Lübeck
Aerztlicher Verein
zu Lübeck,
Naturwissenscha...
|ü B E CK,
FESTSCHRIFT
DEN THEILNBHMERN
61 YEmHHLDNG
•«
GGWIOMET
mm 2D LOm
LÜBECK.
DmircK ymm H. G. Kautorws.
1800.
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£>tate College of ^grtcuUtt»
Sil Comell ^nibec^ttp
maul, ü. 1^.
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LÜBECK.
FESTSCHEIFT
den Theilnehmern
6/. VMiiilig
r Natuiforalicr und Arzte
gewidmet
von
dem irztMeü Vereiü
and dem aalurwisseflscliafiliclieii Vereia zu LübecL
Lübeck.
OFuok von H. O. Rnhi0«n«.
1895.
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INHALT.
Seite.
1.
1.
(Tehf-rblick ütwr dit> UeachiehU' Lülkeek«. Von Dr. C. Wehr mann .
19,
3
Lüb*rok8 G»«Bundlieit«weHen. Von Physikus Dr. Riedel. Hierzu elf Tafeln
83.
t.
Il«Mtrjl>:i' zur Geolojrii- UlltockH Von Dr. P. Fri dl ric!i üi<T/u zwei Tafflii
2-21.
5.
KlimatiHchcs über liübeck. Von Dr. Schaper. Hierzu elf Tafeln ....
247.
fi.
Meteorolojfisches Ober Lübeck. Von Dr. Schaper. Hierzu eine Tafel . .
283.
1
HeiirilÄe zur LUbeckischen Flora. Von Dr. P. Friedrich
293.
8.
309,
9.
Da« Naturhistorif^che Museum in Lüheck. Von Dr. H. Lenz. Hierzu eine
Abbüdung
327.
D ie Stadt Lübeck ist auf einem Hügel zwischen der Trave und
<U*r Wakenitz zwei Meilen von dem EinHuss der ersteren in die Ostsee
♦•ntfciut belegen. Auf d( in Rücken des Hügels ziehen sich in der Rich-
uing von Süden nach Norden zwei parallele Strassen, die Broitestraase
und die König^lnisse, entlang, an die sich am nördlichen Knde die Burg-
!»trasj^e> am .-südlichen die Mühlenstrasse anschliesst. Die beiden Haupt-
strasseo werden n chtwinklich von zahlreichen Strassen geschnitten, welche
Iheiis auv Trave, theils zur \Vak< iiitz biuablühron und ihrer geneigten
Lage wegen mehrfach die Bezeichnung „Gruben" erhalten haben.
Die Stadt ist durch drei freie Plätze ausgezeichnet. In der Mitte
befindet sich der Markt, an welchem das Rathhaus und das im Jahre
I88B nach den Plänen dee Postbauraths Hake erbaute Beichs-Postgebände
liegen. Den Platz ziert ein 1873 errichteter Brunnen mit den Stand-
bildern Heinrichs des Löwen, Adolphs IE. von Schauenburg, sowie der
Kaiser IViedrich I. und Friedrich IT. An der Südseite d(»s Marktes
url-ilickt man ein kleines, aus der Mitte des lö. Jalirlmiuli i ts -t nimK iides,
1870 wiederhergestelltes Gebäude, die Butterbude. • In uia!- I inkrubauer.
auch Kaak genannt, in dessen oberer oftener Ilaiiu vordem Markt-
frevler und streitsüchtige Personen zur Strafe ausgestellt wurden. Im
Südt^n der IStadt liegt der Klingenberg mit einem zur Erinnerung
an den Krieg von 1870/71 erricliteteu, von der Gestalt d» i (iermania
gekrönten Siegcsbruunen, — die vor dem Hause »He 1 daaeibst (Hdtel
Stadt Hamburg) ruhenden Löwen sind von Rauch modellirt — , im
Norden der Geibel platz mit dem von Professor Volz entworfeneu
Denkmal Emanuel Geibels (geboren zu Lübeck am 18. October 1815,
gestorben daselbst am 6. April 1884).
Die Stadt war bis zum Jahre 1803 befestigt. Die alte Stadtmauer
ist bis auf geringe Reste verschwunden, ein grosser Tlieil der Wälle hat
JeiiJ Kiseiibaiiu und Haieubau weichen müssen. Der noch erhaUeuc
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Theil ist in Atihi^t^n umgewandelt, welche schöne Spaziei-gänge mit reizen-
den Aussichtspunkten darbieten Ein in der Nähe des Mühlentliors l)ele-
j^eutii' ilioiiialiirer Festuiigsliiurin dient in seinen oberen Stockwerken aia
Navigationsischule.
Von den Stiidtthoren sind nur nocli zwei erfialtcn . da« 14<19 bis.
147f) erbaute HolstentlHH", ein Meist« rwerk tnittelalterlii licii Baekslein-
baues mit reichen 'rcrrju'otti^ Verzierungen, und das schöne i^urgtlior. 1444
erbaut, dessen HiSf) (hncli l*''euer Kerätörle Helmspitze durch da« jetzige
Haubendacii ersetzt worden ist.
An der Westeeite der Stadt liegt der Hafen, welcher von der Halsten-
brficke »tromabwärts bis zur Einsiedelfähre sich erstreckt. Das Fahr-
wasser der Trave ist in den Jahren 1878 bis 1882 regulirt und auf 5J5
bezw. 5,3 m vertieft worden, so dass Schiffe von 5 m Tiefgang an die
Stadt gelangen kOnnen. Die Quaiaulagen haben in neuester Zeit eine
beträchtliche Erweiterung erfahren, umfassende Lagerplätze sind gesehaffeu
worden, eine iernere Eiweiterung steht bevor in Anlass des Baues des
Elbe-Trave-Kanals, einer \Va^•^erv(■l l>in>iuug zwi.Nclioit Laueuburg und
Lübeck, deren Aiislührung mit t iiit in Ko^teniuifwande von 22''« Millio-
nen Mark im Jalire lb94 beschlossen und bereits in Augriil geuouuueu
worden ist.
Der Hafen Lübecks wurde iin Jnlire 1894 von 2465 Seeschiffen
besucht, und zwar von 1670 Dam|)f<< bitVen mit einem Raumgehalt von
1335465 Cubtkmetern und 795 Segelschiffen mit einem Raumgehalt von
184558 Oubikmetem.
Die Gesammt-Waareneiufuhr betrag im Jahre 1894^9,297,000
Meter -Gentner im Weiihe von 295,5 Millionen Mark, die Gesammt-
Ausfahr 5«605,00() Meter - Centner im Werthe von 237,4 Millionen
Mark.
Unter den Einfubrarlikeln sind Holz. Tbeer, Pech und Oelsaat,
sowie Nurdisebe l'rodukto alkr All b' -niKici - /u ui wähnen. Die au.sgcdohn-
ten Holzlager nebst den damit in \'ci l>iinhitig 8tehen<ien Silgt nuililcii,
sowie der TlitHTliot" sind «elitJü.-w »-itli. \ on iiainli.iUt i- Ht^ihniiung ist aucii
der Weinliandel Lübecks; die hier bestehenden Weinläger zählen zu den
gl'össten Norddeutsch lands.
Rt'grlinässige Darupfschiffsverbinduugen in der Ostsee werden von
Lübeck nach allen Richtungen bin unterhalten, insonderheit besteht eine
tägliche Verbindung mit Kopenhagen, MalmO und Gothenbuig, sowie eine
mehrmalige wöchentliche mit Stockholm und Galmar. Zahlreiche Schiffe
vennitteln femer einen regelmässigen Verkehr mit St. Petersburg, Riga,
Beval, Helsingfors, Hangd und anderen nordischen Plätzen.
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Die Lübeck i!<che Rliedrrei /.ithlt .'53 Schiffe, iiainlich 4 Se^^elschiffe
uii«l Dampiscliiffe, mit t iiicui Ntdio luiuingeljstll von ;>Ö218 Kubikmetern.
Die bemerkenswerthesteu Gebäude der 8tadt siod folgende:
I. Das Rathhaua.
Die äu£(!«erc Gestalt, wie die innere Einrichtung des Rathhanses haben
im Laufe der Jahrtiunderte mannigfache Wandlungen erfaliren.
Von dem l)ei dem grossen BraiKle, dav im Jahre 1251 den mittleren
Theil «1er »Sladt vernichtete, /erstörten r()mani<( In n sind nur noch
gerinf^e Reste vorhanden. Dns an Stelle tlesselben errichtete Mau()tgebäude
liat die (ic^talt eines Rechteck.^, in dessen Mitte sich vormals ein zu
Verkaufsstellen benutzter freier Raum befand; er erhielt seine jetzige Aus-
dehuuDg nach einer Feueisbrunst, von der da» Kathhans VMS abermals
heimgesucht wurde. Die Nordfaseade wurde um 1363 vollendet, die Süd*
fassade in ihrer gegenwartigen Gestalt 1425 hergestellt An das Haupt-
gebäude schliessen sich zwei Flügel, im Süden das um 1300 zur Ab-
haltung von Festlichkeiten erbaute „lange Haus/* welches in den Jahren
1442 bis 1444 durch einen mit Thürmen gezierten Anbau erweitert
wurde, im Norden das Kanzteigebäude, welches. 1482 erbaut, 1588 und
1614 eine weitere Verlängerung erfuhr. Unter dem letzteren Gebäude
zieiit sicli t ili sciiöner Laubengang entlang, in der neuerdings freigelegten
otfeiicn Halle uiitir <lcin langen Hause befandmi sich bi.s 18G8 die
V^erkaul-öiätleu der (loUi.-clmiiede (die sog. Gold«chmiedöbudeu).
Erwähnung vcidieueu der schöne llenaissancevorbau vor der
Südfaasade des Kathhauses, 1570 vollendet, sowie die 1ÜD4 angelegte,
1894 erneuerte Renaissance Sandsteintreppe an der Ostseite des Hauses.
Zu beiden Seiten des Hau])teingange8 befinden sich Bänke mit Erzguss-
wangen (1452), den sitzeudeu Kaiser und einen wilden Mann mit dem
Lübeckischen Wappenschild darstellend.
Ein dun-hgreifender Ausbau des Katiihauses hat in den Jahren löH7
biM 1891 unter dtr Ltitimg du.s ßaudiicklors Scliwiening stattgefmiden.
Aus die.«?er Zeit stanniii auch die neu iiergestelltc Nordfassade, welche mit
Bildnissen von 12 uui Lübeck verdienten Kaisern und Fürsten, von
Lübecker Ratlisherren aus dem 13. bis 17. Jahrhundert, sowie von
Lübeckischeu Chronisten geschmückt ist
Im Erdgeschoss des Rathhauses befinden sich der Sitzungssaal
des Senates mit reichgeschuitzter Eiugaugstbür von TOunies Evers dem
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Aeltereji und Waudgemälden von Torelli, sowie die Börse« Die in
letzterer anfge^^tellte Büste Kaiser Wilhelms L ist von Kaff sack modetlirt.
lieber das mit Gemälden von Professor Max Koch — das H.iuptbild
/oiujt di(! Einset/ung des Käthes der Stadt Lübeck durch Ih izog Heinrich
den Löwen (llG-'i) — ^esdiniückte Tre[)penhans eelanjft man in dm
liüriiersclia f t '^»^:« a I . in «lern die von Schaper inudeilirten Bünten der
Klwenbürger der Stadt, des Fürsten I»isinarek und des (nafen Moltke.
Aufstellung gefunden liaben. An «Jen Lanj^seiten des Saales üelindüii sicli
Gemälde von Professor K«»eh, welche den Empfang dei- aus Itahen von
dem Hofe Kuisor Eriedriclis IL ntit Ueu Urkunden über die Bestätigung
der Kaiserlichen Privilegien und über die Erhebung Lübecks zur freien
Reichs8tudt heimkehrenden Gesandten (1226), sowie den Einzug Kaisei-
Karls IV. und seiner Gemahlin in Lübeck (i:-}75) darstellen.
Die hen'orragendste Zierde des RaUihauses bildet die Kriegsstube
mit kostbarer Wandtäfelung aus der Werkstatt des Tönnies Evers
des Jüngeren (LVj.')— 1608) und schönem Sandsteinkamin, 1880 bis 189(>
wieuci iit-rgestellt. Auf dem davor Hegeudcn Gange liildni.sse Lüijecker
Kathslurren aus dem 17. .lalnhimdert
Unter dem KatLhaus (i-ncckl ^ioh in >einei' gan/.en Ausdelnamg
<ler Ratlisweinkeller. dessin maehlige (le\vdll>e neuerdings mit Wajjpen
und Malei eien geziert sind. Der im „Brautgemaoli - betindlidie Saiidalein'
kamin (1575) trägt die Ini<chnft:
Menich man hide S3'nghct.
Wen me em de brat bringet.
Weste ht' wftt man en brochtc:
Dat he wol wenen mochte.
2. Die Marlenkirche.
Ihr Bau wurde in der /weiten Halii* dt s 1,! .laln hutulert« b<^gonnen.
naeli(h>m ein ;-ih< tti' uunanischer Bau, dessen »Spuicn zuisehen den Thiii iiien
noeli erkeuid>ar sind, hei dem Shidtbninde im Jahre 1251 /u Oruiide
gegangen wai'. Die Anlage der Kirclie, die zu den sehönsten Norddeutscli-
lands geziddt werden darf, ist dreischiflig; das Mittelsehiff erhebt sifh zu
der bedeutenden Höhe von ;)8,5 m Ein eigentliches Querschiff fehlte der
Chor ist von einem Kapellenkranz umgeben. Von den beiden an der
Westseite befindlichen Thürmen ist der nördliche (126,68 m hoch) 1304,
der südliche, in dem die Glocken hängen, 1310 gegründet, lu dem zier-
lichen Dachreiter lässt ein Glockenspiel halbstündlich einen Choral erklingen.
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Den besten Ueberbliok über die Kirche hat mau von der zwischen
den Thfirmen beh geiion Berfrenfahrerkapelle. In derselben ein schönes
(ilasfenstor, die Krönung dor Maria darstellend, sowie zwei beiiierkeiis-
uertli»' Gemälde, die Messe des Heil, (iregor, \oii (hinein luibukaiuitoii
MeisU r dt s 15. Jnlirliuiiderts auf Holz jjjemalt, und ein Al(ar.«r!irein des
Hl. Oluv. aus <h r Schule Lukas Crauacli's stammend. Vor der Kapelle
liegt das 13;i7 von Hans Apencr^'ter in Bronze geflossene Tauüass. Dio
Pfeiler des MitlelseliitTs sind mit den K|>ita[)hiün Lübeckischer Bürgermeister
gesehniiu kl , an der Xoid^eite hetindet sieh di« lf>t<l erbaute mnnnorne
Kanzel mit ßgurenreichein Scballdeckei. Lieizvoll ist dio Wirkung
des den Altarraum gegen diA» Hauptschiff der Kirche abschliessenden
Lettners, der auf schlanken Granitsäulen sich erhebt und mit Bildwerken
und Vergoldungen reich geschmückt ist An der Südseite nahe dem Lettner
liegt der Kirchen stuhl des Senates, ein Meisterwerk der Holzschnitz-
kunst, gegenüber in der Höhe erblickt man eine 1427 erbeutete d&nische
Kriegsflagjßfe.
Der marniurüe Hochaltar, ein Werk d(-^ Tliornas Quell in u.s
aus Antwerpen, der auch Jeu fast ^luidien Hochaltar in der doiti^en
Kathedrale erbaut hat, ist von dem Ualhsherrn Frieden hagen 1»»U7 iler
ivirche ge.sclienkt. Links vor demselben ein aus Erz gegossenes, zierliches
Sakra nientshäuschen aus dem Jahre 1470. i^iuter dem Altar befindet sich
die astronomische Uhr, ein kunstvolles, von dem Uhrmacber Matthias
von Oaz 1561 — 65 verfertigtes, 1890 theilweise erneuertes Werk mit reicher
RenaisBance^Architektur. Das die oberste Abtheüung der Uhr bildende
Kurfürstenwerk, welches den Kaiser und die Kurfürsten zeigte die Schlag
12 Uhr aus einer Thür hervortreten und sich vor dem sie segnenden
Heiland vorttberbewegeu, pHegt um die Mittagsstunde zahlreiche Beschauer
anzuziehen. Zu beiden SeiÜen der astronomischen Vhr erblickt man
treffliclie Sandateinreliefs des 15. Jahrhundert« nnt Darstellungen aus der
Lt idt usgesciiichte Christi. (legenüber an der uünlhchen Seite des Clior-
umganges ein s( hun( < Triptvchon mit d(;r Jahreszahl 1518, dem Jan
Mostaert zngi^cluit Im u. ilanebeu eine Gedenktafel aus Marmor n)it
«leu Namen der im Kriege 1870/71 gefallenen Lübecker. An der Süd-
wand des Chonmiganges fesselt die Aufmerksamkeit ein Altarsehrein mit
doppelten Flügeln, der nach neueren Forschungen als ein Werk dos
Berend van Orley bezeichnet ist, links davon der in die Mauer einge-
lassene Grabstein des Bruno von Warendorp, der als Anführer der
Lübeckischen Truppen 1369 vor Helsingborg seinen Tod fand.
In der den Ostlichen Abschluss der Kirche bildenden, mit schönen
Glasmalereien aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts gezierten Beicht-
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ka pelle sieht mau ein flgurenreicbes Gem&lde Friedrich OTorbeck's,
den Einzug Christi in Jerusalem darstellend. Ein »weites Gemälde des-
selben Meisters, wohl zu seineu vorzüglichsten Werken gehörend, befindet
sich in der alten Sakristei oder Gerwekammer; es hat den Abschied
von dem Leichnam des Herrn zum Gegenstand. In der anstossenden, jetzt
7Air Sakristei eingerichteten ehemaligen GanineJika|»elle bemerkenswertlie
lieste des irüheren Hochaltars.
Roponrleres Intere.'^f'e erweckt der To^ltent.'nr/. einr ursjuiinglieli atif
Hoiz gemalte, 1701 aut Leinwnmi üherlrai^i iu* i>!ir8Uliimp des Todes, \vi(^
er Personen jedes Standes und Alters /um IJeigeu auftordert. Eine nndere,
tief emjjfundene Darstellung menschlicher VergJinglichkeit zeigt dio an
der Nordseite des Lettners aufgestellte luonzene (irabplalte Bürger-
meisters Tidemann Berck (f 1521) und seiner Ehefrau. Von grosser
Schönheit sind femer die Grabplatten des Hermann Hutterock (f 1505)
und der Familie Wiggerin k, letztere Platte wahrscheinlich ein Werk
Peter Vischers.
Die Kirche besitzt drei Orgeln, die grösste und schönste an der
Westseite mit herrlicher gothischer Fassade (1516 — 18). Das 1851—54
von J. F. Schulze aus Paulinzelle erbaute Werk zählt iMKJö Pfeifen, 81
klingende Stinuiieii, 4 Ivlaviere und 2 Pedalwerke.
Die Kürze des Kauuiea verhietet es, alle kleineren in der Mniien-
kirche vorhuiiilt nru Sehenswürdigkeit^Mi. wie zahlreiche hildli<'li«< Darntd-
lungen, Stein Skulpturen, llolzsclinitzereien und Messingarheiten eiiizelo
aufzuführen. Wir verlassen die Kirche durch die 1310 erbaute Brief»
kap^Ue, einen Raum von anziehendster Wirkung, dessen reiches Stern-
gewölbe auf zwei schlanken Granitsäulen (Monolitlien) von 9,3 m Höhe
ruht Hohe Beachtung verdient der hier aufgestellte Marien altar mit
der Jahreszahl 1518, einer der schönsten Altarschreine der Stadt.
3. Die Domkirühe.
Der Dom ist ini Jahre 1178 von llor/.og Heinrich dem Löwen
gegründei. Div Kircln'. ni'S[pr(ijiglich finr i'oniaiiix'li*» Pfeilfil ia<ilika mit
regelmässiger Gruiuirissl>il<iung in Form riiirs latt-nii-rlnai ivreuzts. hat
später erhehliclie l>weiterungen erfahren. i>er bereits mn 12<W> bcgomiene
Bau des gothischen Ohora wurde erst 1321> — 35 vom Bischo[ Heinrich IL
Bocholt vollendet; im 14. Jahrhundert wurde das Langhaus zur Hallen-
kirche umgestaltet, im 15, Jahrhmidert land die Hinxufügnng der drei
Kapellen an der Ostseite statt. Höchst bemerkcnswertli ist die Nordvor-
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H3 7 a-
balle, das sogenannte Paradies, „ein Juwel des Uebergangsstils" aus der
Mitte des 13. Jahrhunderts, 1886 — 90 wiederhergestellt, mit reich omamen-
tirtem Innenportal. Die mit zwei Westthürmen (119,6 m hoch) gezierte
Kirche hat eine Gesammtlüngo von 132 m.
Im Innern der Kirche sind sehenswert!!: der mit ji^tem Schnitzwerk
versehene Lettner. ;mt" dem sich ein kiLiisUiches Uhrwerk befindet;
das mäclitigü Triuniphkreu/. 1477 von dem Bisehof Albert K i u ni iiumi diek
^Mstiltot. » in figureiireiclic.-^ I)olycliromirtes Holzschnitzwerk, welclierf IS'.U
in urs()riinglicher Gestalt wiederhergestellt ist; die aus Sandstein ^efertitite,
rf'i<h benaulte und mit Alabasterreliefs geschmückte Kanzel, die eiu
kunstvoll gearbeitetes schmiedeeisernes Gitter vom Jahre 1572 umgiebt;
das Tauffass, 1455 von Laurens rirove in Era gegossen; ferner «üp
Orgel, mit Fassade aus dem £nde des 17. Jahrhunderts, 1893 von 0. F.
Walcker k Co. in Ludwigsbui^ mit einem neuen Werke von grosser
Schönheit versehen.
Den werthvollsten Schatz besitzt die Kirche in dem berühmten
Altarsohrein von Hans Memling mit der Jahreszahl 1491, einem
Triptychon mit doppelten FlOgehi, dessen Mittelbild die Kreuzigung Christi
darstellt. Es hat seinen Tlatz in doi- an der Nordseite liegenden Greveraden-
kuji^ lle. Rinigü andere Altarscineine an den l^teileru der Vieruug verdienen
Beachtung.
Von kleineren Kunstwerken sind erwahnenswerth: zwei Messing-
kronen von 1654 und Kiül im MittelschitI, ebendaselbst eiu bronzener
H&ngeleuchter (Engel auf Wolken kuieend), sowie die aus Bronze ge-
gossene, mit gothischem Laubwerk reich verzierte „Mülle rk rone'- (zwei
Bischöfe unter Baldachinen sitzend), beide aus dem 15. Jahrhundert, ferner
eine 1461 gestiftete ewige Lampe aus Erz, welche im nördlichen Chor-
umgaiig einem reizvollen, aus Thon gebrannten, bemalten Relief gegenüber
hingt In der Nähe der letzteren zwei Madonneustatuen aus Stuck.
Besonders reich ist der Dom an Grabdenkmälern. In den Grab-
kapellen, zum Theil mit schönen geschmiedeten Thüren, befinden sich
mächtige Sarkophage. Im llochchor zieht das liegende Krzl)ild des
Bischofs Heinrich Bocholt (f 1341), ein trefflicher mittelalterlicher
Kuiistgu^.-^. <lir^ Aufmerksamkeit auf sicli. Eine Kapelle il<< uru-dlichen
Chorumgangs birgt das Grab der Bischöfe Burkhard von bercken
(t 1317) und Johann von Mul (f 13r)ü), welches mit einer wundervollen
gravirlen Bronzeplatte von 3,64 m Länge und 1,89 ni Breite bedeckt ist.
Eine Anzahl von Grabsteinen, sowie die bronzotuMi Grabplatten der
Bischöfe Bertram von Cremou (f 1377) und Johann Tiedemann
(t 1561) sind neuerdings an den Wänden der Kirche aufgestellt.
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1
m
4. Die Jacobikirche.
Die Kirche, dei'en .««chon im Jahre 1227 Brwähniiiig geschieht, gehört
in ihrer gegetiwäi*tigen Anlage dem Knde des 13. Jahrhundeiis an. Sie
ist dreischiffig, mit erhöhtem Mittelschiff und drei poly^onen Chören
Der au der Westseite sich erhebende Tiiurni ist 96/) ra hoeli.
Bei der Ausnialuni; des Inneni entdeckte man 1S<)(> an den vier-
cckij^eii I^leileni interessante \\ aiuigvinäldt! aus dem I jnli des 14. .lalir-
iiuüderts. biidliciie Darstellunuen des <Tlaul>enslK'kehiii iiisses eiitlKilN iid
Lei<ler sind dieselben be?"eil- so veri>la>;Ht. dass ilne teniere Ij'haltung
fraglich erseheint. Das hervorragendste Kunstwerk, welches die .Iacol)i-
Kirche birgt, ist ein Altarschrein in der Brömsenkaptdle. gestiftet
von dem Bürgermeister Heinrich Brömse (1488 — 1502 ). Das Haupt-
bild zeigt eine in Stein meisterhaft ausgeführte Kreuzigung Christi, auf
der Innenseite der Flügel befinden sich Bildnisse des Stifters und seiner
Familie. Die Malerei ist niederländischen Ursprungs und von hohem
Wertfae.
Die Kirche ist reich an schönem gothischen Holzschnitzwerk^
welches insonderheit an der Räckwand des Orgelchoi's, an den unter dem-
selben befindlichen Chorstühlen, an der kleinen Ojgel, sowie in der Beiclit-
ka{)e]le sieh belindet. Im MittelsehitY zwei spätgothische Prozessions-
leuehter von Holz, reicli bemalt und vergoldet Beaehtenswerth sind
auch die an* der Renaissancezeit .stammenden Holzvertaleiaugen an den
Pfeilern, ein im Altarraum .stehender Kirchenstuhl mit Baldachin vom
Jahre 1576, sowie vor Allem die mm Orgelebor hinaufführende Treppe
nebst Thür mit vorzüglicher SclinitÄ' und Intarsien arljeit.
Nicht unerwähnt bleiben mögen drei gruvirte Messing- Grabplatten,
sowie die gusseiseme Grabplatte der Drostin Catharina von Fürsten-
berg (t 1559).
Die im Jahre 1504 erbaute grosse Orgel ist im laufenden Jahre
durch Marcussen & Sohn in Apenrade einem gründlichen Umbau unter-
worfen worden.
5. Die Petrikirche.
Von dem ältesten, bereits 1170 erwähnten Bau sind noch Spuren an
der West.seile vorhanden. Das jetzige Ciebäu<le ist im 14. Jahrhundert
dreischitfig angelegt und im 15. Jahrhundert zu einer rünl'sehil'(ig«'n
Hallenkirche erweitei-t. Der vmh vier kleinen Kekthürnichen tiaukirie
We»ithurm bat eine Höbe von öü,4 m.
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-ö 9 e*-
Bie Kirche besitzt eine Orgel mit trefElicher Renaiseanoefassade,
1588—92 von Töiutios £verfi verfertigt, die bei der 1888 erfolgten
EmeuGTiing des Werkes durch C. F. Walcker & Co. beibehalten wurde.
Unter der Orgel befindet »ich ein 1605 von Andreas Poleke heige-
Htelltes kihmtliches Uhrwerk mit Figurenspiol, sowie ein reichgeschnitd«»,
mit üiii^rek'^ler Arbeit vemertes Chorgostfihl. Die Kanzel, vom Jahro
Hi24, sUumI vormul« in der St. Catluirineiikiri iio und ist im .lalire 1880
hierher vorset/t.
I^eaciitung verdienen di«' ntirdlich vom Altar antgost^lllc LiTüvirto uii«!
mit Kinailk verzienm^c'ii V(,M>(;liene (rrabplattr <l(*s Hfi rü;»:rmeis<(M's
Johann Klin^onherg (tl;jr»()). sowie ein an der Thür ztir Sakristei
augebrucliter iirouzener Thürklopier aus dem 14. Jahrhundert
6. Die AeflidienkiFOhe.
Sie ist ein dreischiffiger Hallenbau mit erliöhtem Mittelschififi dessen
Anlage in das 14. Jahrhundert fällt Der Thurm hat eine Höhe von 76,5 m.
Im Innern sind erwähnenswerth das metallene Taufbecken von
der Orgelprospc« t , sowie der 1587 von Tihuiies Evers erbaute
Siingerclior mit reich verzierter Weudelüeppe und bildlicheu Dur-
blelluni^en.
hl l- r Kirclio wurde l.'WJO zum ersten Male in Lübeck daa Abend-
mahl iu beiderlei Gestalt ausgetheilt
7. Die Cattiarinenkirche.
Sie gehörte zu euiem 1225 gegründeten Minoritenklostor, dessen
Räume mit Einführung der Reformation für die Zwecke einer gelehrten
Schule und einer Öffentlichen Bibliothek bestimmt wurden. Der Grund-
stein zu dem jetzigen Kirclien-Oebftude wurde 1335 gelegt, der weitere
Aui^bau erfolgte V)M — iVi.
Die Kirche, ein wundervoller gothischer Bau mit 2.5,58 m hohem
MittelseliilV. /\v< ischitt"igem ni( ]it \ nrtr»>ienden C^uerhause und zwei niedri-
gen Seit« iisrliitTf?n, von deueii das niirdlielie auffallend eingeschränkt ist
zahlt zu den schönsten der Stadt. Von höchster malerischer Wirkung ist
die Anlage des aus zwei Stockwerken bestehenden Chors. Die das untere
C'lwrge wölbe tnigen<len Säuira haben zierliche Kapitiile und Basen, die
ursprünglich polychromirt und vergoldet, jetzt leider übermalt sind.
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ßenierkenswerth siud einige schöne Schlusssteine mit Darntellungen aus
der Fuchsfahel.
Im Unterchor befindet »ich das Grab des Bürgermeisters Johann
Lüneburg (f 1461) mit herrlicher gravirter Platte; ebendaselbst sowie im
Oberchor, dessen alter Ziegelmosaikfusaboden 1844 wiederhergestellt ist,
bemerkt man alte Wandmalereien. Auch sonst In der Kirche zeigen
sich, aus der Tünche hervortretend, Spuren reicher Bemalung.
Die seit 1806 «im Gottesdienst nicht mehr benut.95te Kirche ist mit
einem prachtvollen messingenen K ronlüiicliter aus <loiii .laln-e 1(185 j;e-
schmückt. Von ihren sonstigen Kunstwerken hcfiiuktii sich die mei^Ltjn
jet/t fn anderer Stelle, orwiilincnswirth bleiben ciinirc trcfflicbo schmiede-
eiserne 'i'hin-cn und (titter ;ni < irabkaftellen , das (le.^tülii ant dem Ober-
clior. sowie an der nördlichen Rückwand dos letzteren angebrachte inter-
essante Bildnisse der Familie Crispin, 1323 — 1455 gemalt, 1577 renovirt
8. Oas Heiligen Geist - Hospital.
Um riHO gegründet, hat dasselbe H< ine jeizip' (uvitalt eri^t fspiiter
erhalten. V on der Strasse tritt man in eine dreischitÜge gothiscbe Kapelle,
deren \Ve.<ltas.«ade mit vier spitzen Thürnichen geschmückt ist. Wände
und Decke der Kapelle .sind mit Malerelen bedeckt, die, bi.s vor Kurzem
Hilter iler Kalktünche verborgen, demnächst wiederhergestellt werden
sollen. Die Renovirung der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Gemälde
an der Nordwand hat bereits 1866 stattgefunden.
Au der Altarwand befinden sich drei schöne Schnitzaltäre vom
Ausgang des 15. bezw. Anfang des 16. Jahrhunderts.
Die östlich an die Kapelle anstossende, ehemals gewölbte Hospital-
halle enthält in zwei Reihen 128 Wolmkammern für alte r.(eute. Die
Versal Uli ihn igs und Krankenzimmer für letztere, sowie die Küche beün
den sich iu uDderen Theilen des weitläuftigeu Baues.
9. Das St. Annen - Kloster.
In den Jahren 15Ü2 — 10 erbaut und denmächst mit Nonnen nach
der Regel des Heiligen Augustinus Ix setzt, hat das Kloster seiner Be-stiin
mung als Erzie]nni;j.<anstah fur irichter hi)her(?r Stände nur kuiv.e Zeit
gedient. Nach der Ketormation zum Werk- und Arbeitshaus, sowie zu
einer A'ersorgungsanstalt für dürftige Personen eingerichtet, wird es jetzt
als Zuchthaus und Korrektionsanstalt benutzt.
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-O U £4-
Die durch eiiie Peuersbraost 1843 zerstörte Kirche iBt 1875 abge-
brochen. Von den noch erhaltenen BauKchkeiten des Klosters sind die
KreuzgAnge inid das Kcfoktorium sehen.<iwerth. Beachtung verdienen einige
sehöne im Besitz der jetzigen Verwaltung befindliche Altargeräthe vom
Jahre lt>14 und Leuchter von 1725.
10. Die katholische Kirche.
Sie ist in den Jahren 1888 — 91 nach den Ptftnen des Bauraths
ii 1 den I» feil n i;; im uotlii^chen Stil erbaut. Das Aeussere der Kirche
ist in <'inl;ulicni Zitigcli oiibnii m li.iUcii, (lic innere Anhi^f i>l drei<chitTig,
(Ins Mittelg*Hv<>ib«> orhf^bt sich i4 in übei- dem Kirclienlussboden. An
der der Btra<>c /iigekolnten Ostseite der Kirche betiudet sich ein (iü m
hoher Thurm mit Galerie.
II. Die Synagoge.
Das 1879 — 80 von den Architekten Münzenberger und Dalmer
in maurischem Stil erbnute Gotteshaus macht von aussen wie im Innern
einen gefäUigen Eindniek. In dem von einer Kuppel überragten Vorder-
bau befinden .sich die iHrafliti.<cho Ucnieindcschule sowie die Wohnung des
Rabbiners.
12. Da« Haus der Schilforgeaellecliaft.
Das Gebäude, welches im Jahre 1535 in den Besitz der Zunft der
Schiffer gelangte, zeigt im Innern noch heute ein anschauliches Bild der
Korapagniehäuser jener Zeit. Durch die Eiugangsthür, zu deren Seiten
sich zwei hohe steinerne Beischläge mit der Inschrift: „Allen zu gefallen
ist uniuöglirli' erheben, tritt man in eine geräunn"ge Halle, in der mäch-
tige Ti.^che uiitl i?änke von Eichenholz in drei langen Reihen aufgestellt
sind. In der mittleren Reihe, an deren Banklelmen man die Wappen
der Städte Riga und Reval erblickt, hatten vordem die Ostseefahrer, in
den beiden anderen die Bergenfalii« r und die Westseefahrer iliren Platz.
An der dem Eingang gegenüber liegenden Seite der Halle befindet sich der
erhöhte Sits der Aelterleute. Von der bemalten Holsdecke hftogen zahl-
reiche Modelle alter Kriegs- und Kauffahrteischiffe, ein schöner messingener
Kronleuchter, Laternen und andere Schaustücke herab, die getftfelten
Wände sind mit Darstellungen aus der biblischen Geschichte geschmückt.
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-tQ 12
Auch sonst fehlt ob dem Kaum oicjit an mancherlei Zierrath von zum
Tbeil derber Art; bemerkenswerth ist die au einem Pfeiler aufgeliängte
Hausordnung von 1580.
13. Das Haus der Kaufmannschaft.
Im Jahre 149Ö von tler elieinaliiren K5iunc'iitekoiii})a};nie erworben,
dient «'S ^jcjjtonwärtig zur 1' uteri irini^uiiLT dt i ( ii hcliali.^riiiinie. dor Bibliothek
und des Arcliivfs <\ov I liiinlrlskaiiinirr. Im Erd«;eschoss iK ilmlrl su-h der
Sitziiuj^ssaal dit s* i K< .iperscliait, mit gi tidetter Decke und d' ti Tk lliild
liissen I.ül>eekischür liatlisherren, daliinter das berühnito 1S:V.> hierher über-
tragene ,,Frieden]mgen'sehe Zimmer," dessen Wände mit reicher Täfehmg
und lierrliehem Schuitzwerk (verfertigt 1573—85 von ffaus DregeV)
bedeckt sind.
14. Das Museunisyebäuiie.
Nachdem durch ein Yermächtniss des Kaufmannes Georg Blohm
(f 1878) die Möglichkeit der Erbauung eines zur Aufnahme der zahl-
reielien, an verschiedenen Stellen «ier Stadt zerstreuten Sammlungen
l>estimn)ten Museunisgebäudes der Verwirk hVhiin;^ naher gerückt war. ist
dieser lUui in den Jahren 1889 — 03 nach den Plänen des ßau'Hrcktors
Sehwieniug zur Au.'^^ühruJlg gelanfjt Das Gebäude an Stelle ehema-
liger Klosterbautt»u an der Südseite des Domes erriciitel, zeigt im Grund-
riss die Huleisenform. Au den südlichen, parallel zur Achse des Domes
liegenden, von (Jrund aus neu erbauten Ilaupttheil schliessen sich zwei
Flügel; in dem östlichen ist ein Theii des aus dem 13. Jahrhundert
stammenden spätromaDischen Kreuzgangs, in dem wesÜlcheD ausser der
Fassade eine zweiscbiffige gewölbte Halle aus dem 35. Jahrhundert erhalten
geblieben. Die gothischen Fassaden sind in Backsteiufugenbau mit grün
glasirten und tothen Wechselschichten aufgeführt. Von grosser malerischer
Wirkung sind das Treppenhaus sowie der innere Hof des Gebäudes.
Durch das Hauptportal im MittelrisaHt der Südfrout gelangt der
Besucher zunächst in die liäume, in denen
das Xtueiuii LAbeokisoher Kirnst^ imd KnlturgMehiehte
seine Aufstellung gefunden h m Dasselbe verfolgt die Aufgabe, alle auf
die Kunst- und Kulturgeschichte unserer St^idt und ihres jetzigen oder
ehemaligen Gebietes bezüglichen Geg^stände in Originalen oder in Nach-
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-ß 13 E*-
uDd Abbildungen möglichst vollständig zu sammeln und wissenschaftlich
geordnet allgemein zugänglich und nutsbar zu machen. Die systematische
Gliederung der Sammlung ist der des Germanischen Nationalmuseums zu
Nürnberg nachgebildet, in der lauiulicheii Aufeinanderfolge jedoch noch
nicht vull>iundig durchgeführt.
Von dem r<Mrhen Inludi ist, at>L;( .<o]ieti von den füi" lÄil'ockisc In
(Jeschicht,skunde werthvolleu ^Tprjenstäiulen, vieles von allgeinoiueni \visst;n-
schttftli' lieu Interesse. Hervoi/.iiliphon ist Folgendes:
In der vorgeschichtlichen Ahtheilung zahlreiche Funde aus Stadt
und Fürstenthnm Lübeck, aus S(;hleswig-IiolHtein, Lauenhtir«: mid au.s
Mecklenburg. Ausgrabungen vom Umenfelde zw Pöterau; Funde aus den
TTüneugräbern zn Blankensee, Utecht und Waldhauaen (Modelle derselben,
sowie vom Ringwall in Pöppendorf); norditalische Bronxe-Ciste aus einem
Grabe bei Pansdorf; Funde von Alt-Lübeck (1138 verstört), namentlich
reiche Siimmtung omamentirter Gefässscherben, Gold-Ringe, steineme Hand-
mtthle u. A.
In der historischen Ahtheilung Ansichten und Pläne von Lüheck,
iu.sbe^iondere Hiiniicnnigen un die Schlacht bei Lübeck arn <>. November
1H(M>. Abbiidunguii altfi- < ücliclhänser. Bauernhausni'Kit'll mit vollstän-
diger Einrichtung. IVrrakdtten des Statins von Dihen {iihMli. 1 h riliclie
Sehnitzwerke der Crothik und Henais.sance, meist aus der St. Marienkirehe.
Wissenschaftliche Instrumente (astronomische Uhren von 140;") und Inöb),
Münzen, Masse und Gewichte (Normalschellel u dergl. des 14. und 15.
Jahrhunderts), Schiffsmodelle. Reiche Sammlung von Gegenständen des
Zunft- und Korporationswesens, wie Amtsrollen, Begimentshölzer, Will-
kommen in Silber (Schützenpokal) und Zinn, Amteladen, sämmtlich
Lfibeckische Arbeiten. Hauageräth (Löffel, Messer und Gabeln mit
Inadmften; gravirte Bronaeschalen aus dem 14. Jahrhundert). Sammlung
von Beleuchtungsgegenständen und Feuerzeugen und vieles andere.
Die im oberen Erdgeschoss des Westflügels belegene kirchliche
Halle birgt eine grosse Zahl von Altarschieineii inil trelVlithem Schnitz,
werk imd Malerei, fast au><i hliesslieh Arbeiten I.übeckiscliui Künstler des
15. und UV Jahrhunderts Hie Altäre • nt'-tainnien hiesigen Kirchen und
sind die wichtigsten Denkmäler der Lübeckisehen .Malerschule: besonders
bemerkeuswerth der Lukasaltar von 1484, der P'rouleichuami$altar mit
Gw^rsmesse von 149B, der Antoniusaltar von 1522. Hervorzuheben sind
ferner: ein Reiterbüd des den Drachen tö<ltenden St. (»eorg, Altardecken
mit Darstellungen aus der Fuchsfabel (14. Jahrhundert), Paramente, sowie
zahlreiche Altaigerftthe und dem Kirchendienst gewidmete Gegenstände
der verscliiedensten Art aus Edelmetall, Bronze, Elfenbein und Holz. Für
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-S3 14 es-
die (Tcscliichte des Unterricbtsweaens beachten swei'th ist eiue in der kirch-
lichen Halle aufgestellt Sammlung vou Schulgeräthen und mit Schul-
au%aben beechriebeuen Wachstafelu aua dem 14.-15. Jahrhundert, ge>
funden in einer 1340 angelegten Kloake der ehemaligen Jakobischule.
Das obere Erdgeschoes des Museutnsgebäudes nimmt auf der Ostseite
des Treppenhauses
das Maseum für Völkerkunde
ein. Diese aus kleinen Anfiinmn hervorgegangene Sammlung hat
während der dreissig Jahre ilucs Be'<U»hons. irrossi'nthcils in Folge
von Ztnv(Mi(hiiigeii auswärts wohnender Lübeekt-r , einin liodcuteDden
Umfang erreiciit und enthalt eine grosse Anzahl sehr schöner und sdieus-
werther Stücke. Besonders vollzählig ist die SammlutiLj von WalVou»
Götzenbildern, Schniuck* und Gebrauchsgegenständen der Bewohner Mela-
nesiens und Polynesiens, reich vertreten sind ferner die We^tr und Ost^
küste Afrikas (Borchert*8che Sammlung), Egypten, China, Japan und der
roalayische Archipel
An das Museum für Völkerkunde schliesst sich auf der Westseite
des oberen Erdgeschosses
das Oswerbemnsaiim
an. Hervorgegangen aus der im Jahre vom Gewerben ussehuss
gegründeten ,.gewerbiicheü Muster.<;ammlung/' verfolgt dassellu den Zweck,
durch Schaustellung geeigneter VorlnkUr das einheimische Kunstgewerbe
2U heben und zu fördern. Am reichhaltigsten vertreten sind Metallarbei*
ten (Ofenplatten, Beschläge, Schlüssel, Gitterwerke, Bronzen, Messing-,
Kupfer* und Zinngeräthe, Gold- und Silbersachen), sowie Werke der Klein-
kunst in Bernstein, Eilfenbein, Schildpatt und Alabaster, bemerkenswerth
femer die Uhrensammlung, die keramische Abtheiluug, sowie eine Reihe
guter Holzsehnitzarbeiten. In den letzten Jahren ist durch Ankäufe ma.
cbra zur Vermehrung der Sammlujig geechebeu.
Im Ohergebchüöö hat
das fiatorliiitoriBche Museum
Auisteilung gefunden, vou allen Sammlungen, welelu» Ja.s Mn-eumsg"' iude
enthält, die umias.<end.<te. In unmiitelliaror Nahe des Ein;j,aiiu- i>t.'lindel
sich eine liöchst bemerkenswerthe Gruppe anthro|)omorpher Allen, präch-
tige Gorillas, Schimpansen und neuerdings geschenkte Orang-Utang- und
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-G 16 ö-
Gibbon-Familien Daneben zahlreiche Schädel und Skelette. Nach rechts
sehliessen sich die Säugethiere aowie die wirbellosen Thiere an, unter
denen ilie lusekteu, Krebse und Korallen besonders hen^orgehoben werden
mögen. Nacli links lol^'cn diu Vögel, RepLilieii niui Fische. Au den
W'an<len sind zahlreiche (Jehörne von Antilopen, Bulkln etc. angebracht,
niiterhiilb der Fen.'^ter ziehen ^icli lanL^e lleiheu von SchaiikaRten iiiinera-
iogischen und geologischen Inhalts hin. Ein eigener Saal ist der
Lübeckischen Fauna eingerilumt. An diesen schiiessen sich da? Her-
barium, die wi.^senschaltliche lusekteasammlung, sowie die geologischen
und mineralogischen Sannnlungen.
Den WestHügel des Obergeschosses ninunt
das HanddimiiMiim
ein. Diese im Jahre 1882 begründete Saninihing hat sich «either derartig
erweitert und vermeint, dass sie als eine der vollständigsten und bedeu-
tendsten ihrer Art he/tichnet werden kann. In etwa lOCKJO Nuiumem
enthält sie die wichtig,sten Rohstoffe des allgemeiuen Handels mit ihren
Verfälschungen und Verwechselungen^ auch zeigt sie die einzelnen Stadien
der Verarbeitung dieser Stoffe in den verschiedenen Industrien und bietet
80 ein höchst lehrreiches Material für die regelmässig im Museum ertheilte
Unterweisung junger Kaufleute, Droguisten u. s. w. in der Waarenkunde.
Am hervorragendsten in ihr vertreten sind die Faserstoffe, Holzarten,
Papierstoffe, Harze, Tabacke, Farbstoffe und Früchte.
Im Dachgeöchoi«j> beündet sich
die Sammlung von Oemalden, Kupfersticiiea und üipsabgassen.
Die Gipsabgüsse sind in drei Säälen aufgestellt, von denen Saal L
hellenisclie und römische Bildwerke, Saal II. Bildwerke aus der Blüthezeit
der griechischen Kunst, Saal III. antike Bildwerke in alterthümlichem Stil,
Tortraitbüsten und mittelalterliclie Bildwerke enthalt.
Unter den Gemälden mögen die nachstehenden hervorgehoben
werden :
Saal IV. 4'.i. G. Kuehl: Segolnäher. 44. Dei'.-t ihe: Ave Maria. 71.
K Retlich: In den Dünen. iiiJ. Tannini: Römische Ruinen. 32. Ii. Her-
terich: Johanna Stegen, die Heldin von Lüneburg. 41. G. Kniller:
Stuc Hrender Alter. 8. Jan Both: Landschaft 42, J. Z. Kniller:
Junger Gelehrter.
Sual V. 82, 83. van Sou: Fruchtstücke. 100. Deutsche Schule
(15 Jahrb.): Maria mit dem Kinde und der Hl. Anna. 88. U. Tintoretto:
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-t3 16 es-
Auferweckung des Lazarus. 110. Deatflcbe Schule (16. Jahrii.): Anbe-
tung der Rönigü. 126. VoDetianische Schule: Porträt des Dogen
Pietro Laudi. 86. D. Teniers: Bauern in der Schenke.
Saal VI. 57, 59, 62, Fr. Overbeck: Drei Kartons {Tankred und
Chloriude; Christus erscheint dem Thomas : duj ll^^ilaiid entzieht sich seinen
Verfolgern) (H. Derselbe: Ma louna mit dem Kinde. 4i^. J. Möller:
Bildniss eines englischen ( uMstli« heu.
In Saal VI. hat auch eine Sammlung Lübeckischor Münzen
Aufstellung gefunden.
Von besonderer Wirkung sind die in den Känmen d( s- westlichen
Seitenflügels untergebrachten Kundgeinälde von C. CI. Eiislen und
E. Enslen, nach der Natur geseichnete und in Tempera -Farben gemalte
Panoramen und Ansichten verschiedener Städte.
Ausser den genannten Gebäuden mögen noch erwülmt werden: Die
reformirte Kirche, ein 1826 errichteter schmuckloser Bau, das Zeug-
haus (jetzt Wollmagazin), die Kaserne, die Haupt-Turnhalle, <lai«
1887 erbaute Krankcnlians, die Irrenan.slalt, <he Stadt-Wasserkunsi.
die Mai'kthalle uml tla> (ttTcnl liehe t^eh lacli t lia u s In den zur Trave
liiiiahfülinMideii MraH^^uu bclindeii .-ich manche Privathäu.ser mit scijüuen
alten Giebeln und reich geschmückten l^ortaleu.
Lübeck besitzt eine grosse Zahl von Wohlthätigkeitsanstalten.
Die wichtigste unter ihnen, die Allgemeine Armen anstalt, verfügt
über ausgedehnte Baulichkeiten (das Armen Arbeitshaus und das Siechen-
haus), sowie einen ansehnlichen Grundbesits. Ihr Kapitalvermögen
beläuft sich auf .AC 1400000. Ausser ihr sind zu nennen: das
St. Johannis - Jungfrauen kloster, das bereits vorhin erwähnte
Heiligen Geist - Hospital, das Waisenhaus und die St Bri-
gittenstiftung. Neben diesen öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten
bestehen noch zahlreiche Privatstiftungen, welche bedürftigen Personen
Wohnuni;, Fe^u•nulJ,^ VerpHegun^r in Krankheit.sfälien oder .-^on^tiu^- lauter-
Stützung gewähren. Aus einer I>eihe von Stiftungen t iih n aucli Stipen-
dien an Stndirende fjfihrlich etwa JC 13 000) vorlielii'ii. I)a>^ (I sammt-
vermögen der utfeutlichen und der Pinvai-Wohithatigkeitsanstalten beträgt
abgesehen von deren Grundbesitz, rund 9% Millionen Mark.
In der Stadt Lübeck und deren Vorstädten sind 2o ötTentliche
Schulen vorbanden. Die älteste derselben, das im Jahre ir>:]0 gegründete
Katharineum, besteht aus dnem Gymnasium und einem Realgymnasium
(525 Schüler). In dem Gebäude der Schule befindet sich auch die im
Jahre 1620 errichtete Stadtbibliothek, welche einen Gesammtbestand
17
von 04ÖOO Rnndon, etwa '.MlOO UniversitÄtsscliriftcii . isTiU) Sclml-
programmc'ji, fTaudsclinfteti und 3 0(30 Musikalien uintasst. Die
Realschule ist im Jahre 1871 errichtet. Ausserdem bestehen zwei
Mittelschulen für Knaben und eine für Mädchen, je neun Volks-
schulen für Knaben und für M&dchen, eine (iewerhescliulo, sowie
eine Schule für taubstumme und schwacbbefähigte Kinder. In
je fünf Volkflschulen für Knaben und für Mädchen wird ein Schulgeld
nicht erhoben. Fast sämrotlicbo Schulgebäude sind in den letzten
20 Jahren mit einem Kostenauf wände von nahezu 2Va Millionen Mark
neu erbaut worden.
Aua der Zahl der Vereine, welche sich die Pflege von Wissenschaft
und Kunst oder die Förderung von wohlthätigen Und gemeinnützigen
BealieljLiugen zur Auigabe gestellt haben, verdient die (iescl Ischut t zur
Beförderung gemein ii ützigui' Tl) iit igkeit besonders hervorg«'li()lK'ii
zu werden. Im Jahre 1789 gegründet, hat sie wahrend iin^es mehr lA^
hun<lertjährigen Bestehens eine ungemein vielseitige und segensreiche
Wirksamkeit entfaltet. Von ihr sind Anregen der mannigfachsten Art
/um Besten des (Jemeinwesens ausgegangen, sie hat zahlreiche nützliche
Einrichtungen ins Lieben gerufen und van jeher einen Mittelpunkt
für wissenschaftliche Bestrebungen gebildet Zu ihren wichtigsten Insti-
tuten gehören das Schullehrerseminar, die Gesangklasse, fünf Kleinkinder-
schulen, die Frauengewerbeschule, die Spar und Auleihkasse, die See-
mannskasse, die Volksbibliothek und die Herberge zur Heimath. Sie ist
Besitzerin der im Museum (s. oben Seite 12) vereinigten Sammlungen,
welche sie, wie ihre übrigen Institute, durch besondere \' orsteherechaften
verwalten iässt.
Die Gesellschaft zählt zur Zeit 750 ordenlliche und 120 ausser-
ord<;!illiehe Mit^;lieder. Im Winter tuulen rei^ehnHö^i^e N'n -Munulungün
!^t^ltl, in denen V^orträge wisseoi^chultlicheu und allgemein belehrenden
Inhalts gehalten werden.
Nähere Nachrichten üher Lüheek, insonderheit umfassende Litteratur-
uacii weise enthält das 1Ö90 erschienene Werk: „Die freie und Hanse-
stadt Libeck. £in Beitrag zur deutschen Landeskunde, herausgegeben
von einqito Ausschusse der Geographischen Gesellschaft in Lübeck."
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Überblick
ÜBER DIE Geschichte Lübecks.
C.
VON
WEHRMANN.
-*3 21
I. Gründung und erste Schicksale Lübecks.
Ein von ChriBten bewohnter Ort, Namens liabice, lag schon im
elften Jahrhundert an der Mündung der Swartau in die Trave, in der
Nfthe der Ostsee, als Landungsort für die aus dem Norden Kommenden
und Ausgaügspunkt für Reisen dahin. Aber die Lage war scliutzlos, der
( )rt wurde bei rüul»cri<?rhcn Einfällen Pomnrerscher Vrilkersehaften zwei-
mal, zuletzt IliJt*, zer.'^iort. \'ier .Talu-e .'^pUter, 1143, gründete Graf
Adolf 11. von Holstein da« heutige Lübeck. Er wählte dazu einen lang-
gestreckten Hügel, der an der Westseite von der Trave, im Osten und
Süden von dw in bogenförmigem Lauf in dieselbe einmündenden Wake-
nitz umflossen war und folglich grössere Sicherheit bot. Schon früher
hatte dort eine wendische Burg, Buku, gestanden. Crra! Adolf baute
eine neue und sog friesische und westph&lische Kolonisten dahin, durch
deren Betriebsamkeit bald ein reger Verkehr entetand. Weil Bardowick,
Heinrichs des Löwen Stadt^ darunter litt, wurde dieser unwillig, verlangte
zunttcbst von dem Grafen die Abtretung der Stadt und ergriff, als er bei
ihm Widerstand fand, feindßelige Massregeln. Er verbot allen VeAehr
auf dem Markte von Lübeck, ausgenommen miL J.ebensmitteln, Hess auch
die Saline in Oldesloe verschütten. Als nun 1157 eine Feuersbrunst
dir- Stadt zerstörte, glaubten die Kauflente, ihre Häuser nicht wieder auf-
bautJii zu dürfen, wenn nicht die N'erfolirung fleinriclis des Löwen auf-
höre, lüin Versuch, den er auf ihren Wunsch machte, ihnen eine andere
Stelle an der Wakenitz anzuweisen, misslang, denn der OH war nur für
kleine Schiffe erreichbar. Endlich entschloss sich Graf Adolf, ihm
Lübeck abzutreten, und nun wurde der Hersog aus einem Gegner der
Stadt ein eiMger Förderer ihres Gedeihens. £r verlieh ihr die Befugniss,
einen eignen Rath zu w&hlen, und gab ihr damit die erforderliche
Selbständigkeit Ferner verlieh er ihr ausgedehnte, den Marktverkehr
sichernde Rechte nach dem Muster westphäliacher Stfidte. Zwei Um-
stände kamen der neu entstandenen Stadt besonders zu Statten. König
Sveud Grathe von Dänemark beraubte und plündert© 1156 eine bei
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-f3 22 ej-
Schleswig: (Hoidebu) liegende rassische Kaufmannsflotle, um seine Söldner
ssu befahlen, und vereotsste dadurch dem Verkehr der Stadt einen Schlag«
von dem sie sich nicht wieder erholen konnte. Die westphälischen Städie,
die es gewohnt waren, Schleswig als Hafenort för ihre Verbindungen
mit Riisslaiid anznseliet), kamen nicht wieder, sondein wandten sich
liiii h liüheck. Fli'inrich der Lihvc aher stellte den uiiterhnM luM^en Fl ie-
den zwischen Deut.selien und (Jotheti wietler her, urah den Lel/tcien (hneh
eine Urkunde von 11(W> die Reehie hiiiuiseliei- Kaulienle imd maclit»-
ihnen den liesuch des LübeckiM lien ilal'ens zur Pflicht. So entwickelte
sieh raseh ein Verkoln-, der innner lehliafter winde. Er luihni seinen
natiirliclHn We^; über Lübeck» damals und noch für längere Zeit die
einsüge deut.'^che Hafenstadt an der Ostsee, und wurde mehr und mehr
SU einer Verbindung mit Eftthland und Lioflaud. wobei vorläufig noch
Wisby auf der Insel Gotttand eine Zwischenstation bildete. U6H wurde
auch das schon unter Otto X. gegründete Bistlium Oldenburg, das nach
langer Verödung erst unter Heinrich dem Löwen wieder einen Bischof
erhalten hatte, nach Lübeck verlegt. Die Kapitelgebäude und die Dom-
kirche wurden am Südende de.-- Hügels errichtet.
Es war kein Wunder, das« die Bürger der Stadt ihren llerzot;;
dankbar verehrten und mit Treue an ilnn hingen. Als in die .\elit
erklärt war, und Kaiser Friedrieh selbst sieh aufmachte, -riin n .Velil^j ruch
zu vollziehen, hatte die Stadt Lübeck, in der gerade emige dem Herzog
treue Hecriührer mit ihren Tru}>j)en sich eiugelunden li.ttten, Muth
genug, dem Kaiser, 1181, den Eintritt zu versagen. Der Bischof Ueinrioh
ging zu ihm hinaus und bewog Um durch Bitten, zu gestatten, dasa die
Bürger eine Gesandtschaft nach Stade schicken durften, wohin ITeinricli
der Löwe sich geflüchtet hatte, um dessen Genehmigung zur Uebergabe
ihrer Stadt zu erwirken. Als die Boten zurückgekehrt waren, wurde der
Kaiser mit allen Ehren und mit Unterw^üiiigkeit aufgenommen. Er
wurde nun selbst der Oberherr der Stadt und schützte sie gegen die
Ansprüche der Grafen von Holstein und J?atzebum in einem gro.s^en
Freibriet, d» u er 118S au.^stellte mul in dem er ihr ein weites ( lebiet
zuwies, die von Heinrich dem Löwen getrolVenen Limichtnngen. zmn
Theil uüler wisrtiiciier Anführung, bestäligte und erweiterte und den
Kus.sen, (ioiL' ii und Normannen Zollfreiheit zusagte Es mag sein, dass
er dadurch thutsüchiicbe Hülfe der Lübe< ker bei dem Kreuzzuge, den er
entschlossen war zu unternehmen, erreicht liat. rrkundlich zwar steht
es nicht fest, aber die Chroniken erzählen un l in der (ies< hi<-hte des
Deutschen Ordens ist es beständige Tradition geblichen, dass Lüheckische
und Bremische Kaufleute durch die eifrige Fürsorge, die sie den Kranken
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iiud Verwundeten in Jerusalem widmeten, den Herzog Friedrich von
Schwaben bewogen haben, den Orden zu stiften.
Im Herbst llH'j kam Lübeck noobmals auf kurze Zeit unter die
Botmässiejkeit Heinrichs de.*» Löwen. Dieser hatte sich verpilichtet, in
EnjrWind zu bleilaii, wiilntnd der Kaiser einen Kroir/zug machte, nnd
wjir jincli Ostern IISU dahir» gegangen, aber er keljrte schon im fftrhsl,
als er dio KuUemuiig des Kaisers erfuhr, zurück und machte einen
Versuch, seine ganz«' fnili» r<- Herrschaft in Niedersachsen wieder-
zugewinnen. Der reiche Handelsort Bardewick wurde zerstört, weil er
Widerstand leistete. I^übecls, thoils durch das Beispiel geschreckt, theils
in alter Anhänglichkeit, ergab sich freiwillig. Im Ganzen aber misslang
der Versuch, (traf Adolf III. von Holstein, der in Begleitung des
Kaisers nach Palästina gezogen war, kehrte von Tyrus aus zurück und
erwarb seine Grafschaft wieder, auch Lübeck im Sommer 1192. Der
Kaiser Heinrich VI. verlieh ihm die Einkünfte aus der Stadt und folglich
die Herrschaft ül>er sie. Heinrich der liöwe etilsagte weiterer politi.scher
Thatigkeit, (Ue üImm* ^^f^wr l^iblande innausgiiig. und starb in Braunschwuig
So ward Lüln ( k unter Aul'rechthajiung seiner X'oiTcchte wieder
eine Holsteinische .Stadt.
Daun trat die Zeit ein, iu der die Dänische Herrschaft, der Rügen
schon unterworfen war. sich über Pommern, Mecklenburg, Lanenhiirg
und Holstein ausdehnte. Die ZertrümTnerung der Macht Heinrichs des
Löwen, die .Kämpfe zwischen den Weifen und Hohenstaufen und die
Parteiungen unter den Fürsten begünstigten die ehrgeizigen Pläne des
Königs Knut von Dänemark und seines Bruders, des Herzogs Waldemar
von Schleswig. Letzterer war es, der im Sommer 1201 in Holstein ein-
brach, den Grafen Adolf besiegte, Itzehoe und Ploen eroberte und
endlich am zweiten Weilinacht^tage Hamburg einnahm, wo der Graf
selb.<st in seine Gefangenschaft gerieth. Lübei?k ergab sich dann freiwillig,
doch wohl nicht, ohne vurher bcstimnitA' Zusa<:t ii hinsichtlich der Ver-
f.^.s^uiig um! liiiisirhl lirlt gc^ichcrtfii Ilainlflsvcrkehrs empfangen zu
haben. Fahrten nach !S(;honeii inj SpiU-oininur und Herbst, um dort
Iferingsfaug und zugleich Tauschhandel mit mannigfachen Hedürfni.Msen
zu treiben, waren schon damals eine (iewohnheit der Lübeckischen Kauf-
leute. Im Sommer 1201 nahm König Knut die in Schonen befindlichen
Lübecker sämmtlich gefangen, und der W unsch, ihnen die Freiheit wieder
zu verschaffen, war ohne Zweifel ein wesentliches Motiv der Uebergahe*
Waldemar besetzte nun die an der Nordseite der Stadt belegene Burg,
und ein Dänischer \*ogt übte die Herrschaft aus. Im Sommer 1202 kam
Knut selbst, um glänzenden Hof zu halten und die Huldigung seiner
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-ö 24 £^
Vasallen entgegenzunehmen. Im November desselben Jahres iftnrh er.
und Waldemar wurde König. Er besuchte Lübeck im Sommer 1203 uiui
wiederum 1204. Auch glückte es ihm nun, die noch unbezwungene
Festung Lauenburg, die an dem Grafen Adolf festhielt, zu gewinnen.
Sie ergab sich freiwillig unter der Bedingung, doBs er dem seit drei
Jahren gefangen gehaltenen Grafen die Freiheit schenkte. Waldemar er-
füllte aber die Bedingung erst dann, als Graf Adolf sich aller seiner
Rechte auf Holstein begub mid versprach, künftig in dem Stammsitz
seiner Väter, Schauenburj:^. zu leben. Er ist dort 122.^ gestorben.
Auf Lübecks Woblsuuid halle der Weclisel di r Herrschaft keinen
narhthiüigpii EiuHu.'^s. Es mussle dem Könige selbst darnn liegen, die
wciteie Kmwickeluug und Blüthe der Stadt zu fördern, folglich .^ie in
ihrer EigeDliiinnüclikeit y.u belassen; dass er das wohl erkannie, wird
durch eine ausführliehe, am 7. December 1204 in Wordingborg ausgestellte
Urkunde bezeugt, in der er die von Heinrich dem T.< .\v( ii und Friedrich
Barbarossa getroffenen Einrichtungen und gewährten Vorrechte bestätigte.
Die Urkunde ist grösstentheils eine wörtliche Wiederholung der Urkunde
des Kaisers Friedrich von 1188, und es ist klar, dass diese letztere ihm
von Lübeckischen Hathmännem voigelegt ist. Ein Regulativ, das er ver-
muthlich um dieselbe Zeit für den Verkehr in Schonen auf den Märkten
in Skaudr und Falsterbo erliess, gewährte den Lübeckern Schutz und
zeigt zugleich die Bedeutsamkeit dieses Verkehrs. Ein Seezeiclien, welches
.sie zur Warnung der Schilfer an einer geiahrhciicn Stelle bei Falsterbo
errichteten, nahm er durch eine eigne Urkunde in seinen !)esünderen
Schutz:. Er war der er.'^te. der 1220 den Bürgern überall in .seinem Reiche
Freiiieit vom Strandreeht gewährte, ihm lolgle darin fast unmittelbar
Fürst Heinrieh Borwin I. von Mecklenburg. 1217 erbaute er einen Thurm
in Travemünde zum Schulze der Lübeckischen Schiffahrt In Folge der
Begünstigtmgen nahm die Bevölkerung so rasch zu, dass schon 1227
sämmtliche fünf Pfarrkirchen vorhanden waren. Allerdings musste die
Stadt unter Umständen auch Waldemars Zwecken dienen und 1220 es
sich gefallen lassen, dass er die Ueherführung von Fremden nach Liefland
ganz verbot. Schwerlich hat dies Verbot Erbitterung erregt Der Kauf«
mann wird schon damals es als unabwendbar angesehen haben, dass
politische Rücksichten sich über kaufmännische hinweg.setzlen. Es liegt
kein Grund vor anzunehmen, dass Lü!)eek besondere Veranlassung hatte,
sieh gegen Waldeniar aufzulehnen, wenngleich die Fremdherrschaft als
sulclic schwer empfunden sein mag. Lübeck hat sieh niclit >elhst befreit.
Das Aufhören der Diinischen IIerr.schaft kam von anderer Seite lier.
Dem Grafen Heinrich von Schwerin war es klar geworden, dass der
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Kdmg darauf ausgiDg ihm seine Grafschaft nehmen, wie er dem
Grafen Adolf Holstein genommen hatfce. Da er auch darch eine
persönliche Unterredunu nichts »neichen konnte, benutzte er das Zu-
sammensein mit dem Könige auf dar kleinen Insel Lyöe, um ihn in der
Xacht vom 6. auf tltii 7. Mai 1223 in seinem Zelte zu überfallen, zu
binden und neh'-'t seinem ältesten, vierzehnjährigen, Sohne auf ein bereit
gehaltenes Schill zu bringen, auf welchem er seine Gefangenen rasch nach
Deutschland hinüberführte. Er brachte ihn zuerst auf das Schlosa Lenzen,
welches er von dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg zu Lehen
hatte, dann in das Schloss Dannenberg jenseits der Elbe. Waldemars
Gefangenschaft hat drittehalb Jahre, bis Weihnacht 1225, gedauert Ein
erster Freilassangsvertrag, Juli 2, 1224, wurde von dem Dfiuiscben Reichs-
lath nicht angenommen. Der Graf Albert von Orlamünde, Vetter des
Kdnigs und Stattiialter des Reichs, rückte ins Feld, um die Litoung durch
die Waffen zu erzwingen, wui-de aber Im Januar 1225 von den verbündeten
Fürsten bei Mölln vulistiin«H«j gesclilageu und selbst gehingen genommen.
In Folge dieser Schlacht wird die i)änische Besatzung von Lübeck abge-
zogen nnd die Stadt frei gewoiden ^ein. Naeli einer Erzählung, die sich
bei Albert Kranz und Keimar Kock, niclit bei Detiuar, findet, boli sie
sich am 1. Mai 1220 durch eine List befreit haben. Unter dem Vorwaud
eines Maifestes, heisst es, und auf Betrieb eines Rathsherrn Alexander
von Soltwedel lud man die Befehlshaber der Burg in den Wald ; während
ihrer Abwesenheit kam nach und nach eine Anzahl Bürger, die heimlich
Waffen trugen, in die Burg, überfiel und erschlug die surückgehliebene
Besatzung und liess dann eine grossere Anzahl Bürger ein, die die
Bnig in Besitz behielten. Aber diese Erzählung gehört in das Gebiet der
Sage. An den dann folgenden Kämpfen gegen die Dänische Herrschaft
hat Lübeck theilgenommen , aber der Rath ist von Anfang an darauf
bedacht gewesen, zu verhüten, dass einer der benachbarten Fürsten, sei
es der Graf von Holstein, sei es der Herzog von Snch^^en, vviedtr die
Herrsehaft über die Stndt gewinne, er ^s oilte kein anderem t )l>erliHU|it liaben,
als den Kaiser. Um Dies zu erreichen, sandte er noch während des
Krieges Abgeordnete zu Friedrich H. nach Italien, die den Kaiser bei
Parraa trafen. Er willfahrte, ohne Zweifel gerne, den ihm vorgetragenen
Wünschen und hat darüber im Mai und Juni 1226 zwei verschiedene Ur-
kunden ausgestellt. Die erstere enthält hauptsächlich eine Bestätigung der
Urkunde Friedrich Barbarossas unter würtlicher Anführung derselben, die
letztere spricht die Reichsfreiheit aus und trifft verschiedene für den Schutz
solcher Stellung zweckmässige Anordnungen. Jede der beiden Urkunden
ist doppelt ausgefertigt, eine der Ausfertigungen mit dem Wachssiegel,
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eiue mit dav goldenen Bulle versehen. Wie kUr der Rath seine Stellung
aafgefasst, ein wie gra^ses Ziel er sich gesteckt und wie Wichtiges er
erreicht hatte, das hat die Folgezeit gelehrt. Er unterliess nicht, den
benachbarten Fürsten von dem Rrlass der beiden Urkunden formelle Mit-
theilunt:: zu machen. Seine SttUuii^ ilineii gegenüber hatte er schon, ehe
er im Hesitz (lei^elhen war, mit iMitscliiericiiheit gewahrt. Graf Adolf IV,
von ll<>l>u iii, Solln des von Waldemar verti icix iuni (irafen, Heinrich II.,
Ih>rr von Ko-tock, und Heinrici» I, Graf von Schwerin, mussten, al^s er
ihnen bei der Belagerung von Katzi^burg Hülfe leit^tete, scliriftUch
anerkennen, das«* dies nicht auf Grund einer reehtHolien Verj>tiiclitun«r,
-oiidern freiwillig und auf eigne Koston gescliehe (1225). Gleiche Er-
klärung stellte 1226 Albi'ecbt 1., Herzog von Sachsen, aus, versprach auch,
mit den Feinden dei« Römischen Reichs und der Stadt Lübeck ohne Zu-
stimmung dos Raths keinen Vertrag zu schliessen. Waldemar aber, der
durch einen zweiten Vertrag vom 17. November 1225 seine Freiheit wieder
erlangt hatte, war entschlossen, die eingegangenen Verpllichtuugen nicht
zu erfüllen, sondern abermals zu kämpfen. Nachdem Papst Honorius III.
ihn von seinem Eide entbunden hatte, brach er im Jahre 1220 \o<.
Die Entsciiciduiii^ erfolgte am 22. Juli des nächsten Jahn- durch die
Schlacht Ix'i lUunhiH'd. einem an der Lan'l-tr;i-s(' zwischen Kit! ui»d Secje-
berg belegenen Oite. in der auch Lübeckische Hürger und Soldner
kämpften. Waldemar wurde völlig besiegt und entging kaum einer aber-
maligen Gefangenschaft. In Lübeck wurde dann die Burg zerstört und
an ihrer Stelle ein Dominikanerkloster gel)aut und der Maria Magdalena,
der Heiligen des 22. Juli, gewidmet. Es hat sich selbst aber fortwährend
Kloster zur Burg genannt, und die Gebäude führen den Namen noch
heutiges Tages. Die Sage nennt Alexander von Soltwedel auch als An-
führer der Lübeckischen, es steht aber fest, dasa er erst viel später, nicht
lang(> vor 12Ö0, in den Rath erwählt ist.
Oe^en Waldemar musste Lübeck seine Reichsfreiheit noch einmal
im Kauiplu I > haupten. Kr verbündete sich mit dem Grafen Adolf IV. zu
' ii;riii gemeiü^anicn AngrilT. Im Fridiling 1234 erschien er mit einer Flotte.
Udir dit< l rave hinauf legtp an eint'r gelegenen Stelle, die noch Daniscli
bürg heisst, HefestiLiiiiiL:<'H an beiden Ufern an. zog Ketten über die UYavc
und vuisenkte ein Schill', um sie unfahrbar zu machen. Da es aber den
Lid)eckern gelang, diese Hindernisse zu ül>erwindcn, fuhr er zurück, um
eine Anzahl noch grösserer SchilYe herbeizuholen. Kin Sturm zerstreute
dieselben Und als dann der König, fürchtend, dass den Lübeckern
von den Mecklenburgischen Fürsten Beistand geleistet werde, an der Küste
ostwärts hinfuhr, folgten ihm die Ijübecker und trafen ihn an der Mündung
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der Wnrnow. Hier haben sie zum erRten Male eine Seeschlacht geliefert
und eioen Sieg f*rrnng< n Waldemars ScliitTe wurden t Heils zerstört, theils
(renotnmen und nach Lübeck gel»niclit, er selbst entkam mit Mühe. Er
>turb 124 L
2. Anknüpfung von Handelsverbindungen. Erweiterung dee fiebiete.
Damals war Ijüb«'( k nidit mehr der einzige dfutscho Ostsf r liaft-n.
Wismar, Rostock, Stettin. Stralsund warbn eutstandeti. Die dadurch ver-
mehrte Gele^nheit zu Verkehr mit den Nordischen Jündern entsprach
dem wachsenden Bedörfni^ts. doch Hessen die neu gegründeten Städte,
namentlich die beiden Lübeck am nächsten belegenen, der älteren und
bedeutenderen Stadt willig den Vorrang Ein do|>|>eltes lutcrcfise trieb
nach Lieflaud und Esthluud: der Wunsch, unmittelbui'o Handelsbexiehun-
}i»n ?i;i/ukiiü]»len . und d;is Verlangen, den noch heidnischen Völker-
^'«•li.iiitii das ('hri.-U'ntliuni zu bringen. ICine l'rkunde des Papstes llono-
rius IH von \'J'2l'> Ai-uA. dass Lübeck der Hafen war. in welchem die
Kreu/Iaiirer von Deutschland aus sich einzuschitten jiUegten; in einer
andern von 1231 bekunden Kathmanner und Bürger in Riga, dass sie
als 2*eichen ihrer Freundschalt und Ergebeuheit den Bürgern von Lübeck
einen Hof innerhalb der Mauern ihrer Stadt als Eigentimm über-
lassen haben; eine dritti^ Urkunde vom J. 1246, welche berichtet, dass
gefangen genommene Jünglinge aus Samland und Liefland nach Lübeck
gebracht und dort getauft neicn, lässt erkennen, dass die Lübecker nicht
blos auf Handelszüge ausgingen, sondern auch bei Krieg^eügen sich be-
theiligten. Der Verkelir zwischen Deutschland und den jetzt zu Russ-
land gehörigen Ostseeländern war früher durch Wisbj' auf Gottland ver-
mittelt worden, wo, wenigstens seit Heimichs des L<>\ven Zeit, auch eine
l>ciitsche (icmeinde ansässig war iiml in \'erbindung mit dei üulllandi-
K'hou die Stadtgemcimle bilde ic. Sie bcsass einen eignen Hof in
.\ovgorod. dem Urte. in welchem hnuptsächlich der Handelsverkehr sich
eoiicentrirte Mehr un«l mehr wurde mm dieser Verkehr ein directer. und
!io weit Deutsciie. namentlich westphülische SUidte dabei bctheiligt waren,
ging der Weg über I^iil)cck. Sowohl die geistlichen l«Xirsten des Landes
als auch der Deut^cho Orden schätzten die Unterstützung, die »ie dadurch
erhielten, und begünstigten sie. Dafisolbe thaten die Füi'sten von Rügen
und Poromern, deren Lande auf dem Wege häufig berührt wurden, durch
Erleichterungen, die sie hinsieht lieh des Zolls und de^ Strandrechts
gewährten. Für I^übecks Stellung war vs von besonderer Wichtigkeit,
dasa Mecklenburgische, Pommeraclie und Preussische Städte das Lübis<*he
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Bflcht anDahmeD. DaTon war es eine natürliche Folge, dfias, weim in
Novgorod Stroitigkeiten entstanden und dort nickt enfachieden werden
konnten, es nicht mehr den Verhältnissen entsprach, die letzte Entschei-
dung in Wisby zu suchen, sondern man appellirte an den Rath von
Lübeck. Dieser TnstanzenKiig wurde 1294 von vierundzwanzig Städten
l'örmliLii l)i:.schlossea, und damit war daa Uebergewicht Lübecks über
Wisby entschieden.
Bnleutt ii'ltT. wenigstens dem Umfanire nach, auch mit gennt^eren
Schwierigkeiten verknüpft, war der \'erkehr mit Dänemark und den skan-
dinavischen Ländern. Zwar mit Waldemars ältestem Sohn und nächstem
Nachfolger Erich (1241 — l2o(i) blieb das Verhältnis.** ein feind.seliges, und
im Kiiege mit ihin hat Lübeck 1248 Kopenhagen, damals freilich nodi
nicht Residenzstadt, erobert. Aber sch($fa der nächste König, Abel
(1250 — 1252), nahm die Lübecker wieder in seinen Schatz, und die beiden
Könige £rich Glipplng (1259—1286) und Erich Menved (1286—1319) haben
den Verkehr mit ihnen entschieden begünstigt Ehesterer gab ilmen 1268 das
wichtige Recht, einen eignen Vogt zur Ausübung der Gerichtsbarkdt in
SkanÖr und Falsterbo zu haben, 1278 volle Zollfreiheit, auch in Esthland.
umi dehnte 1283 die.'^e Vortheile auch atil die verbündeten Städte aus.
l'cber den Verkelir mit Norwegen giebt es urkundliche Erwähnung erst
MUS der Mitte de.-^ dreizehnten .laiirhunderts, aber es geht aus 'l»'r.='elben
hervor, dass ein freundschattliciier Verkehr schon seit längerer Zeit
bestand, und als nach einem durch Öeeräubereien vorübergehend gest<jrten
guten Vernehmen der Friede wiederhergestellt war, versicheHe König
Hako der Alte 1250 die Lübecker seiner Freundschaft und lud sie ein,
zu kommen und seinem Lande die demselben nothwendigen Gegenstände
zuzuführen, läne ähnliche Störung, die 1284 eintrat, wurde durch einen
Schiedsspruch des Königs Magnus L von Schweden ausgeglichen, dessen
einzelne Bestimmungen auszuführen König Erich, Priesterfeind sich
angelegen sein liess. Bergen war der Ort, wohin der Schiffahrtsverkehr
vorzugsweise genchtet war, weiter nördlich zu landen war nicht erlaubt.
l'el)er den Verkehr mit Schweden giebt es aus dem dreizehnten .hilii huiulert
nur Hin Paar einzelne urkundliche Zeugnisse: lebhalt wie mit den beiden
andern Ländern war er ohne Zweifel nicht, doch bestand er und war
freundschaftlicher Art. Die südlichen Provinzen des heutigen Schwedens
gehörten danmls zu Dänemark.
Auch nach Westen hin knüpft (> Lübeck schon früh weitreichende
\'erbindungen an imd zwar in Gemeinschaft mit Hambui^. Beide Städte
waren eng verbunden, und die Strasse zwischen ihnen wird schon in den
ältesten Zeiten eine Strasse zwischen Nordsee und Ostsee genannt In
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H3 29 es-
einem Vertrage von 1241 verpflichteten sie .^^ich, gemcinschaftlicli für die
Sicherheit derselben zu sorgen. Lül>erk überragte damnls Hanibuig weit
an Kraft und nioikantiler Bedeutung, aber von Uaniburg aus waren die
Wege uuch W(!?t«'u liiu sc hon gebahnt, in die Lübeck nun mit eintrut. Wie
rasch Dies geschah, zeigt eine Reiiie von Urkunden, die alle darin iiber-
eiDstimmeo, dass sie die Absicht bekunden, dem Verkehr die nothwendige
rechthche Grundlage zu geben, uud zum Beweise dienen, wie gern ül)erall
der Besuch der Deutschen Städte gesehen wurde. Solche Urkunden sind
auflgestellt 1237 und 1238 und wiederum 1260 und 1267 von KOnig
Heinrieh III von England, 1243 und 1245 vom Grafen Wilhelm von
Holland, 1244 von Bischof Otto von Utrecht, 1247 von Giselbert, Herrn
von Amstel, 1248 und 1249 von Florentan, Grafen von Holland, 1251
von Theodorich, Grafen von Cleve, bald nach 1251 von dem Mayor uud
der Gemeinde von London, I2ö2 von der tiialin Margarethe von Flandern,
1281 von Eduard I, König von England, 1293 und 1294 von Philipp IV.,
König von FianKreich, 1297 xon Johann. Her/ng von Lotbringen, Brabant
und Limburg, 1297 von der Regierung von Schottland und insbesondere
von Andreas Murray uud William Wallace. I2yö von Guido, Grafen
von Flandern, 1298 von Johann, Grafen von Holland, Seeland uud
Friesland.
Alle diese Urkunden liegen im Archiv xu Lübeck, ein Beweis, me
angesehen die Stellung war, welche die Stadt schon zu Ende des drei-
zehnten Jahrhunderts einnahm, und wie gross ihre Macht, die doch nur
auf der Rührigkeit und dem Unternehmungsgeist ihrer Kaufleute beruhte.
Was sie erwarb, erwarb sie nicht allein und nicht für sich allein, sondern
in Verbindung mit den verschiedenen Städtegruppen, die sich ihr an-
schlössen, und für dieselben.
Mit den benachbarten Fürsten bestand ein, zeitweilig zwar durch
Fehden gestörte.s, iunnrr aber bald wiederhergestellte?» freuiid-ehat"tli<hi'S
Vcilialtniö«. Fj9 war eine we.sentiiehc Aufgabe de.*^ Raths, datin- zu sor<;en.
dass die von Lübeck ausgehenden untl daliiu bestinwnten Reisenden und
Waarenzüge die Landstrassen nach allen Richtungen sicher und uu-
belästigt l enutzen konnten, und l>as war gegenüber einem zahlreichen
Adel, für den Krieg das einzige Handwerk war, und der auch gern blos
auf Beute auszog; eine bestandige Aufgabe, die das ganze Mittelalter
hindurch gedauert hat. Bei der Kleinheit des städtischen Gebiets war
<3ie Mitwirkung der Fürsten unerlässlich. Und es genügte nicht, berittene
Söldner, an deren Spitze der Rath gern einen auswärtigen Adelichen stellte,
zum Schutze der Strassen zu unterhalten; auch die Burgen mussteu in
weitem Umkreise zerstört werden, in die der Adel sich selbst und die
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geraubten Güter flüchtete. 1283 gelang es, den Herzog von Lanenburg,
zwei PommerBche, acht Mecklenburgische Fürsten nebst einer grossen An-
zahl ihrer Vasallen und acht Städte zu einem in Bostock abgesdilosseneD
LandMedeusbündniss, zunächst auf zehn Jahre, zu vereinigen. Aus-
reichender Schutz aber wurde weder durch dies Bündniss noch durch
8}»äUMe eiii7.e)ne Verträi^o gej^ebcn, bewaffnete Macht musste immer unter-
halUuj werilfii. und imcli dii' Bürg<'r iniisston in W alli n t^oüht sein und
Kriet^sdiennte leisten. Biswcik-n bogünstij^ten soj^ar «.Iii* i'iirtJt^n stdbsi,
Diuneutlicl» die Herzuirt' von I^auonhurg. aus Nfid gegen dif Sladt das
Rjiubwesen. Das eigne (lebiet schützte der Uatli l.'J.ö(5 durcli einen riug8
herunigezogeueu, zum Theil mit natürb'cben Befestigungen versehenen,
zum Tbeil doppelt, selbst dreilacli angelegten (uaben. über den man nur
an bestimmten Stelleu kommen konnte, wo durch Zugbrücken ein Ueber-
gang ermöglicht war. Der Graben hiess Landwehr, Beste desselben
exifltireu noch jetzt.
Mit einem der Fürsten stand die Stadt in besonderer Verbindung.
Es war derjenige, dem der Kaiser nach einem bot Ertheilung der Reichs-
freiheit gemachten Vorbehalt die Walirnehmung seiner Gerechtsame und
die Soi^e für die Stadt übertrug. Er liiess ihr Sehirmvogt Die im Namen
des Kaisers eine Zeitlaug noch ausgeübte Gerichtsbarkeit hörte nun zwar
bald auf, aber die für T^berlassuug der Keg.-dien an ihn m leistende
Zahhing dauerte fort und hat fortgedauert, so lange es DeuiHclic Kaiser
gegeben hat, bis 1805. Sie betrug jahrliel) TöO , wurde zunächst den
vom Kaiser l>estLmmteii !^cbirmvOgten entrichtet, ilaun anderen Persoueu,
denen der Kaiser sie üLm rwies, und zuletzt längs Zeit unmittelbar nach
Wien gesandt. Mehrere Male hat der Rath, wenn er es für angezeigt
hielt, selbst Schirmvögte erwählt, 1307 sogar den König Erich Menved
von Dänemark, der sich der Stadt sehr fürderlich erwies und das Amt
bis an seinen Tod, 1319, behalten bat. Er empfing dafür ebenfalls
jährlich 750 n^.
Mit den Grafen von Holstein, bei deren Beziehungen zu Dänemark
und Schleswig die Stadt damals sich nicht betheiligte, entstand zu Anfang
des vierzehnten Jahrhunderts ein Streit wegen des in Travemünde erbauten
Thurms. Die Grafen willigten i;5()7 ein, die Entscheidung über das Besitz-
recht dem Kai.^or zu überlassen, und verjitiieliteten sich,- von dem Thurme
aus den Verkdir mit Lüluck niclit zu bL liistigen. Ein Kaiserlicher Aus-
spruch ist niemals erfolgt. I>er Graf Johann III. aber, der in Ploeu seine
Residenz hatte, verkaufte 1320 dem Rathe von Lübeck den Thurm zum
Abbruch und behielt sich nur das Recht vor, das noch branclibare Bau-
material innerhalb einer bestimmten Frist wegzuführen und anderweitig zu
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Tervenden. 1329 verkaufte er die ganze Ortschaft Travemüude nebet der
auf ikni Wege dahin gelegenen Fähre über die Trave. damals Goden-
manneshua, später Ilerreiiluhi o genannt. Für den Erwcrl» /-aiilte der Hat Ii
lit'Ki vil'.. für daf Recht, don Tliuiin a)'/ubrechen, die hohe Siunuiu vun
7()Ut> cm Böweis, wie gro-'^t ii Wciili er darauf legte. Xun «M-'-t war
t r Herr über seinen llafenort. Die Urnndstiicko und < )rt'^cliaHoii /.wist lien
Travemünde und Lübeck waren solion oder \vni-don bald darauf Kigeu-
tbum des 8t. Johannis Klostor.s in Lübeck und der Staih Lübeck. Ein«?n
anderen freilich nur pfandweisen Erwerb machte die 8tadt \Wd. Die
Herzoge von Lauenbnrg, Albrecht und Erich, liehen io ihrer Geldverlegen-
heit TOD dem Rathe die Summe von 9737 V> Mark und verpfändeten
ihm dafür die Stadt Mölln mit ihrer Feldmark. Da mau annahm, dass die
Herzoge niemals im Stande sein würden, eine so groHse Sunmie auf ein-
mal zurückzuzalilen, wurrle der Besitz als ein dauernder ungesehen.
Einige andere lauenburgi^che und holf!teini^*c•he, der St«dt näher gelegene
Ort.seliafteu uaicn i^chon theils Kigenthuni des 8t. Johannis-Klosters oder
des HeiligenCieibt Hospitals, theils im Besitz einzelner lAilMcker Bürger
und konnten nach den damaligen \ erhaltuiöi^eu als zu dem Gebiete der
Stadt Lübeck gehörig ungeseiieu werden.
3. Krieg der Harne mit Dänemark.
Unterdeesen waren die schon früher angeknüpften Verbindungen
mit dem Auslande fortwährend unterhalten und gepflegt In Novgorod,
m Bergen, in London und Brügge waren dauernde Niederlassungen
Deutscher Kaufleute entstanden. Die Noth wendigkeit, daas dabei nach
einer gewissen Ordnung und Kegel und gemeinsam verfahren werde,
ffibrte zu einer Verbindung der einzelnen Städtegruppen, der wendischen,
der Preussischen, der Lielländisehen, der westphiiliselien Städte und dem-
nächst zu einer VerbiiKlung dieser (iruppen zu einem grösseren <ian/.un.dem
sich auch «lie Siicli. tischen Städte ansciilu.ssen. ent.-tiind <V \- Ilniü^ehmnl.
Lübeck, diin Ii Lage und Alter s<-hon die Kühjcrin der \vendi?>clien Städte,
nahm überall eine hervorragende Stellung ein und wurde das Iluapt dieses
Bandes. Das lag in der Betrieb»auikeit und Gt^ehieklichkeit seiner Kauf*
leute, in der Tüchtigkeit seiner Rathmänner, in «lern Eifer, welchen es
den gemeinsamen Interessen widmete. Ueberdies entband die Heichsfreiheit
den JEtath von jeder Rücksicht auf die Politik der einzelnen Landesfürsten,
durch welche die übrigen Städte ihr Verhalten vielmals mussten bestimmen
lassen.
Der Hansebund hatte eben, 1360, seine Stellung in Flaudeni durch
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geschickte Massregeln und Verliandlungen neu befestijjt, als der unerwar-
tete Angriff des Königs Waldemar IV. von Duneinark auf Oottlaiid und
die Eroberung von Wisliy. ].'5(>1, ihm alx rnials Veraiikussung zu kralLvoller
Thiitigkcii güheii. Kritg wunle >:ogleidi iH'schlossen, und man begann mit
der scliüu mehrere Male als bewäln't befundenen Massrogel, allen Verkehr
mit Dänemark und Schonen zu verbieten. Die K()iiiL'f^ von Sphweden
und Norwegen verbündeten ^^i« Ii rnit den Städten. Jiii April 1362 ei-scbien
eine ansehnliche Flotte^ 52 Schiffe mit 214() Bewaffneten, geführt von ,
dem Lübecker Büigermeister Johann Wittenborg, im Sund, und unternahm
znerst auf den Wunsch der beiden Könige, welche Hülfe zugesagt hatten,
aber nicht rechtzeitig stellten , eine Belagerung von Helsingborg. Dabei
vnirde die Flotte allzusehr von Mannschaft entblOssi Waldemar ersah
einen günstigen Augenblick, überfiel die Schiffe, nahm viele und zerstreute
die übrigen, die dann einzeln in ihre Heimath zurückkehrten. Der Feld-
zug den Jahres war .«chon im Juli beendet. Doch muss auch Waldemar
grosse Verhiste erhtkii, uinl Macht der Stii»lt*> grossen Eindruck uuf
ilui gemacht hnhcii Er bewilligte iliiicii am 11 November einen WafPeii-
stUistand bis zum Ii. Januar 1304, ohne die ihnen früher gewährten Rechte
zu beacliräükeu. Dei Führer der Flotte, Jobann Witten borg, bü9<!te seine
Unvorsichtigkeit mit dem Tode, er wurde ungeachtet der Verwendung
befreundeter Städte im September 1363 in Lübeck hingerichtet. Die
Verhandlungen über einen definitiven Frieden, die im Mai 1363 in
Nyküping geführt wurden, blieben erfolglos. Waldemar verliess im October
des Jahres sein Land und brachte etwa neun Monate auf einer Reise zu,
erst zu Karl IV. nach Prag, dann nach Flandern, dann zum Papste nach
Avignon. Während seiner Abwesenheit vermittelte Herzog Barnim von
Pommern durch Verhandlungen mit dem Dänischen Reichsrath am 21.
Juni eine Verlängerung des Waffenstill.stands bi.s zum l'. Februar l.)(;.").
die JStadte waien uneinig und muthloa. Ihr Handel litt unter vit^lhuhen
Bedrüekuiigeii, gegen welche der Waffenstillstand sie nicht «chützte, aber
es fehlte ihnen, nach den Erfahrungen von 1362, au Muth, die Waffen
wieder zu ergreifen. Nach Waldemars Rückkehr wurde mit ihm selbst
verhandelt, und es kam 22. November 130;) in Wordingborg wirklich zu
einem Friedensschluss, in welchem den Städten die meisten ihrer fridieren
Rechte, wenngleich zum Theil nur auf sechs Jahre, wieder bewilligt
wurden. Der König wollte Macht behalten, in Schweden einzugreifen, wo
im Februar 1364 König Magnus abgesetzt und Albrecht, ein Sohn des
unternehmenden Herzogs Albrecht H. von Mecklenbui^, obgleich noch
unmündig, wiedergewählt war. Schwerlich hatte Waldemar auch nur die
Absicht, Alles zu halten, was er versprocbeu hatte, und es war kein Jahr
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verflossen, als schon Klagen über Gewaltthätigkeiten, tlif er «ich erlaubte,
* nNaudeo und »ich mehrten. Den Städten musste sich die Ueherzeugung
auidiftogen, dass sie gesicherten Verkehr nur durch Kampf und Sieg
gewinnen könnten, und sie fanden am Ende Muth und Einigkeit wieder.
Der Lübecker Bürgermeister Jacob Pleskow hat dazu nicht wenig beigetrar
gen und ist lange Zeit die Seele ihrer Entschlüsse und Unternehmungen
gewesen. Auf einer Zusammenkunft in Köln im November 1367 wurde
der Krieg definitiv beschlossen und das Mass der von den einzelnen
Tbeilnehmem zu Übernehmenden Leistungen festgestellt. Mit den Städten
traten diesmal der Küiiig Albrecht von Schweden, die Herzoge von
Meckleuhuig un<i die Grafen von Holstein in Bündiiis.H. König Hako
von Norwegen blieb auf Suiten \VaUlemar>*, seiue.^ bchwiegcrvater«. Am
2. Februar 13(58 erHess man von Lübeck n\i< ein Manifest au nennund-
zwanzig geistliche und weltliche Fürsten, darunter die Könige von Polen
und von England, die Erzbischöfe von Mainz und von Trier, um darzu-
stellen, dass der Kiieg gegeu Waldeniar eine Handlung gerechter Nothwehr
«ei. In gleichem Sinne schrieb der Rath von Lübeck am 12. März au
Kaiser Karl IV. und Papst Nicolaus V. Die Rüstungen wurdeu eifrig
betrieben und waren zur bestimmten Frist vollendet. Im April segelte
die Flotte der Stttdte aus. Oberanführer war der Lübecker Bürgermeister
Bruno Warendorp. Waldemar erwartete sie nicht, sondern verliess auf«
fallender Weise sein Reich, um unter den norddeutschen Fürsten Bundes-
genossen zu suchen, und iiiuchto dadurch einheitliehen und energiselu n
\Videi>i;'.nd vo.i vorneherein unmöglich. Die Erfolge waifi» dahri ra.-eh tutd
gross. Am 2. S\m wurde Kopenhagen erobert, in den tV)lgenden .Monaten
von den Städten und ihren Verhündeten Schonen und die Dänischen
Inseln. Die HoUäudischeu Schilfe machten Angriffe auf die Norwegische
Küste und verwüsteten sie so arg, dass König Hako um einen Watfen-
stillstand nachsuchte, dei- ilnn gewährt wurde. Die grösste Schwierigkeit
l>ot das feste öchloss Heisingboig, das eine lange Belagerung aushielt
und erst im August 1369 übeigeben wurde. Auf dem Marsche von
Helsiogborg nach Lintholm oder bei der Belagerung dieses Schlosses fand
Bruno Warendorp seinen Tod, am 21. August. Endlich suchte der
Dänische Reichsrath um einen Waffenstillstand nach, der am 30. November
übgefchloasen wurde und am 24. Mai 1370 zu dem Priedensschluss in
.Stralsund führte. Alle den Städten jemals gewährten Freiheiten wurden
f»estätigt und insbesondere die ihnen bei dem V^erkehr in Sehouen, dem
weitaus wichlig^ton Tlirile namentlich des Lüheckischen Handelshetriehs,
zustehenden Belugnisse genau verzeichnet Zum Ersatz der aufgewandten
Konten wurde ihnen verstattet^ die vier Schlösser in Schoueu iünfzeim
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Jahre lang besetzt 7.11 halten , und von den Eiukäult« n ders^elben zwei
Drittel für sicli zu behalteu. wälireud ein l>ritlei lür Rechnung des Königs
erhobeu werden sollte. In einer be^souderu Urkunde übernahm der
Reichsrath die Verpflichtung» dass Waldemar, wenn er die Herrschaft
l)ehalten wolle, den Vertrag mit dem grossen Staatssiegel besiegeln und
dadurch ratifioiren solle, versprach auch, falls er in die Lage käme, emen
neuen König zu wählen, nicht ohne Zustimmung der Städte seine Wahl
zu treffen. Waldemar hat indessen zwar mit seinem kleinen Siegel im
Oktober 1371 in Stralsund den Vertrag besiegelt, nut dem grossen Staats-
siegel niemals. Er starb am 24. Oktober 1375. Zwei Enkel, TöchtersOhne,
waren nun gleichberechtigte F>ben, ein Sohn der mit dem Herzog
Ileiiii ic h III von Mecklenburg, Brud(M' des Schwedist neu Königs Alhreclil.
vcriiialilten Ingci'urg, und ein Soint der liiit dem König Ihiko von Norwegen
vermählten Margart tlio I)ei Keichsrath wählte den Ltt/tvif ii. nlav. einen
sechsjährigen Knaben, für den die Mutter, Waldemars kluge und energische
Tochter, nach llakos Tode, I.jBO, auch in Norwegen die vorniuudschaftliche
Regierung fülnte. Da aber Olav schon 1387 «iarb, herrschte Margaretlie
bald im eignen Namen und wurde auch von einer dem König Albrecht
von Schweden feindlichen Parthei in Schweden zur Königin erwählt. Es
kam zum Kriege zwischen Beiden, und das Gluck der Wafieu war ihr
günstig. In der Schlacht bei Axenwatl (Februar 24, 1389) nahm sie
Albrecht gefangen. Den Städten war der Krieg sehr nachtbeilig. Sie
bemühten sich eifrig, aber lange vergeblich, die Königin zur Freilassung
ihre» Gegners und zur Versöhnung mit ihm zu bewegen. Erst 13%
erreichten der Lübecker Bürgermeister iluinrich Westhof und der
Stralsunder Hürgermeisier Wulf WulHani ihren Zweck. Sie gi walirle dem
Albrecht die Freiheit auf drei Jaiire iniler der Bedingung, dass er nach
Verlauf dieser Frist entweder freiwillig in die Gefangen.<chalt ziu'ückkehie
oder ein Lösegeld von liOOOO zahle <>il< r Stockholm, das er noch inue
hatte, überliefere. Sieben Städte, Lüberk, Stralsund, Greifswald. Thorn,
Elbing, Danzig, i^eval, überuabnien die Bürgschaft für die Erfüllung dieser
Bedingungen. Zu ihrer eignen Sicherheit musste Albrecht ihnen den
Pfandbesatz von Stadt und Festung Stockholm sogleich übergeben. Der
Lübecker Rathmann Jordan Pleskow und der Revaler Hermann von der
Halle wurden mit Truppen dabin gesandt und empfingen zu Anfang
des Septembers Namens der Städte von dem Rathe von Stockholm den
Eid der Treue. Nach drei Jahren haben sie dem Vertrage gemäss die
Stadt der Königin Margarethe überliefert.
Wahrend des Krieges rüsteten liostocker und Wismarer Bürger
SchiÜ'e aus, uiu ihren Landesherrn im Kampf gegen Margarethe zu
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unteistützeii . und insbesoudere wurde es seit der Gefangennehmuag
Albrechtp Zweck. Stockholm mit Lebeudmittein sn versehen. Dnraus
eutstand für die Unternehmer solcher Ausrüstungen der Name Vitalier
oder Vitalianor. Andern aber diente dieser Zwecke der ohnehiD 1395
aafhörte, nur als Vorwand« um bewaffnete Schiffe in die See auszuschicken
uod alle Kauffahrer, die ihnen begegneten, anzugreifen, zu erobern, die
Ladung zu verkaufen, und den Ertrag zu theilen. Der Name Vitalianer,
die man auch Likedeler nannte, weil sie die Beute in gleiche Theile theilten,
wurde gleichbedeutend mit Seeräuber, und da das Geschäft einträglich
war, wurde es von vielen Ad» liehen und selbst von Fürsltn l)eiTünstiirt,
welche die Mittel zur Ausrüstutit; her<r;d)eii und den lläubeni Zullncht
gewählten Die Schiffahrt wurde so unsiclior, (hiss die Städte Massn^cln
ergi'eifen mussten, um die Sicherheit herzustellen. Lübeck hat sich auch
dabei vor Allen ausgezeichnet. Jahrzehente lang haben die Städte auf
allen Hansetagen die Ausrüstung von s. g. Friedeschiffeu beschiiessen
müssen und nur mit grosser Anstrengung das Unwesen unterdrückt Als
die Ostsee einigennassen sicher geworden war, gingen die Seeräuber auch
auf die Nordsee über und fanden Gdnner an friesischen Häuptlingen.
1422 rüsteten Lübeck und Hamburg eine Flotte aus, welche Dokkum
eroberte und die friesischen Hauptleute zwang, von der Begünstigung der
Seeräuber abzulassen. Die Rathsherm Tidemann Steeu tmd Ludwig Krull
waren die Lübeckischen Flottenführer.
In dem Jahre des Stralsundor Friedens erreichte der Rath von
Lübeck noch einen auderun Erfolg Der Herzog Ericii III v^n Sachsen-
Laut idiurg verpfändete ihm für die vcnnuthlich nach und nach angelieheue
Sunmie von lt>2ö2V2 das Amt und die \\)gtei Bergedorf mit der
Be dingung, dass die Einlösung nur dann gescliehcn dürfe, wenn zugleich
Mölln mit eingelöst, also eine Sunmie von 2G000 tt^ auf einmal bezahlt
würde, eine Bedingung, durch welche die Einlösung in eine unabsehbare
Feme gerückt wurde. Der Herzog war ein kinderloser Mann. Was von
seinem Laude noch unverpfändet war, fiel nach seinem Tode einem andern
Zweige der Familie zu. Wichtiger noch war ein Vertrag, den der Rath
1390 mit dem Herzog Erich IV (von der Linie Ratzeburg-Lauenburg)
abschloes. Dieser erlaubte die Austief ung der Delvenau, eines Nc^benflusses
der Elbe, und Verbindung derselben mit dem Möllner St>c durch einen
sclntfbareu Graben. Da der Möllner See auf der andern Seite einen
Abfluss in die Stecknitz, einen Nebentiuss der Trave, hatte, so war auf
solche Weise eine Wasserverbindung zwischen Trave und l-llbe hert.'o^tolU,
der älteste Kanal in Deutschland. Er ist lö'JÖ in Gebrauch genonuncii und
lange Zeit für die Beförderung von Gütern, insbesondere für den Transport
des Lüuoburgcr äalzes, von der höchsten Wichtigkeit gewesen.
a*
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-ß 36 e?-
4. Innere Unruhen. Der Aufruhr von 1408.
Im Oktober des Jalires 1375 brachte Kaiser Karl IV. mit grossem
< Jcfolg^o zehn Tage in I^übeck zu. Die Bes ulkwrung empfing ihn mit
l'/hrerliieiuiiix und Jubel, der Rath bereitete ihm Festlichkeiten, wie er es
vermochte. l)or Kaiser erwies den ii^lthmännern die Ehre, sie Herren zu
nennen, mit der Versicherung, dass .sie immer, falls anwesend, das liecht
luittf-n, im Kaiserlichen Rathe zu sitzen. Er sali eine glänzende Stadt.
Und doch regten sich schon die Keime der Zwietracht« die später auf-
gingen und die Fortentwickeiung lange binderten £s war daa Streben
der untern Stände, namentlich der Handwerker, die Theilnahme am
Regiment begehrten. Der Aufruhr in Braunschweig im Jahre 1374 mag
aU schh'mmea Beispiel gewirkt haben. Offene Unzufriedenheit zeigte eich
zuerst 137G, aU der Rath einen Versuch machte, die Steuern, Schoss und
Mtihlenabgabe, m erhöhen. Er stand, da er besonders bei den Hand-
werkern Widersprach fand, von .seinem Vorhaben ab. ])ann organisirt«n
sich I.'m8 die nach Sclioncn liandclnden Kaulleute zu einer Corporation
dal 8cliunt'iitabrtT. 1H7*J iolgieii die Patrizier, deren Se)b'^tbewu*stsein
vielleicht durcli den Besucli des Kais^»^s gesteigert war 6ie errieliteten
unter aich eine Brüdei'sdiai't zu Ehren der heil. Dreieinigkeit, verbanden
aber damit, ohne es auszusprechen, politische Zwecke. Aus ihnen ergänzte
sich vorzugsweise der Rath, der von An lang an ein uubeschrlUiktes
Selbsteigänzungsrecht beeass. Im Jahre 1B84 bildete sich unter den
Handwerkern eine förmliche Verschwörung, gewöhnlich der Knochenhaue^
Aufruhr genannt. Aber der Rath wurde gewarnt und ergriff energische
Massregeln, die Empörung zu unterdrücken, ehe sie zum Ausbrach kam.
Strenges Gericht erging über die Schuldigen. Freilich konnte damit das
TTebel nicht geheilt werden. Als zu Anfang des fünfzehnten Jahr-
buudurts die Nothwendigkeil, die Einnahmen zu vermehren und folghch
neue Steuern zu erhelten. abermals und nocli driiigcnder als früher
hervortrat, verhandelte der I\atli zuerst mit solchen Bürgern, bei dciuii
er gute Auinaiune seiner Vorschlage zu tinden erwarten durfte, aucii land.
Aber bald nnisste doch die ganze Gemeinde liinzugezogen werden, und
da entstand sogleich eine Aufregung. Die Gemeinde wählte einen Aus-
schuss von sechzig Personen, mit dem Käthe zu verhandeln, und dieser
Auaschuss ging auf die Anträge, zunächst kaum ein, sondern brachte eine
Reihe von Vorwürfen vor und von Beschwerden, deren Abstellung vor
allen Dingen verlangt wurde. Auch forderte die Gemeinde selir bald
directe Theilnahme am Regiment, und der Rath musste, wenn er Frieden
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37 er-
haben Wollte, ia der Tliat sicli tiit'-rliliessrii , ilcn oin7.(;lnen verwoll'-uden
Behörden - - es waren vier: Kämmerei, W'emkeiier. Wotto, Mai">>iall —
Bürger als Beisitzer zuzuordnen. Das geschab Ostern 140(1 Theilnahnie
an Ausübung der Genchti^barkeit wurde nicht begehrt; dass sie der
Obrigkeit allein zukam, stand nach damaliger Anschauung ausser Frage.
Nach einem Jahre wollte der Rath die Einrichtung wieder aufheben, aber
die Gemeinde gab es nicht zu, stellte yielmehr die neue Forderung auf,
dass sie einen wesentlichen Antheü an der Rathswahl haben wolle.
Darüber wurde lauge hin und her Terhandelt. Je bestimmter der Rath
erklärte, dass er um seines dem Kaiser geleisteten Eides und seiner Ehre
willen, aber auch wegen der Stellung der Stadt in der Hanse und m den
auswärt i*;< i) Fügten in dieser Beziehung nicht nachgeben könne, desto
beharrlicher blieb die (ii ineinde bei ihrer Forderung. Zwar kam es nicht
zu <it \valtthätigkeit4^n, aber die Hnltiing der Menge wurde ininier drohender,
Clefahr war vorhanden. Zu Anfang des April 1408 erfolgte die Ent-
scheidung. Der Rath war versauuuelt und verhandelte üliei die Raths-
wahl. Die Menge tobte umher. Die anwesondon Mitglieder des Ausschusses
erklärten, sie würde sich nicht beruhigen lassen, und baten dringend,
uachzugeben. Endlich trat einer von ihnen, Eier Stange, zu dem wort-
habenden Bürgermeister Marquard von Damen, mit der Frage: was darf
ich sagen? Er antwortete: sagt, was ihr wollt. Das Wort war nicht
zurückzunehmen. Die Rathswahl war zugestanden. Die grössere Anzahl
der Rathsmitglieder, im Ganzen vierzehn, yerliess nun nach und nach
freiwillig die Stadt, nur zehn blieben zurück. Diese, schon an Zahl zu
ii^ring um die Stadt zu verwalten und Recht zu sprechen, üborheferten
dem Ausschuss die Bücher und Siegel. Man li(*ss sie dann unbelästigt in
der Stadt l>leil)en I>ie Gemeinde wählte t inen neuen Rath und nahm
eine neue Raths Wahlordnung an, durch wulcho auch die Handwerker
mthsfshig wurden.
Den Au.<3gewanderten blieb Nichts (ihrig, rU ihr Recht bei dem
Kai.^er Ruprecht zu suchen, der sich in Heidelberg aufhielt Dahin
begaben sich Jordan Pleskow und Reimar von Oalven. Aber auch der
neue Rath unterliess nicht, Abgeordnete dahin zu schicken und die Hülfe
des Kaisers anzurufen. Der alte Rath hatte Ruprecht niemals anerkannt,
ihn auch niemals die Stadtsteuer entrichtet Die Abgeordneten des neuen
Raths konnten sich daher einen angenehmen Empfang bereiten, indem
de die acht Jahre lang rückständig; gebliebene Steuer auf einmal dar-
boten. Doch konnte der Kaiser dem l^echte nicht wehren und es niüehien
iiiK'h wohl die anc vielen Städten an ihn gelangenden Klagen, dass da.s
Haupt der Hanse geiaileu t^ei, Eindruck auf ihn machen. £r versuchte
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eine gütliche Ausgleidiuug des Streits, aber iimsoust, da der ueue Rath
darauf nicht eiagiug. So kam es denn am 28. Juni 1409 zur gerichtlichen
Verhandlung, wobei der Spruch zu Gunsten des alten Raths ausfiel. Da
der neue Rath nicht nnr das Urtheil gftnzlicl) ignorii te, sondern sogar so
wv'ii ging, «lie Güter der Ausgewanderten zu confisoiren , riefen Letztere
noehniiils die IlüHo de« Reichsgericlits an, und es wurde iiineu an» 2\.
November ein Scliadenorsatz von 2000 Mark Gold /.lurkannt, auch die
Acht über di'- St.ult au>ii;c.-j)ro( lien Ruprechts Ausiclit hatte sich völlig
geändert. Sein am 10. Mai 1410 erfolgender Tod brachte in die An-
gelegenheit einen langen Stillstand Als Sigismund am 20. Juli 1411
definitiv erwülilt war. eilte Jordan Fieskow sogleich zu ihm und bestimmte
ihn, die Sache wieder aufzunehmen, doch dauerte es vdederum mehrere
Jahre bis Etwas geschah. Der neue Rath that keinen Schritt. Erst als
Sigismund zu der Kirchenversammlung in Koetnitz auch die Hansestädte
einlud, hielt er es für nOthig, Abgeordnete dahin zu senden. Diese trugen
dem Kaiser ihre eigne Angelegenheit yor und erreichten, dass er in einer
Reihe von Urkunden die über die Stadt ausgesprochene Acht aufhob, ihre
Privilegien bestätigte, den neuen llatli auorkauntr, die Verweisung des alten
Raths aus der Stadt genehmigte, docli niit ilcni Zusatz, dass ihnen au
Stelle der citnliseirten (uiter billige Entschädigung gesrpben werde Der
Preis für alle diese Zugeständnisse war 24 000 Gulden. Da die Ab-
geordueten über eino solclie Summe weitaus nicht zu verfügen hatten,
beguügte Sigismund sich für den Augenblick mit 2.*5.jO (uildeu, die sie,
wie es scheint, in Kostoitz an leihen konnten. Kür das Uebrige wurden
Termine bestimmt und es sollten zuerst am 1. November in Paris oder
in Brügge IG ODO Gulden bezahlt werden. Die Urkunden hafteten als
Pfaud für die wirkliche Zahlung. Der Kaiser lieferte sie den Abgeordneten
nicht aus, sondern deponirte sie bei seinem Rathe Albrecht Schenk und
behielt sich vor, sie am nächsten St. Geoiig»-Tage (23. April X4r6) durch
24000 Gulden wieder einzulösen. Bis dahin mussten sie also ein Geheimniss
bleiben. Albrecht Schenk giu^j; mit den Urkunden nach Lübeck, über-
lieferte sie zwar dem Rathe, Hess sich aber das schriftliche Vursprechen
geben, dass von ihrem Vmlianden^'cin und ihrein Inludt vor d«'m nächsten
St Goorgs-Tage niciit die Rede sein solle. Da nun aber der neue Rath, sei
CS aus Sorglü.sigkeit, sei es aus Unvermögen, es versäumte, die auf den 1.
November zugesagte Zahlung zu leisten, gab er seine Saclie .selbst verloren.
Sigismund gerieth in Zorn, als er das Geld niclit erhielt, und sandte
alsbald seineu Ratli Jakob von Zedlitz und einen Secretär Jost Roth nach
Lübeck, um am 2S. April die Ungültigkeit der Urkunden zu erklären.
Ein änderet' Umstand kam hinzu. Die in Kostnite anwcseuden Mitglieder
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<k'ä neuen Raths hatten ausgesproclion , nur durcli sie sei Lübeck in der
Treue ^^egen den Kaiser erhalt^^n Koiii«^ Krioh von Dänemark l^oIiö
(iainit um. die Stadt vom Reioho nhwtndi^ /u tiimcIicii Erich nahm die
\'erläumdung 80 übel, dass er sänuntiiclie in Däneimark in ihren Geschäften,
sieh aufhaltenden Lübeckischen Kaulleute .scheu im Herbst gefangeo.
nehmen liess und ihre Güter confisdite. £r bestand darauf, dass er sie
nur dann freilassen werde, wenn der neue Rath ganz zurücktrete und
der alte das Regiment wieder übernehme. Nnr mit Mühe bewogen im
April 1416 noch Abgeordnete der verbündeten Stfidte, die nach Kopen-
hagen gekommen waren, ihn, dass er in eine vorläufige Freilassung unter
ihrer Büigschaft bis Johannis willigte. Die Städte empfanden es schwer,
dass dem Haupte der Hanse die gesetsmässige Regierung fehlte, der Bund
hatte damit seinen Halt und seinen Zusammenhang verloren. Wiederholt
hatten sie versucht, die Ordnung wiederherzustellen, immer \ cigel>li(!i;
jetzt fanden die zu gleiclit^in Zwecke au '.sandten Mauner, die ihron
\\V^ über Kopenhagen irenoninicn liMtrt ii, al< sie nach Lübeck kamen,
wilikoramenen unerwarteten Beistand an zwei Männern, die mit Kaiserlicher
Machtvollkommenheit ausgerüstet erschienen und bei mangelnder Kenntniss
der Verhältnisse, ihnen die eigentliche Thätigkeit gern überliessen. Da
war kaum noch eine Schwierigkeit zu überwinden, die Neuerer hatten
bereits den Boden verloren. Ein letzter Versuch, thätlichen Widerstand
zu leisten, wurde rasch und energisch unterdrückt; drei Theilnehmer
büssien ihn mit dem Tode, die übrigen mit Stadtverweisung. Am 15.
Juli zogen die noch lebenden Mitglieder des alten Raths, von der
gesammten Bevölkerung mit aufrichtigem Jubel bewillkommt und eingeholt,
wieder in die Stadt ein, an ihrer Spitze Jordan Pleskow, der unermüdote
"^u; (mpfer für die Rechte des alten Raths. Der Zug ging zuerst in die
Marien iviichü, wu eine fei< rliche Messe ;j;t'lesen wurde, dann auf das
llatliliaus. Dort führte der Kaiserliehe Gesandte, Jacob Zedlitz, die Herren
wieder auf ihre Plätze und übergab ihnen im Namen und Auftrag des
Kaisers von Neuem ihr Amt. Der neue Rath trat mit Bitte um X'erzeihung
förmlich und feierlich zurück. Der von den vermittelnden Städten verein-
barte Recess wurde verlesen und angenommen und dann zur Ktgänzung
«ies Rathsstuhls geschritten Dabei bewies der alte Rath so grosse
Miissigung, dass er fünf Mitglieder des neuen Raths in seine Mitte auf-
nahm. Die Kaiserlichen Gesandten waren noch anwesend, als von sämmt-
liehen Corporationeu, etwa neunzig, der Eid des Gehorsams und der Treue
von Neuem geleistet wurde, und nahmen ihn als auch dem Kaiser geleistet
nit«;r^reu. Aber es bedurfte ihrer Autontat nieliL mehr, die Zufriedenheit
iflit der Wiederherstellung der frühereu Zustände war allgenieiu und
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Jordan Pleskows hohe Persöolichkeit war gajiz geeignet, die Herzeu zu
gewinnen.
Nun konnte der Rath auch wieder die Geschäfte der Hanfie leiten.
Ein von vierunddreiscjig Städten heschickter Hansetag war 141 B in Lübeck
versammelt und es wurden von demselben unter andern auch Beschlüsse
gefasst, welche bestimmt waren, die Autorität des gesetsmä-^sigeu Raths
in den Stutlleu zu .schützou.
5. Abermaliger Krieg mit Dänemark. Entwickeluag bis zur Zeit
der Reformation.
Auf die fernere Eutwickeluog der Geschicke f^üheoks hat «laiin
das Verhält iiis.'i Scltleswigs zu Dänemark grossen Einfluss geübt Ks
stand zur Frage, ob das Herzogthum ein freies Lehen Dänemarks sei, über
das der König nach Gefallen verfügen dürfe, oder ob den Grafen von
Holstein ein erblicher Anspruch darauf zustehe. Die Königin Margarethe
hatte solchen Ansprach 1386 bei der Belohnung des Grafen Gerhard VI.
anerkannt. Als aber dieeer 1404 mit Hinterlassung dreier unmündiger
Söhne gestorben war, versammelte Ericli bald nach Margarethens Tode
1413 ein Lt liusj^ericlit und Hess sich darin tiie freie Verfüguni:; über S( liles-
wiir '/nopii ( Iii n. Kaiser Sigismund bestätigte 1424 den Aussprueli. Dennoch
bhtb' u die }ieranwai hsei»den Söhne bei der Ansidu, dass man ihnen ihr
väterliches Krbe nur durch tiewalt, nicht durch Recht nehmen könne, und
waren bereit und gerüstet, es zu vertheidigen. Im Besitz des Landes waren
sie. Ehch wagte nicht, sie geradezu zu vertreil)en, aber es war doch ein
immerwährender, weini gleich mehrfach dui^ch WaffensüllstandsvertrAge, die
nicht genau beobachtet wurden, unterbrochener Kriegszustand zwischen
Dänemark und Schleswig, der höchst nachtheilig wirkte. Der Rath von
Lübeck war beständiger Vermittler in dem Streit und liess von Bemühungen,
eiuen dauernden Frieden herbeizuführen, nicht ab; die befreundeten
Ostseestädte Wismar, Rostock und Stralsund unterstützten ihn eifrig mid
lieu. Alle wnren überzeugt, dass das Recht den Grafen von Holstein zur
Seite stand, aU r >if haticMi Gruuü, <leni König jede thimliche Willfälirigkeit
■AU erweisen. Insbesoiulure der !\ath von l.nl.eck war ihm Im- wt-siMiilirlie
Forderung zu Dank verpfliclitet und Jordan Pleskow sein ju isimlicher
Freimd. I^ri^ h war, wenigstens nominell, Beherrsclier aller drei nordisclieu
Reiche, Däut^mark, Scliweden und Norwegen, um der Handelsbeziehungen
willen war es von Wif liti-keii, in Ii eimdschaitlichem Verhältuiss mit ihm
zu bleiben. Aber der König machte es unmöghch. Nicht nur in Bezug
auf Schleswig war er su keiner Conceeeion tu bewegen, sondern auch sonst
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eigenwillig und Ifluuisch, und schliesslich legte er ein^ ZoW auf die
Schiffahrt durch den Sund, der anfangs hei dem Schlosse Krok in der
Nähe von Elseneur, später in dieser Stadt selb.«! erlioben wurde. Dass er ihn
auch von den ilunwestädten forderte, war entschieden eine V'orletzung der
von ihnen erworbenen Pnvilcf;;ien. Es musste zum Kriege kommen, und
vielleicht war es nur der Einfluss Jordan Pleskows, der bis zu dessen
Tode. 1425, den Ausbruch verhinderte. Im September 1426 erklärten die
weadkcheu Städte den Krieg, und im Frühling 1427 segelte eine Flotte
nach Kopenhagen. Der Plan, die Däuiscbe Flotte, die in einer Bucht
versammelt lag, durch Versenkung von SchifEen am Auslaufen su hindern,
misslang. Eine Seeschlacht verlief zwar glücklich; da aber die Mannschaft
sich 2U früh ans Land begab, um Beute zu machen und Schlösser zu
erobern, sammelten die Dänen sich wieder, überfielen die nicht genug
bewachten SchilTe, nahmen oder zerstreuten sie. Und davon war noch ein
weiteres Unglück die Folge. Die Flotte hatte den Auttra^ gehabt, zwei
i)el.ukne Handelsflotten, die durch den Sund segeln wollten, eine nach
Osten, eine nach Westen, zu erwarten und zu schützen. Das treschnh nun
nicht, beide Flotten tielen den Dänen in die Hände zum grossen Schaden
vieler Kaufleute; heftiger Unwille entbrannte gegen den Anführer der Flotte,
den Lübickiscbeu Bürgermeister Tidemann Steeu. Er wurde bei seiner Rück-
kehr zur Verantwortung gesogen und mit schwerem Geitogniss bestraft,
das erst 1430 etwas gemildert, 1434 in lebenslänglichen Hausarrest ver-
wandelt wurde. Es war ein geringer Ersatz, dass die LübeckiBche Flotte
die Dänische Danebrogsfahne mit nach Hause brachte. Sie hängt noch
jetzt in der Marien-Kirche, ein zweites Exemplar giebt es nicht. Dass
sie in diesem Kriege genommen wurde, steht fest; dass es im J^ire 1427
geschah, ist zwar nicht erweislich, aber höchst wahrsclieinlieh. I>er Krieg
wurde fortgesetzt, doch leitete Erich schon l-i2U Verhandlungen ein.
Hätten dama].«i die Städte die Sache der Herzoge von Schleswi«; aulgeben
wollen, so iiätten .sie sich leicht mit Erich verständigen können, aber Das
verbot ihnen die Ehre eben so sehr als das Interesse. 14ä0 sagten
Stralsund und Rostock sich von ihren Bundesgenossen los. Stralsund
wurde dazu durch die Politik sehier Landeshtt*ren bestimmt, in Rostock
brachte der neue Ratli, der nur durch die Unterstützung Erichs sich hielt,
den Entschluss zu Stande. Die vier übrigen Städte gingen 1432 In
Horsens einen fünfjährigen Waffenstillstand ein. Die darauf folgenden
Unterhandlungen, die der Lübecker Bürgermeister Heinrich Rapesulver
führte, hatten so lange keinen Erfolg, bis ein in Schweden ausbrechender
Aufruhr es für Erich zu einer Nothwendigkeit machte, die Städte zu
Freiuiden m haben. Er bewilligte dem Herzog Adolf VllL von Schleswig,
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dessen beide Brilder üizwiBclien gestorben waren (Heinrich 1427, 'Gerhard
1433), den Besitz des Herzogthains auf Lebenszeit, den Erben noch zwei
Jahre nach seinem Tode» den Städten gab er allgemein eine Bestätigung
aller ihrer Pririlegten, mid sie durften demnach die nicht besonders
genannte Freiheit vom Sundzoll als ebenfalls zugestanden ansehen. So
kam der Friede zu Wordin^ltoig am 17. Juli 1435 zu Stande, der auf
den iranzcji Ilunsobund ausgüdehnt wurde. Diiis war hauptsächlich das
V^cnlit iist liüheeks. JOlion der^^elhe Rapesulvcr, der Iii« i die Unter-
haiidluugeu gok'itet Imttt', wurde dann auch der Vermittler zwisehen Erich
•
und Schweden, und es gelang ihm, 143G eine Versöhnung zu bewirken.
Nach dem Friedensschlüsse zu Wordingl)or<]^ erfreute Lübeck sich
einer langen Zeit des Friedens. Wenn auch dann und wann einzelne
Ausrüstungen zu Wasser mid zu Lande noth wendig wurden, um die
Schiffahrt und die Waarenzüge zu. sichern, so konnte doch die Tbätigkeit
des Ratlis tlieils auf die Angelegenheiten der Hanse gerichtet sein, die
nun fast Jahr für Jahr hier Versammlungen hielt, und mit deren Geschichte
die Geschichte Lübecks eng zusammenhängt, theils konnte er für die
besonderen Bedürfnisse der Stadt sorgen. Nach zwei Richtungen macht
sich seine Tbätigkeit hauptsächlich bemerkbar. Die eine bestand in der
Krweiterunp des Stadtgebiets. Eine wichtige Erwerbung war schon 1420
gemaclit worden, Gereizt durch den Sehntz welchen der Herzog Erich V.
d(*n Slrassenriiiihei II gewährte, eroberte der Bürgermeister Jordan Pleskow
mit ilüUe Hamburgs die beiden festen Schlösser Bergedorl und Riepenburg,
und der Herzog mu^ste sie in dem zu Perleherg (Aug. 23) geschlossenen
Frieden den Städten für immer abtreten. Sie sind bis in die neueste
Zeit in beiderstädtischem Besitz geblieben, erst 1867 hat Lübeck seinen
Antheil an der Herrschaft gegen eine Geldentschädigung Hambui^ über-
lassen. Durch Kauf erwarb der Rath dann 1444 von den Herzogen
Magnus und Bernhard tou Lauenburg die Dörfer Behlendorf, Giesensdorf,
Harmsdorf und Albsfelde, 1465 und 1468 von den Brüdern Vobnar und
Otto von Ritzerau und deren Vetter Hans ihr StammRchloss Ritzerau
und mehrere dazu gehörige Dörfer, die unmittelbar an die Vogtei Mölln
grenzten. So war ein bedoutender Thpü von Lauenburg zum Verdruss
der Herzoge im Besitze Lübecks. Wiederimlle Vorsuche, welche Herzog
Jolijmn IV. machte, Mölln wieder einzniösen. misslangen, da er die Pfand-
sunmie nicht herbeischaffen konnte. Zeitweilig hatt« der Rath auch die
Herrsdialt über di« Insel Fehmani und die Stadt Kiel Fehmam wurde
ihm 14:;7 von dem Herzog Adolf VHL von Scldeswig für 18000 ff?^
verpfftndet. Kiel 146f» von dem König Christian I. für 26685 nt^f. Den
gröesten Theil dieser Summe schuldete der König einer Reihe Lttbeckischer
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Büi^er, und die Abtretung Riels war die Sicherung voUständiger Be-
zahlung. Die WiedereinldsuDg verzögerte aich bis nach Crhristians Tode
und der 1490 erfolgten Theilung des Landes unter seinen Söhnen Hans
(Johann) und Friedrich. König Hans beeilte sich, schon 1491 durch
Rückzahlung der Pfandsumme Fehmarn wieder in seinen Besitz zu
bringen. Her/o^ Friedrich fand erst 1496 die forderlichen Mittel zur
Einlösung Kiels.
Eine andere Seite <ler l iiütigkeit des Raths zeigt sieh in einer Reihe
von Bauten. Sie bezogen sich zum riiuil aut (lif Befe.stit^ung der Stadt.
1444 wurde an der Nordseite das feste Burgthor angelegt, 1460 an der
Ostaeite, der Wakeuitz, der Absalonsthurm > 1452 an der Westseite, dem
sladtaeitigen , rechten Travenufer der sog. blaue Thurm. Da auch die
Btui,'t 1 damals viel bauten und folglich auch Ziegelsteine brauchten, legte
der Rath 1462 einen eigenen Ziegelhof an. In den Jahren 1469 bis 1476
entstand das gewaltige Holstenthor, welches noch heutigen Tag^, obwohl
jetxt einsam stehend und theilweise verschüttet, eine Zierde der Stadt
bildet 1475 fing man an, am linken Travenufer Wall und Graben an-
zulegen. 1442 erschien das Ratbhaus zu klein, nicht sowohl für die
Zwecke der Verwaltung, als für die Festlichkeiten, die der Rath veranlasst
wurde, zu geben, wenn er vuriiehnie Gäste zu bewirthen hatte. Es wurde
daher der Anbau an dor Südseite gemacht, der jetzt Kriegsstube hvisht iu
dem übrigens geniuniigon (Gebäude war kein Kaum für die Kauzlei. Die-
selbe befand sich in einem langen s(;hnialeo (iebäudc an der Nordseite
dts Rathhauses, welches ausserdem Verkaufslokale für Schuster und
Lohgerber enthielt £48 hie^^s von jeher das lange Haus und hatte in der
Mitte eineu Durchgang. Der dem Rathhaus zunächst liegende Theil
wurde 1482 umgebaut, der ohne Zweifel schon damals angelegte Bogen-
gang aber erst 1614 vollendet Dadurch hat das Gebäude seine jetzige
Gestalt erhalten und hejsst noch immer die Kanzlei. Zugleich war ein
Sinn für Kunstgewerbe erwacht Die zahlreichen Werke der Kunst,
Malerei, Holzschuitzwerk und Metallgus.'i, mit denen unsere Kirchen noch
jetzt geschmückt sind, sind «um weitaus grösseren Theile in der zweiten
Hälfte des lünizchuteii und zu Anfang des Mclizelmteii Jaluliundeiis
von einheimischon Künstlern verfertigt. Nur die schon aus dem vier-
zehnten Jahi InindiTt slaiinucnden ciselirtrn luctalleneii < Irahfdatten.
Arbeiten von aus-'-mordentlicher Schönheit, sind nachweislich Handrische
Arbeit. Auch das Rathhaus erhielt einen künstlerischen Schmuck. Der
Uatii liess 1482 zwei sog. Beischlage (Bänke) vor der Eingangsthür macheu
und fügte zwei grosse geg'"=Pf'n<' Kupfcrplatten hinzu, von denen die eine
den sitzenden Kaiser (de Kaiser alsc he sittet in einer Herlicheit,
biyiiizea by GoOglc
I
-ö 44 Be-
sagt die Chronik) darstellt, wie er auch in dem kleinen Siegel (Secrei)
der Stadt vorkommt, das andere das Wappen der Stadt, den getheilten
Schild, mit einem wilden Manne als Schildhalter. Veranlassungen, das
Rathliaus zu Festlit-hkeiteii zu benutzen, ergubeu sich häufig. Eine
der merkvvünligsten war 1462 der Besuch des Königs Christian, der nebst
(lemahlin und Tochter zu einer Fürsten versa tnmhn ig uuch \\'il>n!uk
reiste. i>a er sechshundert Heiter mitbraclite, waren auch Vür.<ichtsuiays-
regehi notbwendig. 1472 kam Sophie, Tocliter des Michael Palaeologus,
Bruders des letzten Byzantinischen Kaisers, nach Lübeck, um von hier aus
über Reval nach Moskau zu reisen, wo sie Gemahlin des Grossfürsten
Ivan Wasailjewitsch werden sollte. 1478 brachte der Markgraf Albrecht
von Meissen Christine, die Tochter seines Bruders, des Kurfürsten Emst
von Sachsen, nach Kopenhagen zur Hochzeitfeier mit dem dortigen Kron-
prinzen Hans (Johann) und nahm dann auf der Rückreise mit sahlreicber
und vornehmer Begleitung mehrtägigen Aufenthalt in Lübeck. Die
Stadt stand damals in ihrer höchsten Blüthe, die bis mr Zeit der
Ixeloniiation iurtdautüte. Sie war eine der bedeutendsten llandelssliidto
und zugleich der wichtigste \\'echsel}ilatz des Nordens.
Die Stadt hatte während des ganzen Mittelalters oin Minstokratisches
Regiment. Der Rath bestand aus vier Bürgermeistern un<i zwanzig
Rjitlisherren; er hatte das Recht sich selbst zu ergänzen, ohne Theilnahme
der Bürgerschaft. Da man hei d r Wahl Bedacht darauf nehmen musste,
Männer zu treffen, die sieh in der Liage befanden, iiire volle Thätigkeit
den städtischen und den hansischen Angelegenheiten widmen zu können«
auch die Stellen, abgesehen von unbedeutenden Emolumenten, damals
noch unbesoldet waren, war der Kreis, aus dem man überhaupt wählen
konnte, wohl niemals sehr gross. Nach der Weise des Mittelalters bestand
die gesammte Bürgerschaft in und aus einer Reihe von Corporationen.
Die, nicht rathsffthigen, Handwerker bildeten längst Zünfte. Unter den
Kaufleuten bildeten sich nach <len (iegenden, wohin ilir Px'trich haupt-
^^äclilich gerichtet war. Verbindungen ( Konjpagnien) der Schoncntahrer
NovgorodfMhrer . Bergenlahrt'i-, Die Stillung dtr Schonenliihn-rKom-
[»agnie im Jahre 1378 wurde vielleiciit die unmittelbare Veranlassung zur
Gründung einer, schon oben erwähnten, Bi-üderschaft, die sich Zirkel-
gesellschaft nannte, weil die MitgUeder als Abzeichen einen Zirkel trugen.
Die Gesellschaft gab sich 14.30 schriftliche Statuten und damit festeren Zu-
sammenhang. Sie bestand damals aus zweiundfünfzig Personen, vorzugsweise
begüterten Cirundbesitzem, auch angesehenen Kaufleuten. EiTstere waren
überwiegend^ und es scheint, dass, um den patrizischen Cliaracter zu be-
wahren, einmal der Bescbluss gefasst wurde, den Handel als bürgerliche
Digitizca Ly Gu^.' .
46
Naliiung ganz aufzugeben. Dadurch wird es zu orkläreu sein, dass sich
vermutliüch im Jahre 14;)0 eine GeselLscliaft bildete, die sicli Kuulleute-
Kompagiiie nannU-. el)e!ifallR patriziachen Character hatte, jedoch, wenn
sie mit der Zirkelgeseilaehait zuaaminen traf, dies^er den X'on ang zugejstand.
Gewiss iat au dem Beschlüsse i^päter auch in der ZirkelgeseUschaft
uiclit mit Ooasequenz festgehaU^n worden. Sie war immer vorsichtig
in Zulassung neuer MitgHeder. Jeder Aufualimc ging Dicht uur ein
Vorschlag und eine Absümmung, sondern auch dieser noch eine Voi^
bespreehung durch die Bürgermeister voran. 8ie strebte dahin, eine
Vereinigung aller angesehenen Bürger zu sein und dos Regiment ku
behaupten. Das ging nicht so weit, dass sie Andere vom Rathsstubl aus*
schliessen wollte, nur eine Majorität hat sie immer bilden wollen und in
ziemlich zahlreichen Fällen Mitglieder des Rath? nach ihrer Erwählung
aufgenoiiitneii. Die Stadt hat unter solchem Rogiiui'üte sich wohl beiundeu.
Dabei blieb der Rath unbeschadet .seines An.*<eliens in Füiiluni»- mit der
Bürijerschai't, er besprach die auf^\varti<jen ADgelegeuheiten mit angeseheneu
Kaurteuten und sicherte sieh dadurch die Zustimmung der Bürger zu
seinen Massregelu. Untei* deu Staat^^mänuem der Periode ragt besonders
der Bürgermeister Heinrich Castorp hervor. Er war der Sohn eines
aus Westphalen eingewanderten Mannes, wurde 14.'i2 Rathsherr, 1462
Büigermeister und starb 1488. Obwohl er Mitglied, vielleicht Mitstifter
der KauAeute-Kompagnie war, zog doch die Zirkelgesellschaft alsbald
nach seiner Wahl in den Rath ihn zu sich. Sein Grundsatz war: ver-
haudeln, nicht Krieg führen, und in der That hat Lübeck, so lange er
lebte, keinen Krieg geführt. Als 1454 durch den Abfall mehrerer Stttdte,
iDsbeBondere Danzigs, vom Deutschen Orden ein schrecklicher, viele Jahre
dauernder Krieg zwischiii Polen und dem Ordon ausbrach, an dem auch
Dänemark als Verbündeter des Ordens tlieiinahui, war Lübecks Stellung
so U(it'utond. dass der Rath von mehreren Seiten ^'t lu ten, vom Kaiser
sognr aufgt lordert wurde, Frieden zu stiften. Zu diesi ni Zwecke ging zuei'st
der Bürgermeister Johann Lüneburg zu König Christian i. und bewog
ihn wenigstens zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand. Dann
unternahm 1464 Heinrich Castorp eine mehrmonatliche beschwerhche
RfiiBe zu Wasser nach Danzig und von da zu Lande nach Thom, die,
«enn sie auch ihren eigentlichen Zweck nielit sofort erreichte, doch
heilsame Folgen hatte.
Eine besondere Schwierigkeit lag in den Verhältnissen der Skandina^
vischen Reiche, und dabei war Lübeck als Nachbarstadt Holsteins immer
vorzugsweifie, bisweilen allein betheiligt Christian I.. ans dem Hause
OWeuburg, war seil 144Ü König von Dänemark und als solcher in
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-ö 46 e*-
Gemässheit der 1897 von der Königin Margarethe gestifteten Kalmarischen
Union zugleich von Norwegen unH Schweden. Nach Adolphs VI II. Tode
u'unit' er 145t» auch Herzoi; von Schleswig und Graf von Flolstein. das dann
1474 vom Kaiser ehentalls /um Ih-r/ui^thnm erhoht ii wurde. Er war also der
|>oliti.'<elH' Beheri'scher aller lier Ciol'i<*U\ in welclnMi Jie flnnse und vorzugs-
weise Lübeck gewisserniassen die merkantile i^lerröchalt besass und grosse
Vorrechte erworben hatte. Da Schweden den Geliorsani häufig versagle
und nur mit Wattengewalt bezwungen werden konnte, war in solchen
Fällen eigentlich jeder Handel mit dem I^ande, tds Stärkung des Feindes
durch Zufuhr und Abfuhr, eine indirekte Feindseligkeit gegen den König«
und einzelne Heibungen konnten nicht ausbleiben. Allein Lübeck war eine
mächtige Stadt, und er konnte ihre Unterstütsung nicht entbehren, sie
lieferte ihm gelegentlidi Geld, Waffen und Lebensmittel, er war daher
rücksichtsvoll und massvolL So lange er lebte, kam es nicht zum Kinege.
Anders wurde die Lage durch seinen Sohn, den König Johann. Er traf
hinsichtlich des Zolls Massregeln, welche die Interessen der Städie
verletzten, und zögerte nn't der iicsiatigung ihrer Privilegien. Sie erfolgte
erst 14H9 und nicht ohne Vorbehalt. NaflnieMi er eine Niederlage
durch die Ditmar>«lion erlitten hatte, empörten sich 1;"»U1 die Schweden,
und da die Stadt Lübeck seinem V' erlangen . allen Handelsverkehr mit
dem Lande abzubrechen, nicht .«ofort nachkam, ent^itand ein Krieg. Oer
als i>äpHtlicher l^egat in Norddeutschland sich aufhaltende Kardinal
Raimund Peraudi vermittelte loOS einen Friedeusschluss. Der König
versprach, die Privilegien der Städte anzuerketmen und den Werth von
fünf Lübeckischen Sdiiffen und Ladungen, die seine Auslieger genommen
hatten, xu ersetsseu. Der Rath von Lübeck versprach, die Befreiung der
bei einem Besuche in Schweden dort als Gefangene zurückgehaltenen
Königin zu erwirken und Bemühungen anzuwenden, um die Schweden
zur Anerkennung der Herrschaft des Königs zu bewegen. Zui- h'rlüllung
des er.steren Versprechens sandle dei- Rath zwei seiner Mitglieder, Hermann
Mes.smann und Bercnd ßomliauer, naeh Slockliohn, welche die Freigebung
der Königin erlangten, r)«M' Schwedische Reichsrath erklärte dabei, dass
es aus Achtung vor dem Käthe von i^übeck, nicht aus Nachgiebigkeit
gegen den König geschehe. Die weiteren Verhandlungen hatten grosse
Schwierigkeit, er.<t löOT verstand eich der Ueichsrath zu einer jährlichen
ZalüuDg an Dänemark. Der König war damit nicht befriedigt, und seine
feindselige Gesinnung gegen Lübeck, das von der Verbindung mit Schweden
nicht ablassen wollte, dauerte fort Die Stadt hatte 1508 eine dreijährige
Fehde mit Mecklenburg wegen des Dassower Sees glücklich beendigt und
fand sich 1509 abermals in einem Kriege mit Dänemark. Der König limdete
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-ö 47 ei-
[«rerm Hell Truppen in Holstein nnrl venÄ'üstote das Läbcckische Gebiet.
Du fein Bruder P'rieurivli, Ih-r/iig von Schleswig Holstein, neutral blieb,
konnte er si( Ii nicht lange iialti ii. Dii' Liibeekische Flotte machte Raub-
ioüge auf den Dänischen [nseln Lanj^n-lainl, Laalund und Moen. fand auch
dreimal Veranlassung zu Kämpfen mit «ler Drinischen, die ohne Ent-
scheidung blieben, zweimal bei Bomliohn, oiumai bei Heia. Kaperbriefe
wurden von 1)eiden Seiten ;ms<^egeben, von dett Dänen au Severin Norl)y.
Endlich wurde 1612 der Friede zu Malrooe geschlossen. Ds wurde ie»i'
gesetet, dass die Entscheidung über Schweden vienindzwansig MttODern,
acht aus jedem der drei Reiche, unter Vermittelung der Städte überlassen
werden solle, und die Städte verpHichteteu sich, falle Schweden sich der
Entscheidung nicht fügen wolle, sich des Handels dahin zu enthalten.
Lübeck Terstand sich für die nächsten zwölf Jahre zu einer jährlichen
Zahlung von 2500 Gulden. Djigegen vei-sijradi der König; den Städten
die Aufrechthaltuiig ihrer (ierechtsamo und Gewohnheiten. Er starb im
Inlirciidt ii Jalire. Sein Nachfolger Christian II. nniclite sich unujöglich
und mu.sate 1622 da« f. and verlassen. Der Herzog Friedrich von
Schleswig-Holstein wurde, zunäciist von den Jüten. «gewählt Ehe er dem
Kufe folgte, kam er am 2. Februar morgen» um vier Uhr, also nach
einem Dächiliclieu HiUe, mit fünfundzwanzig Bogleitern nach Lülx ck, um
sich (Ue BundeagenosseuHchaft der Starlt zu .siehera. Uni dieselbe Zeit
war schon eine Lübeckische Flotte auf dem Meere, uin Gustsv Wasa,
der als Flüchtling, Hülfe suchend, nach Lübeck gekommen war, in
fieuiem Kampfe um die Herrschaft in Schweden zu unterstützen. Dir
überlieferte die in Stockholm noch beHndlichc Dänische Besatzung im
Juni 1523 die Stadt, und aus den Händen Lübeckischer Rathmänner
nnd Flottenführer, Berend Bomhauer und Hermann Plönnies, enii)fing
der eben neu gewäldte König ^4ciMc lluüpi.>^iadL
6. Die Reforination. Wullenwebar. Letzte KriegfQhrung.
Da;* Zeitalter der Reformation brachte grosse Veränderungen hervor.
Luthers Lehre gewann, «)l)aM sie virkündigt wurde, durch ihre innere
Kraft in Nord imd Süd die Gemütlier. Die Lübe(;kcr Bürgei>tchaft
lernte sie zuerst in Hamburg, Wismar und hauptsächlich in Oldesloe
kennen, wo sie geduldet wurde, und hing ihr an. Der Rath that was
er konnte, ihr den Eingang in Lübeck zu wehren. Er verbot die
Sciuiften Luthers und bestrafte diejenigen, die sie besassen, mit Geld-
bussen und Gefängniss. Zwei Geistliche, die sie lelurten, Johann Walhof
iu der Marien-Kirche und An<lretts Wilins in der Aegidion-Kiivhe, wurden
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aus der Stadt verwiesen. Aber die neue Lelire hatte schon sichern
Boden ^woimcn. Die finanziellen Hülfmiittel der Stadt waren damals
(*r«'liö]»tt, und »Ict Ratli bedurfte 1528 «ler Zustiniuiun«; der Bür<»:erseljalt.
um neue Abgaben einzufühlen. Sie u iderspraeli nieht. bewilliirte aber
zunäelist nur auf ein .lalir un«l verlantrte und errei'liii zuuKieli »lie
Niedersetzung tiiic- AusseiaiJsses von 36 l'ersonen. welehe den rielitigen
Eingang und die rielitige \'erwen<lung des bewilligten Geldes mit übei-
waciien sollten In diesem Ausschuss. der nach und nacb auf 04
Personen veistärkt wunle. war nun ein gesetzliches Organ vorhanden, durch
welches die Gemeinde dem Käthe ihre Forderungen vortragen konnte,
die sicli ausschliesslich auf kirchliche Angelegenheiten belogen und
immer entschiedener und dringender wurden. Im I^ufe des Jahres 1529
machte der Bath die Beschlüsse des Reichstags zu Speier bekannt stellte
auch vor, dass es der Stadt Kum Nachtheile gereichen werde, wenn sie
den Kaiser erzürne, aber er erreichte damit Nichts. Zu Anfang des
Jahres 1530 nnisste er die beiden verwiesenen Prediger zurückrufen und
nocli drei andere lutherisch gesinnte anstellen, so das< jede Kirche einen
hatte. Kl- gab iiint-n ihe liehi'e frei, vt i liiiiLrte aber, tlii* k.nlinlisi ln'n < iebräuche
um.ssten bis zma Ausgange des iieichstags ungeündert bleiben.
Üennocli verrichtet^-' einer dcM* (Jeistlichen eine 'Panfe in DeuUnüier
Spraclie. w eil es zur Verkündigung des göttlichen Wortes gehöre; ein anderer
verlheilte das .Vbendniahl unter beiderlei Gestalt. I)ie Katholiken feierten
1530 das Frolmleichnamsfest noch einmal durch die übliche Prozession,
an der Rathmttnner und anwesende Hansische Gesandte theilnahmen,
aber sie wurde viel&ch gest&rt und es war das letzte Mal. Die £nt
Scheidung war nahe. Am SO. Juni. Abends 6 Ulir, nachdem die
Gemeinde den ganzen Tag dicht gedrängt im Rathhause imd auf dem
Markte gestanden hatte, willigte der Rath in die Abschaffung der
katholischen (Jebräuche. Davon wurde sogleich in allen Kirchen uiul
Klöstern Anzeige gemacht. Der Kalb gab auch zu. <la.ss zwei Männer
nach \\ itU nberg gingen, um einen Main» zu linden, der eine neue
Kirchenordnung entwerfe. Sie bracliten Johann iJugeuhagen. der an»
2Ö. Oktober hier ankam und freudig begrüsst wurde. Inzwischen waren
auf Betrieb des Ausschusses aus den Kirchen und Klöstern die goldenen
und silbernen (iernllie weggenommen und an die Tresekammer in der
Marien-Kirche gebracht. Man fürchtete, dass die Priester sie sich aneignen
möchten. Es sollen 96 Centuer gewesen sein. Ein Verzeichiüss wurde
angefertigt. Die Gemeinde errichtete noch einen weiteren Aueschuss
von hundert Personen, um nidit so häufig wie bisher zusamnicnberufen
zu werden. Im 64er Ausschuss befand sich schon damals Jüi^eu
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(Geor^) Wiill< iiwt'ber, ein huh Hamburg einf^ewamlt rtvi Mann. <ler
kaiifrnanuisciR* (J(>scli9ft(' betrieb uud durch Eifer und BertJilsauikeit
^rossiMi Einflu8s gewann.
Bugerümgeu hatte schon in Hamburg und in Braunschweig eine
Kiruhonordumig zu Stande gebracht und war mit der Sache vertraut
Der 64er Auh8c;}iusb ordnete ihm eüüge Mitglieder zu, der Rath gab ihm
die beiden Rathmänner Godert von Höyeln und Heinrich Castorf zu Hülfe.
Da die Armenpflege bisher ganz Yon der Kirche oder von kirchlichen
Instituten ausgegangen war, musste auch dafür eine neue Ordnung
^nesebaSen, zugleich auch für Schulen gesorgt werden. Das Alles geschah
im Laufe des folgenden Winters. Man wandelte das Franziskaner-
(Catharinen-) Kloster in eine lateiniselie Schule um. Das Dominikaner-
(lUirg ) Kloster wurde 7A\ einem Aniini- und Krankciiluuise eingerielitet.
Das f'isterzienser- (Joliannis-) Xonnciiklo^ter liess njau auf (hiugvii«leii
Wunsch des Raths in soineni Bestände. v( i l.ingte nur. dass es nach un«l
aacii evangelisch werde, und duss die C'onventualinnen sich dem Unterrichte
der Mädchen widmeten. Aus dem cj-st vor Kurzem als Er/äehimgsanstalt
für Bürgertöchter erbauten St. Annen -Kloster wurden die Nonnen
entfernt. Das Gebäude erhielt vorläufig keine andere Bestimmung. So
wurde die Kirchenordnung am 18. Februar 1531 vom Ruthe und dem
Ausschüsse angenommen.
Nicht lange darauf, am Osterabend, verliessen die beiden ältesten
Bürgeniieister, Nicolaus Brömse und Hermann Plünnics, hehnUcli und in
Verkleidung die Stadt, um in Schönberg eine Unterredung mit dem
Herzog .\lbrecht von Mecklenburg zu haben, aber sie kehrten nicht
zurück. Das erregte gi-o.sse liDiuhr, Man fürchtete, sie würdin zum
Kai.<er gehen uml IciudseHge Massregeln gegen die Stadt zu Wegf
bring^'n Wnllen\v< bt r w in de n\\ <len Rath gesandt. \m\ Auskunft zu
fordern, welche dieser niclil geben konnte. Es war nun dem Kaiser
j;cgenüber von grosser Wichtigkeit, die Verhältnisse so einzuricliten. (\nm
der Rath als in völliger Uebereinstimmung mit der Bürgerschaft erschien.
7m diesem Zwecke musste die Partei der Bürger im Rathe verstärkt
werden. £r bestand damals nach Entfernung der beiden Bürgermeister
aus fünfzehn Personen, sollte aber nach der allgemeinen Ansicht aus
vierundzwanzig Personen bestehen. Man verlangte von ihm, dass er
nenn neue Mitglieder wähle, und die Ausschüsse brachten ihm, indem
sie sich über sein Selbstergänzungsrecht einfach hinwegsetzten, neun
Personen in Vorschlag. Der Rath Hess sich den Vorsclilag gefallen,
wollte aber die beiden Bürgermeistorstellen noch nicht als rrl» digt
uiisehcn. und wählte uur sieben. Kr wühlte dujch das Luos. Darin lag
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wahrsrli» iiilicli d( r Grund, dass Wullcnw « hör noch nicht in den Rutii
kaiii. 1-1 si.iinl schon in gro.H.scni AnscIicn und fand bald Gelegeulicit,
noch nu'ln- Ik i n «irzutreten.
Gleichzeitig nämlich wurde Lübeck auch in die äussere, Politik hin-
eingezogen. Cbriatian II. war nach Holland gegangen und betrieb
dort Küstungen, um die Herrschaft wiederzugewinnen. Seit lauger Zeit
war es das Bestreben Lübecks, die Holländer, wenn nicht von der Fahrt
in die Ostsee ganz auszuschliessen, doch darin wesentlich zu beschrllnken,
so dass sie nur mit einer gewissen Anzahl Schifte kommen und nur
gewisse Waaren bringen und zurücknehmen dürften. Zu erreichen war
der Zweck nicht ohne die Mitwirkung Dänemarks, welches den Sund
beherrschte. Lag es nun übrigens nicht im Dänischen Interesse, die
Ooneurrenz, welche die Holländei- den Han>«a^tädten und namentlich
Lübeck machten, zu hindern, .so war doch jtt/t liu* Friedrich I , da er
sich von Christian H . <ler noch eine bedcutciHic Partei .'^(twolil in
Norwo<:cn als in Dänemark für sich hatte, bedroht LülKck!? Hülfe
unentl»eiirlich, und er mus.^te sich willfährig zeigen, ha Spätherbst 1531
landete in der That Chrif^tian mit einer Flotte in Norwegen. Sogleich
wurden Sciü^fe ausgerüstet, um einen Augri£[ abzuwehren. Im März 1532
begannen in Kopenhagen Verhandlungen über gemeinsame Massregeln
zum Schutz gegen ihn, und damit verbanden sich auf Betrieb Lübecks
Verhandtungen über Massregelu gegen die Holländer. WuUenweber
nahm daran Theil. Er war es, der mit Eifer und Energie auf Gewalt
drang, aber nur über ein vorläufiges Verfahren konnte man sich einigeo.
Die Verhandlungen wuixlen im Juli fortgesetzt Da kam unerwarteter
Weise Christian tl., einer Aufforderung des Köuigs Friedrich folgend, auf
die Rhede zu Kopenhagen. Er hatte hIcI) bewegen la-ssen, mit dem
Köüige, seinem Oheim, in per.'^öuliclie Verhaiullnngen zu treten, und Cf-
w;ir ihm dafür sicht i« s Geleite zns;< «s'.sit. auch für den Fall. da.«s me er-
folglo.s bleiben solllru, unver.^ehrl*' i\ri< kk^Oir nach Norwegen in Aussicht
gestellt. Als er aber kam. erlaubte der König ihm niclit, zu landen,
sondern brachte ihn nach Sonderijurg, einem festen Orte auf der
Insel Alsen, und hielt ihn dort gefangen. Von ihm drohte dann keine
Gefahr mehr.
Lübeck hätte nun am liebsten den Krieg gegen die Holländer sogleich
begonnen. Die Unterstützung, die sie Christian H. gewährt hatten, erschien
als hinlänglicher Grund, sie feindlich zu behandeln. Aber Friedrich war
dazu nicht zu bewegen. Er schickte indessen einen Gesandten nach
Amsterdam und forderte einen Schadenersatz von 300000 Gulden,
schickte auch in Verbindung mii Lübeck eine Gesandtschaft au deu
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Burgundischeii Hof, um das V^erhältniss zu don Holläoderu festzustellen.
Viele Monate gin;^* n hin mit Vorhandlungoii, die Erfolg nicht liabeii
konntei). Der am 10. April 1533 eintreteude Tod des Königs FnedhcL 1.
veränderte pochmals die ganze Lage der Dinge.
Lübeck stand nun allein. Hier war am 21. Februar Wullen weber
in den Rath gewftblt und schon am 8. März zur Bürgermeisterwurde
erhoben. Die Verdrängung der Holländer aus der Ostsee war nun das
nächste Ziel seines Strebeus, und die Bürgerschaft war damit völlig ein-
verstanden, sie sah darin eine Lebensfrage. Da man, um das Ziel zu
erreicheu, auf Krieg gerüstet sein mus.*^tc, wurde der auf der Trese
aufbewahrte, schon uiulit mehr uiivtir.st'hrte Vorrath au Kik ln'iiguiaLlieu
volk'ihls eingeschmolzen und v^rwatidt Unter einem kiihiMu unter-
nehmfiidcn Fülncr. .Nhirkus Mcyor, sr^'Uc (Muc Flotte aus. Zugleich
versuchte man, Bundosgonossen zu gewinnen, verhandelte im Juni und
Juli in Koponhagon, wohin Wullenweber selbst ging, mit dem Dänischen
Reicharath» doch ohne Erfolg. Nocli weniger war bei Gustav Wasa zu
erreichen, der ohnehin schon durch die Forderungen, welche Lübecker
Bürger wegen der geleisteten Hülfe au ihn machten, gereizt war und nun
mit der Stadt völlig zerfiel. Auch dte Ostseestftdte waren nur theilweise
zu bewegen, auf die Lübeckischen Pläne einzugehen, namentlich wollte
Danzig seinen freien Handel nicht beschränkt wissen. Da auch der
Kaiser die Holländer als seine Unterthanen in Schutz nahm, überdies
ÜDwillen g' gen die ihm ungehorsame Stadt Lübeck hegte, war die La^e
»ciiwiciig. Der auagesandten Flott gelang es zwar, einige holländische
Schiffe im Sunde zu iielmit n und die Fahrt der Holländer in die Ostsee
m hescliriuiken, aber grosb war <i«'r Erfolg nicht. Man koiuitc es nicht
vermeiden, auf direkte Verliandiuugen mit ihnen, zu denen sie sich
erboten, einzugehen, '^if fanden im März 15:U in Hamburg statt.
Wullenweber erschien dabei, abweichend von der sonstigen .\rt hansischer
Abgeordneter, in einem prächtigen Aufzug und führte eine anniassende
Sprache. Sachlich erreichte er Nichts, erregte nur Anstoas und kehrte
daher noch vor Schluss der Verhandlungen nach Lübeck zurück, um
wenigstens hier seine Stellung zu behaupten. Die vermittelnden Städte
Hamburg, Bremen, Lünebujg und Danzig brachten es endlich dahin,
dass ein Waffenstillstand auf ein Jahr abgeschlossen wurde, jedoch ohne
dasB die Holländer den Forderungen Lübecks in irgend einem Stücke
nachgaben. Aus diesem CJrunde ist der Vertrag nicld zum Vollzuge
gekommen, wenngleich faktisch Hnho eintrat. WulU nwi Im ns EiuHuss
stieg um die.^f Ya-ü noch dadurch, da--^ dif jiiiii;*'!! Mit^li« d« r «!<-- Kaihs.
die nicht auf seiner iScite sUmdeu, bewogen wuiden, iruiwiUig uu:^zulreten,
4*
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luia tluicli ihm ergebene Männer ersetzt wurden. Aber er selbst fasate
nun andere Pläne.
Der Däui.scht; Rcii hsratli hatte nach Frie<hi( h< 1. Tode bft.«Jchlos.<;on,
die Wahl eines neuen Königs erst nach VerUiuf eine.s Jahres vorzuneJimen.
Jeiaiy im Sommer 1534, sümd .sie bevor, und Wullenweber beschlos».
Alles aufzubieten, damit bei dieser Gelegenheit zugleich Lübecks Stellung
in Dänemark für immer gesichert, der Ausschluss der Holländer von der
Ostsee und Lübecks Herrschaft über dieselbe und über den Sund erreicht
würde. Leicht gewann er die lebhafte Zustimmung der Lübecker
Gemeinde für solche Pläne. Er be.schlos8 also, den einst unter Verletzung
eines zugesagten sicheren Geleits, für welches auch die Hansestädte sich
verbürgt hatten, gefangen genommenen Christian II. zu befreien und auf
den Thron zu bringen. Ihm liing ein grosser Theil dos Volkes noch an.
und niunentlich waren die Bür^^ermoister der beidt^n wichtigsten am
Sunde gelegenen Stildte, Ko|(cnl!;iL'eT) und Malmoc, ümi irgubuu. Mit
beiden, AnibrosiuH liokliindor uiul .lürL^en Kock, knüpfte Wullenweber
Unterhandlungen au und gewann sie. Er gewann aucli den Grafen Christoph
von Oldenburg, einen erfahrenen Kheger, Verwandten de."" Dänischen
Königshauses, der sich bewegen h'css, in eignem Namen, mit Unterstützung
Lübecks einen Kriegszug zur Befreiung Christians iL zu untemehmsD.
Es wurde für zweckmässig gehalten, mit einem Einfall in Holstein den
Anfang zu machen. Da man dort in keiner Weise darauf vorbereitet war,
gelang es leicht, die bischöfliche Residenz Eutin und mehrere Schlosser,
insbesondere das wichtige, an der Hamburger Landstrasse gelegene Trittau,
zu erobern. Bald aber eilte Christian HL herbei und hemmte die
weiteren Fort^schritte Graf Christoph überlies die Führung dieses Krieges
der Stadt Lübeck, um >i(jh luu li Seeland einznx hillen.
Vor der Abfahrt i*ing er oiuc Reiht« von Verpflichtunmn ein.
Unter andem verspracli er, den zu tiolrcicnden Kunig zur \*(rfnL:nnt^
des Raths- von Lübeck zu stellen, ihn zu bestinunen. dass er dur iSUuh
400i)(JO Gulden als Ersatz der Kriegskoston bezahle und bis zur Zahlung
ihr die Städte Elseneur und Malmoe in Pfandbesitz gebe, zu bewirken,
da.«s Eimichtungen getroffen würden, durch welche dem Rathe eine
Mitwirkung bei der Wahl eines Königs nach Christians Abgang gesichert
werde. Fanden wirklidi die Versprechen Erfüllung, so wurde auch
erreicht, waa in Lüheck als das Höchste galt, Beherrschung der Ostsee
und Ausschluss der Holländer. Am 22. Juni landete Graf Christoph in
Seeland, nahm am 13. Juli die Stadt Kopenhagen ein, am 25. ergab sich
das SchloRs. So war er Herr von Seeland, gewann auch nach und nach
Laiigeland, Laalaiiu. i'\il.ster, Schonen, iialland und Blekingen. Der
Anfang war also günstig.
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H3 53
Darüber hatte Wullenweber sich niemals getäuscht, dass die Hülfs-
mittel einer einzelnen Stadt nicht ausreichend seien, das Unternehmen
flurclizululireii. I^uudesgenosjsen suchte er daher, wo er f^ie fmden zu können
j;l:iuljte. Nicht blos mit den von Alters her befreundeten Städten wurden
VeriiaiKUuiigin angeknüpft, sondern auch mit mehreren Deutscbon
Für«tf'n. nanienthch dem Herzog Albrecht von Merklenbnrjj: und dem
ivurlürsteu Johann Friedrich von Sachsen, sogar mit England und
Frankreich, selbst mit der Kepfentin der Niederlande. Da er aber immer
nur die dänisclie Krone als Preis hinstellen konnte, das eigentliche Ziel
seines Strebens, die Herrschaft über die Ostsee, nicht aussprechen durfte,
da er über den Weg, auf welchem dies Ziel zu erreichen sei, sich selbst
nicht klar war, auch bei der Mannigfaltigkeit der in Betracht kommenden
Persönlichkeiten nicht klar sdn konnte, mussten alle Verhandlungen ohne
Erfolg bleiben. Das begonnene Unternehmen war gewaltig, musste aber
als aussieht.«ios erecheinen. Ohnehin konnten Fürsten weder Neigung
noch Vertrauen zu der deniokmli.schen Stadt haben.
Klarer und einfacher war Christians III. Stellung. Er land keine
Sf'hwierigkeit, sowohl bei dem Adel «eines Landes als bei fremden
Fürsten, diejenige Hülfe zu erlangen, deren er zunächst bedurfte, Geld
and Truppen. In zwei Monaten hatte er ein Heer beisammen, dem Lübeck
kein gleiches entgegenstellen konnie. Die rasch gewonnenen Vortheile
gingen wieder verloren. Christian eroberte sogar Travemünde, wenigstens
die Stelle, wo es gestanden hatte, denn die Bewohner hatten auf Befehl
des Raths den Ort vorher verlassen und anzünden müssen. Ohne Nach-
tbedl konnte er sich eine Zeitlang entfernen, um die von den Jüten
angebotene Königskrone anzunehmen. Nach der Rückkehr zog er in die
unmittelbare Nähe der Stadt, schlug sogar, im September, bei Trems eine
Brücke über die Trave und breitete sich auch auf der rechten Seite des
Flus.ses bis nach Schlutu}i liin au<. Die Stadt gerieth in die au^■.serste
Bedräugniss und musste sich zur Nacli^ieluLckcit entschliesaen. Die l>e-
freandeten Fürsten vermittelten nach pilnvitii^en und lange dauernden
Verhandlungen einen Frieden, der der Stadt keine Opfer atiferlegte und
das Verhäitniss zu Dänemark unberührt liess. Am 18 Novcm1)er
wurde er in dem nahe bei Lübeck gelegenen Dorfe Ötockel&dorf abge>
schlössen. WuUenwebers Ansehen begann zu sinken.
In Dänemark behauptete Graf Christoph die errungene Stellung
zwar, aber dem anfänglichen Erfolge entsprach, zum TheO nicht ohne
Christophs eigene Schuld, der weitere Fortgang nicht. Die Schwierig-
keiten wuchsen, und es war vorauszusehen, dass er seine Aufgabe
nicht würde durchführen können, wenn er nicht bedeutende Unterstützung
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erhielt. Lübeck war Dicht in der Lage, sie gewähren zu kOuuen. Es
musste die gegen Dänemark geworbenen Truppen zunächst zu eigner
Veitheidiguiig gebrauchen, erst nach dem Stockelsdorfer Frieden konnte
es. eine nicht bedeutende Anzahl Söldner nach Seeland schicken. Ein
'Plieil derselben wurde hei eiiiein Streifzuge durch ll;ill;iiitl unter Marku>
Meyers Führung il.').');"). FrKruar 19) gefangen geiinnirnrti. der Fülirer
wurde in das 6clilos> Warberg «;elirn«'ht Nach dem Flieden luit
Lül)eek konnte Christian seine utigellteiite Macht zur Eroberung des
Landes verwenden. Von den .Tüten schon im Juli löH4 zum König
gcwahh, betrat er itn Jahre iodo Fühncn und unterwarf die Innel. Im
Juli landete er auf Seeland und wurde auch dort bald Herr. Nur
Kopenhagen und einige Schlösser widerstanden. Der Wunsch nach
Frieden wurde in den Städten, da das Vertrauen auf einen glücklichen
Ausgang verschwand, mehr und mehr rege und fand auf einem Hansi'-
tage, der um dieselbe Zeit in Lüneburg zusammentrat, lebhaften Ausdruck.
Auch Christian war zum Frieden geneigt. Als es aber zu Unterhand*
lungen kam. gingen die Forderungtii so weit auseinander, dass eine
KinigiuiL: unmöglich war. Der Weg n^^^?ste erst mehr ^relnut werden.
Hinsiciilheh Lübeck.^ geschah Das <lur( h die vom Ueichbkannnergerichl
auf eine von Nicuhuis B]'ömse im Jahr»' löHi* erhobene Klage am
7. JnH LÖH.") abgegebene Entscheidung, welclie hei Strafe der Acht der
Stadt befahl, dem gesetzmässiigen Käthe die volle (iewalt wiederzugeben.
Als d l« Kdikt zu Aniang des August in Lübeck bekannt wurde, ging
die allgemeine Stimmung dahin, dasa ihm gehorcht werden müsse. Zwar
hatten die Verhältnisse sich so gefügt, dass faktisch der Rath volle Gewalt
besass, der G4er Ausschuss machttos war, aber im Rathe befanden sich
zehn Personen, die nicht auf die gesetzmässige Art gewählt waren.
Diese l^eu nun ihre Würde freiwillig nieder. Wullenweber war, als
Das geschah, nicht anwesend, er war mit einem Auftrage an den Herzog
Heinrich von Mecklenburg gesandt Nach seiner Rückkehr schied er
«1 U nfalls Irt iwilhg aus d«^ui liaihe. Kein Arm und keine Stinnne erhob
>ich, ihn zu halten. Persördi<*he Sicherheit wurde ihm /Aigesagt. auch
gab man ilnn das Verspi r« hen. dass man ihm das Amt B* rirt dorf
übertragen wolle Unterdes.Hen hatte Nicolaus BrÖmse, oline Zweifel in
Keuutuiss des Kaiserliehen Edikts, sich nach Wismar begeben, und dahio
wurden von den Mitgliedern des alten Raths W-rhindungen mit ihm
angeknüpft. Ein neuer Kecess, der die Rechte des Raths als gesetzmässiger
Obrigkeit scharf hervorhob, wurde ausgearbeitet und von der Bürgerschaft
um 26. August angenommen. Zwei Tage später zog Brömse wieder ein«
wurde von einer zahlreichen Menge von Büxgem eingeholt und von den
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aDweeendeii Gesandteii der Fürsten und Städte am nächsten Tage in sein
Amt als erster Bürgermeist^ feierlich wieder eingeführt.
Einmal sandte man dann noch eine Flotte aus, jedoch nur, um das
\>Ai ( 'hn-iiuu noch nicht i.iiifr<'n'iMiJaine Kopenhagen mit Lel)en8mittehi
zu versehen. Feindsehgkeiton wurden nicht mehr verübt. FörmHclie
Fnedensvcrhandkmgen nuhmcMi am r». Noviniher in ITamhurg ihren
Anfang, wurden wegen der streitenden Interessen der viflon Bt i heiligten
üoclimals unterbrochen und kamen erst am 14. Februar 15.*iG zum Ab-
itchluss. Lübeck sagte sich darin von allen Plänen und Verbindungen
los und erkannte Christian III. als König von Dänemark und Norwegen
an Der König bestätigte die a^ten Privilegien der Stadt und versprach,
darüber noch eine besondere Urkunde aussustelten. Auf Ersatz der
Kosten wurde von beiden Seiten verzichtet. •
Christian wurde durch diesen Frieden noch nicht voUständij^ Herr
«eines Reichs. Graf Christoph und Herzog Albieoht von Mecklenburg
behaupteten sich noch in Kopenhagen, erat am 28. Juli 1536 gelang es
ihm, die Stadt zur Uehergabe zu zwingen. Im Herbst lö.'^5 sammelten
sieh am linken Elbufer Söldnerschuareu, die, was auch ihre Absichten
"••iii iiKKjlitcn, jedenfalls gegen Christian gebram hi werden fnllten. Ver-
umthlich war es der Wunsch, ujit ihnen in Verbindung zu treten und
weitere Pläne zu verfolgen, was Wullenwebor l)ewog, sich zu ihnen zu
begeben. Er betrat damit das (lebiet des Krzbischofs von Bremen, ge-
bomen Herzogs von Braunschweig-Wolfeuhüttel, eines ihm feindselig ge-
sinnten Mannes, ohne vorher, wie es in der Ordnung war. Geleite nach-
gesucht und erhalten zu haben. Warnimgen vor der Gefahr, der er sich
aussetzte, liess er unbeachtet Er ging in sein Verderben. Der Erzbischof
nahm ihn gefangen und warf sich, wenngleich ohne alle Berechtigung,
z\t seinem Richter auf Waren politische Handlungen Verbrechen, so
bot sein Leben Stoff genug zu Anklagen, und die Folter war ein Mittel,
< Te.*Jtiuulnisse zu erpre.s*ien. Nach langei iiuil harter Gefangenschaft wurde
er am 24 J^t ptimber li)'M in Wolfenbüttel hingerichtet Sein Tod ver-
söhnt fast mit «t'iTiem Leben.
Das Versprechen, eine eigene Urkunde zur Bestätigung der Privi
legieu Lühecks auszustellen, hat Christian III. zwar erfüllt, aber erst 1547
nach wiederholten Malmui l'mi und ohne Anführung der einzelnen Ur-
kunden, nur generell und mit dem Zusatz: „Doch uns und unsem Erben
und Nachkommen in den Reichen Dänemark und Norwegen an unsem
Hoch- und Obrigkeiten, Zöllen und Herrlichkeiten und unsem Reichen und
derselben Einwohnern und Uuterthanen, auch MännigUchen in ihren
Freiheiten, Privilegien und Gerechtigkeiten, welches Alles wir hiermit
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aufs Kräftigste und Beständigste wollen vorbehalten haben, unschädlich-
und unnachtlieillg.'' Solche Bestätigung war so gut wie keine, und
namentlich war die Freiheit vom Sundzoll in keiner Weise gesichert Das
geschah erst 1560 durch den N'^ertrag 7A1 Odense mit Friedrich II., aber
auch er behielt sich seine Hoheit vor, und so ist diese Freilieit nach uud
nach verloren gegangen.
Schwieriger uocli gestaltete sicli das Yerhältniss zu Schweden
Gustav Wasa war durch die von den einzelnen Bürgern gegen ihn er-
hobenen, allerdings zum Theil übertnebencu Forderungen so erbittert
gegen Lübeck, dass er einen Frieden üherhaupt nicht schliessen wollte.
Nur KU einem Waffenstillstand auf fünf Jahre liess er durch Christians Iii.
Einflttss 1537 eich bewegen, erneuerte denselben 1642 auf unbestimmte
Zeit, und auch 1546 kam es nur zu einem vorläufigen Vertrage auf
zehn Jahre und von da an mit Vorbehalt der Aufkündigung. Der König
gestattete der Stadt freien Handel in Schweden, „so wie des Reiches Ge*
wohnheiten es zulassen." Oustav Wasa starb 1560. Kur/, vorher, 1558,
hatten die Hussen Nurva erobert, wohin Lübeck damals einen lebhatten
und gex^inii bringen den Handel betrieh. Als nun 1561 Esthland .'>ich frei-
willig unter dui Hemschaft Schwedens begab, fordeite Gustav Wasas
Sohn uud Nachfolger Ericli XIV., dass i^übeck die Verbindung mit Narva
ganz auf^be uud sich nach Keval wende, und da dieser Forderung nicht
entsprochen werden konnte, begann er, Lübeckische Schiffe wegzunehmen.
So mussto es nochmals zum Kriege kommen. Lübeck hatte diesmal
einen Verbündeten an dem König yon I>änemark Friedrich 11.^ der mit
Erich XIV. zerfiel, weil dieser nicht ablassen wollte^ das Dänische Wappen
zu führen, und damit Ansprüche an die Fortdauer der Kalmarischen
Union zu erneuern schien. Der Krieg hat sieben Jahre gedauert
und ist mit Eifer geführt worden. Die Bürger unterstützten den Rath,
indem sie auf eigene Kosten Schiffe ausrüsteten und Geschütze giessen
Hessen. Mehrere Seeschlachten, 1504 /wischen Gothland und Oeseh 1565
zwischen Rügen uud Bornhohn, wurden rülnnlichst bestanden. löHb taiid
der Lübeckisehe Flottenführer, Bürgermeister liartlioloniiius Tinnappel.
bei Gothland in einem Sturme den Tod in den Weilen, und zugleich wurde
der grösste Theil der Flotte vernichtet. Aber 1568 war schon wieder
eine neue Flotte ausgei üstet und bedrohte Esthland und Reval. Endlich,
nach Erichs Tode, gelang es den bis dahin vergeblichen Versuchen des
Kaisers Maximilian II., einen Frieden zu Stande su bringen. Er wurde
im November 1570 in Stettm abgeschlossen. König Johann gab die
Fahrt nach Narva frei, verpflichtete sich auch zur Zahlung von
75000 Thalem. Der eigenUicbe Zweck des Krieges war also errei<^t,
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aber die Stadt hatte doch unsäglich darUDter gelitten und hat niemals
wieder Krieg geiühit. Obgleich König Johann nicht aufhörte, die
Lübeckische Schifffahrt zu belilstigen und ungeachtet des Friedens feind-
selig zu verfahren, auch die vei*pjirochene Zahlung nitjnjalfj iei^^tete, be
gnügt« doch der Ruth sich iuuuer mit Dem, was er durch Vorstellungeu
erreichen konnte.
7. Vorgänge im tiebzebntwi und achtzehntm Jahrhundert
Im Innern der Stadt gingen im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts
wesentliche Veränderungen vor. Die Aufregung der Bevölkerung hatte
sich während der Periode der Reformation auch gegen das Pati-iziat ge-
richtet und die Versammhingshäuser desselben theils beraubt, theils zer«
stOrt Beide patrizi.'«!che Innungen, die Zirkelgesellsclmft und die Kaufleute-
Konij»aguie, hörten fin- huifje Zeit aut, zu existireu. Erst nach etwa fünfzig
Jahnn fanden sie Muth, sich vviedor /u constituiren und sicli neue Statuten
zu jif'ben, ühiM- ihre ^^^cht war gebrochen. Eine andere kaufmaiuiiscbe
Zunft, die Schonenlahrer, trat an die S|»it/e der Bürgerschaft, an sie
achloe.sen (He übrigen, in mehrere Corporationen getheilten Kaufieute sich
an, und die Handwerker (Aoniter) hielten es melir mit ihnen, als mit den
Patrisiem. Die Zirkelgeselisctiaft beging ttberdiee bei ihrer Neuconstituirung
den MisQgriff, festzusetzen, dass nur Abkömmlinge von Familien, die ihr
früher angehört hatten, Aufnahme finden sollten. Schon damals waren
nur noch sieben solcher Familien übrig, dagegen waren andere Ge-
schlechter aufgeblüht und durch Handel reich geworden. Da der Rath
das Selbstoigänzungsreehi noch uneingeschrfinkt besass, wurden sie zwar
noch gewählt, aber die Majuritut konnten sie niclit langer behaupten.
Einer der grÖSHten Staatsmänner, die Lübeck jemals gehabt hat, Heinrich
Brokes. Rathmann IbÜl, Bürgermeister 1()09, gestorben gehörte
ihnen niemals an. Er luU das Ansehen und die »Stellung Lübecks nach
aussen hin noch lange aufrecht zu erhalten gewuHst, nameutlich durch
eine Gesandtschaft naeh Madrid im J. 1(505 und eine andere nach Holland
im J. 1612, durch welche eine Verbindung mit deu General.staaten ein-
geleitet wurde. In ihnen fand man nun Verbündete gegen Dänemark,
namentlich in Bezug auf den Sundzoll. Eine andere Gresandtschaft zur
Wiederbelebung des Handels mit Russland, ausgeführt von dem Büiger-
meister Cord Germers, dem sich Mitglieder des Raths von Stralsund an-
schlössen, ging 1603 nach Moskau.
Gegen Ende des Jahrhnnderts entstanden Missheiligketten zwischen
dem Rathe und der Bürgorschafi, /Auiachst wegen des Bürgereides, ob mau
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dem Rathe der Stadt oder dem Rathe uud der Stadt deo Büfgereid zu
schwören habe. Erateres behauptete der Rath, Letzteres die Büi^erschaft
£^8 kamen aber noch andere Beschwerden der manDigfaltigsten Art hinsu,
über welche man mehrere Jahre hin nnd her verhandelte, bis ein 1605
iiltgesclilossener Reces8 da.-< Einvenii tinit n wieder herstellte. Es war sehr
iiothweiiflig, «lass Dies gef<chah, denn die Verhältnisse erforderten ein-
müthifres und kräftiiie.« Zusaninieiiwirken. Die Trave, an deren Unter-
lialtung man kaum gedacht hatte, war allmäldieh so verschlammt das.*«
an manchen Htellen. zumal hei Westwinden, kaum uul)eladene, viel
weniger beladene Schiffe 1 tindurchfahren konnten. Die (5«'fa1ir lag nahe,
dass die Schifffabrt aufhören müsse. Ferner war der wehrhafte Zustand
der Stadt noch so ungenügend, dass eine Eroberung befürchtet, auf Be-
hauptung der Neutralitat bei Krisen fremder Mächte, die für den Handel
von der grOssten Wichtigkeit war, nicht gerechnet werden konnte. Die
Bürgerschaft zeigte sich bereit, die zur 'Abhülfe beider Uebelstftnde e^
forderlichen Mittel aufzubringen. Sie bewilligte eine „Zulage" zum Zoll,
auch eine Erhöhung der Mühleuabgabe und der ßieraccise. Wenn sie
dabei das X'erlangen äusserte, an der Verwendung der Gelder selbst
th( il/.\nn'liiii< II. so hatte der Rath Nichts dagegen mid Ix willigte die
Fordri'uiig unbedenklicl). In solcher Weise eulstaud zuer.^t eine 'l'heil-
nahme der Bürger an der V'erwaltung. Es hatten sich aber damals
schon zwölf Corporationen, sogenannte Collegien, gebildet, iu welche
die Bürgerachaft zerfiel. Die neue Beliörde bestand aus sechs Senatoren
und zwölf ans den einzelnen Collegien auf deren Vorschlag vom Rathe
gewählten Bürgern. Die Einrichtung erwies sich als zweckmässig, nicht
nur für den Zweck, für welchen sie zunächst getroffen war, sondern auch
für andere Verhältnisse. Der Rath fand in der „Zulags-Behörde" ein be
quemes Mittel, mit der Bürgerschaft zu verhandeln. Den in ihr ver
einigten Repraesentanten der Bürgerschaft wurden die Anträge des Baths,
zumeist nur mündlich, vorgetragen, sie besprachen sich darüber mündlich
und mit ihren ( OlK gicn und brachtf u deren Votum zurück. Veranlassung
zu solchen \ i iliaiidhnip n i rgali sich vielfach. Als Heinrich liruke- im
Mai 161.3 von seiner ütsaiidtsflialt nach Holland zurückkam, wobei t'>
sich um eine gegen r)äneniark und den damals erhöhten Sundzoll ge-
richtete Verbindung gehandelt hatte, brachte er einen Ingenieur, Johann
\ on Falkenberg, mit sich, dem die Aufgabe gestellt wurde, Iail)tek durch
V ervollständigung der schon vorhandenen Wälle, Mauern und Thore zu
einer uneinnehmbaren Stadt zu machen. Die Arbeit b^ann sogleich uud
ist schliesslich zu Ende gebracht worden, freilich erst nadi Verlauf von
etwa dreissig Jahren. Falkenberg hat sie nicht vollendet, er nahm einen
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Ruf DRch Bremen An,' An seine Stelle tiat dn anderer Holländischer
Ingenieur, Johnnn von Brfissel, der die von Falkenberg uoch mangelhaft
(•ntworfcneo Pläne nach alleu Regeln der damaligen Festungsbauknnric
orMeiterte und die Stadt 7aj einer Festung ersten Ranges machte. In
dieser Veranlassung winde 1629 die vor dem Mühlentlior am Stadtgraben
gt'l< g( n«' St. Jürgen Kapelle abgebrochen und 1645 an der Stelle, wo -^ie jetzt
steht, wieder aufgebaut. Die Bürgerschaft bewilUgte alle erforderlichen
Mittel, auch nacb Vollendung der Wälle die zur Besetzung derselben mit
Kanonen rrfordcrlichen.
In den dreissigjährigeu Krieg wurde Lübeck gegen Ende des Jahre;«
1625 verwickelt, al« der Graf Emst von Mansfeld nach unglücklichen
Kämpfen gegen WaUenstein und Tilly bei Artlenbuig'über die Elbe ging,
um in Lauenburg Winterquartiere zu nehmen. Ein grosser Theü des
Lande» gehörte damals — Mölln und Umgegend zwar nur als Pfand,
aber doch schon seit Jahrhunderten — zu Lübeck, und der Rath ergriif
anfangs energische Massregeln, um es von Einquai ticinng frei 7.u lialten.
Aber er drang damit nicht dur< li, die Besetzung dauortt' zum grossen
N'acliiiuil des Landes bis in den Frühling. Scldinuner noch, auch
schwieriger wurde die Ijago nach der Besiegiiiig Christians IV. von
Dänemark in der Schlacht bei Luttor am 28. August 162b. Wallenstein
eroberte 1(527 "Meeklenhurg. vertrieb die Herzoge und wurde später selbst
mit dem Lande belehnt. Der Kaiser fasste nun den Plan. Dänemark zu
bekämpfen und seine Herrschaft bis über die Ostsee auszudehnen. Dazu
bedurfte er der Unterstützimg der an der Küste gelegenen Städte, also
Lfibecks und der Hausestädte. Er versuchte, sie dadurch zu gewinnen,
dass er ihnen ein überaus vortheilhaftes Bündniss mit Spanien in Aussicht
stellte. Ein Spanischer Gesandter, Gabriel de Roy, der in Lübeck erschien,
tuiterstützte diese Vorstellungen, und versprach im Namen seines Königs,
da-ss nur Hansischen Schilfen gestattet sein solle, nordische Produkte in
Spanien einzuführen. Aber der Wog dahin von der Ostsee aus ging
immer durch den Sund, der unter dui' Ilerrsehalt Diuiemiirks stand, nnd
Christian I^^ unterliess nicht, durch Aufbringung Lübeckischer ^Dciiiüe
seine Macht fühlen zu lassen. Daher leimte auch ein 1628 in Lübeck
versammelter Hansetag die Anerbietungen ab. Die Furclit vor den
allm.'lhlich herantretendeu Plänen Gustav AdoÜ> lie.'-timmte endlich den
Kaiser, mit Christian IV Frieden zu machen. Er wurde am 22. Mai 1629
in Lübeck (in der damaligen Dompropstei, jetzt der Realschule) abge-
schlossen. Gustav Adolfs Landung im Juni 1630 war,; wie allen
Protestanten, so auch dem Rathe willkommen. In ein Bündnissverhältniss
mit dem König durfte er aus Rücksicht auf den Kaiser nicht treten,
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aber er verstand sich .«sogleich zu einer Zahlung von 36000 Thalem und
bat später nach Gustav Adolfe Tode dem Kanzler Oxenstierna noch
einmal 24000 Thaler gegeben. Unmittelbar ist Lübeck dann von dem
langen Kriege uielit anders betroffen worden, als indem das Landgobiet
nieltrere Male durch Einquartierungen der Heere schwer betroften wurde.
Der Handel litt hauptsächlich, als die Seliweilische Rej^ierunj^, um die
Einmiaclunig Dänemarks in die seiion begonnenen Friedeusvertiandluiigeu
zu vt'iliindern, auch dio-es Lnnd mit Krieg überzog. Torstenson erschien
im Deceuiber 1643 i)lötzlich m IIol«tein, besetzte es rasch, Schleswig
ebenfalls, und drang in Jütland ein. Auch zur See und in Schonen war
Dänemark nicht glücklich. Christian musste die Vermittlung Frankreichs
und der Generatstaaten annehmen und in BrOmsebro, einem an der Grenze
von Blekingen und Sm&land gelegeneu Dorfe, Ftiedensverhandluugen
eroffnen. Dahin sandte der Rath den Raihshenn Johann Marquard. Er
war ein Mann von bedeutender Persönlichkeit und erreichte durch seine
(Umsicht und Energie, dass Tjübeck und die Hansestädte in den am
22. August l<)4ö abgeschlossenen I'rieden löniilich uulgenuinuien und die
Handelsvortheile, welche beide Mächte sich gegenseitig zugestanden, auf
sie ausgedehnt wurden.
Dennoch legte der Krieg den Bürgern schwere Opfer a«t. Der zu
beschleunigende Ausbau der Festungswerke rings um die Stadt, die sehr
nothwendige Anlegung einer Citadelle in Travemünde, die Unterhaltung
einer zahlreichen Besatzung, die Zahlung der auf den Reichstagen unter
dem Namen von Römermonaten bewilligten Oontributionen, hitufige Ge-
sandtschaften, ausser der erwähnten nach Brömsebro eine nach Osnabrück,
wo der Syndikus Gloadn sich fast fünf Jahre lang aufhielt, eine andere
nach Kopenhagen 1648 bei der Thronbesteigung Friedridis IIL, das
Alles erforderte gro!«8e Summen. Dazu kam nach dem Frieden der
42 700 Thaler l)etiageii(le Aiiilicü Lübecks an den den Schweden be-
willi^Mcu b Millionen. Die Schweden zogen ihre Truppen nicht eher
zurück, als bis Alles bezahlt wnr. Drei Rej^iiiienter rückten im Herbst
H>49 in die Lübeckischen Dorfschaiten ein. ihnen nius.ste Sold gereicht
werden, und ausserdem verlangten und erhielten die höheren Offiziere
grosse Geschenke für sich selbst. Dennocli bebandelten sie das Land
mit so erbarmungsloser AVillkür, dass, als sie nach neun Monaten endlich
abzogen, der Ratli eine Untei'stützung von 30000 Thalem für noth wendig
hielt, damit die Leute in den Stand gesetzt würden, die nothwendigsten
Bedürfnisse wieder anzuschaffen.
Es war nicht möglich gewesen, alle diese grossen Ausgaben durch
Steuern zu decken, obwohl die Abgaben sehr erhöht waren, und man mehrere
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Male zu einer ausserordeiitlicheu Vennöjyensst^uer vod liiiem Prozent
seine Zuflucht genommen Itatte. Aiileiliun hatten aiifgenonimen werden
müs.>*en und mussten nun iortwährend verzinst werden. Unwillkürlich
lenkte sieb daher die Aufmerksamkeit der Bürger auf die Finanz-
verwaltung, die allerdings recht mangelhaft war. Neben der Kännnerei
hatten sieb in den übrigen, zum Theil neu entstandenen Behörden
ebensOYiele Elnanzbehörden gebildet, die auch, theils zu ihren eigenen
Zwecken, theile um der Stadt zu Hülfe zu kommen, selbständig Schulden
machten. Es fehlte also .dem ganzen Finanzwesen an Einheit und
Zusammenhang, an Uebeisichtlichkeit und Klarheit Dazu kam noch, dass
die Kämmerei das Vertrauen der Bürgerschaft nicht besass; man war der
Meinung, da.ss Jurcli bessere Verwaltung der StudtL'iitor grössere
Kiiinahmen zu erzielen sein würden. Ho entsUuid da.< W'iianfreu nacli
eiuer alli^enieinen Stadtkasse unter 'I'heilnahme der Binger.-^i liatt an der
Verwaltung derselben. Der Rath sah voraus, dass er da<lurch einen
gixtösen Theil seiner obrigkeitlichen Machtbefugnisse eiubüssen würde,
und widerstrebte lange. Erst als das Einschreiten einer Kaiserlichen
Kommission zur EnUscheidung des Streits unvei-meidlich schien, gab er
nach, zumal da die Bürgerschaft wiederholt versicherte, dass die Kasse
seiner Direktion nicht entzogen werden solle. So kam am 26. Juli 1665
der sogenannte Kassa-Recess zu Stande; der zweite Paragraph desselben
setzte fest, dass die Behörde aus zwei Herren des Raths und vierund-
zwanzig Bürgern bestehen sollte. Jedes der zwölf Gollegien, in welche die
Bürgerschaft sich getheilt halt«, brachte dem Ratlie vier Personen aus
seiner Mitte in Vorschlag, von welchen er zwei oiwälilte. Sie waren abei-
niemals alle zui^leich in Thätigkoit. sondci n iinnu'i', nacli eiiiciii festgeset/lon
Turnus, je vier t ine Woc In.- hindnrcli. Der Reeess l)i'<timmte auch ein
gewisses Honorar für alle MitglitHh r «h s liaths, die Bürgermeister und
die Senatoren. Zwar war das Amt ur.'*prünglich ein unbesoldetes Ehren-
amt gewesen, aber Dan hatte sich im l^ufe der Zeit geändert, die ursyminglich
unbedeutenden Emoiumente waren stark gewaclisen. Seit dem Ende des
sechzehnten Jahrhunderts erhielten namentlich die Bürgermeister und
die jeweiligen Inhaber der vornehmere Behörden, der sogenannten
grossen Officien — Kämmerei, Weinkeller, Gericht, Wette, Marstall —
unmer grösser werdende Leistungen theils in baarem Gelde, theils in
Naturalien der verschiedensten Art aus den öffentlichen Kassen. Alle
diese Leistungen sollten nacli der Absicht des Recesses aufhören, und an ihre
Stelle sollte eine Ix'^tiiunrte Summe, 10000 (nach drin Recess von IGol* 1lM)M0)
Tlialer treten, deren Vertheilung unter die einzelnen Mitglieder denj
freien Ermei^seu des liaüis überlasaen blieb. Di© Patmier haben später
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<;elegeutlicli bemerkt, dass nicht sie, soiuloni die Kaufleiite es gewesen
stjiüii, welche «his i\tjj;imem .-^d thetier gemacht und dem Gemeinweseu
eine unersduvinfjliVhe Last auleriegt hätten.
Mit den durcii den Kassn-Recess erreichten Erfolgen begnügte die
Bürgerschaft sich nicht lange. Sie glaubte, in dem Regiineut so vielo
Verkehrtheiten wahrzunehmen, <la88 es uötliig sei, ihr eine grössere Theil-
nahme daran einziuftunten. £e kam zu neuen und heftigeren StreiUgkeiteu
mit dem Rathe und bald wurde von beiden Seiten auf den Kaiser
provocirt Dieser trug dem Kurfürsten Friedrich WUhebn von Branden-
burg und dem Herzog Rudolph August von Braunschweig auf, die Buhe in der
Stadt wiederherzustellen. In beider Fürsten Auftrag erschienen deren
Räthe Otto Grote und Joachim Friedrich Söhlen um Michaelis 1668 in
Lübeck mid brachten nach mühsamen und schwierigen Verhandlungen
eine Vcreinliaiung. den Recesr^ vom \). Janu;ii ItiiiVi, /u Stande, der fast
zwei Jalirliuij( leite das Grundgesetz der Stadl gewesen ist. Hiernach
sollte (Ii i- j\.itli aus 7Avanzig. nicht mehr, Pcrsoiicii hesteln n. vier Bürger-
meistern (drei Rechtsgelehrt cn und einem Kaulmann), und sechzehn
Senatoren, zwei Rechtsgelehrten, je drei Mitgliedern der Zirkelgesellschaft
und der Kaufleute-Kompaguie und acht Personen aus den übrigen kauf-
männischen Coilegien. Handwerker blieben nach wie vor ausgeschlossen.
Das alte Gesetz, das nur Brüder ausschloss, wurde dahin erweitert, dass
auch Schwiegervater und Schwiegersohn, Geschwisterkinder und Schwe8te^
mäi^ner nicht im'RAthe sitzen sollten. Das Selbfitetg&nzungsrecht wurde
also wesentlich beschränkt. Rechtspflege und Polizei blieben dem Rathe
allein. Das Gesetzgebungsrecht aber musste er mit der Bürgerschaft
theüen. Ihre zwölf Coilegien erhielten dailurch uuu auch gesetzlich
politische Rechte, die sie faktisch schon lange gehabt hatten. Es waren
ausser den beiden genannten noch tünl kaufmäunische, Sclionen-,
Nowgorod-, Borgen-, Riga-, SLockhohnfahrer. ferner Gewaii<i.<ehiu'ider,
ivräiner-, Brauer, Schiffer, Aemter d. h. Handwerker. Das letztgenannte
weitaus zahlreichste Coliegium zerfiel in vier sogenauute grosse und
secli/ig bis siebenzig kleine Aemter. Grosse Aemter waren die Bäcker,
Sclmeider, Schuster, Schmiede. Jedes der kleinen Aemter gehörte einem
der grossen an. Der Aeltermann der Schonenfahier war Aeltermann der
Bürgerschaft Der Recess wollte möglidien Verbindungen gegen den
Rath vorbeugen und setzte daher fest, dass jedes Coliegium semen
Beschluss auf einen Antrag des Raths sdiriftlich abzugeben habe. Der
Geschätiägang war also sehr schleppend. Die auswärtige Politik musste
freilich dem Rathe überlassen bleiben, wegen der Kostbarkeit der
Uesundtächaiten über, die von iiuiieren Zeilen iu Knuneiung geblieben
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war, l)ecl!Hi«;p!i <li*» kaulniaimi-ilH'n ColU'gion sioli ilaa juia, in
HaD(lel?;aiigelegenlieileii niitzuiu^-^tiiiiiiieii, ol» eine Ge.sandiscliart nöthig
."*ei, und eintreteudeii Falls den (icsandieii des llatiis ihrerseits Deputirte
als Ratligeber bei/Aigeseilen. Sie haben aber von diesem Rechte niemals
Gebrauch gemacht
Die beiden patrizischen Ge^ellBchafteu hatten sich von den Streitig-
keiten der übrigen Bürgerschaft mit dem Rathe von Anfang an fem
gehalten, auch an den Verhandlungen der Kaiserlichen Kommissare sich
nicht bettieiligt. Gegen den Recess protestirten sie Uieils wegen der im
alten Stadtrecht nicht begründeten Bestimmungen hhisichtlicli der
Verwandtschaften unter den Mitgliedern de« Raths, theils wegen der
Vorschritt, das» nicht mehr als je drei Mitj^liidt r ihrer Collegien uleicl»
zeitig Mitglicdei" des Kntlis sein sollten. Sio uatidteii sich mit einer
Beschwerde an den Kai5?er L(!u[M>ld uuti »'rrtMciilfn in <l<'r 'Phat. das>
»ierseJl-r o!i;^lt'i( h er den Ki'cess schon Vjestatigl halle, durcii ein ferneres
Rescript vom 23. October ItnO die Bestimmungen über die Rathswahl
für unver))indlich hinsichtlicii der beiden Collegien erklärte. Aber die
Zirkelgesellschaft bestand nur noch aus sechs I'atnilien: Warendorp,
Otiten, Kerkring, Lüneburg, Wickede, Brömse. Die Warendorp wanderten
aus, drei andere Familien erloschen in männlicher Linie, die Stiten 1692,
die Kerkring 1736, die Lüneburg 1743, nur die Wickede und BrOmse
blieben. Niemals haben drei Personen aus der Gesellschaft gleichsseitig
einen Sitz im Rathe inue gehabt Auf Mitglieder der Kaufleute^
RoiMpagnie liat das Kaiserliche Rescript audi in neuerer Zeit nocdi
Auwendung geluiideii.
Die neue Verfa.ssung kuiiiit«- anl die laaicriclku Verhältnisse keinen
FÜnUjiss halx'u. Wie das ganze Vaterland litt auch Lübeck noch
hiiiL'»' an den Folgen des unseligen dreissigjährigen Krieges und
melir, als manche andere Gegend. Der Handel, die eigentliche Quelle alle?
ÜiTwerbs und folglich der Existenz, wurde vielfach gestört und gehindert.
Ihm schaffte auch der West])hälische Friede nicht Ruhe und Freiheit,
denn bald brachen neue Kriege zwischen Schweden und Dänemark aus
und hinderten die Fahrt auf der Ostsee; aller Handel über diese hinaus
ftber war, da er durch den Sund ging, gänzlich in der Gewalt Dänemarks.
Von dem Gebiete konnten Tru|i[)endurchmäi8che uicht immer abgewendet
werden. In dem langen Nordischen Kriege von 1700 bis 1721 wieder-
holten alle Nachtheile sich noch einmal in verstärktem Masse.
Inzwisulicii gorietli die Stadt auch dureli ihre Schuhlcu iu -cliwere Noth
und Bedriingniss. Die lÜG-j gegründete allgemeine StJidtkasse fand eine
ächuldtiulast von nahe uu i'üuf MUliuueu Mark vor, uebtiu ;2Ö5(>BU Mark
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-Ö 64 Ei-
rückständiger Zinsen aus den letzten zwei Jahren, welche etoeD
erlieblieh grösseren W'eilh lepnu scntirtuu, ah lieutigen T;v;j;es der Fall ist.
Die Stadt halle dainalä notli weit imd breit Credit. Da sichere BeleguLig
von rieldsiimmen in < iruudstückeii mit Schwierigkeiten verbunden war.
wurden ihr häutig Kapittdien aufgeboten, und man konnte lange Zeit ge-
kündigte durch neu dargebotene zurückzahlen. Zwei Forderungen des
Kaisers gereiehten der Stadt zu grossem Nachtheil. Bei dem Kriege mit
Ludwig XIV., in welchem Dänemark sein \'erbüudeter war, befahl er
dem Rathe, dem Könige Chriatian V. 30000 Thaler unter dem Nameu
von Quartiergeldern zu zahlen, die ihm bei den Reichsateuem angerechnet
werden sollten. Durch VerhandlongeQ mit dem Könige gelang es, die
Summe etwas zu mindern, auch einige Gegenforderungen in Abzug zu
bringen, aber es blieben noch 19000 Thaler übrig. Die Zahlung wurde
nicht in den festgesetzten kurzen Fristen geleistet. Ferner verlangte der
Kaiser die f^tellung des Lübecki.^eiien Iweiehsconüngcnts. Da es äusseret
kostbar und waln'^( heinlich unmöglich gcwe.^en sein würde. Soldaten m
werben, wurde ein N'ertrag mit dem Herzog Georg Wilhelm von Lüne-
burg-Celle geschlossen, der gegen eine in monatlichen Terniineu zu
leistende Vergütung von 40000 Thalern die Stellung übernahm. Die
Termine wurden nicht innegehalten. Die Zahlung geschah fast immer
erst nach voraufgegaogenen Mahnungen. Das trug wohl viel dazu bei,
das Vertrauen, welches man bisher zu der Finanzverwaltung gehabt hatte,
zu erschüttern, so dass um 1680 fast plötzlich der Credit stockte. Da
folgten Mahnbriefe und Kündigungen in erschreckender Menge und be-
reiteten die schlimmsten Verlegenheiten, zunaal die Fürsten zum Theol
sich ihrer Untertbanen annahmen. Auf Andrängen dreier Dftnischeu
Creditoren wurden 1 68.^) einige von Bordraux nach Lübeck zurückkehrende
Schiffe in Kopenhagen mit Beschlug belegt und nicht elier freigelassen,
als bis die Schuld bezahlt war. 1091 musste die Stadt sich verpflichten,
jährlich 10 000 Mark an Untertbanen de.s Königs nach dessen Anweisung
abzutra^xn 1711 erzwang der Knrfür«t von Hannover einen ähnlichen
Vertrag. Nur mit grosser Mülie und erst in einer langen Keihe von
Jahren gelang es, die Schwierigkeiten, die sich erhoben, zu ttberwinden.
1733 betrug die Schuld noch etwa 2 870000 Mark, und die Gläubiger
waren nun grOsstentheils Hiesige, welche Rückzahlung der Kapitalien
nicht verlangten, nur Zinszahlung, auch sich mit einem Zinsfuss von drei
Prozent begnügten.
Die Stellung als Haupt der Hanse behielt Lübeck bestfindig. Der
Bund war sehr zusammengeschmolzen. Viele Stfidte, namentlich kleiners,
liatten ihren Austritt ausdrücklich erklärt, einige grossere, Danzig, Braun-
-JG 65
schweig, Költi nahineD gelegeutlieli noch einigen Anthoil an den Angelegen-
heiten, im Grunde aber bildeten Lübeck, Bremen um\ Hamburg den
Bund und führten auch den Namen Hansestädte fori Obgleich Hamburg
DQD in merkantiier Bedeutung Lübeck weit übertraf und daher auch
grösseren EiufluBa ausübte, bUeb doch die Stellung als Dii6ktiona1<enat
flem Rathe von Lübeck überlaBsen. Die regelmäseigen Geschäfte be-
i^tandeD hauptsächlich in der Verwaltung der zwei werthToUen Besitzungen,
welche die Hanae im Aufllaode hatte, des Stahlhofes in London und des
später erbauten Hanseatischen Hauses in Antwerpen. Die Verwaltung des
Stablhofes machte zwar Mühe, hatte aber keine Schwierigkeit. Das Haus
in Antwerpen dagegen, in den Jahren 1564 bis 1568 hauptsächlich auf
I/fibecks Betrieb erbaut, war zugleieli ein (legoustand steter Sorge. Seiner
iMHchatTenheil nach zu inilitairi«chen Zvvöckeu geeignet, wvn-de es bei
Kriegen melirfueh \ou fremden Truppen zu Einquartierungen benutzt und
'^'dh dann nicht nur keinen Ertrag, sondern verursachte wegen der Be-
schädigungen, die es erlitt, grössere Ausgaben. Nur durch die ausdauernde
Fürsorge des Lübecker Raths ist es erhalten worden. Auch sonst war Auf-
merksamkeit und Thätigkeit noth wendig, mn die Interessen der Hanse zu
wahren. Die erfolgreiche Betheiligung bei dem Frieden zu BrOmsebro ist
voriiin erwähnt. Von England wurden die Hansestädte — nur Lübeck,
Bremen und Hamburg werden genannt — 1652 in den mit den General-
staaten, 1656 in den mit Frankreich geschlossenen Frieden aufgenommen.
Mit Ludwig XrV. kam ein Vertrag 1655 durch zwei in Paris anwesende
Humburgische Senatoren zu Stande. Einem von Hamburg und Bremen
mit den Generalstaaten abgescl)lo?Henen Bündniss trat Lübeck lt)46 bei.
In mehreren Häfen des Mittelländinchen Meeres wurden Handelsagenten,
s[)äter unter dem Titel von Consuln. nngeöt<jllt. Eine gewisse Bedeutung
hut die Hanse sich bis in unsere Tage hinein zu erhalten gewusst, ein
Zusammenhang besteht noch.
Als einzelne Stadt konnte Lübeck seine Stellung den uiäcbtigen
Nachbaren gegenüber nicht immer behaupten und musstc manchen Ver-
lust erleiden. Ein recht empfindlicher traf sie schon in den Jahren,
in welchen die beiden Recesse abgeschlossen wurden. Nach anerkanntem
Kechte hinderten die Privilegien der Zünfte den einselneu Büiger nicht,
in seinem Hause für sich und seine Hau^nossen jedes beliebige Ge-
werbe auszuüben, also 2. B. Weberei, auch Brauerei. Für einen Guts-
besitKer galten alle Gut»<!angehörige als Hausgenossen, als zu einer
Kamilit' gehurig, ihm könnt« es nicht gewehrt werden, selbst zu brauen,
wehen und andere Handwerke treiben m lassen. Er ging damit an und
lür sich nicht über die Ureuzo des Erlaubten hinaus. Uunz in der Nähe
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der Stadt lag eine Menge von Landgütern, deren Beeitxer, durchweg
Lübeckifiche Bürger und grösstentheils Patrizier, sich nicht nur der er-
laubten Freiheit bediouten, wodurch sie .«chon den städtischen Hand-
werkern cniprindlichtMi Nuchthcil /.iüü<i^n, sondern auch nicht Erlaubtes
sieh zu SchnldiMi koninien Hes.«en. indf-m sie Schiinkcn liielten. in donen
aucli Fi"».nid(' rinkchrWu, und Handwerker, welche (.lem-nstiunlc allci' Art,
iianientiieh Webereien, heiiuhch in die Suuh l)rachten. Naclideni die
Jirauer und Handwerker Jahre laug darüber geklagt und bei den Be-
hörden den i^ewünschten Schutz nicht gefunden hatten, schritten ei«
endlich 1665 zu einer, freilich rechtswidrigen, Selbsthälfe. Sie zogen in
Scbaaren aaf die benachbarten Güter hinaus und swrstörten gewaltsamer
Weise alle Braugeräthe und Webstühle. Die Folge war, das$ die Besitzer
sich unter Dänischen Schutz gaben. Friedrich III. nahm sie unter Be-
rufung dai'auf, dass die Güter ursprünglich ta Holstein gehört hätten,
gerne und unbedenklich 1667 als seine Unierthanen an. gewährte itmen
sogar die Rechte und Freiheiten der adelichen Güter in Holstein. Das
wichtigste dieser Kerhle bestand in Steuer! reiiit it; sie hatten nur eine
von ihm n selbst angebotene, nicht bedeutende, sog. Recogintion jährlich
/u bezahlen. Christian V. verlaii;^^t( HITO bei s.'inein Regierungsantritt,
das.s sie von ihm die Bestätitrnn^ üik r Privilegien erbitten sollten. So
gingen die Güter Niendort, Moisling, Steiurade, Eckhorst, Mori und
«Stockelsdorf für Lübeck verloren, die Bemühungen des Kaths, sie wieder
zu ge\^'iunen, blieben erfolglos.
Ein fernerer Verlust war Mölln. Das Städtchen war 1359 an den
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Rath von Lübeck verpfändet, die Bedingungen der Wiedereinlösung
waren 1370 noch verschärft worden. Nach mehr als zweihundertjähriger
Dauer dieses Verhältnisses war der Ursprung desselben in Veigeasenheii
gerathen. Eine Tradition, dass Mölln nur pfandweise, nicht für immer
abgetreten sei. hatte ?ich bei den Lauenburgischen Herzogen wohl e^
lialten, al>er sichere Kuiuio hatten sie nicht, da die Crkuiiden sich in
Lübeck betanden. HoTv.ug I^'iaiiz T . der idcht im Stande war, eine grosse
f u'ld-:uninie /usaniuienzubringen, und nicht den Mutb hatte, einen Pruze.'«<
auzu taugen, dessen Ausgang zweiielliali sein mu.'^ste, übertrug 1571 seine
Ansprüche auf den Herzog Adolf I. von Holstein-Gottorp. Er versprach
ihm den Genuss der Einkünfte während der nächsten zwanzig Jahre,
falls es ihm gelänge, den Besitz wiederzuerlangen. 1579 wurde die Klage
beim Eelchskammergerlcbt eingereicht. Da der Rath Manches mit Grund
entgegensetzen konnte, entstand ein Schriftwechsel, der viele Jahre dauerte,
80 dass die Sache erst 1609 spruchreif war. Das Gericht gab aber keinen
Spruch, da Niemand ihn forderte. Herzog Adolf war längst gestorben
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und seine Naclikoinmeu hatten kein Interesse an dem Streit, er ruhte
fünfzig Jahre lang. Endlich wurde er von den Herzogen von Lauenburg
«elbflt, als Hauptrliiteressenten, erst Julius Heinrich, dann dessen Nach-
folger Juüos Franz, wieder aufgenommen. Letzterer erreichte 1664, dass
die Stadt Lübeck schuldig erklttrt wurde, die in ihrem Besitz befindlichen
Dokumente vorzulegen. Als sich nun aus der Urkunde von 1359 ergab,
dasB nicht nur die Stadt Mölln verpfändet sei, sondern Stadt und Vogtei,
also die ganze Feldmark, steigerte der Gegner seine Ansprüche bedeutend
UDd forderte nun ausser der Stadt Mölln selbst noch 27 nach seiner Be-
h«aj»tung zur \ j-ki j^ehörige Dörfer, von denen übrigens mehrere sich
nicht unter Liibeekischer Herrschaft befanden. Ein neuer Sclirü'twechisol
entstand. Das (rericht otitschied 1667. dass zunächst die Stadt Mölln
ziinickzugcbeii sei, der Prozesa über du?*, was zur Feldmark gehöre, seinen
Fortgang liaben könne. Es wiederholte, aller Einwendungen des Rathes
von Lübeck ungeaciitet, diese Entschoidung mehrere Male, beauftragte
auch 168.3 den Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und den
Herzog (leorg Wilhelm von Lünebutg-Celle, das Urtheü zu vollsb^ckeu.
Dus geschah im September 1683. Abgeordnete der beiden Fürsten, so-
wie des Raths von Lübeck trafen zu diesem Zwecke in Mölln ein. Die
ursprüngliche Pfandsumme, deren derzeitigen Werth das Gericht auf
15580 Dukaten festgesetzt hatte, wurde haar bezahlt Der übrige Prozess
ging weiter, und Lübeck konnte dabei sogar als klagender Theil auftreten,
weil einige der Stadt unstreitig gehörende Häuser mit in Be.sitz genommen
waren 168*.) aber starb der Herzog Julius Franz, und mit iliin erlosch
die Lauenburgi^che RegentenfaIllili(^ Der nächste Nachfolger, der ge-
liaiiiite Herzog Georg Wilhelm von Lüneburg (■eile, ftarb 170.") eheiibills
üliue Erben. Lüneburg fiel an den Kurfürsten Georg Ludwig von
H inuover, der 1714 unter dem Namen Georg L K<'!iis^ von England
wurde Erst dieser nahm den Streit, der nun abermals iast vierzig Jahre
lang geruht hatte, 1722 wieder auf. Lübeck hatte nun einen mächtigen
Geguer, der den weitaus grOssten Theil des Lübeckischen Gebiets in
Laueobui^ in Ansprudi nahm und sein Recht auch historisch zu be-
gründen suchte. Das Reichskammeigericht sprach mehrere für Lübeck
ungünstige Urtheile. Nachdem der mit EIrbitterung gefülirte Prozeas
nochmals länger als zwanzig Jahre gedauert hatte, erfuhr man in Lübeck,
«las8 auch in Hannover die Beendigung gewün.scht werde und das» eine
Geneigtheit zu aussergerichtlichen Vet lianiiluu;j,i u vorhanden sei. Zu
•liesein Zwecke wurde 1744 der Seiuüor Laniprccht dahin ufesaiidt. Kr
^aiid willige Aufnahnie. aber man verlani^te, »hiss Lübeck lir-timnitr
Voi-:H.-Iilägu eutgeguubringe. Da» musätti geächeheu, uud du die eväteu
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Anerbietimgeii nicht i;( iiÜL^d n, musstcn noch wiMtere ZngcstÄndnisse ge-
luuchl worden. Nacli Mbii'inals imlirjalirim ii und iiiiili<aii»en Verlniiid-
InnjjjtMi kam <h'r Vei t rag tun 4. Fcla uar 1747 zn {Stande I jüluck L'al>
don grösseren llieii seiner liesitznngen in Lanenl»nrg ohne EnUsduidiLiniiL'
auf. Es beliielt 4lie I*farrdörfer Nüsse und liehUnidorf, dttö Gut uud
Dorf Ritzel an und einige kleinere Dorfseljafteii.
Bald iiartideni dieser Zwist Im » ndiut war, begann ein älinlielior mit
Dänemark. Die Frage, ob der Rath bt'reclitigt sei, eiu in HoUiein be-
legenes, dem Heil. -Geist Hospital geliöriges, widerspenstiges Dorf dürcli
militairische Execution zum Gehorsam zu zwingen, veranlasste Ver-
handlungen zuerst mit einer unteren Behörde, dann mit der a, g. ge-
meinsohaftlichen Regi( rung iu Glückstadt und Kiel, schliesslich mit der
Regierung in Kopenhagen, wo damals für Holstein, une für Hannover
in London, d<'r Sehwerpunkt aller einigennassen wichtigen Angolegon-
lu ilt 11 l.ML^ nii- Tiiildcii Siittungen und Kirchen in Lnhcek besasst>u eine
gr*>-^rrt .Vn/alil vmi iKirlern in Ibfl>liin. die f«i( tiieilweist« durch
.Sjiinkung. grössU'ntla'ils durch Kaid erworben baitcn. und zwar zu
einer Zeit, als mit dem (iruudbesitz noch Rechte verlnmden waren, die
spilter imter den Begriff der TToheit fielen un<l d* i Landesregierung zu-
kamen. Da der Uebergang aümählich gi*scha)i, lluistein auch in mehrere
einzelne TeiTitorieu zerfiel, koimte es geschehen, dass solche Rechte auch
von dem Rathe von Lübeck ausgeübt wurden, ohne dass es auffällig und
Anstoss daran genommen wurde. Bei dem Erstarken der Regienmgs-
gewalt mussten Unzuträglichkeiten daraus entstehen, insbesondere seitdem
die Regierung über ganz Holstein 1773 Dänemark zugefailen war. Zu
einem Ansgleiche mnwte es kommen, und e« war kaum ein anderer
möglich, als (la'^s im Wege dn N^Mliandluug ' Utschieden wurde, welclu-in
Von beiden Siaaien die 'l'crritorisdhoheit liher <lie einzehu ii Ortschalt». ii
zustehen sollte, nalu i >iand die Stadt Liilx'ck von vorne herein -schon
insofern im Xaclitlieil. als der KoiiiLi vai Dänemark von <ler Ansieht
ausging, dass er sich itn Besitz« <iui Ttiritorialhoheit immer befunden
habe und noeh befinde, dass sie nur. hauptsächlich wegen der Unacht-
samkeit seiner Beamten, nicht ausgeübt sei. aber niemals habe verjährett
können. Diese Ansicht &nd auch in dem Wortlaut des am 22. Jauuar
18Q2 abgeschlossenen Vertrages ihren Ausdruck. Nach demselben ver-
blieben von den db In Frage stehenden, im Ganzen 234 Hufen ent-
lialtendeu Ortschaften, 23 mit einem Umfang von 161 Hufen dem Könige,
und er cedirte der Stadt 12 Ortschaften mit einem Umfange von
73 Hufen. Es waren zum Theil diejenigen, auf deren Besitz der Senat
den grüsstou Werth legen inu.sste, weil sie zwischen Lübeck und Trave
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mönde lagen. Das giitsbeirliche Recht und Eigenthum blich in dem
Vertrage unberiihrt, tivsfiev da.<*8 es liinsichtlich der Justizverwaltung und
der Besteuerung einige PJinsc^irfinltung erleiden musste. Ein besonderer
VorÜK'il. (\vu Lülu'ck crwail). hcstand «larin. das;^ es die Hoheit über die
im <!ie))zeliiii< !i .lalnlmiKh 1 1 ;il »gerissenen (iüler Moisling und Niendorf
rrlanfrte. In 'lic-i i' iHzit laiag hist«' i]or Kt/iii^ ein eiiuia -eint r
\'oriain-en gegebenes Wort ein. Der Senat vc'röpi*acii. diu beiden Gütern
zustehenden V'orreelitf niifrceht ZU erhalten.
Endlieli erfolgte noeh eine Auseinandersetzung inil dem Bischof
vöii Lübeck, der zngleicli Herzog von Oldenburg war. Da.s Histhum
I^übeck war da^ einzige prote»tantisehe ßisthum, dos seit dem Westr
phäiischen Frieden in Deutschland noi^h bestand, und in demselben waren
die mensa episcopalis und die mensa capituli, d. h. die dem Bischof und
die dem Domkapitel gehörigen Besitzungen strenger geschieden, als
vieOeicht in irgend einem andern Deutschen Bisthum, Das Domkapitel
liildete oinon «leni Rathe sehr unlK*quonion Staat im Staate. Es hatte
volle .lurisdietion im lit nur über alle DoihIm i icn. Vikare mni Beamte.
M*n-lfni ;iueb über «leren Wohnungen, besa'^s hu< Ii m« lireii' Diirier imier-
halb der Landwehr. Als mm in di ni LN ie]i«deputaliuusseliluss zu Regens-
burg vom 2.'i. Novend)er 1802 be>^timmt wurd«'. dass das liisthum saeeu-
larisirt und dem Bischof, Herzog von Oldenburg, mIs \veltliehes Herzog-
Ihum übergeben werden, aber die Stadt Lübeck volle AutoritiU innerliulh
ihrer Bingniauem und ihrer Laudweiir, ausserdem noch ein beträcht^
liches Gebiet nacli der Ostsee hin haben sollte, eröffneten sich für die
Stadt angenehme Aussichten. Aber sie verwirklichten sich nicht. Der
Bischof, Peter Friedrich Ludwig, ein Herzog aus dem Hause Holstein-
Oottorp, zugleich Herzog von Oldenburg, war mit den Beschhissen der
Reichsdeputation äusserst unzufrie<1en. weil ümi dadurch untersagt wurde,
den einträglichen Zoll zu Elsfleth an der Weser, den er mit kaiserlicher
Bewilligung, also rechtmässig, besass. ferner zu erheben. Hinsichtlich des
Uisthunis hatf« » i nach den \ < i j>Hi( I itnngen . die dn^ l>Mnika|>itel
'jegen ihn eingegangen war. alle Aus^it Iii fin sich un*i >eine Nachkommen,
wenigstens bis in <lie vierte ( lenerMtinn das ganze liisthuin ohne irgend
tiiien Verlust zu besilzen. Dalxi erfreute er sich des besoildern Schutzes
des Kai.^ers von Russland, der. seihst dem Hause Gottorp ang«'hörig. sich
als Ohef desselben betrachtete. Kaum hatte der Senat ein Manifest er*
lassen um zu erklären, dass er die ilnn zugetlieilten (tegenstände an-
nehme, so Hess ihm der Kaiser in derber Weise erklären, dass dies zu-
dringliche Verfaliren seinen gerechten Unwillen erregt habe imd eine
peisdnliche Beleidigimg des Herzogs sei. Der Senat musste sich also
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ciitschliesscn. Unterhandlungen anzulmüpfen. Als sie niclit sogleich zum
Schlüsse fflhrteiK gri£E der Kaiser uochmats ein mit der Erklärung, dass
er alle in seiner Macht stehenden \ßttel anwenden, zunächst alle Handels-
vorl>i:iuuiiL:. Ii Lübecks mit Russland uiitersaj;t'n werde, wenn nicht «leii
\\ liiisrlit n <le< IlerzojLTs volles Genüjjjc geschehe, l'nter sok hcin Drucke
kam der \'( idüi; vom 2. April 1804 zu Stand»- [*nl>eck erwarb die frülier
dem Domka|»iU'l zuständigen Grundstücke in der Stadt und die inncrliall'
der Landwehr licu'<'iid* n Dörfer Genin. Oberbüssau. Niederbüssau, Vorrade.
Für wenige andere (iegenstiindc niusstc <lie Stadt eine Anzahl ihr ge-
höriger Dörfer in Austausch abtreten, wobei der Herzog <len Mehrwert Ii
der letzteren durch eine Baarzahlung von 256000 Couraittmark ausgUch.
Da aber nach einer Bestimmung des Reichsdepuiatiousschhisses alle der-
zeitigen Bestty.cr im steten Genüsse ihrer Einkünfte bleiben sollten, musste
die Stadt auch dazu einen verhältuissmäsHigen Beitrag leisten, und, da
das letzte Mitglied des Domkapitels erst 1870 starb, haben die Zaliluugcti
bis so lange fortgedauert.
Die geiüuiiiteii drei Verträge haben dem (lebiete der Stadt die
(Jestalt gegeben, die es jetzt hat. Dureli tkn Ulztcn W-rtrag ging aiicli
Scharbeutz mit den sciionen Waldungen verloren. Der Lübecker iiürgcr.
Gerhard von Bremen, hatt»; es 1271 von den Grafen v«»n Holstein ge
kauft und dem HeiL-Geist Uoitpital geseiienkt, in dessen Besitz es seitdem
geblieben war.
Die Stadt war inzwisclien eine wohlhabende geworden. Nach Been-
digung des Nordischen Krieges durch den Frieden zu Stockholm im
Jahre 1720 trat eine lange Zeit der Ruhe ein; Handel und Sclüilfalirt
blühten wieder auf tmd waren in beständigem Zunehmen. Seiner geo-
graphischen Lage wegen war Lübeck geeignet, eine Niederlage für die
Einfuhr Nonltscher Produkt« zu bilden und zugleich die Vermittelung fflr
Ham))urgs IIandelsver})indungen mit dem Norden zu sein. Alte \'( rtia;if
schützten <lie Strasse zwischen beiden Städten ge^en jede ZoUeiiiehimg
Line Folge «1er lebhaften Si liitVtahrt war das Auiltlühen des Seliitflniuc.x.
Auch anderweitig* rinlusirie iiit wickelt«' sieh. Als nach Ausbruch des
Krieges zwischen Frankreicli und England im Jahn» 1803 die Elbe
liloekirt wurde, ernMchte die Handelsblüthc eine bis dabin nie gekannte
Höhe. Die N'erwaltung aber bewegte sich in hergebrachten Formen mi<1
liess namentlich hinsichtlich des ZoUweseus, des Finanzwesens und der
Steuern viel zu wünschen übrig. Man verfuhr mehr nach einem mehr
oder weniger zufällig entstandenen Gebrauche, als nach bestimmten Grund-
sätzen. Besonders kostbar war das Bauwesen und das Militärwesen,
letzteres während des ganzen achtzehnten Jahrhunderts olme praktischen
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Werth. Die Praosidos der einzelnen Behörden blieben in der Regel
nichl laii^c j^ciiug im Amte, iim durch ti;;ono Erfahrung die Sach-
kuRilo zu gowinneii. die zur nunlifühnmjjc bcMleutomlor ^'^e^l)^■^'stTun^^en
iintliwcuflijT ist. lläufijj; waren div I>4;iiiit(>n mit den VcrhältniHson
Ix'S^cr iK'kamit. Ih'r Wrrhs«'! in dor Aiui^tiilninii; i^ing immer am
'22 F('l>niar (IMri Stulilleier) vor sidi. rnii «üeH'm Tajje selilos«;
auch jedes Rechuungsjal i r. An d(M* Melu'zalil der Behörden hatten
auch Bürger, sog. bnrgerücbe Depntirte. Aniheil, die nach einem gc
wisRen Turnu» unter den einzelnen Collosjien von «lor Bürgerschaft
vorgesclilagen und vom Senate gewähh niiirden. Der Einilusj;, den sie
dabei übten, hing häufig von der grü8seren oder geringeren Energie der
Vorsitzenden ab. Diu Corporationen, in welohe die Btirgerschaft zorfiol,
kaufmännische und gewerbliche, legten hohen Werth auf Erhaltung und
womöglich Emi'eiteruug der ihnen zustehenden Gerechlfiame, in denen
j-ie den sichersten Orund des Wohle rjrelieijs erblickton. Da dieselben
nicht immer bexliintnt anstredrüekt waren, zuiu Thiil aiieb einander
uidcrspraeben. entsUuidt u vit Uach ( ollisionen und .seliwer zu ent-
s'hcidende l*roze-!se. Fortsebrilt windle dadureli sehr «rebindert. Manche
iiützliciie rniernebmunjLT konnte nicht f^edeiben. weil !^ie nielit in den
Kalinien des Zunftwesens Idneinpasste. Das bartnäcki^je Foattialten am
lleigebrachtcn übte mehr und mehr einen lähmenden l*>in(luss aus, und
e« kam hinzu, dass liüheck nicht an einer grossen Verkehrsstrnsse lag
und am Welthandel nur als Filiale von Hamburg theilnahm. Doch
kam der steigende Wohlstand der Bürger auch der Stadt zu Gute, me
konnte im Laufe des Jahrhunderts bedeutende Domainon ankaufen:
Roggenhorst und Klein Steinrade 1756, Crummesse 17Ö9| Moisling 1762,
Alt'I Auerhof 1768.
Alü die Reiebsdeputation von 1803 die beständi«;e Xentralität der
Hansestädte im liiUicsse des Handels aUHspraeb. tasste man den Ue-
-chhiss. die Stadt zn <'ntfcsti<j"en \I;m wollte tbeils <be «irosseii Kosh n
"^[•ann. welche die mu n«»(lidürlii«;t; Krhaitun«: der Festun^^-werke (m-
lordcrte. tbfiN dit> (Jetabr vermoiden. dass einmal eine krietjtiüirende
Macht sich der Stadt bemächtigen und sie da im den S<;lirecken einer
Magernnir und Kroberung aussetzet) köimte. Die Kanonen wurden
B&nmitliel) verkauft. di<^ Abtragung der Fostuugswerke konnte der be-
deutenden Kosten wegen nur langsam vor sich gehen, und man war
Doch nicht weit damit gekonmien. als die mierwartetc Katastrophe von
ISOti einen völligen Um»<chwniig aller Verhältnisse hervorbrachte.
Digiiizca by Liu^.' .
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8. Die Französisehe Herrschaft.
Nach der Schlacht bei Jena zog Blücher mit seinem Corps nach
veracliiedenen Märschen durch Mecklenbm^. Seine Absicht war, die
Elbe zu erreichen. Drei FranzOzisehe Marschälle, Soult Murat und
Bcnia(lott<», l'oljLrteii ihm und drängten ilin auf Lübeck, wo Nieinand die
Nälic dos Krit'gff* aluitc. Am 5. Noveiulier traf (>r init «räiiziicli «t-
müdt'ton Tru|i|'eu dort rin. Am 6. tolutt ii die l'nui/.<»--t ii uiul ( idlicrlm dir
Stadt im Sturm. Sie hatte r\nv dreitägige Plün(i«»rujig zu eniuldiu.
Auch als die Ordnimg einigernuisyen wiederliergestellt war. Miellen die
Franzosen in der Stadt und waren iaktiscli die Herren. Ilue WühscIh-
waren Forderungen, die erfüllt werden mussten. l)a))ei .stockte der HandeL
zumal da man in die Napoleonische Idee der Continentalsperrc eingehen
niusste. fast gänzlich. Die Anzahl der angekommenen Schiffe betrug 1806
noch 1508, 1809 waren es 86, mehreutheils kleinere Dänische Scliiffe.
die Lübeckischen lagen abgetakelt im Hafen. Die Zolleiimahnieu, die
1804 98 568 mfi betragen hatten, erbrachton 1809 nur 2563 mj^. Ein ge-
ringes Wegegeld, das auf der Frachtstrasse nach Hamburg crhoiien
wurde, ergab 1804 2 828 m^, 1809 500 m^.
Du die regelmässigen Eimuthmen weitaus iiielit liinreicliteii. um
alle Forderungen zu befriedigen, ergriff man schon am 19. Pect niber
1800 das einzige Mittel, das iiln-ig zu bleiben sebien, eine gezwungene
Anleihe. Dasselbe Mittel ist in den näelisten Jahren noch dreimal
in Anwendung gokonunen. 2664 717 Courantmark gingen dadurch
ein und wurden für die Franzosen verwandt, theils zur rnterhaltuug
der Hospitäler, theils zur Ernährung und Bekleidung der Truppen,
theils zu unglaublich hohen Tafelgeldem für die Generale und andere
höhere Offiziere, in einzelnen Fällen auch zu Geschenken, um noch
schlimmere Belästigung mit Truppen abzuwenden. Es waren zu-
gleich Jahre gewaltiger Um^ie. Das Deeret vom 10. Dezember 1810
machte der Selbstilndigkeit der HaiiseHtädtc ein Endo. Napoleon bildete
ein l)e|>iu Icinent der Elbnmndungen. in ilaiiilnirg n-sidirte d( i I raefecl
d» r Tiiti rpi Mclect in Lübick Eine ganzliebe Umwan«lhmg aller ulVi-iitliila'U
Kinrirbiuiiirt n war die Folge. Der Senat wunle aufg* l(»st. i-ut Mimicipal-
rath trai an .seine Stelle. .Justiz und Administration wiu'den getreniii,
und mit den neuen (»erichten auch <lie Französischen ( 5esetzbücher ein
gefülirt. Das alb Lübockiwdie Recht verlor seine Gültigkeit. Auch «lie
übrigen Behörden hörten auf, die Beamten wurden zum Tlieil ohne
Entsdiädigung entlassen. Ein Standesamt wurde <nugexetzt, un<l die £he-
schliessung ein Civilact, der der kirchlichen Trauung vorangehen musste.
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Die FronxOsiflchen Stenern, Grundsteuer, Personal- und Mobiliarsteuer,
Thür* und Fenstersteuer nebst anderen Abgaben sehr verschiedener Art
«iirden eingefülirt. Auf die Gläubiger der Stadt nahm die neue Re-
pemnff keine Rücksicht, h'w vorl»ot au^tlrücklich je^licbo Zinszahlung!: o.n
(liosolben. Die bürirt'Hielien Collegieii und die Zuiiiic iiKuliien fort-
l«'st*'heii. uIkt von iliicn lii>lnri^en I^tM't'cljtitjuntien ])Heb kfint' cilialttii.
U'tr ein Gewurlje in'treilieii wollte. Handel (»der Handwerk, nnis^te ein
Patent lösen und dafür eine jährliehe Altgube bezahlen. Ihi der Staat
kein Gewerbe treiben durfte, niusste die Verwaltung d( s RatliHkeUers
aiifliören. Die schönen Weine wunh'u in einer Auctiou für nahe an
300000 Mark verkauft und der Usherige Keilermeister trat nun als
Pftehter ein. Er gab 55 ntj: jälirliche Pachte der bisherige Jahresertrag
war über 13000 jnfi gewesen. Etwas besser ging es mit der RaÜis-
apotlieke, neben welcher es damals nur die s. g. Kleine Apotheke in der
Alfstrasse gab. Hie hatte bislier einen Ertrag von mehr als 13000
geliefert und wurde nun für 3350 wft verpachtet. Die vollständig'
Durchführung der neuen Eiinichtiuigen dauerte l»is in den Sonnner. zum
Tlieil bis in den llerl)st d<'s .labres 1811. und ai.«t man eben aniiiig. sieh
in die veränderten Verhältnisse einzuleben, iiörton sie glücklicher Weibe
wieder auf.
Im Mäiz 1813 veriiesseu die Frauzöziselien Behörden in Folge des
\'ordringenB der Russischen Armee sowohl Hand)urg als Lübeck. IHe
Russischen Befehisliaber ^\(>llten nur eine freie Regierung anerkennen.
So trat denn wie in Hamburg so auch in Lübeck die Municipaibehörde
zuiQck. und der frühere Senat übernahm wieder die Regierung. Jubel
empfing die Befreier und man rüstete sich mit lebhaftem Eifer, bei der
Befreiung des Vaterlandes mitsuiiirken, es bildete sieh alsbald eine
Hanseatische Legion. Aber es war nur ein vorübergehendes Glück. Die
z\i rasch vorgerückt^^n Trupi>en erhielten nirfit Untcrstützmig genug, der
König von Dänemark trat in ein Bündniss mil Napoleon, und am 3. .Juni
l>esetzten Dänisclie Truppen <lie Stndt. Franzosen folgten einige Tage
-prtk ! . ihre ilerrsciialt kehrte noel» einniai zurück und war schrecklich.
F'ine ihrer ersten llan<llnngen war, eine Strafcontri))uti<ui vdu G Millionen
t ranken aufzuerlegen, von welcher die H&lfte von 33 namentlich genannten
Personen bezahlt werden sullte. Sie wunle mit lliirte eingetrieben. Xoch-
nials folgte» eine Zeit .schweren Üi*uckes und überinütliiger Willkür. Sie
dauerte volle sechs Monate. Zwar wurde der Krieg sowohl in Mecklen*
bürg und Lauenburg als in Hamiover au der Niederolbe unter rühmlicher
Tlieilnahme der Hanseatischen I^egion weiter gefülirt, aber noch waren
die Franzosen zu stark» die Krflfte der Verbündeten zu schwach, erheb-
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licher Erfolg wurde in unsorn Gegenden mcht erreiclil» Audi war von»
4. Juiü hin zum 17. August Hllgonieiner Waffenstillstand. Erst nadi der
»S'lilaoht bei L<'i[>/,ig trat ein*« Aenderung ein. Dor frähere Fran7>öf«ife)i<'
Marscliall IVniadotto, von ■kni Sclnverli sehen lieii-lisralh 1810 /um
Krouprinzru von .Shwetkii eiwälilt, ji*h(irle als solelier m dm (ieiriu'rn
Napoleons, hatte al»er ^eiinp" Xei;iun;z, ircjeti l'^-ankr('i<'h Kricj: fuhren.
Kr wamhe sieh daher p'gen die mit Xapoh'(»n verJtündeten Dänen. Kr zuj^
im Xovi'Uiher durch Hannover, s(>t%te /u Anfang des Det:eniber über lUe
Elbe, erolu-rt«' Mölln uiul Ratze)>nrg und stand am 5. Dcconiher {dein
zweiten .\dv« ulssonntage) vor Lübeck. Hier liest* der General Lallemand,
obgleich Widerstand aussielitslo« war, sieh nur schwer bewegen, die
Stallt freiwilhg zu vorliissen, die Unterhandlungen darüln^r dauerten den
ganzen Tag, erj-st Abende zwischen 10 und 11 Uhr kannten die Schweden
ihren Einzug lialten. Da fügte es sich, das» elxm derselbe Mann, der
als Man«eha(l IJernadotte und Prinz von Ponte Corvo am 6. November 1806
Fiül)ock er<»l>ert hatte, nun als Kronprinz von Sehwedon Karl Joliann im
Ihindniss mit <Un (Jegnern NapoU-ons die lietriiung hraehtc. Die.^ihwi
wurde er mii hiiu I emplangen, dio Stadt war sieh seihst w irdi rgegclfcn
Bald empting auj-h der Senat von den verhündeten Maelilen die Ver-
sieherunL'. <lass es nielit «he ,\hsielit «ei, ihr (he Sell)ständigkeit /u nolniion
Die alte X'erl'assung uurd»- unverändert wieder hergestellt. Man hatte
deu sehr natürlichen Wunsch, die gewohuii n lieimischeu Zu-stände wieder
zu haben, und vei^ss darüber, das.** Vieles der \'erbess!ennig höch.st be-
dürftig war. Zwar erl)ot der Senat sich schon damals, auf das Selbst
(Tgänzungsrecht zu verziehten, wenn die Bürger das persönliche Stimm-
recht aufgellen und eine Repraesentation einführen wollten, aber der
Vorschlag fand keinen Beifall. Man hatte für theoretisdie Fragen
kehlen Sinn, die praktischen waren wichtiger. Vor allem war es eine ge«
biHmsehe X(»tlnvendigkoit, dir gänzlich zerrütteten finnnzirlleu N'erhftlt-
nisse zu ordnen Kinerseits drängt<'n hist vom ersten \ngt ul>hek an die
(daui>ii;*'r aul Zahlunu ;in«iererseils machten die \erhüudeten Mächte An-
s[>rucli, dass <lie I lan?-e>Uidt<' dir f'uiuingent zur liekfimpfung (h's genu'iii-
«tarnen Ff'iinles stellen sollten, und man konnte und wollte sieh dieser
Forderung nicht entziehen rniuittelbar nach der ersten Befreiung hatte
<ich in Liiheek wie in llaiiiburg eine Hanseatische Logion geliildet,
Reiterei imd Kussvolk. Wer es vermochte, beschaffte seine Ausrüstung
sellist Der König von Preussen sandte einen Offizier zur Ausbildung,
und schon zu Anfang April konnte ein Tlieil ins Feld rücken. Zur
Unterhaltung der l^gion konnte wälirend der zweiten Französischen
Herrschaft Seitens der Stadt Nichts geschehen, auch später litt sie
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Mangel, behielt aber Miith und Ausdauer und blieb bis zum Abschlüsse
des Friedens am 30. Mai 1814 in Thätigkeit. Bei dem zweiten Feldzii;:^
pjjcn Napoleon im .T. 1815 stand die Han.«cnti5M-lio Lotion unter «lein
OltrrlK'felil dos Knmpi iii/<>ii von Scliweden, «Kt at>sichtlicli hmusiun \or
nickU'. Zum Kaiiipl' im<l luu li l^iankn ich int sie «Inlicr nielit jitkoinnK iv
Vau (T>it ?im 21. Juli 181:") ji))«;('ScIi1()s.m iu r Suhsidicnvortra;; mit Eii^lan«!
li»f<'rto einen Theil der zur Uutcrhullung der Legion erforderlichen
Mittel.
9. Neuere Zeit.
Die fiiuinsielle Iai^v der Stadt war trostlos. Schon in den Jahren
1907 bis 1810 waren Zinsen unrcgelmäs-nifr. in den Jahren 1811 hin 1813
auf ausdrOekliclio Anonlnung der Französischen Regierung gamicht
bezahlt worden. Dio S<'hnldenlast war zu -Anfan«; des .Tahres 1814 auf
tW68 000 w/ angewachsen. Dabei war die SUidt vt rannt, der Handel
stoc^ktc gänzlich un<l ting er^t nach und nach an. .sich wietler zu l)olehen.
l'm Onlnung zu .^clialTcn. war schrai im April 1^1*5 ein Finanz
departcment organisirt. aber nicht in Thaiigkeit gekommen, jetzt trat es
H»fort zu.sumnen. am Januar 1814 hielt seine erste Sitzung. Kine
eigne .Vbtheiluug hatte sicii nur mit dem Schuldenwesen zu bes< hätti-
)!en. Die Kämmerei, die bis dahin eine Kinanzbehörde neben der
Stadtkasse gewesen war. wurde aufgelöst. Unter den Schulden ma<Thte
mau einen Unterschied zwischen freiviilligen und gezwungenen Anleihen.
Ersichtlich waren letztere nur für nothwendige Ausgaben erhobene
Oontributionen, für welche die Form einer Anleihe gewililt war; sollte
diese zurückgezalüt werden, so hätten eben diesi>1ben Personen, welche
sie eingezahlt hatten . dio Mittel dazu herg4'ben mÜHseii. Doch
wurden sie Staatsschulden anerkannt und von 181Ö an mit eiiieia
IW.ent verzin.st. I)i< hciwilli^Mii Aiilfilu'n geno.s.M'n zwar eine etwa.s
lioliere Zinse, aber cr^t seit 1S17 wurden die in diu ' >bligation«'n ver-
sprochenen di'ci Prozent gezaldt. Kückzahlung von Kapitalien war ganz
nnnioglieh Sciion 1814 wurde den Gläubigem durch ein (lesetz
die Kündigungsbefugniss genommen und ein Moratorium eingeführt.
Doch blieb man der eingegangenen X'erpfUchtungeo stets eingedenk und
bestrebt, sie zu erfüllen. Der Schuldenregulirungs^'onimission wurden
Mittel gegeben, um Obligationen unter dem Nennwerth freihändig anzu-
kaufen, und sobald die finanzielle f^age sich günstiger gestaltete, wurden,
zuerst 1827, die rückständig gebliebenen Zinsen, auch die aus dvr
Franziieischen Zeit, neben den laufenden allmählich nachbezahlt Als Dies
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j^csclielieii war, wiir«^c 1837 niit Rückzahlung des RapitalB begonnen.
Die Oblij^ationen wurden mit Niuiimem versdien und eine bcBtimmiP
>(enge jälirlieli ausgelooHt. An der AuslocMunfr nahmen die gezwungenen
Anleilien Tlieil. HusjrcadilosBen blieben die den Kirchen und milden
Stiftun«roii «i(liuri*;iii Oblijjntionen. Mun erwojj^. <ln^<s diese AnstalUn
mir ilire Zinsen zu verwi-ndi'n liätten, un<l die.«e erseliienen damals ii!s
jiiisK icliciul für «lie Zwveke. zu denen siv bestinnnt waren. Dagej^eii
YeijtliieliUii* der Staat sieh, in Füllen dw Xotli iliiien /M Hülfe zu
kommen, und liat dies«- \'t ' ] tili- liiuni; i-eiehlieh erlüllt. Der zur Rück-
ztihlung bestiiurate Theil dn alten Seluild ist durcli das eingeschlagene
Verfahren nach und nneli völlig getilgt worden
Im Jahre 1823 ersi4iien das erste Dampfschüt auf der Trave. Es
war ein S<thwedi8che8. welches die Bestiniinung liattc, die Prin2e»«in
Josephine von Leuehtenberg, Braut des Kronprinzen, späteren Königs
Oskar 1. von Sehwetlen, abzuholen. Eine grössere Abthoilung der
Schwedischen Flotte lag auf dt^r Rhede bei Travemünde vor Anker.
18Ä5 entstand dann die ei*>*te rejifohnässige DampfsehifFfahrtsverbindung
mit Kopenlia^jfen. t-s lolijtc 1S26 i ine *;leiehe Verbindun^^ mit Petersburg
Ivctzten war h\s \9>4t'i dvn< ii ein Trivilej^ium dey Kaisers von RusslhuJ
ge;^en di«' < Vhk urrtiiii der übrijL;en Deut.^eben Osleehafen «;e8< Initzt. b«')iiell
aber auch nach dem AulliCtren dieses Selnitzes ihre Bedeutung. i83ö
wurde die Dam|itsehitt'sverbindung mit St<i<;khülm, zuerst durch ein
ilolländi.seiiea Seilitz, eröftnet. Zahlreiche Linien sind seitdem nach
verschiedenen Richtungen hin entstanden.
Im Jahr<> 1833 wurden der Zolltarif und das Zollgesetz einer
gründlichen rmgc^taltung unterzogen dabei wurde der Ausfulirzoll
abgeschafft. 1845 der Transitzoll.
Zur Ik'lebung des Ijandverkehrn ting man bald an, die nach Lübeck
führenden Stiitsscn in einen besHcren Stand zu setzen, zunächt im eignen
(Jebiete. djinn durch riitor^tützunir aueli in >h'eklt»nburp. Nur der
wiehtigstr drr \\*e;re. zwisehrn Lübeck untl llaral>ur<j:. blieb un «gebessert.
Naelidem die b<'idi ii Si;i.lt« die in ihrem < u-bieie liti:rnden Theile
ilcsselben iit rin«- ^uie < liaus^ce vi i\vand«'H hatten, riehtctrii sie an den
i\önii; v<»n Diinem.ark di<' lütte. da.'<selbe auch mit dem iüirigen jj^rösseren
Tlii il« des XW'j^es vornehmen zu las.-^on. Aber das CJesuch wurde 1831
eiuhi( h !i1>l:> s( hiagen. Die Dänische Regierung wollte die V%'rbinduug
zwischen beiden Städten nicht erleichtern und nicht befördern. Bald
ergriff sie eine Massregel, welche den Verkehr erheblich belasten
musste. Sie tungab den ganzen Staat. Holstein eingeschlossen^ mit einer
Zollinie. führte höhere Tarife und auch einen Transitzoll ein. Letzteres
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vc'iktzte (Mit-sobieden die Rrclitc beider Städte, denen zolÜn iCr X'erkelir
dureli älh i r und neuere X'erträge zugesieliert war l'.iue bei der DeuU*<olien
Hundesversammluug erhobene HeHcbwerde mit Hitte um Sciiutz im
IVsitzstande wurde zwar niebt. wie die Dänisclie Regierung es verlanjjtb-.
einfach abgewiesen, aber auch die Bitte uiclit gewährt vielmehr die
Angelegenheit einer VennittlungF;commis5;ion überwiesen. Der Transitzoll
trat am 1. Januar 1839 in Wirksamkeit. Gegen Ende dos Jahres starb
der König von Dänemark, und man erfuhr, da»» der Nachfolger,
Christian VTIL, zu unmittelbaren Verhandlungen gt ueigt sei. Da man
äch davon mehr versprach, von dem jedenfalls weit aussehenden,
im Krfolge unsiehern Verfalnen einer X'erinittlungseommission, wurden
vun Hamburg der Syndikus Sieveking, von Lübeck der Senator Müller
nach Kopenhagen gesoliiekt !>«>rt kam am 8. .Juli 1840 ein A'ertrag /.u
Stande. I)ie Städte erkannten lür die uacliston 28 .Jahre den Transitzoll
an, wahrten jedoch ilu'en Keeht<<.'jtandi)unkt Kine etwaige Hrmässiguug
blieb dem Ermessen des Königs vorbehalten. In einem an demselben
Tage mit I.übeck allein abgesehlos.senen Vertrage gab der König die
ßrlaubnisH, daas eine Privatgesellschaft auf eigene Kosten eine Cliaussee
von Elmenhorst (bei Oldesloe) nach Wandsbek (bei Hamburg) baue, aucli
verwalte und Chausseegeld erhebe. Das war schon eine bedeutenile
Erleichterung des Verkehrs. Die Stadt Lübeek gab die Mittel dazu her.
Eine Chaussee nach Oldesloe war inzwischen von der Dänischen
Regierung hergestellt.
Der Transitzoll konnte umgangen werden, wenn man eine durch
I^ut'ulairg tührcüde Strasse henut/te Auf diese erst 181() erworbene
Provinz konnte die Uegieruug nicht ohne Zustimnmug der Stimde Ein-
fuhrzoll oder Transitzoll legen. In der That richteten die Kaiiiniiimi-
>clialten beider Städte eine solche Frachtiuhr ein, obgleich beträchtliche
Kesten damit verbunden waren und die Regierung sie thunlichijt
erschwerte. Aber der König bewog schon im Oktober 1840 die Ritter«
sehaft und Landschaft Ijauenburgs, sich dem Transitzolle und Zollsystem
Holsteins anzuschliessen. Es musste daher von der ßenutsung dieses
Weges bald wieder Abstand genommen werden. Dagegen gewann nun
die zollfreie Wasserstrasse durch Lauenburg, die Stecknitz, erliöhte
Bedeutung. Freilich war hier ein Umstand vorhanden, der die Statlt
Lübeck sehr beeinträchtigte, äan Stapelrecht, welches die Stadt Lauenburg
in .Anspruch nahm. Die Lüljeekiselien Sehitler dmiten nur in einigen
Pftilet), namentlich mit den sugeiiannton zei bn chlii lion und leicht
Verde iltiichiMi Waaren, nach Ifamburg lahren, (ibriLitns ihre Waaren
bur biü Laueuburg biiugeu, \vu eine Umladung ätatüand. War dic^e
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Eiiirichtunij schon an und für ?ich ein allmälilich entstandener Missbrauch,
so stauil >ie mit der von don Klhuh i-stjuiten 1820 besclilossenen Ellv
schiflt"alirt*::( t' in «Mit-cliiedtiiein \\ i«l< i-i-ruche. Zu die-< n Staaten g*-hurte
uej^fii des Miibt-'siiues von Ber^edorf auch Lübeek. es halte sieh aber bei
II damaligen Verliandluntren nielit betheili^rt, «ondern war durch
llttUil»nr;; vertreten worden. Als es 1842 zu eiuer Revision der Acte
kam, holte Lühet k da« N'ersäumte nucli. Die ßeinühungeu des naeh Dresden
j^e^^andten LübeckiäclieD Bevollmächtigten, Senator Heinrich Brehiiier,
waren erfolgreich. Er wies in überzeugender Weise das UngesetsUche jenes
Stapelrechts nach, und Dänemark niusste es au%eben.
Noch grössere Schwierigkeiten bereitete Dänemark der Stadt, ab in
den vierziger Jahren Eisenbalmen mehr und mehr gebaut worden und
den Handelsverkehr TermitteHen. Bahnen 2wi<ichen Ahona und IGel, Berlin
und Stettin. Berlin un«! Hamburg und als Zweige der letzteren nach
Rosluek und Wi-mar kamen zur Vtiliandlung und in Ausfühiuiiir.
f,übf<'k war in -Ii» ~. r In /irliung von Häueiuaik al'hänirig. Kine l>ahii
naeti lianil>urg tuu-ste dureh llul^lein. eine Bahn naeli lUirhen zum
AliJ^.hlu>^s an »lie Berlin-HambuTirer Bahn musste dureh Lauenhurg gehen
Nur letztere nahm man hier ernstlieh in Aussicht, da auf die Zustinunung
Dänemarks zur Anlage einer direkten Bahn naeh Hamburg nicht su
rechneu war. Dagegen mu$8te eine lebhafte Handelsstrasse, die ganz
I^uenburg durchschnitt, offenbar auch diesem Lande zum Nutien
gereichen, und so durfte man hoffen, hier keinem Widerstand zu begegnen.
.Ulein die Hoffnung schlug fehl. Em Gesuch um Concessionirung einer
Bahn von Lübeck nach Büchen wurde im August 1845 in Kopenhagen
abschlägig heschieden, und der Be$;cheid Lauettburg gegenüber damit
Hiotivirt. duss <iie Bahn in einer „ausländischen" Stadt ihren Endpunkt
habe. Andere [>• muhuagen. Fisenbahnverbindungen zu erlangen, blieben
* beriialls ertolgio>. Die LftL'c Lübeek« w iiixle sehr ernst, eine Lebens-
Irage entstand. Nur in Verbindung mit dem immer weiter sirh
ausdehnenden Ei.scubahnnetze konnte es seine Stellung behaupten, darum
musste Alles daran gesetzt werden, das Ziel zu en-eiehen. Diesmal kani
die öffentliehe Meinung zu Hülfe und war ein kräftiger Bundesgenosse.
Durch ganz Deut^K^hland wurde es als eine Schmach empfunden, dass
ein aus%värtiger Staat einen Deutschen Bundesstaat zu erdrücken drohte,
und die Stimmung wurde noch erregter, als 1846 der sogen. Offene Brief
erschien, in welchem der König von Dänemark die Absicht auaspracU,
Schleswig und Holstein für immer von Deutschland loszureissen. Auch
lag es im Interesse aller Handel treibenden Länder, dass der kürzeste
Lau J weg 2wi:3cheu Nordsee und Ost:3ec nicht unbenutzbar gemacht werde.
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Mit «^ro.sserom ^'^e^truuell als früher in dw Transitzoll- An;;eii'gt'nlieit
kunute (Ue^niul die Hülle «les I>oiit>( lit i} l>uiidesia^?i iiat li«rt'.siu-lit werden.
Kiiie lit is.' (h'< Senators Onitiii>; uacli l'i'»rlin und nael» Köiiiuswarl in
lUilnneu, dem Wohnort «les Fürsten Metternieii, um das Einverstäiulniss
der beiden «j^rössten Staaten sieher zu stellen, leitete den Schritt ein. Er
ifescliah im Oktober 184<) und versprach Kriol«;. Inzwisehen «gewann auch
der Dänisclke Mildster d» > Auswärtitjeii. Irral" von R« ventlow ■ ( 'rimiiiil,
die Uelvenseugimg, das« Nachgiebigkeit unvcrmeidlicli aei. Eine fremdo
Einmischung wurde in Kopeidiagen immer uui^eni gesehen, eine Ein-
mischung des Deutschen Bundes doppelt uiigeru. Ftn Januar 1847 kam
die sichere Nadiricht nach Lühei'k, dast» der König ein enieuertes Gesuch
bewilligen worde. Der Syndikus Eldcr wurde daher im Frühling; nach
Kopenh««reii ^resandt und dort am 23. Juni der Vertrai? vollzo^^en. in
welehem der Köniu unler nicht allzu lastij^en P»edingunj;en die Anlaj^e
uiuer Eisenbahn urtt h Büehen uce.stiittete.
Die Verfassunir von l(j»>9 war d<'n veian lei ten neuereu N'erhältnissen
so wenig anjjjemessen. dse^s es nolhwei»di«r zum liewusstsein kommen
luusste. zumal da seit 1835 ein der Hespreehunjr vaterstädtischer
Interessen gevk'idmetes Blatt bestand, lolj»;lich die Kiitik in ihr Ke<ht
treten, und eine öffentliche Meinung sich bilden konnte. \'ou den zwölf
büigerlicheu OoUegien war eins, das ptitrizische. schon 1801 ausgestorben.
Unter den übrigen befanden sich acht kaufmännische, die also, wenn von
der Bürgerschaft ein Beschluss zu fassen war. immer den Ausschlag
geben konnten, und Das wurde von Vielen als ein grosser Vorzug ange*
sehen. Doch ging schliesslich die Aniege zu einer durchgreifenden
Aenderung der Verfassung von der Bürgerschaft selbst aus, und sie
entschied sich auch 1846 mit j^i'osser Majorität für die Einführung eines
Hepraesentativsyatems. Die weitereu Verhandlungen hatten dann ruhigen
Fürlgang imd iaudeu ihren AbsehhiRs im Jahre 18 JS. demsell)en Jahre,
in welchem in anderen Staaten neue V'erlHssunir' n aul gewaltsame Weise
/u Stande kamen. Nur in einer Beziehung machte die Zeitströmung
uachträglich noch einen Eintiuss geltend. Man hatte eine sichere Ver-
tretung der verschiedenen Interessen au(.'h in der gewählten Bürgei-schaft
für Qothwendig gehalten und eine Wahl nach gewerblichen Ständen an-
geordnet Das wurde später wieder aufgegeben und allgemeinee Wahlrecht
aDgenommen. Es wurde jedoch nicht auf alle männlichen Eiuwohner über
fänfondzwansig Jahren auagedehnt, sondern blieb als Vorzug und Vorrecht
auf Bürger der Stadt beschränkt Diesen grossen Vorzug haben die drei
Hansestädte sich bis zur Stunde erhalten.
Auf die Eutwickelung der Verkehrs vorhällmsac wirkten die Ercig-
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80 ej-
nisso des Juliros 11^48 lalimend und drückend. Von der mit Mülie er-
langten Concession, eine Eisenbahn zu erljuuen, konnte vorläiifi«^ kein
Gebrauch gemacht werden, tla die erforderliehen Mitt*l nicht In'rlx i-
znsehafTen waren. Krst gegen Ende des Jjdires 1849 i^olang es, niit der
Königlieh Preussischeu Öeehandlung in Berlin eine Anleihe absusctUieseen.
UngüDstige Bedingungen mussten dabei eingegangen werden. Ini Fe*
bniar 1850 begann dann die Arbeit und wurde mit so grossem Eifer gi*-
fördert^ dtiss die Balm nach Büehen ihrer ganzen Länge nach Hclion am
15. October 1851 dem Verkehr übergehen werden koimte. Die Pläue
gingen über diesen Punkt von Anfang an liinaus. £ine Bahn von
Büchen nach l^auenburg l>estaod jrhon, und die Hannöverj^eho Re-
gierung war geneigt, eiiK- l>ahn von Lüneburg bis un das gegt'uiil>ei-
liegende Elbufer zu fülinii Desfalsige Verhandlungen begannen bald,
aber e.« kostete unsiigliclu Müln». die Zustiinnuing der 'i'ci riiorial-
regierungen zu erlangen, die Kosten aufzubringen un<l die X'erträge zu
whlies^rii, dui'eh welehe die Ungesförtlieit eines rege]inä«-iü'en Verkelu^
gesichert wurde. Erst am lä. März 1Ö64 kunnt<; die JOiseultubnverbindung
sswisehen Lübeck und Lüneburg eröffnet werden« und doch war es nur
eine TVajectanstalt, die über die Eibe führte.
Sowohl die Einführung der neuen Verfassung, al» auch die Er-
öffnung des Eisenbahnverkehr?! liewirkten einen Umschwung in den An-
sichten, und es entstand ein reges Bestreben, sich von dem Alther«
gebrachten, soweit es nicht mehr angemessen war, loszusagen und neue
Formen zu schaffen. Die vollständige Trennung der Justiz von der Ad-
miui.<«tration wurde beselilo.s8en und nach \nid nadi <lur(lig(4fihrl Der
ganze \'erwal1ungsr>rganisnius wunie einer durehgreifendi ii Rt lonti unter-
zogen, lirlirndfu, (Irren Wirkungskreise sieh nahe berührten, wurden
mit einander \ ei-sebmolzen, mehrere neue eingesetzt. So entstand eine
grös.sere Einheit mid Energie in der Verwtiltung, ein erfolgreiches Be-
streben, nach allen Riehtungen hin \'erbesserungen der bestehenden
Einrichtungen zu Stande zu bringen. Die kaufmännischen Collegien, die
nun keine politischen Rechte mehr hatten, vereinigten sich 1853 zu
einer Kaufmannschaft, verbanden auch ihr Vermögen zu einem Gesammt-
vermögen, welches mm mehr noch als früher zu Verwendungen im
Interesse des Handels nutzbar gemacht werden konnte. Die Handwerker*
Zünfte und die übrigen Corporattonen blieben bis zum 1. Januar 1867
im Bej»itz ihrer Berechtigungen. Die dann eintretende Gewerbefreiheit
wurde uUgeiuein als etwas Xotliwendiges und liielitiges angesehen und
willig anfgenouiuien. Den Inhabern von lieaigerochlisanien wurden Ent-
ächädigungeu gegubeu.
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1854 wurde der Stahlhof m London, daa alte Besitzthum der Hanse,
verkauft. 1863 das lluuseatisclie Haus in Antwerpen, beide zu annehm-
baren Preisen
Die Al>losini^ des Sundzolls. zu u i Idier Diuieuiark durch die be-
>tiuiinte KrkUiriinf^ der lie^ieruii*» der \'ereiniirten St4Uiten von Nord-
amerika, ilin iiiebl län<^er l)0/,ablen zu wollen, sieh j^enöÜdift sah, Jiattö
mittelbar eineu wesentlielieu EinHuss auf Lübeck. Die Verliandlungen
begannen im KpäÜierbst 18r)5 und eudeteu mit dem am M Mär/. 1857
aligeschiofisenen Vertraj^e. An der Saciio solbst liatte Lübeck geringes
Interesse, da ihm der Zoll auch mandien Vortheil brachte, aber es war
vüu grosser Wichtigkeit, den Dänischen Transitzoll, wenn die völlige
Al>schaifung Dicht zu erreichen war, auf ein geringes Mass zurück-
zuführen. In der That gelang es dem Senate, inshesonflere der euer
gisehen Thätigkeit des Senator Ourtius und des in Kopenliagen an-
wi'senden Hanseatifohen Ministerresidenlen Dr. Knlirer, die betheiligten
.\hiehte /\i überzeugen, dass dieser Zoll eine nicht niiiidor drückende und
ungereclit« l»<dästigung <les T/aii(l\ ( rkeliis zwisdicn Xonlsee und Ostsee
s«M, fiU d( r Sundzoll für d* ii Seeverkeiu'. Die i''i»lge war, da-ss der
Transitzoll auf den fünften Tbeil seines iielrages herabgesetzt und
dadurch ziemlich unschädlich gemacht wurde. Auch ergab sicli Ver-
anlassung, von der Dänis<*]ien Kegierung die Zustimmung zur Erbauung
dner längst gewünschten direkten Eisenbalm nach Hamburg zu erreichen.
Freilich waren immer noch mülisame und langwierige Verhandlungen
erforderlich, um diese Anlage gegen die Consequenzen des Dänischen
Zollsystems zu sdiützcu, aber sie ist doch, wesentlich durch die um-
sichtige Thätigkeit des Dr. Krüger, zu Stande gekommen. Er verschaffte
der Auffassung Geltung, dass die ganze Bahn mit Einschluss der Bahn-
höfe als ein langgestrecktes Entrcpot angesehen werde, und beseitigte auf
die.se Weise die Seliwierigkeit. Die Bahn ist uin 1. August 1806 eröffnet.
Eine unmittelbare Folge dieser Bahn war die Anlage einer Bahn nach
Kleinen in Mecklonliurg, durch welche «lie kiirze.ste V'erhiutluug zwischen
Uanihurg und Stettin hergestellt Avurdc. Sie konnte am 1. Juni 1870 in
Hetrieh genommen werden. Der Verkehr nach Büchen erlitt zwar durch
die ErüfEnung der Hamburger Bahn eine sehr erhebliclio Einbusse, aber
es ze^te sich bald, dass er sich lebhaft entwickeln würde, falls es gelänge,
die Uebelstände zu beseitigen, die mit einer Trajectanstali nothwendig
verbunden sein mussten. Dazu bedurfte es wieder mühsamer und jahre-
langer Vorbereitungen und Verhandlungen, wobei zwar diesmal von der
Haimöverscheu Eüsenbahndirection die Initiative ausging, Lübeck aber
doch ein grosser Tbeil der Arbeit zußeL Endlich am 1. November 1878
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82 ö-
fitand eine feste Brücke Über die Elbe bei LaueDburg. Eine Bahn nach
Kntin luid Kiel war iozwischen am 10. April 187n eröffnet. Seinen vor-
liiutigon Absehluss land «la.s JjiUxckisclie Eisonbaliimotz in vhwr Schienen
\ t i hiiulung mit L ra veniiuMle. Die Bahn konnt«^ unter Benut/ung eim r
kurzen Strecke der luiliner Balm jt^anz auf Lühecki>eheiu (M'l)iete tuiL'<'le<^t
werden. Sie wurde zwar als Sekundfirhrdni erbaut, jedocli in soic-her
Weise, dass der Betrieb auch nach den lür [lauptbahnen «jehenden Re
Ftininiun^en njeführt worden konnte. Die IOn»fFnunf? fand am 1. August
1882 statt Gleichzeitig wurde auch ( ine Vertiefung und RectifKirunir
der Tmve ausgeführt, wodurch der Wasserweg nicht nur eine gera<]ero
Kichtung erhielt, sondern sich auch um etwa dreitausend Meter ver-
kürzte.
1866 bedachte Lübeck sich keinen Augenblick, in dtis von Preusfieu
angoboteue Bündnis» einzugehen und dein Norddeutschen Bunde liei-
zutreton. Die nach der Verfassung des Bundes Lül)eck oblie^tMiden
niihtairisolien Leistungen wurden dureh zwei \'(^rträge vorn ;V Nbii und
27. Juni hstiT aul Prenssen ühertragen. (Jrtisseres B« <ii iiken erregle der
sofortige Kiniriti in den Zollverein, wurde jedoeli he^.lilos^en. da die
Naehiuirlander beitraten, und von Seiten der Zollvereinsregic^rungon gross<'s
Kntgegonkonnnen bewiesen wurde. Kr erfolgte im August 18(i8. .\n dt^n
Kämpfen mit Frankreich in 'K n Jal)ren 1870 und 1871 haben ilie
Hans(;ati.«<dien Trup|)(!n ehrenvollen Antbeil genonunen. und ]nit Stolz UD<i
Freude ist jetzt Lübeck ein Bundesstaat im Deutseben Reiche, an dem
es kräftigere Stütze hat, als die Hanse an dem alten Reiche jemals hatte.
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LüßECK's Gesundheitswesen.
.^^tjA^
VON
PHYSIKUS RIEDEL.
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^ 85 ö"
Inhaltsverzeiehniss.
Aerztlioho Zustaiulu iiiul Öoikhcii in
frührrrn Zeiten.
Der är/.tlichi' Verein.
Oij:ani."^Htion des Mt «li( iimlwo.scn*j
und Sanitilts|)olizei.
Da?» rniiifwcHen.
Aei /t lirho MeldüpÜk'lit.
I)c.-iuftktit>u,
(lesiindheit^euinuiisfüionon.
Massre^reln jrejjen die V'erWreitung
ansteeken<ler Ki ankheiteu durch
den SohuliKhiu h,
Apothekenwesen.
Anstci-kendcKranklu ii( ti uinKSuiiehen
in diesem Jatuiiuudert.
Chclera.
Blattern,
lailuciiza.
Ma.^cm.
S<"}iarlaeh.
liijilithcrie.
Typhus.
Wf)cnenhettfiel >er.
Krankeiiansüdten und Krankenpflege.
Da.- allgemeine Krankenhaus.
Die Irrenanstalt
Da^i Kinderhoepital.
Da» Gamieon Lassaroth.
Dan Katholische Krankenhaus.
Die evangeliHehen Diiikonii>sen.
ADji^tneinc hygicnisehe Einrichtung
gen.
Die WaBserversorgung.
Die Abfallheseiti'_:nng.
Die l i(;g ra 1 1 n i p 1 a t/.e.
\\uhnungsverhältms.sc und Bau-
wesen.
Strassenreinigung , Besprcngung
und Belouehtung.
Die neue (iusanstjdt.
Das ^Uidti.H■he Eiectrieitatswcrk.
Feuerlöschwesen.
Hilfsli'istnng ))ei IJngliuk&tällen.
Nahmng.'^mittel|K>li/>ci.
Die städti'^' lic Markthalle.
Duh ulTciitlii he Schlachthaus,
llygienisclic Fürsorge für besondere
Kla.-sen.
Schidwesen.
Fabrikwesen.
( i ef ängnLss wesen.
Arrnenwesen und Wohlthatigkeit.
Das Waisenhaus.
Der Verein für VerienkoI<tnien.
Der Verein für die X'olksküchc und
die wohlfeile Speiseanstidt.
Der Verein gegen den Misshrauch
geistiger (Jetränke.
Die Beaufmclitigung des Zieh-
kinderwesen?.
Der gemeinnützige Bau verein.
Bevölkerung und BevölkeruDg8l)c-
wegung.
Bevölkerungszahl.
Geburten.
Sterblichkeit und Todesursachen.
-ö 87 es-
Aerztliciie Zustande und Seuchen in früheren Zeiten.
(.Unter Benateang ttlterer Aufzeichnungen deH Dr. G. H. fiehn (f 18&5) und des
Dr. Tb. Eachenburg.)
D ie Ausübung' <lor ärztücheii Kunst bt t'uud .«^ich zur Zeit der
Gründuji.i; unserer Stadt in deu Händen der Geistlichen, welclK* sich
ihru mediciiüscheii Kenntnisse in den Klöstern und aat' den Hochschttien
Italiens erwarben. Sie betrieben nicht selten eine uiufoiigreiche ärztliche
Praxis, wobei sie dann freilich öfters den geistlichen Beruf lüntansetzteu
und trotz wieiierholter päpstlicher BuUen für ihre der leidenden Menschheit
gew&hrte Hilfe klingenden Lohn und Geschenke annahmen. So finden
sich mehrfach unter alten Urkunden Geistliche unterzeichnet, die sich
zugleich Arzt nennen.
Ein ausge/eiclmetes Bci.spiel liierlür \nr\v\ Heinrich IJuL-klioll, iim
1317 Bischof von Lübeck, welcher als ..niagi.ster in arlilnis et niediciiia -
bezoiclinet winl und in Lühtclc und Unigcbunt' "hr Aizneikundc auKübte.
Seltener beiassteu sich die Geistlichen mit der (Jhn-ur«xie, die ihnen wejien
<ies Blutvergiesseus strengte untersagt war. Daher lag die PHege besonders
•ler sogenannten niederen Ciiirurgie schon frühzeitig in den Händen von
Laienwundärzten, denen wir in der Geschichte unserer Stadt früher
Itegegnen als eigentlichen Aerzteu.
Der älteste Lübeckische Arzt, von dem uns berichtet wird, ist
Godefridus medicus 1277, weicher laut Urkunde vom 27. Oktober 1280
von dem streitbaren Bischof Burchard von Sercken ndtsammt dem Ratlio
in den Bann gethan wurde. Die nahe Beziehung Godefried's zum Rtithe
nnd die urkundliche l IiatHache, da.ss iu unserer Nachbarstadt Wismar
iiii Jahre 1281 ein ..Studhirat"' auf 4 Jahre un<l unter licfroiung aller
Abgaben ange.*^tellt wurde, machen es wiihrscheiuiich, »las« liodctried ult
Ötadtarzt im Dienste des Käthes gistamlen habe.
Die Einrichtung, da.s8 Aerzte zu gewissen Dienstleistungen von <lcn
•Städten in Dienst und ^oM genonmien wurden, ist von Italien nach
Hfiitschland gekommen. Daraus erklärt sich, dass wir ges<hworenen
6tadtärzten am früliesten in denjenigen Städten begegnen, welche wie
R^eusburg, Augsburg und Uhu an der grossen italienischen Handels-
Strasse t^;en, oder in solchen anderen 8tädton, z. B. Braunschweig, deren
Fürsten wie Heinrich der Löwe die Einrichtungen, die sie in Italien
kennen gelernt hatten, auf deutschen Boden verpHanzten.
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-ö 88 ES-
Die Verpflichtungen des StaHtarzt^^f», welche sich weder auf das
(iehiet der ölTcntlicIien Gesund) iciUspflc^^e noch auf oiuo ^ei'ielit>;ir/AlicIit'
Thätigkcit erstreckten, scheinen sieh ausscliliessUeh daiauf beschränkt zu
haben, dass «t den lüith und die Bürj^cr in Krankbeitshillen |^e^;en
Entgelt zu beliandeln versprach. St) wurde in Uhn im Jahre 1418
Magist« r Hans Kcsche auf 10 Jahre für den damals sehr hohen Ijohu
von 200 Cioldgulden bei hvier Wolinun;^- und Inununitiit von allen
Abgaben angestellt. Er machte sich dafür anheitsehig, jeden Bewohner
an! fi-emidliche Ansprache und für zeitlichen Lohn zu kurieren.
Erwälint werden mag hier noch die Bestimmung, die sich in den
älteren Bestallungen des Stadtarztes findet^ dass es in Pesieeitcn dem
Stadtarzte freistehen sollte, ob er die an der Pest Erkrankten behandeln
wolle oder nic^it. Auch ward ihm yerstattet, mit den anderen Bürgern
die Stadt zu verlassen und fern zu bleiben, bis die Seuche erloschen net.
Die ärztlichen Bemühungen cetren die furchtbare Krunkiieit erschienen
so aussichb^los, <lass man Ix i di r kleinen Zahl von tü<*hti<^en Aerzten.
welche man hc-^a^s, ilm lüditiL'sten nicht nutzlos der (it lahr aus^<'(z(.'n
wollte. So luaii es konuneii, dass aus der Zeit der stärksten Verheerimjicii
des schwarzen Todes in I^übeck im Jahre lö50 uns nicht einmal der
Name auch imr eines Arztes aufbewahrt ist.
Die An.steUung der Stadtärzte ist immer nur eine vorübergehende
gewesen. Die Einfährung ständiger Phjsikate erfolgte für die freien
Hcichsstädte durch Kaiser Sigismund. In seiner weltlichen Reformation
1426, Artikel 12, befiehlt er: „Es soll auch gewöhnlich in jeder Reiclisstadt
ein Musterarzt seyn, der soll haben hundert Gulden, die er mag niesson
von einer Kii-che. Und soll raänniglich arzeneyen umbsonst, und soll
sein Pfründ verdienen ernstlich und jjetrewlich. Wohl was man köstlich
Ding haben mag, .soll mau bezahlen. ,il)er von den Aiincn soll n)an
nichts nehmen, daruiul), dass> er sein IMnintl iieussi't. Diim die hoiien
Meister in physica dienen Niemand umh^on^t. diirumb fahren sie in
die Hölle". Als erster Phvsikus in Lübeck wird ein Doctor En^c Ibertus
erwähnt. In t inem in unserm Archiv erhaltenen Briefe vom 21. September
147<> bittet der Herzog Heinrieh von Mecklenburg den K:ith, ihm seinen
Physiku», den doctorem Engelbertum, morgen oder noch heute nach
Mecklenbuig zu schicken, ihm auch einen Wagen mit 2 Pferden zu
diesem Zwecke zu leihen, „denn unsere hussfrauen ist was kränklich". —
In ähnlicher Weise verschreibt sich im Jahre 1512 der Herzog Friedrieh
von Schleswig den Lübecker Physikus nach Gottoi^), „da die hochgeborene
Fürstin Anna, geborene Markgräfin von Brandenburg, von etlicher Krank,
heit überfallen ist" — Kudiich findet sich aus dem Jalire 1508 im
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Hauilnu'fjcr Stadt.ni hiv ein Sclireibon der Bürjjcniu istn- und R:illiiiiaiiiuii
von Lüliet-k ^an den «l<ntiu,<-n Uatli mit d^ r Hille, ilnu ii d< n dortiL'oti
Phy-^ikus auf J4 Ta^c «»dt-r ;} VV'oclicii zu ülK'rlasscii, da der ilirigt-. Il< ri-
f^r M. Pronilz, „uiii^onis liatlies mediciis. nurklioli mit Kranhoit bcl'allcD/'
iiie der Hamburger Physikua i^ieder hcileu soll.
Man ersieht hieraus, wie grossen Wertti der Kalb aul seinen
Physikus legte und wie wenig Vertrauen er zu der Kunst der damals in
Lübeck ansässigen Acrxte goliabt haben musa. Dies erklärt sich freilich
aus dem Umstände, dass einerseits mit der Stellung des Physikus nur
Aerzte betraut wurden, welche meist auswärts schon einen grösseren Ruf
erworben hatten, während andererseits ausser Jenem überhaupt nur wenige
akademinch gebildete Aerzte in den Städten vorhanden waren. Es liatte
•/. I> Frankfurt l."»74 nur einen christlichen Arzt. In einer Bcseliwerde-
3chrift di's hit viujeu Pliv.^iku-^ Dr. Säger au.« dem Jahre lo.Si) wird er-
wähnt, dass ilun vor .«einer lierutuug inelier 1h i -c iiu i' iMkuniligung nncli
den hiesigen ärztlithon Verhältni.ssen die Auskunlt gegel>en sei, nur
zwei (otlenbar akademisch gebildete) Aerzte seien zur Praxis zugelassen,
sonst aber Niemand. (ierade in jenen Zeiten machten die Pfusehei-
und landfahrenden Ueilkünstier den Vertretern der legitimen Heilkunde
grosse Concurrenz. So hatte sich schon der im Jahre 1532 zum Physikus
erwählte Laurentius SchOnfeldt in einem Schreiben an den Senat Über
die Landfahrer und -fahrerinnen beschwert, die ihre eigene Arzeney
bereiteten und mit Betrug und Bossheit, zu dieser Stadt unau^.^pr jchlicher
Schande, zum Schaden der Apotheke seiner Herren des Rathes, de»
Physikus und der göttlichen Kun.st der Muilizin die Leute verführten.
Wenn es ihrer zwei wären, könnte man sicli ihrer schon erwehren, hei
ilirer grossen Anzahl aber nicht. — l lul doch war tler Schreiher ilieser
Zeilen ein vortrelTlicher und gescliaizter Ar/t, der sich auch literarisch
hekaunt gemacht hat. Aus seiner Feder stammt aus dem Jahre lö.'iH
..ein kurz Regiment wedder de erschrecklike plage der pestilentzia, de
itzt vorhanden." — vermuthlich eine Art Flecktyphus, wie er auch später
wiederholt heftig aufgetreten ist
Zu der bunten Gesellschaft von Pfuschern, Winkelärzten, Kräuter-
weibern u. dergl. kam noch mit einem gewissen Recht auf die Ausübimg
der Heilkunde der Büttel, welchem der Rath sogar noch im Jahre 1704
aulSsslich einer gegen jenen gerichteten Kluge der Barbiere das Recht
zuerkimnte, gleich seinen Vorfahren Verrenkungen und Beinbrüche, auch
innerliche alte Schäden zu kurieren, aber von frischen Wunden oder
frisclien innerlichen Schäden sich zu enthalten.
Eine weit ehrenvollere Rolle bei der IkliandlunL: nn l Heilung
ihrer Mitmenschen spielten die Baibiere oder Wundärzte und die Bader.
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-fe3 90 Di-
Bereits im 12. Jahrhundert hatten bei dem epidemischen Umstch-
gii'ifen dett Aussatsses die Badestuben eine altgemeinc Verbreitung
gefunden. Gelegentlich des Bades pfletfte mau dann andere körperliche
Dienstleistungen wie llaarscheereu, Ka.^-icren, Schiüpleii '^ioh angedoilien
zu lassen. Diese Gepflogenheit wurde die f^rsnolit rini- erl>itt<'iteii
Slnitf's, der Jahrhuudeite lang zwisclien den Cliirurgen und den Badern
herrschte. Ausser dem Scheeren und Schröplen stand letzteren auch die
Behandlung alter Schiiden zu, nichl aber der Adurlas» und die Behand-
lung frischer Wunden. — Allmählich wurden die ungebildi t( n l'>ader von
den geschliffeneren Wuiidarztbarbieren völlig verdi'ftngt Die vier letoteu
Lübecker Bader vereinigten sich 1806 mit dem Amt der Barbiere.
Ein ungleich wichtigerer Wirkungskreis als den Badem war den
Barbieren beschieden, deren Thätigkeit weit surückzuverfolgen ist bis in
die Zeiten, wo von Aerzten keine Spur vorhanden ist Nicht von Anfang
an war die edle Ohirorgie mit der Bartscheerkunst vereint gewesen. Auf
italienischen Hoch. 'schulen, besondei-s in Bologna wurden bereits im
12. Jalnlumdirl Chirurgen au^i^fhilikt. von denen auch einige zu uns
gekommen sind. Zu ihnen »^^eliDitt n die sogenannten Bruch- und Stein-
s<;hneider. weklie meist keinen hsien Wohnsitz hatten, sondern ihre
Hülfe anboten, wo man ihrer bedurft^-. Sie waren wohlangesehen und
wurden nicht selten vom Rath in Dienst und Brot genommen. So
wurde nach einer im Staatsarchiv erhalteneu Urkunde im Jahre 1.^50
der Magister Jacob MeUemaun. Steinschneider und Augenarzt, für 30 #
Lüh. unter Befreiung von allen Abgaben aogesteUt, ein Spezialist,
welcher zweifellos nicht Barbier gewesen ist
J>ie Verbindung der Chirurgen mit den Bartscheerem, welche in
gröHsereu Städten im 13. Jahrhundert ein eigenes Gewerbe zu bilden
begannen, hat sich nachweislich zuerst in Paris vollzogen und von dort
überallhin verbreitet \\i hül>eck traten bereits um die Mitte des
lö. Jahrhunderts die W undarztbarbiere zu einer geistlichen Brüderpchall
zu.'^aiiiiiicn »leren Sclmt/.patrone die heiligen Märtyrer imd Aerzte Cosnius
nn»l Dannanus waren, bin hielten iin*e Zusannnenküutte in der Petrikirche
ab. In ihrer Kolle (Amts Verfassung) vom Jalu-e 1480, welche übrigens
mit der Jahre älteren ^'^creinbanlng der Bartscheerer in Hamburg
nahezu völlig übereinstimmt, finden sich ihre Rechte und Verpflichtungen
aufgezeichnet. £ine der let^^teren gebot, auf Aufforderung des Käthes
mit den Hauptleuten der Söldner im Dienste Lübecks auszuziehen, zu
Was^^er wie zu Laude. Meist wurde Iderzu der jüngste Meister, deren es
im Jahre 146ö sechszehu gab, deputirt. Audi zur Begleitung der
Lübeckischen Gesandten in fremde Lande (der sogenannten MeiBlerreise)
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waren dio Wun«l;ir/tl>arl)ioro voi pIlichU t. Dio lioi Aona^n ndsto Stellung
niiter iljniMi nuliin dir Ratli«barhi»*r oder ».llcrrtuarzt" ein. Derselbe
gtliörte übrigens keineswegs inuner tiem Amte an, in der Regel war es
vielmehr ein renonamirter Wundarzt, der vom Bathe von auswärts hierher
berufen, mit seineu hiesigen Standesgeuossen nicht im besten Einver-
uelimen lebte. £r bekleidete ursprünglich gewiseermassen die Stellung
etner gerichtlichea Medicinalperson, denn er hutte die Verpflichtung, bei
Wunden, welche zu gerichtlichen Weiterungen führten, den eraten
Verband anzulegen und den sogenannten Gichtschein auszufertigen.
Dass dies in gewissenhafter Weise geschah, war für den Rath von
Wichtigkeit, da die Geldstrafen, welche für Körperverletzungen seitens
lies Thäters naeh bestinnnter Taxe gezahlt werden mussten, in den
luiiliy.^iukel flössen. So verspricht denn auch der Rathswundarzt in
seiuem uns erhaltenen, aus dem 15. Jahrhundert siiunmeutlen Eide: ,.Dat
ick dat gichtent der wunden und den Verband tmliken vorstaii uiule der
lierren broken truliken melden willo, .so dat de nicht undegeslagen werde,
dat my god so helpe und sine Helgen." — Er führte demgemä-s« über
jede ihm vorkommende Verletzung genau Buch und übergab dieses (ein
aolches Buch ist noch vorhanden) den Mar.stallherren des Rathes, welche
das Wedtere veranlassten.
Diese Stellung blieb dem Rathswundarzt auch noch lange Zeit nach
£mennuDg eines ständigen Physikus erhalten und wurde auch gegen die
Uebergriffe der anderen Wundärzte geechützt. Denn als sich allmähiich
der Missbrauch eingeschlichen hatte, dass auch die Aelterleute der Barbiere
oder derjenige Ikni)icr, der einem N'^erw^indetcn zuerst iliilie geleistet
hatte. Gielitsclieine ansBtellten, wurde vom Rathe 151)2 trotz aller Re-
clamation» 11 «ler Barbiere verordnet, dass seinem neuangestellten Herrenarzt
l'eter von Scliönleldt aus Hamburg alle Verwundeten, welche einen Gieht-
schein forderten, zugeschickt werden »llt« n Weiterhin glichen sich die Gegen-
sätze zwischen dem Rathswundarzt imd dem Amt der Barbier Wundärzte
aus. Von 1620 ab gehörten die Rathswundärzte immer dem Amte an
und wurden Aeltermänner desselben. — Als sich si>äter mehr und mehr
die Aerzte der Chirurgie zuwandten, hörte die Existenzberechtigung der
Wundärzte allmählich auf. Der letzte Rathswundarzt Wegener starb
1875, seine Funktionen gingen auf den Polizeiarzt über.
Kehren wir nach dieser Abschweifung auf das Gebiet der Bader
und Barbiere zu dem oben erwähnten Briefe des Physikus Dr. Laurentius
Bclionfeldt an den Kalb vom Jahre 1032 zurück. Das hocbintore.-»sante
Akn tistück ist Dank «ler abscheulichen Jiaihlst lirift be<laLkilicherweisr
uiclii völlig zu eotzitfern. Der Sciireiber rühmt sich darin, duss er „in
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und baten in pestilonstischen Tyden uiid Kii^geschäfteii by dag und
hy uacht iu disso kuyserlicbe Stadt Lübeck'* 12 Jahre gedient und dabei
an Belohnung weniger als anderswo erhalten habe. Er bittet darum,
wenn es einem ehrbaren und wohlweisen Rath damit Ernst sei. ihm eine
froio Bcliausung zu ver^ttellen. Dann wolle er sein Leben hier endigen.
Die ( in Ansueheu scheint der iJath zwar nicht entsprochen zu Labcu.
(im h m dies der erste Ansl">s »iut'ür j^ewenen yein, den Kauf eiuos
«igenen rhysikaiNhau.«es in- Aii^e zu fassen. Die Erfüllung jenes
Wnn-clu-, war um nielir hereclitigt, als es dem meist von auswart.s
hieher l>erufenen Physika« schwer iaiien musst4j, hier eine geeignete
W<»hnung zu tiudeu. So kaufte denn in der That der Kath späterhio
im Jahre 1574 von den Voratehern des HeU.-(jrei8t Hospitals das noch
erhaltene, an der Ecke der König- und Johanuisstrasse gelegene Haus
(Ki)nigf(trasse 43), welches bis 1762 2ur Physikatswohuung gedient hat
Möglicherweise ist es in den ersten Jahren nach dem Kaufe noch zu
anderen Zwecken venvandt worden, denn erst im Jahre 1605 wird dem
ncucmannten Physikns Dr. David Harlidns (Herrlich) aus St^irgord au*
«Iriieklieh freie Wohnung zugesichert, in Hamburg war schon im Jahre
1:>44 dem l'hysikus Dr Jacob Bordiugk ein Haus bei der Johaimiskirche
als freie Wohnung vibeiwie-cn werden.
Von dem vorerwähnten i'hysikus Ilarlieiu.« ist die Bestallung
erbulten, deren wichtigste Bestimmungen hier folgen mögen. Er soll
Armen wie Keit bon auf ihr Erfordern und billige mä.ssige Belohnung
uiifwärtig sein, ohne Unterschied der Krankheit^ ob sie gleich kontagiös
sei oder nicht; er soll ohne Vorwissen des ältesten Bürgermeisters die
Sliult nicht verlassen und auf die Apotheke ein wachsames Auge haben.
Fflr diese seine Dienste soll er ausser freier Wohnung 200 Lfib.
(«rhaiten, auch von allen bürgerlichen Lasten, die Türkensteuer allein aus-
gt uommcn, befreit sein. Für den Umzug bekommt er 20 Reichstbaler.
Hurlicins war ein geschickter Arzt, nicht minder ein gefeierter Astrolog.
d(^'^s(Ml Kalendrr, dii' sich mit dem Einlliisse der Sterne auf den Menseiieu
beyclislftigten. fast viu iialbes Jahrhundert lang sehr gesucht waren.
Sclion vor Ilarlicius hatte der Riith. um tüchtige Aerzte hierher /.ii
ziehen, zeitweise neben dem eraten Physikus einen zweiten jüngeren
Piiysikus angestellt, welchem ursprünglich kein fest(s Gehalt^ sondern
gelegentliche Geschenke zu Tbeil wurden. Später wurde dieser vorüber
gehende Zustand zur Regel, so dass im Anfang des 17. Jahrhunderts
stets Kwei Phvsici vorhanden waren, von denen der ältere seit 1629 ein
Gehalt von 600 ^ und freie Wohnung in dem erwälmten Hause geuoes,
während der jüngeie gleidifalls ein Gehalt von 600 4^ erhielt und in der
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H3 93 &^
Regel in die Stelle des ersteu uufiücklc. Von 1671 an winde der
sclilechten Zeiten halber das Gehalt des jüngeren Physikus auf 800 ^
herab^esotzi Die Witivvtii beider genosHcn ein (tnadfu jalir und \vai"eu
frei vou Abgaben, so laii^'u sie ihren Wittwenstnhl nicht venückten
Ausserdem genossen die Pbysici für die Beaufsichtigung der Apotheke
gewisse Accidentieiit welche seitens des Apothekers in Gestalt von Zucker,
Gtmfekt und Gewürzen, seitens der Stadtkasse in einer bestimmten, nicht
näher bekannten Summe geleistet wurden. Dass sie auch sonst bei Wild-
lieferungen an den Rath bedacht wurden und bei besonderen Gel^nheiten
einen Trunk aus dem Rathskeller erhielten, ist wahrscheinlich. (In
Hamburg erhielt der Physikus jährlich 4 Faden Holz, 1 Wiaiiol Roggen
uud von dem Vogt von Neuwerk einen Hammel )
Von grosser Bedeutung für die Stellung des lirztliclHMi Standes
Überhaupt waren die dem Physikus zustehenden Khrenrechte. Kr gehörte
zur familia senatus, es stand ihm in dem alten Rathsstuhl <ler Marien-
kirche, welcher im südlichen Schiffe neben den jetxigen Ständen der
Kaufmannschaft belegen die stattliche Anr.ahl vou 28 Sitzen eutlüelt,
neben den fremden Gesandten ein Platz zu uud bei seinem Leichcn-
begängniss ertönte das Glockenspiel vou St. Marien.
Hier erscheint es am Platze auch der Apotiieken Verhältnisse der
früheren Jahrhunderte zu gedenken.
Die Apotheker durtten im Mittelalter ilu-e Waaren nicht im eigenen
Hause feilhaiten, sondern waren wie die übrigen Detaiilisten darauf
angewieseo, ihr Geschäft in Buden auf dem Markte zu treiben.
Auf dem mächtigen Marktplatze, welcher Ende des 13. Jahrhunderts
von der Mengstrasse bis zum Kohlmarkte und von den Schüsselbuden
bis zur Breiteatrasse sich erstreckte, fanden sich die Buden der Klein-
händler in Gamsen oder Twteten angeordnet. An der Stelle des jetzigen
weiten Kranibudeus lag diu Aj)Othekertwiete, in welcher si(.'h fünf
Apothekorbuden neben einander befanden. Dass zu jenen Zeiten in di ii
A|»otlipkerl)aden nicht nur Clewürze, sondern auch Arzneimittel ft ilLrcbaltcn
wurden, geht aus einem von dem Stnatsarclnvai Herrn Dr. Wehrniunn
aufgefundenen Pergnniont.streifen heivor. dessen Handsehrift auf das
Ende des 13. Jahrhunderts deutet und folgenden Wortlaut hat: „oxizacchari
partes due sirapipars tercia misceatur libra 1; dyaprunis simplicis «luartaie;
oxysacchari quartale Hieraruffini vuciam;"" — sichtlich Linderungsmittel aus
dem Arsenal eines vielgeprüften Hämorrhoidariers.
Im Jahre 1412 wurden, nachdem die anderen drei Apothokerbuden
schon zu anderen Zwecken verwandt worden waren, die beiden Buden
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der Apotheker Nikolaus und Kyl vom Rathe augekauft, in einem Hau»
im weiten Krambuden als eine Apotheke vereini|Ert und unter die Admini-
fttrntiou des vorerwähnten Johaunes K,\ 1 gestellt.
Die Apotlieko sclieiut unter der Regie des Staates einen grosjw^u
Aurs(rhwung gcnotmiK'ii zu liabon. denn im Jahre 1442 wunle sie in dar*
«^rt>SM' ilans K<-k(' «U'i' .lobanni'- ninl 1 jiciU-i i"a-><' verlejjt, in welcliein ^i'*
40:') .lalire lang bis zum '.'>[. 1 )i-/tnil>er 184(') ihren IMatz l>e)ialten litit.
(Int Jaln'e 18;V) ist «las ilaus iiifMlergerissen und hat d<"ni jetzigt^n Hau
Platz gemacht.) Während der genannten Zeit ist die Apotheke meist für
Rechnung des Staates l)etriehen worden und nur zeitweilig (1568— ItJÜT))
verpachtet gewesen. Umfang der Leistungen und Pilichteu, welche von
den Administratoren oder den Pächtern übernommen werden musatmi,
sind aus einem im Jahre 1585 abge8ühlo.ssenen Contracte zu ersehen. Dfr
Pächter hatte jährlich 6ö<) ^ Lüb. an die Kämmerei zu entrichten. Kr
hatte auf seine Unkof«ten Gonfect zu liefern, „wenn die Gesandten der
wendiwlien Städte in Lübeck vereammelt sind und der Nachmittag.ss]>ni('li
gegeben wird; wenn aber die Gesandten aller 1 lansestädt»^ Taglahrt lialten,
«oll er Vergütung für den Bedarf der Waarcn geben, doch ohne üher
seliützt zu wenien. (Aus einer vorhandenen specilieirten Hechnung ist
zu ei-clien, das« die (ie.«andten beim Hansetage l.')9l an 37 Tagen für
\^i^-J ^ Confect verzehrt haben.) Solitc aber Lübeck Ga'^andt« zu Ta«;-
fuhrteu aussenden, so hat er sie auf seine rnkosten mit Kräutern zu
versorgen, wie er auch der Kanzlei das nöthige Siegelwachs zu tiefem hat '
Eine zweite Apotheke wurde zuerst im Jahre 1567 errichtet, als
dem damaligen Physikus Lambertus Friedeland aus besonderer Gunst die
Erlaubniss ertheilt wurde, neben der Rathsapotheke auf 30 Jahre mit
gleicher Sicherheit für sich und seine Erben eine Apotheke anzulegen
gegen eine jährliche Abgabe von 250 J( an die Kämmerei. Doch musste
Friedeland seinen Patienten überlassen, aus welcher Apotheke sie ihre
Arzneien beziehen wollten. Beide Apotheken nni.ssten glei» lie Pi-eise
llalu.^^, welche auf Anordiume dt Raths im .Jahre 1588 von den i1i>,'sici8
in einer A|iotiiekertaxe festgesetzt wurden.
Im Jahre 1633 wurde dem .loliaitnes Roeck gestattet, gegen eine
jähriidi an die Rathsapotheke zu erstattende Abgal)e eine kleine Apotheke
anzulegen, doch wurde ihm nicht erlaubt, Wein und andere Getränke an
QSste auszuBchänken. —
In Kürze möge nunmehr im Zusammenhange der Seuchen, welche
Lübeck in früheren Zeiten heimgesucht haben, und der dabei getroffenen
ärsilichen Massnahmen gedacht werden.
Als der von den Kreuzfahrern nach dem Abendlando verschleppte
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AussatK Ende des 13. Jahrhunderte üi allen Landen Europas Verbreitung
gefunden, ward wie in anderen Städten m auch in Lübeck ehi Lopro«eninn,
• in kt uliuiis ', uiiniittelbai' vor dvm Mülilenlhore eiiiijericlitct. liier
sa.ss<'u die nriiien Aussätzigen auf einer Unnk mh- tlt in Ilaus(^; hörten sie
.leinan«! koninifu, lit Ihdi ^ic. um zugleieli vor ihrer ifit'tij^rn Nilhe
III warnen und /.ur l>aH>ringun^ einer milden (iahe aut/utordern.
Unter <len 8euf;hen des Miltelniters ist aLs seldininiste die Test zu
iionnen. In wie weit es siHi dabei um die eigentli<iie INst <idttr um
itr»>arUge Fleokfieher, Blattern und andere i>euehen geliandöit liut, tuufts
dtthingestellt bleiben. Als der schwarze Tod LH47 in Kuropa st^non
Kh)iug gehalten, gelangte er 1350 nach Lübeck und riclitetr hier währand
iM^iner Herrschaft von Pßngsten bis zum Micbaelistage (16. Mai bis
29. Se|»tember). ganss ausserordentliche Verheerungen au. Na(*h Berichten
der Chronisten sollen an einem Togo, dem Ijaurentiustage« 2500 Pf^rsonen.
im Ganreti mehr als die Hälfte der Em wohner, etwa 80— 90000 Personen
uiiij^ektmiiuen s«. in. Dass diese Angabe ghMch denen, die sieli auf die
Zaiii der Todesfälle l»ei späteren ICpideniien he/ieiien, weit ühi rtrii«lien
"iii'l. erL:ii'lit sit li daraus, dass Liibt-ck im 14. .Tahi huiuiert hririisii ii»-
;i(MMX» Kinwoiuier zählte. Inminhin sind naehwei>iicii Inn jener Seu<-i(e
allein 1 1 Mitglieder <le.s Kathen und der lliseliof Johann IV. von Lührek
an der Pest veistorbeu. Die ersehrockenrn Bürger brachten zur haKligen
Befreiung ihrer Seelen aus dem Fegefeuer den Mimelien. namentlich denen
des Kathaiinen-Klosters so freigebig Geld dar, dtiss diese kaum alles
Dargebotene nehmen konnten. Oft wurden die vollen I^utel einfach über
die Mauer des Klosters geworfen. Nach anderer Version nahmen die
Mönche aus Furcht vor Ansteckung die Gaben nicht persönlich in
Empfang. Aus diesen reichen Geschenken wurde in den nächsten Jahren
die Katharinen kirche erbaut.
Nach dieser ersten liuasiun trat die Seuche abermals im Jahre
lotiT iu Lüheck auf. angeblich mit gleieher Heftigkeit wii beim ersten
Male Sie erschien dann noch vieinial vor Abiauf des Jahrhunderts
Im Jahre 1381 sollen 10 000 Menschen, ungerechnet die Kinder, dahin-
geraiVt sein, wahrend im Jahre 138Ö und i3Ü.'5 je 18 000 Menschen der
Seuche erlegen sein sollen. Abermals trat sie im Jahre 1397 und im Jaihre
140Ö auf, so dass sie binnen 55 Jahren 7 mal in Lübeck geherrscht hat
Während der Jahre 1409 — 1430 hielt sich die Seuche in Ruseland,
doch blieb Lübeck verschont In dem Zeitraum von 1449 bis 1473 zeigte
sich die Pest in verschiedenen Theilen Deutschlands, im Jahre 14fi4
wurde mit den andern Ostseestädten auch Lübeck in schwerster Weise
heimgesucht. Ks wurden damals namentlich die jungen Leute von der
Kranklieit daliiugerafft und die früher als wirksam erprobten Heilmittel
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erwiefleo sich als erfolglos. Am besten überwanden diejenigen die Seuche,
welche keine Arznei nahmen. Die meisten aber mussten den dritten
Tag sterben. So berichten die Chronisten.
Als ein ganz neuer unheimlicher Grast erschien im Jahre 1529 die
gefährliche „Scbwoisssuchf* in Lübeck. Die Verbreitung des „englischen
Scliwoisses", der hei den früliereii Hpideniien in den .Inliren 148r)8(t.
irȆ7 und 1518 (Ulf England und das henachharte Xordlrankreicli lie-
sehränkt gebiielKii war. wurde in Zusüinnicnhang l!*! mmcIiI mit oinotn
Meteor, welches um 2. Januar IjVÜ» mit aullallender Helligkeit sich gezeii,n
und gi'ossen Schrecken verbreitet hatte, so dass in Lübeck ein Mädchen,
da« auf dem Kohlmarkt zufällig vor der Thür stand, sofort vor EotsetKen
verstarb. Am 25. Juli war die Seuche nach Hambui^ gekommen und
raifte dort binnen 9 Tagen über 1000 Menschen hin. Schon am 29. Joli
erschien die Krankheit^ welche von der hiesigen katholischen (leistlichkeit
als eine für die ,,Martiner** gesandte Strafe bezeichnet wurde, auch in
Lübeck und gewann schnell eine grosse Verbreitung. Es wurden von der
Seuche, die schon in wenig« !) Stunden den Tod herbeizuführen vermochte,
hier vorwiegend die kraitigen und die wohlhabenden Leute betrotteu,
während Kinder unter lö Jahren. l)ejahrte Leute und die arnieu Be-
wohner der Ki'Iler und Buden weniger heiiiig« -^ueht wurden. Als hilfroicli
bewährte sich eine lielörderimg des Sdiweisses durch wanne Kinp-u kuti^rn;
auf -(»Irliö Weise konnte die Gefahr in 24 Stunden beseitigt sein, lirosse
Verdieu-ste um die Behandlung erwarb sich hier der seines Glaubens
halber aus England gellüclitete (}eistliche Dr. Robertus Harus, der die
Krankheit und ihre Behandlungaweise schon früher in seiner Heimath
kennen gelernt hatte. Doch war seine Thätigkeit nicht von langer
Dauer, denn er wurde bald wegen seiner lebhaften Befürwortung des neuen
Evangeliums aus Lübeck aosgeiniesen, kehrte nach England zurück und
wurde dort auf Befehl Heinrichs YHL aus Aulass der Vorwürfe, die
er diesem wegen Verstossung seiner Gemahlin Anna von Cflev© zu machen
wagte, lebeudig verbraunt.
Aber auch eine sehr interessante är/ilieho (Quelle über den englischen
Scbweisö i<t uns erhalten (im Mecklenburu'sclit ii Stant«archiv) im Urief
des Lübecker Physiku.s J)r. Rhembertus Giltzheini an den Herzog von
Mecklenburg, enthaltend „Underricht wie man sich vor der scbweissenden
Krancheit waren und darvnne hniten soll." (riltzheim, ein geborener
Braunschweiger, war seit 1512 Professor in Rostock und herzoglicher
Leibarzt gewesen. Von 1515—1521 hatte er die Pfarre der Petrikirche
besessen, dann aber, um heirathen zu kOnnen, auf die theologisdje Lauf-
bahn verzichtet und sich ausschliesslich seiner Praxis gewidmet. Dos
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iL'iljarzÜiclie Iluuurar sclicint sehr «lürftiLi i^u^veseu und nieist ausgeblieben
m ^em, denn 15!?1 bcklaLjte sidi ( lilt/.lioiin in imiu-hi lii ivl'e an den
Herzog sehr bitter, er habe (ieni Für-li'ii oii mit ^ros.sein Sehaden gedient
und habe sich nach 10 Jahreo Dienst in seinen alten Tagen so verbessert,
wie einoTf der sich einen alten Rock kehren und einen neuen darauB
machen lasse. — Als er 1522 wiederum aul'gefordert wird, zur erkrankten
Hensogia nach (Jöstrow tm kommen, beklagt er sicli abermals über die
ausgebliebene Besoldung. Er wolle dies eine Mal noch kommen, dann
inOge der Fürst sich aber mich einem andern Doktor umsehen, da er
für das Glück danken müsse. — Die Reformation wurde Veranlassung,
dass Giltzheim Rostock verliess und nach Lübeck ging, wo er Physikus
wurdt; und im .Tahre 1535 versUu-b. .Seine Schrift über <len engUschen
.Seli\vti>s ist fesseUid durch (He liumorvolle. ansei lauliche Scliilderung der
Kranklieit. die er am t i^cnen Leibe und unier }>ehaudlung des IJarus
iiennen uoleint hatte. Er tjcliiMt-ii day anu;e/.uigto diaplion-tisehe \'er-
l":duen. zu weieliem dann bei Neigung zu Scidal" eine exciürt iide Hehand
iuiig hinzukommen mü^ne, da die Kinscidafenden gemeiniglich <Iem 'i'ode
vertielen. „item man mus von anbegin die kranken hev\ ;iren mit i'roliciien
oder trotzigen Worten, mit dem Weinessige, Csielieu bey den oren, bey
der nasen, schlahen mit einem stocke vor die stvnien und nicht scldafen
lassen; Den Schlaf ist sunst der Imlbe todt.** —
Die Lues hat sich zum ersten Male im Jahre 1495 in Lübeck
gezeigt Vom Jalire la02 ab, bei st&rkexer Verbreitung der Lusteeuche,
wurden derartige Kranke in das Aussätzigenhaus vor dem Burgthore
aul'genommon. dessen ärztHclie Leitung in den Hunden der Uurl)iere lag.
bald nach 1620 wuixie, nadidem (He Krankheit milder gcunrden war
und nicht mehr epidemigch auftrat das Hau« abirebrocboi, und die
Unterbringung und I ichandlung der weiiig zahlreichen Ivraukon in ein
Armeuliaus der Stadt verlegt.
Um die Mitte des 16. Jahrhmiderts fand in Lübeck viederum eine
heftige Pestseuche s^tatt. Nachdem vom Herl>8t 1546 bis Herbst 1547 eine
schwere Hungersnotli und Theuerung geherrsdist, trat die Pest 14 Tage vor
Pfingsten auf und hielt bis Martini an. Es wurden bisweilen an ehiem
Tage 150 — 170 Menschen dahingerafft, meist junge Leute und Kinder,
und am 13. August 200 Menschen begraben. Auf allen Kii'chhöfen
wurden grosse Gruben angelegt, in welchen 100 Särge gleichzeitig Platz
fanden Die Zahl der Todesfälle belief sich auf 16 277. Die vornehmeren
IJürger hatten /.um l'lu ii die Stadt verlassen und kehrten erst l>ei ein-
brechendem Winter, al,>- die Gefahi- vorüber war, nach Lübeck /uni<k
Aus der Zeit der ietzterwäimteu Seuche wiid zuerist von lliiucheruii-
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Kcn berichtet, die zu Desiiifektionszweckeji vor jedem Gottesdienste in der
Marieiikirclie austrelülirt vvunUn.
Als iia Jahiü I.JÜT ein iMisarti^es Fleckfiebcr. da? im vorautgr^iui-
gciioii Jahre in Wismar, Hamburg inid Lüneburg gewütliet iiutte. nudi
Lül)eck kam, nahm die Scuelie so gro.^Fo nimensionon an. dass viele
Ilaushesit/.er ilir erkranktos Gesinde aui" die Strasse oder aui den Dom-
kirclihof selzlen. Um diesem T^nl'uge ahzuliellen. wurde vor flem
Uolstentliore tür obdachlose Pestkranke ein i'esthot' und im Anscliluss
daran ein Kirchhof errichtet Die Seuche wuthete am heftigsten im
August; als aber schon um Michaelis Frost einsetzte und in acht Tagen
die Wakenitz mit Eis bedeckt war, verlor sie sich allmählich. Es sind
in diesem Jahre, in welchem übrigens auch die Kriebelkrankheit hier
lierrschte, 7739 Menschen nn der Pest verstori>en (darunter 2 Senatoren,
2 Prediger an St. Marien, der Subreetor und der Cantor von St. Katlm-
limii). Auch in dvn nächsten Jahren selieint die KranklKit niclit völlig"
erlo.'^chen zu sein, denn im Jahre 1(102 wurde voronhiet, „da.ss so hing»'
die beharrhciie Pestzeit anilauere, die Todtenhitiersciien und Mägde aus
den vergifteten Häusern sich gentsdich der Bitten zu den Todten entlialteii
und dass die Frauenpereoncn all und jede insgemein bei den Begräb-
nissen abbleilien und sich dabei nieht linden lassen sollen, dass femer
keine Leiche mit Kränzen und Rückelbüschen belegt werde, da es 'vor-
gekommen sei, dass diese, von den Särgen abgenommen und von Kindern
und jungen Weibspersonen aufgerafEt, die Pest weiter verbreitet hätten.'*
Im Jahre 1609 herrschte in J^übeck ehie von Ilarlicius bescliriebene
Pocken- und Masemepideniie. Im Jahre 1638 wurde durch die zahl>
reiclien Kriegsflüchtlinge die rothe Ruhr nacli Lübeek verechleppt. Die
Erkrankten wurden (heils in St. Annen, später ausschliesslieb im Test-
hause vor dem Uolstentliore imtergebraeht Als im gKiclien Jalm^ .'^icli
wicdenitn das Flecktiebej- zeigte, wunie vor dein Mfilileiitliore. nahe dem
l'nsinnigenhause ein Krankcnliaus. der „Krankenhot,' eingeriehtet uiul
ein Mandat mit auslühriiclien und einschneidenden gesundhcit^jiolizeilicheu
I^(^'^timmungon erlassen, nebst einer vermuthlich von dem damaligen
Physikus Dr. Johann Hehirich Meybom verfaesten Belelirung, wie mau
sich vor der Krankheit schützen und die Krankheit selbst behandeln
könne. Das Mandat verbietet die Aufnahme des in den damaligen
Kriegszeiten zahlreichen fremden Volkes in die Thore der Stadi Die
heimlich eingeschlichenen . Fremden werden von den Prachervögten wieder
enttenii Die Bettelei an den Thüren wird gänzlich ,,abgescha^"
Personen und Güter aus verpesteten Gegendon dürfen nieht in die Stadt
auch nicht etwa in die ausserhalb der Stadt gelegenen Gelioite oder
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Gftrien aufgeiiommeu werden. Die Kranken sollen in flio neucrbiuiten
Kranken- und Pei$Üi&user gebracht werden iind tiiglicli soll in«|uirirt
werden, ob ^wa iigeudwo Knuike heimlich beherbergt werden. „Was
von gemeinem Bürgervolk oder Dienstgesinde mit der Infektion befallen
möchte, aol aus der Stadt in das alte dazu verordnete Pesthauss gebracht
werden." In der Stadt sollen die alten Frauen aus den Gotteshäusern,
elenden Gängeu und Gonventen die Kranken {iHego bei den guten Bürgern
übernehmen und .,dazu um so williger seyn, weil sie der Bürger Almosen
uiitl StadtijtiliuniciMi so lange Zt it uint»son>t genossen haben." Die offenen
Kauflftden, iiauitiutlich die Lt'beii.^niiUelhandhingon, die Werkstätten, die
Wirtljsliiiuser und die Öcliulen haben, weuii sif durch (iottos Verhaugni.ss
inlicirt worden, ihren Betrieb auf vier Wochen l iiizustelleu, .,bey vcrluyt
ihrer Gerechtigkeit, haudwerks und anderer willkürlicher Straffe.'- Arbeiter
uud Tagelöhner, in deren Wohnungen die Pest aufgetreten, dürfen nicht
zur Arbeit gehen. Hausgeräth, Betten und Kleidung aus inticirten
Häusern dürfen erst nach sechsmonatlicher Ausseigebrauchstellung uud
Lüftung unter die Leute gebracht werden* hificirte Wohnungen dürfen
erst nach sechs Monaten wieder vermiethet werden. Die Reinlichkeit auf
Strassen. Plätzen und Kirchhöfen wird eindringlichst vorgeschrieben und
mit ihrer Beaufsichtigung für die Abend- und Nachtzeit der Naditwächter
beauftragt
Als SchutzriiiiH i ge^'oii die Pest werden empfohlen: Sauberkeit in
Hans uud Hof und auf d»M- (insse, um einer Verpestung <ler Luit vor
zubeugen, ferner Käticherungeu mit zahlreichen würzigen Kräutern, oder
mit Essig, der auf iieisse Ziegelsteine gegos.sen wird . endlich an
feuchten Orten Verbrennung von Pulver oder Schwefel. Aia persönliche
Schutzmittel gegen die Ansteckung werden Riechpulver. Riechäpfel,
Salben, die auf Nasenlöcher, Puls und Herzgegend applicirt werden,
auch trochisd linguales, Zungenküchlein genannt, die man bdm Aus-
geben im Munde halten und zergehen lassen soll. Ausserdem wird eine
Anzahl von Arzeneyen, Heilwäsaem, Peatpillen und dergl. aufgeführt.
Zur Behandlung der ausgebrochenen Krankheit werden fäulnisswidrige,
schweisstreibende und zahlreiche specifische Mittel empfohlen. Zur
Desinfectiou der inticirten Hftuser. ihrer Geräthe und der Effekten der
Kraukt ii sollen RüucluM-ungen mit einem Pulver aus Vitriol, Salpeter,
Myrrhen und Lorbeer angt^wundt werden.
Wie gewissenhaft man sich damals der empfühlentu zahlreichen
Schutzmittel bedient hat, geht aus den Rechnungen der Marienkirche
vom Jahre 1639 hervor, denen zufolge an die Rath«apofhckc für derartige,
von (!cistlichen und Kircheuofficiauteu vorbrauchtu Modikanieuto 173 ^
Lüb. bezahlt wurden.
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Im Jalirc stellie auch der Ratli den ersten sogenannten Pest-
arzt an in der Person des Barbiers Wilhelm RüUie. Derselbe wurde
zuerst auf drei Monate, dann wieder auf drei weitere Monate angestellt,
gegen ein monatliches Gehalt von 75 ^, mit der Verpflichtung, aus-
schliei«8lich contagiöee Krankheiten zu behandeln.
Diese Verpflichtung wurde auch spüter aufrecht erhalten, als die
Pestärzte, die übrigens immer aus dem Stande der Chirurgen entnomnie»
wurden, auf Lebenjs7.oit ernannt wurden. Sie waren demnach, wenn
keine Pe.st herrnelite. ,/,nr l'nthiiligkt'it \ criii theih. Wohl .ins (iiesoni
(irunde stammten die ersten iVstär/.te durchweg von uiiswäris. «la <lio
Iiiesicen Rjirhiere siel» \i'\t \i\ nnf eine dernrtige l']ins'*hrÄ!iknng ('iiil;i--en
moeliten. Als der vorerwalniLc l'estnrzt liüthc naeli .sechsmonalliciicr
Thätigkeii M ll'=»t der Pest zum Opier gelallen wjir. wurde an seiner Stelle
der i'estmeilikus Johaimcs Fabnciuf! aus Stndsnnd hierlier l>ernfen. gei^'en
eine inonatliclic EutHchädigimg von 30 welcho er bis ](i40 bezog.
Dann blieb er nach Erlöschen der Pest nodi mit einem bescheidenen
Wartegeld bis li>41 in Lübeck, um dann iu seine Heimath zurück-
zukehren.
Als im Jahre 1 705 die Pest in verschiedenen Orten des Königreichs
Polen herrwhte. wurde durch ein Mandat des Senats die Fremdenpolizei
ver-ehäift. Der Eintritt von Juden in die Stadt wurde erschwerenden
Massregeln initerworfen, lür puhlische Judeu aht-r nur geshittet. wenn sie
nachw<Mslieh sechs Wochen ausserlialh <ler infieirten (legend vorwtiit
hatl' U Für den .Sclntls\ erkelir in Travi nuinile und lür pestfaugPi^'l^*
Waaren. wii' alte Kleider» Rauch- und Pelzwerk, Haare, werden besoudea-
Bestimiiumgen gegeben.
Da die Pest in Polen andauerte und auch die Ostseeländer vod
ihr ergriffen wurden, so wurde, nach einer Erneuerung des vor
stehenden Mandata im Jahre 1709, am 21* November 1710 durch ein
neues Mandat eine Verschärfung der Fremdenpolizei, der Ausschluss des
Personenverkehrs mit Polen und den infieirten Ostseeprovinzen, ein Eüifuhr-
verbot für gebrauchte Kleider und Bettwäsche, für Hanf, Flachs, raube
Felle. Wolle. Federn und Haare aus den genannten Ländern verfügt Ferner
wurde in Lüheck der Mandel mit alten Kleidern und Trödel ühcrliaupt
untersagt. Alle aiiküinmenden Postsachen wurden vor den Thoren ans-
gei-äuohert die aus infieirten Gegenden stammendtMi Briefe mussten dui-clt
üiuen besonders präparirUni Essig gezogen weiden. Endlich sollte sich
jeder Bürger lür den Nothfall mit einem genügenden X'orrath guter
Lel>ensmittel versehen — Auf dem Leuchtenfelde zu Travemünde wurden
zu Quarantämezwecken Pesthäuser und Baracken erbaut
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-*3 101 &h
AI? im Jalire 1721 in Frankreich die Pest in ausgedehnter Weise
grassirte, wurde durch Mandat vom 11. November verfügt, dass alle nach
Lübeck bestimmten Handelsschiffe mit eidlichen Certificaten über Herkunft
der Personen und der Waaren versehen werden mussten. Schiffe aus
französischen Hftfen ohne solche Zeugnisse wurden gänzlich zurück*
gewiesen. Für die aus inficirten Häfen kommenden Schiffe war eine
genaue Besicliti*runi; der Personen und der l.aduu^ vor Freii^ahe des Ver-
k«lirs vorge.sehiiel>en, hei Anweseiilieit pestfaugeuder Wiiaren war eine
(^Uüi'autäne vorges^ehen
Im Jahre 1710 war al)ennals ein Pestarzt, Wiilielm Wild, aber der
schlechten Zeiten wegen nur mit einem Monatsgehalt von 10 •«j' angestellt
worden. Kr wurde 1717 entlassen und ihm txui seine Supplication ein
Wartegeld von 4 monatlich verabfolgt. Nach seinem Tode ist die
Stelle nicht wieder besetzt worden.
Das war aber auch um so weniger erforderlich, als jetzt in allen
Krankheitsfällen ilrztliche Hilfe weit leichter zu erlangen war, als früher.
Vk Zahl der gelehrten Äerzte war gestiegen. Aus der Zeit von 1700 bis
1725 sind uns die Namen von 25 Aerzten erhalten, von denen etwa 16
gleichzeitig thätig gewesen sind. Aueii darin war eine Aenderung ein-
getreten, dass die^eiluMi den ang<'Sf'lienstt'n iiie^imn l'uuiilimi tnl^Uuiimten
1111(1 (i;i-s der Physik u.s >choii Iiiii^^st nirlii inrlir von auswärts her berufen,
sondern aus der Zahl der hiesigen Aerzte t nuiounnen wurde, unter denen
in der zweiten Hallte des 17. Jahrhunderts eine Keihe ausgezeiclmetcr,
hochgebildeter Männer zu verzeichnen war. Die meisten derselben hatten
•♦i— 8 Jahre auf ihre Studien verwandt, die sie in Jena, Leipzig, Strasshurg.
vorzüglich aber in Aitorf zu absolviren pflegten. Dann gingen sie wohl
nach Amsterdam und Leeden, hielten sich in den Spitälern von Paris,
Basel und Padua auf. durchreisten Italien und besuchten auf ihrer Rück-
msc Wien, Prag, Dresden und Bertin. Wenn nun auch nicht alle im
Stande waren, so grosse und kostsjiieüge Reisen zu ihrer weiteren Aus-
bildung zu unternehmen, so uingi n sie doch meist sämmtlich nacli Holland
und Fraiikri'ich — Den daiiialigen AnscliauuugtiU üher Standes- um!
Dokton-hre t'ül>[>reehend, war «las Pliysikat --Ht Anfang des 17 .lalir-
liuudt J ls stets dem ältesten Arzt als ein dehitum irustra et uecessario ohne
Vorhergel iende.<* Su|>pliciren übertragen worden. So erwartete man auch, als
im .lahre 1708 der zweite Physikus Dr. Hann ecken starb, dass seine St<^lle
dem iii testen Arzte Dr. Plantekau zufallen würde. Da dieser abei- nn? die
Autforderung des Raths, sich um diese Stellung zu bewerben, nicht ein-
gehen wollte, so wählte der Rath, der fortan stets das Recht der freien
Wahl für sich in Anspruch nahm, gegen den Wunsch der Aerzte und
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Bürgcr den Dr. Stoltorfohi, uius Schleswig j;el»ürlig, zum Pliysikus. Dieser
scheint sein Ziel dadurch erreicht zu haben > dass er sich daxu verstand,
um die Stellung zu suppliciren» für sich und seine Hinterbliebenen auf
die Befreiung von Abgaben verzichtete und nach dorn zu erwartenden
Ableben des ersten Physikus Dr. Nolto das Ph^'sikat allein zu übernehmeu
sich verpflichtete, was dem Käthe der schlechten Zeitläufte wogen l>e8onder8
wichtifj: wnr
Die Wühl Stolterfolil!^ wunlf die Venuil;issniiu zu IjuimhiiuMiulfn
Zwistiirkciu n im är/tlic'l)eii SUni'lc. an (Itniun am h «l.is rulilikum IcKhalU'ii
Antlieil iijilini. Durch dipse und die liei der Wahl ik« /.weittoigendfu
IMivsikiis Dr. Tuugeh zwischen dem Ratlie uinl den Aer/ten entstehenden
Ditiercnzen und nianclie zur Schünmg der Zwietracht ubsiobtlieh liiiiein-
<;etra<xeTie Mi?^ Verständnisse sank das Ansehen des ärztliehen Staudos in
bedenklichem Masse, so dass die angesehenen Famiiiea ihre Söhne vom
Studium der Medizin fem hielten.
Ueberdies stand mit dem Auwachsen der Aerztezahl die Wohlhaben-
heit der Stadt in einem umgekehrten Verfaflltniss. Mit der Achtung des
ärztlichen SUiudes sank auch sein materieller Wohlstand. So konnte es
dahin kommen, das« der Pbysikus Dr. BVanz Jacob von Melle (1743 — 1770),
ein Nhuiii, <i»'r in Lüheck die angesehenste Praxis besessen hatte, Her
IlüUand, Eniiland, I'^rankreicli, Italien un<l Deutschland durchreist, ühi iall
di<' Beweise ausj^ezeielmetpr 8ehotzuniif erhalten hatte nnd vom Pajst
( lemens II. in eigener Audienz em| dangen und mit eirier das Hrusthild
dos Papstes tragenden Medaille ausgezeichnet worden waj-, am VahU- seines
Lel)ens von Almosen leben musste und in sein (Jcdächtnisshueh die bitleroD •
Worte schlich, wenn er 10 Söhne hätte, würde er lieber wünschen, dass
sie alle Schuhmacher würden, als dass sich einer von ihnen zum Arzt in
Lübeck hergäbe.
Ein anderer hiesiger Praktiker, der Hofratli Hill, schlug seine be*
£>cheidene Wohnung bei St Johannis 51 auf, während er selbst im ab-
^tragenen Hcharlachrothon Hocke mit einem Krückstocke, an dem ein
ungeheures elfenbeinernes Krokodil zugleich zur Stütze und zum Walir-
zeielien ditiite. seinen lacliei liehen und niitleiderregi-nden Umzug durch
die Strassen Inelt. Dr. Hehn. \'att r unseres derzeitigen ]>rlw!idirenden
IJürgernieisters, dc*^srn Aulzoichnungen diese Sehilddiingen entnornmon
sind, erzäldl. wie dringlieli ihm selbst bei der Berufswahl von seinen An-
gehörigen von dem wenig ehrenvollen ärztlichen Beruf ahgeratben sei:
„up enen Doctor medicns wert hier in Lübeck nicht veel lüstert."
Die Bemühimgen einzelner Aerzte, der Zerfahrenheit des Standes
durch eine Einigung abzuhelfen, waren eifdglos geblieben. So z. B. der
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-ö 103 Gh
tm Jahre 1769 von dem Physikus Dr. Lembdco gemachte Vorschlag« aus
aämmtlicheiL Aerzten der Stadt ein collogium medicum zu bilden, weicheseich
monatlich voraammeln uud über Verbessentugeu des Medicinalweeens be-
■ rathen sollte. Erst 40 Jahre später, nnclidem dei- äi ztliclie Stund, durch
die tmurigen Ertahrungon der frülu'ii n Zwibtigkeitcn heloJirt. die Ucber-
zeiigung gewonuen hatte, dass er mir «liirch gegcmf<eitigc- riiterstiit/.mi;jj und
fin nul' treue Kanieradsehaft sich slüi/eiides Selbstvertrauen liie Würde
•les .Slaiulüs zu heliaujitcn und den Behörden wie dem PuhUkuni gegeu-
über Achtung zu erzwingen im Stande sei, gelang es den ßeniühungeii
?orzüglich Dr. (J. IL Behn's und des Physikus Dr. Trendelenburg, am
23. October 1809 den änetlichen Verein ins Leben zu rufen, der die zer*
splitterten Kräfte der hiesigen Aerzte zu sammeln und das Ansehen des
Standes wieder zu heben sich als 7ÄtA. gesteckt und erreicht hat —
Die älteste Lübeckische Medicinal-Ordnung ist nicht melir erhalten.
Ihre Nachfolgerin, die im Jahre 1714 vom Rathe erlassene ,3ovidirto
Medicinal-Ordnung"', ist bis in die Mitte luiscres Jahrhunderts in Kraft ge
wesen. Bei ihrem ErscheineD fand sie so allgemeine Anerkennung. da«s
sie in anderen Öütdton fast würilich uL^ N'orbild für eigene Verurihiungen
^^Miommen wurde. In 14 Capiteln giebt sie eingeiiciide Bestinnnuu^eu
für da.s iieilpersonal und das Heilmittelwesen. Von den Aerzten wird
ein kollegiales Verhalten erwartet, für den Wechsel des Arztes, wie für
die Zuziehung eines zweiten Arztes werden besondere Formalitäten vo^
ge.«icbrieben. Die Aerzte werden davor gewarnt, sich mit den dem Harbier-
stande vorbehaltenen Operationen zu befassen. £2s wird als unzulässig
bezeichnet, dass ein Arzt einen bestimmten Barbier oder eine Apotheke
▼or anderen empfehle. Das Selbsidis^)eusiren ist verboten.
Aufgabe des Physikus ist es, bei Pestzeiten mit Rath und That zur
Hand zu gehen, die Apotheken zu revidiren, bei den LeichenOfFnungcu
nach gewaltsamen Todesfällen einen gründlichen Berielit abzufassen, auf
<laä Kur|»fuscherunwesen ein wachsames Auge zu haben.
l i die niichten des Apothekers und senu i Heilien>itti ii . über
die siiii|ili(ia und die coiiiiM»-ita (den^n werthvollere nur in <Hut nwart
eines Physikus angefertigt werden durften), über die >*tarken und gütigen
Mittel, wie über die Abgabe der Arzen» ton an das Publikum werden ein-
gehende Vor.'^chriften gegeben. Es folgen Abscimitte über tlie Weinsortou
in den Apotheken, ül>er die Apothekenvisitationen und über die Arzeneitaxe.
In besonderen Capitein werden die Chirurgen und Bader, die Ma-
terialisten und Zuckerbäcker, die Okulisten, Bruch- und Steinschneider auf
ihre eng begrenzten Wirkungskreise angewiesen. Im letzteti Capitel
schliessUch wird mit den Quacksalbern, Marktschreiern uud Balsam-
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Sulphuris-Kniineni gnindlicli auft^orniinit. >,Alle Theriao-Kräiner. Alchv-
tnisten, Quacksall>ei', Zahn-Breclier, Winkel-Aerzte, sowohl Manns- als Weibs-
[lersonen, wie sie Nameu haben mögen und sich allerley Krankheiten
betrüglichor Weise zu curiren aiimasseu, sollen allhier nicht geduldet
noch von Jemandem beherbergt werden. Viel weniger sollen sie sich ge-
lüsten lassen, weder heimlich noch öffentlich ihre Wnaren und vermeyiitc
Morlieanicnlu feil m halten und umbzutragcD, bey Vermeidung nach-
(liücklicber Straile."
Der flrztlielie Verein.
Der er*<te Aulass, der um die Wende des Jahrhuiiderts hiesii^eii
Ai'V/.U-' in nälierc Vcrbiiidiiiifr 7.11 eiiiandor l)rac'lito. war <1io iCinführung
der Kuh])Ockenini|>]tUDg. Nachdem im Jahre IBOO etwa 80 Menschen an
den Blattern gestorben waren ^ wurde von Dr. Behu, in Vertretung des
kranken Physikus Dr. Lembcke, zusammen mit Dr. Trendelenboig die
erste Kuhpockenimpfung mit einer von de Carro aus Wien bezogenen
Lyinpiie aufgeführt. Auf Anregung der Aerzte fand die Kuhpocken-
iinpfuug bald allgemeine Verbreitung, während die Impf un«; der Menschen-
1. lattern voi hoten wnrdc. Zur lOr^rtcrung dieser und anderer hygienischer
Fragen laii'l- n l);ild auf <irr IvuUjsajiotlu'ke zwanglose reg<'linas<ige ärztliclic
lU'ratliuiiu» n -lall, welclie >ich in Sonderheit mit Sehutzmas^rogeln goiren
ansteckenfk- Krankheiten, naujt utlicli das damals in Südeuro]»a in IkmK nk-
liclior Weise auftretende Gelbfieber, beschäftigten und die Einricl)iuii;j
einer Quarantäne-Anstalt zur Folge hatten. Damals wurde aucli die
preussiscbe Pharmakopoe auf Betrieb der Aerzte hier eingeführt
Seit dem Jahre 1804 war über diese Zusammenkünfte,- welche nur
den Charakter freundschaftlicher Besprechungen hatten — übrigens aber
von den Beliörden trotz threa g^einnützigen Zweckes nicht begünstigt
wurden, weil man in der Vereinigung der Aerzte einen „Staat im Staate"
orblicktc — ein Protokoll geführt woi'den, welches bis zum Jahre 1806
Yun Dr. Brehmer. dann bis zum Jalire 183*? von Dr. Behn besorgt wiwdo.
Auch die bewegte Zeit der Erstürmung Lübecks durch ilie Franzosen
im Jahre isuö, wainerui welcher in den Tagen vom 11. bis 18. November
die hiesigen A er/Je nicht weniger als 1 'i mal zu gemeinsamen Herathungen
und Beschlussfassungen zusammentraten, vermochte zu einer festen Eini-
gimg derselben vorerst noch nicht zu fülireu. Erst im Jahre 1809
gelang es den Bemühungen des Physikus Dr. Trendelonburg und besonders
des Dr. Behn, welcher als der eigentliche Stifter des ärztlichen Vereins
zu betracliten ist, sämmtlidie damaligen Aerzte zu emem festen Verein
zu verbinden. Es waren dies ausser den beiden Genannten die Dres. med.
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Danzmano, Ackormami , Schetelig, Jacobseii, Curtius, Berge, Leithotf,
CarateDs, Köster und Molter. Als Wahlspruch des Vereins wurde das
Goeüie'sche Wort genommen: einzelner hilft nidit, sondern wer sich
mit vielen zur rechten Stunde vereinigt."
Am 23. Oktober feierte inini auf der 8cliatTerei. deni lieutigen Tivoli,
lien RegiTui der ZusanHuciikünfte, welche iorUiu allniiniadicli, atilaiigs
Donnerstiigsi. spüU-r am Freit^ig stattfanden. Re[rüii<ni;i diircli di<» vw
liiiltnissmässig geringe Thoilnolnnerzaid cntwiekelte sieh auf der Urund-
ia<;e zweckmässig abgefasster Statuten schnell ein reiches, iruchtbnngeudes
Vereinsleben.
In diesen Statuten, yon denen die jetzt gültigen nur in unwesent-
lichen Punkten abweichen, wird die Geechäftfiordnung für die Sitzungen
des Vereins, die Stellung der Aerzte zu den Behörden, ihre Verpflichtung
zu gegenseitiger Vertretung bei Reisen und Kranklieiten, sowie das Vei^
fahren bei Consultationen geregelt. Vor Allem soll ein kollegiales Ver-
halten unter den Mitgliedeni gefördert werden. Um jede Eifersucht un
Voraus y.n vcibania n, Holl der Vorsitzende alljährlich durch da.s ivoos be-
stimmt wf Tih II Wenn ein bocbehrbarer Rath die Einsetzung eijier ärzt-
licliuii Coiuiiii.^^ion wüiisclit, «olleji hierzu st( t« die ältesten Mitglieder des
Vereins delegirt werden. Untersagt wirdr dt n Mitgliedern, um eine öffent-
liche Stellung suppheiter einxukommen, vielmehr soll der Einzelne sich
dieselbe antragen lassen.
Das Ziel, sftmmtliche Aerzte Lübecks mit dem idealen Bande
wahrer Kollegialität zu umfassen, die Standesehre zu wahren und die
unvermeidliche Concurreuz in ehrenhafte Formen zu kleiden, hat der
Verein, dem seit seiner Gründung mit wenigen Ausnahmen sämmtliche in
Lübeck ansässigen Aerzte angehört haben, während seines mehr als
85jährigon Bestehens unablässig mit bestem Erfolge vor Augen gehabt.
Schon im Jahre 1814. aU es darauf ankam, die von Davou.'^t ver-
uitbciit'ii Hamburger, welche in grosser Zahl nacli Lübec k kaiian und
erkrankten, zu ver{)fleg< ii und ein ( 'insicligi'cilrii von Tvidiut; und Kühr
zu verhüten, entfallet*^' der \ erein eine segeii'-rciclK Wirk.^amkeit. Ebenso
im Jahre bei der Rekämpfnng der Cholera und 1870/71 bei der
Päege und Rehandlung der Verwundeten.
Fruchtbringend war die Thätigkeit des ärztlichen Vereins für unser
Gemeinwesen durch seine BeÜieiligung bei mannigfachen sanitären Ein-
richtungen und Massregeln, welche seit seiner Gründung ins Leben go-
treten sind.
In dem letzten Jahrzehnt hat der Verein, der dem deutschen Aer/te-
Vereinsbunde ungehOrt, die yon der modernen socialen Gesetzgebung ab*
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-ö 106 ö-
lijingigon finRC'ljncuU'mleii Aendeningon im ür/tüdK-ii Er\v<'rl)sl('lion zn
niiklern und m veriiiittolD imil aucli in dieser iiinsieiit die Solidarität der
inatericUen Iiiteresseu dcB BUmdeH zu wahren und zu fördern zu Roinen
wichtigsten Aufgaben gezählt.
Um die Aerzte in ökonomifichür l^eziehimg von der Willkür de»
Publikum!» unabhängig zu niacheu und die damaligen kärglichen Hono-
rare zn orbOhen, hatte der ärztliche Verein frühzeitig eine Taxe angestn-bt
niul «liosellx- diircli 8('iints{k'civt vom (i. Juni 181G zugchilligl criiulkti.
Kill«! W'rOlleaÜicliung hat »liese Taxe nie orFahren, da sie als intogrircmh'r
I'x -t;mdtlieil einer MedicinaloiilnuiiL; gedieht war, welche h\h'v von ihr
IMw'^vr^vhuW abgelehnt wurde. Doeii hatte die Taxe Gihigkeit liir <1h»
Aer/.le, wie für die (ioriehte, bis sie ;im 1, April 1871 durch die Ein
fühnnig der üewerhe-Ordnung aulgehohen wurde. Dafür <(• Ute <!er ärzt-
liche \'< i-ein noch in demselben Jahre eine für seine Mitglieder ver-
bindliche neue Taxe auf. welche vom 1. Januar 1892 ab unter Beibehaltung
der vorhandenen Minimalsät^e einige geringe Aeuderungen erfahren hat
Die Mediciualtaxe giebt für die einzelnen Leistungen der freien
ärztlichen Piuxis Minimal- und Maxinialsätze; für die Houorirung ärztlicher
Ijcistuugen durch Krankenkassen und Versichenuigi^gesellschaftcn sind
bestimmte Normen geg( hen, weldie mit den vom deutschen Aerztevereins-
hund aufgest< llten (iriiii<lsat/,i n im Kinklang stehen. Die Mitglieder des
jir/tlichen Vereins vrrpilichu u .-^i» Ii nach der Taxe 7,u licjuidiren, doch
l>leil.>l es jed» III i'-in/A-lnen unheiininincn , in welcher Wi ise er rnbernit-
leiten eine Enujussigung der Ke<*hnung gewiUiren will, llausärztliclie
Moncjrare bleiben der fnuen Vereinbarung zwischen Arzt und Patienten
überla.mMi.
Nachdem schon vier Jahre vor Gründung des ärzUicbeu Vereins im
Jahi-e 1805 ein l^s<>zirkel unter den Acrzten Lübecks ins Leben gerufen
war, wurde im Jahre 1819 die Bibliothek des ärztlichen Vereins gegründet.
Durch Schenkungen, namentlich aber dui'ch den Ankauf der werthvolleii
Trendelenburgschen Büchersamndung für 3000 ^ Lüb. im Jahre 1838,
erfuhr sie eine beträchtliche Vergrösserung Zur Zeit umfssst sie etwa
9(M)0 Bünde uimI 2(H)<> Bände Zeitv«chriften Ein gedruckter Catalüg wird vor-
bereitet. Dil' Bibliuihek. anfänglich in /.uii Ziiiuiiern der Rathsajiotheke,
ist seit 1842 iji dem Schulcollegcnwilt \v« ii}iaus<'. ( iiuckenuiesseislrnsse No. 4,
unt( tgebraeiil, dessen obere Räume vom Senate unentgeltlich zur W'V-
lügung gestellt sind. Bei «1er Bibliothek lindet sich ein Lesezimmer.
Die neuesten Nummern der periodischen Zeitschriften liegen, bevor sie
in den ärztlichen Lesezirkel gelangen , in dem Ijeaezimmer der gemein-
nützigen Gesellschaft aus.
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-ö 107
Die Wittwenkasse den ärzUichon Vereins, deren Statuten durch
Senat^tbeschluss vom 0. Si^ptember 1880 genehmigt sind, hat den Zwec^k,
die von ihren Mitgliedern hinterlassonen Wittwen oder Waisen, letztere
Uis zum vollendeten 20. Lebensjahre oder einer etwa früheren Verlieimtung,
m uütetstütssen. Vollberechtigte Mitglieder der Wittwenkasse sind solche
Aerzte, dio in Lübeck ihre praktische Laufbahn IjcKoniicn und die Mitglied-
siliaft aivAlichüii V^'iciiis erworben hal» n. llul ein Arzt vor seiner Niecb-r-
la«^sun<; in Lübeck ben-its an «'inem antleren Orif prnktizirt, so bat er bei
tletii U«'itnlt znni invtlicbcn XCrein und zwr \\ itlwt nka^sn Ix-bufs Krwcr-
l'un;^ «ler vollt-n Mitgiirdscbal't (^bt /w. der l'yni[»fangi«ber('clitigung für seine
iliiit('r))lii bi ueu) ein tür den einzelnen Fall zu bestiiiinicndes EintrittHgeid
zu entrieliten.
Das Vermögen der Wittweukasse wird verwaltet von einem Aus-
schüsse, der aus dem Präses und dem Schriftführer und einem auf
2 Jahre gewftlilteii Mitgliede des ärztlichen Vereins besteht.
Die Einnahmequellen der Wittweukasse bestehen
a) aus den jährlichen Beiträgen der Mitglieder, in der Hölie von 15 Mk.,
sowie etwaigen Eintrittsgeldern,
b) aus etwaijjjen voni ärztlieben Vereine aus der Bibliothokskasne oder
dgl. überwiesenen Heberscbüssen,
e) aus freiwilligen < n scbonken und Legaten.
d) au.-^ «Itii Zinsrn <!rs sidi ansninnielnden Capitaitf, welche» unter
pupillariseber Hicherheit angelegt sein niuss.
Den Statuten gemäss konnten zum ersten Male im Jalire 18'Jt
riiterstfit/tnigen von der Wittweukasse ausgezablt werden, nachdem «las
(•apital auf 20000 Mark angewachsen war. Als Unterstützung gelangen
drei Viertheile der unter a) und d) genannten Beiträge und Zinsen zur
Vertheiluiig, um in gleichen Quoten den Empfangsberechtigten zugestellt
zu werden, der Re«t der Einnahmen wird zum Capital geschlagen. Zur
Erlangung der fortlaufenden Unterstützung genügt die einnialige Meldiuig
flcr lki*echtigteu oder ihrer Bevollmäcbt igten beim Vorsitzenden des« ärzt-
lichen \'< reins. Zur Zeit machen 7 Arztwittwen von ihrem Anrecht auf
l ntersiüizung Gebrauch.
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-ß lOH
Organisation des Medicinalwesens und Sanitätspolizei.
Das .Mt <!i< inal\vesen T.iibecks ist durcli die Mcdic iiuil < hdiuuig vom
2ö. St piriiilttr ISdl gorep'lt, welche an Stelle der Irüliereu MediciiiMi
Ordnung vom .luhre 1714 vom 1. Okiober 1867 an in Wirksamkeit trat
Die .Medicinal -Ordnung belasst sich mit den Medieinalbeiiördüli
(M(3(iiciüall{ollegiuin und Mediciualamt) und den Mcdidualperaonen,
beamtoteD, wie nicht beamteten.
Das Medicinalkollegium wird gebildet aus dem Dirigenten des
PoIiKeiamts als Vorsitzendem, einem anderen Mitgiiede des Senats als
Stellvertreter, dem Phy8iku8 und vier praktischen Aerzten. welche vom
Senat auf Vorschlag des Büigerausschusses auf je sech« Jahre gewftblt
werden.
Das Medicinalkollegium fülirt die Aut^^iclit über da« gesamnite
Medit inulw esen im l.ubcrkix lim Kreistanir und ist in MedicinalsacluMt
für den Sonat ralh'Mi«!«' uiki Ixgudiclitrndv l'x'liDrde. In Soniln-hcit Ijut
dassell)e aui dem (iel'iete der ortenllieiien (iesundheitsptlt gc dem S'-nal«
VorscJdiige zu machen. <iem l'uhlikum ölVentliche Belehrungen zu 'liicil
werden zu lassen, über die «»ITentlichen Kranken- und Heilanstalten die
Oberaufsieht zu führen, für Sammlung und N'erwerthung des statisti^cheu
Materials Anordnungen zu treffen und das Apothekeuwesen zu überwachen.
Die Sitzungen des MedicinalkoUegiunis werden nach Ikdarf von
dem Vorsitzenden anbemumt oder wenn ein entsprechender Antrag von
wenigstens zwei Mitgliedern des Kollegs gestellt wird.
r>a8 Me<liti nahiiut.
Ausführende Medieinalhehönle ist das MediciiialinnU welches von
dom Dirigenten des i;inii< .> verwaltet wird. Demselben ist als
Beiratli der i'iiysikiis uml für Jlcbammensnchen der Hebammenleluei
heigeordnet. Keamte des Mediciualamts sind der Tolizeiar^^t und dtr
Poiizeithierarzt.
Ri' um tele MimI it; » nal jm- iho neu.
pM ;imtele .Medicinal|»ei.-unen sind der I'hysikus. iler llel>atnnienlelM*er.
<1< I ruli/eiar/t und der l'olizeithierarzt. Sie sind vuiu Senate erwählt,
mit einer lubtruction vert>uhen und beei<ligt.
Niclit beamtete Mcdicinalperaoneu.
Als nicht beamtete Medieinalpersonen werden in der Mediciual-
Ordnung Aerzte. Zahnärzte, Thierärzle. die ärztlichen Hülf-sperinoncn
(Heilgebülfen und Krankenwärter), Hebammen und Apotheker mit ihren
Pflichten und Hechten behandelt.
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-*Q 109 E>-
Der riiysikus ist «t;in<li_Lj<-^ MitplioH f\oH Mr-diciiialk« )lleL,n'\iiii>,
lieiratli des MtMlicinulainies uini (lericliLsarzt. Kv iuit den allj^emeiiien
(jojJuiidlieiLszustiuid /u überwachen, die Befolgung der im Interesse der
öäentlicheii GohuiiiIIi» ;t8})tlege gegebeueo Anordnunjron zu }»eaiitsiclitiojou,
saniUtre MissstÄn»le. N'^erstiisso f^egen medicinalpoiizeiliche Voi-Jiclirilten.
strafrechtlich zu ahndende Handlungen auf dem Gebiete der Heilkunde
mr Kenntnisa des Medicinalanites %u bringen. Er ist Mitglied der
A{)othekenrevi8ionRConnnission und hat die besondere Aufsiclit über die
Apotheken und über den Verkauf von Heilraitteln und Geheimmittehi
Buszuöben.
Zu seinon Punktionen g^ehört ferner die Ueherwachunjj da«» Impr-
u<'«oiis', dit? UnU'rsu< iniiiL:; der ( JoiHteski-iUiken vor Aurii.diiiH iu die Irren-
anstalt, die ( 'nte?'MUi:huu«^ tiiui)stunniu i- nnil .srli\\;n'lilirliilii^'f«M' Kinder
l>eliMf8 Anlnnlinie in <lie l>erend Schröder .scliu fcJdiuie und die periudisiche
Nacijfirülung der IleliainnuMi
Der Ilebani inenl elirer hat die nel)anmien bei der Ausübung
ihi'es lierufe» zu ül)er\vaielien und alijährlich einen lM)rtbildunjiseursn9
für dieselben zu ertheiieu. Kr iat verptlichtet, dürftigen kreisnemlen
Personen auf Erfordern seine Hülfe unentgeltlich angedeihen ssu laasen.
Der Polizei arzt bat die Untersuchung der ihm vom PuHzeianit
zugewiesenen Personen, Kranken und Verunglückten, die ärztliche Be-
handlung der iu dem Marstallgefäugniss internirten Polizei- und Gerichts-
gofangenen, die Besichtigung todt aufgefundener oder verunglückter
Menschen, die Leioheiiaebuu bei rersonen. welche ohne ärztliche Behand-
lung verstorben sind, inid die er.^te Hilfsleistung l)ei I'nglii« kslallen
auszulüliien. Er i.st ex olficio Vertreter des Phyöikus und tungiri hui
lA'icl)en''^}Tniingcn al3 zwrit -i Geriehtsarzt.
I)er Polizeithierarzt ht sachverständiger Beistand des Polizeianita
und hat die von diesem getroÜeneu veterinärpolizeiliehen Anordmnigen
zu leiten und zu überwachen, sowie die nach Heiebs- und Laudeagesetzen
dem beamteten Thierarzte zugewiesenen Geschäfte wahrzunehmen. £r
hat in Sonderheit den Viehverkehr ausserhalb des öffentlichen Schlacht-
liaases, die Pferde- und Viehmfirkte, den Viebtransport auf den Eison*
fatthnen, einschliesslicb der Desinfektion der Eisenbahntransportwagen, und
liie Vieheinfuhr zur See zu überwachen. Er bat bei der Körung der im
Privatbesitze befindlichen Ztichthengste und bei den Nothsehlaehtungen
mitzuwirken, diu auf den Markt nach Lübeck gebrachten Fleiscbwaaren.
tische und ( i( tliiL[eian<Mi hiiisicbtlieb ihrer Beschallen bei t zu beaul-
siditigen, d&a AbdeckereiwesoQ zu controlircu und diu Viehseucheustati.sLik
zu bearbeiten.
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110 es-
Die Zahlen der zur I*raxia beim Mediciualaiiite angemeldeku
Mudicinalptiröouen sind aus der im<-hfulgeiideii iabelle ersiciiliicb.
Statiatik dea Ueilperaonala aeit 1870.
Tab. 1.
m Jahre
Einwohner-
' zahl
Aerxtt
in <1t r SUhU
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1
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1
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gvblel
1870
1 38 771
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3
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1 4
2
12
7
1875 '
1
44272
21
1
2
4 1
3
17
m
1880
; 50538 1
27
2 '
5 1
3 1
6
2
17
7
1885
54998
29
2 '
0
3
tt
2 1
24
1890
62936
36
3
3
2
1
2
22
9
1891 '
64 545 '
37
3
o
2
7
2
22
7
18H2
! I8:i
4:5
-
4
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2
' 7
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9
1.SH8
JJ7 821
44
4
3
8
3
21
8
1894 1
GU 459
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1 1
1 49*)
« 1
i ' \
1 «
1 ^*
1 25
■
Dm ImpfwoMiL
Für die Durchtuhruuf; des Impt'gescbälles ist das (»ebiel der freien
und Hansestadt Lübeelc iu sechs Impfbozirke eingetheilt. von denen zwei
auf die Stadt selbst eDtialleu, während die vier anderen als Travemünder,
Nilsser, Schlutuper und sogenannter I-aiidlM /irk die übrigen Gebietatheile
nmiasseD Für die eiaxelnen Impfbezirke aind Impfärzte, für Travemünde
Nüsse und Schlutup aus der Zahl der dort ansttsaigeo Aen&te« geg^n eiD
Pauachquantum angestellt
Die öffentlichen Impfungen erfolgen alljährlich in der Zeit vom
Mai bis Juli oder August Als luiphäume werden in der Stadt zwei
Turnhallen <l<'r Volks^rlmh-n, auf dem Lande die Helml/.immer beniit/t
Die Impfung erfolgt meist durcii Schnitte mit der Impflanzetto. bei Erst
imjd'ungen mit 3 — ti Schnitten auf jedem Arm, «bei Wiederiaipfungeu
mit r> Schnitten auf dem linken Ann. ICigentliche Hrkrankimgen oder
ematliche Impfachädigungen oder gar Todesfälle sind nach der Impfung
niemals beobaditet worden. Die Ergebnisse des ImpfgescliftCtes während
der letzten fünf Jahre sind in der folgenden Tabelle yeranschaulidit.
*) AiiS8< r (iu'H» ii zur l'raxirs iiiigLMneld<!ten Acrzlt ii hIikI nucli vier A88i«teu2drzle,
davuu drei im Allgciiu-iiteu KraiiketiliuiiHU, uiuer iu der IrrutjtuiHtult tliUUg.
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-fö III
Tab. 2.
181)0
\ri 1893 j 1894
i
liilpfpiliolitig waren ' ' i
Äur Krstinij)tuii<; Hill» 223(),22;m L>4(Hi 2;ur»
znr WiederimpfuDg . 1 16<>5
.i357d
17üGi 1728 1887^ 1940
3936 i 3966 ! 4353 ! 4275
I \
- I ■'■ . - .
Geimpft wurdeo
in Brstimpfung :il558 1930 1917 2133 2045
in Wiederimpfiiiig !> 1603 1647 ! 1664 , 1824 . 1875
. :J577 3581 .m? :W20
Ungcimpl't blieben
auf Grund ärztlicher ZeuginHsc
vorachrillswidrig
aus anderen (trundon . . .
Geimpft wurden nlt Erfolg
bei Erstimpfung
% der Impfuuj^en ....
I)ei Wiederinipiung ....
% der Wiederimpl'ungen . .
350 289 ' 325 350 319
(53 65 1 57 41 29
ll 5 3 5 7
414 :i;>i)| 385 39G
1534 I 1850
98,4 «9.5,8 6
1738: 2090 '2015
90,e8l97.y8 98,58
. i:)39 ir)37 1479 lt)44 1702
. !:9ü,0 1 > 93.32 88,88 1 90,1 3 9UJ 7
G<^impft wurden ohne FIrfolg .,
hei Krstimpfiiiig ' 24 ' 78 | 179 ' 43 I 30
% der Iinplungen I^''*^ "^-^^ '^"^^ '
bei Wiederimpfungen '^64 lU) ISf) 180 173
% der Wiederimpfungen J^3,t»» 6,68 11,12 9,87 i 9.23
Der ErlolLT IWiub uul»ekajint ' I
Inj I-yrstiiiipluniroi) — j 2
bei U iederimplungen '\ — i — | — , — —
Die zu den Impfungen ansechliesfilich benutzte Tliierlymphe wurde
«eit 1886 in der staatlichen Lymphgewinnungsonstalt des Schlachthauses
gewonnen. Anfänglich hatte für die Zwc^cke derselben ein gewöhnlicher,
nicht heizbarer Stall gedient, seit 1890 ist eine besondere Anstalt erbaut,
weldie aus zwei hoizburcn mit ( }a< imd Wasserlmiuiig nusgoslatteten,
(.xijicntirten, gut voniilii u-ii. in lUn Kauntru von jr 10 (|m (.iruudllaclie
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-Ö 112
besteht, von denen der eine ;ils KällKTsl^ilI, der andeic als Operatiniis
/.inniier dient. Unter letzterem lindei sich eiu kleiner Kellürramn zur
Aufhewuiii-uii:: der Lymphe.
wnrden in den einzehien Jahren zur Lynipligewinnnng benutzt
i8Ht> 1887 im mif im) im ise^
8 7 5 5 5 5 G 8 i< RällH-r.
Von der gewoniiciieti Lymplie wurden un ilio BtnAtlidiPii Impfärzle
und (U) rtnvatärzte uticntgoltlich venihfolgt
1888 1889 1890 1891 lb92 lfm im
r>]()0 4047 G732 5387 G556 4870 r>71G Poriionea
Der Lymphertra^ der Iiiesijren Anstalt hiitte deinnacli vollaul für
.•"ämmtlielie iniiifuii^en ^eniii^en k<>nnen. lUx h hat hei Ti i\;ilini]"tuiigon
aneh ikh Ii tliiurisehe Lyiupho uns amluron liezug.^tj Hellen Anwendung ge-
iundeu.
Aerztliche Meldepflicht.
Für die meisten un»teckeiiden Krankheiten besteht Meldeplliclit.
welche seitens der Acr/te durch sofortige Kinschicknng von Meidekurteu
un ditö Medicinalanit erfüllt wird. Die in der Modiciual-Ordnuug ange-
gebene Zahl von meldepfiichtigen Krankheiten ist später erweitert worden,
80 dass xur Zeit Oiolera und choleni verdächtigte Erkranknnfjen, Diphtherie,
Masern, Scbarladi, Poeken, Ruhr, l 'nterleih.^iyphn«?, Flcektyphus. Rüet
lall(iel)er. (!i>idt i)iis(he Cionicksüirre, Tnchinosi."?, Toliwutli und Woeheu-
botUieber der Mt-ldepllicht unterliegen.
In gleiclier Weise sind Verwun(Unigen, Erkrankungen und Todes-
l'älle, bei denen dei- W rdacht eines Verbreehens vorliegt, und ferner Tode*
fälle durch Verunglüekung oder Selbstmord sofort nach erlangter Kenntniss
dem Medicinalamte zu melden.
Die Hebammen haben von jeder bei einer Gebärenden oder Wöch-
nerin vorgefundenen ansleekenden J\rankheit. speeiell von WoelienWtt-
liehcr und von Augen<'ntzünduug der Neugebori-nen , d«tm Phj'sikus
«ol ortige Meldung /.\x macheu.
Desinfektion.
Durch Veronlnung vom 1. August 1892 ist für asiatische Cholera.
Pocken, Diphtherie und Typhus eine unbedingte Desinfektion vorj»^
Mchrieben, wälirend soh'he für Schar1a<^h, Masern, Ruhr, ivenchhusten und
Lnngenschwindsuelit nur auf besondere iK)lizeilicho Anordnung statt-
zufinden braucht
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HG 113
Leistungsfähige Dampfdo.<;infektionsappanite stellen ferner zur Vcr
fügung im AUgomeirien Krankenhause, tn der Irrenanstalt, im Marstall-
^«'fängnias.
In Travemünde befindet sich ein Desinfektionsapparat zur Benutzung
für die Schiffe, we auch für die Ortschaft selbst.
Die Ausrüliruiig <ltM' Wühiuini^sdcgiulVktiuti erfolj^t durch «reschultc*
iV^iutiikloren. tli ien /alil sicli aal 14 iu'lault. (Autigobildct iür deu Fall
fiaer Epidcinio sind (>.'> LouW.)
Gesuudlieitskominissioiieu.
Zur UiitorstiUyAui«i; dvv uiiitlieheii Organe, namentlich zur Zeit <!ro-
hend< r Soucheugefahr, sind 7 ( lusundheitskonuni Spionen gt>hildet, je eine
für die einzelnen vier Quartiere der Stadt und die drei Vorstädte. Sie
haben der öffentlichen und privaten Hygiene ihrer Bezirke unausgesetzt
Aufmerksamkeit zu widmen, die Abhilfe etwa vorgefundener Missstände
zunävlist auf gütlichem Wege anzubahnen, bei erfolglosem I^niüheu jedoch
sofort dem Medicinalamte zu berichten.
HaasTsgoln gegen die Terbreitong aasteekender Krankheiten dnrdi den
Sehnlbsiiieh.
Zur \ t rhülung einer Verbreitung ansteckender Knnikln it» u durcli
'len Seliuibesueli ist vorgeschnoljen , dass Eltern, PÜegeeitern und Pen-
sionttvonitelier, deren Kinder oder Zöglinge eine Schule besuclieu, von
jeder tu ibrem IlauBwesen auftretenden Erkrankung an Masern, Scharlach,
Pocken oder Diphtherie ungesäumt dem betreffenden Schul Vorsteher An-
zeige zu erstatten haben.
Kinder, welche selbst durch die genannten Krankheiten am Schul-
besuch verhindert gewesen sind, dürfen er»tt dann zum Besuche der
Schule wieder zugelassen werden, wenn durch ärztliciie Beseheinigung die
gäDzliche Beseitigung der Ansteckungsgefahr erwiesen ist.
Kinder, in deren Familien Scharlach , Pocken otler T)ii>htherie /.um
Auabrueb gekonimen >iiML werden auf 14 Tage vom Scbulbesucli aus-
ge8ehlos.sen , wenn b; «»t-nt die l'iikrankten oder sie selbst aus dem
Ilau.slmlte iUÜVirnt worden sind oder -ic »elb.si nicht bereits Irüber
Scburlach oder Pocken (Diphtherie gestattet keine Ausnahme) über-
standen haben.
Von jeder Erkrankung unter den P>ewobnern eines Schulhauses an
Maseru, Seharhich, Poeken, Diphtherie, Keuchhusten, Cholera, Ruhr,
Typlras, Krätze oder Lungenschwindsucht ist der Oberschulbehördo sofort
;Vuzeige zu erstatten.
8
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^ 114 ^
ApotliekeiiweteB.
Von den zur Zeit in der Stadt Lübeck vorhandenen 8 Apotheken
stammen 4 Concessionen aus der Zeit der französischen ITerrsehaft, \vä!i
rciul die übriijen erst in (Uii kl/.U'ii 24 Jaliroii eingeriditet worden >iit'l
Als Lübe<'k IS 10 (it'iii li;ii)zr>sisohoii Kniserreieb eiiivorloii>t wniiltii wiu:
Tiiiissto. ciits] <i-('clicinl <hMi) irair/ösi^cbeu ( i l ui id-.il/e, tla;s> »bc Comiiaiiic
iiieiits iür eigene Jieebnun*;; verwalten konnte, die iiatlisapotbeke wie niieii
der Rathskeller, welche bis dabin initer der „Deputation der Herren der
Katlisapotheke und des Rutbsweiiikellers'' gestanden hatten, /.um Vortbeii
der Oommunalkasse verpachtet werden. AuB^^erdem wurden eine Zulil von
neuen Apothekenoonoessiooen ausgegeben Naclidem Lübeck im Jalire 1814
seine Selbstständigkeit wiedergewonnen liatte, wurde den vier neben der
Rathsapoiheke fortbestehenden Apotheken (eine fünfte wui*de wegen man-
gelhaften Befundes bei der Revision geschlossen) eine an den Rath zu
zahlende jährliche Recognition von 500 $ Lüb. auferlegt.
Durcb Verordnung vom 11 November 1840 wurden an Stelle der
l)i.s dahin üblidieii per.sönlicb \ t'rlicliuucn ( 'oneessionen den lliuiscru an
klt biMide Keali"rivilegien eingciuln't, deren einstic:«» Al)lr>8ung gegen ange-
messene Entscbädigung dem Staate vorbi halten wurde Für das Keal
l)rivilegium hat der Eigner des Hauses eine jalirbcbi^ Keeogiution an den
Staat zu zahlen, welelie seitdem auf I2(H) te>*tgesetzt worden ist.
Ausserdem haben bei den seit dem L Juni 1887 verliehenen Apotbeken-
berechtigungen (2) die Inhaber ausser der Recognition noch eine durcli
Meistgebot unter den Bewerbern ermittelte besondere jährliche Rente aD
den Staat zu zahlen.
Als Richtschnur für eine Vermehrung der Apothekenberechtigungen
ist festgesetzt, dass bei eüier Zunahme der Bevölkerung um wenigsten»«
7000 Seelen die Neuanlegnng einer Apotheke erfolgen darf.
Aueb in dem Stadteben Travemünde und im Dorfe Oummesse b(>?teben
privilegirte Ai'otheken (niit enlspreebend geringerer Recognition). wabrend
in dem Hoih' Niis^c -icb die einziije auf PersonaU'oncession berubönde
Apotbeke des Lübeckiseben Frei-t^iates belindei.
Die Vorschriften über Betrieb und Revision der Apotheken wciclieii
von den in Preussen giltigen nicht wesentlich ab.
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-t3 115
Ansteckende Krankheiten und Seuchen in diesem Jahrhundert
Cholera.
Wie lür <x{im Europa so htit audi Tür Lübeck in diesem .lalirlmndort
von ilin vi^rschicdi'iicn Süuclion uixl \''olkskranklKMU3n die Clioleni die
ffOssiti Bedeutung gehabt Sie allein hat es hier mehrmals zu schweren,
verbeoreodeu Epideinieti gebraclit.
Nachdem die Cholera liei ihrer zweiten pandemischen Wanderung im
Jnhre 1831 bis in das Herz Europas vorp:edningen war, trat sie 1832 zum
«Tsteii Male in l.nlieck aiil und wiitlKte hier mit einer IlL'iti^keil wie
^jtiitcr niemals vviidcr. Wahrciid d< i l^siugigen Dauer der Seuche
uurden von 1431 Erkranktcu 782 dahingerafft, so dass 2,6 ü % der iie-
völkernng der Kranklieit /.um Opfer fielen.
Sechzehn Jahre lang blieb damuf Lübeck von der Cholera verschont»
bin gegen Ende der vierziger Jahre gelegentlich ihrer dritten pandemischen
Verbreitung (1 840— 1801) die Seuche sich in 10 Jahren in Lübeck zeigte
und fünfmal (1848, 1850, 1853, 1856, 1859) zu epidemischer Ausdehnung
gelangte. Sie trat zunächst in den drei auf einander folgenden Jahren
1H48, 1849, 1850 auf und forderte namentlich in dem letztgenannten Jahre
als seliwere Epidemie zalilreiche Opfer (504 TcHlesfälle). Aus den beiden
folgenden Jaliren sind keine riioleracrkrankmigen bekannt gewonk'ii.
Dagegen zeigte sieh die Seuclu wiederum 18.">-) mit /iemlicher Iulen>^it;it
und von da ab fortan alljübrlich bis zum Jahn' 18n9, indem sie in den
Jahren 18Ö0 und 1851) eine grössere Verbreitung erlangte.
Späterhin ist die Cholera nur noch dreimal und in geringer Inten-
sität in Lübeck aufgetreten, nämlich im Krii'gsjahre 1866, 1873 und 1892.
Die erwähnten 14 Cholerajahre sind in nachstehender Tabelle unter
Angabe des zeitlichen Auftretens der Seuche, sowie der Zahl der Erkran-
kungen und Todesfiüle veranschaulicht. Es geht daraus hervor, dass die
Cholera stets nur in den Sommer* oder Herbstmonaten aufgetreten ist
und ihre seuchenartige Verbreitung im Hoch* oder Spätsommer gefunden
hat Der Beginn der Erkrankungen fiel einmal auf den Juni, fünfmal
anf den Juli, zweimal auf den August, viermal auf den September,
'•weimal auf d« ii Oktober: das Aufhören der Erkrankungen fand /Avcimai
Tn Scptt iiihcr. ai htiiial nn < »ktoher, viermal im Novend)er .«statt. Eine
blinkt* rpid' ;i!)>( ]ic V't rbroitnng gewaim die ( 'holera nur, wenn sie- frülizi uiu;.
'"V.W. int Si.iiiiiHtr, ihren .Vnfang nahm, im Oktober vermochte sie keinen
Inwleu mehr lücr /AI gewinnen.
8»
-Ö 116 &h
Choleraepideinieii in Lübeck 1832- 1892.
Tab.
Jahr I
Dauer der Epidemie
Er
krankt
Ge- I = % = %
fstor «lur Er der Be-
llen krankten ,völkeruDg
1832
14- Juni Ins *'^!^ ( )lf toliAi*
* 1431
782
1 FiA. ti!t
9 eil
1848
Ö71 :»X>
' 1 AI
1849
4 Oktober bis 11 Okti^hßr
14
8
1850
1017
: Ö04
40 56
1 70
1853 .
•
■ 186
0,61
1854
21. Oktober bis 16. November . .
11
8
72,78
0.03
loOO
.io. Juli bis 1. Aoveiiiher ....
85
00
TIA -
O.jn
iö:)<> .
Ö. Juli bis (i. Oktobe r
707
Hl 4
44.^ 1
1.04
1857
14. September bis 9. .Nuvi iiiber . .
ir)2
82
0.2 7
1 Hr)S
19. September bis 21. Oktober . .
4;")
22
48.sy
0.0 7
1
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49,8 6
0,.-..;
18<>()
U). September bis 9. Oktober. . .
t>8
32
48.;. :}
0,1 1
187a s
24. AugUijt bis 5. September . . .
21
11
52,38
0.04
1892 1
27. AngiiHt bis 27. Oktober . . .
6,
3
50.00
r
lu 14 ('hoitüajaiireii ^
4827,
248r)
51,48
0,59
Die Sterblichkeit der Erkranklcu zeigte in ileu eiuKeluen Jahren keine
grossen Abweichungon, nur die Erkrankungen der Jahre 1854 und 1855
sind durch ihre tiu^Eällig hohe Mortalität von über 70^ uuffällig, wäh-
rend sich in den übrigen Jahren dieselbe von 50 5^ nicht weit entfernte.
Die Darchschnittssterblichkeit der Erkrankten für alle Epidemien zu-
.saiiiiiicn bere< biu't sieb auf 51.48%. .Vis schwei^ste Kpidemien in ilnem
Er*;ebniss für die (ir.-aiHinlheit der l»c\ (.Ikeiiiuj; stellen sieb die Seuebeii
<ler .fabre 18:32, 184S, 1850 und 1k:»«; dar. in >k'iien 2,09% bezw
1,01 %^ 1,70 %. 1,04 % der ges;mimti n lie\ olkermig dabingerafft wurden
Hc'i ihrem seuehenarti^cn .Vuftrcten wurde von der Cbolera kein Lebens-
alter versoliont. Die Sterblicbkoit w*ar am grös^ten für die Kinderjaln-o
und für da.s böhere Leben«alter von 60 Jahren aufwärt«. Nach den B«>
reduiungen Lübstorif s stellte sich für die C^holerajahre bis 1859 die St6rl>
lichkeit der einzelnen Altersklassen wie folgt:
Es starben von je 100 Lebenden an Cholera
Im 1. Jahre 0,966
Von 2—5 Jahren l,iia
. 6—10 • 0,380
» 11—15 • 0,161
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-83 117 e«-
Von 16—20 Jahren 0,188
. 21—30 . 0,836
. 31—40 . 0,679
. 41—50 . 0,754
. 51-60 . 0.Ö18
. 61—70 . l.«62
. 71—80 . 1,764
. 81— i>U 2,129
Die Gesannntsh'rl>li( liki il stiog in den 11 Cliolerajahren auf 34.« 5 ^,
während sie in den clioieratixiicn Jahren 22 j 8 % l^etrug. Ucbcr die
räumliche Verbreitung der CholeratodesfäUo wurden von LübstorfT und
von Pordes eingehende Untersuchungen angestellt, deren E^ebnissc in
klarer Weise veranschaulichen, wie von der Cholera vorzugsweise die am
unteren Bande dos Stadthügols liegenden Strassen und Stadttlieile an
der Trave und Wakenitz heimgesucfit wiu-den, an der Travc stärker als
;in «Ut Wakenitz. Am sclilimmstcn wurde die 8üdwe;^U'cke, das Gebiet
von der HurU'nginl>e bis zur Depenau, betiolVon, ein Stadttlieil, der am
längsten der Wasserleitung entbebrte, wiibrend die iibri^i n Stadltlifile
^dion langst nel)en ilu*en lirunncn Wasser) eituugen mit allerdings nicht
eiuwandtreieni Wasser zur Verlugung liatten
In ähnlielier, wenn auch nicht gleieb starker Weise waren die Stadt-
tlioite am nordwestlieben, am südwestlichen und nordöstlichen Rande der
Stadt vorzugsweise in Mitleidenschaft gezogen. In den am meisten bo*
troffenen Stailtgegendeii waren es wiederam die Gänge, welche die höchste
Morbidität und Mortalität an Cholera aufi^lesen.
Einen gi'ossen Unterschied zeigte der Beruf und die soziale Stellung.
Schon aus der ersten Epidemie wird von den ärztlichen Zeitgenossen )>e'
Helltet, dass fast aiissehIiesf>Hcb die imteren Klassen von der J^euclie heim-
gt'j*uclit wurden, widirond iMkiunkuugen und Todesfälle in <b'n besseren
Siiuuleii zur AiHiialitm.' geliurien Ans den Zusammcnsli Iluiiot'ii I Ailistorll's
über die Lebensstellung der an Cholera Verstorbenen gebt iiervor, dass
Vorwiegend Arbeiter. Seeleute, Sebirtszininierleute, Flussseliiffer. Gärtner,
Ei.senbalinarbeiter (l^rH)), auch Wirtbe und deren Angehörige, sow ie Naeht-
wäeliler von Cbolera betroffen wurden, Bevölkernngsklassen, die durch ihre
l>eriif!<tliätigkeit oder ihi'e Lebensweise nach modernen Anschauungen einer
t^'lioloraiDfection leicht ausgesetzt waren. niolerat«»desfälle von Acrzten
«der Wundär/tcn sind nicht vorgekouinieti. Krankenpflegerinnen ver-
»tarben nur in geringer Zahl (5 im Jahre 1832, 2 im Jahre 1850) an
Cholera. Bei der ersten Epidemie erlag auch 1 Todtongräber der Seuche.
In ;>piUeieu Jahren ist Lübeck wiederholt von Cholera verschont
-i3 118 i>-
geblieben, wenn durch die Wnbroitung der.scll)on in den Nüclibarlandt i-ii
Hamburg, Mecklenburg. Pi« -ii oder in den durcli rcgeo ScliiffsverkeJir
verbuDdenen Ostseeküsteu die üt tiilu einer Invasion nnlip gerückt sebieii.
Für das Jahr 1866 ist die £iuschlepputtg aus Hamburg erwiesen.
im Jahre 1892, alfi unsere Schwesterstadt Hamburg Im schwersten
Masse von der Seuche betroffen wurde, kamen hier nur 6 Choierafälle (mit
3 Todesfällen) vor; 4 von den befallenen Personen waren wenige Tage vorher
anscheinend gesund von Hamburg zugereist, die andern beiden Fälle betrafen
einen hiesigen Heizer und einen Prahmarbeiter, welch' letzterer allerdings
12 Tage vordem zu einer Hochzeit mehrere Tage in Hamburg gewesen
war. Von den gesamniten Källen cnttit l. ti \ auf seemunuiriclie Bevöl-
kerung, je 1 betraf eine Frau und muan bUHctdoHen Arbeit(>r
In den beiden letzten Jahren, in deren er^i^terem noeli «lie Mogiichkrit
einer Einsehleppung der Cholera aus Hand)urg drohte, während im Jahre
1894 eine stete Gefahr durch den regen SehitTa verkehr mit den verseuchten
russischen Ostseeküsti n gegeben war. ist Lübeck von einer Einsehleppung
der Krankheit glücklicherweise gänzlich verschont geblieben.
Im Jahre 1893 hatte auf dem regelmässig zwischen Petersburg und
Lübeck verkehrenden Dampfer Helix am 20. September innerhalb der
ersten 24 Stunden nach dem Verlassen des Petersburger Hafens, in dem
der Dampfer 3 Tage verweilt und Newawasser eingenommen hatte, ein
leichter Choleraausbruch bei 10 Mann der 14 Köpfe betragenden Be-
satzung .stullgctunden. Die Krankheitserscheinungen waren nur leirlil ge-
wesen und nacli einigen Tagen beseitigt, so dass es nach Ankunft (}es
Schiffes nur bei 3 Mann noch gelang, durch den Nachweiss der Cholera
bacilien den Beweis für die Art der staitgehabien Erkrankung zu liefern.
Im Jahre 1894 schliesslich kamen zweimal auf Dampfern während
der Ueberfahrt von Petersburg hierliei Choierafälle vor. welche gleichfalls
vollständig vereinzelt geblieben sind. Auf dem Dampfer Trave, der vom
7. bis 12. Juli in Petersburg gelegen hatte, erkrankte der Schiffskoch,
welcher in Petersburg wiederholt, zuletzt am 11. Juli, an Land gewesen
war, in der Nacht vom 15. zum 16. Juli plötzlich an Cholera und verstarb
berdts am Nachmittag des 16. Juli. Der andere Choleratodesfall betraf
wiederum den Dampfer „Helix", auf welchem am 27. August 3 Tage
nach der Abfalnt aus Petersburg der Heizer an Cholera erkrankte und
binnen 24 Stundtni verstarb. — Dass gerade Heizer und Schiffsköche
häuliger als antK-n« Personen der SchilTsbesalzung im Cholera erkraukcii.
ist bekannt und lindet seine Erklärung darin, tiass die Köche mehr an
Land korameu und dort ( Jelegenheit haben, sich in intic irten Hafenstädten
die Ansteckung zu holen, während bei den Heizern die Benutzung des
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HQ 119 84-
vou ausBenbords der Maschine ziigctuhrten KiDiIwossera die Anstcckuug
ilurcli iulitirt^^'S liafein\a<M?r besouden* nahe legt
Die ge^eu die Cljoltiaciuöt*hkpj»uug in Lülxck ergrilVenen Mass-
n ihiiirtii hubeii rtich imierhalh des von den verbündtii'H lu'i^Mcruiigeu ver-
oinbarten Rahnions gehalten. Specielie beschriinkcude Bestimmungen
iralen nnr dem Auswundererwesea gegenüber in Kraft. Zur Vermeidung
eiuer Infektion des Travenwassers durch die Dejektionen der aus Gholera-
länderu kommeudeu Scbü¥e wurdeu besondere Massregelu getroffen.
Butten.
Es scheint unstatthaft, au dieser St«Ue auf eine Geschichte der
ßhittemepidemiet) in Lübeck in früheren Jahrzehnten oder Jahrhunderten
einzugehen Es dürfte viehnehr genügen, das Verhalten der Krankheit
in den letzten 30 Jahren zu betrachten.
In den .secliziger Jaiirri) kamen last all jalirlich rockenurkraukungon
vereinzelt oiler in (ie.^tjilt gci iiiglügig(T Kpidemieii vor. Aus dem .Fahre
l.S«i9 i.st eint- 1 1 lu bliehere Epidemie nni 104 Erkiankimgen und Todes-
fällen zu verzeichnen. Die Kriegszeit 1870/71 brachte eine langdauernde
Pockenperiode, welche sieh vom lö. November 1Ö7Ü bis in den August 1872
binzog und über 4(M) lOrkrunkungeu brachte.
Die Zahl der l'ockeuerkrankungen von 1860 bis 1872 ist in nach*
stehender Tabelle veranschaulicht
Jahr erkrankt gealorben
1860 16 —
1861 —
1862 1
1863 12 2
1864 67 4
1865 25 2
lJ?(itj (i —
1867 1 -
IHOS 34 H
1869 104 3
1870 24 1
1871 315 36
1872 99 15
Weiterhin war in deu siebziger Jahren nur 1 Todesfall (1874) zu
verzeichnen. Dagegen brachte das Jahr 1881 eine ansehnliche Epidemie
von 60 Erkrankungen und 8 Todesfällen. Seitdem sind nur ganz ver
einzelte eingeschlep^ite Erkrankungen, nftmlich je 2 Pockenerkrankungen-
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-ra 120
im Mai 1883 und März 1889, je eine Erkraiikuug im Jauuar 1884, im
Dezember 1890 und Januai' 1891 beobachtet worden.
Die Einscbleppiiiig der Krankhoit ist meiüt aus niRsisclien Ost^eo-
häfen, aber auch manchmal auf Umwegen, so is. B. im Jahre 1890 über
Hamburg aus Lissabon erfolgt.
Inflnenta.
Seit dem Winter ist »iic iiiodernsit' der VolkskranklieiUni, «Ii»«
luduonza, in 2 jährigen Intervallen ein regelmässiger, unlKimliclier (ia^t
in Lübecks Mauern gewesen. Im Roginne. wie auch in früheren Jahr-
hunderten bei ihrem ersten Auftreten, anfangs von den Zeitgenojii^eii
gering geschätzt und bespöttelt, hat sie nur zu bald ihren unheilvollen,
tückischen Charakter offenbart.
Die drei Epidemien tielen auf die Winter 1889/90, 1891/92 and
1893/94. Die erste Epidemie begann im Dezember und hatte ihren Höhe-
punkt im Januar, die beiden späteren hatten ihren Beginn schon in der
zweiten Hälfte des November und erreichten ihre liöcliste .seuchenartig«
N'erbrt'ilung schon im Dc/.t'inbt'r. l>as Autliürcn der Seuclie erfolgte
nirlit plötzlich, sondern alhnählieh verlor die Krankheit im Laute des
Februar nud Marz iiiren epidemischen Thnrakter,
Zahlt nniä-sige .Angaben über die ^^lil^ke der Epidemie liegen nur für
das zweite Auttreten der Influenzji im Winter 181H/02 vor. Bei der ersten
Seuche soll nach den ärztHclien Schätzungen der Hevölkerung ergritfeu
gewesen sein. Bei der zweiten Seuche wurden auf Veranlassung des
Medicinalamtes allwöchentlich Meldungen über die beobachteten Erkran-
kungen von den Aerzten eingereicht. Es kamen 3359 Fälle zur Anmel-
dung, so das» sich eine Morbidität von 52,8 %o für die Gesammtbevölkeruug
eigab. B^de Geschlechter waren ziemlich gleichmässig betheiligt, da »ch
die Erkrankungsziffer für das männliche Geschlecht auf 52,o "/«o, für das
weiblichr auf r>o,(i %ü belief. Für die finzeluen Stadillieile stellten sich
die Zahlt'n wie folgt:
für die eigeiitl!< he Stadt . . 50, r» %o der Bevölkerung
• • Vorstadt St. Jürgen . ()4,7 %o • *
« • • St, Lorenz . 06,9 %o • •
St Gertrud . 50,6 %o •
Bei der dritten Epidemie waren die Erkrankungen bei weitem nicht
so zahlreich, doch muss ihr Charakter mit Rücksicht auf die verhältniss-
mässig hohe Zahl von Todesfällen als ein bösartigerer bezeichnet werden.
Laut ärztlichem Sterbeschein waren bei der ersten Epidemie 9, bei
der zweiten 60, bei der dritten ÖO Influeusa-Todesfälle zu yerzeichnen. Hatten
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-S3 121 e*-
»lie sonstigen Beol)aelitinigen gezeigt, wie von der Influenza alle Alters-
kliissen in Milieidensthalt gezogen werden, so lehrt eine BeLrachtung der
Tni!( Hl'älle, in wie liohein Maiäse geradr da< liöhore Lebensalter durch
tiiieii tödtlichen \'erlauf der Erkrankung geliihrdet wird. Es stai'ben
uamlicb während <ier dritten Epidemie im Intlueuza:
im AIt«r von: mttniilich: weiblicti:
1—10 Jahr — —
10—20 — 1
20-30 — —
550—40 2 1
40—50 I l
50—60 • B —
60—70 3 7
70—80 6 7
80— IM) 5 9
üü— 93 . . . ■ . ■ — 2
22 2R
l)urch8chnittj>^altt r ... 65,2 Jahr . . . 71, G Jahr.
Das Durchschnittsalter für obige 50 Todesfälle stellt sich demuach
Aul ti^Vi Jahre, wobei noch /.n bemerken ist, dass bei der BerecliuuDg nur
die Tollendeten Jahre berücksichtigt sind.
Als unmittelbare Todesursache ist bei den InHuenza-Todeafälleu nur
zum Theil die Schwere der uncomplicirteii Inflaenza-Iufektion su ver-
zeichnen, in der Mehrzahl der Fälle handelte es sich um begleitende oder
nachfolgende Lungenerkrankungen. Es kamen Todesfälle auf:
uncomplicirte Influenza 8 Todesfälle
Influenza und Lunrjenentzündung 19 •
• . J Ampen catarih 3 •
• . [.uttröhrcn- und Bronchialkatarrh ö
» « Lungenomphysem 1 Todesfall
• • Lungenlähmung 2 Todesfälle
• * Herzfehler 2 '
• Herzschwäche 1 Todesfall
• ' Marasmus oder Altersschwäche . 3 Todesfälle
' Gehimläbmung 1 Todesfall
> Schüttellähmung 1
• • schwere Gelbsucht 1 *
• ' Magenkrebs 1 >
Wochenbett 1
• • Melancholie 1 •
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-P3 122 ö-
Eiiion ^aiiK charnktonslisciK'DfiioHuss übten die drei luHuenj&a-Epidemien
uuF div (resainmtzahl der Todesfälle, sowie auf die Zahl der Todesfälle
Hii acuteü Krkraukungon der Athmun^^soigaue aus. lu den folgLndeu
Tabellen uinl ( urventafeln ist bei einer Nebeueinanderstallmig der drei
InMiUii/aAinlui 1889/90. 1891/92 nii.l 1893/94 mit den drei infiaenzalieiuii
Wintern 1S8S/SU, l81H) tM und lH<»2,i»:j erMelitlieli. wi^- dureb (be Influenza
ein eininncs Anstei<^en j^uuobl der Gesaniüii /.abl der 'ludt^iäUe wie der
'rode.^liUle an akuten Krkrankungen der Atinnun«ijsorgane bediogt wird.
(Vgl aucb Taiel 1 und Ii am Eude dieser Abhaudiung.)
a. Ueäummtzahl dur Todüäiälie.
Tah, L
October
1
Nov.
1
1
1
Jan.
Febr.
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Män ,
1
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Aj>ril |8umme
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so «teigt im I)o/.oitibor 1891 und 1893 die Oesanunlzuhl der Todef*-
fälle um mehr al«) V» der üblichen Xublen (s. Tub. 4), w&lirend diu TodoH*
fälle an akuten Erkrankungen der Aihmuiigs«>i-gane im Influeussamonai
Dozembw 1889 auf fast das dreifache, im Dezember 1891 auf daH
8*^ fache, im Dezcinb« !* 1893 fast auf das ö faclio clor Zahlen der betref-
k'inleii Monate der inIlucMzaircien Jalire ansteigen (s. Tab. ;')).
FJiie neniu nsu .?rthe Steigerung der 'I^Hlc-trillc an clironi^rli« n Ijnng(Mi-
kraiiklieiten dagegeu war iu den Inilucuzawiiiteni nicht zu vcrzeiclmcu
{&, Tab. ö).
c Tüdüi^lüiiü au LuugoDbch wiudaucht.
Tab 6.
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Während die Maaem früher nur in gr6i<$ioren Zwischeuiäumeii in
hübock als starke Epidemien auftraten, haben sie sich in den letzten
Jahrzehnten so fest eingenistet, dasH nur zeitwei$:e einmal ein Vierteljahr
bis ein Halbjahr von >h\sernerkrankungeu ganz freihlieb. Es kommen go
wöhnlicli dituri-i!(l wenig zaliln'iche, sporadische I'^itli'' vur und nur in einzelnen
Jaliivi) scliwt lleii die Zahlen /u einer gewaiiis^n n Kpidende an. Ks sind
buhiif i',pi(itimien \vidn*end der iel/len Jahrzehnle in den Jahren 18711,
1881. im Winter 1883/84, im Sommer 188ü, im Herbst und Winter l8?>()/87,
im Sommer 1890 und hn Winter 1893 94 zu verzeichueu gewesen (s. Tab. 7).
Es zeigte m-\\ dabei, wie leicht erklärlich, dass izerade nach llLngerem
Fernbleiben die Epidemien um so heftiger wurden, da sie um so zalil-
r«iciier noch nicht durchmasertes Kindermaterial vorfanden. So bezifferte
sich z. B. die Epidemie im Sommer 1890 auf 2014 Erkrankungen mit
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76 Todesfällen, während in den beiden voraufgehenden Jahren keine
MastnitodeHfalle uiul nur 8 bezw. 24 l-rkiankungei) stattgeFuiKleii liatteii.
Auch den Masel nepidemien von 187*J. 1881 und 1883 waren jeweils Jahre
uhne Maserntodest'älle voraufg» ;4iuigbii (s. Tab. 7).
Die Mortalität der Erkrankten war am grös.sten bei den wenig wald-
reichen Erkrankungen des lahns 18iH (8,70, *;^), während sie sich im
Durchschnitt der letzten 12 Jalire aul' *?,6r» % stellte, also niclit viel
günstiger war, als die aus dem gleichen Zeitraum für Hcharlacli ermittelte
(4,03 %). Zum Veigleicbe mOge hier die von Biedeii. für einen 1 Ijährigeu
Zeitabschnitt in Bayern berechnete durchschnittliche Mortalität der Masern-
kranken von 2,76 ^ Erwähnung finden, während für den R^enuigsbezirk
Stettin für die Jahre 1882—1893 sich die Todesfälle von Maneni bei
36990 Erkrankungen auf 1090, d. i. 2,9% beliefen (Caspar)
Tni zwölfjährigen Durchschnitt ist keine besondere Bevorzugung der
Jahreszeiten durch die Masern zu konstntiren, da scliwere K)>idomien
siiwohl auf die warme wie auf die küldere Jahrt*{5/-eit enttiden und von
den r>42H ( Jeaanuntcrkrankungen 271»7 auf die Sommermonate. *2H21) auf di«
Wiüiermonate kamen. Die Mortalität stellte sich für letztere um wenig
uiigün^tio;er (3.95%) als für die warme Jalire.'^zeit %).
Vergleicht man die durchsei mittliche jährliche Sterblichkeit au
Maseni während der letzten 12 Jahre (16,ö=2,72 %oo der Bevölkerung
8. Tab. 12 u. 13) mit dem Durchschnitt der voraufg^augenen 10 Jahre
(7,8^1.63 %oo d. Bev.), so ist em auagesprochener Unterschied m Un-
gunsten des letstverflossenen Zeitabschnittes nicht zu verkennen.
Scharlaoh.
Der Scharlacli ist in Lübeck recht eigentlich eine endemische Krank-
hi'ii geworden, da in den vertlossenen 10 Jahren kein einziger Munül frei
von Sciiurlui lierkrankungou i;( blieben ist, viehnohr dauern«! oine mäMsitre
Anzahl von Erkrankungen auftritt, welche sicii zwar zeilweise liäulen,
ohne da.'is jedoch von einer eigentlichen E[*idemie ges]»rüchen wenlen
kannte. Die Zahl der Todesfälle an Scharlach war in den letzten Jaiir-
zohnten am li-vljsten im Jahre 1873, sie belief sich auf 70; sonst waren
orliebUche Verluste au Scharlach, 18, 23. 29, 25, bezw. 20 Todesfälle
in den Jahren 1879, 1881, 1882, 1889 und 1890 zu verzeidmeu
(b. Tab. 8), während 1894 nur 1 Todesfall vorkam und die Jalire 1870
und 1878 ganz frei von Sdiarlachtodesfällen geblieben waren. IMe Zahl der
Erkrankungen schwankte in den letzten 12 Jahren zwischen 61 (1884)
und 453 (1889). Die Erkrankungen bevorzugten, wie «lies ja vom
Scharlach längst bekannt ist, die Wiutermouate, da von den 2äUl Krkian
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entfieleu. Die Sterblichkeit der Erkrankten betrug nur 0,54 im Jahre
1894, war am höchsten (8.66 %) im Jahre 1890. Die durchschnittliche
Sterblichkeit stellt sich in den letzten 12 Jahren bei 2505 Erkrankungen und
lül Todesfällen aul" 4,u:{ %. also nur wenig un<i:ünstigor als bei den M.isiTii.
im Durclischnilt war für die WinlcniMHuüe das Sterldiclikeits-
vorliältnij^s eiwas ungunsiiger (4,1 6% der Erkrankten) als für die öumnu r-
mouale (3.77 %).
Bei einer Vergleichnng der durchs< l)nittlielieM Anzahl der Seliarlaeli-
todesfäUein den letzten 12 Jahren (8,i = l,:{f, d. liev.; s. Tab. 12. u
itiit den voran fgeganj^enen 10 Jaiiren (hi.i =^».:it> '^doo d. Uev.) zeiprt sich
eine höchst erfreuliche Besserung der Schurlaclmterbhchkeit, welche im
Zusammenhalt mit dem erwähnten günstigen MorUilitäLHverhAltnis^s der
Krkrankten zu dem Sclüusse berechtigt, dass der in Lübeck ondeinisch
Kewoideue Scharlach an Bösartigkeit sichtlich verloren hat
Diese Annahme scheint um so mehr begründet, wenn man die andor-
weitijr für Scharlacherkrankuugen !)Oobftchtete Sterblichkeit bcrflekstclitiprt.
Nacii Biedert seb wankt die Mortalität in den enizelnen K.pideinien /.wisebcu
4 und M) %, Wiihrend tüi Sebweden eine durebsebnittliebe Sterbliebkeit
von Ki — 15%, tü!' l*>;iyeiii naeb ll iäbri;X<'n UrolM(litiini;«n lin. -i>|ebe
v(»n \'.\][>% sieb ergeben bat. i>iesen Zablen sieht in Liibeek eine (bneb-
-'elinitlliebe Mortalität in 12Jabrenvon 4,03)^ und eine liocliHtc «Sterbiicii-
keit von b,06 % im Jahre IttUO gegenüber.
Diphtherie.
Die Diphtherie ist seit Anfang der sechziger Jalii'e in Lübeck heimi^«ch
geworden und in den letzten Jahrzehnten endemisch gewe»«en, da kein
Monat ohne Diphtherieerkrmikungen verging. SUirkorc ICpidemion hul)en
.stattgefunden in den Jaliren 1873 mit 71 Todesf allen, ferner im Jnlire
1887 mit 582 Erkrankungen und 90 Todesfällen.
Wäln-end des 10 jälirigen Zeitab.sebnittes von IS?.'» bis 1SS2 waren
42H T*>d( -lalle an Dipbtli(M*ie nnd Cronp zn ver/.eielnien. so da>s iidirlieli
im I)iii<:h<rhnitt*> 4*2,8 Todeslälle [^-- 8. '.♦2 %uo der Bevölkerung) dm'eli die
genannten Krankheiten verursaebt wurden.
Jn den Jaliren 18HH bis IH^M wurden dineb Diphtherie (aussehliesslieh
Croup) 3Ö91 Erkrankungen und .')04 To<lest'ftlle veranlasst, so üa.ss aut das
einzelne Jahr 42»0 Tode.sfölle (= 7,06 %oo d. Bev.) entfallen
Durch Group sind in den letzton 12 Jahren 147 Todettfälle. also im
Durchschnitt jährlich 12,26 Todesfälle, bedingt worden. Für Diphtliorie
und Croup zusammen stellte sich also die Sterblichkeit auf jährlich 54,86
Todwfälle (» 9,3 %oo der Bovdlkeruug).
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Wähiencl sich dio durchschnittlicHe J^terblichkeit der Erkrankten in
«iiMi letzten 12 Jaliien auf lA.o.i % .sicllta, zeigten sich für die einzehien
Jahre erhtl>liche Unterscliiedc, du im Jahre 181>2 nur %, dagegen im
lalire der Krkrankit ii ihn ii L. i(l( n erlagen. Jedenfalls
» rscheint die 1 )urch8cbiiittsztthl hier günstiger als sie sonst für Diphtherie
uüg^^clu'n wird.
Gerade in (h in Jahre 1894, welches sich im (ranzen durch eine hohe
MortaHtät der Erkrankten aiif^zeiclinete, ist in den letzten Monaten zur
Zeit und schon vor allgemeiner Vorbrcitung der Heiläerumbehandlung
eine Milderung in der Bösartigkeit der Diphtherie zu erkennen.
Die Heilserumbehandlung ist seit dem Herbst 1894 im Allgemeinen
Krankenhause und im Kiudcrhospital ausgeübt worden. Durch Vermitte-
luug des Medicinalamtes wurde auch für Unbemittelte in der f^dt für
den Bt dartsfall Jrleilserum zur unentgelthchen Verubfolgung bereit gehalten.
Typhus.
Sporadische Tvplju^crkrankungt n waren in dt-ii l« t/tcn 12 Jahren mit
« twa höchstens viermonat heben Unterbrechungen dauernd vorhanden. Die
•lurchschnitlhche Zahl der Erkrankungen im Jahre beüel ^ich auf 38»7
Fälle, die geringste Zahl von Erkrankungen. 15. kam im Jahre 1886 vor,
die zahlreichsten Erkrankungen^ nämlich ö7, bezw. 56, in den Jahren 1889
und 1891. Die durchschnittliche Mortalität der Erkrankten stellte sich
auf 13,98^, sie war am höchsten im Jahre 1886 mit 33,si^, am geringsten
Im Jahre 1892, in welchem bei 44 Erkrankungen nur 1 Todesfall (= 2,88^)
Torgekommen ist. (vgl. Tabelle 10.)
Die Typhuserkrankungen zeigten eine deutliche Bevorzugung der
wannen Jalneszeit. aul welche 281 Fälle gegen 184 l'.ikraukuugen in
'len Wintertiioiialcii culialien. Die MoriaUtät dairegi u war im Winter luerk
lieh ungünstiger als im Sommer {\k).n>% 12,«!^; vgl T.ilx lle 12).
Vergleicht man die letzten 12 Jahre mit dem voran tgegangenen
lOjahrigen Zeitabschnitt (Tab. 13J, .so fällt eine aus'^orordentliche l> ruug
der Tvphussterblidikeit auf. du in den Jahren 1873-1882 jälirlich U,4
Ty])hustode$<iälle 3,00 %oo der Bey.) auftraten, während seitdem
alljährlich nur 5,4 Personen (»=1,1 %oo d. Bev.) dem Typhus zum Opfer
fielen. In dem Zeitraum von 1830 — 60 hatte sich die jährliche Typhus«
Sterblichkeit auf 3,78 %oo d. Bev. belaufen.
Der Typhus ist, wie Eingangs erwähnt, in Lübeck im Gegensatz zu
früher eine sporadische Krankheit geworden. Die Erkrankungsziffern wür-
den noch geringer sein, wenn in ihnen nicht eine Anzahl von auswärtigen,
iiu hietiigcn Krankenhau-se beluunlelten Typhuskranken mit uibegritien wäre.
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Die letzte grossere Typimsepidemie fand im Jahre 1880 statt. Sie
hiitte 128 £rkrHDknngen zu veTzeiü1iueii> von denen ein beträchtlicher Tbeil
aiif den Kiingenberg, die SchmiedestrasHC und den s<idlicheu Theü der
Königstrasse entfiel. Sie wurde mit dem schlechten Zustande der dortigen,
.Hitdom «^esrlilossenen Uruunen in Zusninmenhang gebracht.
liei der geringen Zaiil der 'rvpimserkrankungen in den letzton Jahren
i«» es uiöglicli gewesen. I'unt j»'(l*>ni einzelnen Falle in aetiolugisclier Be-
/(»•liiHij; näher zw treten nnd meisi mit einem liolien Grad«' v<in Wahr^
>< lieiuliciikeit den Ursprung und die (Quelle der Ansteckung zu ermitteln.
Wiederholt halH n <ieti anscheinende Typhusurkrunkungeu, für welche irgend
eine plausible 1 .m-i liungsursaehe nicht zu erniren war, späterhin bei
ungfinsiigem Verlauf als Miliartuberkulose herausgestellt.
Meist handelte es sich bei den Typhusfällen um Gruppenerkrankungen,
für deren Veranla.«(sung loeale Ursachen, Mängel der Wasserversorgung
cHlcr der Abfallbeseitigung. verantwortlich gemacht werden raussten. Es
iHt daher leicht erklärlich, dass diese Häuser- oder Gruppenerkrankungen
vorwiegend tn den Vorstädten an deren äusserem Umfang beobachtet
wurden, wo noch kein Auschhiss an die Waa.serleitung und an die Siel-
leitung vorhanden war. SoUhc b<'se]iiäiikieii klcint-n Epidemien sind zu
•-rwähncu an« ein«Mn Dop] n'üi.in-r in dt]- I )ui'ijestnt--r 1 18'.)!), wo hei mangel-
hafter A!»l';illl)i'-cint;iiiii:' und starker Vrrn iireiniminii: dri- ( )lnTH;ieIie des
Grundstücks eine Intizirung des Klachbi unuuns wahnscheinlic h war; ferner
ans der Ritterstrasse (18i>3j, sMu der Alexanderstrasse (1093), wo gleich»
laii» bei maugelh altem A.bäusse des Unrathes eine starke Oberfläclienver-
unreinigung vorhanden war.
Dunkel erschien der Ursprung der Ansteckung, als im G^ensatz
zu jenen in den Vorstädten aufgetretenen Gruppenerkrankungen im Hoch-
sommer 1893 imierhalb der Stadt aelbut sich ziemlich gleichzeitig regellos
zerstreut 8 Typhuserkrankungen zeigten. Ihre gemeinsame Quelle wurde
ermittelt hi der Milch aus der Holländerci eines benachbarten Dorfes, in
welchem in dem Haushalt des Holländers zwei Tvphuserkrankungen statt-
f<elüii(i( ii h;ittt ii Von den in der Stadt betrogenen 8 Fann'Hen hatten Ü
re^»'Iii,ii-sig die Milch nns jener Tlolliinderei geliefert erhallen, 2
liaiteii von den zufällig vorbei passireudeu Milchwageu ihren i^darf
entnommen.
Für meht t ri Ei nzelerkran kungln der letzt^^n Jahre an Tyj^hus musste
<lie l'rsache in Erdnrbeiten bezw. Berührung mit Dünger in der Gärtnerei,
bei Kindern im Spielen in der Moddc der durch Sielleitung«.*!) verunreinig-
teo Innenwakeniiz, in einem Falle in regehnäfisigeni Baden in der Wake-
iittz gesucht werden.
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Wioderliolt wurde bei iwgünstigen h&iisliclieD VerhältnisseD too einer
einzelueD Erkrankung aus ^iie Fortpflanzung der Lifektion inntMhalb
des betroffenen Haushalts beobaditet, welche erst aufhörte, wenn die Fami-
lien sich dazu verstanden, ihre erkrankten Angehörigen der Anxtuttsitflege
zu überweisen.
Aber auch Int'pktionen (h-s l'llt'i);('})i'is< mal.» im Allf^pmciiH'.n Kranken-
hiuise und im Uurnisou Lazaivtli sind niclniiK-li vor^ekoniiuun.
Von den 124 Typhusfällen der letzten drei Jahre entfallen
auf die Stadt selbst 50
auf die Vorstädte St. Lorenz 26
8t. Gertrud .... 17
St. Jürgen 7
50
auf das Krankeupflegepersonal 7
i'S slariuiiien von auswärts (aus LanHeronu imh n
üilor von St'hiti'en), im Kraukenluiusc 1k Itandelt 17
Summa 124
WodMnbettftebw.
Durch Woclh ubetlfieber waren in dem lOjährigen Z( itraum von 1873
bis 1882 öf) Todesfülle, also im Jahre (hnchsclinittliob 6.6 Todesfälle ver-
ursacht worden. In den letzten 12 Jahren dagegen waren nur insgesammt
47 Todesfälle an Wocheubettfieber, also alljährlich im Durdischnitt 3,9 zu
verzeichnen. Noch günstiger stellt sich das Verhältniss bei Berücksich-
tigung der Zahl der stattgehabten Geburten. In dem ersten Zeitraum kam
1 Todesfall an Wochenbettfieber auf SOO Geburten, in den letzten 12 Jahren
1 Todesfall erst auf 500 Geburten (vergl Tab. 12 u. 13).
Die Zahl der Wochenbeltliebererkrankunu;» n schwankte iuuerlmib der
letzten 12 Jahre zwischen 2 und 17 Fällen im .Jahre. Eine eigentliche
Epidemie ist nicht vorijekonniien, ein Ansteigen der Erkrankungen bi.« auf
11, 13, n. 15 fand in den Jahren 1884, 18H7. ISiH» und 1894 sUitt (siehe
Tab. 11). £)s kamen dabei häufig mehrere Erkrankungen gleichzeitig vor.
Doch war eine Anhäufung mehrerer Fälle etwa in dem Wirkungsbereich
einer Hebamme nicht zu beobachten.
Die Sterhlichkeit an W()('lio)il»etllit't)er belief sich liir die letzten 12
Jahre bei 99 Erkrankungen und 47 Totleslalleu aul 47,4 7^ der Erkrankten.
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135 O-
Krankenanstalten und Krankenpflege.
Bas allgemeine Krankenhaus.
Das allgemoine Krankcnbauf) ist au der Gronsforder AUeo in den
Jahien 1885— 1S87 nach den Plänen des Bauraths Schmieden in Berlin
mit Hnom Gosammtkostenaufwande von 728000 erbaut worden. Er
üiciiL als Ersatz liir (la> alte Krankenhaus, welches sich seit 18nn aui
der Stelle des jetzigen Mu!?eunis iu den liäuiueu des früheren Domumguugs
befunden liatte
Auf einem Fläclienrauni von ^i()0()4 i[u\ sind die verschiedenen l^aii
lidikeiten der für 220 Kranke hestiinmten Anstalt in der auf der Skizze
(Tai III) angegebenen Weise vertlicilt.
An der Westseite des Geländes« mit der Front nach der Gronsforder
Allee und von dieser etwa 30 m entfernt, liegt das zweistöckige, massive
Verwaltungsgebäude, in welchem sich ausser 5 Zimmern fQr männliche
Privatkranke die Wohnungen des Inspektors, der beiden Assistenzärzte,
des Pförtners und des Occonomie(>ersonals befinden. Hier liegen ferner das
Sprechzimmer des Oberarztes nebst Wartezimmer, das Zimmer de« wach-
habenden Arztes, das ^'erwaltlnlgsl)ureau und der Hetsaal. während im
Koliergeschoss die Kochküche, die Speisekammer, die Aui'waschküche und
die Plättstnbe ilucn i'laiz gefunden haben.
Zu beiden Seiten «les Verwaltuiiusgebaudes in 20 m Entiernung liegen,
von Osten nach Westen oiientirt. die beiden im Corridorsvstiin massiv er-
l>auten zweistöckigen IIau|)tj)avillons, deren Dachgeschosse nachträglich, im
Jahre 1891, theilweise gleichfalls als Krankenstuben ausgestattet worden
«ind. Der südliche Pavillon enthält 65 Betten (von denen 18 auf das
DachgeschoTH kommen) und umfasst die innere Station. Von den Betten
des Dachgeschosses sind 4 für Hautkranke bestimmt, ausserdem linden
sich im Kellergeschoss t Tobzelle und 1 Krätzezimmer für weibliche Kranke.
Der nördliche Pavillon mit 70 Betten umfasst die äussere Station und die
Station für venerische und Hantkrankheiten (22 Betton). An <ler Nord
^ite des Pavillons ^|iriiiLCt im Krd^'^eschoss l iii im laul\nilen Jahre ver-
'jröj«Herter An.sbau hei vor, weleln i zwei Operationssäle mit Ober- und Seiton-
H<lit und <lfinol>on ein Zimmer zur Aniiialimf des lustrumcnt-ariums und
«leäs Sterihsationyapparates £ür die Verimndmaterialien enthält Im Keüer-
;;eschoss befinden sieh ein zu bakteriologischen Arbeiten ausgestattetes
haboratorium, sowie 2 Tobzellen und 2 Krätzezimraer für männliche Kranke.
Von dem Verwaltungsgebäude verlauten beiderseits zu den beiden
Pavillons eingeschossige, unterkellerte Verbindungsgängo, welche den drei,
fOr insgesammt 140 Betten bestimmten Gebäuden den Charakter der Zu*
sammengebörigkeit verleihen.
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1H6
An der Ostaeite des Geländes, dem Verwaltuiigsgehäude gegenüber,
liegt das Isolirhaus, ein mit Oorridorcn versehener zweistöckigor massiver
Pavillon, der für 38 Kranke bestimmt ist uitd zur Aufnahme von )[a8eru-,
Scharlach- oder Diphthoriekranken dient.
Nördlich davon findet sich ein eingeschossiger mit Corridor verachener
Bau, das Entbindungshaus, mit 10 Betten.
Die Südostofke des Griindstüfk« ii^i durch oiiu' l* lu liohe Stcinmiiuer
von dem übrigen (it laiide vollständig; abgetrennt. TIi«'r li' -t das ..Pocken-
hi/uretli", ein in Fad i werk autgeführte.« eingesehi>-~-i^< unterkellertes Cn-
häude, welches im Kellerge.sehoss seine eigene mit etjgliscliem Herd v« r-
sehene Kochküehe, sowie eine Waschküche enthält. r)as Puckerda/iueth
ist aui 32 Betten berechnet und diente im Jahre 1892 als Choieraspilal
für die nur wenig zahlreichen Choleraerkrankungen.
Gleichfalls zur Benutzung bei etwaigen Epidemien sind 2 transportable
Doecker'sche Filzbaracken zu je 12 Betten vorhanden.
Ausserdem steht auf dem nördlich an das Krunkenhausgeländo an-
grenzenden im Staatsbesitz befindlichen Grundstück Friedrichsruh ein
älteres Gebäude bei Seuchengefahr zur Verfügung, welches gegen 50 Betten
faSvSt. Dies Haus war im Cliolerajahr 1892 als Heobaelitungsstation für
Choleraverdju htige in Aus.'-iClit i;enommeu, ist jedoch liir diese Zwecke
bisher noch nidii licnutzt woi'dcii.
8chlie8sHch ist uocii tiir Seuchen oder Kriegszeiten die Erriciiinng
von Baracken auf dem östlich vom Kmukenhuune gelegeneu, der Arinou-
anstalt gehörigen Areal vorgesehen.
In der nordöstlichen Iv ke des Krankenhausgrundstücke.'^ liegt das
Leichenhaus mit einem Aufbewahrungsraum für Leichen, einem S^tion»
Zimmer und einer einfach, aber würdig ausgestatteten Cattelle für Leichen-
feierlichkeiten. Durch Anpflanzungen von Bäumen und Gesträuchen ist
die Anlage den Blicken der Kranken nach Möglichkeit entzogen.
Südöstlich von dem Leichenhause befindet sich ein massiv aus Stein
erbautes 150 cbm Eis fassendof« Eishans, welches etwa zur Hälfte über
und zur Hälfte unter <ler Erde liegt und oben und seitlich eine 1 m dicke
Isoliis* ! licht aus Sägemehl /wischen der steinernen Aussoii w and (ind einer
innern starken Bohlenwaml b' -it/i Hie Entnalnne aus d< m gelullten Kif-
hauso findet von einem hölzernen ( )l>erbaii aus statt, solange bis »liesellKj
bequem aus einem au de«- Nordseite des Gebäudes zu ebener Erde erker-
artig vorspringenden dopjK'ltliürigen Zugang erfolgf^n kann.
Im Mittelpunkte des Grundstücks liegt das Wasch- und Maschinen-
haue, in welchem zwei Dampfkessel und eine kleine Dampfmaschine, letztere
ausschliesslich für den Betrieb der Wasch-, Wring- und Mangelmaschioen
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137
liestimmt, sich befinden. Die Dampflceseel versoi^u vennittelst unterir-
iliftfli zum Verwaltungsgebäude geführter Eiaenrohre die Dani[>t'kochküche)
den Auf Waschraum und zwei im Verwaltun^^si^ebäude befindliche Bade-
zimmer. Howie die im Waachhnusc !iii^< Ii\t;te Dampftrockonkammer und
»|Ki>ci] tiiii etwa 5U m vom Waschhause ontiemteii JleDaeberg'schcn
Dampfdesinfektor.
Dieser 1 )e.siutektor, mit etwa o ebm NutÄungsrauni. ist in fli<' Mmik r
eingeschaltet, welcher das Scucheiilazareth von «lern iibrij^^en Areal trennt,
)*o dass die inticirten Effekton der Kranken und selbst die Tragl>aliren
ihren Rückweg durch di n Apparat nehmen müssen. Für das Personal,
welches die Beförderung Seuchenkrauker auageführt hat, ist dabei zugleich
ein Eeinigungs- und Baderaum vorgesehen.
Ausser diesem, allen modernen Anforderungen entsprechenden Dampf-
desinfektor und einem jetzt ausser Gebrauch gestellten älteren primitivereti
Dampfdesinfektionsapparat (einfacher Holzschrank mit Filzbekleidung) ist
noch ein SchwefelkohlenstofTupparat vorhanden, welcher speciell fürsämmt-
liehe Effecten der I\ i atzkranken an>j:ewandt wird.
Alle zur Kraiikenautnahuu' bestimintvi i (lebäu<le sind mit Badeein-
richtiiiieren ausgestattet Die hi«M'zn erloi<i( rli' hen I Iei/.uiii:s;iiilii!i;en finden
sich in den beiden Pavillons und dem Isolirimnse im Kellerge.schoss. Von
hier wird das erwärmte Wasser durch Circulation nach den im Dachj^je-
schosB gelegenen Warmwasserreservoirs geleitet, welche die Badeeinrich-
tungen, die Theeküchen und die Operationssäle mit warmem Wasser
speisen und in letzteren neben der Ofenheizung durch besondere Heiz-
kOiper zur Erwärmung beitragen. Das Pockenhaus und die Entbindungs-
anstalt sind mit kupfernen liadeöfen versehen.
Alle Baulichkeiten sind mit Anschluss an die Wasserleitung und an
die Stelleitung versehen. Die Aborte sind durchweg als Wasserciosets an-
K^'legt. nur bei der für das Oeconomfedienst|)ersonal bestimmten, frei
liegenden Abortaulage ist der Frostgefahr wegen ein 'i'rogcloset ge-
wählt worden
Die lleiy.uug tler Kr;iiik«'iistuben geschieht durch KnclirlcHcii . 'ler en
Feuerung von den ('orritloren aus erfolgt. Diese Oelen dienen zugleich
zur V^entilntion bezw. zur \'or\värmung der zugeführten frischen Aussen-
luit, welche, durcli Kanäle unter dem Fns-^boden zugeleitet, die Oefen in
senkrecht aufliegendeu £isenr(yhren durchströmt. Zur Abführung der
achlechten Luft finden sich neben den Rauchrohren gelegen besondere
Luftabzugscanäle, welche während der Heizperiode durch jene, in der
wannen Jahreszeit durch Gasflammen in Thätigkeit erhalten werden.
Die Beleuchtung aller Anstaltsräume geschieht durch Gaslicht
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138 es-
Auf jetkii Kranken entfallen in den gemeinscliafilichcn KraDkeii*
ziniineni 37 cbm, in den I^oltrsellen dagcf^n 54 cbin Luftraam. Die
beim Neubau vorgeaebeuen Tagerftume wurden als solche von den Kranken
wenig benutzt und sind bei ansteigendem Krankenziigange oftmals als
Krankenzimmer verwandt worden.
Sfimmtlicbe Krankenräiinie haben «'ine Höhe von 4 m und sind mit
L;i(»s.«en l>()|»|>elt'cn:«tern vt'r."*olion. Die Wände sind in niatu ii Kalkfarheii
mit einem 1 ' m hohen Oell'arhonsot kcl geptrirhen die mit Leinöl ;;e-
tniiikuji FusslKulen ans bestem p<tmmersciien rannenliolz hergestellt
Als liettstellen dienen, soweit nicht noch auf der inneren Station die aus
dem alten KraJukenhanse stammende« H<»l/,bett8tellen in (iebrauch siud.
die patentirten Kieler Hospitalhettstellen. Gleichfalls noch aus dem alten
Krankenhanse stammen die hölzernen mit Hartglasplatte versehenen
Krankentische und die hölzernen (Rohr«) Stühle. Als Waschvorrichtung
dienen feststehende Waschtische mit Anscliluss an Wasser- und Siel«
Icitung.
In der Küche werden die Speisen durch Dampf in doppelwandigen
kupfernen, zum Tbeil innen verziimten Kesseln gekocht. Zum Braten
nmi zum Kochen utrii!;4('rer Mengen ist noch ein englischer Herd mit
direkter Feuerung und ein Uratoten vorhanden. Ein Warmsclirauk lui
Teller und Schiis^ehi wir«! «lurch Dampf erwärint
Die Keinigung der Wäsche wird mittelst grosser Kinweicli- und
Dun)pf Koclil>ottiü)ie, einer ter Welp"s( heu Wuäcluuaächine. einer Centri
fugalwringrnasrhine und einer grossen l<a»teumangel, sämnitlich mit Dampf-
l»etrieb, durcli 4 Personen ausgef ülni.
Zwischen den einzelnen Baulichkeiten finden sich für die Kranken
nach Geschlecht und Abtheilung gesonderte Gartenanlagen« die mit schönen
Itiiunien, Gesträucii und Blumenbeeten versehen und mit Spiel- und Sitz-
plätzen ausgestattet sind.
Das Krankenhans ist eine Staatsanstalt und steht unter einer Vor
j<teb erschaff^ welche ans zwei »Senatsmitgliedern, ti hiirgerlichen Deputirten.
einem Vorstelier der iH rthold Segeberg Stiftung, dem jungstcMi Pastor der
J-)omkifche und dem Oherar/t des Krankfiili in-jes gduldtM wird
l>ie ar/lliclie Leitung liegt ausschliessiich dem < )ber;ir/,t ol». unter
welchem zwei in der Anstalt wohnende Assistenzärzte fuDgireu, zu UfeUöu
zeitweise noch ein \'olontär:u/t hinzukonunt
Der oecoQomiscbe Dienst steht unter eitiero Inspecktor, zu dessen
Unteratützung im Büreau noch ein Schreiber fest angestellt ist
Das sonstige Dienstpersonal beläuft sich auf 20 Köpfe (7 m. 13 w.},
während das Wartepersonal 20 Personen (6 m. 14 w.) beträgt, unter denen
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^ 139 ES-
sich (i Diakonissen uus dom Stift Bethlehem in Ln»iwicslii.it Ixfimiun.
Aiissenh'iu werden. rin«'r dfr Ki rtliold Sc^cIm r;: Slitiiiii^ L^fj^^ niihcr he-
>tehenden Ver]>llithlüng «^eiuitss, alljiihrlicli eiiiij^e Fiaiicii uittci' (iiwah-
mug freier Kleiciimg und \'erpileguDg ö Monate lang in der Kranken-
pflege ausgebildet.
Bestimmungsgemass dient das Krankenhaus zur JiehandUin}^ von
,^lcheD KraukeU) welche heilbar sind uod nicht an einer zur Behandlung
in der Irrenanatalt geeigneten Geisteskrankheit leiden*'. Kinder unter
(> Jahren können nur auflnahnisweise Aufnahme hi der Anstalt finden.
Das tarifmäs^ige Kostgeld beträgt für den Tag
in der 1. Ver^itlogungsklasse JC 7,()0
2.
a
l'ür Hiesijre . . . .
Au!*w;irtii,''e . . .
hiesige Kinder .
• auswärtige Kinder
. 4,00
. 1,H0
. 2,.nO
. 1 ,'20
. 2,00
Die Gesammtkosteu für das Krankenliaus heliefen sich im Jahre l^ii'i
auf JC 127()04, davon wurdt'n gedeckt durch Krankeukostgeld . /i!^ 89 t)48.
durch eigene Einnahme des Krankenhauses ^4C H203 und durch Staats-
znscbuss JC 34 753.
Die Frequenz der Anstalt seit dem Jahre 1887 ist aus nachfolgender
Tabelle ersichtlich.
Krankensugang
niiODl I welbl. _,^^„„
smamcu
Knnkenbefltand
höch iiii'drlK- im Dnr< h-
ster ster ■ schnitt
VtT- j; KrankhcitBdauer
pflegiingB-i >n Tagen
tag. .)M^y.a.rhv..b.r|~-
1887
1888
1889
1890
710
795
832
874
1891 |l 8B7
1992 912
I I
270 1 980 I.
315
357
445
493
r»r>2
1110
1189
1319
1380
14<;4
1452
115
116
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47 340
44 8<>0
38,82 . 32,09
32,15 28,9]
28,38 134,80 30,26
27»06i 34.87 i 29.60
28.8 0 I :u._': ;uj,7j
2t;j: ;;u.:>7 28. ot
47,178 „27, t>8 ;3^>,li> 29,ü4
Die Irrenanitalt.
Die IiTenanstalt des Ijübeckisctieu Staates liegt vor dent Mühienthor
in <]er Vorstadt St. Jürgen inmitten eine«« Areals von 4,588 ha Flächen-
inhÄh und hesteht aus einem mit seiner Front nach ().'<ten gerichteten
39 m langen und 19,0 m lielen Hauptgebäude, sowie zwei 21 m lungcn,
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-ö 140 e*-
ß,A m breiten Flügelbauten nebst zwei 17,ft m laugen, 13,5 in breiten
Nebengebäuden, welche durch einen bedeckten Gang mit den westlichen
Enden der Flügel verbunden sind. Sämmtliche Gebäude sind einstöckig.
Der älteste Tlieil der Anstalt, das Ilaii|)tj;ebäu«lf'. stammt noch aus dem
•lahre 1788. die Neu- und Anbauten sin«i in den lunt/.iuor und stn liziger
Jahren und /.uletzt noch Anfang <ler acht/iirLT Jalirc hin/.um koinmen.
iUii^s die Anstalt den liygienisclion AnfordcrungüD. wt lciio zur Zeit an ein«-
derartige Heilanstalt /.u stellen sind, uicht vollauf gerecht werden kann,
ist leicht erklärlich. Das Bedürfniss (^ines Neubaues ist zumal bei der
steigenden Frequenz der Anstalt seit Jahren anerkannt und Gegenstand
eingehender Erörterungen gewesen, doch ist aus Mangel an Mitteln von
einem Neubau einstweilen noch Abstand genommen. So sind <lenn
noch im Laufe dieses Jahres eine Reihe von Besserungen und Acnderungeo
in Augriff genommen worden, welche theils eine allgemeine Durchfahrung
der Bettbehandlung ermöglichen, theils lebhaft empfundenen Mäugeln der
oekouomisclien Einrichtung abhelfen sollen.
Zur Irrenanstalt üflioten üocli zwei Dej<eüdancen, die nordöstlich von
<ler An-Ialt gol(';4t;iie, nur dui< n tiie W'akcnitzstrasse von derselhen «:;f'trHniik*
( olonie Huldt'l)eu, welche für 18 Personei» Piat/ bietet, und das südwest-
lieh gelegene, 1890 gekaufte „Frauenheim", ein freundliches, an der Bäcker-
^ttrasse gelegene» Landhaus mit Kaum für 7 weibUche Patienten erster
Klasse.
Die Irrenanstalt ist /ugleicb IleiU und Pflegeanstalt und in erster
lieihe für die Angehörigen des Lübeckischen Staates bestimmt Doch finden
auch auswärtige Geisteskranke Aufnahme, soweit der Raum dies gestattet
Zur Aufnahme ist erforderlich für hiesige Kranke ein scbriftltches Gut'
achten des Physikus, für auswärtige Krank^ der Nachweis, dass die Polixei*
behörde ihres Wohnorts die Aufnahme aul Grund einer dort angestellten
arztliclien PTit^rsuehung für zulässig erklärt hat.
Dil'- l\(t^t-rld h(»trnj]^t jalirlich in der ersten A^ iptlegnngsklasse für
St:iiitsanLr<'lir.rig(> M «SOn für Niolii>ta;its!inL:eii("iriuo 1200. iu der
»weiten Klasse betrugen die 8ai/,e U loi), hezw. 7(M).
Die V^crwaltung der Anstalt steht unter einer Vorsteherschaft, weiche
aus jswei »Senatoren, vier bürgerlichen De|»utirten und dem Hausarzt der
Anstalt zusammengefietzt ist. Die Behandlung der Kranken unterli^ dem
Hausarzt (Oberarzt), wolcheui ein in der Anstalt wohnender Assistenzantt
beigegeben ist Für die Wahrnehmung der ökonomischen Geschäfte ist
ein ln.H|)ektor angestellt.
Die Bewohnerzahl der Anstalt belief sich am J. Januar d. J. auf 175
Köpfe, daninter 127 Pfleglinge und 48 Beamte (eiuscbliesslidi ihrer An-
gühörigeiiy.
Digitizca Ly Gu^.' .
-ö 141 ö-
Ueber die Frequenz der Aostalt in den loteten 16 Jahreu and d\v
Art der aufgeiiommenen KrankheitsfäUe giebt Tabelle 15 AufschluHS.
lab. 15.
M&on
1 •
Weib-
Zu-
MllimClTI
4. ^- „.
• Ver. 1
j pfleiruiigs-
1
ein* pum
fach« lytis-r'he
Beel«uiitoriuiK ;
. 1
Seelen-
RtörUDg I<u-
nU j iwdil.
BpileiMlel
i
N'lcht
poUt. iOnirBMib
Mibtuitgj
1870
17
1
11
28
32 685
1880
11
11 •
22
32 228
ij^si
16
18
34
32816
134 ,
6
1H82
11
15
2<;
33 582
t
1883
15
20 1
35
35817 ,
1 !
1
1884
1 22
10 i
32
38958
31
1
— ^
1885
1
! "
14
31
39086
30 ,
1
1
1886
17
20
37
39 810
31]
4
1
1
1887 '
27
28
55
50313
44 1
4
3
4
1888
1 25
17
42 i
47092
33 1
3 ;
' 4
2
1889 '
30
17 j
47
49 342
32
7
.)
5
1
1890
29
29
58
00 31.]
41
8
3
o
1
1891
24
27
51
49 963
37
7
■
7
1892
27
22
49
45 665
36
7
1
3
2
1893
31
lö
46
42 11 1 1
35
1
I
1894 1
i 22
24 ,
46
i 45578
i ~
1
in
16 Jahren'
,341
298 j
639 ;
1 !
I
: 1
531 ■
■
63
1
20
26
1 '
Als ein nicht imiuteressanter Beitrag zur Kulturgeschichte möge hier
eine Skizze über das Irrenwesen im alten Lübeck nach den Aufzeichnungen
des im Jahre 1886 verstorbenen Hansarzici« der Anstalt Dr. B. Eschenbur^c
ihren PUtz finden.
Im vieraehnten und fünfzehnten Jalirlunulert wunlen <lie Walinsin-
nigen, die nicltt in der Kaniilie verbh^ibt n konnten, in sofjjenannten ..donlt-n
Ki-iton . .<]uit» r ./i'ollkisten ■, Imi/.erntJii Uiinicken mit, vergitterten Fenstern
luilergfcbriiclit. wo sie »hu I Wirken der \'orüV)ergehendt n hlo.ssgestellt waren
un<l von müden Gaben ihr trauriges Dasein iristetea. Soh-he Tollkisilen,
an denen der Frohn des Gerichts das Sr-hheaseramt verwaltete, werden in
Hamburg im Jahre 1386, in Lübeck 1471 nrkuudUch erwäliut. Es fanden
«eh hier zwei Tollkisten, eine vor dem Mühienthore, die andei'e vor dem
Butgthore.
Doch nicht alle Geisteskranken wurden ui solchen Tollkisten unl^r-
gebracht Denn angesehenen Familien wurden vom Käthe auch Gefängnisse
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-ö 142 85}-
tliürine, „slote** und „vengni^Bc*', leihweise zur Unterbringung geistesknmker
Angehöriger überlassen, deren Unterhalt dann aber von der Familie be-
stritten werden niussie.
Soft dem Jahre 1479 be.«i4erte Rieh dor ^u^tand clor Tollkisten, da
sich der Gerichtsschreilyer Peter Monnik und einiKP andere woh!jj:esiiinle
Börjjer zur Ilehunii d«'S trauripjii Looses und bessiToii Vc'r|»tle-:nii;, dir
..armen Dnlltn undt.- afsinidgen Luden" vereinij^ten niid vnn Ratlio zu
,,Vo!»tendt'rn" der „armen r)ullen'' ernannt wurden \"on «iieser Zeit al»
wurden die lollkisten öfters in den Testamenten brdaclit.
Al»er erst ant Knde des Ui. Jalirliunderts wurde das rn<:;e/,iemen(le
der otTentliclieu Öchuustelluiig der Kratd > n erkaiuit und «relegentiidi des
Entwurfs einer neuen Armenordnung durcli die Bürgerscliaft streng gerö^
dass CS unserer Stadt xur gi'osKCU Verkleinerung gereiche, uucliristltcli und
mehr als heidnisch sei. die armen unHiunigen Leute gldrh unvernünf
tigeii Thieren an Öffentlicher Heerstrasse zu verwahren und nicht Menschen,
Sündern Bestien gleich zu halten.
Darauf ward 1602 ein einstöekii<;es Gebäude mit 12 Zellen, denn
Zald später auf 18 vennclirt wurde, unniitt<'lbai' vor dem Möhlenthor er-
baut l )as.,UnsiiiiiiL;i nliaus^hat mit seinen engen, düstern und leuelili n Zelhn
tast 2<M> Jalii« lan.ir imsere Irren, dureliselmittlieli 14 oder Lö, heherbprtrt.
Lin«^ är/.tlielie Fliege wurde Niemandem dort zu Tlieil, es sei tleuti
dass ein wundertliatiger 8eliäfer oder der .Seliartrieliter zu Ratlie gezogen
wurde. Besserte sieli wider Erwarten der Zustand eines Kranken, so wur«ie
er gemäss Katiisdekret vom Jahre IfiOö erst entla.ssen, nachdem er Urfehde
geschworen. Die Aufsicht und Pflege im Hause besorgte ein Hausmeister
mit seiner Frau, denen später noch eine Magd beigegeben wurde. Bei
der Besetzung der Hausmeistorstelle wurde vor allem auf KOrperkraft ge>
sehen und dem Neuerwälilten häufig — in 200 Jahren 5 mal — die Ver
)>flichtuiig auferlegt, die Wittwe seines Vorgängers zu heirathen.
Je dürftiger für die körf>erliche Pflege der Irren gesorgt wurde, um
so meiir gesi hah für die ueisthehe. J^er Hausmeister wur angewiesen, seine
PfU'^Hngc tüglii t) < iiiige (lesän^e sinj^en zu hissen und ihnen an den
Woehonta<}fen einen Moriren- und A]>endsi l:' n. Sonntaü's (hun Lvanir^huiii
vorzule.seii. Ueberdies wurden an mehreren i a^en zufolge der VerfÜL^unu
fronmier X'ermftehtnissgeber einige Psahnen und Lieder gesuujj^en, s|.äter
auch am Freitage regeininssig Kateehisationen von einem Küster gehalten.
Die Anstalt stand jedem Neugierigen offen und wurde mehr zum
Vergnügen aus Theilnahme hefiucht. Nach einem alten Herkommen
hatte der Hausmeister die Freiheit, fieiuen wandernden (.i&sten Bier zu
schänken tmd Brod vorzusetzen, bis ihm uu Jahre 1705 auf Autrag der
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-<3 143 ö-
Wirthe vor dem Mühleuthor — weil er oitsseiide Gäste gehalten und Bier
ausser dem Hausse verkauft hal>e — diese ßefugniss genominen wnrde.
Seitdem selieinon sich die täplit^hon Besiiehe vormindort zu iialMMi,
'liiiifc^eii l)il<]«'l»' sich die \'olkf*sitt<' ocK-r ( iisiiii. ati.^, ;m den drei Fast
liiu■ill^t;^lr♦>u das ünsiüiiiirt'iihaiis /,ur Ik iu.sü^uii«; zu WusiK lu n. Wie i{r(»s<
'lic Mt iiLTf der Bt -uclM inlni ireweMeii. «relit d:iraii>* ln ivur. dass es liautiu'
/iir AutrecliterliahiiMix der Ordiuiii«; iiiilitariseii« 1 1 1 juselireilens he<lurt'le
und dass dio Öiunndunu: fiei williger (jiabon an dir 'rijür, welelie docii
hIcIm 1 lieh nur in kleinster Münze eingingen, eine beträchiiiclie .Summe
erbraclite.
Erst im Jahre 1803 wurde dieser Unfug des sogenannten Fastnaclit««-
liiulens abgesehaJft.
Als es gegen Ende des vorigen Jahrhunderts inmier scliwierigcr wurde,
mit den engen Bäumen des UnsinnigenliHUsetj auszukommen, und als
Störungen der öffentlichen Ordnmig durch IVei uniliergchende Irre sieh
biltilteii, wurde der Neul>au einer Anstalt Ix'seliKtssen. im Jalire 1788 aul
• lein jetzii;en (joläude die Irrenunsüilt vollendet und am 14. Sepii rnher
•lesseli ^ n Jal»re8 mis 11 Trren lie/oireii I )hs (Je]»äude truir dem ( i^te
iler Zeit ciitspreehend mein (1< u ( iiarakier eines Irren^etan^nisges al> den
einer 1 1 renptiegeunstidt. Da« ►Seliieksal seiner Pflegling© hlieli Jahrzehnte
ianj; trotz mancher Hessennigen in» We^entlielieii noch das bisherige.
Erst seit dem Jahre 1819 wurde für ärztliche BehaiuUung gesorgt, zu eim r
gründlichen Reform aber kam es erst, als atn 17. Mai 1858 die Anstalt
zu einer Staatsanstalt erklärt wurde. Durch beträchtliche Um- und Ncu-
tiauten in den Jahren 1858, 1861, 1868, 1881 hat die Anstalt ihre jetzige
Gestalt gewonnen.
Saa Sndsrhoqiital,
von Dr. mad. Pauli. Hausarst am Ktnetarhoapital.
Da- K inderho.<pital, eine riivatvvulilt! laiiLTkeit-sansinll. wur<lf I'jule
1852. ein Jahr nach Hrötl'nung des (alten) nlli^ei Meinen Krank-ejiliaus.s,
gegründet und ging aus dem Mangel des Letzteren hervor, icranken mid
siechen Kimlrrn. welchen zu lluuse die uöUiige l*Heee t'lilte, einen
passenden Auteiitlialt m gewahren Mit einem Fonds, der durch Aul'
liebuug eines von 184.J — i>l bestandenen Privatkrankenhauses für Frauen
übrig geblieben war, sowie durch milde Beiträge wurde es ermöglicht, am
L November 1852 dasselbe in einer gemietlioton Wohnung innerhalb der
Stadt (lang. Lohberg) ins lieben zu rufen. Bald zwar zeigte es sich, das.«
dies keinesw^s auch nur den schwächsten Anforderungen un eine der
artige Anstalt entsprach, jedoch waren die vorhandenen Geldmittel zu
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gründlicher Abliilfe zu bescheiden, so bescheiden, dass 1856 emstlich a&
ein völliges Aufgeben desselben gedacht werden musste. Da wurde durch
den edlen Sinn von Fräulein Victor ine Boissonnet, welche ein Kapital von
14500 ^ (^ourant schenkte, nicht nur die Fortführung der Anstalt ge-
sichert, sondern dieselbe überliau|»t erst zu eiiu in K iiulerliusjntale güuiuclit.
in<ietn uuF dem 3277 »jiii grossen riutze. auf wetclifui es jetzt steht.
Ilüxtertliorallee 41, am 12. Mai 18r>8 dar Giundsttua au einem eigeueii
Hause gelegt wurde, uelt-lies <lann am 20. Mai ISf)'.' eingeweiht und be-
zogen werden konnte In den folgenden Jahren wurde iiun sowohl dieso'^
jetsdge Hauptliaus durch Vergrösserung von ÖZimniorn (1878 und 188(5)
erweitert, als es auch geboten erschien, mehrere Nebengebäude aufzu-
führen, und xwar 1876 ein kleines, später umgebautes Leichenhaus, 1881
eine Sommerbaracke, sowie 1884 ein 1889 vergrössertes Isolirhaus für
Masern-, Scharlach- und Diphtherie-Kranke.
So bietet das Kinderhospital zur Zeit im ganzen Baum ffir
.-(6 Betten (davon 8 — 10 im fsoUrhause). Das Haupthans enthält auf
einem Flächeninhalt von IVU) qm im Souterrain die Küche. Wascii- und
Keller-Räumlichkeiten, in dem 1'/-' m über dem l^idlxidcti gelegenen
Parterre (Höhe 3.(56 m^ 2 grös.'«ero und 2 kleiiu'iv Kraiikeii/.inimer mit
einem Lnttraum von iiyo cbm, einen seitlich mit einem Uberlicht ver-
sehenen. 180 cbm haltenden Spielsaal (auch als Verband- und Opcriitions-
Kauni dienend), ein Zimmer für die leitende Sei i wester und die Hade-
stube, sowie 2 Wasser-Uiopets; im ersten Stock befinden sich 2 kleinei«,
nur 2,40 m huiie Zimmer, die, früher al» iHolirzhumer dienend, gegen-
wärtig ihrer geringen Höhe wegen nicht mehr zur Unterbringung von
Kranken benutzt werden, sowie Dodenräuniltchkeiteii. Von diesem Hause
12 in entfernt liegt die mit verschiebbaren grossen Fenstern versehene,
nicht heizbare Holz})aracke für 8 Betten, welche, so lauge es nur immer die
Witterung erlaubt, zur TTnterbringuug (auch während der Nacht) von
.^crophulösen. be8on<ler,'^ Knochenleidcn erkranklen Kiiidorii l>eiiutzt
wird, um diesen mit bo.-ksin Ertoli;*' deii oft einzigen Heilfactor, frische
Luft, zu ver.«chatTen. Nach links vom Ihm] »tlinu.se steht das kleine Leicheu
haus, hinter diesem, 8 m entfernt, das Isolirliaus T^et/teres besteht auf
einem Flächennunii von 18.3 <pn aus 2 Zimmern für 8 — 10 Betten, eiuer
kleinen Schwesterustube, Theeküche. Badestube und Wasserdoset ; die innere
Einriclitung (Betten, Wäsche, Kleidung, Ess und Trinkgeschirre, Instru-
mente, Medicamente) ist selbstverständlich völlig getrennt von der des
Hauptliauses.
Nach hinten zu schliesst sich ein grosser Garten an, der theils at^
Tummelplatz für die Kinder, thetls als Obst und Gemtisegaiien einge-
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-iß 145 er-
richtet ist; ebeufso liegt vor dem Hause eiu kleiuer Vorgarten. Die ümere
Einrichtung des Hospitals ist eiue einfache, aber seinem Zweck mOgUclist
entsprediende. Die Ziiitinerwäude iiaben Oelfarben-, die Decken Kalk^An-
iftnch. Die Heizuug geschieht meist durch LOhubold'sche Dauer-Oefen, die
Beleuchtunjj: mittelst Petroleumlampen; Wasser lieferte früher ein eigner
Brunnen, jetzt die stiidliselie Was^^erleitiing. Besondere, hei dem Bau des
Hauses vorgeseliene VeuliliilionseiMrichtungen sind nicht vorlnunleu, die
lieguliruDg der Zinmierlult wird im llauptliuusc ilieils durch Fcnslerven-
tiltition allein, theils dureii «lic-f in Vorhindung mit eniem in der Mitte
der Zimmerdecke hergestellten Luitsetmcht, im Isoiirhause durch let/tere
Einrichtung bewirkt. Besondere Privatzimmer existireu nicht, als dem
Zweck des Kinderhospitid» nicht eutsprecheud.
Das Kinderhospital wurde durch Dekret des Senates vom 20. Mai 1857
mit Gewährung vou Oorporationsreciiten in die Zahl der obrigkeitlich
bestätigten Privatwohlthätigkeitsanstalten aufgenommen. Das-
selbe wird verwaltet durch einen aus 6 Damen und d Herren bestehenden
Vorstand, von welchen einer der Arzt des Hauses, ein anderer
ein der evangeliseli-intherisicheu Kirclie augehöriger hiesiger Geistlicher
sein nmss. Die ärztliche Fürsorge liegt dem (nicht im IlospiUil wolmeoden)
liiiusarzte oi>. welc her «eit 1S8.-J ein Gehalt von ^^fC 250, seit 18M
VHH 800 erhall; ein lliltsai/t i«{ nicht vorhanden, der Hausarzt
viehnehr zu seiner Vertretung und zur Assistenz auf die Freundlichkeit
seiner Kolle'joii angewiesen. Verfasser hat die ärztliche Leitung .«eit 1882,
vorher lag dieselbe ob den Herren Dres. Rose (bis 18G4), Pütt (bis 1874)
und Nölting (bis 1882). Die Pflege der Kinder, in den ersten Jahren
des Beetebens durch vom Vorataude gewählte Pflegerinnen liesorgt, wird
seit 18Ö9 durch Diakonissen aus dem Stifte Bethlehem in Lndwigslost
geleistet, zur Zeit durch 2 eingesegnete und 2 Prolteschwestoru; ausserdem
werden 2 IKenstmädchen gehalten. Den erwachseneren Kindern wird gegen-
wärtig durcli die Freundlichkeit luohrerer Darapu täglich angemessener
riilerricht zu Thcil. Die Fretiiieuz <le« Ivuiuti iiuspitals verhält sich
fulgendcrmasseu:
Wähn'nd vom 1. Üctol»er l»is ?A. December 1852 8 Kimha' verpllegt
unrden, .schwankte der jährliche KrankenhesUmd in den Jaliren 1853 — 1881
zwischen 27 (1860) und 55 (1873), betrug im Durchschnitt 37; 1881 wurden 47,
1882 bereits 81, 1883 dann 141 Kinder verpflegt, iu den folgenden Jaliren
bis 1894 je 160—170, mit Ausnahme der Jahre 1887 und 1888 (228 und
221 Kinder, in Folge grösserer Diphtherie^Epidemie). Die bedeutende
Steigerung vom Jalire 1882 au beruht hauptsächlich daraul, das» seitdem
die Einrichtungen getroffen wurden, auch au acuten lulectiouskrank-
10
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-t3 146 ö-
heiteii (>rk rankte Kinder in ausgedelmtorem >fa8sc' aufzunehmen. Die
tägliche Bolegziffer schwankte zwischen 15 und 36 Kindern, die
dunOiHclimttHrhe Bchtiudlungsdauer zwischen 47 und 63 Tagen, nur
1887 und 1888 betrag letztere (Diphthorie-£pideinte) 42 mid 40 Tage.
Aufua]iine findon Kinder sowohl jeden Alten? bis zu vollendetem
14. Lebensjahre, vde auch wogen jeder Art von Erkrankung, mit Aus-
nahme von KoiU'lihustt'n. da hei «lor rfnniigliciikcit, solcho von aiidorn
lviii(i('!ii /n liemien, «liesc y.ii sein- tjeUUirdcl wenlen würden. I'Jxiism
ui iikn an iu uit?r liicnorriioeji ncoii.Mtnnjiu i'>kruukle nur uusnalim.swei.-^e
uufgeiionimen.
Dio läßlichen \'t'i pl'le»iuii}f -ktxton *) iür t'm Kiud stellten sich in
den .lahrei) 18.').'5— lS«i.ö auf (h IM ISfiS) his 104 Pf. (1859). ilureli-
»chnittlich auf 1(\ Pf.; ISHii— 1874 auf «lo Pf. l.is 1 If) Pf , durclisrlinittlidi
auf 103 PI; 1875-1894 auf 113 Pf. \m 139 Pi'., durchschiiittlieh 127 Pf.;
nur viermal betrugen nia in Folj^e l>esandcrer Verhältnisse (gr0s8cn*r Re-
paraturen de» Hauses, geringerer Anzahl von VerpflcgungRtiig<rn u. deigl.)
mehr (147—167 Pf.).
Diese VerpHogn]i<^skosten werden aufgebracht tbeils durch das für
die Kinder zu entric'htonde Kostgeld, anfangs täfrlich 4 Seliillinire
{30 Pf.) i)etra«;end, 1859 auf ö Sclnllin-i {.jl^h Pf ). 1871 auf 8 Sciiillii»«;^
Pf). 187() auf 75 Pf.. 1889 auf .fC 1 erhöht., theils durch niildtr
Gabeu ( jährlich»' BeitrStr*'. Ges' ht nkr 'mm" hoM lUil« 1 1 u (iclcpenhcilen.
Ki'tr;!!; filier seit irttlti vor dem ll.iu^e autgrsh Ilten (..Euj^el- ) liüch.se, von
18«iU— 1«81 jährliche Untorstütziui^' von ff (100 durch die iJescil-
»chuft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeil). Ausserdem beisteht
seit 1889 — v«»rher wm'den mehrere JaJire lani; auf Ko.sten einer hiesijren
Dame 2 Kintler frei aufgenommen, andern das Kostgeld ganz oder dieil-
weise durch daa Kinderhospital selbst erlassen — die Eniclitung einer
Freibettkasse, aus welcher das Kostgeld ganz oder theilweise in dazu
geeigneten Fällen dem Kinderhospitale erstattet wird, das nadi seinen
Statuten kein Küid ohne Zahlung eines Kostgeldes aufnehmen darf.
Die Aufnahme der Kinder geschieht durch den Kassenführer nach vo^
liergehendci- Beiiutaehtuni: lureh den Ar/A des Ilau.ses; driiiL^ende lalle
linden ;iut Aumi iliiun-^ eines Arztes jederzeit sofort Aufjiulune, soweit
IMai/, vurhan h II i-t. IVr letzt»'re hat sich nun aber in dem Ilaupt-
hause in den letzten JaUrt ii vcr>elnedentlieh als zu «gering erwiesen. An
und lür sidi ist der in den voilgelegteu Kraukensäleu veiiügbare Lultr
*) ttei der Berechnung sind die Kosten fflr vorgenommene grO«ere iMatiche
VerUndernngun, reep. Neobattteu aiueer Betriebt gelassen.
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147 &h
nxm von 16,23 cbm pro Bett eiu zu g<3ringcr (im Berliner Kinderkrau-
keDiiAUse sind 32 cbm, in) Leipziger 26 — 28 cbm vorgesehen) und nur
durch HinzuKieliuiig den Spielsaales, des einzigen Torhandeuen Tages-
raiiiiies. ist es niöglicli, dies t'inigerni:i.<st'ii suiszugk'it'hfu. Sowohl liier-
iliinli. als aiu'li durcli das Foiilcn oints Operations und Verhandrauuies,
-owio eiiHT lür »in Kindoilid-pii,!! zur Verhütung von Ilnusinfectiont'n
uiitiiiiiululiclicn l»tM>l);i(']itungsstaü«»iK Jerner durch die ['uniögiiciikeil. an
vct^tliiedenartigen Inlcf tionskraukiioiteu leidende Kinder gleichzeitig aul-
xuuehmen, genügt das jetzige KiuderhospitaL nicht den zur Zeit an ein
solches zu stellenden Anlorderuugen. besonders da auch A'entilation und
innere Einrichtung, sowie Grösse unrl Anordnung der Wirthschaftsräume
unzulänglich sind. Alle diese Missstände drängten bereits seit einer Reihe
von Ja])reu du%u, einen Neubau ins Auge 2u fassen, da ein Umbau des
jetzigen Hauses nicht nielir im Bereiche der Möglichkeit hegt. Allein
bis vor Kurzem gestattete die misslichc finanzielle Lage des Kinderhos-
pttal;«. die es mit vielen andern Anstalten geniein hat, nicht, daran zu
driiken. Erst diii< Ii i in - rösseres Vermaehluiss seitens eines hocii-
In izigen Kindern ( Uiides, des Kauiiiiaimcs Juhnnn Matthias Friefs,
uflelier «Irin ilt»spital ein Kapital von 2<ioOüO mit der Bestini-
iiiung liiiitt i liess. einen Theil dess»'lhen zum weilereu Aushau der Anstalt,
die Zinsen düS übrig bleihenden. unter der Üezcichnung „(Jehrüder
Priefs Stiftung*' in besondei'e Verwaltung zu nehmenden lieakes aber
/niii Besten der Anstalt und der in ihr verptiegtcn Kinder zu verwenden,
ist der Vorstand dos Kiuderhospitals in den Stand gesetzt, euiem Neubau
uälier zu treten. Da dus Grundstück, auf welchem das Hospital jetzt
steht, nur einen für die allernächste Zukunft genügenden Raum bietet,
es aber dringend wünschenswerth erscheint, die Möglichkeit späterer
Erweiterung des neu zu erbauenden Hospitals zu bedenken, so musste ein
anderes Onindstück gewicht wenlen. Es ist nun in diesem Jahre ge
langen, ein solches für di n Preis von , f{ GOOOO zu linden, und ist dasselbe
iiacli vorhergehender (Jenelnnigung du i ch Senat und Büi gerschaft von
d<rn Vorstande angekauft worden; es befindet sicli in der Kaldhorst-
strasse No. 31 — 33 nalie bei dem allgeiiieiuen Krankt'nhause, in guter
hage, zwar etwas wcitor von der Stadt entfernt als das jetzige, allein
duich geringere Entfermni von der eiectrisclien Strassenbalm ebenso
leicht erreichbar. Von <lem Gesammtareal von ca. 15000 qm werden
für das später zu erbauende Hospital 9666 qm verbleiben, eine Grund-
fläche, gross .genug, lun für lange Zeit hindurch auch bei erheblicher
VergrOssormig unserer Stadt sehr gesteigerten Ansprüchen zu genügen.
Freilich kann erst nndi Ablauf mehrerer Jahre an die Vornahme des
10»
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HG 148
Baues selbst gedacht werden, da das vorhandene Kapital noch nicht hinreicht
um ausser den Kosten des Bauen selbst auch die nach ctnein Neubau
wheblicli liölieren jälirliclion VprwHltanßskosUni zu tra<jjtMi. Hoffon wir,
<lass <!(']• stets niildtliäti«;c Sinn <K'r BcwolintT Liibcc-ks den Vorstuiul
HüHpitiils balil in ileu Stand setzen wird, da^s begonnene Werk zn vollenden.
Bas Ctoniton-Lataroth.
Das Garnison-Lazaretb. in der KatVinrinenstrasf^e otwn (> Minuten von
der Kaserne des hiesigen 3. Bataillons 2. Hanseatischen Infanten!*-
Regiments Nr. 76 gelegen, ist auf 23 Kranke berechnet.
Auf einem Grundstacke von 27.8 lo a befindet sich das Verwaitung«:-
gebftu<1e, ein unterkellertes, einstöckiges, massiv gebautes, früheres Land-
liaus, welches 1874 mit dem Grundstück erworben wurde, ferner ein Kranken-
block und ein Wsvsch- nnd Tjoichenhnus. Der Krankcnblock ist ein massivj's.
nicbt unterkellertes, in Robban uufffeführtt**! einstöekijres Gebäude, das in
si iiirm (liebelbau aueb noeli im zweiten Stoekwerk ein t;i riiuini<rt's Ivrankeii-
/iiiiiiit r (Mitbjih hie 1 [«■■))»(' der Zinniier l>eträirt 4.» ni. <be Ventilation
<'i k»i«it «hin li 1' allsclieibi-n u\)(\ 'riiürselilit/.e. au>Ner»U'iü i.nt eine Znfubr
l'ri^f bi r und vorgewärmter Luit dureli die Kaebelöfen und eine Abtiilirnn«;
der sebleeblen Luft dureli bcsnudere Luitkanäle vorgesehen. Die Latrinen
beftiiden sich im Iviankenbloek in einem Anl>au, dessen \'enlil:ttion durch
einen liesonderen Ofen iK'wirkt wini Die Fueealien werden in Tonneu
aufgofangon. Im Verwaltungsgebäude sind 2 Wasserciosets vorhanden.
Im Krankenblock befindet «ich ein kupferner Ba<leofen und zwei
feste, sowie eine bewegliche Badewanne. Die Küche liegt im Keller defi
Venii'altungs^i bäudes mul ist mit einem Senking*sclien Sparherde ausge-
stattet. Ein einfacher Djimpfdesinfektions Apjjarat nach Coburger Muster
duieb Auisuz eines etwa eijm l'assendt^n Tonnenkübels aut den Waseli
kesscl liergestellt, ist im VVaseldmnse einu:eriebtet.
Die Lazaretliltaülen siu*l umgebt i» von eint-m LS.oyf» a ^ " — ' n (Jarten.
der in seinen .schattigen Anlagen aucii einige .seltenere i'ilanzen enthält.
Das katholische Ki ankenhans.
Naebdem zuerst im .labre 1874 drei barmherzige Sebwe-^tern vom
Ortlen der heiligen Elisabeth aus dem damaUgen Mutterhause in Neisse
zur Ausübung der Krankenpflege hierher gekommen und ihre Zahl von
Jahr zu Jahr gestiegen war, ist seit dem 9. Dezember 1888 von den
8chwesten) in dem Hause Parade 3 ein Krankenliaufl errichtet worden,
in welchem Kranke ohne Unterschied der Religion oder Confession Auf-
nahme finden und dabei von ihrem eigenen Arzte beliandelt werden
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-ö 149 &h
können. Die Zahl iki- Betten lu läuft sieli auf 24. in 9 Ziiiuner vertlieilt.
Die Koj^t« n Im inigen für «lio I.. II. u. III. Klft«*;e .'>., ./^ 3, ,.iC 1.50.
bm katlioli.sche Krunkenliaus wird vorzugsweise Kenutzt für ehirur
giauh© Ki'auke, an denen operative Kingriffe heubsiehtigt werden, die sich
in der Behausung des Krankoii nicht durciif (ihren hissen.
Die Frequenz des Krankenzuganges und der Operationen betrug in
den einzelnen Ja]iren: 1889 1890 1891 1892 1893 1894
Krankenzugang 84 171 185 215 361 298
Operationen 50 67 115 118 218 205
Die Zahl der Verpf)eginigätage bellef sich im Jahre 1894 auf 4819.
Es sind im Krankenliause thfttig 5 Schwestern. Ausserdem widmen
w*h 14 gleiehfalls dort wohnende Scliwestern aus dem seit 1890 nach
(»reslau verh'gten .Mutkrhaiisi' der Krankenpflege in «1er Stadl. Sie hahen
im letzten Jahn« ir»OH Tagespiii gen und 795 Natjhtwaehen geleistet, so
*lass aiil die eiuzehie ächwesler 114,ö Tagoöpllegeu und 50,8 Nuchlwachen
cnüallen.
Die evaiigelisohMi Diakonissen.
Rvangcli.sche 1 )iakoni^srii ans (l(?ni Multt iliuuse HethleJieni zu Lud-
wigsl\i-T ^ind in Lüheck seil dem Jahre lH7r> thätig Ilm Z;dd. anfäng-
lieh 2. ist .sehr l>ald angewaebsen. so da.ss von» .Jahre 1889 an 12 »Schwestern,
im letzten Jahre sogar 15 Schwestern hier wirkten, von denen je 6 iu den
Sehwesternheimeii in d' i kleinen Hurg8tra>sc und in der Sehlumacherstrasse,
3 in dem Schwestemheim zu Öt. Lorenz in der Lindenstrasse untergebracht
sind. Ihre segensreiche Thätigkeit soll vorwiegend den Unbemittelten zu
Gute kommen, denen sie unentgeltlich gewidmet wird. Dagegen wird für
Krankenpfl^ bei Wohlliabenden eine Entschädigmig erwartet, aus welcher
Einnahme neben den von den Mitgliedeni eines Vereins aufge)>rachten
Beiträgen die Mittel zw Deckung der Ansgahen beschafft werden müssen.
Die Hilfe der Diakonissen wird lehhaft hogehrt. so dass nicht selten
noch Wärterinnen zur Ansliülte genommen wenlen.
Im Jah?-»' 189,'> er^tre<-kte si«'h die Kiaiikenpfleg» der Diakonissen
«uf 4G8 Kranke. Es w\n"den von ihnen geleistet 1394 Naehtwaelien und
lH5;t TagespHegen, so dass auf die einzelne Schwester 110 Nachtwatdien
und 112 Tagespriegen entfallen. Ausserdem wurden 9364 mal PHegebe-
sache, Hilfsleistungen bei Operationen, £inspritzimgen, Massagen u. dgl.
ausgefülirt.
Ausser den erwälinten 15 der (lenieindekrankcnpflegc dienenden
Schwestern sind noch weitere 12 evangelische Diakonissen aus dem gleichen
Mutterhause iu Lübeck ttiätig, 6 im allgeiueinen Krankenhause, 4 im
Kinderhospital, 2 in der Kleinkinderschule zu St Lorenz.
-Ö IftO
AllgemeinB hygienische Einrichtungen.
Die WHSservers(»r«>;ung Lübtcks erfolgt durch Hhiirlos Fliisswasser.
\u l(;lios aus <l< r W'.ikenitz. dem Abflu>.-r ili s üiit/.» imnjcr S<'Os, j;c\vomje?i
wird. Die stiidlisclio Wasserkunst, in der \'oi>(,ttii Si. Juriren mii dem doit
ziemlich hohen Tfer der Wjik(>uiU gelegen» ist seit dem 19. Juli 1867
in Betrieb. Sie hat in den letzlen Jahren eine vvesentlielu^ \\M-grösseriiug
der Fiheranljigen erlaliren. Während anfänglich nur 3 Filter zu je 425 qni
Filterfläche, seit dem Jahre IHIB aber 5 Filter mit einer («esammlolW'
fläche von 2136 qm in Benutziuig waren, stehen seit dem Jalire 1894 drei
neue grössere Filter zu je 1458 qm zur Verfügung, ao dass nunmehr,
nachdem 2 von den alten Filtern eingegangen und von diesen eines zum
Neubau emes Reinwasserbehälters verwandt worden ist, insgesammt
5626 qm Filterfläche vorhanden mn].
Sämmthelie Filteranlageii sind olTen, die drei iUtercn kleinen Filter
6hu\ in j-iaekstein tremauert, die drei neuern gr(»s.«('n mus Stampfbeton
{>< '1 heile 'i'ravei minder Seekies, 1 Thcil Cement) heiLic-iclIt Ihre Wan-
dungen sind mit Crmentinrutel glatt al)g(*j»ut/.t. Die Seitenwiinde weieben
um 17,5 CDi von der Senkreehli'u nach oben und aussen ab, was er-
fnhrnugagemäss genügt um ein festes Anlegen des l''iltersandes zu erzielen
und ein gutes Funktioniren der Filter auch bei Bildung einer Eisdecke zu
ermöglichen. Sämmtliche Filter liegen mit ihrer Sohle etwa 3 m obe^
halb des Spiegels der Wakenitz, so dass sie vollständig trocken gelegt
werden können.
Die Filtorschicht besteht aus einer Saudschicht von 60 cm, unter
welcher sich 15 cm Kies und 30 cm Steine befintlen. Als Filtersand
wird der in TraM luiiiidi: in vorzüglielier Quahtät gewonnene Seesand be-
nutzt. \un Welchem stets neues Material zur \^'rwendung kommt, so dass
auf Sandw'äselie oder dg], verzi' hlft worden kann. Ueber der Filtem'hicbt
steht da.s AVasser in einer Jlubc von Löo m. so dass, wenn es zwrrk
mässig erscheinen sollte, die Sandsehicht auf 1 m Mühe zu steigeru, iinrner
noch 1,10 ni Höhe W'asserstand übrig bleiben würden. Die Filtrr sind oben
mit einem I : eberlauf versehen, welcher zur Frost zeit in Thätigki^t gesetzt
wird, so dass höchstens eine schwimmende Eisdecke zu Stande kommt
welche den Betrieb nicht stört.
Der Betrieb der Filter erfolgt» soweit durchführbar, nacli den vom
Kfuserlichen Gesundheitsamte aufgesteOten Grundsätzen; freilich ist es auch
nach Fertigstellung der neuen Filter nicht möglich geworden, unteihfllb ^
der uls Norm vorgescliiiebcueu Grenze der Filtrii'gesehwindigkeit zu bleiben. I
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-ö 151 DJ-
Aus (lor dort 2 in \\oU')) Wakeiiitz «jc^lan^t das für die Watest rkiuist
l)t ^Uüiinte VV aris^ r durch t int ii mit Gitiern vcM-sehenen EiiiHlrumungskanal
unter das Mastliinenhuus, woj^olbst das Wasser ilurch die Maschinen ge-
hoben, durch 60 cm weite gusseisonie Rohre und 40 cm weite Zweigrohre auf
die einzehien Fih*'r geführt wird. Das fdtrirte Wasser gehuigt durch den
am Boden des Filters befindlichen Sammeikanal in die Abflnsskammeru,
welche bei den neuen Filtern mit einer nicht sclbstthätigeu Vorrichtung
zur Reguliruug der Filtrirgcschwindigkeit versehen sind, weiter nach dem
Reinwaflserbeh<er und wird aus diesem durch die Druckpumpen zum
Theil direkt in das Rolu>leitung8systeni der Stadt, zum Theil bis zu einer
Höbo von 40,1« m in dm Hochreservoir gi triehen, welches 2100 cbm fasst
und in einem inaU^rischeii llarlmkan -l inen Phd/. gefunden hat.
Uns \%'rtlieihni^sruiirneu, \vt l< lies soweit als möghch ein vollstän-
diges rircuhition.*<sysfc!ir hiUlet, beginnt mit zwei nu n Stmnnu'ohren
von 4*.>5 und .*UK> mm Dvn-ciimesscr im liichtcii nud verltreitet sich in Ah-
.'■tufungeu der Rohrweiten auf 2öO. 2(M), löO, 100 und 7.') mm Durchme.'^er
über die ganze Stadt und den grössten Theil der Vorstädte. Die Haus-
leitungen sind in Bleirohr angelegt.
Die Gesammtlänge des Rohmetzes beträgt zur Zeit Tl^is km. Es
wurden im Jahre 1894/95 durch die Wasserkunst gespeist:
191 Feuerhfihne.
291 öffentliche Zapfstallen,
27 öffentliche Bedürfhissanstalten,
5381 Privatwosserleitungen,
5553 Wasserclosets,
Ö92 G ar t « n l)es|)renguug©n,
bö Spriugbruiuien.
Die Selbstkosten für 1 cbm Wasser bis zur Zapislelle iK'truguu im
Jalire 1893/94 1,98 Ffciuüg.
Die Wasserab^raheri für Privatleitungeu werden nach der Zahl der
heizbaren Bäume berechnet.
Es sind jährlich zu sahlen:
für Häuser mit Wasserleitung . . JC 2^b für jeden heizbaren Kaum
• • der Interessenten der
früheren Wasserkunst . . • 1,20 • • •
• Buden und Wohnkeller . . > 1,125 « *
Bei Betrieben mit besonderem Was.^erverbruuch wird die Abgal»e
durch Schätzung testgestellt. Ist der Konsument mit dem eing' schiit'/ten
lii'ilrngc nicht (inverptaiuleii. kann er auf seine Konten die Aul.^lellung
eines Wassermcböcrs verlangen. Der MieÜispreis für VVassermet»er, deren zur
i^iy u^Lo Ly Google
152 &^
Zeit 75 in Benutsung sind, beträgt 10% des Ankaufswoiilics. Der Frei» der
durch den Waascrinetitfcr ennittdten Menge vorhruiiclileü WaHners int auf
— ,10 für I cbm festgesetet.
Wasservorhrauch in Lüheck lftH3
— 1894.
lab. ih.
Jahr
Einwolinor-
Lflbecks
Jfthrlicher
Geflammt»
verlirauch
Durcli-
schnittl.
Tages-
verbrauch
tin>KSl(T
THgeavcrbraiicli
Duroli««htiiUl.
Koi-f (kr
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Dalum
Ut«r
1 H8;i
58 880
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ISO
1S84
54800
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1 1 000
20<»
18HÖ
55 309
3 923000
10 748
194
1886 i 56000
3958000
10844
1887
57829 1 8884000
10641
13. Juli
13921
1A6
1888
59496 l 3993000
10910
27. Juni
13170
188
1889
61242
4214000
11545
27. Juid
15472
182
217
1890
62936
5047 000
13583
1891
64545
5686354
15579
17 Jan.
20 <i87
210
1802
«U>18;5
5 ;i27 682
14 55(;
2ü. Jan.
22 (*)55
210
isna
()7 H21
:):):>ii-uo
15 151
0. Jan.
21 «)27
22H
18^4
t)i> 45V»
.') (i4ß 450
15 4*10
IH. Fchr.
25 085
222
Nach Ausweb der obigen Tabelle i»i in den letzten 5 Jahren
*ler jährliche Was«erver)irauch auf über 5 Millionen Cuhiknietcr
Wasser, die durchsclinittliclie Tagesleistung des Wasserwerk«; auf
über 15000 cbm gestiegen. Der gröSKte tägliche Wasnerverbrauch
hat in den letzten Jahri'u nicht mehr während iler heissen Soniniertage.
sondern zur Zeit anhaltenden streniren Frostes staituetunden . <la mr
Veniicidun^ des Kintriercn.« von niainhen Almoiinicrn die Hähne
(laiK i iid olTcn i^elialten w ordt u sind \']< hat unter solehi'n rinstiinden
der Taij;e>vci brauch ^s it^derholt 2()00t) i 'ulnknn tei uIk rsehrilit n un<l
am Febr. d. J. so^ar mehr als 25UOO chm Ix'tragen. Der auf
den Kopf der Bevölkerung im Durchschnitt entfallende Wasserv«r-
hnnich hat seit 1800 sieh -t ts über 200 Liter gehalten. ICs /nhU
Lübeck demnach in erster Reihe zu den Stäilten, in welchen das tiitrirte
Leitungswasser Gegenstand weitgehendster Benutzung, wenn nicht Vor
geudung ist. Die au.*«nalimsweise hohe SSahl von 240 Liter für den Tag
und Kopf der Bevölkerung im Jahre 1891 findet ihre Erklärung in den
zahlreichen Rohrhrüehen, welche im genannten Jahre nach Erhöhung
des Wasserthurnies durch den gesteigerten Druck verarsacht wurden.
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lb3 &^
Wob nun die hy«;i<'nisHio BcuHlicilnn^ des« von der Lüborker Wassor-
kmist ücliolcrtcii Wassers bctrilVt, so ist dasscIlM' seiner llerkunt't mi<l l»e
-«•lialVenlioit nacli Kir <jt'\vulajli( h als t'iii einwajiülreies, etwas woiclies ijihI
•liilier iiieht soinl« rlieh selmiacklialtes Trink\vass<'r und als ein vortrelT
li'he-; Nutzwn-'-er /.u eraeliten. Nur unter aussergewölinliclien Verliäll-
nisst'H, /All- Zeil .sclwielltr Sclmoeselinu lze oder bei ausnahin.s weise starken
R( L" iiuii-~iii. wenn die seitlicln ii Zii{iü--e aus dem ei<jeueu Stroiugcbiel
der Wakenitz das Ucborgewicht über das aus dem Rat^eburger See
:<taiiimcndc fiicoivaifsci' gei^inneD, macht »ich eine Vcrschli^chtcruiig und
)rangülhaltigküit des Wassers in hygieuisdier HeKiehimg geltend, kenDtlich
durt'h eine leichte ( velbt'ärbung. leicht modrigen Gcsclunack, erhöhten
(f ehalt ^tn gelösten organischen StofEeu und anwaclisende Bakterienssald.
Bereits seit 1877 findet allmonnllieh eine ehemische üntersuchunjr
dc< 1a ituiiu<\vassers (Tli. Seliorer) statt, «leren Krfrel»nis<e iiaeli Hureli-
sehnitt. MiiiiiTnun und Ma.\iinnni in T.iIm lle 17 vernn.seliauli<-lif sind.
Ih- I .< iiuiii:^'A .K^ei' i-i danaeli ^U'i» fn i von Anunctniiik. ^;dj>etri«;er Säure
und balpetersaine «gewesen, flüehtij^e »»rjianisehe Stoffe haben in der I\ej;ol
gciehlt, <iie Menge des dureli gelöste organiselie StolTe redueirten Kalium-
permanganats betrug dnrelisebnittlieli 14 mg, der ( 'blorgelialt 24,« mg, d<'r
AMampfrückstand 220 mg im Liter; die Gesammthärte belief sich auf
14,6 fr. Grade.
Im Winter hei Frost tritt das Maximum der Härte und der ührlgi*n
Sidze ein. Im Spätherbst und Frühjahr sind «lie meistcti orgauischen
«Stoffe vorhanden. Im Iloclisommer, wenn fast ausschliesslich Seewasser
in Frage kommt, ist das Wasser am reinsten. Die Vermehrung der orga
nischeii StotVe wird im Herbst dureli das Absterben der reieblielu'u \%'ge-
tation der Wasserpllan/.en , im Fnili |alir durch die Sebnee.sehuiel/.c und
die Au}*laugnnL' der nebenliegenden W i< n vonirsarl ii
Seil den» Jahre 18i»2 fanden regeiniasjiige bakn iioiogisehe Tnler
sucliungen des Wassels der Wakenitz und de.s Leitungswussera statt
(JJr. Wet/ke). .\nfangs besebränkte man .sieli auf eine /.weimal im Monat
auBgefülirte bakt< i iologi<elu> Prüfung des Wassers im untiltrirten Zustande
und nach der Filtration durch Untersuchung einer Probe aus dem Rein-
wasserbehälter und aus einer Zapfstelle in der Stadt (Tabelle 18). Später
wunle eine Prüfung des Filtrats <]er einzelnen Filter eingeführt (Tabelle 19),
und seit Anfang Mai d. J. ausserdem der Reinwas8erl>ehälter täglich
bakteriologiseh imtersuclit (Tabelle 20). Die Krgel»uis8e der täglichen
rnU»r«nrhu Ilgen unterliegen der ständigen Kontrolo d»'? Medieinalamts.
hei einer M iirdiL'ung der bakt<'rir)l<>gisel)«'n rntersnebungsresultate
ist vorerst zu berüekyielitigen, dub.-? da« lur die Filtralion benutzte Koh-
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-ö 154 ES-
wassior an sicli zipmlicli koiniarni ist. Diej^cu j»;('ringon Keiiiigehalt von
vv(!iiij;».'n IIiiiKlcrt Koinu ii hcaitzt das Waki iiilz-ujisscr. wie oiiisdiUlj^ip:!'
Unteixuclmiiu«!! ergoltt-n lialMti. *<«')ioii wälirend seiuos Li;in/.eii I>inife.s,
so (hisii in der Gegend der StadtwasserkunHl eine Verschlceliteruni: 'If"-
Walsers durdi die Näliu der Stadt in bakteriologiselier Iliiisielit ni<-ht
walir/unelinien ist. Nur zur Zeit der Schueeselnnelze war regelmäsi$i|;
ein beträchtlicli höherer Keimgehalt der Wakeuitz zu constatireu.
Ergebnisse der chemischen Untersuchung
des Lübecker Leitungswupsers (Rcinwusserbcbäiter)
1877 — 18^4.
1. Diirrh-
BesUiDdtlieile in 100000 Theilen Wasser. *' , .
'1
Minimum
Maxioram
r
1
0
V
Durch gelöste organisc^he flüchtige
Stoffe reducirtes KAliuni])ermauganat
0
0
Ä. .um.
0,7
Ue^iammtmenge des durch gelöste
1
oi*gam'sclie Htoffe reducirten Kaliuni-
1,«
3.7
i
(»ehr Helten)
llalhgebundene Kohkiisäure ....
1 0
0
0
Salpetrige Säure
0
0
0
0
0
0
0
0
Spar
Chlor
2,48
2,18
2.8 4
Ammoniak
0
0
0
Magnesia
Spur
1
Spur
Spur
Kohlensaures Eisenoxydul ....
1 Spur
0
Spur
14,0
13,0
17,0
Kohlensaures Natron |
Spur
0
Spur
22,0
19,0
26,0
(xesammthärte in franz. (fraden . .
14,6
13,0
18,0
4,0
3,0
6,0
1
1 klar
klar
ond fArbloB
und gelblidi
' fehlt
fehlt
fehlt
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1892
270
1 1
15,0.
1892 '
243
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1892
222
60 1
4./10.
1892
67
12/10.
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} '1 1 .
1^92
2m
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1892
239
80 ,
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1892
720
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17712.
1892
640
220 ,
671.
1893
530
170
10/1.
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1893
■ 1 320
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17./3.
1898
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1893
260
100 ;
10 4.
lH!t3
34
3-/5.
1893
161
39 1
20 5.
1893
173
Ii
36 Ü
3-/6.
1893 !
1
132
39 1
20./6.
1893 243
90 „
3/7.
1893 1
187
12 ■
18/7.
1893
204
126 1;
2./8.
1893
212
104 1
23/8.
1893
376
122 '
6.;y.
1893
280
112
2079.
1899
826
90
2779.
1893
866
64
5./10.
288
56
13/10.
1893
844
192 j
20/10.
1893
624
152
3Ü./1Ü.
1893 !
720
368 Ii
7711.
1898
! 646
136
Ibjil.
1898 ;
; 568
148
23./11.
1893
95()
1/12
1893
i 920
208 j!
9712.
1893
820
150 .
18/12.
1893
686
159
471.
1894
790
210
1271.
1894
j 580
170
2<». '1 .
1891*)
' 10048
2 862
2471.
1894
1 850
420
29./1.
1894
t 1 650
360
6./2.
1894
510
160 '
19./2.
1894 •
510
180 >
27 ,2.
1894
860 i 260 ;
4. IS,
1894
600
215 j
*) EiMchmelse.
Reinwaiierrei«rvoir. Zapfstelle in der Stadt.
BakterieuKuhl Bakterieiuahi
MD VI nUm Irl •
f 1^1 6 if 1 CMlllt
Irl ||UAalM,PflU7. |
nliUrlititiht
ITI HU Wl(aVliWr#
76
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16
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23
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10
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21
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13
47
13
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130
20
61 1 20
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2
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2
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31
96
28
150
48
129 1 45
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17
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25 1 7
55
22
24
9
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6
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22
55
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68
16 1
1 56 14
150
62 ,1 122 46
88
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64
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19 I
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2;i
56
38
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14
60
18
46
12
34
12
28
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26
8
22
'18
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Rci R wasserb ehältcr.
Tab. 20.
^tnahme.
Entnabme.
Bakterienzalil
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Was «Iii- Leistung «Icr Samitilnaütm, k<'nntlicli in «Icr ViM'iiiimi»*-
mug <h'r Keiiiizalil des liltrirtfu Wassci-H Ixtriflt, h«» war dif Wirk^^ainkcit
Filtration nicht inmuT gloiclmiässig und i^onügond, vii'lnu'lir öfters
vin/ureiehend. da xeitwt^äo «lie Keimzalil im Kiltrat niclit liiui&Dglich
iiiTabgedrÜekt' war. Das war hftiiHger der Fall iti eleu früheren Jahren,
als mit gana auflserordentHch hoher Geschwindigkeit filtrirt werden musste
(vgl. Tab. 18)* während nach Herstellung der neuen Filter und dadurch
wmöglichter HendMetziing der Filtrirgeschwindigkeit eine ganz erhebliche
Herabsetzung der Keimzahl erzielt wurdi' (vgl. Tab. 19). Diese vortreff-
liche Leistung ift aber keine ganz eonstante. da auch jetzt noch zeitweise,
wenn Miuli selten. Störungen in diu Leistungen der i'inzelnen Filter,
mit davon al>bängiger Steigerung der Keinizald in dem betrettenden
Kiltrat wie in dem Inhalt de« Reinwjissf.rhehälters sieh geltend machen.
Die Arten der im Wasser getundenen Bakterien weichen nicht von
den sonst im Wasser gemachten BeJfundcn ab. Die verhältiiissniäHHig
^Tosse Zahl der die Nährgelatiue verflüssigenden Bakterienarten mag in
der Ueppigkeit der Wasserflora ilire Erklärung linden.
Wenn auch gegenwärtig für gewöhnlich bei der verhältnisHmä.«8ig
günstigen Lage der Wakenitz die Wasserversorgung T^ül>eeks zu lie-
iionderen sanitären Bi'denken keine Veranlagung giebt inid derselben
nur die bei einer B^lusswasserversurgung üWrhaupt nicht aui)zuschlieHsenden
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-63 158 Di-
Mängel anhaften, ao bat man sicli docli der Ueberzeugiing nicht v<»^
schlicoscn können, dass mit Rücksicht auf den geringen Wasserreiolithuni
clf'r Wakenitz und auf die von einer zunehmenden Bebauung der Um-
gehung zu befürehtende Verunreinigung dem'lbi'U 8chon jetzt eine andere
Art der Wasacrvei'sorgung vorzusehen und sicher zu stellen ist. welche
jtKlo<?li eine bestinimto Gestaltung läsher noch nicht «gewonnen hat
Nicht uiiint<Tes?;int i?t ehi Ilückhlick auf die Wasserversoruuni;
litiliccks in friUuM'oii Jahrhunderten
Der Umstand, <l;i>s die /alihviclicn BruuutMi d(!r Stadt oin lüi' iiaus-
licho und go\verl»lii lii' Zwickf /.u hartes Wass(M' licli iti n. liat in Lüheik
sclion frühzeitig zur Aiila;^:»' einer \Vas.«erleitung getuhrt. Schon aus dem
Jahre 1204 wird von enier <hirch ein Räderwerk getriehenen Wasserleitung
am Hüxterthor berichtet, welclie. anlängMcii in Privatbesitz, später Eigen-
thum der Stadt wurde. Durch ein hohes Rad wurde das Wasser in eine
hölzerne Säule eniporgetriebeu , aus welcher es in die Stadt abfloss und
deren südöstlichen Tbeil versoi^. Im Jahre 1302 wurde am BurgÜiur
eine »Bi^uerwasserkunftf* errichtet, welche dem nordöstlichen Stadttheile
Wasser zufühiie. Kleinere Wasserleitungen wui'den mehrfach, so z. Ii.
längs der Gnjpelgi-ube zur Versorgung des Heiligen-Geist Hospitals erbaut,
l)ie Wasserkunst am Ilüxtertlior wurde 1492 von [der Statlt einem Ans-
scliusse abgetreten* in wel<;hem vuiziiglich dan üraugewerbe vertreten war;
der Rath beliielt sich jedoch das Aufsiclitsrerbt vor. Im Jahre
wurde neben dieser .,iirauerwasserkunst * noch eim ..l>ürgerwasserkunst"
errichtet, welclie die Häuser auf dem Stadtrückeii und die Travenseite
desselben mit Wasser versorgte. Nur eiuzehie Tbeile der Ötadt, welche hart
an Trave oder Wakenitz grenzten, namentUch al)er die g^nze südwestliche
Ecke der Stadt von der Effengrube bis zur Holetenstrasse blieben ohne
WttsserleituDg. Die Aufsicht über sämmtliche drei grösseren and vier
kleineren Leitungen hatte ein von der Braucrwasserkunat am Hüxterthor
gewillter „Kunstmeister** zu führen. Die Leitungen bestanden durchweg
aus hölzernen Röhren, Baumstämmen, die in der Mitte durchbohrt waren.
Der Betrieb war ein intc»rmittirender, das Wasser wurde durch die Lei-
tung theils in ötVcutlichc Sode, theils in Ilausreservoire gefördert. Die
BescljaÜcnheit des Wasser.s war bei dieser Saclilage erkliu licherweise eine
mangelhafte, umsonielir als das Walser grösstentheils Nom nüxteitliore
stammte, woselbst das Wakenilzwa.-^ser durcli die beiuK ]il>;irt6n Schlacbtr
liäuser und andere (.bewerbe in hohem Masse venmreinigt wurde. Seit
18HÜ begann man bei Ausbessemnirt n die Holzröhron durch gusseiseme
Röhren zu ersetzen, seit lÖ4iJ wurde bei joder Neuptlastei ung einer Stras-ne
ein solcher Ersatz durch gusseisenie Röhren vollgeschrieben.
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-ö 159 &-
Vom Jahre 1S57 an begann man unter dem Drucke fast jahrzehnte'
laugen Auftretens der Cholera über ehie Besserung der Wassenreraoi^ug
zu verhandeln und endlich im Jahre 1865 wm-de der Beschluss gefassi,
uiiie neue Wasserkunst mit Dampfbetrieb als städtische Anlage auf dem
jetzigen Platze in der Vorstadt St Jürgen zu erbauen.
Baieitigung der Abfsllstoffe.
T'chor oinp Vorhossening der Entfernung von AiiMwmt^toiTen un«l
Haiisiiiinitli aus Stadt mitl Vorstädten haben in den lotzton Jidiren Be-
ruthiingeu slattgetimden, ohne dana eine genügende L(")sung der Frage
orttnielit worden wäre. Zur Zeit wird die Entfernung der Abl'allstoife wie
folgt bewirkt.
Die Faecalien werden theils durch Wasserciosets aufgenommen,
<lie ihren Inhalt der vorhandenen Sielleitung zuführen, zum Theil worden
sie in Eimern aufgefangen und durch Abfuhr entfernt Die Zahl di^r
Wasserdosets beläuft sich auf öd53, die Zahl der Eimer wird auf 4r)00
geschätzt.
Die Abfuhr der men.«chHehen Excremonte und des Hau?nnraths erfolgt
<hireh die Ga^senjiachti'r und unisü an doli Abfuhrtageii (Miitwuclus und
Sonnabend«) Iruh Morgens in den Son)n)eniioiiat(jii von ö Uhr, in> Fiüli-
lintr und Herbst von H Uhr. im Wiuler von 7 Uhr an beginnen und
binnen 2 Stunden beendet sein. Die l'rivett iiner müssen diclit und von
handlicher Grosse sein, so das» sie von einem Mann be<]uem gehandhabt
werden und von ihrem Inhalt nichts verschüttet werden kann. Der Haus^
tnirath tnuss in besonderen Getässen zur Abfuhr bereit gehalten werden.
Die Eimer und die Gefässe mit Unrath werden in die Abfuhrwagen entr
leert. Sie dürfen weder vor noch nach der Eutlcerung auf die Stnis^^e
gestellt werden. Für jeden Eimer und jedes Gefftss, welche regelmässig
entleert werden, ist eine vierteljährliche Vergütung von — ,20 für
den Kotheimer, von M ->,50 für das Müllgefäss an den Gassenpächter zu
zahlen. Dieser Satz erhöht sich, wenn die Gasseupächter die Eimt r nicht
von der Ilausdiele, sondi in aus dt-n Stockwerken abtragen !nüss<'n.
Die sonstigen llüssiL^cn Ahffillc* (ies Han^htdtf gelien ziisanunen mit
<lem Iiilialt der Wasseiclo^ieis m die SicU'. deren Netz <lie Stadt und «he
Vorstädte durchzieht. Die Siele entleeren sich, dem Zuge der einzelnen
zur Wakenitz oder zur Trave hinablaufcndcn Stra.ssm entsj>re(-hend, in
die das Oval der eigentlichen Stadt umgebenden Wasserläufe, die Innon-
wakenitz» den Krähenteich, den Mühlenteich und die Trave.
Die Sielleitung ist seit Ende der fünfziger Jahi'e hei'gi>stellt Die
Sieie bestehen aus gebrannten Bunzlauer ThonrOhren, deren einzelne 1 m
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-tö 160 er-
lange Stücke an den Muflfen mit Thon j^c^dichtet sind. Die lichte Weite
der Siele steigt von 13 cm (für die Hmisleitnnj;cii) l)is 45 cm und darüber,
bis zu 1 III. Nur ein einziges Siel, das Galgenbrooksiel, welches zur Ent-
wässerung der ganzen Marly-Vorstadt dient, ist besteigbar in einem
grösseren Durchmesser (1,20 in) und in Gemenirohr angelegt. Die Fort-
bewegung des Inhalt!) der Siele geschieht durch das natürliche Gefalle,
welches der hügeligen Lag(> der Stadt cutsprecheud meist ein beträcht-
liches ist. Für die Priviitsielleifungcn wird ein Gefälle von mindesten.««
l : 50 vcrlnngl. Kinc Sjtühmg der Siele wiid nacli Be lart ausi;« tuhrt.
Si«« »Tfnl^l am liaiiligsteii in dt-n Sielen der <iäiiij:e, vvelclu' nur wenig
< s talle iiaben nnd wenig \\'a.s<erieitunL"*anv# h!ii'-.. bt-sitzen. Die Ven-
tilation der Sielleilungen geseliitlil durch Ai)liilinnig der Lull mittelst
der Ablallrolire des I >aehwa£sers. während die Zufuhr der J.uft durch die
nicht mit Wasserversehl uss versehenen Aljlallscljüeht»! der Strassenriiineii
erfolgt Innerhalb des »Sieluetze.« linden sich nirgend^i Schlammfäuge, alter
nach Bedarf, etwa alle 300 in, gemauerte Re^isious- oder fiinsteig^cbächte.
Zwischen den öffentlichen Sielen und den Hausleitungeu ist zur
Verhütung eines Eintritts von Sielluft in die Häuser ein Wasserverschhias
vorgeschrieben, welcher durch die Bau-Deputation hergestellt werden muss,
während die Hausleitungen im Uebrigon auch von Privatuntemeliinern
ausgeführt werden dürfen. Die Abfalholiie der Wass( rck)S<'ls müssi'u in
einer Weite von 1() 13 iiu aus dichtem Material unter Ausschluss von
Holz. Zink utler Eiscnhlech hergestellt und, falls ein A))ful!ii>lir /ui Auf-
naluue mehrerer ri<».*iets oder Ausgüs.se bestimmt ist, nach üben bis über
das Dach verläog«'rt sein.
Die Ge.^jan mitlänge der Strassensiele beträgt «IH 204.6 m, wovon
-JiilVM,] m auf die Stadt, 40873, t m auf die Vorstädte konnnen. Die
Zahl der an die Sielleitung angeschlossenen Grundstücke beläuft sich in
der Stadt auf 3427, während in den Vorstädten 3389 Grundstücke Siel-
anschluss besitzen.
Die bisherigen Kosten für die Herstellung der Sielleitungen betrugen
fßr die Stadt 37978846. für die VorstädW 653659.00.
Die hygienische Bedeutung der vorhandenen Sielleitung ist in den
letzten .lahi /.( Imtcn wir. lerliolt (legenstand eingeh(Mider Erörterungen ge-
wesen r>a>s uu' Anlage des Sielsystems mit einem unregclmä.ssigen. von
i\vr nalürliclien Lage al>hängigen Gefälle den njodernen Anforderungen
ni<ht vollauf Genüge leistet, liegt auf der Hand. Schwerwiegender aber
erscheint die Einleitung der Siele in die die Stadt umgei)enden nahe-
zu stagnirenden W asserläufe und Wasserbecken. Weder die verliältni.>s-
mässig geringe Wassermeuge (die Tiiive fühii; in der Sekunde durcrh-
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-f3 161 £54-
schnittlicb 10,5 cbm Wasser , die Wakenite kaum 2 cbm Wasser) noch
clie Strömungsverhältnisse ermöglichen oine «gleich iiiässi}:;«' hinreichende
\'*nlünnung luici eine Foiiliihmng der Sitlj^tutlr aus dein Stadtgebiete.
All dl r Wjikcnitz nmcht sidi ( ine Ströiming überhaupt nur au deu ein-
geeiij_^ten Stellen, nicht in dem breiten W'njwerbeckcn gellt nd: die Trave.
deren Spiegel dnrchsehnittlieh nur 4 — ö cm iiöher als die Ü.st,see liegt,
liat für gewöliidieh eine fiti^e Strömung, die id»er bei Nordwind einer
Stauung und rüekläutigen Stnnnung riatz maclit. so dass die BesUindtbeile
der SieleiullüsHO dann oberlialb der Stadt an der Lachswelir wahrzimehmeti
sind So lagern sich demi für gewöhnlich die unlösHchen Sielatoffe als
Modde in den die Stadt umgebenden GewftssGrn ab, welche die Bolle
eine» Klärbeckens spielen. Die zunehmende Verschmutzung, welche die
Gewfifiser durch die Effiuvien der Stadt erfahren, fällt weniger durch die
ft^her angestellten vergleichenden chemischen Untersuchungen, als durch
die Ergebniwp der bakteriologischen Prüfung in die Augen. In den
Tabellen 21 und 22 i.st die Verunreinigung der Wakenitz und der Trave
durch den Kinllusg der Stadt iu der starken Steigerung des Bakterieu-
j^t'halts ei*8iclilhuii.
Wakenitz,
Bakterienzahl in 1 Cubikcentimeter Wasser.
Tab. 21.
• an der
WMflerkumi
am HUxterthor
im Krthenteich
im Mflhlentwdi
1
1
.. , JierÜBiii-
tt«fhnpL
iWbapi
w-
26^10,
1 1
1I./7.
25-/9.
19V10.
18711.
1Ö712.
1892
1893*)
1893
1893
1893
1B93
1893
1893
II
419
^200
108
I 204
I 320
i 720
I 568
' 686
91
900
31
126
90
368
148
159
14000
254001
2.") ÜiJU
128 000
23 1.50
248000
17300
14600
3200
2200
iiK)
43 200
r, G78
67860
4800
3600
12000
20000
74 970
130000
24 422
1177000
29900
11800
2700
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3200'!
13 8bU
38 400
7 559 i
63 600 r
6300 !|
2900 !:
13000
32400
40 800
23 900
47 382
160600
18700
12 100
2500
3800
9000
ÜOOO
12 847
37080
3900
3400
•) bclmeescUinolxe.
II
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-K3 162
Trave,
BakterleiiKahl in 1 Cubikcentimeter Wasser.
Tab. 93.
1
an der laebawebr
an Orelibrficke
bei der HeirenAhre
Ohnkupt.
1
vcr- ;
flttiugenle. *
1
25710. 1892 ,
19./2. 1893*)
11/4. 1893
11. /7. 1893
25/9. 1S'.>M
19./10. IbUo
18./11. 1893
16712. 1893
3660
10 000
1 800
1 120
2 000
2 00O
; 3 740
1 9200
t
460
4 400 '
;")()()
480
500
780
1050
1640
i 29000
; 3r. 400
343 440
' 45 200
4t» i5t)
t>3 200
34 200
18100
6000 :
10 800 1
03 000
8 000
1 1 148 '
10400
0 700 !
5200 1
23000
42 000
18 400
12 000
7 155
00 930
114 500
I lööOO
2900
9000
2 800
310<»
1 841»
14 821»
22 20O
4000
Diese Verunreinigung der Gewässer macht sich in der heissen Jalirei«-
zeit durch üble Ausdünstungen in jitinendsler Weife sinnfäUig, vorzflgHch
(hinn. wonn durcli rmwcnden ticfgchi ii'ler hiuiipfcr die Moddc aufge-
wühlt wird. Für eine Beseitigung die«?« vom hygieniaeli- n und ästlie-
ti.selien Slandjiuükte zu verurtlieilenden l 'e])elf<tjiniles, der nicht nur die
Schitfsbevölkerung und die Anwohner der Gewä.saer in Mitloiden.^ehalt
zieht, ih?t leider noch keine iM-timmte Aussieht vorhamlen. Ist nun aber
der Sielleitung in ihrer bisherigen Gestalt tjot/ aller ihrer Mängel
sicherlicli da^ grosse Verdienst zuzuerkennen, dass sie den Grund und
Boden der Stadt von der früheren Durchtränkung mit.Unreinlichkeiten
und den zahlreichen Schwindgruben gesäubert hat, so bleibt unerlässlich
noch ein weiterer Sdiritt, die Reinhaltung der Gewässer und die Entr
femung des Sielinhalts in einer den Förderin igen der Hygiene Rechnung
tragenden einwandfreien Weise. Wie dies etwa zu ermöglichen sein
konnte, gehört nicht iu den Kahnieu die.'ser Darstellung.
Segräbnittplätia.
Lübeck besitzt vier KirdihOfe, von denen der ,v^Vllgemeine Gottesacker^
und der St. Gertruden-Kirchhof (auf weldiem nur noch einzelne Erbbe-
gräbuis.se benutzt werden dürfen) vor dem Burgthore, der St. Lurenz-Kircli-
hof vor dem HolHtenlhoic neben der St. Loivnzkirche und der Sl. Jürgen-
Kirehhof vor «lern Mülilenthoro b<i der St. Jiugenkapelle sich betindcn
Aul dem Allgemcineu Uotlosacker ist ausser einer Kapelle eine Iieicheu-
halle emchtet
*) ScbneeachmeUce.
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-53 1ß3
Die ^nannten Kirchhftfe, mit Ausnahme des Alljareraeinen Gottes-
ackers, verdanken iln"c Kiil.--toljuii;j; den Pöstzeiten frülieror .laluliundt rte.
i>er Alltrenjcine (iotte.'^ucker wurde Anfang der drei.ssigej- Taliic t rölTnet,
mIs man inini Herannalicn der Cholera auf Drangen der Aei/te emli^illig
«iavon Abstand nalnn. «lie Beerdigungen innerhalb der Stadt in den
Ivireheu und den in ihrer unmittelbaren Umgebung gelegenen Friedhöfen
auszuführen.
Da« liegräbnisswesen wird geregelt durch die Kirchhofs- und Be-
grftbnissordnung vom 20. Juli 1874.
Für die Leichen Erwachsener giebt es 5 B^gräbnissIdaaseD, deren
(fobOhreu sich auf JC 24, 60, 120, 216 bezw. 300 belaufen, während
für Kinderleichen nur 2 Begräl>ni»sklasfl«n zu JC \2 bezw, 18 angesetzt sind.
Es sind Einzolgräher, Doi»|»e]gräl)er (für zwei 8ftrge Über einander)
und allgomeino*) sowie erbliehe (:Trfi}>er vorgeselien. Die vorgeschriebeue
Tiele beträgt für lüii/.t igräber 1.58 m, für Doppelgräbcr 'J.2'j m. für
all^'enieine und erbliche Gräljer 2.H0 m. Die allgemeinen Gial>er und
•lirjenigen Privatgräber, welehe nicht ausgemauert oder mit einem .Stoiii
bedeekt werden, dürfen nur soweit mit Särgen gefüllt werden, dass
zwischen dem Deckel des obersten Sarges und der Erdoberfläche des
(iotiesackers ein Zwischenraum von 0,86 ni vi rbleibt Ais Höclistmasse
liir ilie Särge sind bestimmt für Metallslirge eine Breite von 93 cm und eine
Höhe von 78 cm, für „bessere*' Särge eine Breite von 76 cm und eine Höhe
von 72 cm. Für gewühnlichc Säi^e betragen die Mame 58 bezw. 43 <m
Die Herstellung oberirdi9cher Grüfte mit seitlichen Eingängen wurde
zuerst für den Allgemeinen Gottesacker, s|>äter auch für die anderen Kirch-
hofe verboten.
Die Ruhezeit der Gräber beträgt 30 Jahre.
Den Israeliten dii nt < in Kirchhai, der in dem kaum '6 km entfernten
Dorfe Moi-liiig liegt, r.nr Ruhestätte.
Die Leielienhalle auf dem Allgemeinen (iotteHaeker ist im Jahre 1892
fertiggestellt worden. Sie besitzt ausser einer Vorhalle, welehe zur Ein-
Sbgiiimg der Leichen bei kleinem Trauergi Fol^o benutzt werden krnm.
seciis Zellen, in welchen die Leichen für drei Tage unentgeltlich Auf-
nahme finden.
Ein Zwang zur Benutzung des Leichenhauses besteht nicht, auch
nicht für die Leiclien an ansteckenden Krankheiten Verstorbener. Für die
Ausführung von Sectionen ist in der Leichenhalle Vorsorge getroffen.
•j In den Hll^emeinen Gräbern wurden jo nach der liodenbeHchafTenheit
*^ Im warlist nf*r, in di-n Kindcrgnibi-rn 12 — 15 Kindi-rleiclien l^tattet,
watirend io dun Armcngrüb«m 12 erwach^ne Leicheu Aufnaluue finden.
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164 ^
Die BeerdigiiDET der Leichen findet 3 mal 24 Stunden nach dem Tode,
jedoch nur an Worki:ii:(Mi und in den Vormittagsstunden statt in» Sommer
zwischen 5 und 12 üln, iin Winter zwisclieu 7 und 12 Uhr.
WohmugirerhaLtniMe und Bauweten.
IJio Wolninngsverliiiltnispc Lübecks /eigen manche« von andern
Öta<lt< 11 Ahwdichondc und für <Ue alte Hansestadt ('liarakteristische. Eigen-
artig sind die von der sclimaleu aber tiefen Form der Grundstücke ab-
hängigen hohen 6iebeihäu8orf welche sich als alte Kaufmannshäueer in
grosser Zahl« namentlich in den travenwärts gelegenen Strassen vorfinden.
Im Vorderhause findet sich eine sehr lange und hohe Diele, hierüber eine
Anzahl — 7) zum Beiden von Waaren bestimmter niedriger Bodenge-
schösse. Neben der Diele ist meist nur ein einziges schmales aber sehr
hohes, früher als Comtoir benutztes Ziniiuer, aus welchem spätere .lahr-
hundorte oft zwei übereiiunidt r L'elegeiie liäunie gemaclit haben, lliiik-r
diosciii Ziinint r liegt die Jvüehe. t iin s direkten Fensters nach aussen ent
belirend. An dai* Vordergebäude schliesst sich dann vin meist ciu-
stöckignr Flügel an, der die oigcntHclicn Wohnräume entliält.
Aehuiich ist die Anordnung der ausschliesslicii zu Wohnzwecken
bestimmten anderen Patriziorhäuser, wie sie sicli in niclit zu grosser Zahl
namentlich in der Königstrasse vorfinden. In ihnen bildet gleicbCalls
die geräumige Diele den Mittelpunkt des Hauses, während hinter dem-
selben ein Garten gelegen ist.
Am östlichen Umfange der Stadt liegen vorzugsweise kleine, ein* bis
zweigeschossige Häuser, weldie Licht und Luft bequemen Zutritt gestatten.
Ein besonderes Interesse und hy^enische üeberwachung verdienen
die sogenauiiicii „Gange", deren es zur Zeit noch über 60 giebt. Es sind
dies schmale, an einer oder beiden Seiten mit höchstens einstöckigen
Jlan^fni (.,1 iu< Icn'M besetzte Höfe, /u welchen durch ein gassenwärt? ge-
legenes Hans ein enger, niedriger Zugang führt, der oft incht einnuil m
auJürechter Stellung paäsirt werden kann. Da die Budou niedrig sind, so
entbehren «ho Gänge meist nicht einer genügenden iiicht- und Luftzufuhr.
Seit dem Jahre 18'.>2 sind sämmtliche CJänge mit Klinkerpflaster, Wasser-
leitung und Sieileitung versehen. Aehnlich den Gängen gestaltet sind die
„Durchgänge^ etwas weiter und luftiger die sogenannten „Höfe".
Neben den erwähnten älteren Häuserarten machen sich in der Stadt
mehr und mehr moderne Bauten mit Etagenwohnungen, auch vereinzelte
Miethskasernen geltend. In den Vorstädten zeigen die mit Vorgärten
versehoueu Häuser vorwiegend einen landhausartigen Charakter.
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-«3 165 ES-
Bezeichnend für Lübeck unter allen deutschen Stildten ist nach der
Wolinung8sUiti8tik vom Jahre IBIK) die i^rosse Zahl der EinzcUaiiiilirn
hänsiT (19%*. Allerdinjjs hcliiiden sich darunter H»)l in (ningen und lloleii
«gelegene Wuhnhäuser, nach deren Abrechnung noch \b% Ein/i Itaniilien-
hiiuscr übrig bleiben. In letzteren waren "22.9% der Bevölkerung unterge-
bracht. Was die Bevölkerungsdichtigkeit anlangt, .«o entfielen auf jeden
Wohiuraum übcrliaupt 1,24 Bowohn<'r. auf jeden heizbaren Wohnraum
1,98 Bewohner (in der inneren Stadt 1,94, in den Vorstädten 2,os, in den Gang-
wohnungen 2,78 Bewohner). Alle übrigen deutschen Städte mit Ausnahme
von Frankfurt a. M. zeigten eine grossere durchschnittliche Bewohuerssalü.
Von den Wohnungen enthielten:
0.6 % kein heizbares Zimmer,
52,1 % 1 heizbares Zimmer,
24,4^ 2—3 heizbare •
14,3% 3—4
2.;{ % 6 u. mehr =
Nur ein ganz verschwindender Bruchtlicii der Wohiunigen befand
sich im Keller (0.4%) oder mehr ü\» 2 Treppen hoch (n :
Die bedeutende Bauthätigkeit, weiche sich in Lübeck seit dem Bc*
ginne der 90er Jahre entwickelte, hat dem statistischen Amt \^eranlassung
gegeben, die Erhebungen über die leerstehenden Wohnungen nicht mehr
auf die Jahre der grossen Volkszählungen zu beschränken, sondern seit
Emde 1893 alljährlich auszuführen. £s hat Meli dabei gezeigt, dass die
Zahl der leerstehenden Wohnungen von 2,51 % im Jahre 1891 auf 4,80^
im Jahre 1894 gestiegen ist.
Die Zalil Hännntlicher Wohiigebaude belief }*ich I jide 18114 auf ?S3«>I)
mit 17 1 ;").■> Wohnungen welelu! sicli in folgeTidcr W eise auf die einzelnen
(Quartiere der Stadt und die \ orstädtc vcrtlieiiten:
J«.bi. I jM«*,. I Jota.. I v,^, ■
i' " ...j. I Lübeck
Stadt st st M "tädtel
Ii Jürgen I Lor«Dx |<jertrudi
Quartier
Wohngeltaude ^ 1058 ! 1023 • 1046 ' 11731 4800 = 1300 199«' 770 40r»ß| 8360
Wohnongen 2198 2057 225Ö 2553 '9004 2470 4l!5.] 1428. «UÖU, 17 UVi
I > I .1 M I i il f'
Das Bauwesen wird geregelt durch die Bauordnung vom 16. Mai
1881. Aus derselben seien unter Verzicht auf die vom bautechnischen und
feuerfmlizeilichen Standpunkte aus g>4;t henon Vorschriften als hygieni^ch
wichtig folgende Funkle horv'orgehobeu.
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-f3 m e«-
Es ist nur eine einzige Abnahme der Bauten und swar eine Roh-
bauabnahme vorgesehen. Ist dieselbe erfolgt, so darf mit den Fuisar
beitcn begonnen werden und sind weiterhin keinerlei Fristen oder TermiDe
für die Austrocknung oder den Beginn der Bemitzungsfähigkett der Woli*
nuugen vorgeschrieben.
Die lvoIil»Hua))naiinu' und «lio licuui.>iclitiguni^ «Ich Bau^ * i loltjfle bi>
zum letzten Frühjahr <hn-eh die „BauHeliaiu-r ', in ilnvm Im i ili;ili<rf
llandwerksiin i'^ier oder Arehilei<ien, die uiif 2 Jaiire vuni roli/.ciauiie er-
nannt tmd ei<ni{-h auf eine Instruktion verjdliehtel wann. Xeuenlin<:<
sind diese Beiugnisse auf die technischen Ik^anilen der Jitmpolizci ük-r
tragen worden.
Für Gebüuile oder Uebäudetheile, welche zum tiiglicheu Aufenthalte von
Menschen bestimmt sind, wird ein Inureichender Liclit- und f^uftKUtriti und
eine trockene und nicht der Gesundheit nachtheilige Beschaffenheit verlangt.
Alle Wohn-» Schlaf-, Arbeitsräume und Küchen müs.sen in neuen
Gebäuden eine lichte Höhe von mindestens 2,ti m erhalten; wenn sie in
vorhandenen (tcbäuden eingerichtet worden, genüj^t eine lichte Höhe von
wenigstens 2.:< ni. Nur Küeiien kömien «uieh in neuen Cichäuden in»
Keller mit 2.:; ni lieliter H<*lic .ui^ele*(t werden.
Alle Wehn- und .Sehl.» ti auinc mit weniger als* 2,88 m h'ehtcr Hölu-
müssen zur Suiit-rung eint>s genügenden Luftweelisels mit passenden
Kinrielitungen. mindestens mit Fenstern» die geöitnet werden können, iu
gehöriger Zaiil und Grösse versehen sein.
In Kellergeschossen dürfen Wohn . Schlafräume und Küchen nur
dann eingerichtet werden, wenn sie direktes I.4icht von aussen erhalten
und die Decke mindestens 90 ein über dem vorliegenden Erdreich gelegen
ist und wenn Fusshodeu und Wände mit besonderen ^^oTrichtungetl gegen
das Aufstoigen und Eindringen von Feuchtigkeit geschützt werden.
Zum Anstrich der Gebäude dürfen nur gedämpfte Farben verwerthct
werden.
An .Str.osen von wenig(M- als 11..^ m l>reite darf die Jlülie neu zu
errielitender (M huude nicht mehr i\h das 1 faehe der Strassenhreite
tragen. .An S<(dle alter (iehäude dürfen aber überall neue Gebiiude iu
früherer litihe wieder aul'gtfülu't werden.
Jiei einer iheite der Strasse von mehr als ll,ö m ist die Hi^lie der
Gebäude unhesciiränkt. fc'henso ist « ine Begrenzung der Zahl der zu Wolm»
zwecken bestimmten Geschosse nicht vorgeftehen.
Die Höhe der sich längs des Hofes erstreckenden Flügelbauten darf
die dreifache Breite des Hofes nicht übersteigen, nur der dem Haupihausc'
zunächst gelegene Theil des Seiteuflügels darf, als zum Haupthause ge-
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-ö 167
hörig, bis zu einer seiner Tiefe gleichen Ijäuge in der Höhe des Haupt
hatues aufgeführt werden.
Hinterhäuser, welche die ganze Breite des Grundstückes einnehmen,
dürfen nicht höher aufp^führt werden, als die IViffaclie Entfernung der
selben von dvi liiuti i iiont des llaupllmu-os beträgt.
Die Anlage neuer Wohngänge ist nur dann ge^tntut, wenn dieselben
eine 3.5 m breite Zufahrt von der Strasse eiludten und der vor den Gang-
wohnungen unl)ebaut l)leibeude Ilofi'aum ä,5 m Breite erhält. In den
Vorstädten ist die Neuanlage von Wohngängen verboten.
Die Höhenlage neu zu eirichtfinl. i Häuser wird so bestinnnt, dass
eine Entwässerung der Kellersohle durch die Sieileitung stattfinden kann.
Bestimmungen über eine in hygienischer Beziehung einwandfreie
Beschaifenbeit der Fehlbodenfüllungen und des zur Aufschüttung des
Baugrundes dienenden Materials sind bislang nicht gegeben.
Die Anlagt« von Schwind gruben zur Aufnahme von Ableitungen
ans Abtritten, Ställen. Mistgruben oder zur Aufnahme ätzender oder übel-
riechender Stotli' ist verboten.
Die Anlage von Cloaki n «ukr Abtrittsgruben, sowie nn-i- ior zur
Aufnjdiuif Icucliter oder libclrieehender StottV- bestimmter Gruben ist in
der K>tadt und dem inneren Wegebezirk der Vorstädte verbott'n.
An ihrer Stelle sind \ielmehr zur Aufnalnne der Faeealien nur ge-
stattet: 1) WasserclosetvS mit Ansehluss au di" UTcntliehen Siele, 2) Müller-
Schuersche Closets, Erdclosets oder Closets älinlieher Construktion, 3) Ab-
tritte mit tragbaren wasserdichten Eimern oder Kübehi.
Wenn Aborte bei einem Neubau ohne direkte Licht- und Luftzufuhr
angelegt werden, rouss für Ventilation durch ein über die Dachfläche oder
in den Schornstein geführtes Dunstrohr gesorgt werden.
Als Tjagerstätte für thierischen Dünger oder gewerbliche Abfälle sind
wasserdichte Gruben nnt festschliessendem Deekel gestattet, jeuliehe ottenen
Abflüsse aus solehon Gruben sind verboten, uiitt rii di.^che Alillüs>e in die
Sieileitung bedürlen jedesmal einer besonderen (iS(M)ebmiirun<j.
ITöhe und Einriebt miti; der Schon i-^ioine bei I)aniptk<'--*'Mt ut i uiiuni mid
gewerblichen Aiila*;eii werden in jedem ei nzelueu Falle nach Mubsgabe der
Örtlichen Verhältnisse besonders vorgeschrieben.
Schliessklappen in den Ofem'öhren sind nur dann gestattet, weim
sie derartig oonstruirt sind, dass sie von selbst offen stehen und nur durch
eine besondere Vorkehrung gesdilosseu werden können. —
Es eei noch bemerkt, dass eine Neubearbeitung der Bauordnung in
Angriff genommen ist, bei welcher einzelne nicht zu verkennende Mängel
derselben in hygienischer Beziehung Abhülfe finden dürften.
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^ 168 ei-
Besondere baupolizeiliche ßestimmuDgen sind seit 1887 für die im
Ucberschweuimiuigsgebiet der Trave (HafeuBtrasse, Untertravc, Obertrave,
erste und zweite Wallstrasse) in Kraft und bestimmen» d.'i9S der Fuseboden
des Erdgeschosses nicht unter -h 7,80 am Stnickfälirpegel liegen darf.
Für Schänkwirthschaften bestellen seit 1884 besondere baupolizeüiehe
Vorschriften, welche neben feuerpolizeih'chen Ge8icht*»piinkten namentlich
einer zweekniiissigon Wiilihition nml J ici/.unir- einer geiiügL'iiden Grösse
und Höhe der Gu^iizininier (.'i m) und einer eniwaudsfreien Besehatleuheit
der Latrinen lleelmung tragin.
Der Anl)iiu von Strassen und Plät/.oii ui tlen V^orstädten ist durch
ein Gesetz vom Jalire 188Ü und einen Rt bauungaplan von 1890 geroL^elt,
während die Anlage der Strassen durch Gesetz vom 18. Februar 18i^ö be-
stimmt wird. Gebäude dürfen nur an Strassen errichtet werden, welche
für den Anbau fertiggestellt, d. h. in Höhenlage und Breite regulirt, mit
Sielanlagen, einer vorscbriftsmässig befestigten Fahrbahn und wenigstens
an einer Seite mit einem erhöhten, durch Asphalt-, Klinker- oder Plattenbe*
lag befestigten Fusssteige versehen sind. Hinsichtlich ihrer Breite sind
die Strassen in eine Vorklasse und drei Klassen ei nget heilt EHe Vorklasse
umfasst die Haupt-, Radial- und Ringstrassen und verlangt einschliesslich
der je 5 m lireiten beiderseitigen P>ürgersteige eine (it sanimlb reite von
25 ni. waliK ml für die 1. Kl.issc »'in«» Rreite von niiii(ioslens 15 m ein-
scliliefslicii zv • icr l^nr^rrHteigo v<>i> je i> ni Breile vorgcsdiriebt*n ist. Für
die 2. Klasse wird einHeiiliesslic h /.\veier je 2 ni breiter Rürgersteige eint*
Gesanimthreitc von niinde»>tens 12 tu in der btadt, mindesieua 10 la in
den Vorstädten gefordert, während die Strassen 'd. Klasse mit Einschluss
von je 1,6 m breiten Bürgersteigen eine Gesammtbreite von mindestens
9 m in der Stadt, mindestens 7 m in den Vorstädten erhalten.
Die Baulluchtlinien an Strassen der Vorklanse und an Öffentlichen
Plätsen müssen in den Vorstädten mindestens 10 m, an Strassen erster
Klasse mindestens 8 m, an Strassen zweiter Klasse mindestens 4 m, an
Strfwsen dritter Klasse mindestens 3 m von der Strassenfluditlinie enl»
ienit bleiben, dei freibleibende Raum muss als Vorgarten hergerichtet
werden.
nh für die einzelnen Siia-^^n die Bauweise in gtj>clilos.sener lieilio
oder niii besiiinmlen Zwisuhenraumeu erfolgen soU, wiid durcli HaLh- und
Bürgerschiuss festgestellt
StraMeuremigung.
Die Strassenreinigung erfolgt auf Kosten des P<»li%ei-Anit8 durch eine
Strassenreinigungskolonne, welche sich auf 15b Mann boläuft In der
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-13 169
Stadt werden die HauptstrasBen tügHch, die übrigen Strassen dreimal in
der Woche mittelst Kehrmaschinen mit Piaasavawalzeii g« reinigt, in den
V^oislfidten geschieht die Reinigung in den Hauptstrassen wöchentlicli
dreimal, in den übrigen Strassen ein- oder zweimal. Der Strassen kehridit
^vird durch die GiU5.stD}jäcliter Naciimittags, im Sommer von 5 Uhr an,
im Wint<'r von 3 Uhr an, ahgelulircn.
Die Kosten der StrassenreiniL^unsj; ein schliesslich der Schuccabl'uhr
Ujücten sich im Jahre 1894/95 auf Jt 76 297,17.
Die Mannschaften der Stra^senreinigungskolonne sind gleichseitig
Feuerwehrieute und als solche im Samariterdienst ausgebildet
SInMieiLbetpreiigang.
Eine Strassenbeapiengung anf öffentliche Kosten findet seit 1868
während der heissen Sommermonate statt AnfOngflich erfolgte dieselbe
mittelst Spritzenschlauches, seit 1878 sind Sprengwagen in Gebrauch, deren
ZOT Zeit 8 vorhanden sind. Seit 1878 int die Strassenbesprengun^^ auch
auf die Vorstädte auftgedelint. im Sommer 1894 wurde im Ganzen an
24 Tagen gesprengt
Strassenbeleuchtuug.
In den ältesten Zeiten fand eine I5eleuehtung der Strassen nur ausnahms-
weise statt) wenn fürstUciie Persönlichkeiten zum Besuche in der Stadt an-
wesend waren oder wenn besondere Gefahren drohten. Im Jahre 1704
erbat und erhielt ein Bürger die Genehmigung, eine allgemeine Straasen-
beleuchtung während des Winters mit Thranlampen durchzuführen, gegen
eine wöchentliche Abgabe von 6 Pf. für jedes Haus, 3 PL für jede Bude.
Die Latemenpfähle wurden jedoch viel&ch muthwillig zerstört und auch
die Bezahlung wurde wiederiioH verweigert, so dass der Unternehmer die
Beleuchtung nach zwei Wintern wieder einstellte. Im Jahre 1730 wurden
von einzt?hieii liürgercapitainen durch freiwillige Beiträge einige Lati?ruen
anffroftelh . schon in den beiden foljicnden .lahnin jedoch eine al]<renieine
OlYcntiichc l>eleuchtung mit 1048 Laternen eingeführt. Während der
Frauzoseuzeit wurde die Belcnc htung pachtweise an einen Unternehmer
vergeben, im Jahre 1841 der Brandassecuranzkasse überwiesen.
Nach Errichtung einer städtischen Gasanstalt wurde 1854 in den
Strassen der Stadt Gasbeleuchtung eingeführt, welche 1865 auf die Gänge,
Höfe und Thorwege, 1865 auch auf die Vorstädte ausgedehnt wurde.
Da neuerdings bei den Fortschritten der Beleuchtungstechnik und der
Zunahme des Gasverbrauchs die alte Gasanstalt den gesteigerten An-
forderungen nicht mehr genügen konnte, so wurde im Jahre 1893 der
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170
Neubau einer zweiten Gasanstalt ins Werk gesetzt, welche ebenso wie die
im Jahre 1887 eingerichtete städtische Centraistation für elektrische
Beleuchtung eine Darstellung aus fachmännischer Feder verdient
Die neue tiasanstalt
VOM Direktor Haae.
Die ^■ü<i\vostli(•h von der Stadt zwisclion der l'ruve und der (^'uiDer
(J}iau>^f-cc ^'olegcue /.woito Gasanstalt zur Zeit soweit auf-gebaut, dass
.^ie 12ÖUU thm in 24 Stunden leisten kann; beide Gasanstalten zusammen
»ind im Stande einen Tageseonsuni von 2r><X>0 cbm. zu decken. Nacb
voll8tändigem Ausbau» für den liinsichtiiclj der Apparate 4, hinsichtlich
der Gebäude 2 Bauperioden in Aussicht genommen sind, vermag die
U6ui> Gasanstalt 50 000 cbm in 24 Stunden allein zu liefern.
Bei Erbauung der Fabrik hat das Bestreben vorgewaltet^ die Anlage
zweckmässig, leicht erweitennigsiahig. übersichtlich und so zu gestalten,
dass dieselbe mit minimalen Arbeitskräften betrieben werden kann.
Dii; K ob l< nun fuhr erfolgt zunächst auf dem Wa^^erwogc inid zwar
<lrrg('stidt, dass di»- mit Kämpfern aukomincnden englischen Kohlen im
Hafen v<>n Schuten aul-:» iioimncn und in diesen auf «Icr Trave (dem
späteren Kll>e-Trave-Kanal) nach dur Ausladestelle der Gasanstalt hcfiirdert
werden. Von da gelangen die Kohlen in besonderen eisernen Mulden-
kippwagen dun h einen hydraulischen Drehkralm auf eine Hochbahn
und von da in bequemer Weise in den Kohlenschuppen. Es köimen
stündlich ÖOO Ctr. Kohlen auf diese Weise entladen worden. Ausserdem
ist der Möglichkeit, die Kohlen durch die Eisenbalm, abzweigend von
der Hamburger Linie, zugeführt zu erhalten, bei Anlage des Kohlen-
schuppens Rechnung getragen worden.
Der Kohlen sc huppen ist so gro^s bemessen, dass in demselben
der Jahiesbedarf an Kohlen für die maximale Tagesleistung von
12 500 cbm gelagert werden kann. Die Förderung der Kohlou nach
dem umnittelbar mit dem Kohlcnscliuppen verbundenen Ofenhauso
erfolgt durch zwei getrennt vou einander arbeitende hydraulische
Koblenaufzüge.
Das Ofenliaus ist für Hi Generatoröfeu zu je 0 Rotorten nach
dem System Hasse-Didier eingericlitct. Vorerst sind 8 Stück zur Aus-
führung gebracht worden. Diese Oefen sind sehr sparsam in der Unter-
t'eueruug, haben eine grosse Dauer, gestatten eine bedeutende Gas-
auKbeute und arbeiten hinsichtlich der Bedienung äusserst ökonomisch.
Der bei der Gusbereitung gewonnene Kokes wird, soweit er nicht zur
Uuterfeuerung der Generatoren Verwendung findet^ nach dem Generator
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-ö 171 ES^
rnuni ^ehrachi, dort abgolöscht und auf Geleisen nach dem Kokesplate
gcialii eil.
Für dio OI'on;nl»ejtcr find in einem Anbau an das Ofcnluius, und
von (.iieöt'iH direkt zup;änglicli. Auteiithali«räiini(\ Bftder und Abortanlagen
gescliaffen. Es ist l)oi dieser Anordnung aungeselilossen, dass die
erhitzten Ofenarbeiter erst durc li's Freie zu gehen haben, wenn sie ruhen«
baden oder ihre Bedürfnisse befriedigen wollen.
Zum Abzug der Losch- und Rauchgase aus dem Ofeiüiause sind
zwei Ventilationsschlote und eine Ventilationslateme angeordnet.
Das Apparaten* und Exhaustorenhaus hat ein Unte^ und
Obergeschofls. In letzterem finden sich die Apparate aufgestellt, während
iu orsterom die Rohrleitungen und Absperrvonichtungen liegen. Durch
diese Anordinnig ist eine grosse Betriebssicherheit gewährleistet. In dem
Gebäude befinden .sieb augonblieklieh; 2 Lutteonden^atoren, 2 Condensatoreii
mit I^uft- niid Wasserkühlung, 2 dreiHügüclie Hxhaustoren n;u h Heale mit
direkt gekuppelte!) I >nm|d'niasehin<MJ und je einem ILilm -ein ii licgkr
und einem Umhiutregler naeh Oectielbäuser, ein Tiiecrab-ehei.lcr niieb
Pelouze mit Umgangsklappo imd ein Standard-Gaswäscher zui- Euttemung
des Ammoniaks aus dem Gase.
Zwischen Ofenhaus und Apparatenhaus finden sicli unterirdisch die
Theer- und Ammoniak wassergruben angeordnet.
Mascbinenhaus und Wasserihurm sind in einem Gebäude
vereinigt, dergestalt, dass im Parterreiaum des Thurmgebäades die beiden
Betriebsdampfmaschinen von je 10 HP, je zwei Reinwasse^, Theer- und
Animoniakwasserpumpen und die Akkumulatoren mit der zugeh($rigen
Presspumpe Aufstellung gefunden haben, während in den oberen Stock-
werken sieb die Theer- mul Aniiuoniaku a-serliehälter, das l^etricljsreservoir
für die bydrauhsehe Anhige und das Ucinwa-M iK^servoir befinden. Der
Krattsammler der iiydraullscheu Anlage ist so belastet, dasa das Wa^s^r
unter einem Druck von ÖO Atmosphären steht.
Die Dampf kesselaniagc besteht aus zwei Dampfkesseln von je
35 qni Heiztläehe.
Im Reinigungshans findet die Entschwefelung des Gases durch
Eisenoxydhydrat statt Es sind daselbst vorhanden vier Reiniger, deren
Deckel auf hydraulischem Wege gehoben und gesenkt werden. Die
verwendeten Ventile sind hydraulische Ventile mit besonderem Teller-
schluss. Die Betriebsrohre liegen hier wie im Api>aratenbaus im Unter-
geschoss. Für den Abzug der sebiidbchen Onse finden sich Ventilations-
sehlote angeordnet. Der liir sj)ätere Erweiterung vorgeseliene Theil lies
Reinigimg.«gebäudes wird zunücbst alb Regonerirrauw für die Eisen
muäse beuutsU
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-e 172
Im Uhrenhaus finden sich vorläufig ein Stationsgaemesser und ein
Stadtdruckregler mit Wasserbelastung untergebracht Die Ventile in
diesem Geb&ude wie allerwärts, da» Reinigungshaus ausgenommen, sind
gewöhnliche Tellerventile.
Der Gasbehälter mit massivem, durch eisernes Kuppeldach
gedecktem Ueberbau is(t als Telesko])behälter, aus zwei Glockeutheilen
l)estohend. cimstiuirt; tlocli i^t ziinuchsi nur die obere Glocke mit einem
nutzbaren Inhalt von 8ÜUU cbm zur Austuhrung gebracht worden. Das
War^^f'rl'ii^siii i^>t aus Stiinipfbeton licr.m>tellt.
L)ie (iasansUilt enthält nocl» eine A mnioniaklabrik zur V^er-
arbeituug des Anmioniakwassers zu schweleisaurein Annnoniak und ein
Verwaltunirsiicl nnde am Eingange zur Anstalt, in dem sich Bureau«
räume, ein Laboratorium und Wobnungen für einen Betriebsbeamten und
einen Portier befinden.
Das Städtiieha Blektrioit&tnrerk
von Dtraktop H«««.
Die Betnebseröffiiung der durch Rath- und Bürgerschluss vom
19. Juh 1886 howilligten Centraistation für elektrische Belouclitun^ war
ursprünglich nach «lein Zucileitersvstem für eine gleiehzcitiL'^c liean.spruchung
von 3VtUU Siück Idker/iLien ( ! liililampen und 100 Stück 4 Amp. Bogen-
lampen erbaut und gelangten zur Stromeraeujjung Stück Wasserrohr-
kes.sel System Heine von je 70 ([m üeizHäche, 2 Stück llöj>ferdigo und
1 Stück öOpferdige Dampfmaschinen sowie 4 Stück ISchuckertsdie
Compound-Dynamoniaschiuen zur Aufstellung.
Bereits im Jahre 1889 wurden, um dem vermehrten Btromconsom
Rechnung zu tragen, das Kabelnetz verstärkt, sowie die stromerzeugendeo
Organe durdi Aufstellen einer 5. Com|>ound - Dynamomaschine erweitert
Um die Betriebssicherheit zu erhöhen und den Betrieb ökonomischer
zu gestalten, wurrle im März 1890 eine Akkumulatorenbatterie von 1350
Amperestimden Capazität aufgestellt
Im Herl »st desselben Jahren erfolgte der Ansehlus.s der elektrischen
HeleuchUüjg.-^anlage des SchilllulirtsiuilfiiM an duh städtische Kalulnetz
und wurde zwe< ks Krweiterung do Stroniv* r-oi-ginigsgehietes der (\ utrale
das Kahelnet/, nach dein Dreileitersystem umgebaut. Dasselbe goistattet
uunmelir den Auschluäs von lu UOO Stück gleichzeitig brennender IGkerziger
Lampen.
Entsprechend der Erweiterung der äusseren Anlage machte sich die
Verstärkung des Maschiueuaggregate erforderlich. Zunächst wurde die
50pferdige Dampfmasdiine conipoundirt, wodurch sich ihre Leistung auf
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-43 173
100 Pferdekräfte erhöhte. Die bisher in Gel>raiu'li l)eriiulliciio Tmiisiiiission
kam, bodinj;t »lurcli Anwi iKluiii^ des iieuon Im 1 1 iebsavsteins, in Wegfall,
wiilirciul die i)yn;iiiu)iii:i>(liiiieii aus glrii lirin GrüiKli- ,L;vgeu 6 Stück
>JebeDSchluÄ5sma«chiueii j^rösserer Type ausgowecii^elt wurden.
Im Deeember 1890 j^^eluiigte eine weitere AkkuniuliitorenVmtterie in
Betrieb und wurden die bisher Terwendeten Schalt- und Regulir-
Torrichtungen durch solche für das Dreileitersystem ersetzet.
1892 gewann das Kahelnctz durch die Verlegung eines Spcisekahols
nach dem Bahnhof und eines Vcrtlioilungskabels in die Alfstrassc an
Ausdehnung.
Am Schlüsse des Monats April 1895 waren 225 Hansansehlüsse
mit 201 Abnelmicrn an das Leituü;^-iiet7. angoscldossen und betrug die
Zulil der installirten Ib.klowatt ^J424.
FauerlösdiwMeii.
Die Uerutstüuerwelir, lu'stebt aus 1 llrauddircktuj-, 1 Ui-ai)tlinyj>oklor,
1 üeschiniiH'ister, 1 l'Vldwebel, 2 Hraiidiiu i'^tern, 12 Oborfonerwelirniännern,
1 Mascnini«teu und 18}^ Feuerweliruiuimt-rn. In dein Sjuitzenbanse,
welches gegenüber dem Ivanzleigebäude in der Breitenstraase ge-
legen iatf sind der Goscbirrmeister, der Maschinist und (> Feuerwehr-
männer untergebracht, wabreud die übrigen Mannschaften theils als After-
miether in einigen von der Behörde gemietheten Häusern, theils selbst-
ständig in der Stadt wohnen. Die Feuerwehrleute treiben einen Neben-
erwerb als Maurer, Zimmerleute, Arbeiter oder Strassenreiniger.
An Material sind 5 Dampfsprit/en (darunter 3 SchifFsdampfspritzen),
15 Handdrucks] Tit/.cn, 0 Wassorw airt ii . 1 Utensilien- bezw. MaiiDäciuill^*
wagen, 1 fahrbare ULttungsk'iter. iO tiaul)aie kleiiii' ITandsprit/.en. 1 Itaucb-
scbntzapparnt. forner Sprungtücher, Itcttungssäcke, Kettungsscbluucb und
Uio nöthigen Leitern vorbanden.
Die Pferdegestellung erfolgt contraktlich durch Fuhrwerks) »csitzer.
£)8 stehen im Ganzen 50 Pferde zur Verfügung, von denen sich bei Tage
stets zwei. Nachte seclis im Spritzeuhause beiinden.
Der Feuertelegraph verbindet 26 Feuermeldestellen mit dem Spritzen-
hause, welches ausserdem an die Fernsprechleitung (mit 444 Theilnehniom)
angeschlossen ist.
Für die Zwecke der Feuerwehr können 1018 Hydranten (929 öffent^
liehe, 89 private) benutzt werden.
Die Feuerwehr wurde im Jabre 18y3't>4 im Ganze« 30 mal in
Ansprucl« genommen, davon 24 mal wegen Feuers, (J mal zu anderen Hilfs-
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H3 lU
leistungen. Unter den 24 Bränden handelte es sich 6 mal um Groesfeuer,
1 mal um \flttelFeuer, 17 mal um Kleinfeuer, 1 mal um einen SchornsteiD-
brand.
Duich r>iände sind im letzten Jahr/.tluit dreimal Menschen ums
Leben gekomnirn: l Arbeiter im Oktober lÖÖÜ. je 1 Kiud im März 188U
und im Jauuar
Hüfsieistimg bei Unglücksfällen.
An den Ufeiii dei* 'JVave und Wakeuitz sind au 45 »Stellen Geräthe
zur Bettung vor dem Ertrinken aufgestellt.
Als Reitungslocale können der Marstall und die 5 Polizeiwachen
benutzt werden, welche mit einem Rettnngs- bezw. Verbandkasten aus-
gestattet und mit Räderbahren und Krankenkörben zum Transport
Verunglückter oder Erkrankter versehen sind. Der Transport wird
durch die hierzn ausgebildeten Matmschaften der ^trassenroiiiiguug^^
kolonne. im Nuthlulle aber 'lurch iMinstlcute Ijcwerkst^elligt. Auf<<r-
(leni stehen 2 z\veis{»anHige Krnnkon\v;igen zm* Verfütrung. Siiiniiit-
liehe Mannpehnften der Polizei werden in der ersten liilleieistung bei
Unglüeksfälleii unterwitsen
Seit flvm Jahre 1890 ist der Saninritri-Unterriehl in den Lelirplaii
der Cicwerbei^chule aufgenommen. fcM-nei- linden alljalirlieli Samaritereursf
für Damen, sowie nach Bedürfniss lür bestimmte ßerufskroise nach de»
(jeschlechtern getrennte Ourse statt.
Hahnmgsmittelpolizei.
Kubmilch and Batter.
Der Verkehr mit Kulnnileli und lUitler ist durcli Verordnung des
iModiciiuilamtes vom Vi. Juli 1881 geregelt.
Knhmiloh wird nnr in /wui Qualitätt n zum X'erkaul'c zugeUiüsen, nls
ganze Milch und al« abgerahmte Milch, welelie letztere nur in (iefä-s-^cii
mit entsprechender Bezeichnung tür den Verkauf aufbewahrt oder feil-
gehalten werden darf. Unter Milch oline nähere Bezeichnung wird stets
nur ganze Milch verstanden. Auf den Milchwagen dürfen keine mit
Wasser gefüllten Gefässe mitgeführt werden. Die Milch darf nur in
reinen Gefässen, welche nicht aus Kupfer oder Zink beetehen, aufbewahrt,
feilgeboten oder ausgemessen werden. Gefässe von Messmg sind nur
zum Ausmessen gestattet Die Verkaufslokale müssen trocken und luftig
sein und dürfen nicht als Schlafstelle benutzt werden. Vom Handels-
verkehr ausgeschlossen ist die Milch von kranken Thieren oder von Kulten
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-*3 176 €3-
innerhalb der ersten 8 Tage nach dem Katben, sowie Milch von bitterer,
schleimiger, abnorm gefärbter oder sonst verdorbener Beschaffenheit.
Die polizeiliche Prüfung der Milch erfolgt mit dem Quevenne'scheii
Laktodensimeter, der sogenauiitcn Qiieveime-Müllerscheii Milchwaage.
Ganze Milcli soll bei 15^ C ein specifisclio;? Gewiclit nicht unter
1029 haben, ihr wirkhchci Fettgehalt darf nicht unter 2.5 % lierahtrehcn,
der GesanimttruckeurüekHUuid muss hoi HJl)^ C getrocknet nüudestens
11 %, nach Entfernung des Fettes mindestens 8,5 % betragen.
Für abgerahmte Milch wird ein Mindestgewiclit von 10H2,.". und
nach Entfernung des Fettes ein Prockenrückstand von 8,ä % verlangt.
Zeigt Milch bei der poHxeihcheii Untersuchung ein geringeres apo-
cifieohes Gewicht, als erlaubt ist, so wird sie, als des Wasserzunatzes yer-
dAchtig, vorläufig vom Verkehr ausgeschlossen, besclüaguahmt und der
chemischen Untersuchung überwiesen. Je nach dem Ausfalle derselben
kann dem Lieferanten eine Stallprobe verstattet werden. Ergiebt diese,
dass ein Wasserzusatz nicht stattgefunden hat, so tritt keine Bestrafung
ein, doch bleibt <he MiK li xom J lan^ltlsverkelir ausgeschlossen, .so lange
sie nicht die oben «jefordi rtiii ICi^eiischaften besitzt.
Die Anton hiuugen, welche au di<' zum ('ousum in flen Veikehr
irebraciite Butter ge.sU'llt werden, verlangen ciiH>n .Muide.stgehah von
80;^ nineu Butterfett«, während der (iehalt an Buttennihh, Käsastott',
Kochsalz und Wasser zusammen l 'i ' , niclit übersteigen darf
Jeglicher Zusatz zur Butter, Kochsalz ausgenommen, wird als \^er-
fälflchung betrachtet. Zum Färben der Butter darf nur Orleans (flüssige
Butterfarbe) angewandt werden.
Die in den Handel gebrachte Kunatbutter muss aU solche be-
zeichnet sein.
Fleisch waaren'
von PoUselthleravst Penner.
Die auf dem Woehoinnarkte zum Verkaufe gestallten Nalirungsinittel
uniinalt'ii Ursprungs ^Flei:?ch. Flei.'^chwaaren. Wild, CJellnL;* 1. Finciie u, s. \v.)
waren bis jetzt an beiden IJauptiiiarkttaireu (Mittwoch und Sonnubend) <ler
polizeithierärztliclien Kontrole unterstellt.
Auf dem Marktplatze haben die Händler mit auswärts geschia<*hteteni
Fleische und den aus solchen hergestellten Esswaaren (geräuchertes Fleisch
nnd Würste) eine von den Händlern, welche im hiesigen Schlachthausc
geschlachtetee Fleisch feilbieten, abgesonderte Stelle einzunehmen und diese
Esmaien an sichtboier Stelle mit der Bezeidmung „Auswärts geschlach-
tetes Fleisch" zu yersehen.
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176
Händler, welche Ziegenfleisch Terkaufen, haben dieses durch eine
Tafel mit der Aufschrift „Ziegenfleisch'* als solches besonders kenutiich zu
machen und von dem übi i^^oi Fleische räumlich abKUSondem; ebenso wird
mit „Pöckultlcisch" verfahren.
Die Kontrole erstreckt «ii ii linuptsachlioh auf eine makroskopische
Bo8ie}){igiiu<j;. in ZweilelBfällen aut eine mikroykupisclie resp. bakterioloj^ischo
uuil clicnrisclie Untcrsuclmng.
Die Markt polizei wird geregelt nach Masf^gabe des Reichsgesetzes, betr,
den \'erkehr mit Nahrungsmittein, Uenussnüiteiu und Gebrauchsgegen*
ständeu, vom 14. Mai 1879.
Die Eröffnung der städtischen Markthalle ist am 1. August d. J.
erfolgt, und liegt es in der Absicht des Medidnalamtes, nunmehr eine
tägliche Beaufsichtigung der Beschaffenheit der au den Markt gebrachten
animalischen Nahrungsmittel eintreten su lassen.
Thierllrstlicho TJnteranchong des sur See eingehenden Viehs
von Pol>s«tth1ttniVxt Fennor.
Für Lübeck kommt haupt.«ii(lilich die Vieheinfuhr ans Däncinark,
Schweden und Russhuid in iietracht. Zur Verhütung von Seuchen« in-
sclileppungen ist durch Verifügung des Medidnalamts vom 22. August
1890 bestimmt.
dass alles zur See bior ankommende lebende Vieh zur Fest
Stellung seines Gesundheitszustandes nach Massgabe des § 3 der
Viehhof soidnung vom 19. März 1885 vor der Entlöschung an
Bord des Schiffes von dem hiesigen beamteten Thierarzt (Polizei-
thierarzt) untersucht werden muss. Ist die Untersuchung an Bord
nidit ausführbar, so ist der Auftrieb der Thiero auf den Viehhof
gestattet, wenn sich zuvor der Schiffsführer verptiichtet, die Thiere
sofort au Bord zui ückzunehmen, falls die Uutersucbuiig im Hin-
blick auf Seuchon^^ctalir Ki aiiheitsersclieiuungen zeigt. Der Schiffe-
führer ist aKsbakl aucli zur IlücknahTuc der für die GotiUirdung
in Betracht kommenden Thiere anÄubalten. Das Weitere veiuu-
lusst dann das Medicinalamt.
Nach der Verordnung des Senats vom 20. März 1893, betreffend die
Einfuhr von Wiederkäuern und Schweinen aus Dänemark, ist der ganze
Transport zurückzuweisen, wenn auch nur ein Thier mit der Maul- und
Klauenseuche behaftet oder seuchenverdäcbtig befunden ist Ist der ganze
ViehtniDsport gesund befunden, so sind alle zu demselben gehOiendeu
Kinder und Schweine sofort dem hiesigen Öffentlichen Schlachthause nur
alsbaldigen Schlachtung zuzuföhren. Diese Thiero sind bis zur Schlachtung
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^ 177 DJ-
gebroDiit von anderem Vieh zu halten und dürfen lebend aus dem Sdilacht-
bause nicht wieder entfernt werden. Dieselbe Massregel ist vom Senate
am 16. Februar 1894 für die Einfuhr von Wiederkäuern und Schweineu
aus Schweden getroffen.
Das Kinluln verbot von Rindvieh, Schafen, Zicfrcn und anderon
\Vie<lerkäiiern und dt.*n von diesen Thiereti j^LaniuRiideii init ii^ii In n Theilen
irn lri?ichon Zustande (mit Ausnahme von Butter, Milcii und Käse) au;^
liusslaud regelt die revidirte Instruktion zu dem Gesetze vom 7. Ajjril
1Ö«>*.>. Nlassregehi gegen die Einsehlepiamg der Rinderpest in dafi Bundes-
gebiet betreffend, vom 9. Juni 1Ö73. (ß.-Ge8.-BL S. 147.)
Alles lebende Vieh, welches seewärts hier ankommt, muss auf dem
Viehhofe, welcher in der Nähe des Schlachthauses und der Viehmarkt-
halle unmittelbar am Stadtgraben gelegen ist, entlöscht werden. Der Vieh-
hot ist nur zur voriäutigen Aufnahme <ler Thiere hestinuiit und ist der
lljujiluiiger ver{)Hi(*htet, das aufgetriehene Vieh sobald thuidieh und in
ih-r Regel btuli-^tfiis -tchs Sbnidcn nacli der Entlr)sc-liuiig vom Vieliliufe
y.u entternen; nur ausnahmsweise wird unter besonderen Umätiindeu das
üebemacliteu von Vieli aui dem Viehhofe gestattet.
Bei dem Ausladegeschäfte von Thieren wird besonderes Augeimierk
darauf gerichtet, dass jedes Tliier einzeln zur Untersuchung kommt und
nicht eher ein Thier den ringsherum abgeschlossenen Viehhof verlässt,
bis auch das letzte Stück eines jeden Schüfetrausportes frei von Seuchen>
verdaclit befunden ist. Unbefugten (Leuten, die nicht direkt mit dem Import-
geschälte in W-rbindung sU;hen,) i>i wähiuud der l'uter.-^ucliun^s/A'it des
zu eDtiö.schendeu Viehs <lns lielreten des Viehhofes verboten, um bei
etwaigem Seuchenfulie eiue X erächieppung durch Menschen mügliciiät zu
verhinderu.
Der Viehhof steht mit dem Schlachthause und der Viehmarkthaile
1) durch einen Privatweg, 2) durch einen Fahrweg und 3) durch einen
Eisenbahnschienenstrang in direkter Terbindung, so dass die gelandeten
Thiere zum SchlachÜiause und zur Viehmarkthalle sowohl getrieben, aU
auch zu Wagen mid mit der Eisenbahn befördert werden können. Ebenso
können Thiere, welche hier gelandet sofort vom Viehhofe mit der Eisen-
bahn in's Inland traiis[)urtirt werden.
Die Anordnung des Viehhofes ist aus Tafel \T, sehie Verbin-
dung mit dem Schlachthause und der ViehmarkthnUe aus Tafel VU
ersichtUch.
In den Jahren 1891 bi5i einschliesslich 1894 sind Thiere in Lübeck
zur See eingegangen aus:
12
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I
-<3 US f>-
Däuemark.
m 23.
bil
KlMTl«
Seiwine
A t_ ^
__
Snitigi Thitn
BtMrliifii
1891
14
—
534
1914
100
-•
—
1892
1
—
723
2705
1099
—
;i4
—
1432
1503
—
1 0<l'*»
53
1680
37Ü3
—
Schweden.
1891
3
JOÜ
219
—
1892
17
729
90
42
—
189:i
14
7ö(i7
528
148
1894
84 I 1
8717
1123
282
Kussland.
1
1891
219
1892
122
3
Kan«Üergch weine.
1893
105
2
1894
53
1
2»)! -
i
4 Rennthiei-e
1 Elenthier
') KünHtleredt weine.
*) für zoolog Gärten
bestimmt.
Die Itektballe.
nWel IV u. V).
Die Marktliallo ift im Lfinfp des Ja1iro< ISIK") naoli den I'liiiHn und
unter Leitiin«; dos An liitt ktou Julius (irulM' mit einem (n'sainnitko^k'ii-
aufwaude von JC 453<X)0 fertiggestellt und seit dem 1. August d. J. io
Benutzung genommen worden.
In der Mitte der Stttdt, innerhalb eines von der Meugstrasee, der
Breitenstrasf^e und der Beckergrube begrenzten Hänserblockes gelegten,
besitzt die Markthalle von den genannten Strassen her drei Zuglinge, von
denen die Zufahrt für schweres FHihrwerk aus der tiefer gelegenen
Beckeigrube direkt in die Kellerräume führt, während durch die Halle
selbst eine bisher erst von der Mengstrassenseite eröffnete Durchfahrt ffir
leichtes Fuhrwerk vorgesehen ist An allen drei Zugaugen sind Wind-
lange eingerichtet.
Die mas.^^iv in Bat kni» inbau au.sgoführt© Halle bedeckt einen Fläoheu
Ywwm voll i'.'ilO qm und hat eine lichte Höhe von 8 — 10 m. 8ie oinptiinjrt
ilir Licht auHseliliesslich von der Nordseite her durch Shotldächer, d* ien
Fenster sämmthch gruppenweise geöffnet werden kOnnen. Die nacli
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-ö 179
Süden gerichteten Dachflächen sind zur Abhaltung der Sonueowärme au
ihrer Untorflftche mit Korkplatten verschalt Die Wandfläeheu sind bis
üIxT Mannshöhe mit Metthicher glasinen FHe^^oii bekleidet der F'ussboden
ist mit gerillti^ii Metthicher Plalten belegt, nur die Durchfahit ist mit
küiisiliolien PHaHterstrin* ?i versolioii. die in Cement ver^eL/i niud. Für
<l<'n Wtisserbedart und zur Hpüiuiig sind zahlreiche Ilydraiiteii vürha?jd<*!i.
Die künstliche Beleuchtung erfolgt durch Bogenlicht, in den aii der Wand
gelegeueu festen Ständen zum Theil durch Gosgiühlicht
Die Markthalle besitzt als erste derartige Einrichtung eine Niederdruck-
Dampfheizung, durch welche jedoch nicht der Raum selbst, sondern nur
die für jeden einzelnen Stand in den Fassbodeu eingelassenen Rip[)eiiheiz-
kOr|>er erwärmt werden, über denen sich geriffelte eiserne Deckplatten
Ijefindcn. Auch die an der Nordwand gelegenen Wasserciosets sind mit
Hci/Auig gegen Frostgefahr versehen.
Die ( H'sannntzahl der Verkaufs-^tände l)e!änft sicli auf gegen r)nu.
All dun nach Süden und Osliu «gelegenen \\'ainl« ii lieLfon die mit ver-
zinktem Dralitgewebe gesehlossonen 44 Stände für lleisch, \\'i!d und
<M-liügel, im westlichen Flügel der Halle tinden sich die festen und freien
Stände für Grünwaaren, Eier, Butt<'r, Thonwaaren, während im östlichen
Flügel die mit (iranitbecken und Iiiessendem Wasser ausgestatteten 44
Verkaufsstände für Süsswasserfische gelegen sind.
An der Noidwestecke ist von der Haupthalle durch eine Glaswand
die Käsehalle abgeti'ennt, welche mit einer besonderen Lüftungsaidage
verschen ist. Am nördlichen Eingänge liegen die Zimmer des Markt-
Vogtes und des Thierarztes.
Im Kellergeschoss. welches mit der Halle <lurch Aufzüge verbunden
ipt. liim'ii drei Kühlräunje. Durch eine miuei.«i Gasmotor betriel>ene
Kohlensaurekaltemaschine werden durch zugeführte kalte Luft der zur
b'leischaufbewahrung bestimmte Raum auf -f 3 C und die kleineren
(«elasse für l'isehe und Geflügel auf — 1 hezw. — IV« • C gekühlt
Das Standgeld beträgt für das Quadratmeter und den Tag
bei niouat lieber bei t&gUcher
Vergebung
Veigebong
a) von festen Ständen für Fleisch, Fleiscliwaaren
35 Pf.
50 Ff.
b) von testen Ständen mit laufendem Wasser für
30 -
40 -
von festen Ständen für sonstige Verkaufs-
20 •
30 -
15 •
20 -
12*
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-*3 180 e*-
I
Bu öffentlioli« SohlMhÜuuii.
(Tafel Vn).
Das öffentliche Schlachthaus ist im Nordwesten der Stadt in der
Vorstadt Si Loren« auf der Roddenkoppel jrelegeii. Sein Hau warf! im
Juni 1883 begonnen, iler Betriel» wurde jim 1. Oktober 1884 eröffnet,
unter gleichzeitiger Einführung dos allgemeinen Schlaelitzwangeü. Die
tre«ainnitkosten der AnlnL""«^ beliefrn sich auf , fC .'}31f>17.
Die Verwaltung «ies Sehiachlhauses stobt unter <ler Soblachthaus-
»ectiou, welch© aus dem Vorsitzendeii und 2 bürgerlichen Deputirteu der
Verwaltungsbehörde für f<tä<ltische CienieindeanäUdten und zwei vom
BürgernusschuBSC gewäldten liiowigen Hchh«?litern gebildet wird. Die
Leitung des Schlachtliauses ist einem Thierarset als Inspektor übertragen,
welchem seit dem 1. Januar 1889 ein Hulfsthierarzt beigegeben ist.
Die Pleischschau bezw. die Besichtigung eines jeden Schlachtthiem
vor und nach der Schlachtung erfolgt durch den Schlachthausiuspektor,
während für die Trichinenschau unter Aufsicht desselben 12 vereidigte
Trieliineuschauer thätig sind.
Der Schlaebtbof enthält an seiner ^iidsuite /.u ht idcn Seiten des
Eingangs das VerwaIlungsL;rl.;uidr uüd das Kestaurutionsgubuude, in
deren ersiereni die Dienstwohnung <les Inspektors. lUireaus und dti
Trichinenschausaal untergebracht sind. In der Mitte des Grundstücks,
durch eine H) ni breite Fahrbaim von einander getrennt, liegen die beiden
Sch lach th allen. An der VVes(seiie liegt der Grost>viehstaU, welcher in
3 Abtheüuugen Raum für 200 Kinder bietet und ausserdem einen Pferde-
stall, Räume 2ur vorläufigen Aufbewahining von Talg und einen grofisen
Futterboden enthält. Die Nordseite wird von der Duuggrube und den
Aborten, der Kaidaunen Wäsche, dem Keasclhauso, dem Krankensi^Iachtr
hause und dem Beaustanduugsramu gebildet Die Ostseite wird eingefasst
von der Pferdeschlachterei, einem Pferdostalle, einem Observationsstalle,
dem Kleinvieh- und dem Schweinestalle. An der Südostecke tindet sich
die Anstalt zur Gewinnung von Thiorl^'mphe.
Die Schlachihalle für (Jrossvieh war anfänglich nur für eine
Maxirualscidachtung von HO Rindern eingerichtet, iiietet aber nach den
baulichen Veränderungen der letzten Jalire Raum zum täglichen Schlaciitea
und Aufhängen von 270 Rindern.
Die Scldaclithalle für Schweine und Kleinvieh enthält an ihrem
südlichen Kude den Brüliraum für Schweine, welcher ausser den zum
Tödten der Schweine benutzten Buchten 3 grosse Brühbottiche mit den
zugehörigen Abschabetischen und 2 Krähne enthält Dieser BrOhraum
ist sehr hoch, gut veutilirt und von dem eigentlichen Arbeitsraum der
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H3 181
Schlachthalle durch eine von drei niedrigen Bogen durchbrochene Wand
getrennt, um die Wasserdämpfe dem Arbeitsraume fem zu halten.
Seit Juni 1892 ist ein Rohrbeck'scher Dam])f-DesinfekU>r vorhanden,
welcher durch die Dampfleitung uespeist wird. In diesem Desinfektor
wird Fleisch, welches wegen Tul)i ikulose. Finucii l'sorosperiiiioii, Kalk-
concrementen. nuiltipler Ilämorrhiij^itii !K;iii<t;iudcl und in roiicin Zu-
stande vom Verkiiufe finffjfeschlü--i'ii ist. L:i kü<'])t und /.ii vin«<-!iHd!iclier
wohlfeiler Nahrung 7Ail)ereitet. Doch wird zum AuHkoclKU nur he
anstandetea Fleisch von solchen Thiereu zugelassen, die sich in gutem
ErnährungP7:u Staudt) hefinden.
Für die Benutzung des Desinfektors werden an Gebühren erbo}>en:
für 1 Kind JC 4. für 1 Schwein JC 2, für 1 Schaf oder Kalb
JC 1. Der Verkauf des gekochten Fleisehee, der durch die Tages-
blätter zur allgemeinen Kenntnis» gebracht wird, erfolgt in Mengen von
250 g bis 3 kg unter Aufsicht durch den Eigenthümer des Schlacbtr
\iehe. welcher auch den Preis bestimmt, der jedoch mindestens unter
dem ortsühlichen Ijudeupreise hlci)>en niu^s (zur Zeit 30 Pf. füi- Kilo
RiüdÜeiych, 40 Pf. für SchwoLncIleisclO.
Die Betriel>serfrchnisse des Schiaclithuuses in den letzten fünf Jahren
äiud in den folgenden Tahellen veruuschuuliclit (Schlad ithuusinspektor
Völlers). Es wurden gesciilachtet :
Tab. 24.
n libre
Idbu
BtllM
and
lüebt
\
Lin-
■«r
1890/91 922
1891/92 = 853
1892/93= 877
1893/94 1147
1894/95 3848
596.2593 5397
664,2818 4958
685 2916 15043
732
1521
3601 ! 5104
7309 \ 5070
6393 , 205
7165! 66
6889
7737
7046
Zi^
203
192
159
158
110 ! 144
Sdnf«
188
138
18530 i5497|r>96 40932
22 307 {5945 {591: 45 559
18 871 15971 467 42 066
19 130
22 729
6814! 580 45231
6583 ! 520 1 54 886
Vom öffentlichen Verkehr ausgeschlosnen und entweder völlig ver*
niehtet oder zur technischen Vorwerthung überwiesen wurden:
THb. 25.
1
1
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Oducji
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Bollen ^
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1
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1
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37
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Seit AuffttolluDg des Bohrbeck'scheD Desinfektors sind in demselben
gekocht und unter Aufsicht verkauft worden: Tai». 2fi.
1
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Ocbcii Büticn
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Min 1 niickl.
Kälb«r 1 Kälber !
Uli.
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1
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106
— ! 14»i
18ÜÖ/96
b[ 4
51
—
122
184
Bei den gescbliulitetcu Tiiieren wurde Tuberkulose festgestellt (iu
% der übcrimupt geschlachteten)
l«äl/86 im\ 1887 18S8 1889 1890/01 189i;92 1892/93 1893/94 181M/9B
a) Binder .4.08 4,08 4,vi 7,06 9,78 15,?? l^i^o 17,16 27,02 20,78
b) »Schweine 0,26 4,0 0,48 0,87 1,88 1,63 2,44 3,49 3,77 3,92
Es handelte sich im Jalire 1894/95 bei den tuberkulösen Rindern
bei 2324 (»70,78^) um Tuberkulose eines Organs,
f 3ö0(= 10,65^) » . mehrerer ( )rgaue einer KOrperhöhle.
. 534 (= l<;,25 ;i) . . i Körperhöhlen,
» 78 {— 2,:{7 %) • rtllgerneine Tuberkulose,
während bei den tubiikiilü^^t-n ScliwtMneii im Jahre 18Ü3/Ü4
bei 1U4 (= 2«'>.8.J Tuberkulose eines Oreau.«.
. 5 (= U.tio %) • uiclirerer Organe einer Kürpcrhoiilc,
« 430 [=h\i\: %) • Körpurhühlen,
* 94 (= 13,01 %) allgemeine Tuberkulose
vorhanden war.
Auswärts geschlachtetes Fleisch wurde in folgenden Mengen im
Schlachtliause untersucht: Tab. 27.
n Jihn
Riidlieisth Kalbll«nrJt Schaflltncb j Ikgenltiich
Stlweinf-
lieiKb
n«nitlliii(k
18H0/91
46(;*< kg
85-10 kg
153 kg
595 kg
1633 kg
4047
kg
19637 kf
l«'Jl/i»2
4057 .
41)« ;i) .
227 .
13b .
1084 .
3599
14 092 .
18t»2/'.»3
1U7T =
530«. 1 .
103 =
4<i .
700 .
5038
<
13 233 .
1 m\i\)Ar
2()S(; .
82r)5 '
411 =
r.io .
b77 »
2',)S4
14H13 .
1894/95
2747 .
4379 .
1896 '
182 .
499 *
9060
17 763 .
Davon wurde beanstandet:
1890/91
1891/92
1892/93
1893/94
1894/95
531 kg
1 f. Kalb! —
38 kg
4 Kühe In. Kalb
429 kg
692 •
31 kg
- : 60kg 1 —
8
10
kg
307 .
3 Stück
5 kg
230 kg
- I -
i 600 kg und
1 Kalb
358 kg
10 kg und
8 Tiiiere
659 kg
723 .
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183
Die Viehmarkthalle.
(Tafel Vni).
Die ViüliniHrktlmllf ist im Jahre 1894 imcl» den IMitiuMi des Arcliitekien
•liiliuH Grube erbaut und Anfang 181>5 dem Verkehr übergeben worden.
Sie liegt auf dem Grundstücke des städtiäcbeii Sclihichthauses, 42 m von
die^ieni entferut und durch ein sclnnn!s]>unges Schienengeleise mit ihm
verbunden. Die 2545 qm grosse, in den Umfassungsmauern massiv erbaute,
durch Sheddftdier gleichm&ssig erleuchtete Halle bietet Raum für etwa
30O Rmder, 400 Schweine und 400 Stück Kleinvieh. Um die Höhe der
Halle möglichst gering m halten, ist auch der mittlere eingewölbte Theil,
über welchem sich der Lagerraum für Futter befindet, sheddachartig
construirt Die Dächer sind mit Dachpappe gedeckt und an ihrer Unter-
fläehe zum Schutze gegen Temperatureuillüsso mit einer durcli ICorkphitteu
bedeckten, isolaeudeu Lultöcliicht versehen. Der Fu^^^^büdeu ist mit
As^phalt belegt.
Bisher wird dreimal wöchentlich Vieh markt ubgehulleu.
Hygienische Fürsorge für besondere Klassen.
Scliulwesen.
Das Schulwesen in Lübeck ist durch das Unterrichtf^gesetz vom
17. Oktober 1985 geregelt
Es besteht Schulpflicht vom Ostertermin nach vollendetem 6. Lebens-
jähre bis Ostom nach vollendetem 14. Lebensjahre. Seit dem Jahre 1888
ist die SchulpHicht auch auf die taubstummen Kinder ausgedehnt, die
vom vollendeten 7. Lebenpjahre ab auf 8 Jahre die Taubstummeiischule
(s. w. u.) besuchen müssen.
Als allgemeine Norm für di< Kiiui(.hLuiig der iSchuien ist für
8«luiUiiiiiiior (.'im.' .Mind<'stlir.hr voii :'> m un«1 ein l''!:if!i<'nrauni von
U,8 <|m für jeden Schüler vorgesciiri< l)oii Die l'\'ns(erllacii(- nius^ zur
Bedt TiHächc im Verhältnis«» wie mindestens 1 : 8 stehen, die obere Fenster-
\miU- darf höchstens ü,ö m von der Decke entferut sein. Neben zweck-
tulssiger Heizung muss für Veutilation gesorgt sein. Zur Aufnahme der
Kleidungsstücke muss ausserhalb der Unterrtchtszimnier ein Raum zur
Verfügung stehen imd neben einem luftigen Spielplatz ein Turnplatz,
auch bei den Landschulen, vorhanden sein. Auf je 60 Knaben oder 40
Mädchen ist ein Abort zu beschaffen. Als höchste Schülerzahl ist für die
Klassen der Volks- und Mittelschulen 50, für die Landschulen (K) fest-
gesetzt
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-ö 184 fJS-
Als NormalBchulhaus für die Btädtiachen Volksschulen hat sich in
den letzten Jahrzehnten ein Doppclschulhaus in Backsteinrohbau mit
einem Ei<dge6cho8s und zwei Stockwerken lierauagebildot weldies dxwh
eine durdigehende Brandmauer in zwei Hälften für die Knaben und dio
Mädchen p^etheilt wird. In dem massiv au?i«;eiührteii Bau sind das Keller-
^escliosi? und särrniitliclie Flure niasf^iv irewölbt und die Treppeu lua.-siv
lier<rest«-l!t. In jidcr Hüllte dt- (u lKiiido bcliuden sich im Erdireschos*
die Wuhnun^ des IlMUptlehrei^, 1 ( 'onlereir/,- und 1 Klassenzimmer, in
den beiden Stockwerken je 4 8eliulziinnier. Die lieht«' Höhe dersellKii
beträgt 4 m, die Grundllächc 48 (jui. Von den 9 Klasscuziminern siiul
2 dureh Auersches Glühlicht erleucliüi.ir. Die Wände sind in matten
Kaikfarben mit Oelfarl^ensockel gestriehen. Die Beleuchtung fällt dureh
die stets nur einfachen, grossen, oben mit Kippscheiben eingerichteten
Fenster von links auf die viersitzigen mit beweglichen Sitzen (System
Hippauf) und leicht geneigter Platte versehenen Schultische. Die Sub-
sellien sind in 9 vei-schiedenen Grossen vorhanden, für Körpergrössen von
115 bis 160 cm berechnet. Die Fussböden sind geölt. Auf dem
Katheder und in der Sehulstube Tnnlet sieh je ein mit Wasser gefüllter
S|ui<kn;i|il. Talcln wcid»u ilie jiut einer Stullelei bcrmdlicheu
Lenuke Hclien Schul wand Uil'elü benutzt.
Die Hei/un«; erfol«rt dureli Jungfer'ssche Central-Lut'tlieizting, deren
Oofen sich im Kellergeschosse befinden, welches zugleich zur Wohnunp;
des Schulwärtcrs dient. Die verbrauchte Luft wird in den Dachliode»
und von dort ins Freie abgeführt
Die «geräumigen Pkux' dienen zur AutiKihine der Kleidungsstücke
der Seluiler. Hier finden 8i<;h in jedem Siui kut rk W'a.sserleituniishahiR'
mit eniaillirten Ti inkli* i lit i n, auch Feuereinier. Der gekit-ste, regehniis^ig
besprengte, genunnige Spielplatz i.st mit Bäumen bepflanzt Die in einem
besionderen Latrinengebäudi* oingerichteteu Pissoirs simi mit Wasserleitunjr
versehen, die Closets als iVogcKisets eingerichtet, die nach Bedarf regel-
mässig entleert und gespült werden.
Neben dem Si)ielplatz findet sich eine grosse Turnhalle, deren
Heizung durch Manteldfen Iwwirkt wird.
Die Reinigung der Schulzimiiier durch den Schiilw.nter erlolgt /.wci-
mal wöcheutlich durch gründlielu\^ Autttudeln, wahread täglich ein Aus-
fegen nach V(»r;tnfgo«^'augenem leichten Besprengen und ein saubere.s Aul
wischen der Subsellieu stattfinden soll JDie Fenster werden monaUicli
einmal geputzt
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-*3 185 ES-
Die Zahl und Frequenz der Schulen belief sich Ostern 1894:
L öffentliche Schalen:
Kiifttien Mädchen suaammeD
2 höhei-e Schulen 722 722
3 Mittelschulen 705 380 1175
19 Volksschulen 3615 3748 7363
II. nicht öffentliche Schuten:
5 Gemeinde- oder StiFtnnpfs-
sclmlen 177 242 41!»
10 Privutscliuleu 77() 1222 1998
im Ganzen 6085 6692 11677
Unter Verzicht auf die fibri^n hygienischen Gesichtspunkte im
Bereiche dos SfluilwoHcns soi hier nur noch kurz der Anordnung der
Uiutnichtsf^Umdcu ki tltiu X ollcsschuleu und der Pflege <les rariuiutcrrichta
gedddit.
Lübecks Volksschuleu.
Tab. 38.
NoRDAUlter
der
Schaler
Klasse
KaalbtiiMli«!«!.
Midditniehvlra.
IJntPrrichtsstunden
b»opt 1 Vom,. 1 NHohn..
Turn-i
stun-
den 1
ünterrichtaatunden
Turn-
stun-
den
13—14 .1.
I
32
24
8
2
32
24
8
12—13 .
n
32
24
8
2
32
24
8
11-12 .
ni
32
24
8
2
32
24
8
10—11 .
IV
30
22—24
8
2
32
24
8
9—10 .
V
30
22—24
6—8
2 1
30
22—24
6-8
8-9 .
VI
24
20—24
0-4
2
28
20—24
4—8
7-8 .
VII
22
22
1
26
22—24
2—4
6—7 .
vm
22
22
1
i 24
24
Säinnatiiche Volkssclmlen, für Knaben wie für Mmlchen, sind acht-
ftufig. Die Zahl der wöchentHchen Unterrichtsstunden, welche von 22 bis
32 ansteigen, sind nach ihrer Vertheilung auf die einzelnen Klassen und
das Alter der Kinder in vorstehender Tabelle zusammengestellt; ebenso
die Vertheilung auf die Vormittags- und Nachmittagszeit Wfihrend die
UQtersten Klassen nur Vormittagsunterricht erhalten, bleibt bei den obem
der Nachmittag nur am Mittwoch und Sonnabend frei. Die Ueberzahl der
Vnterrichtmtunden in den unteren Mftdchenklassen gegenüber den Knaben-
schulen wird durch Handarbeitsstunden bedingt.
Digiiizca by Liu^.' .
-K3 186 ßj-
Die Uniemchlsstunden sind von '/«siündiger Dauer. Zwischen je
zwei derselben finden Pausen von 5 Minuten and eine Hauptpause von
15 — 20 Minuten statt An den Nachmittagen wird im Sommer die Zwischen-
pause auch mehrfach auf 10 — 15 Minuten ausgedehnt, um den Kindeni
Beweping im Freien zu ermöglichen.
Wenn um lU l'lir Voriiiitiags die Temperatur im Schatttiu 25" 0
orroielit. wird «lor l aterricht um 12 I'lir. bc/.w. mit Alilauf der letzten
vor 12 l'hr be^^Jimenen Unierrichtssluiide geschlossen uud der Nuchllli^
tagsunterrieht aUHgeHetzt.
Turnunterricht findet in den er.sten (3 Klassen der Knabenschulen 2 mal
wöchentlich ?1;itl. in den unter?^ten beiden Klassen nur 1 mal in der Woclie. Bei
den Mädehensehuieu haben die oberen (i Klassen einstündigen Turnunterricht,
In den höhereu Schulen für Knaben (Progymnasium, Realschule)
haben die Schüler meistens wöchentlich 3 Turnstunden, in einigen
Unterklassen nur 2 Turnstunden. Die Unterrichtsstunden dauern
*U Stunde und sind durch je 10 Minuten lange Pausen getrennt. Aelm-
lieh ist die Unterrichtsordnung in den zahlreichen privaten Töchterschulen,
doch wird in einem Theil derselben der Turnunterricht noch etwas stief-
niütterlicli lit*li;iiulclt. Ttn K.itliai iueuni Imd» ii iii allen Klnj-'sen wuchentiicli
3. in der Klasse tlc-r Ti-ima soo-nr 4 Tiirn-iundcn w riclicnllici) statt
I)ic M it dviu Iierb>i dtis Jahres 18'.'1 tci tiggest-ellt« liauptturnhalle,
deren Hauptsaal für die gemeinsamen Sitzungen der Versammlung deut-
scher Naturiorsdier und Aerzte dient, wird sowohl von einzelnen Schulen,
wie von Turnvereinen wöcheniücli im Ganzen in 83 Stunden benutzt,
von denen 21 in dem kleinern Turusaal abgehalten werden.
Eine besondere Erwähnung verdient noch die Berend-Schrödw'sche
Schuks welche zum Unterricht taubstummer und schwachbefähigter
Kinder dient.
Im Jttiire 1888 ward die bis dahin als Privatinstitut bestehende, von
der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit unterstützte
Taubstuninieiian?talt V(»ni Staate übernommen uud derselben das WTmOgrn
uikI Um* Name der damals iuifgehubenen Üerend-Schrödcr schon Freiscliule
iilx 1 \v i. >. 11 Schule wurde Ostern 1Ö8Ö mit Ö taubstummeo uud 23
sch\vaciit»e)äiHi(leii Kin<lern erötTnet.
Die Anzahl der Taubstummen Lübecks beträgt gegen 40, also 6 auf
lOOÜt) Einwohner. I>ie Zahl der schuli)flichtigen taubstummen Kinder
hat sich fast gleichtnässig auf 8 gehalten. Durch Aufualime auswärtiger
taubstummer Kinder ist die Schülerzahl zeitweise bis auf 16 gestiegen-
Der Sprachunterricht der taubstummen Kinder erfolgt nach der deutr
sehen Methode. Die Lautsprache ist von Anfang an Unteirichta- und Vor
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-ö 187 ES-
kehr^sprache, wfthrend die Gebardenspradie als Unterrlchtegegenstand
gfinsUcfa, ab Unterrichtsmittel soweit als uiöglich aosgeschloesen wird.
Die in den letzten 10 Jahren confirmirten taabetummen Zögliugo
sind mit Ausnahme eines einzigen schwächlichen und verwachsenen MUd-
diens soweit goiördert worden, dasa öie ihr selbstfeüiiidig^ Fortlioiiiuiün iui
Leben finden.
Die Zahl du schwacbbefähigten Kinder ist von Jahr zu Jahr ge-
stiegen, so dtiss jetzt 71 Kinder in 4 Khissen unterrichtet werden. Nehen
<ler Beschränkung der intellectuellen Fähigkeitt^n, welche eine erfolgreiche
Fortbildung der Kinder in den p;cwöhnhcheu Schulen unraög!i( h machte,
waren meist körperliche Gebrechen, besonders hftufig adenoide Wucherungen
im Nasenrachenraum nachweisbar. StOningen der Laut^ und Schriftsprache
wurden besonders in den unteren Klassen beobachtet Uebrigens ent^
stammen diese schwachbefähigten Kinder mit wenigen Ausnahmen den
unteren Volksschichten, nur ein geringer Prozentsatz gehört den mittleren
oder besseren Ständen an.
Die Scimle erblickt ilne [iiiuptuulgal)e in der Erziehung, sie sucht
den Unterrichtsstoff nach Mö|j;li( hkeit zu heschränken und durch Ileissiges
Wiederliolen (He Kindel- im engen \Vi9f»en!^gehiete «icher zu machen. »Sie
i>t bestrebt, durch ein grün<lliciies und ;in^eh;uiliches Unterri<-htPVfrfahren
der Denkträgheit und Interesselosigkeit äu steuern, dem Mangel an Energie
entg^enzuwirken und das Selbst vertrauen der Kinder zu heben. Dem
eig^tlichen Unterrichte geht ein Vorbereitungsunterricht voraus, bestehemi
aus Uebongen im Zusammenlegen gleichartiger Gegenstände, im Unte^
scheiden yon Formen, Farben, Stoffen u. s. w. Auf der Unterstufe nimmt
der Anschauungsunterricht die erste Stelle ein. Sprachkranke Kinder
erhalten besonderen Heilunterricht. Neben dem Handarbeitsunterricht
für die Mädchen ist ein Handfertigkeitsunterricht für die Knaben in den
ünterrichtsplan aufgenommen.
liei fast allL-n Kindorn, weiche rechtzeitig, d. h. bis zum 10. Lebensjahre
der Schule zugeführt wurden, zeigte sich schon nach wenigen Jahren eine
•rrössere geistige Frische und Regsamkeit, eine Besserung des Sprach v«'r-
iiiö;ji ii.< und Hebung der Urtheilskrail. Im letzten Jaiue konnten s.ininit-
liehe Kinder an dem Konhrmandenunterriclit normal beauiagter Kinder
mit Erfolg theilnehnien.
Seit 1889 werden an iler Schule jährlich Ih ilkur.-^e für stotternde
Kinder aus den Volksschulen mit bestem firfolge abgehalten.
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-ra 188 &^
In der Handelsstadt Lübeck spielen Industrie und Fabrikwesen eine
weniger hervorragende Rolle. Zur Zelt unterstehen der Aufsicht des Fabrik-
inspektors etwa 130 Fabriken und Betriebe mit 3204 Arbeitern. \on der
( lesaiiiDitzahl der Arbeiter entfallen die Hauptantlieilo auf fünf Industrie
zweige, auf die Industrie der Steine und Erden, der Metallverarbeitung,
dei- Maschinen und \\'erkzeuge, der Holz- und Schnitzstoffe, der Nahrungs-
und Genussniittel Die Zahl der in den einzelnen Industrieen beschäftigten
Arbeiter, unter Trennung nach Alter und Geschlecht, ist in Tabelle 29
yeranschaulicht.
Die in der unteren Hälfte der Tabelle gegebene Uebersicht über
die Kopfzahl der Arbeiter in den einzelnen Altersstufen seit 1887
seeigt dass die Kinderarbeit (unter 14 Jahren) seit 1893 völlig auf
gehört hat; sie hat bei der bis zum Ostertermin nach vollendelem
14. Liebensjahr ausgedehnten Schulpflicht in Lübeck überhaupt niemals
einen grösseren Umfang erreicht (Tabak, Piassavaindustrie). Von den
jugendlieheu Arbeitern (14 — Ib Jahre) besteht die Mehrzahl aus
gewerblichen LehrHngeii Hie jugendlielien Arbeiterinnen finden nament-
lich in den Emailiirworkeu bei der Auitraguag der ilüssigeu Kmaümasäe
X'erwendung.
Die den Arbeiterinnen zugemutheten Arbeiten entsprechen ihrem
Alter und Geschlecht. Frauennachtarbeit findet seit 1891 nicht mehr statt.
Arbeiterinnen sind thätig haupts&chlich in den Blechgeschirr- und Embailage-
fabriken, in den Pia^savawaarenfabriken» in den Oonservenfabriken, in
der Molkerei und in einer W&schefabiik. Nicht eingerechnet in die in
der Tabelle wiedergegebenen Zahlen sind die in den Conservenfabiiken
gegen Stundenlohn vorübergehend beschäftigten Arbeiterinnen, deren Zahl
zur Gemüsezeit 600 übersteigt.
Eine Trennung der beiden ( iescbltcliter ist bei der Arbeit durchge-
führt, soweit dies nach Art des Betriebes möglicb ist. Getrennte Bedinfniss-
anstalten und getrennte (lanleiol)erainne «ind überall vorbanden \U
ein für die inoniiische Führung der jugendliehen Arbeiterinnen günstiges
Moment mag noch hervorgehoben werden, daäs dieselben iEast durchweg
bei Eltern oder Verwandten wohnen.
Die Arbeitszeit der erwachsenen Arbeiter betrAgt im Allgemeinen, abge-
sehen von den Ziegeleien, 10 — 10 V« Stunden, mit I '/i stündiger lifittags- und
je Vi stündiger Frühstücks- und Vesperpause. Nachtarbeit findet nur da statt,
wo sie durch die Art des Betriebes bedingt wird [Ziegeleien, EimaiUirwerke,Leim-
fabrik). Sonntagsarbeit wird nur innerhalb des erlaubten Rahmens ausgeführt
Die Räumlichkeiten der Fabriken entsprechen in Bezug auf Luftraum,
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189 &h
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-ö 190 esi-
Luftr und Lichtsufubr biUigen Ansprüchen. Jn allen Betrieben, in denen
eine grossere Anieahl von Arbeitern in geBdilosseuen Räumen vereinig
ist, haben mit Wasser gefüllte Spuckn&pfe Aufstellung gefunden.
Die Arbeiter haben mehr und mehr Verstätidniss und Interesse fOr die
l^nfallverhätimgs- und Sicherheitsniassregeln gewonnen, so dase sie nicht
flohen selbst praktische Winke in dieser Ilinsiclil gehen konnten. Die Zahl
der rnfiille, die sieli in sehr vrrschiedeneiu Mmshc auf die eiu/.*;ln<n
Industiien vertheilen, liut vou IböT bis lb'J4 zwischen 121 und 208 iui
Jalire geschwankt.
Oeßtngnigswesen.
Lübeck besitzt zwei Gelänj^uisse, welche heide in Gebäuden uuterg«v
bracht sind, die ursiirünglich anderen Zweciien dienten, das Marstallge-
fängniss und das Werk- und Zuchthaus zu St. Annen.
Das Marstallgefängniss, in dem sich westlich an das Burgtbor
anschliessenden Theile der alten Burg gelegen, ist ein von Osten nach
Westen langgestreckter zweigeschossiger Bau, der nur in seinem an der Nord-
seite vorspringenden Thurme mehrere Stockwerke besitzt. Die Gelasse für
die (lefangenen sind in beiden (ic^^chossen zu beiden Seileu eines Läiig.*-
conidor- aiit^ronhiet. Ks sind '»3 Zellen vürliaiuleii, von denen G zAir Auf-
nahme mir eines ( Jelangenen. die übrigen für 2 — 8 (befangene be.<?üiunit bind,
so dass bei einer Normaizahl von 128 auf jeden Insassen 12,7 7 ebni Luft-
raum entfallen. An BodenÜäche kommt auf jeden Gefangenen L',5 — 7,0 qm
in den Zellen und den zum Schlafen benutzten Räumen, 1,6 — 6,0 qm in
den Arbeitsstätten. Die Zellen erhalten Licht durch Fenster von 1,S0 qm
Grosse, deren Flügel von den lusasseu nach Bedarf geöffnet werden
können. Die Aussicht aus den Fenstern ist durch davoxgeeetzte, oben offene
Holzkasten benommen. Besondere Yentilationsanlagen sind nicht vor-
handen. Die W&nde sind in Kalkfarbe mit Oelfarbensockel gestrichen, die
Fussböden aus geölten Dielen hergestellt. Die Ausstattung der Zellen besteht
in eisernen Bettstellen, Tisch. Schemel, Schrank, Waschgeschirr. Wasser-
krug, einem Ausgussgefäss lur unreines \Vai?ser. einem mit Carbolwasser ge-
füllten Spuckuapl und t'inem Abtritt, dessen Ble<:l)einier zweimal tiiglich
vom Corridor aus gewechselt wird. l >ie festen l-'aeealien werden in Bleeli-
kübeln gesammelt und zweimal wöchentlicli abgefahren. Die Abtiittseiraer
werden vor dem Clel>rauche durch Beschüttuug mit Carbolpulver, zu
Epidemiezeiten mit Kalkmilch, desinhcirt bezw. geruchlos erhalten.
Die Beleuchtung der Zellen erfolgt, soweit erforderlich, durch Petroleum-
Uimpen, auf den Ck>mdoren brennen Gasflammen.
Als Kost wird Morgens und Abends Kaffee und je '/i Pfund Schwarz-
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^ 191 &h
brod verabreicht^ während jeder Gefangene Mittags aui^ser der gleichen
Portion Brod ein zusammengekochtes Gericht in der Menge von 1 Liter
oder mehr erhält Zweimal wöchentlich wird Fleisch zu dem Mittag^e*
rieht hin2i]ge!^et/.t.
Die Beköstigung und die Wäsche sind an eine Köchin contraktlich
vergeben.
Als < ititaaguucnurbeit wii'd Worgzuj)fon, Kattoebohnenverk'soii uii«!
Anfertigung von Bürsten betrieben. Die Arlieitszeit tlanert im Winter uiul
im Sommer von 7 — 12 Ubr und von V«^ — ^» Ubr und wird einmal
durch eine stündige Pause zum Spazierengeben unterbrochen. Von dem
erarbeiteten Lohn werden *k dem Get'ängniss, Vs dem Gefangenen zu gute
geschrieben.
Von der Gesanuntzahl der Gefangenen (110—130) kommen ^wa
*k — *k ftuf Gerichtsgefangene, der Rest auf Polizeigefangene
Jeder yon der Polizei eingelieferte Vagabund wird nach der Aufnahme
gebadetf während seine Kleidungsstücke in einen Dampfdesinfektor (von
Gebr. Schmidt in Weimar) gelangen. Zu Seuehezeiten beobachtet man
noch besondere Vorsieh tsmassregelu hinsichtlich der Isoliruug der neuen
Ank'diiujlinge.
Aerztlirhc Visiten finden ji il» n /vveiten Tag oder nach Bedarf ni\vv
sUitL Die üiMsi ru hen l>c:-uciic eriolgen zweimal wiW'lit iitlirh. üoitesdien.'^t
wird in dem Gerichlszimmer alle 4 Wochen abgehalten.
Als Disciplinaratrafe kommt, abgesehen von Verweisen. Dunkelarrest
bei Wasser und Brud, eventuell mit Entziehung des Strohsackes zur An
Wendung. Als höchstes Strafmass können 30 Tage Arrest vom Polizei-
amte verhängt werden, bei ver^ichärfteni Arrest wird nach je drei Tagen
ein guter Tag gewährt.
Das Personal des Marstalls besteht au» einem Oberaufselier, o Auf-
sehern und einer Kochfrau.
Auf dem Marstall findet sich aucli ein Raum für aufgefundene Leichen '
und für Verunglückte, sowie das Obduktionsloknl für gerichtliche Sektionen.
Das Werk- und Zuchthaus zu St Aimeii belindet sich in den
Häuineu des früheren St. Annenkh^tor«. welcln - in diesem .Inlirbundert zwei-
mal, in den Jahren und i84i>. durch Biand nahezu /» i-.-i iit worden
ist. Während das Werkhau.s. ein Zwangsari )eitshaus, in dem nordliciien,
den noch erhaltenen schönen Kreuzgang einschliessenden (iebäudecom-
plexe untergebracht ist, dienen die auf dem südÜchen Theile des Gmnd-
Stucks gelegenen Bauten zur Aufnahme der Zuchthausgefangen en. £s ist
Platz vorhanden für etwa 200 Oorrigenden und etwa 80 Zuchtliausge-
fangene. Der Bestand belief sich Ende April d. J. auf 148 Oorrigenden
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-ö 192
(145 m., 3 w.)n 60 Zuchtliausgefangene (55 m., 5 w.), 14 Huftgefangene
(wegen BetteloH bestrafte Mäuuer) und 5 alte Pfleglinge (2 in., S w,),
welch' letztere noch aus der Zeit stiinimeD, als «las Werkhaus als Annen*
anstalt diente. Das I\isoiml der Anstalt besteht aus einem Ver-
walter, einem RenWonteii. einem OhersuitVt her, einem \\ ei Kinoister, 6 fest-
ai)^est< lltfii uinl 4 I Ii!^^iaut■sellern suwir einer Hili'siiufseherin. Die T^«'itunv'
und X'eiwaltUDg der Anstalt unter^ielil einer \'or.<teherschaff , weldit; aii^
2 Mitgliedern den Öenats und 6 gcwälilteu bürgerlichen Uepulirten ge-
bildet wird.
Das Werkhaus un!ifasst einen grossen Schlafeaal und drei Axbeits-
säle. Der Schlafstml gewährt bei einer Höhe von 3,8$ m und einem
Fläeheiu^um von 391,6 qm für jedes der 160 Betten eine Gbaindflftche
von etwas über 2,6 qm und einen Luftraum von Über 10 ebn).
Das Zuchthaus enthält 14 Ein/.elzellen, in denen die Tn^a>.-eii 8chljd» ii
und arbeiten, ferner 3'J 8elilafzellen und zwei geniein.*<ame Schlalsäle für
je 1'J Personen füi- diejiuigen «Sträflinge, welche in den gemeinsamen
Ai-beitsräumen thätig sind.
Die Einzelzelleu haben einen Rauminhalt von 30,5 cbm und sind
mit 1,6 qm grossen voi^tterten Fenstern versehen, deren Klappscheiben
von den Insassen nach Belieben geöffnet werden können. Als Ausstattung
enthalten die Zellen ein Bett mit Strohsack, Tisch, Schemel und Schrank,
Wasserleitung mit Waschbecken, einen mit feuchtem Saud gelullten Spuck-
na)»f, Howie einen mit eiiu ni Zinkeimer ausgestatteten Abtriit Die llei/uin:
ei loli;! (imcli eiserne oder durch lvaeli<'löl"eu, die Beleuchtung durch
l'etroleumlainpen, auf den Corridoren durch Clasflammeu.
Die »Schlat>,ellen sind soüde hölzerne Ver&ichläge von 11,23 cbm
Grösse, welche sich zu je 14 oder lö an den beiden Schlaf zellengängen
befinden, mit deren Luftraum sie durch eine über jeder Thür angebrachte
vergitterte, etwa 0, i qm grosse Oeffiiung communiciren. Je nach der Jahres-
zeit werden den Sträflingen 2 — 4 wollene Decken verabreicht
Jn den Arbeitssälen entfallen über 10 cbm Luftraum aal jedt n Insassen.
Die Beköstigimg erfolgt durcli drei Maidzeiten; Morgens wird Kattec
mit Milcli. Mittags ein aus Gemüsen oder Hülsenfrüchten zusammeuge>
kochte» Gei idit in einer Menge von IV* — IV« Liter Abends« wird eins
Suppe verabfolgt. Für die Mittags- und Ab^fidmahlzeit wird allmonatlicb
ein Speisezettel aufgestellt, in welchem nach Möglichkeit auch frische Ge-
müse, zum Theil auf eigenem Acker gebaut, Berücksichtigung finden. Ab
Beispiele folgen hier die Speisezettel für die Monate September 1894 und
Februar 1895.
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103
Tab. SO.
Speise -Plan
des Werk- und Zuchthauses 2U St. Annen in labMk fSr de« Monat September 1894.
-
-
Oatom.
Mittageesen.
i
Fettung.
1 Abendauppe.
1
FettuDg
pp.
1
1 .
- -
.Sonnabend SeeOsche mit Kartoffeln
Dmier
TT eisen uieni
musii.
2.
' Sclinittbohnen, Kohlrabi u.
1 Rindfleiecb
Nudeln
Fleisch-
MobrrQben mit Kartoffeln
1 rm Hl?.
•>
*
Montair
Graup<'n mit Kartoffeln
lOV- 1 1 II 1 *M/s
Xl*r UtH? II n II |i
Kill f itr
4
Die-usUg
Steckrüben mit KartotY. In
Tal-
1 Btirhw -Grütze
Milcl).
5
Mittwocli
Bolinen mit Knrtotl'ein
oj>eCK
Ruf f
Duiier.
6
Donneretng
Mohrrüben mit Kartoffeln
1 aig
Vv AI von malt 1
TV CIZ^UIUCIU
iUUCIl.
7
Freitag
' Linaen mit Kartoftehi
8.
Sonnabend |
Seefische mit Kartoffeln
BnttAP
DUvUfE
Oy rup.
9
Sonntag
i
Batter-Kartoffeln
r
f loiacu'
onuie.
10.
Montag
! Erbeen mit Kartoffeln
Speck
Roggenmebl
Milch.
II
an«
Dienatag |
KoklrQben mit Kartoffeln
n fMn Hl viitHiK
nuitf r^rii iiiii
Hilf ta^r
12
MittwfK'li
Rumford*) mit Kartoffeln
Speck 1
Reia
MUcli.
MO,
DonncrBtag
Kohlrabi und Molurrttben
' mit Kfirtnffeln
14
Freitag
Wi irtHtj Bohnen m. Karluttehi
(In 1
10.
Sonnabend
Seelische mit Kartoffeln
jjuiter
uo.
16.
Sonntag
Bauer Kartoffeln
Schwäne-
Qtlea
FMich-
17.
Uontag
RelB mit Kartoffeln
OVwOr
iMiwer.
18.
Dienatag
Grone (Schnitt-) fiobnen
mit Kartoffeln
'Hai»
1
jiisKwjgruuBc mu
Münk
Ii».
Blittwoch
Erbsen mit Kartoffeln
\j ü ro vvUKruuv
da
'JO.
Donnerstag
Weisskohl mit KartotToln
laig
Wniupt:!]
UO.
21.
Rnmfoni mit Karf<»fr< ln
Ol** ( K
ÄF^nfTi»! kill riin#»
22
Sonnabend
Seeüsche mit Kartoffeln
Butter
Brodsnppe mit
Svi*ii fi
ijj S UVß,
2^. 1 'Sonntag
Butter-Kartoffeln
iBc II weine-
iveiö
V leicH'n
fleisch
brflhe.
S4.
Montag
Graupen mit Kartoffeln
TT cixvnuieui
25.
Dienetag
Steckraben mit Kartoffeln
Talg
Erbeenaappe
Butter.
26.
Mittwoch ;
Linaen mit Kartoffeln
Speck 1
Bacbw.-Ordtae
Wich.
27.
Donnenrtag '
Weiaalcohl mit Kartoffeln
Hammeltalgl
Bei«
do.
SB.
Freitag |
Weisse Bohnen mit Kai^
toffeln
Speck
Butter ^
GerstengrOtse
mit Aopfeln
Zucker.
29.
Sonnabend
Seeflsf^lie mit Kartuffeln
Brodsuppe
Syrup.
3U.
iSonntag ,
1
Butter Kartoffeln
Schweine
fleisch
Graupen
FleiHcli
brOhe.
* Brbsen, Graupen, Kartoffeln und etwa» Speck, mit Caaig und Pfeffer gevarKt;
inrd gern gegeaaen,
18
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194 ö-
Tab. 31.
Speise -Plan
riet Wirk- md ZMhUHuiMt 20 81 tkamm in UbMk Ar den Hmt FelMnar 1898.
Datnm.
Mittagessen.
Fettang, ;j Abendsoppe.
Fetttuig
pp.
1. Freitag
2. I Sonnabend
4.
6.
6.
7.
H.
10.
11.
12.
13.
11.
15.
lU.
17.
18.
W.
20.
81.
22
2H.
24.
25.
26.
27.
28.
I
Sonntag
Montag
Dienstag |
I Mittwocli
I Donnerstag |
Freitag
, Souiialjend ^
' Sonntag
i
I Montag
Dienstag j
I Mittwocli I
Donnerstag |
I Freitag 1
Sonnabend
Sonntag
II
Montag
Dienstag
Mittwoch !
Donnerstag |
Freitag
Sonnabeud
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwoch I
Donnerstag
Wt i8Hc Bolinen mit Kar-
toßtiln
Frische Seetiscliu mit Kar-
toffeln
Kartolteln (Fleischsuppe mit
Hndein)
Reis mit Kartoffeln
Erbsen mit Kartoffeln
Steckrtlbcn mit Kartoffeln
Sanerkraut und Erbsen mit
Kurtotielu
Liueeu mit Kartoffeln
Kartoffelgericlit mit Hering
Butter-Kartoffeln
Ramford mit Kartoffeln
Weisskohl mit Kartoffeln
Weisse Bohnen mit Kar-
toffeln
Mohrrüben mit Kartoffeln
Sauerkraut und Erbsen mit
Kartoffeln
Frisolie beetische mit Kar
toffeln
üraue Erbsen mit Kar-
toffeln
Graupen mit Kartoffdn
Linsen mit Kartoffeln
Weisskohl mit Kartoffeln
Weisse Bohnen mit Kar
toffeln
Rumford mit Kartoffeln
Kartoffelgericht mit Hering
Butter-Kartoffeln
Erbsen mit Kartoffeln
SteckrUben mit Kartoffeln
Linsen mit Kartoffeln
Sanerkrant und Erbsen mit
KartoflUn
Speck
Butter
Ochsen-
fleisch
Butter
Speck
Talg
Reis
Weiaenmehl
Nudeln
j Sclunnlz
I Speck
j do.
' Schweine
flelseh
Speck
Brodsuppe
Buchweilen-
Qrfltse
Erbeensuppe
. Hafergrütze
Gerstengrütze
Ruid
, Graupen
I
I
I Boggenmehl
Hammeltalgik Brodsuppe
Speck
Tldg
Gentengrttse
Erbsensuppe
Scbmals u Graupen
i Bulter
Schweine-
fleisch
Schmalz
Speck
TUg
Speck
do.
(lo.
Schweine-
fleisch
Speck
Talg
Speck
Schmala
I Weizenmehl
Reis
Buchw.*OfOtse
Reis
Brodsappe
Kartoffelsuppe
Gecatengrfltse
Graupen
Reis
Uafergrütze
Brodsuppe
Badiw.<Gratce
Weiaenmehl
Milch.
do.
Fleiseh-
brtlhe.
S>'rup.
MUcb.
Butter.
Mikb.
Zucker.
Milch.
Fleiscb-
brflhe.
MUch.
Syiap'
Milch.
Butter.
Milch.
do.
Fleiscli
bifllie«
MUch.
do.
Syrupt
Butter,
Milch.
do.
Fleisch-
brOhe.
Milcii.
Syrup.
Milch.
da
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195 &h
Ausserdem erlüilt jcdor Sträflinj^ Ulglich mindestens ö Sclmittrii
Schwar/hrod 'm '}o 110 — 120 «Iiamm. Auf ärztlich»' AiMiduune wird
-tiitt <!•■- S(;h\vur/.hriMlt'^ \\'ti>;cl>ro(l oder ausser der ;^ew(»liniichen
Kation noch eine weitere iirodzulage gewährt. Nur eiiunai wöchent-
lich, am Sonnbige. wird Fleisch vorubfolgt und zwar für den Kopf
V« ß, meist Schweinefleisch In- orfahruugsj^omäss von den Fleischarten
am meisten geschätzt wird. Souiiubetidis wird in der Regel gekochter Seefisch
(Scfaelllisch) oder Höring gegeben. Ausserdem dürfen sich die Sträflinge
bei guter Führung für die Hälfte der erarbeiteten Arbeitsprämien (welche
neb durchschnittlich 'auf 8 — 10 Pfennige täglich belaufen, aber bei Aussen-
4irl)eit erheblich mehr betragen können) gewisse Zulagen kaufen, als welche
ßotter, Schmalz, Heringe, Bücklinge. Käse, Wurst Zucker, Syrup. Essig.
Pfeifer, Senf, leichtes Hier, Kautahak und Schnupftabak zu nennen sind.
Die auf Ausseimrliuit beschäftiirten Corrigeiidun verdienen sich eine
höhere Arbeitspiiimie, etwa 15 Pfennige für den Tag, Sie erhalti^n ent-
•^l'i -chend der grosseren Mu<kolMrheit als Zulage tii;:lirh 2—3 Sehnitlen
>cli\varzbrod, Vormittags 1 Flasche dünues Brauubier und Nachmittags 1
Flasche schwarzen KatTee.
Die Arbeitszeit dauert im Sommer von Morgens 6 bis Abends 7 Uhr,
im Winter von 7 bis 7 Uhr. Sie inird von einer einstündigen Mittags-
pause und Vormittags und Nachmittags durch zwei je halbstündige Pausen
zum Spazierengehen unterbrochen.
Als Arbeiten werden von den Zuchthausstrftflingen ausgeführt: Werg-
zupfen» Kaffeebohnen verlesen, Cigarrenmachen; von den Werkhausge-
fangenen wird ausserdem noch Herstellung von Piassavabesen, Strumpf-
stricken mittelst der Maschine. Dütenkleben, Tischlerei, Schuhmacherei
und Schneid», roi ausgeüht Sie werden ferner auf Ausseiiurbeit mit Feld-
uuti Gartenarbeit, Krauten der tiewässer und mit Arbeiten auf der Schilis-
werft be.«'häftigt.
Lektüre ist den Sträflingen Sonntags und in der arbeitsfreien Zeit
gestattet. Die Bücher werden ihnen nach Auswahl des Seelsorgers verab-
folgt. (Geistliche Besuche linden mindestens zweimal wöchentlich statt
I' <lea Sonntag wird in der Kapelle gemeinsamer Gottesdienst abgehalten.
Katholischer Gottesdienst findet alle 14 Tage, Beichte und Abendmahl
vierteljährlich statt
Aerztliehe Visiten erfolgen zweimal wöchentlich oder öfter nach Be-
darf. Jeder Neuanfgenommene wird alsbald ärztlich untersucht Für
Kranke sind zwei geräumige Krankenstuben vorhanden. Nur miche
Kranke, die einer besonderen Pflege oder Behandlung hedürten, wei*deu
iu das allgemeine Krankenhaus übergeführt.
13«
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196 &h
Der GesuudheitBzustaud der Sträflinge lässt im Allgemeinen nichts
zu wünschen übrig. In Sonderheit sind epidemische Erkraukmigen nut
AtiBiinhine der Influenza nicht aufgetreten und cigeutliche Gefängnissknuik-
heiteii nicht beobachtet, wordou.
Als 8trat« 11 sind, ab^eseljeu von Verweisen, Arrest tnul l'rüüielstnife
vori;eseliüh. AneBt kann bis zu 14 TajLren betragen uh'I durch Ent
zielunjg dir Arbeit, Hesebränkmig der Kosl auT Wasser und Brod. Entr
/jehung de.'^ Licht* s und der LagersteUe verschärii werden. Aut je zwei
solche verschärfte Tage wird ein guter eingeschoben. Die Prügelstraie
kann von der Vorsteherachalt bis zu 12 Hieben, von dem Venvalter bi»
zu 6 Hieben verhängt werden. Diese werden mittelst einer geflochteueii
ledernen Peitsche von einem Aufseher verabfolgt. Von der Prügelstiafs
wird übrigens nur sehr selten Gebrauch geniachi. Ganz ausser Anwendung
als Strafmittel gekommen ist die im Regulativ vorgesehene Anlegung einer
Zwangsjacke und Kette; nur zur Ueberwältigung eines gewaltth&tige»
Widerstandes bleiben solche Zwangsmassregeln noch vorbehalten.
Die Leiciicn von SträHingt^n des Werk- und Zuchthauses werden,
i'alls nicht von Seiten der Angcln irigen die Auslielci ung und die IV
stüttiuej; aui eigene Kosten beanliagl wird, verti'agsmässig aii Uai^
uuulotuibühe Institut zu iio.sU>ck übemüesen.
Armeuwe&ea und Wohlthätigkeit.
Im Gegensatz zu den beiden Gefängnissen ist das Armen-
Arbeitshaus eine moderne vor wenigen Jahren erbaute Anstalt In
der St. Annenstrasse gegenüber der Aegidienkirche gelegen, v^i es in den
Jahren 1888 bis 1890 nadi den Plänen des Baudirektors Schwieiiing
in Ziegelrohbau mit Giebehi, Dacherkern mid Ziuuenbekrdnung und 'viel-
facher Verwendung weisser Putzflächen aufgeführt worden.
Da^ Arnu;n Arbeitshaus ist bestinunt zur Aufnahme hülfsbedürftijrer
Maiujer und Frauen, deren Arbeitsfälligkeit herabgesetzt oder aufge-
hoben ist. es entliält ausserdem liii Asyl liii ol)dachlo8e Personen und i'^t
mit euieni freiwilligen Arbeitshau.se verbunden. Sämmtliehe l'Uej^linue
werden uach Geschlechtern getrennt, auch die Obdachlosen, da iTamilieu-
wohuungen nicht vörhanden sind.
Die .Anstalt ist berechnet auf 145 Armenpfleglinge und 40 Obdach-
lose. Die Frequenz schwankt erklärlicherweise in ziemlich weiten Grenseo
und ist am höchsten zur Zeit ungünstiger Witterung und mangebiddr
Arbeitsgelegenheit
Für die ArmenpflegUnge sind ein grosser und vier kleinere Sehlaf-
s2ile, mehrere Arbeitssäle und ein Speisesaal vorhanden. In den Schlafe&leu
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-*3 197 ö-
kommt bei voller Belegung ein' durchschnittlicher Litftranm von 15,9 cbm
auf den Kopf. Die Säle sind mit grossen Ftiistein und Klappsclieiben.
Lh <on(l(»ren Canälen iüi- Znt'ühriing und Abführung der Luft, eisernen
>fant( l«ji'eii und (rasbeleuelitung ausgestattet. Die B«Hton und Gerätb-
•i<liaften sind grosnentheils in der An.^alt selbst angetertigt Die Wände
sind mit Leimfarbenanstrich und Oelfarl)enso(;kel verselien, die Fussböden
aus geölten Dieleii hergestellt. Neben den Scbbifsälen finden sieb besondere
Wa»chziniiner mit Wasserleitung, W.aschbeeken und Asphalttussboden. Als
Aborte dienen Wasaercloseta mit selbstthfttiger Spülung, welche an die
SieUeituDg angeschlosBen sind. Auf dem geiftumigen Hofe, der bei günatigem
Wetter von den Pfleglingen mit Vorliebe zum Aufenthaltsort gewählt
wird, ist ein VoDcsdoset (Trogi'loset) vorhanden, das zweimal täglich
entleert wird. In den verschiedenen Stockwerken stehen Badeanstalten
mit Wannen und Brausebad zur Verfiigiuig.
Jeder in der Anstalt Aufgenojnnieiie erhall An.^lultskl« i'hnig. nachdom
er i.n'ha(lot worden und seiut^ Kleidungastücke eventuell einer Des-
iuiektion unterworten worden sind.
Durch eine im Keller gelegene Dairii»tkt'sselanlage werd<'n die Küche mit
ihren 5 Danif)fkoehkesseln, die Waschküche und eine Badeanstalt versorgt,
während die beiden andei* n I^adeanstalten mit ]?ade<'>fen versehen sind
Als Beköstigung wird Morgens und Ntichniittags Kaffee verabreicht.
Mittag? giebt es ein zusammengekochtes Gericht, zu welchem zweimal in
der Woche je 50 Gramm Fleisch auf den Kopf hinzugesetzt sind. Sonn-
tags wird für jede Person entweder V* ^ Rindfleisch oder Schweinefleisch,
oder '/4 G Hammelfleisch gewährt Abends wird das aufgewärmte Mittags»
uericht abermals nach Bedarf verabfolgt. Brod wird nach Bedarf, Butter
alle 14 Tage V« Bier zweimal w<)chentlicli Liter gogol>en.
Als Arbeiten werden Strohurbeiteu. Wergzupleu, MairaUuiiaibeitcn.
llenstellung v<tn (Jurten. Tihrliierei und Weberei bf:triel)en, h'tzton' beiden
Arbeiten namentlich in dem treiwilligeu Arbeitsbause. in welchem sich in
«ler St^idt wohnende Per.'^ouen eiutinden. Kinen besonderen ArbeiUszweig
bildet das Kiojift n von Decken und Teppichen, Aif^ ;nif Ansu« hen von
Privaten jeder Zeit im Arbeitshause ausgeführt wird. Die Arbeitszeit dauert
im Sommer von 7 — 12 und 1—7, im Winter von 8—12 und 1—6 ülu*.
Doch flndet Vormittags und Nachmittags je eine halbstündige Vmne statt.
Als Disciplinarstrafen kommen nur Verweis, Entziehung der Erlaubniss
zum Au^ben (das sonst Sonntag Nachmittags von l-*6 Uhr gestattet wird)
und des Arbeitsverdienstes zur Anwendung. Die vorhandene Arrestzelle
wird zur ['nterbrin-ung etwa trunken heimkehrender Pllegliiige btMiutzt
Die Knuikenstation erstreckt «ich über eine Reihe von kleinen Zinnuej n.
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198
Sie hat emen ständigen Stamm von Altenschwachen, Siechen, Gelfthniten
und Epileptikern. Im Uebrigen dient eie zur Aufnahme von zugereisten
rersonen, die von der Polisei wegen leichter und nicht aneteckeniler
Krankheiten hieher überwiese werden.
Aerztliohe Visite findet täglich statt. Jedeti Sonntag wird proteptantisclier
Ciottesdienst im ßelsaal abgolialtrn. während es den Katholiken ge.^uiiltl
ist, die kalhulii^che Kirciio zu besuchen.
Dns Personal det- ArineDarbritshausrs he^chriinkt sich anf 1 Iii.-pektor,
1 JiauHniei.stei-, 1 Hausdiener. 1 ivöchin (die Frau des Hausmeister.s) uij<I
2 Dienstmädchen. In der Küclie werden im l'ebrigen Pfleglinge verwaudi ;
zur Wäsche, bei welcher zugleicii mit für das Siecbeuhaua gewaecbeo wird,
werden allwöchentlich '6 Waschfrauen auf mehrere Tage angenommeD.
Eigentliche Krankenwärter sind nicht angestellt, doch befinden dcb unter
den PflegUugen drei Personen, welche mit Krankenwartung vertraut sind
und für die Ausübung derselben eine besondere Vergütung erhalten.
Auf dem Grundstück des Armen-Arbeitshauses, aber mit besonderem
Ein<;aMs:c, befindet sicli die städtische Desinfektionsanstalt mit einem Dampf
desinfuktiüusa[»paiate von Riet^chel und Uenncherg.
Mit dem Annen- Arbeitshause verbunden ist die „wuhib ile Spei?^-
unstalV', in welcher für Arme uiientgeltliclj gegen Speisemarken, für aiul iv
Personen zum Preise von 10 Pf. für die Portion die ii) der Küciie ilor
Anstalt bereiteten Miltagsmahl/.eiten, im Winter sechsmal, im iSoiDQKr
viermal in dw Woche abgegeben werden. Ein gewärmter Spdserauju
gestattet die Malüzeit an Ort und Stelle zu verzehren.
Die Fre({uenz des Armenarbeitshauses und seiner einzelnen Abtlieiluiigeii
ist aus nachstehender Zusanunenstelluiig ersichtlich. Es wurden in den
Jaliren 1891 bis 1893 verpflegt:
1891
1892
1893
in dem Anu'-u
ArbeitBkauae
BiMr I Fmm j w.
in der
K.nnkeiiatation
litiw . fnm
97
115
119
28
23
23
125
138
142
37
134
203
6
7
3
im Asyl
fttr ObdMbkMe
I
43
141
206
3 29
6
4
19
31
30
27
16
i»r in
'3577? ! 98,6«
Pil,46
120,6?
62
52 I 44456
51 44044
Gleichfalls unter der Verwaituag der Annenanstalt steht das Sieciieii*
haus und die Kinderpflege-Anstait»
Das Siechenhaus, 1850 gegründet, ist in einem Hause in der
kleinen Buigstrasse (Nr. 22) untergebracht und bietet Platz für 76 sieche
Frauen und 11 M&nner.
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-ö 199
Die Kinderpflege-Anstalt, welche seit ihrer Gröndung im .Tnhre
1840 bis /.um Jalire 1869 als selbstständigo W oiiitliäiigkuil-aiist.iii In -tiiiulon
hat, Morgt für die Unterljriiiguns: und Erziehung von Kimlf m voh li, i-
Klteni. welclte dieser PMicht iin< li/,uküinmeij aus.ser Statide 8iiui. Die Fiir-
Siirge der iviiiderpHegeiuiytult erstreckte sich im Jahre 10^3 aui 77 Kaabeu
and 71 Mädcheii. —
Das ganze Armenwesen der Stadt wird von dem Armenkollegium
geleilet, welches aus 2 Senatoren und 42 Bürgern besteht, deren jeder
einem einzehien Armenbesirk vorsteht. Für die Krankenpflege sind die
Bezirke auf drei Distrikte vertlieilt; für deren jeden ein Armenarzt thAtig ist
Gleiclifalls als Communalanstalten sind noch das Hospital zum heiligen
Geist für 140 Hospitaliten, das St JohannisJungfrauenkloster und die
Brigittenstiftung zu nennen, während zahlreiche (21) Privatstiftungen mit
eigenen Gebäuden (die sogenannttai Annenliöfe. Armenliäuser und Annen-
gänge) ein beredte.<< Zeuguiss für den Wuhlthaligkeitasimi Irüherer Jalir-
hundertt! ablegen.
Während des lel/leit Jaliriiunderts s<ni<i Jiamenthch durch die segens-
reiche Wirksamkeit der im Jahre 1789 gegründeten Gesell«chart zur Be-
förderung gemehmütziger Tbätigkeit eine Reihe von Wolilthntigkcitsan-
stalten auf dem Gebiete der Hygiene unterstützt oder überbau})! in< Leben
gerufen worden, von denen hier nur die Ilerbeige zur Heimath, der
Schwimmunterricht für unbemittelte Mädchen und Knaben, eine Bade-
anstalt und fünf Kleinkinderschulen genannt sein mOgen. Letztere, auf
die verscldedenen Gegenden der Stadt und der Vorstädte vertheilt, haben
den Zweck, die noch nicht schulpflichtigen Kinder mittelloser Familien,
welche ihren Verdienst Tag» über ausserhalb des Hauses suchen, für
die.«e Zeit in Aufsieht nelunen, für ihre PHege zu sorgen uud .sie füi*
die »Schule vorzubereiten.
IHu Waisaiiliaiis.
Da.s Waiseuhauj- V( iiiaiikt seine Entstehung den Pe^^tzeiten im Jahre
1547. Seit dem Jahre 1810 it-t die Anstalt in das jetztige (lehnude, die
elientali;;»' noiiulcehanei, verlegt worden. Es ist für l.->0 eheliche vaterlose
Rinder beiderlei Geselileehts bestimmt (80 Knaben, 50 Mädchen). Zur
Zeit befinden sich 77 Knaben und 48 Mädchen in der Anstalt
Das Waisenhaus ist ein altes zweistöckiges Gebäude mit feuer-
sicheren Granittreppen. Für die Zöglinge sind 2 SchlafsAle, 2 Schut-
zimmer, 1 Nähstubc und 1 Esseaal, sowie 2 geräumige und ei» kleineres
Kninkenzimmer vorhanden.
Pie nicht heizbaren Schlafsäle liegen im zweiten Stockwerk. Der
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-*3 20Ü £4-
Schlafsaal für die Kuabeu besteht aus 4 Al)t}ieiliinß;en von zusammen
last 1190 cl>iii, so dass auf deu eiuzelueu Zügliug 14.8 cl)in Luftraum
entfallen. Bei den Mädchen beträgt der Luftraum für den Kopf etwas
über 9,6 cbm. In den beiden im Erdgeschoas gelegenen Schulzimmeni
kommen 0,7 qm Grundfläche und 3,1 cbm Luftraum auf jeden Zügling,
wfihrend im Esssaai ein Flächenrtium von 0,66 qm für den Kopf gewälirt
wird. Die Klassenräume eind mit Dauerbrandöfen mid mit Gasglühlicht
ausgestattet.
Der Unterrieht ui lol.irt in stünditren Lektionen mit Pausen von
10 Minutou Dauer, im Somnici von 7 11 Uhr und von 2—4 Ulir im
Winter von X — 11 unil von 1 — 4 lln- In <lei* froieii Zeit Ix wegen sicii
die Kinder naeh Mögliehkeit in friseher Luit aut einem herrlielien, vou
hohen Lindenreihen bes^ehatteten Spielplatz, der zugleich aueli als Tum
j)lntz hergerichtet ist. Hier erhalten die Knaben im Sommer 2 mal wöeheiit
lieh Turnunterricht (im Winter 1 mal wöchentlich im Tumsaal der
benachbarten Domschule). Für die Mädchen findet ein solcher nicht statt
Neben den üblichen Unterrichtsgegenständen wird auch Handfertigkeits-
Unterricht ß. im Kerbscbnitzen) ertbeilt.
Die Beköstigung erfolgt in fünf Mahlzeiten: Morgens um 6 Uhr, im
Winter um 7 Uhr, wird ein Becher Milch und ein Zwieback, um 9 Uhr
vlU zweites l''iülistück ein Zwieback, um II Uhr das Mittagessen, um
4 UIh- als Ve.-^per ein Beelier Milch mit einer dicken Schnitte Schwär?!-
l)rod. um 7 l lir als Abendessen ein IWhci Iii» r und eine mit Butter
geschnuerte tiehwarzbrod.sehnitte verabreicht. Zur Mittagsmahl zeit wird
zweimal wöchentlich Fleisch gegeben, nämlicli Sonntags etwa 1<>;") «;
Ochaenlleiseli und Freitags etwa 77 g Hammel- oder Kalbtleiach für deu
einzelnen Z()gling, wählend Dienstags eine erhebhch geringere Menge
Schweinefleisch (etwa 23 g) mit dem Geniüsegericht zusammeugekocht wird.
Als Schlafzeit gilt im Sommer die Zeit von 9 — VkO Uhr, im Winter
von 8 — 7V> l'hr, doch bleiben die grösseren Mädchen auch im Winter
noch eine Stunde länger auf.
ZeitweiHie wird zur Nachtzeit Feuendami und Fenerdrill geübt.
Die morgendlichen Waschungen erfolgen in einem Wasch- und liade
Zimmer, in welchem sieli ^UMchzeitig etwa 30 Kinder, ein jedes an ein* lu
besonderen fliessi ndvu Huhn, waschen kdimon. Als IJatlecinriclitung suiti
ein Badeofen und drei grosse Douchen v<>rhan»icn. unter «leuen gleich
zeitig etwa 8 Kinder Platz tindeu können, so dass das etwa alle 2—3
Wochen gewährte lauwarme Brausebad von der Knabcnabtheilung in etw»
IV» Stunde, V(»n den Mädchen in einer kleineu Stunde erledigt wird.
In deu Sdilafsäleu befinden sich Wasserclosels zur Benutzung für
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^ 201 es-
den Nothfall, w&hrend für gewöhnlich ein auf dem Hofe gelegenes Trog-
cloaet benutzt wird, dessen Spülung zweimal täglich geschieht
Die Kleidung der Waisenkinder besteht für Knaben in blauen
Anzügen mit einem rothen Kreuz, für Mädchen in rothen Kleidern mit
oinsm blauen Kreuz auf der rechten Schulter.
Au den Sonntagen dürfen dio Kinder Nachmittau- von 2 — 8 im
Sommer, von 2 — 7 im Winter die Anstalt verlassen, um Augehörige oder
Verwandte zu besuchen.
Da> Personal der An.stalt lie^^u ht an> ( inom VVaisenvatcr mit Krau,
zwei Lehrern, einer Lehrerin und einer ÜHndarheiUslehrerin. Auf^serdem
gehören zu den Olfiziunten ein Schneider mit Krau, eine Krankenwärteriii,
eine Köchin, zwei Hausmädchen und ein Knecht.
Die Vorsteherschaft des Waisenhauses besteht aus seclis auf Lebens-
zeit vom Senate gewählten Vorstehern. Das CapitalvermOgen der Anstalt
betr^igt etwa 600000.
Der Verein für Ferienkolonieii.
Der Verein für Ferienkolonien hat sich zur Aufgabe gestellt,
erholungsbedürftigen Kindern unbemittelter Familien die Segnungen
einer Bade- und Luftkur in einem Seebade oder Soolbade zu Theil werden
20 lassen. Bs werden ausschliesslich schwächlich© arme Kinder be-
rücksichtigt, welche das siebente 1 .elioiisjahr überschritten hHben. Ans-
^'e.schlossen öindki uuke Kinder. in.sbe.-^oDdere solche, welche an Krani|»len
(Epilepsie oder schweren Formen von V^eitstanz), Hrkrnnkim^en den
il( i/( ti-- oder der Nieren, Kimchen . (»eleuk- oder Drüseneiteruugen. erheb-
lichen Hautausschlägen,. BettnäHsen, ansteckenden Krankheiten, vor
geschrittenen Lungenkrankheiten leiden oiler mit Ungezieler behnft(>t nind.
Die Hauptlehrer der hie.'^igen Volksschulen nehmen die meint sclion
?on einem ärztlichen Schein begleiteten Anmeldungen der Kinder ent-
gegen und schlagen eine Anzahl von Bewerbern dem Vorstande des
Vereins vor, welcher durch eine Konmiission, zu der auch zwei Aerzte
geboren, die Auswalil der geeigneten Kinder vollzieht
Von den Kindern wird ein kleiner Bnichtheil, der die schwächeren,
einer steten ärztlichen Beaufsichtigung bedürftigen umfasst. in die Diako-
üissenan^talt des nahen Soolbades Oldesloe geschickt, während die übrigen
in das Seebad Trav« münde gesandt wdil« li. iiier besitzt der Verein seit
l^^N.'J auf der zum Tlicil mit Kit-htcii iM-wachsonen Priwainialbiusrl eine
eigene Baracke, welche, ursprünglich tür ;iO Kolonisten liereclmet, m^'ü
eiuer im Herbst 18j?8 vorgenommenen Vergriisserung Kaum für 4U
Kolonisten, die begleitenden beiden Lehrer oder Lehrerinnen und das aus
2 Köpfen bestehende Küchenpersonal bietet
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-ö 202
W.ilircnd letethin alljährlich je 2 tnal 10 Kinder auf 4 Wochen
nach Oldesloe gesandt wurden, kommen je 3 mal 40 Kinder (40 Knabeii.
8(1 Mäd('hen) auf vier Wocthen naoh Travemünde.
Die Gesammtleiatungen des Vereins stellen sich seit 1883 wie folgt
Es wurden geschickt:
nacb Oldonloe
nacb TKTemfindfl
jooo
Oir
41
OS
€>*.'
ßO
AI
•7«/
OD
oO
42
OO
1886
35
60
36
59
95
1887
20
90
44
66 •
110
1888
20
92
38
74
112
1889
20
120
50
90
140
\m)
20
121
54
87
141
1891
20
122
53
89
142
1892
20
121
51
90
Hl
1 ^J9H
20
120
50
90
140
1894
20
120
52
88
140
Niemals» haben epideini'" }if Krankheiten zu einer Stöning des lie-
triel)e? Veranlassunp: irejieben. Nur i^anz vereinzelt sind Kinder krankheits-
halk>er oder am discipHnaren Gründen vor l)eendeter Kur nach Hanse
gesandt und durch andere ersetzt worden. Die körperlichen Erfolg
waren durchweg erfreuli(;h, fast stets von einer merklichen Gewichts-
zunahme begleitet welche, in Travemünde durch regelmässige WfigoDgeD
ermittelt ^ich im Durchschnitt auf 1,57 kg (im letzten Jahre auf Ißi kg)
stellte. Ein ^nstigcs und nachhaltiges Ergebniss der Kur offenbaito
sich namentlicli auch darin, daws die Kinder nach der Kur mehr od«
weniger andauernd zu einem reLrelmä.«.sigeren Schulbesuch beiäliigt waren.
Diu I )urch9chDittskosteii :}38 Kindern, welche seit 1881 nach
Oldesloe und bei 118U KiiHirrn, welche nacli Travemünde geschickt
worden sind, hal>en liir jedes Kind iu Oldesloe JC 31,29, in Travemünde
. ^ 26,85 betragen.
Die zur l'^ülirung der Koloniäteu bestimmten liehrer und Lelu^riiiueu
haben in den letzten Jahren eine voraufgehende Ausbildung im Samarit0^
wesen erfahren.
Ber Verein für die Volksküche und die wohlfeile Speiseanstalt
Als Ansialtcn, welciie '^ich zur Aufgabe gestillt halH-ii, den uubt-
mittelten X'olksklassen eine gute und woblleile Xahrung zu gewähren '-i^^^^
zu nennen der „Verein für die V'olksküclie" und die mit der Aruiöfl
anstalt verbundene ,,wohljLeUe Speiseanstalt.'*
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H3 203
In der Volkf^küche, die einer privaten Anregung ihre Entstehung vor*
dttnki und nunmehr auf eine erspriessliche dreizehnjährige Tbätigkeit
zurückblicken kann, werden groBse und kleine Portionen, aus Suppe, Ge-
müse und Fleisdi bestehend, zum Preise von SO bezw. 20 Pf. ab^^egeben.
Es wurden im Jahre 1894 verabfolgt 34 197 gros.^e und (53 511 kleine
tionen, iiij^esammt 97 708 Fortioueu, was einem täglichen Durchachniit
von 271 entspiiclit.
In der sclion früher erwähnten wohU'oilon Speiseanstalt werden hi
(Ion Wintermonaten sechsmal, in der übri^^en Zeit viermal wöchentlich
Portionen, die aus eniem aus Gemüse und Fleisch oder Speck zusamnien-
gekochten Gericht bestehen, zum Preise von 10 Pf. abgegeben. Dieselben
können auch gleich dort in einem heizbaren Raum verzehrt werden.
Der Yerein gegen den mübnuieli geistiger Oetrinke.
Der Lübeckiache X'erein gegen den Misabraiich geistiger Getränke ist
ein Zweig des grossen deuU^chen Vereins, welchem er ein Drittel seiner
fiinnalimen übemiittelt. I>er Verein ist ins Leben getreten im lalne 1888,
nachdem gerade in den nc)it%iger Jahren nach der vom Kaiserlichen
Gesundheitsamte geführten KrankenhausstatiHttk der Alkoholismus in Lübeck
bedauerlidie Fortschritte ^macht hatte, während die Zaiü der Hchftnk-
wirtlischaften und Kleinverkaufsstellen für geistige Getränke eine verhält-
nissmässig hohe war (je 1 auf 159 Einwohner). V&ni Jalire vorher frei-
lich, im Jahre 1883, war das Verhältiiiss noch ungünstiger gewesen, da
bereits auf 127 Einwohner eine Verkaufsstelle oder Bchftnkwirthschaft etit-
Jiel, wälireiid im Jahre 1894 ^ioh das N'erhaltniss wie 1:182 stellte.
Das Ziel, dem MiHsbraiu h <i-ei«tiii^^r ( Jetränke entgcgenznarl)eiten und
vorzubeugen, hat der Verein aul praklischoui Wege zu erreichen ver-
•"iirlit durch die Errichtung von Kaileebuden an Stellen, die von den
.Arbeitern und anderen zum Branntweingennsse neigenden Bevolkenmgs
schichten frequentirt werden. Es sind bisher vier solche Buden in Betiieh
gesetzt worden, je eine auf dem Marktplatze, am Hafen, auf der Lastadie
bei den Holzplätzen, auf dem Bauplatze der neuen Gasanstalt.
Demnächst wird die Einrichtung einer KafTeebude in der neuer-
bauten Markthalle geplant und weiterhin wird bei dem Hau des Elbe-Trave-
Kniials < Jelegenheit gegeben sein, den Aikoliolmissbraucli in gleicher Weise
zu bekämpfen.
Die bisherigen Leistungen der Katleebuden stellen sich in den letzten
Jahren wie folgt:
üigiiizea by GoOglc
-*3 204 ö-
Tjü wurden abgegeben im Ganzen:
m
1890
1«)1
1892
1699
1894
Taseon Kaifee . . .
60144
73052
85684
85787
89096
Glaser Milch . . .
3528
12664
17885
15 177
17607
Buttermilch . . .
2279
3274
3883
3463
3551
Tassen Suppe . . .
273
925
316
233
638
Semmeln . . .
29643
46 193
37 944
36371
40602
Diese Zahlen liefern den Beweis für die Daseinsberechtigung und die
LeboTisfilhi^^keit des Vereins, wie für die Tliatsaclie. dass diireh Beschaffung
zuiraglicher (Jetriiuke dein Gennsse geistiger Getränke eiue erfolgieicla-
Coueurniiz geiiiaclii werden kann.
Mit dem Verein in Verhindung besteht seit 1889 ein Coniite für
\'olksunterli;iltuii<T'aal»f»iide, welcho« alljährlie]) 8—4 Unterhaitungsabend«- ver-
anstahet. in denen u<'u( ii ein J'^intrittHgeid von 10 Pf. eine gesunde geistige
Anregung und ünterhahuag durch belehrende \^)rträge, Deklamationen,
( H sanga Vorträge und Instrumentalmusik dargeboten wird. Diese Abeudo
ertreuen sicli nwi* ganz aus.serordeutliclien Zuspruchs, so dass der für sie
benutzte Circus bis aut den kttzten Plats gefüllt wird.
Die Beaufsichtigung des Ziehkinderwesous.
Das Halten von sogenannten Pflege- oder I\o-ikindern unter 6 Jahren
gegen Kntgelt ist nur mit Krlaubniss des Medieinalamts gesUiltet. Diese
Erlau bniss wird nur solchen weiblichen Personen ertheilt, welche nach
ünen persönlichen Verhältnissen und nach der Beschaffenheit ihrer
Wohnung /ur reb«>rnahine der Pflege olmo Gefährdung des Kindes
gGcignot erscheinen, ßoi einorii etwaigen Wohnungswechsel erlischt die
Erlaubniss. Wird das Pflegeverhältniss aufgegeben oder stirbt das Pflege*
kiud, so hat die Kostgeberin hiervon binnen 24 Stunden, im zweiten Falle
unter Angabe <ier Todesursache und des zugezogenen Arztes dem Medicinal'
ainte Anzeige zu erstatten.
Die Haushalte, welche sich mit der Aufnahme von Pflegekindern
1>efai«sen, werden durch die Organe der Polizei periodisch revidirt. Den
Pflegemüttern wird als .\nhalt für eiue zweckmilssigc Pflege und P2ruähruug
der Kinder eint^ kni /L't t';i^*ste gedruckte r»eh lii ani!: übei w iosen
Bei den jenigen Knuit i n. für wolrhe die «UlcnLliche Annonpflege oder
olVentliclu' Wohltiiatigkeit>anst!dten eintreten, findet keine Kontrole oder
Mitwirkung des Medicinulumlä statt.
Der im Jahre 1892 gegründete
gemeiiintltiige Bauvtrein,
eine eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haltpflicht, welcher Jede^
mann gegen einen wöchentlichen Beitrag von wenigstens 40 Pf. (bis zur
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-ra 206 ES-
ErwerbuDg'eines Äntheilscfaeiuefl Ton JC 250) beitreten kann, hatte sich das
Ziel gesteckt, zweckmässige und billige Arbeiterwohnungen herzuflt^len,
deren Miethimg und Erwerbung den zur Genossenschaft gehörigen Arbeitern
Ihunlichst erleichtert werden soll. Da sich jedoch herauMstellte, dass wogen
der hohen Anlorderungen, welche in Betreff der Anhaufähiirkcit neuer Vor-
st;u]ti?trassen hostolion. der Pn i< der Bauj)läl/.c unvf»rhuliiiis-inäs.<^ig hoch
ist, so hat der Verein sich eut'^chlicssen luüssou. von deu geplantcii Eitr/-cl-
wohnungeu vorerst ahznseheu und Mietli'^häiiser mit mclnereii Stockwerken
zu erbauen. Solche sind denn auch in der Vorstadt St. Lorenz in der Lml-
wigstrasse eutötantlen und stehen st it 1. Oktober 18l>4 zur Veriniethung.
Doch zeigt sich» dasa ein grosser Andrang im diesen Wohnungen in den
Arbeiterkreisen nidit besteht.
Bevttlkttniog und Bevölkerungabewegung.
BeTftUMCTttgsiahl.
Einen Ueberhlick über Zahl und Bewegung der Bevölkerung Lühecks
gehen die vom statisti-( hen Amte aufgestellten, am Sehlu.söe dieses .\h-
Schnitts angefügten 'rabt llen, die knum einer Kriänterung bedürfen.
Pie Einwoluier/.ahi Lübecks hatli im Jalire 2fiOrM» S(>e!en be-
trugen. Sie hat sieh von da ab sehr laugsam aber stelig vermehri \\\\w
das Cholerajahr 1032 hatte einen geringen Rückgang zur l'olge), so dass
die Bevölkerung etwa in jedem Jahrzehnt um lOlK) Einwohner anwuchs
und im Jahre 1852 die Zahl 30 000 erreicht war (vgl. Spalte 2 der Tab, :)8).
Im nächsten Jahrzehnt war die Zunahme etwas stärker, sie betrug fast
2000 Seelen. Vom Jahre 1865 ab fand ein schnelleres Anwachsen statt,
so dass alljährlich eine Zunahme von 1000 Einwohnern zu verzeichnen
war. Im Jahre 1872 war die Zahl von 40452 Köpfen erreicht Das
fernere Wachsthum von 1873 — 1894, bis auf 69459 Einwohner, ist in
Tabelle 33 veranschaulicht Es zeigte denmach Lübeck eine besonders
lebhafte Bevölkerungszunahme in den siebzi;.,er Jahren (von 187li — 77 um
28.8%o) und in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, während von ISHO —
1884 nur ein gei ingrs \\';telistbum st«ttfaud (17,0 %o). Fiir den ganzen Zeit-
raum von 1873—1894 ergiebt sich eine jährliche Zunulnne der Einwohuer-
zaid um 24. r> %o.
Der Autbau der Bevölkerung durch die einzelnen Altersklassen uutcr
Zugrundelegung der Zählungen der Jahre 1880 und 18*.K) wii-d in Tabelle
34 «largestellt, während Tabelle ST) an der lland der letzten vier Zählungen
den Aufbau der Bevölkerung nach fünlrjährigen Altersklasseu unter Mit
berücksichtigung des Familienstandes wiedorgieht In den beiden Tafeln
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-*3 206 EÜ-
IX a und b ist nach den Ergebnissen der letsfcen Volkszählung der Aufbau
der BevClkening nach fünfjähi-igen AltersklasBen insgesammt und für beide
Geschlechter getrennt veranschaulicht. Es erhellt daraus ein starkes Ueber-
wi^eii der weiblieheii Bevölkerung Iii den mittier^i und höheren Leiwens-
alteru von deu vierziger Jahreu aufwärts.
OebnrtaiL
Die Zahlen der Geburten in den letzten 22 Jahren sind aus Tabelle 36
ersichtlich. Die absolute Zahl derselben ist vom Jalire 1873 mit 1387
bis auf über 2100 in den letxten vier Jahren gestie^n. Der Jahresdurch-
schnitt tür den gesummten Zeitraum stellte yich auf 1819 Geburten. Bei
Berücksichtigung der Summe der Geburten im Verhriituiss zur Eiiiwohner-
zahl (Spaltf ö der Tabelle) fnllt die hohe Geburtsziffer der siel'ziger
Jalu-e auf (HTl (ahinttm auf K)0(H) Einwohner im Jahre 1877) \viiliren<J
die letzten 10 Jahre hinter dem ^^jahrigen Durchschnitt von 335 Geburteu
auf 10000 £inwohner zurückbleiben.
Die Zahl der Todtgeburten betrug in dem Zeitraum von 1873 — 1894
3,3 % alier Geburten, während sie sich von 1846—1870 auf 3,66 % belaufen
hatte. Gerade in den letzten 7 Jahren ist eine erfi'euUche Muiderzahl an
Todtgeburten zu verzeichnen gewesen, welche sich unterhalb 3 %
gehalten hat
Die Zahl der unehelichen Gehurten (Spalte 10 — 13) stellte sich für
die let/ten 22 Jahre auf 7.« % aller Gel>urt*»n In der ersten Hälfte des
Jalirliundert.s sind die nnelielielien (leburlen weit 1 läufiger gewesen. .Sie
hatten von 1813 — 1840 17,53% aller Geburten betragen. In den fünfziger
und sechziger Jahren sank die Zahl der unehelichen Geburten von Jahr-
zehnt /u Jahrzehnt und erreichte in der Zeit von 1866 — 70 mit 7,62^
ihren niedrigsten Standpunkt
Was die mehrfachen Geburten anbelangt (Spalte 14 — 19), so kamen
in den letzten 22 Jahren 459 Z^villingsgcburten und 4 Drillingsgeburten
vor, so dass 1 Zwillingsgeburt auf 86 einfache Geburten, eine Drillings-
gebnrt aber erst auf 981 >0 einfache Geburten stattfand. Diese Zaldeii
weiclicn wenig von den für Preussen erinittclten Werthen ab, welche für
einen 24jährigen Zeitraum berechnet 1 Zwillingsgeburt auf 88 einfache
Geburteu, 1 Drillingsgeburl aul 7820 einfache ergeben haben.
Die Vertheilung der Geburten auf die einzelnen Monate ist für die
letzten beiden Quinquennien in Tabelle 37 dargestellt
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-ö 207
Sterbliehlceit oad TodMunadwiL
Ueber die St«'rl>liclikeit tlei- Bovolkorung Lübecks liegen i^eiuiuf Kr-
iiiitteluiigen vor, hm zurück zum Jahre 1813 (s. Tab. 38). Die SlerlK-zilVern
für diesen 82jö]ingeQ Zeitraum, d. h. die Zalil der jährlicheu Todesfälle auf jo
1000 EiiiNvolmer, sind in der Curventofel X veninscliaulicht. Die durcbscliaitt-
liche Sterblichkeit für den ganzen Zeitraum beträgt 2r),o 5 %o der Bevölkerung.
Für die einzelnen Jahrzehnte stolit sich die Sterbeziffer wie £ol|;t:
£s starben von je 1000 Lebenden jährlich
in
den
Jahren
1813—1822
28,76
•
«
•
1823—1832
27,28
•
•
•
1833—1842
25,05
■
«
•
1843—1852
25,60
•
•
•
1853—1862
26,6 5
•
<
•
1863—1872
24.20
s
z
1873— 18H2
22,80
•
I
1883—1894
20/20
In den letzten drei Jahrzelmten ist demnach eine ganz ausstMonlcnt-
liclie Abnahme der Sterblichkeit zu constatireii. Der hohe (fes<annntdnrch-
schnitt für den 82jäliri.4;en Zeitabschnitt wie auch für die er.sten fünf Jalir-
zelmte der Bericlitszeit werden, wie ein Blick auf die Ciirventafel zeigt,
bedingt durch die enorme Sterblichkeit eiiizehier Kriegs- oder Seuchen-
jahre. Ais solche sind hervorzuheben die Jahre 1813 mit 45,8 %o, 1814
(Typhusjahr) mit 46,7 "/oo und die Cholerajahre 1832 mit 53,i %o, 1850
mit 43», %o und 1856 mit 33,6 %o Mortalität.
Andererseits sind auch früher Jahre mit sehr günstiger Sterbeziffer
za verzeichnen gewesen, so die Jahre 1816, 1825, 1840 und 1844 mit 20,2,
20,8. 20,6, 20,3 %o. Einen andauernden Tiefstand und eine Nei^aiui; zu
weiterem Abwinken hat die Sterhccurve erst seit den sechziger Jahren
irezeigt, seitdem nach Einführung' dt r Sielleituniren, besserer Wasserver
borgung und wtitt ihui des Impfzwanges Lübeck von ^« liweren Senclion
ganz verschont geblieben ist (ierude in den letzten 10 Jahren seit I8S;") ist
fünfmal ein Sinken der 8terbezilTer bis nntor 20,o zu beobachten gewesen,
ein günstiges Verhältnis^. da> am deuliiclisteu in der geringen Sterblicli-
keit des Jahres 1894 (16,8 >o) zum Ausdrucke kommt.
Was das Verhältuiss des Geschlechts zur Sterblichkeit betrifft, so
zeigt sich eine Bevorzugung des weiblichen Geschlechts, da bei einer durch*
scfanittlichen Sterblichkeit von 20,3 <Voo in den letzten 12 Jahren für das
mftnnliche Geschlecht 21,6 Todesfälle, für das weibliche Geschlecht 19,0
Todes&lle auf je 1000 Lebende eintraten (vgl. Tab. 39).
Für das Lübeddsche Landgebiet (einschliesslich Travemünde) war
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-ö 208 ea-
die Sterblichkeit m den letzten 12 Jahren günstiger als in Lübeck, dabei
machte siel» zwischen <len beiden Geschlechtern kein wesentlicher Unter-
schied geltend. Ks betrug namlieli die gesaininte Sterblichkeit 19,6 %o,
waliund sicli die Slerbezitt'er für das männliche (feschlecht auf 19,8, für
das weil'li< lip auf 19,:? holief fveigl. Tabelle 39).
Wnlirend auH Tabelle 40 da.< Aller dt r Verstorbenen iür die letzten
12 Julire hervorgeht, zeigt Tabelle 41, in welchem Prozentsätze die
ein/einen Altersklassen in dem Zeitraum von 1 840 — 1894 an den Todes«
fällen lu tliriligt sind. (Bis zum Jahre 1H74 sind die Todtgeborenen mit
in den Todesfällen inbegriffen.) £s geht daraus hervor, dass das allererste
l.«ebensalter bis zum vollendeten ersten Lebensjahre jetzt doppelt so stark
unter den Todesfällen vertreten ist, als vor etwa 40 Jahren* da damals
unter 100 Todesfällen sich 14,43 Kinder unter 1 Lebensjahr befanden,
während in dem Zeitraum von 1890—1894 von 100 Todesfällen 28,94 auf
Kinder vor vollendetem ersten Lebensjahre mtfallen.
Ueber die Kindersterblichkeit .seit dem Jahre 1873 giebt Tabelle 42
Auskunft. Eä veistarheii in dem genannten Zt itiaum von je 100 Lebend-
gtburencu 18,2 noch im ti>trn Lehfiisjaiiif. Wie überana imgünstig sich
speziell für dio uni'lK'li<litn Kinder diu LebüBswahrsclieinlichkeit .<?tellt.
ans der Thatsache hervor, dass von 100 ehelichen Kindern 16,4. von
lUU unehelichen Kindern jeiioch 34^f» vor vollendetem ersten Lebeusjalire
starben.
In der ei'sten Hälfte diese?? Jahrhunderls ist trotz der grösseren
Zahl der unehelichen Geburten die gesammte Kindersterblichkeit niedriger
gewesen« da sie sich für den Zeitraum von 1813—1845 nur auf 16,S7 5f
der Lebendgeborenen belaufen liat War die Kindersterblichkeit damals
im Ganzen geringer, so zeigte sie jedoch erheblichere Sehwankungen;
sie erreichte z. ß. im Jalire 1830 den erschreckenden Satz von 40 jl»
aller Lebendgeborenen. In den letzten Jahrzehnten ist das Verhältniss ein
gleich mä.s.sigere8 gewesen; es fand während der Jahre 1873 — 94 nur ein
Seh wanken der Kindersterblichkeit zwischen 15,7 und 20,7 % statt.
Mit einer durchschnittlichen Kimlcr-terblichkeit von 18,2% ftelit
Lübeck ungün«ti^or als I>rctucn, welciics in di in Zritrauni von 1882 — lö94
nur 17,1 % der Lebendgeborenen im ersten Lebensjahre verlor, währen*!
8ich in Hamburg für den gleichen Zeitraum die Kindei'sterblichkeit &ul
belief.
Eine Vei^leichung der Zahlen der Geburten und Todesfälle zeigt
dass in der ersten Hälfte des Jahrhunderts die Todesfälle im Jahre noch
oft zalUreicher waren als die Geburten. Dies war in dem Zeitraum von
1813—1856 in 16 Jahren der FaU. Erst seit den sechziger Jahren iitdnd
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209 e«-
lebhafte Steigerung der Geburten isu verzeichnen. Das Uebergewicht der
Gebarten über die Sterbefiüle betrug auf je 1000 Einwohner
in
den
Jahi-eu
1813—1815
— 11,0
■
•
*
1816—1820
1,6
•
>
1821—1825
-f 2,8
•
*
1826—1830
— 0,3
«
1831—1835
— 6,0
•
1830—1840
-1- 3,2
•
1841—1845
+ 2,»
•
*
•
1846—1850
— Ö,6
•
•
•
1861—1860
•f 1.«
•
•
•
1861—1870
+ 8,0
•
•
■
1871—1880
4- 10,1
•
a
•
1881-1890
+ 8,7
Ueber f^inmtliche Todesursachen in den letzten 12 Jahren giebt
Tabelle 43 Auskunft, während Tabelle 44 eine vergleichende Uebersicht
über die nach dem Geselileoht getrennten wichtigsten Todesursachen für
die beiden letztvertiossenen Quiu<ju* rmi. n ^rcwährt
Die ei"ste Stdle iint^^r den TudoMiisjuhcii iii hiuen die KrnnklioitHii
der Athinungsorgane ein, von denen im letzten Quin«iuynDiLU»i untei- dem
Zeichen der Influenza die akuten Erkrankungen der Lungen mit 11,42%
aller Todesfälle vorherrschten, während im voraufgogangenen fünfjährigen
Zeitabschnitt die Lungenschwindsucht mit 9,87^ au der Spitze stand.
Nächst den Erkrankungen der Atbinungsoigane sind Altersschwäche
ond Schwäche der ersten Lebenszeit (angeborene Jjebensschwäche und
Atrophie der Kinder), beide mit etwas über 7 %^ die hänfigsten Todesursachen.
£inea verschwindenden Antheil an der Gesainmtzahl der Todesfälle
haben die akuten Infektionskrankheiten, nur die Diphtherie macht hiervon
eine bedauerliche Ausnahme, da sie (einschliesslich Croup) 4,55 ^ der ge-
sammten Todesfälle verursachte.
Etwa 4 % aller Todesfälle werden durch Krebsleiden bedingt, durch
welche im vorlet/teii Quinqueniiiiiin das weibliche Geschlecht la.-^t do[>pclt
so stark als da.-; niiniiiliche in Mitloidenschaft gezogen ward.
Die Vertheihinu der Todesfälle an akuten Erkrank unL^en der Athmnngs-
(»rgane auf die einzelnen Monate ist für die letzten 12 Jahre in Tabelle 45
veranschaulicht. Es erhellt daraus, dass im genannten Zeitraum in
den Monaten Jniniar, Februar, März und April jeweils etwa die dreifache
Anzahl (175, 174, 185, 188). im Dezember (221) fast die vierfache Zahl
von Todrafällen durch diese Krankheitsgruppe verursacht wurde als
im August (59). In der Gurventafel XI smd die Curven der Todesfälle
14
-*3 210 83-
an akuten E2rkraDkungen der Atfamungaorgaue und die mittleren inter-
diurnen TemperaturändeningeD, welche leider nur für die letzten 7 Jahre
in einwandfreier Beschaffenheit znr Vertügung stehen, neben einander ge
stellt Die beiden Curven för die letzten 7 Jahre zeigm im üebri^en eine
merkliche UeberciiistiTiiniuiig, nur im A]'ril und Mai weichen sie erheblich
von einander ab, da im Aj»ril trotz der verhahüis.<:mässi<; constantcu Tempc
nitnrverhfthnisse doch die hfu listt» Sterbliclikeit an Erkäliunii^vkrankheiteii
von den ersten vier Monaten dc;^ .Jaiires stattfand. Dann bleiben vom Mai
bis November die beiden Cnrven nahe/.u parallel, bis im Dezember trotz
nur wenig juisgiobigerer Xemperatinsc-liwankungen ein ganz enornies An
steigen der Sierblichkeit an Erkältungskrankheiten sich geltend inaclit
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211 &-
Die Bevölkerung der Stadt Lübeok,
berechnet auf die Mitte der Jahre 1873—1894.
Tab. 33.
Jmkr.
BeTölkemn^tiahl
Mitte des lahre«.
mlaol.
welbt.
tu-
Jahr.
B«v51k«naigwiii)a]iine.
ininut.. weibl. mm
meii.
lS7:i .
1H74 .
1875 .
187G .
1877 .
19;»2'J 21 721 41 (;»()
•-'()<;8(»j 22 242 42 922
214Ü7I 22 7KJ; 4125U
22098' 23 371 1 46469
226431 24 075; 4ß7t8
Zunanuiion m 817 114 192|221 OOi)
inirchachnitt 1873/77 i 21 36S
22838' 44 201 1
rsrn 1^74
1.S71-1S75
187ö--187t;
1876-1877
1877—1878
Zusammen
Durch whn. 1873/78
I.S7« ....
1879 ....
1880 , . , .
INSI . . . .
1882 ...
Zn»<aii>iiien
Uiircbijclinitt 1S16/H'>
1883 .
1884 .
188,'i .
1H8« .
1*W7 .
ZuRamnien
IhireliBcUnitt 1883/87
23 233 24 7JvS 48 021
23 812 25476* 49 288
24376 36162, 90638
24 844 20 730| 61 574- ;
25 240 27 172 52 412
121 505 13ö;i2H251 Sn:\
24301; 2i>0<i5 50 3GÖ
4 25604 27612 53216
25946 28095 64041-
2«;:i8(; 28612 5499s
27 0:l5 29 250 ÖC. 285
27 812 29M87 57 829
132 81.J l V.\bbh Iii»; 36!»
2fi5«J3 28 711 .')5 274
1875 187;t
1S79— I.S80
1880— 1881
1881— 1882
1882— 1883
Zimaniiiicii
Durcligchn. 1878/Ki
1883- 1884
1884- 1885
1885- 1886
18S« 1H87
1887-1H88
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Beiträge zur Geologie Lürecks.
VON
W P. FRiüDRiCH.
MIT ZWEI TAFELN.
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-ö 229 63-
den Untersuchungen von Geinitz ^) wird Meckienbuig in der •
Richtung SO — 8W yon vier Endmoränen durchzogen. Zwei von diesen,
die beiden mittleren oder Hauptendmoräuen^ sind besonders scharf und
zusammenhängend entwickelt; sie verlaufen, 30 Kilometer von einander
entfernt^ im Allgemeinen parallel auf dem nördlichen und südlichen Rande
der Seenplatte, meist deren höchste Punkte in sehr wechselnder Meeres-
höhe einnehmend. Die Endmoräneuzöge entsprechen zeitweiligen Still-
f'täiideii bei dem Kürkzn^o dos Dihivialeises. zeichnen sicli also durch
einen grossen Bluckreichtuiii Nördlich von ihnen setzUi der Gletscher
M'iiu' Grundmoräne. den des« liiebeniergel. ah. und wir finden Iiier eine
wellige, durch viele Hügel und ThfilHwi) nnlerbruciicnc IHm hc mit S(»li< n
und Findlingen, die s<tgonannte Grundinorfinenlandsciiaf t. Südlich
von der Endmoräne wurden die von den Schmelzwässern des (iletscher-
eodes abgeschlänunten Kiese, Sande und Thoue in weiten, den isländischen
Sandr entsprechenden Ebenen ausgebreitet, zunä< hst das gröbere Material,
tu grösserer Entfernung die feineren Sande und Thone.
Es wäre eine dankbare Aufgabe, im Anschluss an die Arbeit von
Geinitz den Verlauf der beiden mecklenburgischen Ilauptendmoränen durch
das Lübeckische Gebiet genauer zu verfolgen. Bisher ist in dieser Richtung
nichts ^chehen. Die nördliche Endmoräne erreicht in der Ciegend von
Dassow das Gebiet der Untertrave. Wahrscheinlich bildet die noch weiter
unten zu behandelnde Lokalmoräne von Ivendorf die Forlsetzung, da sich
nör<lli( }i von derselben (Jeschiebeniergel. südlich Satidl)oden mit Steinbe-
strcuunii: ansl)reitet. da ferner in grosser Zahl inäehtiiro Findlingsblöcke
zu Einfriedigungen in den I>ui tV rii d^r Xuchbars(;hatt und in dt tn < ushiete
zwischen Waldhusen und IVippendorf zu Steinsetzungen in heidnischer
Vorzeit (Hünengrab bei Waldhusen) verwendet wurden. Allem Anschoine
nach setzt sich die Endmoräne über das Hohelied nach Katckau und Pans-
dorf fort und erreicht so den Anschluss an die Endmoräne, welche Gott,sche
in Schleswig-Holstein von Süsel über Bujendorf, Eutin, Treetz, Bordesholm,
Schleswig, Flensburg, Osterlügum und Weyens nach Wamdrup verfolgt hat
') E. Griiiitz. <ii(' Kuiiiiiomiifti MecklenburgK. Mittlieiluugeu aus d. Uroflsherz.
Mecklenburg. Geolog. LundesaMtalt. IV. Rostock 4**.
^ Vortrag von C« liottsche, gehalten in der Hambotger geogrtpluBchen Geaellscb.
•m 7. Dezember 1893. Hamb. KoneBpondent Nr. 881.
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-ö 230 &h
Die sü<1 liehe Hanpictidmoränef welche das Gchioi der gFosnen mecklen-
burgischeD Seeeu im Süden begrenzt, zieht vom Südciide des Schweriner
»Sees nach dem Südende des Sclialsees uad schneidet das Trave-Stecknitt-
geliiet wahrscheinlich zwischen Ratzebnrg und Mölln.
Die niiliere Umgebung der Stadt Lübeck bietet das ciiurukteri^tisehf
lliM der Saiidrlieidc: sie ist eine zienilicli einförmige, auf allen Seiten von
I Iiilituizügen uni.schlos.sene Ebene. Wäluend die Handhöben biy 00, /. T.
bis 90 Meter ansteigen, erreicht die Lül>eckisclje Saudrbeide nicht die
Höhe von 20 Metern. Recht lelirieich ist in dieser Beziehung die Aus-
sicht vom Pariner Berge und von der Hornsdorter Mühle bei Blankensee,
sowie die schöne Höhen^ciiichteukaile (1:50000), welche der Lübeckisdieu
Laudeskunde*) beigegeben ist.
Eigentümlich ist für die Lübeckische Sandrheide ausser der Ober
flächenform die Armut au Steinen. MH Ausnahme der unteren Ab-
lagerungen des unteren Gesdiiebemergels ist das ganze Diluvium fast
völlig steinfrei; die Spat- und Becksande sind so feinkörnig, dass ^e nicht
einmal als Mauersand verwmdet werden können und dass infolge dema
Kies von Duinmersdorf und vom Strande in grossen Mengen traveaufw&rts
nach Lübeck gebracht wird. Erst mit der .Vnnaherung au die llöhuu-
/Alge atelleu sich Steine in idlen Ablagerungen eiu.
Gliederung dee Ubeckischeii Diluviiima.')
I.\^berall. wo nicht alluviale Bildungen die Olx rllaclienljedeckin g
bihlen, tritt das Diluvium zu Tage. Dasselbe zerfällt in 4 AblageruiigcD,
nämiich
Decksand und Jleidesand,
oberen (lescbiebemergol und Bänderthon,
Spat* oder Korallensand,
unteren Geschiebemeigel und steinfreien Thon.
1. Der untere Geschiebemergel
i.^t das wichtigste (Jlied uusercs Diluviums. In seiner charakteristischen
Auebildnng mit (Tcschiebereichtum ist er nur an 2 Stellen aufgeschlossen
in der Mergelgrube am Zicgelholze bei Mölln und am Brothener Tfer
zwischen Travemünde und Niendorf. Letzteres fällt steil zur Ostsee ab
und erreicht z. T. 20 Meter Höhe. Nachstürzungen von oben machen deo
'} Die Freie und HanwKtadt hübeck. Mit b Kartell m ti Blättern. Lübeck 1890.
*) Zum ersten Male dargestellt in der „Freien und Hannustadt Lübeck 1890**
B. 33—60. Uemaelben Werk iftt eine Ftofiltafel nnd eise geologiecbe Karte Ton LSbeii
und Umgebung in Bantdradc beigefügt.
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-fö 231 ei-
Weg am Strande oft uu|>aäf<ierbar. Im Gegeuaatz zu der ziemlich gleicli-
förmigen Oberkante <les Ufers zeigt der Geschiebemergcl die mannigfaclisteii
Lügerung98töningen. Wegen seines Reiclitmins an versteincriingsfülirtnden
<Jesteiueu aus allen Formationen, iKisonders aber \vo*^cn des häutigen
N'orkomuiens do.s sogenannten liolateiner (lesteines ist das Hroliiener üfer')
selion seit 1H4H Nfevn'» lifinliir ahi/esneht worden uuU noch jedes Jahr
wiixl es /AI dii.>vm Zwecke von (»eoiogeii auli^esueht.
Im F'olgenden sind die bis jetzt ijekannt gewordenen Gesoliiebe auf-
ge/.äidt; die meisten sind bereits in (iotlsebe's Arbeit über ,di(^ »Sedimentiir-
gesdiiebe der Provinz Sebleswig-Hoistcin. Yokohama 188.')," aufgelülirt.
Die nut '* bezeiclmeton (teschiel>e wurden in den letxteu Juhren auch von
Dr. Struck gesammelt und befinden sich im Lübeckischen Museum.
a. Cambrischi» OcBteinv.
" Contrlonieiatt',
Fucoidciitandstein,
■■■ Seolithus Sandsteine zahiieich,
* Urauwackeiisehieler, zahlreieli.
.Saudsteine mit Paradctxides Tessini,
* Gestein der Zone des Paradoxides oelandicus Sj<>i;r. mit FHipsoceiilialiis
polytomus L. var., Faradoxidos h>jdgreni L. und einer Liugula oder
Liugulella^),
^Stiokkalke mit Agnostus laevigatus» A. pisifonnis, Pcltura scarabaooides
und anderen Trilobiten und Ortliis lenticularis Wahl.,
Alaunschiefer mit Acrotreta sodaMs Seeb.,
Schwarzer Thonschiefer mit Obolella Salteri,
* Olenusschiefer,
* Giaptolithengestciu mit Cyothaspis Öchmidtii Gein., neu für Schleswig-
Holstein.
b. Silurißclie Gesteine.
* üntersiliuische OrthocerenkHlke: £chinosphaeritenkalk und roter, grauer
und schwarzer Orthocerenkalk,
* Untdrailurischer MacruiarKalk,
* • Backsteinkalk,
* • Wesenberger-Kalk, liüufig, aber meist ohne Versteine-
rungen,
'] Eine einj^eiieiide Srliiklerung «les Hrntl t iier Tforn an i ' ine T,ipt<* von (!;i«rlhst
v'esanimelten Ucachieben veröffentlichte M. VV. l'ack in der Zeitschrift „Ueiiiiat" 18U2
b. 121—126.
*) Vetgl, E. StoUey, die cambriBelten und siluriflolien OcBchiebe Schtetwifs-Holstdos
und ihre Braeliiopodenikttna. L 1^. ü. Ö. Carobruclie UOBtraeos äandgtelne fand Struck
bei Gronau und Anker.
biyiiizea by GoOgle
232 &h
* UntersiluriHuher Kieselschiefer mit Orthis ai^ntoa Hts..
* * Trhiudeusscbiefer mit ßrachiopodcu und Ostracoden,
vou Schleswig-Holstein bisher nur in 2 Geschieben bekannt*)
* Obcrsilarischer Eorallenkalk,
Krinoidenkalk,
( iraptolithengesleiu, luiuiig,
IkiistritesBchiefer.
uülilliitcher KalL^teiu,
Boyriehienkalk, st'hr häulij;.
Kalkatein mit Leperditia sp.,
lotor Hamsaasa- Kalkstein init Teutaculiient
Lamollibrancliiateukalk von Xiam^aasa,
grauer Sandstein mit Chonetes striatella, dem roten Siuid*
stein von Ramsaasa entsprechend,
Dolomit mit Fischresten.
c. JurnHsifii Uestüine*).
* LiasLsclier <'^.in<l8tein mit Mollusken,
* • SphaerosiHfM il mit verkolillcti PllanzeMrosleu,
* ■ lotbraumT, dicliter Öpliaerosiderit mit Mollusken,
* • dunkolbrauiiroter Sphaerosiderit, zaiilreicbe Mollusken mit
weisser kalciniertür Schale enthaltend^).
* Kelloway-Gesteine, selten.
d. Kreide-Geetef ne.
rnterseuon; Ariiagor-Grüiisand mit riioisi)lioritkuoUcu und einem Ilaiüsch*
zabii.
Überscnon: *F'euerst(iin ans der Zone des Actindcaruax subveutricos'iis,
i * Ostraeeiige.<^teiu aus dei>ielben Zone,
• * Kie«eliger Kalk der Mucronateukreide,
• * Kj-eidegestein mit Pecten sp.,
• * Sebreibkreidc. Feuerstedno und Eisenkieskiiolieu,
* Roepinge-Sandstein,
> * Grönsandskalk,
* Faxekalk,
> * Limsten,
'i K. Stolley, ebenda 8. 44,
Die 4 Juragesteine, welciie bislier nur von Alin nshurg und einigen beniw^li
harten Orten bekannt waren (Meyn in Z. d. D. g. Ges, XIX, 1867, Ö. 14-«»
Gotteehe, Sedimentftrgeschiebe 0. 35— 36X worden neuerdings von Stolley and Stni^
in groeaer Zahl auch in der Lübeckischen Enklave Nüsse aufgefunden.
Vergl. E. Cohen und W. Deeckei aber Geecbiebe aas Neuvonponunern uo^
KUgen ti. 64.
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233
Oborsenon: * Feuerstein mit grüner Rinde, nicht selten,
• * Saliliolmkalk mit Terebratnla camea,
» * Kruideji;e>^tcin zum Saltholinkalk gehörig: Deiitalieuschicht
düH Sttltlioliiikulkes,
• * ürüusaiidötein (Meyus turoues Kieselgesloiii).
e. Tertittre Gesteine.
*£ocäDcr SAndstein, selten,
* Sphaerosiderit der jütischen Tertiärformation,
*Septarien aus dem Septarieothone,
* Mitteloligocäner Aragonit mid Septarion,
Oberoligocftnes Stemberger Gestein,
Coucretioiien und Conchylien aus dt-iu miocäucii Clliiiuiiürthuue,
■ Miocünes Holsteiner Gestein, häulig').
f. Diluviale Sflugetierreste.
Lamelle eines Mammuthzalmes, im Lübeckiseheu Museum.
In der Nähe Lübecks tritt nur die steinfreie Facies des unteren (ie-
Schiebemergels zu Tage, bei der Lachswehr und am rechten Traveufer vor dem
Burgthore; femer ist sie künstlich aufgeschlossen in der Thongrube am
Köpfeuberge, in Kochs Schiffswerft und auf der Lastadie seit der Abtrugung
der Wälle. Die oberen Ablagerungen sind meist deutlich geschichtet und
gehen durch Aufnahme von Sand (Sehleppsand) alhnähUch in den Spat-
oder Koralk'iisaiKl über. In seinen unteren Lagen umschlies.st der ,.V)lRue
Tliuü • kleine Stücke von Ft^uerstoin und Kreide, zuweilen grössere iÜöcke
und wird kie^fie Der grussle l'cil unseres unteren CJeschiebemergels ist
sonach nicht als Grundmoräne, sondern als Absclilänmiungsprodukt der-
selben anzusehen. Da weder eine Steinsohle, noch ein grösserer ßlock-
reichtum durch die zahlreichen Bohrungen der letzten Jahre nachgewiesen
worden ist, muss dieses Abschlämmungsprodukt aus weiterer Entfernung
hierher geführt worden sein.
Die Mächtigkeit des „blauen Thones*' wechselt zwischen 10 und 30
Metern. £r ist vorwiegend der Träger unserer Grundwasserschicht Die
Erdarbeiten, welche diese erreichen — besonders unsere Sielarbelten —
werden durch Wasserandrang und Triebsand oft sehr gehemmt
Eine unter dem blauen Thone liegende dünne Kiesablagerung ist
ebenfalls sehr wasserreich. Bei allen Hohrungeu steigt das Wasser, sobald
*) Aus dem HoUteiner Gesteine des Brothener Ufers fflhren Gottsdie (die Mollusken,
fanna dcH Holst. Gest. 188fij un.] Purk ('Heimat ISf'?, ll'l ztisammcn lO'^ Vor-
steiiierimgeu auf, das ist über die iiiilfte alier hm jet/.t l>ekHnnleii Arien. Von die**en
Worden bisher 3 Arten, Tritonium cf. apenuiuicum Sass., Sigarotus cf. euturalis May.
und Niao ebtnnea Biss, nur bei Tr(t?emtt&de g«fanden.
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-f3 234 Dl-
diese Schicht erreicht ist, mit grosser Kraft im Bohrrohre aufwSrto, io der
Tmvciitederuug niehroiv Meter über die Bodenoberfiäclie. lJii80i*e s&mÜicheD
urlcsischeti Brauueti haben in dieser KicHSchicht ihrcu Ursprung. Der
untere Geschiebenieigel wird vom
Korallonuuid oder Spataaad
vilailauerl. ^'liMiakteristiscli sind für diesen die rok'U FeUIspatkörner.
I»iu('listi»cke von Kieidelnyozoen. <lie fiisclio ;j^elb\vei^se Falb« nnd die
di-i oid Mit« P;ii nllelstruktur. Als Abscldämmun^sprodukt des unteren
( leseliiebemei uels i^^i er in der >iähu Lübecks leiuküruig uud wie jeuer
l'rei von Steinen.
Die iCies*jruben von Dinnmersdorf haben i>islicr eine Anzidil von
vorstcinerun^öl'ührendeii Geschieben und zahlreiche lose, aus d(»ra TertiAr
£itftmmonde Coucljylien geliefert, vor allen Murex Deshaysei, Pleurotoina
i-egutariH, Tritoniuin enodo, Stenouipfanlus Wichmanni, Ghenopus Margerini.
Pcctuncuiutr ovatus. Aus Dunmiorsdorf stammt ferner ein Backenzaltn^
bruclistück von Elephas primigenius mit deutlichem (?, nadi Gottache)
Glctscherschliife.
8. Der obtr» OeMbiebemergel oder Blodcleluii
kommt in semer typischen Auabildung nur auf den Höhenzügen vor,
wclclic die Lübeekische Ebene umschliessen. Soweit letztere reicht, tritl
an die Stelle des Hlocklelims ein vöUij; steinfreier, gelbbrauner bi?
i^elbgrauer, meist fein«j:esclii( liteter Bänderthon, dessen untere L;i;L;tn
kalkn'ich sind nnd aus'^rrdeiii ^ahlreir-ho Knlkpuppi^'n unischliesseu.
Seine Mächti,i;keit scliwankt zwi.sebun 1 und 3 Meter. Gep n den
Korallensnnd und den ilni überla;;ernden Decksand ist er scharf abge-
j^renzt. In der Ziegelei von X'urwerk zeigte ein schöner Aufschluss io
den oberen Lagen des Kor ilN nsandes zahhciche Verwerfuogen, welrfie
sich in den überlagernden Bändertl lon fortsetzten.
Der Bänderthon ist ein wielitiges Glied dos Lübeckiechen Diluviuin»;
er bildet eme weit ausgedehnte ununterbrochene Ablagerung und ist in
zahlreichen Ziegeleien auf beiden Seiten der Trave von Vorwerk bis
Heeke und bei Brandenbaum aufgeechloesen').
Er schmiegt sich allen Unebenheiten der Oberilftche an, er senkt
r>i»' VfMi Mt vii in ;*ciii»'r ^.toIi ivrischi-ii Karte von S<'lilo8wi^-lli »iHtein \n \ Lühcck
h\h alt<iiliiviMli r HrM.-krniiicrgi'l iml brauner Farbr^ finuitrairenLn Ablagvrun^'cii 'letken
Hieb z. T. uiit der Verbreitung «luH Büutlorthons, J'.i lu allen uut^reu Ziegeleien sowoW
die Bftnderthone wie d«r darunter liegende Korallenund anigescbloasen sind, ist
der Mcyn'sclie Irrtum nur dadurch au erkUren, dam Heyn diese Ablagernngen oicM
am Orte beobachtet liat
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H3 235 £»-
Hch atlmfthlich nn Heu AHhänjren der Thäler bis zur Thalsohlc. indem sich
feine Sclüt-htfläclieii (Icutlich, oft 20—30" iioij^en, er bildet das Lieijeiido
«n:mcher nioorigeii Niederungen, z. 1>. der Galgoiibrookwiescn und der
Niederun«! des hauurliolzes.
Aus allen diesen Beobaehtung^en müssen wir folmiido SHilüsse
ziolien. Der Bändertlion ist ein Süsswassergebilde. Er lagerte sieh am
Grunde eines Sees, dem immer neue Tlionteilclien zugeführt wurden, al«
feiner Schlamm ab. sieh allen Bodenunebeidieiteu anschmiegend. Die
Abhigerungen des Korallensaudes und des Bänderiiioues erfolgten ni<;lit
unmittelbar nach einander. Unsere Thäler und die wannenartigen Ver-
ticfuugen des Bodens waren bereits vorhanden vor der Entstehung des
ßfiuderthons. Lübeck war nur einmal vom Inhmdeise bedeckt.
4. Der Deoksand
i-t <^a\b, ungesehiehtet und kalkirei. Wo er die Decke des Bloekh-Iims
uml des Jiälidertiioua bildet, ist er leielit zu erkennen, »trhwi« i ii:> r ist sriu
Nachweis, wenn er den Korallensand unnuttelbar überlagert. Wie die
iibriixcn Glieder des Diluviums ist er in der Nähe Lübecks steinfrei. Seine
Mächtigkeit beträgt meist 1 Meter. Steinpflaster an der Grenze zwischen
Decksand and Blocklelim wurden bei Krempelsdorf und Paliugen beobachtet.
Eine besondere Ausbildung de.^ Decksandes ist der Heidesand, so
irenaunt nach seiner jetzigen oder liüheren Bedeekung diiich Heidekraut,
ein stark ei.seidi altiger, daher «neist rostfarbiger oder schwarzbrauner,
feinkörniger Sand Steinartig verbärti*t<^ Scliichten. Fucbserde. Kisenstein.
Orlöt<;in oder Klemb genannt, maclien wegen ihrer Undurchlassigkeit für
Wurzeln und Wasser die Bebauung des Bodens oft unmöglich. Recht
cViaraktoristiseh ist die dunkle, braunschwarze Farbe frisch gepHügter
Heidesandfelder. Der Heidesaiul bedeckt grosso Flächen unseres Sand-
gebieteä. vl a. die Grünauer und Talinger Heide, das Gebiet zwischen
Marly und Wesloe, die Umgebung von Roggenhorst und Mooigarten.
Die Stedt Lflbeck.
Die auffallendste Bodenanschwellung iu dem ganzen Sandrgebiete ist
(Icr Höhenrücken, welcher von der Theerhofsiiisel über Ballastkuhl nach
Böden zieht und sich in den Sandbergstannen in 2 Aeste spaltet^ nämlich
in den Heiligengeistkamp und in den Rücken, welcher die Stadt durch-
stellt (in der Bieitenstrasse nahe der Marienkirche mit 16 m gipfelnd).
Zwischen beiden Höhenrücken ist eine Mulde ausgebildet, welche bei den
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-ö 236
SandbergstaDnen heginut^ sich über den Galgenbrook nach der Falkoi-
wiese senkt und weiterhin allmählich wieder hebt (siehe das Phifil).
Nicht die erodierende Kraft von GletacherstrOmen, sondern eine sattel-
und muldenförmige Lagerung des unteren Geschiebemergels, TielleiGht
auch älterer Schichten, sind die Ursache der Bildung der beiden Höhen-
rücken und der Mulde. Die Wakenitz durehfliesst diese Mulde in ihrem
l)o|»)n'!l;uil(' (sielie das l'roiil) und eririonst sieh, naehdeni sie den
Ia Iüiu i* gel zwisehen Dom uud Stern wartenwuü durclil»ruuhen hut, m
die 'l'ravc.
Diu innere Stadt boHtt^ht aus drei Zonen:
1. dem H('>lieurücken, mit ö — 6 m Koralleitöoiid auf dem
Sattel des* blauen Thones,
2. der Abdachung zur Wakenitz mit üäuderthon, welcher
auch die ganze Wakenitzmulde auskleidet,
3. der alluvialen Moomietlerung der Traveseite.
Ein grosser Teil der westlichen Stadt gehört hierher. Wenn auch
mächtige Aufschüttungen das ursprüngliche Oberilächenbild verwischt
haben, so verraten doch nocli manctie Strassennameu den früheren
JCusitiuid. 7. B. De]»ennu. Kolk, Ellerbrook, En«^elswiwh und die Bezeich-
nuii.u der /ui Tiavt hinabliilircrjden Strassen als Gruben. Unsere
Wälle liegen /. T. anl' dem 'J'raveriiuor, das Bulmhofsgobäudo ruiil aut
tiüi" in Moorbodi n ei 11^:1 rann htou Pfabirosten.
Mündete die Wakenitz früher beim Burgthore in die Trave?
Graf Adolph II. von Sebauenburg erbaute (1143) Lübeck auf den» Höhen-
rücken zwisclien Trave und Wakenitz. „Wie Helmold') berichtet, ward
er hierzu vomehndieh dadurch bewohn, das^ die Trave bis dorthin
von Seeschiifen befahren werden konnte, dass die beiden Flüsse, welclie
den Höhenrücken umgaben, sumptige und unwegsame Ufer hatten.
d«iss sie sicii an der Stelle, wo der Zugtmg vom Lande statt&ind, ein-
ander sehr näherten und dass daher der Ort leicht dtuch eine Befestigung
zu sichern war.*)"
Dieser Besehreibung des nWvn Chronisten entspricht der jetzige
Lauf der Trave uud Wiü;eniiz voilkommoii. Trotzdem wurde fast
*) Helmold, Chronik lib. 1 cap. 87: Post hec venit ooroes Adolfus ad loenm, qni
dicitur I3ucu, invcnitque ibi VAllnm urbie desolate, quam aedißcaverat Crato, Dei
tiramiui», et iiiHiilain arnpIiBfimam geniino flnminp cinctnm. N:ini nna parte
Trubfiia, ex altera \V<»eiieui/.a practerlluit, imbeiiö uterque puiudoaatn et inviam
ripam. Ex eu vcro parte, tjua terreutre itcr coiitinuatur, est collis con-
tractior, vallo castii preBtructus.
W. Brehmcr, Beitrage zu einer Baogeadiiehte Ihlbecks, Zeitschr. d. V. i
Lab. Gesch. und Altertliumsk. Bd. b S. 5. 188&
H3 237 e*-
allgemein angenommeD, dass die WakenitK ursprünglich beim Burgthore
in die Trave mündete und dass erst später ihr jetziger Lauf künstlich
geschaffen worden sei*). Diese Annahme gründete sich allein auf die
Bezeichnung alte und neue Wakenitz in den Urkunden aus dorn
14. Jahrhundert und ist ueueidings von ßreluner-) widerlegt worden').
Durch eino ^rrosse Zalil von l)i)lnimgen in den Jahron 1H82 und
1894 ist fosiL^esi<Ht worden, dnss vor dem Burgthore '/.wischen 'rr;ive und
WakenitÄ ein schnialer Diluvialrückeu oinie Unterbrechung nacii Norden
zieht Er be>?tel)t unten aus gescbiebe freie in Tiion, oben aus Korallen-
sand und Bänderthon; sein Kamm liegt westlich vom Hauptwe<re. also
der Trave näher als der Wakenitz, er daclit sich zur Trave steil, zur
Wakenits allmählich ab (siebe das Ftofil). Die Kammlinie im ursprüng-
lichen Boden liegt 2 — 6 m über dem Spiegel der jetzt aufgestauten
Wakenitz^). Der schmale noch jetzt zum Teil vorhandene Festungsgraben
unmittelbar vor dem Burgthore^) und der zickzackförmige jetzt gänzlich
verschüttete Graben weiter drausscn sind künstlich hergestellt Die Wakenitz
ist demnach niemals vor dem Burgthore in die Trave geflossen, sondern
hat immer ihren jetzigen Lauf um die Stadt genommen.
Durch Bohrungen von weiten der ßuuhehörde wurde ein tiefes
Rinusiil niichgewiesen, welches .sich am Boden der heutigen Binnon-
wakenitz serpentinenartig hinzieht*). Wir wi.ssen ferner, dass die Wakenitz
behufs Anlegung von Mühlen dreimal aufgestaut worden ist (vor 1181,
1231 beim Mühlenthor, 1281) beün Hüxterthor) und dass das Stii't
Ratzeburg und da.s Johanniskloster wegen Ueljcrschwemmung ihrer
Ländereien entschädigt werden mussten. Hiernach müssen wir uns die
ursprüngliche Binnenwakeni^z als ein schmales, wie die Obertrave in
Schlangeuwindungen zwischen Wiesen dahinfliessendes Gewässer vorstellen.
Die jetzige Falkenwiese, in welcher noch jetzt Bändertbon fast bis zur
Oberfläche kommt^ ragte als landfeste Halbinsel zwischen den nun ver-
schwundenen Wakenitzwiesen empor.
») Becker, Gt'Hchichtc der Stadt Ihlbeck, Tli. 1 S. 251. — Neue LOb. Blätter
1841 8. 399, 1842 S 22, 1878 S. 361. — Deecke, die freie uod Hanaeetadt LObeok, 8. 3.
*) Brehmer, a. a. O. ö.
^Tiotidam finden wir noch bei GMnits, „die Seen, Moore und Flusslänfe
MeeklenboigB, 1886** S. 66 ohne aUe fiogrOndnng die iirtflmüdie Angabe einer
Irtheren Wakt iiitzmündung am Burgthor.
*) Der Spi( c^pI r Wakenit/. liegt am Boigtbore d,7i m aber dem Travespi^l.
^ Vcrgl. Brehmer a. a ü S. 7.
*) Einige Augaben darüber aucli bei Brebiuer, cbeudaä. 7. Vergl. die geologische
ISarte. Die Binne Ue^t hn Kittheut^ 10 m tief oder 6 m unter N. N .
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-13 238 84-
Dio Lokalmorftne m fvendorf.
Die Kreideformation ist in Sclileswig-Holstein durch zwei Gesteios-
arten vertreten, durch Schreibkreide und Grünsatidat^ Letzlerer ist aii
2 Stelleu austeheud nachgewiesen worden, im Park von Neudorf bei
Lütjenhurg und am liolien Ostseeufer westlich von Heiligenhafen. Sowohl
l^etrographisch als nach seiner Fossüfuhrung*) stimmt er mit dem Plftnor
von Brunsliuupten und Karenz in Mecklenburg übercln. ^Die Haupt*
masse dieses Gesteins l>e8tcht aus einer feinköruigen Kieselmasse von
graugiüner, in \'erwitteriiug «;elblich weisser Farbe imd ist stets in un-
zählige scharfkantige Biuch^tückc zerklüftet." ^)
Zwischen den geuaunteu Vorkoinmni.sseii in MeckKnbun: und
Holstein tritt der (irüiisandstcin nirp^i'ndR m Tnt^e, wohl aber sind Huxk '
desselben in grosser Zahl an /alilreiclicn Orten des östhchen Holstein
dem Diluvium beigemengt.*) Auch im Gebiete der Untertrave ist das
Gestein sehr h<äutig, so im Korallensande am hohen Traveufer bei
Dummersdorf und Teschow und auf den l'eldern bei Ivendorl
In mehreren Grandkuhlen, welche beim Bau der Travemünder
Eisenbahn (1882) auf der Höhe von Ivendorf angelegt wurden, kamso
abgerundete Blöcke des Grttnsandsteins mit nordischem Material ver-
mischt in ungeheuren Mengen xum Vorschein, stellenweise (so in SLoer
jetzt verschütteten Grube bei der Haltestelle Pöppendorf) waren dieselbeD
so dicht über euiander gehäuft, dass das Ganze den Eindruck einer stark
zerklüfteten Felswand machte. Da das Gestein wegen seines leichten
Zerfallen-^ iu zahlreiche Bruchstücke eiuiu längeren Transport wci,^ au?
.schiie:^sl, ist aii/.unehmcii, duss es iu nächster Näh© und wahrscheiaiich
in gerin»!;er Tiefe anstellt.
Bisher wurden iu diesem Gesteine folgende Versteinerungen ge
fuuden: unbestimmbare Arten von Voluta, Tiitonium, Gypiina, Mom,
Carditn, Teredo und Pecten, femer Pecten membranaeeus, ForamiuifersD,
ein Taachenkrebs, sowie Schuppen und Zähne von Fischen.
Neaerding8 hat 8tolley (Kreide Scbleswig-IlolBteina ä. 217) eudgiltig nacb-
gewieoeo, dass die frOher für turon gehaltenen OrOndaaodatdiie in die obenfe Zone
der Mtikronatenkreide gehören, also das jflngite Glied der Kveld^onnatkm dantettm.
*) Ifinsight**^** der Litteratur über dieses Gestein, seine Zusammensetzung udJ
FoKHilführung verwoiw irli imf <lie Arbeit von E. Stolloy über „(lic Kreiile Scblcswip
UolsteiuB" (MittbelL aus dem Miueralog. Institut der Universität Kiel. Kiel und
Leipzig 1891).
etoUay, ebenda & 919.
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H3 239
Tlefbohrunoen.
Der Untergrumi LiihcrkH ist in den Icl/Uui J;ilii-/eliiiicii durch zahl-
roiche Holmiiii^en aiifjjesi lilori>c'ii worden. Di«' moisttii i^. IIku wurden
von seilen der Baubehörde l)ei der Krucii. ruiii^ Haien- und in den
letzten .hd^ren bei den Vorarbeiten zum lvll)e- l'ravekaiiai ausj;efiiln-t.
SäintHcUe Bohrungen bewegten si('li in den Oberliäehensehieliten, nur
dio Bohrungen auf artesisches Wasser darchleufteii ileu unteren Gesehiehe-
morgel.
Ein grösseres Interesse beanspruchen vier Tiefbohrungen , wolch<>
bis ins Tertiär liinabreicben.
L Tief bohrang aof dem Karktplatie, 1878.
Sie ronsste bei 104 m Tiefe wegen eines Rohrl>mohes eingestellt
wenleii. Nach einer Noti'/ in den Tjäbecikischen Blätteni 1878, S. 240
wurden folgende Seliichten durchbolirt;
1. 0 — 9 ni: Korallensand.
2. — 24,7 2 m; Unterer Gesehiebemergel , steiulrei, in «len unteren
Lagen mit Steingrus.
3. — 28 m: Kies mit Steinen.
4. —104 m: Glimmersand, feinkörnig, nüt Jiärtereu öandaehiehten
abw'ocliselud, na(-h deren Durchbohrung meist wasserführende
Schichten getroffen wurden.
Entsprechend dem Ergebnis der folgenden Bohrung gehört der
Glimniersand zum grossen Teil dem Miocän au. Die Quellen keimten
wegen ungenügender Menge und schlechter Beschaffenheil des Wassers
nicht iratzbar gemacht werden.
2. liefboknmg in der Aktienbraaerei, 1882.
Nach Gottsched) ist das Bohrprofi] folgendes:
1. 0 — 2.'i,4 m: Unterer GeMdHebemergel.
2. — 2t5 ni: Diluvialsaud, grobkörniger Quar^isaud mit ßruclisliieken
von Feuerstein und Kalk.'^tein.
3. —27,4 m: Weissgrauer Glimnier>*and. mit Sid/säurc wenig brauseud.
4. — f)2 m: Desgleichen, nur .sehr wenig brauj^end.
5. — 105,1 m: Miocäner grauer Glimmersand mit Braunkohlenresteu.
Zeitsebiift d. D.' g. Oes. XXXVIII 2. (Sitzungsprotokoll vom 2. Juni 1886)
S. 479 and „FMe nnd Hsnseatadt Ldbeek« & 4&
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-*3 240
0. — 141,7 m: Dunkler GlimmerBaud uiit zahlreichen, leider zer
brochenen Sclialenrestcn:
Ficulaiia reticulata L.,
Nasaa bocholtcnsis Beyr.,
Bulla et cylindracea Penn.^
• Pleurotoina sp.,
Tiirritella sp .,
'roni;ilelIa sp.,
1 )( iit;iliurn sp.,
Nuiula
Yiihiia pygiiiaoa Müii..
(Jardium ? papiiloruiu,
Lcda sp.,
Neuera sp,,
Bolivina sp.
7. — 186,3 m: Septarienthou mit vielen BracliatüekeD von Schwefel-
kies, ßryozoon und Fornminiferen. Von letzteren vurden
3 Leitfoniien des ScphirienUione« sicher erkannt:
DentaÜDa obliquestriata Keufss. Z. d. d. g. Ges. 15. Taf. )j,
Fig. 11 11. 12.
Gaudryiiiu .>~ii)!ionolla Ronss, ib. Taf. f), V\^. 40 u. 41,
Textilaria attriniata lu uss, ih. Taf. (», Fi«r. :''>4.
Aii.«serdeiii wurden von Slolley die folgenden Furmeu
des Septarientliones bestimmt:*)
Dentalina consobrina d'Orb. und var.,
' acuticauda Reviss,
Teztularia carinata d'Orb.,
• ' var. lacera Beuss,
• • var. attenuata Beuss,
Spbaeroidiua variabilis Beuss (sehr häufig),
PulvinuKna contraria Beuss,
Polymorphina problema d*Orb.
8. —194,0 m: Grauer Glimmersand, mit Ö&uren brausend, ohne Ver-
steinerungen.
9. — 197,1 m: Septarieuthon, grau, saudig, mit den 3 erstgenannteu
Leitformen von No. 7. Stolley fand ausserdem Bobulina trigp-
nostrina Beuss.
10. — ^203,1 m: Grauer Glimmersaiid, mit Sftoreii lebhaft brauseni
>) Nach MdL MittolL vom Ift. 6. 96.
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-ö 241 &~
roicli an winzi^^cn unboslimmliaron ScIiiiK-nrestcn. DaStollüv')
auch hier die Sej»Uiri(Mithonionii Robiiliiia irigüiio^toma Reiiss
nacliwciscii komiU^ ist auzimehmen, <iu!?8 diose (lliiimun-sandc
niclit sciioD zum Untoroligocäu gehören, sondern wie X<> S
inid 9 nocli zur sundigeD Facies des Septarieuthoucs zu
rechnen sind.
Hieraus ergiebt sich folgendes Bolnprofil:
0—23,4 m: Unterer Ge.<elnebemergei.
— ^26 • Diluvialsand.
— 27,4 • Glimmersand.
Glimmeraand, diluvial oder tertiär.
^ I JM110C. — 141.7 * Miocttnor Glimmeraaiid.
1 I Mittel- I ^186«8 « Septarienthon.
^ I Oligoe. I — ^203»! • Desgl., sandige Facies.
—62 .
Mioc. — 141.7 »
8. Titfbohmiifr auf d«m Fferdekiiiferfeld, 1894^
ausgol'ülu't vom Hrunnuiinii i^ttr Doofsc ITir die Aklienbrauen'i. Wa.sst*r
schon boi 2.'» m Tide rvichiicii vorliatidcü, bis n m unter Ta^e steigend.
Die ßohruML: vvunie bei 100 in eingcbU'lit. Das Bolirprolil i.st lolgendea:
0 - ü ni: Dec'klchm.
Korallensand.
Unterer Geschiebemergel, meist steinfreL Bei 19 m
musste gesprengt werden.
Scharfer weisser Spatsand.
Weisser Kies.
Weisser feiner glimmerhaltager Sand, mit Salzsäure
Dicht brausend.
Weisser Kies mit wenigen Feuersteinsplittem.
Weisser feiner Glimmersand, mit Salzsäure nicht
brausend.
Dunkelgruugrüner glimraerreich«M* Sand, nach unten
dunkler werdend und thoulmltig.
—16
—20
uvili
--28
O
—32
—34
—36
« :«
H ;5
1 ~iüU
4. Tiefbohnmg in der Brauerei des Herrn Lycheuheim in Schwartau,
ausgeführt von der Hamburger Firma Boldt & Vogel, 1894 u. 9ö.')
Von unseren Tiefbohrungen ist diese die interessanteste, weil sie bis in
die obere Kreide hinabreicht. Eine fast yoUstäudige Reihenfolge von
') Na. h bri.ti. Mittfil. vom 15. 6.
*) Eiue kurze BeschrutbuDg des BohrproÜl« wurde bereiU» ia dtu LübeckiscLen
Bttttarn Sq. 42 vom 35. H. 1896 mitgeteUt.
18
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-*3 242 &h
Bohl] Hüben befindet sich im Lübeckiseheu Mttseum. Hcrru Privatdozent
Dr. E. Stollcy in Kii*l verdanke ich die BeRtimnnnio^en der \''ersteint'ningeu
und die l)LUiuii^ der uuier «Irni Septiirieuthone lugenideu S<liiciiten.
Das ßoltrprotii int folgeudes:
1. 0 — ^5,07 in: Hellgrauer feiner Saud» meist Korallenstind.
2. — 8,10 • Unterer Geechiebemergel
3. — 17,20 • Spatsand, bis 10,13 m mit RryoKoen.
4- — 39,10 • Kies mit grobem GerOll
5. — ö5,so • Kiefiiger Sand, mit einigen kleinen Feueratetnsplittenu
brännlich. wohl durt'h Brannkohlenreste, nach Stuller
prao^lii eial.
0. — 150 in: Miocuner G 1 i ni iiiersand. Von eimr liarten Srliidii
weltbe bei 120 in gesprengt wenleii nui>iste, ist niciiU« erhalte».
1, — 203,20 m: Miocäner Glimnierthon mit
Nassa hobatica Beyr.,
Oaflsiü megapolitana Beyr.,
Cancellaria evolsa Sol.,
Aporrhais alata Eichw.,
Riiigicula aurivulata Men.,
Pectuuculus 9p..
F.imopsis auiita ßiocclii,
Kusus y exiiiiius,
1 KisL'hotolith.
8. — 247,20 m: Septarienthon mit Peetnneiihi« f p . AporrhaiB s|».
(speciosa?) und einer schlanken Vaginella, welche von den
von Boll beschriebenen V. lanceolata und tenuistriata
aus dem Stemberger Gestein vefschieden ist Von
Foramiuiferen konnten bestimmt werden:
Coninspira anigjrra Reuf«*, sonf»t im Septarienthon von Fiel*-
puhl nnd Offenbacl) ui»d mi luiutäueii Tegel von Badwi
bei Wien,
Uulalia Girardiina Iveuas, allgemein im ^eptaiientlion, aucli im
Stettiner Saud,
Kotalia sp., durch ganz besonders grobporöse Schale a»'^
ge&eicbnet,
Pulvinulina Part^^cbana d'Orb. var., allgemein im iSeptarieutliou.
auch im Stettiner Sand und Miocän,
IVuneatulina äff. Akneriana d'Orb., im Septarienthoo vou
llormsdorf, Freienwalde und Fietzpulil,
üigiiizea by GoOgL
-ö 243 &h
DcDtaliuu cünsobriua <i'Orb.,
• • « var. enmciata Reuss,
• ... pauperata Borneiu.
Alle ."5 i'oiiuen im iSet>larieuU»oii verbreitet, aueli
im Sicttinor Saud,
Triloeuüiia cf. turgida HeUHf:, im Septarieiithon von llermsdort'
u. a. 0.,
Polymorpliina problema d'Orl>. yar.^ äff. var. seiiüplana d'Orb.,
wie vorige,
No«1osaria baotridium Rcuüs, sonst bei Pictepuhl, vielleicht
iiUiUtisch mit Gottnches Dentalina obllquestriata Keuss
aoB der Bohrung No. 2. Letztere Art unterscheidet sich
nur durch etwas gobogenes Gehäuse.
9. — 2<)7.20 Di: Graiigniner. s<'h\V!K'h ^aiidiL'"«r. iilitiituerlialtie«'!" Tlion,
mit i >• iitülincii ;ius <irr Verwaiicli.^elialt d«. r l'rutaiiija fonno
brina d Orb., aber schleclit erlialteo, und Te:ctularia cariuata
d'Orb. var. lacera Keuss.
Da.s Vorkomrnoii dieser für den Soplarienthou und den
Stetüner Sand sehr charakturistisehen Art beweist, das» die
stuidigen Thoue noch zum Septarientlione gehören. Gottsche's
Textilaria attenuata aus dem Bohrloch der Aktienbrauerei
[S. 240) ist nur eine andere Varietät dieser Art. Ungewöhnlich
ist an der Schichtenfolge, dass, ebenso wie bei der Lttbeckischen
Bohrung No. 2, die sandige Ausbildung des Septaricntliones
unter diesem lio^t, während an allen Orlen, wo eine solche
f^andige Facies, das Aequivalent des . Slcttiner Saude.s," an-
gescliiiittou oder erbohrt wurden ist, diese über «lern eigent-
lichen Septai ienthone liegt,')
10. — 28ä m: Von diesen Ablagerungen sind Prob(Mj nicht aulhowahrt
worden, aucli geben die liobrregisier über dir-rlhen keinen
Ausweis. Aller Wahrscheinlichkeit nach reic^heu die saudigen
Thone von No. 9 bis 28B m.
11. — 284 m: Blaugrauer Thon mit wenigen Körnern von Milchquans
und Glaukonit und zahlroichon flachen, abgerundeten, schwarzen,
bis bohneni^^njs.^en Phosphoriten (auf .«teknndörer Lagerslatte).
12. — 30'.> m: GrfUifniine thonigf < il.nikcnitsjuiile und Tlione (in l.r» m
(ückeri Lagen) in Wechsel higernng n)it 20 cm du ken Schichten
von harleiu, grauem ürünHimdsteiu. Bei ^bü wid 2öb m
Briefliche MiUuilung von Dr. £. 8toU«y.
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H3 244
wurden markasitreiclie Selii( litni trf-sprenjrt. Die immer liärter
werdondtn ( iriins!iii(l8l<siiibiinki.laui iiiussleu last sänitlich ge-
spnnirt werden. Abgerundfto Pliospliorite kommen vereiiiÄeU
in den thouigen Ablagerungen vor.
13. — 312 m: Fast thonfreier Grünsand, im feuchten Zastande dunkel-
grün, ohne Foraminiferen.
14. — 31G ni: Die Ablagerungen von No 12 in melirnuiligein \V<m'1i?o1.
Dio weichen t!u)ni^''en Zwi-(ln'ii-c!iichten iiiihielt«*n wieder
einige boiinoniönnige Phoyphoriiknöllchen , ausserdem Brueli-
»tückc von Schalen und mehrere Foraminiferen, nämlich:
L kleine Körperchen, welche vielleicht als winzige Fiscli-
koprolithen zu deuten sind,
2. Corbula si)., C'ardium s])., Lcda sp. ?, Cerithium sp. und
Bruelistücke eines Pecten, der wahrscheinlich zu ilerselben
Art gehört wie in den 1\ eiulorler (»eschieben (S. 238),
also wabrscheinlieb /u P. namlirauueeup Nilss.,
8. ein Bruebstüek einer l^rMcliyiir» nselieere.
4. Röhn l in 11 signata Reuss in mehrereu Exemplaren
und eine andere Öpecies,
ö. Cri Stellaria deeorata Reuss var. curia Stolley
(Stolley, die Kreide Schleswig-Holsteins S. 298).
Beide Foraminiferen sind charakteri»tiBch für den ober>
scnoncn Grünsandstein von Mecklenburg (z. B. Brunshauptcn)
und Holstein (/,. B. Heiligeuhafen).
Nach Stolley*) gehören die blaugrauen phosporitreichen Thone von
283 — 284 m sicher zum Untcroligocän, ebenso ein Teil der folgenden
Ablagerungen, entsprechend den schwefeikiesreichen, you harten Sand-
Steinbänken durchsetzten glaukonitischen Sauden, weltdie in Berlin.
Dahme und in der Spandauer Oitadelle unter dem vom Stettiner Sande
überlagerten Septarienihone erbohrt wurden, und entsprechend den
uuteroligocäncn phosphoritführenden glaukomtischen Sauden des Sam-
laudes. Auch aus Pommern kennt mau das miuine Unteroligocän in
ähnlicher Ausbildung unter dera Septarienthone, so bei Köslin und
Kiitjjenwalde; ebeu^^o scheinen einiL'o von Geinitz mitgeteilte Buhrprotile
in Mt ( kleiibnrir auf das Vorliandeuseiu entsprechender Schichten unter
dem bepluiien thone hinzudeuten.
*) Brieflich« Mitteilung.
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-{3 245
Der Nachweis yoD^Pecten cf membranaceus Nilss., Robulina signata
und Oristellaria deconita Keuss l&sst es ausser allem Zweifel, dass die
Schichten von 312 m an zur Kreidelormation und zwar zu dem ober
»eaonen Grünsandstein gehören. Dagegen läast sich nicht entscheiden,
wieviel von der Schichtenfolgo von 284 — 312 m unteroligocän ist und
wieviel bereits zur Kreide zu reclinen ist.
Die wichtigsten Ergebnisse der Schwurtuuor Bohrung sind folgende :
1, Der Naehvveis von Phospiu» riten , denn es ist damit ein neuer Fund-
[)imkt iü der Fortsetzung der grossen centrah'ussischeu Pho.sphorit-
zone gewonnen, welche sich von der Wolga über den Don bis zu
den Quellflüssen der Desna ausdehnt, sich weiterhin über tirodno
durch die Provinzen Preussen und Pommern bis Mecklenburg
fortsetzt und Phosphorite teils auf ursprünglicher Lagerstätte in der
Kreide, teils sekundär im Tertiär aufweist^).
2, Das Fehlen des oberoligocänen Meersandes über dem Septarienthone,
während derselbe aus Schleswig-Holstein und Mecklenbuig von
verschiedenen Orten bekannt ist. z. B. von der Biamstedter Sool-
bohrung als weisser glimraerhaltiger (juarzsand mit Kohle und
reichlichem Bernstein unmittelbar imter den in ihren untersten
Partieeo tiiouigeu mioeänen Glimiiier^and« n.
3. In dem nr»rdlichen Kreidozu^e Mecklenburgs ist eine Ueberlagerung
dnreli (lu^^ Tertiai- nicht iiedbaehtet worden, der Kreide toli^t un-
mittelbar das Diluvium. Ebenso lässt die Lokalmoräne von Ivendorf
uud das massenhafte Auftreten von verschwemmten Tertiärconchvlien
im Korallensande daselbst darauf schliossen, dass auch nördlich von
Lübeck die Kreideformutiou fast zu Tage tritt und die Tertiär-
ablagerungen durch das Diluvialeis abgetragen worden smd. Südlich
von diesem Grünsandsteinrückcn ist durch die Schwartauer Bohrung
eine Kreidemulde nachgewiesen worden, in welcher sich fast die
ganze Reihe der oligocänen und mioeänen Schichten in ungestörter
Lagerung erhalten hat.
4. Der allmähliche Uebergang des KreidegrünsandstGins in das
rnteroligocän in der Schwartauer Kreidemulde beweist wieder das
obersenone Alter der scldeswig holateinischen und mecklenburgischen
^) Nach Cfedner (die Phosphoi itknoUen des Leipziger MittcloligooHng utul
norddpatschen P}i09phorUzonen 1895 S. 45) beecfirJtnkt sich in NorddentHchland die
I '!i< ifjplif iritfühning der niccnzoischpii und iiltterliilrcti Srlsiffden nicht auf den
Bchoiaicn streifen der baltioclien Zone und diu uieiir tiuctienbafl auHgebreitclö
■ubhereyniiche Zone, sondeni di€0e beiden Zonen bezeichnen nur die Auntrichge*
biete von steUenweise und in venebiedenen Horisonten durch Phospfaoritfflhrung
aiugeseicbneten Schichtencoinplesen.
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-ö 246 &h
Gränp}iti<lftcinc und widerlegt von nnmin dio Geiuitx'ftcbe Aiif-'
fii&((iiiig dieses Gesteins als turoii oder uutorseuoii.
Die ersten Spuren artesischen Wassers (2 in üIkt Tage steinend) .
zeigt Oll sieb bei 295 m Tiefe; nneh Durcbsprengnug einer etwa flO m
di(tkon<, sebr liarlen GrflnsiandsteiusebiL'ht (bei 314,ö ni) traf miui
Soolwiisser luit eiuem Salzgehalt von iV/a v. H.
Digltized by Coogl«
Geologische Skizze von Lubeok.
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Klimatisches über Lübeck.
VON
D** SCHAPER.
HIERZU ELF TAFELN.
-13 249 £»-
Temperator.
In einem Boilrage zur Limdeskimde von Lübeck sind die meteoro-
iogisclien BeobuchiuugeD, welche in unserer Stadt bis 1884 gemaclii
worden sind^ bearbeitet und in einem Nachtrage ist damals darauf hin-
gowiesen, dass die Neuaufstellung der Thermometer, welche im Jahre 1887
vorgenommen ist^ zwar eine Änderung der Temperatarangaben wahr-
scheinlich mache, dass aber die damals vorliegenden Beobachtungen nicht
ausreiditen, um eine Verbesserung der voraufgehenden langjährigen Be-
obachtnngsreihe zu ermöglichen. Da inzwischen mehr als sieben Jahre
verflossen sind, so schien es nicht aussichtslos, den Mitgliedern der 67. \'er-
sarnmkmg deutscher XaLuilbrscher und Ärzte über die wahren niuteoro-
logischen Verliältniyse ihres diesjährigen Veraammiungsortes einigen
Aufschluss zu geben.
Die in den Jahren 1858 — 1884 in den Terminstunden 6 Uiir vor-
mittags, 2 Uhr nachmittags, 10 Uhr nachmittags angestellten Messungen
halten für Lübeck eine mittlere Jahrestemperatur von 8 2 " C. etgeben.
Die Thermometer befanden sich damals an der östlichen Hauswand der
Navigationsschule in einem allerdings nur wenige Kubikdezimeter grosseu
Schutxkasten, der der Luft einigen Durchzug gestattete. Der Kasten wurde
in den Sommermonaten vormittags von der Sonne getroffen und war bis
g^n Mittag der Stralilung ausgesetzt^
Seit Juni 1887 sind die Thermometer an der Nordwand dee Stem-
wartentunnes 1,8 m über dem Boden aufgestellt, gegen Ein- und Aus-
strahlung durch Schutzgitter gesichert, zugleich aber dem Luttzuge frei
ausgesetzt. Die Ablesungen sind um 7 Uhr vormittags uml i' Uhr und
9 Uhr nadiinitta<r^ mit nur ganz geringtügigen L'nterbrechungen vor-
geuommou. Ihis .Inlinsmittt l der 'renipcratur betrftgt für die Zeit vom
Juni 1887 bis Ende 1Ö'.'4 7.6 " C. Natürlich kann iiiau schon an sich
aus einem kaum mehr als 7jährigen Zeiti*aume eine Korrektion fiu- einen
vif-rtt lliundertjährigen nicht ableiten, um 80 weniger als bekannt ist, dass
viele der letzten Jalire durch ihre ungewöhnlichen moteorologiachen Ver-
hältnisse sich den oftgenannten lUtesten Leuten stark bemerkbar machten.
Es blieb desshalb nur der Ausweg über, nachzusehen, ob g^nüber
der Nachbarschaft sich die Temperaturverhfiltnisse — wenigstens
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-J3 2bO £4-
sclieinbar — goftndert hätten, denn nach den eiDgehendeten Tntcr
siichungen von Laniout und Dove bis auf Hellmano, Hann und Wild
laufen an gleichartig gelegenen Orten auf weiten Flächen die wahren
Nntteitemperaturen einander parallel. leider stellte sich heraus, dass für
unseren Fall auch diese lTnt«rsuch\ing auf Schwiengkeiten stösst. Aue
Ncumünster konnte wegen Erkrankung des lleobachters und bei der
kurzen der TJcarbeituim gestellten Zeit nicht das nötige Material erhalten
wenk'n. In Altunu und in Stettin haben die Beobachtungen inzwischen
WHjjen Ablehi'UH der Beobacliter, in Scliönberg i. Meckl. aus anderen
(iründen auigehürt. In Sep^olierjr liat wie in Lübeck und zwar nahe
gleichzeiti«; die Autsteliung der Tliermonieter gewechselt, und in Kosiock
ist die Station von der Navigationssehule naeli der Landwirtschaftlicheu
Vcraucbsstation verlegt. Nur in Kiel scheinen keine AendenniL^tn vor-
gekommen zu sein, aber (he Stadion Hegt sehr ungünstig, nämlich luiütti
in der '^tadt. und sie ist dicht eingeschlossen von Gebäuden.
Während für den Zeitraum von 1859 bis 1884 in der oben ge-
nannten Abhandlung sich findet, dass
die mittlere Jahrestemperatur nach den Monatsmitteln
beträgt in Lübeck Segeberg Kiel Rostock
8,06 • 7,95 ^ 8,28 • 8,04 • C.
ergiebt sich für den Zeitraum Juni 1887 bis Ende 1894
7,49 * 7,26 « 8,J0« 7,65"
die Zurückiülnuug der letzten Jahre auf die ersten beträgt also
.|- O.f.6 • -}- 0,ß(l " H- 0,08 « + 0,4 9 »
In allen Städten ist also der letzte Zeit4ibsehmtt als relativ kalt registriert,
doch kann von Lübeck. Segeber^ und Kostock gesagt werden, daäs die
T« iiij>eiaturen naluzu dieselbe Differenz zeigen, für Kiel ergiebt sich eine
Abweichung in dem Sinne, das<« die Mitteltemperatur in den letalen Jahren
im Veiigleich mit der Nachbarschaft um rund 0,ft * C. gestiegen ist Aul
den ersten Blick wird man zwar einen halben Grad Celsius als eine kaum
in Betracht kommende Grösse zu bezeichnen geneigt sein, und swar um
so mehr, als man weisfi, welchen Schwierigkeiten die Bestimmung der
wahren Lufttemperatur )>egegnet, aber mit Rücksicht darauf, dass ein
Temperaturunterschied der holsteinischen und benachbarten Städte sidi
nur in diesen Grössen hewop^t, dass also iur wenigstens einen recht
wielitigeii, kliinatiselien uii'i rneteoroloinschen Faktor mit Temperatur-
diff«'ren7eTi zu reehnen ist. «lie nioLrlidist weit unter einem halben (ini*i
lie^^en niüs.sen. ist es notwendig die Feststellung der Temperaturen bis
aui weit kleinere rnsicherheiten anzu.streben.
Aber der Parallelismus der Temperaturmitt^l längerer Jahre ist an
^ 251 DJ-
pif'h koin siehei"«! Zeichen, dass in den Ort«n. wo sich die Bedingunjxon.
luiki dc'iion ^enic^sen wurde, iiuderten. sich nicht aiK Ii die gemessenen
(in>f*sen ujeändert linhcn. Es ist t«ehr vvuld «lenkbar, das,- die .lalireijuiillül,
wie oben. s::t'\visso I>iüt)ix'nzcn zeij^en, dass aber (h't- Mittel kleinerer Zeit-
riiunic yicli anders gestalten. Hilden wir die ieniperaturiiutersclnede der
obüu ^'enaDuton tiwiie iiXT die einzelnen Monate, ao ergiebt sich folgen-
des Büd:
Temperaturunterschiede.
Periode Juni 1887 bis Ende 1804.
•j Jan.
*1
I I
Febr. <HttiT.j April
Mai.
Juni.
Juli. ; Aug. Sept.
Okt
liWk-Sfgeberj: j f 0,o i -t 0.10 -0,3:! +0,i3j-f 0,33 -rO,io fO,i2
likMk-liid — I,8U — 0,«2 — 0,05 — 0,2 j|-0,03j— 0,2 » —
likUloStwi + 0,3S>|+ 0,1 2j 4-U,24|-r 0,1 6 — 0,24]— O.aSj— 0,60
Nov. ' Dez.
Jahr.
+ 0,19!-rO,32| + ü,37 +0,19 4-0,17 +0,22
—0,64 -0,871—0,89]— 1,25— 1,49 —0,71
~Ü,2t>^ -O,4Jp<>,02
+ 0,1 3, + 0,0 6,— 0,06
Periode 1869—84.
iSlwrli -i^sreherg — 0, 0 o — o, 3 o + o, lo ! + 0. 2 o i + 0, o + ' >, s 0 + 0. 2 0
LaUik-Hid
0,70— 0.10— 0.20 —0,20l-t-0.30
Ukk-i;«t4ck ;^,3o
+0,iO|— 0,20
-0,30l— 0,10
+ 0,10 -f Ü,40
+ 0,00 +0,80 +0,->0 "0.1 o: + 0.:<o +0,10
—0,20'-: 0.1(1 —(I, ,1) --0,r.ii,--0,.->Uj— 0,23
+0,8oj— 0,soj— 0,6oj— l,»Oj— 0,auj— Ojioj— 0,20|+U,oi
Das Zeichen -f- bedeutet, das? Lübeck wärmer ist als der daneben
stehende Ort, da.s Zeiclien — . dus-s es kälter ist.
In der Periode 1887—94 ist also T.übeck stets wärmer als Segebei^g,
in der Periode 1859 — 84 aber nur in den wärmeren Monaten.
In der Periode 1887—94 ist Lübeck stete kälter als Kiel, von 18511
bis 84 sind aber drei Monate bei ansteigender Temperatur wärmer. In
der Periode 1887—94 ist Lübeck in sechs Monaten der kälteren Jahres-
zeit wärmer als Rostock, von 1859 — 84 ist das Verhalten in der Folge
der Monate wechselnd.
Erschien in den Jahresmitteln der Perioden lAibeek O.i ° brznglich
0,2 ^ wämer als Sej^eberg, so stellt es sich nach den neuen Angaben auch
in den einzelnen Monaten um 0,i ^ bis 0,4* wärmer, niemals kälter, beide
Orte scheinen sich al.so klimatisch näher gerückt. Anderseits ist Kiel
unserer Stadt entfremdet, denn man sieht, dass Kiel jetzt im Januar
1,8 wärmer ist als Lüheck (früher 0,7 und dass neuerdings im August
seine Temperatur um 0,« ^ höher liegt als hier, während sie früher 0,4 ^
darunter lag. Kiels kältester und wärmster Monat unterscheidet sich
jetzt um 17,2 « (früher 16,6 % in Lübeck heträgt die mittlere Jahres-
schwankung jetzt 18,4 " (früher 17,6
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-ö 252 £!h
Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, dass in den Monatsmitleb
grössere Unterschiede zwischen den genannten Städten auftreten und dass
der Parallelismus der Temperaturen im Einzelnen geringer ist als in deo
Jahresmitteln.
E« ist wahrscheinlich, dass ein Teil dieser Zahlenunterschiede wirk-
liclKni Kliiijaiischcu Verschiedenheiten zuzuschreiben ist, z. ß. die grössere
Tem[ujraturaiiiplitudc Rostocks, wt'lflie offenbar der etwns mehr koutiiien-
talen Lti^e entspringt, ein niulorcr 'ieil wird kfiiistlidieu ßcilingini;;cu
sein EntsteiKU wcnip^stens mit verdanken, z, Ii. die meist liöhcro Tempe-
ralur Kiels, welche auj;en-«clicinlich durch die i^age der SUition in der
Stadt bedingt ist. Daher erbchien es aucli untunlich. /\\ ( « kg weiterer Auf-
klärung noch andere, ferner gelegene Orte heran zu ziehen.
Man wird die mittlere Jahrestemperatur Lübecks auf 8,0^
bis 8,8® C. annehmen können.
Die mittleren Monatstemperaturen
in der Zeit vom Juni 1887 bis Ende 1894 waren folgende in Lübeck:
Jan. Febr.
Mftns.
April.
Hai.
Juni.
— 2,17 — 0,1»
+ 2,84
-1- t>,46
-f 12,00
-1- 14,98
Jali. August.
Septbr.
Okibr.
Novbr.
Desbr.
4- 16,26 -1 15,.3«
h 12,38
-1- 8.21
+ 3,74
+ 0,40
Es beträgt also
die Änderung d
er Temperatur von
Monat zu
Monat.
Jan. Febr.
April
Mai
Juni
zum Febr. zum März.
zum April.
/.um Miii.
i^uui Juui.
zum Juli
-i- 4.12
+ 4,98
4- 1,2 7
Juli August
Beptbr.
OkU>r.
Kovbr.
Desbr.
som Auguat. sum Sepibr.
sttm Oktbr.
cum Novbr.
Sttm Desbr.
som Jan.
— 0,8« — 3,06
— 4,1 a
— 4,47
— 3,84
— 2,67
In Tafel I sind diese Zahlen graphisch dargestellt. Es ist nicht die
Aufgabe die^r Arbeit, ein klimatischef; Bild vom südHchen Teile der
cimbrischen Halbinsel zu geben, denn dazu ist nach dem Gesagten da^
^fatcrial zu nnsiclier. Die Kurven und Zalilen Lrd)ecks zeigen, das,« in
den untersnchten Heohnclitunirsiahren die -lahresscli wajikung der Teni|>e-
nitur bcdt utcmlcr tTseiiemi als* früher, sie beträgt 18,4** gegen 17.«*-
Aber aucli andere Orte orp:cben für die.se 7jährige Periode eine grössere
Schwankung, Kiel um 0,7 Rostock um 1,7
Die Jahre 1858 — 84 heferton aus den Maximum- und Miaiinuni
temperaturen eine Mittoltemperatur von 8,6 die jüngste Periode eigiebt
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-*3 253 £>-
7.8 " — elM-iitalls ein Zeichen, dass sie einer erheblich kälteren Zeit an-
gehört. Es betragen die
Mitteltomperai uren
der Monate nach den Extremthermometern in C^:
Jan.
Febr.
März.
April.
Mai
.luni.
- 2,2
+ 0,0
+ 2,7
+ 6,7
+ 12,8
+ 15,1
Juli.
Anguit.
Septbr.
Oktbr.
Norbr.
Dezbr.
+ 16,6
+ 12,8
+ 8,6
+ 3,8
+ 0,4
Es ist also nicht nur das Jahresmittel, sondern auch das Monats*
mittel, welches die Extremthermometer liefern, durchweg um einige
Zehntel zu groas.
Fünftägige Temperaturmittel.
Ein feiner skizziei-teis I»il<l der uiitt r<ur!it( ii Periode gehen natürlich
tühtLagi^^t' W annemittcl Wir vcr/iclitt ii uul die Wiederj^ahe der nmfang-
reichen Tabelle und geben statt ihrer eine Darstellung in einer Kurve
auf Tafel II. Es sollen zuerst die gemeinsamen Punkte, die diese acht-
jährigen Ergebnisse mit langjälirigen haben, hervorgelioben werden. In
der zweiten und dritten Pentade ist stets die Temperatur sehr niedrig und
tlie Kurve erreiclit um den 12. Januar ihren untersten Punkt Kälte-
ruckfälle traten der Bogel entsprechend ein um den 12. und den 22. Februar,
den 14 März, den 13. April, den 12. Juni. Besonders rasch sank stets
die Temperatur gegen den 24. Dezember. Im Anfang Mai hielt die
Wärmezunahme auffallend an und ging am Ende tun 0,7 * zurück. Dies
ist eine geringe Andeutung der bekannten MaifirOste. In den einzelnen
Jahren war die kältei^te Pentade dieses Monats:
1888 vom ll.~I5 Mai mit 6,9 " vorlier 9,1 ' nachher 17,0*
1889
. 16.— 20 .
. 12,.3"
12.5'
18,1 •
1890
. 26.-30. .
. 9,8"
15,0 '
. 16.— 20. .
. 8,2"
. 11,1 •
1.3.9 "
1892
• 1. — 5. •
. 6,6 "
6,fi *
8,3 •
1893
• 1 . — ö. «
. 7,2'
7,9 "
8.6*
1894
1.— .0.
. 8,y •
11,2»
ll.o'»
Ersichtlich verschiebt sich die kälteste P^tade von Anfang bis Ende Mai
QDd fällt deshalb aus den Mitteln der Jahre fast ganz heraus.
Ungewöhnlich in der vorliegenden Kurve ist ihre niedrige Tempo-
niturangabe für die erste Pentade, langjährige Mittel geben eine um rund
4* höhere Temperatur.
Zwar ist im Mittel langer Jahre stets eine Teraperaturzunahme von
Mitte Januar bis zum 28. beobachtet, aber in der besprochenen Periode
iai sie gross, näniJicb 5*.
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-ß 254 E3-
Äuffallend ist in der Kurve, Sbsr ihr höchster Punkt am Ende des
Jtmiinouats liegt und dnss zwischen ihm nnd dem zweithöchsten Punkte.
Endo Juli, eine deutliclie Hinsatteluug vorliandeii ist. Lange Beol>aeh-
tungs|»eriodüU zoigon düu Scheitel der 'rempeiatur Kui\e stet« im
Aiilaiig des letzten Julidrittels, genau da, wo wir eiu yokuutUiros Minimum
IihIm i) Die Jahre 1888 (IH.w M 1889 (U,!"), 1892(13,«"), 1«94 (14.8' f
hahen diese nhtiornie Form hervorgebracht. ICine Einsattelung /^igen
ullordiug» auch laug.)ährige Fentadenmittei, aber Ende Juli, fast da. wo
unsere Kurvo dns sekundäre Maximum aufnrei»!. Auch ditso Umstäiiiie
beweisen die abnormen Verhältnisse der behandelten Periode.
Für viele Untersuchungen bedarf man der mittleren Tempe«
raturen der Jahreszeiten. Für die Periode 1887 — ^94 betrageo siu
nach den Terminbeobachtungen
im Winter Frafaling Sommer Herbst
— 0,7' + 6,9" -i- 15,5 • H- 8,1*
und nach den E.xtiemthcrmometeru
-- 0,6 • i- 7,2 * -1- 15,9 ' 4- 8.4 •
Häufigkeit der Temppraturpni j) |m n von 1* Umfang.
L i'brigens giei>t bekanntlich die iiiiitl<n ['(»mperatur irgend eints
Zeitabschnittes n(»ch kein undasseudes Bild der W'iirmcverhäUuisse, weil
sie keine^jtwegs die am häufigsten voikommeude ini. Sie .spielt daher im
Zusammenwirken aller üV>erhaupt vorkommenden Faktoren nicht die
Ijedeutendste Rulle. Das in einem Monat am häufigsten auftretende
Tttge^nüttel nennen wir nach Meyer den Scheitelwert der Temperatur.
In Lübeck ist z. B. während der behandelten Periode im Januar eine
Temperatur von — 2,1** bis — 3,0^ nur achtmal vorgekommen, obwohl dm
Jauuarmittel — 2,2*' beträgt. Dagegen kamen 25 Tage vor, an denen
2,0** bis 2,9** Wärme herrschte imd diene Temperatur wurde von
keiner andern an Häufigkeit übertroffen, \- 2,5^ ist danach der Schate!*
wert der Januartemperatur. Da diese Umstän<le für andere Orte
nichriucii untersucht sind, so sind di< <rll)('ii auch für Lübeck bcarl»eilet
Die Zahl der zur Verfügung stelieiulen Jalirc ist allerdings nicht gross.
AVenn wir uns dnn an manchen Orten ausgesprochenen Wunsche ent
ziehn, die Originalzahlcn sell>.'«;t mitzuteilen, so geschieht dies notgedrungen
mit Rücksicht auf den zur Verfügung gestellten Raum, übrigens wann
die gewonnenen Zahlen nicl)t unmittelbar vergleichbar, weil die Jaiin
verschiedene Monatszahlen und diese wieder verschiedene Tageszahkn
haben. Auch ist die Zahl der Jahre nur 8 beKüglich 7, und es finden
sich daher noch manche Zufälligkeiten. Die Beobachtungen sind deshalb
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-ö 2fiB
nach der Fonnol (a -j- 2 h |- c): 4 ausgeglichen und di<' Result^ite sind
in Proy.eiiUu nusgodrückt. iK i Ufbi isiclitHclilcpit wr^t n «lind dicM-
Ergebnisse auf Taff! ITT «liiirli Kurvenzügt« darge?*trilt. Zu Ab^^ci99lMl
sind die Tem[»craturen, m Urdiiiatcn die Häuhgkeitszalilen gcnomnicn.
Findet man also in der Januarkurve für die Temperatur von — 15,1" bis
— 16,0 C die Ordinate 1, so lieisst dies, dass unter einhundert Januar-
tagen (also in etvi'ft 3 Jaliren) ein Tag mit dem Tempcratunuittel von
etwa — 15,5^ vorkommt.
Diese Darstellungen zeigen Folgi ndej*: Im Februar, Mai« JuDi, Juli,
August, September ist nicht die mittlere Teinperatur zugleich die am
liäutigsteii vorkommende, sondern eine niedrigere kommt öfter vor; in den
übrigen Monaten ist das am häufigsten uultreteudv Tagesmittel nidit kleiner
als die mittlere Mi inatsw ärnie. In di-n graj>liis<*li«>n Oar'-tt Hungen sieht
nmn deshalb die <lie Monatsmittel darstellenden Kreide in der wärmeren
Jahreszeit und im Februar rechts vom Scheitel der Kurven liegen, in
der kälteren dagegen links. Ferner zeigt sieli, das» die Tagesnntt« ! yicl»
in der kältere! i Jahreszeit über einen grösseren Temperaturbereich nun-
dehnen als in der wärmeren, und zwar beträgt der Temperaturbereich
Im JuvT. Febrau-. lUn, April Mal. Junt. Joll. Angust. .Sepihr. Oktbr. Norember Deieniher
28» 20« 22" 17" 21» 17» 18» 13^ 12» 18» 24» 25*
lo der kälteren Jahreszeit sttngen die Kurven langsamer an, ja mit
Rückfällen, als sie a))steigen, der Scheitel liegt dementsprechend über
der rechten Hälfte der Basis. En greift nämlich das Tagesmittel
gelegentlich viel weiter nach <lcr Kälti> aus als nach der Wärme, dadurch
wild das Monatsmittel sehr herabgedi'ückt und liegt, wie oben bemerkt,
auf dem linken Kurvenzweige. In den Sommermonaten ist der Anstieg
der Kurven steiler als der Abfall, die 'ragesmittel greifen also gi legi ntlich
weiter nach der wiiruit reu Seite ans. hi allen ilieseu V'erhältnisseu
schliesst sich Lüh' * k «ier Nachbarschatt im grossen und ganzen an, wie
die Untorsuehuiiueii von K<ij»pen, Sprung, Meyer imd and<'rn zeigen.
Die Ursachen hat Meyer auseinander gesetzt (Metcorol. Zeitsehriii 1^^H7^:
Ueberwie^u des Einllusses der Ausstrahlung im Winter und der Ein-
strahlung im Sommer. Insbesondere beachte mau, dass im Mittel zwar
die trüben Tage im Febntar häufiger shid als im Januar, dass aber auch
die Zahl der heiteren viel stärker wächst. Dadurch sinkt an mehreren Tagen
im Februar die Temperatur unter Null und der Scheitelwert kommt
dadurch ebenfalls unter Null zu liegen, während er im Januar üIht
Null liegt.
Die ersten und die letzten Scheitel liegen höher als die nntUeren.
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-fö 266 £».
Jene gehören im allgemeiDeii den Monaten der kälteren und wärmercu
JaliresKeii an. Mit Ausnahme des Januar und des Juni trete» hier also die
liüufigsteu Temperaturen im Monat jregoii die ül>rigen stArker hervor als
in den Monaten, deren Scheitel /.u dtn iu der Mitte liegenden gehören:
April, Mai. Okioher. Am niedrigsten Hegt der St-heitel des Oktober.
<]afüi' ist seine < ic^t^it g< wölbt, d. h. die dein Seheilelweri lO,.^ " benach-
harten reinperatureu kommen fast ebenso hantig vor. Am höchsten iieyt
iler Scheitel iles Angust, seine Form ist dagegen spitz: 16,0° bis 16,»"
kommen 16 Mal in hundert Tagen vor, benachbarte Temperaturen aber
merkbar seltener.
Sowohl in den Anfängen wie in den Enden der Kurven ist eine
gewisse Qruppenbildung nicht zu verkennen.
Die Änderung des Scheitelwertes der Temperatur geht oft
entgegengesetzt vor sich als die der mittleren Temperatur (vergl. Taf. I).
Dies trifft die Änderung von Februar zum März und von September zum
Oktober. Der Grund liegt offenbar in der Abnahme der heiteren Tage.
Wir wenden uns nunmehr zur Betrachttmg der Teniperaturscliwau-
kungon. Da keine registrierenden Instrumente benutzt werden, so mflssen
wir uns mit den An<;abeii der Extrenilhermometer und den Termin*
ablesungeu begnügen.
Unperiodische Temperaturschwankung.
Zeltnum 1887 (Juni) bis 1894.
1 Jaauar. ^
Februar.
Man. 1 April.
Mai. j Juni.
mittleres Maximum . || +0,66**
mittleres Minimum . | —4,86*
mouatl. unperiodische «
Schwankung . . i 5,42"
— -2,66*
5,85*
+6,21"
4-11,03"
H-2,87*
8,66»
+n,i4'
+7,41'
9,78»
+ 20,18*
-(-10,08*
10.10'
Juli.
mittleres Maxiuium 4 ^Laa"
miitlei< < Miuiniuiii . -j-ll.ui*
nionati. unperiodische |!
Schwankung . . |. 9,48*
August
Septbr.
Oktober
Norbr.
Desbr.
1 —
4 20,31"
,+ lM4^
8.87«
+ 17,00", -hll.üu'
-f- 8,04* j -\- 0,44'
8,46' 1 6,16»
4-6,16"
-l-1.4a'
[ 4,78*
} 2,5$*
1 -1,61»*
4,88*
Diese Zahlen sind auf Tafel I dargestellt
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267 &h
In keinem Monat sinkt das mittlere Maximum unter den Ge&ier*
punkt dagejjen liejs^t das mittlere Minimum nicht nur in den Winter-
inoimtet» Dezember, Januar und F<>lM-nar uuter Null, sondern auch im
Mar/. Die geringsU* täßjlu-lie 8cli\s aiikung weift der Dezoiiil)er aul, diu
ijrüftbtt* der Juni und zwar ijjt iftzion- mehr als doppelt .so ^nos.s wie erstere.
In dt*r graphisch«'!! Darstelhmu ist dieser UmsUiud daiaus zu irkeiinen.
dass die Kurven i^ich im Sommer weiter von einander eiuferneu als im
Winter. Vergleicht man die vorstehenden Zahlen mit denen der Periode
1859 — 84, so wird man finden, dass sie l'/a* C. und mehr niedriger sind,
ein Umstand, der niclit allein durch die neue Aufteilung der Thermometer
%u erklären Ist, sondern in dem meteorologiBchen Cbaracter der behandelten
Jaiire seine Hauptbegründung hat
Zur Yeigleichung mit andern Orten werden in vielen Fällen die
Terminbeobachtungen herangezogen werden mfissen; sie mögen daher
hier folgen.
Mittlere Temperaturen der Termine.
(1887, Juni, bi« 1894, Ende.)
Jannar.
Februar.
Hais.
1
April. ^ Hai.
Juni.
7 tThr vorniittaprs . .
2 Uhr nachmittags .
^ Uhr nachmittags .
—2,87"
—0,86»
-2,»7'
—1,47'
+ 1,60'
—0,30'
+ 0,44'
1 5,10'
+M»'
+4,60'
-!• 9.94'
+5,70«
+ 10,63'
f 15,67'
+10,87»
f 18,44'
+13,M'
Juli.
Angttit.
Septbr.
^-10,2y'
+ U),üo'
+ 11,49'
Oktober.
Ncvbr.
Desbr.
7 Uhr vormittags
2 Uhr nachmittags
\) Ulir naclimittags .
H-14,96'
-^-19,64'
'■ -
-1-13,8:}'
-f- 18,88"
4- 14.4ü'^
. .
-f t>.86'
M(),.-ii'
4-7,66'
f 2,88'
+ 5,13'
+ 3,44'
—0,09»
4-1,^3'
-|-0,20'
Wir sehen, dass die Zweiuhrbeobachtung durchaus nicht im Mittel mit
der wArmsten Tageszeit zusammenfällt, dass man durch sie allein keines-
wegs die obere Grenze der Tageswärme erhält Es ist mitliin für Lübeck
nicht zu ermitteln, wann die Stunde der hdclisten und niedrigsten
Temperatur ist
Häufigkeit der Tem^u rat uri^ruppen von 1 ümiaug
in den Terminen.
Da das Verhalten des Monatsmittels m der am häufigsten vor«
kommenden Temperatur für die Tagesmittel oben besprochen ist, die
Termine in mancher Beziehung sich aber anders verhalten, so sollen
17
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-*3 258
einige fiemerkungen darüber hier in die Erdrtening gesogen werden.
Die BeobachtuDgen sind in Prozenten berechnet^ nach der Formel
(a 4^ 2 b 4* 4 ausgeglichoa und dann graphisch dargestellt in den
mit der TJeberschrift: Häufigkeit der Temperaturgruppen 7on 1* Umfang
u. 8. w. bezeichneten Kurven auf Tafel IV, V, VI. Zu Absciasen sind
aucli liier die Tempeiatiu -^tufen geuommen, zu Ordinatcn die Uaiilii^keil«-
zahlen in Prozent«'ii. Z. 1>. In den Kurven für 7 Uhr vormiltags
bofindot sieh der Novi-mherscheitel aut der Ab«cisge 4,o ' bia 4,9" in einer
Ordinateuhöhe 10,8, d. h. die häufigste Temperatur ist etwa 4.r)'
zwar kounnt dieselbe um 7 Uhr vormittags an UK) Novembertagen 10
bia 11 mal vor. In den Kurven für 2 Uhr nachmittags findet mau im
August für die Abscisse 14.0° bis Hy die Ordinate öj, d. h. eme
Temperatur von 14,o* bis 14,»'^ findet aicli zu dem angegebenen Termine
nur 5 bis 6 mal an 100 Augnsttagen, also in etwa 3 Jahren.
Die Kurven lehren Folgendes:
Der Scheitel der Knrven'^jiegt im November, Dezember« Januar,
Februar und März in allen Terminen und morgens und abends im
Oktober auf der rechten Hälfte der Basis, d. h. die häufigste Temperatur
(lieser Monate liegt in der wärmeren Hälfte des ganzen Temperatur-
bereichs, oder auch: <lie seltener voi koüHneinien Temperaturen greifen in
der Rielitung der Kälte aus. Vom April l)is 8ept<^Mnber und in dem
Mittagsiermin des Oktober ist es iiinm kehrt : die ^^ebeitel liegen über
der linken Hälfte der Basis, d. h. die häutigste Tem|)eratur dieser Monate
liegt in der kälteren Hälfte des ganzen in Frage kommenden Bereiches.
<lie seltener vorkommenden Temperaturen greifen in der Richtung der
Wärme aus. Auf diesen Umstand kommen wir bei der Untersuchung
der Bewölkung zurück.
Die Form des Scheitels ist auch beachtenswert. Wir unterscheiden
folgende Formen: spitz, einfach gewölbt, mehrfach gewölbt Was darunter
verstanden ist, ersieht man aus der Vei^Ieichung der folgenden Übersieht
mit den Kurven.
Form des Scheitels
der Kui'ven für die Häufigkeit der einzelnen Temperaturgruppen:
7 Uhr voru. 2 Uhr nachm. 9 ül»r nachtu.
Januar
Februar
März .
April
Mai .
Jimi .
spitz
mehrf. gew.
spitz
gewölbt
gewölbt
spitz
mehrf. gew.
spitz
spitz
mehrf. gew.
mehrf. gew.
gewölbt
gewölbt.
spitz.
gewölbt.
gewölbt.
gewölbt
spitz.
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-ö 259 ö-
7 Uhr vorm. 9 Uhr nachm. 9 Uhr nachm.
Juli spitz gewölbt spitz.
August .... spitz gewölbt spitz.
September . . . gewölbt gewölbt gewölbt
Oktober . . . mebrf. gew. mehrf. gew. spitz.
November . . . gi>wölbt spitz mebrf. gew.
Dezember . . . spitz spitz spitz.
l*ei eiiu'iu ^i)ilz(.ii Scheitel ist os wesentlich eine Tenipemturgruppe,
die am liäuHgsleu vorkomnit. die benadihurtt u ireUui bereitis weniger
häufig auf, ja rasch zurück. Die gewölbten Sclieitel deuten an. du.s8
mehrere (Iriippen gleich oder l;i<t gleicli vorkommen. Z. B. treten im
Mai 7 Uhr vormittags die vier Gruppen 8,0° bis 11,9° fast gleich liäuÜg
auf, jede in hundert Fällen 10 bis 11 mal, sodass in hundert Tagen die
Temperatur zwischen 8° und 11,9* 41 mal liegt Dagegen ist um 7 Uhr
vormittags im Juni die Temperaturgruppe 13,0 bis 12,9** 17 mai ver-
treten, die benachbarten aber kaum 1 1 mal bezüglich 14 mal. Die Höhe
des Schdtels über der Basis ^ebt ein Maass für die
Frequenz der häufigsten Temperatur.
7 Uhr vorm. 2 Uhr nacJin». 9 Uhr nachm.
Januar 10,6% 8,4% 9,2%
Feltruar .... 11,2 1,S,0 12,5
März 12,8 9,2 10,8
Aprü 13,0 8,7 11,1
Mai 10,7 8,9 10,9
Juni 17,1 9,0 13,6
JuU 16,1 11,2 15,7
August 15,6 13,8 14,9
September . . . ll,o 14,7 13,2
Oktober .... 12,0 9,fi 13,2
November . . . 10,8 12,0 10,«
Dezember . . . . 12,2 13,4 13.0
Mittel 12,8 10,9
Die grösste Wahrscl>einlichkeit ihn- Sc lit iteltempr l uturen haben also
im Mitt<*l die Morgen- und Abendteniiine; dass inillaL^s (ine gewiase
Temperatur eintritt, ist selir unsicher. Die höchsten Scheitel finden sieh
unter den 7 Uhr Yormittagstcrminen und zwar im Juni, Juli (und August),
die niedrigsten in den 2 Uhr Tt^rminen und zwar im Januar, März.
April, Mai, Juni (und Oktober). Am gleichartigsten erhalten sich die
9 Uhr Termine, deren rrozentsätze untereinander und mit dem Mittel
17»
Digrtizeo Ly <jOOgle
-e 260 ei-
die gröfiste Überoinstimmung zeigen. Verbindet man die Scheitel dorcli
Linien, so »ielit man deutlich, dass vorn und hinten höhere Gipfel als in
der Mitte sind, dem tintejirechend zeigen die Freqnenzudilen ein doppeltes
Maximum und ein doppeltes Minimum. Jene beiden liegen in der Zeit
vom Dezember bis April und im Juni bis September^ diese im Mai und
im Oktober oder November. Der Mai zeigt in allen Terminen einen
iiiiffanend niodrigen Scheitel. Die Bewölkungsverliftltiüsse geben dafür
<Ue Erkliiruu;;.
Ausfer «lom Scheitel ist auch die übritrc Form der Kurven viel-
lach typisch. Wir scheiden den Aiistit L'^ ( j ) wie den Ahfall ( — ) imch
der Neipnig vom ersten Punkte his zum Sciicilel gemessen in .') Gruppen
von + 0' bis :i 30 \ von ± 30^ his ± G0\ von + (iO'^ bis z yO^ Nti
gung. Wir nennen Anstieir wie Abfall gleichmässig, wenn <ler Kurven*
zweig in den Ilauptteilen in dieselbe Gruppe fällt, ungleichm&ssig, wenn
er in veradiiedene Gruppen fällt, wechselnd, wenn er steigend und
fallend ist
Anstieg und Abfall der Kurven
über die Häufigkeit der Temperaturgruppen der einzelnen Monate,
Jnni 1887 hi.« Ende 1894:
Januar .
Februar
März. .
April
Mai . .
Juni . ,
Juli . .
August .
Septbr. .
Oktober .
Novbr. .
Dezbr. ,
7 Ulir vonn.
Anstieg.
U" b. 30^
30' b. ÖO*
30' b. 60'
60" b.90'
30' b. «0*
60*b.90'
60' b. 90'
60' b. 90 '
60° b. 90"
30^ b. r,o^
30 h. .iO"
3U' b.ÜO"
Abfall.
30^ b. 60
30' b. 60^
30' b. 60*
30° b. 60'
30* b. 60'
60' b. 90'
60" b. 90'
60' b. 90'
60 b. 90"
60^ b. 90"^
30 b. i;u
30' b.60°
? 2 Ohr
I Anstieg.
I O b. 30'
I 30' b. 60'
30'b.60'
30' b. 60'
30' b. 60'
30' b. ecf
30'b.60'
60" b. yo"
60^ b. 90'
30' b. 60"
30° b. 60=
30^ b.ÖO"
nachm.
Abfall.
30= b. 60'
30'b.60'
30' b. 60'
0' b. 30*
0' b. 30'
30'b.60'
30' b. 60'
30^ b. 60'
(>0° b. 90°
30° b. 60''
&r b. 90'
30"^ b. 60'
9 Uhr
Anstieg.
0*b.30'
30'b.60'
80'b.60'
30' b. 60'
60'b.90'
0O'b.9O*
60'b.90*
60° b. 90'
60' b. 90"
30^ l). 6(r
30 b. iW
30' b.60'
nachm.
Abfall
SO'b.ßO'
3O'b.«0*
3O'b.60^
SO* b.W
30'b.60'
SÖ'b.eO'
30'b.6(r
60' b.90
60' b.90'
30' b.60'
30'b.60'
Im Januar steigt also die Kurve in allen Terminen sehr ^rliwach
an, ein Zeichen, dass strenge Kälte, diese aber nui- selten, vorkommt
Im Augu.st und S( j)t«'nil)er steigt dir Kurve stets !?tcil an, ein Zeichen,
dasfi die niedrigen Teuiperutureu nur in geringem Umfange vorkommen
L.iujui^L.ü L.y Google
H3 261 e*-
un<l auch diese noch nahe an den liäufigstcn liegen. Z. B. beträgt die
uulirscheinlichste Morg( ntempcmtur des Anf::nsl 11,0» bis 11,9°, die
niedrigste liegt zwisehcii •J,o° n 9.9**, also nur 2° tiefer. Für Janufir
steilen sich die ent.spreehencien Zahlen nuf ! 1,0 bis 4- 1 9 " gegen
— 21,1 " bis — 22,0°, also 23 bis 24 ' tieler. Gegen dies Ausme.s.sen der
Kurven ist allerdings einzuwenden, dass l>eide Gröescn. die den Winkel
tiestinimen, ineomniensurabel sind. Stellt man aber 1 ^ durch dieselbe
Länge dar wie ao haben die Winkel eine Definition erfahren.
Form des Anstiegs und Abfalls
der Kurven für die Häuügkeit der Temperaturgruppen:
Cileiohni;is>i<^keit
im Anstieg und
Abfall.
7 Ubr vorm.
April, Juni,
Juli, August,
Septbr, (Oktober),
NoACTiibcr.
2 ühr nachm.
Mai, Juli,
September,
Oktober.
9 Uhr nachm.
März, April,
Juni, Juli,
September,
Oktober, Novbr.
Ungleiehniassioküit
im Anstieg
oder im Ablall.
März,
Mai,
Dezember.
Augu.st,
Dezember.
Miii.
Dezember.
Weehsel
im Anstieg
oder im Abfall.
Januar,
Februar.
Januar, Februar,
März, A])ril.
Juni, November.
Januar.
l^ebruar,
August
Morgens und abends überwiegt alsf> <lie Uleieluiiä.ssigkeit, mittags
der Wechsel. Anstieg und Abfall sind meist ^lri(;imrtig.
Von Interesse ist nndi die Betraehtimg des Bereiches, iu dem zu
den einzelneu Terminen sich die Temperaturen bewegen.
Grösse des Temperaturbereichs in den Terminen.
7 Uhr vorm. 2 Uhr luichu». !• l'hr midim.
.Januar 27*0. 31' C. 29" C.
Februar 18' 24 21"
Mftrz 28« 25' 24*
April 24* 16* 17*
Mai 27* 19* 21»
Juni 20* 16* 18*
Juli 20* 16' lö*
Digitized by Google
262 &h
7 Uhr vorm. 3 Uhr nitihm. 9 Uhr nachm.
ir
17"
September . .
. . 17'
15*
14"
Oktober . . .
. . 20*
19'
16*
November . .
. . 18*
16*
17*
Deisember . .
. . 23"
26*
26'
Es fallen sofort der Januar, Dezember, Märs und Mai durch ihren gromen,
September, August und November durch ihren kleinen Bereich auf.
Bemerkenswert ist noch, dass mittiigs der grösst© Bereich im
Januar \ind der klt iiiHtc im Aumi-t auttritt und das.s die Mittagsbereiche
iillgenu'in im Winter (I )fZ('ml>t'i-, Januar und Februar) gröSHtr, in den
andoron Jalii« s/.« iten kleiner siuti nU die der übrigen Termine. Die
Kftltegrenzen tior Monate, welche durch die Anfangspunkte der Kunen
gegeben sind, treten gruppenweise auf: Februar März, auch Dezember, dann
April, Oktober, November, endlieb Juni, Juli, August, dagegen stehen
Januar und auch Mai und Beptetnbei- vereinzelt da. Die Gruppiemog
ist am deutlichsten vormittags und abends. Auch in den Wärmegrencen
finden sich für diese beiden Termine* Anhäufungen: Januar, Februar,
März, April, November, Dezember und Mai, Juni, Juli, August Ve^
einzelt stehen Oktober und September. Der ' 2 Uhr Tennin seigt die
Zusammengehörigkeit von Januar. Februar, Dezember, von März, April,
Oktober und Mai, Juni, Juli, August Allein ^teht der November.
Die Be/.ieliungen der Scheitel werte unter sieb und zum arith-
metischen Mittelwerte, der in den Ktiiven durch einen Kreis gekenn-
^eiebnet ist. mögen bier eltenfalN P)eaelitiin<: finden. Der Uebe^
sichllielikeit wegen ist eine Tabelle hierüber ausgesclirieben.
Scheitelwerte und arithmetische Mittelwerte der Temperatur
zu Lübeck. Juni 1887 bis Ende 1894:
7 Uhr vorm.
2 Uhr nachm. [
9 Uhr nachm.
wert.
AilUmMti
lüttd.
DtffiBreiii|
^Bofaelt«!-
wert
_ _
Ailthmet.
inttal.
DUftnni
SdNital*
wwt.
Alf Ulmet.
MlttcL
DUcnat
Janiur . .
f IX
+
1" 9X
- OX
— 0,6° !
' 0,0°
— 3,4"
+ 2,»'
Fehnmr . .
OX
— 1,5°
+ 2.0«''
IX
- 0,S'
-f 0,s'
Mörz . . .
0,5"
+ 0,4^
+ 0,1
+ 5,r
+ 2,4 i
2,5^
+ 1,9
+ 0,6'
April . . .
3,5^
-1,0^1
\ox
-r
+ 0,6" j
(5,5^
-r- 5,7
-r 0/
Mai . . .
0,5 =
lü,,s'
~ 0,8^^^
' 11,6^
+ 15,7»
-4,2^!
8,5^
10.9
-2.4'
Juni . . .
12,5^
13,7'
-1,2^
17,5'
+ 18,4^
— 0.9^
12,6'
18,»
Juli . . .
14.5^
10,0"
— 0,6°
' 20,6"
+ 10,5'
+ 1,0^1
11,6°
15,8^
Angust . .
12,5^
13,8^
-ir
! 18,5=
+ 18,9°
-0,1 ,
1.3,5^
14,5^
September .
9,5'
10,3'
- 0.8
15,5
+ 16,0^^
-0,5%
11,5^
+ 0,«*
Oktober . .
8,5"
-t-M*
9,6»
+ lox
-1,0^
IX
+ 0,l«
November .
+ 2X
7,6*
+ bX
+ 2,*-
I 6,**
«»4*
+ 8.1*
Deaember .
- ox
+ ox
ox
+ IX
1 OX
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H3 263 ES-
Keine einzige der am häufigsten vorkommenden Temperaturen liegt
danach unter Kuli Grad. Im Winter sind die Schciteltcmpcratiiren desselben
Monats (mit alleiniger Aubiialiine dos Januar] uui w onigt r als 1 ° von
einander verschieden und auch die Monate weiilien unter sich immer
wenig von einander ah: das ist wesentlich niiders ab das Verhalten der
Mitt*ilternperatm'en. In den anderen Jalireszeiten treten aucli im Sclioitel-
werte grosse lft<j:h'ehe Schwankungen auf, die ihren höchsten Wert im
März, April, Juli, August und September erhalten. Während die
Temperaturanwüclise um 7 Uhr erst von März zum April stattfinden,
treten sie um 2 Uhr und um 9 Uhr vom Fehruar zum März auf, und
zwar um 2 U)ir recht kräftig. Umgekehrt geht der Temperaturzuwachs
um 2 Uhr von April bis Mai viel weniger vorwiürts als in den beiden
andern Terminen. Auch zwischen Oktober und November findet um
2 Uhr ein weit geringerer Zurtickgang statt als in den benachbarten
Monaten. Dies Verhalten zeigen die Kurven auf Tafel Vif durch ihre
plötzliche Richtimgsänderung an. An diesen Stellen wird auch stets die Kurve
der Scheitelwcrte gesclmilU'U von derjenigen des urithmctisehen Mitte-ls.
Das arithmetische Mittel liegt an seiner tiefsten StoDc stet«, nn seiner
liöcli^ten aber luii' um 2 Thr tiefer als der Sclieitelw eil. Die .lalires-
schwankvai^ der liäutigsteu Teni])eraturwerte ist aber mtlrLjen?. mittags und
abends kleiner als <lie der mittleren, mittags wenig. Im Januar ist der Unter-
schied zwischen beiden Systemen am grössteu, im September, absolut
genommen, am kleinsten. Das arithmetische Mittel ist im Januar und
Februar abends grösser als vormittags, umgekehrt der Scheitelwert
Besonders hervorgehoben zu werden verdient der Umstand, dass in den
Scheitelwerten der Januar wärmer ist als der Februar, trotzdem die Kälte
im Januar weit grösser ist und dementsprechend die Kurve weiter nach
links auE^greift als im Februar.
Temperaturschwankungen.
Viel direkter als die bes[>rochenon Temperaturschwank uni^en maclien
sich diö plötzlichen, in kurzen Zeiträumen vor sicli «rehenden geltend.
Schon Kremser hat ihre Beziehungen zur Hygiene berührt, und es unter-
liegt keinem Zweifel, daes diese Verhältnisse, die der Sprachgebrauch
durch Ausdrücke wie mildes, rauhes, veränderliches Klima bezeichnet, in
der That von £influ8s auf die Gesundheit sind. Im Folgenden sollen
nur die von Tag zu Tag auftretenden Schwankungen des Tagesmittels
onteiBUcht werden.
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HS 264 EJH
M i t ( lere in tcrtliiiriic 'J't iupoiii liiräiidt rungon
in üüu Jaliren 1887 (Juni) bis J8i>4 (Ende). 'Juicl VIII.
Januar Febmar Itln April Mai Joni
mittlen, «iMiolute 2,64* l.aft* 1,77« 1,49" 1,«6° 1,72"
mltitelReiiderT^mpaatiir ^.M" 1,76* 1,80* 1,67 • 1,79* 1,72*
mit ft]]«nd«r Temiicmtitf 2,40* 1,99* 1,72" 1,87* 1,98 * 1,78*
Juli August Septbr. Oktbr. Novbr. Dezbr. Jahr
mlttlpn-, f.'»-rmtr 1,52° 1,47" 1,46" 1.71* 1,78" 1.89" 1,7&'
mit nUiyfn.lrr iv.np<ratur 1,4H° 1.49° 1,38" 1.^3° 1.7P." 2.10" 1,76°
mit falkmiet Temperatur l,f,8" I ^Q" 1.00° l,?!** 1.75" 1,78® 1,73"
Die mittleren absoluten Schwankungen .«ind erhalten, indem die
Anderuiigen von Tag zu Tag ohne Rücksicht auf das Vorzeichen addiert
und die Summe durch die Zahl der Fälle dividiert wurde. Doch wurde
das Jalircsmittel aus den Monatsmitteln berechnet. Das Jahresmittel ist
keineswegs klein für eine an der Küste gelegene Stadt; ob dies aber
allgemein für den Ort gilt, oder ob für die in Rede stehende Periode
besonders ungünstige VerhAltnisso vorlagen, Iftsst sich bei dem Mangel
an gleichzeitigem Material jetKt noch nicht sagen, das zu entseh^den
muss spättTon Arbcittni vorbehalten bleiben. Ganz be-sonders auffallend
ist das Maximum im J.aaiar. uinm.'il wogen seiner Grösse, denn kein
anderer Monat konimt ihm gleich, damj lindet sicli aher auch nach »Un
übrigen vorhrL^t lulen l iilor>iichTmgen das absolute Maximum des Jaliroe
im Dezenibei- und da8 .sekundäre im J'ebruar. Ein sekundäres Maximum
im Mui ist tür andere Orte bisher nielit konstatiert. Lübecks Verhalten
erinnert an die Veränderlichkeit der Östlichen Ost.«eeküste.
Die Tiiiitleren Schwankungen mit steigender oder fallender Temperatur
sind ähnUcli berechnet, ebenso ihr Jahresmittel Intervalle ohne Schwul*
kung wurden beiden Gruppen zugleich zugerechnet Diese Trenoung
zeigt, dass da, wo die absolute Scliwankung gross ist, es auch die beiden
relativen sind. Letztere folgen genau in ihrem jährlichen Gange der
ersten GrÖnse mit einer geringfügigen Ausnahme im August. Ganz be^
sonders ist deshalb hervorzuheben, dass der April neben dem August tind
September zu den Monaten mit den kleinsten mittleren Schwankungen
gehört, dass der Mai ebenso veränderlich ist wie der Februar und der
Dezember, dass alle «Irei aber durch den Januar übertroffen werden
I >a ihe Mitlei fiir VerÄnderungcu in ansteigendi i- und taHemlfr
Richtung in alk n Mouatem fast die?e]h< n sind, aber doch eine Hrwärmiaig
und Abkühlung stattfindet, so nmss natürlich in der er-sten J all reehälft«'
die Zahl der Tage mit ansteigender Temperatur diejenige der mit fallender
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-ö 266 e«-
{ibertr«ffen; da aber doch in der Grösse des VerhäUnisBes ein lokale«
Merkmal liegt, so ist daeselbe Mr die einzelnen Monate berechnet
Verhältnis (m.) der Erwärmiingüii zu den Erkaltungen
im Ta^'osmittcl (1887 Juni bis \H Ende)
und Proi^cntsutz (k.) der Erkaltungen in den Auderuugeu.
Jaiiiuur Februar
April
Mai
Juni
in.
1,00
1,00
1,04
1,11
1,08
k.
50
50
49
47
49
47
JnU
^ugtut
Septbr.
Oktfar.
Movbr.
Deabr.
Jahr
m.
1,07
0,81
1,00
0,84
0,83
0,68
0,96
k.
44
55
50
54
55
59
51
Eh giebt die Zalil 1,1 1 für April beispielsweise an, dmnn auf 100
Abkühlungen III Erwännungon fallen oder die Zahl 47, dass an ein-
IniiHit il Tagen 47 Aliknhiungen uiui ;'>.) Krwftrmungcn auftreten. Es ist
aNo richtig, dass vom Maiv, bis .Iiili <\iv Zahl der Erwärmungen von Tag
zu Tag grösser ist als die ilcr AbkiihhniLren. Dass aber der l 'iitersc liit <i
im April nur 0, im Mai nur 2, im Juni nur Ü Tage Itctnigt. ist doch
wenig, wenn man bedenkt, dass diese Monate der Ziit ansteigender
Temperatur angehören. Wir fügen hinzu, dass in ßreshm allerdingö die
Verhältnisse noch günstiger zu liegen scheinen. Auffallend ist auch der
Umstand, dass im ganzen Jahre häufiger Abkühlungen eintreten als
Erwärmungen, dass erstere also kleiner sind als letztere. Dies bestät^
das Ergebnis der Tabelle für die mittleren interdiurnen Temperatur-
Änderungen, steht aber im Gegensatz zu den Resultaten für bisher unter-
suchte Orte. Auffallend ist femer die geringe Zahl der Erkaltungen im
Mai. die freilich dann um so intensiver auftreten. Frühere Unte^
suehiingen haben ergeben m (M.ii) «grösser als m (April und Juni); dies trifft
aber für Lül)eck in der untersuchten Periode nicht zu. Der Dezember zeigt
unter 100 Tagen die meisten mit siiik(nder Temperatur, nächst ihiii
inaclii sieh besonders der August bemerkbar im Gegensatz z\i inen \aeh-
biirii. Es ist schon (»l)en bemerkt. diLss die Ahkühlunuen etwas häutiger
vorkumnien als die Erwärmungen. Dies trifft nicht nur im allgemeinen,
sondern auch im besonderen mit Ausnahme «les September zu, wenn
man die Änderungen in Gruppen teilt, die 0,0" bis 3,9*, 4,o*' bis 7,»"
u. s. w. umfassen. Dabei ist zu bemerken, dass Temperaturänderungen
um mehr als 8** nur 13 mal beobachtet sind und zwar, soweit das noch
geringe Zahlenmaterial einen Schluss gestattet, auch in diesem extremen
rntervall ohne eine Richtung zum An- oder Absteigen zu bevorzugen.
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■43 266
Interdiurne Temperaturänderungen in 4* Gruppen,
1887 (Juui) bis 18l>4 (Ende) auf 10 Jalue iHivcliuet.
Aendeningen . . . Jan. Febr. Märe April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dei.
vonttber4,o°. . 59 31 29 16 26 23 15 16 8 19 24 35
über 8,0». ..,6 1 1 — — ii— -__14
über 12,0» ... i — — — —
♦
Die geringste Zahl jäher Temperaturänderungen, wenigstens in deo
Mittehi, weist der September auf, nächst ihm Juli, Aprit und Augast
Am hftiifig*«ten treten die <]:ros.<«cn Schwankungen ein im Januar und
näch.stdcm im Dezember. Der vielgepriesene Mai ist von den uärmereD
Monaten der bösartigste. Im St ptt niber sind die grossen Temperatur-
äiideruugeu nur im tiinne einer Abkiüiluug erfolgt
Noch chaiakteristischer fQr die Veränderlichkeit der Temperatur
eines Ortes vil die tägliche Schwankung, die durch die Ebctremthermometor
bestimmt wird. Wie wir schon bei der Untersuchung der mittleroD
Monatstemperaturen fanden, ist die mittlere Temperatur durchaus nicht
die häuligsif. stindcni liegt systematiseh über oder unter <lieser. Die
absoiutrii Monatssehu ankuntr» n sind noch kaum auf die« Verhalten
unleisudit. Die Ergebnisse' «i« r Jahre 1887 (Juui) bis 1894 (EudeJ siud
in der folgenden Tabelle mitgeteilt:
Häufigkeit der absoluten täglichen Temperaturschwankung
iiH(Ji (Jnippon von 1 ' rnitanu in Lübeck, vom Juni 1887 bis Ende 1894.
!
1 Jao.
Febr.
Man.
April.j Mai.
Juni.
JoU.
Aug.
fiept
Okt
MOT.
Dex.
19,9'--
19,0*
1 1
1
1
18,9 • -
18,0 •
1 —
1
1
1
17,0 • -
17,0 •
1-
4
5
1
4
1
16,9
16,0'
1
2
2
6
6
5
4
15,9
15,0»
4
8
3
14,'j "
2
9
10
16
11
6
1
13,9" -
13,0"
1
5
13
11
20
10
6
7
1
12.ü'
12,0"
1
2
8
17
13
20
13
13
18
2
1
ll,y "
11.0 "
2
t
«
l.ö
22
16
23
24
26
4
2
10,t»"-
10,0 "
8
12
9
27
25
29
20
24
2
9,9"
9,0°
10
(i
13
16
23
27
28
27
27
13
2
"o
8,9*
11
8
21
22
31
32
31
28
27
20
7
ö
7,9»-
7,0 V
i 15
19
27
23
16
27
33
50
35
33
17
8
1
1
1
Digitized by Google
-ö 267 &r-
..
Jan.
!
Febr. März.
April.
Mai.
Juni.
Juli.
Aue.
Sept.
Oki.
Kov.
Dez.
6,0
o
27
28
14
19
18
27
30
28
41
28
25
0
5,0*
30
31
27
24
13
9
17
20
21
50
31
30
4,9
o
4.0 "
1
44
36
28
11
6
8
11
9
15
36
54
51
0 _
3,0'
32
34
21
16
3
2
4
6
99
4ö
51
2.9
0
2,0*
29
20
10
8
3
1
1
5
15
43
49
l.y
0
1,0 "
8
9
3
2
1
4
8
23
0,9
0
0,0»
1
Die Zahlen siud für die Kurven zunächBt ausgeglichen nach der
Formel (a -f 2 b -|- c) : 4. Auf den so erhaltenen Zahlen beruht Tafel IX.
Als Abscisseii uuf 'l'alel IX niiid die Tempera turangabou, als
OrdinaU'u die Prozentzahleii de.s Vorkommens crcnoinini'ü. Da die
untere Grenze der absolnton Teniperaturjrichwankung Null ist. nl^o
kon.'^tiuit, so sind die Kun'en so gez»i(rhnet, das.< der Nullpunkt jeder
Kurve in dem Monatsnamen liegt und dass sich diest' Nullpunkte von
Monat zu Monat nach rechte weiterscliieben. damit die Kurven sieh
trennen. Will man also z. B. iür November die Grösse dee Scheitel-
wertes kennen, so geht man von dem Namen am Anfange der Monata-
kurve so weit nach rechts, bis man unter dem Scheitel ankommt; da diee
3 Binheiten sind, so beträgt die häufigste absolute Schwankung 3,0 bis
S,«**, wahrend der durch einen Kreis in der Kurve bezeichnete Mittelwert
4,0^ bis 4,9* gross ist
Danach sind die am häutig.sten in den Monaten auftretenden täg-
lichen uhso!ut(»n Temperaturscliwaiikungen [1887 (Juni) bis 1894 (£ude)]:
Jan. Febr. Man April M«i Jani Jali Aug. Sept. Oki Nor. Dez.
4,6® 4,6» 6,0" 9,6* 8,6* 7,6* 7,ß* 7,6« 6,6* 3,6* 3.6*
Die tägliclie Wräiulerliehkeit (.'rreicht also nii Mai ihren höchsten
Wert, gleichwie bereit^ bekannt ist, dass im Mai die Teniperatur-
veränderung von Tag zu Tag wenigstens grö.^<er ist als in den bc-
nacbbarton Monaten. Allerdings ist der Scheitel der Maikurve der zwoit-
niedrigsle und er ist bereits gewöll)t, d. h. der Sclieitelwert ist nicht sehr
überwiegend, und die um 2** grösseren oder kleineren Schwankungen
kommen fast ebenso häutig vor.
Die Scheitelhöhen der besprochenen Kurven haben eine deutliciie
doppelte Periode. Das Hauptmaximum li^ im Dezember, das sekundäre
im August, das Hauptminimum liegt im April, das sekundäre im Sep-
tember. Je höher die Scheitel liegen, desto steiler steigt die Kurve an:
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-*3 268
je kleiner also die häufigste absolute Schwankung zu sein pflegt« um so
häufiger wird sie erreicht Auch das entgegeugeeeteie gilt: Je geringer
die Steigung der Kurve ist, um so niedriger liegt der Scheitel; also: je
höher in einem Monat die häufigste absolute Tagesamplitude zu sein
pflegt, in um so weniger Fällen wird sie wirklich erreicht, vielmehr sind
die benachbarten Amplituden fast ebenso wahrscheinlich. Eine Ve^
gicicliung dieser Reaultato mit denen <ler Tabelle: Mittlere monatlielio
iinpeiiodische Schwankung (S 2r>6) lässt «ofort erkennen, dass lüe
mittleren Werte der unperiüdiötheu beliwaiikiiiig bei weitem nicht die
iini hiuifi;j;';ten uuitretendeii sind. Vielmehr Ixstelit cnie einseillLit'
Dirterenz in der Richtung, dass die mittleren Tcmpeniturschwankimgeii
grösser .sind als die am häufigsten auftretenden. Am weitestt^n entlomea
sich beide Systeme von Werten im Juli (um 1,9"), am wenigsten im
Dezember (0,7°). Worin der Grund liegt» ist nach den Untersuchungen
von Meyer und Sprung klar, nämlich darin, daas das arithmetiache Mittel
nur für solche Werte zugleich der am häufigsten vorkommende sein
kann, die nach beiden Seiten durch Zufälligkeiten sich um einen wahren
Wert gruppieren, aber nicht durch eine in der Natur der Sache übende
Schranke nach einer Richtung begrenzt sind. Diese Grenze ist hier un<
verrückbar durch dio denkbar kleinste Schwankung + O.o" nach der
einen Seite zu gegeben, während nach der andern Seite keine tuigegebeu
werden kann.
In den lieiträgen zur Topographie von Lübeck sind die absoluten
'i'enijieraturminima der Jahre 1840 — 84 aufgetuhrt. Es i«t von Interesse,
damit die Kxtreme der hier iu Bede stehenden Periode zu veigieichen.
Ab.solute Temperatnrmininia unter 0° C.
11:^7 Juni — 1894 Ende.
Jan. j Febr.
'i
_ « ^
Min.
ApriL
Mai.
Juni.
Juli. 1 Aug.
Sept.
0kl
Moff.
18871, -
<
-4,1
- ^
-II.»
1888 14,4
-14,2
' 12,4
— S,s
-0,2
-«.«
- 6vs
- 6,0
1889 - 14,0
- 14,8
— 16.4
— 0,»
- 4,1
- 6,9
1890 '- 8,7
- 6,9
-16,2
_
— 13,s
-15,1
1S91 - in, 7
-11,2
- 6,0
-2.4
_
— 2,2
- 2,9
- 7,1
1892 - 18.«
— 14,.-.
— 8,0
-3,3
-
-1,5
- 8,5
-12,7
1893 24,3
- 9.4
- 3,:!
-3,2
-1,3
- 3,7
- 7,7
1894 - 18,9
— 6,8
- 2,0
_
_
-1,3
- 2,4
- 4,«
Anch diese Jahre bestätigeu. das.« im April Frost nur selten aus-
bleibt, im Mai ist dagegen auffallend selten eine Temperatur unter 0^
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-ö 269
beobachtet. Während der Jahre 1840—84 ergiebt fast jedes zweite Jahr einen
Maifroflttag. Dass im September kein Frosttag sich zeigt, steht nicht im
Widerspruch mit der 45jährigen Erfahrang, denn dort kommt ein solcher
auch nur alle 15 Jahre einmal vor. Der Oktober dagegen erscheint mit
iUirtalleiKl vielen FrusUagfU. Duss im Jauuar. Februar. Mär/-, November.
Dezember nie Frost ausbleibt, ist für Liihrck die Regel.
Heziiglicb di r iStarke des Frostes nehmen «lie .Jabre 18H7~-94 eine
liervorrngcnde Siellc ein, insofern als in 4 Jaliren die Jnnuartenjperatnr.
in 2 Jahren die Märztem}>eratur (in 45 Jaliren souüt nur 1 iiial), iu 1 Jahre
die Dezenibertemperatur unter — 15** sinkt.
Während des genanuten Zeitranme« trat in Lübeck im Mittel i\m
26. Oktober der erste, am 14. April der leiste Frost ein. Es verliefen
mithin 169 Tage im Mittel ohne Frost — etwa 24 weniger als in der
Periode 1858—84.
Die Zahl der Sommer tage, d. h. solcher Tage, an denen das
Mazimmnthermometer 25* C. und mehr im Schatten zeigt, ist folgende
in der Zeit 1887 Juni bis 94 Ende:
Mai Juni Juli August September
ganze l'eriode ... 17 31 .% 22 1
jähr!. Mittel .... 2.< 3,9 4.5 2,8 O.i
Zur Zeichnung der besprocheneu Periode gehört noch eine Mit-
teilung über die Frosttage, d. b. .solche Tage, an denen die niedrigste
Temperatur überhaupt unter Null Grad winkt, über die Eishige, an denen
sie sich überhaupt nicht über Null Grad erhebt, und über die Sommer-
tag^e, an denen die höchste Temperatur 25** im Schatten überschreitet.
1887 Juni bia
Sommertage
1894 End«.
VVahnchein-
iiidtlere
Wiibracbein-
mittlere
Wabracbeia-
Jährliche
llchkelt für
jährliche
lichkelt fOr
l J&hrllube
IfadikeitfQr
Anxahl.
100 Tage.
Auzahl.
100 Ta««.
Aosahl.
100 Tkge.
Januar
22
70
r
12
r ' ■
40
22
70
5
18
Mäxz
15
60
4
la
6
19
(0,«)
Mai
(0.6)
2
8
4
13
Jiili
5
16
3
9
September ....
(0,6)
3
1
Nuvember ....
28 1
1 1
5 '
|>ezember . . * .
19 1
61 1
1 «
20 i
1 ~
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-ö 270
Im Mittel kamen alao im Januar 22 Tage jährlich vor, an denen das
Minimumthemometer mit^ir Null Gi-ad sank, — unter 100 Januartageu
70 — ; an diesen Tagen sank in 12 Fällen auch das Maximumthermoineter
unter Noll Grad, der Wahrscheinlicbkeit nach sind unter ICD Januar-
tagen 40 Eistage. Die WafarBcheinlichkeit für Frosttage ist im Dezember
nicht viel geringer, nämlich 61| aber die Wahrschemlichkeit für Eistage
ist nur halb so gross als im Januar. Diese imd die übrigen für Frost
und Eistage mitgeteilten Zalilen sind grösser als die für die Perioile
1858 — 84 sich ergebenden; das deutet teilweise auf eine besondere
Abiioiniitiit der let/tvnrgangeueii Juhr»', lii';j;t aber gewiss teilweise an der
geändtiUiu Kxpo.sitioii d» r 'I'hcnnometer. Besonders zu erwähnen ist
noch die auf den ersteu lüick ^erini;e Wahiwlieinliehkeit von Frösten
im Mai. indcsi^cn darf nicht übLT.^elien werden. dn«s die (Jbertlüclie der
Erde oder besonders ausstrahlungstäliiger Körper bekanntlich im Mai
liäutiger unter den Gefrierpunkt sinkt als die Luftwärnie in 1.8 m Höhe.
Uebrigens schwankt die Zahl der Frost- und Eistiigo im Laufe der Jahre
audi erheblich, beispielsweise seien die Jahre mit den meisten und den
wenigsten namhaft gemacht
Frosttago.
Januar.
Februar
Man.
April.
Okiober.
mvbr
IUI JaliFL' .
. 1893
1888. 18!tO
1892
1888
1887, 1888, 1890,
1892
grübHte Zahl
. 29
28
23
11
&
14
30
im Jabre .
. 1890
im, im
1894
1894
1889, 1893
1894
1891
ktelnste Zahl
. 11
18
7
1
3
11
Im Mai ist nur für das Jahr 1888 ein einziger Frosttag zu yei>
zeichnen.
Eistage.
im Jahn .... 1898 1888 1888 189S 1890
KTöMte Zahl ... 23 in l?> 5 13
im Jahre ... 1890 1891 1891, 1893, 1894 1889, 1898» 1894 1891
kleinste Zahl ... 2 — — — —
Im April ist nur 1888 ein einziger Eistag vorgekommen. Soinmertige
pflegen vor Mai nicht vorzukommen, aber in diesem Monat fast regel-
mässig, ja im Jahre 1889 sind 6, 1892 sind 5 veraeichnet Im Juni
sind stets Tage mit 26^ und mehr beobachtet^ im Juli und August
bleiben sie selten aus, im September hat nur 1887 das Maximumthermo-
meter + 25^ erreicht.
Die höchste in dieser Zeit in Lübeck V>eobachtete Teniperatur
l>eirä<rt 34,0" am 27. Mai 1892. und diese ühertrilTt unzweifelhaft alle
bisher gemes.senen. IlsUteu wir die tieiste in unserer Periode voi^e-
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-ö 271 ö-
kommene daneben, ufimlich — 24,8**, die am 18. Januar 1893 erreicht
wurde, 80 crgiebt rieh eine absolute TemperatiirBchwankuDg von 58,8 o 0.
innerhalb 12 Monaton, eine Grösse, die während früherer Jahre ebenfalls
kaiuiu (.erreicht sein dürfte.
Ein liosontleies Iiitoresfie beansprucht die Frage nach hervor-
ragenden Sonuuein u?h1 Wintern.
Helhnann bezeiclmet den Sommer eines Jahres als warm, wenn
miudestens drei der vier Monate Juni, Juli, August, Sf^ptember eine mehr
als normale Temperatur haben. Nehmen wir das Mittel der Jahre
1887 (VI) bis 1894 (XII) als Norm an, und das ist nicht ungerechtfertigt,
weil sie allein in allgemeinerer Erinnerung noch sind, so waren folgende
Sommer wann: 1888, 1889, 1894.
Kalt wird nach demselben Oewfthrsmann ein Sommer genannt, wenn die
Summe der Temperatorabweichungen der Monate Juni, Juli, August
kleiner als Null ist Es waren daher
kalt die Sommer 1887 und 1893.
Bezeichnen wir diejenigon Winter — nach Helhnanns Vorschlaj; — alp
nnUle. in denen die Mitteltempcratureu der Monate Dezember und Januar
über der Normalen liegen, so waren
müde die Winter von 181)0/91 und 1892/93.
Es waren
kalt die Winter von 1889/90 und 1891/92,
denn von den Monaten November, Dezember, Januar, Februar lag
mindestens in zweien die Mitteitemperatur unter der Normalen und
die Summe der Abwddiungen der Mitteltemperatur aller dieser Monate
von der Normalen betrug weniger als Null.
Es ist so oft die Rede davon gewesen, dass die Periode 1887—94
eine ungewöhnliche gewesen sei. Ungewöhnlich ist es gewiss, wenn vom
Januar bis Juli, in denen von Monat zu Monat die Temperatur deutiich
zunimmt, ein Monat nicht nur in seiner MItCeltemperatnr unter dem
Mittel Ijlüibt, sondern sogar nicht vorwärt.'; schreitet über seinen \'or-
gänger oder über das Mittel des unmittelbar voran fireli enden Monats liinaus.
Dies merkwürdige Verhalten zeigten im Jahre 1888 die Monate Februar
(m. T. — 2,ö»), März (m. T. — 0.9«), Juli (m. T -i- 14,0«). Ebenso un-
gewöhnlich ist es, wenn innerhalb derselben Jahreszeit die Temperatur
eines Monats die mittlere des folgenden Monats schon übertrifft Hierher
zälilt Januar 1890, Februar 1894. Juni und Juli 1889. In der Zeit vom
Juli bis Januar kamen ebenfalls solche Anachronismen der Temperatur
gegen das Mittel oder den unmittelbaren Vorgänger und Nachfolger vor.
Gegen den vorhergehenden Monat oder das Mittel: August 1888, 90, 92, 93,
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-fe3 272 &h
Januar 1890, 92, gegen den Nachfolger Juli 1888, 90, 92, Dezember 1889, 90.
Natürlicli werden besonders die Monate Juli und Januar getroffen, weil
ihnen die Nachbarn an sich im Mittel nahe stehen, auch die Nachbarn
selbst, Dezember und Februar einerseits, Juni und August andererseite.
Luftfeuchtigkeit, Bewölliung und Niederactilag.
Monatunittst der Fenohtigkeit dar Luft
far di« Jahre 1887 Juni bis 1894 End».
absolute in mm
relative
Queckflilberdniclc.
in frowniteii.
.... 3,»
93
Februar . . .
.... 4,2
90
März ....
.... 4,9
86
.... 5,»
80
Mai
77
Juni ....
.... 10,0
77
Juli
.... 11,4
81
.... 11,1
83
.... 9,8
80
.... 7,5
87
November . .
. . . . 5,6
91
Dezember . .
.... 4,6
93
Jahr ....
.... 7,8
85
Diese Zahlen haben sich nur wenig gegen die an anderem Orte für die
Periode 1858 — 84 mitgeteilten geändert, die Jahresmittel sind fast geoaa
dieselben. Nur der Mai hat erheblich grossere Zahlen bekommen. Hier
spielt aber das Jahr 1889 eine bedeutsame Rolle, weil dessen Werte so
erheblich über dem Mittelwert liogen, dass dieser stark beeinflusst ist
Rechnet man die Tage, an denen weniger als zwei Zehntel des
Himmels im Mittel der drei Tagesterini ne mit Wolken bedeckt sind,
zu eleu lioilcreu und ilicjenigen, die mehr als aclit Zl-IuiU'I des (iai)zen
bewölkt zoi^'cu. zu deu trüben, die übrigen zu den teilweise bedeekuii,
so eigiebt sich iolgende
Ubarsicht der Kimmelsbedeokoni^
für die Jahr«
1887
A n f an
g bis
1894
Ende.
Januar Fi
ibrUÄT
März
April
Mai
Juni
heiter
... 28
36
34
47
62
(50
tcihv.
bedeckt. 113
93
114
III
131
119
trübe
... 107
97
b2
55
61
üiyiiized by Google
-t3 273 es-
Juli
AugoBt Septbr. Oktbr.
Novbr.
Dd.
Jabr
32
22 39 17
15
17
409
156
nO 144 129
97
91
1478
60
56 57 102
128
140
1035
Diese Zahlen sind auf Tafel X «largestellt mit der Ueberschrift
«^Übersicht der Himmelsbedeckung^ der Tage mit Niederachlligen und
Gewittern, in Verhältnisssahleii auf 100 Tage berechnet" I>ie heiteren
Tage werden durch die ganz weissen, die trüben durch die stark, die
teilweise bedeckten durch die schwach schraffierten Flfichen dargestellt.
Im Februar, im Mai und Juni und im September erreichen die heitern
Tage ein grösseres iin<l zwei geringere Miixima, im November, im März
und iiti Augnst entsprechende Minima. Die trüben Tage verluilttii ^'ich
nicht ganz inngekehrt, sie liftlren allerdings auch im Mai ein Minimum, ein
anderes aber schon zusainiiitii iin August mit den heiteren l'agen. Mit
Ausnahme des .\hii überwiegt siets die Zahl der trüben Tage die der heitern.
NaUirgemäss ist die Kategorie der teilweise bedeckten Tage die zahl-
reichste, ja in <) Monaten — Mai hin Oktober — nimmt die schwach
schj'affierte l^'lftcbe fast die Hälfte der ganzen oder mehr ein. Im gün-
stigsten Lichte erscheint der Mai, demnächst der Juni; beide Monate
haben die meisten heiteren und nahezu die wenigsten trüben Tage.
Ihnen kommt der September nahe. Am ungünstigsten sehen November
und Dezember aus. Sie haben die wenigsten heiteren und die meisten
trüben Tage. Ihnen schliesst sich der Januar an. Etwas anders gestaltet
sich das ßild, wenn man beachtet, dass ein Tag recht freundlich seui
kann, aber dennoch nicht unter die heiteren gezählt wird, weil vielleicht
nur /u einem der Beobachtuugstermine die Bewölkung nicht so unbedeutend
war, diiss das Mittel der drei Tt iuiinc uuicr 0.2 blieb. Zählt man von
«licseni ({esicht<|»nukt<> au^ die heiteren, (eilweise bevNOlktCQ und die
trüben lieobachtungslermiue , so erliält man folgende
Übersichtder Kimmeisbedeckunginden einzelnen Terminstunden
in Prozenten, Juni 1887 bis Ende 1894.
Jaiiaar.
Februar.
März.
Äpdt.
Mai.
1
1 ' I •
Juni
7«.
2 p.
90.7
34,0
28,1
22,2
22 :
1
26,3
21,7
21,2
36,7
26.7
19,5
39,5
37,»
31,8
1
40,1
35,0
88,8
18^0
19,3
12,5
17,7
25
10.6
21,2
30,»
8,ö
25,7
44.3
19,5
24,9
89,7
21,7
23,3
87.:.
26,s
?
7 a.
(ll,s
W,1
i
1
57,1
47,-
II
36,2
41,0
57,8
29,0
38.2
41,7
33,3
85,4
18
Digrtizeo Ly <jOOgIe
-<3 274 b^-
JuU.
Iii. I
2 p. jUi.i]
üp. I 26.C
j AugUHt.
SepU-mbiT. Oktober.
Noveii»J»cr. ji Dezember.
15,2
27,9'
20.4]
3^
«- 3,
4:
7 a 38,7 1
2 p :.')!,-
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48,9
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46, 7 1
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7 a. 35.9
2 p.
40.7
17,
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Up. i
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13,3
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49,2
ii
I ■15,8:
18,7
11,2
i22.s:
7:5,1
63,8
ti2.1
j<i7,i
Diese Tabelle gentatiet unmittelbar sowohl jede Tcrminstunde nur für
sieht ftl» Aucb jede Art der HimnieUbcdeckung in den einzelnen Stunden
zu vergleichen. Der Übersichtlichkeit w egen ist auch noch eine graphkche
Durstellunji auf Tafel X beiiirm^ben.
\ eiiiloichl man diese Ihir.'-l« iluuii mit ilcr vorliiii Ixisproehcneii . .so
fällt .«^nfoit auf, tla.^.<^ die obere weisse und die unlere stark schraffierte Fläcli*-
vorhältniHmä^sig bedeutend i^ewaeiiseii sind uihl das.*« die mittlere Fläche
abgenommen hat Es sind also dii T ip- -ehr häutig, an denen in »1er
einen oder andern Heobaehtuu^^tunde, ala r nicht am «ganzen Tage das
Wetter heiter oder trübe war. Durch Vermischung dieser Kategorien ent-
t»teht, wie oben bemerkt, in den Tagesmitteln vielfach diejenige des teil-
weise bedeckten Himmels, in der sich dann also der B^riff teilweise auf
die Zeit bezieht.
Was nun «ho letzte Darstelhing besonders anlaiifrt. ist zu h*^
achtt^ n. dass die Ahscissen 7 I hr vorniitlaus hi.^ 2 L hi uai hujitla^s uii*l
von da bis 9 Uhr naelmiitlag.'^ enLsprechen<l den hier nur vorliegenden
7 ötun<len kleiner hätten darij;estellt wenleii müssen und die 10 Stunden
von 0 Uhr naclnnittags bis 7 Uhr vormiltagH durch grössere Intervalle.
Durcli ein Versehen des Zeichuers ist dies uuterhliel>eii. in aileu Monaten
ist um y Uhr abeuds die Zahl der heiteren Notierunf!:en «grösser als zu
den andern Tagesterminen, und zwar ist im April. Mai, Juni und Se]»tem-
her diese Zahl am grössten, iiächstdeni im März und im August Im
November, Dezember, Janaar, Februar i»t um 7 Uhr moi^ns, in den
übrigen Monaten ist mittags im Vergleich mit den andern Tagestermineo
die Zahl der heiteren Himmelsanmchten die kleinste. Die Wintermonate
leiden offenbar darunter, dat» die Abküblung utn 7 Uhr morgen!* die
gröisste ist Für die übrigen Monate scheint die Zunahme der BedeckoDg
mitder Wolkenbildung durch aufsteigende LuftstrOme zusammen zu hftagea
Die tägliche Schwuukuug dieser Art des Iliuuuelsauöijebeua im
Google
-{3 275 Ei-
April, Augitöt und September am grdasten von Mittag bis Abend,
demnächst, auch im März und im Oktober. Gering ist sie in den
Monaten Mai, Juni, Juli und im November, Dezember, Januar, Februar.
Ebenso rot^ehnäfsig wie abends« da?* Maximum de« heiteren Himmels ist,
ist itiiLUi;:;s das Miniimiiu des trüben und zugloieli das Maximum des
kilui'is«^ l»«-dtt kUii. I)i<' Taj^^csschw ankunixon der Zahlen für dou t!ijl)en
Iliinnu'l sind in allen MtMiaU'ii klein. lOs lit'<;t d«'r S< lilnv;, ^vlw nahe:
ist einmal trülR.'S Wetter, so ist die Teudeui^ üur Acnderuug au dcuiselbeu
Tage gering.
Da die Monat«' Novcndx'r l)is März an allen Tagestcrminen zur
HäUtc und mehr trülKii Ifinmiel auivvcisen (mir Milr/ 2 Uhr 48 %),
ebeoso im Oktober um 7 Uhr und 9 Uhr. die Zald der trüben Himmels-
aiisicbten die weit überwiegende ist, so liegt die Scheiteltemperatur in
der wärmeren Hälfte des Temperaturbereiches dieser Monate. Z. B. kommen
im März 7 Uhr vorm. Temperaturen vor von — 14,6 bis + 8,6 ** C, am
häufigsten davon ist ],5<* C, während die Mitte des Bereiches — 3^ ist.
Denn an trüben Tagen ist die Wärme nahezu unabhängig von der
Ausstrahlung und daher milde, die in der Minorität vorkommenden
kalten Terniinstnnd«n l»ei klarem Himmel bleiben vereinzelt. Freilicli
wiifl durch sie das Moualsmiilcl l)efintlnsst. und dies lieut deshalb tiefer
al.H der Sclioitelwort. Verirl die Untersuehnntjen von U. Mey< r.
In den Mon.iti n April bi.s Sejitriulici- und in dem Mittai^sletinin des
Oktober kommen inil)e Termine meist nicht bis 50 % vor, <lie Kin-
atrablung ist dann /.war ln'liindert, aber die Ausstrahlung auch; anilerer
seits wird die Einstrahlung bei den nun häufiger aultretenden klaren
Tagen wirksam. Der Temperaturberetcb dehnt sich deshalb nach der
wärmeren Region aus, und der Scheitelwert der Wärme liegt über der
kühleren Hälfte des Bereidies. Das Monatsmittel der Temperatur ist
hoher als der Scheitel wert. Weshalb der 2 Uhr- Tennin des Juli eine
Ausnahme macht, betlarf einer besonderen Untersuchung, wahrscheinlich
hat die Häufigkeit des Niederschlages Einfluss.
T)( 1 Tage mit Niejlersciilag kommen im Jalu'e lyiJ vor. Ihre Ver-
teilung giebt die folgende
ire1»ersieht der T^e mit Hledertohlag und Q«witt«ni
in Verhältniszalden auf 100 Tage bereeluiet
Anlang 1ÖÖ7 bi« J^nde 1894.
Tage mit J«n. W». Hftn. April. Mü. Juni. Jall. Aus. Sept. Okt. Nor. Sw. Mittel.
NiederadiJag aberhaupt 4 5 52 54 44 49 48 6d 60 47 61 54 54 53
Gewitter - 1 7 12 13 17 13 3 1 (I) - -
Digitizeo Ly <jOOgle
276
Diese Zahlen sind ebenfalls in der beigegebenen Tafel X dargestellt Die
meisten Tage mit Niederschlag hat danach der Juli und dann der Oktober,
die wenigsten der April und demnächst der September. Mit einer Aus*
nalime weisen alle Monate mehr trübe als nasse Tage auf. Allein im
1». /.< iiiber 8iiikt <iie Kurve für tien Niederschlag iu den dunkel sehraftierteu
iiauia hinab.
Ordnet man, um ein feineres Bild zu bekommen« die Regentage
nach Pentaden» so zeigt sich, dass im Mittel der acht Jahre keine einzige
ganz frei von Niederschlag war. Am günstigsten liegen die Verhältnisse
Ende März und Anfang April. Durch viele Regentage macheu sich
bemerkbar die letzten Pentaden im Januar und di<* ersten im Februar,
Mitte Juli. Knde September, der gati/.e < )ktuL'L r, Anfang und Ende des
Movember. Obwohl die Niederschlagsmengen ausserordi ntlieh in den
Jahren variiertjn, .so giebt doch ein achtjähriges Mittel weuigstens einen
gev^isseo Anlialt
Höhe des Niederschlages in mm in Lübeck (meteorol. Station)
im Mittel der Jabre 1887 (Anfang) bis 1894 (Ende).
Janr. Febr. März. .^pril. Mai. .Juni. Juli.
Mittel 31,4 34,2 49.7 33.8 öäi .'S.'S,« S»;...
Mittel eines Mederschlagätages 2,22 2,S4 2,uu 2,ö7 3,7 4 3,b6 4,40
AugUHt. Sfpt. Kktbr. Novbr, Dozbr. Jahr.
Mittel 71,9 bil.i 73, i 3H,4 37,4 616,2 mm
Mittel eines Niederschlagstages 3,8» 3,59 3,s« 2,28 2.22 3,22 •
Der yrösste Niederschlag fand :\\<t> im Jtili statt und deiiinaeliöt im
Au^aist uikI nktol»er; den ^oiin^sti'U halU- im Mittel »1er Januar aufzu-
weisen. Rt <hi/i« rt man den Niederschlag auf das Mitte] (1< i Taä^e. sm
denen er erfolgte, so zeigt sich, dass im Januar <ler iSiederschlag am
dümisteu erfolgt, im Juli am dichtesten. Die relative jährUche Schwankung,
d. h. das Verhältniss des grössten zum kleinsten mittleren Tagesnieder-
schlag beträgt demnach 2,o, die Amplitude der Jahresperiode
2,2 mm.
Mit Rücksiebt darauf, dass mau beim Niederschlag stets auf grosse
Schwankungen gefssst sein muss, kann man eine Menge als ausser*
gewöhnlich nur dann bezeichnen, wenn sie stark vom Mittel abiril.
uiyiiizea by GoOgle
H3 277 ö-
Lassen wir Schwankungen bis zu 50 % vom Mittel noch uls nicht ausser-
gewöhulich gelten, so erhält man folgende
Üeberaicht der Niederschlags armen und -reichen Monate.
k
Jan.
Febr.
Mirs
April
Hai.
Joni.
Juli.
Aug.
Sept.
Okt.
Nov.
De*.
- — T
1887
arm
arm
arm
reich
arm
1888
reich
reich
reich
arm
reich
1889
arm
reich
reich
reich
arm
1890
arm
reich
arm
1891
arm
reich
reicli
reich
arm
reich
1892 ,
reifh
arm
arm
reich
1893
reicli
arm
arm
arm
reich
1894 1
1-
-
reich
-
reich
Neben den mittleren Höhen der Niederschläge haben besonders für die
Technik die grOssten Mengen eines Tages oder noch kürzerer Zeit
abschnitte grosse Bedeutung. Zur Klärung unserer Kenntnisse stehen
zu Gebote die Ufglichen Notierungen des Regenmessers der hierigen
meteorologischen Station und die Angaben des direkt abzulesenden Regen«
mossers und des registrierenden Kcgi innessers, welche vor dem Wasser-
baubiirean auf dem Wasserbau platze vor dem Burgt>mre aufgestellt sind.
Den Augahen des registrierenden Regenmessers wird grosses Misstrauen
entgegengehraclit, weil «llcnlinirs gelegentlich nachgewicsetit i luasseu die
eliktrische Leitung nieirt in Ordnung war, aber auch weil ^y^ww Angaben,
wie es heisst, erheblich von denen des neben ihm aulgf^telltLii, direkt
abzulesenden Messers abweichen. Ks ist aber läng^'t bekannt und durch
Hellm.inns ausgedehnte Untersuchungen genauer testgestellt, dass selbst
dicht nebeneinander stehende (it'fässe nicht immer gleiciie Regenmengen
auffangen, weil die lalleiKle Regenmenge eben in oft recht kleinen
Entfernungen wechselt. „Selbst nahe gelegene Stationen zeigen Untei^
schiede bis zu 45 (vergl. G. HeUmann, Niederschlagsmengen in und
bei Berlin im Jahre 1886 im Bericht des Berliner Zweigyereins der
Meteorolog. Ges. 1887). Zur Dlustration dieser Erfahrungen stellen wir
die Lübecker Messungen nebeneinander, soweit Material von allen
Instrumenten vorliegt
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-*3 278 > 6*-
Vergleichende Übersicht der monatlichen Angaben in mm der
drei Regenmesser in Lübeck.
1. MeU (>rnl()giscli(! Station, System Helluiauii; 2. Wasserbauplatz, System
ilt llniaiin ; .*>. Wasserhaiiplat/., regisstr. Instrument.
Instrum.
Mai«
Juni.
Juli.
Aagust.
Septbr. UktoU'i
1.
11
53
78
47
55 <)1
2.
15
60
84
41
47
53 02
3.
14
56
90
39
48
55 63
1898. jQli.
AuffUBt. Sept.
Oktober.
Nov.
Des.
1894. Juli.
Aug. Okt. Nor.
41
45 86
104
51
35
59
70 73 24
57
42 101
109
63
39
55
72 75 22
62
44 108
125
46
35
61
72 63 18
^\ui li lik-iau.s geht licrvor. dass iiiiinnL:Ii<-li für t-iiu n Ort die
Nifdersclilagfiinenge ant ganze Millimeter, ge8chweige demi aut Zeiiiitel
auzugt'beu. Es wird fih- den Wabstrijau eine grössere Sicherheil
erwünsclit sein, Uiatsüehlicli konnnt al)c'r bei dem Niederschlage eine
solche, hier vorausgrsetzi« uK icliartige Verbreitung gar nicht vor. .^o da.-.«
Unterschiede in den Angaben von Regenmessern, die einander auch sehr
nahe stehn, wie auf dem Wasserbaupiatze, gerade zeigen können, wie der
Niederschlag in wenigen Metern Abstand wechselt.
Im uhg( meinen wird aber auf dem Wasserbauplatze etwas mehr Nieder-
schlag gemej^s<>n als auf der Meteorologischen Station. Bereits in der
Landeskunde von LüIm ck ist (S. 72) angegeben, dass der ni'ue Regen-
messer der Statiuji uiii^iiiHtig steht, und die in den Beriehtigungun au.sge
sproch' iio Hoffnung, dass der dem Uegenine.-^ser hinzugel'ügto Sehut/.zaun
die Angabtii s!ili(>rn werde, seheint vom KOnigl Prenss Meteorol Institut
(Jahrbuch für lb88) schon damals nicht geteilt /u sein; dort wird die<
Instrument auf dem \V'asserbau]>lat/o als nonuui bezeiclmet. Von letzterem
liegen Messungen seit 1888 vor. Es ist gemessen
Niederschlag, Summe der Jahre 1888 — 1894.
1
1
Jim
Ffhr.
.M«R.
April.
Mni.
Jttnl.
Juli.
Atlg.
(k>pt.
Okt.
_
Nuv.
jibrt.
!
ll«tNnl.liUL 1
1 247
:Uo
267
m
2')7
22il
m
151
42t.
•574
6«
:»59
373
362
551
49»
L'7I)
«2
, 2Ö0
>
632
GröBSte in 24 Standen gefallene Kiederschlttge
10
20
1
17 1
19
34
38
47
24
24 j -J»
18
IG 1
Miknol. I^Ut.
12
18 ,
17
3&
34
45
19 i 25!
14
17
1
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-J3 279
Fügen wir noch hinzu, düss die Maximalmengen darchaus nicht an
gleichen Tagen gewonnen sind, so ergiebt sich die groHse Ungleichheit
der Niederschlagsangaben auch in der Summe mehrerer Jahre klar und
deutlich. Von einem aununarischen Verurteilen des registrierenden Wasser-
messers auf dem Wasserbauplatze zu T^ilbeek kann also keine Rede sein.
lie in erkena werte N i» «! u i scii lag.siiieugen
wareu oaelj tlein registrierendeü Apparate die tolgendeu aus oft nur kurzen
Zeitabschnitten auf 1 Stunde herecbneten:
am 2\K Juni 1892 *M) mm
. 24. Augu8t 1892 66 •
. 18. Juh 1894 70 .
In allen diesen Fällen also übertrifft der auf die Stunde berechnete
Niederschlag selbst die grössten 24 stündlichen Summen.
Gewitter.
Sic kommen gelegentlich in allen Monaten vor. Ein deutliches
Maximum der Häufigkeit weift ain r der Juli auf. \'ergl. Tafel X. Die
Kurve, die die Vrv<\\ivMA angitlu, steigt langssiiiiei an und fallt rascher
ab. Nur am Ende zieht sie sieh in den November hin. im Februar,
März und Novend»er kam mir je ein (»ewitter in den acht Jahren vor.
Jätirlich sind im Ihirchschiiiit 20 Gewitter gezählt
Lufidruck und Wind.
Der Luftdruck — nicht korrigiert auf Schwere — beträgt im Mittel
der Jahre — Di 7.'i8.7 uim im Mt < r(Asnive;iu. Es war der
Stand des Barometers
im Mittel der
drei Termine.
abtio]. MaxImoM.
TtlR.
»bml. Mlnimmii.
Tag.
1887
759,s
781,2
8.y2.
73(7,6
9712.
1888
758,5
778,8
17./1.
736,4
29A
1889
758,6
781,8
27712.
724,4
972.
1890
758,9
776.4
23/2.
728,0
2371.
1891
758,7
779,0
20712.
736,6
10712,
1892
758,8
777,8
1973.
733,8
6./1.
1893
757,»
781,8
29712.
734,8
2172.
1894
758,r,
770,7
19/2.
728,8
29712.
Die
absolute grösste Schwankung, die
.somit in diesen
acht Jahren
sl;itl t.iiid, betrügt Ö7,4 mm. Sie iwt ii.itiirlicli an sicli klimatisch von
keiner lieiliMitung, Indessen bediiigcu dit 1 )ratk verhall nisse ein meteorch
logisches Element, die I Aiitbewegung, welche von iMidliis.s auf da^ Klima
ist. Auf der !»< igetugten Taiel XI. sind die Windrosen für die Monate
des Jahres mitgeteilt: in allen Monaten überwiegt der Westwind bedeutend.
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-t3 280 ej-
Im Januar ist nftchst ilim der Südwest vorherrschend. In den folgenden
Monaten entwickeln sich aber die entgegengesetzten Bewegungen: zuerst
der Ostwind, dann auch Nordost, zugleich nimmt der SW und W an
Häufigkeit ab. Sobald der Nord und Nordwest seine grösste Häufigkeit er-
reicht, schwindet der Ostwind: im Juni. Von jetsst verschiebt sich die
Iläufi^'keit zu Gunsten der westlichen und südwestlichen Winde bis lum
Jal liegende. Die Windstille, wciclie dun-li die Grösse dea Kroisradiu?
gemessen ist, luvt ihr Maximum im August imd ihr Minimum im Fehnmr
untl November.
Lüsst man die Nfonate Uewic passieren, so trillt man zuerst
Maximum des Ost im Februar, dann das des NO im Mai, daraul; N un<i
NW im Juni, W im August, SO im Oktober, S und Öü im November.
Es ündet also eine Drehung entgegengesetzt cler Bewegung des Uhrzeigers
statt. Ähnlich ist es mit dem geringsten Vorkommen der Winde: W hu
April, SW, S im Mai, S, SO im Juni, O, NO, N im August, NW im
November. Die für das Jahr gezeichnete Windrose giebt an, dass nächst
dem West und Südwest der Ostwind eine bedeutende Rolle spielt Der
Südwind tritt gegen alle übrigen Richtungen zurück.
Ueber die Windstärke finden sich nur Schätzungen in den meteorO'
logischen Tabellen. Es ist freilich für die meteorologische Station eine
Wildsclie Windstärketafel aufgestellt, aber der Beobachter zieht es als
erfahrener Seemann vor die Stärke zu scliätzen. Iis muss auch zu
gegelien werdt ii. diiss !iei dem. in Folge de'* bcselzten Bodens, büigi'ü
Wetter die Wildstln' Tufei scliiechl zu beiiiit/.on ist. In TravemihKle ist
allerdings ein Robinsonsehes Anemomoter aulgestelli, allein die Kesultute,
welche der Konuni.Hsif»n für Erforschung der deutschen Meere zugeheu.
scheinen nicht der VerOffontli< huiiL' wert zu sein, auch ist auf direkte
Anfrage nur eine answeichende Antwort erteilt
Macht man nach der Beaufordschen Skala 12 Abteilungen, an-
steigend von 0 bis 12, so verteilt sich die Zahl der Stürme (8 und mehr)
oder der heftigen Winde (Ö und mehr) wie folgt auf die Monate:
Vorkoaunen der itfinniieheiL und hefÜgeE UHiide
fflr 1000 TaKc in Lflbeck. Jnni 1887 bis Ende 1894.
Stürmische ^^'in(le
heftige Winde
Stürmische Winde
heftige Winde
Januar.
Febru&r.
MArz.
April.
Mai.
Juni.
88
91
51
14
19
13
244
253
221
110
180
192
Juli.
Au8:iiflt.
Septbr.
Oktbr.
Novbr.
Dezbr.
20
29
25
52
88
36
1Ö7
214
213
270
238
222
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-ö 281 &h
Es ist also ein doppeltes Maximum der Häufigkeit vorhandeo, eins im
Februar und eins im November bez. Oktober. Stürme treten selten im
Juni und April auf, die heftigen Winde haben ihr Minimum im April-
Dr. Herrmann hat gefunden, dass an der westlichen Ostsee in dem
Zeitabschnitt 1878 — 1887 das Maximum der Summe aller Stürme sich
im Miirz findet. In den folgenden Jahren trifft, wie wir gesehen haben,
dies für Lübeck jodenfnllj» iiiclit zu, docli l)edürfto ef einer weitert'u über
(h'ü liahiiu'n diot-r Arhcil hinausgcliendon Untersuchung, ol) bUli in tlir
That <lie l)ciclen Zc'iUil>£?clniittü 187Ö— J:<7 und If5ö7 - i)4 für die Kilsten-
orte so we^eutlicb unterscheiden.
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Meteorologisches über Lübeck.
VON
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-ö 286 e»-
Beziehungen zwiechen den meteorologiechen Verhältnieeen und den
Hoehwaseern in LQhecIc.
Die Münflnntr der Trnve liegt in der südwustlidit n Ecke d^r Ostsee,
und der nntore Laut de? Flns.«t's liegt lu der N'erläiigennig des Meeies.
Da ausserdem das Gefalle der Trave ausi-orordeiitli»h gering ist, ö cui
von Lübeck bis Traveuuiiide bei einer Entfernung von r^O.c. km, so wird
die Hrth* il< s Wassers bei <ler Stadt ganz wesentlidi dureh die Wiii<l
Verhältnisse beeinflusst. Hei Winden aus Büdweat liehen Richtungen sinkt
der Wasserspiegel uiit^r, bei den entgegengesetzten Winden steigt er über
den mittleren Stand. Von besonderem Interesse sind die Hochwasser,
weil sie oft bedeutenden Schaden anrichten. Hochwasser nennen wir die
Wasserstände der Trave, welche 0,fl2 m über den mittleren Stand des
Pegels an der Struckfähre bei Lübeck treten. Ereignet sich dies, so
werden am Hafenamt 3 Warnungsschüsse abgegeben. Steigt das Wasser
1.32 m, so wird wieder dreimal geschossen. Erreicht es die Höhe von
1,S7 m, so wird abermals ein Schuss gelöst und dann nnunterbrochen
jede halbe Stunde auf dieselbe Weise gewarnt so lange von Travemünde
uu*< noeh ein Ansteigt n des Wassrrs gemeldet wird. Mit eintretendem
Sinken wird das Sehiessen eingestellt 1h i 1,32 m über dem mittleren
Stande tritt das Wasser an der I Iarteiigrul>e und bei m an der
Ubertrave bei dem Hause No ÖO auf die Strasse Wenn die ersten ein
/.einen Sehüsse lallen, so sind also jedenfalls Strassenteile der Ober- und
Untertrave überseliwemmt, aindere in Gefahr. l)nreh das Gesetz vom
13 Juli 1887 ist deshall» für Nenbauteii ab niedrigste Fussbodenhöhe
der bewohnten Räume 2,4 5 (d)er Mittelwasser vorgesehrieben.
Gegen solcll(^ elementare Kreignisse. wie sie die Sturmflut von 1872
brachte, ist freilich damit auch noch kein Schutz, geschaffen, denn damals
stieg bei der Stadt das Wasser 3,1 7 m über das Mittel. Dio Hdhe dieser
bisher noch nicht wieder erreichten Flut ist an einigen Stellen des
Travengestades gekennzeichnet.
Im Anschluss an die klimatv^ihcn I^trachtungen soll auch in
Uiesem Abschnitt nur der Zeitraum 1887 bis 1894 berücksichtigt werden.
Anderseits sollen sich die Mitteilungen niclit auf die Hochwasser bo-
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286 ES-
schrftTiken, sondern alle 8teigeii(len Wasser berücksichtigen« die am Pegel
an dor Struckfäbre eine Hölie von 0,C5 ui über Mittelwasser erreichtem
In dem gcimmitcn Zeitraum zeigte 75 mal der Pegel an der Struck-
filhro diese Besorgnis erregende Höhe. Diese Fälle verteilen sich auf das
ganze Jahr, mit Ausnahme des Juni, doch so, dass sie vom April hi^
Aujjust nur selten vorkotumon. Im Kebroar, Oktober tH»d Nowmber
nlleiii tratc^u H5 dieser Wasserstände ein. Jülirlith komiueii also im
1 )uiTli8clini(t D vor un<l zwar
iui .laliro . 1S87 1S<SS ISH'.l 1890 1891 1.Si»l> im) \m
WasHtTHtäudc von «u m q ^, q q ,j ö
0,66 m über Mittelwasser » o ^ ö l-» ö
Es ist also die Verteilung? auf die einzelnen Jahre nicht aufiFalleud
unregelmässig, sofeni nur je 1 Jahr gegen die mittlere Zahl von 9 Fällen
stark zurückbleibt beziehungsweise voreilt. Wie schon Herrmnnn in
einer Studie ,,Über die stürmischen Winde an der deutschen Küste io
den Jahren 1878 bis 1887** nicht alle Fälle als in dem Wirkungsbereiche
eines Minimnni oder Maximum li^ i^nMid bezeichnen konnte. s»o findet
man inicli bi'i der riiterHUclimi^ Her motcoroloj^isrhen \'frliahni>iJe, unter
«lenoii Lul*«'ck .-It'i^reixlos Wnsser luilte. das.s niclit Hrltni unsere Stadt tltr
ArL 7M der I ,uKt Irin 1n'\ «.i ti'ilirng lie«;!. dass man von einer nenlnden Lagt'
s[))'ecl)en nuis-: du' Unharen laufen naliezu f5era«lliuig. Mau iN.itiii ilnnucli
drei 'l'vj.i ii der Wetterlagen zur Zeit steigenden Wassens unterseiieuit'ii
Liilieek im liereielie des Mininnnn, des Maximum und in neutnilfv
Zone. Die folgenden Übersichten lassen erkeuueu, wie sich die Uüutig-
keitszahicn stellen.
Vorkommon des steigenden Wassers in Lübeck 0,65 m über Mi itel waaser.
1887 bis 1894 Jan. | Febr. Mär/' Apr. I Mai | Juni Juli Aug. ffept Okt. , Nov. Des. Hümme
Zahl d. 8t W.
7 I 13 I 8 I 3 I 2 I — I 2 I 1 j 7 I 12 I 11 I 9
Bei steigendem Wasser lag Lübeck im Bereiche
75
1
d. Mininiuiii \
-
4
1
2
2
1
1
7
'*
(>
38
it .Mitxiiiitnii
->
1
5
3
1
Ii»
der iitiutralea .
Zone 1
6
1
2
1
1
2
6
2
]
18
Wir sehen, soweit man es wagen kann aus so wenigeo Fällen einen
äehluss 7.Q ziehen, da«s im Sommer stets ein Luftdnickminimuta die
Ursache dos steigenden Wassers war, und dass auch im Winter in der
Hälfte aller Fälle eine Anticyclone vorlag, nämlich 35 mal. Bei der
Lage der Trave gegen die Ostsee ist es natürlich» dass bei Winden aus
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-t3 287
der RiditUDg von Nord bis Ost das Wasser aus der See gegen die Stadl
getrieben wird. Dies trifft unter jenen 75 Fällen Gd mal zu und 10 mal
nicht. Unter letzteren sind sogar 4 Hoehwasf^er, die Stgnalschüsse
vernnlasHten; Überschwemmungen haben aber niclit stattgefunden. Mit
Ausnahme von 1 oder 2 Ereignissen $<teht fest, dass steigendes Wasser
in Lübeck bei wt^stlichen Winden Iner<»rtA nur daiui eingetreten ist, wenn
auf See nordöstliche Winde wehen. Es ist also in diesen 8 oder 9 Fällen
dif^ Lurtbewrunng hiriorti* ollinbur loknl beeinHuHst und nidil <lie nll-
freiDt iiK' <;<»\vrs«Mi. Ks knnii aiidi s( in, da nur Hcobaclitun^^cn aus Tcrniin-
stuii<li ii \ iirli.»4ri'U «la.ss sich diese hoidon letzten Ansnalunrfälle noeli auf
(lieHtllM nkiären lirssen. woini weiiij^stcns in 'rraveniiuitle eine
retO^tricrciidr Wiinlfalnuf aul'i;estellt wäre. I )ass in der Thal die '^ra^•(^
niünder liuelit eine «genauere Ülterwaeliun^^ verdient, u^lit fuieli ans der
Mittcilun^x Hi rnt^ainis in der ohen anir' -'oiJ^ ncii Al>han<ilinig liei'vor, dass
die westlieliü GäUee mehr stiirtnisehe Winde hat uls die bennchbarte
Nordsee. Es reichen alfo die Jicgistrierungen Ihunburgs für uns keines-
wegs aus.
Anderseits sind noch 2 Fälle unter jenen 05 Fällen, bei denen durch
lokalen nordöstlichen Wind steigendes Wasser A'erursucht wurde, während
au der benachbarten Küste andere Windrichtungen herrschten. Warnungs-
signale brauchten aber nicht abgegeben zu worden.
Vierund vierzig Mal blieb das Wasser länger als 12 Stunden 0.66 m
über dem Mittelwasser stehen. Siebenunddrcissig Mal stieg es soweit,
dass die Bevölkerung durch Schüsse von drohender Gefahr benachrichtigt
werden musste und in t Fällen trat Hochwasser wirklich ein. Im ganzen
stand 92 Stunden das ganse ITfcr od<>r Teile desselben unter Wasser und
zwar in vier Fidlen längt-r als 12 Stunden.
I»ci W asserständen von ().r,ö ni uiui iiu hr üh< r dem Mitli 1 lai;, wie
oben niitgeteih wurde, i^ubcck .'W Mal im Ikrciclu' dis MiuiHiiHii.
I^etzten*s beland nieli - von hier aus j^t ieehnet mit Ausnahme dvr
noj-dw« stliclii ii iir^d niadliehen Iviehtnng in allrn anderen der Windrose,
aueli iÜK-r drr SUidt .seilest; am häutij^steu in) C)st« n. im Süden un«l in
der nächsten Umgehung. Lüheek lag 37 Mal im BiTciche des Maximum
odt r in neutraler Lage. In diesen Füllen lag dus Mininnnii haupt^iächlich
imOeten, mehrfach im Süden, seltenerim N'-kIui-U'ii und W( -iin.ehimalimNW.
Bei Wasserständen von 0^92 ni Höhe, die .'>7 Mni ehitraten, lag das
Miniamm 19 mal iui Osten von Lübeck, I Mai hn Süden, Ü Mal im
Nordosten und 2 Mal über der Stadt seilest, iiesiieliungsweise in nächster
Nähe. Lag in diesen Fällen Lübeck im Bereiche des Minimum, so traf
man dies am häufigsten im Osten, demnächst im Noi^^osteu und Süden,
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I
I
-ö 288
selteD bei Lübeck oder im Westen. Lag Lübeck im Bereiche des
Maximum, so fand sich der niedrigste Luftdruck am häufigsten im Osten«
selten im Süden oder Nordosten. Wenn drittens bei geradliniger Form
der LK>baren das Wasser bis auf 0,92 m über Mittelwasser stieg, so lag das
Minimum meist östlich oder südlich, selten nordöstlich.
Bei gefälirlieheu Sturmfluten, also Was?5erstän<lon von über <>,g7 m
ül>rr Null des Pegels, oder l,:t2 ra über Mitlehvassor. las? der ircriii^sto Luttdruck
Euroj)as im Süden, O^^ton oder N'ordo.'^ten von Liibcck. ubi r uiiglt ich auJ
die Fällt' verteilt . da»8 Lübci k im liei eicbe des Nfinimum [2] ochr
zwischin <ltMii <1(\H Minimum und Maximum (fS) lag. Im Bereiche ties
Maximiuji ^^i K^i n. hntte Lübeck nie H»Kli\vass6r.
Dil' monatlichen Übersichten der Seewaite zeigen, dass sich oft liio
atmosphärtöchen Depressionen unerwartet eiitwickelii, und dass es schwer
ist, ohne woiterr s nus der Wetterkarte ihre Zusammen^ Hörigkeit zu er
sehen. Während bei.spiclsweise am Oktober 1887 ein Minimuni über
dem nördlichen Norwegen liegt, bildet sich gleichzeitig ein in der Gegend
von Helgoland entstandenes aus, geht au der deutschen Nord- und Ostsee
küste entlang und ruft, an der pommerschen Küste angekommen, in
seinem Rücken heftige Ost«tümie hervor; in Lübeck herrschte
1887 7 Uhr vorm. 3 Uhr nnehin. 9 Uhr nachm.
24. Oktober W 6 W 6 W 4 <*'«»^ *^TuiS ^^-^
25. • N£e N6 Stille
26. . NW 2 Ws SWS
Um 12 Uhr Mittags am 2t>. Oktober trat schon das Wasser auf die »Strasseo.
Am -2 bis 24. Februar 188i> zog ein Tiefdruckgebiet von ['ngaro.
durch Polen, Pommern über i.vibcck nach Frankreich. Als os in Polen
lag, verursaciitf es (»stlicrhe W in<lt an der ganzen dt utst lien Küste, die
in der wostlicht^n ()^tH( < l inf starke Aufstauung: drn Walsers uud aui 23.
vormittags ein rhcitrctt n (ifs Wassers in Ijübe<-k bcwirktni
Am H». Oktobci IS'.tü kam ebunhdls ein Minimum vom Adriatiseiien
Meere, das in Kurland l Tag liegen blieb; in Folge davon entstÄDcleu
in der südlichen Ostsee heftige nördliche und nordöstliche Winde, die
ebenfalls eine Ü!)erschwommung zur Folge hatten.
Die höchste Flut riefen die atmosphärischen Verhältnisse der Zeit um
den 2ö. November hervor. Auf der beigegebenen Tafel zeigen die mit
der Überschrift „Isobaren** versehenen Karten die Luftdruckverhflltnisae
dieser Tage. Diese Karten geben für 8 Uhr vonniitags und 8 Uhr abends
also von 12 zu 12 Stunden ausser den Isobaren noch die Windrichtungen
durch die Richtung der Pfeile und die Windstärken durch die Zahl der
Fiedern für einige ausgewätilte Oite an. Die lietreffendon Zahlen and
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289 84-
Zeichen sind den VerötYentUchungen der Seewarto entnommen, diejenigen
Lübecks den Notierungen der hietiigcu Meteorologisehen Stmion. l'iiter
iliuseii Tsobarenkartcn lindet sich eine möglichst getreue Nachbildung der
Kui vt , die iler registrierende Pegel in Travemünde während dieser Zeit
g<izeirlui< 1 hat Die Zeitangaben Hndt n fieli auf der Absci.sseuaclise, die
Ordinatenachhü trägt die Höhen über dem ideellen Nullpunkte unserer
Pegel. Das Mittelwasser zu Travemünde für tlirs- Vierteljahr ist in der
Tafel ebenfails augegchen. Zugleich ist nacli den Beobachtungen de8
W'ass'orltunhurefnis an dem Pegel bei der Struckfäbre die Wasserhöhe in
i^übeck eingezeichnet. l>ie»e Kurve enthält entsprechend ihrer Entstehung
nicht viel ßinzellieiteii. Ausserdem finden sich noch die Angaben über
Windrichtung und auch Windstärke für Lübeck und für Travemünde bei den
entsfKrechenden Zeitabscissen. Am 22, November nachmittags kam ein Tief-
druckgebiet I über Drontheim in Korwegen, das am 24. vormittags Kopenhagen
erreichte, am 25. Mecklenburg durcheilte und am Mittage dieses Tages
in Mitteldeutschland lag. Zugleich kam am 23. November abends ein
Minimum II von England heran. Am 24. vormittags traf es an der
Wesermündung ein, eilte dann ostwflrts, so dass es abends mit einer
'Hefe von 7.35 mm in Polen lag. Das (Jebilde I erscheint in der Karte
am Iii abends gegen II nur als Ausbuchtung über MockhMiburg. In
Lübeck und Hamburg herrschen schwache westliche Winde. Die re-
gi>tritrendrn Apparate Hamburgs hissen erkennen, dass diese inuner
weitt i- abHauen. Trotz, westliclier Winde steigt in Travemünde und in
Lübeck das Wasser bereitö, weil in den übrigen Teilen der südlichen
Ostsee längst heftige Ostwinde herrschen. Dass in Lübeck die Flutwelle
erlu'blich später ankommt als in Travemünde, erklärt sich aus dem Vor«
handensein der grossen als Sammelbecken wirkenden Buchten der Trave
und ihres bedeutenden Überseh wemmungsgel>ietes. Am 25. vormittags
macht sich Minimum I durch weite Ausbiegungen der Isobaren in
Deutschland bemerkbar. Hambui^ Apparate zeigen, dass plötzlich Ost-
wind aufgekommen ist» der stetig an Stärke zunimmt; auch Lübeck
meldet am 25. morgens unvermittelt Oststnrm. Am Abend des 26. liegt
Minimum I über dem Schweizer Jura, II ist nach der Balkanhalbinsel
abgezogen. Die Gradienten an der Ostsee sind auf 2,6 mm angewachsen,
weil der Druck im Norden bedeutend gestiegen ist In Lübeck herrscht
Nordost mit der Stftrke 7. Schon vormittags hat die Hochflut in Trave-
münde um 8V2 Uhr mit 2,12 m und in Lübeck um 11 V« Uhr mit 2,i;j m
über M W, ihren lliptel erreicht. Trotz des auch noch am 26 November
in Lübi-'ck kräftig wehenden Ost und Nordost (Stärke 4 bis 5) nimmt
dttö VVaaacr ab. Am Morgen dieses Tages wehen uämüch au der meckleu-
19
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-ö 290 ßj-
burgischen und vorpommerscben Küste bereits südliche Winde, die das
Fallen bewirken. Weil aber in Travemündes unmittelbarer Nähe noHi
Ostwind herrscht, bleibt die See unruhig und die Kurve des i-egisiriercüdeD
Pegels ist demeutsprecheud stark gezackt.
Es ist noch von Interesse, die Drehung des Windes vor und
während des lJ«jchN\ asstMS /ai verfolgen, weil die Wassertechniker sidi
ihre fe^te Regel gibiMpt haben: wie der h-tztgenanntt' l'^dl zeigt, kauu
bei geeigneten Lnft(]nu kverh;iltiii<s».'n HtiiiTnisclMM' < 'st i»lul7.Iic-h entstehen
und rasch Hochwasser bringen, wvtm schon vorlior das Wasser in der
südlichen Ostsee nach Westen getrieben wurde. i>ies ist aber ein Aui^-
nahmefalL Da die Tiefdruckgebiete meist nordöstlich von l^übeck vorül>er-
geben, wenn sie von Westen konunen, so dreht sich der Wind von West
ü])er Nord nach Ost. Gehen aber die Miniina von Westen kommmd
südlicl» an Lübeck vorbei, so dreht sich der Wind über Süd nach
Ost und Noid. Dies trat ein am 19. bis 21. November 1893: über
Nord-Italien blieb der Lnftdnick l&ngere Zeit bestehen, im Norden Europas
nahm der Druck zu, die Gradienten stiegen auf die erstaunliche Grösse
von 4,2 mm und das Hochwasser in Lübeck wuchs über die Flutschwelle
von 0,92 m hinaus bis 1,94 m. Siebzehn Stunden stand das Wasser
über der Marke des Hochwassers. Als es begann zu sinken, hatte es io
Lübeck aus Nordost 48 Stunden gestürmt.
Mit den östlichen Winden ist zumeist auch ein Fallen der Tempe-
ratur verbunden. Bei den 75 im Vorsioheuden behandelten Ereignissen
stieg nur in 17 Füllen die Temperatur und zwar im Mittel um U,y da-
g< gt ii trat in r>S Fällen eine Abkühlung ein, die im Mittel 3,1* betrug.
Dabei fand bai den IbM htlutt n s-tots ein Sinken .-^tatt und zwar im Mittel
um ö s". Der grö.'^ste Temperaturabtaü trat bei der denkwürdigen Hoch-
flut vom November 1890 ein, die oben ausführlicher besprochen ist. In
den Tagen vom 23. bis zum 26. November fiel das Thermometer um
15° C. und zwar von | 5,9^ am 23. auf — 10,6* C. im Tagesmittel am
26. dieses Monats. Da der Ostwind in Lübeck noch weiter wehte, trat
am 27. eine mittlere Kälte von — 11,5^ C. ein. Die Temperatnreztrraie
waren natürlich noch grösser. Das Minimumthermometer zeigte am
23. November -f 3,7 ^ am 26. November — 8,6*, am 27. und 28. November
— 13,8*. Und bei solcher Temperatur stand das Wasser in den Häusern,
oder war erst eben daraus abgeflossen! Die Ursache der Kfilte ist natOrlidi
in allen diesen Fallen der Transport der Luft aus den nordöstlichen
Gegenden Europas. Diese haben in den Monaten, in denen in der Kegel
die besprochenen Ereignisse eintreten, — September bis April — eine
sehr niedrige Temperatur.
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-ta 291 ö-
Au88ersle Temperaturen und gr9»ate TemperaturBchwankungeii*
Die tiefsten Teraporaturen wurdeu in der hier beeprofthenen Zeit
erreicht im Januar und zwar am 10. 1891, am 18. und 19. 1893 und
am 4. und 5. 1894. Am 10. Januar 181'! lag Lvilxck in dem Gebiete des
über dem Hüdwestlicbou Europa lagernden Luitdruckmaxiraum, Gradienten
waren kaum vorhanden, die Windrichtung wechselte deshalb. Am 10.
herrschte schwacher West Da zugleich der an den voraufgehenden
Tagen trübe Hhnmel aufheiterte, so' sank die schon bisher geringe
Tempemtur auf — 16,4* 0. um 7 Uhr vormittags. Der Grund ist Aus-
strahlung. Am 18. Januar 1893 ist neben der Ausstrahlung die Zufuhr kalter
Luft der Grund für die niedrige Temperatur von — 31,6 *. Bereits vor
dem 18. lag ein Tiefdruckgebiet über der nördlichen Nordsee, das in der
ganzen Nachbarschaft schwache Südostwhide, hierorts lebhafte Ostwinde
{Ei) vorursaclite. Da in der Folge die Bewölkung auf Null .sank, so trat
die ^i iuuiuu' autiscrürdentliche KälU» oin. Im Gegensatz dazu beiulit <iie
gros.'^o Kälte des 4. und .'), Januar 181)4 in erster Linie uui Transport
der kalten Luit au.« dem üsieu durch leblialtu und in dem ganzen Osiste-
ge})i*-te lienxlu'iulo Winde. Der 1 >:unpfgehalt der Luft sinkt in Fnlge
davon, und die Bewölkung wird gering. Das Miiiimumthermometor /.eii;t
< — 18,9" C. Gro.'>;se Wärme tritt eigentlicli stet« nur durch starke Em-
strahlung ein. So am 26. und 27. Mai 1892, wo bei einer ausserordentlich
geringen Luftfeuchtigkeit da.s Maximum von f 34,o* erreicht wurde, Wind
variabel na( h Bichtung und Stärke, Himmel heiter. So am 28. Juni 1893,
wo das Thermometer auf äO,i* stieg. So am 9. Juli (-f 31,6*) und am
19. August desselben Jahres (•(- 38,7 So am 4. Juli 1887. Kur
am 29. und 30. Juli 1887 (f 31,8 * besüglich 29,4 *) ist ausser der
Strahlung auch die Zufuhr der Luft aus dem sehr ^^rmten Mittel-
deutschland als Ursache des 31,6 betragenden Temperaturmaxlmums
anzusehn.
Wie oben bemerkt hat die interdiurne Veränderlichkeit nur
in seltenen Fällen 8 * C. und mehr erreicht Wir treffen im Januar
4 mal steigende, 1 mal sinkende, im Februar 1 mal steigende, im März,
Juni und .Juli je 1 mal sinkende, im November 1 mal steigende, im
I)ezenil>t'r 2 mal steigende und 1 mal sinkende Winnie. Die kalten
Monate acheinun <lanach am meisten m st.nken Schwankungen zu neigen.
In allen Fällen ist der Transjx^rt warmer o«ltsr kalter Luft «lie Ursaclio
auffallender Andernngon. Das in der kalten Jahre.szeit überwiegende
Steigen wird moiai bei grosser Kälte durch ein aus nächster Nähu (uur
18*
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-J3 292 et-
tweimal am Nordcap) wirkendes Minimum, welches plötzlich westliche
Winde hervomift, bewirkt Das Sinken der Luftwftnne hat stets an-
lialteuden Nordoatwiml als Ursache gehabt. In der wärmeren Jahreszeil
komm (11 diese gi'ossen Schwankungen von einem zum audoiii Tuue dann
zu stunde, wenn nach starker durch Sonnenstrahlung bewirkter Er
wärmung plüt/.liche Abkühlunt^ folgt. Eine Erwärmung im Betrage vou
8 " ist während der 8ommerniouate niemals vor sich gegangen.
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Beiträge m Lübeckischen Flori
9m
VON
P. FRIEDRICH.
H3 896 Gt-
D ie Umgebunfr Lübecks besitzt schon auf geringer räumlicher
AuBclehiiung eine an Arien ungewöhnlich reiche Flora. ^) Entsprechend
dem vielfachen Wechsel von Sand- und Lehmboden, Heide, Moor, Wiese,
Wald, Süss» und Sakwassar ist auch das Pflanzenkleid ein sehr mannig-
faltiges. Unter den Lübeckischen Pflanzen befinden sich westliche Arten,
welche den östlichen Nachbargebieten fehlen, vor allem aber dne grosse
Anzahl Ostlicher PHanzen, welche hier ihre Westgrenze erreichen oder
weiterhin nur nocb ^anz vereinzelt auftreten, endlich solche, welche den
westlichen und östlichen Nachbargehietcn zumeist fremd, auf einen
schmalen Streifen von der Elbe bei Lauonl)urfT über Lübeck und die
Unt<?rtrave zur Ostsecküste eini;escbränkt sind. Die folgenden Be-
trachtungen l)eziehen sicli aussclilitj.sslicli auf die'^o drei PHauz» n^ruppen.
1. Die ältesten Bestandteile der norddi uis* lien Flora sind boreal-
alpine Pflanzen, d. Ii. l'tlanzen. deren dichlr-te Verbreitung; wir jetzt im
Nordosten Europas und im liochgelnrge zu sucben liaben. Es sind Torf-
rooorbewobuer, die meisten besitzen westliche und südwestliclie Vegotations-
Huieu. Hierlier gehören Viola epipsila, Stellaria erassifolia, Saxifraga
Hirculus, Loduni palusbe, Sweertia perennis. Empetnim nignim,
Coralliorrhiza innatu, Scheuchzena palustris, Juncus üliformis, Scirpus
caespitosus und paucifloros, Carez chordorrhiza u, a. Während wir ver-
einzelte Vorkommnisse der meisten noch in Schleswig -Holstein finden,
besitzen Sweertia perennis und Coralliorrhiza innata im Lübeckischen
ihre westlichsten Standorte und erreicht Ledum palustre hier seine
Wostgrenze (Lübeck- Artlenburg a. Gifhorn). *) Der westlichste sichere
Standort von Viola epipsila befindet sich ebenfalls in der Nflhe Lübecks
(TculelfiBumpf bei Timmendorf).
2. Eine grosse Anzahl von Pflanzen erreicht in Norddeutschland
östliche VegelatiuD-lmien. Sie sind nach der Diluvialzeit aus Öüdwest-
europa längs der atlantischen Kii8te nach N und NO vorgedrungen uikI
werden als aüauüäche Gruppe zusauuueugefaäst. Hierher gehören Ulex
*) Veigl. meine Flora der UmgegoDd von Lübeck (Beilage Mnm Jahreebecicht des
KatharineuntB tu Lübeck, I8db).
Ascherson, Verb. d. bot. Ver. d. Pr. Brandenburg 32 Ö, LV and LVU. 1600.
— Naturw. WocbeoacUr. 1891 ö. 90.
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HQ 296
eoTOpaens, Helosciadium inunclatani, Lobelia Dortmanna, Erica teiialix,
Hex aquifoliuin, Myrica Gale, Narthecium ossifragam u. v. a. Myrica
Gale begleitet in einer schmalen Zone die Ostseeküste dntcb MeckleD-
burg und Pommera, ihre Binneugrenze verläuft durch das Lübeckiscbe
Gebiet nach Südosten und deckt sich ungeffilir mit der Westgrense von
Leduni pahisti-e. Narthecium ossifragnra erreicht bei Mölln (Laugen-
lehsten) seinen nordöstlichsten Standort, alle übrigen atlauüsclieu Fflauzen
sind weiter nach Osten vor«;edruugen.
3. Eine grosse Zahl von l'üauzen ^ind in Schleswig- liolötein auf
den Südosten und Otsten des Landes hesclirilnkt -). Südö>*tlieli<' Pflanzen
sind Pulsatilla jiratensi^. Bilune nntan«. Triloiium alpestre imd nnjüUunini,
Potentilla Tabernaenioniani (verua) und rubens, Sanguisorbu minor,
Laseri)itium prutenicum, Libanotis montaaa, Pcucedanum Oreoselinum,
Helosciadium repens, Chondrilla juncea. Canipanula persicifolia, Firola
cblorantha und unitlora« Chimophila umbellata, Yincetoxicum officinalc,
Melampyrum cristatum, Lamium maculatum, Aiuga genevensis, Goodyera
repens und Bromus tectorom.
Östliche Pflanzen sind: Pulsatilla vulgaris, Hypericum birautum,
Vida dlvatica, Lathyrus vernus und silvester, Trifolium striatum, Ulmaria
Filipendula, Scabiosa columbaiia, Ramischia secunda, AlUum vineale und
Scorodoprasum, Gagea minima und zahlreiche andere, welche vereinzelt
auch im Westen vorkommen.
In den letzten Jahren sind mehrfache Versuche gemacht worden,
diese auffallende Pllanzen Verbreitung zu erklären. Nach Loew ') sind ge-
wi.-be l'tlaii/t'ii in den 3 Stromihulern der Weicbsei, Oder und VA\k' vi-d
Süden und Südosten her in «lio iioiddeut^^che Tiefebene eiugediungrn.
Es sind Pflanzen sehr ver-rhicdener Natur, welelie nur darin übereiu-
stirmnen, das^ sie in NonldeuUseldand vorwie^ead oder ausschliesslich an
den Lauf der Hau})tströuu' gebunden sind. Sie bewohnen das Uferfjebüsch
oder die Wicsenniederungen <ler durchstrüniten Thäler oder die Rand
höhen der Thäler. Die Einwantlerung dieser Pflanzen in das westliche
Mecklenburg und in unser Gebiet erfolgte in zwei Thallinieu, nämlich:
1. in der Linie Havel-Elde-Schweriner und Neumühler äee>ätepe-
nltz-Dassow %
^ AwdMnoD dl>eiida.
*) Vergl. PrAbl, kritiache Flora v. Schleswig-Holstetn.
E. Loew, Ober Perioden und Wege ehenmllf,'er Pflanzenwandenuigin i»
aOfddcutfichen Tieflande Linnafa, none Folge hd. H, i>. 511 ff. 1H7S.
*) E. H. L. KrauBC, ptlHiiäieiigei>gr. Übersicht der Flora von Mecklenboigi i*
Arch. d. Ver. d. Fr. d. 2i&i. In Meckl. 38, S. 42.
I
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2. von der £1bo aus in der Linie Lauenbuiig-Belvenau- Mölln-
( Ratzeburg- Wakenitii* oder Stecknite)« Lübeck-Untertraye.
lu diese Gruppe von Pflanzen gehören nach Loew und Krause
unter anderen Ttialictnim flavum, PulsatiUa vulgaris, Arabis arenosa,
Sisymbriuni Siiia[>i8truii), Hypericum hirsutum, Archauj^lica littoralis,
Dipsaciis [ülosus und silventer PeUu^ites ofHcinalis, Senecio saracenicus
und [)alinlosu>, Lamium maculatum und AUiuiii Scorodoprasum, ferner
Scirpus radicaii.s. Niehl alle di«'se Pflanzen können wir iür unser Gebiet
als Stronihcf^leiter im Sinne von KrauHc und Loew gelten lasaen. Sisym-
brivini Sinapistmni und Arabis are^o^<a sind eine^eschleppt. er^tere seit
1 886. Dipsacus silve.ster und Petasites olticinalis sind wohl nur vor-
wildert. Scirpus radicaus felilt m Mecklenburg und auch in der uord-
westdeutschen Tief» bene. dageiren wurde er bei Hamburg und in den
Thälern der AUter, Bille und Wakenitz (Grönau bei Lübeck) beobachtet.
Seine NW -Grenze wird bezeichnet durch Grönau - Heidkrug a. Alster-
Hamburg. <
Die Zahl der strombegleitenden Pflanzen läset sich fttr unser Gebiet
noch beträchtlich durch solche vermehren, welche in der Provinz Branden-
burg und im östlichen Mecklenburg weit verbreitet, im westlichen Mecklen-
burg aber auf die nftchste Umgebung der Flussthäler beschränkt sind
Wir finden diese Pflanzen in unserem Gebiete z. T. auf eine schntale
Zone der Linie Lauenburg -Mölln- Ratzeburg- Lübeck -Travemfinde ein-
geschränkt oder zum ersten Male an der Küste im Anschluss an ihre
VerbrtiUm^' im nördlichen Mecklenburg. Hierher jjrehoren: Pul.'^atilla
[»r.'itensis, Bilcnu nutans. Trifoliuni alpeatre. Vitia siivatica, San^uis«»rha
niiuor, Uhuaria Filipt iahUa, Lascriutium prutenicum, Peucedanum Oroo-
j^elinuni, Scaliiosa roluinharia, Choudrilla juncea, Melampynim cristaiuni,
^Ainira «^vnevcnsis, *Bromus tectoruni, vielleicht auch 'lYifüIium stria(utn
uud LaLhyrus vemus. Die mit * bezeiclineteu Ptiauzeu gehen nördlich
nicht über unser Gebiet hinaus.
Das Fehlen dieser Pflanze im Westen Schleswig -Holsteins tasst
Krause ^) als eine Erscheinung unvollendeter Einwanderung in ein geo-
logifich junges Land auf. Dass die genannten Pflanzen Wanderpflanzen
sind, beweist ausser der eigentümlichen Ausstrahlung vom Gebiete ihres
geschlossenen, weit ausgedehnten Vorkommena noch die Thatsaehe, dass
einige derselben, wie Scabiosa columbaria und Aiuga genevensis, neue^
dings in Mecklenburg in deutlicher Ausbreitung begriffen sind *) und dass
•> Krause a a. S. 52.
*) Krause m Heimat II, S. 117.
') Kraase, MecklenburgiMbe Flora.
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H3 298
um Lübeck auf gut durchforacfaten Gebieten Standorte von FtalBatOh
praleDBis in immer grOeserer Zahl bekannt werden.
Eine von dieser Erklärung gänzlich abweichende Auffassung tod
der Verbreitung unserer südöstlichen Pflanzen yertritt Hück. In einer
Abhandlung über die Nadelwaldflora Norddeutscfalands') hat dieser eb
Verzeichnis von 34 Pflanzen zusammengestellt» welche nach Standort und
Verbi-eitung zwar sehr von einander abweichen, aber das gemeinsam
habeUf dass ihre Nordwestgrt'usten ungefähr mit der von Krause m<
Urkunden gefolgerten natürlichen Westgronze der Kit tVr im Mittelalter
zusainnienfallen. Unter diesen „Kiefernhegleitiithinzen' Höcks be-
linden sicii 18, deren Noidwestgrenzen durch die rnigegeud von Lül>tck
ziclien. Es sind Pulputilla pratensis, Heiianthemum Chauiaed<tu->-*
Silene Otites, Alsinc siseusa, i'rifolinni alpestre, Viciu silvatica uuil
eassubica, Potrutilla rubens. Feucedanum Ureoseliuum, Chondrüla juncea,
l^edum paiuHtre, Pirola chlorantha und uuiflora, Clümophila umbeUuta.
Goodyra repens, Polygonatum lofiicinale, Carez ericetorum und Koeleria
glauca^)
Aus dieaer Liste hat Höck selbst später Vicia silvatica^) gestiichea
Vicia cassubica ist wohl nur irrtümlicher Weise in unsere Flora au^
nommen worden '^J.
Zu den 34 Kiefernbegleitpflanzen Höcks gehören ane Anzahl
welche ähnlich wie die schon oben genannten Scabiosa columbaria und
Aiuga genevensis noch jetzt in deutliche Wanderung begriffen smd.
Wenn diese Wanderung auch nicht so schnell erfolgt wie neuerdiug;^ bei
Senecio vemalis, Carduus nutans. Tithymalus Oyparissia» und Esuln. so
darf man doch aus vielfachen Beobachtungen der letzten lumdert Jahre
schliessen, dass die Westgrenze dieser Arten im Mittelalter weit hinter
der Kieferngieuze gelegen imd erst in diesem Jahilmndert die mittel-
altcrlicbe Kieferugrenze erreicht hat^}. Dahin rechnet ivrause aus Höckä
') F. Hock, N«ddwsldlk»ra NoiddeatMailands. Fonch. sur Deutacben Lande»
und Volkskunde VII, 4. 1893. — Auszug «u dieser Arbdt in den B^. d. D. bot
üeaellBch, XI S, 212 ff
Bei Kutzeburg, vou wo äie Krause (Mcckl. Flora) angiebt^ aeit Jahrzelmieo
nicht gefanden.
^ Di«w Pflanse wurde von Luther in den 60er Jahren bei GrOnna gefunden, in
diesem Jahre von J. Schmidt,
*) Bericht d. 1). b..l. G,gellsch. XI. S. 398.
*) Ein von Willebrand Hiigeblich am Travt ut» r zwischen Sienis und Danischbiir;;
(27. 6. 41) gefundenes Exemplar dieser Art beßndei eich im Herbarium labcccoK-
Wehrsebeiniicb beraht W.'a Angabe auf einer Stendortsverwechelung, da dieae Pflaace
8|iater oft, aber vt rgebliclk gesucht wurde.
*) K H. L. Kraupp, liistorisch-geotrraphiHche Bt dtnitiinp der fi^eitpflansen dtf
Kiefer in Horddeutacbland, Ber. d. D, bot. GeaelLach. XX S. 30U.
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-O 299 e»-
Liste Tbalictrum miDus'), Alsine viscosa, Vicia caasabica und Tübymalofi
pypaiisnas*). In gewieser Beäehung gehören bieiher auch strenge
KieierDbogleiter, wie Linuaea borealis^), die oben genannten Arten von
Pirola und Chimophila und Goodyera repens, denn sie eischdnen in neuen
Kiefomanpfian/.uugen und verschwinden, wo der Nadelwald vernichtet
wird*). Dan Ergebnis dieser Butrachtuugun ist also tolgendos. Ein Teil
der Höckseheii KiefernbegleitpHanzen sind für das Lübeckische Gebiet
als Wanderj .Hunzen auszusclieideu ; dio übrigen treten z T. noch weit
jeii'^cit.s der mittelalterlichen KiotVrngit nze vereinzelt bis nacli Jüiland
hin auf. sie sind dahej' entwedei- als Reste aus der Zeit der grosseren
Ausdehnung der Kieler oder als Vorposten und damit gieichialls als
Wanderpflanzen aufzufassen*).
4. Den bisher aufgezählten PUanzen, deren Nordwestgrenzeo diu'ch
das Liübeckische (iebiet sieben, Icönnen noch folgende angereiht werden.
PotentiUa Tabernaemontani Asch, (verna L.), ain Polirkrug, auf
dem Priwall und bei Niendorf au der Ostsee.
Vincetoxicum officinale Mcb., frflber auch auf den Inseln in
den Preetzer Seeen; die westlichsten Standorte sind jetzt Insel Bucbwerder
bei Dassow (zahlreich) und Horst bei Boizenburg. Die Pflanze fehlt in
der westelbischen Tiefebene.
Gephalanthera Xiphophyllum L. sp., einmal im Riesebnsoh von
Hftcker (1858; gefunden, in Mecklenburg sehr selten, in Nordwest-
deutschland nur bei Uelzen.
ßotrychium rutaceuni Willd., bei Wesloe und um Schellbruch
gefunden, in Mecklenburg nur östlich von der Linie Waruemünde-
Ludwigslust.
Calamagrostis aruudinacea L. sp. kommt nach Krause in Mockien-
^ Bei Ltlbedc seit 1886 an einem Eniele beobeefatet^ amtweifelhatt elogeedileppt.
^ TitbymaloB Gyperiaeitui ist bei uns eine echte Wandorpflaase; aie ist lange
f\cr Friedrich- Franzbalin aus Mecklenburg eingewandert (E. H. L. Krause, Wanderung
von Titbymalu8 Cyparffsia«, .^rch. d. V. d. Freunde <}. Nat. in Meckl. Jg. 43 .S. IM -
WA) und wurde bei Lübeck erst ltiti45 beobachtet; die Zahl ihrer Standorte um Lül>eck
mehrt lidi mit jedem Jahre. Von Vieia eaasabiea entdei&te Volle in diesem Sommer
nhlreidie Exemplare an einem Feidmnde bei Ziethen.
') Vergl. V. Fischer- Benzen in Prahls kritischer Flora von Schleewig-Hulstcin
S. III. Linnaea borealis war im Anfang fli.m Jahrhuntkrts von Wolf bei T.üheck
angepflanzt worden Nach dcui Abholzen dai» Kiefemw&ldes ist sie hier verechwuuden,
l|itUere Pflaiizversuche blieben erfolglos.
*i Kraue e in Ber. d. D. bei Ges. XI 8. 809. — Auch unsere Pirola- und
Chimopilaarten wachsen «, T. in neuen Kiefempflananngen, wo vorher Eiehen standen ;
anrlrr>r<!oitR vcntrbwandpn hiüiiÜIc-Ir- Arten an der Sciüutuper Straeae nach dem Ab-
hauen des darüber Hteht-uden Kiufernwaldes.
Krause in Ber. d. D. bot Gesellsch. XI Ö. 3lÜ.
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-t3 300 ö-
burg sehr zerstreut vor, in der nordwestdeutachen Tiefebene wurde sie
bisher nur an drei Stellen beobachtet (Rotenbux^, Oldenbuig, Harburg)«
in Schleswig-Holstein ist sie auf den äussenrtan Südosten bis zur West-
gvenie des Sadisenwaldee, Trittau und den Tangenbeiig zwischen Ratse-
burg und Mölln beschränkt Am Schmaleee bei Mölln entdeckte ich 1894
den Bastard 0. arundinacea x lanceolata. Der lange schon vermutete
Bastard C. arundinacea X epigeios ist in diesem Grebiete sicher auch noch
auCznfmden.
Der Eisbeerbaum (Firus torminalis) Imt m der norddeul^chea
Tiefebene eine ähnliclie Verbreitung wie die Eibe {s. S. 302). Wälirend
("on weilt z in Weatj »reussen nocli .{ü Standorte feststellen konnte, wird d«»r
Baum westwärts seltener. In Mecklenburg tritt er nur vereinzelt auf bis
zu der Linie I\ost<ick Se1iwerin-Ha<renow, in öcJileswig-Hoisteiu und in der
wcstelbischen Niederung fehlt er ganz^). v. Fischer-Benzon entdeckte
den Eisbeerbaum vor 2 Jahren im Riesebusch bei Schwartau. Eine ein-
gehende Untersuchung des kleinen Bestandes von etwa 60 yerkümmerten,
meist aus überm oosten Stümpfen hervorkommenden Sträuchem stellt das
einheimische Vorkommen derselben ausser allen Zweifel*). Die Lttbeckiscfae
Flora besitzt sonach den westlichsten Standort des Eisbeerbaumes.
5. Aus Altertumsfundeu und älteren Nachrichten hat E, H. L.
Krause nachzuweisen versucht, dass die Kiefer während des Mittelalters
in Nordwestdeutschland westlich von der Linie Bostock-OeesthaohtGöhrde*
Drdmling fehlte und dass sämtliche Kiefernwälder hier auf späterer An-
pflanzung beruhen*), lieber den Verlauf der Grenze zwischen Rostock
und Geesthacht gehen die Ansichten der Botaniker noch auseinander.
Während Krauäu die Kieferugrenze vüu Kostock über Güstrow und
Wittenburg nach Geesthacht zieht*), sind Brehmer, Prahl und Stuckniarin
geneigt, das einheimische \ orkoiuiuen der Kieler auch für dfiis Gebiet
östlidi von Mölln, Ratzehurg und Lübeck (Wesloe) anzunehmen*). Um
zur KlÄruiig 'lieser Frage brizutragen, durchsuchte ich unsere Urkuuden
nach Aufzeic hnungen über Waldbäunie und untersuchte die Holzreste
unserer Altertumsfunde. Die Eigebnisse dieser Untersuchungen habe
•) F. Höck in der Dentoch. bot. MonatSRChr. im fi. 135. — £. U. L. Krause»
Mecklenh Flora S. 110
-j Siehe P. Friedrich, Flt»ra von Lübeck 1895. S. 21.
*) E. H. L. Krause, Beitrag «ir Kenntnis der Verbreitting der Kieler In Novd>
deatflchland. Englen bot. Jahrb. ZI 8. 123 ff. und XIII 6. 46 ff.
*) Petcrmanns Mitteilnngen 1889 S. 114 und 116 nebst Karte.
KritiBi'he Flora von Schleswig Holstein 1890 S. und W Rrehmer,
die Huizarten der Lubeckiechen ötaataf ersten, in Mitteil. der geogr. Geseiisclisft n. d.
Nftturhtot. Mtts. in Lfibeck, 2. Beihe, 1 Beft, B. 110.
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-t3 301 8*-
ich 8chou in eiuer früheren Arbeit') zusammengestellt. Im i'oliicndon
soll nur wiedcrliült werdeu, was für die Beurteilung der Kiefernlrage von
Wichtigkeit ist.
Der vorherrschende Baum di r Lübeckischen Wälder war im Mittel-
alter die Eiche. Sie heferte das Brenn- und Bauholz, sogar ausaehliessheh
die Dielen. Die Eichenwälder waren untermischt mit Bnrhen, Hain-
bucheo, Erlen, Ha^elnusssträuchern, Flatterrüstera und wildeu Obstbäumen.
Iii den zahlreichen Holzverkäufeu, welche uns aus dem 13. und
14. Jahrhundert überliefert sind^), wird die Kiefer niemals erwähnt, in
den Lübeddachen Forstakten des vorigen JahrbundertB werden unsere
Laubbäume aufgefQbrt, Nadelhölzer nur dann, wenn von neuen An-
pflansungen die Rede ist Die ältesten Kiefempflanzungen, auf der
Wolteradorfer Feldmark, stammen aus dem Jahre 1610'), alle ttbrigen aus
der sweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts.
Ist hiernach die Kiefer um Lübeck ebenso wie in Schle.-wi^ Holstein
als ein neuer Baum zu betrachten, so sprechen doch mehrere (jründe
dafür, da.ss sie noch in der zweiten Hälfte dos Mittelalters vorhanden war
und im Osten ohne Unterbrechung, wenn auch nur in zerstreuten Vor-
kommnissen, das Mittelalter überdauert hat. Tn einer Beschwerde*)
mehrerer Lübeckischen Bürger über den Zolleinnehmer Nie. Peperkorn
wegen unberechtigter Zollerhebung auf der Traye bei Oldesloe aus der
Zeit Ton 1370 bis 77 heisst es: „hebben ghenomra vnde nemen van
ieweliken pramen ekens holtes VIII sol. van diea prame bok^is holtes III!
sei, van den piame vorden holtes II sol., van den wagheiurade II den.,
van den asseholte I den., van den sacke kolen I den, vnde van der
aleuore, wau en bederue man to Lubeke In varen wil to wonende . .
Der Sats von der „aleuore'* und der Zoll auf „kolen^ welche Lübeck stets
aus Holstein bezog, machen es in hohem Grade wahrscheinlich, dass sich
auch der Holszoil nicht auf die Einfuhr von Lübeck traveaufwärts,
sondern auf die Ausfuhr bezieht
Bei der Her-stellung des sogenannten Traveilurch«iticbes (1881) traf
man im VViesengrunde gegenülter Alt-Lübeck auf eine Reihe von Pfählen,
welche in der Richtunp:: auf Alt-fjüheck bis zur Trave führte. ..Die
Fiähle kamen unter einer m dicken Moorschicht zum Vorscliein und
*) Flora der Umgegend von Lübeck. 1Ö9Ö, S. 6 ff.
*i Orkundeobuch des Bist. LQb. J. No< 346, Lflbeckiache UrkuadenbUcber, Fauü,
LatiedctadM Zustande ra Anfang des 14. Jabiiu Bd. 1 und Aiehiv des Verdm f. d.
Qeach. des Herzogt Lanenboig.
*) W. Brehmer in Mitteil, d Vereins f. Lüb. Qeaeh. d. Altertamik. 1894, 8. 1S8.
*) LabeckiBchea Urkundenbucb IV ö. 378.
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-13 302
standen 2 m tief im Moor. Sie bestanden aus Birken«, Buchen-, Erloi-,
Fichten- (wohl Kiefern) und Eichenholz und waren aftmtlkh am
Kopfende angebrannt. Auf diesen Pfählen und einer ITnterlage von
stark verkohlten Querhölzern lagen Schichten von Kohlen, llolzspähuo.
Knochen, Ilaschiussschalcu und Scherben von Ttipfergeschirr mit der
Ornamentik von Ah Lüheck ')." Die von dieser Ausgrabung stamnieuden
Hölzer im Lüberki.<( ]icu kulUirliistorisoben Museum sind vorwiegenfl
Eiehenliölzer, welche ein hohe« Aller cikeiinen la^*«'!) T'^nter den Quer-
hölzern liegt ein Stück K iefern borke und ein morsches, an einer Kante
verkohltes Brettstück von Tannenholz nebst einem Reilstück. Da?
Brettstück stammt von einem Fass und ist wahrscheiuhch jünger als die
übrigen Hölzer. Pfähle von Nadelholz sind zwar nicht aufbewahrt, aber
der verstorbene Landmesser E. Arndt, welcher die Ausgrabungen leitete,
war durch laugjftlirige Erfahrung wohl im stände, Tannenholz von Laub-
hölzern zu unterscheiden.
Die Moore östlich und südöstlich von Lübeck sind im Gegensatx
zu denjenigen Schleswig-Holsteins und in Obereinstimmung mit vielen
Mooren der Mark zum Teil mit niedrigen Kiefern dicht bewaclisen (so
besonders das Moor am Schwarzsee bei Mölln) und enthalten noch iu
ihren obersten Lagen zahlreiche Kiefemreste, so die Moore von Wald-
husen, Wesloe, das Bannaner und das Königsmoor bei Schmielau').
Myrica Gale. auf den Mooren Schleswig - Holsteins sehr liäuHg, erreicht
bei Lüb(>ck ihre Ostgrenze, dagegen enücheint hier zum ersten Male Leduin
pahistr«' und ist bei Mölln schon sehr hiuitig. Ebenso treffen wir hier
eine gnissere Zahl von Kielernbegleitern, Pirola uiiiflora und ehloruntlia,
(Jiiiniupbila utnbellata, (rood^üra repens, Koelei'ia ^lauea, Hypnuin Ciista
castrensis und Buxbaumia aphylla Dieselben erscheinen zwar ebeuso
wie Liiniaea borealis in neuen Kiefenipfianzungeu in Schleswig • Holsteiu
(S. 299j* auüallend ist aber bei uns ihr Zusamraenvorkommen auf kleiuein
Baume und z. T. die Häufigkeit ihres Auftretens.
6. Die Eibe ist in Deutschland vorwiegend Gebirgsbaujii ; in der
norddeutschen Tiefebene findet sie sich bis auf ein vereinzeltes V(tf^
kommen in der Rostocker Heide ^) nur in der Nähe der Gebirge und
' Zpit^cbnlt des Vereinfl fOr Labeck. Gesch. and Altertanuk. Bd. 4, 8. 157 ond
Kartenskizze.
*) Prahl, krit Flora 8. 269. ~ W. Brebmer in Mitt. d. Geogr. Ges. und d
nalurhieL Mos. in Lfibeck. S. Beibe S. H. 8. 110.
'} PrabL Laubmoosflora von Sehlssw.^Uolai (Schifft d. nat. Ver. f. 8chleswir
Holstein. 1895).
*; L. KruiiBe, die beiden wilden Taxusbäume b»'i Ivuaiock, mit 2 Tafein.
.\rcUiv d. Ver. d. Fr. d. Nat. in Meckleub. Jg. 3Ö 6. UJ.
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-ö 303 63-
des festen Gesteines (so bei Löbau uud iu Obersclilesien) und in den
drei \']\>\'uuan l'onimern. West- und Ostpreussen Die vielfache Ver-
wendung des Eibeiiholzes itn Mittelalter und das häulis/f X'orkomiüen
<lent>^rher tind slavischer Eibeuortsnamen in der norddeiu^^ ht u Tielob<Mie
la«.sen darauf sehliesscn. dass die Eibo trülier auch im Ticllaude ein weit-
verbreiteter Baum war. Neben deutschen Namen, wie Eibenstock, Iben-
werder, Eibendamm, Iljcnhorst, EyreDbrnch und Eubrueli, finden wir
zahlreiche slavische von der Eibe (tisu. polnisch eis) abzuleitende Namen.
Hierher gehören u. a. Thiessow auf Rügen, Tietzow bei Kremmen.
Theesen bei Burg, Thiessen bei Zerbst, Dessow bei Wusterhausen
a. d. Do88e, Dissen bei Kottbos uud Dessau (1213 Dissow)
Der nordwestlichste slavische Ortsname, der der Eibe seinen Ursprung
verdankt, ist Dissau bei Lübeck (1392 Dyssowe)'). Das mittelniederdeutsche
iwe kann sich sowohl auf taxus als auf hedera beziehen, trotsdem spricht
das Vorkommen von gleichlautenden deutschen Eibenorten in Nord-
deutschland sowie der Name des benachbarten Dissau dafür, dass auch
das nördlich von Lübeck gek«<;eue Ivendorf (1311 Ybendorpc) von der
Eibe abjEuIeiten ist In Schloswig'Holstein fehlt auch der deutsche Wort-
}»tauim iwe.
Botanische Ausflöge.
Wenige Ausflüge genügen, um uns mit dem Keiditum der Lübccki-
sehen Flora bekannt zu machen:
1. am rechten Traveufer vom Burgthor bis zur Thoerhofsinsel,
2. am linken hohen Traveufer von Dftnischburg bis Dummersdorf,
3. über den Priwall,
4. vom Mühlenthor durch die Gronauer Heide nach dem See
und Moor bei Blankensee,
5. nach Ratzeburg und Umgegend. Über diese an interessunton
Pflanzen reiche Gegend besitzen wir bereits eine Yegetations-
skizze von Prof. Reinke.^)
1. Die Wiesen auf beiden Seiten der Trave unterhalb des Burg-
thores sind seit der Tiaveregulierung (1878 — 1882) uud der teilwcison AI»-
*) F. Höck, in der deutscheu bot. MonatsHchrift 1893. 8. 121. — Üersell)«,
NndelwaMflorii NonldeiitschlandB (Forsc h z I) I.andes- und VolkBkundc Bd. VII S. Kl).
Die beigofUgle Karte entli< u. a. die Kik>eutitandorte der llefebene. — Conwentx,
in Abhandlungen z. Landesk. der Pfov. Westprenssen, d. 8. Danzig 1^2.
*) Veigl. O. Weisker, ■laviidie Bpnehraste, insbewndeire OrtnameD, aus dem
Havel lande und den angrenzenden Gebieten. I. TeU, Rathenow 189Ü, 8. 36.
■) LQbeck TVkundenbuch.
^ Arch. d. Fr. d. MaU in Meckl. löU^, a ff.
•43 304
tragoDg der Wälle (1885—1890) mit Baggerscfalamm und Mei^gel über
üchüttet Auf dem Baggenchlamm finden wir Arten Ton Rumex, Polj*
gonum, Chenopodium und Atriplex, ferner Ranunculus sceleratns, Cata-
brosa aquatica u. a. in reicher IndividuentaH daswiscben Salzpflanzen,
wie Sperg:iilaria salina, Piantago Ooronopus, Triglochin maritima und
Festuca (listaiis. Aul" den trockneren Stelleu hubeu sicli /.ahlreiclie Schutt-
pHiuizen aiitresiedelt darnnur aiuli neue Bürger unserer Flora: Papavcr
Klioeas (l>ei 'J'imiiioii<lorl Ackemn kraut), Sinapi.s Siiia})i>trnni (seit IHHIi
zahlreich). Lepidiuin ruderale und sativum, R(!<("da hilcola, Melilutus
offifinulis, Potentilla Hupina und intermedia, Clirvsautliriunni suavt'<»lens
(zahlreich), Lappula Myosotis, Liuaria minor, Salvia verticillata. Galei'psif^
pubesceu.« (seit lö4ö bei Lübeck, jetzt sehr verbreitet fehlt iu den Nach
barländern), Marrubium vulgare. Nepeta Gataria, Cannabis sativa, Allium
vineale (von den Wällen stammend), Broinus arvenais u. v. a. Wo die
Wiesen noch nicht überschüttet sind, finden wir im Frühjahre FritiUaria
Meleagris in tausenden von Bxemplaren.
Die Trave begleiten Thalictrmn flaTum» Archaogelica littonlu,
Scirpus maritimoa und Festuca amndinacea. Auf der Insel gegenüber
der Werft herrscht stellenweise Melilotus macrorrhisus. Auf der sandigen
Höhe hinter der Werft haben sich Berteroa incana und Medicago faleata
in ungeheuren Mengen angesiedelt, seit einigen Jahren breitet sich hier
auch Euphorbia Esula aus. Im Travedurchstich finden wir Medicago
faleata X sativa, Origanum vulgare, Salix acatifolia (angepflanzt), Galittm
boreale, Cynoglossuin ot'ticinale, am i'reidelstieg in der Näho Aster novi
ßelgii, Ruuiex conglDiüeratus X maritimus und R. erispus X obtusifolius,
auf der Höhe am rechten Ufer in grossen Mcugöu Gagea pratensis, auf
der entgegengesetzten Seite die landinuersteD Exemplare von (lalium
verum. Letzteres kommt hei Lüheek, einige verschleppte Vorkomninis^e
abgerechnet, ausschliesslich am Strande und in der unmitteibareu Nähe
der Untertrave auf trocknem J-^aiide \ or.
2. Das Ufer von Dänischburg abwärts ist in mehrfacher Beziehung
das interessanteste Stück unserer Flora. Zwischen die Sandflora der
Hochfläche und die Salz- und Wiesenflora des Trayethales schiebt sieb
auf den Böschungen eine Zone von Pflanzen ein, welche wir sonst weit
und breit nicht wiederfinden. Hierher gehören die meisten der auf S. 291
au^geasählten Wanderpflanzen und mehrere Charakterpflanzen der sdüeswig'
hobteinischen Eichenkratts.
In dem Kiatt von Dänischburg finden wir Ranunculus polyanthemos,
Hypericum pulchrum, Achyrophorus maculatus^ Ai^ca montane und
Polygonatam offidnale, femer Agrimonia odorata, Melampyrum nemoio
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sum und cristatum, Origamim vulgare, Betouica officinalis und Serratula
tinctoria, am Rande das Kmtts Pulsatilla vulgaris» SUene nutans, Viscaria
vulgaris (erst seit B Jahrzehnten bei Lübeck), Primula officinalis auf I/ebra-
boden. endlich Laserpitiuiii prutenicum, Peucedanuni Oreosolinum, Scabiosa
colunibttriu und Pulsatilla pratensis. Die letztgenannten 4 Pflanzen be-
gleiten dn.« hnlie Tmvent'er abwärts bis übor Dunimersdorf hinaus.
Unterhalb der llerroiilähro gesellen sich zu diesen im den trocknen
Biischungen Tuniea {)r(>hf('ra, Trifolium striutum, Anthyllis vulneraria,
Pimpinella magna f. disseetu. Avena pratensis und Bronuis tectorum,
neiierdin<;s auch Vulerianella dentata, an sehattijreren Stellen Lathyrus
nij^er, TriloHuui alpestre, Tr. pjatense var. leiicoehraceuni Vicia silvatica,
Campanula persicifolia und am Stulper Uuk Viola hirta. An quelligen
Stellen wachsen Scirpus setaceus imd parvulus, Eqnisetum hiemale und
maximnm, bei Herrenwyk Pinguiculu vulgaris, ferner schon von D&nisch-
burg an Inula Britannica und Pulicaria dysenterica. Die Böschungen
der Untertrave sind reich an Rosen. Fast alle unsere Rosen finden wir
hier, R. canina, dumetorum, tomentosa (var. tv) iea, subglobosa, umbelli-
flora und danica), endlich die um Lübeck sonst nur ^auz vereinzelt vor-
kommende R. rubiginosa in grojsser Zahl. An der Trave wächst zwischen
den Kitern ^hMltha n('|»etoidos (M at|uati('a X neinorosa} an zwei Stollen.
Das hohe Ufer hei Dunnuersdorf eiiihält den landnmersten »Standort von
ili|jj>uithae rluuiinuiii* An <Miiein Knick in der Nähe ist das um Lül>eck
seltene Asj»lenium Triciiumaues z;ihlreich.
Die Strandpflanzen werden in Ammophvle und Haiophyle ein-
geteilt. Die Ammophylen, d. h. öandliebende Pflanzen, nehmen die
höher gelegenen sandigen Stelleu ausserhalh dos Wellenschlages ein. Zu
ihoen gehören: Calamagrostis areoaria und balUca, Hordeum arenarium,
Fhleum arenarium, Triticum iunrenm und dessen Mischformen mit Tr.
repens, in unserem Gebiete endlich auch Galium verum. Die Kalo-
phylen^ d. h. salzlieliende Pflanzen, wachsen auf .sandigen oder moorigen
Stellen, welche zeitweilig vom Salzwasser bedeckt werden. Hierher ge-
hören Cakile maritima, Honckenia {)eploides, ^Spcrgularia safina und
margiuata. Ervngium maritimutn, Apiuni graveolens, Bupleurum tenuieai-
mum, Aster TripoHum. Erythraea litoralis, *Glaux maritima, •Samolus
Valorandi, Plantago maritima und '('oron<»pus, rheuo|>odina maritima,
Atriplex litoi-ale, Salsola Kali. Salicornia lu rlMioa, *Triirlochiii m irithna,
Juucus bulticuri, 'XJcrurdi und maritimuö, ''Scirpus maritimus und ruhis,
») Ber. il. D. Bot. CicB. Mll, lÖlJU ö. 1U15 u. Verb. d. Bot. Ver. d. Trv. Brandenb.
Jg. 35 (1893) S. 140.
SN)
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-J3 \>-
Carex distans, Fostuca thalassic n tind * distuus. SalzwiesiMibewohner sind
in unserm Gebiete fernoi-: "^"I hfolium fragifenini, * Archaugelica littoialis
£rythraea pulcbcUa und *Festuca arundinacea.
Die aufgezählten Ptiansen begleiten mit nur wenigen Atunahmefl
die Trave aufwärts bis zur Herrenfähre, wo aich auf engem Räume
Doclunala der ganze Reichtum unserer Strandflora entfaltet Die mit *
versehenen Pflanzen dringen noch weiter traveaufwfirts z. T. bis Lübeck
vor. Die landinnerste Salzwiese mit Saniolus Valerandi, Triglttchin
maritima, Trifolium fragiferum u. a. befindet sich in der Nähe der
Wipperbröfke.
Die l 'iitertrave uml dio rortnit/or Wiek he\v«>hnei) ; ßatraeliiuni
Pülivori, trifliu^iiiylliiiii und Baudotii var. mai inuju, Nain.s niaii-ia,
Züstera niarina. Zauniclitillia pedie. Uata, Kii|>j)ia niaritiina und i\»lclliiüi.
3. Die llaelic, auf Dnncin^juid hr^teliendp f Inll'in-^'l df^s Priwall
trägt mit den daran sUjssL-ndcn l'uclnn/er \\ it^sen eine nianuigiailige
artenreiche Flora. Wir linden liier alle lu^eits genannten Strandpflaiizeu
in 1 eicher Zahl. Auf dorn mittleren, höher gelogeuen Teile der Ilalbin.sjl
/.ahireiche öslliclie PHanzcn sowie merkwürdige Formen hinnenlftudiacher
Arten. Iiier sind vojherrsehend: Pnlsatilla pratensis, Antliyllis vulueraria»
Sanguisorba minor, Poteutilla Tuhemaentontani und rubens, Galium
verum, Allium faltax, Avena pratensis; ausserdem finden wir hier Lepidiom
campestre, Senecio viscosus, Carduus nutans (das älteste Vorkommen bei
Lübeck 1843), Vicia cracca f. leptopbylla, Taraxacum officinale var.
corniculatum, Chrysanthemum inodorum var. marltimum, Bromus mollis
var. hordaceus u. a. An den ^foleu wächst Solanum villosum var. alatam
Much., bisher nicht in Schleswig T f oistein beobachtet.
Die interessantesten Pflanzen der Poetnitzer Wiesen sind: Vicia
teuuifolia, Lotus comiculatus f. t^nuifoHus L., Ulmaria Filipendula,
riippuris vultiari.'i. Bupleuruni tenuissiniuni. Oenantlie Laehenalii. Taraxa-
cum offieiiiale vai pahistro, Kuphrasia (^tloutlt« s var. litoralis Fr., Orchi;-
palustris, 8eirpus nifus var. biioliu« W'ailr., Carex Flornseliuchiana uml
Oi)hi()t;I<.<siii,i viilgatun). In der Niiiie der Mecklenburger (jlreuze entdecku?
Hücker Lepiuru.'* ineurvatus.
4. Ein AusHug vom iMühlenthor durch die (Irönauer Heide
nach Blankensee lehrt un.s die Floia der Heide und der Torfnu»ore
kennen. Ad den JUösdmngen der Landstnu^se sehen wir den kräftigen
Rumex auriculatus in grosser Zahl, hinter dem (irönauor Baume Aiuga
genevensi^ und nnt( r Kielern Pirola unillora. Hier betreten wir die
Heide mit Hypericum humifusum, Saxifraga tridactylides, Empetrum
nigrum, Salix repens, Blechnum Spicant, Osmunda regalia und v. a. In
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feuchten Gräben wachsen die Zwern^pflanzen Radiola liiioides, Montia
minor, Corrigiolu lilonilis, Illeccbiuin vei lifiliatum und Cicendia lililorinis.
Von besonderem Interesse sind die l'undo von j^enecio vernalis, Tithy-
malus Cyparis.^ius (beidf breiten sich mit jclein Jahre mehr aus), Pulsa-
tilhi ]>ratensis, Clionih-illii juncea. Ayciui pr;a»'ti>i.-^ un>l KocIcHm «rlauca.
Auf den Moorwieseu bei Grönau wurden tSanguisori)a oiticinalis. St irpus
radicans und Liparis Loeselii nachgewiesen, ferner ist Colchicum autumnalö
auf einem kleinen Moore schon seit den 30er Jahren Ijokauüt Auf
Kartoffelfeldern bat sich Linaria aryensie in grosser Zahl eingebürgert
Au dem Seekrug mit Cirsium acaule und Gentiana campeatris vorbei
gelangen wir scu dem See von Blankensee. Das sandig*moorige Nordufer
desselben zeichnet sich durch litorella lacustris, Lycopodium inundatum
imd Ranuncttlus reptans mit allen Uebergängen ta R. flammula aus. In
dem benachbarten Gehölze sind Rubus suberectus f. sextus und monströse
Formen von Polystichum spinulosum zahlreich.
Das Moor bei Blankensee ist in botanischer ICnsicht das inter-
essanteste unseres Gebietes, leider ist hier wie auf anderen Mooren manche
seltene Pflanze durch die Torfgewinnung vernichtet Stellaria crassifolia,
*Drosera Ion<nfoHa, *Saxü'raga Hircuius, "Tirohi rotundil'olia. Vaccinium
ulii^iuosuni, tlie vier Liiheckischen Utricuhirien, *Gymnadeiiia conopea,
""Malavis paludosa. ' Liparis Loesehi, Calla |)alustris, Scheuchzeria palustris.
Eriophorum gracilia und alpiuum , Carex limosum nn(l Polystichum
cristatum sind die interessantesten Vertreter dieser liOkaUlura. T>ie mit*
bezeichneten Arten wurden in den letzten Jahren vergeblich gebucht.
Die südlichen Höhen begleitet Ulex europaeus.
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Die Fauna der Umgegend Lübecks.
VON
H. LENZ.
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-O 811 E»-
Die Thierwelt unseres kleinen Cu bit ti fs gleiclit ans nahe lie^jenden
Grüuden im Allgemeinen derjenigen <l<!r Nachbarländer wie der nordweat-
dc'utselien £beiie überhaupt. Auch bei uns habeu sich jene Einflüsse
geltend gemacht, welche nicht nur auf eine Venrnnderung des Thiers
bestandes, sondern auch der ihre Existenzbedingungen findenden Arten
hinwirkten.
Einer genaueren Durchforschung sind bisher nur wenige Gruppen
unserer Fauna untensogen worden, so dass nach dieser Seite hin noch
Vieles zu thun übrig bleibt.
Unter den Säugethicren mag auf den bis in die neueste Zeit
am oberen Laufe der Wakenitz beobachteten Nörz (Foetorins hitreola)
Howio Jlut die in den siidlicheii Enklaven bei Sciiretstakon nicht ganz seltene
Hasolmaus (Muf^ranlinus avcllanarius) hingewiesen werden; auch die
Hausratte (Mus niilns) tritt in der innenMi Sta'h nocli immer vereinzelt auf.
In der Trn\ « iiniiiihr Bueht gehört ^owolil der- gemeine Seelnind
(Phnca vitulinuj, wie ilcr ginuo Seehund (Halichoerus grypu-') /u den
ständigen Bewohnern. Die zuletzt geiumntc^ Art dehnt ihre J^^xcm-sionen
vielfach stromauf wiirts aus und gelaugt zuweilen ü,b«r (he SUidt hinaus
in flen oberen Lauf der Trave. Im Jahre ISÖ9 wurde hei der Wipper-
brücke und liJ7Ö ini todten Arm de» Stadtgrabens unterhalb der Storn-
warte ein grauer Seehund geschossen« Beide ötücke befinden sich im
Naturhistorischen Museum.
Der Braun* oder Schwei nsfisch (Phocaena communis) ist gleich-
falls in der Travemünder Bucht kein seltener Gast, während von den
grosseren Delphinen an der mecklenburgischen Seite unterhalb Bosen-
bagen ein 5,6 m langer Dögling oder Butzkopf (Ilyperoodon rostraium)
im Jahre 1863 strandete und die Schlutuper Fischer im Januar 1882 in
der Untcrtrave einen 3 m langen Delphin (Delphinus tursio) erlegten.
In der Literatur ist endlich noch eines am 21. Februar 1819 an der
Westseite der Bucht bei Grömitz gestrandeten Ö.« ni langen Wales
(Balaenoptera laticeps) gedaclit. Die Chi usiik eiuahul au.s de ni .lahro l'.VAb
sogar eines Zuges von (i — 7 m laugen Walen, welche die Tmve aufwärts
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H3 812 tih
bi» zur Hobtonbrücke gelaugt scioti uud von deren Knochen einzelne
lange Zeit als Merkwürdigkeit am Tlinnn der Pctrikircho aufgehängt
gewesen. Auch als liofthoru und Absatzstcine wurden Walrippt ti und
•Unterkiefcräste benutzt; »ind jedoch jetzt auch hier verschwunden. Regel-
mässiger Walfang' ist von Lübeck aus nie betrieben worden.
(Teborre!>«to ausi^'v-torhoner Säuijothierc sind bi^liuii: nur ."Spärlich
i^eluiulcii woidoii und Ufscliiiinkru sich mit" ciii/cluo Stücke vom l>il»or.
L^lcli, Kenn tili er luul Maniinulli. wiiluvMid ein im Niiturlu.<torisclK'ii
Musoutu niill't wahrten Seliiulelini^ment «ies M <)>eh u.suehwüU ^Ovilxtö
musjuliai II- 1 aus den Kiesi^rulu-n l Dömii/ siamml.
I)ie Vouelwelt unscies (J(fl>i<;U's Iti« hi^-lu-r kiMurn ;jj!"üiidliLlioii
Jieobacliier «jjelundeu, 8oda.s.s wir uns uuf einige wenige Buinerkußgea
beschränken luQsseii.
Der Steinadler /eigl siili avisserordentli( Ii selten, während <1»t
Seeadler (Ualiaetus albieilla) «»fter erscheint Mih us regalis ist als Brut
vogcl nicht gan% selten; weit seltener dagegen Milvus ater. Pernio api-
vorus nistet gelegeutlielj überall Unter den Cirou^Arten ist aeruginosus
h&ufig, einerascens und luimentlich cyaneus lassen sich nur selten seheu.
Ardiibuleo higopus ist regehnässiger Wiutetg^cu^t. Astur palumbarius
ziemlich selten; sehr häufig dagegen Accipitcr nii«us. Cerchneis tin-
nunculus ist allgemein verbreitet; Jlypotriorchis aesalon ist zuweilen auf
dem Zuge gt^sehen, Falco subbuteo mitunter als Brutvogcl l)eobachtet
worden; F. peregrinus kommt vereinzelt zu jeder Jaiireszelt vor.
Unier den Eulen erseheint ßubo ninximns yAiwciien, aus dem
Lauenburgisclien konmien<K in ihn südli*. heu Khklaven. An kleineren
Arten sind Stri.v liamtnea und 8vrnium alueu Iiäuliu; Otus vulj^ari«' in
Nadelhölzern und Braeliyolus |»;dustris in Moor und Haide ni< lit selten.
Nyetea nivfvi ward der .)Oer Jalne in der Nähe deü Gutes l^aueii.
8 lau von Lübeck, nahe der Untertrave, erle<j;l.
< 'aprinudgus europaeiis ist vi'i breilc.'t. aber nielit iiäulii^. AIcedo
isi>ida Uisst sich im Winter selbst in der Nabe der Stadt au (.ie-
wässern hnnfi;L^a'r sehen, dagegen zeigt sich Coracias garrula äuss^
selten. An kräbenartigeu Vö;;eln nisten Corvu» comx und (ornix nwr
wlten hier; die letztere Art erscheint aber regelmässig im Herbst in Scharen
Nucifraga caryocatactes tritt ganz vereinzelt und zeitweise aul. Oriolus
galbula, hier allgemein Vogel ,3ülo\v'' genannt, ist ziemlich häulig. Picos
major ist nicht selten « weniger häufig sind medius und minor; ato
häufigsten viridis, während canua noch gar nicht und ]>ryocopuM »lartiufl
sehr selten beobachtet wurde. Sitta europaea zeigt sich überall ebenso
Certbia famüiaris, dagegen ist .lynx tor^uilla nur spärlich anzutreffen.
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313 ^-
I'nt«'!" Würcfern int Lanius collurio weitaus der hanfi'jfste,
iiijijtti uikI minor siii«l h< nt r lioaiUjcilla *;arnila ei -cheint re^a'liiui8Mig
iin Wiiild". \'<ieiii/A'U kuiuniOJj vor: Cincliis utiuunii^. I'arus utor,
cristaliis nii<l harhahis, Kuticilla tithys. Uebor ntaia hc aiulore Arten
aus (k'r <mu)»|)c der Siinger bin ich leider zur Zeit au^ä^ier »Sümde zuvor-
läis^i^^^e Ani^übeii 7M iiuichon.
Montilrini^illa nivalis ist bisweilen im Winter sebarenweisr zu sehen,
nauientlidi um Itiuide der lUuiienwältler; Coeeolliraustes vulgaris tritt
nur siiärüch auf, auch Pyrrhula vulgaris ist nicht häufig. Unter den
Finkvn gehört »Sontnt« hortulnuuH zu den hier seltener zu beobachtenden Arten.
Otis tarda konunt aus Mecklenburg zuweilen nahe an die Grenze
des Lübeckischeu Gebietes. Im Museum befindet sich ein in der Nähe
von Dassow erlegtes Exemplar.
Ans der Ordnung der Stolz vOgel behauptet der Kranich (Grus
cinerea) noch immer seinen alten Bnitplatz am Ausflusse der Wakenitz
aus dem Raizebnrger See; auch am See selbst sind weiter südlich solche
Brut[)lät/e. In Liibeek lindet sieh «ler Kranich noeli als Wabrzeiehen
aul einem llausu in der Stadt am Klia^4enberj;. Der weisse Storeh ist
zieiidieh biiuliji^, während der schwarze (Cieonia nigra) nur ganz ver-
einzelt in dir Nahe der Küste herujii/.iehend beobachtet wurde. Der
j^raue lifiht r (Ardea einen^a) ist an drr \V:ik< ult/ und l'ntertrave recht
häutig. Ks i?*t «lie einzige hier lieebaelileie Ueiiierart. Die grosse Kohr-
dorniiiel (Motaurus stellaris) ist an den reichlich mit Sehiil" und Rohr
bowa< hsenen riVi streekeii ili r<»ln!ren \V akeuitz und l'ntertrave, namentlich
bei Clothmund und der llcrrenlTihrc nicht selten. ])ie kleine Rohr-
dommel (Anletta rainuta) ward ein einziges Mal zu Ende der 7t)er Jahre
in einem \Vasseriüm])el nahe vor dem Burgthore erlegt; in den letzten
Jahren ist sie mehrfach bei der Ilerronfähro imd am Himmelsdorf er See
gesehen worden. Gallin tda miunta scheint sehr selten zu sein; Nume-
nius arquatus und phaeopus zeigen sieh im Herbst liäutiger, auch Limosa
lapponica lässt sich alsdann sehen; Totanus fuscus und glottis treten ver-
einzelt auf; Machetes pugnax ist nicht geiade selten, dagegen gehören
Tringa maritima und cinerea, Kecurvirostra avocetto» Plialaropus hy(>er
boreus zu den hier seltenen Arten. Ganz vereinzelt sind am Meeres-
strande Aeginlites enntiarius, ilaematopus ostrolegus und Strepsilas
iuter[>res beobachtet worden.
Aus der (^rdrumg der Seh winj m v(')gel gehr»rt der stunune
Scliwan (( 'ygnu.- ulor) seit dem Millelaher zu den staiidigcu Ikwuhiu rn
der die Stadl umgebei'den Teiche, wiiln-end der Sitej^^ehwan ^C. musicusj
zieiiiiich regelmüssiig im Winter auf deui Zuge eracheint.
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-43 3J4 £4-
Unter den Möven dnd Laras tnarinus, argentatas, {uscus, cbdus
und lidibundus, Sterna hinindo stellenweise sehr li&ufig; als seltener
gelten Sterua minuta und nigra.
Podiceps cristatus ist recht häufig, weit seltener sind P. rubriooSis
und minor; F. arcticus ist - am Floener See beobachtet worden. Der
Tölpel (Sula bassana) ward einmal im Jahre 1852 auf der Wakenitz in
der Nähe der Stadt erlo«;t. Das ICxemplar bijliudet sich im Natur
historisdien Museunr rciclie.« Vojiel loben pfleirt sicli rej!:elmässig in
strengen WinternKuijueii in der Traveniündor Bndit zu entwickeln, deren
otVenes Wasser von /.ahÜMsen Enten. T.'HJoliern n. s. w. aufj^esnoht wird.
Die Fifcher ni:i< licn uNdann dureli Fang von „Antvagcln" reiche lieul^.
Am liiiuligslen }>iiegen sich einzustellen: die Eisente (Anas glacialis),
hier aligemein .,Klashahn" genannt, die Schällente (A. clangula)
(Schwanvagelliahn). die Sägetnucher (Mergus sernitor und mergauser):
als seltenere Gä.'^te erscheinen: TJingelgans (Bernicla torquata), Eiderente
(Somateria m(»llis.'jirna), Lötlelente (Anns clypeata), A. leucopsis, Mergu?
albelluB, Tordalk (Alca torda), Grjllumme (IJria giyllc) (Holländisch
Duw], Krabbentauciier (Mei^gulus alle) und als sehr selten die Meer
tau oh er (Colymbus arcticus, glaciaiis und septeutrlonalis).
Reptilien. Die schwarze Varietät der Kreuzotter (Pelias berus),
die IlOllenotter ist ziemlich häußg.
Amphibien. An Molchen sind bisher nur Molge palustris (L.)
und vulgaris (L.), an Kröten ßufo bufo, variabilis und calamita beob-
achtet worden. Der Moorfrosch (Rana arvalis Nils) kommt nicht selten
in unseren Torlniooren vor.
Fische. Die Fauna unserer Siisswa.sserl'ische zeigt keine beson-
deren Eigciilhüuiiii likciuu), ihr«^ Arien geliören sünuutlich zu donjeuigeii,
welche Flüsse mit 'Turl- und rcicliliclii ni Srlilainingrund bewoluum. In
der Schwartau ist das FlussiMMinau i IVlromy/on Iluviatilis) nicht ^rlten.
Aus den die Travenunider Bucht und das Brackwa.sser der Unter-
Irave sowie des Dassower Sees bcw«»lmenden Arten mag auf folgende,
weniger häutig Iieobachtelo hingewiesen worden:
MuUus sumnulctus L. Nur in 1 Exemplar aus der Bucht bekannt.
Sciaena a<juila Kisso. isr>l? und 1874 Je ein Stück gefangen.
Xiphias ghulius. Nach den Aufzeichnungen Walbaums wurde im letzten
Viertel des vorigen Jahrhunderts der Schwertfisch hier mehrfach
beobachtet. Im Museum befindet sich ein 1883 in der UntertraTe
erlegtes 2,5 m langes Thier; 1888 ward ein zweites Exemplar an
der mecklenburgischen Seite der Travemünder Bucht unterhalb
Rosenhagen erbeutet
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-ra 316 E*-
Caranz tracburus L. Vereinzelt
Trachinus draco L. Sehr selten.
LophiuB pifiN^torius L. Sehr selten.
Trigla gtimardufl L., häufig; T. hinmdo Bloch, seltener.
Gobius niger und Ruthenspam häufig; G. minutu» L. m der Bucht
häufig; G. microps Kwy im liiaekwas^tr häufig.
Lipuris vulgaris Fleni., nach Duiukt r oinmal bei Nieiidoi i" geiaugon.
Anarrliiehas hi})n,s L. Nur in 1 l"'xpl. bekanut.
Stiehaeiis ishni(hcus C. V. \^'ieiDzelt.
BeloMf vulgaris Plom. lläuHg.
Labrus macnlatus Bloch. Verenizelt.
Gadus aegletiuus, meriangus, carbonahus und pollachiue kommen ver-
einzelt vor.
Merluoins vulgaris Fleni. Sehr selten.
Lota Molvu L. Sehr selteu.
Motella eimbria L. Sehr selten.
Brosmius brosme Gänth ward 1888 m einem 30 cm langen Exemplar
hl der Untertrave gefangen.
Raniceps raninus L. Vereinzelt
Hippoglossus vulgaris. Sehr vereinzelt Das Naturh. Museum besitzt
noch kern Exemplar aus der hiesigen Bucht
Hippoglossoides limandoides Bloch. Sehr selten.
Pleuronectes cynoglossus L. und microcephalus Donav sind sehr selten.
(G. Dill Icker.)
Syngiiathus acus. Selir stalten, walüeiul Siphouostoiua typhle und
Nerophis ophidion ^ulir huulig .sind.
Sulnio salar und trutta sind in dt>n letzUju Jaltren etwas häufiger ge-
fangen worden.
Coivi'oMiis o\vrhvn<*hu- L. kommt nur vereinzelt vor.
Clupea alosa var. tintii. \'(>!'t'inzell.
Engraulis encrasic-iiolu.'^ L. Vereinzelt
Conger vulgaris. Sehr selten.
Acipcn.ser sturlo L. Suiten.
Carcharias glaucu.s L. ist ein einziges ^^al beoliaciitet worden,
Lamna comubica Gm. 1854 bei Nouj^tadt gefangen. (Möbius u. Heincke.)
Acanthias vulgaris Risse. Ganz vereinzelt
Kaja clavata L., radiata Donav. und fullonica L. je in 1 Exemplar
aus der Bucht bekannt
Kaja batis L. Nicht ganz selten.
Petromyzon marinus L. Äusserst selten,
petromyzon fluviatilis L. Ziemlich häufig.
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-ö e^-
Die Hauptnutzfisehe für dia Seefigcherei sind im Winter der Dorsch,
itn Sommer drr GoMl>utt, im Friilijahr der Häring; ausserdem der
Aal. Flunder, hier nmi.st Strom- oder Graubutt genannt, Stein*
butt und Magrctonbult (Rhombus laevis llond.), auch unechiiT
Steinbutt gmianiit und Zunge bilden gleichfalip nicht unbeträchtüche
Thcile de» Si>nuncrl'ango.s. Im Horb^te ist der Krctlingsfang (öupe«
spratlufl) von Bedeutung. Dieser Fisch wird hier ausitchliesslich geräuchert
genossen.
Di(» Nfolliiskoii unsere«! Gebirtes «ind ziemlich ^ut bekannt und
ij:iiM» ntl'u-li voll lirn n I l.niptlclnvr Arnold .*Jorul"älii,ix i^oHUinmclt wordf^n.
Wir k»-tim^n 140 Arten di-r-cllH ii. von wt-IrlH-ii iJ Arten dor iiavc-m ander
ßuclil und dem Braekvva.s.^ejgebict angeliörou.
Bin lU'U i>io 1 1 usken.
Ariün ciniiirieoruin 1'» r. Sehr liänlii:-
< subtuHcus Draj». nnd hortensw Fer. Selten.
Linmx ciuem» ui^^ i Wolf, Limax varief,nitus Drap.
• cinereu!« Lister. • agrcstis L.
arborum Bouch.
Viirina pellucida Müll. Nicht häufig.
llyuliua coUana Müll. llyalinii radiatula Aid.
* nitcns Mich. • crystalHua Müll.
* nitidula Drap. ■ fulva Müll. Selten.
Zonitoidofi nitida Müll. Nicht selten.
Ilelix rotundata Müll. Helix strigella Drap. Sehr selten.
]>ygraat'a Drap. S<*Uen. » friiticum Müll.
• ucnleatu Müll. Sehr selten. • incarnnt.-i Müll. Nicht hSofig-
( pidcliella Müll. » iirbus^tornni L.
costata Müll. • ]»ort«Misis Müll.
Itidens Clurnii. • iienioralis L.
liKerta We-t. • pomatia L. iSteileaweise.
• serieea Drap. .Selten.
• his[)ida L.
Buliums üb^i-nriis Müll.
Cocblicopa hibrica Mül). und acicula Müll.
Tupa niusconnn L. Pupa shuttlewoi-thiaua Ohaip.
• antivertigo Drap. • pusilta Müll,
pygmiien Drap. • angustior JofEr.
Balea pcrversa I^. Niehl üeltoii au Mauern und unter Weidenrinde,
riausilia laniinata Munt. Clausilia pumila Ziegl
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317 ei-
Cluu^ilia dubia Drap. (JlaiisiHa bipUcata Munt. Die häufigste
iiigricuns Pult. Art.
Succinea putris L.
• Pl'cilTeri Kossni.
obloQga Drup. in den Taniieii bei Bcliwariau au gauz trockuoa
Stellen.
Valvata pisciutilis Müll. Valvata depresi^u Pfr. Nicht selten.
antiqua Sow. Sehr 8eltoD. * cristata Müll. Nicht seiton.
Paludina vivipara Müll Bytiiinia tentaculata L.
• fasciata Müll. Seltonor. * ventricosa Gray.
Neritina fluviatilia L. Im Süss- und Brackwasser.
Limnaea stagnalis L. Limuaea glabra. Selten.
• auricularia L. ■ truncatula Müll. Nicht häufig.
• ampla Hartin. Selten. > pcregra Müll.
• palustris Müll.
• » var. L'orvus.
In Waldtiiiii]»« In.
Ampliipcplea irlulinnsu Müll, i^ohv sciteu.
PliyfR iunliii:iii> L.
Aplexa hypnoruiu L. laicht häutig.
Plauorbin corneii» L. Planorbis (•ont<3rtiis L.
inarginatus Diap. « albus Müll,
var. subniarginata Ciess.
cariuatus MüU.
yortex L.
var. conipressa Mich,
rotundatus Poir.
Ancylus fluviatilis MüU. Selten.
Acroloxus lacustris L.
glabcr Je ffr.
crista L.
complnnntuB L.
Clessini West Selten.
nitiduH Müll.
Anodonta mutabilis 01e5».
• var. cvgnea L.
• • celleusis Sehröt.
• • piscinalis Nils.
• • anatina L.
» eompbniatn Zio'jl.
Spiiaerium rivieoluni Lcach,
• corneiim L.
• Drapamaldü Ciess.
Unio pictorum L.
tumidns PWl.
» bataviis l>ani.
CruininesHC.
Stecknity. bei
Pisidiuiii ainniouni MüU.
» obtu.salc Pfr.
* uitidum Ciess.
-Ö 318 £^
Calyculina lacustris MüU.
Dreissena polyraorpba Pall. Trave, Wiikenitz, Katzeburger See.
Traveinändcr Bocht, Brackwasser der Ilntertrave und Dasaower S«e.
Mytilu*< rdulis L.
Modiolaria discor;« L.
Montacuta bidentata Moni
Oaritiutn edule L.
fasdatum Mont
Astarto borealis Chemn.
sulcata da Costa.
C'ypiiiitt islandica L.
Teredo Davalis L. in Pfählen
prahm der Priwallfälire.
Teilina baltica L.
Scrobicularia pi(>erata Gmel. Seltaa.
• alba. Wood.
Soien pellucidus Penn. Selten.
Corbula gibba Ol. Nicht h&ufig.
Mya arenaria L.
Saxicava rugosa L. Sehr selten.
Pholas Candida L. Sehr selten,
des Travomünder Hafens, anch im FAb^
Nicht weiter stromaufw&rtfl.
Aeolis Druiiimoudii Thomi^e.
t rußbmnchialis Johnst.
Polyoera ocellaUi AI<1 und llc.
ÜU'iculus olitiisus Mont.
• truncainlns Kruf?.
OUostoinia rissoides Hanl.
Doris pilosa Müll.
* proxima Aid. und Hc.
• luuricaiii MülL
Liltorina liüoroa L Lucuna di\ nricata Flu-.
ohsusata L. Hellener. • pallidiila da Costa.
rudis Mat. liissou incons])icua AJd. SelUin.
var. tciu"liit»<a. » iiicmbranacoa Aid. öeltea.
mannoiata FIr. * octona Nils.
Hydrobia ulvae Penn.
ventrosa Mont. Seltener.
Ccritlaum reticulatum da Costa. {
w> . j . I Selten und nur in iriosseu lieieu.
Buccmum undatum.
Fusus antiquus L. Im äusseren Theil der Bucht nicht selten.
Neriüna fluviatilis L. var. baltica Nils. Im Brackwasser fattufig.
Loligo brcviceps 8tp. In 1 Exemplar in der Untertrave 1872 gefangen.
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319 ei-
Tunicaten sind im äusseren Thäl der Traveroünder Bucht auf Seetang
sitzend recht häufig, z. B. Cynthia ntstica, grossularia und Ascidia
canina; seltener ist Molgula macrosiphonica Kpf.
Die Insekten sind nur in der Abtheilung der Käfer genauer durch-
forscht worden. Der Kunstmaler Julius Milde (f 1875), zugleich Conser-
yator des Naturhistorischen Museun&s, sammelte Insekten aller Ordnungen,
insbesondere jedoch Käfer. In neuerer Zeit hat Herr Major v. Koschitzky
dieser Gruppe seine Aufmerksamkeit zugewandt. Derselbe theilt dem
Verfasser darüber Nachstehendes nnt:
Das (iebiet von Lübeck, an der Nordgren/X' der sich bis in die
cinibrische Halbinsel ausbreit endcui deutscbeu Fluclilandsfauua gelegen,
weist neben einem grossen Theilc dieser angeliöriger auch einige Arten
von Käfern auf, welche zu den selteneren gehören und lerner solche, die
erst in den alpinen llegionen, beziehendlich in den bergigen Gegenden
von Norwegen und Schweden ihr Verbreitungsgebiet haben. Inwieweit
letztere Arten als in Lübeck heimisch oder aber über die Ostsee ver
schlagen zu betrachten sein werden, wird erst eine längere eingehende
Btiobaclitung lehreu müssen; bezeichnend ist es immerhin, dass die Küsten
der Ostsee eine reiche Fundgrube für seltene Arten bieten. Es ist femer
mit Sicherheit anzunehmen, dass durch den regen Schiffsverkehr und
den lebhaften Holzhandel mit den baltischen Nordländern manche Art
hierher ühertiaij;un und hier lieiniisch geworden ist.
Ich habe in «leu letzten ö Jahren die Lübeekci Käferfauna ein-
gehend (luii lilorscht, und nirn-hte in Xachfolgi mit m ICiiiiges vou den
lirgeblji^Sl n, naaientlich in l*>r/Aig auf Si^ltonheiton, mitt licilen.
An Cieindelen koniint hier nelx u den .'i ge\v<iliiili( ]iereii (eanipestris.
hybrida, sylvulicii 1 die Cic. maiiiiiii;i l)(\i in den tlaclien »Saiiddüiien der
an der Traveniüuduug belegenen Friwalllialbiusel vor. Ich habe nur den
kleineren, kupfrig seidigen Typus gefunden.
Seltenere Carabiden:
C'alosonia sycophanta L. wurde hier einmal gefunden, ist mir aus
holsteinischen Fundorten nicht bekannt, scheint also hier ihre Nordgrenze
zu Huden. Eben so selten ist hier Megadontus violaceus L. Nicht ganz so
selten Cambus nitens L. . Nebria livida L. ist in ziemlich grosser Zahl an
der lelimigen, hohen Steilküste des Brothener Ufers zu finden. An der-
selben Stelle fand ich auch Bembidium Stephens! Crotch. und sairatüe
Gyllh. sowie Andreae. In den Wäldern tritt vereinzelt Leistus nifomargi-
natus auf. Omophron Itmbatus F. ist selten; ich fand ihn auf dem Priwall.
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;^:^0
Beiiibiilinm bipuiu-tatuni L.. irn Süden häufig, fand ich hier eiumal.
Ciilaenius suk-icollis Payk. und Uadister uiiipustulatus Uon. sollen hier
yorkommeo; ich faud sie noch nicht, dagegen AnistMlactyluB spurcati-
conii8 Dej. einmal.
Flatus calceatus Dft ist selten, Brndycellus placidus Gyllk und
Odacantha molanura L. »ehr zahlreich uuter Scliilf am Brackwa.s8cr.
Von Aniora sind die üeltenou tricu^tpidata Dej., iugeinia Dft., sylvicola
Zinim, equestns Dft am Ostscesirande zu finden.
Ebenda kommt vor Agimum gracilipas Dft
Weitere Seltenheiten mnd: Storni«; putnicatus Pz, Ma.<ioreus Wetterhali
Gylih, Lobia chloro(i|»hula HolTrn.
Sehr zahlreich sind alle Wasscrkät'or; von selteneren Arten sind
zu erwähnen: llahplns anioenus Ol., ('oelanihuH |»nrull<^l<>irr,i!iii:in> Ahr.,
DeroneeteH hrevis Strni; Ily<hM|H>rus tristis l*avk Ilsdn»}). Maltsianü-
8<p]>!i. anguslatns .Sinn, Sanniarki Saldi», Aj^alnis afhnis Payk. llvl-ius
«i^nllitjjcr (Jyllh. Ilytlaticus stagnalis V. und ( «ra|»lK)deres zonatus lioj»|>e,
letzterere l>eide hei Travemünde. Dytisens la])p<)nieus soll hier ebenfall.-«
jLjelunden sein. Von ll v d rophilidcn taud ieh an der Ostsee Ilydroehau'is
llavijK'S Stev. und Oehthehius marinus Payk. Als hier hiiehst «olt4?n
vorkommend sind mir femor Ochthebius bicolor (jenn. und Spercheus
emurginatua genannt. Gc^n'f^suB crenttlatti;^ Roasi fand ich uuter Seegras.
Die zahlreichen Arten dor Staphyliniden habe ich noch nicht
völlig durcharbeiten könnten, es werden darunter wohl noch manche
Seltenlioiteu zu Huden soin. Krwähnen möchte ich: Antalia impressa Ol,
BoHtochara lunulaia Payk, Knalodronia fucicola Th., Microglosaa nidicola
Fainn, Alcocliara ruücorni9 GIrav, Atemeies pantdoxus Grav.. Hygronoroa
dimidiut« Er. (im Spätwinter zwischen den Blättern der Sohilfkolben nicht
selten). Gymnusa brcvicollis Payk, Tachinus scapularis 8tei»h (an Eichen-
saft), Met^acronus analis F., Myeet<»i><»rus clavicornis Stoph., Emus hirtus
L., Philontns virufo Grav.. alhipes Cirav., Coprophilus atriatuUis F, Aeidota
crenat.i F. imiulala Mannh.. AijH'liuin »jnadrum (nav. und andere.
Vieh die.Hei' .VrtfMi. wie aueli \'.\ Aitdi von P<;e)n plii >len und .ö Seyd-
niaeniden sowie viele Atonuuieii ImimI ieh /wixhen den iilätU-rn der
Typha Arien, weini dii < r^te Frühjulu-swiiruie erscliion, da» Eis über den
Sümpfen aber noch hi« lL
Die Silphiden sind bei Lüheck zahlreicli vertreten, an seltenen ist
Hydnohius [)uiietati.<<simns zu »rwidnaMi. Aus den kleineren Familii^n
fand ich Torylophus cassidoidos im Mai an Schilfkolben l>ltUtem, Triplax
aenea Scholl an Pappelschwamm. Ht^noticus semitus Gyllh., Coninomus
nodifer Westw. unter Eichenrinde, Micropeplua porcatiie F., Thymalus
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-63 321 ej-
limbutus F. unter Eichenrinde, Cicoue» rariegatus an Biiclietisehwauiin,
ebenso Monotoma spiiiicollis Aub., Dermestcs \'ii]pinns F., atomariiis Er.
(häufig am Strande), Mt'»;al()ina undata L.
Sc'liiMic Arteil weisen die zahb'tielien Misterideii muI". »laMiiiter:
IMaty-Diu;! lrMiii.i[i Tnyk, II, bimaeulatus L, l'aronuilii^ llavieorni*«
lll)st. l)«'n(!roj .'iiiliis imnetaliis lll)st (hciflo letzteren in ICichenuiulni)
Myrinetrs |.i( t ii<, l'.iyk, Al>raeus uluiuihis ( rcuiz.
LneuDUs eervus soll im hraelsdorfor Kol/, vorkonunoii. Gut l>esetzt
sind die Searabäiden. lionierken^wcrtli sind Caeeol/iti^ Scbrelxui L.,
Copiis hniaris L., Apln»dins ]>i»reus F. und ^erola F., Odoutuous urmigcr
Scop, Iloplia graminicola F., Anomala oblon^a I^-.
I^eni ii;egen(il)er j;iel)t es \veni<^ liuprestid^ n; an selteneren nur
Tracliys iroglodytes Gyllh. Auch unter den Kluterideu .sind wenig seltene;
von zahlreichen bunten CiyptohypnuH fl])gesohen sind es EI. cinnabarinus
E.<H?hbM Diacanthua cruciatus L., cincjtus Payk und Ludius ferrugineus
L., von welcliem ich einen Köri»erreJ»t fand.
Canth ariden giebt es viele. Interessant war ein uouerdiuga
erfolgter Fund von C. violacoa Payk, Podabrus alpinus Payk i»t nicht
selten, dagegen G. nigricans Müll, flavilabris Fall, ovalia Genn. Silis
nifioollis findet man öfter aii den Röluichten. HaplocnerauR impressus
Marsli fand ich unter Eichenrinde und Phlooophihis Edwardsi Steph. an
g e s e b 1 a g ( • n e m K i c f < ■ r n 1 1 o 1 z .
Die Clrriflc Neerobia rnfiixs lindtt sieb nur selten bier \>>v.
Unter den i yrrbiden ist iHueatonui srrra Panz und Anitys rubens
HofFm. zu nennen. lki«le fand ieb in ib'insilben Ei<-benbauiTi und zwar
erslere mit L)«'ndropbilu8 puuetalus an einem in der .Nhdnihöbie befind-
lieben Fledermansnest, die seltene Auitys iu grosser Coloaie in dem von
Mycell durebwachscnen Faulmubn.
Im Dinieusandc d«'s Priwalls lindet sieb vereinzelt eine seltene Tene-
Inionidc Ileliopates gil»bus 1-'. V'ou dieser Familie soll auch niapcris
holeli hier vorkommen, ieb land sie noeb nielit; dagegen sebr schöne
Stücke von Platydema dyliscoidcs Hos^ii unter Eichenrinde nebst Oorticus
fa6ciatu£i F. Fernere Lübecker Seltcidieiten sind Tribolium ferrugineum F.
und Alphitobius diaperinu.v Pauss (in einer grossen Colonie an einer
Schwur7.])appcl) Von Mclandryiden kommt Tetrntoma ancora F. an
S^chwumnichen <lcr Krle vor, Enstrophns derniestoides F. an Eichen-
Hchwamni. Soltent^r sind Hallotnonus binotatna Quens. und Abdera
flexuosa Payk. Conopalpus testaceuM Ol. Q entog ich aus Aststücken.
Ans den folgenden kleinen Familien führe ich an: Anthicus aellatns
Panz, sehr selten am Ostseestraude Aiiaspis Geollrcoyi Müll. Nucerdes
21
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-Ö 322 e*-
melaDura L. auf -blühenden Linden, Isclinomera coerulea, Chrysanthia
viridis, Lissodema 4 ]>uätii]atum Mr»ch. letztere vom Ostseestraude.
Die Curculioniden siud zahlreich, ihre Fund.släiU>n die bekannten,
es seien daher nnr weuig*- geuannt: Eiisouius Ovulum II lg., Bruehyderis
incanus L., Sitoiia puiu ticollis Stcph. (vielleicht vom Norden vprsclilagcn).
TanyiiKH iis jialliatu.s F , PIyj>em lude^ F., raiiysjai\ rus kinnac F., i>agt»us
colli^iieusis Hlist , Tycliius 5 |»utictatus L., Sibinia viseariae L., Phytobiiis
Wiiltüui UoIj uud canaliculatus F.. beide an der Ostsc«-. ( '»'utliorrliynrlivis
abbroviatulus F. (an Symphytum), punctigcr Salilbg, CiiubtJii.s atiekboideÄ
au Kiefern.
Von Cerambicidon sind zu i>em<Mken. Lcptura scutcilaüi F., von
welchen idi nur g gefunden babe. ßin Monochammus (vielKiobt
4 maculatus Mot), wahrscheinlii Ii Iii* iIm i- verschlagen, wurde todt uud
lädirt aufgefunden. Mesosa nebulosa F., Oberca linearis L., und Phy-
toeda cyliudrica. Die übrigen sind fast überall nicht seltene Arten.
Cerambyz heros bewohnt seit alten ZeitiMi die Eichen des vor dem Burg-
thore, nahe der Stadt gelegenen Jorusalemsberges, welche er bis auf wenige
bereits zerstört hat. In neuerer Zeit tritt er auch häufiger in einzelnen der
grossen Eichen vor Genin auf. Wie seltsam mitunter sich Oasen von
einzelnen Arten finden, dafür diene die Mittlieilung, dass Rosalia alpina
früher, bis zur Niedcriegung der Buchen, am Stadtwall zu Parcliim
(Mecklenburg) vorkam. Meines \Vi?wens ist dieser schöne auffallende
Käfer sonst nirgends im nördlielH-n Deutsibland beobadilel worden.
Unter den Ob rysoineliden sind in unserer wa.«>serri'ieiien (.legt i. l
die FAipo<ln am r< icbsten vertreten Von Uunaciden telih u lun- sehr
wenige. Unter den Cain]>to.st»niat! n >-ind selten ("ryptoeepbalus Ct pune-
tiitus L., elirvsopus Gniel an Kebiurn vulgare, vittatus F. ~ Die Cveliea
weisen Iiier auf: Colaphus sopbiae Seboll. Cbrysmuela limbata F. i^von
mir niebt gefunden), mialis L.; neuerdings ist au- l' Maniinis L. gefunden.
IlydrotbaÄsa hanuoverana F, (ialeruca interrupta Ul, Crepidodera uitidula.
Psylliodes cireumdata Kdtb., Longitarsus iioisuticus L., Hispa atra L.
V'iele Cassiden.
Die Coccinelliden endlich bieten wenig Besonderes, es sind die
überall bekannten Arten. Coccinella ll^punctata L. findet sich zahlreich
am Ostseestrande. Nur ein Fmid dürfte noch besonderes Interesse Labeu.
In einem tiefliegenden, sumpfigen Walde bemerkte ich auf den mit
unzfihligen Käfern bedeckten Doldenblüthen ein Paar Thierchen mit
etwas abweichender Zeichnung. Es gelang mir, eines zu fangen, aber
die Bestinmiung wollte mir nach den vorliegenden Büchern nicht glüd^ea
Erst beim Vergleich mit der Sammlung des Museums fand ich die voll-
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^ 323 BJ-
kommene Uebereinstimmung mit Hyppodoinia Lecontei (Gallforniou,
Nord-Amerika) un<l mussto es dafür ausprecheu. Ich bedaure um so
mebr, uur das eine Stück gefangen zu haben. Noch mehr erstaunte ich
aber, als ich vor zwei Jahren ein ganz gleiches Stück in den Allgäuer
Al))on fing. Sollten die Thierchon eingoschle|>pt f*em nnd sich so weit
ausm-lnvitet lml>en? Oder sollte es eine iiiibokannte solteiit An von
llyj)}»oiloiiji:i sein? Xnch der lit'.sehriüiung vojj Redtenlmcher nähert
ej« sich am meisten der H. 7-maenlnta, heim Vergleich mit dieser wurde
ich jedoch wieder zweifelhan Die Makel m)\ Sehildt licn ist ]>r[ der
neuen Art nicht herzlOnnig, sondern besieht auf jetier Flügeldecke aus
einem vom Schildehen beginnenden, nach hhiten verdickten Bogen,
Schienenspitzen rothlich, nicht jedoch die Füsse. Dagegen sind der Mund,
ein Fleck vorn auf der iStim und die Fühler ausser der schw&rzlichen
SpitKe rölhlich gelb.
An bei uns seltenen Schmetterlingen mögen genannt werden:
Apntura ins, Limenitis populi, Acheroiitia atro]>os, Sphinx convolyuli,
Deileplula galii und ncrii; der letztere vor Jahren einmal beobachtet,
aber auch aus hier gefundenen Raupen gezüchtet. Arctia hebe, Zeuzera
pyrina, Psilura monacha in einzelnen Jahren in allen Aberrationen vor-
kommend, namentlich ab. eremita Endromis versicolora, Catocala Iraxini.
Geometriden und Micros sind wenig oder gar nicht gesammelt worden.
Bombyx mori wurde hier in den Jahren 1853 — 1873 mit wechselndem
Erfolge ;^ezwgen, auch mit Attacua yama-mai .sind nicht ungünstig ver-
laufende Versuche in den 70er .Jahren ungestellt worden.
nie übrigen Insektenordiinngen entl)ehren noch jeder giüi i i Ii -hen
J >ürchtorschung; auch im Sanimeln der Aracluiiden, Myriapüden und
Crnstaceen ist er^^t kiirzlieli der .Anfang gemacht worden. Mit He/ug
:iuf die zuletzt gen;innt(^ Tliier^auppe mng darauf hingewiesen werden,
tlass der FluHskrebs (.Vsta<n.*< Huviatilis) inlolge der Krebspest noch
heute in der 'Prave und Steeknit/, wo er vorher sehr häufig war, ver*
tfchwunden i.st und nur in d(!r Wakenitz vereinzelt gefunden wird.
Im Jahre is'.i.'J trat j)l()t/.lieh Apus productus zahlreich in einem
Wu.<)8orlocli des Brinkes bei der Kaserne auf, i.<it al>er seitdem wieder
vers(;hwundcn.
Unter den Crusfaceen des Meeres sind Palaemon squilla, hier
Krabben gununnt, al8 Nntzthier besonders wichtig; das gleichfalls sehr
häufige Crangoti vulgare, die Sandkrabbe wird uur als Köder benutzt
Carduus maenas ist ziemlich häufig, ohne jedoch genossen zu werden;
nur ganz vereinzelt zeigt sich Hyas araneuB und noch seltener ein
Bernhardiner (Kupagurus beruhardi) in unserer Bucht
21*
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324
Die Cirripeden sin<l durch Halannfl crenatiis und impmvisus ver-
tr^n. Die lc»t7iere Art driii*?t die Tmvo nnfwUrt» bis DäniRchbun; vor.
An (_'o)K'jM)dcn siiul liiiulii^: 'l'eitior.i K»n;:;i(;<)rnis, Dias luiigireinis
und Tisltc l'urciita; an (" hi'l oocj'c n: Podon {»oIn plieniotdi-s und Kvudue
Nordinuimi; selten da^t j^en Pudou iiUcriiiüdius uud Evaduu spiuifem.
Unier den Ainpliipodeii wiuinielt es an den flachen Stellen
TiAmelien Facus- und Ülven- Arten um Oanmiiuiis loeuMtu; an saudigeu
StelloQ des Strandes sind auch Talitrus loeustti und Calliope laeviuscula
nicht selten; In Aurelia auritii ist in vorgerückter Jahreszeit Hyperia
g^ilba recht häußg. Zu den s^elteucren Arten ssählen: Comphium longi-
come, Bathyporeia pilopa, Pontoporeia leniomta, Ganunaruä Sabinei und
Melita palnmta.
Die l5!0|)odcn sind vortreten durcli die in Gosel Isclialt des Gammani.s
lucusta srlir liänliire Idotlu'a tricusj »idala in allen l'^ailienvarieiättMi und
\V(iiij;er iiiiutii^cn Aniiana giarili>, Juera niarina, Kuiyciicc pulcliru
und 8])haenMnu ru^^icauda.
Unter dm lieidcn Msiu'r iM-ol-ndiielcn Se Ii i/a» jxMlcu isi Mysia llexuo^a
ausserordontlicli häulig, weniger /aldn iili M. vulgaris.
Die Süsi^wassor-Hrvozoen sind i>i8her nicht gesammelt worden;
an Meeres-Bryozoen wurden als häufig beobachtet: Orisia eburnea.«
Alcyonidiuni M)i,ili« Memhrauipora pilo^«a und lineata, als selten: Mem-
brauipora Flemmingil, Alc^'onidium geiaiinosum uud hirsutum.
An Würmern sind bis jetKt huh der Traveniünder Bucht bekannt
• ff-worden. als liiinlii;: Monocelis asytii« und nnipnnotata, Planaria l'lvae
und 'J'orva. Ti tra'-nMnnia suhp' llncidinn , I^)lyst« innia rospuni . Nenierte"*
Jessen 'usiö, ( )n( halaiaius vulir.'U'is un<l vi^ro-ais. Halicrviitiis sjaiialM-ns
Pria|tuUis candatus. Scoloj.ln- arnn'«,'*-!" Sjtio ^elicornis. Terel>ellu zosi»*ri
C'ola. '!'er('l>eili<l('s Stn>tnii. SpinalH- ijmtii<M(l< Polyuoc cirrata, Pholoe
miuutii, Nereis diversicolor, Duuieriilei unti itclagicu, Neplithys (riiiata.
Seltenere Arten sind: Dendrocoelum la<>teum, Cephalotrix coeca.
Anticotna limalis, Spilophora oxycephala, Piscicola geometra. Clitellio ater,
Tnivisia Forbesii, Disoma multifetosum, Amphitrite Johustoni, Pectinaria
belgica, Laonome Kroyeri und Ainphicora fabrioia.
An Tacnicn ist T. incdiocanellata hier weit häufiger als T. solium;
andere Arten sind bisher nicht beobachtet wonlen; auch Echinococcus
kommt zuweilen vor. Trichina spiralis hatte im Jalire 1863 eine Auznlil
Erkrankungen veranlasst. Im Leitungswasser kommt auch j tzt noch
Gordius aquaticus, nanientlicli in den Sommermonaten vereinzelt vor.
Eeliiuoder ni en. ilis jetzt bind nur zwei Arien aus der Bucht be-
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-*3 325
kaniit geworden. Die überall sehr häufige Asleracanthion rubens und
die im äusseren Theil uiclit soltenu 0{»hio>;Iy)>hH albida.
Die Coelenteraten sind durch zwei SctiirrnquaUeii vertreten, von
denen Aurelia aurita den ganzen Sommer über sehr häutig wi, Cyaiiea
capillata erst gegen den Herbst zu ersojlioinen plie.m.
Die Pfähle des Travoniönder Hafens- sind meist diclit besetzt mit
Cuinpanulai i;! l!r.\u().*a. Ol^-lia i;«'latinosii und ( Joiiothyraoa Loveuii;
seltener sind (.'lava s<|naniata und ( 'ordyloplu.!;! luiustris. Die zuletzt
«^tMianntr Ait ist .-(j'om.iulH.ni- an l'lidden und sunHii^em liul/.uerk, so
Ihm <1(m- Horreniahrr sdir liauliii und lindöL sieh noch iu uumittelburer
Naja' <ler J-^tadt Ijei tlcr Strueklalnv. —
An Spont^ii ii sind nicht s«'lt<Mi: ll;disarca Unjardini, Aniorphina
paiiicea, Pciiina !)il>ula. ('Iialinula ovulunj und ilalirliondria {)ani(ea.
Im Süsswasser treten die verscliitidoneu Kormen der äpougilla Iluviatiiis
und iuuuatris auf.
Aus der Grup])e der l'rotozoen mögen Oeratium iri(>os und iusus«
sowie Peridhiiuni acniminaUim al:^ Hauptträger der in den Herbsimonaten
nicht seltenen Erscheinung des Mcei^eslcuchtens in der Bucht erwähnt
werden. Auf Sammlung und Untersuchung von Plankton sind bisher
systematisch nicht vorgenommen worden.
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M Natürhistorische Museum
IN Lübeck.
EINE SKIZ/.K SEIN KR ENTWICKLUNG VSD SEINES GEGENWÄRTIGEN
ZUSTANDES
VOM
D»' H. LENZ.
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329 ^
Das Naturhistorische Museum.
Eine Skisze der Entwickeln ng und de» gegenwttrtiden Beatandae
vou Dr. H. Lenz.
Der Grund zxtm Naturhistonsehen Museum ward im Jalire
ISOO (lurc'li eine Schonkuiijj^ g^'le^t imlem <]ie Erben ile.s 17i>l) verstorbenen
I .ül)eL*l<er .Vr/tes und Iehtby<)loji;en Dr med Jolis. Juliu.« W a 1 1 üi ii in
die vou diesem iiinterlas^sene Samiuhmg von j^e!<loj)ften Fisehcn, Schild
krijü n und eiiiii^< n ;ui.|< iimi (^eiren-iaiMleii der GesellscLalt Äur Beförderung
güinciunütziger Tbäii^lveil iiberu ii <i ii.
l>ie Sammlung ist noeli jetzt im Nfuseum vorhanden und wird iu
vier grossen au der Wand lüiugeudeu Hacheu Kasten aufbewahrt. Die
]\\om|)lare bilden 2uni Theil die Belege zu Walbaums ichthyologinchen
Arbeiten.
Dieser Grundstock ward in den nächsten Jahreu bereits mannigfach
vermelirt, auch auf seineu Nutzen, namentlich bei der Erziehung der
Jugeud hingewiesen. Da es aber an einem altgemein zugänglichen Lokal
für die Aufstellung fefahe, f*o fand die Sammlung nicht die ihr schon
damals gebührende Beachtung.
Erst nachdem die Gesellschaft z. Bef. gem. Thätigkeit im Jahre
1826 ein eigenes Haus (Breitesirassc 35) erworben hatte und „da»
Naturalien-Cabinetf' im nächsten Jahi-e dorthin übergesiedelt war, hob
sich auch das Interesse au deniselbeu.
Der il.iiii.ilige A«lvokat. sjuiten' Biirgeiineister Dr. Ileinr. Brelimer,
ein NelYe Walbaunis, sebenktL' cim; uiehl uiibedt uleiide .Sammlmig von
Minerali(-n, der Präsident des Ober Vp|»e|lationsgeriebtes Dr (leorg AriMild
Heise eine iu '<<'iiu*n Beisitz übergegangene iSunuuluiig von etwa 12U em-
heiuiiselien \ ugeiu.
Eine besonders werllivolle l)t roirlierung iTfubr das Naturalien-
Caiünett lÖiH dureb teslamentarisehe liestimmung d< s in Lissabon ver-
storbenen Hanseatiseben General ( onsuls Adol|»h Friedrich Lindenberg,
dahingehend, dass das Naturaiien-C'abinett »eines Vaters, des i. J. 1B24
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aao
veratorbenou Bürgerraoisters Taudeiiberg. soweit da.'-^solhe nocli in Lü}>eck
vorliandt n sei, als ein Audunkon hd scinon Vater in Taibuck verbleiben solle.
Die unifaiigi'eic'he, weit Ii volle San^niluiig enthielt au^tser melireren
schöu aii^olegteD Scbrftiikon, i>liys»ikali!^ehen Apparaten, einer astro-
iiODiisclton Ubr, sonstigon Knnstfiachen und cuUurhistorisch wichtigen
GcgenHtiiuden viele Versteinerungen aus S])unicn, der ScbweiX} sowie
zahlreiche Minoralion und unter diesen namentlich viele rohe und geschülfeno
Edelsteine, Aehate, Bergkrvstalle u. s. w. Die Ijindenbergsche Sammlung
unifoFste femer den gri>ssten Tlieil der ehemals im BositK des Seniors
Jakob V. Melle (f 174<J) l>eliudlicben Naturalien der hiesigen Umgegend.
Nachdem dia«e siehr l»etrüclitliche Vennehrung, deren Werth noch
liciitc aiiciknmit wird, mit »Umi bei*oit8 vorhnndciien Gegenstanden zweck-
Miiissii^ vi-Trini^t, aufu'cstt'llt war, ward um Or;tvrn ISviö das „Kunst- und
Naturalien-Caliinott", wie es von nun an liiess, dem Puhliknni regel-
ma-^sii^ HM den Sonntagen von 12 1 l Iir ijeölTnet: .damit jedoch nicht
durcii eine ali/.ugros-e Zalil Besueht iiilei' tliesen seili>l <iiT (ienuss ge
.schmälert uiid die Ordnniiii ge^tiat werde-, ward als zweeknuu^^si«!
em|>fohli>n, jedesmal nur 12 — U) Kiidasskarien. welche am Soimabon<l
verlier im < Jesellschalt^hanse abj^elordort werden konnten, auszugeben.
Die Verwultunp: mid Beaul'sie!iti«;ung, sowie das V'orzeii^en der
Ciegcnstäude ward einer Vor^teliersehaft von s^echs Hen'en übertragen;
eine Einrichtung, welche unverändert bis zum Jahre 1882 bestand und
noch jetzt mit geringen Veränderungen zum Segen unseres Museums
Mch erhalten hat.
Der im Jahre 183() erfolgte Ankauf eines zweiten Hauses an der
Kcke der Fischergruhe (ßreiteül rahi.se IG) seitens der Gesellschaft ermöglichte
e», die Sammlung, welche sich der stets steigenden Beachtung zu erh*eueii
hatte, in besserer Weine aufzustellen luid zugleich nach den verschiedensten
Seiten, lUflieMondere auch für den Unterricht der Jugend, nutzbar zu machen.
Die an ladiecker im .\nsIando zur N'ersenduni; j!;elan«;enden Auf-
lordeinriijen , unsere S.uiiujhni'^eii durcli Zusen»lungen zu unterstützen,
landen selinell (ielior um! liraeliten reiclie IVncliio. Die Familie Ave-
Lallemant miiclit«' /ii wiedrrliolten .Mal<'n /aliliclclie brasilianische Vr>gel
zu ( «esclienken; ilir :-i lilossen sich in den näehsti'n Jahren Luetgen.s- Bahia,
II<»i)[)e Kopenhagen, Heinrich Breh m er Hahun. Jakob ßehrens-
San i'rancisci» an, Ka.sch wuchs die öumndung mal nahm bald einen
solchen Und'uiig an, das» es nötbig ward, neben (h?n stets wirkenden
Vorstehern einen eigenen Toiiservator anzustellen. Ders<'lbe ward in
dem. der Vorsü;h<3rschalt seit langem angehörenden, Gottfr. Keoatus
Häcker gefunden.
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331 Ea-
Obgleich vornehmlich Botaniker, pflegte Häcker nicht nur dns
Herbar, sondeni io gleicher Weise auch die zoologischen und niine-
ralo^schen ' Abtlieilungen. Um <lie Zugäuglichkeit mehr als bisher zu
ermöglichen, wurden jetzt ausser den Sonntagen auch zwei Wochentage
zum unentgeltlichen Besuche der Naturaliensammlung angesct7«t.
In dieser Zeit, der ersten Hälfte der 60er Jalire, gelangte die Samm-
lung: in den Besitz ihrer Gorillas. Heinrich Brehmer, ein junger Lülwcker
Kaufmann ikr Wot rniann«eh(»n Faktoicion am Gabun, übcrfandto in kurzen
Zwisclu'iiiauiui n vii i Ijulirc, tlicils mit den zuviel lörijrcn Skeletten. 80\vie
c'itif «i;iöss(,^re Anzahl Schädel, ausserdem mehierc Scliinipanseu, zahln i( ho
andere 8äui*;elhiiH . Vöj^el, In^ekU•n u. s \v. Durch dii-^e Sendnuiren wani
die Tiül)erk<T Sniuiiihiüj^f zuerst na<-h nn^wiiit^ hvkauni. Leider ralTic der
Tod olsbaid den h<K hlier/,i«icn Freund dahin; <iie Ki iiehte seiner BtMiiüliunj^en
sind aber noeh heute der Stolz unseres Museums. Nach dem 18<)4 er-
folgen llin.'^eheiden Hückers ühernahm dor seit vielen Jalu'en ht l e^t^s
unermüdlich in der Öaminhn)>r thütige Kunstmaler Julius Milde ihi.s
Amt eines Consorvators. N( h- n Wissen und Können in seinem Fache
hesass dieser seltene Mann reiche naturwissenschaftliche Kenntnisse, so
6a»H er, wie kein anderer, geeignet war die Angelegenheiten der sich
rasch vergrüssornden Sannuluog in die Hand zu nehmen. Mit unermüd-
lichem £ifer waltete Milde bis zu seinem durch zunehmende Alters-
schwäche selbst erbetenen Rücktritte im Jalire 1875 ^incs Amtes. Seine
eigenen, bedeutenden »Sammlungen von Insekten machte er der Gesellschaft
zum Geschenke und vereinigte sie mit dem l>ereit» Vorhandenen. Eine
besondere Muistorschaft hatte sich Milde in der Anl'crii^un;; von Skeletten
erworben. IMe Mehrzahl der ikm^Ii jcl/t im Mtiseum vorhaiulenen nind
s^oiiM' Arbeit Als seine bes<>ndere .\ul^al>r sah er » mu. lur « ine möj^liehst
sichere IVstimnunt}; der Thiere Sor^«* zu trafen «nid iiierin hat Milde
last l'njjflniihlit h<'s i;e]eist<'t. Noch heult' bietet si«-h lu'i der Hevisi<in der
einzehien tiru|iiteii ^It ( lelcLrt'uheit seinen Scharthhck zu bewundern Am
19. N«»vend>cr 1H7.") niacli!« - in .vanl'ler Tod seiner rasiio-en Thjlti;ikeit
ein EikK'. Sein, vom Bihiiiauer F. Ste<:erin W ien e;i.f('rjij^|,.s, wohl^etrutTenes
PorlraitrulitJÜ ziert die Kuumt'< des Nalurhistori^ hen Museums. l>as .Amt
eines Conservators war bereits zu Anfang des Jahres in die Hände des
V' crfassers ü b»?rn:e.tra n^cn.
Die der Saimnlun«; zur X'erlügimg stelaMiden T{aumliehkeiten waren
längst überfüllt, jedoch bot die MuttergcscUi^eiuift bereitwillig die Hand
nach Kräften zu lielfen und durch Ik'willigung au.'^serordentlicher Geld-
mittel die Bestrebungen des „Naturhistorischen Museums**, welcher
Name bald offiziell angenommen wunle, zu unterstützen. So ward es
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^ 332 8*-
möglieli l»esüudcis fühU)ure Lücken njicli un»l imcli durcli Aiikaule aus-
zuiiilUii. während nach wie vor dvr gr()f^s{o Zuwiu-hs den iunner zulil-
reicher aicli findenden Lübecker Freunden im Auslände zu «hinken blieb.
Cuter den ersteren mag hier nur auf die niederen T}iiere der Adria von
Prof. Stos.^ieliTriest, die \\'ieehiuanu'g<ljo 'rertiarsannnknjg. darunter <lie
werthvolle (irupi»e Sternberger Suchen, die Fronnn'seh«- Couehyliensiunini-
lung, die hinterlasscne SummluDg de» Naturalieuhäudiera Wessel bia-
gewieaeo werden; unter den letzteren die Namen Carl Reuter -Noasibef J.
Lüders-Triest, Emilio Miulo» ßucaraiiiaDgu, Voss, Oaettens und Pantaenius
KamcruUf Jakob Bebrens-Sun Francisco, Paul Stoosa^FidjMnseln, HernL
Orösser-Marscballs Inseln und Ernesto GüutberSorata genannt werden.
Ihnen reihte sieb in würdig^ttor Weise der Lübeckiscbe Schiffscapitaiu
H. Sionn au, welcher durch seinen rastlosen Sammeleifer auf Bornco und
andei*(»n ofta<äiatischen Ins(>lu unser Museum mit den werthvollsten Gegen-
ständen horeieherte. Zu ganz hrsondereni hanke sind wir dem genuiinttii
Herrn für die VervoUsiaiKiigung unserer anthr»>|)omt>r[>heu Afleu vt>r-
pliichtet.
S(j hat unser Nalurlu^ioiiselies Museuuj, getragen v<»n <hn' Li< l»e
und Fürsorge hiesiger unil auswärts weilender Ijübeeker. auf das Bereit-
willigste unterstützt von der Mutten:* -( llschaft sich aus kleinen Anfängen
zu einer Bedeutung entwirkelt. weiuiiü die Boachtung und AnerkeuuQiig
der Facbgenossen in weitesten Kreisen verdient und auch gefunden bat
Nachdem das immer mehr in den Vordergrund tretende Verlangen
nach neuen, ausgiebigen Räumlichkeiten für die an verschiedenen Stellen
der Stadt zerstreut aufgestellten einzelnen Sammlungen in der bereits
S. 1^ besprochenen Weise eine unerwartet rasche und günstige LOeung
gefunden und das neue Nfuseumsgobäude fertig gestellt war, konnte noch
im Jahre 1892 mit der Neuaufstellung begonnen werden. Da die ver-
fügbaren Mittel besehrfinkte waren, musste weise Sparsamkeit geübt werden
und, wollte man die ohnehin schon sehr in Anspruch genommene Mutter-
gesellschaft nicht übermässig iK'lasten, alle irgend zu vt^nneidenden .\us-
gal i 11 uIll^;ul:J:en werdrn. Ks war dabei geboten, die nicht gänzlich uu
brauclibait 11 S( hiajike, Schau|uih(' u. w. wieder zu benutzen <»der dnn*h
lei(;ht vorziiin hmciule A<u)dcrungen in einen zeitgemllsseren Zustand zu
bringen l»it ses wunle d*im auch durch Hinsetzen netier. grösserer
iSchoiben, durch Aubriuguug zweckmässiger Dreliriegel Verschlüsse und
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H3 333 tJ}-
111 it Schubladen verscheuer Untersätee zu erreichen versucht. *) Wo <!er
Fachmann nach dtoscr Seite hin Mängel erblickt, waren (li<>sell)cn rlnroli
tlie T'nistiin<lo geboten un«l mnssten mit in den K:iut genomnipn w« rden.
Auch eine vöMigo Scbeifhing von Sehausiamnilung un<l vvissenscliattliclicr
Saiiihilüng. wie sie l'ür grössere N[us<'en in neuerer Zeit nh notbw endig
beliebt worden, iiess sieli in den gegelu m n luuaiilicliki it< n niclit dureli-
führen. liegen diese Massregel sjiradi ferner in unsenin JAibecker
Museum der Uiiistaud, dass mindestens sieben Achtel sämmtlicher Gegeii-
st&ade (lesebenke im Auslande leidender Söhne unserer Vafi rstadt sind,
«leren Wiinseb. ihre mit vieler Mühe, meist sogar unter Aufbietung be-
deutender Gehlmittel zusammeugebraebttni Sachen bei der ilückkehr in
ihre Vaterstadt auch in entsprechender Weise aufgestellt und allgemein
sichtbar gemacht zu sehen, gewiss ein berechtigter genannt wei-den muss.
Eine völlige Trennung in der erwftlintcn Richtung wurde daher nur für
Bolche Thoile der Sammlung durchgeführt, wo, wie bei den Insekten, die
Natur der Gegenstände einen möglichst sorgfältigen Abschluss gegen
Licht und andere schädliche EinflQi«se erheischte, oder wo der Umfang,
wie boi den Conchv lien, dies forderte, oder endlich der Cbaracter der
Gepjonstflnde seihst solche«, als eher erlaubt, gestattete, wie bei Mineralien
uinl Versteinerungen In allen genannten Fallen wiu'de dureh reich aus-
g('^'lallete, sorgfältig ausgewählte Sehausamniluiiu. ii dem Laien ein ge-
nügender, dureh seine Massen ihn nicht enlnickeiider Fasat/. geleimt' t.
Uf'i *ler l''tik*'tt innig wurde nach Möglichkeit die Anbringung ^nt
U'serltelier deutscher N:imen angestrebt. N^erschieden farbige Kiinder hif^sen
mit Leichtigkeit den Erdllieil erkenueu, welchem ein Thier angehört, ohne
durch zu grosse Mamiigfaltgkeit /u verwirren; die weitere Auskunft gicbt
der hinzugefügte Xame des Vaterlande«.
Auch die Fartie des Hiutiigrutides dürfte billigen .\nford«*rungen
genügen. Contraste wurden, wo sie nötbig erscliieuen, absichtlich hervor-
gerufen; so dui<ch Anbringung dunkel -v^ioletter oder weisser Glasplatten
bei vielen Spirituspräparaten, schwarzer Füsse bei den Korallen u. s. w.
l>ie Drchrici^pl faBflcn hint«'r ein Keilet ück ziehen dabei die TtiHr ft*«t an
und bleiben docU luiclit beHeglicii. £iu gleich wirkeaiuer VeniclilutMi wurde ua der
aweiten Ttiür dnrck zwei Riegel «neidit, welche durch einen SddOsael bewegt, iu
Hnen schrttg verlaufenden Sehlitz der ersten TltOr eingreifen. Die ITntersfttse bringen
die HodenflAche dos Scliriinkes in he<|iienie Sdiauhöhe und bieten zugleirli in ihren
S( l,uhla<lcn reiolili- lion Hnuni zur linti-rhrinirnni.' von H;1l'_'»-n, irclrockneten Seesternen,
Ivrebiien, vuu Koralluusluckeu etc., uhue bcfioudurc BudcnÜäciie zu beauBprucbea.
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334 &-
Ueberblick Aber die Sammlung.
A. Zoologisohtt AMheilon;.
1 Siiii ixct li i< r('. 2*.M» Arten. Der (ilaiiziniiikt wird durch die
aiitlir(>|>omorpJien AtVen «^cl'ildct Aiil^'cstellt sind: Eiu gro>sor mäiiiilidifr
Gorilla, zwei grosse Woiliclicn und ♦•in Jiin*:('.'<. zwei gaiuo Skelette und
eine Reilie VOU Scliädeln henk«^ von Heinr. lirehmer-Gabun 1861—
1864) '); ein grosser uiiil ein icieiner Scliiuipanse (Geschenke von Heinr
Brehmer); ein gI'o»^<cr münnlicher, ein Weiblicher und ein junger Orang-
Utan von Borueo; nuK<<erdein eine ganze Anzahl von Bälgen, Skeletten
und iSchädeln vorsichtedenen Alter»; Hünimtlieh in den Jahren 1B93 — %
von Herrn Oapt Storin geschenkt; endlieh mchrarc zum Theil zu Familien
susannnengeatellte Gibbon-Arten, (Hylobate«« concolor, Muelleri, lar.) neliet
Skeletten und »Scliädeln (ebenfalU Geschenke cics Herrn Capt Storm).
Die benuchbarten Schränke enthnllen neben zahlreichen kleineren
AfFfiiartMi. unter donon wir die Familie der Nasenaffen (Nasua napalis),
sowie eint'h Albino einer ('ireu|)ithe(iis Art aus dem Ilinterhinde von
Kamerun liervorlielien nxHliten , Ii /.aldreidie Halliaffen, unter
welchen <las niadai;as.>^iseli e Fi n tje rt Ii ier (Aye-Aye, Cliiroinys niada
«^aseariensisl neh^i Skelett. Tarsius .spectruin und Arctoniys ciilubaricu>
besonderes InteresM' '.crdieneii.
1 nseet i voi a. Man l)ea<'lite lüsaTni iisHler (Myogale niosehata) an?
»Südrussland; !'"r-i( Mi;:* ! ('end tes (•ean<latns ) Mada^^asear, wei.sse Spit/ratte
(Gyinnin ns ulbu.H Giebel) Um noc» ((iesdienk dt - Herrn Capt. Storra); Pota-
mo^alo velox-Kaniernii (( Jesclienk d» s Herrn ( 'ap( N'os.s). —
Unter den ei^entliehen Ka nl)l liieren aind besonders diejenigen dar
nmlayisohon Inseln duix'h die Beniühungen des Herrn Capt. Stoim gut
vertreten mit: Felis niinntn« Vtverra tangalunga, i*rionodon gracilis.
Arctogale leucotis, Cynogale benctti, Arctitis binturong, PutoriuB nadipej^
und anderen.
Unter den Kaubthicren des Nordens wollen wir aufmerksam mHcheo
auf «ien £i.sbären, den Vielfniss, «len schwnr/en Fttdta (Varietät unsere?
heimischen Fuchses) und die zur Auerhahnjagd benutzten Kajaiiahunde,
sämmtlich Geschenke der Gebnider Siemsscn, sowie auf einen prftchtigea
Luchs im vollen Winterkleidu (Geschenk des Herrn Schramm).
l>ie (i'orill;iH('liä*l»-| \vuiil<'n von t'rof. llischolT zu Hciiier .\rl>»'it: l'ehrr «Ii«'
N'crst liicilcnlu-it in <l« r S. liü<li n<ili]miu' <i' i" ^•«»rilla. ( liiinimjison nii'l ' )r:»ni' rnuu.
.MüiicikL'ii IMltt, lM'itu(/.t. AUHtülirliclieH ia Ia-iu vtiid Nolinng: Die autlir<>iit.iiuorpiKU
Atte» ik« Lübecker MnijciiDi» in i) IJcl.tdrucktafeln — LObeck 1876. — iHe diMcr
Sclirifi beigugi'bene Tafel bringt eine neue Aufnahme der ganzen Gruppe.
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<i 335
In dorn Schranke mit Nauethiereii bcnclite man die j;<'streift<^n
Eichliörnelicii (Sciuiu-^ {»icvosti, at n«;t j«illu?) nn<l )>ivittatus), die Ranilxis-
rattc ^l^lli/(Hll\ s dt-kan), (^lüslcii- uiid liorsttMistiu lilt-r (Atlieruni africanu)
sowit! eiiKii Hcliöiuii aniriikMtiisclicn lübcr; als Scltrnlicilcii »gelten noch
imnur: Anomahirus hcccroilii v<m (iahun. Erctlii/.oii dorsatuni von
Alaska uiu! tiic intcrcH>iaiitc Trichy?; hpum vuii lioiueo (Capt. tSLorm) ixiii
wohl erhultcuein Schwänze.
' Au8 deu GnippeD der Ilufthiere sind nur die Wiederkäuer
durch eine grössere Anzahl von Arten vertreten. Eh seien erwähnt: der
groa^j^e norwegtsdio Elch, die Kamorunsehafe (Ovis jubata), mehrere
Zwergmoschusthiero und Antiio[Hinarten. Von letzteren nind zahlreiche
Gehörne au den Wiinden befe^itigt; ein rei'ht gmsses Geweih des wilden
Hl luischen Kenutliieres und des Elches zieren die grost^en Mittelschrilnke.
Vom Nil|>t"cr<l nnd Klc|tliantcti lic<icn, t^lcich dem iMii^anp' p<';j:en-
ül»er. iiK liierc <;ulc S. hadcl. An dem l'vl( |>liaiitcii>-rliiidcl liat nich die
ilidile di's linken Sio>s/,alines völli«; i];c<cld(»ssi'ii; ans di-m Scli{i<l<'ldaelie
ra^Xle noch der Stumpf de? Lunzen>^cl«dlcs hervor, <ler dem Thier den
Tcxlcsstohs s;el)nicllt.
Die Kdentaten, Mursupialcu nnd Monotremon sind durch die
wichtigsten Typen vertreten,
8('hlieH>ilich mfl<*htt»n wir noch auf dio an der Fen.«tcrsoite auf-
gestellten 8<Tliriinkc mit Skelottoit. ('inzeluon Theilen derselben und die
systematische 8<*iijidel8atnmlnn^ hinweisen. Die oinxehien Schädel sind
theils von vorne, theils von der Seite zur Ansidit <j;cl>racht ; hei allen ist
das Manl ein wcni^ geulTui t, nm dem Uesciiancr <len l>iui der Zähne
m(»ij^liclisl Hi<'litl);ir zu maelien hi«- <cli\var/<n rnterlagen treiuii in
/.vvcckmils-ii;en ' 1« ^<'ii.-at/. zur \vci>sliclnai Farhe der Ohjecte, oinu- ermii-
<len<l auf das Au;4c zu wirkt'n.
An die Saugcthicre schUes-^en sich in »ler .VulVtclIuiifi: nacl» der einen
Seite die wirbellosen Tbiere, nach der andern iH'ito des Hauptsaales die
übrigen Wirbelt! liere an.
Die Vdgol waren und sind auch jotzi noch verhält nissmässig am
zahlreichsten vertreten, etwa ISOO Arten. Unter deu vei-schiedoncn
Ijändern Dohnicn Brasilien, Columbien, Alaska, die nialayischen Inseln,
West- und Südafrika eine hervorragende Stelle ein. Ausser deu zur
Schau gosteltten werden, namentlich aus neuerer Zeit, viele Bälge in den
unter den »Schranken bofindlielien S<-hnl)ladeii. HVstcniatiHch ^^rordnet. auf
bewahrt. Die I'aradicHvriixel sind ^^esondcrl in einem drehliaren Schau-
kuöt<!u aufgestclll wurtlcn, um s^u dein L>t««cLauur CJclegeulieit zu geben,
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&-
das durch den Wechsel des einfallenden Lichtes hervorgebrachte Farben*
spiel besser beobachten zu können.
I>ic Reptilien und Amphibien Hind sämmilich Rus>;eetellt und in
nouorer Zeit durch wertlivolle, manche ntiio, inzwischen beschrieben«
Art«'ii eiiliialk'iK' Seiidiiu^ren ans Kamorun (Cajit. .1, Voss»), Noyt;ibt- (C.
lIciiK t ) Java, BoriR'o, (Capt. Storni). Sclanj^or {Kii VMi') beroicliort wonlon.
Uf^undcro Jicaclitnni,' vordit'iu'ii die l>(?idon Kiokodilc von lioinco (Tunii-
>tniii!i .S-ldegclii) ((leschniko von <'a|)t. Stonn), sowie das gross«' Orin»»coo-
Krokudil (von Herrn Fricke gef^elienkt). Im Ganzen etwa ?.')() Arten.
I)H' Sainndnnj; von Fis< lien ist wi niirer bedeutend und .«^teht ;iu<'h
an innerem Wertiie hinter derjeni.m n der voraufgulienden beiden (»ruppen
'/urüek. In grös?^erer Anzulil sind vertreten: Messina (K. Brehmer), .\dria
(Lüders), N'os-ifn' ff Rmter), Kamerun (<'ap*- Voss). Fidji Inseln (P.
Stooss), MurschalLs Inseln (H GröHser), Java-Bee (Gapt öturm), die Binnen-
güwässer Madagascars (VocUzkow). — Nahe an 7üü Arten.
Die Gruppe der Mollusken uinl'asst etwa 5<) Arten Oephalopoden,
nur wenige charakteristische Heteropoden und Pteropoden, dagogeu ist
die Abtheilung der Schnecken un<l Muscheln recht umfangreich, wenn-
gleich die Zahl seltener oder besondera kostbarer Arten keine grosse ist
Sie wurde mehrfach durch Ankaufe vermehrt, auch gingen ihr aus ver-
schiedenen Gegonden Ergänzungen als Geschenke zu. Am besten ist die
Gruppe der Ilelieidon mit über 1000 Arten vertreten, zum grössten Tlieil
der SaiiiialunL' tles Sccretairs Fromm in Seliwerin entstnnmiend. Zalil-
1» ich« .Xrtrn sind \ «m imixlen uns dci' Adria, <lem rotheu Meer, Südfruuk
reieli, dcM i In iiiL:>iiii « r nip! iK-n riiilippiniui.
I)ie ll;iUj't-.ituiolung \\ir<l in Schränken auhM'wahrt; eine Auswahl
ist in der l.iil • i kisehrn Ai>tlieilun^ aul" der (Jullerio dem grossereu
Publikum /Air Schau ausgestellt.
Die Zahl der vorhandenen Arh-n liisst sieh zur Zeit nicht genau
angeben, da die Neuordnung iio<'b ni iit vollendet ist. An Gasteropoden
sind nahe an <J»Mt(» Ait >n, an Aeephalen etwa löOO Arten vertreten.
Sehr umfangreich ist die insektensammlung, namentlich die-
jenige der Käfer und Schmetterlinge; die ersteron sind nach dem
Münchener Calalog in Buciikasten, die letzteren in einzelnen Glaskasten
in Schubladen geordnet. Angebrac^hte Nummern lassen mit Hälfe der
Gataloge mit fjcichttgkeit jede Art auffinden. Der Grund ward, wie
bereits oben erwähnt, durch den Maler und späteren Conservator des
Museums J. Milde gelegt, welcher mit zahlreichen Entomologen Dcutach-
lands und des Auslandes in Verbindimg stand und ausserdem in ganz
besonderer Weise durch seinen Freund Jakob Bohrens in San FVancisco
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I
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UDterstütot wurde. Dem letzteren verdankt die Sammlung ihren grossen
Bestand an califomischen Käfern und Sclimetterlingen, sowie solchen der
übrigen Vereinigten Staaten Nord-Amerikas. Was J. Behrens im Laufe
von mehr als dreissig Jahren selbst sammelnd oder durch seine xahlroichen
Tauschverbind aii<;en mit den bedeutendsten nordamerikanischen Coleop-
terologen und l.opidopterologen, wie Horn. Le Oonte, W. H. Edwards,
CressoD, Henry I^^dwanla, PuckarU, (»rote, Frcndi und Anderen zusanimeu-
braehte, maclite derselbe in treu hew.iltrtor Auhuu^licLkt-it ;ni stino
\'ai< i>(;i>lt vor wenigen Jahr«'n unsserin Mu-^^euni zum Gef»eliciikf. Die
KiiiiT siiitl iim InL m gany.«'n IJt ihcn vorhamlen, l)esti]innt und auls üenaue^«te
iiiit Fundort* II ver-^ohtn. rnicr den iSclünt ttci lingon sind nicht nur die ing-
schmetterlinge und »Sphingiden, wie überhaupt die grossen Arten fast
vollständig vorhanden, sondern gerade die kleineren Noctuen und Geome-
triden sind, meist von Packard und Grote bestimmt, besonders gut
vertreten.
Die nordamerikanischen, insbesondere califomischen Käfer
und Schmetterlinge dürften in wenigen Museen so gut vertreten
sein, wie in dem unsrigen.
Ausserdem sind Arten in grösserer Zahl vorhanden aus Deutschland,
Oesterreich, Oberitalien, Südfrankreich, dem Kaukasus und Norwegen;
an aussereuropäischen Ländern insbesondere aus Brasilien, den Phllipi^inen,
West- und Ost^ifrika, Neuliolland.
Eine nichi unbedeutende Anzald von Käferfamilien wurden y.n ver-
seiiiedeueu Zeiten von Monographen einer Revision unterzogen oder von
fliesen zu Publieationen benutzt. So die Ciciudelen und Carabiden von
PutzeyslJrüs.sel. die iiydropbilidt n ') von Kuwort-Warusdorf, die GsTi-
niden und Dvtisciden von Welnu ke-llarburg, die 8tapliylideu von Fauvel-
Caen, die Cucujiden, C'rvptopliagiden, Trogositiden, Oolydideu etc. von
£ciim. Reitter, die Fseiaphideu von Saulcy-Motz, die Coprinen von Harold,
die Melolontliiden von Brenske-Potsdam, die Passaliden und Cleriden von
Kuwert- Warnsdorf, die Elateriden von Candtee Lüttich, die sehr umfang-
reichen Teuebrioniden von Haag Rutenberg, ein Theil der Ourculioniden
von Roelofis-Brüssel.
Ausser den bereits erwähnten nordamerikanischen Schmetterlingen
sind sahireiche von C. Renter gesammelte Ai*ten aus Nossib4 (Mada-
gascar) vertreten, Sie lieferten einen Theil des von Saalmüller in seinen
Öehnietterlingen Madagaiicars verarbeiteten Materials; ferner linden sich
') Die Revision der Uydropliiliden uud Clerideu wurde leider durch seineu lud
atilert>rocfaen.
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viele Kamerun-Arten aus allen Gruppen, darunter auch drei Exemplare
des Antimiu'lnia, gesammelt von Capt J. Vo>-j
Die mitteleuropäischen Macro* und Microiepidopteren sind in einer
besonderen, fast Tollatändigen Sammlung aufgestellt
Für das Publicum ist eine kleine^ nach £rdtheilen geordnete,
Schausammlung zusammengestellt, welche ein Bild des Charakters der
einzelnen Faunen giebt.
Die Hautf lügler umfassen eine nicht unbedeutende Anzahl von
f chneumoniden, welche s. von Tischbein bestimmt oder revidirt wurden,
zum Theil auch dessen Sanunlung entstammen.
Dipteren und Neuropteren sind nur in geriuger Anzahl vor-
lmn(l(^n. Umfangreicher ist dagegen wiederum die Gni|>|ie der Orthop-
teren. Dieselbe ist fast vull.<täudig von liruniier von Watten w vi in
Wien duiclihestimmt worden und enthält manch scliöne und seluue Art
atis DeuHrhland. Sfnl( urnpa. Brasilien, Bolivien, Culifornieu, Kamerun,
Öüdalrika, Nc-silu' uiui lionifo.
Die Familie der iiemipteren ist nicht so gut vertreten, wie die
vorige; i^ie enthält iiishesondere Arten aus Nordtleutschland, Südschwe«len
(St&l), Gabun (H. l^rehmer). Kanienm (J. Voss), Nossibe (G. li^iuter), Call-
fornien (J. Behrens). Im Ganzen mögen etwas über 1000 Arten vo]>
hanil*'ii sfin.
Die Schausammlung bringt aus diesen Insektengruppen eine Auswahl
der interessanteren Formen, zum Theil mit ihren Wohnungen, Gallen u. dgl.
In einem besonderen Kasten sind Beispiele für Mimicri zusammen-
gesteckt
Den Myriapoden ist erst in neuester Zeit ßeachluug geschenkt
worden« An einheimischen Arten ist sehr wenig vorhanden, dagegen
manches aus Califomien, Nossib^, Kamerun und Südafrika. Eine kürzlich
vorgenommene ungefähre Durchbestimmung i i i,^ab 82 Arten.
Fast dasselbe gilt von den Arachnoiden. Die Skorpione er-
fuhren in neuester Zeit eine Kevi^^ion dun h Prof. Kraepeliu, dem die-
selben iiir seine Arbeiten vorlagen. Es sind &2 Arten verzeichnet.
Mit dem Sammeln der hiesigen Spin neu ist ei'st in den let/.ten
Jahren begonnen, dieselben sind von W. Böseuberg und dem V'erfasaer
bestimmt worden.
Zu des Verfassers Arb(>iten gehörende Arten aus Nossibe (gesammelt
von G. Reuter) sowie aus dem Caplande, (Brady) Oalifomien und West«
afrika bilden den Haupt bestaud der Arachnidensammlung.
Weit bedeutender ist dagegen die Sammlung von Crustaceen.
Manche Arten, aus älterer Zeit stammend, mussten leider in trockenem
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5^i3stande aufbewahrt bleiben. Aus ihneu iet meist die Schauaammluug«
auf Cartone vereinigt, zusammengestellt.
Werthvolle Lokalgnippen lieferte die Adria (Stossich wid der Ver-
fasser), Nossib«} (Reuter), WestalErika (H. Brebmer und Capt. Voss), die
Südsee {Mus, Godeffroy), Fidji Inseln (P. Stooss), Marschalls Inseln (H.
Grö^Hcr). Californioü (J. Behrens), Alas^ka (Heller) uud iiisbesontlere in
neuerer Zeit Capt. Storni aus den niula\ i.schen CJcwässern. Diese fanden
in Dr. J. (i. de Mau den l)i'i iitüu<l.steu Bearbeiter, uiilirend dit it nigeu von
Nossibi einer früheren Publieation des Verfasseis /ji «liunilc liiu(*n. Ani
Pffiler i-^t l iii P.tar der japanisduMi Riest-nkiatilMMi ( Nbirroclieira
Kaenqdteri) angebracht Die natürliche Farbe ist durch Üemaiuug wieder
iiergesteilt.
Die (irti))pe dt r Würmer ist von geringem Umfange und entliält
wenig mehr, als dit IlMupttypen; eine grossere Anzahl von Arten .^^ind,
von Stossich und dvm \"erfasser gesannnelt. aus der Adria vorhanden.
Krwfthnung dürften noch der Bololo-Wurm (Falolo viridis) von den Fidji
Inseln, Geschenk des Herrn G. Stooss, und eine riesige Echinoooccenblase
verdienen.
An Echinodermen sind etwa 300 Arten vertreten; die weitaus
grössere Zahl musste in trockenem Zustande Aufstellung finden. Ein kleiner
Tlieil interessanter Formen ist auf Schautafeln zusammengestellt Be-
sondere Erwähnung verdienen die von Riise-St Thoma» geschenkten
Ophinriden, sowie die in neuerer Zeit von Capt Storm in den malayischen
Gewässern gesammelten Arten.
Die Coolenteraten sind i;lcichfulls gut vertreten. Insltesondere
finden sieh unter den Korallen /um 'Pboil ausserordenllu n prüelitige
Schan-tiickc Auch dit se verdanki da< Mus<'U!n der Fürsorge des sclion
oU genannten Capt. Storni. Von besonderem \V ortbe isi eine von dem
Genannten vor zwei Jahrt-n gesandte Colleetion von Gorgoniden aus der
Näh«' Singapores Dieselben liegen einer Publieation des Herrn Prof. Th.
8tuder Bern in den Mittheiluugen des Museums zu Grunde.
Die Schwämme bieten in sclic^nen Exemplaren von Euplectella
aspergillum, mehreren Ilyalonema Siboldi mit Schwamm, sowie mäch-
tigen Potcrium neptuni nebst Jugeudstäcken gerne besehene Schaustücke.
Auch die verscliiedenen Varietäten des Badeschwamms, Geschenke des
Herrn J. Lüders in Triest, mögen erwähnt werden.
Die Thierwelt Lttbecks
hat in einem besonderen Räume Aufstellung gefunden. Diese ist nur
als eine vorläufige zu betrachten, indem einmal noch Theüe der Haupt-
22*
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fiammlung hier nebenbei untergebracht^ andererseits die Gegenstände oline
Weiteres aus der Hauptsamralung, in welcher sie fiüher durch ein rothes
„Lübeck** gekennzeichnet wami, herausgenommen wurden. Es liegt in der
Absicht diesen Theil nach der biologischen Seite hin weiter auszugestalten.
Zeit und Mittel erlaubten hierin bisher nur einen kleinen Anfang zu machen.
Eine Anzahl Schmetterlinge sind mit ihren Entwickelungsstadien, den
Futterpflanzen der Raupen, Frassstücken u. dgl. zur Aufstellung gelangt
Auch die hiesigen Käfer und Schmetterlinge sind fasst voll-
«tiindig vertreten und werden von hiesigen Samnileni, namentlich von
Sehüiern fleissitr zuni Bestimmen benutzt.
Die SiiU'Jiethien' '/ciuen unter ihren kleineren Formen noch ^;rosse
Lücken, einen l>('>-»r(ii l'inflrnck niaelien die Vögel und sind hier
vor allt II <ii<' Scliwimnivö^«*! /u nr.u-iiten.
Die FaniiM «Icr Trn vent üniier Bueht ist in allen beobachteten
Arten aufgestellt; die zu ihr gehörenden Coiuliyliej) haben neben den
hiesigen Rinnonconcbylien auf der (^lallerie Platz gelundeu. Ein besoo-
derejä Interesse verdient der Schrank mit Vogclskeletten und deren
Theilen. Auf die butreffemlen Siiteidieiten ist bereits in dieser Schrift
im Abschnitte „Die Fauna Lübecks** hingewiesen worden.
B. Botanitohe Abtheilnns.
Die AiiliitiLce des Herbai'inms reichen gleichfalls in das vorige
Jahrhundert zurück, W'iUli und Dt ileiilnnir erlangte es jedoeh erst dadunjh.
dass der um die Erforschung der lnL^i;^( n Klura h«»cliverdiente AputJii ker
Renatus TTfieker') eine Sannnlung ^iinmitheher von ihm bei Liibcck
gefundener riianerogamen und Cryptogamen zum (beschenk machte. Sic
ist namentlich in den letztverHossenen Jahren durch die Bemühungen des
Oberlehrera Dr. Friedrich und seiner Schüler auf das reichste vermehrt
worden und wird als Jlerbaiium der Lübeckischen Flora getrennt von
dem allgemeinen Herbarium aufbewahrt
Der Grund zu dem letzteren ward im Jahre 18d9 durch den An-
kauf eines Herbariums gelegt, das der in Berlin verstorbene Gebeimratb
Staberow hinterlassen hatte. Es entliielt viele vom früheren Besitzer in
Deutschland und auf Sicilien, sowie von Schimper in Abysainien und von
Kotschy in Kordofan gesammelte Arten. Sein Hauptwertb bestand in
den von Rabenhorst herausgegebenen Cryptogamensammlungen. Gleich-
zeitig schenkte Senator Dr. H. Brehmer seine etwa 8000 Arten umfassende
*) Verfasser der ersten ToUatändigen, gedmdEten .»LflbeektBchen Flora**. Lttbeek
1844. —
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Pilanzezuammluug. An aussereuropäiscben Arten waren darin die
Sammlungen von Eckion und Zeyher aus dem Caplande, von Leyboldt
aus Mexiko und von Geyer aus Nord* Amerika vertreten.
Diese tmd melirere kleinere Sammluugeu worden von Häcker zu
einem Gesaramtherbar vereinigt, das nach dem von Reidienbach heraus-
gegebtutu HerbariuinhiKlic geordnet wurde. Später ist der Anordnung
(lio 1870 von I'lVitVt !• In i-;uisgegebene Syauiiymik /u Grunde gelegt
wonieti. Im l'rhiim n wiiidt ii die von Häeker gotruÜ'tiien Einrichtungen
bis zur (!tmii\\;irt beibehalten. Jcdo Art liegt in einom 40 cm hohen
und 30 cm breiten Bogen stark( ii weissen Schrciltiiapi« rs. welcher aul der
Aussenseitr den Namen ih r Pllanze trägt. Die einzelnen Fundorte .sind
immer dun h /wis( hengelogte Blätter getrennt Die zu dem nämlichen
Genua gcliöreudou Species sind in einem oder mehreren numerirton
Bügen vereinigt und in ihnen sy.stematisch geordnet Das Ganze wird
in Mappen, welche von drei Bändern zasammengchalicn werden, auf-
bewahrt Eine Aufschrift auf die eingeschlageneu Schutzblätter nennt
die in der Mappe enthaltene Familie, ein eingeklebtes Schild die Pfeiffers
Synon^^mik entuommeuen Nummern der in ihr befindlichen Genera,
so dass jede Pflanze leicht zu finden ist.
Nach dem im Jahre 1864 erfolgten Tode Häckers wurde dessen
Herbar angekauft; es enthielt ausser zahlreichen deutschen Pflanzen,
solche von Schütze in Nord-Amerika, von Breutel in Labrador, West-
Indien und dem Caplande gesannuelto.
Die Aul'sicht über die r(l;ui/,t ii-.iiiittilung übernaliiu mildem Herr
Senator Dr. W. ßrehnier. Seiner I'iii xirLif i'^t es zu danken, dass .sieden
Umfang nuA die Bedeutung gewann, welche yie zur Zeit mit Recht
beall^^p^uchen darf.
Ankäufe wurden hinfort nicht mein* gemacht; alle V crgrosseruiim a
geschahen durch Zuwendung von Getjchenkeu. Als solche erhielt djia
Herbar die nachfolgend genannten grösseren Sannnlungeu: das Herbar
des Dr. Bethke-Penzün mit mcckleid)urgischen Pflanzen; da.sjcnige de«
ehemaligen Adjunkten am botanischen Garten in Petersburg Dr. K. Av^
Lallemant, mit vielen Arten, die von ihm in Nord ltahen, Tirol, Kärutben,
Finland, der Umgegend Petersbui^ und von Schrenk in Sibirien ge-
sammelt wurden; Kohlmeyers Pflanzensammluug mit vielen Farn und
Oappflanzen.
Ein umfangreicher und zugleich werthvoller Zuwachs wurde ihm
durch das Herbar des verstorbenen Prof. £. Meyer in Kiyuigsberg zu
theil. Die Hauptzierde desselben waren 8000 von Drege in Südafrika
gesammelte Pflanzenarten in mindestens 24000 Exemplaren. Unter diesen
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fanden sich sämmüicbe Originaloxemplaret nacli tieneu die BeschreibuD-
gen von E. M^ycr in seinen Commeutariis de Plantis Africac austraLiorid
gemacht wni'en, forner viele von ilim angefertigte Zeichuungeu und ^Vn*
gtibt'n über Luge und BodenbeschalTenheit der Standörter. Mit ihnen
vereinigt waren etwa 1300 Arten Eck Ion und herscher Pflanzen, durch
welche die bemts in der MuHeunis»>anin)lung vorhandenen wesentlich
(']<:::) tixt wunlen. Sehr reich war das Herbar an sibirischen Pflanzen,
darunter ein beträchtlicher Tbeil der Flora Altaica in Originalexeraplaren
von I.t-dobonr, viele PHnn/en V(»n Irkntsk und Nerfseliinsk, gesammelt
von 'r<»ur( /.aiiinufV. <iuimi(li('li(! von K>cliliolz und ( haini.sgo auf Kamt-
schaika, den AK'Utcn uinl an drr l»eln in^strasse erlan>ite Arten, sowie
nicht wcnii;;«' niittt'lnsijiti.-ciii' Pllun/.rn. im (j.in/cn etwa 2UÜU Arien. Au-^
Grönland und liiihnidor landen sicli Sc'ndu!iu>ii von Hornemann. dein
jüngeren V'alil inid llernduiler Mission;nen; aueli waren in ihm die Belege
zu *len von E. Mever in den Actis naturae curiosoruni heselirieböuen,
von HartiBuun aus Surmam gesiuHltt n. sowie die von ilini bestimmten
Haenekeschm l'llanzen enlliallen. V'on besonderen) Interesse waren
endlich xaldreiche Pllanzen. w( lehe von zwei Schülern Linuös, Ehrhardt und
Beckmann »tatnmeu, zumal Mch unter denselben fast hundert ihnen von
Linn^ ztnn Cieschcnk gemachte Pflanzen befinden.*} In neuerer Ztai ist
das (lorliar neben vielen kleineren und grösseren Zuwendtuigen durch
umfangreiche Hiimmlungeu aus Chios von Uofrath Dr. Pauli, aus dein
Caplandc von W. Spilhann in der Capstaili, aus Califomieu von Jakob
Behrens in Ban Fnmcisco und aus Corsika von Dr. Petit in Ko)ienhagen
vemiehrl worden. Sie mul Hünmitlieh von ihren Sammleni geschenkt.
Melire!-« Ceuturien der von Schlechter im Caplaude gci^ammelten
Pflanzen verdankt dan Ilerharinni einer Znwemhnig des Prof. Dr. H.
Sellin/, in Ziirirli; aut-li liat Scldeehtt-r s<'lhst eine grosse Zald seltener
Orchideen und Asclrpiadeen dor ('a|>lloru ül)ers;nKlt. An rhaner^tganieii
und'asst <las llerhar zur Zt it ungelahr UOU Spocies in mehr als 2ÜU Uüü
Öjjannblättern, welche in '.»SO Mappeu uulergeljruchi sind.
Von den kritischen Gesell lechteiii sind namentlich die Genera Rubus,
(die Exsiccatensammiung von Wirtgen und viele Originalexemplare von
Weihe, Focke, Krause u. and.); Rosa in etwa 1000 Spannblättem»
(zum gimseren Theil durch Christ revidiert), Mentha (die Ezsiccaten-
sammlung von Wirtgen) Ilieraeium, mehr als 1600 Spaiinblätter
(Exsiccateusammlung von Schultz -Bipontiuus) und Salix (Exsiccatcn-
0 Die Juncaoeea sind au« dem MeyeracUen Herbar auqgeachieden und in den
BeaitB de« Bremer Mosemns überg^angen.
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sammluDg von Wimmer, die Schweizer Weiden vod Schleicher) durch
eine grasse Zahl, den verschiedensten Fandarteu entiütamroender, Exem-
plare vertreten.
Als Vertreter der Flora Deutsch hm ds sind rHanzi ti aus fast
allen (.Icj^endcMi desselben vorhanden. Sie -tuimnun mw den flilnden
v«»H mehr als tiuiidert Boianikci'n. Unter di( S(>n verdii noi lu suadere Er-
v\idjnuni!j M: Dr. Av<''-ljrtll< inaiii* (Pllanzen von l^üheek und Berlin),
Dr T'. ii uii/' (Oslpreussen und iSciilesitii), Kiniiardl und Prof. (^riisharh
(Ihmnover). Apotheker TIani]H' (Jlar/.). Prof. Ilansskneeht ('rhürin<j;eQ),
Prof. E. Meyer* (Süd 1 lainiover und Ostpreussen}. Prof. Xolte* (Sehleswij^-
Holstein und Lauenburg), Dr. Sonder (IIanibur<j: und Hurgäteiufurt),
Kohlrueyer (Ilaniliurg), Wimmer (Sehlesien). Wirtgon* (Uheingegcnd).
Auch die Flora Oesterreichs ist durcii Sammlungen namhafter
Botaniker »ehr gut vertreten. E» sind unter vielen anderen vorhanden:
Pflanzen von Dr. Av^-Lallemant (Tirol), ISarth und Baumgarten* (Sieben-
bürgen), Biasoletti* (Tricat), Fen«I (Dalm»tien), Prof. Hoppe (Salzburg),
PfamT Huter (Tirol), NoÖ (Istrieu), Oborug (Mäliren), Opitz (Böhmen),
Petter* (Istrien und Dalmation), Pichler (Ltuz und Dalmaticn). Kochel
(Banat), Sadler (Ungarn), Sautor (Salzbui^), Traunfellner (Laibl), Wies-
bauer (Wien).
Aus der Schweiz enthält da« Hei-barinra grössere Sammlunum von
Brunncr, Pfarrer Minul». Schind» !iii« i.<tcr und .Scringe*; uns 1 rankroich
solche vi>n Fleurot, Vahb IN lit'^. B«»i-d» re und Pcrris
Spaniens Mura ist vertreten durch IJourgeau, Pedro tlel Cauipo,
Loseo>. ixeverschon Porta, l\igo und ajiderc
Sehr reiche Sciial/e besitzt <lic Sauunlnng aus Italien. Nord-
Italien ist vertreten durch Vi-^iani. Dr. Av«- Lallemant, i\h>relti, l>r. Huch
hol/. Unter und Purtii: Mittel- und Süd llaiien duich Twiose, iieldreich,
Philipp], Porta, Rigo, Savi. Staberow und (ius.^onc.
Aus Seliottl i Ii i sind viele von U ilfour*, uus Däueiuark »olcho
von Vahl und Dr Petit, aus Schweden niuuclie von Ehrhanlt bei
Upütila und von Tries, aus Norwegen von Le.s»ing und Vahl, aus
LapplandiVon Angstroera, Fellmann und Wickstrovni gei^ammclte Arten
vorhanden. Die Flora von Siiitzborgeu ist fast vol1stftn<iig durch
Sendungen, welche Vahl gemacht hat, veKi'elen.
*
Anmerkung. Bs Rind nur aolcliü Sammler und Botaniker namhaft j^Mnaclit,
von denen ihis Uorbar uirhr als '2'H> Arten eiiUiiill, «olclie, welche mit mehr alft
.500 Arien vertreten Hind, wurden duroli * kenntlieli gcniiielit. (Jenauere AnL,ah<'ri
Unden Hicli in däs VuriaHsere: üescüichtv dv» Naturhistoniiclieu MuiHsums zu Lübeck.
Lübeck ib'JL
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Einen groi«sf'ii Unifaiif^ nchmon rlio Pflanzen des europäischen
Russlands ein. Es haben namhafU> Beiträge geliefert: aus Finlaud
und den deutsclien O-tsi ('provinsjen Dr. Ave Lalleinant *, aus der Um-
gegend von Wasa Brandcr *\ aus dem nissischen Lap|)laud Brotlierus
und Schrenck, aus Lithauen Wolfgang *, aus Südmsslaod Besser, aus der
Umgegeod von Sarepta Hecker*, aus dem Taurus Relimann.
Aus den Ländern der Baikauhalbinsel, von den türkischen und
griechischen Inschi werden Sammlungen von folgenden BotaDikem auf-
bewahrt: Siutenis* (Dobrudncba), Pantoscheck (Montenegro), NoS (Con-
stantinopel), Bornmiller und Sintenis (Thracien), Heldreich* (Kreta),
Bourgeau (Rhodos) , Pauli * (Chios) , Heldreich * und Haussknecht
(Griechenland).
Von ausscreuropäischen Ländern ist insbesondere die Flora
Afrikas sehr gut vertreten; reicher und vollständiger, als in manchen
giüsseren Herbarien. Dies gilt namentlich von der Pflanzenwelt des
r'aplandes. da von <lort, ausser <ien bereits erwähnten, im hn re Tausend
.Sjte/.ieb uniiussende 8aniniluugeii von Drege. * Ecklou und Zeylier *, lujch
viele Pflanzen vorhanden sind, welche von Breutel, Miss Newdf;^^atc,
Schlechter, Schönland, Själhaus und Anderen dort gesammelt wurden.
Aus dem übrigen Afrika besitzt das Herbarium Pflanzen aus Mudagascar
von riildebrandt *, r)r>urbon (Oujot), Zauzibar (Hildebrandt*), Abys»
sinieti (Schini|)er *), Kordofan (Kotsi-hy). Aegypten (T-etourneaux und
Si^liiiuper), Algier (Balanza uud Paris*), Madeira (Bucliholz, Mandon*),
Teneriffa (Schorer), Senegal (Bidjen), Angola (Mechow).
Asiatische Pflanzen finden sich im Herbar aus den Sammlungen
von Bourgeau* (Lycien), Kotschy* (Taurus und Persien), Pauli (Olymp).
Heldreicii* (Pamphylieu), Picard (Pamphylien), Koch (Pontus), Balanza
(Lazistau), Bornmiller* (Anatolien, Armenien und Persien), Sintenis*
(Armenien), Manisedjim (Anatolien), Blanche (Syrien), Metz * und Schmidt
(Nilgherries), Thwaites (Ceylon), Rein (Japan), Stuhlmann (Chefoo und
Haynan), Eschholz. Chaniisso und Kastalski * (Kamtschatka), Ledebour
(Altai). Schrenck* (Songarei). Karelin * und Turzaninow * (Sibiiieu),
iA'hiiKiiiH (Tiirkestan). Knorr (Dahuritn). Holiriiiuker (Kaukasus).
I>ie Flora Amerikas ist durch Samailungcn nachtoigrnder Bota-
niker vertreten: Breulel un<] Vahl (Grönland und Labnnlor). Deutsche
Nordpolexpcilition ((Jrönland). A. Gray, Tuckermann, Drege. < ).ikeR (Ohio),
Eggert*, Schütze* und Geyer* (>[issuri), l>cbb (Illinois), Hartmann
(Luisianai, Fendler (New-Orleans), Mohr (Mol)ile). Canby (östliches Nord-
amerika), Palnier (Arizona), Jakob Behrcn.s, lierlaudier, Duun * (Califoruieu!.
Pulterson (Colorado), Berlandier, Botteri, Leybold, Schmitz* (Meidco),
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Hahn ^ und Lieber (Martiui<)iie). Egj;ers (St Thomtis. Doiniiiicai, .\füritz
(Venezuela), Hartinunn, Kap|iler* und Weigelt (Siiriuam), Tüikheim
(^ijruateinalu). C'lauss'on * (mehr als 1000 Arten), Vaufiers, Spruce * (Bra-
silien), JjOrenz f ArLrcntinien). Lechler*, Philippi. Ik-itiTO (r^hile). Mandou*
(Bolivien), Lecliler uu<i rfpiuce ^l'eru), liaenke und Öpiuce (Eeuador).
Aus Australien hesitzt das Ilerbar Pflanzen von Frau Amalie
Dietrich*, l-'erd \ . Müller, Sohlipadius, Sieber*, Töpfer, d'Urvüle und Anderen.
Neuseeiaud und die tlbrigeu loaeln des nüWm Oceans sind spärlich
vertreten.
Die Cryptogamen sind gleiehfalls in grosser Zahl vorhaudeu.
Unter ihnen zeichnen sich namentlich die Farne und Meoresalgen durch
Schönheit und Reichhaltigkeit aus.
Das Herbar zählt:
Farne
. mit 1107 S
pez
Equiseten . . .
. . 17
a
Marsüiaceen . . .
18
•
SaWiniaceen . . .
11
f
Lycopodiaceen . .
. 144
•
Laubmoose . . .
. 1074
•
Lebermoose . . .
. 262
•
Flocliteu ....
. 4ÜÜ
•
Pilze
. 3680
t
Die Moose sind in Kapseln eingeschlossen, welche, soweit sie zu
einer und derselben Spezies gehören, mit ihrer Rückseite auf einem Papier-
bogen befestigt sind.
In ähnlicher Weise sind die Flochten geordnet, deren grösster
Theil dem Ilerbar des Prof. £. Meyer entHtammt Viele Krustenflechten,
so wie die auf Steinen angewachsenen, werden gesondert in Schubladen
aufbewahrt
Die Ä 1 gensam ml ung wurde in neuerer Zeit durch ein bedeatendea
Geschenk des Herrn Sehlüsselburg an Meeresalgen vermehrt und enthält
ausserdem ca. 500 Arten aus dem adriatischen Meer von Stossicb, Hauck,
Zannardini und Biasoletto; ca. 100 Arten von den französischen Mittel-
meerküsteu, die Rabeuhorstschen Decaden bis 1868, die Jüi^onsschen De-
caden der Nordseealgt'n. viele Arten aus dem Sonderseben und Binderschen
Herbar, Arten vom Cap. g{wammelt von Spilhaus, solche von der cali-
l'ornisehou Küste aus den Händen der Mrs. Uusli San Jo.«e (CaUfornieu).
Unter den Pilzen findet sich das Herbarium mycologieum von
Klotzsch uiid iüibeuhorst, die saiuuitiicheu von Thümen herausgegebenen
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Sammlungen und viele von Fackel und anderen namhaften Pilzforschem
gesandte Spezies, so dass sich die Zahl der Originalexemplare auf mehr
als 1000 beläuft.
Ueber f=nmnitli<'b«' iu denj ilt-rbar entiialUiKMi pluincro^^ainisclien
und krvptoganiischeii Sjic/je.s sind geschriebene A fiYticlinisse vorbanden,
so dnss sieh das Vorhaudeu-seln oder Fehleu eiucr Tilauze schnell festr
stellen lässL
Durch Anwendung des Schwefelkohlenstoff-Apparates sind die
Pflanzenpakete jetzt von den früher sich bemerkbar machenden schäd-
lichen Insekten völlig befreit worden. Neu liinzakoramende Pflanzen
werden erst eingeordnet, nachdem sie jenen Apparat passiert haben.
C. Hiaeralogitoli-paUUmtologisofae Abtheilnng.
Die«»e AbthciluiiL: ist vi'AVvy in eine wissen8cbafHi' h«> und eine Srhau-
sanimhing gelrennt Die i\I i u t i alien uml'asseu .Stufen und sind
nach Naumanns Handbuch geonhiet.
Wie schon erwähnt, erfreute sich dieser Ttieil bereits in frühester
Zeit besonderer Pflege; von alten Sammlern, wie Voigts J. Menge, Ober-
förster Haug, Bürgermeister Dr. H. Brehmer ist manches werthvoUe StOck
vorhanden. Besonders hervorgehoben zu werden verdient aber die alte^
aus dem vorigen Jahrhundert stammende Sammlung des hiesigen Bürger-
meisters Lindeuberg. Sie enthält eine beträchtliche Anzahl von rohen
und gesdiliffenen E^elsl einen, sehr viele Achate aus dem Nahethal und
andere Halbedelsteine. Eine Auswahl derselben finden sich als „Schmuck-
steine'* in einem besonderen Rehnuknslen, dem Eingange gegenüber in
der Nähe des Fensters. ausLri stelU. In die Lindenbergsche Sammbing
waren nu< h manche der liiilicr von dem hiesigen Senior Jakub v. Meiie
ge.sanimelton Mineralien und Versteinerungeü der Umgegend Lübecks
übergegangen.
Von neueren Samnileru sind dem Museum besonders werthvolle
Stufen zugegangen von den Herren W. v. Bültzingslöwen, Geh. Bath
Dr. Roesing, Gustav Siemssen, Dr. A. Plitt und G. Schalkliäuser.
Eine grössere Anzahl von Mineralien sind vorhanden aus Sibirien
(J. Menge, v. Schlözer), Ural (Menge, Schalkhäuser), Ungarn (Zipser),
Almaden (Pliit).
In der Schausaromlung, welche, gleich der paläontologischen in
flachen, unter den Fetistern hinlaufenden Pulten aufgestellt ist| dürfen
folgende Stücke bes(»ndere Heaclitung venhenen:
Bernstein, mit und ohne Einschlüsse, ßergkrystalle und Rauehquarze,
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die am Fenstor bängeiideii Muosachatc, grosj^e Berylle, gro«JS<' Granat-
Krvstxille aus Alaska, sibirischer Magnesit, eine PracliLstulü von viokUem
Fiuorit aus England, Segeberger Boracite, Meteorite aus Java uud
Kusslaud, Malachite, Gold- uud Silberstufen.
Den ntuiidstoek der geologisch-paläoatologischeu Sammlung
bildet eine in den vierziger Jahren zusammoDgebraebte, zahlreiche Ge-
schiebe der Umgegend Lübecks, sowie mehrere Bohrpioben umfassende
Sammlung des ehemaligen hiesigen geognostischen Vereins. Im Jahre
1858 ward von dem Heidelberger Mineralien-Oomptoir eine 800 Nummern
zählende geologisch-petrefactologische Sammlung angekauft; dieselbe ward
spftter durch die vom Bürgermeister Dr. H. Brehmer in der Umgegend
von Frankftti-t a. M., im Taunus, in der Eifel, Thüringen und Sachsen
gesammelten Stücke nicht unbeträchtlich vermehrt.
Tn neuerer Zeit wurden nieln-fach grössere Ankauf»/ m maeht; nicht
minder hereirlu rtcii aber aiK-h zum Theil sehr wt-rtbvulle Ges^ohenke aus
verscliiedeuen (jegenden Deutscbiauda uud des Auslaudes diese Ab-
tbeiluug unserer SamnduDgen.
Besondere £rwähnat\g verdienen:
1. Eäne Anzahl von Solenhofener Schiefer mit Fischen, Krebsen, In-
sekten u. 8. w.
2. Ein 3,10 m langer Ichthyosaurus quadiscissus von Holzmaden
(Württemberg).
3. Die Sammlung des Dr. Wiechmann-Kadow, vorzugsweise Tertiä^
verstemerungeu umfassend; darunter fast vollständig diejenigen des
Stembcr^r Gesteins. Zahlreich vertreten sind in ihr Exemplare
englischer Autoren, viele Jura und Kreidesachen, sowie aus der
ßoH'schen Sammlung herrührende Versteinerungen führende Geschiebe
Mecklenburgs.
4. Silurische Diluvialgtschiebe von Sarau; gesammelt von Herrn Se-
nator Dr W. Brehnier.
5. Senonpeirelacteu von Lüneburg; gesaminuit vom Gantor Moritz.
6. Eine bedeuteode Sammlung von Juravei-steinenmgen aus dem Elsass,
Baden, Aargau u. s. w. Geschenk des Herrn Prof. W. Deecke.
7. Eine Anzahl VersteineruDgen aus der Steinkohlenformation von
Mährisch Ostrau. Geschenk des Herrn Gustav Siemsfen
8. Eine nhnTiche Sammlung aus dem Ruhrbecken, von Herrn Direktor
Lanizr -1 sobenkt.
9. Eine hübs( hr Suite ( Jault-Versteineruiigen auä Folkestoue, von Herrn
Julius Siemslcu-Louduu.
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10. Krcideveratemerungen von I^erudorf bei Itzehoe von Herrn Dr. C.
Gottsche-IIamburg.
11. Eiue 62 Kümmern umfassende Sammlung aus dem Obersilor von
GotlaDd, 8i>wio mehrere Stücke Eophytonsandstein von Lugnas in
Scliwedon. (beschenk des Herrn Prof. Lindström-Stockholm.
12. Kinc uuilaiigreielio Ziisjuuu)cii>lellun*^ böhmischer Petri'facten aus
dem Cambiium, Silur, der (JuHkohle «md Kreidet« •iinatiou nebst
einer An/ald von (iv{).><modelleu. Vom iJöiimiacheu Museum in
Prag in Tausch eiwurlx'n.
In der geologi'-elien Sehaii.>*aimnlung verdienen besonderes Interesse
das Silur (Triluhiten. Orthoeera.«, Alidrüeke von Quallen), die Steiii-
kolilonlOrmation, der weisse Jura Solenliolener Platten, Pterodactyluß),
die Kreide (Ammoniten ete. aus Folkes^tone), das Tertiär und Diluvium
(Mammut hreste. SeliUdelstüek des Bisiimoeiisen).
Durch bildliche Darstellungen ist auch hier der Versuch gemacht
worden, diesen Theil des Museums dem Verständuiss des Publikums
näher zu bringen.
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