit das Jahr vorber wieder bergeftellt worden waren, 
von den Mönchen verlafien. Nur der Guardian des Franzisfaner: 
Elofters, Petronius Widmann, hatte es gewagt, nicht zu entfliehen, und 
fiel der rohen Gewaltthätigfeit der Schweden, die ihn, man fagt am 
Altar der Kirche, erdrofjelten, zum Opfer. Es jcheint, daß noch mehr: 
mals ſchwediſche Iruppentorps entweder durch Pforzheim zogen und 
vorübergehend Quartier in der Stadt nahmen, oder diefelbe eine kleine 
ichwedische Beſatzung behielt. Wir finden nämlich in der Folge mehr: 
fach ſchwediſche Truppenabtheilungen als bier anmejend aufgeführt, 1) 
jo im Dezember 1632 unter Oberſt Emich von Venen, 1633 jehwe: 
diſche Meiter unter Oberjt Eberhard Bedermann, im Auguſt des näm— 
lichen Jahres das gräflih von Solms'ſche Negiment und 1634 vom 
Aprit- bis. September den jchwediichen Mittmeifter Philipp Georg 
Glockengießer von Braunfels mit Soldaten, ebenſo im April 1634 den 
chwedifchen ‚Rittmeister Nikolaus Dimpfel. Kurz vor dem gänglichen 
Abzug der Schweden aus Pforzheim Fam von Vaihingen ber am 
12. Auguft 1634 auch der ſchwediſche General Rheingraf Otto Lud— 
wig mit einer Abtheilung fchwediicher Truppen, welche in den Elſaß 
eilten, durch Pforzheim. Wir finden von diefer Zeit an auch häufig 
Pforzheimer in fremden Kriegsdieniten, bejonders in jchwediichen. Sie 
mögen bier, jo weit fie befannt, auch für die folgenden Jahre zufam: 
mengeftellt werden, 2) Bernhard Gremp, ein Flößer, war fchwedticher 
Soldat im Mai 1633, Andreas Erbach, Wagner, kommt ebenfalls 
als foldher vor im Aprit 1636 und im März 1644; Beide batten 
Weib umd Kinder, Hans Effig, ftand 1686 (März) in Tiguiftifchen 
Dienften; Johann Nietham mer war Neiter unter Herzog Bernhard 


1) Am ftäbtifchen Kirchenbuch. 

2) Nach dem ftäbtifchen Kirchenbuch. Es waren ihrer ficherlich weit mehr, 
als oben aufgeführt find, Das Kirhenbud nahm eben von ihnen nur bei bes 
jondern Anläffen Notiz. 

26 * 


404 Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


von Weimar 1638 (Aug.); Abreht Weeber, Schuhmacher, war 
Fahnenfattler unter dem baierifhen Hauptmann von Erlisheim 1644 
(13. Dez.), und Kaſpar Schoch jtieg zum ang eines ſchwediſchen 
Oberſten empor und wird als folher am 17. November 1645 und 
29. Mai 1646 genannt. 

Die bejtändige Anweſenheit ſchwediſcher Truppen in dem vor feind- 
licher Meberrumpelung gefiherten Pforzheim moechte wohl den Mark: 
grafen Friedrich veranlaffen, mit feiner Familie bier feine Sicherheit 
zu juchen, als die kaiſerlichen Generäle Oſſa und Montecuculi vom 
Elſaß aus verheerende Streifzüge auf das rechte Nheinufer in die ba— 
den-durlachiſche Markgrafchaft, mit welcher feit Ankunft der Schweden 
aud Baden-Baden wieder vereinigt worden war, unternahmen. Am 
Abend vor Dftern brandichagten fie Durlach, eroberten im Auguft 
unter den fchredlichiten Verwüſtungen Bretten, und legten Rnittlingen 
in Aſche, wurden aber durch den ſchwediſchen Feldmarſchall Guftav 
Horn bei Wiesloch gefchlagen und in den Elſaß zurücdgemworfen. 
Ueberall waren die jchwediichen Waffen jebt fiegreich und unter ihrem 
Schuße blieben unfere Gegenden für einige Zeit von den Gräueln des 
Krieges gefihert. Zwar hauchte der große König von Schweden fein 
Heldenleben am 6. (16.) November 1632 bei Füben aus; allein 
tapfere Feldherrn, unter ihnen namentlidy der Herzog Bernhard von 
Weimar, traten in feine Fußtapfen und wußten nod längere Zeit den 
Sieg an die ſchwediſchen Fahnen zu feſſeln. 


85. Die Schlacht von Mördlingen und ihre Folgen. 
(1634 — 1636.) 


Allein im Jahr 1634 follte fich das Kriegsglüd auf fchredliche Weife 
wenden. Bei Nördlingen erlitten die Schweden am 27. Auguft (6. 
Sept.) unter ihren Feldherrn Guſtav Horn und Bernhard von Weimar, 
welche auch badifchen Landfturm zu diefem Kampfe mitgenommen hat— 
ten, durch die Kaiferlichen eine furdhtbare Niederlage. Die Trümmer 
des gejchlagenen Heeres eilten, grimmig haufend und vom Sieger ver: 
folgt, auf verfchiedenen Wegen, jo zum Theil auch über Pforzheim 
auf das Finke Rheinufer, und dahin, nämlic nah Straßburg, flohen 
Thnell der Herzog von Württemberg und der Markgraf Friedrih von 


Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg 405 


Baden. Wie ein reigender Strom ergoßen fich die kaiſerlichen Schaa— 
ren, verheerend und mordend, zunächſt über Schwaben und näherten 
fich raſch auch der Markgrafſchaft. Angſtvoll ftrömten die Landleute 
aus der Umgegend don Yforzbeim, fo aus Brößingen, Dietlingen, 
Oeſchelbronn, Birkenfeld, Eiſingen, Nöttingen, Hucenfeld, Kiefelbronn, 
Baufchlett ꝛc. in die Stadt, um dort Schuß zu fuchen. 1) Allein bie 
Bewohner der Lestern hielten ſich felbft fo wenig hinter den Mauern 
derielben jicher, und jo groß war der Schreden vor den Gräueln, welche 
das fiegreiche Heer jhen im Württembergifchen verübte, daß Jeder, 
der nur irgend Konnte, ſich auf die fchleunigfte Flucht begab und in 
Pforzheim bald weder ein Pferd, noch ein Fuhrwerk mehr zu haben 
war. In diefer Noth wußte der Pforzheimer Amtsfeler, Kafpar 
Maler, zur Rettung feiner betagten Mutter Barbara, geb. Kercher, 
keinen andern Natb, als fie auf einen Karren zu feßen und denfelben mit 
Hilfe feiner beiden Söhne in das zwölf Stunden entfernte Yandau zu 
ziehen — ein erbebendes Beifpiel Findlicher Liebe.“) Auch die übrigen 
Beantten, ſo der Dbervogt Hans Georg Bertram von Herſchbach, der 
Untervogt Dienft, der Einnehmer Pfifterer, ergriffen die Flucht, gleicher: 
weife die Lehrer des Pädagogiums. Die Geiftlichen der Stadt dagegen, 
nämlich’ der Spezial Georg Wibel, der Spitalpfarrer Schaupp, der 
Dinkonns Lutz der aber bald ftarb und deſſen Nachfolger Peter Ker: 
dyeriwar, ſowie der Ultftädter Pfarrer Job. David Langenberger hielten 
muthig aus, ebenio der wadere deutiche Schulmeifter Andreas Tarer. 
Auch der Stadtphyſikus Dr. Ludwig Mögling konnte ſich nicht entfchlie- 
Ken, feinen Poſten zu verlaffen. 

Traurig genug war aber aud das Loos derer, die in der Heimat 
zurüicgeblieben, Viele wurden von den Soldaten in der erften Muth 
tiedergehauen ; Alle Jeplündert; ſelbſt diejenigen, welche in den Wäl—⸗ 
dern Schub fuchten und dert noch den folgenden Winter zubrachten, 


!) Kirchenbucd von 1634. 

2) Kalpar Maler Fehrte fpäter wieder nad Pforzheim zurüd und ftarb 
daſelbſt am 13. (23.) Januar 1648. Er beſaß in Pforzheim ein eigenes Haus 
im Höll- (obern Apotbefer-) Gäßle. Seine Söhne waren Johann Joſeph, 
ber 1671 als Kammerratb und Untervogt zu Karlsburg, und Heinrich Wil: 
beim, der 1709 im 91. Lebensjahre als Rechnungsrath und Stadtichreiber zu 
Emmendingen farb. Vergl. die hiſt. geneal, Nachrichten der Familie Maler, 
S. 12 16 und 17. 








406 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjäbrigen Krieg. 


wurden mit Hunden aufgeipürt, zurücdgejchleppt und jo lange gequält, 
bis fie die etwa verborgene Habe den Naubgierigen preisgaben. Im 
Dberland wurde vielen Unglüdlichen ein Holz in den Mund gejtedt 
und jo lange Waffer eingegofjen, bis fie 20--30 Reichsthaler Ranzion 
verſprachen; Schaaren junger rauen und Mädchen wurden zufammen: 
geiperrt, entkleidet und unter Hohngelächter preisgegeben. 

Hatten ſchon in den vorhergehenden Jahren anſteckende Seuchen 
viele Menſchen binweggerafft, jo traten fie jet um jo verheerender auf, 
als fich zu ihmen und den Gräueln des Krieges auch noch eine andere 
Plage gejellte. Die Entvölferung der Dörfer, in deren Folge viele 
Felder umangebaut blieben, während die nothdürftig angebauten nicht 
felten von durchziehenden Truppen abfouragirt oder zertreten wurden, 
erzeugte eine fürchterliche Hungersnoth. Im benachbarten Durlach ftieg 
das Malter Korn, welches das Jahr vorher noch ganz wohlfeil geweſen 
war, auf 24 Gulden, ein Pfund Schmalz foftete 3 Baten, ein Meß: 
fein Salz eben jo viel, der Vierling Schwarzbrod 6 Kreuzer, 1 Ei 
einen Basen, ein Hubn 2 Gulden, 1) In Württemberg galt der 
Sceffel Kernen, der bei der Ernte 1634 noch 4 Gulden gekoſtet hatte, 
zwei Jahre fpäter das Sechs- bis Zehnfache, ja in manden Gegenden 
fo viel, als man damals für 50 — 60 Morgen Feldes bot.2) Tau— 
jende von Menfchen ftarben Hungers, obgleich das Fleiſch von Fröſchen 
Katzen, Hımden und gefallenen Pferden mit Gier verfchlungen wurde ; 
ja e8 Kam fogar vor, daß man Leichname aus den Gräbern auf: 
wühlte, um fie zu verzehren, und daß Mütter ihre eigenen Kinder ſchlach— 
teten, um den quälenden Hunger zu ftillen. 3) Im benachbarten Wei: 
ferftadt vafften Hunger und Peſt von Pfingften bis Weihnachten 1635 
nicht weniger als 621 Perfonen hinweg. 2) Im nämlichen Jahr wur: 
den in Dietlingen nicht weniger als 143 Perſonen begraben. 5) Nicht 
geringer waren die DVerwüftungen, welche die Geifeln des Krieges, 
der Seuchen, der entfetlichen Theurung und der Hungersnoth in 
Pforzheim anrichteten. Hatte chen in den Jahren 1633 und 34 





1) Sachs, VI, 549, 

2) Steinhofer, J. 474-581. 

5) Ochs, Geſchichte von Balel, VI., 636, 641 fi. 

4) Gehres, Chronik von Weilerftadt, ©. 129, 

) Didzes Pforzheim, Kirchen: und Schulbeihreibung von 1735 (im Lan: 
desardhiv). 


Bierzehntes Kapitel, Pforzheim im breißinjährigen. Krien. 407 


eine große Sterblichkeit in dev Stadt geherrſcht, jo rafften die erwähn— 
ten Plagen im der Folge noch mehr Menſchen hinweg. Nur allein 
durch die Mebeleien der Kaiſerlichen fcheinen vom Spätjahr 1634 big 
zum Jahr 1635 folgende hiefige Bürger ihr Leben verloren zu haben: 1) 
Chriſtoph Jakob Maier, Georg Mitfchdorfer, Hans Georg O fter: 
tag, Martin Rüb, Martin Straub, Martin Deßmann, Rudolf 
Eihelin, Hans Martin Hartmann, Michael Kienle, Georg 
Weiß, Hans Peter Merwein, David Vichmann, Michael Ung e— 
rer, Hans Baumhauer, Martin Breidt, Georg Karlin, Mi— 
chael Dreyer, Hans Jakob Hertenſtein, Michael Kiefer, Va— 
lentin Koch, Zacharias Vogeler, Hans Eiſinger, Chriſtoph Wil— 
derſinn, Chriſtoph Abrecht, Hans Abrecht, Chriſtoph Deimling, 
Hans Jakob Geiger, Chriſtoph Geiger. Der Peſt und dem Hun— 
ger fielen in den Jahren 1635 und 1636 folgende Bürger zum 
Opfer: Marr Mangold, Hans Jakob Mann, Hans Jakob 
Miyaer, Peter Schoch, Hans Simmerer, Peter Abreht, Hans 
Katob Bed, Paul Berblinger, Jobſt Dages, Michael Deng: 
Ler, Hans Jakob Eichelin, Wendel Link, Konrad Link, Philipp 
Hartmann, Hans Jakob Jung, Hans Joachim Kiefer, Hans 
Chriſtophh Kienlin, Hans Georg Wolf, Konrad Landazwinger, 
Leonhard Meyer, Chriftoph Diterried, Math. Schroth, Lorenz 
Kienlin, Peter Bauer, Georg Bauer, Berthold Deimling, 
Chriſtohh Doll, Martin Fifher, ob. Joachim Grieninger, 
- Hans Jakob Hertenftein, Michael Jelin, Konrad Kaftner, Peter 
Kienlin, Lorenz Kienlin, Math. Riidenbrod, Ludwig Meyer, 
Satob Ringer, Gall Ungerer, Hans Jakob Bürger, Peter Gei- 
ger, Chriſtoph Geiger, Chriftopb Lienhard, Hans Georg Reh: 
ling, Hans Joachim Schneider, Hans Burkard, Niklas Fink, 
Balentin Heink, Hans Knaut. Bedenkt man, daß die Zahl der 
bier Angegebenen eher unter alg über der Wahrheit fteht, was fchon 
daraus hervorgeht, daß im “fahre 1643 die Menge der durdy Hunger 
und andern jammervollen Tod feit der Nördlinger Schlacht umgekom— 
menen Bürger auf 1350 angegeben wurde; daß von den Altftädtern, 
die namentlicy vom Kriege am meiften erdulden mußten, aus Mangel 

) Die Quelle diefer,, fowie mancher jonftigen Angaben find die hiefigen 
Kirchenbücher, 


405 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 


an Nachrichten feiner genannt iſt; daR ferner eben jo wohl Greife, als 
Weiber und Kinder unter den Streichen des Schwertes und den Qualen 
der Peſt und des Hungers fielen: jo wird die Behauptung, dag 1634 
—1636 und zum Theil noch in den folgenden Jahren mindefteng ein 
Drittel der Bevölkerung Pforzbeims zu Grunde gegangen fein muß, 
nicht als eine übertriebene bezeichnet werden können. 

Die ftarke Abnahme der Bevölkerung, die bis zum Schluß des 
Krieges 1648 noch mehr ſank, ift auch aus der Liſte der in jenen und 
den darauf folgenden Jahren Gebornen erfichtlih. Ich fee die Zahl 
berfelben her, und zwar der DVergleichung wegen fchon von 1630 an 
bis zu 1646. (Die Altjtädter find darunter nicht begriffen.) 

Im Sabre 1630 wurden geboren 137 Kinder. 
" 7 1631 " " 124 " 
Pe: |. > Ss r 14 „ 

„ 1633 „ „ 14 „ 
” " 1634 „ „ 121 " 
" " 1635 " „ 18 u 
" " 1636 „ H 80 " 
„on 16970 u r 9» 
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Nie mande Soldatenkinder mögen ſich aber unter den von jedem 
Jahr angegebenen Geborenen befunden haben! 

Shen 17 Jahre hatte bis zu dem Zeitpunkt, an weldem wir 
mit unferer Erzählung jet angelangt find (1635), der unfelige Krieg 
gedauert und überall in Deutichland unfäglichen Sammer verbreitet. 
Fügen wir hier die Schilderung des damaligen Juftandes unferes deut- 
ihen Vaterlandes ein, wie fie Schiller in feiner Geſchichte des dreißig— 
jährigen Krieges gibt:1) „Das Elend in Deutichland war zu einem 
N) Band IX, feiner ſämmtlichen Werte, S. 434 ff. (Cotta, 1838). 


Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im breifigjährigen Krieg. 409 


fo ausfchweifenden Grade geitiegen, daß das Gebet um Frieden von 
taufendmaltaufend Zeugen ertönte, und auch der nachtbeiligfte noch 
immer für eine Wohlthat des Himmels galt. Wüften Tagen da, wo 
jonft taufend frohe und fleißige Menfchen wimmelten, wo die Natur 
ihren herrlichſten Segen ergofien und Wohlleben und Ueberfluß geberrfcht 
hatte. Die Felder, von der fleiigen Hand des Pflügers verlaffer, 
lagen unangebaut und verwildert, und wo eine junge Saat aufſchoß 
oder eine lachende Ernte winfte, da zerftörte ein einziger Durchmarſch 
den Fleiß eines ganzen Jahres, die letzte Hoffnung des verichmachtenden 
Volkes. Berbrannte Schlöffer , verwüftete Felder, eingeifcherte Dörfer 
lagen meilenweit herum im grauenvoller Zerftörung, während ihre 
verarmten Bewohner bingingen, die Zahl jener Mordbrennerheere zu 
vermehren, und, was fie jelbft erlitten hatten, ihren verfchonten Mitbürz 
gern fehreclich zu erftatten. Kein Schuß gegen Unterdrüdung, als jelbft 
unterdrüden zu helfen. Die Städte feufzten unter dev Geifel zügellofer 
und räuberifcher Befatungen, die das Eigenthum des Bürgers verfchlangen 
und die Freiheiten des Kriegs, die Licenz ihres Standes und die Bor: 
rechte der Noth mit dem graufamften Muthwillen geltend machten, 
Wenn fchon unter dem kurzen Durdzug einer Armee ganze Länder: 
ftredten zur Einöde wurden, wenn andere durch Winterquartiere ver: 
armten oder durch Brandſchatzungen ausgefogen wurden, fo litten fie 
doch nur vorübergehende Plagen, und der Fleiß eines Jahres konnte 
die Drangfale einiger Monate vergefien machen. Aber Feine Erholung 
wurde denjenigen zu Theil, die eine Befakung in ihren Mauern oder 
in ihrer Nachbarſchaft hatten, und ihr unglückliches Schickſal konnte 
felbft der Wechſel des Glückes nicht verbeffern, da der Sieger an den 
Platz und in die Fußtapfen des Befiegten trat, und Freund und Feind 
gleich wenig Schonung bewiefen. Die Vernachläſſigung der Felder, die 
Zerftörung der Saaten und die Vervielfältigung der Armeen, die über 
die ausgefogenen Felder daherftrömten, hatten Hunger und Theuerung 
zur unausbleiblihen Folge, und in den legten Jahren vollendete noch 
Mißwachs das Elend. Die Anhäufung der Menfchen in Lagern und 
Duartieren auf der einen Seite und Völlerei auf der andern brachten 
peitartige Seuchen bervor, die mehr als Schwert und Feuer die Länder 
verödeten. Alle Bande der Ordnung lösten in diefer langen Jerrüttung 
fih auf, die Achtung für Menfchenrechte, die Furcht vor Gefegen, die 


410 Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißiajährigen Krien. 


Reinheit der Sitten verlor fih, Treue und Glaube verfiel, indem die 
Stärke allein mit eifernem Scepter herrichte; üppig ſchoſſen unter dem 
Schirme der Anarchie und der Straflofigkeit alle Lafter auf, und bie 
Menfchen verwilderten mit den Ländern. Kein Stand war dem Muth: 
willen zu ehrmwürdig, fein fremdes Eigenthum der Noth und der Raub: 
fucht heilig. Der Soldat, (um das Elend jener Zeit in ein einziges 
Wort zu prefien,) der Soldat herrſchte, und dieſer brutalfte der 
Despoten ließ feine eigenen Führer nicht felten feine Obermacht fühlen. 
Der Befehlshaber einer Armee war eine wichtigere Perfon im Lande, 
worin er fich fehen ließ, als der rechtmäßige Regent, der oft dahin ges 
bracht war, fich vor ihm im jeinen Schlöffern zu verkriechen. Ganz 
Deutfchland wimmelte von folchen Kleinen Tyrannen, und die Ränder 
Yitten gleich hart von dem Feinde und von ihren Vertheidigern.“ 

Zu den oben erwähnten Folgen der Schlacht von Nördlingen ka— 
men für Pforzheim auch noch andere. Ueber die Marfgrafichaft 
Baden-Durlach wurde vom Kaifer wie über ein erobertes Land verfügt. 
Der obere Theil derielben erhielt einen befondern Statthalter und 
mußte im Auguft 1635 der Wittwe des 1632 verftorbenen Erzherzogs 
Leopold von Defterreih, Claudia von Medicis, huldigen; den untern 
Theil aber mit Pforzheim fchenkte der Kaifer am 5. Mai 1635 
feinem General, dem Fatholifhen Markgrafen Wilhelm von Baden-Baden, 
der in diefer Stadt alsbald die Klöfter der Tranzisfaner und Domini- 
faner fowie das St. Michaels:Stift wieder berftellte, jene mit Mönchen 
bevölferte und zum Propft von diefem feinen neunjährigen Sohn, Leo— 
pold Wilhelm, imveftiven ließ. Allein der neue Beſitz blieb in feinem 
ganzen Umfange nicht Yange in den Händen des Markgrafen Wilheln. 
Der Kurfürft Marimilian von Batern hatte fich auch der Pfalz wieder 
bemächtigt.. Da nun das Lehensverhältniß, in welchem fich die Aemter 
Pforzheim und Graben zu der Pfalz befanden, nech immer fortdauerte, 
der Markgraf von Baden: Durlah aber feiner Ränder für verluftig er 
Märt und auch von der den übrigen evangeliſchen Reichsſtänden ange— 
botenen Amneſtie (fammt dem Herzog von Mürttemberg) ausdrücklich 
ausgeſchloſſen war, fo hielt der Kurfürft diefe Zeit für geeignet, fein 
Recht auf diefe beiden Aemter geltend zu machen, und riß im Dezember 
1635 diefelben an fih. Am 13. (23.) Dezember erfchienen die beiden 
baierifchen Kommifjarten von Ungelter und von Peldhofer in Pforz- 


Vierzehntes Kapitel, Pforzheim im dreifigjährigen Krieg. 411 


beim und nahmen im Schlofje dafelbft, nachdem WBeldhofer, um den 
Widerwillen der Bürger zu mildern, die fernere Uebung des protejtan- 
tiſchen Gottesdienjtes mehrfach mündlich zugefagt Hatte, für den Kur: 
fürften die Huldigung vor. 1) Zu noch mehrerer VBerfiherung, daß es 
ihm mit dem Zugeſtändniß der Meligionsfreiheit ernft fei, hatte Pelck— 
bofer den Vater Chryſoſtomus Speth, Bilar des Dominikanerkloſters, 
und den Spezial Wibel auf das Rathhaus fommen lafien, wo er⸗in 
Beifeim Gerichts und Raths im Namen des Kurfürſten die Kirche im 
Predigerflofter mit beiderfeitiger Zuſtimmung fo feparirte, daß die Domini— 
faner das Chor erhielten, das Pelckhofer fogleic mit einem neuverfertigten, 
beſchlüſſigen hölzernen Gitter unterfchlagen lieh, der Stadt aber wie zuvor 
das Langhaus zum Gottesdienft überlaſſen bliebe. Mit bitterer Beſchwerde 
über die Gewaltthat des Kurfürſten wandte fih Markgraf. Wilbelmuan 
den Kaiſerz /ev Könne nicht: dulden, daß die beiden Aemter Pforzheim 
und‘ Graben vom uralten Haus Baden wegen eines Pfanbſchillings 
andie Pfalz Enten: Allein. die Bemichungen des Kaiſers, dieſe Sache 
wieder: rückgängig zu machen, waren vergebens; denn als er den Grafen 
von: Sulz nach Pforzheim fandte, wo dieſer am 9. (19.) Mar 1636 
in» Beiſein der von Baden-Baden gleichfalls dahin geſchickten Näthe „mit 
lãutender Aydtglocken d. i. Sturmglode)-die/Bürger verſammelte und 
ihnen unter allerlei Verſprechnmgen zuredete, dem! Markgrafen Wilhelm 
zu hulbigen/ ſo weigerten ſich die Pforzheimer ganz entſchieden, dies zu 
thun/ "obgleichi ihnen von! Seiten der baden-badiſchen Nätherebenfalls 
vollftändifcher Freiheit. iin Ausübung der enangelifchen Religion und ſtrenge 
Beobachtung: der ſtadtiſchen Rechte zugeſichert wurde, Sie mochten eben 
ſo wenig einem einmal geſchworenen Eide untreu werden, als unter bei 
Herrſchaft eines Fürſten ſtehen der im ganzen Krieg "eben nicht ie 
rühmlichite Rolle ſpielte und namentlich „dem angeſtammten Fürſten der 
Pforzheimerögegenüber weder verwandiſchaftliche, noch überhaupt edle 
Geſinnungen gezeigt hatte. 

Alſo ſtand jeßzt Pforzheimunter-pfälzifſche bareriſchem 
Scepter! 


— — ran — 


1) In einem Schreiben, das die Pforzheimer ſpäter an den Herzog von 
Württemberg richteten, nannten fie bdiejelbe eine „Pfandſchillingshul— 
bigung.“ 


412 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


86. Weligionsbedrükung in Pforzheim. 
(1635 -—1643.) 


Pforzheim behielt auch in den folgenden Jahren eine ftändige baie- 
riſche Garnifon, die, weil bei den verarmten Bürgern einguartivt und zu 
Ausfchreitungen bei jedem Anlaß geneigt, Feine geringe Plage für die 
ihon ſchwer genug beimgejucdhte Stadt war, Unter den Offizieren diejer 
Garnifon begegnen wir 1) 1636 (Sept.) und 1637 (16. Jan.) dem 
baierifchen Generalfriegstommiflir Junker Wolfgang Pelckhofer, alfo 
demfelben, der jchon das Jahr vorher als Huldigungsfommiflär (S. 410) 
in Pforzheim gewefen war, ebenjo einem Offizier Rudolf Bed 1637 
(Mei und Juni), Im Juni finden wir Theile des alten Piccolomini* 
chen Neiterregiments und des Metternicyichen Negiments, wahrfcheinlich 
in ein Korps vereinigt, in Pforzheim, Vom Januar bis November 
1638 werden Soldaten und Regimentsquartiermeifter aus dem Regi— 
mente des Oberften Heinrich Chriſtohh Gailing von Altheim genannt, 
Ein malifches (italienifches) Negiment war theilweiſe, vielleicht aud ganz 
bier im März (29.) 1639, fcheint aber mit dem Gailing'ſchen Korps, 
welches nur eine Kompagnie zählte, beifammen geweſen zu fein; denn 
Dberft Sailing war nebit Oberft Kolb, der als Kommandeur eines 
bejondern nad ihm benannten Regiments bezeichnet wird, einem Haupt: 
mann Hans Georg Yauermeier aus dem Cbdelftettifchen Regimente 
und einem Oberftlieutenant Herrv. Ganua (viell. Gannois) am 30. No: 
vember bier beifammen. Lauermeier wird am 16. Dezember als Kom— 
mandant der Stadt bezeichnet. Im Januar 1640 mar ein General: 
fommiffir Schäffer und 23. April ein Hauptmann Aegvpdius hier. 
Bon 1641 (26. April) an erfcheinen das Gill de Hafffche und das 
Horſt'ſche Negiment, oder Theile desjelben in Pforzheim. in Lieute: 
nant des Lebtern, Hans Völkel ift 1641 (23. Aunt) und 1642 
(21. März) als Kommandant der ftädtifchen Garnifon genannt. Daf 
Theile diefer Truppen längere Zeit ununterbrechen in Pforzheim Tagen, 
geht daraus hervor, daß 1643 (1. Nov.) Oberft von Gailing, das 
Lapier'ſche Negiment (ſchon 10. Sept.) und Oberft Wolfs Reiterregi: 
ment als anmwefend genannt werden. 1643 finden wir acht Tothringifche 
Kompagnien nebſt Reiterei unter dem Befehl des Dberften Juver— 


1) In den ſtädtiſchen Kirchenbüchern. 


Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im breifigiährigen Krieg. 413 


court in Pforzheim, und gleichzeitig werden als anmwefend bdafelbft ge— 
nannt ein General Graf von der Wahl, der ſchon erwähnte General: 
fommiffär Schäffer und ein Generalquartiermeifter Holk. Welche 
ſchwere Laſt diefe Truppen für die Stadt waren, erjehen wir aus einem 
Schreiben Bürgermeifters und Raths vom 22. März (1. April) 1643 
an den ebengenannten Schäffer, der ſich damals bereits wieder in Tü— 
bingen befand, worin es unter Anderm beißt: „Seit 35 Tagen liegen 
8 Kompagnien zu Roß und zu Fuß in Pforzheim, weldye die Stadt 
bisher 11,800 Gulden gefoftet haben und noch täglih 300 Gulden 
koften, Viele Leute, die großen Laften auszuhalten ferner außer Stand, 
find bereits von Haus und Hof entflohen.” 

Zur diefer drückenden Einquartirungslaft kamen aber noch Bedräng- 
niffe anderer Art, die hier eine um fo ausführlichere Darftellung ver: 
fangen , als die Pforzheimer dabei neue Proben jenes Glaubensmuthes 
ablegten, von welchem schon früher die Jahre 1565, 1601, 1604, 
1622 und 1629 Zeugniß negeben hatten. Die Gefhichte der zu Pforz- 
beim „durd; Menfchen zwar vorgenommenen , von Gott aber hintertrie- 
benen Religionsänderung“ 1) bildet einen der Glanzpunkte in der Dar: 
ftellung der wechjelvollen Schidiale der Stadt. 

Waren, wie oben jchon erzählt, durh Markgraf Wilhelm von 
Baden-Baden bei der Beſitznahme Pforzheims im Mai 1635 die 
Mönde und mit ihnen der katholiſche Gottesdienft in der Stadt wieder 
eingeführt worden, jo wurde, als der Kurfürft von Baiern ſich Pforze 
heims bemächtigt hatte, auch der Kapuzinerpater Friedricd von Xichten- 
ftein am 18, März 1636 nebit einer Anzahl Mönde von Weilerftadt 
nach Pforzheim berufen, und ihmen dafelbft das St. Georgsftift als 
Hofpiz angewiefen. Zwar zwang die Eiferfucht der Franziskaner und 
Dominikaner die Kapuziner bald, ihre in Pforzheim eröffnete Miffton 


1) Sp heißt die Auffchrift eines durch Brand ziemlich beichädigten Akten— 
aszikels, welcher fih im Generallandesarhiv zu Karlsruhe befindet, Vier— 
ordt hat denfelben bereits für jeine „Geſchichte der evangeliſchen Kirche in 
Baden“ benügt und in dieſem Werke von S. 218—231 eine ziemlih umftänd- 
liche Darftellung der Ereigniffe des Jahres 1643 gegeben. Indem id bem 
Gang feiner Erzählung folge, gebe ih mit Zugrundlegung der erwähnten 
Quelle, fowie der biefigen Kirchenbücher, bei dem großen Intereſſe, das bieje 
Ereigniffe erwerfen müjfen, Manches ausführlicher, als. dies Vierordt bei 
einem nicht bloß für Pforzheim beftimmten Gefhichtswert hat thun können. 


414 Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 


wieder zu verlaffen; Letztere brachten es jedoch zu Anfang des Jahres 
‚1643 zu eimer zweiten Berufung nad Pforzheim. Im November 
1636 wurden den wenigen noch vorhandenen evangelifchen Geift- 
lichen in Stadt und Yand dur die baierifche Negierung die Gehalte 
entzogen. Sie durften zwar jeßt noch in Funktion bleiben und gottes- 
dienstliche Handlungen wie bisher vornehmen, waren jedoch bezüglich, 
ihres Unterhaltes auf die freiwilligen Beiträge der verarmten Gemeinden 
angewiefen, die von ihren Seeljorgern nicht lafjen wollten, und darum 
auch ihren Wegzug durd alle Mittel zu verhindern fuchten. Als der: 
artige Maaßregeln jowohl, als auch die eifrigften Befehrungsverfuche der 
Mönche an der Zähigfeit jcheiterten, mit welcher die Pforzheimer ihrem 
evangelifchen Glauben anhingen, jo wurde nach einem Anlaß gefucht, um 
den Kurfürften zu einem gänzlichen Verbot des enangeliichen Gottesdienjtes 
zu bewegen. Solcher Anläffe fanden fich endlich fogar zwei. Im 
Verein mit dem Kapuzinerpater Fulgentius, der kurz vorher die evan— 
gelifche Lehre öffentlich dem Teufel übergeben batte, berichtete nämlich 
der baierifche Untervogt Georg Faber nah Münden:!) Erfteng, 
bei der Nachricht von dem Siege, welden der Schwede Torftenjon im 
Herbit (23. Okt.) 1642 unweit Leipzig über den Faiferlichen Feldherrn 
Leopold Wilhelm, Biſchof von Straßburg, erfochten halte, fei in der 
Pforzheimer Stadtlirhe am Martingfeft ein jubilivender proteftantifcher 
Bettag gehalten worden; dabei habe die Bürgerfchaft mit Begleitung 
der Orgel (die zu „schlagen“ an ſolchen Tagen fonft nicht Sitte war) 
ein Te Deum laudamus und das ſeit Jahren Hier nimmer gehörte 
Lied: Erhalt’ ung Herr bei deinem Wort — gefungen; zweitens, 
als das ſchwediſch-franzöſiſche Heer von Breiſach aus neulich auf einem 
Streifzuge bis in den Kraichgau vordrang, habe ſich der Etadtrath in 
Unterhandlungen mit den Vorpoften eingelafjen, 

Wie es ſich im Wirklichkeit mit diefen beiden Anflagen verhielt, 
zeigt eine „Supplifation aller Kirchen- und Schuldiener der Stadt und 
Amts Pforzheim an den Kurfürften” vom 5. (15.) April 1643, ebenfo 
eine andere Supplifation won demfelben Datum, welche Bürgermeifter, 





1) Auch der Amtskeller Johann Wolf Geiger (vieleicht felbft ein Pforz: 
heimer) jcheint mit im Bunbe gewefen zu fein. Wenigftens werfen ihm bie 
Geiftlihen vor, daß er „durch falfche Anklagen am meiften Holz zu biejem 
Teuer getragen habe.“ 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreikigjährigen Krieg. 1415 


Gericht und Rath durch zwei beiondere Abgeordnete (fiehe unten) nad 
München fandten. Bezüglich des jubilirenden Gottesdienftes erflären . 
die Geiftlihen: „Diefe Erzählung ift uns bochbetrübt und zugleich, 
da wir durch Beweiſe des Gegentheils leicht unjere Unſchuld darthun 
können, erfreulih. Wahr ift, daß wir 1642 am Martinitag : Erhalt’ 
ung Herr bei deinem Wort zc. gefungen, aber nicht wahr, daß die Orgel 
dabei geichlagen worden, woraus unfere Ankläger em Tedeum und Ju— 
belgefang erzwingen wollen. Bloß die drei erften Geſetze (Verſe) find 
gefungen worden. Der Gefang paßte für die SJahrespredigt, womit 
Luthers p. m. (piae memoriae d. h. jeligen Angedentens) „Ehr und 
Sehr modeste defendirt“ wurde, ift alt und bei allen Qutheriichen im 
Gebrauch, fteht in gedrudten Geſangbüchern und wurde felbft in der 
evangeliichen Kirche im Negensburg kei dem Reichstag gejungen, in 
Pforzheim war er niemals verboten worden. Wir würden ihn aud 
beftändig gejungen haben, hätten ihn unfere Mißgünſtigen nicht nebit 
andern Geſängen aus den Geſangbüchern herausgerifien. Wäre ev ein 
Tedeum laudamus, jo würde der Kurfürjt von Sachſen ihn abgejchafft 
haben; er läßt ihn aber unferes Wiſſens noch immer fingen, obwohl er 
an jener Niederlage feine Freude haben konnte,“ 1) u. ſ. w. — Ueber 
die Beichuldigung der Unterhandlung mit feindlichen Truppen gibt der 
Stadtrath am angeführten Orte folgenden Aufihluß : „Daß es unwahr 
jei, daß der Magiftrat jammt Bürger: und Bauerſchaft ſich bald auf 
dieje bald auf jene Seite gewendet und ohne Befehl fich mit den fran— 
zöfifchen in Kontributionsafford eingelafjen babe, das bezeugen wir bei 
dem allmächtigen Gott und dur die MWerficherung der Heidelberger 
Megierung, ſowie der kurfürftl. Generalität, ohne deren Verwilligung wir 
nichts unterbandelt haben. Als nämlich der end die ganze mittlere 
Markgraffhaft und die benachbarten öfterreichifchen Orte, ſowie die ade 
liche Ritterſchaft am Nedar und Schwarzwald zur Kontribution ges 
zwungen und uns bis auf Ettlingen in die Nähe Fam, und uns zum 
dritten Mal drohend aufforderte zur Kontribution, bei deren Verweige— 
rung er aud das Kind im Mutterleib nicht verfchonen wolle, jo haben 


— nn — — — —— —— 


!) Der Kurfürſt Johann Georg von Sachſen hatte ſich ſchon 1635 von 
den Schweden losgeſagt und mit dem Kaiſer Friede geichloffen, wofür ihm 
Schweden den Krieg anfündigte, der in den folgenden Jahren zur fürchterlich: 
ten Verwüftung der fächfiihen Länder Veranlaffung gab. 


416 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 


wir durch Abgeordnete unjerer Stadt unfere große Noth der Generalität 
geichildert, worauf der Generalkommiſſär Schäffer dem General Grafen 
von der Wahl in Beifein des Generalquartiermeifters Hol Relation 
gethan und die Nefolution erwirkt hat, daß, da uns die Reichsarmee zu 
ferne ftehe und nicht helfen könne, wir uns einftweilen zur Rettung von 
Haus, Hof, Weib und Kind mit dem Feind in eine leibliche Kontri- 
bution einlaffen durften. Der Feind rückte unterdejjen unter General 
Erlach mit 1200 Pferden heran, und nachdem wir die Sache bis auf 
den Nothknopf verzogen hatten, fchicten wir zum Kommifjariat Tachſtein, 
wo wir mit Bitten und Beten das erlangten, daß das Volk gegen Ver- 
iprehung monatliher BO Reichsthaler fontramandirt und für geiftliche 
und weltliche Diener beider Religionen in der Etadt und im Amt Pforz- 
beim eine jchriftlihe Salva Guardi (Sauvegarde, d. 5. hier ein Sicher: 
beitsbrief) ansgemwirkt wurde Die Völker rücten endlich gegen Weiler: 
ftadt und Kannftatt (Jan. 1643) und haben ung Gottlob überhüpft, 
und an der verfprochenen Kontribution ift ihnen weder Heller noch 
Pfennig erlegt worden. Unterdeffen zog die ganze weimar’iche Armee 
fich gegen Heilbronn, nahm bei Laufen die Brüde weg, plünderte würts 
tembergifche Orte, und auf das Gerücht, fie ziehe gegen Pforzheim, ließ 
der Untervogt und der Stadtjchreiber Nachts zwiſchen 9 und 10 Uhr 
den Stadtrath aufs Rathhaus rufen, es folle ihr Jemand wegen einer 
Salva Guardi für uns entgegengefchidt werden, Der Rath, weil die 
Stadt von allen Seiten mit feindlichen Partien bedroht und nicht fo 
beichaffen ſei, daß fie fich vertheidigen könne, fchiete alfo nach Laufen 
und erwirkte beim Kommandanten eine jchriftliche Salva Guardi. Außer: 
dem .jchickte die Weimar'ſche Generalitit ohne unfer Begehren auch zwei 
lebende Salva Guardi, nämlich einen Kornet und einen Korporal, nad) 
Pforzheim mit dem fchriftlihen Auftrag, wir. follten diefe in die Stadt 
aufnehmen. Aber wir hielten fie von Mittag bis in die Nacht in der 
Vorftadt auf und verficherten, daß wir fie nicht verlangt hätten. End— 
lich zogen fie in der Nacht wieder zurück“ u, ſ. w. 

Ohne daß jedoch der Untervogt Faber die Beichuldigten über die 
erhobenen Anklagen zur Verantwortung aufforderte, ließ er durch bie 
beiden Stadtknechte, „allem Herkommen zuwider,” die evangelifchen 
Geiftlichen der Stadt, nämlih den Spezial Johann Georg Wibel, 1) 

!) Er war aus Augsburg gebürtig, wurde als Diakon in Ettlingen ange: 
ftellt, aber rag ber Schlacht von Wimpfen durd den Fatholiihen Markgrafen 


Vierzehntes Kapitel, Pforzheim im dreifigjährigen Krieg. 417 


die beiden Diakone Säuterlin und Kercher, den SZjährigen Spitalpfarrer 
M. Wolfgang Schaupp und den Pfarrer der Altftadt Johann David 
Eauter, ferner den Rektor der Inteinifchen Schule, (vermuthlich Albert 
Herold) und den „Teutſchenſchuelmeiſter,“ (entweder den früher ſchon 
genannten Andreas Tarer oder feinen Nachfolger Johann Penn), endlich 
auc diejenigen drei Yandgeiftlichen, die in den 14 Dörfern des Amtes 
Pforzheim allein noch übrig waren, nämlich die Pfarrer von Brößingen, 
Eifingen und Niefern, auf Dienftag vor Oftern 21. 81.) März ohne 
Wiffen und Willen Bürgermeifters und Raths in das Amthaus vor: 
laden. Nachdem fie Alle an diefem Tage Morgens 8 Uhr nad) der 
Frühpredigt (die Diafonus Säuterlin über die Geißelung Chrifti ge- 
balten,) daſelbſt erfchienen waren und der in der Amtsjtube zuerft an- 
wejende Dberfeller Geiger und der Amtsverweſer Brunner von Stein fich 
entfernt hatten, eröffnete dev Untervogt den Vorgeladenen mit troßigen 
Worten, daß er durch die Negierung zu Heidelberg vom Kurfürften ben 
Befehl erhalten habe, die evangelifchen Geiftlichen in Stadt und Amt 
alsbald abzufchaffen und das unkatholiſche Erercitium Tutberifcher Reli— 
gion unverzüglich einzuftellen. Zugleich fügte er hinzu, daß er die 
Geiftlihen nur noch zwei Tage dulden werde. Als Wibel feine Be- 
fremdung über einen ſolchen Befehl, (von welchem Faber jede Abſchrift 
verweigerte,) zu erkennen gab und am das bei der Huldigung, fowie 
von der Megierung zu Heidelberg mehrfach gegebene Verfprechen freier 
Religionsübung erinnerte, erwiderte Faber: Der Kurfürft könne in 
feinem nunmehr eigenthümlichen Lande dispeniven, wie er wolle; doch 
babe man in Pforzheim felbft dadurch Anlaß zu der Menderung gege: 
ben, daß man gegen die Katholiken gepredigt 1) und das Lied: Erhalt 
ung Herr. bei deinem Wort — gefungen Hätte. Sogar mehrere 
Rathsverwandte der Stadt hätten fich über diefen Gefang, an welchem 





don dort vertrieben, worauf er als Hofprediger nach Durlach und 1638 als 
erſter Stadtgeiſtlicher, Spezial und Superintendent nad Pforzheim kam. Er 
309 1646 von ba nad) Schwäbifch:Hall, wo er 1651 ſtarb. 

) Mas das den Geiftlichen hier vorgeworfene Predigen gegen bie ** 
liken betrifft, jo ſagen fie darüber in der ſchon erwähnten Supplication Wh 
5. (15.) April: „Wir müfjen uns gegen die Orbensleut vertheidigen, die uns 
zuerſt angegriffen haben, fonderlich Pater Fulgentins, ein Kapuziner, der gegen 
—— hitzig fulminirt, fie dem Teufel übergeben hat. Uns ſelbſt müßten 
wir für liederliche Leute halten, wenn wir ung nicht ie 

Pflüger, Pforzheim. 


® 


418 Vierzehntes Kapitel, Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


nicht viel Gutes fer, (Mibel hatte das Lied dem Untervogt Zeile für 
Zeile vorgelefen und erklärt) und den man feit 8 Jahren in Pforzheim 
nicht mehr gehört, fehr geärgert. Auf den Wunſch Wibels, die Namen 
diefer Nathsverwandten zu erfahren, entgegnete Faber umwillig: In 
Pforzheim hätte Einer viel zu thun, wenn er alle Anlagen jelber an: 
hören wolle; denn bier ſei es Brauch, weder Geiftliche noch Weltliche 
zu fchonen, As MWibel um Auffchub der Erekution bat, bis nad) 
Heidelberg und München berichtet fei, erklärte der Untervogt, daß er 
noch fo lange warten wolle, bis Antwort von Heidelberg eingelaufen 
ſei; er fei bereit, den von Pforzheim abziehenden Geiftlihen eing Ab— 
theilung der in der Stadt liegenden Tothringifchen Truppen zur Bes 
deckung mitzugeben. An den Kurfürjten ſelbſt könnten fie fi) nachher 
wenden. — Gleichzeitig mit diefer Eröffnung an die Geiftlichen erließ 
der Untervogt an alle Amtfchultheißen den Befehl, bei Strafe Feine 
evangeliichen Kirchen außer Landes mehr zu befuchen, aller Pſalmen 
und evangelifchen Gefänge, fowie ihrer Pfarrer ſich zu enthalten, alle 
Todesfälle, Ehefegnungen und Kindstaufen bei ihm anzuzeigen, damit 
er die Anordnung treffen könne, daß das Alles durch katholiſche Geift- 
liche beforgt werde, Tags darauf 22. März (1. April) wurde der 
ganzen Bürgerfchaft in Pforzheim nad) dreimaligem Läuten mit der 
„Andtgloden“ ein vom Untervogt felbjt aufgefegtes und unterjchriebeneg 
Mandat vorgelefen, nad welchem er mit der ausgefprochenen Auswei- 
fung der Geiftlihen auch die bisherige unkatholifche Neligionsübung für 
abgejchafft erklärte und im Namen des Kurfürften befahl, daß Jung 
und Alt Morgens und Abends dem Fatholifchen Gottesdienft beimohne 
und nicht etwa andere Kirchen befuche, den neuen Kalender wohl obfer: 
vire, die Feſttage der Fatholifchen Kirche feire und während bevorftehen- 
der heiliger Zeit, alſo auf Gründonnerftag, Charfreitag und Oftern, da: 
mit den Anfang mache. Mährend Alles dies gefchah, waren auf 
Weifung Fabers durch den Oberften Juvercourt 50 Mann Musfetiere 
auf dem Marktplat aufgeftellt worden, und Neiter zogen durch alle 
Straßen, damit fie, wo irgend zwei oder mehr Menſchen beieinander 
jtanden, folde Zufammenrottungen auseinander trieben. 

Gegen diefen unerwarteten Befehl wandte fh die ftädtifche Obrig- 
keit noch am gleichen Tag, zuerft an den feit 1638 aus dem Eril heim: 
gefehrten Herzog von Württemberg, er wolle von der Stadt und dem 
Amt Pforzheim, wo nicht weniger als 1350 Bürger durch den Hunger 


Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 419 


und andern jammervollen Tod umgekommen ſeien, mitteljt feiner Für— 
ſprache das neue „noch ſchwerere“ Kreuz abzuwenden fuchen. Hierauf 
fhicdte die Stadt ſelbſt zwei Abgeordnete, nämlih den Bürger Ernſt 
Friedrich Hennenberger und den Apothefer Johann Barthold, an die 
baierifche Negierung nach Heidelberg. Hier vernahmen fie, wie entjtellt 
mit unwahren Zuſätzen der Inhalt des fraglichen Liedes hinterbracht 
worden war, Man hatte dem Kurfürſten beiipielweife berichtet, die 
zweite Zeile des erſten Berfes (— „und ftener des Papſtes und Türken 
Mord” —) laute: „Und jtener’ des Papftes, des Kaiſers, des Teufels 
und des Türken Mord.” Diefen Theil der Beſchuldigung wibderlegten 
die Deputirten ohne Mühe und betheuerten zugleidh, an jenem verhäng— 
nigvollen Bettage fei weder an ein Tedeum gedacht, noch ſonſt eine 
Freude über die Leipziger Niederlage geäußert worden; die Dominikaner, 
die jeden Schritt ſähen, jedes Wort hörten, das im evangeliichen Theil 
der Kirche vorkomme, folfe man ſelbſt darüber vernehmen. Endlich be 
riefen fie jich auch auf die Zeugniſſe der baierifchen Generalität und 
lieferten dieſe Zeugniffe wirklich nah, daß Pforzheim nur in der 
ſchrecklichſten Noth und nur nad eingeholter Erlaubniß jener Generali: 
tät dem jo nahe und grimmig drohenden Feinde eine Gontribution zu: 
gejagt, aber jelbft diefe nicht abgeliefert habe, da der General Gerlad, 
ohne einen Verſuch zur Eroberung der Stadt zu machen, aus der Ge: 
gend bald wieder abgezogen fei. 

Der Befcheid, den die Algeoröneten in Heidelberg erhielten, war 
offenbar nur auf einftweiliae Beruhigung und vielleicht audy all: 
mählige Bearbeitung der Gemüther abgejehen. Dem Untervogt, bieß 
es, jeien dergleichen Gewaltsübungen durchaus nicht befohlen, der Kur: 
fürjt jei nicht im Geringften Willens, eine Neformation der Religion 
in Pforzheim vorzunehmen oder gar die Untertbanen zur Fathotifchen 
Religion zu zwingen, fondern jie jollten durch ihre Pfarrer in den 
Häufern taufen und Ehen einfegnen, aud die Kranken befuchen lafjen; 
ebenjo fei ihnen das Predigen und Pſalliren in den Häufern nicht une 
terfagt; nur in der Kirche bleibe ihr „vermeinter Gottesdienft” durch 
aus verboten. Die Geiftlihen müßten nicht fort, und ebenfowenig fei 
der Untervogt angewiefen geweien, die deutjchen und Lateinischen Schul: 
meifter in Pforzheim abzufchaffen. Die armen Kinder hätten nichts 
zu entgelten, und man follte die Schulen wieder wie zuvor halten Taf: 
fen. Auf die von den Abgeordneten nun auch Ku Vorſtellun⸗ 

* 


420 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 


gen gegen das Verbot des öffentlichen Gottesdienſtes wurde ihnen 
erwidert, die desfallfige Nefolution vühre vom Kurfürften felber ber, 
und an ihn follten fie fich in diefer Sache unmittelbar wenden, 

Auf den hierüber erſtatteten Bericht der beiden Abgeordneten be= 
ſchloß der Magiftrat, fogleidh eine Deputation nad Münden zu jchiden, 
um beim Kurfürften die Wicdergeftattung des öffentlichen Gottes: 
dienſtes auszuwirken, zugleich) aber aud, um ihn um Verminderung der 
unerträglichen Laften zu bitten, welche ihnen der Krieg auferlegte. Dies 
felbe beftand aus dem ſchon genannten Apotheker Barthold und dem 
Raths- (oder Gerichts-) Verwandten Johann Kafpar Aberlin. Diefe 
Deputation wurde nicht nur mit einer Vollmacht von den Gemeinden 
der Amtsbezirte Pforzheim und Graben, !) fondern auch mit Empfeh- 
lungschreiben verfchiedener vornehmer Herren verfehen. Auch wurden 
ihnen die beiden oben (S. 414) ſchon erwähnten Supplifationen des 
Magiftrats und der Pforzheimer Geiftlihen und Schuldiener mitgege: 
ben. Noch am nämlichen Tage, an welchem diefe Schriftitüde verfaßt 
. wurden [5. (15.) April], reisten die beiden Deputirten von Pforzheim 
ab.2) Sie nahmen ihren Weg über MWeilerftadt und Tübingen nad 
Um, und fuhren von dort auf der Donau zunächſt nad Höchſtadt, um 
den dnjelbft wohnenden Umgelter, der mit Pelkhofer im Jahr 1635 in 
Pforzheim als Furfürftliher Kommifjär die Huldigung vorgenommen 
hatte, (S. 410) aufzufuchen und ihn um Einfihtsnahme der nod in 
feinen Händen befindlichen Huldigungsakten zu bitten. Diefe wurde 
ihnen bereitwilligjt gejtattet; allein fie enthielten fein Wort davon, daß 
den Pforzheimern bei der Huldigung irgend DVerfprehungen wegen der 
freien Ausübung ihrer Neligion gemadyt worden feien. (Jene Zufage 
war, wie oben (©. 411) erzählt, aud) nur mündlich gegeben worden 
und wurde in der Folge von beiden Kommiſſarien wieder in Abrede 
geftellt.) Sie muften deshalb ihre Supplifation in Augsburg um: 
ſchreiben Yafjen. Dort wurde ihnen gerathen, dem Kurfürften nur diefe 


1) Der Pfarrer Johann Krager von Graben jchrieb darüber an Wibel, das 
Amt Graben babe die von der Etadt Pforzheim begehrten 50 Gulden Reife: 
koſten verwilligt und vorgeſchoſſen. Da man aber gegenwärtig nicht jeber 
Stunde trauen bürfe, jo feien die beiden Ueberbringer diefes Briefes angemiefen, 
bas Geld in Pforzheim aufzunehmen, 

2) Ihren ausführlichen Reifebericht babe ih in den Nummern 4 und 5 
bes Pforzheimer Beobachters von 1858 mitgetbeilt. 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. RO] | 


zu überreichen, dagegen die Gupplifation der Pforzheimer Geiftlichen, 
die den Kurfürſten nur noch ungelegener ftimmen würde, zurückzubehal— 
ten, auch von den Empfehlungsichreiben nur im Nothfall Gebrauch zu 
machen. In Münden, wo die Abgeordneten am 13, (23.) Aprif 
ankamen, fuchten fie zuerft den Kanzler des Kurfürften auf, um ihn 
um Cinftellung der vom Untervogt in Pforzheim angeordneten Nefor: 
mations: Prozedur und um Audienz beim Kurfürſten zu bitten. Sie 
wurden aber fehr ungnädig empfangen und mußten wegen des „Kubel: 
feftes, der Mahlzeiten und des Bettags”, fo die Pforzheimer wegen 
ber Leipziger Niederlage angeftellt und weil fie gefungen: Erhalt uns 
Herr bei deinem Wort und ſteur' des Tapftes, des Kaifers, des Teu— 
fels und Türken Mord — bie bitterften Vorwürfe Hören, das hätten 
fie, meinte der Kanzler, bleiben Tafjen und ihre Mäufer halten können. 
Am Sonntag Abend erhielten die beiden Pforzheimer Aubienz beim 
Kurfürften, als diefer gerade im Begriff war, in die Vesper zu gehen, 
Sie übergaben ihm ihre Supplif und trugen ihm mündlich ver, wie 
Stadt und Amt Pforzheim bereits 4 Tonnen Gold (400,000 fl.) an 
Kriegskontributionen habe bezahlen müſſen und wie über 1900 Bürger 
um Leib und Leben gelommen und die übrigen in höchfte Armuth ge: 
rathen feien; der KHurfürft möge ihnen doch gnädigft Erleichterung ver: 
ſchaffen. Der Kurfürft antwortete darauf, daß ihnen darüber Beſcheid 
werden follte,; wäre fein Krieg, fo brauchten fie auch nicht zu kontri— 
buiren. Weiter ftellten ihm die Abgeordneten vor, wie ihr übelaffet: 
tionirter Beamter durch ungleiche und ungegründete Berichte die fehnelle 
Abſchaffung ihrer Prediger und Seeljorger verurfacht habe, und fügten 
die Bitte hinzu, ihnen ihre Geiftlichen wieder zufommen zu laſſen und 
die öffentliche Ausübung ihrer Neligion zu geftatten, für welche fie 
ſchon feit 8/, Jahren den rühmenden Schuß des Kurfürften genofien. 
Lebterer bemerkte darauf, daß die Deputirten ihren Beſcheid ſchriftlich 
erhalten würden, und ging in die Hoffapelle. - 

Am Dienftag darauf wurde ihnen ein verfchloffener Befehl an bie 
Negierung zu Heidelberg eingehändigt, und alle ihre Bemühungen, eine 
Abſchrift zu erhalten oder auch nur feinen Inhalt zu erfahren, waren 
vergebens. (Sogar ein Beſtechungsverſuch, den fie deshalb beim ge: 
beimen Gefretär mit 6 Neichsthalern machten, war umfonft.) Sie 
reisten alfo von München wieder weg, um das erhaltene Schreiben in 
Heidelberg perfönlich abzugeben, Dort erhielten fie mündlich die un- 


4» Vierzehntes Kapitel. Nforzbeim im bdreifinjährigen Krieg. 


erwartete Weifung, daß es bei Abſchaffung des Fatholifchen Gottes: 
dienjtes fein Verbleiben babe und den Geiftlichen der 17. (27.) Mai 
zur Auswanderung anberaumt fei. 

Nicht abgeſchreckt durch den übeln Erfolg diefer Deputation fandte 
der Meagiftrat in den erften Tagen des Mai durch den Seidenweber 
Hans Ulrich Roth eine zweite fchriftliche Bitte, begleitet von den In— 
terceffionsichreiben des Herzogs von Württemberg und des Landgrafen 
von Hefjen, nah Münden. Er wurde gar feiner Antwort gewürdigt. 
Hierauf wandten fih DBürgermeifter und Rath aufs Neue an den Her: 
zog von Mürttemberg (Ueberbringer der fchriftlichen Bitte an denfelben 
war der ſchon erwähnte Hans Kafpar Aberlin), damit diefer Fürft zu 
einer Fürbitte von Eeiten des Kurfürften von Sachſen verhelfe und 
erlaube, daß die zum Exil verurtheilte Geiftlichkeit, welche in den trüb 
feligften Zeiten getreulich in Pforzheim ausgehalten und dort längſt 
ohne Befoldung ihres Amtes unausgefegt gewartet habe, in Württem— 
berg fih aufhalten dürfe. Beides wurde bereitwilligft gewährt, und 
auf den Rath de8 Herzogs richtete der Magiftrat zu Pforzheim feine 
Bitten auch an den evangelifchen Theil der Meichsftinde, deren Ge: 
fandte damals zu Rranffurt am Main verfanmelt waren, 1) desgleichen 
unmittelbar an den Kurfürften von Sachſen. Er, „die Säule der 
evangelifchen Kirche unveränderter augsburgiicher Konfeſſion“ — fo 
nannten fie ihn, — follte nicht till zufehen, wie man, allen Reichs: 
verträgen zuwider, abermals in 20 Kirchen dieje Konfeſſion nimmer zu 
dulden drohe. 

Mittlerweile war auch der Tag herangerüdt, an welchem bie 
evangelifchen Geiftlichen und Lehrer mit ihren Familien Stadt und 
Amt Pforzheim verlafien mußten. Vergebens hatte fi) der SZjährige 
Spitalpfarrer, Wolfgang Echaupp, auf feine Armuth berufen, da er 
fhon feit 9 Jahren ohne Befoldung feiz vergebens hatte er darauf 
hingewiefen, daß von einem des Gehörvermögens beraubten Greife ja 
nichts zu befürchten wäre; umfonft war feine Bitte, daß man in gnäbi- 
ger Rückſicht auf fein und feiner Gattin hohes und gebrechliches Alter 
Beiden vergönnen möchte, den geringen Neft ihrer Tage in ihrer Ge— 





2) Ueberbringer dieſes Schreibens war der mit einer Pforzheimerin ver: 
mählte Joh. Ib. Kaufhelmann, chemals Hof- und Ehexerichtsprofurater zu 
Durlach, aber durch den Fatholiihen Markgrafen entlaflen, jest im Begriff, in 
darmſtädtiſche Dienfle zu treten. 


Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreigigiährigen Krieg. 493 


burtsjtadt Pforzheim zuzubringen. , Am Mittwoch nad Pfingſten 17. 
(27.) Mai 1643 zugen die Verbannten hinaus, von ihren tranernden 
Gemeinden unter vielen Thränen nad der württembergifchen Grenze 
gegen Neuenbürg begleitet, und erhielten von ihnen, fo weit deren eigene 
Armuth es gejtattete, einen „Zehrpfennig“, den man für ihr Eril ge: 
fammelt hatte. Bon Seiten der Stadt wurden den Geiftlichen zu 
ihrem Wegzuge die Fuhren unentgeldlicy geitellt und außerdem auf ein 
Vierteljahr monatliche Unterftübungsgelder verſprochen. 

Unterdefjen hatte der Untervogt durch die Heidelberger Regierung 
bereits die Ermächtigung erhalten, diejenigen Bürger, welche den katho— 
liſchen Gottesdienft nicht befuchen oder ihre Kinder nicht bei den katho— 
liſchen Geiftlihen taufen laffen würden, um Geld zu ftrafen. Obgleich) 
jedoch diefe Reſolution ſchon vom 11. (21.) Mat datirt war, fo jcheint 
er doch. Urfache gefunden zu haben, in Pforzheim noch eine Zeitlang 
zuzuwarten und wie er fih auszudrüden pflegte, „einen Neif um den 
andern fpringen zu laſſen.“ Gr rückte deshalb erſt ſpäter mit der 
Strafandrohung heraus, wobei ev am 24. Mai (3. Juni) der ftädtifchen 
Dbrigkeit fchriftlic bemerkte, boffentlic, werden Bürgermeifter und Rath 
den Bürgern mit dem guten Exempel des unterthänigften Gehorfams 
gegen Ihro Kurfürſtliche Durchlaucht vorangeben, und um der hiemit 
angedrohten Geldftrafe auszumeichen, fid) gleich morgen am Frohn— 
leichnamsfefte bei dem heiligen Gottesdienfte einfinden; zur Prozeſſion 
wollte er fie dermalen noch nicht gezwungen haben. Mit den Bewoh— 
nern der 14 Amtsfleden glaubte er lettere Nüdficht nicht nehmen zu 
dürfen; er berief ihre Vorgejeßten, nachdem er aud ihnen mit Geld: 
jtrafen gedroht, zu dem Feſte in die Stadt, Doch fie erfchienen nicht, 
fondern fandten eine Erklärung ein, daß fie fi) demgemäß halten wür: 
den, was die Stadt beichliegen werde, 


F 7. Sortfehung, GÖlaubenstreue der Pforzheimer. 


In der Stadt aber verfammelten ſich am Frohnleihnamstage 
25. Mai (4. Juni) 1643 Biürgermeifter, Gericht und Rath fammt 
den 24 Zünften, um über das drohende Anmuthen dev Negierung abzuftim: 
men, Der Bürgermeifter Georg Weeber eröffnete die Sitzung mit 
den Worten: Gr habe dag Dekret erſt geftern Nadymittag erhalten, 


424 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


daher erft heute ihnen befannt gemacht, damit in dieſer Gewiſſens- und 
Seelenſache jede Gerichts: und Nathsperfon ihre Stimme befonders an 
den Tag geben könne. Geine Meinung ſei: Nachdem die Stadt, 
feit fie vom Kurfürften in Eid genommen, in allem Grdenflichen dem 
Kurfürften gehorfam geweſen und es auch in Zukunft fein werde, fei 
doch diefe Sad, welche die Gewiſſen und Seelen betreffe, von der Art, 
daß er wenigftens ſich von dev Religion nimmermehr trennen laſſen könne, 
die er fein Leben lang bekannt habe, jollte er auch alles Zeitliche da- 
rüber eimbüßen. Gott der Herr wolle ihm dazu feinen guten und 
heiligen Geift verleihen! — Nach einander gaben num ſämmtliche Mit: 
glieder des Nathes und Gerichtes in folgender Weife ihre Meinung 
zu Protokoll: Joachim Bub: Auch er wolle im politifchen Wefen 
ber gnädigſten Herrichaft thun, wie einem getrenen Unterthanen gebühre, 
und habe er es bisher getban; was aber die Religionsſach berühre, fo 
werde Fein Menfch ihn zu einer andern Neligion abtreiben in feinem 
71. Lebensjahre. In Gottes Wort babe er fo viel gelefen und ges 
Vernt, daß er bis an feinen Tod dabei zu verharren und feiner Seelen 
Geligfeit darbei gewiß zu erlangen gedenke. Gr laſſe fich alfo rund 
in die Fath. Kirch nicht zwingen, und follte er auch fein Leben darüber 
einbüßen. — Altbürgermeifter Hans Kriedrih Kern: Was er 
anno 35 dem Kurfürften gefehworen, werde er balten. Aber weil Gott 
der Allmächtige ihn durch die heilige Taufe in feinen Gnadenbund ein- 
geſchloſſen und feine Tieben Eltern ihm im chriftlichen Glauben wohl 
informirt hätten, er ſich auch getraue, in feiner Religion mit Gottes 
Hilfe das ewige Leben zu erwerben, fo werde er dabei verbleiben big 
an fein Ende. Er behalte fich vor, die evangelifche Kirche zu befuchen, 
worin er feinen freien Willen haben wolle, — Hans Beh (if 
wegen Unpäßlichfeit nicht zugegen und feine Meinung durch Martin 
Faßnacht abgeholt worden. Diefem antwortete Bedh, er werde 
diefelbe in einer Supplikation an die Negierung zu Heidelberg [chriftlid) 
abgeben.) 1) — oh. Barthold, Apothefer: Auch er werde ber 
Huldigung in allen Stüden beftändig bleiben, hoffe aber auch, daß der 











) Am Taufbuh von 1643 heißt Beckh Bürgermeifter, und gehört zu denen, 
bie ihre Kinder „ohne Noth“ in ber Dominifanerfirche taufen ließen (fiehe 
unten), Er jiheint ber Einzige geweſen zu fein, der die Entichiedenheit feiner 
Kollegen nicht theilte, jondern fid) den Anmuthungen des Untervogts und ber 
baieriſchen Regierung gefügig zeigte. 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Kricg. 425 


Kurfürft das Verfprechen, bei der Huldigung gethan, manuteniren und 
das Erercitium lutheriſcher Neligion fchüten werde. Er habe diefe Re: 
ligion bis in fein hohes Alter bekannt und gedenfe auch in ihr zu fter: 
ben mit Verhoffen, daß man ibn zu feiner andern Neligion oder in bie 
katholiſche Neligion zwingen werde. — Wendel Fiſch: Er habe von 
feinem Seelforger aus Gottes Wort fo viel erlernt, daß er dabei leben 
und fterben und in die Fatholiiche Kirche ſich nit zwingen laſſen wolle, 
dba felbiges gleich dem Eingang zu einer andern Religien wäre, — Pe: 
ter Schoch: As 74jähriger Mann begehre er feinen andern Glau— 
ben anzunehmen, laſſe ſich auch nicht in die Fatholifche Kirche zwingen, 
obwohl er, wie die Uebrigen, in weltlichen Sachen der Furfürftlichen 
Durchlaucht immmer getreu und gehorfam bleiben wolle. — CE ebaftian 
Scherb, Baumeifter desgleihen. — Jacob Herm(P): 1) Er werde, 
falls man ihn zur Fatholifchen Kirche oder Religion zwingen wolle, eher 
fein Bürgerrecht aufgeben 2. — Hans Bernhard Erat (oder Er: 
hard): Er jei fat um Alles gefommen in beftändigem Gehorfam gegen 
die Befehle des Kurfürften; aber in dem ewangelifchen Glauben werde 
er leben und fterben, und in die katholiſche Kirche gehe er durchaus nicht, 
— Hans Michel Feldner: Auch er nicht und noch viel weniger 
mit der Prozeffion. Wolle man ihn dazu zwingen, fo ziehe er mit 
Meib und Kind zur Stadt hinaus, — Hans Caspar Aberlin: 
Zur augsburgifd unveränderten, wahren, allein feligmachenden Religion, 
worin er mit Weib, Kind und Gefind geboren und erzogen und von 
Jugend auf durch feine Eltern, Schulmeiiter, Lehrer und Prediger aus 
Gottes Wort genugfam gegründet worden fei, werde er und die Sei— 
nigen fich die Tag Lebens bekennen, fei aud gewiß, unter Beiftand 
Gottes und des heiligen Geiftes darin die Krone der ewigen Seligkeit zu 
erwerben. Daher könne er fih rund nur dahin erflären, daß er ein 
offenbarer Heuchler fein und Gottes Strafe erwarten müßte, wenn er 
fi) gezwungen zum Beſuch der Fatholifchen Kirche verſtünde. Chriftus 
fage: Wer mich befennt vor den Menſchen, den will ich auch befennen 
vor meinem himmliſchen Water, und deswegen habe man Gott mehr zu 
gehorchen, als den Menſchen. Aber in politifchen Sachen werde er 
Ihrer Kurfürftlihen Durchlaucht als getreuer Unterthan wie immer fo 


1) Manche biefer Namen find in dem Protokoll etwas unleferlich ge: 
ſchrieben. 


496 Bierzehntes Kapitel, Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 


auch ferner redlich Gehorſam leiſten. Hans Stiß (Stieß, Schwarze 
färber): Auch er jo; wolle man ihn aber zur katholiſchen Kirche zu 
gehen zwingen, fo wäre es nit Fatholifch, jondern zwingiſch. (Un— 
paffender Wiß in einer fo ernſten Sachel) — Michel Simmerer: 
Dafür wolle Gott ihn behüten, in feinem hohen Alter die Neligion zu 
verändern oder in die Fatholifche Kirche fich zu begeben. — Chriſtoph 
Ganß (oder Gauß): Auch feine Nefolution ſei gefaßt und er nicht 
Willens, einem Menfchen in der Stadt Aergernuß zu geben. So lange 
Gott ihm Leben und Gnad und feinen heiligen Geijt verleihe, begebre 
er bei dem zu verbleiben, worin ev von feinen Eltern und Vorgeſetzten 
unterrichtet worden. Im Nothfall werde er nach andern Mitten trach- 
ten, wohin er fich mit feinen Kindern begeben könne, — Philipp 
Frauenpreis will bei derjenigen Religion beftändig fein, auf die er 
getauft umd erzogen worden ſei. Alles habe er bei diefem Elend und 
Kriegswefen eingebüßt; um. den Seelenfhaß ſich bringen zu laſſen, das 
thue er nun einmal nit. — Chriſtian Fleiſchmann: Er jei Ihrer 
Kurfürftlihen Durchlaucht mit Pflicht und Eid zugetban, begehre auch, 
davon nit abtrünnig zu werden, fo viel die politische, Teibliche Sach be— 
treffe. Was aber die Nelinion als eine Gewiſſensſach betreffe, habe er 
jo viel von feinem lieben Vater felig, welder ein evangeliſcher Lehrer 
gewest, 1) aud von feinen Seelforgern erlernt, daß er von feiner Reli— 
ligion mit Weib und Kind nit abzumweichen gedenke. Alſo laſſe er fich 
weder zur Tatholifchen Kirche, noch zu ihren Geremonien zwingen; er 
wolle aber aud) feinem Menſchen einige Aergernuß damit geben, von 
einer oder der andern Religion los zu werden. — Klaus Aicheli 
(Archelin, Eucele): Ws feine Eltern ihn in diefes elende Jammerthal 
der Welt geboren, haben fie ihn frühzeitig durch die Herrn Präzeptores 
in dem heiligen und alleinfeligmachenden Wort Gottes und in der evan- 
gelifchen Lehre unterrichtet, darin er fich bis auf diefe Zeit geübet; und 
er getraue ſich auch, dabei felig zu werden und fein Leben dabei zu 
enden, Dazu wolle Gott durch feinen Sohn Ehriftus feinen guten hei— 
ligen Geift verleihen! Zur Fathofifchen Kirche und Religion laſſe ev fich 
nicht zwingen. — Martin Faßnacht: m diefer Seelen: und Ge: 
wiſſensſach, die wir uns bei der Huldigung erpreffe neben unfern reis 
heiten vorbehalten und uns haben verfprechen laſſen, bekenne er ſich zu 





) Johann Fleiſchmann, 1628 als Spitalpfarrer in Pforzheim geftorben, 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißiajährigen Krieg. 497 


feiner andern Neligion, als zur evangeliichen unveränderten augsburgifcher 
Konfeffion. Man folle wiederum fuppliciven um einen evangelifchen 
Prediger im Rathhaus, falls uns die Kirch nit verftattet werde, oder 
um die Erlaubniß, im MWürttembergifchen benachbarte Kirchen zu bez 
inchen, wie das vor diefem auch in andern Städten, wie Donauwerth, 
Weilerſtadt und vielen andern gefchehen. — Jacob Wanner: Auch 
er befenne fich nicht zum begehrten katholiſchen Kirchengehen, habe auch 
feine Quft darzu. Er fer hier oder dorten auch vielmalen in der katho— 
liſchen Kirche geweien, habe aber feinen Troft darin finden können und 
Taffe fich von feiner Religion nicht abwendig machen. Werde man ihn 
aber durch Gewalt dazu zwingen wollen, fo werde er auch wiffen, fich 
anders zu verantworten. — Balthafar Schill: Bei der wahren, 
alleinfeligmachenden evangelifchen Religion bleibe auch er, To gehorſam 
er auch in weltlichen Begehren Ihrer Kurfürftliden Durchlaucht als 
ehrlicher Unterthan fe. Aber in diefer Gewiſſensſach befinde er fich 
gar zu hoch beſchwert und werde niemals nit darauf eingeben. — Ru— 
dolf Sold (Lammwirth): Diefes traurigen Begehrens der Fatholifchen 
Neligion halber Fünne er fich nicht zum Kirchgehen bekennen. Man 
folfe ihm und andern ein Bierteljahr Bedenkzeit geben, zwar ohneradht 
der katholiſchen Neligion (d. h. nicht ob er die Katholische Religion an— 
nehmen wolle oder nicht, fondern Krift zur Auswanderung.)1) — | 

Nach diefen Abſtimmungen von Bürgermeifter, Rath und Gericht 
gaben die 24 Zünfte im folgender Weife ihre Erklärungen ab: 

1. Die Mebgerzunft erflärt durch die 2 Zunftmeiſter Phi: 
lipp Frauenpreiß und Chriftian Trauz, daß fie einhellig und ein: 
ftimmig der Meinung feien, bei ihrer evangelifhen Religion zu leben, 
und zu Sterben; zur Fatholifchen Kirche zu gehen, wollen fie fid im 
Geringſten nit verftehen. — 2. Die Bäder erflären durch Hs. Ja. 
Blauß, Junftmeifter, daß fie ftandhaft bei der Neligion, in der fie 
geboren und erzogen, verbleiben und nicht in die Fatholiiche Neligion 
fi) zwingen laſſen wollen. Ehe fie fich aber zwingen laſſen wollten, 
wollten fie cher die Stadt meiden. Im Uebrigen winden fie dem 
Kurfürften wie bisher gehorfam fein. — 3. Die Rothgerber. 


1) Da die Zahl der Raths- und Gerichtsberen, welche bier abgeftimmt 
haben, nur 22 ftatt 24 beträgt, fo Icheinen damals die Kollegien in Folge von 
Todesfällen oder freiwilligen Rüdtritts nicht vollftändig geweſen zu ſein. 


+ 


498 Vierzehntes Kapitel. Pforzhein im breißigjährigen Krieg. 


Zunftmeifter Hans Ulrich Kercher: Geftern Abends hätten die Meifter 
über de8 H. Untervogts Begehren einhellig erklärt, von ihrer wahren, 
alleinfeligmachenden evangeliichen Religion werden fie fich nicht abwen- 
den, noc in die Fatholifche Kirche fich zwingen laſſen; in allen welt: 
lihen Sachen aber wollen fie Ihrer Kurfürſtlichen Durchlaucht treu 
und hold fein, wie bis dato, — 4. Die Schuhmacher. Zunftmei— 
fter Albrecht Werber: Die ganze Zunft habe fich vefelvirt auf gleiche 
Weiſe. Cher wollten fie mit Weib und Kind die Stadt quittiren. — 
5. Krämer und Wirthe. Daniel Meeber, AZunftmeifter: Er 
habe die ganze Zunft in der Krone beifammen gehabt und ihre ein: 
heilige Meinung vernommen, daß fie bei ihrer Neligion Teben und fter: 
ben wollten, nicht in die katholische Kirche ſich zwingen laſſen, eher fich 
an andere Orte begeben und lieber VBeruft an Hab und Güterw 
als an der Seele leiden. — 6. Seidenweber. Hans Uri Roth, 
Zunftmeifter: Er habe der ganzen Zunft H. Untervogts Begehren vor: 
gehalten und fie erklärten fid) einhellig, unferm gnädigſten Kurfürften 
in allen leiblichen Sachen getreu und gehorfam zu fein, wie es Unter: 
thanen wohl anftehe; aber in diefer Gewiſſensſach erklären fie ſich rund, 
eher als fie fich in die katholiſche Kirche zwingen laſſen, Tieber Alles 
zu Jeiden, was Gott um feiner Ehr und Lehr willen ihnen zu leiden 
zuſchicken werde. — 7. Tucher. Joſeph Sold, der Zunftmeifter er- 
Hirt, daß er die Zunft nit beifammen haben Fönne, weil 4 Meifter 
nit bier; der Gegenmwärtigen Meinung aber fei, fi zur Befuhung des 
katholiſchen Gottesdienftes nit zwingen zu laſſen; fie leben der Hoffnung, 
Ihre Kurfürftlihe Durchlaucht werde fie bei ihrer Religion erhalten, 
wie man ihnen bei der Huldigung verſprochen. — 8. Weißgerber. 
Hang Michel Feldner gibt der Zunft einhellige Meinung damit, daß 
fie eher mit Meib und Kind die Stadt meiden, als von der evange- 
Yifchen Religion fic, abwenden würden. In weltlichen Dingen dagegen 
wollten fie dem Kurfürften getreu fein. (Diefen Zuſatz machen über: 
haupt die Zünfte faft alle) 9. Schloſſer. Andreas Fur (Fuchs) 
Zunftmeifter: Die Zunft habe fih rund vefolvirt, bei ihrer evangeli— 
ihen Religion ftandhaft zu verbleiben, eher die Stadt mit Weib und 
Kind zu verlafen, als ſich zur Fatholifchen Neligion und Kirche zwin— 
gen zu laſſen. — 10. Schmiede und Wagner. Jakob Bartholdt, 
Zunftmeifter: Sie wollen fih nicht im Geringjten zum Fatholifchen 
Kirchengehen verftehen, fondern bei ihrer Religion beftindig verbleiben. — 


Vierzehntes Kapitel, Pforzheim im breißigjähtigen Krieg. 429 


11. Seiler. Sind anfangs nit erfchienen, haben ſich aber hernach durch 
Chriſtoph Hertenftein erklärt, bei der evangelifchen wahren Neligion 
zu leben und zu flerben und werden fi niemals in die Fatholiiche Kirche 
zwingen laſſen — 12. Hafner. Hans Jakob Hauß, der Zunftmeis 
fter, hat von der Zunft Befehl befommen, zu antworten, daß fie ein: 
helliger Meinung feien, bei ihrer angeborenen evangelifchen Religion 
ftandhaft zu verbleiben und ſich nicht im Geringften zur Fatholifchen 
Kirche noch Neligion zwingen zu laſſen gedenfen. — 13, SKüfer. 
Georg Erbach, Zunftmeifter: Sie verftehen fih nicht im Geringften 
zur katholiſchen Religion noch Bejuchung dergleihen Kirche, — 14. 
Hutmader und Dreher. Hans Joachim Kiefer, Zunftmeifter: 
desgleichen. — 15, Schneider, Peter Gerner, Zunftmeifter: Lies 
ber die Stadt meiden ꝛc. — 15. Leineweber. Oswald Knopp, 
Zunftmeifter: Die ganze Zunft habe ſich rund erklärt, fich eher thür— 
men und blöden zu laſſen, als die katholiſche Kirche zu befuchen, oder 
derfelben Religion ſich theilbaftig zu machen. Sie wollten ftandhaft bei 
ihrer evangelifchen Neligion, in der fie geboren und erzogen, verbleiben. 
— 17. Sattler. Georg Reiß, Zunftmeifter: Wollen eher die 
Stadt quittiren. — 18. Goldihmiede und Ölafer. Jakob Sa— 
lomon, Zunftmeifter: Wollen mit der Fatholifchen Neligion oder Be— 
fuchung derfelben Kirche nichts zu thun haben, ſondern bei ihrer evanz 
geliihen Religion verbleiben 0. — 19, Flözer. Hans Michel Ger: 
wig, ZJunftmeifter: Die ganze Zunft jei „geftert obeds uf der Zunft 
ftub beifamme gwest,“ und habe fich erklärt, Ihro Kurfürftlicher Durch— 
laucht in leiblichen Sachen getreu und gehorjfam zu fein; aber in diefer 
Gewiſſensſach erklären fie fih rund, bei ihrer evangelifchen Neligion 
jtandhaft zu verbleiben und wollen ſich zur Fatholifhen Kirchenbefuhung 
im Geringſten nit verftehen, vielweniger ſich derſelbigen Religion theil- 
baftig machen. 20, Zimmerleute und Maurer. Hang 
Georg Rehling, Zunftmeifter: Sie wollten bei ihrer evangelifchen 
Religion leben und fterben.  — Die Altftädter erklären ſich durch 
den DViertmeifter, welcher die ganze Bürgerfchaft in der Altenftadt beis 


1) Es fehlen bier die bei andern Gelegenheiten noch mitangeführten Zünfte 
ber Schreiner und der Kürſchner. Da indeh immer von 24 Zünften bie 
Rede ift, fo find wohl zu diefen 22 noch die auch oft als zünftig genannten 
Waffenihmiede zu zählen, Vielleicht wurden aud die Aliſtädter noch da— 
zu gerechnet, um die Zahl 24 voll zu machen. 


430 Vierzehntes Kapitel, Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 


fanımen gehabt, rund dahin, daß fie lieber die Stadt und Alles ver- 
laſſen, als begehrtermaßen die katholiſche Kirche befuchen, viel weniger 
jelbige Religion annehmen. 

Da fich alfo Feine einzige Zunft, jo wenig als Gericht und Rath 
durch Drohung des neuen Neligionsmandats einſchüchtern ließ, fo ergoß 
fi) der Zorn des Beamten unverweilt in einer verichärften Publikation. 
Hundert Neichsthaler Strafe kündigte er gleih am folgenden Tag den 
tvoß ihrer Verwarnung noch fo unbeugfamen Bürgern an, wen Einer 
am nächſten Sonntag in der Fatholifchen Predigt und Meſſe ſich nicht 
einfinde; ja ev werde diefe Strafe gegen Widerfpenftige nicht nur „dup— 
liven und alfo fortan felbige vermehren“, jondern auch noch mehr Kriegs: 
völker in die Stadt zu bringen wilfen. 

Wiederholt wandte fih nunmehr der Stadtrath an die Regierung 
zu Heidelberg, um diefelbe zu mildern Maßregeln zu bewegen. Am 
27T. Mai (6. Juni) ftellte er ihr vor: Von der Pforzheimer Bürger: 
haft, welche 1635 bei der Huldigung aus 800 (?) Köpfen bejtanden habe, 
feien in diefen achthalb Jahren unter baierifcher Landeshoheit mehr als 
die Hälfte durdy Hunger und fonft elendiglid) ums Leben gefommen, die 
Amtsorte an Hab und Gut faft zu Grund gegangen. Noch neulich 
habe an Lothringifchen Völkern ein ganzes Negiment zu Pferd und ein 
gleiches zu Ruß, nachgebends Herr Obriſt Juvercourt mit 8 Kompag- 
nien 14 ganze Wochen lang der Stadt auf dem Hals gelegen und 
über 44,000 Gulden gefofte. Sogar unter den faft wermöglichften 
Bürgern habe Mancher bis zur nächſten Ernte fein Stüd Brod mehr 
zu genießen, Selbſt die hochlöbliche baieriſche Generalität trage jet 
mit Pforzheim theils wegen der erjchredlichen Einquartirungslaſt, theils 
wegen der gejchwinden Neligionsprozedur ein großes Mitleid, und finde 
fo wenig, als andere hohe und niedere Offiziere, einen Gefallen daran, 
jondern halte dafür, daß derjenige, fo dem Kurfürſten in jeßiger Zeit 
zu ſolchen Neligionsjchritten vathe, groß Unrecht thue, Nirgends fei 
wohl bei diefem allgemeinen Jammer dergleichen gegen Chriften jo jchnell 
vorgenommen worden. Möge alfo die hohe Negierung auf Bitten hören, 
dem Unterwogt bis auf zu boffende Furfürftliche Nefohution fein Strafen 
und Droben einftellen, den unlautern Berichten diefes Mannes nimmer 
jo leicht Glauben ſchenken, jedes Mal auch die Verantwortung der bes 
drängten Bürger vernehmen, einftweilen aber den letztern die entzogene 


Bierschntes Kapitel, Pforzheim im breißigjährigen rien. 431 


Uebung ihrer Neligion, gemäß dem bei der Huldigung gethanen Ver: 
iprechen, wieder geftatten. 

Die zwei Abgeordneten, welche diefes Schreiben nad) Heidelberg 
überbrachten, nämlich der Bürgermeifter Weeber und der Apothefer 
Bartbold, erbichten dafelbft wenigftens die VBertröftung, daß man über 
das voreilige und indiskrete Strafverfahren des Untervogts ſehr unge— 
halten ſei und auf nachdrückliche Weiſe dafür ſorgen werde, daß er eg. 
einftelle. Natürlich machten die beiden Abgeordneten bei ihrer Rückkehr 
feinen Hehl aus diefem Beſcheid, und man erzählte ſich fogar in Pforz— 
beim mit Rreuden, daß der Untervogt einen jcharfen Verweis bekom— 
men habe und mit Entfernung von feinem Amte bedroht worden fei. 
Diefer fuhr jedoch fort, den ihm wohlbefannten Abjichten dev Ne: 
gierung durch ſtrenge Maßregeln jeder Art mit Eifer nachzukommen. 
So wurde unter Anderem and der Pfarrer von Göbrichen, einer da— 
mals zum badischen Amt Stein gehörigen Ortichaft, deſſen Familie in der 
Stadt Piorzheim Sicherheit gefucht hatte, auf Befehl des Untervogts durd) 
den Amtsknecht aus der Stadt gewiefen, als er einft die Seinigen wie: 
der bejuchen wollte. Sein gnädigſter Kurfürſt, jo ließ ihm der Unter: 
vogt bedeuten, dulde Teinen lutheriſchen Prädifanten mehr auf feinem 
Boden. 

Am meiften Aerger aber bereitete dem Boat das Benehmen der 
Pforzheimer. Nicht nur befuchten fie den Katholischen Gottesdienft in 
der Stadt nicht, ſondern fie zogen im Gegentheil in Menge zum Got: 
tesdienft in die benachbarten evangelifchen Ortjchaften, namentlich in die 
wirttembergiichen hinaus. Auch die Neugeborenen wurden zur Taufe 
dahin getragen, und die Zradition erzählt, daß die Noth dazu allerlei 
Mittel erfunden habe. Um die aufgeftellten Wachen zu täujchen, zog 
oft der Vater fein ſchmutzigſtes Werktagskleid an, packte den Täufling 
in einen Rückkorb, füllte den oberen Theil desielben mit einer Lage 
Stroh oder felbft Dung aus und trug fo das Kind hinaus zur luthe— 
tiihen Taufe. Die Namen der Väter mancher auf dieſe Art getauften 
Kinder find noch bekannt. 1) Es waren folgende: 


) Als nämlich dev Spezial Wibel aus dem Exil zurüdfehrte, trug er die 
während feiner Abweienbeit vorgenommenen Taufen in das Kirchenbuch nach— 
träglih mit der Bemerfung ein: „Folgende Kinder jeindt innwehrendem ohn— 
verihufdten Exilio Ministerii Phorcensis in vieinis Pagis Würtemb, getauft 
worden.” Berge. Kivchenbuh von 1607—1646, ©, 369, 


432 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breigigjährigen Krieg. 


T. Juni ein Kind des Glaſers Otto Beh, getauft in Birkenfeld. 

7. nn u Tlögers Joh. Georg Kienlin, getauft bafelbft. 

8 v»  # nn Fürbers Joh. Ulrich Roth, getauft in Neuen: 
bürg (wo der vertriebene Diakonus Säuterlin 
Bathe war.) 

11. 7 on mn Junkers Heinrich Storfhedel und feiner 
Frau Ama, geb. Leutrum, getauft in aedi- 
bus Phorcensibus (d. 5. in ihrem Haus zu 
Pforzheim.) 

WB. , nn Emft Friedrich Niepurg, (aud Haustaufe), 
wobei der baierifche Generalquartirmeifter Holz 
und eine adelige Dame aus Baden Pathen 
waren. 

MH 4» nn Tlözers Bechthold Geiger, getauft in Würm. 
2. u» Leinewebers Joh. Georg Gintersdorfer, 
getauft in Birkenfeld. 

1. Juli 4» 9 Leinewebers Joh. Soldidh, get. in Würm. 
(Unter den Pathen ift der Amtskeller Kafpar 

Maler.) 

1. 4» un» Schneiders Joſeph Eichlin (Euchele), getauft 
in Würm. (Unter den Pathen ift auch der 
unter Georg von Steinfeld mit Gemahlin.) 

%. "Ho Hu Mebgers Jerg Brenner, getauft zu Würm. 

10. 4» Kuuappen Hans Georg Knobloch, getauft zu 
Würm. (Unter den Pathen ift wieder Georg 
von Gteinfels.) 1) 

12. HH m Sattlers Mart. Simmerer, getauft zu Bir: 
fenfeld. (Unter den Pathen ift Bürgermeifter 
Georg Weeber.) 

14. u» » nn Glafers Mathis Meerwein, get. zu Defchel: 

Ä bronn. 


1) Die Familie Männlin von Steinfels ſchloß fi mit ächtadelichem 
Sinne an die Bürger, unter welchen ſie Schutz und Wohnung gefunden, in 
Freud und Leid an und machte mehrere dieſer gefahrvollen Taufgänge mit. 
Gleiches thaten, außer den oben ſchon Angeführten, die Bürger Bud, Herter, 
Trauz, Kiefer, Deſchler, Faßnacht, Fiſch, Kern, Aberlin, Scherle, Abrecht, Beckh 
u. A. Ehre ihren Namen! 


Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 433 


16. Juli ein Kind des Kühhirten Thomas Werner, get. zu Würm. 
(Pathe iſt Joh. Kaſp. Aberlin.) 

Dieſen Kirchenbuchseinträgen folgt die kurze Bemerkung: Folgende 
Perſonen haben ihre Kinder in der Dominikanerkirche (alſo nach 
katholiſchem Ritus) taufen laſſen nulla urgente necessitate, d. h. aus 
keiner zwingenden Nothwendigkeit: Hans Beckh, der Bürgermeiſter, — 
Peter Gintersdorffer, ein Hausmetzger, — Suſanna Kercherin, 
welche zu früh niedergekommen, — Ruprecht Lotthammer aus der 
Altenftadt, 1) 

Um den Beſuch des evangelifchen Gottesdienstes in den umliegen: 
den Tutherifchen Orten und zugleich aud die Taufgänge, die er bis jet 
troß feiner Gewaltmaßregeln nicht hatte verhindern können, auf andere 
Weiſe zu hintertreiben, jchrieb der Unterwogt am 10. (20.) Juni an 
die württembergifche Yandvogtei Neuenbürg: Da feine Amtsuntergebenen, 
zu nicht geringem Dejpeft gegen des Kurfürften Durdlaudt, in den 
württembergiichen Orten Birkenfeld und Gräfenhaufen, ſowie zu Neuen— 
bürg felbft, ihren Gottesdienft fuchten und ihre Kinder taufen ließen, To 
jolle der Landvogt dergleihen Neuerungen nicht dulden, vielmehr den 
Geiftlichen befehlen, daß die „zu ihnen auslaufenden Gefellen“ an deren 
ordentlihe Pfarrer zurüdgewiefen würden. Die Antwort des Land— 
vogts lautete: Für folhe Fälle müßte das Pforzheimer Amt fih nicht 
an ihn, der den Pfarrern nichts zu verbieten babe, fondern an das 
Spezialat Wildbad oder an das Gonfiftorium zu Stuttgart wenden. 
Das verjuchte aber der Untervogt entweder gar nicht, oder doch ohne 
Erfolg. Dagegen erwirkte er fich in Heidelberg aufs Neue die Ermäch— 
tigung, in Religionsſachen allerdings um Geld zu trafen, und fchrieb 
unterm 7. (17.) Juli an Bürgermeifter und Rath zu Pforzheim: Die 
Heidelberger Negierung trage großes Mißfallen ob dem öffentlichen und 
freventlihen Hinausreiten und Nachlaufen des Stadtraths und der gane 
zen Bürgerfchaft auf die württembergifchen und edelmännifchen Flecken 
zum lutheriſchen Neligiongerereitium, und habe daher den in Abfchrift 
beiliegenden Befehl anher gefendet. Er hoffe, die Herren werden fi 
fünftig befier beobachten und nicht verurſachen, daß er die wirflichen 
Beitrafungen an die Hand nehme, vielmehr nebft der Bürgerſchaft beim 
katholiſchen Gottesdienft ſich einftellen. Gefchehe das nicht, fo fei er 


1) Die Namen ber Kinder und ihrer Pathen fiehen nicht im Kirchenbuche. 
Dflüger, Pforzheim. 283 


434 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


von der hochlöblichen Regierung angeiiefen, über halsftarrige Uebertreter 
je nad) ihrem Vermögen unnachfichtliche Geldftrafen zu verhängen. Dem 
fügte der Unterwogt weiter bei, es fei ihm zu Obren gefommen, daß 
der Bürgermeifter Weeber und der Apotheker nach ihrer Heidelberger 
Reiſe ausgefagt hätten, es wäre dem Untervogt ein fo großer Filz 
(Verweis) zugelommen und gefagt worden, wenn er mehr alſo proce: 
dire, fo werde man ihn vom Dienfte „geheyen“ (werfen). Er Tege 
deshalb eine Abichrift des Befehls der Heidelberger Negierung bei, da: 
mit fie diefen nad ihrer Meinung erfolgten gräulichen Verweis felber 
nachlefen Tönnten ꝛc. 

Mittlerweile war der Stadt von dem oben fhon erwähnten Rechte: 
gelehrten Kaufchelmann, der ihre Angelegenheiten in Frankfurt betrieb, 
berichtet worden, daß dort ihr treues Fefthalten an dem evangelifchen 
Glauben große Theilnahme finde; fie folle kein erlaubtes Mittel zu 
ihrem Zwede verfäumen. Auch der kurſächſiſche Gefandte nehme fich 
der bedrängten Pforzheimer lebhaft an, und fchon habe deflen Kurfürft 
ein dringendes Interceffionsfchreiben nach München abgehen laſſen. Ein 
ähnliches Schreiben der gefammten in Frankfurt verfammelten evangeli= 
hen Abgeordneten wurde, fobald die Straßen zwiſchen Frankfurt und 
Pforzheim wieder etwas ficherer vor den umberftreifenden Lothringern 
waren, dem Stadtrath felber überliefert, welcher nun am 8. (18.) Juli 
beichloß, fich zum dritten Mal perfönlih an den Kurfürften Marimilian 
von Baiern zu menden. 

Zu den Unfoften der neuen Deputatign fchoffen die Dorfgemeinden 
der beiden Aemter Pforzheim und Graben abermals ihren Antheil bei. 
Der vorhin erwähnte Mechtsgelehrte wurde beauftragt, die neue Bitt- 
fehrift der Pforzheimer zu überreihen. In derfelben flehten fie den 
Kurfürften, zu deffen Armada fie ihr ganzes Vermögen beigefteuert 
hätten, aufs beweglichſte an, er wolle ihren fchwer geängftigten Ge: 
wiffen den evangelifchen Gottesdient, der nun ſchon feit 16 Wochen ge: 
fperrt fei, „um Gottes Barmberzigkeit willen” gnädigft wieder geftatten. 
Tür den gebdeihlichen Erfolg diefer dritten Münchener Reife wurden 
auch in allen denjenigen Kirchen des badischen Unterlandes, wo pro: 
teſtantiſcher Kultus ftattfinden durfte, öffentliche Kirchengebete angeorbd- 
net. — Doc die Hilfe fam nicht direft aus München, fondern aus 
dem Elfaß, und zwar durch einen Württemberger, welcher die unfreis 


Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im breifigjägrigen Krieg. 435 


willige DBermittlung der Sefuiten und Kapuziner zu erwirken 
verſtand. 

Oberhalb Straßburg liegt das Städtchen Bennfelden, vom Biſchof 
von Straßburg ſtark befeſtigt, damals aber im Beſitz der Schweden 
und ein Hauptwaffenplatz ihres Heeres. Hier war Kommandant der 
Freiherr Friedrich Moſer von Filſeck, bei Göppingen in Württem— 
berg gebürtig. Dieſer durch ſeine Tapferkeit berühmte ſchwediſche Oberſt 
drohte, daß er, wenn Baiern die Bitte der Pforzheimer nicht erfülle, 
Repreſſalien gebrauchen und alle Kapuziner und Jeſuiten verjagen 
werde, ſo weit ſeine Gewalt reiche. Dieſe, reichte aber unter Anderem 
auch nach Molsheim, wo die Väter der Geſellſchaft Jeſu ein großes und 
prachtvolles Kollegium beſaßen. Was alle Bitten und Verwendungen 
nicht erwirkt hatten, das brachte dieſe Drohung, und zwar ſehr raſch, 
zu Stande. Schon unterm 2. (12.) Auguſt 1643 eröffnete die Re— 
gierung zu Heidelberg den Beamten- zu Pforzheim und Graben einen 
9 Tage zuvor vom Kurfürften unterzeichneten Befehl, worin derfelbe 
refolwirt hatte: Obwohl den Bewohnern der Stadt und des Amts Pforz: 
beim und Graben, wie aus neuerdings eingeholten Berichten der Herren 
von Ungelter und Pelckhofer hervorgebe, bei der Huldigung durdaus 
fein freies Neligionserercitinm zugefügt worden fei, und er darum alle 
Urfache hätte, e8 bei vorgenommener Abſchaffung der Prädifanten und 
Einftellung des unfatholifchen Erercitii bewenden zu laffen, namentlich) 
da ihnen als feinen verpflichteten Unterthanen keineswegs gebührt hätte, 
über der Neichsfeinde wider die Faiferlichen Waffen erhaltene „Victori“ 
ein folches Frohloden anzuftimmen: fo wollen er ihnen dody auf ihr in- 
ftändiges Bitten auf Fünftiges Wohlverhalten hin „die wohlverdiente 
Straf Hiemit wieder indulgiren“, weife jedoch die Beamten an, „auf 
die Actiones (Handlungen) ihrer Untergebenen ein fonderbares (befon- 
deres) Aufmerken zu beftellen und, fo fie fich fürder ungebührlich ver: 
halten, fogleich Bericht zu erftatten.“ 

Am 4. (14.) Auguft Schon kehrten die vertriebenen Geiftlichen nad) 
Pforzheim zurüd. Die Freude, mit welcher fie von Seiten der Bürger, 
der Verdruß, womit fie vom Untervogt empfangen wurden, läßt ſich 
aus dem bisher Gefagten Teicht ermeffen. Ueber diefer Freude 
vergaß aber auch der Stadtrath der Pflicht der Dankbarkeit gegen 
diejenigen Fürſten nicht, welche fich ihrer Sache fo eifrig angenommen 
hatten, und richtete deshalb unterm 10. (20.) Auguft we Danf: 


436 Pierzehntes Kapitel, Pforzbeim im breigigjährigen Krieg. 


fagungsichreiben an die evangelijchen Neichsftände in Frankfurt, an den 
Kurfürften in Sachſen, den Landgrafen von Heffen und den Herzog von 
Württemberg. „Wir können,” fo beißt es im erfigenannten Schreiben, 
„mit dem königlichen Propheten ausrufen: Der Herr bat Großes an 
ung gethan!“ — Mit befonderer Wärme dankten Bürgermeifter, Gericht 
und Rath dem Herzog von Württemberg nicht nur für feine Verwen— 
dung, fondern auch dafür, daß „Ihre Durchlaucht unfern Seelforgern, 
nebit deren Weibern und Kindern im Herzogthum Schuß gewährt, und 
ung, fowie der gefanmten Dürgerfchaft, das liebe Wort Gottes in dero 
nächitgelegenen Ortichaften anzuhören, desgleichen die heiligen Saframente 
zu gebrauchen, geitattet haben.” — Davon aber, daß der mit Mofer 
von Filſeck fehr vertraute Herzog wahrfcheinlich die eigentlichite Veran— 
lafjung zu der ihnen gewordenen Hilfe war, tft in dem Schreiben nicht 
die Rede: mag es nun gefliffentlich unberührt geblieben und der münd— 
lichen Dankfagung des Schriftüberbringers aufgetragen worden, oder 
auch dem Stadtrath ſelbſt noch unbekannt geweſen fein. 

Als jedoch der evangelifche Gottesdienft in der Stadtkirche wieder 
beginnen follte, jo erhoben die Dominikaner Schwierigkeit und wollten 
die Benütung der Kirche zu diefem Zweck nur unter der Bedingung 
zugeben, daß ihnen dafür ein jährlicher Zins bezahlt und darüber ein 
Revers ausgeftellt würde, daß die Stadt auf die Kirche Feinen Anſpruch 
babe. Da vom Untervogt Feine Abhilfe zu erwarten war, jo wandte 
fi die Stadt am 7. (17.) Auguft mit einer Beſchwerde an die Regie— 
rung zu Heidelberg, worin fie fih auf das ſchon 1629 wegen Berthei: 
lung der Kirche getroffene Abkommen berief und die Negierung erfuchte, 
die Mönche zur Nachgiebigkeit zu bewegen. Sollte das nicht gefchehen 
oder nicht gelingen, fo bäte fie, weil die andern Kirchen für die große 
Gemeinde zu Hein feien, für den evangeliichen Gottesdienft den Gebrauch 
der Stiftskirche zu geftatten, die jet nicht benützt werde. Es fcheint 
Letzteres gefchehen zu fein, da fich die Dominikaner bei ihrem Weg— 
zug von Pforzheim 1649 noch im Befit der Schlüffel zur Stadtkirche 
befanden. | 

Alſo war den Pforzheimern, obgleich die Stadt no bis zum 
Schluß des Krieges mit Mönchen bevölkert blieb, jebt wieder geftattet, 
„ihres Glaubens zu leben.” Allein die folgenden Jahre follten neues 
und ſchweres Unheil über Pforzheim bringen! 


Bierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 437 


$ 7. Sehte Jahre des Krieges. 
(1643— 1648.) 


Auf allen Seiten war man des langen verwüftenden Krieges über: 
drüffig geworden und fehnte fih nad Frieden. Es wurden deshalb 
bereits im Jahr 1643 Unterhandlungen begonnen. Leider follten die- 
felben erft nad fünf traurigen Jahren, die über manche Theile Deutſch— 
lands, fo auch über die Stadt Pforzheim, neuen Jammer brachten, zum 
Abſchluß gelangen, 

Längft hatte der Krieg feinen Charakter als Neligionskrieg verloren, 
namentlich feitdem auch Frankreich (1635) an demfelben theilnahm. Er 
war mehr ein politifcher Kampf um das Mein und Dein, das Mehr oder 
Weniger auf Deutjchlands Koften geworden. Der tapfere Bernhard 
von Weimar führte feine treffliche Armee unter der Hoheit Frankreichs, 
und als der Held 1639 geſtorben war, wußte ſich dieſe Macht ſchnell 
in den Beſitz jenes Heeres zu ſetzen und mit Hilfe desſelben die Ueber— 
legenheit im Felde zu erlangen. Wir ſehen deshalb auch dieſes fran— 
zöſiſch-ſchwediſche Heer in den letzten Jahren des Krieges meiſt mit 
Glück gegen die öſterreichiſch-baieriſchen Truppen kämpfen. 

Noch bis zum Auguſt 1644 finden wir eine baieriſche Beſatzung 
in Pforzheim, und zwar Truppen vom Gailing'ſchen, Lapier'ſchen, 
Kolb'ſchen und Spork'ſchen Regimente. Im Auguſt 1644 erſchien jedoch 
ein ſchwediſch-franzöſiſches Heer unter der Anführung des Herzogs von 
Enghien vor Pforzheim, nahm die Stadt durch Sturm ein und 
vertrieb die baieriſchen Truppen ſammt den Kapuzinern aus derfelben. 1) 
Der Kommandant des jeht in Pforzheim verbleibenden ſchwediſchen 
Neiterregimentes war der Oberſt Reinhold von Nofa. Um die Geift- 
lichen und Lehrer der Stadt für die früher erlittenen Bedrängniffe zu 
entfhädigen und ihnen einen Beweis feiner freundfchaftlichen Gefinnung 
zu geben, wies er ihnen ein Quantum Früchte und Wein als Geſchenk 
zu.2) Im November treffen wir diefen Mofa nicht mehr hier; am fei: 


) Theatr, Europ. I, p. 720 u. 21. 

2) Diefe Naturalien verlangte jedoh am 9. Nov. desfelben Jahres der 
Amtskeller von den Betreffenden wieder zurüd. Der Spezial Wibel ſchrieb 
deshalb am VBürgermeifter und Nath, daß die wenigften Bürger bie Früchte und 
den Wein geliefert, das was die Geiftlichen und Lehrer jedoch erhalten hätten, 


438 Vierzebntes Kapitel, Pforzheim im dreißigjährigen Krieg. 


ner Stelle wird ein Hauptmann von Erlisheim angeführt, nebjt einem 
Nittmeifter Leylin und einem Major Hellfeld. Dasfelbe Negiment war 
jedoch nod) bis April 1645 hier, und kommen in diefer Zeit noch ein Oberft 
Kafpar Shod (S. 404) und ein Nittmeifter Job. Bull vor. Indeſſen 
hatten aber die Baierifhen Succurs erhalten durch den Erzherzog Leo: 
pold von Defterreich, und dadurch gelang es ihnen, den General Turenne, 
der fich vorher mit dem Herzog von Enghien vereinigt hatte, wieder 
zurüdzutreiben. Unter Johann von Werth nahmen hierauf die baie- 
riſchen Truppen alle von den Schweden und Franzofen bisher befeßten 
Städte wieder weg, fo au im DOftober 1645 Pforzheim. Sobann 
von Mertb nahm felber in der Stadt Quartier (er logirte bei Kronen— 
wirth Schnellin), und die Gemeinde Dietlingen follte die Koften für 
denjelben beftreiten helfen, 1) obgleich fie felber nicht weniger als 300 
Merthifche Neiter insg Quartier bekam. Nicht nur ſchrieb Werth ftarke 
Kriegskontributionen aus, fondern Pforzheim mußte auch noch in anderer 
Meife den Zorn des Giegers empfinden. Die Stadt wurde vor dem 
Abzuge der Baiern angezündet und ein großer Theil derfelben brannte 
ab, nämlich die Au, die Brötzinger Vorftadt (hier unter Anderm auch 
die Herberge zum Trappen), die Altftadt, die Altftädter Straße, die 
große Gerbergaffe, das Kaltenthal’ihe Haus (am Schloßberg) die Bru— 
dergafie 2.2) Iſt alfo noch Etwas von der Stadt ftehen geblieben, fo 
können dies nur die Brößinger Gaffe, der Markt, einige Häufer unter: 
halb des Schulplates und die Schloßgebäude gewefen fein. Im folgen: 
den Jahre (1646) wurde die Stadt wieder von den Schweden, und 
zwar dem Schoch'ſchen Regiment, befekt. 

Endlich im Jahr 16483) wurden die in den Städten Münfter 


ihnen an ihrem Guthaben bei der Stadt abgezogen werden fünne. Der Rath 
verlangte genaue Spezifikation, was die Geiftlihen befommen hätten und wie 
viel fie zu reftituiren im. Stande wären, 

1) Piorzheimer Ratbsprotofoll vom 2. Dez. 1662. Nach bemfelben 
Hagt Profurator Dages namens ber Schnellin’fhen Kinder auf Schadenerfag 
im Betrag von 106 fl. 36 fr. gegen die Gemeinde Dietlingen, welche aber durch 
Profurator Zidwolf erklärt, daß fie felbft durch die Werthifchen einen Schaden 
von 3000 fl. gehabt. 

2) Nah) ben Rathsprotofollen von 1662— 1667. 

) In weldem aud württembergifhe Unterthanen zu Pforzheim gefangen 
lagen. Klunzinger, Geh, von Maulbronn, ©. 81 der Regeflen. 


Vierzehnies Kapitel, Pforzheim im dreißigjägrigen Krieg. 439 


und Osnabrück verfammelten Friedensgefandten mit ihren langwierigen 
und mühſamen Unterhandlungen fertig, fo daß der Friedensſchluß am 
24. Oktober erfolgen konnte. Es ift hier der Ort nicht, auf die Be 
ftimmungen degfelben, fo weit fie Deutfchland überhaupt betrafen, aus: 
führlich einzugehen. Es genüge deshalb die Bemerfung, daß einige wich— 
tige Theile vom deutſchen Reichskörper losgeriſſen wurden und Deutſch— 
land überhaupt auf Koften der Franzoſen und Schweden dabei am 
ſchlechteſten wegtam. Der Markgraf Friedrich V. von Baden-Durlach, 
der bisher theils in Straßburg, theils in Baſel in der Verbannung ges 
Iebt hatte, erhielt fein Land zurücd und wurde von allen Verpflichtungen 
von Erfageldern an Baden-Baden (S. 398) entbunden. Hinfichtlich 
ber Kirhhlichen Angelegenheiten wurde im weftphälifchen Frieden feftgefebt, 
daß fie in den Stand gebracht werden follten, den fie am 1. Januar 
1624 gehabt; nur für die vorher jchen übermältigten Länder, alfo aud) 
für Baden: Durlad), wurde das Jahr 1618 als Normaljahr angenom: 
men. Nah Maafgabe dieſes Befikitandes follten Katholiken und 
Broteftanten freie Religionsübung genießen; Beiden, fowie den Refor— 
mirten, folle Gleichheit auch der bürgerlichen und politifchen echte 
zufommen. 

Bei der umendlichen, mitunter ins Kleinlichſte gehenden Genauigkeit 
der Friebensartikel ift 8 nicht zu verwundern, wenn diefelben — natür: 
lich unter Jugrundlegung der allgemeinen Normen — auch einige Be— 
ftimmungen über Pforzheim enthielten. So wurde u. W. darin 
feftgefeßt, daß die Aemter Pforzheim und Graben von der Pfalz wieder 
an Baden zurüdgegeben und die Dominikaner und Franzisfaner in 
Pforzheim abgefchafft werden follten, weil fie 1618 dafelbft nicht be- 
ftanden hätten, Waren die nach ihrer 1644 gefchehenen Vertreibung 
durch die Schweden wieder zurüdgefehrten Kapuziner ſchon 1647 von 
Pforzheim abgezogen, fo wurde nun auch den übrigen Mönchen durch 
einen fürftlichen Befehl (d. d. Bafel, 9. Februar 1649) ) aufgegeben, 
ihre Klöfter zu räumen und die Stadt zu verlaffen. Die Franziskaner 
baten noch um einige Tage Frift, um ihre Angelegenheiten zu ordnen, 
und zogen fodann am 20, März von Pforzheim ab, nachdem fie die 
Schlüffel zur Kirche und zum Kloſter an das Oberamt überliefert. 


1) Schreiben des Oberamts an ben Fürften (ohne Datum und Unter: 
ſchrift). 


440 Bierzehnted Kapitel. Piorzheim im dreißigjährigen Krieg. 


(Obervogt war damals Engelhard Göler von Ravensburg.) Die Do: 
minifaner machten indeß Schwierigkeiten, wollten noch bis nad den 
Dfterfeiertagen im Kloſter bleiden, und als dies nicht geftattet wurde, 
fo zogen fie zwar aus dem Klofter weg, hielten fich jedoch noch über 
die Ofterzeit im Haufe der Wittwe des Freiheren von Ow, einer geb, 
Gerlach auf, und zogen alsdann nach Philippsburg, begleitet von der 
Frau des gewefenen Kommandanten de la Noue, nachdem fie ihre 
Klofterichlüffel nicht an das Dberamt, fondern an den erften ewangelifchen 
Stadtgeiftlichen, den Spezial Johann Burkard Erad, abgeliefert hatten. 
„Ufo iſt,“ ſo heißt es in dem erwähnten Schreiben des Oberamts an 
den Markgrafen, „die Poſſeſſion der zwei Klöfter wie auch des Stifte 
zu St. Michael Gottlob völlig eingenemmen. und bereits in allen drei 
reftituirten Kirchen das Erereitium (d. 5. dev erſte enangelifche Gottes: 
dienst) öffentlich, und in großer Frequenz gehalten worden.“ 

Aber melden Anblid gewährte Deutjchland und befonders unfer 
Vaterland nach Beendigung des unheilvollen Krieges! Es ift oben 
ſchon angegeben worden, weld) entfetzliches Bild grauenvoller Verwüſtung 
ſich dem Auge ſchon nach Umfluß der erſten Hälfte des Krieges bot. 
Es trug nach gänzlicher Beendigung desſelben noch ſchwärzere 
Farben. Die Hälfte, ja in manchen Städten und Ländern zwei Drittel 
ber Bewohner hatte der Krieg hinweggerafft. Die fruchtbarften Meder 
waren mit Dorngeftrüppe überwachen, und Hunderte von Dörfern Tagen 
in Trümmern. Die von Krieg, Hunger und Peſt Verſchonten Hatten 
theifweife alle Arbeit verlernt; wer im Krieg gemeien, verachtete das 
ehrlihe Handwerkszeug und den Pflug; ganz Deutfchland mimmelte 
von Gaunern und Strolchen, welche bettelten, plünderten oder das Haus 
über dem Kopfe des Befiters anftedten. Die Eittlichfeit war tief ge- 
funten, Handel und Verkehr lagen darnieder, Kirchen und Schulen waren 
verödet. Deutfchland, bis im feine verborgenften Winkel mit Blut ge: 
tränft und mit Trümmern erfüllt, war nahe daran, in völlige Barbarei 
zurücdzufinfen oder eine große Wüfte zu werden! Noch jetzt find die 
Spuren des dreifigjährigen Krieges nicht überall verwifcht. 

Auch in Pforzheim hat diefer Krieg bittere Nachwehen zurüd- 
gelafjen. Ein großer Theil der Stadt war durch Brand zerftört, und 
die Bewohner waren viel zu arm, um ihre Wohnungen aus dem Schutt 
neu erjtehen zu laſſen. Noch in den Jahren 1660 — 66 fanden fidh 
allentdalben in der Stadt öde Pläte, fo daß fogar am 17. April 1667 


Bierzehntes Kapitel, Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 441 


deshalb ein fürftlicher Befehl erfchien, welcher dahin Tautete, daß die 
baufälligen Häufer von den Eigenthümern reparirt und auf die öden 
Plätze wieder gebaut, oder aber deren Verkauf angeordnet und der Er: 
188 alsdann dem Eigenthümer zugeftellt werden follte. 1) Aller Wohl: 
ftand in der Stadt war vernichtet, die Bevölkerung außerordentlich ver: 
mindert, der Handel, der früher im nicht geringer Ausdehnung nad) 
Frankfurt, Sachſen, Württemberg, Schweiz und Italien betrieben 
worden war, hatte gänzlich aufgehört. Und als endlich die Wunden, 
die der Krieg gefchlagen, wieder zu heilen begannen, als die Bürger ſich 
wiederum zu erholen anfingen: da zerftörte nach Faum 40 Jahren ber 
eben fo fehrekliche, ja zum Theil noch verheerendere orleans'ſche Krieg 
Alles wieder ! 


Anbang. 





Kindestreue) 
Pon Eduard Brauer. 


Schwer lag des Krieges Eiſenhand 

Auf Deutihlands wundem Haupte ; 
Durh Trübfal, Pet und Hunger ſchwand, 
Mas Feindesichwert nicht raubte. 


Die Filrften lebten herzentzweit 

An blut'ger Glaubensfehde, 

Und weidlich nützten ihren Streit 
Der Franzmann und der Schwede. 


Gen Pforzheim auch wälzt unheilſchwer 
Die Heerflut ihre Wogen, 

Wie Windsbraut kommt des Kaiſers Heer 
Siegbrauſend hergezogen. 


Hilf Gott! Verlaſſen und allein 
Steh'n Pforzheims wack're Bürger, 


1) Rathsprotokoll vom 9. Sept. 1667, 
2) Bergl, ©. 405. 


442 Vierzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


Rings flieht das Volk bergauf, walbein, 
Gnteilend feinem Würger. 


Berzweifle, wer nicht laufen kann, 
Der Lahme jammt dem Blinden! 

. Kein Roß, fein Fuhrmann, fein Geſpann 
Iſt meilenweit zu finden. 


Ein Lichtes Vorbild wird erſchaut 

An diefen dunklen Tagen ; 

Ein Mann, in edlem Stand ergraut, 
Zieht einen Bauerwagen. 


Bon Weib und Kindern, groß und Hein, 
Wird hilfreich er begleitet, 

Hoch oben figt Großmütterlein, 

Auf Deden weich geipreitet. 


Sp ziehen fie voll Freubdigfeit 

Wohl mande ſchwere Meile, 

Der Weg ift ſchlimm, die Reif’ ift weit, 
Nah Landbau geht's in Eile. 


Die ehr auch Drangſal, Hohn und Spott 
Sie plagt auf allen Pfaden, 

Fort geht's in immer luſt'gem Trott, 

Bis zu der Queich Geſtaden. 


Sie fpüren nicht der Sonne Glut 

Auf ſchattenloſer Haide, 

Des Regens Grimm, des Donners Wuth 
Thut ihnen nichts zu Leibe, 


Der Schwarm der Söldner ſchreckt fie nicht, 
Bor dem der Landmann ſchauert, 

Des Räubers Blick entdedt fie nicht, 

Der tief im Walde lauert, 


Ein Bote Gottes, hold und zart, 
Schwebt ſchützend über ihnen. 
Beglüdt, wen auf ber Lebensfahrt 
Der Engel ift erichienen ! 


Ein Lamm an Güt’, an Muth ein Leu’, 
Befiegt er die Gefahren, 

Das ift der Enkel Kindestreu, 

Er wird die Scinen wahren, 


Vierzehntes Kapitel, Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


Ein Stündlein noh — jetzt ruh'n fie aus 
An Landau’s feſtem Walle, 

Dort in bes biedern Freundes Haus 

Eind fie geborgen Alle, 


Und freuen ſich der Pilgerfchaft, 
Und danken dem im Frieden, 
Der ihrer Liebe Muth und Kraft 
Und Rettung bat befchieben, 


Biel Jahre ſchwanden, nicht verblid 
Des wadern Mannes Name; 
Amtskeler Maler nannt' er ſich, 
Noch blüht fein Stamm’ und Same, 


In prächt'ger Kutiche wohl ftolzirt 
Mandy’ herzensarmer Prahler; 

Den nenn’ ich reich, der fo kutſchirt, 
Wie einft die alte Maler. 


443 


Sünfscehntes Bapitel. 





Pforzheim in der Zeit vom weftphälifchen Frieden bis zum 
orleans’fchen Krieg. ') 
(1648 — 1688.) 


$1. Allgemeines. 


Markgraf Friedrich V. war nad der Rückkehr in fein Land 
ernftlich bemüht, die Wunden, welche der Krieg gefchlagen hatte, wie— 
der zu heilen. Auch dem Kirchen: und Schulweſen widmete er befon- 
dere Anfmerkfamfeit. Seine Frömmigkeit, deren Ausflug eine große 
Abneigung gegen Pracht und Verſchwendung und Liebe zur Einfachheit 
war, balf ihm aud die Stürme einer fo unbeilvollen ‘Periode, wie der 
dreißigjährige Krieg war, mit Standhaftigfeit ertragen. Er überlebte 
denfelben um 14 Jahre, indem er 1659 in der Karlsburg zu Durlach 
ftarb. Sein Leichnam wurde in der fürftlichen Gruft zu Pforzheim 
beigefeßt; dort ruhen auch zwei von feinen fünf Gemahlinnen, nämlich 
die 1627 geftorbene Barbara von Württemberg, auf welche eine Grab: 
fchrift auf dem Boden des Chores der Schloßkirche Tautet, und die 1633 
mit Tod abgegangene Eleonora von Solms, deren ebenfalls ein Grabitein 
gedentt. Die drei andern Gemahlinnen des Markgrafen liegen in Bafel 
und Sulzburg begraben. In Pforzheim dagegen wurde auch der zweite 
Sohn Friedrihs V., Karl Magnus, beigefeht, der im fchwedifchen Heer 
unter Baner, ZTorftenfon und Wrangel mit Auszeichnung gedient hatte 
und 1658, alfo noch vor feinem Water, ftarb. 

Auf Friedrih V, folgte von 1659 bis 1677 fein ältefter Sohn 
Friedrich VI Auch diefer Fürſt hatte im dreißigjährigen Krieg das | 
Waffenhandwerk erlernt; duch fand er größere Freude an den Künften 
des Friedens. Reich an Wiſſen, an tiefes Nachdenken gewöhnt und im 


1) Hauptquellen: NRathsprotofolle, Bürgermeifterrechnungen, Kontrak— 
tenbücher, Kirchenbücher, Zunftrechnungen ꝛc. 


Flinfzehntes Kapitel. Pforzheim von 16481688. 445 


Beſitz der mandhfaltigften Erfahrungen, hochſinnig und milde, war 
Friedrich VI. ehrfurchtgebietend auch in der äußern Erfcheinung. Seine 
Regierung erwies fich als eine wohlthätige nnd glückliche Im Umgang 
mit Büchern und Gelehrten fand er Erholung und Genuß. Für feinen 
Baufinn war reicher Stoff vorhanden; denn Vieles, was der Krieg zer- 
ftört hatte, war noch nicht wieder aufgebaut. Namentlich aber ließ ev feine 
Schlöfjer im Lande, darunter aud das zu Pforzheim, neu berftellen 
zur Sicherheit der Bewohner von Stadt und Land in Kriegsgefahr. 
Im holländiſchen Krieg, von dem unten Weiteres erzählt werden wird, 
zum Oberfeldherrn des Neihs ernannt, nahm er 1676 Philippsburg 
ein, ftarb aber fchon im folgenden Jahr in Durlady und wurde in der 
fürftlichen Gruft zu Pforzheim beigefeßt. An feiner Seite ruht auch 
feine 1662 geftorbene Gemahlin Ghriftine Magdalene v. Zweibrüden, 
Außer feinem Thronnachfolger, Friedrih Magnus, hinterließ Friedrich VI. 
noch einen jüngern Sohn, Karl Guftav, der dem Kriegsdienſt ſich wid: 
mete, zuerft unter den ſchwediſchen Fahnen, dann als Feldherr der 
ſchwäbiſchen Kreistruppen in Ungarn und am Rhein mit Auszeihnung 
focht und nad) feinem 1703 in Pforzheim erfolgten Tode ebenfalls 
in der dortigen Gruft feine letzte Nuheftätte fand. 1) Das Gleiche war 
der Fall mit einer Tochter Friedrichs VI., dev 1703 im hohen Alter 
undermählt geftorbenen Katharina Barbara, diefer ſchönen, geiftreichen 
und frommen Pflegerin der Kirche und der Armuth. Sie hatte die 
Hand des Kaijers Leopold I. ausgefchlagen, weil fie in treuer Anhäng— 
lichkeit an das augsburgifche Bekenntniß ficy zu dem bedungenen Ueber: 
tritt zur katholiſchen Kirche nicht werftehen wollte. Eine Tafel mit 
ihrem Bildniß, das fih im Reuchlinszimmer der Schlofficche zu Pforz— 
heim befindet, erhält ihr Andenken, 

Bon 1677 bis 1709 regierte Friedrih Magnus, diefer um: 
glüclichfte aller badifchen Fürften, über deffen Länder während feiner 
Negierungszeit die blutigften Verheerungen ergingen. Mehr davon und 
über Friedrich Magnus folgt im 16. und 17. Kapitel, 


1) Er war von mehr als mittlerer Größe und außerordentlich beleibt, 
ſchrumpfte aber nad) feinem Tod zur vollftfändigen Mumie ein, bie als fog. 
„leberner General” bei fpätern Eröffnungen der Gruft immer als Schred- 
mittel für umberufene und zubringliche Befucher derſelben dienen mußte, bis 
ber Leichnam bei Gelegenheit der Beifegung ber Großherzogin Stephanie 1860 
in einen neuen Sarg gelegt wurde, 


446 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648— 1688. 
8 2. Befchreibung der Stadt. Devölkerungsverhältnife. 


Es mag bier am Plage fein, auf eine ausführliche Beſchreibung 
de8 „alten Pforzheim”, wie e8 vor der gänzlichen Zerftörung der Stadt, 
alfo vor 200 Sahren war, näher einzugehen, Cine noch vorhandene 
Abbildung Pforzheims aus dem Jahr 1643 1), die indeffen nicht durch: 
weg richtig ift, ſowie verfchiedene Erhebungen aus ältern, zum Gfüd 
noch vorhandenen Quellen aus der Mitte und der zmeiten Hälfte des 
17. Sahrhunderts mögen dabei zu Grunde gelegt werden, 

Wie früher fhon und wie heute noch beftand Pforzheim damals 
aus der eigentlichen Stadt, der Vorftadt Au, der Brößinger Vor- 
ftadt und der Altjtadt. Verweilen wir fürs Erfte bei der eigentlichen Stadt, 
um zunächſt ihre ehemaligen Befejtigungswerke kennen zu lernen. Es 
ift darin wieder zwifhen „Stadt“ und „Schloß" zu unterfheiden. Un: 
ter Tegterm ift nicht bloß das ehemalige Schloßgebäude, ſondern der 
ganze, befonders befeftigte Naum zu verftehen, den das Schloß mit der 
Schloßkirche und noch mehreren dort ftehenden Gebäuden (fiehe unten) 
einnahm. Vermöge dieſer befondern Befeftigung und der Lage des 
Schloſſes auf dem höchſten Punkt der. Stadt diente es diefer gleichſam 
als Gitadelle. Schloß wie Stadt waren rings mit Wall, Graben 
und doppelter Ringmauer umgeben. Mauer und Graben laffen 
fi) noc heut zu Tage um einen großen Theil der Stadt herum ver: 
folgen, und auch der Zwinger, d. h. der freie Raum zwiſchen der 
ordern niedrigern und der Hintern höhern Mauer ift noch an vielen 
Stellen erhalten, wenn auch in der Regel die Jwingermauer ent 
weder theilmeis abgetragen, wie beim Garten des Taubftummeninftituts, 
oder ganz verfchwunden ift, wie 3. B. bei der Schäferbrüde. Die 
eigentliche Stadtmauer war um die ganze Stadt herum nad) Außen 
mit einer Bruftwehr verfehen, fo daß man, von derfelben geſchützt, 
gegen Feinde, welche die Mauer zu brechen oder zu erfteigen fuchten, 
zu kämpfen vermochte, Auch diefe Bruftwehr ift da und dort noch er: 
halten. Die Stadtmauer hatte eine durchfchnittliche Höhe von 34 Schub, 
und bis zur Hälfte der Höhe eine Dide von 4, nad) oben von 3 
Schuh. 

1) Diejelbe findet fi in Zeilers Topographie von Ehwaben mit Merian’: 


ſchen Kupfern, 1643. Die vorliegenden Werk beigegebene Anficht von Pforz- 
beim iſt eine Kopie davon, 


Fünfzehrites Kapitel, Pforzheim bon 16481688. 447 


Verfolgen wir nad diefen VBorausfchidungen nun den ganzen Lauf 
der Befeftigungswerfe und beginnen wir zu dem Ende beim obern 
(in neuefter Zeit abgebrochenen) Schloßthor. Bon dort ans zogen fi) 
Mauer, Graben ꝛc. binter dem jetzigen Taubftummeninftitut und an der 
obern Vorſtadt vorbei zum Gafthaus zum Schiff hinunter, wo aud) 
noch ein gutes Stück des Zwingers erhalten ift. Dort ftand das 
Brößinger Thor mit feinem hohen und finftern Thurm, der mit 
einer Uhr verfehen war und auf welchen ſich wieder ein kleineres, 
ſpitziges Thürmchen erhob (wie heute noch auf dem Thurm der Schloß: 
fiche.) Bor dem Thor führte über den Stadtgraben eine Zugbrücke, 
wie das and bei den übrigen Thoren der Fall war, Don bier aus 
309 fih die Stadtmaner ꝛc. gegen die Schäferbrüde hinunter und als: 
dann dem Mühlkanal entlang, der den Stadtgraben erjeßte, bis zur 
obern Mühle. Diefe war zwifchen die beiden Stadtmauern hineinges 
baut, weshalb fie auch früher die Zwingermühle hieß, unterbrad aber, 
wie auch die Nonnenmühle, zum Theil die äußere Mauer, was bei 
Belagerungen mehrfach mißliche Folgen hatte. Bei der obern Mühle 
ermöglichte das „Dbermühltbörlein“, für welches von Seiten der 
Etadt ein eigener Beſchließer beftellt war, den Eingang in die Stadt. 
Unterhalb diefer Mühle, wie auch bei der Nonnenmühle gewährten je 
zwei Schoßgätter, die mit Fallgittern vwerjehen waren, dem Waffer 
Durchlaß durch die Mauer, 

Auf der Südfeite der Stadt, alfo gegen das Waſſer, fehlte der 
Stadtgraben; dafür waren die beiden Mauern um fo fefter. Die in: 
nere Mauer war mit einer Anzahl Kleiner runder Thürme verjehen, 
die aber jet alle verfchwunden find, wenn auch die Stadtmauer, nament- 
lich unterhalb der Auer Brücke, noch erhalten ift und nod) immer, wenn 
aud nicht gegen feindliche Ueberfülle, doc gegen Hochgewäſſer Schuß 
gewährt. Bloß hinter der Gruner'ſchen Gerberei, wo dem Waſſer des 
Gerberbächleins ebenfallg ein „Schoßgatter“ den Durchgang durch die 
Stadtmauer geftattet, ift noch der maffive Unterbau eines folhen Mauer: 
thürmchens zu bemerken. Außer diefen runden Thürmchen erhob fid) 
an der obern, dem Waſſer zugefehrten Ede des frühern Spitals oder 
der jegigen Heil: und Pflegeanftalt ein hoher vierediger Thurm, 
oben mit einer Galerie umd einer Wohnung für den Thurmmächter 
verjehen. Aber auch die Zwingermauer zeigte bei der Nonnenmühle 
einen ziemlich hohen und runden Thurm, den fogenannten „weißen 


448 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648-1688, 


Thurm“, in defjen Nähe fich zwei Ausgänge durch die Zwingermauer 
auf das Waſſer befanden. Jenſeits des Waſſers ftand auf dem Lin- 
denplaß in der Nähe der Nuerbrüde, und zwar am nördlichen Ende 
einer Mauer, melde den Plab von der Brüde fchied, abermals ein 
maffiver runder Thurm, der aber auf dem erwähnten Bilde von 1643 
bereit8 die Spur ftarken Zerfalls zeigt. Bei der Anerbrüde gewährte 
das nod) vorhandene „Schoßgätter” dem Waſſer des unter dem Spital durdy: 
laufenden Bächleins den Auslaß. Am Eingang eben erwähnter Brüde 
erhob fih mit Thurm und Zugbrüde dag Auer: oder Steinbrüden: 
tbor, über welchem ſich außer einem Gefängniß die Wohnung des 
Thurmwächters befand. Gleich daneben führte das Schleifthor zur 
Enz hinunter, und außer demfelben ebenfalls nad dem Fluße mehrere 
„Zwingerthörlein.“ Ueber dem einen derjelben fteht die Jahrzahl 1530, 
über einem andern (bei der Gruner'ſchen Gerberei), das aber neuern 
Datums ift, befindet fih ein eingemauerter Stein mit dem faft ganz 
verwitterten badischen Wappen und der Jahrzahl 1495. Ueber einem 
Thürden, das innerhalb der Stadtmauer zu dem bier befindlichen 
Scofgatter Hinunterführt, fteht die Jahrzahl 1594. Bon bier an 
bis hinauf zum Gafthaus zur Traube ift die Stadtmauer theilmeis 
auch noch vorhanden. An letztere lehnen fich manche Häufer an. Auch 
bier muß der eine oder andere Durchgang angebracht gewefen fein. Bei 
der Traube befand fid) das Altftädterthor, auch Altheimer-, Alt 
dorfer- und utinger-Thor genannt, ebenfalls mit Thurm (fammt 
„Kefficht“), Zugbrüde und Zwinger verfehen. Dabei ftand ein Wacht: 
haus, Berfolgen wir von hier die Stadtmauer und den Stadtgraben 
weiter, jo gelangen wir in kurzer Zeit wieder zum obern Schloßthor, 
von welchem wir ausgegangen find. 

Den fefteften Theil der Stadt bildete, wie ſchon gefagt, das Schloß. 
Weil ringsum, jo war dasfelbe auc gegen die Stadt durch eine ftarfe 
Mauer befhütt, durdy welche am Schloßberg das untere Schloßthor zur 
Stadt hinunter führte. Den nördlichen Ausgang des Schloſſes bildete das 
obere Schloßthor mit gewölbtem doppeltem Thorbogen, über welchem 
fi) eine Wohnung befand, die wiederum einen Heinen hölzernen Thurm 
mit Wendeltreppe trug. Bor diefem Thor führte eine Zugbrüde über 
den Stadtgraben. Innerhalb der Ringmauer befand ſich eine größere 
Anzahl von Gebäuden, darunter namentlich das alte und das neue 
Schloßgebäude. Letzteres ftand da, wo ſich jetzt (im frühern Zehnt: 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 16481688. 449 


fpeicher) die Dbereinnehmerei und die Zollverwaltung befinden. Das: 
ſelbe brannte im orleans’schen Kriege ab, während das „alte Gebäu“ 
ftehen blieb. Von anderen Gebäuden find zu erwähnen: die Amtsfel- 
Vereiwohnung ſammt anftoßendem, mit drei Gemwölben verfehenem Thurm, 
die Schloßküferswohnung jammt Bandhaus (1743 abgeriffen), ein 
Fruchtſpeicher, darunter Stallungen und ein großer Keller, ein Heuhaus, 
ebenfalls mit Kelle, Das nöthige Waffer verfchaffte den Schloßbe- 
wohnern ein 77 Fuß tiefer Ziehbrunnen. Im Jahr 1681 kam noch 
ein laufender Brunnen dazu (fiehe unten). Den übrigen Kaum nah— 
men außer der Schloßfirhe und einigen alten Thürmen Gartenanlagen 
ein. Diefe hohen und feften Thürme, von denen namentlich der eine 
weithin fichtbar war und auf welchem der Hochwächter hauste, dienten 
zur Vertheidigung diefer „Burg“ Pforzheims, in melde fi die käm— 
pfenden Bürger: oft noch zurüdzogen, wenn der Feind in die Stadt 
eingedrungen war. Der genannte hohe Thurm, der als Wahrzeichen 
der Stadt galt, wurde im vorigen Jahrhundert (1763) abgebrochen, 
um Steine zu dem erwähnten neuen Speichergebäude (1766--1768) 
zu gewinnen, (Diefer Thurm war 102 Schuh hoch, 52 Schub lang, 
38 Schuh breit und hatte 12 Schuh dide Mauern; auf denjelben be— 
fand fih noch ein 7 Schub hoher Aufjag.) Ein anderer Thurn wurde 
erft in diefem Jahrhundert niedergerifjen. So ift überhaupt hier ſchon 
manches ehrwürdige Alterthum dem Teidigen Nüslichkeitsprinzip zum 
Opfer gefallen. Ein dritter Schloßthurm ift theilweife noch vorhanden, 
und befindet fich in demfelben die Merkjtätte von Kupferihmied Mach— 
let. Ein Heinerer runder Thurm erhob fih auf der von Markgraf 
Karl I. 1558 erbauten fürftlihen Kanzlei. 

Mie Schloß und Stadt, fo waren auch die Vorftädte im Beſon— 
dern befeftigt.. Die Brößingervorftadt hatte drei Thore. In 
der obern Vorftadt ftand das obere Grabenthor mit Thorhäuschen; 
von bier aus z0g auf der Nordſeite der Vorjtadt der Dieblgraben 
bis zum Heiligkreuzthor hin, welches ſich am weftlichen Ende der 
Vorſtadt (bei der jetzigen Beckh'ſchen Bierbrauerei) befand und feinen 
Namen von der dabei ftehenden Heiligkreuzfiche hatte. Das am Fuchs: 
fhen Haus eingemauerte Stadtwappen mit der Jahrzahl 1554 rührt 
wahrſcheinlich von diefem Thore her. Am Ende der untern Vorftaöt 
ftand bei der Schäferbrüde das Schäferthor, befchüßt durch den 


dicht dabei ftehenden, feften und runden Waſſerthurm, fowie einen 
Pflüger, Pforzheim, 29 


450 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688, 


auf der andern Seite befindlichen vieredigen Thurm, von welchem aus 
fih die Stadtmauer und vor derfelben abermals eine Zwingermauer 
am Mühlkanal hinauf fortſetzte. — Die Au war ebenfalls mit einer 
ftarten Mauer und einem Graben umgeben, die nur auf der Flußfeite 
fehlten, weil die eng zufammengebauten Häufer, in welchen erft in ziem: 
licher Höhe über der Nagold die Fenſter begannen, bier felber eine 
Mauer bildeten und die Nagold den Graben erfehte. Auch in der 
Au find Mauer und Graben zum großen Theil noch zu fehen. Am 
Ende der dur die Au führenden Hauptitraße erhob fi, und zwar 
außerhalb der damals ſchon Hier befindlichen Herberge zum Einhorn, 
das Auer Brunnentbor, aud Erkerthor genannt; dasjelbe zierte 
ein Thurn mit einer Uhr. Am Ende der obern Augaffe, die auch 
der „Hiller hieß, ftand das Hillertbor, am Ende der untern 
Augafje das Gauch- oder Schelmentbor. (S. 297.) Außerdem 
führten mehrere Thörlein zur Nagold und Enz, fo ein Leyerthörlein, 
ein oberes und unteres Fiſcherthörlein mit Fiſchergäßchen u. f. w. 
Außer dem Thurm des Brunnenthors beſaß die Au noch mehrere 
Thürme. Zwifchen dem Hiller: und Brunnenthor erhob fi) da, wo, 
die Mauer eine Ede bildete, ein runder Thurm. Ein gleiher Thurm 
befand ſich am der entgegengejehten Ede der Stadtmauer (unten am 
jeßigen Holzgartenweg), und ift ein Theil desjelben heute noch erhalten. 
Am Ende der Stadtmauer, mo diefe jenfeits des Gauchthors wieder 
an die Enz ftieß, ftand abermals und fteht heute noch ein runder 
Thurm, der Schelmenthurm genannt. — Die Altftadt, die als 
ältefter Theil der Stadt früher ebenfalls ſtark befeftigt gewefen, aber 
im SOjährigen Kriege (S. 438) ganz abgebrannt war, befaß nad 
demfelben feine Thore mehr, und es wurden auch die Befeftigungs- 
werke nicht mehr bergeftellt, was im Jahr 1661 von Seiten der Alt: 
ftädter eine lebhafte Beſchwerde hervorrief. Des ehemaligen Stadt: 
grabens, ſowie eines abermalign Erker-Thors gefchieht aber in 
der Folge nod) häufig Erwähnung. 

Die Pflicht der Unterhaltung der Mauern, Thürme, Zwinger, 
Gräben ꝛc. Tag der Stadt ob, mit Ausnahme der Befeftigungen des 
Schloſſes, deren Inftandhaltung Sache der Herrfchaft war. Zu diefem 
Zweck war der Stadt laut Privilegienbriefes der vierte Theil des Um: 
geldes von Brod, Wein, Salz, Frucht und Fleiſch, fowie der Ausbete 
zugewiefen (S. 227). Deffenungeachtet Fam fie mehr als ein Mal in 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648 —1688. 451 


den Fall, bei umfafjendern Neparaturen die Hilfe der Herrichaft in 
Anspruch zu nehmen, namentlich nach dem SOjährigen Krieg, wo die 
Finanzen der Stadt, wie unten gezeigt werden wird, ſich in einem ganz 
zerrütteten Zuftand befanden. Ein Beifpiel davon findet ſich ans dem 
Sahr 1665. Am d. April j. J. trug der Baumeiſter Aichelin in der 
Nathefigung vor, dag in der Brötinger Vorſtadt beim Waſſerthurm 
am Schäferthor ein großes Stück Stadtmauer eingefallen fei, was mit 
dem, was noch abgebrochen werden müſſe, etwa 160 Klafter betrage, 
Er habe bereits mit einigen Maurern behufs der Wiederheritellung um 
2 fl. 71/g Kreuzer das Klafter affordirt. Die Stadt beſchloß ſich wegen 
diefes allzu foftbaren Bauweſens (zu 340 Gulden!) um Hilfe: 
leiftung an den Landesfürften zu wenden. Am 29. Mai 1665 erfchien 
darauf hin eim fürftlicher Befehl, daß wegen dieſes Bauweſens bie 
Zünfte zufammengefordert und ihnen die Nothwendigfeit desjelben darz 
gelegt werden ſollte. Allein die Zünfte zeigten ſich dazu nicht ſehr ges 
neigt. Die einen beflagten ſich über den Pfundzoll; die andern er— 
Härten, fie feien jo arm, daß fie ihr Eigenes nicht bauen könnten u, f. w. 
Was nun geihah, weiß ich nicht. Es jcheint jedoh, daß die Negies 
rung wenigjtens einen Theil der Koften übernahm, was auch um fo nö: 
thiger war, als gerade damals die Stadtmauer noch an mehreren andern 
Orten, 3. B. in der Kauzenbach, neu bergeftellt werden mußte, mo fie, 
bis diefes geſchehen, einftweilen mit Latten verjchlagen wurde. — Be 
merfenswerth dürfte auch fein, daß die Herrichaft im Stadtgraben be- 
fändig Wild unterhielt und dafür der Stadt einen jährlichen Pachtzins 
von 15 Gulden bezahlte. 

Kehren wir nad) diefer kurzen Abſchweifung zur eigentlichen Be: 
fhreibung der Stadt zurüd, Schon aus dem Bisherigen wird hervor: 
geben, daß Pforzheim cine fehr thurmreiche Stadt, alfo gerade das 
Gegentheif von dem war, was fie jeßt ift. Zu den vielen Thor: und 
Mauerthürmen kamen aber noch manche andere. Wenn wir dem 
ſchon erwähnten Bilde von 1643 glauben dürfen, jo erhob fi auch 
auf der Schloffirche ein hoher, ſchlanker Thurm. Einen noch höhern 
Thurm befaß das Barfüßerklofter, und foll derjelbe nach gothifcher Art 
gebaut und eine befondere Zierde der Stadt gewejen fein. Was aber 
die Flammen des orleans'ſchen Krieges verſchonten, das fiel fpäter der 
Furcht zum Opfer, daß diefer Thurm einmal in die Brößinger Gaffe 
berabfallen möchte. Gin hoher und fchlanfer Thurm a ſich auch 


459 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648— 1688, 


auf dem Predigerflofter, ein kleinerer gotbifcher auf dem Spital oder 
der jeßigen Heil: und Pflegeanftalt, wo er noch fteht. Won den ühri- 
gen Kirchthürmen erwähnen wir den der Altftädter Kirche, auf wel- 
chem fich, wie bei den Schlogthürmen und dem Brößinger Thorthurm, 
noch ein Fleineres, fpitigeres Thürmchen erhob, und die Heinern Thürme 
der Heiligkreuzfirche in der Brötzinger Vorftadt und der Kapelle ber 
St. Georgspflege. 

Haben wir im Bisherigen die Stadt hauptſächlich fo ins Auge 
gefaßt, wie fie fich mit ihren Befeftigungen und Ihürmen von Außen 
darftellte, fo wollen wir uns auch in das Innere derfelben begeben, 
um diefes näher fermen zu Ternen. Die Namen der Straßen und ein- 
zelnen Theile der Stadt waren ſchon vor 200 Jahren faft durchgängig 
diefelben, wie wir fie noch heut zu Tage finden, denn wenn auch Pforz: 
beim in den Jahren 1689 und 1692 durch Brand gänzlich verheert 
wurde, fo erlitt doch beim Wiederaufbau der Stadt ihre Straßenein- 
teilung wenig Veränderung, wenn feßtere auch bei manden Häufern in 
der Weife eintrat, daß oft mehrere frühere Hauspläge zu einem Ger 
bäude verwendet, oder umgekehrt mancher größere Hausplatz getheilt 
wurde. Bon der vom Bröginger Thor zum Mearktplat führenden en- 
gen und finftern Brötzinger Gaſſe liefen rechts aus: die Kamme 
gaffe, auch manhmal Brudergaſſe genannt; (der erfte Name rührte 
vom Gafthaus zum Lamm ber, das ſich damals in diefer Straße da 
befand, wo fie in die Brötinger Gaffe einmündete; den andern Nas 
men hatte fie von dem fog. „Bruderhaus” (ſ. u.);) 2. Die Scheuern- 
gaffez 3. die Blumengaffe, ebenfalls vom dort befindlichen Gaft: 
haus zur Blume fo genannt, wie denn früher auch in Pforzheim, wie 
anderwärts, der Löbliche Gebrauch berrichte, die Straßen nad den 
Wirthshäuſern zu benennen, Die von der Scheuer: zur Blumengaffe ꝛc. 
laufende Quergaſſe, die jetige Brüderftraße, hieß ebenfalls die Scheuerns 
oder auch untere Höllgaſſe. Links von der Bröbingergaffe finden 
wir als Fortſetzung der Scenerngaffe die Barfüßergaffe, die fi 
an dem Barfüßerflofter vorbeizog und auf den Schloßberg ausmündete; 
3. dag Kirhgäßlein, das (beim jetzigen Kürfchner Gengenbach'ſchen 
Haus) ebenfalls zur Barfüßerkirche führte und als Fortfeßung der Blu: 
mengaffe diente. Umkreiſen wir, von der Brößinger Gaffe herkom— 
mend und rechts hinuntergehend, den Marktplag, der feit Jahrhunder⸗ 
ten diefelbe Größe und Geftalt wie heute noch hat, fo treffen wir zus 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688, 453 


nächſt das Höllgäßchen, das fpäter nach Errichtung der obern Apo- 
thefe im Jahr 1690 aud den Namen oberes Apothefergäßhen 
erhielt. Jenen frühern Namen hatte es von der Herberge „zur Höllen, " 
die ſich da befand, wo jetzt das Conditor Trommerſche Haus fteht 
und hinten an bemeldetes Gäßchen ſtieß. An der untern Apotheke vor- 
bei führte da8 Apothekergäßchen, an der Kyone vorbei die Pro: 
nengaffe, die gegen die Eichmühle auch Eichgaſſe hieß und von 
welcher aus die Mebgergaffe zur obern Mühle Hinführte, In Ieb- 
tere mündeten, wie heute noch, die von der Brößingergaffe berführenden 
Lamm, Scheuern- und Blumengaſſe ein, und erftere ſetzte fich bis zum 
Mühlkanal fort. Links unten am Marftplage öffnete fih die Tränk— 
gaffe (jebt Deimlingsitrake) und zog bis zum Auer-Thor hin. Don ihr 
ober eigentlich noch vom Markt ging links aus: 1. die Ochfengaffe 
(jegt Reuchlinsſtraße), vom dort befindlichen Gaſthaus zum Ochfen fo 
benannt; 2. die Biebgaffe, (iebt Hofpitalftrake), von welcher ſich 
rechts bei der Eſels- (jet Klofter-) Mühle das Eſelsgäßchen (jekt 
Kloſtermühlgäßchen), und an ihrem Ende nahe an der Stadtmauer 
hinunter (beim jegigen Theater) die Ka utzen bach abzweigte; 3. die 
große und 4. bie Fleine Gerbergaffe, (früher die beiden „Lauer— 
gaffen”), die ihren Namen nicht mit Unrecht führten, da fie von faft 
lauter Gerbern bewohnt waren, mie das die an fehr vielen Häufern 
vorhandenen Abzeichen der Töblihen Gerberzunft (Schabeifen und Falz) 
heute noch beweiſen. Auf der rechten Seite ging von der untern Tränf: 
gaſſe aus: 1. das Pfinngäßchen zwifchen dem Gaſthaus zum Schwert 
und der ehemaligen Stadtmetzig, fo genannt, weil fih hinter letzterer 
die fog. Pfinnhütte und Pfinnbant befanden, wo das Fleiſch finniger 
Schweine ıc. ausgehauen wurde. (Bergl. ©. 240 und 256.) Das- 
felbe führte auf den Klofterhof, wie früher der jetige Waiſenhaus— 
plaß genannt wurde; in noch älterer Zeit hieß derfelbe die Badgaſſe, 
weil fich dafelbit (hinter der Kanne) das untere Bad (f. u.) befand; 
2. das Thäle, dag zur Nonnenmühle binführte, Kehren wir wieder 
zum Marktplat zurüd, um von dort zunächſt den Schloß: frühern 
Kirchberg zu befteigen und dann die Altftädter- oder Alt: 
dorfer-Straße entlang zu gehen. Vom Schloßberg gingen links 
das Saugäfßhen (unterhalb der Blume) und die ſchon erwähnte 
Barfüßgergaffe, rehts die untere und obere Pfarrz, 
auch Pfaffen- oder Predigergaffe aus, die ihren Namen 


454 Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648-1688, 


urfprünglih von den Chorherrnwohnungen hatten, die fih am Ende 
derfelben befanden und die fpäter mit andern dort ftehenden Häufern 
theilweife zu Pfarrherrnwohnungen benüßt wurden. 1) Verfolgen wir 
die Altftädterftraße, fo ftoßen wir zuerft links (beim Anker) auf das 
Rathhausgäßchen, ſodann rechts und Tinte (bei Kaufmann Hepp) 
auf das Schulgäßchen, das fi jet nach unten in eine Schul: 
ftraße verbreitert. Bei der jetigen Unter&der’fhen Bierbrauerei Tief 
Yints die Kirhgaffe, rechts die vordere Nofengaffe von 
der Hauptftrake aus, letztere von dem dort ftehenden Gafthaus zur Roſe 
benannt. (Statt Nofengaffe Tiest man auch manchmal Roßgaffe, 
welcher Name mit Ochſen-, Vieh-, Tränk-, Eſels- und Saugaffe ıc. 
im Einklang ftchen würde.) Ein Quadrat weiter führte beim jebigen 
Proreftoratsgebäude die hintere Roſengaſſe, die mit der vordern 
durch eine Quergaſſe verbunden war und nod) ift (der jebigen Stifte: 
ſtraße), zur Viehgaſſe, um ſich jenfeitS derfelben als ſchon erwähnte 
Kauzenbach fortzuſetzen. Vor dem Altftädter Thor begann das fog. 
Pfläſter, das damals noch nicht überbaut war, (nur unmittelbar vor 
dem Thor ftanden einige Häufer), fondern aus faft Yauter Gärten be: 
ftand, von denen in den Kaufkontrakten des 17. Jahrhunderts vielfach 
die Rede ift. Die weiter entfernte Altftadt hatte während des dreißig: 
jährigen Krieges von ihrem frühern Umfang ziemlich verloren, fo daß 
fie nach demfelben nur noch etliche AO Bürger zählte. Außer der die 
Altſtadt zur Kirche hinunter ziehenden Straße finde ich des „Effig- 
gäßchens“, ſowie des oberhalb der Altſtadt vorbeiführenden und ſchon 
1565 vorfommenden Zigeunergäßchens erwähnt. — Die Gaffen 
der Au find oben ſchon angeführt, — in der Brötzinger Vorftadt ift 
des uralten Schlappergäßchens (jet Baumftrake) noch zu ges 
benfen. 

An Effentlichen Pläten befaß die Stadt nur den Marttplak, 
befien fchen oben gedacht wurde, und den Lin denplatz. Letzteren 
zierten Gartenanlagen, in welchem wir die noch vorhandenen majeftäti- 
ſchen Linden bereits erblicken, aber mit Ausnahme einer einzigen noch 
in jugendlicher Kleinheit. Diefe Linden wurden in befondere Pflege 
genommen und im Jahr 1684 unter Anderm wieder aufgebunden und 


1) Aucy mehrere auswärtige Pfarrer befaken 1665 eigene Häufer in biefer 
Gaſſe, 3. B. Friefenegger in Stein und Frank in Baufclott. 


Bünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648 —1688, 455 


ausgeputzt. ines befonderen „Viehmarktes“ ift auch mehrfach er: 
wähnt; derfelbe war vor dem Altftädter Thor, und zwar unten am 
Waſſer. 

Der durch die Stadt fließenden Kanäle und Bäche, ſowie der 
Brücken iſt zum Theil ſchon gedacht worden. Die damalige Auer: 
brücke über die dort ſich vereinigenden Flüſſe Enz und Nagold, die 
auch Steyninbrucken, Steynbruden hieß (dahier der Na— 
men „Steinbrücker-Thor“) war 1573 von Markgraf Karl II. erbaut 
worden. (S. 291.) Sie mußte in der Zeit, in welcher wir mit un: 
unferer Schilderung ftehen, mehrere Ueberſchwemmungen aushalten, fo 
1648 und 1687. Kurz vor diefer Testen Ueberſchwemmung, nämlich 
1684, waren die 3 Fallbrücken derfelben rveparirt worden. In der 
Altftadt führte fchon zur Nömerzeit (S. 12) eine Brüde über 
die Enz, Der Roßbrücke geſchieht vielfah Erwähnung, ebenfo 
des KRantenbrüdleins und dr Eichbrücke, wo früher, als 
die Stadtmauern noch enger gezogen waren und das Frauenkloſter 
außerhalb derfelben Tag, das „Frauenthor“ ftand. Ebenſo kommen die 
Namen des dort aus dem Mühlkanal abfließenden Klaren- oder 
Shönbähleins, über welches mehrere Steghen und Brückchen 
führten, die indeffen Feine befondern Namen hatten, häufig vor. Außer 
verfchiedener Heiner Brücken in der Stadt wird aud ein Brüdlein 
beim Nägelfee (oder wie er früher richtiger hieß, Egelfee,) 
genannt. 

An Brunnen war in der Stadt Fein Mangel, obgleich die Zahl 
der Yaufenden Brunnen etwas befchränfter war, als jet. Ich erwähne 
zunächſt des Schloß: und des oben Marktbrunnens. Sur 
Speifung derfelben wurde im Mai 1681 das Waffer des Stockbrunnens 
hinter Brößingen in die Stadt geleitet und betrug der Koftenantheil der 
letztern 158 fl. 31 kr., die aber auf 100 fl. ermäßigt wurden. Schon 
1684 mußte indeflen die Stadt für diefe MWafferleitung neue Brunnen: 
kacheln und bleierne Deichel anfchaffen, welche abermals 242 ff. 44 kr. koſteten. 
Im Jahr 1686 wird jedoch fehr darüber geflagt, daß die beiden Brun— 
nen faft niemals Waſſer gäben, während doch die neue Wafferleitung 
die Stadt fo viel gefoftet habe, Letztere fei, fo heißt es in einer Ein- 
gabe an die Megierung, darüber zum Gefpötte geworden und man bitte, 
die beiden Brunnen lieber ganz eingehen zu Yafien. — Am Jahr 1687 
wurde der „Mann auf dem obern Marktbrunnen”, d. h. das Stand: 


456 Finfzehntes Kapitel. Pforzheim im breißigjährigen Krieg. 


bild des Markgrafen Ernft, von Maler Wolf Walter erneuert und ge: 
malt, wieder aufgezogen und friich gefeßt. Oberhalb des Marktbrun- 
neng war ned ein befonderr Schöpfbrunnen. Der untere 
Marktbrunnen hieß auch der Fifhbrunnen Don fonftigen 
Brummen werden erwähnt: Der Brunnen in der Vorftadt, der 
Brüderbrunnen in der Brubdergaffe, der Brunnen im Apo— 
thefergäßchen, der Ochſenbrunnen in der Ochfengaffe, der Zu: 
hbariasbrunnen ebendafelbft (vielleicht der nämliche), der Brunnen 
in der Viehgaſſe, der Eſelsbrunnen kei der Eſelsmühle, der 
Aner Brunnen, der Altftädter Brunnen, ferner ein Vogts-, 
Rohr-, Krebs: und Maienbrunnen ıc. 

Bon den öffentlichen Gebäuden des alten Pforzheim, die Eigen: 
thum theils der Herrichaft, theils der Stadt waren, find mande im 
Bisherigen jchon genannt worden. Die frühern Klöfter der Stadt 
hatten andere Beitimmungen erhalten. Das Dominifanerklofter 
diente zur lateinifhen Schule und zur Mohnung für die Lehrer, 
die Klofterkirche war zur Stadtkirche geworden. Eine zur Renovation 
berfelben im Jahr 1684 auf Veranlafjung des Spezials Math. Kum— 
mer erhobene Kollekte Tieferte einen Ertrag von 410 fl. 16 fr. Da 
jedoch die Ausgabe nur 406 fl. 26 Fr. betrug, alfo no 3 fl. 50 kr. 
übrig waren, fo erhielt der Mefner davon 1 fl. 30 kr., des Kunft- 
malers Gefell und Tochter jedes 45 kr., der Neft wurde zu einem 
„Trunk“ bei der Rechnungsablage verwendet. — Die Räumlichkeiten 
des früheren Maria-Magdalenenkflofters waren dem Spital zugemiefen 
worden (S. 329), das fie noch beſaß. Wozu damals das Barfüßer: 
Hofter verwendet wurde, weiß ich nicht; im der Kirche desfelben wurde 
aber aud Gottesdienst gehalten. Dieß war in jener Zeit in der Schloß- 
firche nicht der Fall; doch ſcheint diefelbe von 1683 am wieder zu Got: 
tesdienften benüßt worden zu fein; denn es ift in diefem Jahre von 
einer „Einweihung“ derjelben die Rede.) Des Seelenhaufes in 


1) 1683, 15. April wurde getauft Hs. Kalpar, H. Bernhard Minderers 
Kind. Dabei ift bemerft: Dies ift extra ordinem bei Einweihung ber Schloß: 
fichen geſchehen. Pathen waren: Marfgräfin Auguſta Maria, Prinzeſſin 
Kath. Barbara, Herr de Macaire von Steinfels, der Spez. Math. Kummer, 
9. Joh. Kaſp. Zocher (Amtsfeller), H. 3b. Deimling, Bürgermeifter, (Kir: 
chenbuch Fol. 113a). — Es ift möglich, daß dieſe neue Einweihung ber Kirche 
mit dem Brand zufammenbing, der im Sommer 1682, wahrſcheinlich in Folge 
eines Wetterfirahls, im Schloß ftattgefunden hatte, 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648 - 1688, 457 


der Bröbinger Vorftadt, das zur Aufnahme armer, kranker und ge: 
brechlicher Perfonen diente, ift früher fchon Erwähnung gefhehen. Diefem 
gegenüber ftand die Kreuzkirche; dabei lag der Gottesader „zum 
heiligen Kreuz“, auf welchem nur Soldye begraben werden durften, die 
dazu eine „Gerechtſame“ beſaßen. Wer die nicht hatte, mußte für bie 
Erlaubniß der Beerdigung dafelbft einen Gulden bezahlen. Ein 
anderer, für die Altſtädter beftimmter Kirchhof Tag um die dortige 
Kirche. Der dritte Kirchhof war der 1588 ebenfalls in der Altftadt 
für die Stadtgemeinde angelegte (S. 298). Tem bereits genannten 
Spital und Seelenhaus find auch nod die St. Georgspflege und 
das fog. Bruderhaus anzureihen. Jene ftand auf einer Anhöhe 
außerhalb der Au und war, von unten betrachtet, einem Klofter oder 
großen Hofe ähnlich. Sie beftand aus einer ziemlich geräumigen Kapelle, 
einem Krankenhaus, den Wohnungen des Hausmeifters (1654 Hans 
Uri Mayer) und Unterförfters und einigen Defonomiegebäuden. 
Das Vermögen und die Einkünfte diefer wohlthätigen Anftalt waren 
vor dem orleans'ſchen Kriege fehr bedeutend, weshalb immer ein eigener 
Pfleger in der Stadt dafür beitellt war. Diefes Amt verfah z. B. 
23 Jahre Yang der 1613 geftorbene Bürgermeifter Peter Maler; 1) 
Mac, ihm werden als St. George: Pfleger genannt: Konrad Gilg 1639, 
Mendel Lang und Jakob Hormann 1654, Chriſtoph Ganfer 1655, 
Jakob Zickwolf 1657, Johann Heinrich Bachmann 1685. — Welche 
Beftimmung das in der Brudergaffe liegende „Bruderhaus“ hatte, ob 
e8 ebenfalls eine MWohlthätigkeitsanftalt war oder einer der frühen 


1) Er ließ 1607 die Kapelle renoviren, weshalb noch lange nachher baielbit 
folgende Reime zu leſen waren: 
Als man zählt und eben war 
Das taufend fehshundert und fiebte Jahr, 
Diefe Eapell warb renovirt, 
Und, wie vor Augen, ſchön geziert 
Durch dieſes Stifters Pflegers Fleiß 
Peter Maler der älteſt er beißt; 
Jeronimus mit zugleich, 
Beförberten Gottes Ehr’ und Preis, 
Der belf, baß fein Wort lauter und Far 
Hier werb geprebigt immerbar. 
Amen. 
(Nachrichten ber Familie Maler ©. 10.) 


458 Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648— 1688, 


geiftlihen Kongregationen oder einer Zunft, oder vielleicht den Beghar— 
den angehört hatte, weiß ich nicht. Die herrſchaftliche Stifts- oder 
geiftliche Verwaltung (jest Diakonatshaus in der Roſenſtraße) wurde 
wahrfcheinfich 1619 gebaut, da diefe Jahrzahl über der Kellerthür bieſes 
Haufes fteht. 

In der Bürgermeifterrehnung von 1687 und an andern Orten 
werben folgende Gebäude als ftädtifche aufgeführt: 1. Die Stadt: 
ſchreiberei. Sie ftand am Markte (wo jest das Rupp'ſche Haus) 
und war vermuthlich 1551 erbaut worden. Auf ihr erhob ſich ein 
Thürmchen mit einer Uhr; 2, das Rath- und Kaufhaus, unter 
Markgraf Karl II. 1557 gebaut. Es ftand an der Stelle des jebigen 
Rathhaufes und mar ebenfalls mit Thürmchen und Uhr verſehen; 3. die 
deutſche Schule in der untern Pfarrgaffe; 4. das Schafhaus in 
der Brößinger Vorftadt beim Schäferthor, wovon fowohl diefes, - als 
auch die Schäferbrüde den Namen hatte; 5. das Schafhaus im 
ber Mltftadt, wo jebt der Schafhof fteht; 6. die Kleemeifterei, 
ebenfalls in der Altſtadt; 7. das obere Bad unterhalb der Obermühle 
bei den Schofgättern am Mühlfanal; 8, das untere Bad an dem 
nämlichen Kanal und zwar hinter der Kante; 9. die Eichbehauſung 
bei der Eichanftalt ; in derfelben wurden namentlich die Eichgeräthichafte® 
aufbewahrt; nahe dabei war 10. das Werkhaus im Slofterhof (vor 
dem jetigen Waifenhaus), worin ſich allerlei ftädtifche Geräthfchaften 
befanden und auch verfchiedene Arbeiten für die Stadt beforgt wurden ; 
11. das Armbrufthbaus oder Armbrufthüttlein auf dem Linden: 
plat bei der Auer Brücke; 12. das Schießhaus oder Schießhütt— 
fein außerhalb der Bröginger Vorftadt an der Enz. Es Hatte 3 
Schiekftände, deren Neparatur im Jahr 1685 4 fl. 10 kr. koſtete; 
43. die Brodhütte, worin die Bäder morgens ihr Brod verkauften, 
infofern e8 von den Kunden nicht beftellt war, in welchem Fall es den: 
felben in das Haus getragen wurde; 14. die beiden Branntweinhüt- 
ten, die eine vor dem Schleifthor, die andere in der Schlappergaffe, 
mit Einrihtung zum Branntweinbrennen; 15. der Stadt Badhaus 
in der Bruder: (Lamm-) gaffe bei der Obermühle; dasjelbe hatte einen 
ähnlichen gemeinnüßigen Zweck, wie die Branntweinhütten; 16. der Stadt 
Waſchhäuſer beim Steinbrüderthor; 17. das Seelenhaus in der 
Brötzinger Vorſtadt; dasfelbe verwaltete ein eigener Armenkranfenpfleger, 
ber auch die Aufficht über das gegemüberftehende Kreuzkirchlein, den 


Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 16481688, 459 


anftoßenden Kirchhof u. ſ. w. führte, auch die Thurmuhr dafelbit zu 
beforgen hatte; 18. die verſchiedenen und oben jhen erwähnten Thore, 
Thorthürme fammt Thorhäushen und ſonſt dazu gehörigen Ge- 
bänden. Zu den dafelbft befindlichen „Kefitten“ Fam nod das Nar- 
venhänslein auf der Auer Brüde, als Strafort für leichtere polizei: 
liche Vergehen, fpäter mit ähnlicher Beftimmung der Efelsftall an 
der Stelle der jetzigen Synagoge, und endlich das Blodhaus vor dem 
Brößinger Thor. Der Stadt hatte früher aud ein unterhalb des 
Rathhauſes Tiegendes Haus gehört; aber es wurde 1658 an den Unter: 
vogt Ferber verkauft. Außer den ſchon aufgeführten herrſchaftlichen 
Gebäuden, ald Schloß, Klöftern, Kirchen, Epital, St. Georgspflege ıc. 
find noch zu erwähnen: Das an dem Marktplag ftehende Amthaus, 
mit Thürmchen und Uhr; die 3 Pfarcherrnwohnungen im der 
untern Pfarrgaffe, (befonders erwähnt find davon die „Obere-Diafonats- 
wohnung” und der „Diakonatsgarten“),; das Landſchafts- oder 
Handlungshaus in der Brötzinger Gaſſe (zwifchen Schend und 
Trommer), der außerhalb der Brößinger Vorftadt befindliche Schmelz: 
ofen fammt der Hammerfhmiede, die Zehntſcheuer bei der 
Nonnenmühle, die Ziegelhütte vor dem Brößinger Thor in der 
"Nähe des Schieghaufes, die Nindenmühle in der Altſtadt, Die 
Metig nebft Pfinnhüttleim unterhalb der Kante, die Kelter in 
der Altftadt (vor dem Ochfen) u. f. w. (Vergl. hiezu das Lagerbuch 
von 1615, ©. 325). — Von Gebäuden, welche auswärtigen Klöftern 
gehörten oder früher gehört hatten, finden wir erwähnt: den Lich— 
tenthalſchen Zehnthof Hinter dem ‘Predigerffofter (mo jetzt das 
Kübeleberlefche Haus fteht), den ſchon oft erwähnten, damals aber be: 
reits dreigetheilten Hirfhaner Hof in der Altitadt mit feinen vielen 
Gütern, die heutigen Tages noch den Namen „Hirihauer Güter“ tra 
gen. Ein ähnlicher Hof ſcheint der oft vorkommende, in der Altſtadt 
Yiegende Bremerhof, zu welchem ebenfalls viele Güter gehörten, ge: 
weſen zu fein. Auch der Name „Bremerhof = Aeder“ Hat fi bis auf 
die heutige Zeit erhalten, und liegen diefelben oberhalb der Schloßkirche. 

Bon Gebäuden, zum Theil mit Waſſerkraft, die einzelnen Zünften 
gemeinſchaftlich gehörten, werden erwähnt: Die Waltmühle der 
Weißgerber am Scießhüttenplag, der Tucher Farbhaus bei der 
Nonnenmühle, die Rin den mühle (beim jegigen Theater), endlich noch 
anderer NRindenmühlen, fodann Sägmühlen, Waltmühlen 


460 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648 - 1688. 


Delfhlagen, darunter die 1617 gebaute jegige Kompagniefägmühle. 
Jede Zunft hatte bekanntlich auch ihre Zunftitube, wo die Verſamm— 
lungen ftattfanden. Die Rothgerber verkauften dieſe ihre „Herberg“ 
1663 um 310 Gulden, die Färber ihren Hausplatz (die Herberge war 
wahrfcheinlic im SOjährigen Krieg abgebrannt) in der Kautzenbach um 
30 Gulden ꝛc. — Endlich kann hier auch noch der Mühlen gedacht 
werden. Vor dem IOjährigen Krieg waren es noch ihrer 5, nämlich 
die Ober:, Nonnen, Eich-, Ejels: (Klofter:) und Wagmühle 
(S. 360). Der Ießtern gefchieht noch 1661 Erwähnung; aber 1683 
und 1688 wird fie unter den Mühlen nicht mehr genannt. 

Bis zum Jahr 1690 beſaß Pforzheim nur eine Apotheke, 
nämlich die untere (jebt Pregizeriche‘, und fcheint diefelbe von jeher an 
derfelben Stelle wie jet geftanden zu haben. Sie war von 1608 
bis 1634 in den Händen Michael Grieningers, von welchem fie an 
Johann Barthold überging, der bei der Erzählung der Religionsbe: 
drüdung von 1643 mehrfach genannt worden if. Nach dem Tode 
desfelben kam die Apothefe um 1656 als Erblehen an defien Tochter, 
beziehungsweife an deren Ehemann, Chriftoph Müftemann, und nad 
diefem 1689 an defien Schwiegerfohn Johann Michael Salzert), ein 
Gefchlecht, bei welchem die Apotheke mehrere Generationen hindurch 
blieb. 

Sehen wir uns nunmehr aud ein wenig nad den damaligen 
Gaftbäufern und Herbergen-der guten Stadt Pforzheim um, ſo— 
weit fie in den Quellen genannt werden, aus denen diefe Darftellung 
geihöpft ift. Ihre Zahl war faum geringer, als jebt. In der Brö— 
Singer Vorftadt treffen wir neben den drei heute noch an derjelben 
Stelle wie vor 2 Jahrhunderten befindlichen Gafthäufern zum Trap: 
pen (Poft), zum goldnen Adler und zum Bären, der damaligen 
Poft, auch die Herberge zur Sonne, melde beim obern Grabenthor 
ftand. Ihr Eigenthümer war Gebaftian Scherlin, während der Gaft- 
geber zum Trappen Balthas Nentfchler, 2) der zum goldenen Adler 


ı) Der Grabflein biefes erften Salzer, eines für jene Zeit ausgezeichneten 
Apothefers und Chemifers (F 1709), befindet fi auf der Südſeite der Fried— 
boffapelle. 

2) Ein „Trappenbans“ kommt fhon 1502 vor, ein Beweis, daß biefes 
Wirthohaus fehr alt ift. 


Sinfgehntes Kapitel. Pforzheim von 1648-1688. 461 


Hans Georg Dftertag und der zum Bären Mathis Kiefer, nah ihm 
Ambros Defchler hieß. In der Aue finden wir die Gafthäufer zum 
weißen Rößle von Otto Beh, zum Einhorn von Ehriftian Beckh, 
beide an derfelben Stelle, wie heute noch, ferner den Hirſch von Jo— 
bann Hafner und den wilden Mann von Ambros Lötterlin. In der 
Altftadt waren die Gafthäufer zum Engel von Ehriftoph Haffert, zum 
Sternen von Hans erg Lotthammer und zur Tanne bei der Alt- 
ftädter Brücke. Die eigentliche Stadt befaß folgende Gafthäufer : 
Zum Lamm, welhes das Ed der Bröginger: und Lammgafje bildete 
Calfo wo jet Kaufmann Schad) und Rudolf Sold gehörte; zum wei— 
Ben Laub (Ehriftian Sold) in der Lammgafje neben dem von le: 
hingen'ſchen Haus; zur Höllen (Chriſtoph Ganfer, fpäter Otto Beckh) 
am Et der Brößinger: und Blumengafje (wo jet Konditor Trommer); 
zur Blume (Hans ‘erg Schönherr und nach ihm Heinrich Bauer) in 
der Blumengafjez zum goldenen Laub auf dem Markte neben dem 
Ihwarzen Adler, der auf der gleichen Stelle wie jegt ftand und 
damals einem Geiger gehört zu haben feheint; zur Krone unten am 
Markte, welches Gaſthaus Martin Scnellin und nad ihm Bernhard 
Heufchlof gehörte und das Recht hatte, jährlich) 15 Ohm Wein frei auszu— 
Schenken; zum goldenen Kalb in der Mebgergaffe; zum Rappen 
in der untern Tränfgaffe, zuerft Ulrich Lutz, dann Philipp Sold und 
zuleßt Georg Stieß gehörig; zur Kante (1654 Hans Peter Vol, 
fpäter Chriſtoph Abrecht), ebenfalls in der Tränkgaſſe an derfelben 
Stelle wie jest; zum Ochſen (Martin Zoller) in der Ochfengafle; 
zum Löwen (Hans Jakob Mitjhdörfer und nad ihm Balth. Hoppius) 
in der Altftädter Straße unterhalb des Nathhaufes; zur Roſe (Hans 
Beh) in der Roſengaſſe. Außerdem geſchieht auch der Gafthäufer zum 
Schwert (Chriftoph Yeonhardt) und zum goldenen Schwan (H8. 
Ib. Schickh, nad ihm Hs. Ib. Scheidlen), ebenfo einer Herberge zum 
„Lainbalhier“ (2) von Johann Michael Defchler Erwähnung. Da 
ferner aud ein „Judenhof“ in der Tränkgaſſe genannt wird, der ver: 
muthlich die Herberge der Iſraeliten war; da auch in jener Zeit 
noc jeder Weinbergsbefiger das Recht hatte, feinen Wein felber aus- 
zufchenfen und die Zahl folher „Gaſſen-“ oder „Heckenwirthe“ nicht 
gering angefchlagen werden darf; da e8 endlich auch an Bierfiedern nicht 
fehlte (1676 Jakob Beth, 1679 Joh. Beder aus Straßburg, wozu 
1695 noch Michael Peter Stieß kam), ja die Stadt felbft fogar einen 


469 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648-1688. 


Bierhandel betrieb, für welchen ein eigener Verwalter (1664 Johann 
Schauber) gefett war: 1) — fo mag daraus entnommen werden, daß 
in Pforzbeim vielleicht mehr als hinlänglich Gelegenheit vorhanden war, 
den Durft zu ftillen, ja aud etwas darüber zu trinken. Wenn die 
Zahl der Wirthe im Juni 1692, alfo während der traurigften Zeiten 
des orleans'ſchen Krieges und nach zwei vorausgegangenen furdhtbaren 
Bränden, denen der dritte im September desjelben Jahres nachfolgte, 
noch zu 30 angegeben wird, fo läßt fich daraus ſchließen, daß fie vor 
dem Krieg ungleih bedeutender war. Ob alle Wirthe gute Geſchäfte 
machten, ift nun freilich eine andere Trage, die in Anbetracht des Um: 
ftandes, daß betipielweife 1658 gegen drei Wirthe, nämlich den Löwen⸗, 
Kronen: und Bärenwirth, faft gleichzeitig das Gantverfahren eingeleitet 
wurde, vieleicht nicht ganz günftig beantwortet werden Tann, 

Die Zahl der damaligen Privathäufer der Stadt genau anzugeben, 
ift nicht mehr möglich. Jedenfalls waren es ihrer bedeutend weniger, 
als e8 jet find, da feither gar viele, früher Teere Pläbe überbaut wur- 
den und vor 200 Jahren manche öffentlichen Gebäude, wie die Klöfter, 
bie Klofterhöfe, die Chorherrnwohnungen 2c. außerordentlich viel Raum 
einnahmen. Die meiften Häufer, mit Ausnahme derer der Adeligen 
und der vermöglichern Bürger, waren Hein, oft nur einftödig, unbequem 
gebaut und mit dem Giebel gegen die Straße gerichtet. Jahrzahlen, die 
aus der Zeit vor dem orleans'ſchen Krieg ftammen, finden fih an Häu— 
fern ꝛc. noch folgende: A612 Weberrefte eines Poſtamentes an einem 
Haus im Kappelhof (Wittwe Schufter), 1612 Jahrzahl über einer 
Kellerthüre im Kloftermühlgäßchen, 1617 Gartenpfoften oberhalb der 
obern Augaffe, 1618 Haus in der untern Augaſſe (jetzt übertündt) 
41620 Haus in der Kauzenbach, 1636 Scheuer im Schulgäßchen, 
1643 Grabftein in der Thorfahrt der Menzihen Brauerei 
(Handelsmann Reh mit Frau und fünf Kindern, von dem 
frühern Beſitzer des Hauſes, dem Zimmermann und DBierbrauer 
K. L. Mutſchelknauß, deſſen Frau dem Geſchlechte des Reſch ent: 
ſtammte, bei Abbruch des Kreuzkirchleins dahin verbracht), 1664 Gar: 


1) Diefer Handel wurde nun freilih zum Theil mit fremdem Geld betrie- 
ben, wie daraus entnommen werben kann, daß 1665 der Spezial Erab von 
ber Stadt bie 100 Reichsthaler (ſammt 3 verfallenen Zinfen) zurüdverlangte, 
bie er berfelben zum Bierhandel geliehen habe. Lebterer wurde erft zu Anfang 
bes vorigen Jahrhunderts aufgegeben. 


Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648—1688, 463 


tenpfoften in der Mtftadt, 1667 Gartenpfoften im Holzgartenweg. — 
Der adeligen Häufer gab es vor 200 Jahren in Pforzheim immer noch 
fehr viele und es dürfte nicht unintereffant erfcheinen, diefelben unter 
Angabe ihrer Lage, fo weit dies möglich ift, hier abermals aufzuführen. 
Beim Brößinger Thor, wo jet das Erhardt'ſche Haus fteht, befand 
fi) das freiherrlih von Hohenberg-Hochdorf'ſche Haus, und ein 
Beweis für feine Größe ift der Umftand, daß es 1661 um die für die 
damalige Zeit bedeutende Summe von 2000 Gulden an den Amtsfeller 
ob. Bernd. Weiller verkauft wurde. Nahe dabei lag das von Hall 
wyl'ſche Haus. In der Bruder: oder Lammgaſſe Tagen das 1567 
erbaute von Flehingen’she und das von Remchingen'ſche Haus, 
unten am Schloßberg das von Menzingen’sche und das von Kal: 
tentbalihe, weiter oben am Scloßberg das Göler von Ravens— 
burg'ſche; da, wo jeht Chriſtoph Beder, ftanden vor 1648 das von 
Schornftetteniche, 1649 das Schen? von Winterftetten’fche und 
das von Remchingen'ſche Haus, auf dem ehemaligen Kirchhof der 
Barfüßer das von Gemmingen-Steined’fhe und in der obern 
Pfarrgaffe unterhalb des Schlofjes das 1555 erbaute von Schauen: 
burg’iche fpäter Mäntel von Steinfels'ſche Haus (jegt Maier und 
Beltman). Unten am Marktplat (wo jest Auguft Kayſer) finden wir 
die freiberrlih von Rieppur'ſche Behaufung, die 1681 dem Hofmeifter 
des Markgrafen Karl Guſtav, Eitel Friedrich von Nieppur zu Ober: 
mönsheim, gehörte, der noch ein zweites Haus vor dem Altftädter Thor 
befaß. Nicht weit davon, nämlich bei der Eichmühle, Tag das von 
Reyſchach'ſche Haus (wahrfcheinlih wo jebt Schneider Krimmer), 
defien jchon 1658 als dort ftehend erwähnt wird und das am 27, Juli 
1676 der Küfer Hans Balthas Saif von Jakob von Reiſchach, Fort: 
meifter zu Leonberg und feinem Vetter, bez. Bruder Ludwig Eberhard 
und Georg von Reiſchach, um 400 Gulden käuflich erwarb. Abermals 
in der Nähe war ein anderes hochadeliches Haus, nämlih das Kech— 
ler von Schwandorfihe in der Mebgergaffe, eigentlich 2 Häufer, 
ein altes und ein neues, mit einem ummauerten Hof und Garten, zu: 
fammen der „Kechlerhof“ genannt, welches hinten auf den von 
Reiſchach'ſchen Garten ftieß, und am 15. Dezember 1679 am den Fuhr: 
mann Hans Raufcher um 450 Gulden verkauft wurde, Die Kechler 
befaßen aber nod ein Haus in der Ochſengaſſe (etwa wo jetzt Johann 
Kiehnle), wofelbft auch 1658 das Haus Bernhards von Baden 


464 Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648—1688. 


ftand. In der Viehgafje war das Gred von Kochen dorf'ſche, in der 
Artftädter Straße das von Storfhedelihe Haus, das 1687 Bier: 
fieder Beder in Pacht Hatte. In letzterer Straße befaßen aud bie 
Herrn von Leutrum zwei Häufer (jett Kaufmann Hepp bis hinunter 
zu Fabrikant Groß, und Unter&deriche Bierbrauerei). Endlich ift 1681 
auch no von einem Gremp von Freudenſteinſchen Hausplag vor 
dent Altenftädter Thor neben dem von Rieppur'ſchen Haus die Rebe, 
Außer diefen Adelsfamilien werden auch noch andere als zu jener Zeit 
in Pforzheim wohnend angeführt, 3.3. die von Dw, von Hartungs- 
haufen, von Sternenfels In das Mäntel von Stein 
fels’ihe Haus heirathete damals ein Franzoſe, Herr de Macaire, deſſen 
Nachkommen noch Tange ihren Sit in Pforzheim hatten. Unter den 
Adelichen, welche wenigjten Güter bei, wenn auch, vielleicht Feine 
Häufer in Pforzheim befagen, war auch der Herr von St. Andre zu 
Königsbady. 

Zur Bervollftändigung des Bildes, das hier vom „alten Pforz- 
beim“ entworfen ift, mögen noch einige Notizen über die Bevölferungs- 
verhältniffe der Stadt im 17. Jahrhundert bier angeführt werden. Die 
Zahl der Einwohner ift in den Quellen, woraus dieſe Darftellung 
geihöpft und zufammengetragen wurde, nirgends angeführt ; doch läßt 
fie fih nach der Anzahl der Geburten, über welche die alten Kirchen: 
bücher Auskunft geben, annähernd beredinen. Die Durhfchnittszahl der 
in den Jahren 1607—1634 in der Stadtgemeinde jährlich Geborenen 
ift 126. Zählen wir hiezu die im der Altjtadt Geborenen mit der 
doppelten Durchſchnittszahl der fpätern Zeit, nämlich mit 22 (ein Alt: 
ftädter Kirchenbuch aus jener Zeit ift nicht mehr vorhanden,) und neh: 
men wir an, daß nad dem gewöhnlichen Verhältniß ein Nengeborener 
auf 26 Seelen kam, fo ergibt fidy für Pforzheim eine Bevölkerung von 
3848 oder in runder Summe von 3900 Seelen für dag erfte Drittel 
des 17. Jahrhunderts. In der zweiten Hälfte des dreißigjährigen 
Krieges nahm die Bevölferung bedeutend ab, jo daß fie, wenn mar bie 
gleihe Rechnung, wie fo eben, wieder zu Grunde legt, um 1650 faum 
2400 Seelen betragen haben kann. Bon diefer Zeit an aber zeigt fi 
wieder eine allmälige Zunahme, fo daß die Zahl der Einwohner vor 
dem Ausbruch des orleans'ſchen Krieges wieder zwifhen 3 und 4000 
betrug und die Bürgerfchaft, die nocdy 1676 nicht viel über 370 Mann 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688, 465 


ſtark war, im Sabre 1688 deren wieder 548 zählte, wovon auf die 
Altjtadt zwiſchen 40 und 50 Eamen. \ 

Ueber die Tage und nähern Umgebungen Pforzbeims fteht in oben 
ſchon erwähnten Werke, das eine Abbildung Pforzheims enthält, 1) unter 
Anderm Tolgendes: „Pforkheim liegt am Hagenſchieß vnnd den Grän- 
zen dep Craichgows, dadurch die*Enb, ein mittelmäßig Waffer fliefjet, 
fo gar fiſchreich, jonderlih an Eichen ift, vnnd füllet darben die Nagolt, 
vnd in dieſelbe vnfern die Wirm, dareyn. Es machen derjelben Ge— 
ſtad, die Wieſen herumb, vnnd die nahliegende Berg, da man zu dem 
Schwarzwald kommt, vnnd auff der andern Seiten die fruchtbare Aecker, 
vnnd ſchöne Gärten, allda eine gewaltige Luft. Unnd kommt beſagter 
Fluß Entius nicht gar ſonders weit von dannen in den Neckar; da es 
eine vber die maſſen luſtige Gelegenheit am Neckarſtrom hat, daß man 
es wol einen Garten nennen kann, darvon die Charitini, ſo hierumb 
gewohnt haben ſollen, vielleicht ihren Namen bekommen. — Das alte 
Schloß, wie auch die Kirch allda ſeyn wol zu ſehen, darinn etlicher 
Herrn Marggraffen von Baden Begräbnuß, wie auch Marggraff Alb— 
rechts von Brandenburg” u. ſ. w. — An einem andern Ort?) heißt 
e8: „Pforgheim ift ein feine wolgebaute durlachifche Stadt an der Eng, 
allda die Naab darein kommt, an denen Grentzen des Greichtgavs, am 
Eingang des Schwarkwaldes, wenn man von Speyer kommt, in einer 
wegen der Wiefen und nahe anliegenden Bergen überaus Iuftigen Gegend 
gelegen.” — „Das alte Schloß, wie auch die Kirch ift da wol zu jehen, 
darinn der Herin Marggrafen eines Theils Begräbniß, unter welchen 
dann auch Marggraf Albrecht von Brandenburg ift“ ꝛc. 


$ 3. Blicke ins ſtädtiſche Gemeinleben. 


Die Zufammenfebung der ftädtifchen Behörden war noch immer . 
diefelbe, wie wir fie bereits früher (S. 231) kennen gelernt haben, An 
der Spite des ftädtifchen Gemeinweiens jtand der Bürgermeifter, 
der in dem aus 12 „NRathsverwandten” zufammengefeßten Rathe den 
Borfig führte Das Gericht Hatte diefelbe Zahl von „Gerichtsver— 


1) Zeilers Topographia Sueviae, 

2) Der durchleuchtigſten Firften und Marggrafen von Baaden Leben, Res 
gierung, Großthaten und Abfterben ac, Frankfurt, 1695. 

Pflüger, Pforzheim, 


466 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648— 1688. 


wandten”, und wurde jetzt vom Untervogt (früher Schultheiß) präfidirt. 
Die Stelle eines Bürgermeifters beffeideten in der Zeit von 1650 bie 
1690: Georg Weeber, Nikolaus Euchele, Hans Martin Faß: 
naht, Hans Gall Kittel, Michael Peter Stieß, Johann Jakob 
Deimling und Martin Zoller. Als Mitglieder der beiden ſtäd— 
tiſchen Kollegien, die aber häufig nicht volljtindig waren, werden ges 
nannt 1665: Gg. Weeber (Bürgermeifter), Wendel Fiih, Scherle, Hs. 
Stieß, Balth. Schill, Fleiſchmann, Frauenpreis, Michael Peter Stich, 
Ehrift. Ganſer, Wanner, Rud. old, Hs. Gall Kittel, Abrecht, Schau: 
ber, Melter, Krenkel, Kanzler, Flacht, Zoller, Langjahr; 1656: Mart. 
Zoller (amtstragender Bürgermeifter), Job. Fb. Deimling, Mi, Pet. 
Stieß, Hs. Ulrih Kiefer, Eberle, Holdmann, Scheidlin, Wilderfinn, 
Herbfter, Kercher, Ungerer, — Meerwein, Fauler, Mol, Burkhardt, 
Bub, Schnell, Maier, Kornmann, Abrecht, Lötterle, Oftertag. — Ge: 
meinjchaftlihe Situngen beider Kollegien follten eigentlich) jede Woche 
ftattfinden, und nahm der Obervogt dann und wann, der Untervogt 
häufig daran Theil. Indeſſen fielen auch manche Situngen aus. (1684 
waren 39 'ſolcher Situngen; der Oberwogt allein nahm 3 Mal, ber 
Untervogt allen 16 Mal, beide Beamten zufammen 9 Mal daran 
Theil.) — Die Stelle eines Obervogts bekleidete um 1650 Engelhard 
Göler von Ravensburg, 1658 und die folgenden Jahre Hugo 
Ernſt von Landenberg, 1663 Tobias Spindler, fpäter in den 
1670er Jahren Phil. Jak. von Botzheimb. Als Untervögte wer: 
den aus diefer Zeit genannt: 1657 Joh. Sb. Ferber, 1675 ob. 
Burkhardt Keller, nad diefem Erhardt Kieffer. — Außer den 
ordentlichen Sitzungen Gerichts und Raths Tonnten in Partiefacdhen auf 
befonderes Verlangen auch außerordentliche ftattfinden; doch mußte jede 
der ftreitenden Partien dafür eine Taxe von 4 Gulden bezahlen, welche 
ber gewinnende Theil vom andern wieder verlangen durfte. Jedes Mit: 
glied des Raths und Gerichts durfte den Ehrentitel „Herr“ führen, der 
fonft nur den fürftlichen Beamten und Geiftlihen zufan. Die voll: 
ftändige Anrede an Bürgermeifter, Gericht und Nath, welche im Dienft- 
wege gebraucht werden mußte, Iautete: „Wohlehrenfefte, ehrenfefte, hoch— 
und mohlgeachtete, fürfichtige, ehrfame, hoch- und wohlweiſe Herren amts- 
tragender Bürgermeifter, Gericht und Nath, gnädigfte, hochgeehrtefte, 
hoch- und vielgeehrte Herren!“ — Ihre Amtswürde wußten die Herrn 
ftreng zu wahren, und jede Verletzung derfelben wurde jcharf geahndet, 


Fünfzebntes Kapitel, Pforzheim von 1648—1688, 467 


Eine Beleidigung des Bürgermeifters hatte für den Thäter troß feiner 
Bitte um Verzeihung 1678 eine Gefängnißitrafe von 24 Stunden und 
eine Geldftrafe von 2 Pfund Pfennig zur Folge. Als Einer 1683 
einen Rathsherrn einen Stadtfnecht geheißen, mußte er, weil er ein 
„groß Unrecht” begangen, 1 fl. 41/, Strafe bezahlen. Noch jchlimmer 
kam eine Zuhrmannsfrau weg, die 1664 einen Rathsherrn einen „Narren“ 
und Heinen „A—wifch” geheißen hatte, Schwer mußte auch der Bürger 
Hans Lug 1666 die Folgen einer Verläumdung empfinden. Von Sei— 
ten der ftädtiichen Behörde war nämlich an die Zünfte in jenem Jahr 
die Eröffnung gemacht worden, daf fie fich aller geheimen Zufammen: 
fünfte enthalten und nicht gleich mit jeder Klage am die fürftliche 
Kanzlei wenden, fondern dieſelbe zuerft bei Amt und Rath vorbringen 
follten, Darauf bin machte befagter Lutz bei fürftlicher Kanzlei die 
Anzeige, es feien die Zunftmeifter aufs Rathhaus befchieden und ihnen 
eröffnet worden, daß Feiner mehr bei 10 Thaler Strafe bei Sr. fürſtlichen 
Durchlaucht etwas Hagen folle, oder man werde Einen oder Etliche 
nehmen, nach Durlach führen, ihnen die Köpfe vor die Füße legen und 
ihre Weiber und Kinder zur Stadt hinaus jagen; dabei fei ihnen bes 
fohlen worden, zu der ganzen Sache ftill zu fein ac. — Da fich bei 
vorgenommener Unterfuhung diefe Angaben als grobe Verläumdung 
herausftellten, jo wurde Lutz zur Strafe ins Käficht des Brößinger 
Thors geſteckt, mußte fi aller ehrlichen Zuſammenkünfte, Gejellihaften 
und Zehen bei Strafe von 10 Pfund Pfennig enthalten und durfte 
bis auf Weiteres außerhalb der Pforzheimer Gemarkung bei gleicher 
Strafe keinen Fuß ſetzen. Solch ftrenges Verfahren mußte nun freilich 
einen heilſamen Schreden einflößen und zur Wahrung der Autorität 
der Ortsobrigkeit Fräftigft beitragen. In ähnlicher Weiſe wurde aber 
auch. das Anfehen fonftiger ftädtifcher Bedienfteten geſchützt. Der Met: 
ger Rapp wurde 1689 um 10 Schilling Pfennig geftraft, weil er ges 
fagt, man müfje den Fleiſchſchätzern Brillen auffegen, und Metzger Mid). 
Bud mußte gar 1 Pfund Pfennig Strafe bezahlen, weil er die Aeuße— 
rung gethan, man henke Keinen, man babe ihn denn zuvor. 

Die Mitglieder der ftädtifchen Kollegien bezogen feine Bejoldungen; 
nur der Bürgermeifter erhielt aus der Stadtkaffe jährlih 10 fl. 40 kr. 
welhe Summe jedoch 1683 auf 32 fl. erhöht wurde, Auch Diäten 
wurden nur felten ausgeworfen; dafür wurde, wie früher ſchon (S. 208) 
erwähnt, ein „Trunk“ gethan, aud eine Mahlzeit — Am 


468 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648-1688. 


Tage der jährlichen Bürgermeifterwahl wurden von Gericht und Rath 
die Zinfen der oben (S. 286) angeführten Stiftung des Kanzlers Acht: 
ſynit zu einem Trunk verwendet. Dafür wurden 1683 verzehrt 4 Maaß 
jpanifchen Weins a 1 fl. 4 kr., für Maftir (!) wurden 4 kr., für 
Semmeln 15 fr. ausgegeben. Wehnliches ſcheint damals jedes Jahr ge 
ſchehen zu fein; wenigitens ift davon auch 1687 wieder die Nede, nur 
daß es dort zu 4 Maaß und 24, Schoppen des fpanischen Weine 
reichte, den der Apotheker Wilhelmi zu liefern hatte. Ebenſo wurde bei 
der jährlihen Abhör der Bürgermeifterre[hnung immer eine Mahl: 
zeiten gehalten, an weldyer die fürftlichen Kommiſſarien (1683 die geh. 
Hof: und Kammerräthe Johann von Efjen und Joh. Heinr, Abrecht), 
die Beamten, der Bürgermeifter und ſämmtliche Mitglieder des Gerichts 
und Naths Theil nahmen, und deren Koſten der Stadtſäckel tragen 
mußte, Diefe beliefen ſich 1693 auf 31 Gulden 18 Kreuzer, wozu 
noch 4 Gulden Fuhrlohn, die Diäten dev fürftlichen Kommiſſarien und 
des Kanzliften famen. Da folde und andere, wie es fcheint des Jah— 
res mehrfady fich wiederholenden Mahlzeiten die Stadt viel Geld 
fofteten, fo fam dafür der Gebrauch auf, allen Perſonen, die fonft da- 
ran Theil genommen hatten, jilberne Xöffel auf GStadtkoften zu 
verehren. So wurden bei der Abhör der Bürgermeiſterrechnung 
1688 30 folcher filberner Löffel ausgetheilt, nämlich an die fürftlichen 
Kommiffarien, geh. Rath Johann von Efjen und Kammerrath Kipling, 
bie Pforzheimer Beamten, den Stadtichreiber, die Protofolliften und 
die 24 Gerichts: und Rathsherrn, und erhielt dafür der Goldſchmied 
Nikolaus Burkhardt 92 fl. 74/, Er. ausbezahlt. Trotz diefer Aende- 
rung wurden im Jahr 1684, wo folche Schon ftattgefunden hatte, 244 fl. 
281/, tr. für „Zehrung” ausgegeben. — Als am 7. November 1688 
der neue Wein auf dem Rathhaus verſucht wurde, um die Tare ‚des- 
ſelben zu beftimmen, ift ein Trunk gethan und dabei verzehrt worden 
2 f. 15 fr. 

Ale fonftigen ſtädtiſchen Bedienfteten bezogen Bejoldungen, denen 
num freilich) der Geldwerth jener Zeit zu Grunde lag. Diefelben fchei- 
nen im Jahr 1683 neu regulirt worden zu fein, wie ſchon aus dem 
oben angegebenen Einfommen des Bürgermeifters hervorgeht, Es dürfte 
für die Leſer von Intereſſe fein, dieſe Bejoldungen hier angegeben zu 
finden. Folgende Zufammenftellung mag damit zugleich als Ergänzung 


Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648—1688,. 469 


der Liſte der ftädtifchen Angeftellten dienen, die oben (S. 237 ff.) mit: 
getheilt worden ift. Es erhielten: 
Der Stadtichreiber Götz 
an Befoldung . . 2 2.40 fl. — fr. (1682 noch 12 fi. dr.) 
für. Bapier und Dinte . . 8.20. 
für den Hausverbraud an Holz 40 fl. — fr. 


zufammen 85 fl. 20 fr., | 
Der Stadtphyſikus Joh. Burkh. Mögling 20 i, der Baumeiſter 20 
fl., der Kornfchreiber 5 fl., der Weinſiegler 4 fl. 171/, fr, der Maß: 
pfennigeinziehev 2 fl. 20 Er., der Fleiſchwäger 5 fl., der Waſchhausver— 
walter 6 fl, der deutfche Schulmeifter 15 fl. (1682 noch 3 fl. 45 kr.), 
der Zinkeniſt 10 fl. (1682 noch 2 fl. 30 kr), 3 Hebanımen jede 7 fl. 
und 3 SKlafter Holz (1682 jede mur 1 fl. 45 fr.), der Waldſchütz 
24 fl., der Stadtneht 26 fl., die Brodbeſchauer je 2 fl. SO kr., 
die Fleiſchſchätze 2 fl. 30 kr., Organift Dürr 10 fl, der Thor: 
wächter des Altftädter Thors 7 fl. IL Er, der Büchfenhalter, Wer: 
renſchließer und Beſchließer dafelbft 6 fl. 30 kr., der Thorwächter 
am Bröginger Thor 14 fl. 21 Fr., der Beſchließer dafelbft 2 fl., 
der Thorwächter am Steinbrüderthor 7 fl. 51 fr., der Beſchließer da- 
ſelbſt 2 fl., der Thorwächter am Auerbrunnenthor 8 fl. (derfelbe war 
zugleih VBormitternachtsmächter in der Au und mußte auch die Uhr 
dafelbft aufziehen), 2 VBormitternachtswächter jeder 13 fl., 2 Nacmitter: 
nachtswächter jeder 11 fl., der Hochwächter auf dem Bröbinger Thor 
16 fl., die Schließerin des Hillertbors 1 fl., des Schäferthors 2 fl., für 
dag Auf: und Zufchließen der Werren (Wehre) an der Altftädter Brücke 
1 fl. 30 kr., Thorwächter am Heiligkreuztbor 3 fl., Thorwächter beim 
obern Grabenthor 2 fl., Sägverwalter 20 fl, Außerdem werden theils 
als ftädtifche, theils als folche Bedienftete, gegen welche die Stadt wenig: 
ſtens DVerbindlichfeiten hatte, erwähnt: Der Stadthauptmann (hatte 
freie Station von der Stadt anzufprechen), die 2 Stadttrommler erhiel: 
ten zufammen 10 ft. 1) (1687 wurden für diefelben 2 neue Trommeln 
aus Ettlingen bezogen und Tofteten 7 fl. 15 kr.), eine Wärterin auf 


1) Zu Stadttrommlern wurden 1687 Ernft Friedrih und Tobias Heild 
beflimmt. Die „faulen Kerle” wollten aber zuerft nicht, weshalb ihnen zur 
Strafe unterjagt wurde, bei Hochzeiten und Tänzen aufzufpielen, 


470 Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648—1688. 


dem Rathhaus oder die fogenannte Rathhausfrau. — Die Math. 
Buck'ſche Witwe, welche die ordinäre Poft (d. h. Botengänge) nad 
Durlach verfehen ließ, erhielt 4 fl. (Meben diefer „oft“ wird 1684 
noch einer „Straßburger Landkutſche“ erwähnt, die wöchentlich nad 
Stuttgart ging. Derfelben war Meggeldermäßigung zugeftanden.) 
Die Gefammtjumme der Befoldungen belief fi 1683 auf 387 Gul- 
den 48 Kreuzer. 

Um die jährlichen Ausgaben, welche die Stadt in jener Zeit hatte, 
fowie die Einnahmen, welche zur Dedung derfelben dienen mußten, ganz 
überfehen zu können, möge hier ein Auszug aus der Bürgermeifter: 
rechnung von 1683 folgen, welcher zugleich Stoff zu intereffanten Ver: 
gleihungen bieten mag. 


Einnahme 


Betrag. Reit. 

fl. fr. fl. kr. 
DIEB: ut 598 ATi, — — 
JJ 354 45 — — 
Stanogeld. .. — 10 391), — — 
Hanfwage, Wagtiſch ib Dip > ä 5 34 — — 
Mepgld . . . . — 12 36 — — 
Umgeld mit Mafpfennig . Er 244 11 ee N 
CHEUBEN sn 4 45il, — — 
Biehunterfuf 2 2 2 2 nn nn 04 19 — — 
Sahewim . 2 2 2 2 20. 97 .— er ie 
Hausweinumgld . . 2. 2.2. 5 413/, _ — 


Biundil . 2 2.2 4% 396 45 er 
Jährl. Gülten . . 2 2 20. ..10964 271% 10896 32 


Unbeftändige Gülten . . 2... 247 531%, 34 50 
Gültrükftände von früher. -. . . 144 491), 48 45 
Alte Rüdftände. -. 2 2 2.20. .629 5617, — — 
Landadt . . . . . — 30 — — 
Von den Waſchhaufern Er — — — 50 — 50 — 
Aus Aſche rlött . . 2 2 2. 738 — — 
Bom Aus. 2... 220% 8 423), — — 
Bürgergelder. . .. end. 149 12 70 58 


Zu Hilf der Armbruft: u, Bücjfenfhüßen 126 4 414 58 


Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648 -1688. . 471 


Betrag 

fl. fr. 

Strafen und Rügung . . » . - 50 464, 

Rüdfinde - » 2: 000. 68 le 
Eiherlft . «2 2 000. 3 16 
She. . 2 0000“ 295 31 

Bom Sägmeifr . . . . 450 4115, 
Ausftände v. a. Brüsten . — 32 
Debmengeld . .. : 316 3 
Ausftände dvon 2... 3 22 
Pirhed - -» 2000. 24 56 
Vom Zieglerzeug.. — 2 
Ausſtände von Lagergeldern . . . d — 
Erfaß für Zehruung 2 — 
Beifibgelder . » - 2 ee. 17 46 
In Gemein.. 116 19 


Ausſtände in Gemein. 12 221), 


Summa . 15399 333/, 
11294 51 


11294 51 


Mirkliche Einnahme . 4104 423, 


Ausgaben. 


Angelegte Hauptgült . 

Jährliche Gülten 

Bejoldungen 

Zehrungen 

Berehrungen 

Schmebende Späne — Gerichtshandei 
Poſtritt und Botenlohn . F 
Verbaut 

Fuhrlohn von Klafterholz 

Verpfläftert . 

Für Tuch . . 

Den Armbruft: — Biöfniken 
Tür Brennbo . » > er. 


472 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648— 1688. 


2 fl. tr. 
SOrtterlohnn 5 et 2 9 
Hanerlon zo 0 0 0 0: 19 4 
I EUcseL. « u. ae. Be ee er, 31 38 
Reifach zu hauen 200 1 30 
SEHIEGBRONEN > car 17 16 
Shmengele &..02.. 0% ee AN 
Um Gotteswillennn. 11.37 
MSOUHOlE: 2 13 — 
AO 5 6060 
EIERN 5. % 81% 
3709 39 
3ufammenftellung. 
fl. fr. 
Wirkliche Einnahmen . 2 2 2 424104 423, 
— 5 2 Sr. ee ea u 0 


Kaſſenreſt . 395 33, 

Zu manchen diefer Einnahms- und Ausgabspoften find einige Be: 
merfungen nothmwendig. Als bedeutendfter unter den erftern erfcheint der 
Pfundzoll. Darunter ift die Kauf-, Erbſchafts- ꝛc. Accife zu ver: 
fteben, welch erftere aber niht nur von Gütern und dgl, fondern auch 
von Waaren, ja vom Holz erhoben wurde. Im Privilegienbrief von 
149 (©. 226) war aller Pfundzoll von Handel und Gewerben in 
Pforzheim auf 1 Pfennig vom Gulden ermäßigt worden, wogegen ſich 
die Herrichaft din alleinigen Bezug desfelben nad hergebrachter Sitte 
vorbehielt. Dieſe Beſtimmung wurde jedoch 1675 durch einen Vertrag 
zwifchen der Stadt und der Herrfchaft dahin abgeändert, daß der 
Pfundzoll in Pforzheim auf den gleichen Betrag, wie er im ganzen 
Land erhoben wurde, unter der Bedingung erhöht werden follte, daß 
die Stadt davon den vierten Theil beziehe (der ihr indeß fehr un: 
regelmäßig ausbezahlt wurde, was ſchon 1678 und 79 Klagen hervor: 
rief), Diefe Menderung, obgleich fie der Stadt eine bedeutende Ein: 
nahmsquelle eröffnete, erregte jedoh unter der Bürgerfchaft große 
Unzufriedenheit, wie oben fchon angedeutet worden ift, und bildete 
auch einen der Beichwerdepunfte, die beim fpäter ausgebrodhenen 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648 — 1688. ‚473 


Privilegienftreit zur Sprache kamen. — Einen anſehnlichen Einnahme: 
poften bildete aud) das Weggeld, das ziemlich Hoch war umd darum 
von Seiten nahliegender Gemeinden, jo 1678 von Stein, Beſchwerden 
bervorrief. Ein Jude, der 1672 während der Mittagpredigt mit Vieh 
durch die Stadt zog, mußte 6 Kreuzer bezahlen; (Teider vertranf es 
die Thorwartin!) — ein anderer zahlt für 60 Stüd Vieh 1 Gulden; 
zwei find durchs Brötzinger Thor gefahren, zahlen 2 Baten, 2 Schwei: 
zerwägen 4 Baten, 1300 Stüd Schafe koſten 5 Gulden Weggeld. 
Daß von der Einnahme an Gülten fait die ganze Summe im Rück— 
ftand blieb, erfcheint auffallend, rührt aber ohne Zweifel daher, daf 
diefe Zinfen oder vielmehr die Kapitalien, aus denen fie floffen, im 
Grund nicht mehr eriftirten, da faft ſämmtliche Häufer, auf welche die 
Stadt ihre Kapitalien ftehen hatte, im dreigigjührigen Krieg abgebrannt 
waren. Deffenungeachtet wurde diefer Posten in den Stadtrechnungen 
fortgeführt, vielleicht um das Andenken daran, daß die Stadt auch eins 
mal bedeutende Kapitalien beſeſſen, lebendig zu erhalten. — Unter 
Landacht oder Nachzelg ift eine Einnahme von Almendgütern zu 
verftehen. Was den Abzug betrifft, jo erfehen wir aus dem Umftand, 
daß 1684 ein Strumpfweber aus Bretten, von in Pforzheim ererbten 
135 fl. — 16 fl. 12 tr. Abzug bezahlen mußte, daß letzterer 12 Pro: 
zent betrug, wovon die Stadt 5 Prozent, alfo 6 fl. 45 fr. erhielt. — 
Bon den Strafen und Nügen bezog die Stadt ebenfalls nur einen 
Theil, und zwar beifpielweife von einem Blutfrevel, welcher 4 fl. 20 Er. 
foftete, 1/3 mit 1 fl. 26 fr., von einem Xrodenfrevel a 1 fl. 28 tr. 
ebenfalls 1/, mit 29 kr., von einem großen Unreht 22 fr., einem Kleinen 
T kr, von jedem Nachtgulden 13 kr. Es dürfte nicht unintereffant 
fein, bier den Betrag noch anderer Geldftrafen angegeben zu finden, 
Mehrere, die am 9. Jan. 1665 die Nacht durchgezecht und gefpielt haben, 
zahlen 1 Nachtgulden und 5 Schilling „Spielainung“. — Hans Bölfter: 
lin der Efelsmüller muß, weil feine Ejel im Feld öfters Echaden ge: 
than haben, 1665 für jeden der 4 Efel 22 fr. „Feldrügung“ bezah— 
len. — Hans Würz kommt 1665 wegen „Fluchens“ 1 Tag und 1 
Naht in „Keffit“ und muß 10 Schilling Pfennig ins Almofen zahlen. 
— Zwei Männer, welhe am Bronnenwörth durch Einbiegung von 
Weiden ꝛc. ihre Miefen vergrößerten, werden 1667 wegen „Markver: _ 
letzung“ jeder um 15 fl. geſtraft. — Ein Jude zahlte 1673 wegen 

zu leichten Gewichts d Sch. Pfg., ein anderer 4 Sch, Pfg. — Ein 


474 Fünfzehntes Kapitel. Piorzheim von 1648— 1688. 


Bürger, der Wache fteht, it 1673 mit den Thorſchlüſſeln ing Mirthe- 
haus gelaufen, zahlt 10 Sch. Pig. — Ein Bäder zahlt 1674 wegen 
zu Heinem Brod 10 Sch. Pig. — Zwei haben 1674 am Sonntag 
gefifcht, zahlt Jeder 10 Sch. Pig. — Ein Mebger zahlt 1678 wegen 
Schlachtens eines beinbrüdigen Ochfen 10 Sch. Pig. — Ein Bäder, 
ber zu ſpät gebaden, muß 1686 die große Flaſche mit Wein und 10 
Sch. Pig. bezahlen. — Wer feinen Feuereimer bat, muß (1684) 
22 tr. bezahlen. — Winkelſchreiberei koſtete 1676 1 Gulden Strafe, 
ein verbotener Gartendurchgang 5 Pfd. Pfennig, unerlaubter Viehtrieb 
2 Sch. Pig. — Eine Frau, welche 1673 eine andere eine bucklichte 
Here hieß, mußte 3 Pfd. Pfg. Strafe bezahlen; eine andere Injurie 
foftete 1675 zwei Gulden ꝛc. — Vergehungen der Iektern Art wurden 
auch in noch anderer Weiſe beftraft. Im Lahr 1662 wurde Heinrich 
MWürz wegen Injurie und Zrodenfrevel in den Efelsftall geſetzt, feine 
Frau aber wegen böfen Mauls in die Geige gethan. — in Soldat 
(d. 5. Bürger), der 1678 feine Muskete im Rauſch auf feinen Offizier 
anfchlug, mußte zur Strafe bei der Hauptwache zwei Stunden lang zwei 
Doppelhafen tragen. — Tür Vergeben ſchwererer Art ftand auf dem 
fogenannten Galgenrain auch ein Hochgericht bereit. Dasfelbe wurde 
1697 reparirt, nachdem der Baumeifter Kercher die Anzeige gemacht, 
daß e8 verfault und dem Einfallen nahe ſei. — Unter den in ben 
Ausgaben vorkommenden „Verehrungen“ find Geſchenke zu ver⸗ 
ſtehen. Trotz ihrer oft mißlichen Finanzlage ließ die Stadt den alten 
löblichen Brauch nicht abkommen, ſich bei beſondern Anläſſen, namentlich 
Hochzeiten, zu welchen die ſtädtiſchen Behörden geladen wurden, ſplendid 
zu zeigen und auf die Einladung mit einem Geſchenk zu antworten. 
Ein ſolches von 6 Reichsthalern erhielt z. B. 1662 der Rechneirath 
Obrecht (Abrecht) zu Karlsburg, ebenſo der Diakonus Pauli; dem 
Untervogt Ferber wurde 1664 auf ſeinen hochzeitlichen Ehrentag ein 
ſilberner Becher verehrt von 29 Loth und 3 Quintlein Gewicht und 
32 Gulden Werth; Daniel Meeber erhielt 1665 eine Hochzeitsgabe 
von 8 Thalern für feine Tochter; Profeffor Arnold in Durlach 1665 
für die Einladung zu feiner Hochzeit 3 Rthlr.; 1682 befam ein Raths— 
berr zu feiner Hochzeit 3 fl.; der Sohn eines Gerichtsherrn ebenfalls 
3 fl. f. w. Meagifter Joh. Joachim Kiefer, der feine in Straßburg 
gehaltene Disputation dem Magiftrat widmete, erhielt dafür in ber: 
kömmlicher Weiſe 6 Ntblr., der Student Phil. Sigm. Elos in Durlach 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648-1688. 475 


für feine „disputatio de purgatorio* 6 fl.; — dem neuen Diafonus 
Sutor wurden 1694 (alfo fogar im Krieg!) 4 Gulden zum Willkomm 
verehrt; 1672 erhielt der Herr von Kroned, geh. Rath und Präfident 
zu Karlsburg, von der Stadt einen filbernen Becher und 2 Salzbüche: 
fein (von den Amtsfleden 2 Biertel Nedarwein), 1697 die Gemahlin 
des Präfidenten von Gemmingen eine filberne Suppenſchüſſel (30 Loth 
fehwer); der Oberrathsfefretäv Joh. Frd. Boch erhielt 1662 die von 
der Stadt verlangten Rahmenfchenkel wegen erwiefener Gefülligfeit um 
fonft u. f. w. — Die Ausgaben „um Gottes willen“ waren 
ebenfalls Gefchenfe oder Unterftügungen an Arme und Nothleidende. 
Sp erhielt 1684 ein Erulant aus Ungam 20 fr; der Marktfleden 
Pfalz: Sulzbah, wo „die Papiften die Kirche, Pfarr: und Schulhaus 
weggenommen haben,“ zur Erbauung einer neuen 1 Gulden; 1689 
wurden einem armen melandolifchen Studenten verehrt 3 fr, Solche 
Geſchenke an vertriebene Geiftliche, Schullehrer, invalide Offiziere und 
Soldaten, alte Leute ꝛc. kommen noch öfter vor. — Das in den Aus: 
gaben aufgeführte Dehmengeld ift der Zins für Benützung ber 
Herrfhaftswaldungen zum Eckerich (vergl. S. 219) oder zur Tichelmaft. 

Wie aus oben mitgetheiltem Rechnungsauszug erſichtlich, war zur 
Beftreitung der Gemeindebedürfniffe von der Erhebung einer fhädtifchen 
Umlage feine Rede, und die Bürger bezahlten eben fo wenig eine ftäd« 
tifche, als eine berrichaftliche ftändige und direkte Steuer. Deſto 
mehr wurden fie aber mit indirekten Steuern, als Umgeld, Mafpfennig, 
Pfundzoll ꝛꝛc. ins Mitleid gezogen, von denen die Herrfchaft und bie 
Stadt jede ihren Antheil erhielt. (Vergleiche den Privilegienbrief von 
1491.) In letzterm waren die Bürger von jeder direkten Steuer ohn:- 
Hin ausdrüdlich befreit; doch begegnen wir nad dem dreißigjäh— 
rigen Krieg ſchon öfters dem Namen der „Schatzung“, alfo einer 
Vermögensfteuer, die indeſſen nur den Charakter einer vorübergehenden, 
nicht einer ftändigen Steuer trug. (Bergl. ©. 357.) Sie wurde 
in Monatgeldern erhoben, welche 1663 zufammen 216 fl. alfo jährlich 
an 2600 fl. betrugen, eine für feine Zeit nicht unbedeutende Summe. 
Diefe Steuer erregte unter der Bürgerfchaft große Unruhe und Unzu— 
friedenheit und rief viele Beſchwerden hervor. So finden wir, daß 
1665 Veit Raub ſich über diefe Steuer, namentlich daß er zu hoch 
angelegt ſei und monatlich 1 fl. 431/, Fr. (alſo jährlih 20 fl. 42 tr.) 
bezahlen müſſe, bitter beklagt und um Mobderirung bittet. Die Herr 


476 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648— 1688, 


ſchaft Fonnte indejfen in Zeiten der Noth auch die „gefreiten” Städte 
von diefer Steuer nit ausnehmen, und die Bürger mußten fich, wenn 
auch ungern, zur Zahlung derfelben veritehen. Der lang verhaltene Uns 
wille darüber fam indeR, wie unten erzählt werden foll, erft zu Anfang 
bes 18, Jahrhunderts in Pforzheim im Privilegienftreit zum Ausbruch. 
Außer diefer Schatung begegnen wir 1663 aud einer „Türkenſteuer.“ 
Wie viel diefelbe betrug, weiß ich nicht. (MS fie 1663 eingezogen 
wurde, äußerte Jemand: Der Türk käme doch, man möge zahlen, fo 
viel man wolle.) Daß der Stadt im Miderfpruch mit den Beftim: 
mungen des Privilegienbriefes auch von Zeit zu Zeit Frohnden zu: 
gemuthet wurden, gebt aus mehreren. Stellen der Rathsprotofolfe jener 
Zeit hervor. Wenn jedoch aud die Stadt in manchen Fällen den Be- 
fehlen der Regierung Folge Teiftete, fo geihah es nie ohne heftige Pro: 
teftation. Auch ſonſt entftanden mehrfach Streitigkeiten zwifchen Stadt 
und Regierung, deren Beilegung in der Negel bei Abhör der Bürger: 
meilterrehnung verfudht wurde umd, wenn es möglich war, auch 
erfolgte. So trug u. U. die Stadt 1679 verichiedene „Gravamina“ 
vor, und zwar 1. wegen des Salzhandels; 2. wegen des Dehmengeldes ; 
3. wegen gegenfeitiger Forderungen; 4. wegen des Umgeldes vom Vieh, 
da8 die Juden fhächten; 5. wegen des fundzolles von Jud Wolf, 
ber nur von der Herrichaft erimirt; 6. wegen des Umgeldes vom herr: 
ſchaftlichen Weinſchank; 7. wegen der Singener Schuld, 

Ein an dem Wohlftand der Stadt au im der Folge immer 
nagender Krebs waren ihre ſchweren Schulden. Es ift ſchon früher 
auf diefen fhlimmen Umstand bingewiefen worden. Waren der Stadt 
einerfeitS die meilten Kapitalien, welche fie auf Häufern ftehen hatte, 
durch das Megbrennen derfelben verloren gegangen, fo war fie anderer: 
feits ſehr oft genöthigt, zur Dedung dringender Bedürfniffe, insbefondere 
während des dreißigjährigen Kriegs und zum Theil vorher ſchon, Kapi— 
talien aufzunehmen. So finden wir, daß die Stadt 1611 bei Dr. Sig: 
mund Hafner zu Speier ein Anlehen von 2000 Gulden machte. Die 
Zahlung des Zinſes gerieth aber während des dreikigjährigen Krieges in 
gänzlihes Stoden. Im Jahr 1667 ftellte Dr. Kühorn als Hafner’ 
her Erbe das Anfinnen, daß die Stadt doch wenigſtens an den feit 
30 Sahren (!) aufgelaufenen Zinfen etwas entrichten ſollte. Diefelben 
wurden aber jet fo wenig, als in der Folge bezahlt, fo daß fie bis 
1689 auf 5276 fl. 22 fr. angewachfen waren. Damals erbot fi 


Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648—1688, 477 


die Stadt, für Kapital und Zinfen 300 Gulden zu geben, was 
aber nicht angenommen wurde. Wie es in der Folge mit diefem 
Schulöpoften ging, weiß ich nicht. Das Wahrfcheinlichite tft, daß weder 
Kapital noch Zinfen bezahlt wurden. — Wegen eines am 24. Juni 
1600 aufgenommenen Kapitals von 300 fl. wurden 1677 mit dem 
derzeitigen Gläubiger Joh. Karl Allgeyer, Kanzlift in Durlah, Ver: 
bandlungen angefnüpft und begnügte ſich derfelbe „in Anfehung der der 
Stadt obliegenden großen Schulden” mit einer Abfindungsfumme von 
112 fl. für Kapital und vieljährige rückſtändige Zinſen. — Ein anderes 
Anlehen von 1100 fl. machte die Stadt 1629 bei Melchior und Mar: 
tin Nördlinger, die aber nie Etwas erhielten. Im nämlichen Jahr 
ſchoß die Gemeinde Singen der Stadt 390 fl. vor. Davon wurde 
aber nie ein Kreuzer Zins bezahlt, jo daß letterer im Jahr 1689 auf 
das dreifache des Kapitals, nämlich auf 1170 fl. angelaufen war. Die 
bedeutendste Schuld aber, die im dreißigjährigen Kriege, und zwar zu 
verichiedenen Malen in Poſten von 400, 1200, 1000, 800, 400 und 
500 Fl. (vergl. Bürgermeifterrehnung von 1684) gemadyt wurde, war 
die ans Klofter Frauenalb. Sie betrug alfo im Ganzen 4300 fi., 
eine für jene Zeit fehr große Summe. Auch bier häuften fich die 
Zinsrückſtände fo an, daß fie nach und nad) faft die Höhe des Kapitals 
erreichten. Schon: 1662 wurde deshalb zwiſchen den beiden heilen 
unterhandelt; allein die Vorſchläge der Stadt, welche gänzlichen Nach— 
laß der alten Zinfen, Herabjegung des Kapitals und der neuen Zinfen, 
leßterer anf %/,, höchſtens 1/z ihres Betrages verlangte, fagten dem 
Klofter nicht zu. Doch ſcheint man ſich wegen der Zinfen verjtändigt 
zu haben. Aber vom Jahr 1677 an wurde wieder Fein Kreuzer Zins 
bezahlt, bis fich endlich 1717 die Stadt mit dem Kloſter abfand, indem 
fie diefem für Kapital und rüdjtändigen. Zinfen, welche die doppelte 
Höhe des Kapitals erreicht hatten, die Summe von 2300 fl. in drei 
Terminen abzuzablen fich verpflichtete. In welcher Weile dies geſchah, 
wird weiter unten erzählt werden. — Wie hier, fo wurde viele Jahre 
lang an den dem Almojen ſchuldigen 290 fl. nichts bezahlt. Eine 
andere Schuld war durch Zinsrüdjtände auf 949 fl. 17 kr. angewachſen. 
Sp fünnten noch verfchiedene andere Schuldpoften angeführt werden, von 
denen die Stadt nicht einmal die Zinſen bezahlen konnte, von der Til- 
gung der Schuld felbft gar nicht zu reden. (1670 verlangte eim 
Herr von Sperberseck 300 fl. von der Stadt, die fie ihm, von feiner 


478 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688, 


Schwiegermutter Elsbeth von Reutrum herrührend, ſchulde; Ludwig Eber— 
hardt, Friedrich Jakob und Heinrich) von Reiſchach fordern 1676 100 
fl. von der Stadt, der Rektor Bulyowsky in Durlad 1679 300 ft. 
u. f. mw.) Nicht beffer als den andern Gläubigern ging e8 der Herr: 
Ihaft, die der Stadt auch mehrfach mit Geldvorſchüſſen aus der Ver: 
legenbeit geholfen hatte, fo 1661 mit 4000 Reichsthalern zur Anfchaf: 
fung von Brodfrüchten. Auf eine Mahnung, welche deshalb 1672 
erfolgte, wurde eine Supplik an den Fürften beichloffen, und als bie 
Mahnung 1673 wiederholt wurde, gab die Stadt den einfachen Be: 
ſcheid: Man folle Geduld haben. Als 1679 die erwähnte Summe 
nochmals zurüdverlangt wurde, fo erfolgte die Erklärung: Da bie 
Stadt fein Geld habe, jo wolle man die ſchuldigen 1000 Reichsthaler 
an den 3000 Gulden, weldye die Herrichaft der Stadt ſchulde, abziehen. 
Erſt 1730 wurde bei einer allgemeinen Abrechnung zwiſchen der Stadt 
und der Herrfchaft auch diefe Angelegenheit geregelt. — Zu einem Anz 
Iehen von 300 fl., welches 1663 gemacht wurde, mußte der Bürger: 
meifter Georg Weeber feinen Namen hergeben, wahrjcheinlich, weil bie 
Stadt jelbft zu wenig Kredit hatte. Vom Jahr 1672 findet fi im 
Rathsprotokoll eine bittere Klage über die „allzufchweren Schulden“ ber 
Stadt. Leider vereitelten fowohl der Iuremburgifche, als in noch höherm 
Grade der orleans’fche Krieg alle Bemühungen, mehr Ordnung in bie 
zerrütteten Finanzen der Stadt zu bringen, und erft dem folgenden 
Jahrhundert war es vorbehalten, wieder beffere Verhältniſſe herbei: 
zuführen. 

Es möge in diefem Mbfchnitt endlich auch noch der Schulen in 
Pforzheim erwähnt werden. Wir finden dafelbft wie früher eine Iatei- 
nifhe und eine deutjche Schule. Bon erfterer ift ſchon mehrfach 
die Rede gewefen. In dem Zeitraum, deſſen Schilderung die Aufgabe 
diefes Abſchnittes ift, zählte diefe Anftalt 3 Lehrer. Rektor oder Prae- 
ceptor primarius war 1638 — 1654 Albrecht Herold; auf ihn folgte 
bis 1663 Georg Rumpler, von da an durch eine lange Reihe von 
Jahren hindurch Sebaftian Kempf. (Er Iebte noch 1698, wird aber 
dort emer. praeceptor primarius genannt.) Ihm folgte Barthol. 
Mayer. Der, Rektor befleidete zugleich die Stelle eines Kantors in 
der Stadtkirche. (Wegen Kränklichkeit desfelben wurde letztere Stelle 
1683 dem deutſchen Schulmeifter Probfthan übertragen.) Die Stelle 
des zweiten Lehrers oder des praeceptoris secundae classis, jowie bes 


4 


Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648— 1688. 479 


dritten, der bald Präceptor, bald Provifor heißt, befleideten in der Zeit 
von 1650 bis 1690: Lorenz Mäulin, Joh. Friedr. Eradt, Martin 
Mauritii (1680, Fam 1721 wieder als Pfarrer nad) Pforzheim), Job. 
Ib. Rothenbach, Joh. Friedrich Frau, Anton Mannhart. Ueber die 
innern Verhältniſſe diefer gelehrten Mittelfchule, die den Rang wie früher 
längft nicht mehr einnahm, vermag ich nichts Befonderes anzugeben. 
Sie entfprachen jedenfalls denen ambderer ähnlicher Anftalten, Die 
Schüler konnten ſchon mit dem 6. oder 7. Lebensjahre in die Schule 
eintreten und mußten in jeder Kaffe 2, auch 3 Jahre zubringen. 1) 
Der Hanptunterrichtsgegenftand war natürlich die lateiniſche Sprache, 
mit welcher ſchon in der unterften Klaſſe der Anfang gemacht wurde, 
Beſonderer Pflege durfte ſich aud der Gefang erfreuen, und wurde zu 
dem Ende 1688 ein eigenes Poſitiv, das gerade zu haben war, um 
8 Thaler angeſchafft.“ Wie gewöhnlich mußte dazu eine der Stiftungen 
herhalten. Aus den nämlichen Mitteln wurden auch die Prämien be— 
ſtritten, die ſeit 1683 alljährlich beim Schülerfeſt auf dem Rennfeld 
(fiehe unten) an die Zöglinge der lateiniſchen Schule ausgetheilt wur— 
den. Sie betrugen für jeden Schüler der unterften Klaffe 5, der mitt: 
leren 8, der oberften 15 Kreuzer. Denjenigen jungen Leuten, welche 
ihre Studien weiter fortfegen wollten, kamen natürlich die vorhandenen 
Etipendien jehr zu ftatten. So erhielt z. B. Bechthold Deimling, der 
Sohn des Bürgermeifters, in den Jahren 1664—73 aus dem Geiger 
hen Stipendium im Ganzen 280 fl., Lukas Day, Sohn des Pfarrers 
May in Baufclott, der anfangs auf dem Gymnaſium in Durlach war, 
jpäter in Mittenberg ftudirte, in den Jahren 1664—1676 im Ganzen 
440 fl. Als weitere Geiger’ichen Stipendiaten werden genannt: Lukas 
Krenkel (90 fl.), Fried. Dages (150 fl.); als Fontelin'ſche Stipen- 
diaten: Hans Joachim Kiefer (90 fl.), Ib. KRaufchelmann (20 fl.), 
Wilhelm Walter (24 fl. 45 kr., ftud. zu Straßburg), Joh. Burkhardt 
Mögling (233 fl. 171), kr.); als Rohr'ſche Stipendiaten: Joh. Fleifch: 
mann (200 fl.), Elias Niethammer (80 fl), Joh. Burkhardt Nietham 
mer (400 fl.), Kleinöl, Pfarrers Sohn zu Stein AW fl., ftud. zu 
Wittenberg), Joh. Burkhardt Mögling (28 fl. 56 kr.), Ernſt Friedr, 


1) Vergl. hiezu: Vierordt, Geſchichte der Mittelfchule zu Durlach 
(und Karlsruhe). Beilage zum Karlsruher Lyzeumsprogramm für 1858, 


% 
480 Fünfzehntes Kapitel. Pforzbeim von 1648—1688, 


Zickwolf (2O fl.) ꝛc. Aus diefen Stipendien wurde auch das Schulgeld 
für arme Kinder beftritten. ) — 

Die deutſche Schule theifte ſich in eine Snakes: und eine 
Mädchenſchule. „Bubenichuelmeiiter" war bis 1679 Georg Cd: 
bardt, auf ihn folgte bis 1692 Mathäus Probitdan, dem in diefem 
Fahre N, Erad nachfolgte. Die Stelle de8 „Mägdleinsichuelmeifters“ 
beffeidete von 1669 — 1675 Job. ak. Kaufchelmann, nad) ihm, aber 
nur kurze Zeit, Friedrih Menzing, der vorher Schulmeifter in Stein 
geweien; ihm folgte Math, Probjthan, und als diefer zum Knabenſchul— 
meifter befördert wurde, 1680 Benedikt Niethammer. Die Knabenſchule 
beitand viel früher als die Mädchenichule, und wenn in Ältern Schrift: 
ftüden von „dem teutichen Schuelmetiter“ die Rede tft, jo ift darunter 
der Knabenlehrer zu verftehen. Diefer bezog aus der Stadtkaſſe einen 
firen Gehalt von jährlichen 3 fl. 45 kr., der indeffen fpäter auf 15 fl. 
erhöht wurde, erhielt freie Wohnung und freies Holz und bezog über: 
dies das Schulgeld, Der Mäschenlehrer war bloß auf Teßteres ange: 
wiefen und hatte weder freie Wohnung noch Holz anzufpreden. Doc 
wurden ihm 1665 und 1666 auf fein Anfuchen je 3 Klafter Holz 
bewilligt, „obgleich das fonft nie geſchehen“; er mußte aber das Holz 
jelber im Walde holen laſſen. Für die Schulen mußte die Stadt 
natürlich das Holz auch liefern, Die Iateinische Schule erhielt jährlich 
181/, Klafter, wovon die Huchenfelder 8 frohndweis führen mußten, 
und 200 Wellen. Zur Knabenfchule kamen 20 Klafter (7 für Huchen- 
feld) und 200 Wellen, und zur Mädchenſchule 12 Klafter, wovon die 
Huchenfelder abermals 41/, Klafter führen mußten. Der Fuhrlohn für 
das Klafter betrug 28 bis 30 Kreuzer. Wie viel das Schulgeld aus- 
machte, Tann ich nicht angeben; da indeffen dasfelbe 1690 wegen bes 
Krieges auf monatlich 5 Kreuzer, alſo jährlich einen Gulden herabgeſetzt 
wurde, jo geht daraus hervor, daß e8 vorher höher war, aljo verhältnigmäßig 
viel mehr betrug, als im jebiger Zeit. Wie oben fchon bemerkt, wurde 
das Schulgeld für arme Kinder aus den Stiftungen, theilweiſe auch aus 
dem Almofen bezahlt. So beftritt die Geiger'ſche Stiftung 1682 das 
Schulgeld für 6 arme Kuaben, das Almofen für 7 arme Mädchen, 
für andere Knaben das Fontelin’fchen Stipendium, und die Schulbücher 


) 1665 wird auch noch eines „Gößlin'ſchen“ Stipendiums erwähnt, 
Näheres Über dasjelbe weiß ich indeffen nicht anzugeben. 


Fünfzehnttes Kapitel. Pforzbeim von 1648— 1688. 481 


wurden ihnen aus dem Rohr'ſchen Stipendium angefchafit. Obgleich 
das Einkommen der Lehrer für jene Zeit nicht unbedeutend genannt 
werden Kann, jo betrieben fie doch neben dem Schuldienſt meiftens noch 
ein anderes Geſchäft. Der Mädcenichulmeifter Menzing war zugleich 
Tuchmacher, fein Nachfolger Niethammer Tuchicheerer, und der Knaben: 
fchulmeifter Probſthan war 1635 ſogar Zunftmeifter der Tuchmacher 
und Schneider. Doch Tiefen Letzterm Schuldienit und Handwerk nod) 
Zeit zu Privatitunden, die befonders von Mädchen befucht wurden, 
weshalb manche derfelben gar nicht in die Schule gingen. Dies hatte 
16852 mehrfache Klagen des Mädchenfchulmeiiterg Niethammer zur Folge. 
Es wurde darauf hin dem Probithan die Privatinformation der Mäd— 
hen unterfagt, und den Eltern befohlen, diejelben bei Strafe von 5 
Schilling ‘Pfennig, die im Fall Ungehorjams verdoppelt werden jollte, 
pünktlich in die Schule zu schien. Am Sabre 1689 wurde jedoch 
diejelbe Klage wicderholt, worauf Probſthan erwiderte, daß er 1682 
dein erhaltenen Befehl zwar Folge geleiftet, aber nachher, weil Niet: 
hammer feine Privatitunden gebe, vom Epezial Weniger und feither 
auch vom jeßigen Spezial (Kummer) die Erlaubniß erhalten babe, 
Mädchen in Privatinformation zu nehmen. Es fei bekannt, wie „übel 
er (Niethammer) die Kinder traftive.” Probſthan wurde hierauf be— 
deutet, Feinen Anlaß zur Klage mehr zu geben, t) indem man fonft 
jtrengitens gegen ihn verfahren werde. Man fieht bievans, daß das 
tollegialifche Einvernehmen der beiden Herren nicht das befte war, Doch 
hatten fie ſich zu gemeinfchaftlicher Klage vereinigt, als es 1680 einem 
Schmied, Hans Georg Wagner, einfiel, eine Privatſchule zu errichten, 
was demfelben fogleich unterfagt wurde. 

Das Pröfentationsrecht der beiden Schulftellen beſaß die Stadt, ?) 
Zur Schulmeifterswahl verfammelten fih auf erfolgten Bericht fürft- 
lichen Kirchenraths die Beamten, der Spezial, der Bürgermeijter und 
die Mitglieder Gerichts und Raths. Vor feinem Dienftantritt mußte 
der Schulmeifter folgenden Eid ſchwören: „Ihr follet mit Treuen ge: 


1) Das Verbot, daß der Knabenichulmeifter den Mädchen Feine Privat: 
flunden geben dürfe, wurde jogar 1715 wieder ernenert. 

2) Dies war auch bei den beiden Diakonatsftellen der Fall. Als 1690 
Konrad Stattmann an bes verftorbenen Diafonus Fleifhmann Stelle berufen 
werden ſollte, notirten Gericht und Rath in alsbald abgehaltener Sigung, 
daß er Sehr beliebig ſei. Die Zunftmeifter wurden aufgefordert, ihre 
Suffragia (Wahlſtimmen) bei der Stadtfchreiberei anzubringen, 

Pflüger, Pforzheim, 31 


482 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688, 


loben und zu Gott dem Allmäctigen ſchwören, unferm gnädigften 
Herrn und der Stadt Prorzbeim netreu und hold zu fein, ihren Nuten 
und Frommen zu fhaffen und vor Schaden zu warnen, ihren Geboten 
und Berboten, jo viel eudy als Schulmeifter gebühret, gehorſam zu fein, 
der Bürger und Fremden Kinder, jung und alt, arm und reich, nach 
Euerm beiten Verftändnig und ihrem Nutzen zu jeder Gelegenheit in 
Künften, guten Sitten und Tugenden nad) der reinen evangelifch-Tuthes 
rischen Religion mit ganzen Treuen zu lehren und zu unterweifen, and) 
Ihaffen nach Euerm Vermögen, daß fie gelchret und unterwiefen werden, 
deshalb auch Eure Ordnung, die Euch gegeden, fleißig zu vollziehen 
und darin feine merkliche Aenderung zu thun, ohne Wiſſen und Willen 
eines Bürgermeifters und Raths — ohne alle Gefährde.” Die Ent: 
laſſung eines Lehrers konnte jedoch nur mit fürftlicer Genehmigung 
erfolgen. Als im Jahr 1679 die Schule des Knabenſchulmeiſters 
Erhardt im Eramen fchlecht bejtand, wurde der Megierung der Bor: 
schlag gemacht, deſſen Stelle mit dem Mädchenfchulmeifter Probfthan 
zu beſetzen umd für die Mädchen einen andern Lehrer anzuftellen, was 
Beides bald darauf geſchah. Ars 1675 der Mädchenſchullehrer Kau— 
ſchelmann befehuldigt wurde, daß er „Itatt ſchuldigen eremplarifchen Lebens 
ſehr unchriſtlich und leichtfertig lebe und ſich nicht ſcheue, aus den 
herrſchaftlichen Haus ein Sauf- und Luderhaus zu machen, ja mit 
dem Schinder Tag und Nacht zu freſſen“, ſo wurde er „abgeſchafft“, 
und ſeine Stelle durch den bereits erwähnten Menzing beſetzt. Es 
reichten jedoch auch ſchon minder erhebliche Anläſſe hin, eine ſolche 
Maßregel herbeizuführen. Als 1687 der Mädchenſchulmeiſter Niet 
hammer über die Verordnung des Spezials, dak er am Nachmarkt 
Schule halten folle, feine Unzufriedenheit äußerte und die Bemerkung 
machte, daß es noch nie der Brauch geweſen fei, am Roß- und Nach— 
markt Schule zu halten, der Spezial könne ihm nicht abſetzen, auch 
befümmere ev fi) nichts darum u. dgl. m., — da erhielt er die Wei— 
fung, fi) des Schuldienftes bis auf anderweitige Verfügung zu enthal: 
ten. (Schon 1684 war den Lehrern bedeutet worden, daß fie ohne 
Erlaubniß des Spezials Feine Ferien machen dürften.) Er wurde jedod) 
nah 3 Wochen auf fein Bitten wieder angenommen, jedoch unter der 
Bedingung, daß er die Kinder nicht mehr fo hart behandeln jolle. 
Schon das Jahr vorher hatte er nämlich wegen Mißhandlung der 
Kinder einen Verweis befonmen, ebenfo der Knabenſchulmeiſter Probſthan. 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648 --1688, 483 


Außer den obligaten „Prügeln” wird unter den Strafmitteln der 
Schule auch des Ejels erwähnt. Im Jahr 1683 wurden nämlich für 
diefelbe 3 Täfelein angefchafft, welche bei Maler, Schreiner und Sattler 
1 Gulden Fofteten und worauf Eſel gemalt waren, Diefe Täfeldyen 
wurden mit Niemen auf den Rücken des zu Strafenden gebunden- und 
andere weniger Schuldige mußten die „Zipfeln“ halten. In der bald 
nad dein orleans'ſchen Kriege gegründeten Waifenhausjchule wurde der 
Efel auf eine befondere Tafel von der Größe einer Kommode gemalt 
und dabei der Spruch angebracht: 

Mer nicht lernen will 

Und nur Faulheit ſchwitzen, 

Der muß an dieſe Tafel 

Zu dem Ejel ſitzen. 
Trotz diefer Dizipfinarmittel, die in Verbindung mit noch manchen 
andern häufig genug angewendet worden fein mögen, wurden 1679 
Klagen laut über ſchlechte Zucht in der Stadtſchule, ſchlechten Gefang 

in Kirhe und Schule und Mulhwillen und Verſäumen des Gottes: 

dienfteg durch die Schuljugend. Um diefen Mipftänden zu begegnen, 
erhielten die Diakonen die Weiſung, die Schulen fleifiger zu befuchen 
und den Lehrern der Tateinifchen ſowohl, als der deutichen Schule 
wurde ftreng eingefchärft, beſſere Ordnung zu halten und im Nothfall 
zu berichten, 

Der Schulunterricht jelbft war ziemlich einfach. Er umfaßte nur 
Religion, Lefen und Schreiben. Das Rechnen wurde zwar aud) 
gelehrt, war aber fein obligater Unterrichtsgegenftand. Diejenigen 
Bürger, die ihre Mädchen im Rechnen informiren laſſen wollten, muß: 
ten fogar vom Spezial zuerft Erlaubnig dazu einholen. Die Schul- 
bücher, die damals in den Pforzheimer Schulen gebraudht wurden, 
waren: der Sirach, der luther'ſche Katechismus und ein Gefangbüch- 
fein mit den Evangelien (d. 5. den Berifopen). Obwohl die Pforz: 
beimer Stadtfchulen damals befjer, als die meiften auf dem Land ge: 
weſen fein mögen, fo kam es doc noch häufig vor, daß felbft Bürger 
nicht die geringften Schulfenntniffe befaßen. As am 9. Januar 1665 
der Rothgerber Wendel Eberlin zum Zunftmeifter gewählt wurde, 
wollte er die Wahl damit ablehnen, daß er erklärte, weder leſen noch 
fhreiben zu können. Der Rath, an den die Sache fam, ertheilte ihm 
jedoch den Befcheid, daß er die Wahl annehmen müſſe, ae er ja einen 


484 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688, 


Geſellen habe, der Beides verſtände. Beſſer als früher waren bie 
Schulen vor dem orleans'chen — beſtellt, hauptſächlich durch die 
Bemühungen des Spezials Kummer, fo daß, wie er ſelbſt jagt, „keine 
Bürgerstinder gefunden wurden, die nicht hatten beten und ſingen, leſen 
und ſchreiben können.“ 1) 

Eine jhöne Einrichtung waren die Schülerfefte, die alljährlich und 
zwar in einem der Sommermonate auf dem Nennfeld gehalten wurden. 
Es iſt derfelben namentlich in den Jahren 1692 und 1684 erwähnt. 
Sämmtlihe Schüler und Schülerinnen zogen unter Muſikbegleitung, 
mit Fahnen und Kränzen gefhmüct, auf das Nennfeld hinaus, wo 
Zelte und Laubhütten aufgefchlagen waren. Dort ergößte ſich bie 
Jugend nicht nur am allerlei Spielen, jondern wurde auch auf öffent: 
liche Koften jo reichlich bewirthet, daß letztere 1684 ſich beifpielweife 
auf 63 fl. 12 fr. beliefen. Daß bei diefen Feſten an die Zöglinge 
der lateinischen Schule auch Prämien ausgetheilt wurden, ift oben ſchon 
“erwähnt worden. 

Es mag ſchließlich hier aud) noch de8 Organiftendienftes gedacht 
werden. Derjelbe wurde von feinem der ftädtifchen Lehrer, fondern von 
1658 an von Hans Kaſpar Dürr verfehen, dem fpäter dazu auch noch 
die Stelle eines Zollers übertragen wurde, fo daß er 1674 Zoller 
und Organift genannt wird, Er bezog als Organift aus der Stadt: 
faffe einen jährlihen Gehalt von 10 Gulden. 


Wie in den frühern Kapiteln, fo mögen auch bier diejenigen noch 
blühenden Bürgerfamilien verzeichnet werden, deren im 17. Jahrhundert 
zum erften Mal Grwähnung gefchieht. 2) Es kommen vor: Georg 
Wendel Autenrieth, Rothgerber 1640, Joh. Barthold, Apotheker 
1624, Jakob Breidt 1611, Georg Brenner, Mebger 1615, Georg 
Bronner 1608, Hans Jakob Bürger, Kübler 1625, Hans 
Effig 1615, Hans Fegert, Küfer 1630, Hans Friedrich Fühner, 
Bäder 1628, Andreas Fuchs, Stadtſchloſſer 1634, Benedift Günther 
1642, Hans Jakob Heiſch 1685, Jakob Herrmann von Dürrn 
1604, Hans Georg Hohmweiler 1678, Hans Konrad Holzhauer 


) Schriftlicher Abſchied ftatt einer Baletpredigt von Kummer, Ulm, 1694, 
?) Berg. hiezu ©, 133, 164 und 301, 


Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648—1688, 485 


1615, Martin Hörter 1608, Konrad Kap, Notbgeber 1625, A. 
Kornmann 1645, Hans Ulrich Krenkel, Waffenihmied 1636, 
Joachim Leibbrand 1615, Michel Peter Leit 1622, Martin 
Merkle, Glaſer 1615, 9. Merz 1615, Hans Mürrle 1614, 
Hans Georg Neubäufer 1698, Hans Georg Dftertag, Bäder 
und Gaffenwirtb in der Au 1616, Georg Richter 1611, Kilian 
Rößle, Schreiner 1697, Hans Georg Rühl, Eichmüller 1686, 
Ehriftop Schall, Küfer 1623, Sebaſtian Scheerle 1615, Michel 
Scheuffele 1609, Hans Martin Schnell 1625, Konrad Schober, 
Kürſchner um 1600, 1) Hans Georg Schönauer, Hutmacer ang 
Dornftetten 1697, Hans Schwarz 1626, Joſeph Sold 1607, 
Hans Georg Stahl, Wagner 1698, Hans Ulrich Staib 1668, 
Chriſtoph Trautz, Mebger 1607. 


$ 4 DBunft- und Gewerbsverhältniffe. Preife der wichtigſten 
Sebensbedürfnife. — Maaß, Gewicht ıc. 


Von welcher Bedeutung früher die Genofienichaften der einzelnen 
Zünfte waren und wie fie neben und oft gegenüber dem Gericht und 
Rath in ihren verfchiedenen Gliederungen die Bürgerſchaft vertraten, 
das ift oben ſchon ausführlicher dargeftellt worden. Die VBerhältniffe 
batten fi) darin wenig geändert. Wie die Zünfte bei entjcheidenden 
Fragen oft ein bedeutendes Gewicht in die Wagfchaale Iegten, haben 
wir beifpielmeife bei der Erzählung der reigniffe des Jahres 1643 
gefehen. Zu welch heftigen Zerwürfnifien eine Meinungsverjchiedenheit 
zwiichen den ftädtiichen Behörden und den Zünften oder der Bürger: 
ihaft führen Tonnte, wird unten bei der Gefchichte des Privilegien: 
jtreites ausführlicher gezeigt werden, 

Die alten Zunftordnungen waren größtentheils nod in Kraft. 
Sch finde nur vom Jahr 1693 einer neuen Seiler: und 1663 einer 
neuen Müllerordnung erwähnt. Wie die einzelnen Beftimmungen folder 
Zunftordnungen gehandhabt wurden und wie fie dem Aufſchwung der 
Gewerbe, der nad dem verheerenden dreißigjährigen Krieg fo noth— 
wendig gewejen wäre, verrottete Feſſeln anlegten, wie ferner ſich nad 
und nach allerlei Mißbräuche eingefchlihen hatten: von allem Dem 
mögen bier einige Beifpiele folgen. 

N Nah ihren damilienaufzeichnungen ſiammen die Schober aus Siehl: 
mingen bei Stuttgart, 


486 Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 16481688. 


Mande Zünfte waren in damaliger Zeit außerordentlich zahl: 
veich vertreten. Im Jahr 1688 befanden fih in Pforzheim 41 
Metzger, 49 Bäder, 23 Rothgerber, 34 Schuhmader, 16 Krä- 
mer und Wirthe, 38 Zeugmacher und Färber, 18 Tuchmacher, 17 
Weißgerber, 10 Schloſſer, 147 Schmiede und Wagner, 8 Geiler, 9 
Müller, 10 Schreiner, 10 Hafner, 23 Küfer, 19 Hutmader und 
Dreher, 16 Schneider, 37 Goldſchmiede und Glaſer, 33 Leineweber, 
8 Sattler, 17 Maurer und Zimmerleute, 55 Flößer. (Die zur Ge: 
fanımtzahl der Bürger von 548 noch Tehlenden waren entweder Ge: 
freite, oder Altftädter, oder Unzünftige, 3. B. Weingärtner, Fuhrleute 
u. f. w.) Man fiebt hieraus, daß weitaus die meiften Bürger (etwa 
10,,,) Handwerfer waren, wodurch ziemliche Nahrungstofigkeit entſtehen 
mußte, wenn gleih die Stärke einiger Zünfte, 3. B. der Meißgerber, 
Zeugmacher ꝛc. auf Rechnung der Xebensweife, der Mode und damit des 
Umftandes zu feten war, daß diefelben ihre Waaren vielfach auch aus— 
wirts abſetzten. Die große Zahl der Meifter erklärt ſich indeß bei 
manchen Zünften daraus, daß es nicht geftattet war, mehr als einen 
Geſellen zu halten, und wenn der Meifter auch für mehrere Arbeit 
gebabt hätte. In der Megel aber war derfelbe an beftimmte Kunden 
gebunden, und es hatte Strafe zur Folge, wenn Eimer dem Andern 
einen Kunden abwendig machte, Als 1684 ein Küfer einem Mitmeifter 
einen Kunden abfpannte, mußte ev 15 Kreuzer Strafe bezahlen. Bei 
berfelben Zunft durfte Keiner das Handwerk ledig betreiben. Im 
Jahr 1665 behaupteten die Schneider, es dürfe feit unvordenflichen 
Zeiten Fein Jungmeiſter (d. 5. der nicht ſchon 2 Jahre Meifter fei) 
einen Jungen annehmen, Die Gerber Ulrich's Wittwe mußte 1686 
6 Gulden Strafe zahlen, weil fie neben ihrem Knecht einen Lehrjungen 
in Arbeit gehabt, was dev Ordnung zuwider fei. Diefelbe mußte eine 
weitere Strafe von 1 fl. 12 fr. bezahlen, weil fie in einer. Woche 9 
Häute im Schlachthaus gefauft hatte, während nur 3 erlaubt waren. 
Durch ſolche und andere Ähnliche Beftimmungen waren dem Unterneh: 
mungsgeift und der Spekulation von vornherein hemmende Echranfen 
gezogen. Mar der einzelne Meifter dadurch auf ein Heineres Feld der 
Thätigfeit angewiefen, fo wurde bdasjelbe um fo mehr auch gegen alle 
Vebergriffe forgfältig gehütet, und Klagen wegen Gewerbsbeeinträdh: 
tigungen kamen deshalb fehr häufig vor. Im uni 1665 klagte der 
Waffenſchmied Joh. Barthold gegen zwei Dreher, daß fie durch Ver: 


Fünfzehntes Kapitel. Piorzheim von 1648 - 1688 4857 


kauf von Sicheln und Senfen ihm und der Zunft Abbruch thäten. 
Im Jahr 1666 kam von den Hafnern Baihinger Amts eine Klage 
ein, daß die Pforzheimer Hafner ins Württembergifche führen und 
ihnen Abbruch thäten. Zwiſchen den biefigen Zeugmachern und denen 
in Calw entjtanden in Folge derartiger gegenfeitiger Vorhalte ſolche 
Zerwürfniffe, daß die Meifter in letzterer Stadt den Beſchluß faßten, 
es dürfe Fein Zeugmachergefelle mehr in Pforzheim fehlafen oder arbei: 
ten, ev würde denn geftraft, — und daß den Pforzheimer Meiftern 
fogar der. Vorwurf gemacht wurde, fie feien nicht fo ehrlich, wie die in 
Calw. 1675 beflagten fich die Mebger, daß das fürftliche Dekret, 
nach welchem aufer den Juden Niemand anders als die Mekger 
Fleiſch ausbauen dürften, fehr oft übertreten werde, was für fie um 
fo nachtheiliger fei, als fie mit dem Bankzins und dem Poſtreiten 
große Koften hätten. (Der Bankzins bezog ſich auf die Abgabe, die 
jeder Mebger für feine Fleiſchbank in der gemeinſchaftlichen Mebig zu 
entrichten hatte. Das Poftreiten war ein altes Servitut, das ber 
Mebgerzunft oblag und dem die einzelnen Meifter der Reihe nad) 
nachfommen mußten, und zwar natürlich mit eigenen Pferden, die ges 
wöhnlich jeder Metzger beſaß. Im orleans'ſchen Krieg begegnen wir 
indeſſen 1694 einer Klage der Metzger, daß fie die Poſtritte nicht 
mehr thun Könnten, weil fie keine Pferde mehr hätten oder diefe uns 
tauglich feien. Die Verpflichtung des Poftreitens durch die Metzger 
Hat ſich indeß da und dort bis auf die neuere Zeit erhalten.) 1662 
führten die Mothgerber wegen des Schaugeldes (jedes Handwerk hatte 
befanntlic feine „Schauer“, welche fih von der Preiswürdigfeit der 
Waaren überzeugen mußten), der Steigerung der Nindenpreife, insbes 
fondere aber wegen der „niederländifchen Gerberei” , weldhe die Herr: 
haft in Pforzheim errichtet habe, Bittere Klage. Leptere hätte allen 
Zugang, wodurd ihnen ihre Kunden verloren gingen, weshalb fie 
dringend um Aenderung bitten müßten. Darauf ward ihnen folgender 
Beſcheid: Es ſeie dem Handwerk wohl bekannt, wie fich die fürftlichen 
Käthe und das Amt bemüht hätten, fie dahin zu bringen, ihre Gerbe— 
rei nad maeftrichter oder niederländifcher Art einzurichten, wobei ihnen 
durch Geld und andere Weife geholfen worden wäre, wie fie ſich aber 
widerfpenftig gezeigt; ferner, wie defienungeachtet, als ſchon die nieder: 
ländifche Gerberei bei der Hand gewefen, der Fürſt ihnen erlaubt, mit 
in diefe Gerberei einzutreten und fie auch dies ausgeſchlagen hätten, — 


Ass Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648- 1688, 


Bei jo bewandten Umftänden hätten es mun freilich die Gerber fich 
jelber und ihrem Cigenfinn zuzuichreiben, wenn fie dur die neue, 
jedenfalls vortheilhaftere Einrichtung in Schaden kämen. 

Daß die Herrſchaft ſich auch im noch andere gewerbliche Unter: 
nehmungen und den damit verbundenen Handelsbetrieb einließ, ift ſchon 
mehrfach angedeutet worden, und die Konkurrenz, welche dadurch für 
die Genofjen der einen oder andern Zunft entftand, gab zu mancher 
Beſchwerde Beranlaffung. In Verbindung mit der eben erwähnten 
Gerberei betrieb die Herrſchaft eine eigene Leder und Zeughandlung, 
und wurde dazu das fogenammte „Landſchaftshaus“ in der Bröbinger 
Gaſſe (fiehe S. 459) verwendet. Mit Beforgung derjelben war ein 
eigener Handlungsverwalter beauftragt, der 1680 Hang Georg Leib: 
fein ') bieß und dem damals ein Buchhalter in der Perſon eines 
Mathäus Schub beigegeben war. Schon 1677 war für biefe Hand: 
fung von fürftlicher Herrſchaft auch ein befonderer „Handlungsmangen“ 
und Fuhrmann mit einem Gehalt von 100 Gulden nebft freier Mob: 
nung und Holz angeftellt worden — Im Jahr 1654 Tief die Herr: 
haft außerhalb der Brötzinger Vorftadt emen Schmelzofen und 1678 
dazu eine Hammerſchmiede bauen, gab aber Beides in Pacht. Be— 
ftänder oder Aömodintor war 1687 Joh. Friedr, Sahler. (Derſelbe ließ 
in diefem Jahr am Eifinger Weg nad Erz graben, verdarb aber diefen 
fo, daß er verffagt wurde.) Nach Sahler übernahmen den Pacht auf 
gemeinfhaftliche Nehnung Johann Heinrich Maier und Johann Jakob 
Hoff. — Außer dieſem herrſchaftlichen Etabliſſement geſchieht 1673 
auch einer durch Michel Bachmann in der Nähe der Schießhütte er— 
richteten Pulvermühle Erwähnung. Der Unternehmer hatte ſich er— 
boten, für die Erlaubniß dazu der Stadt jährlich 11/, Centner Pulver 
zu Viefern. Ebenfo finden wir, daß 1663 der Obervogt und Oberft: 
feutumt Tob. Scheidler die Erlaubniß erhielt, an der Mürm einen 
Kupferhammer, eine Rohrſchmiede und eine Sigmühle bauen zu 
dürfen. Das Bauholz dazu befam er unentgeldfich, und er durfte auch 
alle auf fein Werk gehenden Waaren zollfrei einführen. 

Um wieder auf die Zünfte oder die verfchiedenen Handwerke zu— 
rückzukommen, die damals in Pforzheim vertreten waren, fo find die 


1) Der Grabftein der Frau bdesfelben, Anna Barbara, geb, Grünewald 
(r 1680) befindet fih auf der Südfeite der Friedhoffapele, 


Fünfzebntes Kapitel, Pforzheim von 16485— 1688. 489 


zünftigen Gewerbe oben beim Jahr 1643 (©. 427 ff.) ſchon ange: 
führt worden. Natürlich fehlte es auch an anzünftigen nicht. Dahin gehörte 
beifpielmeife das der Buchbinder. Ein ſolcher war 1650 in Pforz— 
heim nicht vorhanden, weshalb ein biefiger Bürger um die Erlaubniß 
einfam, am Jahrmarkt Bücher verkaufen zu dürfen, weil ja „kein Buch, 
binder bier ſei.“ 1684 ijt jedoch bereits eines Buchbinders erwähnt, 
und 1686 erlangte abermals ein „Buchhändler und Buchbinder“ dag 
Bürgerrecht. — 1684 hatte ſich in Pforzheim auch ein „Tabakmacher“ 
niedergelaſſen. Wir werden auf das edle Schmauchkraut, das derſelbe 
verarbeitete, fpäter ned einmal zu ſprechen kommen. 

Noch vorhandene alte Zunftrechnungen und fonftige Quellen be 
weifen, daß aud bei den Zünften, wie im ftädtifhen Haushalt, der 
„Trunk“ eine große Nolle fpielte. As im Jahr 1673 die Gerber: 
zunft eine neue Lohmühle bauen lief, fo gingen für einen Trunk darauf: 

Zimmermann Joh. Gerhardt und 2 Sefellen. . . — fl. 40 fr. 
Zwei Zunftmeifter, Waldſchütz und Zimmermann beim 

Buchenauszeichnen im Wa . . 2 2 2 1 —n 

Zimmermann und Eger. . . — „48, 


Büchenbronner Bauer, der die Eiche ae dohlrog 

bergefühtt. ... I, —u 
Zehrung für das — —— —— — 

Vollendung der Lohmühle. . .. 3,15, 


Da nun zu jener Zeit die Maaß Wein nur 4 bis 5 Kreuzer foftete, 
fo läßt fih aus obigen Anſätzen entnehmen, welche durftige Kehlen 
die Theifnehmer an einem ſolchen Trunk im der Negel zu demfelben 
mitbradyten. Als bei der nämlihen Zunft 1662 bei Stellung ber 
Rechnung ein Trunk gethan wurde, verzehrten dev Subftitut und beide 
Zunftmeifter zufammen 41 fl. 30 fr. Wurde ein neuer Meifter in die 
Zunft aufgenommen, fo mußte er feinen Zunftgenoffen mindeftens ein 
Biertel (6 Maaß) Wein bezahlen. Gleiches gefhah durch die Betref: 
fenden beim Antritt der Lehrzeit und der Gefellenjahre. Als 1665 
die Gerber einen neuen Zunftmeiſter wählten, wollte derfelbe die Wahl 
nicht annehmen und erbot fi, dafür ein Viertel Wein zu zahlen. Es 
wurden aber 11/, Viertel verlangt. Als 1665 ein Schneider wegen 
ungebührlicher Neden von dem Handwerk geftraft werden follte, fo 
weigerte er fich, den Betrag zu bezahlen, weil die Strafen doch alle ver- 
trunfen würden. Die Zunft erhält deswegen die Auflage, ein Ber: 


490 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648— 1688. 


zeihnig der Strafen einzureichen. Im Wuguft 1672 tranten zwei 
Männer im Vorübergehen in der Kante 2 Maaß Wein ꝛc. 

Auch über die Höhe der Arbeitslöhne damaliger Zeit geben die 
Quellen, die bei diefen Auseinanderfegungen benützt worden find, einigen 
Aufſchluß. Im Jahr 1678 wurde feſtgeſetzt, daß ein Schneider für 
Anfertigung eines Modes nicht mehr als 4 Batzen fordern dürfe. 1696 
wurde der Flickerlohn für ein Paar Mannsihuhe auf 5 Kreuzer und 
für ein Paar Weiberfhuhe auf 4 Kreuzer feftgefeht. Im Jahr 1698 
wurde folgende amtliche Webertare gemacht: 1 Pfund werfen Garn 
gibt 7 Viertel bis 2 Ellen Tuch, koſtet die Elle zu weben 11,—2 
Kreuzer; 1 Pfd. Hänfenes Garn aibt 21, —3 Ellen, koſtet die Elle 
2 Kreuzer; 1 Pfd. flächfenes Garn gibt 31, —5'/, Ellen, koſtet die 
Elle nah Umftänden 21/,—41/, Kreuzer. Ein Zimmermeijter arbeitete 
mit Gefellen 1663 1/, Tag an der Nindenmühle der Gerber, erhielt 
Lohn 16 Kreuzer. Im Jahr 1683 wurde ein Theil der Stadt neu 
gepflaftert und erhielten die Pfläfterer für das Klafter 16 Kreuzer 
(nämlich für das Beifhaffen der Steine und den Arbeitslohn). Die 
Feldmeſſer befamen 1665 für ihre Arbeit vom Morgen 20 Kreuzer, für 
das Seen eines Markſteines 4 Kreuzer. (Auf fürftlichen Befehl muß: 
ten diejelben 2 Mal im Jahr herumgehen und Alles befichtigen.) Für 
die Raminfeger wurde 1673 eine Tare von 4—6 Kreuzen (jehr viel!) 
für das Kamin feftgefegt. Als 1665 ein Theil der Stadtmauer ein: 
fiel, wurde mit den Maurern behufs der Wiederherftellung derfelben 
auf 2 fl. 7, Kreuzer das Klafter affordirt. (S. 451.) Ein Maler 
erhielt 1687 dafür, daß er das herrfchaftliche und das ftädtifche Wappen 
auf zwei neuangefchafften Trommeln angebradt hatte, 1 fl. 30 kr. 
Ein Paar Strümpfe zu ſtricken Toftete damals 4 bis 5 fr. u. f. w. 

Es bedarf wohl kaum der Bemerkung, daß dieſe Arbeitslöhne zu 
ben Preiſen der wichtigjten Lebensbedürfniffe, fowie der Häuſer und des 
Grundeigentfums überhaupt im Verhältniß ftanden. Es mögen diefe 
PBreife Hier angegeben werden: 1. Frucht und Brod. Im Jahr 
1667 war die Frucht fo wohlfeil, daß für das Simri Kernen nicht 
mehr als 13—16 Kreuzer bezahlt wurde, Der Laib Kernenbrod zu 
4 Kreuzer wog 5 Pfund., der Kreuzerfemmel 28 Loth, der 1/, Freu: 
zer: oder fogenannte Straßburger Semmel 14 Loth. Im Jahr 1679 
berrfchte dagegen große Theurung. Das Simri Kernen galt bis zu 
43 Kreuzer, der Batzenlaib wog nur 21/, Pfund, und der Kreuzer⸗ 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688. 49 


femmel 11 Loth. — 2. Fleiſch. Im März 1667 galten 2 Pfund 
Rindfleiſch 51/, Kreuz., das Pfd. Kalbfleiſch 21/, fr, im Mär; 1676 
das Pfund Ochſenfleiſch 3—31/, kr., Kalbfleiſch 3 kr., Schweinefleiſch 
31,, —4 kr., im Jahr 1698 das Pfund Fleiſch aller Sorten 4— 41, 
kr. — 3. Wein 9m November 1664 foftete die Maag neuen 
MWeins 5—6 kr., im Oktober 1666 nur 5, im Oktober 1677 nur 
45 tk, — 4 Salz Das Salz war früher ungleich theurer als 
jett, da diefes umentbehrlihe Gewürz um hohen Preis aus dem Aus: 
land bezogen werden mußte. Bor dem Jahr 1697 Eoftete das Pf. 
4 Er, nad) diefer Zeit 31/, fr. — 5. Holz. Im Jahr 1698 wurde 
dag Klafter Holz im Hohberg zu 15 Er. verkauft. Um diefelbe Zeit 
wurden im Schulerwald 90 Stämme Eichenholz zu 1 fl. bis 1 fl. 20 
das Stüd verfteigert, und aus 100 Stück Tannen zum Bauen 12 fl, 
zum Flößen aber 24 fl. erlöst. Im November 1673 kofteten 100 
Dielen 6—7 fl. 1665 wurden eine ‘Partie Zweiling und Nahmen: 
Schenkel durcheinander das 100 um 6 fl. 30 fr. verkauft; 50 Latten 
fofteten 50 Kreuzer. 1663 wurden an die herrichaftliche Forſtverwal— 
tung für 2 Dielen und 2 Schwarten 2 kr. bezahlt. — 6. Lichter. 
Am Februar 1662 wurde die Taxe für das Pfund Lichter wegen 
Mangels daran auf 10 Kreuzer erhöht. — 7, Güter: und Häufer 
preife Im Jahr 1662 wurden 11/, Morgen Garten an der St. 
Georgsfteige um 30 Gulden, im Juli 1666 41/, Morg. Aeder um 
150 fl., im Jahr 1667 1, Morg. Rain am Bronnenwörth und 4, 
Ader um 14 fl. 30 kr, im Auguft 1676 */, Morg. Wiefen um 21 
Gulden, im Februar 1679 2 Morg. Aecker im Hachel um 103 fl., 
im Mai desjelben Jahres 2 andere Morgen Aecker um 90 Gulden 
verkauft, im März 1667 wurden 5 Viertel Weinberg am Wartberg 
als Unterpfand für 50 Gulden Bingegeben, im Juli 1678 1/, Morg. 
Weingarten, ebenfalls am Wartberg, um 12 fl., 1682 1/, Morgen 
Wald an der Wurmberger Straße um 15 fl. verkauft. — Im März 
1665 wurde da8 Trautwein'ihe Haus um 300 Gulden, ein Hausplab, 
Höflein und Garten in der Brösinger Vorftadt um 54 fl., im Juli 
1676 das Kauſchelmann'ſche Haus um 250 fl., im Auguft 1676 ein 
Häuslein in der Ochſengaſſe um 190 fl., im April 1677 eine halbe 
Behaufung in der Au um 130 fl., 1653 ein Haus in der Kirchgaffe 
um 464/, fl., 1656 die Herberge zum Ochſen um 450 fl., 1662 die 


492 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648— 1688. 


drei Häufer von Peter Gößlin am Markt (mo jetzt A. Schend und 
J. Märdlin) um 1115 Gulden verfauft. 

Zum Schluß mögen zum beſſern Verſtändniß des fo eben Mit 
getheilten aud die Gewicht, Maaß- und Geldverhältniffe jener Zeit 
berührt werden. Im Gewicht herrichte Fein geringer Durcheinander, 
da man nicht nur im ganzen Land, fondern fogar in der nämlichen 
Stadt von einer Gleichheit weit entfernt war. Ws am 23. und 24, 
März 1675 zu Pforzheim eine Gewichtprobe vorgenommen wurde, fo 
zeigte fich im üblichen Gewicht folgende Verfchiedenheit: Vom Gewicht 
in der Frohnwag ift der Centner 100 Pfd., 1/, Ein. 50 Pfd., 
1), Ctnr. 25 Pd. und 1 Bid. 32 Loth ſchwer; doch vom Kram: 
oder Raufmannsgewicht find 104 Pfund gleich 100 Pfd. in der 
Frohnwag; ebenfo thun 52 Pfund Kramgemicht 1/, Gentner in der 
Frohnwag, und ebenfo find 26 Pfd. Kramgewicht gleich 1/, Ctnur. in 
der Frohnwag; und 1 Pfd. Kramgewicht, was gleich ift 32 Loth in 
der Frohnwag, iſt 33 Loth 1 Quintlein und 10 Gerſtenkorn fchwer. 
Man fieht daraus, daß die Herrn Kaufleute im Kleinverkauf nicht zu 
kurz Tamen, wenn fie aus dem Gentner 104 Pfund herausbrachten, 
alfo ſich ſchon am Gewicht einen Auffchlag von 4 Prozent, oder von 
22/,; Kreuzen auf den Gulden erlaubten. Als Grund dafür wurbe 
der Pfundzoll (hier alfo Waarenaccis) vorgefhoben. In ähnlicher 
Meife mußten ſich die Metzger zu helfen. Der Centner, mit welchem 
der Fleiſchwäger wog, hatte 105 Pfund Frohngewicht. Das Metsger: 
pfund war aber nur 291/, Loth Kaufmannsgewicht ſchwer. Auf diefe 
Meile profitirten die Mebger fchon beim Umaeld, und beinahe 8 
Prozent beim Berfauf, alfo im Ganzen über 8 Prozent, oder 
5 Kreuzer auf den Gulden. Das war auch mehr als binreichender 
Erfab für das Umgeld vom Fleiſch, das die Mebger zu entrichten 
hatten. Nod am 14. Jan, 1714 wurde an die Mebger die Anfrage 
geitellt, ob fie lieber das Umgeld entrichten, oder auf das Teichtere 
Gewicht verzichten wollten. Sie erklärten einftimmig, daß ſie ohne 
Perftärfung des Gewichts bei dem Fleiſchumgeld verbleiben wollten. 
Beim Feldmaag war 1 Morgen 100 Ruthen groß. Intereſſant ift 
es, daß im Jahr 1682 der Verſuch gemacht wurde, im ganzen Sand 
einerlei Maaß, Gewicht und Elle einzuführen. Der Rath in Pforz- 
heim wurde darüber zum Bericht aufgefordert und gab folgenden 
Beiheid, aus dem wir auch Auskunft über die Maaßverhältniſſe erhal: 


Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648—1688, 493 


ten, wie fie in Pforzheim damals üblich waren: In Pforzheim könne 
man nur fagen, daß man big Dato der alten Polizei und Gerechtig— 
feit nachgegangen und mit der Nachbarichaft gar füglich geftanden; 
man bitte deshalb die Regierung felbft um Vorſchlag. In Pforzheim 
fei 1. das Pfund zu 32 Loth wie in Württemberg, außer dem Metzger— 
gewicht, welches nur 294/, Loth halte, weil die Metger Umgeld vom 
Fleifch gäben, was in Durlach nicht gereicht werde; 2. die Elle jei 
wie zu Durlach; 3. Simri und Viertel feien vermuthlich (1) bier wie 
in Durlach; nur rechne man bier bei rauber Frucht 9, in Durlad) 
aber 10 Simri auf das Malter; 4, in Pforzheim werde das alte 
Schenkmaaß gebraucht, in trüb Eich 13, im lauter Eidy 12 Viertel 
anf die Ohm. — Die Regierung wird unter damaligen Verhältniſſen 
mit ihrem Projeft der Maaß- und Gewichtsregulirung nicht weit ge- 
fonmen fein. Exit der neuern Zeit war es vorbehalten, darin größere 
Einheit zu erzielen, 

Was das Geld betrifft, fo wurden neben ber immer mehr zur 
Geltung kommenden Gulden: und Kreuzerrehnung die Pfunde, Schil— 
linge und Pfennige noch beibehaften, namentlich in Strafanſätzen, die 
nach der alten Rechnung normirt waren. Bon einzelnen Münzforten 
finde ic) Dufaten, Thaler, bayerijche Montforter, Dreibägner, Halbe 
baten, Echildlinspfennig ꝛc. erwähnt, Von letztern galten 2, von 
1663 an 3 einen Kreuzer. Die marfgräflichen Dreibätner wurden 
1684 auf 10 Kreuzer abgefhäßt, was der Stadt einen Berlujt von 
16 fl. 26 kr. verurfachte, 


F 5. Dur Sittengeſchichte. 


Zur Ergänzung des Bisherigen mögen hier auch einige Züge zu 
einem Sittenbild zuſammengeſtellt werden, ſoweit dies mit Benützung 
der dabei zu Gebot ſtehenden Quellen möglich iſt. Daß in jener Zeit 
die Kirchen zucht noch eine ſehr ſtrenge war, iſt bekannt, und war 
der weltliche Arm zur Unterſtützung der Kirche gern bereit. Beſonders 
eifrig hielt die Geiſtlichkeit auf die äußere Feier des Sonntags. So 
wurde um 1683 verordnet, 1) „daß nicht nur an Sonn-, Feier: und 


1) Schriftlicher Abſchied ftatt einer Valetpredigt von Kirchenrath M. Kum— 
mer, Ulm, 469 (©. 9 ji) 


494 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1638, 


Tefttagen unter währendem frühen und nachmittägigen Sottesdienft, fons 
dern auch in der Moden zwifchen der Treitags: Amts: Predigt alle 
Thore verichloffen, die dazwiichen aus: oder einpaffirende Spaziergänger, 
Viehhändler und Fuhrleute, SKegelihieber und andere der Sonntags: 
entheiligung verdächtige Leute genau obferviret, die Schlupfwintel, Heden 
und Wirthshäufer fleigig vifitiret, alle Buden und Kramläden zuge 
ſchloſſen, und aud fogar alle diejenigen, fo zwiichen denen Gottes 
Dienften von denen Kirchenrügern nur auf den Gaffen oder vor 'einem 
Haufe angetroffen würden, unter was Vorwand es auch befchehen fein 
möchte, nur diejenigen, welche nad; der Apotheke gehen oder eine 
Hebamme holen wollen, ausgenommen, ohne einiges Anfehen der Per—⸗ 
jon, des Geſchlechtes, Standes oder Alters, gleichbalden aufgezeichnet, 
bei Rath und der Kirchencenfur eingegeben, auch dafelbft mit ohnnach— 
läßlicher Geldftrafe in das Almofen, oder nach Beichaffenheit der Sache 
mit bhärterer Strafe angefehen werden follten. Wer nothwendiger Ge 
häfte halber über Feld reifen wolle, jolle vorher eine fchriftliche 
Erlaubnig bei dem Spezialat ausbringen und fo er wiederum heim- 
komme, einen Schein oder fchriftlicyes Atteftat von dem Pfarrer des Orts, 
dahin er gegangen, daß der Neifende dem Gottesdienft daſelbſt mit 
beigewohnt, vorweiſen.“ — Einige fpezielle Beifpiele mögen für die 
Strenge der damaligen Kirchenzucht Belege bilden. Als der Bäder 
H8. Erg. Norr am 14. Advent 1861 zwei Schweine jchladytete, fo 
wurde er, troß feiner Entjchuldigung, daß es nad der Mbendpredigt 
- gefchehen fei, wegen „unverantwortlicher Entheiligung des Feſtes“ um 
2 Pfund Pfennig in das Almofen und mit Gefängniß beftraft. Als 
1686 der Auer-Thorwart David Drerel am Tage, da er zum Abend: 
mahl gegangen, ſich „vollgefoffen” und nicht nur feine und eines Nach: 
barn Frau mit Schlägen traftirt, fondern auch über die Geiftlichen ges 
fhimpft hatte, Fam er zur Strafe einen Tag in das Narrenhäuslein 
auf der Auerbrüde, In gleicher Weiſe wurde aufs Strengfte gegen 
Flucher und Gottesläfterer eingefchritten. Im Februar 1666 erhielt 
der Schufter Albrecht Werber wegen „graufamen Schwörens und 
Sottesläfterns, auch gräulihen Schmähungen“ eine Gefängnißftrafe von 
zwei Mal 24 Stunden und mußte dem Spezial und Untervogt Abbitte 
thun. In gleicher Weife war am 23. Dt. 1665 Hans Würz wegen 
Fluchens und andern ungebührlihen Weſens mit 24 Stunden Käfiht 
und 10 Schilling Pfennig ins Almofen geftraft worden. — In Bezug 


Fünfzebntes Kapitel, Pforzheim von 1648— 1688. 495 


auf geichlechtliche Nergehen wurde ebenfalls eine ftrenge Zucht gehand- 
habt, und den bezüglichen Einträgen in den Kirchenbüchern, fei es, daß 
fie fih auf die Geburt unebelicher oder folder Kinder bezogen, die 
allzubald nach der Verehelichung der Eltern das Licht der Welt er: 
blicten, find immer Ausdrüde des Abſcheus beigefügt. An einer Seit, 
wo die Tortur noch nicht abgeichafft war, darf es ung nicht wundern, 
daß die Hebammen bei ſolchen unehelichen Geburten die Weiſung 
hatten, der Mutter, wenn dieſelbe vorher nicht hatte dahin gebracht 
werden können, den Vater ihres Kindes anzugeben, während der Geburts: 
ſchmerzen fo Lange zuzufeßen, bis fie ſolches Bekenntniß ablegte. Der: 
gleichen unebelide Geburten kamen übrigens nur felten, höchſtens dann 
hänfiger vor, wenn Eingquartierung oder eine Garnifon in der Stadt lag. 
So kam 1607 auf 146 Geburten gar feine uneheliche, 1678 auf 
122 nur 2, 1679 auf 93 Geburten 3 unebelihe, 1682 auf 113 gar 
feine ꝛc.) — Wie groß die religiöfe Toleranz in jener Zeit noch war, 
ift auch fonft bekannt, Als im Mai 1698 Einer Bürger in Porz: 
heim werben wollte, wurde er nicht angenommen, weil er katholiſch war, 
Dem gleichen Geſuch eines andern Katholiken wurde das Jahr darauf 
ftattgegeben, unter der Bedingung, daß feine Kinder evangeliſch erzogen 
würden und er felber ftill und unärgerlic feines Glaubens lebe. Der 
lichtenthal'ſche Schaffner Delendroit, welcher der Stadt während des 
Krieges mehrfady wichtige Dienfte geleiftet hatte, wurde am 23. Auguft 
1694 ohne Klang und Sang, überhaupt ohne alle „Ceremonie“ bes 
graben, weil er kalviniſcher Neligion war. 

Die erwähnten Bemühungen zur Handhabung einer ftrengen Sir: 
chenzucht und zu der dadurch bezwedten Aufrehthaltung der Mtoralität 
ſcheinen jedoch nicht durchweg die erwarteten Früchte getragen zu haben. 
Wenigftens wurde den Pforzheimern mehr als ein Mal von der Kanzel 
herunter vorgehalten, wie fehr fie den Sabbath entheiligten „mit fchnd- 
der Verachtung der Predigt des göttlichen Wortes, unnöthigem Auf: 
{hub der Communion, Tiederlicher Verſäumung der Gottesdienfte, hin— 
gegen aber öfters angeftellter weltlicher Ergötzlichkeiten, fündlicher Zeit 
vertreibungen, 3. B. Spazierengehen, Reiten und Fahren, Schießen, 
Spielen, Frefien, Saufen, Mufiziven, Tanzen, Ererziven, Tribuliven, 
oder fonft der Nahrung halber Ausreifen, Handeln und Wandeln, 
Kaufen und Verkaufen, Arbeiten und Schaffen ꝛc zc., wie ferner „ihre 
Töchter und Dienftmägde mit deutfhen und undentichen Soldaten Uns 


496 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648 - 1688. 


zucht getrieben,” wie manche Bewohner die Rache des Himmels heraus: 
gefordert hätten durch „ihr unfinniges Tanzen, welches fie wider alle 
dagegen publicirten hochfürſtlichen Mandate auf ihre verfluchten Faſt⸗ 
nachtſchmäuſe, die ebenſowohl ſcharf verboten waren, und bei Nachhoch— 
zeiten hin und wieder in abgelegenen Scheuern angeſtellt“ u, ſ. w. 1) 
Gegen übertriebenen Lurus und andere Ungehörigfeiten bei 
Taufen und Hochzeiten mußten mehrere Mal Verordnungen erlaffen 
werden, jo namentlid) gegen die übergroße Anzahl von Tauf— 
pathen. Am 5. Dezember 1696 kam der Pforzheimer Geiftlichfeit 
durch den Kirchenratb Kummer, der fih damals am fürftlichen Hof 
zu Baſel aufhielt, der Befehl zu, daß Fünftig nicht mehr als 4 Tauf— 
pathen zugelaffen und in das Kirchenbuch eingetragen werden dürften. 
Nie wenig man aber diefer Beftimmung nachkam, zeigt die mehrfach 
erfolgte Wiederholung derfelben (fo 12. November 1709) Außerdem 
kam es nicht felten vor, daß gewöhnliche Bürger mit Pathen ihres 
Standes nicht mehr zufrieden waren, fondern fih zu ſolchem Amte 
adelige Perſonen, fürftliche Beamte, ja nicht felten ſogar Glieder des 
fürftlihen Haufes erbaten, namentlich wenn fich foldye zufällig gerade 
in Pforzheim befanden. Nie fehlte es aber aud an WUllerwelts- 
genattern. Don 1675 an finden wir als folhe bei faft allen Taufen 
eine Frau von Göler, nah ihr eine Frau von Menzingen, geborne 
von Leiningen. (An die Stelle ſolcher Gevatterinnen trat von Anfang 
bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts ein Gevatter, der Haupt: 
mann und fpätere Oberft Joſeph Marimilian v. Popp?). — Eine 
bezüglich der Gebräuche bei Hochzeiten am 17. November 1684 vom 
Stadtrath erlaffene Verfügung feste Folgendes feit: Bei Hochzeiten 
fol künftig eine Mannsperfon 8, eine Weibsperſon 7 Batzen Zeche 
geben. Die Gefchente follen der Hochzeiterin über den Ehrentifch ges 
reicht werden. Die Spielleute follen nicht mehr als 1 Gulden jeder 
erhalten. Den erften Tag follen um 3 Uhr nach altem Gebrauch in 
der Hochzeiterin Haus die ledigen Meibsperfonen zufammen kommen 
und den jogenannten Pfeffer genießen. Die ledigen Gefellen follen 
nach Belieben in ein Wirthshaus gehen und einen Trunk thun, Nachts 


N) Kummer, a. a. O. 
) Sein origineller Grabſtein ſteht auf dem Kirchhof an der öſtlichen Wand 
ber dortigen Kapelle, Popp ſtarb 1. Aug. 1741. 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688. 497 


aber, wenn die Hochzeitsgäfte nad) Haus gegangen, zu dem Gchlafen- 
fingen kommen und nachher einen Tanz thun. Den andern Tag 
betreffend bleibt e8 bei der bisherigen Ordnung; der dritte Tag aber, 
der niemalen üblich geweſen, folle, weil es unnöthige Koften mache, 
völlig abgefchafft fein. — Als Ergänzung zu diefer Verordnung folgte 
am 14. Juli 1686 eine andere, die alfo Yautet: „Weilen zeither bei 
den Hochzeiten mit den Schenkungen einige Unordnung vorgegangen, 
bie Mufitanten auch mit ihren Zehen allzuviel Untoften verurſacht, 
alfo ift heute Verordnung geſchehen, daß fürderhin, wie es vor Alters 
gewefen, vor Anftragung des dritten Ganges die Schenkung vor ſich 
gehen, den Mufikanten aber Vormittags zwiſchen der Predigt ein Früh: 
ſtück auf des Wirths Koften, Nachmittags aber zwiſchen dem andern 
und dritten Gang auf des Hochzeiters Koften ein Abendzehrgericht 
gegeben werden folle. Und weil es fi mit Auftragung des erjten 
Ganges bisher allzulang verzogen, alfo folle der Wirth fürbderhin 
präzis um 1/12 Uhr anrichten laſſen, wo nicht, wird nad Umftänden 
der Wirth oder der Hochzeiter geftraft.” — Die Hoczeitstänze wurden 
fehr häufig auf dem Rathhauſe gehalten, wofür eine Tare von 5 Schil⸗ 
ling bezahlt werden mußte. Davon erhielt der amtstragende Bürger: 
meifter 12 und der jüngfte Procurator 10 Kreuzer; letzterer mußte 
aber dafür bei Jolchen Tänzen die Aufficht führen. (Beiläufig gefagt, 
fanden im Rathhausſaal von Zeit zu Zeit auch theatraliſche Vorftel: 
lungen ftatt. So fpielten z. B. am 30. Juli 1688 und Samftags 
barauf die Komödianten von Düren auf dem Rathhaus und zahlten 
dafür eine Taxe von 30 Kreuzen. Kurz vorher hatten fi auf dem 
Marktplatz auch Seiltänzer und Luftfpringer product.) Wie ftrenge 
es mit Eheverfprehungen genommen und wie jelbft die Kabinetsjuftiz 
angerufen und zum infchreiten veranlaßt wurde, zeigt ein Vorfall 
aus dem Fahr 1697. Ich feße den betreffenden Eintrag des Kirchen: 
buchs wörtlich her: „Den 17. Juni 1697 wurde nach gehaltener Bet: 
ftunde auf fonderbaren (befondern) Hochfürftlichen Befehl copulirt 
Lorenz Jung der Anwald zu Göbrichen mit Anna Margaretha Gerfte: 
nauerin, einer Wittib daſelbſten. Nota: Weilen der Anwald feinen 
Eheverſpruch zurückgehen und nicht Halten wollen, hat ſich feine Braut 
bei Serenissimo beffagt und darauf diefes erhalten, daß der Bräutigam 
nolens volens fopulirt werde. Es hat bei der Kopulation aber dieſes 


ſich ereignet, daß er Anwald anftatt des Jaworts „Nein” gefagt und 
Pflüger, Pforzheim. 32 


498 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648 —1688, 


auf meine des Archidiakoni (Stattmann) Frage geantwortet: Ich fag 
Nein! Darauf hab ich diefe Wort gebraudht: Ob Ihr mir fchon mit 
Nein antwortet, fo fage doch Ich als ein Diener Chrifti auf Befehl 
unferes gnädigften Randesfürften in Euerm Namen Ja! Weilen nun 
die Braut das Ja willig von fich gegeben, jo geihab darauf die Kon: 
firmation, e8 mochte auch den guten Gefellen jo fauer ankommen, als 
es wollte. Indeſſen wünfche ich ihnen den Geift der Einigkeit, daneben 
auch alles Glück, Heil und Segen von dem Dreieinigen Gott im 
Himmel!! Der Wunfch des Geiftlichen wird unter ſolchen Umftänden 
wohl fhwerlih in Erfüllung gegangen fein. 1) 

Neben den oben angeführten Hochzeitstängen waren auch bie foge- 
nannten „Hoppeltänz“, die auf öffentlichen Plätzen gehalten wurden, 
jehr beliebt. In Folge vielfachen Unfugs, der damit verbunden war, 
fand fich jedoch der Stadtratb im Dezember 1665 veranlaßt, diefe 
Tänze abzuftellen. Das Halten von Spielleuten auf offener Gaffe 
von Seiten der jungen Burfche fam jedoch nod immer vor, und gab zu 
lauter Befchwerde Anlaß, wenn der Lärm, wie einmal im Auguft 
1673, die ganze Nacht hindurch dauerte. Aehnliche vielfältige Klagen 
über Unfug auf den Gaffen und in den Wirthshäuſern, ſowohl Nachts 
als an Sonn: und Feiertagen, verlauteten im November 1680, was 
eine verfchärfte Aufficht und vermehrtes Patrouilliren durch die Schaar— 
wächter zur Folge hatte. Auf eine im Oktober 1686 eingelaufene 
Beihwerde, daß am Sonntag zwifchen der Abendpredigt in etlichen 
Wirthshäufern mit „Zehen, Spielen und Jauchzen große Ueppigkeit 
verübt werde“, erhielten die Kirchenrüger die Weiſung, fleißiger nad) 
zufehen. Ein ähnliher Unfug war mit dem Singen vor den Häufern 
in der Woche zwijchen Weihnachten und Neujahr eingeriffen, weshalb 


1) Eines Vorfalls, ber fi 1660 in Dürrn ereignete, mag bier gleich mit 
Erwähnung geihehen. Damals gabs nämlich in Düren, das früher ein Filtal 
von Kiefelbronn war, großen Streit wegen der Pfarreibefegung, indem Dürrn 
noch 4 Herrihaften hatte. Die Württemberger fuchten mit bewaffneter Hand 
einen Pfarrer in die Kirche zu bringen, welche die Markgräfiſchen ſchon befegt 
hatten, und bieben ein Loch in die Kirchthüre. Der Pfarrer des Orts ftand etliche 
Stunden auf der Kanzel. Der Pfleger zu Detisheim, der die würit. Truppen 
führte, fagte: Der Pfaff muß mir von der Kanzel herunter und follte ihn 
ber Donner berunterfchlagen. Als er aber wieder abzog, brach cr unterwegs 
den Arm. (Diefe Erzähtung findet fih in: „Diozes Pforzheim, Kirchen: und 
Schulbeſchreibung ven 1735.*) 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688, 499 


1686 verordnet wurde, daß dergleichen Singen künftig nur in den 
Feiertagsnächten erlaubt fei, und zwar müßten mindeftens 3 oder 4 
Knaben, welche fingen Fünnten, zufammenftehen und eine Zaterne haben. 
Diejenigen, weldhe in andern Nächten oder ohne Laterne fängen, follten 
aufgefangen und in den Ejelsftall gefperrt werden. Um mehr Orb: 
nung im diefen Geſang zu bringen, wahrfcheinlich aber auch, um Etwas 
zu verdienen, erbot fi fpäter der Schulmeifter Lötterle, mit ein paar 
Buben herumzufingen. Dem Unfug des Neujahrichießens traten eben: 
falls ſchon damals Verbote entgegen, jo 1686, wo eine Etrafe von 
1 Pfund Pfennig darauf geſetzt wurde, 

Dielen Berdruß bereitete den Behörden auch das nach dem dreißig: 
jährigen Krieg bei ung mehr und mehr in Aufnahme gefommene 
Tabafrauchen 1) oder „Zabaktrinken“, aud „Tabakſaufen“, wie man 
damals diejen Gebraudy bezeichnete. Der Bannjtrahl des Papſtes 
gegen das Tabafraudyen, den derſelbe 1664 fchleuderte, die da und 
dort mit Gefängniß, Pranger und Geldftrafen, ja felbft mit Nafen: 
abfchneiden begleiteten Verbote vermochten jo wenig, als das Eifern der 
Geiftlichen, die das Tabakrauchen als ein Merk de8 Teufels verdammt: 
ten, dieſes einmal eingewurzelte Kraut wieder zu verdrängen. Auch 
die Mühe, welche ſich einzelne Schriftfteller gaben, diefem Unfug ent: 
gegenzutreten, war umfonft. So fagt der als Satyriker befannte (aus 
Willſtett gebürtige) Moſcheroſch: Diejer Teufelsrauch mache die Leute 
trunfen, fei nicht bloß für die Spanier und Franzofen ein unentbehr: 
Viches Lebensbedürfniß geworden, fondern leider „nebſt anderem welſchem 
Ungemah auch zu den nachäffichten Deutichen” gedrungen, jo daß 
nun felbft Bauern und Weiber „Tabak faufen”. Daß dies bereits 
1667 auch in Pforzheim vielfach geſchah, zeigt ein im April jenes 
Jahres erlafienes Verbot, daß bei hoher Strafe Niemand in Feld und 
Wald Fener anzünden oder „Tabak trinken“ dürfe ohne der Forſtbe— 
dienten Wiffen und Erlauben, As aber im Auguſt 1688 auf der 
gebeten Auer Brüde durch das „liederliche Tabaktrinken“ beinahe 
ein gefährlicher Brand entitanden wäre, wurde vom Gtadtrath beichlof- 
fen, das „Ichändliche Tabaktrinken“ nicht mehr zu dulden, ein Verbot 


1) Der 1496 von dem ſpaniſchen Mind Roman Pane zuerfi nad Europa 
gebrachte, anfangs nur zu mebizinishen Zweden benützte Tabak wurde in 
Deutihland durch die ſpaniſchen Soldaten Karls V. um 1540 IT befannt. 


* 
500 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim won 1648- 1688. 


dagegen öffentlich anſchlagen zu laſſen und eine Strafe von 3 Pfund 
Pfennig darauf zu ſetzen. Wie ſchon bemerkt, hatten alle dieſe Ver— 
bote und Strafen den erwarteten Erfolg nicht, indem im Gegentheil 
das Tabakrauchen mehr und mehr überhand nahm. 

In den Jahren 1666 und 1682 herrſchten an vielen Orten 
anſteckende Krankheiten, die namentlich im erftgenannten Jahr viele 
Opfer forderten. Es dürfte intereffant fein, zu erfahren, welche Maap- 
regeln ergriffen wurden, um der weitern Verbreitung der Seuche ent- 
gegen zu treten und namentlic Pforzheim davor zu bewahren, Unterm 
21. Auguft 1666 wurde vom Stadtrath verfügt, daß an bequemen 
Orten Rauchwerk von Wacholder, Forchen- und Eichenholz oder Ge: 
ſträuch, auch etwa mit Schwefel und Pulver gemacht werden folle. 
Ferner wurde ein fürftlicher Erlaß befannt gemacht; nach diefem durfte 
man 1. an feinen verdächtigen Ort handeln; 2. keine Tyroler, Schwei— 
zer oder Baiern ohne Amtserlaubniß in die Stadt laffen; 3. überhaupt 
Niemand ohne Atteftat einlaſſen; 4. im Haus und Gafjen fleißig keh— 
ren, auch fonft jauber Haushalten; 5. die Gänfe und Enten aus der 
Stadt thun (9); 6. jollen fich beherzte Leute zur Pflege der Kranken 
melden. — Bei wachſender Gefahr wurde unterm 27, Auguft weiter 
verfügt: 1. Die Bauern follen an der Einfhaffung des von den 
Tyrolern und Schweizern gehauenen Wachholdergeſträuches Antheil 
nehmen; 2. die Stadt ſoll Rauchfeuer in den Straßen machen, und 
zwar auf dem Schloßberg, beim Marktbronnen und vor des Obervogts 
Haus; 3. an der äußern Ziegelhütte ſoll ein Steg gemacht werden, 
damit die nicht mit Atteſt Verſehenen darüber können; 4. zur Kranken— 
pflege hat ſich Niemand gemeldet, man hat alſo eine Anzahl aufge— 
zeichnet; 5. ein Krankenhaus iſt beſtimmt. Am 3. September erſchien 
ein Befehl an ſämmtliche Barbiere, alle 8 Tage die Zahl der Patien: 
ten einzuſchicken. — Da jedoch bie Stadt dies Mal von der Seuche 
glüclicherweife verfchont blieb, fo hörten alle diefe außerordentlichen 
Maapregeln im April 1667 wieder auf. 

Daß der Umgang mit gewiffen Leuten, fo namentlich dem Wafen- 
meifter, Schinder und Nachrichter früher für äußerſt fhimpflich gehalten 
wurde, ift befannt. Ein Beifpiel davon ift oben ſchon mitgetheilt wor: 
ben, ein anderes mag hier nod) folgen. Am 2. Mai 1664 erſchien 
Peter Meerwein Namens der Mebgerzunft vor dem Stadtrathe und 
trug demfelben vor: As fürzlich einige Meifter vom Tübinger Markt 


Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648—1688. 501 


zurüdgefommen und in Weil der Stadt eingefehrt jeien, hätten einige 
Meifter von dort gefagt, was für Zunftgenoffen fie hätten, die mit 
dem 3. v. Schinder und Wafenmeifter in Compagnie fäßen und zechten, 
und hätten Hans Martin Hörter namhaft gemacht; das fei aber dem 
Handwerk Ihimpflih. Diefer wurde alsbald vorgefordert und erklärte: 
Als er, ziemlich betrunken, im Begriff gemefen fei, nad Haufe zu 
gehen, jo babe ihm der Mafenmeifter gerufen; er fei auch hinauf: 
gegangen und habe da einen Marktfchreier gefunden umd zwei oder drei 
Mal ihnen Beſcheid gethan; er bitte um Nachſicht ꝛc. 

Der Glaube an Heren, Gefpenfter, Vorbebeutungen u. dal. ftand 
damals noch in feiner vollften Blüte, was uns nicht wundern darf, 
da ſelbſt unfer Jahrhundert, das ſich fo gern das aufgeflärte nennt, 
von ſolchem Aberglauben nicht frei ift. — Im Fahr 1699 befchmwerte 
fi die Anna Barbara Fauler bitter darüber, daß fie überall als 
Here verfchrieen werde. Es erging deßhalb ein fürftlicher Befehl, daß 
daß man die Faulerin damit verſchonen folle; oder wenn Jemand fie 
defien übermeifen könne, folle er es bei gmädigjter Herrfchaft anzeigen. 
— Der fürdhterliche Krieg, der 1688 ausbradh und für Pforzheim 
fo verderblih werden follte, war ſchon lange vorher durch verſchiedene 
auffallende Ericheinungen in der Natur angedeutet worden. „Denket 
nur”, fo ruft Spezial Kummer in feinem mehrerwähnten Abdfchiedsbrief 
(S. 19) aus, „denket nur zurüd an die entfegliche Größe desjenigen 
Schweif-Kometen, der uns zu allervorderft von der Höhe des 
Himmels erfchredte (ein folder war 1680 erſchienen; fein Schweif 
war mindefteng 70 Grad oder 40 Millionen Meilen lang 1); auch 1682 
erfchien wieder ein Komet, aber ohne Schweif); an die öftermals mit 
großem Schein und Krachen aus der Yuft Herniedergefallenen Feuer: 
fugeln, fo ung gleichwie viel Taufend Andere anderswo nicht wenig 
ergeifterten; an das abfcheulihe Stüdgedonner aus den Wolfen, fo 


1) Der damalige Lehrer an ber Tat. Schule Mauritit, der AN Jahre fpäter 
wieder als Stabtpfarrer nah Pforzheim fam und 1721 Mitglied der Singer: 
gefellichaft wurde, zeichnete ein Gedicht in das Stammbuch berjelben ein, das 
mit ben Worten anfängt: 

Werthes Pforzheimb, beine Mauern fchlofjen mich vor vierzig Jahren, 
Als der große Gott der Wunder damals deine Kriegsgefahren 

Durch den Wunderſtern gezeiget, welder an bes Himmels Dad 
Dir und Deutihland künden mußte eitel Zammer, Web und Ad, 


502 Fünfzehntes Kapitel, Pforzheim von 1648 — 1688. 


ein- und andersmal nicht anders aus der Ferne fi) hören laſſen, als 
ob immer ein Kanonenſchuß über den andern in der Nachbarſchaft 
geſchehe, allerdings, wie das Kanoniren aus den Neichsfeftungen getönt 
hatte; an das Strahlſchießen in unfern Schloßthurm und mehrere 
dergleichen hohe Gebäude im Lande hin und wieder, dadurd fie kurz 
vor diefem heftigen Kriege, gleichjam als ob Feines aufrecht bleiben 
müßte, in Wetter angezündet und ausgebrannt worden; an bie nad 
Yauter Schwefel riehenden Wetterregen, fo eben auch vorhero 
ſich bet ung niedergelaffen, und unſere Stadt und Gegend ganz feuer: 
roth iluminirt hat, indem die Häufer und Alles am hellen Tag nicht 
anders gefchienen, als wenn fie in vollem Feuer und Brand ftünden.* 
Sn weitern Verlauf feines fhriftlihen Abſchieds führt Kummer fort: 
„Und fo Könnte ich euch auch bei diefer Gelegenheit zu Gemüthe füh— 
ven, was nach dem andern Brand kurz vor der dritten großen Plünde- 
rung (Juli 1694) mit dem bewußten nadenden Mann wunderfelt- 
fams paffirt, welcher von Vielen unter uns am hellen Tage außerhalb 
der Stadt hin und wieder gefehen worden, und darauf Hin die meiften 
unter uns fo rein ausgezogen und ihrer in den innerftern Kellern und 
Gewölbern vergrabenen und vermauerter Güter, fo vorher niemals 
geichehen‘, gänzlich beraubt worden, daß fie hernach bloß genug daher 
gehen und fi) kaum mehr bededen können.” Diefen nadenden Mann 
wollte damals auch der Herrn von Leutrum in der Nähe feines Schlof- 
jes Liebeneck im Hagenfchieß gefehen haben und fiehe da — wenige 
Mochen nachher wurde auch das Schloß Liebeneck ausgeplündert (Siehe 
unten). Endlich erinnert Kummer feine Pfarrfinder noch daran, wie 
wenige Moden vor dem letten Brand, bei welchem aud die Au ein- 
geäfchert wurde (September 1692), in den Gärten dieſer Vorſtadt 
Teuerflammen ziemlich hoch aus der Erde gejchlagen hätten, 


$ 6. Zum holländifd-franzöfifchen (Iuremburgifchen) Kriege. 
(1672—1679.) 


Noch war Fein Nierteljahrhundert nach dem weftphälifchen Frieden 
verfloffen, als ein neuer Krieg ausbrach. Befand fich auch der eigent- 
lihe Schauplat desfelben nie in der Gegend von Pforzheim, fo hatte 
doch die Stadt nicht wenig davon zu leiden und Lieferungen aller Art, 
Kriegsfontributionen, Brandfhagungen, Cinguartierungen ꝛc. Tießen 


Fünfzehntes. Kapitel. Pforzheim von 1648— 1688, 503 


weder geordnete Verhältniffe, nod) jenen Moblftand wieder auffonmen, 
defjen fih die Stadt noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts hatte 
erfreuen dürfen. 

Aus Gründen, deren Auseinanderfekung nicht hierher gehört, die 
aber zumächft in dem Uebermuth und der unerfättlichen Ländergier 
Ludwigs XIV. zu ſuchen find, war diefer Fürft im Jahr 1672 mit 
einem ſowohl durch feine Zahl, als feine Ausrüftung furchtbaren Heere 
in die Niederlande eingefallen, und feine Feldherrn Türenne und Condé 
machten ſolche Forſchritte, daß die Nepublit in der größten Gefahr 
ftand. Da nahm ſich Deftreich der bedrängten Niederländer an und 
ſchloß mit ihmen 1673 ein Bündniß; das deutſche Reich folgte im 
März 1674 nad, und da fid noch mehrere andere Fürften am Kriege 
beteiligten, fo wurde derfelbe bald ein allgemeiner. Der Hauptfampf 
309 ſich an die deutfchen Grenzen, und leider behauptete der Muth und 
die Kriegserfahrenheit Türennes das entſchiedene Uebergewicht der fran— 
zöfifchen Waffen gegen die Feldherrn des Kaifers, bis der Graf Monte: 
cuculi den Seeresbefehl übernommen hatte. Türenne mußte ſich zurüd: 
ziehen, iedoch nicht ohne vorher die Länder, die er verließ, namentlich 
die Pfalz, aufs Gränlichfte verwüftet zu haben. Im Juli 1675 
machte bei Sasbach eine Kanonenfugel dem Leben des berühmten 
Feldherrn ein Ende. 

Der untern Markgrafſchaft bereitete die Nähe der Feſtung Phi: 
lippsburg, welche feit dem meitphälifchen Frieden (eigentlich feit 1644) 
eine franzöfiiche Befabung hatte, vieles Ungemach, beſonders die Aus: 
fälle und Streifereien der Teßtern. Es wurde zwar die Belagerung 
der Teftung beichloffen und dies Gefhäft dem Markgrafen Friedrih VI. 
von Baden-Durlah, der vom Kaifer und Reich zum Generalfeldmar: 
Ihall ernannt worden mar, übertragen. Allein die Reichsſtände beeilten 
fi) gewöhnlich nicht allzu fehr mit Stellung der ihnen zufommenden 
Truppen, jo daß die Belagerung erft im April 1676 beginnen konnte, 
Schon vorher hatte jedoch der Krieg auch auf Pforzheim feine Wir: 
fungen zu äußern angefangen. 

Bei herannahender Kriegsgefahr (März 1674) war den Wachen 
an den Thoren der Stadt doppelte Vorficht anbefohlen und eine Per: 
ftärfung der Wachmannſchaft beichloffen worden. Auch das Schloß ward 
bald darauf mit der nöthigen Munition verfehen. Diefe Vorfichte: 
maaßregeln wurden während des Krieges noch vermehrt. Die Offiziere 


504 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648 — 1688, 


mußten jeden Abend die Gewehre der wachltehenden Soldaten (d. h. 
Bürger) vifitiren und nachſehen, ob fie mit Kraut, Loth und Lunten 
verfehen feien. Bei einem entftehenden Tumult follten Weiber und 
Kinder daheim bleiben. Der Wächter auf dem Thurm im Schloß 
follte wachſam fein, auf die anfommenden Weiter Acht geben und dann 
ſchnell feine Fahne ausſtecken. Als fpäter die Naturallieferungen 
begannen und viel Heu ımd Stroh in die Stadt Fam, mußte jeder 
Bürger mit einem großen Zuber voll Waffer verfehen fein und genaue 
Auffiht auf Fener und Licht haben. Auch wurde beichloffen, wegen ber 
großen Feuersgefahr alle Häufer zu vifitiven und alle Feuereimer zu 
befichtigen. Die Stadt hatte im Mai die Auflage erhalten, einige 
Dragoner zu werben und zu montiren und dadurch, ſowie in Folge 
anderer Auflagen, erwuchſen ihr ſchon bedentende Kriegskoſten 1) 
Zur fonftigen Kriegsnoth gefellte fih fhon vom Spätjahr 1674 an 
ein bedeutender Preisauffchlag aller Yebensmittel. Der Sefter Kernen, 
der vor dem Krieg noch um 14—16 Kreuzer verkauft worden war, 
ftieg uf 30 — 36 kr., ja im Juni 1675 fogar auf 45 kr., und 
„wegen der anmarjchirenden Faiferlichen Völker“, fo heißt es in einem 
Stadtratbprotofoll, „Sei an Teinen wohlfeilern Kauf zu denken.” Bezüg— 
lich fonftiger Kriegsnoth waren indeß die Bewohner der Stadt, da 
dieſe befeftigt war, immer noch befier daran, als die des flachen Landes, 
und die größere Sicherheit, welche der Aufenhalt hinter Mauern und 
Gräben bot, war auch der Grund, daß ſich im Sommer 1674 eine 
Menge Bauern von Grombach, Bruchſal, Mali, Mingolsheim, Oben: 
heim, Gohsheim, Ettlingen und Heidelsheim mit dem werthvollſten 
Theil ihrer Habe nad Pforzheim flüchteten. 2) Doch kamen ftreifende 
Partien mehrmals in die Gegend von Pforzheim, und die Unficherheit 
war im Sommer 1675 fo groß, daß man während der Ernte die 
Früchte nicht auf dem Felde liegen laſſen konnte, Vorher ſchon hatten 
die Einquartierungen durchmarfchirender oder längere Zeit in Pforzheim 
fi) aufhaltender Truppen begonnen, und fcheinen überhaupt in diefem 
Sabre bedeutende Durchmärfche, fo namentlich aud) der brandenburgifchen 


1) So koſtete ein Boripann für Markedenter ber Kreistruppen und 3 
marfgräfliche Trompeter bis Straßburg und Pleßheim 28 fl. 24 fr, 

2) Eie braten diefelbe beim Kantenwirth unter und mußten Einzelne 
bafür vierteljährlich 1 fl., Andere monatlich 28 fr. bezahlen. 


Funfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648-1688. 505 


Urmee, ftattgefunden zu. haben. Es wurden deshalb auch die dazu 
nöthigen Maaßregeln getroffen, Billetſchreiber ernannt, eine Proviant- 
bäderei errichtet 2c. 1) 

Mehr als durch Cingquartierungen, Durchmärſche und Garniſon 
wurde die Stadt durch die Kriegsgelder gedrückt, die ihr unter allerlei 
Namen aufgebürdet wurden. So wurden bald ordinäre Philippsburger 
Kriegstontributionen, bald ertraordinäre Kriegshilfgelder, bald Heu— 
und Strobgelder, bald Brandſchatzungen, bald Winterquartier-, bald 
Salvaquardi (Sauve garde- d, h. Schuß: und Sicherheitsgelder) von 
der Stadt verlangt, zu deren Bezahlung regelmäßige und aufßerordent: 
liche Monatsumlagen gemacht werden mußten. Die Bürger waren aber 
nicht felten, namentlich in den letzten Jahren des Kriegs, gänzlich außer 
Stande, diefelben zu entrichten und mußte gegen Manche mit Erekution 
vorgefchritten werden. Es wurde zu diefem Behufe ein eigenes Exe— 
utionsverfahren feftgefeßt: 1. die Etadtfnechte follten die Meftanten 
gleich ins Käficht ſtecken; 2. diejenigen, die Pferde haben, follen nicht 
zur Stadt hinaus gelaffen werden; deswegen follen die Namen den 
Thorwarten angegeben werden. Sind dieſe fahrläffig, fommen fie in 
den Thurm. 3, Wer ſich von den Reftanten bei Tag nicht ſehen läßt, ſoll 
Nachts durch die Stadtfnechte aufgehoben und gelacht werden. — Dazu 
kamen noch die Frohnden, namentlich die Echanzarbeiten, welche während 
ber Belagerung Philippsburg geleiftet werden mußten. Die Stadt 
mußte bdafelbft einen eigenen Schanzwagen unterhalten und daneben 
noch Schanzgelder bezahlen, bie ſich in kurzer Zeit auf 300 Gulden 
beliefen, und bald auf 542 Gulden ftiegen. Ws nun im Auguſt 
1675 von Stadt und Amt Pforzheim gleich den übrigen Orten der 
untern Markgrafſchaft gar noch eine freiwillige (1) Fruchtiteuer im 


1) Als einquartiert werben angeführt: Im Mai 1675 bie feefelfifche Kom: 
pagnie (Hauptmann Seefels, Lieutenant Goslowsky), andere Truppen im Mat, 
November und Dezember 1676 (Lammwirth Defchler reichte fpäter für Einquar: 
tierung eine Rechnung von 9 fl, 47 fr. ein, erhielt aber nur 5 fl.), im Som: 
mer 1677 ein General Kopp mit vielen Leuten (foftete die Stadifaffe 146 fi. 
26 kr.), ebenjo ein Hauptmann Weder von ber holfteinifchen Kompagnie, im 
Winter 1677 auf 78 Rittmeifter Wernier mit Truppenabtheilung (feine Reiter 
wollen mit Hausmannstoft nicht vworlieb nehmen, fondern Wein und Bier 
haben), fowie Offiziere von den beiden ötingen'ſchen Kompagnien und ein 
Rittmeifter Stein x. 


506 Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688. 


Betrag des Zehntens verlangt wurde, weil aus dem Dberlande bes 
Krieges wegen gar nichts eingebe, und Pforzheim gleichzeitig auch 
200 Gulden Ealvaquardigelder bezahlen follte, da erflärte der Stadt: 
rath in einer Supplif an den Fürſten (jeit 1677 Friedrich Magnus), 
daß die Erfüllung diefer Forderungen unmöglich fei. Die Bürgerfchaft 
fei durch die harte Sinquartierung ganz erichöpft, jo dak man das Tiebe 
Brod nicht ins Haus ſchaffen könne. Dabei liege Handel und Wandel 
gänzlich darnicder, und Fein Bürger dürfe der zu Teiftenden Machtdienfte 
wegen zum Thore hinaus. Durch diefelben feien die Bürger auch fo 
abgemattet, daß fie an ihrer Arbeit gänzlich verhindert wären; denn die 
Reihe treffe einen Jeden wähentih 3 Mal. Trotz der bisher ge- 
Yeifteten Sauvegardegelder fei die Haferernte größtentheils verderbt wor- 
den, (die Kaiferlihen hatten in der Ernte um Pforzheim fouragirt,) 
während die Amtsunterthanen durch der Bürger Hilf und Convoyirung 
ihre Früchte meift hätten in Sicherheit bringen können ꝛc. Diefe Bitte 
hatte den erwarteten Erfolg nicht, denn neben Kriegsfrohndgeldern wurden 
auch diefe 200 fl. Salvaquardigeld im folgenden Monat aufs Neue 
verlangt, und Forderungen anderer Art hörten gar nicht mehr auf. Am 
November des nämlichen Jahrs follte die Stadt an Kommiffär Silber: 
mann zu Philippsburg abermals 112 fl. 30 fr. unter irgend einem 
Titel bezahlen. Der Stadtrath behauptete, nur 52 fl. 30 fr. ſchuldig 
fein, da der Kommandant von Philippsburg 60 Gulden erlaffen habe. 
Da man fich nicht verftändigen Eonnte, fo wurde beichloffen, einen eigenen 
Deputirten nach Philippsburg zu ſchicken (September 1678) und dem: 
felben einen Fifcher mit einer Tracht Grundeln und Korellen als Ge 
fhent für den Kommandanten mitzugeben. Der Fiſcher wurde nach 
Erledigung feines Auftrages in Gnaden wieder entlafjen, der Deputirte 
aber (Hans Jakob Holzhauer) im Arreft behalten und der Stadt für 
feine Auslieferung 150 Neichsthaler abverlangt. Ob die Bitte um 
Berwendung, welche hierauf an den Fürſten gerichtet wurde, den er: 
warteten Erfolg hatte, vermag ich nicht anzugeben. Daß aber der 
Kommandant von Philippsburg auch fonft ein ziemlich gemaltthätiger 
Mann gewefen fein muß, erhellt aus einer Klage, welche der Schanz- 
wageninfpektor zu Philippsburg, Georg Paul Pfeffer von Durlach, an 
den Stadtrath richtete (Dezember 1678). Er fagt darin, daß er wegen 
des Pforzheimer Schanzwagens von dem Kommandanten geprügelt und 
ing Stockhaus geſetzt worden fei und 6 Rthlr. babe bezahlen müflen. 


Fünfzehntes Kapitel. Pforzheim von 1648—1688. 507 


Als Entihädigung wurden ihm vom Stadtrath 5 Pfund „Pfennig 
bewilligt. 

Noch im nämlichen Monat kam eine Forderung von 375 Gulden 
MWinterquartiergeldern und von 14/, Monatgeldern zum Philippsburger 
Schanzwagen. Es war aber fchlechterdings bei den Bürgern nichts 
mehr zu holen. Kaum 20 Berfonen, fo heißt es im Etadtrathspro: 
tofoll vom Jänner 1679, haben daran bezahlt, und man mußte ſich 
deshalb zu einem Anlehen verſtehen, wodurch die vielen Schulden der 
Stadt noch vermehrt wurden. Die fortwährende Theurung machte die 
Noth noch größer. Zu Anfang des Jahres 1679 koftete das Malter 
Kernen ned immer 8 bis 9 Gulden und wog der Laib Brod für 
4 Kreuzer nur 2%), Pfund, mährend dieſes Gewicht in gewöhnlicher 
Zeit 4 bis 5 Pfund betrug. Auch die Mebger waren um Erhöhung 
der SFleifchtare eingefommen, und mußte für das Pfund Ochfenfleifch 
3—31/, Kreuzer, Kalbfleifh 3 Kreuzer, Schweinefleifh 31/,—F Krz. 
bezahlt werden. Dieſe Theurung hatte auch ein ungewöhnliches Sinken 
der Güter: und Hauspreife zur Folge. Ein Baum-, Küchen- und 
Grasgarten in der Bröginger Vorftadt, der gegen eine Summe von 
250 Gulden verfegt, alfo mindefteng 2— 3 Mal fo viel werth war, 
fonnte um diefen Preis nicht verfauft werden Für ein Haus am 
Marktplat wurden 150, für ein anderes größeres in der Tränkgaſſe 
350 Gulden bezahlt. Zu Anfang des Jahres 1679 wurden 1'/, 
Morgen Ader am Kiefelbronner Meg um 16 Gulden, 16 Viertel 
Ader um 30 Gulden und 2 Ohm Mein, 13 Viertel Ader und 11/, 
Viertel Wiefen um 34 Gulden verkauft; gegen eine Kapitalaufnahme 
von 60 Gulden wurden als Unterpfand verfeßt ein Haus, ein Stüd 
Garten, 11/, Viertel MWiefen und 1 Viertel Ader ꝛc. 

Der Friede von Nymwegen, der am 5. ebruar 1679 abge- 
ſchloſſen wurde, machte diefen „Kriegstroublen“ ein Ende, freilich um 
ihnen die ſchmachvollſten Zeiten für Deutfchland und bald darauf einen 
andern Krieg nachfolgen zu Taffen, gegen welchen alle bisher erzählten 
Trangfale Faum nennenswerth ericheinen, 


Schssehntes Anpitel 





Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. ') 
(1688 — 1697.) 


$ 1. Einleitung. 


Nicht nur der dreigigjährige Krieg, fondern auch der weſtphäliſche 
Triebe, der ihm ein Ende machte, hatte dem bdeutfchen Reich unbeilbare 
Wunden gefhlagen. In letzterm wurde den einzelnen deutfchen Fürften 
bie volle Landeshoheit zuerfannt und das Necht eingeräumt, zu ihrer 
Erhaltung und Sicherheit Bündniffe mit auswärtigen Mächten einzu: 
gehen. Bei einer folchen Gerechtſame der Fürſten war die Neichsein- 
beit zum leeren Namen geworden! Bald genug zeigten fich die unbeil- 
bringenden Folgen diefer Spezial-Souverainität. Die einzelnen Reichs— 
fürften, Neichsgrafen, Reichs barone fuchten nur ihre Intereſſen zu ver— 
folgen und ihre eigene Macht durch alle Mittel zu vergrößern, obne 
das große Ganze dabei im Geringften im Auge zu haben. Die In— 
terefjen der einzelnen Neichsglieder aber ftanden einander oft fo feind- 
Ti) gegenüber, daß eine Ausgleihung ſchon einer ftarfen Central: 
Staasgewalt Mühe gemacht haben würde. Nun mar aber eine foldhe 
nad dem weftphälifchen Frieden eigentlich gar nicht mehr vorhanden, 
vielmehr die Macht des Kaifers bei Streitigkeiten mit und unter 
den Fürften nur auf gütlihe Worftellungen und Bitten beichränft. 
Diefe waren aber meiftens fruchtlos, da das Souveränitätsfieber der 
Fürften auch die letzten Regungen von Patriotismus erftidt hatte. So 
nahm die Kraftlofigkeit des deutſchen Reiches und feine innere Ser: 


2) Neben verjchiedenen allgemeinen gefhichtlichen Quellen wurden im 
Belondern benügt: Pforzheimer Rathsprotofolle, Kontraftenbüder, 
Bürgermeifterrehnungen, Kirhenbücder, eine hierher gehörige ges 
Ihichtliche Abhandlung von Lotthammer; ferner: Kummer, fchriftlicher 
Abſchied ftatt einer Valetprebigt (Alm 1694) u. a. m, 


Schszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 509 


rüttung von Jahr zu Jahr zu; die Anzeichen des völligen Verſchwin— 
dens jeder wahrhaft vaterländifhen Gefinnung wurden immer häufiger 
und verfündeten den Untergang des Reiches, deſſen Fugen mehr und 
mehr auseinander gingen, 

Diefe Zerrifienheit Deutichlands war für fremde Mächte eine 
verführerifhe Verlockung zur Einmiſchung in die innern Angelegenheiten 
desfelben. Solcher Verfuhung konnte namentlih Ludwig XIV. von 
Frankreich um jo weniger widerftehen, als biefem übermüthigen, ehr: 
und Tänderfüchtigen Fürften die Gelegenheit günftig genug ſchien, feine 
Macht auf Unkoften Deutſchlands zu vergrößern, deſſen Schwäche er 
im dreißigjährigen Krieg, noch mehr aber in den erften Jahrzehnden 
nad) demfelben genugfam kennen gelernt hatte, Wie tief Deutichland 
erniedrigt war, zeigte ſich im hellften Lichte, als Ludwig 1680 mit 
einem Plan bervortrat, der an Schamloſigkeit alle ähnlichen Verſuche 
übertraf. Er errichtete die fogenannten Reunionsfammern in Metz 
und Breifah, welche ausmitteln und ausſprechen jollten, was irgend 
einmal, wenn auch in unvordenklichen Zeiten, Zugehör der in den letzten 
Kriegen an Frankreich abgetretenen Länder und Gebiete gewefen. Was 
diefe Kammern für foldhe ehemalige Zugehör erflärten, das wurde 
alsbald in Befik genommen, und fo eine Menge deutfcher Fürften, 
darunter auch der Markgraf in Baden, ihrer linksrheiniſchen Befigungen 
auf die frechſte Weiſe beraubt. Nicht genug, der König nahm 1681 
mitten im Frieden die reihe und ftarfe deutfche Neichsftadt Straßburg 
mit Gewalt weg und vereinigte fle mit Frankreich. Alles erſchrak über 
diefe neue Gewaltthat; denn mit folhem Hohne war Deutichland noch 
nicht behandelt worden. Aber feine Hand rührte fih, um Ludwig für 
dieſe Verlegung alles Völkerrechtes zu züchtigen, Der Kaifer war zu 
ſchwach, um die Fürjten zu einem gemeinfamen Unternehmen gegen 
Frankreich zu bewegen, und feine eigene Hausmacht war gegen bie 
Türken bejchäftigt, die 1683 bis vor Wien drangen. Unter den Fürften 
war Fein Zufammenhalt; jeder hatte zunächſt fich ſelbſt im Auge, 
unbefümmert um das, was vielleicht im Nachbarland vorging; nur in 
einem Punkt waren fie einig: im gegenfeitigen Mißtrauen. Zwar 
batten fich auf die Nachricht von den Anmaßungen der Reunionstam- 
mern und die darauf gefolgten Gewaltthaten die Reichsſtände in Frank: 
furt verfammelt; aber man konnte vor lauter Etiquetteftreitigfeiten zu 
feinem Beſchluß kommen. Leider Hatten die Angriffe der Türken auch 


510 Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans’ichen Rrieg. 


den Kaifer genöthigt, mit Frankreich einen zwanzigjährigen Waffenftill- 
ftand abzuſchließen; Ludwig blieb im Beſitz feines jüngften Raubes, 
und das deutfhe Reich erhielt für die erlittene Beſchimpfung nicht die 
mindefte Genugthuung. Je mehr aber das Glück die Franzoſen be— 
günftigte, deſto höher ftiegen ihre Anmaßungen gegen Deutjchland, und 
bald wurde wieder eine Urfache vom Zaune gebroden, um in Ber: 
bindung mit andern angeblichen Gründen einen Krieg zu entzünden, 
der leider für unfer Vaterland und mit ihm für die Stadt Pforzheim 
jo verderblich werden follte, 

Im Sahr 1685 war der Kurfürft Karl IL von der Pfalz ohne 
tachfommen gefterben, Nun forderte Ludwig XIV, im Namen feines 
Bruders, des Herzogs Philipp von Orleans, defjen Gemahlin eine 
Schweſter des verftorbenen Kurfürften war, aber in ihrem Heiraths— 
vertrag ausdrüdlich allen Anfprüchen auf die Pfalz entfagt hatte, einen 
Theil der Kurländer, fowie Sit und Stimme auf dem deutjchen Reiche: 
tag und ließ im September 1688 feine Truppen in die Pfalz ein- 
rücken. Um die Deutfchen durch furchtbare Grauſamkeiten von dem 
Miderftand gegen Frankreich abzufchreden und zugleih einen Angriff 
auf letzteres unmöglich zu machen, wurde zu einem wahrhaft teuflifchen 
Miittel gefchritten: die ganze Pfalz fammt den angränzenden Ländern 
follte auf ausdrüdlichen Befehl des Königs in eine Wüſte verwandelt 
werden. Nur zu getreufih wurde diefer Befehl befolgt. Städte, 
Dörfer und Fleden mußten geräumt werden und die Einwohner, ihrer 
Habe beraubt, mußten in die Wälder oder außer Lands flüchten, wo 
die meiften ohne Obdach und Brod in Hunger und Elend zu Grunde 
gingen, Worms, Speyer, Heidelberg, Mannheim, Frankenthal, Neu: 
jtadt, Ladenburg u. f. mw. — furz die ganze blühende Pfalz wurde 
von den rohen Eoldatenhaufen in eine ungeheure öde Brandftätte voll 
rauchender Trümmer, vol umermeßlihen Jammers und Elends ver: 
wandelt. Aber auch die angränzenden badifhen Länder wurden von 
der gleichen Nerwüftung betroffen und Durlach, Naftatt, Baden und 
andere Städte gingen in Flammen auf, ohne daß ihnen der Markgraf 
nur die geringfte Hilfe hätte angedeihen Iafjen können. Er felber war 
fogar genöthigt, fih wor den franzöfifchen Mordbrennerbanden mit feinem 
ganzen Hof zu flüchten und feinen Wohnſitz in Bafel zu nehmen, 
Dort befagen die badischen Markgrafen ein Schloß, das ihnen in Kriegs: 
zeiten häufig als Zuflucht diente. Bon bier aus wandte er fi, wies 


Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. Stil 


wohl vergebens, um Hilfe an den Neichstag, und von hier aus mußte 
er zufehen, wie fein jchönes Land verwüftet und eine Stadt, ein Dorf 
um das andere den Flammen preisgegeben wurde. 

Auch die Stadt Pforzheim hat in diefem jammervollen Kriege 
die traurigften Schidjale erlebt. Sie jollen in Nachfolgendem ausführ: 
lic) erzählt werden, 


$ 2. Vom Beginn des Krieges bis zum erflen Drand, 
(Herbft 1688 bis Januar 1689). 


Am 21. September (1. Oktober) 1688 begann die Belagerung 
von Philippsburg durch die Franzoſen. Sie bildete wie früher fchon 
jo aud) jebt wieder den Anfang der langen und ſchweren Leiden, die 
Pforzheim im orleans’fchen Kriege treffen follten, Die Stadt wurde 
mit Naturallieferungen hart bedrüct. Aber allmählig rüdte die Gefahr 
der Markgraffchaft näher. Die Herrichaft ließ ſchon ſeit dem 4. (14.) 
Dftober alle Früchte von den Dörfern einholen, wozu aus der ganzen 
Gegend die uhren requirirt wurden. Am nämlichen Tage fam ein 
Befehl hierher, ſich bei der herannahenden Kriegsgefahr ruhig zu vers 
halten. Es mußte beftändig eine Anzahl Pferde bereit ftehen. An 
den Thoren berrfchte die größte Wachſamkeit, und fein Bürger durfte 
ohne Anzeige und erhaltene Erlaubnig die Stadt verlafjen. 

Endlich näherte ſich den 10. (20.) Oktober eine ſtarke Abtheilung 
franzöfifcher Truppen unter den Generalen Montelar und Defequier 
der Stadt. Die Bürger, in erfter Neihe Johann Ungerer, zeigten große 
Neigung, Widerftand zu leiften; allein die Aengftlichfeit des Stadtraths, 
der freilich noch feine Ahnung davon hatte, was der Stadt durch dieje 
Säfte würde bereitet werden, öffnete den Franzoſen die Thore. General 
Meontelar nahm feinen Sit im Schloffe, Defequier zuerft in dem 
v. Göler'ſchen Haus auf dem Schloßberg, nachher in dem v. Menzingen’ 
ſchen (jet Schenck'ſchen) Haus am Markt. Die übrigen höhern Offi: 
ziere, fo der Marquis Delancere, Obriftleutenant Larode, Major 
Erozel ze. laſen fich andere jchöne Häufer der Stadt zum Quartier 
aus. Die Hauptwace war in der Herberge zur Höllen v. Otto Bedh 
(wo jest Conditor Trommers Haus). Da der Befehlshaber den Un: 
willen der Bürger merkte, jo verficherte er aufs Höchſte, daß ihnen 
nicht das geringfte Unrecht gejchehen ſolle; fie feien ja Freunde und 


512 Schszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans’fchen Krieg. 


wollten die Bürger auch als Freunde, nicht als Feinde behandeln, Es 
wurde auch Anfangs ziemlich Ordnung gehalten. Billetichreiber wurden 
ernannt und die Soldaten regelmäßig einquartiert. Aber alles das 
war nicht vermögend, die Unzufriedenheit zu bejchwichtigen, befonders 
da die Vorftädte, (die indeffen ihren Beitrag in Geld geben mußten,) 
von Einguartierung befreit waren und deswegen die ganze Laſt ber Gar- 
nifon, die mehrere Taufend Mann betrug, allein auf den Bewohnern 
der eigentlichen Stadt lag. Zu diefem Drud kamen noch Schikanen 
anderer Art. Zwar verließ der rohe Defequier bald die Stadt und zog 
nad Franken, wo er überall brandſchatzte und zerftörte. 1) Ihm folgte 
als Kommandant Charmazel, der aber, wie die Erfahrung lehrte, feinen 
Suftruftionen gemäß nicht anders, als feine Vorgänger verfahren durfte. 
Kein Bürger follte ohne ausdrüdliche Erlaubniß des Kommandanten 
die Stadt verlaffen, noch weniger Mobilien ꝛc. außerhalb der Stadt 
verfaufen, wodurd ſich mande Bürger in ihrer Geldnoth hatten helfen 
wollen, Die anfänglihe Zucht der Truppen hatte bereits aufgehört, 
und diefer Umftand, verbunden mit den Schanzarbeiten, die den Dürgern 
zugemuthet wurden, ließ das Schlimmfte befürdten. Die Franzofen 
beſchloſſen nämlich, bier Winterquartier zu nehmen und fuchten daher 
die Stadt in befiern DVertheidigungsftand zu ſetzen. Da der Strid 
zwifchen der Dber: und Nonnenmühle die ſchwächſte Stelle der alten 
Befeftigungen war, fo follte fie durch Wälle und Paliſaden gebedt 
werden, Die Bürger mußten nidyt allein das nöthige Holz herbei: 
Ihaffen, fondern auch „Handdienſte“ thun. Dies reizte fie noch mehr, 
da fie fich von jeher vor Allem eifrig bewahrt hatten, was nur ent- 
fernt an Xeibeigenfhaft erinnerte. Zur Unterhaltung der Gamifon 
hatte die Stadt bereit ein Kapital von 4541 fl. aufnehmen müſſen, 
da ihre Einnahmsquellen mehr und mehr verfiegten. 2) 


ı) Während feiner Anweſenheit in Pforzheim hatte ihm bie Stabt zu 
eigenem Gebraud liefern müſſen: 2 Ohm 7 Viertel 3 Maag Wein (d 18 fl. 
221/, kx.), 366 Pfd. Fleiſch (A 3 fr. macht 18 fl. 18 kr.), 45 Pfd. Speck 
(d 12 fr. madt 9 fl.) 

2) Diefes Kapital wurde fpäter auf Stadt und Amt Pforzheim, fowie 
bie Aemter Stein und Langenfteinbah umgelegt und traf es: 
die Stadt Pforzheim bei 138,929 fl, 244/, fr. Steuerfapital 1322 fl, 20 Fr., 
bas Amt j „ 212,640 fl. 22 fr. A 2023 fl. 40 fr., 
bie Aemter Stein und 

Langenfteinbach bei 125,560 fl. 9, Er. a 1195 fl. — Fr, 


Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 513 


Viele Bürger hatten ſich verabredet, die Stadt nöthigenfalls mit 
Gewalt zu verlafien, wenn der Drud, oder doc wenigſtens die Zahl 
der einguartierten Truppen nicht gemindert würde; die Franzoſen dagegen 
drohten, die Stadt zu plündern und niederzubrennen, jobald ein Bürger 
zu entrinnen verfuche, In diefer Noth beſchloß der Stadtrath den 
29. November (9. Dezember), der Regierung sie Lage der Sade 
vorzutragen und bei derfelben, fowie beim Kommandanten, um Ber: 
minderung der Einguartierung einzufommen, Aber es half nichts; die 
Regierung konnte nichts thun, und der Kommandant beachtete das 
Geſuch nicht, obgleich auf Befehl des Markgrafen Alles aufgeboten 
wurde, um diefen Mann, der das Schickſal Pforzheims in der Hand 
hatte, bei guter Stimmung zu erhalten. Am 11. (21.) Jenner des 
folgenden Jahres 1689, fei es unter dem Vorwande, daß Bürger die 
Stadt gegen das Verbot verlafien hatten, oder aus Muthwillen, oder 
um die Bürger durdy ſolche Maaßregeln einzufchlichtern — legten die 
Franzoſen an verfchiedenen Orten in der Stadt Feuer ein, jo daß ein 
Theil derfelben, darunter das Kaufhaus, abbrannte, obgleich die Bürger 
furz vorher bedeutende Brandſchatzungen hatten zahlen müſſen. Unter 
den Gebäuden, welche damals in Gefahr ftanden, von den Flammen 
verzehrt zıı werden, war auch die Schloßkirche. Daß. das ehrwürdige 
Gebäude verfchont blieb, hatte man hauptſächlich den Bemühungen eines 
Zimmermanng (Sebaftian Bechthold) zu danken, der mit Lebensgefahr 
die nöthigen Mittel zur Nettung des Gotteshaujes anmwandte, was aud 
fpäter von der Stadt und Negierung mit reichen Belohnungen aner- 
fannt wurde, 


F 3. vVom erflen bis zum zweiten Brand, 
(Januar bis Auguft 1689). 


Obgleich das, was fid bisher ereignet hatte, nur das Vorfpiel zu 
dem bildete, was noch kommen follte, jo waren doch die Stadt an fich 
ſowohl, als aud die einzelnen Bürger in große Noth gerathen. Die 
ſtädtiſchen Einkünfte hörten zum Theil ganz auf; der vierte Theil des 
Pfundzolles, den die Stadt anzusprechen hatte und der im Monat 
Auguft noch 30 fl. 50 fr. betragen, warf im Oftober nur noch 9 fl. 
30 kr., im November nur 5 fl. 50 kr. ab. Im Sabre 1689 fiel in 
Folge der durch die Franzojen erzwungenen Sperre bis zum Auguft 


gar Fein Pfundzoll mehr. Handel und: Gewerbe lagen darnieder, die 
Pflüger, Pforzheim, 33 


514 Sechs zehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


Märkte konnten oft gar nicht gebalten werden, und der Ertrag des 
Teldbaues, des hauptſächlichſten Nahrungszweiges der hiefigen Bewohner 
in jener Zeit, ging durch Einguartirung, Fourageure ꝛc. zu Grunde. 
Der geringe Erlös, welcher der Stadtfaffe noch durch Verkauf von Holz ꝛtc. 
zufam, mußte für die einguartierten Truppen zu Holz, Bau von Wadıt: 
bäufern, Lieferungen von Heu ꝛc. ſowie zur Unterftüßung armer Bürger 
verwendet werden. 

Auch die umliegenden Orte wurden hart geplagt, zum Theil völlig 
geplündert. Nur die Huchenfelder blieben von der Plünderung verichent, 
Sie hieben eine bedeutende Anzahl Bäume um und verfperrten durch 
diefe Verhaue den Fourageurs und Marodeurs, die den ganzen Hagen 
ſchieß durchitreiften, den Weg, 

Pforzheim felbft blieb auch nad dem eriten Brande bis in den 
Sommer von den Franzoſen bejeßt unter dem Befehle des Herzogs 
von Bellefont. 1) Die Bebrücdungen und Quälereien der Bürger nah: 
men zu. Außer jenen Brandfchaßungen, weldhe die Stadt vor dem 
Brand für fich allein hatte zahlen müſſen, wurden nun noch größere 
Summen eingefordert. Die damals noch kleine Markgrafſchaft Baden— 
Durlah mußte 24,000 Gulden Brandſchatzungs- und 45,000 Gulden 
Winterquartiergelder bezahlen, wovon es Pforzheim, damals nod) die 
bedeutendite Stadt des Landes, das Meifte traf. Mie ſchwer und 
drücdend dieſe Kriegsgelder den Bürgern waren, läßt fi daraus 
abnehmen, daß am 18. (28.) April, um diefe Gelder einzugiehen, alle 
Thore der Stadt gefperrt werden mußten. 

Im Laufe des Sommers zogen die franzöfiichen Truppen wieder 
ab, nachdem fie die Stadt in eine ſolche Noth gebracht hatten, daß es 
faft unbegreiflich erfcheint, wie die Bürger im Stande waren, die noch 
fommenden, ungleich; größern Leiden zu ertragen. Wie weiter oben 
fhon bemerkt wurde, war der Wohljtand der Stadt ohnehin nicht groß, 
da die Wunden, welche ihr der dreißigjährige Krieg geichlagen hatte, 
noch lange nicht alle geheilt waren. 

Am 24. Juli (3, Auguft) 1689 zog eine neue franzöfifche Heeres: 


1) Derfelbe wohnte, wie der frühere Kommandant, in bem v. Menzingen’: 
[hen Haus am Markt. Es muß aber darin mit ben Fenftericheiben übel 
umgegangen worden fein; benn ber Glafer Chriſtoph Wilderfinn gab fpäter 
für gemachte Glaferarbeit eine Rechnung von 15 Gulden ein, 


Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 515 


abtheilung bei Philippsburg unter General Düras über den Rhein, 
verbreitete ſich fchnell am ganzen Strom und brannte Bruchfal und 
Bretten nieder. Gin Theil diefes Korps zog den 3. (13.) Auguft vor 
Durlach; ein anderer hatte ſich ſchon einige Tage früher, nämlid am 
31. Juli (10. Auguft), unter General Melac der Stadt Pforzheim 
genähert und diefelbe zur Uebergabe aufgefordert. Allein die Bürger 
waren um fo weniger Willens, ſich wieder wie im vorigen Jahr durch 
freundlihe Worte und Verſprechungen täufchen zu laſſen, als Melac 
bereitS durch feine in der Pfalz verübten Mordbrennereien eine traurige 
Berühmtheit erlangt hatte und ſich jelbftgefällig nicht umfonft den 
„Bruder des Teufels” nannte, ES wurde deshalb beichlofien, die 
Stadt bis aufs Aeußerſte zu vertheidigen, obgleich fie ohne Garnifon 
und ohne Hoffnung auf Entjaß war, und obgleih Markgraf Friedrich 
Magnus den Bürgern den Rath gegeben hatte, jo weit es die Um: 
ftände geftatteten, mit dem Feinde zu unterhandeln. Jedoch verließen 
auch viele Bürger mit ihren Familien die Stadt, um in den umliegen: 
den Wäldern Zuflucht zu fuchen; allein die umherſchwärmenden Frans 
zojen hatten bereits in der ganzen Umgegend die Lebensmittel aufge: 
zehrt. So waren diefe Flüchtlinge theilweiſe der bitterften Noth preis: 
gegeben, die auch Viele von ihnen hinwegraffte. (So ftarben beifpiel- 
weife damals Hungers Flößer Joh, Georg Kienlin mit Frau und 
Kindern, Krämer Michael Zocher, Flößer Joh. Ib. Mäule u. U. 
Es gingen überhaupt während des Krieges mehrere Hundert Einwoh— 
ner der Stadt durch Hunger zu Grund). Die Geflüchteten ſchlugen 
im Hagenfchieß ein Lager auf und befeftigten es durch Verhaue. 

Die Franzoſen hatten fih auf dem Nod gelagert und begannen 
von dort ihre Angriffe auf die Stadt, und zwar auf der Wafferfeite 
zwifchen der Ober- und Nonnenmühle. Dort war ungeachtet der im 
vorigen Jahre angelegten Wälle und Palliſaden der ſchwächſte Theil 
ber Befeftigungen, weil die Stadtmauer durdy die Mühlgebäude unter: 
brochen war. Zwar wehrten fich die Bürger aufs Verzweifeltite; die 
im Hagenſchieß fi) aufhaltenden Pforzheimer fügten den Franzoſen vom 
Kallert aus großen Schaden zu, indem fie manchen diefer Mordbren- 
ner im Lager auf dem Mod erfchoffen. Allein durch die Trägheit und 
Treulofigfeit der ſchwäbiſchen Kreistruppen gelang es den Franzojen 
do, in die Stadt einzudringen. Jene Truppen hatten nämlih im 

33 * 


516 Sechs zehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


Hagenſchieß ein verfchanztes Lager ") bezogen, um dadurch das Herzog: 
thum Württemberg zu deden. Nun wurde zmifchen ihnen und den 
Bürgern von Pforzheim die Verabredung getroffen, daß die Kreistrup: 
pen die Franzoſen angreifen und die Pforzheimer gleichzeitig einen Aus: 
fall machen follten. Letzteres geſchah ſogleich, als man in der Stadt 
die Kreistruppen die St. Georgsſteige herunterfommen fah; allein diefe 
ließen die Bürger auf ſchändliche Weiſe im Stich und zogen ſich, ohne 
nur einen Schuß gethan zu haben, in den Hagenfchieß zurüd, Der 
Ausfall war mit ſolcher Heftigfeit gemacht worden, daß die Bürger 
großen Berluft erlitten und es dem ſtark zufammengefchmolzenen Häuf: 
fein derfelben nur mit Mühe gelang, fich durch die Feinde zur Stadt 
zurüdzufchlagen. Diefe benüßten aber die herrichende Verwirrung, er: 
ftiegen die Mauern und wurden in furzer Zeit Herren der Stadt. 
Die Bürger wuhten, was fie zu erwarten hatten. Die Stadt Dur: 
lach hatte fih gleih am Tag nah Deginn der Belagerung ergeben; 
und wenn gleich die Stadt niedergebrannt wurde, fo erhielten doch die 
Bürger vorher die Erlaubniß, auszuwandern, fie durften ihre Lebens: 
mittel mitnehmen und der franzöfiiche General fchenkte ihnen fogar 80 
Gulden (freilich geranbtes) Geld. Die Bürger Pforzheims konnten 
von den durch den hartnädigen Widerftand erbitterten Franzofen feine 
Schonung erwarten. Wer daher noch fliehen konnte, floh; manche 
wateten bei der Wagmühle durch die Enz und verfuchten, ſich in den 
Hagenſchieß zu retten; aber Viele wurden auf der Flucht niedergehauen. 
Andere, die durch das Andrängen der Feinde überrafcht wurden, fprans 
gen die Stadtmanern hinunter und fielen todt, oder brachen Arme und 
Beine, (darunter war auch der Amtmann Kiener von Langenfteinbach.) 
Viele wurden beim Eindringen der Franzofen in die Stadt erichoffen, 
(fo Rothgerber Chriſtoph Eberlin, Weißgerber Hans Michel Teldner, 
Seiler Jakob Flach). Noch Andere hatten Befinnung genug, fich fech— 
tend in das Schloß zu werfen und fich dort zu wehren (darunter Bern: 
hard Sattler); aber auch fie wurden überwältigt und gefangen genom— 
men. Das Schiejal der Bürger, die mit den Waffen in der Hand 
ergriffen worden, war Tod oder Gefangenſchaft. Nun wurde die - 
Stadt von Melac zur Plünderung preisgegeben, und die beutegie— 
rigen Sieger vannten von Haus zu Haus, um die Bürger ihrer letzten 
Habe zu berauben. Aber das Maaß der Leiden war nod) nicht voll; 


%) Weberrefte diejer Verſchanzungen find heute noch im Hagenſchieß fichtbar. 


Schözehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 517 


die ganze Stadt wurde dem Untergang geweiht. Vergebens warfen fich 
die wenigen noch in Pforzheim befindlichen Bürger — ältere Chroniken 
geben ihre Zahl auf nur 36 an — auf dem Marktplate vor Melac 
auf die Kniee nieder, um ihn um Schomung der unglücklichen Stadt 
zu bitten. Melac äußerte zwar — gegen feine Gewohnheit — einiges 
Mitgefühl, und rief den ihn umgebenden Offizieren die befannten Worte 
zu: „Ich glaube, daß dev Teufel im Kriegsrath zu Paris Präfident 
ift.“ (Je crois que c’est.le diable qui preside au conseil de guerre 
& Paris) Aber Pforzheim ftand auf der Yifte der 1200 Städte und 
Dörfer, die verbrannt werden follten, und darum durfte feine Schonung 
eintreten. Am 5. (15.) Auguft, dem Tage, an welchem die Franzofen 
abzogen, wurde vorher unter alle Brüden und Thore, in alle bedeuten- 
bern. Gebäude der Stadt, fo in das Schloß, das Rathhaus, die Stadt: 
fehreiberei 2c. Feuer eingelegt, und die Thore von außen verrammelt, 
um, recht teuflifch, die Einwohner am Entweichen zu verhindern. Am 
Abend diefes Tages Toderte die Stadt an vielen Orten zugleich in 
Tener auf. Die auswandernden Durlacher fahen auf ihrem Zuge nad) 
Zangenfteinbah auf einer Höhe im Walde bei Grünmettersbach die 
gräßlichen Flammen des Brandes von Pforzheim, der faft die ganze 
Stadt in einen Aichenhaufen verwandelte, Nur ein Theil derfelben, 
nämlih der Strich vom Miftädter Thor bis zur Enz, ſodann die 
Schloßkirche ſammt einigen in dev Nähe ftehenden Gebäuden, und end— 
lich das Dominifanerflofter mit der Stadtkirche blieben vom Feuer 
verichent, weil e8 dem aufopfernden Muth einer Anzahl Bürger gelun- 
gen war, mit Lebensgefahr durch die franzöſiſchen Wachen zu dringen 
und an mehreren Orten das untergelegte Feuer und Pulver wegzu— 
bringen. Auch die Vorftädte blieben, obwohl fie bei beiden Bränden 
vom 21. Januar und 15. Auguft geplündert wurden, von der Ser: 
ftörung frei; die Franzoſen hatten feinen Verſuch zu ihrer Niederbren— 
nung gemacht, da dieſelben für feindliche Truppen feinen Haltpunft und 
ſelbſt nicht einmal fichere Hoffnung auf Quartiere gewähren konnten, 
Es würde zu weit führen, alle die Drangfale zu erzählen, welche 
einzelne Bürger und familien damals ausftehen mußten. Diele hatten 
fi, um dem Feuer zu entgehen, in die Keller verborgen, weil ja wegen 
der geiperrten Thore Niemand die Stadt verlaflen konnte. Dasfelbe 
hatten auch mande Andere noch vor der Anzündung der Stadt gethan, 
um nicht als Geifeln fortgeführt zu werden, fo der Spezial Mathäus 


518 Sechszehntes Kapitel, Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


Kummer, dem mit 12 andern angefehenen Einwohnern jenes Schickſal 
bevorftand. Indeſſen, als die Stadt angezündet wurde, brannte auch 
das Haus nieder, in deffen Keller fih Kummer fammt dem Diafonus 
Fleiſchmann befand, und fie wären Beide umgelommen, wenn nicht 
einige WVorübergebende ihren angeftrengten Hilferuf vernommen und fie 
herausgezogen hätten. m. ähnlicher Weile gelang es noch Dem und 
Jenem, jein Haus gegen die Kugeln und gegen den Brand, feine befte 
Habe gegen die Plünderung, feine Kinder aus den Flammen zu retten, 

Die gefangen genommenen Bürger wurden von den Franzofen 
bei ihrem Abzuge fort und nad dem Elſaß geichleppt. Die meiften 
derfelben laſſen fih angeben. Es waren: Rößlewirth Joh Beckh, 
Küfer Heinrich Braun, Metzger Johann Buck (wurde in der Gefangen: 
ſchaft Soldat und war 1698 franzöſiſcher Hauptmann), Bäder Mid. 
Dengler, Hafner Sebaft. Dien, Schneider Peter Denninger, Kaufmann 
Mathäus Enderlin, Schreiner Lukas Flachmüller, Math. Gerung, 
Flößer Hans Georg Gerwig, Schloffer Hans Georg Kechler, Roth: 
gerber Michael Kercher (einer der Wenigen die wieder zurückkehrten), 
Matthäus Lotthammer, Schreiner Joh. Lang, Mebger Joh. Ib. Meer: 
wein, Schuhmader Joh. Peter Mutſchler, Zeugmacher Joh, Martin 
Niclus, Sigmund Pfinder, Johann Schwarz, Tuchmacher Fried. Solb, 
Schmied Math. Sattler, Mebger Jakob Wirth u. A. m. Die ges 
fangen genommenen Bürger hatten meift ein fonderbares Schickſal. 
Sie wurden mit andern aus der Markgraffchaft fortgefchleppten Ein: 
wohnern auf die Galeeren gefchmiedet, fpäterhin aber 1300 davon von 
Ludwig XIV. dem vertriebenen englifchen König Jakob Stuart zu 
Hilfe geſchickt. (Won den gefangenen Pforzheimern war u. U. dabei: 
Math. Gerung, Andreas Hertenftein, Joh. Meart. Niklus und Johann 
Schwarz) Ihr Anführer, Mathäus Steig, ergab ſich jedoch mit fei- 
nen Truppen an das Haus Hannover, wofür ihn König Georg von 
England zum Oberften ernannte, Don den Pforzheimern haben aber 
die meiften ihr Vaterland nicht wieder gefehen. 


F 4 Dufland der Stadt nad) dem zweiten Brande. Bemühungen 
zur Werbefferung desfelben, 


(1689 — 1691.) 


Die Stadt gewährte einen traurigen Anblid. Sie war faft nur 
eine weite Brandftätte. Die meijten Häufer waren bis auf den Grund 


Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 519 


niedergebrannt, von andern, wie 3. B. von der Stadtfchreiberei, wo 
indefjen ein Theil der Regijtratur ein Raub der Flammen wurde, 1) 
dem v. Ehingen'ſchen Haus am Markt, dem v. Flehingenihen Haus 
in der Lammgafje, dem Schloß ſammt einigen unterhalb desſelben 
ftehenden Käufern, dem Schlachthaus ꝛc. waren ein Theil noch ftehen 
geblieben. Die Gaffen Tagen jo mit Schutt und Afche angefüllt, daß 
felbft in den obern Theilen der Stadt die Keller, welche eine Zeitlang 
bei vielen Bürgern die Stelle der Wohnungen vertreten mußten, fi 
mit Waſſer füllten und faft überall in den ohnehin engen Straßen die 
Durchfuhr gehemmt war. Diejenigen Bürger, welche fi bisher im 
Hagenſchieß aufgehalten hatten oder font geflohen waren, kehrten nun— 
mehr wieder zurüd. Das Lager der Erftern war mehr als einmal 
den Angriffen franzöſiſcher Streifkorps ausgeſetzt gewefen; aber die 
Plünderungsluft derfelben fjcheiterte an dem Muth, der Verzweiflung. 
Die Bürger kämpften, nachdem der Brand fie faft aller ihrer Habe 
beraubt hatte, um ihr Letztes. Jetzt drängte ſich Alles in den noch 
übrigen Reſt der Stadt zufammen, Wer gar feinen Raum mehr fand, 
erbaute fih an einem beliebigen Plat eine Hütte. Auch der Markt: 
platz mußte dazu dienen. Auf NRegelmäßigfeit oder gehörige Breite der 
Straßen, auf einige Schub mehr oder weniger Pla wurde dabei nicht 
geſehen. 

Nicht minder groß als die Unordnung war die Noth der Bürger 
und ihrer Familien, da ſie durch Plünderung und Brand faſt Alles 
verloren hatten, und das, was verborgen und gerettet worden war, 
gegen das Verlorene unbedeutend erſchien. Aller Verkehr, aller Handel 
war vernichtet, und die meiſten Bürger waren ohne Mittel zum Unter: 
halt. Zwar hatte man nach dem erjten Brande zwei Bürger, näm— 
lid die beiden Stadtgerichtsprofuratoren Maurer und Mauch, mit einem 
Patent ausgefchidt, um Beiträge für die Abgebrannten zu fammeln. 
Sie braten zwar auf ihrer Neife durch faft ganz Deutichland eine 
erffedliche Summe zufammen; aber da die Zahl der Unterftüßungs: 
bedürftigen durdy den zweiten Brand viel größer gemorden war, 
jo erhielt jeder Bürger, der fein Haus verloren hatte, nach Be: 


1) Ein am 26. Auguft 1689 wieder begonnenes Gontraften = Brotofoll ift 
„angefangen nach dem franzöfiihen Brand, in welchem die vorhergehende pro: 
tocolle (von 1687 und 1683) zu Grund gangen,“ 


520 Sechszehntes Kapitel, Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


ſchluß Gerichts und Raths vom 14. (24) Auguft 1689 1) nur 
10 Gulden, woran aber die Bedingung des MWiederaufbaus der Woh— 
nung gefnüpft war. Woher aber die weitern Mittel zum Bau neh- 
men? Diele Bürger hatten Fein Brod, und fahen fi am Ende ge— 
nöthigt, auszuwandern. „Der Sammer war fo groß," jagt ein Augen: 
zeuge (Kummer), „daR ich mich beinahe felbft nicht mehr zu fafien 
wußte, und, wenn ich wollte, denjelben Teichtlich jo befchreiben könnte, 
daß Einem beide Ohren davor gellen und alle Haare empor ftehen 
müßten.“ 2) 

Es war feine leichte Aufgabe Für den damaligen Stadtrath, in 
diefes wirre Durcheinander einige Ordnung zu bringen. Indeſſen ent: 
ledigte er ſich diefer Obliegenheit jo gut, als ihm dies der faft gänz- 
liche Mangel an Hilfsmitteln geitattete. Cine der erften Sorgen bei 
den unruhvollen Zeiten mußte Sicherheit genen Außen fein. Von den 
Thoren der Stadt waren dur die beiden Brände das Schlok- und 
das Auerthor vernichtet, die Übrigen mehr oder minder beſchädigt wor: 
ben, Letztere wurden, fo gut es ſich thun ließ, wieder hergeftellt und 
fo ſtark befett, als es die verringerte Zahl der Bürger geftattete. Diefe 
Maafregel war nicht nur gegen äußere Feinde, fondern auch gegen bie 
Bürger felbft nothwendig, um das allzuhäufige Entweichen derfelben 
zu verhindern. Es ftand, wenn nicht Einhalt gethan wurde, eine gänz- 
Yiche Entvölferung der Stadt zu befürchten. Teich nach dem Brande 
(den 14. [24.] Nuguft) wandte ſich deshalb der Stadtrath mit einer 
Eingabe an die Negierung, worin er den elenden Zuſtand der Stadt 
fchilderte, die Befürchtung, daß diefelbe durch Megziehen der Bürger 
entoölfert werden möchte, ausſprach und als Mittel dagegen vorſchlug: 
1. Befreiung von der Schabung; 2, die Aufhebung des Pfundzolfes ; 
3. die Ausſchaffung der Juden, welche den Bürgern in ihrer Nahrung 


1) Anweſend dabei waren: Bürgermeifter Martin Zoller, Altbürger: 
meifter Stieß, Kiefer, Eberlin, Scheidlin, Holdmeyer, Herbiter, MWilderfinn, 
Kercher, Meerwein, Burkard, Bub, Lötterlin, Schnellin, Meier, Kornmann, 
Dftertag. Die Rathsſitzungen wurben nah Abbrennung bes Rathhaufes im 
Haufe des Färbers Andr. Kienlin nehalten. — Zoller war in den erſten Jah— 
ren bed Krieges Bürrgermeifter, 1691 Georg Eberlin (+ 1693 nad dem Grab: 
fein auf dem Kirähof), in den folgenden Sahren abwechlelnd Leonhard 
Herbfter und Chriſtoph Wohnlich. 

2) Schriftlicher Abſchied ꝛc. 


Echs;ehntes Kapitel. Pforzheim im orleans’fchen Krieg. 524 


bisher ſehr ſchädlich geweſen, und 4. die Verftattung des freien Handels 
und Mandels in allen Sachen. Diefe Freiheiten wurden auf 15 Jahre 
verlangt, nach deren Umfluß die vielfach verfürzten Privilegien von 
1491 wieder in volle Kraft treten follten. Die Negierung zu Niefern: 
burg befürwortete dieſe Forderungen bei der fürftlichen Regierung zu 
Basel, und es Scheint au, daß von diefer auf den elenden Zuſtand 
der Stadt gebührende Nüdficht genommen und in einem bald darauf 
erlaffenen fürftlichen Befehl, daß die Bürger die Stadt nicht verlaffen 
follten, das Wefentliche der erwähnten Forderungen zugeftanden wurde. 
Indeſſen nöthigte die immer fteigende Noth noch Manchen zur Aug: 
wanderung. 

Bei weitem die fehwierigfte Arbeit aber war die Gintreibung ber 
vielen nothwendigen Gelder. Da die Einkünfte der Stadt entweder 
ganz verloren waren oder nur jehr unregelmäßig eingingen, fo mußten 
die vielen außerordentlihen Ausgaben für Herftellung der öffentlichen 
Gebäude, Thore ꝛc., die noch fortdauernden Kontributionsgelder und 
Lieferungen an die Franzofen, wie an die ſchwäbiſche Kreisregierung 
für die nun endlich mit arößerm Eifer betriebenen Kriegsrüftungen ıc. 
durch außerordentliche Umlagen gededt werden. Das war feine leichte 
Aufgabe und wurde bei der herrichenden Noth und dem Mangel an 
Gemeinfinn — eine natürliche Folge der bisherigen vergeblichen Auf: 
opferungen — oft geradezu zur Unmöglichkeit. Die Unzufriedenheit 
ber Bürger, die fidh oft auf die heftigſte Weiſe Luft machte, wurde 
aber größer, als noch Anforderungen anderer Art einliefen. Weil 
die Pforzheimer Bürgerſchaft noch glücklich fchien im Vergleich mit 
andern Städten, 3. B. Durlach, da in Pforzheim doch noch ein Theil 
der Stadt gerettet worden war, während Durlad gänzlich in Aſche 
Yag, fo fiel auch der größte Theil der Laſten, welche die untere Mark: 
grafſchaft zu tragen hatte, auf Pforzheim. So wurde der Stadt zuge: 
muthet, gemeinschaftlich mit dem Amtsbezirt 56 fl. zur Unterftügung 
des in franzöfiiher Gefangenſchaft zu Philippsburg ſitzenden Inter: 
vogts Scheid und des Bürgermeifters Wild von Durlach zu bezahlen, 
obgleih der Stadtrath die Unmöglichkeit darlegte. Aus ähnlichen 
Gründen wurde auch das Durlaher Gymnaſium nad) Pforzheim in 
das vom Brand verfchont gebliebene Predigerkloſter verlegt, und ſchon 
am 8. (18.) September kam der Rektor des Gymnaſiums, Michael 


522 Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


Bulyowsky, nah Pforzheim, um die nötbigen Einrichtungen zu 
treffen. 1) 

Gteichzeitig gelangte auch ein Befehl des franzöfifchen Generals 
Düras nad Pforzheim, daß der daſige Obervogt in Lichtenau vor ihm 
ericheinen ſollte. Da in diefer Zeit fih gar fein fürftlicher Beamter 
in Pforzheim befand, fo wurde der lichtenthal'ſche Schaffner, Mathias 
Delendreit, abgefandt. Düras verlangte die völlige Zerſtörung aller 
Feſtungswerke, Niederreißung der Stadtmauern und Ausfüllung der 
Gräben. Endlich ließ er ſich doch mit Abtragung der in dem Iebten 
Sabre angelegten Mälle und Pallifaden begnügen, die auch in der 
erfreufichen Ausficht geſchah, beim nächſten Xruppeneinmarfch wieder 
berftellen zu müffen, was man jeßt niederrig. 

Der größte Kammer entjtand aber in Pforzheim, als fich im 
November 1689 das Gerücht verbreitete, daß die Stadt im bevor: 
ftehenden Winter mit einer ftarfen Garnifon befest werden folle. „Das 
fei rein unmöglich,” äußerte fih darüber in einer Rathsſitzung der 
damalige Bürgermeifter ob. Jak. Deimling, „da die Stadt in zwei 
Bränden faft gänzlich in Aſche gelegt und die Einwohner um Habe 
und Nahrung gebracht worden feien.“ nn einer deshalb an die Regie— 
rung in Niefernburg gemachten Eingabe hieß e8 ferner: „Die wenigften 
Einwohner hätten über Naht das liebe Brod im Haufe; die noch 
übrigen Häufer feien bdergeftalt mit Einwohnern überfüllt, daß fein 
Platz meiter vorhanden, Jemanden unterzubringen; zudem würde es 
{hen unmöglich fallen, nur das Nöthige an Holz und Xichtern für die 
Machen beizufchaffen, weil die dazu erforderlichen Mittel weder bei 
gemeiner Stadt, nod bei der Bürgerichaft anzutreffen feien.” Ein 
ähnfiches Schreiben erging auh an den Markgrafen Karl Guftan, 
Bruder von Markgraf Friedrih Magnus und damals Generalfeldzeug- 


) Von den 10 alten Mönchszellen, welche genen Oſten lagen, richtete 
Bulyomwafi 4 zu Schulzimmern ein; das Schiff der Kirche wurde zu Gebeten, Vor: 
fefungen, ſpäter auch zum Predigen benützt. Much die beiden Auditorien, welche 
an bie genannten Zellen jtießen, wurden für das Gymnafium verwendet, bas 
eine als Konferenzzimmer, das andere zu Borlefungen, 1690 den 13. März 
wurde ber Unterricht mit 60 Schülern eröffnet, deren Zahl nah Erridtung 
einer 4. Klaffe 1691 ſchon auf 150 geftiegen war. Außer dem Rektor wirkten 
damals an der Schule die Lehrer Bendel, Ludovici und Wagner. (Vergleiche 
hierüber; Vierordt, Gedichte der Karlsruher Mittelſchule, ©. 35.) 


Schdjehntes Kapitel. Pforzheim im orleans’fchen Krieg. 523 


meifter des ſchwäbiſchen Kreifes. Statt einer Antwort Fam unterm 
8. (18.) November ein fürftlicher Befehl, daß die Stadt ſich auf die 
Einguartierung von einigen hundert Mann bereit halten folle, und ſchon 
10. (20.) November zogen MO Mann Truppen des ſchwäbiſchen Krei— 
fes zu Fuß und zu Pferd unter Hauptmann von "Hagen in bie 
Stadt ein. Der Kommtandant verlangte fogleib Näumung der Stadt: 
mauern, Erbauung von Wachhäuſern, Verſchanzung des Scleifthorg, 
PBallifaden an mehreren Orten ꝛc., fodann Licht und Holz auf bie 
MWachtftuben. Das in der Stadtkaſſe vorhandene Geld war aber nicht 
einmal hinreichend, um die dazu benöthigten zwei Pfund Lichter täg— 
lich anzuſchaffen; man wußte feinen andern Rath, als einen Weggeld— 
ſtock aufzufchliegen und befam dadurd 26 fl. 25 fr. Dies reichte natür: 
Yich nicht weit. Die auf die Bürger umgelegten Kriegsgelder gingen 
nicht ein, denn die wenigften Fonnten fie bezahlen. 

Am Dezember rüdte unter dem Befehl des Oberften Palffy neue 
Garniſon in Pforzheim ein 1), welche das ganze Jahr 1690 hindurch 
die Stadt hart drüdte, und am Ende des Jahres Fam noch eine 
Abtheilung Hufaren dazu. Zwar ſollte befchloffener Maßen die Stadt 
Augsburg die Verpflichtung haben, diefe Garniſon zu “unterhalten, 
und Pforzheim follte ihr nur Obdach gewähren; aber das aroße 
und reihe Augsburg kam, wie e8 fcheint, diefer Verpflichtung nicht nach, 
und fo fiel die ganze Laſt der Einquartierung wieder auf die Bürger 
von Pforzheim. Es gebt dies wenigſtens aus den rührenden Schilde: 
rungen der allgemeinen Noth in den öfters an die Negierung gemachten 
Eingaben, aus den immer wiederfehrenden Klagen über die Wegnahme 
und Vernichtung der Feldfrüchte durch die Fourageurs der Garnifon, 
die beftändige Lieferung an Naturalten 2c. deutlich genug hervor. Dazu 
famen nod die Kriegsgelder am die franzöftichen Kommandanten in 
Straßburg und Philippsburg. Diefe mußten fast jedes Mal mit 
militärifcher Exekution eingezogen werden. Der Schulöner mußte die 
mit der Erefution beauftragten Soldaten, denen er fogleich einen Batzen 
Gebühr zu entrichten verpflichtet war, fo lange behalten, bis er zahlte, 
und überdies Foftete jede Stunde wieder einen Batzen Entihädigung. 


2) Palffy quartierte ſich beim Faiferlichen Pofthalter, Bärenwirth Ambros 
Deichler ein, welcher, fo lang der Kommandant bei ihm wohnte, wöchentlich 
1 Klafter Brennholz ertra erhielt. 


524 Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


Um das Maaß des Ungemachs voll zu machen, mußte zu Anfang 
des Jahres 1690 ein Eisgang mit Ueberſchwemmung die Auer Brüde 
gänzlich und die Altjtädter Brücke größtenteils zeritören und faft alle 
Dämme und Wehre befhädigen. Die zur Wiederherftellung derſelben 
erforderlihen Mittel waren auf feine andere Art aufzutreiben, als dag 
auch den gefreiten ‘Perfonen (Adelihen und Staatsdienern), fowie den 
Juden, die ſonſt auch keine außergewöhnlichen Abgaben bezahlen durf— 
ten, Beiträge angefegt und von ihnen erhoben wurden, Das gab 
Miphelligfeiten, die nody vermehrt wurden, als im Laufe des Jahres 
die Mebgerzunft fich hartnädig weigerte, die ertraordinären Kriegsgelder 
zu bezahlen und aud die übrige Bürgerfchaft fehrwierig zu werden 
anfing. Willfommen war es daher dem Stadtrathe wie der Bürger: 
haft, dab im Dezember Markgraf Friedrih Magnus felbft hierher 
fam. Alles ſchöpfte neue Hoffnung und wartete auf Erleichterung und 
Hilfe, aber vergebens. Was konnte der Markgraf auch ‚beim beiten 
Willen thun ? 


F 5. Menue Verwüſtungen. Berennung und Plünderung Pforzheims. 
Treffen bei Pforzheim und dritter Brand. 


(1691 und 1692.) 


Der Zuftand der Stadt, wie er zu Ende des Jahres 1690 
gewefen, dauerte auch bis über die Hälfte des Jahres 1691 fort. Im 
Juli diefes Jahres drohte jedoch die franzöſiſche Armee von der Rhein: 
ebene nah Schwaben durdhzubrehen. Die Stadt Pforzheim zu be- 
ſchützen, war Aufgabe des ſchwäbiſchen Kreisregiments, defjen Führung 
eben erft dem Grafen Karl Egon von Fürftenberg, einem im Türken— 
frieg erprobten Difizier, übertragen worden war. 1) Er hatte zur Ver— 
ftärtung 500 Mann gedienter Soldaten erhalten. Als fi jedoch die 
Gefahr zu verziehen jchien, da der Feind fih auf Graben zurüdzog, 
fo entjandte er 200 Mann zur Verſtärkung feines Oberftlieutenants 
v. Remchingen nad) Ettlingen. Er jelber bezog Quartier in Weil der 
Stadt und Tieß den Reſt feiner Leute zu ihren im Kinzigthal ftehenden 





1) Man vergleiche zum folgenden: Fickler, Geihichte von Fürftenberg, IV., 
S. 172 fi. 


Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'fchen Krieg. 535 


FKompagnien ſtoßen. In Pforzheim blieb eine Kompagnie unter der 
Führung von Hauptmann Zichwolf. 1) 

Unvermutbet fette fich jedech die fFranzöfifche Armee, 30,000 Mann 
ftarf, von Graben her gegen Pforzheim und Stuttgart in Bewegung. 
Bei ihrer Annäherung floh, wer irgend fliehen konnte, und fuchte feine 
beite Habe zu retten. Viele aber wurden vor der Stadt von dem 
Ichnellanrüdenden Franzofen ergriffen und beraubt. Dem Grafen von 
Fürſtenberg war durch Hauptmann Zidwolf von dem Erſcheinen ber 
franzöfiichen Armee vor Pforzheim raſch Nachricht gegeben worden, und 
er eilte feiner bedrohten Kompagnie fo ſchnell zu Hilfe, daß er früh 
7 Ubr bereits auf den Anhöhen füdlih von der Stadt angelangt war. 
Bon bier fah er ſchon den Vortrab des Marſchalls von Villeloi in 
der Nähe Pforzheims angelangt; die Neiterei tummelte fih auf dem 
Anger zwifhen Mauern und Gebirg. Fürſtenberg fchlug fi durch 
diefelbe, tödtete dem Feind zwei Offiziere und mehrere Gemeine und 
erreichte mit 35 erbeuteten Pferden glücklich die Stadt. Der Feind 
lieg aber nicht fo leichten Kaufes von derſelben ab; fein Fußvolk, 
untermengt mit Dragonern, rücdte gegen die Brötinger Vorftadt vor, 
drängte die dort aufgejtellten Roften in die Stadt zurüd und fing 
Vegtere mit 6 Stüden, worunter 4 ganze Kartbaunen, zu beichießen 
an, Die Garniſon konnte nur mit 3 Stücken Heinen Feldgeſchützes, 
etlichen Doppelhafen von einem Thurme und mit dem wirkungslofen 
Teuer der Musketiere von den Mauern herab antworten. Bis Abends 
9 Uhr war in lebtere bereits eine fo bedeutende Breſche gelegt, daß 
fie mit 15 Pferden in der Front zugänglih war. Von dem erwarte: 
ten Entjab war weder Spur, nad) Nachricht vorhanden. Da hielt der 
Graf auf Bitten der Bürgerfchaft Kriegsrath und bot nach deffen 
Ausſpruch Uebergabe der Etadt genen freien Abzug der Mannſchaft 
mit voller Nüftung, Kraut und Loth an. Der Feind beftand mit 
Hinweifung auf den Mauerbruch auf unbedingter Uebergabe. Mittler: 
weile hatte ein Bote des Grafen Palffy durch Schwimmen die Stadt 
erreicht mit der Nachricht, er werde des andern Tages Entſatz mit 
4000 Mann dringen, wenn die Stadt fh noch fo lange halten könne, 


1) Der Grabftein eines „Ernſt Friedrih Zickwolf, Hauptmann unter 
dem hochlöbl. Tandgräflih Fürſtenbergiſchen Kreisregiment zu Fuß, geftorben 
36 Jahre alt am 12, Oktober 1694* befindet fih auf dem Kirchhof. 


596 Schsichnies Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


Das hob die Hoffnung der Garnifon und Bürgerſchaft wieder, und es 
wurde von leßterer fogar, fei es aus Mißverſtändniß, fei es aus 
Siegeszuverfiht, auf einen franzöfiichen Parlamentär geſchoſſen, was 
das Schickſal der Stadt Teider fehr erfchwerte. Des andern Tags 
erfchienen die öſtreichiſchen Truppen ; allein ſtatt 4000 Mann nur in 
der Stärke von 800 Hufaren und 600 Kommandirten. Sie wurden 
von den Franzofen in der Ebene vor der Stadt empfangen und zurüd- 
geichlagen, und in das Lager des Feindes rüdte Verftärfung von 3000 
Dann Fußvolk unter dem Herzog von Bourbon ein. Set war jede 
Hoffnung auf eine erfolgreiche Vertheidigung abgefchnitten; Garniſon 
und Stadt ergaben fi) auf Gnade und Ungnade. Erftere wurde mit 
den vornehmften Bürgern, die man in Ketten flug, gefünglicd nad 
Frankreich abgeführt. (Diele der Bürger wurden nachher unter die 
franzöfifhen Truppen geſteckt und mußten mit diefen. den fpanifchen 
Erbfolgefrieg mitmadhen.) Der Graf von Fürftenberg wurde bis aufs 
Hemd ausgeplündert; kaum daß man ihm ein Pferd erlaubte, den 
Weg in die Gefangenschaft anzutreten. Das Schickſal der von Ein- 
wohnern leeren Stadt war ebenfalls eine gänzliche Plünderung. Die 
Franzoſen nahmen aud) die noch vorhandenen Glocken, jo namentlich die 
4 der Altitädter Kirche mit fort (die der Barfüßer- und Stadtkirche 
waren ſchon beim zweiten Brande 1689 geraubt worden), und dies 
Mal war e8 wohl auch, daß die fürftliche Gruft in der Schloßkirche 
erbrodhen und die dort befindlichen zinnernen Särge zerfchlagen wurden. 
Die franzöfiihe Armee mußte jedoch fchnell nad Stuttgart vorrüden, 
und fo blieb wenigftens ein Vorrath an Mehl und Wein übrig. Das 
war aber auch Alles, Kurz vorher hatten die Bürger das, was fie 
vor dem zweiten Brand glüdlih in andere Städte, namentlich nad 
Um, gerettet, nad) und nad) wieder geholt; jetzt war Alles geraubt. 
Das, von Durlach nad Pforzheim verlegte Gymnaſium wurde wieder 
aufgelöst und die Profefjoren zerftreuten fid) im Auslande, Der Rektor 
Bulyowsky wurde Rektor des Gymnafiums in Dehringen, fpäter zu 
Stuttgart. 1) Bendel kam nad) Schleswig, und Ludovici farb. 

Bei der Lage Pforzheims an einer Hauptftraße war die Stadt 
bei allen Durchmärſchen der Einquartierung und Mißhandlung ausgefekt, 
und jo kommt es aud, daß faft jeder Zug einer Armee durch eine 


——— — — —— — 


) Nach dem Ryswiker Frieden kehrte er jedoch wieder ins Badiſche zurück. 


Eechdzehntes Kapitel, Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 59 


Plünderung oder Verwüftung Pforzheims begleitet ift. Dies Schickſal 
traf die Stadt im Jahr 1692 doppelt fchwer. 

Die Bürger, die vor der eben erzählten Plünderung die Flucht 
ergriffen hatten, fammelten ſich nah und nach wieder mit Ausnahme 
derer, welche ſich an andern Orten bäuslid, niedergelaffen, Obgleich 
die Zahl der Bürger Klein war, jo erfcheint es doc, fait umbegreiflich, 
wie anch dieje Menigen ſich nod ernähren konnten; denn der Mangel 
und das Elend waren fo allgemein, daß felbft einige Mitglieder des 
Gerichts und Raths, die fonft unter die wohlhabendften Bürger der 
Stadt gehörten, mit den fchuldigen Zahlungen innehalten mußten. In 
einem fchreienden Mifverhältnig ftanden damit die bedeutenden Geld- 
forderungen an die Stadt auch im dieſem Jahre. Die Summe ber 
1692 zu zahlenden franzöfifchen Kontribution betrug 833 Gulden. 
Zur Montirung von 3 Reitern, 3 Dragonern und 24 Infanteriſten, 
welche der Stadt und dem Amt Pforzheim zu werben anbefohlen 
waren, mußte die Stadt 410 Gulden bezahlen. 1) Dazu kamen auch 
bie beftändigen Koften der im Straßburg noch immer gefangen 
figenden Pforzheimer Bürger, denen für diefes Jahr 200 Gulden 
gefandt wurden. Ein wiederholter Verſuch, die gefreiten Perjonen zu 
ſolchen Forderungen beizuziehen, führte erft jpäter zum Ziel. 

Im September 1692 war der Oberbefehlshaber der franzöfifchen 
Armee, der Herzog von Lorges, von zwei Seiten von den verbündeten 
Truppen angegriffen worden und zog fich jchnell nad) Fortlouis zurüd. 
Unerwartet aber brach er von dort wieder auf in der deutlichen Abficht, 
Württemberg zu überſchwemmen. General Chamilly z0g mit einem 
Theil des Heeres voraus und rücte rafch vor Pforzheim, das er am 
14. September einnahm, nachdem die Franzoſen an mehreren Orten 
die Stadtmanern gefprengt oder doch, wie beim Schleifthor, unterminirt 
hatten. Die meijten Bürger waren wieder geflüchtet. Der Aöminiftra- 
tor von Württemberg, Herzog Friedrich Karl, 2) der in die Gegend 
von Pforzheim gefchiet worden war, um Württemberg zu decken, konnte 
bie Bejegung Pforzheims nicht mehr hindern. Hier bei Pforzheim 


ı) Ein Reiter Foftete damals 130, ein Dragoner 120, ein Infauteriſt 
20 Gulden. 

2) Er war der Onkel des noch minderjährigen Thronerben Eberhard 
Ludwig. 





528 Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


wurde er aber von dem Herzog von Lorges, der unterdefjen mit ber 
Hauptarmee über Durlady und Wilferdingen nachgerüdt war, mit folder 
Heftigkeit angegriffen, daß feine Truppen in die größte Unordnung ges 
riethen und alle ihn verließen. Er jelbjt wurde nebft dem General 
Seyer, 60 Gemeinen, einigen Standarten und dem ganzen Gepäde 
gefangen und nach Straßburg geführt. 

Nun begannen wieder die Verheerungen durch Plünderung und 
Brand. Chamilly, der bisher Pforzheim bejeßt gehalten, hätte «8 wohl 
nicht gewagt, Pforzheim zu verwüſten, ehe er den Ausgang des Treffens 
kannte. Als aber die württembergiihen Truppen fo völlig gefchlagen 
waren, verbreiteten jich die Franzoſen in der ganzen Umgegend und 
„wütheten mit Brennen und Plündern in den Städten und Dörfern.” 
Am 18, und 19. September plünderten fie Knittlingen, Vaihingen, 
Neuenbürg, Liebenzell und andere Orte, am 20. verbrannten fie Calw 
und Hirihau, am 24. Knittlingen. 

Auch in Pforzheim wurde nunmehr faft Alles ein Raub der 
Nlammen, was bei den beiden frühern Bränden verjchont geblieben 
war. Der öftliche Theil der Stadt, den die Todesverachtung der Bürger 
1689 gerettet hatte, das Predigerkloſter nebft der Stadtkirche, insbes 
jondere aber auch die bisher ftehen gebliebene Brötzinger Vorftadt uud 
die Au mit der Auer-Brüde — Alles wurde in Aſche verwandelt. 
Auch eine Menge jener fchnell Hingebauten Hütten, fowie mehrere ber 
feit dem letzten Brande neuaufgeführten Häufer nahm das euer 
wieder hinweg. 

Diesmal kamen die Tranzofen auch nad, Liebeneck, das wegen 
feiner verborgenen Tage bisher von Plünderung und Brand verjchont 
geblieben war. Dorthin hatte man fchen früher das Stadtarchiv ver- 
bracht, und auch Spezial Kummer, der bereits bei zwei Plünderungen 
hart betroffen worden war, hatte mit andern guten Freunden Kleider, 
Biltualien, Bettwerf, — Kummer namentlich auch feine fchöne Biblio: 
thek dorthin geflüchtet, Alles ging aber jebt verloren, und was bie 
Franzoſen nicht mit fortnehmen konnten oder was für fie feinen Werth 
hatte, wie die Papiere des Archivs, murde muthwillig verdorben und im 
Hagenſchieß umher zeuftreut. (ES finden ſich noch Nechnungen von 
Perfonen vor, die mit Sammlung der auf ſolche Weife zerrifjenen und 
zerftreuten Urkunden ꝛc. beauftragt waren.) Bei ihren Abzug ftedkten 
die Franzoſen das Schloß in Brand, 


Schözehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 529 


Schon vorher hatte ſich Spezial Kummer, diefer für das Wohl 
feiner Gemeinde unermüdlich thätige Seelforger, der bisher in allem 
Leid getreulich zu derfelben geftanden, aber jest beim Wiederheranrücken 
der Franzoſen mit den größten perfönlichen Gefahren für feine Sicher: 
beit, ja fein Leben bedroht war, nad Ulm geflüchtet, wohin auch die 
Kirchengeräthe 2c. gebracht worden waren. Von dort aus richtete er, 
als er die Unmöglichkeit einſah, unter obwaltenden Umftänden nad) 
Pforzheim zurüdzufehren, und eben eine Aufforderung erhalten hatte, 
fih an den markgräflichen Hof nach Bafel und in die Herrihaft Nötteln 
zu begeben, an feine Gemeinde den bereits mehrfady angeführten Ab: 
jchiedsbrief, 1) der, wenn man jett auch allerlei daran auszufeßen finden 
dürfte, doc überall von der Liebe Zeugniß gibt, mit welcher diefer 
würdige Geiftliche feiner Gemeinde zugethan war, und von dem Eifer, 
mit welchem er fich das geiftliche Wohl derfelben angelegen fein ließ. 

Nachdem fich die Franzofen am 8. (18.) Oktober wieder aus 
der Gegend entfernt hatten, kehrten die Bürger nah und nad zu 
ihren Schuttftätten zurücd und bauten ſich wieder Hütten. Pforzheim 
gewährte ein trauriges Bild. „An der ganzen Stadt ſah man nur 
vauchende Trümmer, und aus diefen ragten die noch ftehenden, aber 
zum Theil ihrer Thürme beraubten, ſchmuckloſen Kirchen düſter empor. 
Eine Menge Hände war befchäftigt, aus den Schutthaufen das noch 
erhaltene Hausgeräthe berauszufuchen. Auf dem Markte vor den 
Bäckerläden ftanden die Kinder haufenweife und fehrieen um Brod, und 
die Bürger liefen ängftlich umher, bald da, bald dort um Hilfe an- 
ſprechend.“ So ſchildert ein Augenzeuge den damaligen Zuftand der 
Stadt. 

Um die Noth noch größer zu machen, kam kaum 8 Tage nah 


1) Der vollftändige Titel desjelben Tautet: Das Nichtiehen und Wieder: 
jehen über ein Kleines, oder Matthaei Kummers Hochfürſtl. Marggräfl. 
Badischen Kirchenraths Sp. Superintendenten und Stattpfarrer in Pforgheimb 
Schriftlicher Abſchied. Welchen Er anftatt einer verlangten Valet- 
Predigt, von feinen allerfeits vielgeliebten, und ohnedem über den Häglichen 
Zuftand, darinn Sie auß Gottes gerechtem Strafgerichte, zu verſchiedenen 
mahlen geratben, höchſt Betrübten Pfarr: und Beichtsfindern bafelbft, auf eine 
Zeitlang nehmen müfjen. — Psalmi CXXXVH, 8.5 u. 6: Vergeſſe id bein 
(Pfortzheimiſches) Serufalem, fo werde meiner Rechten vergeflen, meine Zunge 
müße an meinem Gaumen Heben, wo ich Dein nicht gedenke. — ULM. Drudts 
Ferdinand Maud, 1694. 

Pflüger, Pforzheim. 34 


530 Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


dem Brande ein Befehl des franzöfiihen Kommandanten zu Straß: 
burg, daß die Stadt Pforzheim für das Jahr 1693 A000 Reichsthaler 
zahlen und einen Theil diefer Summe innerhalb 14 Tagen entrichten 
- folle. Die Bürger mußten mit ihrer noch übrigen Habe haufiren gehen, 
um aus deren Erlös die Kriegsgelder bezahlen zu können. 


$ 6. Die folgenden Rriegsjahre. Der Friede zu Uyswik. 
(1693 — 1697, 


Die Bürger hatten nicht lange die traurige Freude, wieder in ihren 
Häufern und Hütten zu wohnen; denn bald nad) dem Brande zog 
wieder eine neue franzöfiiche Garnifon ein unter General Molineaur. 
Die ganze Umgegend wurde von den Franzofen bejegt; ihr Haupt: 
quartier war zuerjt in Graben, nachher in Größingen. Die Bürger 
von Pforzheim waren, ehe noch diefe Garniſon einrücte, um eine Salva 
guardi (Sauve garde) eingefommen und mußten deshalb auch bedeutende 
Schub: und Sicherheitsgelder erlegen; aber fie erlangten damit nichts 
Weiteres, als daß die Stadt von einem neuen Brande verfchont blieb; 
die Plünderung, die im Juli 1693 erfolgte, war fo hart und drüdend, 
wie die frühern. Die ftarfe Garnifon, die vielen Truppen in der Gegend 
hatten faft alle Lebensmittel aufgezehrtz der Feldbau Tag bei den 
unaufhörlihen Truppendurchmärſchen ganz darnieder. Der damalige 
Stadtrath fagt in einem Bericht, daß nicht mehr als noch 9 Pflüge in 
Pforzheim fein, während es font 70 — 80 geweien. Das verurfachte 
bedeutenden Fruchtmangel, wodurch auch der Preis des Kernens auf 
die für die damaligen fo geldarmen Zeiten höchſtbedeutende Summe 
von 27 Gulden ftieg. Viele Bürger wußtensfich nicht anders zu bel- 
fen, als daß mande ihre Güterftücde, theils um Mittel zur Stillung 
ihres Hungers zu erhalten, theils um die ſchweren Kriegsſteuern ent- 
richten zu Können, um eine Kleinigkeit weggaben. 1) Wie fehr der Preis 


1) Aeltere Chroniken (Deimling) erzählen, daß bamals Güterftüde um 
einen ober mehrere Laibe Brod, einmal um einen Saumagen, (wovon das Ed 
zwilchen ber Durlacher und Ettlinger Straße ben Namen erhalten haben joll,) 
weggegeben, ein ander Mal ein Ader unter der Bedingung bergeichenft worben 
fei, daß ber Empfänger für den bisherigen Eigenthümer ein Vaterunſer bete, 
wovon der Ader den Namen „BVaterunferader“ erhalten babe. BDerjelbe trug 
indeſſen jhon vor dem orleans’ihen Krieg biefen Namen. 





Schözehntes Kapitel, Pforzheim im orleans’fchen Krieg. 531 


der Güter gefunken war, davon einige Beifpiele. Ein Morgen Aders 
am Kiefelbronner Weg wurde damals um 10 Gulden, 1/, Wiefen auf 
den Weiherwiefen und 11/, Viertel Ader bei der Blumenhede um 33 
Gulden, 3 Viertel Ader in den Stidelhälden um 2 Gulden, 13, 
Morgen Ader im Brößinger Feld um 30 Gulden, 1/, Morgen Ader 
in der Zeil um 10 Gulden, 1/, Morgen Ader am Brettener Weg um 
10 Gulden, 1, Morgen Ader am Mingertweg um 8 Gulden, 31, 
Viertel Ader im Hachel um 10 fl. 30 &., 6 Morgen Eichen: und 
Tannenwald im Weyrih um 40 fl., 11/, Morgen Wald ebendafelbft 
um 9 fl. 14 kr. verfauft. (Die Gemeinde Baufchlott verfeste am 
23. April 1694 gegen 300 fl., welche zur Bezahlung von Kontributio: 
nen aufgenommen worden waren, 40 Morgen Eich: und Buchwald.) 
Die dadurch verurfachte Noth war fo ſchrecklich, daß viele Men: 
ſchen Hungers ftarben. Manche Bewohner der Stadt wanderten wieder 
aus; andere hielten fich in den umliegenden Waldorten verborgen. So 
kam es auch, daß jich zu Ende des Jahres 1693 kaum noch der vierte 
Theil der frühern Bevölkerung in Pforzheim befand, Wie ein Spottlied 
Hangen in diefen allgemeinen Sammer einige Befehle an die Bürgerfchaft. 
Eine Dienerin aus dem Gefolge des franzöfifchen Intendanten Ragrange 
zu Straßburg war lange an einem Beinbrudy bier gelegen; nun mußte 
die Stadt nicht allein die Kurkoften, welde 2 Dublonen (14 Gulden) 
betrugen, bezahlen, fondern auch, da eine Empfehlung, d. h. ein Befehl 
des Intendanten felbft vorlag, ihr das Neifegeld bis nad Straßburg 
mitgeben. Sie erhielt 10 Gulden aus den Sriegsgeldern, die aber, 
da nichts vorhanden war, erft exekutoriſch eingetrieben werden mußten. 
Um einer franzöftihen Magd Neifegeld zu verſchaffen, erhielten die 
mit dem Hunger fümpfenden Bürger Erefution!!) Ein Befehl ähn— 
lihe Art kam von der Landesregierung felbft. Vermuthlich um größerm 
Unheil vorzubeugen, beſchloß diefelbe, dem franzöfifhen Kommandanten 
von Philippsburg, von defien Laune das Schidfal der Markgrafſchaft 
faft ganz abhing, ein Gefchent mit einem Pferde zu machen. Pforzheim 
mußte dazu 42 Gulden hergeben. Gleich nach der Testen Plünderung 
war aud eine aus ſchwäbiſchen Sreistruppen beftehende Garnifon ein: 


1) Der Roſenwirth Beckh'ſchen Verlaffenihaft wurde damals beijpielweile 
zur Bezahlung rücftändiger Kontributionge und anderer Kriegsgelder Güter 
im Zwangsweg verfleigert, 94° 


539 Sechszehntes Kapitel, Pforzheim tm orleans’ihen Krieg. 


gezogen. Sie war aber freilich nicht nur läftig, fondern aud über 
flüffig; denn fie gewährte durchaus feinen Schutz. So oft ſich fran— 
zöfifche Truppen näherten, zogen fich diefe Garnifonen jedes Mal zur 
Hauptarmee zurüd. 

Auf ähnliche Weife verlief das Jahr 1694. Das ganze Jahr 
lag das Durlachiſche Regiment bier unter dem Marihall v. Men- 
zingen, dem Oberftwachtmeifter Barth, den Hauptleuten Piſtorius, von 
der Nida, Borkheimer, Krummhaar, Wucherer ꝛc., auch Abtheilungen 
des fürftenbergifchen Regiments unter Klizing und Zickwolf, ſowie des 
bornifhen Regiments. - Diefe Garniion betrug fich aber fo roh, daß 
ber Stadtrath 1) zuletst Elagend einfommen mußte. In der betreffenden 
Eingabe heißt e8 unter Anderm, „dah aus Mangel an Kafernen die 
Bürger die Soldaten in ihren Stuben liegen Tafjen müßten, wovon 
beide Theile erkrankten; ferner daß die Offiziere die Soldaten nad) 
eigenem Belieben einquartierten, was doch die Franzoſen nicht einmal 
getban.” Damit hängt auch der Befehl zufammen, feinem Soldaten 
Etwas abzufaufen; denn die- Bürger wurden faft öffentlih von den- 
felben beraubt, 

Die Geldlieferungen an die Franzoſen und den fehwäbifchen Kreis 
dauerten fort. Unter den außerordentlihen Lieferungen waren die fog. 
Melac'ſchen Fouragegelder, eigentlich ein Einkommen für die Privatkaſſe 
bes General Melac. Die Stadt Pforzheim mußte 140 XTrentefols 
(à 45 £r.) bezahlen. Und da doch einmal außerordentliche Forderungen 
an ber Tagesordnung waren, jo wollte auch die badifche Negierung 
nicht zurücbleiben. Sie erlie den Befehl, daß von den hiefigen Bürgern 
außer dem gewöhnlichen Zehnten von Frucht, Heu (Heuzehnten war in 
Pforzheim nie gegeben worden) und Wein auch der Dreißigſte geliefert 
werden ſollte. Die Vorftellungen dagegen hatten wenigſtens den Exfolg, 
daß die zuerft geforderte Averfalfumme von 600 Gulden auf 200 
Gulden ermäßigt wurde. 


) Derjelbe beftand ſammt Gericht damals aus folgenden Mitgliedern: 
(Herr DOberamtöverweler Heyland, Stadtichreiber Götz), amtstragender Bürger: 
meifter Martin Zoller, Altbürgermeifter Joh. Ib. Deimling, Hs. Ulrich Kiefer, 
Seb. Sheiblin, Mid. Holdmayer, Leonhard Herbfter, H8. Ag. Kercher, Nikl. 
Burkard, — Joh. Fauler, Joh. Ib. Lötterlin, Hs. Mart, Meier, Rud. Korn: 
mann. Chriſt. Abrecht, Hs. Gg. Oftertag, Chriſt. Wohnlich, Bernhard Minderer, 
Konr. Kap, 98. Gg. Feldner. 


Sechszehntes Kapitel, Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 533 


Im Monat Mai 1695 näherte fi) die franzöfifche Armee unter 
Marſchall Delorges wieder unferer Gegend und lagerte ſich bei Bruch— 
fal. Dieſe Nähe des Feindes verurfachte abermals allgemeine Flucht 1) 
und was davon unzertrennlih war, neue Verluſte. Doch blieb es 
dies Mal bei der bloßen Angſt, und die Bürger konnten Mitte Juni 
wieder in ihre Wohnungen zurüdfehren. Es wiederholten ſich indeß 
bald die Klagen über das rohe Betragen der Garniſon ımter Haupt: 
mann Krummhaar. Noch mehr Tag jedoch dem Stadtrath die gute 
Stimmung des Kommandanten zu Philippsburg am Herzen. Man 
wurde einig, bdemfelben im Namen biefiger Stadt ein gut Eſſen Forellen 
zu übermahen. Im Oftober war bier vorübergehend das Hauptquar: 
tier der Alliirten;) im November war Obriftwachtmeifter Breitholz 
Kommandant zu Pforzheim, 3) 

Mit dem Jahr 1695 fchloß fich die haͤrteſte Leidenszeit der 
Pforzheimer. Die Noth blieb zwar noch groß genug, und ſie waren 
nichts weniger als völlig befreit von fernern Kriegslaſten. Sie wurden 
noch immer mit Garniſon gedrückt; noch immer währten die Zahlungen 
und Gelderpreſſungen; aber ſie konnten doch wenigſtens wieder in ihren 
Hütten wohnen, ohne mehr einem Brande oder einer allgemeinen 
Plünderung preisgegeben zu ſein. Als Beiſpiel der damaligen Noth 
ſtehe nur das hier, daß die Tochter des vorher ſehr wohlhabenden Alt: 
bürgermeifters J. J. Deimling aus Mangel anderweitiger Nahrung 
durch Lohnwäſchen ihren Unterhalt ſuchen mußte. 

Ein im Mai 1696 befürchteter, jedoch nicht zu Stande gekomme— 
ner, abermaliger Uebergang der Franzoſen über den Rhein ging mit 
der bloßen Angft vorüber, hatte jedoch eine Rathsſitzung zur Folge, in 
welcher auf den Vorſchlag des Bürgermeifters Leonhard Herbiter be— 
fhloffen wurde, dem Herrn Kommandanten und Kommiffario zu Phi: 
Tippsburg bei Ueberſendung einer Abichlagszahlung zur franzöfifchen 
Kontribution auch „eine gute traget grundel und forellen zu überſchicken.“ 


1) Am Kirchenbuch von 1695 ift als getauft aufgeführt: 1. Juni: Daniel, 
Dat. Herr Rudolf Kornmann, und dabei bemerft: NB. Wurbe in ber Flucht 
zu Tiefenbronn von Herrn Deimling, Pfarrer in der Altenftabt, getauft. 

2) Es befand fich dabei ein Generalwachtmeifter v. Thüngen, und fland 
berjelbe bei einem Kinde bes Sattlers H8. Jerg Siegele zu Gevatter. 

3) An diefem Monat war auch die Marfgräfin Augufta Maria auf Beſuch 
in Pforzheim und verfah dafelbft bei mehrern andern Kindern Pathenſtelle. 


534 Sechs zehntes Kapitel, Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


Kommandant war zu Pforzheim in diefem Jahr der Obriftwachtmeifter 
Ludwig Friedrih Schilling v. Cannſtatt. 

Wie geringe Hoffnung auf baldigen Frieden man fi) machte, 
gebt aus den im Jahr 1696 von Seiten des Oberkommandos ber 
deutichen Truppen mit neuem Gifer begonnenen Operationen hervor. 
Um hier nur das anzuführen, was in der nächſten Umgebung Pforzs 
beims geſchah, fo wurden durch den ganzen Hagenſchieß Verhaulinien 
angelegt, woran das ganze Jahr gearbeitet wurde, und gegen Ende 
des Jahres bis in das folgende Jahr hinein geſchah dasſelbe auch im 
Kallert. Aud wurden im Hohberg allein 1230 Stüd Pallifaden 
gehauen. Dadurd wurden natürlich diefe Waldungen nicht wenig 
ruinirt. 

Zu den auferordentlihen Geldern, welche die Stadt Pforzheim 
in den Jahren 1696 und 97 bezahlen mußte, waren: 500 Gulden 
„Beihilfsgelder der untern Markgraffhaft” an die badifche Regierung, 
631 fl. 30 fr. Fonragegelder an die Franzofen, 128 fl. 30 fr. Haber- 
geld an diefelben, fodann eine Menge von Auslagen für die Kreis: 
truppen, obgleich eigentlich Pforzheim nur das Obbdach für die Gar: 
niſon zu leiden, keineswegs aber fie zu verpflegen hatte. Außerdem 
mußte die Stadt auch mehrfah zur Verpflegung auswärtiger Garni: 
- fonen beitragen, z. B. für die damals in Menzingen und Flehingen 
liegenden Hufaren. 

Endlich nad neunjährigem Kampfe, der faft ohne entfcheidendes 
Treffen geblieben war, zeigten fic; alle Theilnehmer des Krieges müde, 
Die Triedensunterhandlungen gediehen am 30. September 1697 (mit 
England, Holland und Spanien) und am 30. Oktober (Kaiſer und 
Reich) in dem Schloß Ryswik bei Haag in Holland zum endlichen 
Schlufje Ludwig XIV. mußte alle reunirten Orte an Deutichland 
zurüdgeben, ebenfo die gemachten Eroberungen, u. A. Philippsburg, 
Kehl, Altbreifach, Freiburg, durfte aber den Elſaß mit der Reichsſtadt 
Straßburg behalten. So endigte ein Krieg, der nach der Verficherung 
eines Zeitgenofien und Augenzeugen (Kummer) „mehr zerftört Hatte, 
als der ganze alte deutfche Krieg im feinen 30 Jahren.“ 


Sechs zehntes Kapitel. Pforzheim im orleansfchen Krieg. 


Anbang. 


Melacr in Pforzheim. 


Bon Ludwig Auerbad, 





Dumpf bröhnet die Glode jhrillen Klang, 
Berzweiflung reißt an dem zudenden Strang, 
Berzweiflung irrt durch die Straßen. 

Gebrochen nad) langer und tapferer Wehr 
Der Mauern Wälle durch Melac's Heer, 

Durch Freunde, die Treue vergaßen, 
Die Pforzheim in tieffter, bitterfter Noth 

Berließen und heimlich entwichen! 
Die Bürger ftanden, bis feig der Tob 

Als Peſt in die Reihen geichlichen. 


Die Glocke ruft bange — ihr dumpfer Klang 
Begleitet ben ernften, fchweren Gang 
Der legten der tapfern Bürger; 
Sie fchreiten zum Marfte, wo Melac ftebt, 
Die blutrotbe Fahne des Schredens weht 
Aus der lagernden Horde der Würger. 
Im dunkeln, unheimlihen Auge glüh'n 
Der Morbluft büftere Flamnten, 
Die Funken teufliiher Woluft fprüh'n, 
Bricht ein Opfer der Dual zufammen. 


Die Letzten der tapfeın Bürgerihaar — 

Meift Greife im Iodigen Silberhaar — 
Bor Melac fnieen und flehen: 

„D Herr, Taß genug fein ter Pein, der Noth ! 

Nimm nicht den Hungrigen Obdad und Brot — 
O Tafie vorübergeben 

Das Schredensgericht, das im Iohenden Brand 
Einäfchert die Heimath der Armen, 

Befledde mit Blut nicht Deine Hand — 
Sei mild und übe Erbarmen!* 


Still Taufchet der Lenker ihres Geſchicks: 
Ein Strahl der Milde im Leuchten des Blicks 
Verkündet die menſchliche Seele, 


536 Sechszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans'ſchen Krieg. 


Und menſchlich fühlend verbammt er die That: 

„Der Teufel figt im Pariferrath 
Und jchreibt mir die Blutbefehle! 

Doch muß ich gehorhen!" — Melac wintt, 
Die Bürger eilen von bannen. 

Der Attila Deutihlands winkt — es blinft 
Blutgleißend die Wehr der Tyrannen. 


Der Attila Deutihlands winkt — «8 Taufcht 
Die Horde ber Söldner gierberaufht — 

Da jhmettern belle Fanfaren. 
Und bligesichnell ſich die Horde zertheilt — 
In jeder Fährte des Windes eilt 

Ein Troß der wilden Barbaren. 

Schon züngelt das Feuer bier und dort! 
Bald Hält es im riefigen Schlangen, 
Sturmathmend fih dehnend fort und fort, 
Zermalmend bie Stadt umfangen. 


. Zum Himmel jchweift fehnend der Flammenftrahl, 
Die Gloden wimmern, zum Bachanal 
Des bürftenden Mordes zu laden ; 
Der Himmel erglüht vom Flammenroth, 
Roth färbt die Erde mit Blut der Tod, 
Der Würger ohne Gnabden. 
Ein wildes üppiges Siegesfeft 
Hat Melac's Troß ihm bereitet, 
Der mähenden Schwertes blutdurchnäßt 
Auf zudenden Leichen fchreitet. 


Nah jedem Morde ein Jubelſchrei! 

Und brüllend flürzet die Bande vorbei, 
Nah neuen Opfern zu fuchen. 

Sie ſchreckt nicht des Greifen geweihtes Haupt, 

Nicht der Kinder Kammer, die vaterberaubt 
Den jauchzenden Mördern fluchen. 

Der Ruf der Verzweiflung, der allerwärts 
An liebe Todte ſich klammert, 

IR ihnen Mufit — fie entzückt der Schmerz, 
Der über den Opfern jammert. 


Umfonft, daß die Mutter zu retten fucht 
Die bebenden Kleinen auf eiliger Flut — 
Umſonſt, mit erhobenen Händen, 


Schszehntes Kapitel. Pforzheim im orleans’shen Krieg. 537 


Die Kinder bededend mit ihrem Leib, 

Erflehet fie Schonung; — «8 fieht das Weib 
Die heiligen Leben enden — 

Die Leben der Liebe! — Bon ihrer Bruft 
Wirft in die gierige Flamme 

Das entichte Kleine — bes Henfers Luft: 
„Das Feuer fei deine Amme!“ 


Verderben ringeum! Verzweiflung und Pein 

An graffen Bildern vom Flammenjhein 
Beleuchtet mit ſchrecklicher Helle; 

Die ſtürzenden Häufer in tofendem Fall 

Begraben der Flüchtigen kämpfenden Schwall; 
Nicht rettet des Fußes Schnelle. 

Dort ftürzen verbunden Hand in Han, 

* Verfolgt von den Tigerſeelen, 

Sich Frauen und Mädchen in lohenden Brand, 

Den Tod ſtatt der Schande zu wählen! 


Nur Einen im wilden Siegesfeſt 
Des Mordes die Ruhe nicht verläßt: 
'S iſt Melac auf ſchauendem Thurme. 
Starr blickt ſeine Auge und ſeelenlos 
Auf Pforzheim, das in des Verderbens Schooß, 
Im rieſigen Flammenſturme 
Zuſammen vor ſeinen Blicken bricht; 
Er höret der Sterbenden Stöhnen, 
Und Ihn verwünſchend als letzt Gericht 
Die Seufzer Erblaſſender tönen. 


Sicehzehntes Bapitel 


— ı— 


Die erſten Jahrzehnde des 18, Jahrhunderts, ı) 
(1697 — 1746.) 


$ 1. Allgemeines. 


As Markgraf Friedrih Magnus im Jahr 1698 nach faft zehn: 
jährigem Eril mit feiner Familie und feinem Hof von Bafel aus 
wieder im fein Land zurüdkehrte, fand er dasfelbe aufs Entſetzlichſte 
verwüſtet. Von ſämmtlichen Ortfhaften waren faum 50 unbefhädigt 
geblieben, und die Bevölferung des Landes hatte ſich auf den vierten 
Theil des früheren Beftandes vermindert. Der durh Brand, Plünde: 
rung und Verheerungen aller Art der damals noch Meinen Markgrafſchaft 
zugefügte Schaden wurde auf I Millionen Gulden berechnet. In ſämmt— 
lichen Schlöffern des Markgrafen, fo zu Durlah, Pforzheim, Mühl—⸗ 
burg, Berghaufen, Remchingen, Staffort, Graben, Emmendingen, Sulz: 
burg, Badenweiler und Nötteln hatten die Flammen gewüthet. Zu 
allem Unglück mußte auch bei den Feierlichkeiten, welche der Fürft 
wegen des erfehnten Friedens in Baſel veranftaltete, in feinem dor: 
tigen Schloffe während der Nacht ein Brand ausbredyen, den bie 
marfgräffiche Familie nur mit Noth entrinnen konnte und der das 
Gebäude fammt allen darin befindlichen Vorräthen, Mobilien und Koft- 
barfeiten verzehrt. Manches, das in Kellern und Gemwölben dem 
Feuer entgangen, wurde wenige Tage darauf durch den Einfturz einer 
Mauer zu Grunde gerichtet. 

Kaum hatten die Bemühungen des Markgrafen, die vom Krieg 
zerftörten Einrichtungen feines Landes wieder herzuftellen, begonnen, 
jo wurden diefelben durch den 1701 ausbrechenden fpanifchen Erb— 


) Quellen: Berfhieden, hauptſächlich aber Rathsprotokolle, Bürger: 
meiſterrechnungen, Kirchenbücher, Zunftrechnungen, Archivalakten, Familien⸗ 
aufzeichnungen ꝛc. 





Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697-1746. 539 


folgefrieg wieder unterbrochen, fein Land neuer Bedbrängniß preis: 
gegeben und der Markgraf zu abermaliger, wenn auch nur Kurz an- 
dauernder Flucht in fein neu erbautes Haus zu Bafel genöthigt. Das 
Ende des Krieges follte jedoch der unglückliche Fürſt nicht mehr erleben. 
Er ftarb, 63 Jahre alt, 1709 zu Karlsburg und wurde am 13. Juli 
in der Fürftfichen Gruft zu Pforzheim beigefest. Eine Tafel im 
Reuchlinszimmer der Schloßkirche zeigt das Bildniß diefes Fürften in 
rothem Kleid auf dem Paradebette. Ihm folgte, SO Jahre alt, 1738 
feine Gemahlin, die fromme Augufta Maria, eine eifrige Verehrerin 
der Dichtkunſt und ſelbſt auf diefem Gebiete thätig. 2) Unter ben 
11 Kindern, die diefer Ehe entfproffen, waren zwei Söhne, Karl Mil: 
helm und Chriſtoph. Erfterer folgte feinem Water im der Negierung 
nach, letzterer beffeidete verſchiedene militärische Würden und nahm ins- 
befondere am ſpaniſchen Erbfolgefrieg eifrigen Antheil. Er ftarb 1723 
und wurde in Pforzheim begraben. In der Schloffirche zeigt eine 
gemalte Tafel das Bild des auf dem Paradebett Tiegenden Fürften. 
Markgraf Kart Wilhelm hatte ebenfalls im fpanifchen Erb— 
folgefrieg mitgefämpft; es rief ihm jedoch des Waters Ableben 1709 
daraus zurück.) An Regierungsgefhäften nahm er eifrigen Antheil 
und zeigte fich überhaupt als einen Fürften, dem es darum zu thun 
war, das Miebderaufblühen des Landes nah Kräften zu fördern. Die 
erſchöpften Finanzen desfelben wußte er wieder flüffig zu machen und 
in Ordnung zu bringen, fo daß es ihm gelang, die fchwere Schuldenlaſt 
des Landes bis auf den Meinften Betrag zu tilgen. Wohlthätig geſinnt 
unterftügte er Verunglückte, MWittwen und Maifen und gründete für 
Yetstere das große Landeswaiſenhaus zu Pforzheim, von dem 
unten mehr gefagt werden wird. Ueber das adelihe Fräuleinſtift, 
das Amalie Elifabeth von Menzingen, geborene Bettendorf, mit ihrem 
Gemahl Gottfried von Menzingen am 2. Mai 1721 zu Pforzheim 
ftiftete, übernahm er für fi und feine Nachkommen die Schußherrfchaft 
und ertbeilte ihm verſchiedene Privilegien, 3) Unter die Erwerbungen, 


1) Bergleihe die Schrift: Leben, Lieder und Liederpflege ber Augufta 
Maria, Markgräfin von Baben:Durlah, von K. Dreber (Berlin, Schlawik 
1858.) 

2) Die Privilegien ber Stabt Pforzheim beflätigte er unterm 1. Auguft 
1709 (Stadtardiv). 

) Das Stift wurde am 7, November 1721 feterlichit eröffnet und zugleich 





540 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 


welche er zur Vergrößerung feines Landes machte, gehörte auch 1726 
das Schloß zu Bauſchlott, das zwar ſchon Markgraf Georg Fried: 
rich 1604 am fich gebracht, aber wieder veräußert hatte, 1) Auf gleiche 
Weiſe erwarb er 1730 das Schloß Karlshaufen fammt einem Theil 
de8 Fleckens Dürrn?) von Karl Magnus von Leutrum. 

Bekanntlich ift Karl Wilhelm auch der Gründer von Karlsruhe 
Urfprünglich nur ein Jagdſchloß, das er 1715 im Hardwald erbaute 
und als großer Blumenfreund mit den herrlichten Gartenanlagen umgab, 
lockte e8 bald noch mehr Anfiedler herbei, und es entftand um dasfelbe 
nach und nad) eine, anfangs nur aus Holz aufgeführte Stadt, in welche 
der Markgraf von Durlady aus feine Reſidenz verlegte. 

Mie fein Vater, fo war aud Karl Wilhelm durch einen Krieg, und 
zwar den polnifhen (17T33—1735), gezwungen, fein Land zu ver: 
laſſen und in Baſel Schutz zu fuchen. Seine Gemahlin mit ihren 
Kindern ließ er jedoch in Durlach zurüd, Sein Aufenthalt in Bafel 
dauerte indeffen nur Furze Zeit. 

Karl Wilhelm ftarb 1738. Seine Eingeweide wurden in die fürft- 
liche Gruft nah Pforzheim gebracht, fein Leihnam aber unter dem 
Altar der (1807 abgetragenen) Concordienkirche zu Karlsruhe beigefett. 
In der Schloßkirche erfterer Stadt befindet fih das Bildnig des auf 
dem Taradebett Tiegenden Markgrafen. Er war vermählt gewejen mit 
der württembergiihen Prinzeſſin Magdalene Wilhelmine, die ihrem 
Gemahl 1742 in die Ewigkeit nachfolgte und in der fürftlichen Gruft 
zu Pforzheim begraben wurde. In der Schloßkirche ift das Bild der 
Fürftin zu feben, wie fie in ſchwarzem Kleide auf dem Paradebett 
Tiegt. 3) Die beiden Ehegatten mußten den Kummer erleben, alle ihre 
bie erfte Aebtiſſin, Rofine Suſanne Katharine Pbilippine von Benningen, ein: 
geweiht, auch die erften Stiftsbamen einneführt. Das adelihe Damenfift 
befand ſich bis 1858 in Pforabeim, in welchem Jahr es nach Karlsruhe vers 
Tegt wurbe, Das Haus von Fabrifant A. Nösgen in ber Leopoldäftraße war 
das Stiftsaebäube, vorher das von Chriſtoph Beer am Schloßberg. 

1) 1609 an Erhard von Rammingen, von dem es an Johann Leonhard 
v. Sternenfels überging. Von biefem brachte e8 der Markgraf wieder an das 
badiihe Haus. Beral. Sachs V., ©. 127. 

2) Der andere Theil von Düren war ſchon 1687 durch Taufh von 
Württemberg an Baden-Ourlach gefommen. 


3) Neben biefem Bild hängt das ihres Älteiten Sopnes, bes im 11.Lebens⸗ 
jahr geftorbenen Prinzen Karl Magnus, 





Sichzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697-1746. 541 


Kinder vor ihnen in das Grab ſinken zu fehen. Dem eritgeborenen 
Prinzen folgte auch der andere und noch einzige, Friedrich, der 1732 
in feinem 29. Lebensjahr mit SHinterlaffung zweier Söhne, Karl 
Friedrich und Wilhelm Ludwig, ftarb. Er ruht in der Gruft zu 
Pforzheim. 1) Der Erziehung diefer Prinzen nahm fich ihre Großmutter 
Magdalene Wilhelmine um fo eifriger an, als die immer leidende 
Mutter derjelben diefer Pflicht nicht nachlonmen konnte. Als Karl 
Wilhelm 1738 ftarb, hatte fein 1728 geborener Enkel, der nunmehrige 
Erbprinz Karl Friedrich, fein zehntes Lebensjahr noch nicht zurückgelegt. 
Es wurde deshalb eine vormundichaftliche Regierung eingefett, die aus 
der Großmutter des Erbprinzen, feinem Oheim Karl Auguft und dem 
geheimen Staatsfollegium beftand. Die Beftätigung der Privilegien 
der Stadt dur die Vormundichaft erfolgte am 26. Juli 1738, 2) 
jedoch mit dem (ans unten folgender Darftellung des Privilegienftreites 
erffärlihen) Zuſatz, daß „da inmitteljt wegen Veränderung der Zeiten 
dabei dag Eine oder das Andere nothwendig hat geändert werden 
müffen, fie ſich der bisherigen Obſervanz und dem des wegen unterm 
12. Juli 1723 ergangenen Befehl nad) Ausweis des fammergerichtlichen 
Urtheils vom 12. Januar 1724 gemäß zu bezeigen fhuldig und gehal: 
ten fein follen ꝛc.“ — Die vormundfchaftlihe Regierung wirkte bei 
pflichtgetreuem Eifer der beigeordneten Räthe wohlthätig acht Jahre 
lang für das Land, bis der vom Kaifer für volljährig erflärte Erb: 
prinz 1746 die MNegierung antreten konnte. hr wird das nächſte 
Kapitel gewidmet fein. 


$ 2. Befonderes. Wiederaufbau der Stadt. Verſuche zur Berbei- 
führung befferer Buftände. 


Bei der Rückkehr in jein Land bezog Friedrich Magnus das 
jeinev Gemahlin Augufta Maria gehörige Schlößchen oder fogenannte 
hohe Haus zu Grögingen, das nachher von feiner Beſitzerin den 
Namen Auguftenburg erhielt, den es heute noch trägt. Dasfelbe war 
aber noch nicht ausgebaut und bot für einen fürftlihen Haushalt 
nur beſchränkten Naum. Der Markgraf ſah fi) deshalb genöthigt, bis 

1) In der Schloffirche befindet ſich auch fein Bild, 

2) Diefe Beftätigungsurfunde ift bie einzige, welche im ftädtifchen Archiv 
fehlt. Eine Abjchrift davon babe ich in dem Alten des Landesarchivs gefunden. 


& 
542 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


zur Vollendung des Baues, welcher mit möglichfter Eile betrieben 
werden jollte, 1) feine Reſidenz einfimeilen nah Pforzheim, wo der 
Markgraf ſich fchon im Dezember 1697 vorübergehend aufgehalten hatte, 
zu verlegen, was im Dftober 1698 geihah. Ein Theil des dortigen 
Schloſſes, das fog. „alte Gebäu“ (S. 448) war nämlich von den 
Flammen verfhont geblieben und darum noch bewohnbar. Die be 
treffenden Räume bejtanden in 12 Stuben, 12 Kanımern, 4 Küchen 
und 2 Gewölben, welche Gelafje im Sommer 1698 im Ganzen 1609 fi. 
45 fr, Herftellungsfoften erforderten, 

Hatte die Stadt ſchon bei der Vermählung des Erbprinzen Karl 
Wilhelm mit der württembergifchen Prinzeffin Wagdalene Wilhelmine, 
welhe am 20. Juli 1697 ftattfand, an dem Geſchenk von 4000 fl., 
das die untere Markgrafihaft laut fürftlihen Anmahnungsſchreibens 
der Braut machen jollte, ihren Antheil mit 266 Gulden bereitwillig 
entrichtet, jo überfandten die Pforzheimer audy, als fie die Zurüdkunft 
ihres Fürſten und deſſen Brandunglüd in Bafel erfuhren, ihm als 
Zeichen ihrer Liebe und Theilnahme durch Bürgermeiſter Chriftoph 
Wohnlic 1) die für damalige Zeit nicht unbedeutende Summe von 
200 Gulden ohne Anmahnung als Geſchenk. Dasjelbe ift um fo 
höher anzufchlagen, als die Verhältniſſe in Pforzheim durchaus noch 
nicht dev Art waren, daß fie den Bewohnern erlaubt hätte, viel herzu— 





) Auch an den Wiederaufbau ber Karlsburg zu Durlah wurbe raſch 
Hand gelegt; aber der bald wieder ausgebrochene Krieg hinderte bie Vollendung 
bes Schlofjes, fo daß nicht mehr als der vierte Theil desfelben zu Stande fam 
und das ganze Schloß auch nie ausgebaut wurde, 

2) Bürgermeifter waren in ber Zeit von 1698 — 1725 Chriſtoph 
Wohnlich, Leonhard Herbfter, Heinrich Baurittel, Joh. Chriftoph Deimling 
und Konrad Schober. — Das Amt eines Obervogts beffeidete zu Anfang 
bes 18, Jahrhunderts Molfgang Kuno v. Waldbrunn, 1710 Johann Daniel 
v. Et. Andre, 1712 Wilhelm v. Traubnik, nad ihm bis 1723 Daniel Dietrich 
Scheidt, auf diefen Joh. Wilhelm zur Gloden, als befjen Nachfolger 1734 
Friedrih Erdmann von Glaubig genannt wird, Bezüglich eines Bürgermeifter: 
interregnums ift in dem Kirchenbuch von 1716 vom damaligen Spezial Wei: 
ninger Folgendes als große Merkwürdigkeit aufgezeichnet: „Den 25. März 
1716 warb Herr Chriftoph Deimling des Gerihts und Weißbed, nachdem 
Herr Heinrich Baurittel, fo den 24. zum Bürgermeifter erwählet worden, fols 
ches aber bei Ser. abyebeten, — nad) dem Gottesdienft zu einem Bürgermeifter 
erwählet, ift alfo ein Interregnum von 24 Stunden in ber Stabt geweien, 
daß Keiner das Vürgermeiſteramt exerciret.“ ö 





Siebzehntes Kapitel, Pforzheim von. 1697-1746. 543 


geben. Mit dem Markgrafen war auc der vielgeprüfte Spezial und 
Kirchenrath Kummer nad Pforzheim zurücgefehrt. 

Der Aufenthalt des Hofes dauerte etwa ein halbes Jahr, wäh— 
rend welcher Zeit der Markgraf Gelegenheit fand, den Wiederaufbau 
der Stadt, wozu er ſchon von Baſel aus Häufermodelle nah Pforze 
heim gefchict hatte, und zu welchem Behuf er auch mehrere Verord- 
nungen erließ, felber zu leiten. Mehrfach findet er fich ſammt feiner 
Gemahlin, theilweife auch mit dem Erbprinzen und der Erbprinzeſſin 
ſowie mit verfchiedenen Perfonen feines Hofes in dem damaligen Tauf— 
buch als Pathe eingetragen. Am Frühjahr 1699 wurde die Nefidenz 
nach Grögingen, Später nad) Durlach zurücverlegt. 

Bei’ dem eben erwähnten Wiederaufbau der Stadt müſſen wir 
etwas ausführlicher verweilen, da fie durch denfelben größtentheils ihre 
gegenwärtige Geftalt erhalten hat und die meiften der noch vorbandenen 
ältern Häufer damals aufgeführt worden find, 

Es ift oben ſchon erzählt worden, daß die Flammen von 1692 
nicht nur viele der nah dem zweiten Brand (Auguft 1689) errichteten 
Hütten zerftört, fondern auch eine Anzahl der nad; demfelben wieder 
aufgebauten Häufer abermals in Aſche gelegt hätten. Doc fcheinen 
manche derfelben auch verfchont geblieben zu fein, unter andern die 
Häufer neben dem Gafthaus zum Waldhorn am Cingang in die 
Karl: Friedridhg Straße, die ſchon 1689 wieder aufgeführt wurden. 
Manche Häufer fcheinen auch bei den verfchiedenen. Bränden nicht ganz 
zeritört, fondern ein Theil derfelben, namentlid das untere Stockwerk, 
noch erhalten worden zu fein, da wir in verfchiebenen Theilen der 
Stadt heute noch Jahrzahlen begegnen, die ältern Datums find, als 
der orleans’iche Krieg. Möglich, daß auch da und dort der betreffende 
Stein mit der Jahrzahl, dem Wappen ıc. beim Wiederaufbau des 
Haufes am geeigneter Stelle wieder eingefügt wurde. Solche Häufer 
find früher ſchon (S. 298 ff.) angeführt worden. Gleich nach dem 
dritten Brand oder doch noch während des Krieges wurde eine Anzahl 
der zerftörten Häufer wieder aufgebaut. Es ift zu beffagen, aber 
freilich mit den Umftänden zu entfchuldigen, daß dabei ziemlich planlos 
verfahren wurde, woher aud die große Unregelmäßigfeit rührt, die 
wir da und dort in den Straßen noch finden. Namentlih muß 
bedauert werden, daß man nicht darauf bedacht war, die Brößinger 
Straße breiter anzulegen. Zu ſolchen noch während des Kriegs gebau: 





544 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


ten Häufern gehören: das Haus von Bäder Müllers Erben in der 
Theaterftraße, gebaut 1693, ein Haus in der untern Augaffe, gebaut 
1695, insbefondere aber die neu errichtete obere Apotheke, vollendet 
169. Der Apotheker Konrad Wilhelmi hatte von dem Pfarrer 
Erad in Eutingen den Plab eines abgebrannten Haufes am Marft 
gekauft, ebenfo einen bejondern Wpothefergarten beim Kechlerhof 
(S. 463), nachdem ihm unterm 24. April 1690 vom Markgrafen ein 
Privilegium mit ausgedehnten Freiheiten verliehen worden war. (Er 
durfte laut desjelben feine Art Schatzung, feine bürgerlichen Abgaben, 
für feine Apothefermwaaren weder Land: noch Pfundzoll, weder Accis 
noch Weggeld bezahlen, war frei von Einquartierung, Frohnden und 
Wachten ꝛc. An Pforzheim war weder deutichen noch welſchen Kräs 
mern, noch Bruchichneidern, Alchymiſten, Marktichreiern, Juden ꝛc. 
Apotheferwaaren zu verfaufen erlaubt, namentlich keine Purganzen ; 
ebenjowenig durften Barbiere, noch andere Perſonen praftiziren und 
dejtilliven, was einem Apotheker etwa zufam. Dagegen - mußte fid) 
Wilhelmi verpflichten, die Apotheke in gutem Stand zu halten, die 
Medikamente billig zu verkaufen, an den fürftlihen Hof, wenn derfelbe 
im Pforzheim fei, die verlangten Blumen und Kräuter unentgeldlih 
abzugeben, auch den Dürftigen jährlid für wenigſtens 10 Gulden 
Medifamente gratis zu verabreichen.) 1) Die Zeit des Ausbaues 
diefer Apotheke befundet ein Stein im Hausgang derfelben, worauf 
über dem Namen des Erbauers die Morte Sirach 38, 4—7 ftehen. 2) 
Zwei Jahre darauf, nämlich 1697, wurde auch die untere Apotheke 
durch den oben ſchon erwähnten Johann Michael Salzer wieder auf— 


1) Upotheferprivilegium, ertheilt von Markgraf Friedrih Magnus 
am 24. April 1690 dem Apotheker Konrad Wilhelmi. (If nebft ben Erneue: 
rungen des Privilegiums vom 20. Februar 1700, 10. Dezember 1736, 19. 
Februar 1740, 20. Mai 1776 und der Berkaufsgenehmigung vom 27. Mai 
1807 in den Händen bes jeßigen Eigenthümers ber Apotheke, Karl Märdlin.) 

2) Dieje Apothefe ging 1700 an den Ehenachfolger Wilhelmis, Heinrich 
Baurittel, 1736 durch Kauf an Johann Friedrich Salzer, 1776 abermals durch 
Kauf an Ernft Viktor Salzer über, der nun beide Apotheken in eine Hand 
vereinigte, bis die obere Npothefe vom Tochtermann bes legtern, Proreftor 
Zandt, 1806 an Job. Gottlieb Märdlin, den Vater des jetzigen Beſitzers, Karl 
Märklin, verkauft wurde. 





Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 16971746. 545 


gebaut, ) 1698 erftand das gegenüberftehende Haus, das jetzige 
Muſeum, aus der Aiche, in demfelben Jahr auch das von Fabrikant 
J. Schneider in der Spitalftraße, und jo wurden nad und nad) auch 
noch andere Häufer neu aufgeführt, fo beifpielweife 1705 das Haus 
von Kaufmann Franzmann am Markt, 1706 das Schend’iche Haus 
am Markt (von Apotheker fpäter Bürgermeiſter Heinrich Baurittel 
und feiner Frau Marg. Barb, geb. Faßnacht erbaut), 1707 das Haus 
von Hirkel (Fint) am Schleifthor, im nämlichen Jahr das jekige 
Gaſthaus zum Bären, 1709 in der Deimlingsftraße die Häufer von 
Kaufmann MWallerftein und Bäder Heintz ꝛe. In den Jahren 1709 
und 1710 bauten auch die Leutrum ihre beiden Häufer in der Alt 
ftädter Straße (S. 464) neu auf. 2) Das ältefte Haus in der obern 
Augaſſe trägt die Jahrzahl 1697, an den übrigen Häufern daſelbſt 
bemerkt man die Jahrzahlen 1705, 1707, 1712, 1716, 1717, 1718, 
1719, 1726 u, ſ. w. (Mit der Wiederherftellung der Auer Brüde 
war Schon im Juni 1694 begonnen worden, Viele hatten eine 
Hängebrüde verlangt), Durch die vielen Neubauten waren in den 
erften Jahren des 18. Jahrhunderts die ftädtiichen MWaldungen fo in 
Anſpruch genommen worden, daß die Behörde im Mai 1709 Heichlog, 
fein Bauholz mehr herzugeben, bis der Wald wieder angewachſen fei. 
Indeſſen ftogen wir troß diefer Baurührigfeit noch 1713 auf die Klage, 
daß in der Stadt noch immer fo viel Schutt herumliege, 


) Von dem bei ber Gefchichte des ZOjährigen Krieges. mehrerwähnten 
Apotheker Barthold war die untere Apotheke an deſſen Tochtermann Chriſtoph 
Wüftemann, von diefem an einen zweiten Tochtermann Bartbolds, den oben 
genannten Joh, Michael Salzer, 1689 übergegangen. Bon dieſem vererbte fie 
fih auf deffen Sohn Chriſtoph Michael Salzer, ber fie bis 1757 bejaß und 
1776 auch die obere Apothefe dazu kaufte. Im Jahr 1808 gelangte beffen 
Schwiegerſohn Zob. Samuel Vulpius in den Pefit der untern Apothefe, ber 
fie wiederum an feinen Schwiegeriohn Lubwig (jet Apotheker in Emmendingen) 
vererbte; dieſer verkaufte fie 1855 an den jetzigen Beſitzer Guſtav Pregizer. 

2) An ber jetigen Unter&der’fchen Bierbrauerci findet fih ein Stein 
mit folgender Inſchrift: Friedrich Chriſtoph Leutrum von Ertingen hochfürſtl. 
Mürtenbergifcher VBorftmeifter am Stromberg und feine Fraw Anna Juliana 
geborne v. Gemmingen haben dieſes Freyadeliche Hauß nach beme es Anno 1689 
von Franzofen verbrant worden burd Gottes Beyſtand Anno 1710 wieberum 
neu auferbauet welches feine Göttliche Allmacht under feinem Schutz und 
Seegen vor allen wider wertigfeiten in gnaben bewahren wolle.“ Ueber diefer 
Inſchrift befinden fih das Leutrum’fche und das Gemmingen’ihe Wappen. 

Pflüger, Pforzheim. 35 


a — 


546 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 16971746. 


Wie die Privatbauten, fo erhoben fih nah und nad) auch bie 
öffentlihen Gebäude wieder aus der Aihe. In den Jahren 1698 
und 1699 wurden das 1692 abgebrannte Kreuzkirchlein und das 
gegenüberftehende Seelen: oder Armenhaus wieder aufgebaut, wozu das 
Almoſen vorzugsweife in Anfprud) genommen wurde, Weil indefjen 
die Mittel desjelben nicht hinreichten, fo richteten die beiden Almofen- 
pfleger Leonhard Herbiter und Konrad Kat die Bitte an den Stadt: 
rath, derjelbe möge auf Abjchlag der Zinfen, welche die Stadt ins 
Almofen fehulde, zum Neubau die nöthigen 200 Stämme Holz bewil- 
ligen, was auch geihah. 1) Am Fahr 1704 ftiftete der Poſthalter 
Kieffer eine Uhr in diefe Kirche, und im folgenden Jahr erhielt fie 
auch ein Glöcklein dazu. — Im Jahr 1700 wurde mit dem Wieder: 
aufbau des Rathhauſes begonnen und dasſelbe am 14, Februar 
41701 aufgefchlagen, nachdem zuvor eine allgemeine Fürbitte auf den 
Kanzeln verkündet worden war, Im März desielben Jahres erbot 
fih der Zinkeniſt Kolb, altem Herkommen gemäß, von dev Altane des 
Rathhaufes jeden Mittag wieder die Zinken und Pofaunen zu blafen. 
Eine Glode wurde im Rathhaus 1715 aufgehängt, und 1730 aud 
eine Uhr für dasjelbe angefchafft. Der Anbau, welcher jest die Frucht: 
halle und die Wohnung des Stadtverrechners enthält, wurde 1723 
aufgeführt. Schon 1718 findet ſich aber eine Klage über Baufälligfeit 
des neuen Nathhaufes, die vornen wegen Anfchlags des Wetters die Auf: 
führung eines ganz fteinernen Giebels nothwendig machte. — Im 
Jahr 1710 wurde auc mit dem Bau der Kapelle auf dem Fried: 


1) An ber Wand der Sakriftei biefer Kirche wurben folgende Berje 
angebracht: 
Anno 1692. 
Als man zählt dieſe Zahl, und der Franzos einrickt, 
Hat Mavors feine gludt Aber bie Kirch ausgichitt; 
Es war nicht guung an dem, Es muß das Gruzifir, 
Daß auff dem Kirchhoff ftunth, zerſchmelzen durch bie Hik. 
Eß hat doch Gott der Herr durch frommer Menſchen rath 
Herr Leonhardt Herbfter, der da feine mich geipardt, 
Herr Conrad Kat mit ihm, Sein Helfer und Conforben, 
Habens mitt Gottes Hilff Erbaut, das es ift worden 
Ein Hauf, da Gott neriembt, Und tröftedt die Bedribten; 
Gott wohl «8 für wed für Vor Feinden gnebig hieben. 
Erbaudt 98 u. 99. j 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 547 


bof begonnen und diefelbe 1711 vollendet. Die Mittel dazu wurden 
theils der Stadtkafje, theils dem Almoſen, theils den Stipendien ent: 
nommen, theils dur eine Kollefte in Stadt und Land zufammenge- 
bracht. Im nämlichen Jahr wurden auch das Auer- und das Heis 
ligkreuzthor wieder hergeftellt. Gleiches geſchah 1714 mit der 
Stadtmauer, wo dies nöthig war. Auch ein befonderes Mei: 
bergefängniß hatte auf fürftl. Befehl 1713 gebaut werden 
mäfjen. 

Sm Sabre 1715 kam es auch zum Bau eines neuen Schul- 
baufes Nah dem Brande von 1692, der das Predigerkfofter 
in Aſche legte (S. 528), war fowohl die Knaben: als die Mädchen: 
ihule ing obere Bad (S. 163) verlegt und mit einander vereinigt 
worden, da beim Verſiegen aller Quellen der ftädtifchen Einkünfte 
die Fompetenzmäßige Salarirung der Lehrer endlich unmöglich wurde 
und die Zahl der Schulkinder ohnehin auch viel geringer geworden 
war, Es ift rühmend anzuerkennen, daß der Stadtrath, als die Ber: 
hältniſſe fich wieder günftiger geftaltet hatten, im Auguſt 1696, alfo 
noch während des Krieges, bei der Negierung fupplizivend um Verbeſſe— 
rung der Schulanftalten einfam. Die Schulen feien, fo hieß es in 
der Eingabe, feit dem letzten Brand fo ſchlecht beftellt, daß die Schul: 
jugend unverantwortlidy verfäumt werde, und das rühre zum Xheil 
daher, daß Feine wöchentlichen Viſitationen oder Eramina mehr gehalten 
würden, weshalb aud ein großer Mangel an jchreibfähigen Bürgern 
zu befürchten fei. Im Mai 1697 fchlug der Stadtrath dem damals 
am Hofe in Bafel fich aufhaltenden Superintendenten Mathäus Kum— 
mer vor, die vereinigte Knaben: und Mädchenſchule wieder von einander 
zu trennen, welche Trennung auch im Juli jenes Jahres zu Stande 
fam. Weil aber nod fein Schulhaus vorhanden war, fo blieb die 
Mädchenſchule einftweilen im obern Bad, und die Knabenſchule wurde 
in ein Haus eingemiethet, welches dem Pulvermacher Kichtenfels gehörte. 
Schon 1706 wurde der Bau eines neuen Schulhaufes projektirt, wegen 
Mangel an Mitteln indefjen einftweilen noch aufgefchoben. Erft 1715 
fam er zu Stande, und zwar wurde das neue Schulhaus an bie 
Stelle des alten abgebrannten in der untern Pfarrgafie geſetzt. Es 
hatte zwei Stodwerfe, und e8 mag zur Vergleihung die Notiz nicht 
uninterefjant fein, daß die Maurerarbeit an demfelben um 224 Gulden 
veraffordirt worden war, Schon im nächſten Jahr Bun wieder ein 





548 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


Schulfeft auf dem Nennfeld gefeiert, nachdem ſchon vorher die regel- 
mäßigen Sculeramina wieder in Gang gekommen waren, und aud 
die Austheilung von Prämien, 1709 im Betrag von 33 fl. 24 kr., 
wieder begonnen hatte. 1) — Die Iateinifche Schule, die während des 
Krieges ebenfalls fo zufammengefchmolzen war, daß nur zwei Lehrer 
an berjelben den Unterricht ertheilten, wurde 1718 auch wieder in 
befiern Stand gefest. Am 17. Juni wurde der bisherige Præc. prim. 
Sch. Nuding ?) im „eollegio Reuchliniano“ (S. 169) als Proreftor 
präfentirt, ebenjo Jeremias Möller als Præc. II. Klaſſe, „welche 
Serenissimus Carolus wiederum gnädigft vergünftigt und Alles auf 
den alten Fuß vor dem Teidigen Brand zu feßen beſchloſſen hat.“ 
Doch scheint ein dritter Lehrer erft 1730 auf Antrag der ftäbtifchen 
Behörden wieder angejtellt worden zu fein. Dem Pädagogium war 
die dreiftöcige Pfarrwohnung in der Pfarrgaffe zur Benützung einge: 
räumt worden. Im eriten Stock war die Schule, im zweiten die 
Wohnung des Proreftors, im dritten des Kantors. — Knabenſchul—⸗ 
meifter war damals noch immer der alte Mathäus Probfthan, den 
aber fein Sohn oh. Philipp Probſthan als Adjunft unterftüßte, 
Mädhenfhulmeifter war E. F. Heiſch, vor diefem Joh. Ib. Lötterle, 
zugleih Profurator und Zeugmader, nach ihm 1732 Job. Ib. Finner 
aus Niefern, der 1735 auch Profurator wurde. Der junge Probfthan 
erhielt feines Vaters Stelle 1721. Weil damals die Zahl der Kinder 


) Diefe Cchülerfefte wurden bis 1749 regelmäßig gehalten, hörten aber 
von dieſem Jahr an auf, Drei Jahre vorher hatte es dabei noch bedeutende 
Händel abgelett, indem eine Anzabl Eoldaten bes in Pforzheim liegenden 
burlachiihen Regiments die Muſik, welche zum Vergnügen ber Kinder auf dem 
Rennfeld war, für fih in Anipruch nehmen wollte, Das litten namentlich 
die Flößer nicht und ſchlugen mit den ſchnell herbeigeholten Flößerflangen 
einigen Soldaten Arme und Beine entzwei. Wahrfcheinlih hätte es ein hef— 
tiges Blutbad abgefegt, wenn es nicht dem Kommandanten des durladiichen 
Regiments, Oberfi v. Drais, gelungen wäre, bie Streitenden zur Ruhe zu 
bringen. 

2) Ihm war als erfter Lehrer Barth. Meyer, und biefem um 1701 Joh. 
Grg. Lobenftein vorausgegangen. Es folgte von 1720— 1728 Chr. Theodor 
Kunradi, 1728 Elias Thilemann Figgen, bis 1735 Emft Fürglin 1736 Brod— 
bag, 1739 Sonntag, 1742 Erg. Ab. Fröplih, 1748 Deimling 20, Zweiter 
Lehrer war lange Jahre Präceptor Wolff, der 1733 der Stadt ein neues 
Leihengefangbüchlein dedicirte, wofür er ein Geſchenk von 4 Gulden befam, 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697-1746. 549 


in beiden” Schulen auf je 140 geftiegen, fo wurde ihm die Haltung 
eines Proviſors zur Aufgabe gemacht, der Vormittags in der Knaben— 
ſchule und Nachmittags in der Mädchenſchule Aushilfe Teiften mußte. 
In letzterer ging jedoh 1735 in Folge von Krieg und Krankheiten 
(fiehe unten) die Zahl der Kinder von 120 auf 60— 70 zurück. 
Es mag bier wiederholt bemerft werden, daß diefe Lehrer Fein Einkommen 
von der Herrfchaft und auch nicht viel von der Stadt bezogen, fondern 
faft ganz (der Mägdleinfchulmeifter ausſchließlich) aufs Schulgeld ange: 
wiefen waren, welches von jedem Kind vierteljährlid 25 Kreuzer 
betrug. Am Jahr 1741 erhielt der damalige Provifor Neftler einen 
jährlichen Gehalt von 15 Gulden. Die Lehrer befanden fich deshalb 
auch oft in fo kümmerlichen Umſtänden, ‘daß beifpielmeife 1729 dem 
Mädchenfchulmeifter Heifch eine wöchentliche Unterftütung von 15 Kreuzern 
aus dem Almofen bewilligt wurde, und der Knabenſchulmeiſter fammt 
Kantor an Weihnachten herumfingen mußten, um etwas zu verdienen. 
Auch der Prorektor des Pädagogiums hatte das Recht, dabei mitzu- 
wirken, und durfte, wenn es geſchah, den vierten Theil der Einnahme 
beanfpruchen. — Wie aus den Trümmern des Spitals, dem nad 
Einführung der Neformation die Lokalitäten des ehemaligen Frauen: 
Mofter8 der Dominikanerinnen eingeräumt worden waren, ſich 1714 
ein Landeswaifenhaus ıc, erhob, wird unten ausführlicher gezeigt werden. 

Da Pforzheim bei den verfchiedenen Plünderungen, welche der 
Krieg gebracht, alle feine Glocken verloren hatte, fo war die Noth— 
wendigfeit eingetreten, neue anzufchaffen. Schon 1693 hatte die Stadt 
durch Vermittlung und Vorfchuß des damaligen Kammerraths Zandt 
wieder ein Glöclein erhalten. Am Fahr 1699 machte die Margräfin 
Auguſta Marta der Stadt ein Gefchent mit einer in Baſel genofienen 
Glocke, welche nebft einer andern zu gleicher Zeit von der Stadt ange: ) 
hafften im Thurm der Schloffirche aufgehangen wurde. Dort befinden 
fich beide noch. Auf der erftern fteht der Name der Stifterin nebft 
Widmung und der Jahrzahl 1699, auf der andern finden fich nebft 
dem Stadtwappen die Namen: Matheus Kummer Consitorial. Superint. 
Spec. Leonhart Herbster consul. ine dritte Glocke erhielt die 
Schloßkirche 1715, zu welder Zeit 5 neue Glocken beftellt wurden, 
und zwar bei Glodengießer Goßmann zu Landau, der fie am 2. Sep: 
tember jenes Jahres ablieferte. Zwei davon Kamen in die Kirche der 
Altftadt, von den übrigen drei, wie ſchon erwähnt, je eine auf das 





550 Siebzehntes Kapitel, Pforzheim von 1697-1746, 


Rathhaus, in die Kreuzkirche und in die Schloßkirche. Lebtere Glocke 
fheint aber fpäter wieder unbrauchbar geworden zu fein; denn die dritte 
Glocke der Schloßkirche, die fleinfte, zeigt die Jahrzahl 1779. — 
Don fonftigen Anſchaffungen, welche in diefer Zeit vorkommen, ift die 
einer Orgel in die Altjtädter Kirche und der erften Feuerſpritze 
zu erwähnen. Jene füllt in das Jahr 1710, und ſteuerten dazu auf 
Bitte des Kirchenraths Weiniger die beiden regierenden Fürſtinnen zu 
Stuttgart und Durlach, jene 100, diefe 75 Gulden. (Ferner gab ein 
Piorzheimer Bürger 100 fl., ein anderer 30 fl., ein dritter 3 fl. 45 
fr.) Die Anſchaffung einer Feuerfprite wurde am 3, Januar 1714 
beſchloſſen, „weil die Durlacher auch eine hätten, die ſchon mit gutem 
Erfolg gebraucht worden wäre.“ Die Anfertigung derfelben wurde 
dem Kupferſchmied Nudhardt zu Birkenfeld übertragen. (Der Kaften 
follte von Eichenholz, gut mit Kupfer ausgefüttert, 5 Schuh lang, 
2 Schuh 1 Zoll breit, die mefjingenen Stiefel 1 Fuß hoch und 5 ZU 
weit fein.) Für diefe, fowie noch für eine Kleinere Feuerſpritze, welche 
Rudhardt machen mußte, erhielt er 410 Gulden nebſt 2 Spez. Dufaten 
Trinkgeld für feine Frau. 

Der Geiftlichfeit Tag vor Allem die Wiedererbauung der abge— 
brannten Stadtfirde am Herzen. Schon 1698 war der damalige 
Dberdiafonus Stattmann in Schwaben und Franken herumgereist, um 
zum Wiederaufbau derjelben zu kollektiren. Da indeffen die geräumige 
Schloßkirche von den Flammen des Krieges verfchont geblieben und der 
Stadtgemeinde zur gottesdienftlihen Benützung eingeräumt worden war, 
fo hielt man damals noch das Bedürfnig des Baues der Stadbtkirche 
um jo weniger für ein dringendes, als vorerft andere Bauten noth- 
wendiger waren und die Bevölkerung der Stadt fih in den erften 
Jahren nah dem Krieg noch nicht als fehr bedeutend herausſtellte. 
Ueberdies Teiftete der wieder ausgebrochene Krieg (jpanifche Erbfolge: 
krieg) foldden Unternehmungen eben feinen Vorſchub. „Gott gab indeg 
doch Gnade“, fo jagt Spezial Adam Wild 1) im damaligen Kirchenbuch, 


1) Kummer erlebte den Wiederaufbau der Stadtkirche nicht mehr, Er 
farb am 27, März 1709, wurde aber fpäter in ber Stabtfirche beigefeßt. Der 
lateiniſchen Inſchrift feines Grabfteins, der, wie die ganze Kirche, beim Brand 
von 1789 zerftört wurde, waren die treffenden Worte Pialm 66, 12 beigefügt. 
„Wir find in Feuer und Waffer fommen, aber Du haft uns ausgeführet und 
erquidet.“ Auf Kummer folgte von 1709-1717 Konrad Burkhard Weinis 


Sichzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697-1746. 551 


„daß die Stadt ſich bei erlangtem Frieden Ao. 1697, ja auch, fo ſich 
zum Verwundern gewejen, während den bald wieder erfolgten Kriegs: 
zeiten nach und nach erhofet und groß und volkreich angewachfen, derges 
ftalten, daß die hiefige Schloßfirche nicht mehr groß genug war, alle 
Leute zu fafjen‘, weswegen man fich entichloffen, die ruinirte Kirche zu 
Et. Stephan wieder aufzubauen.” Diefer Beihluß wurde 1714 ge 
faßt, und zur Aufbringung der erforderlichen Mittel fejtgefetst: 1. zwei _ 
Geiftlihe ins Neih, Elſaß, Schweiz und andere Provinzen zu fchiden; 
2. eine Rotterie anzulegen von etwa 6000 fl. und den zehnten Pfen— 
nig davon zu verwenden; 3. nebjt dem Klingelbeutel für das Almofen 
noch einen befondern Klingelbeutel für den Kirchenbau herum geben zu 
laſſen; 4. in der Stadt ein befonderes Kollektenbuch zu halten; 5. die 
täglich das Almoſen anlaufenden Steigbettler abzuweiſen und die großen 
Ausgaben des Almofens zu bejchränfen, um auch daher Etwas nehmen 
zu können; 6. auch die von gnädigſter Herrfchaft erhaltenden und dem 
Stadtalmofen zugehörigen Kapitalzinfe dazu zu verwenden. — Diefem 
Beſchluß zufolge wurden auch wirklich die beiden Diakonen Geufert 
und Bergmann fortgefchiett und ihnen Vollmachten und fürftlide Ems 
pfehlungsfchreiben mitgegeben. Jeder von ihnen erhielt nebſt Entſchä— 
digung für Kleidung ꝛc. eine tägliche Reiſediät von 1 fl. 30 kr. 
Seufert reiste ſowohl in die benachbarten Reichsſtädte (in Heilbronn 
erhielt er für Pforzheim und Durlach die ſchöne Summe von 132 fl. 
30 kr.), als auch ins Heffische, Keiningenfche, Yſenburgiſche, Naſſauiſche, 
Anhaltiſche, Sächſiſche, Schwarzburgifche, Brandenburgifhe, Mecklen— 
burgiſche und Holſteiniſche, beſuchte auch verſchiedene Univerſitäten und 
brachte eine beträchtliche Summe Geldes zurück. Das Gleiche war 
bei Bergmann der Fall, der Schwaben, den Elſaß und die Schweiz 
bereiste. Schon 1716 waren die erforderlichen Mittel beiſammen, um den 
Bau der Kirche veraffordiven zu können. In den folgenden Jahren wurde 





ger (der Sohn des oben erwähnten Job. Philipp Weiniger, kam 1717 
nad Lörrah), dieſem von 1717—1719 Adam Wild (fam als Kirchenrath 
und Stabtpfarrer nad Lahr), 1719 — 1722 Joh. Lorenz Hölzlin, 1722 bis 
1734 Georg Philipp Bergmann (vorher Superintendent der Landgrafihaft 
Saufenberg und des Kapitels Röteln, noch früher Diafonus zu Pforzheim), 
von 1735—1742 Phil. 3b. Bürflin (war vorher Kirchenrath und;Reftor 
in Karlsruhe), 





552 Siebzehntes Kapitel, Pforzheim von 1697 —1746, 


er rüftig fortgefeßt 1) und 1721 vollendet. Am 23. September dieſes 
Jahres erfolgte die Einweihung des Gotteshaufes unter entjpredhenden 
Feierlichkeiten, wobei durch die damaligen Stadtgeiftlihen Hölzlin, 
Mauritii und Seufert nicht nur am Tage der Einweihung, fondern 
auch am den folgenden Tagen verfchiedene Predigten gehalten wurden. 
In der Folge erhielt die Kirche auch eine prachtvolle Orgel und 1736 
zwei Gloden, ferner eine Sammlung von ſchönen Gemälden, welche 
die wichtigiten Creigniffe des alten und neuen Teftaments darftellten 
u.f.w. Leider follte das Alles nad nidyt TO Fahren wieder ein Raub 
der Flammen werden! Wenn nun auch die Stadtkirche wieder erbaut 
war, fo fehlte es doch noch an Pfarrhäufern, da, wie fchon erwähnt, 
das vorige Spezialat: und Pfarrhaus dem Pädogogium hatte einge- 
räumt werden müſſen. Die Hauszinsentihädigung von 15 fl., welche 
ein Geiftlicher erhielt, war aber fchon damals unzulänglich. 2) 

Sn die erften Jahre nach dem Kriege fällt auch die Nekonftitui- 
rung der löbl. Singergejellfhaft. Wie manches Andere, fo waren 
auch die jährlichen DVerfammlungen während des Krieges unterblieben, 
und ein Verſuch dazu, der am 27. Dezember 1694 gemacht wurde, 
blieb vereinzelt. Im Sabre 1701, alſo zur zweiten Säfularfeier 
des Vereins, wurde jedoch wieder eine Generalverfammlung veranftaltet, 
und da das frühere Stammbud der Geſellſchaft, ſowie überhaupt alle 
Tapiere derjelben beim Brand von 1692 zu Grund gegangen waren, 
fo wurden neue Statuten entworfen, ein neues Stammbud) (das jebt 
noch betehende) angelegt, in dasjelbe die Statuten eingetragen, und 
nach diefen die Namen derjenigen Perfonen, welche bei der Zuſam— 
menfunft von 1694 Mitglieder der Gefellichaft geweſen und derfelben 


i) Ueber der Safrifteithüre befand fich früher folgende Inſchrift: 
1717. 


Der Tempel, den bein Aug in neuem Schmud erblidt, 

Sat Mavors Wuth und Gluth erbärmlich miterfahren, 

Da deffen Grauſamkeit den Rheinftrom hart gedrückt. 

Er blieb in feiner Ach bei ſechs und zwanzig Jahren, 

Bis unter Carols Schuß und Beitrag frommer Ehriften 

Er gar mit harter Müh warb wieder aufgericht. 

Des Höchften Allmachts-Hand woll diefe Kirche friften, 

Bis baß die ganze Welt durch Flammen wird zernicht. 

2) Vergl. Pforzheimer Diozes-, Kirchen: und Schulenbeichreibung von 
1735 im Landesardiv, 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 553 


nun wieder neu beitraten, eingezeichnet. Es waren folgende 49: 1) 
Kammerrath Ib. Chrift. Zandt, Kirchenrath und Spezial Kummer, 
Kammerratd Erhardt Kieffer, Doktor Joh. Burkhart Mögling, Land— 
fhreiber Joh. Ernft Kauffmann, Amtsverwejer Ib. Heyland, Amts— 
keller Chriſtoph Meerwein, Archidiakonus Konrad Stattmann, Diako— 
nus Konrad Sutor, Altſtadtpfarrer Berchthold Deimling, Kammerrath 
Joh. Popp, Joh. Konr. Schäffer, Joh. Kaſp. Zacher, Stadtſchreiber 
Götz, Heinrich Bachmann, Joh. Ib. Büchſenſtein, Pfarrer zu Elmen⸗ 
dingen, Joh. Burkh. Ehrat, Pfarrer zu Eutingen, Ib. Mitſtörffer, 
Pfarrer zu Dietlingen, Hammerſchmiedbeſtänder Joh. Theobald Sah— 
ler, Bürgermeiſter Leonhard Herbſter, Zoller Joh. Kaſp. Dürr, Apo— 
theker Konrad Wilhelmi, Goldſchmied Nikl. Burkhardt (war ſchon 
1683 Obermeiſter geweſen), Goldihmied Chriſtoph Wohnlich, Schwert— 
feger Rudolf Kornmann, Handelsmann Bernhard Minderer, Zeugmacher 
Hs. Grg. Rau, Schönfärber Rudolf Itzſtein, Barbier Joh. Ulrich 
Schäffer, Bader Ludwig Ruff, Handelsmann Burkhard Weeber, Hoſen— 
ſtricker Joh. Herbſter, Seiler Andreas Hertenſtein, Friedr. Baumann, 
Färber Andr. Kienlin, Glaſer Chriſtoph Wilderſinn (war der Geſell— 
ſchaft 1684 beigetreten und bekleidete 1689 die Stelle des Obermeiſters), 
Schneider Joh. Zugmeyer, Sergler (d. h. Halbtuchmacher) Benedikt 
Köhle, Hs. Grg. Knauß, Sattler Hs. Grg. Simmerer, Hs. Ib. Trautz, 
Sattler Hs. Grg. Siegele, Dreher Chriſtoph Kieffer, Joh. Ib. Rüding, 
Schloſſer Burkh. Knapp, Bortenmacher Joh. Ulrich Herbſter, Nagel: 
ſchmied Joh. Leyerlin, Hafner Hs. Grg. Jais, Zeugmacher Joh. Ib. 
Lötterle. — Im Jahr 1701 traten neu bei: Stadtſchreiber Karl 
Friedrich Boch, geiſtlicher Verwalter Ib. Fried. Mahler, Schatungs- 
einzieher %b. Dürr, Forftverwalter Karl Meerwein, Apotbefer Mich. 
Salzer, Apotheker Heinrich Baurittel, Barbier Dan. Theodor, Borten- 
macher Hans Mid. Günther, Seiler Chrift. Schnellin, Kürfchner 
Dietr. Henning, Sergler Joh. Köhlin. Zum Obermeifter wurde neben 
Chriſtophh Wohnlih dies Mal Hans Ulrich Herbiter erwählt. In 
den folgenden Jahren traten der Gefellihaft immer mehr Mitglieder 





1) Das Stammbuh der Singergelellichaft enthält die Wappen, Namen 
und Denkſprüche von vielen diefer Mitalieder und von folchen, die ſpäter bei: 
getreten find. Der erfte derartige Eintrag ift der von Spezial Kummer, dann 
folgen die von Kammerratb Popp, Spezial Wild, Burkh. Ehrat, Bechthold 
Deimling, Pfarrer Stattmann, Verw. Schabharbt ꝛc. 





554 Siebzehntes Kapitel, Pforzheim von 1697-1746, 


bei. Die nenen Statuten des Vereins waren den alten fo viel als 
möglich nachgebilbet, um den urfprünglichen Zweck desfelben, natürlich 
unter Derüdfichtigung der veränderten Zeitverhältniffe, zu wahren. 

Wie in Pforzheim nach und nach Alles wieder ins alte Geleife 
am, fo begann aud die Schützengeſellſchaft im Jahr 1700 ihre 
Uebungen wieder und erhielt nach altem Gebrauch aus der Amtskellerei 
den Beitrag zum Verſchießen mit 15 Gulden, fowie 5 Gulden von ber 
Stadt wie früher ausbezahlt. Diefe „Schübentompagnie” war dafür 
zu militärifhen Dienftleiftungen, namentlich zu Wachtdienſten verpflich 
tet, auch wenn Gamifon in der Stadt lag, was nach dem orleans'ſchen 
Krieg eine lange Reihe von Jahren hindurch der Fall war. Meift 
war e8 das Durlachiſche Negiment, welches ftändig fich in Pforzheim 
befand. Im Jahr 1721 erhielt die Stadt, bez. Schützengeſellſchaft, 
eine Einladung zu einem Treifchießen, welches Markgraf Karl Wil: 
helm in feiner neuen Refidenz Karlsruhe veranftaltet hatte, Es nahm 
eine Anzahl Pforzheimer Schüßen daran Theil. — Neben dem Militär, 
das in Pforzheim fein Standquartier hatte und der Schützengeſellſchaft 
befaß die Stadt auch ſog. Bürgermilitär, das gleich jener unifor: 
mirt und equipivt war, Als der Erbpring Friedrich fih 1727 ver: 
mählte und feine junge Gemahlin heimführte, machten ihm in Karlsruhe 
aus Pforzheim 3 Kompagnien zu Pferd, nämlich 2 gewöhnliche und 
1 Hufarenfompagnie unter ihren Rittmeiftern Kaufmann Meyer, Ritter: 
wirth Trautwein und Kaufmann Benezette (Admodiator der herrichaft: 
lichen Zeugfabrif) ihre Aufwartung. 1) 

Troß der eifrigften Bemühungen, welche ſich die Behörden ſowohl, 
als die Bürger gaben, befiere Zuſtände herbeizuführen, blieb fortwäh— 
vend gar viel zu wünſchen, namentlich in den eriten Jahren nach dem 
Krieg. Die Rinanzen der Stadt waren noch immer in einem fehr 
zerrütteten Zuftande. Auf der ftädtifchen Verwaltung Tag wie ein 
drüdender Alp eine unverhältnigmäßig große Schuldenlaft, die dadurch 
immer mehr anſchwoll, daß nicht einmal die Zinfen der aufgenommenen 
Kapitalien bezahlt werden Fonnten. Weber welche Geldmittel die Stadt 
beifpielweife im Jahr 1709 verfügte, mag daraus entnommen werden, 
daß, als die regierende Fürſtin als ſolche zum erften Mal, und zwar 
von Stuttgart ber, durch Pforzheim Fam, und Stadt und Amt ihr 


1) Handihriftliche Aufzeichnungen von Ritterwirth Trautwein. 


Stebzehntes Kapitel, Pforzheim von 1697—1746, 555 


deswegen ein Geſchenk von 28 Louisd’or machten, die Stadt Pforzheint 
ben auf fie fallenden Antheil von 106 fl. 23 Er. erft aufnehmen mußte, 
um ihn entrichten zu können. Bei diefen äußerſt bedenklichen Verhält— 
niffen war e8 fein Wunder, wenn die Gläubiger der Stadt um ihre 
Guthaben beforgt wurden und in den Jahren 1715—17 ſich zahlreich 
einfanden, um Befriedigung zu erlangen. Der Beſcheid indefjen, den die 
ungeftiimen Gläubiger erhielten, ſtimmte mit der Lage der Stadt über: 
ein; fie befamen eben einfach nichts, und ein Herr von Bärenfels zu 
Hagenheim wurde mit feiner Forderung von 300 fl. ein für alle Mal 
abgewiefen, weil die Stadt zu diefem Anlehen im Jahr 1690 durch 
franzöfifche Offiziere gezwungen worden fei (wahrſcheinlich gegen wuche— 
rifhe Zinſen). Nur mit einem Gläubiger fand fich die Stadt 1717 
vollftändig ab, nämlich mit dem Kloſter Frauenalb (S. 477). Die 
Schuld an dasfelbe betrug 4300 Gulden; davon waren aber feit 1677 
feine Zinfen mehr bezahlt worden, weshalb diefelben bis 1717, alſo in 
40 Jahren, auf die doppelte Höhe des Kapitals angelaufen waren. 
Alle Mahnungen an die Stadt, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, 
waren bisher vergeblich geweſen. Zuletzt wandte fich die Aebtiffin 
des Klofters, Gertrude von Jchtersheim, am die Negierung. Wie es 
fcheint auf Veranlaſſung derfelben begab ſich eine Deputation von 
Pforzheim nad) Frauenalb und traf mit dem Klofter am 4. Februar 
4717 das Abkommen, daß die Stadt im Ganzen für Kapital und 
Zins die Summe von 2300 Gulden in 3 Terminen bezahlen und 
das Klofter von Entrichtung des Weggeldes, welches dasfelbe bei Ab: 
führung feiner Zehntfrüchte aus den Orten Wurmberg und Wiernsheim 
bisher in Pforzheim hatte entrichten müfjen, befreit werden ſolle. Im 
Sommer 1719 war die Schuld an Frauenalb getilgt, und zwar dadurch, 
daß die Stadt im Kallert, der nebit ſämmtlichen ftädtifchen Einkünften 
dem Kloſter bis jet verpfündet geweſen war, einen außerordentlichen 
Holzhieb vornehmen ließ. 

Im Jahr 1714 ftogen wir auf eine Klage, daß die Jahrmärkte 
fo jchledht befucht würden. Man glaubte die Urfache theils in dem Um- 
ftand, daß auch in benachbarten Orten Jahrmärkte ftattfänden, theils endlich 
und wirklich auffallender Weife im verbefferten Kalender zu finden, 
ber doch im Jahr 1714 unmöglich mehr Verwirrung angerichtet haben 
kann, da er fchon 1701 auch in unferm Lande eingeführt worden war. 
Es wurde deshalb bejchloffen, einige Hundert Zettel drucken und in der 





556 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


Umgegend vertheilen zu Yafien, Daß Übrigens Handel und Verkehr 
noch Tange nicht zu der frühern Blüte gelangt waren, erfehen wir auch 
aus einem Vortrag, welchen die Zunftmeifter Namens ber Zünfte am 
2. März 1716 vor Dberamt, Gericht und Rath erftatteten, und worin 
fie fich über den elenden, nahrungslofen Zuftand der Stadt beflagten, 
fo daß die Zünfte nicht nur in gänzlihen Ruin verfallen feien und 
aller Kredit außerhalb in Handel und Wandel fich verliere, fondern 
auch Fein neuer Bürger mehr in die Stadt hinein ziehe, vielmehr einige 
binauszuziehen vorbätten. Die Berbältniffe befferten fih jedoch in 
diefer Beziehung bald wieder, namentlich da auch die Neyierung Handel 
und Verkehr nad Kräften zu befördern ſuchte. Am Jahr 1735 wurde 
3. B. auch zu dieſem Zwecke der Bau einer Heerſtraße (Chaussee) 
von Karlsruhe nach Pforzheim und die württembergiiche Grenze pro— 
jeftirt und in den folgenden Jahren auch ausgeführt. Diefe Etraße 
lief der von Bretten nad) Pforzheim führenden, die früher (S. 123) 
ungleich wichtiger gewefen war, bald den Rang ab. 

Mährend des Krieges hatten neben den ftädtifchen auch die herr— 
Ichaftlichen MWaldungen, namentlich der Hagenichiek, Tehr gelitten. Sie 
wieder in beffern Stand zu bringen, war Markgraf Karl Wilhelms 
eifrige Sorge. Er ernannte deshalb 1715 den Förſter Kikling von 
Eagenftein zum DOberjäger und Forſtamtsverweſer, in der Kolge zum 
Forftmeifter in Pforzheim, einen Mann von großer Sachkenntniß und 
unermüdlichem Fleiße. Zeuge von letzterm ift auch das von Kißling 
angelegte nody vorhandene Forſtlagerbuch, die Arbeit von 35 Jahren, 
Dasfelbe ift kalligraphiſch ſehr ſchön ausgeftattet und fängt die origi— 
nelle, in Verſen geichriebene Vorrede mit folgenden Worten an: 

Weil alle Bücher faft mit einer Vorred prangen, 

Die nad dem Titulblatt den erften Platz behält, 

Sp will die Vorred auch zu ſchreiben jegt anfangen, 

Nachdem ich diefes Werk mit Gott zu End geftellt. 

Wann vorher gründlich find beichrieben alle Sachen, 

Alsdann kann man erft recht die Vorred drüber machen. ') 
Eden jo originell ift auch die Art und Meife, wie Kipling für fein 
neues Amt vom Markgrafen felber, und zwar mündlich, verpflichtet 
wurde. Nach den eigenen Aufzeichnungen Kißlings lauteten die Worte 
des Markgrafen: „Höre Kipling! Ich mache dich zum Oberjäger in 


*) Vergl. das betr, Lagerbuch in der Regiftratur bes Forftamts Pforzheim, 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697 —1746. 557 


Pforzheim, und befehle dir, fo lieb dir dein Xeben ift, meine Waldum: 
gen wohl in Acht zu nehmen, Ich Könnte einen von meinen KRavalieren 
dahin ſetzen; wann die aber nicht thun, wie fie follen, fo Kann ich 
nichts mit ihnen anfangen. Dich aber kann ich hängen laſſen, wenn 
du nicht als ehrlicher Mann handeln wirft.” 1) 

Es mag hier gleich mit angeführt werden, daß unter Forſtmeiſter 
Kißling auch des Seehaufes bei Pforzhein zuerft Erwähnung gejchieht. 
Markgraf Karl Wilhelm kaufte nämlih 1732 von der Stadt Piorz: 
heim einen ungefähr 7 Morgen großen Pla an der Tiefenbronner 
Straße, der wüfte See genannt, für 200 fl., auf welchem ein Weiher 
ausgegraben und mit Fifchen befet wurde. Zugleich jollte diefer Weiher 
oder See zur Tränke für dag Wild dienen. Die Fiſchzucht wurde von 
einem Fiſchmeiſter regelmäßig betrieben und befondere Rechnung hierüber 
jährlich) abgelegt. Anfänglih wurde neben dem See eine Wohnung 
für den Fifchmeifter und erft in den 1770ger Jahren auf defien Stelle 
das gegenwärtige Seehaus als Jagdpavillon für den Aufenthalt der 
höchſten Herrſchaften bei Gelegenheit der Jagden erbaut, daneben eine 
Scheuer zu Aufbewahrung des Jagdzeuges. 2) 

Es iſt begreiflih, daß während des orleans’schen Krieges mande 
Unordnung eingeriffen war, zu deren Bejeitigung der bald nachher aus: 
gebrochene neue (ſpaniſche Erbfolge) Krieg eben nicht beitrug. Doc 
fuchten das weltliche und das geiftliche Megiment zufammen zu wirken, 
um allerlei ſchon länger beftehende Mipftände zu entfernen und neu 
wieder eingefchlichenen Mißbräuchen entgegen zu treten. So wurden 
unterm 7. Januar 1705 den Zunftmeiftern zur Mittheilung an ihre 
Zunftgenofjen vor Dberamt eine Anzahl „Punkten“ publizirt, welche 
zur Verbeſſerung der Polizeiordnung dienen follten. Durch diefelben 
ſuchte die Polizei jedem Unfug bei Hochzeiten, fo den Mummereien am 
zweiten und dem Spielleuthalten am dritten Hochzeitstag, ferner der 
Nahtjhmwärmerei, der Störung der Sonntagsfeier, den Ausgelaffen- 
beiten in Spinn- oder Kunfelftuben, der Weberfchreitung der Polizei— 
ftunde in den Wirthshäufern (Sommers 10, Winters 9 Uhr), dem 
Neujahrihiegen und Maienſtecken, dem übertriebenen Aufwand bei 
Kindbett: und Pathengejchenken u. f. w. Fräftigft entgegen zu wirfen und 


1) Beichreibung der Verhältniffe des Forftreviers Seehaus von Arne: 
perger, a. a. O. 
2) Beichreibung des Forftreviers Sıehaus von Arnsperger, a. a, O. 





558 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


feßte auf die Mebertretung der „Punkten“ zum Theil fehr hohe Stra- 
fen. Diefen Beitimmungen reihten fi noch andere an, welche unterm 
12. Januar von Seiten löbl. Kirchenzenfur „zur abftellung der ſowohl 
verwichene, als dermalen noch fürwehrende Kriegszeit über eingefchliches 
nen Sabbathſchändung, auch beybehaltung riftlicher Zucht und Kirchen: 
disciplin® ebenfalls den Zünften publizirt wurden. Darin wurde ber 
Schützenkompagnie das Schießen am Sonntag unterfagt, die in Abgang 
gekommene Kirchenrügung wieder eingeführt, eine neue Ordnung bezügl. 
der Bertheilung der Plätze in der Kirche, des Weggehens aus derjelben 
und fonftiger Gebräuche feftgefest, unter Anderm auch verlangt, daß 
die Bürger, wenn fie in die Kirche gingen, oder bei Amt, bei Rath, 
der Kirhenzenfur zu thun hätten, in den früher üblich gewefenen Män- 
ten erjcheinen, und die Gerichts: und Nathsperfonen darin mit gutem 
Beifpiel vorangehen follten u. f. w. u. ſ. w. — Ein Stoßfeufzer des 
Speziald Bergmann, der fih 1722 im Kirchenbuh in den Worten 
Luft mat: „Ach Gott, fteure dem überhandnehmenden Lafter der 
ſeelenſchädlichen Trunkenheit!“ wirft fein günftiges Licht auf die Mäßig— 
feitöbeftrebungen jener Zeit. — Ein Beiipiel von Aberglauben in Bezug 
auf Heilmittel Tiefert der fog. Pforzheimer Zauberbalfam, der 
nod in der wärttembergiichen Pharmacopde von 1740 aufgeführt wird, 
und gegen boshafte Verherungen und Zaubereien fogar innerlich em— 
pfohlen wurde. Seine Zufammenfegung war die unfinnigfte, die man 
fih nur denken kann. 1) 


$ 3. Sortfehung des Vorigen. Bevölkerungsverhältniffe nad dem 
Krieg. Neue Einwanderungen. 


Wie ſehr die Bevölkerung Pforzheims während des Krieges zuſam— 
mengeſchmolzen war, iſt oben ſchon bemerkt worden. Nach geſchloſſenem 
Frieden hatte die Regierung, einestheils zur Bemeſſung und Verthei— 
fung der nunmehr wieder regelmäßig zu erhebenden Abgaben, anderer: 
feit8 um überhaupt die Zahl der vorhandenen Bürger kennen zu ler: 
nen und die im Kriege erlittenen Bevölkerungsverluſte genau zu ermits 
teln, im März 1698 den Befehl erlafien, ein Verzeichniß fümmtlicher 
Bürger, ſowohl derer, die fich vor dem Krieg in Pforzheim befunden 
hätten, als derjenigen, welche nach demfelben noch übrig waren, aufzu: 


) Roller, Beihreibung von Pforzheim, S. 197. 


Siebzehntes Kapitel, Pforzheim von 1697—1746, 559 


ftelen und die Angabe der Todesart der DBerftorbenen beizufügen. 
Diefe Kifte ift noch vorhanden. 
Bon der ganzen Bürgerfchaft, welche vor dem Krieg 548 Mann 
betrug, waren nach demfelben nody am Leben . . 295, 
geftorben waren . . 226, 
verihollen - . . .. 27, 


zufammen 548, 
Bon den noch lebenden 295 waren 1698 in Pforzheim — 267, 


außer Kandes . . . . 20, 
im Krieg als Soldaten. . . 8, 
295. 1) 


In der Liſte ift auch die Zahl der Kinder (d. 5. der unverheiratheten 
Söhne und Töchter) ſowohl der verftorbenen, als der noch Tebenden 
Bürger mit 849 angegeben. Rechnen wir zu diefer Zahl noch 200 
Ehefrauen der in der Stadt anmefenden Bürger, etwa 100 Wittwen, 
und nehmen wir dazu noch 20 Gefellen und Dienftboten und 200 
Seelen für die Familien der Adelichen, der Angeftellten und der Hinter: 
fafien, jo ergibt fih für das Ende des 17, Jahrhunderts eine Bevölfe: 
rung von etwa 1290 Seelen. 


1) Von Mitgliedern noch vorhandener Bürgerfamilien werden in ber Lifte 
als „Hungers geftorben“ bezeichnet: Jakob Barthold jung, Hs. Ib. Beder 
(mit Weib und Kind), Chrifimann Kiefer, Dreher, Hs. Grg. Kiefer, Schneider, 
98. Jerg Kiefer, der Fromme, Hs. 3b. Kiefer, Dreher, Hs. Irg. Kienle, 
Flößer, 98. Irg. Lotthammer, Michel Lottbammer, Hs. Ib. Mäule, Flößer, 
Chriſtoph und Mathäus Müller, Leineweber, Friedr. Sold, Schuhmacher, 
Chriſtoph Ungerer, Zeugmacher, Johannes Ungerer, Joh. Wolf; — als 
„elendiglich“ oder „im Elend umgekommen“: Job. Aab, Metzger, 
Hs. Beckh, Bäcker, Otto Bed, Metzger, Klaus Bub, Flößer, Irg. Wolf Feld— 
ner, Weißgerber, HE. Michel Gerwig, Flößer, Hans Jerg Kiefer, Echneiber, 
Otto Kienle, Michel Lotthammer, Hs. Irg. Stieß, Weißgerber, 98. rg. 
Stich, Bäder, H8. Wolf Stieß, Weißgerber, Hs. Irg. Ungerer, Leineweber, 
Joachim Ungerer, Leineweber, Ib, Wanner, Abraham Werber, Schuhmadıer; 
— als „im Eril geftorben“ oder „verſchollen“: Elias Barthold, Wags 
ner, Jerg Barthold, H8. Beh, Roſenwirth, 36. Breidt, Bäder, 36. Beckh, 
Flößer, Ehriftoph Bud, Leineweber, Job. Euchele, Tuchmacher, Rudolf Euchele, 
Zeugmacder, Math. Enderle, Krämer, 98. 3b. Gerwig, Flößer, Math. Lott: 
hammer, Dietrih Meerwein, Hutmader, Hs. Ib. Meerwein, Mebger, Chriſtian 
Meyer, Hans Mürrle, Färber, Hs. Schneider, Stieß, Bürgermeifter, Joh, 
Ungerer, Leineweber, Niklaus Ungerer, Hafner. 





560 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 


Nach dem Krieg und befonders im erften Viertel des 18. Jahr: 
bunderts nahm die Bevölkerung rafch wieder zu, wie das oben fchon 
(S. 551) bemerkt worden ift. Es erflärt fich diefe Erfcheinung zum 
Theil aus dem Umftande, daß die Zahl der Kinder, die geboren 
wurden, die der Geftorbenen in den meiften Jahren um ein Anfehn: 
liches überjtieg; andererfeits fand eine ftarfe Cinwanderung neuer Bür— 
ger ftatt, die man natürlicy im jeder Weiſe begünftigte. 1) Die Ber- 
mehrung der Bevölferung, welche auf erftgenannte Weiſe erfolgte, betrug 
im erjten Viertel des 18. Jahrhunderts allein 814 Köpfe. Nicht viel 
geringer war der Zuwachs, den die Bevölkerung Pforzheims durch 
Einwanderung erhielt, welche namentlich aus dem benachbarten Württem— 
berg zahlreich erfolgte, Zu den Familien, die in den erften Dezennien 
des 18. Jahrhunderts in Pforzheim neu genannt werden, gehören u. a. 
die Baurittel, die Kurz, die Mutfchelfnauß, die Roller, die Rothacker 
(zum Theil), die Hoheifen und die Unter&der. Cimvanderer anderer 
Art müffen noch befonders erwähnt werden. König Ludwig XIV. 
von Frankreich hatte das von feinem Großvater Heinrih IV. 1598 
gegebene Edift von Nantes, worin den Proteftanten oder Hugenotten 
in Frankreich freie Neligionsübung und Gleichberechtigung mit den 
Katholiken zuerkannt worden war, 1685 wieder aufgehoben. In Folge 
defjen wanderten viele diefer Hugenotten aus und wurden von manden 
Fürſten nebft andern vertriebenen Glaubensgenoffen, wie Waldenfern, 
Wallonen, aufs freundlichite aufgenommen. Zu diefen Fürften gehörte 
auh Markgraf Friedrih Magnus, und unter denjenigen Orten, welche 
ſchon 1699 eine ſolche franzöfifche Kolonie, anfangs nur aus 5 Familien 
beſtehend, erhielten, die fi in der Folge durch neue Zuwanderungen 
noch vermehrte, war aud Pforzheim. 2) Den erften Familien wurden 
ſolche Hausplätze, welche der geiftlichen Verwaltung und dem St. Georges: 
Stift in Folge von Forderungen auf die einft dort geftandenen, aber 


) Das Bürgerannahmsgeld betrug damals 10 Gulden für den Mann, 5 für 
bie Frau, 5 für je 2 Kinder und 3 fl. Pfundzoll für die Herrſchaft. Im 
Jahr 1721 jedoch wurde einem neuangehenden Bürger aufgegeben, nit nur 
fein Mannrecht zu beweifen, fondern auch 15 fl. Bürgergeld zu zahlen, 2 Bäume 
auf die Almend zu fegen und einen Feuereimer anzufhaffen. Im Jahre 1731 
fand eine Erhöhung des Bürgerannahmsgeld auf 30 fl. flatt. 

2) Die in der Nähe liegenden wiürttembergifchen Orte Perouse, Pinage, 
Villars u, ſ. w, verdanken ſolchen Eingewanderten ihre Gründung, 


Giebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 561 


abgebrannten Häufer anheim gefallen waren, unentgelölich abgegeben 
und auch fonjtige Freiheiten bewilligt, wenn fie neue Gewerbe oder 
Beichäftigungszweige ins Land gebracht hatten. Dieſe Refugies ftamme 
ten hauptſächlich aus demjenigen Theil von Südoſt-Frankreich, welcher 
an die piemontefiichen Waldenſer angrenzte und immer in Verbindung 
mit diefen gejtanden war. Die neue franzöfifch=reformirte Gemeinde 
zu Pforzheim hatte ihren eigenen Geiftlihen, den fie felbft wählte, und 
e8 wurde ihr zu ihren Gottesdienften die St. Georgsfapelle angewiefen. 
(Solche Geiftliche waren zuerft Moutoux, 1709 Aubert, 1729 Gon- 
zal) Als jedoch 1766 das St. Georgs-Kirchlein — dem bekannten 
Nüslichkeitsprinzip zu Tieb — abgebrochen wurde und mit ihm der 
legte Reſt des St. Georgsftiftes verſchwand, erhielten die Neformirten 
1768 das Chor der ehemaligen Franziskanerkirche (die jebige Fatholijche 
Kirche) zur gottesdienftlichen Benützung zugewiefen, 1) bis fie endlich durch 
gegenfeitige Heirathen in immer nähere Verhältniſſe mit ihren deutſchen 
Mitbürgern traten und fi 1804 ganz mit der deutjch=vreformirten 
Gemeinde vereinigten. Bemerkenswerth dürfte noch fein, daß 9 ſolcher 
franzöfifch:reformirten Gemeinden in Pforzheim 1704 eine Synode 
hielten, welche von 9 Geiftlihen und 9 Laien beichiet war. Wie im 
benahbarten Württemberg durch die Nefugies einige neue Dörfer erbaut 
worden waren, fo.ging um 1711 auch die badiſche Negierung mit dem 
Gedanken um, eine folhe Kolonie im Hagenfhieß, und zwar zwifchen 
Pforzheim und Ziefenbronn anzulegen. Man kam jedod von diefer 
Idee aus guten Gründen wieder ab. (Schon das Jahr vorher, 1710, 
hatten Stephan Künle v. Mühlhaufen und erg Widmann dv. Lehningen 
für fid) und eine Anzahl ihrer Mitbürger um eine folde Erlaubniß 
nachgeſucht, waren aber abſchläglich befchieden worden.) Von den 
Angehörigen der Pforzheimer franzöfifchereformirten Gemeinde find fol- 
gende noch befannt: Jean Samuel Brochet oder Brougier, Strumpf: 
meber, Jean Bernard, Strumpfftrider, Jean Jacques Faure, Jerome 
Lacoste, Barbier, fpäter Feldſcherer, Pierre Morgues, Kaufmann, 
Andre Dubout, Strumpfmweber, Jean Henri Benezette, Pierre Jourdan, 
Lafont, Breniol u, a. m. 


1) Die Einweihungsrede, welche der damalige Geiftlihe, wiederum ein 
Moutoux , hielt, erih’en in Karlsruhe im Drud unter dem Titel: »Sermon 
prononc& le 16. Oct. ä l’occasion de la dedicace du temple reforme, bäti & 
Pforzheim. Par Charles Francois Moutoux. 


Pflüger, Pforzheim, 36 





562 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


Es war 1732 nahe daran, daß Pforzheim noch durch Einwanderer 
anderer Art ftärker bewölfert worden wäre. In jenem Fahr, und zwar 
am 24. April, kam nämlich von evangelifchen Salzburgern, melde 
durch ihren Landesherrn, den Erzbiſchof, 1685, 1729 und 1731 harte 
Bedrängnifie erlitten, jo daß viele Taufende von ihnen ins preußifche 
Gebiet auswanderten, eine Zahl von 230 auch in die Gegend von 
Pforzheim, und die baden= durlachifche Negierung war zu ihrer Auf: 
nahme gern bereit. Aber nur ein Keiner Theil derfelben blieb; bie 
Meiften zogen weiter ins Darmftädtifche, von wo aus ihnen ſchon früher 
Wohnſitze angeboten worden waren. 

Nechnen wir den Geſammtzuwachs zur Pforzheimer Bevölkerung 
zufammen, fo dürfte letztere um 1725 wieder zwiſchen 3 und 4000 
Seelen betragen haben, Nur langſam nahm fie in der Folge zu, da 
dann und warn auch anſteckende Seuchen, wie 3. B. während des pol- 
nifchen Srieges in den Jahren 1733, 34 und namentlich 1735, wo 
die Zahl der Geftorbenen die der Geborenen um 170 überftieg, ferner 
in den Jahren 1740, 1743, 1757, 1762 und 63, 1768, 1772, 
1789, 1796 bald geringere, bald bedeutendere Werminderung der Be— 
völferung brachten. Erft mit dem Jahr 1800 war die Zahl von 
5000 Köpfen überfchritten. 

Im Jahr 1723 war die Bürgerfchaft 492 Mann ſtark. Darunter 
befanden fid) 45 Metzger (und 8 MWittwen), 41 Bäder (und 5 Witt: 
wen), 21 Rotbgerber (und 2 Wittm.), 36 Schuhmacher (und 5 Wittw.), 
417 (?) Krämer und Wirthe (und 7 Wittw.), 14 Zeugmacer (und 
8 MWittw.), 5 Tuchmacher (und 3 Wittw.), 8 Weißgerber (und 6 Wittw.), 
7 Schloffer und Büchſenmacher (und 1 Mittwe), 17 Schmiede und 
Wagner (und 5 Wittw.), 7 Seiler, 11 Schreiner, 10 Hafner (und 
4 Wittw.), 22 Küfer (und 4 Wittw ), 24 Hofenftrider, Hutmacher 
und Dreher (und 7 Wittw.), 19 Schneider (und 2 Wittw.), 25 Gold: 
fchmiede und Glaſer (und 3 Wittw.), 16 Yeineweber (und 3 Wittw.), 
4 Sattler, 20 Zimmerleute und Maurer (und 8 Wittw.), 9 Müller 
(und 2 Wittw.), 70 Flößer (und 6 Wittw.), 22 Atftädter (und 11 
Wittw.), 22 Unzünftige (und 9 Wittw.). Dazu kamen noch 34 
Gefreite und 9 Juden. 

Es möge hier ſchließlich noch, wie früher, einiger Ereigniffe ges 
dacht werden, die in ältern Chroniken immer eine bedeutende Rolle [pielen. 
Im Jahr 1709 Herrfchte eine große Theurung, und ging derfelben ein 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 563 


fo furdtbar ftrenger Winter voraus, daß die Bäume barften, die Vögel 
todt aus der Luft herabfielen, und der Boden fo feit und fo tief ge— 
froren war, daß man kaum die Todten beerdigen Konnte, — Der 
Eommer des Jahres 1724 war ein außerordentlich heißer, jo daß es 
nur wenig Frucht, aber vielen und guten Wein gab. 1) — Das Jahr 
A728 erzeugte ebenfalls fo viel Wein, daß das Fuder nur 6 Gulden 
galt. — Das Jahr 1739 brachte wieder einen fehr ftrengen und dabei 
entfeglich Tangen Winter. Gleich nad) dem Herbit fing die Kälte an 
und dauerte faft ohne Unterbrehung bis zum 26. März 1740 fort. — 
Sm Jahr 1729 riß das Hochgewäfler die 1694 neu erbaute Auer 
Brüde mit fi fort. Am 18. Oktober 1740 war abermals ein „groß 
Waſſer, wie es feit Menfchengedenten nicht gewefen. Beim Hirſchwirth 
lief das Waſſer in die untere Stube; von der Auer Brüde aus konnte 
man mit einem Milchhafen Waſſer langen.“ Die Altftädter Brücke 
wurde damals mit fortgerifien und erft im folgenden Jahr neu ber: 
geftellt. — Am 7. Juli 1731 wurden in Pforzheim die 4 Kleinen 
Kinder begraben, welche eine verwittwete Frau von Raſchau auf un: 
menschliche Weife ermordet hatte. So erzählt das damalige Kicchen: 
buch, ohne indeß Näheres über die That, namentlich die Veranlafjung 
derfelben, mitzuteilen, 


$ A Pforzheim im fpanifchen Erbfolgehrieg 1701 — 1714 und im 
polnifhen Krieg 1733 — 1735. 2) 


Vieles von dem, was in den drei vorhergehenden Abfchnitten 
erzählt wurde, fällt in die Zeiten des fpanifchen Erbfolgekriegs, 
da derfelbe 1701 ausbrad und 1714 zu Ende ging. Einzelne Vor: 
fülle diefes Krieges, infofern fie auf Pforzheim Bezug haben, müffen 
jedody noch befonders erwähnt werden. Glücklicherweiſe wiederholten 
fih in demjelben die Greuel des orleans'ſchen Krieges nicht; doch hatte 
Pforzheim durch Durhmärfche, Eingquartierungen, Bezahlung von Kriegs: 
geldern 2c. Manches zu Teiden, was das Wiederaufblühen der Stadt 
nicht begünftigte, 


1) Diefe und die folgenden Notizen nah den Aufzeichnungen bes Ritter: 
wirths Trautwein, zum Theil auch nah Rathsprotokollen. 

*) Quellen: NRathsprotofolle, Kriegskoftenrehnungen, Kirchenbücher, 
Alten des Landesarchivs zc. 


36 * 





564 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


Der König Karl II. von Spanien war im Winter 1700 ohne 
Hinterlaffung eines Leibeserben geftorben. Auf die Thronfolge machten 
nun Oefterreih und Frankreich kraft Vermandtichaftsrechtes Anſpruch. 
Karl II. hatte zwar einen Enkel Ludwigs XIV. zu feinem Erben ein— 
geſetzt; allein Defterreih erkannte das Teſtament nicht an, und fo kam 
es denn zu demjenigen Kriege, der in der Gejchicte unter dem Namen 
des fpanifchen Exbfolgefrieges bekannt ift. Auf Oeſterreichs Seite traten 
das Reich, Holland und namentlich auch England, während der Kurfürft 
von Baiern die. Partei des Königs von Frankreich ergriff. Die deutfhen 
Heere wurden in diefem Krieg vorzugsweife von den beiden ruhmge— 
krönten Feldheren, dem Prinzen Eugen von Savoyen und dem Mark: 
grafen Ludwig von Baden, die englifhen Truppen von dem fcharf: 
blidenden und umfichtigen Herzog von Marlborough angeführt. Auf 
franzöfifcher Seite zeichnete fich der Marſchall Villars aus. 

Der Krieg begann 1701 in Stalien, wo Eugen raſche Erfolge 
erfämpfte. Schon im folgenden Jahr entbrannte der Kampf aud am 
Rhein, indem Markgraf Ludwig mit einer deutfchen Reichsarmee von 
16,000 Mann, die er bei Heilbronn gefammelt hatte, im Frühjahr 
1702 über diefen Fluß ging, die Belagerung der den Franzoſen gehö- 
rigen Feſtung Landau unternahm und diefelbe im nämlichen Jahr 
noch eroberte. Im folgenden Jahre vollendete er bei Stolfhofen und 
Bühl die ſchon 1701 begonnenen berühmten Linien, durch welche er 
den Franzoſen bei etwaigen Gelüften, auf diefer Seite in Deutfchland 
einzubringen, einen unüberfteiglihen Damm entgegenfegte. Wirklich 
wurden auch, fo lange der Markgraf Iebte, alle Angriffe der Franzofen 
auf diefe Linien mit Erfolg zurüdgefchlagen. 

Ars 1702. die Gefahr des Krieges der Markgrafichaft näher 
gerüct war, Fam unterm 10. März ein fürftlicher Befehl, daß fich bei 
den gefährlihen Läufen die Bürger mit gleichförmigen kalibermäßigen 
Gemwehren und Flinten verfehen und die Wermöglichern unter ihnen die 
Koften baar erlegen, die andern in Terminen bezahlen follten. Das 
Sahr 1702 ging indefien ziemlich ruhig vorüber; nur rücten im 
November deutfche Truppen in Pforzheim ein, um dort ihre Winter: 
quartiere zu beziehen. = 

As im April 1703 Marfhall Villars die Stollhofer Linien mit 
großer Heftigkeit angriff, glaubte man aud in Pforzheim, auf alle 
möglichen Fälle fich vorbereiten zu müſſen. Die Rathsakten wurden 


— u mr nn — — 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697 —1746. 565 


eingepadt und in das Gewölbe gethan, und die der Stadtſchreiberei 
mit den berrfchaftlichen Papieren geflüchtet. Allgemein war die Befürd;- 
tung, daß beim Einbruch der Franzofen Plünderung und Brand 
wiederfehren möchten. Man kam jedoch dies Mal mit dem bloßen 
Schreden davon, da Markgraf Ludwig alle Angriffe der Franzoſen 
glücklich zurückſchlug. Doc wurden Stadt und Amt Pforzheim wäh: 
rend dieſes Jahrs mit bedeutenden Lieferungen belegt. Im April 
mußten die Nemter Stein und Langenfteinbah fammt der Stadt und 
dem Amt Pforzheim 110 vierfpännige Mägen ftellen, um der in den 
Linien bei Bühl ftehenden Faiferlihen Armee Proviant zuzuführen, 
Auf die Stadt traf e8 deren zwölf. Fortwährend mußten auch Schanz— 
arbeiter in die Xinien gefandt werden, weldye der Stadt bedeutende 
Koften verurfadhten. Am 22. Dezember 1703 erſchien ein fürftlicher 
Befehl, daß die Stadt ein Drittel der auf das ganze Amt fallenden 
Naturallieferungen an die Truppen übernehmen müffe, nämlich wöchent- 
ih 27351/, Pd. Brod, 56 fl. 461/, kr. für Hausmannskoft, 686 
Simri Haber, 13,626?/, Pfd. Heu, 8176 Pfd. Stroh; 8 Klafter 
Holz und 122, Pid. Lichter. Die vom Stadtrath dagegen gemachten 
Borftellungen, daß die Bürgerfchaft Nahrungsmangel habe, daß fie im 
vorigen Jahr genug ausgeftanden, ohne daß ihr Jemand geholfen 
bätte 2c. mögen wohl fruchtlos gewefen fein. Es kamen im Gegentbeil 
im Januar 1704 noch Forderungen anderer Art dazu. Von zwei 
Redouten, die am Rhein gebaut werden follten, mußten die Aemter 
Stein, Langenſteinbach und Pforzheim einſchließlich der Stadt eine 
berftellen. Ebenſo mußte das Dberamt Pforzheim bei. der Flucht des 
fürftlihen Hofes nach Bafel zum Fuhrlohn 133 fl. beitragen, wozu 
die Stadt 75 fl. beiſchoß. 

Mas den Franzoſen troß mehrfacher Verfuhe nicht gelungen war, 
nämlich in Schwaben einzubringen und fid) dort mit den Baiern zu 
vereinigen, das hatten fie im Jahr 1703 doch noch zu Stande gebradht. 
Billars drang durch das Kinzigthal gegen die Donau vor und bei 
Tuttlingen vereinigten fi) das franzöfifche und das baierifche Heer. 
Mittlerweile kam aber auch der Herzog von Marlborough aus ben 
Niederlanden den Rhein herauf, zog durch Schwaben und vereinigte 
fi unfern der Donau mit dem Prinzen Eugen und dem Markgrafen 
Ludwig von Baden. Während Iebterer die Belagerung von Ingolſtadt 
leitete, griffen die beiden andern Teldhern das franzöſiſch-baieriſche 





566 Siehzehntes Kapitel. Pforzhelm von 16971746, 


Heer unter dem Kurfürften von Baiern und dem Marſchall Villars 
bei Höchſtädt am 13. Auguft 1704 an und bradten ihm eine furdht: 
bare Niederlage bei. Die Trümmer des franzöfifchen Heeres flohen 
über den Nhein zurüd und das rechte Nheinufer war von Feinden 
wiederum gefäubert. Dieſer Umftand veranlaßte den Markgrafen Fried— 
rich Magnus, feine Nefidenz von Baſel wieder nah Durlach zurüdzu: 
verlegen. 

In den folgenden Jahren war der Kriegsichauplag mehr am 
Niederrhein, jo daß man in Pforzheim und der Martgraffhaft wieder 
etwas freier aufathmen konnte. Doch fehlte 8 auch in diefer Zeit an 
drückenden Kriegslaften nicht. Wegen des Truppenkontingentes, das die 
Markgrafihaft Baden: Durlad) zu ftellen hatte, wurden der Stadt 
Pforzheim außer den gewöhnlichen und regelmäßigen Beiträgen für 
dasfelbe 1) im Jahr 1705 folgende Auflagen gemacht: fie hatte täglich 
66 Mund: und 11 Pferderntionen, Teßtere zu 16 Er. zu bezahlen, an 
der zur Kompfetirung des Pferdeftandes bei der letztern aufgewendeten 
Summe von 4500 495 Gulden zu tragen, und mußte für das Trup- 
penfontingent 21 Mann zu Fuß und zu Pferd fogleich anwerben und 
ſtellen. Zumuthungen anderer Art betrafen Fouragelieferungen an die 
preußifchen Truppen, Cchiffbrüdenfrohnen, Stellung von uhren zur 
Berproviantirung Landaus, Schanzarbeiten bei den Stollhofer Linien 
(Pforzheim mußte dazu 33 Mann ftellen), Heugelder und Lieferungen 
aller Art. Zur Beftreitung aller diefer Ausgaben mußten außerorbent- 
liche Schatungsgelder eingezogen werden, die aber bei vielen Bürgern 
ohne Erefution nicht einzutreiben waren. Meberdies hatte Pforzheim 
fortwährend die Laften von Garniſonen und Einquartierungen zu tragen. 

Verhängnißvoller als die erften Jahre des Krieges follte das Jahr 
1707 werden. Der Markgraf Ludwig Wilhelm hatte am 4. Januar 
diefes Jahres fein thatenreiches und ruhmgefröntes Leben beſchloſſen. 
Nach feinem Tode gefhah, was man längſt befürdhtet hatte, Der fran: 


1) Die Markgrafihaft Baden: Durlah hatte zu ben Truppen bes ſchwä— 
biſchen Kreifes zu fielen: 3 Kompagnien zu Fuß zu je 185 Mann und eine 
Kompagnie zu Pferd, 34 Mann ftarf, im Ganzen alfo 589 Mann. Diele 
verurfachten einen jährlichen Aufwand von 41,603 fl. 18 fr. Davon traf es 
das badifhe Oberland (Nötteln, Saufenberg und Badenweiler) 30,000 fi., 
das Unterland 11,603 fl. 18 fr. Hiervon kamen auf dag Amt Pforzheim 
3867 fl, 59%, Er, auf die Stadt Pforzheim allein die Hälfte davon mit 1934 fl. 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 16971746, 567 


zöſiſche Marſchall Villars durchbrach im Mai 1707 die Stollhofer 
Linien und drang mit feinem Heer zunächſt in die beiden Markgraf: 
ichaften ein. Abermals mußte Friedrich Magnus nad) Bafel fliehen, 
Die deutfhen Truppen, welche die Linien vwertheidigt hatten, zogen fich 
zurüd, und zwar der Haupttheil derfelben unter dem Markgrafen von 
Baireuth nad) Bretten, der baden-durlachiſche Erbprinz Karl Wilhelm 
mit einer Truppenabtheilung über Durlach) nad Pforzheim, wohin auch 
der Herzog von Württemberg über Ettlingen feine Truppen führte, 
Sämmtlihe Abtheilungen des deutſchen Heeres vereinigten ſich am 
27. Mai wieder bei Dürrmenz, von wo fich die ganze Armee in ber 
Richtung nach Kannftatt zurücdzog, weil fie fich nicht für ſtark genug 
bielt, dem Feinde die Spike zu bieten. Diefem ftand nun Schwaben 
offen, und Villars füumte auch nicht, von dem erlangten Vortheil mög: 
lichften Nuten zu ziehen, hauptſächlich durch Eintreiben von Kontribu: 
tionen, was diefer General meifterhaft verftand, Der Marfgraffchaft 
Baden-Durlady wurde eine foldhe von 100,000 Thalern auferlegt und 
den Rändern, welche er nachher durchzog, auf diefe Weiſe die Summe 
von nicht weniger als 9 Millionen abgepreßt. 

Dei der Annäherung der Franzoſen herrſchte in Pforzheim allge: 
meine Beftürzung, die um fo begreiflicher erjcheinen muß, als die im 
orleans’ichen Krieg verübten Greuel noch in allzu friſchem Andenken 
waren. Die meiften Bürger fuchten den werthvollern Theil ihrer Habe 
zu flüchten oder zu verfteden, und aud alle öffentlichen Bücher und 
fonftige Papiere, darunter die Kirchenbücher 1), wurden in Sicherheit 
gebradht. (In manden Orten de8 Bezirks, wie in Eutingen und 
Brötzingen, gingen damals alle ältern Kirchenbücher verloren.) Sogar 
die Gloden nahm man herunter, um fie der Gefahr, von den Fran- 
zofen mitgenommen zu werden, nicht auszuſetzen. In den lebten Tagen 
des Mai erfolgte der Marfch des franzöfifchen Heeres durch Pforzheim. 
Dem Bortrab unter General Vieurpont folgte die Hauptarmee unter 


1) An dem Pforzheimer Taufbuch von 1707 Heißt es: Als zwiſchen dem 
21. und 22. Mai die Bühler Linien von den Gallis überrumpelt worben und 
barauf ber verberbliche Einfall erfolgt, alldieweil der Feind die Stadt bejegt 
und fo fort die darauf folgenden Kinder getauft worden” (folgen die Namen 
berfelben); und unterm 20. Juni (Fol. 122): „In dem Lärmen, ba fein Kir: 
chenbuch zugegen gewest, wurde geboren“ ꝛc. — Im Springer Kirhenbud 
fieht: Invasio et raptus Gallicus 22. May 1707 Ispringa factus, 





568 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 


Marſchall Billars felber, welcher am 30. Mai in Pforzheim war. 
Ich ſtoße auf eine Klage, daß er den Bürgern viel Frucht gewaltfamer 
Meife habe wegnehmen laſſen, auch dem lichtenthaler Klofterhof 300 
Malter, dem Obervogt von Wallbrunn 330 Malter ꝛc. Er ließ, als 
er feinen Marſch nah Schwaben weiter fortjeßte, im Pforzheim unter 
dem Kommando des Obriftlieutenants de Barbaray vom Regiment 
Navarra ZOO Mann zu Fuß und 300 Mann zu Pferd als Garnifon 
zurüd. Der Kommandant fuchte die Stadt fogleic in beſſern Ver: 
theidigungsftand zu feßen und ließ bei der Nonnenmühle, beim Schoß: 
gätter, am Altftädter Thor und im Schloß allerlei Schanzarbeiten vor: 
nehmen. Um ihn bei guter Yaune zu erhalten, war befchlofen worden, 
ihm von Seiten der Stadt gleich anfangs 100 Gulden und feinem 
Adjutanten und dem Major jedem 32 Gnlden zum Gefchent zu maden. 
Diefe Summen wurden aus den fog. Sauvegardegeldern genommen. 
Man war nämlich noch vor dem Einmarſch der Franzoſen in bie 
Markgrafſchaft bei Marſchall Villars um eine Sauvegarde eingefom: 
men, welcher deren fogar zwei ſchickte. Diefelden lagen vom 24. Mai 
bis 11. Juni, alfo 19 Tage in Pforzheim; alsdann ging die eine 
davon ab, während die andere noch zurückblieb. Diefe Sauvegarden 
verurfachten der Stadt während diefer Zeit einen Koftenaufwand von 
nicht weniger als 717 fl. 48 ir. 1) Zur Beftreitung desfelben wurden 





1) Es dürfte intereffant fein, denfelben bier näher fpezifizirt zu finden. 
Die beiden Eauvegarbebriefe Fofteten (A 1 Louiedor od. 8 fl.) 16 fl. — Fr. 
Marſchall Villars bezog für jeden ber nn täglich 


1 Ldr., macht für 19 Tage . = r . .304, — , 
Gebühr für die Sauvegarden a1 f. 30 kr... . : 597. -. 
Zehrung berjelben . i . 10 „43, 
Bom 11. bis 30, Juni, aljo für 20 Lay für eine Sauvegarde 

an Marſchall Villars . ; . } r . 160, — „ 
Gebühr . ; i ; r 5 . DD, — , 
Koſtgeld für letztere 2 u. 30 fr. i i : : . 50. - . 


717 fl. 48 fr. 
Unter der Zehrung von 100 fl. 48 fr. waren nicht weniger als 158 Maaß 
Mein begriffen, welchen die beiden Sauvegarden in 19 Tanen (alfo täglich 
81/, Maaß) vertilat hatten, wodurch fih der Name „Saufgarben”, ben ber 
Volkswitz diefen Sicherheitswächtern gab, zur Genüge rechtfertigt. Wahricein- 
lich um folhen Ausihreitungen eine Schranke zu fegen, wurde für die eine 
Sauvegarde ein Koftgeld feſtgeſetzt. 


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570 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


Pforzheim hatte er eine Garnifon zurüdgelaffen, die indeſſen bald 
wieder mit der Hauptarmee fich vereinigte, jo daß die Stadt von 
Feinden befreit war. An ihre Stelle traten deutfche Truppen unter 
dem eneralwachtmeifter v. Enzberg. Nach verfchiedenen Hinz und, 
SHerbewegungen beider Armeen, von welchen indeß Pforzheim unberührt 
blieb — nur einmal noch drohte Gefahr, indem Villars den General 
Vivant mit 6000 Dann zur Brandfhagung nad Schwaben abjchidte, 
er Fam aber nur bis Grötingen, wo ihn die Kaiferlichen wieder zurüd: 
trieben — ging Villars im Dftober über Raftatt und Kehl über den 
Rhein zurücd, um feine Truppen in das fühliche Frankreich zu führen, 
wo indeffen Prinz Eugen von Norditalien aus eingefallen war. 

So lange der Kriegsfhauplat in der Nähe geweſen war, hatten 
natürlich andy die Lieferungen fortgebauert, ebenfo die Beſorgniſſe wegen 
eines neuen feindlichen Einfalls. 1) Doch fühlte man fih in Pforzheim 
im September fiher genug, um wenigftens die Glocken wieder aufzu: 
hängen. Auch die feit dem Einfall der Franzofen im Mai unter: 
brochenen Rathefigungen wurden von Ende Juli an wieder regelmäßig 
abgehalten. Am 4. Oktober hatte ſich die Stadt des Beſuches des 
Markgrafen Friedrich Magnus zu erfreuen, der in der Krone, damals 
dem erften Gafthofe, logirte. Mit dem Cinrüden der Truppen in die 
Winterquartiere ging das Jahr 1707 zu Ende. Außer fonftigen Laften 
hatte dasfelbe der Stadt bedeutende Geldopfer auferlegt. Won den 
58.000 fl. welche die Regierung zur Beftreitung der Kontributionen 
bei Kaufmann Leisler in Bafel aufgenommen hatte, traf es die Stadt 
Pforzheim mit 6444 fl. 26 kr, welche auf Obligation aufgenommen 
wurden. An Sauvegarbde:, Verpflegungs:, Einquartierungs- und fonftigen 
Geldern Hatte die Stadt 4751 Gulden, an Schanzgeldern — zum 
Theil daher rührend, weil die Linien zwifchen Ettlingen und Darlanden 
wieder hergeftellt wurden — 1690 fl. zu beftreiten. 

In Bezug auf die noch folgenden Kriegsjahre kann ich mich Kurz 
faffen. Im Sabre 1708 wurde am Rhein nichts von Bedeutung 





1) Wie es um die öffentliche Sicherheit fand, beweist folgender Vorfall: 
Anfangs Oktbr. wurde im Klaffnert der Frau des Markedenters Ph. Glaſer 
von 3 Straßenräubern die Gurgel abgefchnitten, nachdem biefelben ihren Mann 
vorher erfchoffen, die Pferde ausgeipannt und 400 fi. geraubt. Die Frau lebte 
zu Sebermanns Verwunderung noch etliche Tage, bis fie Hungers geflorben. 
(Kirhenbud von 1707, Fol, 425.) 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 571 


unternommen. Deſto mehr gefhah in den Niederlanden durch den 
Prinzen Eugen und den Herzog dv. Marlborough. Dort wurden die 
Tranzofen völlig gefchlagen, und die Demüthigung Ludwigs XIV. war 
fo groß, daß er felbft um Frieden bat und fi) fogar dazu verftchen 
wollte, allen bei und feit dem weftphälifchen Frieden gemachten Raub 
wieder herauszugeben. Allein die Unterhandlungen zerſchlugen ſich 
wieder, weil feine Gegner noch höhere, nur zu Hohe Forderungen ftell: 
ten. Noch 6 Jahre dauerte nun der Krieg mit abwechfelndem Glüd, 
Das Jahr 1713 Tegte dem badifchen Unterland größere Opfer auf, 
indem die Lieferungen an die dafelbft ſich aufhaltende deutfche Armee 
gar Fein Ende nehmen wollten. England fchloß jedoch noch im näm— 
lichen Jahre den Frieden zu Utrecht, der Kaiſer das Jahr darauf, 
nämlich 1714, den Frieden zu Baden in der Schweiz, nachdem bie 
Unterhandlungen ſchon vorher zu Naftatt begonnen hatten. Die Ver: 
hältniſſe Hatten ſich in den letzten Kriegsjahren in einer Weiſe geftaltet, 
daß Ludwig XIV. beim Friedensſchluß nicht nur Nichts verlor, fondern 
es auch durchſetzte, daß die Krone von Spanien, die den Anlaß zum 
Kriege gegeben, feinem Enkel verblieb, 

Es mag bier auch eines andern Krieges mit erwähnt werden, 
der in den 1730ger Jahren fpielte und allerlei Bedrängniß brachte, 
wenn auch unfere Gegend nicht der Hauptſchauplatz von Schladhten und 
dergl. war. Ich meine den polnifhen Krieg in den Jahren 1733 
bis 35, Er war in Folge der polnifchen Königswahl entftanden, daher 
der Name. Da auch das deutiche Neih daran Theil nahm, fo er: 
fchienen bald bedeutende Armeen am Oberrhein, und die Markgrafichaft 
wurde von franzöfifchen und deutfchen, auch ruſſiſchen Truppen über: 
ſchwemmt. Die Heerführer bewiefen übrigens dem Lande ziemliche 
"Schonung. Der Markgraf verglih fi namentlih von Bafel aus 
mit dem franzöſiſchen Anführer zu regelmäßiger Zahlung der auferleg- 
ten Kontribution, jo daß das Land die fonft mit einem Krieg ver: 
bundenen Drangfale weniger empfinden durfte. Doc finden wir, daß 
die Stadt Pforzheim vom November 1733 an durch Fouragelieferung 
an die Franzoſen, durch Frohndfuhren und Schanzarbeiten ziemlich in 
Anſpruch genommen wurde, und im folgenden Jahre wegen Mangel 
an flüffigen Mitteln zur Bezahlung der Kriegskoften ein Kapital von 
2000 Gulden aufnehmen mußte. Bei Annäherung der Franzofen 
ſchon hatten mande Bewohner der Stadt und bes Bezirks, welde von 





572 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 186971746. 


diefen Gäften nach früher gemachten Erfahrungen nur das Schlimmſte 
erwarteten, die Flucht ergriffen und ihre Habe in Sicherheit gebracht. 1) 
Dod konnten die dies Mal allzu Aengſtlichen bald wieder zurückkehren. 

As der ruffiihe General Byron mit 17,000 Mann heranrüdte 
und zum Hauptquartier Grötzingen bei Durlach erkor, kam aud 
eine ruſſiſche Heeresabtheilung unter dem General Lacy nach Pforzheim, 
um dort Quartier zu nehmen. Ihre Anmefenheit erzeugte eine Seuche 
in der Stadt, der viele Bewohner derfelben zum Opfer fielen, fo daß 
im Jahr 1735 die Zahl der Geftorbenen die der Gebornen um 170 
überjtieg. 

Der Friede von Wien machte diejen „Kriegstroublen“ 1735 ein 
Ende, 

Bon dem öſterreichiſchen Erbfolgefrieg (1740—1748) wurde die 
Markgrafihaft Baden und Pforzheim in fo fern aud berührt, als 
mehrfach Truppendurchmärſche ftattfanden. Im Februar 1743 beber: 
bergte Pforzheim franzöfifhe Kıiegsgäfte, wobei der Küfer Berthold 
Gerwig am Gauchthor von einer franzöfiihen Schildwache erichofien 
wurde. 2) Als im Auguft 1744 die Defterreiher unter Prinz - Karl 
von Lothringen vom Rhein nad) Böhmen zurüdmarfcirten, famen auch 
einzelne Heeresabtheilungen, darunter Hufaren, Panduren, Kroaten ꝛc. 


durch Pforzheim, 3) 


6. 5. Gründung des Waifenhaufes in Pforzheim, 
(1714.) %) 


Wenn aud die Gefhichte des MWaifenhaufes zu Pforzheim, das 
immer eine Staatsanftalt war, mit der eigentlichen Geſchichte der Stadt 


1) Ein Eintrag im Tanfbuch von 1734 lautet: Am 25, Mai ift allhier 
in der Flucht tempore belli und ber troublen, auch Schwachheit halber im 
Haus getauft worden: Jak. Friedrich, des Pfarrers von Niefern Breu Kind. 

2) Städtiſches Kirchenbud. 

3) Aufzeihnungen von Ritterwirth Trautwein. 

4) Quellen: Umftändlide Nahriht von dem Waifenhaufe, wie 
auch Tolle und Krankenhaufe zu Pforzheim, ingleichen von dem Zucht- und 
Arbeitsbaufe daſelbſt. (Von bem geheimen Rath Joh. 35. Reinhard.) Karls: 
ruhe bei Maflot, 1759. — Alten der Großh. Heil: und Pflegeanftalt 
(darin namentlid der von dem Irren- und Siechenhausvermwalter Sigm. Gott: 
lieb Eifenlohr im Jahr 1810 erftattete Bericht.) — Statiſtiſche Nachrichten 
über bie Siehenanftalt zu Pforzheim von Direktor Dr. Müller, (Freiburg 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697-1746. 573 


im Allgemeinen nur in loſem Zufammenhang fteht, fo erſcheint doch 
der Umftand, daß die jegt jo blühende Hauptinduftrie Pforzheims aus 
jener Anftalt hervorgegangen it, wichtig genug, um derfelben hier eine 
größere Berückſichtigung zu ſchenken, als dieg unter andern Verhält- 
niffen wohl geſchehen würde. 

Bald nach dem Naftatter Frieden faßte Markgraf Karl Milhelm 
den Entichluß, ein Landeswaifenhaus, und zwar in der Stadt Pforz- 
beim, zu gründen und mit demjelben ein Irren-, Sieden» und Zucht— 
haus zu verbinden. Nachdem deshalb im September 1714 ein fürſt— 
liches Ausfchreiben in die damals baden-durlachiſchen Landestheile er: 
gangen war, wurde der Architeft Johannes Schüß aus Offenbad nad 
Pforzheim berufen, um für die nenaufzuführenden Gebäulicykeiten einen 
geeigneten Plat ausfindig zu machen, die Baupläne zu entwerfen und 
die Ausführung derjelben zu leiten. Anfänglich wurde die Stelle, wo 
früher das Dominikanerklofter geftanden hatte, zum Bau augerjehen ; 
da fich diefelbe jedoch nicht ganz geeignet erwies, namentlich weil fie 
allzufehr mit Häufern umfchloffen war, fo wählte man dazu denjenigen 
Platz, melden früher das von der Marfgräfin Irmengard geftiftete 
Siehenhaus ſammt dem anftoßenden Dominikanerinnenklofter, deſſen 
Gebänlichkeiten nad) der Neformation mit jener Anftalt vereinigt wor: 
den waren (S. 329), eingenonmen hatte. Wegen feiner größern Aus: 
dehnung und feiner freiern Rage erfihien derjelbe allerdings der Beftim: 
mung angemefjener, welche man ihm geben wollte. Der alsbald in 
Angriff genommene Bau gedieh nach und nach fo weit, daß am 1 Mai 
1718 die Einweihung des Haufes und die Einführung der aufgenom— 
menen 60 Waiſen ꝛc. ftattfinden konnte. 1) Für die damit verbundenen 
Feierlichkeiten erfchien ein eigenes Programm. 2) Der Markgraf nahm 





bei Wangler, 1844). — Beſchreibung der Etadt Pforzheim v. Roller, (Pforz— 
beim bei Kag, 1811). — Alten der Großh. Dem inenverwaltung Piorzheim. 
— BWaifenpartifularrednungen für Pforzheim. — 

) „Eo bat au der Durdlauchtigfte Fürft und Herr, Margraf Karolus 
aus dem eingeäfcherten Nonnenklofter und Epital cin berühmtes herrlich er— 
bautes Waifene, armen Wittwen: und Zuchthaus erbaut, welches .Ao. 1718 
Dom, Nisericordias Dei solenniter eingeweiht worden“ jagt Spezial Wils im 
Kirhenbudh von 1717, 

2) „Ihro hochfürſtlichen Durchlaucht des regierenden Hern Marngraven 
zu Baden und Hochberg gnädigſte Verordnung, wie e8 mit ber vorſeienden 
Snauguration des Pforzheimiſchen Wayfenhaufes [ol gehalten werden.“ 





574 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


in eigener Perfon, begleitet vom SKirchenrathsdireftor Zur Gloden 
und dem Kirchenrath Hölzlin, an derjelben Theil und fand fi auch 
bei dem im der neuen Anftalt bergerichteten Feftmahle ein. Die 
Beamten und fonftigen Bedienfteten des Maifenhaufes wurden vom 
Markgrafen felber in Eid und Pflicht genommen und die Anftalt für 
eröffnet erklärt. Zur Beauffihtigung und oberften Verwaltung derfel: 
ben wurde in Pforzheim ein Verwaltungsrath niedergefegt, welcher ang 
dem geheimen Rath und Obervogt Scheid, dem nenernannten Waifen: 
hausdireftor Schüß, den Stadtgeiftlichen Bergmann und Seufert, dem 
Mitglied des Gerichts, Konrad Kab, und dem Rathsherrn Mathäus 
Kummer zufammengefeßt war. 

Mittlerweile wurde auch mit dem Bau der Maifenhaugfirche fort: 
gefahren und diefelbe am 15. Januar 1719 feierlidy eingeweiht. Um 
diefe Zeit war die Zahl ſämmtlicher Pfleglinge der Anftalt fchon auf 
200 angewachſen. Einen Theil der Mittel zum Unterhalt fo vieler 
Perſonen fuchte man fi) durdy Anlegung verfchiedener Fabriken in der 
Anftalt felbft, in denen die Pflege: und Züchtlinge auf eine nuß- 
bringende Art befchäftigt werden follten, zu verfchaffen. Mehrere der: 
felben, wie eine Papiermühle, eine Hut: und Bandfabrif, aud eine 
Buchdruckerei, die man projektirt hatte, kamen jedoch nicht zur Ausfüh- 
rung; andere, wie Meſſer-, Scheeren= und Glasperlenfabrifen hörten 
bald wieder auf, Nur die Tuch-, Wollenzeuge und Strumpffabrifen 
wurden längere Zeit fortgefeßt und follten fpäter für die Stadt Pforz- 
beim felbft, in Verbindung mit andern derartigen Unternehmungen, fehr 
wichtig werden. — Auf der andern Seite wurden dem Waifenhaus 
verſchiedenes Eigentfum und anſehnliche Gefälle zugewiefen. Dazu 
gehörten, außer den für die Anftalt neu aufgeführten Gebäulichkeiten, 
die vormaligen Spitalgüter, nämlich an 15 Morgen Wiefen im Hagen: 
ſchieß, ferner die Gebäulichkeiten und Güter der St. Georgenpflege, 
legtere noch in 21/, Morgen Ader und einem 2400 Schritt im Um: 
fang baltenden Wald beftehend, — die noch flüffigen Einkünfte des 
Spitals in Kapital und Bodenzinfen im Betrag von 638 fl. 221/, Er. 
fammt etlichen Naturalbezügen, 1) die Einkünfte der St. Georgenpflege 


— — — — 


) Der größte Theil des reichen Vermögens dieſes Spitals und bes ehe: 
maligen Dominikanerkloſters war im 30jährigen und orleans’fchen Kriege 
verloren gegangen. 





Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697-1746. 525 


mit 744 fl. 291/, kr., die Durlacher Spitalgefälle, die Sonderfiechen- 
Pflege-Einkünfte vom Hochberg, die Spital- und Almofengefälle von 
Ealzburg, die Sonderfiechenpfleggefälle von Rötteln und Saufenberg, 
die Ueberichüffe der Almojenfapitalien - und Klingelbeutelgelder, bie 
Zotteriegelder, — alle diefe Einkünfte im Gefammtbetrag von jährlichen 
6653 fi. 59%/, kr. Dazu kamen ferner als unbeftändige Revenüen 
die Kollekten an Yeittagen, die Opfer von Kommunionen, Kindtaufen, 
Hochzeiten und Leichen, die Opfer aus den fonntäglihen Sammelbüch— 
fen, der Ertrag der Schwörbüchſen, Mufiferlaubnißtaren bei Hochzeiten, 
Zanztaren, Taxen vom Gin und Ausfchreiben der Profeffioniften, 
Strafen ꝛc. Sodann wurde auch unterm 8. Februar 1718 der unge: 
fähr 15 Morgen große Schloßgarten dem Waifenhaus zur einftweiligen 
Benützung überwieien. (Der Döftertrag mußte jedody an die mark: 
gräfliche Küchenmeifterei abgeliefert werden.) Endlich hatte ſich die neu— 
gegründete Anftalt bald anfehnlicher freiwilliger Beifteuern und Ber: 
mächtnifje zu erfreuen. 

Obgleich nun Alles aufs Befte geregelt ſchien und das Waiſen— 
haus unter den günftigiten Ausfichten eröffnet worden war, fo riß doch 
in demfelben bald die größte Verwirrung und Unordnung ein. Der 
beftellte Direktor (ein Architekt!) entſprach den Erwartungen nicht; unter 
den Bedienfteten herrchten fortwährende Zerwürfniffe; die in die Anjtalt 
verpfrindeten Pfleglinge wollten fi) der Hausordnung nicht fügen; 
die in derfelben angelegten Yabrifen wollten feinen rechten Fortgang 
nehmen, weil es an fachverftindiger Leitung derfelben fehlte und die 
von auswärts dazu beigezogenen Arbeiter die Unordnung noch vermehr- 
ten. Dazu kam noch, daß die Vereinigung fo verfchiedenartiger Pfleg- 
linge in eine Anftalt, die zugleich Waifen:, Irren-, Siechen- Pfründ- 
ner⸗ und Zuchthaus fein follte, fi), wie vorauszufehen war, auf bie 
Dauer als wenig fegensreich erwies und die ſchlimmſten Folgen für 
das Haus und feine Bewohner nad) fi) 309. Zum Unglüd war aud) 
noch die Oberaufſicht über die Fombinirte Anftalt eine zu wenig ein: 
beitlihe. An die Stelle des urſprünglichen VBerwaltungsrathes, der 
ziemlich unbeſchränkte Vollmacht befefjen hatte, war eine Waijenhaus- 
deputation getreten, die unter den fürftlichen Kollegien zu Karlsruhe 
ftand, und zwar beforgte die fürftliche Nentlammer das Haushaltungs— 
weien, die Negierung die Hauspolizei, der Kirchenrath die geiftlichen 
und Schulangelegenheiten; alle drei Behörden aber mußten die wich— 





576 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697-1746. 


tigften Angelegenheiten wieder vor das Minifterium bringen. Dies hatte 
die üble Folge, daß nicht allenthalben nad gleichen Grundſätzen ver: 
fahren wurde, und machte diefer Umftand viele Anfragen und weit: 
läufige Kommunifationen nothwendig und „dum deliberabamus Rome, 
peribat Saguntus“ jagt ber geheime Rath Neinhard in feinem über 
alle diefe Verhältniffe fpäter erftatteten Bericht. Die Anftalt gerieth auch 
wirklich in einen folhen Verfall, daß eine ganz neue Organifation ber: 
felben nöthig wurde. Diefe erfolgte aber erſt unter Markgraf Karl 
Friedrich, weshalb ich im folgenden Kapitel darauf zurückkommen werde. 


86. Der Privilegienftreit, 1) 


Es ift im Vorgehenden ſchon mehrfah auf diefen Streit hinge- 
deutet worden, der zuleßt zu einer merkwürdigen Kataftropbe führen 
follte. Eine Darftellung desfelben, bei der wir uns indefjen auf das 
MWichtigfte beſchränken wollen, ift um fo nothwendiger, als es fich dabei 
überhaupt um einen Kampf der neuern Zeit mit der alten handelte 
und die hergebrachte Stadtverfafjung Pforzheims durch denfelben mehr: 
fache Veränderungen erlitt. 

Welche Privilegien Markgraf Ehriftoph der Stadt im Jahr 1491 
verliehen, zeigt die ©. 216 mitgetheilte Stadtordnung. Nah $ 1 der: 
felben waren die Pforzheimer von Entrichtung aller Bete, Schatzung, 
Steuer, kurz, aller direkten Abgaben, ſowie von allen Herrichaftsfrohn: 
den befreit. Trotz bdiefer Befreiung von direkten Steuern mußte fidh 
die Stadt „zur Erzeigung ihres Gehorfams, auch zur Verminderung 
der ſchweren fürftlihen Schulden, (wofür Pforzheim zum Theil mit 
verjchrieben war,) fowie endlich zur Beſtreitung der Koften der fürft- 
lichen Hofhaltung” mehrfach zu ftändigen Abgaben verftehen, wie oben 
bei den Jahren 1554 und 1573 (©. 276), 1582 (S. 355) und 
1585 (S. 357, vergl. auch ©. 475) gezeigt worden iſt. Es geſchah 
dies zwar nie ohne Verwahrung von Seiten der Stadt und nie ohne 
Revers von Seiten des Fürſten; allein die Stadt fam, wie bereits 
©. 357 bemerkt wurde, aus der Bezahlung folder Abgaben nicht mehr 
heraus und fie wurden zuleßt zur regelmäßigen und ordentlichen Steuer 


) Quellen: Alten bes Landesarchivs, Pforzheimer Rathsprotos 
tolle, ein Notabilienbuch des flädtifchen Archivs, Entwurf einer Er: 
neuerung ber Privilegien im Jahr 1807 x, 


* 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697-1746. 577 


oder „Schatzung.“ Wann letzterer Name an die Stelle der „außer: 
ordentlichen Hilfe" trat und man, im Widerſpruch mit $ 4 der Stadt: 
verfafjung von 1491, diefe eigentlich vorübergehende Abgabe als regel: 
mäßige „Schatung” zu erheben begann, das vermag ich nicht zu jagen. 
Schon bald nach dem dreifigjährigen Krieg, fo in den 1660er Jahren, 
ift in den Rathsprotokollen der Schatung häufig erwähnt, und da in 
jenen traurigen Zeiten die Noth Fein Gebot Fannte, und weder bie 
Landesſchulden, noch die Koften der fürftlichen Hofhaltung fich minderten, 
fo mußten ſich die Pforzheimer nicht nur zur Zahlung der ordentlichen 
Schatzung verftehen, fondern fie wurden auch häufig ‚zu aufßerordent- 
lihen Schatungen beigezogen. Nach dem orleans'ſchen Krieg hatten die 
gleihfam neue Schöpfung des Landes, die Wiederherftellung der öffent: 
lichen Gebäude, die der Krieg faſt alle zerftört hatte, die zunehmenden 
Koften des deutſchen Gerichtsverfahrens, insbejondere aber aud die 
Veränderung in fo manchen Staatseinrichtungen, wie 3. B. im Mili- 
tärwejen, eine Vermehrung der Staatslaften zur nothwendigen Folge. 
Es fonnte alfo aud von dem Nachlaß der Schakung in Pforzheim 
und andern gefreiten Städten um fo weniger die Nede fein, als die 
Bürger durdy das ftändige Militär, weldes zu halten der Mark: 
graf von Baden mie alle andern deutfchen Fürſten durch die veränder: 
ten Zeitverhältniffe mit gebieteriicher Nothwendigfeit gezwungen war, 
aud) wieder von mancher Laft befreit wurden, indem die Kriegspflicht 
fie viel weniger in Anipruh nahm Mären indeffen die namentlid) 
zur Beftreitung der Koften für das Militär, für Gefandtfchaften, für 
Reichs- und Kreisbeiträge ꝛc. erforderlichen Abgaben unter einem andern 
Namen, etwa, wie e8 ſpäter geſchah, als Reichs- und Kreisftener 
und nicht als Schatung erhoben worden, und wären überhaupt auch 
manche berausfordernden Handlungen und nicht zu billigenden Verſuche, 
mande Privilegien der Etadt zu beftreiten und zu befchneiden, von 
Seiten der fürftlihen Beamten unterblieben, jo würde der bittere Pri— 
vilegienftreit wohl nie entbrannt fein. Es wurde eben von allen Seiten 
gefehlt, und die Folgen blieben nicht aus. 

Der Betrag der Schatung war nicht immer der gleiche. Im 
erſten Zehntel des 18. Jahrhunderts wurden monatlih 10 Kreuzer, 
alfo jährlih 2 Gulden von 100 Gulden des Steuerkapitals erhoben, 
während früher nur 20 Baten bezahlt worden waren. Aber auch diefer 


Betrag reichte zur Betreitung der Bebürfniffe nicht aus. Statt jähr- 
Pflüger, Prorsbeim, 37 





578 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 16971746, 


licher 12 Monatgelder wurden 3. B. 1713 deren 18, ja in manden 
Jahren 24, alfo gerade das Doppelte verlangt. Das rief in Pforzheim, 
wo um 1714 die Zahl der unruhigen Elemente durch neue Einwande— 
rungen, namentlich aus Württemberg, fehr vermehrt worden war, große 
Unzufriedenheit hervor, und zwar um fo mehr, als von Seiten der 
Regierung jeden Augenblick Verſuche gemacht wurden, die Stadt aud 
zu Frohnden beizuziehen. Daraus entjtand zugleih Mißtrauen gegen 
die Abſichten derjelben. Es kamen auch noch Beſchwerden anderer 
Art dazu, die ebenfalls die Verletzung verſchiedener Rechte der Stadt 
betrafen, indeſſen nicht immer gegründet waren. Eine ſolche Beſchwerde— 
ſchrift reichte die Stadt u. U. 1716 ein, die verſchiedene Punkte ent: 
hielt, welche die Schatung, den Pfundzoll, die Maaßkreuzer (zu welchem 
der frühere Maafpfennig angewachfen mar), das Fleiſchumgeld, den 
Salzhandel, den Umgeldeinzug ꝛc. betrafen, und jest ſchon und fpäter 
mit viel fchärferer Betonung wurde ein Zurückgehen auf die Beftim- 
mungen des Privilegienbriefes von 1491, den der Markgraf bei feinem 
Regierungsantritt 1709 ja jelber feterlichft beftätigt habe, verlangt. Es 
wurde bei ſolchen Klagen nun freilich vielfach überfehen, daß manche Para- 
graphen jenes Privilegienbriefs feither auf dem Weg gegenfeitiger Ueber: 
einfunft abgeändert worden waren, Go war 3. B. das Tleifehumgeld 
wegen des gefunfenen Geldwerths 1672 mit Zuftimmung der Mebger- 
zunft erhöht worden, 1675 auch der Pfundzoll laut Vertrags zwiſchen 
der Stadt und der Herrſchaft (S. 472), und zwar von 1 Pfennig auf 
2 Kreuzer vom Gulden, wovon der Stadt ber vierte Theil zufloß; fo 
batte die Herrfchaft den Salzhandel, der laut $ 22 des Privilegien 
brief8 von 1491 ihr und der Stadt gemeinſchaftlich zuftand, ſchon längſt 
allein übernommen und zahlte letzterer dafür eine jährliche Entſchädi⸗— 
gungsfumme von 103 fl. u. f. w. — Wo die Beichwerden der Stadt 
gerechtfertigt erfchtenen, war die Negierung, e8 darf das nicht unbe— 
merft bleiben, ſtets bemüht, denfelben abzuhelfen. Bezüglich der Schatung 
und fonftiger Landesunfoften jedoch war fie durchaus anderer Anficht, 
als die Stadt, und es wurde letzterer 1717 mit dürren Worten erklärt, 
dag man die Stadt Pforzheim von der „Konkurrenz in der Schagung 
und andern Landesunköften zum Schaden und Nachtheil unferer übrigen 
getreuen Unterthanen Feineswegs erimiren könne, fondern befehle, daß 
man die Bürgerfchaft künftig mit allem Ernft zum genauen Beitrag an 
Schatzung und Landesunköſten anhalten folle, wovon fit nun faft von 


Siebzcehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 579 


200 Sahren her niemals befreit, fondern gleidy den übrigen Untertha- 
nen im Land gehalten geweien und ihren Antheil daran ohne Wider: 
rede entrichtet habe.” (1!) Doch gab der Markgraf in einem fpätern 
Schreiben (1. Auguft 1717) die Verfiherung, daß er nicht im Sinne 
babe, die Privilegien der Stadt zu ſchmälern; er wolle vielmehr noch 
Mehreres verbeſſern. 

Bezüglich eben diefer Schatung entjtanden zwifchen dem Magiftrat 
und der Bürgerfchaft bald Meinungsverſchiedenheiten. Jener zeigte fid) 
nicht abgeneigt, fi, in das Unvermeidliche zu fügen und zur Erhebung 
von 12 jährlihen Monatsgeldern als einer freiwilligen Beifteuer zu 
dem Staatsaufwand feine Zuftimmung zu geben. Damit war aber die 
Bürgerfchaft nicht einverftanden, fondern wollte von der Bezahlung einer 
Schatzung überhaupt ganz und gar nichts wiffen. Die Stimmung 
wurde eine immer gereiztere, und richtete fi) zuletzt die Erbitterung 
ber Bürgerfchaft nicht gegen die Negierung allein, fondern aud gegen 
den Magiftrat, Bereits 1720 kam es zu heftigen Auftritten auf dem 
Nathhaufe, Has die Dürgerfchaft mit gemwaffneter Hand befett hatte, 
und mußte der geb. Rath Scheid als Dberbeamter erft die Aufruhr: 
afte verlefen, ehe die Bürger fi) bewogen fanden, wieder abzuziehen. 
Schon damals trug das Dberamt auf militäriiche Erefution an, worauf 
jedod die Negierung nicht einging. Je entgegenfommender aber die 
Negierung — mit Ausnahme der Schatung — ſich zeigte, fo um 
jene Zeit namentlidy auch in Betreff des Tabak-, Eifen- und Salz: 
monopols, deſto troßiger beharrte die Bürgerfchaft auf ihrem Ber: 
langen und war fejt entjchlofjen, nicht nachzugeben. 

Mit dem Fahr 1723 nahm die Verwidlung einen immer bedroh- 
lihern Charakter an. Als am 12. Januar die jungen Bürger aufs 
Rathhaus geladen wurden, um dem Herkommen gemäß dem Fürften 
den Eid der Treue zu leiften, erklärten fie, daß fie das nicht eher thun 
würden, als bis die Privilegien der Stadt vollftändig wieder hergeftellt 
feien. Diefer Schritt gefhah im Einverftändniß mit der Bürgerfchaft, 
welche dadurdy eine raſchere Erledigung des Privilegienftreites herbei— 
führen wollte. Vergebens waren alle Erläuterungen und Belehrungen 
der fürftlichen Beamten in Pforzheim, daß ja mande Beftimmungen 
der Privilegien auf die dermaligen Verhältniſſe nicht mehr paßten, 
andere durch Verträge abgeändert worden feien, die nicht einfeitig wieder 
aufgehoben werden könnten. Ebenſo vergebens erwieſen A die Ber 





580 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


mühungen des Stadtraths, welcher die Bürger flehentlich bat, die Stadt 
doch nicht ins Unglüf zu bringen. Auf die Drohung einer nad Pforz- 
beim geeilten fürftlihen Kommijfion, daß alle jungen Bürger, welche 
nicht ſchwören würden, aus der Stadt gewiefen werden follten, erfolgte 
die Antwort: „die alten Bürger würden mit den jungen gehen.” Ja, 
als der Markgraf felber, um die Bürger zu anderer Gefinnung zu 
bringen, der Stadt bezüglich des Antheild am gewiſſen Strafen Zuge: 
ftändniffe machte und die Zuficherung gab, er werde, wenn die jungen 
Bürger nur erft geſchworen haben würden, ihren Beſchwerden jegliche 
Berücdfihtigung angedeihen Yafien, gab die Bürgerfchaft den troßigen 
Beſcheid: „Alle ihre Befchwerden würden von felbft wegfallen, wenn 
man fie nad) dem urfprünglichen Wortlaut ihrer Privilegien traktire.“ 
— Da die Regierung in Ergreifung "fonftiger geeigneter Maafregeln 
zögerte, fo ging die Bürgerfchaft nody einen Schritt weiter, und erflärte 
im April 1723: „daß fie jegt, weil fo lange Fein Entſcheid von fürſt— 
licher Herrihaft erfolge, die Privilegien felber interpretiren und vom 
nächſten St. Georgstag (23. April) an nichts weiter, als was fie ver: 
möge ihrer Freiheiten der Herrſchaft zu geben ſchuldig feien, entrichten 
wollten.” 1) 

Noch ein Mal verfuchte die Negierung, den Weg friedlicher Ver— 
ftändigung zu betreten und erflärte fih, wenn es die Pforzheimer 
Bürgerfhaft zu ihrem eigenen Nachtheil durchaus nicht anders haben 
wolle, dazu bereit, bezüglich des Salzhandels , des Metelumgeldes und 
des Pfundzolls auf die Beftimmungen des Privilegienbriefs von 1491 
zurückzugehen, ebenfo der Stadt den vierten Theil des Maaßkreuzers 
zu überlafien. Auch der Stadtrath gab fih alle Mühe, die Bürger: 
Schaft zu befchmwichtigen und die jungen Bürger zur Abſchwörung des 
verlangten Eides zu bewegen. Er Iegte u. U. auf dem Rathhaus eine 
Lifte auf, in welche fich diejenigen einzeichnen follten, die feinen Antheil 
am Ungehorfam der Bürgerfchaft nehmen wollten. Diefelbe fand jedoch 
nur 34 Unterfchriften. 2) Als alle folche Bemühungen, die Bürgerfchaft 

1) Als die Haupträbelsführer der Fürgerfchaft find im den betreffenden 
Akten genannt: Wagner Chriftoph Schnell, Michel Bruder, Krämer Johann 
Ramfer, Sattler Michel Mitſchdörfer, Joh. Ib. Ungerer, Dreifönigwirth Phis 
fipp Ungerer, Michel Faut, Hs. Jerg Bauer, Barbier Lacofte und Mathäus 
Seybolbt. 

2), Es unterzeichneten beifpielmeife Burfhard Beckh, Dietrih Meerwein, 
Hs. Mart. Ringer, He. Mi. Holzhauer, Joh. Chrift. Deimling, Joh. 36. 
Deimling. 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 581 


zur Vernunft zu bringen, fich vergeblich erwiefen, jo wuſchen Gericht 
und Rath der Stadt in feierlicher Sitzung ihre Hände in Unſchuld 
und lehnten jeglihe Derantwortlichfeit für die Folgen, welche folder 
Ungehorfam nad fi) ziehen würden, von fi ab. 1) Der Regierung 
aber, die fi) zu weiterer Nachgiebigkeit nicht entjchließen konnte und 
ber überdies zu Ohren gefommen war, daß „die Pforzheimer fich 
wiederholt zufammengerottet und geſchworen hätten, fich eher zu Ajche 
verbrennen zu laſſen, als zu ruhen“, blieb fein anderes Mittel mehr 
übrig, als die militärifhe Erefution. 

Am 30. Juni 1723 morgens 2 Uhr rüdte unter dem Kommando 
bes Oberften und Obervogts in Durlach Vaſoldt die markgräfliche 
Grenadierfompagnie fammt dem badifchen Reiterfontingent ins Schloß 
zu Pforzheim ein, zog um 51/, Uhr mit klingendem Spiel den Schloß— 
berg hinab vor das Rathhaus, und wurden alsbald die Thore der Stadt 
unter Entfernung der Bürgerwachen militärifch beſetzt. In Begleitung 
der Truppen fam eine fürftlihe Kommiffion, beftehend aus dem 
Geheimrathspräfidenten von Uexküll, dem geh. Rath Stadelmann und 
bem Hofrath Keſſel. Nach der ihr ertheilten Inftruftion follte fie aufs 
Strengfte verfahren, zur Erefution nöthigenfalls aud noch die 300 
Mann, um welde der Markgraf von Baden den Herzog von Württem: 
berg ſchon im Voraus angegangen hatte, requiriren, die Widerjeglichen 
gefänglich einziehen, ja im äußerjten Fall auch ihres Lebens nicht jcho: 
nen. Am 41. Juli wurden die Mitglieder des Gerichts und Raths 
fammt den Vorftänden der 26 Zünfte aufs Rathhaus beſchieden, wo 
auch die eidverweigernden jungen Bürger erſchienen. Nach einigem Hin: 
und Herreden erklärten fich Iettere bereit, den Huldigungseid ohne 
Vorbehalt zu ſchwören. Die Zünfte aber wollten ſich auf nichts Weite: 
res, als die einfache Wiederherftellung der Privilegien von 1491 ein- 
lafjen. 2) Auch am folgenden Tag, an weldhem die Mitglieder der 


) Mitglieder des Raths und Gerichts waren damals: Bürgermeifter 
Schober, Altbürgermeifter Joh. Chr. Deimling, ©. W. Schmid, Baumeifter 
Höning, Hs. Grg. Siegle, Hs. Gra. Meerwein, Lorenz Katz, Flach, Job. 
Günther, Abrah. Trautwein, I. G. Stieß, D. W. Dertle, 3b. Holzhauer, 
58. Ph. Erad, 36. Meier, Ib. Gerwig, Dan, Geibel, Burfard Simmerer, 
Konrad Kap, E. M, Kummer, 

2) Sie beriefen fih dabei u. U. auf eine Aeußerung bes verjtorbenen 
Bürgermeifters Wohnlich, die derfelbe auf dem Todbett gethan: „Die Pforz: 
heimer follten ihre Privilegien wieder berzuftellen juchen, und wenn fie den 
Löffel in ber Schublade nicht behalten würden, * 





582 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


fräbtifchen Behörde fammt den Zunftmeiftern wiederholt vor der fürftlichen 
Kommiffion erfchienen, um mit derjelben gemeinfhaftlih die Privilegien 
Punkt für Punft durchzugehen und in gegenfeitigem Einverftänduiß feft- 
zufegen, wie es damit in Zufunft gehalten werben folle, fam man über den 
erften Paragraphen, der von der Schatzung handelte, wegen der obmwalten- 
den Meinungsverichiedenheiten nicht hinaus, und ſtießen auch die der 
Bürgerfhaft auferlegten Kommiſſions- und Crefutionsfoften auf großen 
Widerſtand. Die Vermittlungsvorihläge, welche am folgenden Tage 
ber Bürgermeifter Schober im Namen der ftädtifchen Behörde machte, 
und worin u. A. die Bitte ausgeiprochen wurde, die Regierung möchte 
der Stadt erlauben, einen Advokaten anzunehmen, wurden von der 
fürftlihen Kommiffion, die Überhaupt jetzt fehr entichieden auftrat, zu: 
rücgewiefen. Der Markgraf billigte das Verfahren derfelben, zeigte fich 
aber bereit, der Bürgerfchaft zur Berichtigung ihrer Nüdftände an 
Schatzung zc. angemeffene Termine zu bewilligen und ordnete an, daß 
die Erefutionsmannichaft auf 40 Mann unter dem Befehl eines Lieute- 
nants vermindert werden ſolle. Weil der Markgraf indeß zur Ueber: 
zeugung gefommen war, daß bezüglich der fo nothwendigen Reviſion 
des Pforzheimer Privilegienbriefs eine freie Vereinbarung zwifchen der 
Herrſchaft und der Bürgerfchaft Pforzheims, wie ſolche $ 30 der be 
treffenden Urkunde felber vorfchrieb, unter obmwaltenden Verhältniffen 
nicht zu Stande fommen würde, indem alle bereitS gemachten Verſuche 
nicht zum Ziel geführt hatten: fo glaubte der Markgraf zu dem Mittel 
der Oktroyirung greifen zu müſſen, jedoch nicht, ohne bei den beiden 
Univerfitäten Halle und Gießen juriftifhe Gutachten über feinen Streit 
mit den Pforzheimern einzuholen. Weil diefe indeß nicht fo fchnell 
erwartet werben konnten, die Verwirrung in Pforzheim jedoch einen 
Grad erreicht hatte, der fehnelle Abhilfe nothwendig machte, fo erhielt 
die neue Ordnung der Dinge, die der Markgraf unterm 12. Juli 1723 
aus eigener Machtvollfommenheit in Pforzheim einftweilen einführte, 
den Namen eines Interimsbefehls. Da derjelbe in Verbindung, 
mit einigen Erläuterungen und Zuſätzen vom 31. Oktober 1723 und 
dem Deflarationserlaß oder Finalbefeh!l vom 29. Auguft 1724 
fpäter definitive Giltigfeit erlangte und big auf die neuere Zeit in 
Kraft blieb, fo iſt es nöthig, auf feinen Inhalt näher einzugehen. 
Bezüglich der Schatzung wurde feftgefeßt, daß die Bürger von 
Pforzheim zwar mit dem Schabungsanfak, wie folder auf das ganze 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 583 


Land repartirt werde, verfchont bleiben, dagegen aber ad prestationes 
publicas, wozu fie durdy die Privilegien verbunden feien und denen 
fie fich durch Fein Recht entziehen könnten, — wie e8 die Noth erforbdere 
und was pro rata der Stadt zufäme, beigezogen werden follten, 1) Der 
berrichaftliche Eiſen- und Tabakhandel in Pforzheim follte mit dem 23, 
Suli 1723 aufhören. Bezüglich des Hausumgeldes von Frucht wurden 
weitere Beftimmungen vorbehalten. Von allen Strafen, weldhe das Ober: 
amt gegen Bürger und Cinwohner der Stadt erfenne, ſolle letzterer 
der vierte Theil zufallen, ebenfo vom Maafkreuzer, von allem Umgeld, 
alfo auch vom Mebgerumgeld, (das nad) dem veränderten Geldwerth 
folgendermaßen feitgefeßt wurde: von einem Centner Ochfen:, Stier: 
oder anderm Fleiſch, da das Stüd 4 Centn. und darüber wiegt, 12 kr., 
vom übrigen Rindvieh von jedem Gentner 8 kr., von einem Milchkalb 
10 kr., Hammel, Schaf, Bod oder Geh 3 kr., Lamm oder Kütlein 
2 fr, von einem zweijährigen Schwein 16 fr., von einem Läufer 6 fr.;) 
die Mebger mußten aber das volle Gewicht geben, (vergl. ©. 492.) 
Entſprechende Erhöhung des Metelumgelds wurde vorbehalten, Fremdes 
Fleiſch jolle in der Stadt nicht verkauft, ſondern alsbald Fonfiszirt wer: 
den. Dem Oberbeamten wurde zur Pflicht gemacht, die Mebger nicht 
zu fehr mit Poftritten (S. 487) zu befhweren. Für das Hausmebeln 
follten diefelben Anſätze, wie bei den Mebgern gelten; doc) dürfe jeder 
Bürger zwei Schweine frei fchlachten. Mit dem Salzftadel folle es 
fo gehalten werden, daß der Stadt wieder, wie früher, der vierte Theil 
des Gewinnes zufließe. Das Haufiren mit Waaren, die in der Stadt 
zu haben, folle verboten fein, Kein Krämer folle zweierlei Waaren 
(d. 5. neben Spezerei etwa aud Tuch und dergl.) führen. Den Juden 
jolle aller Verkauf in der Stadt unterfagt fein. Die Oberbeamten 
follten die Handwerker und Krämer bei ihren Zunftartikeln möglichft 
ſchützen. Der Pfundzoll von Waaren, Liegenſchaften ꝛc. folle auf 1 kr. 
vom Gulden ermäßigt fein, und der Stadt davon der vierte Theil zu: 
fallen. Die Beiträge zu den Landskoften follen nad) den üblichen Taren 
erhoben werden. Umgeldunterfchleife follen ftreng beftraft werden. In 
den der Stadt zunächit gelegenen Orten jollen nur Schmiede, Wagner, 
Zeineweber und privilegirte Wollenweber, aber feine andern Handwerker 


1) Für die Zeit dom Juli 1723 bis dahin 1724 wurde einftweilen be: 
fimmt, daß die Pforzheimer 12 Monatgelder zu 10 Er. vom 100 fl. Steuer: 
kapital zu bezahlen hätten, 





584 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697 -1746. 


ſich niederlaſſen dürfen, um die Nahrung der Stadt Pforzheim zu 
befördern; bloß in Orten mit Badrecht ſolle die Seßhaftmachung auch 
Metzgern und Bäckern geſtattet ſein. Ueber die Thorwarte ſolle eine 
ſtrengere Aufſicht, als bisher geführt und jeden Abend vom Ober: 
beamten die Thorichlüffel wieder zur Hand genommen werden. Die in 
Pforzheim wohnenden fremden ꝛc. folle man zur Bezahlung der Bet, 
die Stadt jelber, da fie von Strafen, Umgeld und Pfundzoll einen 
fo erheblichen Antheil beziehe, zur Anftandbaltung der Manern, Gräben 
Zwinger zc. ftreng anhalten. Am Schluß des Finalbefehls ift bemerkt, 
daß die der Stadt verliehenen Begünftigungen nur fo lang in Kraft 
bleiben follten, als fi die Bürger als treue und gehorſame Untertha- 
nen bezeigen und nicht wieder neue Unruben anfangen würden. 

Durch diefen Interims- und den Finalbefehl hatte der Markgraf 
verfchiedenen Wünschen und Beſchwerden der Pforzheimer Rechnung 
getragen, und es leuchtete daraus auch feine Abficht hervor, die Pri- 
vilegien der Stadt nicht weiter umzugeftalten, als es die dringende 
Nothwendigkeit gebot. Dabei hatte num freilich der Markgraf auf bie 
Erhebung einer directen Steuer, welche die Stelle von Kriegs-, Reichs-, 
Kreis: und andern Anlagen vertreten und ſolche gleichfam zufammen: 
fafien follte, ſelbſtverſtändlich nicht verzichtet; indeffen war body ber 
anſtößige Name der Schatzung vermieden worden. 

Der Eindrud, den der Anterimsbefehl auf die Bürgerſchaft machte, 
war keineswegs ein günftiger. Der Anfab von 10 Kreuzen Monats- 
geld erſchien Manchen zu hoch; die Mebger wollten fi) das ſchwerere 
Gewicht nicht gefallen laſſen; Alle aber wollten von Bezahlung ber 
rüdjtändigen Schabungsgelder fowohl, als der Kommiffions: und Exe— 
kutionskoſten nichts wiſſen, und drangen, das alte Lied, auf Wieder: 
berftellung der Privilegien nad) ihrem urfprünglichen Wortlaut. Bon 
einer Sinnesänderung war alfo wenig oder nichts zu verfpüren. Unter 
folhen Umftänden beichloß der Markgraf wieder jchärfere Maafregeln 
zu ergreifen. In den erften Tagen des Augufts vücte die bisher in 
Kehl gelegene Kreisfompagnie unter Oberft Vafoldt in Pforzheim ein, 
und wurde befehlen, den widerjpänftigen Bürgern bis zur Bezahlung 
ihrer Nüdftände Soldaten ing Haus zu legen und, wenn diefes Mittel 
nicht helfe, ihre Mobilien verfteigern zu laſſen. 

Mittlerweile war aber die Bürgerſchaft zu dem Entſchluſſe gekom— 
men, auf eigene Fauſt hin, d. h. ohne Vorwiſſen der ftädtiichen Behör— 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 585 


ben, gegen den Markgrafen wegen feines gemwaltthätigen Vorgehens 
Klage beim Reihsfammergeriht in Weslar zu erheben, und 
wurden zur perfönlicen Betreibung diefer Sache -drei Pforzheimer 
Bürger, nämlich der Ochfenwirth Jakob Würth, der Weißgerber Andreas 
Bauer und der Rothgerber Hans Gall Eberle dahin abgeſchickt. Zur 
Beftreitung der Koften leiſtete jede Zunft aus ihrer Lade einen Beitrag; 
außerdem wurde eine Kollekte erhoben, und endlich verpflichtete fich jeder 
Bürger, der mit der Klage in Wetzlar einverftanden war, zur wöchent— 
lichen Bezahlung eines Batzens. 

Zum Behuf einer verfchärften Erefution Tieß indefjen die Regie— 
rung auch den bisher in Karlsruhe gelegenen Reſt der Grenadierfom: 
pagnie, und Ende Auguft noch eine weitere Kompagnie, nämlich die 
v. Wöllwarth'ſche, fammt einer Abtheilung Landmiliz in Pforzheim 
einrüden. Sämmtlihe Mannſchaft wurde in der Stadt einquartiert, 
und zwar zunächft wieder bei den widerfpänftigen Bürgern, mit befonde- 
rer Berücdfihtigung ihrer Rädelsführer. Die Regierung ſchritt aud) 
noch zu Maßregeln anderer Art. Sämmtlichen Mebgern, mit Aus: 
nahme des der Regierung willfährigen Abraham Trautwein, wurde das 
Handwerk niedergelegt, der Rathsverwandte Geibel, weil er zu den 
Prozeßkoſten 14 Batzen beigetragen, feines Amtes entlafjen, der Satt— 
fer Mitſchdörfer feiner Stelle als Kornmeſſer entfeßt, und der Amts: 
tellerei und geiftlichen Verwaltung befehlen, zu den bevorftehenden Herbft- 
beihäftigungen nur gehorfame Bürger zu verwenden. Als am 3. Sep: 
tember der Herzog von Württemberg durch Pforzheim kam, wurde den 
Bürgern, die bei ſolchen Gelegenheiten jonft immer unter das Gewehr 
getreten waren und Parade gemacht hatten, dies unterfagt, weil fie fol- 
her Ehre nicht werth feien. Und endli wurde mit ber längſt ge: 
drohten Pfändung bei fieben Bürgern der Anfang gemacht, und die 
weggenommenen Gegenftände auf das Rathhaus gebracht, um dafelbft 
verfteigert zu werden. 

Alle diefe Maßregeln erbitterten die Gemüther noch mehr und 
erwiefen fich als ziemlich erfolglos. Zur Berfteigerung der gepfänbeten 
Möbeln zeigte fich Fein Liebhaber, obgleich man durch Ausjchreiben 
nach verfchiedenen Drten die Juden fürmlih hatte nöthigen wollen, 
nah Pforzheim zu kommen. Dem Metzger Trautwein blieb fein Fleiſch 
größtentheils Liegen, weil die meiften Bürger nunmehr ins Haus meßel: 
ten. Dagegen wurde den der Negierung gehorfamen Bürgern jeder Tud 





586 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


angethanz; Feiner der widerfeglichen Bürger — und diefe bildeten weit- 
aus die größte Mehrzahl — Tieß bei einem derfelben arbeiten oder 
kaufte ihm etwas ab; es entftand überhaupt eine folhe grimmige Feind- 
[haft zweifchen den beiden Parteien, daß fogar die zarteften Bande, 
welche junge Leute mit einander gefnüpft hatten, wieder zerriffen werden 
mußten. Dem Obervogt dv. Glaubitz, (Scheid war am 6. Auguft 
geftorben), und dem Spezial Bergmann wurden Pasquille ins Haus 
gelegt, und der Bürgermeifter Schober mußte tagtäglid) die beftigften 
Drohungen und gröbjten Schmäbworte vernehmen, und wurden er, feine 
Kinder und Kindeskinder für verflucht und verdammt erflärt. Mit Eifer 
fuchte man aud das Gerücht zu verbreiten, daß diejenigen, welche fich 
dem Interim unterwürfen, wieder leibeigen werden müßten, und es 
gab Teichtgläubige Gemüther genug, welche ein jolches Gerede als baare 
Münze nahmen. Es werden alle diefe Einzelheiten genügen, um zu 
zeigen, daß die damaligen Verhältnifie in Pforzheim das Bild der 
größten Zerriſſenheit boten, 

Bon der Univerfität Gießen war indeflen das verlangte Gutachten 
eingelaufen. Die Regierung hatte diejer Hochichule, fowie der Juriſten— 
fakultät in Halle, in Betreff des Privilegienftreits folgende fünf Fragen 
vorgelegt: 1. Ob die Beftätigung der Privilegien durch den Markgrafen 
im Jahr 1709 fo verftanden werden müſſe, da er fie nach dem Buch: 
ftaben, ohne Berüdiichtigung dejjen, was feither vertragsmäßig geändert 
worden jei, wieder herjtellen müſſe? Diefe Frage wurde verneint. 
— 2, Db die badische Negierung nicht berechtigt ſei, fih nach dem 
feit 1491 veränderten Geldwerth ftatt eines Pfennigs deren je nad 
Umftänden 2, 3 oder 4 bezahlen zu laſſen? — Wurde bejaht. — 
3. Ob die Bürgerfchaft von Pforzheim nicht verbunden fei, die durch 
fie jelbft verurfachten Erefutionskoften zu bezahlen? — Wurde bejaht. 
4. Ob fih die Bürger zu Pforzheim durch ihre Widerjeglichkeit ihre 
Privilegien nicht geradezu verwirft hätten? — Wurde bejaht. — 
5. Ob nicht die Stadt Pforzheim zu den Staatslaften, wie Apanagen, 
Ausfteuern, fürftlichen Neifegeldern, Salarirung der fürftlichen Kanzlei, 
zur Abtilgung der Schulden und Bezahlung von Zinfen, zu Geſandt— 
{haften und dergleichen allgemeinen Nothwendigfeiten des gefammten 
Landes durch Bezahlung einer direften Stener beizutragen habe? — 
Wurde bejaht. — Der Gießener Beſcheid war alfo für die Pforz— 
beimer fehr ungünftig ausgefallen, 


Sichzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697-1746. 587 


Derfelbe wurde am 4. September 1723 vor verfammeltem Gericht 
und Math und den Zunftmeiftern und in Gegenwart des Obervogts 
verlefen, 1) jedoch auffallender Weife die verlangte Abfchrift verweigert. 
Das erzeugte Mißtrauen. Die Einen fagten, das Gutachten fei gar 
nicht in Gießen, fondern vom Oberamt felber verfaßt worden. Andere 
behaupteten, man hätte beim Berlefen die Stellen, die für Pforzheim 
günftig Yauteten, weggelaffen zc. So blieb das Gießener Gutachten 
wirkungslos, und im gleichen Grade audy das von Halle, das bald 
nachher ebenfalls einlief, und das mit dem von Gieken, mit Ausnahme 
der vierten Frage, welche verneint wurde, übereinftimmte, 

Meil es unmöglich fhien, die manchen Bürgern gepfändeten Ge: 
genftände in Pforzheim felber zu verwerthen, jo Fam der Befehl, fie 
unter militärischer Bedeckung nad) Durlady zu verbringen. Dies ge 
ſchah auf 3 und fpäter nad) einander auf 6 weitern Wagen. Der 
Verkauf ging indeffen fehr langſam von Statten und fam man damit 
erft im Februar 1724 zu Ende. Es wurden im Ganzen 1373 fl. 
daraus erlöst, die aber nicht einmal zur Bezahlung der Unkoften hin— 
reichten, weldhe in Durlad allein 627 fl. betrugen. — Das Militär 
war unterdefien von Pforzheim wieder mweggezogen worden. 

Dem Urtheil des Neichsfammergerichts, bei welchem die zur Ver: 
nehmlaſſung aufgeforderte badifche Regierung im Oktober 1723 ihre 
Erklärung eingereicht hatte, fab man in Pforzheim mit gefpannter 
Erwartung entgegen, da die Bürger alle ihre Hoffnung darauf gefett 
hatten. Diefes Urtheil erfolgte unterm 12. Januar 1724. Die Pforz: 
heimer wurden mit ihrer Klage abgewiefen, ihnen jedoch freigeftellt, 
ihre Angelegenheit vor ein Schiedsgericht zu bringen. Den Wunſch 
nad) Niederfetung eines folchen fprachen die Bürger der Regierung 
gegenüber aus, die fich auch nicht abgeneigt zeigte, darauf einzugehen, 
proteftirten jedoch wiederholt gegen die Beſtimmungen des Interims— 
befehls von 1723 und der Deflarationsverordnung von 1724, über: 
haupt gegen alles Vorgehen der Regierung, namentlich gegen die Ver: 


1) Der Krämer Ramſer wollte auf die Schlußbemerfungen des Obervogts 
etwas erwidern. Diefer bedeutete ihm jedoch, zu ſchweigen, weil er fchon 
Ihwarz genug ſei. „Das müſſe“, erwiderte Ramfer, „wohl daher fommen, 
weil er jo nahe bei einem Schmied wohne”. Die Folge dieſes unzeitigen 
Echerzes war, daß er auf 10 Tage bei Maffer und Brod in den Thurm Fam, 
Auch andere Bürger traf die Strafe der Einthürmung,. 





588 Siebzehntes Kapitel, Pforzheim von 1697— 1746. 


fügung, daß für 1724 12 Monatsgelder ordentliche und 6 Monate: 
gelder außerordentlihe Schagung bezahlt werden follten, erklärten, daß 
fie nur 6 Kreuzer (jtatt der verlangten 10) vom 100 Gulden ent: 
richten würden und daß der Betrag für 1724 durch Verkauf ihrer 
Effekten nad ihrem Dafürhalten bereits gededt fei. Ferner gaben 
fie zu verftehen, daß fie am Pfundzol nur den im Privilegienbrief 
feftgefeßten Pfennig vom Gulden bezahlen würden und verlangten 
ſchließlich — zum wievielten Male? — einfahe Wiederherftellung ihrer 
alten Freiheiten. 

So fpann fich der leidige Streit immer noch fort, ohne feine end: 
giltige Erledigung finden zu können. Ja er entbrannte wieder heftiger, 
als das folgende Jahr (1725) eine neue Auflage der Eidesverweige— 
rung junger Bürger bradte und das alte Epiel ſich zu wiederholen 
drohte. Die Regierung ſchritt wieder mit ftrengen Maßregeln, als 
Gelditrafen, Erekution, Handwerksniederlegung, Ausweifung ꝛc. ein und 
ließ drei Saupträdelsführer, Sattler Mitihdörfer, Bäder Scheerer und 
Hafner Holzhauer einthürmen. Dies rief unter der Bürgerfchaft großen 
Tumult hervor, und verfegte namentlich auch die Weiber in Alarm, 
die — bezeichnend für die Stimmung, die damals ſchon unter dem 
ſchönen Geſchlecht herrſchte — die Aeußerung thaten, es fei eine Schande, 
daß fi) die Männer fo etwas gefallen ließen. Zur kräftigen Fortfüh— 
rung ihres Prozeſſes aber traten die Bürger zufammen und erwählten 
einen Neunerausihuß. Drei Mitglieder desjelben, die ſchon in Weglar 
gewefen waren, nämlih Ochſenwirth Würth, Weißgerber Bauer und 
Rothgerber Eberle, machten fih, von ihren Auftraggebern mit den nö: 
tbigen Geldmitteln verfehen, am 14. November 1725 auf, um beim 
Reichshofrath in Wien Klage zu erheben und fid dort das Recht 
zu Holen, das ihnen vom Reichskammergericht nah ihrem Dafürhalten 
verweigert worden war, 

Während ihrer Abweſenheit wurde in Pforzheim zwar mit Ere- 
quiren fortgefahren; allein das Dberamt Fagte einmal über das andere, 
daß bei den meiften Widerfpänftigen nichts zu holen wäre, da man 
ihnen Handwerkszeug und Betten nicht nehmen dürfe, Häufer und Güter 
aber verpfändet feien, und auch das Einfperren nichts helfen wolle, 
Viele Bürger hatten übrigens, wie ſich nachträglich herausftellte, ihre 
bewegliche Habe insg Württembergiſche geflüchtet und waren zum Theil 
jelbft dahin gegangen. Am 22. Januar 1726 wurden wieder 20 Mann 


Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697 —1746. 589 


Militär nad Pforzheim beordert, und am 4. Februar erſchien ein 
fürftlicher Erlaß, der die äußerſte Strenge anbefahl, Allen, die ab— 
weſend feien und ihre Mobilien mitgenommen hätten, wurde eine Frift 
von 8 Tagen zur Nüdfehr geftellt; kämen fie nicht, fo folle ihnen das 
Bürgerrecht aufgefündet, ihre Weiber und Kinder zur Stadt hinaus 
geichafft, au im Lande nicht mehr geduldet, ihre Güter verjteigert, 
und wenn dies nicht möglich, eingezogen werden. Den Zurückkehrenden 
folle ihre Habe fogleich verfteigert, diejenigen aber, die nichts befäßen, 
gefänglich eingezogen und bei Widerfeglichkeit nöthigenfalls in Eifen 
und Banden nad) Karlsruhe abgeliefert werden, um fie dort ihre Schule 
digfeit abverdienen zu laſſen. Die jungen Bürger, die nicht ſchwören 
wollten, follten mit ihren Familien der Stadt und des Landes ver: 
wiefen werden. Bezüglich des immer noch umlaufenden und geglaubten 
Gerüchtes, daß der Markgraf die Pforzheimer wieder leibeigen machen 
wolle, folle das Dberamt den Zunftmeiftern vernünftige Vorftellung 
thun, — im Allgemeinen aber jegt und immerdar die Bürger nad 
dem Interimsbefehl vom 12. Juli 1723 und der Deklarationsverords 
nung vom 29. Auguft 1724 traftiren. 

Es trat jedoch nad; wenigen Tagen ſchon eine unerwartete Ka: 
taftrophe ein, welche Mafregeln anderer Art nothwendig machte. Am 
1. Februar erfolgte die Entſcheidung des Reihshofraths in Wien. Sie 
fiel fo aus, wie im Voraus hatte erwartet werden Fönnen, „Nachdem 
diefe Sache”, fo Tautete diefelbe, „bereits an das Faiferlihe Kammer: 
gericht gediehen, und dafelbft forum praeventum (zuftändige Behörde) 
ift, alfo hat das Begehren hiefigen Orts nicht Statt." Diefer Ent: 
fheid langte am 18. Februar in Pforzheim an und ſchon am folgenden 
Tag ließ geh. Rath und Obervogt Zur Gloden die Bürgerſchaft durch 
die Bürgerglode auf das Rathhaus zufammenberufen, um fie im Hin: 
blick auf die Vergeblichkeit aller ihrer Schritte, die fie bis jetzt und 
zuleßt in Wien gethan, wiederholt zum Gehorfam zu ermahnen. Vor: 
ber fuchte er fich noch der Mitglieder des Raths und Gerichts zu ver— 
fihern, die fich in der Ratheftube verfammelt hatten. Diefe erflärten 
einftimmig, daß fie fi zur Bezahlung von 12 Monatsgeldern zu 
10 Kreuzer vom 100 fl. gerne und in der Hoffnung verftünden, daß 
man nach dem jetigen Güterwerth die 10 kr. auf 8 ermäßigen werde, 

Hierauf verließ der Obervogt in Begleitung des Amtmanns Nut: 
bardt und der Raths- und Gerichtsherren die Rathsſtube und trat auf 





590 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 


den Abſatz der Stiege, die in den Rathsſaal hinunter führte, wo bie 
Bürger verfammelt waren. In Yängerer Rede machte er diefelben auf 
die Folgen ihres Ungehorfams aufmerffam, verlas auch den Interims— 
befehl vom 12. Juli 1723 und den Finalbefhluß vom 29. Auguft 
1724, und forderte zulegt alle Bürger, melche ſich zur Unterwerfung 
verjtehen wollten, auf, ihre Namen zu Protokoll zu geben. Da trat 
der Sattler Mitichdörfer aus der Menge hervor und rief: „Im Namen 
der Bürgerſchaft erfläre er, daß diejelbe entfchlofjen fer, bei dem buch— 
ftäblichen Inhalt ihres Privilegium zu bleiben, und zur Beftätigung 
fordere er die Bürgerfchaft auf, diefen ihren Entſchluß dur ein Ja 
zu befräftigen.” Ein lantes „Ja“ eriholl von Seiten der Verſammel—⸗ 
ten. Hierauf trat der Barbier Lacofte auf und fprah: „Es fei das 
Dekret des Reichshofraths nicht fo zu verftehen, als wenn fie mit ihrer 
Klage völlig abgemwiefen wären, fondern man habe fie nur wieder zu= 
rüd nad) Wetzlar gewieſen, um dafelbft ihre Sache auszumachen, und 
hätten fie fich deshalb bereits Raths erholt; wenn die Bürgerſchaft 
mit diefer Anficht einverjtanden fei, fo möge fie es ebenfalls durch ein 
lautes „Ja“ betätigen.” Mit großem Gefchrei wurde abermals 
diefes Ja ausgerufen. 

Boller Beftürzung über folches unerwartete Vorkommniß kehrten 
die Herren wieder in das Rathszimmer zurüd, wo ſich indefjen nad) 
und nach auch etwa 90 Bürger einfanden, die ihre Unterwerfung unter 
den Fürftlichen Endentiheid zu Protofoll gaben, während die Wiber- 
jeglichen vom Rathhaus fich verliefen. Um den weiteren Hetzereien 
der beiden Mortführer derfelben ein Ende zu maden, wurde beichlof- 
fen, Mitſchdörfer und Lacofte in Arreft zu feßen. Sie wurden alsbald 
geholt, in ein Stüblein de8 Nathhaufes gebracht und vor die Thür 
desjelben der Stadtknecht, die Thorwarte und einige der gehorfamen 
Bürger als Wache geftellt. „Da diefes gefchehen”, fo fährt das 
darüber aufgenommene amtliche Protofol wörtlich fort, „haben: die 
Beeden inhafftirten, (wie folches in denen benachbarten Häufern und 
fonften gehöret worden), fogleih aus denen Fenftern auf die Gafje 
zu denen untenftchenden Buben gerufen: „hr Buben, bolet euere 
Väter und Mütter mit Gewehr und Prügeln und helft uns; fie wollen 
ung einfperren!" Welchemnach nicht allein die Buben in der Stadt 
und denen Vorftädten hin und wieder gelaufen und Alles aufgeboten 
und zufammenberufen, fondern es ſeynd auch die in des Laubwirthe 


Siebzehntes Kapitel, Pforzheim von 1697—1746. 591 


Rüfles Haus ſchon verfammelt geftandenen und andere Weiber, (deren 
wenigftens 100 Perſonen geweien), ſogleich auf das Nathhaus hinauf— 
gelaufen fommen und anfänglich fi) geftellt, als wollten fie nur vor 
die inhafftirten und um deren Loslaſſung intercediren und bitten. 
Dieweilen ihnen aber nicht zu willfahren geweſen, jondern Denenfelben 
gütlich zugefprochen worden, fid) nad) Haufe zu begeben, und das von 
Herrſchaftswegen: fo haben fie, nachdem fie von ihrer mehr als noch 
einmal fo vielen und einer ziemlichen Anzahl balbgewachfener Buben 
fefundirt worden, erftlihen unbewehrt nach dem Stüblein, worinnen 
Racofte und Mitjchdorfer verwahrlicy aufbehalten worden, fich zu dringen 
geſuchet. Da man ihnen aber Widerftand gethan und fie zurückge— 
ftogen, ſeynd fie nicht allein mit größerer Heftigfeit auf die Ober: 
beamten, Magiftratsperionen und gehorfame Bürger losgegangen und 
bat injonderheit des Lacoften Frau den Bürgermeifter Schober bei den 
Haaren zu paden befommen (fo daß fie, wie fie fpäter im Verhör 
jelber ausfagte, die Hand voll Haare behalten), fondern es haben aud) 
darauf diefelben, da ihrer Vehemenz und fonderlic der an dem Herrn 
Bürgermeifter bewiefenen Gewaltthätigkeit halber, von einigen der Ge: 
borfamen (dem Chirurgen Friefenegger, dem Büchſenmacher Lichtenfels 
und dem Kuhhirten Prior) ein paar Streihe auf fie gethan worden, 
meiftentheilsg mit Bund Schlüffeln, Prügeln und Stöden, vornehmlich 
aber mit denen durch fie zertretenen und zerfchlagenen, auf dem Rath: 
hausſaal befindlich geweienen, zu Jahrmarktszeiten dafelbft benöthigten 
Schrägen und deren Füßen, Beides fi) und die bei ſich habenden Buben 
bewehret und mit gefammter Hand auf die Stuben, darinnen die 
beiden Nädelsführer inhafltirt geweſen, gedrungen, und endlichen, nach— 
deme die Dberbeamte (auch die Nathsheren, die noch Lange nachher 
blaue Mäler berumtrugen) völlig von ihnen umgeben, getreten und 
geftogen, infonderheit aber dem Herrn Rath und Amtmann Ruthardt 
die Peruque vom Kopf gefhlagen worden, auch die Gehorfamen zu 
Berhütung von Mord und Todtſchlag (indem der völlige Haufe ber 
unten in dem Rathhaus verfammelt gewefenen widerfeglichen Bürger 
die Stiege hinaufgefommen), zurüdgewichen, der Wacht fic) bemeiftert 
und die Stuben eröffnet, da dann die beiden Hauptrebellen unter bie- 
ſem Tumult fid) herausgemachet und auf flüchtigen Fuß gefebet.” 
„Auf Solches Hin ift zwar in dem Nathhaus der Tumult sopirt 
worden; hingegen ift derfelbe beim Hinuntergehen auf den Markt mit 





59% Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 


Schimpfen, Schreien und Schlagen von Neuem wieder angegangen, 
inmaßen auf einige der Gehorfamen, in speeie auf den Kubhirten Prior 
von einigen Weibern zugefchlagen worden, bis endlich der eingefallene 
Regen die zufammengelaufenen Tumultanten,, welchen zwar von dem 
Dberamt auseinander zu gehen öfters anbefohlen, felbigen aber nicht 
parirt zc., auseinander getrieben. ine ziemliche Anzahl halbgewachſener 
Buben aber haben auf den Herrn Bürgermeijter Schober, welcher in 
des Herrn Geheimenraths und Dbervogts Haus wegen einer ihm zus 
geftoßenen Unpäßlichkeit vetirirt, mit Prügeln gepaßt; doch ſeynd diefe 
auch wieder auseinander gegangen.” So der amtliche Bericht über 
einen Weiberkrawall, der in der Geſchichte nicht gerade viele Beifpiele hat. 

Fragen wir nun, welche Weiber die Haupträdelsführerinnen ſolch 
tragifch-fomifchen Aufitandes gewefen, fo geben ung die Verhörprotofolle 
darüber Ausfunft. An erfter Reihe find die Weiber der beiden in 
Arreſt gefeßten Bürger zu nennen, nämlih die 5ljährige Frau des 
Barbiers Lacoſte, welche vor Gericht aud fein Hehl aus ihrer Ans 
führerfchaft, forwie der Verſchwörung der Weiber madjte, weshalb fie 
alsbald ins Gefängnig abgeführt wurde, — und die Adjührige Frau 
des Sattlers Mitfchdörfer, die aber ala hochſchwanger und epilep- 
tifch wieder entlafjen werden mußte. Sodann erwiefen ſich als befonders 
muthige Amazonen die 34jährige Frau des Schloffers Dill, die 
6Sjährige Frau des Wagners Schnell, die Hirihwirthin Hafner, 
37 Jahre alt, (die mit ihrem Schlüfjelbund dem Amtmann Ruthardt 
die Perüfe heruntergefchlagen zu haben fcheint, nachdem fie ausgerufen 
hatte: Ihr Taufendfafermenter, gebt ung unfere Männer heraus!), bie 
Frau des Hafners Holzhauer, die 36jährige Frau des Blechners 
Widmann, die Frau des Stadtfuhrmannsg Schaf ꝛc. 1) 

Daß in Folge diejes Vorfalls auf oberamtlichen Bericht bin von 
Seiten der Regierung die fchärfiten Mafregeln getroffen wurden, braucht 
faum erwähnt zu werden. Es wurden ſogleich 3 Kompagnien Infante— 
vie, fodann etwa 100 Mann Landmiliz und eine Abtheilung Reiter 


1) Nach einer Familientradition fol fich babei namentlich aud bie Frau bes 
Mepgermeifters H8. Grg. Unter@der hervorgethan haben. Sie hieß (mad dem 
Kirhenbud) Anna Katharina, geb. Bart und hatte nah dem Tode ihres erften 
Mannes, des Mepgermeifters Engelhard Hoppius, 1725 ihren Metzgerknecht, 
den erwähnten, von Waiblingen flammenden Unter@der, den erften dieſes 
Geſchlechts in Pforzheim, geheirathet. 


Siebzehntes Kapitel, Pforzheim von 1697—1746. 593 


nad Pforzheim beordert, und rückten diefe Truppen am 22. Februar 
mit klingemdem Spiel und fliegenden Fahnen dafelbit ein. Die Miltz 
wurde im Rathhaus und im Schloß, die Soldaten bei den ungehor- 
jamen und namentlich mit Bezahlung von Abgaben noch im Rückſtand 
gebliebenen Bürgern, in vielen Fällen eigentlich nur in deren Häufer 
einguartiert, da eine große Anzahl Bürger mit ihren Familien fi) in 
die ‚benachbarten württembergiichen Orte geflüchtet hatte, was theil- 
weiße mit ſolcher Eile gefhah, daß z. DB. die Metger ihr Fleiſch, das 
in der Mebig hing, unter anderm noch zwei vollftäindige Ochſen, im 
Stich ließen. Allen Bürgern wurden die Gewehre abgefordert und die ' 
Häufer nad) ſolchen durchſucht (man fand jedoch jehr wenig), die Wider: 
jeglichen jollten, fo lautete der gemefjene Befehl, in Arreft geführt, unter 
Umftänden fogar Feuer auf fie gegeben werden, Alle Zufammenkünfte 
wurden verboten, die Thore geichloffen und unter Trommelſchlag ver: 
fündet, daß die Entflohenen binnen 3 Tagen (der Termin wurde nad) 
Ablauf derjelben auf weitere 10 Tage verlängert) bei Verluſt ihres 
Bürgerrechts zurückkehren jollten. Die gleiche Bekanntmachung erfolgte 
aud in den umliegenden, namentlich württembergifhen Drten. Den 
beiden flüchtigen Rädelsführern, Lacoſte und Mitjchdörfer, wurden nad 
allen Seiten hin Stedbriefe nachgeſchickt, nachdem deren augenblicliche 
Verfolgung fruchtlos geblieben; über deren Vermögen wurde ein Inven— 
tar aufgenommen und dasfelbe mit Arreft belegt. Ein folder Schred 
batte die Gemüther, jogar der Landbewohner, erfaßt, daß dieſe fich 
nicht mehr in die Stadt zu kommen getrauten, wodurd bald empfind- 
licher Mangel an Lebensmitteln entftand. 

Dezüglih der zurücgebliebenen Pforzheimer Bürger ermies- fich 
der Schred als ein heilfamer; denn ſchon unterm 4. März konnte das 
Dberamt berichten, daß die meiften, die noch etwas befäßen, ihre Rück— 
ftände bezahlt und die zugleich verlangte Erklärung zur Unterwerfung 
unterfchrieben hätten. Die Landmiliz wurde wieder bis auf O Mann 
entlaffen, und auch von den Truppen blieben nur noch 57 Mann unter 
Befehl eines Hauptmanns zurüd, Die entflohenen Bürger, von denen 
Anfangs März immer noch etwa 200 in Pforzheim fehlten, fanden fich 
nad und nad) wieder ein, was zum Theil darin feinen Grund hatte, 
daß fie aus den württembergifchen Orten auf Betreiben der badiſchen 
Regierung ausgewiefen wurden. Wie ſehr auch anderwärts die Wirren 


in "Pforzheim die Aufmerkjamfeit auf fi zogen und Uebertreibungen 
Pflüger, Pforzheim. 38 





594 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746, 


ihte Verbreitung fanden, mag daraus entnommen werben, daß fi das 
DOberamt Emmendingen mit der Bitte an die Negierung wandte, eine 
Anzahl Unterthanen aus dem Hocbergifchen nad) Pforzheim zu ver: 
pflanzen, damit die leer ftehenden Häufer und herrenlofen Güter wieder 
in die Hände pafiender Beſitzer übergehen könnten. 

Anfangs April hatten die Bürger im Sinn, dem Landesfürften 
ihre Unterwerfung anzuzeigen und war deshalb beim Oberamt bereits 
die Erlaubniß eingeholt worden, fi auf den Zunftftuben verfammeln 
zu dürfen. Allein als von den drei Deputirten, die ſich noch immer 
in Wien befanden, die Nachricht einlief, daß vom Neichshofrath nad) 
Dftern eine günftigere Nefolution zu erwarten ftünde, fo unterblieb die 
Sache wieder, fo daß das Oberamt an die Regierung berichten mußte, 
daß „ehe die drei Böfewichter von Wien zurückkämen, feine Beſſerung 
von dem verftodten Haufen zu erwarten fei.” 

Der Endenticheid des Reichshofraths, auf den die Pforzheimer 
ihre legte Hoffnung gejebt hatten, erfolgte am 15. April 1726, und 
wurden darin „die Supplicanten, Einwendens ungehindert, auf das 
vorige Concluſum vom 1. Februar ein für alle Mal Yebiglicd verwies 
fen.” Nun kehrten auch Mitichdörfer und Lacoſte, die fich unterdeflen 
in benachbarten Orten, am Tängften in der Reichsſtadt Weil aufgehal- 
ten hatten, wieder zurüd, nachdem ihnen auf ihr Anfuchen ficheres 
Geleit verheißen worden war. 

Am Mai 1726 erjcdhien eine eigene fürftliche Kommiffton, beftehend 
aus BVicepräfident von Glaubit und Hofrath Schlotterbed, in Pforz⸗ 
beim, um wegen des ftattgehabten Aufruhrs felber eine Unterfuchung 
vorzunehmen. 1) Da diefelbe die ganze Sache ſchon von vornherein 
von einem mildern Geſichtspunkt aus, als das in die Händel felber 
verwicelte Oberamt Pforzheim auffaßte, auch die Unterfuchung ergab, 
daß letzteres in mancher Beziehung zu ſchwarz gefehen Hatte, fo tauchte 
ber Gedanke eines Generalpardong auf, der allen MWeitläufigkeiten ein 
Ende machen follte. Auch zeigte fich die Bürgerfchaft, die wohl ein= 
jehen mochte, daß alle weitere Schritte doch ohne Erfolg bleiben würden, 
nad und nad zugängliher, Sie rief am 1. Oftober 1726 ihre De 
putirten von Wien zurüd, und zwei bderfelben, Weißgerber Bauer und 
Rothgerber Eberle, leifteten dem Rufe Folge, während Rothochfenwirth 


) Die Verbörprotofolle füllen viele Bogen. 





Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746,. 595 


Würth nocd dort zurücdblieb, angeblich megen Krankheit, 1) Unterm 
26. Mai 1727 erklärten die Zünfte in einer Eingabe an den Marf- 
grafen, daß fie fich bis zur völligen Erledigung des Streites dem In— 
terimsbefehl unterwerfen wollten mit dem Vorbehalt, daß dies aber 
ohne Abbruch ihrer Privilegien gejchehe; doch bäten fie den Mark— 
grafen, daß er die geeigneten Schritte thun möge, um die Sache vor 
ein Schiedsgericht zu bringen. Derſelbe erklärte in einem Erlaß vom 
31. März, daß er gegen die Austregas nichts einzuwenden babe, aber 
Unterwerfung ohne Vorbehalt verlange; er feie dann erbötig, ihnen an 
Freiheiten zum Nuten der Stadt noch Manches zu gewähren, was fie 
ihm bezeichnen und von ihm verlangen würden. 

Der Streit wurde jedoch von Seiten der Bürgerfchaft nicht fort: 
geſetzt, und jomit gab fi) die unbedingte Unterwerfung von felbft. 
Das Militär war von Pforzheim Tängft wieder zurückgezogen. So 
fehrte nach und nach wieder Ruhe in die Gemüther zurüd, namentlich) 
nachdem der verheißene Generalpardon wirklich ausgeiprochen war. Als 
Schlußſtein des ganzen Streites ift die Abrechnung zwiichen der Stadt 
und der Herrichaft zu betrachten, welche 1730 erfolgte und wodurch 
alle gegenfeitigen Forderungen ausgeglichen wurden. 

Es mag bier noch bemerkt werden, daß der ganze gehäffige Streit 
wegen der Privilegien oder eigentlich wegen dev „Schatzung“ nad eini- 
gen Jahrzehnden nochmals auszubrehen drohte. Durd einen Mißgriff 
ber betreffenden Beamten wurde der Ausdrud „Reichs- und Kreis— 
fteuer“, welche von den Bürgern bisher ohne Widerxede entrichtet wor—⸗ 
den war, wieder mit dem der „Schatzung“ vertauſcht. Dies rief in 
Pforzheim große Aufregung hervor, und e8 wurde deshalb im Dftober 
1791 und im November 1794 die Abftellung folchen Mißbrauches 
entſchieden verlangt. Die fürftlihe Rentkammer entſprach auch willig 
ſolchem Anfinnen und feste durch Verfügung vom 30. Juni 1795 
feft, daß das Wort „Schakung” nicht mehr gebraucht, fondern dafür 
immer „Reichs: und Kreisftener" geſetzt, auch auf den Steuerzetteln die 
Schatungsfreiheit der Pforzheimer ausdrüdlih erwähnt werden folle. 
So zog die drohende Wolfe wieder vorüber. 





1) Er war im November 1729 noch in Wien, und entftanden feinetwegen 
noch Verdrüßlichkeiten, da er damals ber Bürgerfchaft eine Rechnung von 
572 fl. 41 fr. machte, welche bdiefe nicht bezahlen wollte. Um ibn von Wien 
wenigftens weg zu bringen, wurden ihm 70 Gulden geihidt. 


38 * 





596 Siebzehntes Kapitel. Pforzheim von 1697—1746. 


In folher MWeife begann und endete ein Streit, der Jahre Hin- 
durch auf das Verhältnig zwifchen dem Fürften und der Stadt Pforz- 
beim, das fonft immer als ein fo inniges ſich zeigte, trübe Schatten 
warf. Läßt es ſich auch nicht entihuldigen, daß die Mehrheit der 
Bürgerſchaft vernünftiger Belehrung und den berechtigten Forderungen 
veränderter Zeitverhältniffe ihr Ohr verſchloß, fo verdient doch auf der 
andern Ceite die Zähigkeit und Hartnädigfeit, womit vermeintliche 
Nechte vertheidigt wurden, auch ihre Anerkennung. Ausdauer und 
Beharrlichkeit gehörten durchaus von jeher zu dem charakteriſchen Eigen: 
haften der Pforzheimer, wie wir namentlich bei frühern Religions: 
kämpfen gefehen haben, und als Ausflug derfelben erhielt fich auch die 
Unhänglichkeit an die alte, in Folge des PrivilegienftreitS in manchen 
Punkten geänderte Stadtverfaffung und ein den Beftimmungen und Ein: 
richtungen derfelben angemefjenes bürgerliches Leben noch lange, bis 
endlich die franzöſiſche evolution mit ihren Kriegen und deren Folgen 
die letzten Spuren jener DVerfafjung vollends verwifchte und auch einen 
Verſuch zur MWiederherftellung der alten Privilegien, der im Jahr 1807 
gemacht wurde, nicht zur Ausführung kommen ließ. 


8 7. Berühmte Pforzheimer, 


Es ift in frühern Kapiteln immer auch folcher berühmter Männer, 
die zu verfchiedenen Zeiten aus Pforzheim bervorgingen, theils em: 
gehend, theils nur in Kürze gedacht worden. Auch das 17, und dag 
18. Jahrhundert haben einige Pforzheimer aufznweijen, die durch ihre 
Gelehrſamkeit und ihre literariſche Thätigkeit fi einen Namen gemacht 
haben und darum wohl verdienen, daß ihnen in einer Gejchichte ihrer 
Vaterftadt ein Heines Denkmal gefegt wird. 


a. Johann Heinrih Map. 

Er war am 5. Februar 1653 zu Pforzheim geboren und ftammte 
aus einer alten Pforzheimer Bürgerfamilie, deren ſchon 1339 (S. 139) 
als in diefer Stadt anſäſſig Erwähnung gefhieht. Ein May fteht 
auch auf dem Denkmal der 400 von Wimpfen, das fich in der Schloß: 
fiche zu Pforzheim befindet. Johann Heinrich May befuchte zuerft die 
lateiniſche Schule feiner Vaterftadt und bezog fpäter die Univerfität 
Wittenberg, um dafelbft Theologie zu ſtudiren. Nach Vollendung feiner 
Studien machte er verjchiedene Neifen zu wiſſenſchaftlichen Zwecken, und 





Siebzehntes Kapitel, Pforzheim von 16971746. 597 


lehrte zu Leipzig, Wittenberg und Straßburg namentlich die morgen- 
ländiſchen Spradyen mit großem Erfolg. Einem Ruf als Hofprediger 
des Pfalzgrafen von Veldenz leitete er zwar Folge, kehrte jedoch in 
fein Vaterland zurüd, als ihm vom Markgraf Friedrich Magnus 1679 
die Stelle eines Pfarrers und zugleich Lehrers der orientalifhen Spra— 
hen am Gymnafium in Durlad) übertragen wurde, Zu feiner Aus: 
bildung in diefen Sprachen ließ ihn der Markgraf eine Reife nad) 
Hamburg zu dem damals ſehr berühmten Drientaliften Edznod machen, 
bei welchem fih May zwei Jahre lang aufhielt, Nachdem er, nad) 
Durlach zurückgekehrt, noch mehrere Jahre an der Durlacher Schule, 
die damals im fchönften Flor ftand, gewirkt hatte, unterbrach 1689 
der verheerende orleans'ſche Krieg die Ihätigkeit der dortigen Lehrer. 
Der eine z0g da hinaus, der andere dorthin. May kam als Profeffor 
an die Univerfität Gießen, wo er jpäter auch Konfiftorialrath und 
Superintendent wurde und eine gefegnete Thätigkeit entfaltet. Dort 
ftarb er aud im Jahr 1719. Er Hinterlieg zahlreiche theologifche 
und ſprachwiſſenſchaftliche, auch gefchichtlihe Schriften. Die befanntefte 
derfelben, die er ſchon 1687 in Durlach herausgab, ift das „Leben 
Reuchlins“, worin er zugleich alles das niederlegte, was er feit einer 
Reihe von Fahren aus der Gefchichte feiner Waterftadt gefammelt hatte, 
Es war dies der erfte Verſuch einer, wenn auch nur abgeriffenen 
Geſchichte der Stadt Pforzheim. 


b. Johann Burkhard May, 


des DVorigen älterer Bruder, war 1652 ebenfalls zu Pforzheim gebo: 
ven. (Der Vater der beiden May wurde fpäter Pfarrer in Baufchlott). 
Er ftudirte in Wittenberg und bielt fi) ſechs Jahre Yang im Haufe 
des berühmten Scurzfleifh auf. Bon bier fam er als Hofmeifter 
einiger jungen Edelleute nach Frankfurt, wo er zugleich das Amt eines 
Korrektors in einer dortigen Druckerei bekleidete. Nachdem er hierauf 
einige Zeit als Dozent in Gießen gewirkt hatte, wurde er gleichzeitig 
mit feinem jüngern Bruder an das Gymnaſium nah Durlach berufen, 
wo er als Profeffor der Beredtſamkeit und als Bibliothekar wirkte, 
Dort gab er u. A. auch eine noch vorhandene 1) Schrift in Lateinifcher 





V Auf der Bibliothef in Karlsruhe. Vergleihe auh Vierordt, Ge 
ſchichte der Durlacher Mittelfhule, S. 30. 





598 Siebzehntes Kapitel, Pforzheim von 1697—1746, 


Sprache heraus, worin er zu den am 5. März 1687 zu Durlach zu 
begehenden Säkularfeierlichkeiten des dortigen Gymnaſiums einlud und 
auch die zahlreichen Reden anfündigte, die in lateiniſcher, griechifcher, 
bebräifcher, haldäifcher, fyrifcher, arabifher und äthiopiſcher Sprache 
gehalten werden follten. Im orleans'ſchen Krieg hatte er wenigfteng 
den Troft, daß feine Bibliothek vor Plünderung und Zerftärung ver: 
ſchont blieb; doch war feines DBleibens in Durlach nicht. Nachdem er 
verfchiedene Reifen gemacht hatte, wurde er 1692 an des berühmten 
Morhof Stelle als Profeſſor der Beredfamkeit und Gefchichte nach 
Kiel berufen, wo er 1727 ſtarb. Gleich feinem Bruder hatte er fich 
durch feine Gelehrfamkeit, insbefondere durch feine großen philologifchen 
und gefchichtlichen Kenntniffe einen ausgezeichneten Namen erworben. 


e. Karl Joſeph Bougine, 1) 


Er wurde am 22. März 1735 zu Pforzheim geboren. Sein 
Vater war der dortige Kaufmann, Zuderbäder und Rathsverwandte 
J. 3. Bougind, der früher aus Valenciennes in Frankreich ausgewan- 
dert war und fi) in Pforzheim niedergelaffen hatte. Nach vollendetem 
Befuch der Schule feiner Vaterftadt und des 1724 von Durlach nad, 
Karlsruhe verlegten Gymnafiums bezog er die Univerfität Tübingen, 
wo er nicht nur theologifhe Borlefungen befuchte, fondern auch feine 
Sprachſtudien fortießte. Nach abgelegtem Pfarrfandidateneramen prak⸗ 
tigirte er zuerft in feiner Vaterftadt, murde aber ſchon 1758 dritter 
Lehrer am Gymnafium in Karlsruhe, wo er 1764 Profeſſor wurde 
und nach und nach bis zur erften Klaffe vorrüdte. 1780 erhielt er den 
Charakter als Kirchenratb und 1790 wurde ihm das Nektorat des 
Gymnaſiums übertragen, das ihn zwar vom Klaffenunterricht befreite, 
wogegen er aber Vorlefungen verfchiedener Art übernahm und aud das 
von Rektor Sachs 1775 gegründete lateiniſche Redeinſtitut fortſetzte. 
Am Jahr 1794 erhielt er den Charakter als geheimer Kirchenrath und 
ftarb am 29. Mai 1799, — Unter feinen zahlreichen Yateinifchen und 
deutihen Schriften ift feine Literaturgejhidte, die in Zürich von 
1789—1792 in fünf Bänden erfchien, am befannteften geworben, 

1) Wenn aud in ber Zeit geboren, welde das 17. Kapitel behandelt, 


jo gehört doch die Thätigfeit Bougine’s eigentlich der folgenden Periode an, 
Ich habe ihm aber gerne eine Stelle neben ben beiden May angewieſen. 





Ahtzehntes Gnpitel 





Pforzheim unter Karl Friedrich bis zum Ausbruch der fran⸗ 
zöfifhen Mevolution. ') 


(1746 — 1789.) 
$ 1. Allgemeines. 


An feinem achtzehnten Jahr vom Kaifer mündig erklärt, kehrte 
Karl Friedrih von feinen Reifen in Frankreich und den Niederlanden 
, in die Marfgraffhaft zuräd, übernahm die Regierung jedoch erſt voll: 
ftändig, nachdem er noch eine Meife nah England gemacht hatte, 
Alsbald begann die fegensreiche Thätigkeit diefes vortrefflichiten aller 
badiſchen Fürſten. Alljährlich erfchienen neue Verordnungen, die ſich die 
Beförderung der Wohlfahrt feines Landes zum Ziel fehten und feine 
Untertbanen zu einem „wohlhabenden, freien, gefitteten und religiöfen 
Volke” machen follten. Sein erftes Geſchäft war, überall im Lande die 
nöthige Sicherheit herzifftellen 2), den Verkehr in jeder Weiſe zu erleich- 
tern. und die Mechtspflege zu verbefiern. Schon 1799 fchaffte er die 
Tortur gänzlih ab. Sodann war die Sorge des edlen Fürften darauf 
gerichtet, der Arbeitfamfeit durch Beſchränkung der Feiertage und durch 
Abſchaffung der Mißbräuche des Zunftweſens Vorſchub zu Teiften, die 
Verwaltung der Gemeinden zu verbefiern, das Armenweſen zu regeln, 
gegen Verſchwendung, Sittenlofigkeit, Lotteriewuth 2c. die nöthigen Maaß— 
regeln zu treffen. Eingeweiht in die Lehren der Phyſiokratie, diefes . 
in Frankreich entftandenen Syſtems, das dem Bürger die Freiheit be 
Viebiger Verwendung aller feiner Kräfte und Güter laſſen wollte und 


1) Als Hauptquelle wurde benügt: Drais, Gefchichte der Regierung und 
Bildung von Baden unter Karl Friebrih, 2 Bände (Karlsruhe bei Müller 
1818), außerdem Ratbsprotofolle, Akten, Urkunden, handjchriftliche Aufzeich- 
nungen x. Die Quellen find meift angegeben. 

*) Wir finden indeß, daß noch Tange fpäter, jo 1767 und 1780, von Pforz: 
beim aus auf herumziehendes Gefindel geftreift werben mußte. 





600 Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746—1789, 


den veinen Ertrag der Grundftüde als alleinigen Gegenftand einer 
Auflage bezeichnete, wollte der Markgraf diefe Grundjäge ins Leben 
führen, jedoch nicht, ohne vorher in drei Dörfern des Landes, fo z.B. 
von 1769 an in Dietlingen im Oberamt Pforzheim, Proben damit 
zu machen. Die Probezeit fiel zum Nachtheil des phyſiokratiſchen 
Syſtems und der Gemeinden aus, wie es bei der Einfeitigfeit des 
erjtern nicht anders möglich war, wenn man auch zugeben muß, daß 
es Wahrheit enthielt. Andere wohlthätige Einrichtungen gingen neben 
diefen her. Faſt gleichzeitig wurden eine Wittwenkaſſe für Angeftellte 
nad) dem Meufter der ſchon vorhandenen Pfarrwitiwenkaffe und eine 
Brandkaffe erricytet. Gegenftand befonderer Liebe Karl Friedrichs war 
aber die Landwirthichaft. So murde durch ihn der Anbau der Kar: 
toffel, des Klees 1) und verſchiedener Handelspflanzen eingeführt und 
der Viehftand, der Wieſen- und Dbftbau gehoben, Nicht minder rich— 
tete der Markgraf fein Augenmerk auf Beförderung des Gewerbfleißes, 
und ertheilte zu dem Ende überall, wo es zweckdienlich erfchien, aus: 
gebehnte Begünftigungen. Was in diefer Beziehung in und für Pforz— 
beim insbefondere geihab, darüber wird in den nächiten Paragraphen 
Ausführlicheres folgen. 

In jeglihem Grade forgte Karl Friedrih auch für die geiftige 
Bildung feiner Unterthanen. Ueberall verbeflerte er die Volksſchulen, 
ober errichtete ſolche, wo fie noch fehlten. Für die der gewöhnlichen 
Schule Entlafjenen wurden die Sonntagsfhulen in's Leben gerufen und 
damit 1755 in der Diözefe Pforzheim der Anfang gemacht ine 
Schulerdnung ging 1768 ebenfall® von Pforzheim, und zwar vom 
dortigen Dekan Poſſelt aus. Zur Bildung von Volksſchullehrern wurde 
1768 das Seminar in Karlsruhe gegründet, Gleiche Aufmerkſamkeit 
wie den Volksſchulen ſchenkte der Markgraf den Mittelfichulen, und 
fuchte Höhere Bildung auch durch noch andere Mittel zu erhalten und 
zu befördern. Zur Heranbildung guter Seelſorger errichtete er ein 
Pfarrfeminar und machte den Geiftlichen zur befondern Obliegenheit, 


1) Am Dberamt Pforzheim waren mit Klee und Eiparlette angebaut 
im Jahre 1763 nur 17, im Jahr 1767 jhon 278 und im Jahr 1771 fogar 
597 Morgen. Dieſes rafche Ueberhandnehmen des Kleebaues beförberte in ber 
Gegend von Pforzheim namentlich das Beifpiel, welches bie Kammergüter zu 
Bauſchlott, Karlshaufen, Katharinentkal und Niefern gaben. Vergl. Drais, I, 
&, 114 und 115. 


Ahtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 601 


durch die Macht des guten Beifpield zu wirken und Gittlichkeit zu 
weden und zu pflegen. Synodalverfammlungen und Kircdhenvifitationen 
follten die Wirkfamkeit der Geiftlichen überwachen, ihre Fortbildung 
erleichtern, ihre Berufstreue ftärken. Gleich duldfam wie fromm gefimnt, 
gejtattete der Fürft den Fatholifchen Bewohnern feiner Hauptftadt und 
anderer Städte Bethaus und Schule und vermehrte die Zahl ihrer 
Geiftlichen. 

Allen feinen Beftrebungen zum Wohl feines Volkes ſetzte aber 
Karl Friedrich dadurd die Krone auf, daß er am 23. Juli 1783 
die Leibeigenshaft aufhob. Laut jchallte der Jubel des Landes 
dieſer Maßregel entgegen, und die Antwort, welche der Fürft auf die 
Dankjagungen feiner Unterthanen ertheilte, lebt no, ein Zeugniß 
feiner Gefinnungen, im Volke. Die Gemeinde Eutingen febte da: 
mals dem Markgrafen das bei der dortigen Kirche ftehende Denkmal 
mit der Inſchrift: „Badens Karl Friedrich, dem Bater feines Volkes, 
als er die LKeibeigenfhaft mit ihren Folgen, ſammt dem Abzug aufhob 
und die Rechte der Menſchheit berftellte, fette diefes Denkmal des 
Dantes die Gemeinde Eutingen am 23. Juli 1783. Wanderer diefer 
Straße, fag deinem Land und der Welt unfer Glück, bier ift der 
edelfte Name Fürſt.“ Wahrlih, wenn je ein Fürft den Namen des 
„Vaters feiner Unterthanen“ verdiente, fo war es Karl Friedrich | 

Wichtig für die Vergrößerung des Landes war der beim Tode 
des letzten Markgrafen von Baden-Baden, Auguft Georg, 1771 erfolgte 
Anfall diefes Fürftenthums an die badensdurladhifche Linie. Das Gebiet 
der letteren wuchs dadurch von etwas über 29 Quadratmeilen auf bei- 
nahe 65, die Benöfferung von faft 100,000 Seelen auf 175,000. 
Bon andern Vergrößerungen Badens wird weiter unten bei den fran: 
zöfifchen Kriegen die Rede fein. 

Einen großen Theil des Verdienftes, das ſich Karl Friedrih um 
fein Land und Volk erwarb, theilte mit ihm deſſen erjte Gemahlin 
Karoline Luife von Hefjen-Darmftadt. Sie war eine Frau von 
reichem Geifte, tiefem Gemüthe und edler Gefinnung, und wurde dee: 
halb nicht nur die Begründerin von ihres Gemahls häuslichem Glück, 
fondern fie wußte auch fein hohes Streben für des Landes Wohl an— 
zufeuern und zu beftärken. „In allen wichtigen Staats: und Haus: 
angelegenheiten wurde und ‚blieb fie ihres Gemahls geheimfter Beratber, 
weil fie einen durchdringenden und thätigen Geift, eine Erhabenheit über 





602 Adtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


eigene Herfchbegierde oder Nebenabfihten mit dem treuen Streben, es 
möge nur feine Würde und Befriedigung aus Allem hervorgehen, fo 
bejcheiden verband, daß ihr ftiller Einfluß weniger bemerflid, ward.“ 1) 
Wie richtig dies Urtheil über die edle Kürftin ift, wird unten bei der 
Geſchichte der Pforzheimer Hauptinduftrie an einem Beifpiel von 
vielen gezeigt werden. Aus der Ehe mit der Markfgräfin Karoline, 
die 1783 ftarb und am 18. April jenes Jahr in Pforzheim beige 
ſetzt wurde, gingen außer einer Tochter, welde in der Wiege verblich, 
drei Söhne hervor: Karl Ludwig, der als Erbpring 1801 zu 
Arboga in Schweden durd den Sturz des Wagens verunglüdte und von 
den am 16. Februar 1802 zuerft das Herz, am 2. Juni desfelben 
Sahres der Leichnam in der Gruft zu Pforzheim beigefebt wurde; 
— Friedrich, geftorben 1817, und Ludwig Wilhelm Auguft, 
der 1830 geftorbene Großherzog. 

Im Jahr 1787 ſchloß Karl Friedrich fein für das Fürftenhaus 
jo wichtiges zweites Ehebündniß mit der Freiin Karoline Geyer v. 
Geyersberg, der nachmaligen Gräfin von Hochberg, + 1820. Glücklich 
auch in diefer Ehe erzeugte er in derjelben drei Söhne: Leopold, 
Wilhelm und Marimilian und eine Tochter, Amalie, die fpätere 
Fürftin von Fürftenberg. 

Auf Karl Friedrich felbft, fowie auf verfchiedenes Andere, was in 
diefem Kapitel berührt wurde, werde ich theils in den jet folgenden 
Paragraphen, theils im nächſten Kapitel zurückkommen. 


$ 2.  Befonderes. 


Der Regierungsantritt Karl Friedrihs erregte überall im Lande 
die froheiten Hoffnungen. Die drei Städte des badiſchen Unterlandes, 
Karlsruhe, Durlach und Pforzheim veranftalteten verfchtedene Feier: 
lichkeiten, ſo Pforzheim am 28. November 1746 eine allgemeine Bes 
leucytung der Stadt, bei welcher es an finnigen Transparenten mit 
pafjenden Inſchriften nicht fehlte. 2) Als der junge Markgraf kurze 
Zeit nad) feinem Negierungsantritt der Stadt Pforzheim den erften 


1) Drais, Baden unter Karl Friedrich I, ©. 134, 

2) Drais in feinem Baben unter Karl Friedrich theilt fie Bd. I, Bei: 
Tage II mit, Der Markgraf hatte die Sammlung diefer — Inſchriften 
viele Jahre in ſeinem Kabinet hängen. 


Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746—1789, 603 


Beſuch machte, dem während feiner Negierungszeit noch viele andere 
folgten, fo wurde er von dem ftädtifchen Bürgermilitär, welches in’ 
Infanterie und Meiterei, unter leßterer eine anfehnlihe Kompagnie 
Hufaren, beftand, feierlichft abgeholt. Die Stadt hatte auch alle Ur- 
fachen, dem Markgrafen jede mögliche Aufmerkſamkeit zu erweifen; denn 
Pforzheim wäre ohne ihn nie zu der Bedeutung gelangt, zu welder 
fih die Stadt ſchon im vorigen, noch mehr aber im laufenden Jahr: 
hundert erhoben bat. 

Das Wichtigfte, was unter der Negierung Karl Friedrihs in 
Bezug auf die äußern Verbältnifje Pforzheims geſchah, war die Ab— 
löfung der Lehensverbindlichkeit gegen die Pfalz. Es ift oben (S. 141) 
erzählt worden, daß zu den Bedingungen, welche Markgraf Karl I. 
4463 nad) der unglüdlihen Schlacht bei Sedenheim eingehen mußte, 
auch die gehörte, dag er feine Stadt Pforzheim zu einem pfälzifchen 
Leben zu machen, genöthigt wurde, welches durch nichts als die Be— 
zahlung einer Summe von 40,000 fl. aufgefagt werden konnte, Schen 
unter der Vormundſchaft, welche während Karl Friedrichs Minderjäh: 
rigfeit die Megierung führte, nämlih am 23. Juni 1740, war wegen 
Aufhebung des Lehenverhältnifjes ein Vertrag mit der Pfalz abge: 
fhlofjen worden, der jedoch nicht zum Vollzug kam, weil fich wegen 
des Geldwerths Meinungsverfchiedenheiten ergaben. Am 14. Mai 1750 
kam es zu Abſchließung eines weitern Vertrags, in welchem allen An- 
ftänden dadurch ein Ende gemacht wurde, daß man wegen des gegen 
früher veränderten Geldwerthes die Ablöjungsfumme auf 60,000 ft. 
feſtſetzte. Diefelbe wurde auch alsbald an einem Darlehen von 300,000 
Gulden, welches Baben-Durlah an Kurpfalz gemacht hatte, abgezogen. 
So nahm alfo ein Verhältnig ein Ende, welches Pforzheim im dreißig: 
jährigen Kriege fo bittere Früchte getragen hatte. (S. 411 ff.) 

Einen Beweis, mit welcher Eiferfucht die Pforzheimer immer noch 
ihre Privilegien hüteten, lieferte das Jahr 1765. Damals wurde näm— 
lich der Erbvertrag mit Baden-Baden abgeſchloſſen und auf Grund 
desjelben in den Landestheilen beider Linien eine Erbhuldigung vorge: 
nommen. Obgleih nun Karl Friedrich ſchon bei feinem Negierungs: 
antritt die Freiheiten der Stadt Pforzheim beftätigt hatte, fo wollten 
doch die Bürger derfelben bei der Forderung der neuen Huldigung 
biefelbe nicht eher Yeiften, als bis nad den Beftimmungen der Stadt: 
ordnung von 1491 die Konfirmation der ftädtifchen Privilegien voraug: 





604 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


gegangen. Es bedurfte eines bejondern beruhigenden Schreibens des 
Markgrafen, um die aufgeregten und widerftrebenden Gemüther zu 
beichwichtigen. 1) 

Es ift im vorhergehenden Kapitel der Gründung des Waifen: 
baufes in Pforzheim gedaht worden. Spinnen wir hier die 
Geſchichte desjelben und der Veränderungen, die mit diefer Anftalt vor: 
genommen wurden , weiter fort. Es ift dies, ich muß es wiederholen, 
um fo nöthiger, als die Entwicklung der gewerblichen Verhältnifie in 
Pforzheim damit zufammenbängt. 2) 

Daß und wie das Waijenhaus in Verfall gerathen war, ift oben 
ihon erzählt worden. Auf einen von zwei Angeftellten der Anftalt 
1750 mit großer Offenheit erftatteten Bericht Hin wurde eine Kom: 
miffton ernannt, um den Zuftand der Anftalt zu unterfuchen und wegen 
Verbeſſerung desfelben ein Gutachten zu erftatten. Auf diejes hin wurde 
die nämliche Kommiffion auch mit der Reform des Waifenhaufes be- 
auftrags und ihr dazu ausgedehnte Vollmacht eingeräumt. Das mit 
Energie begonnene Wert wurde auch raſch zu Ende geführt. Alle 
Bebdienfteten der Anftalt, mit Ausnahme des VBerwalters, Pfarrers und 
der beiden Aerzte, erhielten ihre Entlafjung, und wurde überhaupt der 
Anstalt felbft eine ganz andere Einrichtung gegeben, welche mit dem 
23. April 1752 ins Leben trat. 3) Insbeſondere hatte man ftrengere 
Beftimmungen über die Aufnahme von Pfleglingen getroffen. Da fid 
auch das bisherige Zuchthausgebäude in einem fehr fchlechten Zuftand 
befand und die gemachten Erfahrungen eine Trennung des Maifen- und 
Zuchthauſes durchaus erheifchten, jo wurde auf Staatskoften ein neues 
Zuchthaus gebaut, das auf 24,203 Gulden zu ftehen Fam. Die Grund: 
fteinlegung fand am 27. April 1752 ftatt %) und wurde das neue 


) Dasjelbe befindet ſich im ftädtifchen Archiv. 

2) Zur nachfolgenden Darftelung find wieberum die ſchon ©. 572 ange: 
führten Quellen benügt worben. 

3) Es erihien eine eigene Schrift darüber unter bem Titel: „Ausfchreiben 
ber hochfürſtl. marggr. BadensDurlahiihen zu ber Pflege des Waifenhaufes 
zu Pforzheim gnädigft verorbneten Kommiffion an geſammte Städte und 
Dorfsgemeinden der fürftlichen Lande*. h 

9) Der Grundftein befindet fih auf der hintern Ede der jegigen Heil» 
und Pflegeanftalt, und zwar auf ber Seite gegen ben Mühlkanal. Er ift Hohl 
und liegt eine zinnerne Tafel darin, auf welcher eine ausführlihe Inſchrift 
eingegraben if. 





Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 17461789. 605 


Gebäude noch im November des nämlichen Jahres bezogen. Auch im 
Innern des Waifenhaufes wurden verfchiedene bauliche Veränderungen 
vorgenommen. Da es an einem geeigneten Keller fehlte, jo erhielt die 
Anftalt den noch vorhandenen und nody brauchbaren Keller des ehema— 
ligen Barfüßerflofters fammt dem ganzen Platz, worauf letzteres ge— 
ftanden, vom Markgrafen zum Geſchenk. Die in der Anftalt befind- 
lichen Fabriken fuchte die Kommiffion hinauszufchaffen; bloß die Leine: 
weberei wurde beibehalten, arbeitete jedoch von diefer Zeit an nur für 
den Gebrauch des Haufes. Für die übrigen bisher betriebenen Fabriken, 
nämlich die Tuchmacherei, die Strumpfweberei und die Zeugmacherei, 
wies der Markgraf ein eigenes Gebäude an, und ließ zu demfelben 
die erforderlihen Magazine erbauen. Allein die Bemühungen der Kom: 
miffion, diefe Fabriken in gehörigen Gang zu bringen, hatten den er- 
wünjchten Erfolg nit, und mehr und mehr machte fich die Weber- 
zeugung geltend, daß foldhe Unternehmungen durchaus die unmittelbare 
Verwaltung und Aufficht des igenthümers und deſſen beftändige 
Gegenwart erforderten. Man Eonnte jedoch die Fabriken ſchon aus dem 
Grunde nicht ganz fallen Iafjen, weil das Zuchthaus fonft Feine andern 
Einkünfte hatte, als was die Arbeit feiner Anwohner ertrug; auch das 
Waiſenhaus erhielt durch das, was die Knaben verdienten, einen nicht 
unbedeutenden Zuſchuß. Da fih nun einige Pforzheimer Kaufleute, 
nämlih Ch. E. Kipling, D. L. Wohnlich, E. L. Deimling und €. 
B. Beder, geneigt zeigten, jene Fabriken mit ihrem ganzen Kapital 
und allen ihren Privilegien und Freiheiten zu übernehmen, fo wurde 
mit diefen Herren 1753 ein dahin abzielender Vertrag abgejchlofien, 
ihnen aber die BVerpflichtung auferlegt, im Zucht: und Waifenhaus 
gegen einen bejtimmten reis beftändig für ihre Fabrik arbeiten zu 
lafien. Unter der Firma Kipling, Wohnlic und Comp., fpäter Wohn: 
ih, Deimling und Comp., der fogar 1778 das Recht des freien 
Bezugs von jährlich 100 Klaftern Tannenholz gegen alleinigen Erſatz 
von SO Kreuzen Mader: und Seterlohn unter der Bezeichnung „Pri— 
vilegienholz für die Wollfabrit Pforzheim“ zugeftanden wurde, fam das 
Geſchäft bald in Flor, da die neuen Eigenthümer weder Mühe noch 
Koften ſcheuten, und namentlich auch gefchictte Arbeiter und zweckmäßige 
Werkzeuge vom Ausland fi zu verfchaffen wußten. Gie fabrizirten 
meiftens wollene Zeuge, Strümpfe und ordinäre Tücher, welch letztere 
der Fabrik für das Militär und die Livree der Hofbedienten vertrag: 





606 Ahtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746-1789. 


mäßig abgenommen wurden, Auf diefe Weife hatte ein wichtiger 
Fabrifationgzmweig feinen Weg von dem Waifen- und Zucht— 
haus in die Stadt gefunden, der bald dadurd einen. größern 
Umfang erhielt, daß noch andere Tuch: und Zeugmacher fich in der 
Stadt anftebelten und auf eigene Rechnung arbeiteten. t) 

War das Waifenhaus ſchon bei feiner Gründung reich dotirt wor- 
ben, jo wurden die Einfünfte desfelben auch fpäter vermehrt und zwar 
namentlich dadurch, daß die Negierung ihm verfchiedene Taxen zuwies. 
Den anfehnlichften Zuwachs erhielt aber der Waifenhausfond im Jahr 
1759 dadurch, daß ihm von den Almofenkapitalien der meiften badiſchen 
Gemeinden der Betrag von 37,768 Gulden unter dem Borbehalt der 
unentgeldlihen Aufnahme der Waifen aus den betreffenden Orten ein- 
verleibt wurde. (Weitere 12,000 fl. verwendete man zur Gründung 
eines Landes-Almofenfonds). 2) Am Jahr 1768 wurde der Grundftod 
des Waifenhaufes um meitere 11,533 fl. 5 fr. durch eine neue Stif⸗ 
tung, die von Bernhold’fche, vermehrt, von deren Zinfen 12 Waifen 
erhalten werden follten. Auch von Seiten des Fürſten hatte ſich das 
Waiſenhaus mehrfach der großmüthigſten Unterftügungen zu erfreuen, 
namentlich in den Theurungsjahren von 1771 und 72, 

Troß der früher im Waiſenhaus bezüglich der Errichtung von 
Fabriken gemachten fchlimmen Erfahrungen tauchten derartige Pläne 
doch wieder auf. Im Bahr 1767 wurde eine Uhrenfabrit im Waifen- 
haus angelegt. Welchen Fortgang diefelbe nahm, wie fie gleich den 
früheren Fabriken nach und nah in der Stadt felbft feften Fuß 
faßte und dadurch den Grund zu der jetzt fo blühenden Haupt- 
Induſtrie Pforzheims gelegt wurde: dies ausführlic, darzuftellen, mag 
einem befondern Abfchnitt vorbehalten bleiben. Es genüge hier vorder- 
band die Bemerkung, daß das Jahr 1767 als das Geburt 
jahr der Pforzheimer Bijouteriefabrifation zu betrad- 
ten tft. 

2) Bon ben genannten Befigern ging die Tuchfabrik an Wohnlich, Grab 
und Söhne und 1801 an Gülih und Finkenflein über, bis fie letzterer ſpäter 
allein übernahm und in großen Flor brachte. (Leiber ift biefe jo renommirte 
Fabrik im Jahr 1853 eingegangen.) 

) 28 Gemeinden des Landes, darunter Pforzheim, gaben ihre Almofen: 
Fapitalien nicht an das Waiſenhaus ab, fondern behielten folche unter ber 


Bedingung, daß fie wegen Aufnahme ihrer Waifen fi mit der Verwaltung 
der Anftalt Über einen angemefjenen Beitrag verftändigen wollten. 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746-1789. 607 


Für das Waifenhaus felbft war diefe Fabrik eben fo wenig jegen- 
bringend, als dies früher der Fall gemwefen. Die in denfelben beſchäf— 
tigten Waifenfinder follten vertragsmäßig 6 Jahre lang für die Gefell- 
fchaft, welche die Fabriken unternommen, und fodann 2 Fahre lang 
zum Beften des Waifenhaufes arbeiten. Allein jo weit fam es bei den 
wenigften, Der größte Theil diefer Tabriflehrlinge wurde noch vor 
beendigter Lehrzeit oder nah Umfluß der erwähnten 6 Jahre von den 
Fabrifunternehmern entlaffen. Dadur ging für das Waifenhaus der 
bon jenen 2 Jahren erwartete Vortheil nicht nur verloren, fondern 
dasfelbe büßte auch in Folge der langen Ernährung feiner Pfleglinge 
einen großen Theil feiner Fonds ein, namentlih da auch die meilten 
Koftgeldforderungen an ſolche (nicht Waiſen-) Knaben, welche zur Lehre 
in die Fabriken und deshalb zur Verpflegung in das Waifenhaus aufs 
genommen worden waren und für melde man 1770 in der Anftalt, 
ein eigenes Haus erbaut hatte, in Abgang gefchrieben werden mußten. 
Auch in noch anderer Weife geihah dem Vermögen diefer Anftalt bes 
deutender Abbruch, indem nämlich, die Anzahl der Züchtlinge, die eben: 
fals dem Waifenhausfond zur Laſt fielen, immer mehr zunahm. Alle 
Borftellungen wegen Erſatz des Schadens, den letztere dem Waifenhaus 
verurjachten, blieben vergeblich. 

Auch ſchlimme Erfahrungen anderer Art trugen nicht wenig dazu 
bei, den fernern Beitand des Maifenhaufes als gefchlofjene Anftalt in 
Frage zu ftellen. Es Hatte fich gezeigt, daß die gemeinfame Erziehung 
jo vieler Kinder in einem Haufe weit weniger tauge, als wenn jedes 
derjelben in feinen gewohnten Verhältniſſen verbleibe und ihm der 
Segen einer guten Familienerziehung zu Theil "werde. Es wurde des: 
halb beichloffen, das Waiſenhaus als ſolches aufzuheben, von der per: 
fönlihen Aufnahme und Verpflegung der Waifen demgemäß Umgang 
zu nehmen, fie aber dafür alle im geeignete Häufer in Koft zu thun. 
Dies gefhah in den Jahren 17731) und 1774 auch wirffih, und 
zwar gegen ein jährliches Koftgeld von 4 bis 50 Gulden. Neben der 
befjern Erziehung wurde auf diefe Weife auch ber Wortheil erreicht, 
daß ftatt der 150 Waifen, welche man bisher als höchſte Zahl in die 


1) Die Entfernung der Waifen aus der Anftalt wurde beſchleunigt durch 
eine epibemifche Krankheit, die in Pforzheim ausbrach und die auch im Waifen> 
Haus deswegen ſehr um fich griff, weil immer 3 Knaben in einem Bett lagen. 





608 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789, 


Anftalt Hatte aufnehmen können, deren nunmehr etwa 400 in Ver: 
pflegung gegeben werden Tonnten. Die befondere Waiſenhausſchule Tief 
man noch bis 1799 fortbeftehen, in welchem Jahr fie ſodann aufge 
hoben wurde. Gleiches geſchah mit der Waifenhauspfarrei im Jahr 1805. 

Eine Trennung des gemeinfhaftlicdhen Vermögens des MWaifens, 
Seren:, Siechen-, Zucht: und Korrektionshaufes, welches auf 279,622 fl. 
22 Er. berechnet wurde, erfolgte 1803, und erhielt der Maifenfond 
bievon 100,622 fl. 22 fr. zugewiefen. Davon waren jedoch nur 
43,022 fl. reelles Vermögen; mit 17,328 fl. 40 Er. wurde der Fond 
durch das Recht zu Kollekten und freiwilligen Gaben, und mit 40,249 ft. 
20 tr. duch Zutheilung von Tax- und Gtrafbezügen ausgemwiefen, 
Erfteres Recht ift dem Fond geblieben, 1) letzteres durch veränderte 
Tar: und Sportelerdnungen aufgehoben, und trat die Staatskaffe in 
die Bezüge ein, bezahlte jedoch bis 1829 dafür dem Waifenfond eine 
jahrliche Averfalfumme von 2949 fl. 20 kr. Diefer „Baden-Dur- 
lachiſche evangeliſche Waiſenfond,“ in welchen fich feiner Zeit auch die 
3 Herrfchaften Lahr, Mahlberg und Lichtenau mit einer Eumme von 
6979 fl. 3 kr. einkauften, betrug am 4. Juni 1858: 116,237 ft. 
58 fr. und wird von den vier Partikularverrechnungen Karlsruhe, Lahr, 
Pforzheim und Nheinbifhofsheim verwaltet, Im Jahr 1855 wurden 
aus demfelben 422 Waifen mit Benefizien zu je 10 Gulden unterftügt. 
Letztere find feit 23. April 1857 auf 12 Gulden erhöht. Bei Gefuchen 
um ſolche wird unter fonft gleichen Umftänden den Waijen aus den— 
jenigen Orten, welche früher ihre Almojenfapitalien zum Waifenhaug- 
fond eingeworfen haben oder fonft noch Beiträge Ieiften, den Vorzug 
gegeben. . 

Hiemit endigt eigentlih die Gejchichte des Waiſenhauſes. Zur 
Bervollftändigung des Bisherigen möge übrigens bier noch in gedräng- 
ter Kürze erwähnt werden, welche Veränderungen fonft noch in den 
fortbeftehenden Anftalten und ihren Gebäulichkeiten erfolgten. Es er: 
fpart dies zugleich ein ſpäteres Zurüdtommen auf diefen Gegenftand. 
Alle Räumlichkeiten des Waijenhaufes, mit Ausnahme derjenigen, weldye 
die Uhrenfabrik inne hatte, wurden nad Aufhebung des Waifenhaufes 


1) In Pforzheim bezieht derſelbe überdies bis auf dem heutigen Tag in 
Stadt und Altſtadt das Opfergeld, das bei Kommunionen, Taufen, Leichen und 
an Bettagen fällt, Dasjelbe beträgt dermalen die jährlihde Summe von 
300-350 fl, 


Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746-1789. 609 


allein für das Siechen:, Irren- und Zuchthaus verwendet, was um fo 
nöthiger war, als die Zahl der Pfleglinge bez. Züchtlinge diefer kom: 
binirten Anftalt mit jedem Jahr zunahm. Am Jahr 1804 wurde die 
Trennung des Zuchthaufes vom Irren- und Siecdyenhaufe vorgenommen, 
und am 17. September diefes Jahres die ſchwererern Verbrecher (30 
an der Zahl) in das Zuchthaus zu Mannheim, die leichtern aber (66) 
in das Zuchthaus nad) Bruchfal abgeführt, dafiir aber die in Mann: 
beim befindlichen Irren hierher übergefiedelt. Mit der hiefigen Anftalt 
blieb blos nody ein Korreftionshaus verbunden, das gewöhnlich aber 
nur 7—12 Sträflinge zählte, bis auch diefe 1808 in das in ein Kor: 
veftionshaus umgewandelte Zuchthaus in Bruchfal verbracht wurden und 
blos die Irren- und Sieden bier zurüdblieben. Die Zahl derjelben 
betrug im Jahr 1810 im Ganzen 160, nämlich 119 im Irrenhaus 
und 41 im Siechenhaus. 

Waren auf folhe Weife nach und nad die Waifen, Pfründner, 
Züchtlinge und Korrektionäre ausgefchieden und blos die Irren und 
Stechen in einer Anftalt beifammen gelafjen wurden, jo wurde 1824 
aud) die Trennung diefer beiden Arten von Kranken befchloffen, und 
im folgenden Jahre zur Aufnahme für die Siechen ein eigenes Ge— 
bäude im ehemaligen Barfüßergarten zu Pforzheim aufgeführt (das 
jetige Taubftummeninftitut). Da in die gleiche Zeit auch die von der 
Negierung beſchloſſene Errichtung eines allgemeinen Arbeitshaufes fiel, 
fo wurde für dasfelbe das bisherige Lokal der Irren- und Giechen: 
anftalt erwählt, und für die Srrenanftalt dagegen eine Lofalität in 
Heidelberg beftimmt. Alle diefe neuen Einrichtungen traten mit dem 
Jahr 1826 ing Leben. 

Bald aber zeigte es fih, daß die neue, auf 7TO— 80 Kranfe be= 
rechnete Siechenanftalt zu Fein war, um allen Gefuchen um Aufnahme 
zu entfprechen. Das Gleiche war im Heidelberg der Fall, während das 
neu errichtete Arbeitshaus zur Hälfte Teer ftand. Es wurde deshalb 
1829 befchloffen, im Arbeitshaus eine Filialirrenanſtalt zu errichten, 
in welche bauptfächlich Geiftesfieche, wie Blödſinnige, Cretins ꝛc. auf- 
genommen werden follten, und in zwei Jahren war auch dieſe Anftalt 
von 130 Pfleglingen bevölkert. So blieben die Verhältnifje bis 1842, 
In diefem Jahr wurde die allgemeine Landesirrenanftalt Illenau, deren 
Bau 1830 beſchloſſen worden war, eröffnet, und alle Irren, ſowohl 


von Heidelberg, als der Tilialirrenanftalt Pforzheim, dahin verbracht. 
Pflüger, Pforzheim. 39 





610 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


In die Rofalitäten der letztern zog nunmehr 1842 die Giechenanftalt 
wieder ein, und das neuerbaute Siechenhaus wurde der Taubftummen- 
anftalt zugewiefen. So waren jest die Siechen- und die polizeiliche 
Berwahrungsanftalt — in eine foldhe war 1840 das Arbeitshaus um: 
gewandelt worden — wieder auf einem Areal beifammen. Wieder: 
bolte Erfahrungen mußten jedoch wie früher zu der Meberzeugung füh— 
ren, daß eine Straf: und eine Kranfenanftalt, in einer Xofalität ver: 
einigt, fich in ihrem Gedeihen gegenfeitig nur hinderlich feien. Weberdies 
jtellten fich die Räumlichkeiten der Siechenanftalt mehr und mehr als 
unzulänglic heraus. Es wurde deshalb im Jahr 1854 die polizeiliche 
Berwahrungsanftalt nad Kislau verlegt, und die bisherigen Lokalitäten 
derfelben der Eiechenanftalt, die nun den Namen „Heileund Pflege 
anftalt Pforzheim” erhielt, ebenfalls zugewiefen. Damit baben 
diefelben auch ihren urfprünglihen Stiftungszwed wieder erhalten. 


$ 3. Inneres, 
(Städtifhe Verhältniffe, Gewerbe, Handel, Kirchliches, befondere 
Ereignifje ꝛc.) 


Mir find früher mehrfach Klagen über den Zerfall des gemeinen 
Weſens in Pforzheim begegnet; auf eine Wiederholung derfelben ftoßen 
wir im Jahr 1750 und zugleich auf die Bemerkung, daß der damalige 
Bürgermeifter Henning die meifte Schuld daran trage. In wie weit 
diefelbe gegründet war, wollen wir bier nicht unterfuchen, wohl aber 
bemerken, daß der Bürgermeifter immer noch auch die Rechnung tiber 
die ftädtifhen Einnahmen und Ausgaben führte und im Ganzen einen 
Gehalt von 100 Gulden bezog. Alle ftädtifhen Nemter, welche oben 
(S. 237) in der Stadtordnung von 1491 genannt wurden, beftanden 
damals noch und hatte fich ihre Zahl fogar vermehrt, felbftverftändlic 
auch der Aufwand dafür, da im Lauf der Zeit die Befoldungen nad 
dem veränderten Geldwerth hatten erhöht werden müſſen. So erhielt 
der Baumeifter von 1750 an ftatt der bisherigen 20 Gulden deren 
jährlih 50. Schon damals wurde der Vorfchlag gemacht, die Zahl 
jener Aemter zu verringern, was indeß erft fpäter gefhah. (Auf Bür- 
germeifter Henning folgte 1750 Kummer, 1758 Steinhäufer, 
nah ihm bis 1770 Weiß, ſodann bis 1775 Kißling, 1783 
Günzel, 1795 Geiger x.) 


Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746-1789. 611 


Bon den 1750er Jahren an fcheinen ſich die Verhältniſſe immer 
günftiger geftaltet zu haben. Einen Beweis für das Aufblühen Pforze 
heims liefert wenigftens das Steigen mancher Staatseinnahmen. Go 
belief fich der jährliche Ertrag des Pfund: und Landzolles in Pforz: 
beim von 1757 —1766 durchſchnittlich auf 2498 fl., von 1767—1776 
auf 2772 fl., von 1777—1786 aber bereit auf 4139 fl., — des 
Dhmgeldes in derjelben Zeit von 1702 fl. auf 1978 und 3303 fl. 
Daß vornehmlich durch die gefteigerte Gewerbthätigfeit fol günftigere 
Ergebniffe erzielt wurden, wird unten nachgewiefen werden. 

Daß der Haupttheil der Wehrpflicht der Bürger bei Einführung 
bes ftehenden Militärs auf diefes überging, ift oben (S. 577) gefagt 
worden, Dod blieb den Bürgern, wenn fie auch nicht mehr felber 
ins Feld rüden mußten, wenigftens immer noch die Bewachung der 
Stadt, felbft in dem Fall, wenn eine Garnifon in derfelben lag. Auch 
diefes Geſchäft fcheint nad) und nad) ein überläftiges geworden zu fein; 
denn im Jahr 1778 wurde die bisher beftandene allgemeine Wehrpflicht 
aufgehoben und dafür, wie anderwärts auch geihah, das Inſtitut der 
Stadtfoldaten eingeführt. Welcher Autorität fich diefelben erfreuten, 
ift allgemein befannt, und noch Tebende Zeitgenofjen wifjen viel von den 
Pofien zu erzählen, die diefen Sicherheitswächtern gejpielt wurden. 

Sehen wir und nunmehr nad) der weitern Entwicklung der ge: 
werblien Verhältniffe in Pforzheim um, fo weit. folde nicht ſchon im 
vorhergehenden Paragraphen berührt worden find, und verweilen wir 
zuerft bei dem Floßweſen. Cine neue Zunftordnung für die Flößer 
war ſchon unterm 26. März 1740 von Seiten. der fürftl, Vormund— 
ſchaft erlafjen worden. 1) Nach entiprehendem Eingang enthielt diefelbe 
nähere Beftimmungen über die Erwerbung des Meifterrechts, die Lehr: 
zeit, die Floßzeit (Mitfaften bis Martini), über etwaige Schmähungen 
der Flößer unter einander, Verbot des Holzentlehnens, des Einſtehens 
in den Jahrkauf, des Abführeng von mehr als 3 Flößen auf ein Mal, 
des Abhauens von Holzzeihen, des Fürfaufs, dev Gemeinfchaften mit 
ausländiichen Flößern oder Dienftleiftung an diefelben, des Wegver— 
fperrens, des Arbeitens an Sonn: und Feiertagen, Beftimmungen wegen 
Floßknechten, Hauern, der Reihenfolge bei Verwendung von Flößern, 
wegen Bezahlung von Strafen, Zöllen, wegen Abgabe von Holz zum 


1) Das Driginal berfelben befindet fich bei ven hiefigen ——— 
5* 





612 Ahtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789, 


Bauen x. — Von Wichtigkeit ift ferner der am 11. April 1747 zu 
Wildbad wegen des Scheiterbolzflößens auf den Flüffen Wiürm, 
Nagold, Enz, Nedar und Eiach zwiſchen Baden und Württemberg 
abgefchloffene Vertrag. 1) Derfelbe wurde, wie fein Eingang befagt, 
bauptfählich durch den mehr und mehr überhand nehmenden Mangel 
an Brennholz veranlaßt, und darin in 48 Paragraphen das Nöthige 
feftgefetst über Zölle und andere Abgaben (im Ganzen nicht mehr als 
11/, kr. vom Klafter), Herftellung und Erhaltung von Waflerbauten 
zum Behuf des Flößens, Entfhädigung an Mühlen: und andere Waſ— 
ferwerfbefiter, Niederfeßung einer desfallfigen Kommiffion, Anweifung 
von geeigneten Pläben zum Holzherausziehen, Strafen wegen Holzent— 
wendungen (10 Gulden für jeden Kal), Verwendung von Wrbeitern, 
Tloßzeit (von Martini bis 30. April des folgenden Jahres), Erlaub- 
niß zum Nachtrieb an Sonn: und Feiertagen auf 12 Jahre, Abgabe 
von jährlichen 1500 Klaftern Buchen: und Tannholz aus mwürttember: 
giihen Stantswaldungen an das Eiſenwerk in Pforzheim, und zwar 
zu demſelben bingeliefert das Klafter zu 1 fl. 56 kr., Bengelbolz- zu 
1 fl. 30 kr., Beftätigung eines ähnlichen Vertrags wegen Abgabe von 
Holz aus den Herrenalber Klofter: und Loffenauer Gemeindewaldungen 
an den frühern Bejtänder des Hammerwerks, ©. Burkhardt aus Bafel, 
Erlaubniß an den Herrenalber Klofterwirthd Johann Adam Benngießer 
(Bendifer) zum Flößen auf der Alb, die Württemberg auferlegte Ver— 
pflihtung zur Abnahme von jährlichen 1000 bis 1500 Centnern Eifen 
vom Eiſenhammer in Pforzheim, Grlaubnig zum Xransportiren von 
Eifen als Ablaft auf den Flößen ıc. 

Diele Beftimmungen der oben im Auszug mitgetheilten Zunftord: 
nung von 1740 traten wieder außer Kraft, als unterm 18. März 
1747 der neue Pforzheimer Flößerzunft-Verein gegründet 
wurde. Die Flößer hatten die Erfahrung gemacht, daß, wie das an 
obigem Tag verabredete, am 28. Februar 1749 revidirte und von ber 
Regierung genehmigte Statut des Vereins?) befagt, „feit einiger Seit 
viel ſchädliches Mißtrauen, Stümpelei, Unsrönung und Gebrechen bei 
diefer uralten Flößerzunft eingerifjen und dadurch die von unfern Mit: 


1) Er befindet fih in Abſchrift bei den Aften der Pforzheimer Flößerzunft. 
2) Es befindet ſich ebenfals in Abjchrift bei den Akten der Pforzheimer 
Flößerzunft. 


Achtzehntes Kapitel. , Pforzheim von 1746—1789. 613 


flößern in zugehöriger Handirung vorhin ehrbarlich gefuchte Nahrung 
merklich zurüdgegangen.” Auch mochte den ehrſamen Meiftern des 
löbl. Flößerhandwerks nicht entgangen fein, daß nur ein Fümmerlicher 
Gewinn erziehlt wurde, jo lange Jeder für fich handelte. Sie beſchloſ— 
fen alfo die Gründung eines Floßvereins, und legten zu dem Ende einen 
Fond von 26,000 Gulden, in 260 Portionen zu 100 Gulden beftehend, 
zufammen, (mehr als 12 Portionen durfte ein Theilmehmer, deren e8 
zu Anfang 86 waren, nicht baben,) und gelobten fih, alle Holzkäufe 
und Verkäufe, Frachtakkorde ꝛc. auf gemeinjshaftliche Rechnung durch 
ihren Vorfteher zu betreiben. Dies ſchloß nicht aus, daß der Vorftand 
wieder einzelne Glieder in feinen Taglohn anftellte; ja es wurden bes 
sondere Beſtimmungen für die möglichft gleiche Vertheilung diefer fpes . 
ziellen Beſchäftigungsmittel getroffen. (Sonftige Beftimmungen der Sta: 
tuten betreffen den Eintritt fpäterer Theilnehmer, die etwaige Vermeh— 
rung des Grundfapitals, Vertheilung des Gewinnftes oder Verluſtes, 
Abkauf einzelner Portionen dur die Geſellſchaft, Garantie des Befites 
von ſolchen, Feſtſetzung von Vereinstagen, Erwählung der Rechner und 
Deputirten und deren Bezüge, Entjcheidung von Streitigkeiten, Länge 
der Flöße ꝛc.) — Das Unternehmen, das mit Umſicht und in Ein: 
tracht Kegonnen und geleitet wurde, gedieh fo vortrefflih, daß da und 
dort noch andere ähnliche Holzbandelsgejellichaften entjtanden, Als in 
den 1750er Fahren eine württembergiſche Gefellichaft die Murg ober: 
balb Gernsbach flößbar zu machen unternahm, fo brachte e8 der wach: 
fame Vorſtand des Pforzheimer Floßvereins dahin, daß derfelbe in die 
neue Murgkompagnie als ein Haupttheilhaber aufgenommen wurde. 
Der ganze Murghandel wurde in 48 Portionen getheilt, wovon 22 auf 
Pforzheim famen. Der Vertrag wurde 1758 auf 30 Jahre gefchloffen. 
Aber noch mehr fam dem Floßverein der Umftand zu Statten, daß die 
Murgkompagnie ſich bald mit derjenigen württembergiihen Gefellichaft 
verband, welche in Calw anfblühte und vorzugsweife auf den drei Flüf- 
jen flößte, die ſich bei Pforzheim vereinigen. Die Verbindung wurde 
1763 auf 25 Jahre bejchloffen. Nun wurde für den Schiffsbau eine 
Menge langer Tannenhölzer von dem Gebirg herab, und zwar nicht 
blos in vermehrter Zahl auf dem Nedar, fondern auch auf der Murg 
in den Rhein und nad Mannheim gefördert, dort aber an Zwiſchen— 
bändler für Holland verkauft. Der Floßverein in Pforzheim dehnte 
daneben feinen eigenen Holzhandel, den er fich auf beſondere Rechnung 





614 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746-1789. 


vorbehalten hatte, nicht über gemeines Bauholz und Sägwaaren aus, 
womit er bald einen großen Theil der am Nedar und Rhein Tiegenden 
Ortfchaften bis nah Worms hinab verforgte. 

Die fpätere Zeit fah ein Sinken und ftärferes Wieberaufleben 
diefer Unternehmungen. Im Jahr 1777 hörte for wieder zum Theil 
die Verbindung mit der Calwer Geſellſchaft, und 1788 Yöste ſich bie 
Murgkompagnie auf. Mittlerweile war eine Faktorie für holländifche 
Häufer in Prorzheim gegründet worden, welhe in den umliegenden 
MWaldungen die Hölzer einfaufte und ſelbſt für den Transport forgte. 
Der Faktor Böhringer führte aber nebenbei noch einen Holzhandel auf 
eigene Nechnung, fo daß alfo der Floßzunftverein dadurch Feine geringe 
Konkurrenz befam. Um ihn wieder empor zu bringen, feßte Karl 
Friedrich eine eigene Kommiſſion nieder, und 1801 kam die größere 
Bereinigung der holländifhen Kompagnie zu Stande, die unter 
ber Firma Böhringer, Mayer und Komp. nicht mehr blos bi8 Mann: 
heim, fondern nach Holland verflößte. Ihr Fond betrug eine Million 
Gulden in 250 Aktien zu je 4000 Gulden. Die erwähnten hollän: 
difchen Häufer, der Floßverein und Böhringer felbft wurden mit einer 
größern Anzahl Aktien bedacht. Für den Floßverein wurde einbedungen, 
daß feine Mitglieder allein das Recht haben follten, das bolländer 
Holz in den Rhein zu verflößen. (Am 9. April 1802 ging der erfte 
große Nheinfloß der holländifchen Kompagnie von Mannheim ab. Er 
war 7321/, Fuß lang und 81 Fuß breit, Der damalige Kurfürft 
Karl Friedrid ſchenkte mit noch andern hohen Herrſchaften dem neuen 
Unternehmen die größte Aufmerffamkeit, fpeiste auf dem Floß zu Mit: 
tag und begleitete denfelben bei feiner Abfahrt bis zur Rheinfpite). 1) 
Beide Gefellichaften gediehen fo gut mit und neben einander, daß fih 
1809 fogar noch ein drittes Comptoir unter der Firma Mayer und 
Fritdorf bildete. Doch davon fpäter mehr, da wir ohnehin fchon dem 
Zeitraum, defjen Darftellung die Aufgabe diefes Kapitels ift, voraus 
geeilt find. 

Wir müffen bier auch noch der Flößerwittwenkaſſe oder 
Karl-Friedrichs-Stiftung gedenken, die im Juli 1789 ing Leben 
gerufen ward. Als nämlih damals mit dem Pforzheimer Floßverein 
ein neuer Holzafford errichtet wurde, wies Karl Friedrich aus dem 


1) Pforzheimer wöchentliche Nachrichten von 1802, 





Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746—1789, 615 


herrſchaftlichen Holzerlös auf 10 Jahre die jährliche Summe von 2000, 
alfo im Ganzen von 20,000 Gulden zur Gründung eines Fonds an, 
aus deſſen Zinfen den Wittwen bez. Waifen der Flößer, die Meifter 
geweſen, jährliche Unterftügungen gereicht werden follten, und zwar in 
legterm all den Söhnen bis nad) vollendetem 18., den Töchtern bis 
zum 16. Jahr. Ich werde auf diefe Stiftung zurückkommen, und bes 
merfe bier noch, daß für diefelbe 1791 Statuten entworfen und unterm 
29. Dezember 1792 beftätigt wurden. 

Das Beifpiel der Flößerwittwenkaffe wurde 1792 die Veranlafjung 
zur Gründung einer Bürgerwittwenkaſſe, deren Statuten bie 
Regierung 1795 mit der Beſtimmung beftätigte, daß alle neu zugehen: 
den Bürger Theil nehmen müßten, Nihtbürgern aber die Theilnahme 
freiftehen follte. Diefe Wittwenkaſſe trug indefjen wegen verfehlter Or- 
ganifation ſchon von Anfang an den Keim des Todes in ſich, und bie 
Verwaltung, die nicht entſchieden genug war, half dazu mit, daß diefes 
Inſtitut fpäter wieder aufhörte. 

Bon dem herrfhaftlichen Eiſenwerk zu Pforzheim ift früher ſchon 
mehrfach die Rede geweſen. Dasfelbe war fortwährend in Wacht 
gegeben. Im Jahr 1752 erbot fih der Kammerrath Philipp Jakob 
Sion zu Karlsruhe, das fürftliche Eifenwerk zu Pforzheim ober: und 
unterhalb der Stadt zu Faufen. Der Regierung erfchien diefer Antrag 
erwünfcht, und wurde alsbald eine Kommiffion nad Pforzheim geſchickt, 
um Zuftand und Vorräthe beider Eifenwerfe zu unterfudhen, pflicht: 
gemäß anzufchlagen und fodann, vorbehaltlich herrichaftlichen Ratifikation, 
einen Kaufkontrakt abzufchliegen. Dies gefhah am 7. November 1752. 
Die Kauffumme betrug 43,000 Gulden. Von fonftigen Kaufbeding- 
ungen, bie in der Kaufurfunde im Ganzen 20 Paragraphen füllen, 
erwähnen wir: Der Käufer ift für alle zum Eifenwert gehörigen Häu— 
fer und Güter frei von Schatzung, Zehnten, Kriegsanlagen (Kontri— 
bution ausgenommen), Be= und Einquartierung, hat Wirthichaftsrecht 
auf dem obern und untern Hammer, jedoch nur für Angehörige des: 
felben, fowie Fuhrleute, Hauer, Köhler und Dienftboten, darf fein 
Dhmgeld bezahlen, hat das Recht, Salz und Viktualien zu verkaufen, 
für die er pfund- und landzollfrei ift, — hat Fiſchrecht vom Flotzloch 
beim obern Hammer bis Ende des Taktoriegartens und beim untern 
Hammer im Blechwehrgraben, — darf für von auswärts bezogenes 
Brennholz ebenfalls Leinen Zoll bezahlen, darf Scheiterholz auf der 





616 Ahtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789, 


Wiürm und Enz beifldzen gegen Entrichtung des Wafferzolls, — er: 
hält das Eifenmonopol für das Unterland auf 20 Jahre, muß aber 
der Herrichaft dafür jährlich 500 Gulden bezahlen, — hat über die 
zum Hammer gehörigen Leute Strafgewalt bis zu 24 Stunden Ge: 
fängnig und 4 Reichsthaler Gelditrafe, — zahlt für fein eigenes Fuhr: 
werk in der Stadt weder Weg-, noch Pflafter: noch Brüdengeld ꝛc. — 
Irion Fonnte ſich jedoch des neuen Erwerbs nicht lange erfreuen; denn 
er ftarb ſchon 1755. Da er bedeutende Schulden hinterließ, jo verkauf: 
ten feine Gläubiger das Eifenwerf mit allen Gebäulichfeiten, Vorräthen 
Berechtigungen 2. um die Geſammtſumme von 28,000 Gulden an den 
württembergifchen Kommerzienrath Chr. Ir. Lidell zu Neuenbürg und 
an den SKloftetichaffner und Holzhändler Joh. Adam Bendijer zu 
Herrenalb. 1) Es mag hier nody bemerkt werden, daß diefe beiden neuen 
Befiser, um dem häufigen Zank über die Qualität des Eifens ein 
Ende zu mahen, im Jahr 1761 freiwillig und ohne Entſchädigungs— 
forderung auf das Eifenmonopol zu verzichten fich erklärten, wenn ihnen 
die Zahlung der jährlichen 500 Gulden für dag Negal abgenommen 
würde, Markgraf Karl Friedrich, der ein Feind aller Monopole war, 
ging auf diefe Bedingung fogleidh ein. Das Eifenwerf blieb in gemein- 
ſchaftlichem Beſitz von Lidell und Bendifer, bis der Sohn des erjteren 
um das Jahr 1811 jeinen Antheil an Chr. Friedr. Bendifer, den 
Nachfolger des erſten Beſitzers aus diefem Gejchlecht, verkaufte, wodurch 
das Eijenwerk in den alleinigen Beſitz derjenigen Familie überging , in 
deren Händen es fich heute noch befindet. 2) 

Der ſchon feit Jahrhunderten in Pforzheim beftehenden herrichaft: 
lichen Leinwandbleiche (ihr Alter beweifen die fchon früh vorkom— 


1) Diefe Kaufurfunde, ſowie die frühere, ift no in ben Händen ber hie— 
figen Befiger des Eijenwerfs, 
2) Die bisherigen Befiger aus der Bendifer'ihen Familie waren und find: 
Joh. Adam Bendifer (1755) 


Chriſt. Frd. Bendijer 
* I 
Chriftoph Bendifer Joh. Adam Bendifer 


— * 
Moritz Benckiſer Auguſt Benckiſer. 
Der ältere Lidell hatte 1760 den Charakter als Rentfammerratb erhalten 
und farb 1793. Er machte vor fiinem Tod bedeutende Stiftungen für Stubi: 
rende, Schulfeminariften, für das Karlsruher Bürgeripital und Almoſen. 


Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789, 617 


menden Namen Bleichwieſe, Bleichjtaffel 2c.) wurden in den 1740er 
Jahren verjchiedene neue Freiheiten verliehen, und führte diejelbe von 
41750 an den Namen „badifche privilegirte Leinwandbleiche.” Damals 
wurden zu Gunſten derjelben, als „allein beſtehend“ nicht nur alle 
Nebenbleihen in Pforzheim bei Strafe von 10 Gulden unterfagt, fon- 
dern ihr auch geftattet, ausländifches Getuch zu bleihen. Die zur 
Bleiche gehörigen Güter waren zehntfrei und hafteien nur die gewöhn— 
lichen öffentlihen Steuern darauf. Doch mußte ſich der Erblehnpächter 
(von 1758 an Ritterwirth Weiß) nad) Beendigung des Auslegens der 
Tücher im Spätjahr den Weidgang im Rennfeldgarten gefallen lafſen ꝛc. 
Diefe Bleiche gelangte bald zu großer Bedeutung, und wird die Menge 
der Leinwand, welche ihr von nah und fern zuftrömte, zu Ende des 
18. Sahrhunderts auf mehr als 100,000 Elfen angegeben. 

Haben wir das Wefentlichite bezüglich der Entwidlung der ges 
werblichen Verhältniſſe Pforzheims, mit Ausnahme der Entftehung der 
Bijouteriefabrikation, der ein eigener Abſchnitt gewidmet werden foll, im 
Bisherigen berührt, jo mag nunmehr auch noch verjciedener anderer 
Berbältnifie gedacht werden. Am Jahr 1764 reihte fich den ſchon feit 
längerer Zeit beftehenden Pforzheimer Stiftungen eine neue an, näm— 
fh die Wilderfinn’ihe. Am 29. September genannten Jahres 
vermachte nämlich der aus Pforzheim ftammende Glafermeifter Johann 
Michael Wilderfinn zu Augsburg jammt feiner ebenfalls aus Pforzheim 
gebürtigen Frau Agnes Eva geb. Deimling ein Kapital von 1000 
Gulden mit folgenden Beftimmungen: Die Adminiftration desfelben 
fol dem Magiftrat der Stadt Pforzheim zufommen, zu derſelben jedoch 
aus den beiden Familien Wilderſinn und Deimling ein verftändiger 
Mann beigezogen werden; die Stiftung darf aber nie mit andern Stif- 
tungen vermengt, fondern muß für immer unter dem Namen: „Wilder: 
ſinn'ſche Stiftung” abgefondert verwaltet werden. Der Verwalter der 
Stiftung, fei es der Bürgermeifter oder eine andere Magiftratsperfon, 
foll für feine Mühe aus den Zinfen des Kapitals jährlich 10 Gulden 
erhalten. Der Neft des Zinfes fol Angehörigen der Familien Wilder: 
. finn und Deimling zu gut kommen, (zu erftern gehörten ftiftungsge- 
mäß die Nachfommen des Vaters des Stifters, Chriftoph Wilderfinn, 
ferner des Küfermeifters Joh, Martin Eppelin und des Schuhmachers 
Chriſtoph Schmid, von letztern beiden jedoch nur bis ins vierte Glied; 
zur Deimling’ihen Descendung die Nachkommen des Großvaters der 





618 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746-1789. 


Mitftifterin, des ehemaligen Bürgermeifters Chriſtoph Deimling, bier 
wie dort jedoch mit Ausſchluß der weiblichen Linie); nämlih fo, daß 
410 Gulden zur Anfchaffung von Büchern und Mänteln und zur Be 
zahlung des Schulgelds für Knaben unvermöglicher Eltern, welche den 
beiden genannten Familien angehören, was nad) Abzug obiger 20 Gulden 
nod übrig, als Stipendium für folhe, welche Theologie, Jura oder 
Medizin ftudiren würden, verwendet werden follen. Der Stipendiat fol 
vier Jahre im Genuß desjelben bleiben, jedoch im Genuß des Stipendiums 
zroifchen Angehörigen der Familien MWilderfinn und Deimling abgewech— 
felt werden, wobei unter Vorausſetzung befonderer Befähigung die Ver: 
mögensverhältniffe der Eltern nicht maaßgebend fein follen. Sn Er: 
mangelung von Stipendiaten follen die Zinfen zum Kapital gefchlagen 
und diefes fort und fort vergrößert werden. At das Verhalten bes 
Stipendiaten ein tabelnswerthes oder wird er der evang. Tutherifchen 
Religion ungetren, fo verliert er das Stipendium und muß wieder 
erjeßen, was er bereits genofjen, weshalb vorher Kaution oder Bürg- 
haft zu ftellen it. Sind aus beiden Familien keine Stipendiaten vor: 
handen, fo kann daraus eine mittellofe Tedige Tochter, die Waife ift, 
vom Ueberſchuß der verfügbaren Intereſſen eine Ausſteuer erhalten, 
was unter Umftänden aud) neben einem Stipendiaten gefchehen Kann. 1) 
Im Falle des Ausfterbens der beiden bezugsberechtigten Familien kann 
nad Ermeffen des Stadtmagiftrats das Stipendium auch auf talent: 
volle Kinder anderer Familien übergehen, Sollte von irgend einer 
Seite der Verſuch gemacht werden, der Stadt Pforzheim diefe Stiftung 
zu entziehen, fo haben bie beiden oben genannten Männer aus den 
Familien Wilderfinn und Deimling vollfommen Macht und Gewalt, 
das Kapital am fich zu ziehen, und es andern ſichern Händen zu über- 
geben. So die urfprünglichen Beftimmungen der Wilderſinn'ſchen Stif- 
tung. Diefelben mußten indeß im Lauf der Zeit mehrfach abgeändert 
werden, was jedod immer im Sinn des Stifters gefhah. Wir werden 
darauf zurückkommen. 

Einer andern. Familienftiftung, nämlich der Lamprecht'ſchen, er: 
wähnen wir bier nur, weil die Verwaltung derfelben in Pforzheim ihren , 
Sit Hat und zum Theil auch Angehörige des Amts bezugsberechtigt 


1) Dieſe Iehtern Beftimmungen ber Stiftungsurfunde, die in Abichrift im 
Stadtarchiv fich befindet, find ziemlih undeutlich fund ftehen im Widerſpruch 
mit einer früher, 


Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746—1789, 619 


find. Der Hofrath und Leibmedicus Johann Heinrich Lamprecht zu 
Durlach, früher Arzt am Waifenhaus in Pforzheim, beftimmte näm: 
lich in feinem am 26. November 1753 verfaßten Teftament, daß im 
Tall Ausfterbens feiner und feines Bruders Nachkommenſchaft fein 
Vermögen für die männlichen Nachkommen des ehemaligen Schultheißen 
Johann Bernhard Lamprecht in Wilferdingen in der Meife nußbar 
gemacht werden folle, daß die Zinfen desfelben an junge Leute, welche 
fih „denen Stubiis, dem Militär, der Cchreiberei oder einer andern, 
der Lamprecht'ſchen Familie zur Ehre gereichenden nicht gemeinen Wif- 
ſenſchaft widmen“, zur Beihilfe in beftimmten Summen ausgetheilt 
würden, (Das Vermögen bdiefer Stiftung betrug am 1. Juli 1861 
19,418 Gulden.) 

Verſchiedene kirchliche Verhältniſſe Pforzheims unter ber 
Regierung Karl Friedrichs find ſchon im vorhergehenden Kapitel berührt 
worden, ſo u. U. die der reformirten Gemeinde daſelbſt. Im Jahr 
1783 wurde auch den Katholiten das Recht des "Gottesdienftes in 
Pforzheim eingerfumt, 1) nachdem feit dem weſtphäliſchen Frieden fein 
folher mehr gehalten worden war. Die Regierung ftellte ihnen dazu 
einen Saal des Maifenhaufes zur Verfügung. Eine katholifche Pfarrei 
wurde in Pforzheim indeffen erft 1823 errichtet und den Katholiken 
alsdann die bisherige reformirte Kirche (Chor der Barfüßerkirche), die 
in Folge der 1821 erfolgten Bereinigung der Neformirten mit den 
Qutheranern verfügbar geworden war, zur goftesdienftlichen Benützung 
zugeniefen. Mehr bievon weiter unten. — Das Chor der eben er: 
wähnten Barfüßerfirche war nämlich ftehen geblieben, ald der Thurm 
diefer Kirche und fpäter letztere jelbft abgebrochen wurde. Der Abbruch 
bes Thurms gefhah im Sommer 1748, weil er, wie e8 in den be 
treffenden Akten 2) heißt, in Folge des Brandes im orleans’schen Kriege 
„ruinos und dem Einfall nahe gemefen.”3) Die Ueberlieferung befagt, 
daß er fi) nad) einer Seite, und zwar gegen die Brößinger Gaffe, 
geneigt gehabt Hätte, d. b. daß man befürchtete, er möchte einmal in 
diefelbe Hinunterftürzen. Diefer Thurm war bisher eine Zierde ber 


1) Vergleiche das Karlsruher Antelligenzblatt No. 37 von 1783. 

2) Großh. Domänenverwaltung bier. 

2) Beim Abbruch, den Schieferbeder Machtolf aus Böblingen um 150 fl. 
beforgte, ergaben fih 419 Pfd. Blei und 628 Pfd. Eifen. Derjelbe erfolgte 
unter bem geiftlicden und Stiftsverwalter Olnhaufen. 





620 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


Stadt gewejen. Er hatte eine Höhe von 200 Fuß, war „koſtbar auss 
gehauen, bis oben auf ohne Dachwerk in Stein zierlih aufgebaut ;“ 
die Abbildung der Stadt von 1643 zeigt auch wirkfid den gothifchen 
Styl diefes Thurmes. — Wir können hier gleich mit anfügen, welche 
Alterthümer um jene Zeit auch ſonſt noch in Pforzheim verfchwanden, 
wodurd das frühere Äußere und innere Anfehen der Stadt mehr und 
mehr verändert wurde. Im Jahr 1754 wurden die Sreuzgänge des 
Dominikanerkloſters, die feit dem Brand von 1692 noch ftehen 
geblieben waren, abgerifjen und auf dem Plate ein Garten angelegt. 1) 
(Dort fteht jett feit 1858 das neue Mädchenſchulhaus.) — Daß 1766 
au das St. Georgsfirhlein verſchwand, ift bereits (S. 561) 
gejagt worden, wie nicht minder von dem im Jahr 1763 erfolgten 
Abbruch des höchſten Thurmes im Schloß zu Pforzheim (S. 449) 
Erwähnung geſchah. 

Ein ſchwerer Verluſt traf die Stadt Pforzheim nicht lange her: 
nach dadurdy, daß die in den Jahren 1716—1721 (S. 550 ff.) neu 
aufgebaute, jehr ſchöne Stadtkirche wieder abbrannte, Am 18. Mai 
1789 brach in der Nähe derjelben im Haufe des Profurators Kollmar 
(wo jet praftifcher Arzt Thumm) Teuer aus, welches bei dem heftig 
wehenden Südweſtwind ſich rafch der ganzen Häuferreihe mittheilte und 
bald auch den gerade gegenüberftehenden Thurm der Stadtkirche ergriff. 
Mit feinem Sturz auf das Kirchendach gerieth auch die Kirche in Brand, 
und in wenigen Stunden war ber herrliche Tempel ein Nichenhaufen, 
Die Flammen wütheten indeffen fort, obgleich man von allen Geiten 
zur Hilfe herbeieilte und fogar der Margraf Karl Friedrich mit dem 
Erbprinzen Karl Ludwig auf dem Brandplat erfchien, um die Anftalten 
zur Löſchung des Feuers felber zu leiten. Nachdem man lettern Zweck 
erreicht glaubte, brach am folgenden Nachmittag durch das verborgen 
glimmende Feuer ein neuer Brand aus, der noch mehrere Häufer ver: 
zehrte, fo daß die Gefammtzahl der in Aiche gelegten Gebäude 50 be: 
betrug. (Die an verichiedenen Häufern der Schulz, Reuchlins-, Roſen— 
und Altftädterftrage befindlichen Jahrzahlen beweifen, daß diefelben nad) 
dem Brand von 1789 neu aufgebaut wurden.) Die Stadtkirche felber 
blieb in Trümmern, bis in den 1820er Jahren mit einem Neubau 


. N) Deimlina faat im Vorwort zu feinem Drama: „Die 400 Pforzheimer”, 
er babe als Knabe oft in diejen Kreuzgängen geipielt. 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 624 


begonnen wurde. Man kam jedoch mit bemfelben nicht über die Funda— 
mente hinaus. Der Einftellung des Baues folgte in den 1840er Jah— 
ven die Ebnung des Platzes, der nun, mit Bäumen bepflanzt, als 
Schul: oder Reuchlinsplatz der frößfichen Jugend zum Tummelplatz 
dient. Einer Stadtkirche entbehrt aber Pforzheim immer noch. — 
Wir dürfen nicht vergeſſen, zu erwähnen, daß ſich ein Andenken an 
die ehemalige Stadtkirche erhalten hat, nämlich das hölzerne Heilands— 
bild mit fteinernem Boftament, welches auf dem Schulpfat fteht. Das: 
ſelbe foll fi unter einem Vordach der Kirche befunden haben und 
nicht nur 1789, fondern auch bei frühern Bränden, wo es ſchon vor: 
handen gewefen, von den Flammen verſchont geblieben fein. 

Faſſen wir diejenigen andern Ereigniſſe von Bedeutung, welde in 
den Zeitraum von 1746 bis 1789 fallen, nod in Kürze zufammen. 

Sm Jahr 1784, und zwar in den letzten Tagen Novembers, ver: 
einigten fi) 20 Theilnehmer zu einer Leſegeſellſchaft, d. b. zu 
gemeinfchaftlihenm Halten won Zeitfchriften und Büchern. 1) Die nächfte 
Veranlaffung dazu gab der damalige Proreftor und fpätere Kirchen: 
rath Zandt ?), der zugleih die Leitung der Gefchäfte übernahm. In 
den erjten Jahren hielt die Gejellfchaft ihre Zuſammenkünfte in den 
Privatwohnungen der Mitglieder, bis im Jahr 1788 ein eigenes Lokal 
gemiethet und Gelegenheit zu täglicher gefelliger Vereinigung und Un— 
terhaltung gegeben wurde. Bald vermehrte ſich die Zahl der Theil: 
nehmer und betrug 1788 fchon 40, 1801 kereits 80. Im Jahr 
1808 erhielt die Gefellihaft gedrudte Statuten, erwarb 1822 ein eige— 
nes Haus am Marktplat um nahezu 411,000 fl., erbaute 1826 im 
Hintergebäude einen Saal, um die gewöhnlichen Caſinos mit der Ge: 
jellihaft zu verbinden, und nahm den Namen Mufeum an.3) Weber 
den dermaligen Stand desjelben werden weiter unten Mittheilungen 
‚folgen. 

Am 29. Januar 1788 wurde in Karlsruhe ein glänzendes Er: 
innerungsfet an die Schlacht von Wimpfen gefeiert. Durch das früher 
ihon (©. 3A und im Vorwort) erwähnte, von dem Pforzheimer 
Kaufmann Ernſt Ludwig Deimling verfaßte Trauerfpiel: „Die vierhun- 


) Die ältefte Leiegefellihaft unferes Landes entftand 1775 zu Emmendingen ; 
zu gleicher Zeit wie in Pforzheim wurbe auch eine in Karlsruhe gegrünbet, 

2) Das Bildnif desjelben hängt im Saal des Mufeums. 

®) Vergleiche die Statuten bes Muſeums, (gedrudt 1344). 





622 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 17461789, 


dert Pforzheimer Bürger,” das diefer bisher als Manufeript in feinem 
Pulte verwahrt, aber einmal dem Obervogt Wieland von Pforzheim 
und dem geheimen Hofrath Ning von Karlsruhe gezeigt hatte, war 
man bei Hof auf die bisher unbefannte Heldenthat der 400 Pforz⸗ 
heimer bei Wimpfen aufmerkfam geworden. Karl Friedrich beſchloß, 
das Andenken derfelben zu ehren und eine Erinnerungsfeier zu veran- 
ftalten. Diefelbe fand, wie erwähnt, am 29. Januar 1788 in Karle- 
ruhe jtatt, und wurden die Nachkommen der Helden von Pforzheim, 
ſowohl zur eigentlichen Feier, bei der Dr. Poſſelt feine befannte Rede 
bielt 1) und an weldyer der ganze Hof Theil nahm, als auch zur fürft- 
lichen Tafel eingeladen. Es bedarf kaum der Bemerkung, daß die ganze 
Stadt Pforzheim ſich durch ſolch fchmeichelhafte Aufmerkſamkeit hoch— 
geehrt fühlte. 

Haben wir in frühern Kapiteln mehrfach des Beſuchs nicht nur 
badiſcher Fürſten, ſondern auch deutſcher Kaiſer in Pforzheim erwähnt, 
ſo dürfen wir nicht unterlaſſen, mitzutheilen, daß am 8. April 1777 
auch Kaiſer Joſeph II auf einer Reife nah Frankreich durch Pforz⸗ 
heim kam, ja ſogar in der Stadt übernachtete. Die Pforzheimer waren 
von der Leutſeligkeit dieſes in jeder Beziehung ausgezeichneten Fürſten 
ganz entzückt. 

Unſere etwas chronikartig gewordene Behandlung des Schluſſes 
dieſer Abtheilung müſſen wir nun auch noch, um Seitenſtücke zu dem 
eben geſchilderten großen Brand zu haben, auf die Erzählung von 
Theurung und Waſſersnoth erſtrecken. In den Jahren 1769 
und 1770 waren die Ernten ſchlecht ausgefallen, ſo daß 1771 eine 
große Theurung und Hungersnoth entſtand, die auch in Pforzheim und 
der Umgegend ſehr fühlbar war. Im Mai 1771 erreichte das Malter 
Kernen den für jene Zeit fehr hohen Preis von 22 bis 23 Gulden, 
das Korn koſtete 15, die Gerfte 12, der Haber 6, das Welſchkorn im 
Juli 20 fl. Sonderbar war es num freilich, Haß zur Zeit der höchſten 
Fruchtpreife auf den Wochenmärkten vom 16. und 33. Mai 8 Eier 
für 4 Kreuzer verkauft wurden und das Pfund Rindfleifh nur 71/, 
Kreuzer, das Pfund Butter nur 16 Kreuzer galt. Was die Frucht 
preife betrifft, fo wären fie ohne die Eugen Maafregeln der badifchen 


1) Sie erſchien im Drud unter bem Titel: Dr. Poſſelt, dem Vaterlandes 
tod der 400 Pforzheimer. (Karlsruhe 1788.) 


Ahtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746-1789, 623 


Regierung wohl nod höher geftiegen. — Der Anfang des Jahres 1784 
brachte in Folge des Eisgangs große Waffersnoth. Am 17. Januar 
brach das Eis, und ungeheure Eisftüde bededten die Ufer der Enz und 
Nagold von der Altftadt bis zum Kallhart. An der Auer Brüde ftaute 
fi das Eis und ftand zuleßt höher, als die Brüde felber, jo daß das 
Waſſer in die Stadt nnd die Au eindrang und die Leute flüchten muß: 
ten. So blieb e8 drei Tage, bis ein Durchbruch des Eifes ftattfand, 
Der Stadtrath Tieß überall die Eisftüde zerſchlagen, die Altftädter 
Brüde abtragen. Plötzlich aber entjtand wiederum eine fo große Kälte, 
dag die Flüffe faft bis auf den Grund zufroren. Im Februar trat 
Thaumetter ein, die Eismafje fette fih am 26. in Bewegung, und 
näherte fi) der Au. -Am 27. Februar Morgens 6 Uhr nahm fie ihren 
eigenen Weg, bracd durch die Platzgärten hindurch, und alles Holz und 
was das immer höher fteigende Waſſer mit fich fortichleppen konnte, 
wurde weggeſchwemmt. Mauern, Zäune und Bäume wurden umgewor: 
fen und das Wirthshaus zur Tanne in der Mltftadt vom Eis und den 
Fluten gänzlich weggerifien. Es war ein Glüd, daß der Eisgang auf 
der Nagold und Würm nicht gleichzeitig mit dem auf der Enz erfolgte. 
Noch jetzt ift an oder in manchen Häufern die Wafjerhöhe jener ver: 
bängnigvollen Tage angegeben. 


Anbang. 


Das alte Heilandsbild zu Pforzheim. 
Don Eduard Brauer. 


Drei Mal ſank die Stadt in Flammen 
Krahend rings um dich zufammen; 
Aud dein Haus, bas pfeilerhohe, 
Wich der grimmempörten Lohe. 
Umgewandelt find bie Straßen, 
Andre Site, andre Saſſen, 

Andrer Sinn und andre Sitte, 
Du nur in des Wechſels Mitte, 
Du allein, bift ſteh'n geblieben, 
Bild des Heilands, unvertrieben, 
Bon ber Glut nicht aufgerieben, 
Dauermächtig, wie fein Lieben, 








624 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


Alio mag der Brand ber. Zeiten 
Mancher Kirche Sturz bereiten: 

Hod und bel, der Menjchbeit Stern, 
Wirft du leuchten, Bild des Herrn. 


$ 4. Entfiehung und Entwicklung der Bijouteriefabrikation in 
Pforzheim. 1) 
(1767 ff.) 


a Erfte Anfänge Erridtung einer Uhrenfabrik. 


Es war zu Anfang des Jahres 1767, als ſich der Uhrenfabrikant 
und UÜhrenhändler Johann Franz Autran, gebürtig ans Drange in 
der Dauphinde, früher in Genf, damals aber in Bern fi) aufhaltend, 
in feinem und feiner Afjocies Amedee Chriftin und Johann Viala 
Namen an die badifche Regierung mit der Bitte wandte, in der Marf- 
grafichaft eine Uhrenfabrif errichten zu dürfen. Er hatte fein Augen- 
merk dabei zunächſt auf die Stadt Lörrach gerichtet, und der dortige 
Obervogt von Wallbrunn, den er um feine Empfehlung anging, ließ 
ihm ſolche Eräftigft zu Theil werden, wie denn auch der. geheime Le— 
gationsrath von Schmidt in Bern den Autran und feine Affocies als 
Männer fchilderte, die alle „Attention” verdienten. In einer an den 
Markgrafen Karl Friedrich gerichteten Denkſchrift machte Antran auf 
die großen Vortheile aufmerkfiam, welche ein jolcdhes Unternehmen dem 
Lande bringen würde und ftellte eine Erweiterung desfelben in der 
Weiſe in Ausfiht, daß auch nod die Verfertigung von Penduleg und 
die Nabrifation von Bijouteriewaaren damit verbunden werden könnte. 
Zur Gründung feiner Fabrik verlangte aber Autran das nöthige Kapital 
von der Negierung, ‚und zwar auf 12 Jahre unverzinglich, und machte 
darauf aufmerffam, daß auch die Kaiferin von Rußland, der König von 
Preußen und die Negierung von Bern verfchiedene Fabrikunternehmen 
in folcher Weiſe unterftüßt hätten. Ferner ftellte er die Forderung, 
daß ihm im Lörrach, und zwar im dortigen Pädagogiumsgebäude, die 
zur Errichtung und Betreibung feiner Fabrik erforderlichen Lokalitäten 
eingeräumt werden müßten. Wenn jedoch der Markgraf diefelbe auf 


‘ 


1) Quellen: Hauptfählihd Akten des Großh. Generallandesarhivs und 
des Dberamts Pforzheim. 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746--1789. 625 


eigene Nechnung übernehmen wolle, fo ftünden er und fein Affocies ihm 
ebenfalls zur Verfügung und würden fich als fleifige und fachverftän- 
dige Männer alle Mühe geben, das Geſchäft vecht Iufrativ zu machen, 
Autran reiste felbft nach Karlsruhe, um feine Sache perfünlich zu 
betreiben. Dort wurde ihm mündlich bedeutet, daß man es zwar fehr 
gerne jehen würde, wenn das von ihm beabfichtigte Unternehmen zu 
Stande käme, und deshalb geneigt wäre, ihm alle möglichen Begünſti— 
gungen einzuräumen; allein auf die verlangte Herſchießung der Fonds 
könne man fih nicht einlafjen, da dies gegen die Grundfäte des Marks 
grafen gehe. Autran möge deshalb von diefer Forderung abftehen und 
neue Vorfchläge machen. Zu weiterer Unterhandlung wurde er an den 
geheimen Nath und Kammerpräfidenten v. Gemmingen vertiefen. 
Während feines Aufenthaltes in Karlsruhe hatte Autran von der 
zur Errichtung von Fabriken fehr günftigen Lage der Stadt Pforz- 
beim, fowie von dem dortigen Waifenhaufe nähere Kenntniß erhalten. 
Er reichte deshalb eine zweite ausführlichere Denkſchrift ein, worin er 
einen neuen Plan, nad welchem feine Fabrik mit dem MWaifenhaufe 
verbunden werden follte, näher entwidelte und verſchiedene darauf bezüg— 
liche Vorſchläge machte. Diefer Denkſchrift folgte fpäter noch eine 
dritte. Es würde zu weit führen, den Gang der Unterhandlungen 
umftändlich zu verfolgen, Es genüge deshalb die Bemerkung, daß es, 
nachdem von der Waifenhausfommiffion in Pforzheim ein Gutachten, 
vom geheimen Nath Reinhard verfaßt, eingefordert worden war, am 
6. Aprit 1767 zur Abſchließung eines Vertrages kam, der in 24 Para- 
graphen im MWefentlichen folgende Beftimmungen enthielt: Autran und 
Comp. verpflichten fih, auf ihre Koften und ihre Rechnung im Laufe 
des Monats Juni 1767 in Pforzheim eine Fabrik zur Heritellung 
zunähft von Taſchenuhren, jpäter auch von Stoduhren zu errichten und 
für Gewinnung der dazu erforderlichen Arbeiter, fowie für Anſchaffung 
der nöthigen Werkzeuge, mit Ausnahme derer für die Lehrlinge, welche 
die Herrichaft im Betrag von etwa 3 Louisdor für jeden felber bezah— 
len muß, Sorge zu tragen. Sie verpflichten fich ferner, fowohl beim 
- Beginn des Gefchäfts, als im jedem der kommenden fünf Jahre 20 
Knaben und 4 Mädchen, im Alter von mindeftens 12 Jahren, aus 
dem Waifenhaufe, dem die Sorge für deren Unterhalt und Bekleidung 
während der jechsjährigen Lehrzeit überlafien bleibt, in die Lehre zu 


nehmen, jo daß nah Umfluß von 6 Jahren die Er der Lehrlinge 
Piluger, Pforzheim. 





626 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789., 


144, nämlid 120 männlihe und 24 meibliche beträgt. Wenn das 
Waiſenhaus fo viel junge Leute nicht liefern kann, fo behält fi bie 
Gejellichaft vor, die fehlende Zahl aus der Stadt Pforzheim zu neh: 
men, deren Unterhalt aber den Eltern zu überlafien. Die Kinder 
follen während ihrer Lehrzeit fo weit gebracht werden, daß fie nad 
Beendigung derfelben auf die erlernte Kunft der Uhrmacherei ihren 
Lebensunterhalt bauen können, ohne noch in die Fremde gehen zu müf- 
fen, wobei fi die Unternehmer verpflichten, die auf ſolche Weife ge- 
wonnenen Arbeiter gerade fo zu bezahlen, wie die fonft von ihnen vers 
wendeten. Während der Lehrzeit follen den Kindern jeden Tag zu 
einer von der Waifenhausverwaltung zu beftimmenden Zeit 3 Stunden 
behufs des Schulunterrichts, ferner jede Woche außer dem Sonntag 
noch ein halber Tag zur Erholung freigegeben werden. Ein Fabrik 
Iofal muß im Waifenhaus eingeräumt werden, ebenfo 7 Zimmer (ſammt 
Küche) zur Wohnung für die unverheiratheten Fabrikunternehmer. Für 
Beides wird in den nähften 6 Jahren kein Miethzins bezahlt. Für 
Möbeln, mit Ausnahme der Fabrikeinrichtung und der Stühle für bie 
Urbeiter, haben die Unternehmer felber zu forgen. Das Waiſenhaus 
übernimmt aber die Verpflichtung der Heizung ſämmtlicher Lokalitäten 
auf die Dauer von 6 Jahren, wozu demfelben von der Herrfchaft 
jährlich 20 Klafter Buchenholz geliefert werden. Ferner wird den 
Tabrikunternehmern für die erften 6 Jahre eine jährliche Unterſtützungs⸗ 
fumme von 50 Louisdor oder 550 Gulden zugefiher. Von allen 
perfönlichen LZaften, ‚wie auch von der Entrichtung des Pfundzolles für 
all ihr Arbeitsmaterial follen fie befreit fein, und das Staatsbürger: 
recht fol ihnen gratis ertheilt werden; der Stadt Pforzheim. aber follen 
fie für Erlangung des Ortsbürgerrehts die üblihe Summe bezahlen. 
Meber die Aufrecthaltung des Vertrags Hat Namens der Herrichaft 
die Waifenhausverwaltung zu wachen, und verfegen zur Sicherheit die 
Tabrikunternehmer alle ihre Habe als Unterpfand. 

So war nun die Sache geordnet. Autran reiste alsbald nad 
Genf, um dort Arbeitsmaterial, ſowie die nöthigen Werkzeuge einzu: 
kaufen, wozu ihm von der Obereinnehmerei Lörrah 110 Louisdor 
(50 als Unterftügungsgeld für das erfte Jahr und 60 zur Anfchafs 
fung der Werkzeuge für 20 Lehrlinge A 3 Louisdor) ausbezahlt wurden, 
und im Juni 1767 wurde das neue Etabliffement eröffnet. Es bes 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 627 


ſchäftigte ſogleich 30 Perfonen und nahm fo guten Fortgang, daß bald 
mit dem Derfauf fertiger Waaren begonnen werden Eonnte, 


b. Erweiterung der Uhrenfabrik zu einer Uhren-, 
Sumwelen:, Gold: und Stahlwaaren-Fabrik, 


Schon unterm 24. Auguſt desfelben Jahres reichte die Gefell- 
fchaft eine neue, jehr ausführliche Denkſchrift ein, 1) worin nachgewieſen 
war, wie leicht fi ihr Geſchäft auch auf die Fabrikation von Juwe— 
Vierarbeiten (Jouaillerie), Goldwaaren (Bijouterie) und feine Stahl: 
waaren (Quincaillerie) ausdehnen lafje und welche große Vortheile eine 
ſolche Erweiterung der Fabrik verfprehe., Zu dem Ende follte noch 
ein geſchickter Künftler, Baul Preponnier, der in den bedeutendften 
englifchen Fabrifen gearbeitet hätte und fich auf die Anfertigung von 
Juwelier, Gold: und Stahlwaaren vortrefflich verftünde und der dazu 
auch die nöthigen Arbeiter mitbringen wolle, in die Gefellfchaft auf: 
genommen und die Geſchäfte derfelben fo vertheilt werden, daß der neue 
Affocie die Leitung der Fabrikation der eben genannten Waaren, 
Viala die der Uhrmacherei übernehme, Chriftin als geſchickter Mechaniker 
bie Inftandhaltung und Verbefferung der Inſtrumente ſich zur Aufgabe 
mache und Autran die Bücher, Korrefpondenzen zc., überhaupt den 
faufmännifhen Theil des Geſchäfts beforge. Zur Ausführung eines 
folden Plans feien aber wenigftens 30,000 Gulden erforderlich, bie 
man mit Hilfe einer zu bildenden Aktiengefellfchaft in der Weife leicht 
aufbringen könne, dag 30 Aktien & 1000 Gulden ausgegeben würden. 
Markgraf Karl Friedrih nahm ein reges Intereſſe an diefem neuen 
Plane und ficherte der Geſellſchaft feine vollfte Unterftügung zu, bielt 
jedoch die Ausgabe einer größeren Zahl von Aktien mit geringerm 
Betrage für zweddienliher und fette diefelbe auf 100 a 300 Gulden 
feft, und zwar fo, daß je 4 Aktien zufammen eine Stimme in der 
Soeietät haben follen. Zugleich geftattete der Markgraf, daß alle 
müßig liegenden berrichaftlichen Gelder in ſolchen Aktien angelegt werden 
dürften; ebenfo erhielten die Städte Pforzheim und Durlach und andere 
bedentende Kommunen, ſowie das Waiſenhaus ꝛc. die Erlaubniß, in 
diefe Unternehmung mit Aktien fi) einzulaffen. Der geheime Rath 
Reinhard, zum Vorfteher der ganzen Unternehmung ernannt, wurde mit 





1) Sie war nicht weniger als 70 Folioſeiten ſtark. 


40 * 








628 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789, 


dem Intwurfseines neuen Privilegiums auf 12 Jahre — fo Tange 
follte die Aftiengefellihaft dauern — beauftragt, das bereit unterm 
5. Oktober 1767 ausgeftellt wurde. Gleichzeitig erfchien eine gedruckte 
„Nachricht, die von des regierenden Herin Marggraven zu Baden: 
Durlach hochfürſtl. Durchlaucht gnädigft privilegirte Uhren: und feine 
Stahlarbeit-Fabrit in Pforzheim betreffend," worin das Privilegium 
abgedruckt war und zu zahlreicher Betheiligung an diefem Unternehmen 
mit dem Bemerken eingeladen wurde, daß nach hoher fürftlicher Ver: 
orönung die Oberämter, in der Stadt Karleruhe aber der Kammer: 
rath Kärner den Verlauf der Aktien zu beforgen übernommen hätten. 
Melde Hoffnungen man auf diefes Unternehmen gründete, zeigt eine 
Stelle diefer Nachricht, wo es heißt: „Es ift nicht nöthig, wegen der 
Sache etwas Weiteres anzuführen, als daß diejenige, welchen der Inhalt 
derer Privilegien nicht aljobald verftändlich feyn follte, ihre Einlage 
derer dreihundert Gulden als ein Anlehen betrachten müßen, wofür fie 
ihre jährliche Zinfen zu fünfen von dem bundert richtig befommen, und 
daß fie nad zwölf Jahren das Capital nicht allein wieder erhalten, 
fondern auch dabei dasjenige, jo annoch ift gewonnen worden, empfan= 
gen werden, welches nut denen geringften Berechnungen nad) mehr 
als das doppelte diefes Kapitals ausmachen wird; dahero 
dan ein jeder ſich zu beeifern hat, fein Geld an einem Orte anzulegen, 
wo er nicht allein feine Zinfen jährlich, fondern auch, fein Capital nad 
12 Sahren, verhoffentlih mehr als doppelt wieder erhal 
ten wird, ohne daß er ſich dabey nur die geringfte Mühe 
geben darf.“ 

Trotz diefer verlodenden Ausfichten, und obgleih der Markgraf 
und, wie e8 fcheint, auch die Markgräfin Karoline mit gutem Beifpiele 
vorangingen und fich bereit erklärten, felber eine Anzahl Aktien zu neh— 
men, fo gelangte man doch bald zu der Meberzeugung, daß „der vor= 
gehabte Plan mit denen Aktien zu Erlangung eines hinlänglichen Fonds 
für die Pforzheimer Uhrenfabrik allen vorausfehenden Umftänden nad 
nicht durchgufegen fein werde, und fcheine daher nicht wohl ein ander 
Mittel mehr übrig zu fein, um dieſer Fabrik den erforderlichen foliden 
Grund zu verfhaffen, als wenn Gerenifjimus dero Garantie vor ein 
Capital von 30 bis 40,000 Gulden zu geben ſich gnädigft entſchließen 
wollten.“ 1) Der Markgraf erflärte ſich hiezu auch geneigt, und es 


1) Geh, Raths:Protofoll vom 2, Nov. 1767, 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 629 


wurde der geheime Rath Reinhard, der fchon vorher um ein Gutachten 
in diefer Sache angegangen worden war und dasſelbe auch bereits un- 
term 30. Dftober erftattet hatte, mit dem Entwurf eines neuen Pri- 
vilegiums beauftragt, deſſen Beftimmungen der veränderten Sachlage 
entiprechen follten. 

Die Ausftellung diejes Privilegienbriefes erfolgte unterm 9. Nos 
vember 1767. Er beitand aus nicht weniger als 33 Paragraphen, 
deren Hauptinhalt folgender war: Nach entjprechender Einleitung und 
ber Zufage des Markgrafen, die Pforzheimer Fabriken in feinen befons 
dern Tandesväterlihen Schuß und Schirm zu nehmen, werden den Unter: 
nehmern die früher ſchon ertheilten Begünftigungen aufs Neue betätigt 
und dazu auf 12 Jahre noch der jährliche Bezug von 1 Ruder Wein 
verwilligt; fodann wird ihnen die Erlaubniß ertheilt zur Fabrikation 
aller Sorten von Uhren und ihrer Theile, aller Arten von feinen 
Stahlwaaren, fo namentlich von Uhrenketten, Degen, Gewehrbeichlägen, 
Schnallen, Knöpfen, Scheeren, Befteden zc., von Juwelen und Kleinodien 
von Gold und Silber, mit oder ohne Ebdelfteine, von mechanifchen und 
mathematifchen Werkzeugen, aud Teilen, — den Unternehmern wird 
ein Fond von 40,000 Gulden auf 12 Jahre zu Handen geftellt, für 
weldyen der Markgraf, wenn er ihn nicht felber fchießt, den Darleihern 
gegenüber Garantie übernimmt; es folgen fodann Beitimmungen über 
die alljährliche Aufftellung eines Inventars, die Entrichtung der Zinfen, 
bie Vertheilung des Gewinns, die nah Umfluß von 12 Jahren zu 
treffenden Maaßregeln, die Betheiligung des Waifenhaufes am Unter: 
nehmen, die Beftellung eines Dberauffehers über das ganze Geſchäft in 
der Berfon des geh. Raths Reinhard, fowie eines Handlungsverftändi- 
gen zur allmöchentlichen Unterfuhung der Handlungsbücher, die Beeidi— 
gung des anzuftellenden Buchhalters, die Einrichtung der Bücher, die . 
Veftfegung der Firma, die Ausdehnung des Rechts der Verwendung der 
Waiſenhauskinder auf Fabrikation aller Waaren, fehsjährige Lehrzeit 
derjelben mit dem Beifab, daß fie alsdann noch zwei Jahre für das 
Waiſenhaus arbeiten müßten, die Annahme auch anderer Lehrlinge im 
Tal der Unzulänglichkeit der Waifenhauszöglinge und die Vortheile, die 
ihnen in Ausficht ftünden, die Möglichkeit der Verwendung auch preit- 
bafter Perfonen, die Vorausbeftätigung von Privatverträgen zwiſchen 
ben Unternehmern unter fih und der Waifenhaustommiffion gegenüber, 
wenn folhe „unfern Landen und befonders der Stadt Pforzheim zu 





630 Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 17461789, 


befierer Nahrung und Gewerbe verhelfen;“ Aufforderung zu Borfchläs 
gen bezüglich der Fortfegung des Unternehmens über die beftimmten 
42 Jahre hinaus, Weifung an alle betr. Staatsftellen, dem Unterneh⸗ 
„mer jeden Vorſchub zu leiten. 

Es handelte fich jet nur noch um Aufbringung der zu dieſer 
ausgedehntern Unternehmung erforderlichen Fonds. Dieſe Frage wurde 
dadurch raſch entſchieden, daß der Staat die nöthigen Gelder ſelber 
herſchoß. Die Haupttriebfeder, daß dieſes geſchah, ſcheint neben dem 
Markgrafen namentlich die Margräfin Karoline geweſen zu fein. Wel- 
hen Einfluß diefe vortreffliche Fürftin auf ihren Gemahl und feine 
Entſchlüſſe ausübte, ift oben (S. 602) ſchon gejagt worden. Gie war 
auch die Frau nicht, die ſich durch Schwierigkeiten abjchreden Tieß. 

An folhen follte es nicht fehlen. Es ftellte fich nämlich bald 
heraus, daß man bezüglich des Preponnier, den man als vierten Theil 
baber ing Gefchäft ziehen wollte, die Nechnung fo ziemlich ohne ben 
Wirth gemacht hatte, Derſelbe war bisher in Bern im Auftrag einer 
„Stonomifchen Geſellſchaft“ einer Duincailleriefabrik vorgeftanden, die eine 
ziemliche Anzahl von Arbeitern beichäftigte, war aber fo tief in Schulden 
gerathen, daß die öfonomifche Gejellichaft nicht weniger als 20,000 Pfund 
an ihn forderte, die er nicht bezahlen Konnte, Es handelte fich nunmehr 
darum, ob man die Bijouterier und Stahlarbeit in Pforzheim nicht ganz 
weglafien, ober diefelbe ohne den Preponnier einrichten, oder endlich 
diefen in der Societät behalten und bei der ökonomiſchen Gejellichaft 
zu Bern mit obiger Summe auslöjen *folle. Autran und Chriftin 
waren in biefer Frage verfchiedener Meinung, und auch der geheime 
Rath Reinhard, der unterm 23. Januar 1768 darüber ein ansführ: 
liches Gutachten erftattete, in welchem alle Gründe für und wiber auf 
das Sorgfältigfte abgewogen waren, ftellte feinen beftimmten Antrag, 
fondern überließ die endgiltige Entfcheidung der Markgräfin Karoline, 
die an der ganzen Sache fo reges Intereſſe nahm, Diefe Entfcheidung, 
von der das Schickſal der Duimenillerie und mit ihr der für die Folge 
fo wichtigen Bijouterie abhing, harakterifirt fo fehr ben Unternefmmge: 
geift, die Entjchloffenheit und Umficht diefer hohen Frau, daß ſie hier 
vollftändig ftehen mag. „Ich bin,“ fagt fie, „volllommen der Meynung, 
die branche der Quincaillerie als eine der Einträchliſten nicht fahren zu 
lafien, und obgleich der Vorſchlag des Christin fehr solid gedacht ift, 
fo ift jedoch in Anbetracht aller Einwürffe, jo Autran dagegen machet, 





Ad 


Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789, 631 


bes Yettern feiner vorzuziehen, mithin der Preponnier nebſt allen feinen 
machinen und gankem Etablissement auszulößen, doch unter folgenden 
Bedüngniffen: 1) follen fih Autran und Christin, weilen fie Beyde 
gegenwärtig auf dem lab find, erkundigen um die Geſchicklichkeit des 
Preponnier und feiner in der Schweiß verfertigten Waaren, ob ſolche 
denenjenigen gemäß, welche er gezeichet. 2) Haben fie den Preponnier 
zu engagiren, daß er verfpreche, felbften in der Werkſtatt zu arbeiten, 
auf feine Lehrlinge wohl achtung zu geben und fie beftens zu unterrich- 
ten; 3) nichts mit dem Commerce zu thun zu haben; 4) alle Samftag 
die verfertigte Waaren in das magazin zu lieffern; 5) fein Secret 
dem Autran und Christin nicht allein zu communieiren, fondern auch 
in deren Beyſeyn Waaren zu verfertigen, indeme der Preponnier ſowie 
wir alle der Sterblichkeit unterworffen; 6) Iſt wegen der Zahlung 
der 20,000 livres, fo viel e8 ſich wird thun laſſen, dem Vorſchlag des 
Autran, ſolche in terminen zu entrichten, nachzufommen. Caroline 
M. z. B. g. P. z. H. Markgräfin zu Baden, geborene Prinzeffin zu 
Heſſen.) | 

Auf diefe Entſchließung Hin erfolgte die Auslöfung des Preponnier 
und feiner Fabrifeinrichtung mit allen Effekten und Werkzeugen um die 
Summe von 800 Lonisdor. Auch ſämmtliche Arbeiter diefer Fabrik 
wurden für das neue Etabliffement engagirt, und Autran und Chriftin 
reiften felbft in die Schweiz, um noch weitere Arbeitskräfte zu gewin— 
nen. Das ganze Arbeiterperfonal, weldes bis 1. März 1768 in 
Pforzheim eingetroffen war, beftand aus 16 Ehemännern, 13 Chen: 
weibern (die fehlenden 3 kamen fpäter nach), 14 Iedigen Manns: und 
4 ledigen Weibsperfonen, alfo im Ganzen aus 44 Köpfen, nebit 12 
Kindern beiderlei Gefchlehts. Acht Uhrenmacher aus Lachaudefond, 
die man auch angenommen hatte, blieben aus, weil dafelbft ausgefprengt 
worden war, daß alle Arbeiter als Sklaven eingefperrt und behandelt 
werden würden. Es wurden fhleunigft Schritte gethan, um fie durch 
andere zu erfegen, da man fie fehr nöthig brauchte, um die viele Ar- 
beit, welche die Waifenkinder ſchon recht ordentlich zu Stande brachten, 
zu finiren. Mer fi in Pforzheim aud nicht einfand, das war der 
faubere Preponnier. Mit einem Vorſchuß von 27 Louisdor war er 
plöglih unficytbar geworden, Es ftellte fich übrigens heraus, daß der 
Verluſt nicht groß war, indem er von der Duincaillerie gar nichts 
verftand und fich überall als Lügner und Betrüger gezeigt hatt. Man 





632 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746 —1789. 


bofite, auch ohne ihn fertig zu werden. An die neuen Arbeiter hatte 
im Ganzen die Summe von 3390 Gulden als Vorſchuß bezahlt were 
den müſſen, theils um fid im der Schweiz los zu machen, theils um 
fi in Pforzheim einzurichten. Diejer Vorſchuß follte ihnen an ihrem 
Lohn nad) und nad wieder abgezogen werden. Die Arbeiter waren 
größtentheils jehr geſchickte Leute. Als ganz vorzüglich erwieſen ſich bald 
die beiden Engländer Price und Cashmore, der Graveur Lartique, 
der Uhrgehäuſemacher Nendu, der Bijoutier Stähli, der auch die Schiff: 
hen von Elfenbein, die man damals in den Obrgehängen trug, fowie 
Landſchaften aus Haaren zu machen verftand, endlich der Mechanikus 
Plan. Sämmtlihe Weiber wurden ebenfalls in der Fabrik beſchäftigt, 
und zwar mit Vergolden, oliven, Weberziehen der Uhrgehäuſe zc., 
wobei fie einen ſchönen Verdienſt hatten. „Zu wünſchen wäre”, fagt 
Reinhard in einem unterm 29. April 1768 erftatteten Bericht, „daß 
die Weiber dem Kleiderprachte nicht fo jehr ergeben wären!“ 

Die Arbeiter, größtentheils Franzoſen und franzöftiche Schweizer, 
wurden alle nach dem Stück bezahlt und ftellten fich dabei zum Theil 
recht gut. So war der durchfchnittliche Monatsverdienft des Graveurs 
Lartique und feiner Frau 88 Gulden, Andere ftellten fih auf 55, 44 
33 Gulden und fo herunter bis zur Stahlpoliffeufe, welche freilich nur 
5 fl. 30 Er. verdiente. Einſchließlich der 30 Waifentinder, welche be- 
reits in der Fabrik verwendet wurden, belief fi) da8 Gefammtperfonal 
derfelben am Tage der Eröffnung, nämlich am 1. März 1768, auf 
74 Köpfe, immerhin ein bedeutender Anfang. Zum Buchhalter der 
Tabrit wurde Johann Jakob Ador beftellt, ein feinem Gefchäfte 
durchaus gewachfener und ſehr fleifiger junger Mann, der, von fran- 
zöſiſchen Eltern in England geboren, eben fo gut franzöfifch und eng— 
liſch, als deutſch ſprach und ſchrieb. 

So ſchienen nun die Verhältniſſe allfeitig geordnet, und man durfte 
um jo mehr hoffen, daß das Unternehmen ſich gut rentiren werde, als 
ſich ſchon bei der bisher betriebenen ÜUhrenfabrit bis 1. März 1768, 
an welchem Tage ein Inventar aufgeftellt und die Bilanz gezogen wurde, 
ein Gewinn von 1127 fl. 24/, kr. Herausftellte, trotzdem, daß das 
Geſchäft bisher noch in feiner großen Ausdehnung betrieben worden war. 
Zur Fortführung der Fabrit in ihrer dermaligen Ausdehnung hielt 
man wenigftens jährliche 24,000 Gulden für nothwendig. Bom 1. März 
bis 25. April beliefen fih die Ausgaben für die Fabrik bereits auf 


Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 633 


34% fl. 5 fr. Man hoffte jedoch zuverfichtlich, daß troß des unerwar- 
teten Aufwandes, den die Auslöfung der Quincailleriefabrit in Bern 
verurfacht hatte, der urfprünglich beſtimmte Vorſchuß von 40,000 fl. 
binreichen werde, um die Sache in guten Gang zu bringen, namentlid, 
da nicht nur an fertiger Waare immer unter der Hand verkauft wurde, 
fondern die Unternehmer auch darauf rechnen durften, die Frankfurter 
Herbitmefje mit einem anfehnliden Lager von Uhren, Bijouterie- und 
Duincailleriewaaren beziehen zu fünnen, wofür die Zahlung theils baar 
einging, theils für die Dftermefje 1769 in Ausficht ftand. — Die 
Bergrößerung der Fabrik hatte ſchon im Frühjahr 1768 die Erbauung 
einer weitern Werfftätte nothwendig gemacht. 


ec. Trennung der Quincailleriefabrif von der 
Uhrenfabrik. 


Bald jedoch brachen unter den drei Fabrikunternehmern Mißhellig— 
keiten aus. Schon in dem bereits angezogenen Bericht des Geheime— 
raths Reinhard über den Zuſtand der Fabrik vom 29, April 1768 
bedauerte derjelbe, daß ſich zwijchen den Afjocies „einiger Widerwille 
anfpinnen wolle.” Er fhildert darin Autran als einen fehr herſchſüch— 
tigen Mann, der in gehörigen Schranken gehalten werden müfje, wenn 
nicht jelbft die Ordnung des Waijenhaufes über den Haufen geworfen 
werden folle. Es war deshalb ſchon unterm 29, April eine Inſtruk— 
tion entworfen worden, welche jedem derartigen Beginnen aufs Kräf: 
tigfte einen Riegel vorſchob. Chriftin wird das Lob eines gefeßten und 
ehrlichen Mannes gezollt, Es fcheint jedoh, daß er häufig deswegen 
Unzufriedenheit erregte‘, weil er über -feiner Beſchäftigung mit mecha— 
nifhen Arbeiten, die fein Nachdenken und feine Zeit mehr als nöthig 
in Anſpruch nahmen, fein eigentliches Geſchäft, die Uhrmacherei, vielfach 
vernachläffigte. Von Viala wird gejagt, daß er ein gutes Herz habe, 
fehr fleißig fei, aber wegen feiner Jugend noch nicht genug Erfahrung 
befige. Die Mißhelligkeiten wurden nad) und nad von der Art, daß 
unterm 16. Juni 1768 der Geheimerath Neinhard im Auftrag des 
Markgrafen fich jelber nad) Pforzheim begab, um den Frieden wieder 
berzuftellen. Ex mußte ſich aber bald überzeugen, daß feine Bemühun- 
gen fruchtlos waren, und zeigte fi) deshalb nicht abgeneigt, auf den 
von Chriftin und Viala gemachten Vorſchlag einer Theilung der 





634 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 17461789, 


Fabrik einzugehen, obgleich diefelbe mit feinen geringen Schwierigkeiten 
verbunden war. Es war noch eine zweite Reiſe nad) Pforzheim noth- 
wendig, um bie Unterhandlungen wegen der Trennung, zu welcher ber 
Markgraf feine Zuftimmung gegeben hatte, in jo weit zum Abſchluß zu - 
bringen, daß ein darauf abzielender Vertrag vereinbart werden konnte. 
Letzteres geihah unterm 28, Juni 1768. Autran übernahm den Theil 
der Fabrik, welcher die Duincaillerie umfaßte und affocirte ſich mit dem 
bisherigen Buchhalter Ador, fo daß diefes Geſchäft nunmehr unter der 
Firma Autran und Ador geführt wurde. Für die Abtretung des 
Zweiges der Duincaillerie bezahlten diefelben an Chriftin und Viala 
die Summe von 4466 fl. 46 fr. Die Uhren», Bijouterie: und Ju- 
welenfabrit blieb bei der Firma Ehriftin und Viala; Hoch behielt 
fih auch Autran das Recht vor, feine Fabrik auf ſolche Waaren aus: 
zudehnen. Die Arbeiter und Lehrlinge wurden in angemefjener Weife 
auf beide Fabriken vertheilt; das Gleiche geſchah mit den Lofalitäten 
im Waiſenhauſe, die indeſſen ſogleich nach der Trennung durch einen 
Neubau vergrößert wurden, ebenfo mit den bewilligten 20 Klaftern 
Holz, wovon jeder Theil LO erhielt, mit dem ebenfalls bewilligten Fuder 
Wein, wovon Autran und Ador künftig 4, Chriftin und Viala aber 
6 Ohm erhalten follten, und endlich mit der jährlich zu beziehenden 
Geldunterftügung von 550 Gulden, wovon den Erftgenannten 250, 
letsteren aber 300 Gulden zugefchieden wurden. Beide Theile ver- 
ſprachen, Alles zu vermeiden, wodurd in Zukunft das friedliche Ber: 
hältniß zwifchen ihren Fabriken und deren Arbeiter geftört werben könnte. 
Ihrer Bitte, daß nun auch auf Grund der Trennung jedem Theil die 
früber gegebenen Privilegien befonders beftätigt werden follten, wurde 
von Seiten der Regierung auf das DBereitwilligfte entiprochen, Bezüge. 
Vic der Fabrik von Chriftin und Viala fand es der Geheimrath Rein: 
bard nothwendig, einen ausführlichen Plan zu entwerfen, wie die Ge: 
ſchäfte Fünftig geführt werden follten. Es ſcheint derfelbe in die Kauf: 
männifchen Einfichten Chriftins nicht das befte Vertrauen gehabt zu 
haben. Für beide Fabriken erfchien unterm 17. Oktober 1768 in 
deutſcher und franzöfifcher Sprache eine gebrudte Verordnung, worin 
namentlich das Nöthige über das Verhältnig der Arbeiter zu den Fabrik 
unternehmern fefigefeßt wurde. ALS erfte Pforzheimer „Fabrikordnung“ 
möge fie bier eine Stelle finden. 


* 


Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 635 


Berordnung 
in Betreff der zu Pforzheim errichteten Uhren-, feinen Stahlarbeit- 
Kleinod» und Juwelen-Fabriken, mit denen damit verbundenen 
Profeflionen. 
Bon GOTTES Gnaden Wir CART FRIDENICH, Marg: 
grad zu Baden und Hochberg, Landgrav zu Saufenberg, Grav zu 
Sponheim und Eberftein, Herr zu Nöten, Badenweiler, Lahr und 
Mahlberg, ꝛc. entbieten allen denen, welche diefes fehen und leſen, 
unfern Gruß! 

Demnah Wir Unfern Lieben Getreuen, Autran und Ador 
einer: auch Ehriftin und Viala andererjeits gnädigſt erlaubt haben, 
in Unferer guten Stadt Pforzheim eine Uhren: feine Stahlarbeit: Kleinod: 
und Auwelen-Fabrife, mit denen damit verbundenen Kunftäften, zu er: 
richten, auch ihnen zu dem Ende verfchiedene Privilegien ertbeilet haben; 
als betätigen Wir 

I. ſolche durch gegenwärtiges ihrem ganzen Anhalt nach und befeh- 
len denen Präfidenten und Räthen Unferer Regierung, ſodann Unjerm 
Dberamt Pforzheim, wie auch Unferer Waifenhauscommiffton und 
dem Oberaufjeher erfagter Fabrifen, genaue Aufficht zu tragen, damit 
ſolchen in allem pünctliche Genüge gefchehe. 

I. Wir nehmen die Entrepreneurs gedachter Fabriken nebft ihren 
Arbeitern, ihren Weibern und Kindern, fo, wie fonft alle und jede ihnen 
zugehörige Leute, in Unfern bejondern Schutz und befehlen Unferm 
Dberamt Pforzheim, dem dafigen Stadtmagiftrat und allen denen 
Unfrigen, fie mit aller Achtung zu behandeln, ihnen bei allen Vorfälle 
geſchwinde Juſtiz zu verichaffen, und bei allen Gelegenheiten Hülfe zu 
leiften, wo fie deren benöthiget fein mögten. 

III. Die Entrepreneurs werden ihrerfeit fo, wie bie Arbeitere, 
ihre Weiber und Kinder, auch fonft alle und jede, fo bei denen Fabriken 
fteben, ein wohlanftändiges Leben führen, um fi dur ihre Auffüh- 
rung fomwohl, als durch ihre Talente und Gefchielichfeiten von andern 
zu unterfcheiden und in dem einen und anderen Betrachte Unfere Gnade 
und MWohlwollen zu verdienen. 

IV. Sie werden ihren Arbeiten fleifig obliegen, allen Müſſiggang 
vermeiden und durch ihre Nemfigkeit trachten, ſich auffer Schulden und 
in einem guten Nahrungsftande zu erhalten. 

V. Die Arbeitere follen gegen die Entrepreneurs die gebührende 





636 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746 —1789, 


Achtung tragen und diefe hinwiederum gegen jene mit aller Höflichkeit 
verfahren. Alle und jede, fo zu der Fabrik gehören, follen ſich aller 
Zänkerey, aller Beleidigungen enthalten, und niemahls weder über ihre 
Mitarbeitere, noch über fonft jemanden, er ſey, wer er wolle, auf eine 
nicht geziemende Art reden. 

VI. Fals auch die Arbeitere untereinander Händel befämen, fo 
haben fie jolche denen Entrepreneurs vorzutragen, um fie gütlich beizu- 
legen; und, wenn biefes fruchtlos abliefe, jo haben fie e8 vor den Prä- 
fidenten zu bringen, welder alsdenn freye Macht bat, fie felbit abzu— 
thun, oder an das Oberamt gelangen zu laſſen. 

VII Es fol aber feiner den Präfidenten perſönlich überlaufen, 
fondern bei allen Vorfallenheiten zu Haufe und bei feiner Arbeit blei= 
ben, und fein Anliegen durch ein vermittelit der alle Tage abgehenden 
Poft anhero zu fendendes Memorial geziemend vortragen. 

VIII. Bielweniger follen die Arbeiter, wann einem oder dem 
andern von ihnen eine Beleidigung wiederfahren wäre, des Arbeitens 
ſich enthalten, fondern der Entſcheidung der Sache ruhig abwarten und 
bei ihrem Gejchäfte verbleiben; wiedrigenfalls dafjelbe als eine vorfäß- 
liche Meuterei beftraft werden foll, 

IX. Diejenigen Zwiftigfeiten, fo ſich zwiſchen denen Entrepreneurs 
und denen Arbeitern entjpinnen, follen gleihmäßig vor den Präfidenten 
gebracht werden, um fie entweder felbit zu entjcheiden oder dem Ober: 
amt zur Entſcheidung zuzuſchicken. 

X. Die Entrepreneurs und Arbeitere haben niemahls auffer Acht 
zu lafien, daß fie mit den Bürgeren und den Einwohneren der Stadt 
in guter Eintracht leben, und ihnen eben fo begegnen, wie fie wünfchen, 
daß ihnen von den Bürgeren und Einwohneren begegnet würde. 

XI. Diejenigen Händel, fo zwifchen denen Bürgeren und denen 
Fabrikanten entftehen, ſollen durch das Dberamt abgeurtheilt werden. 

XII. Da das Waifenhaus beftimt ift, die Sitten der Kinder zu 
bilden, welche darin aufgenommen werden, und für die dürftigen Kran— 
fen zu forgen: fo ift es billig, daß der Wohlftand hauptſächlich darin 
beobachtet werde, und daß nichts die Ordnung, Ruhe und Stille dafelbft 
ftöhren könne. Daher wird denen, fo bei denen Fabriken ftehen, aufer- 
legt, dahin vorzüglich ihren Bedacht zu nehmen; denen Entrepreneurs 
aber wird obliegen, die Hand darauf zu halten, widrigenfal® Sie vor 
bie Mebertretungen ftehen follen. ' 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746-1789. 637 


XII. Niemand fol fi) in die Angelegenheit diefes Haufes mifchen, 
noch mit denen aufgenommenen oder darin dienenden Leuten ein Gewerb 
haben. Man fol fie auch auf Feine Weife zu feinem Dienft brauchen. 
Die Lehrlinge find auf die Stunde, da ihre Arbeit aufhört, zurüd zu 
ſchicken und zu nichts, als denen Arbeiten in demjenigen Theile der 
Fabrik, fo fie erlernen, anzubalten. 

XIV. &s wird hiemit ausdrücklich verboten, Hunde oder Katen 
in dem Waifenhaufe zu halten, oder dahin zu bringen. Die Reinigkeit 
diefes Haufes leidet dergleichen Thiere nicht, welche in gewiſſen Umftän- 
den für den Haufen derer dafelbft befindlichen Kinder fehr gefährlich 
werden könten. 

XV. Jederman enthalte fih, etwas, jo dem Waifenhaufe zugehört, 
zu nehmen; es fei Holz, Kräuter, Blumen, oder fonft etwas, wenn es 
auch von ganz feinem Werthe wäre. Ein gleiches ift auch in Anfehung 
der Werkzeuge und Hausgeräthe, fo diefem Haufe gehören, zu beobachten. 

XVI. Die Entrepreneurs find beredhtiget, nad) ihrem Gefallen 
Arbeitere anzunehmen, oder zu entlaffen; allein die Uebereinkünfte zwi⸗— 
chen denen Entrepreneurs und denen Arbeitern müfjen von beiden Sei: 
ten auf das beiligfte beobachtet werden, anfer in dem Falle einer üblen 
Aufführung oder des Mangels an Gefchiklichkeit, in welchem Falle es 
jedoch auf die Enticheidung des Präfidenten anfommen wird. 

XVII. Wenn die Zeit der Webereinkunft zu Ende ift, fo könen 
die Urbeiter die Fabrike verlaffen, und fi) anders wohin begeben, nach— 
dem fie vorher die Schulden, fo fie etwan gemacht, bezahlt haben. 

XVII. Diejenigen, welche davon gehen, ohne ihre Gläubigere 
befriediget zu haben, follen als Diebe behandelt werden; und, woferne 
man derer nicht wieder habhaft werden kann, fo follen ihre Namen, 
mit Bemerkung ihres Baterlandes, durch den Scharfrichter auf einer 
ſchwarzen Tafel, weldhe an den Mauren des Nathhaufes, nahe bei dem 
Halseifen, aufgehenkt wird, angefchlagen werden. Man wird aud das 
Publikum in verfchiedenen Zeitungen warnen, einen folchen ehrloſen 
Menſchen in denen Werkftätten aufzunehmen; fondern vielmehr ihn in 
Derhaft zu ſetzen, bis er feine Gläubigere bezahlt hat, und damit wegen 
des von ihm begangenen Verbrechens und deſſen Beftrafung gegen ihn 
gerichtlich verfahren werden könne. 

XIX. Die Arbeiter in den Fabriken haben ſich forgfältig in 
Acht zu nehmen, daß fie von ausfändifhen Orten feine Waaren kom⸗ 





638 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


men lafjen, dergleichen zu Pforzheim verfertiget werden, noch auch damit 
Handel treiben, unter welhem Vorwand es auch immer feye, bei Strafe 
der Confiſcation diefer alfo zum Vertrieb gebrachten Waaren, und ohne 
Ausnahme, ob es mit Bewilligung einer oder der anderen Fabrike 
geichehen fete, indem feine der andern in folhem Tal Nachtheil bringen 
fol. Auch follen fie ferner fich enthalten, es fey in müfligen Stunden 
oder fonften, einige Waaren vor ihre eigene Rechnung zu verfertigen, 
bei gleicher Strafe der Confifcation. 

XX. Eben fo wenig follen fie unter fich Rotterien errichten, 

XXI. Mit dem Gold, Silber und andern Materialien, auch 
denen ihnen anvertrauten Werkzeugen, follen fie getreulih und ohne 
Gefährde umgehen, bei Strafe des Hausdiebftahls, als welcher weit 
ſchärfer, als ein anderer Diebftahl, beftrafet wird. Mit der Ausflucht, 
als Hätte man die Abſicht gehabt, ſolche wieder zu erfegen, wird nie 
mand gehöret werden. 

XXI. Es foll feiner des andern Materialien noch Werkzeuge 
nehmen, um fich deren bei feinem Gefchäfte zu bedienen, wenn auch 
gleich Keine ſchlimme Abficht dabei wäre. 

AXIIL. Jede Uebertretung diefer Gefete fol von dem Präfidenten 
mit einer Geldftrafe, oder bewandten Umftänden nad, mit dem Gefäng- 
nis und Confifention beleget werden, je nachdem die letztere vermöge 
diefer Geſetze ftatt findet. Schmwerere Verbrechen, dergleichen der Dieb: 
ftahl und andere diefem beitommende Vergehungen find, follen vor Unfer 
Hofgericht gebracht und daſelbſt abgeurtheilt werden. 

XZXIV. Sm übrigen hat man ſich überhaupt nach denen Geſetzen 
des Landes und denen Verordnungen zu richten, welche noch künftig 
ericheinen werden, 

Wir befehlen darauf allen denen Unfrigen, vornämlid dem Obers 
aufſeher derer beiden Fabriken, auf die Volziehung dieſer unferer Ver: 
ordnung ein wachtfames Auge zu haben, ſolche in öffentlichen Drud zu 
geben, und an allen Thüren deren Werkftätten beider Fabriken an- 
lagen zu laſſen. Gegeben in unjerer Refidenzftadt Carlsruhe, den 
17. October 1768, 

(L.8.) Earl Friederih, Marggr. zu Baden. J 

Vt. A. J. von Hahn. Vt. Seubert. 

Beide Fabriken gaben nunmehr gedruckte Cireulare aus, woraus 
die Manchfaltigkeit der Arbeiten, welche ſie zu liefern gedachten, erſichtlich 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 639 


ft. Das von Chriftin und Viala Tautet vollftändig: „Privilegirte 
Fabrik. Chriftin und Viala, zu Pforzheim in dem Markgräflich- 
Baden⸗-Durlachiſchen haben unter dem gnädigften Schub und Privilegio 
des Herrn Markgrafen von Baden-Durlach eine Manufaktur errid: 
tet, in welcher alle Gattungen von Uhren und Juwelen, erftere 
verfertigt und leßtere nach dem beiten und neueften Gefhmad gefaßt 
werden. Es find dafelbft fertig zu Haben: Stoduhren (Pendüles) von 
ber beiten franzöfifchen und englifchen Art, mit fich bewegenden Figuren, 
mit Glodenfpielen, Orgeln zc., große Schlaguhren, Saduhren von Gold 
und Silber, die repetiven und nicht vepetiren, mit Juwelen befegt, auch 
ohne diefelbe, oben und unten durchſichtig oder auch nicht. — Tabatieren 
oder Dofen von Gold von verfchiedenem Geſchmack, emaillirt gemalte, 
geftochene, in vier Tarben, erhaben (basrelief) gearbeitete ꝛc. Uhrketten 
fowohl für Herren als Damen, von Gold mit und ohne Emaille, 
Etuis, Stodfnöpfe, Armbänder, Uhrenſchlüſſel, Hemdentnöpfe, alle Gat- 
tungen Berloquen von dem nämlichen Metall und von nämlicher Arbeit, 
mit oder ohne Juwelen, mit und ohne Emaille Malerei, in Gold von 
ein= oder vierfacher Farbe ꝛc. — Dofen oder Tabatieren von Schildfrot, 
mit Gold eingelegt, aud mit Mebdaillons in Email, Alles nach dem 
beften neueften franzöfifhen und englifhen Geſchmack. — Alle Sorten 
Werkzeuge für Uhrmacher und Goldarbeiter ſowohl, als alle Gattungen . 
von Teilen für beide Profeffionen, von den ganz feinften an bis zu den 
geringften, auf die befte Art. — Alle einzelnen Stüde, jo zu großen 
und Heinen Uhren gehören in der Zerlegung, als: Pendulfaften, Sad: 
uhrſchalen von Gold oder Silber oder Emaille, mit oder ohne Juwe— 
len, emaillirte Zifferblätter, Spiralfedern, Ketten zur Schnede, alles 
Mäderwerk, Spindeln, Unruhen, Schließfebern, Platten, gravirte Kloben 
ıc. und alle Stüde, die zu einer Uhr gehören, dubendweife, jo daß 
jeder nur ein wenig Erfahrene mit Hilfe obiger Werkzeuge felbft Uhren 
zufammenjegen kann. — So wie ganz volllommen fertige Uhren von 
allen Sorten zu haben find, fo find felbige auch zwar zufammengefest, 
doch noch umvollendet (em blanc) zu haben. — Alle diejenigen, denen 
es belieben wird, dieſelbe mit eigener Gegenwart, oder mit fchriftlichen 
Kommiffionen zu beehren, werden fie nicht allein auf das Befte, fondern 
auch auf das fchleunigfte und billigſte, mit ganz vollfommener, vorzüg- 
licher, untadelhafter Arbeit zu bedienen ſich zur Ehre machen, wozu fie 
um ſo mehr im Stande find, als fie nebft andern Vortheilen ganz 





640 Ahtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746— 1789. 


geheime Werkzeuge befiten, vermittelft welcher die Uhrenſtücke bequemer, 
leichter und wohlfeiler, als in andern Fabriken verfertigt werden können.“ 

Aehnlich Tautet der franzöfiihe Waarencourant von Autran und 
Ador; nur fehlen die Stoduhren, die Jumwelierarbeiten, ſowie die Werk: 
zeuge und einzelmen Uhrentheile. Dafür findet ſich darin eine reiche 
Auswahl von Stahlwaaren verzeichnet, als alle Sorten von Uhrketten, 
feine und orbdinäre für Herren und Damen in den mandfadhften Muftern 
und im feinften englifchen Geſchmack um den Bbilligften, wie um den 
höchſten Preis, ebenfo alle Sorten von Schnallen, Uhrſchlüſſel nad) eng= 
lichen und franzöſiſchen Geſchmack, Kleiderfnöpfe, Hafen, UÜhrenzeiger, 
Beichläge, Sporen ꝛc. Alles in der Qualität englifäier MWaaren und zu 
den billigften Breifen. 

Daß beide Fabriken ſich bei der vorgenommenen Trennung gut 
befanden, zeigen zwei Berichte des Geheimenraths Reinhard, die er un- 
term 27. Januar und 19, Mat 1769 über den Zuſtand derfelben er- 
ftattete. Er fand Alles in Ruhe, Friede und guter Ordnung. Bei 
Ghriftin und Biala ging die UÜhrenmacherei recht gut von Statten und 
hatte der Verſchluß der fertigen Waaren einen günftigen Anfang ge 
nommen. As Probe der Gefchidlichkeit der Arbeiter und des feinen 
Geſchmackes, defjen fich diefe Fabrik beflig, wurde damals dem Mark: 
grafen eine ganz gemalte und in Gold gefaßte Dofe vorgezeigt. In— 
defjen gaben Ehriftin und Viala auf den Rath Reinhards die Jouaille— 
vie bald ganz auf, einestheild weil fie dies Geſchäft nicht recht verſtan— 
den, anderntheils weil dasfelbe zu viel Mittel im Anfpruh nahm, und 
„befaßten ſich überhaupt einzig und allein mit der Uhrmacherei. Den 
Lehrlingen aus dem Waiſenhaus wird das Lob gezollt, daß ſie viel 
Freude und Geſchick zur Arbeit zeigten. Bei Autran und Ador wurde 
die Uhrmacherei nur ſchwach betrieben, und beſchäftigte dieſelbe blos 
4—5 Urbeiter mit etwa einem halben Dutzend von Lehrlingen. Deſto 
mehr befaßte fich diefe Fabrik mit der Duincaillerie und Bijouterie, 
damals insbefondere mit Anfertigung der in Mode gekommenen ftähler- 
nen, mit Gold garmirten Uhrketten, und zeigten darin namentlich 8 eng« 
liche Arbeiter unglaublichen Fleiß, große Geſchwindigkeit und Alkura— 
teffe, und machten unter ihrer Leitung auch die Lehrlinge bedeutende 
Vortfchritte. Ebenſo zufrieden war man mit dem Schmied und dem 
Feilenmacher, beide ebenfalls Engländer, Erſterer wurde bereits von 
einem Pforzheimer Nagelichmied unterftüßt, der Glieder zu ben Uhr: 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 17461789. 641 


fetten Tieferte. Diefe englifchen Arbeiter hatte Autran auf zwei Reifen, 
die er eigens zu dieſem Zweck nad England machte (und deren 
Koften fi auf nicht weniger als 2143 fl. 8 fr. beliefen,) zu gewinnen 
gewußt. Der vorzüglichfte Arbeiter in ber Bijouterie war Trumeau. 
Was der Fabrik noch fehlte, das war ein gefchieter Preßmeiſter, und 
man gab fi alle Mühe, einen foldhen ausfindig zu machen. Cbenfo 
wurde die Anjhaffung eines Schleiffteins, der zur Herftellung der gro— 
Ben Feilen nöthig fei, fowie die Benützung einer fchon vorhandenen Waf- 
ferfraft zum Treiben desfelben in Vorſchlag gebracht und auch geneh— 
migt und zu bdiefem Behufe ein neues, 102 Schuh Tanges, 16 Schuß 
breites, in der Mitte 42 Schuh lang zweiftödiges Fabriklokal erbaut, 
wozu wie früher das Holz aus Herrſchaftswaldungen unentgeldlich abge: 
geben wurde. Den Engländern wird nachgerühmt, daß fie ſich durch 
eine vortrefflihe Aufführung auszeichneten, weshalb fie in Pforzheim 
bochgeachtet feien. Sehr gern ſah es daher Reinhard in feinem Bericht, 
daß mehrere davon in Pforzheim fich zu verheirathen die Abficht zeig: 
ten und knüpfte die Hoffnung daran, daß diefer Umftand fie immer 
mehr an das Land binden würde und „eine Nace guter Arbeiter ver: 
ſpreche.“ — Den bei Chriftin und Viala befchäftigten Arbeitern, meifteng 
Tranzofen und welſchen Schweizern, wird dagegen nicht das befte Lob 
gefpendet.” „Die meiften von ihnen, fagt Reinhard, „lieben die Arbeit 
nicht, haben eine flüchtige Lebensart, gehen viel fpazieren, und es ift zu 
befürchten, daß die Waifenkinder, fo bei ihnen find, eben diefe Unarten 
annehmen werden.” Cr rieth deshalb dringend zu ftrengerer Aufficht 
und befjerer Zucht und forderte Chriftin und Viala auf, ihren Arbeitern 
durchaus Keine Vorfhüffe mehr zu machen, — Eine unterm 8. Mai 
von dem hiezu durch fürftlichen Erlaß beauftragten Rechnungsrath-Ad- 
juntten Sägerfchmied vorgenommene Unterſuchung der Handelsbücher 
beider Fabriken (e8 wurde ihm für diefes Geſchäft, das alle Vierteljahr 
wiederfehren follte, fpäter ein Averfum von jährlichen 105 fl. ausge: 
worfen, wovon jede Fabrik die Hälfte zu tragen hatte,) ergab bei Autran 
und Ador die günftigften Nefultate und waren die Bücher in befter 
Drdnung, nicht fo bei Ehriftin und Viala, die fich indefjen mit längerer 
Krankheit ihres Buchhalters entſchuldigten. Erſtere Fabrik hatte bis 
30. April 1769 bereits 22,822 fl. 28 fr., letztere 12,326 fl. 38 fr. 
Vorſchuß erhalten, 

Eine Gejchäftsreife, welche Autran im Juni 1769 nach Frankreich 

Pflüger, Pforzheim. 4 





642 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


antrat und von welcher er im März 1770 zurückkehrte, hatte den beften 
Erfolg. Er verkaufte dabei nicht nur für mehr als 6000 fl. Waaren, 
an denen durchſchnittlich 250%), verdient wurden, fondern erhielt auch 
Beftellungen auf 5—6 Monate, welche einen Reingewinn von 3 bis 
4000 Gulden verſprachen. Ueberall, namentlid) in Paris, Lyon, Mar: 
feille, Air ꝛc. hatte er Verbindungen angefnüpft, melde einen dauernden 
und fihern Verſchluß um fo mehr begründeten, als Autran ſich überall 
genau verläffigte, welcher Art Maaren am Beiten gingen, und fi in 
Paris und Lyon dazu Zeichnungen verfertigen ließ. Auch mit zwei 
Petersburger Häufern war diefe Fabrik bereits in Geichäftsverbindung 
getreten, jo daß eine nach Italien und nad andern Rändern projeftirte 
Reife nicht ausgeführt wurde, weil fonft am Ende die Fabrik gar nit 
im Stande gemefen wäre, allen Aufträgen rechtzeitig zu genügen. 
Diefer erfreuliche Fortgang des Duincailleriegefchäftes bedingte einerfeits 
die Vergrößerung desfelben und zwar, wie vorgejählagen wurde, durch 
Anſchaffung mehrerer Mafchinen (namentlich eines Schlag: und eines 
Polirwerkes), durch Vermehrung der Arbeiter und Lehrlinge und endlich 
durd einen weitern Vorfhuß von einigen Taufend Gulden, — anderer: 
jeits erwuchs daraus die Nothwendigkeit, alle Kräfte und alle Geld- 
mittel auf das Duincailleriegefhäft zu Fonzentriren und die Uhrenfabri— 
fation gänzlich aufzugeben. Zu dem Ende wurden mit Chriftin und 
Biala Unterhandlungen gepflogen und am 15. Mat 1770 mit fürftl. 
Genehmigung ein Vertrag abgefchloffen, laut defien Autran und Ador 
ihre ganze Ührenmacherei mit allen Arbeitern, Waarenvorräthen, Werk: 
zeugen ꝛc., kurz allen Aktiven und Baffiven um die Summe von nahezu 
5000 Gulden an Ehriftin und Viala abtraten, 

Mit aller Macht warf ſich nun die Fabrik von Autran und Ador 
auf die Anfertigung von Stahlmaaren, die nah dem Gefchmad jener 
Zeit mit Gold verziert wurden. Die Fabrikation ganz goldener Artikel 
wurde vor der Hand aufgegeben. Ich werde auf diefe Fabrik und ihren 
fernern Fortgang unten wieder zurückkommen, und will zunächſt über 
die weitere Entmwidelung der Uhrenfabrikation das Nöthige bemerken, 
Sch füge hier nur noch die Notiz bei, daß zu der Zeit, zu welcher 
meine Darftellung jest vorgerüct ift (April 1770), beide Fabriken bes 
reits über 100 Perſonen befchäftigten, und die Zahl ſämmtlicher Per: 
fonen, welche zu Anfang des darauf folgenden Jahres, Weiber und 
Kinder eingefchloffen, zu beiden Fabriken gehörten, ſchon 274 betrug, 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746-1789. 643. 


wovon 142 auf Ehriftin und Viala und 132 auf Autran und Ador 
kamen. 


d. Weiterer Fortgang der Uhrenfabrikation. 


Keinen ſo erfreulichen Fortgang, wie die Quincaillerie-, wollte die 
Uhrenfabrik nehmen. Zwar zeigten die darin beſchäftigten Lehrlinge vie— 
les Geſchick; die Feilenhauerei, ſowie die Werkſtätte zur Herſtellung der 
Werkzeuge für die Arbeiter, thaten ihr Möglichſtes; die Uhrgehäuſe 
wurden immer beſſer und geſchmackvoller, ebenſo wurde im Zifferblatt⸗ 
und Schmelzmalen (der Maler Blaremberg hatte eine eigene Zeichen— 
ſchule errichtet) ſowie in der Verfertigung der Uhrenketten ꝛc. recht Tüch- 
tige geleiftet: allein e8 herrfchte in den Büchern und Rechnungen dies 
jes Gefchäftes nicht die befte Ordnung, man hatte zu viel Leute und 
mußte fie zu theuer bezahlen, — und, was nun freilich ein fataler 
Umftand war, e8 fehlte an Waarenabjat. Die Fabrifunternefmer gaben 
ſich zwar alle Mühe, einen folchen zu erzielen, Viala hatte fchon einige 
Male die Frankfurter Meſſe, jo auch zu Oftern 1770 mit einem ver: 
hältnißmäßig bedeutenden Waarenlager (im Werth von beinahe 7000 
Gulden) beſucht; Chriftin hatte im Februar eine Neife in die Gegend von 
Augsburg, Regensburg und Nürnberg unternommen und fi) dort mit 
17 guten Häufern und 35 Uhrmacher in Bekanntſchaft gefett, welch letztere 
auch in Zifferblättern, Uhrgehäufen, Werkzeugen, Teilen, Schmelzmales 
reien ꝛc. für etwa 2000 Gulden Beftellungen machten. Das Alles 
erſchien aber nicht hinlänglich, um zwiſchen Fabrikation und Abſatz das 
richtige Verhältniß berzuftellen. Es wurden deshalb neue Gejchäftsreifen 
in die Schweiz, nad) Paris, Holland fowie nach Leipzig projektirt, 
meiſt auch ausgeführt, und der Fabrik zur Vermehrung ihrer disponibeln 
Fonds ein meiterer Vorſchuß von 6000 Gulden, vom Juli bis Dezem- 
ber 1770 in Monatsraten von 1000 Gulden zu erheben, bewilligt, 
jedod die Bemerkung daran gefnüpft, daß feine weiteren Vorſchüſſe zu 
erwarten feien. Gleichzeitig wurde den beiden Chefs diefer Fabrik bes 
deutet, daß fie in ihrem Gefchäft befjere Ordnung halten, die über: 
flüffigen Arbeiter entlaffen, Feine Vorſchüſſe an diefelben mehr geben, 
namentlich aber auch vor Weberproduftion in einzelnen Artikeln fich 
befjer als bisher hüten follten. Die Zahl der Arbeiter wurde darauf 
bin aud verringert, und man behielt außer den Lehrlingen nur 


vo 8 Uhrenmacher und 6 andere Arbeiter, fammt einigen Frauen, 
41 * 





644 Achtzehnies Kapitel, PWforzbeim von 1746—1789, 


Der Pendülemaler Mergery errichtete nun in der Stadt auf eigene 
Koften eine Werkftätte, und ebenfo fing der Schmelzmaler Blaremberg 
jelbfländig ein Geſchäft an. 

Es kann nicht meine Abfiht fein, in bisheriger ausführlicher 
Weife den Fortgang der Uhrenfabrifation in Pforzheim zu jchildern, 
fondern id) werde mich dabei auf das Wefentlichfte beſchränken, da dies 
ſem Fabrikationgzweig das Glück nicht zu Theil werden follte, in Pforz- 
beim joldy feiten Boden und ſolche Ausdehnung zu gewinnen, wie das 
bei der Quincaillerie und Bijouterie im Laufe der Zeit der Fall war. 

Das Hauptgebrehen der Uhrenfabrifation war der Mangel eines 
bandelsverftändigen Chefs. Das hatte der Scharfblid NRein- 
hards längft erkannt, das beftätigten Autran und Ador, welche Rein- 
hard im Vertrauen um ein Gutachten angegangen hatte, und ber Rech— 
nungsrath Jägerſchmied fagt in einem Bericht vom 30. Juli 1771 
ebenfalls mit dürren Worten: „Es fehlt diefer Fabrik der arbeitsver- 
ftändige Direktor und auf Reifen und Mefjen der erfahrene Handels- 
mann,” Chriftin und Viala waren grundehrlihe Männer, diefer der 
Uhrmacherei, namentlich auch der Unterweiſung der Lehrlinge vollkom⸗ 
men gewachfen, jener, wie ſchon früher erwähnt, eine Art von medha- 
niſchem Genie und mit dergleichen Arbeiten oft mehr als nöthig be= 
Ihäftigt. 1) Er gründete in Verbindung mit Joh. Ib. Ador und dem 
Mechaniker Ludwig Philipp MWörfchler neben feiner Uhrenfabrit 1770 
nod eine Fabrif zur Anfertigung von mathematifchen Inſtrumenten, 
Maſchinen, namentlic, auch Feuerfprigen, wofür den Unternehmern unterm 
18. Januar 1770 ein Privilegium auf 10 Sabre ausgeftellt wurde, 
Es ſcheinen jedoch mit diefer Fabrik nicht eben die glänzendften Ge— 
Ihäfte gemacht worden zu fein, weshalb fie feinen langen Beitand hatte, 


) Für feine Kenntniffe in ber Mechanik und dem technifhen Theil der 
Fabrikation ipricht eine Broihüre, die er um diefe Zeit (1770) unter dem Titel 
herausgab: »Avis aux amateurs de l’utile et de l’agreahble sur une nouvelle 
manufacture d’horlogerie que Christin et Viala ont e&tablie dans la Ville de 
Pfortzheim au Marggraviat de Bade Dourlach. Par Christin«, Dieje 24 Set: 
ten ftarfe Schrift handelt in 9 Artikeln: du Mechanisme en general, avantages 
du local de la Ville de Pfortzheim, de la Peinture, de la Gravure, des Pendu- 
les et des Montres, des fournitures de l’Horlogerie, de la Bijouterie et de la 
Jouaillerie, ouvrages divers, consequence du precedent, — Als Drudort ift auf 
ber Broſchüre Pforzheim angegeben, jedoch ohne Bezeichnung des Druders ſelbſt. 
Ich wüßte aber nicht, daß damals in Pforzheim eine Druderei beftanden hätte, 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746 - 1789. 645 


Da weder Chriſtin noch Viala kaufmänniſche Kenntniſſe beſaßen, ſo hatte 
dieſer Umſtand die üble Folge, daß Viala oft ſehr unglücklich ſpekulirte, 
Chriſtin auf ſeinen vielen und theuern Reiſen ſelten ordentliche Geſchäfte 
machte und häufig in den Tag hinein fabrizirt wurde, wie denn einmay 
für mehrere Taufend Gulden Zifferblätter und Teilen vorhanden waren, 
die gar Keinen Abjak fanden, ein ander Mal das vorräthige Gold zu 
Bijouteriewaaren verwendet wurde, indefien eine Menge fertiger Uhr: 
werke ohne Gehäufe blieb. Diefen Mangel eines handelsverftändigen 
Chefs fuchte man dadurch abzubelfen, daß man fich nach einem geeig: 
neten Mann umfab, der in das Gefchäft ala Affocid eintreten, in das— 
ſelbe jedenfalls auch nicht unbedeutende Mittel einmwerfen und die Lei— 
tung besjelben übernehmen follte. Einen foldhen glaubte man in dem 
Uhrenhändler Dubois aus Loele gefunden zu haben; allein die mit ihm 
angefnüpften Unterhandlungen führten nicht zum erwünfchten Ziel, und 
auch der Neuchateler Courvoifier auf den man alsdann verfiel, wollte 
fich zur Uebernahme der Fabrik nicht verftehen. ine Reife, welche der 
Emailleur Fage zu gleihem Zwecke nad) Neuchatel machte, blieb eben- 
falls erfolglos. Mittlerweile geftalteten fich die Verhältniſſe der Fabrik 
immer mißlicher. Chriftin hatte im Herbft 1770 eine Reife nady Paris 
und Holland angetreten, und für etwa 12,000 fl. Waaren theils fogleich 
mitgenommen, theils nachgeſchickt erhalten; allein die Geldfendungen, die 
man von ihm erwartete, blieben faft ganz aus, und feine eigene lange 
Abweſenheit gab zu allerlei Gerüchten Veranlaffung. Seinem Affocie 
Viala gingen in Pforzheim zulegt die Mittel aus, jo daß er einmal 
feine eigenen filbernen Löffel hergeben mußte, um Material zur Anfer: 
tigung von Ührgehäufen zu gewinnen, und oft in foldhen Geldverlegen- 
beiten war, daß er feine Arbeiter nicht bezahlen konnte. Diefe fielen 
bei der herrſchenden Theurung dadurch der bitterften Noth anheim ; 
manche Eonnten Fein Brod mehr kaufen, und auf Kredit erhielten fie 
feines. Die Arbeit in der Fabrif gerieth ins Stoden, und die einlau- 
fenden Beftellungen, die befonders in goldenen Uhren beftanden, konnten 
nicht mehr ausgeführt werden. Die Gelder, die bis zum Juli 1771 
vorgef&hoffen worden waren, hatten bereits die Höhe von 52,214 fl. 
erreicht, und doch follten immer noch neue Opfer gebracht werden, um 
das Gefchäft aufrecht zu erhalten! Diefer bedenkliche Zuftand der Uhren: 
fabrif Tegte die Trage nahe, ob es nicht befjer fer, das Unternehmen 
ganz aufzugeben. Viele Gründe ſprachen dafür, manche wieder dagegen, 





646 Ahtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


namentlich der dabei zu befürdhtende Werluft, den Neinhard auf 25,000 
Gulden berechnete und das Schickſal der vielen Arbeiter und Lehrlinge. 
Man entfchloß fich endlich noch zu einem legten Verſuch. Die Fabrik 
jollte aus der marfgräflichen Münze das nöthige, auf 18 Karat Iegirte 
Gold zur Anfertigung von etwa 60 Uhrgehäufen nebft Unterftügung 
in Geld erhalten, mehrere Arbeiter follten entlafjen, die Kontrole über 
die Fabrik verfchärft werden ꝛc. Zugleich wurde aber bemerkt, daß, 
wenn die Fabrik in einigen Monaten durch Verkauf der vorhandenen 
Uhren ſich nicht in Stand geſetzt fehen follte, fich felber ohne weitern 
Beifhuß zu erhalten, die Aufhebung derjelben ſchon im Voraus als 
befchloffen anzuſehen ſei. 

Mit Sehnſucht wurde der Rückkehr Chriſtins entgegengeſehen, aber 
— er kam nicht. Seine Abweſenheit dauerte nun bald ein Jahr und 
zuletzt blieben alle Nachrichten von ihm aus, bis endlich ein vom 7. 
September datirter Brief aus Haag von ihm einlief, worin er meldete, 
daß er fein Glüd in Amfterdam zu fuchen, die Fabrik in Pforzheim 
aber beizubehalten gefonnen ſei; Viala möchte ihm alle noch vorhande- 
nen Waarenvorräthe zufenden. Diefer theilte aber feine Beforgnifje dem 
geh, Rath Reinhard mit, der alsbald an die Negierung berichtete. 
Letztere beauftragte den geh. Legationsrath von Treuer im Haag, auf 
ſämmtliche Waarenvorräthe Chriftins gerichtlichen Beſchlag legen, ihn 
jelber aber nöthigenfalls verhaften zu laſſen. Es ftellte fich indeß bald 
heraus, daß man etwas übereilt zu Werke gegangen war; Chriftin 
mußte ſich jowohl brieflich, als bei feiner Rückkehr zu rechtfertigen und 
fcheint auch won feiner Neife, troß der jchlechten Geſchäfte, die er im 
Allgemeinen gemacht hatte, einigen Baarvorrath mitgebracht zu haben, 
fo daß die Fortſetzung der Fabrik wieder für eine Zeitlang gefichert 
erſchien. 

Das bisher freundliche Verhältniß der beiden Unternehmer ders 
felben Hatte jedoch einen gewaltigen Stoß erlitten. Chriftin befchwerte 
fi) bitter über feinen Schwager Viala (diefer hatte nämlich eine 
Schweſter Chriftins zur Frau), und auch letzterer hielt eine Trennung 
ihrer Gejellfhaft und eine Theilung der Fabrik für dag befte Mittel, 
allen fernern Meinungsverfchiedenheiten und Mißhelligkeiten vorzubeugen, 
und zugleich auch, um eine Befferung der bedenflichen Lage, in welcher 
ſich das Geſchäft befand, herbeizuführen. In Bezug auf letztern Um: 
ftand ließ ſich wenigftens noch ein Verſuch mahen, wenn aud) feine 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim. von 1746—1789. 647 


große Hoffnung vorhanden war, daß alle Verluſte wieder eingebracht 
werden würden. Dieſe ftellten fich bei der Unterſuchung der Bücher, 
die Rechnungsrath Jägerſchmied am 2. November 1772 vornahm, als 
fehr bedeutend heraus. Don den bis dahin von fürftlicher Seite vor- 
geichoffenen 54,260 fl. 151/, fr. war nur für 25,227 fl. 37 kr. 
Deckung vorhanden; alles Uebrige war feit der Gründung des Geſchäfts 
für Fabritunfoften und für Unterhaltung der Fabrikunternehmer darauf 
gegangen oder beftand in zweifelhaften oder verlorenen Ausftänden. 
Was war nun bei einer Trennung zu ristiren? ebenfalls Konnte Kein 
größerer DVerluft dabei herausfommen, als bei der alsbaldigen Auf: 
bebung der Fabrik, und die Ausfiht, daß die Sache wieder in ein 
befieres Geleife fommen könnte, war wenigſtens, wie fchon bemerkt, 
noch eines Verſuches werth. Die Trennung wurde alfo nad) den von 
Ehriftin und Biala gemachten Vorfchlägen, nad welchen einfach Alles 
balbirt wurde, unterm 9. November 1772 vom Markgrafen beftätigt 
und auch alsbald vorgenommen. 
In Bezug auf das fernere Schiefal der Chriſtin'ſchen Fabrik, die 
aus dem Waifenhaus in das Gafthaus zur Krone verlegt wurde, kann 
ich mid) kurz fallen. Trotz eines weitern Zufchuffes von 2000 Gulden, 
den fie unterm 17. Mai 1775 aus dem veformirten Kirchenfonds er: 
bielt; troß eines neuen Echappemements, das Chriftin erfand und das 
Sachkenner als unverbefjerlich bezeichneten; troß der beſſern Geſchäfte, die 
4773 auf der Frankfurter Herbitmefje gemacht wurden: troß aller 
diefer günftigen Umftände eilte die Fabrik rafch ihrem Untergang ent: 
gegen. Bei einer unterm 18. März 1774 durch Rechnungsrath Jäger— 
ſchmied vorgenommenen Unterfuchung der Bücher ftellte fi) heraus, daß 
die Bafjiven die Aktiven um 7374 fl. 43 kr. überftiegen, ja daß ſich 
mit Hinzurechnung der verlorenen oder zweifelhaften Ausjtände, des 
Guthabens an Ehriftin und an die Arbeiter, des Verluſtes an Fabri- 
taten und Handwerkzeug ein Gejammtverluft von 21,533 fl. 19 kr. 
berausftellte. Das ganze Gejchäft war im Häglichften Zerfall. Schon 
mehrmals hatte Ehriftin um hohen Zins Geld bei Juden geliehen, um 
feine Arbeiter bezahlen zu können, oder er hatte zu gleichem Zweck 
fertige Uhren weit unter ihrem Werth verkauft. Unter folhen Um: 
ftänden wußte Fägerfchmied Keinen andern Rath, als die Aufhebung der 
Fabrik zu beantragen. Da fich indeffen damals ein Schimmer von 
Hoffnung zeigte, für die Fabrik einen handelsverftändigen Afjocie zu 





648 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


befommen, fo zögerte man von Seiten der Regierung noch, die Aufs 
bebung auszufprechen, unterftüßte auch Chriſtin nod einmal mit einem 
Vorſchuß von 300 Gulden. Als aber jene Hoffnung nicht in Erfül- 
lung ging, fo wurde unterm 30. Mai 1774 vom Markgrafen bie Auf: 
hebung der Chriſtin'ſchen Uhrenfabrik befchlofien, und Rechnungsrath 
Jägerſchmied erhielt den Auftrag, die Obfignation vorzunehmen und die 
Einleitung des Oantverfahrens zu veranlaſſen. Wenn ich Hinzufüge, 
daß der amtliche Anſchlag ſämmtlicher Effekten zc, der Fabrik fih auf 
9740 fl. 30 fr. belief, daß aber Viala, der die meiften Arbeiter und 
Lehrlinge derjelben übernahm, fi nicht dazu verftehen wollte, für das 
ganze Inventar 5500 Gulden zu geben, jo mag daraus eninommen 
‚werden, welcher Verluſt der Herrſchaft erwuchs, die fait ſämmtliche 
Fonds zu diefer Fabrik hergeſchoſſen hatte. Chriftin büßte felbft fein 
ganzes in das Gefhäft eingelegte, in Geld, Werkzeugen und Waaren 
beftehende Vermögen von etwa 2200 Gulden ein; doc fcheint ihm 
dafür einige Entſchädigung gnädigft verwilligt worden zu fein. Auch 
wurde ihm auf feine Bitte die Erlaubniß ertheilt, fich gemeinfchaftlich 
mit feinem ältern Bruder in Karlsruhe etabliven zu dürfen, und erhielt 
er fogar den Titel eines „Hofuhrenmaders.” In ſolcher Weiſe endete 
die eine der Pforzheimer Uhrenfabriken. 

Verfolgen wir nun auch die fernern Schickſale der andern. Diefe 
nahm unter der Leitung von Viala im Anfang recht guten Fortgang, 
fo daß fid der bei der Trennung vorhandene Abmangel von 5691 fl. 
im März 1774 bereits auf 1885 fl. vermindert hatte und alle Aus— 
fit vorhanden war, daß ſich die Verhältniffe diefer Fabrik immer beffer 
geftalten würden. Zu dem Ende wurden ihm am 1. Auguft 1774 
vom Markgrafen 4 Kreditbriefe, jeder auf 1000 Gulden lautend, aus: 
geftellt, auch die 300 fl. und 10 Klafter Holz, welche beide Uhren— 
fabrifen als jährliche Unterſtützung bisher gemeinichaftlich bezogen hatten, 
der Niala’ihen allein zugewiefen, nachdem diefe urfprünglih nur auf 
6 Jahre ertheilte „Penſion“ für weitere Dauer zugeftanden worden war. 

Ein ſchwerer Schlag traf die Fabrit durch den am 26. Dezember 
1774 erfolgten Tod Biala’s, und die Aufhebung derſelben kam von 
Neuem zur Sprade. Da indefien die Wittwe Vialas, eine fehr brave, 
fleißige, verftändige und Außerft fparfame Frau, ſchon Tängft fich bei 
dem Geſchäft thatfächlich betheiligt und beim Arbeiten tüchtig mitgehol« 
fen hatte; da man ferner vorausfah, daß ſowohl diefe Frau mit ihren 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746- 1789. 649 


3 unerzogenen Kindern, als auch die 59 Arbeiter (morunter 11 ver: 
beirathete), welche die Uhrenfabrit damals zählte, durch die Aufhebung 
ber Fabrik brodlos werden und der Stadt Pforzheim, wie dem Waifen- 
haus alle VBortheile, welche ihnen bis jeßt durch die Fabrik erwachſen 
waren, wieder entgehen würden: jo wurde im markgräflichen Geheim— 
rathskollegium unterm 4. März 1775 befchloffen, der Wittwe Viala's 
unter Beihilfe des tüchtigen Buchhalters Hofmann die Leitung der Fabrik 
zu übertragen. Zugleich wurde ihr der Rückerſatz der 5987 fl. 47 kr., 
die ihr verftorbener Mann feit 8 Jahren von dem Fond der Fabrik 
zum Unterhalt feiner Familie verwendet, ferner des noch vorhandenen 
Defizits von 1519 fl. 52 kr., ebenfo die rücftändigen Zinfen im Betrag 
von 7867 fl. 51 kr. erlaffen und endlich auch die unbeibringlichen Aus: 
ftände, die fih auf 3342 fl. beliefen, aus den Aktiven geftrichen, ihr 
aber die ftrenge Verpflichtung auferlegt, von jett an die Zinſen des im 
Geſchäft ſteckenden Kapitals, das von 27,130 fl. 7 kr. auf 16,280 fl. 
zufammengefchmolzen war, pünftlih zu entrichten und fich überhaupt 
alle Mühe zu geben, daß die Fonds nicht weiter vermindert würden, 
indem man fonft zur Aufhebung der Fabrik fich entichließen müßte, 
Machen wir bier einen Eprung von 8 Jahren und zwar über dag 
Jahr 1779 hinüber, mit welchem das 1767 auf 12 Jahre ertheilte 
Privilegium ablief, aber vorläufig nicht erneuert wurde, da man die 
Fabrik einftweilen, und zwar bis 1783, auf Grund des alten noch fort- 
zuführen für gut fand. Die Fabrik hatte während diefer 8 Jahre bald 
befjere, bald fchlechtere, im Allgemeinen aber Feine guten Geſchäfte ge: 
madt. Die Paffiven überftiegen in Folge von Verluften verſchiedener 
Art, namentlich aber auch deswegen, weil der arbeitende Fond offenbar 
zu Hein war, die Aktiven um nicht weniger als 3639 fl. 45 kr., und 
dazu war bisher von den oben erwähnten 16,280 fl. noch fein Kreuzer 
Zins bezahlt worden. Abermals kam die Aufhebung der Fabrik zur 
Sprache; aber ans den nämlichen Gründen wie früher konnte man fich 
dazu nicht entjchliegen, fondern e8 wurde im Gegentheil ein neues Pri— 
vilegium auf 12 Jahre, vom 4. Auguft 1783 an beginnend, ber 
Wittwe Viala, die fi) unterdeffen mit ihrem Buchhalter Hofmann 
afjocirt hatte, ausgeftellt, das fehr günftige Bedingungen enthielt. Die 
Fabrik, die Fünftig unter der Firma „Hofmann und Viala“ ge 
führt werden follte, wurde mit 5 Kreditbriefen, auf je 1000 Gulden 
lautend, unterftügt, den beiden Leitern derfelben ein Jahrgehalt von 





650 Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746—1789, 


1300 Gulden ausgefett, und außerdem erhielten fie neben der Per- 
jonalfteuerfreiheit die Pfundzollfreiheit für alle ihre Fabrikftoffe und 
Fabrifate ſowohl, als für ihre Lebensbedürfniffe; von dem mehrerwähn- 
Kapital von 16,280 fl. follten fie blos nach Möglichkeit Zins zahlen 
dürfen, jedoch felber darauf fehen, daß dasjelbe vermehrt würde u. ſ. w. 
So war wieder Hoffnung vorhanden, das Geſchäft in beſſern Gang 
zu bringen, namentlich da ſchon im September 1783 die beiden Firma 
träger ihre Intereſſen noch feiter mit einander verknüpften, indem fie 
ſich ehelich verbanden. 

Sm den nächſten Jahren waren die Verhältniffe infofern nicht un: 
günftig, als mwenigftens ohne DVerluft gearbeitet wurde, wenn auch bie 
Ueberfchüffe nie fo bedeutend waren, daß obiges Kapital auch nur zn 
3 Prozent hätte verzinst werden können. Doch hatte man von Seiten 
der Regierung befiere Refultate kaum erwartet und war zufrieden, daß 
der Fond erhalten, die Arbeiter befchäftigt (etwa 70 Menfchen ge 
währte damals die Uhrenfabrik ihren Unterhalt) und Handel und 
Mandel in Pforzheim befördert wurden. Die 1789 ausgebrochene 
franzöſiſche Revolution und die Kriege, die daraus bervorgingen, blieben 
nicht ohne nachtheifigen Einfluß auf den Abfab der Pforzheimer Uhren, 
ber überdies durch die Konkurrenz der Schweizer Fabriken, die mit ihren 
Uhren ganz Deutfchland überſchwemmten, nicht wenig beeinträchtigt 
wurde. Eine andere Konkurrenz war unferer Uhrenfabrik in Pforzheim 
ſelbſt erwachſen, wo nad und nad neben derfelben eine Anzahl von 
Kabineten enitanden war, deren Zahl zu Anfang des 19. Jahrhunderts 
nicht weniger als 32 betrug. Schwer empfand auch umfere Fabrik 
einerfeits einen Verluſt von 2490 fl., der ihr durch die Untreue und 
Flucht des Uhrgehäuſemacher und Kabinetmeifters Müller 1791 er: 
wuchs, andererfeits brachte der Tod Hofmann, der am 7. Juli 1796 
inmitten des größten Kriegsgetümmels erfolgte, Feine geringe Störung 
in das Gefhäft. Zwar führte die Mittwe Hofmann, der immer bag 
Lob einer gefchieten und unermüdlich fleiigen Frau gezollt wurde, das 
Geihäft mit Hilfe ihres Tochtermanns, des Mepafjeurs und Remon— 
teurs Frangois Maréchal und eines Buchhalters fort, und das Pri- 
vilegium wurde ihr auch von Jahr zu Jahr verlängert; ebenjo bewil—⸗ 
ligte man 1801 der Fabrik eine neue Unterftüßung von 3000 Gulden, 
die zu 5 Proz. verzinst werden follten: allein es waren alle Anzeichen 
vorhanden, daß über Furz oder Yang eine Kataftrophe eintreten müſſe. 





Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746—1789. 651 


Ein letzter Verſuch, der Fabrik und auch den fonftigen Uhrenkabineten 
aufzubelfen, war die Errichtung eines Uhrenkomptoirs, wozu man ben 
Juden Levi Bodenheimer veranlaßte, 1) nachdem man fidh vergeblich 
bemüht hatte, ein Schweizer Uhrenkomptoir hierher zu ziehen. Wie fehr 
auch fonft der Negierung daran gelegen war, die Uhreninduftrie in 
Pforzheim vor dem Untergang zu bewahren, zeigt der Vorſchuß von 
6000 Gulden, den fie im Januar 1802 den geſchickteſten Uhrmachern 
der Stadt (fo namentlih an Schmidt und Stähly) gegen die nöthige 
Sicherheit Yeiftete. 2) War durch alle diefe Maßregeln aud für den 
Augenblid geholfen, fo begann neues Mißgeſchick in Folge des Wieder: 
ausbruchs des Kriegs 1805, und als gar am 15. März 1806 
Marehal ftarb und mehrere der Kapitalien, die auf die fürftlichen 
Kreditbriefe hergeliehen worden waren, aufgefündet wurden: fo entſchloß 
man fih zum Verkauf der Fabrif, nachdem ſich in der Perfon des 
an derfelben befchäftigten Nemonteurs Heinrih Caſimir Dürr ein Lieb: 
haber dazu gefunden hatte. Um die geringe Summe von 5000 fl., 
die er anbot, erhielt er am 7. Juni 1808 das ganze Geſchäft ſammt 
MWaarenvorräthen, Material, Werkzeugen, Tabrikeinrichtungen, Handels— 
Aktiven und Paſſiven ꝛc. Die auf der Fabrik noch haftenden Schulden 
von 17,000 Gulden übernahm die Herrichaft. Der Hofmann’ichen 
MWittwe wurde eine jährliche Penfion von 800 Gulden ausgefett, die 
fie auch bis zu ihrem im Jahr 1823 im Alter von 83 Jahren er— 
folgten Tod bezog. Seit 1775 waren von Seiten der Herrichaft im 
Ganzen nicht weniger ald 48,306 fl. 2 Er. auf diefe Uhrenfabrik ver: 
wendet worden. „Wenn man aber,“ jo heißt es in einem fürftlichen 
Kammerprotofoll vom 19. März 1808, „in Erwägung zieht, daß 
eben diefe Uhrenfabrik die Veranlaſſung zu verfchiedenen andern Etab- 
liſſements in Pforzheim gegeben hat, wodurd die Stadt und Gegend 





1) gegen das Verſprechen, daß ihm, nadbem ihm die Errichtung einer 
Bijonteriefabrit abgeichlagen worden war, ipäter geftattet werden würde, fich 
mit einem riftlichen Unternehmer zu affociren, wenn er feine ifraelitijchen 
Arbeiter verwenden wolle. 

2) Der Obervogt Baumgärtner hatte 17,200 fl. zu diefem Zwecke ver: 
langt; allein ber fürftl, Geheimerath erflärte, wegen der Koften, welche ber 
Tod bes Erbpringen (Karl Ludwig + 16. Dez. 1801 zu Arboga in Schweden) 
— das große Gewäſſer verurſacht hätten, nicht mehr als 6000 fl. geben zu 

nnen, 





652 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim won 1746—1789, 


und deren Induſtrie ungemein zugenommen bat, fowie auch mittelbar 
die herrſchaftlichen Kaſſen offenbar auf andern Wegen beträchtlich ge— 
wonnen haben: fo mage man zu behaupten, daß der hier nachgemwiefene 
direkte Kaffenverluft durch jene größern Vortheile mehr als binlänglich 
aufgewogen fein dürfte.“ 

Die Uhrenfabrif, jest Privateigentfum, wurde nunmehr au aus 
den bisher inne gehabten Lokalitäten im ehemaligen Waiſenhaus ver: 
legt, und zwar in das Hintergebäude des jetzt Schreiner Veyl'ſchen 
Hauſes. Noch einige Jahre friftete fie ihr Dafein, His endlih der 
Eigenthümer Dürr es für gerathener fand, das Geſchäft, das haupt: 
füchlich wegen der Konkurrenz der Schweizer Uhren nidyt wieder in 
or kommen wollte, gänzlich aufzugeben, feinen Wohnfig nach Karls: 
rube zu verlegen und dort fich einfach als Uhrmacher aufzuthun. Auch 
die kleinern Kabinete, die damals noch beftanden und fi) hauptjächlich 
mit Anfertigung von Uhrgehäuſen befaßten, hörten nach und nah auf. 
So endete ein Anduftriezweig, der in Pforzheim mit fo großen Hoff: 
nungen begonnen worden war. 


e. Weiterer Fortgang der herrſchaftlichen Stahlfabrik. 
Verkauf derjelben Entftehung neuer Kabinete. 


Beflern Fortgang nahm die Stahlfabrik unter der Leitung von 
Autran und Ador. In einem Bericht, den der geh. Nath Reinhard 
unterm 23. Juli 1770 darüber erftattete, heißt es u. A.: „Bei Autran 
und Ador gebet Alles in der beiten Ordnung. Man arbeitet in einer 
angenehmen Stille und doch fleißig. Noch 3 Monate Hat man zu 
thun, um die beftellte Arbeit zu verfertigen. Die Correfpondenz zeigt, 
daß man mit den verfandten Waaren und Preiſen fehr zufrieden ift, 
indem immer neue Betellungen gemacht werden. Die im Lande ge: 
zogenen Wrbeiter, wozu man allerhand verborbene Handwerksleute 
nimmt, formiren ſich jehr wohl, und die Lehrlinge aus dem Waifenhaus 
und der Etadt nehmen über alle Hoffnung zu dergeftalt, dag man in 
Kurzem verfchiedene Engländer wird entlaffen fönnen, wenn fie nicht 
bleiben wollen. Die Gelder von den Kunden gehen ordentlich ein, 
die Vorſchüſſe, fo an die Arbeiter gefchehen, vermindern ſich täglich, und 
man hat nicht mehr nöthig, ihnen neue zu machen” ıc, Zur Ausdeh— 
nung des Waarenabſatzes, der bisher hauptſächlich nad Frankreich und 





Achtzehnter Kapitel. Pforzheim von 1746-1789. 653 


der Schweiz gegangen war, unternahm Autran noch im Jahr 1770 
eine größere Reife über Augsburg und Münden nah Wien, Brag, 
Dresden, Leipzig ꝛc. und erhielt bei diefer Gelegenheit fo zahlreiche 
Beftellungen, daß eine Erweiterung der Fabrik durchaus nothwendig 
erfhien. Zu diefem Behufe erfolgte aus Staatsmitteln ein abermaliger 
Zufhuß von 10,000 Gulden, weitere Summen wurden bei eintretendem 
Bedürfniß in Ausficht geftellt und überdies der Fabrik bei dem Bankier 
Frank in Straßburg ein Kredit von 1000 Louisdors eröffnet. 

Auch in den folgenden Jahren geftalteten fi die Verhältniffe der 
Stablfabrif immer günftiger, „Sie befteht im Segen,“ fo berichtet 
Reinhard unterm 25. Januar 1771, „fie nimmt täglich zu, weil fie 
immer neue und fchönere, auch immer wohlfeilere Waaren liefert, mit 
Borficht, Klugheit und Ordnung ihre Handlung führt, Jederman mit 
ihren Waaren und Preifen zufrieden ift, die Lehrlinge täglich befier 
werden, die Arbeiter ſich mehr perfeftioniren, fleißig arbeiten, ihre 
Schulden bezahlen, ja zum Theil ſchon vorzufparen anfangen.” Noch 
in demfelben Jahr wurde für die Fabrik eine neue Polivmafchine ans 
geihafft. Gleich günftigen Fortgang nahm das Geſchäft in den folgen: 
den Jahren, obgleich dasjelbe 1773 durch den Fall des Handlungs: 
baufes Truite et Dan in Berlin nicht unbedeutenden Verluft erlitt und 
in Pforzheim jelber nach nunmehr fehsjährigem Beſtehen der Fabrik 
die Bezahlung des Berdienftes an die Lehrlinge und der Haus: und 
Fabrikmiethe ihren Anfang nahm und die Unkoſten auch fonft, wie 
3. B. durch Anfchaffung einer zweiten Polirmafchine, fich mehrten. In 
welchem Umfang bereits in diefem Jahr (1773) Geſchäfte gemacht 
wurden, mag der Umftand beweiſen, daß der Rechnungsrath Jäger— 
ſchmied, der mit Aufftelung des Inventars beauftragt war, unterm 
27. November 1773 berichtete, er könne feinem Auftrage wegen der 
vielen Beitellungen, welche die Hauptperfon Ador beforge, nicht nach— 
fommen. Längere Zeit müfle Tag und Nacht gearbeitet werden, um 
den Beftellungen namentlih aus Berlin, Königsberg und Riga zu ges 
nügen, Reifen finde man gar nicht mehr für nothwendig, weil genug 
Wege zum Abfag offen feien 2. — Die Zahl der Arbeiter war nad 
und nad auf nahezu ZOO geftiegen. Im folgenden Jahr (1774) er- 
bielt das Gefchäft einen fehr tüchtigen Buchhalter in der Perſon des 
Joh. Fol. Bujard, (geboren zu Riez in der franzöfifchen Schweiz 
am 22. November 1751, + 2. Februar 1816). 





654 Ahtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


Einen wichtigen MWendepunft in der Gefchichte der herrfchaftlichen 
Stahlfabrit (wie fie immer noch heißt), brachten die Jahre 1775 und 
A776, Weil diefelbe, und zwar hauptfächlich durch die Bemühungen 
der Unternehmer Autran und Ador, fo fehr in Flor gelommen war, 
fo verlangten die beiden letztern größere Vortheile für fich felber, die 
ihnen von der Megierung zwar großentheilsg, aber doch nicht in ihrem 
ganzen Umfange bewilligt wurden. Damit aber nicht zufrieden kün— 
digten Autran und Ador im Juni177d die fernere Füh— 
rung der Fabrik auf. Um jeder Störung im Betrieb des blühen: 
den Gefchäfts zuvorkommen und dasfelbe unter allen Umftänden zu 
erhalten, trat der Markgraf Karl Friedrihd — gegen feine fonftigen 
Grundſätze — felber ins Mittel, Die Fabrit wurde auf berrichaft- 
liche Rechnung übernommen, ihr in der Perfon des Rechnungsraths 
Jägerſchmied ein Direktor gegeben, diefem eine Stahlfabri-Kommiffion, 
beftehend aus dem geh. Rath v. Edelsheim und Hofratd E. Maier, an 
die Seite geſetzt, und ihr der Auftrag ertheilt, an alle Gefchäftsfreunde 
raſch Circulare zu erlaffen, worin denfelben mitgetheilt wurde, daß fte 
ſich in allen Gefchäftsangelegenheiten, in Aktiven und Baffiven, nur an 
Jägerſchmied und defien Handihrift halten follten, für welch letztere der 
Markgraf zu haften fich verbindlih mache. Es lag nicht in der Abficht 
Karl Friedrichs, die Fabrik auf die Dauer auf herrichaftliche Rech— 
nung weiter führen zu laffen, fondern nur fie einftw eilen zu erhal: 
ten und bei günftiger Gelegenheit zum Verkauf zu bringen, da das 
Unternehmen bereits hinreichend auf fichern Füßen ftehen Konnte, um der 
Unterftügung von Seiten des Staates nicht mehr zu bedürfen. Ein 
Käufer, und zwar der allergeeignetfte, fand ſich auch bald in der Per: 
fon Adors felber (der indefjen bereits ein anderes Gefchäft gegründet 
hatte) und ging 1778 die ganze Fabrik um eine entjprechende Kauf⸗ 
fumme an ihn über. Wie fehr der Markgraf deffen Verdienfte um bie 
Hebung desjelben anerkannte, beweist die an Ador erfolgte Verleihung 

des Titels eines Kommerzienraths. 

In welcher Weife fi Autran, der erfte Begründer der jegigen 
Pforzheimer Hauptinduftrie, nach feinen Austritt aus der Leitung der 
berrichaftlichen Stahlfabrif befchäftigte, vermag ich nicht zu fagen, da 
die Akten, woraus diefe Darjtellung der Gefchichte der Pforzheimer 
Bijouterie gefchöpft find, hierüber nichts enthalten. Er feheint bei jei- 
nem Austritt bedeutende Entfhädigungsforderungen gemacht zu haben, 








Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746—1789, 655 


und wurde ihm auch eine anfehnliche Summe ausbezahlt. Im Jahr 
1781 kam es zwifchen ihm und Kommerzienrath Ador zu verdrüß- 
lihen Händeln, die in verſchiedenen Anfchuldigungen ihren Grund 
fanden, welche Autran gegen Ador vorbrachte und die fogar zur vor= 
übergehenden Verhaftung Beider führte. Ador mußte fich aber glänz 
zend zu rechtfertigen, und Autran jcheint bald darauf Pforzheim gänz« 
lich verlaffen zu haben und in fein Baterland zurücgefehrt zu fein, 
Noch eifimal begegnen wir ihm im Jahr 1798, aber nicht mehr als 
Fabrifant, fondern als — Magazinverwalter der franzöfifchen Alpen- 
arme. Damals erhob er nachträglich noch Geldforderungen an bie 
badische Regierung wegen der frühern Führung der berrichaftlidyen 
Fabrik zu Pforzheim, und es gelang ihm auch, noch 460 Louisdors 
zu erprefien, worauf er allen weitern Anjprüchen entfagte. Im Ganzen 
batte er 40,000 Franken erhalten. Was fpäter noh aus Autran 
geworden, weiß ich nicht. 

In der erften Zeit, da die Stahlfabrit mit herrfchaftlichen Geldern 
betrieben wurde, jah man fie fo an, als ob fie im Befib eines Mono: 
pols wäre, obgleich ihr ein foldhes nie ausdrüdlich ertheilt worden war, 
Jetzt aber, da der Beweis geliefert war, daß die neue Induſtrie in 
Pforzheim nicht nur fich als lebensfähig erwics, ſondern auch zu weite: 
rer fröhlicher Entwicklung gegründete Hoffnung gab, jett fuchte man 
das Entjtehen weiterer Gefchäfte zu begünftigen, um der Gewerbthätig— 
feit eine immer größere Ausdehnung zu verihaffen. Schon im Jahr 
1776 finden wir neben der herrichaftlichen Fabrik 13 felbjtitändige 
Kabinete, die theils von bisherigen Arbeitern der Stahlfabrik, theils 
von Pforzheimer Einwohnern, theils von eingewanderten Franzofen ges 
gründet worden waren. Die Namen diefer früheften Pforzheimer 
Fabrikfirmen mögen bier ſtehen: Mergery, Jaques Nic, Trumeau, 
Will. Fletscher, Pierre Lartique, Grg. Chasmore, ob. Fr. Gerwig, 
Jaq. Fred. Benevet, ob. Conrad Hofntann, Dan. Huguenin, Joh. 
Kalb, Jean Louis Escuyer, Malice und Sandoz. Im folgenden 
Sahr 1777 war die Zahl fämmtliher Kabinete (Gold: und Stahl: 
waaren und Uhren) bereits auf 21 yeftiegen. 

Die Waaren, welche alle diefe Kabinete lieferten, mußten um fo 
ausgedehnteren Abſatz finden, als man es in Pforzheim vortrefflich ver— 
ftand, fih dem Geſchmack, wie er fi) im Lauf der Zeit änderte, im— 
mer wieder anzubequemen, Statt der einfachen Stahlwaaren kam noch 





656 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746 —1789. 


in den 1770ger Fahren, wie fchon erwähnt, nach und nach die Stahle 
bijouterie auf, bis fpäter das edle Metall das unedle ganz verdrängte, 
Man befate fi) nebenbei mit Schleifen und Schneiden von edeln Stei— 
nen, man Vieferte Arbeiten aus Elfenbein und Perlmutter (darin zeichnete 
fi) namentlich die Nheinboldtiche Fabrik aus), und wußte aus den beiden. 
legtern Stoffen durch Schneiden, Biegen ꝛc. Darftellungen von erhöhtem 
Zaubwerf und von Tandfcheftlichen Gruppen bis zum Meinen Maßſtab 
eines Pinges zu Stande zu bringen, Wir dürfen ung darum nicht 
wundern, wenn die Pforzheimer Waaren bald in ganz Europa vers 
breitet waren und die Umſatzſumme derfelben bereits ſich auf viele 
Tauſende belief. 


f. Einführung der Goldlontrole Weitere Entwidlung 
ber Pforzheimer Bijouteriefabrifation. 


Noch vor dem Verkauf der herrfchaftlichen Fabrik hatte der Mark— 
graf, um den Kredit der Pforzheimer Fabrikation, ſoweit fie fi auf 
Verarbeitung des Goldes bezog, immer zu heben, ben Entſchluß ges 
faßt, bezüglich des Goldgehalts der Waaren, welche in Pforzheim ges 
fertigt wurden, fefte Beftimmungen zu treffen und behufs ftrenger 
Beobachtung derfelben eine Controle einzuführen. Dies gefhah unterm 
13. September 1777, Wir theilen die desfalls erlaffene Verordnung 
wörtlid, mit: 

„Gleichwie wir von jeher auf den Wohlftand unferer lieben Unter- 
thanen mit Beförderung des Flors von ihren Commerzien und vors 
nehmlih auf die Vervollkommnung unferer zu Pforzheim etablirten, 
von uns gnädigft privilegirten Stahl- und Uhrenfabrik den vorzüglichiten 
Bedacht genommen haben, alfo finden wir uns zu diefer unferer landes⸗ 
väterlichen Abficht näherer Erreihung, was insbefondere die Vermeh⸗ 
rung des Kredits bei diefer Stahl- und Uhrenfabrik, fowie die fonft 
in unferer Stadt Pforzheim ſich niedergelaffenen Arbeiter betrifft, in 
Anfehung des Goldes gnädigft bewogen, zu verorbnen: 1. Daß in 
Stahl» und Uhrenfabrifen und von den Stadtarbeitern fein maffives 
Gold unter 18 Karat und Fein überlegtes Gold unter 14 Karat vers 
arbeitet werden dürfe bei Zuchthausftrafe und weiterer Strafe der 
Konfiskation. 2. Der Kontroleur fol die Waaren von vorſchrifts⸗ 
mäßigem Gehalt ftempeln. 3. Alle maſſiv- und überlegt goldenen 


“ 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746-1789, 657 


Waaren follen die Arbeiter dem ontroleur zum Probiren und 
Stempfeln vorlegen und bei obiger Strafe feine ſolche Waaren ohne 
Probe und Stempfel verfaufen. 4. Der ontroleur darf zu jeder 
Zeit und ſoll wöchentlich wenigitens 2 Mal die MWerfftätten befuchen 
und die vorrätbigen Waaren probiren. 5. Bei der Strichprobe darf 
nur 1/, Karat am vorgefchriebenen Gehalt fehlen; fcheint aber 1/, Ka— 
rat zu fehlen, jo bat der Gontroleur die Feuerprobe damit worzuneb: 
men und über den bier befundenen vorfchriftswidrigen Gehalt fogleich 
bei Dberamt die Anzeige zu machen. (Es wurde ihm darüber ein bes 
jonderer Eid zu fchwören auferlegt.) 6. (Betrifft die Unterfudhung der 
damals vworräthigen Maaren.) 7. Gontrolgebühren : für Heine 1—4 
Deniers haltende Waaren 8 kr., für ein Stüd von 4—8 Deniers 12 
fr., von 11/,—2 Unzen 54 fr., von 2 Un. 4 Den. 58 fr, von 3 
Unz. 6 Den. 1 fl. A fr. (Die Stablfabrittommiffion traf unterm 31. 
Dezember mit dem Gontroleur einen gütlichen VBergleih, wornach fie 
für alle Waaren unter 1 Unze eine ermäßigte Tare bezahlte.) 8. Für 
Goldblättchen auf Stahl und Kupfer fol jeder Arbeiter, die Lehrlinge 
ausgenommen, dem Gontroleur monatlich 30 fr. bezahlen; doch fteht 
beiderjeits frei, eine fonftige Uebereinfunft für fich hierüber zu treffen. 
Diefe ontrolverordnung wurde in deutfcher und franzöfifcher 
Sprace den betreffenden Rabinetmeiftern publicirt, (jo hießen zuerſt die 
Tabrifanten felber; fpäter (1786) wurde ihnen geftattet, fich zum Uns 
terichied von den Privatarbeitern Kabinetsentrepreneurg zu nen: 
nen, eine Bezeichnung, die fpäter mit: Fabrifentrepreneursg ver 
taufcht wurde), Wir finden ihrer (alfo 1777) in den Alten folgende 
verzeichnet: Ador, Gold- und Stahlwaarenfabrit,.. Bijoutir Mer: 
gery, Bijoutir Trumeau, Goldarbeitr Hofmann, Goldarbeiter 
Dunft, Goldarbeitr Metzger, die Graveure Lartique, Carron 
und Sandoz, die Stahlarbeiter Fletſcher, Cashmor, Joh. Ger— 
wig, Ad. Kiehnle in der Au, Panel der Engländer, Ad. Kölliſch, 
die beiden Neuhäuſer, Gebauer, die herrſchaftliche Uhrenfabrik, 
die Uhrgehäuſemacher Müller und Villeneuve. Als Controleur 
wurde der Juwelier Vierordt mit einem Gehalt von 300 fl. und 
den Kontrolgebühren bejtellt. 1) Xebtere wurden auf Antrag des Ober: 


1) Er war vorher in England geweſen, heirathete 1779 die älteſte Tochter 
des Moftmeifters Beder, baute 1787 ein eigenes Haus, wozu er bon ber 
Pflüger, Pforzheim, 42 





658 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746-1789, 


amts, welches darin ein Mittel erblickte, die fremden Fabrikanten, die 
meift nur mit kleinem Vermögen arbeiteten und was fie verdienten, 
auch wieder durchbrachten, in Pforzheim feftzuhalten, im folgenden Jahr 
auf die Hälfte ermäßigt und Vierordt als Entihädigung von der Regie: 
rung die Summe von 150 fl. ausgeworfen. Im September 1778 
vereinigten fi ſämmtliche Fabrikanten dahin, dem Controleur ftatt der 
befondern Gontrolgebühr ein Averſum von ebenfalls 150 fl. auszube- 
zahlen: eine Summe, die bei fpäterer Ausdehnung der Induſtrie auch 
zunahm und 1788 beifpielmeife 500 Gulden betrug. 

Bezüglich des Goldgehalts der Waaren, die nad) der Controlordnung 
18karätig fein follten, trat noch im Jahr 1778 eine Veränderung ein, zu 
der die fchlechten Geichäfte, welche die Kabinete damals vorübergehend 
machten, Veranlaſſung gab. Die Fabrikanten Lartique, Mebger und 
Trumeau waren um die Erlaubniß eingefommen, verfhiedenen Waaren 
einen Gehalt von nur 14 Karat geben zu dürfen, und das Oberamt 
(Dbervogt Wielandt) hatte diefes Geſuch damit unterftüht, „daß ber 
Nahrungsftand alle Tage fchwerer werde, die Armuth groß fei und der 
fonjt in Blüte geftandene Wohlſtand der Fabrikanten fo zu welfen bes 
ginne, daß ihr Umfturz nur zu geſchwind erfolgen könne und alle 
fchiklichen Mittel erforderten, fie aufrecht zu erhalten." Daraufhin wurde 
von der Negierung geftattet, auch 14karätige maffive Goldwaaren, als 
Berloques und Uhrenketten, zu machen, und diefe Erlaubniß wurde 
unterm 6. Juli 1780 bis auf Weiteres auch auf Uhrgehäuſe, Stock— 
nöpfe, Etuis, Bracelets, Ninge, Dofen ꝛc. ausgedehnt, jedoch unter der 
Bedingung, daß der Controleur dies auf den Waaren ausdrüdlich 
bemerken müffe und nur auf 1Sfarätige den Stempel jchlagen dürfe, 

ie durch forgfältige Handhabung der Controle, fo ſuchte man 
auch durch andere Mittel den Kredit der Pforzheimer Fabriken zu 
heben, Fälſchungen und Veruntreuungen einen Niegel vorzufhieben und 
den Fabritunternehmern jede thunliche Begünſtigung zuzumenden. So 
wurde unterm 3. Februar 1779 verfügt, daß bei ſchwerer Leibesftrafe 
fein Fabrikarbeiter in feiner Wohnung arbeiten dürfe; ebenfo folle 
kein Kabinetmeifter ohne befondere Erlaubnig an einem andern Orte, 


Herrichaft um ermäßigten Zins 3000 fl. worgefhoffen erhielt und flarb 1789, 
worauf feine Wittwe den Dienft erhielt und ihn fpäter mit Hilfe eines Soh— 
nes fortführte, 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789, 659 


als in feinem Kabinet arbeiten. Wohl aber war geftattet, nach ordent: 
lid) genommenem Abſchied von dem einen Kabinet ſich an ein anderes 
zu wenden. Aehnliche jcharfe Beſtimmungen ergingen im Jahr 1784. 
So wurde feftgefeßt: 1. Niemand foll Gold an Sabinetmeifter ver: 
kaufen und Niemand Gold erfaufen, welches nicht vorher die Feuer: 
probe paffirt hat und controlirt ift. 2. Alle Kabinetmeifter und auf 
‚eigene Nechnung Arbeitenden jollen mit einem Eid belegt werden, fein 
Gold zu verkaufen, welches nicht, ſowie es zu Blech oder Draht for: 
mirt worden, im euer probirt und controlixt iſt. (Auf erhobene Ein: 
wendung der Yabrifanten wurden diefe beiden Artikel 1786 in folgen: 
der Weiſe abgeändert: Der Einfauf des probirten und nicht probirten 
Goldes wird freigegeben ; das Gold darf aber nicht, ohne im Teuer 
probirt und auf den gehörigen Gehalt gejeßt zu fein, verarbeitet werden ; 
der Gontroleur ſoll prüfen und die gehaltwidrigen Arbeiten zur Kon: 
fisfation und ſchweren Beſtrafung der Arbeiter anzeigen; ebenfo foll er 
die Goldtüde in den Kabineten von Zeit zu Zeit probiren ; die Juden 
dürfen mit Gold handeln, aber bei ſchwerer Strafe Feines einfchmelzen.) 
3. Die doublirten Waaren follen mit einem D markirt werden, (Zuſatz 
von 1786: Uhrfchlüffel, Berloques u. dergl. Heinere Waaren follen nur 
von Gold gemacht werden). 4. Zu allen goldenen Arbeiten ſoll Gold: 
ihlagloth zum Löthen genommen werden, und zwar Fein geringeres 
als von 8 Karat Gehalt. Damit aber dennoch die Stüde den vor: 
[hriftsmäßigen innern Gehalt bekommen, foll fo viel feines Gold zu: 
gefeßt werden, bis jene durch das Schlagloth entitandene Gehaltsver: 
minderung wieder ausgeglichen it und die Stüde den aufgeprägten 
Gehalt auch wirklich in ſich enthalten. (Dagegen wurde Einfprache 
erhoben, weil e8 nicht möglich fei, folcher Beſtimmung nachzukommen ; 
diefelbe fand aber feine Berücfichtigung, weil die Ador'ſche Fabrik ſchon 
lange diefe Vorſchrift befolge. Es fei zwar gejtattet, auch zu 16 Karat 
zu arbeiten; jedoch müfje die Controlzahl 16 darauf ftehen, wie 14 auf 
den A4farätigen Waaren, aber ohne fürftlihes Wappen.) D. Gold: 
controleur Vierordt darf mit Gold handeln und probirtes und contro= 
lirtes Goldbleh und Golddraht verkaufen. 

Schon 1776 waren ſämmtliche für fi arbeitende Fabrikanten 
um Befreiung vom Pfundzoll eingefommen; es wurde jedoch dem 
Geſuch nicht ftattgegeben. Zehn Jahre ſpäter jedoch zeigte fich Die 
Negierung auf bevorwortenden Bericht des Deal, N hin 





660 Achtzehntes Kapitel, Piorzbeim von 1746—1789, 


geneigt, den Kabinetsentrepreneurg größere Freiheiten zu bewilligen, und 
es wurde deshalb unterm 2. Tebruar 1786 verfügt, daß denfelben, fo 
lange fie ihr Gewerbe trieben, die Freiheit von Kopf:, Bürger und 
Gewerbeihatung, ſowie vom Pfundzoll bei Verkauf ihrer Waaren und 
Einfanf der erforderlichen Materialien widerruflic zugeitanden ſei; auch 
follen fie Häuſer- und Hauspläge fteigern können, ohne daß ihnen gegenüber 
vom Auslöſungsrecht Gebrauch gemacht werden dürfe. Wenn fie aber 
noch ein anderes Gewerbe daneben betrieben, fo müßten fie von letzterm 
die Hälfte der Bürger» und Gewerbefhatung bezahlen. Als würdig 
folcher Befreiung wurden laut Bericht vom 6. März 1786 erkannt 
die Fabrikanten: Ador, Lartique, Trumeau, Hofmann und Biala (Ühren: 
fabrif), Huguenin und Menabene, Bujard und Hagen, Lutz und Scheuer: 
mann, Charens und Baurittel, Gebrüder Kiehnle, Theurer, Baral, — 
ferner die Uhrmacher Graf, Kalb und Huguenin, 

Gegen die Goldcontrole, wie fie feit 1777 eingeführt war, erhob 
fi von Zeit zu Zeit von Seiten der Fabrikanten eine Oppofition, die 
nad und nach immer heftiger wurde, ja zulegt in förmliche Widerſetzlich— 
feit überging. Unterm 27. März 1788 wurde von den Fabrifanten, 
nachdem mehrere derjelben wegen unterlafiener Controle um Geld ge: 
ftraft worden waren, der Vorfchlag gemacht, daß Jeder felber contro: 
liren, d. 5. den Gehalt auf der Waare angeben folle. Werde darauf 
nicht eingegangen, fo möge man die Staatscontrole wenigftens auf die 
Maaren befchränfen, die für das Inland beftimmt feien; denn für das 
Ausland habe diefelbe durchaus Feinen Werth, da die Käufer mehr 
auf den Namen des Tabrifanten, als auf die Controle Rüdficht näh— 
men. Auch finde man es für fehr unbillig, daß die Kabrifanten die 
Eontrole bezahlen müßten und fei der Meinung, der Staat folle fie 
tragen. Das Oberamt erflärte ſich jedod mit diejen Anfichten der 
Fabrikanten nicht einverftanden, und es wurde in Folge eines von bie 
fer ‚Stelle erftatteten Berichts unterm 3. September 1788 von der 
Regierung die Controlverorönung von Neuem eingefchärft, bezüglich der 
auf Unterlaffung der Controle gefegten Zuchthausſtrafe indeß die Er— 
läuterung gegeben, daß folche nur dann mit diefer Strafe zu belegen 
fei, wenn fie zur Verbreitung unächten und gehaltwidrigen Goldes ge— 
dient habe, die alleinige Unterlaffung der Controle nur mit einer 
nach den Verhältniſſen zu beftimmenden Thurm- oder Geldftrafe zu 
ahnden fei. Um auf diefen Gegenftand nicht wieder zurückkommen zu 





Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746—1789, 661 


müffen, fei bier nur noch in Kürze bemerft, daß die Controle unter 
vielem Widerftand, ja Prozeffen der Fabrifanten noch bis 1827 fort: 
dauerte, in diefem Jahr aber eine Aenderung der Verhältniſſe in der 
Weiſe einträt, daß feither zwar von Staatswegen immer ein Contros 
leur beftellt ift, (dermalen Chr. Oechsle, vor ihm feit 1820 nad 
dem Tode des jüngern DVierordt deffen Vater Ferd. Dechsle), der jedes 
Stüd Gold, das ihm vorgelegt wird, gegen Entrichtung der gefeßlichen 
Gebühr auf feinen Reingehalt zu prüfen hat, Niemand aber verpflich 
tet ift, diefe Controle vornehmen zu laſſen. 

Es ift oben ſchon bemerkt worden, daß ftatt der urfprünglichen 
Duincaillerie, auf welche man fi im Pforzheim zuerft verlegt hatte, 
nach und nad die Stahlbijouterie aufgefommen war, mit deren Fabri- 
fation ſich noch 1782 die bedeutenditen Kabinete befakten, fo die von 
Kiehnle, Bujard, Lartique, Trumeau, Baurittel, Lutz, Cachmor, let: 
her. Nur wenige Jahre fpäter, nämlich 1788, hatten Stahl und 
Gold fih vollſtändig von einander getrennt, fo daß wir z. B. in einem 
Verzeichniß, das damals wegen Bertheilung des ontrolaverfums auf: 
geftellt wurde, nur noch Bijouterieentrepreneurs und Bijoutiers begeg- 
nen, worunter die Kabinete von Charens (Schwager und Nachfolger 
von Ador, der zu Anfang des Jahres 1788 von Pforzheim wegge— 
zogen war 1) das Kabinet befand ſich im jetigen Mufeum), Lartique und 
Grauel, (Erfterer Hatte 1786 Bankerott gemacht, ſich aber ſchon 1788 
von Neuem etablirt), Kiehnle, Boranis und Menabene, Bujard und 
Comp., Baurittel, Huguenin und PVirhaur, Trumeau, Reinbold, 
Dechamps ꝛc. Nebenbei gab es nun freilich auch noch Stahlarbeiter ; 
doch waren ihre Zahl ſowohl, als ihre Geſchäfte unbedeutend, weil fich 
für Stahlarbeiten von der Art, wie man fie bisher in Pforzheim mit 
Gold belegt hatte, gar Feine Nachfrage mehr zeigte. Zu Anfang der 
1790ger Fahre Hatte fih der Geſchmack wieder merflich geändert, klei— 
nere Stahlwaaren waren wieder gefucht, jo daß beifpielmeife 1794 eine 
Menge von Leuten, viele als Nebenbeihäftigung, fih mit Anfertigung 
von Stahlwaaren befaßte. (Mir finden in diefem Jahr deren 34 auf: 


1) „Sereniffimus nimmt an feinem Wohlergehen immer wahren Antheil, 
ba fein Betragen in Pforzheim und feine mit Nutzen für biefe Stabt ver: 
bunden gewefene fehr geſchickte Imduftrie immer Ihre größte Zufriedenheit und 
gnädigfte Rückſichtsnahme auf alle Zeiten fich erworben habe,“ fo heißt es im 
Geheimeratbsprotofoll vom 3. März 1788. 





662 Ahtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


gezählt.) In der Folge jedoch nahm diefer Induſtriezweig wieder im— 
mer mehr ab, weil die Stahlarbeiten ganz aus der Mode kamen, fo 
bag 1800 der Obervogt Baumgärtner berichten konnte, die Stahl— 
waarenfabrifation fei fo weit gefunfen, daß die wenigen noch vorhande- 
nen Arbeiter kaum da8 liebe Brod verdienten und mit Noth dem Bettel 
entgingen, jo daß ihnen nichts Anderes übrig bleibe, als ſich ebenfalls 
auf die Bijouterie zu legen, was fie aud) meiftens thäten. Die Duin- 
caillerie theilte alfo in Pforzheim zuletzt das Schickſal der Uhrenfabris 
fation, mit dem Unterfchied, daß lettere in Pforzheim ganz ohne Er— 
folg einging, während ſich aus jener die Bijouterie groß und glänzend 
entwickelte, 

Mit dem Ueberhandnehmen der letztern mußten auch einzelne 
Zweiggefhäfte derfelben aufblühen. So finden wir jchon 1794 befon- 
dere Graveurgefchäfte von Batenot, Salomon, Schober, ald Email: 
leurs: Fage, Maugray u. Comp., Cabene, Arlaud, Fournier, Hafen- 
bad und Dörflinger, in der Folge daneben auch Guillocheurs, Gold-, 
Glas- und Steinſchleifer ꝛc. 

Hatte das Oberamt in Pforzheim unterm 10. Juni 1788 be— 
richten können, daß in Pforzheim, ſeit die Stahl-, Gold- und Uhren— 
fabriken aufgekommen, ſich der Wohlſtand vermehrt, die Handwerksleute 
viel zu thun hätten, die Landleute vermehrten Abſatz fänden u. ſ. w., 
fo zeigte ſich Ende der 80er und Anfangs der Ler Jahre ein merk— 
licher Rückgang oder doch Fein Fortichritt in den Geſchäften, und viele 
Kabinete geriethen in fichtlichen Verfall. Wir ftogen deshalb 1793 auf 
bittere Klagen der Fabrifentrepreneurs, die wir übrigens nicht durchaus 
als gerechtfertigt erkennen können, da die Urfache des Rückgangs ber 
Geſchäfte nicht am gehörigen Orte geſucht wurde. Es fei, fo fagen fie, 
für Fabriken, die mit vieler Mühe und großem Aufwand errichtet und in 
Gang gebradyt worden, ein wahres Unglüd, wenn Leute, die bei ihnen 
als Arbeiter geftanden, aber entweder aus fchändlicher Gewinnſucht (1) 
ausgetreten, oder als ſchlechte und nachlälfige Arbeiter oder wegen übler 
und brutaler Aufführung von den Fabrifentrepreneurs fortgejagt worden, 
oder gar folche Leute, die gar nicht vom Metier jeien, gejtattet werde, 
daß fie fi) an dem Orte oder in der Gegend, wo folcherlei Fabriken 
eriftiven, aufhalten und für fich arbeiten, oder durch Fabrikarbeiter 
Waaren, die fie alsdann fo gut wie möglich zu verfchliegen fuchten, 
heimlich verfertigen laffen dürften. Schlechte Waaren, für Pforzheimer 





Ahtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789, 663 


Fabrikat ausgegeben, brächten Mißkredit, trieben die Preife herunter zc., 
verlodten zu heimlichen Entwendungen. Daure e8 fo fort, fo kämen 
die guten Fabriken an den Rand des Verderbens. Sie bäten deshalb, 
alle heimliche Betreibung zu verbieten und_zu verfügen, daß Keiner, 
der nicht im Stande fei, ein öffentliches Kabinet anzulegen, Erlaubniß 
erhalte, zu fabriziven oder fabriziven zu laſſen. Ja es wurde fogar 
von einigen Fabrifanten laut mit Wegzug gedroht, wenn man die Zahl 
der Kabinete allzujehr zunehmen laſſe. 

Das Oberamt Pforzheim (Eifenlohr) zeigte fich mit diefen Anfichten 
und Beſchwerden einverjtanden und gab der Regierung den Nath, die 
Errichtung neuer Fabriken zu erfchweren und nicht Jeden anzunehmen. 
Anderer Anficht aber war der Obervogt Baumgärtner, der noch im 
Jahr 1794 feinen Dienft in Pforzheim antrat. Er fand die Urfache 
des Zerfalls vieler Kabinete nicht in ihrer Menge, fondern in dem 
perfönlichen Verhalten der Befiger. „Die erjten Unternehmer,” fo fagt 
er in einem damals erjtatteten Gutachten, „waren meift Abentheurer, 
Franzoſen oder franzöfifche Schweizer, die ſchon im ihrem Vaterland 
ſich nicht zum Beſten aufgeführt hatten. Diefe Leute waren meift gut 
zu leben gewohnt, einem übertriebenen Luxus ergeben, und hatten über: 
haupt die Feftigkeit und Solidität des Charakters nicht, die dazu ges 
hört, wenn ein ſolches Geſchäft gedeihen fol. So bald fie fahen, daß 
die Sache ein wenig ging, wie es die natürliche gute Beſchaffenheit 
derſelben mit fich brachte, fo wollten fie fogleidy die großen Herren 
ipielen, ahmten die reichen Kaufleute und Fabrifanten in großen Städten 
nad, und Sant war ihr gewöhnliches Schidjal. Statt vieler Beifpiele 
möge nur das eine von Lartique hier angeführt werden, der es nad) 
Ador am weiteften gebracht hatte, aber auch viel zu früh fich einem 
folhen Luxus hingab, daß ein großer Konkurs zum empfindlichen Scha: 
den der übrigen Fabriken über ihn ausbrach.“ (Dies gefhah, wie 
oben jchon erwähnt, im Jahr 1786.) Soldye Vorkommniſſe auf der 
einen und der Grundſatz der Erſchwerung der Errichtung neuer Fabriken 
auf der andern Seite ‚mußte die nothwendige Folge haben, daß die 
Zahl der Kabinete fi) verminderte; denn es kamen nad und nad) 
manche der Ältern in Abgang und Feine oder nur wenige neue dazu. 
Die Zahl derfelben ging z. B. von 1786, dem Konkursjahr Lartiqueg, 
der mehrere Kleinere Kabinete in feinen Fall verwidelt hatte, bis zum 
Jahr 1787 von 15 auf 8 zurüd, und war bie 1794 nicht wieder 





664 Ahtzehntes Kapitel. Pforzbeim von 1746—1789, 


über 11 geftiegen. Wenn es fo fortging, war der Ruin der ‚ganzen 
Fabrikation zu befürchten; denn es durften nur noch wenige der be= 
trächtlicher Kabinete, wie es fo leicht möglich war, aufhören, fo konnten 
die meijten Arbeiter Feine Beihäftigung mehr finden, und die Induftrie 
hätte fich nur ſchwer wieder erholen können. 

Baumgärtner erfannte die Gefahr, in welcher fich diefelbe befand 
und fuchte auf geeignetem Wege Abhilfe, obgleih ihm von allen Seiten 
vordemonftrirt wurde, daß in der Vermehrung der Kabinete der Ruin 
der ſchon beitehenden enthalten wäre. Er fand ſolchen Grundſatz un= 
richtig und Heinlih. „ES müfjen,” fo fagt er in dem fchon erwähn— 
ten Gutachten, „nicht Tauter große Kabinete fein. Manche eine werden 
groß, und ohne jene gibt es diefe nicht. - Kür das Aufkommen der 
Fabriken muß es Grundfaß fein, jeden Zwang und jede Einſchränkung 
zu entfernen. Beſonders wird es auch zum Fortkommen derfelben 
gereichen, wenn jeder Arbeiter Hoffnung hat, einen eigenen Heerd zu 
gründen und für fich zu arbeiten, wogegen er mißmüthig werden muß, 
wenn ihm diefe Ausficht nicht eröffnet ift” ꝛc. 

Für ſolche Anfichten fuchte-Baumgärtner den Stadtrath, die Bürs 
gerichaft und felbft einige Yabrifanten zu gewinnen, die Regierung 
machte fie ebenfalls zu den ihrigen, und die Folge war, daß mit dem 
bisherigen Syſtem entſchieden gebrohen und das Entftehen neuer 
Fabriken auf jede Art, ſelbſt durch Borfchüffe aus herrichaftlichen 
Kaffen erleichtert wurde. Und der Erfolg? In wenigen Jahren, 
nämlih ſchon 1798 war die Zahl der Fabrifen von 11 auf 26 
geftiegen, hatte ſich alfo mehr als verdoppelt, und wenn auch ein- 
zelne derfelben wenig gebiehen, fo war doch die Anduftrie im 
Ullgemeinen, troß der Invaſion der Franzofen im Jahr 1796 und 
troß des Geldmangels, der eine Erhöhung des üblichen Zinsfußes von 
5 auf 6 Prozent zur Folge hatte, in den ſchönſten Flor gekommen. 
Die Arbeiterbevölferung Pforzheims (Arbeiter, Weiber, Kinder) betrug 
im Sahr 1798 bereits 721 Köpfe. Der Wochenlohn eines Arbeiters 
belief ſich zwiſchen 8 und 30 fl., (während 3. B. ein Wollfpinner in 
ber Tuchfabrik kaum 2 fl. verdiente), Zwei der neu entitandenen 
Tabrifen kamen der größten unter den ältern, nämlich der Kiehnle'ſchen, 
faft glei, und als fi im Jahr 1799 Bohnenberger, der fih 1792 
mit Kiehnle affocirt hatte, von diefem wieder trennte, fo mar ein Ge 
winn don 200,000 Gulden zu theilen. Darf e8 ung da wundern, 





Achtzehntes Kapitel, Pforzheim von 1746—1789. 665 


wenn man Pforzheim damals ſchon das „kleine Genf” nannte und 
vom weitern Aufihwung der Induſtrie die Schönften Hoffnungen hegte? 
— Zwar übte der 1799 wieder ausgebrochene Krieg einen nachtheis 
Tigen Einfluß auf diefelbe. Franfreih und Holland waren für den 
Abſatz der Pforzheimer Bijouterie ganz gefperrt, nach anderer Richtung, 
wie in der Schweiz und in Stalien, lagen Handel und Verkehr dar: 
nieder. Doch brachten fich die Fabriken fort und Fam es in Pforzheim, 
felbit unter den Kleinen Geichäften, zu keinem Bankerott. Der Grund 
davon lag hauptjächlich darin, daß man neue Abjagquellen ausfindig 
gemacht hatte, namentlich nach Norden über Leipzig und Hamburg, wo 
fich große Niederlagen von Bijouterie befanden, die nad) Dänemark, 
Schweden, Rußland und England ging. Biele der größern Fabriken 
unterhielten bereits jtändige Neifende, während die kleinern meift für 
jene arbeiteten. Die Pforzheimer Goldwaaren, die hauptfächlic in Uhr: 
fetten, Halsketten, Ningen und Obrringen, Halsichnallen, Pretenfiong, 
Berloques und Medaillons beftanden, (größere Artikel, wie Tabaks— 
dojen, goldene Etuis ꝛc. wurden nur auf befondere Beftellung verfer: 
tigt), hatten bereits einen folhen Grad von Vollkommenheit erlangt, 
daß fie den feinften Parifer und engliihen Waaren nicht nachitanden, 
ja daß viele derfelben, die nad) England gingen, von dort als englifche 
Waaren wieder zurüdtamen. Um das Jahr 1800 erreichte der Werth 
des in Pforzheim verarbeiteten Goldes, wozu meift Dufaten genommen 
wurden (Lingots anzufchaffen, bielt man nicht für vortheilhaft,) bereits 
die Summe von 300,000 Gulden. Erlitten auch mande Fabrikanten 
durch die 1799 in Hamburg ausgebrochenen Bankerotte Verluſte, die 
von 6000 bis 20,000 Mark betrugen, jo machte man fich im Allge- 
meinen nicht viel daraus, ſondern war froh, daß die Krifis rafch wieder 
ihr Ende erreichte, In den nächſten Jahren (1800—1803) nament: 
lich nad) dem 1800 abgefhloffenen Frieden von Lüneville, vermehrte 
fi zwar die Zahl der Fabriken nicht bedeutend (1800 waren es ihrer 
26), aber die Zahl der Arbeiter nahm fortwährend zu und betrug 
1803 ſchon 522, die mit 186 Weibern und 398 Kindern eine Gold: 
arbeiterbevölferung von 1097 Seelen bildeten. 

Die Inhaber jener 26 Fabriken des Jahres 1800 waren: Charens 
(früher Ador), Bujard et Comp, (jeit 1787), König, Dechamps, 
Cassanova, Baurittel (feit 1791), Hepp, Würz u, Eo., Jakobi, Mad: 
let (jeit 1795), Huguenin, Bauer, Kienle u. Ev. (feit 1799), Rhein: 





666 Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 


boldt, Blind, Mezger, Gülich (feit 1798), Urbain, Schober, Lang, 
Collin, Fromajer, Zieboldt, Bohnenberger (jeit 1799), Dennig (feit 
1800), Maler. 

Bei den neuen Fabriken, welche nad) 1794 ins Leben traten, war 
die Frage aufgeiworfen worden, ob es nicht nöthig fei, den betr. Unter: 
nehmern irgend eine Prüfung abzunehmen, etwa die Fertigung eines 
Probeſtücks aufzulegen. Auf eingeholtes Gutachten bei den Fabrifanten 
felber gab das Oberamt 1800 und 1802 fein Urtheil dahin ab, daß 
eine ſolche Maafregel deswegen nicht durchzuführen fei, weil die meiften 
Entrepreneurs keine gelernten Bijoutiers feien, deſſenungeachtet aber 
ihrem Gefchäft mit vorzüglihen Ruhm und Glück vorjtinden, wie 
3. B. Büjard, der ein Kaufmann, und Kiehnle, der ein Flözer jet. 
Wolle man demnach darauf bejtehen, daß nur folden die Erlaubniß 
zur Errichtung einer Bijouteriefabrit gegeben würden, welche die Bijoute- 
vie förmlich erlernt hätten und denen aljo nur ein Probejtüc aufges 
geben werden Fünne, fo würde das Fabrikweſen in Pforzheim unfehlbar 
fehr verlieren und wahrſcheinlich noch jchneller wieder herabfinfen, als 
es ſich emporgehoben habe, denn alsdann käme diejer fchöne Handels: 
zweig einzig und allein in die Hände foldyer Leute, denen es im der 
Regel jowohl an Hinfänglichen Fonds, wie an den erforderlichen Kennt: 
niffen für ein jo viel umfafjendes Geſchäft ermangle, und die meijten 
Entrepreneurg würden ihr Gefhäft nur ins Kleine zu treiben genöthigt 
fein und bei weitem der Nutzen nicht herauskommen, der fich bei 
Betreibung im Großen herausftelle. — Auf diefen Bericht bin wurde 
von der Auflegung einer technifchen Prüfung Seitens der Regierung 
Umgang genommen. 

Die Gefchichte dev Bijouterie, wie fie fich im laufenden Jahr: 
hundert geftaltete, Fönnen wir kurz zufammenfafien. Waren zu Anfang 
desfelben die Pforzheimer Fabrifen wieder in Blüte gefommen, fo 
drohte der ertödtende Frofthauc des Kontinentaliuftems (feit 1806) dieſe 
Blüte vollftändig zu vernichten. Zwar betrug die Zahl der Fabriken 
41810 noch 241, in denen von 90 bis herab zu 2 Arbeitern, im Ganzen 
420 Berjonen befchäftigt waren, wozu in den Guillocheur-, Emailleurz, 
Gold: und Glasfchleifer:, TFeilenhauer- und mechanifchen Werkſtätten 
ungefähr 40 weitere kamen, fo daß im Ganzen IOO—1000 Menſchen 
— ungefähr der fünfte Theil der Bevölkerung — durch die Yabrifen 
ihr Brod fanden, In Folge des fortdauernden Seekrieges und der 





Achtzehntes Kapitel. Pforzheim von 1746—1789. 667 


Vereinigung der Nordieehäfen mit Frankreich wurde indeß der Handel 
immer mehr geſchwächt, fo daß aud in Pforzheim die Fabriken ihre 
Thätigfeit fortwährend verminderten und die Zahl derjelben 1812 auf 
13 berabgefunfen war, namentlich, nachdem durch die Einäſcherung 
Moskaus mehrere der bedeutendften Waarenabnehmer abgebrannt waren. 
Erſt nad) dem zweiten Parijer Frieden (1815) blühte die Bijouterie 
wieder empor und im Jahr 1816 zählte man wieder 21 Fabriken 
mit einem MWaarenerlös von etwa 600,000 Gulden und einer Arbeiter: 
bevölkerung (alſo einfchließlich der Weiber und Kinder) von 900— 1000 
Köpfen. 

Eine Reihe von Jahren verging, ohne daß fich die Fabrikation 
in befonderm Grade erhob. Erft in den 1830ger Jahren war dies 
mehr der Tall, und 1833 finden wir, wenn aud) die Zahl der Fabriken 
nicht befonders vermehrt, doch ſchon eine Arbeiterzahl von 900 — 1000 
Köpfen und einen Waarenerlös von etwa 1 Million Gulden. Bis 
1838 war die Zahl der Fabriken auf 54 geftiegen. Die 1840ger 
Jahre waren der Fabrikation wieder weniger günftig, und gegen Ende 
derfelben trat jene verhängnigvolle Krifis ein, welche die Pforzheimer 
Induſtrie faft ganz darniederwarf. Eine glänzende Epoche begann für die: 
felbe in den 1850er Sahren, nachdem namentlich in Amerika ein neues 
Abſatzgebiet eröffnet worden war. Die Zahl der Fabriken, ohne die 
Zweiggejchäfte war 1854 bereits auf 82, die Menge der Arbeiter auf 
3000-4000 geftiegen. Der Waarenumſatz hatte bei einem jährlichen 
Gold:Verbrauh von etwa 60 Gentnern die Höhe von 8 Millionen 
Gulden erreicht. Alles das nahm in den folgenden Jahren noch anjehn: 
lich zu, und im Jahr 1859 Hatte die Menge der Bijouteriefabrifen 
und ihrer Zweiggefchäfte, troß der 1857 eingetretenen Handelskrifis, die 
Zahl 206 mit 6000 - 7000 Arbeitern erreicht. — Näheres über 
den nenejten Stand der Pforzheimer Goldwaareninduftrie wird weiter 
unten folgen. 





Aeunzehntes Kapitel. 





Dom Beginn der franzöfifchen Nevolution bis auf die neueſte 
Zeit.) 
(1789 — 1862.) 


$ 1. Allgemeines. 


Das letzte Drittel der Regierungszeit Karl Friedrichs verlief nicht 
fo ruhig und friedlih, wie die erften vierzig Jahre derfelben. Doc 
durfte der edle Fürft die Freude erleben, fein Land in Folge der aus: 
brechenden Kriege, welche der Karte von Europa, namentlich aber 
Deutichlands, eine ganz andere Geftalt gaben, anfehnlid vergrößert, 
die Zahl feiner Unterthanen bedeutend vermehrt zu fehen. 

Am Jahr 1789 begann die franzöfiiche Nevolution. Die Natio- 
nalverfammlung hatte ſich die Umpgeftaltung aller Staatsverhältniffe 
zur Aufgabe gemacht, da die beftehenden Zuftände durchaus morfch 
geworden waren. Damit unzufrieden, wanderten außer einem Theil der 
Prinzen viele vom Adel und der Geiftlichkeit aus, und Schaaren von 
Emigranten überfhwemmten audy die badifchen Lande, um Hilfe und 
Rache zu fuchen. Die Grundſätze, welche in Frankreich zur Geltung 
famen, und die beifpielmeife auch in einzelnen badiſchen Gemeinden 
aufregend wirkten, fo daß Karl Friedrid mit Waffengewalt einfchreiten 
mußte, die Gefahr, im welcher fi) der franzöfifche Thron befand und 
die auc andern Thronen drohte, die Bemühungen der Emigranten: 
Alles wirkte zufammen, zwiſchen Kaifer Leopold IL. bez. Franz II. und 
dem König von Preußen, Friedrich Wilhelm IL, ein Schuß: und Truß: 
bündnig gegen Frankreich für fih und das deutfche Meich zu Stande 
zu bringen. Ms aber Frankreich 1792 mit einer Kriegserflärung zuvor 
Fam, fielen die Verbündeten in die Champagne ein und errangen ver: 


1) Diejenigen Partien dieſes legten Kapitels, im welchen bie neueſte Zeit 
berührt oder behanbelt ift, wurben abfichtlich nur furz gehalten. Die Gründe 
dafür find Teicht einzuſehen. 





Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 669 


fchiedene Vortheile. Allein die Preußen wurden durch die freiheits- 
trunfenen Franzoſen wieder zum Rückzuge genöthigt, die Defterreicher 
bei Jemappes gefchlagen, das linke Nheinufer und mit ihm die 
Feſtung Mainz ging verloren. In Frankreich felbft erklärte der Na— 
tionalfonvent das Königthum für abgefchafft, Frankreich zur Republik 
und am 21. Sanuar 1793 fiel das Haupt Ludwigs XVI unter dem 
Fallbeil. 

Jetzt trat faſt ganz Europa gegen die neue Republik, wo eine 
Schreckenszeit begann, in die Schranken. Die Preußen nahmen Mainz, 
die Oeſterreicher Brüſſel wieder, die Engländer beſetzten verſchiedene 
Städte im Süden Frankreichs, im Innern des Landes wüthete der 
Bürgerkrieg. Jetzt griff der Wohlfahrtsausſchuß in Paris zum Mittel 
der allgemeinen Vollsbewaffnung. Die Begeiſterung und Entſchieden— 
beit der franzöfifchen Heere und ihrer Führer auf der einen, die Un: 
einigkeit und die Mißgriffe der Verbündeten auf der andern Seite ver: 
ichafften den Franzofen von Neuem den Sieg. Die Generäle Richegru, 
Jourdan und Hoche trieben die verbündeten Heere am Rhein und in 
den Niederlanden, die im Winter 1794 auf 95 erobert wurden, immer 
weiter zurüd, nahmen eine Feſtung um die andere und ergriffen vom 
linken Nheinufer Befit. Der Eifer der Verbündeten erlahnıte immer 
mehr und ging in Eiferfucht über, und alle Glieder der erften Koali: 
tion gegen Franfreih, Defterreih und England ausgenommen, dachten 
um fo mehr an Frieden, als auch der Sturz der Schredensherrichaft 
in Frankreich erfolgt war. Preußen fhloß 1795 den Frieden von 
Bafel, ein fpäterer Vertrag erklärte ganz Norddeutichland für neutral, 
Den Ober: und Mittelrhein aber deckte noch Defterreih, und verhins 
derte die ſüddeutſchen Neichsftände, dem Beifpiel der norddeutfchen zu 
folgen. 

Jetzt drangen die Franzofen, die ſchon 1793 Uebergangsverfuche 
gemacht hatten, im Juni 1796 unter General Moreau, 80,000 Mann 
ftart, auf verſchiedenen Punkten zwiſchen Hüningen und Leopoldshafen 
über den Rhein, und zum erften Male wurde die Markgraf: 
haft Baden der Schauplatz des Krieges. Karl Friedrich 
floh nad) Anſpach, während fich die Reichsarmee den eindringenden 
Feinden entgegenwarf, bei Raftatt, Renchen und Ettlingen aber 
geihlagen wurde. Seht blieb den Kleinern füddeutichen Fürften nichts 
übrig, als dem Beifpiel Preußens zu folgen. Karl Friedrich ſchloß 





670 Neunzebntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 


mit Frankreich zuerft einen Waffenftilftand, dem am 22, Auguft 1796 
ein Separatfrieden folgte. Die Abtretung aller feiner Tinfsrheinifchen 
Befitungen und das Eingehen noch anderer Bedingungen, das nur bie 
gebieterifche Nothwendigkeit entfchuldigen konnte, waren der abgedrungene 
Preis des Friedens. 

Unterdefjen waren die Franzofen unter Moreau in Baiern ein- 
gedrungen, Jourdan hatte vom Niederrhein her feinen Weg ebenfalls 
dahin gefunden, und von Stalien aus machte ein anderer Fühner und 
unternehmender General, Napoleon Bonaparte, der die Lombardei 
erobert hatte, Veranftaltung, den beiden andern franzöfiichen Feldherrn 
die Hand zu bieten. Aber Jourdan wurde von Erzherzog Karl in 
drei Schlachten geichlagen, und fein Heer eilte in wilder Flucht, von den 
Landbewohnern ned) vielfach bejchädigt, dem heine zu. Moreau be= 
werfitelligte nunmehr einen meifterhaften Nüdzug und gelangte, von 
Erzherzog Karl zwei Mal geichlagen, in der Nähe von Baſel über 
den Rhein. Während defjen aber erfimpfte Bonaparte neue Siege in 
Italien und drang im Frühjahr 1797 dur die Alpen gegen Wien 
vor, während franzöfifhe Heere wiederum den Rhein überjchritten. 
Setzt ſchloß Defterreihh mit Opfern den Frieden von Campo Formio 
und ein Kongreß zu Raſtatt follte den Frieden zwiſchen Frankreich 
und dem Neiche feftfegen und andere Verhältniſſe regeln. Da indefjen 
während desjelben Frankreich feine Macht fort und fort erweiterte, jo ſchloß 
Defterreich ein neues Bündnig mit Nufland, England und der Türkei, 
und erflärte 1799 den Kongreß von Naftatt, der mit der Ermordung 
der franzöſiſchen Gefandten endigte, für gefchloffen, und der Krieg be: 
gann von Neuem. 

In Italien erfocht der ruffiiche Feldherr Suwarow glänzende 
Siege über die Franzofen, und General Fourdan, der die füdlichite der 
drei franzöfifchen Armeen befehligte, welche über den Rhein gegangen 
waren, wurde von Erzherzog Karl nad der Schlaht von Stodady zum 
Nückzug über den Rhein genöthigt. An Jourdans Stelle drang Maffena 
fiegreich nach Stalien, die Nuffen wurden von dem launiſchen Kaifer 
Paul I. zurücgerufen, Bonaparte kehrte aus Egypten zurüd, wohin er 
1798 gegangen und errang am 14. Juni 1800 den Sieg von Ma: 
rengo. Mit gleichem Glück befiegte Moreau in Deutjchland nad dem 
Nücktritt des Erzherzogs Karl die Defterreicher bei Engen, Meßkirch, 
namentlich aber bei Hohenlinden, und zwang den Kaifer zum Friie— 





Neunzehntes Kapitel, Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 671 


den von Küneville, den er am 9. Februar 1801 mit Bonaparte, 
damals bereits erftem Konful der franzöfiichen Republik, abſchloß. In 
diefem Frieden wurde der Nhein als Gränze zwiſchen Frankreich und 
Deutjchland feftgefest und den deutſchen Fürften, die dadurch verloren 
oder, wie der Markgraf von Baden, ſchon früher verloren hatten, Ent: 
Ihädigung aus Mitteln des Neichs verheißen. ine Neichsdeputation 
follte diefe Entſchädigung feitfegen, was im Februar 1803 auch gefchah. 
Sämmtliche geiftlihe Neihsftände, mit einer Ausnahme, wurden ſäku— 
larifirt, d. 5. fie hörten zu beftehen auf und ihre Länder wurden andern 
zugetheilt; von den 48 Reichsſtädten blieben nur nody 6. Der Mark: 
graf Karl Triedrih von Baden wurde, theils weil man ihn als Grenz: 
fürft gegen Frankreich verftärfen wollte, theils um feiner anerkannten 
Tugenden willen, zum Rurfürften erhoben und ihm als Enſchädigung 
zugetheilt: das Bisthum Konftanz, Theile der Bisthümer Speier, 
Bafel und Straßburg, die pfälziſchen Aemter Ladenburg, Bretten und 
Heidelberg mit den Städten Mannheim und Heidelberg, die Herrichaften 
Lichtenau und Lahr, die Abteien Schwarzach, Frauenalb, Allerheiligen, 
Lichtenthal, Gengenbah, ttenheimmünfter, Petershaufen, Reichenau, 
Dehningen, Schuttern und Salem, das Stift und die Probſtei Oden— 
beim, die Reichsſtädte Offenburg, Gengenbach, Zell, Ueberlingen, Pful— 
Vendorf und die fpäter wieder ausgetaufchten Biberach und Wimpfen. 
Diefe neuen Erwerbungen umfaßten beinahe 62 Quabdratmeilen mit 
über 250,000 Einwohnern, während die Abtretungen nur 19 Duadrats 
meilen mit 65,000 Einwohnern betragen hatten. Das neue Kurfürften- 
tum Baden war nunmehr 113 Duadratmeilen groß und zählte 
450,000 Bewohner. 

Noch war Karl Friedrih mit der Organifation feiner neuen Lan— 
destheile beichäftigt, als 1805 der Krieg der dritten Koalition ausbrach. 
Defterreih hatte fi) mit England, Rußland und Schweden gegen 
Frankreich verbündet. Napoleon, feit 1804 Kaifer der Franzofen, drang 
raſch in Deutjchland ein, nahm bei Ulm den öfterreichiichen General 
Mad mit feinem Heer gefangen, verfolgte feinen Sieg bis Wien und 
erfoht am 2. Dezember 1805 über das vereinigte öfterreichifcheruffifche 
Heer den Sieg von Aufterlig, deffen Folge der Friedevon Preß 
burg war. Zum erften Mal waren in diefem Krieg die badifchen 
Truppen, an 3400 Mann ftark, unter dem Befehl des Generalmajors 
von Harrant, mit den Franzofen zu Felde gezogen, da Napoleon nur 





679 Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit, 


zwifchen Anſchluß und Verderben die Wahl gelafien hatte Sie nah— 
men aber an den eigentlichen SKKriegsereigniffen keinen Theil, fondern 
wurden bauptfählih zum Transport vuffiicher Kriegsgefangenen ver— 
wandt. Der Friede von Prefburg "brachte Baden neuen Zuwachs an 
Ländern, nämlich den Breisgau, die Ortenau und die Stadt Konftanz. 

Am 12. Juri 1806 erfolgte die Gründung des Nheinbundes, 
dem 16 deutiche Fürften, darunter der Kurfürft von Baden, unter dem 
Proteftorat Napoleons mit vollem Souveränitätsrecht und erhöhter 
Würde beitraten. Durch ihre Losfagung vom deutihen Neichsverband 
batte ein deutſches Reich feinen Sinn mehr und wurde ein foldyes auch 
von Frankreich nicht mehr anerkannt. rang IL legte darum "am 6. 
Auguft 1806 die deutfhe Kaiferfrone nieder und erflärte ſich zum 
Kaifer von Defterreih. Das war das Ende des deutfhen 
Reichs. Karl Friedrich erhielt den Titel eines Großherzogs, 
nachdem er die Königswürde abgelehnt hatte. Durd die auf Napo— 
leons Gebot erfolgte Mediatifirung verfhiedener Heinerer Reichsſtände 
erhielt Karl Friedrich die Souveränität über den größten Theil der 
Zande des Fürften von Fürftenberg, des Fürſten von Leiningen und die 
gräffichen Aemter, über die Befigungen von Löwenftein- Wertheim am 
linfen Mainufer und die des Haufes Salm-Krautheim-Reiferſcheid am 
rechten Ufer der Jart. Dazu kamen Heitersheim, Kleinere württem- 
bergifche Bezirke, zwei Deutichordenstommenden ꝛc. Das nunmehrige 
Großherzogtum Baden umfaßte nad foldhem Zuwachs etwas über 
249 QDuadratmeilen mit 900,000 Einwohnern, deren Zahl 1808 be- 
reits auf 924,000 geftiegen war. 

Dem Großherzog Karl Friedrich wurde durch den neuen Länder: 
anfall die Pflicht orönender und gejetgeberifcher Thätigkeit wiederholt 
auferlegt, Darum regelten namentlich fieben Konftitutiongedifte die 
Eirchliche Verfaffung, die der Gemeinden, der Staats: und Grundherrn, 
das Lehenswefen, die Verfafjung der verfchiedenen Stände der Staats— 
bürger und die Verhältnifie der Iandesherrlihen Diener. Nach wenigen 
Sahren erſchien eine abermalige Landesorganifation, und wurde der 
Eode Napoleon mit verfchiedenen Abänderungen als badifches Land: 
recht eingeführt. 

Mittlerweile war 1806 der Krieg mit Preußen ausgebrochen, 
mit dem ſich Rußland verbündet hatte, Die Schlachten von Jena 
und Friedland und der Friede von Tilſit 1807 entfchieden über 





Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 673 


das Schickſal Preußens, das um die Hälfte verkleinert wurde und auch 
fonft den Zorn des GSiegers empfinden mußte. Auch in diefem Krieg 
hatte ein badifches Truppenkorps von 6000 Mann, dem weitere 1400 
Mann nachgefendet wurden, unter dem General von Cloßmann mitge: 
fümpft und ſich durch Tapferkeit ausgezeichnet. Aber die Koften folcher 
Heerzüge Yafteten ſchwer auf dem Lande, namentlich als die eingeführte 
Konfeription noch weiter ausgedehnt wurde, Ein Hilfstruppenkorps von 
2000 Mann unter Obrift von Porbeck mußte 1805 nad) Spanien ent= 
fandt werden, um auch dort feinen Friegerifchen Ruhm zu bewähren. 

Im Jahr 4809 erhob fich Defterreih zu neuem Kampf gegen 
Frankreich, und blutig entbrannte der Krieg. Aber an der Spike eines 
meift aus deutfchen Truppen beftehenden Heeres erfocht Napoleon die 
Siege von Abensberg, Eckmühl, und wenn auch bei Aſpern ge 
ſchlagen, entjchied die vom franzöftichen Kaifer gewonnene Schlacht von 
Wagram den Krieg, Mit großen Opfern mußte Oeſterreich noch in 
demſelben Jahr 1809 den Frieden von Wien erfaufen. Aber das 
Jahr darauf reichte Marie Luife, die Tochter des Kaifers Franz von 
Defterreih, Napoleon die Hand. — Ein badifches Truppenforps von 
nahezu 7000 Mann hatte in diefem Krieg unter Generalmajor von 
Harrant (ftellvertretend Oberſt v. Neuenftein) mitgefochten. Abermals 
hatte die Theilmahme am Kampf dem Lande große Opfer auferlegt. 
Doc e8 vergrößerte und ergänzte fi) durdy die von Württemberg abs 
getretene Landgrafſchaft Nellenburg, wofür einige Befigungen an Hefjen 
abgegeben werden mußten. Unterm 30, November und 5. Dezember 
1810 wurden auch die von Württemberg an Baden abgetretenen Drte 
Kiefelbronn und Defhelbronn von dem dazu beauftragten Ober: 
vogt Roth aus Pforzheim in Befiß genommen. (Ein Theil der ſtädti— 
hen Ehrengarde hatte diefen Beamten dahin begleitet.) Baden war 
1811 auf 272 QDuadratmeilen mit über einer Million Bewohner 
angewachſen. 

Das Alles geſchah noch in den letzten Jahren der Regierung Karl 
Friedrichs, an welcher aber ſchon ſeit 1806 fein Enkel, der Erbgroß- 
berzog Karl, Antheil genommen hatte, da der greife Großherzog am 
Körper und Geift fichtlich verfiel. Am 10. Juni 1811 ſchloß Karl 
Friedrich nad) Göjähriger Negierung fein Leben, das er auf faft 83 
Jahre gebracht Hatte. „Karl Friedrich,” fo fagt ein vaterländifcher 


Gelehrter, „hat nie ein Heer geführt, nie mit blutbefledtem Lorbeer 
Pflüger, Pforzheim, 43 








674 Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 


Siege gefeiert; feine heiligen Silberhaare umgab die Bürgerfrone; er 
bat in der Tugend Eroberungen gemacht und mit milder Weisheit feine 
Gränzen vergrößert; er hat nur ein Mal Menſchen gefränft: durch 
feinen Verluſt.“ 9) 

Es war die Zeit der höchſten Macht Napoleons, als Großherzog 
Karl, der ſich 1806 mit Stephanie Luiſe Adrienne, der Adoptivtochter 
des franzöfifchen Kaifers vermählt Hatte, den Thron beſtieg. Schon 
das Jahr darauf, 1812, unternahm Napoleon an der Spike eines 
ungeheuern Heeres, darunter an 9000 Mann Babdenfer, den ruf: 
fifhen Feldzug. In Folge der fiegreihen Schlachten bei Smolensk 
und an der Moskwa kam das franzöfifhe Heer im September nad 
Moskau; aber die Flammen diefer ruffiihen Hauptftadt nöthigten Na- 
poleon zu einem Rückzug, auf dem feine Armee vernichtet wurde. Set 
erhob ſich Preußen, und überall Ioderte in diefem von Napoleon 
niedergetretenen Lande die Begeifterung empor. Aber dem Rufe nad 
Befreiung konnte noch nicht überall Folge geleiftet werben, weil Napo- 
leon nody zu mädtig war. Er machte erneuerte Anftrengungen und 
friſche Kontingente mußten die Rheinbundftaaten — Baden 7000 Mann 
— im Frühjahr 1813 ftellen. In einer Reihe von Schlachten wurde 
mit abwechfelndem Glück gefochten. Nachdem aber auch Defterreich fei- 
nen Beitritt zur deutſchen Sache erflärt hatte, Fam es in ber Völker: 
ſchlacht am 16., 18. und 19. Oktober 1813 bei Leipzig zum blus 
tigen Entfcheidungsfampf. Napoleon floh über den Rhein zurüd, ber 
Rheinbund Töste fi) auf und feine Heere (Baden mit 16,300 Mann) 
fochten jet gegen Frankreich, wohin die Verbündeten 1814 eindrangen. 
Nach verfchiedenen Kämpfen wurde Paris am 31. März eingenommen, 


1) Die Beifepuug der Leiche bes Verblichenen in der Gruft zu Pforzheim 
erfolgte unter entſprechenden Seierlichfeiten am 24. Juni 1811, — Am 22, 
November 1833 wurde das Denkmal Karl Friedrichs eingeweiht, welches 
ihm fein Sohn Leopold in ber Schloßkirche zu Pforzheim hatte fegen laſſen. 
Es ftept mitten im Chor und bat bie Geftalt einer gothilchen Pyramide, beren 
durchbrochenene Spitzung fi über der Büſte Karl Friedrichs erhebt. Die Ins 
ſchrift lautet: Carolo Friederico patri Leopoldus filius UDCCCXXXIII (feinem 
Bater Karl Friedrich der Sohn Leopold 1833), und auf der Nücdkfeite ift ber 
Wahlſpruch des edlen Fürſten: Moderate et prudenter (mit Mäßigung unb 
Klugheit) eingegraben. Der Entwurf ift von Profefior Moosbrugger in Raftatt, 
bie Ausführung in weißem Sanbfteine von Belzer in Weißenbach, bie Mars 
morbüfte von Bildhauer Raufer in Karlsruhe. 





Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 675 


Napoleon des Thrones für verluftig erklärt und auf die Inſel Elba 
verwieſen. Mit feinem Nachfolger Ludwig XVII. fchloffen die Ver: 
bündeten am 30. Mai 1814 den für Frankreich jo günftigen erften 
Parifer Frieden. Europa fchien beruhigt, und in Wien trat ein 
Kongreß zufammen, um die Verhältniffe Europas neu zu ordnen. 

Uber ſchon am 1. März 1815 erfchien Napoleon wieder in 
Frankreih und ftand in Furzer Zeit abermals an der Spite der Ge: 
walt. Von Neuem drangen die Verbündeten in Frankreich ein, (Baden 
batte über 22,000 Mann geftellt), und nad) verfchiedenen Schlachten 
wurde Napoleon am 18. Juni 1815 bei Waterloo zum zweiten 
Mal gänzlich niedergeworfen. Nah St. Helena verbannt, ftarb er 
dort am 5. Mai 1821. Beim zweiten Parifer Frieden (20. November 
1815) kam Frankreich immer noch glimpflich genug weg. 

Durch den Wiener Kongreß wurde Deutichland in einen großen 
Staatenbund verwandelt und darüber von den betheiligten Fürften 
am 8. Juni 1815 ein befonderer Vertrag, die dbeutfhe Bundes 
akte, abgeſchloſſen. Großherzog Karl erhielt hier die volle Souverä- 
nität und die feierliche Gemährleiftung der Untheilbarfeit feines Landes 
im bisherigen Beftande. Im deutichen Bunde erhielt Baden die fie- 
bente Stelle. 

Sp ſchien der Friede gefichert, und eine neue Drdnung der Dinge 
war bergeftelt. Um indeffen die von außen nicht unangefochtene Un: 
theilbarfeit des Landes zu ſichern, bekräftigte er nach dem Tod feiner 
zwei Söhne, was ſchon fein Großsater begonnen, indem er den Söh— 
nen Karl Friedrichs aus zweiter Che (Leopold, Wilhelm, Marimilian) 
den markfgräflichen Titel ertheilte und durch das Hausgefeb vom 4, 
Oktober 1817 ihr Nachfolgerecht ausſprach. 

Von Griesbach aus, wo der kranke Fürſt Linderung ſeiner Leiden 
geſucht, ertheilte Großherzog Karl am 22. Auguſt 1818 ſeinem Lande 
eine Verfaſſung. Es war ihm aber nicht mehr vergönnt, das neue 
Grundgeſetz ins Leben treten zu ſehen. Er ſtarb am 8. Dezember 
1818 zu Raſtatt und wurde in der Gruft zu Pforzheim feierlichſt 
beigeſetzt. Seit 7. Februar 1860 ruht an ſeiner Seite ſeine Gemah— 
lin, die Großherzogin Stephanie, in der Pforzheimer Fürſtengruft, die 
nunmehr. feine Mitglieder der großherzoglichen Familie mehr aufneh— 
men wird, 

Ihm folgte ala Großherzog fein Oheim —— berief ben 

* 





676 Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neueſte Zeit. 


erften Landtag und ergänzte die Verfaffung durch das Dienerebikt. 
Bald aber trat zwifchen Regierung und Ständen eine Mißftimmung 
ein, die Kammern wurden aufgelöst, und die neuberufene Ständever- 
fammlung gab ſich fogar zu einer Schmälerung der Verfaſſung ber. 
Ludwig that aber aud Manches zum Wohle des Landes. Unter ihm 
vereinigten ſich 1821 die evangelifche und reformirte Kirche Badens zu 
einer unirten. 1828 ward der erzbifchöfliche Stuhl in Freiburg errich- 
tet; die Hochſchulen erfreuten fich der befondern Pflege des Landesfürften. 

Nach dem Tode des Großherzogs Ludwig, welcher am 30. März 
1830 erfolgte, bejtieg fein Halbbruder Leopold den Thron. Huld— 
volle Herablaffung, Wohlwollen und Herzensgüte bildeten die Grund- 
züge feines Charakters. Gleich bei feinem Negierungsantritt ftellte er 
die Verfaſſung wieder her, erließ Gefete zur Befreiung des Bodens 
von allen Laſten, trug durch eine Reihe anderer Geſetze während der 
Dauer feiner Regierung Sorge für des Volkes Wohl, verbefferte das 
Schulwefen ꝛc. Unter Großherzog Leopold erfolgte der Anſchluß Badens 
an den deutſchen Zollverein, was, wie der Bau von Eifenbahnen durch 
das Land und der Anſchluß an den deutſchen Woftverein, einen groß- 
artigen Aufſchwung des Verkehrs zur Folge hatte. Wurden auch die 
legten Lebensjahre des edeln Fürften durch die Ereigniffe des Jahres 
1849 getrübt, jo konnte er doch vor feinem Hingang, welcher am 24. 
April 1852 erfolgte, noch die Freude erleben, daß der geſetzliche Zu— 
ftand in Baden fi) mehr und mehr wieder befeftigte, fein Land zu 
neuer Blüte gelangte und die Herzen feines Volkes ihm mit erneuter 
Liebe entgegenſchlugen. 

Seit 1852 regiert Großherzog Friedrich. Seine Regierung 
gehört der Gegenwart, nicht der Gefchichte an. Dieſe aber wird dereinft 
feiner hochherzigen, opferbereitwilligen, vaterländifchen Geſinnung, feines 
eifrigen Strebens, den Anforderungen der Zeit gerecht zu werden und 
fi in den Dienft des ächten Fortichrittes zu ftellen, mit Nuhm ges 
denken; fie wird in ihre Blätter verzeichnen, daß das Sinnen und 
Trachten diefes Fürften nur auf das Wohl feines Volkes gerichtet und 
daß er die Freude und der Stolz feiner Badener, ein Teuchtendes Vor: 
bild für andere Fürften war. Der Wunfch wird aber jest ſchon dem 
Geſchichtſchreiber geftattet fein: „Gott fegne, ftärfe und ſchütze den 
Großherzog!” 





Neunzehntes Kapitel, Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 677 


52. Pforzheim während der franzöfifchen Firiege. 1) 

Schon von 1792 an ſah Pforzheim Kriegsgäfte verfchiedener Art. 
Die erften franzöfifchen Emigranten erfhienen am 28. Dftober jenes 
Jahres. Es waren meift Adeliche und Geiftliche aus dem Elſaß, die 
fi) auf Weifung der Regierung jedoch bald wieder aus Pforzheim 
entfernen mußten, weil dafelbft „wichtige Staatseffeften aufbewahrt 
würden und die Emigranten zu einem Weberfall reizen Könnten.“ Auch 
zu Anfang des Jahres 1794, als die Franzoſen bis Speier und in 
die obere Pfalz vorgedrungen waren, fowie im November desfelben 
Kahres, wimmelte die Stadt von Flüchtlingen, die zum Theil betteln 
gingen. Der Befehl, daß fie, mit Ausnahme der Kranken, Pforzheim 
fchleunigft verlaffen follten, wurde im November 1795 wiederholt, ohne 
daß ihm indeß von allen Emigranten Folge geleiftet worden wäre. 
Bon 1792 an wurde Pforzheim vielfach auch von Durchmärſchen und 
Einguartierungen Faiferlicher Truppen heimgefucht, und Lieferungen und 
Kriegsfrohnden aller Art nahmen die Mittel der Stadt bedeutend in 
Anfpruh, (fo allein im Jahre 1795 die Summe von 5206 ft.) 
In Pforzheim war ein Taiferliches Magazin, und die Stadt diente zu— 
glei als Krankenabftoß beim Transport derjelben nach Solitüde. 
Ernſter geftalteten fih die Verhältniffe im Sommer 1796, als eine 
franzöfifche Armee unter Moreau (S. 669) den Uebergang über den 
Nhein erzwang und die Faiferlichen Truppen zurüdtrieb. Bei der An- 
näberung der Franzofen ergriffen viele Bewohner Pforzheims die Flucht, 
andere fuchten wenigſtens den beften Theil ihrer Habe fo gut wie 
möglich zu verfteden. Nach dem Treffen von Raftatt am 5. Juli und 
bei Ettlingen und Rothenfol am 9. Juli kampirte die üfterreichifche 
und ſächſiſche Armee, die fich nach Pforzheim zurückgezogen hatte, meh: 
tere Tage lang auf dem Bergrücken nördlich von der Stadt, fette aber 
am 14. Juli, ohne die Ankunft der Franzofen abzuwarten, ihren Rück— 
marſch nah Stuttgart fort, jedoch nicht, ohne gegen den ausdrücklichen 
Befehl des Erzherzogs Karl Plünderungen zu verüben. 

Um 15. Juli 1796 rüdten die erften Franzofen unter Moreau 
in Pforzheim ein. Cine Deputation, beftehend aus den beiden Beam: 
ten (Baumgärtner und Eifenlohr), drei Mitgliedern” des Magiftrats 


1) Quellen: Akten des Oberamts, Rathsprotofolle, Pforzheimer wöchent⸗ 
liche Nachrichten ꝛc. 





678 Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 


(worunter Bürgermeifter Geiger) und fehs von der Bürgerfchaft 
(darunter Bujard, Bohnenberger, Dennig) war den feindlichen Trup— 
pen entgegengegangen, um eine milde Behandlung der Stadt zu erwir— 
fen. Im Allgemeinen konnte man die Großmuth der Sieger rühmen, 
obgleich fie in ihren Forderungen nicht allzu bejcheiden waren. 1) Här- 
ter fheinen die Landorte heimgefucht worden zu fein, wo Plünderung 
an der Tagesordnung war. Bon Dietlingen kam beifpielmeis bie 
Klage, daß troß der großmüthigen Befehle des Siegers am 15, Zuli 
die meiften Häufer geleert und die Einwohner von Kopf bis zu Fuß 
ausgezogen worden jeien. 

Unterm 25. Juli Schloß Karl Friedrich den ſchon erwähnten Waf— 
fenſtillſtand mit der franzöfiichen Republik. Der Preis desjelben waren 
außer fonftigen für Baden nachtheiligen Bedingungen 2 Millionen 
Livres baar, ferner die unentgeldliche Lieferung von 1000 Pferden, 
500 Ochſen, 25,000 Gentnern Frucht, 12,000 Säden Haber, 50,000 
Gentnern Heu und 25,000 Paar Schuhen oder für jedes Stüd 5 Liv: 
res. Plakate von Blech mit der Auffchrift: „Territoire de Bade pays 
neutre“ follten überall die Waffenftillftandsbedingungen refpeftiven hel— 
fen, was aber vielfach nicht geihah. Die Kontributionen an die Tran: 
zofen betrugen für das Oberamt Pforzheim die Summe von 280,000 
Gulden, wovon auf die Stadt allein 41,825 Gulden famen. Troß 
des Waffenftillftandes dauerten die Frohnden fort. Während des Mo: 
nats Auguft mußte die Stadt Pforzheim dazu 16 Karren, 60 zwei⸗, 
11 drei-, 32 vierfpännige Fuhren, dazu 98 Vorſpann und 9 Reit: 
pferde, im Ganzen 438 Stüd Vieh ftellen. Ungeachtet ſolch ſchwerer 
Laſten betheiligte fich die Pforzheimer Bürgerfchaft fehr lebhaft bei dem 
Unlehen, welches die Regierung zur Entrichtung der franzöfifchen Kon: 
tributionen im Lande felber machte. 2) Beſondern Dank ſprach die 
Behörde im September 1796 dem Handelemann Wohnlich aus, der 
„in den dringendften und gefahrnolliten Umftänden der Stadt mit fo 
anfehnlihen Geld: und andern Vorſchüſſen auf eine bereitwillige und 


1) Dies beweilen u. U. die bei den bamaligen Amtsaften Tiegenden Küchen: 
zettel für den Offizierstiſch. 

2) Wir finden darunter: Handelsmann Dennig mit 7000 fl. Fabrifant 
Kiehnle mit 3200 fl., Hammerwerksbefiger Lidel und Bendifer mit 3000 fl., 
Rathöverwandten Dreher mit 2000 Gulden, Andere mit 1000, 800, 600 Gul: 
ben x, 





Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit 679 


rühmlihe Weife an Handen gegangen und dadurd die Stadt vor 
manchem bevorgeftandenen großen Unglüd zu befreien geholfen hat.“ 

Als im September 1796 während und nad Moreaus meifterhaf: 
tem Rückzug viele Defterreicher wieder durch Pforzheim kamen, hörten 
Einquartierungen und Nequifitionen, für weldhe nunmehr feine Ver: 
gütungen mehr geleiftet wurden, faft gar nicht mehr auf und bildeten 
eine große Laſt bis zum Frieden von Campo Formio und dem Kon: 
greß von Raftatt, der aber dem Reich den erfehnten Frieden nicht gab. 

Der Hauptihauplag des 1799 wieder ausgebrochenen Kriegs war 
Oberſchwaben und die Schweiz. Im Herbft bdiefes Jahres machte 
jedoch ein franzöfifches Armeeforps einen Streifzug über den Rhein, 
und General Lecourbe lag vom 2. bis 4. November in Pforzheim, 
die öfterreichifchen Vorpoſten nur eine halbe Stunde davon. Des Fries: 
bens von Lüneville 1801 und feiner Folgen ift bereits Erwähnung 
geſchehen. 

Das Jahr 1805 brachte den Krieg der dritten Koalition, Eine 
Adtheilung öfterreichifcher Nofenberg-Dragoner, welche am 26. Septem: 
ber von Hechingen, Nagold und Calw ber nad Pforzheim Fam und 
nah Mannheim marſchiren follte, ftieß am 27. zwifchen Pforzheim und 
Durlad) bereit8 auf den Bortrab der Tranzofen, welche den Rhein 
raſch überfchritten hatten, und mußte fich über Stuttgart zurüdziehen. 
Am 28. September erſchienen franzöfifhe Hufaren in Pforzheim, und 
vom 29. September bis 2. Oktober ſah die Stadt nady einander die 
Korps der Marfchälle Ney und Lannes und des Prinzen Mürat in 
ihren Mauern, darunter auch die 10,000 Dann ftarken prächtigen Gre— 
nadiere des Generals Oudinot. Am 2, Dftober kam die ganze Faifer: 
liche Garde, auch die Mamelufen, und Nachmittags 4 Uhr Napoleon 
felbft dur die Stadt, und die Pforzheimer konnten während des 
Pferdewechſels ihre Neugierde befriedigen, den merfwürdigften Mann 
feiner Zeit von Angeficht zu Angefiht zu ſehen. 1) In wenigen Tagen 
marfchirten 60,000 Mann durch die Stadt, wovon nad) einander etwa 
40,000 in derfelben einquartiert wurden, jo daß mande Käufer 40 


1) Die Kaiferin Joſephine reifte ihrem Gemahl Ende Novembers nad 
und fam am 30. November ebenfalls durch Pforzheim, wo ber Erbprinz und 
Markgraf Ludwig, bie vorher ichon eingetroffen waren, bie Kaiferin beim Den 
nig’ihen Haufe empfingen und von wo fie biefelbe nach eingenommener Er: 
friſchung weiter bis an die Grenze begleiteten, 





680 Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit, 


bis 60 Mann beherbergen mußten. Es wurde den Franzofen nach— 
gerühmt, daß fie bei diefen Durchmärſchen die ſtrengſte Mannszucht 
gehalten hätten. War nun auch diefe Beſchwerung fchnell verſchwunden, 
jo wurde bald eine Etappenftraße über Pforzheim eingerichtet, auf wel- 
cher auch der Transport der Gefangenen ftattfand, und das war für 
die Stadt ein Unglüd, Am 3. und 4. Januar 1806 kamen nämlich 
an 6000 Rufen, die am 2. Dezember 1805 bei Aufterliß gefangen 
genommen worden waren, unter Bededung von je 600 Mann theilg 
badifcher, theils franzöfifcher, theils batavifcher Truppen, und am 12, 
und 13. weitere 5—600 ruſſiſcher Gefangener nad) Pforzheim, und 
wurden in der Stadt, größtentheild aber in der Schloßkirche einguar- 
tiert, wo die Spuren verfchiedener Zerftörungen, weldye die Gefangenen 
anrichteten, Heute noch fichtbar find (namentlich) am Grabmal des, 
Kanzlers Achtiynit). 1) Vor der Ankunft diefer Ruſſen hatte ſich das 
Gerücht verbreitet, daß fie verſuchen wollten, ſich durch Anlegung von 
Teuer zu befreien. Man errichtete deshalb Bürgerwachen, die ſowohl 
zur Sicherheit der Stadt, als zur Austheilung von Speife und Trant 
an diefe unglüdlichen Söhne des Nordens beftimmt wurden, Bon den 
durch Strapazen ermatteten und überhaupt im elendeften Zuftand bes 
findlichen Gefangenen, von denen viele in Pforzheim rafch mwegftarben, 2) 
war nun freilich feine Brandlegung zu befürchten; dafür brachten fie 
den Typhus in die Stadt, den fie faft allen, die mit ihnen verkehrten, 
raſch mittheilten. Zu dem meift tödtlichen Verlauf der Krankheit 
trugen die ungünftigen Witterungsverhältnifie das Ihre bei, und gar 
viele Bewohner der Stadt wurden von der Seuche, die erft im Mai 
erloſch, hinweggerafft. Die Verbreitung derjelben beförderten auch die 
Militärlazarethe, die man in der Stadt felbit, fo 3. B. im Schufhaufe, 
errichtet hatte, bis fie endlich außerhalb derjelben, und zwar auf den 
Friedrichs- oder Buckenberg, verlegt wurden, 

Nachdem Napoleon auf feiner Rückreiſe vom Kriegsſchauplatz am 
20, Januar (am 18, aud Prinz Miürat) durch Pforzheim gekommen, 


1) Es mag bier fogleich mit bemerkt werben, baß bie Schloßfirdde nachher 
zu einem Heumagazin benügt und erft im April 1808 dem gottesbienftlichen. 
Gebraud zurüdgegeben wurde. In ber Zwilchenzeit hatte zu letzterm bie 
Waiſenhauskirche gedient. 

2) Ein fleinernes, auf einer Kleinen Erhöhung bes Friebhofes ſtehendes 
Kreuz bezeichnet das gemeinjchaftlihe Grab berjelben. 





Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit, 681 


dauerten den ganzen Sommer 1806 hindurch die Transporte von er= 
obertem Geſchütz und erbeuteter Munition, fowie die Durchmärſche von 
Truppen fort, bis endlich die Heereszüge wieder eine andere Richtung nah: 
men und der Kriegsihauplag in Folge des im Dftober 1806 ausge: 
brochenen preußifchen Krieges vom füdlichen Deutſchland in das nörd- 
liche verlegt wurde, 

Der neue Krieg zwifchen Defterreih und Frankreich brachte im 
Frühjahr und während des Sommers 1809 für Pforzheim wieder 
bedeutende Truppendurchmärfche und als Einleitung zu denfelben eine 
militärifche Heerihau. Das badifche Truppenkontingent, das am Feld: 
zug gegen Defterreidh Theil nehmen follte, rüdte am 14. März nad 
Pforzheim und in die Umgegend der Stadt, um dafelbt einer Mufte- 
rung unterzogen zu werden. Diefe wurde am 19, März in der 
Nähe der Stadt, nämlich am Springer Weg, in Gegenwart des Erb: 
großherzogg Karl vom franzöfifhen General Maſſena (Herzog von 
Nivoli und nachher Fürft von Epling) vorgenommen. Am 2. April 
brachen die badifchen Truppen von bier auf, um nah Baiern und 
Defterreich zu marfchiren und dort an den Treffen uud Schlachten von 
Schärding, Riedau, Ebensberg, Aipern und Eßling, Papa, Raab, 
Magram ꝛc. Theil zu nehmen, wobei über 1500 Mann eingebüßt 

wurden, Es bedarf kaum der Bemerkung, daß Pforzheim beim Aus: 
bruch des Krieges- fowohl, als nad) Beendigung desielben zahlreiche 
Truppendurchmärfche jah. So rüdte am 14. März, alſo gleichzeitig 
mit dem badifchen Kontingent, ein 820 Mann ftarkfes franzöfifches 
Kavallerieforps in der Stadt ein, am 15., 16. und 17. marfcirten 
die beiden Divifionen Legrand und St. Cyr durch Pforzheim, vom 
24. März an 2 NRegimenter der Faiferlihen Garde, ein Artilleriepart 
von 150 Kanonen mit Munitionswägen, 10 bis 12 Bataillone In— 
fanterie, am 1., 2. und 4. April franz. Artilleriedepots und Feldrequis 
fiten, zu deren MWeitertransport über 800 Pferde erfordert wurden, am 
15. April Abends unter dem Geläute aller Gloden Napoleon jelber. 
Am 1. Mai ſah Pforzheim bereits die erften kriegsgefangenen Defter- 
reiher, 4000 an der Zahl, darunter 80 und etliche Offiziere, am 
gleichen umd folgenden Tag abermals 2000 Gefangene, zugleih aber 
auch zahlreiche, von Straßburg kommende franzöfifhe Truppenabthei- 
lungen, darunter ein Regiment Garde, deſſen Fortihaffung 240 Wagen 
erforderte ꝛc. Diefe Truppenbewegungen dauerten den ganzen Sommer 





682 Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 


bindurdy fort. Zur fehnellen Beförderung von Nachrichten wurde 
damals längs der über Pforzheim führenden Etappenftraße eine Tele— 
graphenlinie errichtet; ein folcher Telegraph, der feine Signale mit 
weißen, rothen und blauen Fahnen gab, war auf dem Wolfsberg an 
gebracht. Nah dem Frieden von Wien erfolgten wieder lebhafte Trup⸗ 
penbewegungen, freilich jest in umgekehrter Richtung, und am 24, DE 
tober ſah Pforzheim auch den in feine Hauptftadt zurückkehrenden fran- 
zöfifchen Kaifer wieder in feinen Mauern. Am 46., 18. und 19. 
Sanuar 1810 kamen auc die badifchen Truppen mit dem Ruhm, fich 
tapfer gefchlagen zu haben, aus dem Krieg wieder, und wurden an 
jenen Tagen von der Stadt Pforzheim feierlih empfangen und aufs 
freundfichfte bewirthet. In den nächſten Tagen folgten ihnen verſchie— 
bene Abtheilungen franzöfifcher Truppen, am 28. Februar auh Mar: 
ihall Berthier, Fürft von Neuchatel. — Am 21. März fah die Stabt 
Pforzheim aud die Faiferlihe Braut Napoleons, Erzherzogin Marie 
Zuife von Defterreich, auf ihrer Neife nad) Frankreich in ihren Mauern 
und begrüßte fie mit Kanonendonner und lodengeläute, (an ber 
württembergifchen Grenze bei Niefern war eine Ehrenpforte errichtet 
worden). Ob alle diefe Kundgebungen auch recht von Herzen gingen, 
foll hier nicht näher unterfucht werden. 

Das Jahr 1841 verfloß befanntlidy unter Vorbereitungen für ben 
ruffishen Feldzug, der denn auch 1812 jtattfand und für Pforzheim 
wiederum Truppendurchmärſche brachte. Schwer Iaftete die. Hand des 
franzöfiihen Defipoten auf unferm Vaterlande; aber der Brand von 
Moskau und die Schlacht bei Leipzig bradyen den Bann, der auf dem 
deutſchen Wolfe lag und auch in Baden fchloß man ſich begeiftert der 
deutfchen Sache an, namentlich nachdem Großherzog Karl am 21, No: 
vember 1813 feinem Volke in einem Aufruf verkündet hatte, daß neben 
der Erhaltung Badens „die Erfämpfung deutfcher Freiheit und Unabs 
bängigfeit das große Ziel fei, das erreicht werden müſſe.“ Dem im 
Dezember folgenden Aufruf des Majors Holzing in Bezug auf bie 
Bildung eines freiwilligen Jägerregiments zu Pferde wurde in Pforz- 
beim alsbald mit Zufagen und Zeichnung von Beiträgen geantwortet. 
So verpflichtete fich die Kefegefellfchaft zur Ausrüftung von 2 Jägern 
zu Pferd, 1) je einen Mann ftellte die Holländer-Holztompagnie, bie 

1) Die freiwilligen Beiträge ber Mitglieber derſelben erreichte bie Summe 


von 758 fl. 51 Fr. Fabrikant Finkenftein lieferte das Tuch zu ben Uniformen 
ber beiden Jäger unentgeldlich. 





Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf bie neuefte Zeit. 683 


Salzabmotiationsgefellihaft, der Floßverein, Hammerwerksbeſitzer Bendifer, 
Hofkammerrath Böhringer, die Fabrikanten Finkenſtein, Lenz und Sie— 
vert, Dennig und Krenkel, Bohnenberger, Kaufmann D. 2. Mayer jun. 
und endlich Frau Kiehnle. Jakob Richter ftellte und equipirte fich 
felbft zu den Jägern zu Pferde aus eigenen Mitteln, mehrere andere 
junge Männer meldeten fich freiwillig zur Infanterie, die Stadt lie— 
ferte 220, das Land 242 noch brauchbare Tenergewehre u. f. mw. 
Gelbftverftändlih wurden die Kriegsereigniſſe mit lebhaftem Intereſſe 
verfolgt, und als am 7. April Nachmittags die Nachricht' nach Pforz- 
beim gelangte, daß die Alliirten am 31. März in Paris eingezogen 
feien, 1) gab ſich eine lebhafte Freude Fund, der Marktplatz wurde er: 
Teuchtet und Muſik ertönte auf demſelben. ine umfafjendere eier 
fand am darauf folgenden Sonntag ftatt, und wurde dabei in beiden 
Stadtkirchen ein Dankfgottesdienft gehalten. 

Beim Rückmarſch der Truppen aus Frankreich Fonnte man in 
Pforzheim wieder allerlei Uniformen erbliden, und am 23. Juni 1814 
fand bei Pforzheim eine Heerſchau über etwa 8000 Mann badiſcher 
Truppen ftatt, die ebenfalls aus dem Feldzug gegen Frankreich zurüd: 
gekehrt waren. 

Nach der Rückkehr Napoleons von der Inſel Elba begannen die 
Truppenbewegungen von Neuem, und gingen diefelben zum Theil auch 
wieder dur Pforzheim. So fahen die Bewohner der Stadt Ende 
Aprils 1815 verfchiedene Abtheilungen württembergifher Truppen durch: 
marfchiren, am 29. April befand fi in Pforzheim das Hauptquartier 
des öfterreichifchen Feldzeugmeifters Grafen Colloredo ꝛc. Die Schlacht 
von Waterloo am 18. Juni 1815 machte, wie oben fchon bemerkt, 
den Kriegszeiten ein Ende, und man fonnte ſich wieder der Segnungen 
des Friedens erfreuen. 


$ 3. Innere Verhältnife Pforzheims. 


Bei ber Erzählung des Privilegienftreits ift gezeigt worden, welche 
Aenderungen mit der uralten ftädtifchen Verfaffung vorgingen und, den 
Forderungen anderer Zeiten entfprechend, vorgenommen werden mußten. 
Sm Jahr 1807 follten die Privilegien der Stadt in zeitgemäßer Weife 
erneuert werden, und hatte die Megierung den damaligen Obervogt 


2) Heut zu Tage empfängt man dergleichen Nachrichten etwas rajcher. 





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Roth 1) mit Ausarbeitung eines Entwurfes beauftragt, Weber letztern 
fam die Sache jedoch nicht hinaus, da die fortwährenden franzöfifhen 
Kriege ihre Ausführung hinderten und überhaupt im Sturm bderfelben 
alle Vorrechte, welche einzelne Städte bisher noch gehabt, untergingen. 
Hatte Pforzheim ſchon 1806 auf verfchiedene echte verzichten müffen, 
fo verlor es 1808 auch das der Milizfreiheitz; doch blieb der Stadt 
wenigftens der Bortheil, daß fie nur zwei Drittel der jungen Leute in 
Rechnung bringen und ihre zu ftellenden Rekruten duch Werbung 
erfegen durfte. Zur Erleichterung ber leßteren wurde 1810 eine Werb- 
fafje ins Beben gerufen, die indefien mit dem Aufhören des TYekten 
Neftes auch der Freiheit auf diefem Gebiet ihre Bedeutung wieder ver: 
for. Selbftverftändlih wurden auch andere Verhältniſſe der Stadt 
umgemodelt, als darüber neue Geſetze, namentlich aber das Gemeinde— 
gejeb von 1831 zur Geltung fam, welches faft allen Ausnahmsftellun- 
gen der Städte ein Ende machte und bezüglich des Drtsregimentg, 
der Verwaltung des Gemeindevermögens ꝛc. für das ganze Rand gleich- 
fürmige Beftimmungen traf. 2) 

Die Berfafjungsurfunde von 1818 geftand der Stadt Pforzheim 
zu, zwei Abgeordnete in die zweite Kammer der Stände zu wählen. 
Bon diefem Recht wurde am 9. Februar 1819 zum erften Mal Ges 
brauch gemacht, Die beiden Deputirten, welche Pforzheim damals in 
die Kammer fandte, waren Minifterialdireftor Reinhard in Karls: 
ruhe und Kaufmann Witzenmann in Pforzheim, für den Land- 
bezirt wurde Altbürgermeifter und Kaufmann Dreber in Pforzheim 
gewählt. Es bedarf kaum der Bemerkung, daß die weitere Entwiclung 
des badifchen Verfaſſungslebens in Pforzheim nicht nur mit regem 
Intereſſe verfolgt, fondern auch Eräftigft gefördert wurde. Ms dasſelbe 
zu Anfang der 30er Jahre fo ſchöne Blüten trieb und in den 40er 


1) Dbervögte oder erfie Beamte waren in Pforzheim (vergl. ©. 542): 
feit 1736 Oberamtsverweſer Friebrih Sonntag, 1749 Friedrich Gotthelf v. 
Koferig, 1752 Joh. Chr, Fried. Schenk v. Schmiedburg, 1758 zuerſt Ober: 
amtsverweſer dann Obervogt Joh. Theophor Rues, 1777 Karl Friebr. Mies 
land, 1794 Baumgärtner, 1803 Benjamin Roth, 1823 Deimling, 1843 Böhme, 
1844 v. Neubronn, 1847 Flad, 1849 Fecht, feit 1861 iſt es C. Winter, 

2) Bürgermeifter waren (vergl. S. 610) von 1798 an Ib. Frd. Dreber, 
1815 Krenkel, 1830 Lenz, 1837 R. Deimling, 1848 Erecelins, feit 1849 ift es 
K. Zerrenner, neben ihm ift feit 1857 zweiter Bürgermeifter K. Schmibt, 





Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 685 


Jahren heftige Verfaffungsfimpfe entbrannten, da war Pforzheim ein 
Haupthort des Liberalismus und hat aud bis auf die meuefte Zeit im 
Bezug auf eifrigfte Pflege zeitgemäßer Ideen auf allen Gebieten des 
öffentlichen Lebens feinen alten Ruf bewährt. Xebendig war in diefer 
Stadt, wie in allen Theilen des deutſchen Baterlandes, die Theilnahme 
an der großartigen Erhebung des Jahres 1848. Die Ueberftürzung 
und bittere Enttäufhung, weldye das folgende Jahr brachte, fowie die 
Greigniffe, welche fi in beiden Jahren im Einzelnen in Pforzheim 
zutrugen, eingehend bdarzuftellen: das mag der Feder eines Andern 
vorbehalten bleiben, der vielleicht in fpäterer Zeit einmal diefe Ge— 
ſchichte von Pforzheim meitet führt und ergänzt. Jetzt find jene Tage 
der Geſchichtſchreibung noch nicht verfallen. % 

Wie fi) in den Testen 60 und 70 Jahren die Verhältniffe Pforz- 
heims bezüglich der Hauptinduftrie der Stadt geftalteten, ift fchon im 
18. Kapitel gezeigt worden. Die Thätigkeit nahm aber auch auf andern 
gewerblichen Gebieten einen immer erfreulihern Auffhwung. Schon 
im Jahr 1800 zählte der damalige Hofrath und Dbervogt Baum: 
gärtner in einer von ihm entworfenen Gewerbeftatiftit außer den zunft- 
mäßigen Handwerkern und Landwirthen 101 verſchiedene Manufakturen 
und Fabriken, nämlich 1 Eifenwert mit 2 Hammerwerfen, 5 Delmüb: 
len,1) 2 Sägmühlen, 4 Gipsmühlen, 2 Walken, 2 Hanfreiben, 1 Pul— 
vermühle, 2) 2 Lohmühlen, 3 Schleifmühlen, 1 Bleiche, zufammen alfo 
24 verfchiedene Wafjerwerke ohne die A Mahlmühlen, ferner 1 Wollen: 
fabrif, 24 Bijouteriefabrifen oder Kabinete, 3 Silberfabinets, 22 Uhren: 
fabinets, 5 Uhrgehäufefabinets, 2 Kabinets für Elfenbeingraveure, 2 
Kabinets für andere Graveure, 2 Gold: und PBerlenfchleifer, 3 Glas: 
fchleifer, 2 Vergolder, 2 Guillocheurs, 1 Maſchinenmacher, 3 Emailleurg, 
5 Stahlarbeiter, 3 Feilenhauer, 1 englifhe Knopffabrik (Gehres), 1 
Schnallenfabrit (Nies), 1 Lederfabrik (damals ſchon im Verfall, die 
einzelnen Theilnehmer trieben aber das Geichäft fort), Im Kaufe der 
Zeit wurden noch mehr fabrikmäßig betriebenen Gewerbe gegründet, 
3. B. zuerft 1801 die Salmiakfabrif, die fih 1804 in eine chemifche 


1) Die erfie Delmühle wurde um 1770 vom Floßverein errichtet. 

2) Diefelbe flog 1806, und, wieder bergeftellt, 1807 abermals in die Luft 
unb töbtete das erfte Mal den Pulvermüller Lichtenfels und 2 Gebülfen, bas 
zweite Mal den Pulvermüller allein. Sie wurde alsdann nicht wieber aufs 
gebaut. 





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Fabrik verwandelte, 1804 eine Schriftgiekerei, 1806 eine Saffiangerbe- 
rei, 1809 eine Rotbgarnfärberei u. ſ. w. ine ftatiftiihe Zuſammen— 
ftellung der gewerblichen Gefchäfte der Jetztzeit wird unten mitgetheilt 
werden. Doch möge bier no die Bemerkung ftehen, daß im Jahr 
1821, in Folge eines Kabinetsbefehls, die Errichtung der dritten Pforz- 
heimer Apotheke, nämlich der Schuhmacher'ſchen, erfolgte. 

Im Sabre 1800 erhielt Pforzheim auch wieder eine Buſch— 
druderei. Es ift früher in einem beſondern Abſchnitt (S. 189 ff.) 
von den Buchdrudereien die Rede geweſen, die im 16. Jahrhundert in 
Pforzheim beftanden, und ebenfo ift bemerkt worden, daß die Stadt 
nad der Verlegung der Mefidenz eine: folhe nicht mehr gehabt 
babe. Bom Fahr 1794 an erfhien in Karlsruhe für Pforzheim jede 
Mode in Oktav ein befonderes Blättchen, die „Pforzheimer wöchent- 
lihen Nachrichten.“ Als im Jahr 1800 durdy Chr. Fr. Müller aus 
Karlsruhe wieder eine Druderei in Pforzheim errichtet wurde, erfchien 
vom Juli jenes Jahres an das Blatt in letzterer Stadt felbft, und 
zwar von 14801 an in Quartformat. Die wöcentlihen Nachrichten 
verwandelten ſich 1811 in ein „Wochenblatt“, 1832 aber in den 
„Beobadhter”, der von da an wöchentlich zwei, jpäter drei, von 1856 
an vier, von 1858 an fünf Mal erfchien und fih am 1. Juli 1861 
in ein Tagblatt verwandelt hat, Don Müller ging die Druderei auf 
J. M. Katz, fpäter auf J. M. Flammer über. In den Jahren 
1839—1843 beftand in Pforzheim noch eine zweite ausgedehnte Buch: 
drucerei in Verbindung mit einem bedeutenden Verlagsgeſchäft unter 
der Firma Dennig, Fink und Kompagnie, aus dem manche ausgezeich— 
nete Werke mit vorzüglicher typographiſcher Ausftattung hervorgingen. 
In neuefter Zeit hat Buchhändler Schwarz eine zweite Buchdruderei 
in Pforzheim unternommen. 

Wie früher, fo mögen auch bier einige Mittheilungen über Kir: 
hen: und Schulverhältniffe folgen. 1) Die von der Generalfynode des 


1) Erfte evang. Stadtgeiftliche waren (vergl. ©. 551) von 1742 an 
Joh. Jak. Wechsler, 1746 Joh. Lorenz Maurer, 1755 Ehrift. Pet. Eijenlohr, 
1764 Gottfried Poſſelt, 1797 3. K. Herrer, 1893 Ernft Phil. Holzhauer, 1824 
Johann Gottihald, 1836 Wild. Frommel, feit 1857 Iſaak Riehm. — Alt: 
ftädter Pfarrer waren (vergl. S. 322) von 1742 an oh. Chr. Wucherer, 
1746 8, 5. Wechsler, 1756 ©, Eh. Ungerer, 1757 8. 5. Holzhauer, 1768 
K. Wagner, 1779 ©. F. Nagel, 1780 ©. 2. Schober, 1786 K. F. 2. Sonntag, 





Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 687 


Jahres 1821 am 26. Juli jenes Jahres befchloffene Vereinigung der 
Iutherifchen und veformirten Kirche unferes Landes erfolgte überall, alfo 
aud in Pforzheim, am 28. Oftober mit entfprechenden Feierlichkeiten. 
Der dadurd eingehenden reformirten Pfarrei (vergl, ©. 561) folgte 
ſchon 1823 die Errichtung einer andern, nämlich der katholiſchen. 
Es ift im Frühern erzählt worden, daß den Katholiken, die fih — 
bauptjächlih in Folge der Entwidlung der Gemwerbsthätigfeit — in 
Pforzheim immer zahlreicher niedergelafjen hatten, zuerft nur die Er: 
laubniß zur Abhaltung von Privatgottesdienft in einem dazu eingerich- 
teten Betjaale ertheilt, diefer Religionsübung fpäter hinſichtlich der pfarr— 
lichen Rechte, namentlid durch Anftellung von PBfarrkuratoren, eine 
weitere Ausdehnung gegeben und 1805 den Fatholifchen Einwohnern 
der jeder Zeit widerruflihe Mitgebrauh der Maifenhausfirche gemein: 
ſchaftlich mit den evangelifchen bewilligt wurde. Im Jahr 1812 erfolgte 
au die Eröffnung einer Fatholifhen Schule und die Anftellung eines 
befondern Fatholifchen Lehrers, wozu die Negierung am 26. Auguft 
1811 die Erlaubnig ertheilt hatte. Unterm 26. Juni 1823 erfchien 
nun eine Iandesherrlihe Entſchließung, 1) welche den Katholiken die 
freie Religionsübung, mit einigen wenigen durch die altkicchlichen Orts: 
verhältnifje nöthig gewordenen Beichränfungen (feine öffentlichen Bitt— 
gänge, Feine Aufftellung von Bildern und Kreuzen auf öffentlichen 
Plätzen, Einholung der Tandesherrlihen Erlaubnig bei Weihungen, 
Firmungen ꝛc. durch einen Bifchof) geftattete und die Errichtung einer 
ſelbſtſtändigen katholiſchen Pfarrei anordnete. Der erfte Geiftliche, der 
dieſe Stelle beffeidete, war Jakob Burkhardt. 2) Wie fhon früher 
bemerkt, wurde den Katholiken nicht lange nachher die bisherige refor: 
mirte Kirche zum gottesdienftlihen Gebrauche überlafien, und befindet 
fi) die Gemeinde heute noch im Befit derjelben. Won dem der katho— 
lichen Gemeinde in der angeführten Entſchließung der Negierung ein- 
geräumten Recht, eine „eigene Kirche mit Thurm, Uhr, Glocken und 
Geläute, aud mit allen zum katholiſchen Gottesdienft erforderlichen 


1789 M. 3. Ch. Bartholmeß, 1804 C. G. Bed, 1809 Ph. 2. Romann, 1812 
3. 3. Eifenlohr, 1822 Fr. ©. Lindemeyer, 1839 Iſ. Riehm, feit 1852 J. P. 
Bod, 
1) Regierungsblatt v. 1823, Nr. 18. 
ö *) Ihm folgten 1835 Joſ. Kupferer, 1839 Frz. Schindler, 1851 Alois 
chuh. 





688 Neunzehntes Kapitel. Piorzheim von 1789 bis auf bie neuefte Zeit. 


innern Einrichtungen” bauen zu dürfen, hat diefelbe bis jet keinen 
Gebrauch gemacht. — Die Erbauung einer Synagoge durch die 
ifraelitifche Gemeinde, und zwar an die Stelle des 1805 abgebrannten 
fog. „Eielsjtalles" erfolgte im Jahr 1812. — Am 23. Oftober 1845 
wurde in Pforzheim in Folge des Auftretens von Johannes Ronge 
und Dowiat und ihrer Anwefenheit in diefer Stadt auch eine beutfch- 
katholiſche Gemeinde gegründet. — Es möge hier fchlieklich noch 
bemerkt werden, daß Pforzheim im Jahre 1824 abermals eine feiner 
frühern Kirchen verlor, indem damals die Kreuzkirche abgebrodyen 
wurde. Die dafelbft befindlichen Grabfteine verbrachte man größten- 
theils nach dem Kirchhof, um fie an den äußern Wänden der dortigen 
Kapelle wiederum aufzuftellen. Der frühere Kreuzkirchhof war fchon 
1800 geſchloſſen worden. Jetzt ift er größtentheils überbaut. 

Mit dem Pädagogium in Pforzheim, das feit den 80er 
Jahren des vorigen Jahrhunderts fichtlicy wieder aufblühte, wurde 1790 
au eine Realſchule verbunden, diefelbe jedoch 1809 wieder auf: 
gehoben, Allen mit dem Statut von 1839 wurde eine durch alle 
Klaſſen durchgeführte Höhere Bürgerfähule neben das Pädagogium 
geftellt. 1) — Im Beftand und der innern Einrichtung der Stadtfchule 
(Knaben und Mädchenſchule) gingen feit der Zeit, wo von ihr das letzte 
Mal die Nede war (©. 549), wejentliche Veränderungen nicht vor, außer 
daß neben der Stadtſchule längere Zeit noch eine fogenannte Freifchule 
beftand, Solche Veränderungen erfolgten indeß im Jahr 1847 durch 
Errichtung zweier neuen Hauptlehrerftellen, und 1860 durch Anftellung 
eines vierten Lehrers an der Knabenſchule, deren Unterricht in Folge 
defien nach oben erweitert werden konnte, Schon 1843 war das 
Schulgebäude felber einer durchgreifenden Baureparatur mit zweck— 
mäßigerer innerer Eintheilung unterzogen worden. 2) — Die wachſende 


1) Proreftoren oder BVorftände des Pädagogiums bez. beider Anſtalten 
waren (vergl. S. 548): noch 1760 ©. B, Deimling, 1770 N. Sander, 1790 
% 5 Th. Zandt, 1807 3%. ©. F. Dreuttel, 1818 W. Frommel, 1838 Ehr, 
Kröll, 1842 Salzer, 1846 B. Henn, 1852 ©. Helferich, feit 1854 J. Lamey. 

2) Prägeptoren ober erfte Lehrer (vergl. S. 480 und 548) waren und 
zwar an ber Knabenfchule: von 1745 an ©. H. Neftler, 1764 3. 3. Leyerle, 
1793 Chr. F. Heller, jeit 18% Karl Idler; an der Mädchenſchule: von 1749 
—1806 Joh. Zof. Leibfried, 1806 Chr. Mart. Idler, jeit 1847 Chriſtoph 
Wantel, 





Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 689 


Zahl der Schüler, die erhöhten Bedürfnifje der Zeit und noch andere 
Umftände führten in Pforzheim nah und nad zur Gründung noch 
weiterer Schulanftalten. So erfolgte 1832 die Errichtung einer ifraeli- 
tifhen Schule, fowie der Winth er'ſchen Privatelementarſchule, 
um 41840 bie eins Mädcheninſtituts, 1842 der Öewerbfchule, 
(jeit 1846 unter Leitung von Direktor Huber), 1846 wurde dag 
ftädtifhe Waifenhans gegründet und 1850 auch eine Schule dazu 
errichtet, 1849 entftand die ftädtifhe Höhere Töch terſchule, (feit 
ihrer Gründung unter Leitung von Direktor Pflüger,) im nämlichen 
Jahr eine Kleinfinderpflege, 1862 eine zweite Privatelemen- 
tarſchule unter Lehrer Scifferdeder u. j.w. Schon 1826 war aud 
in Pforzheim die Randes:Taubftummenanftalt (Vorftand: Profeffor 
Bad) errichtet und derjelben das Gebäude des bisherigen Filialfiecchen- 
hauſes zugewiefen worden. Mit der Zunahme der Bevölkerung in den 
1850er Jahren wurden die Räumlichkeiten im Schulhaufe, in dem 
noch immer alle ftädtiihen Schulanftalten vereinigt waren, nad) und 
nad) unzureichend, fo daß die Nothwendigfeit einer Vermehrung und 
theilweifen Erweiterung berfelben, ſowie bei dem großen Mangel an 
Wohnungen der Herftellung befonderer Lehrerwohnungen, immer dringen: 
der hervortrat. Es erfolgte deshalb im Jahr 1858 die Vergrößerung 
des bisherigen Schulhaufes und im nämlichen und dem folgenden Jahr 
der Bau eines beſonderrn Mädchenſchulhauſes, das nunmehr eine 
Zierde der Stadt bildet. Beide Gebäude werden dem Bedürfniß wohl 
für eine Anzahl von Jahren genügen. Der dermaligen Gemeindebehörde 
Pforzheims, an deren Spike der wackere Oberbürgermeifter Zerrenner 
fteht, gebührt das Lob, durch ihre rühmliche Vorforge für das Schul: 
weſen der Stadt dasjelbe nad und nach in einen Stand gefeht zu 
haben, daß es ſich mit dem aller andern Städte kühn mefjen darf und 
mit den fortgefchrittenen Bildungsbedürfniffen der Zeit gleichen Schritt hält. 

Bon den Anftalten und Einrichtungen für Unterricht und Erziehung 
gehen wir zu ſolchen über, welche für wohlthätige und ähnliche Zwecke 
beftimmt find. Seit dem orleans'ſchen Krieg war Pforzheim ohne 
Spital. As am 8. Mai 1803 der bisherige Markgraf von Baden 
die Kurwürde erhielt, veranftaltete eine Anzahl Pforzheimer eine 
Geldfammlung, melde — zum Andenken an foldhe Erhebung — ben 
Grundſtock zur Errichtung eines Spitals bilden ſollte. Kebteres kam 


auch bald, und zwar im bdermaligen Waifenhaus oder dem frühern 
Pflüger, Pforzheim. AA 





690 Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 


„untern Bad” (S. 458) zu Stande, und konnte in Folge von Schenfun: 
gen in dasjelbe und mit Hilfe der erhobenen Beiträge bald über ver— 
mehrte Mittel verfügen. Im Jahr 1838 wurde fodann das jetzige 
Spital fammt Pfründnerhaus gebaut und 1840 bezogen. Das Ber: 
mögen des Hospitals beträgt zur Zeit 46,271 fl. 20 fr. und erreichten 
die Einnahmen aus Beiträgen im Jahr 1857 die Summe von über 
10,000 fl. Der Almofenfond, welcher zum Pfründnerhaus beitragspflich- 
tig iſt, beträgt dermalen 38,480 fl. 27 fr. Der größte Theil des 
Aufwandes wird jedoch aus Gemeindemitteln beftritten. (Die Stadtfaffe 
ſchießt alljährlich im Durchſchnitt 6000 fl. zur Armenunterftüsung bei.) 
Der Bau eines neuen großartigern, den dermaligen Verhältniſſen entfprechen- 
dern Spitals ift bereits in Ausficht genommen, -- Am Lauf der lebten 
Jahrzehende entjtand eine Reihe von Vereinen zu wohlthätigen Zwecken. 
Dahin gehören: der allgemeine Kranfenunterftügungsverein 
(1835), der Krankenunterſtützungsverein der Öoldarbeiter 
(1835), der Männerjterbfaffenverein (1833), der Frauen 
fterbfaffenverein (1835), der Srauenverein (1838), der 
Armenverein (1862), — neben obigen Krankenkaſſen noch bejondere 
für die Arbeiter des Benckiſer'ſchen Eifenwerfs (1805), in der Fabrik 
von Aug. Dennig (Statuten feit 1840), der Johanna-Unter— 
ftüßungsverein bei Gſchwind und Comp. (f. 1830), ferner feit einigen 
Sahren auch Krankenkaſſen für Buchbinder, Schreiner zc. (daneben befteht 
für die Flößer nod) immer die Flößerwittwenkaffe (S.614). — An 
Bereinen und Einrichtungen zu gemeinnübigeit Zwecken wurden ing 
Leben gerufen die Sparkaſſe (1834), der landwirthſchaftliche 
Bezirksverein (18351, der Guſtav-Adolf-Verein (1844), der katholiſche 
Kreuzerverein (1851), die freiwillige Feuerwehr (neu organifirt 
1858), der Turnverein (1834, reorganifirt 1859), der Leſeverein 
(in der Kanne 1822), der Brivat:Lejeverein (in der Sonne 1840), 
der Arbeiterfparverein (1851), die gemeinnüßige Baugeſell— 
haft (1857), der Arbeiterfortbildungsverein (1862), der 
Fortbildungsverein für junge Männer (1862). Mit dem 
Sparverein verwandt find die in den 1850er Jahren entjtandenen An— 
lehbensloogvereine. — Für gefellige, unterhaltende und 
fünftlerifche Zwecke entftanden neben den ſchon länger beftehenden 
Vereinen. (Mufenm, Schübengefellfhaft 2c.) die Eintracht (1850), 
der Frohſinn (1850), der Cäcilienverein (1852), der Muſik— 





Neunzehntes Kapitel, Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 691 


verein (1860), der Männergefangverein (1858, früher Lieder: 
franz, 1839), die Freundſchaft (1851), der Sängerfranz 
(1858) u. f. w. — Der allgemeine deutjhe Nationalverein (1859) 
zählt in Pforzheim eine große Zahl von Mitgliedern. 

Die veränderten Zeitverhältniffe hatten auch eine Reform der 
Beitimmungen über die Pforzheimer Stipendien: Stiftungen 
nöthig gemacht. Schon 1838 war ein neues Statut entworfen worden, 
das aber 1852 wieder durch ein anderes außer Kraft gejeßt wurde. 
Nach demfelben jollen die Stiftungen in 3 Theilen fortbeftehen, näm— 
ih a. dem Geiger'ſchen, b. dem Rohr'ſchen und ce. der Fontelin— 
Wertwein’fchen, Weber jeden wird bejondere Rechnung geführt, die 
fih in einer Hauptrechnung vereinigen. Von dem Zinsertrag gehen vor 
allen Dingen die Bejoldung des Rechners mit 100 fl. und fonftige 
Koften ab. Aus dem verbleibenden Neinerträgnig werden die ftatutene 
gemäßen Ausgaben bejtritten, der Reſt, fowie das, was etwa in bie 
Kaffe zurücdfällt, wird zum Kapital gefchlagen. Ueber die Bewerber. 
um die Stipendien wird eine Erfpektantenlifte geführt, in welde nad) 
der Reihe der Meldungen die Einzeichnung erfolgt, wenn die Berech— 
tigung nachgewiefen ift. Jeder Stipendiat muß fich halbjährlich über 
Fleiß und Sittlichkeit ausweiſen. Kann er das nicht, fo geht er des 
Stipendiums nicht nur verluftig, fondern er muß auch 1/, der bereits 
erhaltenen Bezüge wieder erjeßen. Die Verwaltung der Stiftungen, 
Führung der Eripektantenlifte und Kollatur fteht dem Gemeinderath in 
Pforzheim zu, der aber jedes Jahr der Staatsbehörde über alle Ver: 
bältniffe Vorlage machen muß. Für die Geiger’iche Stiftung find 
nur evangelifche Bürgerſöhne von Pforzheim gemußberechtigt, wobei 
unter allen Umftänden ſolchen aus der Familie Geiger-Meerwein, bier 
wie dort aber den Unvermöglichen vor den Vermöglichen, der Vorzug 
gebührt, Ein Viertel des jährlichen Neinertrages foll auf Beftreitung 
des Schulgeldes und Anfhaffung von Schulbüdern für eine Anzahl 
Knaben vom 7. bis zum 14. Jahr, welche die Volksſchule oder das 
Pädagogium befuchen, verwendet werden, ſowie 30 kr. zu einem Prä— 
mium für den fleigigften und brävften von ihnen. Die übrigen drei 
Diertel erhält 6 Jahre lang ein des Studiums der Theologie Befliſſe— 
ner, der fid auf einer gelehrten Mitteljchule oder der Univerfität be— 
findet, Geht er im erften Semefter zu einem andern Fach über, fo 
verliert er das Stipendium; gefchieht jenes fpäter, y „muß er . 





692% Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf bie neuefte Zeit, 


des Bezogenen wieder erſetzen. Nimmt er nach zurückgelegten Studien 
feine Anftelung im Inland an, jo muß er 1/, des erhaltenen Stipen- 
diums zurüczahlen, weshalb aud Stipendiat für jeden Geldempfang 
vorher Sicherheit Teiften muß. — Genußberechtigt zur Rohr'ſchen 
Stiftung find auf 31/, Jahre immer 2 evangelifche Bürgerſöhne aus 
Pforzheim oder in Ermangelung von ſolchen aus der alten Markgraf- 
haft Baden-Durlach, melde ſich auf einer Univerfität, Akademie, im 
evang. Mredigerfeminar oder auf der polptechnifchen Schule befinden. 
Den Dürftigen gebührt vor den Vermöglihen der Vorzug, — Das 
vereinigte Fontelin-Wertwein' ſche Stipendium von jährlichen 100 ff. 
können Studirende, zunächſt aus Pforzheim, ohne Unterfchied der Kon— 
feffion erhalten, welche ſich auf einer Univerfität, der polytechniſchen 
Schule, in einem Schullehrerfeminar oder der Veterinärfchule befinden. 
Keiner kann das Stipendium mehr als ein Mal beziehen, wern Teich: 
berechtigte da find. Unvermögliche werden zunächft berüdfichtigt. Der 
"Neft des Ertrags vom Stiftungskapital fol zur Bezahlung des Schul- 
geldes und zu Anſchaffung der Lehrbücher für unvermögliche Knaben ver: 
wendet werden, welche das Pädagogium oder die höhere Bürgerfchule 
befuchen. — Der Fond der Geiger’ichen Stiftung beträgt zur Zeit 
(am Schluß des Jahres 1861) 12,177 fl. 36 Er, der Ro hr'ſchen 
11,310 fl. 42 kr., der Fontelin-Wertweinihen 9682 fl. 19 kr.; 
— der Wilderfinn’schen 14,006 fl. 58 fr. — Eine weitere im 
Jahr 1857 im Betrag von 1000 fl. gemachte Stiftung ift die Ernft 
Schweißg ert'ſche, deren Zinfen alljährlih am 8. Dezember an dürf- 
tige ledige Frauensperſonen vertheilt werden. 

Der MWiedererwähnung von Männern, welche fich durch ihre Stif— 
tungen zu Bildungszweden einen Ehrenplatz in der Geſchichte ihrer 
Baterftadt gefichert haben, mögen fi) hier aud, die Namen von ſolchen 
befannten und berühmten Pforzheimern anreihen, die zum Theil noch 
der Gegenwart, zum Theil der jüngften Vergangenheit angehören (vergl. 
&. 330 und 596). Wir nennen bier vor Allen Joh. Chriftian 
Roller. Er war am 27. Auguft 1773 zu Pforzheim geboren, be- 
fuchte zuerft das Pädagogium feiner Vaterftadt, bezog 1789 die Karls— 
ſchule zu Stuttgart und Tieß fich nach feinen zu Rena vollendeten Uni- 
verfitätsftudten in Pforzheim 1795 als praktifcher Arzt nieder. Im 
Jahre 1804 erhielt er eine Anftellung bei der Irrenanſtalt zu Pforze 
heim, und wurde dadurch der erfte Irrenarzt des Landes, Cine Be- 





© — = — za =. .. — — — — — 


Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neueſte Zeit. 693 


ſchreibung dieſer Anſtalt findet ſich in dem von Roller herausgegebenen 
„Erſten Verſuch einer Beſchreibung der Stadt Pforzheim, mit beſonderer 
Beziehung auf das phyſiſche Wohl ihrer Bewohner” (Pforzheim, 1811). 
Koller ftarb im kräftigſten Mannesalter am 16. März 1814. Als 
Menſch, als Bürger und Arzt war Roller gleich hochgeachtet, und zeich— 
nete fein Wirken ein raftlofer Eifer, ein über alle Hinderniffe erhabener 
Muth aus. Er war in der damaligen Markgraffchaft Baden der erfte 
Arzt, der die Kubpoden impfte. Die rrenanftalt verdankt ihm die 
erfte Grundlage einer zeitgemäßen Entwidlung, an welcher unter günftigern 
Bedingungen fortzuarbeiten feinem älteften Sohne Dr. Chriftian 
Friedrih Roller, dermalen geh. Hofrathe und Direktor der Heil- 
und Pflegeanftalt Illenau, vergönnet iſt. Unter der ausgezeichneten 
Leitung diefes ebenfalls zu Pforzheim geborenen Mannes ift die ge— 
nannte Anftalt zu einer folchen Blüte gelangt, daß fie fich allen ähn— 
lichen Anftalten kühn zur Seite ftellen kann, wenn fie diefelben nicht 
überragt. — Zu Pforzheim. find ferner geboren: Dr. Wilhelm 
Eifenlohr, geh. Rath und Profefjor an der polntechnifchen Schule 
zu Karlsruhe, als Phyſiker rühmlichſt bekannt, — Ludwig Kachel, 
Münzwarth und Münzwardein zu Karlsruhe ; noch verfchiedene andere 
Männer, die in Amt und Würden ftehen und zum Theil hervorragende 
Stellungen einnehmen, nennen Pforzheim ihre Geburtsftadt. 

Gedenken wir nun nod einiger bisher nicht erwähnter Ereignifie 
aus dem Zeitabfchnitt, deſſen überfichtliche Darftellung die Aufgabe 
diefes Kapitels ift, um fodann die Bevölkerungsverhältniſſe ꝛc. Pforz— 
heims zu berühren, wie fich foldhe im laufenden Jahrhundert geftaltet 
haben. Zu jenen Ereignifjen gehörten jeweils die zu Anfang des Tau: 
fenden Jahrhunderts üblichen Karl: Friedrichsfeite, die beifpielsweife am 
45. Juni 1801 und am 30. Mai 1805, ebenfo 1808 und nad) Tanger 
Unterbrechung wieder 1824 noch mit großen Feierlichkeiten und Wolfe: 
befuftigungen, für welch Yettere der Hauptplat das Nennfeld war, ges 
feiert wurden, fpäter aber wieder in Abgang famen, Ein anderes Feſt, 
das eine heute noch fichtbare Spur Hinterließ, war das der Einweihung 
de8 Dentmals der 400 Pforzheimer im Chor der Schloßkirche 
am 6. Mai 1834. Großherzog Leopold, der dasjelbe hatte jeben laſſen, 
nahm felber am Tefte Theil und übergab an die Nachkommen derjes 
nigen Bürger von Pforzheim, deren Namen in das Denkmal eingegraben 
find (S. 392), eigenhändig eine für das Feſt geprägte filberne Medaille, 








694 Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 


während die Stadtgemeinde diefelbe in Gold erhielt. Bei diefer Ge- 
Yegenheit mag noch bemerft werden, daß auch die gemalten Fenſter 
des Chores der Schloßkirche von Großherzog Leopold herrühren, der 
überhaupt diefem Gotteshaufe große Aufmerffamkeit ſchenkte. Das 
erfte jener Fenſter wurde 1832 eingefügt. 8 

Salt diejes Feſt einer That der Vergangenheit, fo wird der Anz 
laß und Gegenftand eines andern Feſtes, das wir in allerneuefter Zeit, 
nämlih am 3. Juli 1861 feierten, wenn auch fchen wichtig für die 
Gegenwart, doch feinen mächtigen Einfluß auf Handel und Verkehr 
mehr noch im der Zukunft entfalten. Ich meine die an jenem Tag er- 
folgte Eröffnung der Eiſenbahnſtrecke Prorzheim-Wilferdingen, wodurch 
auch Pforzheim in die Mafchen des Eiſen bahnnetzes eingeflochten wurde, 
das bald ganz Europa überdedt. Daß die Eröffnung durch den 
Pandesfürften felber geſchah, geftaltete diefelbe zu einem ſchönen Dop— 
pelfeft, das der Veranftaltungen viele hervorrief, um folches zu einem 
allgemeinen und freudigen zu machen. 1) Die in Bälde zu erwar— 
tende Vollendung auch der Eifenbahnftrede Pforzheim: Mühlader wird 
bem ganzen Schienenweg, der über Pforzheim führt, eine erhöhte Be— 
deutung verleihen. — Noch ift hier zu bemerfen, daß der Eröffnung 
der Eiſenbahn 1855 die Führung des erften Telegraphendrahtes nach 
Pforzheim und 1857 die Eröffnung der neuen Straße längs der 
Nagold nad) Calw vorausgegangen war, 

Um das, worauf in öltern Chroniken immer ein großes Gewicht 
aelegt wird, auch Hier nochmals zu berüdfichtigen, müfjen wir von 
theuern Zeiten, Hohgewäffern und Feuersbrünften etwas 
fagen. Eine große Theurung berrfchte bekanntlich im Jahr 1817, 
weil demfelben das Fehljahr 1816 vorausgegangen war. Nach einer 
damals gedrucdten Gedächtniftabelle galt zur Zeit der höchſten Noth in 
Pforzheim das Malter Kernen (zu 8 Simri) 60 fl., Roggen 34 fl., 
Gerfte 32 fl., das Malter Haber (zu 10 Simri) 28 fl., das Simri 
Erbſen 6 fl. 30 kr., Linfen 6 fl., Welichtorn 5 fl. 30 kr. Ackerbohnen 
5 fl., Hirfen 7 fl. 45 kr., Kartoffeln 1 fl. 48 kr, das Mäßle Ker— 








1) Schon 1854, und zwar am 6. Mai, bem Jahrestag ber Schladht von 
MWimpfen, hatte Großherzog Friebrih, bamala noch Prinzregent, ber Stadt 
Pforzheim den erften Beſuch gemacht. Das zweite Mal weilte er am 7. Febr. 
1860, am Tage der Beifegung der Großherzogin Stephanie, vorübergehend in 
ber Stadt. 





Neunzehntes Kapitel, Pforzheim von 1789 bis auf die neuefte Zeit. 695 


nengriesg 56 fr, Weißmehl 28 Er., das Pfund Reis 24 kr., Schwarz: 
brod 16 kr., das Paar Wed zu 6 Loth:4 kr., das Pfund Ochfen: 
fleifh 15 kr., Rindfleiſch 14 kr., Hammelfleifh 12 kr., Kalbfleifh 12 
kr., Schweinefleifh 18 kr., Schweinefchmalz 48 kr., Rindfhmalz 1 ft., 
Butter 56 kr., Lichter 36— 38 kr., Seife 32 kr., Unſchlitt 26 kr., die 
Maag Wein 2 fl., geringerer 1 fl. 36 kr., geringjter 1 fl. 20 kr, 
Bier 12 kr., ordinärer Branntwein 1 fl., der Eentner Heu 2 fl. 48 
fr., 100 Bund Stroh 40 fl, drei Eier 8 tr. Das Jahr 1817 
erwies fich jedoch wiederum als ein recht fruchtbares, weshalb beifpiel- 
weife der Preis des Scheffels Haber im Mai 1818 wieder auf 4 
Gulden gefunfen war. — Gewaltiges Hochgewäſſer brachten der 
29. und 30. Oftober 1824. In Folge heftiger Negengüffe ſchwollen 
die Enz, Nagold und Würm zu nie gefehener Höhe, fo daß der Waſ— 
ferftand den des Jahres 1784 — den höchſten, den man bisher ges 
fannt — um 4 Fuß überftieg. Alle tiefern Gtadttheile ftanden zum 
Theil bi8 zum zweiten Stockwerk der Häufer unter Waſſer, das bie 
gegen den Marktplatz hinaufreichte. Die Meberfchwemmung richtete gro: 
fen Schaden an und riß auch die Brücken mit fort. Letzteres gefchah 
auch bei dem zweitgrößten Hochgewäſſer des TYaufenden Jahrhunderts, 
nämlih am 1. Auguft 1851, das ebenfalls bedeutende Verheerungen 
anrichtete und durch das Umfchlagen eines Nachens bei der Auer Brücke 
mehreren Menſchen das Leben koſtete. An die Stelle der alten hölzernen 
Brücke trat 1852 die von den Gebrüdern Bendifer in Pforzheim ber: 
geftellte eiferne Gitterbrüde, — Bon bedeutenden Feuersbrünſten 
blieb die Stadt fehon feit Jahren verfchont. Am ftärkiten wüthete am 
2. Mai 1840 der fogenannte Poftbrand, der das Quadrat, in welchem 
die Poſt ſich befindet, fait ganz zerftörte. Es wurde in den nächften 
Fahren fchöner, als e8 vorher gewefen, wieder anfgebaut, 

Merfen wir nunmehr einen Blick auf die Bevölkerungsver— 
bältniffe Pforzheims, wie fich folche feit etwa 70 Jahren geftaltet 
haben, Wir haben oben (©. 562) beim Jahr 1725 die Seelenzahl 
der Stadt auf 3000—4000 berechnet. Am Jahr 1789 war fie auf 
4311, 1795 auf 4937 Köpfe geftiegen, darunter 4600 Lutheraner, 
83 Reformirte, 154 Katholiten und 100 Juden. Im gegenwärtigen 
Jahrhundert zeigten verfchiedene Volfszählungen folgende Ergebniffe: 

1800: 5062 Einwohner. 
1810: 5572 ü 





696 Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1784 bis auf bie neueſie Zeit. 


1831: 6284 Einwohner. 

1837: 7049 — 

1840: 7694 — 

1843: 8334 , 

1846: 8452 

1849: 7951 — 

1852: 9183 — 

1855: 10711 — 

1858: 13520 — 

1861: 13854 
Die Bevölkerung der Stadt iſt alſo ſeit 60 Jahren um ein Anfehne 
liches geftiegen und beträgt mehr als das 2i/,fache des Standes zu 
Anfang diefes Jahrhunderts. Bon den Ergebnifen der jüngften Zäh— 
lung (Dezember 1861) mögen noch folgende Einzelheiten bier ihren 
Plat finden: die Zahl der Familien war 1936; unter der Gefammt- 
zahl der Bevölkerung befanden fi männliche über 14 Sabre 5998, 
weibliche 4974, männliche unter 14 Jahren 1455, weibliche 1427. 
Nach Konfeffionen, bez. Religionen, vertheilte fich die Bevölkerung der 
Stadt auf 11,113 Evangeliihe, 2528 Katholiten, 45 Difjidenten 
(Lutheraner und reireligiöfe) und 168 Sfraelitn. Die Zahl der 
männlichen Gefchäftsgehilfen betrug 3645, der weiblichen 710, der 
männlichen Dienftboten 198, der weiblichen 967. — Die Zahl ber 
Gebäude betrug im Jahr 1800 erſt 780, bis 4855 war fie auf 
1590, und bis 1856, in welchem Jahr eine neue Nummerirung der 
Häufer und die Eintheilung der Stadt in 5 Quartiere (jet 6) ftatt- 
fand, auf 1629 geftiegen, ine Tebhafte Bauthätigfeit zeigte fih im 
den folgenden Jahren, namentlich als die 1857 gegründete gemein- 
nüßige Baugeſellſchaft ihre Ihätigfeit zu entfalten begann und 
andere Bauunternehmer ihr nadeiferten. So erhob fich feither eine 
Reihe von zum Theil großartigen und geſchmackvollen Neubauten, an 
der Dillfteiner Straße fogar ein nener Stadttheil, neue Straßen wurden 
angelegt, fo die Friedrichs-, Enzftraße (mit dem Enzplatz), die 
Dillfteiner:, Weiher-, Weiherbergs:, Bauftraße, 
mehrere noch unbenannte Querftraßen zc., fo daß die Gefammt- 
zahl der Gebäude am Schluß des Jahres 1861 auf 1845 ge 
ftiegen war. Außerdem it im den lebten Jahren eine bedeutende 
Anzahl von Häufern dur Anbau, Auffeßung weiterer Stockwerke ꝛc. 


Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf bie neuefle Zeit. 697 


vergrößert worden. Die Zahl der Straßen, Gaffen und Gäßchen 
beträgt 68. Diefelben haben in neuerer Zeit zum Xheil andere 
Namen bekommen, die Ochſengaſſe hat fi in eine Reuchlinsſtraße, 
die Viehgaffe in eine Spitalftraße verwandelt, aus der Tränfgaffe 
ift eine Deimlingsftraße, der Brößinger Gaſſe eine Karl-Fried— 
rih8-Straße, dem alten Schlappergäßchen eine Baumſtraße, dem 
Zigeunergäßchen eine Lindenftrage, der frühern obern Vorftadt eine 
Bahnhofſtraße geworden u. ſ. w. Aber auch im äußern Anjehen 
der Stadt find vielfache Veränderungen vorgegangen. Die alten finftern 
Thore, die längft ihre frühere Bedeutung verloren hatten, wurden nad) 
und nad abgebrodhen, jo das SHeiligkreuz:, das obere Graben-, das 
Auerbrunnenthor, der Brößinger: und der Altftädter Thorthurm noch 
im vorigen, beide leßtere Thore mit dem Schäfer, dem Auer:, dem 
Hiller:, dem Gauch-, dem obern und untern Schloßthor fammt dem 
Dbermühlthörlein im laufenden Jahrhundert. Ebenſo verichwand, da 
und dort die Stadtmauer, Der Stadtgraben wurde theilmeiie ausge: 
füllt, viele der ältern, bochgegiebelten und mit dem Giebel gegen die 
Straße gerichteten Häufer machten neuern, geſchmackvollern und beque- 
mer eingerichteten Gebäuden Platz. Im Jahr 1855 wurde auch das 
Rathhaus reſtaurirt, zu welcher Zeit auch das Standbild des Mark— 
grafen Ernſt auf dem Marktbrunnen einer Wiederherſtellung unterzogen 
wurde. Schon das Jahr vorher hatte eine Neupflaſterung der Stadt, 
das Legen von Trottoirs in den Hauptſtraßen derſelben und die Her— 
ſtellung einer neuen Waſſerleitung begonnen, nachdem bereits 1853 
Gasbeleuchtung eingeführt worden war. So hat Pforzheim nach und 
nach ein moderneres Gewand angezogen, iſt vermöge aller dieſer Um— 
ſtände aus der Reihe der badiſchen Mittelſtädte in die der größern 
Städte des Landes eingetreten und nimmt unter denſelben hinſichtlich 
der Bevölkerung die fünfte, bezüglich der Gewerbthätigkeit aber die 
erfte Stelle ein. Ueber den dermaligen Stand der letztern mögen noch 
einige Mittheilungen folgen. 

Nach dem Steuerkatafter für 1862 find in Pforzheim 131 Bis 
jouteriefabrifen, 20 Eleinere Fabriketabliſſements (Goldarbeiter), 5 Kräß: 
wafchereien, 18 Gravier⸗, 6 Guillochiers, 6 Emaillier-, 8 Juwelierge⸗ 
ſchäfte, I Etuisfabrifen, — die bisherigen Etabliffements zufammen 
ohne die Lehrlinge mit 3519 fteuerpflichtigen Gehilfen — 5 Bijouterie- 
bandlungen, 3 ‚Steinhandlungen, 3 Steinfchleiferein, 6 mechaniſche 





698 Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis auf die meuefte Zeit, 


MWerkftätten (mit 28 Gehilfen), 2 Eifengießereien und Mafchinenbaus 
fabrifen (mit 327 Gehilfen), 1 Kupferhammer, 1 Werkitätte für phar— 
mazeutifche Apparate (mit 9 Gehilfen), 1 Werkftätte für phyſikaliſche 
Apparate und 2 chemifche Fabriken (mit 43 Gehilfen), im Ganzen 
alfo 235 gewerbliche Etabliffements mit 3947 fteuerpflichtigen Gebilfen 
(ohne die Lehrlinge unter 17 Jahren) und einem Gefammtgewerbe: 
ftenerfapital von 3,686,850 fl, oder 2/, der gefammten Gewerbeſteuer 
der Stadt, welche im Ganzen die Summe von 5,441,100 fl. beträgt. 
Andere Gewerbe find in folgender Zahl vertreten: 3 Apotheker, 5 Bar: 
biere, 22 Bäder, 6 Bauunternehmer, 7 Bierbrauer, 1 Bleichinhaber, 
2 Branntweinbrennereien, 5 Buchbinder, 4 Buche und Steindrudkereten, 
2 Buchhandlungen, 1 Büchſenmacher, 2 Bürftenmacher, 2 Conbditoren, 
2 Dreher, 1 Eſſigſieder, 2 Färber, 3 Feilenhauer, 6 Flafchner, 2 
Frachtfuhrlente, 1 Friſeur, 10 Gärtner, 1 Gasanftaltunternehmer, 5 
Gerber, 2 Gipfer, 7 Glaſer, 1 Glasſchleifer, 2 Gürtler, 3 Hafner, 
72 Handelsleute (und zwar: 3 Bankiers, 20 Ellenwaarengeichäfte, 12 
Spezereigefhäfte, 6 Quincaillerie- und Merceriegefchäfte, 1 Mein: und 
Landesproduktenhandlung, 3 Eifenhandlungen, 3 Holzhandlungen, 2 
Putzhandlungen, 7 Viktualien- und Mehlhändfer, 3. Kleiderhandlungen, 
3 Trödler, 3 Steintohlenhandlungen, 3 Makler, 3 Kommiffionäre,) — 
6 Hauderer, 2 Hutmader, 2 Kammmacher, 1 Korbmacher, 5 Kübler, 
8 Küfer, 3 Kürſchner, 70 Landwirthe, 4 Maler und Lafirer, 3 Mau: 
ver, 20 Mebger, 3 Müller (mit 4 Mahlmühlen), 4 Pfläfterer, 2 
Pofamentiere, 9 Putzmacherinnen, 2 Profuratoren, 3 Sigmühlenbefiter, 
7 Sattler, 3 Schirmmader, 12 Schloffer, 10 Schmiede (3 Grob: 
fchmiede, 1 Kettenfchmied, 4 Kupferfchmiede, 1 Mefferfchmied, 1 Nagel: 
{hmied), 24 Schneider und Kleidermacherinnen, 18 Schreiner, 33 
Schuhmacher, 4 Seifenfieder, 3 Geiler, 1 Siebmacher, 1 Strumpf: 
ſtricker, 1 Tapezier und Dekorateur, 3 Uhrmacher, 1 Vergolder, 4 
Magner, 1 Wafenmeifter, 2 Weber, 8 Weinhändler, 33 Mein: und 
7 Bierwirthe, 6 Ziegler, 6 Zimmerleute. Auf alle nicht fabrik— 
mäßig betriebenen Gewerbe kommt ein Gewerbfteuerfapital von 1,754,250 
Gulden. — Das Grund: und Häuferfteuerfapital der Stadt be 
trägt für 1862 die Summe von 3,673,480 Gulden, das Gefammtfteuer: 
kapital 9,114,580 Gulden. Am Sabre 1850 betrug dasfelbe erft 
4,865,060 Gulden; e8 hat fich alfo in 12 Jahren beinahe verdoppelt. 
Was die Vermögensverhältniffe und überhaupt das mufterhaft verwal⸗ 





Neunzehntes Kapitel. Pforzheim von 1789 bis anf die neuefte Zeit. 699 


tete Finanzweſen der Stadtgemeinde felber betrifft, jo weist die Stadt: 
rechnung für 1860 eine Einnahme von 101,588 fl., eine Ausgabe von 
98,664 fl. 38 fr, und einen Vermögensftand nach, der nad Abzug 
von 124,783 fl. 32 fr. Schulden die Summe von 559,368 fl. 56 fr. 
beträgt und während des genannten Jahres in Folge von Schulden- 
tilgung um mehr als 10,000 Gulden zugenommen hat. Alle diefe 
Derhältniffe in Verbindung mit der Zunahme der Bevölkerung und der 
Häuferzahl bemeifen die wachfende Bedeutung Pforzheims zur Genüge. 
Möge die ſchützende Hand der Vorfehung auch ferner über einer Stadt 
walten, die — von jeher ein koſtbares Juwel in der Krone ber 
badifchen Fürſten — nad) fo vielen wechfelnden Schickſalen, wie fie 
diefe Blätter eingehend gefchildert haben, immer wieder zu neuer Blüte 
gelangt ift und einer noch größern Zukunft entgegen geht! 





Regiſter. 





A. 

Aab, Geſchlecht, 301, 392, 559. 

Abgeordnetenwapl, erfte 68 

Abrecht, Geſchl. 301, 392, 407, 432, 
A66, 468, 52. 

Abzug 72, 358 

Achtſynit, it, Kanzler 61,269, 286, 320,468. 468. 

Adel und adelige Häufer in Pfh. 146, 
163, 298, 300, 

Ador, Kommerzienrath 632. 

Albrecht v. Brandenburg 322. 

Alemanen 26. 

Almofenfond 160, 284, 335, 606. 

Altäre der Schloßfirdhe 150. 

Altſtadt 21, 78, 104, 121, 450. 

Altſtädter Kirche 31, 41,71, 105, ff., 186, 
309, 526. 

Angeftellte in Pfh. 364. 

Anlebensloosvereine 690. 

Anshelm, Thom., Buchdruder 189, 

Apothefen 460, 544, 686. 

Arbeiterzahl der Ka Fabriken 631, 643, 
653, 664, 666, 667, 697. 

Arbeitsloͤhne 490, 632, 664, 

Ariovift 7. 

Arlaud, Geſchl. 662. 

Armbruftbaus 459. 

a. zen v. 673. 

Aue 78, 

Auauflinerkfofter 116, 7 

Aufterlig, Schlaht v. 

Autenrieth, Gefchl. 484. 

Autran, Gründer der Bij.-Fabr. 624. 

B 


Baden ein Kurfürſtenthum 671, ein 
a Arsen 672. — 
Bad, oberes od. unteres 1 5 
Baden-Durlah 6. 
Baden-Pforzbeim 267. 

Badftuben 159, 163, 293. 

Bäserorbnung 255. 

Baiern in Pf. 412, 437. 

Barfüßerkloſter fete. —— 

Barthold, veſon 18l 4, 559. 

Bafel, Friede v . 66 

Bauer, Geſchl. 164, 392, 407, 580, 
385, 594, 

Bauernfrieg 265. 

Baugefellfchaft, gemeinnügige 690. 





Fee TE Te ET GUT TTRRET TUT TE Te T 


Baumann, Geſchl. 301, 392, 553. 

Bauordnung 251. 

Baurittel, Geſchl. 542, 544 ff., 9953, 
560, 660, 661, 669. 

Bauſchlott 73, 111, 114, 315, 322,354, 
05, 940 


405, 940. 
Beder, Geſchl. 301, 559, 605, 657. 
Beckh, Geſchl. 164, 356 362, 3 365, 392, 
107, 424, 432, 318, 531, 559, 568, 


Bedh’iche Stiftung 362. 
ee ge 77, 118, 121, 162, 
297, 446 ff., 520, 522, ar 568, 697. 
Beguinen 111, 115. 116 
Belagerung von ‚Pr. 515, Sr 
Pendifer, Geſchl. 616, ;, 678, 683, 690. 
Beobachter, Pforzh. 686. 
Bernhard L, Marfaraf 92, 136, 1. 176. 
Berthier, Marſchall, in Pf. 682. 
Berthold, Bruder 75. 
Befchreibungen d. Stadt 292, 446, 465, 
Bevöfferungsverhältniffe 408, 464, 531, 
562 695. 


28 ff., 
Bierhandel, ftädtifcher 462. 
ge 606, 624 ff., 697. 
Bilfingen 70, 212. 
Birtenfeld 11, 109, 113, 118, 150, 405. 
Dfeiche 616. 
Bleihwiele 86, 122, 279, 359. 
Blockhaus 459. 
Bohnenberger, Geſchl. 666, 678, 683. 
Bonlanden, früherer Ort 112, 
Borgnis, Gefhl. 661. 
Bouginé, K. — 598. 
Braun, Gefhl. 518. 
Breidt, — 392, 407, 484, 559. 
Bremerhof 459. 
Brenner, Geſchl. 392, 432, 484. 
Brodſchauer 240. 
Brodfihrannen 124. 
Brögingen 11, 14, 43, 70, 109, 113, 

118, 150, 137, 322, 405. 
Bröpinger Vorſtadt 78, 449. 
Bronner, Geil. 184, 
Bruderhaus 457. 
Bruderfihaften 160. 
Brüden 12, 122, 291, 455, 545. 


| 
Brunnen 455 ff. 








Drunnenorbnung 250. 


Regifter, 


Bub, Geſchl 301, 365, 392, 424, 466, | Düren 11, 


520, 559. 
Buchdruderei 189 ff, 303, 686. 
ER Geil. 301, 392, 432, rn 
üchenbronn 118, 146, 150, 15 
Bürger, Gefhl. BL — 
Bürgereid 247. 
Bürgerannahme 222, 248, 560. 
Bürgermeifter 183, 235, 301, 365, 423, 
166, 522, 532. 342, 581, 610, 678, 


a REN —— 
rgerſchaft 96, 247, 4 
Bürgerfchule, höhere 685 
Bürgerwittwenkaſſe 614. 

Bujard, Gefchi 653, 660, 661, 665,678. 
Bund, deutfcher 675. 


C. 
Cäcillenverein 690, 
Cäſar, J. Z 
Calw, Grafen v. 35, 36, 44, 
Calwer Straße 694. 
Campo Kormio, Friede v. 670, 
Chriſtenthum, Verbreitung 30. 
Epriftin A. Mitgründer d. Bij.-$. 624 ff. 
Epriftopp, Markgraf 173. 
Eifterzienferinnen, Klofter 49, 111, 154, 

188. 


Darmsbach 159. 


Dehmen 219, 283, 475. 

Deimling, Gefht. 301, 357, 391, 392 
407, 456, 466, 522, 532, 533, 582, 
580, 581, 605, 617, 621, 684. _ 

Dentfteine, Denttafeln und Denkmäler 
14. ff-, 181, 183, 185, 277, 291, 298, 
339 ff., 544, 601, 674, 693, 

Dennig, Geſchl. 666, 678, 683, 686, 690. 

Deutfchkatholifche Gem., Gründung 688, 

Diehlgraben 396, 449. 

Dietenhaufen 71, 353. 

Dietlingen 11, 15, 33, 43, 100, 110, 118, 
137, 150, 159, 211, 265, 405, 438, 


600, 678. 
Difitein 95, 105, 150, 186, 309. 


Dittler, Geht. 301. 
Döffingen, Schlacht 99. 
Dominikaner⸗Kloſter u. Kirche 7A, 108, 
111, 115, 165, 309, 323, 399, 401, 
410, 413, 439, 452, 456, 521, 528. 


Dominifanerinnen=Klofter 41, 49, 74, 


108, 111, 118, 153, 187, 203, 323, 
329, 401, 456, 373, 60. 
Dreißigiähriger Krieg 375 ff. 
Dürrmenz 32, 114, 150. 


701 


‚113,118,150,310,540. 


15,73 
Durlach v., Seth. 87. 


Durlader Straße — 


Eberſtein, Grafen v. 38, 
Eberg, Peter 367. 

Ederih 283, 

Eintracht, Verein 690. 
Einwanderer in Pf. 560, 677. 
Eifenbahneröffnung 694, 
Eifenlohr, Wild. 693. 


Eifingen 16, 33, 100, 113, 118, 174, 
211, 322, 405. 


Eifinger Loch 16. 
Eifingen, Herren v. 65. 
Elimendingen 11, 14, 15, 33 
109, 110, 112, 114, 118, 137, 
Emigranten, franz. 677. 
Enverle, Geſchl. 301, 356, 559, 
Enzberg 32, 113, 150. 
Enzberg, Herren v. 62, 174. 
Enzgau 31, Örafen darin 33, 
Eremiter-Klofler 116, 323. 
Erhard, Gefchl. 301, 392, 425. 
Ernft, Markgraf 176, 268, 316. 
Ernft Friedrich, Markgraf 351. 
Erfingen 113, 212, 266, 317. 
Eike Sean. 3 392, 403 
ig, Geſchl. 301, 357, 392 
Euchele, Gefchl. 301, 372, 392, 407, 
426, 432, 359. 
Euphemia 114, 134, 
Eutingen, 11, 33, 113, 118, 126, 150 
159, 187, 322, Kol, 
Erefution, milit. 581, 584, 588, 5392. 


Fabri, Dr. Wendelin 330, 

Fabriken, Anzahl 655, 657, 660, 662, 
665, 666, 667, 

Fabrikordnung, alte 635. 

Salfengarten 95. 

Sauler, Geſchl. 301, 392, 466, 532. 

Feloner, Gefchl. 301, 365, 425, 428, 559. 

Felvordnung 209, 

Fegert, Gejchl. 484. 

Feuersbrünfte 290, 438, 513, 517, 528, 
695. 


Feuerfpriße, erfte 550. 

Sen Get. 164 392, 40 
nt, Geſchl. 1 2 
Finfenftein, Gefhl. 606, 032. 
Sifhwafler i. d. Enz 41, 281, 

Slegler 97. 
loßweſen 88, 125, 161,258, 272, 611 ff. 
Flößerwittwenkaſſe 614. 


* 





686. 





702 


Fohlenſtall 17. 

Fontelin'ſche Stiftung 362, 692. 

Kortbildungsverein 

Fräuleinftift, adeliches 539, 

Franken 29, 

Franzisfaner-Klofter u. Kirche 74, 111, 
115, 152, 186, 399, 401, 410, 413, 
440, 451, 526, 561, 619, 

Franzofen in vf SIi, 914, 525, 527, 
330, 567, 677 

Fraucnverein 690, 

Frei, Adam 195. 

Freundſchaft, Verein 691, 

Frevel 157, 358. 

Friedland, Schlacht v. 672, 

Friedrich, Großherzog 676, er 

Friedrich IM, Kaifer, in Pfh. 146. 

an "Martgraf 55, ll. u. M 92, 
94 ff., IV. 94, 

Friedrich V., Marfgraf 354, 394, 444, 
Vl. 444 f. 

— Magnus, Markg. 4158, 538, 


Frohnden 217, 476, 565, 678. 





Srobfinn, verein 
Fuchs, Gefhl. 484. 


Fühner, Gefcht. 184 
Fürftengruft 268, 270, 351, 353, 374, 
445, 526, 539, 540, 602, 674. 
Fürftenverfanimlungen zu Pforzh. 100, 
323 


143, 146, 


©. 

Gafthäufer 460 ff. 

Gauverfaffung 31 

rn 696. 

Geiger, Geſchl. 164, 285, 356, 392, 
407, 432, 568, 678. 

Geiger’ he Stiftung 285, 691, 

Geiftliche ver Stadt 40, 73, 107, 182 
192, 311, 313, 322, 325, 336, 364, 
405, 416, 517, 529, 390, 6 

Geiftlihe der Altftadt 186, 322, 364, 
405, 636. 

Gelöwechel 226. 

Gelehrte aus Pforzh. 165, 193, 295, 
316, 330, 596, 69. 

GSefeite 123, 158, 272, 357. 

Geldverhaͤltniſſe 128, 278, 397, 493, 

Gemeindedicnfte 237, 

Gemeindegut — 

Gemmingen, Herren v. 145. 

Georg — Markgraf 353, 363, 
367, 378, 4 

Gen io ff. 

Georgsſteige 120, 


. 


Regifter. 


Georgäftift 119, 309, 413, 452 
561, 57400. — 
@erbel, Nik. 344, 
Gerichtewefen 222, 231. 
Germanen 6. 
Gerwig, Gefhl. 164, 392, 429, 518, 
559, 572, 381, 655, 697. 
Gewerbliche Berbältnifie 125, 158, 161, 
178, 253, 294, 459, 155, 513, 550, 
583, 603, 611, 685, 
Gewerbfhule 689, 
ne Kafpar 195, Er er 
Öfaubenstreue der Pforzh. 365 
Glocken der Schlostiche 549, 
Göbrichen 15,32, 43, 109, 114, 265, 322. 
Göldelin, Gefhl. 85, 102, ‚ 103, 142, 
Goldkontrole 656 fe 
Goldſchmiedsordnung 262. 

Grabfteine 14, 63, 82 ff., 102, 112, 150, 
174, 179, 182 ff., 268, 269, 273, 236, 
BE 203.208, 330,360, 460.520,525 

a a Herren v. 67. 

Graue Schweftern, fiebe Beguinen. 
Gregerianifher Kalender 377. 
nn * Buchdrucker 307. 
Groß, G 

Gulich, —— 666, 690. 
Günther, Geſchl. 484, 581. 

Güter- u. Häuferpreife 491, 507, 531. 
Guſtav Adolph v. Schweden 402, 
Guſtav-Adolph-Verein. 690. 
Gutleutbaus 119. 

Butt, Osw. Kanzler 320, 


457, 


Hachel 5. 

Hafner, Gefhl. 392. 

Hagenfchieß 15, 73, 145, 146, 159, 357, 
514, 516, 519, 534, 557, 561. 


Hamberg 137, 146, 150. 
Hammer, oberer und unterer 458, 488, 


615. 
Harpheimer Schlößchen 17: 
Hauptrecht 279, 
Heerſchau bei ei Dr. 139, 681, 683. 
Heidenfeller 16, 
Heil» und Pflegeanftalt 118, 610. 
Heiliggeiftfpital 117, 187, 329, 401. 
Heimaheim, Herren v. 70, 
Heinrich IV,, Kaifer, in Fe 39, 
Deinzelmann, Gefhl. 301, 
Heiſch, Geſchl. 469, — TE 
Helmſtädt, Oberſt v. 
Herren Pforzheim * 
— Kloſter 49, 56, 59, 80, 101, 


Regifter, 


Hermionen 6. 

Herrmann, Gefhl. 434, 

Herrmann L—V., Marfgrafen 50 ff., 
Herrmann VI. 55, VIl. 76, 91, VI 
und IX. 92. 

Herenprogeffe 211, 501. | 

Hirfchau, Klofter 5, 36, 38, 40, 42, 
44, 59, 148. 

Hirfhauer Hof Al, 77, 402, 

Hochgemwäfler 524, 563, 622, 695, 

Horter, Geſchl. 432, 485. 

Hoheiſen, Geſchl. 560. 

Hoheneck, un 

Hohenlinden, Schlacht v. 670. 

Hohenftaufen, die, 44 ff. 

Hohenwarth 11, 23, 36, 43, 145, LAG. 

Hohmeiler, Geil. 454. 

Holzhauer, Gefhl. 392, d, 380, 
381, 588, 292, 

Holzpreife 161, 491, 

Hortari, Fürft 28. 

Hoipital und Pfründnerhaus 688, 

Huchenfeld 5, 11, 43, 58, 105, 118, 
146, 156, 186, 211, 309, 405, 514. 

Hug, 4, Stavticreiber 180, 207, 

Huffiten in Pforzheim 154. 

Hutten, Ulrich v., in Pf. 306. 


484, 506, 


Jahnablen alte 3, 457, 462, 545, 


’ 
Yaifer, Geſchl. 301, 392. 
Jakob 1,, Markgraf 137, 152. 
Jakob U., Markgraf 351 
Semappes, Schlacht v. 669, 
Jena, Schlacht v. 672. 
Sllingen, Herren v. 64. 
Inſchriften 83, 275, 291, 298, 323, 
457, 546, 552, 
Snterim 317. 
Interimsbefehl 552. 
Johann, Freigraf v. Kleinegypten 184. 
Sofeph IL, Raifer, in Pf. 622. 
Joſephine, franz. Kaiferin, in Pf. 679, 
Irmengard, Gemahl. Herrmanns V. 52. 
eg Siehen- und Zuchthaus 573, 


Springen 64, 112, 113, 118, 150, 187. 
Yiraelitifhe Schule 689. 

Ittersbach 5, 11, 322, 353. 
Judenverfolgungen 88, 97. 


Kachel, 8. 693. 

Kaifer, Gefhl. 164. 
Kaiſerwahlen zu Pforzheim 39. 
Kallhart 282, 515, 309. 


703 


Kanoniker⸗Kloſter 116, 323. 


Kanzler, Wald 17. 

Kapelle auf dem Friedhof 546, 

Kapfenhart, Herren v. 68 

Kappelhof und Kappelwiefen M. 

Kapuziner in Pf. 413, 439, 

Karl, Großherzog 673, 675. 

Karl Frievrid, Marfgraf 541, 599, 673. 

Karl Krievrihs-Fefte 693. 

Karl IV., Kaifer, in Pfh. 35. 

Karl 1, Markgraf 138. 

Karl I, Martgraf 268, 275, 319, 

Karl Wilhelm, Martgraf 539. 

Karoline, Markgräfin 602, 628, 630. 

Katholifche Gemeinde, Kirche u. Geiſt— 
lie 73, 619, 687. 

Kap, Geil. 485, 532, 546, 374, 581, 


686. 

Keller, Geſchl. 301, 392. 

Kelten 4. 

Kelter, berrichaftlihe 279. 

Kercher, Geſchl. 301, 356, 392, 405, 
428, A6n, 518, 520, 532. 

Kern, Geil. 159. 

Kierer, Geichl. 164, 392, 407, 429, 432, 
466, 520, 532, 546, 553, 559, 268, 

Kienle, (Kiehnle, sienlin) Geſcht 133, 
164, 392, 407, 432, 515, 520, 953, 
559, 657, 660, 661, 665, 678, 

Kiefelbronn 11, 16, 32, 73, 111, 113, 
118, 150, 405, 673, 

Kirchberg 78, 

Kirchenorpnung 320. ä 

Kirchenzudt 493 ff., SZ 

Kirchhof 298, 457, 

Klausichweftern ſiehe Beguinen, 

Kleebau 600. 

Kleidung 210. 

Kleinfinderpflege 639. 

Klöfter, Aufhebung derfelben 320, 323, 

325. 

Koh, Geſchl. 164, 392, 407. 

Kollegiatftift zu St. Michael 149, 316, 
333, 401, 


mu: 
Kollmar, Geſchl. 620. 
Königsbach 11, 15, 33, 114, 150, 397, 
Konigebad, Herren v. 
Korn, Geſchl. 133, 392, 
Krähened, Burg 60. 
Kranfenunterftüßungsvereine 690. 
Krenfel, Geſchl. 466, 485, 683, 684. 
— —* — 
reuzkirche 118,446, 452, 457,546, 6 
Kriegstoften 512, 514, 52T, 523, 527, 
530, 532, 534, 565, 568,570,571,678. 





704 Resifter. 


Kruzifir, altes 621, 623. Luremburgifcher Krieg 502. 
Kürsner, Konrad 305, 337. Lurusgefeße 207, 496, 
Rupferbammer 488. 
Kurz, Geſchl. 560 Maaß und Gewicht 232, 492. 
Kutfcherweg 12. Maafpfennig 276, 
L. Machlet, Gefht. 665. 

Lagerbücher 278, 357. Mädkeninftitut 689. 
Lamprecht'ſche Stiftung 618. — 691 
Landacht 473. Märcklin, Geſchl. 344 
Landesordnung 207, 229, Mäule, Geſchl. 164, 392, 515, 559. 
Landhag 27. Maler, Geſchl. 164, 365, 392, 405, 
Landſchaftshaus 459, 449, 457. 
Landwirtbfchaftlicher Berein 690. Mannrecht 247. 
Zangenalb 2, 137, Marbod 7, 
Langenfteinbach 11. Marehal, Geſchl. 650. 
Lannes, Marſchall, in Pf. 679. zen Schlacht v. 670. 
Lateintfche Schule 154, 193, 303, 333, | Marie Luiſe, ae Kaiferin, in Pf. 682, 

456, 478, 521, 526, 548, 688, Martomannen 6: 
Leverner General 445. Marktbrunnen 275, 455. 
Legel, Gefhl. 84. Marktoronung 249. 
Lehen, Pforzheim ein Diäten, 140, |Marftplag 121, 454. 
Lehningen 98 137, 145, 146, Marquard, Foh. 198, 
Lehningen, Herren v. 69. Martin, Kirche St., f. Altftädterfirche. 
Leibbrand, Gefchl. 392, 485. — Kloſter 49, 56, 59, 73, 
Leibeigenfchaft 96, 144, 247, 601. 107, 174, 
geibaig, Stadt v. 6A May, Seal 133, 392, 596, 597, 
Leis, G Meerwein, Geſchl 301, 356, Bee 407 


Lenz, Serst. dr 392, 407, 485, 683,| 432, 466, 518, 520, 559, 58 


684. Meier, (Mater, ayır) Gear 301,- 
Leopold, Großherzog 602, 675. 356, 392, 407, 532, 559, 581, 033, 
Leproſenhaus 119.1 Meplaı Iccie 2, 

Lefeverein 689. Melac in Pf. 2, 335, 


| 


Leutrum v. Ertingen 152, 174, 175, Welanchthon 2, 166, 195, 331. 
282, 306, 339, 93 502, 540, Melter, Gefchl. 466. 
Beer, Berht. 1. S0L, 553. ⸗ Mertie, Gchdl. 32, 392, ‚85. 
a ofter 4° 41, 54, 56, 69, 1 erkurstempe 
108. FF Merz, Gefchl 392, 185. 
— 2 — 58, 59, 174, 502, 528. Mesnerei 107, 244. 


E 


tiebener, Gefhl. 71, 82. Meselgraben ' 86, 122, 
Liebeners Hof 76, 121. Medgerorbnung 1 119, 256. 
Liebenzell 23, 23, 114, Meurah 18, Aı. 
Liebenzell, Herren v. 68, Michael, &t. Kirche, fiehe Schloßfirche. 
Andenpiatz 454, Militärwefen 577, 684, 
Löffelſtelz, Burg 63. Minoritenflofter, er, fiehe Franzisfaner. 
Löwenbund 98, Miftordnung — 
Lomersheim, Herren v. 64, Moreau in Pf. 677. 
Longueville'ſche ⸗ 354, a 95, 109, be, 123, 157, 160, 
Lorhard, Joh. 198. 359, 460, 
Lorſch, Kiofter 32. Mühlhaufen a. d. W. 145, 146. 


Lott kun Geſchl. 301, 357, 392, | Mühlpaufen, Herren v. 
Ri rt. 201 7, Vrühfzins 157, 280. 


— Senne 602, 675. Müller, Geil. 164, 559. 
— Friede v. 67. Mülferorbnung 254, 
Lutgard, Priorin 112, Münfter, Seb. 304. 

Lug, Geſchl. 164, 392, 467, 660, 661. | Münzftätte in Pf. 159. 





Regifter. 


Murat, General in Pf. 679. 
Mürrle, Gefhl. 392, 485, 559. 
Mufeum 545, 621, 6 682, 
Mufitverein in 690. - 
Mutſchelbach F 174 
Dutſcheltnauß © 
N. 

Nagoldgau 32, 
Ramen der Stadt 24, 47, 79. 
— 670 ff., derfelb, ein Pf. 679, 


Narrenhauslein 456, 

Neidlingen, Herren v. 64. 

Neidlingen, Ort 64, ee 112 112 

Neudörfer, Geſchl. 

Neuenbürg 11, 33 = 126, 

Neuenbürg, Grafen v. 67. 

Neuhäufer, — 485, 657. 

Neuhaufen 11, 43, 137, 145, 146. 

Neuhaufen, Dem v. 69, 146, 282. 

Ney, Marihall, in Pf. 679, 

Niefern 5, a — 43, 73, 100, 114, 
150, 174 

nn an aut v. 61. 

Niefernburg 61, 269, 

Nifolaustapelle 41, 77 

Nördlingen, Schlacht v. 404, 

Nöttingen 11, 14, 12,32, 110, 174, 405. 


"162,550. 


Nymiwegen, | Sriede v. 507. 
Dbervögte zu Pf. 63, 68, 108, 147, 150, 
188, -207, 301, m 314, 363, 364, 


366, 376, 405, 466, 542, 586. 084. 
——— Franzisfaner. 
Oechsle, Geſchl. 661. 

EDEN 5 S, a, din 43, 73, 100, 

114, 118, 405 
Orleans ſcher Kri Krieg 


Dftertag, Geſchl. 07, 166.485 520,532. 


Pädagogium 688. 

Fell Seite. 675. 
attigiergefcpferhter 72, 3. 

Pfälzer Krieg 138. 

Pfarrwohnungen 459. 

Diinzgau = 

Pforz 5, 

— 5 Wertach 133. 
v. Pforzheim, Dragebot 44, Heinrich 
v. Pf. 130, Herrmann, Günther, Lufas 
und Jacob v. Br: 

Pforzheim, Amt 137. 

Pforzheim, baierifch 410, ein pfälzifches 
Lehen 141, 603. 





Pfundzoll 22 226, 472, 520, 578, 583. Richter, Geſchl 
Pflüger, Pforzheim. 





705 
Philipp, Markgraf 176, 264, 306, 
Phorca 2. 


Phorcis n 
Phorkys 2. 
Dpyfiokratifches Spyftem 600. 
Plaͤtze, öffentlihe 297. 
Plünderung v. Pf. 526, 528, 530. 
Polizei 209, 213, 223, 28, 357 
Polnifcher S Krieg 520, 57 L 
Porta Dercynia 24. 
—— der Metzger 487, 583. 
oftftraße, alte 12, — 
Präfentationgrect | der Stadt 481. 
Predigerklofter, ſ. Dominikanerflofter. 
Preife ver Febensniittel wu 210, 398, 
406, 490, 504, 507, 530, 
Prefburg, Friede v. 671, 
Privatelementarfohulen 639. 
Privilegienbrief 215, 270, 683. 
Al 276, 
ulvermühle 488. 


Duincailleriefabritation 627, 633, 662. 


Rabe, Grg., Budrruder 323. 

NRabened, Burg 

Räpple, Gef Tri 

Raftatter Kongreß 670. 

Rathhaus 298, 458, 546, 697. 

Realfchule 688. 

Recollekten, fiehe —— 

Reformation in Pf. 302 

Reformation der Klöfter in Pf. 152, 

Reformirte in Pf. 561, 687. 

Roͤfugièes, franz. hl 

Negenten, vier 231. 

Reich» und Kreisfteuer 577 

— — über —— 121 
12 


Reihsfammergericht 985. 

Nektoren u. Lehrer der lat. Schule 194 
316, 333, 364, 478, 522, 548, 888. 

Religlongfriede zu zu 1 Augsburg 318. 

Religionstämpfe 413, 

Remchingen 15, 373, 

Remchingen, Herren v. 66, 146. 

Refi Hr —— 57, 92, 273,276, 


Reftitutiongedikt 400. 
Reuchlin, 3. 1, 159, 165 ff., 190. 
Reuniondfammern 509. 
Revolution, franz. 668. 
Sun 672. 

Rheinfranken, Fe 34. 





706 


Riefle, Geil. 164. 

Ringer, Geil. 301, 407, 580. 

Rod 58, 515. 

Römerftraßen 10. 

Römerzeit 8. 

Römifhe Alterthümer 13. 

Römiſche Gebäude 15. 

Römifche nn 15. 

Rößle, Gefhl. 485. 

Rohr’fhe Stiftung 360, 692. 

Roller, Geſchl. 560, 692. 

Roßwag, Herren v. 64. 

Rothader, Gefchl. 301, 560. 

Rudolf 1. Markgraf, 5 56, U. u, 11. 91, 
IV,, V. VI, u. VI. 92, 94 ff., 8. 

Rüpf, Geht. 485. 

Ruſſen, gefangene in Pf. 680. 

Ruffifher Feldzug 674. 

Rpswik, Friede v. 534. 

Sängerfranz 691. 

Saif, Gefhl. 301. 

Salzburger, ausgewanderte 562. 

Salzgeld, Salzftadel ıc. 208, 214, 225, 
578, 583. 


— — 
ur eig 234. 
Saſtrow, B. 273. 
Sattler, Geſcht. 164, 392, 516, 518. 
Schäfer, Geht. 164, 1,0 392. 
Schäuffele, Geil. 485. 


of 22. 
er Gef. 485. 
—— Geſchl. 301, 392. 


— — 475, 520 576, 582,595. 
atzung 5 
Scheerle, Geſcht 392, 432, 46, 485, 
Schellbronn 36 5 ae 
Schlahtypaus 28. 
San — 22 27. 358, 445, 446, 
0 1 
f., 538, 5:0, 620 20. 


Schloßberg 
en 459. 
Schloßgarten 279, 358, 575. 
. * 19, R 36, 77, 105 ff 
303.1 2, 316 u; 2, 2a, 0 a 
| 1 
Shmalfaldifcher Krieg 37 


—— 164, 301, 392, 581, 


Sönc Geſchl. 466, 485, 580, 592. 
Saucen, Gefäht. 164, 392, 407, 545, 


Shober, Gefihl. 392, 435, 542, 002, 


Regifter. 


Schönauer, Gefhl. 485. 

Schroth, Geſchi. 07 

Skhülerfefte 484, 548. 

Schügenfeft 237. 

Schügengefellihaft 236, 362, 458, 554. 

Schulden der Stabt 145, 476,554, 699. 

Schulden fürftliche 221. 

Schulhäufer 547, 689. 

Schulwefen u. Lehrer 244, 316, 365, 
Bass 458, 478, 547, 348, 600, 686, 


Schultheißen zu Pforheim 70, 101 ff., 
118, — 


— in Bf. 403. 

Schwarz, Geſchl. 485. 

Schmwebel, 30h. 305, 336. 

Schweigert’ fche Stiftung rn 

Sedenheim, Schlacht v 

Seehaus 11, 357. 

Seelhaus 163, 457. 

Seuchen 199, 312, 392, 406, 500, 562, 
572, 690. 

Siehenfpital 115, 118, 329, 452, 574, 

Siegel der Stadt 79, 

Siegle, Geſchl. 164,392, 333, 553, 581. 

Sigismund, KRaifer, in im Porz. 144, 

Singergeſellſchaft 198, 552. 

Sittengefchichte ‚43 ff. 

Sold, Geihl. 392, 427 ff, 466, 485, 
518, 

Spanifcher re a 963. 

Spartaflen 6 

Speifen, —28 — 208 

Spitalkirche 118, 429. 

Spracproben 80 80, 131, 

Stadtkirche 76, , 456, 550, 620. 

Stadtmauer 118, 1 162, 

Stadtmegig 329, 

Stanträthe 72, 189, 231, 235. 

Stadtrehnung 470. 

Stabtfchreiber 180, 237, 298. 

Stadtfolvaten AL 

Stabtverfaffung 213, 610. 

Städtebund, ſchw ‚üb. 98, 

Städtifche Gebäude 458. 

Stahl, Gefhl. 485. 


80, 693. Stahlbijvuterie 656, 661. 


Stapltwaarenfabrifation 627, 627, 633, 652, 


Statb, Geſchl. 485. 

Stein, Herren v. 65. 

Steined 69, 137, 145, 155. 
Steinhaus 71, 108, 11 110, 121. 
Stephan, St, , Rinde, fi iehe Stadtkirche. 
Sterbtaffen 690. 





Regifter. 


707 


— —— 72, 157, 217, 355, Verpfändung Pforzbeims 148, 178, 


Stieß, Geſchl. 301, 356 
466, 520, 559, 568, SBL. 
Stiftungen ., 360, 617 ff., 691. 
Strafen 278, 358, 474, 583. 
——— an 
traßen der Stadt 97,122, 151, 
297, 452, 543, 696, 
Straubendart, Herren v. 67. 
Strieth od. Strutt 5, 145. 
Sueven 6. 
Spnagoge, Erbauung 688. 
Synode, franz. reform. zu Pf. 561. 
Syphilis, epivemifche 200. 


Tabaktrinfen 499. 
— Eifen- u. Salzmonopol 579, 


Zaubftummenanftalt 75, 609. 

Telegraph in Pf. 682, 694. 

Theurung 290, 
694, 


162, 


398, 406, 504, 507 
562, 622, — 


Thiergarten 11. 


Thore der Stadt 79, 102, 118, 122 
162, 296, 447 ff, 547, 69. 

Thorſchluß 222. 

Zhorwart 242 


ZTiefenau, Göldner v. 103. 
Ziefenbronn 11, 43, 137, 145, 146, 


357. 
Zilly in ‘Pf. 399. 
Zilfit, Friede v. 672, 
Tod, fhwarzer 96. 
Töchterſchule, höhere 689. 
— Geſchl. 392, 427, 432, 485, 


Türk, Geſchl. 301, 392, 
Turnverein 690. 


u. 
Uhrenfabrifation 606, 624, 643 ff. 
Kanne, ihre Züge " 
ngeld 72, 95, 98, 157, 214, 238, 
279, 280, 578, 59. — 
Unger, 3ob. 308, 330 f. 
Ungerer, Gejhl. 164, 331, 392, 
466, 511, 359, 580. 
Union u. Liga 375, 
Unter&der, Geſchl. 560. 592. 
Unterfauf 226. 
Untergänger 242, 
Utrecht, Friede v. a 


Behmgericht 233, 
Verfaſſung, badifhe 675. 


307, 


Bertreibung der Geiftlihen 422. 


392, 426, ı Vermögen, ftädtifches 699. 


Biala, J. Mitbegründer der Bij.-Fab. 
625. 


Piertmeifter 242, 
Billars, Marihall, in Pf 568. 
Vogtgulden 359, 
Bolferwanderung 28. 

W. 
Wagner, Geſchl. 164, 392, 559, 568. 
Wagram, Schlacht v. 67 
Wahlordnung 147, 233, 
Waiſenhaus, Landes-, 118, 539, 572, 

604 ff. 


Waiſenhauskirche 574, 
Waiſenhaus, ftädtifches 639. 
Waldordnung 249, 
Wartthurm 23, 
Wafenmeifter 244, 359. 
Waſſerzins 157, 360. 
Waterloo, Schlacht v. 675, 633. 
Weeber, Geſchl. 164, 365, 392, 404, 
423, 428, 466, 353, 259. 
Weggeld 359, 470. 
Wehre 123. 
er an an 
Weiler 68, 114, 173, 310. 
Meißenftein, Yurg 60, 95, 143. 
Weißenftein, Ort 105, 150, 186, 309. 
Weißenftein, Herren v. 57, 60. 
Weißes Regiment 376, 336. 
Werbfaffe 684. 
Werth, Johann v. in Pf. 438. 
Wertwein, Gefhl. 73, 197. 
MWertwein’fhe Stiftung 285, 360, 692. 
Weftheimer, Barth. 196 
MWeftppälifcher Friede 439. er 
Widdum 
Widmann, Joh., Arzt 181. 
Wiederaufbau der Stadt 543, 
Wiedertäufer 315. 
Wien, Friede v. 673. 
Wiefen, berrfhaftl. 359. 
Wieſenszins 157. | 
Wilderfinn, Geſchl. 154, 199, 392, 
' 407, 466, 520, 553, 617. 
Wilderfinn’fehe Stiftung 617, 692. 
Wilferdingen 15, 32, 174, 


Mimpfen, Schlacht v. 380 ff., 621. 
Windwächter 245. 
Winter, firenger 563. 
Wirmgau 32. 
Wirthsordnung 257. 
Wohnungen, Einricht. Fri 
5* 





708 Regifter. 


Wolf, Geſchl. 133, 392, 407, 559. Zehntfpeicher 459. 
Würm 105, 114, 118, 137, 150, 174, | Zigeuner 184. 


282, 309, Zigeunergäßchen 12, 185. 
. 3infe 157, 279 ff., 359. 
Zauberbalfam, Pforzheimer 557. Zoll 72, 156, 178, 279, 359. 
Zehnten A1, 109, 157, 279, 232, 358. | „älpih, Schlaht v. 29. 


Zepnthof, Lichtenthaler 108, 459. Baal 124, 248, 581. 
Zehntland 8. 











v 


— — — — 


— — — — — 
— — — — — 
— —— 


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— — — — 





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