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Full text of "Brockhaus' ConversationsLexikon allgemeine deutsche RealEncyklopädie"

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Brockhaus’ 
Conversations-Lex1kon 


F.A. Brockhaus (Firm), F.A. Brockhaus Verlag Leipzig 


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Brockhaus’ 
Converlations = Lexikon. 


Dreizehnte volftändig umgearbeitete Auflage. 


Dreizehnter Band. 


Phraates — Rußkohle. 


Holzſchnitte aus der Xylographiſchen Anstalt, 


Karten aus der Gcographiich » artiftiichen Anftalt 
ven 


F. A. Brockhaus In Lelpiig. 


brokhaus — 
Lonverlations-Lexikon. 


Allgemeine deutſche Real- Encyklopädie. 


Dreizehnte vollftändig wingenrbeitete Auflage. 


Mit Abbildungen und Karten. 


In ſechzehn Bänden. 


Dreizehnter Band. 


Phraates — Rußkohle. 





Leipzig: 
F. A. Brockhaus. 


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— 


86. 


Digitized by Google 


P. 


Phraates, Name mehrerer parthiſcher Könige 
aus dem Geſchlechte der Arſaciden (f. d.). 

P’hrabat, —— ** bei Banglot (f. d.). 

Phr dium Link., Pilzgattung aus der 
Familie der Roftpilze oder Uredineen, Die Arten 
derjelben wachſen parafitiih auf verfchiedenen 
Pflanzen. Man kennt von den hierher gehörigen 
Pilzen nur die Uredo: und Teleutofporen, eine 
Ücidiengeneration ift nicht befannt, Die Teleu: 
tofporen fowohl wie die Urebofporen treten in 
Form von ſchwarzen, beziehungsweife orangeroten 
Faufchen auf der Unterfeite der Blätter hervor, die 
Sommerfporen find kugelig und einzellig, die Te: 
leutoiporen haben einen ziemlich langen Stiel und 
beſtehen aus mebrern, — danf bis fieben 
in einer Reihe —— en. Die belannteſte 
Art dieſer Gattung iſt der Roſt der Roſen, P. rosa- 
rum Rabenh., ber auf den Blättern der Rosa cen- 
tifolia, Rosa canina und andern Rofenarten auf: 
tritt. Es finden ſich zunächſt zahlreiche orangerote 
Häufchen von Urebofporen auf der Unterjeite ber 
Blätter und fpäter entwideln fich ebenda die ſchwar— 
zen Teleutofporenlager, die ſich häufig faſt über die 
ganze Fläche verbreiten. Die Blätter erhalten da: 
urch das Ausſehen, ald wenn fie auf der Unter: 
feite mit Ruß überzogen wären; die Oberjeite 
nimmt durch die Einwirkung des Pilzes allmählich 
eine gelbliche Farbe an und das Blatt ftirbt fchließ: 
lih ab, Der Pilz fann durd feine fhädliche Wir: 
fung, die er auf die Blätter ausübt, und durch feine 
Schnelle Berbreitung für Rofenpflanzungen fehr 
läftig werben. Cine andere Art, die auf den Blät: 
tern der Himbeerjträuder vorlommt, P. interme- 
dium Ung., befist ebenfalld lebhaft rote Uredoſpo— 
ren und ſchwarze Teleutojporen, fie bewirkt wie 
die erjtere ein elbwerden und Abfterben der Blät- 
ter; dasjelbe gilt von der auf Brombeeren vor: 
lommenden Art P. incrassatum Link, nur zeigen 
fih bei der legtern auf der Oberfeite der Blätter 
rote Fleden an denjenigen Stellen, wo auf ber 
Unterjeite fi die Teleutofporenlager entwideln. 

Phragmites (lat.), das Schilfrohr. 

Phraorte8 (med. Pirruvartis, altperf. Fra: 
vartis), König von Medien (657—635), folgte jei: 
nem Vater Deioces (f. d.) und unterjochte auch 
zuerft die Perfer. In einem gegen Ninive unter: 
nommenen Feldzug fam er mit einem großen Teil 
ſeines Heeres um. Für dieſe von Herodot über: 
lieferten und hiſtoriſch wohl fihern Falten haben 
ſich bis jebt feine gen Beftätigungen ge: 
funden. Kteſias nennt ihn Artynes, was wohl 
nur die altperf. Überfegung der med. Form ift. 

Ein anderer za gab fi, der Inschrift 
von Bifutun zufolge, für den legten Sproß der med. 
Königsfamilie Sattarita aus und raubte dem Da: 

Gonverfations = Lexiton. 13. Aufl, XII. 


rius zeitweilig die Herrfchaft über Medien (521— 
518), bi3 er von lehterm befiegt und netötet wurde. 

hraſe (grch.), Redewendung, Redensart, oft 
mit dem Nebenbegriff des Leeren, Nichtäfagenden, 
nicht ernft Gemeinten. , — 

Phraſeologie (erh) beißt teil3 die Lehre von 
ben Rebensarten oder Bhrafen einer Sprade, 
teild eine Sammlung folder Redensarten. Sowie 
nämlich jede Sprade in gewiflen Wortfügungen, 
Wendungen u. f. w. einen eigentüümlichen Charakter 
keigt, fo befitt fie auch gewiſſe Redensarten oder 

rten de3 Auzdruds, die ihr ausſchließend ans 
Be Schon in frübern 5* hat man daher 
beſonders von der griech. und lat. Sprache ſolche 
Sammlungen unter den Titeln «Phraseologia 
Graeca» oder «Phraseologia Latina» veranftaltet. 

Phratrien, im alten Athen Name der groben 
Unterabteilungen der Phylen, von denen jede drei 
P. hatte. Jede P. hing in fich durd) die angenoms 
meneAbkunft von Einen gemeinfchaftlihen Stamm: 
vater zufammen, hatte gemeinfame Opfer und 
Heiligtümer, umfaßte je 30 Geſchlechtsverbände, 
hatte einen Vorſtand und feierte jährlich das Felt 
der Apaturien, an dem die im abgelaufenen Jahre 
Geborenen in die Phratrie aufgenommen wurben, 
was für die Athener als das fihere Kennzeichen 
ebenbürtiger Abſtammung galt. 

Phrenalgie (arch.), neuralgifher Schmerz des 
Zwerchfells; Bhrenefie, ältere Bezeichnung für 
die Gehirnentzündung oder tobfüchtige Formen der 
Geijtesftörung; Phrenitis, die Entzündung, des 
Zwerdfells; st renopathie, Geiltestrantheit. 

Phrenologie (vom griedh. Yorv, Zwerdfell, 
dann Geift, Sinn) ift der neuere Name für die von 
Gall (f. d.) in die Wiſſenſchaft eingeführte Ver: 

leihung der geiftigen Kräfte der Tiere und Men: 
fan mit deren Schädelformen (daher Schädel: 
lehre, Kraniojlopie ober Kraniologie). 
Diefelbe bezwedt eine wiſſenſchaftliche und diagno— 
ftiiche Feititellung der Funktionen des Gehirns, ge 
gründet einerfeit3 auf genaues Studium der An: 
thropologie, Beobachtung der Menfchen und Tiere 
in ihren verfdiedenen Situationen, mit Berüdfich- 
tigung der Neigungen des Tiers, der pathol. Be: 
obadhtungen an Gehirn: und Geiſteskranken u. Kies 
andererfeit3 auf genaues und vielfadhes Studium 
ber Hirn: und Schädelformen, auf tüchtige anatom.: 
pbyfiel Unterfuhungen des Gehirns von Tieren 
und Menjchen, ſowie Gefunden und Kranten. Bon 
Spurzbein weiter ausgebildet, ftellte diefe Gehirn: 
lehre der Hauptſache nad) folgende Grundfäße auf. 
Das Organ des Geiftes, ohne weldes eine Auße— 
rung geiltiger Thätigteit nicht ftattfinden kann, ift 
das Gehirn. Diefes erzeugt jedod) die Außerungen 
geiftiger Thätigleit nicht als ein einziges, mit all 

1 


2 


feinen Teilen allemal vereint wirfendes Organ, fon: 
dern al3 eine zu einem Organe verbundene Wehr: 
beit von Organen, welde verichiedenen geiltigen 
Fähigkeiten als Eubjtrat dienen. Die geiltigen 
Häbigteiten treten hervor, nehmen zu oder werden 
geringer, je nachdem die fie vertretenden Hirnteile 
ſich entwideln, vergrößern oder verkleinern, Die 
B. behauptet hiernach, daß die Energie eines Seelen: 
vermögens (3. B. der Stindesliebe, de3 Eigentums: 
oder des Belämpfungstriebes) in gleihem Ber: 
hältniffe zu der räumlichen Entwidelung der betref: 
fenden Hirnpartien ſtehe, daß die letztern (die jog. 
Organe) durch ihre Größe auf die äußere Form der 
Schädelknochen wirken, und dab man insbeſondere 
an gewiſſen Grbabenheiten (Hervorragungen, 
Budeln) oder Vertiefungen der Schädeldede das 
Vorhandenfein oder Mangeln gewiſſer Seelenver: 
mögen (gewiſſer geiftiger Anlagen oder Grundfräfte 
des Geiltes) unterfcheiden könne. Solder Grund: 
kräfte nebſt dazugehörigen Hirn: oder Schädelpar— 
tien unterfcheidet die P. einige 30, wobei fie die 
Möglichkeit geitattet, daß noch mehrere exiſtieren. 

Ein unbefangener Blid auf diefe Lehren zeigt, wie 
in diejen ee einiges Wahre und Wahrjchein: 
lihe mit viel Willtürlihem und gewaltigen Sprün: 
gen ber Schluffolgerung vermijcht * t Grund: 
gedanfe, die Lolaliſation der einzelnen Hirnfähig— 
feiten zu fuchen, ift in feinem Falle zu verwerfen 
und —— vollkommen den Beſtrebungen, ja 
um Teil den Ergebniſſen der exalten Phyſiologie. 
is iepe it indefien außer dev Auffindung verſchie⸗ 
dener Bewegungscentren in gewijien Negionen der 
———— nur der Nachweis einer einzigen 
Lolaliſierung gelungen, nämlich die der artikulier— 
ten Sprache, welche nach den Unterſuchungen von 
Broca und andern in der untern Augenwindung des 
Stirnlappens auf der linken Seite, alſo in der lin: 
fen — ihren Siß hat. Alle übrigen 
Lolaliſationen der P. find reine Phantasmagorien. 
Am wenigiten ftebt der Sat felt, daß gewifie Schü: 
delerhöhungen beftimmten geiftigen Anlagen ent: 
fprechen, ion um deswillen nicht, weil die äußern 
Schädelcontouren ben innern Hirncontouren durd): 
aus nicht entiprechen. Die B. hat jebt troß man: 
cher begeifterter ger wozu in neuerer Zeit na: 
mentlich Scheve gehörte, nur wenig Anhänger 
mehr. Früher wurde fie in Deutichland lebhafter 
betrieben , — Noel, durch den Ana: 
tomen Seiler, durch Hirschfeld, Struve u. a. m. 

Bol. außer den Schriften von Gall, Epurzbein, 
Gonibe, —— Brouſſais, Carus, Dimont, Noel, 
Scheve u. ſ. w. beſonders Wittich, « Phyfiognomit 
und B.» (Verl. 1870). 

rixos, der Bruder der Helle (f. d.). 
onefis (grch.), Einſicht, Klugheit. 

BPhroutiſt (arch.), Denker, Philoſoph; Phron: 
tiſtexion, Lehrſaal, Studierzimmer. 

Phrygien, die Centrallandfhaft des weſtl. 
Kleinafien, Die Phrygier, welche ſich felbit 
Briger oder Berekynter nannten, die nächſten 
Stammverwandten der Armenier, famen von Often 
her über den Halys und liefen ſich zunächft im Ge: 
biet des Sangarios (jet Safaria), aljo in dem 
nörblichiten Teile des jpäter P. genannten Landes 
nieder und breiteten fi von da allmählich weiter 
nad Süden aus, ſodaß zur Zeit der Berjer nördlich 
Paphlagonien, öftlich der Fluß Halys, Nappadocien 
und Lylaonien, ſüdlich das Taurusgebirge die Grenze 
ihrer Wohnſihe bildeten und der ganze Landſtrich 


Phrixos — Phrynichos 


den Namen Großphrygien erhielt, Andernteils 
dehnten ſich die Bhryger frühzeitig auch gegen Weiten 
bis an ben Hellespont und an die Südküfte der 
Propontis aus; ihr von Großpbrygien durch die 
Landſchaft Myfien getrenntes Gebiet wurde Phry— 
gien am Hellespont, fpäter, auf das Gebiet 
von Troas beichränft, Kleinpbrygien genannt. 
Die Phrpgier hatten anfangs eigene Könige, bei 
denen die Namen Gordius und Midas (f. d.) fort: 
während wechſeln. Das Land litt im 7. Jahrh. 
v. Chr. durch wiederholte Einfälle der Kimmerier, 
wurde im 6. Jahrh. von Kröjus, dann von dem 
Perjerfönig Cyrus erobert, Nah der Zertrüm: 
merung des Perſiſchen Reichs durch Alerander, be: 
———— nach Alexanders Tode, waren die ver— 
chiedenen Teile der Landſchaft mehrfach der Gegen— 
ſtand des Kampfs zwiſchen verſchiedenen der ſog. 
Diadochen; in Nordphrygien ſetten ” um die 
Mitte des 3, Jahrh. v. Chr. die Öalater feft. Seit 
188 v. Chr. wurden nad) Verdrängung der Seleu: 
ciden infolge der Regelung des Beſitzſtandes in 
Kleinafien durch den röm. Senat jowohl Groß: als 
Kleinphrygien als Teile des Pergameniſchen Reichs 
anerlannt, Tamen nach dem Tode des Attalos III. 
(133 v. Chr.) mit jenem Reiche an die Römer und 
erſchienen jpäter als Teil der Provinzen Aſia und 
Galatia. Bon der alten nationalen Kultur der 
hrygier legen jebt nur noch die Grabmäler der 
tönige (darunter einige mit Inſchriften in einem 
ei ——— dem griechiſchen eig» verwandten 
Alphabet) Zeugnis ab; die Griechen haben in alten 
Beiten auf religiöfem wie auf ae Gebiet 
einiges von den Bhrygiern entlehnt, jo die orgia: 
tiſchen Kulte der Hybele und des Dionyfos und die 
lötenmufit, Auch eine von den alten griech. Mu: 

tern häufig gebrauchte Tonart, die blonde im 
dithyrambiſchen Stil regelmäßig Anwendung fand, 
trug den Namen der phrygiſchen. Bol. Haales 
Artikel «Phrygien» in Grid und Grubers «Allge⸗ 
meiner Encyllopädie» —— 3, Bd. 24). 

‚Die Phrygiſche Müse, auf Kunſtdenkmälern 
eine nad) vorn herabfallende Kopfbededung, galt 
in der Franzöfiigen Revolution als Symbol des 
Yalobinertums. j 
‚ Bhryne, eine der berühmteften griech. Hetären 
(im 4. Jahrh. v. Chr.), deren wahrer Name Mne— 
farete geweien fein fol, jtammte aus Thespiä in 
Böotien. Schon in ihrer erften Jugendbblüte kam 
fie nah Athen; bald wurden bier der Bildhauer 
Brariteles und der Redner Hyperides ihre Ver: 
ehrer, von denen jener ihre Schönheit durd feine 
Kunſt verherrlichte, diefer durch die fühne Enthül— 
lung ihrer Reize den Nichtern, vor denen der von 
ihr verihmähte Euthias fie des Atheismus an: 
geklagt hatte, ein freiſprechendes Urteil abzugewin: 
nen wuhte. Dieſes Greignid entſchied für ihren 
Ruhm, ſodaß fie einſt es wagen konnte, als Apbro: 
dite Anadyomene bei Gleufis vor den Augen des 
ganzen Volls entlleidet in das Meer zu fteigen. 

rynichos aus Athen, der Schüler und Nach: 
folger des Thespis, einer der erjten Begründer der 
tragiſchen Hunft bei den Griechen, gewann bereit 
511 v. Chr. zum erjten mal den Giegespreis im 
Zrauerfpiel. Noch einmal erſcheint er 476 v. Chr. 
als Sieger auf der Bühne. Gr jtarb im hoben 
Alter, vielleicht zu Syratus am Hofe Hierons 1. 
Den fceniichen Apparat vervolltommmnete er durch 
Einführung von Frauenmasten, und feine Chor: 
lieder, über die ſich ſelbſt Ariſtophanes lobend 


Phtaleinfarben — Phykomyceten 


ausipricht , wurden noch lange Zeit im Munde des 
Volts gehört, als feine Trauerjpiele durch das Auf: 
treten des Aſchylus und Sopholles in Vergeſſen⸗ 
beit gelommen waren. Unter den einzelnen Stüden, 
die jamtlich verloren gegangen find, erwähnen bie 
Alten bejonders «Die Phönijien» und die «Ein: 
nahme von Milet», bei deren Aufführung kein Zu: 
ſchauer ſich der Thränen enthalten fonnte, obgleid) 
der Dichter jelbjt deshalb hart beitraft wurde, weil 
er einheimiſches Unglüd dargeftellt batte. j 
Phrynichos hieß auch ein Quftipieldichter, Zeit: 
genoſſe und Nebenbuhler des Ariſtophanes. 
Ein anderer Phrynichos zeichnete ſich nad) der 
Niederlage der Athener in Sicilien (412) als Flot— 
—— dur Einſicht und Energie aus. Er war 
ein mer de3 Alcibiades, führte dann, feines 
Amts entjegt, die Schredensherrichaft der Vierhun: 
dert mit herbei und fiel endlih durch den Dolch 
eines Demofraten, " , , 
Der ſpätere griech. Grammatifer und Sophiſt 
Phrynichos, genannt Arabios, lebte in Bithy— 
nien und verfabte um 180 n. Chr. ein großes rhetor. 
Werl in 37 Büchern, woraus Beller in den «Anec- 
dota Graeca» (Bd. 1, Berl. 1814) einiges mitgeteilt 
bat, und die «Eclogae nominum et verborum At- 
ticorum», die Lobed (Lpz. 1820) und Rutherford 
(Zond. 1881) herausgegeben haben. 
Bhtaleinfarben, eine Klaſſe von Teerfarben, 
bie —5— lich von Baeyer in Munchen und Caro 
in Ludwigshafen am Rhein entdedt und in bie 
Technik eingeführt wurden. E3 bilden fich beim 
Behandeln von Phtaljäureanhydrid mit Phenolen 
(5. d.) eigentümliche organische Verbindungen, bie 
man Pbtaleine nennt; mehrere Derivate der: 
felben find gefärbt, fo der —— des Reſorcins, 
das Fluorescein, deſſen gebromtes Derivat den 
ſchönen roten Farbſtoff, das Eoſin, bildet, das 
zum Rotfärben, zur Bereitung von roter Tinte und 
als Karminlad vielfach Anwendung findet. 
Phtalfäure C,H,O, oder C,H,(COOH),, eine 
fünftlih erbaltene organische Säure, welche durch 
Drydation des Naphthalins (f. d.) mit Salpeter: 
fäure dargeitellt wird. Sie erjcheint in reiner Ges 
jtalt in farblojen Blättchen oder Prismen, die ſich 
Schwer in kaltem Wafler, leichter in heißem Waſſer, 
Altobol und Äther löfen; fie ſchmilzt bei 210° und 
fpaltet ſich bei weiterm Erhißen in Bhtalfäure: 
anbydrid C,H,O, und in Wafler. Die ®. hat 
wegen ihrer Berwendung zur Daritellung der Phta: 
leinfarben (f. d.) tehniihe Wichtigkeit erlangt. 
Bhiha (ägypt. Ptah), ein ägypt. Gott, der von 
den Griechen mit ihrem Hephältos verglichen wurde. 
Cr war urjprünglid der Lolalgott von Memphis, 
der Reſidenz der ältejten ägypt. Könige. Daber 
wurde jein Kultus früh über ganz Agypten ver: 
breitet und fein Name in der unterägypt. Mytho— 
logie an die Spike der fieben großen Götter der 
eriten Götterbynaftie geitellt. Sein von Menes, 
dem eriten hiſtor. Könige Ägyptens, zu Memphis 
zugleich mit der Stadt gegründeter Tempel war der 
—— und prächtigſte de ganzen Landes, den des 
mmon von Theben vielleicht nicht ausgenommen. 
Als Gattin des P. galt die löwentöpfige Sechet, 
welde mit der Artemis verglichen wurde, als 
fein Sohn der Gott Imhotep, griech. Imuthis. 
P. pflegt meiſt mit einer —— Kappe und 
als Mumie eingewidelt dargeſtellt zu werden; doch 
eriheint er aud in anderer Form. (S. ÄAgyp⸗ 
tifde Mythologie.) 


8 


Phthartolatren (grch.), foviel wie Severianer, 
f. unter Monopbyjiten. 
Ber der 189. Aiteroid, |. u. Planeten. 
hthiotis, die ſüdlichſte der vier Landfchaften 
de3 alten Theſſalien, das Gebiet um das Othrys— 
gebirge, welches zugleich zwischen dem Pagaſäiſchen 
und Malischen Aeerbuten vortritt, ier war 
Adill heimisch und die Myrmidonen, und die ſpä— 
tern Gejamtnamen Hellenen und Achäer find ur: 
ſprüngliche Sondernamen in P. Sekt bildet P. 
mit Pholis (f. d.) die griech. Nomardie Phthio— 
ti3 und Photis, 6084 qkm groß, mit (1879) 
128440 E. und der Hauptſtadt Lamia. 
en (grch.), die Läuſeſucht. 
thifiologie (grch.), die Lehre von ber 
Schwindſucht. 
hthiſis (grch.) Schwindſucht, Auszeh— 
rung, tt derjenige krankhafte Zuſtand, bei welchem 
unter Fieber und Ausſcheidung eiteriger Subftan- 
zen raſche Abmagerung ftatthat, bedeutet alfo jo: 
viel wie Hektik und wird fehr pauns gleihbebeutend 
mit Zuberfulofe oder Lungenſchwindſucht (f. d.) ge: 
braucht, bei welcher diefer Zujtand jehr ftark auf: 
tritt. Die fchnelle Abmagerung ohne Ausfcheidung 
eiteriger Mafien nennt man aud) —— 
Tabes. Manche nennen auch die eiterige Zerſtö— 
rung der Organe (Auge, Niere, Gehirn) im Ge: 
enjab zum einfahen Schwunde (Atrophie) derſel⸗ 
en. P. laryngea, P. trachealis, die Kehlkopf- oder 
ee ag CE f. unter Kehlkopf. 
hul (aliyr. Pul) berrichte nach der Bibel 
2 Kön. 15) über Ajiyrien während der Regierung 
Menahems (770— 759). Er fiel in Israel ein, 
tehrte jedoch nad Empfang eines Tribut3 zurüd, 
Man bat ihn mit Unrecht mit dem von ihm auch 
im bibliihen Tert unterſchiedenen Ziglatpilefer 
identifiziert. Berofus nennt ihn einen Chaldäer, 
und es iſt wahrſcheinlich, daß er ein lonier 
war. In den Heilichriften ijt er bis jetzt nid anf: 
gefunden, wohl aber der Rame eines jpätern Königs 
$., der zwei Jahre in Babylon berrichte und im 
Ptolemãäiſchen Kanon ala Porus figuriert. 
urnutus, j. Cornutus, 
ycochromophyceen, j. unter Algen. 
ug (grch.), ein Botaniler, deſſen Spezial: 
ftubium die Zange (Bbptos, grch. 00200) find, 
BPhykomyceten (Phycomycötes) nennt man 
eine Gruppe von niedern Pilzen, deren Mycelien 
einzellig find und, wenigitens im vegetativen Teile, 
feine Quericheidewände in den Hyphen befiben, ob: 
wohl fie bei den meilten Arten vielfach verzweigt 
find. Es gehören hierher die Familien der Muco: 
rineen, Saprolegniaceen, Chytridiaceen und Pero— 
nofporeen; die zu den beiden lektern gehörigen 
Arten leben parafitiih in lebenden Bilanzen, die 
Mucorineen und Saprolegniaceen dagegen vegetie: 
ren in der Regel ſaprophytiſch, die pi ha auf fau⸗ 
lenden Subjtanzen an der Luft, die lestern auf 
abgeftorbenen Pflanzen und Tieren im Waſſer. 
In der Art und Weile ihrer Fruktifilation ftimmen 
die genannten Familien nicht ganz überein; bie 
Mucorineen bilden durch Kopulation (f. d.) ſog. 
ygofporen und außerdem auf befondern Frucht: 
yphen endjtändige gelige Sporangien, in denen 
Sporen erzeugt werden, die feine —— 
aben. Die Peronoſporeen beſihen eine geichledht: 
iche Fortpflanzung mittels ſog. Ooſporen und eine 
ungeſchlechtliche durch Conidienbildung. (5. >. 
ronofporeen.) Die Saprolegniaceen haben eben: 
1 * 


+ Phykoxanthin — Phyllocactus 


fall3 Dogonien und Antheridien, und bilden in den 
eritern Dofporen, außerdem finden fich bei ihnen 
eichloffene Sporangien in denen zahlreiche 
hwärmfporen entwidelt werden. Von diejen 
drei Familien weichen die Chytridiaceen dadurd ab, 
dab ihr ganzes Mycelium meift nur auf eine fuge: 
lige Zelle reduziert und diefe Belle zugleich Spo— 
rangium ift. In ihrem Innern bilden ſich zahlreiche 
Schwärmſporen, die dann wieder in eine Wirts- 
pflanze eindringen und ein neues Sporangium er 
engen oder auch zu Dauerjporen werden. Ob eine 
geſchlechtliche Fortpflanzung vorhanden, iſt nicht 
befannt; man hat zwar Kopulation von Schwärnt: 
ſporen beobachtet, aber ob dies als Geſchlechtsalt 
aufzufaffen ift, muß dahingeſtellt bleiben. 
Bhykoranthin, ein goldgelber Pflanzenfarb— 
toff, welder fi in Bezug auf feine Löslichkeit 
m Chlorophyll gleich verhält, (©. unter Algen, 
Bd. I, ©. 401*,) 
+ era ale f. Gebetsriemen. 
Phylarchos aus Naukratis, Später in Athen, 
ſchrieb um 210 v. Chr. ein großes Geſchichtswerk, 
sHiftorien», in 28 Büchern. Bieles in der Biogra- 
phie des Plutarch und in den «Historiae» des Juſtin 
(f. d) gebt auf B. zurüd, Die Fragmente jtehen in 
Müllers «Fragmenta historicorum Graecorunp», 
Bet grch.), Wächter. . 
yle (orh.), d. i. Stamm, bieß bei den Gries 
hen eine urfprünglid durch Gemeinfamteit der 
Abftammung zufammengehaltene Abteilung der 
Bevölkerung eines Landes (lat. Tribus), Solcher 
8: finden ſich feit den ältejten Zeiten in ben dor. 
taaten, wie Sparta, drei: Hylleer, Dymanen und 
— — In Attila dagegen waren es vier: 
eleonten, Hopleten, Argadeer und UÜgikoreer. 
Dieſe attiſchen —— anſcheinend noch lange 
die Erinnerung lebendig an die uralte Teilung von 
Attika (vor Theſeus) in vier ſelbſtändige Landſchaf— 
ten, und die Namen ſcheinen, anfangs nur den Adel 
betreffend, von der Landesnatur hergenommen zu 
Die Dann waren bie Geleonten die Geſchlechter 
e3 Kephiſos- und Iliſosgebiets; Hopleten die des 
öſtl. marathonifchen Attila; Argadeer die der eleu: 
finiihen Kornlandfchaft; Agikoreer die der herden: 
reihen innern und ſüdl. Berglandfchaften. In der 
ältern Zeit dienten diefe ioniſchen P. für Attila als 
Grundlage des Organismus der Negierung und 
Verwaltung nad allen Seiten. Ihre polit. Be: 
deutung aber hörte auf, feit 508 v. Chr. Kleiſthenes 
für dieſe Gefchäfte zehn neue nad) altattifchen He: 
toen (den jog. Eponymen) benannte einführte: 
Erechtheis, Ugeis, Pandionis, Leontis, Alamantis, 
Dineis, Kelropis, Hippothoontis, Uantis, Antiochis. 
Jeder dieſer P. wurde eine beſtimmte Anzahl Ge— 
meinden (Demen) aus den verſchiedenſten Teilen 
des ganzen Landes zugewieſen. Im J. 307 v. Chr. 
wurden zu den zehn Kleiſtheniſchen zwei neue 
bingugefügt und zu Ehren des Demetrios Polior: 
etes und feines Vaters Antigonos Antigonis und 
Demetrias genannt, fpäter zu Ehren der Könige 
Ptolemäos1I. Philadelphos von Agypten und Atta: 
los 1. von Pergamon in PBtolemais und Attalis 
umgetauft, Unter Kaifer Hadrian kam endlich nod) 
eine dreizehnte P., Hadrianis, hinzu. Jede P. 
ftellte 50 Dlitglieder in den Rat (Bule), der daher 
zur Zeit der zehn P. aus 500, zur Zeit der zwölf B. 
aus 600 Mitgliedern beftand; bei der Cinführun 
der dreizehnten B. wurde er wieder auf 500 (wohl 
genauer 520, 40 aus jeder P.) befchräntt, 


Phyllanthus L. (Emblica Gärtn.), Blatt: 
blume, eine zu den Euphorbiaceen gerechnete oder 
mit Euphorbia die Familie der Phyllanthaceen 
bildende monöciihe Gattung. Die männlichen 
Blüten haben ſechsteilige Kelche, *8 Corolle, die 
Staubfäden ſind verwächſen und ſtellen eine drei 
Staubbeutel tragende Saͤule dar. Die weiblichen 
Blüten haben ebenfalls ſechsteilige Kelche; das 
Nektarium bildet einen zwölfedigen Rand, drei 

—— Griffel. Die Frucht iſt eine —— e 

apſel mit zwei Samen in jedem Knopfe. * 
Gattung iſt dadurch intereſſant, daß ihre meiſten 
Arten keine wahren Blätter, ſondern nur blatt: 
artig verbreiterte Blütenäſte befiken, fodaß bie 
Blüten dem Vlattrande zu entipringen fcheinen. 
Die ſchönſte in die Gewächshäuſer eingeführte Art 
ift P. speciosus Jacg. aus Weftindien; ihre Schein: 
blätter find mit zierlihen, geitielten, roten Blüten 
franfenartig befegt. Alle Arten verlangen einen 
Pak im Lobbeete eines Warmbaufes. 

erium, f. unter Filztrankheit der 
Blätter. 

Phylis, Tochter des Königs Sithon in Thra: 
ien, verliebte fih in Demophon, als diefer auf der 
Rudlehr von Troja nad) Thrazien kam. Als Demo: 
phon verhindert wurde, an dem verabrebeten Tage 
zur Bermählung mit ihr zurüdzufommen, wurbe ſie 
in einen Mandelbaum verwandelt, der, als der end: 
lid) gelommene Geliebte fie umarmte Blätter trieb. 

— ein ausgezeichnet ſchieferiges Geſtein 
von meiſt dunkler Farbe, mit ſeideartigem Glanz 
auf den Spaltungsflächen. Cr bildet die oberſten 
Komplere der axchäiſchen Formationen, jo im Erz 
gebirge und Fichtelgebirge. j 

bot iefer, joviel wie Bhyllite 

Phyilloblaften igrch., Vlattteimer), foviel wie 
Dilotyledonen. Ne 

Phyllocaotus Lk., Slügellaltus, eine in 
warmen feuchten Gegenden des tropifchen Amerika 
einheimifhe Gattung des —— echts, halb⸗ 
paraſitiſche Arten umfaſſend, bei denen Stamm 
und Üſte ftark zufammengedrüdt, blattartig ver: 
breitert und am Rande weitläufig gelerbt find. 
Im Alter werben fie an der Bafıs holzig und ftiel: 
rund, Die Blüten entipringen aus den Kerben 
Ienee Sceinblätter, öffnen jich zur Nachtzeit und 
— ſich bei Sonnenaufgang für immer oder 
bleiben mehrere Tage lang geöffnet. Dieſe Gat— 
tung iſt die blumiſtiſch entwideltite des Kaltusge⸗ 
ſchlechts, und ihre Arten, Stubenpflanzen eriten 
Ranges, haben noch befondere Bedeutung dadurch 
erlangt, daß aus ihnen unter Mitwirkung einer 
Gereus:Art(Cereusspeciosissimus)einelange Reihe 
—* blühender —— hervorgegangen iſt. Die 

tannteſten Arten ſind: P. grandis Lem., auf den 
Antillen zu Haufe, 4—6 m — mit jehr — 
ſchalenförmigen, weißen oder roſaweißen Blumen, 
welche nur eine Nacht dauern. Ihm nad Habitus 
und Blütenfarbe verwandt Y P. Hookeri Salın., 
doch find die Blumen mehr fternförmig. Die 
weißen ſtark duftenden Blumen des P. crenatus 
Salm. haben einen Durchmeſſer von 15—20 cm, 
Befonderd gern wird P. Ackermanni Salm. aus 
Merito wegen feiner großen, prächtigen, ar 
roten Blumen in den Stuben gehalten. Diefe 

— lieben eine leichte, etwas ſandige 

auberde über Topfſcherben, im Sommer reich— 
liches Waſſer und bei warmer Witterung einen 
Siandort im Freien bei leichter Beſchattung, im 


Phyllodien — Phyfit 5 


Winter aber in der Wohnftube ein fonnig gelegenes 
Seniter und eine fehr mäßige Bewäſſerung. an 
vermehrt fie leicht durch Stedlinge. , 
ahnen (er) blattipreitenartig ausgebil: 
dete Blattjtiele, ſ. unter Blatt (Botanit), 

Phyllodium nennt man in der Botanil einen 

blattartig ausgebildeten Blattjtiel, an welchem die 

eigentlihe Blattipreite entweder ganz Sen oder 
nur rubimentär entwidelt ijt. — hyllodien 
haben unter andern viele Arten der Gattung Aca- 
cia. (Bol. Blatt, Bv. III, S. 133*.) 

Phyll om (grch.), in der Botanik foviel wie Blatt. 

Phyllosöma, Larve der Languite (f. d.). 

Phyliostomata, |. — 

Phyllotagis, Lehre von der Blattſtellung (ſ. d.). 

lloxera vasta (v. griech. 5 PuAdo», 
bas Blatt, und Enpo;, bürr, troden), |. Reblaus. 

Phylogenie oder Bhylogonie (vom griech). 
rd gülov, das Geſchlecht, der Stamm, und rd yEvos, 
bie Ablunft), auch Zoogonie genannt, eine neuere, 
im Gefolge der Darwinſchen sche entftandene Wil: 
fenfchaft, welche —* weſentlichſte Grundlage in der 
Paläontologie befigt. Dieſelbe ſucht die Entwide: 
lung fämtliher Tiere und Pflanzen aus einer An: 
zabl von Grundformen (Phylen) zu verfolgen. Die 
phylogenetifche Entwidelung fhlägt durch die Reihe 
der Tiergattungen hindurch vielfach diefelben Wege 
ein, mei bie ontogeniſche Entwidelung an einem 
und bemielben Tiere zeigt. Beiſpiele herf find 
die verfchiedenen Formen der Amphibienllaſſe, ſowie 
bie rer der Metamorphofe des Fro: 

es. . Entwidelungsgefdidte.) 

Pby gonie, — 

Phys L., Pflangengattung aus ber Ya: 
milie der Solanaceen. Man kennt gegen 30 Arten, 
von denen die meiften in den wärmern Gegenden 
Nordamerikas wachen. In Deutſchland kommt nur 
eine Art vor, die ſog. Jubentirfche oder Schlutte, 
P. Alkekengi L., es ijt eine frautartige Pflanze 
mit eiförmigen zu sipsten Blättern und ſchmußig⸗ 
weißen Blüten. Die Frucht ift eine etwa firichen: 
grobe länzenbrote Beere, die von dem nad) den 

bblüben i ſtark vergrößernden Kelch tutenför: 
mig umſchloſſen wird. Der Kelch iſt ebenfalls zur 
Zeit der Fruchtreife lebhaft rot nefärbt. Die Beere 
bat einen füß-fäuerlihen Geſchmack und lann fo: 
wohl roh wie eingemacht gegefien werden, das 
Kraut dagegen iſt giftig. Wegen bes ſchönen Aus: 
febend bes blafig erweiterten Kelchs wird bie 
Pflanze aud) oft in Güxten geyopen. Die Beeren 


waren früher als Baccae Alkekengi offizinell. 
uiema ( 1), Aufblähung, indfucht. 
feter, der Kaſchelot. 


; yeharmonifa, ſ. Harmonium. 

fiater (grch.), Naturarzt; Phyſiatrie, 
Raturbeilung, Heilkraft ber Natur, 

Bhyfik (vom griech. PYo:s, Natur) rn in 
weiterer —— denjenigen Teil der Naturwif: 
ſenſchaft, welcher ih mit der Auffindung der Ge: 
ſetze beichäftigt, nach welchen die verſchiedenen Hör: 
per fi bilden und verändern, ſowohl in ihren 
äußern Formen als innern Zufammenfehungen, 
ſowie in ihren Beziehungen gegen andere, ec 
oder entferntere Slörper. In diefem Sinne umfaßt 
die P. die Bhyfiologie (f. d.), bie Chemie (f. d.) und 
die V. im engern Sinne. Diefe lehtere, die hier 
allein in Betracht fommt, behandelt alle diejenigen 
Beränberungen in den Formen undden Beziehungen 


fel der ftofflihen Bufammenfehung eintreten, und 
fucht die nich für biefelben aufzujtellen. Zur Cr: 
reihung dieſes Ziels fchlägt die P. einen zweifachen 
Meg ein, ber bloßen Beobadtung und ben bes 
Verſuchs oder des Erperiments. Während bei der 
bloßen Beobachtung der Phyfiter ben einzelnen Er- 
ſcheinungen, wie fie ihm gerade die Natur in einer 
ewiſſen Reihenfolge vorführt, mit Aufmerkjamteit 
olgt und ihren Zufammenbang zu ertennen fucht, 
ger er beim Berjuch felbftändig in den natürlichen 
Verlauf ber Vorgänge ein und läßt, um die Wir— 
kungsweiſe der einzelnen Kräfte deutlicher darzu— 
legen, die Körper unter Berhältniffen aufeinander 
wirten, unter welchen fie bie Natur im — 
lichen Laufe der Dinge zu jener Zeit nicht, ja ſelbſt 
wohl niemals zuſammen abet ben würde. Mit 
Hilfe der Mathematik laſſen ji dann aus den an 
fünftlihen Vorrichtungen wahrgenommenen Gr: 
fheinungen die Geſetze ber Wirkungsweife der zu 
Grunde liegenden Kräfte herleiten. 

Wenn aud die Beftrebungen zu einem Anfange 
der P. bis auf die alten ion, Philofophen (Thales, 
Anarimenes u. f. w. — o iſt doch der 
Gewinn, den das Altertum diefer Wiſſenſchaft ges 
bradt hat, ein Ich geringer gewefen. Die alten 
Di ofophen glaubten im allgemeinen, entgegens 
% ebt der Methode der heutigen Naturforfhung, 

neller ans Ziel zu gelangen, wenn fie, von einem 
allgemeinen Prinzip ausgehend, das Wefen der 
Dinge zu erfennen perfugten, Das Erperiment, 
als Prien des richtigen Vorſchreitens, blieb ihnen 
um jo Dr fremd, als ihre Ydeen zum geoden eil 
ſehr unbeftimmt waren und eben deshalb eine An: 
wendung auf die Wirklichkeit nicht rec So⸗ 
bald Hare Ideen mit dem Erperiment ſich verbanden, 
wie bei den pl went des Archimedes über 
den Hebel und das Verhalten der in Wafler ein: 
getauchten Körper, mußte man fofort ae uffin⸗ 
dung der wahren Geſehe gelangen. 7 jenen 
Arbeiten des Archimedes find aus dem Altertum 
nur nod) die Optil des Euklid, die auf Flüffigleiten 
16 . Schrift des Hero von Alerandria, 

omie die namentlich von feiten ber puthagorüfchen 
Schule ausgeführten Unterfuchungen über die Ton: 
verhältnifje erwähnenswert. Aber auch dad Mit: 
telalter hat die Entwidelung der P. nicht gefördert. 
Zu dem Mangel an mathem. Kenntniſſen trat da: 
mals in ber ri. Welt noch die alle Kreife um: 
fafjende Herrichaft ber Kirche und der in ihrem 
Dienfte ftehenden fcholaftifchen Pbilojophie, wãh⸗ 
rend andererſeits die Araber, ſo ſorgfältig ſie auch 
die Lehren des Altertums bewahrt haben, doch nicht 
——— geiſtige vo und Kraft zu einer 
elbftändigen Entwidelung der Wiſſenſchaft beſaßen. 
Der von ben Arabern berrührende Gewinn bes 
ſchränkt ſich gl einige wenige Säbe der Optik, bie 
mit der von ihnen vorzugsweije gepflegten Altro- 
nomie im Zufammenbang jtanden. 

Erft mit dem allgemeinen Wiedererwachen ber 
Wiſſenſchaften beginnt auch für die P. eine neue 
Periode der Entwidelung. Als F ſiegreicher 
Kampf gegen die Autorität ber frühern Lehre er- 
fcheint die Aufitellung des neuen Sonnenſyſtems 
durch Kopernitus (1554). Vor allem aber war es 
Galilei (1602), der zuerft in ftrenger Weiſe ben 
Meg des Verſuchs einfchlug und defien Bedeutung 
[I eine erfolgreiche Erferlung der Natur durch 
eine eigenen glänzenden Entdedungen in der Lehre 


ber unorganifchen Körper, welche ohne einen Wed: | von ber Bewegung der Körper und vom Licht nad): 


6 Phyſil 


wies. Faſt gleichzeitig unternahm Gilbert in Eng⸗ 
land eine experimentelle Unterſuchung ber magne: 
tiſchen Kraft, bei welcher er auch die Anfänge der 
Elektricitätslehre ſchuf, und etwas ſpäter entdedte 
Kepler (1618) die Gejege der Bewegung der Pla: 
neten in ihrem Laufe um die Sonne. War bis 
dahin die Forfhungvorzug&weife auf die Aufitellung 
ber Geſetze, denen die Erfcheinungen in der Natur 
folgen, gerichtet, jo begann man bald audy nad) den 
Gründen zu fragen, welde jene Erſcheinungen be: 
dingen. Indes traten Mangel an Ausbildung der 
Mathematik, namentlich der Mechanik, befonders 
aber aud der damals noch fehr befchränfte Kreis 
enau beobachteter Erſcheinungen als wejentlidye 
Hinderniſſe einer erfolgreichen Entwidelung der P. 
nach dieſer Seite hin entgegen, wie dies der von 
Descartes (ſ. d.) in feinen «Principia philosophiae» 
gemachte Verſuch einer Erklärung der Naturerſchei⸗ 
WARBEN beweiſt. Unterbes ſchritt aber die Kennt: 
nis der Thatjachen ohne Unterbredung vorwärts. 
Snell (1615) und Descartes (1637) gaben das wahre 
Geſetz für die Brehung des Lichts. Otto von 
Gueride (1650) berichtigte und erweiterte durch die 
Erfindung der Quftpumpe die Kenntnis der Eigen: 
rim der Luft und zeigte die wichtigften Eigen: 
ten ber eleltriſchen Kraft, die jedod von feinen 
Zeitgenoflen nicht verftanden wurden. Huyghens 
are führte die von Galilei begonnenen Unter: 
uhungen über das Pendel weiter und benußte Die: 
Es zur Regulierung der Uhren, lehrte auch die Ge: 
ehe der Gentrifugalkraft und des Stoßes kennen. 
Für die Optit ſchuf Huyghens (1690) die Grundlage 
der jet geltenden Wellentheorie. (S. Licht.) 

Eine neue Epoche begann für die P. mit der Auf: 
ftellung des Gravitationsgefeße3 durch Newton 
(1682). Aus dem Sas, dab alle materiellen Kör: 
per fi proportional ihren Maſſen, aber umgefehrt 
proportional den Duadraten ihre Abftandes an: 

iehen, leitete Newton die von Kepler (1618) den 
Beobachtungen entlehnten Geſetze der Planeten: 
bewegung her und zeigte in jener Anziehung den 
Grund der jog. Störungen in dem Laufe der Pla: 
neten und ihrer Satelliten, Ferner benußte er 
diefe zur Erllärung ber Geitalt der Erde und ber 
Ungleichheit der Schwerkraft an ben verſchiedenen 
Buntten ihrer Oberfläche, ſowie zur Erflärung der 
—— der Nachtgleichen, der Regreſſion des 

aturnrings und der Entſtehung von Ebbe und 
Flut auf unſerer Erde. Die Optik förderte Newton 
1666) durch genaue Beobachtungen über bie ver: 
chiedene Brechbarkeit der Strahlen und die Farben 
dinner Blätthen, mußte aber, weil er bie von 
Huyghens gegebenen Grundlagen der Bibrationg: 
theorie nicht annahm (obwohl gerade ein Teil feiner 
eigenen Unterjuhungen darauf hinwies), fondern 
ber jog. Emanationstheorie den Vorzug gab, die 
weſentliche Erweiterung ber Lichttheorie fpätern 
Phyſikern überlafjen. Gegen die Mitte des 18, 

ahrh. begann die Glektricitätstheorie rafch vor: 
zufchreiten. Nachdem Grey 1729 den Unterſchied 
zwiſchen ben verichiedenen Subſtanzen als Leiter 
und Nichtleiter (Yiolatoren) entdedt hatte, wies 
1733 Dufay das vage rer ing zweier verichiebener 
Modifikationen ber elektriihen Kraft, der jog. poſi⸗ 
tiven und negativen Gleltricität, nad), deren Auf: 
treten en durd) eine größere oder geringere 
Anhäufung des elektriſchen Aluidums glaubte er: 
Hären zu können. Nach diefer Auffaffung bildete 
Franklin fi feine Theorie über elektriiche Ladung 


und Entlabung, die ihn zu der Erflärung des Blikes 
als eines eleltriſchen Funtens führte (1752). ie 
jpeziellen Geſete über die Anziehungen und Ab» 
ftoßungen elettrifher und magnetiſcher Mafien gab 
egen Ende des 18. Jahrh. Coulomb. In der 
ärmelehre wurde die Ausdehnung der Körper, 
bejonders der Gaſe und Flüffigkeiten, feit dem Ende 
des 17. Jahrh. zur Meſſung der Temperatur benußt; 
do dauerte es noch jehr lange, ehe das Thermo: 
meter ein wahres Mebinftrument wurde. 

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. erlannte 
Blad, daß 28 Erhisen gleichgroßer Maſſen em. 
differenter Subftanzen verfdiedene Wärmemengen 
(Ipesin) e Wärme) erforberlih find, fowie a 
beim fbergange des feiten Zuftandes in ben flüj: 
figen und_ebenjo des flüffigen in den gasförmigen 
eine gewifje Wärmemenge gebunden (Blads latente 
Wärme) und bei dem Rüdwärtögehen aus dem ga3: 
förmigen in den flüffigen und feften Zuftand diejelbe 
MWärmemenge wieder frei wird. Auch die Anfichten 
über bie Dampfbildung Härten ſich immer mebr, 
ſodaß Dalton zu Anfang des 19. Jahrh. eine rich: 
tige Darftellung ihres Verhaltens zu geben ver: 
mochte. Ein ganz neues Feld erö fi) der 
Gleltricität durch die Entdedung (1791) Galvanis 
der —— von Zudungen in friſch getöteten 

djchen uch Belegungen aus zwei verjdiebenen 

tetallen), die Volta mitteld des von ihm fon: 
ftruierten Kondenjatord zur Entdedung der Kontaft: 
elettricität, fowie zur Konftrultion der nad) ihm ge: 
nannten Säule rg Niholjon und Carlisle 
zeigten fehr bald die zeriegende Eigenihaft des 
Stroms dieſer Säule, der für Humphry Davy 1807 
das Mittel zur Darftellung der Metalle der Altalien 
und Erden wurde, Die magnetifchen Eigenſchaften 
eined von einem elektriſchen Strome durchfloſſenen 
Drahtes fand 1820 Oriteb (Eleftromagnetismus). 
Unmittelbar darauf beobachtete Ampere bie Eins 
wirfung zweier jolcher elektriſcher Leitungsdrähte 
aufeinander —— und lehrte Arago 
durch den elektriſchen Strom weiches Eiſen magne: 
tiſch zu machen. Dann folgte 1822 die Entdedung 
des jog. Thermomagnetismus (der E ng elet: 
triſcher Ströme durch Erwärmung der Berbindungs: 
ftelle zweier heterogener Metalle) durch Seebeck. 
Hieran ſchloß ſich 1832 die Entdedung ber jog. elet: 
triſchen Induktion (ſ. d.) durch Faraday. Im J. 
1845 zeigte ebenderſelbe, daß alle Körper, auch die 
fog. nihtmagnetiihen, eine Einwirkung des Mag: 
netismus, und zwar abftoßende (Diamagnetismus) 
erfahren, Die Kenntnis des Magnetismus unferer 
Erde war im Laufe des 19. Jahrh. befonders durch 
Humboldt, Hanjteen, Gauß und W. Weber gefördert 
worden, Während auf Newtons Autorität geſtützt 
im 18. Sn ie jog. Emanationätheorie bes Lichts 
die Herrihaft behauptete, mußte fie im Anfang des 
19. Jahrh. diejelbe nad und nad) an die bereits 
von Huyghens in ihren re aufgeftellte 
Undulationstheorie abtreten, indem Tb. Young und 
Freönel die Unvereinbarleit der Emanationstheorie 
mit den Erſcheinungen der fog. Interferenz (Farben 
dünner Blätthen, Beugung u. ſ. m.) und der von 
Malus entdedten Bolarifation nebft den zahlreichen 
dadurch erzeugten, von Arago, Biot und Bremiter 
beobadıteten Bhänomenen nachwieſen, während die 
Undulationstheorie dieje Erjcheinungen ebenjo wie 
die ſchon länger befannten optiihen Vorgänge mit 
Leichtigkeit erllarte. Der von Seebed entdedte 
Thermomagnetismus gewährte Melloni ein Mittel 


Phyfitbad — Phyfiognomie 7 


ur genauern Unterfuchung der Erſcheinungen ber 
itrablenden Wärme, die fih in allen Beziehungen 
den rn nn analog zeigte; was die Auffaffung 
fämtliher Wärmevorgänge ald Schwingungserjcei: 
nungen der Moleküle wahrſcheinlich machte. Die 
Boritellung von einem innern Zuſammenhang der 
verichiedenen Kräfte führte in der neuern Zeit 
FR. von Mayer (1842—51) und Joule (1843— 
49) zu dem Nachweiſe, dab eine gewiſſe Arbeits: 
leiltung einer gewifjen Wärmemenge äquivalent iſt, 
ſodaß —* jede verſchwundene Wärmemenge eine ge— 
wiſſe Arbeit geleiſtet und, umgelehrt, durch jede 
aufgewandte Arbeit eine entſprechende Wärmemenge 
erzeugt werden lann (mechan. Wärmetheorie). Hier: 
3 gründet ſich der — — von der Er: 
haltung der Kraft di . 

Litteratur. Whewell, «Geſchichte der indulti— 
ven Wiſſenſchaften » (deutſch von Littrow, 3 Bde., 
Stuttg. 1840— 41); Poggendorff, «Geſchichte der 
B.» (2p3. 1879); Heller, «Geſchichte der BP.» 
(Stuttg. 1882 fg.); Rofenberger, « Die Gejchichte 
der B.» (Braunihw. 1882 fg.) Bon den neuern 
Lehrbühern und Sammelwerten über B. find 

orzubeben: PBouillet, «Lehrbuch der P. und 
teteorologie», deutſch bearbeitet von Müller 
2 Bde., Braunihw. 1842; 8. Aufl., bearbeitet von 
faumdler, 3 Bde., 1876—81); Wiüllner, «Lehrbud) 
der Erperimentalphyfil» (nad Jamins «Physique», 
3. Aufl., 4 Bde., Lpz. 1875) und deſſen «Kompen— 
dium» (2 Bde., 2pz. 1879) ; Rednagel, «ompen: 
dium der PB.» (nad) Jamins «Physique», Lpʒ. 1876); 
Gifenlohr, Lehrbuch der B.» (11. Aufl. von Zech, 
Stutta. 1876); Reis, «Lehrbuch der PB.» (5. Aufl., 
2p3. 1882); Moufion, «Bhyfil» (3. Aufl, 3 Bde., 
ür. 1879— 82); Bohn, «Grgebnifie der — 
ihung» (Lpj. 1878); Heßler und Pislo, «Lehr: 

u te nifhen VB.» (3. Aufl., 2 Bde., 1865); 
lers «Wörterbuch der B.» (neue Aufl., 11 Bde., 
2pi. 1825 — 45); Marbach, «Phylit. Leriton» (2. 
Aufl., 6 Bde., Lpz. 1849—59); «Encyllopädie der 
2.» (herausg. von Karſten, 20 Lfon., Lpz. 1856— 
70). — welche die P. behandeln, ſind: 
Poggendorffs «Annalen der P. und Chemie» (fort: 
von Wiedemann); Carls «Repertorium der B.» 
ortgej. von Erner); «Annales de chimie et de 
—*— «The London philosophical Magazine 
Journal of science»; Fechners «Nepertorium 

3 Bbe., Lpz. 1832); «Nepertorium der PB.» 
= ., Berl. 1837—49) ; ferner Berzelius’ «Jahres: 
cht⸗, feit 1847 von Liebig und Kopp fortgeickt, 
und «Kortichritte der B.» (herausg. von ber Sf. 


taliihen Geſellſchaft in Berlin pr 1845), 
Bhyfitbad, veraltete, früher in der Färberei 
üblich geweiene Bezeichnung für mit Zinndlorid 


verjehte Farbbrühen, welche namentlich in der Sei: 
ärberei Verwendung finden, 
o —* (Irch.) beißt die im 18. Jahrh. 
€ 


be liebte Methode, aus der Zwechmäßigleit der 
tur und der einzelnen Naturgegenftände den 
Glauben an einen weiſen, nad Zweden wirtenden 
Urheber derjelben zu begründen; daher der Name 
pbyfitotheologiiher Beweis für das Dafein 
Gottes. (5. Teleologie.) Das Aniehen, in wel: 
m biejer im 18. Jabrh. namentlich von engl. 
ologen ausgebildete Beweis ftand, wurde zu: 
durch Kant erichüttert. Die Heinlihe Art, mit 
man die Annahme einer von einer zwed: 
febenden Intelligenz von aufen ber in die Dinge 
bineingeleaten Swedmäßigteit nach dem Nuhen, 


ben fie ben Menſchen gewährten, bemaß und bis 
ins Einzelne hinein zu begründen verjuchte, hat 
diefer Art von Beweisführung längſt in willen: 
ſchaftlichen Kreifen den Boden —— An ihre 
Stelle iſt die Annahme einer den Dingen einwoh— 
nenden (immanenten) Zweckmäßigleit getreten, 
welche jedoch der neueſte Materialismus ebenſo 
wenig gelten laſſen will. 
‚Bhyfifus, ein ftaatlich beitellter Arzt, der über 
die Gejundbeitöverhältnifie eines bejtimmten Be: 
irls zu wachen und in vorlommenden Fällen den 
Berwaltungs:, wie den Gerichtäbehörden den nö: 
tigen Beiſtand zu leiften hat. Man unterſcheidet 
Kreis:, Stadt: und Landphyfici. Zur Er: 
langung eines Phyſikats ift zuvor eine bejon: 
dere ſtaatliche Sr das ſog. Phyſilatsexamen) 
u beitehen. In manden Ländern wird der P. 
ezirksarzt genannt. (S. Medizinalwejen.) 
* —5 im allgemeinen die 
äußere Form und Geſialt als Abbild eines beſeelten 
— insbeſondere das menſchliche Antlitz; die 
unſt, aus der P. auf die innere Seelenbeſchaffen— 
it zu ſchließen, wird dA — auch 
byfiognomonik bezeichnet. n aud das 
ort P. fi) urfprünglid auf die Beurteilung der 
Erſcheinung eines lebenden Weſens, felbft einer 
zo oder eined Landes bezieht, jo wendet man 
es doch meijt fpeziell auf das Gejiht und die Ge: 
fihtäzüge des Menſchen und derjenigen Tiere an, 
weldye durch Bewegungen des Geſichis oder einzel: 
ner Teile desfelben ihre Empfindungen und Gefühle 
tundgeben können. Der Ausdrud gewifjer Seelen: 
zuftände durch das Spiel der P. bildet demnach nur 
—* er, — auch —* een —— imif 
erbaupt, und er wird um jo hervor er, je 
mehr die Muskulatur bes Geſichts und feiner Beide 
teile ausgebildet iſt. 5* beſchränkte man ſich 
— aus verjchiedenen Formen und nenten 
Geftaltungen der einzelnen Gefichtöteile auf die gei: 
Der Anlagen und Fäbigleiten des betreffenden 
ndividuums höchſt wenig geredhtfertigte Schlüſſe 
A ziehen, weldye man beſonders aud) auf Tierähn: 
ichleiten zu ftügen fuchte. Auf diefem Wege wurde 
unter ben Händen von Lavater (f. d.) gegen Ende 
des 18. Jahrh. die ee wie man die Lehre 
von ber Kenntnis des Menjchen aus feinen Geſichts⸗ 
po Ivepel nannte, eine ziemlich inhaltlofe Spie: 
erei, welche mit ber Phrenologie ( d.) Hand in 
Band ging. Erft mit dem Anfange des 19. Jahrh. 
uchte man durch Beobachtungen, anatom, Studien 
und phyfiol. Verſuche die Urſachen der einzelnen 
mimijchen Bewegungen zu ergründen und die Ge⸗ 
feße feitzuftellen,, wo. welchen die Musteln bei be: 
ftimmten Anläfjen und Empfindungen in Bewegung 
ejegt werden. Sir Charles Bell betrat den erjten 
eg in feiner «Anatomie und Phyjiologie des Aus: 
druda» (Lond. 1806). Duchenne in Baris ftellte 
durch ftarfe elektrif —— ber Muskeln des 
Geſichts die Wirkung derfelben feit («Mechanismus 
der menichlihen B.», 1862), und in neuerer Zeit 
{uhten iberit —— Syitem der 
imit umd Bhyfiognomil», Detm. 1867) und ganz 
bejonders Charles Darwin («The expression of 
emotions», Lond. 1871) die Gejehe feitzuftellen, 
nad welden die mimifchen Bewegungen in 
Merk gefept werben. s 
Darwin ſucht die ganze Mimik der Tiere und des 
Menſchen, des Geſichts und der Gliedmaßen, auf 
drei Prinzipien zurüdzuführen, nämlich das Ale: 


8 Phyfiokratismus — Phyfiologie 


ciationspri 


f} 


t ber nuhlichen Gewohnheiten, das 
zu. der Antithefe und das Prinzip der im Bau 
des Nervenfyitems begründeten Handlungen, bie 
gänzlih unabhängig vom Willen und bis zu 
einem gewiſſen Grabe von ber Gewohnheit un: 
abhängig find. Es gibt viele, zum Teil fehr 
ne gran Demwegungen, welche direft oder in: 
dire ie find zur Befriedigung von Bebürf: 
nifjen u. ſ. w.; fie werben erg t und allmäb: 
li zur fonftanten Gewohnheit, fobald ein Gebante 
oder ein geiftiger Zuftand eintritt, der ſich auf das: 
elbe Bedürfnis * So fletſcht der zornige 

enſch die Zähne, ballt die Fäuſte u. ſ. w.; er be: 
reitet feine An iffewaffen vor. Dem Prinzip ber 
Antithefe zufolge werden bei geiftigen Zuftänden, 
welche einem andern, der beitimmte Bewegungen 


hervorruft, gerade entgegengeieht find, auch bie 
entgegengefehten Muskeln in Aktion efeht. Der 


Hund ſchmiegt fi, wenn er —— n will, weil 
er ſich ftredt und fteift, wenn er fi zum Kampfe 
bereitet; die Hape fteift Jich dagegen zum Lieblofen, 
‚weil fie ſich budt und ſchmeidigt, wenn = —— 
will, Zu der dritten Klaſſe erpreifiver Alte, we — 
von beſondern Zuſtänden des Nervenſyſtems ab: 
hängen, rechnet Darwin das Zittern, Schwißen, Er: 
röten und Erblaffen u, ſ. w. Bei allen dieſen Bor: 
gängen fpielt die Bererbung die größte Rolle; die 
aan ausdrudsvollen —— ſind ange⸗ 
boren, d. h. von den Voreltern ererbt; die Gewohn⸗ 
dei firiert fie, und ſchließlich geben fie dem ganzen Ges 
ichte einen typischen Ausdrud, je nachdem dieſe ober 
jene Geijteöjuftände die Oberhand im Leben ges 
wonnen haben. Bol. a na ram und 
Bhrenologie» (Berl. 1870); Piderit, «Mimik und 
Vhyfiognomit» (2. Aufl., Detmold 1886), 
byfiofratismud (vom ve pics, bie Na: 
tur, und iv, herrſchen, d. 1. ertfchaft der Na⸗ 
tur) — es Syſten nennt man 
die von Quesnay aufgeſtellte und von Dupont de 
Nemours, Mercier de la Riviere, Mirabeau, Le: 
trosne, Bandeau u.a. weiter auögebildete, auch 
von dem in vieler a re originellen Zur: 
got angenommene vo swirthaftl: e Theorie, 
welche jich gegen die damals herrſchenden An: 
——— des Merlantilſyſtems wandte und die 
Auelle des Nationalreichtums nicht im auswär— 
tigen Handel, ſondern im Grund und Boden und 
im Aderbau ſuchte. Nur die Landwirtihaft ift 
nach diefer Lehre im Stande, al3 Gefchent der Na; 
tur einen überſchuß von Produkten über den zu 
ihrer Erzeugung notwendigen Aufwand zu gemins 
nen, fie allein aljo liefert ein jog. « produit net», 
welches allein den Unterhalt der übrigen, nichts 
landwirtſchaftlichen Bevöllerung möglich macht. 
Nur die Landwirte bilden daher eine wirklich pro: 
dultive Klaſſe. Neben ihnen, ftehen die bloßen 
Grundeigentümer, an welde bie Pächter das —* 
duit net abgeben. Die gewerbe⸗ und handeltrei⸗ 
bende Bevölferung aber bildet die «classe sterile», 
weil fie feine neuen Güter ſchafft, fondern nur ge: 
gebene Stofje umwandelt und deren Merte nur 
um ben Wert der während ber Verarbeitung ver: 
zehrten Bodenprodulte erhöht. Ubrigens foll nicht 
nur die Landwirtichaft June nz ndujtrie 
und Handel nach der phyfiofratiichen Schule, die 
in diefer Beziehung durch die —— chen An⸗ 
ſichten Gournays . d.) ußt war, volle Frei⸗ 
t der Bewegung erhalten. Da alle Staatsaus: 
gaben fchließlih aus dem produit net bejtritten 


eein 


werben müflen, fo ift e8 nad) ben ——— am 
zwedmaäßigſten, ben ganzen Staatsbedarf mittels 
einer einzigen Steuer (impöt unique), nämlich 
einer Grunditeuer, direlt von denjenigen zu er: 
beben, welde ben NReinertrag unmittelbar in 
Empfang nehmen, Die Einfeitigkeit dieſer Theorie 
iſt einleuchtend, namentlich binfichtlich der behaup: 
teten Unprobuftivität ber gewerblichen Arbeit, doch 
bleibt fie von großer hiſtor. Bedeutung, einesteils 
als eriter Verſuch einer theoretiihen Gefamtauf: 
fajjung des vollswirtichaftlihen Prozeſſes und 
anbererjeitö wegen des außerordentlich bedeutenden 
Einfluffes, welchen fie auf Adam Smith (f. d.) und 
fein Syitem ausgeübt bat. Eine Sammlung ber 
Schriften Duesnays und anderer Phyfiofraten ward 
als Zeil der Guillauminfchen «Collection des prin- 
cipaux &conomistes» von Daire rg ee als 
«Physiocrates» (2 Bde., Par. 1846). Vol. auch 
Kellner „aut Geſchichte des P.» (Gött. 14 
byfio ogie (pr) urfprünglich gleichbedeu: 
tend mit Bhyfit, 9 aturlehre bezeichnet die Willen: 
ſchaft von den regelmäßigen Sunttionen in den jog. 
belebten Körpern oder Organismen, den Tieren 
und Pflanzen. Alle denjelben zulommenben eigen: 
tümlichen Funktionen laffen ſich im wefentlihen als 
regelmäßige Veränderungen ihrer dem. Beitand: 
teile, der in ihnen wirkenden phyſil. Kräfte und ihrer 
morpholog. Formelemente betrachten. Während 
man —— den Grund dieſer Eigentümlichkeiten in 
befondern, den Organiämen eigentümlichen vererb⸗ 
baren äbigfeiten judte, deren Summe man als 
Lebenskraft (. d.) bezeichnete, haben bie neuern 
——— zu der ſichern Erkenntnis geführt, 
in den belebten Organismen dieſelben phyſil. 
und dem, Kräfte nach denfelben Grundgefepen wir: 
fen, welche auch in der —— chen Natur ſich kund⸗ 
eben. Dies im einzelnen des Genauern nachzuwei⸗ 
en, ift Aufgabe und Biel der P., wohingegen Ana- 
tomie und Gewebelehre den Bau ber Organismen, 
die Entwidelungsgefdichte, Erzeugung und Wachs— 
tum derjelben nad) der formellen Seite daritellen. 
Die PB. trennt man nad der Verſchiedenheit 
ihrer Objekte in bie Tier: oder Zoophyſio— 
—— deren Gegenſtand die Erforſchung der nor⸗ 
malen Funktionen bes tieriſchen und menſchlichen 
Körpers bildet, undindie Pflanzen: oder Phyto⸗ 
pbyjiologie, die Lehre von den Berrichtungen 
der lebenden Pflanze und ihrer einzelnen Teile. 
Die Tierphyfiologie, oft aud nur P. ges 
nannt, zerfällt wieder in bieallgemeine Phy— 
fiologie, bie fih mit Ermittelung der allgemeinen 
Lebensfunktionen und ber durch diefelben erzeugten 
Wechſelwirlungen der organ. Wefen beichäftigt, und 
in bie [pezielle Phyſiologie, die von den ein: 
en Lebensverrihtungen handelt und eingehend 
ie vegetativen Funktionen des Tierlörpers, 
welche dieſer mit der Pflanze gemein bat (Ernäh: 
rung, Atmung, Fortpflanzung), ſowie die ani ma— 
liſchen Berrihtungen, welche nur dem Tiere 
zulommen (Mustelthätigkeit, Sinnesempfindungen, 
piychiiche Thätigfeiten), erforicht. Die Inder yfit 
(j. d.), die — Erforſchung der ſeeliſchen und 
geiitigen Zhätigteiten, bildet ben, vermittelnden 
ibergang von der P. zur ‚Piysologie (.d.). Ws 
Methoden und Hilfsmittel benupt die P., deren 
Grundlage hauptſächlich die Phyſil, Chemie und 
Anatomie 5 lich der Gewebelehre bilden, 
vorzugsweiſe die Beobachtung, mit der jede Na— 
turwiſſenſchaft zu beginnen bat, und das phyſiol. 


Phyſiologie 9 


ment, welches unter ben verfchiebeniten Mo: 
tionen an Zier und Menſch wor wird 
und —— ſeiner ng und erfolgreichen 
Handha ng der ganzen Wiſſenſchaft den Namen 
der Sper mentelpänjieionie verſchafft hat. 
Die Gejhichte der P. beginnt jtrenggenommen 
erſt mit der epochemachenden Entdedung des Blut: 
treislaufd durch den Engländer William Harvey 
(1629) und mit der wenige Jahre jpäter erfolgten 
Entdedung der Chylusgefäbe durch Kajpar Ajelli 
Pavia, Weitere wichtige Fortſchritte wurden 
burd die Erfindung des Mikroſtops, durch die Ber: 
voll —— der Injeftionstehnit und burd) die 
Begründung der mikroſtopiſchen Anatomie durd) 
Marcello Malpighi (1628—94) veranlaft. Die 
erſte kritiſche Zufammenftellung der P. gab Albrecht 
von Haller in feinen berühmten «Elementa physio- 
logiae» (8 Bde., Laufanne 1757—66). Epoche⸗ 
madend waren Ende des 18. —* die Unter: 
ſuchungen von Priejtley und Lavoifier über die 
chem. Vorgänge des Atmungsprozefies, fowie die 
Entdedungen Galvanis, welder die Lehre von ber 
Mustel: und Nervenelektricität begründete. In 
den legten var nten wurde bie 3 durch bie er: 
— —e ätigleit zahlreicher Forſcher, unter denen 
onders Johannes Müller, Du Boi3:Reymond 
und Helmbolk in Berlin, Magenbie, und Glaube 
Bernard in Paris, Ludwig in geipaig, Hermann 
in Königäberg, Hering in Drag, rüde in Wien, 
Donders in Leiden u. a. zu nennen find, zu einer 
—— und wichtigen Wiſſenſchaft erhoben, 
welche auf die Entwidelung der gefamten Medizin 
von entiheidendem Einfluß geworden ift und ber 
neuern Richtung derjelben geradezu den Namen der 
phyſiol. Medizin verſchafft hat. 
- Umfang und neuere Fortichritte ber ER 
die Hand: und Lehrbücher von Ludwig (2. Aufl., 
. 1858— 61), Brüde (2. Aufl., Wien 1876), 
undt (4. Aufl., Erlangen 1878), Fune (6. Aufl., 
2p3. 1876), Vierordt (5. Aufl., Tüb. 
Rante (2. Aufl., Lpz. 1872), fowie das große «Hand: 
buch der ®.» von ——— (6 Bde., Lpʒ. 1879— 
83) nähere Auskunft. Vgl. noch Du Bois-Rey— 
mond, «Der phyjiol. Unterricht ſonſt und jekt» 
(Berl. 1878). Bon Badaekichriiten über P. yo 
nennen: «Ardiv i natomie, PB. und wifjen: 
(toftlige Medizin» (herausg. von Reidert und Du 
0i:Reymond, Lpz. 1868 fg.) und «Archiv für die 
gejamte PB.» (herausg. von Bflüger, Bonn 1868 ig). 
Die Bilanzenphyfiologie hat die Aufgabe, 
alle diejenigen Borgänge in den lebenden pflanz⸗ 
Organismen zu unterfudyen, welche ſich bei 
der Ernährung, beim Wachstum und bei der ort: 
pen ung berfeiben abjpielen. Da die eritern bei: 
Srogefie weſentlich dem. oder phylit, Natur 
nd, jo muß die P. ihre Aufgaben vorzüglid, unter 
hme von Chemie und Bhyfit zu löſen fu: 
n. Zwar wird aud) die Fortpflanzung auf folche 
nge zurüdzuführen fein, doch ilt dies zur Zeit 
wenigſtens bei der geſchlechilichen Fortpflanzung 
unmöglich, da dieſer Prozeß der Bereinigung 
zweier Blasmamajjen zu wenig Anbaltzpuntte für 
eine erafte phyfiol. Unternehmung darbietet. m: 
merbin kann man von einer P. ber Fortpflanzung 
reden, benn and bie Beobachtung der dem eigent: 
lichen feruellen Alte vorausgehenden Erjheinungen 


der Beitäub Befruchtung, fowie die Weiterent: 
widehung ber Ger teten Ciselle in ihren eriten 


Stadien find nicht bloß Gegenſtand der Morpho: 


logie, ſondern auch der P., inſofern babei ftofiliche 
Beränderungen oder Ginwirkungen äußerer räfte 
u. dgl. ftattfinden. Die eradtung der mannig: 
faltigen Einrichtungen, welche bei Blütenpflanzen 
Be Herbeiführung des Inſeltenbeſuchs oder zur 
Verbreitung des Pollens durch den Wind vorhan- 
den find, ebenjo die Beweglichkeit der Spermato— 
zoiden bei den niedern Pflanzen, ſowie das Öffnen 
der er ne und Ardegonien bieten nicht nur 
für die Morphologie, fondern aud) für die P. be 
ſtimmte Fragen. Auch die Erzeugung von Baftar: 
den und die Dabei auftretenden eigentümlichen Ers 
———— ſind Gegenſtand der phyſiol. Forſchung. 
(Val. Baſtardpflanzen.) 

Ebenſo wie die Vorgänge der ſexuellen —— 
pflanzung gehören auch diejenigen der ungeſchlecht⸗ 
lien Vermehrung der Pflanzen vorwiegend in das 
Gebiet der P., und zwar if es hauptſächlich die 
Bildung von Sporen bei den niedern Pflanzen, 
von Knoſpen, Brutzwiebeln, Knollen, Aualäufern 
u. dgl, bei den höhern Pflanzen, die hierbei in Be: 
trat kommt. Auch die Unterſuchungen über die 
fünftlihe Vermehrung durch Ableger, Stedlinge 
u. dgl. find hierher zu rechnen. Während bei einigen 
Bilanzen ſchon ein einzelnes Blatt ober ſelbſt nur 
ein Teil desjelben genügt, um als Stedling fi 
weiter zu entwideln, müffen bei andern größere 
Zweige zur Heritellung von Ablegern verwendet 
werden. Die vegetative, alſo unge hleitliche Ber: 
mebrung . bei manden Pflanzen eine fo aus: 
giebige, dab die gefhlechtliche Fortpflanzung faum 
noch von Bedeutung jein lann, bei * ſogar 
gänzlich unterbleibt oder nur unter ganz beſondern 
aͤußern Umſtänden eintritt. 

Wahrend bei der phyſiol. Unterſuchung der Fort: 

flanzungserjdeinungen weniger phylit. und em. 
Prozeſſe in Betracht kommen, gilt dies um fo mehr 
von den übrigen Gebieten der P., deren Aufgabe 
es ijt, die —— und das Wachstum, ſowie die 
Bewegungserſcheinungen der Pflanzen zu unters 
—5 Die Ernährung der Pflanzen beſteht gen 
jädhlich darin, daß gewiſſe Stoffe aus der Yuft und 
dem Boden, oder bei Waflerpflanzen aus dem 
Wafjer aufgenommen und verarbeitet werden. Es 
handelt ſich num zunächſt darum, feitzuftellen, wi 
Stoffe —— in die Pflanze gelangen, wel 
davon unbedingt notwendig, welche entbehrlich find 
und —— welche eine ſchädliche Wirlung auf 
das Gedeihen der einzelnen Pflanze ausüben, Die 
Anzahl der Glemente, die überhaupt von den 
Pflanzen aufgenommen werden, ilt bedeutend 
größer als diejenige, welde für den Ernährungs: 
prozeß von Michtigfeit find. Zu den lehtern find 
vor allem zu rechnen: — fi, Waſſerſtoff, 
Sauerſtoff, Stiditoff, Schwefel, Phosphor, Ha: 
lium, Galctum, V agnejium, Gijen, und ferner find 
als jehr bäufig in den Pflanzen vorlonımende, aber 
nicht unbedingt notwendige Elemente zu nennen: 
Chlor, Natrium, Silicium, Mangan, Aluminium, 

n einer gewillen Gruppe von Pflanzen, die am 

trande des Meeres oder im Meere jelber wachſen, 
finden ſich fait ftets Jod und Brom vor; außerdem 
iſt noch eine Neihe von Elementen gelegentlid in 
Blangen gefunden worben, bie aber für das nor: 
male Gedeihen derfelben ohne Bedeutung find. 
— Ernährung der Pflanzen.) , 

ie beiden wichtigiten chem. ° — die ſich bei 
der Ernährung der Pflanzen abſpielen, find die Aj- 
fimilation im weitern Sinne und die Atmung. Die 


10 


eritere umfaßt allgemein die Verarbeitung ber bar: 
gebotenen unorganijchen Stoffe zu hoch zufammen: 
gelekten organischen Verbindungen, in&beiondere 
alfo die Bildung der Kohlenhydrate aus Kohlen: 
fäure und Waſſer und die Bildung der verſchieden— 
artigen Eiweißſtoffe mittel3 der au dem Boden 
aufgenommenen jtidftoffhaltigen Körper. Gol. 
Ajjimilation und Eiweißbildung in der 
Alene) Die Atmung bewirkt einen teilmeifen 
erbrauch der durch die Koblenitoffaffimilation ge 
[öafienen Verbindungen, indem wieder durch Ory: 
ation Kohlenſäure und Waſſer gebildet werden. 
— dieſen Verbrennungsprozeß, der einen Teil 
der Kohlenhydrate wieder zerſtört, wird für die 
flanze eine Kraftquelle geſchaffen, die für das 
achstum unbedingt notwendig iſt. Auch bewirkt 
die Atmung in vielen Fällen eine nicht unbeträdt- 
liche Erwärmung gewiljer Pflanzenteile. Die At 
mung fann entweber dadurch erfolgen, daß der freie 
Eauerftoff der Luft zur Orydation verwendet wird, 
oder auch in der Weiſe, seh Sauerftoff, der im ns 
nern der Pilanzenzelle ſelbſt abgeſchieden wird, di: 
reft zur Atmung wieder benugt wird. Den eritern 
Vorgang bezeichnet man ald normale Atmung, ben 
leßtern dagegen al3 intramolelulare Kemund. In: 
tramoletulare Atmung findet bei allen Pflanzen 
wenigftens eine Zeit lang ftatt, wenn der Sauer: 
off der Luft ausgeſchloſſen wird; bei vielen niedern 
Pilzen, Me bei den Hefepilzen, ift diefer Bor: 
ang die Regel und dad, was man als Gärung 
ezeichnet, läßt fich der Hauptſache nad) auf intra; 
molefulare Atmung zurüdführen. (Bal. Atmung.) 
Im engiten Bufammenhang mit der Verarbeis 
tung der aufgenommenen Naturftoffe fteht die Wan: 
derung berjelben innerhalb des Pflanzenkörpers, 
benn die meiften derjelben werben nicht Tor an 
dem Drte ihrer, Aufnahme verbraudt, ſondern 
müffen erft in bie verſchiedenen gr befäbigten 
Drgane bingeleitet werden, ebenjo müfjen die be: 
reit3 gebildeten — Verbindungen, z. B. 
die Kohlenhydrate, dorthin geſchafft werden, wo ſie 
um Aufbau neuer Zellen und Organe notwendig 
ind. Alle’die Fragen, die ſich hieraus ergeben, 
über die Kräfte, welche die Fortleitung bedingen, 
über den Verlauf der Leitungsbahnen u. f. w. find 
Gegenftand der phyfiol. Forſchung. (Vgl. Stoff: 
wanderunginder Bilanze) j 
Ferner ift e8 Aufgabe der W bie verſchieden⸗ 
sit Exſcheinungen zu erforſchen, die man unter 
der Bezeichnun re (f.d.) zufam: 
menfaßt. Und bieran ſchließen IR fämtliche 
Wahstumsprozefle an, denn gerade die Gewebe: 
fpannungen fpielen bei ben leßtern eine jehr wid): 
tige Rolle. Zu den — gang en find 
vor allem zu rechnen der Prozeß der Keimung 
(f. Same), das Längen: und Didenwachstum, die 
verſchiedenen Richtungsbewegungen, die duch Licht, 
Schwerkraft und andere Einflüfje beitimmt werden 
und die als heliotropifche, geotropiiche Krümmun: 
gen u. dgl. bezeichnet werden, (U m Abd 
mus und Geotropismud.) Außerdem gehören 
bierher die meijten derjenigen Erſcheinungen, die 
man Nutationen (f. d.) nennt, fowie die Beweguns 
gen, welche das Umfchlingen der Stübe feitens der 
windenden und rantenden Pflanzen herbeiführen, 
(Val. Windende Pflanzen und Rante.) Wäh— 
tend die eben aufgeführten Bewegungserſcheinungen 
vorzugsweife auf Wahstum einzelner Partien 
zurüdjuführen find, findet bei andern Bewegungen 


Phyfiologiihe Chemie — Physostigma venenosum 


fein Wachstum ftatt, fondern biefelben find Folge 
von Anderungen in der Turgeszenz der Zellen. 
Solche Üinderungen im hydroſtatiſchen Drud des 
Belliaftes treten bei den meiſten derjenigen Bewe: 
gungen auf, die man al3 Reizbewegungen zuſam— 
menfaßt; jo befonders bei den Blättern der ſog. 
Sinnpflange Mimosa pudica (f, d.), bei a. 
Staubgefäßen, die ſchon bei ſchwacher Berührung 
eine deutliche Bewegung ausführen, Auch bei den 
täglichen periodifchen oder nyltitropiihen Bewe— 
gungen find es zum Teil Turgeszenzänderungen, 
welche abmwechjelnd die jog. Tag: und Nadıtitelung 
von Dlattorganen hervorrufen, dasjelbe gilt für 
das Öffnen und Schließen der Blüten zu gewiſſen 
Zeiten des Tages. 

Um die Urfadhen folcher Bewegungen erforfchen 
zu können, ift eö notwendig, daß die P. ſich ftreng 
an bie durch anatomifche Ünterfucungen ejtge: 
ftellten Thatſachen hält. In diejer Beziehung, fo: 
wie aud) in mannigfacher anderer Hinſicht iſt Die 
P. auf die Refultate der Anatomie —— 
und ein ähnliches Verhältnis findet zwiſchen der 
Pflanzengeographie und der P. ſtatt. Denn * 

en, welche die Verbreitungsfähigleit * ner 
Bflanzen oder den Einfluß der Boden: und klima— 
tiichen Berhältniffe auf das een berfelben be⸗ 
treffen, find jedenfall durch phyſiologiſche Unter: 
fuhungen zu löfen. 
us dem Geſagten geht ir daß die P. ber 
en ein ſehr ausgedehntes Gebiet für —* 
orſchungen befist, und es iſt deshalb erklärlich 
(sumal bei der verhältnismäßig furzen Zeit, feit 
welder in der P. eine erafte wifjenfchaftliche Me: 
thode eingeführt ift), daß noch viele Fragen ungelöft 
find, und daß gerade für einige der widtigften, wie 
3. B. für das Problem ber Leitung des Waſſers 
mit den darin gelöften Beftandteilen von der Wur⸗ 
zel bis zum Gipfel, noch feine erafte mechan. Erlläs 
rung lerne iſt. (Bal. Stoffwanderung.) 

Die Litteratur über Pilanzenphyfiologie ift 
eine jehr ausgedehnte; aber nur wenige Werte be: 

anbeln das ganze Gebiet desfelben. Unter diefen 
ehtern find als hiſtoriſch interefjant zu nennen: 
Senebier, «Physiologie vögetale» (Par. 1800); 
De Candolle, «Physiologie vögetale» (Par. 1832; 
deutfh, Stuttg. 1835); Meyen, «Neues Syſtem 
der Pilanzenphyfiologie» (Berl. 1837—39). Bon 
neuern Merten find befonber3 zu erwähnen: Sachs, 
«Handbuch der Sn enta a fiologie der Pflan⸗ 
zen» (Lpz. 1865); ‚Biel, « — ogie» 
(p3. 1881); Sachs, «Borlefungen über Pflanzen: 
phyfiologie» (Lpz. 1882). : , 
ologifihe Chemie, f. Tierchemie. 

Phyiſiologus (grch., d.h. derNaturfenner), Titel 
einer berühmten mittelalterlihen Schrift über bie 
Tierwelt, wie fie in der bibliſchen Symbolik, ben 
Vorftellungen des Altertums und in den Fabeln 
des frühern Mittelalters ſich darftellt. 

Physkonie (grch.), Anſchwellung, beſonders 
ber Leber und Milz. 

Physöstigma venenosum Balf., Cala» 
barpflanze, mehrjährige, an der Küfte von 
Guinea einheimiſche Kletterpflanze aus der Familie 
der Leguminofen, deren nierenförmige, dunlel— 
braune, mit einer tief — inne ver⸗ 
ſehene Samen (Calabarbohnen, Fabae cala- 
baricae s. semina Physostigmatis) ein äußerft 
heftig wirklendes Gift enthalten und deshalb von 
den Eingeborenen zu einer Art Gottesurteil benußt 


Phyfoftigmin — Piacenza (Provinz und Stadt) 


werden. Ihre Wirkung beruht hauptſächlich * 
einem geruch⸗ und geſchmackloſen, kryſtalliniſch no 
nicht dargeſtellten Allaloid, dem Phyſoſtigmin, 
welches raſch die motoriſchen Nerven lähmt und 
eine hochgradige Pupilienverengerung bewirlkt, 
weshalb es — —— in der Augenheilkunde 
bei Accommodationslaäͤhmungen, glaukomatöſen 
Drudfteigerungen und ähnlichen Zuſtänden als 
wirtjames Heilmittel vielfach angewendet wird. 

—— (grch.), — Eſerin. 

yſoftomen (grch.) heißt eine Ordnung ber 
Knochenfiſche mit gegliederten Floſſenſtrahlen, bauch: 
ftändiger oder bisweilen fehlender Hinterfloſſe und 
einer mit einem Luftgang verjehenen Schwimm: 
blaſe. Bon den zahlreihen und großen Familien 
mit über 3000 Arten find die meiiten Bewohner bes 
Süßwaſſers; zu ihnen gehören die Welfe (f. d.), die 
tarpfen: , lachs⸗, beringd: und aalartigen Fiſche xx. 
ephas Ruiz et Pav., Pflanzengattung 
aus der Familie der Palmen. Man kennt nur 
wenige Arten, die in Peru und Columbia vor: 
lommen. 63 find niebrige Balmen mit didem 
Stamme und einer endftändigen Sirone von fieder: 
ſchnittigen Blättern, bie eine Yänge von 6 m er: 
reichen. Die Blüten find diöcifch und en ſowohl 
in den männlichen als auch in den weiblichen Blü— 
tenftänden jehr dicht beifammen. Die männlidyen 
Blüten find Hein und das Berianthium ift nur rudi- 
mentär vorhanden, die weiblichen Blüten dagegen 
baben 5—10 große, etwa 8—10 mm lange Blumen: 
blätter und find ſomit bie größten Blüten, die ber: 
baupt bei Palmen vortommen. Die Früchte find 
Syncarpien von der Größe eines Menſchenlopfes, 
erreichen ein Gewicht von 12 * beſtehen aus 
4—6 ſamigen Einzelfrücdten. ie Samen, von 
denen in jedem Face einer fich befindet, find von 
ovaler Form und enthalten zur Zeit der Reife ein 
außerordentlich feſtes Eiweiß. 

Die belannteſte Art iſt die ſog. Elfenbein: oder 
Taguapalme, deren Samen einen wichtigen Han: 
belsartifel bilden und unter dem Namen Stein: 
oder Taguanüſſe, oder aud) vegetabilijches 
Elfenbein zu den verſchiedenſten Zweden, beion: 
ders aber zur Herftellung von Knöpfen verwendet 
werben. jugendlien Buftande enthält ber 
Same diefer Balme eine helle, gef hmadloje Flüffie: 
teit, die genofien werden fann, fpäter wird das 
Eiweiß mildig und nimmt einen ſüßen Geihmad 
an, bis es ſchließlich zur Zeit der Reife faft dieſelbe 
Härte wie das Elfenbein erreiht. In diefem Zu: 
ftande kann e3 dann techniſch benußt werben, 

Phyto ... (vom gr. Purov, Pflanze), in Zu: 
fammerfegungen: Pflanzen..., Bilanzen betreffend, 
wie Bhytobiologie, Pflanzenleben; Phyto: 
hemie, Pflanzenchemie; Phytogeographie, 
Pflanzengeographie. [nit und Bilanzen. 

Phytographie und Phytonomie, j. Bota: 

Phytolacca L., Rermeäbeere, Pflanzen: 
gattung aus ber familie der Phytolaltaceen. Ihre 
in Amerila, Afıen und Afrika einheimiſchen Arten 
find Stauden und Holzgewächſe mit ganzen, faft: 
vollen, abwechſelnden Blättern und den Blättern 
gegenüberjtehenden Blütentrauben, deren Blüten 
ein fünfteiliges Berigon, 7—20 Staubgefäße und 
5—10 Stempel haben; die Frucht ift eine in der 
Mitte vertiefte Beere mit 5—10 Furchen. 

In Europa, namentlich in das ſüdliche und weit: 
liche, hat fich die gehnmännige oder gemeine Ker: 
meöbeere (P, decandra L.) aus Norbamerifa 


11 


—— in Sübfrantreich z. B. ift dieſelbe ge⸗ 
mein. Dieſe, in Deutſchland nicht ſelten als Bier: 
gewächs kultivierte Art iſt eine über mannshohe 
Staude mit zolldicken, fleiſchig-ſaftigen, meiſt röt 
angelaufenen Stengeln, großen, langlichen Blät— 
tern, rötlichgrünen Blüten und ſchwarzvioletten, 
einen dunlelroten rt enthaltenden Beeren. Der 
Wurzelitod , früher als Radix Solani racemosi of: 


fizinell, enthält einen en purgierend wirken: 


den Saft und wird noch jebt in Nordamerifa ala 
erde ae — Mit Wein gemiſcht 
dient er als Brechmittel. Die Blätter und Beeren 
ſind äußerlich gegen Geſchwüre, innerlich gegen 
Hämorrhoiden, Syphilis u. a. angewendet worden. 
In Pgtugal wurden die Beeren früher allgemein 
zum Färben des Rotweins benust; in Südfrank— 
reich geſchieht dies noch jezt. In Norbamerita be: 
reitet man aus ihnen rote Schminle, welche die 
Haut durchaus nicht angreifen und deshalb allen 
übrigen roten Schminken vorzuziehen fein ſoll. 
Neuerdings ift eine andere, im tropiichen Amerika 
heimische Art, P. esculenta Mog. Tand., als Ge: 
möüjepflanze empfohlen worden, indem * Blät: 
ter ein jpinatartiges Gentüfe liefern. Diejelbe hält 
aber bei uns im Freien fchwer aus, 

Phytolakkaceen (Phytolaccacdae), Pflanzen: 
familie aus der Gruppe der Dilotylebonen, an 
tennt gegen 50 Arten, die fat ausfchliehlich in den 
tropiſchen und fubtropifhen Gegenden vorfommen, 
Es find frauts oder ———— ſeltener baum: 
artige Gewächſe mit ganzrandigen, alternierenden 
Blättern, Die Blüten haben ein telhähnliches, 
vier: bis ge Perigon, vier oder mehr 
Staubgefäße und einen oberitändigen Fruchtknoten 
mit furgem Griffel. Die gewöhnlih einfamige 
Ku fi meift ala Beere, feltener mit trodenem 

erilarpium entwidelt. 

Phytolithen, Geiteine, deren Material aus 
ber Anhäufung von Bflanzenmafje hervorgegangen 
it, 3. B. Braunkohle und Kohle. 

N ——*—* (grch.), Pflanzenlunde. 

ytopaläontologie, ſ. Paläontologie 
(botan.). [frantheiten (f. d.). 
— — die Lehre von den Pflanzen⸗ 
topergament (Pergamentpapier), ſ. 
En del Wer 5, n 
ytophagen (grch.), Pflanzenefler. 

a infestans de By., Rilz aus 
der Familie der Peronofporeen; Erreger der Kartof: 
feltrantheit (f. d.; vgl. Pflanzentrankheiten). 

3 ytophyſiologie, ſ. unter Phyſiologie. 

ytotomie, ſ. unter Anatomie. 

* ytozoen, ſoviel wie Zoophyten. 

i (U, r), griech. Buchſtabe, dem P ent: 
ſprechend; in der Mathematik be ren x (b. h. 
Peripherie) die jog. Ludolfſche Zahl (1. u. Kreis). 

Pia oausa (lat.), fromme Stiftung. 

incenza, das alte Placentia (frz. Plaisance), 
früher ein mit dem Herzogtum Parma (f. d.) ver: 
einigtes Herzogtum, jebt eine Provinz des önig: 
reichs Italien mit 2355 qkın und (1880) 234603 6. 

Die Hauptitadt Piacenza, am Po und an 
ber Eifenbahn von Parma nad Aleſſandria, die 
bier nah Mailand abzweigt, mit 34987 E., iſt be⸗ 
feſtigt und mit einer ftarfen Citadelle und einem 
Brüdentopf verjehen. Cie iſt der Gib eines 
Biſchofs, des Vräfelten, des Generallommandos des 
4. Armeelorps und eines Tribunals erjter Suhan 
gut gebaut, zählt 57 Kirchen, unter denen bejonders 


12 


bie Kathedrale mit bemalter Kuppel ſich auszeich⸗ 
net, über 400 Baläfte und hat breite, gerade 
Straßen und ſchöne öffentlihe Pläbe, von 
denen die ganz mit Granitplatten belegte Piazza 
dei Cavalli mit dem impofanten Palazzo bel Co: 
mune und den kolofjalen Neiterftatuen Aleſſ. Yar: 
neſes und feines Sohnes Ranuzio geziert iſt, ein 
— nſtitut, ein Lyceum, ein Gymnaſium 
und eine techniſche Schule, ein Theater, eine öffent: 
lihe Bibliothel von 34000 Bänden und mehrere 
Hofpitäler. Die Stadt wurde insbefondere als 
Vormauer gegen Hannibal (219 v. Chr.) von den 
Römern erbaut, dann von den Galliern (200 
v. Chr.) faft ganz zerftört, von den Römern aber 
wieder aufgebaut und befeftigt. Im Mittelalter, 
wo bier 1095 und 1132 Konzile gehalten wurden, 
ward P. abwechſelnd von verſchiebenen Adelöge: 
ſchlechtern beherricht und fam 1313 an bie Vie: 
conti, 1545 an die darneſe, worauf fie das Schid: 
jal Yarmas teilte. Unweit von B. liegen die Non: 
taliichen Felder. Bei P. erfochten 16. Juni 1746 
die Öjterreicher unter Fürſt Liechtenſtein einen Sieg 
über die verbündeten Spanier und Franzoſen 
unter Gages und Maillebois. [drangois). 
— — (Herzog von), ſ. Lebrun (Charles 
Piaoevöle (ital. ‚mufitalifche Vortragsbezeich⸗ 
nung: gefällig, anmutig. 
a desideria (lat., Fromme Wunſche), Titel 
einer Schrift des Jeſuiten Hermann Hugo (Antıer: 
pen 1627), und einer andern Bhilipp jatob Speners 
(1675), worin legterer feine Wunſche für eine kirch⸗ 
liche Reform zufammenfaßte. Seit Speners Schrift 
wurde der Ausdrud ſprichwörtlich für Wünfche, die 
feine Ausfiht auf Erfüllung haben. 
Pia fraus (lat.), frommer Betrug, Citat aus 
Dvids «Metamorphofen » 0, 211), 
ng der (Carlo), ital, Afrilareiſender, geb. 
1822, begab ſich in noch jugendlihem Alter nad) 
Alerandria, betrieb dort verſchiedene Handwerle, 
ping 1856 nad) Chartum, wo er ald Hanbeltreiben: 
der die Sprachen des öftl. Sudan erlernte, und reijte 
1860 mit Antinori in das Gebiet des Bahr⸗el⸗Gaſal. 
In Geſchäften eines koptiihen Kaufmanns lam er 
als erjter Europäer zu ben Niam:Niam, durdhftreifte 
ala Handwerter 1871—76 Abeifinien, bie Galla: 
länder und die weſtl. Küjten des Noten Meers, be: 
teiligte fi 1876 an der Forſchungsreiſe Geſſis 
nad) den Nilfeen, ging hierauf nach der Landſchaft 
Godſcham in Abeihnien, aladann auf kurze Zeit 
nad Stalien, tehrte aber bald nach Chartum zurüd 
und ftarb 17. Jan. 1882 zu Karlog am Babr:el: 
Afrak in Sennär. P.s ethnogr. Sammlungen er: 
warb das Berliner Mufeum für Völkerkunde, 
‚Pia mater (lat., fromme Mutter), bie weiche 
a f. unter Gehirn, Bd. VIL, ©. 663°, 
Piana dei Greei, Stadt in ber ital. Provinz 
Palermo, auf Sicilien, mit (1881) 9033 E. bie 
1488 gegründete Hauptlolonie derjenigen Alba: 
nefen, welche nad) der Eroberung ihres Vaterlan: 
des durd die Zürfen nach Sicilien auswanderten, 
bis auf die Gegenwart den griech. Ritus befolgen, 
jedod) die Öberhoheit des Papites anerkennen. 
anino, ſ. unter Bianoforte. 
iano (ital.) heißt in der Muſik (im Gegenfah 
zu Forte, d. h. jtart) ige oder mit ſchwachem, 
und Pianiſſimo: mit nod ſchwächerm Tone, 
Pianoforte oder Fortepiano, aud Ham: 
merllavier genannt, beißt das befannte und all: 
verbreitete Taſten⸗(Klaviatur- Saiteninftrument, 


Piacenza (Herzog von) — Pianoforte 


bei weldhem die Grreihung der Saitenfhmingungen 
durch Hämmer erfolgt, welche mitteld Hebel, deren 
vordere Enden die Taſten find, gegen die Saiten 
ejchnellt werben und nad) vollzogenem Anſchlag 
ogleich wieder zurüdfallen,; der Klang ber Saite 
wird außerdem dur einen Dämpfungsmechanis: 
mus unterbrüdt, fobald der Finger von der Tajte 
Pen omnnen it. Den Namen P. oder Fortepiano 
ührt diefe Gattung von —— — weil ihr 
Hammerwerk beliebig ſtarles und ſchwaches An— 
ſchlagen der Saiten * was bei dem ältern 
betielten Klavier (Clavecin) nicht in bem Maße 
ber Fall war; Hammerklavier deswegen, weil der 
Klang ibrer Saiten durch ein Hammerwerk (nicht 
durch Tangenten oder Zungen) erregt wird. 
Alle jegt gebräuchlichen Hlaviatur : Saiteninftru: 
mente, der Flügel, daß Quer: oder Tafel: 
tano und das Pianino, find Arten bes P.; 
ie wejentlihen mechan. Teile wieberholen ſich bei 
allen dreien. Diefe, teild Erregungen der Saiten: 
Ihwingungen und des Klanges, teils Berftärkung 
unb —— des leßtern, ſowie Aufnahme des 
ganzen Mechanismus bezwedende Teile ſind: Sai— 
ten tan e nur von Stahl); Stimmftod mit 
ubehör; Anhängeplatte mit Rahmen; Refonanz: 
oden mit dem Stege; Mechanik (Hammermert, 
Dämpfung, Taftatur); Kaften. In Hinficht der 
Medanit gab e3 früher zwei Hauptgattungen: bie 
deutſche oder wiener und die engliiche. In neuerer 
geit find diefelben aber bei dem außerorbentlichen 
uffhwung, welchen dieſe Fabrikation genommen 
bat, in einem Grab verallgemeinert und audge: 
glicen, daß heute nur noch von Konfurrenzeigen: 
tümlichfeiten der verfchiedenen Fabriken die Rede 
fein fann. Die große Ünderung, welde in — 
eit am P. vorging, ift fhon an ber Form des 
nftrument3 zu bemerfen. Anfangs wurde allge: 
mein bad oblonge oder TZafelpiano gebaut; erſt 
nad und nad fam ber Flügel binzu und nahm 
die Stelle des bisher im Konzert wie in der Oper 
herrſchenden Cembalo ein; die neuere Zeit ergengte 
dann neben immer weiterer Ausbildung des Flu— 
* das Pianino, welches jetzt das Tafelpiano 
ereits — verbrängt hat. An jedem P. 
befindet ſich eine Vorrichtung, um mit Fußtritten 
bie Dämpfung zu regulieren, das fog. Pedal. 
Das Tafelllavier hat nur einen Tritt oder Zug, 
welcher zur Dämpfung, d. b. zur Erzeugung größe: 
rer Stärfe dient; Flügel und Bianino befipen noch 
einen zweiten Zug, für bie Verſchiebung. Diele 
Verſchiebung, wobei die Alaviatur etwas zur Seite 
gerüdt wird in der Notierung mit una corda an: 
gezeigt), ſodaß die Hämmer nur an zwei, ftatt an 
drei Saiten anjchlagen (denn zur Kg! einer 
rößern Schallmafie find am Ai el und Pianino 
ür jeden Ton meift drei, beim Zafelpiano zwei 
leihgeftimmte Saiten aufgezogen), läßt ſich beim 
afelpiano, feiner ſchräg liegenden Saiten wegen, 
nicht anbringen. Der So el wirb in mehrern 
Größen gebaut, ala Konzertflügel mit beinahe 2 m 
Saitenlänge, und als Stußflügel von etwas ver: 
fürzter Geltalt. Der Konzertilügel iſt die voll: 
tommenfte Art aller Klavier: Saiteninftrumente 
hinficht3 der Stärke und Fülle des Klangs, ſowie 
des Geſangreichtums, ſoweit von lehterm beim P. 
überhaupt die Rebe fein kann; beim Stupflü el 
wird die Menfur der Kontra: und Nleinoltavfaiten 
ſehr verkürzt, deshalb lafjen volllommene Bäfie 
ſich ſchwer herausbringen. 


Pianofa 


Als Grundlage des P. und aller Alavier-Saiten: 
intrumente pflegt man das Monodord (d. h. 
Gnjatter) anzufehen, welches fhon bei den Griechen 
ud fpäter im Abendland zur — —— 
Lnverhältniſſe diente, Aber dieſes nur mit Einer 
Saite beipannte Hilfsmittel ijt niemals ein wirt: 
liches muſilaliſches Inſtrument gewefen, kann daher 
auch nicht als der Urjprung eines ſolchen angeſehen 
werden. Das BP. ift nit zunächſt als Saiten:, 
fondern vielmehr als Tafteninitrument zu betradh: 
ten; ein Borläufer desjelben war das Orga: 
niftrum (deutjch Drebleier, fpäter Bettler: oder 
Bauernleier, engl. Hurdy gurdy), ein jeltfames 
Inſtrument mit Saiten und Taiten, welche aber 
nicht gefpielt, fondern durch ein Rad gedreht wur: 
den. Diejes war herrichend im frühen Mittelalter; 
in der folgenden Zeit entwidelten fid dann mit 
den Geigen aud) die Klaviere. Zwei Hauptformen 
find in der ältern Zeit vor Einführung des eigent: 
lihen ®. zu unterfcheiden: das Heinere Klavi: 
Hord (Klavier, Spinett, Virginal u. f. mw.) und 
das größere Klavicimbal (Clavicembalo oder 
Cembalo, Clavecin, Borken) u. ſ. w. Lett⸗ 
teres, deſſen Saiten mit Rabenfederkielen geriſſen 
wurden, diente bei allen öffentlichen Aufführungen 
zur Begleitung und war jo weſentlich, daß der 
«Cembalift» eine unentbehrlihe Perſon in jedem 
Decheſter bildete. Bereit? um 1500 waren beide 
Formen body ausgebildet, wie Abbildungen und 
einige aus dem 16. dm, erhaltene Bruntinftru: 
mente zeigen. Der Erfindung des eigentliden P. 
oder Hammerflavierd vorauf ging die des Ban: 
talon {um 1690 durch Hebenftreit), deſſen Saiten, 
nah Art des Cimbals oder Hadebrett3, mittels 
Br mit der Sand geführter Hämmer (bemnad) be: 

ebig ftart oder ſchwach) angeihlagen werden 
fonnten, was immerhin die erfte Anregung gegeben 
baben mag, Hämmer jtatt der biöherigen Tangenten 
mit einer Klaviatur zu verbinden. Der — —— 
Bartolomeo Eriftofori (f. d.) war der erſte, durch 
den 1711 das Modell zu einem Hammerklavier 
(Cembalo a martelletti) bergejtellt wurbe, welches 
die Grundlage aller noch gegenwärtig gebräuchlichen 
Klaviermehanismen geblieben ift. Diejer Ham: 
mermechanismus hatte bereit doppelte Hebel, 
Auslöfung und für jeden Ton einen kein Dämpfer. 
Faft gleichzeitig traten der Franzoje Marius und 
der deutihe Organiſt Schröter mut felbjtändigen 
Modellen von Hammerllavieren hervor. 

Erſt nachdem Hammterllaviere von ziemlicher 
Volllommenheit in Stalien — waren, 
wurde das von nun an Fortepiano genannte In— 
ſtrument in Deutſchland durch Silbermann einiger: 
maßen brauchbar gemacht (ungefähr 1730). Doch 
vermochte auch das Silbermannſche Fortepiano, 
ungeachtet der vorgenommenen Berbefjerungen, 
den alten Flügel, für welchen die größten Meiiter 
ihre Muſik ichrieben, und der aud) Für Konzertauf: 
fübrungen von bleibendem Wert iſt, noch nicht zu 
verdrängen, bis ein Schüler Silbermanns, ‚job, 
Andreas Stein zu Augsburg, im legten Viertel des 
18, Jahrh. dem Inſtrument einen Grad von Voll: 
lommenheit verlieh, welcher wenig mehr in wün: 
Ihen übrig ließ. Die Haupturfadhe der Ichnellen 
und —— Verbreitung des P. ſeit 1800 
liegt aber in der veränderten Richtung der Mufit, 
5 "elder der alte Cembalo nicht mehr paßte. Das 

. ift jeht das eigentlihe MWeltinitrument, deſſen 
maflenhafte Herftellung in allen Ländern viele 


— Piaſt 13 


Tauſende beſchäftigt und die großartigſten Werk— 
ftätten hervorgerufen hat. Deshalb fehlt es auch 
nicht an fortwährenden Verſuchen, dasſelbe zu ver: 
befiern (f, Prolongement), obwohl an einem 
jo hoch vervolltommneten Inſtrumente Verbeſſe— 
rungen, die ſich auf die Dauer bewähren, nur ſehr 
ſelten erreicht werden können. 


Die techniſche Seite des modernen Pianofortes 
baues ift ausführlich beichrieben in Welder von 


Gonteröhaufen, «Der Klavierbau» (3. Aufl., Frankf. 
1864); derjelbe, « fiber den Bau der Saiteninftru: 
mente» nt. 1870); Blüthner und Gretichel, 
«Lehrbuch des Pianofortebaues» (En. 1872), Die 
bebeutenditen Nanıen im Pianofortebau haben fol: 
gende Firmen: Steinway u. Sohn in Neuyort (jeit 
1833), Broodwood u. Söhne in London, Pleyel 
(geft. 1831) und Grard in Paris, Seuffert (geit. 
1855) und fein Nachfolger Ehrbar und Böjendorfer 
in Wien, Kaps in Dresden, Schiedmayer in Stutt: 
gart, Ibach u. Sohn in Barmen, Bechſtein in Ber: 
in u. a.n. Namentlidy die deutſche Pianoforte: 
fabritation ift gegenwärtig in blühendem Zuſtande, 
bat faft in jeder größern Stadt bedeutende Vertreter 
aufzumeifen und jteht nr im * obenan. 
ianofa, das Planaſia der Alten, mittellat. 
Planusia und Planusa, zur ital, Brovinz Livorno, 
Bezirk Porto: Ferrajo, Gemeinde Marciana, gehö— 
zige Injel von 27 km Umfang, im Tyrrheniſchen 
Meere, ſüdlich von der Weſtſpihe Elbas, tt völlig 
eben (daher der Name), fruchtbar und hat (1881) 
603 E., meiſt Fiicher. Hierher verbannte Auguitus 
feinen Entel Agrippa Poſihumus. Die Inſel iſt 
ital. Straflolonie und hat röm. Ruinen. 
iand, Su hlrantbeit ſ. Framböſie. 
iaren, ſ. Piariſten. 
iariften oder Arme ber Mutter Gottes 
zu den frommen Schulen, aud Bäter der 
[rommen Schulen (scholarum piarum), in 
* Piaren genannt, heißt ein lath. geiſtlicher 
rden, deſſen Glieder außer zu ben drei gemöhn: 
lichen Monchsgelübden der Armut, Keuſchheit und 
des Gehorſams noch zu dem vierten, ber unent— 
geltlichen Erteilung chriſtl. Jugendunterrichts, ver: 
flichtet ſnd. Dieſer Orden wurde 1607 von dem 
Er Edelmann of. Calafanze oder Calafanctius 
(geft. 1648 in Rom) geitiftet, 1621 von Gregor XV. 
beitätigt und von Innocenz XII. (1698) mit den 
wichtigiten Privilegien der Bettelorden ausge— 
rüftet. Die B. haben wie die Jeluiten den Zwed, 
zum Vorteil ihrer Kirche auf die —— — zu 
wirken, find auch in ihrer Ordensverfaſſung und 
Tracht den Jeſuiten ähnlih, nur tragen fie einen 
fürzern Mantel als diefe und ſchließen den Rod 
auf der Bruft mit drei ledernen Knöpfen, Sie 
verbreiteten ſich bald, bejonderd in den öterr. 
Staaten und in Polen und haben jekt noch 
viele Gymnafien und Volksſchulen in Ojterreid): 
Ungarn (mit etwa 18— 20000 Schülern) unter 
ihrer Leitung. Vgl. (Seyfert,) «Drdensregeln ber 
.» (2 Bde., Halle 1783). 
Bu: f. unter Attalöa. 
Piaft, der Stanmvater der ältejten poln. 
Herriderfamilie, wurde der Eage nad um bie 
Mitte des 9. Jahrh. aus niedrigem Stande in 
Kruszwice am Goploſee em Herzog von Polen er: 
hoben. Unter feinen Nacfolgern, den Piajten, 
welche Polen über fünf —— — 
ſind die bedeutendſten —— J., Boleſlaw 
Ehrobry, Wladiſlaw Lotietel und Kaſimir III. 


14 


Dadurch, daß die piaftiihen Herzöge ihr Land viel: 
fach unter igt Söhne teilten, entſtanden erg ve 
Linien der Piaften. Auf dem poln. Throne ſtarb 
die männliche Linie 1370 mit Rafimir IL. aus, die 
weiblide 1399 mit Hedwig, Jagellos Gemahlin. 
An Mafovien regierten die Biajten als jouveräne 
Herzöge noch bis 1526. Am längjten erhielt ſich 
der piaftiihe Stamm in Schlefien, mehrjad ver: 
zweigt, dod durch Verwandtſchaft mit deutichen 
Familien fajt ganz germanifiert, in den Seen 
von Schweidnik, Ols, Glogau, Dppeln, Teſchen 
und Liegniß, welche der Reihe nad ausſtarben. 
Mit George Wilhelm, Herzog von Liegnis, erloſch 
1675 der piaftiihe Stamm gänzlid. , 

Biafter (ital, piastra, mittellat, plastra, d. i. 
Mittelplatte) ift der urſprünglich ital. Name einer 
frühern größern ſpan. Silbermünze, welche jeit der 
Mitte des 16. Joh: allgemeine Verbreitung er: 
hielt und vielfahe Nahahmung fand. In Spanien 
ſelbſt und in deſſen jebigen und vormaligen Kolo: 
nien heißt die betreffende Münze Peso duro oder 
Peso fuerte (d. i. hartes Stüd), gewöhnlich * 
kürzt Duro. Der ſpaniſche P. galt 8 Silberrealen 
und hieß daher auch Stüd von Achten; er galt fer: 
ner 20 jog. Rupferrealen (Reales de vellon). Bon 
1772 bis 1850 war der ſpaniſche B. ———— 
Stück von 24,330 g fein Silber und 902”, Tau: 
fendteile fein, fomit im Werte von 4,3979 deutichen 
Dart (wenn man die deutiche Marf = Y, vorigen 
norddeutſchen Thaler fest; die ältern Prägungen 
waren noch etwas befjer); nad dem Gejch von 
1850 war er = 3, g fein Silber und 900 
Taufendteile fein = 4,2289 deutſche Marl, nad) den 
Gejeten von 1854 und 1864 = 23,364 g fein Sil: 
ber und 900 Taujendteile fein — 4,2055 deutiche 
Mark. Im %. 1868 trat in Spanien an feine 
Stelle das Eilberjtüd zu 5 Peſetas, gleichfalls 
Duro genannt, dem franz. filbernen Fünffranken— 
ftüd völlig . In der Levante heibt der ältere 
—— $. olonnato oder Säulenpiajter. 
In Merilo wird er noch jegt nad} den jpan. Nor: 
men von 1772 gepräst, in den meijten übrigen 
ehemals ſpan. Staaten Ameritas ift neuerdings, 
wie in Spanien, eine bem franz. filbernen Fünf: 
frantenjtüd gleide Münze unter dem alten Namen 
Peſo an feine Stelle getreten (f. Franc). In 
Spanien wurde bis 1848 aud ein Goldpiaſter 
(Peso de oro) geprägt, gefeklid im —— 
von 1,1831 g und 848,958 Tauſendteile fein, ſomit 
im Werte von 4,1387 deutjchen Mark, ge auch 
ſpäterhin noch in einigen der ehemals ſpan. Frei— 
ſtaaten Südamerikas. Gegenwärtig münzt man 
einen goldenen P. (Peso) ganz in den Verhältniſſen 
de3 franz. goldenen Fünffranfenftüds in den Ver: 
einigten Staaten von Golumbien, und aud in 
Venezuela iſt ein ſolcher gefeplich verfügt. 

Der türkiſche Piaſter (Goufch), in 40 Parä 
zu 3 Aöpern geteilt, ijt keine Nachahmung des va: 
niſchen, fondern eine jelbjtändige Nechnungseinbeit, 
die ſich allmählich ſehr verſchlechtert hat und feit 
1844 ein Quantum von 0,9083 fein Silber = 
17,969 deutſche 7 als einzelnes Stüd aber nicht 
ausgeprägt iſt. Im gewöhnlichen Berlehr herricht 
aber in der Zürfei eine geringere und im Werte 
veränderliche Baluta, indem die Münzen zu einem 
böhern Breife als ihrem Nennwert umlaufen, und 
demzufolge eriltiert als beſondere Nechnungseinheit 
auch dort ein fog. Courantpiafter (im Gegen: 
faß des normalen oder Tarifpiaſters), dejien Wert 


Piafter — Piave 


1870—77 etwa 15", deutſche Pf. betrug. In 
Agypten ift feit 1866 der ®. eine Brongemünze. Der 
tunejer Biajter (Burial Sebili) ijt eine Silber: 
münze von 2,817 g fein Silber und 900 Taujend: 
teile fein, im Wert von 50,7 deutſche Bf. 

Piatra, Stadt in Rumänien, am Fluß Biltrika, 
bei deſſen Austritt aus den Karpaten in die mol 
dauiſche Ebene gelegen, iſt Sit der Präfeftur des 
Diſtrilts Neamß, hat ein Tribunal erjter Inſtanz, 
ein Untergymnafium und mehrere Glementar: 
ſchulen und zählt 20000 E. Wichtig für P. iſt der 
Holzhandel, der mittels Flößen, namentlih aus 
dem muſterhaft bewirtichafteten, waldreichen, jehr 
ausgedehnten Gut Broiteni des Königs Harl von 
Rumänien betrieben wird. Seit 1885 iſt P. durch 
eine Eifenbahn mit der großen Linie Roman-Buka— 
reit: Salat verbunden. 

Piatti, ital. Name der türf. Beden. 

Biatti (Alfredo), Cellovirtuos, geb. 8. Jan. 
1822 zu Bergamo, bejuchte das Konfervatorium in 
Mailand und lebt jeit 1846 in London. Er fompos 
nierte für jein Inſtrument Slonzerte, Solojtüde, 
Variationen u. ſ. m.’ 

Piauhy, Provinz Brafiliens, die bis 1718 
einen Teil von Maranbäo bildete, grenzt mit einer 
nur 25 km langen Küftenjtrede an den Atlantifchen 
Deean, im D. an Ceara und PBernambuco, im S. 
an Babia, im W. an Maranhäo, gegen welches die 
lange Stromrinne bes Parnahyba die Grenze bil: 
det, Die Provinz umfaßt 301797 qkm, zählte aber 
1883 nur 239691 C. Die Dft- und Süboftgrenge 
bilden niedrige Bergletten (Serra Grande, Serra 
Araripe, Serra dois Jrmaos, Serra do Piauby), 
die fih nad dem Innern verflahen. Auch gegen 
SW. fteigt das Land an bis zur Örenzlette Serra 
Burgueia. Im ganzen aber iſt das Sand nur wel: 
lig und von baumlojen Weideebenen_eingenom: 
men. Alle feine Gewäſſer jammeln fih in dem 
700 km weit fchiffbaren Haupt: und Grenzitrom 
Barnabyba (j. d.). Die meilten Nebenflüjje 
fallen ihm von der rechten Seite aus P. zu, daruns 
ter der 550 kın lange Rio Piauhy, der von 
Dften ber den 300 km langen Ganinde aufnimmt. 
Der Boden der Provinz eignet fich fehr zum An: 
bau von Baumwolle, Wanioc, Tabak, Reis, Juders 
rohr, die man über den Bedarf gewinnt, Während 
das Land in der trodenen Jahreszeit wie eine 
Wüſte erfcheint, bildet e3 nach dem Regen herrliche 
Triften, die fich mit großen Herden bededen. Auch 

ehlt e3 nit an Waldproduften, Droguen und 

ildbret, an Eiſen, Kupfer, Alaun und Salpeter. 
Doch Aderbau und Viehzucht, bejonderd Pferde: 
und Rindviehzucht, bilden die Haupterwerbäzweige 
der Bevöllerung. Den Südweſten des Landes be: 
wohnen völlig u. e Indianerftämme. Die 
Hauptitadt (jeit 1853) + rezina, oberhalb der 
Mündung des Boty in den Barnabyba, 225 km vom 
Meere, regelmäßig gebaut, bat 6000 E., ein 2y: 
ceum und Handel mit Vieh und Baumwolle, Der 
einzige Hafenplas ift die Stadt Parnahyba (f.d.). 

B ade, ital. Küſtenfluß des Mdriatiichen Meers, 
entipringt in ber Provinz Belluno am Monte:‘Ba: 
ralba (Harnifche Alpen), durchfließt in ſüdweſtlicher 
Nihtung die Thaljtufen von Comelico, Pieve di 
Cadore und Belluno, wendet ſich unweit ‚Seltre nach 
Süden und gelangt, die lehten Ausläufer der Al: 
pen durchbrechend, in die venet. Tiefebene, wo fie 
nad Südoften umbiegt und ſich in zwei Arme teilt, 
von denen der eine ed bei Treviſo mit dem Eile 


Piazza — Picardie 
wrinigt und 22 km oftnorböftlih von Venedig | 


ls Biave vechia mündet, während bie eigentliche 
%,von Roventa an ſchiffbar, im Unterlaufe kana— 
Iiert, nad 213 km langem Laufe 20 km weiter 
win bei Cortellazzo das Meer erreicht. 

Piazza (ital.), Platz, Marktplapd. 

Piazza Armerina, Stadt und Bezirkshaupt: 
ort der ital. Provinz Galtanifjetta auf Sicilien, 
auf einem Höhentamm, 475 m über dem Meere, in 
äußerjt fruchtbarer Gegend, ift regelmäßig gebaut, 
Biſchofsſiß und hat (1881) 19286 E., eine präd): 
tige Kathedrale im Nenaifanceftil von 1517 mit 
ihöner Kuppel, ein ale (jest Gefängnis), ein 
Gymnafium, eine techniſche Schule, ein Seminar, 
ein Theater, mehrere Gemäldefammlungen, Woll: 
manufafturen, Handel mit Getreide, Wein, DL, 
Nüfen und Früchten. P., im ficilian. Dialekt 
Chiazza, wahrſcheinlich das antile Piacus, war zur 
Normannenzeit Hauptort der Lombardenjtädte. 

a San: Martino, Ort im Bal Brem: 

bana, ſ. unter Bergamajca. 

Be (ital.), Heiner Plab. , 

iazzi (Öiufeppe), Ajtronom, geb. zu Ponte im 
Beltlin 16. Juli 1746, trat 1764 zu Mailand in 
den Drden der Theatiner, ftudierte zu Mailand, 
Zurin, Rom, Genua und wurde 1770 Profeſſor 
der Mathematit an der Univerfität zu Malta, 
Rach der Aufhebung derjelben ging er nad) Nom, 
wurde 1773 Xeltor der Bhilojophie und Dlathema: 
tit am Kollegium in Ravenna, darauf 1778 Pre: 
diger in Eremona und endlih 1779 PBrofeflor der 
Togmatil an der Anjtalt Sant':Andrea della Balle 

Rom. Im y 1781 nahm er die Profeſſur der 
Atronomie und höhern Mathematik zu Palermo 
an, wo 1789—91 unter feiner Yeitung eine Sterns 
warte erbaut und er deren erjter Direktor wurde, 
Am 1. her 1801 entdedte er den Planeten Ceres. 
Als Rejultat feiner zehnjährigen —— 
tungen gab er 1808 fein erjtes Sternverzeichnis 
heraus, das, 6784 Sterne enthaltend, alle bis: 
berigen an Ausdehnung und Genauigkeit weit 
übertraf. Sein zweites, 7646 Sterne enthaltendes 
Sternenverzeihnis vollendete er 1814, Der König 
berief ihn 1817 nad Neapel, um den Plan des 
neuen, daſelbſt zu errichtenden Objervatoriums zu 
prüfen, und ernannte ihn zum Generaldirektor der 
Sternwarten zu Neapel und Palermo. Er jtarb 
zu Neapel 22. juli 1826. Unter P.s Werten find 
nächſt dem Sternlatalog, ald dem wichtigiten , die 
«Lezioni elementari di astronomia» (2 Bde., 
Palermo 1817; deutſch, Berl. 1822) zu erwähnen, 

Pic (ipan. Pico, ital. Pizzo, roman, Piz, 
engl. Beat) bezeichnet gleich dem deutſchen Horn 
und dem franz. Dent einen hoben jpiken Berg. 
Befonders häufig findet fich der Name in den Byre: 
näen, wo fich der P. d’Anethou, der P. du Midi de 
Bigorre u. ſ. w. erheben, und in den franz. Alpen 
(BP. de Belledonne u. ſ. w.). Auf Teneriffa (Cana: 
rien) liegt der Pico de Teyde, am St. Gotthard der 
Bijzo centrale, in den Rhatiſchen Alpen der Piz 
Bernina, im Windrivergebirge (Territorium Wyo— 
ming in Rordamerila) der Fremontspeal u. ſ. w. 

Pica (lat.), die Eliter. Mulahagen. 

Bee de Beleta, ſ. unter Gumbre de 

icadores, ſ. unter Stiergefedte, 

Picander, Pſeudonym vonChr. F. Henrici(i.d.). 

Picard (Louis Bensit), franz. Luſtſpieldichter, 
geb. 29. Juli 1769 x Baris, hatte ſchon mit ſei— 
nem erften Zuftipiel «Le badinage dangereux» 


15 


(1789) Grfolg. Seinen litterarifchen Ruf begrün: 
dete er durch feine Komödie «Encore des menech- 
mes» (1791) und die fomiiche Oper «Les Visitan- 
dines» (1792), welche lektere 1825 unter dem Titel 
«Pensionat des jeunes demoiselles» wieder aufge: 
führt wurde. Zu den reifiten Erzeugniſſen feiner 
Feder gehören «Mediocre et rampant, ou le 





moyen de parvenir» (1797) und «Les marion- 
nettes» (1807). Seine Stüde, von benen er viele 
mit andern Schriftitellern, wie Duval, Barre, Waf— 
lard, Mazires u. a., gemeinschaftlich gearbeitet, 
gefielen ihrer friihen und —— Luſtigleit 
wegen nicht nur in Frankreich, ſondern auch in 
Deutſchland, wo Ifland, Theodor Hell u. a. meh: 
rere überſeßten. Im J. 1797 betrat P. felbit die 
Bühne und blieb dem Schaufpielerftande bis 1807 
treu, indem er von 1801 an die Direltion des 
Iheätre Louvois (Später Odéon genannt) über: 
nahm. Nachdem er 1807 Mitglied des Inſtituts 
geworden, übertrug ihm Napoleon die Adminijtra: 
tion der Großen Oper, bie er 1816 an feinen 
Freund und Mitarbeiter Cheron abtrat. Als 1818 
da3 Odeon, das er nad) feinem Rüdtritt von der 
Oper wieder übernonmen hatte, abbrannte, wurde 
ihm das Theäter Favart überlaffen, das er au 
—7— Blüte brachte. Er ſtarb 31. Dez. 1828. 

. fchrieb aud eine Neihe Romane. Cinen Teil 
feiner Werke ftellte er in feinem «Theätre» (6 Bde., 
Bar. 1812) und in den « Oeuvres» (8 Bde., Par, 
1821—22) zufammen, 

Picard (Louis Joſeph Erneft), franz. Staats: 
mann, geb. 24. Dez. 1821 zu Paris, wurde hier 
Advolat und trat 1851 ins polit. Leben mit einer 
Proteftation gegen den Staatsſtreich. Im J. 1858 
vom vierten parıjer Wahlbezirkin den Gejebgebenden 
Körper abgeorbnet, gehörte er zu der republifanis 
ihen Gruppe der « Fünf». In den J. 1863 und 
1869 wiedergewählt, weigerte er fih dem Manifeſt, 
welches die Deputierten der Linken und die Dele— 
gierten der demokratiſchen Preſſe bei Gelegenheit 
de3 Plebifcit von 1870 abgefaßt hatten, beizuge: 
fellen, und ftellte fih nach jenem Austritt aus der 
Linken an die Spike der fonftitutionellen Oppoji: 
tiongpartei, ber j00: «offenen Linlen», im Gegen: 
fa zur «unverföhnlichen Partei» oder ageſchloſſe— 
nen Pinten». Am 4. Sept. wurde er als Finanz: 
minifter Mitglied der Regierung der Nationalver: 
teidigung. Nach den Wahlen vom 8. Febr. 1871 
vertrat er in der Nationalverfammlung das Maas: 
departement. Thiers übertrug ihm 19. Febr. das 
PBortefeuille de3 Innern, das er bis gi völliger 
Unterdrüdung des communaliftiihen Aufitandes 
behielt. Zum franz. Gefandten in Brüjjel er: 
nannt, gab er im Mai 1872 feine Entlaffung 
und lehrte in die Nationalverfammlung zurüd; 
1875 wählte ihn diefe zum Lebenslänglichen Sena: 
tor. Er jtarb zu Paris 14. Mai 1877. 

Picarben oder Brüberdes freien Geiſtes, 
ſchwärmeriſche Eelte, f. Adamiten. 

Picardie, eine der ehemaligen 32 großen Pro: 
vinzen Frankreichs, im nordöftl. Teile desjelben, 
begrenzt von der Champagne, den Niederlanden, 
Jsle⸗deFrance und dem Meere, it gegenwärtig 
unter die Depart, Pas:de:Calais, Somme, Oiſe 
und Aisne verteilt. Sie hat größtenteils ebenen 
Boden und wird von ber Somme, Dife, Candıe, 
Authie, Lys, Aa, Deule und Scarpe durchfloflen, 
trägt Getreide und andere eldfrüchte, etwas Wein 
und hat auch an manchen Stellen Steinkohle. Die 


16 


Hauptftabt war Amiens. Die P. zerfiel im Mittel: 
alter in die Grafſchaften Boulogne (f.d.), Bonthieu, 
Amiens (f. d.) und Vermanbois (f. d.), und in bie 
Landſchaften Santerre (f. d.) und Thierrache, kam 
1435 an Burgund und 1477 an Frantreid. 
Picart (Bernard), — und ee 
geb. 11. Juni 1673 in Paris, war der Sohn des 
unter dem Namen le Romain, d. i, der Römer, in 
denfelben Branchen berühmten Etienne P., der 
21. Olt. 1632 in Bari geboren wurbe und 12.Nov. 
1721 in Amſterdam ftarb. Er ftudierte unter Geb, 
Leclerc Beripeltive und Arditeltur, in der —— 
ſition war van Schuppen en Vorbild. Vorzüglich) 
groß war feine Gewandtbeit in der Nahahmung 
der Manier anderer en und jur Rembrandt, 
Guido Neni u. a. nadhgebildeten Arbeiten täufchten 
oft die gründlichiten Kenner. Ein eifriger Pro: 
tejtant, verließ er 1710, wo er fidh bereitö einen 
großen Ruf als Künftler erworben hatte, Frankreich 
und begab ſich mit jeinem Vater nad) ——— 
wo er reichliche Beſchäftigung durch die dortigen 
Buchhändler erhielt, die fein Talent zur Verzierung 
ihrer Verlagswerte in Unjpruch nahmen. Hierdurd) 
litten jedod) die fleihige Ausführung feiner Arbeiten 
und fein Künftlerberuf ſchon bei feinem Leben der: 
maßen, daß bereit3 damals Kenner nur jeine ältern 
Arbeiten ſchähten. Zu dem Beften, was er lieferte, 
ehören die Vildnifje feines Vaters, des Roger de 
Siles und des Prinzen Eugen; ferner fein Kinder— 
mord und die von Pouſſin und Lefueur nachge⸗ 
ftodhene Darftellung der Zeit, wie fie die Wahrheit 
entönllt, Am befannteften wurbe er aber durch feine 
treftlihen Kupfer zu «Trait& des c&r&monies reli- 
gieuses de toutes les nations» (11 Bde., Amſterd. 
1725—43). Im ganzen find P.s Figuren fauber 
und elegant und Seit mit viel Geijt gezeichnet; 
dem Ausdrud der Köpfe ſchadete er aber oft durch 
u viele Bunlte, und feine Gewänder find zuweilen 
teif. Er jtarb zu Amſterdam 8. Mai 1733, 
iecadilly, eine der Hauptitraßen Londons, 
im wejtl. Teil mit glänzenden Kaufläden, im öjt: 
lichen mit Woh eh neo der Ariftofratie, 4 
Piccinni (Nicolo), berühmter ital, Komponijt 
der fog. Neapolitaniihen Schule, geb. 1728 zu 
Bari, brachte 1754 feine erjte Oper, «Le donne 
dispettose», zu Neapel auf die Bühne, der eine 
ganze Yan ern teils ernften, teils fomifchen 
Genres folgte. Großen Enthufiagmus erregte be: 
fonder3 1760 die für Rom komponierte, in der 
Operngeſchichte Epoche machende «Cecchina ossia 
la buona figliuola», in welcher zum erjten mal 
längere Finales mit Wechjel der Ton: und Be: 
mwegungsarten angebracht find. Durch ſolche Ver: 
ſuche, die komiſche Oper weiter auszubilden, er: 
langte er Bo nfeben und leitete direlt zu Mo: 
zart. Als es dann fpäter darauf ankam, einen ital. 
Komponiften in Paris gegen Glud aufzuftellen, 
fhien P. der geeignete Mann zu ir m De. 
1776 langte er in der franz. Hauptſtadt an. Seine 
erite ng Oper war «Roland», mit deſſen Gin: 
ftubieren bereit der berühmte Streit der Gludiften 
und Piccinniften begann. (S. Glud,) «Roland» 
a den volljtändigften he Im J. 1780 lie: 
erte er «Atys», eine feiner beften franz. Produltio— 
nen. Schon vor Inſcenierung diefer Oper patte 
die Adminiftration der Academie de Muſique 
(Große Oper in Paris) dem Streite der Gluditen 
und PBiccinniften neue Nabrung gegeben, indem fie 
den deutſchen und ben ital, ie mit der Kom— 


Picart — Piccolomini 


pofition ein und desſelben Sujet3, ber «Iphig&nie 
en Tauride», beauftragte. Gluds Oper wurbe 
1779 mit großem Grfolg gegeben; die «Iphigenie» 
P.s, deren Libretti [hon dem von Glud bearbeiteten 
weit nachſtand, wurde 1781 aufgeführt, konnte ſich 
aber neben dem Gluckſchen Meiſterwerk nicht be: 
haupten. Großen Grfolg hatte er 1783 mit der 
Dper «Didon», die man als Meifterwerk aus feiner 
franz. Zeit betrachtet und mit welcher er den ibm 
wiederum al3 Rivalen ent —— Sacchini 
vollſtändig beſiegte. Auch die komiſchen Opern 
«Le dormeur &veill&» und «Le faux lord» (1783) 
gefielen. Nah manderlei Wechſelfällen ging er 
1791 nad) Neapel zurüd, wandte fi 1798 aber: 
mal3 nad) Baris und ftarb 7. Mai 1800. Seine 
———— war erſtaunlich. Reichtum der Er— 

— eine außerordentliche Gewandtheit in den 
muſikaliſchen Formen und ein angemeſſener, wohl— 
berechneter Ausdruck nebſt muſikaliſchem Reiz ſind 
ihm eigentümlich, aber das Schematiſche der Nea— 
politaniſchen Schule hat er nie völlig abzuſtreifen 
vermocht. Val. Julien, «La cour et Popéra sous 
Louis XVI» (Bar. 1878). 

Luigi ®., fein zweiter Sohn, geb. 1766 zu 
Neapel, ein Schüler des Vaters, brachte zuerjt in 
Paris und darauf in Italien verfchiedene Opern 
auf die Bühne. In den J. 1796—1801 war er 
Hoflapellmeiiter in Stodholm. Sodann lebte er 
wieder in Paris, wo er einige Opern ohne Erfolg 
lieferte. Gr ftarb 31. Juli 1827. 

ieeiolo, ſ. unter Gavallo und Denaro, 

iecölo oder Busenet ſ. unter Flöte, 

iceolomini, ein altes Geichleht, das aus 
Rom ftammte, fih dann in Siena niederlieh, fpäter 
als Herzöge von Amalfi belehnt und in den gar ii 
Reichafüritenftand erhoben ward und ſich in mehrere 
Linien jpaltete, von denen die deutſche Linie mit dem 


Fürften Octavio Uneas P. 25. Jan. 1757 ausftarb, 
ao bie up ital. Nebenlinie 1783 erloſch. 
Aneas Sy 


Sylvius P. als Papft zu II.(. d.), 
> den Kindern feiner Schweiter Yaudomia To: 
eöchini feinen Familiennamen, und diefe bildeten 
bie Linien der P d'Aragona, Herzöge von Amalfi, 
ber Herzöge von Montemarciano, Fürſten von 
Valle u. ſ. w. Zu diefen Todeshini: PB. gehörte 
Papſt Pius IIL, nd II. Schwefterfohn , geb. 
1439, geſt. 1503 nad nur 26tägigem Pontifilat. 
Fürft Octavio P., Herzog von Amalfi, in drit⸗ 
ter Generation von Caterina, Schweiter Pius’ II., 
ftammend, geb. 1599, trat in Mailand in ſpan. 
Kriegsdienft und kam mit einem Regiment, das ber 
Großberzoa von Toscana dem Kaiſer Ferdinand II. 
gegen bie Böhmen zu Hilfe fendete, al3 Rittmeifter 
nah Deutichland, In der Schlacht bei Lutzen focht 
er mit größter Auszeihnung und ward mehrfach 
verwundet, Im %. 1634 von Wallenftein zum 
— I er im Lande ob ber Enns ernannt, 
mit bem Auftrag, die falzburg. Päſſe zu befeken, 
um allen etwa aus Italien Derbeieilenben Hilfs⸗ 
völfern den Weg zu verſperren, und mit der Boll: 
macht, jeden dem Herzog nicht ergebenen Oberit ab: 
zuſehen, ward er dennoch das Hauptmwerljeug zum 
Sturz MWallenfteins (f. d.), und erhielt nad) on 
Ermordung mit Gallas zur Belohnung einen Zeil 
der Wallenjteinihen Güter. Nad der Schlacht bei 
Nördlingen, 7. Sept. 1634, wo er neben Gallas 
tommandierte, drang P. dur Württemberg bis 
über den Main. In den folgenden Fahren fämpfte 
er im fpan.:niederländ, Heere gegen die Franzoſen 


Picea — Pichegru 


und Holländer; ber Entfab von Löwen war eine 
befonders glorreihe Waffenthat. Seit 1639 ope: 
rierte er nicht ohne Erfolg gegen Schweden und 
Heſſen in Thüringen und an der Weſer, ward aber 
1642 gegen Zoritenfon in die Niederlage von Leip: 
ig verwidelt. Dann wieder in ſpan. Dieniten, 
Fömpfte er aufs neue glüdlich in den Niederlanden 

egen Franzoſen und Holländer. Als 1648 die 
Einen fiegreid) vordrangen, wurde er vom Slai: 
fer zurüdberufen und zum Feldmarſchall ernannt. 
Im 3. 1649 wurde er als laiſerl. Brinzipalbevoll: 
mächtigter auf den Konvent nad) Nürnberg geien: 
det, welcher die Vollitredung de3 Friedens zum 
3mwed hatte, und 8, Dft. 1650 vom Kaiſer Ferdi: 
nand II. in den erblihen Reichsfürſtenſtand erho: 
ben. Schon vorher hatte der König von Spanien 
das Herzogtum Amalfi ihm wieder in Lehn gegeben. 
Er jtarb linderlos Fi Wien 10. Aug. 1656. Ceine 
Güter, darunter Nahod in Böhmen, erbten die 
Nachlommen feines Bruders. 

B.3 Sohn Mar in Scillerd Tragödie «Wallen: 
ftein» wurde früher für eine poetiſche Filtion ge: 
—— Derſelbe iſt jedoch eine hiſtor. Perſonlich— 
eit und hieß Joſeph, Silvio War P. war zwar 
nicht der leibliche Sohn Octavio B.3, fondern der 
Sohn feines ältern Bruders, des kaiſerl. Oberften 
tineas Silvio P., wurde aber nad dem früh: 
zeitigen Tode feines Vaters von feinem Obeim 
Dctavio adoptiert und zum Erben eingefegt und 
fiel als Oberſt eines kaiferl. Hürajfierregiments 
24. Febr. (6. März) 1645 in der Schladt bei Jan: 
lau (oder Janlowik im böhm. Kreis Budweis) 
gegen die Schweden unter Torftenfon. Vgl. U. von 

eyhe⸗Eimle, «Die hiſtor. Perfönlicheit des Mar 
PB. Eine giant e Quellenftudie aus dem Schloß⸗ 
ardjiv zu Nadod» (Biljen 1870); derfelbe, «Dctavio 

Quellenftubie u. f. w.» (Bilfen 1871); H. U. 
Richter, «Die P.» (Berl. 1874). __ 

Piosa, Nadelholzgattung, |. Fichte. 

icenter, f. unter Bicenum. . j 

icenum, eine Landihaft des alten Mittel: 
italien, der jüdöftlichfte Teil des frühern Kirchen: 
itaat3 und der nordöjtlichite des vormaligen Ktönig: 
reih3 Neapel, zwilhen dem Apennin und dem 
Adriatifchen Dieere gele en, an welches ed von der 
Vündung des Sluffes ſis (jet Ejino) bis nad) 
Hatria reichte, gegen N. und W. durch Umbrien, ge: 
gen W. und S. wo das Land den Namen des Gebiets 
der Prätutier führte, dur) Sabiner und Beftiner be: 
grenzt, Umbrer bewohnten e3 inältefter Zeit. Dieje 
wurden von den Sabinern überwunden, deren Schar 
der Sage ve der dem Mars geheiligte Specht 
(picus) voranflog, von dem der Name des Landes, 

., und bes Bolts, Picenter, abgeleitet wird. 
Nur fpät erft hatten mit den Samniten und darauf 
mit Pyrrhus auch die Picenter gegen Rom gelämpit. 

m 3.268 v. Chr. wurden fie Durch den rom. Kon⸗ 

ul Publius Senpronius überwunden und traten 
in das Verhältnis der (abhängigen) Bundesge— 
nojlen, Gin großer Teil von ihnen wurde aber in 
das ſudlichſte Kampanien an den Salernitanijchen 
Meerbufen verpflanzt, wo die Stadt Picentia der 
Hauptort diefer Picenter war. In der Hauptitadt 
der eigentlichen Bicenter, Asculum, fam im J. 91 
v. Chr. durch Die —— des röm. Praͤtors 
mit protonſulariſcher Gewalt Gajus Servilius 
und ſeines Gefolgs der Bundesgenoſſenkrieg zum 
Ausbruch. P. bildete die fünfte Region Italiens 
ſeit Auguſtus. 

Converſatious· Lexiton. 13, Aufl, XII. 


17 


Pichegrn (Charles), General ber franz. Res 
publik, geb, 16. Febr. 1761 zu Arbois (Depart, 
pura) wurde Lehrer der Mathematil an dem kleri⸗ 
alen College in Brienne, wo er aud an der Mili: 
tärjchule Unterricht gab und einer der Lehrer des 
jungen Napoleon war. Sim J. 1783 trat P. in ein 
Artillerieregiment, in welchen erin Amerila lämpfte. 
Beim Ausbrudy der Revolution noch Unteroffizier, 
übernahm er die Leitung des demofratifchen Klubs 
u Beſançon. Im J. 1792 führte P. ein Bataillon 
tationalgarde der pet zu und ftieg 1798 
zum Divifionsgeneral auf. Unter Hode Mi er 
im Dez. 1793 Landau entiehen. Er erbielt nad 
Hoches Entfernung im Febr. 1794 den Oberbefehl 
über die Nordarmee, fiegte im April bei Montcajtel 
und Menin, im Mat bei Gourtray, im Juni bei 
Rouffelaer und nahm Brügge und Gent. Anfang 
September rüdte er gegen die Engländer vor und 
drängte diefe über die Maas und jpäter bis nad) 
Nimmwegen zurüd, das 8. Nov. in feine Gewalt fiel. 
Am 28. Dez. ſchaffte er feine Artillerie über die ge: 
rorene Mans und entriß den Holländern die Inſel 
ommel und zugleih Breda und Grave. Nachdem 
aud) die Waal zugefroren, wagte P. feit 8. Jan. 
1795 auf verfchiedenen Punkten den Übergang und 
nahm die holländ, Seftungen aft ohne Miderlland, 
19. Jan. Amfterdam, Mit diefem Yeldzuge war 
die ruhmvolle Laufbahn P.3 geſchloſſen. Er erhielt 
zwar den Oberbefehl fiber die Rhein: und Mojel: 
arımee, kehrte jedoch bald nad) Paris zurüd und 
unterdrüdte 2. April 1795 den Aufitand der Jako: 
biner, ließ fi aber, nachdem er zur Rheinarmee 
zurüdgelebrt, in Unterhandlungen mit dem Prins 
zen Conde durch Fauce:Borel ein. Voch lam es 
I feinem Ginverftändbnis, doch führte P. den Krieg 
o lau, daß das Direktorium, welches aud) Kennts 
nis von feiner Korreſpondenz mit Conde erhalten 
geile, ihm zu Anfang 1796 das Kommando nahm. 
. 309 fih auf fein Gut Bellevaur bei Arbois 
urüd und trat im März 1797 als Abgeordneter in 
n Rat der yünfhundert, wo er den Vorſitz über: 
nabm und fi zum Mittelpuntte der Pläne machte, 
welche eine Revolution zu Gunften der Bourbons 
bejwedten. Das Direktorium kam indes 18, Fruc⸗ 
tidor den Berihwörern zuvor. P. wurde verhaftet, 
mit vielen feiner Genoflen zur Deportation ver: 
urteilt und nad Cayenne —* von wo er Juni 
1798 nach Paramaribo und von dort nach England 
entlam und nun offen die Sache der Bourbons er: 
griff. P. begab ſich zum Heere Korſakows, lehrte 
jedoch nad) deffen Niederlage bei Zürich nah Eng: 
land zurüd und verband ſich dort 1803 mit George 
Cadoudal (f. d.) und andern Franzofen zur Ermor: 
dung des Erſten Konfuls. Er tam nad) Paris, wo 
er im an, 1804 auch Moreau, aber wohl ver: 
gebens, Anträge machte. Bald geriet die Polizei 
den Verfhwörern auf die Spur, und P. ſah ſich 
genötigt, in dem Haufe eines Freundes, des Kauf: 
manns Leblanc, Zuflucht zu ſuchen, der ihn aber 
für 300000 Fr3. verriet. In der Naht vom 
28. Febr. wurde er verhaftet und in den Temple 
eſeht. Noch ehe das Urteil geinrochen, fand man 
g am Morgen des 6. April 1804 erdrofielt auf 
feinem Bett im Gefängnis liegen; wahrſcheinlich 
liegt Selbſtmord vor. Nach dem 18. Fructidor 
veröffentlichte das Direktorium die Papiere, fowie 
den fpätern Briefwechſel P.s mit Conde. Val. 
Montgaillard, « M&ömoire concernant la trahison 
de P. dans les années III, IV et V» (Bar. 1804); 


18 


Pierret, «Pichegru» (Bar. 1326); Treilhe, «La 
vcrite devoilde par le temps» ee 1814). 

Pichincha, Vulkan in der füdamerit. Republit 
Ecuador, auf der Weſtkette der Eordillere von Quito, 
im WRW. von Quito, hat fünf Gipfel, deren höd): 
fter 4787 m erreicht. , j 

Die nach diefem Berge benannte Provin Be 
chi ncha von Ecuador, auf dem Plateau von Duito 
und dem Wet: und Ditabhang der dasſelbe be: 
grenzenben Gorbillerentetten, zählt auf 23402 qkm 
————— Schriftſteller, geb. 4. Sept 

ichler of), riftiteller, geb. 4. Sept. 
rg u ee ftudierte in Innsbruck 
un 
einer von ihm gegründeten litterarifhen Gefell: 
{haft gingen die « u. aus Tirol» unsbr. 
1846) hervor. A auptmann einer üben: 
tompagnie beitand er 1848 mehrere Gefechte an 
der ital. Grenze und erhielt dafür den Orden ber 
Eifernen Krone, infolge deſſen ihm fpäter geftattet 
ward, das Präbdifat «von Rautenkar» zu führen. 
Im Herbit 1848 wurde er Lehrer am Gymnaſium 
und 1867 Brofeffor für Mineralogie und Geo: 
- logie an der Univerfität Innäbrud. P. veröffent: 
lihte «Gedichte» nabr. 1853), «Hymnen» 
(Innsbr. 1855; 2. Aufl. 1857), In Liebe und 
(bera 1860), «artfieie Grählenbe Dichtinge 
era 1869), « me. ichtung» 
(Gera 1874); ferner «fiber dad Drama des Mittel: 
alters in Tirol» (Innsbr. 1850), «Aus den Tiroler: 
bergen» (Münd. 1862), «Allerlei Geſchichten aus 
Tirol» (Jena 1867) u. ' w. 

Pichler (oh. Ant.), der berühmtefte Gtein- 
fchneider des 18. Jahrh., geb. 12. April 1697 zu 
Briren in Tirol, ging al3 Graveur nad Neapel, 
wo er fih auf das Gravieren in Stein beſchränkte 
Seit 1750 lebte er in Nom, wo er 14. Sept. 1779 
ftarb. Mehrere feiner Arbeiten reihen ſich den 
ihönften Muftern aus dem Altertum an, 

——— von P., Sohn des vorigen, geb. zu 
Neapel 1. Jan. 1734, bildete ſich unter Leitung des 
Vaters durch das Studium der Antike. en II. 
ernannte ihn zu feinem Hofgraveur und erhob ihn 
in den Adelsſtand. Er jtarb zu Rom 25. Jan. 1791, 
und feine Buſte wurde im Pantheon aufgeftellt, 
Nächſt der Kunſt des Steinfchneidens zeichnete ih 
P. als Paftellmaler aus. Aud die von ihm ge: 
arbeitete Sammlung von Kupferjtihen nah ben 
beiten Gemälden Rafael im Vatilan und feine 
Auswahl geſchnittener Steine und Kameen erwar: 
ben ihm Beifall. Zwei feiner Stiefbrüder, Johann 
Joſeph B. (geb. um 1760, Zodesjahr unbekannt) 
und Ludwig (Luigi) P. (geb. 1773, geit. 1854), 
von denen ber eritere in Wien, der andere in 
Nom fi niederließ, machten fi ebenfalls als 
Steinſchneider befannt. Vgl. Rollet, «Die, drei 
Vieifter der Gemmoglyptik, Antonio, Giovanni und 
Luigi Br (Wien 1874). 

ichler (ob. Beter), wurde 1765 zu Bozen ne 
boren und bildete fid hier en den Unterricht des 
Malers Joh. Ant, Cufiet zum Zeichner aus. Hier: 
auf befudhte er die Akademie der bildenden Künfte 
zu Wien. Epäter widmete er fi der Kupferſtech— 
funft und bald ausſchließend der bkunſt. Nach 
Jalobes, feines Schwiegervaterd, Tode verfah er 
deſſen Stelle ald Profeſſor der Schabtunft, ftarb 
aber jhon 18. März 1807 zu Wien. Er bat eine 
große Anzahl Blätter geſtochen, die in guten Ab: 
drüden in hohem Preiſe ſtehen. 


ien Raturwijienfhaften und Medizin, Aus | über die 


Pichincha — Pico 


un (Karoline), Romanfdriftitellerin, geb. 
in ien 7. Sept.-1769 als die Tochter be3 Geh. 
teferendars Franz von Greiner, vermählte ſich 
1796 mit dem nadhmaligen Regierungsrat Andr. 
Pichler. Ihr erſtes bedeutenderes Werl war «Gleich: 
niſſe⸗ (Wien 1800). Dieſem folgten: der Roman 
« Olivier», der zuerst anonym im « Öfterr. Tafchen: 
falender» aufs J. 1802 erſchien (neue Aufl., 2 Bde., 
Wien 1812), «Idyllen · (Wien 1803), meift Jugend: 
arbeiten, der Roman «Penore» (2 Bde., Wien 1804) 
und «Ruth, ein biblifhes Gemälde in drei Idyllen⸗ 
(Wien 1805). Gibbons fchneidende Urteile in ſei⸗ 
ner «Gefhichte des Verfalls des Nömiichen Reiche» 
ie chriſtl. Religion ges ihr Beranlaffung 
zu dem vorzüglichften ihrer Werte, dem «Agathotles» 
(3 Bde., Wien 1808), worin fie den wohlt ätigen 
Cinfluß des Chriftentums auf die Veredlung 
Menſchheit barzujtellen veriuchte. Ihre folgenden 
Nomane behandeln hiftor. Stoffe, wie «Die Grafen 
von Hohenberg» (2 Bde., Lpz. 1811), «Die Be: 
logerung Wiens von 1683» (3 Bde., Wien 1824), 
«die Schweden in Prag» (Wien 1827), «Die Wie: 
bereroberung von Dfen» (2 Bde., Wien 1829), 
Henriette von England» (Wien 1832) und «5ried: 
rich der Streitbare» (4 Bde. Wien 1831), in Denen 
das biftor. Material mit vielem Gefchid verarbeitet 
it, während diefelben in der Ausführung zu breit 
und nit frei von Flachheit find. Ri legte 
ift waren « Zeitbilder » (2 Bde., Wien 1840), 
Die Ausgabe ihrer «Gämtlihen Werte» (Wien 
1820—45) umfaßt 60 Bände; eine Ergänzung der: 
ſelben bilden die erft nad ihrem Tode erjchienenen 
« Dentwürbdigfeiten aus meinem Leben» (4 Boe., 
Wien 1814). Sie ftarb in Wien 9. Juli 1843, 
icholimes find eingemadhte Dliven. 
ichurimtalgfäure, f. Zaurinfäure. 
ideibeben (Pidrofinen), f. u. Rofinen. 
Bide (Muhlpicke), f. unter Meblfabrila: 
tion, Bb.XI, ©. 581*. 
idtelbeere, foviel wie Heibelbeere. 
idelflöte, foviel wie Piccolo. , 
idelhaube, Sturmbaube(fr;. casque), hieß 
im jpätern Mittelalter der offene, nicht mit herab: 
zulafjendem Bifir verſehene Helm (f. d.). Die P. 
erhielt fi als Kopfbevedung der Pileniere bis zu 
deren gaͤnzlichem Gingehen, ebenfo trugen bie Arte: 
bufiere die P, die Mustetiere dagegen leichtern 
Hut. Die im Feuer arbeitenden Sappeure trugen bis 
in bie neuere Zeit häufig eine P. Der feit 1840 in 
—5** eingeführte Helm hat weſentlich die Form 
der P. und wird auch im Volklsmunde fo genannt. 
Vickelheriug, foviel wie Hanswurſt. 
Pickles (engl.), in Gifig und Salz eingemadhte, 
ftarl gewürjte Pflanzenteile, j. Mixed pickles. 
idling, foviel wie Bölling. j 
icknick (engl.), ein Mahl, zu dem jeder Teilneh— 
mer einen Beitrag an Nahrungsmitteln mitbringt. 
———— (eng), Zafchendieb, Beutelſchneider. 
ieo (jpan.), }. Bic. 
Vico, eine der Azoren (f.d.). ’ 
Pico (Giovanni, Graf von Miranbola), ital. 
Humanift und Philoſoph, geb. 24. Febr. 1463 auf 
dem Stammgute der Grafen von Mirandola, tu: 
dierte zu Bologna das kanoniſche Recht, darauf 
Philoſophie in Padua und Kari und lebte dann 
in Florenz im Umgange mit Angelo Boliziano und 
Marfiglio Ficino. Von da ging er nad) Nom, wo 
er 1486 feine 900 Thejen aus allen Wiſſenſchaften 
berausgab, über welche er fi) anerbot, öffentlid) zu 


Pico de Teyde — Bictet 


bizputieren. Ein gegen ibn eingeleitetes Inqui— 
fitionaverfahren wurde danf den Bemühungen Lo— 
renzos de Medici niedergeihlagen. P. 309 ſich auf 
ein Zandgut bei Florenz zurüd, beſchäftigte ſich mit 
dem Studium des Blato, Artjtoteles und ber Hab: 
bala und itarb am 17. Nov. 1494. P.s Bemühun: 
gen waren auf eine Verſchmel ber Blatonijchen 
nit der Ariſtoteliſchen Philoſophie und auf eine 
Berſöhnung ber Philoſophie mit der Religion unter 
Hinzuziehung labbaliſtiſcher ehren gerichtet. Seine 
«Opera» erichienen zu Venebig (1498) und — 
mit denen feines Neffen zufammen in Baſel (2Bde., 
1572). Vgl. Dreydorfl, «Das Eyitem des Joh. 
V. von Rirandola» (Marb. 1858); Calori, «Gio- 
vanni P. della Mirandola detto la fenice degli 
ingegni» (2, Aufl., Bologna 1872), 
Giovanni Francesco P., Neffe bes vorigen, 
Graf von Mirandoln und Concordia, geb. 1469, 
einen feiner Neffen 1533 ermorbet, ſchrieb 
das Leben jeine3 Dheims , eine Biographie Savo: 
und mehrere myftiiche Schriften. bie ſich in 


der erwähnten bafeler Ausgabe geſammelt finden. 
Teyde, Bultan, f. unter Teneriffa. 

t (Georges Marie Hene), franz. Geichicht: 
ſchreibet, geb. 24. Dez. 1838 zu Paris, Itudierte die 


Rechte, bereite England und mar 1877—80 im 
Juftizminiſterium als Direktor der Kriminalfadhen 
angeitellt. Gr begründete und leitete ein Blatt, 
«Le Parlement», das Organ de3 linlen Gentrums, 
und verfaßte «Notes sur I’ isation des tri- 


bunaux de police à Londres» (1862), «Recherches | fi 


sur la mise en libert& sous caution» (1863), «Loi 
sur les ts delits» (1863), «Observations sur 
le projet de loi relatif & la mise en libert& provi- 
soire» (1865), « Les fortifications de Paris, Vau- 
ban et le gouvernement parlementaire» (1870), 
« Les @lections des E generaux dans les pro- 
vinces de 1302 à 1614» (1874). Sein Ha 

iit «Histoire des Fitats generaux et leur influence 
sur le gouvernement de la France de 1355 4 1614» 
(4 Bde., 1872), eine Schrift, die - Jahre nad): 
einander von ber Franzöfiichen Alademie mit dem 
großen Gobertichen Preis gefrönt wurbe. 

Picotage und Guvelage bezeichnet den wafler: 
dihten Ausbau in Schadten unter Anwendung 
von Holz; und Gijen, wie jolder am ausgebehn: 
t in Belgien und im nördl. Frankreich beim 
Durchteufen wafjerreicher Kreideſchichten entwidelt 
und von dort nach Deutihland beim Grubenbau 
(.d.) in lodern und ſchwimmenden (b. h. lojen, 
mit Waſſer durhbrängten) Majlen übertragen ift. 
Die Zimmerung bierbei ift die ganze Schrotzimme: 
rung und bejteht aus verfeilten Kränzen (trousses 
picotees, sieges) am Fuße jeder Abteilung, welche 
waſſerdicht an das Geſtein ſchließen, und Euvelage: 
lrãnze (Aufiastränze) heißen; hierzu treten auch 
nr noch Traaefränze (plates trousses, trousses 
colleet&es), welche nur feit gegen das Gebirge ver: 
feilt find und die trousses picotees tragen. Das 
Picotieren (Legen des Picotagelranzes) geſchieht 
durch Spitzleile (picots). Statt Holz werden auch 
eiferne Euvelagetränze angewendet, und man pflegt 
den waſſerdichten Ausbau auch Cuvelage, Cuve: 
lierung zu nennen. 

Picpuß, franz. Kongreg 
de3 kath. Glaubens, eigentlich Ge 
ligiten Jeſu und Mariä, gewöhnlich nac 
ihrem Gentralhau3 in der Bicpuäitrafe in Paris 
genannt, geftiftet von Peter Coubrin (geft. 1837), 


fi Verbreitu 
Gefelichft Der hei 


19 


beftätigt 1817 von Papſt Pius VII., widmet ſich 
jept der Heidenmilfion, befonders in Polynefien, 
Pict., bei naturwillenihaftlihen Namen Ab: 
fürzung für Pictet (Frangois Jules). 
teten (lat. Picti, «die Gemalten», d. h. Tät: 
towierten) wurden mit bem 4. Jahrh. n. Chr. die 
felt, Bewohner gäliſchen Stammes de3 nörblichen, 
den Nömern nicht unterworfenen (Schottland) Ca: 
ledonien genannt, die ih in Verbindung mit den 
in diefem Jahrhundert aus —— in das fübmeitl. 
Caledonien eingewanderten Scoten durch ihre Ein: 
fülle in das röm, Britannien furdtbar machten 
und —— die Römer das Land aufgegeben, die 
Herbeir ng der Sachſen durch romanifierte Bri: 
ten (die kelt. Bewohner Englands) veranlaßten. 
Die P. zerfielen in zwei Abteilungen, Dicale: 


bonen und VBecturionen, die ſüdlichen und die 
nördlichen, die durch das Grampiangebirge geidhie: 
den waren. Die füblihen P. erhielten bereits im 


Anfang de3 5. Jahrh. durch Saint:Ninian und 
deſſen Schüler, die nörblichen durch den berühmten 
Columban (geb. 597) das Chriftentum. Der erfte 
Se. König der P. war Brubde (geft. 586). Unter 

ectan, ber 710 den Thron beitieg und ein Freund 
der Wiſſenſchaften war, erfuhren die firhlicdhen 
Berhältnifje wichtige Umgeitaltungen. Den Höhe: 
punkt ihrer Macht erreichten die P. unter der Re: 
gierung des Hungus, bes Sohnes des Urguft (730 
— 760), der umunterbro mit den Scoten, Bri⸗ 
ten und Angelſachſen zu kämpfen hatte, aber meilt 


egreich war; 839 aber brach die Macht der B. vor 
ben Scoten — J. 843 fam ber Thron 
an Kennet (Sohn des Alpin), den König der Sco: 


ten, unter bejien Nachfolgern ſcotiſchen Stammes 
allmählid der Name P. fi in den der Scoten 
(Schotten) verlor. Die Refidenz der Pirtenkönige 
war Forteviot in Stratherne. 
U, ſ. Sadrianswall. 
etet (Markus Auguft), Raturforſcher, geb. zu 
Genf 23. Juli 1752, einer alten und vornehmen 
zur angebörend, war Schüler, Freund und 
eijebegleiter de3 berühmten ure, bem er 
aud) 1786 ala Brofefior und —— als Bräfident 
der Afademie zu Genf nadıfo ie: Sm J. 1798 
unterhandelte er wegen des Anſchluſſes von Genf 
an Frankreich und wurbe dann Mitglied des Rats 
der Fünfzehn. Im J. 1802 trat er in das Zribu: 
nat, wurde 1807 von Napoleon zu einem, ber 
15 Generalinfpeftoren de3 öffentlidien Unterrichts 
erhoben und ftarb zu Genf 18. April 1835. P. 
hat Viele? und Wichtiges im Gebiete ber Phyſit, 
zumal der Alpen, der Mathematit und Ölonomie 
geleitet und iſt Begründer der feit 1816 als «Biblio- 
thöque universelle» beitehenden Zeitihrift, die er 
jeit 1796 in Verbindung mit feinem Bruder unter 
dem Titel «Bibliothöque britannique» herausgab. 
P. de Rochemont (Charles), bekannt als Agro: 
nom und Diplomat, des vorigen Bruder, wurde 
21. Sept. 1755 zu Genf geboren, trat in ein franz. 
Schweizerregiment, kehrte aber 1785 zurück und 
heiratete eine vornehnie Genferin, deren Ramen 
Rochemont er fortan führte. Seit 1789 bekleidete 
P. mehrere öffentlihe Simter, war 1813 Abgeord: 
neter von Genf bei ben verbündeten Monarden 
und wohnte in diejer Eigenihaft aud 1814 dem 
Kongreß zu Wien bei. Später, wirkte er als Be: 


nad | vollmäcdtigter von Genf in Baris und Turin, half 


hierauf als Staat3rat die Organifation bes Kan— 
tons vollenden und zog fi dann auf fein Gut 
2* 


20 Pictou — Piemont 


Laney zurüd, wo er mit Fellenberg für bie Errich⸗ 
tung von Armenfchulen und andern gemeinnüßigen 
Anitalten thätig war. Er ftarb 29. Dez. 1824. 
Bon feinen S ** ift zu nennen: «La Suisse 
dans l’intöröt de l’Europe» (deutih, Tüb. 1821). 

rancois Jules P. de la Rive, derjelben Fa: 
milie angehörend, geb. 27. Sept. 1809, geit. 15. Vai 
1872, erwarb fi ala Profeſſor der Zoologie und 
Anatomie in feiner Baterftadt Genf durch eine Reihe 
geſchãtzter 81* und paläontolog. Arbeiten einen 
geadhteten Namen. Seine Hauptwerte find: « 
toire naturelle des insectes N&vropteres» (2 Bde., 
Genf 1841—43), «Traite el&mentaire de Paléon- 
tologie» (4 Bde., Genf 1844—46; 2. Aufl., Par. 
1853—55, mit Atlas), «Description des mol- 
Jusques fossiles dans les environs de Genöve» 
2er, Genf 1849—51), «Les poissons fossiles 

u Libanon» (Genf 1850), «Me& 
lo — en 1863) u. |. w. i 
olphe P., ein Better des vorigen, geb. 11. 

Eept. 1799 zu Genf, geit. 20. 20 1875 dajelbit, 
machte fid) beſonders durch feine Arbeiten auf dem 
Gebiete der vergleihenben — ver⸗ 
dient. Die wichtigften berfelben find: «De l’affinit& 
des langues celtiques avec leSanscrit» (Par. 1837) 
und «Les origines indo-europ6ennes ou les Aryas 
primitifs» 3. 1 und 2, * 1859—63). 

Raoul P., geb. 1842, hat je —A u 
den Nacdweis bekannt gemacht, daß Waflerftoff, 
Etidjtoff und Sauerftoff unter Anwendung großer 
Kältegrade und ftarten Druds flüffig und feit ge: 
macht werden können. Ahnliche Reiultate erhielt 
um biefelbe Zeit (Ende 1877) Eailletat in Paris, 
aber auf techniſch verſchiedenem —* 

Pictou, Ortſchaft auf Neuſchottland (ſ. d.). 

at.), der Specht 


Bi Faunus (f. d.) ähnlicher 
eus, ein dem Faunus (f. d. nli 
alle und röm. Gott, ein Schukgott der 
Saaten und der Heinen Kinder. Der Gott jcheint 
aus dem picus Martius, dem Specht des Mars, zu 
einer felbjtänbigen —— Berfönlichkeit ſich ent⸗ 
widelt zu haben, neben die dann noch in Sage und 
Kultus Pilumnus trat, während P. felbit auch 
icumnus genannt wurbe. Pilumnus, defien 
ame mit pilum, Speer, Mörferleule, verwandt 
it, wurde von ben Bädern aus der Zeit her ver: 
ehrt, wo das Getreide zu Mehl zerftampft wurde, 
und galt daneben noch als Sterculinus für den Er: 
finder und Beſchützer des Düngens. jr der Sage 
bieß * König der Laurenter, Sohn des Saturn 
und Vater des Faunus. Auch — man, Circe 
habe ihn verführen wollen, und als er ſeiner Gattin 
Pomona ober Canens, der Nymphe des Geſangs, 
treu blieb, ihn in einen Specht verwandelt. 
a 2 von ser Im. 
pan.), Suß;altes fpan. Längenmaß=0,28m. 
&0 6; P. de resis- 


ges pal&onto- 


e je ’ emach; 
tance, ein derbes, ſättigendes Stück Fleiſch; in fi 


übertragener Bedeutung die B —— ür etwas, 
das geeignet ift, io Widerjtand zu eiſten, aus⸗ 
zumachen, namentlich für einen bombaſtiſchen Leit: 
artitel; P.à tiroix, Schubladenſtüd (f. d.). 
Pieccette (ſrz.), Diminutiv für pidce; dann De: 
jeihnung F den ſpan. Goldpiaiter 
a 


ſter. 
(fr3.) n Fußgeftell, beißt der — D 


iede 
uf äulen, Statuen, Bafen u. f. w. 
ftehen. Es beitcht aus einem kurzen, vierfeitigen 


oder aud runden Pfeiler mit Fuß: und Oberges 


ſimſe, welches beliebig deforiert werden kann, 


Picdimonte H’Alife, Stadt und —— 
ort in der ital. Provinz Caſerta, am Südweltab: 
bang des Mateſegebirges, bat (1881) 6471 (ala Ge: 
meinde 7252) G,, groburlige Baummwollipinnereien 
und Fabritation von Baummoll: und Leinenwaren. 

Piedra Blanca, Stadt in der argentinischen 
Provinz Catamarca, bat 3434 E., —9* und Ge⸗ 
treidebau, Feigen⸗, Wein: und Branntweinhandel. 

Piekar (Deutſch-Piekar), Pfarrdorf und 
Rittergut im preuß. Regierungsbezirt Oppeln, 
Kreis Beuthen in Oberfchlefien, unweit der Bri: 
niga und der rufl.:poln. Örenze, zählt (1880) 3000 
meiſt fath. E. — Zur Gemeinde B. (mit 7763 E.) 
*— Schalmey, Station der Linie Tarnowip: 

hoppinik der Preußiſchen Staatsbahnen, mit 
Galmeigrube, ferner die Galmeigruben Neue Hes 
lene, Gäcilie und Wilhelmine. 

Piemont, franz. Pi&mont, engl. Piedmont, ital. 
Piemonte, lat. Pedimontium (d. b. am Fuß der 
Berge liegendes Land), der Hauptbeitandteil des 
frühern Königreich8 Sardinien, umfaßte das eigents 
liche Fürftentum P. mit Turin, Carignano, Sas 
vigliano, Coni, Mondovi und die Landſchaft Pig: 
nerolo oder die Piemontejifhen Thäler, aud 
ſchlechtweg «die Thäler» genannt, die Marguifate 
Saluzzo und Sufa, die ( rafichaft Nizza und das 
—— Oneglia, die Grafſchaften Aſti und 

anaveſe (Jorea), das *— Aoſta und die 
Herrſchaft Vercelli. Dazu kamen 1708 das 2750 
qkm große Herzogtum Monferrat (f. d.) mit Caſale 
und Acqui, fowie durch die Verträge von Turin 
1703, Wien 1735 und Worms 1743 folgende an 
den fardin. Staat gefallenen Anteile des Herzogs 
tums Mailand (aufammen 8250 qkm): die Borro: 
meiſchen Anfeln im Sage: Maggiore, die Landichaft 
Val di Sefia (Borgo), Ober: Novareje oder —* 
(daft Ungbiera (Domo d'Oſſola), Unter:Novareje 
(Novara), I ———— (Bigevano), Pomellina, 
Alefiandria und Valenza, Tortoneie —— die 
Gebiete von Novi und Bobbio, ſowie ein Teil von 
Paveſe (Voghera). Aus dieſem Länderlompler, 
der im weitern Sinne P. genannt ward, wurden 
während der franz. Herrſchaft (1805—14), mit 
Ausnahme von Novara, Vigevano und andern 
ehemals mailänd, Gebieten, die zufammen als De: 
partement Agogna zur ital. Nepublit, dann zum 
Napoleoniichen Königreich yo geſchlagen wur: 
den, die ſechs mit Frankreich vereinigten Departes 
ments gebildet: Po (Turin), Dora (Chivafo), 
Sefia (Vercelli), Marengo (Alefjandria), Stura 
(Eoni), Wontenotte (Savona) und Seealpen (Nizza). 
Nah Wiederheritellung der ſardin. Dynaftie lehr: 
ten 1814 auc die alten Namen wieder zurüd und 
verblieben als Einteilung für die Berwaltung big 
1819, wo die Brovinzen Turin, Coni, Alefjandria, 
Novara , Aoſta und Nizza gebildet wurden. Seit: 
dem bat fich die Einteilung des Landes in « Divis 
ionen» wiederholentlih geändert, Im jehigen 
Königreich Italien umfaßt dad Compartimento 
P. die Provinzen Turin, Aleffandria, Novara, 
Coni (Cuneo), welde, in ganz anderer Begrenzung 
und Gebietägröße als früber, 1882 auf 29349 qkm 
3099557 6. jüblten. Das Land ift im N. von der 
Schweiz (Wallis), im W. von Franlreid (Savoyen, 
aupbind, Provence), im S. vom franz. Nizza und 
von Ligurien (Porto: Maurizio und Genua), im D. 
von der Lombardei begrenzt. Auf der Nord: und 
Meitfeite iſt es von den höchſten Alpen eingeſchloſſen 
und zum Teil mit Gebirgen bededt, Gegen Wallis 


A 00 


Piemontit — Vierer 


bilden die Grenze die Penniniſchen Alpen, gegen 
Frantreich die Grajiſchen und die Cottiſchen Alpen, 
gegen das Compartimento Ligurien die Seealpen. 

er Hauptfluß iſt der Bo, der alle andern Fluſſe 
des Landes aufnimmt. In der Mitte des Landes, 
die er durchfließt, und wo niedrige Berge, Hügel, 

Thäler und Ebenen wedjeln, find die fruchtbariten 
und jhöniten Striche, in weldhen der Ader:, Wein-, 
Öl: und Obſtbau blühen und Getreide aller Art, 
Hülfenfrühte, Mais, Neis, Hanf, Kaſtanien, Obſt, 
edle Früchte, Dliven, Trüffeln und Wein gedeihen. 
Der Seidenbau wird in feinem andern Lande jo 
ſtark und fo gut betrieben als in P.; Silber, Blei, 
Kupfer, Eiſen, Steintoblen, Salz und Mineral: 

uellen finden ſich reihlih. Die Einwohner find 

eikig und erwerbfam und befennen ia zur fath. 

Kirche bis auf 2400 Waldenfer in 13 Gemeinden, 
welche raube Thäler an dem Fuße ber Alpen (Lu: 
ferna, Peroſa, Terra mebiate, Fuori delle Valle 
und San:Martino) bewohnen. Außer mit Aderbau, 
Vie hzucht und Seidenbau beihäftigen fi die Ein— 
wohner aud mit Fabriten und Danufalturen, be: 
fonders in Seide, Leinwand und Wolle. 

emontit (Vianganepidot), f. u. Epibot. 
ienne3 (Herzog von), Sohn von Louis Marie 

Alerandre, Herzog von Aumont (f. d.). 

Piöno (ital.), voll, ftart (vom Ton). 

ienza, Stadt in der ital. Provinz Siena, Be: 
zirt Montepulciano, 14 km weſtlich von Monte— 

pulciano, mit (1881) 1447 (Gemeinde 3255) E., 
828 angelegt unter bem Namen Gorfinianorum 
(Corfianano), fpäter au Caſtello Piccolomini ge: 
nannt, gehörte zum Gebiet von Siena, iſt Geburts: 
ort deö Papſtes Pius II. (Sinead Sylvius Piccolo: 
mini), der dem Drt 1462 Stadtrecht verlieh, Pienza 
(« Biusitabt») nannte, zum Bifchofafig erhob und 
dafelbft nad den Entwürfen des Florentiners 

arbo bi Yorenzo im Renaijlanceftil den Dom, 

den bifhöfl. Palaſt, den Palazzo pubblico und den 

tätigen Palazzo Piccolomini (mit großartiger 

—8* einem ſchönen quadratiſchen Hof und an 

der Rüdjeite mit dreigeſchoſſigen Loggien) erbauen 

ließ. Der Domſchatz it ein wahres Mujeum der 
Kunftindujtrie der Frührenaiſſance. 

Bieper (Anthus) ijt der Name eined namentlich 
ber nördl. Grohälfte angehörigen Singvogelge: 
ſchlechts, das die Bachiteljen und Lerchen miteinan: 
der verbindet, einen ſchlanlen Schnabel, mäßig 
langen Schwanz, ziemlich hohe Läufe und eine 
lange Kralle an der Hinterzehe hat. Die etwa 50 
Arten haben ein trübfarbiges Gefieder und nijten 
auf dem Boden. Die deutſchen Arten find Zug— 
vögel mit teilweiſe fehr angenehmem Gefang, wie 
. namentlich der Baumpieper (Anthus arboreus). 

Bierantoni:Maneini (Grazia), ital. Dichterin, 
geb. 1843 als Tochter des ital. Staatsmannes 
—* uale Mancini, vermählt ſeit 1868 mit dem 

urien Augufto Pierantoni, Profeſſor in Rom. 

ie ſchrieb Gedichte («Poesie», Bologna 1879) und 
Novellen, wie «Lidia» (Maif, 1880; deutich von 
Lobedan, Stuttg. 1882), «Commedia d’infanzia» 
(Mail. 1881) u. |. w. 

„Pierce anllin), der 14. Präfident der Ber: 
einigten Staaten von Amerika, geb. 23. Nov. 1804 
zu Hilleborough im Staate Neubampibire, ftubierte 
auf dem Bomwodoin-Eollege zu Brunswid in Maine, 
liek fi 1827 in Hilleborough ald Advolat nieder, 
erhielt 1829 einen Si in der Pegislatur von Neu: 
bampibire, trat 1833 in den Kongreß und war erjt 


21 


Mitglied des Repräfentantenhaufes, bann feit 1837 
des Senats. Im J. 1842 legte er jedoch fein 
Mandat nieder und nahm in Concord bie juriſt. 
Praris wieder auf. Beim Ausbruch des merit. 
Kriegs wurde er zum Oberſten eines Milizregi: 
ments und bald darauf zum Brigadegeneral er: 
nannt. Gr madte den ganzen Feldzug unter Ge: 
neral Scott mit, that ſich auch bei verſchiedenen 
Gelegenheiten, wie in den Schlachten von Contre: 
ras, Molino del Rey und Chapultepec, rühmlichft 
hervor. Im %. 1850 wurde er PBräfident des Con: 
vent3, welcher berufen war, um die Berfafjung des 
Staat3 Neuhampihire zu revidieren. Nachdem ihn 
im Juni 1852 der in Baltimore verfammelte Con: 
vent der demolkratiſchen Bartei zum Kandidaten für 
bie Präfidentenwürde der Union vorgeichlagen, 
entichied fich bei der Wahl im Nov. 1852 das Volt 
mit großer Majorität für ihn infolge befien er 
4. März 1853 ben Präfidentenitub beitieg. Die 
Verwaltung B.3 (1853—57) entſprach indeſſen den 
Erwartungen durchaus nit. Er bewies ſich ala 
Werkzeug des Südens, befien Zwede er direlt und 
indirelt mit größter Gewiſſenloſigleit förderte. In 
feiner auswärtigen Politik diskreditierte er die 
Union durch jeine Feindichaft gegen Gentralamerita 
und Spanien und feine Ablihten auf Cuba, um 
der Stlaverei ein größeres Gebiet zu erwerben. In 
ber innern Politit half er aus denfelben Beweg⸗ 
are dur Unterftügung der Nebrasla : Bill 
f. d.) den fpäter (1861) — Burgerkrieg 
vorbereiten, zu —— überhaupt unter feiner 
Verwaltung die Grundlagen gelegt wurden. Seffer: 
fon Davis, der nahmalige Präſident des Südens, 
war unter P. Kriegsminiſter und deſſen einfluß: 
reichiter Ratgeber, hinter welchem felbit der bedeu: 
tendere Staatzjelretär Marcy in ſtand. Er ſtarb 
8. Dt. 1869 in Concord in Neuhampſhire. Bol. 
Hamwthorne, «Life of P.» (Boiton 1852). 

Pierer (Joh. Friedr.), Begründer der Pierer: 
{hen Verlagsbuchhandlung in Altenburg, geb. zu 
Altenburg 22. Yan. 1767, ftubierte in Jena und 
Grlangen erft die Rechte, dann Medizin, befuchte 
dann noch Berlin, Wien Straßburg und Göttingen 
und ließ fih 1790 in Altenburg als Arzt nieder. 
J J. 1798 begann er bie Herausgabe der «Mediz. 

ationafjeitung», an die ſich 1800 die «Allgemeinen 
mediz. Annalen des 19. Jahrh.» als Fortſehung 
anſchloſſen, die er feit 1821 mit Choulant unter 
bem Titel «Annalen der Medizin» bis zu feinem 
Tode fortiekte, worauf fie Babit übernahm. Nach— 
dem er 1799 die Richterſche Hofbuchdruderei ange: 
kauft, begründete er 1801 ein bucdhändlerif 
Gtablifjement unter ber Firma «fitterariiches 
Gomptoir». Dasjelbe trat er 1816 an F. A. Brod: 
haus ab, übernahm es aber 1823 wieber als «Littes 
raturcomptoir» und überließ nachher die Leitu 
feinem Sohne. Im %. 1826 wurde er Obermebdizis 
nalrat und Leibarzt bes Herzogs. Sein Haupts 
wert ilt das von ihm mit Choulant beraungege: 
bene «Anatom.:phyfiol, Nealmwörterbudh» (8 Boe., 
Altenb. u. Lpʒ. 1816—29). P. ftarb zu Altenburg 
21. Des. 1832. 

Heinrih Auguft P., Sohn bes vorigen, geb. 
26. Febr. 1794 zu Altenburg, ftubierte fit 1811 
zu Jena Medizin und trat 1813 in das Lützowſche 
Korps ein. Nach der Nüdlehr aus dem Feldzuge 
ftand er mit dem 19. preuß. Negiment erſt zu 
Magdeburg, dann zu Poſen, und murbe hierauf 
1821 Hauptmann bei den altenb. freiwilligen 


22 
Yon: . 1831 na 
ied, W leibendes 
durch das von ihm mit großer Umſicht und 
redigierte « Encyllopãd. Worterbuch » (26 
Altenb. 1821 36), welches in der zweiten, völlig 
umgearbeiteten Auflage (34 Bde., Altenb. 1810—46, 
nebit 6 Supplementbänden 1840—47) den Titel 
« Univerjal : Zeriton» erhielt. 4 ftarb 12. Mai 
1850. Seitdem wurde die Buchhandlung, die er 
zugleih, mit der Hofbuchoruderei 6. Mai 1835 
wa —— irma übernommen hatte, von feinen 
ben, zunädjt von feinen beiden ältern Söhnen, 
. (geb. 16. Dez. ee ln 
(geb. 28. ug. 1826), fortgeführt, welche die dritte 
Auflage des «llniverjal:Leriton» (17 Bde., Altenb, 
1849—54) —— und bei dieſer Geiegen 
heit «Neue S nte» (6 Bde., Altenb. 1851— 
54) fie Ag rain Auflagen folgten «Neueſte Gr: 
—— zu allen bes Werls (2 Boe., 
tenb. 1855—56). Rad am 20, Der. 1855 
erfolgten Tode Victor trat der jüngjte ——— 


er als Major ſeinen 
rdienſt erwarb er fi 


u 


Alfred» P., geb. 12. Febr. 1836, mit ın das Ge: 
fhäft un "übernahm öfelbe 1. Juli 1859 mit 
Eugen P. für eigene nung. ide Brüder 


— men eine vierte völlig umgearbeitete Auf: 
lage deö «Univerfal : Zerifon» (19 Bde., Altenb. 
1857—64), welcher ſich ein Ergänzu: wert unter 
dem Zitel »P.s Jahrbücher (2 Bde., Altenb, 1865 
—67) anihloß, und ließen 1867—71 eine fünfte 
revidierte Stereotypauflage folgen. Im J. 1872 
wurde von ihnen bie Hofbuchdruckerei und das 
allniverjal:2eriton» an die Firma Stephan Geibel 
u. Comp. verkauft. Die Hofbuddruderei erfuhr 
unter den neuen Befikern eine große —— 
ſodaß m e (1885) 21 Maſchinen beichäftigte, und lei: 
ftet befonders im Accidenzdrud Bor iches, Das 
«Univerjal:Lerifon» ging an A. Sparmann in Ober: 
haufen über, der eine ſechſte Auflage desjelben unter 
dem Titel « «$. 3 Univerjal-Gonverjations-Periton » 
(18 Bde., Oberhaufen u. Lpz. 1875—79) veranital: 
tete, und von dieſem 1878 an das Litterariiche SR: 


Pieriden — Pieter-Marigburg 


BPierrefonds (Gräfin von), 8* der 
ehemaligen franz. Raijerin Gugenie (f. b.). 
e Pertuis (durchbrochener Fels), Jura⸗ 
—F im Ihweiz. Kanton Bern, verbindet die Thäler 
ver Schuß (Suze) und der Bird. Die Linie Biel: 
Delemont:Bafel ber — Jurabahn —* 
bricht den Felsriegel der PB. mit einem 1267 
en, —— m über dem Meere gelegenen Taund. 
ierret (Paul), franz. Agyptolog, & eb. 1836 au 
Rambouillet (Seine: Dife), ward 1869 Aſſiſtent und 
1873 Konſervator am ägypt. Mufeum i im Louvre. 
Walt * Werlen ſind hervo «Diction- 
d’archeologie —— (1875), «Recueil 
dinseriptions inedites du musce &gyptien du 
Louvre» (2 Bbe., 1874—78), «Le deeret trilingue 
de Canope» (1881), «Le livre des morts» (1882) 
Pierrot (frz.), eine lomiſche gay = 
franz. Theater, die Berfchme des Harlefin 
Arlechine) * Bulcinella (f. d.), iſt wie bie 
efleidet und wie —— launig und wibig- Bei den 
Stine ift der P. der — iener. 


27 es Bil, arg A Kata an * Moſel, 
1830) 520 €. defien vorige 
agen Saltenlei, —— Taubengarten und 
Großwingert find, 

Pieſteritz, Dorf —* Wittenberg des preuß. 
Regierungsbezirks Merſeburg, hat 150 €. und 
eg — Kaiſer Karl V. mit 

iedrich rg Sadjen 1547 die 

— ng ed ab, 

BPietä (ital., joviel ald Frömmigkeit, Mitleid, 
Liebe zu den dten) nennt man im der bil: 
denden Kunſt die Darftellung der Mutter erg 
die den Leichnam ihres Sohnes im Schoße hält. 
Es ift der Gegenfak r Madonna (f. d.) mit dem 
Ghriftinde auf dem Arme. So wie biefer Gegen: 
— den Kunſtlern —— gab, den Ausdrud 

der reinften Diutterfreude und hochſten Mutterliebe 
Auſchauung zu bringen, jo \ eine P. der Stoff 
fir die Darftellung des tiefften Schmerzes und 


ftitut (9. Barud) n. u \ .) in Köln, ae ie te —— Nicht bloß die Malerei hat ſich vielfach 
Zeit darauf fallierte. 5 Piererſche Verlags —— fondern auch die Plaftil. So ar: 
geichäft wird von den bisherigen Befigern fortgeieht. * Miche { Angelo i in feinem 25. Jahre eine B., 
u, ſ. Muſen. die ſich in erslirche zu Rom Die 
‚ macedon. Sandfcaft am ——— Gruppe gleicht in der —— und in —— 

ängen des Motive einem neuerl 


— auf den Oſt- und Nordab 

O „ESitz des 5* — und Bakchos⸗ 

8 die vewo 7. Jahrh. v. Chr. ver: 
trieben, ſiedelten ſi —— neuen thra ——— 

öſtlich vom — an. Ein — ag im 

nörd Syrien. [ 

ierre (Saint-), franz. Inſel, f. Saint: 

onds (mittellat. — Dorf im 

—* Depart. Diſe, Arrondiſſement Compiegne, 

ande des Forites von Compitgne, Station 

der Linie Compidgne : Billerd » Eotteret3 der Nord: 


Pierre, 


bahn, hat gegen 1900 €., eine talte Schwefelquelle | d 


(10° C.) mit Badeanftalt und eine Gijenquelle, 
Auf einem fteilen Hügel über dem Orte erhebt ſich 
das —— er mige Schloß, 1390 vom Her: 
308 Cube von Orleans, Bruder Karls VI., ge: 
gründet, 1617 entfeftigt, während der ——— 
vertauft, von Napoleon EL für den Stmat zurüider: 
worden und in neuefter Zeit von Viollet:le:Duc 
jtifgemäß reftauriert, mit acht zinnenbefrönten, je 
35 m hoben Türmen, einem bedeutenden Donjon 
und (im Schlokhofe) der modernen Bronzeftatue 
Ludwigs von Orleans, einem Werke Fremiets. 


n dur 

dem Cora Signorelli sugeriebenen Bilde. Unter 
den neuern Hünftlernhat feinerdiefen Stoff beſſer zur 
Erſcheinung gebracht als Ernit Rietfchel in den. 

Bietät lat.), liebevolle Ehrfurcht vor den Eltern 
und andern ber ng würdigen Perſonen; im 
alten Rom wurde die Pietas göttlich verehrt. 

Bieter: Marigburg, Hauptitadt der brit. Ko: 
lonte Natal in Südafrita, Divifion U ‚30km 
im WRW. von D’ Urban, dem Deunie 


best € am Umfinduft, einem rechtsjeitigen 
es Umgeni, iſt Station der ger „er Kolonie 
durchichneidenden Eifenbahn D’Urban: nl 
Sitz der Negierungsbehörden, eines an det 

eine3 anglitan. Biſchofs und hat 4913 E., — 
Kathedralen und zwei andere Kirchen. B. führt 
u. Häute, Straußenfedern und Getreide über 


aus und europ. Fabrilate ein. Auf der 
Stelle der heutigen Stadt befiegten 16. Dez. 1837 


ne ey = 86 —— —— olländ, 
vers den Ka tling und benann: 
ten nadı ihren beiden Anfa a Suse Retief und 


Geert Warit ben alsbald —— Drt, 


Pietiſten 


Pietiſten (neulat.) nannte man zuerſt am Ende 
des 17. Jahrh. Philipp Jalob Spener (f. d.) und 
defien Anhänger wegen ihres Drängens auf leben: 
dige Herzenzfrömmigteit und werkthätiges Chriſten⸗ 
tum gegenüber der damals in der luth. Kirche herr: 
—— bloßen — und Bekenntnisgerechtigkeit. 

er Name P. wurde anfangs in Leipzig von den 
Drtbodoren als Schimpfname im Sinne von 
aFroͤmmler⸗ für einige junge, durch Spener ange: 
regte rg Magifter gebraucht, welche jeit 1689 
erbauliche Borlefungen über das Neue Teitament 
(collegia pietatis) — begonnen hatten; dieſe 


aber nahmen ihn als Ehrennamen an. Der 
Urſprung des Spe ietismus hängt mit 
Be en eines Joh. Arnd, ‘Job. Valentin 


ben Beitrebung { job. Va 
Andrei, Matthäus Meyjartb, Chriſtian Scriver 
u. a. zuſammen, die ſchon längere Yeit vor Spener 
gemahnt hatten, über der Reinheit ber Lehre die 
‚einheit de3 Lebens und die Frömmigkeit des 
Herzeus nicht zu vergefjen. Das Neue bei Spener 
war einerjeit3 die Forderung eines dlichen und 
vor allem ſowohl gelehrten als erbaufichen Bibel: 
ſtudiums gegenüber der nbeit der damaligen 
Drthodorie, allen Eifer ausſchli —*— un 
Kontroverjen» zu wenden; ferner die Betonung ber 


« Wiedergeburt» ober — een 
lebendigen Ehriftenglaubens, mit ın0 vr a. 
‚bie 


von den Orthodoren überihäpten 
Berlündigung * —— Brieſtertums⸗ 


gegenũber der t der ologen und 
Paſtoren in ber prot. Kirche, vor allem aber bie 
energiſche Thätigleit, mit welcher Spener die Re: 


form des Kirchenweſens ſelbſt praftiid in die Hand 
u und auf die Paien, namentlich auch auf die 
böhern Klaſſen einzumwirten verftand, Als Prediger 
in Stankfurt a. M. begann er jeit 1670 neben dem 
öffentlichen Gottesdienſte erbauliche Hausverſamm⸗ 
lungen zu halten, bei denen die Bibel praltiſch er: 
Härt wurde. Weitern Streifen jebte er feine refor⸗ 
matoriſchen Anſchauungen in der Schrift «Pia de- 
sideria oder herzliches Berlangen nach gottgefälliger 
Beflerung der wahren evang. Stirche» auseinander, 
die zuerſt als Vorrede zu Arnds « Bollille » (1675) 
erihien und mit großem Beifall begrüßt wurde; 
denn fie fam einem gewiſſen tiefern Sup nad) lebens 
Frömmigfeit entgegen, der damals durch das 

des theol. Gezänts überdrüfige prot. Voll ging. 
Auch in Dresden, wohin Spener 1686 überftedelte, 
feste er mit Erfolg feine Bibelftunden fort, und 
unter jeinem Einfluß bürgerten fie ſich auch an der 
Univerfität Leipzig ein. Ser aber erregten = 
ſchon die P. in keiner Weiſe das kirchliche ma 
antafteten, wohl aber über Wert der Symboli: 
jchen Bücher etwas geringer dadıten, den Haß und 
die eyes der Drthodoren. Es brad ber 
leipziger Streit aus, ber mit einem förmlichen 
—— die pietiſtiſchen Docenten Auguſt 
ermann Stande (f. d.) und Anton, ihrer Aus- 
weiſung aus Leipzig und dem Berbot der Bibel: 
ftunden al3 ordnungswidriger Konventilel endete. 
Auch Spener folgte 1691 gern einem Rufe nad) 
Berlin, und von hier aus gelang e3 ihm unter des 
Philoſophen Thomaſius — db.) Mitwirkung, bie 
theol. Fakultät der neugegründeten Ilniverfität 
Halle (1695) mit feinen hervorragenditen Freunden 
und Anhängern zu bejegen. Der erite von ihnen 
war der aus Leipzig und Erfurt vertriebene Frande, 
ber Stifter des halliihen Waijenhaufes. Bis über 
bie Mitte des 18, Jahrh. blieb Halle die eigentliche 


23 


Pflanzſchule des Pietismus, wogegen in dem be: 
nadbarten Kurſachſen nad) dem rohen Carpzov der 
edle und gelehrte Balentin Ernſt Löcher (geit. als 
Superintendent zu Dresden 1749) in maßvollerer, 
aber um fo erfolgreicherer Meije den Pietismus 
belämpfte. In der That machten fich die Schwächen 
der Richtung ſchon bei Frande, mehr noch bei den 
balliichen Lehrern der zweiten Generation ftart 
geltend. An die Stelle der dogmatiſchen Formel 
war religiöfe Schwärmerei und die Herrſchaft der 
frommen Bhrafe getreten, und die Hußerlichkeit der 
orthoboren Lehr: und Belenntnisgerechtigkeit wurde 
durch die noch —— Außerlichkeit gottſeliger 
Manieren und Ge n verdrängt. Die «Wieder: 
geborenen» begannen fich von den Weltkindern fehr 
bald durch Haarjchnitt, Kleidertracht und Kopfhal: 
tung zu unterjdeiden und alle Bergnügungen, wie 
Tanz, ter, Rartenfpiel ıc., ala or ju meiden, 
Der Geijt der neuen Zeit kün 
Pietismus bereits an das Gewichtlegen 
auf das Recht des religiöfen jett3 und auf die 
innerlihe Arönmigfeit ger der alleinjelig: 
machenden Dogmatit, in die befonders durch 
drande ausgebildete und dem Methodismus ver: 
wandte Theorie vom «Buplanıpfo und vom «Durd)- 
brud der Gnade», die Berbrängung der objektiven 
Verjöhnung durch bie individuelle «Erwedung», 
ftete Jammern ber Wiedergeborenen über die 
gottlofe Welt und ihr zubringlicher Belehrungs: 
eifer gegenüber den Weltlindern mußte kräftigere 
Naturen mit gründlicher Abneigung gegen dieje 
neue Art von Frömmigkeit erfüllen. erzu fan, 
daß der geiftlide Hodhmut der PB. in bemielben 
Grade zunahm, al3 alle ernjtern Studien von 
—* vernachlaſſigt und eine grüundliche theol. 
iſſenſchaft als profanes Treiben verachtet wurde. 
Aus der Theologie zurüdgedrängt, flüchtete ſich der 
Pietismus gegen Ende des 18. immer mehr 
in einzelne religiös angeregte Laienkreiſe, die ſich 
der Richtung des Zeitalters auf einjeitige Ber: 
ftandesbildung entzogen, und drang namentlich in 
Württemberg und den Rheinlanden tief in bie 
mittlern und niebern Vollsſchichten ein, während 
er anderwärts in hochariftofratiichen Kreiſen als 
eine Art Modefache gepflegt und von «Schönen 
Seelen» auch äſthetiſch ſchmadhaft befunden wurde. 
Während der Herrſchaft de3 Nationalismus hatten 
ih die Reſte der ältern Drthodorie unter den 
ub des Pietismus geflüchtet, der wenigſtens 
auf den übernatürlihen Urfprung und Inhalt der 
Bibel und auf die Dogmen vom erbjündlihen Ber: 
derben und von der reinigenden Macht des Opfer: 
blutes Chrijti das größte Gewicht legte, und bie 
theol. Reftauration, deren Borlämpfer gegen Ende 
ber —— ahre des 19. Jahrh. Hengſtenberg 
in Berlin wurde, trat zuerſt im pietiſtiſchen Ge: 
wande auf. Die ernitere en, Frömmigleit, 
welche namentlich ſeit den Freiheitslriegen von 
neuem im deutſchen Volle ſich regte, kam unter dem 
fördernden Einfluß der allgemeinen Realtion be: 
jonders dem Pietismus zugute. Aber die gleich— 
zeitig eritarfende lonfeſſionelle Richtung begann ſich 
immer entihiedener vom Pietismus zu jondern, 
dem fie Subjettivismus, dogmatiſche Unbejtimmt: 
heit und Hinneigung zur Union ber beiden evang. 
Kirchen zum Vorwurf machte. Die_ Beteiligung 
der pietijtifchen Partei an der fog. « Evangeliſchen 
Allianzo, welde eine Verbrüderung der «Kinder 
Sotted» in allen prot. Selten bezwedte und unter 


igt ih in dem 


24 


dem Schuhe Friedrich Wilhelms IV. im Sept. 1857 
in Berlin tagte, gab das Signal zur Trennung, 
die auf dem neunten Kirchentage zu Stuttgart 
33 auf welchem die Konfeſſionellen unter Stahl 
ausſchieden, - fharfen Ausdrud kam. Der 
nemeinfame Kampf jedoch gegen die freifinnigen 
firhlihen und theol, Beitrebungen der neuelten 
Zeit, insbefondere gegen den Deutfchen Proteitan: 
tenverein, führte eine Annäherung beider Parteien 
— n ber jet: preuß. «Hofpredigerpartei» 
aben fich pietiftiiche Neigungen mit einer jehr maffi: 
ven Drthodorie zufammengefunden. Anderwärts, 
wie z.B. in Württemberg, hat der Pietismus feinen 
urſprunglichen religiöfen Charalter reiner bewahrt 
und fi namentli g von kirchenpolit. Herr: 
ſchaftsgelüſten freier gehalten. Cine fehr feind: 
felige, vielfach ung: te Kritif hat der Pietismus 
neuerdings durch Ritſchl und jeine Schule erfahren. 

terellante Skizzen ber modernen pietijtiichen 
Beitrebungen finden ſich bei Hausrath in feiner 
Biographie von Strauß (2 Bde,, Heidelb. 1876— 
78). Bol. außerdem Märklin, «Darftellung und 
Kritit des modernen Pietismus» (Stuttg. 1839); 
Tholud, Au des Pietismus und des erjten 
Stadium der Auftlärung» (Halle 1865); Schmid, 
«Geſchichte des Pietismus» (Nördl, 1863); Heppe, 
«Geſchichte des Pietismus⸗ (Marb, 1879); Ritſchl, 
«Geſchichte des Pietismus⸗ (2 Bde. Bonn 1880 
84); Sachbe, «Urjprung und Wefen des Pietis⸗ 
us» (Wiesb. 1884). , 

Bietramala, Drtihaft in der ital, Provinz 
Florenz, nördlih vom Paß La Futa (auch Vietra: 
| ded Gtrustiihen Apennin, über ben bie 
Straße von Florenz nad) Bologna ent bat ein 
berübmtes Erdfeuer, eine hellgelbe Raphthaflamme, 
von blauen Flämmchen umfpielt. P., Petra mala, 
war ſchon im 12. Jahrh. vorhanden und gehörte 
damals den Ubalbini, 

Pietraperzia (mittellat. Petrapetia), Stadt in 
ber ital. Provinz Galtanijjetta auf Sicilien, Bezirk 
Piazza Armerina, hat (1881) 11312 E,, eine hohe 
normann. Binnenfejtung und Handel mit Schwefel, 
Gips, Lapis lazuli, Getreide und Mandeln. 

etrafanta, Stadt in der ital. Provinz Pucca, 
unweit der Hüjte des Golf3 von Genua, Station 
der Bahn Mailand:Genua:Pifa, hat (1881) 7290 
(al3 Gemeinde 14427) E., alte Mauern, ein jinnen: 
gefröntes Rathaus von 1346 und die aus bem 
13. Jahrh. ſtammende Hauptlirhe San: Martino 
mit Campanile von 1380, jhöner Kanzel, Kandela: 
ber und Weihbeden von Stagi und einem Bapti: 
—— in welchem ſich ein antiler Taufſtein und 
ronzen von Donatello befinden. Durch Kaiſer 
Heinrich VII. fam P. 1312 von Lucca an Piſa, 
dann wieder an Lucca; 1482 eroberten bie Flo— 
rentiner unter Yorenzo de’ Medici die Stadt, 

Pietri (Joahim), franz. Staatsmann, geb. um 
1820 zu Sartine in Corjica, madıte feine Studien 
in ber —— u Paris und ließ ſich dann in 
feiner Baterſtadt als Advolat nieder. Seit 1848 
war er Präfelt in ar franz. Departements, 
bis er 1866 Bolizeipräfeft von Paris wurde. Als 
folder brachte er das geheime Polizeiweſen zu einer 
nie vorher gefannten Ausdehnung. Nach bem Sturz 
des zweiten Kaiſerreichs verlieh PB. Frankreich; 
1879 wurde er in Gorjica zum Senator gewählt. 

Pietſch (Karl Adolf Yudw.), Neijeichriftiteller 
und Zeichner, geb. zu Danzig 25. Dez. 1824, bildete 
fi auf der berliner Akademie unv im Atelier bes 


Pietramala — Pigalle 


orträtmaler8 Dito zum Maler aus, ging aber 
ald zum Zeichnen für iltuftrierte Blätter über und 
ſchrieb feit 1868 dir die «Speneriche Zeitung» die 
Kunſtherichte. Im 3. 1864 wurde er Dlitarbeiter 
der «Voſſiſchen Zeitung» für Kunſtkritik, Geſellſchaft 
und Reifen; 1867 ging er für dieſe Zeitung als 
Berihterftatter Aber die Weltauöftellung nad 
Paris, 1869 nad) dem Orient, 1870 für die «Voſ⸗ 
ſiſche» und «Schlefiihe Zeitung» nach Frankreich, 
wo er im Hauptquartier des Kronprinzen von Preu⸗ 
ben verweilte. Seitdem unternahm er jährlich für 
beide Blätter weite Reiſen. Er veröffentlichte «Aus 
Welt und Kunft» (2 Bde. Jena 1866), «Drient: 
fabrten» (Berl. 1871), «Non Berlin bis Barid» 
(Berl. 1871), «Marotlo» (Lp3. 1878), «Wallfahrt 
nad) Olympia» (Berl. 1879). _ e 
ieve di Cadsre, |. Cadöre (Pieve bi), 
Pieve Di Gento, Stadt bei Cento (f. d.) in ber 
ital, Broviny Ferrara. 
Piezomẽter, Apparat zum Zufammendrüden 
tropfbarer Flüffigkeiten, f.u. RKomprefjibilität. 
Bifferari (vom ital. piffero, d. i. Schalmei), 
heißen die um Weihnachten nah Rom kommenden 
Hirten, welche, in Grinnerung an die Hirten von 
Bethlehem, vor den Madonnenbildern fpielen, 
innfetta (Antonio), der Gefährte Magellans 
auf dejien —— eb. um 1491 zu Bi: 
cenza, wurde in dem unglüdlichen Treffen bei Zahu 
auf den Philippinen, in welhem Magellan mit 55 
Gefährten das Leben verlor, ebenfalls ſchwer ver: 
wundet, langte aber 8. Sept. 1522 mit 17 Beglei: 
tern gluͤglich in Sevilla wieder an. Wahrſcheinlich 
um 1524 verfaßte er eine Beihreibung feiner Neije, 
die in Abichriften an den Papſt und die Königin 
von Frankreich, Luife von Savoyen, geſchidt wurde. 
Die erite Abſchrift verbrannte 1527 bei der großen 
Feuersbrunft in Nom, die zweite wurde von Sabre 
und fpäter von Ramufio, jedoch nur auszugsweiſe, 
herausgegeben, Amoretti entvedte in neuerer Zeit 
in der Ambrofianiichen Bibliothek eine volljtändige, 
in verborbenem Italieniſch verfaßte Abichrift, die 
er in ein reines Jtalieniſch und aud in das ran: 
zöſiſche überſeht herausgab (Par. 1803), indem er 
zugleich Stopien eigenhändiger Seetarten B.3 und 
ein fpäter richtig befundenes, von P. geſammeltes 
Wörterbuch der auf den Philippinen und Molullen 
berrijhenden Spraden ginzufate. P.s Neilebe: 
ſchreibung iſt, obgleich fie viel Irrtümer enthält, 
dod für die Geſchichte der Entdedungen wertvoll. 
P. war 1524 Nitter des Yohanniterordens auf 
Rhodus und fpäter Ordenstommandeur zu Novija, 
Gr jtarb nad) 1534, wahrſcheinlich zu Vicenza. 
igalle (Jean Baptijte), franz. Bildhauer, geb, 
zu Baris 26. Yan, 1714, genoß den Unterricht Ye: 
moines, beſuchte dann Stalien und verfertigte nad 
feiner Nüdlehr einen Merkur in Marmor und als 
Seitenftüd va eine Venus, Beide Statuen, 1748 
von Ludwig XV. dem Könige von Preußen geichentt, 
befinden ide t in Sansſouci. Als Borträtbildner 
fertigte er Bülten Voltaires, Diderots, Raynals. 
P. erhielt 1756 den Auftrag, das Grabmal des 
Marihalld von Sachſen auszuführen, weldyes, 
1776 vollendet, die Ihomastirde in Straßburg 
ihmüdt. In der Ausführung vr beſonders vortreil: 
lich die Geltalt des Marſchalls jelbit, der, vom Tode 
—7 — die Stufen niederſteigt. Dieſes Werl 
tellte ihn unter die erſten Meiſter, auch gab es Ver: 
—— daß ihm das Denkmal übertragen wurde, 
welches Rheins 1765 Ludwig XV. erridhten lieb. 


Pigault:Lebrun — Bil 


Es erfolgte num feine Ernennung zum lönigl. Bild: 
bauer. Seine * durch Zartheit ſich —— 
Arbeit war ein Mädchen, das ſich einen Dorn aus 
dem Zube jiebt. Gr itarb 20. Aug. 1785 als Neltor 
und Kanzler der Alademie, Vol, Tarbe, «La vie 
er les @uvres de Jean Baptiste P.» (Par. 1859). 
Pigault:2ebrun (Charles Antoine Guillaume 
B. de l'Epinoy, genannt), franz. Romanſchrift— 
fteller, geb. 8. April 1753 u Galais, geit. au Ya: 
felle, in der Näbe von St.:Germain:en:Laye, 
24. Juli 1835, jchrieb eine Reihe Romane, welche 
eine Zeit lang fehr beliebt waren, aber jeßt ver: 
geilen find. Zu feinen Romanen gehören: «L’en- 
jant du carneral» (1792), «Les barons de Fels- 
heim» (1798), «Mon oncle Thomas» (1799), «La 
folie espagnole» (1799), «L’'bomme à projets» 
(1807), aL'égoisme, ou nous le sommes tous» 
(1819), «Angelique et Jeanneton» (1799) und 
«Mr. Botte» (1802), von denen die drei legten nod) 
am bhödhiten ftehen. Seine «Histoire de France» 
(8 Bde, Bar. 1823—28) erjtredt fich bis auf Hein: 
ri IV. Einen Teil feiner Werte überiepte er jelbit 
ins Spaniſche und ftellte, was ihm bedeutend ſchien, 
in feinen «Deuvres» (20 Bde., Bar. 1821—24) zus 
jammen. Mit Bictor Augier gab er eine «Voyage 
dans le midi de la France» (Bar. 1826) heraus, 
Pigeon-River, amerit. Fluß, auf der Grenze 
von Ganada und Minnelota, fließt in den Obern See. 
iglhein (Bruno), Maler, geb. 19. Febr. 1848 
u Hamburg, war dafelbit Schüler des Bildhauers 
Fu Lippelt, dann in Dresden Schüler Schillings, 
dem er bei den Arbeiten für die Vrühlſche Zerrafie 
behilflich war. Cine ital, Reije reifte indes in ihm 
den Entichluß, fich gänzlich der Dlalerei zu widmen, 
zu welchem Zwed er nad kurzem Aufenthalt in 
Weimar bei Profeſſor Pauwels fih nah Münden 
zu Diez begab. Seit 1872 trat P. zunächſt mit 
einigen Ölgemälben hervor, ohne indes bejondern 
Grfolg zu erzielen. Daneben entitanden auch delo⸗ 
rative Arbeiten, fo bie Plafondmalereien Tag 
und Nacht. Endlich geriet er auf die Paitell: 
malerei, weldes Genre er mit echt modernem 
Geift originell zu beieelen wußte. Meiſtens find es 
Köpfe und einzelne Geitalten, vorzugsweije pitante 
Frauenerſcheinungen, welche B. mit virtuofer Ted): 
nit und überrajhender Charalteriftit darzuftellen 
liest. In derjelben Manier ſchuf er aud die 
«joylle» für den Privatbejig, eine Wiederholung 
für die Königin von Württemberg, Kind und 
any einträdhtig am Waſſer beiianımen fipend. 
n Münden war 1883 das Olbild «Ginjam» (Gen: 
tauren am Meer) ausgeftellt, und die Bajtellbilder 
eines jterbenden Chriſtus fomie bie lebensgroße 
digur ber Diva. Im J. 1885 reifte P. nad 
Palaſtina, um Studien für ein großes Panorama 
von der fire gung an Ort und Stelle zu madıen. 
Diefes große Wert joll 1886 in Münden in einem 
eigenen Gebäude zur Ausftellung gelangen. 
igmentbacterien, |. u. Shizompceten, 
igmentdend, f. unter tree 
igmente ober Farbſtoffe nennt man alle 
farbigen Subjtanzen, welche eh —— 


Körpern durch Überzug oder Veimiſchung Farbe zu 
—— P. lommen teils fertig gebildet in ben 


n(j.Barbe vie nzen) vor, teils enthalten 
bie Prlanzen gewiſſe Stoffe, Chromogen (j. d.), 
die durch chem. Ummandlung P. liefern, teils wer: 
den diejelben künjtlich aus den verſchiedenſten orga: 
aifhen und anorganiihen Stoffen erzeugt. Die 


25 


P. finden in der Färberei, Malerei, im Kunſtdrud 
und zur Berzierung aller mögliden Gegenjtände 
Verwendung. (Bol. Farbe, yärberei u. f. m.) 
Außer den tehniih nutzbaren find einzelne andere 

arbjtojfe von großer phyſiolog. Wichtigkeit, Der 
reg (j. d.), das Hämoglobin, ermög: 
lit allein die Atmung von Menfehen und Tieren, 
indem er der Üüberträger des Sauerſtoffs iſt. Nach— 
dem er dieſem Zwed gedient hat, wird er ala Gal: 
lenfarbſtoff (f. d.), zu welchem ber Harnfarbitoff in 
engiter Beziehung jteht, aus dem Körper entleert. 
Die rote Hautfarbe iſt bedingt durch das Durch— 
ihimmern des in den feiniten Berg ve der Haut 
enthaltenen roten Blutes. Die gelbe Farbe, welche 
die Haut bei gewillen Krankheiten annimmt, iſt 
dur eine ——— von Gallenfarbſtoffen 
hervorgerufen. Die — Farbe der Neger wird 
durch einen ſchwarzen Farbitoff, Melanin (ſ. d.) 
der in den Hautzellen ſid findet, verurfaht. Au 
einer nod) völlig rätielhaften Wirkung de3 grünen 
Farbſtoffs der lebenden Pflanzenzelle, des Chloro: 
phylls (f. d.), beruht alle Bildung von organijcher 
Subjtanz und folglich die Möglichkeit der Erijtenz 
lebender Weſen überhaupt. 

gmentgeichwulit, |. Nelanom. , 

3 — oder Pinerölo, Hauptſtadt eines 
Bezirks der ital. Provinz Turin, in herrlicher Lage 
am Gingange des von der Lemina durchfloſſenen 
Thales Peroſa, 38 km u} von Zurin, 
Station der Bahn Turin:P.:Torre Pelice, it der 
Sip eined Biſchofs und eines Tribunals eriter In— 
any bat eine ſchoͤne Kathedrale, 13 andere Kirchen, 
ein Dentmaldes Generals Brignone (von Tabacchi), 
ein Pyceum, ein Gymnaſium, eine technische Schule, 
Manufalturen in Seide, Baummolle, Wolle, Le: 
der, Papier und Branntwein, treibt Ichhaften dan: 
del mit Nanufalturen, Wein, Getreide und Käſe und 
zählt (1881) 12281 (Gemeinde 17492) E. — Die 
Stadt, um die Abtei Pinerolium entitanden, war 
früher eine wichtige Fejlung und wurde 1536 von 
den Franzoſen erobert, 1574 aber wieder an Sa: 
voyen abgetreten. Die Franzoſen erhielten fie in: 
des 1631 durd) einen Traltat wieder und befeitig: 
ten fie als Schlüffel von Jtalien fehr ftart; 1696 
kam fie abermals an Zavoyen, In den benadjbar: 
ten Thälern find 13 Waldenjergemeinden mit zus 
jammen 24006. RE 

Pignolen oder Piniolen, die eßbaren Ca: 
men der Pinie (Pinus Pinea). j 
_ Piis manibus (lat.), Inſchrift auf Grab: 
jteinen: der frommen Seele (de3 Toten geweiht). 
ik, ſ. Picund Pique j 
it oder Dräa (Dirda) bezeichnet verſchiedene 
Arten des Ellenmaßes in der Türkei und Nord: 
afrita. Den Pit Endäfeh f. unter Endäjeh. 
Der Bil Hälebi (d. ) P. von Aleppo, zum Zeil 
auch Arſchin genannt), feit 1874 ohne geſehliche 
Geltung, aber noch im größten Teil der europ, und 
aſiat. Türkei üblich, it = Y, engl. Zn nn 
Der urjprüngli mit dem P. Halebi übereinjtim: 
mende Khalibi hatte in der Waladyei O,css m 
in der Moldau nur O,srı m, Der ägypt. Pi 
Beledi oder Pit Majfri it = 0,578 m; während 
der Pit Stambüli (B. Yitambuli, d. i. P. von 
Konitantinopel) oder Bil Turki (türk, Bit) in 
Ügypten 0,677 m, in Tripolis O,67ı und in Zunis 
0,537 m hat. Der Bil Arbi (arab, Pil) iſt in 
Tripolis 0,483 m, in Tunis aber O,ıss m. Auch in 
Rumänien und Sioypten foll wie in ber Türkei 


26 Pilarden — Pilätre de Nozier 


jefehlich das Meter al3 Längenmaß gelten ; thatſäch⸗ 
ch iſt dies aber —— in Ugypten, durchaus 
nicht immer der Fall 
arden, religiöfe Sette, ſ. unter Adamiten, 
ife (ſpan. pica) hieß der Spieß des Fußvolts, 
ber von einem a desjelben, den Bitenieren, 
noch lange nad) Einführung der Feuerwaffen ge: 
tragen wurde. Er anb aus einem hölzernen 
Scaft mit eiferner Se und hatte eine Gejanıt: 
länge von 3—5 m, Pilentere trugen Pidel⸗ 
baube und Bruſtharniſch und bildeten im Gefecht 
den geſchloſſenen . der Schlachthaufen. Ihre 
Zahl verringerte it der Ausbreitung der Feuer⸗ 
waſfen; im Dreißi hät rigen Kriege betrug fie aber 
nod) die Hälfte der, en. Suftanv Adolf 
nis e um ufle an 
Mit dem Aufl 


nd us 
* ee je, in —— j. Endaͤſeh. 


che, ſ. 

8 Beat, € ee der Rody: Mountains 

in El Paſo County im norbamerit, Staate Colo: 

ne, — 120 km fübl, von Denver (f. d. ) 
Er wurde 1806 von General 

* I e entdedt und nach ihm benannt; 

wurde am Fuße desſelben Gold gefunden. 

Pilet (fr;.) heißt eine Truppe in Bereitſchaft, 
namentlich eine ilung, welche bei einbredender 
Duntelheit zur Unterjtügung der Borpoften in einer 
durch die Beihaft &haffenheit des Terrains beftimmten 
furzen Entfernung bi —— den Feldwachen aufgeſtellt 
oder auch nur zum Ausrüden bereit gehalten wird. 
Sie beiteht nad) Grfordern aus Infanterie oder 
aus Slavallerie; —- * nur in ſeltenen 

Hüllen beigegeben. hr die momentane 

tärtung eines angegri — S oder — 
die Flugeldedung u. ſ. w. Die „erhalten ſich dur 
Zwiſchenpoſten und Patroui (f. d.) in fort: 
bauernder Verbindung mit den Feldwachen und 
lehren des Morgens in ihre frühere Stellung zurüd. 
Auf o ftellen bedeutet in Milizheeren, wie 
in der Schweiz, beftimmte Abteilungen zum fofor: 
tigen Ausrüden bereit halten. 
ifi, neugriec Name bes Meters, 
ifieren, |. Biquieren, 
ikof oder Pitul 5* Pecul oder Picul), 
Handelsgewicht in Oft: und Südaſien. Den chineſ. 
und japan. Bitol ſ. unter a: Mit dem cine: 
fiihen und japaniſchen P. jtimmen überein: die 
leichnamigen Gewidte von Kambodſcha (und 
— 33600 —— mit Saigon; in Saigon 
und Umgebun geiehlich das franz. Maß und 
Gewicht gelten), Siam, Singapore ug Hr eines 
Teils von Sumatra, Auf, Benang tommt neben 
bem chineſiſchen auch noch ein «malaifchere P. von 
64,511 vor. Auf den Bhilippinen ift der P. 
(fpan. Pico) von 100 Cates = 63,283 kg. Der 
oder das Ta von Annam bat 62,40 kg; während 
auf java der P. von 100 Catjes = 61,521 kg iſt. 
ate, die Salze der Bilrinfäure (f. d.). 
ratpulver, unter Zuſatz von Pilrinfäure 
— — (S. Pitrinſäure) 
rinfänre C,H, (NO, OH (Trinitropbe: 
no REISEN era na Welters Bit: 
ter) wird durch die Einwirkung von Salpeterfäure 
auf Phenol oder Carboljäure erhalten und kryſtal⸗ 
liſiert in hellgelben Blättchen, die ſich ſchwer in tal: 
tem Waſſer, leicht in heißem PATE Ir in Allohol 






ommen — —— verjhmwinden | A 


löfen. Sie Ag 3 bei 117° und verpufft beim 
raſ ie findet beſonders zum Gelb: 
färben = in Berbindun y he Anilingrün (Jod: 
ün), Indiglarmin oder Berlinerblau zum Grün: 
färben von Seide und Wolle, Anwendung. Sie 
wird technifc in großer ge argeite ellt und dient 
außer zum Färben auch noch zur eitung des 
Bilratpulvers. Diejes Pulver befteht aus Vi: 
fhungen von pitrinfaurem Kali mit Salpeter oder 
mit hlorfaurem Kali und ift unter dem Namen 
Bobeuf: Pulver, Fontaine: Pulver, Deitgnolles: 
Bulver (f. d.) u. 23 w. befannt. Ob ®. als Hopfen: 
ſurrogat t Brauerei endung gefunden 
hat, wie behauptet worden ift, ift nicht erwieſen. 
Eine der P. jehr ähnliche und mit ihe homologe 
—— iſt die aus dem Kreſol darge en 
Zrinitr mar (Trinitrotrejol), 
mmonialfal; gegenwärtig aud unter dem — 
Victoria⸗Orange oder Jaune auglais vielfache Ber: 
wendung zum Gelbfärben findet. Aus P. jo: 
wohl als mon aus gig an entſteht 
deln derſelben mit Eyantalium ein 
brauner, Kr Erjaß der Orſeille dienender Sarbfoft, 
das Granatbraun ober Grönat soluble. 
Körper fommt, da er ſchon bei ſchwacher Reibung 
mit Heftigleit srvlobiert, in Teigform (em päte) 
und, um das Austrodnen zu verhüten, mit etwas 
Ölyzerin ing in den Handel. 
xiu, ein in den Kofteläförnern (von 
—* Coceulus) enthaltener nicht baſiſcher 
—— der durch Ausziehen der Körner mit 
rk — und Kryſtalliſierenlaſſen erhalten 
werden lann, nachdem man die neben dem P. in 
dem Auszuge enthaltenen fremden Körper 4 
Bleiacetat entfernt hat. Es rer in Radeln, 
die einen intenfiv bittern Gejchmad befigen und 
at giftig wirten. 
ikten, ſ. Bicten. [wall, 
ikteumauer (Biltenwall), [. Habrians: 
Pittupönen, Dorf im oftpreuß. Regierungs: 
bezirl Gumbinnen, Kreis Tilfit, 11 km im NND. 
von Tilfit, mit wo E.; bier 96. Dez. 1812 Ge: 
fecht zriiden See - und Ruſſen. 
ul, 
ed ns ent in der Baufunft die aus 
einer Wand oder aus der Ede von Wänden hervor: 
ze Pfeiler, melde zur Berjtärfung der 
Mauern, Unterftüpung von Ardjitraven oder aud) 
bloß als Unterbrehung der großen leeren Fläche 
ebraudt werben. e Griedyen bildeten fie als 
in a aus und gaben ihnen J be⸗ 
ſonderes, eigentümlich durchgeführtes Kapitäl, wäh: 
rend ihon die Römer und die meilten Neuern fie 
mit demjelben nur flady behandelten Rapitäl wie 
” Säulen, fowie mit Bafis, Cannelierungen 


aben. 

en Rozier (Jean Francois), franz. 
Phyſiler, geb. 30. März 1756 zu Mes, lernte als 
Apotheter und tudierte dann in Paris nebenbei 
Naturgefchichte, Mathematik und Phyſik. Er wurde 
Brofefor ; in — tehrte jedoch bald nach Paris 
jurüd, wo er —X der Naturalienfammlung 
von Monfieur (Ludwi ig. 2 XVIIL) wurde, Gr errid): 
tete 1781 ein Phyſilaliſches Mufeum und als bald 
darauf bie erjten ange der Gebrüber Montgol: 
fier (f. d.) in der Luftichifferei belannt wurden, jtieg 
aud) er 15. Dit. 1783 bei dem Schlojle Muette, un: 
weit Paris, in einer ſog. Montgolfire, begleitet 
von dem Marquis d’Arlande, in die Luft, Nachdem 


Bilatus — Billau 


er im folgenden Jahre zu yon mit Montgolfier 
und bald darauf zu Berjailles in Gegenwart des 
Hof3 und des Königs Guftav IL. von Schweden 
aufgeitiegen ıwar, fahte er den Plan, mit feinem 
Ballon nach England überzujeßen. Die Regierung 
wies dazu 40000 Ar3. an. Der Plan mibglüdte 
aber, weil P. die Unvorſichtigkeit beging, bei Fül: 
lung des Ballons das Berjahren Montgolfiers mit 
ben von Charles erfundenen zu vereinen. P. unter: 
nahm die Fahrt zu Boulogne 14. Juni 1785 mit 
dem Phyſiter Romain. Kaum batte der Ballon 
eine Höhe von 4—5000 m erreicht, jo entzündete er 
ſich. Die Luftichiffer eg ng Se und fanden ben 
Tod. vr Zournon de la pelle, «Vie et me&- 
moires de P.» (Bar. 1786). 

Bilatus (PBontius), röm. Profurator von rare 
26—36 n. Ehr., ift namentlich durch feine Beteili- 
en an der Areuzigung Jeſu befannt geworben. 

ine rüdjichtslofe und deſpotiſche Negierung führte 
fhlichlid auf Anbringen der Juden feine Ab 
berufung berbei. Nad der Barftellung unjerer 
E ien wäre er von der Unſchuld über: 
82 und wäre nur durch die Drohung ber 

eingefjhüdhtert dazu bewogen worden, das 
Sculdig Aber ihn audjufpreden. Die fpätere 
lirchliche Sage weiß von einem Bericht des P. an 
Kaifer Tiberius, worin er die Wunderthaten Jeſu 
und die Umftände feiner Hinrichtung berichtet; ſchon 
um die Mitte des 2. Jahrh. erdichtete man unter 
feinem Ramen einen Brief an den Kaifer und be: 
bauptete, daß «Alten de3 B.» in den röm. Archiven 
aufbewahrt jeien. Im Anfange des 4. Jahrh. wur: 
den beidniihe Pilatus-Alten voll Schmä 


en 
gegen Chriſtus erdichtet, denen eini it nachher | d. i. 
hen. — en ed äher fernen 


lten engeſtellt wurden. Ggl. 
ſius, «Die Pilatus:Alten», Kiel 1871.) Die Sage 
erzählte von ihm bald, daß er fi in der Berzweif: 
lung über das an Chrijtus begangene Unrecht das 
Leben genommen babe, bald daß er unter Nero ent: 
bauptet worden ſei. Noch jünger iſt die Legende, 
nad) welcher jein Leichnam in den Tiber, danach, al3 
er dort überſchwemmungen und Ungewitter ange: 
richtet, in den Rhöne geworfen, und zulebt in einen 
Heinen Waldjee unweit des Bilatus (f. d.) bei 
Luzern zur Ruhe gebracht worben fein foll. 
ilatus, der nordöftlichfte Bergftod ber Em: 
menalpen (f. Alpen 20), erhebt ſich ſüdlich von Lu: 
jern, weitlid) von Stang, auf der Örenze der ſchweiz. 
Kantone Luzern und Unterwalden und bejtcht aus 
Kaltiteinen der Kreide: und Nummulitenformation. 
Von feinen zahlreihen Gipfeln, die fchroff und 
felfig aus der eg der Alpweiden und Waldungen 
emporragen, ſind das Tomlishorn (2133 m), der 
Gjel (2123 m) und das Klimſenhorn (1998 m) die 
befannteften. Früher abergläubiicdh gemieben, wird 
der P., jeitdvem am Eſel und am Klimjenhorn 
Gafthöfe erbaut und die Hauptgipfel durch gute 
Reit: und Fußwege zugänglid gemacht find , feiner 
berrliden naht .-— ſehr häufig beitiegen. 
Bejonders lohnen i rt Beſuch des Eſels, der 
einen prachtvollen Blid auf den Vierwaldſtätierſee 
und die Berner Alpen gewährt, Die begangenften 
Wege find derjenige von Alpnachgſtad am Südfuß 
und dervon Hergiswyl am Djtfuß des Bergitod3, die 
beide in 3’, —4 Stunden zum Gjel führen. Cine 
Zahnradbahn von Alpnachgſtad zum Eſel ift pro: 
jeltiert. Dieſelbe wird 4452 m lang werden, eine 
Höhe von 1634 m und teilmeife eine Steigung 
von 53 Bros. zu überwinden haben, Der Cage 


27 


zufolge trägt der P. feinen Namen nad dem 
—— Pilatus, der, von ſeiner Blutſchuld 
gejagt, ſich in den büftern Eee der Bründlen⸗— 
alp geitürzt haben und in demjelben namentlic) 
am Karfreitag N er fol, Wahrſcheinlich ift aber 
der Name des Berg3, der früher Fralmont, d. h. 
ebrochener Berg, hieß, von Mons pileatus, d. h. 
utberg, abzuleiten, da die Gipfel auch bei hellem 
Wetter häufig einen Nebelhut tragen, weldyer in 
der Umgebung als Wetterprophet gilt. Bgl. Kauf: 
mann, « Der 9 » (Bern 1867). 
Bilau (oft fäljhlih Pillau), auch Pilaf, ein 
im Orient weit verbreitetes Geriht. Es beiteht 
aus Neis, der in Waller oder Fleiſchbrũhe bis zur 
Berreiblichleit der übrigens konfiltent bleibenden 
Hörner gelodht und dann mit mäßig barüber ge: 
gofiener zerlafjener Butter gedämpft wird, 


ilchard, ſ. Sar dine. 
Icomayo, rechtsſeitiger bedeutender Neben: 


fluß des Paraguay in Südamerila, entſpringt in 


den Gordilleren des bolivian. Depart. Botofi, 
durchfließt die Depart. Ehuguifaca und Tarija der 
Republit Bolivia, bildet vom 22.° füdl. Br. an die 


Grenze zwiſchen dem Territorio del Vermejo (mit 
den Llanos de Manzo) der Republit Argentina füd: 
lid und Paraguay mit dem Chaco Boreal nördlich, 


durchfließt füdöftlih ben Gran Chaco und mündet 
nad) einem Laufe von etwa 1100 km mit feinen 
Hauptarm der Stadt Afuncion gegenüber. __ 

Pilöus (lat.), bei den alten Römern eine Filz: 
fappe, wel onders von Fildern, Sciffern 
und Handa ee — 

ger ober grim (vom lat. pe nus, 
— nennt man die aus Andacht nach 
il. Orten Wallfahrtenden, in der chriſtl. 
Kirche beſonders die Wallfahrer nach Jeruſalem 
oder überhaupt nach Paläftina, Das chriſtl. Bil: 
erkleid beitand im einem braunen oder grauen 
wand; der Pilgerhut war mit Dieeresmu: 
ſcheln geziert und Date einen ſehr breiten Rand; 
der Bilgerftab beftand aus einem langen, oben 
mit einem Knopfe, unten mit einer Spike, an der 
Eeite mit einer Kugel verjehenen Stabe; die Pil: 
gerflaf % war ein ausgehöhlter Kürbis. Bei 
den lath. Bilgerzügen nad) berühmten Wallfahrts: 
orten ijt jene Bil tracht noch jebt gewöhnlich. 

Bilgram (ce. Pelhfimov), Stadt im füböftl. 
Böhmen, nahe der Wafjerfcheide zwifchen Elbe und 
Donau, it Sip einer Bezirlshauptmannſchaft und 
eines Bezirlsgerichts, hat ein Realgymnafium, ein 
Bürgeripital, Wollen: und Leineninduſtrie und 
zählt (1880) 4202 E. meift czech. Zunge. P. gehört 
zu den ältejten Städten des Yandes und wurde der 
Sage nad) zu Anfang des 13. yabrh. von dem 
prager Biſchof Peregrinus gegründet, 

en, ). Bilger , 

ilibgit, indobrit. Stadt, f. unter Bareilly. 

iliza, Pilica, Anfiedelung im Gouverne: 
ment Kielce in Ruſſiſch-Polen, am Urſprung 
der Bilica, einem linten Nebenfluß der MWeid): 
fel, mit 3960 E., welde Metallinduftrie und 
Wollweberei treiben. 

Billau, Seeitadt, befeitigter Küftenplag und 
Badeort im Kreis Fiſchhauſen des ojtpreuß. Ne: 
gierungsbezirks Römigäberg an bem 550 m breiten, 
6m tiefen Gatt oder 3 lauer Tief, dem Ein: 
gang zum Frifhen Haft, und zwar an dem Süd: 
ende einer 9 km langen, der Friihen Nehrung 
gegenübertretenden Landzunge, Station der Linie 


28 


Königsberg: P. der Ditpreußifchen Sübbahn, bildet 
den Vorhafen für Königsberg. Neben dem Hafen, 
gegenüber der Nehrung, jteht ber 30 m hohe Leucht⸗ 
turm. Das Tief_wird gegen Süden und Norden 
von je einem kolofialen Molo begrenzt. P. it Sitz 
eines Amtsgerichts, hat ein Hauptzollamt, eine 
Navigationsichule, ein ge gr unb eine 
höhere Töchterihule und zählt (1880) ohne bie 
eitung 3225 (mit derfelben 3946) E., die ſich mit 
hiffbau, Segeliabrifation, Reederei und Seehan: 
del, Fiſcherei und Bernfteinfilcherei beichäftigen. 
Etwa 2 km im Nordoſten von V. liegt das Pfarr⸗ 
dorf Alt: Pillau mit 2147 E, und einem mafjiven 
turmartigen Gebäude, dad als Landmarke dient. 
P. wurde 1626 von Guſtav eg von Schweden 
gegründet, Die Feltung war ſchon vor biefem 
vorhanden und wurde 1626—35 von den Schweden 
bejegt gehalten, Friedrih Wilhelm L erhob fie 
18. Yan, 1725 zur Stadt. P. wurde 1758 von 
den Ruſſen genonmen, 1807 ſehr tapfer von Oberit 
Herrmann gegen bie Sranzofen (Soult) verteidigt 
melde die Feitung 26. Juni bombarbierten. Durc 
einen Vertrag vom 24. Febr. 1812 ward fie für die 
Dauer ded Kriegs mit Rußland Napoleon einge 
räumt, aber 6. Febr. 1813 durch Kapitulation des 
franz. Generals Eaftella den Ruſſen unter Sievers 
überliefert und von dieſem fofort, an Preußen zu: 
— 
jen (Pilülae) nennt man erbſengroße Kügel⸗ 
hen, die aus einer Inetbaren indifferenten Subitanz 
beftehen, in welche ink u find ; grö: 
u dergleichen Kugeln heißen Biſſen (Globuli). 
er Arzneijtoff, welden man auf dieje Weije geben 
will, iſt meiſt ein eu ver oder Löfung eines Salzes, 
jelten eine weiche Subjtanz. Die Billenmafie wählt 
man fo, daß fie ih mit dem Arzneitörper leicht in 
die gewünjdhte Form bringen läht, und e3 dienen 
dazu unter anderm Pflanzenertrafte, Brotfrume, 
Seife, Althee: und Süßholzpulver. Um das Zu: 
fammentleben ber P. zu verhindern, überzieht man 
fie mit einer Hülle (von Bärlapp, Blattgold u. |. w.). 
Man gibt die Arzneien in P., wenn fie fih in an: 
derer Form (3. B. wegen des ſchlechten Geijhmads) 
nicht gut nehmen laſſen, oder wenn man die Wir: 
fung der Arznei auf die Mundhöhle oder ihre Ber: 
fegung daſelbſt vermeiden will. Ferner wendet man 
P. —— an, wenn die Arznei lange Zeit unzerſetzt 
aufbewahrt, * wenn ſie verſchickt werden ſoll. 
Man nimmt die P. meiſt mit einem Schluck Waſſer 
ober in Oblate u. ſ. w.; eg dürfen fie nicht wer: 
den. Sehr hart gewordene P. durdwandern oft 
den Darmlanal, ohne ſich aufzulöjen. 
Billersdorf (drum, Freiherr von), öiterr. 
Staatsmann, geb. 1786 zu Brünn in Mähren, 
ftubierte in Wien bie Staatd: und Rechtswiſſen⸗ 
ſchaften und trat dann in den Staatsdienjt, war 
1815 Hofrat und 1817 dem Finanzminijter Joh. 
Phil. Stadion beigegeben. Im J. 1832 wurde er 
zum Sanzler der vereinigten Hoftanzlei und nad 
Ausbrud) der Revolution 20. März 1848 zum Wii: 
nifter deö Innern, 4. Mai aber zum Minijterpräfi: 
benten ernannt. Unter den heftigen Demonitra: 
tionen der Bürgerwehr und der wiener Studenten, 
die namentlid gegen die von ihm ausgegangene 
Verfafjung gerichtet waren, fah er ſich jedoch ge: 
nötigt, 8. Juli vom Staatöruder zurüdzutreten. 
Cr ward nun in Wien zum Mitglied des Reichs— 
tags gewählt und verblieb nah der Auflöjung 
des Meihstags im Privatſtande. Im J. 1849 


Pillen — Pilocereus 


unterlag feine minifterielle Wirlſamleit, ſowie feine 
Haltung während des wiener ec isses Le man 
von 1843 einer Art von Disciplinarunteriuhung, 
infolge deren ihm das Erſcheinen bei Hofe verboten 
wurde, Er lebte nun in Zurüdgezogenheit, bis 
1861 feine Wahl in den niederöiterr. Landtag er: 
folgte, ber ihn als Abgeordneten in den Reichstag 
fandte. Doch jtarb er ſchon 22. Febr. 1862, nad: 
dem einige Zeit vorher jeine Nebabilitierung bei 
Hofe erfolgt war. Später eridien jein «Hand: 
ſchriftlicher Nachlaß⸗ (Wien 1863). Vgl. ferner 
P.s «NRüdblide auf die polit. Bewegung in Liter: 
reich in den Jahren 1848 und 1849» (Wien 1849). 
illican (Tbeobald), j. Billican. 

fallen, Sireisjtabt im oitpreuß. Negierungs: 
bezirt Gumbinnen, 30 km im NO. von Gumbin: 
nen, 63 m über dem Meere, zählt (1830) 2648 G., 
iſt bi der Landratsamts, eines Amtsgerichts und 
einer Reichsbanknebenſtelle. — Der Kreis Pill: 
fallen zählt auf 1060 qkm 46082 E., davon 
9800 Yitauer. 

Billnis, ai. Luſtſchloß und Kammergut, 
der gewöhnliche Sommerfig des ſächſ. Hofs, liegt 
ungelühr 7 km oberhalb Dresden in freundlicher 
Gegend am rechten Elbufer bei dem gleihnamigen 
Dorf mit (1880) 646 E. P. war in frühern Zeiten 
eine alte Burg. Kurfürft Johann Georg IV. 
faufte 1693 da3 alte Schloß von Heinrich von Bü: 
nau und fchenfte e3 feiner Oeliebten, der Gräfin 
von Rochliß, nad) deren Tod ed an die Hammer fel. 
Auguſt I. belehnte damit 1705 die Gräfin Gojel, 
Nachher war es der Sommeraufenthalt des Feld 
marſchalls Rutowſti. Bald aber bezog ed Auguſt 11. 
jelbft und erweiterte es buch den Anbau von 
—— neuen Flügeln. Bon 1788 bis 1792 erhielt 

8 Ganze eine ſchönere Geftalt; Br ibt der ver: 
ne nee Stil der Gebäude demfelben ein aufs 
allendes Anfehen. Das alte Schloß brannte 1818 
ab und wurde durd ein fchöneres Gebäude eriekt. 
Hinter dem Dorf B. öffnet ſich der romantiſche 
Friedrihsgrund. Cin Waldpfad führt zu_einer 
1788 angelegten fünjtlihen Burgruine. Im Schloß 
zu P. wurde 25. bis 27. Aug. 1791, zunächſt wegen 
der poln. Angelegenheiten, die Fürſtenverſamm— 
lung gehalten, bei welder Kaiſer Leopold II., 
Friedrih Wilhelm II. von Preußen und der Graf 
von Artois fi über die gegen die Franzöfiiche Re: 
volution zu ergreifenben Maßregeln unterredeten. 
Zwar war fein Offenfivbündnis gegen Frankreich 
der Zwed dieſer fog. Billniker Konvention; 
doc) beihloß man, jedem Angriff von feiten Frant: 
reih3 und der Revolution gemeinſchaftlich ent: 

—— und gab 27. Aug. an die Brüder 
Ludwigs XVI. eine Erklärung gegen bie Revolution 
ab, welche als Grundlage der eriten Koalition ge: 
* Frankreich gilt. Unweit P. liegen der Pohrs⸗ 

erg ober Porsberg (355 m), mit jhöner Rund» 
fiht, und das Dorf Hofterwik (492 E.), beliebte 
Sommerfriihe, mit einer Bejigung des Prinzen 
Georg, dem Steppichloß, Eigentum der Großber: 
zogin von Medlenburg:Strelig, und dem roman: 


u Keppgrund. 

illon (Col de), fahrbarer, 1550 m hoher Paß 
am Nordfuß des Oldenhorns (f. Diableret3), 
verbindet das Ormontsthal im Kanton Waadt mit 
dem obern Saanethal im Kanton Bern, 

Pillow (Fort), i. Hort Pillom. 

‚Piloceröus Lem., Haarkerzenkaltus, 
eine zur Familie der Kakteen gehörige Gattung, 


Pilokarpin 


welche Arten mit ſtarlem, aufrechtem, cylindriſchem, 
auf ſenkrechten Rippen mit Waffenbündeln beſeßtem 
Etamme umfabt. Bon der Gattung Cereus unter: 
ſcheidet fie ſich dadurch, daß der obere Teil des 
Stammes, oft nur der Scheitel, mit jangen weißen 
oder grauen Haaren beſeßt iſt. Die Blüten ſind 
lleiner als die der eigentlichen Cereen und haben 
eine fürzere, mehr erweiterte Röhre. Die auffal« 
lendjte ihrer Arten ift_P. senilis, das Greifen: 
baupt, deſſen dider Stamm faft ganz mit langen, 
fteifen, nach dem Scheitel zu befonders dicht ac: 
den, borftigen, weißen Haaren 33. iſt. 
Bilofarpin, der wirkſame Beſtandteil in den 
Blättern und Zweigen der geringe (Pilo- 
carpus pennatifolius Lemutre), einer in Brafilien 
ein ee ——— utacee, ſtellt eine 
weiche, zãhe, llebrige, farblofe Maſſe dar, welche 
mit Schweiel:, Salz: und Salpeterfäure leicht lös⸗ 
lie, gut Irgitallifierte Salze bildet, Tas ſalz— 
jaure Bilolarpin (Pilocarpiuum hydrochlo- 
ricum) wird neuerdings, fublutan injiziert, als 
ftart ſchweiß⸗ und fpeicheltreibendes, * als 
pupillenverengerndes erg vielfady benubt. 
Bilot oder Pot en[i ch (Naucrates) heißt 
eine zur Abteilung der Mafrelenfiihe gehörende 
Silhgattung. welche einen geitredten, länglıdhen, 
mit Heinen Schuppen bededten und am Schwanze 
feitlih gelielten Körper, einen abgeitupten — 
eine einzige Rüdenflojje und vor derſelben mehrere 
freie unverbundene Strahlen hat. Der gemeine 
Pilot (N. Ductor), welder 15—3U0 cm lang, 
bläulid: weiß, mit drei bis fünf breiten, duntel: 
blauen Querbändern gezeichnet ift und vier freie 
Rudenſtrahlen befist, lebt im Mittelmeer und im 
Atlantiſchen Ocean, und iſt unter den Seeleuten 
deshalb berühmt, weil er inmer als_Begleiter 
orößerer Haifiſche erjheint, für deren Führer er 
von den Scifjern gehalten wird. Was ihn aber 
veranlaßt, in jo — Nahe zu verweilen, iſt 
unbelannt. Nach Mayens Vermutung lebt er von 
dem Auswurf der Haifihe; allein Haſſelquiſt fand 
in dem Magen des P. File. Er iſt außerordent: 
lid gefräßig,, ſchnell und nicht leicht zu fangen, lie: 
fert aber ein wohlſchmedendes Gericht. 
Bilot (frz.), Steuermann, Lotfe. 
Bilotage (fn.), Pfahlwerk; pilotieren (fr;.), 
fteuern, lotien; Pfaͤhle zum Grundbau einrammen. 
Piloty (Karl von), namhafter Hiltorienmaler, 
geb. zu Münden 1. Oft. 1826, erhielt den erſten 
Kunftunterridt von feinen Bater Ferdinand P. 
(geb. 28. Aug. 1786, geit. 8. jan. 1844), einem 
trefflichen Zeichner, der im Berein mit Pöhle ein 
lithographirches Inſtitut gründete, welches damals 
zu den erjten in Deutſchland gehörte, Karl P. 
machte feit 1841 feine Studien auf der Atademie 
u München und übernahm nad den Tode jeines 
aters die Leitung der Kunſtanſtalt. Der erite 
gie Auftrag, den er erhielt, ging dahin, in der 
eihenfolge er. Bilder, welde König Marimi: 
lian II. für dad Marimilianeum ausführen lieh, 
den Beitritt des Hurfürjten Marx I. zur kath. Liga 
(1609) zu malen. Das 1854 vollendete Bild be: 
tundet den Einfluß der farbenprächtigen Belgiichen 
Schule. Den Ruf P.s begründete 1855 das Bild: 
Eeni vor der Leihe Wallenfteins, das König Lud⸗ 
wig I. in die Pinalothel aufnahm. P. wurde Ehren: 
mitglied der Akademie und an derjelben Profeſſor. 
G3 folgten nun bald —— die Schlacht auf 
dem Weißen Berge bei Prag und Wallenſteins Er: 


— Bilfen 29 


mordung. Auf einer Reife in Jtalien erfaßte er 
1858 die dee einer Daritellung des Cäfarenwahn: 
finns in der Geftalt Neros, wie er über die Trüm: 
mer des von ihm felber eingeäjcherten Rom fchreitet 
———— zu Peſtſ. Als wichtige Bilder 
‚3 find —— zu nennen: Galilei im Kerler 
(1864), Columbus als Entdeder Ameritas (Galerie 
Schad), Walleniteins Zug gen Eger, die Ermor: 
dung Cäjars, Dlaria Stuart bei der Verkündigung 
des Todesurteils, die Girondiften, der Dauphin 
Ludwig XVII. beim Schufter Simon (lekteres in der 
Kunſthalle zu Hamburg), Thusnelda im Triumph: 
jug des Germanicus (Neue Pinalothel in Dün: 
hen). Hieran ſchließt ſich das Niefenbild, in wel: 
hem P. im Auftrage der Stadt Münden die Mu: 
nichia verherrlicht, umgeben von den hervorragens 
den Männern, welche die Kulturentwidelung der 
bayr. Hauptſtadt charakteriſieren, ein künſtleriſches 
Unternehmen, bei welchem neben der lompofitios 
nellen auch die große Begabung P.s für die Por: 
trätmalerei hervortritt. Seit 1858 wirkt P. als 
— an der münchener Alademie mit großem 
ol, Als Nachfolger Kaulbachs übernahm er 
1874 die Direktion derfelben. Aus B.3 ar e, 
welche ig aufgeht, bie Erhaltung der Talente 
nad) ihrer individuellen ent r pflegen und 
weiter zu bilden, it die Mehrzahl der hervorra: 
genditen Koloriften Deutſchlands, wie ineireaper, 
Lenbach, Hermann Kaulbach, Gabriel War, Da: 
tart,, Benczur, Gierymfti u. a., hervorgegangen. 
— abeldichter, ſ. Bidpai. 
ilſen (law, Pizeh), . Prag die größte 
Stadt Böhmens, an den Flüſſen Miſa und Rad; 
bufa, Station der Linien Zurth: Prag der Böh: 
milden Wejtbahn, Wien:Eger, B.:Dur und B.: 
Eifenftein der —— Stantäba nen, Sitz 
eines Kreisgerichts, einer Bezirlshauptmannſchaft 
und eines Bezirlsgerichts, eined Nevierbergamts 
und einer Finanzbezirkädireltion, ift gut gebaut 
und befigt mehrere kath. Kirchen (darunter die 
ſehenswerte Bartholomäustirche), ein Sranziefaner: 
tlofter, eine prot. Kirche und einen iörael, Tempel. 
u dem anfehnlihen Rathaus befand ſich eine 
affenfammlung, melde 9 im ſtädtiſchen Mu: 
feum untergebradt iſt. Auf der Kopecly: Brome: 
nade, an der Sübjeite der Stadt, wurde 1861 von 
der brauberehtigten Bürgerichaft ein fteinernes 
Standbild des 1854 verftorbenen Bürgermeifters 
Martin Kopecky und unweit davon 1875 von ber 
Stadt ein Standbild des Naturforiherd Franz 
Joſeph Smetana_ errichtet. Bon bhöhern Unter: 
richtsanſtalten befinden fi zu P. ein deutſches 
Staatägymnafium, eine deutihe Oberrealſchule, 
ein böhm. Realgymnafium, eine deutſche und eine 
böhm. Gewerbefäufe und zwei höhere Töchter: 
ſchulen. Auch beftehen dafelbit ein allgemeines Kran⸗ 
tenhaus, ein Bürgerfpital, zwei Theater (ein deut: 
ſches und ein böhmiſches), eine Sparlaſſe ic. Die 
Stadt zählt (1884) 46817 E., etwa 20 Proz. deut: 
ſcher und 80 Proz. böhm. Nationalität, weldye Kunſt⸗ 
müblen, drei Lederfabrifen, drei Mafchinenfabriten, 
zwei Preßhefenfabrilen, eine Gasanftalt, zwei Pa: 
pierfabriten, eine Slasfabrik, —— 
Fabrilen für Thonwaren, Prabtitifte u. ſ. w. un: 
derhalten. Das bürgerliche Brauhaus und eine 
Allienbrauerei liefern das berühmte Pilſener 
Bier. Handel und Verlehr werden durch Filiale 
der Böhmijchen Escompte:Bant, der Dfterreihiidh: 
Ungarijhen Bant, der Sisnoftenvla Banka, fowie 


30 


durch eine Handels- und Gewerbelammer unter: 
ſtüßzt. Die vier Jahrmärkte der Stabt find die 
wichtigſten in ganz Böhmen. In der Nähe P.s 
befinden fi berühmte Steinloh —— Eiſen⸗ 
werte, Glasfabrilen und Thonſchlemmen. Nur 
2 km von der Stadt liegt der anmutige Vergnü— 
gungsort Lochotin mit einer Stahlquelle. P. 
war früher befeftigt, bielt in den Huſſitenkriegen 
mehrfache Belagerungen aus und wurde 1618 von 
Manzfeld erftürmt. Auch Wallenſteins Verſchwö— 
rung fpielte zum Zeil in P. und 24 Anhänger bes: 
felben wurden 1634 auf ig erg ana 
Pilsno (poln. Pilzno), Stabt in Weitgalizien, 
Eis einer Bezirlshauptmannſchaft und eines Be: 
zirlsgerichts, liegt am Nordabhang der Karpaten 
in hügeliger Gegend am Einfluß der Dulda in die 
Wisloka und zählt (1880) 2128 E. 28 Zunge. 
Die Stadt wurde 1354 durch deutſche Koloniſten 
gegründet und hat ein altes Starmeliterklofter. 
ilten, Stadt im rufj. Gouvernement Kurland 
im Areife Winden, rechts an der Windau, mit 
1500 €., barunter mehr al3 800 Juden, war 
früher Sig der Biihöfe von Kurland und hat nod) 
einige Ruinen eines alten Schlofies, welches unter 
aldemar U. von Dänemark im 13. Jahrh. ges 
baut worden fein foll. ü j 
Pilum (lat.), der Wurfipieß der röm. Legion: 
foldaten , den fie bei Eröffnung des Gefechts in die 
feindlichen Reihen fchleuderten, um dann zum 
ES chwerttampf zu ſchreiten. 
ilumnus, |. Picus. — 
ige (Mycötes) nennt man in ber Botanil eine 
der beiden großen Abteilungen ber Thallophyten. 
Sie unterſcheiden fi von den Algen en daß 
fie niemals Chlorophyll führen, Die P. find dem: 
nad nidjt im Stande, die Kohlenſäure der Luft zu 
ajjimilieren, fondern müfjen einen Teil ihrer Näbr: 
jtofte aus bereits gebildeten organiihen Berbin: 
ungen entnehmen; fie können be3halb nur ent: 
weder als Barafiten oderSaprophyten leben. 
Die fehr zahlreihen Arten der P. zeigen ſowohl 
in ihren äußern Formen wie in ihrer Lebensweiſe 
bedeutende Unterſchiede, ſodaß die ganze Abteilung 
naturgemäß in verſchiedene Gruppen zerfällt. 
Man unterfcheidet — folgende Gruppen: 
1) Shizompyceten, Spaltpilze oder Bae— 
terien, einzellige B. von außerordentlicher Klein: 
beit. Unter ihnen finden ſich die Heinften Formen 
aller Tebenden Weſen. Biele derfelben leben in 
Kolonien, die fih als verfhieden geformte Gallert: 
majjen rer ſchon mit bloßem Auge erfennen laf: 
en. In ſolchen Kolonien find Millionen derartiger 
P. enthalten, Die Vermehrung derjelben erfolgt 
durch Zellteilung und iſt eine außerordentlic) ei 
lihe, wenn günjtige Bedingungen für die Grnäb: 
rung gegeben find. Die Schijomyceten find im 
Haushalt der Natur von der größten Wichtigleit; 
es gibt wohl kaum eine Fäulniserfheinung, bei 
welcher nit maſſenhaft Bacterien auftreten; aud) 
bei ſehr vielen Gärungsprogefien fpielen diefe P. 
eine hervorragende Rolle, bejonders aber find 
einige derfelben al3 Srantheitserreger von ſchäd— 
licher Wirkung. (Näheres ſ. weiter unten; vgl. 
Schizomyceten.) 
2 Myromyceten oder Schleimpilze. Die 
bierber Biel Arten unterſcheiden fi von den 


: 


übrigen B. bejonders dadurch, baß ihre vegetativen 
Zeile nadte Protoplasmamaſſen, ſog. Plasmodien, 
von ſchleimiger Konſiſtenz darſiellen. Membran: 


Pilsno — pilze 


bildung findet nur in den Sporangien ſtatt. (Bol. 
Myromyceten.) j 

3) Phykomyceten, P. mit deutlich ausgebil— 
betem Mycelium, da3 in den meijten Fällen viel: 
fach verzweigt, aber nicht von Querwänden durd): 
jet ift. Es gebören hierher unter andern die Ya: 
milien der Uitilagineen, Mucorineen, Sa: 
prolegniaceen und Beronofporeen; aufer: 
dem werden einige Familien von unficherer fuite: 
matiſcher Stellung, wie die Entomophthoreen 
und — —— oder Hefepilze gewöhn⸗ 
lich den Phylomyceten angereibt. gt hyto: 
myceten und die betreffenden Spezialartilel. 

4) A3compceten, P. mit reichlich entwideltem 
Mycelium, deſſen Hypben durd Querwände ge: 
ächert find. Die ren haben jehr verſchie⸗ 

ene Geitalt, doc ftimmen fie alle darin überein, 
dab fie an gewiſſen Stellen eine Schidt von 
ſchlauchförmigen Zellen (Asci) — in deren 
Innerm eine Anzahl Sporen, ſog. Ascoſporen, er: 
zeugt werden. Die Ascomyceten werden nad) der 
Geſtalt der Fruchtkörper in mehrere Familien ein: 
geteilt: Tuberaceen, Byrenomyceten, Di3- 
comyceten, und den leptern beiden ſchließen ſich 
die Flechten oder Lichenen an, da diejenigen Pilz: 
ormen, welche an der Bildung des Flechtenthallus 
nteil nehmen, mit fehr wenigen Ausnahmen ent: 
weder ben PByrenomyceten oder den Discompceten 
zuzurechnen nd. (Bol. Adcomyceten.) 

5) Bajidiompyceten, ®., die ebenfall3 reich 
verzweigte Mycelien mit Duerwänden befiken und 
mannigfaltig geftaltete Fruchtkörper entwideln. 
Die Sporenbildung findet jedoch bei diefer Gruppe 
nicht im Innern von Zellen jtatt, fondern es wer: 
den bie — auf den Enden gewiſſer Hyphen 
der Fruchtlörper, den fog. Baſidien, abgeſchnürt. 
Zu dieſer Gruppe gehören die Familien der Ure— 
dineen oder Roſtpilze, der Hymenomyceten 
und Gaſteromyceten, ſowie die kleine Familie 
der Zitterpilze oder Tremellinen. (Bol. Baſi— 
diomyceten und bie betreffenden Spezialartilel.) 

Bezüglich) der Anzahl der überhaupt befannten 
PB. läht fi faum eine beftimmte Angabe maden, 
ba fehr viele Arten binfichtlich ihres Entwidelung®: 
ganges und der dabei vorlommenden Erſcheinungen 
des Generationswechſels noch zu ungenau befannt 
find. Immerhin wird man annehmen dürfen, daß 
wohl nahe an 10000 Formen erijtieren. Ihre Ber: 
breitung ift eine außerordentlich weite, da überall, 
wo nod Pflanzen und Tiere leben können, auch P. 
die nötigen Bedingungen für ihre Entwidelung fin: 
den. Einige Formen, befonders gewiſſe Schimmel: 
pilze und Hefepilze, haben einen tosmopolit. Cha: 
ratter. Beſonders häufig treten P. an folden Dr: 
ten auf, wo durch reichlich gebotene organische Nab- 
rung und viel Feuchtigkeit die günftigiten Bedingun: 
gen für Wahstum und Fortpflanzung gegeben 
find. Wie fchnell umter folhen Verhältniſſen oft 
die Verbreitung gewiſſer Pilzformen ftattfinden 
fann, ai 3. B. die Cinwanderung der die Kar: 
toffeltranfheit hervorrufenden Phytophthora in- 
festans (j. d.) und ebenfo auch das rapide Umſich— 
greifen mancher Epidemien, die durch Schizomy— 
ceten verurfacht werden. Da die meiſten P. voll: 
fommen ohne Beleuchtung vegetieren können, fo 
trägt auch diefer Umſtand dazu bei, die räumliche 
Ausbreitung derfelben zu erleichtern. Jedenfalls 
haben auch jchon in den frühern Perioden der Erde 
die P. eine ausgedehnte Verbreitung gehabt, doch 


ESSBAR 







7 8 
l. Eierschwamn, Pfefferling, Gelbschwamm (Cantharellus cibarius). 2. Echter Reiz.ker a ım ausgewachsen 
gewachsenen b im Jußendzustande, (Agaricus campestris).5. Hallimasch —— melleus). 6. Bärentatze, } 
.‚Steinpilz (Boletus edulis). I( 


Brockhaus’ Conversations- Lexikon. 13, Aufl. F4.Brockhaus two 


HE PILZE. 


vn 


' man — 
Karim! MIT 


sen, b im Jugendzustande (Lactarıus deliciosus). 3. Trüffel (Tuber eibariund. + Champignon “im aus- 
‚. Kirschschwamn I Clavaria Nav). 7. Spitzinorchel (Morchella coniew. 8.Parasolschwanum (Agancus procerus) 
„9 Stoppelpilz (Hydnum repandum). 2 





ö———— —— — — — 
—E — — Anstalt Lrypzig Zu Artikel: Pilz« 


GIFTIG] 


1. Pantherschwamm (Agaricus pautherinus). 2. Rirkenreizker (lactarius tormınosus) 3.Fliegenschwanm 
S: Speitäubling,Speiteu el (Russula emetica). B. Setanspilz (Boletns satanas). 7. Knollenblätterschwanm 





Brockhaus tonversations Lexikon 13 Aufl. PA.Brockhan.n ou 


E PILZE. 


muscarius). 4. Gichtimorchel, d im ausgewuchsenen, b im Jugendzustande (Phallus impudienus). 
aides). 8, Schwefelkopf (Agaricus fascieularis). 9. Hexenschwamm, Saupilz (Boletus luridus) 





FE Anstalt. Leipzig Zu Artikel. Pilze 


Pilze 


find nur wenige davon im foſſilen Zuſtande erhal: 
ten. Wan bat in mebrern Hölzern, aus der Stein: 
lohle und auch aus andern Formationen nicht jel: 
ten Mycelien von Schmiarogerpilzen gefunden, aud) 
auf foſſilen Blattreften lafjen ſich häufig noch para: 
ſitiſche rigen nachweiſen, doch fönnen dieſe ein: 
elnen Reſte im ganzen wenig Aufſchluß über die 
über vorhandene Pilzvegetation geben. 

Im gewöhnliden Leben bezeichnet man als 
Pilze oder Shwämme nur eine bejtimmte An: 
zahl von Arten aus den Gruppen ber Baſidiomy⸗ 
ceten und Ascommceten, bie durch die Größe und 
Geftalt ihrer Srugtlörper befonders auffallen. Da 
diefelben durch ihren reihen Gehalt an Stiditojj: 
verbindungen einen bedeutenden Nährwert bejiken, 
fo werben viele derjelben ala Nahrungsmittel ſchon 
—— —— gebraucht. r die Bewohner 
mancher 


Gebi nben, z. B. für die des Thü- Nährw 
ebbaren 


rin 3 P. von der größten 
Bedeutung, ba diefelben in gewiffen Zeiten, im 
Spätfommer, ben Hauptbeitandteil der Nahrung 
ärmerer Klaſſen bilden. Aber aud für weitere 
Kreife find manche ſolcher P. ein nicht unwichtiger 
Handelsartilel geworben, da fie durch ihren * 
geſchmad zu den beliebteften Speiſen gehören. So 
iſt . B. der Champignon zur Zeit bereits eine weit 
verbreitete Kul! nze, ebenfo fann man bie 
Trüffel in gewifiem Sinne als Kulturpflanze be: 
tra denn durch bejondere dlung ber 
Baumpflanzungen, in denen die Trüffel vorlommt, 
wird ein möglichft großer Ertrag an biefen P. er: 
zielt. Ahnlich wie Shampignon lafjen fic je: 
denjalls auch andere P. kultivieren, doch find bis— 
ber noch zu wenig Berfuche in biefer infiht ans 
geheilt mworben. bin fommt auch ein gro 

il diefer noch nicht kultivierten PB. in den Handel 
und dad Sammeln berjelben bildet für viele Fa— 
milien in pilzreihen Gegenden ein wenig Mübe er: 
forderndes, dabei aber doc) einträgliches Geichäft. 
Die ebbaren P. werden im der verjchiedenartigiten 
Zubereitung genofjen, meiftens werben biefelben 
al3 Gemüje gelodht oder mit Butter den. 
Cinige Arten, wie die Trüffel, die Morcheln, der 
Roufern u. a., werden bloß al3 Gewürze zu an: 
dern Speifen verwendet. Zur Aufbewahrung eig: 
nen fi die P. am beften im getrodneten Zuſtand 
oder in Eſſig eingemacht. 

Allerdings liegt bei Verwendung von P. zur 
Herftellung von Speifen in manden Fällen bie 
Gefahr einer Verwechſelung mit giftigen Formen 
nahe, doch ift die Anzahl der wirklich giftigen P. 
gegenüber der Anzahl der eßbaren oder dod) wenig: 
tens unfhädlichen eine äußerft geringe. Außer: 

lann bei einiger Erfahrung und bei Kenntnis 
gewiſſer haralterijtiichen Merkmale jede Verwechſe⸗ 
lung leicht vermieden werben. Allgemeine Regeln 
laſſen ſich allerdings nicht geben, da weder ber 
Geruch, noch der Gefchmad, noch irgend welche an: 
dere Kennzeichen, wie Vorhandenfein von Milch: 
ſaft, Hebrige Beihaffenheit des Hutes, lebhafte 
sarbe u. dgl. ein Sriterium für die Schädlicleit 
der betrefjenden P. abgeben können. 

Die Wirkung der in den P. auftretenden Gifte 
auf den menſchlichen Organismus ift eine verſchie⸗ 
dene; gewöhnlich tritt gi ein Gefühl von Ekel, 
Erbreden und Durdfall ein, fpäter folgen Obn: 
machten, Krämpfe, Delirien u, dal. und ſchließ— 
lid tritt in ſchweren Bergiftungställen der Tod 
ein, Die widtigften Gegenmittel find zunädjft Ent⸗ 


81 


fernung ber genofienen P. durch Brechmittel oder 
mittel3 der Magenpumpe, — durch Abführ: 
mittel (Ricinusöl), ſodann Anwendung von gerb: 
Roffvalligen Abkochungen (von Eichen: oder Weiden: 
rinde lläpfeln, Tannin, fhwarzem oder grü: 
nem Thee, Kaffee); nad Entleerung der B. wende 
man Hautreize(Senfteige, Eſſigwaſchungen) und bes 
lebende Mittel (Hoffmannstropfen, jtarten Wein, 
Kampfer) an. Bei Vergiftungen mit Fliegen: 
ſchwamm verorbnen die Ärzte Atropin als Gegengift. 
Die chemiſche Sue eben ber bier: 
bei in Betracht lfommenden Giſte ift noch jehr 
wenig unterfucht. Viele derfelben find in Waſſer 
löslich und man kann deshalb mande giftige P. 
durch längeres Ertrahieren mit Wafjer und Cifig 
unfhädlid und genießbar maden, doch gehen da: 
bei auch viele Näbritoffe in Löfung, a der 
ährwert ber P. dadurd bedeutend herabgefeht 
wird, Das einzig fihere Mittel, um Verwechſe— 
lungen zu vermeiden, üjt eine genaue Kenntnis der 
wenigen wirklich giftigen P., und dieſe Kenntnis 
läßt Hi bei einigem Fleiße ſehr bald erreichen, da 
nur etwa zwei oder drei giftige Formen mit ebbaren 
Arten Ihnlichkeit zeigen. s 
Auf den beiden hierzu gehörigen Tafeln find bie 
wichtigſten giftigen Pilze, fowie einige eß— 
bare Pilze, bei denen eine Berwechlelung leichter 
moöglich ijt, dargeftellt. Sehr leicht zu erkennen 
find der Bantberihwamm (Agaricus panthe- 
rinus, Tafel: Giftige Pilze, Fig. 1) und der 
zii egenfhmwamm — muscarius, Fig.3). 
öjelbe gilt von dem Satans pil z (Boletus sa- 
tanas, Fig. 6) und dem Herenfdwamm (Boletus 
luridus, Sie, 9). Aud) der Speiteufel (Russula 
emetica, ig. 5) ift faum mit andern zu verwech⸗ 
feln, noch weniger aber bie Gichtmorchel (Phal- 
lus impudicus, ig. 4), die fi durch ihren ab⸗ 
ſcheulichen Aasgeruch fofort bemerkbar macht. Der 
Birlenreizter (Lactarius torminosus, Fig. 2) 
tann bei oberflädhlicher Betrachtung wohl mit dem 
Echten Reizter ( ius deliciosus, Tafel: 
Eßbare Pilze, Fig.2) verwechjelt werden, doch ijt 
der rotgefärbte Milchfaft, der beim Auseinander: 
brechen des echten Reizlers auf ber Bruchfläche her: 
vortritt, ein ganz ficheres Kennzeichen, auch lommt 
derjelbe niemals auf Birtenwurzeln vor, wogegen 
der giftige Birkenreizler fih nur in der Nähe von 
Birken findet. Der Champignon (Agaricus cam- 
pestris, Tafel: Ebbare Pilze, Fig. 4) ift im aus: 
gewadhienen Buftande fofort fenntlih an der rojen: 
roten, fpäter rojtbraunen Farbe feiner Yamellen, 
dagegen ijt er im geſchloſſenen Zuftande leicht mit 
den jugendlichen Stadien des Knollenblätter: 
fhwammes (Agaricus phalloides, Tafel: Gif: 
tige Pilze, Fig. 7) zu verwechſeln. Am beiten 
erlennt man den leßtern daran, daß er, aud im 
———— — ſchon, am Grunde des Stiels eine 
nollenartige Anſchwellung beſiht. Der Schwefel: 
fopf (Agaricus faseicularis, Tafel: Giftige 
Pilze, Fig. 8) fann mit dem fog. Stodihwanım 
(Agaricus mutabilis) verwechielt werden, doch ge: 
nügt fhon die Prüfung des Geihmads, um den 
eritern verdächtig erſcheinen zu laflen; während ber 
Stodihwamm einen an — Geſchmack beſißt, 
macht ſich der Schwefeltopf ſchon beim Verſuchen 
eines Heinen Studchens durch einen unangenehmen 
bittern Gejhmad bemerklich. , ‚ 
Bon ben ebbaren Pilzen, die ſchwer mit an- 
dern zu verwechſeln find, find als die widtigften 


32 


noch zu erwähnen: der Eierſchwamm (Cantha- 
rellus cibarius, Tafel: Eßbare Pilze, Fig. 1), 
der Moufferon (Marasmius scordomius und 
Marasmius oreades), der Paraſolſchwamm 
(Agaricus procerus, ig. 8), verſchiedene Arten 
der Gattung Clavaria, von denen auf der Tafel 
Ehbare Pilze die gewöhnlihe Bärentape (Cla- 
varia flava) in ig. 6 dargeitellt ift, ferner der 
neben dem Champignon und dem echten Reizler 
als beſter Speifepilz geltende Steinpilz (Boletus 
edulis, Fig. 9, ſowie der angenehm jäuerlich 
dmedende Hallimai F4 — melleus, 
dig. 5) und der gewöhnliche Stoppelpilz (Hyd- 
num repandum, di, 10). Bon den ebbaren P. 
aus der Öruppe der Ascomyceten find die verfcie: 
denen Morcelarten, von denen in Fig. 7 die 
Spismordel (Morchella conica) dargeftellt ift, 
und die Trüffel (Tuber cibarium, ig. 3) be; 
fonders hervorzuheben. ; 

Um die Bilztunde oder Mylologie haben 
fih in neuerer und neuefter Zeit namentlid Elias 
Fries in Schweden, Corda, De Bary, Brefeld 
(Deutfe), die Gebrüder Tulasne (Franzofen), 
Woronin (Rufe) verdient gemadt. Bon ihren 
Werten find zu nennen: Corda, «Anleitung zum 
Studium der Mofologie» (Prag 1842); U. de 
Bary, «Morphologie und Phyfiologie der P., Flech— 
ten und Myrompceten» (Lpz. 1866); A. de Bary 
und Woronin, «Beiträge zur Morphologie und 
Vhyfiologie der PB.» (Frantf. a. M. 1864—82); 
A. de Bary, »Vergleihende Morphologie und Bio: 
logie der P. Mycetozoen und Bacterien» (Lpz. 
1884). Bon ſyſtematiſchen Werten ijt zu erwähnen: 
Rabenhorſt, «Kryptogamenflora von Deutſchland, 
Oſterreich und der Schweiz» Lpz. 1881—84; Bd. 1: 
«Bilzen, herausg. von G. Winter). Gute Abbil: 
dungen von ebbaren und giftigen P. find zu finden 
in Lorinſer, «Die wichtigſien ebbaren, verdächtigen 
und aiftigen ee (12 Tafeln in Farben: 
drud, 2. Aufl, Wien 1881); Lenz, «Nüpliche, ſchäd⸗ 
lihe und verdädtige Schwämme» (20 lithogra: 
phierte Tafeln, 6. Aufl, bearbeitet von O. Wuͤnſche, 
Gotha 1879); Nöl, «Die 24 häufigsten efbaren 
B.» (14 Tafeln in Farbendrud, Tüb.). Die Littes 
ratur über die einzelnen Familien j. unter den be: 
trefienden Spesialartiteln, 

Für die Pathologie hat die Lehre von den 
P. neuerdings eine ganz hervorragende Bedeutung 
Age infofern neuere For dungen ergeben 

aben, daß —— — Heinjte P. aus 
der Klaſſe der Spaltpilze oder Schizomyceten (f. d.) 
durch ihre Einwanderung und Cinniftung in den 
Geweben und Säften des menſchlichen Körpers die 
birefte Klee ‚beftimmter infeltiöfer Arantheiten 
werden. Mit Sicherheit iſt dies auf erperimentellem 
Wege erwiefen von der Tubertulofe (f. d.), von 
Milzbrand, von der Cholera (j.Kommabacillen), 
vom Rüdjallsficber (f. Febris recurrens), 
vom Eryfipel, von der Pyämie, dem Buerperal: 
fieber, von der jog. Inte — und von der 
Gonorrhöe; von andern Infeltionskranlheiten, wie 
dem Typhus, dem Wochjelfieber, der Diphtheritis, 
den Boden, Maiern, den Scharladfieber, der Ey: 
philis, dem Gelbfieber u. a., ift zwar der erperi- 
mentelle Beweis ihres parafitären Uriprungs noch 
nicht erbracht worden, doch fprechen fchon jekt gar 
viele gewichtige Gründe dafür, dab auch fie durd) 
ein. belebtes Kontagium (contagium animatum ) 
hervorgerufen werden, daß auch bei ihnen bejtimmte 


Bilzfäden — Pima- Indianer 


milroſtopiſch Heinfte Spaltpilze die ergentlichen 
Krankheit3erreger find. Liber die beiten Mittel zur 
Vernichtung der organ. Krankheitsteime f. unter 
Anftedung, Desinfeltion, Kontagium. 

Zu ähnlichen Ergebnifien über die Entjtehung 
der Infelktionskranlheiten ift auch die Tierpatho: 
[logie gelangt. Außer denjenigen pflanzlichen Para: 
fiten, welde bei Haustieren Hautlrankheiten (f. d.) 
verurfadhen, ſpielen aud Schimmel: und Spaltpilze 
als Krantheitserreger bei vielen Tieren eine ur 
bedeutende Rolle. In den Lungen der Vögel, fe 
tener der Säugetiere, rufen Schimmelpilze oft Ent: 
zündungszjuftände (Pneumonomyloſen) hervor, in 
welder Beziehung ein Pinfelichimmel —— 
fumigatus) beſonders thätig iſt. Von den vier 
Arten der Spaltpilze, nämlich den Mikrocollen 
Kugelbacterien), den Kurzſtäbchen (Bacterien), den 
Langſtäbchen oder Fadenbacterien (Bacillen) und 
den Schraubenbacterien (Spirillen, Spirodäten) 
wirlen viele als SKrankheitsfontagien; jo ver: 
urſacht ein oft mit Eilien verfehener Milrococcus, 
d. i. eine mit Flimmerfädchen verfehene kugelige 
Belle von etwa 0,5 Nitromillimeter Durchmefier, die 

hafpoden; als Urfache der Ninderpeit fieht Sem: 
mer Dtikrocolfen an, die einzeln oder zu Ketten geeint 
in den Säften und krankhaft veränderten Geweben 
der von diejer Seuge befallenen Tiere gefunden wer: 
den; ellipfoidische Collen von hödjftens ein Mitrom. 
Durchmeſſer erzeugen nach Hoc Erkrankungen der 
Niere und Milz, jowie Ödeme bei Kaninchen und 
Mäufen und werden überhaupt für Erzeuger der 
Säftevergiftung gehalten, Die Milzbrandbacillen 
(Bacillus — welche gewöhnlich 7 bis 12 Mi⸗ 
trom.Länge und bis1 Milkrom. Breiteaufeigen, 
auch ſehr lebenshartnäclige Daueriporen entwideln, 
find die Urſache des Entſtehens und der Weiterver: 
breitung des Milzbrandes (f. d.); die Tubertulofe 
oder Knotchenſchwindſucht wird durch ben Bacillus 
tuberculosis (Koch) hervorgerufen. Diefer Tuber: 
telpilz tritt in Form von 0,5 Nilrom, Hurzitäbchen, 
aber auch in Form längerer Stäbchen auf und bils 
det Daueriporen, welche mit Mitrocolten verwech— 
felt wurden. Zum Entſtehen von blauer, gelber 
oder roter Milch und anderer Milchfehler geben ver: 
ſchiedenartige Collen und Bacillen Beranlajjung. 

Die wirttamften Mittel ——— erjeuls 
gende Spaltpilze find Borjäure, Salicylfäure, Naph⸗ 
tbalin, Nobpräparate, vor allen aber Garbolfäure 
und Quedfilberfublimat; &—10 Proz. Carbolwafier 
oder ee ee ind die beiten Des 
infeltionsmittel für die Biehitälle. Hat man zum 
Töten der in Ställen verjtreuten pathogenen Spalt: 
pilze Sublimatlöfung verwendet, jo muß, 6—12 
Stunden nach dem Gebraud) derielben, alles Des: 
infizierte mit Schwefelwaflerftoffwafjer nachgewa— 
ſchen werden, bamit daS Quedfilber, weldes auch 
für Vieh ein jtarfes Gift ift, gebunden und in uns 
lösliche Form gebracht werde, 

ilzfäden, IK Hypbe. 
ilzlager oder Pilzmutter (Mycelium), 
das aus den —— der ———— — 
und Vermehrungsorgane (der ſog. Sporen) hervor: 
egangene Geflecht der Fadenzellen der Pilze; «3 
he t einen Teil des Thallus dar. 
ilztiere, ſ. Myromyceten. —— 
ima⸗-Iudianer, ein Indianerſtamm in Ari— 
ona und Sonora, am Gila und ſeinen ſüdl. Zu— 
uüſſen. Ihre Sprache, welche man durch eine Gram⸗ 
matit von Budingham Smith («Shea’s Library 


Pimenta — Pindar (griech. Lyriker) 


of American linguistics», TI. 5, Lond. 1862) 
näher Iennt, ift zunädit mit ber Sprache ber 
Tepeguanas verwandt und gehört mit diefer zu 
dem jog. großen ſonoriſchen Spraditamm. Bol. 
Cancel, «The native races of the Pacific States 
of North America» (5 Bde., Sans franciäco 1875). 

Pimenta Lindl., Pflanzengattung aus der Fa⸗ 
milie der Myrtaceen. Man kennt fünf Arten, die 
jämtlih im tro ijchen Amerika vorzugsweije auf 
den weitind. nie n vorlommen. Es jind baum: 
artige Gewächſe mit immergrünen lederartigen 
Blättern und Heinen Blüten, Die befanntefte Art 
ift die in Wejtindien, befonders in Jamaica mad): 
fende —— des Piments oder Nelken— 
pfeffers, auch Neugewürz- oder Jamaica: 
pfeffer genannt, P. officinalis Berg. (Eugenia 
pimenta DC.). Die unreifen, etwa ar 
Samen werben getrodnet in den Hande gebracht 
und ähnlich wie die Gewürznelten verwendet. Sie 
befigen eine runzelige Oberfläche und jdhmeden ftart 
aromatiih. Sie waren früher als Semen amomi 
oder Fructus Pimentae offizinell. 

imerin, Hochfläche im nördl. Sonora (f. d.). 
imiento, ſ. unter Capsicum, 

impernell, joviel wie Pimpinella, 
imperunf, f. Staphylea. 

Pimpinella L., Bimpernell, Biberneil, 
Name einer zur Familie der Umbelliferen gehören: 
den Pilanzengattung, deren durch Guropa und 
den Orient zerjtreute Arten faſt alle perennierende 
Kräuter, fiederteilige oder fiederjchnittige Blätter, 
vielftrahlige, hüllenlofe Dolden, weiße oder rofen: 
tote Blüten und zweifnopfige, zufammengebrüdte 
Früchte mit fünf pe Rippen und zahl: 
reihe Olſtreifen gt Hälfte beſihen. 

Die verbreitetfte Art ift der Wiefenbibernell 
oder die gemeine Pimpinelle (P. Saxifraga 
L.), eine tleine, höchſtens 30 cm hohe, vielgeftal: 
tige, auf trodenen Wiejen, Hügeln, an bürren Ab: 
hängen und felfigen Orten häufig wachfende Pilanze 
mit fahlen Früchten und ſehr verfchieden geftalte: 
ten Blattabjchnitten —— der grundftändigen 
Biätter pflegen rundlich oder gefägt zu fein), deren 
—— aromaliſch⸗ſcharfer, Jahlreiche gelbe 

lſambehälter enthaltender Wurzelſtock unter dem 
Namen Radix Pimpinellae albae als ſchweißtrei— 
bende3 Mittel in der Heillunde Verwendung findet. 
Seltener wirb zu demjelben Zwed der Wurzelftod 
ger Bibernell (P. magna L.) benust, 
melde Art in allen Teilen größer und bis an die 
Dolden mit Blättern verfehen iſt und hin und wie: 
der auf fettem Boden vorlommt. Zu diefer Gat: 
tung get ferner die Anispflange (P. Anisum 
L.). ($. Anis.) Bibernell und Pimpinelle wer: 
den häufig auch die Arten der Gattungen Poterium 
und Sanguisorba genannt. 

‚Pina, Fluß in den ruff. Gouvernements Volby: 
nien, Grodno und Minsk, fommt aus den Süm: 
pien des Kreifes Kowel, hat eine Länge von 176 km 
un) münbet in die Jaſolda, einen Nebenfluß des 
Bripet. Sie ift auf 182 km ſchiffbar und dient zur 
Kanalverbindung des Pripet mit dem weftl. Bug, 
alio zur —— des Dnjeprſyſtems mit bem 
Syſtem der Weichſel. 

Pinakel (lat.), gr eine Heine Zinne, 
dann befonders eine Spipfäule, Fiale, ein un: 
durchbrochener Helm über einem Baldachin. 

Pinaksthek (grch.) hieß bei den Römern der 
mit Statuen, Gemälden und andern Kunftfachen 

Eonverjationd» Lexilon. 13, Aufl. XIII. 


33 


geihmüdte Drt am Eingang in das Atrium. Die 
neuere Zeit gebraucht y. gleichbedeutend mit Ge: 
mälde: oder Kunftiammlung; vorzugsweife berühmt 
find als P. zwei vom König Ludwig I. von Bayern 
aufgeführte Prachtgebäude in München (f. d.). 
inang (emp ine) ‚I. unter Areca, 
inang, Inſel, ſ. Pulo-Pinang. 
inaffe iſt das zweitgrößte Boot eines Kriegs⸗ 
ſchiffs; es wird mit einem Bootsgeſchũtz —— 
und oft miteiner Schraubendampfmaſchine verſehen. 
Die P. find gewöhnlich 10—12 m lang und2—2"/, m 
breit und tönnen 8O—100 Mann fallen. _ 
Pince-nez (ft;.), Naſenklemmer, Kneifer. 
incette (volsella) nennt man ein zangen: 
artiges, zum —— Anfaſſen Heiner Gegenftände 
dienende3 Inſtrument, dejien beide Arme federnd 
auseinander gehen und fi durch Drud fchließen 
lafjen. Ye nad den anzufaflenden Gegenitänden 
Er e3 aud) eine Menge a Größe und 
onftrultion verjchiedener P. Der Arzt bedient 
fich dieſes Inſtruments vorzüglich bei Operationen, 
um Heine und zarte Teile zu —— fremde Körper 
von geringerm Umfange —— oder bei Ver⸗ 
bänden, um Berbanditüde leichter faſſen und ab: 
nehmen zu können u. |. w. Zum Verſchließen ver: 
legter Blutgefäße dient die Arterien: oder 
Ktlemmpincette, welde jo eingerichtet iſt, daß 
fie in ruhiger Lage entweder durch das Federn 
ihrer Arme oder durch einen Schieber (Schieber: 
pincette) geichlofjen wird, j 
Pinchbeck, kupferreihe, goldähnliche Bronze, 
die meiſt zu Bijouterierwaren verarbeitet wird. 
Pinoius mons, der nörblicjite der fieben Hügel 
des alten Rom; jest Monte Bincio. (Bal.Rom.) 
incoffin, irapppräparat, f. unter Krapp. 
Pindar (grch. a: der bedeutendite 
griech. Lyriler, war 521 v. Chr. in Kynoslephalä, 
einem Borort von Theben, geboren. Sein Stief: 
vater, der thebaniiche Flötenfpieler Stopelinos, 
ſoll ihn in feiner Kunſt unterrichtet Haben, und jo: 
dann zu Athen namentlich auch der berühmte Di: 
—— Laſos ſein Lehrer in Poeſie und 
uſik geweſen fein. Auch die böot. Dichterin Ko: 
rinna ſoll ihm bei ſeinen erſten dichteriſchen Ver— 
ſuchen als Ratgeberin zur Seite geſtanden haben. 
Später hielt ſich P. einige Zeit am Hofe des Kö— 
nigs Hieron J. von Syralus auf, beſuchte öfters die 
Heiligtümer zu Olympia und Delphi, verweilte in 
Athen und anderwärts. P. ſtarb in Argos, wahr: 
fcheinli 441, nach einer Sage im en in ben 
Armen eines von ihm geliebten Jünglings Theore: 
n03 aus Tenebo3, ig Gedichte, aus fait allen 
Gattungen der grich. Lyrit (Hymnen und Pro: 
zeſſionsgeſänge verfhiedener Art, Dithyramben, 
Siegeölieder, Preislieder für Lebende und Klage: 
lieder um Verftorbene, Trintlieder u. f. w.), waren 
von den alten Grammatifern in 17 Bücher geteilt, 
von denen, außer einzelnen Fragmenten, nur bie 
4 Bücher der Epinitien, d. h. Lieder zur Verberr: 
lihung der Sieger in den großen Nattonalfpielen, 
nad) den Lokalen, wo die Siege gewonnen wurden 
(Olympia, Delphi oder Pytho, Nemea und der 
—— —2 geordnet, erhalten ſind. In 
denſelben erſcheint P. als ein Dichter von hohem 
Ernſt und ſittlicher Tiefe der Gedanken, kraftvoller 
Würde und Erhabenheit, aber, namentlich in der 
Scrofiheit der Übergänge, von einer bisweilen 
über das Maß hinausgehenden Kühnheit in Kom: 
pofition und Ausdrud, fowie von vollendeter Kunit 


3 


34 


der rhythmiſchen und metrifchen Form. Bol. Raus 
&enftein, «Zur Ginleitung in P.s Siegeslieder» 
(Harau 1843). Unter den fehr zablreihen Aus: 
gaben find als die bebeutenditen die von Bödh 
(2 Bde. in 4 Abteil., Lpz. 1811—22), von Diſſen 
(2., aber unvollendete Aufl. von Schneidewin und 
Leutih, Gotha 1843—50), von Bergt in den 
«Poetae lyrici graeci» (4. Aufl., Bd. 1, Lpz. 1878) 
und von Th. Mommſen (Berl. 1864) hervorzuheben. 
Bon deutihen überſehungen find zu nennen bie 
(freilich ohne den_beigefügten griech. Tert faum 
verjtändliche) von Thierſch (2 Bde., Lpz. 1820), die 
von Ih. Mommfen (Lpz. 1846), die von Donner 
(Lpz. 1860) und M. Schmidt (Jena 1869). Bal. 
auch Rumpel, «Lexicon Pindaricum» (2pz. 1883). 

Pindar (Better), Pjeudonym des Dichters 
Kohn Wolcot (j. d.). j 

Pindemonte (Giovanni, weg. a ital, Did): 
ter, geb. 1751 in Verona, wurde Prätor in Vene: 
dig und ging, — Venedig zu verlaſſen, nach 
Paris, wo er Mitglied des Geſehgebenden Körpers 
wurde und 23. Yan. 1812 ftarb. Seine dramati: 
hen Arbeiten, welde eine zügellofe Phantaſie, 
aber wenig Geſchmad verraten, find 1804 zu Mai: 
land erſchienen («Componimenti teatrali», 4 Bode.). 
Außerdem fchrieb er Gedichte, metriſche Überjegun: 
gen aus Dvid (Vened. 1791) u. a. 

Pindemonte (Xppolito), Bruder des vorigen, 
geb. 13, Nov. 1753 zu Verona, ftubierte zu Mo: 
dena Vhilologie und Litteratur, bereifte Italien, 
Frankreich und England, lebte dann meift in Be: 
nedig, wurde Mitglied des Stalienifchen Inſtituts 
und jtarb 18. Nov. 1828 zu Verona. Seine be: 
beutenbften Arbeiten, durch Gedanfentiefe wie durch 
Gefühlswärme ausgezeichnet, find: «Prose e poesie 
campestri» (Verona 1817), «Elogi di Letteratio 
(2 Bbe., Verona 1825 fg.), «Epistole in versi» 
Verona 1817), «Sermoni» (Verona 1819) und 
eine Überjegung von Homers Döyfice (2 Bde., 

erona 1822). 
feiner Werte ift zu Neapel («Opere complete», 
1851; 3. Aufl. 1861) erſchienen. Bol. Montanari, 
«Della vita e delle opere d’Ippolito P.» (Vened. 
1834; 2, Aufl. 1856). 

Pindos wurde bei den Alten der füblichere Teil 
der mächtigen und langen Gebirgätette genannt, 
welde die Landſchaften Epirus und Thefiaien 
ſcheidet und im Süden fih mit dem Othrys, Tym⸗ 
phreſtos und Sta vereinigt. Ginige Geographen 
dehnten den Namen auch auf die nörblichern Glie: 
ber ber fette, das Kerketion- und Lalmongebirge 
aus, wonach ber P. ſich von Diacedonien bis na 
Utolien herab erftredte, 

Pindos biehen aud) eine Stadt in der Land: 
Ichaft Doris (aud) Atyphas genannt) und ein Fluf 
ebendafelbjt, der in den Replies mündet, 

Pinda (lat.), die Pinie (Pinus Pinea). 

Pineau Fe, ‚eine ſchwarze Burgundertraube, 

inega, Fluß in den rufj. Gouvernements Wo: 
logda und Archangelsk, ein rechter Nebenfluk der 
Dwina, 550 km lang und auf 450 km ſchiffbar. 
Der Flu et Burg a bewalbete Gegenden; e3 
wird auf ihm viel Holz geflößt. An der P. liegt die 
Stadt Pinega mit (1881) 967 E. 

Bine: Jölands (engl., fpr. Pein-Eiländs, 
Sichteninfeln),, felgruppe im Süden von 
Florida; diefelbe zieht ih von Kap Florida um 
die Südlüfte der Halbinfel; die bedeutenditen In: 
ſeln derfelben find Key Largo und Weſt ey. 


Eine volljtändige Geſamtausgabe f 


Pindar (Beter) — Pingre 


Pinel (Philippe), ausgezeichneter franz. Arzt 
auf dem Gebiete er Seelen eiltunde, geb. 20. April 
1745 zu St.:Andre bei Yavaur im Tarn:Departe: 
ment, ftubierte in Touloufe und Montpellier, wo 
er, um feinen Unterhalt Ru ewinnen, Unterricht in 
ber Mathematif gab. 9 — er ſich 1778 nach 
Paris gewendet, wo er ſich nun ausſchließlich der 
Medizin widmete, wurde er 1791 dirigierender Arzt 
an der Irrenanſtalt zu Bicdtre und 1794 an ber 
Salpetriere. Durch die graufame Behandlung der 
Seren, wie fie damals fajt überall noch Sitte war, 
mit Abſcheu erfüllt, führte er bier eine menſchlichere 
Behandlung ein, indem er insbefondere ben Irren 
die bis dahin in Bicktre und anderweit gebräuch— 
lihen Ketten abnahm. Auch um die wiltenjcaft: 
lie Ausbildung der Pſychiatrie erwarb er fid) 
große Verdienite und wies als der erſte auf die Be: 
deutung einer «pfychischen» Behandlung der Irren 
bin in feinem Werfe «Sur alienation mentale» (Par, 
1791) u. f. w.; beögleidhen drang er auf eine zwed: 
mäßige Aufficht in den un: Auf die 
phyſiſche Behandlung der Irren hielt er weniger, 
namentlid) war er ß en das Blutlaffen, Seine 
Pathologie der See —— war auf die Con⸗ 
dillacſche Philoſophie gebaut und hielt ſich mehr 
an die unmittelbar wahrnehmbaren Erſcheinungen, 
als daß fie ein tiefes Eindringen in das Weſen der 
Krankheiten verfuchte; jedoch machte feine « Noso- 
graphie philosophique» (Bar. 1798; 6. Aufl. 
1818) Epoche in der franz. Medizin, P. rebigierte 
eine Zeit lang die «Gazette de sante», P. ftarb zu 
Paris 25. Dit. 1826. 

uelli (Luigi Bompeo), ital. Dichter, geb. 
8. Mai 1840 zu Sant’:Antonino bei Trevifo, erhielt 
—— Vorbildung zu Treviſo und Venedig, betei— 
igte ſich am Feldzug von 1859, ſtudierte darauf 
Rechts⸗ und Litteraturwiſſenſchaft zu Pavia, Turin 
und Piſa, worauf er zum Profeſſor der ital. Litte— 
ratur am Lyceum zu Üdine ernannt wurde, Von 
einen Werten, welche den Stempel eines tiefen, 
melandoliihen Gemüt3 tragen, find zu nennen: 
«Dolori e speranze» (Mail. 1860), «L’Italia pre- 
tesca e ciarlatanesca» (Mail, 1367), «Affetti e 
pensieri» (Udine 1869), «Vita intima» (Mail, 
1876), «Poesie minime» (Bologna 1880). 

inerolo, ſ. Pignerol. 

neytalg, |. unter Zalgbaum. ; 

e, auch Binge oder Bünge, ift eine meift 
trihterförmige Wertiehung der Erdoberfläche, weldye 
durch AZufammenbrechen unterirdiicher bergmän: 
nifcher Baue entitanden iſt. Berühmte B. find die zu 
Geyer und Altenberg in Sachſen. Bingen: oder 
Steinbrudbaue find einfache —— bei der Ge: 
winnung von Rafeneifenftein, Moraſterz, Braun: 
eifenftein, Brauntohle und Torf. 
re (Aler. Guy), ausgezeichneter franz. 

Aitronom, geb. zu Paris 4, Sept. 1711, trat in 
den Orden ber regulierten Chorberren und war 
1735—45 Profeſſor der — zu Senlis. We: 
gen Teilnahme an den Janſeniſtiſchen Streitigleiten 
verfolgt, mußte er feiner Profefjur entjagen und 
fih 1745 mit der unterften Lebreritelle in Nouen 
begnügen, bi3 ihm die Stelle al3 Aftronom an der 
dortigen Akademie der Wiſſenſchaften übertragen 
wurde. Im J. 1750 ernannte ihn die pariier Alfa: 
demie zum Korrefpondenten. Seht riefen ihn feine 
DOrdensbrüber wieder zurüd und ließen 1751 eine 
Sternwarte in der Abtei St.»-Genevidve in Baris 
bauen, auf der er num 40 Jahre lang feine 


Pinguente — Pinneberg 


Beobachtungen fortfekte. Bon 1754 bis 1757 gab er 
bie eriten aftron. Schifferlalender heraus, als deren 
Hortießung die bejonder3 unter Yalande berühmt 
gewordene «Connaissance des temps» zu betrad; 
ten ift. Auch wurde er 1756 Mitglied der Ala— 
demie, deren Denlſchriften er bis 1770 jährlich mit 
Abhandlungen bereidherte. Er machte verjchiedene 
ojtron. Reiten, wie 1760 und 1769 nad Indien 
und Amerifa, zur Beobachtung bes —— 
gangs. Seit 1757 mit der Theorie und Bered: 
nung der Kometen —— berechnete er allein 
beinahe ebenſo viel Kometenbahnen als die übrigen 
Atronomen Europas zufanımen. Biel zen 
als Zacailie bejtimmte er für die zweite Ausgabe 
der «L’art de verifier les dates» die Sonnen: und 
Mondfinfternifie auf 2000 yahre. Sein Haupt: 
wert ijt «Cometographie» (2 Bde., Par. 1783); 
«Histoire de l’astronomie du 17° siöcle» (Par, 
17%) blieb unvollendet, Er ftarb 1. Mai 1796, 

Pinguente, Stadt in der Bezirlshauptmann⸗ 
fhaft Capo d’Yitria im_nördl. Teil der öiterr. 
Marlgrafſchaft Iſtrien, Siß eines Bezirlsgerichts, 
Station der Linie Divacca-Pola der öſterr. Staats— 
bahnen, liegt hoch, am Urjprung des Quieto, hat 
größtenteils alte Häufer und zählt (1880) 528, als 
Gemeinde 13993 E., weldye Weinbau treiben; in 
der Näbe find ag ag und Marmorbrüde. 

Pinguioula L. Pflanzengattung aus der Fa⸗ 
milie der Utricularieen oder Lentibularieen. Man 
lennt gegen 30 Arten, die eine ziemlich ausgedehnte 
Verbreitung in der nördl. gemäßigten Zone haben. 
63 find Heine Erautartige Pflanzen, die in Sumpf: 
boden wachſen. Sie haben rofettenartige, fleiſchige 
Blätter und violette oder gelbe Blüten mit zwei: 
lippiger Blumentrone, zwei Staubgefäßen und 
einem einfächerigen Fruchtlnoten. In Deutichland 
lommen zwei Arten vor: P, vulgaris L. mit vio: 
letten, P. alpina L. mit gelblid weißen Blüten. 
Die Blätter erftern waren früher ala Abführ: 
mittel offizinell. Die Lappländer gießen die warme 
Wild über die Blätter, wodurch diejelbe —— fühen 
Geihmad behalten und nicht gerinnen foll, 

Pinguine, Flofjentauder oder Fett: 
gänſe (Aptenodytes), bilden eine in den polaren 
Cüdmeeren lebende Bogelgattung, welche den Alten 
(1. d.) der Nordmeere entipricht, mit den kurzen 
—— ohne Schwungfedern nur rudern, nicht 

iegen klann und auf den kurzen, nad hinten 
ſtehenden Füßen aufrecht ſteht und ſchwerfällig 
watſchelt. Die Schwimmfühe ſind dreizehig, der 
Schwanz fehlt faſt vollſtandig; der Schnabel, von 
weſſerfötmiger Geftalt, ift halig herabgebogen , die 
dlügel mit fchuppenartigen Federn bevedt. Die 
r reihen Gattungen und Arten der Fettgänſe 
eben gejellig in ungebeuern Scharen beifammen 
und gewähren durch ihren reichen Federpelz mie 
durch ihren Thrangehalt den Bewohnern der Sud— 
ſee Inſeln große Vorteile. _ 

PBinhel, Stadt und Biihofafik im portug. Di: 
ſtrilt Guarda (Beira alta), Station (16 km vom 
Drt) der Bahn Figueira da 505 do Mondego: 
Vilar Formojo (Beira alta), lint3 vom Klüßchen 
Cabras, hat (1878) 2717 E. und eine lat. Schule. 
inie, [. unter Kiefer, Bd. X, ©. 262”. 
inie (Strahl vultaniicher Materien), f. unter 
Gruption. : 

„Pinientalg, Vateriafett, Pflanzentalg, das 
seit der Samen von Vateria indica L., es findet 
verwendung in der Kerzenfabrifation. 


35 


Pinik (grch.), Trinklehre, Trinkkunft. 

iniolen, j. Bignolen. 

init, ein in ſechsſeitigen und zwölſſeitigen 
Säulen kryſtalliſiertes Mineral von ſchmußiggrauer, 
grüner und brauner Farbe, welches mehrfach in 
Graniten und *3* eingewachſen vorlommt 
und mit größter Wahrſcheinlichkeit ein Umwand— 
lungsprodult des Cordierits (j. d.) iſt. 

Pinfeolour, neltenrote Farbe, welche haupt: 
fähli zur Verzierung von Fayence benußt wird, 
wird dargeftellt, indem 1 kg ainn mit Ealpeter: 
fäure orybdiert, mit einerMiichung von 2 kg Kreide 
und 1 kg fein gemahlenem Quarz und 50 g dyrom: 
faurem Kali innig gemengt und geglüht wird. 

Pinkſalz, Doppeljaljvon —— mit Chlor⸗ 
ammonium, welches in der Färberei benußt wird. 

‚Pinna (lat.), Floſſe, Flügel; in der Botanit 
Fiederblättchen; daher pinnatus, gefiedert. 

Pinne des Steuerruders (Ruderpinne) iſt 
der bei kleinern Schiffen hölzerne, bei großen da— 
gegen ſtets eiſerne Hebelarm, mittels deſſen das 
Steuerruder bewegt wird. Die B. iſt horizontal 
im Hopf des Ruders befeftigt und ſteht durd das 
über Rollen laufende Steuerreep mit dem Steuer: 
rabe in Verbindung. 

Pinne, inne ober Babn (fra. panne, engl. 
pane), die 3 Aufſetz⸗ oder Arbeitsfläche eines 
Hammers; auch ſoviel wie — Cr (im. 
contre-pointe, engl. back-center), f. u. Neitjtod. 

Pinneberg ift der Name einer Kreisſtadt und 
einer alten ig in ber preuß. Provinz 
Schleswig:Holjtein. Bei den Yandesteilungen des 
Scauenburger Grafenhaufes 1294—97 (f. Hol: 
ftein) erhielt die eine Linie außer der an der Weſer 
belegenen Stammarafihaft (f. Shaumburg: 
Lippe) aud) ein Gebiet an der Elbe im ſüdweſtl. 
Zeil von Holjtein, weldes nad dem Hauptſchloß 
dafelbit ala die Herrfhaft Pinneberg bezeich— 
net ward. Aus diefem Stanım entiproß der Graf 
Ernft zu Holitein:Schauenburg (1601 —22), der 
1619 vom Kaifer Ferdinand II. in den Reiche: 
fürftenftand erhoben ward. Mit defien Neffen 
Dtto VII. erloih die Dynaftie 1640. Nunmehr 
nahmen die regierenden Herzöge von Schleswig: 

oljtein, König * IV. von Dänemark und 
derzog Friedrich III. von Gottorp, die Herrſchaft 
P. als einen «alten Teil und Zubehör» des Herzoa- 
tums Holftein in Befis. Die beiden Erwerber teil: 
ten fi in das Gebiet, ſodaß Herzog Friedrich III. 
das Amt Barmitedt erhielt, das 1649 an ben 
Grafen von Ranßau verlauft und zu einer Reichs— 
grafſchaft Rantzau (f. d.) erhoben ward. Aud wur: 
den 1664 die Stadt Altona und 1671 die Herrſchaf 
Herzborn abgetrennt, ſodaß fich die Herrſchaft P. 
auf eine Ausdehnung von etwa 550 qkm be: 
ſchränkte. Bei der preuß. Kreiseinteilung 1867 
wurden Rankau und andere Nachbardiſtrikte mit 
P. vereinigt, und ber Kreis PB. umfaht demnach 
805 qkm mit (1880) 67287 E. Das alte, 1472 neu 
aufgebaute und mwohlbefeitigte Schlo Bun 
berg ward im Dreißigjährigen Krieg mehrfach von 
Kaiferliben, Schweden und Dänen erjtürmt und 
1720 abgebrodyen, nachmals auch der Schloßberg 
gänslih geebnet. Neben dem Schloß entitand ber 

rt, jebt Kreiöftadt Pinneberg, mit (1880) 
3072 E. 15 km norbmweitli von Altona, an ber 
Pinnau und der Linie Altona: Kiel der Preußi— 
fhen Staatsbahnen, Sitz eined Landratsamts, 
eine3 Amtsgerichts und einer Kirchipielvogtei für 


3* 


36 


ben benadhbarten Landdiſtrilt; mit vielen Fabriken. 
Diht an der Stadt, jenfeit der Vinnau, liegt 
Binnebergerborf mit 566 E. 

Pinnipedia (lat.), Robben. 

Pinnotheres, |. Nuibelwähter. 

Binolin, |. Harzeifen;. 

inos (Isla de Pinos, Fichteninfel), jpan. 
Inſel in Weitindien, ſüdlich vor Cuba, wird durd) 
den Sumpf von Liguanea in zwei Teile geichieden 
und erhebt ſich im Bico la Daguilla zu 467 m Höbe; 
die von Korallenriffen umfäumte Küfte ift flach, 
fumpfig und mit Mangrovewäldern bededt. P. 
zählt auf 1266 qkm etwa 2000 E. und hat Land: 
bau, Viehzucht und Fiſcherei; ausgeführt wird 
Acajouholz, Zuder, Kaffee und trefflicher Tabak. 
Hauptort der Infel it Nueva Gerona an ber 
Nordtüfte; Sta. FE im Innern hat befuchte warme 
Mineralquellen. PB. wurde 1494 durch Columbus 
entbedt und diente bei der fchweren Zugänglichkeit 
feiner Hüften lange Zeit Schleihhändlern und See: 
räubern als Zufluchtsort. 

Pinos⸗Puente, Badeort in der fpan. Provinz 
Granada, 11 km im WNW, von Granada, am Eus 
billas, einem rechten Zufluß des Genil, und an ber 
Linie Bobadilla:Granada der Andaluſiſchen Bah— 
nen, hat (1877) 4273 €. und warme Schweielquellen. 

Be (le des), Fichteninſel, Kunie, franz. 
Inſel im SD. von Neucaledonien in Melanefien, 
von Klippen are gebirgig (Pit Ngao), Haupt: 
ftation kath. Miſſionare (jeit 1848), zählt auf 

60 qkm 635 E., welche Handel mit: dem bier in 
reicher Fülle wachlenden Sandelbolz treiben. 
infcher oder Pintſcher, f. unter Hunde, 
infel (frj. pinceau, brosse; engl. pencil, 
brush), Werkzeug zum Auftragen von Farben, Lad, 
Firnis, Leim u. ? w. Die kleiniten, Haar: oder 
Ntalerpini el, werden aus Menſchen-, Biber:, 
Fiſchotter, Zobel, Fuchs-, Marder: oder Eichhörn: 
chenhaaren verfertigt; Zobelhaare dienen befonders 
zu den ganz feinen Miniaturpinſeln, mit denen man 
auf Pergament und Elfenbein malt. Die ſtärkern 
Maler: oder Bergolderpinjel find von Dachs— 
— daher auch Dachspinſel genannt. 
rößer und gröber ſind die von Schweinsborſten 
verfertigten P. (Borſtenpinſel). Verhältnis— 
mäßig ſteife Haare oder Borſten haben die Ol— 
pinſel, mit welchen Olfarben aufgetragen werden. 
Ganz große P. von weichen Haaren verwenden die 
Ladierer (Ladiererpinfel), Die aus Borſten 
oder jteifen Haaren (Hundehaaren) —— P. 
En einen hölzernen Stiel, an dem die Borſten, 
reip. Haare dur Umminden mit Bindfaden oder 
mittel3 eines eifernen Ringes befeftigt werden; bei 
den für die Olmalerei bejtimmten, von feinen Bor: 
jten bergeftellten geſchieht die Befeftinung der leß⸗ 
tern mittel3 einer Blechfaſſung; bei den feinen 
Haarpinjeln beſteht der Stiel aus einer Federpofe. 

Binde, Kreisjtadt im ruf. Gouvernement Minsk, 
375 km öftlih von Warſchau, am linfen Ufer der 
Pina, das fi zu einer ungeheuern, von Kanälen 
und Heinen Hüffen durchjogenen Sumpfebene aus: 
breitet, Station der Linie Luninez-Shabinka der 
Poleßliabahnen, hat (1883) 25499 E. (unter denen 
zwei Drittel Juden und etwa50 Deutſche), eine Neal: 
ſchule, zwei Mädchenſchulen, eine jüd. Kronsſchule 
zweiten Ranges, Stearinfabriten, eine Dampf: 
—— und Olmühle, Cigarrenfabrilen, Olmüh— 
en, Bierbrauereien. P. iſt beſonders wichtig für 
den Tranſithandel auf den wichtigen Waſſerſtraßen, 


Pinnipedia — Pinxit 


an deren Bereinigung es liegt, Gegen Welten 
führt von der fchiffbaren Pina der Dnjepr:Bug: 
Kanal (79 km) zum Muchowiczefluß, der bei Breit: 
Litowsk fih in den Bug ergieht. Gegen Nord: 
weiten geht der Oginsli-Kanal (54 km) aus der 
ſchiffbar gemachten ‚alten in den Niemen. Die 
Schiffahrt ift gewöhnlid von Mitte =. oder 
Anfang April, wo das Eis bricht, bis — nfang 
November im Gange. Der Tranfithandel beſteht 
bauptfählic in Getreide (für etwa 3 Mill. Rubel 
Silber jährlich), Talg, Wolle, Tabak u. ſ. w. Mit 
Kiero fteht B. burch Dampffciffahrt auf dem Pris 
pet und Dnjepr in Verbindung. 

Piute (entitanden au dem lat. pinctus Ibe: 
malt, mit einem Zeichen verfehen], ital. pinta, 2. 
pinte, engl. pint ſſpr. peint]), ein kleines Hohl: 
maß. In Großbritannien, fowie in den Det 
ten Staaten von Amerila ift das Pint ſowohl 
Getreide: als auch Flüffigkeitsmaß, und der 64. 
Teil des Bufbel oder der 8, Teil des Gallons 
(f. Buſhel und Gallon). Sn —— war 
vor der Einführung des metriſchen Maßſyſtems die 
alte pariſer $ ein Flüſſigleitsmaß, und zwar der 
8, Teil der Belte; fie hatte im Kleinhandel einen 
geſezlichen Inhalt von 0,351 1, im Großhandel und 
als Richtſchnur für die Veredinung de3 Inhalts 
der Gebinde enthielt fie 0,51 1. Erftern Inhalt 

at fie noch jebt im franz. Weitindien und auf der 
nfel Haiti (auf lepterer kommt auch das Bint von 
/s Wein:Gallon vor). Die Pinta war bis 1853 
im —— Kanton Teſſin (ſ. Lägel) und bis zur 
Einführung des metriſchen Syſtems in — Tei⸗ 
len Oberitaliens ein Flüſſigleitsmaß von 3 - L1. 
intſcher, ſ. unter Hunde, Bd. IX, ©. 466°. 
turicdio (Bernardino), eigentlich Betti, 
berühmter Maler, geb. zu Perugia 1454, geft.11. Der. 
1513 zu Siena, Mitſchüler Pietro Peruginos, iſt 
einer der bedeutendften Vertreter der Umbrifchen 
Schule. In Perugia, Spello, Orvieto, Rom thä— 
tig, wurde er namentlich von Bapft Alerander VI. 

r die Freslen im vatitanischen Palaſt viel be: 
häftigt und hinterließ in Sta.-Maria del Bopolo 
und San: Pietro in Montorio treffliche Werke. Vom 

. 1502 an, in welchem er im Chorbüdergemad) 

ibreria) des Doms von Siena die berühmten 
Darftellungen aus dem Leben ———A — I. be: 

ann, bei deren Kompofition Nafael ihm Hilfe leis 
Äete arbeitete er in diefer Stabt, fpäter malte er 
in Nom für das Klofter von Sant’-Onofrio und 
Ara:Coeli. Sein Leben ſchrieb G. B. Vermiglioli 
(Berugia 1837). Bol. Schmarſow, «Bernardino P. 
in Rom» (Stuttg. 1882). 

Pinus, Mit diefem altröm. Namen belegte 
Sinne alle einhäufigen Nadelhölzer aus der Ab: 
teilung der Abietineen, die ihm befannt waren (im 

anzen nur 12 Arten), Die große Berfchiedenheit 
owohl bezüglich der Anordnung und Organifation 
der Nadeln als der Blüten:, Zapfen: und Samen: 
bildung, welche die von Linne unter jenem Namen 
vereinigten Nadelholzarten und deren fpäter ent: 
dedte — Verwandten aufweiſen, veranlaßte 
fpätere Botaniter, die Linneſche Gattung P. in 
mehrere Gattungen zu zerfällen: Fichte — 
Tanne (Abies), Hemlodstanne (Tsuga), Lärche 
(Larix), Geber (Cedrus), Kiefer (Pinus), (Bat. die 
betreffenden Spezialartifel.) 
€ (lat., abgetürjt pinx. oder p.), «bat ge: 
malt», findet fi auf Gemälden neben dem Namen 
de3 Malers. 


Pinzette — Pioverna 


zette, f. Pincette. 

gau beißt im öjterr. Herzogtum Salzbur 
ba3 gegen Diten gerichtete obere oder Längentha 
der Salzach oder Salza mit feinen nördl. und 
fühl. Seitenthälern. Dasfelbe wird im Süden 
von der hohen Tauerntette mit fteilen, bemwal: 
beten Felswänden, im Norden aber von janftern, 
zum Teil bebauten Hängen umgeben, hat aufier 
reihliher Waldung guten Viebitand, auch Gold:, 
Silber:, —— und Eiſenminen und zerfällt in 
Dber:, Mittel: und Unter-P. Der untere Zeil, 
von Tarenbah an, iſt ein ſehr ſchöner Spalt. 
Unterhalb Zend ändert der Fluß, feine öftl. Rich: 
tung in eine nördliche und tritt hier in das untere 
Querthal, Bongau genannt, weldes aus einem 
tejjelförmigen , bis 900 m breiten Beden und meb: 
rern verbindenden Stlüften beſteht. Es berührt 
Werfen, Golling, Hallein und Salzburg. Bei 
StJohann im Pongau ijt eine großartige Fels: 
ſchlucht, die Liehtenftein:Klamm, zugänglich 
gemacht worden. Oberhalb Golling fromt die 
er durch den Felspaß Lueg, an delien engſter 
Stelle, in den ſog. Öfen, der braufende Strom 
bis auf 2 m Breite zwiichen 1000 m hoben Thal: 
wänben eingeengt wird. In der Nähe iſt der male: 
riſche Waflerfall des Schwarzenbach. In neuelter 
Zeit find im P. mehrere große öffentliche Verlehrs— 
bauten ausgeführt worden, unter denen beſonders 
die neue Pinzgauer Straße von Lend über Mitterfill 
nad) Tirol und die — Linie Giſelg⸗ 
bahn) der Kaiſerin⸗Eliſabethbahn durch das Salzach⸗ 
thal bis Brud und von da über Zell und Kihbühel 
nah Wörgl zu nennen find; aud wurden im 
Binzgauer Thal und in dejien Nebenthälern in 
neuerer Zeit wichtige Entjumpfungsarbeiten aus: 
eführt. Bol. Bühler, »Führer — Salzburg, den 
$ x.» (Reichenhall 1874). , 
Piombi (ital.), «Bleivädher, Bleilammern», die 
berüchtigten Staatögefängnijie Nenedige. Diejelben 
befanden fih unter dem mit Blei gededten Dache 
des Dogenpalajtes, unter welchem fi durch die auf: 
fallenden Sonnenjtrahlen eine unerträgliche Hitze 
erzeugte; fie wurden 1797 zerftört, Sm J. 1755 

fab Cajanopva (j. d.) in den Bleitammern. 
ende Fer ein Fürftentum unter ber 
Hoheit des Großherzogs von Toscana, jebt ein Teil 
der ital. Provinz dia (Bezirk Bolterra), mit der 
feiten Stadt gleihen Namens, melde (1881) 2959 
Els Gemeinde 4076) E., einen Hafen und lebhafte 
Fiſcherei hat, wird durch den Kanal Piombino von 
der Inſel Elba getrennt, die zum größern Teile zu 
diefem Fürftentum gehörte. ® mittellat. Plum- 
binum, am Südende eines bewaldeten und felfigen 
Borgebirges, weldyes nad) der Landfeite burch Nie: 
derungen begrenzt ift, gehörte urfprünglich zu Piſa 
und war jeit 1399 im Beſitz der „pam Appiani, 
die 1594 den Fürftentitel erhielt. Als diefe in männ: 
licher Linie audgeftorben (1603), überließ Kaifer 
Ferdinand I. das Fürſtentum 1631 dem König 
Suitipp IV. von Spanien, der e3 1634 an Niccold 
udoviſi, den Gemahl einer Entelin des letzten 
Appiani, überließ. Durch Verheiratung der Erb: 
tochter lam nun P. 1681 an Hugo Buoncompagni, 
Herzog von Sora und Alcara. Da Anton Buon: 
compagni im Spaniſchen Erbfolgelriege auf feiten 
Franlkreichs ftand, fo wurde das Lehn 1708 vom 
Kaiſer eingezogen, nachher aber unter jardin. Hoheit 
an das Haus Buoncompagni zurüdgegeben. Anton 
Söhne ftifteten die beiden noch blühenden Linien 


87 


Buoncompagni » Lubovifi (genenmwärtiged Haupt 
Fürft Anton, geb. 11. Aug. 1808) und Buoncont: 
pagni » Zubovijt » Dttoboni (gegenwärtiges Haupt 
Don Marco, geb. 21. Sept. 1832). Der Hönig 
beider Sicilien, Ferdinand IV., trat 1801 ben 
Stato degli Preſidii nebt P., über welches er aber 
nur die Lehnshoheit beſaß, an Franfreih ab. Na: 
polcon I. entjog der Familie Buoncompagni ihr 
anzed Beſihtum und verlieh 18. März 1805 das 
ritentum P. als ein franz. Neichslehn feiner 
weiter Eliſa Bacciochi. Die Wiener:Congreh: 
Acte gab jedoch dem Haufe Buoncompagni:?ubovift 
1815 das Fürſtentum P. nebjt dem Anteil an Elba 
zurüd,. Seit 1860 bildet P. einen Beftandteil des 
Königreichs Stalien, 

Piombo (Fra Sebaftiano del), berühmter ital. 
Maler, war zu Venedig 1485 geboren und hieß 
nad) feinem Samiliennamen Luciani. Der Muſik, 
welder er Ic anfangs widmete, entiagte er, um 
fi der Malerei unter Giovanni Bellini und dann 
unter Giorgione zu widmen. Die Sage, daß 
Michel Angelo, der auf den wachfenden Ruhm Na: 
ig aufmerfjom zu werben ſchien, ſich P.s bei 

er Ausführung mehrerer feiner Kompofitionen zu 
bedienen geſucht hätte, um fo mit feiner grob: 
artigen Erfindung die venet. — ver⸗ 
bunden zu ſehen, beweiſt, welche Meinung die Zeit: 
— von dem künſtleriſchen Vermögen P.s 
atten. Als Rafael feine berühmte Transfigura— 
tion gemalt hatte, wurde P. von Michel Angelo 
bewogen, durch eine Auferſtehung des Lazarus 
jenen womöglich zu überbieten, und dieſes Wert, 
welches ganze Gruppen von Michel Angelos Gr: 
findung enthält, wird für fein ausgezeichnetſtes 
angejeben. Ebenſo ſteht jein Märtyrertod der heil. 
Agathe den Werten der erften Meifter zur Seite. 
Indeſſen beitand P.3 eigenes Verdienſt doch vor: 
zugsweiſe in einzelnen Figuren und Porträts. 
Sein Pietro Aretino und Papft Clemens VII. 
waren von bewunderungsmwürdiger Ühnlichleit und 
bem vollenbetften Kolorit. Won Clemens VII. ward 
er zum päpjtl. Siegelbewahrer ernannt, woraufaud) 
jein Beiname, bel P., anipielt, indem das an die 
päpftl. Bullen gehängte Siegel in Blei (piombo) 
abgebrudt zu werden pflegte. Seitdem beichäftigte 
er ſich mit Dihtlunft und malte nur noch zuweilen 
auf bejondere Veranlafjung ein Porträt, z. B. 
ulia Gonzaga für den Slarbinal Hippolpt von 
Medici, Sowie den fterbenden Bapft Paul III. Gr 
ſtarb 1547. In der von gr fultivierten Art, in 
Öl auf Stein zu malen, ift in San:Pietro in Don: 
torio noch eine Geißelung vorhanden. 
ioniere, auch Bionniere, f. unter Genie. 
iotrfow, f. Petrikau. 
iove di Sarcco, Stadt und Diftriltöhauptort 
ber ital. Provinz Padua, 15 km ſüdöſtlich von 
ee at (1881) 5137 (als Gemeinde 8606) G., 
ummwoll: und Seibenmweberei, Handel mit La: 
——— und viele Venetianern gehörige Bil: 
en. Am 1. Juli 1373 erlitten bier die mit Fran— 
cesco Garrara verbündeten Ungarn durch die Bene: 
tianer eine Niederlage. P., mittellat, Plebes sacci, 
a bis 1405 zu Padua, j R 
overna, Meiner Fluß in ber ital. Provin 
Como, entipringt in den Bergamaäter Alpen au 
dem Monte:Örigna (meitlic) und Monte:-Aralalta 
(öftli) in zwei Armen, durchſtrömt das Val 
Sajfina (mit vielen Gijenwerlen und Honigpro: 
dultion) und mündet bei Bellano öjtlid in den 


38 


Comerfee, einen über 6Om hohen Waflerfall 
(Orrido di Bellano) bildend. 

ipa ober El ee Wabenkröte 
(Pipa americana, ſ. Tafel: Lurche II, Fig._1) 
ift die einzige Repräfentantin einer befondern Fa: 
milie der ſchwanzloſen Amphibien, gegen 20 cm 
lang, mit unförmlichem, plattgedrüdtem Leib von 


taft vierediger | Geftalt und ſchmutzig graubrauner 
Sarh be. Die vier Zehen ber dünnen Vorderbeine 
enden mit Heinen Hautfranzen, die fünf der fräfti: 


u Hinterbeine find durch Schwimmbaut verbun: 
Bemertenswert ift, dab die männliche P. 
während der Begattung die Eier auf die runzelige 
Nüdenbaut des Beibcheng ftreicht; diefe wuchert zu 
wabenäbnlichen Käftchen, in denen die Eier liegen 
und die Metamorphofe der Embryonen und Larven 
ſich innerhalb 82 Tagen vollzieht, während welcher 
Zeit ih die Mutter, die ſonſt wie das Männden 
— iſt, im Waſſer aufhält. 

e oder Pipa a aus dem niebers 
deutſchen pipe, Pfeife, Röhre; aljo ein langes, 
enges, röhrenarti es Bub), ein bis zur Einführung 
des franz. a roh Sy items in Portuga und 
Spanien geſetzlich gemeienes großes Flüffigleits: 
maß, bejonders für Wein, bei welchem dasſelbe 
nod) "Häufig üblich iſt. Anı wicdtigften waren die 
». von Porto = 5341, die P. von Malaga (von 

35 Arrobas ober Gäntaras) = 583 1, gewöhnlid) 
unur (34 Arrobas =) 566 1 gerechnet, die cata: 
Tonifche P. = 482 1 und die in der Praris dieſer 
pleihgerechnete P. von — = 485 1. Die 
caſtilianiſche P. war = 436 1. In England hat 
die P. 2 Hogsheads_oder Oxhoft, alſo bei Wein 
126 Gallonen. (S. Brett und Ballon.) 

Piper L.(Pfeffer), Pflanzengattung aus der 
Jamilie der siperaceen, Man kennt gegen 600 Ar: 
ten, die in den Tropen und fubtropijchen Gegenden 
eine ausgedehnte Verbreitung beſihen. Es find meift 
ftraudartige oder frautartige, feltener baumartige 
Gewächſe, deren Stämme und lite bald aufrecht 
wadien, bald klettern, geitielte, einfache, ganzneb: 
aderige, abwechlelnde, gegen: oder aufelitändige 
Vlätter, unanjebnliche grüne, auf dünnen Kolben 
ftebende,, —— oder zweihaͤuſige Blüten und 
einfamige \ eeren tragen. Der jcharfe Geichmad 
der lektern rührt von einem eigentümlich harz— 
artigen Körper ber. Außerdem enthalten die 
Bfefferbeeren ein ätherifches Ol und eine orga: 
niiche Base, das Biperin, weldes geihmad: und 
geruchlos iſt und in farblofen vierjeitigen Prismen 
Iryitalliiiert. Das ſcharf ſchmedende Harz, welches 
durch Altohol ausgezogen werden kann, macht die 
Beeren mehrerer ® Srefferarten zu einem beliebten 
Gewürz. Allgemein als Gewürz befannt und ge: 
bräudlid find die Beeren des ſchwarzen Pfef: 
jers (P. nigrum L.), welder in Djtindien, ſowie 
Java, Sumatra‘, Ceylon und Walakta wild wãchſt 
und daſelbſt wie auch noch i in andern MWeltteilen, 
im großen kultiviert wird. Dieſes Gewächs iſt ein 
Hetternder und kriechender Strauch mit hin: und 
hergebogenen Zweigen, abwecjelnden und zwei: 
zeilig geitellten, eiförmig: länglichen und zugeipikten 
Blättern, enditändigen Kolben und erbjengroßen, 
erft I gi dann roten, zulebt ſchwarzen Beeren, 

Dan unterſcheidet idwarzen Pfeffer, welcher 
aus den unreif abgenommenen und durchs Trod: 
nen runzelig und ei chwarz gewordenen Beeren be: 
fteht, und weißen Pfeffer, welches die reifen 


und von der Beerenichale befreiten Samen find. | 


Pipa — Piperaceen 


Der erftere ift weit ſchärfer als ber Iehtere und war 

bereitö den alten Griedhen befannt. Vom ſchwar⸗ 

zen Pfeffer unterfcheidet man im —— iin 
und leiten; zu dem ſchweren gehören 

— a au u dem leiten Singapore, Penang, 

Bomba adras, Batavia, — Mit⸗ 


telalter Vielt man den Pf r eins ber toftbar- 
ften Gewürze Indiens, und im 13. eg halt er 
einige Pfund * für a fürftli 

Auch die Beeren anderer Pfefferarten — in 


i eimat we 
— —— 
pfeffers 


verwendet; ſo die 
effers (P. trioicum 
. Chaba Hunt.) in 


Dfiinb en 2, lange ätterigen Pfeffers (P. longi- 
folium R.et P une zii —— Sie 3 
6: crocatum w. Die 
eren des alten are (P. ubeba L. 
find unter dem Namen Eubeben (f. d.) offizinell. 
Bon dem langen ee SE longum L.) find die 
unreifen tähren, aus unter ſich ver: 
wachſenen Beeren beitehen, ala langer Bfeffer 


gebräuchlich; diefe ſchmecen ‚neh fchärfer und bren⸗ 
nender als der ſchwarze Dane tommen aber jett 
nur wenig noch in den ndel. Die aromatiich: 
Beteipfe io se Beile medenben ler }: 
etelpfeffer e ind im en Zu: 
and in ad mit zufammenziehenden Sub: 
tanzen (Betel- oder Arecanüffe) und etwas Mu: 
heltalt ein in ganz Dftindien und auf den ind, 
Inſeln fo allgemein gewordene Kaumittel, daß 
dort das Betelfauen zu ben unentbebrlichften 
teilen gezählt wird. Spanifde 4. n 
Pfeffer oder Cahennepfeffer (ungar. Pa— 
rika) nennt man die getrodneten und pulveri— 
Herten Früchte der Beifbeere, (S. Capsicum.) 
Cine intereflante Art Pfeffer ift der Avas oder 
Kamwapfeffer (von P, methysticum Forst.), der 
überall in Bolynefien, befonders auf den Fidihi: 
(Biti-)Injeln ſich findet und deſſen Wurzel zur Be: 
reitung eine3 beraufchenden Getränts Kae oder 
YVantona genannt, verwendet wird. 
wird die Wurzel gefaut, dann mit En ausge: 
zogen und fofort Tonfumiert, ohne vorher den 
Gaͤrungsproz * emacht zu haben; die Kawa 
erfreut ſich auf den 5 ſchi⸗ nfeln nicht nur bei den 
Eingeborenen, jondern aud) bei den weißen Anfied: 
lern großer Beliebtheit; bei legtern heißt die Kama 
gewöhnlich Fidſchi⸗Grog, zum Unterj > vom ge: 
wöhnlihen oder Whiteman's Grog. ewöhn: 
liche —— der gemahlen im lvor⸗ 
fommt, iſt groben Verfälſchungen ausgeſeßt. 
iper ( arl, Kt „ſchwed. Staatömann, geb, 
in Stodholm 29. Juli 1647, ftubierte zu Upfala, 
trat in in die fönigl. Kanzlei und —— 
1689 zum Staatsſekretär und — ward 
auch in den Adelsſtand erhoben. Nad) dem Tode 
Karls XI. fehte B. es ud daß Karl XI. für 
mündig ertlärt wurde. P. wurde hierau ne 
Staatärat berufen und arte befonder3 na 
Tode Bengt Drenitiernas (1702) bedeutenden Ein: 
uß auf ſämtl. Neichsangelegenheiten aus. Cr 
olgte dem König in alle Yeldzüge, ward aber bei 
ultawa gefangen enommen und ftarb in rujj. 
Gefangenſchaft 29. Mai 1716. 

BPiperaccen (Piperacöae), Pflanzenfamilie aus 
der Gruppe der Dilotyledonen. Man lennt gegen 
1000 Arten, die in den wärmern Gegenden der 
ganze jen Erde weit verbreitet find. Die einzelnen 

rten haben einen fehr veridyiedenen Habitus“ se 


Piperin 


find teils Erautartige, teil3 ſtrauchartige Gewächſe 
mit Metterndem oder a feltener 
Bäume. Die Blätter ftehen alternierend ober in 
Quirlen, fie find meift ganzrandig. Die Blüten 
find zwitterig oder eingeichlechtig, ein Berianthium 
—* er meiſt ae 7 bie Ds 

taubgefähe beträgt in der Negel zwei bi r 
der Fruchtknoten ift verſchieden gebaut; die Frucht 
ift gewöhnlich als Beere mit fleiichigem oder trode: 
nem Perikarp entwidelt. Zu den P. gehören eine 


große l Dflan die Pfeffer und ähnliche 
Gewärge fiefern. ($. Piper) u 

Die Samilie ber Saurureen, bie früher als 
befondere Familie betrachtet wurde, wird jet zu 


den P. geftellt. 
in C,;H,,NO,, eine in den verfchiedenen 
Pfeſſerarten vorionmenbe wache organiſche Baſe, 


die man aus dem weißen de durch Ausziehen 
mit Allohol, Eindampfen der Te. Wieder: 
auflöjen des mit Aßlali verfegten Rüdftandes in 
Altohol erhält. Es bilder farblofe Prismen, it 
— und geruchlos und in Waſſer faſt unlös: 
id. Seine an Löjung ſchmedt ſcharf nad) 
Preffer. Mit Kalilöfung gelocht, zerfällt das P. 
in eine neue Bafe, dad Biperidin C,H,,N, und 
inBiperinfäure C,,H,.0,, welche legtere durch 
die Einwirkung von Reagentien eine a intereflan: 
ter organifcher Verbindungen veranlaft. So ent: 
fteht 3. B. das Piperonal C,H,O,, wenn man 
—— Kali mit Aberman anjaurem Kali 
behandelt; e3 bildet farbloje Kryitalle, die helio— 
tropäbnlich riechen und als Heliotropin techniſch 
für rohen yet dargeitellt werben. 
Piperno, Stadt und Biſchofsſitz in der ital. 
Provinz Rom, Bezirk Frofinone, reht3 am Ama: 


ſeno (im Altertum Amafenus), unweit öjtlih von 
den Zn Sümpfen, am ſüdweſtl. Abhang 
der Monti Lepini (Bolötergebirge) , hat (1881) 


5349 E. Unweit nördlich liegen die Ruinen von 
Privernum, einer altlatiniichen, aber zum Vols— 
ferbund gehörigen, 329 v. Chr. von den Nömern 
eroberten und zur Kolonie erhobenen Stadt, bie 
trefflihen Wein baute und ftarfen Handel damit 
trieb; Cicero beſaß dafelbit ein Landgut. 
iperonal, j. unter Biperin. 

ipette, f. unter Analyje, Bd. I, ©. 602”, 
ipin, f. Bippin, 

ippau, Wflanzengattung, f. Crepis. 

ippel, joniel wie Neftflüchter, f. unter Bögel. 
ippi, ital. Maler, j. GiulioNonmrano, 
ippin (Pipin), Name mehrerer in der Ge: 
ſchichte des Fränkliſchen Reichs berühmter Männer. 
Die älteften unterſcheidet man —* Befiungen 
ihre3 Hauſes an der Maas; doch finden —* 
dieſe Beinamen erſt in den Chroniken des ſpä— 
tern Mittelalters. 

Pippin von Landen (geft. 639) war Haus— 
meier oder Major domus in Aujtrafien unter dem 
König Dagobert I. (628—638). Ihm zur Seite 
ftand der Bifchof Arnulf von Met (geit. 641), der 
am Hofe eine nicht minder einflußreiche Stellung 
einnahm. Beide jtammten aus vornehmen Ge: 
ſchlechtern, welde in der Gegend zwiſchen Maas, 
Rhein und Mojel reich begütert waren. Schon bei 
dein Sturz der Brunehilde (j. d.) hatten fie zu: 
fammengewirkt, und die Freundſchaft ward durch 
eine Berihmwägerung befeitigt, indem Arnulis 
Sohn, Anſegiſel, die Tochter P.s, Begga, heiratete, 
Ihre Nachlommen nennt man nad dem Großvater 






—Pippin 39 
die Arnulfinger (f. d.). Auf ®. folgte ala Haus: 
Id (j.d 


meier fein Sohn Grimoald (f. d. 

Pippin von Heriftal, der Sohn Anfegifels 
und der Begga, und fein Better Martin waren 
Häupter und Anführer des auftrafiichen Molts 
gegen den Majordomus Ebroin von Reuftrien und 

Burgund. Martin fiel im Kampf, und nun ver: 
einigte P. den großen Grunbbefik beider Familien 
in feiner Hand, Seine Macht war um fo unbe: 
chränkter, da er feit 678 in Auftrafien feinen be: 
onbern Köni mehr neben fi) hatte. Unterdes 
fämpften in Neuftrien und Burgund die Großen 
um die durd) Ebroind Tod (681) erledigte Haus: 
meierwürde, und Br warb wiederholt von der 
einen oder andern Partei zur Hilfe gerufen. Am 
Ende erfocht er 687 einen entſcheidenden Sieg bei 
Zertri, nördlich von der Somme, und bemädhtigte 
fi) bes Königs Theuderich III. von Neuftrien und 
Burgund. Diejen ließ er nunmehr aud) in Aujtra= 
ſien al3 König anerlennen, ſodaß das ganze Frän— 
fiihe Reich wieder vereinigt war. ji Namen 
Theuderih3 und ber Mi enden Scattentönige 
aber regierte P. in Auftralien, in Neuſtrien und 
Burgund mit völliger königl. Gewalt. Er fämpfte 
wiederholt gegen die Alamannen, Bayern und 
Beiden that aud) dadurch dem weitern Zerfall des 

eichs Einhalt und jtarb 714. Val. Bonnell, «Die 
Anfänge des karol. Haufes» (Berl. 1866). Da 
jeine legitimen Söhne vor ihm geftorben waren, ſo 
übertrug PB. die Nachfolge feinem unmündigen 
Entel Theudoald (Theodebald); nad), deſſen bal: 
digem Tode fuccedierte P.3 natürlicher Sohn, 
Karl Martell (f. d.). j j 

Pippin, in fpätern Chroniken der Kleine ne: 
nannt, Sohn Karl Martelld, erhielt bei deiien 
Tode 741 Neuftrien, Burgund und Provence, fein 
älterer Bruder Karlmann dagegen die deutichen 
Lande Auftrafien, Alamannien und — 
Ein Stiefbruder, Grifo, lehnte ſich vergeblich — 
dieſe Teilung auf. Nachdem der fränk. Thron — en 
vu leer geitanden hatte, ſegten Karlmann und 
P. wieder 743 einen König ein, Childerich IIL., den 
legten aus der Dynajtie der Merovinger (. d.). 
In defien Namen führten die beiden Brüder, jeder 
in feinem Bezirk, die Regierung jest als « Herzöge 
und Fürften der ranten» (duces et principes 
Francorum), Der Kampf gegen die Sachſen wurde 
fortgejest, auch wiederholte Aufftände in Aquita- 
nien, Bayern und Alamannien glüdlich unterdrüdt. 
Als Karlmann 747 Mönch ward, vereinigte P. 
da3 ganze Neich unter feiner Herrfchait, und that 
dann den enticheidenden Schritt zur Erlangung der 
Königswürde. Mit Zujtimmung der fränk. Großen 
ihidte er eine Gejandtihaft nad) Rom. «Sie 
jollte», wie die «Lorjcher Annalen» erzählen, «den 
Papſt Zacharias befragen wegen der Könige im 

ränfifhen Rei), die zu jener Zeit waren, ohne 
die fönigl. Gewalt zu haben, ob das gut jei oder 
nit. Der Papſt Zacharias lich dem P. erklären: 
es jei beijer, der werde König genannt, welcher die 
Gewalt habe, als derjenige, welcher ohne lönigl. 
Gewalt geblieben ei, und damit die Ordnung nicht 
geitört werde, befahl er kraft feiner apoſtoliſchen 
——— daß P. Rönig werbe. » 
Gleich nach Rüdkehr der Gefandtihaft lieb P. ſich 
zu Soiflons 752 durch die Großen und das Volt 
zum König wählen und durch die Bifchöfe jalben. 
Auch P.s Gemahlin Bertrada ward geialbt. Den 
leten merovingiichen König aber, Childerich III., 


40 


fperrte man ins Klofter. Bol. Hahn, «Jahrbücher 
des fränk. Reichs 741—752» (Berl. 1863). Der 
Wechſel erbielt feine vollitändige Santtion erft 753, 
als Bapft Stephan III. über die Alpen fam, um B.3 
Hilfe gegen die Longobarben zu erbitten, Damals 
falbte der Papſt den — P., feine Gemahlin 
und feine beiden Söhne Karl und Karlmann in ber 
Kirche des heil. Dionyfius (St.:Denys) bei Paris. 
Dagegen verbriefte P. mit den fränk. Großen die 
Schenkung des Slirchenitaates an den Papſt. 
—— zog er über die Alpen und beſiegte den 


er Longobarden, Aijtulf, welcher um Frie: 
ben bat (754). Dod kaum waren die Franlken 


wieder abgezogen, ” oriff Aiftulf Nom abermals 
an. P. kehrte nad) Italien zurüd und erzwang 
einen zweiten Frieden (756), in dem Aiftulf ſich zu 
einem Tribut verpflichten und das eroberte byzant. 
Grardhat herausgeben mußte, Außerdem batte 
König P. wiederholt die aufjtändifchen Häuptfinge 
in der Bretagne und in Aquitanien zu belämpfen. 
Auch wurden die Araber aus Narbonne vertrieben 
und Septimanien vollends mit dem Fränkiſchen 
Neich (755) vereinigt. In Deutichland dauerte der 
Krieg gegen die Sachſen fort, ohne namhaften Gr: 
folg. In Bayern hatte der Herzog Ddilo, welcher 
mit Karl Martells Tochter Hiltrude vermählt war, 
nad) dem Tode des Schwiegervaters verjucht, ſich 
unabhängig zu machen, ward aber 743 von B. und 
Karlmann wieder unterworfen. Als Odilo ftarb, 
ſchüßte P. dejlen unmündigen Sohn Taffilo im Be: 
fiß des väterlihen Herzogtums. Dagegen mußte 
diefer, jobald er mündig geworden, dem König P. 
als Bajall Bungee und Treue geloben (zu Com: 
pitgne 757). Doch während des langwierigen 
Kriegs in Aquitanien benutzte Taſſilo die Gelegen: 
beit, ſich wieder loszufagen. Derjelbe verließ das 
fränf, Heer 763, verweigerte feitvem alle VBafallen: 
diente und — olange P. lebte, eine that: 
jähliche Unabhängigkeit. P ftarb 24. Sept. 768 
bei Bari und ward zu St.:Deny3 begraben, nad): 
dem er dad Neich unter feine beiden Söhne Karl 
den Großen Vf .) und Karlmann (f. d.) geteilt 
hatte. Vol. Ölener, «Jahrbücher des fränf, Reichs 
unter König BP.» (Lpz. 1871). 

Pippin, Karls d. Großen zweiter Sohn, geb. 
776, ward 781 und nochmals 800 durd den Papſt 
zum König der Yongobarden gelalbt und fungierte 
als Statthalter in Italien, jtarb aber fchon 810. 

Pippin, Lubwigs des Frommen (f. d.) zweiter 
Sohn, ward von feinem Vater 817 zum König von 
Aquitanien eingejeht und fpielte in den Bürger: 
triegen zwiichen feinem Vater und feinen Brüdern 
eine hervorragende Rolle, bis er im Dez. 838 ftarb. 
Nunmehr gab Ludwig der Fromme Aquitanien an 
feinen Sohn Karl den Kahlen. Doch die Aquitanier 
riefen P.s Sohn, P. den Jüngern, zum König 
aus. Dieſer behauptete ſich dort viele Jahre mit 
wechſelndem Glüd, zum Zeil im Bunde mit den 
— Normannen. Am Ende ward er durch 

errat 864 an Karl den Kahlen ausgeliefert und 
ftarb im Gefängnis. 

Pips iſt der Ausbrud für mehrere Hühnerfrant: 

eiten, beſonders für den Schnupfen oder die 

achendiphtheritis, oder für krankhafte Verändes 
rungen ber Sungen) leimbaut. Oft wird aud) der 
normale bornige Überzug der Bungenipige der 
Hühner für etwas Kranthaftes angejehen. 

Piqua, Stadt inMiami County im nordamerif. 
Staate Ohio, liegt am Miamifluß, am Miami: 


"übrigen Blätter je nad) 


Pips — Piranefi 


und Grielanal und an der Kreuzung ber Pittö« 
burg » Cincinnati» und St.⸗Louis⸗ und ber Cin⸗ 
cinnati:, Dayton: und Midiganeifenbahn, hat 
(1880) 6031 E., ift gut gebaut, hat Manufalturen 
und lebhaften Handel. 

‚ Pique (fr3.), Pile, Spieß; Groll, Grbitterung;; 
eine ber vier Farben im franz. Kartenipiel. 

Pique (fr. piquö, von piquer, d. i. fteppen, 
engl. quilting), ein im Yusfeben der gejteppten Ar: 
beit ähnlidyer, dider Baummollitoff, auf welchem 
nicht durch Farbenverſchiedenheit, fondern durch 
abwechſelnd erhöhte und vertiefte Stellen ein Mu— 
ſter erzeugt iſt. Derſelbe wird leinwandartig, aber 
mit zwei Hetten gewebt, deren obere aus feinerm 
Garn als die untere beiteht. Die Vereinigung bei: 
der erfolgt an den gehörigen Punkten dadurch, daß 
einzelne Fäden der untern Kette in die obere hinaufs 
gehoben und in diefe eingewebt werden. Das Muſter 
wird dadurch ß tbar, daß die von den Bindungs— 
linien eingeſchloſſenen Felder, weil bier die beiden 
Ketten getrennt liegen, reliefartig — —————— 
rend die Bindungslinien, in welchen beide Ketten 
ein Gewebe ausmachen, wie feine Furchen erſchei⸗ 
nen. Mit Hilfe des Jacquardſtuhls laſſen ſich ſo 
die fomplizierteften Muſter erzielen. Bei ganz fei: 
nen Sorten beſteht die obere Slette aus Seide, Der 
raube Piqué oder Piqué-Barchent ift eine 
grobe Sorte, bei der die Unterfeite geföpert und 
gieih dem Bardjent geraubt wird. P. wird zu 

eiten, Kragen, Manſchetten, Unterröden, Bett: 
beden, käncen u. f. m. verwendet. 

Biquet, |. Bitet. 

—— oder Rummelpiquet, ein Kar— 
tenſpiel unter me Perfonen, das mit ber franz. 
Karte zu 32 Blättern (wobei die Affe die höchſten 
und die Sieben die niedrigiten Karten find), oder 
aud mit der deutſchen Starte geipielt wird. Das 
As zählt 11, die drei Figuren 10 Augen und die 

{ * Bezeichnung. Das 
As ſticht den König, dieſer die Dame und fo fort. 
Dan fpielt das P. nad Augen oder nad) Partien. 
Im erſten Fall wird * jedem Spiel die Differenz 
in den Augen der Spielenden ermittelt und nad) 
tibereinfommen bezahlt. Beim Spiel nad) Partien 
wird nur bis auf 100 Augen geipielt, und ber, 
welcher dieje zuerſt hat, ijt der Gewinner, _ 

— die Hatzleute bei den Parforcejagden. 

iquieren (pikieren, frz.), ſtechen, anftadeln, 
reizen; in der Gartenkunſt das wiederholte Ber: 
Hanzen von Sämlingen in immer weitern Ab: 
Händen, wodurd die jungen Pflanzen gefräftigt 
werden; beim Biolinfpiel das nicht eigentlich abge: 
toßene, rer nur nicht gebundene Spiel eines 
chnellen Ganges mit einem Bogenftrid; piquiert, 
gereizt, verlept; piquiert ſein auf etwas, feine 
Ehre in etwas ſehen, etwas darin, ſuchen. 

Pir (perſ.), Greis, Alteſter, Vorſteher einer Kor: 
poration, Stifter eines geiftl. Ordens. 

Piranefi, Name mehrerer röm. Künftler des 
18. Jahrh. Giambattijta B., Zeichner, Ardji: 
telt und Kupferſtecher, geb. 4. Dit. 1720 zu Bene: 
dig, lernte dafelbit die Anfangsgründe der Bau: 
tunft und begab ſich ſodann wo. Rom, wo er fid 
archãol. Arbeiten und der Grlernun der Supfer: 
fteerfunft unter J. Vaſi widmete, Sein noch im: 
mer unentbehrlices Hauptwertijt das in Rom 1756 
begonnene Prachtwerk über die antiten Dentmäler 
und die Bauwerle Roms (zjulept 29 Bde., Fol. 
Bar. 1836, mit 2000 Tafeln), weldes dur 


Pirano — Pirna 


malerische Darjtellung, lebendige und treffende Auf: 
ſaſſung fich auszeichnet, in feinen antiquariicen 
Vermutungen fi dagegen unzuverläfjig erweilt. 
P. ftarb zu Rom 9. Nov. 1778. , 
Brancesco P. der Sohn des vorigen, geb. zu 
Kom 1756, ſetzte das vom Water begonnene Wert 
fort, erweiterte deſſen Kunſthandlung bedeutend, 
wurde aber durch den Ausbruch der Franzöſiſchen 
Revolution in feinen Arbeiten gejtört und jtarb in 
Paris 27. Jan. 1810. 
Pietro und Laura P., Bruder und Schweiter 
des vorigen, ftachen ebenfalls in Kupfer. 
Pirano, Hafenſtadt an der Nordweitlüfte von 
Iſttien, im Bezirk Capo d'Iſtria, liegt auf einer 
Yalbinfel am Weerbufen Largone und zählt (1580) 
mit den Borftädten 11466, ohne dieſe 7387 E., 
deren Ermwerbsquellen Handel und Scijibau, fo: 
wie Fiſcherei, Salzbereitung, Öl:, Wein: und Ge: 
treidebau find. Die Stadt hat eine interefjante got. 
Hauptlirche, ein Rathaus und ein Minoritenklofter 
mit jehenswerten Gemälden und ijt der Gib des 
Bezirlögericht3, einer Hafen: und Seeſanitäts— 
deputation und einer Haupt: und Unterrealichule. 
Im Innern der Stadt befindet fich ein Kunjthafen 
(Mandradio), der zum Aus: und Einladen dient; 
auf den zwei Sciffswerften werden nur Heinere 
Fahrzeuge gebaut. Die Reede von P. ijt durch den 
Cieg berühmt, den die venet. Flotte 1177 gegen 
die mit der genueſiſchen vereinigte Flotte des Kai: 
ſers Friedrich Barbarofia erfocht und infolge deſſen 
oge Ziani vom Papſt den Ning befam, mit 
weldem die Dogen die jährliche Vermählung mit 
dem Meere feierten. Sn der Nähe von P., im 
Grunde des bedeutenden Hafens della Roſa (aud) 
Porto:Gloriojo), der die größte Flotte aufnehmen 
tönnte, befinden fi merkwürdige Salzſchlämme— 
reien (Saline de Pizziole). Unweit P. liegt ferner 
das Dorf Salvore mit einem Leuchtturm, dann 
ver dur feine Ecjwefelbäder belannte Fleden 
Yfola mit 5580 GE. In der Umgegend von P. 
wird der als Rivola befannte Wein gebaut. 
aten, Biraterie, ſ. unter Seeraub. 
iraus, j. Beiräeus. 
awarth, i. Pyrawarth. : 
Biriac, Fleden im franz. Depart. Loire: nie: 
rieure, Arrondifiement St.:Nazaire, auf einer fand: 
Ipibe am Atlantiichen Ocean, 29 km im WNW. von 
St.:Razaire, hat 1270 E., Seebäder und Zinnmine. 
PBirithond (gr. Peirithoos), Sohn des \rion 
oder des Zeus und der Dia, der Tochter des 
Deioneus, König der Lapithen in Thejjalien, war 
der Gemahl der Hippobameia, die ihn den Poly: 
poites gebar. Ber feiner Bermählung fand jener 
aa Kampf der Zapithen und Gentauren 
(i. d.) jtatt, der von der griech. Kunſt oft dargeitellt 
iſt. Außerdem iit P. namentlid wegen jeines 
eundihaftsbundes mit Theſeus belannt. Gr 
and beim Naube der Helena dem Thejeus bei, 
dafür mit ihm in die Unterwelt binabiteigen 
mußte, um von dort die Perſephone zu entführen. 
Unterwegs ermübdet, feßten fie fich nieder, um aus: 
uruben, vermochten aber dann nicht wieder aufzu: 
Hehe. Heralles wollte fie befreien, und mit dem 
bejeus gelang es ibm auch; P. aber mußte in der 
Unterwelt zurüdbleiben. In ihrer finenden Stel: 
lung malte fie Bolygnotos. 
ritu, Küftenort des Staates Bermudez ber 
Föderativrepublit Venezuela, mit 1600 E., im J. 
1656 angelegt, war unter der ſpan. Herrichaft 


41 


Hauptmiſſion der Franzislaner mit 40 abhängigen 
Miſſionen und 12000 betehrten — — In: 
weit der Küſte liegt im Saraibiichen Meere die 
Heine Inſelgruppe Jslas de Piritu. 
Pirkheimer (Wilibald), berühmter Romaniſt, 
nürnberger Patricier und Ratsherr, geb. 5. Dez. 
1470 zu Eichſtätt, trat nern in die Dienfte des 
Biſchofs von Eidhitätt und jtudierte dann fieben 
Jahre lang zu Padua und Pavia vorzugsweiſe die 
Nehtswilienichaften. Rach feiner Nüdtehr nad) 
Nürnberg wurde P. 1496 in den Rat gewählt und 
zu verfchiedenen Gelandtichaften auf Reichstage 
und an Fürften gebraudt. Am J. 1499 vertraute 
der Rat der Stadt ihm die Anführung der nürn: 
berger Truppen in dem unglüdlichen Reichs-, foy. 
Schwabenfriege gegen die Schweizer. _ Sowohl 
Marimilian I. wie Karl V. erlannten feinen Wert 
und ernannten ihn zu ihrem Mate, Nachdem er bis 
1523 in öffentlichen Geihäften gewirkt und bejon: 
ders um Berbeilerung des Schulweiens und Gin: 
führung der Neformation fich verdient gemadıt 
hatte, 30g er ſich zurüd und jtarb 22. Dez. 1530, 
Unter jeinen Schriften (herausg. von Goldait, 
Sranff. 1610), welche hauptſächlich in hiſtor. und 
pe Aufjägen und Gedichten ſatiriſchen Inhalts 
eitehen, find befonders feine Briefe an Zeitgenoi: 
fen bemertenäwert und lehrreih. Seine «llistoria 
belli Suicensis» wurde von Münch überjegt und 
mit P.s Biographie begleitet (Baſ. 1826). Bol. 
Mayer, «P.s Aufenthalt zu Neunbof, von ihm 
ſelbſt geihildert» (Nürnb, 1828); (Ganıpe) « Zum 
Andenken Wilibald P.3» (Nürnd, 1828), 
fiber Charitas P., die Schweiter Wilibald 
P.s, Abtiffin zu St. Clara in Nürnberg, geb. 1466, 
geft. 1532, fchrieb Münd (Nürnb, 1826); ihre 
—— a gab Höfler, (Bamb. 1353) 
heraus. Vol. noch Binder, «Charitas P., Abtijfin 
von St. Clara zu Nürnberg» (Freiburg 1373). 
irmafend, Stabt in der bayr. Nheinpfalz, 
18 km füdöftlih von Zweibrüden in gebirgiger Ge: 
gend gelegen, Station der Linie Biebermühle: B. 
der Wälstichen Gijenbahnen, iſt Siß eines Bezirks: 
amts, eines er a und einer Neihöbant: 
nebenjtelle und zählt (1880) 12039 meilt prot. C. 
(gegen 6380 im 3.1858). Unter dem öffentlichen 
Gebaäuden zeichnen id) das Rathaus und die evang. 
Stirche mit dem ſchönen Monument des Yandgrafen 
Ludwig IX. von Hefien, fowie das große Schulhaus 
am Grerzierplab aus, Der hervorragendite —— 
ſtriezweig der gewerbfleißigen Bewohner iſt bie 
Schuhfabrikation, deren Erzeugniſſe nad allen 
Weltteilen gehen. — B. (im Vlittelalter Sancti Pir- 
miniisedes) gehörte früher zu der Örafihaft Hanau: 
Lichtenberg, weldye 1736 dur Heirat an Hejlen: 
Darmftadt fam. Das Schloß, auf welchem ber 
Landgraf Ludwig IX. von Hefjen:Darnıitadt (geit. 
1790) refidierte, ſowie das große Grerzierhaus wur: 
den in den franz. Revolutionsfriegen zeritört, Iu 
neuerer Zeit wurde P. hiſtoriſch dentwürdig durd) 
den Sieg, den die Preußen unter dem Herzog von 
Braunschweig 14. Sept. 1793 über die Franzoſen 
unter Moreaur (nicht mit Moreau zu verwechſeln) 
bier erfochten. Die letztern wurden bis an die 
Saar zurüdgeworfen und hierauf fogar die für un: 
überwindlid; gehaltenen Weibenburger und Lauter: 
burger Linien (j. Sauter) durd die Ojterreicher 


| und Preußen 13. Dft. erjtürmt. 


Pirna, Stadt in der ſächſ. Kreishpauptmann: 


| {haft Dresden, liegt 17 km öltlid von Dresden in 


42 


reizender Gegend am linfen Ufer der Elbe, in die 
bier die Gottleuba mündet und über welde eine 
1875 erbaute Brüde führt, ift Station der Linien 
Dresden: Bodenbach, P.:Arnsborf und B.:Berg: 
gießhübel der Sädhfiichen Etaatsbahnen, Sih einer 
mtshauptmannfchaft und eines Amtsgerichts und 
ählt (1880) 11668 E. Unter den öffentlihen Ge: 
uden find, außer dem Schloß Sonnenftein (f. db.) 
mit feiner berühmten Irrenheilanſtalt, bervorzu: 
— das Rathaus (1878 umgebaut), die jchöne 
uptlirdhe (gegründet im 13. Jahrh., 1802 reno: 
viert), die Klofterkirche, die zu dem um 1300 geitif: 
teten Dominilanerlloſter gehörte, feit 1834 aber 
als Warenniederlage dient; das Hofpital mit Bet: 
faal; der Bahnhof. Eine ſchöne kath. Kirche (1867 
erbaut) und Schule ftehen an der Promenade. In 
den Anlagen ift ein Denkmal des Liederfomponijten 
Otto, fowie ein monumentaler Springbrunnen. 
Von Unterridtsanftalten beitehen eine ungen: 
ſchule, eine Realſchule feit 1873, ein königl, Leb: 
— ſeit 1873, eine Handelsſchule, eine 
A hr für Mädchen und eine Schniß⸗ und 
Strohflechtſchule (feit 1883). Auch hat die Stadt 
ein Waifenhaus, ein Armenverſorgungshaus, ein 
a eine Kinderbewahranftalt und an: 
dere wohlthätige Anitalten. Es beitchen Gerbe: 
reien, Fabriken für Sprit, ätherische Ele und Eſſen⸗ 
zen, emaillierte Biene tere Gigarren, Töpfer: 
waren, Hüte, Malz, Zafelglas u. j. w.; aud 
nd der Ediffbau und die Elbſchiffahrt, fowie 
er Handel mit Holz, Kalt, Brauntohlen und be: 
fonder3 mit dem ftromabwärt3 und mittel3 der 
Eiſenbahn weithin verfandten Birnaifhen 
Sandjtein wichtige Erwerbszweige. — P. war in 
frühefter Zeit böhm. Lehn, wurde wieberholt ver: 
ändet und wieder eingelöft, bis es feit 1401 bei 
achſen verblieb. Schon in früher Zeit hatte es 
Stapelgeredtigkeit erlangt. Durd) Sirieg, Peſt und 
Anderung der Handelsverhältnijie fant die Stadt 
in der Folge von ihrer Höhe herab. Große Leiden 
eig fie im Dreißigjährigen Kriege durch die Schwe— 
en unter Baner 1639 zu erdulden. Auch litt fie 
bedeutend im Siebenjährigen Kriege, wo 17. Dit. 
1756 in der Nähe bei Ebenbeit die ſächſ. Armee 
unter Rutowjli von den Preußen gefangen wurde, 
fomwie im Kriege 1813. 

Pirnatza oder Dipotamo (im Altertum Pa: 
mifo3), ein Fluß, welcher Mefleniendurchfließt, der 
ein ipe ſchiffbare Fluß Griedienlands, 126 km lang. 

3 .. (law. Brtnice), Marktjleden im weitl. 
Mähren, Bezirtöhauptmannicaft Iglau, mit (1880) 
3491 E., worunteran 600 Israeliten, die eine eigene 
Gemeinde bilden. Das ausgedehnte Schloß, ehe: 
mals Sit der Herren Brtnisly von Waldjtein, ſeit 
1623 Eigentum der Fürjten Gollalto, hat eine große 
Gemäldegalerie und ein reichhaltiges Archiv. 

RM ſ. Biroguen. 

irogoff (Nitolaus), ruſſ. Arzt, geb. 13. Nov, 
1810, wurde 1837 Profeſſor der hir ie und 
—*— Anatomie in Dorpat, 1841 Profeſſor der 
hirurgie an der petersburger mediz.:hirurg. Afa: 
demie, wirlte 1847 als Kriegächirurg im Kaukaſus 
und 1854 in der Krim. P. verfabte eine Reihe be: 
beutender mediz. Werke teil3 anatom., teild hirurg. 
Inhalts; hervorzuheben find: «Topogr. Anatomie 
des menſchlichen Körpers mit Durdichnitten ge: 
frorener Kadaver illuftriert» (Petersb. 1859), «Chi: 
rurg. Anatomie der Arterienftämme und Fascien» 
(£pz. 1861) und beſonders «Grundzüge der allge: 


Pirnatza — Biron 


meinen Kriegschirurgie» (Lpz. 1864). Er fchrieb 
auch mehrere pãdagogiſche Schriften und wirkte als 
Kurator des odeflaer und des fiewer Lehrbezirts 
und zog fi) fpäter auf fein Gut Winiga in Bodo: 
lien > Er ftarb 7. Dez. 1881 in Petersburg. 

Piroguen oder Pirogen (fpan, pirogun, ein 
urfprünglich amerif, Wort) heißen die aus einem 
Baumjtamm gearbeiteten großen Nudertähne der 
Indianer Südamerifad. Auch die ähnlich herge: 
Hellten Boote der SudſeeInſulaner werden jo ge- 
nannt. Sie find zum Rubern und Segeln ein: 
gerichtet und ſehr ſchnell. Das Segel ilt von Bajt: 
tuch und im Verhältnis zum Boote jehr groß. Da 
die P. jehr ſchmal find, würden fie bei ſeitlichem 
Winde und dem großen Segel leicht umſchlagen, 
wenn man ihnen nit durch jog. Auslieger ein 
Gegengewidt gäbe. Dies find Planlen, die man 
an der Windfeite der P. hinausſchiebt, während 
ihr inneres Ende im Boote befeitigt wird und auf 
deren äußeres Ende ſich je nad) der Stärle des 
Windes ein oder mehrere Menſchen ſeten. 

Pirdl oder SGoldamjel(Oriölus) ift der Name 
einer zur ern der Rabenvögel gehörigen Vogel⸗ 
gattung, die ſich durch einen ftarten, lang-tegeltör: 
migen Schnabel, deſſen Oberliefer vor der leicht 
gefrümmten Spitze mit einem ſeichten Einſchnitt 
verjeben iſt, durch abgeſtußten Schwanz und kurze, 
ſtarle Fuüße unterſcheidet. Die Arten dieſer Gat: 
tung gehören der öſtl. Halbkugel unſerer Erde an 
und zeigen häufig in der Krbung die Gegenſatze 
von Gelb und Schwarz. In Europa lommt nur 
eine Art, der Kirihpirol(O, galbula), vor, einer 
unferer Ihönften einheimiſchen Vögel, der in Sta: 
lien, Südfrantreih und Griechenland zu den ge: 
meinten Vögeln gehört, bei ung aber als Zugvogel 
erit im Mai antonımt, weshalb er au Pfingſt⸗ 
vogel genannt wird. Er baut zwiſchen den äußer— 
ten Gabelenden dünner Zweige ein künftliches Neit 
aus Halmen, jhmalen Blättern, Pflanzenfaſern 
u. ſ. mw. mit großem Fleiße, iſt lebhaft, ſehr ſcheu 
und mißtrauiſch und daher jhwer zu ſchießen und 
zu fangen. Gr fribt Anjelten und deren Larven, 
aber vorzüglih gern Kirihen, Weinbeeren und 
Seigen, denen er zuweilen nicht unbeträchtlichen 
Schaden zufügt. Gegen Kälte ift er jehr empfind: 
lid und verläßt unjere Gegenden bereit3 im 
Auguit. Die Männchen find am ganzen Körper 
und an der Schwanzipige hochgelb, nur die Flügel 
der Schwanz und ein Jled über dem Auge tief 
ihwarz; das Weibchen ijt gelblich-grünlich, unter: 
jeitö weißlih und ſchwarz geſtrichelt. Die erftern 
zeichnen ſich durch einen ftarten, hellen, flötenden 
Belang aus und können ald Zimmervögel gehalten 
werden, dauern aber nicht lange aus, j 

iron (Aleris), franz. Dichter, geb, zu Dijon 
9. Juli 1689, war der Sohn des Apotheters Aime 
B. (geb. 1. Olt. 1640, geit. 9. Dez. 1727), der ſich 
dur Dichtungen im burgund, Dialeft befannt ge: 
macht bat, Wegen eines ſchlüpfrigen Gedichts 
mußte PB. aus jeiner VBaterjtadt flieben, ging nad) 
Paris und lebte dort neum Jahre als Schreiber in 
DVürftigleit. Später gehörte er jedoch mit Erebil: 
Ion, Golle, Gallet und Grefjet zu den beliebtejten 
Mitgliedern der Zufammenkünite des Caveau, von 
wo aus feine humoriftifchen Gpifteln, feine zum 
Zeil jhlüpfrigen Erzählungen und andere poetijche 
Kleinigkeiten jeiner seder in das größere Publilum 
gelangten. Als Bühnendichter begann er mit Ar. 
beiten für kleine Theater, und lange Zeit arbeitete 


Pirot — Piſa 


er für Francisque, den Unternehmer der lomiſchen 
Oper, der nur Honodramen fpielen durfte, weil 
alle andern Privilegien vergeben waren. P.s 
größere Stüde, 5. B. «L’&cole des peres» (1728; 
juerft unter dem Titel «Les fils ingrats») und 
‚Gustave Wasa» (1733) fanden nur mäßigen Bei- 
fall, und fein «Callisthene» (1730) wurde jo miß: 
fällig aufgenommen, dab ®. feinem Unmillen durch 
die Satire «La calotte du public» Luft machte. 
Erit ſeine «Metromanie» (1738) wurde als ein 
Meifterwerk anerlannt. In der That fichert ihm 
diefe Dichtung, in welcher P. feine dichteriiche Lei: 
denſchaft felbjt zum Gegenftand der Darftellung 
macht, ein bleibendes Gedachtnis. Er ftarb 21. Jan. 
1173. Seine «Deurres» (7 Bde., Bar. 1776) gab 
Rigoleyg de Yuvigny, feine «Deuvres inedites» 
Bonhonrme (Par. 1859) heraus, 

‚ Birot (türt. Sharloj), Stadt und Hauptort 
eines Kreijes (mit [1883] 81208 E.) in dem 1878 
von der Zürfei an Eerbien abgetretenen Gebiet, 
60 km im NW. von Sofia, am Uuelllauf der 
Riſchawa, Station der im Bau begriffenen Bahn 
Riſch⸗ P., mit einer alten verfallenen Eitabelle, zählt 
(1882) 8185 €. und ift Hauptpunft der in dieſer Ge: 
gend betriebenen Teppichfabrilation, deren Erzeug- 
niſſe im allgemeinen unter dem Ramen Schartojer 
in den Handel fomımen und wegen der Echtheit und 
Dauer ihrer hellen Farben hoch geihäst find. 

Pirotihanag (Milan), jerb. Staatsmann, geb. 
7. Jan. 1837 zu Jagodina in Serbien, ftubierte in 
Varis die Rechte, trat dann in den ferb. Juftiz- 
dienft und wurde bald Kreisgerichtspräſident und 

1875 Rat des oberſten Gerichtshofs. 1 war ber 
Führer der Oppofition, welcher e3 endlich gelang 
den Dinijterpräfidenten Riftitich zu jtürzen, worau 
ihn 19. Dit. 1880 der Fürft mit der Bildung des 
neuen Kabinetts betraute. B. ward Minifterpräfi: 
dent und zugleich Juſtizminiſter. Seine erjte Ar: 
beit war, die Unabhängteit des Richterſtandes zu 
ſichern, ein darauf bezüglidhes Gefeh ward von der 
Stupihtina einftimmig angenommen, Im Dt. 
1881 übernahm P. das Portefeuille des Außern. 
Als im Sept. 1883 die raditale Bartei zum ofienen 
Aufftand überging, legte P. mit feinen Kollegen 
das Amt nieder und trat in den Ruheſtand. 

Pirouette (fr;.), eigentlich ein Heiner Kreifel, 
beißt in der Tan tunſt das ſchnelle Umdrehen auf 
der Fußfpige, in der Reitkunſt das ſchnelle, ſehr 
enge Herummerfen des Pferdes, ſodaß es mit dem 
Kopfe auf derjelben Stelle jteht, wo es zuvor mit 
dem Schmeife war; daher pirowettieren, ſich 
im Kreije drehen, 

Pirſchen (auh purſchen, gg meiſt bir: 
ſchen oder bürſchen geſchrieben), j. unter Jagd, 
Bd. IX, ©. 771%. — Pirſchbüchſen, ſ. unter 
Jagdgemwehre, Bd. IX, S. 773*, 

Pirus, Yflanzengattung, f. Pyrus, 

irutſch und Pirutſchade, |. Barutice. 
ifa, eine der ältejten und ſchönſten Stäbte 
Italiens, die Hauptitadt der gleihnamigen Pro: 
vınz (3056 qkm mit 283643 €.), liegt in einer rei: 
zenden, fruchtbaren Ebene, 7,5 km vom Meere, 
am Arno, über welden in der Stadt drei und 
außerhalb derjelben zwei Brüden führen, und am 
Anotenpunft ber Babnlinien er Ri: 
ftoja-$., P.:Genua und P. Rom, iſt Sit eines 
Erzbiihofs, einer Präfektur, eines Tribunals eriter 
Smitanz und anderer Behörden und hat breite, ge: 
zade und autgepflafterte Straßen und fchöne große 


43 


Plähe. Unter den 80 Kirdlichen Gebäuden zeich— 
net fich der im 11. Jahrh. von Bufcetto und Rai: 
naldus erbaute Dom durd fein von 74 Säulen 
getragenes Gewölbe, durdy herrliche Gemälde und 
ſchöne bunte Fenfter aus. Neben ihm fteht der be; 
rühmte, im 12, Jahrh. von einem Deutſchen, Ra: 
mens Wilhelm, und dem Piſaner Bonanus er: 
baute ſchiefe Turm (il Campanile), deſſen höchſter 
unft, wenn man ein Dleilot berabläßt, an der 
rundmauer eine Abweihung von 4,3 m ergibt. 
Gr ift rund, ganz von Marmor, beſteht bei einer 
Höhe von 54,1 m aus fieben Stodwerlen und it 
oben platt und mit einer Galerie umgeben. Ob 
der Turm abfichtlich yo gebaut fei oder ob er 
ſich gejenkt babe, iſt ftreitig, das lektere aber in 
hohem Grabe wahrſcheinlich, da aud) fait an allen 
Gebäuden alle Senkrechten vom Bleilot abweichen 
und vom britten Stodwerf an ganz erſichtlich die 
Ausgleichung für eine fhon vorhandene Senfung 
angeitrebt wurde. Dem Dom —— liegt 
das 1153 von Diotiſalvi erbaute Battiſterio oder 
die Kirche des heil. Johannes, eine runde, von 
berrlihen Säulen getragene Kuppel mit ungemein 
ftarfem vielfältigen eo und einer Kanzel, bie 
eins der größten Meifterwerke Nicola Piſanos ift. 
©. Tafel: Bildnerei V, Fig. 3.) Neben beiden 
reitet ſich das Campo santo aus, ein alter, feit 
früher Zeit zum räbnis großer und verdienter 
Bürger der Nepublit bejtimmter Kirchhof, defien 
Erde die Piſaner 1228 auf Schiffen aus Jerufalem 
—— iſt von got. Hallen eingefaßt, die der 
aumeifter Giovanni Fate um 1283 vollendete 
und deren Wände mit freslogemälden von Giotto 
und feiner Schule, von Antonio Beneziano, An: 
dreada Firenze, Luca Spinello, den Lorenzettis u.a. 
geihmüdt ift, worunter der berühmte Triumph 
des Todes, welden Bajari fälſchlich dem Drcagna 
uſchrieb. Im legten Drittel des 15. Jahrh. ſchuf 
bie Benozzo Gozzoli nr berühmte Frestenreihe. 
ol. Carlo Lafinio, «Pitture al fresco del Campo 
sauto» (Piſa 1812); Paolo Lafinio, «Pitture al 
fresco del Campo santo» (Flor. 1832). F 
Bon den übrigen Gebäuden zeichnen fi) aus die 
in jeih got.Geihmad —— Kirche Sta.⸗Maria 
della Spina, der Palaſt des einſt hier reſidierenden 
Ritterordens des heil. Stephan mit der Kirche, 
deren Orgel eine der größten in Italien iſt, der 
tönigl. Palaſt und der Palaſt Lanftanchi, wo Lord 
Byron eine Zeit lang — Auch vet man bie 
Stelle, wo angeblich der Hungerturm geltanden, in 
welchem Ugolino Gherardetca 1288 mit feinen 
Kindern umtam; der urjprüngliche ift gewiß nicht 
mehr vorhanden, In neuefter Zeit wurde an dieſer 
Stelle ein unterirdifches Gewölbe entdedt, worin 
man menjchliche fiberrefte fand und welches man 
für die legte Wohnung des Ugolino hält. Tie 
Univerfität zu P., gegen 1160 geſtiftet, wurde 
durch Cosmo I. von Medici erneuert und ftand in 
frübern Zeiten in hohem Rufe. Sie begreift fünf 
Fakultäten mit 69 Docenten und 610 Studieren: 
den und hat eine Bibliothet von 110000 Bänden 
und 500 Handidriften, einen botan. Garten, eine 
oolog. und mineralog. Sammlung. Von andern 
?ehranftalten befinden & in P. ein Gymnaſial⸗ 
lyceum, eine tehnijche Schule, eine Alademie der 
ihönen Kunſte u. ſ. w. Nabe bei der Stadt be: 
findet ſich die landwirtſchaftliche Anftalt und das 
tönigl. Jagdſchloß San:Rofjore mit großer Stu⸗ 
terei und Kamelzucht. Die Stadt ift gegen früher 


44 Piſagua 


ſehr verödet und ſtatt der 130000 E., die ſie im 
13. Jahrh. gezählt haben foll, hat fie 1884 nur 
53554 E. Am Fuße des Berss San:iuliano 
liegen, 6 km von P. entfernt, die ſchon zu Blinius’ 
Zeit befannten an Bäder, 36 Quel: 
len, die reich an fohlenfaurem Gas, ſchwefelſaurem 
Natrum und Chlornatrium, beionders in rheu: 
matiijhen und gihtülchen Krankheiten und gegen 
Leberleiden und Nervenſchwäche innerlich und Außer: 
lich angewendet werden, Etwa 25 km von P. ent: 
fernt iſt das eifenhaltige vielbefuhte Bad Cas— 
ciana (vgl. Diinati, «Dei Bagni di Cascianan», 
Flor. 1877); 12km von P. iſt das lithinhaltige 
Bad Dliveto. In ber weitern Umgegend von 
P. ift das große Nlofter Certofa di Galci jehens: 
wert. Handel und Gewerbe der Pijaner haben 
erit in neuejter Zeit einen Aufſchwung genommen. 
Dod) ijt die Umgegend von P. gut angebaut, er: 
giebig an gutem Öl und rei an ſchönem Marmor. 
Das gemäßigte und etwas feuchte Klima ſiſt ſehr 
gr t gegen Entzündungen des Kehlkopfes und 
der utröbre, gegen Lungenſchwindſucht, ſowie 
gegen alle ——— — Bol. Morrona, «P. 
illustrata nelle arti del disegno» (3 Bde., Livorno 
1812); Niftri, «Guida di P.» (Piſa 1845); Nohault 
de Fleury, «Les monuments de Pise au moyen 
Age» (Var, 1866, mit Atlas); Säule, «Die klima⸗ 
tiihen Sturorte ber Riviera, Mittel: und Unter: 
italiens» (Franff. 1875); Reimer, «Klimatiſche 
Sommerfurorte» (Berl. 17T. j 
Geſchichtliches. P.,imAltertumJuliaPisana, 
hatte ſchon frühzeitig im Mittelalter fich durch Frei: 
heitsjinn und thätigen Handelsgeift feiner Bürger 
zu einer mächtigen Nepublil erhoben, deren Gebiet 
die ganze damals angebaute, jehr fruchtbare Ma: 
remma von Lerici bis Piombino umfaßte. Im 
Kampfemit den Sarazenen erobertees im11. Jahrh. 
Sardinien, Corjica und die Balearen; e3 gründete 
Kolonien in der Levante und behauptete feine Herr: 
Ihaft auf dem Meere gegen Genua, Als eifrige 
Gpibellinen dem Kaiſer treu ergeben, gerieten die 
Piſaner mit den gulfih gefinnten Städten lo: 
renz, Lucca und Siena in blutige Febden, die fie 
jedoch lange Zeit fiegreich bejtanden. Bon Genua 
aber aufs neue angegriffen und in der Seeſchlacht 
bei Meloria 1284 völlig befiegt, verlor P., da 
feine übrigen Feinde mit Genua ſich verbanden, in 
den folgenden Kämpfen alle feine Beſizungen. Es 
war dem Untergang nahe, als Ugolino Gherar— 
beöca (j. d.), das Saupt der Quelfenpartei, die 
Herrihaft an fi riß. Neue Kräfte gewann P. 
unter den biernädjt auftretenden ghibellinijchen 
Herrſchern, beſonders unter Uguccione. Doc von 
innern Parteiungen und neuen Kriegen, in denen 
e3 feine alte Tapferkeit bewährte, erſchöpft, trat 
e3 endli unter Mailands Schu und wurde bar: 
auf dem Herzog Galeazzo Visconti verfauft und 
von deſſen Sohn 1406 den Florentinern, den ge: 
Ihworenen Feinden P.s, abgetreten. Durch Hun: 
ger wurde bie Stadt zur Übergabe gezwungen und 
dur Gewalt in Gehorfam erhalten, Als aber 
1494 Karl VII. von Frankreich Italien überzog, 
erhob fih auch P. unter Simon Orlandi, nahm 
den König von Frankreich zum Schugherrn an und 
erlämpfte fich mit defien Hilfe in einem 15jährigen 
Kriege jeine Selbftändigkeit und eine neue Ver: 
faflung. Doch fortwährend reizte es, als ein wid: 
tiger Stüßzpunkt der Macht in Italien, die Eifer: 
ſucht und Herrichbegierbe der benachbärten Staa: 


— Bijano 


ten. Florenz bemächtigte ſich des Gebietes von P. 
und begann 31. Juli 1499 die Stadt zu belagern. 
Aber die Anjtrengungen der Florentiner ſcheiterten 
an dem Mut und der Tapferkeit der piſan. Männer 
und — und ebenſo kräftig widerſtand die 
neubejeitigte Stadt dem Eroberungsverſuch Lud— 
wigs XIL. von frankreich und zwei neuen Belange: 
rungen der ?lorentiner 1504 und 1505. Grit 
8. Juni 1509 gelang es den lehtern, durch Hunger, 
unter der Bedingung völliger Amneitie, die Stadt 
zu nehmen. Seitdem blieb P. bei Toscana bis zu 
defien Ginverleibung in das Königreich Stalien 
(ae) Vgl. Valtancoli-Montazio, «Annali di P.» 
Qucca 1842—45); Yanger, «Bolit. Geſchichte Ge: 
nuas und P.s im 12. Jahrh.» (Lpz. 1882). 

Pifagua, Hafenort in dem von Peru im Frie— 
ben vom 20, Olt. 1883 an Chile abgetretenen De: 
part. Tarapaca, bat (1876) 2131 E. und ſtarle 
Salpeterausfuhr. a 

Piſau (Chriſtine de), franz. Schriftitellerin, ſ. 
Chrijtine de Piſan. 

Pijander (grch. Veilandros), ein Athener, be: 
fannt als einflüßreicher Agitator bei Durchführung 
der oligardiichen Nevolution der fog. Vierhundert, 
411 v. Chr. — P. hieß auch der Schwager des ſpart. 
Königs Ageſilaus, welcher ihn in dem Perſerkrieg 
395 v, Chr. an die Spike feiner Flotte ftellte. Aber 
im Aug. 394 erlitt Y. bei Knidos (f. d.) durch die 
perſ. Flotte unter Konon und Pharnabazos eine 
völlige —** und verlor dabei ſein Leben. 

iſanello, Maler, ſ. Piſano (Victor). 
iſang, Pflanzengattung, |. Musa. 
iſangfaſer, ſoviel wie Manilahanf. i 
ifano (Xeonardo), ital. Mathematifer, |. Fi— 
bonacci, j 
Pifäno Nicola), ital. Bildhauer und Architelt, 
eb. um 1206, lebte und wirkte meijt in jeiner 
aterjtadt Piſa und jtarb dajelbit 1278. Die ital. 
Kunjtgeihichte beginnt mit ihm eine neue Sira, in: 
dem nad Jahrhunderten der Roheit und Verar: 
mung in der Skulptur feine Werte eine plögliche 
neue Entwidelung zu antiter Freiheit und Schön: 
heit der Form darftellen, die dann im 14. Jahr). 
von neuem verloren ging, um erſt im 15. mit_ben 
großen Slorentinern wieder zu erwachen. Das 
uberordentlihe einer folden ijolierten kunſtge— 
ſchichtlichen Ericheinung hat von jeher verſchiedene 
Erklärungen hervorgerufen, Der Anblid feiner 
Merle madıt es klar, daß er fi nad antiken Stulp: 
turen bildete, die ihm namentlich auf Sarlophagen 
zu Geſicht gelommen fein müflen. Böllig von der 
alten Kunſt durchdrungen ericheint er in den be: 
rühmten Reliefs an der Kanzel des Baptifteriums 
zu Piſa (1260); hier iſt die Form nad antitem 
Prinzip um Ye jelbjt und ihrer eigenen Schön: 
eit willen behandelt. (S. Tafel: Bildnerei V, 
ig. 3.) Aus feiner fpätern Zeit ift die zu des 
oms zu Siena und der pradhtvolle Sarkophag 
des beil. Dominicus in Bologna, Seine arditel: 
toniſche Thätigkeit iſt nicht fiher erwielen. Bol. 
Dobbert, «liber den Stil Nicola P.s und deſſen 
Unfprung® (Münd, 1873). 

Sein Sohn und Schüler Giovanni P., geb. 
um 1240, geft. nad) 1321, wurde als Bildhauer 
und Architekt einer der wichtigiten Repräfentanten 
des feit Ende des 13. Jahrh. in Jtalien überwie: 
gend gewordenen got. Stils. Bon ihm wurde das 
berühmte Campo sauto in Pija angelegt. Ein 
ſchönes Werk von ihm iſt das Monument Bapit 


Piſatis — Piſidien 


Benedilts XI. in San:Domenico zu Perugia. Er 
baute die Vorderfeite ded Doms zu Siena und 
führte mehrere andere Bauwerke aus in Neapel, 
Drvieto und Piltoja. Für den Dom von Arezzo 
arbeitete er die außerordentlich reiche Marmortafel 
de3 Hodalters, für Florenz das Taufbeden im 
Baptijterium, für Perugia 1290 das Epitaph des 
Bapftes Urban IV. und in feiner Vateritadt bie 
Kanzel de3 Doms, welche 1311 beendigt, im 
17. Jahrh. aber in Stüde zerlegt wurde. 

Andrea ®., geb. in Bontadera um 1273, geft. 
um 1349, Bildhauer und Architekt, Giottos Freund, 
arbeitete in Florenz veridiedene Statuen am 
Glodenturm des Doms und die ſchöne ältere Bronze: 
thür des dortigen Baptifteriums, Merle, worin 
der got. Stil ſich ftreng und kräftig ausfpridt. In 
feiner lehten Lebenszeit war er Arditelt de3 Doms 
von Orvieto. Minder bedeutend waren defien Söhne 
Nino und Tommafo. 

Vittore P., genannt Bifanello, ein Maler, 
geb. um 1370 zu San:PBirgilio ful Yago im Vero— 
neſiſchen, ftand am päpftl. Hofe in großem Anfehen 
und jtarb um 1453. Was fih von feinen Male: 
reien in Rom, Venedig, Berona und Piltoja er: 

(ten bat, beurlundet ihn al3 einen erfahrenen 

teijter. Berühmter wurde er dadurch, daß er zu: 
erit oder al3 einer der eriten Schaumüngen, meijt 
aus Bildnijjen mit gut erfundenen und ausgeführ: 
ten fymbol. Nüdjeiten beftehend, mobdellierte, in 
Formen abdrudte und in Metallgoß. Beſonders die 
Kopfe diefer meift zwiichen 1429 und 1448 gefertig: 
ten Stüde gehören zum Trefflichſten in ihrer Art. 

iſatis, Zeil von Elis (j. d.). 

i8cat’aqua- River, Fluß in den Vereinigten 
Staaten, bildet die Grenze zwiſchen den Staaten 
Maine und Neuhampfbire und ergiebt ſich 6 km 
he Portsmouth in den Atlantiſchen Ocean. 

auer (Piſchawar), ſ. Peſchawer. 

iſchel (Richard), ausgezeichneter Sanslkritiſt, 
geb. 1849 zu Breslau, ſtudierte ebendaſelbſt und 
in Berlin, —e ſich nach längerm Aufenthalt 
in London und Orford 1874 zu Breslau, ging 1875 
als auferord, Profeſſor für Sanskrit und Sprach— 
vergleihung nad Stiel, wurde 1977 ebendafelbit 
ord. Profeflor, 1885 als folder nad) Halle berufen. 
Seine Hauptarbeiten find: «De Kälidäsae Cäkun- 
tali recensionibus» (Bresl. 1870), «De grammati- 
eis präcriticis» (Bresl. 1874), «Kälidäsa’s Cakun- 
talä. The Bengäli Recension, with critical notes» 
(Kiel 1877), «Hemacandras Grammatik der Pra: 
tritfprachen» (2 Bde., Halle 1877—80), «The Assa- 
läayanaouttam» (Balı und Engliſch, Chemnik 1880), 
«The Decinämamälä of Hemacandra» (mit Bü 
ler, Bd. 1, Bombay 1880). : 

Biichfluf (Bifteh, f. unter Spirdingfee. 

Pisoina (lat., eigentlich Fiſchteich), das Wafler: 
beden in den röm. Thermen, Daher auch das Tauf: 
baſſin im Baptifterium; in lath. Kirchen die Ber: 
tiefung zum Waflerablauf in der jüdl, Wand des 
Chors neben dem Altar, meijt in Form einer Nische, 

Pisciotta, Hafenftadt in der ital, Provinz Sa: 
lerno, Bezirk Ballo della Lucania, am Tyrrheni— 
ſchen Pteer, 77 km im SSD. von Salerno, hat 
(1881) 2296, als Gemeinde 3828 E., Fiſcherei, 
Wein⸗, Obft: und Dlivenbau. 

Bidco, Hafenitadt im peruan. Depart. ca, 
füdlih von der Mündung des Chundanga in die 
Biscobai des Großen Dceans, mit ca durch Eifen: 
babn verbunden, hat (1876) 2648 E., Hüftenhans 


— 


45 


del, Fiſcherei und Weinbau und führt Baumwolle, 
Zuckeer, Früchte, Wein, Branntwein, Salz und Sil— 
ber aus, dagegen Baumwoll⸗ und Wollwaren ein. 

Pife (frj., vom lat. pinsere, ftampfen) oder 
Lehmſchlag heißt das Verfahren, Mauern aus 
Lehm oder Gartenerde, mit Sand vermischt, durch 
Stampfen zwiſchen Brettwänden oder in Formen 
aufzuführen. Der gewöhnliche Erd: Pifebau ver: 
wendet jene Materialien in Lagen aufeinander, 
ftellt deninadh die Bauwerle gleihfam aus einem 
Stück ber. Dagegen fertigt man auch gerammte 
Grdquader und liefert damit ebenfo feite Mauern. 
Cine vorzügliche Art des Piſebaues ift der Halt: 
Sand-Wilebau, wobei fünftlihe Steine aus einem 
Gemenge von Kalt und Sand hergeftellt werden. 
Im allgemeinen gewährt der Pijebau die Vorteile 
der Billigkfeit und der Trodenbeit, bedarf aber 
dundamente und Sodel von Stein, auch haften 
3. B. die Nägel nicht in den Wänden, der Abpub 
iſt ſchwierig u. f. w. Der Pifebau war ſchon den 
Alten befannt, und Plinius nennt die Athener 
Hyperbius und Guryalus als feine Erfinder, Er: 
neuerte Sulnobme and der Piſebau egen Ende 
des 18. Jahrh. in Südfrankreich we en Bau: 
meifter Cointeraur. In Deutſchland hat der Lehm— 
Piſebau nicht recht Plaß greifen wollen, weil euch: 
tigkeit und Witterungswechſel von zu großem Ein: 
fluß auf foldhe Wände find, die auch vom Ungeziefer 
durdmwühlt werden. Der Kall:Sand:Pifebau, den 
allerdings ſchon die Römer gelannt zu haben ſchei 
nen, wurde 1828 von dem Architelten Rydin zu 
Baraͤs in Schweden erfunden, als eine furdhtbare 
Feuersbrunft diefe Stadt in Aiche gelegt hatte und 
es an Material zu rafhem Wiederaufbau gänzlich 
mangelte. Im J. 1854 erfand Bernhardi in Gilen: 
burg eine befondere Preſſe zur Herftellung von 
Kalt: Sand:Steinen. Diefer Kaltziegelbau Br 
dem Mauerwerk aus gebrannten Steinen Schr nabe 
und vermeidet alle Mängel des Erb: Bifebaues. 
Hierher gehört auch der von Berndt in Deuben bei 
Dresden zuerft angewendete Cendrinbau (von 
cendre, Aſche), ein Halt: Bife unter Anwendun 
von Steintohlenafhe und Straßenabraum. Vgl. 
«Der Aſche⸗ und Erd:Stampfbau» (Lpz. 1873). 

Piſek, Hauptitadt der gleihnaniigen böhm. Be: 
zirkshauptmannſchaft, rechts an der Watawa, Sta: 
tion der Linie Rakoniß-Protiwin der Öfterreidhij, chen 
ae in ift Siß eines Kreis: und Bezirks: 
gerichts, hat vier Kirchen, ein Gymnafium, eine 
Oberrcalihule, eine Aderbauſchule mit Forftlehr: 
anftalt, eine Rinderbewabranftalt, ein Staatsheng— 
ftendepöt, eine altertümliche Brüde und ein königl. 
Schloß aus dem 13. Jahıh. und zählt (1880) 
10596 E. welche ein Hammermert mit Gijengiebe: 
rei, zwei Kunjtmühlen, Fabriken für Papier, Schub: 
waren und Hüte und Bierbrauereien unterhalten. 
In der Nähe find große Feldfpat:, Nojenquarz: 
und Granitfteinlager. 

Pifhma, Flub im ruf, Gouvernement Ars 
changelst, Kreis Mefen, ein rechter Nebenfluß des 
Meſen, 212 km lang. — P. beit auch ein Neben: 
fluß der Petſchora, im Gouvernement Arhangelst, 
Kreis Meſen, entipringt aus dem See Jam und üt 
243 km lang. — Ferner heißt P. ein Fluß in 
Gouvernement Wijatla, ein rechter Nebenfluß der 
Wijatla; fie kommt von dem nordruſſ. Yandrüden 
und ift 192 km lang. , 

Bifidien, eine Landfchaft im füdl, Kleinafien, 
nördlich von Bampbylien, ein wafjerarmes, raubes 


46 


und jchwer zugängliche Gebiet, dad ganz von 
einem Teil des Kammes und der Terrafien des 
Zauruögebirges eingenommen wird. Der jühmweit: 
lichite Dijtrift des Landes führte den Sondernamen 
Milyas. Im fpätern Altertum, vielleicht ſchon unter 
den pergamenijchen Rönigen, jedenfalls feit den Zei: 
ten der röm. Herrſchaft, wurde die ganze Landſchaft 
u Pamphylien' (. brennt. Die Bewohner 
ber Sandicha t, die Piſider, waren ein fühnes 
und tapferes Bergvoll, das ſchon den Perferköni: 
gen gegenüber ſich eine wejentlih unabhängige 
Stellung zu wahren gewußt hatte. Die größern 
Städte, wie Termefjos, Selge, Sagalafjos und 
Kremng, waren feit der Diadochenzeit in Sprache 
und Sitte mehr und mehr gräcifiert und in ber 
röm. Saijerzeit in blühendem Zuftand, wie bie 
zahlreichen baulichen Überrefte und Inſchriften be: 
zeugen. \eht gehört die Landſchaft zum türk, Vilajet 
Konia und wird von Karamanen bewohnt, 
Piſiuo oder Mitterburg, Stadt in der ölterr. 
Martgrajichaft Yarien an der Fluva, Station der 
Sinie Divacca:Bola der Öfterreihiichen Staats⸗ 
bahnen, Siß einer Bezirks — und 
eines Bezirlsgerichts, hat eine uralte Burg, ein 
Obergymnaſium, eine ſtädtiſche Muſilſchule, Ge— 
treide:, Objt: und Weinbau un gebt (1880) 3346, 
als Gemeinde 14894 E. Das Mosconische Inſti— 
tut zu P. it eine Anftalt zur Armenverpflegung 
und N endbildung. i 
* aͤtus (geh. Peiſiſtratos), Tyrann von 
Athen, ſtammte aus einem alten, in Aitika * 
wanderten, pyliſchen Adelsgeſchlechte, war mit So— 
lon nahe verwandt und etwa 605 v. Chr. geboren. 
Gr riß zuerſt 560 die Alleinherrſchaft (Tyrannis) 
an ih), zweimal jedoch wurde er durch feine ade: 
ligen Gegner aus diefer Stellung verdrängt. Zu: 
erit geihah dies im J. 555 durch eine Koalition 
des Altmäoniden Megalles und des Lylurg. Als 
aber Lylurg und Megalles ſich entzweiten, näherte 
ſich der legtere im J. 550 dem P. und verhalf ihm 
wieder zur Herrichaft, Allein das freundfchaftliche 
Berhältnis mit Megalles währte nur kurze Zeit, 
und P. mußte At en abermals (549) verlajien. 
Er flüchtete nad) Eretria auf Euböa und blieb hier 
über achn Jahre in Verbannung. Dann zog er 
(538) Geld und Hilfsvölfer von heben, Argos 
und Naros zufammen, landete mit diefer Macht 
bei Marathon und ſchlug die entgegenrüdenden 
Athener in die Flucht. Er befeſtigte ı9 on neuem 
in der Herrfhaft von Athen und behauptete die: 
jelbe bis an feinen Tod (527 v. Chr.). P. übte 
feine Gewalt nicht mit defpotiihem Drud, Sondern 
mit Milde und Gerechtigkeit, vermehrte die Staats: 
einlünfte ohne übermäßige Belaſtung der einzel: 
nen, förderte den materiellen Wohlitand Attilas 
und bejtrebte ſich auch, die geiftige Bildung der 
Athener durch Anlegung von Bibliotheken und 
durch die Sammlung der Homerifchen Gefänge au 
heben. So genoß Athen unter feiner Herrihaft die 
Segnungen eines langen Friedens, und er jelbit 
fonnte feinen Söhnen Hippias und Hippardus 
den ruhigen Befis desfelben hinterlaffen, der erit 
510 v. Chr. durch einen Krieg der ausgewanderten 
Athenermit Hilfe der a Inn verlorenging. 
isfo (Stanz ofeph), nambafter Phyſilker, 
geb. zu Neurausni bei Brünn in Mähren 10. Juni 
1828, widmete ſich an der wiener Hochſchule zuerit 
pbilof., jurift. und mathem.snaturwiffenichaftlichen 
Studien (1846—51) und wendete ſich zuleht nur 


Piſino — Piſo 


dem Studium der Phyſik zu. Im J. 1852 wurde 
er für das Lehramt der Phyſil an das brünner Ober: 
ma, 1856 in derjelben Eigenichaft an die 

iedner Oberrealihule in Wien, 1870 als ord. 
Profefjor der Phyſit an die technifhe Militärafa- 
demie in Wien berufen; 1872 übernahm er die 
Direktion der Staatörenlichule zu Sechshaus bei 
Wien. P. war offizieller Berichterftatter für Phyfit 
und Pädagogik bei der londoner Weltausftellung 
1862), für fit und Beheizung bei der pariſer 

eltausftellung (1867), bei der wiener Weltaus: 
ftellung (1873) Juror für den Unterricht. Im J. 
1882 wurde P. zum Regierungsrat ernannt und 
war 1883 Mitglied der Kommiſſion der «Inter⸗ 
nationalen elektriichen Ausftellung in Wien», Seit 
1853 ift B. auf dem Gebiete der hyſik und Päda- 
gogik praltiich und litterarifch thätig; letzteres teils 
in felbjtändigen, teils in periodiihen Schriften. 
P. ift feit 1869 Korreipondierendes Mitglied der 
Soci6t& royale de sciences de Liöge und war 
1880 beim Unterrichtslongreß in Brüffel Korre— 
ipondent für Öfterreih. Bon feinen Publikationen 
find zu erwähnen: «Foucault? Beweis für bie 
Achſendrehung der Erde» (Brünn 1853), «Fluores: 
jens des Lichts» (Wien 1861), «Neuere Apparate 
er Aluſtik⸗ (Mien 1865), «Licht und Farbe» 
(2. Aufl, Müud. 1876), « Berichte über die phyſil. 
und allgemeinen Lehrmittel auf den Weltaus- 
ftellungen von 1862 und 1867» (Wien 1863 u. 
1867), «Lehrbücher der Phyſik für verſchiedene 
Stufen des Unterrichts» (zujammen in 21 Aufl, 
1854—79); * bearbeitete er die dritte Auflage 
von Heßlers «Lehrbuch der tehniihen Phnfil» 
(2 Bde., Wien 1866). 

Piſo ift der Name einer Familie des röm. ple: 
beiiſchen Geſchlechts der Calpurnier, die nad) Livius 
ſchon im erften, nad) andern zuerft im zweiten Puni⸗ 
ichen Krieg bervortritt, während defien ein Gajus 
P. 211 v. Chr. die Prätur bekleidete, 

Sein gleihnamiger Sohn befiegte als Prätor 
185 die Lufitaner und wurde 180 als Konful von 
feiner Frau vergiftet. i 

Ob derſelbe der Bater war von Lucius Calpurnius 
P. Cäfoninus, ift ungewiß. Diefer führte 154 als 
Prätor in Spanien, 148 ala Konful in Afrika, in 
beiden Ländern aber ohne Glüd, Krieg. 

Ein gleihnamiger Lucius Galpurnius P. Cäfo- 
ninus war 112 Konful, und fiel 107 als Legat des 
Konfuls Lucius Cajfius mit diefem in Gallien 
gegen die Tiguriner, ’ 

& lehtern gleihnamiger Enlel befleidete 61 
die Prätur, verheiratete jeine Tochter —— 
59 an Julius Cäfar und erhielt durch den Einfluß 
Cäfars mit Aulus Gabinius das Sonjulat_58, 
als Elodius Bollstribun war, Diefen begünftigte 
er namentlich aud in feinem Verfahren gegen 
Cicero; daher war 2 diejer verfeindet und griff 
ihn 55 in einer noch erhaltenen Rede im Senat 
wegen feiner Verwaltung der Provinz Macebonien 
auf das bejtigite an. Nachdem er 50 Genfor ge⸗ 
worden war, juchte er im J. 49 die — 
Partei vergebens zu einem friedlichen Vergleich m 
Gäfar zu ſtimmen. 

Sein Sohn, Lucius Galpurnius P. Cäfos 
ninus, Konſul 15 v. Chr., begünftigt von Augus 
jtus und Tiberius, der ihm die Bräfeltur der Stabt 
übertrug, ftarb 80%. alt 32 n. Chr. Er ift viel« 
leicht der P., an den und deſſen Söhne Horaz 
feine «Epiftel über die Dichtkunfts richtete, 


Piſogne — Biltazien 


Lucius Calpurniu3 ®., der wegen feiner 
Rechtlichteit und Gewifjenhaftigfeit den ehrenden 
Beinamen Frugi, d. i. der Brave oder Biedere, 
erhielt, gab als Vollstribun 149 v. Chr. das erite 
Geieh gegen Erprefiungen (Lex Calpurnia repe- 
tundarum), durch weldes die erite Quaestio per- 
petua eingerichtet wurde. Als Konful fämpite er 
133 gegen die Sklaven in Sicilien, Er war ein 
Gegner der Grachen. Derjelbe verfahte eine (ver: 
lorene) Geſchichte Roms bis auf feine Zeit. Tie 
Fragmente ſtehen in Peters «Historicorum Roma- 
norum reliquiae » (Bd. 1, Lpz. 1870) und « Histo- 
ricorum Romanorum fragmenta » (Lpz. 1883). 

Sein Entel Gaju3, der erite Gatte der Tod): 
ter Ciceros, Tullia, ftarb, nachdem er die Quäjtur 
beHeidet hatte, ſehr jung 57. Es ſcheint, daß nad) 
feinem Tode Lucius Calpurnius P. Cäſoni— 
nus, der 15 v. Chr. Konjul war, den Beinamen 
Frugi überlam. ’ 

Vohl ein Entel des lektern war Lucius Cal; 
purnius ®. Frugi Licinianus, den Galba 
69 n. Chr. zum Mitregenten und Nachfolger be: 
ftimmte und adoptierte, worauf er die Namen Ser: 
vius Sulpicius Galba Cäjar annahm. Cr wurde 
aber wenige Tage nachher mit Galba durch Otho 
(f. d.) ermordet. 

Gajus GCalpurnius P. mwiberfegte fih 67 
v. Chr. ala Konſul und Führer der arijtofratijchen 
Bartei dem Gejek, durch weldes Gabinius dem 
RPompejus für den Geeräuberlrieg ungemefjene 
Macht übertrug, aber vergebens, 

Ein anderer Gajus Calpurnius P. verſuchte 
65 n. Chr. eine Verſchwörung gegen Nero, die aber 
entdedt wurde. —— ſich ſelbſt; die zahlreichen 
Teilnehmer, zu denen auch Fänius —28 einer 
ber prätorianifhen Präfelten, Seneca, Lucanus 
u.a. gehörten, wurden von Nero auf das grau: 
ſamſte verfolgt und beitraft, 

Gnäu3Galpurnius®. nahm 65 v. * an 
der erſten, nicht zum Ausbruch gelangten Verſchwö— 
rung des Gatilina Anteil, wurde aber ſchon 64 
als Statthalter in Spanien erfchlagen. 

GnäusCalpurnius P., focht als —— 
ber Ariftofratie bis 46 v. Chr. gegen Cäſar, ſchloß 
fih fpäter an Brutus und Caſſius an, wurde von 
Augujtus beanadigt und befleidete 23 v. Chr. das 
Konſulat. — Sein Sohn Gnäus, welder 7 v.Chr. 
mit Ziberius Konſul war, erhielt von diejem als 
Kaifer 17 n. Chr. die Verwaltung von Syrien 
ohne Zweifel, weil Tiberius darauf rechnete, baf 
er dem Germanicus, den der Kaiſer —— ſi 
nit unbedingt unterordnen würde. Cr wirkte 
denn aud als Statthalter dem Germanicus, der 
mit der Leitung des Drients beauftragt war, 
überall entaegen; ja als Germanicus (19) jtarb, 
wurbe die Belchulbigung erhoben, daß er von der 
Frau de3 P. Plancina, vergiftet worden fei. P. 
mußte dem Gnäus Sentiug, dem des Germanicus3 
Gefolge die iger übertrug, weichen und ging 
nah Rom. Hier tötete er fih 20 n. Chr., als er 
ſah, daß Tiberius, dem Ingrimm de3 Voll3, das 
den Tod des P. als des Mörbers von Germanicus 
verlangte, weidhend, ihn aufgab; auch feine Ge: 
mahlin tötete fih, als fie noch 33 auf Tiberius' 
Befehl angellagt wurbe. Nach einer von manchen 
sebilligten Anficht waren dieſer Gnäus Galpur: 

nius P., ein Bruder von ihm, und ihr Vater 
die » Piſonen des * — Mit Unrecht wird 
Lucius Calpurnius Beſtia zu den Piſonen 


47 


gerechnet, da er nie den Ramen Piſo führte, (©. 
Galpurnius.) 


Bilonue: roßes Dorf am Iſeoſee (j. d.). 
ijolith, P Erbſenſtein. 
isport, ſ. Piesport. 


iſſa, Quelliluß des Pregels im oſtpreuß. Ne: 
gierungsbezirk Gumbinnen, entfließt nordweſtlich 
dem Wosztyterfee auf der poln. Grenze, nimmt 
bei Gumbinnen links die Rominte auf und ver: 
einigt fi) bei Tarpupönen mit der von linfa fom: 
menden Angerapp zum Pregel (f. d.). 

Biffäremw (Dmitrij Iwanowitſch), ruſſ. Schrift: 
fteller, geb. 1840, beſuchte die petersburger Univer: 
fität und wurde — belannt durch ſeine kritiſchen 
Abhandlungen über die «Scholaſtik des 19. Jahrh.v, 
über den «Idealismus Platos⸗ u.a, Im J. 1864 
wegen eines polit. Vergehens zu Feſtungshaft ver: 
urteilt, wurde er jedoch vor Ablauf der Friſt ent: 
lajien, und ſeßte nun feine litterariſche Thätig— 
feit eifrig fort. Er vertrat darin den äußerſten 
Realismus, unter Gerin häsung jegliher Kunſt, 
bejonder3 der Poeſie, und feine Werfe (in 10 Bon. 
gejammelt, Beteräb. 1870) übten durch die Energie 
der Gedanlen, hinter ber fich freilich oft Mangel an 
durchgreifender Bildung und pofitivem Wiſſen ver: 
birgt, bedeutenden Einfluß auf die ruff. Jugend aus, 
PB. lam in ben Ruf eines ——— er ertrant 
beim Baden im Juli 1868 in Dubbeln bei Riga. 
iſſek (Piſchfluß), f. unter Gsirsinatee 
iffeleu (Anna von), f. E kamuet, 
iffemffij (Nlerei Theo ——— einer 
der begabteſten ruſſ. Schriftiteller, geb. 1. April 
(20. März) 1820 im Gouvernement Kojtroma aus 
einer alten Adelsfamilie, ftudierte in Moskau 
Mathematik, war dann einige ia im Staats: 
dienft thätig, ließ fi 1854 in Petersburg nieder 
und lebt feit 1863 in Moslau, wo er im Jan. 
1831 ftarb, Geine litterarische Thätigleit begann 
1850. Gr fchrieb eine Reihe Nomane, Novellen 
und Dramen, in denen das ruf). Leben realiſtiſch 
dargeftellt wird. Am meiften geſchätßt wurde 
fein Roman «Taufend Seelen» (1865; deutſch 
von 2. Kayßler, Berl, 1870) und das dramatijche 
Vollsſtuck «Das traurige Schidjal»; ferner find zu 
nennen die Romane: «Der reihe Bräutigam», 
«Das aufgewühlte Miecer», «m Strudel» (deutich 
von W. Lange, Berl. 1832); von ben Novellen: 
«Die Che aus Leidenschaft», «ft fie fchuldig?», 
«Der Waldteufel», «Das Artel der Zimmerleute» 
u. a.; endlich von den Dramen: «Der Hypochon: 
ber», «Lieutenant Gladfow», «Weihe Fallen», Cine 
Sammlung der Werle P.s erfchien ſchon 1861 
(3 Bde, , Petersb.), der Dramen 1874. , 

Bilfevache heißt der ſchöne ftaubbadhartige 
Waſſerfall, den die Salanfe, 3 km nordieltlich 
von Martigny im ſchweiz. Kanton Wallis, bildet, 
indem fie aus ihrer Oberitufe über eine 60 m hohe 
Felswand in das Nhönethal hinabſchießt. j 

Biftäzien oder grüne Mandeln heißen bie 
fühen, wohlfhmedenden Samenferne der echten 
Piſtazie (Pistacia vera Z.),. Die zur Familie der 
Anacardiaceen gehörende Gattung Pistacia L. be: 
fteht aus etwa ſechs Arten, Sträuchern und Bäu— 
men be3 mittelländijchen Gebiets, des Drients, des 
tropifhen Aſien und Mexikos, welche fih duxch 
ſchoͤne immergrune Belaubung auszeichnen. Ihre 
abwechſelnd geſtellten nebenblattloſen Blätter ſind 
unpaarig gefiedert oder dreizählig mit ganzrandi en 
Blätthen, ihre Heinen Blüten in einfache oder 


43 


zuſammengeſetzte, blattwinteljtändige Trauben ge: 
jtellt. Die männlihen Blüten bejtehen aus einem 
gelbgrünen, fünfipaltigen Perigon und fünf Staub: 
gefähen mit vierfantigen Beuteln, die weiblidhen 
aus einem dreis big vieripaltigen Perigon mit 
einem oberitändigen Fruchtknoten und drei Griſſeln. 
Aus dem Fruchtknoten entwidelt ſich eine trodene, 
felten fleiidige Steinfrudt mit einfädherigem und 
einſamigem Steintern. Pistacia vera ijt ein präd): 
tiger, bis 10 m hoch werdender, in Syrien, Perſien 
und am Schwarzen Meere einheimiſcher, übrigens 
in Südeuropa bäufig fultivierter Baum mit un: 
paarig nefiederten oder (bei den weiblidien Indivi— 
duen) haufig dreizähligen Blättern, länglichrunden 
oder eiförnigen zolllangen Blättchen und eiför: 
migen, etwas fleiihigen, grünen, rot angehauchten 
Hrüchten, welche gegen 4—5 cm Länge erreichen, 
Der indem Steintern enthaltene längliche, dreifan: 
tige Same iſt reich an fettem Ol. Wegen ihrer grü— 
nen Farbe bedient man ſich der Biltazienferne in 
der Zuderbäderei, um Morſellen und Honfitüren, 
fowie im Haushalt, um Cremes damit zu zieren. 
Im Orient und in Südeuropa werden fie aud) roh 

egeflen und wird aus ihnen Öl geſchlagen. Sie 
a ganz ähnlich den fühen Mandeln, werden 
aber leicht ranzig. 

Im Gebiete des Mittelmeerd flommen zwei andere 
Arten häufig wild vor, der Maftirftraud, P. 
lentiscus 2. (j. Maftir) und der Terpentin: 
baum (P. Therebintbus L.). Die lebtere, auf 
trodenen, fonnigen, bebuſchten Hügeln wochſende 
Art wird zwar bisweilen zu einem Heinen Baum, 
it aber in der Hegel auch ftraudförmig. Ihre 
Blätter find denen des Walnußbaums ähnlich, nur 
beträchtlich Heiner, die erbfengroßen, zulept blau: 

rünen, trodenen Früchte in grobe, verjmweigte, ri: 

pige Trauben geftellt. Die Rinde enthält ein fei: 
nes Terpentinharz (Therebinthina cypria oder de 
Chios), weldes teils freiwillig ausfließt und an der 
Luft erhärtet, teils durch Ginfchnitte — 
wird, Die Samen wurden früher gegen Blutflüſſe 
und Dysenterie angewendet. Gigentümlidy find 
diefer Holzart die großen, bodshornartig geftalteten, 
didwandigen, harten, grünroten, harzreichen Gallen 
(Gallae pistacinae), welche eine Blattlaus (Aphis 
Pistaciae) an den Aften hervorbringt (aud) an den 
Blütenftielen und Blättern, wo aber die Gallen 
viel Kleiner und anders geformt auftreten), und die 
früher ebenfall3 mediz. Verwendung fanden. 

ir f. Epidot. 

iſti ‚1. Stempel. 

Piſtoja, bei den Römern Pistoria, mittellat. 
Pistorium, die Hauptitadt de3 gleichnamigen Be: 
zirls in der ital. Provinz Florenz, der Siß eines 
Biſchofs, einer Präfeltur, eines Tribunals erſter 
Inſtanz, eines Lyceums und eines Gymnaſiums, 
liegt überaus freundlich auf einer Anhöhe am Fuße 
der Apenninen, unweit des zum Arno gehenden 
Ombrone und an der Eifenbahn von Florenz nad) 
Bologna, die hier nad) Piſa abzweigt, hat breite 
und gerade Strafen, anſehnliche Kirchen und einige 
ſchöne Paläjte. Die jehenswerteften Gebäude find 
der Dom aus dem 12. und 13. Jahrh., reich an 
Kunſtwerken (berühmt der 1286 begonnene Silber: 
altar von verfdiedenen Meiltern des 13. und 
14. Jahrh.), das am; ein zierlicher acht: 
ediger Bau, im got. Stil 1339 von Gellino di Nefe 
aus Siena erbaut, Maria dell’ Umilta, ein Nenaij: 
jancebau von Ventura Vitoni, einem Schüler Bra: 


Piftazit — Piſtole 


mantes (die Kuppel von Bafari), Sant : Andrea, 
eine Bafilita des 12, Yahrh. mit einer Kanzel von 
1298— 1301, dem reifiten Werle von Giovanni 
Piiano, San:Giovanni Fuoricivitad, um 1160 er: 
baut, welde eine herrliche Kanzel von 1270 mit 
2% Nelief3 von Fra Guglielmo, einem Schüler 
e3 Nicola Bifano, und ein MWeibwaflerbeden von 
Giovanni Piſano enthält; ferner der Palazzo del 
Gomune (uriprünglih degli Anziani), ein Bau 
ital. got. Stil3 aus den %. 1294—1385, ber 
Palazzo Bretorio (früber del Podeſta), 1367 erbaut, 
und das Dipedale del Ceppo (von 1277) mit Relief: 
fried aus buntglafierter Terracotta, ein Werk der 
Robbias von 1525—35. Die Stadt zählt (1881) 
29242 (al3 Gemeinde 54920) E. Wichtig find die 
Gifenmanufalturen, welche namentlich gute Slinten: 
läufe liefern (die Piſtolen follen in P. aufgelommen 
fein), die Seidenzudt, die Kabrifen von Nadeln, 
landwirtichaftlihen und muhtalifhen Inſtrumen⸗ 
ten. Auch wird viel Gartenbau getrieben, und 
namentlich gelten die hieſigen Waſſermelonen für 
beſonders wohlſchmeckend. In der Umgegend findet 
man ſchöne Berglryſtalle, die geſchliffen als Dia- 
manti di Pistoja in den Handel kammen. In der 
Schlacht bei P. fand Eatilina den Tod (62 v, ya 
Im Mittelalter war die Stadt lange Zeit ſelb— 
ftändig unterlag dann in wiederholten Kämpfen 
gegen Lucca und fam 1352 an Florenz. Zu P. 
wurden geboren der Nedhtägelehrte und Dichter 
Gino, ein Zeitgenofjie Dantes, und der Satirifer 
Niccold Forteguerra, Verfaſſer des Ricciarbetto. 
iftole (Fauſtbuchſe), eine kurze Feuerwaffe, 
welche freihändig abgefeuert wird, Ob der Name 
von der toscan. Stadt Piltoja, wo bereit3_ Ende 
des 14. Jahrh. P. gefertigt worden fein follen, 
oder (nad Napoleon IIL.) von ihrem der Gold— 
münze Bijtole gleichen Kaliber, oder jma Balacto) 
aus der Huffitenzeit vom czech. pistala, Rohr, ab: 
uleiten fei, bleibt ungewiß. Die Landsknechte 
ührten die 6. als «kurze, feuerſchlagende Büchſe » 
im Gürtel; trefflich wußten fie in den niederländ, 
und Hugenottentriegen die fog. Deutichen Reiter 
zu gebrauchen, welche davon aud) Pistoliers ges 
nannt wurden. Der Lauf ilt glatt, oder gezogen; 
das Schloß hat alle Stadien des Gewehrſchloöſſes 
durdgemadt. Die früher bedeutende Länge der 
P. wurde Wie weſentlich vermindert. Die Hands 
lichleit der Waffe hat ihr nicht bloß bei den berittes 
nen Truppengattungen, fondern auch im Publi— 
fum in Verbreitung gegeben, obgleidy fie bei 
ihrer ſchwachen Ladung und dem unfichern Schuß 
aus freier Hand keine große Tragweite und Wir: 
lung hat. Am berühmteften waren feinerzeit die 
P. von Lazaro Lazarini und Kuchenreiter. Die P. 
it in neuerer Zeit jedoch fat —— durch den 
mehrere Schüjje enthaltenden evolver verdrängt 
worden. ( DRDSISREERELIER, Terzerol.) 
iſtole, uriprünglic der Name einer im 16, 
Jahrh. in Spanien in Umlauf gelommenen Gold: 
münze (Pistola), die anfänglid von unförmlider 
Geſtalt und ge: epreit war, 1730 aber die 
Sceibenforn erhielt und geprägt wurde, Sie 
ftellte den zweifadyen Escudo de oro oder Gold: 
thaler vor und wurde daher jpäter Doblon (Dop: 
pelter) genannt. Nach ihr wurden in in 
zuerjt 1640 die jog. Youisdor geprägt und ähnliche 
Goldjtüde fpäterhin in Portugal, Italien, der 
Schweiz, Deutidyland und Dänemark, die man 
fämtlih P. nannte, fodaß der Wert der P. ein 


Piſtoles — Piteſti 


abweichender war. Deutſchland nannte man 
jedoch P. vorzugsweiſe die urſprunglich zu 5 Thlrn. 
in Gold ausgeprägten Stüde. Jetzt werden P. nicht 
mehr — S. Louisdor und Friedrich— 
dor.) Der Urſprung des Namens P. iſt unklar. 

Piſtoles (frj., getrodnete Pflaumen), ſ. unter 
Brunellen. 

Bilton m), Kolben, Pumpentolben; Zünd: 
fegel (zum Aufiteden des Zundhütchens); medan. 
Borrihtung an Blehblasinftrumenten, melde die 
Schallröhre derſelben verlängert. 


Pistoria, ji. Biltoja. 

Biftorius (Eduard), Maler, geb. zu Berlin 
28. Febr. 1796, bildete fich dajelbit an der Alade: 
mie aus, ging dann aber nad) Düffeldorf, Seine 
harakteriftiichen und lebenswahren Genrebarftel: 
lungen jchildern das Treiben des Volls auf in: 
kerchante Weiſe, nicht felten mit bumoriftiicher 
und ftet3 ferniger Auffaffung der Wirklichkeit. 
Werke folder Art find: die Diagnofe des aan 
tes (Unterfuchung des kranken Gel), die * ⸗ 
ſpieler, der Politiler, der Dorfgeiger, der, Flid: 
ſchuſter u. ſ. w. Die berliner Akademie er: 


nannte P. 1833 zu ihrem Mitglied; er ſtarb 
20. Aug. 1862 zu Karlabad, mieren, 
iftoriusfches Beden, f. unter Depbleg: 


ifnerga (mittellat. Pisorica), rechtöfeitiger 
und bedeutenditer Nebenfluß des Duero, entipringt 
auf dent Gantabriichen Gebirge am SBeftabhan 
der Peña Labra, durchfließt in vorwiegend ſüdl. 
tung bie Provinzen PBalencia und Valladolid, 
berührt die Weftgrenze der ‚Provinz Burgos, nimmt 
lint3 den Arlanzon, rechts den Carrion auf und 
mündet nad) einem auf von 235 km 15 km unter: 
halb Valladolid. Von Herrera bis Valladolid wird 
die P. rechts in sen oder geringerer Entfer: 
nung vom Canal de Gaftilla begleitet. 

Pisum, j. Erbſe. 

Pidzowo, Dorf im ruf. Gouvernement Ko: 
ſtroma, Kreis Nerehta, zählt (1882) 2435 E., 
welche Leinen: und Baummwollinduftrie treiben und 
fi) namentlich durch Färben von Lein: und Baum: 
wollgeugen auszeichnen, 

Pitaval (Francois Gayot de), ein franz. 
Rehtsgelehrter, geb. zu Lyon 1673, diente ut 
al3 Soldat, ftudierte dann die Rechte, wurde 1713 
Advolat und ftarb 1743. Er hat fid) einen Namen 
gemadt durch Herausgabe von « Causes celöbres 
et interessantes» (20 Bde., Bar. 1734 fg.; aud) 
4 Bde, Baf. 1747—48; deutfh: «Er Alan 
fonderbarer Rehtshändel», 9 Bde., Lpz. 1747 
—68), Gine Auswahl mit Erläuterungen gab 9. 
Blum, «Aus dem alten B.» (2Bde., Lpz. 1885), 
heraus, Eine Fortiegung des Werts veranftaltete 
der Barlamentsadvotat Francois Richer, geb. 
zu Aorandyes um 1718, geft. 1790 zu Paris 
(22 Bde., Amſterd. 1772—88); eine Abkürzung der 
Sammlung P.s bilden die «Faits des causes 
celebres et interessantes» (Amfterd. 1757) von 
Francois Alerandre de Garfault (geft. 
1778). Die deutiche fiberfeßung des Nicherichen 
Verl (4 Bde., Jena 1792—95) wurde von Schil⸗ 
ler mit einer Vorrede begleitet. Hihig und Häring 
haben in neuerer * eine ähnliche Sammlung 
unter dem Titel «Der Neue B.» herausgegeben 
(£93.1842 fa. ; von Bd. 31 ab herausg. von Bollert). 

itaya:China, j. unter Chinabaum. 
iteairn, füdlichfte Infel_der franz. Gruppe 
Zuamotu in Polynefien, von Felfen umgeben und 
Gonverjationd« Lerilon. 13. Aufl. XIII. 


49 


ohne Hafen, von Warteret 2, Juli 1767 entbedt und 
benannt, 3,5 km lang, 1,6 km breit, muß früher be: 
wohnt gewefen fein, da die erften Europäer, welche 
bier landeten, Steinerne Gößenbilder, Lanzenfpiken 
und Menſchenſchädel vorfanden. Unter Führun 
bes Steuermanns Fletcher Chriftian empörte fi 
1788 in den tabitifchen Gewäflern die Mannſchaft 
des engl. Schiffs Bounty gegen ihren Kapitän 
— d.), ſete dieſen in einem Boote aus und 
ſegelte mit ſechs Männern und zwölf Frauen von 
Zabiti nach P., wo fie im jan. 1790 landeten. 
Vachdem ſie ſich dort häuslich eingerichtet und einige 
Jahre alles friedlich verlaufen, entſtand zwiſchen 
den Engländern und den Männern von Tahiti eine 
blutige Fehde, in welcher lehtere ausgerottet wur: 
ben. Indes war aus der Verbindung der Engläns 
der mit ben tahitiihen Weibern eine durd) körper: 
lihe Schönheit ausgezeichnete Generation hervor: 
gegangen, die unter der religiöfen und ſittlichen 
Yertung von Aler. Smith, der den Namen John 
Adams annahm, und von Ed. Young aufs erfreu: 
lichſte heranwuchs und, nach Young? Tode (1800) 
unter Smith eine völlig patriarchaliſche Gemeinde 
bildete, in welder Neligiofität, Sittlichteit und 
Arbeitjamteit herrſchten. Die Gemeinde blieb un: 
gefannt von der ganzen Welt, bis 1808 der amerik. 
Kapitän Folger die Inſel berührte und die eriten 
Nachrichten von der Anfiedelung gab. infolge 
defien jandte die brit. Admiralität den Kapitän 
Staines zur Unterfuhung des Sachverhalts dort: 
bin, der 1814 auf P. landete, fobaß feit der Meu: 
terei auf Bounty ein —— — verſloſſen 
und das Verbrechen nad engl. Geſetzen verjährt 
war. Seitdem wurde die Inſel mehrmals von 
Seefahrern beſucht, 1825 vom engl. Kapitän 
Beechey. Zu diefer Zeit beftand die Bevölkerung 
aus 66 Perjonen, die das Dorf P. bewohnten. 
Die engl. Regierung, die ſich feit Beecheys Bericht 
der Anfiedler forglih annahm, ließ diefe ſämtlich 
1830 nad Tahiti bringen. Allein die Sittenver: 
derbnis der Tahitier empörte die Pitcairner fo 
fehr, daß fie nad) ihrer Heimatsinſel zurüdtehrten. 
Adams war bereit? 1829 geftorben. Nach jeinem 
Tode übernahm ein Jrländer Georg Nobb3 die Res 
ierung. Admiral Scoresby gab eine Schilderung 
er Inſel aus dem %. 1852, Ein furdtbarer 
Orkan hatte 1845 P. derart vermültet, daß die an: 
wachſende Bevölterung fih nur ſchwierig von dem 
Ertrage des Grund und Bodens zu ernähren vers 
mochte. Sie beftand 1856 aus 170 Seelen, an 
deren Spike ein felbftgemählter Magiftrat ſtand. 
Da durd die —— Regen das fruchtbare 
Erdreich weggeſchwemmt worden und der Nahrungs⸗ 
mangel immer empfindlicher hervortrat, überfiedelte 
die engl. Regierung die Inſulaner 1856 nad) der 
fruchtbaren und milden Inſel Norfolk (f. d.), aber 
bald kehrte aud von da ein Teil nad P. zurüd; 
im April 1881 zählte die Infel 96 E. Bol. Beechey, 
«Narrative of a voyage to the Pacific» (Lond, 
1832); Meinide, «Die Infel B.» (Prenzl. 1858). 
Pite oder Pita, Geſpinſtfaſer aus den Blät: 
tern von Agave americana, f. unter Agave. 
iteäself, Fluß in dem ſchwed. Län Norrbotten, 
entipringt am Sulitelma und fällt nad einem 
meiftens reißenden Laufe von 290 km in den Bott: 
niſchen Meerbufen. 
ehe, oviel wie Aloehanf. ’ 
itefti, offiziell Pitesci, Stadt in Rumänten 
am Fluß Argis (Ardſchiſch), Station der Linie 
4 


50 


Noman:Verciorova der Numänifhen Staatöbab: 
nen, mit 9000 E., iſt Sik ber Präfektur des 
Argisdiſtrilts, eines Tribunals erfter Inftanz und 
eines Untergymnafium?, L” 

itha (franz, Freiherr von), Mediziner, geb. 
8. Febr. 1810, war bis 1851 Profefjor der Chirur: 
gie in Prod, dann bis 1873 in gleicher Stellung 
am Joſephinum in Wien thätig, als tüchtiger 
Operateur und Lehrer belannt und bejonders um 
die Ausbildung der öfterr. Militärärzte verdient. 
Er ſtarb infolge einer bei einer Operation erhalte: 
nen Verlegung am 29. Dez. 1875. P. jchrieb: «Die 
Krankheiten der männliden Gejchlehtsorgane » 
(2. Aufl., Grlangen 1864), und gab mit Billroth 
beraus: «Handbuch der allgemeinen und jpeziellen 
Chirurgie» (Bd. 1—4, Stuttg. 1865—82). 

Pithöous (lat.), der Drang-Utang. 

Pitheeufä, im Altertum gemeinjamer Name 
der Inſeln Jechia (f. d.) und Procida; doch hieß 
auch Jschia allein Pithecuſa. 

thekoiden, ſ. Anthropomorphen. 

ithiviers (mittellat, Petucris), Stadt und 
Hauptort eines Arrondijjements im franz. 
Loiret, linls am Deuf, Station der Linie Orleans: 
Malesherbes ber Orleansbahn, bat (1881) 4745 
(als Gemeinde 5181) E., Korbflechterei und Handel 
nit Safran, Wein, Wolle, Honig und Wachs. An: 
fang Dez. 1870 hatte bier Prinz Friedrich Karl 
fein Hauptquartier. 

Pithom (ägypt. Patum, «Haus des Gottes 
Atum»), Stadt, welche Ramſes IL. in der Land: 
ſchaft Goſen im öftl. Delta erbauen eb: nach ber 
F Sage leiſteten die Juden dabei Frondienſte. 

re Ruinen wurden 1883 ‚von Naville bei Tell el 


Maschuta entdedt, u 
Bi .), Inftrument zum Mejjen 


thometer 
bes It3 von Fällen. 
öns (Peter), eigentlih Pitbou, ein um 
bie Beförderung des Studiums ber alten Pitteratur 
verdienter franz. Jurift, geb. 1. Rov. 1539 zu 
Zroyes, geit. 1. Nov. 1596 zu NRogent-fur-Geine 
in der Champagne, war eine Zeit lang Generalpro: 
furator von Paris und machte fi um die Erflä- 
rung mehrerer lat. Dichter, wie des Perfius, bejon: 
ders aber baburd verdient, daß er bie erjte Aus: 
gabe der « Fabeln» bes Phädrus (Troyes 15%) 
aus einer Handſchrift beforgte, die fein Bruder, 
dranz P., geit. 1607 ——— hatte. Hierher 
gehören auch feine «Adversariorum libri II» (Bar, 
1565). Außerdem verfabte er mehrere —— 
. und juriſt. Abhandlungen, die in feinen von Labbé 
besauögegebenen «Opera sacra, juridica, historica 
et miscellanea» (Bar. 1609) enthalten find, ferner 
bie für jene Zeiten wichtige Schrift «Les libertes de 
l’öglise gallicane» (Par. 1594; mit Kommentar 
von Tupin, 2 Bde., Bar. 1824) und gab die «An- 
nalium et historiae Francorum scriptores coae- 
tanei XII» (Frantf. 1594) und die «Historiae Fran- 
corum scriptores veteres XI» (Franlf. 1596) 
beraus. Bol. die Biographien von Boivin (Par. 
1715), Grosley (2 Bde., Bar. 1756) und Briquet 
de Lavaur, « * de Pierre P.» (Par. 1778). 
Pitigliano, Stadt in der ital, Provinz und im 
Bezirk Örofieto, 47 km im DSD. von Groſſeto, 
Siß des Biſchofs von Sovana, hat (1881) 4500 E., 
ein Oymnafium, ein Seminar, ein Hofpital, Tuch— 
manufaltur, Viehhandel und (3 km vom Drte) 
eine warme Mineralquelle mit Babeanftalt. P. 
mittellat. Pitilianum, gehörte im 12. Jahrh. zu 


Pitha — Pitſchen 


Sovana (Suana), im 14. Jahrh. den Aldobran⸗ 
dini und hierauf als Grafſchaft den Orſini. 
Pitiscus (Bartholomäus), aſtron. und mathem. 
Schriftſteller, gi. 24. Aug. 1561 zu Schlauen bei 
ı Schlefien, geit. 2. Juli 1613 als 
Dberhofprediger des Rurfürften von der Pfalz. P. 
ſchrieb « Trigonometria» (Franff. 1599 u. öfter); 
fein Hauptwert ijt der «Thesaurus mathematicus» 
(Franff. 1613), in weldem unter anberm die Sinus 
aller Wintel biß 90° von 2 zu 2 Sekunden, und 
jwar bis auf 15 Decimalftellen berechnet find. 
Pitman (Bfaat), Reformator der engl. Ortho⸗ 
tapbie, geb. 4. jan. 1813 zu Trowbridge in 
Wiltihire, wurde 1832 Lehrer an der Vollsſchule 
in Barton:onHumber und begründete 1836 eine 
Schule in Wootton, 1839 eine andere in Bath, wo 
er noch thätig ift. Schon 1837 war von P. die Ab: 
handlung «Stenographie hand»; erſchienen, 
der 1840 die Schrift «Phonography, or writing 
of sound» folgte, in welcher er ein der Ausſprache 
der Worte angepaftes Syſtem der Orthographie 
entwidelte. Unter P.s Leitung entjtand auch 1843 
bie Phonetic Society, weldye ſich die Agitation für 
die Annahme der von ihm aufgejtellten Tr 
phiſchen Grundfäge zur Aufgabe machte, Als Mit: 
tel zu diefem Zwed wurde in Bath eine phonetiſche 
Druderei ündet, aus welder, eben von 
der Wochenſchrift «Phonetic Journals, eine Anzahl 
Daten gseudi bücher, eine phonetiſche 
) andere e bervorgingen. Infolge 
dieſer Bemühungen erregt bie von P. befürwortete 
Reform neuerdings in weitern Kreijen Teilnahme. 
Pitotſche hre, eine Vorrichtung zur Er⸗ 
mittelung der Gefhmwindigteit des fließenden Waſ⸗ 
ſers; Ddiejelbe ift in einfachfter Form eine recht: 
winfelig umgebogene Glasröhre, deren kürzerer 
Scentel ſich nad) der Öffnung zu etwas erweitert, 
während der längere mit einer Slala verjehen iſt. 
eg 5 die R fo ins Waſſer, dab der für: 
zere Schentel derfelben horizontal gegen den Strom 
—— iſt, wodurch ſich die Waſſerſaͤule im Innern 
ngern, vertiial gehaltenen Schenlels um fo 
höher erhebt, je ſtärler die Strömung üt, und mißt 
nun bieje Erhebung des Waſſerſpiegels an ber 
Slala. Die geſuchte Geſchwindigleit iſt dann gleich 
ber Endgeſchwindigleit eines freifallenden ee st 
er eine Höhe gleich der gemefjenen durchfällt. 
Reichenbach verbeflerte das Inſtrument, indem er 
eine zweite vertital ftehende, feitlich geöffnete Röhre 
— * und einen Hahn anbrachte, wodurch man 
ide Röhren gleichzeitig unten ſchließen Tann. 
Nachdem legteres eiheben, nimmt man den Ap⸗ 
rat aus dem ſſer und kann alsdann ben 
nterſchied ber beiden Bafierfpiegel genauer be: 
jtimmen, als die3 in unmittelbarer Nähe bes fliehen: 
den Waſſers möglich fein würde. 9. — ver⸗ 
beſſerte die Einrichtung daburch, 
daß er die beiden vertikal ſtehenden Röhrenſchenlel 
durd eine —2 miteinander in Verbindung 
brachte. Durch gleiche Verminderung des Luftdruds 
in beiden Röhren wird der Waſſerſpiegel in beiden 
um gleich viel gehoben, ohne daß die Höhendifferen; 
eändert wird, ſodaß man diefe an einer Skala 
in bequemer Höhe ablejen kann. : 
Pitfchen, Stabt im preuß. Regierungs irt 
Oppeln, Kreis Kreuzburg, Station der Linie Pojen: 
Kreuzburg der Preubiichen Staatöbahnen, zählt 
(1880) 2307 €. (519 Ratholifen und 87 Juden), iſt 
Siß eines Amtögerichtö, hat eine evang. und eine 


Pitt — Pitten 


tath. Pfarrkirche, eine Dampfbrettihneidemüble, 
Brauerei und jtädtifche Ziegelei. P., jlaw. Biszina, 
gehörte 1311— 1675 zu Brieg. (Er 
itt, der Ältere, ſ. Chatham (William 
Pitt, Graf von). 
Pitt (William), der Jüngere, hervorragender 
brit, Staatsmann, war der dritte Sohn des be: 
rühmten Orafen Chatham (j.d.) und wurde 23. Mai 
1759 geboren. Im Jan. 1781 trat er ins Unter: 
ein. Anfangs mit den wbigiftiichen Freunden 
eines Vaters verbunden, ftellte er ſich in Oppoſi— 
tion gegen das Minifterium North, ſchloß fi 
ihren rmvorjhlägen an und wurde im \yuli 
ee act old 
‚gro nzielle igfeit, 
Hare und nüdterne Berebfamteit fiherten ihm das 
fibergewidt. Mit For hatte ſich ſchon damals fein 
Einverjtändnis bilden fönnen, und deſſen Austritt 
aus dem Minifterium , in welches P. eintrat, feine 
Koalition mit Lord North und die weitern Schritte, 
zu welchen die Berbindung For trieb, legten den 
Grund zu jenem unverföhnli Bigenlap. ber 
fait das ganze öffentliche Leben beider Männer 
füllte. Zwar gelang e3 der Koalition (Frühjahr 


aus 
1783), dad Miniſterium e fprengen und fomit 


auch B. zum Nüdtritt zu bewegen, aber nod im 
nämlichen e bot fich ein —— Anlaß 
für P., die Macht der Koalition zu brechen. or 


trat mit ber ag vor das Parlament, in wel: 
die grellen Mißbräuche der laufmänniſchen 
ftung Ditindiens zum Vorwand genommen 
waren, ein Syitem einzuführen, das eine unge: 
uere Macht in den Händen des Minijteriums, 
eines Familienanhangs und feiner Kreaturen ver: 
einigte. Ungeachtet P.s energiichen Widerſpruchs 
i das Gelep im Unterbaufe durch und ward erſt 
i der dritten Leſung im Oberhaufe durd des 
Königs perfönlide Einmiſchung verworfen. 
Georg IH. ergriff diefen Anlaß, —— des Koali: 
tionsminifteriums zu entledigen, und beauftragte 
(Dez. 1783) PB. mit der Bildung einer ncuen Ver: 
waltung. P. jah ſich bald genötigt, da3 Parla: 
aufzulöjen; aber e3 gelang ihm, nach bei: 
tigem Wahltampf die Majorität zu erlangen, die 
fortan die Grundlage feiner Macht bildete. Cr 
te num eine neue Indiabill ein, deren Be: 
ftimmungen bis in bie neuefte Zeit galten, und 
orbnete die zerrütteten Finanzen. 
In der auswärtigen Bolitit fuchte er die Ver: 
, Großbritannien im nordamerif. Kriege 
itten, durch energifhe Handels: und KRolonial: 


litif wieder gut zu machen. De die Srangöfiche 
Frevolution n, welche der engl. Macht von Grund 
aus feindlich war, verbielt er fi) von Anfang an 
tend. Im Bunde mit allen ariftotratire en 
Glementen Großbritanniens, vor allem mit der 
ftion Burles, vereitelte er das Bemühen der 
ein freundliches Verhältnis zu Frant: 
rei Bi ellen. Vielmehr benußte er die Angit 
evolution zur Durchſehung beichränfender 
wie ber Fembenbill und der Suspenfion 
ee, 5**. — A — Be 

großen gegen Frankreich teil und war 
die Seele ber contrerevolutionären Koalition. Das 
en in en Frank— 
3 ber i a ände ın Ir⸗ 
und unruhige Bewegungen in Großbritannien 
der —— der Bank 
P.s Ausdauer auf harte 


vor 
Sc 


51 


Proben ; aber er blieb unerfhütterlich feit. War doch 
der Kampf gegen erpanfive Sträfte ber Franzöfifchen 
Revolution nugleich ein Kampf für die Größe und 
Macht Englands geworden. Die Koalition von 
1799 war abermals jein Werk. Irland ward 
(1800) teils durch Beitechung, teils durch Einſchuch⸗ 
terung zur Union mit Großbritannien genötigt, 
und auf den Meeren, bei St.:Bincent, Abulir und 
Zrafalgar, wie in ben Kolonien zeigte ſich das 
—— der brit. Waffen — nr, Aber 
die Belaſtung des Landes durch Steuern und 
Staatsſchuld wuchſen zugleich ungeheuer; das Felt: 
land beugte ſich unter das rang Bonapartes; 
die Heinern Seemächte verfuchten jich gegen das 
fibergewicht und die Gewaltthätigfeit der brit. See: 
berrichaft zu erheben; ganz Europa rief nad) Brite 
den, und ſelbſt in Großbritannien hatte diefe Mei: 
nung ungemeine Fortihritte gemacht. P. täufchte 
fi no nicht darüber, dab Bonapartes Syiten 
jehr bald eine Umkehr der öffentlihen Meinung 
toorrufen würde, und trat (10. Febr. 1801) vom 
taatsruder zurüd, um es feinen weniger lompro⸗ 
mittierten Freunden zu überlafien. Das Minifte: 
rium Addington fchloß den Frieden von Amiens, 
aber P.s Vorausſicht bewährte ſich. Schon 1803 
war der neue Krieg unvermeidlich, und das Bona: 
—— Syſtem zeigte ihn den Engländern aller 
rteien, auch For nicht ausgenommen, als den 
Netter des Staates. Im Mai 1804 ftellte ih P., 
von bem fait allgemeinen Wunſch der Nation er: 
—* wieder an die Spike der Verwaltung; bie 
oalition von 1805 war bie Folge. Jedoch der 
Hägliche Ausgang des Kampfes auf dem Feitlande, 
die Kataſtrophen von Ulm und Aufterlig, der 
Friede von Prefburg brachen die Körperlräfte des 
ohnehin ſchwächlichen und durch Arbeiten und Sor-: 
en aufgeriebenen Mannes. Am_23. an. 1806 
Rarb er. P. war unverbeiratet. Das Parlament 
lieb ihm zu Wejtminfter, wo er beftattet ward, ein 
Denkmal errihten. Seine Hauptreden erſchienen 
in drei Bänden zu London. Geine «Correspon- 
dence» mwurde in vier Bänden (Pond. 1844) 
——— Bol. Gifford, «Life of P.» (3 Bde., 
ond, 1814); Tomline, «Life of P.» (6 Bde., Lond, 
1815); Lord Stanhope, «Life and times of Wil- 
liam P.» (3. Aufl., 4 Bde., Fond. 1867); Trautt: 
wein von Belle, « William ir der Süngere » (Berl. 
1870). Seine polit. Oppoſition gegen For ift in 
Gottſchalls Luftipiel «P. und For » dargeftellt. 
Pittakus, einer der ſog. Sieben Weiſen Grie— 
chenlands, geb. um 650 v. Chr. zu Mytilene auf 
Lesbos, befreite fein Baterland von dem Drud der 
zuchtlofen delöherrihaft und ſchuf als «Slfymmet» 
590 eine vortrefjliche Gejekgebung, legte die ihm 
übertragene Gewalt 580 v. Chr. freiwillig nieder 
und ftarb 570. Sein Wahliprud war: « Erfenne 
den rechten Zeitpunlt.» Bon feinen Elegien und 
einer Schrift über die Geſehe ze fich nichts erhal: 
ten, fondern nur ein Brief an Kröſus bei Diogenes 
von Laerte und ein Gedicht, das von Schneidemwin 
in dem «Delectus poesis Graecorum elegiacae 
etc.» (Gött, 1839) aufgenommen wurbe. 
Bitten, Marktileden in Unteröſterreich, Vezirls— 
auptmannſchaft Neunkirchen, im Thal der obern 
itha, Station der Eifenbahn Wien-⸗Aspang, hat 
Bergbau auf Eifen, Fabrikation von Eiſengußwa— 
ren und Papier und gr (1880) 1352, als Ge: 
meinde 1656 E. Im Mittelalter war P. Hauptort 
der gleichnamigen Grafihaft. In der Nähe find 
4* 


- ( ‘ > 
VAsıdk 8 e 


52 


Nuinen der alten Grenzfefte P. oder Putina und 
das Dorf Seebenftein mit fürſtlich —— 
ſchem Schloß mit Park und einer Kunſtſammlung. 
Pitteuweem, Stadt in der ſchott. Grafſchaft 
Fife, am Nordufer des Firth of Forth, Station der 
Linie Thornton:Anjtrutber der Nordbritiſchen Eiſen- 
bahn, bat (1881) 2087 E. einen Hafen mit Qeucdht: 
feuer, Steinfohlengruben, Handel und Fifcherei. 
Pittizit, |. Eiſenſinter. 
ittorcöf (ital), maleriſch. 
ittofporden (Pittospor&ae), Pflanzenfamilie 
aus der Gruppe der Dilotyledonen. Diejelbe um: 
faßt gegen 90 Arten, die in den Tropengegenden 
und bejonders in Auftralien wachſen. Es find 
ftraudartige Gewächſe, zum Teil mit windenden 
Stengeln, Die Blätter find meift ganzrandig und 
immergrün. Die Blüten find groß und weiß, gelb 
oder rötlich gefärbt; fie haben einen regelmäßigen 
Bau, fünf Kelchblätter, fünf Kronenblätter, fünf 
Staubgefäße und einen meijt einfächerigen Frucht: 
Inoten. Wegen des Wohlgeruchs der Blüten find 
mehrere P. beliebte Zierpflanzen für Gewächshäuſer. 
Pittsburgh, Hauptitadtvon Alleghany County 
und zweitgrößte Stadt des nordamerif. Staats 
Pennſylvania, liegt in einer ſchönen Ebene auf der 
Landzunge zwiichen dem Alleghany: und Monon: 
gabelafluß, deren Bereinigung bier den Namen 
‚bio erhält, und hatte 1870 erit 86.076, 1880 aber 
156389 E., von denen 44605 Fremdgeborene 
(25293 aus Großbritannien und Irland und 15957 
aus Deutidland), 4077 Farbige und 20 Chinefen 
waren. Die Stadt hat lange, breite und gut ge: 
pilafterte Strafen; die Hauptitraßen laufen in der 
Richtung der Fluſſe und werden rechtwintelig von 
den Querftraßen durdichnitten. Im öjtl. Teile 
der Stadt befinden fich viele ſchöne Gebäude, 3. 2. 
das Gerichtshaus, ein im doriſchen Stile ausgefübr, 
tes und von einem Dome überragtes Gebäude, 
Sa aolpaus in welchem ſich aud die Boft und 
Gerichtshöfe befinden, das Stadthaus, die Mer: 
cantile Library (15 000 Bände), die fath. Kathedrale, 
die St.:Beter's and Trinity (Epiſtopal⸗)Kirche, die 
erite Baptiſtenlirche, die erfte und dritte Presby— 
terianerlirche, das Arſenal und mehrere öffentliche 
Schulgebäude. Als Handelsjtadt iſt P. durch —— 
Lage, durch Kohlen und Eiſen, welche in der Nach— 
barſchaft gefunden werden, durch zahlreiche Eifen: 
bahn: und Damfijsuerbinbungenberuorengenb 
Die Kohleninduftrie ift die bedeutendfte: 67 Haupt: 
und über 50 Heinere Firmen beſchäftigten fich mit 
ihr; 1882 wurden 7726776 t Kohlen im Werte 
von 12208306 Doll, erzielt. Nächſt Kohlen iſt 
Eiſen von Wichtigkeit: 10 Etabliffements hatten 
16 Hohofenſchächte und erzielten 353791 t Rob: 
eiſen im Werte von 8766493 Doll. ; außerdem gab 
es 36 Walzwerke, 17 Stahlfabriten, Fabrifen für 
geilen, Lolomotiven, Eifenbahnwagen, Maſchinen, 
Tampftejiel, Sägen, Werkzeuge, landwirtfchaftliche 
Geräte, Seldihränf; , eilerne Dächer und Gefimie, 
Geländer und Zäune und andere Gijenwaren, für 
Kupfer-, Mefling: und Glaswaren, Unter den 
Haupt: MWohlthätigkeitsanftalten befinden fich das 
Weſtern⸗Pennſylvaniahoſpital, das Stadthoipital, 
das homöopathiſche, Pittsburgh: und Mercyhofpi: 
tal, eine Heimat für Hilflofe, ein Waifenhaus ıc, 
Außer den Glementarfchulen gibt es eine große An: 
zahl Privat: und Kirchenfchulen (darunter mehrere 
deutjche), ein Methodi en die 1819 gegrün: 
bete Western University of Pennsylvania mit 


Pittenween — Piura (Departement) 


17 Profefforen und 252 Studenten, einer Biblio: 
thef, einer naturwiſſenſchaftlichen Sammlung und 
einem ajtron. Objervatorium. An der Stelle von 
P. wurde 1754 von Sranzofen das Fort Du Quesne 
angelegt, welches im Nov. 1758 der engl. General 
orbes eroberte. An Stelle des durd Feuer zer: 
törten ‘ort bauten die Engländer das Fort Pitt. 
Die Kriege mit den Indianern und die Unruhen im 
weftl, Lande jtörten das Wachstum des Ortes bis 
1793; jeitdem erhober ſich mit reißender Schnelligteit. 
ttöfield, Hauptort in Berkihire County im 
nordanterif. Staate Maſſachuſetts, licgt auf einer 
ſchönen, 360 m hohen Hochebene, Anotenpuntt der 
Boston: und Al n: Houfatonic: und Pittäfield: 
und North Adanıs: ifenbahnen, ift von ſechs Seen 
umgeben und hat (1880) 13364 E., worunter 329 
Farbige. PB. hat einen Park, eine öffentliche Bi: 
bliothet, eine Hochſchule, ein fehr ſchoͤnes Stadt: 
haus, zehn Kirchen, drei Banken und eine Wohl: 
thätigleitsanftalt. Die Seen in der Umgegend 
bieten hinreichende Wafjerkraft für Woll: und 
Baummoll:, Seiden: und andere Fabriten. P. 
wurde 1761 inforporiert. j 
Pittfton, Ort in Luzerne County im nord: 
amerit. Staate Pennſylvania, liegt inmitten der 
reichen — ——— 14km von Willes⸗ 
barre, an der Mündung des Yadawanna in den 
Susquehanna, hat vier Banten, Waſſer- und Ga®: 
werte, eine Eiſengießerei und eine Maſchinenwerk— 
ftatt, mehrere Sägemühlen, eine Dfenfabrit, leb: 
haften Holzhandel und 7472 E. In P. werden 
jährlid) über 1 Mill. Tons Kohlen verſchifft. 
— (lat.), ihleimig, verſchleimi. 
itgriäfis (orc., Rleienflechte), eine Haut: 
krankheit, die fü ei mafjenhafte Abicilferung 
von Heinen weißen, faft mehlartigen Oberhaut: 
ſchuppchen gi erfennen gibt, ohne daß eine Knöt: 
en: oder Bläschenbildung oder Ra vorhanden 
it. Dabei fann die erlrankte Hautitelle ganz nor: 
mal gefärbt fein (Pityriasis simplex), oder fie ift 
weihlid) gerötet (P. rubra), oder fie ift hellbräunlic) 
bis gelblich gefärbt (P. versicolor), Die Kleien: 
fledhte kommt bei ganz geiunden Perſonen vor, 
findet fih_aber aud als P. tabescentium fehr 
häufig bei Tuberfulöfen, Krebskranken und maraftis 
(ihen ndividuen. Die P. versicolor, welche 18 in 
der Form von unregelmäßigen gelbbräunliden, 
feiht abfchuppenden Yleden auf der Haut der 
Bruft, des Rüdens, der Arme und des Halſes ent: 
widelt, beruht auf der Wucherung eines mifrofto: 
piſchen Pilzes, des Mikrosporon furfur Robin, in 
der oberflächlihen Hornſchicht der Oberhaut; fie 
ruft leichtes Juden hervor, verurfaht aber font 
teinerlei Beſchwerden. Die befte Behandlung be: 
fteht in wiederholten Ginreibungen von ger 
Seife oder einer ‚Ipirituöfen Löfung von Carbol: 
fäure in bie erkrankten Hautitellen. Gegen bie 
übrigen Formen der P. wende man laumarme 
Bäder und nachfolgendes Beſtreichen mit Olyzerin 
oder milden Salben an, 
ityuſa, im Altertum die Inſel rm ([. d.), 
ityufen, ſpan. Inſelgruppe, ſ. Balearen. 
iü (ital.), mehr; piü forte, ſtärler; piü au- 
dante, fhnelleru.j.w. 
Pium corpus (lat.), milde Stiftung. 
Pium desiderium (lat.), frommer Wunſch, 
f. Pia desideria. 
Piura, Departement der Republit Peru, das 
nördlichſte an der Küfte des Großen Oceans, grenzt 


Piura (Stadt) — Pius (Päpfte) 


nörblih an Ecuador, öftlih und füblih an bie 
peruan. Departements Cajamarca und Lambayeque 
und zählt auf 40810 qkm (1876) 135502 E. Der 
öjtlide gebirgige Teil mit der Küſtencordillere iſt 
rei an tropischen Pflanzen und Viehweiden, Maul: 
tieren, welche als Laſttiere Verwendung finden, 
und Ziegen, aus deren Häuten vortrefflicher Cor: 
duan bergeitellt wird. Die Küſtenſtriche der 2 
ern te von Sechura) find unfruchtbar, doch 
wird bier reihlih Salz und Soda gewonnen, zwei 
fehr wichtige Ausfubrartitel, 
inra, San Miguel de Piura, Hauptitadt 
de3 gleichnamigen peruan, Departements, rechts 
am Rio de Piura oder Sehura, mit der Hafenitadt 
Payta dur Eifenbahn verbunden, Sit eines beut: 
ſchen Konſuls, hat (1876) 6811 E., ftarte Maultier: 
ucht und Yabrifation von Corduan und Geife. 
er 1532 durch Pizarro in ſehr gelunder Lage ge: 
gründete Drt litt 1855 jehr durch Erdbeben. 

Pius, der Name von neun Päpiten: 

Pius I. regierte etwa 140—155. 

Pius II, früher Uneas Sylvius Bartholo: 
mäus Piccolomini, geb. 18. Oft. 1405 zu Cor: 
fignano (Pienza) bei Siena, war als Menſch ohne 
felte Grundfähe und von loderm Lebenswandel, 
als Papſt auögezeichnet durch —— Gelehr— 
jamfeit und kraftvolle Thätigleit, vor allem aber 
durch diplomatifhe Gewandtheit. Anjangs voll 
Eifer für die lirchliche Reform wirtend, trat er auf 
dem Baleler Konzil mit aller Entſchiedenheit gegen 
Eugen IV. auf, ſchrieb eine begeijterte Geſchichte des 
Konzils und ward Sekretär des bajeler Papites 
Felir. Am Hofe Kaifer Friedrichs IIL., der ihn 
1442 zu feinem Rat berief, voll op fih in ihm eine 
firhenpolitiihe Wandlung, ER ge deren er 1456 
Kardinalbiihof von Siena und 1458 Paplı wurde. 
Als folder vertrat er die bierarhiichen Anſichten 
eines Gregor VII. Er widerrief feine feiern ibe: 
ralen Grundfäge und Schriften, lieb durd das 
Konzil zu Mantua (1459) die Grundjäße des Kon: 
jtanzer Konzils als keerijch verdammen und wußte 
alle Beitrebungen, Deutſchland gegen die päpfil. 
Übermadt zu fhüsen, durch diplomatiiche Künite 
zu vereiteln, Vergeblich jedoch verſuchte P. die 
Fürſten Europas zu einem Krieges gegen die 
Türten zu le: er ftarb 15. Aug. 1464, P. 

t ih aud als Dichter und beſonders als Ge: 

hichtichreiber einen Namen erworben. Unter fei: 
nen Geſchichtswerken find hervorzuheben die «Histo- 
ria rerum Friderici Ill. imperatoris» (Straßb. 
1685 u. öfter), «De ortu, regione et gestis Bohe- 
morum» (Rom 1475 u, öfter) und «Commentario- 
rum de gestis Basileensis coneilii libri II» (Baf, 
1535 u. öfter). Die Sanımlungen feiner «Episto- 
lae» (feit 1473 öfter in Italien und Deutichland ge: 
drudt) find wichtig für die Beitgeihichte, Dal. 
agenbach, «Crinnerungen an Aneas Sylvius 
iccolomini» (Baf. 1840), Heinemann, «Aneas 

ylvius ald Kreuszugsprediger» (Bernb. 1855); 
Boigt, «Enea Silvio de’ Piccolomini, als Papſt 

. II. und jein Zeitalter» (3Bde., Berl. 1859—63); 
.Gengler, «tineas Syloius und feine Bedeutung für 
die deutiähe Rehtögefhhichte» (Erlangen 1860). 

Pius LI., ein Neffe des vorigen, wurde 22. Sept. 
1508 der Nadfolger Aleranders VI., ftarb aber 
ſchon 18. Dft. deötelben Jahres. ‚ 

ius IV., 1559—65, ſchloß das Konzilium zu 
Trient und that jehr viel für die Verfchönerung der 
Kirchen Roms und des Vatikans. 


53 


Pius V., 1566—72, Nachfolger de3 vorigen, 
bewies ſich als einen der eifrigiten Verfechter hierars 
chiſcher Grundjäge. Derfelbe verdammte die Leh— 
ren des Bajus (1. d.), verſchärfte Die Nachtmahls: 
bulle (in c@na domini), that die Königin von 
England, Elifabeth, in den Bann und drohte Mari: 
miltan LI, mit Abjegung, wenn er den Protejtanten 
freie Religionsübung — Wie er die Inqui— 
ſition mit unerhörter Strenge handhabte, fo juchte 
er der Gittenverderbnid durch ftrenge kirchliche 
Zucht zu fteuern. Val. Fallour, «Leben des Bapites 
PB. V.» (aus dem Franzoſiſchen, Negensb, 1873). 

Pius VL, Bapit 1775—98, hieß vorher Gio: 
vanni Angelo, Graf Braschi, und war 27. Dez. 1717 
zu Gejena in der Nomagna geboren. Gr wurde 
1745 Aubitor bei der päplıl. Kanzlei, 1755 Gebeint: 
ſchreiber Benedilts XIV. 1766 Generalichakmeiiter, 
Durch feine Strenge erwarb er ſich zwar das Yu: 
trauen des Bapites, aber die Abneigung der päpitl. 
Schmaroßer. Diefe lestern fehten, um ihn vom 
Schahmeiſteramt zu entfernen, bei Clemens XIV. 
1773 feine Ernennung zum flardinal und Benefit: 
ciatenderAbteiHubiaco dur. Nach Clemens' XIV. 
Tode wurde er 15. Febr. 1775 von ber jehuitüjch 
gerichteten Mehrheit der Kardinäle zum Bapit ge: 
wählt und nahın den Namen Bius VI. an. P. be: 
gnügte ih, um die päpftl. Würde aufs neue zu be: 
[chinen, mit halben Maßregeln, die den Zwed vers 
ehlten. Er vernichtete alle Anwartidaiten auf 
Pfründen, ließ aber den Umterhandel bejtehen. Gr 
bob alle Durchgangszölle im Kirchenſtaat auf; da: 
pepen gab er zum Beſten des Schahes dem Yotto: 
piel eine für die Armen noch verführeriichere Ein: 
rihtung. Im J. 1778 begann er die Austrodnung 
der Bontiniihen Sümpfe, womit er große Cum: 
men verſchwendete. Ungemeinen Aufwand erfor: 
derte auch feine Hofhaltung und allgemeine Gr: 
bitterung erregte der Nepotiemusdes Papſtes. Es 
wurde fogar 1777 ein Verſuch gegen fein Leben ge: 
wagt. Durd feine Vorgänger in ärgerliche Händel 
mit den fath. Höfen verwidelt, glaubte er durch 
Iarzinnige Behauptung ber alten päpitl. Gewalt 
ich und die Kirche am beiten zu beraten, geriet aber 
bald in ein Schwanten, das die Gegner nur kühner 
machte. Ganz willlürlich bob Neapel 1777 fein 
—— zum röm. Stuhl auf, und ohne 
den Papſt zu fragen, fingen Kaiſer Joſeph II. in 
Oſterreich und Leopold II. in Toscana an zu refor: 
mieren, Geine Reife nad Wien 1782 blieb ohne 
Erfolg. Nur der Bermittelung Spaniens und 
—5 3 hatte er einen gütlichen Vergleich mit 

oſeph II., nur dem Einfluß des bayr. Hofs und 
dem Privatinterefie einiger deutſcher Biichöfe die 
Bereitelung des Plans der deutjchen * iſchöfe, 
ſich durch Vertreibung feiner Nuntien freier zu 
machen (j. Emfer Bunttation), nur der Politit 
Katharinas II. die Herftellung der Jefuiten in Ruß— 
land 1782 zu danken. Nachdem er mit großen 
Dpfern 1796 den — ——— zu Bologna und 
1797 den Frieden von Tolentino von ber franz. Res 
publit erfauft hatte, mußte er doch nod) 18. Febr. 
1798 den Kirchenſtaat in eine Römiſche Republik 
umfchaffen fehen. Am 20. Febr. wurde er von Rom 
mweggeführt und 14. Juli in die Gitabelle von Ba: 
lence gefangen gefept. Hier ftarb er 29. Aug. 1799. 
Dal. $ ourgoing), «M&moires sur Pie VI» (deutich 
von Meyer, 2 Bde., Hamb. 1800); Tavanti, «Fasti 
del S. P. Pio VI» (3 Bde., Flor. 1804); Artaud 
de Montor, «Histoire de Pie VI» (Par, 1847), 


54 


Pius VII, Papft 1800— 23, vorher Gregor 
Varnabas, Graf Chiaramonti, war 14. Aug. 1740 
u Gejena geboren und wurde 16jährig in den 

enebiltinerorden aufgenommen. Pius VL er: 
nannte ihn zum Abt, dann zum Biſchof von Tivoli 
und 1785 zum Kardinal und Bifhof von Ymola. 
Am 14. März 1800 wurde er unter öfterr. Schub 
iu Benedig zum Nachfolger Pius’ VI. erwählt. 
Inter dem Schutze von öjterr., engl. und türk. 
Zruppen hielt P. 3. Juli in das bisher von den 
Franzofen befegte Rom feinen Einzug, und nachdem 
er 15. juli 1801 mit Frankreich ein Konlordat ab: 
geſchloſſen, woburd die kath. Kirche in Frankreich 
reorganifiert warb, nahm er 22. Nov. 1801 wieder 


vom —— fi. Auch mit ber Liguriſchen 
—— r Italieniſchen Republil ſchloß er Kon- 
ordate. 


Im J. 1804 gelang es ihm, bie —5* 
in Sicilien herzuſtellen. Dem Zwang der Verhält⸗ 
niffe wiberwillig nadhgebend, folgte er 1804 ber 
Einladung Bonapartes zu deſſen Kaiſerkrönung 
nad Paris, wo er 28. Nov. mit Pracht einzog. 
Am 4.April 1805 lehrte er nah Rom zurüd. Dur 
feine Weigerung, den König oe) von Neape 
anzuerlennen und feine Häfen den Engländern zu 
verjchließen, reiste er Napoleon zu Gewaltthätig- 
feiten. Am 2. Sebr. 1808 wurde Rom von franz. 
Truppen bejegt, 17. Mai 1809 der Kirchenjtaat 
dem franz. Kaiſerreich einverleibt und Rom für eine 
freie kaiferl. Stadt erllärt. Nachdem P. 10. und 
11. Juni zwei den Bann ausfprechende Bullen gegen 
den Urheber und alle Teilnehmer an diefem «Frevel» 
erlafjen patte, ward er nebit feinem Staatsfelretär, 
Kardinal Bacca, 6. Juli nachts vom General Radet 
gefangen genommen, Rn ER 

Der Papſt verweilte darauf einige Zeit in Gre: 
noble und wurde dann u Savona gebradt, mo 
man ihn als Gefangenen bewadte. Sein Schid— 
fal trug er mit unerjhüttertem Gleihmut. Gr 
Fa fih den Willtürlichleiten Napoleons in 
Kirchenſachen entſchloſſener als je, verweigerte den 
von bemjelben ernannten Biſ öfen ftandhaft die 
lanoniſche Deftätigung und erflärte ſich ganz be: 
jtimmt gegen die Scheidung und Wicbervermählung 
des Kaiſers. Um die Mitte des J. 1812 wurde er 
nah Fontainebleau gebradt. Hier nötigte ihn 
Napoleon 25. jan. 1813 zu einem neuen Bertrage, 
worin er ſich zur Beitätigung diefer Bijchöfe ver: 
pflichtete. Als aber Napoleon dieſes nur im Ent: 
wurf vorhandene Konkordat wider die Abrede zu 
früh belannt machte und zum Reichsgeſetz erllärte, 
nahm P. feine Einwilligung zurüd und wurde nun 
wieder ald Gefangener behandelt. Nah dem 
Sturze Napoleons zog er 24. Mai 1814 unter dem 
Schuße ber verbündeten Fürften wieder in Nom ein 
und nahm Beſih von allen Ländern des Kirchen: 
ftaat3, mit Ausnahme von Avignon und Benailjin, 
jowie eines Heinen, jenfeit des Po gelegenen Land: 
ſtrichs von Ferrara. Eine feiner erſten Amtshand: 
lungen war die Wiederheritellung des Jeſuiten— 
ordens (7. Aug. 1814) durch die Bulle Sollicitudo 
omnium, womit er eine lirchliche Reftaurations: 
politif einleitete. Von feinem gewandten Staats: 
jelretär, dem Kardinal Confalvi, jtaatsllug beraten 
und im Sinne polit. Mäbigung geleitet, gelang es 
ihm nicht nur in der Berwaltung des Kirchen— 
— ondern auch auf dem Gebiete der äußern 

olitit namhafte Erfolge zu erzielen. So waren 
die mit Frankreich, Bayern und beiden Sicilien ab: 
geſchloſſenen Konlordate, fowie die Üübereinkunft 


Pius (Päpfte) 


mit Preußen faft ebenfo viele Triumphe der röm. 
Staatskunft. gegen fand das Kontordat mit 

ranfreih vom 16, Juli 1817 fo viel Widerſpruch 
in den franz. Kammern, daß es nur teilmeife voll 
zogen wurde; indeſſen nahm der geheime Einfluß 
Roms in Franfreih um jo mehr zu. Gegen die 
Wiener: Kongreß: Akte hatte der Bapft unterm 
14. Juni 1815 proteftiert, weil fie mit gie 
des Deutfchen Reichs zugleich ge I ehemaligen 
geiftlihen lee aufhob. Dem Kirchenftaat 
gab er 6. juli 1816 eine neue Verfafiung, welche 
wenigftend die Befolgung freifinniger Grundjäße 
nicht ausſchloß, während die Verwaltung in der 
That ſehr mild war. Seine Liebe zur Kunft und 
Wiſſenſchaft beweiſt das Mufeum Shieramonti im 
Vatikan. Ein Fall des Papſtes im Zimmer auf 
dem Marmorboden 6. Juli 1823 hatte einen Schen: 
felbruh und diefer 20. Aug. P.' Tod m Folge. 

Bol. Simon, «Vie politique et privée de PieVIl» 
(Par. 1823); Jäger, «Lebensbefhreibung des Pap⸗ 
jtes P. VII.» (mit Urkunden, Franff. 1825); Gaubdet, 
«Esquisses historiques et politiques sur le pape 
Pie VI» (Par. 1824); Pacca, «Relazione del 
viaggio di papa Pio VII. etc.» (Rom 1836); Ar: 
taud de Montor, «Histoire de Pie VII» (2 Boe., 
Bar. 1839); Hente, «Bapft P. VI.» (Stuttg. 1862); 
Giucci, «Storia di Pio VIL.» (2 Bde. Rom 1864); 
Holzwarth, «Napoleon der Grite und P. der Sie: 
bente» (Mainz 1872). 

Pius VII, Bapit 1829—80, bieß früher Franz 
Xaver, Graf von Gaftiglione, und ward 20, Rov, 
1761 zu Cingoli in der Mark Ancona geboren. Er 
murde 1800 ———— Montalto, verfocht in den 
Streitigkeiten mit Napoleon energiſch und mit rei⸗ 
cher lanoniſcher Bildung die Sache des röm. Stuhls 
und wurde darum 1808 nad) dem ſudl. Frankreich 
verbannt. Nach dem Sturze Napoleons zurüdges 
fehrt, erhielt er 1814 die Würde eines Bifofs von 
Gefena und 1816 den Kardinalehut. Am 31. März 
1829 wurde er faſt u... Nachfolger 
Leos XII. zum PBapft gewählt. rch Abſchaffung 
nun Laften und durch mehrere zwedmäßige 
Anordnungen gewann er fich die Yiebe feiner Unter: 
thanen, Während feiner Regierung fam das Kon: 
fordat mit Holland zu Stande; auch wurden die 
Angelegenheiten der Armenier georbnet. Doc ans 
ftatt ein freieres tath. Kirchentum zu begründen, 
was man gehofit hatte, verfolgte er vielmehr, im 
Verein mit Albani, den er zum Staatsſekretär 
machte, ein kirchliches und weltliches Negierungs: 
fyftem, bas den Heim zu den nachmals im Kirchen: 
ſtaate audgebrochenen Unruben legte. Er ftarb 
80, Nov. 1830. Bol. Artaud de Montor, «Histoire 
du pape Pie VIll» (Bar. 1844). 

dins IX., —— 1846 — 78, früher Johann 
Maria, Graf von ek Nachfolger Gre⸗ 
gors XVL., geb. 13. Mai 1792 zu Sinigagfia, ftu: 
dierte feit 1816 im Kollegium zu Volterra, wurde 
1818 zum Prieſter geweiht, ſchloß ſich 1828 der 
Miſſion nad) Chile an, wurde 1825 nad) feiner Rüd: 
lehr Kanoniler und gab fi als ſolcher mit beſon⸗ 
derm Eifer dem Armenweſen hin. Von Leo XII. 
zum Erzbiſchof von Spoleto(1827),von Gregor XVI. 
im Dez. 1832 zum Erzbiſchof von Imola und 1840 
um Kardinal erhoben, verdankte er wohl dem Rufe 
einer milden und mwohlmwollenden Gejinnung die 
Erwählung zum Bapit, welde 16. Juni 1846 er: 
folgte. Er begann mit einer Amneſtie, umgab fich 
mit andern Ratgebern, al3 fie der Borgänger 


——“ 


Pius (Päpfte) 


gehabt, rg ge gr ber Verwal: 
tung in Aus ſicht. 
des Bolt in Rom waren unbeſchreiblich: eö wurde 
mit P. ein Kultus getrieben, jogar in prof. Lan: 
den, wie er nie einem Bapit "zuteil ı geworden war. 
Die ———— einer neuen röm. Municipalver— 
faſſung, ſowie einer beratenden Staatstonjuita 
(April en. die Errichtung der Bürgergarde und 
überhaupt das perjönlich zwangloje und herzliche 
Verhältnis, in w P. zum Bolte jehte, 
ſchien die 9 u u ormfreunde, die ſich 
an feine zu erfüllen. Aber nur 
in polit. Beichung war ‚ar‘ Obealiku, in lirch⸗ 
—— Dingen zeig ſchon in jeinen erjten 
Allobıtionenals vo —2 Realtionär, und ber innere 
Widerfpruc diefer Stellung tratüberrajhendichnell 
zu Tage, als, zum Teil von P. wider jeinen Willen 
gefördert, die nationale und freiheitliche Be ng 
ganz Italien ergriff und zu immer weitern | 
ze drängte, Schon die unter dem Eindrud 
der Revolutionsereigniiie bewilligte röm. Konſtitu⸗ 


tion vom März 1848 war nur abgerungen 
worden. Den Kampf ayf gegen fterreid verdammte 
——— ‚öffentlich, und das liberale 


P. erit 
und eitliche Yin Mamiani entließ er. 
Hiermit war aber — ſeine Bopularität in Rom 
und ganz Italien dahin. Die wilden Vollsbe— 
wegungen im Nov. 1848, die Ermordung feines 
—— — — Roſſi (16. Nov.), 19a am 
ihm durch einen Aufitand abge: 
jwungene aka Pinijterium machten die 
= zwiſchen P. und dem rönı. n Sibevelisunus un: 
Über. Während er mit Hilfe des bayr. Ge: 
—— Grafen Spaur, verkleidet aus Rom floh 
(24. Nov.) und in Gacta eine Zuflucht ſuchte, ent: 
widelte ſich in Rom die furze Epiſode demotratifcher 
Herrihaft. Erjt geraume Zeit nach Nieberwerfung 
gr lehrte ®. nah Nom zurüd (12. April 
1850). Er hatte in zwei Enikten vom Sept. 1849 ver: 
he — n verſprochen, aud) 
Amnejtie erlaflen; aber nach. feiner 
Sadtehr —— er ganz das alte verfolgungs⸗ 
füchtige ns feiner Vorgänger. 
er ital. Krieg von 1859 und bie Heritellung des 
———— talien raubte dem Papit zwei Drit- 
teile rn . vor dem Züridyer 
Frieden (10 1859) war bie verloren 
gegangen. Die Härte, mit welcher er die revolutio: 
nären ngen in Umbrien und den en 
* unterbrüden ne. und bie hartn 
— — polit. —** loſtete ihm 
—* 


—— 

zuſammengeworbene et: 
nung König Victor Emanuel FR gefordert | 26 
—— — bei A Kg 18. Sept. 1860 total 
age jpäter (29. Sept.) mußte 
itulieten und im Nov. 1860 wurden 
— Umbrien und die Marten dem König: 
einverleibt. Rur der Schub der 
* ofen erhielt —* im Befis Roms und des letz⸗ 
=” rittel3 des ats nt Patrimonium 
Petri), es Aufforderung, ſich mit der ital. Ne: 
en Grund der vollbradhten Thatſachen zu 

ſetzte ®. fein beharrliches «Non possu- 
ey“ (ir onnen nicht») entgegen. Als infolge 
1866 bie fran 


onvention von 1864 gegen Ende 

— aus Rom abzogen, wurde 
vie —— der ichen 
der Vertragstreue der ital. 


d —* 
oldtruppen 
en Entwajf: 


erridhaft des Bapites 


ierung und einer 


Jubel und die Begeilterung | A 


55 


aus Freiwilligen aller Länder gejammelten päpftl. 
Infolge des unbejonnenen 
Ginfallö ber Garibaldianer (Sept. 1867) kehrten 
bie Franzofen noch einmal zurüd, erprobten bei 
Mentana (3. Nov.) die Wunder⸗ des Chaſſepot 
gegen die Scharen Garibaldis und nötigten die 
ital. Truppen, welche ſchon die Grenzen des Kirchen⸗ 
ſtaats überſchritten hatten, zur Umtehr. Civita— 
vecchia erhielt franz. jagung. Aber als dieſe nad) 
der Schladht bei Sedan in die Heimat zurüdgerufen 
worden war, rüdten bie Italiener nad kurzem 
Widerftande der päpitl. Truppen in Nom ein 
(20. Sept. 1870). Mit erdrüdender Mehrheit ers 
Härte fi die Bevölterung für Anſchluß an das 
— Italien; am 9. Olt. vollzog dann Victor Ema: 
nuel das Delret welches ben biäherigen Kirchen: 
itaat mit dem Königreich Italien vereinigte, und 
31. Dez. ergriff er perjönlid) von der neuen Haupt: 
ftadt und dem Palaft im Quirinal Bejis. Dem 
pft, weldyer diefen Thatſachen nur ohnmädhtige 
rotelte und Verwünfhungen entgegenzuitellen 
hatte, wurden b das Garantiegeſeß (13. Mai 
1871) alle Rechte un Ehren eines —— eine 
jährliche Dotation von 83. Mill. Frs., die Baläite 
auf dem Batilan und ateran, fowie die Billa 
Caſtelgandolfo, endlich volljtändige Unabhängig: 
entf in der Ausübung feiner kirchenregimentlichen 
onen zugejichert. Um eine polit. öhnung 
zu in gewährte die ital. Re ierung au: 
gleich der lath. alte die ausgedehnteſten Freibei: 
ten. Tropdem lehnte P. jedes Abkommen ab, ſchloß 
fi im Batilan ein und gefiel ſich in der Rolle eines 
«Gefangenen». Was aber B. an weltlicher Macht 
verloren, ‚ame er an geiftlihem Einfluß wieder. 


zmee anvertraut. 


Seine polit. Bedrängnis verj afte - lebhafte 
—— und teilweiſe au atkräftigen 
Beiſtand der ſtrengen —E in: eutſchland, 


Oſterreich, Frankreich, England und Spanien. 
Die lange Geicjichte feines Pontifikats, in wel: 
dem der Huge Staatäjelretär, Kardinal Antonelli, 
feine rechte Hand war, zeigt ein ununterbrochenc3 
Wahstum des päpftl, Anſehens und eine jtetig 
fortfchreitende Wiederbelebung der been, weldye 
im Mittelalter die Weltherrſchaft der Kirche beding⸗ 
ten. Die Berfündigung des Dogma von der unbe: 
fledten Empfängnis Mariä (8. Dez. 1854), der Er: 
laß der Encyclica und des Syllabus vom 8. Dez. 
1864 beweiien, daß P. das Ziel der Kirche nur im 
ſchroffſten te zu bem modernen Staat und der 
modernen Weltanſchauung finden glaubte. Durd) 
eine Reihe von großen — lichen Alten, wie z. B. 
die Seligfprehung des deutſchen Sefuiten ter 
Ganifius (2. Aug. 1864), die Heiligiprehung ber 
japan. Märtyrer (8. Juni 1862), ebenio wie 
burg A prunfoolle 1 Wirdenie ‚fo bur die Feier des 
hrigen Todestags der Apoftelfürften Petrus 
ai aulus (29, Juni 1867), durch das Jubelfeſt 
eines bojährigen Prieitertums (11. April 1868), 
eine jährigen Bontifitats (16. Yuni 1871) und 
feiner 50jäbrigen Biihofswürde (3. Juni 1877) ver: 
ftand er e3, bie Begeifterung der —— zu näh⸗ 
ren und bie Augen der Welt auf ſich zu lenken; vor 
allem aber durch die Berufung, ber 2* e der 
ganzen Welt zu einem allgemeinen Konzil nach 
dem Vatikan, welches 8. Dez. 1869 bis 20. Dit. 
1870 ftattfand. (©. >. Batitanifäes Konzil.) 
Die ee päpftl. Untverfalepijlopats 
und der päpitl. Unfe — 18. St 1870 erhob 

P. zum unbebingten her der Kirche und 


56 


Gewiſſen aller Gläubigen, und befiegelte zugleich 
den Triumph der fircyenpolit. Tendenzen des Ye: 
fuitenordens. Eine wohlorganifierte, über die ver: 
ſchiedenen Länder verbreitete ** und ein poly: 
penartig verzweigtes Vereinsweſen batten unter 
Fuitifder Leitung Schon längft für die Verbreitung 
der ultramontanen Ideen in allen Schichten des kath. 
Volls und für Fanatifierung der Maſſen gelorgt. 
Unter jefuitifchen Einflüfjen vollzog fich jene moderne 
Reftauration des mittelalterlichen Katholizismus, 
welche alle Frömmigkeit in der Andacht zum Papſt, 
dem irdiſchen Vize-⸗Gott, gipfeln läßt. Immer von 
neuem wurden Deputationen von fern und nab or: 
ganifiert, weldhe dem Unfehlbaren ihre Huldigungen 
und wertvolle Gejchenle, die Erträgniſſe umunter: 
brochener Sammlungen, zu Füßen legten, 

Von ſolch unermeßlicher Begeifterung getragen 
und erfüllt von der lÜiberzeugung feiner göttlidhen 
Sendung, fühlte B. fich ſtark genug, faſt allerorten 
den Kampf gegen die Staatögewalt aufzunehmen. 
In ber eriten Zeit feines Pontifilats war es ihm 
im Bunde mit realtionären Regierungen gelungen, 
die Macht der Fath. Kirche feſter als je zu begrün: 
den. Die engen Beziehungen zu dem zweiten franz. 
Kaiſerreich, das auf den Beiltand der Ultramonta: 
nen angewiejen war, und zu der Königin Iſabella 
von Spanien, das öjterr, Konlordat vom 18. Aug. 
1855, dem die Konventionen mit den fübdeutichen 
Regierungen folgten, und die Schranfenlofe Freiheit, 
welche Preußen unter den Dliniiterien Naumers 
und Müblers der kath. Kirche gewährte, hatten dem 
Papſt eine Machtitellung verſchafft, wie fie keiner 
feiner Borgänger beſeſſen hatte. Schon träumte 
P. von einem europ. Feldzuge gegen Stalien zur 
MWiederherftellung des Kirchenſtaats in den alten 
Grenzen; in Deutichland hofite er erft 1866 durch 
Bfterreich den Proteſtantismus, dann 1870 durd) 
eine von den Jeſuiten eifrig betriebene öfter.» 
franz. Allianz den Norddeutichen Bund zu Boden 
du werfen. Als die Niederlagen Frankreichs und 

ie Einverleibung Roms in das Königreich Italien 
alle jene Hoffnungen vereitelt hatten, verfuchten die 
—— zuerſt das neue deutſche Kaiſertum ihren 
Zwecken dienſtbar zu machen, und gingen, als aud) 
diefer Plan fehlichlug, aggreſſiv gegen dasfelbe vor. 
Die Folge war der preuß.:deutiche Kulturkampf, 
die Austreibung der Jeſuiten aus Deutichland, die 
Ginführung der Civilehe in ganz Deutichland und 
die preuß. «Maigefebgebung», Äühnliche Konflikte 
bradyen in der Schweiz und nod früher in Baden 
aus, Nahdem Baden vorangegangen, hoben auch 
Württemberg und Helen die Nonventionen mit 
Kom auf, jelbit Oſterreich fündigte nad) Proklama— 
tion der Unfehlbarteit das Konkordat, begründete 
die lonfeſſionsloſe Schule und regelte das Berhält: 
nis zur Kirche durch Staatögefehe. In Rußland 
und Polen war lehteres ſchon früher gefchehen. 
Sogar Spanien, das Land der Inquiſition, ver: 
tündete die Gleichberechtigung aller Neligionsbe: 
fenntnifie. Aber noch immer bofite P. auf den 
Zriumph der Kirche und die Reſtauration der Bour: 
bonen in Spanien, und der Sturz des Präfidenten 
Thiers in Frankreich wedte neue Hoffnungen. P., 
ſchon jeit längerer Zeit an der Waflerfucht leidend 
und kaum noch im Stande ſich aufrecht zu erhalten, 
I fort, zahlreihe Deputationen zu empfangen 
und die Gläubigen zum Ausharren zu ermutigen. 
Gr ftarb 7. Febr. 1878 im Vatikan zu Nom. Die 
Leiche, weldye 1878 vorläufig in der Peterstirche 


Piusorden — Piris 


beigefeßt worden war, wurde in ber Nacht vom 
12./13. Juli 1881 na —— übergeführt. 
Ihm folgte Giacomo Pecci als Leo XIIL. (f. d.) auf 
dem päpitl. Stuhle. Die amtlichen Erlafle von B. 
ind als eigene Sammlung «Pii IX acta» (3 Bde., 
om 1854—65) erfchienen. 
Bol. Clave, «La vie et le pontificat de Pie IX» 
(bes: 1848); Balmes, «Pie IX» (har. 1848); 
lere, «Pie IX, Rome et V’Italie» (Bar. 1849); 
(Schraber,) «PB. IX. als Papſt und König» (Wien 
1865); Maur. Marocco, «Pio IX» (5 Bde., Turin 
1861 fg.); Bongbi, «B. IX. und der künftige Bapft» 
BD); Nud. fleiberer «PB, IX. Gin zeitgeſchicht⸗ 
iches Lebensbild» (Heilbr. 1878); Nielien, «Ge: 
ſchichte des —— 19.Jahrh.»(deutich, Gotha 
—* Nippold, «Geſchichte des Katholizismus ſeit 
der Reſtauration des Papfttums» (Elberf. 1883). 
iusorden, vom Papſt Pius IX. 17. Juni 
1847 für Belenner aller Konfeſſionen geitiftet, zer: 
fällt in Ritter 1. und 2. Klafie und beiteht in einem 
oldenen, dunkelblau emaillierten Stern mit weißem 
ittelfchild, in welchem fich der Name Pius IX. in 
Goldſchrift befindet, umgeben von der Umſchrift 
«Virtuti et merito». Das Band iſt duntelblau mit 
boppelten roten Kanten. (S. Tafel: Die wid: 
tigiten a .38, Bd. XIL, ©. 464.) 
iusverein — eine ſeit April 1848 zus 
nächſt in Mainz entjtandene, fodann durd) das ge: 
famte Deutichland verbreitete röm.:fath. Verbin: 
dung, welde für die unbebingte Autonomie des 
röm. Nirhen: und Papſttums thätig ijt und zu 
diefem Zwech aud eine Reihe von Zweigvereinen 
für die Wiederausbreitung des röm. Katholizismus 
unter den Broteftanten (Innere Miffion) ins Leben 
gerufen hat. Unter diefen Vereinen find befonders 
zu nennen der auf die Propaganda gerichtete Bo: 
nifaciusverein, welcher auf einer Hauptver: 
fammlung kath. Geiftliher zu Regensburg im 
Herbſt 1849 hauptfächlich durch den Grafen Joſeph 
von Stolberg begründet wurde; ferner der im Dlai 
desfelben Jahres durd eine Hauptverjammlung 
in Breslau entitandene Bincentiusverein. Bon 
deutihen Bischöfen dem Papſt Pius IX. empfohlen, 
erhielt der ‘B. im Febr, 1849 die Sanltion vom 
päpftl. En und entfaltete ſeitdem eine ſehr rüb: 
rige Thätigleit, befonders in Bayern, am Rhein, 
in Weitfalen und im nördl. Deutſchland, aber auch 
in der Schweiz und in Frankreich, wo er feinen 
Hauptſih in Lyon hat. Überall verichärfte er die 
tonfeffionellen Gegenſähe und ſchürte durch die von 
ihm genährte Oppofition gegen bie Regierungen, 
namentlich ſeit 1873 gegen die preuß. Negierung, 
den Fanatismus des tat. Doll. _ Bi 
Pivot, Zapfen, Angel, wird in der Militär: 
ſprache zur Bezeichnung des Drehpunttes benußt, 
um den eine Abteilung eine Schwentung ausführt. 
Das P. kann hierbei ie oder beweglich fein, je 
nachdem der innere Flügel der ſchwenlenden Ab: 
teilung während der Schwentung auf einem feiten 
Bunkte verbleibt oder ſich um einen folden in einem 
Kreisbogen herumbemegt. — 
ixis (Theod. Ludw. Aug.), Hiltorienmaler, 
geb. zu Kaiſerslautern 1. Juli 1831, widmete [2 
anfänglid) der jurift. Laufbahn und bejuchte jeit 
1850 neben der Univerfität auch die Alademie zu 
Münden. Im J. 1855 trat er mit zwei groben 
Kompofitionen vor die Offentlicheit, mit einem 
Slarton: Goriolan und feine Mutter, und mit einem 
Ölgemälde: Friedrih IL. von Hohenftaufen durch 


Pi; — Piz d’Err 


Bineis in Lebensgefahr gebracht. Sein großes Öl: 
gemälde: Huß nimmt Abichied von feinen Freun: 
den zu Konſtanz, welches 1856 ausgeſtellt war, 
wurde vom Slünftlerverein von Bern erworben 
und im Bundespalajt in Bern — P. lebte 
dann zwei Jahre in Florenz und Nom und führte 
feit 1858 drei Freslobilder für das bayr. National: 
mufeum in Münden aus: Krönung Karla X. von 
Schweden in Upjala, Karl X. in der Schlacht gegen 
die Dänen, Karl XI. in der Schlacht bei Yund, 
Außerdem entitand das hiltor. Bild: Calvins lehte 
Unterredung mit Servet im Kerler zu Genf und 
ein Eyklus größerer Kartons zu deutihen Bolts: 
und Lieblingsliedern, die durch photographiſche 
Vachbildungen in weitere Kreiſe verbreitet wurden. 
Für König Yudwig II. entwarf er gegen 20 Zeich— 
nungen, deren Motive Wagnerichen Opern ent: 
nommen waren. Größere Kartons zu den «Meiſter— 
fingern von Nürnberg» und zu «Lohengrin» u. |. w. 
folgten, welde dann in ber «Wagner: Galerie» 
(Münd. 1870—73) yereiaigt erſchienen. Darauf 
wandte jih P. wieder der Vialerei zu und arbeitete 
Bilder zu Uhlands «Auf der Höher, zum Gedicht 
ejn einem kühlen Grunde», fowie einen Cyllus 
Lebensbilder: von der Wiege bis zum Grabe. Im 
Babe 1877 erſchien ein zweiter Wagner :Cyklus, 
owie ein folder zu Kinkels «Dtto der Schühr, 
fpäter entitanden die Ölgemälde: der Raub des 
NRheingoldes, Sigmund und Sieglinde (im Beſih 
des Königs von Bayern), Kartons zu Wagners 
Berne und ein Wandbild für Berlin aus dem 
« sliegenden Holländer», 

Biz (roman.), ſ. Pic. 

Pizarro (Francisco), der Entdeder und Grobe: 
rer Perus, geb. um 1471 zu Trurillo in Eſtrema— 
dura, der natürlide Sohn eines Infanterieoffizierd 
Gonzalo P. und einer Frau aus niederer Volls— 
Hafje, wurde in der Erziehung ganz vernachläſſigt 
und als Schweinehüter gebraudıt, bis er, der harten 
Behandlung müde, davonlief und Soldat wurde. 
Er ſchiffte ſich zu Sevilla ein, machte ſeit 1510 alle 
Kriege auf Cuba und Hispaniola mit und begleitete 
Dieda auf deſſen Unternehmung nad dem Meer: 
bujen von Darien, jowie Balboa auf dem Zug 
buch den Iſthmus der Südſee. Nah einigen 
Sahren vereinigte er fih mit Diego de Almagro 
und Hernando de Luques zur Groberung ber Yan: 
der an der Südfeefüjte. Am 15. Nov. 1524 ſegelte 
er mit einem einzigen Schiffe von Panama ab, er: 
reichte nach langem ray ge im Mai 1526 
die Bai San:Matteo in Quito und folgte der Küſte 
bi® Tumbez. Dort mußte er umlehren, reiite nad) 
Spanien und begab ſich dann mit der vom 26. Juli 
1529 datierten Erlaubnis, Peru zu erobern und 
zeitlebens als Generaltapitän zu regieren, nad 
Panama. Mit drei Schiffen und geringer Manns 
fchaft landete er im Jan. 1531 in der Bai San: 
Matteo. Nachdem er im Mai 1532 die erite 
fpan. Kolonie in der Bai San: Michael be: 
gründet, drang er nad) Caxamarca vor. Der 
zwolfte Inia, — Capac, hatte kurz vor fei: 
nem 1529 erfolgten Tode fein ge Reich unter 
jeine zwei Söhne, Huadcar und Atahunlpa, geteilt 
und bierdurd einen Bruderfrieg veranlaht. Bon 
Atahualpa um Beiltand erfucht, trug PB. dem Inla 
eine mündliche Beiprehung an. Die Zufammen: 
funft fand ftatt 15. Nov. 1532, Als Inka Ata: 
bualpa, erjtaunt über die Kühnheit der Hand voll 
Abenteurer, die ihm vorgeſchlagene unbedingte Un: 


57 


terwerfung zurüdwies, ftürzten bie Spanier über 
ihn und das ihn umgebende, 30000 Mann ftarfe 
Heer ber und verbreiteten durch ihr Feuergewehr 
und ihre Pferde ſolchen Schreden, daß fie die 
Voltsmenge in die Flucht trieben und den Inka 
gefangen nahmen. Man erprebte von diefem ein 
Löjegeld, welches den Wert von 2 Mill. fpan. 
Thalern gehabt haben foll, richtete ihn aber den: 
nod bin und bemädtigte fich dann m fo leichter 
des herrenlos gewordenen Yandes, als inzwiſchen 
Almagro 150 Mann Verſtärkung zugeführt hatte. 

Die Spanier zogen fortan im Lande umber und 
verübten überall Graufamleiten. Einzelne, die ſich 
—— hatten, gingen nach Panama zurüd und 
veranlaßten das Zuſtrömen anderer golddürſtiger 
Abenteurer. P. — 1533 mit 500 Mann nad) 
Süden vor, eroberte die große und reihe Stadt 
Guzco und beſchäftigte fih num mit der innern 
Ginrihtung feiner Statthalterichaft, wobei er viel 
Klugheit zeigte. Auch legte er 1534 den Grund zu 
der neuen Hauptjtadt Ciudad de los Reyes, nad): 
her Lima genannt. Die Graufamkeit P.s erregte 
indejien einen Aufitand der Eingeborenen. P. 
wurde in feiner neuen Stadt, feine drei Brüder in 
Euzco eingeſchloſſen und einer von ihnen kam bei 
der Belagerung um. Hierauf eilte Almagro, der 
fih mit B. entzweit hatte, von einem Groberung3: 
zug nad) Chile herbei, ſchlug die Beruaner, eroberte 
Cuzeo und machte die beiden Brüder P.s zu Ge: 
fangenen. P. hatte fih inzwiſchen in Lina bes 
bauptet. Zum Entjab der Stadt Gusco, die er noch 
von den Beruanern belagert glaubte, jendete er 
Alvarado mit 500 Dann dahin ab, der aber eben: 
falls von Almagro geſchlagen wurde. Doch gelang 
es P. feine Brüder frei zu erhalten, die er nun an 
der Spike von 700 Mann gegen Cuzeo abjendete. 
Im April 1533 fam e3 bei Salinas unfern Cuzco 
zwiichen ihnen und Almagro zum Kampf, Lebterer 
erlitt eine volljtändige Niederlage, fiel in Gefangen: 
haft und wurde von P. zum Tode verurteilt und 
bingerichtet. Aber auch P. fiel 26. Juni 1541 
nebjt feinem Stiefbruder Alcantara unter den 
Schwertitreihen der Anhänger Almagros. Cr 
—— zwei Kinder von einer Tochter des Inka 

tahualpa; Nachtommen von ihm leben nod) jekt 
in Trurillo. P. war ein Mann von unübertroffe: 
ner Tapferleit, großem Feldherrntalent, von Klug: 
* und eiſerner Ausdauer, befledte aber ſeinen 
Namen durch die unerhörte —— die Raub: 
ſucht und Graufamteit, die durch alle Handlungen 
feines Lebens hindurchbliden. Vgl. Brescott, «We: 
ſchichte der * Berus» deutſch, 2 Bde., 
2p3. 1848); Helps, «Life of P.» (Lond. 1869). 

Gonzalo B., der jüngfte illegitime Bruder des 
vorigen, geb. um 1506 in Trurillo, wurde 1540 
zun Öouverneur von Quito ernannt, entdedte Die 
Quellen de3 Amazonas und fämpite nad der Gr: 
mordung feines Bruders gegen den u Vizelönig, 
der ihn 1548 in Euzco hinrichten ließ. 

Hernando ®., der ältejte legitime der Brüder, 
geb, um 1465, verteidigte al$ Gouverneur von 
Tuzeo diejen Ort fünf Monate gegen die Cinge: 
borenen. Im %. 1539 ging er, rei mit Gold 
veriehen, nad) Spanien, um gegen Almagros 
Freunde die fönigl. Gunſt wieder zu erlangen; er 
wurde aber in Medina del Campo 20 Jahre ge: 
fangen gejebt, und erſt 1565, nahe 100 3. alt, 
wieder freigelafien. 

Piz d'Err, f. Err (Piz d'). 


583 


Piszichto (ital.) bebeutet in den Notenftimmen 
— Mogeninitzummenle, daß gewille Töne nicht mit 
Bogen geitrihen, fondern mit ben Fingern 
eriffen werben follen; gewöhnlich folgt dann ber 
usdrud coll’ arco, welder anzeigt, daß wieder 
der Bogen gebraucht werden foll. , 
ighettöne, Stabt und Heine Feſtung in 
der ital, Provinz und im Bezirl Cremona, an ber 
Mündung des Serio in die hier ſchiffbare und über: 
brüdte Adda und an der talieniihen Bahn 
Brescia: Cremona: Pavia, ift gut gebaut, hat aber 
ungefunde Luft und zahlt (1881) 1075 (ald Ge: 
mei ) E. Die Burg Bizoghetonum wurbe 
us kon —— — ailand — die 
itadelle im 15. von Herzog Phili aria 
Visconti von angelegt. Franz I. ward 
ier nad) der Schlacht bei Bavia vor feiner fiber: 
brung nah Spanien gefangen gehalten. P. 
wurde 29. Oft. 1706 von ben Rafferlichen unter 
Prinz Eugen, 28. Nov. 1733 von den Franzoſen 
und Piemontefen unter Billard, 1746 von ben 
Franzoſen und Spaniern, ſowie aud) 1796 und 1799 
von den Srangofen eingenommen, 
izzo (ita ) 63 c. 
ige, Hafenftadt in der ital. Provinz Catan: 
zaro, Bezirk Monteleone di Calabria, am Golf von 
Sta.sEufemia, Station der Dampferlinie Neapel: 
Meifina, Sis eined deutſchen Bizelonfuls t 
(1881) 7932 E., Handel, Thunfifhfang und Ko: 
rallenfifcherei. P. wurde 1783 durch Erdbeben faſt 
völlig zerftört. Nahebei wurbe im Dft. 1815 der 
7 gelandete Joachim Murat gefangen, im alten 
m erſchoſſen und in der Ortäfirde begraben. 
itigordf, Kreisſtadt des cisfaufaf. Gou: 
vernement3 Stamwropol in ber kaukaſiſchen Statt: 
zn Rußlands, 225 km im Süboſten von 
—— und 37 km im Weſtſudweſten von Geor⸗ 
iewst, links am Kumazufluß Podkumla, in 450 m 
eeböhe und am fübl, des Beichtau gelegen, 
zählt (1881) 13665 E. und ift als Babeort und 
Mittelpunlt einer durch Reichtum an Mineral: 
quellen verjchiedenfter und fräftigfter Art ausge: 
zeichneten Gegend ei Ir geworden. Der Bei % 
tau der Tataren, der Piatigora der Ruffen, d. h. 
Sun Berge, ift eine dem Kaulaſus vorl 
birgögruppe. Bier Bergtegel weißen Tradyyts, 
mehr oder weniger untereinander zufammenhängend 


ober ifoliert ftehend, umſchließen nebit vier 
niebrigern E 


bungen eine ala —— bezeich⸗ 
nete Tafelfläche, aus welcher ſich ſüdlich als fünfter 
Trachytlegel der Maſchula 1022 m hoch erhebt 
Aus einer aus Sinter und Tuff beftehen or: 
ftufe dieſes lehtern Kegels —— bei P. ſelbſt 
15 zu Bädern benupte ger rg von 
27—46° 0. or, von denen bisweilen eine oder 
die andere plötzlich verfiegt, während, oft weit da⸗ 
von entfernt, dafür eine neue zum Vorſchein kommt. 
Von der Stabt 15 km meitlih liegt Eſſentuki 


Jeſſentuki) mit 27 _altaliiden Quellen von 11— | N 
16° C., ebenfo weit Sheles nowodst mit 20 Eifen: | 


quellen von 16—44° und 37 km gegen Sübmejten 
das Dorf Kislowodsk mit einem Säuerling von 
14° C., der wegen feiner musfel: und nervenftär: 
tenden Eigenſchaft Nardfan (Riefenquelle) heißt. 
Pjesma, jerb. «Lied», fpeziell Bezeihnung des 
Volis liedes/ an denen die jerb. Literatur un: 
gemein rei ift. Die Piesme werben mit Be: 
gleitung der Gusle (f._d.) gefungen, In neuerer 
Zeit haben Karadjic (Karadſchitſch), Talvj, Kap: 





Pizzicato — Placet 


per, Damiäl, Stratimirovil u. a. die wichtigiten 
Pjesme teils gefammelt, teils überjekt. 

Pl., bei naturwiffenihaftlihen Namen Abtür: 
zung für Plinius (den Ältern). . 

Placage (fr3.), ſoviel wie Fournierplatten und 
fournierte Arbeit. (S. Fournieren. 

Placenta (lat), Mutterfuhen, Frucht: 
kuchen, das im Grunde der ſchwangern Gebär: 
mutter gelegene Organ, durch welches das Ei feft 
an die Gebärmutter angeheftet wird und durch 
defien Vermittelung das Blut de3 Embryo jene 
em. Veränderungen erfährt, welche es zur Er- 
nährung des lehtern geeignet machen. Die menſch⸗ 
fihe P. befist die Gejtalt eines fla länglid): 
runden Suchen von 15 bis 18 cm Durchmeſſer, 
2 bis 4 cm Dide und 0,5 bis 0,15 kg Gewicht, be: 
fteht aus einem weichen, [hwammigen, äußberjt ge 
fäßreichen Gewebe und entwidelt fid teils aus 
den Zotten bes Chorions, der mitteljten Eihaut bes 
Gmbryo (f. d.), teil aus der Gebärmutterſchleim⸗ 
—— ſelbſt. Im dem Maße, als ſich hier die lind⸗ 

ichen und muͤtterlichen Blutgefähe einander ent⸗ 
gegenwachſen und in innige alljeitige Berührung 
treten, erfolgt durch die zarten Gefähwandungen 
bindurd ein reger Stoffaustauſch zwiſchen dem 
mütterlichen und lindlichen Blute, welcher für die 
Ernährung und weitere Entwidelung des Embryo 
von der größten Bedeutung it. Kranlhafte Los- 
trennungen und Entartungen der P. bewirlen das 
Abfterben der Frucht und * eine häufige Ur: 
ſache des Abortus (f. d.) ab, Bald nad; der Ge: 
burt des Kindes wird auch der Mutterfuchen fanıt 
den Eihäuten als jog. Nachgeburt von der Ge: 
bärmutter losgetrennt und ausgeftoßen, 

Placentia, j. Biacenza. 

Blacentia, Hafenort an der Wejtfüfte der Halb: 
infel Avelon der brit. Infel Neufundland, an der 
Bucht P. dur Kabel mit der franz. Inſel St. 
Pierre, Gape:Breton und dem Feitland von Nord: 
amerila verbunden, hat 3200 E. und it Bifchofalis. 

Pläcet (placktum regium) ijt die von der 
Staatögewalt beanſpruchte *** eine Prä- 
ventivcenfur gegenüber den Erlaſſen lirchlicher 
Autoritäten auszuüben, ſodaß diefe ohne bie ftaat: 
liche Genehmigung nicht veröffentlicht werben dür- 
fen. Schon während des Mittelalters ift das P. 
ausgebildet worden und findet ſich aud in mo: 
dernen Gefebgebungen troß ber rg Ber: 
urteilung des Inſtituts. In ei and bat ſich 


der Rechtsſtand dahin geftaltet, dab eine Anzahl 


. | von Staaten (z.B. Preußen, a auf jede 


präventive Maßnahme kirchlichen Erlafjen gegen: 
über verzichtet, andere (Bayern) fie in vollem Um⸗ 
fang beibehalten haben, nod andere (Sadien, 
Württemberg) für ſolche, welche in bürgerliche oder 
ftaatsbürgerliche Berhältnifje eingreifen, beziehungs⸗ 
weije nicht rein geijtliche Öegenjtände betreffen, fie 
beibehalten‘, während die Grlafje rein lirchlicher 
atur der Staatsregierung bei der Publikation zur 
Einficht zu unterbreiten find, womit die öfterr, Ge⸗ 
febgebung ſich bei allen bifchöfl, Erlafjen begnügt. 
Der evang. Kirche gegenüber wenden nur einzelne 
Gefehgebungen das P. in derfelben Weiſe an wie 
gegenüber der kath. Kirche (Bayern, Frantreich), 
während die modernen Gefekgebungen, weldje der 
Kirche eine eigene Gefehgebung verjtatten, die von 
Staat3 wegen notwendigen Gautelen teild dadurch 
erzielen, daß eine Genehmigung ftaatlicherjeits zur 
Publikation lirhlicher Rebtänormen erfordertwird, 


Plachmal — Plagwitz (preuß. Dorf) 59 


teil3 dadurch, daß die Sanftion und Publikation 
der Kirchengefehe ausſchließlich dem Landesherrn 
zuſteht. * iedberg, «Lehrbuch des Kirchen⸗ 
recht3» (2, Aufl., 2p3. 1884). 

Plachmal, Zwiihenproduft einer früher üb: 
lihen, jest jedoch verlaſſenen Methode der Gold: 
iheidung, bei welcher das güldiihe Silber mit 
Scmwefelantimon zufammengeijhmolzen wurde. 
Das Silber verbindet fich dabei mit dem Schwefel, 
während da3 Gold mit dem Antimon zufanmen: 
tritt. Die beim Grfalten id) von dem Antimongold 
fondernde Maſſe von Schwefelfilber und Schwefel: 
antimon wurde als P. bezeichnet. 

* , Selle. Tochter des rom. Kaiſers 
obofius L. von feiner zweiten Gemahlin Galla, 
tam 408 n. Chr. bei der Kapitulation von Rom 
al3 Geiſel in das Heerlager des Weitgotenlönigs 
Alarich; bier gewann fie die Liebe feines Schwagers 
und Radjfolgers Ataulpb, der im Yan. 414 mit ihr 
zu Narbonne ſich vermäblte. Nachdem aber Ataulph 
ım Juli 415 in Barcelona ermordet worden war, 
fehrte P. 416 nad) Ravenna zu ihrem Bruder zu: 
rüd, der fie (Jan. 417) dem illyr. Heermeifter (und 
feit 420 auch Mitregenten) Conſtantius zur Ge: 
Er m b. Aus diefer Ehe jtammte der jpätere 
Kaifer_Balentinian IIL (geb. 419) und die Prin- 
zeſſin Honoria. Konftantius ftarb ſchon 421, und 
Geidmnndt 
wurde, für ihn die Regenti ie 

—— — * 450 zu Rom und wurde in einer 


ia, heforberer des Mönchtums in Stalien 
und Gallien, jtarb um 560. Nach ihm nannte ſich 
die Kongregation der Benediltiner des hei- 
ligen Placidus, geftiftet 1618 von Nitolaus de 

Fanzon in ber Abtei St.:Hubert in den Nieder: 

ei —— ger inengebiet3 

Garacole in dem der jübamerit. Republit Bolivia 

von Chile entrifjenen Gebiet von Antofagafta, im 

Weiten der Salina de Atacama, an der Straße 

von u nad Atacama, in 2980 m Höhe 

über dem Meer. 

P.imperii Beldlub ber Neihsfäne 6 
.imperii, t Rei e. 
Blafoud (frj.) nennt man die delorierte fla 

e eined innern Gebäuberaum 


können. Später anregen du 
durch Querhölzer, w vieredige oder au 
edige eher, Rafietten entitehen, welche mit Ster- 
nen, ober anderm Ornament gejhmüdt zu 
werden pflegen. it die Dede ganz glatt, jo wirb 
eine mehr oder minder reiche Dekoration durch 
Malerei oder Stuccatur angewendet. Die Blafond: 
Dedenmalerei mit figürligen Daritellungen 
ber Aunfoeidichte ine große Rolle, Sie größten 
eine olle. e n 
Meiſter a a Die Rafael und et 
—* Blut a., von Neuern — u. v. a., 
n 1 au b 
gale Töne, ſ. unter Rircentöne. 
aggen nennt man im nordweſtlichen Deutſch⸗ 
(hane) In viereligen Stüden von 6-10 cm Wädh 
tigleit abgeihälte, mit Heibelraut, Moor: und 


Nafenpflanzen bewachſene Oberflähe des Sand;, 
Moor: und Heidebodens. Die B., welche zur Ber: 
mehrung bes in der betreffenden Gegend häufig 
fnappen Düngerd dienen, werben entweber als 
Streumaterial in den Ställen, namentlid der 
Schafe, verwandt oder mit Dünger, Jauche ıc. font: 
—— Bol. Salfeld, «Die Kultur der Heideflãchen 

ordweitdeutichlands» (2. Ausg., Hildesh. 1870), 

Plagiät (Plagium, lat.), fchriftitellerifcher 
oder fünftleriicher Diebftahl ; Plagiarius (eigent: 
lich Menichenräuber, Seelenverfäufer) derjenige, 
der ſich einen foldyen Diebjtahl zu Schulden tom: 
men läht, indem er die einem andern entlehnten 
Gedanten als die jeinigen veröffentlicht. Wie ftreng 
auch folche Anmahungen und Täuſchungsverſuche 
u verurteilen fein mögen, fo läßt ſich doch nur 
ne Rechtshilfe erlangen, da das P. durch 
Heine Modiſilationen der fremben dee leicht ver: 
ichleiert und die Möglichkeit nicht völlig abgewiejen 
werden kann, daß zwei Perſonen unter gleichen 
Borausfegungen und Berbältniffen auf denjelben 
Gedanken verfallen, Ein P. ift daber nur dann 
mit Gemwißheit anzunehmen, wenn dem PBlagiarius 
die Bedingungen der eigenen Erfindung mangeln 
und zugleich die fremde Form angewendet ift, wo 
dann freilich da8 Vergehen mit dem Raddrud (f.d.) 
fait zufammenfällt. Vol. Wächter, «Das Autor: 
recht» (Stuttg. 1875). 

Plagioklas (grch.) üt der allgemeine, ſich auf 
die fchiefe Neigung der Hauptfpaltungsfläcdhen be: 
iehende Name für die im trillinen Syitem fryitalli- 
ierenden Feldipate, welche insbefondere als Ge: 
mengteile jehr vieler Gefteine eine hervorragende 
Rolle fpielen. Es gehören dazu der lieſelſäurereiche 
Albit oder Natronfeldfpat, der fiefeljäurearme 
Anortbit oder Kallfeldſpat, > ung re 
zwifchen beiden, welche als iſomorphe Miſchungen 
derjelben aufgefabt und je nach ihrer dem. Zuſam⸗ 
menfehung als Kalfnatronfeldfpate (z. B.Dligoflas, 
Andefin) und Natrontaltfeldipate (4.B. Labradorit) 
unterſchieden werben. Vescloizeaur hat aud) eine 
trilline Modiſilation des Kalifeldſpats, der jonit 
als Orthoklas auftritt, kennen —* den Mitro: 
Hin, welcher — auch zu den P. gehört. 
Die P. lieben eine vielfach wiederholte Zwillings⸗ 
bildung durch zahlreiche nebeneinander gelagerte 
dünne Lamellen, weshalb denn auf ihrer Haupt—⸗ 
ſpaltungsfläche eine zartere oder gröbere Streifung 
oder Riefung erſcheint; hierdurch fann man fie in 
den Gejteinen von bem monollinen Feldipat unter: 
ſcheiden, bei weldem auf der betreffenden Fläche 
jene Streifung nicht auftreten lann, weil er ber 
Zwillingsverwachſung nicht fähig ift, wodurd) die: 
jelbe hervorgerufen wird. 

Rlagionit, ein jhmwärzlid bleigraues Erz in 
did tafelartigen, monollinen Kryitallen, welches 
aus 42,2 Blei, 36,6 Antimon und 21,2 Schweſel 
beiteht, und zu Wolfäberg am Harz, zu Arnsberg 
in Weitfalen und wenigen andern Orten vorlommt. 

Piagioftomen (grd.), Duermäuler, bie ver: 
einigten Unterorbnungen der Rochen und Haie nad) 
der Beihaffenheit des Mauls, das als ein querer 
Spalt an der Unterjeite der Schnauge liegt. 

Plagium, {.Menihenraub und Plagiat, 

PBlagoffop (ach), a , 

Plagwitz, Dorf im preuß. Regierungsbezirk 
Liegnig, Kreis Löwenberg, am Bober, Löwenberg 
gegenüber, mit (1880) 723 E.; dabei das Schloß 
B. mit Srrenanitalt. Bei P. fanden 19,, 21, und 


60 Plagwitz (ſächſ. 


29. Aug. 1818 ste Gefechte ftatt; im Iekten 
wurde die [eg iviſion Puthod vernichtet. 

Plagwitz, eins ber groben weſtl. Vorſtadtdoörfer 
von —* ‚can ber bier teilweiſe kanaliſierten 
Meißen J 


reußifchen Staatsba nen, an welche ſich bier eine 

weigbahn der Sächſiſchen Staatsbahnen na 

aſchwiß zur Verbindung mit der Linie Leipzig⸗Ho 
anſchlieht; eine Linie über Connewik zum birelten 
Anſchluß an den Bayriſchen Bahnhof in Leipzig iſt 
—— ER bat zahlreiche Villen, mehrere Eijen: 
gießereien, Fabrilen von Maſchinen, Gasappara: 
ten, landwirtichaftlichen Geräten, Bapiermä che, 
Buntpapier, Chemikglien, Stärke, Cement, Huf: 
eiſen, Drahtwaren, Velocipeden, Färbereien, ein 

roßes Dampffägewert ıc, und zählt (1880) 6966 E. 

„1843 ei ein Heines Dörfchen von 275 E., ver: 
danlt jein a Emporblühen vorzüglich der in: 
duftriellen Thätigleit von Dr. Karl Seine. P. bil: 
bet mit dem unmittelbar nordweſtlich anftoßenden 
Lindenau den großen Dorflompler Plagwißz— 
Lindenau, welder mit Leipzig durch zwei Pferde: 
babnlinien verbunden ift und 1880 eine Gejamtbe: 
völlerung von 19132 —* 

Plaid oder Tartan, eigentlich eine Art Man: 
tel der Bergſchotten aus grobem, buntcarriertem 
ober —— Wollzeug; auch ein derartiges 
Wollzeug, das als Imihlagetuch von Herren 
und Damen getragen wird. , 

Plaidieren (frz.), eine Sache vor Gericht münd⸗ 
lich vertreten, verteidigen; Blaidoyer, Vertei: 
digungdrede, auch die Rede des öffentlihen An: 
J Staatsanwalts). 


ſowie an der Linie Leipzig-Gera ber 


lafa, |. Kaſtro-Plaka. 
fatät (mittellat.), j. Anſchlag. 
lakatſäulen, auf Straßen und Plägen größe: 
rer Städte aufgeltellte Säulen von etwa 3—5 m 
Höbe und 1—1,30 m Umfang zum Ankleben öffent: 
icher Anfchläge. 
latatichriften, gr Typen, welche beſonders 
bei öffentlihen Anschlägen Verwendung Bun. 
Blakoiden, Plattenihupper, Klaſſe ber 
Fiſche, ſ. unter Schuppen. , 
lau, Stabt im wejtl. Böhmen, Station der 
Linie Wien:Eger der Öfterreihifhen Staatöbahnen, 
RN Sitz einer Bezirtshauptmannfchaft und eines 
ezirlögerichtö, hat ein — und ein Bürger: 
fpital und zählt (1880) 3591 E., meiſt Deutſche. 
m 17, Jahrh. war PB. der Centralpunt der gräf: 
ih Schlitſchen Güter und enthielt auch eine ‘ * 
— (das jetige Brauhaus) der Grafen Sclit, 
on diejen ging das Gut 1665 an die Grafen von 
Sinzendorf und 1828 an die Grafen von Nojtik: 
Nhined über. 
lauck (Gottlieb Jak.), prot. Theolog, geb. 
15. Nov. 1751 zu Nürtingen in Württemberg, tu: 
dierte zu Tübingen," wurde bajelbjt 1775 Repe: 
tent der theol, Fakultät, 1780 Prediger bei der 
Karlsalademie in Stuttgart, 1781 Profejlor da— 
jelbft, 1784 ord. Pop TEReE der Theologie in Göt— 
tingen, 1805 Generaljuperintendent des Fürften: 
tums Göttingen, Er ftarb 31. Aug. 1833. P.s 
Bedeutung, als hervorragender Kirchenhiſtorike 
liegt in feinem — oft ſubjeltiven Prag: 
matiömus; feinen theol. Standpunlt bezeichnete 
er felber ald «rationellen Supernaturalismus», 
Unter feinen zahlreihen Schriften find bie be: 
deutenditen fein epochemachendes Hauptwerk, die 
aGeſchichte der Entitehung, der Veränderungen und 


Dorf) — Bland 


der Bildung unſers prot, —— » (6 Bbe., 
Lpz. 1781—1800; Bd. 1—3, 2. Aufl., 1791), die 
er nach langer Unterbredung in ber «Gefchichte der 
Theologie von der Konkordienformel an bis in die 
Mitte des 18. Jahrh.» (Gött. 1831) fortfehte; die 
«Geihichte der Entitehung und Ausbildung der 
chriſtl.lirchlichen Geſellſchaftsverfaſſung » (5 Bbe., 
zn 1803—9) und die Unionsfhrit «fiber die 
rennung und Wiedervereinigung der getrennten 
chriſtl. Hauptparteien» (Tüb. 1803). Bol. Lüde, 
«P. ein biographiicher Berfuch» (Gött. 1835). 
Heinrih Ludwig P., Sohn des vorigen, eben: 
falls als Theolog befannt, geb. 19. yul 1785, 
wurde 1806 Nepetent bei der theol. Fakultät und 
1810 außerord., 1823 ord, Profeſſor der Theologie 
zu Göttingen. Er ftarb 23. Sept. 1831. In jei: 
nen «Bemerkungen über den erjten Baulinifchen 
Brief an den Timotheus» (Gött. 1808) verteidigte 
er die von Schleiermadher angegriffene Echtheit des 
Briefs. Seine dogmat, Anfichten entwidelte er in 
dem «flurzen Abriß der philof. Religionslehre » 
(Bött. 1821). Vol. Lüde, «Zum Andenken an Hein: 
— 2.» (Gött, 1831; neue Aufl. 1835). 
Johann Julius Wilhelm P., Sohn des 
vorigen, geb. 22. J— 1817, namhafter Prozeſſua⸗ 
lit, ſtudierte die Rechte zu Göttingen und Jena, 
wurde 1839 Privatdocent zu Göttingen, 1842 ord. 
Brofefior zu Bafel, 1845 zu Greifswald, 1848 zu: 
gleich Oberappellationsgerihtsrat, 1850 Profeſſor 
zu Kiel, 1867 zu Münden, Er jchrieb: «Die Mehr: 
eit der Rechtsftreitigkeiten im Prozeßrecht » (Bött. 
1844), «Die Lehre von dem Beweisurteil» (Gött. 
1848), «Syſtemat. Darftellung des deutfchen Straf: 
verfahreng» (Gött. 1857), « Das deutſche Gerichts: 
verfahrenim Mittelalter» (2 Bde., Braunſchw 1879). 
Plauck (Karl Ehriftian), deutiher Philoſoph, 
eb. zu Stuttgart 17. Yan. 1819, ftubierte Theo: 
ogie im Tübinger Stift, wurde 1844 Repetent und 
1848 Bibliothefar an dieſer Anftalt und zugleich 
Privatdocent der Bhilofophie an der dortigen Uni: 
verſität. Im J. 1856 ward er Profefjor am Gym: 
nafium zu Ulm, 1869 am Seminar zu Blaubeuren 
und 1879 Ephorus des Seminars zu Maulbronn. 
Gr ftarb 7. Juni 1880. Im %. 1885 wurde ihm 
in Stuttgart ein Denkmal geiebt. P. hatte, an- 
fänglich im Anſchluß an Reiff (f. d.), ein eigentüm: 
liches, die Gedanlen der deutjchen ——— in 
vielfach intereſſanter Weiſe umſchaffendes Syſtem 
ausgebildet, das in ſeiner Heimat ihm viele Freunde 
und Anhänger erwarb, über die Grenzen derſelben 
hinaus jedoch noch wenig belannt geworden iſt. 
Bon feinen Schriften find zu nennen: Katechismus 
des Necdhts» (Tüb, 1852), «Grundzüge einer geneti: 
ſchen Naturmwiflenichaft» (Tüb, 1862), «Grundlinien 
einer Wiljenfchaft der Natur» (Lpz. 1864), « Süd- 
deutichland und der deutiche Nationalftaat» (Stutta. 
1868), « Geſetß und Ziel der neuern Kunftentwide: 
lung im Gegenias zur antiten» (Stuttg. 1870), 
«Seele und Geift» (Lpz. 1871), «Wahrheit und 
Slachheit des Darwinismus» (Nördl. 1872), «Grund: 
riß der Logil» (Lpz. 1873), «Ant ropologie und 
Pſychologie auf naturwilienihaftlicher Grundlage» 
(Epz. 1874), « Logiſches Caufalgefeh und natürliche 
Zwecthãtigkeit⸗ Nördl. 1877), «Ziel und Entwide: 
lungsgeſet der alten Bhilofo bie in ihrem Berhält: 
nis zur neuern» (in der de tichrift der württemb, 
Seminarien und Gymnaften zum Tübinger Jubi— 
läum 1877), «Teftament eines Deutihen» (nad feis 
nem Tode herausg. von K. Köftlin, Tüb, 1881). 


Plandrehbant — Planeten 


Haubrehbant (Planfheibendrehbantl, 
frj. tour à plateau, engl. surface-lathe), f. unter 
Drehbant, Bd. V, S. 538°. 

Piandrehen oder Flahdreben, das Ab: 
drehen einer_ebenen Fläche fentreht gegen bie 
Spindel der Drehbank. ö 

Blaue, Lintsfeitiger Zufluß ber Havel im preuß. 
Regierungsbezirt Potsdam, entipringt auf dem 
Fläming, weit ſidweſtlich von Niemegk, durchfließt 
das Landchen Zauche, von unterhalb Rottitod an 
von Sümpfen begleitet und mündet nad) einem 

"Laufe von 60 km unterhalb Brandenburg in den 
von der Havel burchfloffenen Breitlingfee. 

Bläner, ein grauer oder rötlicher, meift verftei: 
nerungäreicher, FE Kalkſtein in der Kreidefor: 
mation Norddeutichlands, Weitfalensund Sachſens. 

lauetarium nennt man eine gewöhnlid mit 
Räderwerk verjehene Maſchine, durch welche man 
die Bewegungen der Planeten um die Sonne dar: 
jtellen fann. Schon Ardimedes foll ein P. kon: 
ftruiert haben; jpäter bejaßen Pofidonius und 
Boẽthius — ar und in neuerer 
Zeit werden ſie vielfach beſonders für den Unter— 
richt in den Schulen angefertigt. 

lanete, Meßgewand, |. Caſula. 

Planeten (grch.) oder Wandelſterne nennt 
man diejenigen Sterne, welche ſich in freisähnlichen 
Bahnen um die Sonne bewegen und von derfelben 
erleuchtet werden. Die lehtere Erklärung zeigt, daß 
auch die Erde dahin zu rechnen, nicht aber die Ko: 
meten, deren Bahnen im allgemeinen nicht kreis: 
ähnlich heißen fönnen. Db außer der Sonne noch 
andere Fixſterne von P. umtreift werben, wiljen 
wir nicht, müflen e8 aber vermuten; fihtbar fönnen 
uns jolde B. anderer Sonnen - si Lichtſchwäche 
wegen wohl niemals werden, Von den uns jeßt 
befannten ®. waren außer der Erde noch fünf, näm: 
lih Merkur, Benus, Mars, Jupiter und Saturn, 
die mit bloßem Auge fihtbar find, ſchon den Alten 
befannt. Die andern P. find ſämtlich erft in der 
neueften Zeit entdedt worden. Erſt feit Anfang 
des 19. Jahrh. wurde eine Lüde ausgefüllt, die 
früher zwifhen Mars und Jupiter zu bemerfen 
war. Zeilt man nämlid) den Abſtand der Erde von 
der Sonne in 10 gleiche Zeile, fo lafjen fich die mitt: 
lern Abjtände der PB. von der Sonne ziemlich nahe 
durch folgende Zahlen ausdrüden: Merkur 4, Be: 
nus 7, Erde 10, Mars 16, Jupiter 52, Saturn 100, 
Uranus 196. Zieht man die erite Zahl 4 von allen 
andern ab, jo fommt 3, 6, 12, 48, 96, 192; bier ift 
jede Zahl das Doppelte der vorhergehenden, nur 
mit Ausnahme der Zahlen 12 und 48 (für Mars 
und Jupiter), zwijchen denen 24 fehlt. Die Ber: 
mutung lag daher nahe, daß hier noch ein Planet 
in dem * 28 ſtehen möge, welche bie in der 
legten Reihe nod fehlende Baht 24 geben würde, 
und fie bat ſich volllommen beftätigt, wiewohl man 

- wenig erftaunt war, ftatt eines größern P. 
mehrere Heine an diefer Stelle zu finden, deren Zahl 
fi fpäter auf überrafhende Weife —— hat. 
ü paßt der 1846 entdedte entfernteite la: 
net Neptun nicht in jene Reihe der Abjtände, indem 
feine mittlere Entfernung von der Eonne nur 300 
(tatt 388) beträgt. Außer Merkur und Venus wer: 
den alle großen P. von Heinen Sternden, fog. 
Nebenplaneten (f. u oder Monden umtreijt, bie 
fämtlich dem bloßen Auge unſichtbar und daher erjt 
nad) Erfindung des yernrohrs entdedt worden find, 
Bas das äußere Anſehen ber P. betrifft, fo dann 


61 


man fie mit bloßen Augen nur an ihrem mattern 
und rubigern Lichte erfennen, weldyes eine Folge 
davon iſt, daß fie nicht felbftleuchtende Körper find, 
wie die Sonne und bie Firfterne, fonbern dunkle 
Körper, bie ihr Licht erft von der Sonne aan: 
im Fernrohr erſcheinen fie, je nad) ihren Phafen, 
ala Heine erleuchtete Scheiben, reſp. Sicheln. 

Die Bewegungen der P. DD ehr 
unregelmäßig, indem fie ſich bald na — Id 
nad Weiten, bald ſchneller, bald langſamer be: 
wegen, zumeilen auch ganz ftillzuftehen feinen. 
Die Erklärung diefer Erſcheinungen hat den frühern 
Atronomen viele Mühe gemacht und ift erft feit 
etwa drei Jahrhunderten auf eine befriedigende 
Weiſe gegeben worden. Sie hängt mit der ganzen 
Anordnung des ag ir ig zufammen, über 
welche verſchiedene Hypotheſen oder Syſteme aufs 
geftellt worden find, unter denen hauptfächlid) drei 
von Wichtigkeit find: das Ptolemäifche, das Tycho⸗ 
niſche und das Kopernilanifche Weltfyftem. Btole: 
mäud nahm an, die Erde Wr ruhend im Mittel: 
punkte, und um fie bewege fich auerft ber Mond, 
dann Merkur und Venus, hierauf die Sonne und 
die übrigen P., und zwar ſämtlich in Kreifen. 

abrtaufenbe ang galt diejes gan für das ri: 
tige, wiewohl es nur durch die ebenfo finnreiche als 
verwidelte Hypotheje der Epicylel den Erſchei⸗ 
nungen einigermaßen angepaßt werben fonnte, 
Nach dem Kopernitanifchen er defjen Richtig: 
feit jeßt allgemein anerfannt, bildet nicht die Erbe, 
fondern die Sonne den Mittelpunkt; um diefelbe 
bewegen ſich fämtlihe B. mit Einfhluß der Erde, 
um diefe aber bewegt fi der Mond. Da jedod) 
diefe von Kopernitus aufgeftellte Hypothefe anfangs 
wegen bes Widerſpruchs, in dem fie nicht nur mit 
eingewurzelten Vorurteilen, fondern auch mit meh: 
tern Stellen der Bibel ftand, vielfahen Anſtoß er: 
regte, fo ftellte der Aftronom Tyco de Brahe ein 
drittes Syftem auf, > welchem die Erde ruht 
und Mond und Sonne fi um diefelbe bewegen, 
während alle andern P. ſich zunächit um die Sonne 
und nur mit diefer um bie Erde bewegen follen. 
Allein diefes Syſtem widerſprach den beobachteten 
Eriheinungen zu fehr, um Cingang finden zu 
lönnen, wogegen das Kopernilaniſche allmählich 
immer allgemeiner als richtig erfannt wurde, In— 
de3 bedurfte auch diefes in einigen Punkten wejent: 
licher Berbefierungen, die e8 durch Kepler (f. d.) er: 
hielt, welcher die Gefehe der Vlanetenbewegung 
auffand (nach ihm die Kepler'ſchen Geſetze ge: 
nannt). Erft etiwa 100 Jahre fpäter lieferte New: 
ton, der Entdeder der allgemeinen Schwere und 
Schöpfer der Mechanik des Himmels, den theore: 
tiihen Beweis für die Richtigkeit und Notwendig: 
keit dieſer Geſehe, die Kepler nur auf_empiriichem 
Wege als richtig erlannt hatte, Seht find die Bah— 
nen der P. in allen ihren Einzelheiten mit außer: 
ordentlidher Genauigkeit beftimmt. 

Um den Drt eines P. für einen beitimmten 
Augenblid berechnen zu können, müjlen ſechs Be: 
ftimmungsftüde befannt fein, welche man die Ele: 
mente der P. nennt, Unter diefen find namentlic) 
zwei bemerkenswert, die Ercentricität und die Nei: 

ung der Planetenbahn gegen die Etliptif. Je grö— 
* die Excentricität iſt, deſto mehr weicht die Bahn 
von einem Kreiſe ab. Die großen P., Merkur, Ve: 
nus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, 
Neptun, haben meiftens eine geringe Ercentricität: 
Venus Yırzs, Neptun Yırs, Erde Yo, Jupiter und 


62 


Uranus Y, Saturn "ıs, Mars 'A,, nur Mer: 
fur Y,. Dagegen zeigen die Heinen P. zwiichen 
Mars und Jupiter im Durchſchnitt gröbere Grcen: 
tricität, Lomia (Y4s), Harmonia, Concordia und 
Glythia zwar auch Heine (",), aber Bolyhymnia, 
Gurydice, Atalanta, Athra, Eva, Urda u. ſ. m. um 
fo größere, bie bei dithra bis über %/s (0,330) get: 
Auch die Neigungen der Bahnen gegen die Elliptit 
find bei den Heinen P. im allgemeinen viel beträdht: 
licher als bei den großen. Die Bahn des Uranus 
bat z. B. eine Neigung von 46’, deö Jupiter von 
1° 19, des Saturn von 2° 30%, des Merkur von 7° 
(die größte). Bei den Heinen P. erreicht die Nei- 
gung der Bahn von Maſſalia und Themis und Ga: 
rumma noch nicht 1°, dagegen überfteigt die Neigung 
der Bhocäa, Euphroſyne, Niobe, Artemis u. a. 20°, 
und die der Pallas beträgt ſogar 34° 43’. infolge 
diefer beträchtlichen Neigungen bewegen, fich ‚die 
Heinen P. aud nicht alle innerhalb des Tierkreijes 
(j. d.) wie die großen, ſondern —— Pallas 
u. a. können, von der Erbe aus geſehen, bis über 
50°” nördlich oder füdlich vom Slquator ſich befinden 
und zu bejtimmten Zeiten im Sternbilde des Großen 
Bären ftehen. Aus dem dritten Keplerſchen Gejek 
ergellt, daß die P. binfichtlic ihrer Umlaufszeit 
diefelbe Reihenfolge beobadten, wie binfichtlich 
ihres Abjtandes von der Sonne. Je weiter fie von 
der Sonne entfernt find, deſto größer iſt auch ihre 
ſideriſche Umlaufszeit, d. b. der Zeitraum, in dem fie 
einen vollftändigen Umlauf um bie Sonne machen. 

Mas die Größe der P. betrifft, fo iſt Jupiter, 
der die Erde feinem körperlichen Inhalt nad) über 
1300 mal übertrifjt, bei weitem der größte, ihm zu: 
nächſt jteht Saturn. Die Heinften 3. find die zwi: 
ſchen Mars und Jupiter ftehenden, deren Größe 
nur annähernd hat beſtimmt werden können. Die 
ſcheinbare Größe der P. hängt nicht nur von ihrer 
wirklichen Größe, fondern 9— von ihrem Abſtande 
von der Erde ab. Bon allen P. aber tommt Venus 
zu gewiſſen Zeiten der Erde am nädhften, bis auf 
39 Mill. Kilometer, und dann erſcheint fie ung grö- 
ber als irgendein anderer Planet, indem ihr größter 
ſcheinbarer Durchmefier dann 62 Sekunden beträgt, 
während er zur Zeit ihres größten Abjtandes von 
der Erde auf 10 Sekunden herabjintt. In Bezug auf 
ihre Größe lann man brei Klaſſen von P. unter: 
ſcheiden: die Heinen (Afteroiden oder Planetoiden); 
bie vier mittlern: Merkur, Benus, Erde, Mars; die 
vier großen: Jupiter, Saturn Uranus, Neptun. 
Die mittlern find die nächſten bei ber Sonne, bie 
Be die entjernteften; zwiſchen jenen und diejen 
tehen die Meinen, Die großen zeichnen fih auch 
durch die Monde, von denen fie in größerer Zahl 
umgeben werben \ hrend von den übrigen nur die 
Erde einen Mond, jowie der Mars zwei Heine 
Monde hat), fowie, foweit bis jebt bekannt, durch 
ihre ſchnelle Achiendrehung aus, während die mitt: 
lern nabe in derſelben weit längern Zeit ſich um 
ihre Achſe drehen. 

In? x auf ihre Stellung zur Sonne teilt 
man die P. (ohne die Erde) in untere und obere, und 
nennt Degen untere, welche ber Sonne näher 
find als die Erbe, alle übrigen aber obere; hiernach 
gibt e3 nur zwei untere P.: Merkur und Venus. 

iefe erfcheinen uns immer nahe bei der Sonne, 
niemals ihr gegenüber, und find unſichtbar, wenn 
fie mit und Sonne ziemlich in gerader Linie 
ftehen, zur Zeit ihrer untern und obern Konjunl; 
tion, nur jene jeltenen Fälle ausgenommen, wo fie 


Blaneten 


zur Zeit der untern Konjunktion als dunlle Flede 
auf der Sonnenſcheibe erfcheinen, was man einen 
Durchgang diefer P. nennt. (S. Durdhgang.) 
Die obern P. erſcheinen zu gewiffen Zeiten der 
Sonne gerade gegenüber, in Oppofition mit der 
Sonne, und find dann gerade am beften zu ſehen; 
ur Zeit ihrer Konjunltion aber find fie wie die an: 
P. unfihtbar. Der Zeitraum, ber — 
zwei entſprechenden Konjunktionen desſelben P. 
— heißt ſeine ſynodiſche — 
ie Bahnen der großen P. find feit der Mitte 
des 19. Jahrh. neu unterfucht und zur leichtern 
Berechnung ihres Ortes am Himmel ausführliche 
Tafeln oder Tabellen bergeftellt, Für Merkur, Be: 
nus, Erde (jtatt der Tafeln für die Bewegung der 
Grde gibt man gewöhnlich die Tafeln der ſcheinba⸗ 
ren Bewegung der Sonne) und Mars hat Leverrier 
in den «Annalen der parifer Sternwartes neue Ta: 
feln gegeben, nach denen die berechneten Örter mit 
den beobadteten bi3 auf wenige Bogenfelunden, 
welche meijtens — Kenbaäte nantchier find, über: 
einftimmen. Die Tafeln der P. Jupiter, Saturn 
und Uranus hat derjelbe große Yitronom erade 
nod) vor feinem Tode vollenden lönnen. i der 
Berechnung der Tafeln für Merkur zeigte fid eine 
Differenz, welche Leverrier einem N ober einem 
Syiten von P. innerhalb ber Merkursbahn und 
der Sonne zujchrieb. Durch die aus verfchiedenen 
Ableitungen ſich ergebende Heinere Entfernung der 
Erde von der Sonne, als diejenige, weldhe Ende 
aus ben ——A——— von 1761 und 1769 
abgeleitet hat, iſt auch die abſolute Entfernung der 
von der Sonne und ihre Größe etwa um ein 
iBigftel geringer anzunehmen. Auch ift in den 
legten Jahren bejonders von Zöllner mit den Pho— 
tometer das Reflerionsvermögen ber großen B. neu 
unterfucht, und ijt gefunden, daß von dem von der 
Sonne empfangenen Licht Mars 27 PBroz., Jupiter 
62 Proz., Saturn 50 Proz, Uranus 64 Proz. und 
Neptun 46 Proz. refleltieren. Die Unterfudung 
der B. mit dem Speltroftop hat ergeben, daß bie 
Speltra der B. Ühnlichleit mit dem Speltrum der 
Sonne haben, d Ai bei Jupiter im roten und 
gelben Licht beträchtlih mehr dunkle Linien er: 
tannt, bie ber Jupiteratmoſphäre zugeſchrieben 
werden. Das Speltrum des Saturn hat zahlreiche 
Abforptionslinien, die als Zeichen einer wafler: 
dampfhaltigen Atmofphäre anzufehen find; bei Ura⸗ 
nu3 und Neptun find at warze breite Strei: 
fen in Blau, Grün, Gelb und Orange gefunden. 
Bon Heinen, erjt im 19. Jahrh. entvedten P., 
wegen ihres geringen Umfangs von Herſchel Aite: 
roiden, jebt auch PBlanetoiden genannt, find 
zur Beit (Oft. 1885) 251 befannt. Anfangs wählte 
man, wie für bie großen, fo auch für die Heinen P. 
Beiden. Da ſich aber deren Zahl jehr mehrte, wur: 
den auf Goulds Vorſchlag Kreife mit Zahlen (die 
Zahl zeigt die Reihenfolge der Entdedung an) ge: 
wäblt: 3.8. (ı) Geres, (8) Flora, Maſſalia, 
69 Virginia. Eine Tabelle der Namen, Länge ber 
Perihelien, Länge der Knoten, Neigungen, Umlaufs: 
eiten, mittlern Entfernungen und Egcentricitäten, 
er Entbeder und Gntdedungszeiten ber bis Juni 
1885 entdedten Heinen P. folgt umjtehend, um eine 
tiberficht über die Bahnen zu geben. Für die drei 
zufegt entdedten P. find noch keine fihern Elemente 
vorhanden. Die Grabe find bis auf Zehntel abges 
rundet, weil die Elemente durch die Störungen fort: 
während etwas verändert werden. 





Planeten 





Elemente ber Heinen Planeten. 





Mittlerer 





1. &eres....... 2,766 | 0,079 | Biazzi, Palermo, 1. San. 1801. 

2.1 Ballas....... 2,769 | 0,241 | Dfbers, Bremen, 28. März 1802, 
3.19ım0....... 2,669 | 0,256 | Harding, Lilienthal, 1. Sept. 1804. 

4. Beſta ....... 2,362 | 0,088 | Dibers, Bremen, 29. März 1807, 

5.) Afträa ...... 2,578 | 0,188 | Henke, Driefen, 8. Dez. 1845. 

6. Hebe ....... 2,425 | 0,203 | Henke, Drieſen, 1. Juli 1847. 

7. JIris........ 2,3% | 0,231 Hind, London, 13. Aug. 1847, 

8. |Flera....... 2,201 | 0,156 | Sind, London, 18, Oft. 1847. 

9. Metis ...... 2,397 | 0,123 | Graham, Markree, 26. April 1848. 
10.} Hygien...... 3,139 | 0,117 | De Gasparis, Neapel, 12. April 1849. 
11. | Barthenope 2,452 | 0,19 | De Gasparis, Neapel, 11, Mai 1850. 
12. | Bictoria, 2,33% | 0,218 | Hind, London, 13. Sept. 1850, 

13. | Egeria....... 2,577 | 0,087 | De Gasparis, Neapel, 2. Nov, 1850. 
14. | Ireme....... 2,590 | O,ı6ı | Hind, London, 19. Mat 1851. 

15. | Eunomia 2,643 | 0,187 | De Gasparis, Neapel, 29, Juli 1851. 
16. | Pſyche ....... 2,991 0,138 | De Gasparis, Neapel, 17. März 1852. 
17.1 Thetis........ 2,172 | 0,130 | Luther, Bilk, 17. April 1852, 

18. | Melpomene 2,2% | 0,217 | Hind, London, 24. Juni 1852, 

19. | Fortuma..... 2,443 | 0,159 | Hind, London, 22, Aug. 1852. 

20. | Maffalia 2,408 | 0,143 | De Gasparis, Neapel, 19. Sept. 1852. 
21.) Eutetia...... 2,135 | 0,163 | Goldſchmidt, Parie, 15. Nov. 1852. 
22. | Zalliope..... 2,503 | 0,104 | Hind, Ponbon, 16. Nov. 1852. 

23.| Tpalia...... 2,629 | 0,231 | Hind, London, 15. Dez. 1852. 

24.| Themis ..... 3,132 | 0,129 | De Gasparis, Neapel, 5. April 1853. 
25.| Phocäa ..... 2,401 | 0,255 | Chacornac, Marjeille, 7. April 1858. 
26. | Brojerpina 36 2,656 | 0,087 | Luther, Bilf, 5. Mai 1853. 

27.) Enterpe..... 88,0 i 2,347 | O,174 | Hind, London, 8. Nov. 1853, 

29, | Bellona..... 124,0 |144,6 | 9,4 | 1694 | 2,781 | 0,149 | Luther, Bilf, 1. März 1854. 

29. | Ampphitrite 56,4 1356,7 | 6,1 | 1491 | 2,555 | 0,074 | Martb, London, 1. März 1854. 

30.) Urania...... 31,3 308,2 | 2,1 | 1329 | 2,366 | 0,126 | Hind, London, 22. Juli 1854. 

31. Euphroſyne 93, | 31,5 1265 | 2037 | 3,145 | 0,294 | Fergufon, Waihington, 2, Sept. 1854. 
32. Bomona 193,4 | 220,7 | 5,5 | 1520 | 2,587 | 0,083 | Golbjhmibt, Paris, 26. Dit. 1854, 
33. | Bolypymnia . | 342,4 92 | 2,0 | 1773 | 2,867 | 0,338 | Chacornac, Paris, 28. Ott. 1854. 
31.|Eire....... 148,7 | 184,5 | 5,5 | 1608 | 2,686 | 0,110 | Ehacornac, Paris, 6. April 1855. 
35. | Leufothea 202,4 305,8 | 8,2 | 18839 | 2,900 | 0,285 | Luther, Bilf, 19, April 1855. 

36. | Atalante 42,7 359,2 |18,7 | 1663 | 2,746 | 0,399 Soldfhmibt, Paris, 5. Olt. 1855. 
37. tag RR 66,4 84 | 3,1 | 1569 | 2,642 | 0,177 | Luther, Bill, 5. Ott. 1855. 
38.18eba........ 101,3 | 296,4 | 7,o } 1654 | 2,701 | 0,154 | Ehacornac, Paris, 12. Jan. 1856. 
39.) Lätitia ...... 83,1 |157,2 |10,4 | 1683 | 2,769 | O,114 | Ehacornac, Paris, 8. Febr. 1856, 
40. | Harınonia 0,» | 93,6 | 4,3 | 1247 | 2,267 | 0,097 | Golbfchmidt, Paris, 31. März 1856. 
41.| Daphne 220,6 179,1 15,9 | 1682 | 2,768 | O,266 | Golbjchmidt, Paris, 22. Mai 1856. 
42.18 ......... 318,0 | 84,5 | 8,6 | 1392 | 2,440 | 0,226 | Pogion, Orforb, 23. Mai 1856. 
43. Ariobne..... 278,0 |264,6 | 3,5 | 1194 | 2,203 | O,168 | Pogſon, Orforb, 15. April 1857. 
44. ER 111,9 [131,2 | 3,7 | 1377 | 2,422 | 0,152 Goldſchmidt, Paris, 27. Mai 1857. 
45.| Eugenia..... 232,1 |147,3 | 6,6 | 1640 | 2,721 | 0,082 | Golbjhmibt, Paris, 26. Juni 1857. 
46. | Heflia......- 354,2 |181,5 | 2,3 | 1466 | 2,525 | O,166 ogfon, Orforb, 16. Aug. 1857. 
47. | Aglaja...... 312,7 4,3 | 5,0 | 1785 | 2,580 | 0,132 | Luther, Bilk, 15. Sept. 1857, 

48. | Doris ...... 70, 1184, | 6,5 | 2008 3, 115 | 0,064 Goldſchmidt, Paris, 19. Sept. 1857, 
49, — IäV — 81,2 290,7 | 8,1 | 1986 3.091 0,230 | Goldſchmidt, Paris, 19. Sept. 1857. 
50.| Birginia .... | 10,1 1173,85 | 2,8 | 1579 | 2,654 | 0,285 Beraufen, Waſhington, 4. Oft. 1857, 
51. | Nemaufa.... | 174,7 175,9 9» | 1329 | 2,366 | 0,067 | Laurent, Nimes, 22. Jan, 1858. 
52.| Europa ..... 106,9 129,7 7, | 1990 | 3,096 | 0,112 | Goldfchmibt, Paris, 4. Febr. 1858. 
53. | Kalypfo..... 92,3 |144,0 | 5,1 | 1548 | 2,619 | 0,206 | Luther, Bil, 4. April 1858. 

54.| Alerandra ... |295,4 1313,38 | 11,8 | 1629 | 2,709 | 0,200 Goldſchmidt, Paris, 10. Sept. 1858, 
55. Banbora .„...| 10,6 | 10,» | 7,3 | 1673 | 2,759 | O,144 | Searle, Albany, 10. Sept. 1858. 
56. | Melete....... 294,6 194, ı | 8,0 | 1536 | 2,601 | 0,234 Goldſchmidt, Paris, 9. Sept. 1857. 
57, —— 634 200, 15,32 | 2040 | 3,148 | O,117 | Luther, Bill, 22, Sept. 1859. 

58.) Eoncorbia ... |189,2 | 161,3 | 5,0 | 1621 | 2,700 | 0,042 | Luther, Bilk, 24. März 1860, 

59. Elpis....... 17,5 1170,4 | 8,6 | 1632 | 2,713 | O,ıı7 | Ehacornac, Paris, 12. Sept. 1860. 
Mi. 98,8 192,1 | 8,6 | 1352 | 2,393 | O,ısa ge ufon, Wafbington, 14.Sept.1860. 
61.| Danat...... 3441 13342 [18,3 | 1880 | 2,981 | O,166 ſchmidt, Paris, 9. Sept. 1860. 








64 Planeten 
23 E2| 8 
SE E | & Entdetung 
53 25 3 
ar & $ 
62. |Erato....... 39,0° | 125,8°| 2,3°| 2017 | 3,124 | 0,175 örfter u. Leffer, Berlin, 14.Sept. 1860, 
63. Auſonia. .... 270,9 |837,9 | 5,3 | 1354 | 2,396 | 0,194 e Gasparis, Neapel, 11. Bebr. 1861. 
64. | Angelina .... |125,6 [311,1 | 1,3 | 1604 | 2,653 | 0,127 | Tempel, Marfeille, 5. März 1861. 
65. | Eybele ...... 260,6 |158,3 | 3,5 | 2317 | 3,427 | 0,110 | Tempel, Marjeille, 9. März 1861. 
66.1 Maja......- 48,1 8,3 | 3,1 | 1572 | 2,645 | 0,175 | Tuttle, Cambridge, 10, April 1861. 
67.Aſia ........ 306,8 |202,8 | 6,0 | 1375 | 2,420 | 0,187 | Pogfon, Madras, 17. April 1861. 
68. Leto ........ 345,2 | 45,0 | 8,0 | 1693 | 2,281 | O,ıs8 | Luther, Bilk, 29. April 1861. 
69. | Hefperia . 1108,3 187,2 | 8,5 | 1877 | 2,978 | O,ırı | Schtaparelli, Mailand, 29, April 1861. 
70. | Banopän .... 299,8 | 48,3 |11,6 | 1544 | 2,614 | 0,153 | Golbfchinidt, Baris, 5. Mai 1861, 
71.|Niobe....... 221,3 |316,5 23,3 | 1671 | 2,756 | 0,173 | Luther, Bilf, 13. Aug. 1861. 
72. | Beronia ..... 308,0 |207,8 | 5,4 | 1246 | 2,266 | 0,120 | Beters, Klinton, 29. Mai 1861. 
73. | Elytia ...... 57,9 73 | 2,4 | 1589 | 2,665 | 0,012 | Tuttle, Cambridge, 7. April 1862. 
74. | Galathea 8,3 1197,38 | 4,0 | 1690 | 2,777 | 0,237 | Tempel, Marjeille, 29. Aug. 1862, 
75. | Eurydice 335,6 0,0 | 5,0 | 1595 | 2,672 | 0,306 ters, Clinton, 22. Sept. 1862. 
76. Freia ....... 90,8 1212, | 20) % 3,114 | 0,174 'Arreft, Kopenhagen, 21. Oft. 1862. 
77. | Srigga...... 58,8 2,0 | 2,5 | 1592 | 2,6683 | O,132 | Peters, Clinton, 12, Nov. 1862, 
78. | Diana ...... 122,4 333,8 | 8,6 | 1540 | 2,610 | 0,205 | Luther, Bilk, 15. März 1868, 
79. | Eurynome... | 44,4 206,7 | 4,6 | 1395 | 2,444 | 0,194 | Watfon, Ann-Arbor, 14. Sept. 1863. 
&0.| Saprbo..... 355,3 1218,7 | 8,6 | 1271 | 2,296 | 0,200 Bosfon, Madras, 2. Mai 1864. 
81. | Terpfichore 48,7 2,7 | 7» | 1760 | 2,853 | 0,211 empel, Marjeille, 80. Sept. 1864. 
82. | Altmene..... 131,8 | 27,0 | 2,8 | 1677 | 2,262 | 0,221 | Luther, Bilt, 27. Nov. 1861. 
89. Beatrix ..... 191,8 | 27,5 | 5,0 | 1384 | 2,430 | 0,086 | De Gasparis, Neapel, 26. April 1865. 
84. |Rlio........ 9,3 |327,5 | 9,4 | 1327 | 2,363 | 0,236 | Luther, Bill, 25. Aug. 1865. 
SE, Ve 322,6 1203, [11,9 | 1579 | 2,654 | O,ı9ı | Peters, Clinton, 19. Sept. 1865, 
86. | Semele ..... 29,2 | 87,7 | 4,5 | 1995 | 3,102 | O,216 | Tietjen, Berlin, 4. Jan. 1866. 
87. | Silvia ...... 333,8 | 75,8 |10,9 | 2375 | 3,483 | 0,079 | Bogfen, Madras, 16. Mai 1866. 
88. | Tpisbe...... 303,6 |277,9 | 5,3 | 1681 | 2,767 | O,163 | Beters, Elinton, 15. Juni 1866, 
89. | Julia....... 353,4 |311,7 |16,2 | 1488 | 2,551 | 0,181 | Stephan, Marfeille, 6. Aug. 1866. 
90. | Antiope..... 301,2 | 71,3 | 2,3 | 2035 | 3,142 } O,ı65 | Luther, Bil, 1. Oft. 1866. 
91. | Agina ...... 804 | 11,1 | 2,1 | 1522 | 2,590 | 0,109 | Stephan, Marfeille, 4. Nov. 1866. 
92. Undina ..... 331,5 1102, | 9,9 | 2077 | 3,185 | 0,102 | Peters, Elinton, 7. Juli 1867, 
93. | Minerva 274,7 5,12. | 8,6 | 1669 | 2,754 | 0,111 | Watfon, Ann-Arbor, 24. Aug. 1867. 
94. | Aurora ..... 48,8 4,2 | 8,1 | 2052 | 3,160 | 0,083 | Watfon, Ann⸗Arbor, 6. Sept. 1867. 
95. | Arethufa 33,0 244,3 |12,9 | 1966 | 3,071 | 0,145 | Quther, Bilt, 23. Nov. 1867. 
96. Agle — 163,2 |322,8 |16,1 | 1945 | 3,050 | 0,140 | Coggia, Marſeille, 17. Febr. 1868. 
97.| Klotho ...... 65,5 |160,6 |11,8 | 1594 | 2,071 | 0,255 | Tempel, Marfeille, 17, Febr. 1868, 
98. Janthe. ..... 148,3 35411 |15,5 | 1607 | 2,685 | 0,192 | Beters, Clinton, 18. April 1868, 
20.1 Eile...» 240,8 | 41,7 |13,9 | 1708 | 2,797 | 0,238 | Borrelly, Marfeille, 28. Mai 1868, 
100. | Helate.. .... 308,1 [128,2 | 6,4 | 1984 | 3,090 | 0,164 | Watfon, Ann-Arber, 11. Juli 1868. 
101. | Helena. ..... 327,2 1343,38 |10,2 | 1518 | 2,555 | 0,139 | Watfon, Ann-Arbor, 15. Aug. 1868. 
102. | Diriam..... 354,6 |212,0 | 5,1 | 1586 | 2,002 | 0,304 | Beters, Clinton, 22. Aug. 1868, 
108. | Sera ....... 321,0 /136,3 | 5,4 | 1622 | 2,701 | 0,080 | Watfon, Ann-Arbor, 7. Sept. 1868, 
104. | Eiymene 59,5 | 43,5 | 2,9 | 2043 | 3,151 | 0,158 | Watfon, Ann-Arbor, 13. Sept. 1868, 
105. | Artemis..... 242,6 |188,0 |21,5 | 1336 | 2,374 | 0,175 | Watfon, Ann-Arbor, 16. Sept. 1868. 
106. | Dione ...... 25,9 | 63,2 | 4,6 | 2059 | 3,107 | 0,179 | Watfon, Ann-Arbor, 10. Ott. 1868, 
107. | Camilla..... 115,9 |176,3 | 9,9 | 2376 | 3,455 | 0,076 | Bogfon, Madras, 17. Nov. 1868, 
108. | Heenba ..... |173,8 352,3 | 4,4 | 2101 | 3,211 | 0,101 | Luther, Bilk, 2, April 1869. 
109. | Felicitas .... | 56,0 4,9 | 8,0 | 1616 | 2,694 | 0,300 | Beters, Elinton, 9, Oft. 1869. 
110. | !ybia....... 336,8 | 57,2 | 6,0 | 1650 | 2,733 | 0,077 | Borrelly, Marfeille, 19. April 1870. 
111. Ate ........ 108,7 1306,32 | 4,9 | 1525 | 2,593 | 0,105 | Peters, Clinton, 14. Aug. 1870. 
112. | Iphigenia ... [888,1 |324,0 | 2,6 | 1387 | 2,433 | 0,123 | Peters, Clinton, 19. Sept. 1870, 
113, | Amalthea.... [198,7 |123,2 | 5,0 | 1838 | 2,376 | 0,037 | Luther, Bilt, 12. März 1871. 
114. | Kaffandra ... 153,1 | 164,4 | 4,9 | 1599 | 2,676 | 0,140 | Peters, Clinton, 23. Juli 1871. 
115. yra ...... 43,0 809,1 |11,6 | 1340 | 2,579 | 0,19% | Watfon, Aun-Arbor, 6. Aug. 1871. 
116. | Sirona ..... 152,8 | 64,4 | 3,6 | 1681 | 2,767 | 0,143 | Peters, Clinton, 8. Sept. 1871. 
117. | 2omia ...... 43,8 |349,6 |15,0 | 1889 | 2,901 | 0,0% | Borrelly, Marſeille, 12. Sept. 1871. a 
118. | Beitho ......| 77,6 | 47,5 | 7,8 | 1391 | 2,438 | O,ı6ı | Luther, Bilk, 15. März 1872, 
119. | Altbäa ...... 11,5 1203, | 5,8 | 1516 | 2,582 | O,os2 | Watfon, Anu-Arbor, 3. April 1872, 
120. Lacheſis ..... 214,0 342,9 | 7,0 | 2014 | 3,121 | 0,047 | Borrelly, Marfeille, 10. April 1872, 
121. | Hermione 357,8 | 76,8 | 7,6 | 2344 | 3,154 | 0,125 | Watfon, Ann-Arbor, 12. Mai 1872, 
122, — 203,8 |178,7 | 1,6 | 2108 | 3,213 | 0,041 | Peters, Clinton, 31. Juli 1872, 
123, | Brunbild.... | 69,4 18084 | 6,4 | 1616 | 2,595 | 0,123 | Peters, Clinton, 31. Fuli 1872. 
124. Alceſte ....... 245,7 [188,4 | 2,9 | 1558 | 2,630 | 0,078 | Peters, Clinton, 23. Aug. 1872, 










igitized | 


— ole 
\ ‚ooglc 


— 


Planeten 65 













Entdedung 


Länge bes 
Berihels 
Länge des 
Sinotens 
Mittlerer 
Ubitand 


125. | Aberatrix. ... |273,5° |169,6° | 4,6° | 1660 | 2,744 | 0,080 | Profper Henry, Paris, 11.Sept. 1872, 
126. | Belleda ..... 3478 | 23,1 | 2,9 | 1892 | 2,440 | 0,106 | Baul Henry, Paris, 5. Nov. 1872, 
127. | Yohanna .... 1122,65 | 31,8 | 8,3 | 1670 | 2,755 | 0,066 | Brojper Henry, Paris, 5. Nov. 1872. 
128. |Nemefis .... | 16,6 | 76,5 | 6,2 | 1667 | 2,751 | 0,126 | Watjon, Ann-Arbor, 25. Nov. 1872, 
129. | Antigene .... 12421 137,6 [12,2 | 1774 | 2,868 | 0,213 Peters, Clinton, 5. Febr. 1873. 


130. | Eleltra ..... 20,5 |146,0 |22,9 | 2016 | 3,123 | 0,208 | Peters, Clinton, 17. Febr. 1873. 
131. | Bala ....... 222,8 | 65,2 | 5,0 | 1385 | 2,432 | 0,068 | Peters, Elinton, 24. Mai 1873. 
132. | Kıhra ...... 11524 |260,0 25,0 | 1534 | 2,603 | 0,380 | Watjon, Ann-Arbor, 13. Juni 1873. 
133. | Eyrene...... 247,3 321,1 | 7,2 | 1953 | 3,058 | 0,140 | Wation, Ann-Arbor, 29. Juli 1873, 
134. | Sophrofgne.. | 67,5 |346,4 |11,6 | 1560 | 2,565 | 0,117 | Puther, Bilf, 27. Sept. 1873. 

135. | Hertha ..... 320, 343,» | 2,3 | 1381 | 2,427 | 0,205 | Peters, Clinton, 18. Febr. 1374, 
136. | Auftria ..... 316,1 | 186,1 | 9,6 | 1263 | 2,286 | 0,085 | Paliſa, Pola, 18. März 1874, 

137. | Melibda..... 308,0 204,4 |13,4 | 2019 | 3,126 | 0,207 | Balifa, Pola, 21. April 1874, 

138. | Tolofa...... 311,7 | 54,9 | 3,2 | 1400 | 2,449 | O,ıc2 | Berrotin, Toulouſe, 19. Mai 1874. 
139. Juewa .....- 164,6 24 |11,0 | 1692 | 2,773 | 0,177 | Wation, —** 10. Ott. 1874. 
140, | Siwa..... . 1800,86 |107,0 | 3,2 | 1649 | 2,732 | 0,216 | Balifa, Pola, 13, Oft. 1874, 

141. | Pumen.....- 13,7 |319,1 |12,0 | 1591 | 2,67 | 0,211 | Paul Henry, Paris, 13. San. 1875. 
142. | Bolana ....- 219,9 |292,2 | 2,2 | 1375 | 2,19 | 0,132 | Balifa, Pola, 28. Ian. 1875. 

143. | Adria.....-. 222,5 1333,7 |11,5 | 1677 | 2,762 | 0,073 | Balifa, Bola, 23. Febr. 1875. 

144. |Bibilie... .. 1ı | 76,8 | 4,8 | 1578 | 2,653 | 0,235 | Beters, Clinton, 3. Juni 1875. 
145. | Abeona ..... 118,5 | 77,7 |12,3 | 1589 | 2,665 | 0,127 | Peters, Clinton, 3. Juni 1875. 
146. | ucina ...... 216,0 | 84,2 |13,2 | 1641 | 2,722 | 0,070 | Borrelly, Darfeille, 8. Juni 1875. 
147. | Brotogeneia.. | 25,6 [251,8 | 1,9 | 20932 | 3,139 | 0,025 | Schulhof, Wien, 10. Juli 1875. 
148. | Gallia ...... 36,1 |145,2 [25,4 | 1685 | 2,71 | 0,185 | Projper Henry, Paris, 7. Aug. 1875. 
14, | Meduja..... 246,6 | 160,1 | 1,1 | 1138 | 2,133 | 0,119 | Perrotin, Touloufe, 21. Sept. 1875. 
150. | Numa ...... 355,5 1207,68 | 2,1 | 1878 | 2,978 | 0,131 | Watfon, Anu-Arbor, 18. Olt. 1875. 
151. | Abundantia.. |173,9 | 38,8 | 6,5 | 1525 | 2,593 | 0,036 Paliſa, Pola, I. Nov. 1875. 

152. | Atala ...... 84,4 | 41,5 |12,2 | 2029 | 3,136 | 0,086 | Paui Henry, Paris, 2. Nov. 1875. 
153. Hilda ..... 28518 |228,3 | 7, | 2370 | 3,952 | 0,172 Paliſa, Pola, 2. Nov. 1875. 

154. | Bertha...... 184,4 | 87,7 |21,0 | 20x83 | 3,192 | 0,085 | Brofper Henry, Paris, 4. Nov. 1875, 
155. | Scylla ..... 82,0 | 42,» |14.1 | 1816 | 2,913 | 0,256 | Palifa, Bola, 8. Nov. 1875. 


156. | Xantippe .... 156,0 246,2 | 7,5 | 1934 | 3,0ss | 0,264 | Palifa, Pola, 22. Nov. 1875. 
157. | Dejanira .... [107,4 | 62,5 [12,0 | 1516 | 2,583 | 0,210 | Vorrelly, Marfeille, 1. Dez. 1875. 


158. | Xoronis..... 56, 1281,5 | 1,0 | 1777 | 2,871 | 0,054 | Knorre, Berlin, 4. Jan. 1876, 

159. | Amilia...... 101,5 |135,2 | 6,0 | 1996 | 3,103 | O,11ı | Baul Henry, Paris, 26. Jan. 1876. 
160. [Una........ 55,9 9,4 | 83,9 | 1646 | 2,729 | 0,068 | Weters, Clinton, 20. Febr. 1876. 
161. | Athor....... 310,7 | 18,4 | 9,1 | 1340 | 2,379 } 0,139 | Watfon, Anın-Arbor, 19, April 1876, 
162. | aurentia.... 145,9 | 38,2 | 6,1 | 1921 | 3,024 | 0,173 | Brofper Henry, Paris, 21. April 1876. 
163. | Erigone ..... 98,8 [159,0 | 4,7 | 1321 | 2,356 | O,157 | Berrotin, Tonloufe, 26. April 1876. 
164. |Eva.. ..... 359,5 | 77,5 124,4 | 1559 | 2,651 } 0,347 | Baul Henry, Paris, 12. Juli 1876, 
165. | Loreley... ... 223,8 |304,ı | 11,2 | 2020 | 3,127 | 0,073 | ®erere, Clinton, 10. Aug. 1876, 
166. | Rhodope .... | 30,9 |129,8 12,0 | 1614 | 2,653 } 0,214 | Peters, Clinton, 17. Aug. 1876. 
167. |Urba ....... 79 |167,3 | 2,1 | 1783 | 2,578 | 0,064 | Beters, Clinton, 29. Aug. 1876. 
168. | Sibylla ..... 11,4 |209,8 | 4,5 | 2266 | 3,376 } 0,01 | Matfon, Ann-Arbor, 28. Sept. 1876. 
169. | 3elia....... 326,3 |354,6 | 5,5 | 1322 | 2,358 | 0,131 | Brofper Henry, Paris,28. Sept. 1876, 
170, |Maria. .... | 95,8 [301,3 |14,4 | 1492 | 2,555 | 0,064 | Berrotin, Toulouſe, 10. Jan. 1877, 
171. | Opbelia..... 144,0 |101,2 | 2,5 | 2035 | 3,143 } 0,117 | Borrelly, Marfeille, 13. — 1877. 
172. Baucis ..... 329,4 33118 |10,0 | 1341 | 2,379 | 0,114 | Borrelly, Marſeille, 5. Febr. 1877. 
EIE.1 BE. 13,5 |148,6 | 14,2 | 1661 | 2,745 | 0,205 | Borrelly, Marfeille, 2. Aug. 1877. 
174. | Bhädra ..... 253,2 [328,8 |12,2 | 1767 | 2,860 | 0,149 | Watfon, Ann-Arbor, 3. Sept. 1877, 
175. | Andromade.. |293,0 | 23,5 | 3,8 | 2390 | 3,49 | 0,349 | Watjon, Ann-Arber, 1. Oft. 1877. 
176. | Idunna ..... 20,5 |201,2 |22,5 | 2082 | 3,101 | 0,164 | Peters, Clinton, 14. Oft. 1877, 
VTT.1 ES. -..+0: 25,2 |349,0 | 1,4 | 1673 | 2,758 | 0,233 | Baul Henry, Parie, 5. Nov. 1877. 


178. | Belifana .. . [278,0 | 50,3 | 2,1 | 1408 | 2,459 | 0,127 | Batifa, Pola, 6. Nov. 1877. 

179, | Atytämneftra . | 855,4 [253,3 | 7,8 | 1875 | 2,976 | 0,107 | Watfon, Ann-Arbor, 11, Nov. 1877, 

180. | Garumna ... |125,9 |314,7 | 0,9 | 1646 | 2,729 | 0,172 | Berrotin, Tonloufe, 29. Ian. 1878, 

181. |Cudaris .... | 95,4 |144,7 |18,6 | 2015 | 3,123 | 0,220 | Eottenot, Marjeille, 2. Febr. 1878, 

182. | Elfa.....-. 54,» |106,5 | 2,0 | 1871 | 2,16 | 0,155 | Paliſa, Pola, 7. Febr. 1878, 

183.Iſtria ....... 45,0 1142,38 |26,5 | 1713 | 2,02 | 0,353 Paliſa, Pola, 8. Febr. 1878, 

181. | Dejopeja .... |169,4 |336,3 | 1,2 | 2079 | 3,183 | 0.073 | Balifa, Pola, 28. Febr. 1878. 

185. Eunile ... . | 16,5 1153,38 |28,3 | 1654 | 2,737 | 0,129 | Peters, Clinton, 1. März 1878. 

186. | Eeluta......- 327,4 | 14,6 |13,1 | 1326 | 2,362 | 0,151 } Brofper Heury, —— April 1878, 

187. |amberta.... [214,1 | 22,2 I10,7 | 1645 | 2,727 | 0,239 | Coggia, Marieille, 10. April 1878. 
Gonverfationd-Legifon. 13. Aufl. XII, 6 





66 Planeten 

2 m 22 Tr = 

en E27 2 = 5 
Nr. Kane * J & 5 * #8 : H * Entdeckung 

as 355 52|u®| 5 
188. | Menippe .... | 309,6° | 241,7°| 11,4°| 1731 | 2,821 | 0,217 | Peters, Clinton, 18. Juni 1878, 
189, thia ...... 6,5 2034 5,2 | 1401 | 2,450 | O,os6 | Peters, Clinton, 9. Sept. 1878, 
190. | Iomene ..... 105,7 1177,0 | 6,1 | 2864 | 3,917 | O,163 | Peters, Clinton, 22. Sept. 1878, 
191. | Kolga....... 23,4 159,8 |11,5 | 1801 | 2,897 | O,oss | Peters, Clinton, 30. Sept. 1878, 
192. | Naufitaa ....| 98 18433 | 6,3 | 1359 | 2,00: | O,2a en Pola, 17, Febr. 1879, 
193. | Umbrofia.... | 70,9 1851,32 | 11,6 | 1510 | 2,576 | O,285 | Eoagia, Marfeille, 28. ehr. 1879, 
194. | Brofne...... 319,6 159,3 18,4 | 1545 | 2,616 | 0,238 — Clinton, 21. 1879. 
‘195. roffeia... 111,6 81 | 7 | 1775 | 2,869 | 0,070 | Balija, Pola, 22, Aprif 1879. 
.196. | Philomela ... 1300,85 | 73,3 | 7,3 | 2013 | 3,120 | 0,012 | Peters, finten, 14, Mai 1879, 
197. | Arete ......- 324,8 | 82,1 | 8,8 | 1656 | 2,739 | O,ı02 | Balifa, Pola, 21. Mai 1879. 
‚198, | Ampella..... 354,8 1268,17 | 9,3 | 1408 | 2,459 | 0,227 | Borrelly, Marjeille, 13. Juni 1879, 
199. | Byblis...... 261,3 | 89,9 115,4 | 2069 | 3,178 | O,169 | Peters, Elinton, 9. Juli 1879, 
200. | Dynamene 46,6 | 325,4 | 6,9 | 1654 | 2,738 | 0,194 | Peters, Clinton, 27. Juli 1879, 
201. | Benelope . 334,3 |157,ı | 5,7 | 1599 | 2,676 | O,ıs2 | Palifa, Pola, 7. Aug. 1879, 
202, | Ehryfeis . 129,8 | 137,8 | 8, | 1972 | 3,073 | 0,096 | Peters, Clinton, 11. Sept. 1879, 
203, — —— 42,3 |348,6 | 3,8 | 1654 | 2,738 | 0,059 | Peters, Clinton, 25. Sept. 1879. 
204, | Kalliito ..... 257,8 [205,7 | 8,8 | 1596 | 2,673 | 0,175 | Balifa, Pola, 8. Dft. 1879, 
205. | Martba ..... 21,» |212,2 |10,6 | 1690 | 2,777 | 0,035 | Balija, —* 13. Oft. 1879. 
206. | Herfilia ..... 217,3 147,3 | 8,9 | 1642 | 2,724 | 0,028 Peters, Clinton, 13. Oft. 1879. 
207.1 Hebda ...... 217,0 | 28,9 | 8,8 | 1261 | 2,284 | O,0s0 | Balifa, Bola, 17. Oft. 1879. 
208. | Lacrimofa 62,7 4,8 | 1,7 | 1801 | 2,897 | 0,019 | Balifa, Bola, 21. Oft. 1879. 
209.|Dibo ....... 257,5 20 | 7a | 2036 | 3,144 | 0,064 | Peters, Clinton, 22. Oft. 1879, 
210. | Sjabella..... 56,7 | 82,3 | 5,2 | 1661 | 2,745 | 0,136 Paliſa, Pola, 12. Nov. 1879, 
211, | Iſolda ...... 74,2 |265,5 | 3,8 | 1942 | 3,046 | 0,154 | Balifa, Bola, 10. Dez. 
212. Medea ...... 56,3 |315,3 | 4,3 | 2009 | 3,116 | O,ıcı | Paliſa, Pola, 6. Febr. 1880. 
;213. | Liläa ....... 281,1 1122,53 | 6,8 | 1671 | 2,756 | O,144 | ®eters, Clinton, 16. vr. 1850. 
‚214. | Aicdhera ..... 115,9 |342,5 | 3,4 | 1541 | 2,611 | 0,038 | Balija, Bola, 26. Febr. 1880. 
215.| Onome ..... 346,4 | 25,4 | 1,7 | 1682 | 2,768 | 0,039 | Knorre, Berlin, 7. April 1880. 
216. | Rieopatra 32,1 215, 13,0 | 1708 | 2,796 | 0,249 | Balifa, Pola, 10. Aprif 1880. 
217. | Eubora ..... 314,9 164,0 10,3 | 1781 | 2,875 | 0,307 | Coggia, Marfeille, 30. . 1880. 
218, | Bianca ..... 230,2 |170,8 |15,2 | 1589 | 2,665 | O,116 | Paliſa, Bola, 4. Sept. 1880. 
219. | Thusnelda... |840,5 |200,7 |10,8 | 1319 | 2,354 | 0,225 Paliſa, Pole, 30. Sept. 1880, 
220 Era. 332,9 |2584 | 7,6 | 1330 | 2,367 | 0,265 | Balıja, Wien, 19. Mai 1881, 
221. 7 Pe . [331,0 142,6 |10,» | 1911 | 3,013 | O,103 | Palija, Wien, 18. Jan. 1882, 
222 —* RETTET 258,0 | 80,3 | 2,2 | 2019 | 3,126 | O,145 | Palifa, Wien, 9. Febr. 1882, 
223.1 Rola ....... 102,5 | 49,0 | 2,0 | 1988 | 3,094 | 0,119 | Paliſa, Wien, 9, März 1882, 
224. | Dceana ..... 270,5 |353,3 | 5,9 | 1573 | 2,647 | 0,046 | Palija, Wien, 30. März 1882, 
225. Henrietta 299,9 |200,6 | 20,8 | 2278 | 3,338 | 0,260 Paliſa, Wien, 19. April 1882, 
226. | Weringia,.... 285,2 135, [11,7 | 1636 | 2,717 | 0,203 | Balifa, Wien, 19. Juli 1882, 
227. | Philofopbia .. 926,4 330,» | 9,3 | 2031 | 8,139 | 0,213 | Paul Henry, Paris, 12. Ang. 1882, 
228. | Agathe...... 329,0 813,3 | 2,6 | 1189 | 2,197 | 0,240 | Palifa, Wien, 19. Hug. 1882, 
223. Adelinda .... |327,7 | 30,» | 2,2 | 2282 | 3,392 | 0,160 Paliſa, Wien, 22. Aug. 1882. 
230. | Athamantis.. | 17,5 |239,8 | 9,4 | 1345 | 2,354 | 0,061 | De Ball, Bothlanıp, 3. Sept. 1882, 
231. | Vindobona .. 253,4 |352,8 | 5,2 | 1822 | 2,519 | 0,158 | Palifa, Wien, 10. Sept. 1882, 
232. | Nuifia....... 200,4 1152,5 | 6,1 } 1489 | 2,553 | 0,175 | Balija, Wien, 31. Ian. 1883. 
233. | Afterope..... 544,6 2224 | 7,7 | 1584 | 2,660 | 0,101 | Borrelly, Darfeille, 11. Mai 1888, 
234. | Barbara 533,4 |144,2 | 15,4 | 1347 | 2,337 | 0,244 | Peters, Clinton, 12. Aug. 1883, 
235. | Earofina . 268,5 | 66,6 | 9,1 | 1785 | 2,879 | 0,060 | Palifa, Wien, 28. Nov. 1883, 
236. | Honoria..... 3289 | 85,6 | 7,1 | 1835 | 2,983 | 0,219 | Balifa, Wien, 26, April 1884, 
237.) Cöfeftina .... 295,8 | 845 | 9. | 1719 | 2808 | 0,102 | Balifa, Wien, 27. Juni 1884, 
238. | Hypatia..... 29.4 184,5 |12,4 | 1814 | 2,11 | 0,0% Knorre, Berlin, 1. Juli or 
239. | Abraftea..... 26,0 [181,5 | 6,2 | 1873 | 2,974 | 0,228 | Balija, Wien, 18, —— 
240. | Banabdis ....| 523 115623 21 | 1579 | 2,654 | 0,1% Borrelly, Marjeille, 27. Aug. 1881. 
241.| Germania ... 1344,58 |272,1 | 5,5 | 1943 | 3,047 | 0,089 | Luther, Bill, 12. Sept. 1884. 
242. | Kriemhild ... |134,5 [208,5 |12,9 | 1871 | 2,972 | 0,257 | Palıfa, Wien, 22. Sept. 1884, 
243.1 Ida ........ 142,4 |329,8 | 1,3 | 1898 | 3,000 | 0,303 Paliſa, Wien, 29. Sept. 1884. 
244.|Sifa ....... 14,0 1208,85 | 2,8 | 1171 | 2,178 | 0,136 | Balifa, Wien, 14. Oft. 1884, 
245. | Bera ....... 25,0 | 62,8 | 5,2 | 1984 | 3,091 | 0,195 | Pogſon, Mabras, 6. Febr. 1885, 
246. | Aiporina .... [246,8 | 162,4 | 14,6 | 1639 | 2,721 | 0,145 | Borrelly, Marjeille, 7. März 1885. 
247. | Eufrate ..... 61,4 0,2 125,7 | 1658 | 2,742 | 0,236 | Luther, Bit, 14. März 1885, 
218, | Lameia.. ... 277,6 12465 | 3,9 | 1437 | 2,192 | 0,033 | Paliſa, Wien, 5. Juni 1886, 


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Planetenpräzeffion — Plantagenet 


Der der Sonne in der mittlern Entfernung —* 
Heine P. iſt zur Zeit Meduſa mit 317 Mill. Kilo: 
meter, der entferntefte Hilda mit 586 Mill. Kilo: 
meter; doch fomımt wegen der großen Ercentricität 
Phocãa der Sonne bis auf 266 Mill. Kilometer 
nabe, und Freia entfernt ſich bis auf 683 Mil. Kilo: 
meter. Unter der Borausjeßung, dab die Heinen 
P. das Sonnenlicht ebenjo reflektieren wie Jupiter 
und Saturn, müfjen ihre Durchmefjer zwiſchen circa 
10 und 450 km betragen; doch find wirkliche Mej- 
ven mit Eraltheit noch nie gelungen. Die fchein: 
aren Durchmeſſer laſſen fich ebenjo wenig meſſen, 
indem die B. uns immer in ihrer günftigften Stel: 
lung zur Erde, in der Oppofition, als Sterne 6. 
bis 13. Größe erfcheinen. Am —— iſt Veſta, die 
zu beſtimmten Zeiten mit bloßem * geſehen wer⸗ 
den fann. Die von Olbers aufgeſtellte Hypotheſe, 
baß bieje Heinen P. nur Trümmer eines groben, 
durch eine unbefannte Urfache zerſtörten P. feien 
(eine Vermutung, der wir die Entdeckung der Veſta 
verdanfen), hat jetzt nur noch wenige Anhänger, da 
fämtliche Heine B. zufammen genommen doch wie: 
der nur einen äußerft Heinen Körper ausmachen 
würden. Zum Zwed bes ge im n3 und Beobad): 
tens der Xiteroiden ift das «Berliner aftron. Jahr: 
buch mit Gpbemeriben» zu empfehlen. Bol. aud) 
Sonnenſyſtem und bie bazu **8* Tafel. 

Plaueteupräzeſſion, ſ. unter Borrüden ber 
Nachtgleichen. 

Plaunetenrad, im Naſchinenbau ein Rad, das 
bei feiner Bewegung fi einerjeit3 um feine Achſe 
dreht, während andererjeit3 die Achje ſelbſt eine 
Kreisbahn durchläuft. 

Blanetoiden, j. u. Planeten. [leimen, 

—— (lat.), ebnen, glätten, Drudpapier 

aniglobium (neulat.), Blaniglob, nennt 
man die Daritellung einer Halbkugel, de der Him⸗ 
meld: oder Gröhalbfugel auf einer ebenen Fläde. 
(S. Zandlarten.) 
‚ Blanimeter geh, db. h. Slächenmefler, neuer: 
dings oft ver Integrator genannt) find Inſtru— 
mente zur mechan. Beitimmung des Flächeninhalts 
ebener Figuren. Während die Frage P., die in 
feine Quadrate geteilten Glasplatten oder Faden: 
freuze, nur eine geringe Genauigleit gaben oder, 
wie die Inſtrumente von Wagner, Schmidt und 
Horſth, nur bei Dreieden und Quadraten anzumwen: 
den waren, geben die neuern, zu denen man die 
erite Idee dem ſchweiz. Ingenieur Oppilofer (1827) 
verdantt, den * einer gezeichneten ebenen Fi: 
gur von ganz be gr = Geſtalt durch Umfahren 
ihre3 Umfangs an. Man bejtimmt auf diefe Weije 
das Areal auf Plänen und Yandlarten, indem man 
deren Maßſtab in Rechnung zieht. Die Genauig: 
feit ijt bei Heinen Flächen etwas geringer als bei 
größern, immer aber * befriedigend; man kann 
z. B. mit dem Hanſenſchen P. Flaͤchen von mehr 
als 10 gem Inhalt auf Yıooo zwiſchen 10 und 
5 gem auf ";o, und unter 5 gem auf soo richtig 
beſtimmen. Dieje große Genauigfeit, verbunden 
mit Einfachheit und Schnelligkeit der Ausmeſſung, 
geben diejen finnreichen Sullramenien einen un: 
häpbaren Wert. Das erite der neuern P. fon: 
truierte Ernjt in Paris 1836, ein zweites Wetli in 
Zürid) 1849, das von Hanfen in Gotha verbejiert 
wurde, und dazu gefellte fi) neuerdings der von 
Amsler⸗Laffon in Schaffhauſen erfundene Polar: 
planimeter, ber 4 ur feine Billigfeit und 
dadurch empfiehlt, daß er größere Flächen zu um: 


67 


fahren vermag. Vgl. Trunk, «Die P. deren Theo: 
rie, Braris und Gedichten (Halle 1865); E. Fiſcher, 
«Die mechan. Planimetrie» (Zür. 1868); Yavaro, 
adeichichte der mechan. Planimetrie» (Wien 1873). 

Planimetrie (grch.) oder ebene Geometrie heißt 
derjenige Zeil der Geometrie, welcher von ben in 
einer einzigen ebenen Fläche enthaltenen Raum: 
größen, insbeſondere von den ebenen Figuren han: 
delt, mit Ausſchluß derjenigen Naumgrößen, bei 
denen alle drei Dimenfionen de3 Raums vorlom: 
men (j. Stereometrie), im engern Sinn Fi 
derjenige Abjchnitt ber ebenen Geometrie, ber fi 
mit Ausmeſſung und Vergleihung ber ebenen di: 
guren beſchäftigt. 

Planina, Marktfleden in der DBezirkshaupt: 
mannſchaft Loitſch des öfterr. Herzogtums Krain, 
am Unzfluß, hat Korn: und Sägemühlen, Holzban: 
del und Feuerihiwammbereitung und zählt (1880) 
1197, als Gemeinde 3661 G. In der Nähe find 
die Ruinen ber Burg Neubäufel, die Unzhöhle und 
da3 Schloß Haasberg mit einer — 

laniſphärium, ſ. Aſtrolabium. 
lanitz, ſ. Oberplanitz und unter Zwidau. 
lankammer, bei Staatsbehörden bie Samını: 
lung der für dienftliche Zwecke gebraudten Karten 
und Pläne, auch Bezeichnung der ——— welche 
zur Verfertigung jener beſtimmt ſind, wie die P. 
als Abteilungen der Generalſtäbe, in denen bie 
Kriegskarten angefertigt und aufbewahrt werben. 
lanfe, |. Brett. ff. Bläntern. 
länfern, das Cinzelgefeht der Kavallerie, 
‚ Blanorbiden (lat.), TZellerfhneden, heißt 
eine artenreihe Gruppe links gewundener, flacher, 
die füßen, — ſtehenden Gewäſſer der nördl. 
—— Bone bewohnenden Lungenfchneden. 
ei der größten, in unfern Teichen gemeinen Art 
Planorbis corneus) hat die Schale bis 30 mm 
Durchmefler, das Tier eine ſchwarze Farbe. 

Blanroft, ein Roft, defien Stäbe eine horizon— 
tale oder wenig geneigte Gbene bilden. (©. unter 
— agen, Bd. VI, S. 7508*, und Ta 

el: a dig. 1u. 2.) 

Planfcheibe (frj. plateau, engl. face-plate), 
eine mit Spalten und Löchern verjehene gußeiſerne 
Scheibe, die an den Kopf einer Drehbankſpindel 
geihraubt wird und zur Befeitigung platten: und 
Icheibenförmiger Arbeitsftüde dient. (S. unter 
Drebbanf, Bd. V, ©. 538, und Tafel: Dreh— 
bänte, Sig. 12.) 

at f. unter Spiegel. 

lantage (frz., d. i. Bilanzung) nennt man vor: 
zugsweiſe Anpflanzungen von Gewächlen der Tro- 
pen, die zu ihrem Gedeihen einer befondern Pflege 
bedürfen. In Oft: und Wejtindien bezeichnet man 
mit P. die BVefitungen der folonijten, auf denen 
Staffee, Zuder, Baummolle, Kakao, Indigo ıc. mit 
Hilfe von Sklaven oder Halbjllaven gebaut wird. 

Plantagenet (vom lat. planta genista, d. h. 
Ginjter, da Heinrich, der Begründer der Dynaftie, 
einen Ginjterzweig al3 Helmzierde trug) iſt der Yu: 
name des franz. Haufes Anjou, das 1154, nad) ber 
normann, Dynaftie, ben Thron von England beities, 
aber 1485 dem Haufe Tudor weichen mußte, De: 
erfte König aus dem Haufe P. war Heinrid II. 
\ d. und Großbritannien, Bd. VIII, S. 476 
9.). Seine Kinder aus der Ehe mit Gleonore von 
Guyenne waren: Heinrich, der 1183 vor dem Vater 
tinderlo3 ftarb; Nichard I. ER N d.), der 
dem Vater zunächſt 1188—99 auf dem Throne 

* 


68 Plantagenet 


folgte und kinderlos ftarb; Gottfried, ber 1186 auf 
einem Turnier zu Paris umlam und aus der Che 
mit Konitanze, der Erbin von Bretagne, einen 
nem Sohn, Arthur, hinterließ; Johann ohne 

(f. d.), der nad) Richards I. Tode die Krone 
raubte; Mathilde, die fich mit Heinrich dem Löwen, 
und Eleonore, die fi mit Alfons dem Guten von 
Gaftilien vermäblte. 

Johann ohne Land (1190—1216) verdrängte 
feinen Neffen Arthur, der als der Sohn Gottfrieds 
ein näheres Anrecht befaß, vom Throne und er: 
mordete ihn 1202 mit eigener Hand. Aus der Ehe 
Bobanıe mit Jiabelle von Angoulẽme entiprangen: 
ein Nachfolger Heinrich ILL. (f. d.); Johanna, die 
fi mit Alerander II. von Schottland, und Cleo: 
nore, die ſich erjt mit dem Grafen Pembroke, dann 
nit dem berühmten Grafen von Yeicefter vermäblte, 
und Richard (f. d.), Graf von Cornwall, Lepterer 
wurde 1257 zum röm. König gewählt und gelrönt 
und ftarb 1271, Seine Nadtommen erloichen 1300. 

Die Kinder Heinrichs IL. (ſ. d.) und der Eleo⸗ 
nore von Provence waren: Eduard I. (f. d.), der 
ihm auf dem Throne folgte; Margarete, die fi 
mit Alerander III. von Schottland vermählte; Cd: 
mund der Budelige, , 

Edmund der Budelige, Sohn Heinrichs IIL., 
get. 1296, erhielt von feinem Bater die Grafichaft 
Zancafter, war durh Schenkung des Bapites Ti: 
tulartönig von Sicilien und hatte von Blanca von 
Urtois zwei Söhne, von denen der ältere, Thomas, 
1321 enthauptet, 1389 aber heilig gefprochen wurde, 
Nach der Hinrichtung erhielt der zweite Sohn Ed: 
munds, Heinrich, Graf von Ronmouth, die Graf: 
ichaft Lancaſter. Derfelbe ftarb 1345 und hinter: 
ließ ala Sohn und Erben Heinrich, zu deflen Gun: 


ften König Eduard III. Lancafter zum Herzogtum 
* t erſte Herzog von Lancaſter hatte in 
deſſen nur eine Tochter, Blanca, zur Erbin, welche 


Güter und Titel des Haufes dem Grafen von Ric: 
mond, Johann von Gaunt, zubrachte, 

Eduardl1. (f.d.), 1272—1307, war erft mit Eleo⸗ 
nore von Gaftilien, dann mit Margarete von Franl⸗ 
reich vermäblt. Kinder eriter Ehe waren: Eduard II, 
der Thronfolger; Yohanne d’Acre, vermählt mit 
dem Grafen Öloceiter, jpäter mit Yord Mounther— 
mer; Eliſabeth, in zweiter Che mit dem Grafen 
Hereford vermählt. Aus Edwards I. zweiter Che 
—— Thomas, Graf von Noͤrfolk, von 
defjen Erbtochter die Häufer Norfolk, Suffolt, Car: 
lisle und Effingham abjtamımen; Edmund, Graf 
von Kent, der während der Minderjährigkeit 
Cduards fm. durch Mortimers ntriguen das 
Schafott beftieg. Aus Edmunds Ehe mit Marga: 
rete Wale wurden zwei Söhne geboren, welde kn: 
derlos jtarben, und Johanna, das jhöne Fräulein 
von Kent, die ſich zum dritten mal mit dem Schwar: 
zen — vermäblte, 

Eduard IL. (j.d.), 1307—27, hatte Jabella von 
Frankreich zur Gemahlin, die ihn 1327 ermorden 
ließ. Er —* von derſelben den Thronfolger, 
Eduard III. und Johanna, die den König David IL. 
von Schottland heiratete. 

Eduard II. (f. d.), 1327—77, batte aus ber 
Ehe mit Bhilippa von Hennegau: Eduard, ben 
—— Prinzen; Lionel, Herzog von Clarence; 
N ann von Gaunt; Edmund, Herjog von Port; 
Thomas, Herzog von Gloceſter. Von dieſen fünf 
Linien, in die nun das Haus P. jerfiel, erloſch die 
jüngite zuerit in der männlichen Nachklommenſchaft. 


Thomas, Herzog von Glouceſter und Graf von 
Budingham, Sohn Eduards IIL., wurde 1397 auf 
Anjtiften Rihard& II. unweit Calais meudlings 
ermordet. Aus der Che mit Eleonore Bohun hin: 
terlieh er einen Sohn, Humfried, der 1399 finder: 
los ftarb, und zwei Töchter, Anna und Eleonore, 
von denen die eritere den Grafen Stafford, die ans 
dere den Grafen Eſſer heiratete. 

Eduard, der Schwarze Prinz (f. d.), ber 
ältefte Cohn Eduards III. jtarb 1376 vor dem Vater 
und hinterließ aus der Ehe mit der Erbin von Kent 
einen Solar der dem Großvater als Richard IL 
(f. d.) im Alter von 11 $. auf dem Throne folgte. 
Sein Vetter, Heinrich IV., der Sohn Johanna von 
Gaunt, raubte ihm jedod 1399 den Thron und 
ließ ihn 1400 im Gefängnis ermorden. Richard 
war zivar verheiratet, ftarb aber kinderlos, ſodaß 
miti des Schwarzen Prin⸗ 
zen erloſch. 

Lionel, Herzog von Clarence, S "n Cduards Il. 
ftarb 1368 in Stalien. Aus der Ehe mit Glijabeth 
de Burgb, der Erbin von Uliter, hinterließ er die 
Erbtochter Philippa, welche fih mit Edmund Mor: 
timer, Örafen von March, geit. 1381, verheiratete. 
pn diefer Che wurden geboren: Noger, den der 

inderlofe Richard IL. zum Thronerben bejtimmt 
hatte, der aber ſchon 1398 in Irland umlanı; Ed— 
mund, der 1402 im Gefängnis ſtarb; Johann, wel: 
cher 1425 als tronprätendent auf dem Echarott 
endete; Glifabeth, die ſich mit Heinrih Percy ver: 
mählte, Nur Roger, der älteite Sohn Mortimers 
und der Erbin von Glarence, pflanzte die NRachlom⸗ 
menfhaft fort. Sein Sohn war Edmund Mor: 
timer, der 1424 im Gefängnis ftarb, Rogers Tod): 
ter, Unna, erbte darum, nachdem ihr Bruder ge: 
ftorben, die Thronrechte des Haufes Elarence und 
trug diejelben durd Bermäblung mit dem Grafen 
Nicard von Cambridge auf das Haus York über. 

Johann von Gaunt So von Richmond, 
der dritte Sohn Gduards UI. ‚ führte in den lebten 
Jahren des Vaters und aud nach der Thronbe: 
teigung Richards II. die Regierung. Durch jeine 

ermäbhlung mit Blanca, der Erbin von Yancajter, 
wurde er Herzog und Stifter oder vielmehr Er: 
neuerer des Hauſes Lancaſter. Infolge einer zwei⸗ 
ten Ehe mit — der Tochter Peters des 
Grauſamen von Caſtilien und Leon, ſuchte er nach 
deſſen Tode feine Rechte auf dieſe beiden König— 
reiche geltend zu machen und nahm wenigitens, als 
dies mißglüdte, den fönigl. Titel an. In dritter 
Che war Johann mit Katharina Noet, der Witwe 
Swynfords, vermählt, deren Kinder 1397 throns 
jäbig erflärt wurden. Gr ftarb 3. Febr. 1399, und 

ald follte ih an das Haus Lancafter, oder die 
Rote Rofe, eine der furchtbariten Epochen der engl. 
Geſchichte hnupfen. Johanns Kinder eriter Ehe 
waren: Heinrich IV. (f. d.), der gegen Richard II, 
die engl. Krone ufurpierte, und Bhilippa, vermäbhlt 
mit dem König Jobann 1. von De achte weshalb 
Bhilipp LI. von Spanien als ihr Nachlomme An- 
jprüche auf den engl. Thron erheben wollte. Aus 
zweiter Ehe hinterließ Johann: Katharine, ver: 
mäblt mit Heinrich IL. von Gaitilien. Aus dritter 
Che entiprangen: Johann von ent Graf von 
Somerfet; der Kardinal von Wincheſter, gejt. 1447; 
Johanna, deren Entel der berühmte Graf Warwid 
war und von der die Grafen A —— abſtam⸗ 
men. Das Haus Lancaſter zerfiel alſo fortan in 
die Linie, welche in der Perſon Heinrichs IV. den 


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— —— 


Plantagineen 


Thron ufurpierte, und in die, welche Johann von 
Veaufort fortführte. _ 

Aus der Ehe Heinrichs IV. mit Marie Bohun, 

der Miterbin von Hereforb, entiprangen: Hein: 
rich V. (j. d.), der Thronfolger; der 1421 bei 
Beauge getötete Herzog von Glarence; ber Herzog 
von Bedford, welcher unter dem minderjährigen 
Heinri VI. in Frankreich und England die Negent: 
fchaft führte und 1435 kinderlos ſtarb; ber Herzog 
von Glouceiter, der ebenfalls linderlos endete, in: 
dem ihn Heinrid VI. auf — 5*— des Kardinals 
von Wincheſter 1446 ermorden ließ. 

Aus Heinrichs V. Ehe mit Katharina von 
Hrantreid entſprang ein Sohn, Heinrich VI., dem 
im Alter von neun Monaten die Kronen von Eng» 
land und Frankreich zufielen,. Nachdem derjelbe aber 
dranfreih an ben rechtmäßigen Erben, Karl VII. 
von Balois, verloren, io ih gegen ihn in Eng: 
land der Seriog Richard von York, Letzterer war 
durch jeine Mutter der Erbe des Haufes Glarence 
und beſaß darum an den engl. Thron ein näheres 
Anrecht als das durch Heinrichs IV. Uſurpation 
zur Krone gelangte Haus Lancaſter. Richard von 

ort fiel zwar 1460 bei Wakefield, allein fein Sohn 
Eduard IV. trat nun für ihn ein und bemädhtigte 
ſich 1461 des Throns. Hiermit hatten bie donafli 
ſchen Kämpfe be3 Haufes York und Yancajter oder 
die Kriege der weiben und roten Roſe (f. d.) ihren 
Anfang genommen. SHeinrid VI. wurde von fei- 
nem Nebenbuhler 1471 im Gefängnis ermordet. 
Aus der Che mit Margarete von Aniou (f. d.) er: 
bielt er den Prinzen Eduard, der jedoch 1471 nad) 
der Schlacht bei Tewlsbury in die Hände Eduards IV, 
fiel und von deſſen Brüdern niedergehauen wurde. 
Der Hauptzweig des Haufes Lancafter, der 60 Jahre 
durd Gewalt den engl. Thron bejefien, war hier: 
mit erloſchen. 

Johann von Beaufort, Grafvon Somerfet, 
ber Sohn Johanns von Gaunt, Herzogs von Lan: 
cafter, aus dritter Che, ftarb 1410 und hinterließ 
aus der Che mit Margarete von Holland, der Tod: 
ter beö Grafen von Kent, zwei Söhne: Johann, 
Herzog von Somerfet, und Edmund. Leßterer 
übernahm unter der Regierung Heinrichs VI., nad) 
Suffolts Tode, die Stelle eines Ninifterd und kam 
1455 in der Schladt bei St.:Albans um. Seine 
unehelichen Nachkommen find die jegigen Herzöge 
von Beaufort (ſ. d.), Dem Herzog Johann von 
Someriet, get. 1444, gebar Margarete von Bletöhoe 
eine Tochter, Margarete Beaufort, die Erbin des 
Haufes Lancaſter. Diefeverbeiratetefihmit Edmund 
Tudor, Grafen von Richmond, und gebar in dieſer 
Ehe Heinrid Tudor von Nihmond, der 1485 das 
Haus York in Richard II. vom Throne ftürzte und 
ſich felbit, mit fibergehung feiner Mutter, die 1509 
ftarb, ala Heinrih VII. die engl. Krone aufiekte. 

Edmund, Herzog von Vorl, der vierte Sohn 
Eduards III. und der Stifter des Haufes York oder 
der Weiben Nofe, ftarb 1402. Cr war vermählt 
mit Iſabella von Caſtilien, welche ihm zwei Söhne, 
Eduard und Richard, gebar; Eduard, Graf von 
Nutland und Herzog von Vorl, fiel 1415 in ber 
Schlacht bei Azincourt ohne Erben; der gi 
Bruder, Richard, Graf von Cambridge, hatte kurz 
vorher als Berfchwörer das Schafott befteigen 
müflen. Durch deſſen Ebe mit Anna, ber Erbin 
von Glarence, hatte feine Nachkommenſchaft An: 
ſprũche auf den engl. Thron erlangt, den die Lan— 

cajtrier he he innebielten. Sein einziger 


69 


a ‚Series Nichard von York, machte darum 
au diefe Anf rüche gegen ben ſchwachen Hein: 
rich VI. geltend und eröffnete 1452 den Krieg. 
D: Nofe, Krieg ber weißen und der roten.) Als 
ichard fait feinen Zwed erreicht hatte, wurbe er 
831. Dez. 1460 in der Schladht bei Walefield erichla: 
gen. Aus feiner Ehe mit Gäcilie Neville, der Tod: 
ter des Grafen Weftmoreland, entiprangen: Eduard, 
der den Kampf gegen das Haus Lancalter De 
und 1461 endlie als Eduard IV. (f. d.) den Thron 
eroberte; Eliſabeth, die fih mit dem Seriog von 
Suffolt vermählte; Edmund, Graf von Rutland, 
ber 1460 bei Watefield fiel und keine Erben hinter: 
ließ; Margarete, bie fih mit Karl dem Kühnen von 
Burgund verheiratete; Georg, Herzog von Glas 
rence; Richard, Herzog von Gloucefter. Nachdem 
Eduard zur Krone gelangt, vermählte er ſich drei 
Yabre fpäter mit Elifabeth von Woobville. Diele 
Che mihfiel dem Herzog von Glarence, der gehofit 
hatte, feinem Bruder auf dem Throne zu folgen. 
Der König, außerdem von Rihard, dem jüngiten 
und verjchlagenften ber Brüder, aufgeregt, be 
fhloß darum, den * von Clarence aus dem 
ege zu räumen, und ie ihn im Yan. 1478 vom 
Pairshof als Hochverräter zum Tode verurteilen und, 
wie man Er in einem aß Malvaſier ertränten, 
Eduard IV. hinterließ 1483 zwei Knaben: 
Eduard V. und den Herzog von York; außerdem 
mehrere Töchter, darunter die Brinzeifin Elifabeth. 
Der Herzog von Gloucefter ließ jedoch die beiden 
Neffen im Tower heimlich ermorden und eignete 
ich jelbft ala Richard III. (f. d.) die Krone zu. Aus 
er Ehe mit der Tochter des Grafen Warwid hatte 
Richard einen Sohn, Eduard, der aber jhon 1484 
itarb. Den Unwillen des Volls über die blutige 
Uiurpation benugte Heinrih von Rihmond, der 
Sohn der Erbin von Lancafter. Derjelbe landete 
7. Aug. 1485 mit_einem Korps verbannter Eng: 
länder an ber Hüfte von Wales und beitieg nad 
dem Treffen bei Bosworth, in welchem Richard III, 
umlam, als Heinri VII. (f. d.) und erjter König 
aus dem Haufe Tubor den vom Blute der P. be: 
fledten Thron. Weil fi das Recht der Lancaiter 
jelbjt nur auf die Ufurpation Heinrichs IV. grün: 
dete, außerbem bie noch lebende Mutter dem Sohne 
vorging, ſuchte Heinrich feiner —— eine 
rechtliche Grundlage zu geben, indem er Cliſabeth, 
die Tochter Cduards IV., heiratete. Mit biejer 
Bereinigung der beiden Nofen waren bie Kämpfe, 
melde England länger ald 25 Jahre verwüſtet 
— Beh hioffen. Eduard, Graf von Warwid, 
ohn des Herzogs von Glarence, brachte als der 
legte männliche Sprößling der P. fein Leben im Ge: 
fängnis zu und ward 28. Nov, 1499 enthauptet, 
ante inden (Plantagindae), Pflanzenfa- 
milie aus der Gruppe ber Dilotyledonen. Man 
fennt gegen 150 Arten, bie über bie ganze Erde ver: 
breitet find; fowohl in den arktiichen Gegenden und 
auf hohen Gebirgen ald auch in den Tropen finden 
fich zablreihe Arten. Es find einjährige oder pe: 
tennierende, frautartige Gewächſe mit meift rofetten: 
artig geftellten Wurzelblättern und Heinen unfchein: 
baren zu Ahren oder Köpfchen vereinigten Blüten 
von regelmäßigem Bau. Sie find meiſt zwitterig 
und beitehen aus einem »ierteiligen Kelch, einer 
vierlappigen Blumentrone, vier Staubgefäben und 
einem oberſtändigen Fruchtknoten mit fadenför: 
migem Griffel. Die Frucht iſt eine kleine zwei: 
fädherige und zwei: oder mehrfamige Kapſel. Tie 


70 


Familie der P. umfaßt nur drei Gattungen, von 
zweien derſelben fennt man nur je eine Art. 

Plantägo L., Wegebreit, Wegerid, 
ag zum wen aus der nach ihr benannten Familie 
der Blantagineen. Nach der Anordnung der Blät— 
ter und Blüten zerfallen die Arten diefer Gattung 
in zwei fehr natürliche Gruppen: 1) eigentlide 
Megerihe, mit perennierendem Wurzelitode, 
geundftändigen, rofettenförmig angeordneten , ge: 
jtielten, breiten, mehrnervigen Blättern und blatt: 
le einfachen, eine längliche oder walzenförmige 
Ahre tragendem Stengel; 2) Flohſamenkräu— 
ter, mit einjährigem, äftigem Stengel, gegenitän: 
digen, fihenden, ſchmalen, einnervigen Blättern und 
adfelftänbigen, langgeltielten Blütentöpfchen. Aus 
der eriten Gruppe fommen in Deutihland brei 
Arten gleich häufig vor: der große Wegebreit 
(P, major L), mit großen eiförmig-elliptiſchen 
Blättern und langer mwalziger, grünlicher Übre, 
welcher al3 Unkraut auf bebautem Boden, Schutt, 
an Wegen und Mauern wählt; der mittlere 
MWegebreit (P. media L.), mit eilanzettförmigen, 
weihhaarigen Blättern und länglich⸗walzigen, zur 
Blütezeit wegen der weit bervorfte enden, violetten 
Staubfäden und weißlihen Staubbeutel jehr hübſch 
ausfehenden Ühren, und der fhmalblätterige 
Wegebreit (P. lanceolata L.), mit langettförmi: 
aen Blättern und kurzen, länglichen, ſchwärzlichen 
Ühren, Die beiden legten Arten finden fich überall 
auf Wiefen und Grasplähen und find gute Futter: 
fräuter. Aus der zweiten Gruppe find namentlich) 
der auf Sandboden hin und wieder wachſende P. 
arenaria Kit., eine niedrige, drüfig behaarte Pflanze, 
fowie die in Südeuropa vorlommenden P. cynops 
L. und P. psyllium Z., deren kahnförmige, jehr 
[&leimpaltige Samen (Flobjamen, Semen Psyl- 
ii oder Pulicariae) als fchleimiges Mittel, fowie 
zum Stärken von Spitzen, Seidenzeugen u. |. w. 
gebraucht werden, ji erwähnen. 

Plänterbetrieb und Plänterfchlagbetrieb, 
ſJ. ee und Femelihlagbetrieb, 

antigräda (lat.), Soblengänger, Gruppe 

der Raubtiere, welche mit der ganzen gr auf: 
treten; diefelbe umfaßt nur die Familie Ursida, 


(5. Bär.) 
— — 
geb. 1514 zu Montlouis oberhalb Tours, geſt. 
1. Juli 1589 zu Antwerpen , errichtete dafelbjt um 
1555 eine Druderei, die bald die größte und aus: 
gezeichnetjte ihrer Zeit war. P. war bei jeiner gro: 
ben Yetternauswahl im Stande, in allen damals 
in Europa befannten Sprachen zu druden. Die 
Drude P.s find unter die vorzüglichiten typographi: 
fchen Meijterwerte zu rechnen und empfehlen ſich 
duch elegante rung und te Unter 
der großen Majie feiner trefflichen Preßer sugmifie 
iſt das ausgezeichnetite die unter ber kei ichen 
Aufſicht des Hoflaplans Philipps II. von Spanien, 
Arias Montano, beforgte «Biblia polyglotta» 
(8 Bde., 1569— 72). Er wendete ſich jpäter mit 
einem Teile feiner Druderei nad) Leiden und über: 
ließ die Zeitung der in Antwerpen Buratgeheflenen 
Preſſen feinem Schwiegerfohne, Franz Raphelengb, 
den er jedoch, als er jpäter wieder nad) Antwerpen 
urüdlebrte, nach Leiden fendete. Cr hinterließ 
ie drei Töchtern drei Drudereien: zu Antwer: 
Den Leiden und Paris. Die erite befam der Gatte 
einer zweiten Tochter, Fohann Mourentorff (Yo: 
hannes Moretus), der Freund von Juftus Lipfius, 


Plantage — 


Plaſencia 
———— —— die dritte mit der dritten 
Tochter Gilles (Aegidius) . Das Zeichen der 


Plantiniſchen Drude iſt eine Hand, die einen aus: 
gefpannten Zirkel hält, mit ber Jnichrift: Labore 
et constantia. P.s Druderei zu Antwerpen ift in 
der —— ſeines Schwiegerſohnes Moretus bis 
| ie Gegenwart gelangt. Seine Nachfolger 
haben in bem Haufe ein Mufeum angelegt, in wel: 
chem alle in ver Offizin gedrudten Werte, die Briefe 
und men der Autoren u. |. w. aufbewahrt 
werden. Die Stadt Antwerpen hat Haus und Mu: 
feum (Mus&e Plantin-Moretus) 1875 fäuf: 
lich erworben. Bgl. Degeorge, «La maison P.» 
(2. Aufl., Brüff. 1878); Noojes, «Christophe P,» 
(Antwerp. u. Brüff. 1881). 

Plaundes (Marimus), — Mönd zu Kon: 
——— der 1327 von Kaijer Andronitos 

m Ültern al3 Gefandter nad Benebig gefhidt 
wurde und 1353 noch lebte, hat ſich durch griech 
tiberfegungen lat. S riftiteller, durd eine Samm⸗ 
lung in Profa abgefaßter Afopiiher gi und 
beſonders durch feine Sammlung der Gedi 
griech. Anthologie (f. d.) um die alte Literatur 
ein nicht geringes Verbienft erworben. Eine 
beigelegte märgendafe Biographie des Aſop, die 
oft abgedrudt ift (Wened. 1505 u. öfter), rührt nicht 
von ihm ber. Zwei auf grieh. Grammatik und 
Syntar bezüglihe Schriften hat Bachmann in den 
« Anecdota Graeca » (Bd. 2, 1828) mitgeteilt, 
Scholien zu Hermogenes’ «Nhetoril» und einen klei⸗ 
nen rhetoriihen Aufjag Walz im 5. Band ber 
« Rhetores Graeci», eine rhetoriiche Dellamation : 
« Bergleihung von Winter —— », Boiſſo⸗ 
nade im 2. Band feiner « Anecdota», ſowie Treu 
(Ohlau 1878), das «Nechenbucd» Gerhardt (Halle 
1865). Bon feinen gried. fiberfeßungen find die 
den Namen Catos (f. d.) tragenden « » 
wieberholt, die der « Metamorphoſen » des in 
Proſa von Boiffonade (Bar. 1822), die der 20. und 
eines Teil3 der 21. Heroide Ovids von Dilthe 
(«De Callimachi Cydippa etc.», Zen 1863), die 
der Gedichte des Boethius von Weber (Darmſt. 
1833), die der «Commentarii» Cäfars über den 
Gallifhen Krieg von Baumftart (Barmit. 1832), 
die des «Somnium Scipionis» von Cicero, von Hei 
(Halle 1833) und die eines Bruchftüds der Schrift 
«Ad Herennium» von Matthäi (Most. 1810) vers 
öffentlicht worden, 

Planum (lat.), ebene Flãche. : 

‚ Blanzeichnen nennt man die Kunft, bie räums 
lihen Verhältniffe, namentlich der Erdoberfläde, 
dem Kr in überfchaulichen Umriſſen darzuftellen, 
(Bol. Plehwe, «Leitfaden für den Deoretifihen Un: 
terricht im Planzeichnen», 7. Aufl., Berl. 1874.) 
S. Situationszeihnen. i i 

Plaquieren ip.) ‚Soviel wie plattieren; 
Plaque, plattierte beit, 

Plafencia, Ciudad von (1877) 709 E. und 
Hauptitadt eines Bezirls der fpan. Provinz CA: 
ceres, Liegt am Eingang de3 großartigen \jerte: 
thals, lints am Jerte, terrafienförmig auffteigend 
und von doppelten Mauern umringt, aus benen 
fieben Thore führen, und ift Station (11 km vom 
Orte) der Bahn Madrid: San:Bicente (Tajobahn). 
Die Stadt ift Biſchofsſitz, hat fieben Pfarrlirchen 
und einen Aquädukt neuern Urſprungs von 80 Bo: 
gen. Ihre Umgebung ift fehr wohl angebaut. P. 
wurde 1190 gegründet und war im 18, Jahrh. eine 
Graſſchaft der Zuniga, 


Plasti — Plaftiihe Chirurgie 


Plaski, Dorf im Diſtrilt Ogulin:Szluin ber 
eiemafigen troat Wilitiegeeni tm hochroman⸗ 
tiſchen 


nthale des Dreſulliabachs, mit 1400 


ſerboltoat. E., iſt Sit des griech.orient. Biſchofs 
von Karlſtadt, mit Konſiſtorium, Kathedrallirche 
und weitläufiger —* 
Plasma, Name für lauchgrũne und berggrüne 
Chalcedone, welche im Altertum häufig zu Gem: 
men verarbeitet wurden und auch jetzt noch, aus 
Ditindien klommend, in den Achatwerlen von Ober: 
ftein und dar verjchliffen werden. , 
Pladma (grch. «das Gebilde, Bildwerl»), in 
der Bhyfiologie die Blutjlüffigkeit, der Blutliquor, 
ſ. Blut; auch foviel wie Brotoplasma (j. d.). 
ra Wor., Pilsgattung aus 
der Gruppe der Myromyceten. Es iſt bisjept nur 
eine Art befannt, die P. Brassicae Wor., weldye 
eine mweitverbreitete Krankheit der Kohlarten, die 
jog. Kohlhernie oder Kohltropf, hervorruft. 
Sie verurjaht bei den genannten Pflanzen bedeu: 
tende Anfchwellungen an den Wurzeln, die oft den 
Umfang einer groben Kartoffel erreiden. e⸗ 
ſonders erweiterten Bellen dieſer Geſchwülſte finden 
ſich die —— modien, die ſpäter in eine 
große Anzahl kugeliger Sporen — Dieſe 
Sporenmajjen werden frei durch Verfaulen ber an: 
geihwollenen Partien und feimen jehr bald, indem 
ſie einen mit einer Cilie verfehenen Schwärmer aus; 
treten laſſen. Die Schwärmer ftellen nach kurzer Zeit 
ihre lebhaften Bewegungen ein und nehmen eine amö⸗ 
boidartig friechende Bewegung an. In diejem Zus 
ftande dringen fie in die Haare der jungen Braſſica⸗ 
mwurzeln ein und bilden dort im Verein mit andern 
ein Plasmodium, das jpäter faft die ganze Zelle 
einnimmt. Der Pilz fann ſehr og F Kohl⸗ 
pflanzungen werden, weil durch die Bildung der 
umfangreichen Anſchwellungen den oberirdiſchen 
Organen eine gewiſſe Menge von — — ent⸗ 
jogen werden, und ſchließlich, hauptſächlich beim 
ängern Andauern von feuchter Witterung, die gan: 
zen Wurzelpartien verfaulen. Gin Mittel gegen 
diefe verderblide Krankheit gibt es zur Zeit nicht, 
nur eine Vorfichtämaßregel tt dabei geboten, um 
die Weiterverbreitung zu —— und dieſe beſteht 
darin, daß man die befallenen Wurzeln ſorgfälti 
aus dem Boden entfernt und fie womöglich du 
Feuer vernichtet, oder daß man an Stelle der Kohl: 
pflanzen auf dem infizierten Boden einige Jahre 
bindurd) etwas anderes, etwa Kartoffeln, kultiviert, 
wo dann der Pilz nicht weiter vegetieren fann. 
Pladmodium nennt man in der Botanik die 
nadten, nit von Membran umgebenen vegetativen 
Brotoplasmamafien der Myrompceten (f. d.). 
Pladnogonie, nad) Hädel die elternloje Ent: 
ſtehung organiiher Wejen aus_organiihem, aber 
umgeformtem Bildungsitoffe. (S.u. Urzeugung.) 
Dia enburg, j. unter Aulmbad. 
Plaſſey over Balajchi, Stadt in Dftindien im 
Tiltrift Nuddea der Prejidency :Divifion der Prä: 
ſidentſchaft Bengalen auf dem linten Ufer des Hugli. 
Bei derjelben fand am 23. Juni 1757 die dentwür: 
dige Schlacht zwijchen dem jpätern Lord Clive und 
Suradiha Dowlah, damaligem Subadar von Ben: 
galen, jtatt, welche mit der völligen Niederlage des 
legtern endigte, infolge hiervon ging nicht nur die 
Subadarjdyaft von Bengalen von Suradida 
Dowlah auf Mir after über, ſondern * 
Schlacht legte auch den erſten Grund zu dem mäch— 
tigen Reiche der Briten in DOjtindien, 


71 


He (fr3.), Formbarkeit, Bildſamleit. 
laſtik (vom griech. nAdocztv, bilden) wird 
gewöhnlich völlig gleichbedeutend mit Skulptur 
oder Bildhauerkunft im allgemeinen gebraudit , bes 
zeichnet aber eigentlih das Formen von Kunſt⸗ 
werfen und Geräten aus weichem Stoff, wie Thon, 
Wade, Gips u. ſ. w. Nad der Sage hat zuerſt 
der forinth. Töpfer Dibutades neben jeinen Thon: 
waren Figürliches (zunächſt Reliefs) 5* und 
gebrannt. Das Geſichtsbild eines Menſchen in 
Gips abzudrücken, iſt nach des Plinius Zeugnis 
zuerſt dem Lyſiſtratus, Bruder des Lyſipp, einge: 
allen. Dann hat der Künſtler einen Ausguß von 
achs aus dieſer Geſichtsform genommen und ihn 
retouchiert. Als ornamentale Deloration legt ſich 
die P. über die Kernform der Architeltur, ſowohl 
innerhalb als außerhalb der Gebäude. Schon die 
Villa des Hadrian zu Tivoli, die Bäder des Titus, 
die —— Häufer in u ne und Rom 
zeigten Stuccaturarbeiten auf. Der Nenaiflanceftil 
nahm die in ausgedehnter Weife wieder auf, und 
Luca della Robbia, mit feinem Neffen Andrea und 
andern Verwandten, bildete durch das ganze 15. 
und bis in das 16. Jahrh. hinein eine vielwirkende 
Schule, gen bie Arditelturen (befonder3 die tos⸗ 
canische) plaſtiſch durch Werle in gebranntem und 
glafiertem Thon jhmüdten, die von ganz bejon: 
derer Schönheit waren und beren Art nad) ihnen 
benannt wurde. Bei den Arabeslen und den Oro: 
testen verbindet ſich zierliches plaftiiches Ornament 
mit dem gemalten. Bei der Busen ausgebreites 
ten Anwendung ber architeltoniſchen Ornamentif, 
die ein Material erfordert, welches die Bervielfäl: 
tigung eines und desjelben Modells che Guß, 
Knetung u. f. w.) zuläßt, lommen zur Anwendung: 
Stud (cine Miſchung von Kalt und Gips), Terra: 
cotta, Steinpappe, Zinf und Portland:Gement. 
In der eigentlihen Bildhauerkunft ift das Arbeiten 
in Thon zur Vorarbeit für die Marmor: oder Guß⸗ 
arbeit geworden. Die P. fteht im Syitem ber 
Künfte zwifchen der Baulunſt und der Malerei. 
E Kunft.) Sie bildet Lörperlic mit ſchwerem, 
artem Material wie jene, aber wie dieje hat fie 
die Nahbildung des organischen Lebens zum Ges 
enftand, Die P. gebt aljo auf die Schönheit der 
Jormen aus, Ihre Wirkung befteht in Licht und 
hatten; diefe jtärker oder ſchwächer in Hontrait 
“ * gibt es drei verſchiedene Arten des Reliefs: 
a3 Basrelief oder das Flachrelief, dad Mezzo— 
relief (etwa ein Halbrund) und das Alto: oder 
Hochrelief. Faſt zu allen Zeiten aber hat ſich die 
V. nicht mit Licht und Schatten begnügt, jondern 
die Farbe hinzugefügt, fo ihon bei den Ugyptern 
und Griechen. Oft tft das beſcheiden gethan, nur 
Färbung einzelner Teile, der Augen, Lippen, Haare 
und verſchiedenen Beiwerls, oft aber auch mit voll: 
ftändiger natürlicher Bemalung. (©. dr Iydros 
mie.) fiber die Geſchichte der P. j. Bildnerei. 
(Vgl. auch die Tafeln: BildnereiI—VIlL) 
Blafti ch nennt man das, was ſich auf die 
Schönheit und Wirkung ber Linien und Formen 
bezieht, nicht auf den Reiz der Farbe. Die Plaſtit 
it daher um fo — auf die Schönheit des Sör: 
pers hingedrängt, al3 fie nur in bejchränftem Mabe 
die Tiefe des Seelenausdruds, welde der Malerei 
möglich, geben kann, A 
laftiiche Chirurgie, Anaplaftit ober 
Autoplaftif nennt man diejenigen Gengt en 
Dperationen, welche fih mit dem Wicdererjaß 


12 


verloren gegangener Teile, mit dem Verſchluß erwor⸗ 
bener oder angeborener Lüden und Spalten, mit 
der Bejeitigung und Verhütung der durch Narben: 
verziehung bedingten Berunftaltungen beichäftigen. 
das Gebiet der plaſtiſchen Chirurgie fällt z. B. 
die Herftellung defekter Nafen (Rhinoplaftik) und 
Lippen (Chiloplaftik), der Verſchluß der Lippen: 
(Hafenfcharte) und Gaumenfpalte (Wolfsrachen), 
die Befeitigung der Berziehungen und Umftülpungen 
der Augenlider. Ihre Aufgabe löjt die plaſtiſche 
Ehirurgie meiſt durch Verſehen und Aneinander: 
fügen von Hautlappen und Hautftüdchen. Letztere 
werben in ber Negel aus der Umgebung ber ber: 
uftellenden Zeile oder wenigitens vom Patienten 
Gelbft entnommen. In gemwillen Fällen hat man 
jedoch auch Teile eines andern Individuums, ja 
jelbft eines Tiers (Kaninchenbindehaut) zur Plaftit 
verwandt, Am frübeiten jcheint die prajtiihe Chi: 
rurgie von den alten Indern geübt zu fein. Sm 
Mittelalter war fie bereits in Statien und Sicilien 
im Gebraud. Ihre allgemeinere und ausgebrei— 
tetere Anwendung datiert jedoch erit ſeit dem dritten 
und vierten Sabrzehnt des 19. Jahrh. 
Blaitographie (grch.), Schriftfälſchung. 
Plastron (frj.), Bruſtharniſch; Bruſtleder des 
Fechtmeiſters, welches derjelbe beim Unterricht im 
Stoßfechten zum Schuß umbinbet; im übertragenen 
Sinne: Stihblatt, Zielicheibe des Spottes. 
Bıäswis, Dorf in Schlefien, im Kreife Striegau 
des preuß. Regierungsbezirks Breslau, 15km nord: 
öftlih der Stadt Striegau, mit Schloß, Bart und 
560 E. Hier wurde 4, Juni 1813 zwifchen den 
Franzoſen einerfeits und den Preußen andererfeits 
ein Waffenftillitand abgeſchloſſen, welder an 
demfelben Tage in Boiihwis (f. d.) unterzeichnet 
ward. Daher it Wajlenftillitand von V. gleich: 
bedeutend mit Waffenitillftand von Poiſchwitz. 
lata (Stromiyitem), ſ. La: Plata. 
latää, grieh. Stadt im ſüdl. Böotien aufeinem 
an die nördl. VBorberge des Kithäron ſich anſchließen⸗ 
den, im N. nach der Ebene des Fluſſes Ajopos ziem: 
lic) Schroff abfallenden Plateau gelegen. Urjprüng: 
lid) Mitglied des Böotiichen Bundes, fagte fie ſich 
wegen der Hecrſchſucht Thebens von demielben los 
und ſchloß fih, nachdem der jpartan. König Kleo— 
menes I. ihr Geſuch, fih unter ven Schuß Spartas 
jtellen zu dürfen, abgelehnt hatte, den Athenern an 
(510 v. Ehr.), denen fie ihre Bundestreue ſchon 
durch ihre Teilnahme an der Schlacht bei Marathon 
(490) bewährte. In ihrem Gebiet gewannen die 
Griechen unter Führung des Paujanias Ende Sept. 
479 v. Chr. den entichervenden Sieg über das von 
Marbonios geführte Heer der Perſer. Aus der 
reichen Beute wurde der gr re Areia ein Tempel 
errichtet, der neben dem ältern Tempel der Hera 
(Heräon) eine Hauptzierde der Stadt bildete, Das 
Andenten des Siegs ward durd) das alle vier Jahre 
mit Wettipielen gefeierte Seit der Gleutheria (Be: 
freiungsfeſt) bis tief in die röm. Kaiſerzeit hinein 
lebendig erhalten. In den eriten Jahren des Pelo— 
ponneſi ar Kriegs, 427 v, Chr., wurde die Stadt 
nach tapferer Gegenwehr von den Beloponnefiern 
und Thebanern erobert und durch gänzliche Zeritö: 
rung (mit Ausnahme der Heiligtümer) für ihre 
Treue gegen Athen bejtraft. Erſt nad) dem fog. 
Antalliviihen Frieden (387 v. Chr.) wurde P. durch 
die Spartaner wiederbergeftellt; 372 zerftörten fie 
die Thebaner aufö neue. P. blieb in Trümmern lie: 
gen bis auf die Zeit Aleranders d. GOr., der die 


Plaftographie — Plateau der Idole 


Nahlommen ber alten Bewohner, benen ſchon Phi⸗ 
lipp nad der Schlacht bei Chäroneia (338) ihre 
Heimat zurüdgegeben hatte, beim Wiederaufbau 
F — un — —* —— ſie bis in 
e byzant, Zeiten fort; noch jegt findet man gro 
Überrefte ihrer Mauern bei dem Dorfe Kotla. 
“ —— Ort im —— 83 Sa⸗ 
nichi), nahe der neuen griech. Grenze in Theſſalien, 
5 km al der Mündung ber Elan. mit 
einem gegen Südjtürme gededten Antergrund. 
Platane (Platänus L.), Pilanzengattung, welche 
hohe Bäume von eihenartigem Wuchfe mit bün: 
ner, glatter, —— in großen dünnen Plat— 
ten und Schuppen ſich abfchülfender Ninde, hand: 
örmig gelappten, ahornähnlihen Blättern und 
ugeligen, an hängenden Stielen reihenweije fißen: 
den Blütenfäyhen umfaßt und eine eigene, Kleine, 
zur Ordnung der Urticinen gehörige Familie (Pla: 
taneen) bildet. Die männlichen Kähchen be— 
ftehen aus feilförmigen, fleiihigen, um eine fuge: 
lige Spindel gejtellten Schuppen und dazwiſchen— 
ftehenden Staubgefäßen, die mweiblihen aus ähn— 
lien Schuppen und Fruchtknoten mit fadenför: 
migem, hatig gefrümmtem Griffel. Die Frucht 
ijt ein einfamiges Nüßchen. Bon den fünf betann: 
ten Arten der Gattung B. gehören vier Nordame: 
rifa an, Die in Griechenland und im Drient hei: 
mijche orientalijhe Blatane (P. orientalis L.) 
war ihrer Schönheit wegen ſchon bei den Griechen 
und Römern jehr beliebt. Auch jept noch wird die: 
jer Baum im ganzen fübl. Europa an Wegen und 
in Bärten häufig angepflanzt. In Mittel: und 
Norddeutichland leidet er von Winterfälte, es wird 
dajelbjt an feiner Stelle in Gärten und Alleen bie 
fehr ähnlihe nordamerikaniſche zu 
“ occidentalis L.) angepflanzt, welche uniern 
inter gut erträgt und bis 25 m hoch wird. Die 
P. find —— Holzarten, erreihen hohes 
Alter und riefige Dimenſionen. Im Thale von 
Bujufdereh bei Konjtantinopel fteht die größte P. 
Guropas (P. orientalis) von 30 m Höhe, deren von 
einer Höhlung durdbrodener Stamm 50 m Um— 
fang bejigt; I Alter ſchäzt man auf4000%. Das 
Hol; der P. it fehr hart, ſpaltet ſchlecht und befist 
geringe Dauer, 
latancen (Platandae), f. unter Platane. 
lataui, fiſchreicher Ilu auf Sicilien in den 
Provinzen Caltaniſſetta und Girgenti, mündet nörd: 
(id vom Capo Bianco; er iſt der alte Halylos, 
durch Dionyfios I. (883 v. Chr.) und Timoleon 
(339) Grenze zwifchen griech. und larthag. Gebiet. 
lateau oder Hochebene, ſ. unter Ebene. 
lateau (Jof. Ant. Ferd.), belg. Phyſiler, geb. 
zu Brüfjel 14. Ott. 1801, ftudierte in Yüttich und 
erhielt bei der Errichtung der Univerfität Gent 1835 
den Lehrituhl der Erperimentalphyfit und Ajtro: 
nomie, den er bis zu jeiner Quieszierung 1871 be: 
Heidete. _ Seine zahlreihen Arbeiten, die ſich zu: 
meiſt auf Optik beziehen und die in verjchiedenen 
ins und ausländiichen Beitihriften jeritreut find, 
zn ihm in der Willen haft einen hervorragenden 
amen erworben. Das Anorthojtop (f. d.) iſt feine 
Erfindung. Er jtarb 15. Sept. 1883 
Sein Sohn, Felir Auguſt Joſeph P., geb. 
zu Gent 1841, feit 1875 Profeſſor daſelbſt, bat ſich 
durch feine zoolog., namentlich entomolog, Arbeiten 
— ethan und iſt ſeit dem J. 1871 Mitglied der 
elgiſchen Alademie. 
Iatenn der Idole, ſ. unter Ghadames. 


in Gent. 


Platen — Blatin 


laten, ein altes Abelsgeſchiecht, das jeit 1252 
auf Rügen vortommt, fi aber Schon frühzeitig in 
mebrere Zweige fpaltete, Dem Haufe Gransfemwis 
gebörte an Franz Ernſt von P. peb. 1631, geit. 
1709, der zulegt kurbraunſchw. Geheimrat und Pre: 
mierminilter war und 20. Juli 1689 in den erblichen 
Neihegrafenitand erhoben ward. Zugleich wurde 
derjelbe von Kurbraunſchweig mit dem General: 
Erbpoftmeijteramtefürdenjedesmaligen Geſchlechts⸗ 
älteiten nad dem Nechte der Gritgeburt belehnt. 
Lepterer Titel verblieb dem gräfl. Haufe aud, nad): 
dem Graf Georg Ludwig von P., der Entel Franz 
Ernits, 1736 die Einfünfte und Adminijtration der 
Poſtämter an das Kurhaus verkauft hatte. In— 
zwiſchen war aud 1704 die Grafichaft Hallermund 
(Hallermünde) an die Grafen von P. gekommen, 
jedoch ohne die Einkünfte derielben. Seit dieſer 
Zeit nannten ſich diefelben Grafen B. zu Haller: 
mund. Im J. 1819 erhielten fie einen erblichen 
Eik in der Erften hannov. Kammer, und feit 1829 
führt dad Haupt des gräfl. Haufes das Präditat 
Grlaudt. An der Spipe des Haufes fteht gegen: 
wärtig Graf Karl von B.:Hallermund, geb, 
3. Sept. 1810, General: Grbpoftmeiiter und Herr 
auf Weißenhaus in Holjtein. Gin Bruder desfelben, 
Graf AdolfvonP.:Hallermund, geb. 10. Dez. 
1814, betrat die diplomatiſche Laufbahn, war bis 
1852 hannov. Gejandter in Wien, dann zu Paris, 
bis er Juli 1855 das Minijterium des Auswärtigen 
übernahm, das er bis zur Einverleibung Hannovers 
in Preußen betleidete. Nach der Ginverleibung 
Hannovers in Preußen hielt er ſich anfangs zu 
Hieging bei Wien in der Umgebung des Ertönigs 
Georg V. auf, 309 fi aber Toüter nad) Solften 
zurüd. Gin anderer Bruder des Grafen SHarl, 
Graf Julius von B.:Hallermund, geb. 26. 
Dez. 1816, Oberftlieutenant a. D., war früher in 
Hannoverkönigl. Oberjchent jowie Öeneralintendant 
des Hoftheaterd und Hoforcheſters. Seit 1. März 
1867 wirtt er als ntendant des Hoftheaters und 
der fönigl. Kapelle zu Dresden. — Ihres Groß: 
vaters Bruder, Graf Auguſt Bhilippvon P.— 
Hallermund, geb. 22. Juni 1748, geit. 1831 als 
bayr. Oberhofmeilter, war der Vater des Dichters, 
Grafen Auguit von Maten:Hallermund (1. d.). 
Blaten: Hallermund (gewöhnlih Platen: 
Hallermünde, Aug., Graf von), nambafter deut: 
her Dichter, geb. 24. Oft. 1796 zu Ansbach, be: 
uchte das Kadettenhaus und fpäter das Payen: 
injtitut in Munchen und nahm dann al3 Unterlieu: 
tenant im Regiment König an dem zweiten Feld— 
zug gegen Frankreich teil. Er ftudierte feit 1818 
in Würzburg und hierauf in — wo ihn vor: 
zugsweiſe ſprachliche und philoj. Studien anzogen. 
Die Beſchäftigung mit der perſ. Sprache und Lıtte: 
ratur begeijterte ihn zu feinen «Shajelen» (Erlangen 
1821). Frühere und gleichzeitige Gedichte ſam— 
melte er in ben 3 Blättern» (Lpj. 1821) 
und in den «Vermiſchten Schriften» (Erlangen 1822). 
Hierauf verfaßte er dad Drama «Der gläjerne Pan: 
tofjel», eine Dichtform, die er in der «Verhängnis: 
vollen Gabel» (1826) und dem «Romantijchen Odi⸗ 
pud» (1829) mit Metiterichaft in Sprade und Vers: 
bau zu fatiriichen Zweden benutzte. Dazwiſchen 
erihienen feine «Schauipiele» (Stuttg. u. Züb. 
1828) und die auf feiner erften ital. Reife gedich— 
teten «Sonette aus Venedig» (Grlangen 1825). 
Von Stalien aus, wohin er 1826 gereijt war, be: 
forgte er eine vollitändige Sammlung feiner Ge: 


73 


dichte (4. Aufl., Stutta. 1848; neue Ausg. 1852). 
Dort entitanden auch das Drama «Die Liga von 
Cambrai» (Franlf. 1833), fowie das hifter, Mert 
«Geichichten des Königreichs Neapel von 1414—43» 
Srantf. 1833). Sein lehtes Wert war eine größere 
Dichtung in neun Gelängen: «Die Abajjiden » 
(Stuttg. 1835). Eine Anzahl von Gedichten, welche 
in Deutichland cenjurwidrig befunden wurden, er: 
ſchienen in Straßburg (2. Aufl. 1841), Gr lehrte 
jeit 1826 nur zweimal auf furze Zeit nach Deutich: 
land aus Italien zurüd; die Zurdt vor der Cholera 
trieb ihn im Sept. 1835 nad) Sicilien. In Syra: 
lus aber ergriff ihn ein beftiges Fieber, weldyem 
er 5. Dez. 1835 erlag. Nach feinem Tode ericdhie: 
nen jeine «Geſammelten Werte» (Stuttg. 1838; 
neue Aufl,, 2 Bde., 1876), denen fi) der «Poetiſche 
und litterariiche Nachlaß⸗ (herausg. von Minckwiß, 
2 Bde., Stuttg. 1852) anſchloß. Neu herausgege: 
ben wurden feine «Werte» von Redlich (3 Bde., 
Berl. [1880—83)). P. bat das Verdienit, in einer 
Zeit, wo die Kunſt der dichteriihen Form ganz zu 
zerfallen drohte, auf diefelbe durh Wort und That 
ingewieſen und felbjt in diefer Beziehung Bollen: 
detes geleiftet zu haben, namentlich in den aus jet: 
nen legten Lebensjahren ftammenden Dden und 
Hymnen. Seine beiden fatirishen Dramen: «Tie 
verhängnisvolle Gabel» und «Der romantiiche Edi: 
pus», kämpfen nicht ſowohl gegen Diüllner und Im— 
mermann — gegen die von dieſen Dich— 
tern vertretenen Nichtungen ber ſog. Edidials: 
tragödie und der falihen Romantit an, Geine 
«Bolenlieder» gehören zu den Anfängen der polit, 
Poelie in Deutihland, Dal. Mindivig, «Graf P. 
ala Menſch und Dichter» (Lpz. 1838) ; «Briefmwedhiel 
zwiſchen P. und Dlindwih» (Lpz. 1836); «P.s Tage: 
budy» (herausg. von Bfeufer, Stuttg. 1860). Im 
J 1859 ward ihm zu Ansbach ein Denkmal (von 
albig) geſeßt, ein anderes 24. Olt. 1869 über 
feiner Grabjtätte im Garten der Billa Landolina 
bei Syrafus. , 
Piatereöf (vom fpan. platero, ber Goldſchmied) 
wird der fpätgot. Stil des 16. Jahrh. in Spanien 
enannt, welder mit zaylreihen mauriihen und 
Stenaifiance-Glementen vermiſcht iſt und bejien ar: 
chiteltoniiche Verzierungen an Goldſchmiede-Ara— 
beöfen erinnern. s 
Platin, Platina (dem. Zeichen oder Symbol 
Pt; Ntomgewidht = 194,5), ein Metall, das von 
dem fpan. Nathematiter Anton d'Ulloa in dem > 
führenden Sande des Fluffes Pinto in Choco (Nen: 
ranada) in Südamerifa entbedt und anfänglic) 
ür Silber gehalten wurde, bid 1752 der ſchwed. 
Münzdirettor Scheffer_ das P. als eigentümlid;es 
Metall erfannte, Es findet ſich nur gediegen und 
zwar in dem Blatinerze in Columbia, Peru, Bra: 
jilien, in Californien und Oregon, in Aujtralien 
und auf Borneo, beſonders aber in Rußland am 
Ural, in der Nähe der Orte Bogoslowst, Miast, 
Newſansk und cl ir cn Dieje Fundorte 
wurden 1824 entdedt und liefern jet jährlich im 
Durchſchnitt 3200 bis 3300 kg rohes P. Faſt 
alles rohe Metall wird nad London, Paris und 
Hanau, wo ſich große Fabriten mit feiner Ver: 
arbeitung befafien, verkauft zum Durchſchnittspreis 
von etwa 560 Mark für das Kilogramm Nein: 
metall. Südamerila liefert jährlic) etwa 450, Vor: 
neo etwa 100 kg. Das latinerz * —91 iſt 
ein Gemenge von P., Palladium, Rhodium, Jri— 
dium, Osmium, Nuthenium, Eiſen, Kupfer und 


14 


Blei, Der Gehalt an P. beträgt darin 57—86 Bros, 
Das P. wird aus feinen Erzen dur einen lang: 
wierigen nafjen Weg (nad) —— oder in 
neuerer Zeit auf eine mehr metallurgiſche Weiſe 
nad H. Deville und Debray) iſoliert. Es iſt fait 
ilberweiß, glänzend, hämmer: und jtredbar und in 
ünnen Blechen jo weich, daß es mit der Schere 
ejchnitten werben lann, bei ftarter Glut ſchweiß— 
ar. Es > ” zu Blech walzen und zu Draht 
ausziehen. Sein ſpezifiſches Gewicht ift 21,504, jein 
Schmelzpuntt 1460°C. Je nad) der Gewinnungs: 
art unterſcheidet man —— und geſchmolze⸗ 
nes P. Es dient zur Anfertigung vieler chem. und 
technischen Apparate und Utenfilien, die durch hohe 
Zemperatur und die meilten chem. Agentien nicht 
angegriffen werben, wie Platintefiel für Schwefel: 
hureln rilen und Affinieranftalten, erner Tiegel, 
angen, Löffel, Blipableiterfpigen u. f. w.; man 
enubt es ferner zur Konftrultion galvaniſcher Gle: 
mente. Die Berwendung des P. zu Münzen (f. 
Glaube) bat 1 nic bewährt. 
latinblech, }. unter Blech. 
latinchlorid PtCl, entiteht beim Löſen von 
Platin in Königswaſſer und bildet nad) dem Ver: 
dampfen der Flüffigleit beim Kryftallifieren gelb: 
braune, glänzende Nadeln, die an der Luft unter 
Aufnahme von Wafjer zerfließen. Das P. ift der 
Ausgangspunkt bei der Darftellung aller Platin: 
verbindungen und findet Verwendung zum Ber: 
latinieren, ferner in der organiſchen Chemie wegen 
einer Eigenſchaft, mit vielen baſiſchen Körpern ent: 


weder ſchwer lösliche oder doch leicht Fryitallifie- 
sende Verbindungen —— it Chloram: 
monium verbindet es ih zuftmmoniumplatin: 


chlorid oder Blatinjalmiat PL(NH,),CH, ein 

elbes, kryſtalliniſches, in Waſſer jehr ſchwer lös— 
ide Sal, Diefem fehr ähnlich ift das Kalium: 
platindlorid PX.CI. 

Platinen (fr3. touchettes, engl. lifters), in ber 
Weberei die Hebehalen der Jacquardmaſchine; am 
Strumpfwirkerftuhl die zwiſchen den Nadeln befind: 
lien halenförmigen Stahlplätthen, welche dazu 
dienen, eine neue Maſchenreihe zu bilden und über 
diejelbe hinweg die vorige —— 

a j.u. Gasbeleuchtung, Bd. VII, 
571* 


Platinieren, ein ſtarles Kupferblech mit einem 
dünnen Platinblech zufammenwalzen, (S. unter 
Rlattieren.) 

BIOLRIEIFELERGEN, Platin vereint fi mit 
fehr vielen Metallen zu Legterungen, die zum größ: 
ten Zeil viel jchmelzbarer als das Platin find, 
weshalb Metall oder leicht reduzierbare Metall: 
oryde nicht in Platintiegeln erhigt werden dürfen, 
Bon Wichtigkeit ift das Platiniridium, weldes 
härter als ‘Platin und noch wiberjtandsfähiger 
gegen den Angriff aller Agentien iſt. Xegierungen 
von 10 Teilen Iridium und 90 Teilen Platin wer: 
den aus dieſem Grunde zur Anfertigung der Nor: 
malmaße und Gewichte verwandt. 

PBlatinmetalle nennt man die gemeinſchaftlich 
mit dem Platin vortommenden Metalle: Iridium, 
Ddmium, Ruthenium, Ahodium und Palladium. 

Blatinmohr it äußerſt fein zerteiltes, ein 
famtihwarzes Pulver bildendes Platin, wird er: 
halten, indem eine altaliihe Platinlöfung mit re: 
duzierend wirlenden Kürpern, 3, B. Altobol, verjeht 
wird, Es zeichnet fi durd hohes Abforptions: 
vermögen für Sauerjtoff aus, 


Matinbled — Platner 


rungen. ran Zu der Zeit, wo das Platin 
noch feine technt ann fand, bat man in 
Rußland (unter Haifer Nikolaus L) verſchiedene 
Münzen aus Platin geprägt, und zwar nad) Ufas 
vom 6. Mai (24. April) 1828 Dufaten zu 3 Silber: 
rubel; nad Ulas vom 30. (12.) Nov. 1829 Doppel: 
dufaten zu 6 Silberrubel und nad Ulas vom 24. 
(12.) —* vierfache Dukaten zu 12 Silber: 
* — Nenn ee Knut —— 
in gt und zwar das ruſſ. Pfun uiag 
zu * a3, Silberrubel Nennwert; —* wog 
der einfa Blatinbufaten peleblid 10,35332 g, die 
gröbern Stüde nad Verhältnis. Es wurden dazu 
14250 kg Platin, welche fid) im Laufe der Zeit ın 
der peteröburger Münze angejammelt hatten, ver: 
wandt. Die in unhönen PBlatinmünzen 
murben nicht beliebt und bie bedeutende Preiser: 
niebrigung des Platinmetall3 (welches im Ber: 
hältnis zu Silber wie 5,23 zu 1 ausgeprägt worden 
war) wirkte dahin, daß man ihre Husprägung ein: 
ftellte, und ber Ufa3 vom 22. (10. Juni) 1845 ord⸗ 
nete die Wiedereinziehung diefer Münzen an. 
Platinrüdftände, die bei Verarbeitung ber 
Platinerze bei Bebandlung mit Königswaſſer ver: 
bleibenden unlöslihen Metalle: Dsmium=Jridiunt, 
Ruthenium und Rhodium, aus denen diefe Metalle 
auf dem. Wege abgeſchieden werden können. 
tinfchivamm verbleibt ala graue, loder zu: 
—— ende Metallmaſſe bei gelindem Glü 
latinfalmials. (S.Platindlorid.) Er hat 
ebenjo wie der — jedoch nicht in gleich 
ohem Grade, das Vermögen, Gaſe, beſonders 
auerſtoff, zu verdichten. Von dieſer Eigenſchaft 
A man Ge raud) gemacht zur Anfertigung von 
undmaſchinen (vgl. Döbereiner), die re 
jeßt durch die bequemern Streichhölzer verdrängt 
ind. Durd Schweißen bei Weißglut läßt ſich der 
. zu fo em Metall verdichten. Ehe man bie 
chmelzung des Platins Ka ausführen fonnte, 
wurde alles Platin auf diefe Weife gewonnen, 
latinfchwar x rien ra 
latitude (frz.), Plattheit (im Ausdrud). 
Iatner (Gruft), Arzt und Anthropolog, geb. 
u Leipzig 11. Juni 1744, war der Sohn von Jo⸗ 
hannJadariast, (geb. 16. Aug. 1694 zu Mei⸗ 
n, geit. 19. Dez. 1747 zu Leipzig), welder ſich, 
feit 1721 Profeſſor der Diedizin zu deipjig, nams 
aftes Verdienſt um Ausbildung der Chirurgie in 
utſchland erwarb und als Schriftiteller befonders 
durch die «Institutiones chirurgiae rationalis» 
(2p3. 1745; lebte Ausg. 1783; deutic von Krauſe, 
1766) und bie «Opuscula chirurgica et anatomica» 
2 Bode., Lpz. 1749) zu Ruf gelangte. Der jüngere 
‚ ftudierte in Leipzig, erhielt 1770 eine außerord. 
Brofefiur der Medizin, 1780 die orbentlidhe der 
byfiologie, 1801 eine außerord, und 1811 eine ord. 
rofefjur der Philojophie. Gegen Ende feines 
n3 verfiel er in eine Gemütskrankheit. Cr jtarb 
27. Dez. 1818. Unter feinen Scriften find zu 
nennen: «Anthropologie für Ärzte und MWeltweije» 
(2 Bde., Lpz. 1772 —73; neu bearbeitet 1790); 
a. Aphorismen» (2 Bde., 1776—82 u. öfter); 
«Quaestiones physiologicae» (Ypz. 1794); «Quaes- 
tiones medicinae forensis» (deutſch von Hederich, 
Lpz. 1820; neu herausg. von Choulant, 2pz. 1824). 
Ernit Zadharias P., Sohn des vorigen, geb. 
zu Leipzig 1. Oft. 1773, befuchte die dortige den: 
afadennie unter Se ehte jeit 1790 Er tudien 
in Dresden und feit 1797 in Wien fort und ging 


Plato 75 


1800 nad Rom. Hier verband er praltiſche fibung 

der Malerei mit geſchichtlichen und theoretiichen 
Kun en und wendete ſich immer mehr der litte⸗ 
rariſchen Thätigleit zu. Seit 1823 Lönigl. ſächſ. 
Agent bei der päpiil. en ftarb er 14. Dit. 
1855 zu Rom. Durd Niebuhr wurde er ala Mit: 
arbeiter an ber «Beichreibung der Stadt Rom» 
(Stuttg. 1829 rg) gewonnen. 

Eduard P. Bruder des vorigen, geb. zu Leipzig 
1786, ging ſchon 1800 auf die Univerfität feiner 
Baterftadt, feste feit 1805 feine Studien in Göttin: 

en fort und wurde 1811 aufjerord., 1814 ord. Pro: 
Peflor der Rechte zu Marburg. Cr ftarb dafelbft 
5. Juni 1860. Er jhrieb: «Beiträge zur Kenntnis 
des attiihen Rechts» (Marburg 1820), «Der Prozeß 
und die lagen bei den Attilern» (2 Bde., Darmit. 
824—35) und «Quaestiones de jure criminum 
tomano, rtim de criminibus extraordina- 
riis» (Ma 1842). 
(ar. Platon), neben feinem großen 
häler oteles der bedeutendfte und tiefite aller 
Denter, geb. zu Athen 429 v. Ehr., der Sohn 
Ariſton und der Beriktione, jtammte aus einem 
der edeljten a Geſchlechter, welches feinen Ur: 
52 bis auf König Kodrus — Ur⸗ 
prüngfid hatte er den Namen Ariſtolles erhalten; 
wegen ber Breite feiner Stirn oder, nad) andern, 
feiner Bruft wurde er B. genannt. In feiner Ju: 


25 


foll er die Abficht gehabt haben, die Dichter: | 9 


zu betreten, was er jedoch auf den Nat 
des Sokrates unterlafien habe. Obwohl er früh 
zeitig mit einem er des Herallit, Aratylos, 
) wurde feine philof. Richtung doch wejent: 
lich durch den Umgang mit Sotrates beftimmt. Cr 
eg mit biefem in feinem 20. Jahre Belannt: 
und 5 un = au * 

o neun Jahre lang. Die e 
ternbe Ben welche dns Schiahnl des Sokrates 
——— auf P. einen tiefen Eindrud machen; 
g gegen die Demokratie ſcheint da— 
worden zu ſein. Unmittelbar nach 
dem Tode des Solrates war für deſſen Freunde 
fein ſicherer Aufenthalt in Athen, und 
feine Baterjtadt und lebte eine Zeit 
ides in Megara. Bon Megara aus 
Reifen, erft nad) Eyrene und Ligypten, 
ien, wo er mit den bedeutenditen 
Archptas von Zarent, Zimäus von 
ehrte, endlich nach Sicilien. Biel 
dazu Dion, der Schwager des Ty: 


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285 


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rannen von Syralus, Dionyfius des Altern, ver: 
‚um dur ihn auf a einzuwirlen, 

2.3 tigkeit ftörte jedoch bald das Verhältnis 
* ihm > y a Dh —* — 
— ionyſius da⸗ 

mals — war, sang en lace: 


: 


Geſandten Pollis aus, der ihn in Ägina 
Sllaven verlaufte. Anniceris aus Cyrene 
e ihn los, und nun kehrte P. nach Athen zu: 
‚um, ungefähr in feinem 40. Lebensjahre, feine 
tigkeit in einem Gymnafium_ außerhalb 
Athens, der Akademie, zu beginnen. Später gin 
er noch zweimal nad Syrafus; das erfte mal au 
Beranlafiung des Dion, —— dem Tode des 
altern Dionyſius, 368. Aber auch dem jüngern 
Dionyſius war P.s —— Ernſt unbequem, und 
nicht nach der nung des Dion wandte 
ſich B. nach Athen zurüd. Dionyſius hatte dem P. 
veriprochen, feinen Stiefoheim Dion binnen Jahres: 


FE 


frift zurüdzurufen, machte dies jebod von einem 
nohmaligen Beſuche des P. — Er ſchickte 
deshalb 361 ein eigenes Schiff nad) Athen, um P. 
abzubofen, und biejer unternahm in jeinem 69. Jahre 
die Neife. Die —— hatten ſich für die 
Ehrlichkeit des Dionyſius verbürgt. Dieſe Bürg- 
ſchaft war nicht ũuberflüſſig, indem P. ohne den Ein⸗ 
ſluß derſelben, namentlich des Archytas, dem 
wiedererwachten Mißtrauen des Dionyſius gegen⸗ 
über, en nad Athen zurüdgetehrt 
fein würde, Dieje Beziehungen P.s zu ben jyra= 
tufan. Machthabern dienen die au feiner Cha: 
rakteriſtik, als es nicht unwahrſcheinlich ift, daß er 
babe verſuchen wollen, feinen polit. Überzeugungen 
einen praltiſchen Einfluß zu verihaffen: ein Ge: 
dante, der ihm durch das Beifpiel der Pythagoräer 
nahegelegt jein konnte. Nach feiner Nüdlehr von 
der dritten ſicil. Neife lebte er in Athen, wo er 
347 ftarb. Eine Inſchrift zierte fein Grab im Kera⸗ 
meitos. Bgl. 8. Steinhart, «P.8 Leben» (2p3. 1873). 
Die unter dem Namen B.3 auf una gelommenen 
Schriften bilden hinſichtli —* Echtheit und ihres 
Zuſammenhangs eins der ſchwierigſten und bisher 
noch durchaus ER - gelöjten Probleme 
Altertumswiſſenſ ir ie wurben zuerft in der 
—— lat. liberfehung von Marſilius Ficinus 
(Flox. 1483—84) und in ihrem griech. Terte 1513 
zu Benebig gedrudt und haben jeitdem —— 
erausgaben erlebt. Unter den neuern ſin or⸗ 
zuheben die ſog. Zweibrüdener Ausgabe (1781 — 


137) die Tauchnitzſche (zulet Lpz. 1850), die von 


J Better (10 Boe., Berl. 1816—23; auch Lond. 
1826), von F. Aft (11 Bde., Lpz. 1819—32), von 
Stalldaum (12 Bde., 2pz. 182125), von Waiter, 
Drelli und Windelmann (2 Bde., Zür. 1839—42; 
in Heinerm Format 21 Bde., 4. Aufl., 1861 fe.), 
von Schneider und Hirfhig (gried. und lat., Var, 
1846—56) und * Hermann (6 Bde., Lpz. 1851 
—53). Einzelne Schriften B.3 find auch zahlreich) 
für den Sghulgebrauch eingerichtet und fommentiert 
worden. Ins Deutiche find P.s Werte von Schleier: 
macher (Berl. 1804—28; 3. Aufl., 6 Bbde., 1855— 
62) und von Hieronymus Müller (mit Ginleitungen 
von Steinhart, 8Bde., Lpz. 1850 — 66) überjept wor: 
den, ins Franzöfifche von V. Coufin (8 Bde., Par. 
1825—40), ins Englifche von Jowett (4 Bde., Drf. 
1871), ins Italieniſche vonBonghi (Mailand 1857). 
Bol, Soder, «Über P.3 Schriften» (Münd. 
1820); 8. 3. Hermann was und Syitem 
der Matoniihen Philojophie» (Bd. 1, Heibelb. 
1839); €. Zeller, « Platonifhe Stubien» ale: 
1839); Soder, «Die natürliche Ordnung der Plato: 
niſchen Schriften» — —* Suſemihl, «Die 
genetiſche Entwidelung der Platoniſchen Philoſo⸗ 
pbie» (2 Bde., Lyʒ. 1855 u. 1860), Bonik, Plato⸗ 
niſche Studien» (2 Bde., Wien 1858—60); Fr, liber: 
weg, «Unterfuhungen über die Echtheit und Zeit: 
folge ber ——— Schriften» (Wien 1861). 
ie Form diefer Schriften it, mit Ausnahme 
der «Apologie», ausnahmslos dialogiih und zeigt 
eben dadurd die Abhängigkeit der Wlatonitchen 
Lehre von derjenigen des Sokrates, weldher aud) in 
den meijten diefer Dialoge die entſcheidende und die 
Meinung des Verfafjerd ausiprechende Perſon bil: 
det. In der Kunſt der Anordnung und der fces 
nischen Ginführung diefer Dialoge erweilt ſich P. 
nicht nur ala ein Meiſter der geie . Spradje, jons 
dern auch der künftleriihen Darftellung. Seine 
Dialoge bilden mit der Feinheit ihrer Wendungen, 


76 


mit der Durchfichtigkeit ihrer Gebankengliederung, 
mit der oafigen Jeigmung ber redenden Figuren 
eins ber vollendetiten Produkte des griech. Geiftes. 
Nicht felten liebt er das, was in deutlich audgepräg: 
ten Begriffen auszufprechen entweder ihm jchwer 
wurde oder ihm Jet das Verſtändnis feiner Leſer 
unangebracht erſchien, in der poetiſchen Form von 
Mythen ſymboliſch anzudeuten. Bol. Deuſchle, 
«Die Platoniſchen Mythen» (Hanau 1854); Vol: 
quardien, «B.3 Theorie vom Mythos und feine 
Diytbens (Schlesw. 1871). ; 

Die Lehre, welche in einer raftlofen Umbildung 
bearifjen und in ſtetiger Vertiefung und Ausbrei: 
tung in B.3 Schriften fi entwidelt, die Pla: 
tonijhe Philoſophie, bildet den Höhepunkt 
der griech. Philoſophie, infofern als alle Fäden, 
welche bis dahin einzeln angeiponnen, von P. 
zum erſten male in eine große Ginheit zufammen: 
gefaßt wurden. Den Grundgedanfen dei Ganzen 
gewann P. durch eine energiiche Ausbildung der 
von Sofrates aufgeftellten Prinzipien; aber indem 
er die einfeitige Nidhtung, weldye dad Denten bei 
Sofrates wie bei den Sophijten auf die Betradtung 
de3 menfchlihen Geilteslebens genommen hatte, 
wieder aufgab und unter dem neugewonnenen Ge: 
ſichtspunkte die Lehren der frühern, weſentlich ber 
Naturertenntnis zugewandten Philoſophen kritiſch 
zu ihten und dem Syitem einzufügen ſuchte, voll: 
er diejenige Verknüpfung aller frübern Dent: 
richtungen, durch welche die griech. Wiſſenſchaft auf 
ihren höchſten Standpuntt emporgehoben wurde, 
Seine Lehre bildet mit derjenigen des Ariltoteles 
zulammen das reifite Produkt des griech. Geiſtes, 
und wenn ihr inneriter Kern darin beitand, ber finn: 
lien Welt gegenüber eine geiftige Welt der Ideen 
als die wahrhafte Wirklichteit anzunehmen, fo voll: 
108 fih eben darin der Bruch der grieh. Willen: 
haft mit dem urfprüngliden Sinne des griech. 
Volts. Sokrates und P. haben die Welt des Bei: 
ſtes entdedt und fie als ein Ideal bingeftellt, an das 
die Sinnenwelt nie —— fönne, Bal. Ten: 
nemann, «Syſtem der Platoniſchen Philoſophie⸗ 
Lpz. 1792—95); Aſt, «B.3 Leben und Schriften» 
(Lp3. 1816); Arnold, «Syftem der Platoniſchen 
Philofophie» (Erf. 1838); Grote, «P. and the other 
companions of Sokrates» (Lond. 1865); Steger, 
«Blatonifche Studien» (3Bbe., Innsbr. 1870-72); 
von Stein, «Sieben Bücher zur Gefchichte de3 Pla: 
tonismus» (3 Bde. Gött. 1862—75); Byk, «Der 
Hellenigmus und Blatonismus» (2ps. 1870). 

„Die Ideenlehre, als der innerfte Kern der Plato: 
niſchen Whilofophie, ift bereits aus der Verfchmel: 
zung der Sokratiſchen Lehre mit den metaphyſiſchen 
Spelulationen der frühern Zeit entiprungen. _So: 
Irates hatte ‚gezeigt, dab alles Willen nur in feiten 
und allgemeingültigen Begriffen beiteben lönne, und 

ür die Auffindung derfelben die zur Definition hin: 

trebende Methode der Indultion aufgeftellt. P. 
handhabte in feinen Dialogen als der zur Erzeugung 
der Gedanken Demamethen TTesm bieje ee des 
Meiſters mit vollendeter Virtuofität und fügte ihr 
auch die umgekehrte Operation der bebuftiven Gr 
ienaung von Artbegrijen aus ben Eng a 
en hinzu. Diefer ganzen Thätigkeit der Begrijfs: 
bildung, worin das Wefen der Wiſſenſchaft beitehen 
follte, gab er den Namen der Dialektik und fucht fie 
auf das fchärfite von den fophijtiichen Gedanfen: 
ſpielen zu unterſchieden. Ihnen gegenüber bezeich— 
nete P. die feſten Allgemeinbegriffe, welche den Jn— 


Plato 


deen. Wenn aber dieſe Ideen eine richtige Er— 
enntnis enthalten ſollen, ſo muß ihr Inhalt Wirk— 
lichteit fein, und daraus ſchloß P., daß dieſe un: 
wandelbaren Allgemeinbegriiie das wahrhaft Be: 
ftebende und die metaphyſiſche Wirklichkeit feien. 
Diefe Welt der Ideen iſt in fih fo wandellos, fo 
ewig und un zeworden, wie die Eleatiſche Schule es 
von ihrem Begriffe des Seins in Anſpruch nabm: 
diefe Ideenwelt ijt deshalb auch in fi) fo wider: 
ſpruchslos und fo einheitlih, daß alle einzelnen 
Jdeen nur als die Arten einer einzigen höchſten 
dee betrachtet werden dürfen, und dieſe iſt die 
per des Guten oder der Gottheit. Wie aber im 
Menſchen neben den feiten und allgemeinen Ideen 
auch die gelegentlich entitehenden und Pag 
finnlien Wahrnehmungen vorhanden find, jo gibt 
e3 im metapbyfiichen Sinne auch neben der been: 
welt eine finnliche Welt des Entitehens und Ver: 
ehens, eine Welt der Widerſprüche und des raft: 
ojen Wechſels, wie Herallit ſich das Weſen ber 
Dinge vorgeitellt hatte. Wie die auf finnliche Gr: 
—— peitüpte Meinung zum begrifflidien Mefen, 
o u t ſich nah P. die immer im Werben be: 
oriffene materielle Welt zu ber er feienden 
Welt der been. Jene iſt wertlofer,, ſchlechter ala 
dieſe; fie ftebt zu dieſer in einem Verhältnis, wel: 
ches P. anfangs als ein unvolllommenes Teilhaben, 
fpäter, ald er fi) den Pythagoräern zuneigte, als 
eine Art mehr oder minder volltommener Nach: 
ahmung bezeichnete, und die leßtere Anichauung, 
wonach bie em die Urbilder der materiellen Welt 
find, hat in den — Wirkungen, welche die Bla: 
toniſche Philoſophie auf das antife und auf das 
en ausgeübt bat, entichieden überwogen. 
ol. 3. Hofmann, «Die Dialektit P.s» (Münd,. 
1832); W. Danzel, «Die Platoniiche Dialektit» (Lpz. 
1845); Beipers, «Die Erfenntnistbeorie B.3» (Lpj. 
1874); Nourifjon, «Exposition de la theorie pla- 
tonicienne des id&es» (Bar. 1858), 
Es iſt Har, daß hiernach die Aufgabe der Willen: 
[Saft wefentlid in der Gntwidelung des Syſtems 
er been beruht, aber wenn P. deshalb meinte, 
daß es von der Sinnenmwelt nur eine vielleicht bis 
zur Wahrfcheinlichkeit fich jteigernde Meinung geben 
könnte, jo juchte er doc) dieſe Meinung ſoviel wie 
möglich mit den Yen zu durchdringen und die er: 
fahrungsmäßige Wirklichkeit unter dem Geſichts— 
punkte zu betrachten, daß darin in immer volllom: 
menerer Nachbildung der Urbilder die Ideenwelt 
realijiert werden jollte, infolge deſſen nahm feine 
Naturphiloſophie einen durchaus teleologiichen Cha: 
rafter an und lief mit einer jorgfältigen Benutzung 
aller frühern Theorien darauf hinaus, in der Idee 
des Guten, d. b. in der Gottheit, die legte Urſache 
für die zmedmäßige und jchöne Geftaltung ber Ma— 
terie ger Bu wahrhaft Seienden) nachzuweiſen. 
Dal. Bödh, «De Platonis corporis mundani 
fabrica» (Heidelb. 1809). Die Welt ift ein befeel: 
tes Ganzes, deilen Ordnung der dee bes Guten 
zu entiprechen berufen it. Der Vienich, ala ein 
Glied desfelben, vereinigt in fich mit höchſter Voll: 
fommenbeit die Stufen des Lebens, welche vor ihm 
getrennt ericheinen, und über dem genießenden und 
dem wollenden Zeile befißt er in feiner Seele einen 
vernünftigen, aus der Ideenwelt jelbjt jtammenden 
und deshalb der Bergänglichkeit nicht preiögegebenen 
Teil. . 8. F. Hermann, «De immortalitatis 
notione in Platonis Phaedone» (Marburg 1833); 


Ye ber wiſſenſchaftlichen Erlenntnis bilden, als 


U — — 1 == 


Platon — Platow 


Yacobi, « Kurze Darftellung der Blatonifchen See: 
Ienlebre» (Bonn 1873). 

Am ſcharfſten ift der Gegenſatz P.s gegen die So: 
pbüten auf dem Gebiete der Ethit, wo er den Be: 
griff des an fi und wandellos Guten vor allem 
rg denjenigen der Luft abzugrenzen ſuchte. Er 

et zu dieſem Zwed eine Neihenfolge der Güter 
auf, und jucht dabei die fittlichen von den natürlichen 

begrifjlich zu unterſcheiden. Bor allem aber ent: 
wirft er ein Syſtem der Tugenden, weldes für jeden 
der drei Seelenteile eine Grundtugend und für das 
rechte Maß in der Abwägung der einzelnen Tugen: 
den eine höchſte Tugend unter dem Namen der Ge: 
rechtigleit verlangt. So kommt die befannte Lehre 
von den vier Nardinaltugenden: Selbftbeherrihung, 

TZapferleit, Weisheit und Geredhtigteit zu Stande. 

Die volllonımene Realijation der dee der Gerech⸗ 

tigkeit aber ift nicht im einzelnen Menſchen, fondern 

nur im Staate möglid. P. faßt den Staat als 
den Menſchen im großen auf; in feinem Entwurfe 
des idealen Staats erſcheinen den drei Seelenteilen 
entiprehend drei Stände: die arbeitende Klaſſe, 
welde, unfähig an der Leitung des Staats felbit 
teilzunehmen, nur für die Bedürfnijie de3 äußern 

Lebens zu jorgen hat; der Kiriegerjtand, welcher die 

Befehle der Kegierung nad außen und nad) innen 

auszuführen hat; endlich der Stand der Wiſſenden, 

welche allein die Yeitung desgefamten Staatswejens 
in ihren Händen haben. Dabei dyaralterifiert die: 
ſen Blatoniihen Staat eine fo innige geiell: 

Ichaftlihe Durhdringung, dab alle individuellen 

Interefien, namentlid das Familienleben und das 

‘rivateigentum, in lommuniftiihem Sinne bem 

Staate aufgeopfert werden. Auch die Erziehung 

will B. gänzlich in die Hände des Staat legen und 

er gibt eine Stufenleiter der YJugendbildung an, 
wonad) der Staat in immer engerer Ausahl die 

Verähigtiten, Beiten und Weifeften neu in die Klaſſe 

der Herricher einführen fol. Das ift der Sinn 

jenes berühmten Ausſpruchs: «es werde der libel des 

Menſchengeſchlechts fein Ende fein, ehe nicht die 

Philoſophen Könige oder die Könige Philojophen 

find». Offenbar liegt diejem Staatsentwurf die 

ariitofratiihe Gefinnung zu Grunde, welde, von 
der Ochlofratie Athens erichredt, zu den Elementen 
der ſpartaniſchen Staatöverfajlung —— 

Aber die Ausbildung desſelben iſt in jo donſequen⸗ 

ter Weile gedacht und jo jehr von dem hohen Ideal 

einer jittlihen Aufgabe des Staats erfüllt, daß man 
in ibr mit Recht das wertvolle Urbild der mittel: 

alterlihen Hierardhie gefunden hat. Bol. K. F. 

Hermann, «Die hiſtor. Glemente des Blatonifchen 

Staatsideal3» (in « Gefammelte Abhandlungen», 

Gött. 1849); Ed. Zeller, «Der Platoniſche Etaat 

in feiner Bedeutung für die Folgezeit» (in «Vorträge 

und Abhandlungen geihidhtlihen Inhalts», Lpz. 

1865). Wegen der überaus zahlreihen Spezial: 

werte vgl. Zeuffel, «fiberficht über die Platoniſche 

Zitteratur» (Tüb, 1874). 

Die Platoniſche Philoſophie als das erfte Bei: 
fpiel eines organiſch in ſich gegliederten Syſtems 
wurde der Ausgangspuntlt für alles weitere philof, 
Denten. Zwar bat fie nit jo unmittelbar und 
bandgreiflihd wie, die Ariftoteliihe Lehre gewirkt, 
aber teil3 durch dieje jelbit, teil aber auch in einer 
ftetig fortgehenden Konkurrenz damit, bat fie na: 
mentlich feit dem Beginn des chriſtl. Zeitalters auf 

viele Denker einen beitimmenden Einfluß ausgeübt. 
Im Altertum jelbit ſchloß fi an den vielbewunder: 


77 


ten P. eine große Schule an, welche ſich nad) ihrem 
Mittelpunlte, dem Orte der Lehrthätigkeit des Mei— 
jters, die Alademie nannte. In ihrer Entwide: 
lung find weſentlich drei Phaſen zu bemerken, von 
denen die ältere, unter deren Vertretern Speufip- 
pus, Kenofrates und Herallides Ponticus hervor; 
zubeben, fich teilö mit jpeciellern Ausführungen, 
teild mit einer noch mehr pythagoräifierenden Um: 
bildung der urjprünglichen Yehre befchäftigte. Die 
zweite nahm unter yührung des Arcefilaus und des 
Narneades eine jleptifche Wendung. In der dritten 
Beriode kehrte man zwar im allgemeinen zu dem 
uriprüngliden Syiteme zurüd, begann jedoch das: 
jelbe ſchon mit arijtoteliihen und ftoiihen Yehren 
u verjchmelzen und bereitete jo die Bildung des 
Neuplatonismus vor. Diejer aber hatte wiederum 
die religiöfe Bedeutung zur VBorausjegung, welche 
dem Platonismus teils durd) die allgemeine Aul: 
turftrömung der Zeit, teil3 durch die denjelben 
mit orient,, vorzüglic jüd. Lehren in Verbin: 
dung bringenden Denker der erften Jahrhunderte 
n. Chr. zuteil geworden war, 

laton, |. Blato. 

latonifches Jahr, f. unter Jahr. 

latonifche Liebe nennt man das Verhältnis 
zweier Perſonen veridiedenen Geſchlechts, welche 
eine gegenſeitige Liebe ohne ſinnliche Regungen 
verbindet, Dieſer Ausdrud gründet ſich darauf, 
daß Plato bei der Geſchlechtsliebe zwei in der Idee 
trennbare Seiten unterſchied, die projaiidhe des 
finnlihen Begehrens, und die poetiiche einer Er: 
ns des Gemüts und Beflügelung der Phantafie, 
!eptere Seite fahte Plato auf als ein ahnungs— 
volles Erſchauen ewiger a eg aus uns 
jterblihen Zuftänden des Geiltes und pries bie 
Liebe von diefem Gejihtöpunfte aus als ein Gr: 
munterungsmittel zur Beichäftigung mit pbilof. 
und göttlihen Dingen. 

latonifche Philoſophie, f. unter Blato. 

latow (Matwei Iwanowitſch, Graf), ruſſ. 
General und Ataman des doniſchen Heers, geb. zu 
Aſow 17. Aug. 1751, aus einer adeligen doniſchen 
Familie, die urfprüngli aus Griechenland ein: 
ewandert war. Er trat 1765 in das Koſalenheer, 
Pot 1770 gegen die Türlen, diente unter Suwo— 
rom 1782 und 1783 am Kuban und in der Krim, 
zeichnete fich 1788 beim Sturm auf Otſchakow, 
1789 vor Aljerman und Bender und 1790 vor 8: 
mail aus, Im J. 1801 von Alerander I. zum Ge: 
nerallieutenant und Ataman des doniſchen Heers 
ernannt, bewies P. zugleih ein ausgezeichnetes 
Talent für die Verwaltung und veranlapte die Gr: 
bauung von Nowo⸗Tſcherkask, weldes Sitz der 
Landesverwaltung wurde. P. lämpfte jodann im 
Kriege gegen die Franzoſen 1805—7, bemädhtigte 
fi im türf, Feldzug von 1809 der Stadt Hirſowa 
und trug zu den Siegen bei Nafjewat und Kalipetri 
bei. Im Kriege von 1812 wor] er 9. Juli den 
König von Weitfalen bei den Fleden Mir und Ro: 
manowo zurüd und gie nad) der Zeritö: 
rung von Moskau mit 20 Koſakenpolls und einer 
nfanteriebrigade die Verfolgung des im Abzug 
begrijienen Feindes. Nah Überſchreitung der 
Grenze bemädhtigte er ſich der preuß. Städte Ma: 
rienwerder, Marienburg, Dirſchau und Elbing, 
ſchlug den General Leftbvre 28. Mai 1813 bei Al: 
tenburg und verfolgte nad) ber Schladht von Leip: 
zig den Feind bis an den Rhein. In Frankreich 
erjtürmte er Nemours, befehte Arcis und Verfailles 


78 


und zog mit ben BVerbündeten in Paris ein. 
Sm J. 1812 war er in den Grafenitand erhoben 
worden. Cr ftarb 15. Yan. 1818 am Don in der 
elantſchizliſchen Slobode und wurde in Nomo: 
Zicherfast begraben, wo ihm Kaiſer Nilolaus 
1853 ein Denkmal errichten ließ. Sein Leben ward 
von Smirnoi beſchrieben (3 Bde., Most, 1821). 
para f. unter Apfel, Apfelbaum. 
Inttdeutfch oder Niederdeutſch iſt bie 
Eprache des norddeutſchen Tieflandes. Die fühl. 
Grenze ihre8 Gebietes bejtimmt eine etwa durch 
folgende Orte gezogene Linie: Krefeld, Elberfeld, 
Kajiel, Dueblinburg, Defiau, Wittenberg, Lübben, 
Fürftenberg, Meferis, von da bie Spradgrenze 
gegen das Poluiſche in Pofen und Provinz Preußen 
und das Litauiſche in reußen. Die ungefähre 
nördl. Grenze gegen das Dänijche bildet eine von 
Zondern nad Alen®burg gezogene Linie. Das 
Niederländifhe und Vlamiſche gehören in ben Kreis 
der niederbeutichen Dialekte, werden aber als be: 
fondere Spra ezählt, weil fie Schriftſprachen 
find und die fie Redenden politiich von Deutſch— 
land getrennt find. Das Nieberdeutich unterſcheidet 
ih vom Hochdeutſchen dadurch, daß jenes auf ber 
eriten, dieſes auf der zweiten Stufe der Lautver: 
[Wiebung (j. d.) fteht; die Konfonanten des Nieder: 
eutſchen find alſo weſentlich die des Gotifchen, 
Engliſchen und der jlandinav. Sprachen. Daraus 
ergibt jich das leichtefte Unterſcheidungsmerlmal 
vom Hochdeutſchen: hat ein Dialelt t, wo Er 
beutich s jtebt, 3. B. dat für das, oder k, wo bo 
deutſch ch, p, wo hochbeutid) f, fo gehört er zu den 
niederdeutſchen. Bis zur Reformation war das 
Niederdeutiche allgemeine Schriftſprache und reichte 
weiter nad Süden, von der Zeit an werben die 
Drude immer feltener und hören mit dem Anfang 
de3 17. Jahrh. gem auf. Seitdem machte das Hoch⸗ 
deutſche, in allen urfprünglich niederdeutichen Di: 
jtriften allgemeine Schriftiprade, fih auch ala Um: 
gangsſprache der gebildeten Stände geltend und 
verdrängte das Niederdeutiche mehr und mehr. An 
größern Schriftdenfmälern it aus dem ältejten Zeit: 
raum nur der Heliand (f. d.) erhalten. 

Aud ei Beitraum, der mittelnieder: 
deutſche, it arm an Merten, denn an den Höfen 
veritand und — man die oberdeutſche Sprache, 
welche raſch ein ſolches übergewicht erlangt hatte 
(j. Deutſche Sprade), daß nicht nur ihre Mei— 
iterwerte feiner fiberjeßung ins Niederbeutiche be: 
durften, —— daß ſelbſt Dichter niederdeutſcher 
Herlunft der oberdeutſchen Sprache ſich bedienten. 
Es blieb ei die mittelniederdeutiche Litteratur 
im wefentlichen | die Bedürfnifle des Bürger: 
ſtandes und des täglichen Lebens beichräntt, Des: 
halb bilden Reimchroniten, lehrhafte Gedichte und 
Rechtsbücher ihren Hauptbejtand; und wenn fie ja 
binübergriff in die höhern poetiichen Gebiete der 
Epik, Lyrik und Dramatik, fo zeigt fie zwar nicht 
jelten einen frifchen volfstümlichen Zug des Wißes 
und Humors, vermag aber weder den innern Ge: 
halt noch die künjtleriiche Form der befjern unter 
den gleichzeitigen hochdeutſchen Dichtungen zu er: 
reihen. Grwähnung verdienen aus diefem Zeit: 
raum unter den Neimchroniten die Gandersheimer 
Chronik des Pfaffen Everard von 1216 (bei Leibniz, 
«Scriptores Brunsvicenses», Bd. 3, und in Haren: 
bergs «llistoria Gandershemensis», Hannov. 1734) 
und eine Chronik der Fürften von Braunfchweig 
um 1280 (bei Leibniz, aud) herausg. von Scheller: 


. 
z 


Plattäpfel — Plattdeutich 


«De Kronica van Sassen», Braunſchw. 1826), 
welche jedoch beide hinter Gottfried Hagens nieder: 
thein. Chronik von Köln, zwifchen 1277 und 1288 
(befte Ausgabe von Cardauns in Bd. 12 der «Chro- 
niken der deutſchen Städten, Lpz. 1875), zurüditeben. 
Unter den proſaiſchen Chronilen behaupten den 
Vorrang die Lubiſche des Franzislaner Leſemei— 
ſters Detmar zu Lübed (mit ihren Fortſeßzungen 
* ug —— at dom Avon und 
ie wichti agbeburger enchronik (herausg. 
von Sanıde in Bd. 7 ber «Chronilen der deut: 
ſchen Städte», Lpz. 1869). Unter den Rechts— 
büdern fteht obenan die Sippe des magdeburgi- 
ſchen Rechts, an ihrer Spike der «Sadjenipiegel» 
(f.d.), der dann die Rechtsquellen von Lübed, Braun- 
ſchweig, Goslar, Bremen und andere ſich anſchließen. 
Unter den Dramen zeichnen ſich aus das «Spiel 
van der Upstandinge» (berausg. von Ettmüller, 
1851) und der Theopbilus (herau —— — 
1853). Als Glied der deutſ age ift be- 
achtenswert bad Lieb von «Konince Ermenrikes 
döt» (herausg. von Göbele, 1851). Außerorbent: 
liche litterarhiftor. Bedeutung gemannen zwei gegen 
Ende des Zeitraums entitandene Werke, der nad) 
dem Niederländifchen bearbeitete «Neinele» (f. d.) 
und ber «Eulenfpiegel» (f. d.). Auch im 16. Jahrh. 
noch wurde eine ziemliche Anzahl von Werten, na: 
mentlich theol. und biltor. Inhalts, in niederdeut: 
iher Sprache geichrieben, wie die «Pommeriche 
Chronik» des Thomas je m rausg. von Böh⸗ 
mer, Stettin 1835), die «Chronil des Landes Titb: 
marjcdhen», von So). Adolfi, genannt Neocorus 
(herausg. von Dahlmann, 2 Bde., Kiel 1827), 
worin auch die berühmten Vollslieder der Dith— 
marſchen enthalten find, die «Hamburgifhe Chro- 
nil⸗ des Reimar Kodu.a. Die lekte niederdeutiche 
Bibel wurde 1622 zu Lüneburg gedrudt, In neue: 
fter Zeit hat die plattdeutiche Litteratur durd) 
Klaus Groth, namentlich aber durch Fri Neuter 
neuen Aufihwung belommen. 

Die willenichaftlihe Behandlung der nieverdent: 
fhen Mundart und Litteratur ijt in neuejter Zeit 
namentlid durd den Berein für niederdeutſche 
Sprabforihung, der ein Jahrbud und ein Korre⸗ 
fpondenzblatt herausgibt, ſehr in Fluß gelommen. 
Bon dem großangelegten «Wörterbuch der nieder: 
deutſchen Sprache» von Koſegarten (Greifgw. 1857) 
find nur einige Hefte erſchienen. Ältere Berfuch: 
find: «Berfud eines bremiſch-niederſächſ. Wörter: 
buch» (von Tiling u. a., 5 Bde., Brem. 1767 fa.); 
Schütze, «Holitein, Idiotilon» (3 Tle., Hamb. 
1800 fg.); Richey, «Idioticon Hamburgense » 
(Hamb. 1743; 2. Aufl. 1755); Dähnert, «Blatt: 
deutiches MWörterbud nad der pommerſchen und 
rügiihen Mundart» (Stralf. 1781); Strodtmann, 
«ldioticon Osnabrugense»(Pp3. und Altona 1756); 
Ritter, «Grammatık der medlenb.-plattdeutichen 
Mundart» (Neuftrelig 1829). In neuerer Zeit 
famen hinzu: die Wörterbücher von Schambach 
über die Mundart der Fürftentümer Grubenhanen 
und Göttingen (Hannov. 1858), von Danneil über 
die der Altmark (Salzwedel 1859), von Stüren- 
burg über die Ditfrieslands (Aurih 1857) und 
Berghaus, «Sprachſchatz der Safjen» (Brandenb, 
1878 fg.), ein Buch, das mit großer Vorficht zu be: 
nutzen ijt, fowie die grammatijchen Arbeiten von 
Miggers (2. Aufl., Hamb. 1857), Marahrens (Ai: 
tona 1858), Nerger, «Grammatik bed medlenb, 
Dialelt3» (?py. 1869), %. ten Doornlaat Nool: 


Platte — Plätten 


mann, «Wörterbuch der oftfrief. Sprade 4 Hefte, 
Norden 1878). Auf die ältere Zeit der Sprache 
bezieht Äh das große Werk von Schiller und Püb: 
ben, «Mittelniederdeutf ——— (6 Bde., 
Brem. — Aal —— « ittefnieders 


882). 
"inne | — ge ‚Ebene. 

atte (in der Ar — ein oder, recht: 
ediges Glied, das —— für ſich allein als Band 
oder in Verbindung mit andern Gliedern an Ge: 
fimfen vortommt. In Heinerm Mafftab Plätt: 
hen genannt, bildet e3 ald Hängeplatte das Haupt: 

glied von Gurt: und Kranzgefimjen. 
oder Haube (frz. cerveau, engl. crown) 
= einer were das u 


—— ee ner engef 
Intlanı eich beein ein 


ders, in weldhem das Parc angebracht if, 
oder ud dieſes felbit Platte ange 9 
. unter Scholle. 
tteifen ober Bügeleifen ‚(ft fer ä re- 
passer, carreau; engl. smoothing-iron, pressing- 
iron, tailor’s goose), Werkzeug zum Sfätten ber 
Waſche —— = unter Blätten.) 
Blatno), Stadt in ber Bezirk3: 
chimsthal im norbweitl. Böh⸗ 


men, an ber tfeite ——— S 
eines *6 ee 
und n von B wi ‚Erlen 
tlöppelei, ähen rkſchneiden. In 
frü Beiten 5 eis re ergiebigen Bergbau. 
—— In Erz. repasser; engl. 
ironing, mon iejenig u Bosse, mittels 
deren man ’ Shofien, in3befondere ber 
Walde, Beitreihen mit ber Bodenfläde 


duch 2 Beſtreiche 
eines erhigten Metalltörpers, Plätteifen ober 
Bügeleijen, Glätte und Glanz verleiht — 
dieſelben nicht * - chöneres Ausſehen erha 

—* ſondern auch * weniger annehmen. 
Als Unterlage he der Plätttifch oder das 
Blättbrett, deſſen obere Seite am beſten mit 
einer wollenen Dede und einem au dieſe gebreite: 
ten weißen baumwollenen Tuch bekleidet it. Eine 
zugleih bequeme und fichere Vorrichtung ift das 
freiftebende — Plãttbrett, das mit ſei⸗ 
nem breiten Ende auf zw oh gefseten Doppel: 
ftangen ruht, die ih am Boden auf ein re — mit 
einer Rolle, Tints mit zwei Handhaben verjehenes 
Brett ftüben. Das Ganze läßt fih wie da d⸗ 
ſtuhl zuſammenklappen. Das Plätteiſen iſt ent: 
weder hohl zum Einlegen eines glühend gemachten 
Eifenjtüds von entſprechender Form (Plaͤ era 
Bolzen) oder, in [tens Fällen, maffiv, joda 
das Blätteifen ſeib im Ofen erbißt werden muß; 
der eiſerne Griff ift mit Holz oder auch mit Filz 
(im legtern . de een ) bekleidet. 

Die beiſte Fig. Lu. 2 een, zwei Plätt: 
eijen mit on en bar; in ig. 2 ift, um bie 
Hand pegen die Ärablends Hige zu [hüßen, eine 
Blechplatte angeordnet. Fig. 3 zeigt ein ameri: 
taniſches Plätteijen, de I benaarhet durch 
eine N 2 Vorrich N Griff befeftigt werden 
farın — en Aplätteifen werden von den 
Scneidern und Hutmachern —ã— dieſelben 
ſind meiſt maſſiv und der mm andgriff ift gi bei den 
amerit, Plätteifen abzunehmen und zu befeftigen. 
Die Erhigung geſchieht auf einem befonde lätt: 


79 


—** deſſen Oberfläche aus acht geneigten Blech: 
platten zur Aufnahme ber Blätteifen gebildet wird. 
Bi equemen und wohlfeilen Erxugung = 
anhaltenden und gleihmäßigen Hihe find 
manche Berbältniffe, befonders für gröbere Wäſ 
die Kohlenplätteifen vorteilbaft, die, etwas 
höher als bie gewöhnlichen Rlätteifen, inmenbig 
einen Roſt befiken und mit glühenden ‚Solitoßlen 
geheizt werben; doch find die auffliegende Af —— 
der Hoblenftaub ber Setunbheit ſchadlich. Diefer 
Übelſtand iſt bei 
den Blätteifen ver: 
mieden, die ſich 
durch eine in ihreni 
Hohlraum entzün- 
dete Spiritus: 
De * laſ⸗ 
en und ſo gedreht 
werden konnen, daß 
von Zeit zu 5 
durch die Flamme 
erhißte obere Flä— 
de na unten 
fommt. Durdheine 
Anzahl ſeitlicher 
nungen ftrömt 
bie zur Berbrens 
nung notwendige 
Luft ein und wer: 
den bie BVerbren: 
nungsprodulte abs 
geleitet. 





. einges 
richtet find Die 
Gasplätteifen, 
welche durch einen 
am Brenner beie: 
ftigten Schlauch mit 
dem der Zeitung 
entnommenen Gas & 
geipeilt werben. 
Sig. 4 zeigt das 
Örof hide Ba: 
tentplätteilen 
mit Gaödfeues 
rung. Bei ber 
Ölanzplätterei_ 
nad) demvonH. F. 
Hennig in Dresden 
verbeſſerten Mei: 
geilen Syitem, 
durch welche die be: 
treffenden Gegen: 
ftände da3 gefäl— Sig. 4. 
lige Ausſehen von 
neuer Wäſche erbalten ſollen, kommt eine halbrund 
geſchmiedete Bolzenplatte zur Anwendung, deren 
Konſtrultion vorzüglich geeignet ift, die Hihe Sehr 
lange auszuftrahlen. Der Boden derfelben, von 
6mm Stärke, zeigt im Innern eine ebenfalls Gmm 
ftarfe Wölbung, auf welche der Bolzen zu liegen 
fommt, ſodaß ſich dieſer 12 mm über ber zu plät— 
tenden Wäſche befindet, mithin ein Durcfengen 
unmöglich ift. Vermöge der Nundung des Eiſens 
nah oben erhalten Airagen und Manſchetten bie 
dem Gebraud entiprechende Form, während man 
mit der Spike leicht in die tleinften Gden dringen 
und mittels der fharfen Ränder erhabene Kanten 
bilden lann. 











Biiteeee 5, 
nn ooco $- 





80 


Im Gegenſatz zu ber herrſchenden Anſicht, daß 
man durch ſtartes Aufdrüden bie beite ‘ irkung 
hervorbringe, muß das Eiſen mit leichter Hand ge: 
jührt werden, da die erforderlihe Schwere ſchon 
in ihm felbjt fiegt. Um die beim P. niedergedrüd: 
ten Falten und Stidereien wieder in ihre normale 
Lage zu bringen, bedient man fi einer Art Falz: 
bein und des jog. Ausdrüders, eines Stahljtäb: 
chens mit — Griff. Mittels des erſtern 
werden die Falten aufgerichtet und die geſchloſſe⸗ 
nen Knopflöcher geöffnet; mittels des legtern wird 
das Hervorheben der Stiderei bewirkt. 

Blätten (frj. Ccacher, aplatir; engl. laminat- 
ing, flattening) nennt man aud) das Ylattdrüden 
des Drahts zu ſchmalen, ſlachen Bändern zwiichen 
zwei glatten polierten Walzen, Beim Gärben oder 
Raffinieren des Stahls wird P. das Ausſchmieden 
der Garbe oder des Palets zu O,s m.langen, 0,05 
bi3 0,04 breiten und nur 0,002 bis O,003 m diden 
Flachſtaben genannt, i 

Blattenberg heißen im ſchweij. Kanton Glarus 
mehrere Thonſchieferbruche. Der größte und ältejte 
P. liegt auf der linten Seite des Sernf: oder Klein: 
thals zwischen Engi und Matt und liefert aus: 
gezeichnete Tafelichiefer. Gegenüber auf der rechten 
Thalſeite liegt der Schieferbruch Neu P. Ein dritter 
P. wurde 1568 oberhalb Elm (j. d.) eröffnet und 
gab durdy feinen Zufammenjturz Veranlaſſung zu 
dem Bergiturz von Elm 11. Sept. 1881. 

Blattendrudmafchine, eine Maſchine für den 
Zeugdrud (f. d.). 

pie sg f. unter Darren. 

Blattenfee, ungar. Balaton, der bedeu: 
tendjte See in Ungarn und der größte in Süd: 
europa, hat in feiner nordöftl. Erjtredung, zwi: 
ſchen dem Somogyer, Szalader und Veſzprimer 
Komitat, eine Yänge von 75, eine größte Breite 
von 30 km und mit Ginfchluß der anliegenden 
Sümpfe ein Areal von 1320 qkm, Er iſt bi$ 10m 
tief, wird aber feines unrubigen Waſſers wegen 
nur wenig zur Schiffahrt benupt, feit 1847 indes 
nit einem Dampfboote befahren. Gr hat jühes 
Wafler, friert in ſtrengen Wintern zu, nährt eine 
große Menge Ihmadhafter Fiſche, darunter den 
beionders geihähten Sogaldh (d. i. Zahnfiſch); an 
feinen Ufern halten fid viel Wafjervögel auf. In 
neuerer Zeit find wiederholt Negulierungen der 
Ufer und Irodenlegung der Sümpfe unternom: 
men worden. Die nördl, und norbweitl, Ufer 
werden von Hügel: und Bergreiben umzogen, 
die übrigen find ſlach. Die Gegend ift rei an 
feitenen Pflanzen und mineralog. Schäken. An 
ten P. Inüpfen ji viele Sagen der Magyaren 
teils aus der dunleln Borzeit, teild aus den Tür: 
tenlriegen. Die intereſſanteſten Punkte am See 
find die Abtei on und der Badeort Füred am 
nördl, Geſtade, jodann der Fleden Keſzthely am 
weitl. Ufer, Mährend der Kriegsjahre 1818 und 
1849 waren die Gegenden um den See mehrmals 
Schauplag blutiger Kämpfe. Am Südufer erheben 
fich die Krater erloſchener Bullane, des Badacsany, 
mit vortrejflihem Weinbau. 

reed e, Pflanzenart, f. Latlıyrus, 

latte River, |. Nebrasta. 

Bulle, ſ. Scholle. 

lattform (frz. plate-forme, engl. platform) 
nennt man im allgemeinen jede Abplattung eines 
höhern Gegenftandes, z. B. die abgeflachte Kuppe 
eines Hügels, die an einen Berge hinlauſende Ter: 


Plattenberg — Blattieren 


rafje, namentlich aber das .abgeplattete Dach eines 
Haufes, das zum Begeben eingerichtet und mit Me: 
tallblech oder Holzcementdadyung abgebedt wird. 

In Nordamerifa bezeicdinet man mit Blatt: 
form die Nednerbübne in pglit. Barteiverfamnt: 
lungen, dann aber aud das Programm, welches 
von der Nednerbühne aus erörtert und von der 
Verſammlung angenommen wird. 

Plattfuh nennt man teil den unteriten Teil 
des menſchlichen Fußes (f. d.), teild eine häufig 
vortommende Berunjtaltung dieſes Körperteils, 
wobei derfelbe mit feinen innern Rand und feiner 
Sohle den Boden beim Auftreten berührt, während 
ein normal gebauter Fuß an diejer (innern) Seite 
eine bedeutende MWölbung (Höhlung) zeigt und den 
Boden nur mit einem keinen Teile feines äußern 
Nandes berührt. Der B. ift entiweder angeboren 
oder entwidelt ji) während der Pubertät durch an: 
baltendes Stehen und übermäßige Belaftung der 
Fußgelenle, wie dies namentlidy bei mandıen Ge: 
werben (Bädern, Schloſſern, Stellnern) der Fall iſt. 
Höhere Grade der Plattfüßigleit find häufig mit 
Ginwärtäfnidung der Knie (X:Beine) verbunden, 
Immer bewirkt diefe Deformität einen häßlichen 
breiten Fuß und madht zum Springen und zu 
weitem Marjchieren ungeichidt, daher militarun: 
tüchtig, führt auch häufig zu ſchmerzhaften Ans 
ihwellungen der Füße, Wundmwerden der Zubioblen 
und chronischen Entzündungen der Fußaelente,. Zur 
Heilung des P. dient die längere Anwendung von 
feiten Schienenapparaten oder die längere Fixie— 
rung des in die normale Yage gebrachten Fußes 
durd) einen Gipsverband. 

Blatthuf oder Flachhuf it ein Pferdehuf, 
dejien Wände fehr fräg geitellt find, deflen Zehe 
fehr lang, deflen Seiten und Tradtenwand ſehr 
kurz und deſſen Sohle nicht ausgehöhlt, fordern 
flach ift und mit dem Tragrand der Wand in einer 
Höhe liegt. Pferde mit derartigen Hufen erleiden 
oft Quetihungen der Fleiſchſohle und find oft 
lahm, Ein breites, mit auter Abdachung verſehenes 
engl. Hufeiien, unter weldes ein fünjtliher Trag: 
rand, aus Defays Hufhorn, oder aus ——— 
oder aus Filz hergeſtellt, gebracht wird, iſt bei dem 
Flachhuf in Anwendung zu bringen. 

Piattieren (frz. plaquer, engl, plating), eine 
Metallfläche, meift ein Blech, mit einer mehr oder 
weniger dünnen Platte aus einem andern, edlern 
oder mwiderjtandsfähigern Metall derart belegen, 
daß beide Teile bei der nachfolgenden Bearbeitung 
ein unzertrennbares Ganzes bilden, Das P. lann 
auf einer oder auf beiden Seiten geſchehen, eins 
ache oder Doppelte Blattierung. Am häufig: 
ten wird Kupfer mit Golb oder Silber und Neu: 
filber oder Argentan mit Silber plattiert (Golds 

lattierung und Silberplattierung). Vom 
Dergolden, reip. Verſilbern eg fid) das 
betreffende Verfahren dadurch, dab bei jenem der 
UÜberzug 8 erſt auf der Metallfläche erzeugt, bei 
diefem in Form eines Blechs durch bloben PDrud 
auf derfelben befeftigt wird. Die beiden Bleche 
werden mit ihren forgfältig reingeſchabten Ober: 
flächen genau paflend aufeinander gelegt, doch jo, 
daß der überjtehende Rand des obern umgebogen 
wird, und mit Gifendraht umbunden, worauf man 
fie bis zur Notglut erhist, durch Üüberſtreichen mits 
tels eines früdenartigen Werlzeugs an allen Stellen 
in Berührung bringt und endlih in noch beikem 
Zuftand mehrmals ein träftiges Walzwert pajfieren 


Plattlack — Platycrinus 


läßt, woburd die volllommene Vereinigung und 
zugleih eine Stredung bewirtt wird. Bei der 
Gold:, reip. Silberplattierung wird, um das Haf? 
ten des Gold» oder Silberblechs auf der Kupfer: 
platte zu befördern, lehtere mit einer Löfung von 
Goldchlorid, reip. von Silbernitrat heſtrichen, 
wodurch fi) als verbindende Zwiſchenlage eine 
feine Gold» oder Silberhaut bildet, ‘Blattierter 
Draht wird dadurch hergeftellt, daß man eine mit 
Eilber plattierte Kupferſtange zu Draht auszieht. 

In Deutichland werden namentlid in Hanau, 
— und Schwabiſch Gmünd viele Schmuck⸗ 
achen durch Goldplattierung auf Silber verfertigt 
und unter dem Namen Doublewaren beſonders 
in Oſterreich, Rumänien und Serbien in den Han: 
del gebracht. Diefelben haben ihre große Verbreis 
tung in den genannten Ländern dem Umſtand zu 
danken, daß fie in Oſterreich (al3 Silberwaren) 
bungiert werden, dabei das Ausjehen von Gold: 
waren haben und jehr wohlfeil find; in Frankreich 
find diefe Waren verboten. Die Heritellun der 
Doublewaren erfolgt teild wie bei der gewöhnlichen 
erg durch einfaches Aufeinanderwalzen der 

leche, teild aber auch dur Anwendung von etwas 

Lot ala Zwifchenlage und heißes Auswalzen. 

Die beten mit Gold und Silber plattierten Wa: 
ten fertigte man ehemals in Sheffield und Bir: 
mingbam, doch famen jpäter die Fabrilate von 
Wien und Berlin den engliihen an Güte gleich; 
die parijer ge zeichnen ſich mehr durd) 
eeihmadvolle Bearbeitung und Wohlfeilbeit, als 
durch Solidität aus. Gegenwärtig, nad Einfüh: 
rung ber np Vergoldung und Berfilbe: 
rung, werden derartige Waren nur noch in ge: 
ringem Maß fabriziert; doch werden auf galva: 
niihem Wege vergoldete und verfilberte Artikel 
öfters als Plattierungen verlauft. 

Während die Gold: und Silberplattierung 
hauptſachlich als Verſchönerung zur Herftellung 
von Luxuswaren dient, haben andere Arten der 
Plattierung den Zwed, die praktische Brauchbarleit 
der Gegenſtände zu erhöhen. So plattiert man 
Blei mit Zinn, um die gefundheitsihädliche Wir: 
fung des erſtern zu vermeiden; mit Zinn plattierte 
Bleiröhren finden namentlich für Waflerleitungen 
Verwendung. Die Plattierung von Kupfer mit 
Platin (Blatinierung) ift bejonders nüglich zur 
Anfertigung dem. Apparate, Die Blattierung auf 
Eſen geſchieht mit Blechen von Silber, filberplat: 
tiertem Aupfer, Meſſing und Argentan. Neuerlic) 
wird immer häufiger Eifen mit Nidel plattiert und 
hierdurch ein Blech erzeugt, da3 dem Roſt nicht 
unterworfen und der filberähnlihen Farbe des 
Nidels wegen ebenſowohl für Zurus: als für Ge: 
braudjsgegenftände beliebt it. Man ftellt auf dieſe 
Weiſe eine Menge von Gegenftänden ber, welde 
rohe Feitigleit und zugleich ein ſchönes Anfehen 

ben jollen, beſonders Beitandteile von Kutſchen, 

ferbegeichirr, Neitzeug, wie Schnallen, Ringe, 

bürgriffe, Steigbügel, Stangen u. f. w. 

* der Glasfabrikation iſt Plattieren fo: 
viel wie überfangen. (S. unter Glas, Bd. VIII, 
S. 832) In der Hutmacherei verſteht man 
unter Blattieren das fiberziehen eines Filzes 
von ordinären Haaren mit einer Shit von feinen, 
z. B. Biber: oder Fiſchotterhaaren. 

lattlad, joviel wie Schellad. 

Plattling, Fleden im bayr. Regierungäbezirk 
Niederbayern, Bezirlaamt Deggendorf, lints an 

Converfationd-Leriton. 13. Aufl, XIII. 


81 


der Iſar, Station der Linien a 
Nürnberg: Würzburg und Rofenheim: Mühldorf: B.: 
Gifenftein der Bayrifhen Staatsbahnen, zählt 
2744 G. und bat eine fath. Pfarrliche roman. 
Stils mit Shönen Olasmalereien und einem kunfts 
reihen Salramentshäuschen aus dem 15. gehen, 
Nah dem Nibelungenliede bewirtete hier Biſchof 
Pilgrim feine Nichte Kriembild, , 

fattmönch it der Name eines Singvogels, 
we * zu ber Gruppe der Grasmüden (f. d.) in 
der Familie der Sänger gehört und im Syitem den 
Namen Mönhsgrasmüde (Sylvia s. Curruca 
wg rt. Er ift leicht daran zu erlennen, 
daß beim Männchen der Oberkopf ſchwarz, beim 
Weibchen und jungen Vogel aber rotbraun ilt, mo: 
durd) gleihfam ein Käppchen gebildet wird, das 
Beranlafiung zum Namen des Vogels gab. Die 
Kehle ift weißgrau, Wangen und Seiten des Halfes 
Hr aſchgrau, die obern Teile des Körpers grüns 
lich-braungrau, die grauen Schwanzfedern haben 
einen Saum von der Farbe des Nüdens, Die 
Länge ya wenig mehr ald 15 cm, Der ir ge: 

ört zu ben beiten Sängern bufchreidher Nadel: und 

Laubwälder in den Gebirgen und Ebenen Europas 
bi3 Lappland hinauf und geht im Süden bis zu 
den Canariſchen Inſeln. Im lebten Drittel des 
April kommt er aus dem Süden zu uns und A 
im September wieder dahin zurüd, Seine Na 
rung beſteht aus Inſelten; daneben liebt er befon: 
berö die Kirſchen, ſowie auch mancherlei Beeren, 
Das Neit enthält fünf bis ſechs ſchwach rötlich— 
weiße, bunfelgefledte Gier. 

lattuafen, Affen der Neuen Welt, ſ. u. Affe. 

lattnerit oder Schwerbleierz, f. unter 
Blei(sBerbindungen 4). 

Plattöburgh, Hauptort in Clinton County, 
im nordamerit. Staate Neuyork, liegt an beiden 
Ufern de3 Saranac bei feiner Mün ung in ben 
See Champlain, an der Bermont:Centrals und 
Mpitehall: und Plattsburgheifenbahn, bat einen 
= ri Hafen, ausgedehnte Wollmanufalturen, 

ahl: und —— Eiſengießereien, lebhaf: 
ten Holzhandel, ein ſchönes Stadt: und Boll: 
haus und (1880) 5245 E. Am 11. Sept. 1814 
wurde bei ®. die brit. Flotte auf dem Late Cham: 
plain gefangen genommen. — 

Plattſeide oder flache Seide, Stichſeide 
(frz. soie floche, engl. slack silk), Seidenfäden, 
melde aus zwei bis zehn Nohfeidenfäden gebildet 
und nur fehr ſchwach gedreht find, wodurd) fie ſich 
nad dem Kochen und Färben flady auäbreiten und 
fo in der Stiderei den Grund aut bebeden. 

Plattftich, ein in der Weißitiderei angewendeter 

ierftih, fo genannt, weil die dicht nebeneinander 
liegenden Stiche eine Släde (Platte) ausfüllen, 

lattwürmer (Platodes s. Platy&lmia) heißen 
platte, in verfchiedenem Grade — Würmer, 
die meilt äußere oder innere Schmaroper find, 
demzufolge eine Neihe von ——— in 
ihrer Organiſation (Mangel von Reſpirations— 
und Cirkulationg:, ja bisweilen felbit der Ver: 
bauungsorgane) erlitten haben, meilt Zwitter ge: 
worden find und häufig neue Haftorgane in Geitalt 
von Saugnäpfen und bien erworben haben. Zu 
ihnen gehören unter andern die Lochwürmer (Tre- 
matodes, f. unter Würmer) und die Geftoden 
oder Bandiwürmer (f. d.). 

Platyorinus (lat.), ein ausgeſtorbenes Ges 
ſchlecht der Seelilien (ſ. 6 aus der Steinlohle. 

6 


82 


latyrrhinen, foviel wie Plattnaſen. 
lasadjutant, ſ. unter Adjutant. 
layangit, f. unter Angſt. 
lat erhäft bedeutet ein Kaufgeſchäft, bei 
welchem die gelauften Waren nicht nad) einem an: 
dern Drt zu überjenden find, im Gegenjag zum 
Diltanzgeihäft. Der Unterſchied ift befonders des⸗ 
halb von Bedeutung, weil die Art.347 fg. des Deut: 
ſchen Handelögejegbuchs über die Unterfudungs: 
zu bes Häufers und über die Folgen ihrer Ver: 
ebung auf das P. keine Anwendung finden. Bol. 
Hanaufef, «Die Haftung des Verkäufers für die 
Beſchaffenheit der Waren» (Bd. 1, Berl. 1883). 

Inkmajor heißt derjenige ier, welder 
dem Kommandanten oder Gouverneur größerer 
Städte oder Feltungen beigegeben iſt und in deſſen 
Auftrage den Garnijon: und Wachdienſt zu regeln, 
die Parole und die Befehle auszugeben, zuweilen 
auch die Ginquartierung ber Garnifon und durd: 
marſchierender Truppen zu ordnen bat. er 
ſtets ein Major, fteht er jeht zuweilen im Daupt: 
mannsrange, immer aber in äbnlihem Berhält: 
nis zum Kommandanten wie ein Adjutant zum 
——— — Protel ind 

atzpro oteſt in plazza, Proteſt in den 
Wind, Windproteſt) nennt man einen Wechſelpro⸗ 
teſt dann, wenn bie Perſon, gegen welche ber Pro: 
tejt erhoben werben foll, überhaupt nicht aufzufin: 
den oder in ihrem Geſchäftslokal, reſp. in ihrer 
Wohnung nit anwefend war. (S. —— 

latzregen heißen Regenguſſe von kurzer Dauer, 
welche mneiſt ſofort mit ‚grober Heftigleit einſehen 
und ſich durch die Größe der Regentropfen aus: 
zeichnen, Sie find meiſt das Nefultat außerordent⸗ 
Lich ſchneller Abkühlung in den obern Schichten der 
Atmoſphãre und — häufig Begleiter von Ge: 
wittern ober Hagelböen. (S. Regen.) 

Platreifender , ſ. u. Handelsreifender. 

latzwechſel iit ein ſolcher Wechſel, bei wel: 
dem der Ausjtellungsort und der —— 
identiſch find, im Gegenſatßz zum Diſtanzwechſel. 
Der Unterſchied iſt übrigens juriſtiſch bedeutungs— 
los, außer dab ein traſſiert eigener Wechſel nur 
als Diſtanzwechſel geftattet iſt (Wechſelordnung, 
Art. 6, Abſaß 2). 

Plan, Stadt im Großherzogtum Medlenburg: 
Schwerin, am Ausfluß der Elde aus dem 15 km 
langen, bis 6 km breiten Plauerfee, Station der 
Güjtrom: Plauer Gijenbahn, Sib eines Amtsge— 
richte, bat (1880) 4114 E. ein ftäbtifches Kranken— 
baus, Maſchinenbau, Tuchmacherei, eine Kallbren— 
nerei, Schiffahrt, Fiſcherei und Krebsfang, ſowie 
Handel mit Korn, Fettvieh und Fiſchen, namentlich 
Aalen. P. ſteht mit Waren und Malchow in 
Dampfihiffverbindung. Etwa 11 km füböftlic 
liegt die Wafjerbeilanjtalt Stuer mit Burgruine 
B., Stadt feit 1218, fam 1436 an Medlenburg, 
wurde 1627—39 achtinal belagert, 1660 als Zeitung 
geichleift und brannte 1756 gänzlich ab. 

„ Plaudite (lat.), tlatſcht Beifall, Schlußformel 
in den röm. Komödien. 

Plane, Stadt im preuf. Negierungsbezirt Bots: 
dam, Sireis Wefthavelland, am Ausfluß der Havel 
aus dem Plauerfee, 11 km weitlih von Bran: 
denburg, hat (1880) 2178 E., Schiffahrt, Fiſcherei, 
Biegeleten und Vierbrauerei, Das Rittergut Blaue, 
mit 130 E., bat_ein 1414 vom Kurfürjten Fried: 
rich I. erobertes Schloß, welches damals dem Nitter 
Hans von Duikow gehörte, 


Platyrrhinen — Plauenſcher Grund 


Plane, Stadt in der Dberherrfchaft des Fürften: 
tums Schwarzburg:Sondershaufen, Pe Eu 
ſtadt, am Zuſammenfluß der Wilden und Zahmen 
Gera, Station der Linien Neudietendorf-lmenau 
und P.⸗Ritſchenhauſen der Preußiihen Staats: 
bahnen, hat (1880) 1440 G, eine Borzellanfabrit, 
eine Holzwarenfabrit und Bierbrauerei. Auf dem 
nahen Hausberg Liegt dieftattliche Ruine Ehrenburg. 
Das Gerathal heißt von P. abwärts bis Arnftadt 
Plaueſcher Grund. P. erfcheint zuerft 1324, 
„Blauen, Stadt in der ſächſ. Kreishauptmann⸗ 
ſchaft Zwidan, früher Hauptita —— n 
Kreiſes, liegt in einem ſchönen Thale der Wei 
Gliter, it Station der Linien Seipiig.do Reichen: 
bad: Eger (oberer Bahnhof) un * 
Weiſchlißz (unterer Bahnhof) der Sächſiſchen Siaats⸗ 
bahnen und zählt (1880) 35082 G. (19594 im 
. 1867), Straßenbahn mit rauchfreien Lo: 
omotivwagen (Lotomotive und Wagen in einem 
Stüd) zur Verbindung des obern und untern Bahn⸗ 
hof it projeftiert. Unter den öffentlichen 
äuben find bie reftaurierte Hauptlirche : 
—5* mit zwei Türmen, die Lu A das 
athaus, das —— Schloß von 1675, früher 
Refidenz der Herren von P., das Reichspoſtgebãude 
und bie —— hervorzuheben. Die Stadt 
iſt Siß einer Amtshauptmannſchaft, eines Land⸗ 
gerichts und eines Amtsgerichts, einer Handels: 
und Gewerbelammer und einer Reichsbantneben 
ſtelle. Von Unterrichtsanſtalten beſtehen daſelbſt 
ein Gymnaſium, ein Realgymnaſium, ein Schul: 
lehrerſeminar, eine Baugewerlenſchule, eine 22 
delsſchule, eine kunftgewerblide Fachzeichenſchule, 
eine gewerbliche Denen sihule und eine 
raueninduftriefchule. P. — gegenwärtig ber 
auptort in Deutjchland für die Weberei weiher 
Baumwollwaren, für Weißſtiderei und Konfel- 
tionswaren. Weberei und Gtiderei werben jeht 
fajt au&jchließlic durch mechan. Betrieb erzeugt, 
B. bat Fabriten für glatte und brofdierte Waren, 
Maſchinenſtidereien mit (1885) an 2000 Gtid: 
maſchinen, Gardinenfabritation, Bleichereien, Für: 
bereien und Appreturen, eine Baummoll:, Streich: 
gar: und Vigogneipinnerei, Zwirnereien, Gerbe— 
reien, eine mechan. Seilerei, eine Treibriemenfabrit, 
Bapier: und Geihäftsbücherfabrif, zwei Stidma: 
Ichinenfabriten, Maſchinenbauanſtalten ꝛc. — P. 
wird 1122 zum erſten mal urkundlich erwähnt, lam 
im 13. Jahrh. in den Beſih der VBögte von Meida 
und 1569 an Sachſen. Bol. Fiedler, «Die Stadt P. 
im Boatlande» (Blauen 1874); derjelbe, «Beiträge 
zur Gejchichte der Stadt B.» (Plauen 1876); Mep: 
ner, «Bogtländiihe Wanderungen» (Plauen 1882). 
Plauenicher Grund heißt das von der ver: 
einigten Weiheris durchilofjene Thal, welches bein: 
Dei Plauen (4258 E.) unweit Dresden beginnt 
und in dem weiten Thalleſſel bei Botichappel endigt. 
Diefer Keſſel verengt ich wieder bei Hainsberg, wo 
ſich dann das freundliche tharander Thal 5 
Im eigentlichen Plauenſchen Grund en lauen 
(Bahnhof 140 m über der Dftiee) und Potſchappel 
wird das ziemlich enge Thal von 70—T5 m hohen, 
zum Teil heilen Spenitfeljen gebildet, welde von 
einer Blänerihicht überlagert find. Bei Botihap: 
pel ſchließt ih an das Syenitgebirge eine Stein: 
tohlenformation an, welde von mächtigen Bänlen 
des Notliegenden bededt ift, das in ber weithin 
fichtbaren Suppe des Windbergs 351 m über der 
Ditfee emporragt und fi bei Hainäberg an das 


Plaueſcher Kanal — Plebiszit 83 
ander Gneisgebirge anlehnt. Der Plauenfche | und Lorenz. Eine gute Charalteriftit des P. gaben 
ze ift in J Leſſing in der «Abhandlung von dem Leben und 
centrum den Werten bes BP.» in tie «Merfen» (Bd, 22) 
r und Ungenannte im ⸗Rheiniſchen Muſeum für 
Philologie» (Jahrg. 1852 und im 2, Bd. von 
Ritſchls «Opuscular), Deutiche Überjehungen lies 
ferten Köple (2 Bde,, Berl. 1819— 20), Rapp 
(6 Bde., Stuttg. 1838—44), Binder (4 Bde,, 
Stuttg. 1862 fg.), Donner (3 Bde., Qpz. 1864—65). 
Playfair (Yyon),engl.Chemiter, Sohn Geo ge 
?.5,Generalinjpeltors der Hofpitäler, geb. 21.Mai 
1819 zu Meerut in Bengalen, Rubierte an der Uni: 
verfität St.: Andrews, in Olasgow und Giehen. 
Später übernahm er eine Zeit y- die Verwaltung 
einer großen Kattunbruderei in Glitheroe. Im 9. 
1843 war er mit tehnifhen Unternehmungen in 
Mandeiter beicäftigt und wurde bald darauf als 
Profeljor der Chemie in der Noyal-Inftitution ans 
peiteit, fpäter ala Profejjor der Chemie ‚an dem 
ondoner Mufeum der praktiihen Geologie. gr 
dieje Zeit gehören feine Unterjuchungen «On the 
ases evolved during the formation of coals» und 
ein «Report on the coals suited to the steam 
navy» ge 1546). Einen hervorragenden Anteil 
nahm ®. an der internationalen Ausftellung von 
1851, und gab 1852 einen « Report on industrial 
instruction on the Continent» und « Lectures on 
the results of the Great Exhibition» —— Als 
1853 das Departement für Wiſſenſchaft und Kunft 
eingerichtet wurde, wurde P. zum Selretär des: 
felben ernannt. Im J. 1856 wurde er General: 
infpeltor der Mufeen und technifchen Schulen, 
1857 PBräfident der Chemiihen Gefellichaft in 
London, 1858 PBrofefior der Chemie an der Univer: 
fität Edinburgh. An der internationalen Aus: 
itellung von 1862 nahm > in derfelben einfluf: 
reichen Weife teil, wie an der von 1851. Bei den 
Neuwahlen von 1868 wählte die Univerfität Edin: 
Kuzob P. ins Parlament. Im Nov. 1873 ernannte 
Gladſtone ihn zum Genera pojtmeijter, eine Stelle, 
die er indes ſchon Febr. 1874 bei dem Falle des 
Winifteriums Öladftone wieder verlor. Nach der 
Bildung des zweiten Minifteriums Sladjtone im 
April 1880 wurde P. zum Vorfigenden der tomtitees 
und Peputy » Speater de3 Unterhaujes ernannt, 
eine Stellung, die er unter den fchwierigiten Ver: 
bältnifjen mit Geſchick und Energie bekleidete, aber 
1883 nieberlegte. Von — erſchienen noch die 
Vorleſungen und Reden « Science in its relations 
to labour» (1853), «On the food of man in rela- 
tion to his useful work» (1865), «On primary and 
technical education» (1870), «On teaching uni- 
versities and examinivug boards» (1872), «The 
progress of sanitary reform» (1874). 

Plebänus (mittellat.), Zeutprieiter, au Prie⸗ 
ſter einer Stadtlirche, Die von feinem Stift a hängt, 
——ã 1. Blebs, j 

lebiszit (lat.) hieß bei den alten Römern ein 
von der Plebs in den Tributcomitien gefaßter Be: 
ſchluß, weldher eine dem eigentlihen vom röm. 
Volle (populus) erlaſſenen Gefehe ähnliche Autori: 
tät erhielt. Napoleon I. ahmte die Einrichtung nad), 
indem er die gefamte Menge der franz. Bürger in 
örtlihen Berfammlungen abjtimmen hieß. So lieh 
er feine Ummwälzung vom 18, Brumaire (9. Nov, 
1799) und fpäter die —— des Jahres VIII 
und die jpätern Senatuslonſulte beftätigen, welche 
1802 ein lebenslängliches Konfulat gründeten und 
ihm 1804 die Kaijerfrone übertrugen. Ebenſo 






























folge des Kohlenbergbaues ein Haupt: 
u. She en K- vr. u 
eihen Dörfern Potſchappe .), Groß: 
und Kleinburgf (1648 E.), Nieder: und Ober: 
—— (1869 E.), Zauckerode (1374 E.), 
öblen (2194 E.), Deuben (6115 E.), Nieder: 
Be 1871 E.), Hainzberg (954 €.) u. |. w. 
den zahlreiche verichiedene Fabriten. Das 
Koh von Potichappel und Zauderode it 
das ya e in Sadien (das zwidauer i 
tößer) den freiberger Berg: und Hütten: 
von großer Wichtigkeit, 
f Sanal,\. nter Havel, 
: —— (at.), beifallswert, annehmbar, ein: 
eu 


ten ” 
„lang * ee — 
m. ‚geb. um 254 v. Chr. zu Sar: 
fina een lebte zu Rom anfangs im Dienfte 
einer —** pe. Nachdem er das Geld, 
das er fi dadurch verdient, durch Handelsipelu: 
lationen verloren hatte, geriet er in fo dürftige 
Umjtände, daß er ſich in einer arg vers 
— 
wegen ete. ar v. Chr. 
Bon den vielen Komödien, die im Altertum unter 
feinem Namen gingen, find noch die vom Gramma: 
tifer Barro als unbedingt echt ausgefchiedenen 21, 
bis auf die «Vidularia», volljtändig erhalten; das 
in einigen Handſchriften unter bem Namen des P. 
tüd erulus» : ein Machwerl des 
3. ober 4. chriſtl. Jahr. li mehr oder 
minder freie Nachbildungen griech. Originale, deren 
je zwei bisweilen zu einem —— 9 
wurben, tragen fie doc) ein rom. gerräp. lit 
einer Fülle unmittelbar aus dem Voltsleben ge: 
Shöpfter Anfhauungen, mit einem nie verfiegen: 
ibe, mit einem rajchen, fpannenden Dialog, 
der bei allem Reichtum allgemeingültiger Lebens: 
regeln und Sentenzen doch der dramatischen Ent: 
widelung nie bemmend in den Weg tritt, entrolit 
der Dichter vor feinen Zufhauern ein Bild des 
beiterjten Lebens, das freilih vom —— 
des niedrigen röm. Publilums, deſſen Ladhluft es 
zu beſtimmt ift, beurteilt werden muß, nicht 
vom Standpunft des modernen äjthetiichen Ge: 
urch zahlreiche Derbheiten und arge 
Obſconitãten beleidigt wird. Unbejtritten bleibt 
dem P. die Meifterihaft. mit welder er die vor 
ihm nod rohe und unbeholfene Sprade ſowohl 
wie Veröfunft feinem Zwed teils neu ſchaffend, 
teils weiter ausbildend dienftbar zu machen wußte, 
‚Die ältern Ausgaben find jet antiquiert durch 
bie epochemachende Leitung Nıitfhls, von deifen 
1849—54 drei Bände erfdienen find. 
Ein Vorläufer derjelben waren deiien «Parerga 
Plautina» (Bd. 1, %p;. 1845); die g eichzeitig und 
fpäter verfaßten Auffäge und Abhandlungen find 
in dem zweiten und dem dritten nach Ritſchls Tode 
veröffentlichten Bande der «Opuscula» vereinigt; 
auch R nachdem Ritſchl felbit noch eine 
uẽg. Eat ER) Deforat bat Ale en 
a von eſor ‚ die Fort: 
j — —————— der Plautus:Nusgabe 
von „©ös und Shöll übernommen und find 
davon 11 Komödien (Lpz. 1878—84) veröffentlicht. 
ine Tertausgabe von 10 Stüden bejorgte led: 
eijen (2 Bbe., 1856). Ausgaben einzelner 
Stüde mit deutihen Anmerkungen lieferten Brir 


34 


benußte Napoleon IIT. dasfelbe Mittel einer allge: 
meinen Bollsabjtimmung, 14. bis 21. Dez. 1851 
feine Erneuerung der Prälidentihaft und 21. und 
22. Nov. 1852 die Gründung des zweiten Kaiſer— 
tums zu beftätigen. Gin drittes P. lieh er 8. Mai 

1870 zur Beftätigung der anjcheinend liberalen Re: 
formen feit 1860 vornehmen; in der That aber jollte 
dieſes legtere B. (kurz vor Ausbruch des län be: 
abfichtigten Kriegs gegen den Norddeutſchen Bund) 
der Prüfftein fein, wie tief die Dynaſtie Bona: 
parte im franz, Volfe Wurzel gefchlagen habe. 

In der Schweiz iſt dasfelbe Verfahren unter 
dem Namen des Peferendum (f. d.) in Übung. 

Plebs (Plebejer), im alten Rom ein Teil der 
Bevölkerung, der fich teils aus den Glienten (ſ. u. 
Glientel), teild aus Lateinern, die in Nom fid) 
niedergelaflen, teils aus in Rom angefiedelten und 
nicht unter die Elienten aufgenommenen Bewohnern 
eroberter und zerjtörter Städte bildete. Servius 
Zullius nahm dieſe in die von ihm eingerichteten 
Tribus und Klaſſen und Genturien auf, womit 
ihnen ein ihrem Grundbefise (jpäter dem Gejamt: 
vermögen) entiprehender Kriegsdienſt auferlegt, 
bernady aber auch nah Schaffung der Comitien 
(f.d.) in diefen wenigftens zum größten Teil Stimm: 
recht (suffragium) erteilt wurde, Sie befaßen oder 
erhielten das Commercium; das Connubium aber 
mit den Batriciern unddas Net auf höhere Staats: 
ämter (honores) war ihnen aud) in den erſten Zei: 
ten des Freiſtaats noch verjagt. Die Plebejer er: 
ſcheinen jo als minderberedhtigte, den Hauptjtamım 
der röm, Heere ausmachende, von der Benubung 
der Staatsländereien ausgeſchloſſene Neubürger, 
welche die Laft des Kriegsdienjtes und der unver: 
goltenen Beſteuerung ſchwer drüdte. Daraus ent: 
ſtehende Verarmung, die Härte des alten Schuld: 
rechts und die Willlür der Magiftrate trieb die 
P. 494 v. Chr. zur, bewafjneten Auswanderung 
und zum Beziehen eines Lagers auf dem Heiligen 
Berge, was die Anerkennung ihrer bejondern Or: 
gamain und die Bewilligung eigener Magiſtrate, 
der Tribunen (f. d.), zur Sole batte, Die Tribu: 
nen follten zunächſt nur Gemeindevorjtände fein 
und den einzelnen gegen obrigleitliche Ausſchrei⸗ 
tungen Schuß zu gewähren berechtigt fein. Sehr 
bald dehnten he aber namentlich mit Sn der 
ihnen gewährleifteten Unverleplihteit ihre Befug— 
nifje weiter aus, fodaß vor die unter dem Vorfit 
der Tribunen ftattfindenden Verfammlungen der 

P. aud allgemeine Angelegenheiten gezogen und 
deren Beſchlüſſe, die Plebiszite (plebiscita), mit 
den Geſehen der Genturiatcomitien (populiscita) 
gleihe Wirkjamleit erlangten. Doch wurde die 
P. immer noch dem Populus, d. bh. dem in den 
Genturiatcomitien von den höhern Klafjen geführ: 
ten Bolfe,, entgegenjebt. 

‚Das Verbot des Connubiums mit den Patri: 
ciern wurde durd das Canulejiſche Plebiszit 445 
aufgehoben, Das Streben der P. nad den höch— 
jten Staatsämtern wurde jedoch dur die Ein: 
fahrung konſulariſcher Militärtribunen, wozu aud) 
Plebejer wählbar jein jollten, keineswegs befrie: 
digt. Erſt 367 begründeten die Liciniſchen Ge: 
ſehe hierin einen wejentliden Fortſchritt, indem 
fie der P. eine Stelle im Konjulat gewährten, 
woran ch dann in raſcher Folge die Zulafiung 
und der Eintritt der Plebejer in alle Magiſtrate, 
fomie in die zugleih auch politiih bedeutiamen 
Prieftertümer anſchloß. Auch wurde ihnen Anteil 


Plebs — 


Pleiße 


an der Benußung des Staatslandes — rt. In 
der nädjten Zeit fehlte es nicht an Verſuchen, den 
Plebejern das Gewonnene 7 ſchmälern, was nod) 
286 eine Soceſſion diejed Standes auf das Janis 
culum veranlaßte, worauf ein durd den Diktator 

ortenfius eingebrachtes abſchließendes Gefeh den 
‘ —— der Trihusverſammlung der P. vollends 
unbedingte Gultigleit für die Geſamtbürgerſchaft 
verlieh, während gewiſſe den Patriciern (ſ. d.) 
belaſſene Vorrechte ihre polit. Bedeutung in der 
Hauptſache verloren, Aus beiden Ständen ging 
jeitdem die Nobilität (f. Nobiles) als neuer 
Amtsadel hervor, und von dem verfchmolzenen 
Volte hoben fi hernach nur nod die jenato: 
riſchen und et aud) die ritterlichen —— 
ſ. Eques) als beſondere Geſellſchaftsllaſſen (or- 
ines) ab. Es tam fo eine neue Bedentung des 
Wortes plebs in Aufnahme, indem dasjelde nun: 
mehr die weder zum ordo senatorius noch zum 
ordo equester Gehörigen bezeichnete. Die Herab: 
ebung der Freigelafienen im Verhältnis zu den 

eigeborenen ri de3 vollen Gebrauchs der 

ürger: und Ehrenrechte, das Streben, fie auf die 
tribus urbanae zu beſchränlen, und der Umftand, 
dab die nad röm. Anficht den Landwirten nad) 
—— Gewerbtreibenden meiſtens den ſtädtiſchen 
ribus angehörten, brachte eine niedrigere Stellung 
dieſer legtern im Verhältnis zu den ländlichen Tris 
bus und damit einen Unterſchied zwiichen plebs 
urbana und plebs rustica hervor. innerhalb 
jener hatte mit der Zeit, ald Nom ſich außsdehnte 
und die Berderbnis der Eitten eindrang, vorzug⸗ 
lic) die große Maffe der niedern, von Spenden 
lebenden Bevölkerung das Übergewicht; die andern 
ſchloſſen namentlich die Heinern Landwirte und die 
Bürger der Municipien in no. Sie wurden höber 
geachtet, und in ihnen ehe fi auch lange der 
ehrenwerte Geift der alten P. Zur Kaijerzeit hießen 

lebejer auch die Bürger der Municipien, im 

egenfape zu den Decurionen (f. d.), und zu aller: 
legt die gemeinen Leute (humiliores, tenuiores) 
gegenüber den Standesperfonen (honestiores), 

Im Mittelalter wurde das unfreie und jteners 
bare Volt misera plebs contribuens genannt, 
welche Bezeihnung das ungar. Staatöreht bis 
1847 den nicht Wahl: und Landtagsfähigen gab. 

Pleinfeld, Fleden im * legierungsbezirk 
Mittelfranken, Bezirlsamt Weißenburg, an der 
Schwäbiſchen Nezat, Station der Linien Münden: 
Angolitadt:Bamberg:Hof und P. Nördlingen⸗Augs⸗ 
burg⸗Buchloe der Bayriſchen a: hat 
(1880) 1106 E. und Hopfenbau, Nahebei liegt 
das dem Fürften Wrede gehörige Schloß Sand: 
jee. Bis 1802 gehörte n zum Bistum Eichftätt. 

Plein pouvoir (fr;.), volle Naht und Ges 
walt, freie Hand (etwas zu thum oder zu —* 

Pleiocän oder Pliocän, eine Unterabteilung 
der Tertiärformation (f. d.). , 

Pleiochaſium, Form der fympodialen Blütens 
ftände, f. unter Blütenjtand, 

Pleiöfe, —— Nebenfluß der Oder im 
preuß. Regierungsbezirk Frankfurt a. O., entfließt 
den Seen von Lagow im Kreis Ditfternberg und 
mündet unterhalb Aurith im Kreis Weſtſternberg. 

leifge, rechter Nebenfluß der Weihen Eliter, 
entipringt bei Cbersbrunn, 8 km fübfübweftlich 
von Zwidau in 410 m errang berührt die 
Städte Werdau, Erimmitihau, Goͤßnitz, Rötha 
und Leipzig, nimmt in ihrem Unterlauf rechts die 


Pleite — Plenum 


Wihra, bei Seipsng die Barthe auf und mündet 
nad) einem GO km langen Lauf 3km im NW. von 
Leipzig unweit des Dorfes Mödern. 

Das Pleifnerland, der alte forbiihe Gau 
Plisni, jedoch mit abweichenden Grenzen, hieß der 
zu beiden Seiten ber ®. gelegene Landitrid , wel: 
ber hauptſãchlich das gegenwärtige Amt Altenburg 
und im beutigen flönigreich Sad bie Umgegend 

von Frohburg, Waldenburg, Crimmitihau und 
Werdau, fhwerlih auch Goldig und Peisnig ums 
faßte; auch rechnet man die Neichsftädte Zwiclau 
und Ehemnik dazu. Derfelbe wurde durch fönigl. 
Landrichter (judices provinciales terrae Plisnen- 
sis) verwaltet. Markgraf Heinrich der Erlauchte 
von Meißen nahm dasjelbe in Befik als Unter: 
pfand für die Mitgift der mit feinem Sohn Albrecht 
vermählten Tochter Kaifer Friedrichs I., Marga: 
tete, Zwar brachte Rudolf von Habsburg es 1290 
an das Reid) zurüd, doch ſchon 1292 verpfändete 
e3 Adolf von Naffau aufs neue an König Wenzel 
von Böhmen, als er feinen Sohn mit beflen Tod) 
ter verlobte, Seitdem König Johann von Böhmen 
es 1311 dem Markgrafen Friedrich dem Freidigen 
von Meiben vorläufig auf 10 Jahre und wieder: 
einlösbar übertragen hatte, iſt es im Beſiß des 
uſes Wettin geblieben und mit deſſen übrigen 
sungen ———— 

leite (vom bebr.), in der Gaunerſprache eigent: 

u Flut; dann foviel wie Bankrott. 
ejade n nad) bem ———— die 
upter der — ———— r zweiten 
te des 16. Jahrh. die, mit J. du Belley und P. 
Ronfarb an der Spiße, durch Nachbildung der 
antifen poetiihen Sprade und der antilen Did: 
tungsformen die franz. Litteratur zur *8 der 
— —— zu erheben {u ten. Neben 

Belley, Ronja [. de Baif, R. Belleau, E. 
obelle, $. Daurat wird die fiebente Stelle bald 
Sr. de Ste.-Marthe oder Muret, bald und gewöhn: 

ih U. u oder Pontus de Thiard zuerkannt. 
Die der meijten PBlejadendichter vereinigt die 
Sammlung «Plöiade frangaise» (ar. 1867 1g.). 
Plejaden, die Töchter des Atlas und der 
Pleione, fieben an Zahl, gaben fih aus Schmerz 
über das Geihid ihres Vaters felbit den Tod und 


bildeten, von Zeus an den Hinmel verfekt, das 
& im (f. d.). Rach einer andern Sage 
waren fie Gefährtinnen ber Artemis, wurden nebit 


Mutter von dem Jäger Drion verfolgt, auf 

in Tauben verwandelt und dann unter 

die Sterne gg Ihre Namen find Glektra, 
‚ Altyon 


eg 2 — eg und 
ch ihren aufgan en Mitte 
Mai) zeigten fie die Male der Cents, = ihren 
gang (Ausgang Oktober), zu welcher Zeit 
engüfje begannen, . er fie das Zeichen 
und zur neuen Ausſaat. 
ren, Sterngruppe, ſ. Siebengeſtirn. 
—— ober Da tliefer nennt 
man eine jo re, nicht allzu zablreiche Ordnung 
N ‚ beren Ober: und Zwifchenliefer beweg— 
lid verbunden find. Meijt zeigen 
bie ®. eine bejondere Hautbededung in Geitalt 
von Stadeln oder von Knocdenplatten, wie der 
ie 
el: 


Kofferfi Ostracion quadri- 
i if IH Up . Sie —— 







& 


eornis, Taf 
i i eere, nã — - Se, * 
hrung, wie e, Conchylien, Ko: 
u. dal.), die fie mittels ihres oft 


Hi 


folofjal entwidelten Gebiſſes jermalmen. Manche 
Arten find lebhaft gefärbt und ihr Fleiſch, nament⸗ 
lich aber ihre Leber ift oft als für den Menſchen 
tödlich: giftig befunden worden. Die größte Art 
——— mola) wird bisweilen über 2 m 
ang und findet fich auch in der Nordſee. 

Bieftron (lat. Plectrum) hieß bei den Alten 
das aus Holz, Elfenbein oder Metall beftehende 
— oder gebogene Stäbchen, womit der Spie— 
ende die Saiten der Lyra (f. d.) oder anderer 
Saiteninftrumente anfhlug, wenn er fih dazu 
nicht der Finger jelbft bediente, Bogen und Streid;: 
inftrumente kannten die Alten nicht. 

Plener (Ignaz, Edler von), öfterr. Staats: 
mann, geb. 21. Mai 1810 zu Wien, widmete ſich 
nad) zurüdgelegten juridiihen Univerfitätsftubien 
feit 1836 dem Staatsdienit, war Vorjtand des 
egerer Finanzbezirl3, dann Departementächef bei 
ber prager Landesbehörde. Zum Oberfinanzrat er: 
nannt, erhielt er 1851 die auferordentliche u 
nad Peſt⸗Ofen, wo bie Ginführung der indirelten 
Steuern in Ungarn feine Thätigfeit in Anſpruch 
nahm. Im J. 1854 wurde P. an die Spike ber 
—— ireltion in Preßburg und 1857 als 

iniſterialrat und Finanzlandesditeltor nach Lem⸗ 
berg berufen. Nach dem im April 1860 erfolgten 
Tode des Finanzminifter Brud erhielt P. die pro: 
vijoriihe Leitung des Finanzminifteriumd und 
trat bei der Bildung des Kabinett? Schmerling im 
Dez. 1860 definitiv in das Kabinett ala Finanz: 
minifter. Nebjt vielen andern Vorlagen bradte P. 
die Bankakte und die Reform der birelten Be— 
fteuerung bei dem Reichsrat ein. Mit Schmerling 
nahm aud P. im Juli 1865 feine Entlaffung. 
Seine Verwaltung it damit harakterifiert, daß bei 
feinem Austritt das Silberagto auf 7 Proz. herab: 
—— war. Gr trat nach der Siſtierung ber 

—37 als entſchiedener Gegner der Belcredi: 
ſchen Bolitif im Landtag und im Neichsrat auf. 
Ende Dez. 1867 trat er mit Herbit, Giskra, Breſtel 
und Hasner in das von Fürften Carlos Auer&perg 
gebildete Kabinett (das fog. Bürgerminifterium) 
als Handelsminifter ein und blieb folcher bis zu dem 
im April 1870 erfolgten Syitem: und Regierungs: 
wechſel. P. gehörte ala Abgeordneter von Eger dem 
böhm. Landtage und dem erg ver des 
Reichsrats an, bis er 13. Olt. 1873 als lebensläng⸗ 
liches Mitglied in das Herrenhaus berufen wurde. 

Sein einziger Sohn, Ernit von P., geb. 18.Dtt. 
1841 zu Eger, anfänglich im diplomatijchen Dienit, 
fungierte als öfterr.zungar. Botſchaftsſelretär in 
London und wurde 1873 von dem Wahlkreis 
Eger in den Reichsrat entjendet. P. zeichnete ſich 
als hervorragender Nebner der bdeutich-liberalen 

rtei aus und wurde in bie —— der 

ereinigten Linlen gewählt. r veröffentlichte 
mehrere vollswirtſchaftliche Arbeiten, darunter 
«Die engl. Fabrikgefepgebung» (Wien 1871) und 
«serbinand Yafjalle» (2pz. 1854). _ , 

BEpeien (neulat.), foviel wie Plein pou- 
voir; Blenipotentiarius (frj. Ministre ple- 
nipotentiaire), Vevollmächtigter, namentlich be: 
vollmädhtigter Gejandter. [betrieb. 

lenter: oder Plänterbetricb, j. Femel— 
lenum (lat.), Plenarfikung, Plenar- 
verfammlung, die VBerfammlung eines ganzen 
Kollegiums, einer ganzen Körperſchaft, um mic: 
tigere Angelegenheiten zu erledigen, welde der 
Entiheidung durd Kommiſſions-, Abteilungss 


86 


oder Ausfhußverfammlungen entzogen find. Na: 
mentlich heißt P. die Geſamtheit der Richter, 
welche zu einem Gericht gehören. Den Vorſih in 
P. führt nad) dem ———— Sgefch 
(SS. 61, 121, 133) der Präfident. Dem sh, des 
Reichsgerichts weiſt das ——— 
gewiſſe ee über feine Mitglieder 
zu ($$. 128, 129, 131). —— übt das P. 
als ſolches nicht (fie wird geübt durch die Kammern 
der, Landgerihte, die Senate der Oberlandes— 
erichte, des Neichägeri t3). Verichieden von dem 
P. find die vereinigten Eivilfenate, die vereinigten 
Straffenate des Reichsgerichts, vor welche die Ber: 
gamtiung und Entiheidung der Sade von einem 
ivilfenat, beziehungsweiſe Straffenat zu verweifen 
it, welder in einer Re —** von einer frühern 
Entſcheidung eines andern Civil:(oder Straf: 
Senate3 oder ber vereinigten Civil:(oder Straf: 
Senate abweichen will. Diefe Entfheidungen der 
a ee Senate find an die Stelle getreten der 
fog. Vlenarentiheidungen früherer oberfter 
Gerichtshöfe, welche indes nur die ftreitige Rechts— 
frage betrafen. 
Plenus venter non studet libenter, la: 
teinifhes Sprichwort: Ein voller Bauch jtudiert 


nicht gern. 
leochroismu8, ſ. unter Dihroismus. 
feomorphie nennt man in der Botanik bie: 
jenige Erſcheinung des Generationswechſels, weldye 
bei manchen Pilzen eintritt und dadurch charalteri⸗ 
fiert ift, daß mehrere Formen von Frultififations: 
organen in einer gewiſſen Neihenfolge gebildet 
werden. Cine fol 5 it 3. B. bei den Uredineen 
(f. d.) oder Noftpilzen vorhanden, bei denen zu: 
nächſt Urebofporen, fodann Telento: oder Dauer: 
—5* und ſchließlich in der Regel auf einer andern 
irtspflanze die jog. Hlcidiojporen gebildet wer: 
ben, die bei ihrer Keimung ein Mycelium ent: 
wideln, weldes wiederum Urebofporen erzeugt. , 
Pleonasmus (grd).), eigentlich überfluß, in 
ber Rhetoril ein zur Deutlichkeit zwar nicht unent: 
behrlicher, diefelbe aber doch unterftügender Auss 
druck, namentlich de3 Nachdruds halber ange: 
wandt. Gegeniap des P. die Ellipfe (f. d.), von 
ihm unterfchieden ift die Tautologie (f. d.). Ein 
pleonaftifher Ausdrud find z. B. die Worte aus 
Gicero3 zweiter catilinarifher Rede: abiit, exces- 
sit, evasit, erupit, Formelhafte Ausdrüde der 
Rechtsſprache enthalten häufig Yleonasmen. Auch 
die Sprache des täglichen Lebens wendet diejelben 
häufig an, wie z. B.: «Ich habe e3 mit diefen mei: 
nen Augen» oder amit eigenen Augen geſehen ». 
eonaſt, foviel wie ſchwarzer Spinell (f. d.). 
leorama, |. unter Banorama. 
spöra Pul., PBilzgattung aus der Famis 
lie der Pyrenomyceten, deren Arten teil epiphy: 
tiſch, teils endophytiſch auf lebenden oder faulen: 
den Bilanzenteilen vorkommen. Die Mycelien 
ſowohl als auch die Conidienträger, die gewöhnlich 
unter den Namen Cladosporium, Sporidesmium 
u. a, beſchrieben werben, fowie die Perithecien find 
ſchwarz gefärbt und geben dadurd den befallenen 
Zeilen ein rufiges Ausjehen. Man bezeichnet deö: 
bald diefe Pilze ebenfo wie die Arten der Gattung 
Fumago al3 Rußtaupilze. Am bäufigiten kom: 
men die Conidienzuftände vor, deren Sporen eine 
mauerförmige Teilung befiben; die Perithecien 
find meift lugelig und Apen in Gruppen jufammen. 
(Näheres f. unter Rußtau.) 


Plenus venter etc. — Pleß (in Preußen) 


Pleichen (polı. Pleszew), Kreisftadt im preuß. 
Regierungäbezirt Poſen, linl3 an dem zur Brosna 
gehenden Nerbach, Station (4 km vom Drt) der 
Linie Poſen-Kreuzburg der Preubßifchen Staats: 
bahnen, zählt —* 6336 €. (davon 3758 Katho⸗ 
liten und 929 Juden, fowie 3100 Polen), ift Sis 
des Landratsamts, eined Amtsgerichts und einer 
Neihsbantnebenftelle, hat eine evang. und eine 
kath. Pfarrlirche, zwei Waiienhäufer, zwei Dampf: 
mabl: und eine er erg eine Dadı: 
pappefabrit, zahlreiche Windmühlen, vier Deftil- 
lationen, Hunfttifchlerei und Drechslerei. — Der 
Kreis Pleſchen zählt auf 1029 qkm 64762 E., 
davon 8734 Evangeliiche und 1620 Juden, 

Blefiofaurnd (grch.) it ein ausgeſtorbenes 
Reptiliengeichleht genannt worden, deſſen liber: 
refte vom Lias bis zur Sreide gefunden worden 
find. Diefe Tiere beſaßen einen verhältnismäßig 
jehr langen, ſchlangenartigen Hals, einen Heinen 
Kopf mit großen Augen ohne knöcherne Ringe und 
wirlliche Floſſen ftatt der Fühe, ähnlich wie die 
Ichthyoſauren (ſ. Ichthyoſaurus), von denen 
hie 4 am meijten durch den langen Hals und den 
turen Schwanz unterfhheiden. Die zahlreichen 
Zähne waren dünn, ſpitz, etwa hafenförmig nad) 
binten gefrümmt und längsgeftreift. Die Stelette 
diefer Tiere liegen in den Steinſchichten ag 
auf dem Bauche und jtreden alle vier Srofien weit 
von fi. Die Arten erreichen gewöhnlich) nur 1,5 
bis 3 m Länge; doch gibt es einige, welche bie dop⸗ 
pelte Größe erreichen. Die Gattung P. gehört 
einer größern Familie von ſchwimmenden Repti— 
lien an, weldye man Sauropterygierigenannt 
und beionders deshalb von den Schrhyofauren ges 
trennt bat, weil die Floſſen nur fünf Heben, wie 
bei den übrigen Reptilien , enthalten, während bei 
den Shtlyolauren die Zahl der Zehen größer iſt. 
Gattungen der Familie, welche von den P. ver: 
ſchieden find, kommen befonders in der Trias vor; 
unter diefen heißt die befanntefte Nothbofaurus, 

Bleftow, rufj. Gouvernement, |. Bflomw. 

Blech, eine Standesherrihaft, die 1850 vom 
König von Preuben zum Fürftentum erhoben wurde, 
liegt im Negierungsbezirt Oppeln auf der rechten 
Dverfeite, nördlid um eg der Weichſel und 
wejtlich der Przemſa, umfabt beinahe den 58 
Pleſſer, ſowie einen Teil des Kattowitzer Kreiſes 
und bildet die ſüdöſtl. Spihe der preuß. Provinz 
Schleſien. Das Fürjtentum zählt auf 1100 qkm 
über 100000 meijt (80 Proz.) kath. E., welche mit 
Ausnahme der beiden Städte Pleß und Nilolai 
faft fämtlih (85 Proz.) polniſch ſprechen. Die 
Bobenoberflädhe bildet faft überall eine Ebene, nur 
im Norden und Nordweiten find Heinere Höhen 
bei Nitolai, Orzefche, Lendzin. — Der Kreis Ple 
zäblt auf 1062 qkm (1880) 95897 €. e 

Die Kreisftadt Vleß an der Piinka, Station 
der Linie Emanuelfegen : Dzieditz der Preußiſchen 
Staatsbahnen, ift Siß der fürftlihen Verwaltungs: 
behörben, eines Yandratsamts und eines Amtöges 
richts, zählt (1880) 4059 E. und hat ein Johanniter 
(azarett, ein Waifenhaus, ein prächtiges Reſidenz⸗ 
ichloß des Fürften von Pleß mit ſchönem Park, drei 
Kichen, Gymnafium, Dampfmühle und Spiritus« 
brennereien. In der Nähe liegt Luiſenhof, ein 
großes Geftüt des Fürften von Pleb. 4 

Die Standesherrihaft, deren Beſiher einen An: 
teil an den drei Suriatjtimmen auf dem fchlef. 
Provinziallandtag hat, gehörte feit 1548 den 


Pleß (in Böhmen) — Pletid 


Reihsgrafen von Promnitz, von melden Graf 
Eromann feine Todter an ben en Auguft 
Ludwig von Anhalt: Köthen . Dieler 
rließ me Söhne, Karl Georg Lebrecht und 
iedrich Erdmann, von denen ber lehtere durch 
eine —— ſeines Großvaters mũtterlicherſeits 
21. Juni 1765 die freie Standesherrſchaft P. erhielt, 
wodurch er ber Stifter der Linie Anhalt⸗Köthen⸗ 
e ALS dieſe 1841 mit dem Prinzen 
udwig ausftarb, fiel P. an defien Bruder Heinrich, 
ben regierenden Herzog von Anhalt : Köthen, und 
nad) defien Tode 23. Nov. 1847 an feinen eflen, 
Grafen Hans Heinrih X. von H , welder 
15. Dit. 1850 zum Fürften von ®., ſowie ſchon 
1840 und Standes von Für: 
ſtenſtein, urg und Friedland in Schleſien 
erhoben ward. Dieſer hinterließ bei ſeinem Tode 
20. Dez. 1855 das m feinem Sohne Hans 
Heinrih XL, Fürften von P., Grafen zu Hoch— 
ber, von Fürftenftein. elbe wurde 
10, 1833 geboren, ijt feit 1863 erbliches Mit: 


Br des preuß. Herrenhaufes, gehörte 1867 für 
n Wahltreis ur dem Sonftitwierenden 
Neihstag und dann 1867—70 für den Wahlkreis 


urg dem ordentlichen Reihötage des Nord: 

deutſchen Bundes an. Für den legtern Wahlkreis 

war er au 1871— 78 ied des Deutichen 

—3 wo er der Fraltion ber Deutſchen 

Reihöpartei angehörte. Jm Deutfch:Franzöfiicen 

Kriege von 1870 und 1871 fungierte er als fönigl. 

Kommijjar und Militärinfpelteur der Freiwilligen 

Krankenpflege bei der Armee im Felde. 

, ‚Name von Joſephſtadt (j. d.). 

tabt im ruſſ. Gouvernement Roftroma, 

Kreis Nerechta, rechts an der Wolga, mit (1881) 

2168 E., einer! drale und ai Kirchen, 

t Handel mit Getreide und iſt Stapelplatz für 
eide, Branntwein und Manufalturwaren. 

— Pleffidi, ein Gebirgäzug auf Magnefia, |. Pe: 

ion. 


iniſch). 

ie, ſ. unter Perkuſſion hei 

efiue (die), rechter Nebenfluß des Rheins im 
gi» Kanton Graubünden, entipringt mit zwei 
ibäden, dem —— und dem Sapüner: 
her, im —— es Schanfigg, durchfließt 
dieſes Thal ſchluchtartig —— bewaldete Steil⸗ 
hänge eingeſchnitten in weftl. Richtung, nimmt am 
Ende desjelben linls die Rabiufa aus dem Thal 


von Ehurwalden auf und tritt durch den Engpaß 
er Mittenberg und Bizolel bei Chur in 
s Rheinthal hinaus, um 2°, km unter F 
n der 


fer Stadt durch einen Kanal zu münden. 
Gabel (1276 m) der Duellbäche bis zur Mündung 
(558 m) beträgt die Flußlänge 16 km, das Gefälle 
118 m ober 4,5 Proz. Somohl die P. wie di 

Rabiuſa find , trübe, oft dur Hochwaſſer 


n 
gefährliche Ber e. j 
: » Malerjarbe, entiteht beim Er: 
—* von dichromſaurem Kali und 
rem phosphorjaurem Kalk unter Zuſatz von 
uder und iſt weſentlich ein Gemenge von Chrom⸗ 
—— und neutralem phosphorſaurem Kalt. 
ethoun (Georgius Gemiſtus), ein byzant., 
einem myftiihen, mit heidniſcher Theurgie verquid: 
ten Neuplatonismus ergebener Gelehrter, geb. um 
1350 zu Konftantinopel, war lange der Führer 
einer berühmten philoſ. Schule zu Mifithra im 
Peloponnes, aber auch viel mit jozial:polit. Re: 
formplänen bejchäftigt, lam mit Kaijer Zohan: 


87 


nes VIII. Paläologos bei Gelegenheit des Konzils 
in Ferrara 1438 nad) Italien, wo er big — ſeiner 
Nüdtehr nach Griechenland (1441) durch Vorträge 
über Blato und andere in elegantem Griechiſch für 
die Verbreitung jenes Neuplatoniamus wirlte und 
den Anjtoß zu der jpäter von Mediceern geitifteten 
Platoniſchen Alademie gab. Er ſtarb im Juni 
1452 oder nicht lange nachher. Am beiten laſſen 
fich feine Anfichten erfennen aus einer Schrift, die 
unter dem Titel «ll. vouwv auyypapüis ta owLd- 
peva. P. trait& des lois» von Alerandre (Bar. 
1858) herauögegeben ift. Er ir einen heftigen 
Kampf je die Platoniſche Philofophie gegen die 
Ariftoteliiche, wie er beide auffaßte (val. feine «Ub: 
handlung über den Unterſchied der Platoniſchen 
und Ariſtoteliſchen Philoſophiev, Vened. 1540), 
und bie orthodoxe griech. Geiſtlichteit. Seine 
ſtaatswiſſenſchaftlichen Denfichriften «ler raw dv 
Ildorowiow npayparov» gab Elliffen (pa. 1860) 
vervollitändigt heraus. Seine übrigen Schriften, 
wie die Geſchichte Griechenlands nad) der Schlacht 
bei Mantinea (berausg. von Reihard, Lpz. 1770), 
find blofe Rompilationen. Bol. Schule, «P.s 
Leben und Tehre» (1. Bd. der «Geſchichte der Philo: 
fopbie der Nenaiffance», Jena 1874). : 

Plethöra (vom ard. nansson, Vollblütigkeit) 
wird in der mediz. Sprade in dboppeltem Sinne 
gebraudt und bezeichnet entweder den Blutreic- 
tum des ganzen Körpers (die Vollblätigkeit) 
oder der einzelnen Zeile. (S. Blutandrang.) 
Als die Gefamtblutmenge des Erwadjenen wird 
ein Zwölftel bis ein u wc bed Slörperge: 
wichts angenommen; beim Neugeborenen iſt jie ge: 
ringer, nad manden nur ein Neunzehntel, tm 
höhern Alter nimmt fie gleichfalls ab. Die Vor: 
tellungen über einen zu groben Blutreichtum des 
ganzen Körpers find ſehr unficher, und es muß —* 
in Frage geſtellt werden, ob ein ſolcher Zuſtand 
überhaupt möglich ſei. Vielmehr muß man einen 
großen Blutreihtum des Körpers ala ein Zeichen 
der beiten Gefundheit betrachten. Auf Bollblütig: 
feit ſchloß man, wenn der Körper mehr oder min: 
der wohl genährt, das Geficht jtark gerötet und 
allerlei unbeftimmte Beihwerden, wie Herzllopfen, 
dumpfer Kopfihmerz, Atenınot u. ſ. w. vorhanden. 
Die Ürzte der neuern Schulen können jedoch meijt 
ſolche Zeichen mit Sicherheit auf das Leiden be: 
jtimmter Organe (Herzfebler, Lungen: und Gefäß— 
frankheiten u. |. w.) zurüdführen. , 

Al Plethora apocoptica bezeichnet man 
die nicht erwiejene Blutzunahme , welche Folge der 
plöplien Entfernung eines größern Körperteils, 
3.3. der Amputation eines Beins, jein joll, indem 
der Körper fortfahre, diefelbe Blutmenge wie vor 


e | der Entfernung jenes Teils zu erzeugen. 


lethron, bei den alten Griechen ein Längen: 
mab= Y, Stadion = 30,83 m; auch die Einheit des 
Flähenmaßes, ein Duadrat von 0,095 ha. 

letſch (Ostar), vorzüglicher Heichner für den 
Holzihnitt, geb. 26. März 1830 in Berlin, erhielt 
den eriten Zeichenunterricht von feinem Vater, be: 
ſuchte die dresdener Alademie und bildete ji dann 
im Atelier Bendemanns in Dresden weiter aus. 
Später kehrte P. nad) Berlin zurüd und lebt jeit 
1872 in Niederlößnig bei Dresden. P. hat ſich 
namentlich durch feine mit naiver Wahrheit darge: 
jtellten Scenen aus der Kinderwelt einen Namen 
gemacht. Zu feinen zahlreihen Werten gehören: 


* 


Die Kinderjtube, Aus unfern vier Wänden, Was 


88 


willft du werben? Auf dem Lande, Springinsfeld, 
Unfer Haus —— — u. ſ. w. 
adt im 


tten reuß. Regierungs⸗ 
bezirk Arnsberg, Kreis Altena, in ſcharf eingeſchnit⸗ 
tenem —— des Sauerlandes, am Zuſammen⸗ 


fluß der Grüne, Oſter und Elfe, unweit linf3 der 
Lenne, Station (3 km vom Orte) ber Linie Hagen: 
Betzdorf der Preußiſchen Staatsbahnen, Sit eines 
Amtsgerichts, hat (1880) 2931 E., eine evang. und 
eine lath. Pfarrliche, eine höhere Töchterjchule, 
Fabrikation von Eifen: und Stahlturzwaren, Bad: 
—— und Strohpappe, ferner Drobtzieherei und 

rabhtweberei, In der Nähe liegt die Burgruine 
Schwarzenberg. P. gehörte ehemals zur Graf: 
fhaft Dart. — Die Landgemeinde Pletten— 
berg mit 3426 E., zu welcher die Dörfer Himmel: 
mert, Bafel und Eiringhauſen gehören, hat die: 
felbe Jndujtrie wie Die Stadt. _ BAR 

Pleuelſtauge ober Bleueljtange, foviel wie 
Kurbeljtange. 

leura (ard).), das Bruftfell (f. unter Brufi). 

leuralgie (grch.), Seiten: oder Rippenſchmerz. 

euritid (arch.) oder PBleurefie, bie Rip— 
pen: oder Bruftfellentzündung (f. d.). 

eurodenten, |. unter Echſen. , 

eurodynie (rd), Seiten: oder Nippen: 
ſchmerz, auf Neuralgie der Zwiſchenrippennerven 
oder auf r — Entzündung der Zwiſchen⸗ 
rippenmußfeln berubend. 

Pleuroneotes (lat.), die Scholle. 
Pleurothotönnd oder Bleurotönus (ardh.), 

ber Geitenftarrlrampf, wobei der Körper frampf: 
a einer Seite hin gefrümmt wird, 

ewlje (Zaslidzie), Stadt im Sandſchal No: 
vibazar in der derzegnmine mit 4000 G., Zürten 
und Griechen, maleriſch in einer Thalweitung des 
Cechotinaſiuſſes gelegen. An der MWeitfeite der 
Stadt ftehen die Steinbaraden ber öfterr. Garni: 
fon, an der Norbjeite ein türk. Lager; in einer 
nahen Thalſchlucht iſt das berühmtegrich. Troigas 
kloſter, das den Sarg des beil. Sava , alte wert: 
volle Baramente und jlam. Bücher enthält. Im 
Gehotinathaf find Neite einer Nömerftadt, 

fetona (Bleven), bulgarifche, zur Hälfte von 
Zürten bewohnte Stadt von (1881) 11129 E., 
Hauptitabt des gleichnamigen Kreiſes, welder 
yacaı) 100870 E. zählte, 40 km füdmweitlih von 

ifopoli, 5 km öftlih des MWidfluffes, an ber 
großen Straße, welde von Sofia über — 
und P. nah Biela am Jantrafluſſe und na 
Ruſchiſchul und an der Straße von Rahowa 
im Donauthal nad) Lowaß, Selwi und Tirnowa, 
reſp. Gabroma und Schipfapaß gelegen. 

. murde im Nuffih:Zürtiihen Striege von 
1877 geidichtlih merkwürdig. Nachdem die ruſſ. 
Hauptarmee im Thal der Jantra über Tirnowa 
vorgedrungen, den Balkan 13. Yuli_mittels des 
Schipkapaſſes überftiegen und die Donaufeftung 
Nilopoli 15. Juli — hatte, erſchien völlig über: 
rafchend von Wibbin her Osman:Nuri Paſcha mit 
einem 35000 Mann jtarlen Korps bei B. und be: 
drohte damit die rufj. Stellung längs der Jantra 
im Rüden. Am 20. Juli wurde ein Angriff des 
Generallientenantse_ Schilder: Schuldner zurüdge: 
fchlagen. Die ruff. Oberleitung jtellte infolge deſſen 
den Vormarſch auf dem rechten Jantra:Ufer ein, 
während Daman Paſcha die Stellung bei B. bes 
fejtigte und fi von Orlanieh und Widdin her auf 
50000 Mann verſtärkte. Am 30. und 31. Juli 





Plettenberg — Plexus 


orift General von Krübener die türk. Stellung 
abermals an, wurde jebod mit großem Verluſt ab: 
— Osman Paſcha gedachte in der Stellung 
ei P. den Ausgang der Kämpfe Suleiman 

«rer am Scipltapaß, ſowie Mehemed: Ali 

aſchas gegen bie Armee de3 ruſſ. Thronfolgers 
abzuwarten. Am 11. Sept. begannen bie in: 
zwiſchen verftärlten Rufen mit der rumän, Armee 


den Angriff der türk. Stellung zunächſt durch bei: 
tige Gejhüsfeuer, dann mit einem allgemeinen 
Sturm. ehrfach abgewieſen, gelangten abends 


Numänen und Nuffen nah ſchwerem Berluft in 
Belik der ftarlen Griwißaſchanze, ebenfo auf dem 
linten Flügel die Rufen unter General Stobeljef 
in Beſih zweier Schanzen. Am 12. Sept. verſuchte 
Osman Paſcha die verlorenen Schanzen wiederzu⸗ 
nehmen, was jedoch nur bei den beiden Schanzen 
im Süden ber Stellung gelang. Mehrere in den 
folgenden Tagen von den Ruflen verfuchte Angrifie 
wurden abgemwiefen, ebenfo 17. Sept. ein Sturm 
ber Türlen gegen die Griwißaſchanze und 18. Sept. 
ein Angriff der Rumänen. 

Ruſſiſcherſeits entſchloß man ſich nunmehr zur 
Einſchließung von P. befeſtigie die Stellung 
und zog Verſtärkungen heran. Osman Paſcha 
empfing 23. Sept. von Orlanieh her 12000 Mann 
unter Hifzy Paſcha und einen großen Broviant: und 
Munitionstransport. Bis zum 6. Dit. gelang es, 
die Einſchließung zu vollenden, ebenfo waren zu 
biejer Zeit die unter Leitung General Todlebens 
befejtigten ——— ſo ſtark geworden, 
daß ein Verſuch, dieſelben zu durchbrechen, laum 
noch Erfolg haben konnte, Die en 
wurde von ber ruſſ. Artillerie täglich beſchoſſen 
und vermochte Died Feuer wegen Mangel an Du: 
nition nur noch ſchwach * erwidern, auch hatte 
General Stobelief in der Nacht vom 4. zum 5. Nov. 
die Stellung bei Breſtoweß und 9. Nov. die Grü: 
nen Berge in Beſiß genommen, fowie 11. und 
15. Nov, dieſe wichtigen Punkte gegen mehrere 
Sturmangriffe der Türken behauptet. Da ent: 
ſchloß ſich Osman Paſcha zu einem Durchbruchs⸗ 
verſuch und griff 10. Dez., nachdem er feine Bofi: 
tionsgeihüße unbrauchbar gemacht hatte, mit allen 
in ®. verfammelten Truppen die ruſſ. Stellung 
am Widflufie ungeltüm an, um in der Nichtung 
auf Widdin zu entlommen. Die ruſſ. VBortruppen 
wurden überrannt und es gelang der tür. Infan: 
terie ſogar, in bie befeitigte Stellung der Grena: 
bierbivilion einzubringen; doch eilten von allen 
Seiten Veritärkungen herbei, mit deren Hilfe ber 
Angriff nah fünfttündigem Kampfe abgeichlagen 
wurde. Osman Baia wurde eg am Fube 
ſchwer verwundet. Während dieſes Gefechts bat: 
ten Ruſſen und Rumänen bereit B. und die türf., 
Schanzen bejeht, weshalb Daman Paſcha nunmehr 
dem General Ganepli fein noch —— 35 000 
Mann ſtarles Heer auf Gnade und Ungnade über: 

ab. Nod 10. Dei. zogen Groffürft Nikolaus und 

ürjt Karl von Numänien in P. ein, vom 12. 
bis 17. Dez. bielt fih Kaifer Aierander IL. von 
Rußland in der eroberten Stabt auf, 

Vol. von Trotha, «Der Kampf um PB.» (Berl. 
1878); Kuropatlin:Krahmer, «a stritiihe Rüdblide 
aufdenrufj..türt.Strieg 1877/78» (Heft2, Berl.1885). 

‚Plexus (lat., Geflecht), in der Anatomie cine 
eigenartige Anordnung der Blut: und Lympbaefäße, 
fowie der Nerven. Gin P, vasculosus (Aders 
geflecht) fommt dadurd zu Stande, baf mehrere 


von P. 


Pleyel — Plinius 


zum tallel verlaufende Venen: ober Lymphgefäß— 
ämme durch mehr ober minder zahlreiche Seiten: 
äfte miteinander E Verbindung Hehen n. Auf die: 
ſelbe Weile treten mande benachbarte Nerven: 
fämme durch gie —* Abgabe von —— 
* innige Verbindung (P. nervosus, Nervenge 
ledt). Der P. solaris (das Sonnengeile 
iſt ein He oder weniger dichtes, mit vielen on 
lienfnoten verſehenes Geflecht ht des Sym —— 
Nerven, welches in der Magengegend auf der? 
eite — — —6 
eye onaz), ein früher beliebter deutſcher 
Komponift, geb. 1. Juni 1757 zu Nuppersthal bei 
ien, famı um 1772 mit Unterjtügung des ungar. 
Grafen Erbödy zu Joſ. Haydn als Schüler, bei 
bem er fünf Jahre ftudierte, worauf ihn der Graf 
zu feinem Kapellmeiſter machte. Später war er 
mehrfach in Stalien und lebte feit 1784 in Straß: 
—— als Domlapellmeiſter. on dieſer Stellung er: 
er ſich bejonders durch mitrumentaltompo: 
fitionen einen Namen, fodaß man ihn 1791 fogar 
als Rivalen jeines Lehrers Haydn nad) London 
berief, wo er * er rere Sympbonien fompo: 


Hr F — —* Kunſt ſeines — 
iden zurüdzog. Nach feiner 
fehr nad) Straßburg verlor er on ie Abichaf: 


a —F fein Amt, Im J. 1795 
z und errichtete bier eine 
ol — dann auch eine 
— ——— Später 309 er ſich auf 


Barbie 


n Landgut zurüd, wo er 14. Nov. 1831 ftarb. 

I — P. & als Komponijt berubte in der 

und fließenden Melodil und der Haren 

————— Anlage feiner Stüde, ſowie in 

me 7 gerichteten An: 

hl feiner im zw erſchienenen 

= Sympbonien, Konzerte für ver: 

chiedene Jnftrumente, wartete, Quintette, Trios, 
Dune, —— * w.) iſt ſeht groß. 

‚Camille P., geb. zu 

Er war ala Klavieri ieler 

fie, trat in das Geſchäft feines 

Bee und wi Br 1 beſonders der Klavier⸗ 

—— ſeit 1824, wo —— 


mit i ajjociierte, zur Blüte r Gr 
arb zu 4. Mai 1855, gene dat —— 
ee — u. W eine Klavier⸗ 


befunden einen trefflichen Muſiler. 
Die Gattin Camille P.s, Marie Felicité B., 


.4. 1811 zu Paris als die Tochter des 

3 Mole, war eine ausgezeichnete Kla— 

vieri Bon ihrem Gatten getrennt, lebte 
fie feit 1848 —— als erſte Lehrerin de3 Kla- 


—— und ſtarb 30. März 
De alten) Br eumföng; oeſan 
»), Briefum ; gefällige 

leichter Ynftan 8; gegallıg 


polonioa (lat, * Weichſelzop 
—— im nei edar 


tes, Oberamt Ch 


tuttgart, rechts an der Kerſch, 


15 km von —* — bat Ba &,, 
die ege für vermahrlo —— kr) 
ung von Sau er 
ige ie Domäne obenheim (1. d.. 


H — Ab⸗ 
u be nt ln ndus, den Ültern. 
(Gajus) Secu nd gewöhnlic zum 


Unterjejiebe von eis einem Neffen der Ültere ge: 
nannt, —— der — und vielſchreibendſien 


89 


Gelehrten Noms, geb. 23 n. Chr. in Comum in 
Oberitalien (dem iehigen Como), machte als junger 
Dann Feldzüge in Germanien mit, bekleidete dann 
unter Nero und Veſpaſian verfchiedene Civil: und 
Militärpoften und war zuleßt Befehlähaber der 
Flotte von Mifenum, wo er 79 n. Chr. bei dem 
furchtbaren Ausbruche des Veſuv, den er moͤolichſt 
— in der Nähe beobachten wollte, feinen Tod 
nd. Seine biitor., — und diammaliſen 
Schriften ſind ſämilich verloren gegangen; erhalten 
iſt von ihm ein umfangreiches encyklopädiiches 
Werk in 37 Büchern unter dem Titel «ITistoria na- 
turalis», welches eine * eheuere Menge aus abi: 
reichen griech. und fat, Werfen ——— ener 
Notizen aus faſt allen Gebieten des menſchlichen 
80 ſens enthält. Das Lob erſtaunlichen Sammel: 
eißes iſt aber auch das größte, das man dem Ver— 
aſſer ſpenden kann; denn er iſt beim Excerpieren 
und Redigieren feiner Sammlungen mit grofer 
gun Andere Nachläſſigleit verfahren, jodak man 
i der Benuhung feines Werks, das nad Berfuit 
der Quellen, aus denen es abgeleitet ift, für manche 
Gebiete, wie z. B. für die antife Kunſtgeſchichte, 
unjere Hauptquelle üt, bie größte Vorficht beobach⸗ 
ten muß. Die beiten Ausgaben find die von Sillig 
8 —* Hamb. u. Gotha 1851—57), Yan (6 Bde., 
p3. 1854—63; von einer 2. Aufl. erichien Bd. 1 
1870, Bd.2, von Maydojf, 0 und von Detlefien 
(Bd. 1-5, Berl, 1867 7—73; Bd. 6, Index, 1882); 
die auf die Kunſtgeſchi te bezü lihen Shicnitte 
find neben andern enthalten in Ürlichs' «Chresto- 
mathia Pliniana» (Berl. 1857). Deutiche fiber: 


ſehungen — große (12 Bde., Franff. 17831— 
a Ki itſch „Prenzl. 1829 — — 50), Külb 
Boͤchn. a 1840—56) und Strad (3 Bbe,, 


Be 1854—55): franzöſiſche Grandſagne, mit fat. 
Terte und Anmerkungen von Guvier, Petronne u. a. 
(Bar. 1829) und Littre (lat. u. frz., Bar. 1848—50). 

Pliniud — Cäcilius Secundus, ber 
Jüngere, der Schweiter: und Adoptivfohn des 
vorigen, eb. 62 n. Chr. zu Comum, wurde von 
feinem Dheim ſchon frühzeitig zum Studium der 
Beredjamteit und Philoſo —— angeleitet. Er diente 
in Syrien als Militärtribun und bekleidete, nad) 
Nom —— Quãſtur und Tribunat, und 
93 n. Chr rätur, Bon Trajan erhielt er 
100 n. * die Würde eines Konſuls und verwal: 
tete, wohl 111—113, als außerordentlicher laiſerl. 
Kommijjar vithymen und Pontus. In der Bei 
wijchen Prätur und Konſulat, wie zwijchen 
Flat und — —— verfah er verjchiedene 
der von den Kaiſern eingelekten Umter. Er ftarb 
a eg vor 114. Grhalten find von ihm 
noch eine Sammlung «Briefe» in neun Büchern, 
die in gewählter und glatter Sprache gejchrieben 
und aud wegen ihres mannigfachen “gr an: 

iehend und für die Zeitgeſchichte wichtig find, aufer: 
ve der Ma chſel mit Trajan aus der Beit der 
—— und ein « Banegyricus», eine 

Dankrede an: lan für Verleihung des Konfulats. 
Von den Gefamtausgaben find zu erwähnen die von 
Gesner (Lpz. 1770; neue Aufl. von Schäfer, 1803), 
von Gierig (2 Bde., Lpz. 1806) und von Keil (Lpz. 
1870; Tertausg., Lp}. 1853), von den a 

aben der «Briefe» de von Döring (28 Frei: 

erg 1848); von deutichen fiberiebungen beider 
Werte die von Schott (5 Bohn. Stuttg. 1827—33) 
und Klußmann (Stuttg. 1869). Vgl. Gierig, «liber 
das Leben, den moraliihen Charalter und den 


90 


ſchriftſtelleriſchen Wert des jüngern PB.» (Dortm. 
1798); Held, «fiber den Wert der Briefſammlung 
des jüngern B.» (Bresl. 1833); Mommfen, «Zur 
Lebensgeſchichte des jungern P.» (im «Hermes», 
Bd. 3, 1869). 
linfen (mit den Augen), ſ. Blinzeln. 
linthe (vom griech. rAlvSos) bezeichnet in ber 
Baukunft die niebrige 
quadratifhe Unterlags: 
platte in ber Baſis der 
Säulen, Pilaſter und 
Poſtamente. (5. bei: 
ftehende Figur.) Siefehlt 
den kurzen, — 
Säulen des dor. Stils, 
ud foviel wie Sodel. 
Plioeän, eine Unterabteilung der Tertiärfor: 
mation (. b.). j 
Pıiffe (vom frz. plisse, d. i. gefältelt), eine bei 
Damen: Konfeltionswaren beliebte Garnierung, 
welche aus regelmäßig gefaltetem Zeug beitebt. 
Blifiermafaine, u. Jaltenleamai ine. 
litviezafeen, zwölf Öebirgefeen im froat. 
Kreife Lila:Dtocac; die Seen verdanlen dem Bade 
Gierna:Reta, der oberhalb Leslowaß entipringt 
und in den oberjten der Seen fällt, ihre Entſtehung. 
Die Seen liegen terrafienförntig übereinander, ihre 
Nbflüffe ftürzen in Abjägen von 10—16 m von 
einem See zum andern, 
Ploo8i (lat.), Webervögel. 
Plochingen, Hlngen, int württemb. Nedar: 





freis, Oberamt Glingen, rechts am Nedar, über 
den bier eine hölzerne Hängebrüde ohne Pfeiler 
führt, unterhalb der Cinmündung der Fils, mit 
1880) 2014 evang. E., iſt Station der Linien 

retten⸗Friedrichshafen und P.:Nottweil:{{mmen: 
bingen (Obere Nedarbahn) der Württembergifchen 
Staat3eijenbahnen. 

Plock oder Plozk, Hauptftadt des gleichna— 
migen Gouvernement3 im europ. Rußland, rechts 
ed dem 60 m hoben fteilen Ufer der Weichiel gele: 

en, im ganzen gut gebaut, ift der Sihß eines Bi: 
Püofs, eines Domlapitels der Gubernialbehörben, 
eines Civil:, Kriminal: und Polizeigerihts. Die 
Stadt zählt (1882) 22127 E. und hat ein Oymna: 

um, ein bifhöfl. Seminar, ein Kollegiatitift, ein 

iariftenfollegium, viele Kirchen, darunter die Ka— 
thebraltirche aus dem 16. Jahrh. mit dem Grabmal 
ber bier beigefehten poln. Herzöge Wladiflam Her: 
man und Boleflaw ILL, ferner ein großes Gefäng: 
nis, ein Waifen: und Irrenhaus, ein Theater, 
öffentliche Bäder und einen ſchönen Marltplas. 
Die Bevölkerung unterhält Gerbereien und etwas 
Handel. B. gehört zu den ältejten Städten Polens 
und war ehemals bie Hauptitadt von Mafovien und 
bie Reſidenz der genannten poln. Herzöge. Auch 
das Bistum ift eins der älteften in Polen und jhon 
im 10. Jahrh. gegründet worden. 

Das Bouvernement Block umfaßt 10877,7 
qkm und zählt (1881) 538141 €. 

Plödenftein (auch — —— iſt die höchſte 
Kuppe (1375 m) des gleichnamigen Bergrüdens 
im Böhmerwalde an der Grenze von Böhmen, 
Dberöfterreih und Bayern. Die Umgebung gilt 
durch ihren landſchaftlichen Reiz als die Shönfte im 
Be Der Blödeniteinerfee unter dem 
Gipfe er der Info egene (1067 m) und größte 
Gebirgsjee in Böhmen. Die Granitwand über 
bemjelben ragt über 300 m empor. Auf dem 


Plinfen — Plomb 


pe des P. fteht feit 1877 ein 13 m hoher Obe: 
list zur Erinnerung an Adalbert Stifter. 
Iodhorft (Bernh.), Hütorienmaler, geb. zu 
Braunfhweig 2. März 1825, begann feine Lauf: 
bahn als Lithograpb, befuchte die Alademie in Ber: 
lin, ftudierte 1848 in Dresden unter orr, ging 
dann nach Leipzig und 1851 nad Münden pi 
Piloty. Im J. 1853 wurde er in Paris Schüler 
Goutures, kehrte dann als Porträtmaler nad) Leip 
sigzurüd, begab ſich indes bald nad Berlin, wo ihm 
1858 dad Gemälde: die Heimtehrvom Grabe Chriſti, 
die goldene Alademie-Medaille errang. Dort ent: 
itanden ferner mehrere Werte m toslau u. a. 
In den J. 1866—69 lehrte B. als Profefior an der 
Kunſtſchule zu Weimar und malte mehrere Bild: 
nifie, ſowie das große Altarbild für Marienwerbder: 
Auferitehung Chrifti. In Berlin malte er jpäter 
die Porträts des Deutihen Kaiferpaares für die 
Nationalgalerie, Chriſtus auf dem Meere wandelnd, 
der Schubengel, die Himmelsgabe. Außerdem lie: 
ferte P. zahlreiche Jlluftrationen, fo zu dem Werte: 
«Detblehem und Golgatha », « Bialter und Harfe» 
u.f. mw. Auch für Glasmalerei, jo zu den Fenſtern 
der Danleslirche in Berlin, lieferte B. Entwürfe, 
PBloẽrmel, Stadt und Arrondifiementshauptort 
im franz. Depart. Morbihan, lint3 am Duc, un: 
weit deiien Cinmündung in den Stanal von Breft 
nah Nantes, Station Linie Queftembert:B. 
der Orleansbahn und der Linie La BrohiniereB, 
der MWeitbahn, hat (1881) 2697 (ald Gemeinde 
5761) E., eine jchöne p* Kirche St.Armel mit 
rächtigem Seitenportal, ein Collöge, Tuch⸗ und 
Sapierlabritatien und Handel mit Vieh, Wolle, 
inwand, Wolljeugen, Getreide und Eiien. 

Plojefti, Stadt in Rumänien, im Piftrift 
Prahowa, zwifhen den Flüfien Prahowa und 
Zeleajna, 145 m über dem Dieere, Station der 
Linien Roman:Turn Severin. und B.,Prebeal der 
Rumäniicen Staatsbahnen, ift Siß der Präfeltur 
des Diftri —— und eines Tribunals erſter 
Inſtanz, hat 29 Kirchen, ein ſchoön gebautes Gym: 
naſium, ein Lehrer: und ein Lehrerinnenſeminar 
und zählt (1884) 38000 E., welche Raffinerie und 
Deftillation des in der Nähe — Petro⸗ 
leums, ſowie bedeutenden Handel, namentlich mit 
Wolle, treiben. P. war während des Nuffiih-Tür: 
liſchen Kriegs 1877 einige Zeit Sit des ruſſ. Haupt: 
quartiers unter Großfürft Nitolaus, 

Plomb, gewöhnlid Blombe, d. i. Blei, nennt 
man ein Bleifiegel, weldyes an zoll: oder fteuers 
pflichtige oder fontrollpflidtige Waren zum Zmwede 
der Feſthaltung ihrer Üpentität von der Zoll: oder 
Steuerverwaltung —— Leßteres geſchieht 
hauptſaächlich bei ſolchen Waren, die in dem Staate, 
wo ſie eingehen, nicht verbleiben, ſondern durch 
—— bloß durdbeförbert werden ſollen. Der 
Anlegung des Bleiſiegels geht eine Umſchnurung 
in ber Weife voraus, dab ohne Beihädigung des 
Umfchnürungsmittels von der Ware nichts entfernt 
werden tann. Die Enden des Umfchnürungsmittels 
werden fodann durch einen durdlöcderten Schieber 
von weichem Blei, die Blombe, gesogen und biefe 
mit einer Giegeljange zufammengedrüdt. Man 
nennt dann den Gegenitand plombiert. Die 
Plombierung it unverlebt zu erhalten, da fie beim 
Ausgang der Ware aus dem Staate amtlid) wieder 
unterfudt und abgenommen wird, vorgelommene 
Verlehungen aber unter Strafe —E ſind, auch 
die Verpflichtung zur Zoll: oder Steuerentrichtung 


Plombage — Plön 


= Solge haben önnen. In manchen Staaten wird 
m Blombieren der Waren der volle Zollfaß de: 
oniert, derfelbe aber bei Abnahme der P. in un: 
Hädigtem Zuftande wieder eritattet. Auch Rei: 
fende laſſen, um der Pifitation ihres Gepäds zu 
entgehen, dasſelbe öfters plombieren. 
ge, Blombe, foviel wie Plomb. 
mb du Eantal, Berg im Dep. Cantal (f.d.). 
ombieren im Zollmeien, f. unter Blomb. 
lombieren nennt man auch das Ausfüllen 
eines hohlen Zahns mit einem dünnen Metallplätt: 
den, meift Gold, Silber oder Platina oder einem 
weichen, bald erhärtenden Kitt oder harzigen Sub: 
ftanzen, Guttapercha u. dgl., um dadurch ben frei: 
liegenden Nerven zu [hüten und das Meitergreifen 
der Zahncaries zu verhüten. (S. Zahn.) Alle 
diefe Ausfüllungen (Plomben) können aber nur 
dann dauerhaft fein, wenn zuvor die kranlhafte 
Zahnſubſtanz zerjtört und entfernt und ber n⸗ 
höhle eine für das Haften der Plombe geeignete 
Geſtalt gegeben wurde. Zuweilen muß vorher der 
Zahnnero_ durch Atzmittel (Glüheiſen, Chlorzink, 
arfenige Säure u. a.) zerſtört werben. 
Blombieres (mittellat. Plumbaria), Stadt von 
(1881) 1966 €. im franz. Depart. der Vogefen 
(Tothringen), Arrondiffement Remiremont, 27,7km 
im Süden von Gpinal, Endpunkt der Linie Yille: 
villers P. der ae 341 m über dem Meere in 
dem ſchönen Engtbal des Caugronne oder Augrogne, 
t eine 1860 vollendete ſehr ſchöne Kirche, ein von 
önig Stanislas von Polen genründetes Hofpital, 
Fabrıfen von Aurzwaren, Eiſengeräten, Quin— 
caillerie: und Marqueteriearbeiten und ijt vorzüg: 
li berühmt or ihrer aus Granit entfpringen: 
den Mineralquellen. Man unterjcheidet außer den 
unbenußten zwei talten Quellen (das Eifenmwafler 
von 11° C. und die indifferente Seifenquelle von 
12° C.) drei laue von 19, 22 und 30° und 23 warme 
von 37— 71°C, Leßtere find die widhtigften. Ge: 
enwärtig werden hauptſächlich acht Quellen zur 
erforgung der Baflins und Badezimmer von ſechs 
Gtablijjement3 benußt. Diefe find: die Thermes 
Napoleon, das größte und ſchönſte, mit zwei Hotels 
von 200 Betten; nachſtdem das Nationalbad, von 
Napoleon I. erbaut, mit einer Biscina (Baffin) von 
zwei Abteilungen mit 35 und 36° warmem Wafler, 
de: und Douchezimmern, dem aus Bogejen: 
marmor für die Kaiferin Joſephine gebauten und 
mit lururiöfen Babelabinetten verjeenen — 
bad und einer Anftalt F Gasbädern (Etuve de 
Venfer); da3 elegante Römerbab, von einer 59° 
beißen Duelle gefpeift, mit einem 45° warmen 
Baſſin und einem Reunionsfaal; das zum Hofpital 
gehörige Damenbad, früher Bain de la Reine 
nannt, mit zwei Piscinen von 34 und 35°, verſchie⸗ 
denen Babe: und Douchelabinetten und einem Gas: 
bad (Etuve Bassompierre); da3 Bain:Tempers, 
früher Bain:Neuf und Bain-Republicain — 
mit zwei für Herren und zwei für Damen beſtimm⸗ 
ten Bicien von 32—34° und 34-35° Wärme, 
und das Bain des Capucins oder des Goutteur mit 
einem Doppelbaffin von 37° und 40—41° Wärme, 
Sämtlihe Duellen, mit Ausnahme der Gifenquelle, 
gehören zu den ſaliniſch allaliſchen Mineralwäljern 
mit wenig feiten Beftandteilen, aber ftarler, durch: 
dringender Wirkung. Das Wafler iſt Har, füblt 
etwas feifenartig an, hat feinen befondern Ge: 
chmad und erft nad) dem Erkalten einen leichten 
Schwefelwaſſerſtoffgeruch. Man benugt es zum 


9 
Baden und vier zum Trinken, vorzüglich bei allge: 
meiner Schwäche de3 Hautorgans, die jich in chro— 


nischen Hautausfchlägen zeigt, gegen Skrofelkrank— 
beit, chroniſche, gi ti eun eheumatifche Leiden, 
chroniſche Nervenübel, Unterleibstrankbeitenu. ſ. w. 
Die Satjon dauert vom 15. Mai bis zum 15. Oft, 
die Kurzeitdurechfchnittlich drei Wochen. Nur 12,3km 
im Welten liegt der Babeort Bains (f. d.) und et: 
was über 15 km füdlich der Hurort Lureuil (f. d.). 
Plon, bedeutende franz. Berlegerfirma. Henri 
Philippe D., geb. 26. April 1806 zu Paris, hatte 
bei Didot den Buchdrud und den Bud) andel er: 
lernt und gründete neben feiner Druderei, mit 
welcher eine Letterngieherei und eine Stereotypier: 
anftalt verbunden war, ein Berlagsgefhäft, wel: 
ches ſich bald zu einer bedeutenden Ei e empor: 
ihwang. Vorzugsweiſe verlegte P. illuftrierte 
Prachtwerke, dann Werke über Neifen, aus dem 
Gebiete der — und Geſchichte, unter 
dieſen die «Geſchichte Julius Cäfard» von Na: 
poleon III. Nach feinem Tode, 25. Nov.1872, gin 
das Geihäft an feinen Sohn Eugen P. über, wel: 
cher ſich mit feinem Schwager Robert Nourrit, 
Advokaten am Gafjationshof, zu der Firma E. Plon 
u. Comp. und feit 1883 E, Plon, Nourrit u. Comp. 
vereinigte. Eugen P. trat auch felbit als Kunft: 
ſchriftſteller auf mit «Thorwaldsen et son @uvre» 
(2. Aufl. 1874) und einem Werk über Benvenuto 
Gellini (Bar. 1883; Nachtrag er , , 
Plön (vormals Plune, Plone), Kreisftadt in 
ber * Provinz Schleswig — zwiſchen 
dem großen und dem kleinen Plönerſee außer: 
ordentlich Ihön gelegen, Station der Linie Neus 
münjter : Neuftadt der Preußiſchen Staatsbahnen, 
iſt Siß des Landratiamts und eines Amtsgerichts, 
bat zwei Kirchen, ein Gymnafium, eine Kadetten— 
voranftalt (im ehemaligen Schloß mit jchönem 
Bart), ein Waiſen⸗, ein Kranken: und Arbeitshaus, 
ein ohanniterhofpital, eine Tabat:, eine Bantoffel-, 
eine Seifenfabrif, Handel mit Holz, Getreide und 
Fiſchen und zählt (1880) 3036 E. — Der Drt wird 
bereit3 1071 als ein feiter Sik wendiſcher Häupt: 
linge erwähnt. Bei der Eroberung Wagriens 
durd) die Holiteiner wurde die un d. 1139 ein⸗ 
genommen und 1173 auf dem Schlo a neu aufs 
ebaut. Unter dem au desjelben blühte die 
tabt B. auf, der 1236 das Lübische Recht verliehen 
wurde, Ym Mittelalter war diejer feite Bunt 
wiederholt ein Schauplak blutiger Kämpfe. Auch) 
war P. zeitweilia Sit der Plöner Linie des 
Schauenburger Haufe, welche 1390 ausitarb. (S. 
Holitein.) Bei der jpätern Erbteilung im Olden— 
burger Haufe (ſ. d. und Schleswig:Holitein) 
lam die Stabt nebjt dem —— en Amt P. 
1568 an den Stammvater der Sonderburgiſchen 
Linie, Herzog Johann den Jüngern. Deflen Sohn, 
oadim Ernſt, trat 1623 die Regierung an, er: 
aute 1636 das jetzige Schloß und jtiftete Die löner 
Nebenlinie, welche mit Herzog Friedrich Karl 1761 
erlofch, worauf Stadt und Amt PB. an den König 
Friedrich V. von Dänemark heimfielen. Unter 
König Ehriftian VIII. und, Friedrich VIL von 
Dänemark diente das Schloß P. hin und wieder 
als königl. Refidenz. Val. 9. — «Schloß und 
Stadt P.» (Kiel 1877); Kinder, Urkundenbuch zur 
Chronik der Stadt B.» (Plön 1882). 
Der Kreis Plön zählt auf 991 qkm (1880) 
578324 E, und umfaßt den fchönften Teil des öſtl. 
Holitein, die jog. Seenplatte, 


92 


‚ Blöne, Fluß im zn. —** sbezirk Stet⸗ 
tin, entfließt dem See von Berlinchen im Kreiſe 
Soldin des Regierungsbezirls Frankfurt a. D., 
durdfließt in Bommern den Plöneſee und den Ma: 
büejee {I d,) und mündet bei Altvamm in den 
Dammiden See. 

Plönerfee, der größte Landfee der preuß. 
Provinz Schleswig:Holitein, füdöftlih vom olden: 
burg. Pürtentum cübed begrenzt, 10 km lang und 
8 km breit, wird durd) die Yandzunge, auf welcher 
die Stadt Plön liegt, von dem Kleinen 
fee getrennt, ber bur 
* 5— fall, iR bie Abbech 

onge frz.),Kronenfall, iſt die ung 
der obern Sad oder Krone einer Bruftwehr nad) 
dem Feinde iu durch welche die Einficht in bas vor: 
liegende Gelände begünftigt wird, 

Blönnies (Luife * deutſche Dichterin, geb. 
T. Rov. 1803 zu Hanau, Tochter des Naturforſchers 
Leisler, heiratete 1824 den Medizinalrat Auguſt 
von P., wurde 1847 Witwe und ſtarb in Darm: 
ſtadt 22, jan, 1872, Für ihre «Meifeerinnerungen 
aus Belgien, nebit einer Überficht der vlämifchen 
Litteratur» (Berl. 1847) wurde fie zum Mitglied 
der fönigl, Akademie zu Brüffel ernannt. Ihre be: 
beutende Iyrijche Begabung bewies fie außer durch 
Übertragungen aus fremden Sprachen («Britannia, 
Auswahl engl. Dihtungen, Franff. 1843; «Sa: 
witri», au& dem Indiſchen, Münd. 1862; 3. Ausg. 
1866 ut. a.) durch die lyriſchen Sammlungen «Ge: 
dichte» (Darmit. 1844), «Ein Kranz den Kin: 
dern» (Darmft, 1844), «Neue Gedichte» (Darniit. 
101), die Dichtungen «Mariten von Nimmegen» 
(Berl. 1853), «Die fieben Naben» (Münd. 1862; 
3. Ausg. 1866) und die religiöfen Poeſien «Pilien 
auf dem Felde» (Stuttg. 1864), «Ruth» (2. Aufl. 
Gieh. 1869), «Jofeph und feine Brüder» (Stuttg. 
1866), «Maria von Bethanien» (Stuttg. 1867), 
«Die heilige Glifabeth» (Frankf. 1870). 

Plönnies (Wil. von), Sohn der vorigen, her: 
vorragender Militärjchriftiteller, geb. 7. Sept. 1828 
zu Darmitabt, machte 184849 den Feldzug in Baden 
mit, wurde 1849 bei Hemsbach ſchwer verwundet und 
diente dann im ſchleswig⸗holſieiniſchen Heere, nad) 
bejien —— in heſſ. Dienſte zurüdtehrte. 
Er wurde 1856 Abteilungschef bei der Zeughaus: 
bireltion und 1857 nad) Petersburg zur Teilnahme 
an ben Verſuchen mit Handfeuerwajien aller Art 
berufen, welche für die Neubemwaffnung ber rufi. 
—*— maßgebend wurden. Wegen körperlicher 

eiden mußte er bald darauf aus dem Dienite fchei- 
den und jtarb zu Darmftadt 21. Aug. 1871. P. 
erkannte zuerft Die Bedeutung des Heinen Gewehr: 
lalibers. Seine Schriften zeichnen ſich durch hohe 
Buverläffigkeit im techniſchen Detail, Hare Dar: 
ftellung und geijtvolle Behandlung des Stofjs aus 
und find mujtergültig. Hervorzuheben find: «Neue 
Studien über die gezogene Feuerwaffe der Infan— 
terie» (2 Bde., Darmit. 186164), «Das Zünd: 
nadelgewehr » —— 1865), «Neue Hinterla: 
ee Darmit. 1867). Auf belletrijtiihem 

biete erichienen von ihm: «Immortellen des 
Shladtfeldes» (Darmit. 1870), «Schwanenlieder» 
(Darmit. 1871), «Nachgelaffene Gedichte» (Darmit. 
1374), und unter dem Pfeudonym Dr. Ludwig 
Sigrift der humoriſtiſche Roman «Leben, Wirken 
und Ende des —— Winkellramiſchen Gene: 
rals der Infanterie Leberecht von Knopf» (Darmit, 
1869; 2. Aufl. 1878). 


löner: 


ch die Schwentine in den | 270 


| 


Plöne — Plötz 


Plon „Spihname be3 Prinzen Napoleon, 
ſ. Napoleon (Sote rles ———— 
Plousk, Kreisſiadt im ruſſ. Gouvernement 
lock, 48 km öſtlich von Block, mit (1881) 6310 E., 
t Getreidehandel und Fabrifationvon Lederwaren, 
Plotin (grch. Plotinos), ber bedeutendſte unter 
Neuplatonikern (f. d.), war zu Lykopolis in 
Ügypten 204 oder 205 n. Chr. ‚geboren und jtudierte 
die Bhilofophie in Alerandria unter Ammonius 
Salkas. In feinem 40. Jahre trat er in Rom als 
Lehrer der Bhilofophie auf. Er jtarb in Campanien 
n. Ehr. Sein Leben beichrieb fein Schüler 
Porphyrius, ber auch feine Schriften in ſechs En— 
neaden ordnete (gedrudt unter anderm in der Kirch— 
* n Ausgabe). Sie beſtehen aus zerſtreuten 
pekulativen Abhandlungen, bie P. bei gelegent: 
lihen Beranlafjungen ſchrieb. Die vollitändigften 
und beften Ausgaben haben Greuzer (3 Bde., Orf. 
1835), Dübner (Bar. 1855) und Kirchhoff (Lpz. 
1856) beforgt, nachdem lekterer ſchon vorher die 
beiden Schriften «De virtutibus» und «Adversus 
— (Berl. 1847) ediert hatte; eine deutſche 
berfehung lieferte Engelhardt (Erlangen 1820). 
Eine Gejamtausgabe mit deuticher Überlegung gab 
W. Müller (4 Bde., Berl. 1878—80), feine Schrift 
«De pulchritudine» Greuzer (Heidelb. 1814) ein: 
n beraud. Zur nähern Bezeihnung feines 
yitems gehört vorzüglich feine Beltimmung bes 
Berbältnifies der Sinnenwelt zur Fdeenwelt. Die 
legtere erllärt er für das amtprodult alles 
beilen, was das überfließende Gine mitteld ber 
Weltſeele in fih und durch ſich hervorbringt. Das 
Gegenbild der Intelleltualwelt ijt die Sinnenwelt, 
Sie beruht auf einer Sonderung zwiihen Form 
und Materie, die von dem immanenten Fortſchritt 
der Weltfeele unzertrennbar iſt. Die Weltjeele er: 
zeugt, fich in ihrer Evolution einen Raum und jo: 
mit eine Rörperwelt; die Materie ilt Die Grenze des 
—— aleichſam das Erlöſchen des ausſtrah⸗ 
nden Urlichts, wie der Schatten die Grenze bes 
Lichts iſt. Die Materie, die Sinnenwelt ift daher, 
obwohl getragen und in abgeituften Graben durch⸗ 
leuchtet von der Sintelleftualwelt, der Sik des Un: 
volllommenen und Böfen; der Weg ber Nüdtehr in 
das Cine ijt Befreiung von der Sinnlichkeit, Rei: 
nigung ber Seele von allem, was an dem Stojie 
Hebt. In dem Durchleuchten der göttlichen been 
durch die materielle Welt beſteht die Schönheit. 
Bol. E. Brenning, «Die Lehre vom Schönen bei Dr 
im Zuſammenhange feines Syſtems dargeftellt» 
(Gött. 1864); A. Richter, «Neuplatoniie Studien» 
N Hefte über P., Halle 1864—67); Kirchner, «Die 
a nefopnie bes ®.» (Halle 1854); » von Aleiſt, 
«Plotiniſche Studien» (Heidelb. 1884). , 
ve par ulius), — Grammatifer 
und Schulſchriftſteller, geb. zu Berlin 8, Juli 1819, 
ftubierte ein Jahr in Berlin, ging dann nad) Paris, 
wurde 1844 Hauslehrer beim Grafen von Königs: 
mard in Berlin, 1848 Lehrer am Katharineum zu 
Lübed, 1852 am franz. Gymnaſium zu Berlin und 
legte 1860 jeine Profeſſur nieder. Seit 1864 lebte 
er meijt in Paris und in Margate bei London; er 
ftarb 6. Febr. 1881 zu Görlig. Seine nad) der von 
ihm verbefjerten Seidenſtüderſchen Methode bear: 
—— Grammatik (in mehrern Stufen) 
wurde in zahlreichen Schulen eingeführt. Weite Ber: 
breitung fanden aud) jeine lat. Glementargramma: 
tif, fein «Vocabulaire systömatique» und ähnliche 
Arbeiten. Bol. von Löper, «Karl B.» (Berl. 1851). 


————— ———— — — —— —— — eu —7 


Plöpe — Plüſch 


Plöhe, Notauge. Unter diefem Namen wer: 
den zwei, in den fühen Gewäflern von ganz Mittel⸗ 
europa verbreitete Arten von Weißfiſchen verwech— 
felt, nämlich der Notten oder die Notfeder 
(Scardinius erytbrophthalmus), mit fteil auf: 
fteigendbem Unterliefer, ſcharfer Baudlante vor 
dem Aiter, boppelreihigen Schlundzäbnen und 
meiit prächtig roter After: und Schwanztloffe, und 
der Furn oder Schwal (Leueiscus rutilus), mit 
horizontaler Mundfpalte, abgerundeter Baud): 
lante, einreihigen Schlundzähnen, bei welchem die 
weniger brennende rote Farbe fih aud auf die 
Bruſtfloſſen ausdehnt. Beide Fiſche werden höch— 
ſtens O,s m lang, laichen im April und Mai, leben 
in Schwärmen in Seen, Teichen und langfam 
fließenden Gewäflern und gehören zu den geringern 
Fiſchſorten, die ihrer vielen Gräten wegen meijt 
nur als Badfische gefpeijt werden. 

Plöotzkau, Pfarrdorf und Domäne im Herzog: 
tum Anhalt, Kreis Bernburg, lint3 an der Saale, 
bat (1880) 1567 E., ein altes Schloß auf einem 
Felſen hart an der Saale, eine Zuderfabrit und 
Steinbrüde. Die Grafihait P., Plocela, Plocele, 
fiel 1147 an den Markgrafen Albrecht den Bären. 

Plozk, ſ. Block. 

Plüddemann (Herm.), Hiftorienmaler, geb. zu 
Kolberg 17. Zuli 1809, erhielt den erften Unterricht 
in Magdeburg, begab fih 1828 nad) Berlin und 
wurde dort an der Akademie Schüler von Begas. 
Im J. 1831 wandte er fih nad Düſſeldorf und 
1848 nad) Dresden, wo cr fi) dauernd niederließ. 
eine Stoffe find meift der deutſchen ältern Ges 
ſchichte entlehnt und in gutem Vortrag, Har und 
&aralteriftiich gehalten. Zu —e— — 
zählen der Tod des Roland, Heinrich IV. in Canoſſa, 
die Hinrihtung Konradins, Columbus entdedt die 
Neue Welt, Luther in Worms u. f.w. Das Schloß 
zu Heltorf und das Rathaus zu Elberfeld hat er 
mit andern büfleldorfer Genofjen mit Wandgemäl: 
den ausgefhmüdt, außerdem war er auch als Zeid: 
ner thätig. B. ftarb zu Dresden 24. Juni 1868. 

Plum., bei — — Namen Ab: 
fürzung für Plumier (Charles). 

grey u (Plumbagindae), Pflanzen: 
familie aus der Gruppe der Difotyledonen. Man 
fennt gegen 200 Arten, bie größtentheil3 an den 
Küſten des Mittelmeer und auf dem falzigen 
Boden mander Wüftengegenden Aſiens vorlom: 
men. Es find frautartige, Telten behaarte Pflanzen 
mit niedrigem Stengel und meijt dicht zufammen: 
ftehenden häufig in Rofetten angeoroneten Blät: 
tern. Die Blüten find zwitterig und von regel: 
mäßigem Bau, fie beftehen aus einem röhrenför: 
migen fünf: oder ——e — Kelch, fünf Blumen: 
—— * —— und —* —— 
igen igen ttnoten mit fünf Griffeln. 
De end ‚ bat ein trodenes en 
und bleibt in der Regel vom Kelche umſchloſſen. 

Plumbägo (Reifblei), ſ. Graphit. 

Plumbägo europaea L., Pilanze, j. Blei: 
wurz. 

Plum-oake (engl.), Kuchen mit in Streifen ge: 
ſchnittenen großen (Sultans:) Nofinen (engl. plums), 

Plumeau (fr3.), Federdedbett. 

Blumier (Charles), Tram Botaniker, geb. 1646 

Marfeille, trat in den Möndsorden der Minis 
men, madte 1689—95 drei wiſſenſchaftliche Reifen 
nah Amerila und ftarb 1704 im Hafen Sta. 
Maria bei Cadiz. Erfchrieb«Description desplantes 


93 


de l’Amörique» (Par. 1693), «Nova pıantarıım 
Americanarum genera» (Par. 1703), «Trait& des 
fougöres de l’Ame£rique» (ar. 1705) u. ſ. w. 
Brumoft, .Heteromorphit. 
Iumpudding, f. unter Pudding. 
Plumula (lat., $ederden), nennt man in der 
Dotanik diejenigen Partien des Embryo3 im Sa: 
men, die von den Keimblättern umhüllt find und 
die Anlage des Stengels nebit den eriten Blättern 
darftellen. Bei manden Samen, 3. B. bei denen 
der Orchideen, ift eine P. gar nicht ausgebildet, bei 
andern dagegen, wie bei den Bohnen, Erbien u. a., 
iſt dieſelbe bereitd ganz -_ vorhanden. 
PBlünderung begeht nad $. 129 des Deutichen 
an ar Ya von 1872 derjenige, weldyer 
im Felde unter Benugung des Kriegsihredens oder 
unter Mißbrauch feiner militärifchen liberlegenbeit 
1) in ber Abficht rechtswidriger Zueignung eine 
Sade ber Pandeseinwohner offen weaninımt oder 
denfelben abnötigt, ober 2) unbefugt Kriegeihakun: 
en oder — — erhebt oder das Maß 
r von ihm vorzunehmenden Requiſitionen über: 
ſchreitet, wenn dies des eigenen Borteild wegen ge: 
ſchieht. Als eine P. ift es nad) $. 130 nicht anzu: 
fehen, wenn bie Aneignung nur auf Lebens: 
mittel, Heilmittel, Bellerdungsgegenftände, Feue— 
rung3mittel, Fourrage oder Transportmittel fi er⸗ 
— t und nicht außer Verhältnis zu dem vorhan⸗ 
enen Bedürfniſſe ſteht. Die P. wird nad 8. 131 
mit Gefängnis bis zu nd Jahren und mit Ber: 
fegung in die zweite Klaſſe des Soldatenitandes 
beitraft. Wird die P. unter Gewaltthätigteit 
egen eine Perſon begangen, fo iſt nad) $. 133 auf 
— bis zu ze nn ten zu erlennen; wenn 
dabei der Tod eines Menſchen verurfadht worden 
ift, fo tritt Todeöftrafe, in minder ſchweren Fällen 
lebenslängliches Zudthaus ein. In gleicher Weile 
werben die Näbelsführer beftraft, wenn die That 
von mehrern begangen wird. Dieſen Beitimmuns 
gen —— auch $. 25 der Kriegsartilel. 

n alter Zeit gehörte in erftürmten Städten 
na Fig 1 erg die Habe der Bürger, wenn 
diefe ihre Mauern verteidigt hatten, den Siegern. 
Solche Städte oder andere, benen man aus beion: 
dern Urfahen eine Züchtigung angebeihen lafjen 
wollte, wurden zur P. preiögegeben (in die «Ra: 
pufe»), manchmaljedoch nur auf beftimmte Stunden. 

Iungerfolben, f, unter Kolben. : 

Inral, ſ. unter Numeruß. , 

Plurale tantum (lat., Mehrzahl Pluralia 
tantum) bezeichnet ein Wort, das nur in ber 
Ra vorlommt (3.2. —— 

luralis majestatious (lat., auch Plura- 
lis excellentiae), bie Nebeweife, wonach ein 
—x von ſich in der Mehrzahl redet (Wir 
anftatt ich). 

Inralismus, die Annahme einer Mehrheit, 
im Gegenfaß zum Monismus, — 

Iuralität (lat.), Mehrheit, Mehrzahl, Vielheit. 

lus (lat., d. te bezeichnet durch +, be: 
deutet in der Mathematik das Addieren der Größe, 
welche nadhfolgt, zu der vorhergehenden. A + B 

eißt demnad) die Summe der Größen A und B. 
In der Yehre von den entgegengefegten Größen be: 
zeichnet + die pofitiven Größen. (S. Minus.) 
lüſch (fra. peluche, engl. plush), ein famt: 
artige3 Gewebe, defien Haare bedeutend länger als 
die des Samts, aber kürzer ald die des Felbels 
find, Man verfertigt P. aus Seide, aus Bauns 


94 


wolle, aus Kammgarn und Kämelgarn und benust 
ihn zu Möbelftoften_ Damenmänteln, Befäben, 
Tiihdeden u. j.w. Der wollene Plüſch wird 
zuweilen gemujtert, indem man durch Nieberdrüden 
der Haare mittels ee Walzen an einzelnen 
Stellen glänzende Flächen erzeugt. Auch fommıt 
ein pre behaarte Gewebe unter dem Na: 
men Doppelplüfc vor. 

Plusia gamma, j. Gammga-Eule. 
Insquamperfeftum, j. u. Präteritum, 
lutarch (griech. Plutarchos), berühmter griech. 

Schriftſteller, geb. etwa 46 n. Chr. zu Chäronea in 
Böotien, Mi nachdem er in ae unter Ammo⸗ 
nios rn ophie jtudiert und mehrere Neifen, nas 
mentlich nach Alerandria und Rom, gemacht hatte, 
in feine Vaterjtadt zurüd, wo er, abgejehen von 
wiederholten Reifen, bis zu feinem Tode wohnen 
blieb. Er befleidete dort das Amt eines wog. 
und das eines Priejters und N lange Zeit 
bindurch regelmäßig bei der alle vier Jahre wieder: 
tehrenden Feſtfeier des pythiſchen Apollon. Die 
Kaifer Trajan und Hadrian verliehen ihm aud, 
der eine, wie es heißt, donſulariſchen Nang, der 
andere das Amt eines Ffaiferl. Finanzbeamten in 
Griechenland. Er ftarb zwiſchen 120—130 n. Chr, 
Die zahlreihen Schriften P.s Diet man in zwei 
Klaſſen zu teilen, die Viographien und die jog. 
«Moralia» Die «Moralia» erjtreden Fi auf die 
verſchiedenſten Wiſſenſchaften; neben Schriften aus 
dem Gebiete der theoretiihen und der praftijchen 
Philoſophie enthalten fie ſolche hiſtoriſchen und 
antiguariichen wie naturwiſſenſchaftlichen Inhalts. 
Auch iſt die Weije der Behandlung fehr verſchieden, 
bald mehr wiſſenſchaftlich, bald mehr populär, bald 
in Form ber Abhandlung, oder aud) kurzer Notizen, 
bald dialogifh. Unter den «Moralia» finden ſich 
zahlreiche unechte Schriften, Am anziehenditen 
und für die Gejchichte des Altertums ſehr wichtig 
find feine 44 «Vitae parallelae», d. i, vergleichende 
Lebensbefhreibungen berühmter Griechen und Rö— 
mer. Seine Behandlungsweile it im allgemeinen 
leicht, bisweilen bis zum Oberflächlichen und Nach— 
läſſigen, und fein Stil ift IHR und da dunfel und 
mit Sentenzen früherer Philoſophen und Dichter 
reich —— ja oft überladen. Der Reiz, 
den feine Biographien ausüben, beruht hauptſäch— 
lid) auf der Lebendigleit der Darftellung und der 
durd) zahlreiche aneldotenhafte Züge unterjtügten 
Zeichnung der Charaktere. In feinen philoſ. Schrif: 
ten zeigt er eine ſcharfe Beobaditung und weiß 
durch große Belejenheit jeinen Gegenitand_inter: 
eſſant zu machen; als Bhilofoph in höherm Sinne, 
d. h. als jelbitändiger, tiefer Denker erjcheint er 
nirgends, Er befennt fih als Anhänger Platos, 
weicht aber vielfah von ihm ab. Er ijt viel we: 
niger bemüht, in die Tiefen der Spekulation ein: 
zudringen, als die Lehren einer gefunden Moral zu 
verbreiten, die Anhänglichkeit an den alten Götter: 
glauben zu ftärken und die Gemüter mit der eigenen 
warmen religiöfen Empfindung zu erfüllen, 

Unter den Gejamtausgaben find nad der von 

De: Stephanus (13 Bde., Genf 1572) die von 

eisfe (12 Bde., Lpz. 1774—82) und Hutten (14 


Bde., Tüb. 1791—1805) die wichtigften. Die «Mo- | 


ralia» wurden bearbeitet von Dan. Wyttenbach 
(9 Bde., 4., Drf. 1795—1830; oder 15 Bde. 8.; 
abgedrudt dp . 1796—1834). Gjne neuere Text: 
recenfion mit lat. Üiberfegung gab Dübner (2 Bde., 
Bar. 1839— 42). Die von Hercher begonnene 


Plusia gamma — Pluto 


(Bd. 1, £ps. 1872) ift_ durch den Tob des Heraus- 
gebers unterbrochen. Die «Vitae» fanden Bearbei- 
ter an Korais (6 Bde., Bar. 1809—15), Eintenis 
4 Bde., Lpz. 1839-46; Handausgabe, 5 Bde, 
p3. 1857-60) und Döhner (2 Bde. Bar. 1846— 
48). Sämtliche moraliihe Schriften find von Kalt: 
waſſer (9 Bde., Frankf. 1783—1800) und von Bär, 
Reichardt und Schniger (17 Bochn., Gtuttg. 1828 
—57), die Biographien von Schirach (8 Bde, Berl. 
1776—80), Kind (8 Bde., Lpz. 1745—53), Kalt: 
waſſer (10 Bde., Magdeb. 1799—1806) und Klai⸗ 
ber, Fuchs und Campe (19 Bdochn., Stuttg. 1827 
—29) uberſetzt worden. Bol. Vollmann, «Leben, 
Schriften und Philoſophie des P.» (2 Bde., Lpy. 
1869) und über die Biographien Heeren, « De fon- 
tibus et auctoritate vitar, parallelar. P.» (Gött, 
1820); Haug, «Die Quellen B.3 in den Biographien 
der Römer» (Tüb. 1854); Peter, «Die Due .$ 
in ben — ber Griechen⸗ (Halle 1865). 
Nah dem Mufter der Biographien P.3 find in 
neuerer Zeit in Sranlreih, England und Deutfch: 
land Sammlungen vaterländiscer Biographien 
unter dem Titel « Plutarch» erfhienen; unter dem 
Titel «Der Neue B.» erfcheint eine derartige Samm- 
lung von Biographien hervorragender Charaktere 
der Gejchichte, Litteratur und Kunſt, herausg, von 
Gottſchall (Bd. 1—11, Lpz. 187485). 
Plutarch, der Sohn des Neftorios, aus Athen, 
lebte Ende de3 4. und Anfang des 5. Jahrh. n. Chr. 
und lehrte in Athen den Neuplatonismus, defien 
erjter mit Auszeichnung genannter Vertreter ler üt. 
Pluto (grieh. Pluton), d. i. der Neichtumgeber, 
Spender des Segens aus den Tiefen der Erbe, 
* in der griech Mythologie der dritte Sohn des 
ronos und der Rhea, Bruder des Zeus und des 
zen, Gemahl der Perſephone, welchen bei der 
eilung der Welt unter die drei Brüder die Unter: 
welt zufiel. Dort, unter der Oberfläche der Erde, 
thront er als Herricher über die Verftorbenen und 
heit daher auch der unterirdiiche Zeus. So weit 
unter feiner Wohnung, als der Himmel über der 
Erde erhaben iſt, liegt der Tartarus (Tartaros), 
mit eifernen Thoren verſchloſſen. P. iſt furchtbar 
und ſchrecllich, durch Bitten und Schmeicheln nicht 
u erweidien: nur dem Orpheus gelang es, ihm 
9 die ſchmeichelnde Gewalt ſeines Geſanges 
zur Rüdgabe der Eurydile zu bewegen. Er fährt 
auf einem von vier ſchwarzen Najen ezogenen 
Wagen, die er mit —— Zügel lenit. Sein 
Helm, den ihn die Cyllopen gearbeitet haben, macht 
unfichtbar (wie die Nebel: oder Tarnlappe der nor: 
diſchen Sage), wie fein Name Nides oder Hades, 
der bei Homer ſtets nur Berfonenname ift, ihn als 
den Unfihtbaren bezeichnet, entiprechend der in ber 
Unterwelt herrſchenden Finſternis. Die Erinyen 
und Charon dienen ihm. Mit den drei Totenric- 
tern Uakos, Minos und Nhadamanthys richtet er 
über alle Thaten der Sterblihen. Dies üt im we: 
jentlihen die Darftellung, welde die Poeſie von 
dem Wefen dieſes im Kultus nicht fehr bervortre: 
tenden Gottes gibt. An der Vollsanfhauung und 
bejonders in den Myſterien (f. d.) herrſcht dagegen 
eine mildere Auffafjung vor, nad) welcher er haupt⸗ 
fählih ala wohlthätiger Gott, als Spender ver 


Fruchtbarkeit des Erdbodens, inöbefondere des Ge: 


treides, betrachtet wird, Die Kunſt hat ihn ähnlich 
feinen Brüdern, Zeus und Poſeidon, bargeitellt, 


aber mit düfterm Husdrud, die Haare in die Stirn 
berabhängend, 


Neben ihm thront Perſephone. 


Plutofratie — Plymouth (in England) 95 


Seine Aitribute find Scepter und Cerberus \ d.), 
bisweilen ein Zweizad oder ein Füllborn. indes 
finden ſich Hungen von ihm nicht häufig, da 
das Altertum es vorzog, durch Scenen aus andern 
Mothentreifen heitere Vorſtellungen vom jenfeitigen 
Leben zu en. (S. Unterwelt) 

Ph Kehren eh), Herrichaft des Reichtums, 


gern! (j. d.). 

nton di ——— e Bildung nen— 

zum Unterſchied von Vullaniſch (f. d.) und 
Qullaniicher Bildung, mande Geologen — 

ine, von denen He vorausſehen, dab diejelben 
tief im Innern der Erde unter ſehr hoher Tem: 
peratur gebildet worden find. Die Laven ber Bul: 
lane, weldye nr — ſelbſt 3 ganz 
in deren Näbe in en erjtarren, find vul: 
i — aber dasſelbe Material 


laniſche Bild 
—— — sur Gritarrung gelangt, fo | $ 


tur und unter 


a — 
—— —— ib ft wahr: fi 
ein 


ein mehr Eryftalliniiches Ge: 





ein fein. Die ‚ von denen man eine 

olche Bildungsweiſe vorausfeht, wie Granit, 

u. j. w., nennen jene plutonifche, 

dazu aber auch ſolche Gefteine, von benen 

* vermuten, daß fie in großer Tiefe, unter hohem 

und unter 5 tur durch Um: 

wandlung N) e) aus andern Geiteinen 
entjtanden find, wie 3. is und Glimmerf 


. le: 
‚bie fie tt Sr 
Ki Sehe au ———— ng ber plutoni: 
den ine Tann man natürlid nie beobachten, 
eben wei —— Tiefe ſtattfindet. Wenn man 
das Reſultat desſelben jeht irgendwo an der Ober: 
flã det, — oder en —* = 
nur babu ehen 
fein, die urfprünglice Oberfläche zeritört und 
bis zu bedeuten iefe abgeſchwemmt it. Eine 
7 Beritörung und Abſchwemmung bat aber 
t8 viel Zeit in Anſpruch genommen, und daher 
fonımt e3, daß man an jebigen Erboberfläche 
nur ſolche plutonifche Gefteine findet, welde vor 
fehr e Zeit gebildet wurden. 
So *r der —*4 ———— — 
orgänge, in den tiefſten Niveaus der 
Erdrinde unter dem Einfluß der Glut des Erd: 
innen (j. Erdwärme) vorausfihtlich vollziehen 
(Umihmelzung, Umtryftallifierung). 

Blutoniften nannte man früher diejenigen Geo: 
logen, im Degenfah zu den Neptunijten bie 
vullanifche igteit als ein ſehr wejentliches Do: 
ment in ber Entwidelungsgejdhichte der Erde in 
na 


en. 
eb bei den Griechen der Gott des 
chtums, übrigens in der Mythologie nicht 
zur vollen perfönlihen Durdbildung gelangt iſt. 
Gr Sohn bes Jaſion und der Demeter und 
joll, —— ſagt, auf dreimal geadertem Brach⸗ 
feld in 8 fruchtbarem Giland gezeugt fein. 
Der Sinn ng Allegorie würbe fein: aus Ader: 
bau eihtum, Wie es fcheint, wurde 
er als Knabe ee Ei * 
geſtellt. Nachbildun ensgoͤttin m 
einem ſolchen — auf dem Arm find noch 
Münzen und in einer bmten Statue zu 
ber —— — nn: 
5 eigentlich egenmantel) — * 
arobe Meßgewand der lath. Geiſtlichen, welches 


& 


den ganzen Leib umfchließt und vorn mit zwei Ha- 
fen befejtigt wird, 

Pluviometer (lat.), Inftrument zur Beftim- 
nn A gefallenen Negenmengen. (5. Negen 
und Regenmejier.) 

Pluviöse (frj., «Negenmonat»), ber fünfte Mo: 
nat de3 franz. republifanifchen Kalenders (20. Jan. 
bis 19. Yebr.). Jupiter. 

Pluvius (lat.), —— Beiname des 

Plymouth (ipr. Plimmösh), Municipalftadt, 

tlamentsborougb und ſtark befejtigter Kriegs: 

fen in der engl. Grafihaft Devon, an der Eijen: 
hn, die von hier bis Penzance führt, während eine 
weigbahn die Verbindung mit Taviftod heritellt, 
——— — —————— 
vie — von hohen Kallfelſen umgebenen Bai 
des Britiihen Kanals, bie einen der fchönften 
äfen ber bietet und durch einen 1840 be: 
Wellenfiplan aefcht 73 m egen = 

ellenſchlag a üt. P. bildet mit dem w 
ih davon gelegenen Devonport (f. d.) und dem 
zwiſcheninne fiegenden Gaft:Stonehoufe zufammen 
eine Stadt. Dieſe «Three Towns» hatten 1821 
eine Gejamtbevölferung von 61212, 1881 von 
138975 €, In bie Safenbai fließen außer andern 
Gewäflern ber Tamar oder Tamer und ber Plym. 
Das 7 km * Aſtuar des Tamar 2 im 
Süden durch die ſhone Sandzunge Mount + Cöge: 
combe (mit prächtigem Landſihe) begrenzt, ijt der 
Kriegshafen, für 100 tg groß ‚das 
Üftuar des Plym (Catwater) der en fen. 
Kleinere Buchten find der Sutton » Pool mit einer 
Einfahrt zwifchen er Dämmen und die Mill-Bay, 
an deren oberm Ende die 1104 m weit fich hinziehen⸗ 
ben, 410 m breiten, 78,6 und 57 m tiefen Dods 
des Weſtbahnhofs liegen. P. felbit, welches, wie 
Devonport, zwei Mitglieder in dad Parlament 
ſchidt und für fih (1881) 75096 E, zählt, iſt die 
ältejte, Devonport (erft 1760 entitanden) die —— 
der drei Schweſterſtaädte. Alle drei find ſtark be: 
—* Der Städtelompler iſt vor allem de 
als Kriegähafen, in welchem fortwährend ein Tei 
ber engl. Marine liegt, und durch die damit ver: 
bundenen ungeheuern Anjtalten zum Bau und zur 
Ausräftung der Schiffe: Dods (mit die fchönften 
in, —— Werfte, Anlerſchmieden, Stüdgiehe: 
reien, Maſchinenbauanſtalten, zwei Seilerbahnen 
von 390 m Länge, Magazine, Arjenale ins 
Waflerleitung, von Sir rancis Drake auf eigene 
Kojten angelegt, verfieht die Stadt mit Wafler von 
Dartmoor aus einer Entfernung von 50 km. 

Das eigentliche P. hat 38 Kirchen und Kapellen, 
ein großes Rathaus, eine Börfe und eine Kaufhalle, 
ein ſchönes Zollhaus, eine Lateinſchule, ein Seminar 
ber Dijjidenten, ein im dor. Stil erbautes Athe— 
näum mit einer Bibliothek und einem Mufeunt, 
einen Berein für —— eine I be 
für Pflanzenlunde und Gartenbau, ein Handwerter: 
injtitut, eine öffentliche Stabtbibliothet und in dem 
großen, 1811 auf ftädtiiche Koſten erbauten Royal: 
Hotel ein elegantes Theater, Ball», Konzert: und 
GSejellichaftsjäle. Die Hoe oder Wall: Hoe ift ein 
Dochgrlegener Spaziergang zwiſchen Sutton : Pool 
und Nill:Bay. Hier befindet ſich ein botan. Gar: 
ten und die 1670 erbaute Gitadelle, vor der die 
ftarf befeftigte Felſeninſel St. Nicholas liegt. Eaſt⸗ 
Stonehoufe enthält ſeit 1834 den großen Royal: 
Bictnalling » Yard (Biltualienamt) mit Bäderei, 
Brauerei, Magazinen u. f. w., fowie ein grobes 


96 


Seehoſpital für 1200 Kranke und die Marine: 
tajernen. ®. und Tevonport haben ausgedehnte 
Seebäder (königal. Unionsbäder),. Aud it eine 
Mineralquelle «Victoria: Spa» vorhanden. Etwa 
22 km im Südfüdwelten vom Hafen ijt der Peucht: 
turm von Gödyitone (f.d.). V. hat große Segel: 
tuchfabrifen, Zuderraffinerien, eine Glashütte, eine 
Stärkefabrit und große Eeifenfabrifen,, treibt 
Fiſcherei und fehr bedeutenden Handel. Die Ge: 
famtzahl der Schiffe, die 1883 in Cargo und in 
Vallaſt in den Hafen einliefen, betrug 3852, von 
834277 t. Beſonders ftark iſt die Einfuhr von 
Holz aus Nordamerika und den Ditfeehäfen. 





2 = — 
— NT 
— oo —— 


9— 
% 


4, 


RER 
MEN 


Plymouth (in Nordamerika) 


Aſcue vom bolländ, Admiral Ruyter en. 
Karl II. erbaute die Citadelle und erhob feinen 
natürlichen Sohn Fih:Charles zum Grafen von P. 
Seitdem Wilhelm III. B. zum königl. Seearfenal 
beftinnmt hatte, — die Stadt immer mehr an 
Bedeutung und blieb lange der zweite Flottenhafen 
Großbritanniens, von dem die wichtigſten Erpedis 
tionen ausgingen. Im Aug. 1779 wurde B. von 
der franz.:fpan, Flotte unter d Orvilliers und Cor: 
dova ohne Erfolg gegen Admiral Hardy bebrobt. 
Im %. 1815 anterte bier der Belleropbon mit Na: 
oleon I. vor der Abfahrt nad St.-Helena; 1828 
tationierte zu P. eine Zeit lang die ruf. Fioile. 





a Te 
vr Dee 
a 





























































































































Maßstab 1:90000x° 


= TR RE VER? 
ZTopographiſche Lage von Blymouth (in England). 


Dampfſchiſſe verbinden r mit den Sanalinfeln 
und den hg a ie Englands und Irlands. Die 
Dampfboote der Union : Steam : Ship » Company 
gehen von bier * innerhalb 34 Tagen 
- bem Rap der Guten Doffnung. 

Nachdem P. von Heinrich VI. zum Borough er: 
boben und 1439 intorporiert worden, wuchs e3 zu 
einem bedeutenden Handelsplag empor und wurde 
1512 ftärter befeftigt. Hier war 1588 die engl. 
Flotte von 120 Segeln unter Drale, Howard und 
Hawlins zum Angriff auf die — rmada ver⸗ 
ſammelt, und 1595 wurden daſelbſt die gelandeten 
Spanier von Sir John Godolphin zurüdgefchlagen. 
Bon P. lief fodann 1596 bie engl. Flotte gegen 
Cadiz aus, Weil fi die Stadt für das Parlament 
erklärte, mußte fie 1643 eine drei Monate lange 
rg durd) die Königlichen aushalten. Am 
26. Aug. 1652 wurde hier die engl. Flotte unter 








kilonetera 


n P. bildete fi Anfang de3 19. Jahrh. die his 
1a ie Selte u ee 
Iymonth ({pr. Blimmösh), die Hauptitadt des 
gleichnamigen County im nordamerik. Staate Maſſa⸗ 
——— liegt an der Maſſachuſettsbai und der Old 
olony:Eijenbahn, 59km jüdöjtlid von Boiton, hat 
(1880) 7093 E. und ijt ein gutgebauter Seeplaß mit 
eräumigem, aber flahen Bein: die her be: 
(hitigen fih mit sultenjhifiahrt und Fi Siam, 
Fabrikation von Segeltuch, Tauwerl, Baummo 
jeugen, Garn, Eiſenwaren u. ſ. w. Die Stadt hat 
eine öffentliche Bibliothek, ausgezeichnete öffentliche 
Schulen und vier Banken. ®. ijt die ältejte Stadt 
in Neuengland und entitand aus ber Nieder: 
laſſung der Pilgrim Fathers (Pilgerväter), wel 
22. Dez. 1620 auf der Mayflower am Plymou 
oder Forefathers Rod, einen vorjpringenden Fels: 
blod, landeten. Auf diefem Selten wurde 1859 


Plymouthbrüder 


der Grundſtein zu einer Koloſſalſtatue, Faith (der 
Glaube), gelegt, welche 1875 —— wurde. 
Iymouthbrüder, f. Darbyiten. 
Iymouth:Sound, f. unter Plymouth. 
Iympton Earle, Stadt in der engl. Graf: 
{haft Devon, 3 km öſtl. von Plymouth, Station 
der Pinie Greter: Plymouth: Benzance (South: Devon 
and Weit-Gornwall) der Great:Wefternbabn, hat 
(1881) 14281 E., eine Stiftsſchule und Zinngru: 
ben. P. war in normann, Zeit Sik der Nidvers 
und ift Geburtsort des Malers Joſhua Neynolds. 

Biynterien, Felt im alten Athen, ſ. Kallyn: 
terien und Blynterien. 

P.M. (p. m.), Abtürzung für Pontifex Maxi- 
mus (j.d.); ferner für: pro memoria, zur Erinnerung; 
piae memoriae, jeligen Andentens; pondus 
medicinale, Medizinalgewiht; pagina mea, 
«auf meiner Seite», d. b. auf der Seite der Bud): 
ausgabe, deren ich mich bediene (bei Citaten); pro 
mense, auf den Monat; pro (per) mille, für 
taujend; post meridiem, Nadmittag. 

P. M. (aud P. W.), bei naturbiitor. Namen 
Abkürzung für Wied (Marimilian, Prinz von). 

Bueuma (grch., eigentlih Hauch, dann Geift) 
bezeihnet in der Rirchenſprache namentlih den 

öttlichen oder Heiligen Geiſt (Tvedu &ytov), da: 
or feit Ende des 4. Jahrh. diejenigen, welche die 
aleiche Gottheit des Heiligen Geijtes mit dem Ba: 
ter und dem Sohne beftritten, den Namen Pneu— 
matomacdhen erhielten. Bei den Gnoftifern be: 
zeichnete P. den göttlichen und als ſolchen unver: 
ganglichen Lebensleim in der Welt, im Gegenſatz 
M dem bloß finnlichen Lebensteim (Pſyche) und der 
öjen Materie (Hyle). Die aus dem göttlichen 
Lebensteim Entiprungenen heißen Bneumatiler 
ober Geiſtesmenſchen im Gegenjak zu den Pſychilern 
und Hylitern. In der Dogmatik heist Pneuma— 
tologie die Lehre von der er Geifterwelt. 
‚Bueumaticität (arh.),Lufthaltigteit, eine 
—— gewiſſer vogelinochen, dadurch her⸗ 
vorgerufen, daß in dieſelben, unter Reſorption des 
uriprünglichen Marles eigentümliche Fortiäke der 
Qungen von den ſog. Luftiäden her hineingewad): 
fen find. Der Umfang, in dem die B. das Vogel: 
ifelett betreffen lann, ift jehr verichieden. Beim 
nichtfliegenden Kiwi (Apteryx) wird fie überhaupt 
vermißt, beim großen Nashornvogel eritredt fie 
ih auf ſamtliche Knochen mit einziger Ausnahme 
des Jochbeins, das überhaupt bei feinem Vogel 
pneumatiich üt; zwiſchen dieſen —— finden 
ſich viele Abſtufungen in der Entfaltung, die mit 
der Flugfähigteit in entfchiedenem Zufammenhang 
ftehen, wenn aud wohl zugegeben werden kann, 
daß die P. nicht allein eine ſpezifiſche Erleichterung 
des Bogellörpers verurfacht, jondern wohl aud) zum 
Reſpirationsprozeß a in Beziehung tritt. 
‚Bueumatif (grd.) ilt derjenige Teil der Mecha— 
nit, welcher ſich mit der Lehre von den luft: oder 
aadförmigen Stoffen, namentlih mit der Lehre 
von der meaund und der Kraft der Luft, ſowie 
der Gafe (ſ. Adrodynamik) beihäftigt. Die 
leichte Verſchiebbarleit und Beweglichteit der Luft: 
teilen geitatten es, daß diejelbe in einer Röhre, 
oder einen Behälter eingefchlojien, durch einen 
Drud von außen ſehr leicht auf die Hälfte, ein 
Trittel, ein Zehntel u. j. w. ihres urjprünglichen 
Rauminbalts eingeengt werden lann; andererjeits 
hat die eingeengte Luft die Eigentümlichleit, ver: 
möge ihrer Erpanfivfraft (Spanntraft oder Ten: 
» Lerifon. 13, Aufl, XIII 


— Pneumatiſch 97 


fion genannt) ſich ſchnell auszudehnen und jeben 
noch & großen Raum jofort —— e Ex⸗ 
panfivfraft (Ausdehnungsbeſtreben) der Luft (akt 
ſich jehr genau berechnen. Im Orgelbau heißt P. 
die Kunſt, durch verdichtete Luft die Orgelllavia— 
turen leicht ſpielbar und das Regierwerk beweg: 
liher zu maden, Um dies zu erreidhen, bedient 
man —9— des pneumatiſchen Hebels und der pneu⸗ 
matiſchen Maſchine. Der pneumatiſche Hebel 
—* den Orgelbauer Baker erfunden) iſt eine 
ermittelung zwiſchen dem Taſtendrud und dem 
Widerſtand der Ventile; derſelbe wird an einer 
Orgel zwiſchen den Taſten der Klaviaturen und 
den Ventilen der Windlade (ſ. Orgel) eingefcho: 
ben und dient dazu, die direlte Wirkung des Luft: 
drucks auf die Ventile aufzuheben. Er iſt ein 22 cm 
langer und 4 cm breiter gejchloffener Windtajten 
mit beweglicher Oberplatte. An der Unterplatte 
befindet fih ein Kaſten, welcher im Innern einer 
Windlade gleicht; er enthält demnad) Ventilfeder, 
Ventil, Bentilöffnung, — Der Pe 
fteht mit der Taſte in direkter Verbindung, ſodaß, 
ſobald die Taſte niedergebrüdt wird, das Ventil 
fich abhebt, die Luft im Windkaſten in den obern 
Kaſten einftrömt. Die bewegliche Oberplatte des: 
jelben ſchnellt jofort in die Höhe; diejelbe jteht vers 
mitteljt Drähte mit dem Ventil der Windlade in 
Verbindung, fodaß beim Emporfchnellen der Ober: 
platte fi das Ventil der großen Windlade von 
—* —— Jede Taſte erhält ſolchen Hebel; 
mnach befommt ein Manual mit 54 Taiten aud) 
54 Hebel. Diefelben werden zufammengeitellt, er: 
geilen den Wind aus dem Reſervoir eines größern 
alges und bilden — —— ne. 
Bei großen Orgelwerken hat jedes Manual eine 
pneumatiſche Maſchine. Cine andere Art des pneu⸗ 
matiſchen Hebels hat den Zwed, die Regiſter ohne 
ilfe des Spielers allein aufzuziehen oder abzu: 
toßen. Diejer Hebel beiteht aus zwei Heinen Heil: 
älgen von 50 cm Länge, 6 cm Breite, Die Ober: 
platte desſelben iſt hier mit einem Regifterzuge ver: 
bunden. Strömt die fomprimierte Luft in dieſen 
Balg, fo fchnellt die Oberplatte mit folder Kraft 
in_bie Döhe, daß der an berjelben ——* Re⸗ 
giſterzug allein, alſo ohne Kraftanwendung des Dr: 
ganiſten aufgezogen wird. Durch die Erfindung 
des Regiſterhebels iſt es möglich geworden, die 
wirkſamen Kolleltivzüge und das gewaltige Cres⸗ 
cendo an der Orgel berzuftellen. Durch einen Sub 
Eu Rt ber Organiſt eine Welle, melde die Me: 
chanik an den Negiiterhebeln leitet, in Bewegung 
und burd den Gebrauch zweier Fußtritte fann er 
das Orgelwerk vom leifeiten Piano bis zum größs 
ten Forte und umgelehrt erklingen lafien. 
ee f. unter Pneuma. 

Pneumatiich (von dem griech. Wort myeiue, 
d. i. bie yo Hauch, Wind) wird häufig bei Be: 
zeichnung phyſik. ——— 
So heißt Pneumatiſch-chemiſcher Apparat 
oder Pneumatiſche Wanne eine Vorrichtung, 
um luftförmige Stoffe darſtellen oder auffangen 
und deren Eigenſchaften unterfuchen zu können, 
Zur Abjperrung der atmofphäriichen Luft von der 
Im unterjuchenden Luft bedient man ſich des Waſ⸗ 
ers, bei Luftarten, die vom Waſſer abſorbiert 
werden, des Quedſilbers. 

Pneumatifher Telegraph ober Pneu: 
matifhe Klingel nennt man die Signalfom: 
munilation zwijhen verichiedenen Teilen eines 

7 


98 


Sebäubes oder verſchiedenen Gebäuden, weldhe auf 
Anwendung des Luftbruds beruht. An jebem der 
beiden miteinander lommunizierenden Drte bes 
findet fi ein Meines ea aehäufe, befien eine 
Wand burh eine Kautichutplatte gebildet wird, 
Heide Metallgehäufe hängen durch Kautjchuf: oder 
Bleirohre zuiammen. Drüdt man bie Kautjchuf: 
platte an der einen Station mit ben Daumen in 
das Gehäufe Dinein, fo wird fie an der andern Sta: 


—8 durch die Wirkung ber lomprimierten Luft 
— — fest dadurch einen Hebel und 
er Klöppel —— no in Bewegung. 
rg ift das Fa tmofphärtichen 
Siendan (f. d.) zur Herfte Bann des fog. Pneu: 
matiſchen Transports benukt worden. Statt 


nämlich die * den im Verbindungsrohr zwiſchen 
den Stationen hingleitenden Kolben wirkende Kraft 
bes Luftdrucks auf außerhalb des Rohrs befindliche 
Waggons zu Übertragen, wie ed bei jener Eiſen⸗ 
—* gef seht, legt man bei biefer ſog. Rohr— 
tin das Verbindungsrohr jelbit einen luftdicht 
Püliehenben Kolben und in dieſen Kolben die zu 
transportierenden Briefe und Poſtlarten. Da das 
Prinzip diefed Transport? auf Waggons und 
rößere Transportobjelte nicht anwendbar ift, fo 
Bat man die früher gebraudhte, den t oretifchen 
Projekten entiprungene Beze mir Berk neumas 
tifhe Eiſenbahnen jeht aufgegeben und be: 
zn nur den eben erwähnten pneumatifchen 
transport von Poſtſachen ald Brneumatijce | (g 
Po ſt oder nur (. d.). 
Beet arate, Pneumatiſches 
en und Sa nett, ———— Luft, 
Bd. X, S. 453 fq., wo Eu: bildungen 
Buenmati fcher nfang,. eine Borrichtung 
um Heben von Laſten mittels einer Plattform, die 
urch Luftdrud gg —* ud — S. unter 
Hebeapparate, Bd. VI 
eumatifche — ſ. unter Bars r. 
neumatifches Bett, —* wie Luftliſſen. 
—— — Eiſenbahnen, ſ. u. Atmos 


ſp —— enbahnen und Pneumatiſch. 
—— beſteht aus einem 
ftarten, umt — — oe jenen Glascylinder, in weldyen 


man einen luftdicht ſchließenden Kolben raſch hinein: 
ftoßen fanı. Sobald dies geſchieht, erhitzt ſich die 
dadurch ftarl verbichtete Luft dermaßen, daß ſich in: 
folge deſſen ein an einem Hälchen des Stolbenbodens 
befeftigter Feuerſchwamm entzündet. Diefes In: 
itrument hat zwar feine praltiſche Bedeutung, dient 
aber in Schulen ald Beweis, daß plöglihe und 
ausgiebige wjammendrüdung der Luft eine mäch⸗ 
tige — — — 

Pueumatif — ſ. unter Grund⸗ 
bau, Bd. VO neumatifche 
Kuren, ſ. unter Pu He Luft. 

Bneumatifche Uhren jind Uhren, welde von 
einer durch Gewichte betriebenen Rormaluhr aus 
dur den in Röhren fortge eleiteten Luftdruck be: 
trieben werden. (5. unter Ühren) 

Bneumatifche Wanne, eine Vorrichtung des 
em. Laboratoriums, welde zum Auffangen und 
Meilen von Gajen dient, 

matochord, — wie Holaharfe, 
eumatologie, j. unter Pneuma. 
neumatomachen, |. unter Pneuma. 
atosneter ve tmun gömefjer), ein 

Apparat, welder dazu bejtimmt , bie Größe des 
Atmungsbrudes gefunder und franter Lungen oder 


Pneumatiihe Apparate — Pupr 


ber Mustelfraft zu mefjen, mit —— die Ein⸗ 
Hr und die Ausatmung un Das beite 
3 von Waldenburg an ; basfelbe 
Ende aus einem auf einem Ötativ ten 
Ibermanometer, welches vermittelt eines 
Gummiſchlauchs mit einer der Naſen⸗ oder Mund: 
öfnung luftdiht anzupaffenden Maste in Berbin: 
ftebt. Man benupt das P. derart, daß man 
—* mſelben entweder aus» oder von "denfelben 
einatmet. Das * einer Slala —— Steigen 
des Quedſilbers bei dem Ausatnien inlen 
desſelben beim — beſtimmen —* Gröhe des 
Atmungsdruds. 

Puenmatometrie, Anwendung pneumatiſcher 
Apparate zur Ermittelung des age der Punge, 
ſ. unter Komprimierte Lu 

Pnrenmatotherapie, Anwendung pneumati: 
ſcher Apparate zu Heilgweden, f. unter om; 
primierte Luft. 

Pnenmobiomantif, ————— 

Bneumonektäfte (grd.), Zungenerweiterung, 
ſ. Emphyſem. 

Pneumonioa (lat.), Mittel gegen Lungenkranb⸗ 


Ve befonders zur Beförderung des Auswurfs. 
Bneumonie — grch.) ſ. Zun: 
genentzändung. 


nofoni , Staubfranfbeit: 
. Pnenmpnstonien rä,), een 
hg ige Bneumomyföfis 
— * der Lunge, u Auftreten 


u Baeumopeeifareium im Lun — 
te im Herzbeu I * 
enmop „bie Anſamml 

—* und e —— — 

ee 4 —— J 
v 
der Bruſt, A 
legungen des Bruftorbes o Infolge uberfulöfer 


ge törung bes Qungeng — ſich Luft in der 
ruſtfellhoͤhle (men Bruftwand umd Lunge) 
anfammelt, führt zu plögli —— body: 
gradiger Atemnot, rzen und gewillen 
charatteriſtiſchen — ⸗n— ber Petkuſſion 
und Austultation. Der Verlauf ift meiſt ein un: 
günftiger; die Behandlung beichränft fih auf die 
jmedtmäßige Ernährung bed Kranken und auf die 
** ſeiner Atemnot. 

hieß | in Athen der Plab, auf welchem ſich 


bie Sp u der Volksverfammlung (Ixxinola) zu: 
ſammen en; auch die —— ſelbſt 
wurde oft P. genannt, Stener befand ſich 


Fr dem mittlern der im Kahn de = "tobt Athen 
ch binziehenden Hügel, über deſſen höchſten Rüden 
12 tadtmauer hinlief; an der öftlihen, der Stadt 
zugelehrten Seite desjelben ſieht man noch jeht eine 
durch eine mädtige Subitruftiongmauer gejtüßte, 
etwas geneigte —* von halblreisförmiger Ge⸗ 
ſtalt, die gegen eſten durch eine kunſtlich abgear⸗ 
beitete Felswand abgeſchloſſen wird; aus der Mitte 
diejer Feldwand tritt ein auf brei Stufen rubender 
delswürfel hervor; die Spuren eines zweiten, ganz 
ähnlichen Selswürfels bat man neuerdings weiter 
abwärts auf ber a in gleicher Linie mit dem 
— gefunden. Dffenbar wurde, je nad) der Rich- 
tung be3 Windes, * der eine, bald der andere 
Felswürfel ala Rednerbuhne — benußt. Für 
das Bolt waren auf der geräumigen, nad vorn 
mit einem ®itter oder einer Mauer umichlofjenen 


P. 0. — Bocci 


teıl3 aus Stein, teil3 aus 


(ä : , 
y ee Wer end wurden ichon feit den 


ol; angebradt. 


macebon. Zeiten bie sverfammlungen meiſten⸗ 
teils im Theater abgehalten und die alte P. diente 
nur noch für die ammlungen zur Wahl der Be: 


amten, ja in der röm. Kaiſerzeit fcheint fieganz außer 
Gebrauch gelommen zu fein. Bgl. C. Wachsmuth, 
«Die Stadt Athen im Altertum» ine 1, en. 1874). 
P. ©., Ablürzung für Professor ordinarius 
(ordentliher Profeſſor). j 
Bo, bei den Alten Padus, auch Eridänus, 
ber größte Strom Italiens, entipringt in den Eot: 
tif u auf dem Piano bel Re (2041 m) am 
bes Monte Viſo, tritt nach einem nur 30 km 
Oberlauf bei Saluzzo in die oberital. Ebene 
— in dieſer ur Nordoſten, dann nad) 
Diten, bei den Städten Turin, Cafale, Pavia, Pia: 
cenza, Gremona, Guaftalla und Djtiglia vorbei 
und ergießt fih, nad) einem Laufe von 630 km, 
durd vier Hauptmündungen in das Adriatiſche 
Meer. Er it im Verhältnis zu feinem kurzen Lauf 
ih, wird fhon oberhalb Turin ſchiff⸗ 
bar, fließt mei ich ſchnell und bat gelbes, ſchlam⸗ 
er fer. Seine beträchtlichſten Nebenflüfie 
find linls die Dora Riparia, Dora Balten, Sefia, 
der Ticino, die Dlona, der Lambro, die Adda, der 
Dolio und Mincio, rechts der Tanaro mit der 
Stura, die Trebbia, der Taro, die Parma mit der 
Enza, die Sechia und der Panaro. So großen 
Ehen der P. in feinem Unterlauf troß der ihn 
i n mächtigen Dämme durch feine Hoc) 
waſſer oft veruriacht, fo — er andererſeits 
Bi: gang —2 8 an sſtraße ve er 
erooir für zahlreiche erung3: un iff⸗ 
fahrtstanãle. Bon jenen iſt der Kanal Cavour der 
wichtigfte, der bei Chivaſſo oberhalb Turin ab: 
zweigt, die äußerft fruchtbare Zomellina bewäſſert 
und in den Ticino mündet; von diefen die Foſſa 
Bolefella mit dem Kanal Bianco, die den B, mit 
der Etſch verbinden. Auch die Nebenflüjje find 


größtenteils ſchiffbar und durch Sciffahrtäfanäle | das 


(Naviglioni) untereinander verbunden. Bon den 
vier Hauptarmen feines durch Ablagerung beitän: 
dig wachſenden Delta werden — die 
beiden jüdlichiten, der P. di Goro und der P. della 
Donzella oder Gnocca, am häufigften befahren, da 
die andern, der V. della Tolle und der P. Grande 
ober della Maẽſtra, der in den Golf von Venedig 
mündet, ihres jeihten Waſſers wegen mır felten 
benußt werden können. Südlich vom eigentlichen 
P. liegen die fumpfigen — (Balli) von Co: 
macdio, vom Poatello gebildet, der fich bei Ficca- 
rolo vom Hauptfluß abzweigt und bei Ferrara in 
den P. di Volano und P. di Primaro fpaltet, von 
denen der erite nördlich der zweite mit dem Reno 
verbunden füdlich der Balli di Comacchio mündet. 
Das Flußgebiet des PB. umfast in ialien (Bie: 
mont, Lombardei, Benetien und Cmilia), der 
Schweiz gg n) und Südtirol etwa 76000 qkm. 

Poa L., Riivengras, eine zu den Grami: 
neen gehörende —— — deren teils aus⸗ 
dauernde, teils einjährige über die ganze Erbe zer: 
fireuten Arten mebrblütige, ei: oder ———— 
ſtarl —— ger in Riſpen geſtellte Ährchen 
mit grannenloſen Zwitterblüten beſihen. Unter 
den in Deutichland heimiſchen Arten find das auf 
allen Biefen und Grasplägen wachſende Wiefen: 
rifpengra3 (P. pratensis L.), bas viel höhere, 
durch rauhe Blattſcheiden und Rifpenäfte ausge: 


99 


zeichnete gemeine Rifpengras (P. trivialis Z.), 
welches ſich an Gräben, Heden, auf feuchten Gras: 
— und Wieſen findet, und das ſpätblühende 
iſpengras (P. serotina Gaud.), von voriger 
Art durch glatte Blattſcheiden und gelbgefledte 
Kronenſpelzen unterfchieden, da3 auf jandigem 
Boden wählt und fih zum Anbau mit Klee 
empfiehlt, al3 befonder3 gute Futtergräier hervor: 
zubeben, Eine andere Art — annua ZL.), eine der ge: 
meinten Pflanzen auf bebautem , wie unbebautem 
Boden, ift eins der läſtigſten Unfräuter in Gärten 
und auf Wegen; auch zwifchen den Steinen des 
Straßenpflajters tommt fie jehr häufig vor. 

Poaci nennt man in ber Phytopaläonto— 
logie eine Anzahl von foſſilen Pilanzenreften, die 
dem Tertiär angehören und eine gewiſſe Ähnlich— 
feit mit Grasblättern befigen. 

Pobedonodzew (Stonitantin Petrowitſch), 
Oberprohureur des Heiligen Synods zu Peteräburg, 
erhielt feine Ausbildung in der kaiſerl. Rechts: 
ſchule zu Peteröburg, die er 1846 verlieh, wurde 
Selretär und fpäter Oberfelretär des Senats zu 
Mostau und erhielt nach Veröffentlihung einiger 
eo enſchaftlicher Schriften an der Univerfität 

aſelbſt die Profeffur für Civilrecht, die er bis 
1860 beleidete. In demielben jahre wurde ihm 
ber Unterricht in den juridischen Fächern bei den 
kaiſerl. Bringen Nikolai Alerandrowitich, Alerander 
(dem jegigen Haifer) und Wladimir a ri ch 
übertragen. Im J. 1862 wurde er Oberprolureur 
des 8. Departements des Senats in Moslau, 
lehrte aber 1865 nad) Petersburg zurück, wo er 
1872 zum Senator und zum Mitglied de3 Reiche: 
rat3 und 1880 zum Oberprofureur des Heiligen 
Synod3 ernannt wurbe. P. iſt ein glühend eifriger 
Anhänger der nationalrufj. Beitrebungen und einer 
der einflußreichiten Männer im Staate, 

Poocetta (ital), j. Pochette 

Pocci (Franz, Graf), Dichter, Zeichner und 
Mufiter, geb. 7. März 1807 zu erg v7 beſuchte 

um zu Munchen, widmete ſich dann zu 
Landshut und München 1825—28 jurilt. und fame: 
raliſtiſchen Studien und trat bierauf bei der fönigl. 
—— in Münden ein. Sein Zeichentalent be: 
fundete er zuerft durch feine Sangweifen mit Rand: 
—— wie ·Blumenlieder⸗, «Sechs altdeutſche 
Minnelieder» (1836), «Bildertöne für das Klavier» 
(1835), die Volkslieder u. dgl. im « Feſtlalender », 
ben er mit Guido Görres und andern feit 1834 zu 
Münden beftweife herausgab. Im J. 1830 zum 
Geremonienmeifter ernannt, begleitete P. den König 
Ludwig I. und den Kronprinzen Marimilian mehr: 
mal3 nad Stalien. Im %. 1847 wurde er zum 
Hofmufifintendanten und 1864 Zum Oberftläm: 
merer ernannt. Cr jtarb 7. Mai 1876. P. bat 
zahlreiche Bücher, Kompofitionen und Zeichnungen 
teilö ſelbſt verfaßt , teils illuſtriert. Vieles lieferte 
er für die «liegenden Blätter», die «Münchener 
Bilderbonen» u. ſ. w. Aucd mehrere mufifalifche 
Kompofitionen, wie Sonaten, Gefangjtüde u. f. w., 
find von ihm im Drud erſchienen. Am befannteiten 
wurbe B. durch feine litterariſch-artiſtiſche Thätig: 
feit, welche der Kinderwelt oder dem Vollkstüm— 
lichen gewidmet ift. Bon diefen Arbeiten find be: 
fonders zu nennen: «Legende von St. Hubertus » 
(1840), «Gin Büchlein für Kinder» (Schaffb. 1843), 
«Soldatenliebern(Lpz. 1842), «Jägerlieder» (Landsh. 
1843; neue Aufl, 1854), «Stubentenlieder» (Lands. 
1845), «Gejhichten und Lieber in Bildern» (3 Bde, 

7* 


100 


Münd. 1840-45), « Dramatiihe Spiele für Kin: 
ber» (Münd;. 1850), «Luftiges Bilderbud» (Münd. 
1852), «Alte und neue Stinderlieder» (Lpz. 1852), 
« Srühlingelaube für gute Kinder» (3. Aufl., 
Frauff. 1853), «Die Jahreszeiten», dramatijche 
Epiele(1856) «Luſtiges Nomödienbüchlein» (6 Bde., 
1859— 77), «Zotentanz» ‚12 Blatt, 1862) ꝛc. Seine 
eigenen «Tichtungen» gab P. in einer Sammlun 
heraus (Schaffh. 1843) und 1866 unter dem Tite 
«Werbſtblãtiery. Gin Berzeihnis von P.s Werten 
findet fi im 36. Bande des «Oberbayr. Ardivs ». 
Pocherze, Pohgänge, arme Erze, die gepocht 
und auf najlem Wege — werden müſſen, 
bevor fie an eine Hütte geliefert werden lͤnnen. 
Pochette (frz., d. i. «Tafchengeige»), die 
—— e der frühern Tanzmeiſter mit dem 
Y ug [2 
ochtäfer, foviel wie Alopfläfer. 
Pöchlarn, Stadt in Öfterreih, f. Pechlarn. 
Bochtverfe find Mafchinen, um Körper über: 
haupt zu zerfleinern oder in Mehl zu verwandeln; 
fie werden in Stempel: und Hammerpoch— 
werte eingeteilt. Die eritern beftehen im wefent: 
lihen aus mehrern nebeneinander ſtehenden Säu: 
len, fog. Stampfen oder Pochſtempeln, welde un: 
ton mit Pocheiſen armiert find, abwechſelnd auf: 
gehoben werden und bei ihrem Niederfallen die un: 
terlegten Körper zeritoßen. Das ganze Gerüfte, 
worin die Pochſtempel auf: und niedergehen, heißt 
der Pochſtuhl, der von ftarten Pochſäulen gehalten 
wird und zu unterjt den Pochtrog bildet. Boch 
iſt die Höbe, bis zu welcher der Bochitempel je nach 
Verſchiedenheit der Härte ber zu zerkleinernden 
Maſſe gehoben wird. Das Zerkleinern mit od 
—— geſchieht teils durch einarmige Aufwerf— 
ämmer, bei denen die Kraft von unten nach oben 
teils durch doppelarmige Schwanzhämmer, bei 
denen die Kraft von oben nach unten wirkt. Bei 
ber Zerlleinerung der Erze zu metallurgiſchen Pro: 
eſſen unterfcheidet man Pocherze, die das Erz nur 
In eingeiprengt enthalten und zerlleinert und 
uch Waſcharbeit fonzentriert werden müffen. (©. 
— ER ) eihe Erze werden meift in 
zerkleinerter Geha t zu den Hütten geliefert. Das 
— oder Körnern geſchieht entweder unter 
rodenpodwerfen oder zwiſchen Quetſchwerlen. 
Die Naßpochwerle werden unter beſtändiger Zu: 
pilfe fließenden Waſſers betrieben, welches die jers 
feinerten Erz: und Gelteinteilden mechaniſch ſus— 
pendiert erhält und mit ihnen die ſog. Pochtrübe 
(ihlammiges Wafler) bildet. Pochgang iſt über: 
aupt ein geringhaltiges Erz (Pocherzſ), das zu 
Mehl oder Schlamm gepocht werden muß, bevor 
es verhüttet wird. Die mit dem Ausichlagen und 
Anfhütten des tauben (unbaltigen) Geſteins auf 
den Hüttenwerlen befchäftigten Anaben werden 
Pochjungen genannt. (S. Tafel: Goldgemwin: 
nung, — 5, und Metallurgie, Fig. 1, 1.) 
ociẽ, ſ. Bucie (Dledo, Graf). 
Beile, ® Y öfile, 
odas (ruſſ.), Tagesbefebl, f. unter Ufa 3. 
Boden (Menſchenpochen, aud Blattern, 
Variölae) nennt man eine onfiedende fieberhafte 
ee bei der auf der Haut und den 
dleimhäuten Heine Puſteln (Eitergeſchwülſte) 
entitehen, welde den — ———— mit ſeinem 
materiellen Subſtrat enthalten. Die Krankheit iſt 
unſtreitig jo hohen Alters, daß es vergebliche Mühe 
iſt, ihrem erſten Auftreten nachzuforſchen. Man 


Pocherze — Pocken (der Menſchen) 


betrachtet China und Indien als das Vaterland 
der 7 doch find es die Araber, welche uns zu: 
nächſt mit der Krankheit befannt gemacht haben, 
Maſudi berichtet, daß fie die um 570. n. Chr. Mella 
belagernden Abeifinier befallen. Der fyr. Arzt 
Aron, um 622, beſchreibt fie als befannte Arant: 
heit, und —*— die Kenntnis der P. ſchon 
dem Galen zuicreibt, —— um 922 bie erite 
Monographie derjelben. Ob e3 aud) Araber waren, 
welde die Krankheit nad Europa brachten, oder 
ob fie hier bereits vor jener Zeit epidemiſch entitan: 
den, iſt un eh Sicher aber ift, daß die P. jeit 
dem 18. Jahrh. unter den Voͤllern des Abend: 
landes unaufhörlich Er Verwüftungen anrichtes 
ten, bis —— durch Jenners Einführung der Hub: 
podenimpfung engere Örenzen gefegt wurden. Bon 
Europa wurden, wie e8 ſcheint, die P. nad Ames 
rila — wo ſie unter den Eingeborenen gräß⸗ 
liche — anrichteten. 

Die Pockentrankheit beginnt mit Fieber 
und Abgeſchlagenheit, Schwindel, Kopfſchmerzen, 
Schmerzen in den Gliedern und im Nüden, Er: 
brechen, Schlingbeihwerden, und e8 erſcheinen ge: 
wöhnlich am Ende des dritten Tags zuerit im Ge: 
fiht, und von da bis zum ſechſten Tage ſich weiter 
von oben nach unten über die übrige Haut verbrei: 
tend, liniengroße, etwas erhabene rote Fleden, in 
deren Mitte fid) ein Heines, zugeſpißtes, hartes, 
rotes Knötchen zeigt, welches zunimmt und ein in 
der Mitte eingedrüdtes (Delle), fächeriges Bläschen 
bildet, das eine anfangs —— arajngteit ent: 
hält. Dieſe wird am dritten Tage des Veſtehens 
des bis zur Größe einer Erbe wachſenden Hnöts 
hens (Buftel) mollig, am vierten und fünften 
Tage gelb und eiterig. Das mit dem Ausbruch der 
Puſteln nachlaſſende Fieber erhebt fih am Abend 
des achten oder neunten Tages von neuem, oft 
unter Delirien und Schüttelfroft (Eiterungäfteber); 
die befallenen Hautitellen ſchwellen nun nicht felten 
bis zur Entitellung an, und die Dellen auf den Pu: 
teln ſchwinden, indem die Citerung bie zelligen 

cher zerftört. Mit dem Auftreten des Ausſchlags 
auf der Haut bilden nd ähnliche Erjcheinungen 
auf den Schleimhäuten, beionders ihren Mündun: 
gen, in der Mund: und HT auf Kehllopf 
und Luftröhre (innere Boden), woburd u 
Zeile anfchwellen bis zur Erftidungsgefahr, ebenſo 
in den Augen, ſodaß die Kranken die Augenliber 
nicht öjfnen fönnen; auch Obripeicheldrüfe und 
Halädrüfen jchwellen an, und ein übelriechender 
Speichel fließt aus dem Munde. Gegen den zehn: 
ten bis zwölften Tag beginnt die Cintrodnung der 
Bufteln auf der Haut, weldye entweder plapen und 
ihren zu Borken trodnenden Inhalt nad) außen er: 
gieben, oder welt werden und mit ihrem Inhalt 
und der Bläschendede feithängende braune Borlen 
bilden. Wenn fie abfallen, hinterlafien fie ge 
wöhnlih Narben, die anfangs rot, in ber Nälte 
bläulih find, jpäter aber weißer als die übrige 
Haut werden, eingelerbte Ränder und gerippten 
Grund mit Shwarzen Punkten zeigen und während 
de3 ganzen Lebens anhalten. Die Krankheit ift 
übrigens fehr vielen Verjchiedenheiten unterwors 
fen; bisweilen fließen in befonders ſchweren Fällen 
die — zuſammen —— confluentes), die 
Borten bededen dann das Geficht wie eine Larve, 
und die Entjtellungen durch die Narben vun oft 
furdtbar. Bei den taufigen oden fommen 
infolge der Brüdhigleit der fäßwandungen 


Boden (der Haustiere) — Podagra 101 - 


Blutungen vor, und die P. felbit füllen ſich mit 
Blut (Schwarze Boden). _ 

Die P. werden ausſchließlich dur ein Kon— 
tagium verbreitet, weldes an Ausdunſtung und 
Inhalt der ya haftet, ſich daher leicht der um: 
ge t mitteilt und durch Kleider u. |. w. 
verſchleppt wird. Ob, wie ein Teil der neuern For: 
der annimmt, gewiſſe milroftopiihe, in den 

odenpufteln enthaltene niedrigite Organismen 
(parahtäre Bilzbildungen) die Träger des Sion: 
—5 find und ſomit die Anjtedung vermitteln, 
lãßt fi zur Zeit noch nicht mit Beſtimmtheit ent: 
fcheiden. Unter —— Umſtänden breitet 
ſich die Arankbeit beſonders leicht aus und wird 
dann zur Epidemie. Am meiſten ſind ihr Kinder 
und junge Leute auögefeht. Gewöhnlich befällt die 
Krankheit ein Individuum nur einmal im Leben, 
Do fommen auch unzweifelhafte Fälle von mebr: 
maligen ®. bei einem Individuum vor. Mit 
Kubpodengift Geimpfte werden in der Regel nicht 
davon befallen, oder die Krankheit nimmt wenig: 
ſtens die milbere Form der Barioloiden (ſ. d.) an. 
——— et P. bat zunächſt die Aufgabe, 
die reitung des Kontagiums zu hindern, was 
einerſeits durch die in allen civilifierten Staaten 
anbefoblenen, freilich meift Schwer durdhführbaren 
Quarantäne: und Sperrmaßregeln ber angeitedten 
Orte, Dedinfizierung dur Chlorräuderungen, 
Waſchungen mit Carbolfäure, Saljfäure u. f. w., 
andererjeit3 am ficherften dur Impfung (j. d.) 
der Gefunden mit Kubpoden (f. d.) gei ieht, ftatt 

man fi vor Jenner der künjtlihen Gin: 
pfropfung der P. bediente, welche ſchon lange im 
öjel. Aſien gebräuchlich, 1721 durd Lady Mon: 
tague in Europa eingeführt ward, Die einfad) 
normal verlaufenden P. bedürfen feiner Arznei: 
mittel, wohl aber einer forgfältigen Diät. Die 
rößte Aufmerkjamkeit verlangt die umgebende 
ft; dieſe muß ftet3 rein und von kühler Tempe: 
ratur erhalten werden, weldhe nur zur Zeit der Ab: 
trodnung etwas erhöht wird. Erſt wenn dieje Ab: 
trodnung ganz vollendet, —* die Kranken das 
Zimmer verlafjen. Den gewöhnlich heftigen Durſt 
des Patienten ftillt man durch einfaches, friſches 
Waller oder fäuerliches Getränk, Erbrechen durch 
Eispillen und Braufepulver. Um die Geihwulit 
ber Haut, befonber3 im Geſicht, zu mindern, hat 
man kalte fiberfdläge und Öleinreibungen enipfoh— 
en. das Berfragen der Puſteln notwendig 
tible Narben hervorruft, jo muß man den Kranken 
bie Hände mit Tüchern verbinden, wenn fie das 
Kraben nicht von felbit laſſen können. 
ocken der Haustiere. Die Podenkrankheit 
jſt ein mit Fieber gepaarter Hautausjchlag, der 
Wiederläuer, Pferde und Echweine befällt, fehr 
—— iſt und durch Spaltpilze (f. d.) hervorge— 
en wird. Mit dem einmaligen überſtehen dieſer 
Infeltionslranlheit iſt die Anlage für diejelbe ge: 
tilgt. Wahrſcheinlich iſt, daß nur die P. der Schafe 
echte B. oder Blattern find, die bei andern Haus: 
tieren vorlommenden P. aber nur als verirrte 
Blattern anzufehen find, die entiveder von den P. 
ber Schafe oder denen der Menichen abjtammen. 


Die Shafpodenkrantheit tritt immer als | Zeh 


eine gefährlihe Seuche auf, die in hohem Grade 
anitedend it, 5—50 Proz. der Tiere einer Herde 
vernichtet und nur wenige Schafe verihont (2—3 
Bro). Die Krankheit dauert 2—4 Wochen bei 
einem Schafe; der Ausbrud des Hautausſchlags 


erfolgt 4—8 Tage nad gefchehener Anftedung. 
Das dur Mitrocoften —— Anſtedungs⸗ 
eift hält ſich in Stallungen u. ſ. w. ein Viertel: bis 
ein halbes Jahr lebensfähig und kann leicht durch 

wiſchentrager aller Art verihleppt werben. Dem 
zockenausbruch geht beftiges Fieber vorher, dann 
Ken bie kranlen Schafe ſich ſehr matt und bins 
ällig, bleiben hinter der Herde zurüd, laſſen Nafen: 
fatarrh und einen fteifen Gang beobachten. Nach— 
dem das Fieber einen oder einige Tage gewährt 
bat, fieht man auf der deu der Patienten lleine, 
rote, Flohſtichen ähnliche Flede auftreten, melde 
fih innerhalb weniger Tage zu F geröteten, 
flachen, harten Knötchen umwandeln, welche wie: 
derum innerhalb 3—4 Tagen in mit weißgelber 
Lympbe gefüllte, mit einem roten Ning (Hof) oder 
einem harten Rand umgebene Puſteln oder Blaſen 
übergehen. Die Puftel plast hierauf und läßt die 
Lymphe ausfließen oder trodnet ein, bebedt ſich 
dann mit einem ſchwarzbraunen Schorf, der abfällt, 
wenn ſich neue Oberhaut unter ihm gebildet bat; 
eine haarloje oder nur fpärlic mit Molle beiepte 
Narbe bleibt zurüd. Heftiges Fieber und ſchweres 
Allgemeinleiden begleiten die P bis ſie ihre Reife 
erlangt haben, dann kann Heilung eintreten. Nur 
die Impfung (VBariolifation) kann gegen Schaf— 
poden helfen und zwar wenn die Podenkranlheit in 
einer Schafherde ſchon einige Tiere ergriffen bat 
(Notimpfung) oder wenn die Seuche in der Näbe 
einer Scäferei vorgefommen it (Bräcautions: 
impfung). Die fog. — — der Lammer 
darf nach dem Reichsviehſeuchengeſeß nicht mehr 
ausgeführt werden, 

Über die zn ber Kühe, f. Kubpode. 

Die echte Mauke des Pferdes it eine Boden: 
krankheit, welche fich bei dem befallenen jungen 
Pferde durch Fieber, ferner durch rotlaufartige Ent: 
prbung der Haut an der Beugefeite des Feſſels 

rt Füße mit nachfolgender Gruption von zahlrei: 
den Iympbbaltigen, hirſe- bis hanflorngroßen 
Bläschen charalteriſiert. Diefe Bläschen fondern 
einige Tage nad) ihrem Hervorlommen eine Klare, 

elbliche, nad) verbranntem Horn riechende Flüſſig— 
eit (Equine) aus, die auf Menjchen oder Kühe 
übertragen den Ausbruch) gutartiger P. veranlaßt. 

Die Vocken der Ziegen können entweder durch 
fibertragung der r von franten Schafen erzeugt 
werden und verhalten fih dann wie Ecafpoden, 
gewöhnlich jedoh ftammen fie von Kuhpoden ab 
und verhalten fid) dann wie dieſe. 

Die Shweinepoden gleichen den Schafpoden, 
pflanzen fih von kranken zu gefunden Echweinen 
weiter; doch können Schweine auch durch das Kon— 
tagium der Menfchenpoden angejtedt werben, 

oden (amboiniiche), ſ. Framböſie. 

odenholz, ſ. Guajakholz. 

ockenwurzel, ſ. Chinawürzel. 

ockholz, joviel wie Guajalholz. 

odaͤgra (ardh., d. h. Fußgicht), die häufigſte 
und normalite Form ber Gicht (ſ. d.). Der Poda— 
graanfall tritt meijt plößlich, gewöhnlich nachts 
ein, indem ſich ein lebhafter, reihender Schmerz 
mit Gejchwulit und Rötung im Ballen der großen 

ehe des einen Fußes, Ölten beider Füße ent: 

widelt. Hierzu gefellt fi meilt Fieber, welches 
abends ftärfer wird, gegen Morgen aber unter 
Schweiß und Milderung der Schmerzen nachläßt. 
In der Zeit von einer bis gegen drei Wochen vers 
mindern fi da& Fieber, die Schmerzen und bie 


102 


Geſchwulſt, die gerötete Haut ſchuppt u ab und 
die Gejundheit tehrt in ihrem frühern Maße zurüd. 
Dft tritt aber nad) einem Zeitraume von einem, 
ja felbft zwei bis drei Jahren ein neuer Anfall ein, 
der fi) dann öfter wiederholt und ſich endlich in 
die chroniſche Gicht verwandelt. Durch zwedmäßige 
— * —— durch eine paſſend ge: 
wählte Diät, reichlichen Genuß von Waſſer, Brun- 
nenfuren und warme Bäder fann viel zur Vermin— 
derung der Krankheit gethan werden. 
odaleirios, j. Machaon. 
odalgie (grch.), — Fußſchmerz; Bo: 
darthrocäce, die eiterige Fußgelenlentzündung. 
odarge, Name einer Harpyıie (ſ. d.). 
odbielsfi (Gugen Ant. Theophil von), preuß. 
General der Kavallerie, geb. 17. Oft. 1814 im 
Schloß zu Köpnid, erhielt feine Vorbildung im 
Pädagogium zu Zãllichau und auf der Ritteralade⸗ 
mie zu Liegniß, trat 1831 in das 1. Ulanenregi- 
ment ein und wurde 1833 Offizier. Bald darauf 
zum 4. Ulanenregiment verfept, beſuchte P. 1836 
—39 bie Allgemeine Kriegsſ ule, that Dienft bei 
der Gardeartillerie, war dann 15 Jahre hindurch 
Adjutant der 5. Kavalleriebrigade, der 9. Divifion, 
der 6. Divifion und des 8. Armeelorps, daneben 
eitweilig Direltor einer Diviſionsſchule und Prä— 
# der Graminationslommiffion für Portepee⸗ 
fähnriche der 6. Divifion, wurde 1849 in die Ad: 
jutantur als Nittmeilter und 1855 als Major in 
den Generalitab verfeht, 1858 zum Kommandeur 
de3 12. Hufarenregiments und bald darauf zum 
Dberitlieutenant und Oberft ernannt. März 1863 
erhielt B. das Kommando der 16, Ravalleriebri: 
gade und wurde Dez. 1863 zum Oberquartier: 
meilter de3 Feldmarſchalls von Wrangel bei ber 
Armee in leswig:Holitein ernannt. P. ver: 
blieb al8 Chef des Stabes in den Elbherzogtümern, 
wurde 1865 zum Generalmajor befördert und 1866 
als Direltor des Allgemeinen Kriegsdepartements 
in das Kriegsminiſterium berufen, Während des 
Deutſchen Kriegs von 1866 war P. Generalquar: 
tiermeijter der Armee, nahm an der Schlacht von 
Königgräg teil und ftellte 22. Juli mit dem öfterr. 
Feldmarſchalllieutenant Baron John in Eibes: 
brunn vor Wien die Demarlationslinie zwiſchen 
beiden Heeren feſt. Nach abgeichlofjenem Frieden 
in das Kriegsminifterium zurüdberufen, erwarb P. 
ji) bei der Organifation des Heers des Norddeut: 
ihen Bundes hervorragende Verdienſte, während 
gleichzeitig feine Teilnahme an den Arbeiten im 
Yundesrate wie im Reichstage bis zum Ausbruch 
de3 Deutih-Franzöfiihen Krieg! von 1870 und 
1871 und eine längere Vertretung des Kriegsmini— 
ſters (feit 2. Oft. 1866) feine volle Arbeitskraft in 
Anſpruch nahmen. Nahdem P. 1868 General: 
lieutenant geworden war, wurde er 20. Juli 1870 
zum Generalquartiermeijter der Armee ernannt 
und nahm an den Schladiten von Gravelotte, 
Sedan, Mont: Valerien und der Belagerung von 
"Paris teil. Als eriter Gehilfe des Grafen Moltke 
in drei folgenſchweren und glüdlihen Kriegen bat 
P. in verantwortlicher Stellung viel gefchrieben; 
von hiftor. Wert find jeine während des Deutſch— 
Franzöſiſchen Kriegs von 1870 und 1871 in alle 
Mreife des Volls gedrungenen Depeſchen vom 
Kriegsſchauplatz, deren ungeſchmintte Wahrheit 
felbft vom Feinde anerfannt wurde. Nach dem 
Kriege erhielt B. eine Dotation; Febr. 1872 wurde 
P. mit der Führung der Gejchäfte der General: 


Podaleirios — Podiebrad und Kunftat 


infpeltion der Artillerie betraut, Dez. 1872 zum 
Generalinſpekteur der Artillerie und 1873 zum 
(Heneral der Kavallerie ernannt. Er ftarb zu Ger: 
lin 31. Dt. 1879, j 
Poderjam (jlaw. Podbotany), Stadt im weſtl. 
Böhmen, Station der Linie Pilſen-Dur der Öfters 
reichiſchen Stantäbahnen, Sik einer Bezirlshaupt⸗ 
mannſchaft und eines Bezirlsgerichts, zählt (1880) 
2349 deutſche E. und hat eine Fabril für landwi 
ſchaftliche Maſchinen, eine Spodium- und Leim: 
fabrif, eine Brauerei und Schlemmwerk. Das 
Sclof gehört dem Altgrafen Salm-NReifferſcheidt. 
odeft, ſ. Pedeſt. 

Podeſtaà (vom lat. potestas) heißt in Italien 
bie erfte obrigkeitliche Perſon einer Stadt und iſt 
demnach gleihbedeutend mit Bürgermeiiter. In 
den ital. Republiten de3 Mittelalters war ber P. 
häufig mit der höchſten Gewalt belleidet. 

obetien, ſ. unter Flechten, Bb. VI, ©. 882, 
odgorica (ipr. a ea Stadt in Mon: 
tenegro, am Einfluß der Ribnica in die Moraca, 
ift befeitigt und fowohl in ftrategiicher Beziehung 
als aud) al Marktplag von Bedeutung und zählt 
4500 €. Bei B. wurden 1712 die Türken von den 
Montenegrinern geſchlagen; 1878 wurde die Stadt 
von den Turken an Montenegro abgetreten. 
Podgorze, Stadt in der Bezirlshauptmann⸗ 
haft Wielicza in Weitgalizien, liegt Krakau gegen: 
über an der Weichſel, über welche feit 1857 die 
Raifer: Franz: ofephsbrüde führt, Station der 
Linie Dswierim-B. der Öfterreihiichen Staatsbah: 
nen und ber Linie Krakau⸗Lemberg der Galiziſchen 
Karl: Lubmwigsbahn, ift Sit eines Bezirkägerichts 
und zählt (1880) 7672 E. poln. Zunge. 
Podhrad, Markt in Böhmen, ſ. u. Frauen— 


berg. 

Podiebrad (jlaw. Podibrady), Stadt am red: 
ten Ufer der Elbe im öftl. Teil von Böhmen, ift 
Siß einer Bezirlshauptmannſchaft und eines Be: 
zirksgerichts, Station der Linie Wien-Tetichen ber 
Oſterreichiſchen Nordweitbahn, zählt (1880) 4548 €. 
czech. Zunge und hat ausgedehnten Getreibehandel, 
eine Zuderfabril, eine Dampfmübhle, eine Glas: 
fabrit mit Glasichleiferei und drei Brauhäufer. 
Oberhalb der Stadt find die Reſte der alten Burg 
Podebrad, in welcher 1420 der böhm. König Georg 
von Podiebrad geboren wurde. Liber bie Elbe 
führt eine Kettenbrüde, 

odiebrad und Runftat (Georg Boczto 
von), König von Böhmen, geb. 1420. Als nad 
König Sigismund Tode die kath. Herren mit 
den u. Städten und Kuttenberg 1438 die 
Wahl Albredts V. von Oſterreich (als deuticher 
König Albrecht II.) durdiegten, ſchloß P. jenen 
utraquiftiihen Ständen fih an, die Kafimir von 
Polen auf den böhm. Thron beriefen. In dem 
darüber entjtandenen Krieg zeichnete fi P. beſon— 
ders aus. König Albrecht mußte unverrichteter 
Sache abziehen. P. wurde dann Kreishbauptmann 
in Königgräb und erlangte 1444 bie Fuhrerſchaft 
der ganzen utraquiftiichen Partei. Er überrumpelte 
1448 plöglih Prog, verdrängte alle kai, Barone 
und Beamten und nahm Meinhardt von Neuhaus, 
den Oberjtburggrafen von Prag, gefangen. Der 
nun entitehende Krieg mit Ulrih von Neuhaus 
und den fath. Baronen überhaupt endete 1450 mit 
der Freilaſſung Meinhardts, worauf P. den Mark— 
grafen Friedrih von Meiben wegen feiner Teils 
nahme an diejem Kriege befämpfte, bis Altjtabt: 


Podisoma — Podochaenium 


Dresden vorbrang und Gera eroberte. Enblid 
(1452) wurde ®. von dem ganzen Lande als Statt: 
halter anertannt. Als König Ladiſlaw 1457 ſtarb, 
wußte P. feine eigene Wahl 2. März 1458 durch⸗ 
zufegen. Seine — vermochte P. aber erſt 


= —— nachdem er ſelbſt zum Hatholizismus 
imen zurüd —— war und den Kronungs⸗ 
fen nen n hatte, die Böhmen zur 


g ber Komapa taten zu bringen. Der 


(Pius IL) geb dafür Friſt und unterftükte 

a Br Poli Wirklich wurde P. für einige 
—— rit Mitteleuropas. Als er 
aber jelbit nad tiben Krone ftrebte = 


so Kaifer und * dürften abgewieſen, den Bapit 
für feine Ernennung zu gewinnen trachtete, wozu 
die Durdführung der firdlihen Union Bedingung 
war, da ſcheiterte diefe an dem Widerſtand ber 
Uns uiſten, und ber König mußte (Mai 1461) die 
haltung des rg feierlich veriprehen. Aber 
* Papft beſtand auf Erfüllung der von P. ge 
machten Verſprechungen, gr (1462) bie een 
— für aufgehoben und lonnte nur durch d . 
zerwendung deö von V. aus der wiener Burg ge: 
retteten Harfers mager werden, die lirchlichen 
Brozefie binauszufhieben. Pius IL ftarb jedoch 
(1164), worauf jein Nachfolger Baul I., nachdem 
er den Weg der ee vergeblich verjucht 
hatte, 1466 den Hirhenbann über Georg ausf * 
und das an au gegen 8* predigen ließ. Do 
bielt der König gegen die Kreuzſcharen wie Aa 
die Barone die Oberhand. Als er aber auch gegen 
ben Kaiſer losbrah, von dem er ſich verraten 
a kattpies riefen diejer und Paul II. den Ungarn: 
—— Eh u Hilfe, der e3 nun unternahm, 
* der Kirche an Georg zu vollziehen, und 
Mähren größtenteild eroberte. gegen mißl lang 
(1469) der ud, Böhmen zu erobern, und Mat: 
thias, von P. bei Wilemomw eingeſchloſſen, mußte 
veriprechen, deſſen Ausföhnung mit der Kirche 
dur n. Gie erwies m als unmöglid. Nun 
ließ tthias ſelbſt in Olmüg ie König von 
Böhmen wählen und empfing in Mähren, Schle— 
en und ben Laufigen die Huldigung. Deswegen 
rief P. einen Landtag nad Prag und ſchlu oe 
verfammelten Ständen den Thronfolger in Volen 
M u jeinem Nachfolger vor, während jeine Söhne 
* das Familienvermoögen erben ſollten. Nur —— 
gern nahmen die Stände den ; aud Sale 
Een trat Polen auf P.s Seite; au aifer 
iedrich erflärte ſich wieder für ibn; fe ft bie 
th. Untertbanen jöhnten fi zum EG je P. 
aus, ſodaß Matthias von Ungarn genötigt war, 
auf Sriedenäverhandlungen einzugehen. Ehe aber 
Be Biele führten, ftarb ‘PB. 22. März 1471. 
n, «Das Königtum Georgd von PB.» 
861); "Yahmann, «Gin Jahr böhm. Ge: 
con. (Wien 1876), «Böhmen und ms dachbar⸗ 
lander unter Georg von®. —— — 1878). 
Pr ma nannte man früher 8 eleuto, 
P porenform des fog. Gitterroftes ber Obftbäume, 
er * dem Namen Roestelia bezeichnet wurde. 
Jetzt faßt man beide, die nur verſchiedene Formen 
neration? wechfela _ Roftpilzes find, 
als en (f. d.) zufammen. 
), € rittbrett oder eine lang 
— nr Ba bung jeder Art, welche zur Unter: 
lage für etwas Daraufitehendes dient, en oft 
eihbebeutenb mit Perron, — ac Säulen: 
hlu. ſ. w. Bei ben Alten 5 P. die niederjte 


103 


Sipreihe im Amphitheater, im mobernen Theater 
der Bühnen 

Podlachien oder Podleſien hieß eine mit 
—— — — — bededte, öftlih von War: 


hau zwiihen Majovien und Qauen —5— 
nördlich an das Herzogtum Preußen 
vom Bug durchſtrömte 


deren Hauptorte Bjelsk 
waren. Auch nach der Errichtung des ruſſ ge 
reih® Polen wurde eine Wojwodſchaft pe: 
nannt, die Sieblce zum Hauptort hatte, bie aber 
nur wenige Teile des ehemaligen P. umfaßte und 
1844 aufgehoben wurde. 

Podmaniczky (Friedr., Baron), geb. 20. Juni 
1824 zu Aſzöd im Peſter Romitat, trat 1847 zu⸗ 
erft ald Mitglied der Ma natentafel ala liberaler 
—— auf. Am Frei ——* nahm er als 

onvedritimeiſter teil * wurde m. gr als 
Gemeiner in die öſterr. Armee eingereiht, 
ſchon 1850 entlaſſen. Nunmehr widmete er gr 
ganz der Litteratur; e3 erfchienen von ihm: «Uti 
naplö» (« Reifetagebud)» 1853), und die Romane: 
«Tessök ibolyät venni» «Kauft Beilhen!» 1856), 

«Älom &s valösäg» («Traum und Wirklichkeit», 
1860), «A kedvencz» («Der Liebling», 1869) und 
viele andere, Seit Wiederberftellung ber Ber: 
[affung ift P. Reichſstagsabgeordneter, Präſident 

3 Landesbaurats und — des National⸗ 
theaters und ber königl. O 

Brei jedow (Ammwrofii ni) f. Ambrofius. 

odobna rg TA ruff. ee 
ment Grobno, an der Straße von Pruſchany nad 
Kobrin, wurde nambaft durch den 12. Aug. 1812 
von ben Sachſen unter Reynier und den Hfter: 
reichern unter Fürſt Schwarzenberg über die Ruf: 
fen unter General —— erfochtenen Sieg. 

Podocarpus L’Her., Pflanzengattung aus 
der Familie der Goniferen. Man kennt gegen 50 
Arten, die vorzugsmweife in der gemäßigten Zone 
der füdl. Halbtugel und auf den höhern Gebirgen 
be3 tropiichen Ajien vorlommen, dagegen in ber 
ganzen nördl, gemäßigten Bone fehlen. Es find 
heit Bäume, feltener Sträuder, mit ſchmalen 
linearen oder aud) breitern immergrünen Blättern. 
Die Blüten find monöciſch oder —— die männ: 
lihen Blüten bilden eine Art Käschen, in denen 
— Heinen ſchuppenartigen leiten bie fäu- 
—— verzweigten Staubgefäße jteben, die weib⸗ 
lichen Blüten befinden fih in der Regel einzeln an 
ben — der Zweige * enthalten eine Samen⸗ 
fnojpe, die von einigen Schuppen umhüllt wird. 
Die Frucht ift von einem fleiichigen Samenmantel, 
fog. Aril llus, umgeben, welder den mit ziemlid) 
barter Schale verfehenen Samen — Einige 
Arten dieſer Gattung werden re in Gewãchs⸗ 
ge gezogen; von ber im Kapland wachjenden 

Thunbergi Hook. tommt das Holz unter —— 
Namen Nellowwood in den Handel und wird 
feiner Fejtigfeit a verjchiedenen Jweden verwen 

Podoohaenium Benth. (Cosmophyllum 6 
Koch), Pilan — aus der — der 
Kompofiten. fennt nur eine Art, P. cacaliae- 
folium, bie in Merilo und_in Gentralamerifa vor: 
tommt. Es ift ein hoher Strauch mit fehr großen 
elappten Blättern und Heine Sceiben: und 
Etra lenblütchen enthaltenden Blütentöpfchen, 
Megen der Größe der Blätter und überhaupt wegen 
ihres ftattlihen Ausjehens wird diefe Pflanze in 
neuerer Zeit vielfach in Gewächshäuſern Fultiviert, 


ojwodichaft in an olen, 
Mielnit und Drobiapn 


104 


Podol, Dorf in ber böhm. Bezirlshauptmann⸗ 
ſchaft Zurnau, am rechten Iſerufer, Station ber 
Linie Prag: Turnau der Böhmiihen Norbbahn, 
.r (1880) 544 E. und wurde geſchichtlich befannt 

urd das erite Gefecht, welches im Deutichen 
Kriege von 1866 zwiſchen Vortruppen ber preuß. 
Griten Armee (15. infanteriebrigade) und Zeilen 
des öfterr. Korps Clam:Gallas 26. Juni jtattfand. 
P. wurde von den Bortruppen nad) leichtem Ge: 
fecht bejept und von ber öfterr. Brigade Poſchacher 
wiebergenommen; General von Boſe eroberte mit 
5 Bataillonen Infanterie und 2 Kompagnien Jäger 
in bartnädigem und blutigem Nachtgefecht das 
Dorf zurüd und nahm bie Jierbrüde. Auf der 
Dorfitrake wurde zum erften mal von der vierglie: 
derigen Salve Gebraud gemacht. 

Vodolatrie (grch.), — gehäſſige 
Bezeihnung für die Ceremonie des Supfüftens, 

Bodolien, Gouvernement des europ. Rußland 
von 42017,7 qkm, zu den Provinzen Weitrußlands 
gebörig, begreift die frühere Wojwodichaft gleichen 

damens, ſowie einen Zeil der frübern Wojmwod: 
haft Braclaw, die bis zu ben Zeilungen Polens 
zu Kleinpolen gehört hatten, durch Statharina IL. 
aber 1793 und 1795 dem Ruſſiſchen Reich mwieber 
einverleibt und 1796 in das gegenwärtige Gouver: 
nement umgeihaffen wurden, weldes in zwölf 
Sale eingeteilt iſt. P. grenzt an die Gouvernements 
Volhynien, Kiew und Cherion, an die Provinz 
Beſſarabien und an das Königreich Galizien, Es 
m ein jehr mildes Klima und gehört zu den frudht: 

ariten Ländern Rußlands. Der Dnnieftr, der die 
ſudl. Grenze bildet, und der Bug find die Haupt: 
flüffe. Alle Getreide: und Objtarten gedeihen gut. 
Der Weizen ijt der ſchwerſte, den man fennt. Der: 
felbe bildet den Hauptausfuhrartifel, und ſchon im 
15. Jahrh. wurden Griechenland und die Inſeln 
bes Archipelagus durch venet. Kaufleute mit Weizen 
aus P. verjorgt. Buchweizen, Mais, Hirſe, Flachs, 
Hanf, Honig, ſowie Tabal und Hopfen werden zu: 
dem in großer Menge angebaut. An Waflermelo: 
nen (Arbufen), Wein: und Daulbeeren ijt ebenfalls 
Fülle vorhanden, dagegen machen die Waldungen 
nur 15 Proz. des ganzen Areals aus. Die Vieh: 
zucht wird Durch die Schönen Weidepläge begünftigt, 
und podoliihe Ochſen werden felbit bis nad Ber: 
lin auägeführt. Auch gibt es gute Geftüte. Hans 
del, meiſt in den Händen ber zahlreichen Juden, 
und Induſtrie find unerheblih. Die Bevölferung 
beläuft fid (1832) auf 2242614 E. Kleinruſſen 
(die Bauern) bilden die Mehrzahl. Außerdem gibt 
e3 bier viele Polen, denen vorzüglich der Adel an: 
engl Juden, Armenier und Griechen als Kauf: 

eute und Handwerfer, Deutide und Moldauer als 
Kolonijten und Zigeuner. Großruſſen bilden be: 
fonders den Beamtenitand. Auch haben ſich bier 
viele Nastolniten (etwa 10000) niedergelafien. Die 
Hauptitadt ijt Kamenez (j. d.). 

Podolok, Kreisjtadt im ruſſ. Gouvernement 
Mostau, am Zufammenfluß der Motſcha und 
Badıra, Station der Gijenbahn Moskau-Kursk, hat 
ein altes daiſerl. Schloß, lebhaften Handel, große 
Baummwollipinnereien und zählt (1882) 10973 GE. 

Podophylliin, das in den Wurzeln und Blät: 
tern von Podophyllum peltatum L., einer in den 
Bereinigten Staaten Nordamerikas einheimijchen 
Verberidee, enthaltene Refinoid, ein gelbes, amor: 
phes, in Wafler unlösliches, in Alkohol loͤsliches 
Pulver, welches in der Heillunde innerlich in klei— 


Podol.— Poe 


nen Dofen ala ————— Mittel, in 
größern Doſen als draſtiſches Abführmittel, ſowie 
äußerlich (in fpirituöfer Löfung) zu hautreizenden 
Ginreibungen benußt wird. 

Podophylium L., Pflanzengattung aus ber 
Familie der Berberidveen. Man kennt zwei Arten, 
von denen bie eine im Himalaja, die andere in Nord— 
amerifa vorlommt. Es find frautartige Pflanzen 
mit friehendem Rhizom und fchildförmigen gelapp: 
ten Blättern und einer einzelnen endſtändigen wei: 
ben Blüte, Bon ber norbameritanifchen Art, P. 

eltatum L., wird der Wurzelitod, der ein bitter 
hmedendes Harz enthält, als abführendes Mittel 
—— Außerdem werden beide Arten, ſowohl 
ie ebengenannte wie die auf dem Himalaja vor— 
fommende P. Emodi Wall. wegen ihrer anfehn: 
lichen Blüten als Bierpflanzen kultiviert. 

Vodrinje heißt in Serbien das redte Ufer: 
gebiet des Drinaflufied. Der eigentlide Kreis P. 
zählt auf 1231 qkm 60400 E. Hauptitabt ijt Yos: 
nißa. Diefes Gebiet wurbe erft 1833 mit Serbien 
vereinigt. Der Kreis it reih an Antimon und 
—— zur Hebung des Bergbaues errichtete die 
Don egierung in dem Fleden Krupanj grobe 

3 und Schmelzwerte, 

dwotoczyeka, Gutägebiet im Bezirl Stalat 
bes öſtl. Galizien, mit den 1874 G. poln. 
Zunge, ift die Endſtation der Galiziſchen Karl:Luds 
wigöbahn an ber rufi. Grenze. , ; 
ve (ipr. Bob, Edgar Allan), amerif. Dichter, 
eb. 19. $ebr. 1809 in Bojton, wurde nad) dem frühen 
ode feines Vater von einem reihen Kaufmann, 
Allan in Rihmond, adoptiert, der ihn 1816 mit 
nad) England nahm und fünf Jahre die Schule in 
Etote:Newington beſuchen ließ. P. kehrte 1822 
nah Rihmond in Virginien zurüd und bezog 1825 
die Jeiferjon-Univerlität in ig ea wo er 
fich einem ausichweifenden Leben bingab. Im J. 
1829 trat er mit feiner erften Gedichtſammlung: 
« Al Aaroof, Tamerlane and minor Poems», auf, 
die jedoch wenig Aufmerlfamteit erregte. P. bezog 
1830 die Militäratademie von Weitpoint, ward 
jedoch bald relegiert, ließ fih dann als gemeiner 
Soldat anwerben, dejertierte aber und wandte jich 
nunmehr der litterarifhen XThätigfeit zu. Gr 
wurde 1835 Redacteur des «Southern Literary 
Messenger » in Baltimore, 1837 entlafjen und leı: 
tete 1839 kurze Zeit «Gentleman’s Magazine» in 
Philadelphia. In den « Tales of the Grotesque 
and the Arabesque» (2 Bde., Philad. 1840) zeigt 
ich fein Talent in dem glänzenditen Licht; — 
lufſehen erregte auch das phantaſievolle Gedicht 
«Ihe Raven», Ende 1844 ging P. nach Neuyork, 
wo er Witarbeiter anı «Mirror» wurde, fi in 
Streitigkeiten verwidelte und 1846 die Wohlthätig- 
leit des Bublitums anrufen mußte. P. verlieh im 
Aug. 1849 Neuyork, ging erit nad Philadelphia 
und dann nad Nihmend und mußte, vom Deli- 
rium tremens befallen, ins Hofpital in Baltimore 
gebracht werden, wo er 7. Dit. 1849 ftarb. Wie 
in feinen eigentlichen Poeſien, belundet ſich auch in 
jeinen Novellen und Erzählungen eine düſtere, 
zügelloie Phantafie. Unter den Gejamtausgaben 
feiner Schriften find die von Griswold (4 Bde., 
Neuyork 1850) und Lowell, Willis und Graham 
(4 Bde., Lond. 1877) hervorzuheben. Biograpbien 
P.s veröffentlichten W. F. Gill (Neuyork), er Y: 
ugram (2 Bde., Lond, 1880) und E. C. Gted: 
man (Bojton 1881). 


Poel — Rogge 105 


el (BöDn, zu Medlenburg⸗ Schwerin gehörige 
A tſee, nördlich vor * 85 von Wis: 
mar, zählt auf 37 qkm (1880) 2167 E. und hat 
chtbaren Boden und ftarke Fiſcherei. Hauptort 

Kirchdorf mit 750 G. am Nordende einer von 

üben tief ins Eiland einfchneidenden Einbuchtung 
des Kirchiees. P. war 1648—1803 ſchwediſch. 

Poelenburg (Cornelis van), genannt Brusco 
ober Satyro, niederländ. Maler, geb. zu Utrecht 
1586, war der Schüler Abr. Bloemaert3 und ging 
1617 nach Florenz und Rom, wo er Adam Gl;: 
beimerd Manier annahm. Er wählte zu feinen 
meijt kleinen Darftellungen anmutige Fernen, mit 
Gebäuden verziert, aus der Gegend von Nom, und 
mit mythiſchen Figuren, Satyrn, Rymphen u. |. w. 
ftafftert. _ malte er auch einige biblifhe und 
andere hiſtor. Stüde und äste einige gute Blätter, 
von denen Abdrüde jehr jelten find. Er kehrte ipä: 
ter nad) Holland zurüd, lebte jeit 1637 einige Heit 

England und ftarb in Utrecht 1667. 

Poerio (Garlo, Baron), ital. Staatsmann und 
Patriot, geb. im April 18083 zu Neapel, folgte fei: 
nem an den revolutionären Creigniijen dajelbft be: 
teiligten Vater ins Cril, widmete ji dann in Nea: 
pel der Advolatur, erlitt wegen feiner polit. Thä— 
tigkeit mehrfach Gefängnisitrafe und wurde 1848 
Direltor der Bolizei, dann Minifter des öffentlichen 
Unterrichts im Kabinett Bozzelli. Nach dem Siege 
der Reaktion 1849 fah er ſich in die Unterſuchung 
gegen die Geſellſchaft Unita Italiana verwidelt 
und wurde 1850 wegen Hochverrats zu 24 Jahren 
2— verurteilt, Die ihm mehrfach ange: 
botene fönigl. Gnade ausſchlagend, brachte P. mit 
jene Unglüdsgefährten acht Jahre bindurd in 

n Kerlern von Niſida, Ischia, Montefusco und 
Montefarchio zu. Die Ungerechtigkeit des Prozeſſes 
gegen ihn und feine Genoſſen und die Greuel ihrer 

jungenfehaft veranlaften 1851 die belannten 
Briefe Gladjtones an Lord Aberdeen. Ende 1858 
wurde P. mit vielen andern polit. Verurteilten 
auf einem amerif. Fahrzeug eingeſchifft, um nad 
Amerika geſchafft zu werden. Die Deportierten 
veranlaßten jedoch den Kapitän zur Yandung an 
der Küjte Englands, wo man fie mit Auszeichnung 
aufnahm. infolge der Greignijje von 1859 wandte 
ih PB. nad) Turin und wurde 1860 im Toscani— 

en ins ſubalpiniſche Parlament gewählt. Spä— 
ter lehrte er nach Neapel zurüd, wo er für die Her: 
ftellung des Königreichs —X ſehr erfolgreich 
wirkte, Er vertrat auch ſeine Vaterſtadt im ital. 
——— deſſen — er 1861 war. P. 
arb zu Florenz 28. April 1867. 
Sein Bruder Aleſſandro P., geb. 1802, 
machte nd befannt durch feine patriotiichen Ge: 
bite („Poesie edite e postume», Flor. 1852). 
Derjelbe ftarb 3. Nov. 1848 an einer bei der Ver: 
teidigung Benedigs erhaltenen VBerwundung. 

Poẽſie (vom gried). reuiv, maden, haften) be: 
beutet pmöaR eine Hervorbringung und Schöpfung 
jeder Art, iſt jedoch ſchon im Altertum vorzugs: 
weije auf, das dichteriihe Schaffen und Hervor: 
—— angewendet worden. heißt in die— 
ſem Sinne Dichtung, Dichtlunſt. Die P. iſt un: 
ter allen ge Künjten die tiefjte und reichite. 

Bährend die bildenden Künjte, d. h. die Baukunſt, 
bie Bildhauerei und die Dialerei, nur durd) die 
Daritellung der äußern Gejtalt und Farbe wirken 
und daber an die Schranle des finnfich Sichtbaren 
und phyſiognomiſch Ausdrüdbaren gewieſen find, 


und während aud die Muſik vermöge der unbe: 
ftimmten und elementaren Natur des Tons mur 
auf das noch ganz unbeftimmte, geitaltlofe Ges 
rübls: und Gmpfindungsleben bejchräntt ift, ver: 
einigt die P. in gewiſſem Einne die Wirkungen der 
bildenden Künſte und der Muſik und iſt aljo deren 
—— Grgßapunn. ihre Spite und ihr Ab: 
ſchluß. Die B. bat zu ihrem aritellungsmittel 
die Sprache. Diele, als ein Erzeugnis des menſch— 
lichen Geiſtes, arbeitet ebenio wie der Ton nicht 
unmittelbar für den äußern Sinn des Auges, fon: 
dern nur für den innern Einn, für die Vorstellung; 
aber fie bleibt nicht, wie der Ton, beim Empfin: 
dungsausdrud jteben, fondern erhebt ſich zu Wors 
ten und durch dieſe Worte zu feiten und jtreng ab: 
gegrenzten, beftinnmten Anfhauungen und Be: 
griffen, So iſt die P. wie die Mufil eine Dar: 
jtellung bes innern Herzens- und Gefühlslebens 
und bat doch zugleih, wenn aud nur für das 
innere und jozufagen geiftige Auge des Menſchen, 
die ganze plaſtiſche Geltaltungsfraft der bildenden 
Künſte. Das eigentlichite Gebiet der P. ift daher 
die Plaſtik des menschlichen Innern, d. h. die Cha— 
rafterdarftellung. Die P. zerfällt in verfchiebene 
Arten: in Epos (f. d.), in Lyrik (f, d.) und in 
Drama (f. d.). Cine fiberficht der gefamten Ge: 
ſchichte der P. gaben Roſenkranz, «Handbuch einer 
allgemeinern Geſchichte der P.» (3 Bde., Halle 
1832); Zimmermann, «Geſchichte der iü aller 
Völker» (Stuttg. 1847). Vgl. außerdem: Scherr, 
«Allgemeine Geſchichte der Litteratur» (6. Aufl., 
2 Bde., Stuttg. 1881); Carriere, «Die Kunſt im 
Zuſammenhang ber Kulturentwidelung » (3. Aufl., 
5 Bde. Pp3. 1877 fg.). 
Poäta re ee Dichter. 
oktafter, ſchlechter Dichter, Neimfchmied, 
oetif (vom griech. rantıxY, zu ergänzen riyvr,) 
ift Theorie der Poeſie und aljo_derienige Teil der 
Üſthetik (f. d.), der von der Dichtlunſt handelt, 
Die Gefchichte der P. geht daher durchaus mit der 
Geſchichte der wiſſenſchaftlichen Kunſtbetrachtung 
überhaupt Hand in Hand; jedes Syſtem der Uſthe— 
tif iſt zugleich aud) ein Syſtem der P. Jedoch hat 
es aud viele Üfthetiker_ gegeben, die die P. zu be: 
jonderer Behandlung fih_auswählten; an ihrer 
Spihe ſteht Ariftoteles, defien «Boctif» die Grund: 
lage und das Vorbild aller ähnlichen Verſuche ge: 
worden ift. Ja in Zeitaltern vorwiegender Ver: 
ftandesbildung, haben ſelbſt Tichter nicht felten 
über die Theorie ihrer Kunst befondere Lehrgedichte 
geihrieben. Die «Ars poetica » des Horaz iſt das 
erite Beifpicl diejer Art; Vida, Boilcau, Pope u. a. 
find hierin nachgefolgt. Nicht ein, geichloiienes 
Syitem, aber eine Jundgrube der feiniten Bemer: 
kungen über Theorie der Poeſie it der «Brief: 
wedhjel» zwiicen Goethe und Edjiller. Vol. Car: 
riere, «Die Boclie» (2, Aufl., Lpz. 1884); Gott: 
ſchall, «Poetil. Die Tichtlunft und ihre Tech: 
nit» (Bresl. 1858; 3. Aufl., 2 Bde., Bresl. 
1874); Kleinpaul, «Poetit» (7. Aufl,, 2 Bde., 
Barmen 1873); Wadernagel, « P., Rhetorik und 
Stiliitit» (Halle 1873). . 
oẽtiſche ec ſ. Licentia poötica. 
ogge Paul), Afrilareijender, geb. 24. Dez. 
1838 zu Ziersdorf in Medlenburg : Schwerin , ftu: 
dierte in Berlin und Heidelberg, bereijte 1864 die 
brit. Kolonie Natal, fowie die Inſeln Mauritius 
und Bourbon und kehrte hierauf nad Guropa zu: 
rüd. Im J. 1874 ſchloß er fich der von Homeyer 


( a 3ogle 


106 
geführten Erpebition nah Caſſanſche (im Diten 


von Angola) an, ging zunädft mit Homeyer und 
Goyaur von Loa den Duanza ftromaufwärts 
bi3 Bungo Sabenge, dann, nad Rü jener 
beiden, mit über Malanfhe in Angola nad) 
Kimbundo, welches damals zuerft befannt wurde, 
ſchließlich ohne Lux nordöftlih durch das Lunda: 
reich nad Muſſuniba, der Reſidenz des Muata 
Jamwo, wo er am 9. Dez. 1875 eintraf und ſomit 
von allen Reifenden der Deutihen Afritantichen 
Gejellihaft damals am weiteiten in das Innere 
des äquatorialen Afrifa vorgedrungen war. Der 
Muata Jamwo erlaubte B. jedoch nicht, feine Reife 
fortzujeßen,, weshalb lekterer im April 1876 nad) 
Angola zurüdlehrte. In Europa veröffentlichte P. 
bierauf «m Reiche de3 Muata Jammwo» (Berl. 
1880, 3. Heft der «Beiträge zur Entdedungs: 
geſchichte Afritasr). f 

Im Herbit 1880 trat B., unterftäht vom Reichs: 
fanzleramıt und in Begleitung des Lieutenant Wiß⸗ 
mann (f. d.) eine neue Reife in das Innere Güb: 
afrilas an und traf am 25. Jan. 1881 in Malanfche 
ein; am 22, Dft. wurde der Cafjai erreidht. Hier 
trennte ih P. von Wißmann, berührte die unter 
6° fübl. Br. linls vom Lulua gelegene Nefidenz 
Mulenges (Dezember) und vereinigte fih am Mu: 
lamba:See wieder mit Wißmann. Beide gelang: 
ten 14. an. 1882 zur Nefidenz des Häuptlings 
Katſchitſch von Kotto und 16. April an den Lua- 
laba (obern Congo) und trafen am 17. April in 
Nyangwe ein, der weitlihiten Handelöfaltorei der 
Araber von Sanfıbar. 

Während Wißmann in der Zeit vom 1. Juni bis 
zum 16. Nov. bie vierte Duehaucrung des Erd⸗ 
teils (die zweite von Welten nad) Diten) vollbradhte, 
ging P. ſchon Anfang Mai mit dem Gros der Er: 

edition in Eilmärfchen den vorher von den beiden 
Forſchern durchmefienen Weg von Nyangwe nad) 
der Hauptitadt de3 Mufenge zurüd, um dort die 
ge wiſſenſchaftliche Station zu erridten. P. 
tarb am 17. März 1884 in Loanda. Am 19. Sept. 
1885 wurde ihm in den Anlagen bei dem Stein: 
thore zu Noftod ein Dentmal (Bronzejtatue von 
Brunow in Berlin) geſeßtzt. 

een (3ob. Ehriftian), verdienter deut: 
ſcher Phyſiler, geb. 29. Dez. 1796 gu Hamburg, 
ſchlug zunächjt_ die erg aufbahn ein 
(1812), gab diejelbe aber 1820 auf und jtudierte in 
Berlin Chemie und Phyſik. Im J. 1821 erjchien 
in der «}fis» feine erfte wiſſenſchaftliche Abhand— 
fung: «tiber den Magnetismus der Boltaiden 
Säule», beſonders wichtig durch die erfte Entwide: 
lung der Prinzipien des Multiplitators (Galvano: 
meters) und feiner Anwendung, welche Entbedung 
aud Schweigger in Halle zugeichrieben wird. Ferner 
verdankt man P. die Erfindung (1826) bes |päter 
auch von Gauß beſchriebenen Spiegelmagnetome⸗ 
ters, ſowie eine Reihe wertvoller Unterfuchungen, 
namentlid im Gebiete der Eleltricitätälchre. An 
Gilberts Stelle übernahm er 1824 die Nebaction 
der «Annalen der Phyfit und Chemie», welche er 
jeitdem ununterbrochen herausgab. it vn 
verband er fich zur Herausgabe eines « Wörterbu 
der Chemie», von dem er aber nad) dem Ehluh 
des erſten Bandes ſich größtenteils zurüdzog. Im 
J. 1863 veröffentlichte er ein trefilich gearbeitetes, 
8100 Naturforscher behandelndes « Viographiich: 
litterariihes Handmwörterbuh zur Gejdichte der 
eralten Wijlenfchaften» (2 Bde., Lpz. 1858—63), 





Poggendorff — Pogoſt 


welchem er als Vorläufer die «Lebenslinien zur 
Geſchichte der exakten Willenichaften» (Berl. 1853) 
vorausgeſchidt hatte. P. war feit 1834 Profeſſor 
an ber liniverfität zu Berlin, wo er 24. Jan. 1877 
ftarb. Seine Biograpbie — ſich in Bd. 160 
der ſeit Mai 1877 von G. Wiedemanu in Leipzig 
herausgegebenen «Annalen», 
, Boggibonfi (mittellat. Podium Bonizi), Stadt 
in der ital. Provinz und im Bezirf Siena, an 
der Mündung der Staaaia in die Elfa, Station 
der Bahn Empoli-Chiunt, hat (1881) 6396 (als Ge⸗ 
meinde 8476) €, und ichöne Villen. Auf der Höhe 
über dem Orte liegt die ehemalige Feitung mit dem 
er San⸗Luccheſe; die Kirche des legtern befikt 
ein ſchönes Altarbild von Pinturichio, das Refel⸗ 
torium ten von Gerino da Piſtoja. 

Bo . ih in matien, Bezirk 
Spalato, im S. vom Meere, im D. von ber Getina 
bis Duare, im N. und ®. von hohen Bergen be- 
grenzt. Pi Mittelalter war P. ein Freiftaat mit 
eigener afjung, erlannte 1444 freiwillig die 
Oberhoheit Venedigs und teilte dann die fpätern 
Schichſale Dalmatiend. Hauptort war Almifia. 

Pogodin (Michail Petrowitih), rufi. Hiftoriker 
und Altertumsforjher, geb. zu Mostau23.(11.)Rov. 
1800, ftubierte an der dortigen Univerfität und 
wurbe 1833 dafelbft Profeſſor der allgemeinen, 1835 
der ruſſ. Geſchichte, welche Stellung er 1849 nieber- 
legte. Seinen Ruf ald Gelehrter begründete er 
durch feine Differtation «fiber den Urjprung der 
Aufien» (1835). Darauf lieb er eine Reihe Ge- 
f Sichtöwerfe (von Buizot, Nobertion, Schlözern.a.) 
ins Ruſſiſche Hberfegen und gab eine « Nilgemeine 
biftor. Bibliothel» heraus (16 ‚Most. 183778.) 
Auch überjehte er Goethes «Gös von Berlichingen», 
ichrieb Dramen und Novellen, Seine Hauptthä: 
tigkeit war aber dem Studium der rufl. und ſlaw. 
Altertümer gewidmet, wozu er umfangreiche Reifen 
in Rußland, Wefteuropa und den weit: und füb- 

law. Ländern machte. Zugleid) bemühte er fi 
in konfidentionellen Denkſchriften an die ruſſ. Ne 
gierung und in den « Politischen Briefen» (deutich, 
Ypz. 1860) , die in Handſchrift cirkulierten und erit 
1874 zu Mostau im Original gedrudt wurden, 
Rußland zum Hort des Panſlawismus zu maden 
hatte aber nur den einen praftiihen Erfolg, ba 
an ben bortigen Univerfitäten Lehrſtühle für die 
flaw. Spracden und Litteraturen errichtet wurden. 
Für die Geſchichte der ſlaw. Miederbelebung wich: 
tig find die an P. gerichteten «Briefe aus den Sla— 
wenländern. 1855—61» (herausg. von N. Popow, 
Most. 1879-80). P.s reichhaltige Sammlung 
ruff. Altertümer wurde 1852 von der gs Regie: 
rung angefauft. Bon feinen Werten über ruf. 
Geſchichte find bemerlenswert: «Die Unterfuhungen 
über die Chronik Neftor3» (1839; deutih von 
5. Löwe, Petersb. 1844), die «Izslödovanija, za- 
möanija i lekcii» (7 Vde,, Petersb. 1846—54), 
«Die alte ruſſ. Gefchichte» (3 Bde.), ferner For: 
(dungen über Peter d. Gr., Zarewitſch Aleris, Ges 
neral Jermolow, «Tie Biographie Saramlins» 
(2 Bbe., Most. 1865) u.a, Auch gab er mehrere 
Zeitſchriften («Moskovskij Vöstnik», «Moskvit- 
janin», «Russkijs) und eine Sammlung feiner «Res 
den, 1830— 72» heraus. P. itarb 20. ne 1875. 
ogöft (rufj., lett. pagaste), im ältern 9 uſſiſch 
ſoviel wie Kirchſpiel; im Nowgoroder Gebiet eine 
Unterabteilung der Pätina (ſ. d.); gegenwärtig der 
Friedhof um eine Kirche. 


Pogostemon — Poiſſy 


—— ., Bflanyengattung aus ber 
Familte der Sabinten, Dan tennt gegen 30 Arten, 
die vorzugsweiſe in Oftindien und auf ben Inſeln 
des Malaiiſchen Archipels vorlommen. Es find 
frautartige Gewächie mit gegenitändigen Blättern 
und in Wirteln ftehenden uniceinliben Blüten. 
Die wichtigfte Art ift die Stammpflanze des Pat: 
holy oder Bathoulis, P. Patchouly Pellet, 
die auf den oftind. Inieln wilb wächſt umd neuer: 
dings auch in andern Tropengegenden vielfach kul⸗ 
tiviert wird. Die Blätter derſelben enthalten in 
ihren Haaren ein ätheriiches OL, das einen jtarten, 
eigentümlichen Geruch beiiht. Ein Ertralt aus den 
Blättern wirb zu verichiedenen Parfumerien be: 
nubt. Auch die chineſ. Tuſche und die ind. Shawl⸗ 
waren werben damit parfümiert und zeichnen ſich 


des durch einen charalteriſtiſchen Geruch aus. 
ſibir. lan, j. Anadyr. 

‚Pohl, bei naturwiſſenſchaftliche ‚ be: 
zeichnet Johann Baptift Emanuel Pohl, 
8* zu üc: Kamnig 22. Febr. 1782, war 
—** der Boianit in Prag, reiſte 1817—21 in 

ien, wurbe dann Cuſtos am wiener Natura- 
lientabinett und ftarb 22. Mai 1834 in Wien; er 
verfabte « Tentamen florae Bohemiae» (2 Bbe., 
Prag 1814), «Plantarum Brasiliaehucusque inedi- 
tarum icones et d 
1827— 31), ·Reiſe im Innern von Brafilien» 
(2 Zle., Bien 1832—37). 

Bohle (Friedr.Leon), Porträtmaler, me 1.Dg. 
1841 in Leipzig, ftubierte in Dredden, Antwerpen 
und Weimar, wo ihn zunächit das Genreſach be: 
—— — widmete er ſich ausſchließlich 
der malerei. Seit 1877 iſt er Profeſſor an 
der dreödener Alademie. P. malte das ſächſ. 
Königspaar, den er Reub, die Herzogin An- 
toinette von Anhalt » Defjau, ein großes Gruppen: 
bild der Kinder bed Prinzen Geo Sadjen 
u. ſ. w. In der dresbener Galerie befinden fich 
das Porträt des Malers Karl Peſchel, im Mu— 
jeum zu Leipzig diejenigen der Künjtler 2. Richter 
und Füsnel, in der berliner Nationalgalerie ein 
lebensgroßes Bildnis L. Richters, 

o (Mittel gegen Migräne), f. unter Ge: 


beimmittel. 

yes Pohofelice), Stadt im fübl. 
— rtshauptmannihaft Auſpit, rechts 
an der J ‚ zählt (1880) 3270 E. gemiſchter 
Nationalität, von denen 719 Juden eine eigene 
Gemeinde bilden, hat eine Bottajhefiederei, Zuder: 
fabrit, Färberei und Dampfmüble. 
ee *8 ſ. unter Pillnitz. 

kile, ſoviel wie Pölile. 

Poil de ohövre, ſ. unter Chövre. 

Point a) Punkt, Stich, Nadeljtich, Auge (auf 
Karten und Würfeln); P. de vue, Geſichtspunkt; 
P.d’honneur, Ehrenpuntt. (Rol.auh Points.) 

Point d’argent, t de Suisse, fran;. 
Spridwort: «tein d, kein Schweizer», «fein 
Kreuzer, fein Schweizer», ohne Geld teine Ware; 
ftammt aus der Zeit, wo die Schweizer im Aus: 
Lande zahlreich als Soldtruppen dienten. 

Boint:de: Galle oder ſchlechthin Galle (ind. 
Galla, d. h. Fels), befejtigte Seeſtadt an der Süd: 
wejttüjte der inbobrit. Inſel Ceylon, auf einem 
felfigen Borgebirge in ungejunder Gegend, in der 
— großer Zimtwãlder gelegen, beſteht 
aus zwei Teilen und zählt (1871) 47954 E. Die 
Betta oder Stadt der Eingeborenen liegt größten: 


tg von 


escriptiones» (2 Bbe., Wien |. 


107 


teil3 zwifhen Baumgruppen und Gärten zerftreut. 
Die enrop. Stadt and ber Eitadelle ift Siß der Re: 
gierung&behörbe und bat eine engl. Kirche, ein 
wesleyanijches und ein holländ. Gotteshaus, jowie 
eine Moſchee. Unter den einheimiihen Gewerb: 
treibenden find die Verfertiger von gold: und ſilber⸗ 
verzierten Arbeitöläftcden berühmt. Der geräumige, 
fihere und mit einer großen Reede verſehene Ha: 
fen ift neuerdings für ben europ. Hanbel3: und 
Neifeverkehr von großer Wichtigteit geworden ala 
Anlegeplak und Anotenpunft der Dampfidifie jo: 
wohl der PBeninjular: and Driental-Steam:Ravi: 
gation ——— auch der Meſſageries⸗Fran⸗ 
aiſes und der a a ae 
Sompany, wodurch P. mit allen Häfen von Bor: 
der: und Hinterindien, China, Japan, ben Philip: 
pinen, den Molulten, Sunda⸗Inſeln und Auftralien 
in Berbindung gebradt ift. P., die erſte Nieber- 
lafiung der Bortugiefen auf Ceylon im .1518, er: 
hielt 1520 von dem Kaifer von Sandy das Zimt: 
monopol, wurde 1642 von den Holländern erobert 
und kam mit Geylon (j. d.) in den Befig der Briten, 

Pointe (fr4.), Spige, beſonders eines Epi⸗ 

ointerhßitre, Stabi und Haupthandefaplap 
0 ⸗ e, Stadt un 
der. weitind.:frang. Inſel La Guadeloupe (.d). 

Bointieren (fr.), mit Bunkten bezeichnen; zus 
ipigen, mit einer Pointe verjeben; ein Geichüs 
oder Fernrohr auf einen Punkt hin richten; im 
Hazardipiel: gegen den Bankhalter jpielen, jepen; 
Pointeur fra. Ponte), im Hazardipiel: 
der Gegner des Bankhalters. j 

Points (vom frz. point, d. i. Stich), genähte 
Spitzen, f. unter Spigen. 

Points noirs (ft;.), «[hwarze (dunkle) Punkte» 
(nämlich am polit. Himmel), ſprichwörtlich gewor: 
dener Ausdrud Napoleons Ill. in einer im Sept. 
1867 zu Lille gehaltenen Rebe. 

Poir., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ablür: 
zung von Boiret (Jean Louis Marie), geb. zu St. 
Quentin 1755, bereijte die Berberei, ftarb in Paris 
7. April 1834. Sein Hauptwerk ijt: «Voyage en 
Barbarie» (2 Bbe., 1789). 

Poiſchwitz, Dorf im Kreife Jauer des preuß. 
Regierungsbezirls Liegniß. Hier wurde 4. Juni 
1813 der zu —E (1. d.) zwiſchen den Franzoſen 
einerſeits und den Preußen und Ruſſen andererſeits 
abgeſchloſſene Waffenitillftand unterzeichnet. 

Boiffy (mittellat. Pisciacus), Stabt im franz. 
Depart. Seineset:Dife, Arrondijiement Berjailles, 
(inf3 an ber hier injelreichen Seine, 27 km im NW. 
von Paris, am Nande ded Waldes von St.» Ger: 
main, Station der Linie Verſailles-Noiſy⸗ le:Cec 
der großen Pariſer nes und ber Linie 
Paris: Havre der Weitbahn, ijt unregelmäßig ges 
baut und hat (1881) 3790 (als Gemeinde 5600) E., 
ein großes Gentralgefängnis und Arbeitshaus. 
Berühmt iſt der Ort wegen der von dem Dr es 
borenen Ludwig IX. gegründeten Biehmärlte, die 
ve jeden Donnerstag auf einem groben Plabe ge: 

alten wurden und Paris mit Fleiſch verjorgten. 
Der Markt wurde von Colbert nady Sceaur, 1701 
aber wieder nah P. verlegt. Jährlich findet in P. 
auch eine große Tierſchau mit Preisverteilung ftatt. 
Die von Yudwig IX. erbaute Seinebrüde hatte einſt 
37 gleiheroße Bogen, von denen 19 im Intereſſe 
der Schilfahrt abgebrochen wurden. Die Stadt—⸗ 
tirche ftammt teild aus dem 11., teil aus dem 14, 
bis 17. Zahrh. Bor Erbauung des Schlofjes von 


108 


&t.:Germain refidierten bier oft die Könige von 
Frankreich. Sept. 1561 wurde zu P. in An— 
weſenheit Karls IX. und des Hofs ein berühmtes 
inte Sr zwiichen den ange niten tath. 
und prot. Theologen (Theodor de Beze) gehalten. 

Poitevin (Proſper), franz. Grammatifer, geb. 
um 1810, ftudierte in Paris, war Lehrer an ver: 
ſchiedenen Gymnafien und ftarb in Paris 27. Dit. 
1 Gr veröffentlihte: «Cours theorique et 
pratique» (1842), «Dictionnaire - Manuel » (1851, 
2, Aufl. 1863), «Klöments» (1853), «Dictionnaire 
universel de la grammaire frangaise» (2 Bde., 
1854—57), «La grammaire, les Ecrivains et les 
typographes modernes» (1869), « Cours pratique 
de litterature francaise» (2 Vde., 1865), « Etude 
meöthodique et raisonnee des homonymes et des 
paronymes frangais» (1860; 2. Aufl. 1866) und 
« Illustrations litteraires de la France, pottes et 
prosateurs du XIX"® siöcle» (1874). 

Poiticrd, die Hauptitabt der ehemaligen Pro: 
vinz Poitou (j. d.) in Weſtfrankreich und des jehigen 
Depart. Vienne, Station der Linien Paris-Tours— 
Bordeaur, B.:Berfac und PB.-Chauvigny der Dr: 
kcansbabn und der Linie B.:Saumur der Franzö: 

iihen Staatsbahnen, an der —— ‚ber 

oivre mit dem Clain, zwiſchen ben Thälern biejer 
Flüſſe auf einem Kaltplateau, das nur im Süd: 
weiten mit dem übrigen Lande durch eine 490 m 
breite Landzunge (Pa Porte Tranchée) zulammen: 
Banat. In den Flußthälern ziehen fid die Vor: 
tädte hin, Die Stadt jelbit hat einen fehr großen, 
aber zum Zeil Gärten, Feldlomplexe und öde 
Streden umſchließenden Umfang, iſt unregelmäßig 
und Schlecht gebaut, mit teilen, winteligen Straßen, 
alten betürmten Stingmauern, und zählt (1881) 
29304 (als Gemeinde 36210.G. Sie ilt der Sik 
eines Suffraganbiihofs der Erzdiöceſe Bordeaur, 
eined Appellationsbofs für vier Departements, 
eines Aſſiſenhofs, eines Tribunals erfter Inſtanz, 
eines Handel3s und zweier Friedensgerichte, einer 
Univerfitätsalademie für acht Departements, einer 
NAderbau: und einer Beratungslanımer für Manu: 
falten und fünfte, ſowie einer Filiale der Bank von 
Frankreich. Sehenswert find die große, 1162—1379 
erbaute, neuerdings reftaurierte got. Kathedrale zu 
St. Peter, mit drei großen Schiffen, mächtigen 
Bogen, ſchöner Orgel, und die Kirche Notre Dame 
la Grande, mit reiher Fagade im fpätroman. Stil. 
Der Tempel St.⸗-Jean mit einem merkwürdigen 
Baptijterium und Freslen aus dem 11. Jahrh. 
ſcheint aus den erften Jahrhunderten zu ftammen. 
Die Kirche der heil. Radegunde vom J. 1099 ent: 
bält in der Arypta das Grab der Hauptheiligen der 
Stadt, der Gemahlin Chlotars I., einer thür. 
Königstohter. Das Stadthaus, ein fchönes im 
franz. Renaiſſanceſtil 1868—75 erbautes Gebäude, 
enthält eine öffentliche Bibliothel und ein Mujeum 
von Altertümern, Gemälden und Naturalien. Der 
Juſtizpalaſt ift das alte Schloh der Grafen von 
Boitou aus dem 11. und 14. Jahrh. und F einen 
50 m langen und 17 m breiten Saal. über den 
Glain fü ren zwei Gijenbahn: und vier andere 
Brüden; zwei überipannen die Boivre, deren Thal 
mit dem des Clain durch einen 300m langen Tun: 
nel verbunden ilt. Cine ſehr fchöne Promenade 
bietet der Bart Blofjac. Die 1431 von Karl VII. 
geſtiftete Univerfität iſt in der Nevolutionszeit ein: 
geraden. Die jet vorhandene Alademie dat drei 

fultäten (Jurisprudenz, Wifjenichaften und Lit: 


Poitevin — Poiton 


teratur). Außerdem beftehen eine Vorbereitungs: 
ihule für Mediziner und Pharmaceuten, ein %y: 
ceum, ein Briefter: und ein Lehrerfeminar, die zwei 
Kollegien St.:%ofeph und Grand: Maijon, eine 
Zeidhen:, eine Aderbau: und eine Hebammenſchule, 
ein botan. Garten, ein Theater, verſchiedene wilien: 
ſchaftliche Gefellihaften. Auch befindet ſich zu P. 
ein Departementalgefängnis. Die Bevölkerung 
unterhält Loh⸗ und Weißgerbereien, Flachs- und 
Hanfſpinnereien, Brauereien, mechan. Schneide: 
mühlen und Gießereien. Auch fertigt man Hand— 
ſchuhe, Gänfebälge —— Stüd jährlich) für 
Amerifa, Tuch, wollene Mihen, Strümpfe, Eijen« 
und Quincailleriewaren, berühmten Käſe (Barbare 
de Chabihou), Marmorarbeiten, Papier u. f. w. 
Ein ftarter Handel wird betrieben mit lee, Gipar: 
fettes und Puzernefamen, mit Erbſen, Kaſtanien 
(Marrons de Civray), Korn, Wein, Wolle, Gänie- 
federn, Wachs, Honig, Branntwein. In und um 
P. finden fich viele felt. und röm. Altertümer; fo 
der Druidenjtein oder Dolmen Pierre:Levde bei der 
Vorſtadt St.:Saturnin, die Nefte einer Waflerleis 
tung, eines groben Amphitheater (les Arènes, 
1857 verlauft und meijt abgebrodyen), 20 rätjels 
bafte Felsbrunnen u. f. w. , 
P. iſt das alte Limonum im Lande der Pic: 
tavi (früher Pictones) und hieß im Mittelalter 
Pictavis und Pictavium. In den Mauern der 
Stadt wurden bis 1405 an 23 Konzile gehal: 
ten. Während der engl. Herrſchaft teilte fie alle 
Geihide Poitous. Als ein Hauptfig der Huge: 
notten wurde P. 1569 vom Marjchall Saint: 
Andre erobert und furdtbar gezüchtigt. Bejon: 
ders merkwürdig it aber Ort und Umgegend 
durch drei wichtige Schlachten. Im J. 507 verior 
der weitgot. König Alarich II. Schlacht und Leben 
im Hampfe mit dem Franlenfönige Chlodiwig in 
Campo Bogladenfi, d. i. nach den neuejten Gr: 
mittelungen bei dem Dorfe Boulon (Bogladum), 
26 km ſüdlich von P. infolge dieſes Siegs drängte 
Chlodwig die Weſtgoten bis über die Garonne 
zurüd, worauf deren Reich auf galliihem Boden 
nur noch die fog. Provinz Septimanien bebielt. 
Der bei P. 18. Dft. 732 von Karl Martell über die 
Sarazenen unter Abd:ur-Nahmän erfochtene Sieg, 
welcher angeblih 375000 Arabern das Leben fojtete, 
rettete das weitl. Europa vor ber 5** dem 
Islam zu verfallen. Die dritte Schlacht fand auf 
dem 10,3 km im Südoſten, bei dem jesipen Dorfe 
Mignaloux Beauvoir gelegenen Felde Mauper: 
tuis 19. Sept. 1856 zwifchen den Franzoſen unter 
Köni yo und den Engländern unter Cduard 
(. b). em —— Prinzen, ſtatt und endete 
mit einer gänzlichen Niederlage ber Franzoſen und 
der Gefangennahme des Königs Johann. 
oitier® (Diane de), f. Diane be Poitiers. 
oiton, eine ehemalige Provinz im weitl. 
geantreid, wiſchen Bretagne, Anjou, Saumurois, 
ouraine, Marche, Angoumois, Saintonge, Aunis 
und bem Meere, war etıwa 22500 qkm groß, hatte 
zur Hauptſtadt Poitiers (f. d.) und zerfiel in Ober: 
und Niederpoitou. Lebterm entiprechen jeht etwa 
die Depart. Deur:Sövres und Vendee, eriterm 
Vienne; einzelne Stüde aber find mit Nieder: 
Gharente, Charente, Dber:Vienne, Jndre:Loire und 
Maine:Loire vereinigt. Das Land war im Alter: 
tum von ben galliihen Pictoned bewohnt und 
wurde nad der Groberung Galliend durd die 
Nömer mit Aquitania Secunda vereinigt. Im 


Poittevin — Bola 


5. Jahrh. befchten e8 die Weftgoten, 507 die Fran— 
ten. Nachdem P. vom Ende des 7. Jahrh. bis in 
die Mitte des 8, Jahrh. im Beſihe des Herzogs 
Eude3 von Aquitanien und feiner Nachfolger ge: 
wejen war, vereinigte es Pipin mit den Beſihungen 
der Krone. Gegen Ende des 9. Jahrh. machten ſich 
die von den fränt. Königen eingejekten Grafen von 
2. erblih und legten ſich den Titel Herzöge von 
Aquitanien bei. Mit der Hand der Cleonore von 
P. fam das Land 1137 an König Ludwig VIL, 
aber ebenfo 1152 bei deren Wiedervermäblung an 
Heinrih von Anjou (1154 König von England) 
und jo an England, König Philipp II. Auguit 
von Franfreich eroberte jedoch das Land 1204 
wieder, und 1259 im Frieden von Abbesville wurde 
es förmlih an Srankreih abgetreten. Durch den 
Frieden von Bretigny 1360 fam e3 abermals an 
die Engländer; aber 1371 nahm es ihnen Karl V. 
wieder ab und gab e3 feinem Bruder Johann, 
Herzog von Berri, nad) deſſen Tode es Karl VI. an 
jeinen Sohn Johann verlieh. Bei deſſen erbelojem 
Tode fiel B. an die Krone Frankreich zurüd. 
Poittevin (Le), Maler, j. Le Poittevin. 
oig, Prinzen und Herzöge, ſ. u.Noailles. 
Pökeln, eine jeit alten Seiten angewendete 
Methode der Fleiihtonfervierung. Beim P. wird 
das ausgeſchlachtete Fleiſch mit — ei einge: 
rieben, einige Tage liegen gelafjen und dann unter 
Fe oder einer Hebelpreſſe ausgepreßt; die: 
jelbe Behandlung wird wiederholt, das Fleiſch 
bierauf (Häufig unter Zufas von Gewürzen, wenn 
man nicht das zum PB. verwendete Salz vorher mit 
Naumannjchem Gewürzſalz mifchte) in Fäſſer ge: 
radt und mit der ausgepreßten Salzlöjung über: 
gojien. Man jeht dem Salze in der Hegel etwas 
Salpeter (Natronfalpeter iſt dem gewöhnlichen 
Kalijalpeter vorzuziehen) und außerdem zuweilen 
Zuder wu; diefer Zujaß hat den Zwed, dem Fleiſche 
jeine lebhafte rote Farbe zu erhalten. Häufig wird 
das gepöfelte Fleiſch erit gelocht und dann (wie das 
nordamerif. Corned beef) in zu verlötende 
Vlehbühfen eingeſchloſſen. Das P. lonjerviert 
das Fleiih hauptſächlich durch Entwäflerung, zu 
Dede Zeit tritt aber auch Salz in die Mustel: 
ajern ein. Durch das P. wird dem Fleiſche aber 
teineswegs nur Waſſer entzogen. J. von Liebig fand, 
dab in die Salzlafe der dritte Teil bis die Hälfte 
der Flüffigfeit übergeht, welche einen Beitandteil 
des frischen Tleiſches ausmadt, Es iſt hiernach 
tar, dab dem Fleiſche beim PB. durch das Austreten 
der Fleiſchflüſſigleit eine Anzahl von Stoffen ent: 
zogen wird, die feinen Nahrungswert bedingen. 
Das B. (Einfalzen) der Heringe und anderer See— 
fiſche foll von dem Holländer Willem Beutelaz 
oder Böfel (f. d.) in Biervliet (geit. 1397) erfunden 
worden fein; die Angabe, dab der Genannte das 
P. des Fleiiches überhaupt eingeführt habe, ift da: 
en eine irrtümliche, 
"Boten, j. Boten. 
othur, ind. Wallfahrtsort, f. unter Adi mir. 
Pöfile, Böcile, wien Voitile (arch. 
roxön orod, d. i. «die bunte Säulenhalle») hieß 
eine von Peiſianar, dem Schwager des Kimon, 
errichtete lange Halle an der Nordweſtſeite der 
atheniſchen Agora (des Marktplatzes), deren Wände 
mit großen biltor. Gemälden von dem berühmten 
Maler Bolygnotos und feinen Schülern Miton 
und Bandnos geihmüdt waren: auf der Wand zur 
NRechten war die Schlacht bei Marathon, auf der 


109 


langen Rüdwand die Eroberung von Jlion (Troja) 
und der Kampf ber Athener mit den Amazonen, 
auf der linten Wand ein Treffen zwiſchen den Athe: 
nern und Lacebämoniern bei Dinoe in Argolis dar: 
geitellt. Die Halle war —— pazieren⸗ 
gehen und zu geſelligen Vereinigungen bejtimmt, 
auch wurden nicht felten wiflenfchit iche Vorträge 
darin gehalten, wie 3. B. von dem Philoſophen 
eno, dejien Schüler und Anhänger davon den 
Namen «Stoiler» führten. (S. Stoizismus.) 
Vol. Göttling, «Die Stoa Poilile» in feinen «Ge: 
jammelten Abhandlungen aus dem klaſſiſchen Alter: 
tum» (Bd. 2, Nünd. 1863); C. Wachsmuth, «Die 
Stadt Athen im Altertum» (Bd. 1, Cpz. 1874). 
Aud in Sicyon (f, d.) gab es eine Boitile Stoa, 
weldje eine Gemä m enthielt. 
Bent. j. Bötling. 
ofrotd, Kreishauptitadt im ruſſ. Gouverne: 
ment Wladimir, an der Shitla, nabe deren Mun— 
dung in die Kliagma, Station der Cijenbahn Mos— 
tau⸗Niſhnij-Nowgorod, zählt (1882) 5737 E., 
welche bedeutenden Holzhandel treiben. Dabei das 
reihe Pokrowkloſter. — 
tien (d. h. hinter Kuty), Landſtrich in 
Galizien, zwiſchen den Flüſſen Brut und Gzeremoß 
und den Karpaten, iſt jehr frudtbar und mit 
Weisen und Mais bebaut. Die Bewohner find 
Huthenen, —— find Kuty und Kolomea. 
ol, ſ. Pole. 
ol (Vincent), poln. Dichter, geb. 20. April 
1807 in Zublin, war 1831 ein Hauptbeförderer des 
Aufitandes in Pitauen, ging darauf ins Eril und 
(ebte eine Zeit lang am Rhein, in&bejondere in 
Straßburg. Dann kehrte er nah Galizien zurüd 
und wurde 1849 zum Brofeflor der — an 
der Univerfität zu Kralau ernannt. Als ihm die 
öjterr. Regierung 1853 den Lehrſtuhl entzog, lebte 
er, des Augenlichts beraubt, abwechjelnd in Krakau 
und Qemberg, wo er 1866 erjchienene Borlefungen 
über die poln, Litteratur hielt, und ſtarb am 2. Dez. 
1872 in Kralau. Nächſt einer trefflichen deutſchen 
Überjeßung der «Volkslieder der Polen» (Lpz. 1833) 
ab er die «Piesni Janusza» («Lieder des anufz», 
dar, 1833) zen, in denen er das Kriegs und 
agerleben in poetifher Weife und voller Kraft 
und Leben BOMBER, Tas «Lied von unferm Lande» 
(«Piesn o ziemi naszej», Poſ. 1843, deutſch von 
Sturkmann, Pof. 1870) erwarb ihm einen in ganz 
Polen gefeierten Namen. Auch hat man von P. an: 
mutige poetiſche Erzählungen, unter denen «Mohort» 
(Kral. 1855) hervorzuheben ift. Seine nefamten 
Werte erichienen in 9 Bänden (Lemb. 1876). 
Pola, Stadt und Sen in der öjterr, Marf: 
rafſchafi Iſtrien, am ſudl. Ende der iſtriſchen 
albinfel, an einem ſehr geräumigen und ſichern 
Hafen und an der Oſterreichiſchen Sübbahn, wurde 
feit 1850 zum Haupttriegshafen der Oſterreichiſch⸗ 
Ungarifchen Monardie geihaffen, mit Feſtungs— 
werten, einem großen Seearjenal, Dod3, Werften 
und fonjtigen Eiabliſſements verjehen, wodurd) die 
Ginwohnerzahl von 1100 (1851) bis 1880 auf 
25173 (als Gemeinde 31683) geitiegen war. P. 
iit Sig einer Bezirlshauptmannſchaft, eines Be: 
zirlsgerichts, eines Hafenamts, eines Hafenadmis 
talats, eines Feitungstommandos und eines Toms 
kapitels, bat aut gepflajterte, mit Gas erleuchtete 
Schr eg — nn —* 
4. Jahrh., welcher im 9. Jahrh. umgebaut , 
ei andere Kirchen, ein Theater, ein Hofpital, ein 


110 


Denkmal des Erzherzogs Ferdinand Mar (fpätern 
Staijerd von re und ein Denkmal des Admi⸗ 
rals Tegetthoff. Nächit Trieft, Fiume und Rovi no 
iſt P. der bedeutendite Handelshafen ber Momarcie; 
Hauptgegenſtand der Ausfuhr ſind Bauſteine. Die 
Stadt lam 178 v. Chr. unter die Herrfchaft der 
Nömer, diefie Pollentia und Pietas Julia nannten. 
Aus ihrer Blütezeitfind noch vorhanden die Ruinen 
eines Ampbitbenters, 137,4 m lang, 110,5 m breit, 
24 mbod, ein Heiner korinth. Tempel Romae et 
Angusto geweiht, die Niüdjeite eines zweiten Tem: 
pels, ein Triumphbogen, das Thor der Sergier 
enannt, Reſte eines zweiten Theaters, ein ſchönes 
Doppelthor (Porta gemine) und ein einfacheres 
älteres Thor (Porta Ereole), Später fan ®. mehr 
und mehr und wurde mehrmals, zuleht 1379 durch 
die Genuefer vollftändig jeritört. . Stancovid, 
«Dell’ amfiteatro di P.» (Bened. 1822); « Notizie 
storiche di P.» (Bola 1876), 
‚Bolaben, d. h. Elbanwohner, ift der Name 
eines ausgejtorbenen jlaw. Stammes, der unge: 
fähr von der Bille und Trave big zur Elde anfäjlig 
war und deſſen Hauptort das heutige Rapeburg 
bildete. Die ar e biftoriiche und prachwiſſen⸗ 
ſchaft hraucht das Wort aber oft in einer viel wei 
tern —— Schafarik nannte fo «alle in 
Nordbeutihland angeiefienen Slawen weitwärts 
von der Oder, dem Bober und dem ebirge», 
Neuere geridung bat gezeigt, daß dieles zum 
größten Teile ausgejtorbene Slawentum in zwei 
unterſchiedene Stammesgruppen zerfällt, in die 
Sorben, deren Refte die heutigen laufiger Wenden 
find, die nördlich etwa bis zum Baralleltreis von 
Verlin wohnten, und in die von da bis zur Oſtſee 
reichenden Stãnime, auf die man jeht bie Bezeich⸗ 
nung «Bolaben» einzuſchränken pflegt. Die Haupt: 
ſtämme waren die Wilzen oder Putizen und die 
Dodrizen oder Obotriten. Die Wohnfihe der P. 
reichten über die Elbe bis in das Flußgebiet der 
Jee —5* Sprachlich gehören fie zur poln. 
(thiihen) Abteilung des Slawiſchen und bilden 
dejien weftlichften Ausläufer; unter den lebenden 
Dialekten fteht das Kafjubifche dem | olabiſchen 
am nächſten. Die B. hielten ſich am ängſten im 
fogenannten hannov. Wendlande (um Dannenberg, 
Lüdyow, Hisader), wo der lehte Reſt der —* 
ungefähr um die Mitte bes 18. Jahrh verihwun: 
ben iſt. Die vorhandenen Spradquellen find am 
volljtändigften zujammengeftellt von Pfuhl im 
«Casopis towarstwa madicy serbskeje» (Bd. 16 
und 17, Bautzen 1863—64); eine grammatifche 
Vearbeitung iſt Schleihers «Laut: und Formen: 
lebre der polabijchen Sprachen Petersb. 1871). 
Bolacca, ſ. Bolonaije, 
vlad, Pole; auch poln. Pferd. 
oladen heißen im Mittelmeer gebräuchliche 
dreimajtige Schiffe, deren Fod: und Großmaft keine 
bejondern Stengen haben, und bei denen lektere 
mit dem Maſt aus einem Stüd beftehen, während 
die Bramftengen, fowie die Stenge des dritten 
(Belan:Majtes befondere Berlängerungen bilden. 
olana, der 142. Xiteroid, f. u. Planeten, 
Polangen, Fleden und Seebad im ruf). Gou: 
vernement Kurland, Kreis Libau, an der Ditiee, 
3 km von der preuß. Grenze, mit 1899) 1414 E., 
darunter 900 Juden, welche Bernfteinarbeiten ver: 
fertigen und Handel damit treiben, 
Polar, f. unter Pole, 
Polardiftanz, ſ. unter Pole. 





Polaben — Polarforſchung 


Bolardreieck (Supplementardreied), ſ. 


unter Supplement. 


Polareis nennt man die konſtanten Eisanhäu: 
fungen in ben Polargegenden, welche aber NUR zum 
Heinern Teile vom Gefrieren der Meeresoberfläche 
berrühren. Das P., welches in Form von mäd- 
tigen Schollen oder Giäbergen auftritt, die jchwim: 
mend zuweilen über 30 m über die Meeresflähe 
emporragen, und eine Die von 3—400 m errei⸗ 
den, jcheinen zumeift Bruchſtücke der großen Glet- 
ſcher zu fein, die 3.8, an den üften von Grönland 
und Spigbergen bis in das Meer herabreidhen und 
hier bei ihrer jtarten Abwärtsbewegung ihre untern 
Enden in dad Meer hinausftoßen, von dem fie dann 
als Esberge weiter befördert werden, bis fie nad 
dem Eintritt in wärmere Regionen allmählich auf: 
tauen. Die größten norbifihen Gletſcher hat man 
an der Weitfüjte von Grönland gefunden, ihr um: 


teres Ende erreicht hier oft eine Breite von vielen 


Kilometern und dabei eine Dide bis zu 1000 m, 
Da fie wie die Alpengletſcher an ihren Rändern 
um Teil von großen Felsblöden und Heinerm 
Moränenichutt bededt find, jo fie dieſe Stein: 
maflen oft auch noch weit in das Meer hinein, und 
bringen dadurch eine ftete Translocierung von 
Steinmaflen bervor, welche wahriceinlich ganz 
—*— entſpricht, durch welche die 2 Grrati: 
ſchen Blöde (f. d.) oder nordiichen Geſchiebe in einer 
frühern Beriode (der jog. Eiszeit) aus Standina- 
vien über die nordeurop, Niederung verbreitet wur: 
den. Gin anderer Teil der Eisberge verdanft feine 
Entftehung nicht den Gletſchern, ſondern dent all: 
mãhli Anwachſen der natürlichen Eisdede der 
Meere durd die atmofphärifchen Niederichläge. 
Diejes B. bildet dann große Gisfelder von unae: 
heuern Dimenfionen in Länge und Breite, Hierher 
— die meiſten im Sũdpolargebiet anzutreffen: 

Polareismajien. Vol. Tyndall, «Das Waſſer 
in feinen Formen als Wolten und Ylüffe, Eis und 
Gletjcher» (Bd, 1 der «Internationalen wifjenfchaft: 
lihen Bibliotheb», Lpz. 1873). 

Polarerpeditionen nennt man alle zu allge: 

mein wiffenjhaftlihen Zweden nad beiden Bolar- 
ebieten der Erde gejandten Erpeditionen; diejelben 
itehen fämtlid) in einem gewijjen Aufammer junge 
mit der ſyſtematiſchen Bolarforihung (j. d.), 
Val. außerdem Norbpolerpeditionen umd 
Südpolerpeditionen. 

Polarforfchung. (Hierzu Norbpolarka rte 
und Südpolarlarte.) Abgeſehen von den rein 
merlantilen oder den ausichliehlich geoar. Zweden 
gewidmeten Reifen nad) den beiden Polarzonen kann 
man alle übrigen als im Intereſſe der P. aus: 
geführt zuſammenfaſſen und diefelben von einem 
einheitlichen Standpuntteaus betrachten. Während 
die mit dem Namen « Nordpolerpeditionen» (f. d.) 
bezeichneten Reifen meift nur die eritgenannten 
Zwede verfolgten, wurden feit neueiter Zeit Er: 

editionen zu allgemein wiſſenſchaftlicher Erfor⸗ 
—— beider Polarmeere ausgeſandt. Dieſelben 
nahmen ihren Anfang in ben jechziger Jahren des 
19. Yabrh., nachdem durch die Franklin-Grpedition 
die nordweſtl. Durchfahrt zwar gefunden war, as 
aber praltiſch als unbrauchbar erwiejen hatte, Die 


zunädjit hierher gehörigen Erpeditionen waren alle 


nur nad) der nördl. Polarzone gerichtet, ſodaß über 
öhern jüdl. Breiten bis zu den Fahrten bes 


die 
FR und der Gazelle, welche allerdings auch 
den Polarkreis nicht überfchritten, unfere Kenntnis 





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Polarforfgung 


immern - Sauptiade -- auf den Neijen von 

vol, nd Rob ie Reifen des 
eritern fallen —* in die [ete Hälfte des 18. Jahrh. 
und waren überhaupt die erjten Entdedungsfahrten 
in jenen Gewäflern; diefelben find für Die Kennt: 
nis jener Regionen außer ibren rein geogr. Rejul: 
taten, durch die Beobachtungen und Studien der 
beiden Foriter auch in phyſit. Hinfiht von Bedeu⸗ 
tung geweien. Die von diefen Reiſenden durch— 
fahrenen — find auf der Südpolarkarte 
eingetragen finden ſich dort noch die Reifen 
einiger —— eefahrer, welche aber weſentliche 
Reſultate fait gar nicht ielten. Zange haben die 
Forſchungen im antarktiihen Gebiete gerubt und 
erit die Grpebition des Challenger unter Nares 
m diefelben wieder auf. 

Die erſten Expeditionen in der obengenannten 
Abficht, allerdings noch mit dem Zwed der Er: 
reihung des Nordpol, machten die Amerilaner. 
Sie fandten im J. 1860 den Schoner linited States 
unter Kapitän nad dem Smithjund. Nadh- 
dem er an der Ditfüfte des Sundes überwintert, 
erreichte er die Breite von 81” 35’ bei Hap Lieber 
und kehrte —— 1861 mit feinem Schiffe glüd: 
lich wieder nad Boſton zurüd. Denjelben Weg 
ſchlug auch die unter Leitung Halls ſtehende Gr: 
pedition mit der Polaris im 1871 ein. Hall ge: 
langte bis zu 82° 16 nördl. Br. und ftarb 8. Nov. 
1871. Die weitern Schidjale der dition f. unter 
Hal > And Deu ancis) und Beſſels (Emil). 

tichland trat jet handelnd in die P. 
ph Petermann hatte es dahın 
er dab ſchon 1865 eine g abıt nad dem 

Norden unternommen werden fonnte; doc 

— unter der Führung Werners ftehende 
gleich in den erſten Tagen fo ftarle Ha- 
u un itten, daß e& fogleich zurüdtehren mußte. 
Aber jhon im J. 1868 konnte Kapitän Koldewey 
mit der Heinen Segeljadht Grönland auf eine 
ge in die Gewäſſer zwiſchen 
Spigbergen der Ditfüfte von Grönland aus: 
geſandt werden. Auf der glüdlic) in einem Som: 
mer durchgeführten * erlangte er eine höchſte 
Breite von 80° 30. Durd; Sammlungen kam bis 
1869 jo viel Geld zufammen, daß ein eigener für 
die Volarfahrt gebauter Heiner Dampfer Ger: 
mania und ein zweites ftarles Schiff, die Hanſa, 
unter Führung Koldeweys und Hegemanns aus: 
gen jtet werden fonnten. Die Erpedition hatte den 
uftrag, ſowohl die phyſil. und naturgeihichtlichen 
Berhältnifje des Meeres zwiſchen Grönland und 
Size zu erforſchen, ald auch, wenn irgend 
= hi, d = Dftlüfte von Grönland felbjt zu er: 
re überwintern und fpäter, —* 
thunlich ade nad Norden bi ER zu verfolgen, ja 
eventuell diejem Wege den Bol zu erreichen. 
Schidjal der zweiten deutjchen Erpedition 
1, r* geteilte3; denn während die Germania 
ihre te bee mit Ausnahme des legten Punktes 
onnte, wurde die Hanſa, welche bei 
her —* dem Hauptſchiffe getrennt worden war, 
ihon im September vom Gife beſeßt und bald 
darauf zerbrüdt. Die Mannſchaft derjelben machte 
den en Winter hindurch mit ihrem Führer, 
Sapitän Hegemann, eine Fahrt auf einer Eisſcholle 
vom 71.” Dis zum 61.° und gelangte endlich in ihren 
Booten in 
Grönlands an, von wo fie mit einem dän. Schiffe 
in die Heimat zurüdfehrte. Der Erfolg der Erpe: 


ederilshaab an der Eüdweitlüjte | M 


111 


bition war trok alledem ein recht günftiger und cr: 
weiterte bie Kenntnis der Dftküfte von —— 
und des —— eh in geographiſ 
—— * icher —— € ein rad — 
Kaum war die deutſche Erpebition 
geh, fo wurde er die Munificenz des Grafen 
eine neue —— ausgeſandt. Der 
—— We tte zumächft eine Re⸗ 
lognoszierungsfahrt in * owaj ja⸗Meer 


mit dem Heinen Segelſchiffe Isbjörn unternom⸗ 
men; dieſelbe eröffnete ae singe Ausſichten, infolge 
— In der Da egettho unter der 


echts pn Lieutenant Bayer ımd 
an ———— Bejakung an Bord aus der 
—— lief, um zwiſchen Rowaja-Semlja und Spihz⸗ 


— näher ya eforjgen Da her Babe her ee 
nu näher zu erfo 
= — elbe aber —— Eiſe beſetzt ai 


o nad) Norden, bis ein ausgedehnter Inſel⸗ 
— die Fahrt heinmie. Der Zegetthofl befand 
fi an der Küfte der gegenwärtig unter — 
Pa :Jofeph3:2and» befannten — 

rend Payer auf Schlittenreiſen das Land er 
Weyprecht an Bord des cn 
bie — en meteorolog. gt 
tungen. . 1874 ieder * 
Expedition, na ‚dem fie das Sau hatten verlafien 
miffen, in ihren Booten zurüd und wurden von 


et und bra 
Frische Kösuleripha ers * ut * 


je nach dem hohen ————— 
unter Nares — Stephen ze mit den ai 
ie 


Alert umd Didcovery. elbe fegelte du * 

Smithſund nach dem Nennedyfanal; die 
überwinterte an der —— e am a 

Robeſonkanals auf 81° 45’ nörbl, Br., Alert = 


feit desjelben auf 82° 27’ nörbl. Dr. Auf Schlitten: 
reifen _. ein Zeil der Weſtlüſte Grönlands er: 
foricht und bis 83° 20’, dem nörblicjiten bis dahin 
ten Punkte, vorgebrungen. Die Erpebition 
lehrte 1876 nad) "Eng and zurüd, —— ihre 
eig mit ber Seren des libe arıng, —X ———— 
e die Errei 

— weſentli —E für die — P. 
— te die der Zeit nach num folgende Grpebition 
rofeſſors —— (. d.). * . 1878 
ir diefer mit dem Schiffe ega, deffen 
Führer Lieutenant Palander war, ve Fahrt, deren 
Amved war, die Nordoftpafiage aufzufuchen und die 
Küjten und Meere im Norden ar en3 feitzuitellen 
und näher zu unterfuden. Der Vega ion 
nod einige Schiffe, von denen die Lena für die 
rt auf dem gleichnamigen Fluſſe beſtimmt, der 

* gleichzeitig als Tender beig 
25. Juli 1878 hatte Nordenftiöld feine 

treten und fhon am 20. Aug. umfuhren 

Lena die Nordipige der Alten Welt. Am 

erreichten fie den Fluß ier trennte fü 


war. Am 
rt ange: 
a und 
Isa 
uß 2ena, 
Lena von der Erpedition, fie gelangte am 21. F 
nah Jakutsl. Die ** ſehte i Weg nach 
der Beringsſtraße fort. Die —*— wurde jedoch 
des ſich häufenden —* wegen immer ſchwieriger, 
bis das Schiff am 28. Sept. gänzlich ——— 
war und ſo gezwungen wurde, kurz vor 
eines s auf 173° weſtl. V zu überwintern. 
iefer unwilllommene Aufenthalt von nahezu ern 
onaten wurde aber für die Mijienichaft höch 
nußbringend verwendet. Am 18. Juli 1879 — 
die Vega wieder von dem Eiſe freigegeben und 


112 


oelangte nach zwei Tagen zur Beringäftraße. Bis 
zum 19. Aug. verweilte dad Schiff noch in diejen 
Gewäjjern, um wiſſenſchaftliche Unterſuchungen an: 

ujtellen, worauf e3 am 2. Sept. im Hafen zu 

otuhama zu Anker ging. So war denn endlid) die 
Itordoitpailage durchgeſeht worden, freilich mit dem: 
jelben Rejultat wie die durch MacClure forcierte 
Nordweitpaflage; ein für die gewöhnliche Seefahrt 
brauchbarer Weg nad dem Großen Ocean war c3 
indejien aud) nicht. , 

Beſorgniſſe über den Verbleib der Bega hatten 
den ruſſ. Handelsherrn Sibiriafow venta, unter 
der Führung des Kapitän Scengftade den Dampfer 
Nordenjtiöld zur Auffuhung und Unterftügung 
ber Vega auszuſenden. An Borb des Dampfers 
befanden fi als Naturforſcher Freiherr Dr. von 
Dandelman und Brofefior Grigoriew,. Nach glüd: 
licher Fahrt von Malmö bis Jolkuhama feste der 
Tampfer feine Fahrt nach Norden fort, erlitt aber 
fhon an der flüjte von Jeſſo — — die Be⸗ 
fahung wurde gerettet und kehrte nad Europa 
zurüd, nur Dr. von Dandelman traf nod) in Joku— 
hama mit Nordenjtiöld zufammen. Der lebtere 
kam erit im Frühling 1880 nad) der Heimat. Aud) 
ber Beſitzer des «New York Herald», Gordon Ben: 
nett, fandte den Dampfer Jeannette aus, welcher zu: 
nächſt Nordenjtiöld zu Hilfe kommen, dann aber 
aud jelbitändig Forfhungstouren unternehmen 
folite. Die Führung de3 Dampferd wurbe dem 
amerif. Eeeoffizier De Long anvertraut. Die bei: 
den Gelehrten Golling und Newcomb begleiteten 
ihn. Am 8. Juli 1879 ging die Jeannette, gefolgt 
von dem Tender Fanny A. Hyde, von San: Fran: 
cisco aus in See. Der lektere verforgte an der 
Eisgrenze in ber Beringsſtraße die Jeannette aufs 
neue mit Kohlen und PBroviant und kehrte dann 
urüd, Bis 1881 blieb jede Nachricht über die 

eannette aus, obgleid zur Aufllärung, ihres 
Schidjals von’ der Regierung der Bereinigten 
Staaten mehrere Erpeditionen ausgefandt wurden. 
Endlich erhielt man im Herbft 1881 die Hunde 
von dem Untergange des Bennettihen Schiffs. 
Mie fih nad Nüdtehr der fiberlebenden heraus: 
ftellte, war bie Jeannette am 12. Juni 1881 
geſunken. Nach einem zu Anfang guten, fpäter 
aber äußerſt befhmwerliden Marſche auf dem Eife 
gingen die Mitglieder der Erpebition am 12, Sept. 
n ihren drei Booten in See, um das Lena: 
delta zu erreichen. Die —— des einen Boo⸗ 
tes fand bei den Tunguſen Sibiriens Aufnahme, 
während die der andern bis auf zwei (Nieder: 
mann und Noros) dem Hunger und den Stra: 
pazen erlagen. Die volljtändigften Aufllärungen 
über den Verbleib und das Schidjal der Jeannette: 
bejagung brachte der mit dem Dampfer Rodgers, 
von den Vereinigten Staaten zur Aufſuchung der 
Bennettihen Expedition ausgeſandt, abgegangene 
Korreipondent des «New York Herald» Ni) Gilder, 
in die Heimat. Durch ihn wurde auch das Tage: 
buch De Longs veröffentlicht. Die Leihen De Longs 
und mehrerer jeiner Begleiter wurben nad) ihrem 
Auffinden auf dem Landwege in die Heimat ge: 
bracht. Teilweiſe durd das Schidjal der Jean— 
nette veranlaßt, teils zu felbjtändigen Forfchungen 
wurden in den %. 1876-80 sr einige Heinere 
Erpeditionen von den Engländern und Amerikanern 
ausgerüftet, welche aber alle eine größere Bedeu: 
tung für unfere Kenntnis der arltiichen Gegenden 
nit gewinnen ſollten. Auch das Kariſche Meer 





Polarforſchung 


wurde 1880 und 1881 mit wechſelndem Glüde bes 
fahren und die Verbindung zwifchen den nördlich: 
iten Küjtenländern der Alten Melt mebrfah dur 
Dampferfahrten unterhalten. Bezüglich ihrer Res 
fultate it die in jene Zeit fallende Expedition 
unter Lieutenant Schwatla nad) King Williams: 
land von Bedeutung, da durch diefe erft die end: 
gültigen Nachrichten über Franklin und feine Bes 
gleiter erlangt wurden, 

In ein neues Stadium trat die P., als Wey— 
precht auf der Naturforfcherveriammlung in Graz 
mit jeinen Borfchlägen und Anfichten über die zweds 
mäßigfte Erforihung polarer Gebiete hervortrat. 
Weyprecht führte aus, daß nur durch ein fyfteınas 
tiſches Vorgehen gleichzeitiger, möglichſt zahlreicher 
Stationen in den arltiihen und antarltiichen Ges 

enden Ausficht auf Erfolg vorhanden ſei. Seiner 

nficht nach follten mindeitens auf die Dauer eines 
Jahres jolhe Etationen beicht werben, um dort 
genaue und zuverläflige Beobachtungen über die 
meteorolog. und phyfil. Cigentümlicpleiten hoher 
Breiten anzuftellen. Die jo gewonnenen grob: 
rungen würden dann wiederum einen Anbalt 
für weiteres Vorgehen gewähren. Im J. 1875 
ernannte der deutihe Bundesrat eine wiſſenſchaft— 
lie Konmiljion zur Prüfung der gemadten Vor: 
joa e. Dieje ſprach fih entjchieden zu Gunjten 
er Weyprehtichen Vorſchläge aus und befürwor: 
tete eine P. auf ſyſtematiſcher Grundlage. Die 
von der Kommiffion vorgefchlagene Art der Polar: 
unterfuhungen follte fi vornehmlih auf feite 
Stationen gründen, doch von diefen au3 waren 
furze Erplorationsfahrten in Ausfiht genommen. 
Eine von Neumayer und Weyprecht gemachte 
Vorlage wurde auf dem zweiten internationalen 
Meteorologenlongreß in Rom 1879 näher erörtert 
und fand die Zuftimmung der arg ar de3 Kon⸗ 
gan Diefer beantragte, die Berufung einer 

peziallommiffion zur Beratung der Erridtun 
einer Zahl von Obfervatorien in den arktiſchen un 
antarktifhen Regionen zu veranlafien. infolge 
deflen fand vom 1. bis 5. Dft. 1879 ſchon bie erjte 
internationale Polarkonferenz zu Hamburg ftatt. 
Bei diefer Gelegenheit onjtituierte ſich auch die 
internationale Bolartommiljion, welcher die Ober: 
leitung der Unternehmungen übertragen wurde, 
Im %. 1880 folgte die zweite Konferenz in Bern 
und 1881 die dritte in Petersburg. 

Bis zum Herbit 1881 konnten jedoch erft fünf 
Stationen als völlig gefihert gelten. Mehrfache 
Betitionen und eine vom Neidhätag unterftügte Re— 
folution veranlaßte das Reihsamt zur Ausftellung 
eines Betrags von 300000 Mark zu Zweden der P. 
Eine abeutf e Polartommijfion», beſtehend aus 
ben Herren 5 Helmholß, Nachtigal, Neus 
mayer, von Schleiniß, Schreiber und W. Siemens, 
hielt ihre erſte Sikung vom 10. bis 17. Dez. 1881 
in Berlin ab, Es wurden eine Reihe von Bes 
ſchlüſſen über die fpeziellern Aufgaben der deutichen 
Erpeditionen gefaßt und außerdem ein Exelutiv— 
ausſchuß ermählt, welchem die Ausführung der ge⸗ 
troffenen Bejtimmungen zufic. So hatten alle 
europ. Staaten außer Spanien und Italien ihre 
Beteiligung an dem internationalen Unterneh: 
men gezeigt, und außerdem rüjteten die Vereinigten 
Staaten noch zwei Stationen aus, nämlich die von 
Lieutenant Greely nad der Lady Frantlinbai im 
Smithjund, und eine auf Boint:Barrow unter 
Lieutenant Nay; die Dauer diefer Stationen war 


Rolarifation (elektrifhe) — Polarifation des Lichts 


fogar auf zwei bis drei Jahre normiert worben. 
Sämtliche im_Dienft der internationalen P. zu 
errihtenden Stationen waren daher, folgende: 
Point:Barrow und Lady Franklin-Bai durd die 
Vereinigten Staaten, Godthaab durch Dänemarf, 
Jan Mayen durd) Oſterreich (Graf ey Spib: 
bergen durch Schweden, Bofjetnop durch Norwegen, 
Didſonhafen durch Em 2enamündung und 
Nowaja:Semlja durd Rußland, Eumberlandfund 
und Südgeorgien durch Deutidhland, Fort Rad (am 
ge Havenfee) dur England und Canada, 
odankylä (Lappland) durch Finland, Kap Horn 
durch Fantreig, 
Der Beginn der gemeinfamen ge rn 
mar auf fpäteitend den 1. Sept. 1882 d tgefeht, 
welder Zeitpunlt auch von ben meijten Stationen 
ya ngehalten werben konnte. Liber den Ver: 
lauf der im Frühjahr und Sommer 1882 von der 
Heimat abgegangenen Erpeditionen wurde von Zeit 
zu Zeit durd den % identen ber internationalen 
Kommiffion, Prof. Wild, an die Mitglieder derſel— 
ben berichtet, ſoweit Nachrichten einliefen. Alle 
Erpeditionen erreichten glüdlih ihren Beftimmungs: 
ort oder doc) wenigitens in ber Nähe gelegene gün: 
fige Punkte, bis auf die holländische, welche im 
Kariſchen Meere überwintern mußte und von dort 
0 gut e3 ging ihre Beobachtungen anftellte. Vom 
uguft bis Ende 1883 waren diefelben bis auf drei 
wieder in der Heimat angelangt, ausjtändig blieben 
nur die Erpedition unter Lieutenant Greely, von 
welder Nachricht überhaupt bis Anfang 1884 nicht 
eintraf, und bie Dlitglieder der Stationen an ber 
Lenamündung und zu Sodantylä, deren Beobad): 
tungstermin noch bid zum Sommer 1884 verlängert 
worden war. Auf der vom 17. bi3 24. April 1884 
zu Wien abgehaltenen vierten Konferenz der inter: 
nationalen Bolartommiffion tonnte der Borfipende 
derielben Te en die zufriedenftellendjten Mit: 
teilungen über den erlauf des ganzen Bolarunter: 
nehmens geben. Seitdem find größere Unterneh: 
mungen in den Polargebieten nicht mehr zu ver: 
jeihnen. Es bleiben nur zu erwähnen die Unter: 
nehmungen, welde Dr. Boas teilweife im anf luß 
an die deutiche Erpedition nad Cumberlandjund 
in nordamerif. Ardipel anitellte. In Grönland 
feßte der dän. Forſcher Hammer feine Unterfus 
hungen fort umd lieferte namentlich intereffante 
Aufiglüffe über die Südoſtküſte dieſes Landes. 
Aud in der Karafee wurden einige Yahrten aus: 
geſührt, doch a” diefelben nur infofern von Bedeu: 
tung, als ſie ebenfalls den —— Charalter 
der dortigen Eisverhaltniſſe 
riger —— der 
dem Schiffe Eira die Küſien von Spitzbergen und 
das von Bayer und Weyprecht entdedte Franz-Jo⸗ 
ſephs: Land. Den Abſchluß der internationalen 
terpeditionen bildete die Nüdtehr der Überle: 
enden der amerif. Erpedition nad} der Lady Fran: 
lin Bai. Fast drei Jahre waren keinerlei Nadric: 
ten über biefelbe eingetroffen, al3 zu Ende 1884 end: 
lich die Nachricht lam, daß 7 der urfprünglich aus 
Dann beitehenden Erpedition in der Nähe von 
Kap Sabine im Smith-Sunde aufgefunden worden 
kin. Wenn aud) vieles von ihnen gefammelte 
Material verloren ging, fo find doc die von 
eig mn erzielten geogr. Rejultate von 
erte. 
Im Südlihen Polarmeer find in ber neue: 
fen Zeit feine Erpeditionen von Bedeutung ausge: 
Converfationd- Lexiton. 13, Aufl, XIIL 


onftatierten. Ein eif: 


„Leigh Smiths, bejuchte mit | f 


113 


führt worben, obgleich gegenwärtig fein Zweifel über 
deren Notwendigfeit für die Kenntnis der Phyfil der 
Erde mehr herrſcht. Aufder Sübpolarlarte find 
die wichtigern der ältern Neifen und die Fahrten 
des Challenger und der Gazelle, ſoweit fie in das 
dargeftellte Gebiet fallen, verzeichnet; die fonft 
noch darauf angegebenen Daten, als Eisgrenzen, 
Vothermen und die Lage des ——— Pols, 
fönnen nicht Anfprud auf diefelbe Genanigteit 
machen wie die entſprechenden der Norbpolarkarte, 
da eben im Süden die Forfchungen noch lange nicht 
in dem Umfange durchgeführt find, wie es Hır ge⸗ 
naue Feſtſtellung ſolcher Angaben erforderlich ift. 

‚Die Litteratur über die F und die dahin ges 
börenden Einzelerpeditionen ift eine fehr umfang: 
reiche, ein ausführliches Verzeichnis derfelben findet 
fi in dem im Auftrage der öſterr. Geographiſchen 
Gefellidhaft herausgegebenen Verzeichnis «Die Lit: 
teratur über die WBolarregionen der Erde» von 
Y; Chavanne, A. Karpf und Fr. Ritter von Le 
Monnier. Hervorzuheben find: «Die zweite deutſche 
Nordpolarfahrt in den %. 1869 u. 1870» (2 Bde. in 
4Abteil., Lp3.1873— 74 ;Vollsausgabe, Lpz. 1882); 
Bayer, «Die Oſterreichiſch⸗ Ungarische Rorbpolerpe: 
dition» (Wien 1876); Hellwald, «m ewigen Eis» 
(Stuttg. 1879); Andree, «Der Kanıpf um den Nord: 
pol» (Lpz. 1879); Beſſels, «Die amerif. Nordpol: 
erpedition» (2pz. 1879); «Meddelelser om Grön- 
land » (Kopenh. 1879—81); «Narrative of the se- 
cond Arctic expedition» (Wafhington 1879); Nor: 
denjliöld, «Die Umfegelung Aftens und Europas 
auf der Logan (2 Bde. , pa. 1881— 82); Klutichal, 
«Als Eslimo ‚unter den Eslimos» (Wien 1881); 
Bilder, «In Eis und Schnee. Die Auffuhung der 
Jeannette⸗ Erpedition» (deutfch, Lpz. 1884); Neu: 
mayer, «Dentjchrift über einige orfläge zu Bunlt 
31 de3 Programms der zweiten internationalen Po: 
lartonferenz» (Hamb. 1879). Auferdem viele Auf: 
fäße in Betermanns «Geogr. Mitteilungen» und den 
Zeitſchriften der Gefellichaft für Erdfunde, Die 
offiziellen Daten über die internationale Bolarfor: 
(hung find enthalten in « Mitteilungen ber inter: 
nationalen Bolarlommiffion» (Petersb. 1881— 84). 

Polarijation (elektriiche), ſ. Elettriſche Bo: 
larifation. 

Polarifation (galvaniſche), foviel wie Glektri: 
ſche Polariſation. 

Polariſation des Lichts. Das Licht (ſ. d.) 
wird, wie man gegenwärtig annimmt, fortgepflanzt 
durch Schwingungen eines unendlich feinen, höchſt 
elaſtiſchen, das ganze Weltall erfüllenden Stofis, 
de3 ſog. Üthers (ſ. d.), und zwar geſchehen die Ver: 
hiebungen, welche bei diejen Schwingungen bie 
einzelnen Teilen des Lithers erleiden, in Rich— 
tungen, welche auf der Richtung des Lichtſtrahls 
Ira Steben. In dem gewöhnlichen Licht er: 
olgen diefe Verſchiebungen nah allen möglichen 
auf dem Strable jenkrechten Richtungen ; bie bon 
befist aber auch Mittel, diefen Zuftand in ber Weife 
abzuändern,, daß die Verichiebungen aller Äther— 
teilden eines Lichtbündels einander parallel werden. 
Licht, in welchem dies ftattfindet heißt polari: 
jierte8, oder weil die unendlich Heinen Bahnen, 
weldye die Ütherteilhen befhreiben, auf der Nic: 
tung des Strabls ſenkrecht ftehende gerade Linien 
ind, «geradlinig polarifiertes» Lit. Sind nicht 
die Bahnen fämtlicher Ütherteilhen, fondern nur 
eined Teils derfelben parallel, bildet alſo das Licht 
gewiſſermaßen ein Gemenge aus polarifiertem und 


8 


114 


aus gewöhnlihem Licht, fo nennt man es «teil: 
weiſe polarifiertes» Licht. Zur Erzeugung deö po: 
larifierten Lichts dienen befonders drei Vorgänge: 
1) die Zurückwerfung des Lichts an nihtmetalliigen 
ſpiegelnden Flächen; 2) die einfache u. und 
5) die Dopvelbrehung. Soll ein Lichtſtrahl von 
einer Glasfläche vollitändig polarifiert zurkdge: 
worfen werden, fo muß er unter einem Wintel 
von 35Y, Grad auf das Glas fallen. Fällt der: 
jelbe unter einem andern Winkel auf, fo iſt das 
zurüdtgeworfene Licht nur teilweiſe polarijiert. Hür 
jede durchſichtige Subſtanz it der Winkel, unter 
welchem ein Lichtitrahl auffallen muß, wenn er 
vollftändig polarifiert werden foll (der fog. Bo: 
larifationswintel), ein anderer; er hängt in 
der Weiſe von der Brechung des Lichts im ber 
Subſtanz ab, daß die volljtändige Polariſation pet 
dann eintritt, wenn der zurüdgeworfene Strahl auf 
dem in die Subftanz eingedrungenen gebrodenen 
Strahl ſenkrecht fteht. Für die Metalle als un: 
durchſichtige Körper gibt es daher auch keinen ſolchen 
Bolarijationswintel. Cbenjo wie das von einer 
Glasplatte zurüdgeworfene Licht polarifiert iſt, 
zeigt ſich aud das durd) eine Glasplatte hindurd: 
gegangene Licht polariftert, jedoch ftet3 nur teil 
weife; der Zuftand desſelben er ſich um fo 
mehr den ber vollitändigen Polarifation, je ſchiefer 
das Licht die Platte durddringt. Um dem Zu: 
ftande der volllommenen ———— noch näher 
zu kommen, läßt man das Licht in —* ſchiefer 
Nichtung durch eine Reihe von planparallelen Glas: 
platten gehen. Während jedoch das durch Zurüd- 
werfun — Licht in Ebenen ſchwingt, 
welche * recht auf der Einfallsebene liegen, fallen 
für das durch einfache Brechung polagriſierie Licht 
die Schwingungsebenen mit ber ( e 
fammen. Infolge der eigentümlichen Elaſticitäts— 
verhältniſſe bes Uthers in allen mit ungleichen 
Achſen verjehenen Kryitallen kann ein auf folde 
Kryitalle fallender Lichtitrahl diejelben nur jo durch 
dringen, dab feine Schwingungen nad) zwei be: 
fimmten, von der Kryſtallgeſtalt abhängigen, eur 
einander ſenlrechten Richtungen erfolgen. Da na 
biejen beiden Richtungen bie Glafticitäten bes 
Athers und Damit auch die Fortpflangungsgeſchwin— 
digfeit und Brehung des Lichtſtrahls verichieden 
find, jo wird ber in ben Kryftall eindringende Licht: 
ftrahl in zwei getrennt (doppelt gebrodyen), und 
jeder ber beiden Strahlen erſcheint polarifiert, weil 
alle feine Zeilen in parallelen Ebenen ſchwingen. 
Die Schwingungs: oder Bolarifationsebenen beider 
Strahlen ftehen aufeinander ſenkrecht. 

Bejondere * um das Licht zu polariſie⸗ 
ren und andere durchſichtige Körper dieſem polari— 
ſierten Lichte auszuſeßen, werden Polariſations— 
apparate genannt. Sie enthalten entweder 
Glasfpiegel (am beſten von ſchwarzem Glas oder 
von farblofem Glas, das auf der hintern Seite mit 
ſchwarzem Firnis überzogen it), oder Säulen aus 
Glasplatten, oder Platten aus boppeltbredhenden 
Kryſtallen, welche lehtere gewöhnlich jo ausgewählt, 
geſchliffen und aujannmengefent find, daß von den 
beiden in ihnen durch Doppelbredyung entitehenden 
Lichtitrahlen nur der eine auf der intern Seite der 
Platte austreten und in das Auge bes Beobadıters 

elangen kann, während ber zweite Strahl in ber 
‘blatte entweber, wie in dem Nicolihen Prisma, 
durch totale Reflerion feitwärts geworfen oder, wie 
im dunlel gefärbten Turmalin, durch das gefärbte 


infallsebene zu: 


Polariſationsapparate — Polarlicht 


Medium verſchluckt wird. Gewöhnlich enthält ein 
Polariſationsapparat zwei ſolche Vorrichtungen, 
zwiſchen welchen Kryſtalle, raſch abgelühlte oder 
ungleich zufanmengedrüdte Glasplatten, in Roh— 
ren eingeſchloſſene lüifigleiten u. f. w. auf ihr 
Verhalten gegen das polarifierte Licht unterfucht 
werben können. Polariſiertes Licht erlennt man 
daran, daß es fid) negen eine der oben angeführten 
Bolartjationsvorrihtungen, wenn diejelbe um den 
einfallenden Strahl als Achſe gedreht wird, ver: 
ſchieden verhält. Fällt z. B. polarifiertes Licht auf 
einen Spiegel aus ſchwarzem Glaje unter einem 
Binfel von 35%, Grad, jo wird es von bemfelben 
zurüdgeworfen, wenn bie Schwingungsebene des 
polarifierten Lichts ſenkrecht auf der Einfallächene 
fteht; es kann aber nicht zurüdgeworfen werben, 
wenn biefe Schwingungschene in der Einfalläebene 
liegt. Huber dem linear polarifierten Licht nibt e3 
aud noch freisförmig (cirkular) und elliptiſch polas 
rijiertes Licht. In dem kreisförmig polarifierten 
beichreiben die einzelnen Atherteilchen Heine Kreiſe 
und in dem elliptiichen Heine Gllipien, deren Ebenen 
jentrecht auf der Nichtung des Lichtſtrahls ftchen. 
Der Entdeder der P. ift Malus (1808); ausgehend 
von den Vorgängen bei der Spiegelung bezeichnete 
er bie durch den Strahl gelegte und auf der Ebene, 
in welcher die Ütberteilhen ſchwingen, ſenlrecht 
ftehende Ebene ala Bolarifationdebene. Das 
verſchiedene Verhalten der beiden im Doppelipate 
durch Dopvelbrehung entitehenden Strahlen kannte 
übrigens fdyon Huyabens (1678). Bgl. Lommel, 
«Das Weſen des Lichts» (Lpz. 1874); Spottis: 
wood, «Polarisation of light» (Lond. ter 
olarifationsapparate, ſ. u. Polariſa— 
olarität, f.u. Bole. [tion des Lichts, 
olarfreid nennt man einen Frei ber Dim: 
mel3: oder Erdfugel, welcher dem Aquator parallcl 
ift und von den Volen um fo weit abjteht, als die 
Schiefe der Elliptit (f. d.) beträgt (33° 27). Man 
unterſcheidet einen ſüdlichen und einen nördlichen P. 
Polarländer nennt man im allgenteinen die um 
Nord: und Südpol bis zu den Polarkreiien gelege— 
nen Länder und untericheibet demnach Südpolar: 
länder (f. d.) und Nordpolarländer (j. d.); doch ver; 
fteht man unter P. gewöhnlich nur die lettern. 
olarlicht, eine oft ſich zu großer Pracht ent: 
er Lichterſcheinung am Himmel, welde man 
ber nur in den nördl. Gegenden ber Erde be— 
obachtet hatte und daher mit dem Namen Nord: 
licht (Aurora borealis) bezeichnete. Als ſich indes 
die Kenntnis der Südhemtiphäre erweiterte, ſah 
man ganz ähnliche Erfheinungen aud) in ben ſüdl. 
Gegenden. Die Erkenntnis eines bejtimmten Zu: 
fammenbangs in beiden Vorgängen und deren Be: 
ziehungen zu andern phyſik. Erſcheinungen unjers 
Sonneniyitems gaben die Veranlaſſung, die Nord: 
lihter und Südlichter (Aurora australis) unter 
dem gemeinſchaftlichen Namen Polarlichter zus 
fammenzufafien. Am bäufigiten treten die P. in 
einer Zone auf, welche fih ın Form einer Ellipfe 
um den magnetischen Bol herumzieht (f. die Nord: 
volarkfarte), nördlich diefer Zone fieht man die 
PB. im Süden, ſudlich der Zone zeigen ſich diefelben 
am —— und ebenſo verhaͤlt es ſich auf der 
Südhemi * doch ſind dort die Daten noch 
(ange nicht jo zuverläſſig beſtimmt aus Mangel an 
Beobachtungen. — 
‚Die eigentliche Natur ber P. iſt hisjett noch 
nicht beſtimmt feſtgeſtellt; doch iſt ſo viel gewiß, daß 





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Polarlicht 


dieſelben in innigem Zuſammenhang mit den mag: 
netiſchen Erſcheinungen der Erde ſtehen; inwie— 
weit 
losmiſchen Urſache find oder ſich gegenſeitig be: 
dingen, iſt noch nicht endgültig entſchieden. 

Die Erſcheinung des P. iſt immer verſchie— 
den, je nach dem Erdorte, an welchen man dieſelben 
beobachien Der allgemeinſte Typus iſt der, daß 
ſich über dem Nord: oder Sübhorizont ein Bogen in 
den meiften Fällen weihen oder leicht gelblichen Lichts 
ausipannt, der an feiner untern Seite ein ſcharf 
begrenztes dunkles Himmelsſegment überfpannt, 
nach oben aber in Strahlen ſich auflöft, deren Nic): 
tung der Stellung einer frei aufgehängten Magnet: 
nadel im allgemeinen entſpricht. Neben diejen 
Bogen find in der Zone der größten Jntenfität noch 
vielfahe Etrablenbündel in Form von Draperien 
und Bändern fihtbar, welche durch ihre ftete Be: 
we ug Den ganzen Phänomen ein äußerit pracht⸗ 
volles nice geben. Die Farbe ift dort immer 
weiß, nur jelten mit einem grünlichen oder leicht 
rötlihen Schein, während man außerhalb diejer 
Zone vom Pol wegwärt3 häufig viel intenfivere 
Farbenſpiele beim Auftreten der P. erblidt, doch 
iind dieſelben durchaus kein Charalteriſtilum des 
P. (Hierzu eine Tafel: Polarlicht.) 

Die Beobahtungen des P. erjtreden ſich über 
einen groben Zeitraum; jo haben Frig und Loomis 
die Rordlichter für Europa und Amerifa zufammen: 
geftellt und daraus die ‘Beriodicität abgeleitet. In 
neuerer Zeit find die Erſcheinungen des SB. eingeben: 
der und ſyſtematiſcher beobachtet worden ; außerdent 
haben die wiſſenſchaftlichen Bolarreifen und die Sta: 
tionen der J. 1882—83 viel zur genauen Kenntnis 
des P. beigetragen. Unter dieſen Beobadıtungen fin: 


| 


den fich auch ſolche, welche den oft nur lokalen Cha: | 


ralter der 
Höhe des P. über der Erde it mit großen Schwierig: 
feiten ige und hat bisjebt die verſchiedenſten 
Reſultate geliefert , die allerdings in der Natur der 
Sache aud ihre Begründung finden fönnen; man 


. ertennen laſſen. Gine Beitimmung der 


beobachtete Höhen zwiſchen I—60 km, die meijten | 


icheinen zwijhen 5 und 20 km fich zu befinden. 
Weyprecht, welcher während feiner 
ſehr viele Nordlichter beobachtete, ſpricht 1id 
diefelben dahin aus, daß die normale Farbe der 
P. ſtets die weiße mit leichter grünliher Nuance 
geweſen fei, neben welcher dad Mondlicht einen 
entihieden gelben Ton gezeigt habe. Bei dunftigen, 
nebeligem Wetter erſchien ihm das Licht gelblicher 
und trüber. Grit bei ge Intenfität, und wenn 
das P. vermöge der Najchheit feiner Bewegungen 
und *r Schärfe der Contouren den Gindrud grö: 
berer Nähe machte, traten die Begleitfarben Rot 
und Grün hinzu und zwar dann in der Weile, dab 
die untern Partien einen rötlichen, bie obern einen 
grünlichen Ton zeigten. Auch bei den in jenen Ge: 
genden am Bufe en vorlommenden Formen der 
Bänder und Draperien fand dieſe Farbenverteilung 
mandmal jtatt. Violett tritt häufig bei den Gr: 
iheinungen von geringerer ntenfität hinzu. Alle 
diefe Farben erjcheinen in direkter —— zu 
den von Müller und Warren de la Rue erhaltenen 
Reſultaten über die Farbe der eleltriſchen Entlabun: 
gen unter verfchiedenen Druden zu ftehen, was auch 
durd neuere —— en der Speltra des P. 
und des eleltriſchen — zu beſtätigen 
ideint. Damit ſtimmt aud die von Edlund in 
neuefter Zeit aufgeftellte Theorie gut überein. Cd» 


olarfahrten 
über | 


115 


lund gründet das ganze Problem eleltricher Cr: 
icheinungen in der Nähe der Erdoberfläche auf die 


beide inimer gleichzeitige Wirkungen einer | von Faraday entdedte fog. unipolare Indul— 


tion und zwar wie folgt. Betrachtet man bie 
Erde als einen Magneten, welcher nıit einem guten 
Leiter, der Grdfrujte, umgeben und in Notations: 
bewegung befindlich ijt und bei dem außerdem noch 
der eine Pol durd einen auten Leiter mit einem 
andern entferntern Punkt des Diagneten (Erde) ver: 
bunden ift, jo wird in dem dadurch hergeftellten 
Schliefungsbogen ein eleltriicher Strom entitehen, 
deſſen Richtung und Intenſität abhängig ijt von 
Größe und Richtung der Notation des eritern. 

Da nun die Groatmojphäre in ihren untern 
Schichten ein ſchlechter, in ihren obern aber ein 
verhältnismäßig guter Leiter ift, fo kommt ber 
Stromfreislauf in der Weije zu Stande, da von: 
Üquator, wo die Bewegung der aufiteigenden pofi: 
tiven Gleltricität am größten ift, ein Abfließen der: 
jelben nad den Polen hin eintritt, da dort ein 
ſolches Aufiteigen, welches mit der Annäherung an 
die Pole abnimmt, nicht mehr ftattfindet. Über 
dem Aquator jelbit lann aber die Anfammlung der 
Glektricität jo ſtark werden, daß eine intermittie: 
rende Wiedervereinigung mit der fowohl dur Ab- 
ftrömen ald auch durch Influenzwirlung an der 
Erdoberfläche entitandenen negativen Gleltricität 
entitehen fann; in diefem Falle treten dann bie 
periodiſchen Gewitter der Tropenzonen ein, Für 
denjenigen Zeil der pofitiven Gleltricität, welcher 
bierbei nicht zur Ausgleihung kommt, und für die 
nad den Polen hin abfließenden Eleftricitätämen: 
gen ber gemäßigten Zonen nähert fich die Form 
der Entladung dem Typus der Glühlichtentladun: 
gen len wie die in Geißlerſchen Röhren, oder des 
Glühlichts) um fo mehr, je ungünftiger die Bebin: 
gungen für eineunmittelbare Rüditrömung zur Erde 
jind, d. b. alfo je befier die obern Schichten der 
Atmojphäre von der Erdoberfläche ifoliert find. 

Dieje lehtere Art der Entladung wird dann 
als B. zur Wahrnehmung gelangen. Die in Form 
von Glühlichtentladungen auftretenden eleltriichen 
Nüditrömungen haben unter Cinwirlung des Erd— 
magnetismus an jedem Orte das Beitreben, fid) 
parallel der Richtung einer frei aufgehängten Mag: 
netnadel anzuordnen. Da nun in höhern Breiten 
dieſes era 1er immer mehr die Ausgleichung 
in jenkrechter Richtung begünftigt, fo werben dort 
aud) die Entladungen in Form von Glühlichterſchei— 
nungen (Bolarlicht) an Häufigfeit zunehmen, wäh: 
rend die Funkenentladungen immer mehr zurüd: 
treten, was auch in der Natur ber Fall ift, denn in 
den Polargebieten werden nur höchſt jelten Ge: 
witter beobadıtet. Dadurch tritt dann in einer den 
magnetiichen Pol umgebenen Zone ein Zuftand 
ein, in welhem die Anziehung der negativen Glet: 
tricität des Erdbodens auf die angefammelten 
und fozufagen verdichteten Mengen ber pofiti: 
ven Eleltricität jegliche Tendenz, nad den Polen 
ſelbſt hin abzufließen, überwiegt; biejes iſt dann 
die Zone der größten Häufigkeit der P. (Ngl. die 
Nordpolarlarte.) 

Mit diejer Theorie ftimmen ſowohl bie von Mey: 
precht, Nordentiöld und den Stationen der inter: 
nationalen Bolarforihung beobachteten Thatfachen 
als auch bie durch Yemftröm angeitellten Erperi: 
mente. Norbenjtiöld bat auf Grund feiner viel: 
fachen Beobachtungen die Zonen zufammengeftellt, 
in melden ®. in ihren verfhiedenen Formen 

8* 


116 Polarmeer — Polder 


beobachtet werden; er fagt: Um ben Kol des P. 
(mit welcher Bezeichnung er den Durchſchnittspunlt 
desjenigen Erdradius mit der Erdoberfläche belegt, 
welcher durd den Mittelpuntt des Kreiſes eh 
deiien einer Teil der Polarlichtbogen iſt) find fün 
Zonen zu unterfheiden. Snnerhalb des Raums, 
welchen ein um den Polarlichtpol gezogener Kreis 
von etwa 8° Radius umfchließt, wird das P. nur 
als leichter Nebel_im Horizont eriheinen. Da 
außerdem wenig Strablenbildun —— ſein 
wird, fo werben dort nur felten P. geſehen werben. 
Innerhalb der Kreife, welche mit 8° und 16° Ra: 
dius gezogen werden, wird ber regelmäßigere —* 
larlichtbogen die — ſein. en 
Kreifen von 16° und etwa 20° Radius wird ber ge: 
wöhnliche Polarlichtbogen ziemlich in den Zenith 
de3 Beobachters zu liegen lommen, und in dieſem 
Fall wohl meift nur als ein heller Schein am Him⸗ 
mel erfcheinen oder e3 wird biefer Bogen im Nor: 
den, ein zweiter denfelben in gröherm Abſtande um: 
ebender Lichtring im Süden unweit des Zeniths 
—28* ſein, und dann durch lebhafte Strahlen, 
welche ſich durch den Zenith bewegen, ausgezeichnet 
fein. In der folgenden Zone (bis nabe zu einem 
Kreife von ef ind die Strahlenpolarlichter bie 
häufigften, während zwiſchen 30° und 33° der ges 
wöhnliche Bolarlichtbogen faſt nie Ro: ſichtbar iſt. 
Dort ift das eigentliche prachtvolle raperie- und 
Strahlenlicht die aus chließliche Erfcheinung. 

Die langjährigen Beobahtungen dän. Forſcher 
in Grönland ſhleßen ſich den erwähnten Prin⸗ 
zipien fehr gut an. Da das P. eine eleltriſche 
Gricheinung fei, wurde ſchon länger nicht mehr be: 
zweifelt, einen zuverläffigen Beweis dafür hat aber 
neuerdings Profeffor Lemftröm durch feine Grperi: 
mente im nördl, Finlandgeliefert. Nachdem er Ei 
früber in —— beobachtet hatte, da a 0: 
farlihtitrahlen unterhalb der Wolten, ü erg: 
fpiken u. dgl. bildeten, hat er Ende 1882 durch ge: 
eignete Armierung zweier Berge, welche ſich 246 m 
und 330 m über dem umgebenden Terrain erhoben, 
auf künftlihem Wege Polarlichterfheinungen 
vorbringen fönnen. fiber den Spigen der zur Ar: 
mierung gehörigen Metallitangen erhob fi, fobald 
diefelben durch Prahtleitung mit dem Flachlande 
verbunden wuͤrden, ein gelblichweißes Leuchten, 
ganz dem des P. entiprec end, während in der Leis 
tung feloft lebhafte eleltri he Ströme und zwar po: 
fitiv von der Atmofphäre zur Erde bin beobachtet 
wurben, Die fpettroifopiiche Unterfuchun ergab, 
daß diefes Leuchten die dem P. ei entümliche gelb: 

rüne Linie zwischen den Sraunhofer-ginien D und 
& des Speftrums zeigte. _ 

Außer dem Merk von Friß, «Das PB.» (Opa. 1881) 
und defien anderweiten Abhandlungen find die Pu⸗ 
blifationen vonNordenjtiöld (befonders «Die willen: 
ſchaftlichen Ergebniffe der DVega:Erpedition», Bd. 1, 
’p3. 1883), ſowie in neueſter Beit die Arbeiten von 
Sophus Trombolt, Edlund und namentlich die Be: 
richte Lemftröms an die «Societe des sciences de 
Finlande» hervorzuheben. 

olarmeer, N Eismeer. 

olarnacht, die an jedem der beiden Pole ab: 
wechielnd ein —* Jahr dauernde Nacht; auch 
die Nächte der Polarzonen, in welchen die Sonne 
während mehr als 24 Stunden nicht aufgeht; ebenfo 
Bolartag der am Pol ein halbes Yabı dauernde 
Tag und die mehr als 24 Stunden mwährende 
Sonnenbeleudhtung innerhalb der Polarzonen. 


Bolarreifen, |. Nordpolerpedbitionen und 
Bolarforfhung. 
olarftationen, die in den beiden Polarzonen 
errichteten Beobachtungsſtationen, an weinen die 
meteorolog. und allgemein phyfit. Berhältni e jener 
Gegenden erforſcht werden follen, um diefe in Ver: 
bindung mit den in den andern Zonen erlangten 
Daten zur Gefamtertenntnis der Phyſil der Erde 
m verwerten. Namentlich bezeichnet man als P. 
ie im Syftem der internationalen Polarforſchung 
1882—83 in Thätigkeit geweſenen Stationen, 
Bolarftern, auch Nordpolarftern ober 
Nordftern, heißt gegenwärtig ein_ heller Stern 
zweiter Größe, der dem Nordpo de3 Himmels ſehr 
nahe fteht. Es iſt der legte Stern (=) im Schwanze 
des Kleinen Bären. Sein Abitand vom Pol be 
trägt jeht 1° 18, nimmt aber jährlich (gegenwärti 
um 19”) ab. Die Annäherung an den Norbpo 
wird noch etiwa 300 Jahre fortdauern, bis der Ab: 
ftand nur noch 21’ beträgt, worauf er wieder zu⸗ 
nimmt, Na Sahrtaufenden wird unfer jebiger 
. feinen Namen fo wenig mehr verdienen als vor 
2000 und mehr Ye denn vor 2000 
a er 12° vom Bol entfernt. Im J. wird 
er Stern y Cephei al3 dem Pol zunädft ftehend 
P. fein, noch jpäter B Cephei, « Gephei, 5 Cygni, 
nad 12000 Jahren wird die Wega oder a Lyrae 
der hellfte und ſchönſte B. fein und e nad 25700 
Jahren nimmt der jehige J dieſelbe Stelle wie 
jeht wieder ein. Die Urjadye diefer Veränderung 
es P. ift die Präceffion — d.). Der Sübpol bes 







































Himmels hat in feiner Nähe keinen fo hellen Stern, 
als der Norditern it, doch fieht man 11° vom 
Vol entfernten Stern ß der Kleinen Waſſerſchlange 
als Südpolarftern an. Die Aſtronomen und Nau⸗ 
titer benuhen den Stern ſechſter Größe o Dctans 
tis, der nur %,° vom Südpol entfernt ift, als 
PVolaritern. 
olarftrömungen nennt man bie aus dem 
Rolargebieten nad) den gemäßigten Zonen fl 
den Meeresftrömungen, melde g in 
rg en — un — 
na en führen und dadurch der 
nicht felten gefahrvoll werben. % ift te 
mentlich bei der von der Oſtluſte von Grönland und 
der aus der Davisftraße lommenden B. (f. Karte: 
Meeresftrömungen, Bd. XI, ©. 572) der Fall, 
welde lehtere in der Gegend der Bank von Neus 
fundland oft große Cismafjen mit ſich führt, 
olartag, f. unter Polarnacht. 
olarzonen oder Kalte Zonen, die beiden 
geilen den Rolarkreifen (23° 27’ nörbl, und ſudl. 
r.) und den Polen gelegenen Zonen; man unters 
fcheidet daher eine Nord: und eine Sud⸗Polar— 
zone. (Vol. Zonen.) 
Pol de Mont engen KM. Polydor be 
Mont), vläm. Dichter, geb. 1856 zu Wambele in 
Brabant, ftudierte am Seminar in Mecheln, fpäter 
an der Univerfität, und wurde dann —* ot der 
niederländ. Sprache und Litteratur am Athenaum 
zu Tournai. Seine Gedichte: « Epheuranfen » 
er), «Wahrheit und Leben» (1877), « 
ingsleben» (1878), « Aufgehende Sterne» (1 E 
sCenzespoflen» (1881), «Loreley» (1882), 
(1882), gehören zu den hervorragendjten Produkten 
der neuern vläm. Poeſie. 
Polder oder Kooge nennt man in olland 
und in den flachen Küftenniederungen 
an der Nordiee ringsum mit feften Dämmen ober 


Poldiftang — Bolemit 


Deihen in Form unregelmäßiger Bierede einge: 
— und fo gegen die Fluten geſchütte Streden 
des Marſchlandes (f. d.), die man mittels Gnt: 
wällerungäfanälen oder aud) wer entümlicher Waſſer⸗ 
Smafchinen, fog. Poldermuhlen, dem 
er und den Morälten abgewonnen und in 
fruchtbare Fluren oder fette Graſungen verwandelt 
t._ Die Wohnungen liegen zerftreut, von tiefen 
fiergräben umgeben, weldye auch die Felder ein: 
lieben und wg ern. Seltener find Dörfer, in 
ger Reihe am ber Deiche gelegen, we D. 

in der Wiliter und Kremper Mari At Ho —— 
„Pele vom ober Bo —A 9 Pole. 
ole nom me nörss, Wirbe dar nennt 
ematit die Endpuntte des⸗ 
* —S— welcher auf der Ebene 
Fe eines Kreijes der Kugel fe nfrecht fteht, ober 
n beiden —** der Kugeloberflãche, die 
vo a a Punkten der Peripherie eines — 
gleichweit — Fe Hiernach haben parallele 


—— — Fr) chaftliche V. Dreht fi eine fu: 
gel um —— e, jo heißen die Endpunfte derſelben, 
ug She allein in Ruhe b eiben, 

die —— * el, — In der Geographie und 
Aitronomie ind die B. der Grde oder Erdpole 
die) Buntte der doberfläch, welche bei der 
ſendrehun Sa Erde in Rube bleiben, die End: 
— achſe. Ebenſo find die P. der Him— 
ataele —— junite des 

Et — einbaren Umdrehung 

desjelben in bleiben, 8* er die Endpunlte der 
— Dan nennt fie aud) es Aqua⸗ 
tors, weil c größte * * deflen Ebene die 


—— ſenkrecht ber Aquator heißt, 
und im ab zu den —* Elliptit, welche von 
jedem Elliptil um 90° abiteben, wie jene 
von jedem Punkte des Aquators. Am Himmel wie 
a “ Erde ae dene: man einen nördlichen und 
orbpolund Südbpol). An 
Greta e 
Zu von ben Sehe * fr "2 —— und iſt 
chibar; ausgenommen find die Gegenden unter 
t net wor P. zugleich hıtbar find, 
im 

1 Solardikanyeugfotbitan,, beißt eigent: 
lich ber —“ A vom fihtbaren P. 
oldiſta 


=ı 


* Sterne in 


neuerer BUCH: nme vom Nordpol. 
—** der "dm zeichnet man mit bem Namen 
im Sigma die beiden gewöhnlich 
er fine, Sa unfte, in welchen 
— —* —* einer Hälften ausgehenden 
Kräfte vereinigt annehmen lann. Beide P. werden 


ebenfalls * unterſchieden in Nord: und Süb: 
pe — lsuns und Magnetismus 

er Erbe.) Ebenjo nennt man bei den Kryftallen, 
Erwärmung eleftrijh werben, die: 


* a die Gleftri ität b 
—— zeigt, Y oo 1 unterjeie * nd 
I: 
einer Volta äul 39 
— 
onders ftarf zeigt, gleichfalls P., das eine Ende 
* das * — arte: 

ein Gegenjab, wie er zwiichen den bei: 
den P. eines Magnets oder einer offenen Voltaſchen 


— ae: 2. ee aa das Borhandeniein 


A: 


gS 


117 


Aud die a, bat das Wort Pola— 
rität aufgenommen, hält aber bie angegebene 
—* e Bedeutung nicht feſt, ſondern —— ſich 
Sfelben im weitern Umfange und mehr im Sinne 
eines abfoluten Gegenſatzes er Po 
Bee Fiſch, f. unter Schol 
fe (xuſſ.) Selb, in älterer Zeit foviel wie 
weten. urfprünglich zur Entiheidung von 
treitigfeiten zwiſchen Privatperfonen, fpäter ber 
Pr iche Zweitampf. Nach dem noch 1550 aner: 
annten ältern Recht mußten die Parteien und bie 
eugen fih zum Eide und Zmweilampf erbieten, 
melde bie ältern Ordalien erſeßten. Im 558 
wurde der Zweilampf aufgehoben, doch b ieb die 
Formel, nad) der man ſich zum Eid "und Zweilampf 
erbieten mu * noch lange beſtehen. 
Buie engl. Zumilie, f. unter — 
ei en Mitt.) ijt der Name einer 
ben Labiaten gehörenden Pflanzengattung, wel . 
jebt gemwö nlich mit ber Gattung Mentha — d.) ver: 
einigt wird, von ber fie fich durch den fünfjpaltigen, 
zweilippigen und nad) dem Verblühen durch Haare 
ag Kelch und die plöplid in einen baudi: 
en Schlund erweiterte Blumenröhre untericheidet. 
er gemeine Polei (P. vulgare), welder auf 
nalen, fandigen, öftern überſchwemmungen aus: 
nefepten Stellen de3 mittlern und ſüdl. Europa 
wädjit, bat niederliegende, braunrote, — 
Stengel, geitielte, —— Ind. ihmat gelänte, 
unterleits mit eingefenften Ö drüjen verjehene 
ter, kugelige Blütenwirtel, roſa⸗ ober — 
Blumen und urüdgefrümmte obere Keldhzähne. 
el. 


olel, |. 
ee bei den Athenern der britte ber 
neun Archonten, welder urfprünglich die auswär: 
tigen Ongelegenbeiten und das Kriegsweſen zu ver: 
walten hatte und im Kriege an ber Spihe des red: 
ten Flügels das attiſche Aufgebot führte. Seit den 
demofratiihen Reformen de3 Klei * enes behielt er 
noch den Vorſiß des Kollegiums der Strategen 
—* in = 2. acht die Führung bes rechten Flu— 
geld; nad) den Perferkriegen dagege en war ber P. 
auf die Nechtepfle e in Sachen der Metölen und der 
Fremden, der Nichtbürger beichräntt, 
olemianer, Selte, ſ. unter Apollinarie. 
olemit (orch.) beißt im allgemeinen jeder 
öffentlich und methodiſch geführte geijtige Kampf 
über ir a‘ eine Streitfrage (politiihe B., willen: 
ſchaftliche P. u. ſ. w.). Speziell in ber Theologie 
bezeichnet —— Elenchthiſche Theologie, 
ae ogie genannt, die Belämpfung ber dog: 
matiſchen Anſchauungen anderer hriftl. ar rg 
nen, im Unterſchiede von der Apologetit (j. Apo 
[ogie), die es mit der Verteidigung der chriſtl. 
Wahrheit gegen Nichtehrijten, Juden, Heiden, Ma: 
terialijten u. f. f. zu tbun hat. Die Zeit nad) der 
Reformation, das 16. und 17. Sabıh., war bie 
Blütezeit ber B., in welcher fie einen Hauptteil ber 
theol. Wiſſ enfchaflen bildete. Die Hauptvertreter 
waren auf luth. Seite: Chemnißz (geſt. 1588), 
Hutter — 1616), Calov (geft. 1686); auf der 
reform. Seite Turretini (get. 1631), Spanheim 
(per 1701) und Stapfer (9 eft. 38 ee den 
tholilen Bellarmin und eine, roße ah [von Fe: 
fuiten, neuerdings Möhler, Nachdem der P. von 
Anfang an bie fog. Irenit (Friedenslehre) zur Seite 
getreten war, machte fie feit der zweiten Hälfte | bes 
18. Jahrh. einer mehr wifienschaftlic rubigen Dar: 
ftellung des Bemeinjamen und Unterjcheidenden der 


118 


einzelnen chriſtl. Ronfeffionen, der Symbolit (f. d.) 
Platz. Vol. Sad, «Chriftlihe B.» (Hamb. 1838); 
Hase, «Handbuch der proteitant. B.» (4. Aufl,, ps. 
1878); Tichatert, «Gvangeliide BP.» (Gotha 1885). 
vlEmo, griech. Philoſoph aus Athen, war ein 
Schüler des Kenofrates (ſ. d.). Nach dejien Tode 
(314 v. 33 ſtand er der Alademie eine Zeit lang 
vor und ſuchte deren Lehren von den dialeltiſchen 
mebr auf die ethiſchen Unterfuhungen zu richten. 
Ein Hauptjak feiner Philofopbie war, daß das 
höchſte Gut in einem naturgemäßen Leben beftebe. 
in anderer P., mit dem Beinamen Periege— 
tes, Schüler des Stoilers Panätius, lebte im 
3. Jahrh. v. Chr. zur Zeit des Ptolemäus Epipba- 
nes und verfaßte mehrere hiſtor. Werte, namentlich 
eine Beichreibung der in den Tempeln der berühm: 
teften Städte aufbewahrten Weihgeichente und eine 
gried). Geſchichte in 11 Büchern. Die noch vorban- 
enen Bruchitüde —— 3.1838) geſammelt. 
Der Sophiſt und Redner Antonius P., aus 
Laodicea in Karien gebürtig, lebte im 2. Jahrh. 
n. Chr. meift in Smyrna und jtand bei Trajan, 
abrian und Antoninus Pius in Gunft. Zwei von 
ihm no ii rg Lobreden auf den Cynägirus 
und Kallimadus find am beiten von Drelli (ps. 
1819) und neuerbings von Hind (2pz. 1873) ber: 


aus —— worden, 
olemon, zwei Nönige von Pontus (f. d.). 
olemoniaccen (Polemoniacdae), Pflanzen: 
familie aus ber Gruppe der Dikotyledonen. Man 
tennt gegen 150 Arten, von denen die Mehrzahl in 
Nordamerika vorlommen, nur wenige finden fid in 
ber nördl. gemäßigten Zone der Alten Welt, Es 
ind frautartige, jeltener jtrauchartige Pflanzen mit 
* verſchieden geformten Blättern und meiſt an- 
ehnlichen Blüten, die aus einem funfſpaltigen Kelch, 
einer fünfzipfeligen Blumenktrone, fünf Staubge: 
fühen und einem breifächerigen eg 
uchtlnoten mit einfachem Griffel befteben. Die 
Frucht ift eine ziwei- oder mehrfamige Kapjel. Vich: 
rere Arten der P. find wegen ihrer ſchönen Blüten 
beliebte Zierpflanzen, bejonders foldhe aus ben 
Gattungen Phlox (f. d.) und Polemonium (f. > 
Polemönium L. eine Pflanzengattung, welche 
der T einer bejondern dilotylen Familie, 
der Bolemoniaceen, geworden it. Ghre in Aıne: 
rifa, Europa und Afıen heimiſchen Arten find 
perennierende Kräuter mit abwechjeluden, fieder: 
Hnittigen Blättern und traubig angeordneten 
lütenwideln, deren Blüten aus einem weiten, 
frugförmigen, fünflappigen Kelch, einer rad: oder 
—— en Blumenlrone mit Eufaypiem 
aum, fünf niedergebogenen, im unbe der 
Blumenkrone eingefügten, bärtigen Staubfäden 
und einem oberjtändigen, von einent beherförmigen, 
gekerbten Ninge umgebenen Fruchtfnoten befteben‘ 
aus dem fid) eine dreiflappige, wenigfamige Kapfel 
entwidelt. Die betanntefte Art ift P. coeruleum Z,, 
Sperrfraut oder Jakobsleiter genannt, eine 
in den Alpen und Süddeutſchland bisweilen wild 
wachſende und fehr häufig als Ziergewächs an: 
gebaute Pflanze mit aufrechten, eichbeblätete 
Stengeln und großen, ſchoͤn blauen, feltener weißen 
Blumen. Sie verlangt guten Boden und viel Wajs 
fer und läßt fich * — * des großen Wur⸗ 
zelſtods leicht vermehren, In Gärten findet man 
von dieſer Art eine weiß blühende Spielart und eine 
andere mit dunfelgrünen, gelblihweiß panachierten 
Blättern, eine höchſt elegante Erjcheinung. 


Nolemo — Polen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


Polen, metallurgiihe Operation ber Aupfer: 
ewinnung, beiteht in einem Umrühren des ge: 
dmolzenen Kupfer mit bößernen _— und 
bezwedt eine Neduktion des im geichmolzenen Me: 
tall gelöften tupferorybuls. 
Polen, früher ein eigenes Königreich, gegen: 
wärtig offiziell die «Weihjelgouvernements» 
enannt, wird im N. von Preußen und den ruf. 
ouvernement Kowno, im O. von den Gouverne: 
ments Wilna, Grobno und Volbynien, im S. von 
dem öjterr. Kronland Galizien, im ®. von ben 
preuß. Provinzen Schlefien und Poſen bearenst, 
umfaßt 127310,5 qkm und hat (1882) eine Bevöl: 
ferung von 7319980 €., darunter 600000 Ruſſen, 
815433 Juden, 327085 Deutiche. Die Juden leben 
im ganzen Königreich zerftreut und beichäftigen ſich 
vorzug&weife mit Handel, Schenkwirtſchaft und 
torei. Die Deutichen find Koloniften, Land: 
auer, Handwerker und Fabrifarbeiter, wie benn 
das Fabritweien in B. = hauptſächlich in ihren 
Händen befindet. Der Konfeffion er m die Ein- 
wohner meijt römifch-tatholiih. Die Zahl der 
Drte, die des wirklichen Städterechts find, 
beläuft fih auf 178. Das Land, größtentei er 
Gebiete der Weichjel, geringernteild im Welten dem 
der Ober und im Norboften dem Niemen an: 
gebbrig, it vorherrſchend Ebene; nur die füdl. Teile 
esjelben haben als Ausläufer der Karpaten eine 
wellige, zum Teil bergige Oberfläche, beren 
Spipe ijt die Lyfa-Gora, 627 m body. Einer 
hönften Punkte ift dajelbit das Prondni 
al, auch die Polniſche Schweiz genannt, 
allgemeinen ift das Land ganz flach, — er 
dehnte Wälder (ein Drittel der ganzen Obe ), 
uten Weizenboden und vortreffliche Wieſen. Die 
wäfterung B.8 ift im ganzen eine reichliche. Seen 
find im Norden jehr zahlreich, aber nirgends von 
bedeutendem Umfange. Die ſchiffbare el 
durchſtrömt das Land in einer Strede von 536 
und nimmt recht3 den San, Wieprz und Du. 
Narew, lint3 die Nida, Kamionna, Pilica 
Bzura auf. Die Warthe mit der Prosna im Weiten 
und der Niemen bringen als Wafjeritraßen den: 
Lande für den Binnen: und den auswärtigen Han: 
delsverlehr bedeutenden Nu 
4 iſt hauptſächlich ein aderbautreibendes Land, 
deſſen Boden neben Roggen, Gerſte, Hafer und 
—— einen vortrefflichen Weizen erzeugt und 
im Weiten und Süden ſich auch zum Anbau von 
Runfelrüben eignet. Bedeutend üt auch die Bieh- 
zucht, namentlich die — Schafe, deren 
Wolle nicht nur in den heimiſchen verar⸗ 
beitet, ſondern auch ins Ausland geführt wird. 
Auch an Waldungen ift B. noch immer reich, 
dem diejelben infolge früherer ſchlechter 
fehr we find. Die größten, meift aus 
holz eftehenden Forften liegen im Norben und 
orboften des Landes. Naubwild, wie a 
Wölfe, Luchſe, kommt in den Wäldern nur 
vereinzelt vor. Bergbau auf Eiienerze, weniger 
auf Kupfer, Zinn und Zink wird im füdl. Teile des 
Landes betrieben. Steintohlenfhihten fommen im 
füdl. Teile des Gouvernement3 Radom vor und 
gießen fi längs der preuf. und öfterr, Grenze in 
er Nähe der Eiſenbahn zwischen Siem —** 
und Slawlow hin. Die Landinduſtrie hat info 
der ftrengen Abfperrung gegen das Ausland un 
der 1. San. 1851 erfolgten Aufhebung der x 
ſchranken gegen Rußland einen ungemeinen Auf⸗ 


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Polen (geſchichtlich) 


ſhwung genommen. Die Fabrifthätigkeit iſt vor: 
ya in der Stadt und im Gouvernement War: 
bau, in Radon, Petrifau, Kaliſch und Lublin 
tonyentriert. Die Zertilinduftrie floriert beſonders 
in ch Gzerfow und Zdunska-Wola. Die Woll: 
und bejonders Tuchfabrilen verforgen nicht nur ben 
einheimmiichen Bedarf, jondern halten aud) die Kon: 
furrenz der ausländischen Fabrikate aus. Die Baum: 
wollfabrifen vermehren jih, während die Flachs 
verarbeitenden abnehmen. Von Bedeutung find 
ferner die Zuderfabriten, die für über 6 Mill. Rubel 
Ware produzieren, Bon den früher ſehr zahlreichen 
Branntweinbrennereien find jet ſehr viele infolge 
ber hohen Steuer eingegangen. Der Handwerks: 
betrieb ijt in den Stäbten in jteter Entwidelung be: 
griffen. Bedeutend ift der Handelövertehr P.s. 
Der Binnenhandel wird vorzugsweiſe auf den Jahr⸗ 
märlten zu Lenczica, Lowicz, Gerät, Widawa, 
Zdunsla-Wola, Ciechanow u. ſ. w., ſowie auf den 
jährlichen Wollmärkten zu Warihau und Kaliſch 
betrieben. Der Handel mit Rußland beiteht vor: 
3 ich im Austaufh von rufi. — und 
ai gegen poln. Sabrifate. Der Handel mit dem 
Auslande hat feinen Hauptitapelplag in Danzig. 
Zur Ausfuhr tommen hauptſächlich Getreide, na: 
mentlih Weizen, Holz, Olſamen, ferner Wolle, 
Vieh, Borſten, Roßhaare und Häute; zur Einfuhr: 
Kolonialwaren, Farbitoffe, Baummolle, Rohſeide 
und Seidenitoffe, Chemikalien, Maſchinen, Metalle, 
Metallwaren, Wein und Kochſalz. Das Unter: 
richtsweſen hat feit dem Aufitande von 1863 eine 
radifale Reform erhalten und befindet fich in be: 
er. ufihwung. In jeder Gouvernements⸗ 
adt befindet ſich ein Gymnaſium (in Warſchau 
echs). Die fruhern Kreisſchulen werden nach und 
nach in Progymnaſien verwandelt. Die Unter: 
richtsſprache in jämtlihen Schulen ift die ruſſ. 
Eprode, die gegenwärtig aud) im vu... Lande bie 
Gericht3: und Geſchäftsſprache iſt. Auch die Zahl 
der in den Dörfern angelegten Vollsſchulen, bie 
unter der jpeziellen Aufficht befonderer Bezirkaf chul⸗ 
direltoren ſtehen, iſt im ſteten len begriffen. 
Für die höhere Ausbildung jorgt die jeit 1864 aus 
ber frühern Hauptſchule gebildete warſchauer Unis 
verfität. Das are Unterrichtsweſen jteht unter 
bem Kurator bed warſchauer Lehrbezirls. Die 
Adminiftration der röm.stath. Kirche wırd von dem 
Minifterium des Innern in Petersburg aus gelei: 
tet, und der direlte Verkehr mit der röm. Kurie it 
auf das ftrengite verboten. Die griedh.: orthodore 
Kirche jteht unter dem Erzbiihof von Warſchau, die 
Griechiſch⸗Unierten unter dem Biſchof von Chelm, 
bie evang.:[uth. und die reform. Kirche unter je 
einem Generaljuperintenbenten,, der zugleih Bor: 
fißender des reſp. —— iſt. Seit 1863 hat 
B. feine eigene Verwaltung verloren. Das Land 
iſt gegenwärtig in zehn Gouvernements eingeteilt: 
Warſchau, Kielce, Kaliſch, Lomſha, Lublin, Petri: 
kau, Block, Rabom, Suwalli und Siedlee, die ihre 
eigenen Civilgouverneure haben. Die jeit 1831 
beſtehende Statthalterihaft ift 1874 aufgehoben 
und an deren Stelle ein Generalgouvernement er: 
richtet, das in Warjchau feinen Stk hat. Auch be: 
finden fih in Warſchau das neunte und her Tes 
partement des Dirigierenden Senats von Rußland. 
Das Wappen bes ehemaligen Königreichs P. war 
ein quadrierter Schild, das erjte und vierte Quadrat 
mit dem weißen gefrönten poln, Adler in rotem 
Felde wegen P., im zweiten und dritten einen 


119 


filbernen geharniichten Reiter mit goldenem Tas 
triardenfreuz und bloßem Säbel auf einem rennen: 
den filbernen Pferde mit goldenen Hufeifen und 
blauem Neitzeug in rotem Felde wegen Litauen. 
Das Herzſchild enthielt das Geſchlechtswappen de3 
Königs. Die Landesfarben waren weiß und rot. 
Geſchichte. Die Slawen, welde im 9. Jahrh. 
bie fruchtbaren Ebenen an der Weichſel innehatten 
und die unter dem gemeinfanen Namen ber Lechi— 
ten oder Laden zufammengefaht werden, teilten 
ich in mehrere Völkerſchaften. Bon dieſen hatten 
die Bolanen oder die Slawen der Ebene ihre Mohn: 
ſihe an der Warthe zwifchen der Rebe und Oder, 
die Mafovier oder Maſuren an der mittlern Weich: 
jel, die Bialohrobaten oder Weißchrobaten an 
der obern ———— die Schleſier an beiden Sei— 
ten der Oder. Im Laufe der Zeiten erlangten die 
Polanen die Obermadht unter ihren Stammgenofien 
und daber wurde ihr Name der gemeinfame Name 
der ledhitiihen Geſchlechter. Da die lechitifchen 
Slawen, wie alle Slawen, in Gemeinden zerteilt 
waren, fo mährte es auch bei ihnen lange Heit, che 
fie zu einem polit. Ganzen zuſammenwuchſen und 
in der Gejchichte Bedeutung erlangten; dod nah: 
men jie an den Kämpfen der andern Slawen mit 
den Franken in Deutichland thätigen Anteil. Die 
älteften Sagen ber Weißchrobaten ſchließen ſich an 
Krakau und deffen Umgebung an, Krakus wird als 
ein ehrmwürdiger Fürft und der Erbauer Krakaus 
genannt; feine Tochter war Wanda (ſ. d.). Tie 
älteften Sagen der Polanen fnüpfen fih an Gnejen 
und den See Goplo; als die älteften Fürſten wer: 
den Lech und ganze Fürjtenfamilien des Namens 
Leſzek und Popjel erwähnt. Nad) dem Tode des 
legten Bopjel wählten die Bolanen den Piaſt (f. d.) 
zu ihrem Fürften, mit deiien Sohne Zjemowit die 
Sage größere Veſtimmtheit erlangt. Geſchichtlich 
tritt P. zuerft im 10. Jahrh. unter dem vierten 
deriog aus dem pialtiihen Stamme Vtieciy: 
ſlaw 1. li: d.) und zwar feit 963 in einem Abhängig: 
feitöverhältnis zum röm.-deutſchen Reich hervor. 
Eein Sohn und Nadjfolger Boleflam I. Chrobry 
(j. d.) blieb zwar zur Zeit Ottos III. deſſen Bun: 
desgenoffe, doch gelang e3 ihm jpäter, nit nur 
völlige elbftändigteit zu erlangen, jondern auch 
P. —— Mittelpuntte der ſlaw. Voͤlkerſchaften zu 
erheben. Schon durd) > begannen die Jahr: 
hunderte —— währenden Kaͤmpfe zwiſchen P. 
und Rußland. Unter den folgenden Herzögen 
Mieczyſlaw II. und III. (f. d.), Kaſimir I. und II, 
(ſ. d.) Voleſlaw Il. bis V.(j.d.), Wladiflam I. bis III. 
F B): die abwechielnd regierten und denen noch 
ſzel der Weiße (1194—1227), Leſzek der Schwarze 
(1279—88) und Przemyſlaw, 1295 ermordet, einzu: 
fügen find, ſchwaͤchten wiederholte Landesteilungen 
u: infolge derjelben innere ar die Macht P.s, 
die Oberhoheit des deutſchen Kaiſers wurde wie— 
derholt anerlannt und Poinmern, Schleſien, Ma— 
ſovien fielen ab, auch wanderten viele Deutſche 
ein, die Städte mit Magdeburger Recht gründeten. 
Grit Wladiflam I. Lokjetet 6.) verband den Kern 
der lodern Ländermafie, Großpolen und Kleinpolen, 
wieder zu einem Ganzen und errang als unab: 
hängiger Herrfcher die Königswürbe, die ſich nun 
auf alle feine Nachfolger vererbte, worauf fein 
Sohn, Kafımir ILL. (f. d.), innere NH 
Ordnung in den Staat einzuführen ſuchte. Mit 
diefem erloſch 1370 der piaſtiſche Mannsſtamm. 
Die Bereinigung P.s mit Ungarn unter Kaſimirs 


120 


Schweſterſohn, Ludwig 6 d.) 1370—82, warb mit 
defien Tod wieber aufgelöft. Bon weſentlicher Be: 
deutung Dingegen und folgenreich war die Verbin: 
dung P.s mit Litauen, als die Tochter Ludwigs, 
edwig (. d.), 1386 mit dem Groffürften von 
itauen, Yagello (f. d.), fi vermählte, Mit ihm 
tamen die Jagellonen (ſ. d.) auf den poln. Thron. 
Unter biefer ** insbeſondere unter Gi: 
ismund I. und II., warb P., zumal der litaui— 
che Adel jeit 1569 mit dem von Groß: und Allein: 
olen Eine VBerfammlung bildete, der mädhtigfte 
taat im öftl. Europa. Es hatteeinen Flächenraum 
von etwa 1 Mill, gkm, worauf etwa 35 Mil, E. 
wohnten, die, beherrſcht von über 100000 adeligen 
Familien, der Schlachta, der ——— der Top. e⸗ 
ublik P. ebenſo wenig teilhaftig wurden als der 
chtbarkeit ihres Bodens. Die Reichsverfaſſung 
S war eine durch Vorrechte des Adels beſchranlte 
onarchie. (Bol. Hüppe, Verfaſſung der Republit 
PB», Berl. 1867.) Zur Grlangung der Könige: 
würde war feit 1386 die libertragung von feiten 
be3 Adels erforderlich, doch geitaltete ſich P. erft 
1572 zu einem förmlichen Wahlreihe. Zur Königs: 
meh hate der Erzbifchof von Gnefen als Interrex 
und Primas des Neichs einen Reichetag zu berufen, 
welcher auf einem bei dem Date Wola öftlih von 
Warſchau gelegenen Felde abgehalten wurde. Die: 
Ir ward mit Öraben und Wall umgeben und ent: 
ielt ein großes hölgernes Gebäude, Szopa genannt, 
in welchem der Senat feine Sißungen hatte, welcher 
aus den Biihöfen, Wojwoben, höchſten Staats: 
beamten und Rajtellanen, bie fänıtlich dem einge: 
borenen Adel angehören mußten, beftand, mit ihm 
die von den Landtagen und den Städten gewählten 
Sandboten. Unter freiem Himmel ringsum ver: 
fammelte ſich bewaffnet die große Maſſe des niedern 
Adels, oft 100000 Dann, nah Wojwodſchaften 
geteilt. Hatte der Senat fid) für einen Kronkandi— 
daten entjchieden, fo galt diefer für gewählt, wenn 
der Abel feine Prollamierung durch den Reichstags: 
marſchall mit zgoda 8 i. einverſtanden) begrüßte; 
fpaltete man mi in Barteien, fo hatte das oftmals 
blutige Kämpfe zur Folge. Die Bevollmächtigten 
des Gewählten unterfchrieben darauf die Pacta 
conventa, d.i. Die vom ern aufgejegte Wahl: 
fapitulation, welche die Macht des Königs fehr be: 
Ichränfte, Dann erfolgte auf einem neuen Reichs⸗ 
tage durch den Erzbifchof von Gnefen die Krönung 
des Königs in Stralau, welcher dort jelbit die Pacta 
conventa beihwor. Die gewöhnlichen Neichstage, 
—* über Geſehe zu beſchließen, über Krieg und 
Frieden zu beftimmen, auch Recht zu fprechen hatten, 
wurden alle zwei Jahre, anfangs in Petrilau, feit 
1569 in Warſchau und feit 1673 das je dritte mal 
in Grodno gehalten. Zu ihnen gehörten ber König 
der Senat und die von jedem Landdiſtrikt zu zwei 
gewählten abeligen Landboten. Die Neichstage 
blieben aber im 17. und 18. Jahrh. faft alle erfolg: 
los, weil jedem einzelnen Qandboten da8 Liberum 
veto zufam, fraft deſſen er durch feine Proteftation 
«nie pozwalam» (das erlaube ich nicht) ſämtliche 
Beſchluſſe des Reichstags annullieren und den 
Rei tag ezerreißen» konnte. Dazu famen noch 
die gefehlich geftatteten Konföderationen, d. i. Ver: 
bindungen von Adeligen, die ihre Beitrebungen 
ewaltiam durchzuſehen fuchten und auf dieje Weife 
Bürgerkriege verurjadhten. Den bei der weitern 
Verbreitung der Reformation gefürchteten religiös 
fen Steeitigleiten wurde dadurch vorgebeugt, daß 


Polen (geſchichtlich) 


bie Diffidenten durch den Religionsfrieben von 1573 
gleiche Rechte mit ben Katholiken erlangten. 
Mit Sigismund IL ftarb der jagellonitche Stamm 
aus, Heinrih von Anjou (f. Heinrich ILL., König 
von Frankreich), 1573 zum König von B. erwäßlt, 
beihmwor 1574 die erften Pacta conventa, Als er, 
um ben franz. Thron zu befteigen, nad) viermonat: 
licher Regierung heimlich entflohen war, wurde 
1575 Stephan Bathori i .b.) ald König erwählt. 
Vach defien Tode 1586 e olgte bie Wahl des ſchwed. 
Prinzen Sigismund IIL. (f. d.), der die beiden erſten 
nordischen Kronen zuvereinigenfuchte. Aber Schwe: 
ben riß fich bald von dieſer Verbindung los, und 
infolge deſſen entbrannte ein langwieriger Krieg 
zwiichen P. und Schweden, ber eritdurd; den Frieden 
von Dliva 1660 beendigt wurbe; P. verlor darin 
Livland und 1657 bie gehnsbohe über das Herzog: 
tum Preußen. Auf den ſchwachen Sigismund IIl., 
mit bem ug ‚8 begann, 1580—1632, 
waren inzwiſchen defien Söhne Wiadiflaw IV. 
(.d.), 1632—48, und Johann IL. Kaſimir (f. d.), 
1648—72, gefolgt. Unter legterm löfte ei Ins 
nern ber lodere Zuſammenhang ber polit. Mafje in 
Anarchie auf und es fam zu vollftändigen Bürger: 
friegen. Religiöie und polit. Unterdrüdung veran: 
labte den Abfall der Koſalen, die fi 1654 unter 
Chmelnizli empörten und unter Rußlands Schub 
begaben, worauf auch Smolenst, Kiew und das 
Land öltlih vom Dnjepr_1667, im 18jährigen 
Waffenftillitande zu Andruffow, an Rußland abge: 
treten wurden. Na * Kafimirs Abdanku 
—— der niedere Adel die Wahl Michaels (f. d. 
urch. Sein Nadfolger, Johann Eobiefti (f. d.), 
1674—96, beitätigte jene Abtretungen an Rubland 
in dem Frieden von 1686. Nach feinem Tode ſchien 
der Thron dem Meiftbietenden zuzufallen, jede Groß⸗ 
macht erfaufte fich für ihren Thronfandidaten eine 
Partei des Adels. Als der Kurfürft von Sachſen, 
Auguft II. (f. d.), fi gegen den franz. Prinzen 
Eonti behauptete und an Peter I. von Rußland 
anſchloß, wurde P. in den Norbiichen Krieg (f. d. 
verwidelt. Unter den fiegreihen Waffen Karla XII. 
entjeßte der poln. Reichstag 1704 Au Ar bes 
Throns und wählte Staniflam Leſze uff j.d.) zum 
Könige, der aber ſchon 1709 die Kedne an jenen 
zurüdgeben mußte, Nah Auguſts IL Tode 1733 
verſuchte Staniflam mit franz. ———— 
Thron wiederzugewinnen, aber mit Hilfe Rußlands 
und Oſterreichs erlangte Auguſt III..d.), 1733 63 
die poln. Krone. Unter au II. waren 1717 die 
Nechte der Diffidenten befhränft und 1724 das Blut: 
gericht zu Thorn vollzogen worden, Endlich ſchloß 
man auf den Neichötagen von 1733 und 1736 bie 
Dijjidenten von den Stellen der Landboten und von 
allen öffentlichen Umtern aus. P. blieb in jeder 
Beziehung unter dem Niveau europ, Bildung. 
Während bed Siebenjährigen Kriegs durchzogen 
ruf. und preuß. Truppen ungehindert das Yand 
mit Bedrüdung der Einwohner. Nah dem Tobe 
Auguſts ILL. ward durch die Bemühungen ber Kai⸗ 
ferin Katharina ll. die Wahl des Grafen Staniilam 
Auguft (ſ. d.) Poniatowſti, 1764, zum König 
von P. durcdhgefeht. Als Nukland fih_darauf der 
Sade der Dijfidenten annahm, u ſich die Kon⸗ 
föderation zu Bar (ſ. d.), welche P. in die wildeſte 
Unordnung brachte. — Heere beſehten und 
verwüſteten das Land, und die innere Zerruttung 
war jo vollitändig, daß die drei großen Nadbar: 
mädte, wie Katharina II. ſich ausprüdte, P. für 


Polen (geſchichtlich) 


ein Land hielten, in bem man ſich nur büden dürfe, 
um etwa3 aufzuheben. 
Da —* es dem öſterr. Hofe zeitgemäß, das 
Zipfer Komitat, weldhes 1402 von Ungarn an P. 
ändet worden war, wieder in Beſih au nehmen; 
2. dadurch den beiden andern Nachbarn, Ruß: 
und Preußen, den willlommenen Borwand, die 
lange beabfichtigte Teilung vorzunehmen. Die drei 
Mächte ſchloſſen 5. Aug. 1772 darüber einen Ver: 
trag, und die Republik P. genehmigte 18. Sept. 
1773 die fchon volliogene Teilung (erite Zei: 
lung), durch welheßß. vonden 751000 qkm, die e3 
damals nod) er gegen 214000 verlor. Diter: 
reich erhielt die Grafſchaft Zins, die Hälfte der Woj: 
wobihaft Kralau, einen Zeil der Wojwodidaft San: 
domir, die ee t Lemberg, das Land Halicz, 
die Wowodſchaft Belz und den weſtlichſten Teil von 
obolien, zuſammen 70480 qkın mit 2700000 G.; 
n ganz Bolnijch : Preußen, mit Ausnahme 
von Danzig und Thorn, und den — zu⸗ 
ſammen 34 745 qkm mit 416000 E. Rußland das 
poln. Livland, die 35* der Wojwodſchaft Polozk, 
die Wojwodſchaften Witepsl und Mitiilam und 
einen Teil von Minst, zufammen 108750 qkm mit 
1800000 E. Auch der liberreit P.s jtand von jeht 
an vollitändig unter dem ruf. Einfluffe. Allerdings 
begann nunmehr eine patriotiihe Partei an der 
Wiederherſtellung P.s zu arbeiten, und unter dem 
Eindrud der Vorgänge in Frantreih kam aud in 
P. Bene erfaflungareforn u Stande. Das Wahl: 
reich follte au — und der dritte Stand in die 
Nationalrepräfentation aufgenommen werben. 
Died waren die Grundlagen der Konititution vom 
3. Mai 1791. Aber Rubland — ſie und fand 
ndete an einem Teil des poln. Adels, der zu 
Targowig (j. d.) eine tonföderation gegen die be: 
reit3 vom Neihötage angenommene Konjtitution 
a atte. Hierauf verließ Preußen die 
- der Republik und willigte 4. Jan. 1793 in 
eine zweite Seilang P.s. Nubland befam 
2350700 qkm mit 3 Mill. E., die Nejte der Woj- 
wodihaften Polozt und Minst, die Hälfte der 
Voiwodſchaften Nowgorodel und Brzesc, ben öſtl. 
renzitri Wojwodſchaft Wilna, die Ulraine 
En. ojwodſchaften Kiew und Braclaw), Podo: 
ien und die öftl. Hälfte Volhyniens; Preußen 
58370 qkm mit 1100000 G., die Wojwodſchaf— 
ten Poſen, Kaliih, Sieradz, Lenczic und halb 
Rama, nebit Danzig und eg die Hälfte der 
eier — das Ländchen Dobrzyn, die 
Bojwodihart Plock, das Land Wielun und die 
Feltung Ezenftohau. Preußen bildete daraus die 
neue Provinz Südpreußen (ſ. d.), Mit Gewalt 
wurden von rufj. Seite die Pr ſolche Behandlung 
empörten Mitglieder des Rei * zu Grobno 
genötigt, die HZerftüdelung ihres 
—— a erhob ſich Koſciuſzko (j. d.) an 
pipe der Konföderation von Sirafau, März 
794, zum Kampfe für Vaterland und — 
Doch es war zu ſpaͤt. Ohne Feſtungen, ohne Tat: 
tif, ohne Bundesgenofien, ja ohne Waffen, mußte 
bie Nation gegen Nufien, Preußen und Öfterreicher 
nad) dem Tage von Maciejowice, 10. Dit., und nad 
dem Falle von Braga, 1. Nov. 1794 unterliegen. 
Hierauf ward durch Traltat vom 24. Olt. 1795 die 
dritte Teilung P.3 endgültig geregelt und P. 
aus der Be ber Staaten geitrihen. Rußland 
erhielt 1117 ‚gkm mit fajt 1200000 E., Preußen 
54898 qkm mit beinahe 1 Mill, E. und Öfterreich 


aterlande3 zu 


:1815 nad) dem Muſter der franz. Charte erließ 


121 


45922 qkm mit mehr al3 1 Mill, E. Staniilam 
Auguſt erbielt ein Gnadengehalt, das er in Peters: 
burg, — mußte, wo er 1798 ſtarb. 

‚ Die Ausbreitung der Napoleoniichen Macht, für 
die eine poln. Legion unter Dombroffi (f. d.) ge: 
ftritten, gab einem Zeile von P. wieder eine fein: 
bare nationale Grijtenz. Aus dem Tilfiter Frieden 
und den Abtretungen Preußens ging 1807 das 
a tum Warfjchau (i.d.) hervor, welches in 

önig —* Auguft (ſ. d.) von Sachſen ſeinen 
Regenten erhielt und nach — einbündiichen 
Grundjäken organifiert ward. Der Wiener Friede 
(Oft. 1809) vergrößerte das Herzogtum durch die 
Grwerbung von Neugalizien, und e3 erwachte die 
Hoffnung, Napoleon werde mit der Wiederher: 
jtellung B.3 Ernft machen. Wie unbegründet dieje 
Erwartung war, erwies fich im Feldzuge von 1812, 
indem Napoleon nur Soldaten aus P. ziehen wollte 
und an eine Entflammmmg des Nationalgeijtes nicht 
dachte. Das Herzoptum Warſchau fand durd) die 
Kataftrophe von 1812 fein raſches Ende. Nach der 
Beltimmung des Kongrefies zu Wien follte fortan 
die Stadt Kralau mit ihrem Gebiet eine jelbjtändige 
Republik bilden, der 1810 an Rußland abgetretene 
Zarnopoler Kreis an das öjterr. Königreid Gali: 
zien zurüdfallen, der — und Michelauiſche 
Kreis, Thorn mit ſeinem Gebiete, ferner Poſen und 
Teile von Kaliſch unter dem Namen eines Groß— 
herzogtums Poſen an Preußen abgetreten werden, 
alles übrige aber mit dem Ruſſiſchen Reiche als 
Königreich Polen in der Weiſe vereinigt wers 
den, daß feine territoriale Ausdehnung von Cr: 
meſſen des Kaiſers abhing, feine Verwaltung aber 
von der ruſſiſchen gefondert jein follte. 

Gine Verfaſſung, die Kaiſer Alerander I. 27. Nov. 
ver: 
ſprach den Polen eine aus zwei Kammern beitehende 
Landesvertretung und eine eigene aeg N 
die in Abwefenheit des Zaren ein Statthalter fü 
ren follte. Griter Vizefönig war General Zajonczet; 
ihm ftanden aber ein rufj. Kommiſſar, dem nament: 
lich die geheime Polizei übergeben war, und ein 
ruſſ. Milttärgouverneur — wurde 

ei 


= 


27. März 1818 der erfte Reichstag eröffnet, aber es 
ofienbarte fich bald, wie e3 mit dem fonjtitutionellen 
Leben in P. wenig auf fi haben ſollte. Durd 
die nulabehe zur Konſtitution (Febr. 1825) ward 
die Prepireiheit beſchranlt und die zweijährige Perio: 
dicität und Effentlichkeit der Reichstagsverhand— 
(ungen aufgehoben. Der Tod des Kaiſers Alerander 
verihlimmerte das Verhältnis. Der Einfluß des 
ruffiſchen Militärgouverneurs, des gewaltthätigen 
— Konſtantin wurde unbeſchränkter und 
nad) Yaionczet3 Tode (1826) die Statthalterſchaft 
nicht mehr beſeht. Unter dieſen Verhältnifien ge: 
wann der Gedante, die rufi. Herrichaft abzuichüt: 
teln, immer mehr und mehr Anhänger im Lande. 
— Verbindungen unter der Jugend, im Heere, 
ahlreiche litterariſche Vereine u. |. w. waren die 
—2*— jener Idee oder lamen ihr durch Erwedung 
des poln. Nationalgeiftes zu Hilfe. Unter den Ge: 
lehrten war e3 namentlich Lelewel (f. d.), unter den 
Dichtern Mickierwicz (f. d.), welche die Pflege dieſer 
nationalen Oppofition auf dem geiltigen Gebiet 
leiteten. Nach der peterSburger — vom 
Dez. 1825 lam die Regierung auch dieſen poln. Ge— 
heimgeſellſchaften auf die Spur, und mehrere Hun—⸗ 
derte von Teilnehmern wurden verhaftet und auf 
Hochverrat angeklagt. Nikolaus I. wies die Ent 


122 


Polen (geſchichtlich) 


ſcheidung fiber die Civilperfonen an den Senat, der | 27. April auf öfterr. Gebiete eine Zuflucht ſuchen. 


fie zum Mißvergnügen des Zaren fait ſämtlich jrei- 
iprad) (17. Nov. 1828). Alle diefe Vorgänge hat: 
ten die Gärung zu einer Höhe gefteigert, von der 
auch der im Mai 1830 eröffnete lehte Reichstag 
— gab. Hierzu kdamen noch die aufregenden 
Nachrichten von den gelungenen Revolutionen in 
ep Belgien u. f. w, So brad) 29. Nov. 
1830 die Inſurrektion in Warſchau aus, Ein Häuf: 
fein Alademiker und Fähnriche überfiel am Abend 
das Belvedere, die Nefidenz des Großfürften, und 
diefer verlich mit einem Zeile der Truppen (die 
andern waren übergegangen) die Hauptſtadt. Bis 
zum 13. Dez. 1830 hatten die Rufen das König: 
reih P. vollitändig geräumt, und das ganze Land 
erflärte fich einmütig für die Bewegung. 

Die Nevolution war ein gelungener Handſtreich, 
in ber — aa mie unternommen, und zu 
einem Kampfe, wie er bevorftand, nichts vorbereitet. 
Nur zeigten fi die Ruſſen ebenfo wenig gerüſtet 
und gewährten dadurch der Bewegung Zeit, ſich in 
ihrer ganzen Macht zu entfalten. Zunäcit nahın 
die Ariſtokratie in $ die Gewalt an fih. Ten 
Oberbefehl über die Armee erhielt General Chlo: 
pic (f. d.); auch ward eine proviforische Negierung 
unter dem Vorſihe des Füriten Adam Czartoryſti 
j.d.) beftellt, zu welcher man, ber beraten 

artei zu Liebe, Lelewel hinzugezogen hatte. Schon 
jept aber zeigte ſich der Imelpalt ber Parteien. 
Während die Demokraten offenen Brud mit Ruß: 
land wollten, dachten die ats und nament- 
ih Chlopicki an eine friedliche Ausgleihung mit 
bem Baren. In diefem Sinne jendete man eine 
Gefandtichaft nad) Petersburg und ſcheute ſich, die 
äuferfte revolutionäre Energie zu entfalten, Es 
verjtrich eine kojtbare Zeit, in der Rußland ſich rü: 
ftete, und dann erteilte der Zar der Gefandtidhaft 
einen Beſcheid, ber or} unbedingte Unterwerfung 
lautete, lopicki, welcher —* die Diktatur 
in die Hand genommen und der Agitation ber de: 
mofratiihen Partei ſchroff entgegentrat, ſah mit 
dem Sceitern der Verhandlungen in Peteröburg 
feinen Plan vereitelt; er legte feine Stelle nieder, 
und Fürft Michael Nadziwill ward zum Oberbefehls⸗ 

ber des Heers gewählt. Nunmehr Tag ber feit 

ezember verfammelte Reichstag 25. Yan. 1831 die 
Abtepun des Haufes Romanomw vom poln. Throne 
aus, Neun Tage darauf erklärte ber Reichstag, 
dab er aud) die — Provinzen unter ſeinen 
Schuß nehme, und defretierte 3. Febr. deren Wie: 
dervereinigung mit dem Königreiche P. Aber unter: 
bes war der ruſſ. Feldmarſchall Diebitich (f. d.) mit 
120000 Mann und 400 Kanonen über den Bug ge: 
rüdt, und drang gegen Warſchau vor. Dom 14, 
Ken: an folgte E t auf Sefedt. Nachdem die 

ereinigung ber verſchiedenen ruſſ. Armeekorps 
teoß aller Hinderniſſe bewerlſtelligt worden, lam es 
25. Febr. zu einer —— Hauptſchlacht bei Gro⸗ 
chow. Nach tapferſter Gegenwehr mußien die * 
len ſich über die Weichſel nah Warſchau zurüdziehen 
und hielten auf dem rechten Ufer nur nod den 
Brüdenlopf von Braga bejegt. Radziwill legte das 
Kommando nieder und erhielt zum Nachfolger den 
General Skrzynecki, der demnächſt mehrere Heinere 
Erfolge hatte. Auch ward General Dwernicki mit 
einem —— entſendet, um im Nüden der 
ruf. Armee die ehemals poln. Südprovinzen (Vol: 
hynien, Podolien, Utraine) zu injurgieren; aber 
biefe Erpedition mißlang, und Dwernicki mußte 


Die Hauptarmeen ftanden ſich unterdes wochenlang 
beobadhtend gegenüber, bis 26. Mai eine zweite 
Hauptichlacht bei Ditrolenka (f. d.) erfolgte, ohne 
eigentlich entſcheidendes Reſultat. Allerdings tra: 
ten die Polen, die bier den größten Teil ibrer Kern— 
truppen verloren, fofort den Rüd;ug nah Warſchau 
an; aber aud) die Ruſſen hatten jehr gelitten und 
mwagten keine Verfolgung. Zu der beiderjeitigen 
Erihöpfung fam nuä der Ausbruch der Cholera, 
die in P. auf die furdtbarfte Weiſe wütete und im 
Juni auch Diebitid und den Großfürſten Konftan- 
tin — raffte. So fand abermals eine längere 
Waffenruhe jtatt, die nur Durch eine zum Teil rühm- 
liche, aber ganz erfolglofe poln. Erpedition nad) Li⸗ 
tauen, unter yührung der Generale Gielgud und 
Dembinfli, gejtört ward. Inzwiſchen waren die 
diplomatif: en Agenten der warichauer Regierung 
überall im Auslande bemüht, für B. Unterjtügung 
nachzuſuchen; aber fie fanden nur unfruchtbare 
Sympathien. Selbft Frankreich und England lehn: 
ten jede ernitliche — ab und überließen 
P. ſeinem Schidſal. 
Der neue Befehlshaber der ruſſ. Armee, Paslie⸗ 
witſch (j. d.), zog nunmehr die Weichſel ſtromab⸗ 
wärts und bewerkſtelligte 27. bis 29. Juli den 
Weichſeluübergang bei Wroclawel, unweit der preuß. 
Grenze; dann rüdte er auf dem linlen Ufer lang: 
—— egen das auf dieſer Seite ſchlecht befeſtigte 
* vor. Da Skrzynecki eine Schlacht an: 
unehmen zögerte, warb er (10. Aug.) des Ober: 
eſehls entſeßt und Dembinſtki zu defien Nachfolger 
ernannt; aber aud) dieſer mied die Schlacht und zog 
fh auf Warſchau zurüd, Unter dem Eindrude 
diefer Vorgänge erfolgten dort die blutigen Scenen 
der Nacht vom 15. zum 16. Aug. Mehrere gefan: 
ene Generale, des Berrats bezichtigt, wurden aus 
en Gefängniflen gerifjen und ermordet; aud an 
gamı Unfhuldigen ward die Wut des Pöbels geübt. 
ie Regierung, an deren Spibe nod) immer Fürſt 
Gzartoryjli ftand, dankte ab und der Reichstag er: 
nannte 17. Aug. General Arulowiecki zum Regie: 
pierungäpekg ben en alte General Malachowſti 
n DOberbefehl über das Heer erhielt. Nunmehr 
wurden zwei poln, Armeelorps betadjiert, um dem 
—* die Verbindungen abzuſchneiden. Doch 
asliewitſch ließ ſich durch dieſe Flankenbewegungen 
nicht irremachen und rüdte mit ſeiner ganzen Macht 
gegen Warſchau vor. Am 6. und 7. Sept. ſtürm⸗ 
ten die Rufen die Stadt; die Polen leijteten ver: 
zweifelten Widerftand, aber bie Übermadt war zu 
groß, Da ſchloß Krukowiecki 7. Sept. morgens 
eine Kapitulation any 1 ber — P. 
unter Ausbedingung einer Amneſtie ſich unterwarf. 
Allein der Reihstag wollte dieſen Vertrag nicht 
genehmigen, worauf Krukowiecki abdankte und Nie: 
ber erg ee wurde.. Diejer Schloß 
am Abend de3 7. Sept. eine bloß militäriiche Stapi: 
tulation, wodurd Warſchau und Braga den Rufien 
übergeben wurden; dagegen erhielten die poln. Ne: 
gierung ug en und Armee freien Abzug nad 
der Feſtung Modlin. Es war bie ut ‚ben 
Kampf noch weiter fortzufegen. General Rybiniti 
übernahm das DOberlommando und verfudhte alle 
oln. Streitträfte bei Moblin zu konzentrieren. 
Aber die detadhierten poln. Korps waren bereits 
von den Ruſſen abgeſchnitten und wurden bald über 
die Grenze nad) Galizien und tralau gedrängt. Bon 
Modlin aus wurden nochmals Unterhandlungen mit 


Polen (geſchichtlich) 


Dastiewitih angelnüpft; diefer forderte unbebingte 
Unterwerfung und Gibesleiftung für den « Hailer» 
Nitolaus, Lieber aber gingen die ‘Polen in die Ver: 
bannung. Der Rüchzug ward von Modlin über 
Block nach der preuß. Grenze fortgefegt. Am 
25. Sept. traten Regierung und Reichstag hinüber, 
5. Ott. folgte Rybinſti mit der Hauptarmee, worauf 
auch die lebten polr. Feſtungen Modlin und Zamosec 
(9. umd 24. Dit.) fi den Auſſen ergaben. 

Die Konititutien von 1815 wurde num aufgeho: 
ben, die angeiehenen Teilnehmer des Aufftandes 


nad) Sibirien geſchidt oder zum militäriichen Straf: | 


dienfte verurteilt, zahlreihe Konſislationen vor: 
genommen, die Univerfitäten Warſchau und Rilna 
aufgehoben , die obern Klaſſen der Gymmaften und 
bes Kadettenhauſes zu Kalijch aufgelöſt, deſen Zög— 
linge in ruſſ. Militärfchulen verſeht, die volu. Sol: 
baten in bie rufl. Armee eingereiht. Die Amneftie, 
die 1. Nov. 1831 verlündigt wurde, enthielt zahl: 
reihe Ausnahmen. An die Stelle ber Verfaſung 
trat das Organiſche Statut vom 14. (26,) Febr. 
1852. Dasſelbe hob den Reichstag auf und erjehte 
ibn durch einen Staatsrat, deſſen Mitglieder der 
Kaijer ernannte und die nicht geborene Polen zu 
jein brauchten. Die Steuern wurden nad) dem für 
das übrige Rukland geltenden Maßitabe geordnet. 
Die oberfte Leitung der Verwaltung, früher von 
verantwortlicen Miniſtern geführt, wurde einem 
Adminiftrationdrate übertragen, der unter bem 
Statthalter Pasliewitſch ftand. Cine andere Be: 
ftinmung fügte hinzu, dab bei dem Verfahren gegen 
Staatäverbredher die in Rußland geltenden Verord⸗ 
nungen zu Grunde liegen follten. Mit diefem Sy: 
fteme eng verbunden war die Strenge polizeilicher 
Überwadung, die Abi wg. bes Landes vom 
Verkehr mit dem Auslande, die Hemmung jeder 
nicht ruſſ. Thätigkeit in der Vrefie. Einzelne aben: 
teuerliche Verſuche (1833), neue Aufitände hervor: 
en, fteigerten nur bie polizeiliche Wachfamteit. 
ugleih trat immer unverhüllter der Plan hervor, 
. zu ruffifizieren. Die ver Krone zugefallenen 
Güter der Emigrierten wurden ald Majorate an 
Rufen verliehen und follten nur auf Nachlommen 
otiech. Glaubens vererbt werden dürfen. So wurde 
mitten in P. eine rufl. Ariftofratie begründet und 
ber Anfang gemadıt, ber griech. Religion Cingan 
ind Königreich zu verſchafſen. Nah dem Schul— 
lane von 1833 jollte die poln. Jugend vor allem 
uſſiſch lernen und ins ruſſ. Wejen eingeführt wer: 
ben. Die alten Lehranſtalten wurden in dieſem 
inne umgeftaltet, die frübern Lehranſtalten befei- 
tigt und neue eingeführt. Niemand jollte auf rufl. 
Univerfitäten zugelafjen werden, fein poln. Edel 
mann ind Wilitär eintreten fönnen, überhaupt feit 
1840 niemand ein öffentliches Amt erhalten, der 
nicht der rufj. Sprache ganz mächtig jei. Die Woj- 
wodihaften wurden in Gubernien umgewandelt. 
Das poln. Munzweſen wurde durch einen Ukas von 
1842 auf den ruff. Fuß geiebt und überhaupt bis 
auf den Namen die Umwandlung der poln, Ver: 
bältnifje ins Ruſſiſche konſequent durchgeführt, 
Indeſſen blieb die Emigration, die freilich in ber 
nnung bie alte poln. Uneinigkeit darftellte, 
unermübet thätig, eine neue Erhebung vorzuberei: 


ten. Vorzugsweiſe war e3 die demokratische Partei | Eifer dem poln. Reorganifationsprojelte. 


| 


[2] 
25 


Gnejen gefangen, viele Verdächtige in Poſen und 
Weſtpreußen wurden verhaftet. Gin in der Nacht 
vom 2. zum 3. Mär; von Kurnik aus gemachter 
Verfud zur fberrumpelung der deftung Poſen 
mißlang, ebenfo wurde in Ruſſiſch-Polen ber zu 
SiedlceunternommeneRevolutionsverfuch vereitelt. 
Bedeutender ſchien ſich der Aufitand in Kralau zu 
entwideln, wo Tyſſowſti als Diktator die Leitung 
der Dinge übernommen hatte, Doch fahen fich die 
Wſurgenten ſchon nad) zehn Tagen — die 
Stadt in der Nacht vom 2. zum 3. März zu ver: 
lafjen, und tags darauf ergaben fie fich den Preu: 
ben. Höchſt tragiich geftaltete ſich der Aufitand in 
Galizien. Statt jih vom Adel zum Aufitande fort: 
reißen zu lafien, erhob ſich da3 durch die Fronen ge: 
drüdte Landvoll gegen die Edelleute jelbft. Es 
rotteten fi in den Kreiſen Tarnow, Jaslo, San: 
decz und Rzeſzow gan Haufen von Bauern unter 
Führung des Jakob Szela — überfielen die 
Edelhöfe, brannten und plünderten,, und mordeten 
Hunderte von adeligen Gutsbeſihern. Krakau ver: 
lor infolge des Aufſtandes, vermöge einer Berab: 
redung ber öftl. Mächte, feine Unabhängigkeit und 
sing im Nov. 1846 an Bfterreich über. 
urch die Revolution von 1848 erhielt bie kaum 
beihwictigte Bewegung in P. einen neuen Anitof;. 
Die poln, Emigration verflocht fi aufs innigite in 
bie revolutionären Erſchũtterungen diejes Jahres. 
In Frankreich, Deutichland, Ftalien, überall tauch— 
ten poln. Revolutionäre auf. In Ruſſiſch-Polen, 
wo bie —— am beſten gegen einen gewalts 
famen Schlag gerüftet war und mädtige Militär— 
mafjen ftanden, regten ji) bie alten Wuͤnſche, und 
e3 ging, freilid vergeblih, eine Deputation nad) 
Petersburg, um die ne ne Ta Zuſtan⸗ 
des von 1815 * verlangen. In Kralau ward 
gleich nach dem Ausbruch der wiener Märzrevolution 
von 1848 eine Amneſtie verfündigt, Raſch ftröm: 
ten nun Gmifläre und ————— nach dem 
öſterr. P., und als die Behörden dem weitern Zu: 
ſtrömen wehren wollten, ya April eine Be: 
wegung los, die nur nad beftigem Kampf unter: 
drüdt ward. Die Regierun huchte durd) das Ber: 
ſprechen, die Roboten auf Staatstoften abzulöfen, 
und durch Verkündigung einer neuen Amneftie die 
Berubigung berzuitellen. In Preußen waren in: 
folge der berliner Märzrevolution die gefangenen 
Führer der Polenverfhwörung von 1846 befreit 
worden, und eine poln. Deputation, die um natio: 
nale NReorganijation Poſens petitionierte, erhielt 
die Verheikung, daß ihr Verlangen erfüllt werden 
follte. Kaum war diefe der beutichen Bevöllerung 
nichts weniger als erwunſchte Verheißung gemacht, 
als ſich im öftl. Teile des Großherzogtum bewafi: 
nete poln. Haufen ſammelten und an veridiedenen 
Orten Widerftand gegen die preuß. Behörden und 
Truppen verjuchten, Die preuß. Regierung fandte 
den General Willifen als Kommiſſar nah Poſen, 
der ein Abkommen mit, den Aufitändiigen trai, 
wonad die Wünfche nationaler Reorganitation er: 
füllt, aber > der — Widerſtand aufge—⸗ 
eben werben ſollte. Doch die Polen fuhren fort, 
I zu bewaffnen; die deutſche Bevölkerung aber 
widerftrebte mit allen legalen Mitteln und air nie 
Sine 


in Baris, welche in diejem Sinne wirkte. Zwiſchen Lönigl. Kabinettsordre von 26. April 1848 ſchied 
bem 17. und 21. Febr. 1846 jollte die Erhebung | das Gebiet des Großherzontums in ein öftliches, zur 


—— Aber der zum Lenker des poln. Auf⸗ 


voln. Reorganiſation beſtimmtes, welches eigene 


andes beſtimmte Mieroflamjti (f. d.) ward bei konſtitutionelle Verfaſſung, nationalen Schulunters 


124 


richt, Gerichtöverfaflung und Abminiftration eu 
ten follte, und in ein weſtliches, mit der Feſtung Po: 
fen, welches zur Aufnahme in den Deutichen Bund 
bejtimmt war. Indeſſen dauerten die Ne 
rischen Bewegungen foit, bis General fuel Mitte 
Mai 1848 dem Aufitande ein Ende madıte. Die 
Volitit der Reftauration machte 1850 alle Zugeltänd: 
nie an die Bolen wieder — In Ruſſiſch⸗ 
Polen ſchritt die Politik der Ginverleibung rüdjicht?: 
los fort, und 1850 fiel auch die Zolllinie zwiſchen 
P. und Rußland. In Oſterreich ward 1850 und 
1851 die Oejamtitaatspolitit auch auf Galizien ans 
— und das Land auf öfterr. Fuß organiſiert. 
ie poln. Emigration ſuchte und fand in ben ungar. 
Stämpfen von 1848 und 1849 einen neuen Schauplah 
ihrer —— aber im eigenen Heimatlande hatte 
das poln. Element ũberall an Terrain verloren. 
Das nãchſte Jahrzehnt war der poln. National: 

fache keineswegs günftiger. Die Hoffnungen, melde 
die poln. Emigration an bie Thronbeiteigung Napo: 
leons III. —— erwiejen ſich ſchon während des 
Orientkriegs als ragen: m Großherzogtum 
Poſen jchritt das Deutſchtum dur feine wirt: 
fhaftlie Überlegenheit zwar langſam, aber un: 
aufbaltiam vorwärts. Im ruſſ. Königreih P., mo 
nad Pasliewitſchs Tode Fürtt Michael ortichn: 
tow als Statthalter fungierte (Febr. 1856 bis Mai 
1861), trat jeit der Thronbejteigung Aleranders II. 
eine weientlihe Milderung des Regierungsſyſtems 
ein. Zunächſt konzentrierte ſich das öſſentliche Le: 
ben B.3 in dem großen Landwirtſchaftlichen Berein 
zu Waridau unter Borfig des Grafen Andreas 
Zamoyſti, der an 5000 Mitglieder zählte und ſich 
beionderd mit Hebung des Bauernitandes beichäf: 
tigte. Die Bauern hatten zur Zeit des Herzogtums 
Warſchau durd die Napoleoniihe Geſeßgebung 
allerdings die perjönlide freiheit erhalten, aber 
durch das Verhältnis der Zeitpacht mit Frondienſten 
waren fie ganz von dem Grundadel abhän p ge: 
blieben. Seht, wo aud in Rußland bie Aufbe ung 
der Leibeigenihaft verhandelt wurbe, ſuchte ber 
Sandivirtichaftliche Verein die wohlmollenden Ab; 
fichten des Kaiſers Alerander II. noch zu überbieten. 
Dieje Verhandlungen veranlahten jedod eine neue 
Aufregung, welche die ruf. Behörden mit Miß— 
trauen beobachteten, und die poln. Gmigration 
ſchürte das euer, Dazu kam, dab in Galizien 
durd da3 öjterr, Dftoberdiplom von 1860 neue 
Hofinungen gewedt waren. Die Bolen in Galizien 
forderten geradezu eine faſt vollitändige Autonomie 
und national:poln. Neorganijation diejes öiterr. 
Kronlandes, wogegen jedoch die ruthen. Bevölferung 
von Ditgalizien entſchieden remonjtrierte, Unter 
dem Miniſterium Belcredi gemann indes das poln. 
Element volljtändig das libergemwicht, und mit Hilfe 
de3 kaiferl. Statthalters Goluchowſti lonnten ſogar 
die galiz. Polen einen Sprachzwang gegen ihre 
ruthen. Landsleute geltend machen. 

‚Im Königreih P. machte die nationale Oppoſi— 
tion fi zu Ende 1860 bemerkbar. Bei einem 
Zrauergottesdienft im Starmeliterklofter zu War: 
hau 29. Nov. 1860, dem Jahrestage der Revolu— 
tion von 1830, ftimmte die Vollsmenge einen reli— 

iö3:patriotiihen Hymmus an, in dem die Be: 
reiung des Baterlandes erfleht ward. Am 25. Febr. 
1861, al? dem Jahrestag der Schlacht bei Grochow, 
ward in Warſchau eine großartige Prozeſſion ver: 
anjtaltet. Bei diejer Gelegenheit und ebenfo 27. 
debr. lam e3 zu Konflikten, wobei das rufj. Militär 


Polen (geihichtlidh) 


einfchritt und mehrere Tote auf dem Plape blieben. 
Durch kailerl, Ulas vom 26. März wurden jwar 
verſchiedene Reformen für B. veriproden, nament: 
lid) die Einſetzung eines beiondern Staatsrats und 
einer Kommijiton für Kultus und Unterrichtsweſen 
in Warſchau, jowie aud) die Erriditung von wähl- 
baren Gubernial:, Kreis⸗ und Muntcipialräten. 
Aber der Sicherheitsausſchuß und die bürgerliche 
Polizeiwache wurden befeitigt, und auch der Land: 
wirtichaitlihe Verein ward 6, April unterdrüdt. 
Gortichafom — Urlaub und ſtarb bald nachher, 
worauf General Suchozannet die Statthalterſchaft 
übernahm, der aber noch im Laufe des Jahres 
durch General Lambert und dieſer wieder durch 
General Yüders (f. d.) erſeßt wurde. Obſchon nun: 
mehr ein ſtrenges Milttärregiment eintrat, dauerten 
doc) die Temonitrationen fort, und die Bewegung 
verpflanzte jich fogar über die poln. Grenze, ſodaß 
aud im Gubernium Wilna der Belagerungszuftand 
erllärt wurde, Am Todestag Kofciuiztos (15. Dit. 
1861) fam es in Warſchau wiederum zu blutigen 
Demonjtrationen, bei denen ruſſ. Militär in bie 
Kirdyen drang. Der Abminiftrator des Erzbistums 
Warſchau, VBialobrzewili, verfügte hierauf bie 
Schließung fämtlicher kath. Kirchen der Stadt; die 
rot. und jüd, Geiltlihen folgten diefem Beilpiel. 

ber nun wurden mehrere Zaufende aus allen 
Ständen, die fid) bei der —— hervorgethan, 
eingelerkert oder in das innere Rußland und Sibi— 
rien deportiert, und ber Bela ag eye ward 
mit größter Strenge gehandhabt. 8 Kapitel zu 
Warihau weigerte fi) indefien, für den gefangenen 
Adminiitrator eine Neuwahl vorzunehmen, und erſt 
der neuernannte Erzbiſchof Feliniti ließ im Febr. 
1862 bie Kirchen wieder Öffnen, Am 8. juni 1862 
wurde der Bruder des Kaiſers, Grobfürjt Konitan: 
tin Nitolajewitich, zum Statthalter des Königreichs 
P. ernannt, dem Wielopolffi als Chef der Civil: 
verwaltung und Bizepräfident des poln. Staats: 
rat3 zur Seite geftellt war. Zugleich wurden in 
fämtlihen fünf poln. Gubernien geborene Bolen 
u Gouverneuren ernannt, die Gmancipation der 
Ruben geſetzlich ausgeſprochen und die Grleihterung 
des Bauernjtandes durch ein Ablöjungsgeieb, unter 
Aufhebung der drüdenden ger I angebabnt. 
Der fath. Geiftlichkeit wurde eine Prüfung ihrer 
Beihwerden zugelagt und endlich ſogar die Univer: 
fität Warſchau mit lauter nationalen Lehrlräften 
wiederhergeitellt. Aber der nationale Fanatismus 
in B. war ſchon aufs höchſte gefteigert. Am 27. 
Juni wurde General Lüders dur einen Meuchel— 
mörber ſchwer verwundet; 3. Juli fand ein Mord— 
verſuch gegen den Großfüriten Konitantin, 7. und 
15. Aug. foldye auch gegen Wielopolſti ftatt. 

Der ojfene Ausbruch einer neuen poln. Snfurrel: 
tion ward durch eine Nelrutierung befchleunigt, zu 
welcher im Sept. 1862 der Befehl ergangen war. 
Tie warſchauer ——— durch eine 

eheime Inſtrultion die Behörden, vorzugsweiſe 
olche Leute zum Militär heranzuziehen, die aus 
Anlaß der legten Unruhen «fchledht notiert» feien. 
Dempemäß ward bie —— in Warſchau 15. 
San. 1863 in den Morgenitunden von 1 bis 8 Uhr 
vollitredt. Die willlürlih beftimmten Relruten 
wurden im üblicher Weiſe von Soldaten au$ den 
Häufern geholt und zur Armee abgeführt; ähnlich 
erging es in ganz a. Aber ſchon zuvor waren 
viele Junglinge geflüchtet und hatten fid in den 
Wäldern verborgen, und bald kam e3 zu blutigen 


Polen (geſchichtlich) 


Gefechten zwiſchen dieſen und dem ruſſ. Militär, 
und bald war der Kampf allgemein. Das geheime 
warſchauer Gentraltomitee tratjept ala proviforifche 
Nationalregierung auf und rief durch Trollamation 
vom 22. Jan. das poln. Volk zu den Waffen; doch 
bewahrte der Bauernftand im ganzen Yurüdbal: 
ga Nur der Adel mit feinem Anbange, die Geilt: 
lichleit und die ftädtifche Bevöllerung ftellten ſich auf 
Geite der Injurreltion. Die Nationalregierung 
erflärte, dab es in Galizien und Poſen nicht zum 
Aufitand kommen dürfe, da ®. alle feine Kräfte 
gegen Rußland braude; dafür legte fie den Bewoh: 
nern jener Brovinzen die Pflicht auf, Geld, Waffen 
und Mannſchaft für die Nationaljadye zu liefern. 
Übrigens bildete ſich niemals ein ſtärleres, feſtorga— 


nifiertes Inſurgentenlorps, ſondern jede Freiſchar 
operierte für ſich auf eigene Hand, jodaß troß der 


arößtenTapferleit keine enticheidenden Erfolgegegen 
die Nufien erfochten werden lonuten, nfangs 
follte Mieroflawiti (f. d.) ala Tiltator die militä: 
riiche Oberleitung führen. Derielbe traf aber erit 
Mitte Februar auf dem Kriegsſchauplatze ein, und 
fchon — Tage darauf wußte er nach einem un— 
gludlichen efechte wieder fiber die Grenze flüchten. 
Dann erllärte ſich (10. März) ein Freiicharenführer, 
Sangiewicz (f. d.), zum Obergeneral; aber auch die: 
fer ſah ſich ſchon 19. eu genötigt, eine Zuflucht 
in Galizien zu ſuchen. Nunmebr übernahm die 
proviſoriſche Nationalregierung in Warſchau wie: 
der die alleinige Leitung der nfurreltion und er: 
Härte jede fernere Diktatur für Hochverrat. Das 
Treiben diejer geheimen Regierung, welche fich 10. 
Mai definitiv ala Nationalregierung für B., Litauen 
und Rotrußland fonjtituierte, war höchſt merlwür— 
big. Alle Bemühungen der rufj. Behörden, den 
Ei derjelben zu entdeden, blieben erfolglos, und 
doch gab ſich diefe geheime Gewalt jeden Augenblid 
fund. Sie jandte jog. Hängegendarmen, angeblich 
200 aus, welche feiten Sold erhielten und beauf: 
tragt waren, die Projfribierten zu ermorden und 
die der Hinneigung zur ruf). Negierung Verdäch— 
tigen zu hängen. Die Zahl der von ihnen Getöteten 
betrug gegen 3000. Im offenen Felde waren die 
Grfolge der Bolen unbebeutenb. In Litauen und 
Rotrubland griff die Infurreftion nur wenig um 
fih, da ſich das rufi. Landvolk gegen den poln. 
Grundabel und für die ruf. Regierung erllärte, 
Im Königreih P. verftärkte fich die ruſſ. Militär: 
—* durch Zuzug, ſodaß ſie alle größern Städte 
in Unterwerfung erhalten und jede Organiſation 
ſtãärlerer Inſurgentenmaſſen verhindern konnte. 
Je länger der Kampf währte, um jo mehr über: 
en im Rat Aleranders II. diejenigen Stimmen, 
e eine Rudlehr zu dem jtrengen Repreſſivſyſtem 
aifers Nilolaus befürworteten. Ende März 
1863 wurde General Graf Berg zum Adlatus des 
wielgeits (. Sul); und nad dem Nüdtritt 


w 
we 
des 


Wielopolſtis (7. Juli) zum Vizepräſidenten des 
poln. Staatsrats beſtellt. Der Großfürſt Konſtan⸗ 
tin verlieh 25. Aug. 1863 Warſchau und wurde 31. 
Dft. auf Anſuchen feines Amtes enthoben, worauf 
Berg definitiv zum Statthalter und Oberbefehls— 
baber in B. ernannt wurde. Diejer jchritt mit 
äußerjter Energie ein. Entſcheidend für den Aus: 
gang der Infurreltion war, dab e3 der ruſſ. Regie: 
rung gelang, den Bauernſtand vollends auf ihre 
Seite zu ziehen. Zuerſt in Litauen (13. März 
1863), dann in Rotrußland (12. Aug. 1863) und 
endlich im Königreih P. (2.März 1864) erbielten die 


125 


Bauern dur kaiſerl. Udas ihre bisherigen Pacht: 
höfe zu freiem —— verliehen; fie wurden von. 
allen bisherigen Leiſtungen an die Gutsbeſitzer be: 
freit und follten nur eine verhältnigmäßig geringe 
Grundfteuer an die Staatslaffe bezahlen. Die 
Gntihädi ung der Grundbefiper übernahm der 
Staat, u nfang 1864 war die Inſurreltion im 
ganzen erloſchen und die gebeime Nationalregierung 
ttellte feit Februar ihre Thätigleit allmäblich ein. 
Gin Ulas vom 8. Nov. 1864 verfügte die Aufhebung 
aller röm.:tath. Klöfter, welde erwieſenen Anteil 
am Aufitand genommen, fowie auch derjenigen, in 
welchen ſich weniger als acht Ditglieder befänden. 
Tieje Nafregel ward in der Nacht vom 27, auf den 
28. Nov. überall im — zur Ausführung 
gebracht. Sodann wurde durch Ukas von 26. Dej. 
1865 das geſamte Eigentum der kath. Kirche in die 
Verwaltung des Staats genommen und die Geilt: 
lichleit auf feite Staatsbeſoldung geſeht. Gleich: 
zeitig wurden Litauen, wo Murawjew (f. d.) mit 
größter Strenge vorging, und Rotrußland vollends 
ruſſifiziert. Der Gebraud der poln. Spradhe im 
anıtlichen Verlehr ſowie an öffentlichen Orten ward 
verboten, das Schulwesen der Aufſicht des rujfj.: 
griech. Klerus unterftellt und der Einfluß der fath. 
Kirche möglichft beihräntt._ Am 22. Dez. 1865 
ward fogar durch faijerl. Erlaß für die neun weit: 
ruſſ. Gubernien allen Berfonen poln. Hertunft ver: 
boten, dafelbit Güter neu zu erwerben, außer auf 
dem Wege geſetzlicher Erbſchaft. Auch follten die 
wegen Teilnahme am Aufſtand ausgewieſenen poln. 
Gulsbeſitzer ihre Güter nur an Ruſſen griech. oder 
prot. Konfeſſion verlaufen und vertauſchen dürfen. 
Mit dem ruſſ. Reichsrate war feit 1864 eine Kon: 
miffion für die gr P.s verbunden, 
deren Kompetenz 13. Dez. 1866 dahin erweitert 
wurde, daß ihr die einheitlihe Durchführung der 
vorzunehmenden Reformen und die oberjte Entſchei⸗ 
dung aller wichtigen Adminiftrativangelegenheiten, 
unter dem perfönlihen Vorſihe des Kaiſers, zu: 
ftehen follte. Der Staatsrat und der Verwaltungs: 
rat in Warſchau wurden aufgelöft und der Statt: 
halter Berg behielt neben dem Oberbefehl des Mili: 
tärd_ nur die (Überwachung ber ge A Von 
den felbftändigen Inititutionen P.s fielen demnad) 
eine nad) der andern, Am 1. an. 1867 wurde bie 
poln. Boftverwaltung dem ruſſ. Poſtminiſterium 
untergeordnet, zugleich eine neue Einteilung P.s, 
«des Weichjellandes», in 10 Öouvernement3 und 85 
Kreife verfügt; die Gouverneure erhielten gleiche 
Rechte mit denen in Rußland, Infolge der Auf: 
hebung des Konkordats von 1847 — der 
UÜtas vom 22. Mai 1867 die Angelegenheiten der 
tath. Kirche dem röm.:tath. geiftlichen stollegium zu 
Petersburg und unterfagte dem Klerus jeden direl: 
ten Verkehr mit dem Papſte. Nachmals wurden 
aud) die andern nihtgried,. Konfeffionen den peters⸗ 
burger Gentralbehörden untergeordnet. Nun be: 
willigte der Kaifer 29. Mai 1867 eine beichräntte 
Anneftie für die Teilnchmer des letzten Aufitandes, 
und ein Ufa3 vom 20. Juni befahl, von weitern 
Vermögenstonfistationen abzufehen. Zahlreiche 
poln. Beamte wurden infolge der neuen Organi: 
jation teil3 überflüffig, teils durch Ruſſen erieht, 
ebenfo erging e3 bald auch im Lehrjahe. Nicht 
nur, daß die Univerfität Warfchau durch Ufas von 
8. Juli 1869 volljtändig ruffifiziert wurde, fondern 
es ward in allen Schulen P.s das Ruſſiſche al? 
alleinige Unterrichtsſprache vorgefchrieben, die poln. 


126 


Sprade nur falultativ gelehrt. Vom 13. Jan. 
(1. Jan. alten Stils) 1869 an hatte nur der rujl. 
Kalender in P. Gültigkeit. Cin Ulas vom 19. 
April verfügte die Cinrihtung von Kameralhöfen 
in den zehn poln. Gouvernements, die ihre Thätig: 
feit mit Juli 1869 begannen. Damit ward die noch 
in Warſchau beitehende Jinanzverwaltung aufgeho: 
ben und die oberjte Zeitung der Angelegenheiten des 
Kaſſenweſens, ber direkten und indirelten Stenern, 
der poln. Etaatsichuld, der Berechnung mit frem: 
ven Regierungen, der allen Bant und ber 
Landſchaftlichen Kreditgejelliait dem ruſſ. Finanz⸗ 
miniſterium übertragen. _ Im J. 1870 erfolgte die 
Degradation von 300 Städten (zwei Drittel des 
Beltandes) in Dorfgemeinden. Varauf trat auch 
eine Reform der Juſtiz ein und wurden alle Ge 
richte mit ruſſ. Richtern beſeßt. Nach dem Tode 
Bergs (1874) wurde Graf Paul Koßebue (f. d.) und 
nachdem biejer 1880 zurüdgetreten war, der Gene: 
ral Albedynſti Generalgouverneur von P. Letzterer 
ftarb in Warfchau 31. Mai 1883, Beide erwarben 
fih, inden fie die nationalen Gefühle möglidjt 
ſchonten, die Sympathie und Achtung der poln. Be: 
völterung. Ini J. 1883 ward General Gurto zum 
Generalgouverneur ernannt, ber fofort mit neuer 
Gnergie gegen alles Polniſche auftrat. Die indu: 
jiriellen und landwirtſchaftlichen Verhältniſſe P.s 
haben ſich in neuerer Zeit ſichtbar un sei wozu bie 
vorhandene deutſche Bevölterung weſentlich beitrug. 

Litteratur. Außer den poln. Werten von 
ag Niemcewicz, Bandtle, Lelewel, Mickie: 
wicz, hodafo, Schmitt und Szujjfi vgl.: Aulbiere, 
«Histoire de l’anarchie de Pologue et du de- 
membrement de cette röpublique» (4 Bde., Par. 
1807); Oginjti, «M&moires sur la Pologne et les 
Polonais depuis 1788—1815» (4 Bde., Par. 1826), 
und defien «Observations sur la Pologne et les 
Polonais pour servir d’introduction aux Me- 
moires etc.» (Bar. 1827); Noepell und Caro, «Ge: 
ſchichte B.3» (Bd. 1—4, Gotha 1840 - 75); Spazier, 
«Geſchichte des Aufftandes des poln. Volks in den 
J. 1830—31» (3 Bde,, Altenb. 1832 u. Stuttg. 
1834); Soltyf, «La Pologne» (2 Bde,, Par. 1833); 
Brzozowfli, «La guerre de Pologne en 1831» (Lpʒ. 
1833); Solowjew, «Geihichte des Falles von }:.» 
(deutich von Spörer, Gotha 1865); von Moltte, 
«Daritellung der innern Verhältnifie in PB.» (Berl. 
1832); Knorr, «Die poln. Aufjtände jeit 1830» 
(Berl, 1880); Edwards, «The private history of a 
polish insurrection» (2ond, 1865); Ferrand, «Les 
trois d&membrements de la Pologne» (3 Bde., 
Bar. 1864); Beer, «Die erjte Teilung P.s» (3 Bde., 
Wien 1873); Bielowfli, «Monumenta Poloniae 
historica» (2 Bde. Lemb. 1875); von der Brüggen, 
«P.s Auflöjung» (Lpz. 1878). Geogr.ſtatiſt. Werte 
find: Chodzto, «Tableau de la Pologne ancienne 
et moderne» (2 Bbe., Par. 1830); Andree, «P. in 
geogr., ftatift. und ge a Hinficht» (£p3. 1831); 
Voſſart, Lulaſzewicz und Mullowſti Das König: 
reich P. und der Freiftaat Kralaus (Stuttg. 184U); 
Hervet, «Gthnographie P.s» (Wien 1871). 

Bolenta (ital.), das gewöhnlichſte Nahrungs: 
mittel der taliener, das aus einem Brei von 
ar pen beiteht, oft mit zerriebenem Käſe oder 
mit Ö — An der untern Donau, in Un— 
garn, Siebenbürgen und in Bukowina heißt das 
nämliche ... Mamaliga. In Savoyen, 
Galabrien und Sicilien wird eine P. auch aus ge: 
kochten Staftanien zubereitet. 


Polenta — Volianthes 


Poleſella, Diftrittshauptort in der ital, Pro: 
vinz Novigo, linis am Yo und am ſchiffbaren Ka— 
nal von P. (Ya Fofia), der in den Gajtagnaro 
mündet, Station der Bahn Padua: Ferrara:Bo: 
logna , bat (1881) 2775 (ala &emeinde 3835) €. 
Hier verloren am 22. Dez. 1509 die Benetianer in 
einem Treffen anf dem Strome gegen den Kardinal 
Ippolito d’Ejte 3000 Mann und 15 Schiffe. 

olefien, foviel wie Podlachien. 

olewoj (Kitolaj Alerejewitid), ruf. Schrift: 
fteller, geb. 22. Juni 1796 in Sibirien, fam in 
Handelsgeſchaften ins europ. Rußland, erwarb ſich 
eine allgemeine Bildung und begann in Moskau 
den «Mostauer Telegraph» (1825—34) berauszu: 
eben, eine Beitfchritt ‚die fi durch Friſche, Ve: 
endigleit und Wahrheit auszeichnete und P. den 
Namen eines Begründers der neuern ruſſ. Jour: 
naliftit erwarb, aber ſchließlich ihrer freifinnigen 
Tendenzen halber unterdrüdt wurde. Seit 1838 
lebte P. in Beterdburg, wo er das Journal «Der 
Sohn des Baterlandes», ſeit 1841 den «Russkij 
Vöstnik» redigierte und 22. Febr. 1846 ftarb. 
Bon P.s dramatifchen Stüden (gefammelt in 
4 Bbn., Petersb. 1842—43) haben fi einige, 
wie «Rarajcha», «llgolino», feine Üiberfegung bes 
«Hamlet» (1837), auf dem Repertoire erhalten. 
erner fchrieb er eine « Geſchichte des ruſſ. Volls » 
6 Bde. Most. 1829— 33), « Fall und Ende Men: 
ditowe», eine Biographie Suworows (beutic von 
de la Groir, Riga 1850) und «Lebensbeichreibungen 
der ruf]. Feldherren » Petersb. 1845); endlich kri⸗ 
tiihe Schriften über Derſhawin, Shulowſtij und 
Buihlin u. a. — Sein Bruder, Kenophont 
Alerejewitih P. (geit. 1867), eine Zeit lang 
Buchhändler in Moskau, fchrieb über Lomonofjow 
(Most, 1836) und gab Golikows « Geidichte Pe: 

ters d. Gr.» (Most, 1837—40) neu heraus, 

Katharina Alerejewna Amwdejewa, bie 
Schweiter der beiden vorigen, geb. 1789 in Kurst, 
geit. 21. Juli (a. St.) 1865 in Dorpat, ſchrieb: 
«Bemerkungen über die alte und neue ruſſ. Lebens: 
weije» (Petersb. 1842). 

eter P., ein Sohn Nitolajs, ift ald Schrift: 
fteller in Beteröburg Fer und lieferte unter an: 
derm die Biographie palipeaneb für die von Re: 
trafiow und Gerbel beiorgte Überjeßung der Ge: 
fanıtwerfe desjelben (4 Bde., Petersb. 1866—67) 
und bie «Geſchichte der ruſſ. Litteratur in Umrijjen 
und Biographien» (1872; 3. Aufl. 1877). 

olfaden, in der Öazeweberei diejenigen Het: 
tenfäden, welche ſtets nad oben liegen; in ber 
Samtweberei diejenigen Kettenfäden, aus welchen 
der baarartige Überzug, Flor, gebildet wird. 

‚Bolhöhe, die jheinbare Höhe des jichtbaren 
Himmelspol3 über dem Horizont oder - berjenige 
Bogen des Mittagskreiies, welder zoüden Bol 
und Horizont liegt. Sie ijt der geogr. Breite gleich. 

Polianthes L., eine zur natürlichen Familie 
ber Liliengewädyje gehörige Gattung jchön blühender 
amerit, Bilanzen, welche ein jechsteiliges, bleibendes 
Perigon, —5 Staubfäden und eine dreifäche⸗ 
rige Kapſel mit lanzettförmigen, an beiden Enden 
in einen Faden auslaufenden Samen befigen und 
bei uns nur im warmen und temperierten Gewächs: 
* e gezogen werben können. Hierher gehört die 

uberoje (P. tuberosa Z.), eine beliebte Zier: 
ange aus Merito, mit Inolligem Wurzelitode, 
inea — lättern und weißen, in Ahren 
geftellten, fehr ſtark duftenden, auch gefüllten Blu: 


Policaſtro — Bolieren 


men. Aus Amerifa werben in jedem Jahre größere 
Mengen blühbarer Wurzelftöde in das nördliche 
Guropa eingeführt. Amerikanischen Urjprungs iit 
em eine zur Kultur fehr zu empfehlende, gefüllt 
blühende Spielart, Pearl genannt, deren Blüten: 
ichäfte eine Länge von 60 em erreichen, von denen 
jeder 20—24 Blumen trägt. 

Bolicaftro (offiziell Betilia Bollsadec), 
Stabt in der ital. Provinz Catanzaro, Bezirk 
Eotrone, hat (1881) 5697 €. € 

Rolicafteo, Hafenſtadt in der ital. Provinz 
Ealerno, Bezirt Sala Eonfilinn, Gemeinde Sta.: 
Marina, im Hintergrunde des Golf3 von P. (Si- 
nus Terinaeus) de3 Tyrrheniſchen Meeres, mit 
(1581) nur 517 E. ift da3 467 v. Chr. von Micy: 
thus, Tyrann von Meſſana, in Lucania gegründete 
Pyxus, wurde unter dem Namen Buxentum 
145 v. Chr. röm. Kolonie, gehörte in longobard. 
Zeit zum Herzogtum Benevent, dann zum yürften: 
tum Salerno, dem e3 1055 durch Robert Guiscard 
entrijfen wurde, wobei die Stadt (mittellat. Poli- 
castrum) in Trümmer ſank. Seit feiner Zerftörun 
burd die Türlen * ſich der Ort (ehemals Bistum) 
nicht wieder erholt, 

olice (frz.), Bolize (ital. polizza), bie Urkunde 
über einen Berjiherungslontraft, welde der Ver. 
ſicherer ausſtellt. Sie enthält alle Klaufeln und 
Bedingungen, unter welchen der Verſicherer ben 
Bert bes verſicherten Gegenjtandes zahlen will 
und obwohl der Bertrag gültig und Hagbar iſt au 
ohne Ausfertigung einer V., fo iſt dieſe Ausfertigung 
ganz allgemem üblich. 
olice-Eonftables, f unter Gonftable. 
ticiuell, ital. Maste, ſ. Bulcinella. 
lidoro da Caravaggio, ital, Maler, |. 
Galdara (Boliboro). i 
fier (VBallier, von parler) heißt ber bei 
Maurern und Zimmerleuten auf dem Baue ober 
dem Werkplage (Plaßpolier) die Arbeiten anord: 
nende und die Anfjicht führende Werfgefell (oder 
Werkmeifter), welcher oft zugleid ala Obergeſell 
des Meiſters Stelle vertreten hat. 

Bolieren (ig polir, polissage; engl. polishing) 
heißt diejenige Arbeit, durch welche man den Fabri: 
taten aus Metall, Stein, Glas, Hol; u. f. w. einen 
feinen fpiegelnden Glanz verleiht, fofern dies nicht 
dur —— eines Lads geſchieht. Je härter 
und Dichter ein Material iſt, um jo höherer Politur 
iſt er fähig; außerdem ift zur Erzielung eines Ichönen 
Glanzes forgrältige Bearbeitung der Oberfläche 
durch Schleifen (f. d.) erforderlich. 

Das P. wird bei Metall, Stein, Glas u. f. w. 
auf zweierlei Weife ausgeführt: entweder durch 
Abreiben mit äußerft feinen Pulvern, welde die 
vom Schleifen zurüdgebliebenen Naubeiten bin: 
wegnehmen und fo der Fläche Glanz verleihen 
(weshalb dieſe Operation, die al3 ein verfeinertes 
Schleifen zu betrachten it, auch ganz zutreffend 
als Glanzidhleifen bezeichnet wird), oder, bei 
wei Metallen, wie Meifing, Silber, — 
Gold, ferner bei vergoldeten Gegenſtänden, urh 
Riederdrüden der vom Schleifen oder Feilen 
Schlichten) zurüdgebliebenen Rauheiten mittels 
eines verſchieden geformten, gehärteten und fein po: 
lierten ftählernen Wertzeugs, des Bolierftahls, 
oder eines geichliffenen und gleichfalls feinpolierten 
Steins = — Achat), des Polierſteins. 
Zum Glanzichleifen gebraucht man auf Stahl 
Meifing, NRotguß, ſowie bei Granit und gleich 


127 


harten Steinen reinen ungelöfchten Kalk, beſonders 
Wiener Kall, auf diefe Materialien und auf bie 
edeln Metalle rotes Cifenoryd, ſog. Polierrot 
(Englischrot); zum P. der edeln Metalle, fowie des 
Kupfers, Meſſings, Neufilbers wird außer Bolier: 
rot au Zinnaſche und Tripel verwendet, weld 
leßterer auch auf Achat u. dal. Anwendung findet. 

Bei Glas, bei den Ebelfteinen und bei Marmor 
geſchieht das’ P. auch mit Zinnaſche; zum P. von 
Gold und Silber benubt man noch feingeſchlämmte 
Knochenaſche und Kienruß. Horn, Knochen, Elfen: 
bein, Hartgummi u. f. w. werden mit PBupfali 
oder Kreide, die mit Seife auf einen Lappen auf: 
getragen werden, poliert. Die Polierpulver 
werden meift auf Polierhölzer oder Bolier: 
iheiben aus Linden: oder Weidenholz, welche 
mit Si oder Leder belleidet find, zuweilen auf 
Spiegelglad oder auf Metalljtäbhen, auch wohl 
auf eine Bürfte getragen und hierzu mit Baumöl, 
in einigen Fällen mit Branntwein oder Weingeijt, 
angemadht. Bei ornamentierten Gold: und Silber: 
waren laßt man häufig die polierten Partien mit 
unpolierten entſprechend abwechſeln, wodurch jehr 
4 ihe Eifelte erzielt werden. Zuweilen macht 

iervon _aud der Schloſſer Gebrauch, indem er 
3. B. Schlüſſel nad dem Feinſchlichten zwiſchen 
zwei gehärteten polierten Stahljtäbdhen reibt und 
ſchlie 9 durch Anwendung von Kalt ben jo er: 
ielten Glanz erhöht. Auf Eifen läßt man bie 
Solierpähte troden wirken; dagegen taucht man fie 
eim P. von Gold: und Silberwaren in Seifen: 
waſſer, was die Arbeit —— Eine 
eigentümliche Methode, Heine Metallgegenſtände 
blank und glänzend zu machen, bei welcher beide 
Wirkungen, das Abreiben und das Niederdrücken, 
vereinigt ſind, beſteht darin, eine Menge der Ar— 
beitsſtücke (zuweilen mit Sand oder einem andern 
Scleifpulver, troden oder mit Waſſer) in eine 
liegende Tonne (Bolier: oder Scheuertonne) - 
bringen und dieſe, höchſtens zur Hälfte gefüllt, fo 
lange um ihre Achſe zu drehen, bis die Stüde ſich 
glatt gerieben haben. 

Das Holz eignet ſich, feiner Weichheit, Vorofität 
und faferigen Strultur wegen, weder zum Ab 
reiben mit pulverförmigen Subjtanzen, nod zur 
—— mit Polierſtählen oder Polierſteinen, 
welch lehtere auch ſchon deshalb nicht anwendbar 
ſein würden, weil an Holzarbeiten ſehr 5 Flächen 
von großer Ausdehnung vorlommen. as man 
beim Holz Polieren nennt, beſteht im Auftragen 
eined harzigen Firniſſes, welder die mit Bims: 
fteinpulver unter Zuſaß von Leinöl feingeichlifiene 
Oberfläche in volltommen gleichförmiger Yage über: 
kleidet. Um diejer ern; zu genügen, verfährt 
man in folgender Weile: Mit der og. Politur, 
einer Auflöjung von Scellad in Meingeift, wird 
ein kleines Stüd feinlödherigen Badeſchwamme 
oder ein Büſchel Baummolle, Werg u. dgl. ge: 
tränft, welches man in ein Zäppchen von feiner, 
ziemlich abgenugter Leinwand einſchlägt, um einen 
weichen und elajtiichen Ball zu bilden, den man an 
den zufammengedrehten Zipfeln hält. Diefer Ball 
wird etwas mit DL benept, um ohne Anlleben auf 
der Fläche zu gleiten, auf welder man ihn in 
Irummen Linien berumführt. Vermöge des hierbei 
ausgeübten ſauften Druds ſchwitzt die Harzauf: 
löfung langjam durch die Zeimvand hindurch, ver: 
teilt ſich auf der Holzflädhe äußerit dünn und gleich⸗ 
mäßig und trodnet jofort ein. Sehr wichtig iſt es, 


128 


daß das zum Schleifen des Holzes verwendete Ol 
vor dem ®. möglidjit entfernt werde, weil das: 
felbe fonft leicht durch die Politur ſchlã t und nad 
einiger Zeit auf der Oberfläche matte Fleden bildet, 
die nur durd) erneutes P. zu befeitigen find, Liber 
MWadspolitur vgl. Bohnen, 

Sn der Shrotfabrilation veritebt man un: 
ter Volieren das Umhüllen der Schrote mit 
einem dünnen liberzug von Graphit. 

Polieren der Edelfteine, |. unter Edel: 
jteinfchleiferei, Vd. V, ©. 752. 

Polierheu, ſ. unter Equisetum. 
olierhölzer, ſ. unter Polieren. , 
dliermaſchine, in der Nähnadelfabritation 

eine Vorrichtung, auf welder die Nadeln mittels 
einer fchnell rotierenden, ganz feinen Schmirgel— 

—*— — —— Von — 

o ulver und Polierrot, ſ. unter Po— 
lieren; vgl. Eifen(:Berbindungen 1°). 

Polierſchachtelhalm, |. unter Equisetum. 
olierfcheiben, f. unter Polieren, 

olierfchiefer, auch Silbertripel genannt, 
f. unter Tripel. j 

olierftahl, Polierftein, f. unter Bolieren. 

oliguac, ein franz. Geflecht, das feinen 
Nanıen von einem alten Schloß in der, Gegend von 
FuysensVBelay im Depart. Oberloire bereite. 
Name und Befistum gingen 1385 mit dem Gr: 
Löichen des Mannzftanımes dur Heirat in bie 
Familie Guillaumes von Chalengon über. Ar: 
mand XVI. von P. hinterließ aus feiner She mit 
Sjacqueline Grimoard zwei Eöhne, welche zuerit 
die Familie zu einiger Bedeutung er oben. — Der 
jüngere, Melchior de P., geb. zu Puy:en-Belay 

11. Oft. 1661, trat in den — Stand, Als 
Abbe zeigte er an ber Seite de3 Kardinals Bouil: 
Ion in den Verhandlungen Ludwigs XIV. mit dem 
Papſte Alerander VILL. große Gewandtheit. * 
3.1693 wurde er als * otſchafter nach Polen 
deſendet, um Johann Sobieſti zu einem Bündnis 
mit Frankreich gegen Öfterreih zu bewegen und 
nad Sobieftis Tode die poln. — auf den 
franz. Bringen Conti zu leiten, was ihm, jedo 
mißlang. Im J. 1706 fchidte ihn der König na 
Non, 1712 beteiligte er ſich bei der Friedensver⸗ 
bandlung zu Utrecht. Zur Belohnung erhielt P. 
die Kardinaldwürde. Als Anhänger des alten 
Hofs verwidelte er fih während der Regentichaft 
des Herzogs von Orleans in die Verfchiwörung des 
ala Gellamare, Im 3.1725 durfte er auf fein 

erlangen als Gefandter nad Rom gehen, wo er 
8 durch Sinn für Kunſt und Altertumskunde ſehr 
beliebt machte. Cr kehrte 1732 nad) Frankreich in 
fein Erzbistum Auch zurüd, das er 1726 erhalten, 
und jtarb 3. April 1742. R. interließ unter an: 
derm ein die Bhilofophie der Alten vom chriſtl. 
theijtiichen Standpuntt widerlegendes Gedicht, den 
«Anti-Lucretius, sive de Deo et natura» (2 Vde,, 
Far. 1745 u. öfter). Sein Leben beichrieb Faucher 
(2 Bde., Par. 1777), — Sein älterer Bruder, 
Scipion de P. wurde zum Marquis erhoben, 
war Generallieutenant und Gouverneur von Puy 
und ftarb 1739, 

Teilen Entel, Jules de P., der erit Graf und 
1780 Herzog wurde, heiratete 1767 Gabriele Yo: 
lande Martine von Selakeen, Diejelbe war 1749 
>. lam acht Jahre nad) ihrer Vermählung 

urd) Diane, die ältere Schweiter P.s, an den Hof 
und wurde hier die innigfte Vertraute der Königin 


Polieren (der Edelfteine) — Polignac 


Marie Antoinette und fpäter Bouvernante ber 
tönigl. Kinder, Die Familie gelangte hiermit zur 
großem Einfluß. Im Verein mit dem Grafen Ar: 
tois bildete die P. um die Königin einen engen 
Kreis, aus welchem die Kabalen gegen die Neform: 
beitrebungen Ludwigs XVI. hervorgingen. Schon 
im Juli 1789 verließ die Familie P. mit dem 
Grafen Artois und dem Brinzen Condeé Frankreich. 
Nachdem die Herzogin 9. Dez. 1793 zu Wien ges 
itorben, ging ihr Gemahl mit feiner Tochter, der 
Herzogin von Guide, und feinen drei Söhnen, 
Armand, Jules und Gamille, nad Rußland, wo 
ihnen Katharina und ihre Nachfolger bedeutende 
Ländereien fchenkten. Nah dem Frieden von 
Amiens begaben fie ſich in die Nähe der Bourbonen 
nad England, Bon bier aus ging die Dee 
von Buiche 1803 nad) Baris, um bei der Gemahlin 
Bonapartes für die Nejtauration der Bourbons zu 
wirken, mußte aber fogleic) Frankreich wieder ver: 
lafjen. Nach der Rejtauration erhielt der Herzo 
von —** XVIII. die erbliche Pairswürde, blie 
jedoch in Rußland und ſtarb dort 21. Sept. 1817. 
Armand Jules Marie Heraclius, Her: 
og von P., geb. 17. Jan. 1771, der älteite Sohn 
es vorigen, trat mit feinem Bruder Jules der 
Verſchworung Cadoudals und Pichegrus gegen das 
Leben Bonapartes bei und wurde im Febr. 1 
zu Paris ebenfall3 verhaftet. Die Spezialtomif: 
jion verurteilte ihn zum Tode, aber feine Gemab- 
lin, eine Holländerin aus Batavia, erwirlte Durch 
die Kaiſerin Joſephine die Verwandlung ber Strafe 
in Sefangenihaft bis zum Frieden. Armand ſaß 
mit feinem Bruder erft zu Ham, dann, — 
der Friede eingetreten, in dem Temple endlich in 
Vincennes. Nach der zweiten Vermählun Napo⸗ 
leons wurden die Brüder zu Paris in Haft gehal- 
ten. Hier follen fie ſich 1812 bei der Verfhwörung 
Mallets beteiligt haben. Als die Verbündeten 1814 
in Frankreich eindrangen, mußten ſich beide ihrer 
Haft zu entledigen, fuchten den Grafen Artois zu 
Veſoul auf und gingen dann mit geheimen Inſtruk⸗ 
tionen nah Paris, wo fie zuerft 31. März bie 
Farbe der Bourbons aufjtedten. Nach der Reſtau⸗ 
ration zeigte fih Armand, gleich feinen Brüdern, 
al3 einen der beftigften Ultraroyaliften. Im 
1815 trat er für das Depart. Oberloire in die 
Kammer und wurde Adjutant ded Grafen Artois, 
nad) deiien Thronbejteigung Großftallmeifter. Bon 
feinem Vater erbte er 1817 die Pairswürde. Nach 
der QJulirevolution begleitete er Karl X. ins Eril. 
Der König von Bayern erhob ihn 1838 in den erb⸗ 
lihen Füritenftand,. Er ftarb 2. März 1847. 
Jules AugufteArmand Marie, erft Öraf, 
dann Fürſt von P., geb. 14. Mai 1780, der 
zweite Sohn des Herzogs Jules von P., erlangte 
als Mintiterpräfident Karls X. Berühmtheit. Wegen 
Teilnahme an der Verihwörung Cadoudals er— 
Ar er, wie fein Bruder, erft 1814 bie Frei— 
yeit, wurde nad) der Nejtauration Marechal:des 
Camp und bewies ſich als entſchiedener Ultra, Als 
ihn Ludwig XVII. im März 1816 zum Pair er: 
nannte, verweigerte er, den fonftitutionellen Eid, 
ſodaß erft der Bapft feine Bedenken heben mußte. 
Depterer belohnte auch 1820 feine Bemühungen für 
den Katholizismus durd) die Erhebung zum, röm, 
Fürften. Im J. 1823 übertrug ihm der König den 
Gejandtihaftspoiten am Hofe zu London. Als das 
Miniiterium Martignac 1829 feiner Auflöfung ents 
gegen ging, übernahm P. 8. Aug. die Verwaltung 


Nolignano a Mare — Politiſche Poeſie 


des Auswärtigen mit der Leitung des neuen Kabi— 
nette. In dieſer Stellung betrieb und unterzeich— 
nete er die Drbonnanzen vom 25. Juli 1830, welche 
den —— Dynaſtie nad) ſich zogen. P. beglei— 
tete Karl X. nach Cherbourg, —— aber um und 
wurde 15. Aug. 1830 in der Kleidung eines Be: 
dienten zu St.:2ö unter Tumult verhaftet und 
nad Vincennes abgeführt, Bei Gröffnung bes 
ae gegen ihn und feine Kollegen vor der 
airslfammer brachte man ion in das Gefängnis 
des Lurembourg. Obſchon ihn fein edler Gegner 
Martignac als Hauptangellagten mit großen Ge: 
fchid verteidigte, wurde er doch 21. Dez. zu ewigen 
Gefängnis und bürgerlihem Tode verurteilt. Cr 
trat die Strafe mit feinen Schidjaldgenofjen Pey: 
ronnet, ntelauze und Guernon de Ranville zu 
Ham an. Nachdem er jeine Freiheit durch die Am: 
nejtie vom 29. Nov. 1836 zurüderhalten, lich er 
in England nieder. Während feiner Gefangen: 
haft u er «Considerations politiques» (Bar. 
1832). Gr jtarb 29. März 1847 zu Paris. — Sein 
Sohnund —— Haupt der Familie, Jules 
ArmandJean Melchior, Herzog von P. und 
röm. Prinz, geb. 12. Aug. 1817, früher bayr. Haupt: 
mann, lebt zu Paris. Aus feiner Ehe mit einer 
Marquife von Crillon entiprangen vier Kinder. — 
Gamille HenriMeldior, Graf von B., der 
dritte —— des 1817 verſtorbenen Herzogs Jules 
— geb. 27. Dez. 1781, teilte zunädjjt as Sid: 
rd einer Familie und erhielt nad) der Reftauration 
Grad eines Oberiten, fpäter den des Marechal—⸗ 
. Beim Ausbrud der Julirevolution war 
er Kammerberr des Dauphin und Gouverneur von 
———— Er ging nach dem Sturze Karls X. 
— un 
a Mare, Stadt in der ital. Pro: 
vi uud Im Bejirt Bari, auf einer bis zu 24 m 
DJ: ——— grottenreichen Felswand, die 
fteil zum Adriatiihen Meer abfällt, Station der 
* Bologna Otranto, hat (1881) 7855 E., einen 
” en, Schiffahrt und Filcherei. r Ort, mittel: 
t. Tolyı um, iſt Biſchofsſiß. Etwa 2 km 
nordiwe von P. liegt das malerijche ehemalige 
Klofter San: Bito, jeht ein Bauergut. , 
liguy, Stadt und Hauptort eines Arron 
difjements im franz. Depart. Jura, an der Glan: 
RZ 271 m über dem‘ a Auen 
oul:Bejancon:Lyon un ole:⸗P. der Paris⸗ 
— (1881) 4669 G., ein 
Handelsgericht, ein Co ege, Weinbau, Färberei 
und Olmüblen. P. entitand in fränk. Zeit um die 
Abtei Polemniacus i Scudingus, 


im ie 
Liffinif, ns init. 
assiette, engl. gilding-size), 
—— welche ver oldet werben follen, ein 
* oder roter Anſtrich, der dem Blattgold 


—— un ei te Entzünd 
sch.), eine alute Entzündung 
des Rüdenmarls, in: fi vorwiegend auf die 
vordere graue mung Says elben beſchränlt und 
unter den Symptomen der jog. eſſentiellen Kinder: 
(S. Lähmung.) 

Br fer a Brei Sa 


Stab rovinz Neggio 
di Beyirt e 


t in ber ital. 
— Palmi, am Weſtabhang des 
Galabrifchen es, mit (1881) 8412 E., ward 
Erdbeben 1783 gänslih jtört. 
fitik (arch.) iſt die Wilenihait vom Staat, 
feiner Elemente Bedingungen, feiner Zwede, 
Eonverjationd »Lerifon. 13. Aufl. XIII. 


129 


Kräfte und Einrichtungen, feiner Dätigleit und 
der Formen, in denen diejelbe fich vollzieht. Die 
P. unterſcheidet fi vom Staatsreht dadurch, daß 
das lebtere die poſitive Staatsordnung nach Maß— 
abe einer lonkreten Geiehgebung zum Gegenſtand 

er während die P. ſich mit dem Staat im allge: 
wedmäßigiten Gejtaltung besjel: 

ben_ beichäftigt. Die Erfenntnisquellen dieſer 
Wiſſenſchaft find die philoſ. Erforihung des 
Weſens und der Aufgaben des Staates, die Ge: 
ſchichte und die vergleichende Betrachtung ber ftaat: 
lihen Einrihtungen und des Staatsrechts, und 
man unterfcheidet hiernach die glitr.. biitor. und 
vergleichende Methode in der Wiſſenſchaft der P. 
Demgemäß ift aud) die Litteratur über P. unüber: 
[ehbar groß, da fait alle hervorragenden Philo— 
ophen Ka aeg und Publiziften auf diefem Ge: 


meinen und ber 3 


biete thätin gewejen find. Das berühmteite der: 
artige Werk aus dem Altertum ift die «Bolitif» von 
Aristoteles. Den verfhiedenen Aufgaben des Staats 
entiprechend, teilt man die P. ein in bie äußere 
und innere, und bie (eptere zerfällt wieder in zahl: 
reiche Zweige, wie Handel, Wirtſchafts-, Zoll⸗, 
Münz:, Bank, eg d Kirchen: u. ſ. w. Politik, 
Das beite Werk über die polit. Litteratur iſt Rob. 
von Mohl, «Gedichte und Litteratur der Staats: 
willenihaften» (3 Bde., Erlangen 1855—58). 

olitifer (Les politiques), Name einer Bartei, 
welche fi in Sranfreich in den lekten Jahren der 
Regierung Karls IX. bildete. Sie bejtand aus den 
Mihvergnügten ſowohl der lath. als aud) der prot. 
Partei und wollte durch einen angemefienen Ver: 
gleich zwiſchen beiden Religionsgenoſſenſchaften den 

eden berftellen, Heinrich IIL. gewann bie Haupt: 
übrer, indem er ihnen im Vertrag von Beaulien 
1576 günjtige Bedingungen bemwilligte. Aus der 
Partei erwuchs dann die große nationale Mehrheit, 
welche fih an Heinrich IV. nad deſſen Übertritt 
zum Slatholiziämus anſchloß. ; 

olitifche Arithmetik, ſ. u. Aritbmetik, 

zoliti —* Gleichgewicht. Die Idee des polit. 
Gleichgewichts gehört der neuern Staatengeſchichte 
an und trat am entſchiedenſten in den Vordergrund 
bei den Bündniſſen, welche England, Holland, 
Ofterreih, Brandenburg und andere Mächte ab: 
eb und wiederholt gegen Ludwigs XIV. 
drohende Pläne einer Univerjalberrichaft über 
Europa ſchloſſen. Nah dem Sturz Napoleons I. 
verlörperte ſich die dee des politiihen Gleich: 
gewicht in den fünf Großmächten. Durch die Er: 
richtung der ſechſten Großmacht, Italien (1861), 
erfuhr das politiihe Gleihgewiht Europas keine 
durcgreifende Underung. 

Politifche Sfonomie, ſ. Nationalölo: 


nomie, 

Politiſche Poeſie. Iſt die Poeſie der tiefite 
Ausdrud der Empfindungen und Bewegungen des 
menſchlichen Gemutslebens, fo darf fie f auch an 
den großen Kämpfen und Anliegen des öffentlichen 
Lebens beteiligen, muß fi aber vor der Gefahr 
hüten, Tendenzdidhtung zu werden, d. h. ftatt ſich 
rein und unbefangen von ihrem Gehalt erfüllen zu 
laſſen und denjelben künftleriich zu geftalten, auf 
ganz unmittelbare, fpezinihe polit. Wirkung zu 
gehen. Polit. Poeſie hat es daher immer und 
überall gegeben, wo ee volit. Leben 
iſt. In Deutſchland bat die polit. Poeſie ſchon in 
Walther von der Vogelweide einen hervorragenden 
Vertreter aufzuweiſen. Insbeſondere reich an 


130 


polit. Dichtung aber war das Zeitalter der Nefor: 
mation (Ulrid von Hutten), die Zeit des Schmal: 
faldifchen Kriegs und des Dreibigiäbrigen Kriegs. 
Bol. von Liliencron, «Die biftor. Vollslieder der 
Deutfhen vom 13. bis 16, Jahrb.» (4 Bde. ps. 
1865—69). y neuerer Zeit wurde namentlid) in 
den vierziger Jahren des 19. Jahrh. das Gebiet 
der polit, Poeſie eifrig kultiviert durch Dichter wie 
Anaftafius Grün, Herwegh, Freiligrath, Dingel: 
ftedt, Hoffmann von Fallersleben, Brub u. a. 
olitifche Berbrechen und Bergehen nennt 
man die unmittelbar gegen den Staat gerichteten 
Angriffe, welche denſelben in feinem Oberhaupt 
verlegen, in feiner äußern oder innern Sicherheit 
oefährden. Es gehören dahin Staats- oder Landes: 
verrat, Hocdverrat (j.Majeltätsverbreden), 
ferner Majejtätäbeleidigung, Widerftand gegen bie 
Staatgewalt, Aufruhr u. a. Den politiichen 
gegenüber ftehen die gemeinen Verbrechen, melde 
gegen Individuen begangen werden und bei benen 
der Staat nur indireft wegen der dadurch gefähr: 
deten allgemeinen Sicherheit beteiligt üt. Die 
öfientlihe Meinung beurteilt jene in der Regel 
milder, weil fie erfabrungsmäßig keineswegs im: 
ner aus einer gemeinen, fondern oft fogar aus 
einer jehr uneigennüßigen, felbftverleugnenden Ges 
finnung hervorgehen, die ſich nur entweder in ihren 
AZweden oder wenigtens in den Mitteln vergriff, 
indem fie ftatt der geſehlichen ungefepliche wählte, 
teils weil — dieſe Ungeſehlichleit bisweilen 
durch Ungeſe — der die Strafgewalt beſihen⸗ 
den, deshalb aber frei ausgehenden Machthaber 
herausgefordert wird. Doch gibt es polit. Ver: 
hrechen, auf welche dieſe mildere Beurteilung keine 
Anwendung findet. Dahin gehört namentlich ber 
Sandesverrat, ber zu allen Zeiten als eins der 
ſchwerſten un ————— Verbrechen ange: 
ſehen worden iſt. Die Unterſcheidung zwiſchen 
polit. Verbrechen und polit. Vergehen richtet ſich 
nach der allgemeinen Unterſcheidung von Ver— 
brechen und Vergeben, welche nicht in allen Gejeb- 
gebungen die gleiche ift, wennſchon im allgemeinen 
unter jenen bie ſchwerern, unter dieſen die leichtern 
Gejepesübertretungen verjtanden werben. Der 
Unterſchied der po it. und der gemeinen Verbrechen 
zeigt fih aud darin, daß die Nuslieferungs: 
pfliht der fremden Staaten (f. Auslieferung) 
gewöhnlich auf die lehtern befhränlt wird, auge: 
nommen in neuerer Zeit die Fälle des vollendeten 
oder verjuchten Mordes u. f. w. am Oberhaupt 
einer fremden Regierung (ſog. Belgifche Attentat:: 
Haufel). Bol. Lammaſch, «Das Recht der Ausliefe: 
rung wegen polit. Berbreden» (Mien 1884). 
olitifche Vereine, ſ. unter Vereinsweſen. 
olitifche Verſe (versus politici), Berfe, 
welche ohne alles Metrum der Proſa gleich waren 
und fi von derjelben im Lateiniſchen nur durch 
ben Reim, im Griechiſchen durch die Sehung der 
accentuierten Silben unterſchieden. Dieſe Verſe 
famen im 11. Jahrh. auf; Proben davon finden ſich 
in den Gedichten von Konftantin Piellos, Konftan: 
tin Manafies, Nilelas Eugenianos u. a. Nicht zu 
verwechſeln damit find die Leoniniſchen Verſe (f. d.). 
Vogl. Struve, zliber den polit. Vers der Mittel: 
griechen» (Hildesh. 1828). 
Politſchta (jlaw. Politka), Stadt im öſtl. 
öhmen, Sik einer Bezirtshauptmannichaft und 
eines Bezirlsgerichts, mit (1880) 4632 E. czech. 
Zunge, bat zwei Brauhäufer, eine Pappendedel:, 


Politiſche Verbrechen und Vergehen — Poliker 


Teerprobuften:, genen und Zündhölzchenfabrit 
und eine achſchule. Die Stabt wurde 1265 
durch König Ottotar II. — und fpäter Leib⸗ 
gedingsftabt der böhm. Königinnen. Im J. 1845 
bis auf drei Häufer durch Brand zerjtört, iſt fie 
feitbem neu aufgebaut. 
olitür (Tiichlerpolitur), |. Polieren. 
olig (Police), Stadt in der Bezirkahaupt: 
mannihaft Braunau im norböftl. Böhmen, an 
der Mettau, Station ber Oſterreichiſch- Ungariſchen 
Staatsbahn Chotzen-Halbſtadt, Sib eines Bezirks: 
erichts, zählt (1880) 2436 E, cyed). Zunge, bie 
ale rer tn — 
4, Stadt im preuß. Regierungsbezirk 
Stettin, Kreis Randow, linls an ber Larpe und 
der Politzſchen Sabıt, dem weitlihiten Mün: 
dungsarme der Oder, der Ad und in 
das Papenwaſſer mündet, Sit eines Amtsgerichts 
hat (1880) 4146 E., ein en 
fabrifen, Töpfereien und Hopfenbau. P. iſt mit 
Stettin durd Dampfidiffahrt verbun 
Pölit (Sarl Heinr. Ludwig), namhafter Bublis 
iſt, —* — ir zu ( on 
urgiichen, ierte in Leipzig Philoſophie, 
ſchichte und Theologie, habilitierte ſich 170 ourde 
1795 Profeſſor an der Nitteralabemie zu Dresden, 
1803 außerord. Profeſſor der Philoſophie in , 
nod) in demjelben Jahre Profeſſor bes Natur: um 
Völterrechts in Wittenberg, wo er 1808 das 
amt der Geſchichte erhielt. Am J. 1815 er 
als Profeſſor der ſächſ. Geſchichte und Statiftil 
wieder nach Leipzig, wo er 1820 Pro der 
Politik und Staatswiſſenſchaften wurde. ſtarb 
daſelbſt 27. Febr. 1838. Seine an 30000 Bände 
ftarte Bibliothek vermadhte er dem Rat ber Stabt 


J 


Leipzig, in deſſen Hände er auch den en Teil 

ſeines erworbenen und zu Stipendien und Freitiſchen 

für Studierende beſtimmten Eigentums niederlegte. 
Seine vorzüglichſten hiſtor. d 


Schriften ſind: 

buch der Weltgeſchichte⸗ (3 Bde., Lpʒ. 1805; 7. Aufl. 
—— von Bülau und Zimmer, 4 Bde. 1851 
—53), « Handbuch der Geſchichte der 
Staaten de3 Nheinbundes» (2 Dhe., 1811), 
« Handbuch der Geſchichte der jouveränen Staaten 
des Deutichen Bundes» (Bd. 1 in 2 Abteil., 2pz. 
1817—18), «Geſchichte des Köni Sachſen » 
(2p3. 1817), « Geſchichte vn ugufts, Königs 
von Sadjen» (2 Bde, 3 1830). Unter feinen 
ſtaatswiſſenſchaftlichen Arbeiten find hervorzu⸗ 
eben: «Die Staatswiſſenſchaften im Lichte unferer 

eit» (5 Bde., Lpz. 1828; neue Aufl. 1827), 
Hauptwerk; « Grundriß für ency Vorträge 
über die !gefamten Staatswiſſenſ » 
1825), « Vermiſchte Schriften aus bem — 
Geſchichte und der Staatswiſſenſchaften» 
Meiß. 1831), « Staatswiſſenſchaftliche Vorleſun 
ee (3 Bde., Lpz. 1831— 33). Ein 
Internehmen war die Herausgabe des Werls 
europ. Verfaſſungen feit 1789» (4 Bde., Spy. 1817 
— 25; 2, Aufl., 3 Bde., 1833— 34; DBb, 4 in 3 Ab: 
teil. von Bülau, 1847). Im J. 18238 
er die «xJahrbücher der Gedichte und S , 


E 


* 
7 


die von Bülau bis 1849 fortgefeht wurden. 
zm. (Adam), namhafter Obrenarzt 

1835 zu Alberti in Ungarn, wibmete 8 in 

Warzburg, Paris und London dem Studium ber 

Obrenheillunde, habilitierte fi, nad Wien zurüd: 

gelehrt, als Docent der Ohrenheillunde an der bor- 

tigen Univerfität und eh fenttihte 1868 ein 


4 


— * u 


Polize — Bolizeiftaat 131 


ihr Neb der Spionage fiber das ganze Reich aut: 
dehnte, Verbrechen felbit erft anitiftete (agents 
provocateurs), alle Geſelligleit ——— ie Re: 
gierung durch ihre Verbindung mit ehrlojen, wieder 
einer geheimen Gegenpolizei (contre-police) 
unterftellten Subjeften entwürdigte und troß ihrer 
*— Koſten wenig Nuhen ewaährte. 
al. Rob. von Mohl, «Die Bolizeiwifienichaft 
nad den Grundſäten des Nechtäjtaats » (3. Aufl., 
3 Boe., Tüb, 1866); Förftemann, « Prinzipien des 
reuß. Polizeirechts» (Verl. 1869); Nofin, «Das 
Volizeiverordnungsrecht in Preußen» (Bresf. 1882); 
Ave:Pallemant, « Bhyfiologie der deutihen P.» 
(2p3. 1882); die Schriften über Verwaltungsrecht 
von 2. von Stein, Röfler, Föning, ©. Meyer u. a. 
‚Polizeiaufficht, eine in Deutichland nur neben 
einer andern Freiheitsſtrafe accejloriih vom Nic; 
ter zu verhängende Sreiheitsbeihräntung. Nadı 
den darauf bezünlichen Borfchriften des Reichsftraf: 
gejebbucha ($$. 38 u. 39) erhält auf Grund richter: 
ichen Straferfenntnifjes die Landes olizeibehörde 
die Befugnis, den Verurteilten nad Anhörung der 
Gefängnisverwaltung auf die Zeit von böchfiena 
nf Jahren unter Rolizeinufficht zu ftellen, Ge: 
chieht dies, fo hat die Behörde die Befugnis, den 
ufenthalt an einzelnen beitimmten Orten zu unter: 
jagen, Ausländer aus dem Bundesgebiet zu ver: 
weiſen undunabhängig von den zeitlichen Berhrän, 
kungen der Strafprogeforbnung (3. B. auch zur 
Nachtzeit) Hausfuhungen vo unehmen. Die P. 
it franz. Ursprungs. Sie entitammt einem Geſeh 
vom 28. Florcal XII (18. Mai 1804) und iſt neuer: 
ding3 von der dritten Nepublit — das Gefeh 
vom 30. Juni 1874 genau eregelt. Ihr Zived ijt 
Prävention. Gefährliche Snboltuen follen ver: 
bindert werden, fich der rechtzeitigen Grgreifung 
und der Beobachtung ihres Lebenswandels zu ent: 
ige Es find ur namentlich die Angehörigen 
er jog. Verbrecherllaſſe, die bei der B. in Betracht 
fommen. Auch die ital, Gejehgebung machte 
gegenüber den Näuberbanden und den Gauner: 
getellichaften der Camorra und Maffia von der P. 
Gebrauch. u Schaden der P. laſſen ſich 
in ihrem eitigen Verhältnis nicht leicht ab 
Ihäsen. Als lübelſtand fällt ins Gewicht, daf eine 
mißtrauifch gehandhabte P. leicht das Beitreben 
folder durchtreuzt, bie ebrlihen Arbeitserwerb 
nach geſchehener Entlafjung aus der Strafanftalt 
ſuchen und dann durch polizeiliche Nachfragen kom: 
promittiert werden. Man bat daher vorgeichlagen, 
die Ausübung der P. den Schußvereinen über ent: 
lafjene Strafgefangene zu überweilen. In Eng- 
land wirkt der Polizeibeamte jelbft vielfach als 
Arbeitövermittler für folhe, die al3 zutrauens: 
wür A erlannt wurden. Troß der Möglichkeit 
von Mißgriffen erfcheint doch die P. unentbehrlich. 
Polizeiftant nennt man einen Staat, in mel: 
chem die Fürforge der Verwaltungsbehörden für 
die Wohlfahrt und Sicherheit der Geſamtheit auf 
Koſten der individuellen Freiheit und ber unab: 
bängigen Pflege des Nechts ungebührlich ausge: 
en wird, Gin ſolches Syſtem führt zur ftaat: 


































neued Heilverfahren gegen gewiffe Formen ber 
Schwerbörigkeit (fog. Kor es Verfah— 
ten), in der künftlihen Eintreibung von 
Luft in die Euſtachiſche Obrtrompete beiteht und 
ſich als eine jehr wertvolle Bereicherung des 
ohrenärztlichen Heilihapes bewährt bat. Im J. 
1871 zum Profeſſor der un An ernannt, 
begründete er eine auferordentlich reichbaltige 
Sammlung anatom. und patbol.-anatom. ‘räpa: 
rate des Gehörorgans; feine Vorlejungen find von 
ar m en allen —— ihr u zahl⸗ 
rei ournalau veröffentli er: «Be; 
leu i bes Trommelfells > gefunden 
und 2* (Wien 1865), « Lehrbuch der 
—— » (2 Bde., Stuttg. 1878—82) und 
ieferte «Zehn BWandtafeln zur Anatomie des Ge: 
» (Wien 1873), fowie vortreffliche «Pla: 
ee ee le 
» au eltausſtellung in Phila⸗ 
hia t und von bem Mujeum bes 
Co of ren bafelbjt angefauft wurden. 


3 oliee. 
vom lat. —— die Staatsverwal⸗ 
ein An vieldeutiger Ausdrud. Biele 
6 er ben darunter die erjemte innere 
Staatäverwaltung mit Auaf luß der Nechtäpflege, 
andere aud das Militär: und Finanz: 
mweien aus; nod andere beichränken den Vegritf 
nod) weiter, indem fie auch die Anftalten zur För⸗ 
derung des Wohlſtandes, de3 Unterricht? und der 
Kultur davon ausnehmen. Im Oegenjap zu dieſer 
Beitimmung bes polizeilichen Wir: 
iſes verjtehen manche Schriftſteller unter 
—* auf dem Gebiete der innern 
die mit einem Zwang gegen Verfonen 
verbunden a iR 0 [ die Anwendung der jtaat: 
ae t auch auf dem Gebiete des Sinany., 
s und izweſens nicht zu entbehren ijt 
und man demgemäß aud von Gerichter. Zoll:, 
— i u ſ. w. ſpricht. Nach dem ger 
lichen nr veriteht man unter P. die 
Mafregeln zum Schuß der öffentlichen Sicherheit 
und Wohlfahrt, fowohl gegen unerlaubte Hand: 
lungen Einzelner als gegen fchädliche Naturereig- 
niſſe. Man teilt die R nad) ihren verfchiebenen 
Auf ein 3. B. in Kriminal⸗, Gefundheits:, 
—*5 ey —** ge, 
ohne möglich ift, einen voll: 
ftändigen Katalog aufzufü da bie ftaatliche 
Thätigteit nad) unzähligen efihtspuntten in Ab: 
teilungen jerleot werben 
fann, unterſcheidet ferner die Drt3:(F ofal:) 
polizei und die allgemeine Landespolizei. 
Die ift gewöhnlich den Gemeinden und an: 
dern da zur Selbitverwaltung über: 
tragen, während die lehtere von Behörden des 
Staats enommen wird. Die gerichtliche 
—* ) Bolizei iſt ein Teil der P., die: 
elbe ift aber unter die Leitung der Staatsanwalt: 
Oak —— een fe elizeige: 
i rteit, db. bie Unterſuchung und Be: 
ber fibertretungen ein et der Straf: 
Den Behörden, welchen die Hand: 
ber P. obliegt, ift in der Negel auch die 
zum Erlaß von Polizeiverordnungen 
rauch war die Geheime 


izei, bie —— in Frankreich unter Lud⸗ 


Ein 
ia XIV. eit 1697—1718), abe 
en ie J. Ai 









lihen Bevormundung der Bürger und zur Nicht: 
a kung des Necht3, wenn das vermeintliche Fi 
terefe des Staats dazu Veranlafjung gibt. ur 
Rechtfertigung pflegt man fih auf den Sat salus 
publica suprema lex esto zu berufen. Als Bei: 
jpiel eines folhen Syftems wird gewöhnlich der 
Staat Ludwigs XIV. angeführt. 


9* 





132 Volizeiftrafverfahren — Bolt 


BPolizeiftrafverfahren. Den Volizeibehörden 
tann nad) der Reichsſtrafprozeßordnung in ge: 
wiitem Umfange die Befugnis durch Beitimmun 
der Landesgeſehe * t fein, eine in den Straf: 
geſehen angedrohte Strafe durch Verfügung feſtzu⸗ 
ehen. Dieſe Befugnis kann ſich aber nur auf Übers 
tretungen erjtreden, * kann die Polizeibehörde 
feine andere Strafe feitießen als gen is zu 14 
Tagen oder Gelditrafe und die an Stelle nicht bei: 
zutreibender Gelditrafe tretende Haft, ſowie eine 
etwa verwirkte Einziehung. Gegen die von Amts 
wegen erlafjene Strafverfügung, welche gleich einer 
richterlichen Handlung die erjährung unterbricht, 
fann der Beihuldigte, fofern er nicht eine gefehlic) 
ugelafjene Beihwerde an die höhere Polizeibe: 
drde ergreift, binnen einer Woche nad der Be: 
tauntmachung bei der Volizeibehörde, welche diefe 
terfügung erlajien hat (chriftlich oder mündlic), 
oder bei dem zujtändigen Amtägeriht auf gericht: 
liche Entfcheidung antragen. Der rechtzeitige An: 
trag hat zur Folge, daß die Strafverfügung außer 
Kraft und ohme förmliche Anklage und Fröffnungs⸗ 
beſchluß das ſchoöffengerichtliche Hauptverfahren 
eintritt. Dasſelbe führt zur Entſcheidung In der 
Sache jelbit, wenn die Bolizeibehörde zu der Straf: 
verfügung fompetent war, andernfall3 nur zur 
Aufhebung der Strafverfügung. Bol. Strafpro⸗ 
jekordnung für das Deutiche Reich, SS. 453—458. 
olizeiftunde heit die Stunde, zu der bie 
Schantlotale und fonitige Lolale, in denen öffent: 
lich bewirtet wird, geſchloſſen werden ſollen. Nach 
8. 365 bes Reihe trafgejehbuch® wird derjenige, 
welcher in einer Schantjtube oder an einem öffent: 
lichen Vergnügungsorte über die gebotene B. bin: 
aus verweilt, ungeachtet der Wirt, fein Vertreter 
oder ein Bolizeibeamter ihn zum Fortgehen aufge: 
fordert hat, mit Gelditrafe bis zu 15 Mark beitraft; 
er Wirt, welcher das Berweilen feiner Gäſte über 
jene Stunde ginans duldet, Dagegen mit Geldftrafe 
bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen. 
Wann die v. eintritt, unterliegt den Verordnungen 
der Ortspoligeibehörde; die Beitimmungen darüber 
find in verfdiedenen Orten ſehr verichieden. 
Poliziano (Agnolo), mit dem Familiennamen 
Ambrogini, ital. Dichter und Humanift, geb. 
24. Juli 1454 in Monte-Pulciano in Toscana, 
ftubierte die Haffiihen Sprahen in Florenz und 
jand Aufnahme im Haufe Lorenzos de Medici, der 
ihm die Erziehung feiner Söhne Piero und Gio— 
vanni (fpäter Leo X.) übertrug. Im J. 1480 er: 
hielt er den Lehrſtuhl der grich. und röm, Littera: 
tur am Lyceum zu Florenz und ftarb 24. Sept. 
149. Hervorragend durd) ungewöhnliche Gelehr: 
famteit, wie durch feinen Geihmad und form: 
vollendete Eleganz, hat er ſich namentlich dadurd) 
Verdienite erworben, daß er die Tertlritit in bie 
Hajiiiche Philologie einführte. Sein unvollendet 
gebliebenes Sedicht auf Giuliano de’ Medici, Lo: 
tenz08 Bruder («Stanze per la giostra di Giuliano 
de’ Medici», dlor. 1494), gehört zu den beiten Gr: 
zeugnifjen der altital, Poeſſe und bat erſt die Ot- 
tava rima in derjelben a gemacht. Sein 
«Urfeo» (Flox. 1494 u. öiter) gilt als das erite 
ital. Trauerjpiel. Seine «Kime» (2 Bde, Flor. 
1814), fowie jeine lat. Oden, Glegien und Epi— 
gramme zeichnen ſich aus durch Leichtigkeit und An 
mut, während feine Geſchichie der VBerihwörung 
der Pazzi Sry conjurationis commenta- 
riolum», Flor. 1478) als Nujter hiſtor. Darftellung 






































gilt, Sul. Menden, «Histora vitae Ang. P.» (Lpz. 
1736); ® ähly, «Angelus P.» (Lpz. 1864). 

Polizza (ital.), eigentlich Zettel, Billet; dann 
Anteilsſchein mer einer Kapitalgejelihaft; ieht 
insbefondere ſoviel wie Police (j. d.) im Sinne 
des Verſicherungsrechts. 

olizzi Generoja, Stadt in der ital, Provinz 
Valermo auf Sicilien, Bezirk Cefalüt, 67 km füd: 
öjtlich von Balermo, auf hohem Felſenjoch 917 m 
über dem Meere, hat (1881) 7280 E., Wein: und 
Slbau. ., mittellat. Policium, erhielt jeinen 
Beinamen Generoja von Kaiſer Friedrich ll. 
oljafotw (Iwan Semenomwitih), nambafter 
ruft. Zoolog und Neifender, geb. 1846 ım ruſſ.⸗ 
ſibir. Gebiet Transbailalien, machte bedeutende 
Zorſchungereifen im aſiat. und europ. Nupland, 
huerf am Baitaljee (1865), dann an der Lena, im 
hal der Dſchidda, 1871—79 an den Seen, des 
nörbl. europ. Rußland. Darauf ging er wieder 
nach Sibirien zurüd, an den Obi und au den Altai, 
eg aud Dagheſtan und Tranätaulafien, und 
begab ſich zuleht auf die Inſel Sadalin. Er ver: 
öftentlichte; «Neije nad) der Inſel Sa alin in den 

. 1881—82» (deutfch von A. Arzruni erl. 1884). 

erichte über feine übrigen Reiſen finden ſich in 
den Nachrichten der Ruſſiſchen Geographiidhen Ge: 
feüſchaft und in den Denlſchriften der Alademie 
in Fig k 

vit (im Deutſchen auch Bult eſchrieben) 
war in dem altruſſ. Vollsheer ein Heerhaufen, der 
etwa einem Beutigen Armeetorps entiprad). Seit 
Iwan IH. zerfiel das ruf. Heer in fünf Rolli, jpä: 
ter aber wurde die Bezeichnung P. auf Truppen: 
abteilungen —— welche den heutigen Regi⸗ 
mentern in ihrer Stärte gleichlamen, und noch 
prute iſt in der ruſſ. und poln. S rache das Wort 

„identiich mit dem Regiment Weſteuropas, jo: 
daß der Negimentätommandeur oder Oberſt als 
Pollownil bezeichnet wird. Gin weitverbreiteter Jrr= 
tum ift e3, der Ausdrud P. gehöre nur den Kojaten 
an, denn thatjächlich gilt er auch für die Negimenter 
der regulären Infanterie und Kavallerie. 

Poik (James Snor), der elfte Präfident ber 
Vereinigten Staaten von Amerika, geb- 2. Nov. 
1795 bei Charlotte in Medlenburg County im 
Staate Nordcarolina , bildete ſich in Naihville zum 
Ardvolaten aus und ließ fich als folder 1820 in 
Columbia nieder. Nachdem er 1823 in die Legis⸗ 
latur ſeines Staats eingetreten war, wurde er 
1825 in den Kongreß nach Waſhington ge lt. 
Er gehörte dem Repräſentanten auje 14 Jahre 
lang an und nahm in demjelben die hervorragend: 
—— Stellungen ein. P. war einer der entſchieden⸗ 
ten und ein ubreichften Anhänger Jadjons, wurde 
nach feiner Rüdtehr nad) Naihville zum Gouver: 
neur von Tennejlee gewählt, aber nad Ablauf 
ſeines Amtsterming 1841 von dem Whiglandida⸗ 
ten geſchlagen. Im Mai 1844 erhielt er —— 
Konvent der demokratiihen Partei in Baltimore 
die Ernennung zum Bräfidenticaftsfandidaten 
und bei der im Nov. 1844 ftattfindenden Wahl 
170 Glettoralitimmen, fein Gegentandidat Henry 
Clay, dagegen nur 105, Am 4. März 1845 wurde 
P. als Shräfident eingeſeht. Die Hauptereignijle 
** Verwaltung waren der glüdliche Krieg mit 

erifo, den er im Widerſpruch mit dem Wortlaut 
der Berfafiung, welche nur dem Rongech dieje Be: 
—— einräumt, erklärte, ſowie die Beilegung der 

regon Gremfrage. Der meril. Krieg brachte den 


Polla — 


Tereinigten Staaten das reiche Goldland Califor: 
nien und bie wichtige Provinz Neumerilo ein. P 
ftarb ſchon drei Monate nad) feinen Nüdtritt vom 
Amte, 15. Juni 1849, in Nafboille, 

Polka, beliebter Nundtanz, welcher feinen Na: 
men . einigen von feiner vermeintlichen ur: 
iprüngliden Heimat Polen, nad andern aber we: 
gen des in ihm waltenden Halbſchritts vom böhm. 
Worte pulka, d. i. Hälfte, erhalten haben foll. 

Polko (Elije), belletriitiihe Schriftitellerin, 
ältefte Tochter de3 Pädagogen Karl Vogel (f. d.), 
geb. 13. Jan. 1823 zu Waderbartsruhe bei Dres: 
den, begründete ihren Ruf befonders durch die 
Mufitaliihen Märchen» (Lpz. 1852; Neibe 1—4, 
Lpz. 1868—76). Unter der großen Anzahl_ihrer 
übrigen belletrijtiihen Arbeiten, zu denen fie die 
Stoffe vorzugsweiſe dem Künſtler- und Frauen: 
leben entnahm, find hervorzuheben: die Nomane 
«Gin Frauenleben» (2 Bde., Lpz. 1854), «Fauſtina 
Hafie» (Lpz. 1860) und »Unſere Bilgerfahrt von 
der Ninderjtube bis zum eigenen Herd» (7. Aufl., 
Lpz. 1880). Auch verfahte fie Biographien ihres 
Vaters (Lpz. 1863) und ihres Bruders Eduard 
Bogel (f. d.), «Grinnerungen an Felix Mendels: 
john : Bartholdy» (Lpz. 1868) und mehrere Antho: 
logien, wie «Dichtergrüßen (12, Aufl., Lpz. 1885), 
ferner deutiche, franz. und engl. Skizzen u. ſ. w. 

Polfwig, Stadt im preuß. Regierungsbezirk 
Liegniß, Kreis Glogau, 21 km füdlid von der 
Kreisftadt, hat (1880) 2101 E., eine evang. und 
eine fath. Bfarrlirche, ein Amtsgericht, ein Waifen: 
haus und Tuchmacherei. 

Polla, das alte Forum Popilii in Qucanien, 
Flecken in ber ital. Provinz Salerno, Bezirk Sala 
Confilina, am Negro, hat (1881) 6516 E., wurde 
durch Gröbeben im Dez. 1857 faſt gänzlich zerjtört, 
wobei über 2000 Menfchen umkamen. Das nabe 
gelegene (zeritörte) Dorf San:Pietro hat am Wirts: 
hauſe eine antife Inſchrift mit den Ortsentfernun: 
gen der röm. Heeritraße (Via Popilia) von Capua 
nad Reggio (Rhegium), 

Bollalnolo (Antonio), ital. Maler, geb. zu 
Florenz 1429, war anfangs Goldihmieb, wandte 
ch bann ber Malerei zu, war außerdem als Ardhis 
teft und Bildhauer ——— hat auch in Bronze 

egoſſen. Von feinen Bildern iſt fein Altarwerk 

ür die Familie der Pucci (Gefchichte de3 heil. 
Sebaftian in der londoner Nationalgalerie) hervor: 
zubeben. * Bar befindet ſich B.3 Hercules, 
die lernäiſche Schlange tötend, für Nom ſchuf er 
das Grabmal Papſt Sirtus’ IV. Gr ftarb 1495. 
Auch als Verfertiger von Niellen iſt er berühnit. 

Sein Bruder Pietro P., geb. 1441, lernte bei 
dem Dialer Gajtagno und arbeitete häufig mit fei: 
nem Bruder im Verein. Von 1483 datiert ijt ein 
großes Bild P.s im Dom zu San:Gimignano, in 
den Uffizien zu Florenz befindet ſich von ihm ein 
Altarwerk mit mehrern Heiligen —— 56 
Geſtalten der Tugenden. Der Stil beider Meiſter 
iſt hart und ſtreng, mehr den Geſehen der Plaſtik 
als denen der Malerei folgend, doch zeigen ihre Ge: 
mälde Fortfchritte in ber Technik und Körper: 
bebandlung. P. ftarb um 1496. 

ntonio ber Jungere, Sohn be3 ältern 
Antonio, war ala Daumeijter am Palazzo Strozzi 
in Florenz thätia. 

Pollen oder Bollenlörner, auch Blüten: 
taub nennt man in der Botanik — Fort⸗ 
pflanzungszellen, die in den Staubbeuteln (j. d.) 


Pollen 133 


oder Antheren ber Phanerogamen gebilbet werben, 
Diele Zellen, die fhon lange vor Entfaltung der 
Blüte angelegt werden, haben zur Zeit ihrer Neife, 
d. h. zur Zeit des Öffnens der Antheren, meift eine 
fugelige_Öeftalt und ihre Wandung beſteht aus 
wei bifferenten Schichten, der fog. Erine und 
ntine, Die lehtere ftellt eine dünne Gelluloje: 
baut dar, an welde der Zellinhalt direkt angrenzt, 
die Erine dagegen ijt ftark cuticularifiert und zeigt 
die mannigfaditen Verdidungserfcheinungen, nur 
jelten beſiht fie eine glatte Oberfläche. Die Ber: 
didungen, die nah außen vorragen, find in ber Ne: 
gel in der Form von Warzen, Stacheln oder Leiten 
ausgebildet, und haben eine regelmäßige Anord: 
nung. Auch iſt an einigen Stellen die Grine bedeu— 
tend dünner oder ganz unterbrochen, ſodaß bei der 
Keimung der einzelnen Körner der von der Intine 
umbüllte Pollenſchlauch leichter hervortreten kann. 
Die Farbe de3 P., die meiſt nelb oder violett iſt, 
rührt jtet3 von der Färbung der Grine ber; der In: 
alt des Pollenkorns zeigt dagegen keine beiondere 
ärbung; er beſteht aus einer körnigen Plasma: 
maſſe, die in der Regel Stärkekörnchen und Öltröpf: 
den als Nejerveftofte einſchließt. Bringt man die 
Bollenkörner in Waſſer, fo entwidelt ſich durch die 
eintretende Diosmoſe fehr bald ein ſtarker hydroſta⸗ 
tiſcher Drud im Innern, der ſchließlich eine ſolche 
Höhe erreicht, dab die Wandung des Korns zer: 
jprengt wird und der Plasmainhalt in unregel: 
mäßiger Form nad) außen hervorquillt. Gelangt 
dagegen das Pollenkorn durch Vermittelung von 
Inſekten oder von Windftrömungen auf die Narbe, 
d.h. auf dasjenige Organ des weiblichen Geſchlechts⸗ 
apparats, weldes zur Aufnahme der P. dient, jo 
wird durch Einwirlung der von der Narbe abge: 
ſchiedenen zuderhaltigen Flüjjigkeit das Pollenkorn 
zur Keimung gebracht, und aus den fchon erwähn: 
ten erg oder dünnen Stellen der Erine tritt 
ein Keimſchlauch, der fog. Pollenſchlauch, hervor. 
Derjelbe dringt dur das Gewebe der Narbe und 
des die leßtere tragenden Griffel big zur Mitro: 
pyle (f. d.) der Samentnofpe vor, um dort durch 
Anlegung an den Embryofad die Befruchtung her: 
vorzurufen. (©. Befrudtung.) 
Dei den Öymnofpermen, denen Griffel und Narbe 
fehlen, gelangen die Pollenkörner direlt auf bie 
Samenfnojpen und bilden hier nur einen lurzen 
Schlauch, der bis zum Eikern vordringt. Die yorm 
der Vollenkörner einiger Gymnoſpermen ift infofern 
etwas abweichend, als die Exine zwei große blajige 
Erweiterungen zeigt, die jedenfalls als Flugorgane 
u betrachten find. Außerdem unterjcheiden ſich die 
Vollenkörner der Gymnojpermen von denen ber 
Angiofpermen dadurch, daß bei den erſtern im Korn 
felbjt eine Zellteilung ftattfindet, wodurd bei der 
Reife gewöhnlich drei Bellen vorhanden find, wäh: 
rend bei den — — dieſe Differenzierung 
fi auf die Teilung des Zelllerns beſchränkt und 
eine Wandbildung nit eintritt. Da die Pollen: 
törner ala die Homologa ber Mikrofporen bei den 
höhern Gefähtryptogamen anzufehen find, fo kann 
man mit Recht in jenen Zeilungen innerhalb des 
Korns einen Reit der Bildung von männliden 
Prothallien erbliden, ebenfo wie man die Teilungen 
im Embryofad (Vlafrofpore) vor der Befruchtung 
als rudimentäre Entwidelung eines weiblichen Pros 
thalliums auffaßt. 
Tie Ausbildung des P. innerhalb des Staub: 
beutel3 geht in der Meile vor fich, dab eine Gruppe 


134 


von Bellen im Innern der Anthere durch lebhafte 
Teilung ih vermehrt und jede der zahlreichen, bier: 
durch gebildeten Zellen, der fog. Urmutterzellen 
der P. durch eine Vierteilung zu einer ſog. Te: 
trade wird, in welch lehterer nunmehr jede Zelle 
in ihrem Innern ein Pollenkorn erzeugt. 
fen einer Tetrade bezeichnet man im Gegenſatze zu 
ben Urmutterzellen ald Spezialmutter: 
ellender®. Die Wände der leptern verichleimen 
Fer und die Vollenkörner liegen dann innerhalb 
ber Antherenfächer in dem dadurch entjtandenen 
Schleim. Diejer verſchwindet mit dem 
Reifwerben des P., ſodaß eg: x P. in der 
Regel als ftaubförmige Maſſe die Höhlungen des 
Staubbeutel ausfüllt, Bei einigen Pflanzen bleis 
ben je vier aus einer Tetrade ftammende Hörner 
auch fpäter miteinander vereinigt oder es wird auch 
bie ganze Mafje der Pollenförner zu einem fog. 
— verklebt, wie es no 3. B. bei vielen 
t&hibeen findet. Eine derartige ereinigung meb: 
rerer Bollenkörner ift jedenfalls von gewiſſem Vor: 
teil für die Beitäubung der betreffenden Blüten 
durch Inſelten. Bol. Betäubung nebft der dazu 
en Tafel, Fig. 1a, 1b,6,7u.8_ 
ollentia, im Altertum Stadt der Statielli in 
Ligurien, unweit nörblid von der Einmündung 
ber Stura in den Tanarus, dann röm. Munici⸗ 
pium; bier brachte 403 n. Chr. Stiliho den Weit: 
er unter Alaric) eine Niederlage bei; jest Pol⸗ 
enzo in der ital, Provinz Euneo, Bezirk Alba, 
Gemeinde Brä, mit (1881) 1397 E,, königl, Schloß 
und Ruinen der antilen Stadt. 

Pollenza, Stadt im Norboften ber zur fpan. 
Provinz Baldares gehörenden Inſel Mallorca, Be: 
B Inca, nahe weitlich von der es und fichern 

ut von P., jpan. Puerto de P. oder Puerto 
Menor, bie fi Fe den Borgebirgen Cabo 
Formentor und Cabo del Pinar ausbreitet, bat 
(1877) 8547 G. Tucweberei, Wein: und Ölbau 
und hieß im Altertum und Mittelalter Pollentia, 

Drums (dad alte Bollentia), Ort nahe bei 
Brä (f. d.)in der ital. Provinz Cuneo, 

ollet (2e), ſ. unter Diep e. ie 
ollex (lat.), Daumen; P.pedis, die große 

Pollieitation (lat., Anerbietung) bezeichnet 
im te nen Sinne des röm. Rechts ein einfei: 
tiges Verſprechen, welches, wie ein religiöfes Ge: 
lübde , ohne Annahmeerklärung feitens des Gläu- 
bigers den PBollicitanten jchon bindet, Diefe Form 
einer Verbindlichmachung war jedod lediglich ein 
Inſtitut des röm, Municipalrechts und bezog fich 
auf freiwillige Zufagen öffentlich nüglicher Einrich⸗ 
tungen an eine Stadtgemeinde. Im Fall der 
Verarmung oder des Todes des Pollicitanten 
konnte die Berpflichtung mit einem Fünftel feines 
Vermögens abgelauft werden. Beginn der Aus: 
führung verpflichtete aber zur Vollendung. 

Pollio (Gajus Afınius), ein Römer aus plebeji: 
[dem von Teate im Marrucinerlande ſtammen⸗ 

em Geſchlecht, geb, 75 v. Chr., ſchloß fich 49 im 
bürgerlichen Siriege an Yulius Cäjar an, den er, 
any — er aus der Niederlage des Gajus Curio 
in Afrika glüdlic entlommen war, nad) Pharja- 
lus, dann in den Afritanifchen und Spaniſchen 
Krieg begleitete. Bon Cäſar wurde er 45 zum Prä: 
tor gemacht und erhielt hierauf das jenfeitige 
Spanien zur Berwaltung, wo er fi befand, als 
Cäjar ermordet wurde. Gegen Sertus Bompejus 
focht er hier ohne Glüd. Nachdem Lepidus und 


Die Bel: de 


Pollentia — Pöllnig 


Antonius ſich 43 verföhnt hatten, ftieß er mit drei 
Legionen zu ihnen und verwaltete dann ala des 
legtern Legat das transpadaniſche Ballien. Im J. 
40 Konſul geworben, ſchloß er als Vertreter von 
Antonius mit Mäcenas, dem Vertreter Octavianz, 
n Bergleih von Brundifium; im J. 39 fämpfte 
er gegen die Barthiner in Illyrien und Dalmatien, 
wo er Salonä eroberte, und triumpbierte nod) im 
Ditober desſelben Jahres. Seitdem lebte er vor: 
goimeite den Studien, doch auch ald Senator und 

achwalter noch thätig, bis zum J. 6 n. Chr., wo 
er auf feiner tusculaniſchen Billa ftarb. 

Seine jchriftitelleriihen Werte, Neden, Tragö: 
dien und eine Geſchichte des Bürgerlriegs in 
17 Büchern 1 die in großem Anſehen jtanden, find 
verloren. Die Nefte finden fi in den Sammlun: 

en ber Fragmente der röm. Redner von Meyer, 

t Tragiler von Ribbed, der Hiſtoriler von Peter. 
Die wiſſenſchaftlichen und poetiihen Beitrebungen 
einer Zeitgenoflen fuchte er auf alle Weife zu för: 

ern, unter anderm auch dadurch, daß er zuerit 
eine öffentliche Bibliothef in Rom anlegte und 
— e Übungen in der Beredſ begründete. 

ol. Xhorbede, «De C. Asinii P. vita et studiis 
doctrinaes n 1820); Jacob, «Afinius P.» 
(Zübed 1852); Aulard, «De C. Asinii P. vita 
et scriptis» (Rar. 1877). 

Sein Sohn, Gajus Afinius Gallus (Ealo: 
ninus zubenannt), war 8 v. Chr. Konful, Er ver: 
faßte eine verloren gegangene Schrift, in der er 
Ciceros und feines Vaters Beredſamleit zum Rach⸗ 
teil de3 erjtern verglich, und fand 33 n. Chr. —— 
Tod durch Tiberius, der ihn als den Gatten ſeiner 

en u Vipſania Agrippina haßte, von der 
ſich Tiberius nach dem Willen des Auguſtus und 
der Livia hatte ſcheiden müfjen. j 

Pöllnik (Karl Ludw., Freiherr von), Memoiren: 
———— öln25. Febr. 
1692, ber zweite Sohn des kurbrandenb. Staats: 
mind und Generalmajor Gerhard Bernhard 
von B., durdpreijte den größten Teil Europas und 

and faft an allen Höfen wegen feiner liebenswür: 

gen Eigenjhaften Zutritt. Er nahm in Oſterreich, 
im Kirchenſtaat und in Spanien Sriegädienite, 
fonnte aber nirgends eine feſte Anftellung finden, 
bis König Friedrid) d. Gr. ihn zu feinem Vorlefer 
erwäblte. Später erhielt er auch die Stelle als 
Theaterdireltor. Nachdem er zweimal zur fath. 
Kirche übergetreten und zweimal wieder in bie res 
formierte zurüdgelehrt war, wurde er zum britten 
mal katholiſch und ftarb 23, Juni 1775. einer 
Beobachtungsgeiſt und Wit charalterifieren feine 
«Lettres et m@moires, avec nouveaux m&moires 
de sa vie et la relation de ses premiers voyages» 
B Bde., Frankf.1738—40). Audy fein «Etat abrege 

e la cour de Saxe sous le rögne d’Auguste III, 
roi de Pologne» (Frankf. 1734) erregte Auffehen. 
Am berühmteften aber wurde er als angeblicher 
Berfafjer des Werts «La Saxe galante» (1737), 
das die Liebihaften Auguft3 IL. von a ents 
bält, das einige jedoch ihm — Wahrſchein⸗ 
lich ift er ber Verfajjer der «Histoire secrite 
de la duchesse d’Hanovre, 6&pouse de George I, 
roi de la Grande-Bretagne» (2ond. 1732). Nach 
P.' Tode gab Brunn «Mömoires de P. pour ser- 
vir à l’'histoire des quatre derniers souverains de 
la maison de Brandebourg, royale de Prusse» 
(2 Bbde., Berl. 1792) heraus. Alle feine Schriften 
wurden ind Deutjche überfept. 


Pollnow — Polnische Legion 135 


Polluoss, Stadt im preuf. Negierungsbezirt 
‚Kreis we, lint3 an der Grabow, Rn 
auf allen Seiten von Hügeln umgeben, 37 kn im 
SD. von Köslin, Siß eines Amtsgericht? , bat 
1830) 2538 E., eine Wollipinnerei, eine Spiritus: 
nerei und nabebei die mit einer Dampfſchneide— 
mübhle verbundene Tafelglasfabrit ——— 
hre Erzeugnifje meiſt nach Dänemark und 
Schweden abſeßt. Auf dem ſüdlich der Stadt be: 
ne 85 igenberg ſtand ehemals eine be: 
————— NO. von P. dehnen 

fi) die t bewaldeten arbelower Berge 
ans, ®. wird im 13. Jahrh. als im Befis des 
Deutichen Ordens erwähnt und 1656 durd bie 


Polen geplündert und eingeäjcert. 
Bollodjhans, Stadt in der ſchott. Grafihaft 
ew, 5 km im SSW. von Glasgow, Station 
der Linie » Kilmarnod der Galebonian: 



























ftallifiert regulär, bildet aber gewöhnlich ganz un: 
regelmäßig geftaltete Heine Partien, die äußerlich 
reinem Kampfer ähnlich ausfehen. 

Pollug (gr. Polydeules, Julius), griech. 
Grammatiler und Lexikograph, aus Naufratis in 
Ügypten, um 180 n, Chr., war der Lehrer bes 
Kaifers Commodus, duch den er auch den Lehr: 
ſtuhl der Rhetorik zu Athen erhielt, Er verfahte 
unter bem Titel «Onomasticon» ein griech. Wörter: 
bud) in zehn Büchern, das, nad Gegenftänden ein— 

eteilt, namentlich für die Grllärung und richtige 

eitimmung ber jynonymen Wörter und Nedens: 
arten und — die griech. Altertümer vielfach 
wichtig iſt. Die beſte, mit einem reichhaltigen 
Kommentar verjehene Ausgabe ift die von Leder: 
lin und Hemiterhuis (2 Bde., Amiterd. 1706), die 
fpäter von W. Dindorf, mit neuen Zujäben ver: 
mehrt (5 Bde, Cpz. 1824), wiederholt wurde. Eine 
neue Tertrecenfion gab J. Beller (Berl. 1846). 

Bon einem andern Julius ®., einem criftl. 
Schriftiteller aus ungewiſſem Beitalter, iſt unter 
dem Namen «Historia _physica» ober «Historia 
i utjch | sacra» ein in griech. Sprade geſchriebenes Ge: 
Hamb. 1830), das namentlid) in veligtö- ſchichtswerl pt uns gelommen, weldes, ſoweit 
— erregte und viele Auflagen er: | ed bis jeßt gedrudt iſt, die Greignifje vom Ur: 
in Southa 17. Sept. 1827. [prung der Welt bis auf die Regierung des Kaiſers 
ographie jchrieb fein Bruder (Edinb. 1843). | > alens enthält. Es wurde zuerjt von Bianconi 
Poll-tax (engl., Kopfiteuer), in England Ai (Bologna 1779), dann etwas vollitändiger von 

en 


g des zum Zwed der Barlamentswa ardt (München 1792) herausgegeben. Bir: 
ar nn Wahlregijters und des Wahl iR 

altes j 

die 


au 


E 
* 


werl⸗ (Raſtatt 1861). 

wolna, Stadt im öftl, Böhmen, Station ber 
Linie Wien:Tetihen der Nordweſtbahn, Sib einer 
Bezirtöhauptmannihaft und eines Bezirksgerichts, 
FR zwei Brauereien, eine Stärfes und eine Sirup: 
abrit —— (1880) 5309 E. czech. Zunge. Die 
a den irche, an der Stelle einer ältern 1705 
durch den Fürften Leopold von Dietrichitein im ital, 
Stil erbaut, hat eine berühmte Orgel. Das Diet: 
richſteinſche Schloß auf einem lſen zwischen zwei 
Zeichen, ehemals ein prachtvoller Bau, ber durch 
einen zweimaligen Brand verwütet wurde, ift zum 
Teil verfallen und unbewohnt. 


[. 
enmeier, «fiber Julius P. und fein Gedichte: 
(vom lat. pollutio Befledung), 


unmwilllürlihen, mit d 

verbundenen Samenergü De „Smoinbungen 
reifen, im t8g enthaltjamen nern 
ie treten normalerweije alle zwei bis 
vier nur nachts En « —* =. werden 
dadurch * e zwiſchen Harn⸗ 
der und — Vo ig in 
fi die Samenbehälter (Sa; 
— hab Die $, wenn 
aft find die P., wenn 

—— zu oder nachts zu oft (mögentli 


R 


N, 


mehr und zwar längere Zeit hindurch olnifche Dame, f. unter Damenfpiel. 
eintreten; fie können dann eine Erihöpfung des diniſche Tegion, Bezeihnung, unter welder 
lange dauernde Gemütöverjtimmung | me fach Truppen aufgetreten jind, insbeſondere die 
1796 zu Mailand vom Genera Dombrowſti und zu 


Straßburg i. E. von Kniaziewicz mit Gench: 
migung der franz. Negierung errichteten, welche 
von 1798 bis 1800 in Stalien mit Auszeihnung 
dia und auf Befehl Bonapartes nad ber 


Körpers und G 

——— Bon dem Samenabfluß (Sperma: 
torrböe) * — dadurch, daß 
bei jenem der ganz allmählich und ohne ge: 
© Aufregung vor 19 geht. Treten bie $ 
r auf, jo müjlen fie beſchrantt werden durch 
nüchterne Lebensweiſe, fleibige Leibesbe: 
‚ tägliche alte jungen und Sitz⸗ 
im Sonmer Flußbäder), durd) Fernhalten 
Borftellungen, namentlich aber dadurch, 
man vor dem Sähtafengeben für genügende 
Entleerung des Darms und der Blafe jorgt. Cr: 
hierdurch baldige Beſſerung, ſo iſt ein 
und Geben Urzt zu befragen, wo: 
vor allen Geheimmiteln und brieflicen 
nen — — — werden muß. 

ux (Bolydeutes), ſ. Diosturen. 
‚ein zwar nur ſehr fpärlich auf den 
enräumen des Granit3 von Elba vorkommen: 
des welches aber dadurch merkwürdig iſt, 
daß es die —— Menge bes überaus ſel⸗ 
tenen Elements Cäftum (außer Kiejelfäure, Thon: 
und etwas er 34 Proz. Cäfiumoryd) ent: 
e3 gehört zu Familie der Zeolithe, kry⸗ 


n; 


Schlacht bei Diarengo neu formiert wurden, Die 
ehedem in Straßburg errichtete wurde nad, Santo: 
Domingo geihidt und ging dort durch das Klima 
und die Kampfe mit den Negern zu Orunde, Die 
andere Bolniiche Legion nahm unter Dombromiti 
1801 vor Peschiera den wichtigen Poſten Caſa⸗ 
bianca und wuchs 1806 infolge eines Aufrufs ihres 
Generals derartig an, daß zwei Divifionen In War⸗ 
ſchau einzogen und 30000 Mann an der Belage: 
rung von Danzig teilnahmen, Unter Dombromiti 
focht auch 1809 auf vo Seite eine —* e Le⸗ 
gion, ebenſo 1812, wo dieſelbe mit dem Neit des 
Boniatomwitiichen Korps beim {ibergang über die 
Berefina große Dienfte leiitete, und 1813 bei Groß⸗ 
beeren, Jüterbog und Leipzig. Sodann ift 1854 
eine Polniſche Legion feitens der brit, Negierung 
aus in England und Frankreich lebenden und 
fahnenflüchtigen Polen unter Graf Zamoyſli in 


A 


Er 


ER 


136 Polniſche 
ber Stärke von pe Stavallerieregimentern errichtet 
worden, bie am Orienttriege im Korps bes General3 
Vivian teilnahm und nad) dem Frieden größtenteils 
in ben türf, Dienft übernonmen wurde. In Frank— 
rei) ward 1870 unter Jarojlam Dombrowſſi eine 
Er niſche Legion in ber Stärke von einem Bataillon 
nfanterie und einer Schwadron Ulanen bei der 
ogefenarmee Garibaldis errichtet. 
olnifche Litteratur. Die — der poln. 
Litteratur reihen bis in bie vorchriſtl. Zeit und 
bejtehen in den echt ſſaw. Clementen, welde in 
Sprihmwörtern, Volksliedern und Vollafagen auf: 
—— find. Sammlungen der Vollslieder ver: 
anftalteten Wojcichi, Waclaw d Dleſta, Begota 
Pauli, Roger (unter den ſchleſ. Bolen); der Volls— 
jagen Mojcichi, Balinffi u.a. Das ganze ethnogr. 
laterial über Polen bat Dakar Kolberg zu fammeln 
begonnen in «Lud. Jego zwyczaje, sposöb Zycia, 
mowa, podania u, f. w.» (Serie I-XVII, War: 
ſchau 1857—69 und Krakau 1871—85). Gine eigen: 
tümlihe Form des poln. Voltsliedes iſt der Strato: 
wiat (}. d.). Zu den ältejten Dentmälern der poln, 
Litteratur rechnet man das dem heil. Adalbert 
zugefhriebene Lobgedit auf die Maria: «Boga- 
rodzica», das aber, da es als Schladhtlied fich mit 
den Generationen erweiterte und erneuerte, in der 
auf uns gelommenen hen; fiher erſt aus dem 
14. ober 15. Jahrh. ſtammt. Doch lamen dieſe 
rein nationalen Keime nicht ſofort zur Entwidelung; 
mit Einführung des Chriftentums im 10. Jahrh. 
trat ein lat. Element an ihre Stelle und bildete 
ür eine lange Zeit die Grundlage bes wiſſen— 
chaftlichen und litterar. Lebens der Vote, 

Die erften Ergebnifje diefer lat.:poln. Litteratur, 
welche als erjte Periode der poln, Litteratur gel: 
ten lann, waren die aus dem 12. und 13. Jahrh. ber: 
rührenden, in lat. Spradye abgefaßten Chroniten 
von Martin Gallus f d.), von Kadlubek (f. d.) 
und Boguchwal oder Boguphal; ferner das «Chro- 
nicon summorum pontificum et imperatorum Ro- 
manorum» (Baf. 1559) von Martinus Polonus, der 
Beihtvater des Papſtes Nikolaus ILL. war und 1279 
ftarb. (Vgl. Zeißberg, «Die poln. Geſchichtſchreiber 
bes Mittelalters», Lpz. 1873.) Nach geraumem 
Stilljtande war, es König Kaſimir d. Gr. (f. d.), der 
ber Litteratur eine bejjere Zeit vorbereitete. Der: 
jelbe ließ 1347 ein Öejegbud, das berühmte Sta: 
tut von Wiſliha, abfaſſen und ftiftete 1364 bie 
Univerfität zu Strafau, bie aber erjt von Jagello 
(j. d.) 1400 vollitändig eingerichtet wurde, nun 
raſch zu hoher Blüte ſich erhob und lange Zeit der 
Mittelpunkt des wiſſenſchaftlichen Lebens in Polen 
blieb, Vor allem — daſelbſt die mathem. 
und philoſ. Wiſſenſchaften, und es gehören Jo— 
hannes Glogovienſis, geſt. 1507, Gregor von Sa— 
not, geſt. 1477 als Erzbiſchof von Lemberg, und 
MWojcich — eſt. 1497, der Lehrer des 
Kopernikus un Berfaller mehrerer aftron. Werte 
war, zu den berühmteften Gelehrten jener Zeit. 
Es entitanden teilweife Üiberfehungen der Heiligen 
Särift, wie die in Sarospatak befindliche «Bibel 
der Königin Sophia», herausgegeben von Malecti 
(Lemb. 1872), ferner poln. Andachtsbücher; zugleich 
zeigten ſich in religiöfen und mytholog. Dia ogen 
die eriten Spuren des poln. Dramas, Aud der 
Huſſitismus, welcher in Polen zahlreiche Anhänger 
fand, trug nicht wenig zu geiltiger Belebung_bei. 
Das Vormwärtsichreiten der Bildung wurde ficht: 
barer bei Dlugo3z (f, d.) und Kallimach (Buona: 


— — ou 


Ritteratur 


corfi), geft. 1496 in Kralau, der Biographien feiner 
Beitgenofien verfaßte. Auch ward um 1490 bie 
erfte Druderei durch Sweipolt Fiol (f. d.) in 
Krakau begründet, dem Haller 1503, dann Wietor, 
nadjfolgten. Das ältefte noch vorhandene Doku: 
ment Bon Schriftweſens ift das in dem St. Flo— 
riandflofter bei Linz im Manuftript befindliche 
Bialterium (herausg. von Dunin Borkowfli, Wien 
1834), weldes wahrjheinlich der Königin Mar: 
gareta, erjten Gemahlin Ludwigs von Polen, 
gehört hat. Das erite befannte Drudwert in 
poln, Sprache ift von 1521, eine Überfepung der 
«Geiprähe des Königs Salomo mit Marcolt», 
(herausg. von Celichowſti, Po. 1876). 

Erit in ug ce Periode wurde die poln, 
Sprache — Schriftſprache erhoben und erreichte 
in derſelben einen verhältnismäßig bedeutenden 
Grad von Rralt, Selbſtändigkeit und Ausbil 
dung. Diefe Periode umfaht die zweite Hälfte 
de3 16. Jahrh. und reicht bis in die Mitte des 
17. Jahrh. Es war die glorreihe Zeit ber 
Könige Sigismund I., Sigismund IL. Auguſt 
und Stephan Bathori; fie wird als das goldene 
Zeitalter ber poln. Fitteratur bezeichnet. Die 
Wiſſenſchaften, insbefondere das griech. und röm. 
Altertum, erfreuten fich einer ungemeinen Pilege 
und Begünftigung. Sigismund I. erhob 1595 den 
anzen Yebreritand der frafauer Nlademie zu Ade— 
igen und Stephan Bathori legte in Wilna eine 
Alademie an, Dem Beijpiel der Fürften folgten 
die Magnaten, wie Jan Zamojſti, der 1594 in 
Zamodc eine Akademie ftiftete. Andere begaben 
ſich behufs ihrer Ausbildung ins Ausland, beſon— 
ders nad Italien und Deutichland, Die Refor— 
mation, bie raſchen und allgemeinen Eingang 
fand, trug außerdem viel zum geiftigen Aufihwung 
der Molen bei. Die Poeſie trat jeht plöplid in 
einer Vollendung auf, von der man vorber feine 
gg gehabt —8— Die Bahn brach Nikolaus 
Rei (f. d.). Auf höchſter Stufe ſtand nach ihm Jan 
Kodanomfli (j. d.). Daran fchließen fih Talente 
zweiten Nanges: Matthias Nybinjki, geit. 1612, 
liberjeper der Pjalmen; Sep Szarzynſti; Hafpar 
—— in Großpolen, geſt. 1622; Staniſtaw 
Grochowſti, geſt. 1616, von dem geiſtliche Lieder 
voll Innigleit berrühren, Die Empfindung der 
Mängel des fozialen Lebens in Polen fam zum 
Ausdrudinbden ‚len des Szymon Szymonowicz, 

enannt Simonides, und jeiner Nachfolger, ſowie 
in den Satiren des Klonowicz. 

Die Verbreitung der Reformation veranlafte 
ſehr bald_das Bedürfnis kirchlicher Geſangbücher 
in poln. Sprache ſowie Bibelüberjegungen. Wa: 
lenty Brzozowſti, geft. um 1570 als Konſenior der 
fratauer Diöcefe, war der erfte, der böhmt. Gejänge 
in poln. Sprade herausgab Königsb. 1554). Cine 
andere wichtige Sammlung der Art veranjtaltete 
Petrus Artomius, Prediger in Thorn, ee: 1609, 
Schon 1551 erſchien Fr Königsberg die erite Über: 
fegung des Neuen Teſtaments für Proteitanten 
von Jan Sellucyan, den Herzog Albrecht als Pre: 
diger von * nad Königsberg berufen batte. 
nn. e3 Fürften Nitolaus Radziwill erichien 
zu Brzesc 1563 die für ſocinianiſch erklärte Bibel: 
überjehung , an der aud Jan Lafli (j. d.) teilhatte, 
Die ganze Bibel für Katholiken wurde zuerit von 
Jan Leopolita (Kral. 1561) überjest, dann von 
Jalk. Wujel (geb. 1540, feit 1565 Jeluit, geit. 1597), 
einem der gelehrtejten Theologen der Zeit, welcher 


Polniſche 


einer der kräftigſten Belämpfer der Reformation 
war. Eeine Bibeluberſetzung (Krak. 1593 u. öfter), 
welde bis heute nod für die befte gilt und von 
Rom anerlannt wird, hat in ihrer kernhaften 
Sprache Sihnlichkeit mit der Lutherſchen. Als 
Redner it Starga (f. d.) berühmt. Unter den 
evang. —— machten ſich durch viele Schrif⸗ 
ten belannt Jak. Niemojewſti, Theophil Turnowſti, 
geit. 1608 als Senior der Bohmiſchen Brüder, Kro— 
wicki, durch vortreffliches Polniſch —— 
und Andr. Wolan , geit. 1610, der lange Zeit res 
form. Prediger in Milna war. 

Die Geſchichte erſchien jept in vaterländifchen: 
Gewand zuerft in Marcin und Joachim Bieljtis 
(j.d.) «Kronika», Ihnen Ye — Sörnicki, 
1535— 91, der Etaroft und Sefretär Sigismund 
Auguft3 war und ſchon damals in jeiner Gejchichte 
der Krone Polen («Dzieje o koronie polski6j», 
Kral. 1657 ; zuleßt Warſch. 1804), welche die Zeit von 
1538 bis 1572 unfaßt, und in andern Werfen, wie 
«Der poln. Hofmann» (deutih, Stuttg. 1856), die 
Gebrechen der Verfafjung Bolens mit Freimütige 
teit aufdedte. Maciej Stryjlomfti, geb. 1547, Ha: 
nonitus in Zivland, ſchrieb eine«Kronika» (Königs. 
1581), in welcher trefflihe Quellen benupt find, die 
aber auch viel Fabelhaftes enthält. Abm zur Seite 
ftand Alerander Guagnin (f. d.). Barthol. Pa: 
procli, geft. 1614, verfaßte mehrere grobe genea: 
Iog. und heraldifche Werte, größtenteils in Verſen. 
Sein Hauptwerk ift «Herby rycerstwa polskiego» 
Kral. 1584). Dagegen ſchrieb Marcin Cromer 
(l d.) feine Geſchichte Polens in lat. Sprache. 
Auch Staniflaw Orzehowjli (f. d.) parte in lat. 
Sprade die «Annales Poloniae» (Dobromil 1611), 
weldhe die J. 1548—52 en Andreas Frycz 
Modtzewſki, geit. 1572, verfuchte in feinem berühm: 
ten Werte «De republica emendanda» ray bie fo: 
zialen Berhältnifie Polens, vornehmlich zwiſchen 
Staat und Kirche, zu vermitteln, Als Naturforicher 
erwarb fi) Simon Syrenius, um 1590 Profelior 
der Medizin an der kralauer Univerfität und Ver: 
fajier einer ſprachlich x wichtigen poln. Botanif, 
weiten Ruhm, ferner als Lehrer der Phyſik an der 
Univerfität und Arzt zu Kralau Sebajtian Petrycy, 
der auch wegen jeiner poln. Überjegung und Gr: 
Härung Ariftoteliiher Schriften zu nennen iſt. 

‚Die auf die Glanzperiode [eigende dritte Be: 
tiode ber poln. Litteraturgeihichte, die etwa von 
1621 bis 1750 reicht, iſt die der — 53 
infolge welcher ein allgemeiner Verfall der Littera⸗ 
tut und Wiſſenſchaften eintrat. Der Kardinal Ho— 
ſius hatte auf dem Tridentiner Konzil die Statuten 
der Jeſuiten kennen gelernt und ſich bald überzeugt, 
daß dieje allein im Stande wären, jegliche Firchliche 
Neformation in Polen aufzuhalten. Er führte da: 
ber den Jeſuitenorden in Polen ein und_ftiftete 
1564 das erjte Kollegium in Braunsberg. Die Je: 
fuiten nahmen bald überhand, insbejondere unter 
Sigiamund III. Sie bemädtigten ſich der Bil: 
dungsanftalten. Ein ftarres, prunkhaftes Gelehr: 
tentum trat an die Stelle lebendiger % iſſenſchaft. 
Durch Vermiſchung mit barbariſchem Latein verlor 
nd eng Sprade ihre Reinheit und die Geſchichte 
fant zu lächerlicher Lobrednerei, die Poeſie zu 
leerem Wortihmwall herab. Anfangs vermodten 
zwar einige fräftige Geifter, wie der Krongroßfeld⸗ 
berr Zamoiſti, all noch einigermaßen auf: 
jubalten; allgemein aber begann der Niedergang 
geiftiger und litterarischer Bildung, ala es 1622 


137 


den Jeſuiten gelang, das Anfehen und die Wirk: 
famteit der kralauer Akademie, der einzigen Pfle— 
gerin der Wiſſenſchaft in diefer Zeit, zu lähmen. 
Unter den Dichtern dieſer Zeit ſteht Sarbiewſli 
f. d) obenan, der aber nur —— ſchrieb. In 
Wespaſian Kochomfti (f. d.) zeigen ſich ſchon neben 
poetiſcher Wärme die Verderbnis der Sprache und 
die Geſchmadloſigleit der Zeit. Neben ihm find 
zu nennen Krzyftof DO;palinfli, ein angefebener Hof: 
mannund Wojwode von Poſen, geit. 1655, er ſchrieb 
«Satyry» (1652; neue Ausg., Poſ. 1840) voll ſchar⸗ 
fer Charalteriftif, doch ohne poetischen Wert; Wae— 
law Rotocki, geft. 1693, der hervorragendite Dichter 
der Zeit, deilen Epos «Wojna Chocimska» (Lemb. 
1850) Beachtung verdient, und Glibieta Drusbacta, 
get. 1760, die, ganz aus fich ſelbſt gebildet, durch ihre 
einfache und natürliche Poeſie befonders für jene Zeit 
ſich bemerllih machte. Unter den Hiftorifern find zu 
erwähnen Pawel Biafecli, Biſchof von Praemyäl, 
oeit. 1649, deſſen «Chronicon gestorum in Europa 
singularium» (Straf, 1645) eine freimütige und un: 
parteiijche Geſchichte feiner Zeit enthält, Szymon 
Staromoljfi, geit. als Kanoniler in Krakau 1656, 
ber mehrere wichtige litterarbijtor. Werte und eine 
ausgezeichnete Statiſtik («Polonia, sive status 
regni Poloniae descriptio», Wolfenbüttel 1656) 
schrieb; Wijuf Kojalowicz, $efuit, geit. 1677, der 
eine «Historia Lituaniac» (Bd. 1, Danz. 1650; 
Bd. 2, Antw. 1669) verfaßte, die in der Fort: 
jebung der «Allgemeinen Welthiftorie» (Bd. 50) 
überjept ift; Paſſek, deſſen Memoiren Raczynſti 
herausgegeben bat (deutſch von Stenzel, Brest. 
1838); Jedrzej Wegierjfi, geit. 1649 ala evang. 
Senior in Zublin, der in feinem Were «Slavonia 
reformata» (Amiterd. 1679) eine ausführliche Ge: 
fchichte der diffidentierenden Kirche gab und aud) 
für die Litteraturgefchichte von größter Wichtigfeit 
ist. Dasjelbe gilt von Yubieniectis (Lubieniecius 
Rolitsius, geit. 1675 in Hamburg) «Historia re- 
formationis Poloniae» (Freijtabt 1685). Kaſpar 
Nieſiecki, Jeſuit, get. 1743, lieferte das wichtigste 
Wert über poln. Heraldif: «Korona polskau(4Bde., 
Lemb. 1728—43 ; neue Ausg., 10 Bde,, Lpz. 1839 — 
46). Rözef Zalujti, nod) diefer oje angehörig, 
trug ſchon zur Entwidelung der folgenden bei. 
Eine neue Richtung erhielt die poln. Litteratur 
während der vierten Periode, feit der Mitte des 
18. Jahrh., teil durd den Einfluß der franz. Lit: 
teratur aus Ludwigs XIV. Zeit, mit welcher die 
Polen auf ihren Reifen und an dem Hofe des Sta: 
niſlaw Leizezyunfli (f. d.), der viele feiner Lande: 
leute in Zothringen um fich verfammelte, befannt 
geworden waren, teild durd) die — die 
eine geſchmadvollere Wiſſenſchaft bei dem König 
Staniſlaw Auguft, den Fürften Ezartoryfli (f. d.), 
Jablonowſti (. d.) und andern Dagnaten fand, 
bejonders aber durch die Thätigleit Stanijlaw Ko— 
narſtis (f. d.). Infolge derjelben wurde aud) die 
Erziehung der Jugend den Jeſuiten entzogen, ald 
ein Staatsinterefle erllärt und eine beſondere 
Gdufationstonmiifion aus den —— und tüc): 
tigiten Männern gebildet. Unter tonarffis our 
fen find zu nennen: der gründlich gelehrte Onufry 
Kopczynſti, 1735—1817, welcher zuerit eine gramı: 
ehe Begründung der Sprache in feiner «Gram- 
matyka» (Warjch. 1778) verfuchte, Grzegorz Pira- 
mowicz, geit. 1801, Verfaſſer von Schulidriften, 
und der Seruit Franc. Bohomolec, der zahlreiche 
Theateritüde aus dem Sranzöfiichen überjebte 


Litteratur 


133 


(5 Bbe., Warſchau 1775). Vor allem aber wirkten 
Narufzewicz (}. d.) und Hrafici (f. d.), fie waren 
bie Träger der poln. Litteratur ihrer Zeit. Als 
Dichter find in diefer Periode bemerkenswert: Sta: 
niflam Trembecki, Franc. Aniaznin (. d.), Kajetan 
Wegieriki, letzterer durch ſeine beißenden Verſe be: 
kannt. Die zu ihrer Zeit jehr gerühmten dramatiſchen 
Dichter — un! elinjti, geb. 1771 
in Luck in Volhynien, geit. 1820 als Direktor des 
ceums zu Arzemieniec, der Verfafjer der Tra— 
die «Barbara Radziwillöwna» (deutfh: «Die 
Karl Radziwilly, von Drion Julius, Berl. 1831), 
erner Kropiuſti f. db.) und Dlinffi (f. d.) haben 
meift ihren Ruf überlebt, da fie in übten Tragö⸗ 
dien, ohne natürliches Leben, nur in franz. Regel: 
rechtigkeit einherichreiten. Neben ihnen fuchte Bogu⸗ 
ſlawſti (f. d.) das Vollstümliche feitzubalten. 

Die Blüte, welche unter der Negierung Staniflaw 
Augufts für die poln, Litteratur hervorgebrochen 
war, konnte auch durch die folgenden Stürme nicht 
pany zerjtört werben, und viele Geifter ſuchten num 
n den Wiffenihaften Troft bei bem Unglüd bes 
Baterlandes, Noch 1801 jtiftete Tadeusz Czacki 
mit ir Dmöhowjfi und Albertrandy die 
Geſellſchaft der Freunde der Wiſſenſchaften in War: 
ſchau, die befonders unter dem Staatsrat und pa: 
triotiichem Schriftiteller Stafzic reiche Früchte trug, 
bis fie 1832 aufgehoben und ihre Bibliothel von 
50000 Bänden nad Petersburg gebracht wurde. 
Kräftig wirkten damals aud) Ofeti ſ. d.), Kol: 
lontaj (f. d.) und Staniſlaw Potocki (j. d.) durch 
Schritt und Wort zur Fördernis des Gemeinfinns, 
während die Profefloren an der wilnaer Univer: 
fität, die Gebrüder Johann und Andreas Sniabecki, 
diefer durch feine allgemein als bedeutſam aner: 
kannte «Theorie der organiſchen Wefen» (deutic) 
von Neubig, Nürnb. 1821) die ._. Wiſſenſchaf⸗ 
ten mit Erfolg bearbeiteten. Somit ſchlummerte 
in Bolen auch nad) dem Untergang der polit. Selb: 
ſtändigleit die litterariiche Thätigkeit nicht, ja wäh: 
rend der Unterjochung erſt hat fie ſich zu europ. 
Bedeutſamkeit emporgeſchwungen. 

Den Übergang zu dieſer höchſten Stufe, welche 
in der fünften Periode erreicht wird, bilden Kar— 
pinfti (f. d.), Woronicz (f. d.), Niemcewicz (1. d.) 
und Brodzinjli (f. d.), in denen zuerit das Natio: 
nale auch im Gedicht wieder hervortrat. In Wilna, 
das feit 1815 Mittelpunkt der poln. Litteratur 
wurde und alle Feuergeijter — *— verſammelte, 
vereinigten ſich mehrere junge Männer, Mickiewicz 
(1 d.) an der Spike, die, gebildet durch die Eng: 
änder und die neuere deutiche Dichterfchule, mit 
Wort und That gegen den bisherigen Gang ber 
Litteratur ſich erhoben. Sie verwarfen die Klaſſi— 
ität, die ſich durch die franz. Negelrechtigkeit bin: 
en ließ, und löjten den Polen die Feſſeln, von 
denen die ie en Leſſing befreite. Sie wiejen 
darauf bin, daß die Dichter Polens mit geringer 
Ausnahme nicht national —— denn nur mit poln. 
Worten Dee fie gefchrieben, nicht aus dem poln. 
Leben geichöpft, dagegen in aufgenommenen franz. 
und röm. Gedanten und Gefühlen geichwelgt, Cs 
entitand ein heftiger Streit zwiſchen Klaſſiziſten und 
Nomantitern, aus dem Mickiewicz und die roman: 
tifche, volfstümliche Schule als volllommene Sieger 
bervorgingen. Als Genoſſen und Nachfolger Mickie: 
wicz' find zuvörderjt zu nennen Malczewiti (j. d.), 
Garczynſli (f. d.), Goſzezynſti (ſ. d.), Zaleſti (f. d.) 
und Tomasz Padura, welcher, in der Ukraine ge: 


Polniſche Litteratur 


boten, 1817—20 eine Reife nad) bem Drient machte 
und in jeinen lebensvollen Gedichten des reizenden 
ruffinifchen Dialekt fich bediente («Pienia», Lemb. 
1842); ferner Odyniec (j. d.), ren Korjal (geit. 
1855), Iyrifcher und elegifcher Dichter, der ſich be— 
ſonders nad) engl. Muſtern bildete («Poezje», Poſ. 
1833; «Nowe Poezje», 2 Bde., Wilna 1840); Aler. 
Chodzto (f. d.); Aler. Groja («Poezjer, Wilna 
1843); Lucyan Siemienffi, geb. 1809 in Galizien, 
geit. 1877, bekannt durch jeine ſchönen Gedichte (Upy. 
1863) und trefjlichen Novellen; Auguftin Bielomitt, 
geb. 1806 , geit. 1876 in Lemberg, iyriſcher Dichter 
und fiberjeßer von «Igors Zug gegen die Bolomzer» 
Lemb. 1833); Gorecti (f. d.); je, Theophil 
——— Seh: nr he in B a. . = dem 
ilderreidhe ngenherrühren(«Die dung», 
deutich, Ge 1865). Eine eigentümliche Stelle 
nimmt der General Franz Moramwjfi (geb. 1785 
geft. 1861) ein, welcher in der Idylle «Der Hof 
meines Großvaters » ke Dworzec mego dziadka » 
das gemütlihe Landleben des poln. Adels ans 
mutig gejchildert hat. Zum Höhepunfte hat ſich die 
neuejte poln. Dichtkunſt in der Emigration, ind: 
befondere durch Krafiniti (f. d.) und Slowacki (f. d.) 
erhoben. Zu den Gmigranten zählte Gzajlowili 
ſ. d.). Bor ihm galten But Dome, Starbef und 
. Bernatowicz («Nalencez», deutſch von Schnaaſe, 
1834; «Pojata», deutich, Lpj. 1834) als die 
beiten Romanjchreiber. Darauf ward Sa Ne: 
wuſti (f. d.) zeitweilig ein Liebling des Publifums 
mit ihm wetteiferten Wichael Grabowſli (j.d.), Gor⸗ 
Ha (5. d.), Dzierzlowfti (f. d.), Miltowfi (f. d.), 
yomunt Kacztowſti (unter anderm in dem Ros 
terab 1800) und Sgnacp Chobito (70.), Moslihe 
tersb. 1855) und Ignacy Chodzto (f. d.). i 
—— en auberdem 5 pfeudonyme 
Wladiſlaw ee (Ludwig ee ft. 
1862), Bol (1. d.), Gojlamifi (f. d.) und 
Zielinſti («Kirgiz» und «Stepy», —— 
1858). Der vielſeitigſte und fruchtbarfte Schrift⸗ 
fteller neuerer Zeit ift Kraſzewſli (}. d.), Als Im: 
rovijatrice glänzte Luſzczewſta F d.). neue: 
her Zeit trat Elita Orzeſzto in Wilna mit 
enden und lebensvollen Erzählungen, die ins: 
befondere dem Judentum entnonmten find («Meier 
Ezofowicz», deutic von Briren, Dresd. 1884), her: 
vor. Sienliewicz ſchrieb realtjtiiche Novellen ( 
lenſtizzeno) und Romane. Noch find als dramati 
Dichter zu erwähnen: Jan Nepomucyn Kaminſti 
(geit. 1855), Direktor des lemberger Theaters und 
Überjeger Schilleriher und Calderonjcher Dramen, _ 
Graf —— (j.d.), 2* (j.d.), As i 
(j. d.) und Malecki (. d.). Dominit Magnuſ 
geb. 1810, erregte durch ſeine Dramen * 
wartungen, ſtarb aber er 1845 in ei 
—— dem —* er ——— 
neuen Richtung entſprach in der Geſchi 
die Thätigleit Lelewels, nachdem ſchon vorher der 
bereits genannte Dichter Adam Naruſzewicz den 
Grund zu einer kritiſchen Geſchichtsforſchung gelegt 
hatte. Ihnen folgten Theodor —— i 
Moraczewſti (ſchrieb von republifaniihem Stan 
punkt), Julian Vartofjewica, Theodor Morawfli, 
Karl Szajnodha (ausgezeichnet durch lünſtleriſche 
Daritellung), Heinrich Szmitt u.a. Doch g 
e3 erit der neueiten hiſtor. Schule, ſich von dem 
Feſſeln der Romantik ganz zu befreien. Dabin ges 
are Joſef Szujjti, Michael Bobrzynſti, Kazimie 
arohromiti u.a. Ihnen fchlieben ſich in der litte⸗ 


Polniſches Recht — 


tariihen Kritik Wladimir pe, Etaniilaw 
Graf Tarnowſti, Beter Chmielowili u.a. an. liber 
“ rg von 1830 haben die Emigranten 
zahlreiche Mitteilungen veröffent: 

— find Mochnacki, Wrotnowſli, 
ee Ballen offmann, Wofochi und Miero: 
‚ über die: Nevolution 1862—63 Agathon 
— —— iſt das Fach der Reiſebeſchreibung, 


obwohl es an intereſſanten Skizzen und Reiſebil— 
dern, wie von J * Chodito, Eva aan 
Tripplin un. . w., nicht feblt. 


Lucia a a ehe Hot A 
n die Polen wenig Cigen: 

; bodh find zu —— — 
‚ geit. 1858, ein Schüler Schellings 
er dee deutichen Werls «Die Philo— 
(lange 183), —* 
einzelner » (Erlangen owie 
des «Dumani — 
— —— 1861), € 
i umd Cieſzlowſti, der die (Dar 
Shriften « Prolegomena =E Hiftoriof ophie » 







fl 


und «Gott und Balingenefie» und 
«Ojeze nasz» (Par. 1848) verfaßt 


— Jr eller find Macie: 
Herauägeber des ältejten poln. 


Einen der 7 
— ——— 
nennen die e von 
ma 1861), ‚Decijofti (8 Bhe., ne) 
1851—52; reiht nur bis zum 17. Jahrh. ), Bar: 
—— et re. en er v arg „ge 
Öriebene, e po 
un — ——— « «ci te gen 


— (in 
und Een, 5* der 
che — ., 2 Bde., ps. 1880—84 


2. Bo. 1. u tommen bie rn 
Werte von en m ainz 1873), Niti, 
ne poln. gene Aufl, 2p3. 1875 — 


der poln. Literatur», 2yp3. 
. Monographien —* Sobuli, 
„ Grebenit, Kraſzewſti u. a. Eine 
neuere an ender Werte der poln. 
ie eBib ioteka pisarzy pol- 
skich» (2p3. 1860 SR bis 1886 81 Bde.). Eine um: 
— gab Karl Eitreicher — 
— t, ein —— des ſlaw. 
echt bis zum 14. 
et Gewohnheits —5 es nur aus 
und inigen Lanka en, fowie aus Bon 
Privatarbeit Ben Ta Sion —— 
inger u 
erlannt werden lan 1347 erlich König Ka: 
fimir ein eb, das ſog. ——— 
Statut, — Öffentliche und Vri⸗ 
vatrecht umfa en ſollte B rg 
nicht ausſcileß ein fi aw. Recht, 
neben Fu bereit3 viele Grundjäe des 
‚ rom. und fanonijchen ts enthielt. 
Die te des poln, Rechts ſeit der Ver: 
eſes Gejehbuchs erſcheint in einer 
noch Weiſe, als = beim czech. Recht 
der war, als ein Prozeß der Verjehung m 


-rechtl d 
—5——— Be de - das 


A, men über Bialyſtok, Breft 


Polniſche Sprade 139 


—* Necht wurde am Schluß des 14. Jahrh. 
ſchon zum herrſchenden Recht, deſſen Freibeiten 
fi io der poln. Adel nick © allgemeines Reiche: 
eich — —— ließ. Ganz verdrängt wurde 
das Recht freilich niemals; namentlich auf 
dem Pete des Privat: und Projehredts erhielten 
ſich deſſen Grundjähe ſtets in Übung, und der Um: 
itand, dab das Wiſliher Statut feine techtsverbind: 
liche Kraft niemals verlor, trug dazu bei, die in 
ihm enthaltenen poln. Rechtsſaäße im Gebrauch zu 
erhalten. Fortgebildet wurde das poln. —— in 
ſpaͤterer Zeit durch die Reſolutionen des ſog. 
merwãhrenden Nates, der unter Vorſiß des Königs 
= Drgan der autdent. Gefepetauslegung bildete. 
m J. 1808 wurde in einem großen Teile Polens 
> = us Napolcon St. Bandtlie, 
«Historya prawa polskiego» (Warſch 1850); Lele: 
wel, «Poczgtkowe prawodawstwo polskie» (1828); 
die Werte Gzacki, Hube, Maciejowifi u, a. 
Polnifcher Reichstag nenntman, nad) der lin: 
—— Seidenf ftlichleit, mit welcher die Ber: 
bandlungen auf den Reichstagen in Polen geführt 
er eine Verſammlung, Unordnung und 
Streit cht und fein Be Ya zu Stande tommt. 
Poluiſche un na ört zu ber flam 
—— = war e im = eg a 
mi 
ade) > "das ea 1 (ea, Wen. 
(ir gehören; mit biefen prachen iſt 
daher das poiniſ e am nächſten —— Von 
ſaämtlichen andern ſlaw. Dialelten ift nn 
dadurch am — a unterfcheiden, es zwei 
Nafalvolale: q (pe Teen wie franz. on) und € 
(zu ſprechen wie franz. in) befit, die allen jet le: 
benden — * Sprachen verloren gangen 
find, z. ® b (Eiche), € dub; poln. 
migso ziel H, c —* — außerdem hat das 
Volniſche allen andern Sprachen gegenüber 
die Eigentümlichteit, da die . ets auf der 
vorlegten Silbe betont werden. Di pradhgrenzen 
des Polnischen find, in großen Zügen angegeben, 
folgende: im Diten eine Cinie von Grobno am Nie: 
ren zen in Ga: 
—— hier grenzt. das Bol e an das ruſſ. 
prad) ebiet; im Süden eine Linie von Jaroflaw 
an bie atta, von da nad Ratibor in Schleſien; 
bier grenzt das Polnische teils an ruffisches (Kein: 
ruhe), teils an jlowal.:cjed ——— 
Weſten eine Linie von Ratibor nach Birnbaum 
J der Warthe; bier berührt ſich das Polniſche mit 
dem Deutichen, das in vielen Ausbiegungen und 
Spradinjeln in das poln. Sprachgebiet eingreift; 
im Norden eine Linie von Birnbaum über Brom: 
berg, Graubenz, — — Naftenburg etwa nad 
Suwalfi; dazu lonmit bier eine Ausbiegung des 
Sprachpebiets in Weftpreußen linls der Weichiel 
j. aud Kaſſuben); an ber Nerbgreng berührt 
ich das Polnische mit dem Deutſchen un mit dem 
Pitauifhen. Wie jet größere Sprachgebiet zer: 
er auch das polnifche in Dialelte, die poln. Dia: 
ettologie ift aber bisjeht noch nicht jo weit bear: 
beitet, daß eine fichere Einteilung der Dialelte mög: 
lid) wäre, Eine gebräuchliche Ginteilung —5 — 
den ee abgejehen): 1) der großpoln. Dialelt 
(f. Großpolen); 2) der mafurijche (im fübl. Dit: 
reußen und dem arangrenzenden nördl. Zeil 
olens); 3) der Heinpolniihe; 4) der ſchleſiſche; 
als wird au wohl nod der litauiſche Dialekt 
gezählt, Geſprochen wird polnifch von etwa 10 Mils 


140 Bolnifcher Thronfolgekrieg — Bolniih -Schwed.-Dän.-Brandenburg. Krieg 


lionen. Die Kr Sprade warb und wird nur 
mit dem lat. Alphabet geichrieben, fie ift, wenn 
man bie eriten —— mitrechnet, ſeit dem 15. 
Sal: grammatiich bearbeitet worben und die 
Zahl der Bearbeitungen eine ſehr große; neuere 
Grammatilen find: Malecki, «Gramatyka jezyka 
polskiego wicksza» (Lemb. 1863; bie befte größere 
Grammatik); derjelbe, «Gramatyka historyczno- 
poröwnaweza jezyka polskiego» (2 Bde., Lemb. 
1879); Smith, «Grammatik der poln. Sprade» 
(Berl. 1864); VBoplinjlfi, «Grammatif der poln, 
Sprache» (neu bearbeitet von W. Nebring, 7. Aufl., 
Thorn 1881, «Glementarbucdh», 11. Aufl., Lpz. 
1882); Wörterbücher: Linde, «S!ownik jezyka pol- 
skiego» (2. Aufl,, 6 Bde. Lemb. 1854—1860, das 
größte Wörterbuch des Polnischen); von Heinern 
wird viel gebraucht Booch Arkoſſy, « Polnifch:deut: 
ſches und deutich-polnisches Wörterbudy» (2 Vde.; 
4. Aufl., Lpz. 1883). 

Polnifcher Ihronfolgefrieg Polniſcher 
Königsmwahltrieg), der Krieg, welcher nad) dent 
Tode des Königs Auguft II. von Polen 1733 aus: 
brad), Stanislaus —A von Frankreich un⸗ 
terjtügt, ſuchte ſich des * n. Throns wieder zu be: 
mädtigen, Nußland und Oſterreich dagegen waren 
für die Wahl des Kurfürften Auguft III. von Sadı: 
jen. Der Krieg wurde in Deutichland und Italien 
geführt und dauerte faktifch bis zum Wiener Prä— 
liminarfrieden vom 3. Oft. 1735, dem crft 8. Nov. 
1738 der Definitivfriede folgte. Stanislaus ent: 
fagte ber poln, Krone und erbielt dafür Lothringen, 
welches nad feinem Tode an Frankreich fallen 
jollte; für Lothringen erhielt der jeitherige Herzog 
Franz das Großherzogtum Toscana; den poln, 
Thron erhielt der Kurfürſt Auguft II. 

Polniſch⸗Kronue wird die Stabt Krone (f. d.) 
genannt, im Gegenfaß zu Deutich:Strone, 

Polnifch : Schwedisch: Dänisch: Branden: 
burgifcher Krieg von 1655 bi8 1660, Die 
Ihrondejteigung des Königs Karl X. Gujtav von 
Schweden veranlahte 1654 Streitigkeiten mit dem 
König Kobann U. Kafımir von Ken. der als 
leßter Waſa Anſprũche — Die Schweden 
rüdten 24. Juni von Riga ab und nahmen 9. Juli 
Dünaburg; Truppen aus Vorpommern marjdier: 
ten langs der Nehe vor und trieben das poln. Heer 
27. Juli faft ohne Kampf auseinander, drangen 
dann über Polen nad Warſchau und nahmen das 
ganze Land in Beſitz. Alle poln. Feſtungen öl 
neten ihre Thore, Krakau fapitulierte 18. Oft. 
und König Johann II. Kafimir ob nad Schleſien. 
Brandenburg rüjtete nun mit aller Kraft und warf 
alle verfügbaren Truppen nad Preußen, wo im 
November der Große Rurfürft gegen 20000 Mann 
beifammen hatte, König Karl X. Guftav rüdte in 
Preußen längs der Weichfel vor, jchloß die Bran: 
denburger in Königsberg ein und erzwang 17. Jan. 
1656 den Traltat von Königsberg, in welchem der 
Kurfürft_ Preußen als ſchwed. Lehn empfing und 
ſich verpflichtete, 1000 Mann Fußvollk und 500 Nei: 
ter zum fchwed, Heere zu jtellen, auch ſchwed. 
Kriegsſchiſffen ſeine Häfen zu öffnen. Inzwiſchen 
erſchien König Johann U. Kaſimir, von Rußland 
und Oſterreich unterſtütt, wieder in Polen und 
fand beim Landvolte Anhang. König Karl X. 
Guftav ſchlug zwar 18. Febr. die Polen bei Go: 
lumbo, mußte aber zurüdgehen und erreichte 
15, April Warſchau. Gr ſchlug die Polen 7. Mai bei 
Önefen und 1. Juni bei Grin, ließ dann in War: 


(hau Beſatzung zurüd und zog nad) Preußen ab. 
Teer Kurfürſt verbündete fi 25. Juni zu Marien: 
burg mit Schweden und führte 27. Juli 9000 Dann 
dem bei Nowodwor ftehenden ſchwed. Heere zu, 
deſſen Lage fehr mißlich war, da Warſchau 1. Juli 
fapituliert hatte und 70000 Polen in Anzug waren, 
während die Schweden nur 10000 Dann beiiam: 
men hatten. Die Verbündeten rüdten indeffen über 
den Narew vor und erfochten 28/30. Juli bei War: 
fhau einen alänzenden Sieg. Aber die Polen 
fanden von allen Seiten Unterftügung. Gin ölterr. 
Heer rüdte gegen Pommern, ein — gegen 
Riga vor, eine holländ. Flotte legte ſich vor Danzig, 
das poln. Heer fammelte ſich bei Lublin und König 
Karl X. wen. führte fein Heer nach Plock und 
Pultust, gab Warſchau auf und belagerte Danzig. 
Der Grobe Kurfürjt zog mit den Brandenburgern 
nach Preußen zurüd, Die Polen erfochten 8. Olt. 
am Lyd einen Sieg über die Schweden, drangen 
Mitte November bis Danzig vor und ſchnitten das 
ihwed. Heer von Pommern ab. In diefer Not er: 
kannte König Karl X. Guitav im Bertrage von 
Labiau 20. Nov. 1656 die Souveränetät Preußens 
an. Krakau wurde von den Polen belagert. In 
Preußen focht der Kurfürjt allein gegen Bolen, 
da König Karl X. Guſtav nad) Holjtein gezogen 
war. Der Große Hurfürft erreichte durch die Ver: 
träge von Wehlau 19. Sept. 1657 und Bromberg 
9. Nov. auch feitens Polens die Anerkennung —— 
Souveränetät und verbündete ſich nun mit Polen. 
Die Dänen wurden aus Bremen vertrieben, bei 

tzehoe 20. Aug. geſchlagen und nad) Jütland ver: 
olgt, wo Wrangel 24. Oft. Friedericia erſtürmte. 
Dagegen wurde von Hahfeld und Montecuccoli mit 
kaiferlichen Truppen Kralau genommen und Ihorn 
bedroht, aud) blieb die Seeſchlacht bei Moen 22. 
und 23. Sept. unentidieden. , 

König Karl X. Guftav lieh in Holitein 9000 Mann 
zurüd, überjcpritt 9. Zebr. 1658 mit 10000 Dann, 
meift Neiterei, den gefrorenen Kleinen Belt zwi 
den Heilje und Jversnaes, flug die Tänen und 

eiehte Fünen, gingdann 15. Febr. nad) Seeland und 
ftand 22. Febr. vor topenhagen, worauf fi Däne: 
mark 27. Febr. unterwarf und 8. März zu Noes: 
filde Frieden ſchloß. Polen hatte mit Djterreich 
und Brandenburg unthätig die zeit verjtreichen 
lafjen und nur Thorn belagert. Doch wandte fid) 
König Karl X. Guftav zunächſt wieder gegen Däne: 
mart, führte ein Heer von Kiel nad) Korjoer über, 
erſchien 21. Aug. vor Stopenhagen, verjudte am 
22, vergebens die Wälle zu erjtürmen und eröffnete 
die Belagerung. Die öfterr. und poln. Truppen 
follten fi mit den brandenburgiichen bei Wittjtod 
vereinigen und das verbündete Heer vom Großen 
Kurfüriten geführt werden. Am 17. Sept. war die 
Kavallerie zufammen und rüdte auf Hamburg und 
Neumünfter vor. Die Schweden zogen ſich nad 
Friedericia zurüd. Cine holländ. Flotte unter Ad: 
miral Waftenaer fhlug im Sund 8. Nov. eine 
itärtere ſchwediſche unter Admiral Wrangel, 16. Dez. 
eroberte der Große Kurfürſt Die Yıle Alien und 
begann dann die Belagerung von Friedericia, am 
18. Febr. 1659 wurde ein von ben Schweden drei: 
nal verfuchter Sturm von ber tapfern Beſatzung 
Nopenhagens abgeſchlagen, auch eridien eine brit. 
Flotte im Sund, um den auf Heritellung des Frie— 
dens gerichteten Vorſchlägen Englands und Franl: 
reich Nahdrud " geben. Die Generalitaaten 
ſchloſſen fih 21. Mai im Haager Konzert diejen 


Tolniih- Wartenberg — Polonaiſe 


Beitreben an. Die Ehweden räumten 26. Mai 
—— verloren 10. Juni nach hartem Kampf 
noe, ſchlugen aber 6. juli einen gegen Fünen 
gerichteten Landungsverſuch zurüd. Eſterr. Trup— 
— rüdten im Juli in Pommern ein, belagerten 
amm, weldes 7. Sept. fiel, nahmen Mollin und 
belagerten bis 16. Nov. erfolglos Stettin. In 
reußen verloren die Schweden die Feſtungen 
zraudenz, Haupt und Strasburg, in Kurland 
Liebau und Goldingen. Die bolländ. flotte unter 
Admiral de Ruyter bradte 10000 Mann unter 
General von Quaſt, dän. und brandenb, Truppen, 
nad Fünen, die bei Nyborg 24. Nov. ein ſchwed. 
Heer vernichteten oder (4000) gefangen nahmen. 
Man mwollte nah Seeland überjehen, doch ver: 
weigerte dazu der holländ. Admiral die Mitwir: 
fung. Da entſchloß ſich König Karl X. Gujtav 
zum Abichlub des Friedens, ftarb indes 23, Febr. 
1660. Der Friede zu Dliva machte 3. Mai 1660 
dem Siriege ein Ende. 

Bol. Droyſen, «Die Schlacht von Warihau» 
(2p3. 1863); «Rurzgefaßter Bericht der Operationen 
der kaiſerl. Armee unter Dontecuccoli 1657—60», 
inder age Beitichrift(Wien 1813); 
«Groberung der Inſel Alien 1658» (Wien 1864); 
Rieſe, «Schlaht von Warihau» (Bresl, 1870); 
derjelbe, «Sarl X. Guftavs Kriegszug über das 
Eis u. f. w.» (Berl. 1861); «VBerjuch einer Ge: 
ſchichte der F Inüge des preuß. Heeres» (Berl.1801). 

olnifh:Wartenberg, j. u. Wartenberg. 
olo (Warco), der größte und wichtigite von 
allen Heifenden im Mittelalter, war der Sohn des 
Venetianers Nicolo P. und wurde 1254 geboren. 
Sein Bater hatte in Begleitung feines Bruders 
Maffio eine Neife zum Großchan der Mongolen, 
Ghubilai, gemadt, war dort wohlwollend empfan: 
gen, viele Jahre — und 1269 nach Italien 
zurüdgelchrt, um Wunſche des Chang gemäß 
den Bapit um Zujendung einiger chriſtl. Miffonare 
zu bitten. Im J. 1271 Bingen fie in Begleitung 
von legtern und des jungen Marco zum Großchan 
zurüd. Der junge Marco P. gewann die Gunit 
des Großchans in hohem Grade, machte in deſſen 
Angelegenheiten Reifen im Chineſiſchen Reiche und 
in andern entfernten Gegenden, wurde fogar Statt: 
halter der Provinz Kiang:Nan, Ungern entließ 
ihn der Chan nebit jeinem Vater und Obeim, ale 
die Sehnſucht fie endlich nad dem Vaterlande zu: 
rüdzjog. Nach 24jähriger Abweſenheit langten fie 
1295, mit Schägen beladen, über Sumatra, Cey: 
Ion, Örmus, übrig, — gluclich in Italien 
wieder an, Alle dieſe Umſtände laſſen ſich aus 
Marco P.s Reiſe entnehmen. Seine fernern Scid: 
fale find, 250 Jahre fpäter, von Ramuſio aus 
—— und Sagen anderer zuſammenge— 
ſtellt worden. Im J. 1298 geriet P. in dem See: 
trefien bei Curzola in die a der Ges 
nuejer, von denen er mit großer Auszeichnung be: 
handelt wurde. Während diefer Gefangenihaft 
diftierte er dem gelehrten Rufciano de Piſa feinen 
Reijeberiht, und zwar in franz. Sprade, Nach 
1302 zurüderlangter Freiheit wurde er Mitglied 
des Großen Rats in feiner Baterjtadt Venedig und 
arb dajelbft 1323, fieben Jahre nad) dem Tode 
eines Vaters Nicolo. Sein Reiſeberxicht ift von 
iter Wichtigkeit. Derjelbe enthält nicht nur 
geogr. und oreogr. Mitteilungen über die noch jebt 
am wenigften gelannten Gebirgäländer in Inner: 
ajien, fowie eine Menge von Nadrichten über die 


141 


etbnogr. und polit. Verhältniffe in Afien zu ber 
Zeit, wo das von Dibingis:Chan gegründete mon: 
gol. Weltreih feine größte Blüte erreicht hatte, 
ſondern iſt auch dadurb, dab in ihm zuerit Japan 
(Zipangu) und zwar als ein fernes, halb märdyen: 
baftes, von Gold überfülltes Wunderland vor: 
fommt, ein Glied in der Kette jener fosmograpbi: 
ihen Beobachtungen, Forihungen und mehr oder 
weniger hypothetiſchen Schlußfolgerungen,, welche 
die großen geogr. Entdedungen perbeifahrten, mit 
denen das Mittelalter abſchließt. Mit Herodot 
teilte P. das Schidjal, dab fein Werk ſchon gleich 
nach feinem erften Belanntwerden burd Hand: 
ſchriften verbreitet und in den weiteſten Kreiſen ge: 
leſen wurde, dab man ihn zugleich aber vielfach der 
ibertreibung und Unwahrheit befchuldiate. Grit 
in verhältnismäßig neuerer Zeit ift die Glaubwür— 
digkeit und Zuverläffigkeit von P. überzeugend dar: 
gethan worden. Die primitive Nedaction wurde 
1824 durch die Geographiiche Geſellſchaft in Paris, 
die von P. jelbit verbejlerte Driginalredaction von 
Pauthier nebft geogr. und biftor, Kommentaren 
ar unter bem Titel «Le livre de Marco 
>.» (2 Bde., Bar. 1865). Im ganzen gibt es 
60 Ausgaben in ital., franz., engl., deuticher, ſpan., 
ortug. und holländ, Sprade. Eine deutiche Über: 
etzung lieferte Bürd (mit Zufägen von Neumann, 
%p3. 1846; 2. Aufl. 1855). In neueſter Zeit er: 
ſchien: «Le livre de Marco P. Facsimile d’un 
manuscrit du 14*siöcle conserv& A la bibliothöqne 
royale de Stockholm, publié par Nordenskiöld » 
(Stodh. 1882). Val. Zurla, «Di Marco P, e 
degli altri viaggiatori veneziani» (2 Bde., Vened. 
1818— 19); Bianconi, «Degli scritti di Marco 
P.» —— 1862). 
Polock, richtiger Polotsk, Kreisſtadt im ruſſ. 
Gouvernement Witebsk, an der Dung, in die hier 
die Bolota fällt, und an der Bahnlinie Dünaburg: 
Witebst, zählt (1883) 19074 E., it Sib eines 
griech. unterten Biſchofs, hat einen Kreml, eine 
Kreisſchule für ng vier griech. Kirchen, Bi 
Klöfter, eine höhere Mädchenſchule, eine jüd. Schule 
eriten Nanges, ederfabrilen und treibt ziemlich be: 
deutenden Handel, vier war ed die Hauptitabt 
eines befondern, zu Weibrußland gerechneten Für: 
ftentums, das fi) zu beiden Seiten der Düna bin: 
zog. Zuerſt eroberten es die Litauer, darauf 1564 
die Ruſſen, denen es 1579 Stephan Bathori entriß. 
Später war P. als Hauptitadt einer zu Litauen 
gehörigen Wojwodſchaft polniih, bis es 1772 au 
Rußland zurüdfiel, E3 war im 14. und 16. Jahrh. 
mehrfach ——— und wurde 1812 von den 
Franzoſen eingenommen und zerftört. Zum Un: 
denen an die bei dem Sturm P.s gefallenen ruf. 
Krieger wurde 1850 ein gußeifernes Denfmal auf 
dem Marktplatze aufgeitellt. 
olonaife (ft3.), aud) (ital.) Bolacca genannt, 
heißt ein poln. Nationaltanz, der ſich über ganz 
Europa verbreitet, dabei aber auch mande Ab: 
änderung wiegen bat. Die Mufik iſt ſtets eine 
Melodie im Dreivierteltalt, beitehend aus zwei 
Wiederholungen von 6, 8 oder 10 Talten; fpäter 
bat man ihr noch ein Trio von ebenjo viel Zeilen, 
ja auch zwei Trios und Coda angehängt: Der Cha: 
ralter der P. iſt feierlicher Ernit un de: Bewegung 
noch langjamer als bei der Menuet. Berühmt iſt die 
fog. Kofciuizlo:B. (« Auf zur Rach', ihr Brüder»); 
andere ausgezeichnete PB. bat man vom Fürften 
Mic. Kleophas Oginſti. Auch wird die Bolonaifens 


142 


bewegung (alla Polacca genannt) bei Inſtru— 
mentalftüden von brillantem Charalter, in den 
variierten B. und Klonzertpolonaifen, ja fogar bei 
Gejangitüden und in Opern (wie 3. B. von Spohr 
in feinen: «Fauft») mannigfaltig angewendet. 

Volonftij (Jalow PBetrowitich), ruſſ. Dichter, 
neb. 18. (6.) Dez. 1820 in Rjaſan, befuchte das dor: 
tige Gymnafium und ftubierte in Moskau Juris: 
prudenz. Nachdem er darauf 1846—52 Mitrebac: 
teur der Regierungszeitung in Tiflis geweſen, be: 
tleidet er feit 1860 ein Amıt in der auswärtigen 
Genjur in Peteröburg. Es erſchienen von ihm 
mehrere Gedichtſammlungen (die erfte 1844), ferner 
Grzählu und ein Drama «Licht und Schatten», 
das zur Aufführung gelangte. Seine Arbeiten, 
von denen 1885 eine Geſamtausgabe zu erſcheinen 
begann, berühren, obgleich oft nicht frei von einer 
gewiſſen Unbeholfenheit in der Form, doch fympa: 
ig durch ihre feine poetiſche Empfindung und 
dur das ihnen aufgeprägte Kolorit einer jchwer: 
möütigen, ftill buldenden, aber doch nicht ganz ver: 
zagenden Stimmung. P. ift auch durch Kin Be: 
jiehungen zu Iwan Zurgenjew befannt, mit bem 
er in litterariihem Briefwechiel ſtand. 

Bolotöf, f. Polock. 

Polſchuhe nennt man bei eleftriihen Maid: 
nen die in der Form dem Indultor ſich anſchließen⸗ 
den Ausläufer der Elektromagnete. 

oltawa, |. Pultawa. 

Polterabend heißt der Abend vor der Hochzeit, 
der mit eiteflen, Aufführungen und Tanz began: 
gen wird und Bekannten und Freunden, zugleich 
aber auch oft, namentlich auf dem Lande, der mut: 
willigen Jugend Beranlafiung gibt, ihre Zeilnahme 
für das Brautpaar möglichtt laut und polternd, 
hauptſächlich durch fehr geräufchvolles Zerſchlagen 
von Töpfen, zu erfennen au geben. Diefer leptere 
Gebrauch ift fehr alt und bedeutete urfprünglich die 
Verſcheuchung von böfen Geiſtern. 

Polting, der ruſſ. halbe Rubel. 

Poltron (frz.), eigentlih Hafenfuß, Memme, 
häufig unter Anlehnung an das deutiche «Polterns, 
joviel wie lärmender Prahler; Poltronnerie, 
Großthuerei. 

Boly..., in Zufammenfeßungen aus dem Grie: 
a RR * au bereich 
elphiſch oder vielbrüderig bezeichnet 
A Borantt die Verwachſung der Staub efäße 
einer Blüte zu mehrern Bündeln. Derartige Staub: 
gefäße, stamina BOTFadeIunIe befigen 3. B. 
die Arten ber Gattung Hypericum (. Hy 2 
neen). Linn nannte die 18. Klaſſe feines Syitems 
Polyadelphia und rechnete bazu alle diejenigen 
Dlanzen mit zwitterigen Blüten, deren Staubge— 
fähe zu mehr als zwei Bündeln verwachſen find. 

Polyämie (grh.), Vollblütigkeit, im Gegenſatz 
zur Anämie oder Dligämie, Blutarmut. (S. 
—— 

Polyandrie (grch, Vielmännerei), die Ber: 
bindung einer Frau mit mehrern Männern, findet 
fi) unter den Völkern auf Ceylon und Djtindien, 
insbefondere bei den Toda, Nair und andern 
Stämmen am dub des — weiterhin in 
Tibet, bei den Estimos, Alẽuten und Koljuſchen. 
Auch auf einigen Canariſchen Inſeln Lanzerote, 
Fuerteventura), unter ben Ureinwohnern am Ori— 
noco, bei manden auftral., nulahiwiſchen und iro: 
fefiihen Stämmen, fowie bei den alten Briten war 
bie Vielmännerei gebräuchlich. Bei einigen Stäm- 


Polonſkij — Polybius 


men in Tibet und Ceylon beſihen alle Brüder einer 
milie ein gemieiniames Weib; die Mahl diefer 
au iſt das t des älteiten Bruders. 
, Polyandrus oder vielmännerig nennt man 
jede Blüte, die zahlreiche Staubgefähe enthält. — 
Pinne bezeichnete die 13, Klaſſe feines Syitems ala 
Polyandria, welde alle diejenigen Pflanzen 
umfaßt, deren Blüten mehr ala 20 bypogyn in: 
jerierte Staubgefähe befisen. Außerdem bezeich- 
nete er mit Polyandria je eine Ordnung in den 
Klafjen 16—18 und 20—23, 
j —— griech. Rhetor aus Macedonien, der 
in itte des 2. Jahrh. n. Chr. lebte, fchrieb 
unter bem Titel «Strategica» ein Werk über die 
Kriegsliſten in acht Büchern, das er den Kaiſern 
Marcus Aurelius und Lucius Berus widmete, wo: 
von aber das ſechſte und fiebente Buch nicht mehr 
vollftändig find. Das Wert enthält für den Hiltos 
rifer manche Notiz von Wert und iſt in einem ziem⸗ 
= guten Stil, aber jehr flüchtig und nadläffig 
geihrieben. Es wurde von Gajaubonus (Legden 
1589), von Koraĩs (1809) und Wölfflin (Lpz. 1560) 
herausgegeben, von Seybold (2 Bde., Frankf. 1793 
—94) und Blume (2 Bde., Stuttg. 1834) überfept. 

Polyarchie (grch.), Vielherrichaft, die Herr: 
[haft mehrerer in einem Staat, im Gegenjage 
zu der Monarchie. 

—————— (grch.), eine Gelenkentzüundung, 
welche gleichzeitig viele Gelenle befällt. 

Polyäfthefie (arch.), die Bervielfahung der 
Empfindung, insbefondere der —— 
infolge deren ein einfacher Raumſinneseindruck als 
doppelter, ein boppelter als dreifacher ꝛc. empfuns 
den wird, eine Erideinung, die bei manchen Nervens 
und Rüdenmarlgleiden beobachtet wird, 

olybafit, f. Eugenglanz. j 

Volybius, einer der vorzügliditen griech. Ge— 

——— geb. um 210 v. Chr. zu Megalopolis 
n Arkadien, wurde von feinem Vater Yylortas 
bem vertrauten Freunde des Vhilopömen und nad 
defien Tod Strategen de3 Achäiſchen Bundes, für 
die Waffen und Staatsgefhäfte erzogen. Im J. 
169 v. Chr. wurde P. zum Hipparden, Befehls— 
aber der Reiterei, des Adhäifchen Bundes erwählt. 
Als nad) des Perſeus Beſiegung (167 v. Chr.) die 
Römer Gemwaltmaßregeln gegen den Achäiſchen 
Bund ergriffen, befand er fi unter den 1000 Gei: 
feln, welde die Achäer 166 nad Rom fchiden 
mußten. Erft 150 v. Chr. wurden die Geijeln 
entlaffen, P. aber folgte feinem Gönner, dem 
Scipio Amilianus nad) Afrila, Er war 146 Zeuge 
der Zeritörung von Korinth und bewog dann die 
Nömer zu fchonender —— der achãiſchen 
Gemeinden und war überhaupt vielfach thätig, das 
traurige Gefhid feines VBaterlandes zu mildern 
und die innern Verhältniſſe desſelben zu ordnen. 
Gin Chrendentmal mit einer ſtark vermitterten 
Darftellung des P. ift neuerdings gefunden. Be: 
hufs Ausarbeitung feines Geſchichtswerls unters 
nahm er Reiſen nad) Rhodus, Kleinafien, Igypten, 
Gallien und Spanien. Im J. 134 begleitete er 
Scipio nochmals nad) Spanien zur Belagerung 
von Numantia. Er jtarb in feiner Heimat 127 
v. Chr. infolge eines Sturzes vom Pferde. 

Außer einigen verloren gegangenen Werken ver: 
faßte er eine «llniverfalgefhichte» in 40 Büchern, 
worin er in ausführlicher Darftellung bie Gefchichte 
Noms, der Griechen und des Orients von 220 bis 
146 v. Chr. mit einer einleitenden liberfiht über 


Polycarpeae — Bolydhromie 


die Begebenheiten vom Beginn de3 erften Bunifchen 
Ariegs an (Buch 1 und 2) behandelte. Bon dieſer 
trefflihen Arbeit find nur noch die fünf erjten 
Bücher in ihrer urfprünglihen Bolljtändigfeit er: 
halten, von den übrigen der erfte Teil des jechiten 
und zahlreiche und zum Teil bedeutende Bruchitüde, 
P. iſt in Genauigkeit und Treue ber —— und 
im Umfang poliliſcher und militäriſcher Kenntniſſe 
von keinem Geſchichtſchreiber des Altertums über: 
troffen. Auch begründete er wohl zuerſt den bibal: 
tiihen Pragmatismus in der Beldicte, d. b. die: 
jenige Geſchichtsbehandlung, die durd) zergliedernde 
Daritellung der Urſachen und Folgen der einzelnen 
Begebenheiten eine belehrenve Vorbereitung zu 
Staatägeihäften geben will. Die Kunſt der ſprach⸗ 
lihen Darjtellung tritt bei F hinter dem Intereſſe 
für ſeinen Gegenſtand zurüd. Daher ift fein Stil 
ohne Anmut, auch er ganz frei von Latinismen. 
Unter ben zahlreichen Ausgaben ber jämtlichen 
Überrefte des Werts find die von Cafaubonus (Par. 
1603), Schweighäufer (8 Bde. Lpz. 1789— 95), 3. 
Beller (2 Bde., Berl. 1844), 2. Dindorf (2 Bbe,, 
2p3.1866—68; Bd. 1, 2. Aufl. von Büttner: Wobft, 
2pj. 1882) und von Hultich (Berl. 1867—72) ber: 
vorzubeben. Unter den liberjeßungen ift vor allen 
die franzöfiiche von Thuillier mit den in TR 
lriegswiſſenſchaftlichen Teils wichtigen Erläu: 
terungen von Folard (6 Bde, Bar. 1727—30; 
jpätere Ausg., 7 Bde, Amiterd. 1777) zu erwäh: 
nen. Deutiche Übertragungen lieferten Ölsnik 
und Trofjel, mit den Anmerkungen Folards und 
Guiſchards (7 Bde., Bresl. und Berl. 1755—69), 
Seybold, mit Auszügen aus Folard (4 Bde., Lenıgo 
1779—83), Beniden, mit Anmerkungen und bild: 
lichen Darjtellungen (Weim. 1820), Haath und 
Araz (Stuttg. 1858— 75), Lampe (Stuttg. 1861 
—63). Bgl. über die Darftellungsweife, Glaub: 
würdigleit und das Leben des 3; Branbditäter, 
«Bemerkungen über das Geſchichtswerk des F 
(Dany. 1843); derſelbe, ⸗Geſchichte des ätoliſchen 
Landes, Volks und Bundes, nebſt einer hiſtorio— 
graph. Abhandlung über B.» (Verl. 1844); Nihzſch, 
»P. Zur Geſchichte antiter Bolitit und Hiftorio: 
grapbie» (Sliel 1812); La Noche, «Charakteriftit des 
2.» (ps. 1857); Markhaufer, «P., feine Weltan: 
ſchauung und Etaatälehrer (Münd. 1858); Nifien, 
«Kritiſche Unterfuhungen über die Quellen der 4. 
und 5, Telabe des Yivius» (Berl, 1863); Valeton, 
«De Polybii fontibus et auctoritate» (Utrecht 1879). 
pP +»). Bolylarpeen. 


oly 
Iycep ch (grch.), viellöpfig. 
„gene ie ( ‚ übermäßige Gallenabfon: 


olychreftfalz, alter Name für Kaliumfulfat. 

ns roit (Safrangelb, Crocin), ein 
$ er Farbſtoff, welder im Safran und in den 

elbſchoten enthalten iſt. 

olychrõm, ſoviel wie Pyromorphit. 

olychromie nd, d. h. Bielfarbigfeit) nennt 
man in der Kunſtge or bie Berzierung der Werte 
der Arditeltur und Plaſtik dur bunten Farben: 
ſchmud, welcher teils ganye grobe Flächen bededt, 
teils an architeltoniſchen die Ornamente, an pla: 
ſtiſchen Werten einzelne Teile des Körpers und 
der Belleibung in beitimmter und —— 
Weiſe hervortreten laͤßt. Was zunächſt die Archi— 
teltur anlangt, jo finden fi ſchon in Agypten jo: 
wohl die großen Wandflächen, als aud) die Säulen 
der Tempel fajt durchgängig größtenteil3 mit bunt: 


143 


gefürhten Reliefs (Figuren und Hieroglyphen), zum 
eil auch mit eigentlihen Malereien überzogen. 
Der babylonijch:afiyr. Balaftbau erreichte eine äh: 
lihe Wirkung äußerlich hauptſächlich durch einen 
tiberzug ber Wandflähen mit bunten, glafierten 
Ziegeln, inwendig zum Teil durch dazjelbe Ver: 
— zum Teil durch Neliefihmud und Bema— 
ung ‚die phöniz. Baukunft namentlid) auch durch 
Ber leibung der Wände und anderer Arditeltur: 
teile mit edlerm Material, zum Teil mit glänzenden 
Metallplatten, ein Verfahren, worin ihnen die me: 
fopotamifche Kunft ebenfalls ſchon vorausgegangen 
war, und das auch von ben Griechen des Jon. 


heroiſchen Zeitalters, offenbar unter Einfluß orient. 


Vorbilder, in ihren PBalaft:, Tempel: und Graban: 
lagen angewandt worben iſt. In der hellen. Archi— 
teftur bat fich frühzeitig, wenigſtens für den dor. 
Tempelbau, ein Syitem ausgebildet, von welchem 
ſich noch an zahlreichen Monumenten deutliche = 
ten erhalten haben. Diefe Spuren find am klarſten 
am Fries, wo man die Triglyphen in der Regel 
blau, die Tropfen darüber und darunter vergoldet, 
die Metopen rot gefärbt findet, am Sadfsan 
(Geifon), der ſich mit Blatt: und Rantenverz erun: 
gen in verſchiedenen Farben (hauptſächlich blau, 
rot, grün und gold) geihmüdt zeigt, und in ben 
dreiedigen Giebelfeldern, beren Hintergrund teils 
rot, teil3 blau erſcheint, fowie an ben Kapitälen 
der Säulen; unficerer find fie an den Außenwän: 
den ber Cella (deren innere Wände, nad) beftimm: 
ten Nachrichten bei alten Schriftitellern, häufig mit 
großen hiſtor, Wandgemälden geihmüdt waren), 
am Arditrav (an dem biöweilen vergoldete Schilde 
oder ähnlicher Metallihmud angebracht ung! und 
an den Schäften der Säulen. Einige neuere Kunft: 
forfcher, wie Kugler und Hettner, haben für. die 
aus Tuff: oder Kalkitein erbauten Zempel einen 
vollitändigen Überzug mit farbigem Stud zuge: 
ftanden, bei den Diarmortempeln aber bie Bema: 
[ung auf den Oberbau (Fried und Dachlranz) und 
deſſen architeltoniſche Ornamente beicpränlt, eine 
Anfiht, die andern mit der durch die Natur des 
griech. Landes bedingten Vorliebe der Griechen für 
länzende, gefättigte Farben im Miderfprud zu 
hehen ſcheint. Namentlih Hittorf und_Semper 
vertreten die Anficht, dab aud bei den Marmor: 
tempeln die Bemalung fih gleichmäßig über alle 
Teile des Bauwerls erjtredte. i j 
In der röm. Architektur wird wenigſtens beim 
Außenbau die Bemalung durch die bis ins Heinfie 
Tetail gehende plaftiiche Ausführung der Orna— 
mente, wie man fie jchon bei den Griechen am 
korinth. Säulentapitäl wahrnimmt, in den Hinter: 
grund gedrängt; aber überall, wo Stud zur Be: 
tleidung der Wände, Deden, Säulen und Pfeiler 
äur Anwendung kommt, aljo namentlich beim 
Innenbau der Thermen, Paläfte und Privathäuf er, 
da tritt auch die P. wieder in ihr Recht ein. Mit 
ihr hängt eng —— die Yinmenbung geker, 
farbenreiher Mofailtompofitionen für Die Sub: 
böden, bie zur Zeit der Nachblüte der Kunſt be: 
fonders in Alerandria und Pergamum, dann na: 
mentlih_audy in Nom geübt wurde, aber nicht 
bloß auf ſolche Hauptpunlte der Kultur beihräntt 
blieb, fondern über dag ganze Weltreich hin, wie 
ablreiche Neite zeigen, die vielfachite Verwendung 
Fand und mit der Heit auch auf die Bekleidung von 
Säulen und Wänden — worden iſt; ferner 
die große Verbreitung der Dekorationsmalerei, die 


144 


mit ihren leichten und anmutigen, wenn auch meijt 
etwas handwerlsmäßig ausgeführten Kompoſitio— 
nen (teil mytholog. Scenen, teild Genrebildern 
und phantaftiihen Arcitelturjtüden, nicht jelten 
mit landſchaftlichem Hintergrund) die Wände na: 
mentlid der Thermen und Brivathäufer ſchmückt, 
wovon Pompeji (f. d.) viele Beiſpiele liefert. 

In der Arditeltur des Mittelalters entwidelte 
der roman, Stil eine reihe Bemalung der archi— 
teftonischen Glieder und Ornamente, der Säulen, 
Ktapitäle, Gefimfe, Gewölbrippen; die Hauptfarben 
find rot und blau mit binzugefügter Bergoldung; 
dazu kam die Ausihmüdung der größern Wand: 


flächen, wie fie der roman, Kirchenbau darbot, mit, 


Wandmalereien, Darjtellungen heiliger Perſonen 
und Geſchichten. Im got. Etil wird die Bemalung 
ber arditeftoniihen Ölieder durch, die plaſtiſche 
Ausführung derjelben, ähnlich; wie in der forinth.: 
röm. Architektur, etwas zurüdgedrängt; nur an 
den Kapitälen findet man in der Negel vergoldetes 
Blattwerk auf rotem Grund und in ben Gemwölb: 
fappen goldene Sterne auf blauem Grund oder 
— Darſtellungen. Auch die Wandmalerei 
tritt infolge des Mangels größerer ruhiger Wand— 
flächen in den Hintergrund; dafür wird aber eine 
reihe polychrome Wirkung durd) die Anwendung 
der Glasmalerei (f. d.) in den Fenftern erzielt. 
Hinfichtlic der Plaftik ift es zunädhit felbitver: 
ftändlich, daß überall, wo diefelbe im Dienjt ber 
polychromen Architektur erfcheint, eine mehr oder 
weniger ausgedehnte Färbung der Bildwerfe ftatt: 
nden mußte. Died wird aud dur zahlreiche 
Farbenſpuren beftätigt, welche fih an ägypt., aflyr. 
und griech. Reliefs, die zum Schmud arditekto: 
niſcher Werke dienten, und an den Statuengruppen, 
welde in den Giebelfeldern griech. Tempel des dor. 
Stils aufgeitellt waren (wie an denen des Athena: 
tempels auf Agina und an denen des Zeustempels 
zu Olympia), gefunden haben. Aber auch für die 
von der Ardhiteltur ganz unabhängigen jtatuarifchen 
Bildungen, wenigitens der gried.:röm. Kunft, ift 
eine teils vollftändige, teils partielle Bemalung fo: 
wohl durch fchriftliche Zeugniffe, als durch unver: 
fennbare Spuren an nod erhaltenen Statuen be: 
zeugt. Die älteften Aultbilder der Griechen waren 
aus Holz und wurden wie große Ruppen mit Klei— 
dern oder Goldihmud behängt: die unbelleideten 
Zeile waren durchgängig meilt mit Rot oder Braun: 
rot, bei weiblichen Götterbildern auch mit Weiß 
bemalt, die Haare meiſt vergoldet. Auch die älte: 
jten Kultbilder der Römer und Etruäfer, die meijt 
aus — Thon gefertigt waren, wurden in 
der Regel mit roter Farbe (Mennig) überſtrichen; 
Bemalung mit verſchiedenen Farben (vorzugsweiſe 
rot, blau, weiß) findet ſich noch an zahlreichen 
Zerracotta:Statuetten der ausgebildeten griech. 
Kunft, unter denen namentlich die in der Nähe von 
Zanagra in Böotien entdedten zierlihen Figürchen 
—— find, Die großartigen und koſtbaren 
öiterjtatuen aus Gold und Elfenbein (chrysele— 
phantine Statuen), deren Anfertigung eine Haupt: 
aufgabe der bedeutenditen griech. Kuͤnſtler, eines 
Phidias und Polyllet bildete, brachten ſchon durd) 
die Verbindung diejer beiden Stoffe eine polychrome 
Wirkung hervor, die aber noch durch Färbung des 
Clienbeins und durch Emaillierun er Goldge: 
wänder gefteigert wurde. Bei den Marmorflatuen 
wurden nit nur die Gewänder, Fußbelleidung, 
Waffen und fonftiger Schmud, fondern aud) die 


Polychromographie — Polydesmus 


— Lippen, Augen und die hervortretenden 
eile der Wangen regelmäßig durch eine freilich 
mehr konventionelle al3 naturaliſtiſche Faärbung 
(meiſt Rot in verſchiedenen Nuancen) und Vergol— 
dung hervorgehoben, nicht jelten auch einzelne 
Stüde, bejonders des Waffenihmuds, in Bronze 
angefügt. Inwieweit die nadten Teile eine leichte 
—— oder eine Art Fleiſchton erhielten, iſt nicht 
eſtgeſtellt. Aber ſogar an Erzſtatuen ſollen einige 
alte Kunſtler durch Beimiſchung anderer Metalle 
Gere Kupfer, Eiſen und Silber) zu der Erzmaſſe 
arbige Gifette erzielt Haben, wobei freilid) das tech 
niſche Verfahren nach nicht aufgellärt it. 
Einen großen Spielraum fand die P. in ber 
Holz» und Steinjtulptur des Mittelalter, und 
war ging man bier bei der Bemalung der Gewän: 
der Iron als der unbekleideten Körperteile we: 
jentlih auf Illuſion in Nahahınung der Wirklich 
keit aus, Die Nenaijjance dagegen verihmähte 
in der Skulptur ebenjo wie an den Außenwänden 
der monumentalen Arditeltur (abgeiehen von 
jelbftändigen Wandgemälden) die farbige Wirkung 
völlig, und erit in der RE haben einige 
Künitler, vom Studium der Antike ausgehend, die 
P. in beiden Kunftzweigen wieder in ihr Recht ein» 
zuſehen verfucdht. , . 
Vol. Duatremire de Duincy, «Le Jupiter 
Olympien» (Par. 1815); Semper, «Borläufige 
Bemerkungen über bemalte Arditeftur und Pla: 
ftit bei den Alten» (Altona 1834, jebt aud in 
«stleine Schriften», Berl. u. Etuttg. 1834); der: 
felbe, «Der Stil in den techniſchen und teltoniſchen 


Küniten» (Bd. 2, Frankf. a. Wi. 1860); Kugler, 
afiber die B. der antiken Arditeltur und Stulpturs 


(in. den «Kleinen Schriften und Studien zur Kunit: 
geſchichtey, Bd. 2, Stuttg. 1853); Hittorf und Zanth, 
«Restitution du temple d'Empédocle à Selinonte 
ou l’architecture polychrome chez les Grecs» 
(Bar. 1851) und «Architecture antique de la Si- 
cile» (Par. 1870); Walz, «fiber die P. der antilen 
Stulptur» (Tüb. 1853); Treu, «Sollen wir unfere 
Statuen bemalen?» (Berl. 1884). 

olychromographie, dic Kunſt, bildliche Dar: 
ftellungen in gleichzeitigem, mebrfarbigem Drud auf 
der Buchdrud: oder Steindrudpreile oder aber auf 
einem eigens dafür fonjtruierten Apparat or 
ftellen. Das neuefte Verfahren diefer Art ijt das 
von Bogaert3 «Peinture Bogaerts» benannte; es 
liefert ausgezeichnete Bilder und der Drud erfolgt 
bireft auf Leinwand. 

olyeythãmie (grch.), die Vollblũtigleit. 

OR (grdh.), überzählige Finger ober 
Zehen. (S. Mißbildung.) 

olydesmus Mont., Kippattung aus ber Fa⸗ 
milie der Porenomyceten. Cine Art derjelben ruft 
auf Raps und Nübjen eine gefährliche Krankheit 
hervor, die fi durch ſchwarzoͤraune Fleden bejon: 
der3 auf den Schoten bemerflih madt. Dieſer 
Dil, P, exitiosus Mont. (Sporidesmium exitiosum 
Kühn), au Rapsverderber genannt, entwidelt 
Sr Mycelium unter ber Epidermis der befallenen 

eile und bildet nad) außen fpindelförmige, mehr: 

zelli e, braungefärbte Sporen, welche die genannten 
Fleden hervorrufen. Die Sporen fcimen fofort 
nad) der Reife und ihre Keimſchläuche dringen wies 
der durd) die Spaltöffnungen in andere Partien ber 
Wirtspflanze, ſodaß Die Verbreitung des Parafiten 
fehr ſchnell vor ſich gehen kann. Die Schoten, auf 
denen derſelbe vegetiert, werden mißfarbig und 


Polydipſie — Polygaleen 


entwideln in der —* feine Samen, wodurch ein 
bedeutender Ausfall in der Ernte ftattfinden fann., 
Die zu diefer —— gehörigen Perithecien 
find von Fudel beſchrieben und als Leptosphaeria 
napi bezeichnet worden; fie ſchließen jich in ihrer 
Form an diejenigen der ſog. Rußtaupilze (f. d.) an 
und gelangen auf den Stoppeln des Napfes im 
näditen Frühjahr nach der Conidienfruttifitation 
zur Neife. Außer auf den ſchon erwähnten Bilan: 
zen fommt —— Pilz auch noch auf einigen andern 
Eruciferen, befonders auf dem als Aderunlraut weit 
verbreiteten Hederich GKaphanuus Raphanistrum) 
vor und dadurch wird die Verbreitung desſelben 
erleichtert. Gin ficheres Mittel gegen denſel— 

ben gibt es zur Zeit nicht, 
— gr , übermäßiges oder franl: 


gefühl, 
Iydoros, ber jüngfte Sohn des Priamos 
und der Laothoẽ, wurde von Adilleus getötet. 
Nah .. in der Tragödie «Helabe» war er 
ein Sohn der Helabe und wurde von feinem Vater 
vor der Eroberung von Ilios mit großen 
Schäpen zu Polymeftor, König in Thrazien, ge: 
ſchidt. Diejer tötete nad) dem Fall von Ilios den $ 
um ſich jener Schäse zu bemächtigen, und warf ihn 
ins Meer, Der u wurde endlich an das Ufer 
angetrieben, wo ihn Helabe fand und erkannte, 
Aus Nahe tötete diefe die beiden Kinder des Po: 
Igmeftor, ihn ſelbſt aber blendete fie. Nach einer 
andern Tragödie war P. ig Schwefter Ilione, 
der Gemahlin des Bolymeltor, zur Erziehung über: 
n worden, und dieje hatte ihn als ihren eigenen 
om et ihren wirtlihen Sohn aber, Dei: 
philos (Deipylos), für P. ausgegeben. Als nun 
bie Hellenen, um den Stamm des Priamos zu ver: 
tilgen, dem Bolymeitor die Eleltra zur Gattin und 
grope Geldfunmen verhießen, wenn er den P. töte, 
Sohn ben ale wegen der Vertaufhung mit dem 
Sohn olymeltor dieſem Geſchick und Deiphi: 
los wurde vom — Vater umgebracht. 
aber, der das Oralel zu befragen ausgezogen war, 
beftimmte, zurüdgelehrt, feine Schweiter zur Rache 
an Bolpmefir der geblenbet und getötet warb. 
vlydoros wird mit Agejandros und Athano: 
doros als einer der Bildhauer genannt, welde die 
Laoloongruppe ſchufen. (S. Laokoon.) 
‚Bolyeder (grch.) iſt ein von ebenen Flächen 
eingefchlofiener oder ediger Körper. Polyedral: 
ablen heißen die Zahlen der Punkte, die ſich auf 
en Eden, Seitenlinien und Seitenflähen regel: 
mäßiger Körper in gleichen Entfernungen vonein: 
ander jtellen laſſen. 

Polyembryonie nennt man in ber Botanik 
das Vorlommen mehrerer Embryonen in einem 
Samen. Dieje Erſcheinung ift bei den Gymnojper: 
nen, wenigftens in den erften Entwidelungsftadien 
be3 Samen, die Negel, indem bei diefen Pflanzen 
mebrere Corpuscula oder Archegonien und fomit 
auch mehrere Eizellen im Embryofade vorhanden 
find, von denen jede befruchtet werden kann. (Bel. 
Öymnofspermen.) In vielen Fällen gehen jogar 

m aus einer Eizelle —— Embryo⸗ 

anlagen hervor. Auf dieſe Weiſe können ni 

onen in Embryofäden der Gymnojper: 

men entftehen; doc wird meift nur einer weiter 

ausgebildet und die andern verfümmern, ſodaß im 
zeiren Samen ſich nur ein Embryo vorfindet. 

Angiofpermen lommt die Erſcheinung 

ber P. ebenfalls vor, doch ift diefelbe hier darauf 

Gonverjationd-Leriton. 13. Aufl. XIII. 


145 


zurüdzuführen, daß außer von ber Eizelle auch 
noch von Zellen des Eikerns, welche den Embryo: 
fad umgeben, Embryoanlagen hervorſpoſſen; es ift 
dies demnad ein Fall von parthenogenet. Erzeu: 
ung der Embryonen. Befonders oft findet ſich diefe 
Ser der ®. bei zwei Arten aus der familie ber 
ia ovata und Allium fragrans. 
j L., Vflanzengattung aus der nad) 
ihr benannten Familie der Bolygaleen. Ihre zahl: 
reihen, dur) die warme und gemäßigte Zone bei: 
der Hemifphären verbreiteten, zum großen Teil am 
Kap der Guten Hoffnung Anifoen Arten find 
teild Kräuter, teil3 Sträucher und Halbiträuder. 
Sie haben abwechſelnde oder gegenftändige, ganze 
und ganzrandige, oft lederartige und ausdauern 
Blätter und verjchieden angeordnete unregelmäßige 
Blüten, welde aus einem blumenfronenartigen, 
fünfblätterigen Kelche, drei bi3 fünf mit den beiden 
Staubfadenbündeln verwachſenen Blumenblättern, 
von denen das vordere helmartig geformt und meijt 
efranft ift, acht nad} oben in eine Röhre verwad): 
Fenen Staubgefäßen und einem oberjtändigen, zwei⸗ 
ſchneidigen, umgefehrt berzförmigen Fruchtlnoten 
mit einem Griffel zufammengefeht find, woraus 
ſich eine zweifädherige, zweiſamige Kapſel entwidelt. 
Inter den einheimischen Arten ijt P. vulgaris L., 
dad gemeine Kreuz: oder Natterblümden, 
auch Zaufendfhön genannt, die verbreitetite. Bei 
diefer niedlichen, überall auf trodenen Wiefen und 
Zriften wach enden Pflanze, welche niebergeitredte, 
mit lanzettlihen Blättern befegte Stengel befikt, 
find, wie auch bei den übrigen einheimischen Arten, 
die meiſt bunfelblau, doch auch rot und -_ pe 
ärbten Blüten in dichte, ährige Trauben geitellt. 
on ihr, vorzugsweiſe aber von der in Sümpfen 
wachſenden P. amara Z., welche fich durch Heinere 
Blüten und auffallend große, in eine Rojette ge: 
ftellte Grunbblätter unterſcheidet, war früher das 
Kraut al Herba Polygalae offizinell. Cine viel 
wichtigere Drogue ift die zur der nordamerik. P. 
Senega L.(Senegamwurzel). Unter den vielen 
ausländifchen Arten find P. venulosa L. von den 
griech. Infeln und P. speciosa Sims. vom Kap, 
prächtige Sträuder mit immergrüner Belaubung 
und großen purpurnen Blumen, — 
olygalaktie oder Bolygalie (grch.), Milch⸗ 
fülle, Üiberfluß an Milch. = 
Volygalcen (Polygalöae), Pflanzenfamilie aus 
ber Gruppe der Dilotyledonen. Man lennt gegen 
400 Arten, die dur die gemäßigten und wär: 
mern Gegenden der ganzen Erde verbreitet find. 
Ihrem Habitus “. find es kraut- oder ftraud): 
artige Formen zum Teil mit windenden oder klet⸗ 
ternden Stengeln, jeltener haben fie einen baum: 
artigen Wuchs. Die Blätter ftehen alternierend 
und find ungeteilt, gewöhnlich auch ganzrandig. 
Die Blüten find zwitterig und unregelmäßig, ſie 
haben fünf telhblätter, von denen die zwei innern 
größer als die andern und oft blumenblattartig 
entwidelt find, drei oder Ba (umenblätter, von 
denen zwei oder drei gewöhnlich zu einem dem 
Scifihen der Schmetterlingsblüten ähnlichen Ge: 
bilde verwachſen find. Die Zahl der taubgefäße 
beträgt in der Negel acht, feltener vier, welche zum 
Zeil miteinander zu einem Bündel vereinigt find; 
der Fruchtknoten ijt meift zweifäherig und trägt 
auf feinem Scheitel einen einfachen Griffel mit zwei: 
lappiger Narbe. Die Frucht ijt bei den meijten Ar: 
ten eine zweifäcerige und zweifamige apfel. 
10 


iliaceen bei Fu 
Polygäla 


146 


Mehrere Arten der P. werden ihrer ſchönen Blüten 
wegen als Zierpflanzen kultiviert; einige * ofjüis 
nell, wie 3. olygala Senega. (S. S. Polygala.) 
Poly ämie (grech.), im weitern Sinne die ebe: 
liche Verbindung eines Individuums des einen Be: 
ſchlechts mit mehrern Andividuen des andern Öe: 
ſchlechts; im engern Sinne Du ygh nie oder 
Vie weiberei, die eheliche erbindung eines 
Mannes mit mehrern Frauen, im Gegenſah zu? Bo: 
Iyandrie oder Bielmännerei, die einer Frau 
mit mehrern Männern. Lebtere Tommt nur bel 
einigen Bölterftämmen Ceylons und Indiens, jo: 
wie bei den Eslimos, Aleuten und Stonjagen vor. 
Die eritere iſt bei ältern und neuern orient. Völlern 
— (Bol. Ehe, Bd. V, ©. 783*,) 
er oder vielehig Ba man in der 
8* eine 


die * Regie 
und dilline Hläten ißt. * ten ſolcher 
Pflanzen bezeichnet man als flores we, 

Linne bezeichnet die 23. =. e feines 6 
als Polygamia und redinete dazu alle P — 
mit — * 

——— nennt man ein Werk, das 
einen und denſel halt in mehrern ee 
enthält. Vorzugsweiſe hat man das Wort ſchon 
früh von ben uögel e. ber Heiligen * ge⸗ 


braucht, in denen zwei, drei ober mehr lüberſe | 
gen mit oder ohne den Grundtert zufammengeltellt 
wurden. Da3 erftere größere Unternehmen der Art 
war bie berühmte Complutenfti ibel, weldye 
auf Beranftaltung des Kardinals Zimenes "mit uns 
ei erm Aufwand für die Anſchaffung alter Hand: 


nein angejehenen Gelehrten bearbeitet wurde. 
Eie erſchien in ſechs prächtig gedrudten Yoliobän: 
den 1514—17 in Ulcala de Genares, lat. Complu: 
tum, Per fie den Namen Complutenfi de 
Bibel erhielt, und enthält neben dem bebr. Tert 
ac Alten Teftaments die altlat. (Vulgata), die 
:alerandriniiche (Septuaginta) nebſt einer 
= äblichen lat. fi rſetung und eine halbätjche 
Barapbrafe, die ebenfalls eine wörtliche lat. Über: 
fehung zur Seite b bat. 

Eine andere berühmte ift die Antwerpener Bo: 
Iyglotte, aud) die Königliche Bibel genannt, weil 
König Philipp II. von Spanien einen Teil ber 
Koften trug. Diefelbe wurde unter Aufficht des 
gelehrten jpan. Theologen Benedikt Arias Mon: 
tanus und mit Unterjtüßung anderer Gelehrten 
bearbeitet, erjchien zu Antwerpen 1569—72 in acht 
Foliobänden und enthält, außer dem —— Tert, bie 
Vulgata, die Septuaginta mit einer lat. wörtlichen 
fiberfehung, mebrere halbätiche Parapbrajen, eben: 
falls mit lat, Üiberfegung, und was das Neue Tefta: 
ment anlangt, den gried. Grundtert mit der Bul: 
gata, eine fyr. überſetzung in zwei Reihen mit fyr. 

und bebr. Lettern und mit einer lat. Überſetzung. 

Noch vorzäglicher ift die Parifer Bolyglotte, 
welche hauptiädhlich unter Zeitung des Rarlaments: 
advolaten Guy Michael de Jay, ber fein ganzes 

Vermögen darauf verwendete, von mehrern rien: 
taliften und Gregeten beforgt wurde und 1645 in 
zehn Foliobänden erſchien. Sie übertrifft die ant: 
werpener, weil fie nicht nur dieſe gan al fon: 
dern auch noch eine fyr. und eine ara rſehung 
und eine fie begleitende lat. Überfehung, ſowie den 
fog. jamaritaniihen Pentatenh und im Neuen 
Zeitament ebenfalls eine arab. und eine diefer fol: 
gende lat. Berfion. 


riften bed Terte® und ber liberfehungen von | dienfte, 


Polygamie — Polygonaceen 


Die volljtändigfte 7 iſt die Waltonſche oder 
Londoner Bolyalotte in zehn Sprachen 
6 Bbe., 1657, und 2 Supplementbände, 1669), 
bie Bauptiächlic unter —— und Aufſicht des 

aligen Biſchofs von Cheſter, Brian Walton, 
bearbeitet tet w thaͤlt den —— nad) 
verfchiedenen Gremplaren und nädjit allen 
Keen ber —— P. auch noch eine — ai 
und zu biejen gehöri üb 
Eine —— für 
deutich) aaben == au 

* u. * Tle. — 1875 — 

—— er bebeutenbite er 
Malerei, ein Sohn und Schüler des 
Sale Aglaophon, !am —* bald nach den Per⸗ 
ſerkriegen als junger Mann aus ſeiner at, 
der Inſel Thaſos, nad Athen, wo er ber ondern 
Gunit des Kimon fi erfreute und i de de defien —*— 


trag, meiſt > Verbindung mit den 
und Bananos öffentliche Gebäude, wie 
bie Böflfe, die Tempel ber Dioskuren 1 und bes The 
jet ma = — eg le ya Dagegen 
inakot — * lder Pro (der 
(i. In * eh dba !ändnis — en 
Unter ben 
Were mare Di die beiden gr a Bu Abe in 
un abe Bat idier in 


Sn die l ten cenen —— von — 
= —— in der Unterwelt darſtellend, di 
teſten. Auch die böot. Städte —— * 
inn —— Wandgemãlde von 
welche er eine ſo a Stelle i in 
* Geier delung der griech ch. Malerei einnimmt, nen 
fih hauptfãch ch auf die Verbefierung der 
Snung, ung, gegen wel e maleriſche Wirkung 
in ben — trat. — gab 
—— Figuren mehr Leben ei Se 
eich die alte Strenge und —e der re. 
us durch größere Manni ir feit des Ausdrucks 
— — einer teriſtik das — 
rn 
— —— die Gewänder be: 
kabel er — und menge aa ala feine 
ger. der ftände für 
(ine 2 Derfingen ei —* — — 8 einen hoben, 
ztige gerichteten 
in und bewährt ſich N hab — a 
tant ber ernften —— 
— * —— —* 2, Stu 
n Dee (ie trht Bellen — die —— 
ition der Delphi⸗ 
(in ben « — ng demie», 
1847); Geb — Kompoſition der Gemälde 
des P. in ber 5 — u Delphi» (Gött. 1872). 
Polygön (arch), Bieled, heißt in der Mathes 
matil eine von geraden Pinien begrenzte Siour, nas 
mentlich werben bie regulären, aus lauter gleichen 
Seiten und Winteln gebildeten ag ren fo g% 
nannt. — Bei Feitungen heißt P. die den allge: 
meinen a. eines zufammenhängend befeftigten 
Platzes bildende Figur. Folgt be —— 
ot Künfihe Bredungen ber — dieſem Um⸗ 
„ſo heißt das Trace ein pol ——— die Be⸗ 
fe Ieligungsmeile, gehört dem Bold: ygonaliyitem an. 
ihneuacken" (Polygonackec), Planzenf 
olygonnceeen (Polygonackae nzenfas 
milie = der Gruppe der Dilotylevonen. Man 


Bolygonalzahlen — Polyhymnia 147 


lennt gegen 600 Arten, bie über die ganze Erbe zer: 

Tank vortommten. Cs find frautartige oder ftrauch: 

ttige Gewächie, feltener Bäume. Die Blätter find 

urn verſchieden geftaltet, in der Regel find fie anı 

Grunde erweitert, oder fie bilden eine 

Xute (ochrea, j Blatt). Die Blüten find 

und beiteben aus einen vier: bis ſechsteiligen 

—* ae blumentronenartigen Perigon, ſechs bis 

—2 und einem gen tändi 5— 

ten mit zwei bis vier Griffeln 

deren grudh | ift ein —— Nußchen und ent: 

einen Heinen, nicht jelten gefrümmten Embryo, 

von reihlih Stärke führendem Eiweiß em: 
oeſchloſſen it. 


* 


Bu den P. gehört u. a. der als Kulturpflanze wich⸗ 
- —— (ij. d., —— — —S— Für 


lygo len bilden eine arithmetiſche 
‚zweiter ans und entjtehen durch her 

—— Reihe: 1,1+d,1+2d,1-+3d 
—— wobei d jede abfolute ga gebl bebeuten 
u gy Form der — 

fonit 1,2+d,3+3d, 4+6d u.f.w. 

= 1, fo entjtehen die late 5 
8, — 10, 15 u.).w.; it d=2, die Quadrat— 


en: 1 1,4 9, 16, 3 u. f.w; iſt d — 8, bie 
tagonal; — 1, 5, 12, 22, solide 


EB 


en alien fi), durch feichweit 

voneinander entfernte Bunkte, welche ein gleich: 
feitiges Dreied bilden, darftellen; bei den Quadrat: 
—— unter gleicher Vorausſehung Qua⸗ 


tagonalzahlen —— Fünf: 
ng w. 8 —— —— 
gattung aus 
der ie der — nnt gegen 20 
Arten, die in Pa nördl. gemäßi 2 Dom eine m. 
63 find frautartige P 


— Die Blätter find eifö * 
—— * linealiſch und ſind in pie eihen 
orbnet. Die Blüten jtehen in den 
, te Yan ein cylindri mehr: 


bon, ſechs — und 

ioen $ Fruchtlnoten, dem 
a * zc— Die Frucht iſt eine 
Beere, die pi wenige Sa: 
le Se find drei Arten ein: 


die befannteiten davon find die große 


at ume, aub Salomonsfiegel genannt, 
P. officinale All. (Convallaria polygonatum L.), 
bei welcher die Blüten einzeln in den Blattwinteln 
ftehen; und die vielblumige Maiblume, P. multi- 
florum AN. Convallarıa multiflora L.), die im 
Habitus mit der vorigen übereinftimmt, deren Blü: 
tenjtiele aber —— Blüten tragen. Beide Arten 


find in Be Wein en nicht jelten, ihr Wur: 
war früher unter. den Namen Radix Sigilli 
offizinell. Die dritte Art, P. verticilla- 
tum All. (Convallaria verticillata L)i feltener, 
fie bat lineare, in Quirlen geitellte A ätter und 
———— her ug * die 


E16, Mann Bang 
aus der nad) ihr en Familie Bei 

etwa 150, find —* et. 

Kur ein mehr — — 

oder mi arfen oder bren— 

Geſchmad aus, wie der in Gräben 

in No und Norbamerita waciende 

nöteric (P. Hydropiper L.), aud) Waj: 


uf 


ferpfeffer genannt, ber jonft unter dem Namen 
Mercuriusterrestris bei den Ürzten in gro: 
ßem Anfeben ftand. Der wohlriechen de Knö— 
texich (P. odoratum Lour.) wird in Cochinchina 
allgemein als Küchengemwürz angebaut. Als Bier: 
pflanze wird der orientalijche Knöterich (P. 
orientale Z.) mit feinen fhön roten, überhängen: 
ben Ühren in Gärten häufig kultiviert. Die Blät: 
ter des Wieſentnöterichs (P. Bistorta L.), 
auch Natter: oder Schlangenwurz genannt, 
har Heifchrote Blütenähren von den Kindern 

n genannt werden, benugt man im jungen 

—* in mehrern Gegenden als Gemũſe. Einige 

* enthalten Indigofarbſtoff, wie namentlich der 
ina ſchon ſeit undenklihen Zeiten kultivierte 
rbelnöterid He tincetorium L.), welcher dent 
in Deutichland einheimischen, überall auf Schutt, 
an Mauern, Wegen Düngerftätten wild wachſenden 
Suche Eraut (P. Persicaria Z.) ſehr ähnlich iſt. 
lle die bisher genannten Arten tragen die B = 
in —— dichten oder lodern ÜUhren. Da: 
gegen * ieſelben beim Bogellnöteric (P. 
aviculare L.), einem überall an wũſten ſandigen 
Plähen —— niederliegenden kleinblätteri⸗ 
gen Unkraut, deſſen Samen von vielen Vögeln 
ern gefrefjen werben, einzeln ober zu mehrern bei: 
ammen in ben Blattwinteln, Cine in apan ein: 
heimiſche und kultivierte Art, P. Sieboldi Reinw., 
war wegen feines ſchnellen Wachstums um Anbau 
als Futterpflanze empfohlen worden, doch haben 
die angeitellten Kulturverſuche kein günftiges Ne: 
jultat in biejer —** ergeben, die lange wirb 
jet nur in Gärten ala ierpflage wegen ihres 
— Blattwuchſes F 
Budhmweizen (f. 7 agopyrum esculen- 
tum 4 wurde früher unter dem Namen P. Fa- 
gopyrum ebenfalls zu diefer Gattung gerechnet. 
olygraph (ardh.), «Bielichreiber», Verfaſſer 
er Werke; auch Kopiermaſchine. 

— ſ. unter Ehe und — 

Polygynus, polygynijc oder vielweibig 
bezeichnet in der Botanik eine Blüte, die —— 
Griffel befist (flos polygynus), mm Linneſchen 
Syſtem bezeichnet Polygynia die zwölfte Orb: 
nung in den Klaſſen 1—13, welche alle diejenigen 
u brefen Klaſſen gehörigen Bilanzen umfaßt, deren 

lüten mehr ala 12 Griffel beſihen. 

Polyhälit (ard., d. b. «viel Salz enthaltend»), 
ein in ber Steinjalzablagerung u Staßfurt zwifchen 
dem feiten Steinſalz und den Kalijalzen liegendes, 
den fibergang beider vermittelndes hellgraues oder 
häufiger rötliches Salz von 2,120 ſpezifiſchem Ge: 
wicht, beiteht überwiegend aus R weielfaurem 
Kalt, Magnefia und Halt, mit einem Waflergebalt 
von circa 6 Bros.; e3 findet ſich aud zu Iſchl, Hal: 
* Hallſtatt, A8 

Bolyhifter (grch., d. i. VBielmiffer) nennt man 
einen Gelehrten von Ir audgebreiteten Stennt: 
nifjen in den verichiedeniten Gebieten der Willen: 
haften, namentlich in der Gefchichte und Literatur. 

m beiten Sinn führten diefen Namen Scaliger, 

jaubon, Salmafius u. a. 

Polyhymnia oder Bolymnia, d. i. die Ges 
ſangreiche, eine der neun Muien (f. d.), die Erfin: 
derin der Lyra und durch Oagros Mutter des Or: 
pheus, galt ala die Muje, weldye in ihren Gelängen 
die Götter und Heroen verberrlicht. Dargeitellt 
wird fie in finnender Stellung, mit dem Se ae 
der rechten Hand vor dem Munde oder, wie 


10* 


148 


auf Reliefs ober in Statuen, in ihr Gewand ge: 
hüllt und auf eine Stübe gelehnt. 

Bolybymnia ift aud) der Name des 33. Aſte— 
roiden. (©. unter Planeten.) 

Polykandro, die alte Pholegandros, eine 
Heine Inſel der Cylladen, öjtlih von Melos, Frucht: 
bar im Weften, mit Hafen und Stadt im Diten, 
geringen Neften des Altertum und (1879) 969 E. 

Bolyfarpien (Polycarpöae), Bielfrüdtige, 
nennt man in der Syitematif eine Abteilung der 
Ditotyledonen, deren Blüten gewöhnlich zahlreiche 
Fruchilnoten und Staubgefähe befigen, ſowie meijt 
eine fpiralige Anordnung ſämtlicher Blütenteile 
zeigen. Es gehören Dee unter andern die Ya: 
milien der Ranunculaceen, Magnoliaceen, Ano: 
naceen, Menifpermaceen, Berberideen, Calycan: 
theen und Laurineen. 

Polykarpus, Biihof von Smyrna, der Sage 
nad) ein Schüler des Apoftel3 Johannes, ftarb als 
86jähriger Greis 155 oder 156 den Märtyrertod 
auf dem —— ALS ſeinen Gedãchtnistag 
Dont die griech. Kirche den 23, Febr., die römische 

en 26. Jan. Gin angeblicher Brief feiner Ge: 
meinde, welcher zur Yahresfeier feines Todes an 
bie Gemeinde zu Philomelium gerichtet fein fol, 
wahrſcheinlich aber jpätern Urfprungs ift, erzählt 
ſchon bie von Herder ſchön behandelte Legende über 
feinen Tod, daß die Flamme gleich einem geblähten 
Segel fih um ihn gelegt, und als hierauf ein 
Kriegslnecht mit dem Schwert ihn durchbohrt, 
löglich eine weiße Taube aufgeflogen fei. Unter 
4 Ramen iſt noch ein Brief an die Gemeinde zu 
Philippi, teilweiſe nur noch in lat. überſehung ers 
—— deſſen Echtheit ebenfalls erheblichen Zwei: 
eln unterliegt. Wahrſcheinlich bildet derfelbe nur 
eine Vorrede zu den in der zweiten Hälfte bes 
2. Jahrh. erdichteten Briefen des Ignatius (ſ. d.). 
Kl. MWaddington, «M&moire sur la chronologie 
de la vie du rheteur Aelius Aristide» (Bar. 1867); 
Gebhardt in der «Zeitjchrift für hiſtor. Theologie» 
(Gotha 1879); Lipfius in den «Jahrbüchern für prot. 
Iheologie» (Lpz. 1878); Hilgenteld in ber «Zeitſchrift 
für wiffenshaftliche Theologie» (Lpz. 1879); Egli, 
ebenda (1882); Reville, «De anno dieque quibus Po- 
lycarpus Smyrnae martyrium tulit» (Genf 1880). 

Polykephaliſch (ard).), viellöpfig. 

Polykladie (perj.), vermehrte Knoſpen- oder 
Eprofbildung. 

Polyklet (geh. Polylleitos) aus Silyon, Chü: 
ler des argiviihen Bildhauers Ageladas und in 
Argos vorzugsweife thätig, weshalb er aud) Ar: 
giver genannt wird, ein etwas jüngerer Zeitgenoſſe 
des Phidias, war der bebeutendite Meifter der 
ältern ardiviichen Bildhauerſchule, aber auch ala 
Arcitelt von Bedeutung, wie zwei von ihm im 
Heiligtum des Aällepios bei Gpidauros ausge: 
führte Baumerle, ein Theater und eine Tholos 
Mundbau mit Auppeldadh), bezeugten. Seine pla— 
ftiihen Werle waren, mit Ausnahme des folojlalen 
Bildes der Hera aus Gold und Elfenbein, welches 
er für das nad) dem Brande 423 v, Chr. neu auf: 
gebaute Heräon bei Argos arbeitete, durchaus Erz: 
bilder, und zwar war jein eigentlihes Gebiet, auf 
dem er unerreidht oder doch unübertroffen daſtand, 
nicht die Götter-, fondern die Menfchenbildung, 
vorzugsmweile die Darftellung jugendlicher, durch 
die Gymnaſtik zu regelmäßiger Schönheit und fräf: 
tiger Anmut entwidelter Gejtalten. Die berühmt: 
tejten unter jeinen Werten waren, außer der Hera 


Polykandro — Polymaftie » 


r Argos, der Diadumenos, d. h. ein Yüngling, der 
ich eine Binde ald Siegeszeichen ums Haupt legt, 
und der Doryphoros, d. b. ein Yüngling in ruhiger 
Stellung mit einer Lanze in der Hand, nad) 
wahrſcheinlich der jog. Kanon, eine Art alademiſcher 
Muiterfigur, gebildet war, ſowie die Nitragalizontes, 
d. i. Knaben mit Anöcheln jpielend. Mit der Sta: 
tue einer Amazone foll er über mehrere feiner be: 
deutenden Beitgenofien, darunter den Phidias, den 
Preis bavongetragen haben. Andere fe von 
ihm, der vorzugsweiſe jugendliche Geftalten bildete, 
waren ein # mit dem Schabeifen reinigender At 

wei Kanephoren (korbtragende —— 
‚Statue eines auf einem koloſſalen Knöchel, der⸗ 
gieigen als Würfel gebraucht wurben, Stehenben, 
fi 


let 
die 


eines Knaben, ber im Fauftlampf zu Olympia 
egte u. f. w. Alle zeichneten fi =. roße 
Sorgfalt und durch edeln Anftand in Haltun 
und maßvoller Bewegung aus. In Bezug au 
die Stellung feiner Figuren führte er zuerit den 
Grundſaß dur, die Laft des Körpers auf Einem 
Bein ruhen zu laſſen und dem andern ftatt der tras 
genden eine bloß regulierende Funktion zu geben. 

i Göttergeftalten gelang e3 ihm weniger als 
games, die Erhabenheit und Würde bes göttlichen 

eſens zum vollen Ausbrud zu bringen. Val. 
—— «Der Doryphoros des g (Berl. 
1863); Conze, «Beiträge zur Geſchichte der griech. 

laftit» (Halle 1869); Kelulé , «Die Gruppe de3 
ünftlerd Menelaos» (Lpz. 1870); Michaelis, «Tre 
statue Policletee», in den «Annali dell’ Instituto» 
Rom 1878); Benndorf, «fiber ein Wert des ältern 

»,in «Studien zur Kunftgefchichte» (Lpz. 1885). 

Bolyfiet ber Jüngere, Bruber und Schüler 
des Naufydes aus Argos, war ebenfalls, doch nicht 
—— Erzbildner, wie der ältere P., mit 

er wohl verwandt war. Er arbeitete im 
4. Jahrh. v. Chr. Statuen von Athleten, ſowie 
auch von Göttern, darunter einen Zeus Meilihios 
aus Marmor und einen Zeus Philio mit den 
Attributen des Dionyſos. 

olyfotyledonen nannte man früher die Na: 
delhölzer, weil bei mehrern Arten derjelben der 
Embryo mehr als zwei Samenlappen oder Koty: 
ledonen beſiht. Jeht hat man dieje Unterjheidung 
als überflüffig aufgegeben, da die Coniferen mit 
den Eycadeen zufammen al3 Gymnofpermen gegen: 
über den die Dilotyledonen und Monokotyledonen 
umfaſſenden Angiofpermen genügend in anderer 
Weiſe haralterifiert find, 

Polykrätes, des Hates Sohn zu Samos, grüns 
bete nad Befiegung des Adels diefer Inſel 537 
v. Chr. eine Tyrannis, und erhielt fi) in dieſer 
Etellung gegen alle Angriffe feiner Gegner, die 
von Milet und Lesbos, wie (524) von Korinth und 
Sparta aus unterjtükt wurden. Obwohl mit dem 
—* Amaſis von Ugypten befreundet, verbün: 
deie er fi doch nad) deſſen Tode mit dem Perfer 
Kanıbyfes (525) gegen Agypten. Endlich lockte 
ihn der perf. —— Orötes in Sardes im J. 521 
unter trügeriſchen Vorwänden nad) Magneſia und 
ließ ihn ans Kreuz ſchlagen. Eine P. betreffende 
Sage * Schiller in dem Gedicht «Der Ring des 
BP.» behandelt. { 

Polylemma (arh.), ein Schluß in ber Form 
de3 Dilemma (f. d.), bei dem aber die Disjunttion 
des Oberſatzes nicht zwei-, ſondern mebrgliederig ilt. 

Polymaſtie (gIrch.), dad Vorhandenjein übers 
zäbliger Bruftbrüfen, 


Polymathie — Polypen (zoologiſch) 


olymer, f. unter Iſomer. e 

olymerismus (arch.), Mibbildung, in 
mebrung ber ——— Zahl der 
beſtehend. 


Bolymiter (grch. «Vielmeſſer⸗), bei Jean Paul 
ſcherzhafte Are und für die auch «Stredverjer 
von ıym genannten Gedankenſpäne, welche in einer 
Art rhythmiſcher Proſa und, meift in überſchweng⸗ 
liher Form, poetifhen Gmpfindungen Ausbrud 
geben; Bolymetrie, Vielheit des Maßes, na- 
mentlid des Silbenmaßes. i 
Polymẽter, ein Initrument, welches zugleich 
als Graphometer (halbkreisförmiges Ajtrolabium), 
Kompaß und Waflerwage dienen joll. 
Beiymorp ſ. Bolybymnia, 


er⸗ 


BE (ard).), vielumfafjende Gelehrſ - 
ei 
Örperteile 


olymorphiomus (arch.) nennt man eine auf 
Arbeitäteilung beruhende Umtgeftaltung, welche ein: 
elne Mitglieder von Tierftöden häufig erfahren. 
In gewiſſem Sinne fann man bei den Ameijen und 
Bienen ihon von einem P. ſprechen, ba * neben 
den Geſchlechtstieren auch noch anders geſtaltete ge⸗ 
eo oje Arbeiter vorfommen. Am weiteſten geht 
re P. bei Bolypen, namentlich bei den Schwimm: 
polypen. (5. unter Afalephen.) Bol. Leudart, 
aliber den P. der Individuen oder die Erſcheinung 
der Arbeitsteilung in der Natur» (Gießen 1851). 

Polymythie (arch.), eine Hülle von Mythen 
oder Fabeln, namentlich bie Häufung von Begeben: 
beiten in einem Drama, 

Polyneſien ift die Bezeihnung für bie in ber 
Süudſee, nordöjtlih von Neufeeland, zwiichen den 
Mendelreijen gelegenen Inſeln und Inſelgruppen. 
(S. Aujtralien und Dceanien. , 

Bolynefier, der öſtl. Zweig der Malaiifchen 
Raſſe (j. d.), bewohnen die Inſeln des Stillen 
Dreans von den Samoas oder Scifferinfeln im 
Weiten bis zur Dfterinfel im Diten, von den Sand: 
wichinjeln im Norden bis Neufeeland im Süden. 
Die P. find von den Melanefiern (f. d.) und Mikro: 
neſiern einerfeitö und den Malaien andererfeits, 
mit welchen beiden fie ſprachlich zuſammenhängen, 
leiblich ſcharf erg Dem Vialaien gegenüber 
ericheint der P. als von größerer, beinahe athleti: 
ſcher Geitalt, dunklerer Hautfarbe, mehr voriprin: 
gender, oft adlerichnabelartig gebogener Naje und 
weichern, zum Kräuſeln hinneigenden Haaren; vom 
Melaneſier und Mikronefier, welche leiblibh an bie 
Papuas (f. d.) ſich anſchließen, ſcheidet ihn die ſtets 
ins Bräunliche, niemals ins Schwarze ſpielende 
Hautfarbe und das immer ſchlicht bleibende, nie 
* einer abſtehenden Perüde (wie dies bei 
den Melanejiern der Fall it) heranwachſende Haupt⸗ 
haar. Die P. find auf die Juſeln, welche fie gegen: 
wärtig bewohnen, von Weiten ber eingewandert 
und haben ihre Nubtiere (das Schwein, den Hund 
und das Huhn) aus der alten Heimat mitgebradt. 
Dan kann teild® aus den Traditionen und Ge: 
ſchlechtsreihen, deren Andenten auf den einzelnen 
Inſeln jich erhalten hat, teil aus den Namen ber 
Injeln und der geographiſchen Kenntnifie der Be: 
wohner der einzelnen Inſelgruppen jo ziemlich ge: 
nau den Gang der polynej. Wanderungen 4 
weiien, befien eh auch durd die Sprach⸗ 
forfhung glänzend beitätigt wird. Danach haben 
die polynej. Wanderungen von den Samoa⸗Inſeln 
ibren Ausgangspunlt genommen. Weiter lehrt die 
Unterfuhung der Mythen über das Paradies der 

B., daß wahrfheinlid die Sunda-Inſel Buro es 


149 


war, von der aus fie ihre Außmwanderungszüge 
u. dem unbelannten Diten begannen. Daß die 
B. bei diefen Zügen das Gebiet der Papuas ——* 
ten und auch papuan. Blut in fi aufnahmen, be⸗ 
weilt ihr leibliher Typus, der dem malaiifchen 
gegenüber fih nur aus einer Miſchung mit den kräf: 
tigen Bapuas erklären läßt. fiber die Sprade der 
P. Malaio-Polyneſiſche Spraden. 
— (ori. Bolyneites), Sohn des Edi: 
pus und der Kolafte, Bruder bes Eteokles (f. d.). 
Polynom (ard.) oder vielteilige Größe 
heißt in der Mathematik eine Größe, die aus mehr 
als zwei durch die Zeihen + oder — verbundenen 
Gliedern beitebt, 3. Y.a+b—c+ d, und Boly: 
nomiſcher Lehrfaß diejenige Formel, welche die 
Entwidelung einer Potenz einer vielteiligen Größe 
daritellt. Die verſchiedenen Ausdrudämeifen ders 
felben rühren von Leibniz, Moivre und Euler ber, 
Am Ende des 18. Yahrb. hat fih Hindenburg viel 
mit dem Polynomijchen Lehrſaß beichäftigt. 
sep (grch.), Vielnamigteit. 
olyopie oder Bolyspiis (gr&.), Geſichts⸗ 
fehler, wobei ein Gegenftand vielfach erfcheint, 
Doppeltjehen. j 
Polypanarthritis (grch.), allgemeine Gelenk: 
entzündung, Gelentrheumatismus, 
olypar, f. unter Korfpolypen. , 
olypen (vom griech, rossrou;, d, i. Vielfuß) 
bat man jehr verſchiedene Weſen genannt. Ur: 
Iprünglid) wurde der Name für die Gephalopoden 
oder Kopffüßler verwendet, meerbewohnende Weich: 
tiere, deren Körper eine Art Sad bildet, weldyer 
die Cingeweide enthält, während an dem vor dem 
Eade befindlien Kopfe feitlih bie Augen und 
vorn in der Mitte der mit einem Hornſchnabel be; 
waffnete Mund angebracht find. Im Streife um 
den Mund ftehen acht bis zehn lange Arme, welche 
äußerjt fontraftil und beweglich und meiſt mit 
Saugnäpfen und zuweilen nod mit Hafen zum 
Anklammern bewaffnet find. Zu diefen Cephalo— 
poden, bie in allen Deeren häufig vorlommen und 
von denen einige Arten Mannslänge erreihen, ja 
zu riefiger Größe anwachſen, gehörten in ben vor: 
weltlichen Schöpfungen die Ammonshörner, Be: 
lemniten, in den heutigen Meeren die Argonauta 
(Argonauta argo, f. Tafel: Mollusten, Fig.2), 
der Nautilus (Nautilus pompilius, Fig. 17), die 
Sepia (Sepia officinalis, fig. 3) und der eigentliche 
Secpolyp oder Bulpe (Octopus) mit at Armen 
von faſt gleicher Zänge, boppelreihigen Saugnäpfen, 
jadförmigen, weichem Körper, ber ſich von Fiſchen 
nährt und zuweilen den Badenden durch Anſaugen 
—A wird. Sein Fleiſch wird, meiſt geröſtet, 
gegeſſen. Außerdem nennt man ÿ„. die Tieve der 
Korallen (f. d.), fowie fernerdieÖydrarpolypen, 
als deren Typus der Süßwafferpolyp (Hydra) 
dient, dejjen Arten fi in allen jühen Gewäſſern, 
vorzugsweiſe gern an ben Wurzeln der Waſſerlinſen 
nden. Diefe Tiere ftellen gewiſſermaßen einen 
agenſchlauch vor, an deſſen vorderm Mundende 
mehrere Arme in wechfelnder Zahl im Kreiſe fteben, 
die ganz eingezogen werben können und mit eigen: 
tümlihen Neflelorganen bewaffnet find. Durd 
legtere werden Heine Waflertiere, Flohkrebſe u. ſ. w. 
gefangen und getötet, die dann in_bem Magen: 
Ichlauche zur Verdauung gelangen. Die Neprodut; 
tionäfraft diejer winzigen Tiere, welche zufammen: 
gezogen wie ein kaum birjelorngrokes Schleim: 
tröpfchen ausfehen, ijt ganz außerordentlich; jedes 


150 


abgeſchnittene Stac wachſt unter günftigen Verhält: 
nijlen zu einem ganzen Tiere aus. Eie pflanzen ſich 
durch Sproffen und Eier fort. Im Meere gibt es 
eine große Anzahl ähnlicher Organismen, welde zu 
den Quallen in eigentümlicher Beziehung ſtehen. 
Als Polypen —— man auch die Moos⸗ 
tiere (Bryozoa), ſolange man ihre höhere Organi— 
fation nicht kannte, welche fie gänzlih von den 
Korallen: und Hydrarpolgpen trennt, 
Polypen nennt man in der Medizin geſchwulſt⸗ 
förmige ———— n der Schleimhäute, die bald 
zur flache Hügel daritellen, bald ftärfer —— 
ragen oder ſelbſt von birnförmiger Geſtalt und 
dann gejtielt find, Gingeteilt — fie hauptſäch⸗ 
lich ihrer Strultur nach in weiche oder Schleim: 
Ki le und in feite oder Fleiſchpolypen. 
m allgemeinen find jolde P. jo autartig wie bie 
Marzen auf der äußern Haut und unterjcheiden 
fih hierburd von ben frebiartigen Wucherungen, 
erlangen auch meift nur durch die Stelle, an wel: 
cher fie fihen, Bedeutung. Biele P. find volljtändig 
—— während andere vorübergehende oder 
auernde Verengerung, ſelbſt Berftophu ung des be: 
treflenden Schleimbautfanals, fowie hroniihe Ka⸗ 
tarrbe, Verdidungen und Blutungen herbeiführen. 
Die in der Nafe befindlichen erihweren das Atmen 
durd) die Naje und entitellen die Sprache. Die P. 
in der Nähe des Kehllopfs oder in bemfelben 
machen die Stimme klanglos und Llönnen den 
Durchtritt der Luft jelbit völlig verhindern (Cr: 
jtidungegefahr). Der Sit derjelben in der Gebär: 
mutter bedingt Unfruchtbarkeit und oft erichöpfende 
Blutungen, Der Bolyp muß, wenn er Störungen 
und Beſchwerden hervorruft, durch eine Operation 
entfernt werden, die je nad) dem Sih, der Geftalt 
und der Art desfelben verſchieden iſt (z. B. Ab: 
—— Abbinden, Abdrehen, Brennen, Uhtzen). 
Mitunter muß die Operation wiederholt "werden, 
da manche B. nach ihrer Ausrottung wiederlehren. 
Polypetälae (Wolypetälen) oder Kleu- 
theropetälae,auhChoripetälae nennt man 
im Gegenfab zu den Gamopetälae (f. d.) diejenige 
Abteilung der en welche polypetale 
Bluten befist. Yu den P. gehören mehrere große 
Yjlanzenfamilien,, wie die Leguminofen, Nojaceen, 
Myrtaceen, ajıfloren, Sarifrageen, Umbelli: 
feren, Nanunculaceen, Geraniaceen, Gruciferen, 
Guphorbiaceen Chenopodiaceen, Urticaceen, die 
Ordnung der Amentaceen u. v. a. 
olypetälus nennt man in ber Botanik eine 
Blitte (los polypetalus), deren Perianthium aus 
mehrern getrennten Blättern beitebt. 
Bolyphagie (arch.), kranlhafte Gefräßigfeit. 


Polypen (mediziniſch) — Polyporus 


—— 6 unter Monophuletifä- 
olypodiaceen (Polypodiacäae), die größte 
Familie der Farne oder Filicineen. Man tennt 
über 2000 Arten, die über die ganze Erde verbreitet 
vorlommen, der Mebrehl * — den rei 
gegenden angehören. Es find faſt fänıtlich fraut: 
artige en mit friechendem oder aufiteigendem 

—— d, baumartige Farne finden ſich im dieſer 
Familie nur wenige. Die Wedel find ſehr verſchie— 
den geitaltet, —— iſt *8* — der Sori eine 
äußerſt mannigfaltige. — beſihen 
einen vertilalen —— en Ring und ſpringen 
u um Dureiß auf. ol. Tafel: 


u ödium L., Name einer ber Try 
ften Gattungen von Sarnträutern, welche fi durch 
nadte (jchleierlofe He chthaufchen auszeich⸗ 
5 —* ro ehrhe heit ihrer rten wächlt inners 

endefreife und unter biefen gibt e3 viele 
—* Größe und Schönheit ausgezeichnete (43. B. 
P. aureum L. in ‚” indien, mit folofjalen fieder⸗ 
joeitigen Wedeln). Unter den wenigen in Deutich: 
and heimishen Arten, welde im allgemeinen 
Züpfelfarn genannt werden, verdient das — 
meine P. oder das En uns (P. vulgare) 
ehoben werden. Dieſes in Feld: und 
re eltener an Baumjtämmen wachfende Sarns 
— hal einen kriechenden, dicht mit roftbraunen 
en (Spreublättern) bebedten, —— 
Ar elitod und etwa 30 cm lange, geitielte Wedel 
mit mi Peer Blattfläche, an deren —* kr 
die großen runden, * m Iben Frudjt 
reihenweife ftehen. Der on tlhat füß —* «rm 
Wurzelitod wurde frü ix Polypodii oder 
Filiculae duleis in gen a hunde als auflöfendes 
Mittel bei Huften und Heiferfeit angewendet. 
ulnporcen (Polyporäi), Unterabielung ber 
Pig familie der ger ceten (f. d. 8). 
herpil; 3), Sligattung 
aus te milie der en 
gegen 300 Arten, von denen ungefähr bie hen in 
Deutfhland vorlommen. Die Fr ber 


bier ——— Pilze find fe — 


arne, 


der Regel ** e einen — 
— Baden it, jene —— * der 
eitlich ange en i tener i ut in 
Mitte geſtielt. Die Spmenialfcicht beiteht aus 
regelmäbigen Nöh bie auf der —— 
Hutes ſihen. Et — dieſer Pilze wachſen 
an Bäumen und — und —— daſe bit 
gewöhnlich mehrere Jahre lang, wobei jedes Jahr 
eine neue Schicht von Röhrchen über der alten ent: 
widelt .. Nur — rmen wachſen auf der 


Bolyphem (ach. Polyphemos), der Sohn des | Erbe. 


Poſeidon und der Nymphe Thooja, ein einäugiger 
rk war der berühmtefte unter den Cytlopen 
In feine Höhle fam Odyſſeus, ald er an der 
Güektafle Siciliens landete, mit zwölf Gefährten, 
von denen P. ſechs verzebrte. Den übrigen jtand 
dasjelbe S idjal bevor. Allein Odyſſeus berauf = 
P. brannte ihm dann mit einem glübenden Pfa . 
fein Auge aus, verftedte fih und feine Gefährten 
unter die Bäuche ber —— als ſie P. aus 
der Di auf die Weide geben lieb, und entlam jo 
der Gefahr. Diefe Sage liegt dem Satyrdrama 
des Euripides, welches Hyllops genannt wird, zu 
Grunde. Bon fpätern Dichtern wird oft die Liebe 
des P. zur Galaten (j. d.) erwahm. 
Bolyphöniich, ‚Rielftimmig. 


rper iſt bei den — holzig 
oder doch — * —R4 —— wenn 
auch |. nicht genofjen 1 werßen lönnen, 
Andere dag sa ein weiches und ſchmachaf⸗ 
te3 Kee we der holzigen oder rten, 
bejonders der an Laubholzbäumen, 5. B. an Buchen 
häufige P. fomentarius , werben zur Heritellung 
des Aunsıes oder Feuerihwamms verwens 
det, “indem man durch Klopfen und durd) —— 
Kochen a Lauge — tlörper ade chmeidiger 


macht und ſie dann En Ipeterlöjung bringt oder 
in —— * focht, wodurch fie ſich leichter ent⸗ 
—— beſſer fortglimmen. In einigen en 
irg — wie im Thüringerwalbe, i 


— für die völs 


—* rung = demtihe deutung; obwohl früher 


— 


Polyptoton — Polytechniſche Schulen 


der Handel mit diefem Produfte einen größern 

Umfang hatte, fo ift doch aud) jet noch der Ver: 

traud des Feuerſchwamms ein nicht geringer. 
Auch in der Chirurgie wird er noch häufig als blut: 
tillendes Mittel verwendet. 

Bon andern Arten find beionders hervorzuheben, 

das fog. Schafeuter (P. ovinus Fr.), ein weißer 
oder graumeißer Bilz von ziemlicher Größe, defien 
in der Mitte oder ercentrijch geitielter Hut eine 
Breite bis zu 20 cm erreicht; er kommt gewöhnlich) 
in Gruppen in Nadelholzwäldern vor und hat ein 
zartes und wohlſchmecendes Fleiſch; ferner der in 
Südeuropa häufigejog. Biegenfuß (P.pescaprae 
Pers.) mit ſeitlich gejtieltem, etıva 12 cm breitem 
dumfelbraunen Hut, der ebenfalls in —— 
wäldern wächſt und gewöhnlid) eine Verwachſung 
der in Gruppen vorlommenden Fruchtkörper Ken 
Er hat gleichfalls ein wohlſchmedendes Flei 9 
Auch der in Deutichland nicht jeltene Semmel: 
pil; (P. confluenus Fr.) und der jog. Eichhaſe 
oder Hajelidwamm (P. umbellatus Fr.) find 
eßbar, ber leptere hat große boldenartig verzweigte 
druchtlörper von bräunlider Farbe, der eritere iſt 
rõtlich gelb und lommt wie der —— in Gruppen 
vor, er wächſt beſonders in Nadelholzbeſtänden, 
während der Eichhaſe gewöhnlich an faulenden 
Laubholzbãumen ſich findet. Eine in Italien wach⸗ 
ſende Art, P. tuberaster Fr., mit in der Mitte ge: 
ftieltem gelblich gefärbten Hut und etwas zäbem, 
aber do wohlihmedendem Fleiſch, wird vielfach 
gegefien und an verjdiebenen Orten Italiens jogar 
ultiviert; diefer Pilz wächlt auf der Erde und das 
Mycelium desjelben kann ähnlich wie das bes 
Champignons (f.d.) mit den Erdllumpen getrodnet 
und weit verjdidt werden. Außer P. fomentarius 
wird bejonderd noch der in Südeuropa häufige 
Lärchenſchwamm (P. officinalis Fr., P. laricis 
Jasp.) zur Zunberfabritation verwendet und bildet 
bauptiählih im ſüdl. Rußland einen wichtigen 
Handelsartifel. Cinige der holzigen Arten werben, 
ihrer eigentümliden etagerenartigen Form wegen, 
ojt mit Hlechtenbärten, Moos ıc. verziert, als Zim⸗ 
merſchmud verfauft; im Thüringerwalbe werden 
jährlich viele zu diefem Zwed verwendet. 

Volyptston (erh) beißt eine rhetoriiche Figur, 
bie in der nachdrũdlichen Wiederholung besjelben 
Subſtantivs oder Zeitwortes in verſchiedenen 

: em Beh a 28 gi bringt hr N 
wenn Haß dem net» iller), 
oder «fein Menf muß möüfjen» Geifing). 

Polyptöchan (grih.) im Altertum und 


Mittelalter ein aus —* als drei mit Wachs über: 
Bun und bejchriebenen Holzplatten zufammen: 


€ (gcch.), die Fettſucht. 
A ie wie Flas 


Poly yon, ein Feldherr Aleranders d. Gr., 
von urt ein Häuptling aus ber epirotijchen 
er Tymp wurde von Antipater bei 
defien Tobe 319 v. € r. zum Reichsverweſer er: 
nannt. Der Sohn des Antipater, Kaſſander, fühlte 
ſich dadurch zurüdgejeht und begann in Verbindung 
mit Antigonos einen Kampf weniger um bie Reichs: 
rerweſung, als um die Herrſchaft über Macebonien 
und Griechenland. * Verlauf der daraus ſich 
entwidelnden Kämpfe ſchloß P. zuletzt mit Kaſſander 
Basen, ermorbete 309 Aleranders d. Gr. le 


sten 
ahlommen 


Heralles und trat in Kaſſanders 


151 


Dienfte über; fein Todesjahr it unbefannt, dod) 
- z nod) 303 v. * >. 
olyspermus, vielſamig. 

Polysylläbum (grd.), «vieljilbiges», befons 
der3 mehr als dreifilbiged Wort. 

Volyſyndẽton (grch., «vielfach verbunden») 
nennt man die Häufung von Berbindungspartifeln, 
wie in Schiller3 Worten: «Und es wallet und fiedet 
und braufet und zijchte. Im Deuticen ift das P. 
jelten und wird meiftend nur zum Ywed der Her: 
vorbebung gebraudjt. In andern Spraden, 3. B. 
im Lateiniſchen und Griechiſchen, werben bie Verbin: 
dung&wörter auch ohne irgend einen Nachbrud öfter 
wiederholt. Der Gegenfat ift Aſyndeton (j. d.). 

Bug an nennt man —— Spra⸗ 
chen, welche den Unterſchied zwiſchen Wort und 
Sap aufheben und Beſtimmungen, welche dem lehz⸗ 
tern angehören, in das erjtere aufnehmen. Dabin 
25 3. B. die Beſtimmung des Verbums durch 

as Objekt. Die polyſynthetiſchen Sprachen inkor— 
porieren nicht nur ben pronominalen, ſondern auch 
den nominalen Objeltsausdrud dem Verbum, wel: 
ee daburd) einen volljtändigen Saß repräfentiert. 
Su den polyſynthetiſchen —— gehören vor 
allen die meiſten amerik., und darunter lann wieder 
das Merilanifhe (Nahuatl) ald das vollendetfte 
Muſter einer polyiynthetiihen Sprache gelten. 
olytechnik iſt der jeht üstihe Name für den 
Inbegriff aller zur Ausübung der veridiedenen 
Künfte und Gewerbe erforderlihen Kenntniſſe und 
Gejhidlichkeiten, meilt mit dem Nebenbegriff_der 
—— auf ihre mathem. und naturwiſſen⸗ 
tliche Baſis. 
olytechniſche Schulen bisweilen auch Po: 
Igtehnilum genannt) find Unterrichtsanſtalten, 
welche bei vollftänbiger Organijation den Bebürf: 
niffen des techniſchen Unterriht3 in demſelben 
Maße zu —— haben, wie die Univerſitäten den 
ſog. — tubien, ſodaß man fie in neuerer Zeit 
häufig auch als Techniſche Hochſchulen be 
eichnet. ie deutſchen Polytechniſchen Schulen 
Find durchweg Staatsanftalten, vom Staate ge 
leitet und dotiert und ala Spitze bes techniſchen 
Unterrichts dem Organismus ber ftaatlihen Bil: 
dungsanitalten einverleibt. Bon den Univerfitäten 
unterjcheiden fie ſich durch Mangel an torporativer 
Selbftändigteit (Leitung und eng di innern 
Angelegenheiten dur —— llegialiſche 
Behörden, Beſiß und Verwa J eigenen Bermös 
gens, Verleihung alademiſcher Ehren, Vertretung 
in ben ftaa 7— Repraãſentativlorpern u. ſ. w.) 
und durch die Gliederung in Fakultäten. Die Po: 
lytechniſchen Schulen find Shöpfingen ber Neuzeit. 
m J. 1794 warb zu Paris die Ecole centrale 
estravauxpublics erridtet, die ſchon 1795 
in die Ecole polytechnique überging. Gie 
wurde jedoch bald militärijch eingerichtet und zu: 
nädjit für die Vorbildung der Artillerie und Ge: 
nieoffgiere, der Straßenbau: und Bergingenieure, 
ber Seeleute, der Telegraphenbeamten u. |. w. 
bejtimmt. Die erften Polytechniſchen Säulen im 
modernen Sinne errihtete Öfterreih in Prag 
(1806) und in Wien onen Darauf folgten in 
Deutfchland namentlich Berlin (die Gemwerbeala: 
demie, 1820), Karlsruhe (1825), Münden (1827, 
neu organifiert 1868), Dresden (1828), Han: 
nover (1831), Stuttgart (1832), Braunſchweig 
(1862, neu organijiert 1876), Darmftabt (1869) 
und YHadıen (1870). In Berlin wurde 1879 bie 


152 


Baualademie und bie Gewerbealademie zu einer 
techniſchen Hochjchule vereinigt. Die Schweiz bes 
fipt jeit 1860 das treffliche Eidgenöffiihe Polytech— 
nitum in Sri, Nubland das Baltiſche Bolyted: 
nitum in Riga. Alle diefe Anftalten, zum großen 
Zeil reich dotiert und mit den trefflichiten Lehrkräf⸗ 
ten verſehen, bereiten ſowohl für die techniſchen 
—* des Staatsdienſtes wie für die höhere 
Privatinduſtrie vor. 
olythalamien, f. unter Wurzelfüßer. 
olytheismus (arh., d. b. Vielgötterei) 
beißt im Gegenfak zu dem Monotheismus (f. d.) 
oder dem Glauben an Einen Gott, die Berehrung 
einer Mehrheit von Göttern. Solange das reli- 
giöfe Bewußtjein noch nicht über die Stufe der Na- 
turreligion binausgefchritten ift, ift ber P. die ges 
wöhnliche Neligionsform; und aud wenn ein 
Stamm, eine Stadt oder ein Voll nur eine einzige 
Schubgottheit verehrt, fo fteht dieſelbe doch als ein 
oöttliches Einzelweſen den Schubgöttern der Nad: 
barn gegenüber, Die Götter des polytheiſtiſchen 
Boltsglaubens find zunächſt Perjonifilationen von 
— — Mächten und Erſcheinungen des 
daturlebens; mit der ſteigenden Kulturentwidelung 
erfüllen ſich dann bie mytholog. Göttergeſtalten 
mit geiſtigem und ſittlichem Gehalt, ein Prozeß, 
der freilich als feine —— Konſequenz die 
—— innere Auflöfung der polytheiſtiſchen 
eligionen mit fi) führt, Cine eigentümliche Form 
de3 $. iſt der Dualismus (ſ. d.), welcher ebenfalls 
zuerſt von der Naturreligion ausgeht. 
Polytrichum L., Name einer Gattung aus 
der Gruppe der Laubmoofe, melde fih befonders 
dadurch auszeichnet, daß die Müpe der bald runden, 
bald vierfantigen Büchſe zottig —* iſt und ſich 
innerhalb des aus 32 oder 64 Zähnen beſtehenden 
Es Zen eine trommelfellartige Haut befindet. 
ie Arten dieſer Gattung find perennierend, haben 
einfache oder wenig verzweigte, mit dichtgedrängten, 
lineallangettlichen. Blättern befette Stengel und 
langgeftielte Sporangien. Sie find noch dadurch 
merkwürdig, daß die männlichen und weiblichen 
Geſchlechtsorgane auf verfchiedenen Individuen ſich 
befinden und daß erſtere auf einer an der Spihe des 
Stengels befindlichen zierlichen Roſette rotgefärbter 
Blätter, dem ſog. Perichätium, das wirklich wie 
eine Heine Blume ausſieht, ſtehen. Nach der Blüte: 
zeit wächſt häufig der Stengel durch die Nojette bin: 
durch. Die verbreitetite und gemeinfte Art it das 
unter den Namen Goldhaar und Widerthon 
belannte Moos (P. commune L.), welches überall 
auf Heide: und Torfboden, in Waldbähen, an 
naſſen Waldftellen, auf feuchten Wieſen wächſt, und 
deſſen Stengel bisweilen eine Länge von mehrern 
Fuß erreihen. Dasfelbe bildet dicke, fchwellende 
olfter und trägt mit zur Torfbildung bei. Seine 
Büchfe ift vierkantig, die Müse roftgelb, Cs war 
rüber als heilkräftig geihägt, und galt auch ala 
ittel gegen Zauber u. dal. 
olytypen (ar&.), in Holz, Meſſing ober 
Schriftmetall gravierte Hochdruckplatten für fiber: 
ſchriften (jog. Kopfzeilen) zu Nehnungsformularen, 
Handlungsbüdern u. ſ. w., für eigenartige Schrift: 
— ſowie für Ornamente und Vignetten ſinnbild⸗ 
icher und anderer Art. Zum Zwede der Ber: 
wertung duch Benubung bei typographiicher Aus: 
ftattung von Werken, Formularen und andern 
Drudjachen angefertigt, werden die Originale der 
B. unter Herftellung von Matrizen teils durch Ab: 


Polythalamien — Pomare 


güfie auf ber Gieß: oder Clichiermaſchine, teils 
ur Stereotypie ober Galvanoplaitit vervielfäl: 
tigt. Das betreffende Verfahren heißt Bolytypie. 
Polynrie (grch.), die abnorme Vermehrung der 
Harnabjonderung, auch foviel wie Diabetes, 
lyxen, natürlic vorlommendes Platin. 
Iyzena, die Tochter des Priamos und ber 
abe, wurde von Achilleus geliebt und fpäter von 
tolemo3 auf dem Grabe desjelben geopfert, 
en Hellenen, die zur Nüdtehr Anitalt trafen, 
der Schatten des Helden erſchien und P. zum Opfer 
forderte. Die nad ihr benannten Tragödien des 
Sophofles und Euripides find verloren gegangen: 
Pessgeitie rchi), das viele Fragen, beſonders 
das Stellen verläng iher Fragen in der Art der 
Skeptiler, 3. B. wie viel Sandlörner j einem Hau: 
fen, wie wenig Haare zu einem Stahltopf gehören. 
Bpoen, f. Bryozoen. 
olzin, Stadt im preuß. Regierungsbezirk 
Köslin, Kreis Belgard, am Wuggerbad, in der 
Pommerſchen — ‚Sig eines Amtsgerichts, 
= (1880) 4724 E., zwei Wollipinnereien mit 900 
indeln, Gerbereien und Getreidehandel. Nabe: 
bei liegen da3 Luifenbad mit 1688 entdedter Eiſen⸗ 
quelle, das Johanniter⸗ Kranlenhaus Bethanien 
mit Moor:, Dampf: und Fichtennadelbädern und 
das Nitteraut Schloß: P. (mit 130 E.), mit wel: 
nebjt dem 1510 zur Stadt erhobenen Drte 
de des 14. Jahrh. das von Manteuffeliche Ge: 
ſchlecht belehnt wurde, 
omaccen (Pomacdae), f. unter Rofaceen. 
made (frz. pommade , in ber Reitkunſt 
Schwung um den Satteltnopf beim Voltigieren. 
omade oder Pommade (frj. pommade, ital. 
pomata, abgeleitet vom lat. pomum, Objtfrucht) 
nennt man im allgemeinen eine zu kosmetiſchen 
wie zu mediz. Zweden verwendete Male, deren 
Grundbeitandteil in der Regel ein Fett bildet, ge: 
wöhnlich gereinigtes Schweinefett, dem man je 
nad) dem Grade der Konſiſtenz, welche die B. haben 
* irgendein fettes Öl (Baumöl, Mandelöl, Se: 
amöl, Ricinusöl), Walrat, Paraffin, Bajelin 
oder Wachs zuſetzt. Gewöhnlich ift das Fett der 
Träger eines in Form von ätheriichen Ölen u. ſ. w. 
—3— Parfums. Die oft beliebte Notfärbung 
P. geſchieht durch den in Fetten löslichen, 


9 
Neo 
ala 


roten Farbftoff der Allannawurzel, Tas Ge: 
[ame alten beſonders trodenen Haupthaars 
ur mäßige Anwendung von P. iſt ratfam, da: 


egen ber übermähige Gebrauch namentlih von 
tark parfumierten P. weniger anzuraten. P. mit 
Zuſaß vorgeblich therapeutifh wirtiamer Mittel 
zur Wiederbelebung des Haarwuchſes auf kahl 
gewordenen Stellen des Kopfes find nur Erzeug: 
niſſe der Charlatanerie. Die mit Arzneiftoffen ge: 
miſchten P. werden Salben (f. d.) genannt. 
omaken oder Bomoten iſt die Bezeichnung 
ber zum Islam übergetretenen Bulgaren. 
Bomarance, Drt in der ital. Provinz Piſa, 
Bezirk Volterra, links von der Gecina, 11 km füd: 
lid von Volterra, bat (1881) 3255 (Gemeinde 
7339) E., ein Schloß des Grafen Larberel und in 
der Hauptlirche ein Gemälde Verkündigung) des 
ger geborenen Roncalli, genannt il Bomerancio. 
P. war in der Nenaijjancezeit durch feine Thon: 
waren berühmt. Etwa 6 km ſüdlich von PB. liegt 
Monte: Gerboli (f. d.), Mittelpuntt der Borfäure: 
werte de3 Grafen Larderel. 
Bomäre (Königin), ſ. Gefellihaftsinfeln. 


Pombal — Pomerellen 


Bombal, Stabt im portug. Diftrikt Peiria, in 

adura, unmeit rechts vom Mondegozufluk 

Arunca, Station der Bahn Lijjabon:Oporto, hat 
(1878) 4384 E. und ein Schloß. 

Bombal (Sebajtiäo oje de Carvalho e Mello, 
Graf von Deyras und Marquis von), portug. 
Staatämann, geb. 13. Mai 1699 in Soure bei 
Goimbra, fhibiert bie Rechte in Coimbra, nahm 
darauf Militärdienfte, 309 fich aber bald wieder in 
feine Heimat zurüd, wo er fih wiſſenſchaftlich be: 
ihäjtigte. Im J. 1739 übertrug König Johann V. 
ihm den Gejandtihaftäpoften in London. Zwar 
wurde er 1745 wieder abberufen, doch die Königin 
Maria Anna (von Bjterreich), P.s Oönnerin, ver: 
mittelte, dab man ihn als Gefandten nad Wien 
ſchidte. Der Sohn und Nachfolger Johanna V., 
König Joſeph I., ernannte auf Empfehlung der Kö: 
nigin:Dlutter im Sommer 1750 P. zum Miniſter 
des Auswärtigen und 1756 zum Premierminifter. 
Auch erhielt er die Titel eines Grafen von — 
und (1770) eines Marquis von B. Sn dieſer Stel: 
lung bewährte er ſich als Vertreter des aufgellärten 

potismus und ftrebte durch tiefeingreifende Re: 
formen das zerrüttete — wieder zu heben. 
Gr beförderte Aderbau, Induſtrie und Handel, 
orgte für das Unterrichtsweſen, beichränlte die 
acht de3 Inquiſitionstribunals, * die Miß⸗ 
brãuche in Verwaltung und Rechtspflege ab u. ſ. w. 
Als das furchtbare Erdbeben vom 1. Nov. 1755 
Lifjabon verwüjtete, brachte er es durch feine Energie 
dahin, daß die Stabt aus een Ruinen bald wie: 
der —— erſtand. Der hohe Adel, dem er die 
Privilegien raubte und die Krongüter entriß, und 
die Seite, deren Einfluß auf Kirche, Hof und 
Schule er zerjtörte, intriguierten lebhaft gegen P.; 
in Baraguan mußte der von den Sefuiten aufge: 
regten ölterung mit den Waften entgegenge: 
treten werben. Aber bier wie in der Heimat unter: 
lagen fie. Im Sept. 1757 gelang es P., die Jen 
— Hofe zu entfernen, und auch Papſt 
Benedilt XIV. ließ ſich ac sa eine Vifitation des 
Drdens in Bortugal anzuordnen (Juni 1758). 

Bald darauf geihah ein Mordverfucd gegen Kö: 
nig Joſeph. Die Unterfuhung ergab, J zwei ber: 
vorragende Familien des portug. Adels dies Atten: 
tat angeftiftet hatten, und bereit3 13. Jan. 1759 
wurde der Marquis von Tavora mit feiner Gattin 
und feinen Söhnen, fowie ber Herzog von Aveiro 
nebjt ihren —— vor dem Schloſſe von 
Belem er am hingerichtet. Auch die Jeſuiten 
wurden der Mitfchuld beichtigt und viele derfelben, 
darunter ber Bater Malagrida, ins Gefängnis ge: 
worfen. Am 19. jan. 1759 lieb P. das Vermögen 
des Ordens mit lag belegen und troß aller Bro: 
tefte des Bapftes Clemens XII. erfolgte am ah: 
restage des Attentat3, 3. Sept. 1759, ein —*9— 
Dekret, wodurch die Jeſuiten als Verraͤter und Ne: 
bellen auf ewige Zeiten aus dem portug. Reiche 
verbannt wurden. Dan vollitredte das Dekret mit 
größter Strenge und beportierte fämtliche Jeſuiten 
zu Schiffe nach dem Kirchenſtaat. Im Juli 1760 
ward auch ber päpftf. Nuntius, weil er feind⸗ 
ſelig benahm, mit Dragonern über die Grenze ge: 

bradt, und im Sept. 1761 erfolgte die Sineihtum 
de3 Paters Malagrida, Die e war ber Bru 
mit Rom. Grit nad) der Erhebung Clemens’ XIV. 
fand eine MWiederausföhnung ftatt, = daß P. 
irgend welche Konzeſſionen machte. Seitdem war 
ðv. unumſchrãnkter Herr und konnte ungejtört feiner 


153 


reformatoriihen Wirkiamkeit nachgehen. Während 
des kurzen Kriegs, in den Portugal, als Englands 
Bundesgenofje, mit Spanien ſich verwidelt ſah 
(1762—63), übertrug P. das Dberlommando dem 
Reichsgrafen Wilhelm von Schaumburg:Fippe, der 
das portug. Heer reorganifierte, aber ſchon 1764 
nah Deutichland zurüdtehrte. Auch die Flotte 
ward in guten Stand gejegt. Als aber 24, Fehr. 
König Joſeph I. ftarb und defien Tochter Maria, 
B.8 heftigſte Feindin, auf dem Throne folgte; mußte 
B. fhon 5. März 1777 feine Entlafjung nehmen, 
die meilten feiner Cinrichtungen wurden wieder auf: 
gehoben, und die Großen verjuchten alles, ihn auf 
da3 Wlutgerüit zu bringen. Die Königin lieh den 
Prozeß der Königsmörder unterfuden, und B. ret: 
tete fih nur dadurd, dab er die Driginalbeweiie 
jener Verſchwörung, die nicht öffentlich befannt ge: 
macht waren, vorlegte. Gr jtarb zurüdgezjogen ım 
Fleden Rombal 8. Mei 1782. Vgl. «L’administra- 
tion du Marquis de P.» (4 Bde., Amiterd. 1788); 
Smith, «Memoirs of P.» (2 Bde., Yond. 1845); 
Oppermann, «®, und die Jeſuiten⸗ (Dannon, 1815); 
Garnota, «Marquis P.» (2. Aufl., Lond. 1871). 
omegued, Inſel im WeW. von Marjeille, 
nabe der Inſel Natonneau, { Ouarantänejtation, 
omerannd, |. Bugenbagen. — 
omerauzen heißen bie Früchte derjenigen 
Barietät des Drangenbaums (1. d.), welche man 
als die urfprüngliche Form dieſes Baums betraditet. 
Sie unterſcheiden ri von den Anfeljinen (f. d.), 
denen fie ſehr ähnlich ſehen, faſt nur durch ihr 
überaus bitter ſchmedendes Fleiſch, weshalb man 
fie auch in Spanien bittere Drangen, im Gegenſat 
u den Apfeliinen, den jühen, nennt. — — der 
— und Blüten erütiert fein Unterſchied zwi: 
Sm dem Pomeranzen: und Apfelfinenbaum. Die 
lüten werden glei denjenigen ber übrigen Dranı 
geriegewächle ala Niechmittel und zur Bereitung 
des Bomerausupiätendle (Oleum Neroli) 
unddesDrangenblütenwafferd(Eaudefleurs 
d’oranger) benupt; aus den Fruchtſchalen, welche 
als Cortices Aurantiorum auch in der Heillunde 
vielfältige Verwendung finden, bereitet man das 
neben andern ätherijchen Ölen der Aurantiaceen in 
roben Mengen zur Fabrikation der Eau de Co- 
er verwendete Pomeranzenshalenöl 
Oleum Aurantii corticum), fowie föltlide, das 
erbauungsfgftem wohlthätig anregende Liqueure, 
unter denen ber auf Curasao aus den Schalen der 
dort gebauten, beſonders aromatijchen P. (Cortices 
Aurantiorum curassaviensium) weltberühmt iſt. 
Die P. find in der Negel Heiner als die Apfelſinen. 
Es gibt deren indeflen eine große Anzahl von Spiel: 
arten. In Deutſchland wird der Pomeranzenbaum 
von allen Orangeriegewädien am häufigſten kulti- 
viert (namentlid auch als Topfpflange), weil er am 
wenigiten empfindlich ift unb auch bei geringer oder 
vernadhläffigter Pflege noch leidlich gedeiht. 
omeranzenbaum, |. unter Drangenbaum, 
omeranzenblütendil und Pomeranzen: 
ſchalenöl, ſ. unter Bomeranzen. 
Pomerellen (Pomerania parva) bieß früher 
der Landſtrich des jetzigen Weſtpreußen, der zwiſchen 
dem linken Ufer der Weichſel, Pommern, dem Groß: 
herzogtum Poſen und der Oſtſee liegt, mit den 
Städten Schweh, Koniß, Stargard und Dirſchau. 
Das Land hatte früher eigene Fürſten, fiel aber 
ſchon 1290 an Polen, das wegen desjelben vicle 
Kämpfe mit den Pommern, den Markgrafen von 


154 


Brandenburg und dem Deutſchen Orden > führen 
hatte, m J. 1810 eroberten e& die Deutichen 
Ritter, die es aber 1466 im Thorner Frieden wie: 
der an Polen abtreten mußten, bei dem es bis zur 
eriten Teilung Polens 1772 verblieb. Vgl, Perl: 
bad, «Pomerellifches Urfundenbucdy» (Danzig 1882). 

Pomerium (unrihtig oft Bomörium geſchrie— 
ben) hieß in Rom der ee. menſchlichen Benugung 
entzogene_gebeiligte Naum, der diesſeit und jen- 
ſeit der Stadtmauer binlief und durd Martiteine 
(eippi) begrenzt war. Die fog. ftädtiichen Aufpizien 
—— urbana) mußten innerhalb des P. ange: 
tellt werden, das zugleid die Grenze des jtädtis 
ichen Friedens im engern Sinne war, daher zu den 
Genturiatcomitien die Bürger fi außerhalb bes: 
jelben verjammelten, ; 

Pomeroy, Stadt und Hauptort von Meigs 
County im nordamerif, Staate Ohio, liegt am 
Obiofluffe, ungefähr in der Mitte zwifchen incins 
nati und Pittsburgh, an der Atlantic: und Late 
Gries und der Sn field, adion: und Romeroy: 
Gifenbahn, 130 —68 von Columbus, hat 
(1880) 5560 E., bedeutende year und Salzberg: 
werte, eine Hochſchule, zwei Nationalbanten, ein 
tath. Waifenhaus, eine Wollfabrik, Eifengiehe: 
reien, Wa werte, Dahlmühlen, laichinen:, Bront;, 
Magen:, Möbel: und andere Fabriken. 

omefine, foviel wie Apfelſine. 

Bomeitje (rufj.), in Rußland in älterer Zeit ein 
Dienftaut, weldyes Staatseigentum war undandem 
der Beliger nur ein Nußnießungsrecht für Leiſtung 
im Kriegädienit hatte. Später wurden die Rechte 
bes legtern immer mehr er (auf Beräube: 
rung, Bererbung), und Beter d. Or. ftellte 1714 Die 
Vienftgäter den Erbgütern (otezina) glei). Gegen: 
wärtig bedeutet P. ein adeliges Gut, Bomeszczit 
einen adeligen Gutäbefiker. ! 

eig a v’Arco, Ortſchaft in der ital. 
Provinz Neapel, Bezirt Caſoria, nördlid vom 
Veſuv, 11 km nordöſtlich von Neapel, hat (1881) 
8252 lals Gemeinde 9439) E., eine Edelitein: 
jchleiferei und Bogen einer antiten Wafjerleitung. 

ommade, ſ. Bomade. 
ommer, Holzblaginitrument ſ. Bombard. 
ommer, ſoviel wie Spitzhund. 
5 ommer (Dr.), Bommeranus, f. Bugen— 
agen. 
ommern, ein ehemaliges Herzogtum, gegen: 
wärtig, nad) —— ——— Teile der Neu— 
mark und einiger Orte Weſtpreußens, eine ber 
nördl, Provinzen des preuf. Staats, grenzt im W. 
an gg im ©. an Medlenburg und Bran: 
denburg, im SD. und O. an Weftpreußen und im N. 
an die Oſtſee, umfaßt 30109,13 qkm, ausſchließlich 
jedoch de3 Großen und Kleinen Haffs (f. d.) und ber 
Miele und Bodden (f. d.)von zufanımen 1538,00 qkm 
Fläche, und zählte (1880) 1540034 E., mit Aus: 
nahme einiger taujend Polen und Kaffuben in den 
an Weftpreußen —5 Kreiſen Lauenburg und 
Bütom ausſchließlich Deutſche; 1498864 gehörten 
dem evang. und verwandten prot. Bekenntniſſen, 
23877 ber röm,:tath. Kirche und 13886 der jüd. 
Religion an. P. bildet feiner phyſiſchen Beſchaffen⸗ 
heit nach einen Teildesvon Welten nah Dften Fe 
den uralifch:balt. Pandrüdens, ſowie des norddeut: 
hen Tieflandes. Es beiteht öſtlich der Oder (dieſer 
eil wird Hinterpommern genannt) aus mäßig 
ausgedehnten Küftenebenen mit einzelnen Hügeln 
und Höhen, im Innern aber aus mehrern terrafjen: 


Pomerium — Pommern 


förmig nad) der Oſtſee zu abfallenden Plateaus von 
teilweiſe ausgeſprochenem Berglandcharatter, die, 
vielfach jich verzweigend und zerrifiendurd zahlreiche, 
der Weichtel, Netze, Ober und Ditjee zueilende Fluſſe 
von meist furzem und raſchem Lauf, nicht allein be: 
merkenswerte Höhen und mehrere Hundert größere 
Landſeen (Pommerſche —ã— en tragen, 
fondern auch reich an landichaftlihen Schönbeiten 
find % ommerjhe Schweiz öftlid) von Scivel: 
bein bei Bolzin, Rummeläburger Bergland nördlich 
von Nummelsburg bei Pollnow). Auch weſtlich 
der Dder (Worpommern und Neu:Borpom: 
mern genannt), wo das Flachland größere Flächen 
einnimmt, erheben fih einzelne Hügelreihen, und 
auf der Infel Nügen (f. d.) bilden die malerischen 
Kreidefelſen ( Stubbenfammer,, Herthaburg) mit 
ihren ſchroffen Steillüjten berühmte Anzicehungs- 
punkte, Die vorpommeriche Küjte ift überaus zer⸗ 
riſſen, die hinterpommerjche dünenreich und wenig 
gegliedert, jedoch mit einzelnen Strandieen, glei: 
ſam kleineren Haffen, durchfeht. Die bedenten 

Höhen liegen im öjtlihen B.; bemerkenswert find 
der Revelol (115 m) am See und ber 
Gollenberg (145 m) bei Köslin, beide unfern der 
Hüfte, ſodann weiter landeinwärts der tfolierte 
Muttrinberg (159 m), ber Dombrowaberg (212 m) 
bei Zauenburg, dann der Heiligenberg (240 m) bei 
Pollnow, nicht fern davon der Steinberg (276 m), 
ber Spikberg (220 m) bei Tempelburg, der Naben: 


rdeichen 


berg (246 m) an der Grenze deö weſtpreuß. Kreiſes 
Deutich:strone u. a.m. Bon den Strandfeen find 


der Lebafee (82,13 qkm), der Gardeſche (26 14 qkm), 
der Vießler (13,10 qkm), ber Budomiche ber . 
Jamundſche und der Kamp⸗See, von den Pand: 
jeen der Vilmſee, der Drabiafee, der Pielbur: 
er, der Groß:Lübbe: und der Maditefee (40 am), 
—— der nach Mecklenburg hinüberrei m⸗ 
merowſee die —— Abgeſ von der 
Oder mit ihren Mundungsarmen — Swine 
und Dievenow hat P. nur wenig bebeutende Fluſſe, 
von denen die Perſante auf 2, die Ihna auf 60 
die liter auf 35, der Trebel und die Nednig a 
28, die Tollenſe auf 45 km fchiffbar find; ebenfo 
wenig find nennenswerte Kanäle vorhanden. Das 
Klima ift im öftl, Teile rauher als im 
und im weitl. Teile; da3 Yabrestent ittel 
beläuft fich in Köslin auf 7,2° C., und das Monate: 
mittel liegt hier drei Monate mit 0,7 biß 1,9° C. unter 
Null; dagegen hat Stettin ein Sahresmittel von 
ent m * ee = —— unter 
ull (—1,1); die jäbrliden Ni e errei 
im vieljährigen Mittel in Stettin 499, In Bullen 
511, in Lauenburg 584, in Negenwalbe 623 unb in 
Köslin 635 mm, (Bol. Karte: Medlenburg 
—— ide a ab * 
e Bewohner beichäftigen ſich überwiegend mit 
Sandwoirtfänft und Vieh uch: findujtrie wird 
nur in einzelnen Orten betrieben; der Handel, na- 
mentlid) der Seehandel, ift Dagegen bodpentwidelt. 
Nah der Berufszählung von 1882 waren unter 
den 616 008 Erwerbsthätigen, neben denen 901 704 
4108 Brot. in der Zobennupung und Zierpeht” 
‚5 Proz. in der Bodennuhung 
21,57 in nduftrie und Gewerbe, 7,67 im Handel 
und Verkehr, 11,65 in perfönlichen Dienftl E 
5,5: im Heer: und Berwaltungsdienit, fowie in freien 
Verufen thätig. Die gewerbliche Vroduftion iſt 
namentlich in Stettin und Umg durch einige 
großartige Schiffswerften und Mafhinenbauans 


Pommern 


ftalten, ferner durch chem. —— Ziegeleien, 
Zuders, Tabal:, Papier-, Leinwand: und Tuch— 
fabriten , durch Glashütte, Sägemühlen, fowie 
durch Fiſcherei vertreten; auch dad Gewerbe der 
Badehaltung ift fehr bedeutend, unterftügt durch 
die große Anzahl von See: und Solbädern, von 
denen Kolberg, Bolzin, Greifswald, Rügenmalbe, 
Stolpmünde, Binz, Crampas, Puttbus, Lohme, 
Saßnitz, Misdroy, Heringsdorf und Emwinemünde 
die befannteften find. Der Handel und Verkehr ftüßt 
ſich auf ein, allerdings nur mäßig dichtes, aber doch 
Anfang 1885 fchon 1342, km — Eiſen⸗ 
bahnnehß (44,6 m auf dem Auapratti ometer), auf die 
bereit3 erwähnten Waflerftraßen, vor allem aber 
auf zahlreihe Hafenpläge und eine reiche Neeberei, 
welche 1884 über 736 Seedampfer mit 135649 Re: 
giſtertons und 81 Segelihiife mit 23444 Regiiter: 
tons verfügte; daneben beſaß P. 1273 Stift mit 
76941 t — für den Fluß: und Küſten— 
verlehr. — en und Hauptſißz des Handels 
ift Stettin, ein Welthandelsplatz, in welchem 1883 
3251 Schiffe mit 859052 Regiftertons (davon 206 
Schiffe mit —— — J ern t ei 
eingingen; utend für Handel un i 

auh Swinemande; ileinere Häfen find ri 

tolpmünde, Rügenwalde, Kolberg, Kammin, 
Pievenow, Bollin, Lebbin, Stepenig, Altdanım, 
Ulermünde, Ziegenort, Altwarp, Anllam, Wolgaft, 
Greifswalder Dye, Bot, Stralfund, Barth und 
Dammgarten. Landwirtſchaft wird in ausge⸗ 
dehntem Umfange betrieben. Der ne H 
fiberwiegt den mittlern und bäuerlichen Befik; fa 
61 %roz. ber gefamten Wirtſchaftsflache unterliegen 
dem Großbetriebe. Die landwirtſchaftlich Frucht: 
barften Gegenden find der Regierungsbezirk Stral: 
Tate gelegenen Kurtie Bneiß, Geefenkogen unb 

egenen e Pyriß, enhagen un 

Randow mit Stettin, endlid ein großer Teiı 
Küftennieberung im Negierungsbejirt Köslin. Von 
der Selamtfläne (ohne Hafle) waren 1883 55,3 
Vroʒz. Ader: und Gartenland, 10,2 Wiefen, 9,3 Wei: 
den, Hutungen, Od⸗ und Inland, 19,7 und 


Holzland und 5,5 Proz. waren weber land» nod) 
forftwi Kid benußt: Noggen und Hafer, bem: 
n e und Rartorfeln find die Haupt: 

u von Weizen, Gerfte und 


un 

i d Flachs 
— Beiden m ran 
br für mehrere a. 33 
Die Biehzuöt if bedeutend: die 
von den Groß: 


502829 Rinder, 2550502 
68226 Biegen und 120743 töde ermittelt; 
berühmt find die pommerſchen Spidgänfe und die 


ne. inhtrativer Besichung ift P. in bie drei 
n abm iver € 2 ebr 
irle Stettin, ER und Stralfund 
mit 13, beziehungsweiſe 12 und 5 landrätliden 
Kreifen eingeteilt und zählt 73 Städte, 2131 Land: 
gemeinden und 2486 Gutäbezirfe. Für die Reichs⸗ 
tagswahlen beitehen 14 Wahlkreife. das Ab: 
tonetenhaus pebet die Provinz 26 Abgeordnete; 
e 


er 
3 mit erblicher Beredhtigung und 23 auf PBräfenta- 
* der jedesma = Thron: 


il der | R 


, | Kreisitati 


155 


folger von Preußen ift Statthalter der Provinz. 
Siß des Oberpräfidenten und der durch die Pro: 
vinzialordnung (f. d.) geregelten Provinzialverwal⸗ 
tung ift Stettin. Die lirchlichen Angelegenheiten 
der evang. Landeslirche verwaltet das Konſiſtorium 
zu Stettin, Die kath. Kirche ſteht unter dem Dele: 
gaturbezirt Berlin de3 eremten Bistums Breslau, 
mit Ausnahme der Probjtei Tempelburg, welde 
zum Erzbistum Poſen, und des Delanats Paueit: 
burg, welches zu dem anefenihen Suffraganbis: 
tum Kulm gehört. Die Auseinanderfeßungs: und 
Gemeinheitsteilungsſachen werden von ber General: 
fommiffton zu Frankfurt a. D., die Angelegenheiten 
der höhern Schulen vom Provinzialihultollegium 
zu Stettin bearbeitet, Die VBergwerlsangelegens 
beiten, faum nennendwerten Umfangs, reflortieren 
vom Oberbergamt Halle, bie Gifenbahnen von den 
Gifenbahndireltionen Berlin und Bromberg. Der 
Nentenbant zu Stettin ift aud) die Provinz Schles- 
wig-Holftein zugeteilt. Yür die indirelten Steuer: 
und Zollſachen iſt die Provinzialftenerbireltion zu 
Stettin zuftändig. Dberpoftdireltionen beftehen zu 
Stettin und Köslin. Die Provinz bildet den Ober: 
landesgerichtsbezirk Stettin; zu a. gehören die 
Bezirke der Landgerichte Greifswald mit 11 Amt3- 
gerichten und einer Kammer für Handelsſachen in 
Stralfund, Stargard mit 14, Köslin mit 12, Stolp 
mit 7 und Stettin mit 15 Amt3gerichten und einer 
Kammer für Handelsſachen. Handelätammern be: 
ftehen zu Stettin, Swinemünde und Stralfund. 
Militäriſch bildet P. weſentlich den Erſatzbezirk und 
Be =. die ®arnifonprovinz des 2. Armee: 
orp3 (Generallommando zu Stettin, ebenda Kom⸗ 
mando der 3. Divifion, der 4. Divifion aber in 
Bromberg). An wiſſenſchaftlichen und S ulanftal» 
ten befigt P. die Univerfttät Greifswald (f. d.), 18 
Gymnaſien, 5 NRealgymnafien, 3 Brogymnafien, 4 
ealprogymnafien, 2Landwirtichafts:, 1 Aderbaus, 
1 Garten: und Objtbau:, 1 Moltereis und 2 ländliche 
——— 7 2 Eminem, für Hufbes 
lag, 3 Navigationsſchulen und 7 Ravigationsvor: 
ſchulen, mehrere gewerbliche hassen Sanftalten, 
1 Handelslehrin titut, 1 —— ranſtalt, 6 
Taubitummen: und 1 Blin anjtalt, 7 Lehrerſemi⸗ 
nare und 4 königl. Präparandenanftalten, 13 öffent: 
liche Mitteljhulen und 2500 öffentliche Vollsſchulen. 
Das Wappen P.s ift ein roter Greif in filbernem 
Felde; die Provinzialfarben find Blau-Weiß. 

Litteratur. Die ——— des königl. 
Statiſtiſchen Bureaus in Berlin; Berghaus, «Lands 
buch des Herzogtums P. und bes Fürſtentums 
Nügen» (Anklam und Wriegen 1865 fg.); Graf von 
Kraſſow, « Beiträge zur Hunde Neuvorpommerns 
und Nügend » (Greilam. 1865); von ber Dollen, 
«Streifzüge ni; B.» (Anklam 1884 fg.); zahlreiche 

—* erausg. von den königl. Landräten; 
reiche Nachweile der pommerfchen Speziallitteratur 
enthalten Een der Geographiſchen 
Geſellſchaft zu Greifswald, , 

Geihihte. In ältefter Zeit wohnten Eelt., 
dann bdeutihe Stämme (Bandalenftämme der 
Rugier und Turcilinger) in 3 Zu Enbe des 5. 
und im 6. Jahrh. wanderten Wenden ein, bie das 
Land Bo-Mlore, d. i. cam Meere», nannten und urs 
kundlih zu Karla d. Gr. In unter dem Namen 
Pomoren und Bomorjanen (Pomerani)vorlommen, 
Schon damals hatte das Land blühende Handels⸗ 
pläbe: Auf Wollin lag Julin, das fabelhafte 

ineta (j. d.). Zu Anfang des 10. Jahrb. dehnte 


156 


ih PB. zwiſchen Weichſel, Nepe, Warthe, Ober 
und Zarow aud, Später ein Hauptteil de3 alten 
wendiichen ep atte P. von 1062 an 
eigene Fürſten, al3 deren Ahnherr Smwantibor (geft. 
1107) gilt. Schon feit dem 9. Jahrh. machte man 
von verihiedenen Seiten Berfudye, die Pommern 
zum Chrijtentum zu belehren; olberg war furje 
Zeit von 1000 an Bistum unter Gneſen. Der 
eigentliche Apoftel des Landes war der Biſchof Dtto 
von Bamberg, der auf Be Miſſionsreiſen (1124 
—25 und 1128) mit Weisheit und Milde das 
Ghrijtentum pflanzte. Am 15. Juni 1124 vollzog 
er die Taufe von 7000 Pommern am Dttobrun: 
nen bei Borik, wo ihm 1824 König Friedrich Wil: 
helm III. ein Dentmal ſehen ließ. Zu Julin wurde 
1140 das erjte Bistum gegründet, das 1175 nad) 
Kammin verlegt und bei Beginn ded 13. Jahrh. 
Magdeburg unterftellt wurde, Mit der Einfüh— 
rung de3 Chrijtentums, welche erjt gegen Ende des 
12. Jahrh. vollendet war, begann durd Nlöfter und 
niederſachſ. Anſiedler aus dem Braunſchweigiſchen, 
Weſtfalen und Oſtfriesland die Germaniſierung des 
Landes. Des erwähnten Swantibor Söhne —* 
ten mehrere Linien und waren ganz unabhängige 
Fürſten; die Enkel Swantibors (Söhne Wratiflaws) 
Kaſimir und Bogiſlaw nahmen 1170 ben Herzogs: 
titel an. Kaiſer Friedrich I. belehnte fie 1181 im 
Lager vor Lübed als Herzöge des Deutſchen Reichs 
mit der Fahne, den Markgrafen Dtto I. von Bran: 
denburg aber mit ber Lehn&hoheit von P. Das 
bamalige weitausgedehnte Herzogtum umfaßte das 
Land zwiihen Demmin, Zchdenid, Warthe, Nebe, 
Weichſel und Oſtſee. Man unterſchied das eigent: 
liche B. oder Slawien (das Land zwiichen Peene 
und Berjante) und Bomerellen (das jehige Welt: 
preußen lint3 der Weichfel und den rechts der ‘Ber: 
fante gelegenen Zeil des jegigen P.). Im J. 1295 
erfolgte die Trennung des Fürſtenhauſes in die beis 
den Linien Stettin und Wolgait, ie bis 1464, wo 
die erjtere ausftarb, dauerte. Die Ukermark, einTeil 
der Neumark und das «Land Stargard» (etwa das 
jebige Medlenburg:Etreliß) wurden erworben, und 
zum Grjak für das 1308 an den Deutichen Orden 
abgetretene Bomerellen nebit Dan ip vereinigte 
1325 Herzog Wratijlam IV. bie Anfe Nügen und 
Barth mit P. Im J. 1338 wurde die brandenb. 
Lehnshoheit aufgehoben, dafür aber den Branden: 
burgern bie Erbfolge zugefagt. Kämpfe mit den 
Na —— insbeſondere Brandenburg, und 
Streitigkeiten mit ben Städten, namentlic mit 
dem pur Hanfa gehörigen Straliund, füllen die 
mittelalterliche Geſchichte P.s aus; innerhalb des 
berzogl. Haufes fanden verſchiedene Teilungen und 
Vereinigungen ftatt. Albrecht Achilles erzwang im 
Vertrage von Prenzlau im 3. 1472 von neuem die 
brandenb, Lehnshoheit über B. und die Abtretun 

des lebten bei P. verbliebenen Neftes der Ukermart, 
Die Anwartichaft zur Erbfolge wurde dem Kurfürjten 
Johann Cicero im Bertrage zu Pyrik 1493 aus: 
drüdlich beftätigt. Im J. 1529 erlangte P. durch 
ben Vergleich zu Grimnik mit Brandenburg aber: 
mals die Reichsunmittelbarkeit, Brandenburg aber 
eine erneute Betätigung feines Erbfolgerechts. Im 
J. 1531 wurde das Land von neuem in die Herzog: 
tümer Stettin und Wolgaft gilt Barnim X. von 
Stettin und Philipp I. von Wolgaft führten die Ne: 
formation und die von Bugenhagen (l’omeranus) 
verfaßte Kirhenorbnung in ihren Landen ein, die 
1534 auf dem Landtage zu Treptow aud) von den 


Pommerſches Haff — Pomona (Göttin) 


Ständen angenommen wurde, Am 30. Juli 1571 


erfolgte die Erbverbrüderung mit Brandenburg, 
nad) welcher beim Ausiterben des Hauſes Branden: 
burg die Neumark und dad Land Sternberg an P. 
fallen follte. Da3 Haus Wolgaſt erloſch 1625, und 
10. März 1637 ftarb mit Bogiilam XIV. das alte 
Herzogsgeſchlecht im Mannsſtamm ganz aus. Nach 
der beitehenden Erbverbrüderung hätte nun das 
Kurhaus Brandenburg das Land in Beſiß nehmen 
ſollen. Da aber während des Dreikigiährigen 
Kriegs, in welchem P. wiederholt den Kampfplatz 
bildete (Belagerung von Stralſund durch Wallen: 
ftein vom 13, Mai bis 23, Juli 1628) und furdt: 


— u erleiden hatte, die Schweden das— 
jelbe in Beſitz hielten, jo mußte fih das Kurhaus 


im Mejtfäliichen Frieden mit dem größten Zeile 
von Hinterpommern begnügen, Vorpommern und 
die Inſel —* ſowie Stettin, Damm, Garz, 
Golnow und die Odermündungen aber an Schwe— 
den überlafjen. Als jedoch Karl XII. im Nordi: 
ſchen Kriege auch den König Friedrih Wilbelm I. 
von Preußen, der Stettin nur bis zum Frieden be: 
fegt 2 wollte, zum Striege reizte, mußte Schwe: 
den im Frieden zu Stodholm 1720 den größten 
Zeil Borpommerns ſamt den Inſeln Wollin und 
Ufedom an Preußen abtreten, wofür Preußen 2 
Mill. Thlr. an Schweden zahlte und 600000 Thlr. 
pommerſche Schulden übernahm. Damals bebielt 
Schweden bloß das Stüd zwiſchen Medlenbura, 
ber Ditiee und dem Peenefluß nebjt der nich 
Nügen, ein Befik, der ihm auch, nach vergeblichen 
Verſuchen zur MWicdererlangung ber verlorenen 
Landesteile während des Siebenjährigen Kriegs, 
im Frieden a Hamburg 1762 verblieb, Nah Nas 
poleons I. Sturz und dem dann erfolgenden Aus: 
gleich der europ. Staaten kam Schwediſch⸗P. genen 
Austaufh von Norwegen an Dänemark und von 
biefen gegen das von Hannover abgetretene Herzog— 
tum Lauenburg und die Summe von 2600 000 
ET an Preußen, das übrigens noch 3, Mill. 
Thlr. an Schweden zahlen mußte; durd den Ber: 
trag vom 4. Juni 1815 iſt Schwediſch-⸗P. dauernd 
mit Preußen vereinigt. 

Litteratur, Slankow, « Bomerania», heraus: 
gegeben von W. Böhmer (Stettin 1835); Sell, 
«Geichichte des Herzogtums B.» (tie 1648, 3 Bode., 
Berl. 1819— 20); Barthold, «Geſchichte von Nügen 
und PB.» (5 Bde., Hamb. 1839—45); Haſſelbach 
und Slofegarten, «Codex Pomeraniae diplomati- 
cus» (Greifsw. 1862); Bohlen, «Die Erwerbung 
Pes durch die Hohenzollern» (Berl. 1865); od, 
«Nügenih:Pommerfhe Geſchichten aus 7 Jahr— 
underten» (6 Bde., Lpz. 1861— 72); Klempin und 
Brümers, «Bommerjches Urkundenbudhe (Bd. 1—2, 

tettin 1877—81). 

Pommerſches u, f. unter Haff. 

er bersan Parrdorf im bayr, Regie: 
rungsbezirt Oberfranfen, Bezirtsamt Höchſtadt am 
Aiſch, linls an der Reichen Ebrad), 19 km im SSW. 
von Bamberg, bat (1880) 505 evang. E. Das in 
prädtigem ital. Stil Anfang des 18. Jahrh. er: 
baute Schloß Weißenſt ein des Grafen Schönborn 
bat eins der ſchönſten Treppenhäufer Europas und 
eine anfehbnlihe Gemäldefammlung. 

Bomofen, ſ. Bomalen. 

Pomologie, ſ. Obit und Obitbaumzudht. 

Pomöna, eine in Latium einheimiſche Göttin 
alles dejien, was in Gärten an Gewächſen und 
Baumfrüchten gezogen und erzeugt wird, weshalb 


Pomona (Inſel) — Ponpejt 


man fie fi mit dem Gartenmefler in ber Hand 
voritellte, hatte in Rom einen eigenen WPriefter, 
Flamen Pomonalis genannt, und in der Nähe von 
Nom einen alten Hain, Pomonal. hr Gemahl 
war Bertumnus, der ſich anfangs umfonft unter 
taufend verfchiedenen Geftalten bemüht hatte, fich 
ihr zu nähern, bis er endlich, nachdem er ei au: 
leht als altes Mutterchen fie zu bereden verſucht 
hatte, feinen Zmwed erreichte. _ 
omona, der 32. Aiteroid, f. u. Planeten. 
omona, Yniel, ſ. u. Orkadiſche Inſeln. 
omörinm, ſ. Pomerium. 
omoͤtu, |. Tuamotu. 
v our (Jeanne Antoinette Poiſſon, Mars 
quiſe de), Maitreſſe Ludwigs XV. von Frankreich, 
eb. 29. Dez. 1721 zu Paris, war die natürliche 
ochter eines franz. Unterbeamten bei der Armee: 
verwaltung. zahm 
in ſein Haus und ließ ſie gut erziehen. Sie zeigte 
Talent für irn Fra Malerei, war ſchön, * 
ewandt und gefa id. Im J. 1741 —— ſie 
ich mit dem Unterfinanzpächter Lenormand d’Etio: 
les und machte bald darauf die Bekanntſchaft des 
Königs; 1745 erhielt fie Zutritt am Hofe, worauf 
fie den Titel einer Marquife von PB. annahm. Zhr 
Gemahl erhielt die Stelle eines Generalpächters 
der —— dann der Poſten. Die Marquiſe ges 
noß vom nfang an bei Hofe großes Anfehen, zu: 
nädjit * in Rolle einer Beſchüherin von 
Kunjt und Wiſſenſchaft. Schon nad) einigen Jahren 
erlaltete die Neigung des Königs, die nie tief war, 
und die P. ſuchte fih nun demſelben dadurch un: 
entbehrlich) zu machen, daß fie ihm unabläffig durch 
allerlei Spielereien die Zeit vertrieb und für neue 
Gegenftände feiner Begierden forgte. Zug cent 
[häbigte fie ſich durch einen maßlofen Einfluß auf 
ie Regierung. Die Teilnahme ntreihs3 am 
Kriege gegen Friedrich II. , dem fie die Verachtung, 
mit der er fie behandelte, mit gülenben Haß ver: 
galt, mar —— ihr Werk; die Kaiſerin 
aria Thereſia wußte fie durch ein eigenhändiges 
Handichreiben zu gewinnen. Sie entfernte den Kar: 
dinal Bernis, nachdem fie felbft ihn erhoben, weil 
er für die Neutralität eintrat, aus dem Minijte: 
rium des Auswärtigen und brachte Choiſeul an 
deſſen Stelle. Im Kriege erſtredte ſich ihr Einfluß 
ſogar auf die — der Generale. So ließ 
den Marſchall d’Ejtrees trotz feiner Siege ab: 
und gab ihm eine Reihe unfähiner Nachfolger. 
Die Marquife ftarb 15. April 1764. Ihre Be: 
ziehungen zu dem Neffen Rameaus, weldye Brad): 
vogel in feinem Traueripiel «Narcib» ſchildert, find 
unbiftorijh. Die «M&moires» und die «Lettres», 
bie (Zond. 1758) unter ihrem Namen erfchienen, 
—— von dem jüngern Grebillon fein. Bol. Cape: 
gue, «Madame de P.» (Par. 1858); Sons 
court, «Les maitresses de Louis XV» (2 Bde., 
Bar. 1861); GCamparbon, «Madame Je P.» (Par, 
1876); Malaſſis verbientliähte die « Correspon- 
dance de Madame de P.» (Bar. 1878). 
Pompadour, Bezeihnung für einen zierlichen 
Etridbeutel. ; 
mpeja, ber 203, Afteroid, f. u. Planeten. 
ompeji — Pompei), eine unweit der Mün: 
bung des Fluſſes Sarnus (jet Sarno) in den Golf 
von Neapel pele ene osliſche Stadt Campaniens, 
nahe dem jüd Sube des Veſuvs, war ſchon in früher 
eit ala Hafenplat für die weiter landeinwärts ge: 
enen Anfiedelungen von Bedeutung. Gleich ihren 


in reicher Generalpädhter nahm fie | hab 


157 


Rachbarſtädten wurde fie Ende bes 4. Jahrh. v.Chr. 
in die Kämpfe zwifchen Samniten und Römern ver: 
widelt, und infolge derjelben unter der üblichen 
Form eines ewigen Bündniffes der röm. Herrichaft 
unterworfen. Im J. 90 v. Ehr. ſchloſſen ſich die 
Pompejaner der Erhebung ber ital, Bundesge— 
nofien gegen bie röm. Suprematie an; nad) Nieder: 
werfung des Aufitandes ftrafte Sulla P. dadurch, 
daß er feinen Veteranen einen Teil der Stadt 
und der Feldmark anwies. Seitdem wurde, die 
Stadt völlig romanifiert und erfreute ſich eines 
bedeutenden Wohljtandes; ihrer ig sn Lane 
wegen wurde fie von vornehmen Römern als 
Landaufenthalt geſucht; fo hatten unter andern 
Gicero und der Kaiſer Claudius Billen bafelbft. 
Die Einwohnerzahl von PB. dürfte nach ben 
neueften Schäßungen zwifchen 12—20000 betragen 
aben. Im J. 63 n. Chr. wurde P. durch ein hef⸗ 
tigeö Erdbeben heimgefucht, welches zahlreiche öfs 
er e und Privatgebäube beichädigte, ſodaß be: 
eutende Neubauten notwendig wurden. Dieſe 
waren nur zum Teil vollendet, als der furchtbare 
Ausbruch des Veſuvs 24. Aug. 79 n. Chr., welder 
auch Herculanum und einige Heinere Orte der Um— 
gegend begrub, P. mit einem Negen von Aſche 
und Bimsiteinbroden (lapilli) überſchüttete. Dieſe 
Kataſtrophe dauerte anderthalb Tage und fo lonnte 
die Mehrzahl der Bewohner ſich durch die Flucht ret⸗ 
ten, während andere, welche im Innern der Gebäude 
und Keller Schuß geſucht, oder beim Netten ihrer 
Habe zu lange verweilt hatten, im Aichenregen ihren 
Tod fanden. Nachdem der Ausbruch zu Ende war, 
fehrten zwar die alten Bewohner zurüd, um aus 
dem Schutt noch das Wertvollite zu retten; die öf⸗ 
fentliden Gebäude mußten als Steinbrud) dienen 
und find großenteils ihrer Marmor: und Quaders 
belleidung beraubt gefunden. Cine dauernde Nies 
derlafjung aber bildete fich, troßdem mehrfache Ber: 
ſuche gemadt wurben, an der Stelle von P. nicht 
wieder, mehr al3 anderthalb Yahrtaufende lag die 
Stadt unter der 6 m u vulfaniichen Dede bes 
graben und vergeflen. Selbit ala 1594 der Archi⸗ 
teft Domenio Fontana eine Waſſerleitung mitten 
durch den alten Stabthügel hindur er in ers 
== tieferm Niveau) anlegte und bei diejer Ges 
egenheit — ——— und andere Antilen zu 
zog famen, blieb P. unbeadhtet und unentdedt, 
rſt 1748 veranlaßte ein zufälliger Fund ge: 
nauere ag hal ei en, bie feitdem wenn aud) 
nicht ohne — bis zur heutigen Beit 
— worden find, Beſonders erfolgreich wa: 
ren die Ausgrabungen von 1763 bis 1775, welche 
unter anderm bie beiden Theater, mehrere Tempel, 
die Gräberftraße nebit mehrern anliegenden Villen 
zu —— Bedeutendes ſchaffte die Regie⸗ 
rung Murats (1808—15), welcher die Aufdedung 
des Forums, der Baſilila, der Stabtmauer in 5 
ganzen Umfange und anderes verdankt wird. Nach 
der Nüdtehr der Bourbonen wurde die Ausgrabung 
zwar fortgeicht, aber mit immer abnehmendem Gifer. 
Mit dem Anschluffe Neapels an das Königreich Ita— 
lien (1860) beginnt die neuefte Periode der Aus: 
—— für die Wiſſenſchaft die ertragreichſte. 
nter der energiſchen und umſichtigen zung 10: 
rellis begann, im Gegenfak zu dem frühern Raub 
bau, dem es hauptſächlich “4 ein Zufammenhäufen 
fojtbarer Fundftüde antam, eine planmäßige und 
jorgfältige Aufdedung des Berfchütteten, die mög: 
lichite Konservierung und genaue Aufnahme des 


158 


Gefundenen. Aufgededt ie bis jet etwa ein Drit: 
tel der Stadt, an dem ü 


Pompeji 


der Stabt (BI. A), fowie ein größeres unbebedtes 


rigen dürfte mindeſtens und ein Heineres bededtes Theater, lehtere beide in 


nod) ein halbes Jahrhundert zu arbeiten fein. Lber | der Nähe des Forums (PL.k). Vor dem Herculaner: 
die Geſchichte der Verfchüttung und Ausgrabung | Thor im Nordweſten befindet fh die Gräber: 
vgl. Fiorelli, «Pompeianarum antiquitatum histo- | jtraße(f. Tafel, Fig.3). Unterden öffentlihen Ther: 


ria» (2 Bde., —* 1860—62); «Pompei e la re- 
gione sotterrata dal Vesuvio» (Neapel 1879), 

Die Stadt P. hat (wie der nachſtehende Plan zeigt) 
die Form eines Ovals, deffen beide Durchmeſſer 
etwa 1200 und 700 m und beffen Umfang etiva 
3 km beträgt, Die Stadtmauer, in geringen Ab: 
ftänden durch Türme verftärkt, hat act zum Teil 
wohl erhaltene Thore. Ihre Yänge beträgt etwa 
2000 m; mehr als ein Viertel ihres urfprünglichen 
Umfangs if da man ſchon in der legten republita- 
nif und dem Anfang der Haiferzeit die Befe— 
ftigung namentlich der Weit: und Südweftfeite als 
unnüß aufgegeben hatte, von angelehnten Privat: 
gebäuben occupiert und teilweije —— Das 
Straßennetz zeigt eine im ganzen plan» und regel: 


menanlagen zeichnen ſich die beiden ältern (1924 
und 1857 ausgegrabenen; BI. 1, m) durd) Bollftän: 
digleit der Erhaltung und gene eforation 
aus; ein drittes — Bad (Pl. n), welches, wie die 
Reite zeigen, beim Untergange der Stadt noch im 
Bau war, iſt 1877 ausgegraben. Während aber 
von Momumentalgebäuden, Tempeln, Theatern, 
Thermen, fi an unzähligen Orten der rönı. Welt 
Reite erhalten haben, iſt P. unvergleihlih als 
Quelle für unfere Kenntnis des röm., Nrivatbe e 
‚Der charakteriftifche Unterſchied zwiichen dem an- 
tilen röm. und dem modernen europ, Privathauſe 
läßt fi einigermaßen fo beftimmen, dab man das 
eine als Innenbau, das andere ald Außenbau be: 
zeichnet. Die Anlage des modernen Haujes fteht in 





Plan von Bompeji mit dem Ergebnis der Musgrabungen bis 18982 (nad Dverbed), 


blöden ſehr forgfältig gepflaftert und an den Seiten 
mit Trottoird verfeben. Das Forum (f. Tafel: 
it (han en von Pompeji, Fig. 1 u. 2) 


mäßige Anlage, die —— find mit großen Lava— 
a 
D 


liegt faſt am Weſtende der Stadt, hat die Form 
eines Redhted3 von 150 x 50 m und ijt mit einer 
umlaufenden Säulenhalle verſehen, weldhe, durch 
das Erdbeben von 63 arg beſchädigt, ſich eben in 
Neftaurierung befand, als die Kataftrophe herein: 
hrach. Am Forum liegen eine große Anzahl öffent: 
liher Gebäude (Plan a bis e): die Tempel des Jupi⸗ 
ter, des Apollo (Fäljchlich Benustemipel genannt), Die 
Stapelle des Genius Augusti (fog. Merkurtempel), 
ferner die Verlaufshalle für Lebensmittel (macellum, 
früher Bantheon genannt), die Bafilita, mehrere für 
die Berfammlungen der Dlagiftrate, des Stadtrat3 
und anderer Korporationen dienende Lokale (fog. 
Kurien) u. ſ. w. Bon andern öffentlichen Gebäuden 
innerhalb der Stadt find zu nennen: die Tempel 
der Jis (BI. f), der Fortuna (PL. g), der drei lapi⸗ 
toliniihen Gottheiten (Jupiter, Juno, Minerva; 
BI. h), endlich der ſchon im Altertum’ als Nuine 
baliegende dor. Tempel, das älteſte in P. eri: 
ftierende Baumert 8 .). Für öffentliche Schau: 
ftellungen dienten da3 Amphitheater am Oſtende 


entihiedener Beziehung zur Strafe, auf welche ih 
die Fronte mit vielen Fenſtern öffnet: das antike 
iſt gun oder feinen Straßenfronten abgejchlof: 
fen und, abgefehen vom Eingang, arditelto: 
niihen Shmud, Die Wohnräume find um große 
—— Mittelfäle gruppiert, von welchen fie 

uft und Licht — Das urſprüngliche 
Roͤmiſche Haus beſaß (wie der umſtehende Plan 
zeigt) einen foldhen Mittelraum, das Atrium (1): 
ed war ein quadratifcher Snnenkof nur an den 
Seiten bedacht, während in der Mitte eine Öffnung 
(compluvium) für den Abzug des Rauchs und eine 
unterhalb derfelben liegende Bertiefung im Fuß: 
boden (impluvium; Pl. 2) für Sammlung des ein⸗ 
fallenden tegenwaljerd diente. Von vorn war das 
Atrium zupänglid durch einen Eingangslorridor 
(vestibulum ; BL. 3), nad binten | fih das 
große Sauptwohnzinmer (tablinum; Pl. 4, an den 
Seiten fleinere Kammern an. 

Diefe Teile finden ſich aud) in den Häufern von P. 
wieder, aber die Anlage pflegt entfprechend den Ans 
—— des fortgeſchrittenen Luxus durch ze 
ügung eines zweiten Innenhofs hinter dem lis 
num nebit einer zweiten — — Wohn⸗ 
räume erweitert zu fein. Als Beiſpiel eines pompe⸗ 





A 





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_ AUSGRABUNGEN 


—DVV—— — 





10. Watfen. 8a, Lampen. 85, Lampenfüfse, 
Brockhaus’ Conversations-Lexikon, 13. Aufl. 


N VON POMPEJI 





et 
Yly — 
MEINE, 


— 


D BIN 
“ 


Zu fu Artikel: Pompeji. 


8e, Trinkgefäfs. - K "hi 9. Candelaber und Spiegel. 








mM. 


Pompeji 


janiichen Haufes, welches ſich durch eine regelmäßige 
und harakterijtiiche Anlage auszeichnet, iſt die ſog. 
Gajadi Banja (f. — derer Plan von Bom: 
peil, 2 bervorzubeben. Es bezeichnet auf dem 
nachſtehenden Plan diefes Haufes: 1 das Veſti— 
bulum, 2 das Atrium mit dem Impluvium in 
ber Mitte; rechts und lints bat das Atrium je 
vier ziemlich quadratiiche Nebenräume (3), von 
benen die drei eriten abgeichlofiene Kammern bilden, 
während die beiden binterjten (4) nd 2 anzen 
Breite auf das Atrium öffnen und fo flügelartige 
Erweiterungen besfelben (alae) bilden. Hinter dem 
Atrium liegt in 
ber Mitte das 
Staatszimmer (5, 
tablinum); bier 
empfing der Pa: 
tron feine Glien: 
ten, der Magiſtrat 
feine Untergebe: 
nen, bier wurden 
in vornehmen Fa: 
milien wäãchſerne 
Ahnenbilder 

imagines) auf: 
ewabrt. Bon der 
reizvollen perſpel⸗ 
tiviſchen Anlage 
dieſes Teild des 
Haujes gibt Fig.4 
der —* (rejtau: 
rierte Anficht der 
Caſadel Poeta 
tragico) eine 
Borjtellung. Die 
weitern Räum— 
lichteiten find dem 
Privatleben ges 
widmet; rechts 
vom Tablinum 
führt ein Korridor 
(6, fauces) in da3 
Beriftylium (7), 
einenvon16Zäu: 
len getragenen 
Hof mit einem 
Maflerbaffin(pis- 
eina)inder Mitte. 
Unter den um das 
Periſtylium grup⸗ 
pierten Räumen 
zeichnen fi aus: 
, ein großer Pracht: 
faul (8. vecus) am bintern Ende, ferner mehrere 
Speijezimmer (9, triclinia), auf deren Anlage und 
ihtung die Nömer viele Sorgfalt verwandten. 
Selbit einfachere Häufer pflegen ein Sommer: und 
Wintertriclinium zu haben, von denen das erjtere 
an der jchattigften Seite des Hofs angelegt, fi 





Eafa di Panſa. 


breit auf bdenjelben öffnet, um der friichen Luft | 


und der Kühle des Brunnens Zutritt zu lafjen, 
während bas zweite, an der Sonnenjeite gelegene, 
mehr abgeihlofien iſt. Links vom oecus liegt die 
Küche (10), dicht daneben nad) einer noch jeht in 
Stalien gewöhnlihen Kombination, der Abort. 
Dinter bem oecus endlich lag ein Garten (11, 
xystus), von weldem eine Hinterthitr (posticum) 
nad) einer Nebengajie führte. (Vgl. noch den Durch) 
jchnitt, Fig. 5 der Tafel, in welchem aber dem 


* 


159 


Periſtyl irrtümlich ber obere Umgang, ben es 
neuern Unterfuhungen zufolge hatte, it) 

Aus dem Plan wird erichtlich. daß nur ein 
Teil der Räumlichkeiten des Erdgeſchoſſes mit den 
———— Atrium und Periſtyl, zufammen: 

ängt, andere dagegen in fi abgeſchloſſene Grup: 
pen bilden. Die lektern waren vermietet un) 
dienten als Heine Wohnungen oder zum Gewerbe: 
betrieb (fo in unferm Fall die Räume 12—17 ii 
eine Bäderei). Dieſe Läden (tabernae) öffneten ſich 
breit nad) der Straße und waren vorn mit einem 
aufgemauerten Ladentiſch —— gl Big. 6 ber 
Tafel); die P *—— der Straßen — muß 
weſentlich durch fie beftimmt geweſen fein. 
6 die Pau Ts (anti nur einftödig gewe: 
fen feien, ift unrich F freilich find bei dem unmetho: 
ifchen Betrieb der usgrabungen in früherer Zeit 
bie obern, leichter gebauten und ftärfer zerjtörten 
Stodwerle meilt jpurlo3 weggeräumt, wogegen es 
jest gelungen ift, in mehrern Füllen da3 Oberftod: 
werk zu fonfervieren. Doc find vieljtödige Miet⸗ 
bäufer, wie in Rom und andern Großftädten, in P. 
jedenfalls nicht vorhanbengewefen. Die Wände, aus 
Kalkitein oder Ziegeln beftehend, gu mit Stud 
überzogen, der auch in einfachern Bimmern einen 
An ih in lebhaften Farben zu tragen pflegt. Ge: 
wöhnlidh aber erhalten die Wände eine reiche Delo⸗ 
ration mit Malereien al fresco. Drnamentale 
Zeilungen, phantaftiiche Arditelturen, Gandelaber 
und Paubgewinde gliedern die Fläche, figürlicye 
Darftellungen, —— oder größere mytho: 
logiſche und genrehafte Kompofitionen, Landfhafts: 
bilder, Stillleben ſchmücken bie Felder, Diefe Ge: 
mälde, freilih nur Leitungen von Handwerlern 
einer Frovinzialitadt, entzüden doch durch die eich: 
tigleit und Sicherheit ber Ausführung, wie dur 
den unerf&höpflichen Reichtum namentlich) i rer orna: 
mentalen Motive. Fig. 7 mag wenigſtens von 
dem Syſtem der pompejanijhen Wanddelora: 
tion eine Borftellung geben. fiber die Malerei 
P.s, vol. Zahn, «Die jhönften Ornamente und 
merkwürbigiten Gemälde aus P., Herculanum 
und Stabiä» (3 Serien zu je 100 Tafeln, Berl. 
1828 fg.); Zernite, «Wandgemälde aus 6. und 
Herculanum» (Berl. 1839—47); Raoul⸗Rochette, 
«Choix de peintures de Pompei» (Par. 1844); 
Helbig, «Wandgemälde der von Veſuv verjchütteten 
Städte Campaniens» (Lpz. 1868); derjelbe, «llnter: 
ſuchungen über die campaniſche Wanbmalereiv (Lpz. 
1873), Mau, «Gedichte der deforativen Wandma: 
lerei in PB.» (Berl, 1882). 

Die innere Ginrihtung des anti röm. Haufes 
war ungleid) einfacher al3 die de3 modernen. Die 
Möbel, fait nur in Tiſchen, Stühlen, fofaartigen 
Yagern, Betten und Käſten beitehend waren meiit 
aus Holz, und die erhaltenen Refte find natürlich 
ehr gering. Dagegen geben die Gegenftände des 

äuslihen Gebraud)3_(wie Lampen, Candelaber, 

eifühe, Koch- und Tafelgeihire, Schmud- und 
Zoilettengegenjtände) einen hohen Begriff von dem 
alles —— Kunſtbedürfnis, der Vered— 
lung der ugniſſe des Handwerl3 durch da? 
Kunſtgefühl der Alten. Die Fig. 8 und 9 geben 
aus der Fülle des Gefundenen, einſ —— einiger 
ern en (Sig. 10), hervorragende Beiſpiele. Die 
volljtändigfte Sammlung dieſer Heinen Kunftwerte 
bietet da8 Werk von Rour und Barre, «Hercula: 
num und ®.» (deutih von A, Kaiſer, 6 Bde., 

mb. 1841). 


160 


Aus der fehr umfangreihen Litteratur über 
P. können nur nod einige Hauptwerfe hervorge: 
boben werben: Mazois, «Les antiquites de Pom- 
pei» (4 Bde., Far. 1812—38); Niccolini, «Le case 
di Pompei» (Neapel 1854 fg., noch unvollendet); 
—5 «Descrizione di Pompeji» (Neapel 1875); 

tiitien, «Pompejanifhe Studien» (Lpz. 1877); 
Pau, «Bontpejaniiche Beiträge» (2p3. 1879); end» 
lich das treffliche Werk von Dverbed und Mau: 
V. in feinen Gebäuden, Altertümern und Kunſt⸗ 
werlen dargeftellt» (4. Aufl., Lpz. 1884). 

"Bompejus ift der Name eines röm,, plebe: 
jifcjen Geicjlecht®, das erit nad) der Mitte des 
2. Jahrh. v. Chr. mit Quintus P. bedeutend 
wird, Derfelbe gelangte troß des Widerftandes der 
KRobilität zu curuliſchen Würden, führte als Klon: 
ful Krieg gegen Numantia in Spanien, fämpfte 
ober unglüdlich. Cr bekleidete 131 die Cenfur. — 
Sein Entel Duintus P. Rufus ftand zur Sul: 
laniſchen Partei und wurde als Honjul 88, als er 
über das Heer des Prolonſuls Onäu * Strabo 
den Oberbefehl übernommen erg erihlagen. — 
Lehterer (Ronjul 89 v. Chr.) focht 90—88 dv. Chr. 
mit Auszeihnung im Bundesgenofientriege,, ftand 
aber im Ruf der Zweideutigkeit und Eelbitiucht, 
wie man ihm denn einen Anteil an der Ermordung 
des Quintus P. zuſchrieb. Nach Nom entboten, um 
die Stadt gegen Marius und feinen Anhang zu 
hüten, ſtarb er (87) an der Reit, j 

Sein Sohn Gnäus P. mit dem Beinamen 
Magnus, geb. 29. Sept. 106 v. Chr., war der 
berühmte Gegner Julius Cäjard, Nachdem er 
jchon als Jüngling an den Kämpfen unter feinem 
Pater teilgenommen und (83) in dem Augenblid, 
wo Sulla nad Italien zurüdtehrte, mit Erfolg 

egen die Martaniiche Partei fi erhoben hatte, 
tieg er raſch durch glüdliche Waffenthaten und die 
Gunit des Diktators. Gegen Papirius Carbo in 
Gtrurien (82), gegen En. Domitius Abenobarbus 
in Afrifa (81) war er fie reich. Sulla, deiien 
Etieftochter Amilia er nach —— der eigenen 
Gattin Antiſtia geheiratet hatte, bewies ſich dank— 
bar, und ®. ſchien der natürliche Erbe des Sulla- 
niſches Cinflufjes werden zu müſſen. Nach Sullas 
Tode war es denn aud) P., der gegen den Verſuch 
des Alttonfuls M, Umilius Lepidus die ariſtolra⸗ 
tiſchen Ginrihtungen Sullas *8 hielt (77) 
und den begabteſten Vertreter der Marianiſchen 
Partei, Sertorius in Spanien, zwar lange Heit 
ohne Erfolg belämpfte, aber doch nad) deſſen Gr: 
mordung die Früdte diefer Kataſtrophe geichidt 
erntete (71). Ebenſo gelang es ihm, den Sklaven: 
trieg, nachdem Craſſus das Schwerite gethan, 
ges zu beendigen, dann gegen bie beitehende 

rdnung, bevor er die Heibentolge der übrigen 
Magiitrate durdaemadt, das Konfulat für das 
Jahr 70 zu erlangen, In diefer Stellung machte 
er, herrihbegierig und popularitätsfüchtig wie er 
war, der demokratiichen Richtung bedeutende Kon: 
eifionen; namentlich erhielt das Tribunat auf den 

Intrag des P. feine Befugniſſe zurüd, überhaupt 
wurde jeht im weſentlichen die Sullaniſche Reſtau— 
ration wieder beſeitigt. Doch willigte P. nicht in an— 
dere Pläne der Demokratie, welche die Annullie— 
rung der Sullanifchen Konfislationen, Verfolgung 
der ! lörder der Broffribierten u. dgl. verlangten. 

Nah Ablauf des Amtsjahres trat P. zunächit 
aus dem polit. Leben zurüd, da er die Gunſt des 
Senats und der Optimaten verloren und die des 


Pompejus 


Volls nicht zu — vermocht hatte. Doch 
war fein glänzendes militäriſches Talent zu augen⸗ 
fällig, als daß man nicht hätte verſuchen follen, 
Su zu benugen, Es wurde ihm daher zuerft mit 

ilfe der Demagogie und des Druds der Maſſen in 
dem Kriege gegen die Sceräuber (67) eine außer: 
ordentliche Vollmacht auf drei Jahre durch das 
Gabiniſche Gefeh erteilt und, na dem ber Kampf 
beendigt, * auch in ähnlicher Weiſe durch das 
Maniliſche Geſeß der Oberbefehl gegen Mithridates 
übergeben (66). Damit erreichte feine Mad: 
ftellung in der Nepublit ihren Höhepunlt. Es 
waren nicht bloß große Siege, die er erfocht, denn 
höchſt Wichtiges Pate der mit Undank entfernte 
ariftofratiiche General Lucullus ſchon geleitet; 
aber fein unbefchränttes Anfehen, der Ein uß, den 
er nun befaß, und die Mittel, fi Kreaturen und 
— u ſchaffen, galten in dieſem Augenblid 
mehr, als es das Weſen einer republilaniſchen 
Staaisordnung vertrug. Und indem bie ariſtokra⸗ 
tiſche Partei und die Patrioten, weldye die republi= 
kanischen Formen zu erhalten fuchten, durch dies 
{ibermaß von Macht aufs höchſte beforgt wurden 
und ihre Wachſamleit gegen B. ſchärften, trieben 
fie den durch Huldigungen und äußere Ehren ver: 
wöhnten Dann nur ben Gegnern immer mebr im 
die Arme. Mibvergnügt über die Zurüdhaltu 
und das Mißtrauen im Senat, das feit 61 fi 
bödhft empfindlich gegen ihn lehrte, ſchloß er (60 
mit Cäjar und Craſſus das fog. Triumvirat, wo⸗ 
bei Gäfar ihm wohl einen Teil feiner Wanſche, die 
Aderverteilung an die Veteranen und die Be— 
ftätigung der aſiat. Einrichtungen, erfüllen half, 
aber zugleich den Einfluß des P. und den Reichtum 
des Grajius benupte, um in dem Konfulat vom J. 
59 den Grund feiner eigenen Macht zu legen, die 
Sullanifhen Einrichtungen aufzulöfen, ſich jelbit 
die Brovinz Gallien zu verihaffen ‚und jtörenbe 
Einflüffe fenatorifcher Wortführer, wie Cicero war, 
zu befeitigen. P. erlangte allerdings bei ber Gr: 
neuerung des Triumvirat3 56 das Konfulat und 
die Verwaltung Spaniens auf fünf Jahre; aber 
Gäfar verichafite fich indes die Hilfgmittel künftiger 
Herrſchaft und blieb allen widerwärtigen Jerwürfs 
nifien, deren Schauplak die Stadt Nom zu jener 
Zeit war, für feine eigene Perfon fern. 

Durd den Tod des Crafjus 53 hörte das in- 
wifchen ermeuerte Triumvirat auf, aud ward 
Each den Tod der Julia, der an P. vermäblten 
Tochter Cäfars (54), der Bund beider ſehr gelodert 
und Löfte fi allmählih. Sowohl um gegen Cã⸗ 
ſars wachſende Macht eine Stübe zu gewinnen, als 
ur Schlichtung der furdtbaren innern Wirren, die 
in dem Streit zwifchen Milo und Clodius ihren 
Höhepunkt erreichten, näherte ſich die ariftofratiich- 
tonfervative Partei wieder dem P. Er wurde (52) 
zum alleinigen Konful gewählt und begann nun im 
Sinne der Partei, mit der er fich wieder ausge⸗ 
föhnt, zu wirken. Dies drängte zum Bruch mit 
Gäjar (49), obwohl P. zur Vorbereitung auf den 
Kampf in Stalien noch einer Friſt bedurfte. P. 
gab daber, als Caſar in größter Eile vorrüdte, die 
weitl. Lander preis, um ben Strieg im Dften zu fuh⸗ 
ven. Anfang 48 (oder vielmehr nad) dem berichtig- 
ten Kalender noch 49) erſchien Cäjar, der unters 
deifen in Spanien fiegreich gelämpft und Maffilia 
bezwungen hatte, in Cpirus, Die Gefechte, die P. 
in der Nähe von Flag rar feinem 83* 
waſſenplah/ dem Cãſar lieferte, waren nachte 


Pompejusfäule — Bönalklagen 


für diefen, der, in der Zufuhr behindert, ſich nad) 
Apefalien mwenbete. 5 folgte ihm; aber feinem 
Plan, ihn bier durch Mangel aufzureiben, ftellte 
ih der Übermut feiner Partei entgegen, die eine 
Schlacht wollte, So entſchied fi im Sommer bei 
Bharjalus (f. d.) fein Schidfal. Auf der Flucht 
wandte er ſich nad) Moppten, wo er wegen früherer 
Dienfte auf Dank glaubte rechnen zu können; allein 
bie Räte des unmündigen Königs ließen ihn, be: 
vor er landete, treulos ermorden, ohne g a: 
nit den Dank des ee ber wenig Tage fpäter 
anlam, zu erwerben. Bon feinen Kindern überleb: 
ten ihn die von feiner dritten Gemahlin, Mucia, 
die er nad) dem bald erfolgten Tod ber Similia ge: 


beiratet hatte, aber 62 wegen Untreue verftieß: 
eine Tochter Bompeja, die erft an Fauſtus 
Cornelius Eulla, dann an den Cinna, der fid) 


gegen Augujtus verſchwor, verheiratet war, und 
zwei Söhne, Gnäus und Sertus. 

Gnäus P., — um 78, ſetzte nad) ſeines Va— 
ters Tode den Kampf gegen Cäſar in Spanien 
fort, unterlag aber (45) in der Schlacht bei Munda 
und wurde | ber Flucht getötet. j 

Sertu3 P., geb. 75, kämpfte erft in Afrika, 
dann mit feinem Bruder in Spanien gegen Gäfar. 
Rach der Niederlage von Munda fammelte er neue 
Kräfte und behauptete ſich (44) im ſüdl. Spanien. 
Er bemädhtigte ſich nad Cäfard Ermordung Sici: 
lien, beunrubigte das Meer und die Hüften, be: 
jehte Corſica und Sardinien und nötigte das zweite 
Zriumvirat, ihn in dem Bertrage von Miſenum 
anzuerlennen (39 v. Chr.). Schon 38 aber wurde 
diefer Vertrag gebrochen. Detavian befriegte ben 
Sertus eine Zeit lang ohne Glüd, bis Agrippa 
denielben durd den Seeſieg bei Naulohus über: 
wand. Gr entfloh mit dem Reit der my nad) 
Lesbos. Bei dem Verſuch, ſich Kleinaſiens zu be: 
mächtigen, fiel Sertus in die Gewalt des Titius, 
eines Legaten des Antonius (85), welder ihn hin: 
richten lieh. 

Pompejusſäule heißt eine berühmte Säule zu 
Alerandria (f. d.) in Hgypten, bie zu den wenigen 
liberrejten gehört, weldje dafelbft aus dem griech. 
röm. Altertum erhalten find. Nod im Mittelalter 
ftand die Säule in einem Hofe in der Mitte von 
mehrern hundert Heinern Säulen, woher aud ihr 
arab. Name Amud-es-Sawari, d. h. Säule der 
Eäulen. Der Schaft, ein Monolith dunkelroten 
Granits von echt griech). Arbeit, wahricheinlich aus 
der Zeit der eriten Btolemäer, bat 20,1 m Höbe 
und im untern Durchmeſſer 2,7m. Der Unterjag 
und das Hapitäl find jehr roh aus Sanditein aus: 
geführt und verraten die fpätere Kaijerzeit. Der 
Kern des Unterbaues, — die ganze Laſt ruht, 
beſteht aus einem alten, verkehrt in die Erde geſteck⸗ 
ten Obelislen mit dem hieroglyphiſchen Namen 

Vſammetich. Das Ganze iſt B1,0 m hoch. Die 
Säule iſt wahrſcheinlich bei einer der vielen Be: 
lagerungen im 3. Jahrh. n. Chr. ——— aber, 
wie die griech. Inſchrift am Fußgeſtell ſagt, unter 
dem Kaiſer Tiocletian von einem ägypt. Statthal⸗ 
ter Publius oder Poſidius (Pompejus nah an: 
bern) wieder aufgerichtet worden, der den Fuß und 
das Sapitäl_binzufügen ließ und zum Unterbau 
einen alten Dbelisten benugte. Die Säule jteht 
vor dem ſüdl. Thore Alerandriad unter Schutt: 

ügeln und Lehmbütten von Arabern, die vom 
iedeftal Steinitüdhen zum Verlauf abbrechen 

und bereit3 den Unterbau ausgehöhlt haben. 
Gonverfations » Lexiton. 13, Aufl, XIII. 


161 


Pompelmus nennt man die Frucht eines zur 
Gattung Citrus gehörigen Baums (C. decumana 
L.), der bem Drangenbaum gleicht, durch teils dors 
nine, teils unbewehrte Zmeige, aroße, langgeftredte 
Blätter, ftark geflügelte Blattftiele und Eu große 
Früchte ſich auszeichnet und befonders in Dft: und 
Weſtindien, in ben Sübftaaten der Union, aber auch 
in den wärmern Gegenden der übrigen Weltteile 
kultiviert wird. Die Früchte find fugelig, zumeilen 
bis zu 5 kg ſchwer und von der Gröhe eines Men: 
ſchenkopfes, grünlich- oder blaßgelb, ihre Saftzellen 
nicht verwachſen, fondern getrennt, und bie Schale 
ungemein did. Im Wohlgeihmade ya fie den 
beiten Orangen und werden deshalb in den heißen 
Ländern haufig gegeſſen, namentlich von den Brab: 
manen; mit Wein und Auder eingemacht dienen fie 
als Erfrifchungsmittel; in Zuder eingefegt find fie 
unter dem Namen Citronat (f. d.) bekannt, 

ompelmnsbaum, ſ. unter Citrus. 

omphölyg (grch.), joviel wie Pemphigus (f.d.). 

ompierregiment (Rögiment de sapeurs- 
pompiers de Paris) heißt die zum franz. ftehenden 
Heer gehörige parifer Feuerwehr, weldye nad dem 
Cadregefeh vom 13. März 1875 ein Regiment von 
2 Bataillonen zu je 6 Kompagnien bildet, Die 
Stadt Paris trägt ſämtliche Koften der Befol: 
dung und Ausrüjtung dieſer Truppe, welche ledig: 
ih durd Freiwillige, ergänzt wird und nicht 
zum Kampf bejtimmt iſt. 

ompignan (Marquis de), franz. Dichter, f. 
Le tanc (an yargued) 

Pompilius, |. NumaPompilius., 

Romponne (Simon Arnauld, Marquis von), 
franz. Staatsmann, geb. 1618, war 1642 Inten⸗ 
dant von Caſale, fungierte dann als Generalinten: 
dant der Armeen in Neapel und Gatalonien. Ans 

änger der janfeniftifhen Meinungen und Freund 
Fouquets, — er ſich nad) der libernahme 
der Negierung durch Ludwig XIV. anfangs mit 
dem herrſchenden Syſtem, bis er 1665 als Ge: 
fandter nad Stodholm geihidt wurde. Drei 
Jahre jpäter ging er in derfelben Eigenſchaft nad) 
Holland; 1671 nad) Schweden zurüdgelehrt, trennte 
er diefe Macht von der Koalition gegen Lud— 
wig XIV. Nach Lionnes Tod übernahm er das 
Minifterium des Auswärtigen, bem er in jtetem 
MWiderjtreit gegen Louvois, Colbert und die hinter 
diefen ftehenden Jeſuiten bis 1679 vorstand. Im 

. 1679 fiel er auf3 neue in Ungnade, aber nad) 
Louvois’ Tode (1691) kam er wieder ins Confeil, 
wo er gemeinfam mit feinem Schwiegerjohn, Mar— 
quis de Torcy, das auswärtige Nefjort dirigierte, 
Der charakterfeſte, kenntnisreihe und gewandte 
Mann jtarb 1699. j 

Pompons (fr;.), Zieraten von Paffamentarbeit, 
namentlich fugel: oder eiförmige Anhängiel an 
Zihatos, Etäben u. f. w.; aud eine Art Heiner 
Rofen (Bomponrojen), darunter namentlic) 
das weiß blühende Tijonrösdhen, mit rofa Centrum. 

Pompöso (ital., « prädhtig»), al3 muſitaliſche 
rege 5 ftart accentuiert und voll: 

Pomum (lat.), Apfel. [tönend, 

Pomus (lat.), Obitbaum. 

Pön (lat.), Strafe, Buße; Pönfall, Ber: 
gehen, worauf P. jteht; Pönal..., Straf... 

Önalkiagen (actiones poenales) hießen im 
röm, Recht diejenigen Klagen, weldye nicht (wie die 
actiones rem persequentes) dem ar bloß 
Schadenerjag zu verihaffen, fondern dem Bellagten 


11 


162 


eine ——— deren er ſich gegenüber dem 
Klãger — — hatte, zu vergelten be— 
zwedten. Die Vergeltung lag darin, daß der Klä— 
ger eine Geldleiitung beanſpruchen konnte, welde 
entweber nad freier Schäpung ber Höhe de3 dem 
Stläger zugefügten Unrecht im einzelnen Falle rid): 
terlid) feitgejeßt wurde, oder weldye als ein Mehr: 
faches des zu beanſpruchenden Schadenerjahes 
(duplum, gan) reht3ordnungsmäßig feit: 
ftand (3. B. die Brivatllage aus dem Diebitahl 
ging auf das Vierfache oder Doppelte des Wertes 
der geftohlenen Sache, je nachdem der Dieb bei der 
That ertappt war oder nit). Diejenigen P., bei 
denen es fıh bloß um Ahndung einer perfönlichen 
Berlekung und nicht um eine materielle Schä— 
digung des Klägers handelte, hießen actiones vin- 
dietam spirantes und gingen wegen biejer_ ihrer 
Eigenſchaft aktiv nicht auf die Erben über. Dahin 
nebörten die Injurienklagen. — Die B. hatten die 
Gigentümlichleit der poena, gegen jeden von mel): 
rern Delinquenten im vollen umfang (ih zu rich: 
ten und ** unvererblich zu ſein. Da beides im 
bentigen Privatrecht nicht mehr anerlannt wird, 
auch die Haftung auf das Mehrfache befeitigt iſt, fo 
gibt e3 feine privatrechtlichen P. mehr. 

> ei rin ya f. unter Straflolonien. 

onani oder Bonnani, Hafenftadt im Diſtrilt 

Malabar der brit.:ind. Präſidentſchaft Madras, 
füdlic von dem Aſtuarium, welches der Fluß glei: 

en Namens bei feiner Mündung in das Arabiiche 

teer bildet, zählt (1872) 11472 E., hauptſächlich 
Mohammedaner, welche unter der Negierung eines 
Zongal genannten Oberpriefterd ftehen und haupt: 
ſächlich Fiſchfang und Küſtenhandel treiben. P. 
war früher viel bedeutender als jegt, wurde aber 
von Zippu Sultan faft zur Ruine verwanbelt. 

Ponape, Inſel der Garolinen (f. d.). 

Poena „ſ. Zalion. 
eg Stadt unweit der Süblüfte ber ſpan. 
weitind. Inſel Buerto:Rico, Sik eines deutſchen 
Dizelonfulats, hat etwa 15000 E. und führt aus 
bem 3 km ſudlich vom Drt gelegenen Hafen (Playa) 
Zuder, Melafie, Kaffee, Tabak und Rum aus, 

PBonce de Leon joran Suiß), einer der berühm- 
tejten lyriſchen Dichter der Spanier, geb. 1527 
wahriheinlid zu Granada, trat 1544 zu Sala: 
manca in ben Orben des heil. Auguitin, wurde an 
der Univerfität dafelbft Doltor und Profejlor der 
Theologie und erlangte als Ausleger der Bibel 
ſolchen Ruf, daß jet Neider ihn wegen einer von 
der Kirche gemißbilligten Tiberjegung des Heben 
Liedes ind Spaniſche anklagten. Erſt nad fünf 
Jahren Kerler gelang es ihm, feine Berleumder zu 
widerlegen. Gr erhielt feine vorigen Würden mies 
ber und wurde —* zum Provinzial ſeines Ordens 
ernannt, ſtarb jedoch vor Antritt dieſer Würde zu 
regel 23. Aug. 1591. Seine Gedichte gab 
Quevedo (Mabr, 1631) zuerit heraus; die beite 
Ausgabe davon erichien mit feinen übrigen Werken 
in fpan. Sprade (6 Bde., Madr. 1804—16). Eine 
neue Ausgabe befindet fih im 37. Bande der 
«Biblioteca de autores espafoles», Cine ge: 
Iungene deutſche Überfeßung mit dem fpan. Terte 
bejorgten Schlüter und tord (Münft. 1853)., ©o: 
wohl in feinen eigenen meiſt religiöfen Gedichten 
al3 aud) in den zahlreichen Übertragungen altklaf: 
ſiſcher (Birgil, Horaz) und bibliſcher Gedichte zeich⸗ 
net er ſich durch eine ungemeine Korrektheit Ider 
Sprache und Wohllaut der Verfififation aus. Bol, 


Pönalftationen — Pondichöry 


Willens, « Fray Luis de Leon. Cine Sg u 
Halle 1866); Reuſch, «Luis de Leon und die ſpan. 

nquifition» (Bonn 1873). 

Boncelet (‚jean Victor), bedeutender franz. In— 
genieur, Mathematiker und Phyſiler, geb. 1. Juli 
1788 in Meb, ftudierte an der Ecole polytech- 
nique in Paris und in Meß, nahm 1812 an dem 
ruf. Feldzug teil, geriet auf dem Rüchug in rufi. 
Gefangenſchaft und verbradjte zwei Sabre in Sa: 
ratow an der Wolaa, wo die Grundzüge feines be— 
rühmten Wert «Trait& des propriet&s projec- 
tives des figures» (Meb u. Paris 1823) entitanden. 
% der Zeit von 1820 bis 1824 erfand er als 

eniehbauptmann und Plakingenieur von Dieb 
einen Mechanismus mit veränderlichen Gewichten 

ur gleichförmigen Bewegung von Klappbrüden, 
Es das nad ihm benannte unterſchlächtige 
Waflerrad. (S. unter Waffermotoren.) ber 
legtern Gegenitand eridien von ibm «Les roues 
hydrauliques verticales etc.» (Meb 1826). In 
demjelben Jahre eridhien das ausgezeichnete Wert 
«Cours de möcanique ar aux machines», 
Im J. 1830 wurde P. Bataillonschef im Inge— 
nieurforps, 1834 Mitglied der Akademie der Wil: 
fenfchaften in Paris, 1835 in das Kontitee zur Be: 
Ion ung von Paris berufen, in welder Gigen: 

h er bis 1848 wirkte. diefer Zeit erſchienen 
von ihm «Theorie des efiets mecaniques de la 
Turbine Fourneyron» (1838), «Introduction à la 
mecanique industrielle» (1810—41), « M&emoire 
sur la stabilit6 des revötements» (1848, im 
«M&morial de 1’Officier du Genie», Nr. 12\. 
Von 1841 bis 1848 fie er zum Oberftlieutenant, 
zum Oberft und zum Brigadegeneral auf; 1848 
wurde er zum Kommandeur ber Ecole polytech- 
nique und zum Oberfommandeur der National: 
garde des Geinedepartement3 ernannt. P. ftarb 
22. Dez. 1867 in Paris. 

onceletrad, ein Waſſerrad mit gelrümmten 
Schaufeln, f. unter Waffermotoren, 

ouceite, f. unter Boncieren. 

onchielli (Amilcare), Opernfomponift, aeb. 
1. Sept. 1834 zu Paderno Fajolare bei Eremona, 
war Schüler des Konfervatoriums zu Mailand. 
Seiner erften Oper «I promessi sposi» (1856) fola: 
ten «La Savojarda» (1861), «Roderico» (1861), 
«] Lituani» (1874), «Gioconda» (1876), «Il figliuol 
prodigo» (1880) u. f. m. R 

Poucho, ein in Sübamerifa gebräuchlicher 
Mantel indian. Urſprungs, urſprünglich nur ein 
Stüd Tuch mit einem Schliß in der Witte, durch 
welchen der Ben geitedt wird. 

Boncieren (fr3.), eine durchſtochene Jeihnung 
mit der Poncette, einem Sädchen voll Kohlen: 
ftaub, durchpaufen; auch foviel wie glätten mit 
Bimsſtein. 

send da3 nieberländ. Pfund = 1 kg. 

onderabilien (lat.), wänbare Naturftoffe im 
Gegenfab zu den Jmponderabilien (j. d.); Bon: 
beration, Abwägung, Ausgleihung. 

Vondichery (engl. Pondicherry, ind. Putut— 
ſcheri), die Hauptitadt der franz. Beſihungen in 
Vorderindien (Etablissements frangais dans l'Inde 
auf der Hüfte Noromandel, innerhalb des brit. 
Dijtrift3 Süd: Arcot, liegt unweit, der Mündung 
des Fluſſes Dſchindſchi (Gingy) in ben Benga— 
liſchen Meerbufen in_dürrer Ebene. Die Stadt 
gt in die Weihe Stadt der Europäer und bie 

hwarze Stadt der Eingeborenen, die durch einen 


Bondoland — Poniatomffi 


überbrüdten Kanal getrennt find. Die Schwarze 
Stadt befteht größtenteild nur au3 Hütten, die 
eritere hat ſchöne Straßen, nad) europ. Art gebaute 
Häufer, hübſche Boulevarda, mehrere kath. Kirchen, 
ein College für die engliiche, Hinduftani: und Ma: 
labarfprache , mehrere Freiihulen für den Elemen: 
tarunterricht aller Belenntnifie, ein PBriefterjemi: 
nar, eine Bibliothel, eine Buchdruderei, ein Thea: 
ter, einen botan. Garten. Bemerlensiverte Ge: 
bäude find daſelbſt das Gouvernementshaus, bie 
Mijfiongtirche, die großen Bazars, der Leuchtturm 
und mehrere Hindutempel. P. iſt Si des Gou— 
verneurd von Franzöjiich Indien, aller höchſten 
Civil: und Militärbehörden, fowie eines apojtoli- 
ſchen Bräfelten und einer Kongre ation ber Mis- 
sions &trangdres de France, Die Stabt zählt 
etwa 40000 E., unter benen 900 Europäer. Es 
befinden 8 dafelbit Hohöfen, eine Hupferfchmelze, 
are ndigofärbereien, DManufalturen für 
iichleinwand und Baummollgewebe, ſowie eine 
Regierungs:Mufterfpinnerei von Seide und Baum: 
wolle. ®. bat nur eine offene Reede, deren geringe 
Waſſertiefe, verbunden mit der ſtarlen Brandung, 
eine Landung nur mittel3 beionderer Flachboote 
zuläßt. Gleihwohl ift B. der Mittelpunkt des ind. 
Handels der ranzofen. PB. wurde 1672 nebit 
einem Heinen Gebiet vom Könige von Bedſchapur 
(Wiftapur) an die Franzöfih:DOftindiihe Kom: 
pagnie abgetreten, 1693 von den Holländern er: 
obert, aber im Frieden von Ryswijk 1697 wieder 
jurügegeben. er Drt blühte nun zu einer an: 
ehnlichen Stadt empor. Unter Dupleir widerſtand 
diefelbe 1748einer vierzehntägigen Belagerungdurd) 
die Engländer, wurde aber 1761, als fie bereits 
70000 €. zählte, von den Engländern erobert und 
—— 1763 zurüdgegeben , 1778 abermals von 
en Briten erobert, 1783 im Frieden von Verjail: 
les aufs neue zurüdgegeben, doch ſchon 1793 vom 
Nabob von Karnatil und den Briten wieder in 
Befis genommen, worauf man die Feſtungswerke 
abtrug. Am Frieden von Amiens 1802 erhielt 
Frantreih zwar Stadt und Gebiet wieder zurüd, 
aber bereit3 1803 bejekten fie die Engländer aufs 
neue und gaben fie erit infolge des Friedens von 
1814 zurüd, unter der Bedingung, feine Feſtungs— 
werle wieder anzulegen. Vgl. Duennefer, «Souve- 
nirs de P.» (Lyon 1882). 

Das Gouvernement Bondihery umfaht 
inagefamt ein Areal von 508,5 qkm mit (1877) 
280381 E. und zerfällt in die fünf getrennten 
Territorien: ®. (291 qkm mit 152397 E.), Kari: 
tal, Yanaon, Mabe und Chandernagor (f. d.). 

ondoland, Dijtrift der brit. Kapfolonie, wird 
vom St.John's⸗River oder Umzimvubo bewäſſert 
und ijt von etwa 150000 noch ſehr uncivilifierten 
Kaffern bewohnt. Dieſer leßte Reit des unabhän— 
gigen Haffraria wurde im Verlaufe der Kämpfe mit 
den Eingeborenen 1878 von den Engländern bejebt, 
der Häuptling Umquitela des Landes für verluitig 
ertlärt und 31. Aug. 1878 am linken Ufer bes St.: 
John's-River ein Militärpoften errichtet. 

Ponewieſh, Kreisſtadt im ruf. Gouvernement 
Komwno, an der Newjajha, Station ber Eiſenbahn 
Kalluhnen-Radziwiliſchli, mit (1882) 16414 G., 
darunter 5000 Juden, treibt Handel, namentlich) 
mit Flachs. i 

ongau, f. unter Pinzgau. 
ng:bu, ſ. Pescadoͤres. 
ongo, ſoviel wie Drang⸗Utang. 


163 


Pouiatowſti, eine [Arkt. Familie in Polen, 
bie ihren Urfprung von dem alten ital., von den 
ig von Guajtalla abjtammenden Geſchlecht 
der Torelli ableitet. Den Glanz de3 Geſchlechts 
begründete Staniſlaw P., geb. 1677, der wälı: 
rend des Nordiſchen Kriegs jih an Staniflaı 
Leſzezynſti und Karl XI. anſchloß, mit dem ſchwed. 
Heer nad Rußland zog und bei Pultawa wefent: 
lich zur Zebensrettung Karls XII. beitrug. Lebterer 
jendete ihn dann von Bender aus nad) Konftanti: 
nopel, wo er den Sultan zum Kriege gegen Ruß— 
land zu bewegen wußte. Nach Karla Tode trat er 
u Auguft II. über, der ihn zum Wojwoden und 
Regimentarius erhob. Als nach dem Tode Auguſts 
Leßczynſti wieder in Polen als Aronprätendent 
auftrat, ſchloß Sich ihm auch P. wieder an, wurde 
aber bei Danzig von den Ruſſen gefangen genom: 
men. Nach feiner Freilaflung ad hi er 4 auf 
Leſzezynſtis Wunſch mit Auguſt III., bei dem er 
dann in jaben Ehren ftand. Er jtarb 3. Aug. 1762. 

Von jeiner zweiten Gemahlin, einer Fürjtin 
Gzartoryiifa, hinterließ er mehrere Söhne, von 
welden zu erwähnen find: der zum König von 
Polen erhobene Stanijlam Auguſt (}. d.), 
Kazimierz P., geb. 1721, der in den Fürſten— 
ftand erhoben wurde, während der Regierung jei: 
ned Bruderd Großlämmerer der Krone war und 
1800 jtarb; Andrzej ®., ber 1756 deutſcher 
Neichsfürft wurde und 1773 zu Wien als öfterr. 
Generalfeldjeugmeifter ftarb; .. P., ber 
jüngfte der Brüder, geb. 1736, der in den geijtlichen 
Stand trat und bis zu der Würde eined Erz— 
biſchofs von Gnefen und Primas des Reichs auf: 
ftieg. Er erwarb ſich ald Präjes der Edufations- 
fommiffion große Verdienſte, 309 Base wegen 
feiner für antinational gehaltenen —— 
allgemeinen Hab zu und vergiftete ſich während des 
Aufitandes, in Gefahr, vom Volke gehängt zu wer: 
den, am 12. Aug. 1794 in Warſchau. 

Jozef Antoni, Fürft B., geb. 7. Mai 1762 
zu Warfchau, war der Sohn des erwähnten Andrzej 
und einer Gräfin Kinſta. Er trat jung in ölterr. 
Dienfte und 1789 al3 Generalmajor ins poln. Heer 
über. Sein Oheim, der — übertrug ihm wãh⸗ 
rend de3 Feldzugs von 1792 den Oberbefehl, ſodaß 
Kofciufzlo unter ihm ftand. Nachdem der König 
der Konföderation von Targowiza beigetreten, 
nahm ®. mit vielen der beiten Offiziere den Ab— 
ſchied. Als indes Koſciuſzko fih zur Rettung des 
Vaterlandes 1794 in Krakau erhob, trat er ſogleich 
ala Bein ins poln. Heer ein und ftellte ſich 
unter defjen Befehl. Koſciuſzlo vertraute ihm eine 
Divifion an, mit weldyer er während ber beiden 
Belagerungen Warihaus weſentliche Dienite lei: 
ftete. Bald nad der libergabe der Stadt ging P. 
nah Wien. Er ſchlug glänzende Anerbietungen 
Katharina und Pauls aus und lebte ald Privat: 
mann auf feinen Gütern bei Warſchau. Nach der 
Errichtung des Herzogtums Warſchau übernahm 
P. das Kriegsminiſterium, befehligte 1800 das 
poln. Heer gegen die Oſterreicher, wurde zwar 
19. April bei Raſzyn gefchlagen, zwang aber trob: 
dem den Feind dur geichidte —— zur 
Räumung des Herzogtums und drang in Galizien 
bis Krakau vor. Nach dem Frieden blieb er Mini— 
ſter, bis 1812 der Krieg gegen Rußland ihn aber: 
mal3 an die Spike des poln. Heers rief. Nachdem 
er an ben Hauptlämpfen dieſes Kriegs teilgenom: 
men und zulegt in der Schladt bei Leipzig, 

11* 


164 


während welcher ihn Napoleon * franz. Marſchall 
ernannte, glaͤnzende Proben ſeiner Tapferleit ge⸗ 
neben hatte, erhielt er in Leipzig 19. Dit. den Be: 
fehl, den Rüdiug der franz. Armee zu deden. 
Schon waren die Verbündeten in den Vorjtäbten 
Oeipzigs und hatten leichte Truppen auf das andere 
Ufer der Eliter geworfen, als der Fürft mit ge: 
ringem Gefolge am Fluffe anlangte, deſſen einzige 
Brüde von den Franzofen zerftört war. P. ſprengte, 
ſchon ſchwer verwundet, mit feinem Pferde in den 
angeichwollenen Fluß und _ertrant, Erſt 24. Dit. 
wurde der pen aufgefunden und am 26. bei: 
geieht, dann aber nah Warſchau geführt. Im I 
1816 erlaubte Kaiſer Alerander feine Beijegung In 
der Kirche zu Krakau, Die Stelle, wo P. ertranf, 
wurde fpäter Durch einen Denlitein bezeichnet. 
hatte einen natürlihen Sohn, Jozef P., geb. 
1809, der 1828 von der Gräfin Tyſzliewicz, einer 
Schwefter feines Vaters, adoptiert und dann in 
Frankreich naturalifiert wurde. Derfelbe fämpfte 
1831 in Bolen, dann als franz. Offizier in Algier, 
wo er 1855 ftarb. Er vermählte ſich mit einer Eng: 
länderin, die ihm 1844 einen Sohn gebar, ber eben: 
falls in die franz. Armee eintrat, j 

Der erwähnte Kazimierz P. ag einen 
Eohn, Stanijlam W., geb. 23. Nov. 1757, wel: 
cher während der Regierung feines Oheims Groß: 
ſchahmeiſter von Litauen, Staroft von Podolien 
und General der poln. Kronarmee war und dann 
vom ruf. Kaifer zum Wirt, Geheinrat ernannt 
wurde. Seit 1804 lebte er in Wien, fodann längere 
Zeit in Rom, wo er 1826 feine — an der Via: 
\laminia gelegene Villa nebit allen darin befind: 
lichen Merten alter Bildhauerkunft an den Eng: 
länder Sytes verfaufte. Er ftarb zu Florenz 
13. Febr. 1833. Sein Sohn, Fürft Jozef B., 
geb. 21. Febr. 1816 zu Nom, erhielt feine Bildung 
u Floxenz, wo er nic feageiti den jhönen Kün: 
Be bejonderd der Mufit und dem Gefang zu: 
wandte. Vom Grofiherzog Leopold II. von os: 
cana 1848 naturalifiert, ward er 1849 toscan. Ge: 
fandter in Brüſſel und 1850—53 zugleid in Lon: 
don. Im J. 1854 fiedelte er nad Frantreich über, 
wo ihn Napoleon III. zum Senator ernannte und 
auch mehrfach zu diplomatifchen Sendungen ver: 
wandte, P. hat eine Reihe von Dpern komponiert, 
wie «Giovanni di Procida», die 1840 zu Yucca mit 
Erfolg aufgeführt ward, ferner «Pierre de Medici» 
und die Operette «Au travers d’un mur» (1861), 
welde in Paris zur Aufführung gelangten. Cr 
ftarb zu London 4. Juli 1873. 

Eine andere Linie des Haufes PB. ift in ber 
Utraine reich begütert. Stammmvater berfelben iſt 
Jonas P., ein Bruder des Staniflam P., des 
Freundes Karla XII, der poln. General war und 
ein ungewöhnlid) hohes Alter * Jahre) erreichte. 
Noch in feinem 63. Lebensjahre vermählte er ſich 
mit einer jungen Polin (gejt. 1842 in Lemberg), 
die ihm zwei Söhne, ozef und Sudan ebar. 
Jozef P. begann feine militäriide Laufbahn 
unter Sriedri IL. von Preußen und diente dann 
im poln, Heere, in dem er bis zum Oberiten auf: 
rüdte, Gr ftarb 1845 zu Tahancza in der Ulraine. 

Bönier, j. Bunier. 

PBoninfki, eine adelige poln. Familie, uriprüng- 
lid in Großpolen anfällig, — nicht nur 
in len, fondern aud in Schleſien, Bayern und 
Ruſſiſch⸗Polen als Grafen, in Galizien als Fürften 
vielfach verzweigt und jehr begütert, kam erit Ende 







Pönier — Pönitenz 


des 17. Jahrh., infolge ausgezeichneter Kriegs: 
dienfte einzelner Mitglieder, unter dem König So: 
bieſti zu Daher Anjehen im Lande. Innige Bes 
siehungen zu dem Orben der Geſellſchaft Yon und 
Heiraten mit hohen adeligen Familien bahnten ihr 
den Weg zu den höchſten Staatswürden. Am be: 
tannteiten wurde Anton P., Wöjwode von ‚Bofen, 
der als Marichall der Konföderation vornehmlich) 
zur re mr Auguſts III. beitrug, geit. 174. 
Gr hinterließ mehrere lat. Gedichte: «Opera heroica» 
Warſch. 1739) und «Sarmatides» (Warich. 1741). 
Gleichzeitig thaten fich hervor Stephan P., geſt. 
1733, und Franz B., die dem Jeſuitenorden ange: 
hörten und geiftliche und theol. Schriften lateiniſch 
verfaßten. Der Sohn des genannten Wojwoden, 
Jofeph P., geft. 1770, war viele Jahre hindurd) 
Sefandter an fremden Höfen. Unter Stanijlam 
— war Adam P. Großſchatmeiſter und be: 
wirkte auf dem Neichtage von 1773 als Marſchall 
desfelben durch feine Umtriebe, daß die meilt er: 
fauften Abgeordneten der eriten Teilung Polens 
zuftimmten. Der Reichstag von 1789 ließ ihn des: 
halb gefänglich einziehen, er entflob, ward gefangen, 
darauf aller Würden al3 Landesverräter entjeht 
und verbannt. Die Targowizer Konföderation res 
habilitierte ihn zwar 1792, er ftarb aber nad) Ber: 
geudung feines großen Vermögens im Elend 1798 
zu Warihau. In dem Unabhängigkeitätriege unter 
Kofciufzto wurde dejien Sohn Adam B., General 
eines befondern Korps, durd fein Ausbleiben die 
—— der verlorenen Schlacht bei 
Mactejowice. Wladiſlaw P., aus der Fehlef., 
mit den Grafen Dohna verwandten gräfl. Familie, 
geb. 17. Febr. 1823, ſtand als Kavallerieoffizier im 
öfterr. Dienfte, ämpfte im ungar. Unabhängigfeit®- 
kriege auf feiten der Infurgenten, flüchtete dann 
nad Piemont und wurde ital. Generalmajor der 
Kavallerie und Adjutant des Königs. Das jebige 
Haupt der gr Linie ift Fürft Calirt Valen— 
tin B., geb. 14. Febr. 1824, das der gräfl. galizi- 
Ken Romuald P., geb. 1852, Beſiher der Herr: 
ihaft Kowalowta, das der gräflichen (goſenſchen 
katholischen) Graf Eduard B., geb. 1. Dez. 1810, 
veſiher der Herrichaft Wreſchen und eine Zeit lang 
Deputierter auf dem preuß. Yandtag zu Berlin. 
Der jüngern gräflichen (ichlef. evang.) Linie gehörs 
ten an: Graf Chrilt oph P., geit. 1876 als Negies 
a erh in Breslau, und Graf Adolf 
B., befannt als eifriger Förderer des Spiritismus, 
geb. 13. Juli 1801, geit. 17. Juni 1878 in Leipzig. 
Pönitentiale (lat.), joviel wie Bußbuch. 

Pönitentiar : Anftalten, j. Gefängnis: 


wejen, 

Pönitentiarius oder Großpönitentiar iſt 
der Titel des Voritehers der päpitlichen Verwal: 
tung3behörde La Penitenziaria in Nom, welche 
Abfolutionen und in bejondern Gewiljensfällen 
im Namen des Papftes Dispenfationen erteilt. 
Nur ein Kardinal kann diefe Würde befleiden, 
Auch führen diejen Titel Geiftlihe, welche von 
dem Biihof bevollmächtigt find, in gewiſſen Fällen 
Abiolutionen zu erteilen. 

Pönitenz (lat.), eigentlich Neue, nennt man in 
der röm.:tath. Kirche die fanonijchen Strafen und 
Bußwerte, welche der Priefter wegen begangener 
Vergehungen auferlegt, 3. B. Nojentranzbeten, 
Faſten, Wallfahrten u. |. w. _(S. Buße.) Im der 
alten Kirche, wo für gewifle Sünden eine ſehr lang» 
wierige Buhe vorgeihrieben war, aab es einen 


Pönitz — Pontano 


befondern Pönitenzpriefter. — Poͤnitenz— 
vfarre beißt nod gegenwärtig eine gering bo: 
tierte oder entlegene Aare, auf welche ein Bfarrer 
wegen leichten Vergehen verjeht wird. 

Bönin (Karl Eduard), namhafter Nilitärfchrift: 
fteller, geb. zu Döbeln 24. Jan. 1795, trat 1813 
in das ic Hufarenregiment, 1814 aus dem 
Dienft, wurde Fechtmeiter, 1825 Hilfsfehrer im 
Kadettenhauſe zu Dresden, 1846 Oberpoftrat und 
nahm 1854 den Abjchied. Er ftarb 27. Sept. 1858 
zu Hojterwiß bei Pillniß. Seine Schriften erfchie: 
nen meiltend unter ber Chiffre Pz. Gr fchrieb: 
«Die Fechtlunſt auf den Stoß» (Dresd. 1821), «Tat: 
tif der Infanterie und Ntavallerie» (Adorf 1838), 
— Anleitung zur Rekognoszierung und Be: 
ſchreibung des Terrain? au& dem taltiichen Geſichts 

unft» (Adorf 1840), «Dlilitäriiche Briefe eines Ver: 
torbenen an feine noch lebenden Freunde» (Adorf 
1841-46), «Die Eifenbahnen ala militäriihe Ope: 
rationslinien» (Adorf 1842; 2. Aufl. 1853) u. a. 

ons, Stadt im franz. Depart. Charente: 
Juferieure, Arrondifjement Saintes, auf einem 
Hügel lints am Charentezufluß Seugne, Station 
der Linie Nantes-Coutras der Franzöfiihen Staats: 
bahnen und der Linie P. Royan der Seudre:Lotal: 
bahn, hat (1831) 3105 (Gemeinde 4895) E., einen 
Donjon aus dem 12, Jahıh. (jekt Gefängnis), da: 
neben ein altes Schloß, eine Dineralquelle und 
Branntweinhandel. P. war bi zur Revolution 
Hauptort einer Seigneurie. 

Pond (Louis), ein berühmter Kometenentdeder, 
geb. 25. Dez. 1761 bee im Depart. Hod: 
alpen, wurde 1789 Aufjeher bei der Sternwarte zu 
Marjeille und dann Adjunft an derfelben. Sein 
Name war längit einer der gefeierten unter den 
europ, Aitronomen, ald er 1819 die Leitung der 
Sternwarte erhielt, welche die Erzherzogin Maria 
Suite von Parma in Marlia — ließ. Da er 
indes hier nicht die nötige Unterſtüzung fand, jo 
übernahm er 1825 die Leitung der Sternwarte des 
Mufeums zu Florenz. P. entvedte in dem Zeit: 
raum 1801—27 nicht weniger als 37 Kometen. Gr 
ſtarb zu Florenz 14. Dit. 1831. 

Ponfard (srancois), franz. dramatiſcher Dich— 
ter, geb. 1. juni 1814 zu Vienne (Depart. Iſere), 
ftubierte in Paris die Nechte und verfaßte unter 
m Einfluß der gegen die romantiihe Dramatit 

—— Reallion feine erſte Tragödie, «Lu- 
er&ce», die u Paris im Odéon (1843) mit außer: 
ordentlichen eifall aufgeführt wurde. Nachdem 
einige jhwäcere Stüde («Agnes de Möranien, 
1846, «Charlotte Corday», 1850, «Horace et 
Lydie», «Ulysse») gefolgt waren, hatte feine fünf: 


a ige Komödie in metriſcher Form: «L'honneur 
et largent» (1853), einen glänzenden Grfolg und 


rerſchaffte ihm 1855 die Aufnahme in die Alademie. 
Ein anderes großes LZuftipiel in Verſen, «La 
Bourse», fand ebenfalls eine jehr günftige Auf: 
nahme, beögleichen ein neues hiſtor. Drama: «Le 
lion amoureux» (1866). Dagegen ift das Drama 
«Galilde» dramatiih wertlos. Allein das an: 
fängliche Verbot des Stüds und die Angriffe der 
Herilalen Tagesblätter wirkten voraus zu ee 
Gunften, und die erjte Voritellung desielben (März 
1867) war ein raujhender Triumph. P. ftarb 
13. Juli 1867 zu Paſſy bei Paris. Ihm wurde 
2%, Juni 1872 in Vienne eine Statue errichtet. 


165 


vres complötes» (3Bbe., Par.1876). Bol. Thierry, 
«P, discours etc.» (Bar. 1870); Janin, «Frangois 
P.» (Bar. 1872), 
Ponfon du Terrail (Pierre Aleris, Vicomte 
von), franz. Romandichter, geb. 8. Juli 1829 zu 
Monmaur bei Grenoble, veröffentlichte feit 1850 
eine große Anzahl Nomane, züerſt im Feuilleton 
verſchiedener Journale, naher in Bänden. So 
erichien 1855 «La tour des Gerfauts» (4 Bde.) und 
«Diane de Lancy» (4 Bde., 1857), «La belle Pro- 
vengale» (6 Bde.), «La contessina» (5 Bde.), «Les 
chevaliers du clair de lune» (8 Bde.), «Les Bo- 
hömes de Paris» (7 Bde.), «Les drames de Paris» 
u. ſ. w. Aus diejem leptern Merle nahm er den 
Stoff zu feinem mit Anicet:Bourgeoi3 zufanmen 
gearbeiteten Dranın «Rocambole» (1864). Außer: 
dem lieferte er dazu noch mehrere — in 
dem «Petit Journal», Bon feinen lehten Nomanen 
find zu nennen: «Le héros de la vie priv6e», «Le 
— de moulin» und «Le sceret du docteur 
toussel». P. ftarb zu VBordenur 31. Jan. 1871. 
. mar ein — ———— von uner⸗ 
höpflicher ——— lieferte aber bei ſeiner 
ielſchreiberei fein Werk von wirklichem Kunſtwert. 
out⸗a⸗Bouvineõ, ſ. Bouvines. 
ontacg, Stadt im franz. Depart. Baſſes— 
Pyrenées, Arrondiſſement Pau links an der Ouſſe, 
* (1881) 2621 E., Gipsbrüde, Ziegeleien, Ger: 
erei und Heritellung von Wollzeugen. Sn der 
Umgegend wird guter Rotwein gebaut. 
onta Delgada, bie geöhte, reichte und ben 
meiſten Handel treibende Stadt ber Äzoren, in 
einer wohlangebauten Gbene der Südwelttüfte der 
Iniel San: Miguel, Dijtrittshauptort, hat (1878) 
17635 G., einen Hafen und Feſtungswerke. — Der 
— ————— Ponta Delgada umfaßt die 
eiden Inſeln San-Miguel und Santa-Maria und 
zählt in ſieben Gemeindebezirlen 1285116. 
Poutafel, Dorf im Bezirk Tarvis der Bezirks— 
hauptmannicaft Villa) in Kärnten, liegt dort an 
der ital. Grenze, ift Endjtation der Linie Tarvis P. 
der Öfterreichiichen Staatsbahnen und zählt (1881) 
684 deutſche E. Der tofende Confinbach (Ron: 
tebbana) trennt P. von dem & enüberliegenden 
ital. Bontebba, Station ber ahn Udine-P. 
Pont-àa⸗-Mouſſon, Stadt im Arrondiſſement 
Nancy des franz. Depart. Meurthe-Moſelle, an 
der Mofel, Station der Linie Frouard:Novdant ber 
Franzöfiichen Ditbahn, hat ein College, ein Semi: 
nar, grobe Hafernen, ein großes Hofpital, eine Bi: 
bliotbet, lebhafte Induſtrie und zählt (1881) 9212, 
als Gemeinde 11293 E. Die zweitürmige Kirche 
St. Martin ſtammt aus dem 13. Jahrh. Een. 
der Stadt liegt die Ruine des Schloſſes Mouſſon. 
Bei. fin eine im 17. Jahrh. erbaute Öate VBrüde 
von fieben Bogen über die Mofel. In P. befand 
ie von 1571 bis zur — 6— Revolution eine 
niverſität. Beim Beginn des Deutſch-Franzö— 
fiihen Kriegs war hier 16. Aug. 1870 das Haupt: 
quartier des Königs Wilhelm von Preußen. 
Pontano (Giovanni Gioviano), latinifiert 
Pontanus, ital, Geſchichtſchreiber, geb. 1426 zu 
Cerreto, geit. 1503, gelangte zu den höchſten Stan‘2: 
würden in Neapel und beichäftigte ſich dabei eifrig 
mit Philoſophie und Geſchichte. Am wichtigſten it 
eine mit großer Sreimütigleit, nicht felten mit beißen⸗ 
er Schärfe in Haffiihem Latein verfaßte «Historia 


Bon jeinen fämtlihen Werten find ‚mehrere Aus: arg itana» in ſechs Büchern (Neap. 1618; Tor: 
recht 1 


gaben vorhanden, die lehte unter dem Titel «Oeu- 


618), die auch in die Geſamtausgabe feiner 


166 


Merle (4 Bde., Baf. 1556) mit aufgenommen ift. 
Rol. Sarno, «Vita Pontani» (Neap. 1761). 

Pontänus, kurſächſ. Kanzler, f. Brüd (Gre: 
goriud). 

Pontänus (Yoh. Iſaal), namhafter bolländ. 
Philolog und Geihichtichreiber, geb. 21. Yan. 1571 
zu Helfingör in Dänemarl, unteritüte nad) Bollen: 
dung feiner Studien eine Zeit lang Tycho de Brahe 
bei jeinen aftron. Unterfuchungen und wurde dann 
Profeſſor der Phyſik und Mathematik zu Amfter: 
dam, 1604 zu Harderwijt, wo er 6. Dft. 1639 ftarb. 
Man befist von ihm, außer einer Ausgabe bes 
Macrobius (Leid. 1597) und den «Analectorum 
Libri tres» (Roftod 1600), die ſich auf die Erklärung 
und Kritik des Plautus, Apuleius und Seneca er: 
itreden, mehrere durch hiftor. Treue und elegante 
Taritellung ausgezeichnete hiltor. Werke, befonders 
«Rerum Danicarum libri novem» (Amiterd. 1631) 
«llistoriae Geldricae libri XIV» (Harderwij 
1639), «Discussionum historicarum libri duo» 
(Hardermwijt 1607) und «Historia urbis et rerum 
Amstelodamiensium» (Amfterd. 1611). 

Pontarlier, Hauptitabt des giegnemigen 

Arrondifjements im franz. Depart. Doubs, 59 km 
füdöftlih von Befancon und nahe an der ſchweiz. 
Grenze, am Eingange des bedeutenditen Jurapaſſes 
und am Fuße des Yaveron und des Lormont, Sta: 
tion der Linien Andelot:®. und P.-Vallorbes der 
Bari3: Lyon: Mittelmeerbahn, Knotenpunkt wid: 
tiger eg 838 m über dem Meere, am 
Doubs, zählt (1881) 6118 E. hat eine Bibliothet 
mit 4000 Bänden, bedeutende Apfyntb: und Kirſch— 
brennereien, viele Mühlen und Käſemachereien 
fowie große Pferde: und Viehmärlte. Geſchichtli 
bedeutend ift P. in den lebten Wochen des Deutſch— 
Franzöſiſchen Kriegs von 1870 und 1871 (f. d.) ge: 
worben durch ben 1. pie 1871 auf Grund einer 
Konvention erfolgten { bertritt der franz. DOftarmee 
unter General Clindhant über bie ſchweiz. Grenze. 
Schon 28. Jan. waren Teile des franz. 24. Armee: 
lorps durch P. nn nachdem die Operationen 
der deutſchen Südarmee unter General von Man: 
teuffel den Franzofen füdlih von Befancon den 
Weg verlegt und fie dadurch gezwungen hatten, ent: 
weder eine Schlacht ———— oder auf neutra— 
les Gebiet überzutreten. Eine Linksſchwenkung des 
preuß. 7. und 2. Korps fchnitt dem Feinde den Rüd: 
zug nad Süden ab. Am 31. Yan. und 1. Febr. 
rüdten die deutihen Korps auf allen Straßen gegen 
die ſchweiz. Grenze vor, 1. Febr. mittags nahmen 
fie B., womit die feindliche rmee zum liberjchrei: 
ten der Grenze genötigt war. 
‚ Rontafficve, Stadt in ber ital. Provinz und 
im Bezirk Slorenz, an der Mündung der Sieve in 
ven Arno, Station ber Bahn Florenz: Arez30:Nom, 
bat (1881) 4127 (als Gemeinde 11410) E. und 
führt ihren Namen von der 1555 von Bartolomeo 
Ammannato erbauten Brüde, 

Pont-Audemer, mittellat, Pons Aldemari, 
Stadt und Hauptort eines Arronbiffements im 
franz. Departement Cure, an der Rille, welche bier 
ihiffbar wird, Station der Linie B.:Glos:Montiort 
der Eurebahnen, hat (1881) 6168 E., ein Handels: 
tribunal, die ſchöne Kirche St.:Duen aus dem 11, 
bi3 16, Jahrh., die Kirdhe St.: Germain aus dem 
11. Jahrh. Baumwoll⸗ und Flachsſpinnerei, Gerbe: 
rei und Handel mit Getreide, Yeinwand, Flachs, 
Vieh, Holz und Cider. Mit LesHävre fteht P. 
dur Tampfboot in Verbindung. 


Tontanus — Pontecorvo (Stadt) 


Pont Cauaveſe, Fleden in der ital, Provinz 
Turin, Bezirk Jorea, an der Mündung der Soana 
in den Orco, am Fuße der Grajifhen Alpen, bat 
(1881) 3032 (Gemeinde 5516) E., Marmorbrüde 
und Fabrikation von Baummolle und Eifenwaren. 

Ponthartrain, Ealzwafierjee im füdöftl. Teile 
des nordamerif. Staats Youifiana, iſt 64 km lan 
40 km breit und 6 m tief, fteht im D. mit dem Yale 
ug ig und durd) diefen mit dem Golf von Merito, 
im W. mit dem Late Maurepas und durd einen 
Kanal mit dem Miffiffippi in Verbindung. Dampf: 
boote und Heinere Seeſchiffe fünnen durch ftanäle 
bis nad) Neuorleans fahren. Der See wurde zu 
Ehren des Comte de Bontdhartrain, des Marine: 
minifterd unter Ludwig XIV., benannt. 

Pont:Eroig, Stadt im franz. Depart. Finistere, 
Arrondiffement Quimper, am Fluͤßchen Goyen, 
3 km von deffen Mündung in die Vaie d’Audierne, 
ze (1881) 1664 (Gemeinde 2656) E., eine bemer: 

enswerte Kollegiattirhe Notre:Dame-de:Rofcubon 
aus dem 13. bis 15. Jahrh., Tuch- und Zeugwebe: 
rei und Handel mit Wachs und Honig. 

Pont:de:Beauvoifin (Te), Stadt im franz. 
Depart. Iſere, Arrondilfement La: Tour-du: Bin, 
lint3 am Guier, Station der Linie St.: Andre: le: 
Gaz:Chambery der Baris:Lyon: Mittelmeerbahn, 
bat (1881) 1883 E., eine Maſchinenfabrit und Sei: 
denmweberei. — Der Ort gleihen Namens auf dem 
rechten Ufer des Fluſſes, zum Arrondifjement 
Chambery des Depart. Savoyen gehörig, hat (1881) 
1637 €. und ift mit der — durch eine kühn 
gewölbte Brüde aus dem 16. Jahrh. verbunden. 

Bont:de:l’Arche, Stabt im franz. Depart. 
Gure, Arrondifjement Youviers, linl3 an der Seine, 
über welche eine jchöne fteinerne Brüde führt, Sta: 
tion der Linie Barid:Le:HAvre der Weitbahn und 
der Linie P.Giſors der ne bat (1881) 1711 
E., eine Kirche aus dem 15. Jahrh. mit Glasmale: 
reien des 14. Jahrh., Tuchfabrikation und in der 
Nähe die Trümmer der von Richard Löwenherz ge: 
jtifteten Abtei Bonport. 

Pontde-Baug, Stabt im franz. Depart. Ain, 
Arrondiſſement Bourg, rechts an der Reyſſouze, 
mit der Saöne durch Tdiffbaren Kanal verbunden, 
Etation (P.:Fleurville) der Paris : Lyon - Wittel- 
meerbahn, - (1881) 2853 €., Zöpferei, Gerberei 
und Handel mit Getreide und Wein. Dem bier ge 
borenen General Xoubert iſt ein Denkmal errichtet. 

Bont:du:Chätcan, Etadt im franz. Depart, 
Puy:de:Döme, Arrondifjement Glermont : Ferrand, 
lint3 am Allier, Station der Yinie St. Etienne: 
Montbrifon:Clermont: Ferrand der Paris Lyon: 
Mittelmcerbahn, hat (1881) 3157 E., eine Schloß: 
ruine, Yabrifation von Quincaillerien, Lachsfang, 
Weinbau und er 

Pont du Gard, }. unter Gard, Db. VII, ©, 
536; Abbildung unter Aquäduft, Bd. 1, ©. 793, 

onte (Jacopo da), ſ. Baſſano. 

onte (Yorenzo da), ſ. Daponte. 

ontecorvo, mittellat. Pons curvus, Stadt 
in der ital. Provinz Caſerta (Terra di Lavoro), Be— 
zirk Sora, links am Garigliano, 33 km ſüdöſtlich 
von Froſinone, zählt (1881) 9601 (als Gemeinde 
10309) E. Vor 1860 bildete B. mit feinem Gebiet 
ein dem Papft gehöriges Fürftentum, vom nca: 
polit. Gebiet umſchloſſen. Es wurde vom Bapit 
Julius II. an den Kirchenftaat gebradht, war aber 
1806—10 im Befit des franz. Marſchalls Berna: 
botte, der davon den Namen Fürſt von P. führte. 


Pontecorvo (Fürft 


Pontecorbo (Fürit von), f. Karl XIV. Jo: 

bann, König von Schweben. j 
ontedera, Stabt in der ital. Provinz und im 

Bert Bifa, an der Mündung der Era in den Arno, 
Station der Bahn ee: Techn" Vo bat eine 
120 m fange, 1839 erbaute Brüde über den Arno 
und eine Marmorbrüde über die Cra, Baummoll: 
webereien und (1881) 8695 (Gemeinde 11817) E. 
P., — —— Here — bis in 14. Jahrh. 
eine ftarfe ng Piſas gegen Florenz. 

Ponte a tadt = rtug. Siftritt 
Vianna do Eaftello, Provinz Entre Douroe Minho, 
fints am Lima (Limia), über welchen hier eine ftei: 
nerne Brüde von 24 Bogen führt, hat (1878) 
2441 E., eine jhöne Kollegiatlirde, eine Ölono: 
miſche Gefellfpait und Leinweberei. P. 
ſchon im 8. Jahrh. al3 Limia. 
Pon „Stadt in der engl. Grafſchaft 
got ibing, Station der Oftlinie (Mancheſter⸗ 

oole) der Lancafbire: und Yorkihirebahn, die hier 
nad) Leeds abzweigt, hat (1881) 8798 E., eine 
Lateinſchule, Viehmärkte, Handel mit Korn und 
— gi sr —— und Steinlohlen⸗ 

en. ich 
n 


ben. Nahebei befindet ſich ein Denkmal für die 
chlacht bei de be In dem jest verfallenen 
Bach ließ Heinrid IV. enttbronten 
> II. 14. Febr. 1400 den Hungertod jterben. 
nte in Baltellina, Gemeinde in der ital. 
Provinz und im Bezirk Sondrio, anı Südende des 
Val Fontana, hat Gemälde von Luini über dem 
Portal der Kirche, ein Sy und (1881) 
3456 E. P. iſt Geburtsort des Aſtronomen Piazji. 
An felfiger Halde unterhalb des nahen Pendolasco 
wãchſt der feurige Infernowein. i 
outededra, Hauptitabt der gleichnamigen 

rovinz (4504 qkm mit ei 451946 G.) d 

n. Königreich Galicien (f. d.), ift cine alte Ciu—⸗ 
dad von 19857 E,, liegt an der Meftküfte im bin: 
terften Winkel der Ria de P. an der Mündung 
de3 Rio Lerez, über den eine alte röm. Brüde führt. 
Die Stadt ih fehr ſchön gelegen und befigt 

farrlirchen, ein Spital, einen Hafen, Sarbellen- 
cherei, Gerberei, Scheidewafjer:, Hut: und Tud): 
rifen und Handel mit Vieh nach Portugal. 

Ponthien, im Mittelalter franz. Grafſchaft, 
ber nordweftl. Teil der Picardie, ging aus dem 
[eint, Pagus Pontivus hervor und bildet feit 1790 

weſtl. Teil des Depart. Somme; Hauptitadt 
war Abbeville, 

Bontiae, Stadt und Hauptort von Dakland 
County im nordamerit, Etaate Michigan, am 
Elintonfluß und an der Detroit: und Milmaulee: 
Eifenbahn, hat (1880) 4509 G., ein großes, ſchönes 
Schulhaus, zwei Nationals und eine Sparbant, 
eine Staatöirrenanjtalt, Gifengiebereien, Bier: 
brauereien, Wagenfabriten, Dahl: und Hobelmüh: 
len, große Glevatorgebäude u. f. w. i 

‚Bontiänat, die wichtigſte Unterabteilung der 
niederländ. Reſidentſchaft « Wefttüfte von Borneo » 

der Inſel Borneo in Hinterindien. Den haupt: 

lichſten Zeil diefer Unterabteilung P. bildet 
a3 malaiijche, den unterjten Teil des Slußge: 
bietes de3 Kapuas umfafiende Fürftentum Yon: 
tianaf, deſſen Sultan fein Reh als erbliches 
Zehn von der niederländ. -oftind. Negierung zu 
empfangen bat und nur wenig Selbjtändigteit be: 
bt Nördlich wird B. von den Heinen niederländ, 

jallenftaaten des Banumbahan von Mampaͤwa 
und de3 Bangeran von Landak, öftlich durch die 


von) — Bontifer 167 


Reihe des Panumbahan von Tajan und des Pan⸗ 
gerang von Melianw, füdlich durd) die Heiche des 

uwan von Kubu und des Panumbahan von 
Sintang und weſtlich durch den ſüdlichſten Teil der 
Chineſiſchen Südfee begrenzt. Die Hauptitadt 
Bontianal, wo der holländ, Reſident der Welt: 
fülte von Borneo feinen Sik_und der Sultan 
bes Reichs P. feine Nefidenz (Kraton) hat, liegt 
an dem linfen Ufer des Kapuas. 

—— röm. Biſchof 230—235, ſtimmte 
auf einer Synode 231 der vom Biſchof Demetrius 
von Alerandria über Drigenes (f. d.) ausgeſproche⸗ 
nen Verurteilung bei, Während feiner Amt: 
führung dauerte die unter Calliſtus (geft. 222) ausge: 
brochene Kirhenjpaltung in Rom noch fort. Mit 
feinem Gegenbiſchof Hippolyt (f. d.) zugleich in die 
Bergwerke Sardiniens verbannt, entjagte er da— 
ſelbſt 28. Sept. 235 feiner bifhöfl, Würde und 
ſcheint bald darauf gejtorben zu jein. Sein kirch— 
liher Gedächtnistag ift der 19. Nov. Die röm. 
Kirche ehrt ihn als Heiligen. 

outifeg hieß bei den Nömern ein Briefter, der 
zu dem nad) der Sage von Ruma eingeſetzten Kolle: 
gium der Bontifices gehörte, an deflen Spike, 
wenigitens jeit dem Sturze des Königtums, ein 
eigener lebenslänglicher Bontifer Sta imus 
ſtand, welder einen Zeil der ſakralen Befu niſſe 
und Öbliegenheiten der Könige überlommen hatte, 
wie er denn auch im alten Königshauſe, der Regia, 
neben dem Heiligtum der Befta wohnte, Der Name 
P., welcher eigentli Brüdenbauer bedeutet, foll 
ſich daher jhreiben, daß die gedachte Körperichaft 
die Brüde nah dem Yaniculum gebaut und zu 
unterhalten hatte, weil fie ſowohl auf beiden Ufern 
de3 Tiber als über dem Fluſſe jelbit heilige Hand— 
lungen verrichtete. Das Kollegium zählte urjprüng: 
lid) außer dem P. Marimus vier Mitglieder patrı: 
ciſcher Abkunft, bis 300 v. —* das Ogulniſche 
Geſet vier andere aus den Plebejern zu wählende 
binzufügte, worauf 253 Tiberius Coruncanius der 
erite plebejiihe PB. Marimus war. Sulla jteigerte 
die Zahl der Bontifices auf 15, Cäfar fügte ein 
weiteres Mitglied hinzu, und Vermehrungen nad) 
Willtür fanden auch unter den Kaiſern jtatt, die 
immer felbjt die Würde des P. Marimus annah- 
men und aud in der chriftl, Zeit moch deſſen Titel 
fortführten, bis Gratianus, der 383 n. Chr. ftarb, 
ihn ablegte. Die Pontifices waren nicht mit dem 
Opfers oder anderm Dienft einzelner Gottheiten, 
wie die Flamines, Salier u. f. w., noch mit der Be: 
fragung und Deutung des Götterwillens, wie bie 
Augures, beauftragt, jondern hatten verſchiedenen 
Hanptgöttern Opfer von Bedeutung für den Staat 
darzubringen und bildeten außerdem die oberite 
geiftliche Behörde, der die Aufrehterhaltung und 
Beauflihtigung des gefamten Kultus, des geift: 
lichen Rechts (jus pontificium), in welcher Hinficht 
fie auch eine Art Rechtspflege übten, des Halender: 
weien3 und der in das röm. Staatsleben vielfad) 
eingreifenden Geremonien zujtand. Gie waren zu: 
glei die widhtigite —— Behörde, die 
dem Senat auf Beiragen Austunft über jafrale 
Angelegenheiten gab und bei jolden Alten der 
Magiitrate affiftierte und mitwirlte, Die hierauf 
bezüglichen, dem Urſprunge nad) ebenfall3_auf 
Numa zurüdgeführten Sapungen waren jhriftlid) 
aufgezeichnet in den libri pontifieii, zum Zeil in- 
digitamenta genannt. Dem P. Marimus fan 
insbejondere die Aufſicht über die Beltalinnen zu, 


163 


und aud) nad alter, bis um das J. 120 v. Chr. 
—— Sitte die Aufzeichnung der wichtigen 
Begebenheiten des Jahres, woraus die ſog. anna- 
les maximi bervorgingen. Lange Zeit ergänzten 
fih die Bontifices nur durch looptation, bis 103 
der Vollstribun Gnäus Domitius Abenobarbus 
durd fein Geſeß die Priefterwahlen überhaupt an 
die Verſammlungen des Volls brachte, für welchen 
Zwed aber nur 17 Tribus zuſammentraten. Tas 

omitische Gefek wurde von Sulla abgeichafit, 
63 aber durch den Tribun Labienus erneuert, Als 
ber Kaiſer Aurelian das Prieftertum der pontifices 
Solis ftiftete, nannte man die alten Pontifices zum 
Unterſchiede pontifices Vestae oder majores, 

Vontififalien (in pontificalibus) bezeichnet bie 
priefterlide Amtstracht, namentlich der Biſchoöfe, 
insbefondere die Tracht, welche bei feitlihen Ge: 
legenheiten vorgeichrieben ilt. 

Pontififat (lirhenlat.), im allgemeinen bie 
rieſterliche Würde, bezeichnet hauptſächlich die 
liebe des Papſtes, der im Lateinifchen den Titel 
Pontifex maximus fah t. 
ontinifche hen ſ. P 2668 

ontiniſche Sümpfe (ital. Paludi Pontine, 

lat. Pomptinae paludes) ift der Name eines Land: 
—— in der Provinz Rom, der ſich zwiſchen dem 
bhang des Volskergebirges und der Meeresküſte 
von Nettuno bis Terracina in einer Länge von 45 
und einer Breite von durchſchnittlich 15 km erjtredt. 
Gr wird durdfchnitten von mehrern Gebirgsbächen, 
unter denen Amafeno und Ufente die bebeutenditen 
find; bei ihrem geringen Gefälle gewähren fie den 
itarfen von ben Vergen kommenden Niederjchlägen 
nur ungenügenden Abfluß und werden fo die Ur: 
fache der Ungeſundheit des Gebiets. An ben älteften 
Beiten gehörte die Pontiniſche Ebene den Volskern, 
war durch ein ausgebehntes Drainageiyftem, von 
dem noch an zahlreichen Stellen Spuren erhalten 
find, tulturfähig und durch intenfiven Anbau be: 
wohnbar gemadt. Plinus gibt, freilih mit Be: 
rufung auf eine ältere Quelle von zweifelhafter 
Zuverläffigleit, an, dab die Zahl der Städte in der 
Urzeit 24 betragen babe; von der bedeutenditen, 
Pomcetia, ijt der Sandjtrich benannt. Die Nömer 
führten um ben Befib des Gebiet3 hartnädige 
Kämpfe mit ben Bolstern; bald nad) der Groberung 
(383 v. Chr.) wurden röm. Koloniſten dorthin ges 
fhidt, und die Anfiedelungen waren fo bedeutend, 
dab 358 v. Chr. den beſtehenden 25 Tribus die 
Pomptina neu hinzugefügt werden fonnte. Als der 
Genjor Appius Claudius 312 v. Chr. die nach ihm 
benannte Heerftraße durch diefe Gegend leitete, legte 
er zugleich ein großartiges Netz von Abzugstanälen 
an; aber am Ende der republifanischen Zeit war 
die ganze Gegend ſchon als gefährlichiter Fieber: 
berd verrufen und großenteils verödet. Bon den 
Kaiſern haben befonders Nerva und Trajan große 
Verbienjte um die MWiederheritellung der Appiſchen 
Straße und die Drainage de3 Pontiniſchen Gebiets. 
Doch machte in der jpätern Haiferzeit die Verödung 
unaufbaltiam Fortichritte; einzelne Verſuche, zulekt 
unter Theodorih, brachten immer nur zeitweile 
Beſſerung. Geit dem Ende des 6. Jahrh. wurde 
fogar die Via Appia verlafien, der Verkehr zwiſchen 
Nom und GCampanien madte den Umweg über die 
Berge. Unter den Päpiten war Bonifacıus VIII. 
der erſte, der fich mit der Verbeſſerung der Genend 
um Sejje und Eermoneta (die Stammgüter feiner 
Familie) energiich beichäftiate und dur 


Anlegung. 


Pontififalien — Pontmartin 


eines großen Kanals wenigſtens eine teilweife 
Beſſerung berbeiführte (1295—1303); thätig dafür 
waren aud Martin V., Leo X., Sirtus V., nament: 
li aber Pius VI. Lebterer ließ die Via Appia 
wieberberitellen, einen großen Abzugskanal (Linea 
Pia) anlegen, die undurddringlichen fieberverbrei: 
tenden ufchwälder lihten und ermöglichte die 
Kultur auf einem größern Gebiete (1775—883). 
pen unter ber franz. Herrichaft wurben die Arbei: 
ten fortgejeßt, während man fpäter und bis in die 
neuefte Zeit ſich damit begnügt, bie beſtehenden 
Ginrihtungen zu erhalten. Das Yand ift fruchtbar, 
aber nur zum Kleinen Teil bebaut, weit außgedebn: 
ter iſt die Weidewirtihaft; am Meere dehnen fich 
roße Buſchwãlder (macchie) aus. Das eigentliche 
umpfland wird auf fiber 100 or geihät. Gine 
jpärliche, vom Fieber decimierte Bevölkerung wohnt 
in wenigen unbedeutenden Ortſchaften und einzel: 
nen Weilern; im Sommer zwingt die Malaria gan 
teilweifen Verlaffen auch diefer Wohnitätten. Bel 
Nicolai, «De bonificamenti delle terre Pontine» 
(Rom 1800); Brony, «Description hydrograph. et 
histor. des marais Pontins» (Par. 1823); de la 
Blanchere, «La malaria de Rome et le drainage 
antiquen (Rom 1882) und «Terracine» (Rom 1884). 
—5 Pilatus, ſ. Pilatus. 
ontivy, waͤhrend des erſten und zweiten Kaiſer⸗ 
reihs Napoleonville, Hauptſtadt eines Arron- 
diſſements im franz. Depart. Morbihan und ehe: 
mals befeitigter Hauptort des Fürftentums Roban, 
in fruchtbarer Gegend am ſchiffbaren Blavet und 
am Kanal von Nantes nad Breft, Station ber 
Linie ig der Orleans: und ber Linie St. 
Brieuc:P. der Weitbahn, 51 km im NNW. von 
Bannes, hat in der Altitabt noch ein altes, 1485 
rejtaurierte3 fürftlihes Schloß, in der auf Befehl 
Napoleons I. 1805 angelegten, aber nicht vollende: 
ten Neuftadt mehrere jhöne Straßen. P. iſt Eis 
eines a erfter Inſtanz und einer Ader: 
baufammer, bat ein Standbild des Generals 
Lourmel (1861 enthüllt), eine der ſchönſten Kaval— 
lerietafernen Frankreichs, ein Militär: und ein an- 
deres Gefängnis, ein Lyceum, ein Geſtüt, (1881) 
5720 (Gemeinde 8164) E., Weberei von »bretag: 
nifcher Leinwand», Yabrilation von Beinihwarz, 
Hüttenwerle, Gerbereien und beſuchte Märlkte, Han: 
del mit Garn, Leinwand, Leder, Eiſen, Getreide, 
Hanf, Honig, utter, Pferden und Schladtvieh. 
Pont: Abbe, Stadt im franz. Depart. Finis- 
tere, Arrondifjement Quimper, im Hintergrunde 
einer Bai, Station ber Linie Quimper-P. der 
Drleansbahn, hat (1881) 3586 (Gemeinde 5110) E., 
einen Handelshafen, Bienenzucht, Habrilation von 
Stärfe, Nudeln und Hanfleinwand, fowie lebhaften 
Getreidehandel, , 
Pont’ Evdque, Stadt und Arrondifjement:: 
—— des franz. Depart. Calvados, an der 
ouques, Station der Linien Liſieur-Villers-ſur— 
Mer und P.:Honfleur der Mejtbahn, hat (1881) 
2367 (Gemeinde 2933) E., Spipen: und Ceifen: 
—— P. hieß mittellat. Pons episcopi im 
agus Lexovius. 
ontmartin (Armand Auguite Joſeph Marie 
Ferrard, Graf von), franz. Edhrijtiteller, geb, 
16. Juli 1811 zu Avignon, ftudierte in Paris und 
fehrte nad) der Julirevolution in den Süden zurüd, 
wo er in der «Gazette du midi» (1835—38) die 
Sache der Legitimität eifrig verfodht. Später 
wandte er fid) wieder nad) Paris. war Mitarbeiter 


Pont-Noyelles — Bontremoli 


on verfchiedenen Zeitungen und veröffentlichte: 
«Contes et r&veries d’un planteur de choux» 
(1845), «Mömoires d’un notaire», «Contes et nou- 
velles» (1853), «Causeries litteraires», die feit 
1854 in verfchiedenen Folgen erſchienen, u. f. w. 
Bor allem zu erwähnen find: «Les Jeudis de 
Madame Cherbonneau» (1862), eine polemifche 
Edrift, worin er unter der Form eines Romans 
ben litterarifchen Fournaliamus befämpfte. Außer: 
dem find zu nennen: «Entre chien et loup» (1866), 
«Lettres d’un intercepte» (1871), «Souvenirs 
d’un vieux m&lomane» (1878), «Souvenirs d’un 
vieux —— (1881 fa.) u. ſ. w. 
‚Bont:Noyelled, Dorf mit 700 E. im Arron: 
biffement Amien3 de3 franz. Depart. Somme, an 
der Hallue, 12 km nordöſtlich von Amiens, war im 
Deutih:Sranzöfiidhen Krieg 23. Dez. 1870 ein wich: 
tiger Punkt in der Schlacht an der Hallue (f. d.), 
die danach auch oft Schlacht bei P. genannt wird, 
Bontoife, Stadt im franz. Depart. Seine:et: 
Dife, Hauptort eines Arrondiſſements, 30 km im 
RNW. von Paris, Station der Linie Saint:Ouens 
(Aumöne:P. der Norbbahn und der Linie Paris: 
B.:Dieppe der Weftbahn, am rechten a ber Dije, 
die bier die Viosne aufnimmt, und über die eine 
ESteinbrüde von fünf Bogen zur Vorftadt Aumöne 
führt, hat, an einem felfigen Hügel hinaufgebaut, 
meiſt enge, krumme, zum Zeil fteile Gafien, eine 
Kirche aus bem 12. bis 16. Yahrh., ein Kommunal: 
nt eine öffentlihe Bibliothel, eine Kammer 
und Gefellihaft für Aderbau, ein Theater, ein 
großes Krankenhaus, (1881) 6675 E., viele Mühl: 
werte und Gipsbrüde, Yabrifation von Mühlen: 
apparaten, Leder, Chemifalien, Weineflig, Strumpf: 
waren und Eeilen und bedeutenden Handel mit 
Korn, Mehl, Vieh, Leder u. ſ. w. Der Martini: 
markt, ber jährlich 11. bis 13. Nov. auf einer großen 
Diele an der Dife gehalten wird, ijt der eigentüm: 
lichſte und bedeutendite in ber Umgebung von Paris. 
In geringer Entfernung von der Stadt liegt bie 
2139 E. zäblende, früher als Vorftadt von P. gel: 
tende Kommune Saint:Ouen:l'Aumöne,Sta: 
tion der Linie Ermont:Argenteuil der Nordbahn, 
mit jhönem —*8 Park und den Ruinen der 
GCütercienferabtei Maubuiſſon, bie, 1236 von 
Blanca von Gaftilien, Mutter Ludwigs IX., ſechs 
Tage vor ihrem Tode gegründet, das Grab diejer 
Königin, fowie vieler anderer fürjtl. Berfonen ent: 
Diet, aber während der Unruhen der Fronde ver: 
fien und in der Nevolution 58 wurde. P. 
war im Altertum das Briva (d. h. keltiſch Brüce) 
NYarae (der Dije) der Belocafies, hieß im Mittel: 
alter Pons Iſarae, auch Pontijara, Bons Hyferae, 
Pontefia und Pons Ifiä, und wurde 844 und 885 
durch ein feites Schloß gegen die Normannen fe 
bedt, 885 aber von den Nlormannen erobert. Um 
899 erhielt der Ort die Abtei St.:Mellon. Später 
war B. Hauptort von Berin:srangais, defien Be: 
fiper ſich einft Grafen von P. nannten, und hatte 
ein königl. Reſidenzſchloß, worin Karl V. von Frank— 
teih mit Karl II. von Navarra 21. Aug. 1359 
Friedensverhandlungen pflog und 31. Juli 1413 
der Dauphin Karl (VII) mit den übrigen Prinzen 
Frieden ſchloß. Die Engländer eroberten die Stadt 
1419, wurden zwar 1423 vertrieben, a fie 
aber wieder unter Talbot 1437, Karl VII. er: 
oberte fie nach dreimonatlicher Belagerung 19. Sept. 
1441 und Heinrid) IV. 1589. In P. wurde 1560 
ein Reichstag gehalten. Während der Unruhen 


169 


ber Fronde nahm Ludwig XIV. hierher feine Bu: 
—* und 1672, 1720 und 1751 wurde das pariſer 
arlament hierher verwielen. 

Bonton (frz), Schiffgefäß von Holz oder Cifen- 
blech, wird als Unterftüßung ſchwimmender Brüden, 
Ponton: oder Shiffbrüden, gebraudt. In 
den neuern Heeren führt man P. und das übrige 
Brüdenmaterial fo zugerichtet mit, daß der Bau 
einer Kriegäbrüde ohne weiteres au&geführt werden 
fann. Das preußische P. hat eine Länge von 7,5 m, 
eine Breite von 1,5 m, eine innere Höhe von O,8ı m, 
Es beſteht aus verzinttem Eiſenblech und hat ein 
Gewicht von 450 kg. Der Tiefgang des P. bei 
belafteter Brüde ift 0,0 m. Die P, zu Kriegs: 
brüden werden auf Bontonmwagen oder Hakets 
transportiert. Eine gewille Anzahl diefer mit den 
fonft noch notwendigen Fahrzeugen, der Beſpan— 
nung und dem Begleitperfonal bilden einen Bon: 
tontrain ober Brüdentrain. Die zum Brüden: 
bau fpeziell beſtimmten Truppen führen in den mei: 
ften Staaten den Nanıen Bontoniere (in Kiter: 
reich Pioniere) und gehören entweder den tedyni: 
ihen Zruppen ober, wie in Frankreich, der Feld: 
artillerie an. (S. Genie, Kriegsbrüden.) 

Pontoniertwiffenfchaft, die Lehre vom Bau 
der Kriegsbrüden; fie bildet einen Teil der Inge: 
nieurmwillenichaft. 

Bontormo oder Buntormo (nacopo Gar: 
rucci da), florent. Maler, geb. 28. Mai 1494 zu 
PBontormo im Arnotbal, geit. 2. Jan. 1557 zu Slo: 
renz, Schüler des Andrea bel Carto, eignete ſich 
defien Etil an, den er aber im Laufe der Jahre 
unter dem Einfluß der Werke Fra Bartolommeos 
und Michel Angelos modifizierte. Von feinen Kir: 
chenbildern und Porträts befinden fih_mande in 
Florenz und aud anderwärts, feine Hauptiwerte 
waren aber Freslen, von denen bie Schöne Viſitation 
im Vorhof der Santiffima Annunziata noch beiteht, 
andere in ber sen worin er Dürer nahahınte, 
im Chor von San: Lorenzo ꝛtc. untergegangen find. 
Sein befter Schüler war Angelo Allorı (Bronzino). 

Bontorfon, mittellat. Pons Ursonis im P’azus 
Abrincatensis (Avranchin), Hafenftadt im franz. 
Tepart. La Mande, Arrondifiement Aorandes, 
rechts am kanaliſierten Couesnon, unmeit deſſen 
Mündung in die Baie de St.Michel, Station der 
Linie Et.:2ö:Lamballe der Weftbahn und der Yolal: 
bahn Vitre Fougeres: Mont⸗St.Michel, hat (1831) 
1650 (Gemeinde 2563) E., Fabrikation von Blon: 
den und bedeutenden Gierhandel nad) England, 

ontoß, |. Pontus. I , 

ontremöli, SHauptitadt bes gleichnamigen 
Bezirt3 der ital. Provinz Mafia und Carrera, 
teile am Abhange de3 Gebirges, teils im Thale und 
am Fluſſe Magra, Station der Dahn Yarma: 
Spezia, Siß eines Biſchofs, hat cine Kathedrale 
(dell‘ Aſſunta) mit großer Kuppel und zählt (1881) 
3828, ald Gemeinde 14355 E., weldye von Ger: 
berei, Wein: und Seidenbau leben. Das Fort 
Bonnette beherrfht den Pabvon % ontrentoli 
auf der Hauptitraße, welche im Mittelalter Via 
Francesca oder Nomea hieß. P., mittellat. Pontre- 
mulum, wirdzumerjten nal 1077 genannt, wo es dem 
Haufe Ejte gehörig, diefem vom Kaiſer Heinrich IV. 
beftätigt wurde, Im Dez. 1110 erjtürmte Kaiſer 
Heinrich V. den Pla. Die Befeſtigungen rühren 
zum Teil von dem berühmten Gajtruccio ber. Die 
Stadt gehörte 1339—1404 ji Mailand, 1404—30 
den Fieshi, dann abermals zu Mailand, ward 


170 


24. Juni 1495 von den Schweizertruppen des franz. 
a. Karl VIIL geplündert und in Aiche gelegt 
und fam 1650 durd Kauf von Philipp IV. von 
Spanien an Toscana, 1847 an Barma und 1860 
an das eg Dane : 
Pontrefina, Dorf im Bezirt Naloja des jhweiz. 
Kantons Graubünden, im Ober:Engadin, am Fu 
des Piz Languard und an der Straße über den 
Bernina, 1802 m hoch gelegen, ein im Sommer 
vielbeſuchter Plak , die ey rg für ag wen 
in das Ober: Engadin. Vgl. Ludwig, «PB. und feine 
Umgebung» (5. Aufl., Chur 1881). 
ontrieug, Ping mit Hafen im franz. 
Depart.Cötes-du:Nord, Arrondiffement Guingamp, 
rechts am Trieur, bat (1881) 2243 E., ein Schloß 
aus dem 15. Jahrh. und einen Fohlenmarkt. 
Bont : Sainte : Magence, mittellat. Pons 
Sanctae Maxentiae, Stadt im franz. Depart. Diſe, 
Arrondiffement Eenlis, an jteilem Bergabhange 
lint3 an der Dife, Station der Linie Paris-Erque— 
lines der Norbbahn hat (1881) 2340 E. und ſtarken 
Handel mit Leder, Wolle, Getreide und Wein, 
Pont⸗Saint⸗Esprit, Stadt im franz. Depart. 
Gard, Arrondijlement us, rechts am Rhöne, 
Station der Linie Le:Teil:Nimes der Paris-Lyon-— 
Mittelmeerbahn, bat (1881) 3627 (Gemeinde 
4726) E., eine von Ludwig XIII. angelegte Cita: 
belle, eine 1265—1309 erbaute fteinerne Rhoͤne⸗ 
brüde von 840 m Länge, Seibenfpinnerei und leb: 
ften — mit Getreide, Wein und Öl. P. ge: 
örte ehemals — Vizegrafſchaft Uzes. 
Pontd:de:&e (Les), Stadt im franz. Depart. 
Maine:et:Loire, Arrondifiement, ur al auf drei 
Inſeln der Loire, welche durch vier Brüden mitein: 
ander verbunden find, Station der Linie Anger®: 
Montreuil:Bellay der Franzöfiichen — — 
at (1881) 1812 (Gemeinde 3483) E., ein Schloß, 
eilerei, Gerberei und Weinhandel. — den 
Frieden von P. (Aug. 1620) erwarb ſich Richelieu 
die Rüdlehr in ben Staatsdienſt. 
Bont-fur-Seine (Pont:le:Roi), Drtſchaft 
im franz. Depart. Aube, Arrondiſſement NRogent: 
— — an ber Seine, Station der Linie 
aris⸗Petit⸗Croir der Ditbahn, hat etwa 900 E., 
ein Schloß und nahebei eine Stalaktitengrotte von 
2 km Länge; füdlid von P. liegt die Ruine der von 
Abälard gegründeten Abtei Baracletus, 
Pontus (gr. Pontos, d. i. Meer) bezeichnet 
urfprünglich ald Name eines Landes ben an bie 
füdl. Küfte des Pontus Eurinus oder des Schwar: 
jen Meers ſtoßenden nörbl. Teil von Kappadocien 
(f. d.) im nordöſtl. Kleinafien, zwiſchen Paphlago— 
nien im W., Kolchis und Armenien im O., und 
wurde von dem Binnenlande der Kappodocier oder 
Leulofyrer zunädft ald Kappadocienam Bon: 
tu 8 unterjhieden, dann kurzweg P. genannt. Je 
nachdem der Beſiß des Landes unter fremden Sa: 
trapen und felbjtänbigen Herrichern wechfelte, ma: 
ren auch feine Grenzen fehr verſchieden. Inter den 
Ipätern Perjerlönigen bildete es eine abgefonderte 
Statthalterihaft. Übrigens ſcheint die Herrihaft 
dieſer Achämeniden gegenüber den Völlerſchaften 
der pontiſchen Gebirge eine ſehr unſichere und lodere 
geweſen zu ſein. Wenigſtens waren viele derſelben 
zu Tenophons Zeit (400 v. Chr.) jo gut wie unab: 
bängig und lebten unter eigenen Stammbhäuptern 
in een ehden mit den griech. Koloniſten, die 
frübgeitig an der pontiſchen Küjte zahlreiche Bilanz: 


ftädte gegründet hatten. Einheimiſche Dynaſten 


Pontrefina — Bontypool 


des weftlich angrenzenben Baphlagonien (wie — 
las um 400 v. Chr.) hatten ihre Herrſchaft damals 
auch über einen Zeil von P. ausgebreitet. Wäh— 
rend ber Regierungszeit des Perſerkönigs Ar: 
tarerge3 IL gelang es 363 dem Satrapen von Phry⸗ 
gien, Ariobarzanes, ſich mehrere jener pontiſ 
paphlagonifhen Bölterjchaften zu unterwerfen. 
Sein Sohn, Fürft von Archina und Kios, fiel gegen 
Antigonus, 302; aber nad) der Schlacht i $ohus 
(301) wußte jenes Füriten Sohn, Mithridates IIL 
Ktiftes, durch geſchidte Benugung der Zeitverhält: 
nifje während der Kämpfe der Diadochen ein Reich 
zu gründen, fodaß feine Nachfolger ſich « Könige 
von Baphlagonien und Kappabocien am B.» nen: 
nen fonnten, Auf un folgten Ariobarzanes III, 
Mithribates IV., Pharnaces I., Mithridates V. 
(156) und ſeit 120 v. Chr. Mithridates VI. oder 
der Große (f. d.), unter welhem das Reich P. ſei⸗ 
nen größten Umfang und feine höchſte Blüte er 
reichte, aber he dem blutigen Kampfe mit den 
Römern feinen Untergang fand. 

Der Sieger Pompejus vereinigte 65 v. Chr. das 
Land weitlih vom Fluſſe Halys als einen Teil der 
Provinz Bithynien mit dem Römiſchen Reiche, 
während er andere Teile verjdiedenen Fürften 
Aſiens überwied. Der an die Provinecia Bi- 
Ft et Pontus anſtoßende Teil bis zum obern 
Halys mit einem Teil der Küfte fiel an Dejotarus 
von Galatia und hieß nun Pontus-Galaticus. 
Das Land der Holcher (der jegigen Laien) und an: 
derer benadhbarter —— an der Süboftede 
des Schwarzen Meer erhielt einen eigenen Köni 
in der Perſon des Ariſtarchos. Der mittlere Tei 
des Landes lam fpäter durch den Triumvir Ans 
tonius an einen König Polemo und erhielt den 
Namen Bontus»Polemoniacus, der dem 
Lande noch blieb, als e3 längjt mit dem Römifchen 
Reiche vereinigt war. Den Bolemoniichen B. jelbft 
trat der Eohn von Polemos Witwe Pythodoris, 
Polemo II., an Kaifer Nero ab, der 63 n. Chr. 
2 ur röm, Provinz machte, die zunächſt einen 

eil von Galatien, Ipäter mit dem P.Galaticus 
von Kappadocien bildete. Ende des 3. Jahrh. 
bilden dann die P.-Landſchaften wieder zwei Pro: 
vinzen, von benen bie öftlihe den Namen P.:Bole: 
moniacus behielt, die andere Hellenopontu3 
genannt wurde, Als die Lateiner 1204 Konjtan: 
tinopel eroberten, jtiftete Alerios Komnenos ein 
neues Reid in P., das Kaifertum Zrapezunt 
(ſ. d.), welches fich bid auf Mohammed II. erhielt, 
der e3 1461 mit feinen großen Groberungen ver: 
einigte. Gegenwärtig entiprehen dem alten Lande 

. im allgemeinen das türk. Vilajet Trapezunt 
(Zarabufun) und die angrenzenden Teile ber Vila: 
jete Siwas und Erzerum. Die dort befindlichen 
Veh alreiden Altertümer find in den Reiſewerken 
über Kleinafien, befonders aber von Hamilton in 
den «Researches in Asia minor, P, and Armenia» 
(2 Bde., Lond. 1842; deutih von Schomburgt, 
2 Boe., Opy. 1843) erläutert worden. Bol. Meyer, 
«Gejchichte des Königreichs P.» (Lpz. 1879), 

Pontus Euxinus, Schwarzes Meer (f. 7 

Pontypool, Stadt in der engl. Grafidaft 
Monmouth, auf einem Felfen zwiihen dem Avon 
und dem Monmoutbibirelanal, Station der Linie 
Hereford : Newport der Great: Weiternbahn, welche 
dien nad) —— und Roß abzweigt, und der 

inie Newport: P.Blaenafon der Monmoutbibires 
bahn, hat (1881) 5244 E., Eifenwerle, Steintohlens 


Pony — Pope 


und Eiſengruben und ehemals berühmt Fabri— 
lation von Yadierwaren (Bontypool:Waren). Nabe: 
bei fiegt die Ruine Galdicot:Gaitle. 
Pony (engl), ein Pferd von jeher Heiner Statur, 
oft nur 85 biß 100 cm, niemal® über 110 cm 
och, alfo zwerghaft. Die Ponies bilden eigentüm: 
Rafien und finden fih auf den Shetlands: 
infeln, ben Inſeln der Bretagne, in Island, Nor: 
wegen, Schweden und auf Gorfica in den Heiniten 
laren. Cal Pferd, Bd. XII, 6. 889°, 
und Tafel: Bferderafijen, Fig. 9 u. 11.) Grö— 
ber ſchon find die Ponyrafien von Wales, Gallo: 
. way, Sardinien und der fpan. Gebirge. Bon 
110 bis 150 cm hoch find die fog. Doppel: 
ponies der Koſalen, Polens, der Ulraine, Litauens, 
Ungarns und Griechenlands. Die Ponies ſind 
lebhaft und gelehrig; wenn auch zu ſchwerem 
unbrauchbar, ungen fie doch leicht Neiter 
ſichet und gehen gut im Wa fie auch 
vielfach aus Liebhaberei gehalten werden. 

Juſeln, eine im Tyrrheniſchen Meere, 
ber Neede von Terracina und dem Vorgebirge Cir: 
cello ſudlich genenüberliegende und zur ital. Bro: 
vinz Gajerta ehörige Snfelgruppe, bei den Alten 
Pontiae insulae, daher oder angeblich weil fie ſich 
in der ber paar Sümpfe befinden, 
—— che Inſeln —— find vullaniſchen 

, mit Lava, Edhladen, Bimsſtein, Tuff, 

alt und Aſche bededt, meift aus nadten Feljen 
beftehend, wegen ihrer poröjen Subftanz fort und 
ber Zertrümmterung durd) die Meereswellen 
ausgefegt und nur in geringem Maße angebaut. 
Sie bilden zufammen ein Mandamento des Bezirls 
( es (1881) 3779 E. zählte. Die Haupt⸗ 
onza, 6 km lang, aber nur 500 m breit, 
en befeftigten, nur für ag 
Hafen, in Felſen gehauene Zellen (die 
ilatusbäder) und eine Menge ——— 
ihre ferung lebt in mehrern Heinen Ortichaf: 
oder in —— und treibt Landbau, 
Fiſcherei und Handel. Pontia war unter den Rö: 
mern ein Berbannungsort, wo unter andern Nero, 
Sohn des Germanicus, durch Tiberius, die Schwe: 
ftern des Galigula durch diejen ihren Bruber, Flavia 
Domitillia durd Domitian ihren Tod fanden. Am 
26. Febr. 1813 nahmen die —— die Inſel 
weg, räumten fie aber 1814. Die Is Vento: 
tiene, das alte Bandataria, wohin die berüch— 
—— Tochter des Auguſtus, ferner Octa: 
durch Nero, Agrippina, die Gemahlin des Ger: 
manicus, durch Tiberius verbannt waren, 3 km 
lang und 400 m breit, wie es ſcheint der fiberreft 
Kraters, ift ganz baumlos, jedoch 
u e, Mein: und Kornbau benupt. San: 
tefäno ift eine Savamafje von 3 kın Umfang, 
einen En En non —* 
durch Felsbaſtionen b Zannone (lat. 
Sinonia), nur 1,5 km im Umfang meſſend, trägt 
auf dem Gi nie eines hoben Feljens die Trümmer 
eines alten Sloftere. Palmarola (Palmaria), 
mit wilden, abſchredendem Charakter, gilt in der 
als ein Sih des Teufels. 

‚, Stadt in der walifiihen Grafſchaft 
Montgomery (f. d.). j Ruyſch (j. d. 

el), Malerin, Tochter von 

Stadt in der engl. Grafſchaft 
an einer fern But ve —— — der 
Somerſet n (BP.⸗Burnham), Sit eines 
deutſchen Vizekonſuls, 8 (1881) 12303 E. einen 


en, weshal 


Ei 


2 


vn 


H 


iedr. 
orſet, 


J. | Neigung gezeigt hatte, Nachdem er 


171 


der beften Häfen an der Süblüfte —— Schiff⸗ 
bau, Fabrikation von Segeltuch, Auſternfiſcherei 
und Handel. P. rüftet Schiffe aus zum Fiſchfang 
an den Hüften Grönlands und Neufundlands, 

0018:Hole, f. unter Burton, 

oona, ſ. Puna. 

op oder Pope, verwandt mit dem deutſchen 
Pfaffe (f. d.), ift in der griech. Kirche der allgemeine 
Name des Weltgeiſtlichen; Brotopopen —— 
die höhern Prieſter, die in der alten Kirche Archi— 
preöbyter genannt wurden. Da der Name P. mit 
der Heit eine etwas verädtlihe Bedeutung er: 
halten hat, jo werden in Rußland die Weltpriefter 
jest in ber offiziellen Sprache Jer eĩ (vom griech. 
tepös) und Protoierei genannt; doch üt die —— 
end, Im Volle noch die allgemein gebräuch— 
liche. Die P. erhalten ihre Dune in den Prieſter⸗ 
jeminarien und müſſen fi, jobald fie eine Stelle 
als Geiſtlicher erhalten, verheiraten, dürfen aber, 
Witwer geworben, zum zweiten mal nicht heiraten. 

Popayan, Hauptitadt und Biihofsfik des co: 

lumbijchen FöderativftaatesCauca (f.d.), Ikm vom 
linfen Ufer des obern Rio Cauca in der großen 
Thalebene zwifchen der Cordillera von Quindiu und 
Choco, am Fuße der Bulfane Burace (4700 m) und 
Sotarä (4435 m) in einer der berrlichften Gegenden 
der Erde gelegen und durch die reibenden Flüßchen 
Ejido und Rio Molina mit trefflihem Trinkwaſſer 
verforgt, hat bei feiner Lage unter 2° 26° 27” nördl. 
Br. in 1740 m Seehöhe ein jehr mildes Klima, jo: 
dab in der Umgegend Weizen, Apfel und Erbbeeren 
ebenfo vorzüglich wie Kaffee und alle einheimiſchen 
Kulturpflanzen der gemäßigten Bone gedeihen. P. 
wurde 1536 von Sebaitian — ——— gegründet, 
1547 zum Bifchofafik erhoben, und blühte unter der 
ſpan. Herrichaft durch feine Goldminen und als 
Stapelplag an der großen Handelsſtraße zwiſchen 
dem Magdalenenthal und Quito, ift aber durch 
den Verfall des Bergbaues und der Gewerbe und 
infolge der Erdbeben (1827 und 1834) und ber 
innern und äußern Kriege ſehr .. elonımen, 
Bon öffentlichen Gebäuden find der Palaſt des 
Biſchofs, das ehemalige Münzgebäude, vor allem 
aber die jhöne Caucabrüde bemertenswert, jowie 
von öffentlichen Anftalten ein Kollegium, ein Prie⸗ 
fterfeminar und ein Hofpital. Die (1870) 8485 E. 
leben, da der frühere Tranfit fajt ganz aufgehört, 
hauptſächlich von Landwirtſchaft und vom Handel 


mit den Bodenerzeugnijien. 
ag Geiſtlicher, ſ. Bop. 
ope (Alerander), berühmter engl. Dichter, 


wurde zu London 21. Mai 1688 geboren. Sein 
Vater, ein Zeinwandhändler, war ng gr und 
gab bald nad) des Sohnes Geburt jein Geſchäft 
auf, um ſich in Binfield bei Windfor niederzulaſſen. 
Er war Hatholit und der junge P. erhielt feinen 
eriten Unterricht vom —— Vom achten 
yabre an fam er in die Schule zu Tiwyford bei 

inchefter , mußte aber dieje Anftalt bereits in fei: 
nem zwölften Sabre wegen eined Pasquills auf 
feinen Lehrer verlaflen und befuchte fortan eine 
Schule ma Seine Lieblingabeihäftigung blieb 
die Poeſie, für welche er ſchon ſehr — Anlage und 

i ich an liber: 
fehungen verfucht, dichtete er im 16. Jahre feine 
« Pastorals » (gedrudt 1709), bie durch die Schön: 
au des Veräbaues und der Schreibart allgemeine 

ewunderung erregten. Im J, 1711 erſchien fein 
«Essay on criticism», der noch jet alö eins der 


172 


—— Lehrgedichte der Engländer betrachtet wird. 
id nachher ſchrieb er den «Rape of the lock», 
ein ſatiriſch-komiſches Epos, veranlaßt durch einen 
an einer vornehmen Dame verübten Lodenraub. 
Au Y. 1713 * das beſchreibende Gedicht 
«Windsor forest», deſſen größerer Teil bereits 1704 
entitanden war und in welhem P. fein Vorbild, Den: 
—— «Cooper’s Hill», bei weitem übertraf. Jeßzt 
egann er die liberfegung bed Homer, die ihn 
12 Jahre lan, 1713— 25, befhäftigte; bie Ilias 
überjegte er allein, bie Fig in Verbindung mit 
Broome und Fenton. Bon dem Ertrag diefer liber: 
feßung une er ein Landgut zu Twidenham, das 
er nun mit feinen Eltern bezog. Zu feinen beiten Ge: 
dichten gehört die«Epistle from Eloisa to Abelard» 
(1716). Die Ausgabe von Shalſpeares Werten, die 
er bald darauf unternahm, bradte ibm wenig 
Ruhm und verwidelte ihn in einen heftigen Streit 
mit Theobald, einem andern Herausgeber Shal- 
fpeared. Dieſe und andere teils littergriſche, teils 
erfönliche Feindfchaften, die B. meiſt erſt durch 
eine in Gemeinfhaft mit Swift herausgegebenen 
«Miscellanies » ß Bde., Lond. 1727) veranlaßt 
atte, brängten ihn mehr und er. zur Satire bin. 

m J. 1728 veröffentlichte er die drei erften Bücher 
einer «Dunciad»; das vierte Buch folgte erft 1742, 
In der —2* aber waren «Imitations of Ho- 
race», Gpilteln und moraliihe Verſuche in ziem: 
licher nn. erſchienen. Nur ein einziges feiner 
jpätern Gedichte gehört nicht oder wenigſtens nur 
teilweife ber fatirifchen Gattung an, nämlich das 
1733 erfchienene philof. Lehrgedicht «Essay on 
man», Gr ftarb auf feinem Pandgute zu Tiwiden: 
ham 30. Mai 1744. Als Tichter nimmt er einen 
der erſten Pläbe unter ben engl. Dichtern zweiten 
Ranges ein; an Schönheit der Form aber it er von 
feinem engl. Schriftfteller übertroffen, von wenigen 
erreicht worden. Ausgaben feiner Werke beforgten 
unter andern Warburton (Lond. 1751), Warton 
(1797), Bowles (10 Bbde., 1806), Noscoe (2. Ausg., 
8 Bbe., 1846), Croker und Whitwell Elwin; feine 


dichterifchen Merte erſchienen in zahlreichen Aus: 
aben; mit Anmerkungen von Dyce 1851, mit 
Niograpbie von Pupton 1867; ferner von Ward 


Lond. 1869) und Nofietti (Lond. 1873); eine deutſche 
Überfeßung lieferten Ölder8 und Böttger (4 Bde., 
Lpz. 1842). Bol. Carruthers, «The life of P.» 
(2. Aufl., 4 Bde, Lond. 1857); Deck, « Alerander 
PB.» (Lpʒ. 1876). , 

Poperinghe, Stadt im VBezirl Mpern ber belg. 
zen Weitflandern, 12 km weitlid von Ypern, 

tation der Linie P.  Hagebroud der Franzöfi: 
er Nordbahn und der Linie Courtrai:'P. der 
Flandriſchen Dftbahn, hat drei got. Kirchen und 
zählt (1883) 10912 E., welde Hopfenbau, Baum: 
wolljpinnerei, Leinwandbleicherei und Zöpferei 
treiben. Die Stadt erfcheint fhon 1147 unter den 
Städten der Grafichaft Zlandern; wegen ihrer Bar: 
teinahme für Philipp von Artevelde wurde fie 1382 
von den Truppen Karls VI. von Frankreich geplün: 
dert und niedergebrannt, 

Bopiel, fagenhafter poln. Fürft in Gnefen, der, 
von dem Piaſten Semowit der Krone beraubt, auf 
einen Turn im See Goplo (f. d.) floh und dort von 
den Mäufen gefrefien wurde, 

Poplar, ein Teil des öftl. London, nörklid) 
von den Welt: India: Dods, mit zahlreihen An: 
jtalten, die mit dem Seewejen in Verbindung jtehen, 
zählt (1881) 156525 E. 


Poperinghe — Poppelsdorf 


mit Ginfhlag aus feinem Kammgarn, Slafchmir: 
wolle oder rer e. 

Popo (Little Popo und Great Popo), 
f. unter Little Bopo. j 

Popocatöpetl, ein 5421 m hoher Bullan in 
Merito, f. Anabuac, 

opoli, Stadt in der ital. Provinz Aquila degli 
Abruzzi, Bezirk Solmona, rechts an der Pescara, 
die bier den Namen Aterno verliert, Station der 
Linie Caftellamare:Adriatico:Aquila, an der Ver: 
einigung der Straßen von Pescara, Aquila, Avcz: 
jano und Golmona, k— (1881) 7178 G., eine 
aus QDuaderfteinen aufgeführte Hauptlirhe aus 
den 15. bis 17. Jahrh. Mein» und Getreidebau. 
Den Ort überragt die verfallene Burg der Gantelmi, 
bie von P. den Herzogstitel führten. 

Popovitich (Stefan), ferb. Kultusminifter und 
pãdagogiſcher Schriftiteller, geb. 11. Aug. (30. Juli) 
1844 zu Schalag in Serbien, widmete ſich in Ber: 
lin, Hürich und Gotha philof. und pädagogiichen 
Studien und trat 1868 in den Staatsdienſt beim 
Kultusminifterium, Er rief eine Lehrerbildungs— 
anftalt ins Leben und wurde an derjelben 1870 
um Profefior ernannt. Im J. 1874 gab er dieie 

tellung auf und lebte ein Jahr in Leipzig; 1875 
zum Sefretär im flultuäminifterium ernannt, wurde 
er 1877 Direltor der Lehrerbildungsanitalt, 1880 
Sefretär und 1883 Referent im Kultusminifterium, 
befien PBortefeuille ihm im Oft. 1884 anvertraut 
wurde. Das neue, Ende 1882 ind Leben getretene 
Volksſchulgeſeß ift zum großen Zeil ein Wert P.“ 
Als Schhriftiteller gab B. eine Methodik der Volls— 
ſchulen, verſchiedene Handbücher für Lehrer und 
Schüler, namentlid das Rechnen betreffend, heraus. 

Popowka iſt ein Panzerſchiff von bejonderer 
Form, nad) dem Erfinder, dem ruſſ. Admiral Bo: 

0, fo benannt, Die P. find im Rumpf linfen: 
örmig gebaut, von etwa 37 m Durchmeſſer, flach: 
geben und werben durch vier Schrauben bewegt. 

ie find ſchwer gepanzert und tragen in der Mitte 
einen Banzerturm, aus dem zwei parallel ſtehende 
Geichlike über Bord feuern, Der Zwed der runden 
Form tjt vermehrte Drehbarfeit, jedoch haben jie 
nur geringe Schnelligkeit. _ Bis jekt exiſtieren nur 
zwei P. als Zeile der ruſſ. Schwarze: Wieerilotte; 
auch werden fchwerlicd mehr gebaut werden, da fie 
den Erwartungen nicht entiproden haben. _ 

— — ruſſ. Selte, f.u.Raflolniten. 

epp-, bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab: 
fürzung für Eduard Friedrich Pöppig. 
oppän Sabina zog als Gemahlin des M. 
Salvius Otho (j. d.) 58 n. Chr. die Aufmerkſam— 
feit Neros auf jih, welcher feine Gemahlin Oc: 
tavia (f. d.) wegen angeblihen Ehebruchs hinrichten 
ließ (62) und ®. heiratete. Doch ſtarb fie ſchon 65 
an den Folgen eines Fußtritts, welden Nero in 
der Truntenbeit ihr veriet batte, 

Poppelsdorf, Dorf in der preuß. Rheinpro— 
vinz, unmittelbar bei Bonn am Fuße des Kreuz— 
berg3 reigend gelegen, it mit bieler Stadt durd) 
eine prächtige Doppelallee von alten Kaitanien, 
anmutige Spaziergänge und jtattlihe Häuferreiben 
verbunden, ſodaß e3 als eine Vorftadt derjelben be: 
trachtet werden kann. Im Orte, welcher (1880) 
2701 6. zählt, befindet fih ein altes kurfürſtl. 
Schloß, welches jeht der Univerfität Bonn gehört und 
deren ſämtliche naturbijtor. Sammlungen, ſowie 
die Näume zu Borlefungen über die entiprechenden 


Voplin oder Bo R eline, eın glatter Seibenftoff 


Poppenburg — Borcier 


Disciplinen begreift; basfelbe wird von bem durch 
feine ausgedehnten Palmen: und Treibhäufer 
lehenswerten botan. Garten umgeben. Dem 
Schloſſe gegenüber erheben fi die Itattlihen, zur 
Univerjität Bonn gehörigen neuerridhteten Baus 
ten: dad dem, Laboratorium, dahinter die Ana: 
tomie und diejer zur Seite das phyfiol. Inſtitut, 
fowie die landwirtſchaftliche Akademie. _ Die Ata: 
demie trat Ditern 1847 unter Leitung Schweihers 
ind Leben, Die Lehrer der Anftalt gehören zum 
Zeil der Univerfität Bonn an; die Studierenden 
fund bei der Univerfität immatrifuliert und ** 
beide Anſtalten miteinander verbunden. ß 
Hartjtein, «Die landwirtihaftlihe Alademie zu P.» 
(Bonn 1864); Düntelberg, — zur Feier 
des - rigen Beftehens der königl. landwirtſchaft⸗ 
lihen Akademie PB.» (Bonn 1872). 
Boppenburg, |. unter Nordjtemmen, 
Popper (David), —— geb. 18. Juni 
1816 zu Prag, war, Schüler Goltermanns am 
dortigen Konjervatorium, 1868—73 erſter Cellift 
an der wiener Hofoper und lebt feitdem ohne En: 
gagement, auf häufigen Kunftreifen in den Haupt: 
ſtädten Guropa3 auftretend, Seit 1872 ift er ver: 
mählt mit der Klavicrvirtuofin Sophie Menter. B. 
ſchrieb mehrere Solojtüde für fein Inftrument, 
Poppi,mittellat. l’opium, Stadt inderital. Pro: 
vinz und im Bezirk Arezjo, alter Hauptort des Caſen— 
tinothals, auf einem Hügel recht3 über dem Arno, 
445 m über dem Meer, hat (1881) 2213 (Gemeinde 
6832) E., ein Kaftell mit hohem Turm, 1274 von 
dem florentin. Dombaumeiſter Arnolfo del Cambio 
erbaut, ein Gymnafium, eine öffentlihe Biblio: 
thek, Tuchfabriken und Weinbau Um 39 km 
nordweitlic von P. liegt eine 1262 erbaute Kirche, 
bei welder 11. Juni 1289 die Schlacht von 
Campaldino zwiſchen Florentinern und Aretinern 
ſtattfand, in welcher der 55 Dante mitfocht. 
öppig (Eduard Friedr.), Reiſender und Natur: 
foriher, geb. 16. Juli 1798 zu Plauen i. Vogtl. 
widmete ſich feit 1815 naturwiflenfchaftlihen und 
mediz. Studien auf der Univerfität Leipzig. Im 
J. 1822 ſchiffte er fid in — nach Cuba 
ein. Nachdem cr 1822—24 Cuba bereiſt hatte, 
ging er nad) den Bereinigten Staaten von Amerifa, 
wo er bejonders im Innern von Pennfylvanien 
jeine Forſchungen en bereifte dann feit Ende 
1826 die mittlern und ſüdl. Provinzen von Chile, 
erſtieg im Febr. 1829 zuerjt den Vulkan von Antuco, 
ging dann zur Eee nad) Lima und weiter über die 
Cordillera nad) den Urwäldern der Provinz Maynas, 
wo er in ndianerbörfern an zwei —*— verlebte. 
Mit höchſt intereſſanten botan. und zoolog. Samm⸗ 
lungen tehrte er gegen Ende 1832 in die Heimat 
zurüd. Einen ausführlichen. Bericht über feine 
Reiſe lieferte B. unter dem Titel «Reife in Chile, 
Beru und auf dem Amazonenftrom» (2 Bde., Lpz. 
1835, mit Atlas). Seit 1833 wirkte er als aufer: 
ord., jeit 1845 als ord, Profejjor der Zoologie an 
der Univerfität Leipzig, wo er kei um die Be: 
gründung, Vermehrung und wiederholte Aufitellung 
deö 300 seilhen Mujeums fehr verdient machte. 
P. ftarb in Wahren bei Leipzig 4. Sept. 1868, 
Bopräd, Fluß, See und Stadt in Ungarn, 
Bipjer ftomitat. Der Fluß P. ift ein Abfluß des 
gleichnamigen Sees (auh Popperſee), der in 
der Hohen Tätra 1517 m hoch im Mengsdorfer 
Zhal liegt, Dereinigt Ri mit dem Dunajecz in Ga: 
lijien und ijt 152 lang. Die Stadt $. auch 


173 


Deutſchendorf, liegt am Fluß P. und an der 
Kaſchau⸗Oderberger Eiſenbahn, in ſchoöner Lage, 
mit Ausblick auf die Hohe Tatra und hat 1200 E. 
(Deutihe und Slowalen) und eine Rapiermühle, 
here ſ. unter Optimates. 
opularität (lat.), Vollsgunſt, Beliebtheit bei 
dem Volle; Gemeinverftändlichteit. 
Popularklagen hießen im altenröm. Recht Ala: 
gen, deren Erhebung im Wege des Civilverfahrens 
jedem röm. Bürger (jedem Mitglied des populus 
Romanus) zufteht, obwohl nicht das Privatinterejie 
de3 Klägers, jondern ein öffentliches Intereffe ver: 
legt it. Der Kläger vertritt hier das Volk, indem 
er einer Buße wegen Verlegung öffentlicher In— 
tereſſen einfordert. Aber dieje Buße floß nicht im: 
mer in die Staatälafle, fondern jehr häufig teil- 
weiſe und bei den aus dem prätorifchen Edit er 
geleiteten P. gemih fogar ganz in die Tajche 
des Alägerd. Solche Klagerechte beitanden in re 
ligiöfem Intereſſe zum Schuß der Gräber, im Sn: 
tereſſe des Straßenverlehrs zum Zwed der Freihals 
tung öffentlicher Straßen und Pläbe und eins (die 
actio de albo corrupto) follte fpeziell die Beſchaͤ— 
bigung te Belanntmadhungen verfolgen. 
Die P. gehören dem heutigen Recht nicht mehr an, 
die in Ihnen zur Geltung gebrachten Anſprüche 
fönnten nur infoweit no den Gegenjtand eines 
Civilprozeſſes bilden, als Privatrechte verlegt wer: 
den, welde kraft Bürgerrecht3 von jemandem in 
Aniprud) genommen werden dürfen, 
Population, |. Bevölkerung. 
PBopulationiftif nennt man die auf umfallen: 
ben En Daten berubende Lehre von der Bevöl: 
ferung (ſ. d.). Die Bezeichnung Ey hauptſächli 
durch Bernoullis «Handbuch der B.» (Ulm 1841 
in Deutſchland eingeführt worden, wird jedoch in 
neuerer Zeit weniger gebraucht und einfach durch 
(vergleichende) Bevölferungsitatiftil oder auch wohl 
durd den in Frankreich üblichen Ausdrud «Demos 
grapbie» erſeht. 
Populus, Laubholzgattung, f. Bappel. 
Boracampoö(dre} von), ſpan. General, ſ. Ha⸗ 
len (Don Yuan). x 
Porbaudar, —— am Arabiſchen 
Meer an der Südweſtluſte der zur oſtind. Präfi: 
dentſchaft Bombay gehörigen Halbinjel Kattywar, 
zählt (1872) 14563 E. und treibt lebhaften Handel 
mit den Küitenpläken Oſtafrikas, ſowie denjenigen 
am arab. und perf. Meerbuſen. P. gehört einem 
inbobrit. Bajallenfürjten, einem Nadjehputenhäupt: 
linge oder Nana aus der Tribus der Saitwas. 
Porchow, Kreisſtadt im ruf. Gouvernement 
Pſtow, lint3 am bier ſchiffbar werdenden Schelon, 
mit (1882) 3924 E., treibt bedeutenden Handel 
mit Flachs und Getreide. 
oreia, ſ. Porcier. 
orcier iſt der Name eines röm. plebejifchen 
Geſchlechts, das erjt im 3. Jahrh. v. sn. erwähnt 
wird. Von den Familien, die diefen Namen tru: 
gen, iſt die, weldhe den Beinamen Cato (f. d.) führte, 
die berühmtejte durch Cato Cenſorius, der fie in die 
Familien der Nobilität einführte, und durd feinen 
Urentel Cato Uticenfis, Eine Tochter des lettern 
von Atilia war Borcia, die Erbin der republis 
fanifchen Gefinnung ihres Baters und durch reinen 
Wandel ausgezeichnet. Sie war zuerjt mit Marcus 
Bibulus, dem Konful des Jahres 59, verheiratet, 
der 48 v. Chr. ftarb, Im N. 45 vermäbhlte fie ſich 
mit Marcus Brutus, Auf die Nachricht von dem 


174 


Derluft der Schlacht bei Philippi, in der aud) ihr 
jüngerer Bruder, Marcus Borcius Cato, nad) 
tapferer Gegenwehr den Tod gefunden hatte, tötete 
fie jih in Nom 42 v. Chr. ‚ 
Bordenöne, mittellat. Portus Naonis, deutich 
Portenau, Stadt und Dijtriftshauptort im der 
ital, Provinz Udine, am Noncello, Station der 
Bahn Cormons:Benedig, hat (1881) 7199 (Ge: 
meinde 10007) E., eine got. Domlirche mit Gemäl- 
den bed bier geborenen lers Giov. Ant. Licinio, 
genannt il Bordenone, einen got. Kommunalpalait, 
Baummollmanufaltur, Geidenipinnerei, Papier: 
fabrifation und Wein: und Getreidehandel. 
Pordenöne, eigentlih Giovanni Antonio 
Regillo Licinio, ein Maler der venet. Schule 
und Nebenbubler des Tizian, geb. zu Pordenone 
1483, bildete ſich nad Giorgione und malte im 
Dom feiner Vaterftadt, in Mantua, Bic und 
Genua; feine Hauptwerle aber führte er in enedig 
aus. Hier malte er unter anderm die Kapelle des 
heil. Rochus und mit —* den Saal der Pregadi 
und die St. Johannislirche. Vom Herzog Her: 
cules II. nad) Ferrara berufen, um die Kartons für 
die gewirkten flandr. Tapeten zu zeichnen, ftarb er 
daſelbſt im Jan. 1539, angeblid) an Gift. In der 
außerordentlihen Schönheit und Glut der Farben 
und in der Mürbheit (morbidezza) des Nadten ift 
er den meilten andern Benetianern überlegen un 
felbit Tizian nur wenig untergeordnet, Seine Werte 
gelten in den Galerien nicht felten für die von Ti: 
jian, Moretto da Brescia, Giorgione u. ſ. w. 
oren (neulat.) nennt man die Zwifchenräume, 
welche die Materie, aus der ein Körper beitebt, unter: 
brechen; dieſelben ſind meiſt mit Luft, Gaſen oder 
Flüffigkeiten, welche zur gegebenen Materie nicht 
— gehören, erfüllt. Dan nimmt an, daß die 
P. jedenfalls einen höchſt feinen, elaftiichen Stoff 
(j. Ather) enthalten, durch deſſen Schwingung 
itrablende Wärme, er Hanzung bes Lichts, viel: 
leicht auch elektrifche Fe en u.f.w. entiteben. 
Die Eigenfhaft aller Körper, $. zu befiken, wird 
Borojität genannt. Man bemerkt an den Hör: 
pern teils größere, teilö Heinere P. Bald ſchon mit 
bloßen Augen ſichtbar, zeigt namentlich das Mikro— 
jtop in den feiten Subitanzen aus dem Tier: und 
Pflanzenreich in den Wandungen der Gefäße eine 
große Menge der feinften P., die für den Lebens: 
prozeß diefer Organismen von der größten Wich— 
tigfeit find. Bon dem Vorhandenfein von P. in 
dichten Hölzern überzeugt man fih, wenn man 
Quedfilber unter Benugung des Quftdruds durch 
diejelben hindurchprefjen kann. Biele Erfheinungen 
jeigen, daß die Scheinbar fo dichten tieriſchen Häute 
uch ihre 2 Gasarten und tropfbaren ga : 
feiten den Durchgang geftatten. Andere ie s 
nungen, die man auf die Porofität von Flüflig: 
feiten zurüdführt, find die Verfhludung von Gas: 
arten durch diefelben, Auflöjung feiter Körper in 
ihnen, VBolumenverringerung beim Vermiſchen ver: 
ſchiedener gu figkeiten. Das Eindringen von Dued: 
flber in Gold, Silber, Zinn, Blei u. ſ. w., das 
Einfaugen des Wajjers in ydrophan unter Ent: 
widelung von Luftblafen, das Durchdringen des 
Marmors von gefärbten harzigen Auflöfungen 
laſſen — auf das Vorhandenſein von P. in 
dieſen örpern ſchließen. 
In phyſiolog iſchem Sinne verfteht man un- 
ter Boren die Nusgangsmündungen der Schweiß: 
drüfen in der Haut tierijcher Körver. 


Pordenone — Porphyr 


—— f. Tahiti. 

oridma (grd)., ———— Folge⸗ 
ſatz, Folgerung; porismatiich, aus einem Gab 
gefolgert; Borijtil, die Theorie des mathema— 
tiichen Beweiſes. 

Porjetichje, Kreisitabt im ruſſ. Gouvernement 
Smolenst, an der Kaſplia, 87 km nordweitlid von 
der Gouvernementsſtadt, mit (1882) 4651 E,, it 
ein Stapelplap für Getreide, Flachs, Leinöl, Lein- 
ſamen, Federn und Tabak, welde Gegenjtände 
meift na Wr verichifft werden. 

‚Bornie, Stabt im franz. Depart. Loire-Infe⸗ 
rieure, Arrondifjement Paimboeuf, nördlich an der 
Vai von Bourgneuf, Station der Linie Ste. 
Pazanne:P. der Franzöfiihen Staatsbahnen, hat 
(1881) 1809 E. ein Schloß aus dem 13. und 
14. Jahrh., einen Sechafen, Handel mit Getreide 
und Barec:Niche, eifenhaltige Mineralquellen, jehr 
befuchte See: und warme Sandbäber. 

—— Stromſchnellen des Dnjepr (f. d.). 

ororoca, Naturerfheinung an der Mündung 
bes Amazonenſtroms (j. x: - 

oros, griech. niel, ſ. Kalauria. 

oroſitãt, ſ. unter Poren. 

orotypie, ein Kopierverfahren bezwedend, 
von mit Feitfarbe genommenen Buch⸗ Stein: oder 

Kupferdruden Kopien zu —— Neuere voll: 
fommenere Berfabrungsweiten haben dieſe Me: 
thode wohl gänzlich verdrängt. 

Porpezit, eine in Brafilien (in der Capitania 
a vorfommende Varietät des gebiegenen 

olde, die gegen 10 Proz. Palladium enthält. 

— nennt man im weitern Sinn jedes 
Geſtein, welches in einer, dem bloßen Auge dicht 
oder homogen eriheinenden, ober ganz feinförnigen 
Grundmafle größere, rundum ausgebildete Ary: 
ftalle irgend eines Hlineral⸗ ſcharf hervortretend 
enthält. Je nad) der Natur des lehtern unterſchei⸗ 
det man allgemein z. B. Quarzporphyr, Feldſpat⸗ 
(Orthollas:, Labrador:)P., Leuzitporpbyr, Horn: 
blendeporpbyr, Glimmerporphyr, Augitporpbyr. 
Die P. find nur beiondere Strufturformen von 
andern Mafiengefteinen, bei welchen die minera- 
liſchen Gemengteile alle mehr oder weniger bie: 
jelbe Größe beißen. Doch hat man ſich neuerdings 
allmählid daran gewöhnt, nur die mit einem ol: 
hen charakteriſtiſchen Gefüge verjehenen Felsarten, 
welche fih durch einen Gehalt an monollinem 
DOrthoflasteldfpat auszeichnen, Borphnte, alle 
diejenigen, in welchen plagioflaftiiche trilline Feld 
jpate die Hauptrolle ſpielen, Porphyrite zu nen: 
nen, und man unterideidet von diefem Geſichts— 
punft aus: 1) Quar;porphyr, auch Felfitporphyr 
— mit ausgeſchiedenem Quarz, meiſt auch 

rthoflas in ſehr kieſelſäurereicher Grundmaſſe; 
letztere, welche dem bloßen Auge bald feldſpatä 
lich, bald hornſteinähnlich, bald, im verwitterten 
Auftanb, tbonähnlich erſcheint, ift, wie das Miro: 
ſtop lehrt, vielfach ein äuberit feines Gemtenge von 
Quarz und Feldipat; das Geftein entipricht {amt 
durch feinen Mineralbeitand und —J— in ſeiner 
chem. Bam enfehung den förnigen Graniten. 
2) Quarzfreier B., ohne Quarz, bloß mit Orthollas, 
da3 Aquiwalent der Syenite. 3) Dioritporphyrit 
in deſſen Grundmaſſe außer den Plagioklafen aud 
häufig dunkler Glimmer oder Hornblende hervor: 
— das en — —B 

orphyrit, welcher außer Plagioklas a 
—* ausgeſchieben aufweiſt, die porphyriſche Mo: 


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Porphyrbreccie — Borree 


dififation der Diabafe. Früher begründete man 
die Unterfcheidung von PB. und Porphyrit auf bie 
An: oder Abweſenheit von erlennbaren Duar;. 
Die eigentlihen quarzführenden P. find weitver: 
breitete Eruptivgefteine, welche in der Form von 
Gängen, Kuppen, Deden vorlommen, und nanıent: 
fi während der Gteintohlenformation und der 
Ablagerung des Notliegenden, auch ftellenweije 
noch während der Triaszeit an die Oberfläche ge: 
drungen find. Viele Porphyrarten haben von 
jeher Anwendung in der Architeltur und jelbit in 
der Bildhauerkunjt gefunden, zu Säulenjdäften, 
Foftamenten, Vajen, Badewannen, Särgen und 
mancerlei Verzierungen, und dadurch find eine 
Menge nichtwiſſenſchaftlicher —— und 
Benennungen derjelben entſtauden, I 9. Porfido 
rosso (roter ägypt. Borphyrit), Porfido nero, Por- 
fido bruno, Porfido verde (Zabradoritporpbyr aus 
Sacedämonien), Mordiglione u. ſ. w. Die Nömer 
verwendeten den P. in der Bildhauerei meift nur 
zu Gewändern, aus denen Köpfe von weißem Mar: 
mor bervorfhauten. Die grösten befannten ver: 
arbeiteten Porphyrmafien find zwei Sarlophage 
im vatitaniihen Muſeo Pio Clementino aus dem 
Zeitalter Konſtantins. Ferner find hier zu nennen 
die gewaltigen Schalen in der Rotunde desſelben 
Muſeums und das große Gefäß aus der Halle 
des Pantheons, gegenwärtig am Grabmal Ele: 
men3’ XI. in der Lateranlirche. Daran reiht jich 
ber Dbelist Sirtus’ V. in Rom und bie Säule der 
Eultan:Balide in der ehemaligen Sophienkirche in 
Konitantinopel, deren Schaft 12 m mißt. Gegen: 
wärtig findet nıan jehr große Porphyrmonolithen 
in BeterZburg. j 
ephyrbreccie, ein plaftiiches Geftein, bei 
—— Bruchſtücke von Porphyr 
durch ein Cement verbunden at welches bald 
ſelbſt aus kryſtalliniſcher Borphyrmafie, bald aus 
feingeriebenem Porphyrſchutt beiteht. Im eritern 
Fall ift die B. auf dem Wege der Eruption gebildet, 
im lehtern bat die dann auch meijt wohl gefchichtete 
delsart ſedimentãren Urjprung. 
orp t, ſ. unter Porphyr. 
orphHYrins, neuplatoniſcher Philoſoph, Schũ⸗ 
ler des Plotin, hieß eigentlich Malchos. Er war 
geb. 233 n. Chr. zu Batanea oder zu Tyros, lehte 
met in Rom, wo er nad) Plotins Tode Philo 
ſophie lehtte und 305 ſtarb, und beſaß eine ausge— 
breitetere Gelehrſamleit ala Plotin, erreichte ibn 
aber nicht an Tiefe. Unter feinen Schriften find 
bervorzubeben: die «Vita Pythagorae», die Ab: 
bandfung «De abstinentia ab esu animalium» und 
die »Epistola ad Marcellum» (alle drei herausg. 
von Naud, Lpz. 1860); ferner «De philosophia ex 
oraculis haurienda» (herausg. von Wolff, Berl. 
1856), «De antro nympharum» (herausg. von 
Göns, Utrecht 1765) und die «Epistola de diis, 
daemonibus etc. ad Anebonem» (mit Jamblichus 
berausg. von Gale, Orf. 1678), vor allem aber die 
im Mittelalter viel benubte, vor fajt allen Aus: 
gaben des Ariftotelifchen «Organon» gedrudte »In- 
troduetio in categorias Aristotelis sive de quinque 
vocibus». Auch lieferte er eine Lebensbeſchreibung 
Plotins und orbnete deſſen Schriften in ſechs En: 
Gegen das Chriftentum fchrieb er (um 
270) 15 er, gelebrter und jcharfjinniger als 
alle andern beibnii en Scriftiteller. Widerlegt 
wurde er vom Biſchof Methobius von u. Das 
Berk des P. wie die Widerlegung des Methodius 






175 


lehtere wegen ber für pefäbrli geadhteten Citate, 
at der Gier der dhriftl. Kaiſer Valentinian I. und 

heodoſius I. vernichtet. Das meilte daraus findet 
fid) bei Hieronymus. Wal. Bouillet, «P., son röle 
dans l’&cole n&oplatonicienne» (Par. 1864). 

ONE (grch., «der im Purpur 
Ge ern) einame des byzant. Kaiſers Kon: 
ſtantin VII. 
orphyroide hat man Geſteine genannt, 

welche zwar inſofern den maſſigen eruptiven au 
phyren gleihen, al3 auch bei ihnen in einer dem 
bloßen Auge — erſcheinenden Maſſe Kryſtalle 
von Feldſpat und Quarz ausgeſchieden liegen, 
welche ſich aber durch ihr Auftreten in Schichten 
und durch ihre ſchieferige Strultur von den echten 
Porphyren untericheiden. Durch ihre geolog. La: 
— — geben fie ſich als zu der archäi— 
hen Öruppe der Eryitalliniihen Schiefer gehörig: 
Glieder fund und ftellen wahricheinlich porphyriſch 
ausgebildete Gneife bar; fie find namentlid aus 
dem öftl. Norbamerila und Schweden befannt. 

Porphyrrhamnin, Farbitoff,f.u.Harmalin. 

Porphurfchiefer, ſ. Phonolith. 

Porpöra Micolo), berühmter ital, Komponiſt 
und Singmeijter, geb, zu Neapel 19. Aug. 1686, 
erhielt feine Bildung auf dem Konfervatorium 
Sta.:Maria di Loreto und begann feine Laufbahn 
als Komponift mit ber Dper «Basilio», Im J. 
1712 gründete er in Neapel jene berühmte Geſang— 
ihule, aus ber viele ber — Sänger un 
Sängerinnen des 18. Ja N; ervorgingen, und 
1719, wo feine Oper «Faramondo» in Keapel 
einen glänzenden —* hatte, wurde er als 
Maẽſtro (Direktor) am dortigen Konſervatorium 
Degli Poveri di Gefü Ehrifto angeſtellt. Im J. 
1726 fam er als Maẽſtro an das Konſervatorium 
Degli Incurabili nach Venedig, ging aber ſchon 
1723 als —— und Kompoſitionslehrer der 
Kurfürſtin und als Hoflapellmeiſter nach Dresden. 
Don ba reiſte er 1729 das erſte mal, und 1733, 
nahdem er feine Stelle in Dresden aufgegeben, 
ein zweites mal nad London, wo er den durch 
Händels Widerſacher in3 Leben gerufenen Opern: 
unternehmungen vorftand. Später hielt er fi) bis 
1746 zumeijt in Benedig auf und begleitete hierauf 
den Geſandten diefer Nepublit nah Wien, wo er 
unter andern aud Haydn zum Schüler Hatte. 
Gegen 1760 übernahm P. wieder in Neapel die 
Stelle al3 Maöjtro am SKonfervatorium Sant’: 
Onofrio und als Kapellmeiiter an der Kathedrale. 
Gr ftarb im Febr. 1766 nad andern 1767). Di: 
Zahl feiner Opern beläuft ſich auf mehr als 50. 
Daran fließen fi verfhiedene Dratorien und 
zahlreiche andere größere und Heinere Kirchenſachen, 
eine große Zahl von Kammtercantaten, von denen 
er 12 wertvolle Stüde in London druden ließ, und 
verſchiedene Sonaten für Violine und Baß, Streich): 
trios und Klavierſtücke. Der Stil in allen dieſen 
Produktionen ijt wejentlich der damalige italienifce, 
aber P. beſaß reihere Erfindung und größere Ge— 
wanbtheit in den verfchiedenften Fächern der Hoxıs 
pofition, al3 die meilten feiner Landsleute, 

orporino, j. Hämatinon. 

orgquerolles, eine der Hyeriſchen Inſeln (f. d.). 

orree, Spanijder Sau „Eſchlauch, 
eine in den Gemüfegärten fait allgemein kulti— 
vierte Lauchart (Allium porrum L.). Sie ijt durch 
einen 60—80 cm hoben, derben, bis zur Mitte 
beblätterten Stengel, flache, graßartige, unten 


176 


elielte Blätter, eine aus vielen, langgeftielten, wei: 

n Blüten gebildete, fugelrunde Dolde und eine 
kugelige, mit Häuten überzogene Zwiebel charalte— 
rihtert. Diele Pflanze gibt eine beliebte Suppen: 
würze und wird in manden Gegenden auch zur 
Bereitung eines kräftig und angenehm ſchmedenden 
Genüfes benust. lan hat in den Gärten eine 
Anzahl von Sorten, welche fi faum durch mehr, 
als durd ihre Dimenfionen, insbefondere durch die 
Länge und Stärke ihres Stammes unterjcheiden. 
Veſonders beliebt find der erfurter Winterporree 
und der kant. lange oder Sommmerporree, dieſer 
hauptſächlich durch Feine ——— ‚Eine Spiel: 
art des P. it ver BPerllaud, der feinen Samen 
trägt un I ausichliehlib durch Brutzwiebeln 
—— —— läßt. Unſere dart 
tammt wahrſcheinlich aus Agypten, wo fie nad) 
Plinius von vorzüglicher Güte war. 

orreutruy, Stadt, ſ. Bruntrut. 
orretanus, j. Gilbert (de la Porrie). 
orretta, Fleden in der ital. Provinz Bologna, 
Bezirk Vergato, linls am Reno, im Etrusliſchen 
Apennin, Station der Eiſenbahn Bologna: Riftoja- 
lorenz, hat (1881) 1296 (Gemeinde 3726) E., und 
a Schwefelquellen von 36° 0. 
orrch, |. Borree, , 

Porrigo (lat.), älterer Name für verſchiedene 
Hautkrankheiten; P. decalvans, der umfchriebene 
Haarſchwund (f. d.); P. favosa, der Erbgrind (f. 
Favus); P.larvalis, der user! 1.55; 2. 
scütülata s. tonsoria, die jcherende Flechte 
ober der Ringworm. (S. Herpes. 

orron, j. Citra. , 

orfanger:Fjord, Meerbufen de3 nörbl, Eis— 
meers an ber norweg. Nordfüfte, dringt dicht öftlich 
vom Nordlap ins Land hinein. Bei 140 km Länge 
ift er 10—20 km breit. FR 

oröberg (Bohr Der). f. unter Billnis. 

orſch, foviel wie Porſt, ſ. unter Ledum. 

orſenna war nad) der Sage zur Zeit der Ver: 
treibung des Königs Tarquinius aus Rom König 
der etrusk. Etadt Clufium. Tarquinius fuchte mit 
den Eeinen bei ihm Schuß, und P. zog nach ber 
fagenhaften Überlieferung 507 v. Chr. vor Ron, 
in das er eingedrungen wäre, wenn nicht Horatius 
Cocles —8 ihn aufgehalten Jane Die Uner: 
fhrodenheit des Mucius Scävola (f. d,) foll ihn 
bewogen haben, auf Unterhandlungen einzugehen, 
und als er die Treue der Römer aus der Ausliefe: 
rung der Clölia, die mit andern zu Geifeln gege: 
benen Di afen ihm entflohen war, ertannt 
batte, joll er fich freundlich gegen die Nömer be: 
wiejen, ihnen die Vorräte feines Lagers überlafien, 
das Verlangen der Wiebereinfekung des Tarqui: 
nius enigeneoen, ja fogar das Gebiet, das fie nad) 
feinem Willen den Bejentern zurüdgegeben hatten, 
ihnen wieder zugeftellt haben, 

Pordgrund, norweg. Seeſtadt in Bratsbergs: 
Amt, zu beiden Seiten des aus dem Nordjjö 
fommenden Stienselv, der bier in eine Bucht 
des Friersfjords mündet, ift Station der Linie 
Drammen:Stien der Norwegiihen Staatsbahnen, 
mit (1875) 3453 E., treibt, bebeutenden Holz: 
und Eishandel, hat eine Navigationsſchule, See: 
verüiherungsanftalten, MWerfte und mechan. Werl: 
ftätten. Die Handelsflotte der Stadt zählte 
(1882) 81 Schiffe von 33202 t. 

Porfon (Richard), nächſt Bentley der größte 
engl. Kritifer, geb. zu Eaſt-Ruſton in Norfolk 


Porrentruy — Port:au: Prince 


25. Dez. 1759, erhielt feine Schulbildung in Eton 
und ging dann nad Cambridge, wo er Profefior 
der griech. Sprache wurde, feine zuge jedoch 
wieder aufgab, da er die 39 Artilel, das Symbolum 
der engl. Kirche, nicht ———— wollte. Gr 
wurde nadhmals ——— er Royal⸗Inſtitution 
in London und ſtarb daſelbſt 25. Sept. 1808. Gr 
lieferte eine Tertrecenfion des Uſchylus (Glasg. 
1794; 2 Bde., Lond. 1806) und eine trefiliche Bear: 
beitung von vier Tragödien des Curipides, nämlich 
der «Decuba», dem «Ürefte3», den «Bhönijien» und 
ber «Medea» (Cambr, 1795), wovon Schäfer einen 
vermehrten Abdrud bejorgte (Lpz. 1807; 3. Aufl, 
4 Bbe., Lpz. 1824 u. Lond. 1835). Aud) hatte er 
Anteil an der auf Koften der Brüder Grenville ge: 
drudten Prachtausgabe de3 Homer (4 Bde., Drf. 
1800). Nad) feinem Tode wurden aus feinen ‘ 
pieren von Mont und Blomfield «Adversaria» 
(Lond. 1812; wiederholt, Lpz. 1814), von Dobree 
«Notae in Aristophanem» (Gambr. 1820), «Photii 
Lexicon» (2 Bde., Lond. 1822) und von Gaisforb 
in den «Lectiones Platonicae » x f. 1820) feine 
«Notae ad Pausaniam» u, a. amt gemadht. 
Vol. «Watfon, «Life of Richard P.» (?ond. 1861). 
Porſt, Pflanzenart, f. unter Ledum. 
Hort-Abelaide, j. unter Adelaide, 
ort: Alfred, Hauptitadt de3 Diſtrilts Ba— 
thurſt (f. d.) in der brit. Kaplolonie. 
Port:Antonio, Hafenftabt und Hauptort bes 
Kirchſpiels Portland (1878 27918 E.) auf der 
Nordküfte der brit. Inſel Jamaica in Weftindien. 
ort:au:Prince oder Ye Port Republi— 
cain, die Hauptitabt und der Hauptbafen der Ne: 
pubiif Haiti in Meftindien, Hauptort tes Weit: 
epartements, Siß eines Erzhiſchofs, des ober: 
ften Gerichtshofs, eines Civil:, Kriminals und 
Korrektionztribunal® , eines Handelstribunals, 
liegt an der Weitlüfte der Inſel, im Hinter: 
runde der nad ihr benannten Bai oder ber 
Füdaftl, Bucht des großen Golf von Gonalves, 
gegenüber der Inſel Gonave, in einer niedrigen 
und ungefunden Marfchgegend, welche von Bergen 
mit zablreihen Kaffeeplantagen umjcloffen und 
beherrſcht ift. Die durch drei Forts verteidigte Stadt 
hat breite und gerade, aber ungepflafterte und ſchmut⸗ 
zige Straßen. Die Häufer find größtenteild aus 
Holz, nur wenige aus Stein aufgefahrt faft durch⸗ 
weg ein, höchſtens zweiltödig und nur (eicht gebaut 
wegen der Erdbeben, welde bie erit 1745 gegrün: 
dete Stadt wiederholt (namentlid) 1751, 1770, 1830 
und 1842) heimgeſucht haben. Die anfehnlichiten 
Gebäude find der Balaft des Bräfidentenam Parade: 
plaß und das Senatshaus. Die Stadt hat eine 
Kathedrale, ein Lyceum, ein College, mehrere San: 
cafterichulen, ein Zollhaus, eine Münze und ein 
Hospital und zählt etwa 35000 E, Der Hafen iſt 
gut und mit Ausnahme von Auguft bis November, 
wo Orlane eintreten, ganz fiber. Der Ha 
ift zwar nicht mehr fo bedeutend wie in 
Zeiten, aber immer noch beträdtlid und b 
auptiählid Mahagoni, Blau: und Roth 
Kaffee, Kotosnüffe, Kalao, Baumwolle, Gummi, 
Made, Sonig, Ochſenhäute und Kupfer zur Aus: 
fuhr. Cingeführt werben befonders Induſtrie— 
erzeugniffe, Zuder und Spirituofen. 2. iſt Sitz 
des deutſchen Konſulats für die Dominicanif 
und die Republik Haiti. Die, beutfchen 1 
fran. und jpan. Poitdampferlinien nad Weit: 
ndien legen bier an, 


f I | 
] 1J \LOOQYIE 
— — J⁊a 


Port-Blair — Port: Said 


Port: Blair, Hafen auf ber Inſel Sübanda: 

man, f. unter Andamanen. 

Bort: Gaftried, Hauptitabt der brit. Antille 

Eta.:Lucia, f. Caſtries. 

ort:Glarence, f.u. Stodton upon Tees. 

ort⸗·Coruwallis, Hafen auf der Inſel Nord: 
andaman, f. unter Andamanen, 

ort de la Nouvelle, f. unter Narbonne. 

ort de Paix, Hafenitabt an der Nordküfte der 
Inſel und der Republik Haiti, Hauptort des Nord: 
weitdepartement3, Eis eines Civil:, Kriminal: 
und Korrektionstribunals, einer deutfchen son: 
fularagentur , bat 2600 E. und führt Haffee und 
Bauholz aus. P. wurde 1660 als die erite franz. 
Niederlaffung auf der Inſel gegründet. 

Port du Moule, Stadt a Guadeloupe (f.d.). 
ort d'Urban, Stadt in Natal, f. Durban. 
ort: Egmont, ſ. unter Jaltlandsinfeln. 

Port: Elifabeth, Stadt in der Kaptolonie, ſ. 

ee beth (Bort:). 

du mine, ſ. Famine (Port:). 
ort⸗Glasgow, Stadt in der ſchott. Grofigeft 

Renfrew, lint3 an der Mündung de3 Clyde, Sta 

tion der Linie So tonesGreenod der Glas om: 
und —— n und der — — 
bahn (Carlisle:Greenod), welche bier na Wempp- 
Bay abzweigt, hat (1881) —— E., Dods, Sei: 
lereien, Buderta inerien, Schiffs werfte und Ketten: 
fmieden, 1658 als See F Glasgows ge: 
gründet, hat ge Austiefung de3 Clyde ftromauf 
bis In ow feine frühere Bedeutung verloren. 
ope, Sana, in ber Provinz Ontario 
vi Desinien Ganada, am Nordufer des On: 
—— t (1881) 
ndfon, Mohdrf in Eaſt Feliciana 
gi norbamerif, Staate Louiſiana, linls am 
Miſſiſſippi und an der Clinton: und ort:Hudfon: 
arg n, Ar agH t 35 km oberhalb Baton Rouge. 
uni 1863 ftürmte General Banl3 den ftart 
ieh Drt und machte über 6000 fonföderierte 
Soldaten unter General Gardner zu Gefangenen. 
Bort-Huron, Cinfuhrhafen und Stadt im St.: 
Clait County im nordamerit. Etaate Michigan, 
rechts am St.Clair⸗Fluſſe und an —— des 
Vladfluffes, 3 km vom Südende bes Huronſees, 
(1880) 8383 E., eine Stadt: und eine County: 
alle, eine Hochſchule ein Opernhaus, Gas: und 

Waſſ erwerle eine Schiffswerte, Getreide: Gleva: 

tors, — Wagenfabriken. Das neue Ber: 
einigte Staaten: Jollhaus foftete 250000 Doll, und 
wurde 1877 vollendet. 
rt: —— ſ. unter Suez. 
„ſoviel wie Puerto de Jslay. 

ort: kon. Hafenbucht der brit. Kolonie 

Reufüdwa — in Auſtralien. (S. unter Sydney.) 
wis, f. unter Falllandsinfeln. 
ort⸗Louis, Hauptitadt von Mauritius (f. d.). 
ort: Mahon, over Buerto:Mahon, f.Me: 


alte. Ne si Rot. 
. imojto 
Beet, 
ar eyain, —55 der brit.:weftind. 


— 
Säle in ber f&hott. Graf: 


von nt. 
ill Mater, f. u. Nelbourne. 
licain, f. PBort:au: Prince. 
oyal, früherer Name der Stadt Anna: 
polis (f. d.) in Neufchottland. 
Eonverfations» Leriton, 13, Aufl. XIII. 


varıfb 





177 


Port:Royal, Stadt auf der Sübküfte der brit. 

Inſel Jamaica, auf der äußerften Weitipipe einer 
! malen Landzunge, Do. e bie Hunt-Bay im Süden 

abſchließt, Hauptitation der engl. Kriegsmarine in 
Meftindien, bis 1722 Hauptftabt der Inſel, hat 
14000 E., einen befeftigten Hafen, Schiiiswer te, 
ein Marinehofpital, Arjenal und Stafernen. 

Port:Royal:ded:Champs, ein Ciftercienfer: 
nonnenklojter unweit Verſailles, 1204 geitiftet, 
fpielte in der Geſchichte des Janfenismus eine große 
Rolle. Schon 1626 hatte die Ubtiſſin Angelica, 
Ant. Arnaulds Schweiter, durch Anlegung eines 

ilials in der VBorftadt St.: ‚Jacau ues zu Paris, weL 

es zum Unterſchied von dem Mutterkloſter Port: 
oyal»de: Paris genannt wurde, ihr Kloſter in 
nähere Berbindung mit den parifer Theologen ge: 
fept. Die Nonnen von P. bekannten ſich unter der 
Leitung ihres Beſchühers, des Abts von St.:Eyran, 
ean Duvergier d Hauranne, zu ben Anfichten der 
anjenijten und bebarrten auch darin, zumal da 
ih um 1640 die beredteften Theologen und Ber: 
fechter des yanfenismus, Nicole, die Brüder Ar: 
nauld und Yemaitre, bei ihrem Rlofter in einem 
bejondern Gebäude, des Granges genannt, anſiedel⸗ 
ten, die Büßungen und Arbeiten der Nonnen teilten 
und eine Klofterichule errichteten, die dem lodern 
Jeſuitismus eine reinere Moral, eine gründlichere 
gelehrte Bildung und verdienftliche Ber Pferungen 
in der Methode des Unterrichts entgegenfebte. 
berühmte Anna von Bourbon:Eonde, Herzogin von 
Longueville, 309 ebenfalls in des Klofters ähe und 
wurde Beichügerin der Janfeniften; Boileau war 
Fi Freund und Racine, der aud) eine Ge chichte von 
(1693, beite Susgabe von Mesnard, Par. 1865) 
jörıb, ib Schüler. Die Nonnen verweigerten 
KB Unte hrift der Bulle Aleranderd VII. gegen 
yonfene FR Eäte und erhielten fi, felbit als 
re Befchüger vertrieben worden waren, allerdings 
nur durch vorübergehende Unterwerfung unter die 
hf des Erzbiſchofs von Paris, bis ihre Stand: 
baftigkeit im Vekenntniſſe des Sanjenismus 1709 
ufhebung und 1710 die völlige derjtörung 
— Klofter durch die parifer Polizei zur Folge 
tte, Vol. Reuchlin, «Gedichte von Bort:Royal» 

2 Bde., De b. 1839—44); Gainte-Beuve, « ort: 

Konals (5 Boe., Kar. 1800: Beard, «Bort: 
Royal» (2 Boe., "Far. 1861). 

Bort:Caid, Stadt an der Mittelmeerküfte 
Aghptens, am Eingange zum Sueztanal, am Dit: 
ende einer Sand: und Sumpfinfel, welde einen 
Teil der fandigen Nehrung bildet, die den Menzaleh: 
fee vom Meere trennt. Die Straßen find breit und 
regelmäßig angelegt, die Häufer meijt auf Pfählen 
aufgebaute, leichte Badfteingebäude. er 1860 
— — rt zählt (1883) 16560 E., macht aber 
feine raſchen Fortfchritte mehr. Die Bevolierung 
beſteht zur groͤßern Hälfte aus Eingeborenen, zur 
Hleinern aus den verichiedenften Europäern, unter 
benen Franzoſen vorherrſchen. Die nlegung des 
Hafens, in weldhen 1880 1427 Schiffe von 993893 t 
(davon 746 Dampfer von 956285 t) einliefen und 
welder 230 ha Flaͤche bei 8 m Tiefe einnimmt, ift 
außerordentlich a. geweſen. Zwei Molen von 
1600 und 2250 m Länge fhüßen den Eingang. Auf 
der Sandnehrung erhebt fich der 53 m hohe Leucht⸗ 
turm, einer der höchſten ber Erbe. Weiter weit: 
Lich liegt das Araberviertel mit einer Mofchee. Die 

100—150 m breite, durch ſchwimmende Boien, be: 
ziehungsweiſe rote und grüne Leuchtfeuer bezeichnete 


12 


178 


ee führt zu den an ber Weſtſeite des 
u en Baſſin Ismail gelegenen er men + 
erftbafjin und Baflin:Cherif, an welchem ic 
großartige Etabliſſements erheben, beitehend in 
Yagerhäufern, Kais, Kranen, Schiffahrts- und 
re a Te Bazar u. f. w., welde Brinz 
einrich der Niederlande auf eigene Koſten anlegte, 
1882 nad} dem Tode des Prinzen geſchloſſen, jpäter 
von der engl. Regierung gelauft wurden und jehtals 
Kaſerne, Militärdepöt ac. benugt werden. P. iſt 
Sih des Generalgouverneurs für den Suezlanal 
und eines beutichen —— und Station aller 
das öſtl. Mittelmeer befahrenden Dampferlinien. 

Port⸗ Saiute⸗Marie, Stadt im franz. Depart. 

Lot⸗et· Garonne, Arrondiſſement Agen, rechts an 
der Garonne, Station der Linien Bordeaux-Cette 
und B.:Condom:Gauze der Sübbahn, hat (1881) 
1636 (Gemeinde 2518) E., Leinen: und Baummolls 
induftrie und Handel mit Obit und MWeintrauben, 
rt:Stanley, |. unter Jalllandsinieln. 
ort:Toiwndend, Pojtdorf und Hauptort von 
efferfjon County im nordamerifan. Territorium 
afhington, liegt weitlid am Admiralitäts: niet, 
nahe der Straße Juan de Fuca, bat einen guten 

Hafen, Handel und Fiſcherei und (1880) 917 E. 
ort:Bendres, befeitigte Hafenſtadt im franz. 
Depart. —— es, Arrondiſſement Ce— 
ret, am Mittelmeer, 4 km weſtlich von dem zu 
203 m Höhe auffteigenden Vorgebirge Bear (mit 
Leuchtturm eriter Klaſſe), einem Ausläufer der 
Monts Alberes, Station der Linie Narbonne:Ber: 
pignan:Portbou der Südbahn, bat (1831) 2813 
(Gemeinde 3311) E., Seebãder, Schiffbau und be: 
deutenden Handel mit Getreide, Wein, ÖL, Früch— 
ten, Volle u. f. w. Der mit mehrern Leuchtfeuern 
verjehene Hafen, der einzige fichere zwiſchen Mar: 
feille und der franz.sfpan. Grenze, bat eine Tiefe 
bis zu 13 m und vermag gegen 500 Schiffe aufzu: 
nehmen. Hier beginnt das unterjeeiiche Tele— 
graphenfabel nad) Algier. [Sedellen. 
etMWictoria, Hafen der Inſel Mahe, ſ. u. 
rta (Baccio della), berühmter ital, Maler, 

f. Bartolommeo (Fra). 

Portae Caspiae, j. Caspiae portae. 
orta-&ement, |. u. Porta Westphalica, 
ortadoton, Stadt in der Grafihaft Armagh 

der iriſchen Provinz Ulfter, an dem bier ſchiffbar 
werdenden River Bann, von dem wenig oberhalb 
des Ortes der Newrylanal abgeht, Kreuzungspunkt 
der Linien Belfait-Zisburn:Cloned:Cavan und Du: 
blin:Drogheda:Newru:Omagb der Great:Northern: 
babn, hat 3568 E. Yeinmweberei und Handel. 
ortneld (ob. Franz), belg. Geſchichtsmaler, 
geb. zu Vilvorde 1. Mai 1818, erhielt jeine Bildung 
in Brüffel unter Navez und in Baris unter Baul 
Delarodhe, erwarb 1842 den röm. Preis und hielt ſich 
nun mehrere Jahre in Stalien auf. Bon 1847 bis 
1850 leitete er die Kunſtalademie zu Gent; fpäter, 
nad mehrfachen Reifen, namentlich in den Orient, 
wurde er Brofeflor an der Kunftatademie zu Brüſſel 
(1847—50), an die er 1882 aufs neue als Direltor 
berufen wurde. Seine Arbeiten ald Genre: und 
Worträtmaler (feine weiblihen Porträts find vor: 
zuglich —— t) find überaus zahlreich. Zu feinen 
bervorragen ten Bildern gehören: Fatma la Bo- 
h&mienne, ein Leihenzug in der Wüfte von Sue; 
(1848), die griechiſche Spinnerin, junge Frau aus 
der Umgebung von Trieſt, Judenmädchen aus 
Kleinafien, der Selbitmord des Judas, die Jung: 


Port:Sainte-Marie — Portalis 


frau als Zröfterin der Betrübten, Fresfobild auf 
Goldgrund im Giebelfeld der Kirche St.:Jacques: 
fur:2audenbergzu Brüffel (1851), Freslen in der Ka: 
pelle der Jgnorantiner zu Brüffel (1851), Porträt 
der Prinzeſſin —— Kaiſerin von Mexiko, 1852 
zu Monza gemalt), eine Loge in der Oper zu Peſt. 
—_. (fr3., d. i. das Tragen, Fortſchaffen) 
beißen in Canada ſolche Stellen an ſchiffbaren Flüf: 
fen, über weldye wegen Mangel3 an Fahrwäſſer 
Boot und Ladung getragen werden müſſen. 
Portage, Ort im norbamerit. Staat Neuyorf, 
County Livingiton, mit (1880) 1295 E., bei den 
unterjten Waſſerfällen des Geneljee, über welche 
in 71 m Höhe eine 244 m lange Brüde führt. 
Portage-Eity, Stadt in Columbia County im 
nordameri. Staat Wisconfin, an der Chicago :, 
Milwaufee: und St.-Paul:, der Wisconfin,Cen: 
tral: und der Madiſon⸗ und Portage: Eifenbahn, an 
einem ſchiffbaren anal, welder den Upper:For: 
River mit dem Wisconfin:River verbindet und jo 
eine freie Waſſerſtraße von Green:Bay dem 
Miſſiſſippi bietet, hat Fabrikation von Schuhen, 
Stiefeln, Wagen und Karren und treibt bedeuten: 


ten Handel, beſonders mit Holz. P. hat eine Hoch: 
ſchule, zwei Getreide: Glevators, eine Eifengieberei, 


eine Gerberei und zählt (1880) 3945 E., unter 
welchen viele Deutſche. 

Portage⸗Lake, cin 10 km langer See auf ber 
in ben Obern See vorjpringenden Halbinfel Ke— 
weenam im nordamerik. Staat Midhigan. 

Portäl (vom lat. porta, das Thor), Bradt: 
tbor, nennt man den reicher geihmüdten Eingang 
eine3 Gebäudes, bejonders einer Kirche oder an: 
dern öffentlichen Gebäudes. Der Schmud desjelben 
—*— nicht nur aus architeltoniſchen Gliederungen, 
Säulen, Pilaſtern, Geſimſen, Giebelfeldern, Rund: 
ſtäben und Hohltehlen, MWimpergen, Fialen u. |. w., 
ſondern auch in Skulpturen, wie Statuen und Re: 
lief. Beſonders reich ausgeſtattet wurden die 
Hauptportale der roman. und got. Kirchen, ſowie 
der Baläfte ver Nenaiffancgzeit. 

Portalegre, Stadt und Hauptort des gleich: 
namigen Dilritte (6400 qkm mit [1881] 105247 €.) 
in ber — —— Alemtejo, in der Serra de 
VPortalegre, Station der Bahn Liſſabon⸗Badajoz. 
Biihofsiis, hat (1878) 8699 E. (einſchließlich For: 
tios mit 542 und Urra mit 1118 E.), zwei Forts, 
eine zweitürmige Kathedrale, ein biſchöfl. inar 
und eine große königl. Tuchfabrilk. 

ortalegre, j. Borto:Alegre. 

ortälis (Jean Etienne Marie), Kultusminifter 
unter Napoleon J., geb. 1. April 1746 zu Bauſſet im 
Depart. Bar, lieh 8 1765 zu Air als Advolat nie: 
der. Beim Ausbrud der Hevolution begab er ſich 
nad Paris, wo er jedoch verhaftet und bis zum 
Sturz der Schredendherrichaft eingefperrt wurde. 
Sodann trat er in Paris ala Advolat auf und ges 
langte 1795 als Abgeordneter der Hauptſtadt in den 
Nat der Alten. Bonaparte übertrug ihm nach dem 
18. Brumaire mit Tronchet, Bigot de Preameneu 
und Maleville die Redaction bes ——— 
Im Sept. 1801 erhielt er Sig im Staatsrat. 
dachdem er fchon 1801 die Kultusangelegenbeiten 
neu georbnet, auch 1803 Senator geworden, er: 
nannte ihn Napoleon im Juli 180% zum Kultus: 
minijter. Er ftarb 25. Aug. 1807. er für die 
Gedichte des 18. Yahrh. ift fein nachgelafienes 
Mert «De l’usage et de l’abus de l’esprit philo- 
sophique durant le 18° sidcles (2Bbde., Bar. 1820; 


Portament — Borter (Bier) 


8. Aufl. 1833). Bol. Lavollde, «D. sa vie et scs 
@uvres» FE. 1869). j 
ofepb Marie, Graf von P., des vorigen 
Sohn, geb. 19. Febr. 1778 zu Air,, ſchlug erit die 
biplomatifche Laufbahn ein, trat hierauf ald Ge: 
neralfelretär in das Minijterium feines Vaters, 
erhielt Si im Staatsrat und übernahm aud) das 
Direktorium der kaiferl. Druderei. Am J. 1811 
feiner Umter entjeßt, weil er im Intereſſe des röm. 
Hofs ein Kabinettsgeheimnis verraten, wurde er 
1813 doch zum eriten Bräfidenten am laijerl. Ge: 
rihtshof zu Angers ernannt. Nach dem zweiten 
Sturz Rapoleons trat er in den Staatsrat, und 
Ludwig XVII. verlieh ihm 1819 bie Pairswürbe. 
Im 3. 1824 wurde er Praſident ded Caflations: 
bof8, erhielt Jan. 1828 im Minijterium Martignac 
das Portefeuille der Juſtiz. das er jedoch als Feind 
ber Jeſuiten mit dem des Auswärtigen vertauſchen 
mußte. Beim Austritt aus dem Minifterium 
wurde P. erjter Bräfident am Caſſationshof. Seit 
1834 war P. PVizepräfident der Pairsfammer. 
Er jtarb 4. Aug. 1858, nachdem er längere Zeit 
vorher fein Amt am Gafiationshofe niedergelegt. 
P. war Mitglied des Inſtituts. . 

Portament (ital. portamento di voce) heißt 
im Gefang die Geſchiclichleit des Sängers, die 
Zöne einer Melodie jo aneinander zu reihen, dab 
man keine Unterbredung bemerkt, fondern daß die 
Zöne gleichſam auf: und ineinander fibergetragen 
werden. Die größte Kunit dabei befteht darin, daß 
der Sänger zur rechten Zeit Atem holt, um den 
Zufammenbang der Töne nicht zu ftören. Von 
dem menſchlichen Geſang ift die Benennung P. 
aud auf die Töne der Inſtrumente übergegangen, 
und man verlangt gegenwärtig auch ein porta- 
mento di voce (Tragen der Stimme oder bes Ton?) 
bei ben Saiten: und Blasinftrumenten. 

‚ Bortarlington, Stadt in Queen's County der 
irischen Brovinz Leinfter, am River Barrow, Sta: 
tion der Great: Southern: und Weiternbahn, die 
ier nah Tullamore abzweigt, bat 2430 E. und 
Habrifation von Seife, Kerzen, Leber. 
etafteine, ſ. unter Porta Westphalica. 
ortatile (mittellat.), die Platte mit dem Re: 
fiquieninhalt auf dem Altartifch; aud der Trag- 
altar (f. unter Altar). 

Portatis (fri. Orgue portatif), eine tragbare 
Drgel; fie untericheidet ih vom Pofitiv (f. d.) nur 
durch ihre Tragbarleit. Am Mittelalter waren die 
P. jehr beliebt. Die Stimmen waren meift Rohr: 
werte, Schnarrwerle. Das P. lieferte bie Tafelmuſik. 

Porta W ca, die Weſtfäliſche 
Pforte, im Negierungabezirt und Kreife Minden 
der preuß. Provinz Weitfalen, heißt die Berglüde 
in ber walbigen Wejerlette oder dem Nordrande des 
Bejergebirges (f. d.), durch welche die Wejer aus 
dem FH 37 ern gran —ã —— —* 
a = nd tritt. glei Pforte und bei 
den Anwohnern bie Scharte genannt, iſt dieſer 

ruch nicht ein enges, zu beiden Seiten 

fteil in ben Strom abfallendes elfen: 

thor, ſondern ein ziemlich geräumiges, freundliches 
’ der Fluß, die Landitraße am linten 

und die Köln: Mindener Eifenbahn am rechten Ufer 
ausfüllen. Die beiden Edpfeiler der Pforte find 
rechts der Jaloböberg, 181,5m über dem Meere, 
140 m über dem Beer) iegel bei Hauöberge, der 
Anfang3punlt der eigentlichen Mejerlette, und lint3 
der Wittelindsberg, der Anfangspunkt der 


Er 


179 


Mindenfhben Bergkette (Wiehengebirge), 287 m 
über dem Meere und 246 m über dem Stromfpiegel, 
mit einem 22 m hohen, zur Rundidau erbauten 
Turme und daneben der nur nod in den lim: 
fafjungämauern, einem rohen Altar und Taufitein 
erhaltenen apelle, der Margareten: Klufe, in wel: 
cher der Sachſenherzog Wittelind getauft worden 
fein fol. Das Gebäude ber Gifenbahnitation 
Porta liegt 5km von Minden, 10 km von Nehme 
bei Deynhaufen entfernt, Die Schihtungen de3 
Geſteins liegen großartig zu Tage, und e3 werben 
ier bie fhönen, braungeaberten Sandfteine, die 
ortafteine, gebrochen, die mit den weltberühn: 
ten Steinen und Platten von Hörter, Oberlirchen 
und Vlotho das Material zu ven Neubauten in Min: 
den, den Brüdenbauten bei Marienburg und ir: 
ſchau und der Befejtigung des Jadebuſens geliefert, 
Auch ist der Borta:Gement ein unübertroffenes 
Erzeugnis diejer Gegend, wofür in Hausberge (1. d.), 
einem Flecken, nahe oberhalb der Scharte rechts über 
ber MWejer, eine eigene Fabril beiteht. 

Borteros, eine der Hydriichen Inſeln (f. d.). 

Bortechaife (frz.), Traafellel, tragbarer, ge: 
bedter und mit Fenſtern verjehener Kajten mit 
einer Bant, bis zur Einführung der Lohnfuhrwerte 
in großen Städten übliches Transportmittel. 

Bortefeuille (frj.), eine Tafche oder Mappe 
zur Aufbewahrung von Briefichaften und andern 
Papieren, wird in der polit. Spradhe der konftitu: 
tionellen Länder figürlih für Minijterpoften ge: 
braucht, weil die Miniſter mit dergleihen Mappen 
in den Kammern und vor dem Fürſten zu erfcheinen 
pliegen, dort ihre der Vollsvertretung au machen: 
den Vorlagen, hier ihre Borträge an den Monarchen 
darin mit fi tragend. Man fpricht daher von 
einem Portefeuillewechſel, von angebotenen und 
angenommenen oder a gelehnten B., von einem P. 
de3 Innern, ber Finanzen u. f. w. 

In anderer Bedeutung kommt das Wort B. auf 
dem Gebiete des Geldverfehrs vor, ala Bezeichnung 
für das Behältnis, worin öffentliche Geld: und 
Kreditinititute ihre Wertpapiere (Wechiel, Staats: 
dr u. ſ. w.) aufbewahren. 

Portepee (frz.) heißt eine Quaſte oder ſonſtige 
Bier, zuweilen in Eichelform, von Gold, Silber 
oder Wolle, die an einem ſchmalen Bande befeftigt, 
mittelö desfelben um das Degen⸗ oder Säbelgefäh 
geichlungen und ala Abzeichen der Offiziere getragen 
wird. Dieſes Band ijt von gleichem Stoff oder bei 
ben Berittenen von geitidtem Leder, Die untern 
Chargen führen ähnliche Quaſten von Wolle oder 
Leber, die nicht P., fondern Säbeltroddeln oder 
—5 genannt werden. Auch Militär- und 

ivilbeamte tragen ein P., das ſich aber vom mili— 
täriſchen unterſcheidet. 

Porter, ein engl. ſchweres und dunkelbraunes 
Bier, welches ſeinen Namen davon erhielt, m. es 
urſprünglich hauptſächlich von den londoner Lalt: 
trägern (porters) und Arbeitsleuten getrunken 
wurde. Es wird wie andere Bierſorten aus vr. 
und che gebraut, doch wendet man einen Zei 
des Malzes als dunkelbraunes Farbmalz an. 
Man unterfcheidet verſchiedene Sorten P. Am 
konzentrierteſten ſind der brown stout und 
double stout; weit leichter iſt das Tafelbier 
(gewöhnlicher P.). Ein ähnliches Bier wird von 
mehrern deutſchen Brauereien geliefert und teils 
als engliiher P. verkauft, teild ausdrücklich als 
«Deuticher BP.» bezeichnet. 

13* 


180 


Porter (David Diron), nordamerif, Admiral, 
geb. 8, Juni 1814 in Benniylvanien, trat 1827 in 
mexit. Dienfte, 1829 aber in die Marine der Ber: 
einigten Etaaten und erwarb fi) im Kriege gegen 
Merito und befonders im Bürgerfriege große Ver: 
dienfte. Sein erites erfolgreiches Auftreten in dem: 
felben war im April 1862 das fünftägige Bom— 
barbement des Fort Jadjon am Miſſiſſippi, wo: 
durch die Forcierung der Stromeinfahrt durch 
Farraguts Flotte und die Einnahme von Neu: 
orleans durch die Union eingeleitet wurde. Als 
Neuorleans von Farragut beſeht war , ergaben ſich 
Fort Jackſon und das ihm gegenüberliegende Fort 
St.Philipp an B. Im Juli desfelben Jahres griff 
feine Flotille ebenfo bei dem Bombardement von 
Vidsburg ein. Er wurde 1863 zum Kontreadmiral 
ernannt und ihm ber Befehl über die Flotille des 
obern Miſſiſſippi übertragen, mit welcher er Farra: 
gut fräftig unterſtüßte. P. le dann ben Ober: 
befehl auf dem Miſſiſſippi, während Farragut zum 
Angriff auf Mobile abging. Im Dez. 1864 leitete 
er den Angriff auf Wilmington, Er wurde 1866 
Bizeadmiral, 1870 Admiral der Union, 

Porter (Noah), nordamerif, Gelehrter und 
Schriftiteller, geb. 14. Dez. 1811 zu Farmington in 
Connecticut, ftudierte in Yale:College, wurde Leh⸗ 
rer, dann Tutor in Yale:College, ftudierte zugleich 
Theologie, wurde 1836 Paſtor an der Kongregatios 
naltiche in New:Milford und jpäter in Springfield 
Maſſachuſetts), 1846 Profefior und 1871 Präſident 
des Yale-College. Er bejorgte die revidierte Aus: 

abe von Webjterd «American dictionary of the 
‚nglish language» (1864), ſchrieb «The human 
intellect, with an introduction upon psychology 
and the soul» (Neuyort 1868), «The educational 
systems of the Puritans and the Jesuits compa- 
red» (Neuyort 1851), «Books and readings» (Neu: 
vort 1870), «The sciences of nature versus the 
sciences of man» (1871). 

Porteur (fr3.) Träger, Inhaber von Wertpapie; 
ten, f. Au porteur. 

Portfolio (ital., «Vortefeuillen) hieß eine 
Zeitſchrift, welde vom 21. Nov. 1835 bis zum 
27, Mai 1837 in London erſchien und wichtige 
diplomatiſche Staatsurkunden veröffentlichte, die 
ſich faft alle auf die orient. Frage bezogen. Als 
Sammler gilt Urqubart (f. d.), ein heftiger Ruffen: 
feind, der die eroberungsfüdtige Politit Ruß: 
lands aufbeden und die öffentlidie Meinung ba: 
gegen aufregen wollte. j 

orthan (Heine, Gabriel), finn. Gefdichtäfor: 
ſcher, geb. zu Wütafaari 9. Nov. 1739, wurde 1772 
Bibltothelar und 1777 Profeſſor der röm. Littera: 
tur an der Univerfität zu Abo. P. kann als Be: 
gründer der kritiſchen Geſchichtsforſchung in Fin: 
land angejehen werden und iſt -_ dort jeine Ar: 
beit über die finn, Vollspoeſie, Mythologie und 
Sprade befannt. Seine Hauptwerle find: die 
Ausgabe von Paul Juuſtens «Chronicon epis- 
coporum Finlandensium» (Abo 1784— 1800), 
«llistoria Bibliothecae Academiae Aboäusis» 
(Ubo 1771— 75), «De poesi Fennica» (Abo 1776 
fa.), «De superstitione veteram Fennorum» (Abo 
1782), «Sylloge monumentorum ad illustrandam 
Listoriam Fennicam» ( bo 1802—4). Seine 
«Opera selecta» erjdienen in fünf Teilen (Helfing: 
ford 1857— 73). Auch die erite Zeitung in Finlan 
«Tidningar utgifna af en sättekap» (ibo 1771 fo. 
wurde hauptfählih von P. redigiert. P. ftarb 


Porter (David Diron) — Portland (in England) 


16. März 1804 in Abo; 1864 wurbe ihm bafelbft 
ein Erzftandbild errichtet. 

Bortheven, Hafen bei Heliton (f, d.) in ber 
engl. Grafihaft Cornwall, 

Bote, tadbt am Golf von Neapel und am 

des Veſuv, 8 km füdöftlid von Neapel an der 
Linie Neapel:Eboli der Sübbahn gelegen, mit (1881) 
10059 (Gemeinde 12437) E., ift berühmt durch den 
von Karl II. 1738 angelegten königl. Balaft mit 
ihönen Parlanlagen (jekt Aderbaufchule), fowie 
durch die herrlichen Billeggiaturen, mit Seebädern 
verbunden. Jenſeit des Palaftes von B. beginnt 
Refina, eine Stadt, unter welder das alte Hers 
culanum (f. d.) verfchüttet liegt. 

Porticus (lat), Säulengang, Säulen: 
halle, beißt ein auf einer oder mehrern Säulen 
rubender bededter Gang, mag berjelbe einzeln a u 
oder ſich an ein anderes Gebäude anſchließen. Der 
P. iſt Bedürfnis in allen ſudl. Ländern und findet fich 
dafelbjt allerorten und zu allen Zeiten in verſchieden⸗ 


artiger künftlerifher Ausbildung. Im Altertum 
hatte fait jeder Tempel einen 2 fpäter aud die 
meiiten öffentlihen Gebäude, bejonders Gerichts: 


allen und Dlärkte; fie dienten zum Aufitellen von 

unftwerten, dann aud) zum Spazierengehben. Im 
Mittelalter und in der neuern Zeit wird der P. auch 
in nördl. Yändern bei Gebäuden aller Art, vorzugs— 
weife zum Schmud und liberbau von Portalen, 
vielfach angewendet. 

Portio gratialis (lat.), Snabengebalt; Por- 
tio legitima, Pflichtteil; Portio statutaria, 
Plitteil des überlebenden Gatten; Portio ca- 
nonica, das Einlommen eines Kanonikus, wel: 
ches derfelbe aus den gemeinen Einkünften dese tifts 
erhielt; dann der Anteil von —— — Einlunf⸗ 
ten eines Geiſtlichen, den der Biſchof empfing; 
endlich der Anteil des Ortspfarrers an den lirch— 
lichen Vermächtniſſen eines Verſtorbenen, deſſen 
Begräbnis in einer andern Pfarre gehalten ward. 

— roßes Kloſter bei Aſiſi (ſ. d.). 

ortiuncula:Ablaf heißt in der kath. Kirche 
der Ablab, welder urjprünglid allen denen er: 
teilt wurde, die am 7, Aug., dem Einweihungs: 


tage ber 1569 über dem Days des heil. Fran 
von Ajifi errichteten Kirche Dladonna degli Angelı 
(Portiunculaticche) beichteten. Der Ablaß, wel: 


cher der Legende nad) durch den heil. Franziskus 
felbit von Ehriftus erbeten werden foll, wurde 
dur Innocenz XII. auf alle Tage des Jahres, 
und von Gregor XV. auf alle Franziskanerklöſter 
ausgedehnt. . 
ortland, zur engl. Grafſchaft Dorfet gehörige 
Halbinfel im Kanal Ya Manche, welde mit dem 
Feſtlande durch die Landzunge Cheſilbank zufammen: 
gina, iit 6 km lang, 2 km breit und erreicht eine 
öhe von 140 m; fie endet ſüdlich in dem Borges 
birge Bill of Bortland, welches zwei Leucht⸗ 
türme trägt. P., welches in mehrern Wobnpläßen, 
(1881) 10046 E. zählt, führt vorzügliche Baufteine, 
Getreide, Gerite, Hafer, Hülfenfrüchte und Hammel: 
feiih aus. Bei Portland Hill endet die Linie 
rn rer rg der Great⸗ 
Welternbahn. Die Reede von P., zwiſchen ber 
Halbinjel und ber Hafenſtadt Weymouth (ſ. d.), 
wird durd vier Forts, 13 Batterien und zwei 
1849—72 erbaute, 30 m hohe, unten 91 m, oben 
15 m breite Wellenbredier gefhüst, von denen 
ber innere eine Länge von 580 m, der äußere eine 
ſolche von 1890 m hat. 


Portland (in Nordamerika) — Porto:Maurizio 181 


Vortlaud, Einfuhrbafen und Haupthandelsſtadt orto, Stadt in Portugal, f. Dporto, 
des nordamerit. Staates Maine, liegt auf einer orto, —— 
5 kin fangen und 1 km breiten Landzunge an der orto«Alegre oder Bortalegre, Haupt: 
Gasco-Bay, hat (1880) 33810 E,, von denen 327 | ftadt und Haupthafen der Provinz Rio Orande do 
Zurbige find, Der Hafen . einer der beiten an der | Sul im ſüdl. Vrafilien, liegt am öftl. Ufer des 
tlantifchen Hüfte; er ift Durch die Forts Preble, | Äſtuars des Jacuby, das gegen Süden in die Lagoa 
Scammel und Gorges geihüst, hat leichte und di: | do8 Patos (f. d.) ausläuft._Die Stadt, regelmäßig 
telte Verbindung mit dem Ocean, eine Tiefe, die | und gut gebaut, fteht durch Dampfſchiffahrt auf dem 
für die größten Schiffe binreiht, und ift das ganze | Rio dos Sinos mit den deutihen Kolonien Säo— 
Jahr hindurch ofjen. P. unterhält eine regelmäßige | Leopoldo u. |. w. und ebenjo mit der am Gingang 
Dampferverbindung mit Bofton, Bangor ıc. und im | der Lagoa dos Patos gelegenen Stadt Rio Grande 
Winter mit Liverpool, Durd die Grand-Trunf: | in Verbindung und iſt der Siß des Präfidenten der 
Gifenbabn ſteht fie mit Montreal und Detroit in Ber: | Provinz, eines Gerichtshofs, eines zen und 
bindung. Schöne öffentliche Gebäude find die Stadt: | eines deutichen Konjuls, hat eine Kathedrale, eine 
balle, das Zollhaus, die — das Marinehofpital, | theol, Fakultät, eine Lateinſchule, ein Ho ital, ein 
das Waifenhaus, die Mechanie's Hallıc. Die Stadt | ſehr ſchönes Theater, einen Hafen mit Molo und 
bat über 30 Kirchen, mehrere willeni&aftlide und | Schiffswerften und zählt 35000 E., worunter viele 
litterarifche Jnftitutionen geh für Natur: | deutjhe Kaufleute und Ynduftrielle, die anjehn: 
geſchichte bat eine wertvolle Muiheliammlung), | liden Handel treiben. Zur Ausfuhr kommen: 
mehrere Mohltbätigkeitsanftalten, eine Staats: | TZabal, Mate und Erzeugnifje des Aderbaues_und 
reformſchule, ein Vereinigte:Staaten:Marinehoipi: | der Viehzucht. > Station der Hamburg: Süd: 
tal, ſechs Nationalbanten, Pferdeeijenbahnen, | amerifaniiden Bgittehn und ber 42 km 
Schiffbauhöfe, Wagen:, Lolomotiv:, Dampfmaſchi— — Eiſenbahn P.-Hamburger Berg. Zwei 
nen» und andere Fabriken, Petroleumdeſtillatio— pro e Bahnen von hier nad) Uruguayana und Bage 
nen ıc. und treibt bedeutenden Handel, P. wurde | befinden fid im Bau, fie meiden mit dem Weiten 
1632 von engl. Kolonijten gegründet, 1832 in: | und dem Süden ber Provinz in Verbindung ſehen. 
torporiert und 1866 zum Teil durch Feuer zerjtört. ak f. Buertobelo, , 
Portland, Ginfuhrbafen und volfreichite Stabt orto:Calvo, Stadt in ber brafil. Provinz 
des norbamerif. Staates Oregon, lints am Willa: | Alagoas, 135 km im SSW. von Pernambuco, 
metteflub und an der Oregon: und California: und | hat etwa 6000 E. und treibt Handel mit Rotholz. 
DregonsGentraleijenbabn. Durh Dampfſchiffe Porto d'Auzio, Stadt in der ital, Provinz 
eht P. mit San: zrancisco, Olympia und andern | Ron, f. unter Antium, 
läben am PBuget:Sound und dem Columbia: —— de Mocuripe, ſ. unter Cegra. 
River in Verbindung. P. hat (1880) 17577 E., orto di Civitanova, Dorf bei Civitanova⸗ 
1 Gerihtshaus, 14 Kirchen, 1 Zollhaus, 1 Hoc: | Mardhe (f. d.). [deme { d.). 
ſchule, 1 National: und 2 andere Banlen, 1 rren: rto di San:Giorgto, Hafen der ital, Stadt 
anftalt, Gaswerte, Gifengiebereien, Mafcinenwert: orto Empedöecle, Hafen von Öirgenti (ſ. d.). 
—— u. ſ. w. und führt Wei— orto⸗Ferrajo, Hauptitabt der ital. je 
zen, Hafer, Mehl, Wolle und Holz aus, Elba (f. d., welche den Bezirk P. der Provinz Li: 
ortland:Cement, j. unter Cement. vorno bildet), an deren Norblüjte der durch 40 Dat: 
ortlaud⸗Vaſe nennt man eine jeht im Briti- | terien fehr ſtark befeftigte Hafen (mit Leuchtturm) 
ihen Mufeum zu London aufgeftellte Baje, die mit | liegt. _ Der freundliche, von Bergen umgebene Drt 
—* angefüllt in einem gut gearbeiteten Sarlo— 
phag unter Papſt Urban VIIL (1623—44) in einem 
rom. Grabmal entdvedt wurde. Der Sartophag 
wurde in das Kapitoliniihe Mufeum, wo er noch 
gegenwärtig ſteht, die Vaſe zunächit in die Barberi« | ba 
niide Bibliothel zu Nom (daher fie auch Barberini: | Eine Kunftitraße mit ſchönen Landhäufern führt 
Vaſe genannt wird) gebracht, von wo fie ungefähr | nad) Porto:Longone. Auf dem Gipfel der Felſen— 
100 Fahre fpäter der Engländer Will, Hamilton göbe zwiſchen den Citadellen il Falcone und la 
—“ erwarb und bald darauf der Herzogin Stella hatte Napoleon I. vom 5. Mai 1814 bis 
von Portland zu London für ihr Mufeum überlich, | zum 26. Febr. 1815 feine Refidenz, wo & t der Sip 
bei deſſen Berjteigerung fie an das Britiihe Mu: | der Unterpräfektur it; in dem nahen Thale Gans 
pe gelangte. Sie beiteht aus einem blauen, Martino Het die von ihm bewohnte Billa. , 
urhjihtigen und darüber einem —— opalen Porto⸗Grande, Hafenplaß der zu ben Kapverdi⸗ 
Glasfluß und iſt mit kunſtvoll ausgeführten Reliefs ſchen Inſeln (ſ. d.) gehörigen Inſel Säo-Vicente. 
ii deren Deutung zwar oft verjudht, aber nod) ortogruaro, Stadt und Dijtriftöhauptort der 
nit mit Een gelungen ift. Einige Wahr: | ital, Provinz Venedig, am Lemene, in fumpfiger 
heinlichkeit hat Windelmanns Deutung des einen | Gegend, Station der Cijenbahn Meitre-P., Sik des 
elief® auf die Sage von Peleus und Thetis. Biſchofs von Concordia, hat (1881) 4867 (Ge: 
Sie find am forgfältigften abgebildet in Millingens | meinde 9386) E., ein Lyceum und ein inar und 
«Ancient unedited monuments» (Bd. 1, Lond. | betreibt Ausfuhrhandel. 
1823), Im %. 1845 wurde die Vaſe von ihrem ortolano (ital.), N Portulan. 
Voſtament herabgeſtürzt und zertrümmert, aber mit orto⸗Longone, Ort auf Elba (f. d.). , 
gutem Grfolge wieder zufammengefebt. orto-Maurizio, Hauptort der ital, Brovir; 
Portlatv, Stadt in ber Grafihaft Waterforb | P. (1209,75 qkm mit 188937 G.) und des Bezirks 
ber irischen Vrovinz Muniter, am Glodiagh:Niver, | P., 13km von Genua und 299 km von Marfeille, 
einem rechtäjeitigen Nebenfluß des Suir, hat (1881) | febr ſchön auf einem Borgebirge am Liguri: 
4351 E. und Baummwellmanufaltur. ſchen Dieere gelegen, an ber Bahnlinie Genua: 


bat reinliche terraffierte Straßen und zählt (1881) 
5391 E., welche anfehnlichen Fiſchfang, namentlich 
Thunfiſchfang treiben und Cifenenie und Salz aus: 
führen. P., Station der Dampfer der Societä Nu: 
battino, it Sik eines deutſchen Konfularagenten. 


— 








182 


Savona:Bentimiglia, befteht aus ber engen Alt: 
und der freundlihen Neuftadt, zählt (1881) 6909 
(Gemeinde 7219) G. und wird ojt als Himatifcher 
Murort beſucht. P. ift eine Marineftation mit 
gutem neu ger zu welcher —— 
pläße gehören, und treibt Handel mit Dlivenöl. 
orto⸗Novo, Ort in Dahomeh (if. d.). 
orto-Bangi, Hauptitabt von Boa (f. d.). _ 
orto:-Praia, Stabt auf der Y den Hapverdi: 
ichen Inſeln ji d.) gehörigen Inſe ——— 

Porto⸗Re, Freihafen und Marltſlecen bei Buc⸗ 
carı (f. d.) in Kroatien. 

Portorieo, cigentlih Buerto:Rico, bie ölt: 
lichſte und Heinfte der Großen Antillen, bildet mit 
den nabe öjtlich liegenden, zur Gruppe der Virgini⸗ 
ſchen 5* gehörigen Eilanden Culebra, Culebrita 
und Vieques ein eigenes ſpan. Generalcapitanat 
von 9315 qkm, Die Inſel wird durch die 120 km 
breite Mona-Paſſage, in welder das unbe: 
wohnte und berrenlofe Ciland Mona liegt, von 
Haiti getrennt und hat die Form eines Viereds, 
da3 big 170 km lang und 64 km breit ift. Das 
Innere P.s wird von W. gegen D. von walb: und 
quellenreichen Bergmafien durchzogen, die im Durch⸗ 
fchnitt 400 m body find, im Yunque oder Anvil 
jeboch 1120 m erreichen, gut bewäflerte und frucht: 
bare Thäler enthalten und gegen 50 Flüßchen, zum 
Teil fifibar, dem Meere zujenden. Doch finden 
ſich im amenn auch ausgedehnte Savannen. Die 
Küjten find teils von Klippen und Riffen, teil3 von 
Lagunen eingefaßt, im N. oft jehr ſtarker Brandung 
ausgeſetzt, in verſchiedenen Gegenden von ftunden: 
weiten, überaus ergiebigen Fruchtebenen eingenom: 
men. Die einzigen zu allen Jahreszeiten fihern 
Häfen find San Auan, Hovas und Öuanica. Das 
Klima, obgleid) warm , ift im allgemeinen gelünder 
al3 auf den übrigen Antillen und zeigt ſich in den 
höhern Gegenden zum Anbau europ. Öetreidearten 
geeignet. Die mittlere ——— betrãgt 
etwa 27° C., im Auguſt fteigt die Hitze aber oft auf 
45°. Den Reichtum an tropifhen Produlten hat 
P. mit dem übrigen Weitindien gemein. Vieh wird 
in großer Menge gezogen, und das Meer ift überaus 
ficreid. An mineralifchen Produlten finden ſich 
Waſchgold, Kupfer, Eiſen und Blei, auch Kohlen, 
Ealz wird in den Strandlagunen in großer Menge 
gewonnen. Die Bevölterung belief ſich 1880 auf 
154313 E., darunter 429473 Weiße und 324840 
Sarbipe. ie Stlaverei wurde durch Gefeh vom 
22.9 , 1873 auf P. aufgehoben. Dadurd) hat 
fi der Yandbau vorzüglid der Kolonialprodufte, 
insbeſondere Zuder, Kaffee und Tabak, und der 
Handel auf P. ungemein gehoben. Das Juderrobt 
gewährt hier im Verhältnis zu der mit ihm bebau: 
ten Bodenfläche viel reichere Ernten al3 im übrigen 
Weftindien. Im J. 1883 betrug die Ausfuhr der 
ganzen Inſel an Zuder 79738103 kg, an Honig 
30864367, an Kaffee 17070508 und an Zabat 
1757892 kg. Die Geſamtausfuhr betrug 1883 
11807720, bie Gejamteinfuhr 13785843 Peſos 
fuertes. Die Einnahmen 1883/84 betrugen 3863376, 
die Ausgaben 3926065 Peſos. Der Een 
belief fi) im J. 1883 auf 1907 eingegangene Schiffe 
mit 1227853 t Gehalt, und 1707 ausgegangene 
Schiffe mit 1113383 t Gehalt, ungeredhnet die 
Küftenfahrer und die Danıpfer der deutſchen, 
engl, und amerik. Linien, welche ——— 
Häfen der Inſel regelmäßig anlaufen. Die Länge 
der Zelegrapbenlinien betrug 1880 750 km, P. 


Borto:Novo — Porträt 


zerfällt in bie fieben Departementos Aguabilla, 
Arecibo, Bayamon, Guayama, Humacao, Maya: 
gun. Vonce und Goamo, Die 1514 — 

auptitabt San⸗Juan de Puerto⸗Rico, auf 
einem durch eine Brüde mit B. verbundenen Eilanbe 
der Rordkũſte gelegen, mit ee 
Hafen und ftarfen u en, 1 ee is der 
Gentralbehörbe ber Inſel und des Biihofs und 
zählt 18132 G., die ſehr ausgebreiteten Sechandel 
treiben. Doch wird der leßtere ge übertroffen 
von zwei andern Hafenpläben ber Inſel: Maya: 
guezander fte und Bonce an der Sũdkũſte. 
Andere Häfen find noch Aguadilla, Arroyo, Arecibo, 
Humacao und Fajarbo. 

Die Inſel, urjprünglid) Boriquen ober Buren- 
quen genannt, wurde von Columbus auf deſſen 
zweiter Reife 15. Nov. 1493 entbedt und * 
von ihm den Namen «Kohannes bes Täuferd» 
de San Juan Bantista), Sie wurde vom König 
von Spanien 1509 unter die Berwaltung des Juan 
Ponce de Leon geftellt. Die Bebrüdungen, benen 
die in den Goldwäſchen beſchäftigten ei 
Karaiben ausgefeht waren, riefen eine i 
Empörung und blutige Kämpfe hervor, in denen 
der größte Teil der Bevölterung (angeblich 600000 
Menſchen) umlamen. Die Stel diente hauptſäãch⸗ 
lich als Verbannungsort von Berbredhern und hatte 
durch fortwährende Angriffe der ber, auch 
der nzojen und der Seeräuber viel zu leiden. 
Grit jeit 1763 fing Spanien an, die Inſel mehr zu 
berüdfichtigen, ihre Bläte begann mit der Regierung 
de3 Generallapitänd Miguel de la Torre 1823, 
Seitdem hoben fi die Bevölkerung und der Wohl: 
ftand, ſodaß die Kolonie bem Mutterlande jekt jähr: 
lid) einen Überjhuß gewährt. Gewaltige Drlane 
und 1875 eine heftige Bodenepibemie unterbradyen 
aber mehrfach ben Fortſchritt der Entwidelung. 

orto: Santo, Inſel, f. unter Madeira, 
orto⸗Torres, Hafenort, f. unter Safari. 
orto-VBechio, Hafenitabt ug bar franz. Inſel 
Corfica, Arrondifiement Sartene, im Hintergrunde 
des en Golf an ber Sübdoftküfte Rom 
(1881) 1085 (Gemeinde 2655) E. unb den 
* ſowie die —— der Inſel. 
vto-Benöre, im Altertum und Mittelalter 
Portus Veneris, Hafenftabt in der ital. Provinz 
Genua, ig Spezia, weſtlich an der Küſte des 
Golfs von Spezia terrafienförmig auffteigend, mit 
vorgefhobenen Werten ber —5* hat 
(1881) 1223 (Gemeinde 3567) E., i und 
iſcherei. Der Dom San⸗-Lorenzo, eine roman, 
ſilita, hat an der Facabe alte intereſſante Re: 
liefs. Die den Ort überragende maleriſche Ruine 
der aus fhwarzen und weißen Marmorquadern 
1118 erbauten Kirche Santo: Bietro fteht an Stelle 
des antiten Venustempel3 und gewährt eine 
prächtige Rundſchau über die Niviera di Levante 
und bis nad) Gorjica, , 

BVorträt (fr5.) oder Bildnis nennt man eine 
Abbildung eines Menſchen unter befonderer Berüds 
fihtigung feiner individuellen Erſcheinung. Tas 
Porträtieren oder Abbilden findet fomohl in pla⸗ 
ftifchen Werten (Porträtftatuen oder Ikoniſche Sta: 
tuen, Borträtbüften und Porträtreliefs, lebtere be; 
fonder3 ala Mebdaillons behandelt) als in Gemäl: 
den ftatt, Die Borträtmalerei ijt eine eigene 
Gattung der Malerei. Sie ftellt das ug 
Bleibende, Bezeihnende an dem einzelnen Menſchen 
dar. Das P. muß Charakterbild fein. Sklaviſche 


Porträtftatue — Portsmouth (in England) 


Annäherung an das Urbild ift nur Treue für den 
A id, dba jeber Tag an dem Zufälligen der 
menſchlichen Geftalt ändert. Darum bat der Künft: 
fer bloß die bleibenden Hauptzüge aufzufaflen und 
den phyfiognomiſchen Ausbrud, der jedem Zuge 
feine Bebentung gibt. Bon den ital. Malern waren 
befonber& die Benetianer (Tizian), von den nordi- 


die Niederländer (van Dyd) und von den 
Spaniern die Schule von Madrid (Velasquez) groß 


in ber Porträtmalerei. 








183 


22 km erweitert, gegen alle Winde und Stürme ges 
ſchützt ift und der ganzen engl. Kriegsflotte einen 
trefflichen Antergrund bietet, ®. befteht eigentlich 
aus zwei Städten, aus P. im S. und Portſea 
im R. welches legtere aus einer Vorſtadt erwachſen 
und gegenwärtig bei weiten größer ift. Beide 
haben zufammen (1881) eine Bevöllerung von 
127989 €. (gegen 72096 im J. 1851 und gegen 
53058 im %. 1841), ungerechnet die 7420 E. von 
Gosport (f._b.), welches durd bie Feſtungslinien 
mit in den Städtelompleg gezogen und durch eine 















um rz 
=» > I I 
















































































































































































Malstab' 1:390.000. 


Topographiſche Lage 


Portrieug, Fleden im franz. Depart. Cötes:bu: 
Nord, Arrondifiement St.:Brienc, am weitl. Ufer 
der Baie de St.:Brieuc, bat gegen 1000 6. einen 
Hafen, Aufternbänte, Fiſcherei und Seebäder. 
otwu-Hägel, |. unter Bortämouth. 

Bortfen, zur engl. Grafihaft Hampibire ge 
—* Inſel weſtlich vom Hafen von Porismouth, 
oſtlich vom Sangitonhafen begrenzt, hat bie Städte 
P. und Portsmouth (f. d.). 

Bortömouth (ipr. :mösh), Municipalftabt und 
Parlamenıt3borough, ftärkfte Jeſtung und Hauptfee: 
erjenal Englands mit dem größten und ficherften Ha: 
fen des Königreichs, liegt in der Grafſchaft Hampfhire 
nordöftlid von der Inſel Wight, im ſüdweſtl. Teil 
der Inſel Portſea, an dem Cingange zu dem herr: 
lihen Bortsmoutb:Harbour, der, an ber fühl. 
Einfahrt nur 1,2 km breit, fich im Innern bis auf 






_. 


eamster 


Kl 
don Bortämonth. 


Bans Brüde mit demſelben verbunden if. Mit 
en Borftäbten Landport, Somerstown und South: 
ſea haben P. und Portfea 42 Kirchen und Kapellen, 
eine Synagoge, zwei Lateinihulen, das 1729 ges 
gründele Narinecollege, eine Sternwarte (60° 48’ 
3" nördl. Br., 1° 5’ 58,5" weltl. 2. von Greenwid), 
eine Schiffbauſchule, einen Philoſophiſchen Verein 
mit Muſeum, ein Athenäum, ein Handwerkerinftis 
tut und ein Theater. Bon öffentlien Anftalten 
und Baumerlen find 2 erwähnen bie ausge⸗ 
dehnten Kaſernen, der Palaft des Gouverneurs, 
das Stadthaus, das Gerihtshaus, das Zollamt, 
ein ee la i3, ein großes Arbeitshaus, ver: 
ſchiedene obigen talten und zwei loloſſale 

afierwerle. Die Stadt P. felbit ift eng, wintelig 
und finfter, hat nur eine lange hubſche Straße, die 
High:Street, und an bemerkenswerten Gebäuben 







184 Portsmouth (in Nordamerifa) — Portugal (geograpbiich: ftatiftifch) 


das alte Gouvernementshaus (bis auf Heinrich VIII. 
eine Priorei) mit anftopender Barnifonstapelle und 
die fehr alte Kirche St. Thomas mit einem 40 m 
hohen als Landmarle dienenden Turm. Portſea 
iſt beſſer gebaut, bietet aber auch nur einen beſchei— 
denen Anblid. Schön find die beide Stäbte um: 
ziehenden Wälle mit ihren Ulmenalleen und inter: 
eſſanter Ausficht auf das ganze Hafenleben, auf die 
Inſel Wight und die nächſten Küftenpunfte, Dem 
Glacis gegenüber ziehen fich die Vorjtädte hin, die 
größer find al3 P. und Bortfea zufanımen, mit rei: 
zenden Squares, hübſchen Gebäuden und Gärten, 
am fhönften bie Vorſtadt Southfea, die in neue: 
fter Zeit ein vielbejuchter Badeort geworden. Dicht 
am Seeftrand, nur durch dad Glacis getrennt, lie: 
gen bie berühmten Kingsrooms, eins ber vor: 
——* Seebãder Englands, Berühmt it P. 

urch fein Secarjenal mit den größten Dods der 
Welt. In Portſea befinden ſich die königl. Schiffs— 
werften, bie einen ummauerten Raum von 96 ha 
bebeden und alle Anftalten für den Bau, die Aus: 
beſſerung und Verproviantierung von Kriegsſchiffen 
in großartigen = ya enthalten. Auch iſt 
das ——— der Marine und der Siß des Hafens 
admirals. Südlich von den Dods liegt das Artil: 
leriearjenal, dem zu Woolwid zwar nadjtehend, 
aber doch auch fehr bedeutend, mit einem Zeughauſe 
für Heine Waffen, einem Saboratorium, großen 
Kais und fhönen Offiziermohnungen. In und bei 
Gosport befinden ich die Bäderei, Brauerei und 
PBrovianthäufer der Viarine, die Böttcherei und das 
Vulvermagazin, fowie das großartige te 
jpital für Seeleute (1746—62 erbaut), welches 
etwa 2000 Kranke aufnehmen kann. 

Die Befeftigungen der beiden Stäbte und Gos— 
ports find mit 1115 Geſchützen bewaffnet und be: 
dürfen in ihrer Verteidigung einer Garniſon von 
20000 Dann. Sie beitehen zunächſt in einer En: 
ceinte von 4,8 km Umfang mit 18 Baftionen und 
Ravelins auf ‚der Landjeite. Den Eingang in den 
Hafen verteidigen Monkton-Caſtle, füblich von Go8: 
port, und Soutbjea:Cajtle auf der Inſel Portien, 
auf deren Süblüfte außerdem nod die Forts 
Lumps, Gaftney und Gumberland ftehen, die 
mit den Forts auf den Sandbänfen die im S. bes 
legene Neede Spithead, den gewöhnliden Sam: 
melplaß der zum SRINENN zu DMandvern, Nevuen 
u. ? w, "beltimmten Flotte, volllommen deden. 
Eine zweite Enceinte bilden in einer durchſchnitt⸗ 
lien Entfernung von 1,2 km weitli von osport 
die detadhierten Forts Gomer, Grange, Rowner, 
Brochurſt und Elſon, und wiederum 3,2 km weit: 
lich von Gosport entfernt liegen die Vorfeften Lee 
Farm, Forbury und Bladhouje. Auf den im Nor: 
den ber Hafenbai von Weſien gegen ften binftrei- 
henden Hg, n liegen acht durd 
bededte Gänge verbundene Forts und in Weiten 
die Vorfeſte Wellington. Endlich auf ber Nordjeite 
der Inſel Portſea, die dur einen ſchmalen, über: 
brüdten Meeresarm vom Feſtlande getrennt iſt, be: 
finden fi die Linien von Hilfe. Der Umfan 
ſämtlicher Befeftigungen beträgt über 40 km. No 
innerhalb der äußern Werke liegt Fareham (f. d.). 
Die Induſtrie P.s, das zwei Mitglieder in das Par: 
lament jevt, ii nur infoweit bedeutend, als fie 
unmittelbar mit ben Marineetablijjements in Ver— 
bindung ſteht. Nicht ohne Belang iſt der Handel, 
namentlich der —— Es befinden ſich bier 
Warenſpeicher aller Art, außer für Tabak. Mit 


der Infel Wight, Plymouth, Falmouth, Havre findet 
Dampfbootverbindung ftatt. — P. wird zuerſt im 
Beitalter der Angelſachſen erwähnt, die hier 501 bei 
ee, landeten. Unter Alfred d. Gr, 
wurbe im Hafeneine Flotillevon neun Schiffen gegen 
die Dänen bemannt und vor dem Ginfall der Nor: 
mannen (1066) eine Menge von Schiffen von bier 
aus gegen diefelben ausgejchidt. Unter Eduard IV. 
wurden bie Befeitigungen begonnen und unter Ri: 
hard III. vollendet. Erſt unter Heinrich VIIL er: 
richtete man zu P. das Hauptmarinearjenal Eng: 
lands, und unter Eduard VI. ftationierte im Hafen 
die ganze Flotte des u ag die ns nur 
aus 53 Schiffen mit 7780 Mann beftand. Königin 
Glifabeth führte neue Vefeitigungen auf aus dem 
Gewinn ber erften Staatslotterie m England. 
Karl II. ließ neue Forts, Werfte u. ſ. w. anlegen, 
und feit Wilhelm III. wurde bis auf die neueite 
Zeit an ber Befeitigung fortgearbeitet. 
——— „Stadt in Neuhampſhire (ſ. d.). 
ortömouth ſſpr.mõsh), Stadt und Hauptort 
von Scioto County im nordamerit. Staate Obio, 
liegt am OBEN: oberhalb der Mündung des Scio: 
tofluffes, an der Dhiolanal⸗, der Scioto:Balley: und 
der B.:Zweigbahn der Marietta: und Cincinnati: 
Eifenbahn, zählt 11321 E., worunter 969 Farbige, 
hat 1 Stadthaus, 18 Kirchen, 1 Hochſchule, 5 Na: 
tionalbanlen, Gaswerfe, Nägelfabriten, alzwerte, 


Gijengiebereien, —— Maſchinen⸗, Mö— 
bel⸗ Seien und Dfenfabriten, In der Umgegend 
wird viel Eifen gefunden. 


Portömonth (ipr. :mösh), Stadt und —5* 
in Norfolk County im nordamerik. Staate Virgi— 
nia, liegt am Elizabethfluß, an der Seabord- und 
Roanole⸗ und der Atlanticz, ——— und Obio: 
Gijenbahn und bat (1880) 11390 E. Der 1 km 
breite Fluß bildet einen guten Hafen. Durd Dampf: 
ſchiffe ſteht Seren Tg dere Egg Span 
Norfolk in Verbindung. Die Stadt hat 1 Marine: 
bofpital, 13 an 2 Banken und 2 Alabemien, 
ortfoy, Hafenort in der ſchott. Grafſch. Banft, 
an der Nordfee, Station der Linie Grange:P. der 
Bahn Great:North of Scotland, hat 1832 E., Cer: 
pentinfteinbrüche, Garnfpinnerei, Zeinweberei und 
a ae ur Fiſcherei. _ 
ortugal, ein Königreich und das ſüdweſtlichſte 
Land Europas, zwiſchen dem Atlantiihen Meere 
und Spanien pe on, mit weldem es die Pre: 
näiihe Halbinjel bildet, von 36° 59’ bis 42° 8' 
nördl, Br. in einer Länge von 572,5 und einer 
Breite von 126—222 km ſich erjtredend, hat ein 
Areal von 89143,1ı qkm (ohne die Azoren). Abge— 
(een von den überjeeifhen Veſihungen, zerfällt es 
h oriſch in das eigentliche ——— P. und das 
oͤnigreich Algarve (f. d.) oder Algarbien, admini— 
Serge aber feit 1835 in 17 Verwaltungsdiſtrilte, 
tatt deren aber die frühere Ginteilung in 7 Bro: 
vinzen noch im Volle ſelbſt geläufig üt, nämlich: 
Minho (Diftrilte Vianna do Caftello, Braga und 
Dporto, 7212,9 Er mit [1881] 1014768 E.): 
Traz 03 Montes (Braganga und Villa:Real, 11033 
qkm mit 396676 E.); Beira Alta (Aveiro, Vizeu, 
Goimbra, 11 749,5 qkm mit 964900 G.): Beira 
Baira (Guarda, Caftello:Branco, 12141,5 qkm mit 
412532 €E,); Eſtremadura (Liſſabon, Santarem, 
Leiria, 17878,1 qkm mit 946472 E.); Alemtejo 
(Bortalegre, Evora, Beia, 24293, qkm mit 
367169 E.) und Algarve (Faro, 4834,2 qkm mut 
204.037 E.). Die Zahl der Bevölkerung wurde früher 


Portugal (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


durchſchnittlich nach den Feuerſtellen berechnet. Die 
lan Bäblung 1841 ergab 3412500, die von 
1851 auch nur 3487 027, die von 1861 aber 3693362 
und die von 1881 bereit3 4306554 E. Die bevöl: 
tertite Brovinz ift Minho mit 141 E. auf 1 qkm, 
am ſchwãchſten bevölfert ift Alemtejo (15 aufl qkm). 
Die beiden Hauptlongentrationspunlte der Bevöl: 
ferung find Lifjabon mit (1878) 246343 E. und 
DOporto (f. d.), die bedeutendfte Handelsſtadt des 
Landes, mit 105838 E. Von den überſeeiſchen 
Befisungen find die Adjacentes, d. h. die dem seit: 
land am nädjiten liegenden Inſeln des Atlantifchen 
Dreand, den europ. Beſitungen gleichgeftellt und 
eit 1835 in bie wg Verwaltung derjelben mit 
ineingezogen, ſodaß ihre Bewohner, welche der 
zahl nach mit den Portugiefen von gleicher 
Abjtammung, mit diefen auch gleiche polit. Rechte 
ba Dieſe Infeln haben zujammen ein Areal 
von 8203,3 qkm mit 401624 E. und bilden vier 
der Berwaltungsdiftrifte P.s, nämlich: die Inſeln 
Madeira (. d.) und Porto-Santo den Diftrilt 
Zungel (815 e mit 132223 E.) und die Gruppe 
der Azoren (j. d.) die drei Diftrifte Angra (auf Ter: 
a (auf Fayal) und Bonta:Delgada (auf 
Sio: iu), 2358,3 qkm mit 269401 G. um: 
ſaſſend. Die übrigen überfeeifhen Beſihungen oder 
Kolonien, welche erit ſeit der Verfaſſung von 1833 
zur volljtändigen Teilnahme an den polit. Rechten 
gelangt und in der Pairstammer fowie_in der De: 
putiertenlammer vertreten find, * in ſieben Gou⸗ 
vernements eingeteilt: 1) Die Kapverdiſchen In— 
feln (f. d.), 3851 qkm mit (1879) 99317 E. 2) Das 
Gouvernement Guind oder die Befihungen in Se: 
negambien 69 qkım (1873) mit 9282 8) Die 
Guinea⸗ Inſeln Sio:Thome und Principe 1080,56 
qkm mit 21097 E. Dazu Fort Ajuda, 35 qkm 
mit 4500 €. 4) Angola (a d.) mit dem Hauptort 


Säo-Baolo de Loanda, in drei Diftrikte: Loanda 
(Angola), ıela und Mojiamebes, 809400 akm 
mit etwa 2 Mill. Dewohnern. 5) Mozambique, 


991 150 qkm mit 350000 G,, in 9 Diitritte: Cabo 
do, Mozambique, Angoche, Quelimane, Da: 
nica, Zete, Sofala, Inhambane und Lourengo 
Marques. 6) ———— in Indien oder Goa: die 
alten Groberungen in Goa, nebjt Bardez umd Sal: 
cete, und Angedive, 3670 qkm mit (1831) 419993 
G.; Damäo, 80 qkm mit 2 48838 E.; Diu, 
5 qkm mit (1881) 12636 E. 2 Macao und Ti: 
mor. o mit Taipa und Colovane, 11,75 qkm 
mit (1880) 68086 E. und Zimor nebjt Kambing, 
16300 qkm mit vielleicht 800000 E., in 11 Diftrit: 
ten. Danach umfaſſen die außereurop. ya 
1825252 qkm mit 3333700 6. Un 
der der Ha en, von Mozambique und 
Indien je ein Generalgouverneur. 
P. ift al3 ein Küjtenland u betradten, von 
Spanien mehr durch polit. als dur matürliche 
Tan ieden, indem feine Gebirge und grö: 
—* e nur weſil. Fortſehungen des innern 
und Gebirgsbaues, fowie der Strom— 
adern jenes Landes bilden. Es ift vorherrichend 
Hochland, Seine Gebirgämajien treten jedoch nur 
felten unmittelbar an da3 Meer, um an der im 
— Tale de Pan — Mader 
a anze Litorale aus flachen 
5 weshalb die Zahl der guten Sa: 


—— die Mündungen der größern zlufe 


it. Am bt . in de 
a orkiepung bes call Scheibepehitges, 





185 


ber Serra ba Eitrella, einem hohen Plateau, deſſen 
Hauptmafie gern den Mondego und Hezere 
liegt. (©. Beira.) Diejes Gebirge erreiht an 
dem breiten Scheitel de3 Malhäo de Serra die 
öbe von 1993 m, fteigt von Norden ber aus lab: 
en, 650—1000 m hohen Plateauflãchen fanft, von 
Süden her teil auf, ſeht ſich durch Eſtremadura 
— Sudweſten als niedriger, von tjolierten, re: 
atıv unbedeutenden Felſenmaſſen überböhter Bla: 
teauzug bis zum Meere fort, gegen welches es jteil 
abjtürzt, am fteiliten in ber Serra de Cintra und 
dem 127 m hohen Cabo da Roca, der weitlichiten 
Spibe des europ. Feitlandes. Im äußerften Süden 
3 fteigt als weſil. Fortſehung des andaluſ. 
cheidegebirges das —— wiſchen Alem: 
tejo und Algarve (f. d.) oder die Serra de Mon: 
chigue allmählich aus den hochliegenden wülten 
Heideftreden von Alemıtejo bis zur Höhe von 903 m 
an. Das Gebirge gr aus mehrern parallel 
von Diten gegen Meften laufenden Stetten, welche 
* in immer tiefer und enger werdende Thäler 
inabfallen, bis die lebte mit ihrem ſüdl. Fuße die 
niedrige beibe und fandige Küſtenlandſchaft Al: 
garves ft jt erreicht. Das Gabo de Säo-Vicente 
ift der lebte nur noch 120 m hohe Voriprung des 
Gebirge, zugleich die ſüdweſtlichſie Spike von ganz 
Europa. Im Norden des Mondego liegt die Ter— 
raſſe von Der:Beira mit durdichnittlih 500 m 
boben, wenig bebauten, aber herdenreichen Berg: 
flächen, von zahlreichen tiefen, engen und frucht: 
baren pälern durchfurcht, deren Flüſſe meijt dem 
Duero (f. d.) oder (portug.) Douro zufließen, Links 
vom untern Douro jteigt der Montemuro zu 1389 m 
an, Am dichteiten zulammengedrängt find die im 
Norden diejes Fluſſes binziehenden Felſenlämme, 
Verzweigungen des Gebirgslandes von Leon und 
Galicien; dort fteigen die Serra de Maräo zu 
1422, die Serra do Gerez zu 1442 m au, Die mei: 
ften Gebirge P.3 find nadt und feljig; keins erreicht 
die Grenze des ewigen Schnecd. Die ausgedehn: 
teten Ebenen befinden ſich in Alemtejo, Gitrema: 
dura und Beira, die größtenteils den Charalter 
von Gharnecas oder Heidejlähen haben. Tie 
Hauptflüfje find der von Mertola ab ſchiſſbare Oua: 
diana, welcher zum Teil die jüdöftl. Grenze bildet, 
der Tajo (f. d.) oder (portug,) Tejo und der Douro, 
von denen jener bei Villa-Velha do Nodäo, dieſer 
bei Torre de Moncorvo ſchiffbar, jener bis Vallada, 
diefer bis Oporto mit Hilfe der Flut von Seeſchiffen 
befahren wird, endlich der von Salvatierra an 
ihifjbare Minho (f. d.) an der Nordgrenge. Die 
wichtigjten, im Unterlaufe fhiffbaren Küſlenflüſſe 
find Lima (Limia), Cävado, Vouga, Mondego, 
Sabo (Sadäo) und Mira. Landjeen hat P. nicht, 
außer einigen Bergfeen in ber Serra da Gitrella; 
dagegen gibt ed ab reiche, Freilich meiſt ſchlecht be: 
nußte Mineralquellen, Zu Bade: und Zrinlluren 
mit den erforderlichen Einrichtungen verfehen find 
im ganzen fieben (von 108). (Hierzu eine Harte: 
Spantenund Portugal bei Art. a 
er Boden des Landes ift im ganzen leicht und 
überall ungemein fruchtbar, wo hinreichende Bewäl- 
ferung vorhanden; wo bieje jedoch fehlt, wie in 
— beſonders in Alemtejo, bietet ſich nur 
fulturlojes Weideland dar. Obgleich das Land tt 
dem warmern Teile der nördl, gemäßigten Zone 
liegt, hat es doc) bei weitem nicht die heiße Glut, 
welche im mittlern und ſüdl. Spanien herrſcht. 
Die Seewinde erfrifchen die Hüftengegenden, unt 


186 


Portugal (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


im Binnenlande kühlen die Norbwinde. Im Sa; | (46 Broz.) befteht noch jegt teil aus ganz unpro: 


nuar beginnt der reizendſte Frühling; vom März 
an wechleln Regen und Stürme mit trodener Hitze. 
Die Ernte ijt im Juni (die von Mais und Wein im 
September bis Dftober); vom Ende des Juli bis 
zu Anfang de3 September verwelft teilweije ber 
Vflanzenwuchs unter der Einwirkung der Sonne. 
Negen it im Sommer felten , doch find nad yes 
Tagen bie Abende und Nächte ſehr kühl. in 
gegen Ende des September der erjte Regen die 
Erde getränlt, wird fie aufs neue mit friſchem 
Grün überzogen; e8 beginnt ein neuer Frühling. 
Der am Ende des November eintretende Winter 
bringt heftige, von Stürmen begleitete Negengüfle, 
die aber mit heiterm Wetter abwechſeln. Nur in 
den nörbl. Gegenden herrfcht dauernde Winterlälte, 
in den ſüdlichen aber ift der Winter eine jeltene 
Erſcheinumg. Gewitter finden nur im Herbft un 
Binter ftatt. Bon jolhem Klima begünftigt, ift das 
Sand reih an Produkten, die im ganzen mit benen 
Spaniens übereinitimmen. 
Die Stammverichiedenheit der portug. Bevöl: 
ferung eriheint in der Gegenwart jeher unbebeu- 
tend; nur in der Hauptitadt und in ben Hanbels: 
plähen haben de, namentlich Engländer, fich 
angefiedelt, neben denen Galicier und etwa 3000 
Neger vorzugsweiſe in den arbeitenden und dienen: 
den Alafien vorlommen. Die portug. Juden, bie 
früber al3 befonderer Stamm mit abweichendem 
religiöfen Geremoniell über das Land andgebreitet 
waren, im 16. Jahrh. aber mit äußerfter Härte 
verfolat und ausgetrieben wurben und dann bis 
zur Beſetzung des Yandes durch die Franzofen von 
dauerndem Aufenthalte dafelbft ſich ausgeichlofien 
ſahen, genießen feit 1820 wieber die gefebliche An— 
erfennung des Rechts freien Aufenthalts und freier 
Neligionsübung. Ihre ze beläuft fih nur auf 
einige Hunderte, faft ausſchließlich in Liſſabon. Auch 
Zigeuner find in P. vorhanden. Die Portugiefen 
n in Charakter und Sitten mit den Spaniern 
i erſcheiden ſich von dieſen 
auch durch ihre Sprache. (S. Portugieſiſche 
Sprache und Litteratur.) Sie zeichnen fi 
im allgemeinen burd) große Höflichkeit gegen Fremde 
aus, desgleichen burd) Gelehrigleit, Unternehmungs: 
get, Ausdauer, Tapferleit, Mäßigteit und Nüd;: 
terndeit, durd) glühende Liebe zum Vaterland und 
Anhanglichkeit an ihre Religion. Neben biefen 
guten Cigenichaften wirft man ibnen aber auch 
Hochmut, Praditliebe, Eitelleit, Schwaßhaftigleit 
und Hang zu Übertreibungen vor, die namentlich 
in den niedern Ständen hervortreten. Die röm.: 
kath. Kirche ift die alleinige Landeslirche (religiäo 
do estado), daneben aber jedes Glaubenbefennt: 
nis geduldet. Die portug. oder luſitan. Kirche be: 
fteht aus vier Provinzen: Liffabon, Braga, Evora, 
Goa; die erfte mit neun Diöcefen und dem Ba: 
triarchat (1716); die zweite mit ſechs und dem Cry: 
bistum Braga; bie dritte mit drei und dem Erz: 
bistum Evora; die vierte mit acht und dem Erzbis: 
tum Goa. Das Primat im Weiten gehört dem 
Erzbiſchof von Braga. Der Patriarch regiert nur 
feine Provinz Liſſabon. Die früher fehr zahlreiche 
Kloftergeiftlichteit ift feit 1834 durch Aufhebung der 
Moͤnchskloͤſter beſeitigt. Nonnenklöſter gibt es jetzt 
laum 20 mit etwa 100 Nonnen, Sieben prot. Ge: 
meinden haben zufammen etwa 500 Mitglieder. 
‚Die phyfifhe Kultur P.s liegt noch fehr da: 
nieder, Faſt die Hälfte der Geſamtoberfläche 


wenig gemein, und unt 


| 
| 


\ 


— — —— —— — — 


duktivem, teils aus bloß zur Viehweide benutztem 
Terrain (lehtere® 15060 qkm, 16,7 des 
Areals); doch bat nur der Rorden gute Wiefen, 
ſonſt herrſchen bloß kurz begrafte Triften vor. Die 
Yandwirtichaft befindet ſich einzelne Gegenden und 
Güter ausgenommen, auf einer tiefen Stufe. Den- 
noch bat ®. feit der meuen Geiehacbung von 1832 
und 1833 nicht unbedeutende Fortihritte hinſichtlich 
ber Bodenkultur und Viehzucht gemacht. die 
Aufbebung der Mönchsflöjter, infolge deren Grund 
und Boden der Klöfter und Kirchen für National⸗ 
gut erflärt, parzelliert und verkauft wurbe, ift die 
Zahl der Heinen felbitändigen Grundbeſiher ſeht 
vermehrt und die Wirtſchaft allmählich eine . 
mäßigere und intenſivere geworben. Der größte 
Teil des Grundes und Bodens befindet fidh aber in 
den Händen des höhern Adels, bie meiften n 
find nur Pächter. In neueſter Zeit hat man auch 
zum Borteil des Landbaues den Straßen:, Weg- 
und Eiſenbahnbau mit Energie zu betreiben begon: 
nen, Außerdem bahnte man die Reform der 
riſchen Gejehgebung an, und die Regierung führte 
Viehausſtellungen und PBrämienverteilumgen ein, 
Endlich baben aud bie Bildung einer Gefellichaft 
zur Beförderung des Aderbaues (Associacäo ceun- 
tral da agricultura portugueza) zu Liſſabon, die 
Diftriktsagritulturräte, die zu Liſſabon feit 1852 
beitehende königl. Landwirtſchaftsſchule, die Grün: 
dung ähnlicher Anitalten zu Bizeu und Evora, fo- 
wie die fpäter entitandenen Verſuchsanſtalten und 
Mufterwirtichaften (Cintra) wefentlich zur Belebung 
der Bodenkultur beiaetragen. Am beiten wird bie 
Landwirtihaft in Minho, in einigen Gegenden von 
Beira und Eſtremadura und, beſonders die Frucht: 
baumzudt, in rg betrieben. Man baut Wei: 
zen, Gerſte und Mais, im Süden auch Reis, Rifpen- 
und Mohrenhirfe, im Norden und in Gebiradgegen: 
den Roggen und Hafer. Außer Getreide baut man 
Bohnen, Puffbohnen, Kichererbien, Linien, Erbſen 
und Lupinen. Den Futterfräutern widmet man 
nod) wenig Aufmerffamfeit. Gemuſe⸗ und Garten: 
bau in größerm Maßftabe wird nur in ben Um— 
gebungen der größern Städte betrieben. Die Kar: 
toffel wird in allen Diftritten gebaut und jeht jo: 
gar ausgeführt, Auch der Runkelrübenbau hat 
neuerdings bedeutenden Aufihwung genommen, 
befonbers in Ejtremabura, im Mondegothal und 
in Minho, wo man aud Rübenzuderfabriten eins 
te bat. Melonen, Kürbifie und Gurten wer; 
allenthalben gezogen und im Süden als Feld: 
früchte behandelt. Im Norden, namentlich um 
Dporto, findet die Erdbeerenktultur in grobem Mab- 
ftabe ftatt. Bon Gewerbepflanzen baut man mur 
Wade, befonders in Minho, und Hanf in Traz:08: 
Montes und Ejtremabura. Esparto wädhlt im 
Süden haufig wild und wird, wie Baft und Blätter 
der Zwergpalme und die Gewebfajern ber Biteira 
(Agave americana), zu allerhand Flechtwerk be: 
nußt. Der Tabakbau ift auf dem Feſtlande nicht 
geftattet. Verbreitet, aber felten mit Sorgfalt be: 
trieben, ift die Olivenbaumzucht (auf 2000 qkm) in 
Alemtejo, Ejtremabura und Traz:08-Monted. Der 
Weinbau, von alters her für P. von großer Wich— 
tigfeit, hat feit 1857—58 einen harten Schlag durch 
die Traubenfrankbeit erhalten, namentlich auch im 
Weindiſtrikt Alto:Douro (f. d.), welcher den eigent: 
lihen Portwein (f. d.) liefert. Außer diefem Di: 
itritt am obern Douro wird der Weinbau befons 


Portugal (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


ders dura und A 
— I 
* Garcavellos 


ortwein, find die Moscatels von 
tübal (Weibweine, audy unter dem Namen 
ei abon: und St. Peswein befannt), die Rot: 
weine von Torred:Bedras und Collares, die Weib: 
u. er 2 uses 
fabriziert. nd Nänit 558 —— * 
—— 3 in auf 
veranf ug ar —— her 8* —* 
macht der Pa üdfrüchte werden längs ber 
Küfte und in den warmen Flußthälern jelbit des 
Nordens gezogen, in größter Maſſe aber im Al 
Ken wo man beſonders Mandeln, eigen 
nnisbrot allenthalben gewinnt. Die b 
ngen zieht man um Setübal, Lifiabon umb 
m ug die beiten Obftforten und Walnüffe in 
* „Rordprovingen und dem centralen Gebirge. 
den nördl. Gegenden (Amarante) gibt es ganze 


187 


Ton Flußfischerei ift namentlich die der Lachſe im 
Minho zu nennen. Der Bruttoertrag ift burd- 
Kin im — 1 Mill. Milreis oder etwa 
4 M wovon ber Staat 6 Proz. erhält. 
Hinfihtlid de3 Ber baue3 und Hüttenmwe; 
ſens nimmt ®. doch nod) eine niedrige Stelle unter 
den Ländern Europas ein, obgleich es an Erzen 
aller Art ebenſo ee ift wie — Man ge: 
winnt —— gg Blei, Antimon, Koh: 
len, Manga Eiſen. Die bauptjächl * * 
am beſten bearbeiteten Minen ſind die von 
und San⸗ Domingos in ber Provinz Bllenteo, 
Kupfer und Blei at und einem Engländer ge- 
örend; die Min Ihal, die Kupfererz Liefert 
und einer engl. re ie gehö hört, und Bracal, die 
filberhaltiges Bleierz —* t, was an Ort und Stelle 
in Sohn oeiämolen ı und fertig als Blei ver: 
ſchidt wird. Diele letztere gehört einer deutichen 
Samilie. Sowohl die Mine Palhal wie Braxal 
—— ſich in * Provinz Minho und Douro, in 


Bälder von Kaftanienbänmen. Im Güben und | der Serra Valongo bei Borto. Kohlenminen find 
an ber Weftküfte gedeihen Sr ‚ind. | in ben Diſtrilten Oyorto, Zeiria, Aveiro und Coim⸗ 
Feigen und Dattelpalmen, in Algarve fogar Ba- | bra im Betrieb. Bon den bi 1874 Lonzefjionierten 
nanen. Die Foritwirti—aft hat nur in den fönigl. | 246 bearbeiteten 30 Kupfer, 36 Blei, 6 Un: 
Baldungen von Leiria geregelten Betrieb, im all: | timon, 21 Eifen, 101 Mangan, 25 Mangan und 

emeinen liegt fie im angen.. Die vorherrihenden | Eifen, 7 Kohlen, 1 Asphalt, 5 "Kohlen und und 6i en. 
Waldbäume find Pinien, und Kaftanien. Wichtiger und einträglicher jind bie Salinen. Mit 


* Benteil ‘ h hläjfigt 
zucht, gro nteil3 fe * verna 
a gegen. on eit im Berfall, hat erft neuer: 
dings wieder mehr Aufmerliamteit erfahren. Im 
. 1870— 73 zählte man 89720 Pferde, 52190 
ultiere, 146976 Ejel, 697 929 Rinder, ‚3064210 
e, 973 119 Ziegen, 1051994 Schweine. Man 
tet zwei Arten von Pferden, im Rorden die ga: 
‚im Süben (Alemtejo) die bätiſch-luſita—⸗ 
— .1870 beſtanden 59 Geftüte (postos 
icos Hengſte von den Nafien 
Alter (berühint), Hannover, Araber, Engländer, 
— 4 verteilt find, Die Bei — afe 
wandern ſpan. umher und ver⸗ 
in den Ebenen von Alemtejo. 
—— iſt in Ar Gebirgsgegenden verbreitet, 
in Alemtejo, —— und Minbo. 
ron werben in größtem Mafitabe in den aus: 
dehnten Eichen: und Kaftanienwäldern von Alem: 
n. Die meiiten und beften Maultiere hat 
onted. Die ep wird be: 
ſonders ——————— demnãchſt in betrieben, 
die Bienenzucht namentlich in En ge Giftus- 
—— von Alemtejo und Eſtremadura. Die Jagd 
ſt in ®. frei, aber von feinem großen Belang. 
Schr widti Dagegen ift die Fifßerei, weldye 
1876 4000 —— beſchaftigte. Das portug. 
Küftenmeer, nn das algarbifche, wimmelt 
von Fiſchen aller Art (Sarbellen, Thunfischen 
u =: w.); aud) an Krebſen Mollusten, Korallen 
w. ift tein Mangel, 
ei. jeber große Aufmerkjamteit gewidmet, und 
wenn biejelbe ge —— auch lange nicht mehr 
die Bebentung bat, wie im 14., 15. und 16. Jahrh., 
io bildet fie noch immer einen fehr "weientliden Er: 
werbözweig. Die Mittelpunfte der (hauptjächlich 
Sarbellen:) Fischerei find: Caminha, Vianna do 
Gajtello, zu. de Barzim, Buarcos, Veberneira, 
Venice, rafariaküfte, Gesimbra, Eines, Lagos, 
Pera, Olhão, Tavira, Billa Real de San Antonio, 


En 


Man hat der Fiſcherei des Land 


Ausnahme der Salzquelle von Rio Major im Di: 
—* Santarem ſind alle Salinen ſog. Marinhas, 
h. Gruben ae rer in ben ©al;: 
——— am Sie Zahl it ſehr groß (1260) 
und ihre — "Se amtproduftion im Kg 
ſchnitt 22 Mill. Heftoliter; bie Fear ir 880 be: 
trug 1922850 hl, Das 8 befte Seefalz wird in den 
Marinhas de3 Sabo und in benen um Palmella 
und Alcacer do Sal — und kommt unter 
dem Namen Sal; von St. Yves (Se in den 
Handel. P. befigt auch einen großen Reichtum an 
Ihönen Marmorarten, 2 zu Eſtremoz, Mafra, 
abida, an treiflichen Ba us und Sithographie, 
fteinen, an Achat, der mi Bieraten verarbeitet wird. 
Grenzaebirge finden ſich —— in = 
da Ehtrella Öranate, Hyacinthe und Ber 
— viele Thon⸗ Mergel: und e⸗ aller 
Art, bei Oporto ei 
Die Induftrie ietet in ihrem gegen: 
wärtigen AZuftand ein erfreulicheres Bild als 
die Biehzucht und —— — —— 


fich ihr Markt nur erſt au 
dejien Kolonien, fowie au Brafilien Beldräutt, 
Viel trug zu diefem Aufihwung die Regierung 
indem fie ihr — Syſtem, alle Privat: 
—— zu überwachen und von allen größt- 
möglichiten Borteil für die Staatslaſſe zu ziehen, 
teilmeife aufgab, Eingangszölle > ſeßte, indu⸗ 
ſtrielle Anſtalten zu Sillabon und Dporto errichtete 
und nationale Anbufieau tellungen (1849 zu 
Liſſabon, 1855 und 1865 —— zu Oporto) 
—— Früher forgte, F groben Nachteil 
es, England Ir — el ber Bor: 
tugiefen, das allein für Li Manufal: 
turwaren nad) portug. RR iſt 
—— Produ —— in —* rtiteln, 
B. in Wollwaren, für den eigenen Bebarf ziem⸗ 
is ausreichend, und die Induſtrie von Oporto bat 
fait ganz unabhängig von England gemacht. 
N beiden Hauptcentren ber portug. Induſtrie 
find Oporto und Liſſabon, die bedeutenditen übri: 
gen Induftrieftäbte Covilhi, Rortalegre, Gouven, 


188 


Braga, Guimaräe, —* und Penafiel. Am 
wichtigſten iſt die Woll-, Seiden: und Baum: 
wollinduftrie, die Leinweberei und Spipenfabrila- 
tion (Peniche). Sodann folgt, in P. utalt, die Fa— 
brifation von Gold: und Silberwaren, fowie von 
Filigranarbeiten, ferner von Gifen: und Blech: 
waren, wg gu Liffabon und Oporto), In— 
jtrumenten, blanlen Waffen und Meſſern, von Por: 
zellan (zu Viſta Alegre) namen und Gtein: 
gut, feuerfeften Scme ztiegeln (Oporto), zijhler: 


waren (Liſſabon), Chofolade, Konjerven, Papier 


(in den Diſtrilten Aveiro und Coimbra), Glas, 
Hüten, Leder (Saffian und Corduan), Saubläuben, 
ads: 


—— (Liſſabon, Oporto, Braga), 
tuch, Segeltuch, Seilerwaren und Tauwerk aller 
Art (befonders in Algarbien), Feine Glaswaren 
werben zu Marinha Grande im Diftrikt Leiria er: 
eugt. Sehr arg A jeit 1845 der Schifibau, 
Mr den an 16 Orten Werften beftehen , die leichte, 
fehr elegante, dauerhafte und jchnelljegelnde Schiffe 
liefern. Fabrikation von ——— iſt org eu 
der Negierung; bis 1853 galt dies aud) von der 
Seifenfabrifation, 1864 wurde das Tabalämonopol 
aufgehoben. Für die Verfertigung von Cigarren, 
Raud: und Schnupftabat find 20—30 Fabrifen, 
auf Lıflabon und Oporto verteilt, thätig. Es be: 
W t jeht in P. vollitändige Gewerbefreibeit, und 
eit 1852 kann jedermann gegen Grlegung von 
5000 Reis (22,5 Mark) jährlih Patente auf Gr: 
findungen erlangen, 

Der äußere Handel P.s, einft der großartigite 
Welthandel, war im erſten Jahrzehnt des 19. Jahrh. 
tief geiunfen und vermochte ſich wegen der unauf: 
hörlichen —— und Bürgerkriege lange nicht 
wieder zu erholen. Üüberdies benuhten die Eng: 
länder die Lage des Landes, um nad) und nach fait 
die ganze Ein: und Ausfuhr an fich zu reißen. Erſt 
in neueiter Zeit bat namentlich A beilfamer 
Neformen, insbeſondere der durch die Gejehe vom 
5. Aug. 1854, vom 3. De. 1856, vom 23, Aug. 
1860 und vom 7. Juni 1882 angeoroneten Gr: 
mäßigung des Gin: und Ausgangszolls vieler Ar: 
tifel, der portug. Handel einen Aufihiwung genom: 
men, Doc iſt, da die portug. Induſtrie der aus: 
ländiihen noch nicht Konkurrenz machen kann, der 
Importhandel immer noch weit beträchtlider ala 
das Grportgeichäft. Bei den offiziellen Angaben 
über den Import fommt in Betracht, daß fich die: 
felben nur auf die amtlich dur die Zollregifter 
gehenden Einfuhren beziehen. Der äußere Handel 
2.5 ift vorzugsweiſe Seehandel_und — 
fih bauptjählid auf Liſſabon, Oporto, Setüval, 
digueira und Faro, Außerdem find noch 16 Hei: 
nere Häfen, wie Aveiro, Vianna, Lagos u. f. w., 
zum direkten Verkehr mit dem Auslande berechtigt 
und den fremden ationen geöffnet, Doc liegen 
diefe Bam größtenteils verjandet und befinden 
fi über vB in ſchlechtem Zuftande, Die Han: 
delsflotte beiteht, abgefehen von Heinern Küften— 
fahrern (1882) aus 38 Dampfern von 11 735 cum 
und 453 Segelſchiffen langer Fahrt ven 78354 cbm, 
zuſammen 491 Schiffe von 90089 cbm, Es liefen 
1882 in ſämtliche Häfen des Landes ein: 11221 
Schiffe von 3689000 cbm, aus: 11423 Schiffe von 
3334000 cbm, Die Gefantteinfuhr betrug (1882) 
36327000 Milreis (zu 4 Dark 45 Pf.), worunter 
für 7624000 Milreis Getreide, für 3335000 Mit: 
reis Kolonialwaren, für 4486000 Milreis Tiere 
und tierische Nahrungsmittel, für 2222000 Mil: 


Portugal (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


reis Mineralien, für 2229 Milreis Häute und 
Selle, für 4758000 Milreis Metalle, für 5493 000 

ilxeis Spinnftoffe und Gewebe und für 3479000 
Milreis Fabrifate von verſchiedenen Stofjen; die 
Ausfuhr betrug 24746000 Milreis, worunter für 
9979000 Milreis Mein und andere Getränfe, für 
1805 000 Milreis Sämereien und Obft, für 1570000 
Milreis Mineralien, für 2773000 Milreis Metalle, 
für 2709000 Milreis Holz, für 3976000 Milreis 
Ziere und tierische Nahrungsmittel. Die Haupt: 
länder des Ymport: und Exporthandels find Eng: 
land, Franfreih, die Vereinigten Staaten von 
Amerika und Braſilien. Längs der Hüfte wie auf 
ben ſchiffbaren Flüffen find neuerdings verjchiedene 
Dampfbootlinien errichtet worden, wodurch alle 
Häfen des Landes miteinander in Verbindung 
ſtehen. Huch gehen die Dampfer der Companhia 
peninsular e oriental von Yijjabon über Oporto 
und Vigo nad) Southampton und über Gibraltar 
nad) Gadiz. Kine andere Linie geht von Lifjabon 
über Antwerpen nad Hamburg, die brafil. Linie 
von Southampton über Lifjabon, Madeira und 
Teneriffa nad) Brafilien, Montevideo und Buenos- 
Ayres. Bu dieſen porhug. Dampfern gefellen ſich 
die engl., franz. und ſpan. Boote, die in Oporto 
und Sinlabon anlegen. Der Binnenhandel konzen: 
triert ſich hauptſaͤchlich in Braga, Guimaräes, 
Coimbra, Covilhä, Leiria, Santarem, Abrantes, 
Bragansa, Elvas und Portalegre, in den drei leb- 
ten Bläpen wegen ihrer Lage in der Nähe der —* 
Grenze. Die Hauptverkehrswege ſind * t der 
Douro und bejonders der Tejo. Dbgleih P. hin: 
fihtlih der Binnenfhiffahrt viel günjtiger gelegen 
als Spanien, iſt diefe dennod nicht bedeutend. 
Sie hat ſich jedoch neuerdings _gehoben, jeit man 
begonnen, den Lauf der Flüfle Douro, Tejo, Gua— 
diana und Mondego zu regulieren. Auch nahm 
man die ee analilation des Sabo, Sor, 
Böuga, Lima, Cävado, Portimäo vor und bewirkte 
die — des Tejo mit dem Sabo durch Ber- 
längerung des Alpiagafanals und die des Tejo und 
Douro mittel Kanalifierung des Zezere und Coa. 
Landftraßen fannte man bis 1845 in P. fait gar 
nicht. Bis 1854 waren erft die Chauſſeen von Lilja= 
bon nad) Cintra und von Oporto nad Braga voll: 
endet, und fonft nur Bruchſtücke von Kunftiiraßen 
ohne Zufammenbang vorhanden, Die Gejamt: 
länge der fertigen Straßen belief fih 1874 auf 
3967 km, davon waren 3136 auf Staatstoften, 
701 km auf Diftriftstoften und 130 km auf ftädtifche 
Koften erbaut, Geit 1852 war man in B. bedacht 
auf den Bau von Gijenbabnen und 1884 waren 
1520 km (davon 83 km —— in Betrieb, 
483,5 im Bau, Ende 1882 betrug die Länge ber 
Staats: Telegraphenlinien 4670 km bei 226 Bu— 
reaus, wovon 8 auf Madeira und 1 zu St. Vincent 
auf den Kapverbifhen Inſeln. Poſtbureaus gab 
e3 Dez. 1882 auf dem Feſtlande 931, auf den * 
ſeln 43 (Azoren 26, Madeira und Borto:-Santo 17). 
Unter den 54 Banken und Areditanftalten des Lan— 
des nimmt die portug. Banf (Banco de Portugal) 
zu Liſſabon (alleinige Zettelbanf) den erften Ran 
ein, die ſchon 1822 gegründet, 1846 reorganifiert 
wurde, Ferner gibt e3 acht Banken zu Oporto. 
Zu Liſſabon beſteht feit 1858 ein Credit mobilier, 
deſſen Operationen ſich auf induftrielle Unterneb: 
mungen beſchränken. Außerdem find 7 Aſſeluranz— 
sejellibaften vorhanden, 3 zu Lijjabon und 4 zu 
Oporto. Börfen, Handelätammern und Handels: 


Vortugal (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


Schulen beftchen zu Liffabon, Dporto, Vianna, Fi: 
aueira und Setüval; Handelsgerichte find 27 vor: 
handen. Konfulate unterhält B. über 300. Han: 
del: und Schiffahrtäverträge hat e8 mit faft allen 
Staaten Europas und Amerilas abgeſchloſſen, jo: 
wie 1859 auch mit Siam und 1860 mit Japan. 
Das Boltsjhulmefen war bis auf die neuere 
Zeit ſehr vernadjläffigt. Der Ninifter Pombal erft 
begann 1759 die Einführung der Elementarſchulen. 
Im %. 1772 gab e8 deren 400, 1800 nur 873, da: 
segen 1862 \ on 1336 Rnaben: und 127 Mädchen: 
ſchulen, auf den Inſeln 93 Lehrer und 26 Lehrerin: 
nen und 1874 bereit3 1987 inaben: und 458 Mäbd: 
henihulen, auf den Inſeln 127 —— und 47 2eb: 
rerinnen. Die relatıv ftärtite Zahl von Schülern 
haben Bianna und Braganca, von Schülerinnen 
Liſſabon und Braganga. Seit Ein —— der lon⸗ 
ſtitutionellen Verfaflung ift der gelamte Unterricht, 
mit Ausnahme der theol. Fakultät und der Prie: 
fterjeminare, von der Kirche völlig getrennt und 
unabhängig. Auch beſteht in P. nominell Schul: 
zwang, und Bäter und Bormünder verlieren ihre 
polit. Rechte auf fünf Jahre, wenn ihre Kinder 
oder Mündel bis zum 15. Lebensjahre nicht leſen 
und jchreiben gelernt. Für den Selundärunterricht 
beitimmt find die 17 Lyceen ber Diſtriltshaupt— 
ftädte und vier der 5 EStaatslehranſtalten) 
und außerdem Privatſchulen, welche vorzugsweiſe 
die realiſtiſchen Fächer betreiben, zuſammen (1875) 
mit 9274 ern, ferner das koͤnigl. Militär: 
college zur Erziehung von Söhnen der Offiziere, 
mit 196 Angehörigen. Zu den Anftalten für den 
böhern Unterricht (instrucgäo superior) gehören 
die Univerfität zu Coimbra (f. d.), die einzige des 
Königreichs und eine der älteften Europas, mit 


fünf Fakultäten (Theologie, Rechte, Medizin, Ma: 
thematif, Philoſophie), 74 Vrofefioren und dur: 
ihpnittlich 900—1000 immatritulierten Studenten; 


die königl. polytechniſche Schule zu Liffabon, nad) 
dem Mujter der glei —— chule in Paris 
1837 ——— von 200 Schülern be: 
ſucht; die polytechniſche Atademie zu Oporto, 1882 
—83 mit 12 Brofefforen und 192 Schülern; ber 
—* Kurs für Litteratur zu Liſſabon; die Kriegs— 
Aule zu Liſſabon, mit dem Militärkollegium zu 
Lifjabon als Borbereitungsanftalt ; die — * 
ſchule ebenda von 1845; die mediz.: dirurgiichen 
Schulen zu Lifjabon, Oporto und Funchal. Spe: 
zia len find das Lehrer: und Lehrerinnenſeminar 
u Liſſabon; vier weitere Lehrerfeminare («Normal: 
Aulen»); die 19 geiſtlichen Seminare; die Lönigl, 
Alademien der dönen Künfte zu Liffabon und 
Dporto; das Lönigl. Konfervatorium für Dramatit 
und Mufit in Liſſabon; das Induſtrie- und Han: 
delsinftitut zu Lifjabon und das zu Oporto, das 
Sauptagrikulturinititut zu Liſſabon, nebjt Tierarz: 
neifqule. Es find vier Sternwarten vorhanden: 
die königlichen zu Liſſabon und zu Ajuba, die der 
Univerfität Coimbra und die der, polytechnijchen 
Schule zu Lifjabon; eine Generaldireltion der geo: 
dãtiſchen, topogr., bydrogr. und geolog. Arbeiten; 
en meteorolog. Objervatorien zu Yıllabon und 
oimbra, mit 11 Stationen und drei auf den In— 
ſeln; naturhiftor. Mufeen zu Liſſabon und Coim: 
bra; an Muſeen; ein archaͤologiſches zu Liſſabon 
dad der Akademie der Wiffenfchaften (namentli 
numismatiſch), das der Stolonien, das Miufeo 
deſſo da Silveira, feit 1874, für die Fortf 
Induſtrie. Es gibt fünf öffentliche Bi 


itte der 
iothelen: 


189 


die Nationalbibliothek zu Liſſabon (über 300000 
Bände), die zu Porto (120000 Bände), Evora, zu 
Braga und zu Billa:Real, die der Aladenie der 
Wiſſenſchaften hat 75000, die der Univerſität 
58000 Bände; 13 andere hatten 1825 jede mehr 
als 20000 Bände; wie z. B. die des Yefustlofters, 
die des Santa-Eruzllofterd zu Coimbra, die des 
Hofpizes Nofia Senhora, die des biihöfl. Palaftes 
zu Coimbra u. f. w. Botan. Gärten haben Ajuda 
bei Liffabon, Eintra, Coimbra und Porto. Unter 
den gelehrten Geſellſchaften ift die lönigl. Alademie 
der Wiſſenſchaften zu Liffabon, 1778 gegründet und 
1851 reorganifiert, die wichtigfte. Unter den vielen 
den (210 Hofpitäler, 12 Wai: 
jenhäufer u. f. w.) find bie grobartigiten zu Liſſa⸗ 
bon, an weldye ſich die Peemgne er zu Oporto 
und im Badeort Caldas da Rainha Bil 
Gine fehr bedeutende und vorzügliche Irrenanſtalt 
befindet fi im ehemaligen Klofter Rilha:Folles in 
der Hauptitadt. Die Anzahl der Kinder, die in die 
Hospicios (Findelhäufer) jährlih aufgenommen 
werden, beträgt 12—13 000, Die Strafrechtäpflege, 
die Straf: und Beſſerungsanſtalten laſſen, ſowie 
aud) die Gefundheitspflege, noch viel zu wunſchen 
übrig. Die ſchweren Verbrecher pflegen zu mehr: 
jähriger oder lebenslänglicher Deportation nad 
den afrif, Kolonien, namentlid nad) Angola, ver: 
urteilt zu werben. Die Zahl der Verbredien gegen 
die Perſon bildet immer die Mehrzahl. 

Die Staatäverfaffung des Königreihs P. 
it eine konftitutionellzrepräjentative und beruht 
auf der Carta constitucional (Carta de ley) Bez 
dros IV. von P. (Haifers von Brafilien) vom 
29, April 1826 und dem Acto addicional der Kö: 
nigin Maria II. vom 5. Juli 1852, durch den die 
Carta im Sinne der Septembrijten revidiert und 
die königl. Gewalt fehr beichräntt wurde. Hierzu 
fommt das Wahlgeſeß vom 23. Nov. 1859 und 
das Gefep vom 6. Mai 1878 für die Bairslammer, 
Die Thronfolge ift ſowohl in männlicher als weib: 
licher Linie nah dem Recht der Eritgeburterblich, doch 
gebt bei gleihem Verwandtichaftsgrade der Infant 
der Infantin voraus, Die Mlinderjährigleit des 
Königs, während welcher eine von den Cortes zu ers 
nennendeRegentichaft regiert, dauert bis zumzurüd: 
gelegten 18. Lebensjahre. Alle Prinzen und Prins 
zeffinnen des portug. Aönigshaufes heiben Infan— 
ten und nfantinnen, der Thronfolger Kronprinz 
Herzog von Braganza, feine Kinder Prinzen und 
PrinzeffinnenvonBerra. Der König führtden Titel: 
König von Portugal und Algarve diesjeit und 
ienfeit de3 Meeres, Allergläubigfte Majeftät. Die 
Gortes beftehen aus der 154 lebenslänglihe und 
erbliche Mitglieder zäblenden Camera dos Pares 
und der 173 (feit 1884) Mitglieder Be Corte 
dos Deputados, welche alle vier Jahre direlt in den 
verfchiedenen Mahltreifen gewählt werden. Der 
Pairslammer, in welcher auch die Lönigl. Prinzen 
Sitz und Stimme haben, präfidiert ein Wahlpräfi- 
dent, der Deputiertenlammer ein vom König aus 
fünf von der Kammer vorgeſchlagenen Kandidaten 
ernannter PBräfident. Die Cortes müſſen alljähr: 
lich einberufen und vom König eröffnet werben, 
Jede Pegislaturperiode dauert vier Jahre. Die 
leitende und ausführende Gewalt übt der König, 
der unverantwortlid und defien Rechte heilig und 
unverleplic find, Die Minifter (des Innern, der 
geiftlihen und Juftizangelegenbeiten, der Finanzen. 
des Kriegs, der Marine und der überſeeiſchen 


1% 


Beſihungen, des Auswärtigen, ber öffentlichen Ar: 
beiten und des Handels und der Induſtrie) find ver: 
antwortlich und können von den Cortes (Deputier: 
tentammer) in Antlagezuftand verfegt und (durd) 
die Bairätammer) verurteilt werden. Außer dem 
Minifterrat beiteht noch ein Staatsrat, defien 
Mitglieder der König auf Lebenszeit ernennt. Am 
9. Juni 1870 wurde der Staatsrat reformiert und 
zerfällt feitdem in den beratenden polit. Staats: 
rat und das abminiftrative Obertribunal. Die 
richterliche Gewalt, die volllommen unabhängig, 
üben die Richter und Geſchworenen. Das Gerichts⸗ 
verfahren im Civil: und Kriminalprozeß iſt öffent: 
lid und mündlich. An der Spike der gejamten 
Jurisdiltion fteht der Oberjte Gerichtshof zu Liſſa⸗ 
bon. Dem folgen drei Appellationggerichte (Re- 
lagödes) zu Liſſabon, Oporto und den Azoren und 
ein Appellhof für Handelsfachen, dem die Handels: 
gerichie zu Liſſabon und Oporto unterftehen, bie 
Geihmworenengerichte, als erite Inftanzen in Kri— 
minalprozefien, die 146 Gerichtshoͤfe erſter Inſtanz 
in den Comarcas (Gerichtäfreifen), unter diejen 
die 236 Juizes ordinarios (Eingelrichter) in dei 
Julgados oder Kantonen, ferner bie Friedensrichter 
(Vermittler), weldhe von ben Bu Serra ai 
und die Juizes e leitos, in den Parodien (Dorf: 
ſchulzen für Bagatellfahen), welche von den Orts: 
einwohnern gewählt werden. Die Diſtrikts— 
und Öemeindeverfaffung P.3 beruht auf dem 
Gejeh vom 6. Mai 1878. In jedem der 17 (21) 
Diſtrilte, in welche das Nönigreid) zerfällt, wird die 
geſamte Berwaltung von dem Gubernium geleitet, 
an deſſen Spitze der Eivilgouverneur fteht, welcher 
von dem Dijtriktsrat unterftügt wird und in der 
von ben Gemeindebezirl: Ausihüffen gewählten 
Generaljunta (Brovinzialvertretung), ſowie im Di: 
ſtrilts-Verwaltungsgerichtshof den Borlis führt. 
Dieje Diftrikte zerfallen in 292 Concelhos (Ge: 
meindebezirke), in deren jedem ein vom König er: 
nannter Abminijtrator die Verwaltung und Polizei 
zu handhaben und die Intereſſen des Fiskus bei 
der Beiteuerung zu wahren hat. Als Organe in 
den Kirchipielen erfcheinen die Regedores denen 
die Parochiejunta zur Seite fteht. Das Mandat 
aller diejer genannten Junten gilt auf vier Jahre. 
Kein Portugieje darf ohne vorbergegangene An: 
age und richterlihen Befehl verhaftet werben, 
und fein Haus ift ein unverlehliches Afyl. Jeder 
Portugieſe kann bei erforderlicher Bejäbigung zu 
jedem bürgerlichen, polit. und militärifhen Amte 
Belangen. Die Preſſe i frei, das Briefgeheimnis 
unverleplih, die Todesitrafe für polit. Verbrechen 
ſ —— nach früherm 5* und ſeit 1864 überhaupt 
a eh . ‚Rad der Berfafiung gilt war die rö: 
miſch⸗ katholiſche ald Staatsreligion, —* iſt den 
Fremden bie freie Ausübung anderer Religionen 
im Haufe oder in zu diefem Zwed bejtimmten Ge: 
bäuden erlaubt; nur dürfen leßtere in Außern nicht 
die Form einer Kirche haben. Kein Stand hat nad 
der Konftitution bejondere polit. Vorrechte, und 
alle (Adel, Geiſtlichleit, Bürger, Bauern) find vor 
dem Geſeß gleich. Der Adel teilt ſich in Granden, 
Zitulares, * os und die Nobreza. Der alte 
Adel iſt großenteils ſehr verſchuldet, verarmt und 
herab ommen; ber neue, junge Adel dagegen 
wohlhabend. Die hohe Gei en 1* hohe 
Ir a die niedere ift oft ſehr Ichlecht be: 
oldet. t Bürgerftand iſt poliliſch noch ohne 
Bedeutung, aber im ganzen ziemlich wohlhabend, 


Portugal (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


befonbers der Kaufmannsſtand. Der Bauernftand 
(meijten® nur Pächter) lebt, mit Ausnahme der 
Provinz Minho, in fe —— Verhaltniſſen, 
indem er unter vielfachen Abgaben beinahe erliegt. 
‚Die finanzielle Sage des Staat? war ſchon 
feit Jahrhunderten eine läglihe, bat ſich zwar in 
neuelter Zeit etwas gebeflert, doch bleibt noch im: 
mer alljährlich ein it und die Staatsſchuld 
vermehrt ſich von Jahr zu Jahr in großen Dimen: 
fionen. Im Finanziahre 1884—85 beliefen fid) die 
Ginnahmen auf 31436067, bie Ausgaben auf 
38447706, das Defizit auf 1162561 Milreis, Die 
Kolonien haben ihr eigenes Budget , das 1883— 81 
einen überſchuß von 143533 Milreis_nahmweilt, 
Infolge der finanziellen Mifverhältniffe ijt die 
Staatsſchuld fehr beträchtlich angewachſen. Im 
3.1835 belief fie ſich auf 55280990 Milreĩs, 1855 
auf 93314346, 1865 auf 191045054 Milreis, 
30. Juni 1883 auf 430852310 Milreid. Dieſe 
—5 Schuld zerfällt in die innere von 235661 808 
Milreis (für welche 1864 neue 3prozentige Fonds 
etabliert wurden) und in bieäußere von 195 190502 
Milreis. Dazu kommen ältere, zu fonvertierende 
Schulden: 1907418 Milreis, Die rüdjtändigen, in 
Schuldtiteln bezahlten ‚Bien beliefen ſich 1881/52 
bezüglich der innern Schuld auf 2627833, bie be: 
aglich der äußern auf 3075695 Milreis (686905 
Sr. t.), alio im ganzen auf 5708528 Milreis. 
te Barverzinfung 1881—82 betrug 13497530 
Milreis, wovon 7503 718 auf die innere, 5993812 
aa ie äußere Schuld fommen. , 
fö der Militärverwaltung iſt das Felt: 
land in vier Militärbivifionen eingeteilt (Lifjabon, 
Bizeu, Oporto, Cvora), wozu noch der Jnfeldiftritt 
Madeira und Angra (Nzoren) kommt. Zum Reis 
fort der Nommandanten diefer Militärdivifionen 
gehören auch bie Feitungen, deren es eine jehr 
große Menge gibt, die aber meiſtens im Verfall und 
ohne Bejahung find. Die wichtigften und noch am 
beiten unterhaltenen find Elvas, Balenza (die zwei 
Hauptbollwerle genen Spanien), Säo:Juliäo da 
Barra an der Mündung des Tejo, dad Fort a 
Gracg, das Kaftell von Angra und Peniche an der 
Weitküfte; zweiter Klaſſe find Abräntes, Kaftell 
von Sao⸗Jorge, Torre de Belem, Bugio, Setüval, 
Alminda, Inſel Caminha, Marväo, Campo-Major, 
Ejtremoz, Villa nova de Bortimäo, Faro, Villa: 
Neal de Säo:Antonio. Bon einiger militäriiher 
Bedeutung find die Linien des Guadiana und 
Minho. In den Hintergrund tritt Dagegen bie 
Linie von Torres-Vedras bei Lifjabon, da diefe 
einer Kriegsflotte den Cingang in den Hafen ber 
Hauptitadt, dem einzigen a bes Landes, 
nicht zu wehren im Stande iſt. Rach der Organi- 
fation der Armee durch Gefeß vom 19. Mai 1884 
umfaßt die Landmacht außer der Generalität (ein 
Generaljeldmarfhall, der —— Ferdinand: 
8 Divijiond: und 22 Brigadegenerale) und dem 
aus 41 Offizieren bejtehenden Generalitabe 24 In: 
fanterierenimenter, 12 Syägerbataillone, 10 Ka— 
vallerieregimenter, 3 Regimenter berittener Ar: 
tilferie, 1 Brigade Gebirgsartillerie, 1 Regiment 
und 4 Kompagnien Yeitungsartillerie und 1 Ge: 
nie-NRegiment. Die Dauer der Dienftzeit beträgt 
12 Jahre, wovon 3 bei der Fahne, 5 in der 
eriten und 4 im ber zweiten Nejerve abzuleiften 
find. Die Kriegsſtärle foll 120000 Mann betra: 
en. Die Stärle der portug. Armee auf dem 
iedensfuß betrug 1. Yan. 1884 2195. Offjiere 


Portugal (gefpichtlich) 


und 24450 Soldaten. An Truppen in den Kolo— 
nien waren 1833 vorhanden: 1 Kolonial-nfante: 
rieregiment (do ultramar) mit 50 Offizieren und 
1143 Soldaten, ferner Kolonialtruppen I. Linie 
405 Dfiiziere und 7379 Soldaten. 

Tie Flotte zählte 1884 im ganzen 44 Schiffe, 
zum Zeil Dampfer (30 von 4145 Pferdelräften 
und mit 103 Kanonen, neben 14 Segelſchiffen von 
34 Kanonen), mit 137 Kanonen und einem Ge: 
famtperfonal von 3235 Mann. Die Dampfer be: 
jtehen in 1 Banzerlorvette von 500 Bierdefräften 
mit 7 Aanonen, 5 Slorvetten mit 46 Kanonen, 
10fanonenbooten mit 36 Hanonen, 7 Dampfern mit 
9 Kanonen, 3 Transportſchiffen mit 5 Kanonen, 
2 Torpedofahrzeugen und 2 Bugfierdampfern; die 
Segelſchiffe in 1 Fregatte mit 19 Kanonen, 1 Kor: 
vette nrit 6 Kanonen, 12 Schonern und Kuttern mit 
9 Kanonen. Dazu lommen 3 neue Dampfer (1 Kor: 
vette und 2 Stanonenboote) mit 11 Kanonen. P. 
bat 6 Ritterorden: Chriſtusorden (gejtiitet 
1317), Orden des heil. Benedikt von Aviz (1162), 
Orden des heil. Jalob vom Schwerte (1283 vom 
gleihnamigen jpan. Orden abgetrennt), Orden 
vom Turm und ng user, Drden Unferer 
Lieben Frau von Billa: Bicoja (1818) und den 
Frauenorden der 2 Iſabella (1801) für Damen 
der Grandezza. Das Wappen des Hönigreidys 
iſt ein fülberner Schild mit fünf Heinen blauen, in 
die Form eines Kreuzes geſtellten Schilden, von 
denen jedes mit fünf ſilbernen Münzen belegt iſt. 
Das Schild hat eine breite rote Einfafjung mit 
fieben goldenen Türmen wegen Algarve. Um das 
Schild hängt die Kette und das Kreuz des portug. 
Chriſtusordens. Die Flagge des Landes iſt blau 
und weiß mit bem portug. Wappen. Die Landes: 
farben find blau:weih, die Kofarden aber blau:rot. 

Litteratur, * neben den Reiſebeſchrei— 
bungen Murphys, Links, Chateletö, Coſtigans, 
6 93 u. a.: von Eſchwege, «P., ein Staats: 
und lde nad 30 jährigen Beobadtun: 
gen und Erfahrungen» (Hamb. 1837); Heerin: 
gen, «Meine Reiſe nah P. im Frühjahr 1836» 
(2 Boe., 2py. 1838); Kingiton, «Bortug. Land: 
und Sittenbilder» (überjest von Yindau, 2 Tle., 
Lpz. u. Dresd. 1846); er Minutoli, «P. 
und jeine Stolonien im J. 1854» (Stuttg. u. 
Augsb. 1855); Vogel, «Le P. et ses colonies» 
(Bar. 1861); «Diccionario abreviado de choro- 
graplia, topographia e archeologia dos cidades 
etc. de P.» (3 Bde., Liffab. 1867); Forrefter, «P. 
and its capabilities» (4. Aufl., Yond. 1860); de 
Figueiredo,, «Le P.» (Liſſab. 1873); Pery, 

hia e Estatistica geral de P. e Colonias» 
Yiflab. 1875); Latouche, «Travels in P.» (2, Aufl., 
Yond. 1875); Murray, «Handbook for travellers 
in P.» (3. Aufl., Lond. 1876); Boinette, «Le P.» 
(Bar:le:Duc 1882); Paſſarge, «Aus dem heutigen 
Spanien und ®B.» (2 Bde., Lpz. 1883); Müller: 
Beed, «Eine Reije durch PB.» (Hamb. 1883); Will: 
lomm, «Die Pyrenãiſche Halbinjel» (Bd. 1: «Phyſ. 
Gemälde der Yalbinfel und Schilderung von P.», 
Prag 1884); ferner die jährlic) erjcheinenden amt: 
lihen Bublitationen: « Annuario estatistico do 
Reino de P.» und «Comercio do continente do 
Reinoe ilhas adjacentes con paizes estraugeiros», 

Geſchichte. P. teilte bis zum 12. Jahrh. die 
Schidjale Spaniens (f. d.). Erſt von den Lufita: 
niern und andern Böllerjchaften iber. und lelt. 
Stammes bewohnt, dann von den Römern er: 





— — — — — — — — —— —— — — 


—— — —— —— — — — — — — — —— — nn 


191 


obert, zur Provinz (Lufitania) gemacht und ro: 
manifiert, in den Zeiten ber Völkerwanderung 
von Germanen (Alanen, Sueven, Weitgoten), 
jeit dem 8, Jahrh. von den Arabern über: 
ſchwemmt, geriet um die Mitte de3 11. Jahrh. das 
Yand zwiihen Minho und Duero unter die Herr: 
ſchaft Ferdinands I. von Caſtilien. Deſſen Nad: 
folger Alfons VI. gab dem Grafen Heinrich von 
Burgund (einem Nbkömmling des Königs Hugo 
Capet von Frankreich), der zum Kampfe gegen die 
Ungläubigen ins Land gelommen und des caftil. 
Königs —— Tochter Thereſe geheiratet, das 
Land zwiſchen Minho und Mondego unter dem 
Namen Portucalia (von Portus Cale, dem ſpätern 
Oporto), mit der Erlaubnis, alles was er den 
Mauren entreißen würde, dieſer Grafſchaft hinzu: 
zufügen, als Lehn 1095; ſchon 1101 jagte er * 
von feinem Schwiegervater los. Graf Heinrich 
eroberte noch weitere Streden und nannte ſich 
Graf und Herr von P. Nad) feinem Tode (1112) 
führte erſt Therefe im Namen ihres zweijährigen 
Sohnes Alfons I. die Herridaft. Alfons L entris 
ihr (1128) die Gewalt und befeitigte feinen Thron 
durch glüdliche Züge gegen die Araber. Rach den 
Siege bei Durique (1139) vom Volte als König 
begrüßt und 1142 vom Papft Innocenz II. in bie: 
jer Würde gegen einen jährlien Zins anerkannt, 
wußte er feine Souveränetät gegen die Anjprüche 
der jpan. Könige von Caſtilien und Leon zu be: 
upten. Die Corte von Lamego 1143 gaben 
em Staat feine innere Organifation, und 1147 
entriß Alfons den Arabern aud) die Hauptitadt 
Lifjabon. Sein Nahfolger Sandho (1185—1211) 
ſehte durch glüdlihe Kämpfe und durch wachſame 
Sorge für den Anbau und die Bevöllerung des 
Landes das begonnene Werk fort. Alfons I. (bis 
1223) und Sancho IL. (biß 1245) gerieten in heftige 
innere Streitigkeiten, namentlih mit dem mächtig 
emporwachſenden Klerus, Sando II. wurde von 
Bapft Innocenz IV. für abgejest erflärt umd floh 
zum a Ferdinand nad Toledo, wo er 1245 
itarb. Alfons III. (geft. 1279) vollendete die Gr: 
oberung des arab. Königreichs Algarve 1250, und 
durch den Frieden mit Cajtilien 1263 erhielt P. im 
wejentlichen feine jebigen Grenzen. Sein Nad): 
folger ung Sie (bis 1325) ſchaffte gegenüber der 
Kirche dem Throne wieder fein Anfehen, förderte 
Wiſſenſchaften und Aderbau und legte den Grund 
zu der merkantilen und maritimen Blüte jpäterer 
Zeiten. Wie er dem libermaß des geijtlichen Be: 
fipftandes, den Mißbräuchen des Adels entgegen: 
trat, fo förderte er alle bürgerlihen Gewerbe und 
fnüpfte durch den Handelsvertrag von 1308 zuerit 
die Verbindung mit England an. Ihm folgte Al: 
fons IV. (geft. 1357) und Pedro L. (geit. 1367), der 
Gemahl der Ines de Caſtro. Mit Bebros Sohn, 
Ferdinand I., erlojh 1383 der Mannsſtamm des 
burgund. Haufes, Seine Toter Beatrix, die mit 
dem Thronerben von Gaitilien, Johann, vermäh:t 
war, war die rechtmäßige Königin; aber bie Por— 
tugiejen zeigten ſich einer Berbindung mit Caſtilien 
fo abhold, daß Pedros unehelicher Sohn, Johann ., 
von den Ständen als König anerlannt wurde, 
Mit ihm beginnt die 100. unechte burgund. Linie. 
Durch den Sieg bei Aljubarrota (1386) befeitigte 
fih Johann gegen die Caſtilier auf dem Thron, 
übrte den bis 1411 dauernden Krieg glüdlich fort, 
ellte im Innern bie Königsmacht von neuem feit 
und begann auch zuerit Die portug. Macht nach 


192 


außen ausjubreiten. Es warb 1415 Ceuta er: 
obert, und einer der Söhne des Königs, Heinrich 
der Seefahrer, gab den erften Anftoß zu den aus: 
wärtigen GEntdedungsfabrten, welche die jpätere 





Kolonialmaht P.3 begründet haben. Die eriten | 


Kolonien (Porto-Santo und Madeira) wurden 
1419 und 1420 in Befig genommen. Auf Jo: 
bann I. (acit. 1433) folgten defien Sohn Eduard 
(geit. 1438), dann Johanns Entel Alfons V. (geft. 
1481), welcher 1471 Tanger eroberte, aber um 


den Beſitz Caſtiliens einen erfolglofen Strie gie 
Tie Entvedungsfahrten wurden unter ihm - 
ein 


giebt und bis Oberguinea ausgedehnt. 


obn Johann II., 1481—95, trat der fibermadıt | 


des Adels entgegen, zog die verſchleuderten Aron: 
nüter ein und überwältigte den verfhworenen 
Adel, deilen Häupter, die Herzöge von Braganca 
und von Bifeu, mit dem Leben büßten. Indeſſen 


hatte Bartol. Diaz das Vorgebirge der Guten Hoff: | 
nung entdedt (1486), und feit Columbus, der fih 


vergebens an den portug. Hof — feine Welt⸗ 
fahrt im Weſten begonnen, li 
hann II. ein 
gen dort zu machen. Hierdurch entſtand ein Streit 
zwifchen 3 und Gaitilien, bis endlid) durch den 
Vertrag von Tordefillas 7. Juni 1494 eine Demar: 
fationslinie feftgeitellt wurde, welde, 2770 km 
weſtlich von den Azoren und Kapverdifchen a 
laufend, die fünjtigen caftil. und yertug. be: 
rungen ſchied. P. war nun eine Meltmadht ge: 
worden und verlebte unter Johanna II. Nachfolger, 
Emanuel I., bis 1521, feine glängendfte Periode. 
Vasco da Gama ward 1497 ausgeſandt und fand 
1498 den Seeweg nad Dftindien, deſſen Produkte 
P. unermeßlichen Reichtum —— Unter den 
Vizelönigen Almeida und Albuquerque wurde das 
portug. Kolonialreih mit der Hauptitabt Goa in 
Dftindien begründet, Ceylon erobert, die Moluklen 
unterworfen, Verbindungen mit China angelnüpft. 
Gabral, durch einen Sturm na ſten getrieben, 
entdedte 1500 Brafilien, Die Nacht P.s ſtand nun 
auf ihrem Höhepuntte; Lifjabon war die erfte Hans 
delsjtadt Europas; der mächtig angeipornte Hel: 
den: und Unternehmungsgeift deö Volls gab ſich in 
allen Gebieten des Lebens fund, Gmanuel3 Nadı: 
folger, 9 yann III. (1521—57), neigte zu der He: 
rifalen Politik, die in der nämlichen Zeit Spaniens 
Aufihwung lähmte und in P. diefelben Nachteile 
im Gefolge hatte wie dort. Nach Johanns Tod 
folgte ihm fein dreijähriger Entel Sebajtian, an: 
fangs unter Bormundihaft, Bon den Jejuiten er: 
zogen, ging diefer mit Einfeitigleit dem Gedanten 
nad der Bet :hrer und liberwinder der Mauren in 
Afrıla zu werden, verlor aber (1578) in der un: 
——— er Alcazar fein Leben. Ihm 
olgte fein Großo im, der Kardinal Heinrich, der 
ſchon 1580 ſtarb und die burgund. Linie ſchloß. 
In dem Streite um den Thron gelang es Phi: 
—— II. (in Portugal —*5 .), als Sohn der äl: 
teiten Echweiter Johanns IIL., ſich des Landes zu 
bemädtigen und die andern Aronprätendenten zu 
überwinden. Ohnedies ſchon im ge begriffen, 
ward P. unter ‚Philipp und — eiden gleich— 
namigen Nachfolgern in den Ruin Spaniens ver: 
widelt und mußte zum guten Teil die Koften von 
Epaniens Niederlagen tragen. Die Holländer er: 
ooerten die Molutten und einen Teil von Bra: 
ſilien, aud) festen fie fih auf Guinea feft und ent: 
riſſen den Bortugiefen allmählid alle Befigungen 


eb auch König Yo: | 
efhwader ausrüften, um Entdedun: 


Portugal (geſchichtlich) 


in Oſtindien, mit Ausnahme der Städte Goa und 
Diu. Im Innern ſaugte die Habſucht der Spanier 
das Land vollends aus, So kam es am Ende zu 
einer Nevolution, welde 1. Dez. 1640 einen Ab: 
tömmling des alten Königsftammes, ben Herzog 
Johann von Braganga, als Johann IV. auf den 
ortug. er bradıte. Johanns Sohn und Nach⸗ 
* Alfons VI., 1662—68, ward von feinem 
Bruder, Pedro II. 1668—1706 (Regent bis 1683), 
der Regierung entjeht. ‚m Kriege gegen Spanien 
behauptete B., von England und Frankreich unter: 
jtüßt, feine Unabhängigfeit, die im Frieden von 
Liſſabon (13. Febr. 1668) anerfannt ward. Auch 
mit Holland wurde 1661 und 1669 unter ent 
Vermittelung ein Friede geſchloſſen. P. zahlte 
diefe Vermittelung mit dem Vertrag von 1708. 
Brafilien wurde den Holländern fchon 1654 nad) 
mehrjährigen blutigen Kämpfen entriflen; ebenſo 
Angola und jämtliche Inſeln des Atlantifchen 
Occans (1643—54). Die alte Größe war indeſſen 
nicht mehr berzuitellen. Das Bolt war tief herab: 
gelommen, fein Thätigleitstrieb gelähmt. Han: 
deläverträge, wie namentlich der Methuen:Vertrag 
von 1703 bradten P. or in das Verhältnis 
einer Handelstolonie zu England. Auch die polit, 
Verfafiung des Landes verfiel; die Cortes wurben 
feit 1697 nicht mehr berufen. Auf Bebro IL, wel: 
her im Spaniſchen Erbfolgefrieg Ludwig XIV. und 
deſſen Entel Philipp belämpfte, folgte 1706 deſſen 
Sohn Johann V. (geft. 1750), der durch feine 
möndiihen Liebhabereien, namentlih den Bau 
des Klofters zu Mafra und die zu Nom teuer er: 
taufte Erlaubnis, einen Patriarchen von Lifjabon 
Im Naben, die Hiltsquellen des Landes erfchöpfte, 
nter feinem Sohne und Nachfolger Joſeph I. 
(geit. 1777) wurden die Staatögefchäfte von Pombal 
geleitet. Er fuchte mit eiferner Strenge Reformen 
einzuführen und das Land im Einne der aufge 
Härten Deipotie des 18. Jahrh. umzugeftalten, 
belämpfte den Adel und die Geijtlichleit, na— 
mentlih den efuitenorden, und das Attentat 
egen den König (1758) ward der Anlaß, den Dr: 
we aufzubeben. Auch bewies Bombal feine Energie 
bei dem ſchredlichen Erdbeben von 1755, bas Sie 
bon faft dem Ruin preisgab, aufs allerrühmlichite, 
Als Joſephs ältefte Tochter Maria L. die ih 1760 
mit ihres Vaters Bruder, Dom Pedro LLI., ver: 
mählt * 1777_auf dem Throne folgte, fiel 
Pombal und fein Syftem; doch war die Wirkung, 
die er geübt, nicht zu verwiſchen, wenn aud) zu: 
nächſt die Gewalt wieder an Adel und Alerus zu⸗ 
rucffiel. Als Maria 1789 in Gemütsfrantheit ver⸗ 
fiel, wurde der Kronprinz Johann Regent. In die 
rofen Kriege gegen Frankreich durd die alte Ber: 
—— mit England verflochten, erlag ®. der 
Macht Napoleons I. Diefer verlangte, dab P. 
dem Bunde mit England entjage, den engl. Schiffen 
feine Häfen verſchließe und feine Flotte an Frant: 
reich überlafje. Ta Johann diefem Berlangen 
nicht entiprad), fo ſchloß Napoleon mit Spanien 
den Vertrag von yontainebleau 27. Dit. 1807, 
worauf das Haus Bragansa enttbront und P. zwis 
jchen Frankreich und —5* geleilt werden —* 
und fieh den General Junot mit einer Heinen 
Armee in P. einmarfchieren; 27, Nov, ſchiffte I 
der Hof nad Vrafilien ein, 30, Nov. erfolgte der 
Einmarſch Junots in Liffabon. Bon Teilung war 
nun feine Nede mehr; Napoleon behielt das Land 
in feinem Beſiß. Der Aufſtand Spaniens gegen 


Portugal (geſchichtlich) 


bie franz. Gewaltherrſchaft rief auch in P. einen 
— — hervor. England ſchickte hierzu 
Truppen, Geld und Waffen. — — iege 
und die 30, Aug. 1808 abgeſchloſſene Kapitulation 
von Gintra hatten die Räumung des Landes durd) 
die Franzoſen zur iger Nühmlich beteiligten ſich 
dann die Portugiefen an dem Freiheitskampfe der 
Pyrenãiſchen Halbinfel und drangen nad) wechſeln⸗ 
den Erfolgen unter Mellington, Beresforb und 
Gomez Freyre als Hilfätruppen zuleht bis nad 
Eüdfrantreih vor. Die lönigl. Familie blieb un: 
terdefien in Brafilien, wo der Negent nad dem 
Zode der Königin Maria I. (20. März 1816) als 
Johann VI. den Thron beitieg. 

Die Zeit de3 Kampfes hatte die Geifter aufge: 
regt, der Ausgang fie unbefriedigt — Der 
Hof fuhr fort, das Mutterland von Rio de Janeiro 
aus zu regieren, während die unmittelbare Gewalt 
an des Königs Statt Lord Beresford führte. Dies 
alles, die Entfernung des Hofs, die Fremden: 
regierung, die Fortdauer ber alten Mißbräuche 
und der neu angefachte öffentliche Geiſt in der Na: 
tion rief eine Gärung hervor, die fich feit 1817 in 
Brafilien wie in P. tundgab, wenn auch die Aus: 
brüdhe noch unterdrüdt wurden. Als dann in 
Spanien die Revolution begann, reijte Beresford 
felbft im April 1820 nad Brafilien, um einige 
Konzeſſionen auszuwirlen; aber ehe er zurüdtanı, 
brah 24. Aug. zu —— die Revolution aus. 
Cine oberjte Junta übernahm die Regierung und 
erflärte in einem Aufruf an die Nation die Be: 
rufung bes Cortes und die Aufitellung eines Staats: 
— * für das einzige Rettungsmittel. Ver— 
gebens ſuchte die Negierung zu Liſſabon die Be: 
wegung zu dämpfen. Schon 15. Sept. war ohne 
Blutvergießen die — tadt felbjt mit der zu 
Oporto begonnenen evolution einverftanden. 
Eine Provilorifhe Regierung übernahm nun die 
Gewalt im Lande, und eine Deputation wurde 
nad Rio de Janeiro entfendet, um dem König Be: 
richt zu geben und ihn zu bitten, daß er oder der 
Kronprinz nad) Liſſabon zurüdtehren möchte. In— 
dejien war Beresford mit unumjchränlter Boll: 
macht aus Brafilien — aber die Junta 
ließ ihn nicht landen, Die von ihr einberufenen 
Gortes arbeiteten an der neuen Konftitution, deren 
bemofratijher inhalt der jpaniihen von 1812 
nicht unähnlid war. Jeßt entichloß fich der König 
zur Nüdtehr nad B., während der Kronprinz Pe: 
dro als Regent in Brafilien zurüdblieb. Als der 
König 3. Juli 1821 an der portug. Kuſte ankam, 
verweigerte man ihm die Landung, bis er bie 
Grundzüge der neuen Berfafiung beſchworen hatte, 
welche dann 23. Sept. 1822 vollends zu Stande 
fam. Aber num erjt begannen die Schwierigkeiten. 
Brafilien, deſſen ünice von den Gortes nicht 
gehört wurben, riß ſich (Herbit 1822) von P. los 
und rief Pedro I. zum Kaijer aus. In P. felbft 
regten ſich die Anhänger des alten Zuftandes und 
fanden ihre Stüse in der Königin Carlotta, Tod): 
ter Karls IV, von Spanien, und ihrem jüngern 
Sohne, Dom Miguel. Zwar miflangen die eriten 
Verſuche, eine Kontrerevolution zu bewirlen; aber 
27. Mai 1823 ftellte fit Dom Miguel felbit an 
die Spike und forderte die Nation auf, ſich für 
das abjolutiftiihe Königtum zu erklären. Das 
Heer fiel ihm zu, und binnen wenigen Tagen batte 
die Kontrerevolution überall gefiegt. Der König 
ertlärte nun die Berfafjung für aufgehoben. Die 

EonverfatioußsLeriton. 13. Aufl XIII 


193 


Klöfter erhielten ihre Güter zurüd, bie Cenfur 
ward wieberhergeltellt, die Anbänger des Eonftitus 
tionellen Syftems verfolgt. Doc ging Johann VI. 
der Königin und dem Prinzen Miguel zu langjam 
zu Werle, und diefe beihlofien darum einen 
Staatsitreih,. Dom Miguel rief 30. April 1824 
die Soldaten unter die Waffen, um feinen Bater 
zur Thronentjagung zu zwingen. Aber diefer ents 
floh aus feiner Gefangenihaft 9. Mai an Bord 
eines brit. Linienſchiffs, und durd das Einſchreiten 
der fremden Diplomatie fam er wieber in den Be: 
fig der Negierungsgewalt, Tom Miguel mußte 
ins Ausland gehen und begab fi nad) Wien. Mit 
Brafilien kam (jedod) * Zuſtimmung der Cor: 
tc3) 15. Nov. 1825 ein Vertrag zu Stande, der die 
Unabhängigfeit dieſes Kaijertums anerfannte und 
beitimmte, daß die Kronen ber beiden Länder nie 
auf einem Haupte vereinigt fein ſollten. 

m 10. Dlärz 1826 ftarb Johann VI., nachdem 
er zuvor feine Tochter, die Infantin Iſabella, er 
Negentin ernannt hatte, die Ihre Beichlüffe im Na: 
men ihre Bruders, des Kaiſers Pedro I. (al3 
König von Portugal Pedro IV.), erlich. Dom 
Pedro gab fofort dem Königreihe P. eine Konitis 
tution, die Carta de lei vom 29, April 1826, und 
erließ eine allgemeine Amneſtie. Dann verzichtete 
er 2. Mai 1826 auf die portug. Krone, übertrug 
diejelbe auf feine Tochter Maria II. da Gloria 
und verpflichtete fich, die Tochter mit ihrem Oheim 
Miguel zu vermählen. Von neuem erhob fid) 
indefien die abfolutiftiihe Partei; doch wurde 
der Aufitand noch vor Ankunft der zu Hilfe geru: 
fenen engl. Truppen überwältigt. Dom Miguel, 
der fi in Wien mit feiner Nichte verlobt, auch bie 
Verfaſſung beſchworen hatte und darauf von Dom 
Pedro zum Negenten ernannt worden war (Juli 
1827), traf im Febr. 1828 in Liſſabon ein und wie: 
derholte vor den Cortes feinen Schwur. Kaum 
hatten ſich aber die engl. Truppen eingeſchifft, fo 
brach Miguel feinen Eid, hob die Verfaflung auf, 
{ieß diefen Gewaltftreich durch bie wieberberufenen 
alten Landſtände (Cortes von Lamego) gutheisen 
und fi zum abjoluten König von. ausrufen, 
30. Juni 1828. Unter der nunfolgenden Schredens: 
berr u wurden gegen 16000 | nie verhaftet, 
viele hingerichtet oder nad Afrita geihidt. Bald 
war nur nod die Inſel Terceira in der Azoren: 
gruppe der Königin Maria treu; in den übrigen 

eilen der Monardie fehte Miguel fein wildes 
Treiben fort und warb dabei von Spanien offen 
unterftüßt. Indeſſen hatte Pedro I. die braiil. 
Krone niedergelegt und rüftete ſich, um feiner Tod): 
ter Maria II. da Gloria den pertug. Thron wieder 
zu erfämpfen; auch fand diefe nad) der Julirevolu: 
tion in England und Frankreich mehr Unterftügung. 
Nahdem Dom Pedro feine Rüftungen in Terceira 
beendigt hatte, landete er mit 12000 Mann an der 
Mündung des Duero. Oporto öffnete ihm 8. Juli 
1832 ohne Widerjtand die Thore, und bier be: 
hauptete er fi 13 Monate lang gegen alle An: 
ariffe Dom Migueld. Dann fandte Pedro eine 
Erpedition unter Graf BVillaflor nah Algarve, 
welde dort mit Jubel aufgenommen wurde, wäh: 
rend oleihgeitig ber engl. Kapitän Charles Stapier 
beim ap St.:Bincent 3. Juli 1833 die Flotte Don 
Miguels befiegte. Nun erhob fich überall die Tons 
ftitutionelle Bartei, und bereits 24. Juli Tapitus 
lierte das von Villaflor (Herzog von Terceira) und 
Napier eingejchlofjene Liffabon, wo Maria II. 

13 


194 


23. Sept. 1833 ihren feierlichen Einzug bielt. ne 
folge der Quadruplealliang vom 22. April 1834 
erſchien aud ein fpan. Sieber, um der Königin 
Maria beizuftehen. Dom Miguel erlitt eine ent: 
ſcheidende Niederlage bei Thomar 16. Mai und 
unterzeichnete ven Vertrag von Evoramonte,26. Mai 
1834, wonach er dem portug. Throne entjagte und 
fich verpflichtete, da8 Land auf immer e verlaffen. 
Tom Pedro führte die von ihm verliehene Ber: 
fafjung vom April 1826 wieder in ®. ein und lieh 
ſich von den Cortes als Regent, bejtätigen, ftarb 
aber ſchon 24. Sept. 1834. Die junge Königin, 
kurz vorher für mündig erflärt, vermäblte ſich im 
San. 1835 mit dem 9 N 
Fe und nad) befien > i —— mit dem 
zrinzen Ferdinand von en⸗Coburg⸗ my. 
_ Die Regierung ber Königin Maria II. da Gloria 
it für P. als eine Vorjchule des Verfaſſungslebens 
zu betrachten. Das Beiſpiel des benachbarten 
Spanien mit feinen Pronunciamento3 und Mili- 
tärrevofutionen fand aud hier RNachahmung, ob: 
ſchon die Kämpfe einen weniger blutigen Charakter 
trugen. Eine wichtige Rolle im polit. Leben P.s 
ipielten nad) wie vor die geheimen Gejellihaften, 
nach Art der Freimaurer organijiert. Übrigens 
waren es vorzugsweiſe die hervorragenden Berjön: 
lichteiten, welde fib befämpften, während bie 
Prinzipien nur zum Aushängeſchilde dienten. Es 
befämpften fi vorzugsweife zwei Parteien. Ge: 
genüber ber bejtehenden Seriafung Carta de lei) 
Dom —— vom April 1826 holte die Oppoſition 
die ältere Verfaſſung Johanns VI. vom t, 
1322 hervor, welche nad dem Mufter der fpan. 
Stonftitution von 1812 abgejabt und weit mehr de: 
mofratiih war. Unter anderm batte lehtere als 
Erſte Kammer einen —— Senat, die Charte 
Tom Pedros aber eine er vr Bairie. Man be: 
zeichnete die Anhänger der Verfaſſung von 1826 
a'3 Pedriſten oder Gartiften (Honfervative), die 
Anhänger der Verfaſſung von 1822 aber als Sep; 
tembrijten (Radikale). Den legtern gelang es durch 
die Schilderhebung von 9. Sept. 1836 ans Staats: 
ruber zu fommen; eine verſuchte Kontrerevolution 
vom 5. Nov. 1836 und eine zweite vom Aug. 1847 
ſchlugen fehl. Die Verfafiung von 1822 wurde re: 
vidiert und 4. April 1838 von der Königin und 
dem König:Gemahl Ferdinand beihworen; eine 
allgemeine Amneftie krönte das Werk, Bier Jahre 
lang behaupteten die Septembriften die Obergewalt, 
bis ein Abtrünniger ihrer eigenen Partei fie jtürzte. 
Der Juſtizminiſter Coſta Cabral (Graf Thomar) 
verftändigte na nämlich mit der Öegenpartei und 
veranlafte zu Oporto 27. Jan. 1842 eine Schild: 
erhebung für die Charte von 1826, welche ſchnell 
und vollitändig glüdte. Ein cartijtiiches Miniſte⸗ 
rium wurde gebildet, in welchem er ala Suftigmi 
nüter, fpäter ala Staatstanzler die eigentliche 
Seele war; aud ward die Charte von 1826 wieder: 
hergeftellt. Mehrere Aufitände in den nädjiten 
Jahren wurden glüdlich gedämpft. Die Strenge 
der Negierung und ber Steuerdrud erregten aber 
Unzufriedenheit, und beim Ausbruch der Nevolu: 
tion vom Mai 1846 jah Coſta Cabral ſich verlajien 
und mußte aus dem Lande flichen. Das neue Dis 
nilterium unter dem Herzog Palmella und dem 
Marſchall derjog von Saldanha war wieder car: 
—* Die Septembriſten erhoben ſich deshalb 
abermals unter General Bomfin 12. Oli. 1846 in 
D;orto, Zwar fchlug Saldanha die Empörer bei 


Portugal (geſchichtlich) 


Torred:Bedras 22, Dez. 1846, aber er verjtand den 
Sieg nicht zu benuben. Die Empörung wuchs, 
und e3 wurden auch ſchon republilaniiche Tenden⸗ 
zen faut, während gleichzeitig die Migueliſten * 
regten. Dom Miguel —* ging damals na 
England, um allenfalls bei der Hand zu ſein Jan. 
1847). Schon rüdten die Infurgenten gegen Yıfja- 
bon vor. Da entichloß fich die Königin, auf Grund 
der Quadrupleallianz von 1834, bie Hilfe der 
alliierten Mächte anzurufen. Nachdem die auf: 
ſtändiſche Yunta in Oporto die engl. Vermittelung 
abgelehnt, traf im Mai 1847 eim engl. © der 
an ber portug. Küjte ein und nahm die Truppen 
der Aufſtändiſchen, die zur See von Dporto nad) 
Lifjabon gebracht werden follten, gef Gin 
ſpan. Hilfsheer unterbrüdte die Snlarreltion 
vollends und bejebte 30. Juni 1847 Oporto. 
gegen mußte die Königin eine Amnejtie erlaflen, 
welche ein Protokoll der Mächte gewährleiſtete. 
Bald nachher lehrte Coſta Cabral aus der Ber: 
bannung zurüd, reorganifierte die cartüjtiihe Par: 
tei und gewann wieder großen Einfluß. Doch trat 
vorerit Marſchall Saldanda im Dez. 1847 an die 
Spibe eines cartiſtiſchen Kabinett, mußte aber im 
Juli 1849 dem Coſta Cabral weichen. Die Folge 
war, dab nunmehr ber ehrgeizige Saldanha ſich 
den Septembriften näherte und eine Koalition aller 
oppolitionellen Fraktionen bildete. Am 8. April 
1851 verfuchte er eine militäriihe Schilderhebung 
zu Cintra, ward aber geichlagen und mußte Hüd- 
ten. Uber Dporto entpörte fi und nahm dem 
Flüchtling als Führer auf (27. April). Der Erfolg 
war jchnell und volljtändig, und Coſta Cabral ent- 
oh nach England. Saldanha zog 15. Mai 1851 
in Liſſabon ein und wurde Generaliffimus und 
Präfident des Minifteriums, in welcher Stellung 
er mit diltatorischer Willlär berrichte. Die Eharte 
von 1826 blieb bejtehen, ward jedoch, ben Septem: 
brijten zu Gefallen, weientlich modifiziert durch die 
Additionalafte vom 9. Juli 1862. | 

Anı 15. Nov. 1853 ftarb die Königin Maria II. 
da Gloria, und es fuccedierte ihr ältefter Sohn 
Pedro V., der no unmündig war. Deshalb 
übernahm fein Vater, der Titularlönig Ferdinand, 


die Negentichaft und führte diejelbe, bis Pedro 
16. Sept. 1855 zur —7* gelangte. Wäh- 
rend diefer ganzen Zeit blieb Saldanha am Staats» 


ruder. Doc) hatte er wiederholt heftige parlamen: 
tarische Hämpfe zu REN namentlih in der Pairs⸗ 
fammer, ıwo Coſta Cabral als Führer der Oppo— 
jition auftrat. Allmählich verwiſchten ſich die alten 
Barteiunterfchiede immer mehr, wenn aud die Nix: 
men und die Traditionen ſich fortpflanzten. - Am 
meilten Schwierigfeiten machten die Finanzen, 
Das Budget hatte ein jährlihes Defizit aufzu⸗ 
weiſen. An diefer finanziellen Frage fcheiterte am 
Ende das Minifterium Saldanba und trat im Juni 
1857 zurüd, Es folgte ein Kabinett von vormali=- 
gen Septembriiten unter Vorfik des Marquis von 
Loule, welches ſich aber Schon während der nädjten 
Gorteöfisung in eine Art Koalitionsminifteriumg 
umgejtaltete, indem man mehrere gemäßigte Car: 
tiiten, befonders den Finanzminifter d Avila, aufs 
nahm (14, März 1857). Die Lage des Landes war 
ziemlich ungünftig. Die Traubenfäule 30g ſchwere 
materielle Berlufte nad fih, und mehrjährige Miß⸗ 
ernten veranlaßten eine Teuerung der Lebensmittel, 
Darüber fam es im Aug. 1856 zu Liffabon und ans 
derwärts zu Nubejtörungen, die aber feinen polit. 


— — — — 


— ——— 


Tortugal (geſchichtlich) 


Charakter trugen und bald unterbrüdt wurden. 
> nädjten Jahre m. das Gelbe Fieber in Lil: 
abon aus, wütete bafelbft vier Monate lang und 
tafite gegen 5000 Menſchen weg (Sept. bis Des. 
1857). Die Che Pedros V. mit der Prinzeſſin 
Stephanie von Hohenzollern: Sigmaringen (18. Mai 
1858) ward ſchon 17. Juli 1859 wieder durch den 
Tod der jungen Königin aufgelöft. Unterdeflen 
tte das Miniiterium Louled’Avila ſchwere par: 
amentarifche Kämpfe zu beftehen, die durch eine 
Auflöfung der Cortes (Frühjahr 1858) nur für 
turze Zeit unterbrochen wurden und mit den Rüd: 
tritt de3 Kabinetts endigten. Am 16, Wai 1859 
wurbe ein neues Minifterium aus der jog. Partei 
der Regenerabores (Anhänger Saldanhas) gebildet, 
in weldyem der Herzog von Terceira und nad) —* 
Tode (26. April 1860) der Staatsrat d’Aguiar den 
Borfig führten, Allein ſchon 4. Juli 1860 mußte 
auch diejes Kabinett vor einem Plißtrauensvotum 
zurüdtreten. Nunmehr gelangten Loulé, d'Avila 
und deren Anhänger abermal3 an das Staats— 
ruder, mußten aber ſchon 27. März 1861 wieder zu 
einer Auflöjung der Cortes fchreiten, um fich im 
Amte zu balten. Im Herbſt beöfelben ‘jahres 
wurde die fönigl. Familie durch Todesfälle ſchwer 
beimgefudt. Snflge eine3 bisigen Fiebers ſtarb 
uerft Brinz serdinand6.Nov.,dann König Pedro V. 
— 11. Rov. und ſpäter noch Prinz Johann 
27. Dez.; der vierte Bruder, Auguſt, genas nad) 
fhweren Leiden. Dieje Todesfälle veranlaßten 
eine große Aufregung in Lifjabon, da das Bolt nicht 
an einen natürlichen Berlauf glauben wollte, und 
25. und 26. Dez. 1861 fam e3 zu lärmenden Zus 
multen, die jedod ohne weitere Folgen blieben, 
Pedros — Bruder, König Ludwig J. be: 
ftieg den erledigten Thron, Cr leiltete 22, Dez. 
1861 vor den verjanimelten Gorte3 den Eid auf die 
Berfafjung und vermählte ſich 6. Oft. 1862 mit der 
Prinzeſſin Maria Pia von Italien. Die Cortes 
nahmen infolge diefer Todesfälle ein Regentfchafts: 
gejeg an und ein anderes Geſetz, wodurd ber von 
den beiden Schweitern des Königs, Donna Maria 
Anna, Gemahlin de3 Prinzen Georg von Sachſen, 
und Donna Antonia, Gemahlin des Erbprinzen 
Leopold von Hohenzollern:Sigmaringen, bei ihrer 
Bermählung per Verzicht auf die Krone auf: 
ehoben wurde und die Ausſchließung der Nach— 
ommen Dom Miguel3 vom Throne auch für ſpaͤ— 
tere Zeiten ermöglicht werben ſollte. 

Aud) unter König Ludwig I. behauptete ſich das 
Kabinett de3 Marquis, fpäter Herzogs von Loule, 
obſchon es end teilweife modifiziert wurde. 
Seit dem Sturze Miguels herrichte eine Spannung 
—— P. und dem röm. Stuhl. Die von der 

egierung geübte zeigt Toleranz und die Nie: 
derhaltung des Klerifalismus waren dem Papit 
verhaßt. Als bei der Feier der Heiligfprechung der 
japan. Märtyrer (Pfingſten 1862) kein einziger 
portug. Prälat in Rom erfdien, ermahnte der 
Papit in einem Schreiben die Prälaten zur eifri: 
gern Berteidigung der lirhliden Rechte gegenüber 
der Regierung. Darauf erließ das portug. Fuftiz- 
miniftertum eine Derfügung vom 2. Aug., wodurd 
den Geijtlihen bei Gefaͤngnisſtrafe unterjagt ward, 

egen die Regierung zu predigen. Im — ge⸗ 

ng es dem Miniſterium Loule, verſchiedene libe— 
rale Maßregeln durchzuführen. Ein Geſetßz vom 
19. Mai 1863 bob die ſämtlichen Majorate auf, 
ausgenommen das Kronfibeilommih des Haufes 


195 


Braganca, und in derfelben Seffion ward die Tos 
besitrafe, die fchon feit 1852 für polit. Verbrechen 
abgejtellt worden, vollends abgeſchafft. Am 7. April 
1865 kam ein neues Kabinett unter Marquis de Cä 
de Bandeira zu Stande, dad mit einer Auflöjfung 
der Cortes (12. Mai) begann. Die Neuwahlen 
fielen jedoch ungünftig aus, und jo trat Ende Auguft 
wieber eine Arijis ein, aus welcher 4. Sept. 1865 
ein u. unter Borfis des Staatsrats 
d’Aguiar hervorging. Unter diefer Regierung war 
beſonders eine parlamentariihe Nejolution von 
prinzipieller Wi —— Mährend des letzten Jahr⸗ 
zehnis hatten einzelne revolutionäre Parteiführer 
in Spanien wiederholt den Gedanken einer Vers 
einigung der Halbinfel unter der portug. Dynaftie 
aufgeftellt; aber be rg fand in P. keinen Bei: 
fall. Bei Gelegenheit des burd General Prim in 
Spanien angeftifteten Aufſtandes ſprach ſich die 
portug. Stanımerder Abgeordneten einjtimmig gegen 
eine etwa verfuchte Vereinigung Spaniens und W 
aus, und eine Interpellation deshalb ward 8. Jan. 
1866 von der Regierung in gie Sinne beant: 
mwortet, Um ben Vährfien fizitö abzubelfen, be⸗ 
antragte der Finanzminifter in der Cortesſeſſion 
von Ian, bis Juni 1867 eine Reform bes beſtehen⸗ 
den Steuerwejen3 und die Ein einer Kons 
fumtionsfteuer, welche nad) lebhaften Debatten mit 
großer Stimmenmehrheit in beiden Kammern ge: 
nehmigt wurden. In derfelben Sejjion wurde eine 
Vorlage über Berwaltungsreform und ein neues 
Civilgefepbudh angenommen. Die Neuerungen im 
Steuerwejen und in der Verwaltung erregten viel: 
fach Unzufriedenheit, und es braden an verſchie— 
denen Orten Unruhen aus, zu Oporto 22. De. 
u. f. w., die mit Waffengewalt unterbrüdt werden 
mußten, Als aber auch in Lifjabon 2. Jan. 1868 
eine ernithafte Vollzbewegung ſich undgab, reichte 
das Minifterium d’Aguiar feine Entlafjung ein, 
und König Ludwig I. beauftragte den Grafen 
d’Avila mit der Bildung eines neuen Kabinetts. 
Diefer legte demnächſt den Cortes zwei Gefepent: 
würfe vor, welche auf die Wiederaufbebung der 
vorjährigen Verwaltungs: und Steuerreformen ab: 
zwedten, und da die Majorität fih darauf nicht 
einlafien wollte, wurden die Kammern aufgelöft 
(14. Jan.) und die neuen Gejeße fuspendiert. Die 
Neuwahlen ergaben eine Majorität für das Minis 
fterium, und die 15. April eröffneten Gortes_be: 
willigten demfelben die erbetene Indemnität. Nun 
gi es, dad Defizit auf anderm Wege zu beden. 

ie Regierung beantragte den teilweifen Verlauf 
der Staat3waldungen, den Verlauf und die Kon— 
vertierung des Eigentums der Kirchen und Korpo— 
heran Aa verschiedene Zollerhöhungen. Jedoch 
diefe Finanzvorfchläge ſtießen wi iderſpruch, und 
als König Ludwig, nad) eingeholtem Gutachten des 
Staatsrat3, ſich weigerte, eine wiederholte Cortes: 
auflöfung zu verfügen, nahm das Minijterium 
d'Avila feinen Abſchied (14. Juli). Nachdem ver: 
ſchiedene Kombinationen geſcheitert waren, gelang 
es endlid dem Marquis de EA de Bandeira 
22. Juli, ein neues Kabinett zu bilden. Der Aus: 
bruc) ber fpan. Revolution zog vorläufig die Auf: 
merkfamfeit von den innern Angelegenheiten ab. 
Die Idee einer «Iberiſchen Union», die in Spanien 
wieber auftauchte, ward von ber Prefie und ber 
Öffentlihen Meinung P.s mit größter Entſchieden— 
heit zurüdgewiefen und der Jahrestag der Revolu: 
tion von 1640 die&mal, 1. Dez. 1868, mit beſonders 


13* 


196 


lebhaften, geradezu bemonftrativem Eifer gefeiert. 
Unter ſolchen Umjtänden war e3 felbitveritändlich, 
dab König Ludwig und fein Vater, der Titular: 
könig Ferdinand, 1869 ſich gegen Annahme der 
ihnen angetragenen fpan, Krone ausſprachen. 

Aus der Verwaltung des Kabinetts de Sä be 
Bandeira ift ein Lönigl. Delret vom 26. Febr. 1869, 
betreffend ern der Sklaverei in ben Kolo— 
nien, hervorzuheben. Gin zweites königl. Dekret 
vom 19. März befchräntte die Zahl der Abgeord— 
neten zur Deputiertenlammer auf 108. Als de Sä 
de Bandeira 10. Aug. vor einem Tadelsvotum der 
Rairsfammer zurüdtrat, folgte ein Minijterium 
unter dem Vorfik des Herzogs von Loulé. Diefer 
hatte mit den Intriguen des Feldmarſchalls Herzog 
von Saldanba zu kämpfen. Die Neuwahlen vom 
März 1870 fiherten dem Minifterium eine über: 
wiegende Majorität; yore ward e3 
durch ein militärische Pronunciamento geftürzt. 
Nachdem Saldanha die Befabung Liffabons für No 
gewonnen hatte, überfiel er 19. Mai den königl. 
geht und nötigte den König Ludwig, ihn zum 

inijterpräfibenten zu ernennen. Die Protefte des 
Kabinetts Fould und der Corted gegen diejen Ge: 
waltitreich blieben wirkungslos. Aber auch das 
Minifterium Saldanha war nidt von Beitand, 
und 30. Aug. folgte ein Kabinett unter de Sä de 
Bandeira, 29. Dit. 1870 ein zweites unter d’Avila. 
Diefes machte nach Jahresfrift einem Minifterium 
der fog. Regenerationtpartei Plak, worin der vor: 
malige Finanzminifter unter Saldanha und 
d’Aguiar, Staatsrat de Fontes Pereira de Mello, 
den Vorfiß und die Finanzen, fowie interimiftifch 
auch das AED IEDGEEN übernahm, 13. Sept. 
1871. Der Abſchluß des Handel3: und Schiffahrts— 
vertrag3 zwiſchen P. und dem Deutichen Reich er: 
folgte 2. März 1872, Das Minifterium Fontes 
widmete feine Kraft vorzugsweiſe der Reform der 
Berwaltung und der Serbeliung es Gleihgewichts 
bei den Finanzen, Daß während der fozialdemo: 
lratiſchen Bewegung, welde 1873 Spanien ergriff 
in P. ſich nicht die geringfte Luft zur Nahahmung 
oder zum Anjchluß zeigte, war ein Zeichen von ges 
—— ſtaatlichen Zuftänden. Ein an das vertan 

olt erlaſſenes Manifeft, worin dieſes zur Tei 
nahme an der Erridtung einer Iberiſchen Republit 
aufgefordert wurde, fand feinen Anklang. Die 
Neuwahlen vom 12. Juni 1874 ergaben eine Mehr: 
beit von 77 Minifteriellen gegen 14 Oppofitions: 
mitglieder. Die wirt —6T Lage des Landes 
beſſerte ſich allmählich; doch war das jährliche De: 
fizit nicht zu beſeitigen. Dies gab den Progreſſiſten 
Gelegenheit, das Kabinett zu ſtürzen, worauf 
6. März 1877 ein Koalitionsminiſterium gebildet 
wurde, an deſſen Spihe der Marquis d'Avila e Bo: 
lama ftand, welcher außer dem Präfidium das Aus: 
wärtige und das Innere übernahm, — das 
vorige Kabinett für die Zwede des Verkehrs und 
des Handels bedeutende Ausgaben gemacht hatte, 
wollte das neue auch auf diefen Gebieten Sparfam: 
feit eintreten laffen, um endlich das Defizit zu be: 
wältigen. Da aber das Defizit fi) noch vergrö: 
Berte und das Minifterium den Biichöfen gegen: 
über große Schwäche zeigte, fo ward es 26. Jan. 
1878 durd) ein Mißtrauensvotum geftürzt, worauf 

ontes Pereira ein neues, auf die Regeneradores 
ich ftügendes Kabinett bildete. Die Corteswahlen 
vom 15. Dit, ergaben eine grobe Mehrheit für die 
Reoierung. Doch nahm dieſes Miniiterium, in 


* 
* 


Portugal (geſchichtlich) 


welchem Mißhelligleiten entſtanden, 29. Mai 1879 
ſeine Entlaſſung. 

In dem aus der liberalen Oppoſition hervor: 
gehenden neuen Kabinett übernahm Braamcamp, 
der führer der fog. Hiftorifer, das Präfidium und 
das Auswärtige. Die Kammer, beren konſervative 
Mehrheit 3. Juni 1879 ein Mißtrauensvotum ge: 
gen das Minifterium beſchloß, wurde aufgelöft und 
19. Dt. Neuwahlen vorgenonimen, bei welchen das 
Kabinett eine Mehrheit von mehr als 70 Stimmen 
erhielt. Mit England, welchem bereit? 1878 der 
freie Warentransport durch das portug. Gebiet der 
Delagoabai (in Südafrifa) nad) oder von Trans: 
vaal zugeftanden war, wurde 1879 ber Lorenzo— 
Marquesvertrag geſchloſſen, worin den Engländern 
neue Zugeftändniffe gemacht und ber Bau einer 
engl. Sifenbahn von Porenzo:Marques nah dem 
in Zransvaal liegenden van pe tattet ward. 
Diefer Vertrag wurde von der öffentlihen Meinung 
als eine Preiägebung portug. Gebiet3, als eine 
— Aufhebung des vom Marſchall Mac— 

ahon 1875 zu Gunſien der Rechte P.s auf die 
Delagoabai gefällten Schiedsſpruchs an Den 
Der von einer Maſſenverſammlung beſchloſſene 
Proteft gegen den Vertrag wurde 15. März 1881 
dem Bräfidenten der Cortes überreiht. Als die 
Kammer trokdem den Vertrag genehmigte, ent: 
ftand ein Tumult in Lifjabon, worauf das Mi: 
nifterium Braamcamp 23. März feine Entlaf: 
[ung eingab. In dem neuen Kabinett, das eine 
iberale — hatte, übernahm Sampajo das 
Präfidium und das Innere. Die Cortes wurden 
anfae öß, und die Neuwahlen ergaben für das Mi: 
nifterium eine bedeutende Mehrheit, Da aber das: 
felbe gegenüber der progreffültifchen und republifa: 
nifhen Agitation zu — auftrat, ſo mußte es 
11. Nov. ſeine Entlaſſung nehmen. 

In dem neuen, entſchieden konſervativen Kabinett 
vom 14. Nov. 1881 übernahm de Fontes die Präs 
fiventfchaft. Letzterer blieb nebſt dem Finanzmini: 
* auf feinem Poſten, als 25. Olt. 1883 alle an: 

ern Minifter austraten und durch neue Kräfte er: 
fegt werben mußten. Die Thronrede vom 2, Jan. 
1884 bei Cröffnung der Corte kündigte an, daß 
das Minifterium Entwürfe über eine Änderung der 
Verfafjung und des Wahlverfahrens vorlegen 
werde. Nachdem beide Kammern den Entwurf 
einer Berfaffungsrevifion im Prinzip angenommen 
hatten und im Juni die neuen Corteswahlen er: 
folgt waren, legte die Regierung 27. Dez. 1884 den 
Entwurf eines Zufabes zur Verfaſſung von 1826 
(die durch die Zufaßalte vom 5. Yuli 1852 nur in 
wenigen Punkten abgeändert worden war) vor. 
Danach follte die Pairslammer, welde bisher, 
außer einigen wenigen ihr erblid) angehörenden 
Mitgliedern der alten Ariftofratie, aus Vertrauens: 
männern der Krone, die auf Lebenszeit ernannt 
waren, bejtand, künftig aus 100 von König auf 
Lebenszeit ernannten und 50 dur das Bolt ge: 
wählten Mitgliedern zufammengefest fein, und das 
auf dem —“ des Vermögenscenfus beruhende 
Wahlrecht für die Abgeordnetenlammer (Cortes) 
ſollte erweitert werden. 

Bon großer Wichtigkeit für P. waren die Ver: 
bandlungen über das Gongogebiet, hervorgerufen 
durch die Unternehmungen Stanleys, Brazzas und 
der Engländer. Durch diefe wurden die Intereſſen 
P.s und feine Anfprüche auf einen Zeil_der W 
küfte von Afrika, einfchließlih der Congomüns 


Portugalete — Portugiefiihe Sprache und Litteratur 


dungen, berührt und gefährdet, zumal da es an 
einer genauen Abgrenzung des dortigen portug. 
Gebiets fehlte. Um fich feine fouveräne Stellung 
am untern Congo zu erhalten und diefelbe für jei: 
nen Handel auszubeuten, ſchloß P. 26. Febr. 1884 


197 


wichtige Züge, daß es nicht in dem Verhältnis einer 
Mundart zu demfelben fteht, fondern auf Selbitän: 
digkeit Anfpruc machen kann, Der *— 
beider Sprachen iſt nicht faſt der gleiche: die Miſch— 
verhältnifie find durchaus andere, Das Portugie: 


in London einen Vertrag mit Großbritannien, der | fiiche b 


den untern Congo ausſchließlich in die Hand der 
Vortugiefen und Engländer bringen follte. Da 
aber der Neihslanzler Fürft Bismard in feinem 
Schreiben vom 12. Mai erllärte, dab er die 
Anwendbarkeit jener Bertragsbeitimmungen auf 
die Angehörigen des Reichs nicht zugeben könne, 
fo warb ber nod nicht ratiiizierte Vertra 
von der engl, Negierung fallen gelafien un 
die Congofrage auf der 15. Nov. in Berlin er: 
öffneten Konferenz, bei welcher auch PB. vertreten 
war, geregelt. Zugleid) wurden unter der Vermit: 
telung Franfreids Verhandlungen zwiſchen P. und 
der «Afrilanischen Geſellſchaft⸗ eröffnet, welche die 
Abgrenzung der beiderjeitigen Gebiete am untern 
Congo bezwedten und im Febr. 1885 zum Abſchluß 
eines Vertrags führten. Die Haltung der Regie: 
rung in dieſer Frage ward in der Cortesſihung vom 
22. Febr. 1885 zwar anpenriften, aber vom Mini: 
fterium unter dem Beifall der Mehrheit verteidigt. 
Litteratur. Außer den Werten Herculanos 

. d) vgl.: Gebauer, «Bortug. rag (2 Bde,, 
1759); Fortia d'Orbay und Mlielle, «Histoire 

de P,» (10 ®be., Bar. 1828—29); Schäfer, «Ge: 
fhichte von B.» (5 Bde., Hamb. u. Gotha 1836— 
54); llo ilva, «Historia de P. nos secu- 
los XVII e XVIII» (5 Bde, Liſſab. 1860—71); 
S. J. da Suz Soriano, «Historia da guerra ci- 
vil» (5 Bde., Lifjab, 1870— 76); Latino Coelho, 


«Historia politica e militar de P.» (Bd. 1, Lijiab. | d 


1874); Barboja de Pinho Leal, «P. antigo e mo- 
derno» (Bd. 1—7, Liffab. 1873—77). 
alete, Aubenhafen von Bilbao — d.). 
rtugalöl, joviel wie Orangenſchalendl. 
—— oder Portugaleſer, Bezeich— 
ber ältern portug. Golbmünze Meia Dobra 
(halbe Dobra, ſ. unter Dobra) im Wert von 
36,68 deutichen Mark. Dann auch eine in den deut: 
ihen Hanfejtädten, befonders in Hamburg, bei feier: 
lihen Gelegenheiten geprägte goldene Schaumünze 
von 10 Dulaten; die erfte wurde 1623 bei Errich⸗ 
tung der Aomiralität (daher Admiralitäts: 
——— genannt) geprägt. In Hambur 


m —— ar man mit P. bisweilen au 
oldmünze, 
bed Ouinen, f. unter Sene: 
gambien. 


rtugi Portuguez, ſeltener Lusi- 
BEBSS ee 

. Bo ade, ingua Ro- 
ustica, gebildet. ns ehört fprad;- 


u Portugal 
ih die nordweſtl. Kuſte der rendiſchen 
Halbinfel, d. h. Galicien und Aſturien. der Dialelt 
A & (Bable) unterſcheidet fich jedoch wefent: 

der Galiciend nur unerheblich vom Portu⸗ 
shiden, Mlportigichi und Altaalich And ein 
e Sprache, und zwar bedienten fich ihrer 

von der Mitte des 13. bis Mitt 


an bie fnan. Mlinncänger. deren des 15. Ja * 

3 deren — orragen — 

— — ſteht zwar dem Cafti: 
unterfchei 


—— Sprache und Litteratur. 


acias der Ver: 
mit ei 
Ouellen, anime 


e bat weniger arab. Elemente aufgenommen 
und Basliſches jo gut wie nicht verwertet, Dagegen 
mehr Keltiſches —— ſehr viel vom Lateiniſchen 
gerettet, das dem Caſtiliſchen verloren ging, vieles 
der Neuen Welt, beſonders Braſilien abgeborgt und 
iſt außerdem ſtaͤrler mit franz. Beſtandteilen ver: 
jeht, die man der zahlreichen Begleitung des Stif- 
ters der portug. Monardie, des Grafen Heinrich 
von Burgund, zufchreibt. Die Ableitung hat man: 
ches Eigentümliche, und aud die Phonologie zeigt 
bedeutende Abweihungen. So hat das Portugir: 
fifche die dem Caftilifchen ganz fremden Nafallaute, 
vorzüglich in fleribeln Auslauten, und verwandelt 
—— durchgehends die caſtil. Kehllaute in fette, 

elinde Ziſchlaute. Ferner unterſcheidet ſich das 
zortugieſiſche vom Caſtiliſchen durch noch größere 
as zum Volalismus, dur Brechung der 
Selbftlaute e und o in ei und ou und durd Gr: 
weihung und fehr häufige Ausſtoßung ber Konſo— 
nanten im In⸗ und Auslaut. Einen jpeziellen Zug 
befikt die portug. Grammatik in der echt verbalen 
Flexion des Infinitivs, in der Beibehaltung des 
(at. Blusguamperfefts als ſolchen, in der Unter: 
ſcheidung der erjten und dritten Perfon Singularis 
des Perfelts einiger Verba ftarler Konjugation 
durch verjchiedene einge (tive teve, fiz fez, 
estive esteve, pude pode) u. ſ. w. Dem vollen, 
erh kraftvollen gie des —— aber, 
a3 feine abſchwächenden Verkürzungen duldet, fteht 
er trübere, gebämpfte, gemeſſene Klang des dor: 
tugiefifchen,, feine Weichheit, die an Weichlichleit 
grenzt, ziemlich Diametral gegenüber. Das Portu: 
gieſiſche iſt auch über einen Teil von Dftindien, 
Weſtafrila und Südamerila (Brafilien) verbreitet, 
wird aljo in vier Erdteilen und von mehr denn 
20 Mill. geſprochen. i 

Die portug. Spradproben geben den fpanifchen 
wenig an Alter nad); die älteſte rein portug. Ur: 
kunde gehört der Regierung Sanchos I. an und ijt 
mit era 1230 = 1192 gezeichnet; zahlreicher werden 
fie erft jeit 1255. Ein ſehr brauchbares, body lei: 
neswegs ausreihendes Hilfsmittel für das ältere 
Portugieſiſch ift das von Santa-Roja de Viterbo 
gearbeitete «Elucidario das palavras, que em Por- 
tugal antiguamente se usärdo», dem eine furze Ge: 
ſchichte der portug. Sprache vorausgeſchidt iſt 
(2 Bde., Liſſab. 1798—99; neu, doch unkritiſch 
herausg. von Innocencio da Silva, Liſſab. 1865). 
Bon dem MWörterbuche der Akademie der Wifjen: 
ſchaften von Lijjabon erfchien bloß ein Teil (Liſſab. 
1793), der den Buchſtaben A enthält; doch ar- 
beitet die Akademie weiter daran, in reichhal: 
tiges, durch gefunde Kritik und große Sorgfalt ber: 
vorragendes Leriton iſt das von Rafael Bluteau 
(«Vocabulario portuguez e latino», 7 Bde., Lifjah. 
1712— 71, und 2 Bde., Supplement, Liſſab. 1727 
— 28); ſehr braudbar iſt * das ſich daran an: 
lehnende des Braſilianers Antonio de Morars 
Silva (Liſſab. 1789 u, öfter); die neuefte, bedeu— 


* 


tend erweiterte und volljtändig durdhgearbeitet: 


T. — beſorgte F. A. Coelho (2 Bde. Liſſab. 
1878). Das vollitändigfte, mit ſprachwiſſenſchaft- 


licher und litterarbiftor. —— von Coelho 
und Theophilo Braga verſehene Wörterbuch iſt 


198 


jedoch ber «Tesouro da liugua portugueza» von 
rei Domingos Vieira (6 Bde., Liſſab. 1873). Das 
og. «stritiich » etymologiihe Wörterbuch» von 
Franc. Solano Conſtancio (Par. 1836) it reich an 
unwiſſenſchaftlichen Wortdeutungen. Die Grant: 
matif desfelben Verfaſſers ift ziemlich gut. Zu den 
beſſern Spradlehren, die von Portugiefen feloft 
geihrieben find, gehört außerdem bie von Jero— 
nymo SoaresBa TE ——— 
da lingua portugueza», 2. Aufl., Lifjab. 1830). 
Bruchftüde einer eigentlich wiſſenſchaftlich-hiſtor. 
Grammatik lieferte F. A. Coelho in feiner «Lingua 
ortugueza» (1868), «Theoria da sonjugacäo em 
atim e portuguez» (1871), «Questöes da lingua 
portugueza» (At. 1, 1874) und «A lingua portu- 
gueza» (Tl. 1, Porto 1881). Ein Abriß einer jol: 
den findet fi in Diez’ trefiliher «Grammatik der 
roman. Sprachen». Die eingehendſte —— 
— das Portugieſiſche bis jet in C. von Reinhard: 
töttners «Grammatif der portug. Sprache auf 
Grundlage des Lateiniſchen und der roman. Sprach⸗ 
vergleihung» (Straßb. 1878) erfahren. Kleinere 
Kompendien find: das vorzüglice ualetto» 
von E. Monaci und Fr. d’Dvidio (Ymola 1881), 
F. > Lencaftre, ——— —— et 
acile pour apprendre la langue portugaise» (2pj. 
1883); Herold, «Praltiſcher Lehrgang zur Erler: 
nung ber portug. Spradyen (2. Aull., Ser 1 
Wörterbücher für Deutſche lieferten Wollheim da 
Fonſeca (2. Aufl., 2 Bde, Lpz. 1856) und Bölche 
(Hamb,); ein reichhaltigeres und forgfältigeres 
von 5. Michadlis ift in Vorbereitung. Das Bortu: 
iefiiche hat zahlreiche Mundarten. Man unter: 
Aheiber zwei en tgruppen, eine jübliche und eine 
noͤrdliche, deren Grenzſcheide der Mondego bildet. 
Die nördl. Gruppe zerfällt in zahlreiche Unterab: 
teilungen: die wichtigſten find die der Provinzen 
Beira und Entre:Douroe:Minho, eigentümlich ift 
der Grenzdialelt von Miranda (Traz:08: Montes). 
Vol. Bazconcellos, «O dialecto mirandez» (Porto 
1882). Die füdl. Gruppe, beitehend aus den Dia: 
letten von Ejtremadura, Alemtejo und Algarve 
zeigt weniger Eigentümlichleiten, 
ußerhalb Europas, in Afrita, Aſien und Ame: 

rila, hat das Portugiejiiche befondere Färbung an- 
genommen, beeinflußt von den Spraden der Ur: 
einwohner, Die brafil.:portug., die neger:portug. 
und die indo:portug. Dialekte (Geylon, Diu, Macao 
u. f. m.) find bis Gent jedoch wenig durchforſcht. 
Gute Vorarbeiten lieferten Coelho, «Os dialectos 
romanicos ou neo-latinos na Africa, Asia e Ame- 
rica» (Liſſab. 1881); 9. Schuchardt, «Ereoliiche 
Studien» (3 Hefte, Wien 1883), und Vasconcellos, 
«O dialecto Brazileiro» (Porto 1883). 

Die portug. Poeſie üt beinahe ausſchließlich 
Kunftpoefie, und man kann ihre Entwidelungs: 
erioden vorzugsweiſe nach den fie beftimmenden 
[renden —3 einteilen. So bildete ſie ſich in 
er exſten Periode bis zum 14. Jahrh. unter 
dem Einflufje der provensal. rg in der 
zweiten, bis zu Anfang des 16. Jahrb., unter dem 
der —— in der dritten, bis in die Hälfte des 
18. Jahrh., nad) Haffiih:ital. und jpan. Muftern, 
und in der vierten, von ber Mitte des 18. Jahrh. 
bis auf die Gegenwart, nad dem Borbilde der 
Hafjiih-franz., der engl. und der modern:europ. Lit: 
teraturüberhaupt. Die haralterijtiichen Grundzüge 
der indigenen portug. Poefie find die des National: 
charalters: füßfiche Weichheit, melanchol. Vagheit, 


863). | f 


Portugieſiſche Sprade uud Litteratur 


elegiihe Sentimentalität, die mit dem portug. 
Worte es am beiten charalteriſiert ift. 
Einige alte vollsmäßige Nomanzen over Zäcaras 
find im 16. Jahrh. aufgezeichnet worden, darunter 
namentlich die «Trovas dos jFigueiredoss. Cine 
Sammlung derjelben iſt von Almeida-Garrett in 
feinem «Romanceiro» (2, Aufl., 3 Bde., Liſſab. 
1863) veranftaltet worden. Neuere Romanzen: 
bücher find die von Bellermann, «Portug. Volls⸗ 
lieder und Romanzen» (2pz. 1864, mit deuticher 
Überfehung), Th. Braga, «Romanceiro geral colli- 
gido da Aradigäo» (Coimbra 1867) und «Cantos 
populares do —— Acorcano» (Porto 
1869), Eſtacio da Veiga, «Romanceiro do Algarve» 
(Liffab. 1870), E. B. Derbuns, «Romanceiro por- 
tuguez» (Lpz. 1877), Alvaro Rodrigues de Azevedo, 
«Romanceiro do archipelago da eira» (Yun: 
el 1880) Er. Romeiro, «Cantos populares do 
razil» (Vifjab. 1883). Überfehungen bieten aufer 
Chrift, Friedr. Bellermann (f. d.) Gefonders vb, 
Wolfin feinen «Broben portug. und catalon. Bolls: 
romanzen» (1856) und Buymaygre «Vieux chants 
portugais» (Par, 1881). Lyriiche Volkslieder, 
«Cantigas» genannt, fanımelten Th. Braga, «Can- 
eioneiro popular» (Coimbra 1867), und Barata, 
«Cancioneiro portuguez» (Lifjab. 1866). 
Die eigentlihe Nationallitteratur der —2* 
en begann mit einer aus der Fremde ſtammenden 
Hofpoefie. Bald nachdem, im Anfang des 12. Jahrh., 
Heinridh von Burgund und fein Der fü he 
Ritter die ftaatlihe und nationale Selbftändigkeit 
der Vortugieſen begründet, entftand, noch im 
12. Jahrh., unter feinen Nachfolgern eine Hofpoefie 
im eigentlichen Sinne des Wortes. Schon die 
Söhne der bei Durique —— Krieger ahmten 
—— gen {N —— — — 
welche auf der öjtl. Hälfte der — 
in Navarra, Catalonien und Aragon, —— 
ſtilien unter den Vorgängern Alfons’ des Weiſen, 
Schutz und hile e, Gönner und Nadahmer s 
den. Zu voller Blüte lam der en: 
jedoch erſt um die Mitte des 13. Jahrh. und er: 
reichte —* Höhepunlt, als D. Dinis, der Or: 
ragendjte und mächtigfte der portug. Trou rB, 
den Thron beftieg (1279— 1325). Nächſt dem Kö: 
nige dichtete fein Sohn und Nachfolger Alfons IV., 
en feine beiden natürlichen Söhne, die Infanten 
. Afonfo Sandes und D. Pedro Graf von Bar: 
cellos (dev Verfaſſer eines Adelsbuchs «Nobi- 
liario»), und um fie ſchloß fi ein 
Kreis von adeligen Dichtern, 
aud geringere Leute, yakı ‚, VBürger nd: 
werter und Spielleute, Aufnahme in bie 
Cirlel. Gegen 300 Namen von Dichtern dieſer 
riode find nut, und es haben ſich Lieder von 
den meiften erhalten. Aufbewahrt find die Werte 
der portug. Troubadours in vier band: 
(erifti en Liederbücdhern «Cancion ‚ welde 
eigentlic) jedoch nur zwei verſchiedene 
bilden. Die eine, auf fpan. Boden en um: 
faßt die zahlreichen geiftlichen Lieder Alfons’ X. und 
eriftiert in drei loftbaren, in Toledo und im Escu⸗ 
rial rubenden, von einander bedeutend abwei 
den Handſchriften aus dem 18, —3— deren 
Herausgabe die ſpan. Alademie dem ues be 
Valmar, D. Leopoldo de Cueto, übertragen bat. 
Bis jeht find nur einige we diefer «Cantigas» 
betannt. Die zweite Sammlung altportug. Ge 
dichte (welche auch einige weltliche Lieder Alfons X. 


Portugieſiſche Sprache und Litteratur 199 


aus drei ——— ſich ge: 
ra und — —* eher den 
a ng Biete Made Qeifaen) | 


Ajud». Man erriänete ihn früher als «Cancio- 
S oe + —— —— ur: 
rt und unter dieſem Tite 

—— ward von C. Stuart (Par. 1823), 
oder aud), Bush als Liederbuch des Grafen von 
„weil fein zweiter, ganz unfritijcher = 


ausgeber, gen, die, auch von 
mann, 5 und F. Die; u ne e Meinung 
—— Berta ae a Goder hät: 
aller («Trovas e cantares 
= —— en V seculo ou antes mui pro- 


vavelmente O livro das Cantigas do Conde de 
Madr. 1849). Eine kritiſche Neuaus: 


16. —— in der —— Biblio⸗ 
ward, wer ug *5— Bruchſtude 

cion 
neirinho» von n, Wien 1870; Canti 

3. Varnhage « 
(«il Canzoniere portoghese della Biblioteca Va- 
—— Canzoniere portoghese Colocei- 
—*R von Molteni, Halle 1880). 
gebildet, en alſo reine Kunſt— 
—— Eigenart bedeutſame Gruppe lyriſcher 
dämigo», von leichtem iebendigem dihythmus, in ob⸗ 
jeltiv 

und ihr ganzes Gepräge an eine gewiſſe Art von 
ge welche noch heutzutage in Portugal, 
ferten Bellermann, «Die alten Liederbücher der Bor: 
wurden jedoch rer ehe die Erzeugniffe der 

— * 
ortug. voeſie den Charal: 
ie einer böntden Kun yrit; aber durd) die da: 
—— denn —* die eine blühende Boltspoefie 


—— 
gabe (1885) bevor. Der zweite, umfangrei: 
here ierhandichrift aus dem 
worden waren (« eiro d’el 
zei . Diniz», von Moura, Par. 1847; «Cancio- 
i portoghesio von E. Monaci Amola 1873), 
vollftändig und diplomatiicd von Erneito Monaci 
—— En 1875) und in nn Terte von 
—* Eiſſab. 1878). Der dritte 
e Coder ge Örte früher dem Huma: 
nen ng — tjeht Eigentum des Gra⸗ 
5 — Eiche des — portug. Coder find 
u. Ton, Geiſt und Form nad) 
een den beiden andern findet fich jedoch 
eine an nicht unbedeutende und durch ihre 
Gedichte, weldye in Ton, Geift und Form durd) und 
durch voltemäßi find, Frauenlieder, «Cantigas 
naiver en ng, und oft in dramatischer Form. 
Sie erinnern durch i Bau, ihre Eintleidung 
Galicien und Ajturien gejungen werden (Muüeiras). 
Wertvolle Arbeiten über die altportug. Poeſie lie: 
tugiefen» (Berl, 1840), und Fr. Diez, «Über die erite 
portug. Hunt: und eipoches Bonn 1863); beide 

Veriode genügend belannt waren. 

I. in der pweiten Periode, im 14. und 
galicif dichtenden Spanier wurbe fie 
in > er Hinjicht modifiziert und mehr natio: 
uchten durch ihre heimiichen Formen die 
— dung aus der höfiſchen 


ee dieje 2 in 
nd galie. M dichtenden Spanier 
—— u, in der nn Poeſie die nationalen 


men (ledondilhas), 


lürzern Rhyth 
en in den älteften Liederbüdern verwen: 
det worden, und leichten vollamäßigen Normen 


- tichend; bie Bortugiefen begannen jeit dem 
auch in Bent Mundarten zu dichten, 
1 braud) der fpan. Sprache nahm in den 
big enden Jahrhunderten —— dur - — 
— ſpan. Fürſtinnen, die ſich —* 
—5* vermäblten) bei ** ſo —* — 
portug. Litteratur in mehr als einer * yung 
nur der farblojere Wiederabdrud der ſpauiſchen 
wurde, Unter diefen in beiden Mundarten fingen: 
den und daher gewiſſermaßen beiden Litteraturen 
angehörigen Hofdihtern üt der fo berühmt gewor: 
dene Galicier Macias (f. d.) zu erwähnen. 

Auch in diefer Periode blieb der Lönigl. Sof das 
Centrum poetiiher Vildung in Portugal; die Mit: 
glieder der fönigl. Familie erfchienen nod) fort: 
während als die Choragen dieſes höfiichen Sänger: 
kreiſes, von welchem neben der Lyrik nur mitunter 
auch die Didaim wurde. Ob König Pedro, 


en —— ſ.w.) immer auäjchließen: 


der Gemahl der Ines de Caftro, unter die Dichter 
au 3 iſt, iſt fraglich Auber Frage aber jteht 
ie Söhne und Enlkel Jobanns I. ſich nicht 
op en Gönner der Dichter, jondern auch als 
wirfende Kunſtgenoſſen auszeichneten. Die von 
dem erften burgund. Füritenhaufe geübte und be: 
ihügte höfiſche Minnepoefie trieb durd) den S us 
und die Pflege des zweiten, deſſen Stifter 
bann I. war, eine Nahblüte. Der König Dune, 
Johanns Bruder, der vielgereijte Infant Don 
!Bebro und deiien Sohn, ber berühmte Conndtable 
Dom Pedro, find beionders hervorzuheben. Nicht 
minder waren die Könige Johann II. (1481—95) 
und Emanuel (1495—1521) große Freunde und 
Gönner der Poeſie, und wenn auch von ihnen nicht 
befannt iſt, daß fie fie jelbit geübt, hätten, fo ver: 
fammelten fie doch einen reichen Dichter! hof um jid). 
Unter ihre Negierung fällt die Glanzperiode der 
eigentlich portug. Hof: und Konverſationspoeſie, 
die an Garcia de Rejende, der felbft Dichter war, 
einen qyeifigen Sanımler und Ordner gefunden 
bat. Der von ihm angelegte und herausgegebene 
«Cancioneiro geral» (Lifjab. 1516; neu berausg. 
von Kausler, 3 Bde. Stutts. 1846—52) verdient 
in der That diefen damen; denn er enthält Ge— 
dichte von faſt allen bedeutenden portug. Dichtern 
aus der zweiten Hälfte des 15. und den beiden 
eriten Jahrzehnten des 16. Jahrh. und gibt daher 
ein volljtändi 3 Bild von dem damaligen Zuftand 
der portug. Poeſie. Auch wird an dieſen Liedern 
der durch die fpan. höfiſche Kunftlyrit vermittelte 
Einfluß der jpätern catalonifch:provensalifchen, der 
Gaya scienga de’trobar von Toulouſe, e ihtlic). 
Von allen in diefem Liederbuche vertretenen Did: 
tern find aber nur drei in der Gefchichte der portug. 
oefte epohemachend geworden. Es find_bies 
hriftoväo Falcäo, Bernardim Nibeiro und Sä de 
Miranda. Bon Chriftoväo Falcäo oder «Erisfal», 
wie er ſich zu nennen pflegte, gibt es nur eine ein: 
ige Gtloge «Crisfal» (neueite Ausgabe Borto1871). 
Miete eine aber ift als die ältefte und um ihres did): 
teriichen Werts willen von großer — 7 
Sie Sale. in voltztümlichen ſchlichten Redondi 
has mit tindlicher Naivetät und liebenswürdigfter 
Anmut das felbit erlebte Liebesleid des Autors. 
Die Weichheit, die fehnfuchtsvolle Melancholie des 
portu Charakters zeigt fi) in keinem andern Ge: 
dicht ß unvermittelt und anſprechend wie hier. 
Auch Bernardim Ribeiros ſieben Ellogen haben 
noch ganz nationale Formen und lokalmäßige 


200 


Färbung. Belannter als durch dieje buloliichen Ge: 
dichte ilt er durch den fentimentalen, halb Schäfer: 
alb Nitterroman in Profa, welchem das Volt den 
Titel «Menina e moga» (Lijjab. 1559; neueſte 
Aufl. 1852) gab. Er ilt der eigentlihe Begründer 
diejer beiden, von ben Portugiejen vorzugsweife hul: 
tivierten —— Sein Freund und 
Schüler Sä de Miranda bewegt ſich im Cancio- 
neiro geral zwar noch ganz in den altherfömm: 
lihen Formen der Cantigas, Vilancetes, Glosas 
und Chistes. Später aber wagte er fih an größere 
Aufgaben: er reformierte die nationale Schule und 
füllte die abgebraudhten heimiſchen Formen mit 
neuem Inhalt. Seine Cartas oder Satyras und feine 
dur und durch volfstümlichen poetijchen Eglo- 
gas und Redondilbas bahnten einem neuen Geift 
und Geihmad die Wege. Cr begegnete daher nur 
unbedeutendem Widerſtand, als er e3 nad) 1526, 
von einer Reiſe nad Stalien heimlehrend, ver: 
ſuchte, die Hafjischen ital. Dichtungsformen (So: 
nett, Ganzone, Terzine) in Bortugal einzuführen, 
Mit Recht galt er für den Choragen ber veränder: 
ten Gejhmadarichtung der nächſten Periode und 
für den Nepräfentanten des Übergangs von der 
mittelalterlihen in die modern-laſſiſche Kunit: 
poeſie der Vortugieien. Bol. de Basconcellos, 
'«Poesias de Sä de Miranda» (Halle 1885), und 
Molf, « Studien zur Geſchichte der fpan. und por: 
tug. Nationallitteratur» (Berl. 1859). Daß aud) 
ſchon in den beiden eriten Perioden die Proſa in 
Portugal fultiviert wurde, beweifen, außer den 
gemaian. Werten und dem freilich nur in der ſpan. 
earbeitung auf uns gelommenen Amabdis (I. d.) 
de Gaula, der «Leal conselheiro» des Königs 
Duarte (Liſſab. 1843) und mehrere Chroniken aus 
dem 14. und 15. Jahrh. in Profa, unter denen fich 
auch ftiliitifch die von Fernam Lopes, Gomez Can: 
nes de Azurara und Ruy de Pina auszeichnen, 
Mit der Einführung und Nachahmung des klaſ— 
fiid:ital, Stils (1526) durch Sa de Miranda be: 
ginnt die dritte Periode der portug. National: 
litteratur, Minder national als in feinen Ge: 
dichten it Sa de Miranda in feinen in portug. 
Proſa geichriebenen Lujtipielen, durch die er zwar 
einer der Väter der portug. Dramatik wurde, aber 
eben feiner fait ſtlaviſchen Nachahmung des Terenz 
und Plautus wegen ohne Einfluß auf die eigent: 
lihe Boltsbühne blieb, Dem von Sa de Miranda 
egebenen Impulſe folgte mit noch weniger Selb: 
tändigleit Antonio Ferreira, obwohl er mit mebr 
äußerlihem Patriotismus nur in portug. Sprache 
ſchrieb und nur vaterländiidhe Stoffe wählte; in 
feiner « Ines de Caftro» gab er den Portugiejen 
die erfte Tragödie im tlarfiichen Geihmad, Um 
dieje beiden Profeſſoren und Hofmänner bildete fich 
eine Schule von gelehrt:höfiichen Tichtern auf der 
Univerfität von Coimbra und in der Nefidenz, 
unter weldhen Diogo Bernardes, Pero d’Andrade 
Caminha und eronimo Gortereal (« Successo do 
segundo Cerco de Diu, poema», Liſſab. 1574 und 
1784) nennenswert find. Aber diefe klaſſiſche 
Schule blieb auf die Studierjtube und den Salon 
beihräntt, für die fie berechnet war; das Volt 
wurde bavon wenig berührt. Und doc) war gerade 
damals eine Art von Nachheroentum für die Nation 
eingetreten; durch ihre Entdedungen, Siege und 
Groberungen in Aſien, Afrita und Amerika war 
ihr Selbſthewußtſein gehoben und bis zur Begeiſte⸗ 
rung gelteigert worden; der Drang, dieſes Gelbit: 


PVortugiefifche Sprade und Litteratur 


gefühl auch litterariſch, auch poetisch augzufprechen, 
war zu lebhaft, um nicht Organe F finden, und er 
fand ſie auch. So wurde (den il Bicente (f. d.) 
in ber eriten Hälfte des 16. Jahrh. Repräfen: 
tanten des Vollstums, Camöes, der zu gleicher 
Beit der größte Lyriler der Halbinjel und gleich be 
wunberungswürdig in feinen nationalen und flaf- 
fiihen Poefien it, in der_ zweiten zum begeifterten 
Sänger bes nationalen Heroentums. Unter den 
Königen Emanuel d. Gr, und Johann III. hatten 
die Portugieſen den Gipfelpunft ihrer ſtaatlichen 
Entwidelung, die größte Intenfität ihrer National: 
kraft erreicht: unter den Dichtern Gil Vicente und 
Gamöes entjaltete ſich auch die portug. Poefie zu 
ihrer ſchönſten Blüte, zu ihrem  eigentümlichiten 
Leben, Nun genügten die jubjeltive Lyrik und bie 
Nahahmung fremder Kunftdichtung nicht mehr; bes 
Voltes Leben und Treiben mußte ſich in Gil Vicen⸗ 
ted Dramen objeftivieren, ber Nation Heldenthaten 
drängten den Sänger der «Lufiaden» zur epiichen 
Geftaltung. Doch ſchon mit ber Niederlage der Bor- 
tugiefen bei Kaſſt el lebit (1578) erblich der Glanz 
ihres Herventums. Die Erinnerung an vergangene 
Herrlichkeit fonnte höchſtens noch einen Mann des 
Volks, den Schubflider u Annes Bandarra, 
zu ge von dem Wiederaufleben natio- 
naler Größe injpirieren («Trovas em ar de pro- 
fecias», Nantes 1644). Die Heldengedichte, die 
nad) dem fchnellen Erbleichen men fpäten Heroen⸗ 
tums die Epigonen noch nadjangen, waren mehr 
elegiiche Klaggefänge als epiiche Siegeslieder,, wie 
ihon Dom ebaltiang Kampf: und Unglüds- 
genofje, der Sänger des Untergangs feines und 
de3 portug. Ruhms, Luiz Pereira Brandam, fein 
Epos mit richtigem Gefühl « Elegiada» (Liſſab. 
1588 und 1785) nannte; oder fie wurden gemachte 
Epopden gewöhnlichen Schlags ohne epiiche De: 
geilterung, in denen die elegiichen Bartien noch die 
meiſte eigentümliche, nationale Färbung haben, 
die eigentlich heroiſchen aber ſchon die epiiche Einz 
fachbeit durch den Bombaſt des auch in der portug. 
Poeſie immer mehr einreibenden Gongorismus zu 
erſehen ſuchen. Selbſt Vasco Mouzinho de Due: 
vedo e Caſtellobrancos «Affonso Africano» (Liſſab 
1611; 1787), ein Heldengedicht, das ſeines gehe 
gewählten nationalen Stoffs, gelungener —— 
au a und Epijoden und feines fließenden elegan⸗ 
ten Stils wegen nod) den « Lufiaden» am nädjten 
geftellt wird, ijt nicht frei von Gongorismus, 

So wuchs durch den Verluft der nationalen und 
polit. Selbftändigleit der Portugiefen unter ber 
Herrichaft der drei Philippe von Spanien die Ab: 
—A der portug. Litteratur von der jpani- 
den bis zu dem Grade, daß die erjtere der t⸗ 
tenriß der leßtern wurde, mit all ihren Schwäden 
und Maniertertheiten, obne das originelle Kolorit, 
ohne die in einer eigenartigen Volkspoeſie wur: 
elnde unverwüſtliche Lebens- und Negenerations: 
raft zu befiten. Ja jo groß war der Mangel an 
Selbitändigkeit und Vollstümlichleit bei den Bor: 
tugiejen unter der jpan, Herrſchaft geworden, daß 
fie das lebte Nettungsmittel einer unterjochten Na: 
tion, die Mutterſprache, freiwillig aufgaben und 
die meiften ihrer Dichter und Shit jener 

eit es vorzogen, in jpan. Sprache zu fchreiben, 

ur in der Schäferpoejie haben auch in biejer 
Periode einige Sidi bie nationale Gigentüimlich: 
keit in Sprache, Zon und Färbung bewahrt; jo 
Fernäo Nlvares do Driente, geb. zu Goa um 


Portugieſiſche Sprade und Litteratur 


1540, in feinem in Brofa und Verſen verfaßten 
Schãferroman « Lusitania transformada» (Liſſab. 
1607 u. 1781). Rod) mebr ift dies der Fall in den 
ebenfall3 in Profa und Verſen gefchriebenen drei 
Scäferromanen des Francisco Rodriguez Lobo 
(geb. zu Leiria in Ejtremadura um 1550): «Prima- 
vera», «Pastor peregrino» und «O desenganado», 
die zu dem Beſten gehören, was die Portugiefen in 
diejer von ihnen mit dem meiften Glüd kultivierten 
buloliſchen Gattung geleiitet haben; durd feine 
geiſtvolle Ab —** über höfiſche Bildung: «Corte 
na aldea e Noites de inverno», iſt er Begründer 
und Muſter der rhetoriihen Profa in der portug. 
Litteratur geworden, Daß aber ein fo begabter 
Dichter, wie Lobo, in feiner Epopde«O condestabre», 
worin er den portug. Cid, den Connétable Nuno 
Alvarez Pereira ee: bob nur eine trodene 
Reimcronik zu Stande brachte, daß er in feinen 
ſpaniſch geihriebenen moresten Nomanzen (nur 
ein paar Schäferromanzen bat er in yortug. 
Sprade abgefaßt), die in ſtiliſtiſcher Hinſicht nicht 
ohne Verdienjt find, dieje den Portugiejen fremd 
—— vollsmaäßige Dichtungsgaltung über: 
* zu parodieren verſuchte und ſelbſt dazu ſich 
der ſpan. Sprache bediente, beweilt, wie wenig bei: 
miſch der echte volfstümlichepiiche Geift bei den 
Portugiefen geworden war. Endlich verdienen 
noch die unter dem Titel «Laura de Amphriso» 
(Evora 1627) erfchienenen ——— von dem 
unglüdlihen Schwärmer Manoel da Veiga Ta: 
garro (geb. zu Ende de3 16. Jahrh.) erwähnt zu 
werben „Der auch unter die fieben gefeiertften bufo: 
liſchen Dichter der Portugieſen gerechnet wird. 
Aber auch nach der Befreiung von ber fpan. 
Herriaft und der MWiedererlangung der polit. 
Selbitändigkeit unter Johann IV. von Braganca 
blieb die portug. Litteratur unter dem Einfluß der 
ſpaniſchen und teilte ihre Schidjale. So zeigen fi 
in ber portugiefiihen alle Ausartungen des Maris 
nismus und Gongorismus; aud in der portug. 
Poeſie riffen die Allegorie, der gelehrte Pedantis: 
mus, das Spielen mit Concetti und vor allem die 
Sonettenwut ein. Unter den Dichtern jener Zeit 
verdienen Manoel de garia y Soufa, Antonio 
Barboja Bacellar , der —— der Iop. « Sauda- 
des», d. i. elegiiher Schilderungen verliebter Ein: 
famfeit, und die Nonne Violante do Eeo genannt 
zu werden. Bon den Gedichten jener Zeit gibt es 
ein paar Sammlungen, deren Titel allein ſchon die 
bombajtiihe Gejhmadlofigkeit derfelben charatteri: 
Besen: «A fenix renascida» (2. Aufl., 5 Bde., 
ifjab. 1746) und «Eccos que o clarim da fama 
dä» nee. 1761); eine geihmadvolle Auswahl 
portug. Sonette gab hingegen John Adamfon im 
eriten Zeil feiner «Lusitania illustrata» (Newcaſtle 
1842) heraus, Nur der als Proſaiſt ausgezeich: 
nete Jacinto Freire de Andrade hatte Mut, Ge: 
ſchmad und Wis genug, um diefe portug. Gongo: 
riſten auf ergöß ide —* in ein paar parodiſchen 
Gedichten, leider fruchtlos, zu verſpotten. Hin— 
gegen herrſchten auf den Bühnen Portugals die 
roßen ſpan. Dramatiler jener Zeit; ſelbſt die 
Born tiefen jchrieben für das Theater in fpan. 
prade, worunter einige nambafte find, wie Dia: 
mante Matos Sragojo und höchſtens wurden die 
eigentlichen Do Bihaufpiele, die Autos, Farsas 
und Eutremeses, auch in portug. Sprade ab: 
faßt. Der große und geniale Gefchichtichreiber 
Francisco Manoel de Nello bereicherte die vater: 


201 


ländijche Litteratur nur mit einer Komödie, mit 
mebrern voltstümlichen SEEN ‚ nad 
Art des Miranda, und mit einem Bande lyriſchet 
Gedichte. Alle eg Dichtungen gehören ber 
fpan. Litteratur an, Die einzige nennenswerte dra: 
watiſche Produltion des 17, Jahrh. in portug. 
Sprade iſt die Sammlung der Entremeses von 
Manoel Coelho Rebello, die ala «A musa entrete- 
nida de varios entremeses» (Coimbra 1658 und 
Liffab. 1695) erſchien und juoleih bie älteften der 
tug. Zwiſchenſpiele diefes Namens enthält. Doch 
erzeugte die Einführung der ital. Opern am Hof: 
yodanınd V. Anfang des 18. Jabrh., welche diefpan. 
omedia verdrängten, eine Art portug. tomik er 
Dpern, darunter einige von wirtlihem Werte, die 
von dem brafilian. Juden Antonio Joſe da Silva 
berrübren, der bei dem Auto da Fé von 1739 ver: 
brannt wurde, (S. Braſiliſche Litteratur.) 
Ungefähr denfelben Gang, 'wie die Pocfie in ge: 





| bundener diede, nahm die Nationallitteratur in un: 
| gebundener in dieſer Periode. 


Auch fie war noch 
anfang ganz in ritterlich:höfichen Formen; fo 


, ber Ritterroman «Palmeirim de Inglaterra», in ber 
| Manier des «Amadiss, von 


ancisco be Moraes 
(geft. 1572); da3 «Memorial das Proezas da se- 
da tavola redonda» (Goimbra 1567), von Jorge 
—* be Vasconcellos (geft. 1585), von dem 
aud) drei berühmt gewordene dramatiiche Novellen 
nah Art ber «Celestina» eriftieren («Comedia 
Euphrozina», Lifjab. 1616; «Comedia Ulyssipo», 
Liſſab. 1618; «Comedia Aulegrafia», Lifjab. 1619). 
Selbſt der berühmteſte Geſchichtſchreiber jener Zeit, 
João be Barros, debütierte noch mit einem Ritter: 
roman «Chronica do Imperador Clarimundo » 
(Coimbra 1520). Damals aber begannen bie 
abenteuerlich: beroifchen Entbedungszüge der Por: 
tugiefen die Phantafie viel mächtiger aufjzuregen 
als diefe matten Nahllänge einer längft auögeleb: 
ten Chevalerie, und dieſes Heroventum, das die 
«Lufiaden», das einzige wahrhafte Epos der moder: 
nen Zeit, erzeugte, mußte auch zu einer Wieder: 
erzählung begeiſtern, die, wenn fie auch in Profa 
und nod halb im Chronilenſtil geichrieben war, 
doch von epiſchem Hauche durchweht it. So ent: 
itanden die « Decadas» des \joio de Barros, des 
portug. Livius, in viel matterm Geijte — 
von Diogo de Couto und Antonio Boccaro; ſo 
fühlte ſich der natürliche gleihnamige Sohn bes 
großen Affonfo de Albuguerque berufen, des Ba: 
terd SHeldenthaten in feinen «Commentarios» 
0 Bde., Liffab. 1557 u. 1774) zu erzählen; fo be: 
reibt mit epiſcher Anſchaulichteit der vielgereifte 
taat3mann und Neichshiftoriograph Daminö de 
Goes (geft. 1572) da3 Leben Emanuels db. Or. 
(Liſſab. 1566; 3 Bde., Coimbra 1790) und das des 
Königs Johann I. (Liſſab. 1567 u. 1724); fo fanı: 
melte an Ort und Stelle, als Gefährte der Crobe: 
rer, Fernan Lopes de Caſtanheda (geft. 1559) die 





Daten zu feiner «Historia do descobrimento da 
India pelos Portuguezes» (Coimbra 1551; 4 Bde., 
Lifjab. 1833), worin er nur erzählt, «was er felbit 
ejehen und gehörte; fo verfaßte der berühmte Rei— 
ende Fernam Mendes Pinto den lebendigen Be: 
richt über alles, was er in Afien (Indien, China, 
3 an) erlebt und geſehen («Peregrinagöes», 
Vſſab. 1620). Aber auch die befiegten Indiarer 
fanden einen Apoftel der Humanität in dem groß: 
ten Redner der Bortugiefen, dem Jeſuiten Anton’e 
Bieira, geb. zu Lifiabon 1608, geit. 1697, Piejer 


202 


Miſſionar brachte den größten Teil feines Lebens 
in dem portug. Amerila zu, machte 14000 Meilen 
zu Fuß in den einfamften Gapitanerien ber Neuen 
Welt und ſchrieb Katechismen in ſechs verſchiedenen 
Sprachen der Indianer, um dieſe die Wahrheiten 
des Evangeliums zu lehren; er verteidigte, an den 
Hof Johanns IV. zurüdgelehrt, mit all Feuer 
feiner energifchen Beredſamkeit die Menſchenrechte 
der Eingeborenen gegen die Habjudht der Eroberer 
er nahm ſich mit folder Wärme ber Juden an, daß 
er zweimal wegen feiner allzu freien Kanzelreden 
und als des Judaismus verdächtig vor dem Tribu: 
nal ber Inquiſition angellagt und nur auf_Ber: 
wenbung bes Papſtes freigeiprodhen wurbe, Seine 
Predigten und Neden (15 Boe,, Liſſab. 1748) find 
die vollendetiten Mufter bes proſaiſchen Stils und 
der Beredfamteit in portug. Sprache. Die meijten 
übrigen Profawerte jener Zeit, die unter dem fpan. 
Drude entitanden, find voll pedantiſcher Gelehr: 
amteit und durch den Gongorismus entftellt; viele 

ortugiefen ſchrieben felbft nad) wiebererlangter 

elbftändigkeit ihres Landes noch in jpan. Sprade. 
Daber find nicht bier, fondern in ber Gefchichte der 
ipan. Litteratur ‚die Wortugiefen Faria e Soufa, 

elo u. f. w. zu erwähnen. Lehterer lieferte jedoch 
in den an Quevedos «Suehos» erinnernden, ſati⸗ 
riſchen «Diälogos apologaes» ein Proſawerk von 
echt nationalem Wis und Humor. Mehr der Ge: 
ſchichte der Wiſſenſchaften als der der National: 
litteratur gehören die antiquarifhen, hiſtor. und 
ethnogr. Werle von Manoel Severim de Faria, 
den beiden Polyhiſtoren Macedo und Duarte 
Nunez de Leio u. a. an. Doc find als rühmliche 
Ausnahmen zu nennen Bernardo de Brito, geſt. 
1617, der in feiner «Monarchia lusitana » Alco— 
baga 1597 und Liffab. 1690, mit den Fortiegungen 
von Brandam und Ra hael de efus, 8 Bde.), die 
freilih von der Schöpfung der Welt anfängt und 
die abenteuerliditen Fabeln und Sagen für hiſtor. 


Wahrheit ausgibt und nur bis zur eigentlichen | 
Gründung des portug. Staats reiht, ein Mujter | f 


von patriotiiher Gefinnung und von einer durch 
das Studium der Alten gebildeten korrekten Ein: 
jachheit des Stils gab; Luiz de Soufa, geit. 1632, 
der in feiner Biographie des Königs Sodann III. 
und felbit in denen des heil. Dominicus und des 
Erzbiſchofs von Braga, Bartholomäus dos Mar: 
tyres, den Mönd gewordenen Ritter nicht verleug: 
nen fan und doch durch die echt nationale Weich— 
beit und Süßigfeit ſeines Stils einen ſolchen Reiz 
für ——— bat, daß fie ihn unter ihre Hai: 
ſiſchen Projaiiten zählen; vor allen aber gilt als 
unübertroffenes Mufter klaſſiſcher Proſa die Lebens: 
beihreibung Joäo de Caſtros, vierten Bizelönigs 
von Indien (befte Ausgabe von Santo⸗Luiz, Lifjab. 
1835), von dem obenerwähnten Jacinto Yreire de 
Andrade, get. 1657, ber einen würdigen Gegen: 
itand mit er ac Begeifterung —* Schwulſt 
behandelt hat. Sein Wert verdient als ſehr geeig: 
net zur Einführung in die portug. Schriftſprache 
und Litteratur empfohlen zu werden. 

Die vierte Periode wird zwar auch im ber 
portug. Nationallitteratur durd den Einfluß ge: 
tennzeichnet, den zu Anfang des 18, Jahrh. die 
franz.:t affıldhe Schule auf alle Litteraturen des 
gebildeten Europa mehr oder minder zu üben be: 
gann; allein hier trat auch diefe Evolution fo 
widerſtandslos, jo bloß äußerlich ein, daß fie mehr 
ein Vertauſchen der gejhmadlos gewordenen ſpan. 


Portugiefiide Sprache und Kitteratur 


Moden mit den neu-fafhionablen tranzöfiicden war. 
Hier reichte e3 hin, daß ein hochgeſiellter Mann, 
aber fehr mittelmäßiger Dichter, der General 
nz Zavier de Meneſes, Graf von Ericeira, den 
[3 dazu gab, der, nicht zufrieden, Boileaus 
«Art poetique» im portug. Berle zu übertragen, 
auch noch bie nüdhterne hre durch ein ebenfo 
poejielofes Beifpiel, feine « ueida» (Liſſab. 
1741), eine langatmige, langweilige Ep auf bie 
Stiftung der portug. Monardjie durch Heinrich 
von Burgund, zu bethätigen ſuchte. Beſſer iſt ſeine 
in Brofa geſchriebene Geſchichte der Neitauration 
Portugal («O Portugal restaurado»). Ebenfo 
wurde nad dem Muſter der Franzöfiihen Alabe: 
mie 1721 eine Academia real da historia por- 
tugueza geitiftet, die aber ohne eigentlichen Erfolg 
blieb. Mehr wirkte ein nad) der rom. Dichtergejell- 
ihaft der Arkadier nebildeter gleihnamiger Verein 
von aufftrebenden jungen portug. Dichtern, die mit 
ber klaſſiſch- franz. Cleganz und Korrektheit bie 
Nahahmung der einheimischen Mufter des 16, 
Jahrh., wenigitens in Hinfiht auf Spradreinbeit, 
zu verbinden juchten, und durd ben «aufgellärten 
Deipotiamus» des Marquis von Pombal wurden 
wenigftens die Schranten des alten Obſturantis 
mus gebrochen, um den hellern Anfichten des Jahr: 
arg auch in Portugal Eingang zu verſchaffen. 
od) wurde gerade eins der auägezeichnetiten Mit: 
glieder der portug. Arkadier, Pedro Antonio Cor: 
tea Garcäo, ein Opfer von Vombals Deipotis: 
mus, der in im Kerler verſchmachten lieh. Er 
ahmte mit feinem Talt die Alten, bejonbers den 
Horaz nad und wird wegen jeiner Glätte und Ge: 
jeiltheit ber portug. Horaz genannt; aud das 
Theater fuchte er durch feine Yuftipiele in der Ma: 
nier des Terenz zu reformieren («Öbras poeticas», 
Lifjab. 1778). Gin anderer Arlabier, Antonio 
Diniz da Eruz e Silva, ift weniger torreft, bat 
aber mehr Feuer und Schwung und gilt für ben 
beften anakreontiſchen Dichter ber Portugieien ; auch 
eine Nachahmung von Boileaus «Lutrin», «OÖ 
hyssope» («Der Sprengmwebel»), wird für das beſte 
heroiſch⸗- lomiſche Gedicht der Portugieien gehalten 
(«Obras», Liljab. 1809). Domingos dos Reis 
Quita, den, obwohl nur ein Frijeur, die Artadier 
in ihre Genofjenihaft aufnahmen, bat fih mehr 
nach vaterländifhen Muftern gebildet und daher 
vorzugsweije die buloliſche Dichtungsgattung kul- 
tiviert, in der er für den ausgezeichnetiten unter 
ben Neuern gilt; auch fchrieb er nad franz. Mu: 
itern mehrere Tragödien («Obras», Liſſab. 1781). 
Mehr durch fein fritiiches Studium der portug. 
Alaifiter bes 16. Jahrh. als durch feine eigenen 
Gedichte it Francisco Diaz Gomez merkwürdig 
(«Obras», Lifjab. 1799). Immer mehr riß aber bie 
Gallomanie ein bis zur geiſtloſen Rahahmung 
und ſelbſt zum Schaden der Sprachreinheit, noch 
befördert durd) die Menge von gewöhnlichen Über: 
feßungen, wiewohl man, durch den menden 
—— Einfluß Englands, auch ſchon te dieſes 
nde3 zu übertragen und mit deſſen Litteratur 
befannter zu werden anfing. , f 
Erit gegen Ende des Jahrhunderts erhielt bie 
portug. Poeſie vorzüglich durch zwei Männer einen 
neuen eigentümlihen Glan. Francisco Manoel 
bo Nascimento, geb. zu Liſſabon 1734, geft. 1819, 
noch aus der Schule der Arkadier und nad) Garção 
und Diniz fi bildend, ift der Nepräfentant des 
jtrengen Haffiihen Stils, ausgezeichnet durch 


Portugieſiſche Sprache und Litteratur 


Spradreinheit und elegante EN und lei: 
ſtete, vorzüglid in der Lyrik, was ein fein gebildeter 
Geihmad und ein bedeutendes poetifches Talent 
ohne eigentlidy geniale Schöpfungstraft zu leiften 
DER; auch als Profaijt zeichnete er — durch 
ſeine berjegun von Djorios klaſſiſcher Geſchichte 
Emanuels d. Gr. aus. Der andere, Manoel 
Maria Barbofa de Bocage, weithin der berühmt: 
tejte und vollstümlichite unter allen neuern Did; 
tern Portugal®, war allerdings minder ftreng ge: 
ſchult, hatte keinen fo fein gebildeten Geſchmad 
und ſelbſt nit die mufterhafte Reinheit des Stils 
unb der Sprade Manoeld; aber er war ein ge: 
borener Dichter, feurig und leidenfchaftlid bis zur 
Grtravaganz. Wenn auch viele von feinen Gedich⸗ 
ten nur als nfpirationen de3 Augenblid3 Wert 
haben und feine Leidhtigleit im Verfifizieren ihn 
verleitete, fi in allen Gattungen zu verſuchen und 
die nötige Feile zu vernadjläffigen, fo gu er doch 
durch jeine maritimen yoollen, Fabeln, Epigramme 
und vorzũglich durch ſeine Sonette, die zu den 
ſchönſten in portug. Spradye gehören, eine blei- 
bende auögezeichnete Stelle errungen. Sein R 
verleitete mehrere, ihm nachzuahmen, bie, ohne fei: 
nen Geiſt zu befigen, nur feine Ertravaganzen und 
jeine fpätere Manieriertheit noch zu überbieten 
fuchten, und dieſen hat er e3 zu danlen, wenn er im 
ber Gefhichte ber portug. Poeſie als der Einführer 
eines neuen Gongorismus figurierte, den man 
nad feinem poetijhen Ramen (Elmano) Elma- 
nismo nannte. Dod) verdienen unter feinen Nach— 
folgern mit Auszeihnung genannt zu werden ber 
Zragiler Joäo Bapt. Gomes und J. M. da Coſta 
e Silva, der Berfajler de3 anmutigen Gedichts «O 
passeio». Hingegen folgten der Haffiihen Schule 
des Manoel: Domingos Marimiano Torres, aus 
gezeichnet —* feine Idyllen und Canzonen; An: 
tonio Ribeiro dos Santos, als Ddendichter nam⸗ 
baft; der gutmütige Satirifer Nicolau Tolentino 
de Almeida; der als Mathematiler berühmter ge: 
wordene philoj. Dichter Joſt Anaftacio da Cunha 
u.a. Doch war durch dieje Nachahmungsſucht das 
Nationalgefühl fo jehr unterbrüdt worden, daß 
Joſe Agoltinho be Macedo es wagen durfte, ben 
größten Dichter feines Volfs in den Staub herab: 
zuziehen, indem er in der Vorrede zu feinem Epos 
«Ü Oriente», da3 denjelben Gegenftand wie bie 
«Lufinden» behandelt, zu —— ſich bemühte, 
dab Camöes nichts ſelbſtändig produziert, ſondern 
alles den aͤltern und frühern alien und Spa: 
niern abgeborgt habe; und dieſer Mann galt vielen 
Bortugiejen für einen größern Dichter als Camöes! 
Sein beites Gebicht ift «A meditacäon. 

In neuerer Zeit haben bie Befreiungskriege und 
die polit. Ummälzungen aud) in den Bortugiefen 
das nationale Selbftgefühl wieder mehr aufgeregt 
und erſtarlt, und unter den jüngiten Dichtern find 
viele, die fi) von den fremden Feſſeln losgemacht 
und eine vollstümlichere Richtung eingeſchlagen 
haben. So Mouzinho de Albuquerque, ein ſehr 
fruchtbarer Dichter, vorzüglich durch feine aGeorgi- 
cas —— » belannt geworden, Antonio 
Feliciano de Caſtilho, Alerandre Herculano de 
Karvalho, der Romanzendichter Joſe Freire de 
Serpa. Almeida-Garrett erregte ala Dichter zuerft 
Aufmerfjamleit durch fein zu Paris 1825 ano: 
nym dicht «Camöes», worin 
er das Leben und den Tod des größten Did: 
ter3 feiner Nation mit patriotijcher Begeifterung 


203. 
befungen hat; ebenfall3 noch zu Baris gab er ein 
ſatiriſches Gedicht in fieben Ad « Donna 
Branca, ou a conquista do Algarve», in Wie: 
landſcher Manier heraus, das vorzüglich gegen 
die Mönche gerichtet iſt; am merkwürdigſten iſt 
aber fein Gedicht « Adozinda, romance» in vier 
Gelängen (Lond. 1828), da es mehr im ro: 
mantiſchen Geifte und nad) vaterländiihen Volks: 
liedern (chacaras) verfaßt iſt. Ein gang be: 
fonderes Verdienſt um die Litteratur feines Ba- 
terlande3 erwarb ſich Almeida dur die Samm⸗ 
lung der portug. Vollsromanzen, die im 14. und 
15. Bande feiner Werte erſchienen. Als Did: 
ter der neueften Zeit find anzuführen der 2y: 
rifer und Dramatifer Luis Augulto Palmeirint, 
der Epiler Thomaz Ribeiro, deſſen Gedicht «D. 
Jayme» (Liſſab. 1862) die Portugiefen außer: 
ordentlich hoch Stellen; der Satirifer Guerra Jun: 
queiro, der mit fdhranlenlofer Kühnheit gegen 
Aberglauben und Tonventionelle Lügen vorgeht; 
der geijtvolle Kritiler Ramalho Ortigäo; der Ly⸗ 
rifer und Philoſoph Anthero de Duental; der 
durh Anmut und Natürlichkeit feiner melodi: 
ihen Schöpfungen ausgezeichnete João de Deus; 
der Romanſchreiber Exa de Queiroz, ber das reali: 
ftiihe Genre, und Julio Diniz, ber das Genre der 
Dorfgeihichte mit jehr viel Glüd und Geſchmack 
kultiviert hat. Wenn in dieſen Werten ein Bes 
ftreben, den 'modern-europ. Zeitgeiſt mit altnatios 
nalen und ſogar vollsmäßigen Glementen zu ver: 
ſchmelzen, nicht zu verlennen iſt, hat dagegen die 
dramatiſche Poeſie der Portugieſen das herlömm⸗ 
liche franz.:tlaffiiche Gleis noch nicht zu verlaſſen 
gewagt; dem von ber Gräfin Bimieiro eingeſchla— 
nen Wege, deren Tragödie «Osmia» 1785 von ber 
Alademie gekrönt wurde (deutih, Halberft. 1824), 
folgten die wenigften neueften dramatifhen Dichter 
(etwa mit Ausnahme des etwas fühnern Comes), 
wie Manoel Gaetano Pimenta de — Ver⸗ 
[uter vieler Tragödien, aber alle im — 
hen Geſchmad, Pedro Nolafco und ſelbſt Garrett, 
und troß des Beitrebens Eaftilho3 und Herculanos, 
das portug. Theater durd) liberfegungen aus bem 
Deutſchen und durch eigene Kompofitionen zu refor: 
mieren, fehlt es noch immer an einer portug. Na: 
tionalbühne. Auch was der bereits erwähnte Pal: 
meirim, dann %. Mendes Leal ber jüngere, Ernefto 
Biefter und Pereiro da Cunha geleiftet haben, iſt, 
wenn aud nicht ganz wertlos, fo doch einflußlos 
eblicben. Um die Kultur der Profa und Bered: 
amleit in diefer Periode machten ſich vorzüglich 
einige Mitglieder der Alademie der Wiſſenſchaften 
von Lifjabon durch ihre kritiſch-äſthetiſchen Ab: 
handlungen in ben «Memorias de litteratura por- 
tugueza» verdient; unter den neuern ausgejeich⸗ 
netern len find die unter den Dichtern ges 
nannten Gaftilho, Herculano und Garrett wieder 
u erwähnen. Die beiden lehtern errangen insbe⸗ 
ondere durch ihre hiftor. Nomane grobe Erfolge; 
unter ihren Nachfolgern ift der beveutendfte Luis 
Augufto Nebello da Silva, der durch feinen Ro: 
man aus der vaterländifchen Geſchichte: «A moci- 
dade de D. Joäo V.» (4 Bde, Liſſab. 1851—53), 
—— großen Ruf gewann. Garrett gab auch unter 
em Titel «Parnaso lusitano» (5 Bde., Bar. 1826) 
eine poetiſche Mufterfammlung und dazu 1831 
einen Supplementband, «Satyricos portuguezes», 
eraus; die dem «Parnaso» vorgefehte hiſtor.⸗ 

itiſche Einleitun? gibt eine nicht unbraudbare 


204 


iberficht der Gefchichte der portug. Poeſie. Sol. 
auch außer den Merken von Bouterwel (ſ. d.) 
und Sismonbi (f. d.) noch F. Denis, «Resume de 
l’'histoire litteraire du Portugal» (Bar, 1826); 
derjelbe, «Chefs-d’euvre du tlıöätre portugais » 
(Bar. eg ke eiro, «Curso de litteratura 
nacional» (Rio de Janeiro 1862); Lopes de Men: 
boca, «Memorias de litteratura contemporanea» 
(Siliab, 1855); Silveftre NRibeiro, «Resenha da 
litteratura portugueza» (Lijjab. 1855). Das über: 
fihtlichite Handbuch der portug. Nationallitteratur 
it Theophilo Bragas «Manual da historia da 
litteratura portugueza desde as suas origens até 
ao presente» (Oporto 1875). Das große Leben®: 
werk dieſes Verfaſſers, die Geſamtgeſchichte ber 
vaterländifchen Pitteratur, ift noch Torſo, obgleich 
bereit3 19 Bände davon veröffentlicht find, 

Die wifjenfchaftliche Litteratur wurde in früherer 
Zeit in einigen Zweigen von den Portugiejen nicht 
ohne Erfolg betrieben; fo durch bie —— 
Mathematiker Nunez und da * durch ihre 
zahlreichen Reiſenden, unter denen Magellan einen 
europ. Ruf hat; durch mehrere namhafte Ge— 
lehrte in den Naturwiſſenſchaften und in den orient. 
Spradyen. Dod) behielten bei ihnen die Willen: 
ſchaften bis in die neuefte Zeit einen fcholaftifchen 
Zuſchnitt und nahmen erjt dur die 1779 vom 
Duque de Lafoes geftiftete Akademie der Willen: 
fcaften einen freiern Aufihwung, unter deren 
thäti je a a ber Mathematiler Gargäo: 
Stodler, der Natur: und Geſchichtsforſcher Correa 
ba Serra, die Rechtsgelehrten Mello, Figueiredo 
und Nibeiro dos Santos, die Litterarhiitorifer 
d'Aragão Morato, Alerandre Lobo und der Nitro: 
nom Ferreira d’Araujo gehören. Die Akademie 
der Wiſſenſchaften zu Lijjabon und die Univerfität 
zu Coinıbra haben eine große Anzahl von Werken 
druden lafien, unter denen, außer den eigentlichen 
Alademieſchriften Aemorias⸗ und «Annaes»), in 
erfter Linie die « Portugaliae monumenta histo- 
rica» (noch im Erfdeinen begriffen) Crwähnung 
verdienen; ferner «Corpo diplomatico portuguez» 
von de Santarem, Rebello da Silva und Joſé 
da Silva Mendes Leal, und Santarems «Quadro 
elementar das relagöes politicas e diplomaticas 
de Portugal com as diversas potencias do mundo» 
(Bd. 1—19, Lifiab. 1842 fg.). Auf allen Gebieten 
der Wiſſenſchaft ſind in neuerer Zeit bedeutende 
Werke erſchienen. Die Hauptquelle für die ältere 
———— Portugals iſt die «Bibliotheca 
Lusitana » von Barboſa Machado (4 Bde,, Liſſab. 
1741—52); noch volljtändiger und bis auf die 
neuefte Zeit fortgeführt ift «Diccionario biblio- 
grafico portuguez» (9 Bde., Liſſab. 1858 — 70) 
des Innocencio Francisco da Silva, welches Brito 
Acanha fortjegt (Bd. 10—12, Liſſab. 1883—85), 

Portuläca L., Bortulaf, eine Bilanzen: 
gattung, welche zum Typus der Familie der Vor: 
tulalaceen geworden iſt. Ihre Merkmale find ein 
zweiteiliger, am Grunde ringförnig ſich ablöfender 
Kelch, vier bis ſechs gleiche, dem Nande des Kelchs 
auffikende, am Grunde verwachſene Blumenblätter, 
8—15 Staubgefähe und eine einfächerige mit einem 
Deckelchen (portula, Thuͤrchen) aufſpringende Kap: 
ſel. Faſt alle ihre Arten ſind tropiſche Kräuter 
mit fleiichin-faftigen, breiten oder ſtielrunden, meiſt 
fipenden Blättern. P. oleracea 7.., Gemüjeportu: 
lat, ift in Südamerila einheimiſch und über Frank— 
veih nah Deutſchland getommen und bier ver: 


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Portulaca — Portwein 


wilder, Die Gartenform mit ihren 20—25 cm 
hohen — — und dicfleiſchigen, keilförmigen, 
länzenden Blättern wird im Gemüſegarten meift 
n gefäet und als Suppemwürze benußt. 
Vielfach empfohlen wird eine grohblätteri e Spiel: 
art von goldgelber Färbung. Cine gleichfalls in 
Südamerika einheimiiche Art, P.grandiflora Lind!., 
iſt eine der ſchönſten Annuellen des Blumengarteng 
von 20 cm Höhe mit fleifchigen, cylindrifchen Blät: 
tern und fhönen, großen, leuchtend violettroten, 
innen mit einem dreiedigen, weißen Fleden a 
neten Blumen, welche I aber nur im vollen Son 
nenſchein öffnen. Bon ihr gibt es zahlreiche Spiel: 
arten mit fcharlachroten (var. Thellusonii), leuch⸗ 
tendroten (var. ee orangeroten (var. 
aurantiaca), weißen in verfchiedener Art gekraien 
Blumen. Die jhönfte aller Varietäten aber ift die 
efüllt blühende verfchiedenfter Färbung. Die ein: 
achen oder er; balbgefüllten Spielarten pflanzt 
man durd) Ausfaat fort, die dichtgefüllten, welche 
feinen Samen tragen, durch Stedlinge. 
Portulakacẽen (Portulacacdae ‚ Pflanzen: 
familie aus der Gruppe der Dilotyledonen.” Man 
fennt gegen 120 Arten, bie zum größten Teil in 
Nord: und Südamerika vorkommen; in ber alten 
Welt finden fih nur wenige davon. Es find fraut: 
artige a e oder Meine Sträuder mit unge: 
teilten meift fleifhigen Blättern und Kr 
zwitterigen Blüten, welche aus zwei Keldblättern, 
vier bis fan Olumenblätten, vier oder mehr Staub: 
gefäßen und einem einfächerigen Fruchtlnoten, dem 
ein an ber Spike breiteiliger Griffel he: beſte⸗ 
ben; die Frucht iſt eine Kapſel, die gewöhnlich zahl: 
reihe Samen enthält. Zu den P. gehört 3. B. die 
ortulatpflanze,deren Blätter als Gemüſe oder 
uppengewürz benuht werden. (S. Portulaca.) 
Portulan (frz., ital. portolano) nannte man 
die Kuſtenkarten, welche im 16. Jahrh. in Venedig, 
Genua, Lifjabon u. f. w. gefertigt wurden und fo: 
wohl in den Stüjtenumrifien, ala in Bezug auf die 
geogr. Länge noch fehr ungenau waren. 
ortummnd, ein altitaliicher und röm. Gott 
der Häfen, urfprünglich der Thore, de3 Ein- und 
Ausgangs überhaupt, ſodaß er alfo Janus zur 
Seite trat; er hatte in Nom einen Tempel amı 
Tiberhafen und ein De m 17. Aug. Später 
warb er mit dem griech. Melikertes identifiziert. 
Portwein wird gewonnen im Thal des obern 
Douro der Provinz Traz:03:Montes in Portugal 
und hat feinen Namen von der Hafenftabt Oporto, 
welche den Stapelplag für den Handel damit bil: 
det. Das Gebiet der Rortweinerjeugung beginnt 
90—100 km den Pouroftrom aufwärts und er: 
ftredt fi mit Unterbrechungen über ungefähr 
720 qkm. Die beiten Lagen befinden fi im «obern 
Gorgo». Die Trauben des Brig a beißen: 
Berbeilho, Mourisco, Batardo und Alvarilhäo; 
ur Järbun dient die Sonzäotraube. Jeder für 
dns Ausland beftimmte B. wird außerdem künftlich 
gefärbt, und zwar durch Hollunderbeerenertraft; 
außerdem, erhält er_in gewiſſen ——— 
einen dreimaligen Spritzuſaß. Auch werden in 
ungünftigen Jahrgängen unbedenklich Zufäge von 
Buder oder von Seropiga, eingedämpftem Moft: 
irup, gegeben. Der fertige P. de3 Handels unter: 
fcheidet fich von allen Meinen durd feine Yarbe, 
welche braunrot, braun bis purpurbraun ift. Sein 
Geſchmackiſt ein voller, geijtiger, mit einem Anflug 
von Süßigkeit. Er ift jehr ſtark, denn er enthält 


Rorzellan 


21— 25 Bros. Altohol. Er muß mindeſtens brei 
bis vier Jahre lagern, bis er flafchenreif wird. 
Bemerlenswert ift der bedeutende Gehalt des P. 
an Gerbjäure. Die Gefamtproduftion an B. wird 
auf 110—120000 Pipen (zu 5,33 hl) geihäßt, wo: 
von gegenwärtig durchſchnittlich etwa 40000 T 
portiert werden. Das Hauptabjakgebiet iſt Grob: 
britannien mit 26 000 Pipen (gegen 48000 noch im 
. 1854), dann folgen die Vereinigten Staaten, 
Brafilien u. ſ. w. Es wird auch ein weißer P. 
in verjchiedenen Sorten (Branco:Rico, Ertrarico, 
Barticular, Superior und Malvafia) gewonnen, 
der jedoch feltener in den Handel gelangt; er iſt 
feiner alö der braune P. Neben dem P. werden 
im Dourotbal noch die a. de Ramo oder Con: 
ſumo gewonnen, leichte, hellcote, angenehme Land: 
weine, weldye ſich aber weniger zum Erport eignen, 
Die ftärkjten, für Brafilien beftimmten P. führen 
ven Namen Maduros. Der Bortweinhandel be: 
fand fich lange Zeit einzig in den Händen ber durch 
den Marquis de Pombal 1757 gegründeten Alto: 
Douro:Hompagnie, —— Monopol in fo ſchad⸗ 
licher Weife ausbeutete, daß fie 1833 aufgelöft wer: 
den mußte. An ihre Stelle ift eine freie Aktien: 
gejellichaft «Real:Companhia dos do Porto» 
getreten, welche im Befik der edeljten Weinlagen iſt. 

ie Bortweindiftrifte oder «Corgos» des Douro: 
thals find ftreng abgeteilt in diejenigen Lagen, 
welche Vinhos de Feitoria (Faltoret: oder Erport: 
—— und Vinhos de Ramo (Zweig: oder Neben: 
weine) liefern, weshalb die echten Vv. auch häufig 
unter ber eritern ———— im Handel vortom: 
men. Seit 1852 bat die Traubentrantheit des 
Didiumpilzes die Douromweinberge heimgeſucht, 
wurde jedoch durch das Schwefeln bewältigt; 1876 
it aber bie —— daſelbſt aufgetreten und er: 
ſtredt fich ihr Verheerungsgebiet ſchon über 1000 ha 
der beften Lagen, Der P. wird nur in England ala 
Wein getrunfen, fonft überall nur ala Stomadicum 
oder naeh fonfumiert. Auf den Wege 

i 


der Schiffahrt und durch die Engländer iſt er über 
die ganze Welt verbreitet worden, wie neben ihm 


faum ein anderer Wein. Indeſſen wird er, jelbit 
ein Kunitproduft, in der verſchiedenſten Weife und 
grober Menge verfälicht; insbefondere Nordamerila 
iſt der Siß einer gro artigen Bortweinfabrifation 
aus Waſſer, Caſſonade, Sprit und Farbitoffen mit 
etwas Bouquetzufah. 

Porzellan (frj. porcelaine; engl. porcelain, 
china —— von porcellana, der portug. 
B nung ber Porzellanſchnecle (Cypraea), die 
volltommenjte aller Thonwaren, deren feine, weiße, 
durchſcheinende Maſſe dur die innige Miichung 
geſchmolzener Teilhen, Feldfpat und Quarz, 
mit ungejchmolzenen, Kaolin, und fehr jcharfes 
Brennen entfteht. Meift iſt diejelbe von einer durch): 
fihtigen Glaſur überbedt; nur das fog. Biskuit 


üt unglafiert. (S. unter Thonwarenfabrifa: 
tion.) Seiner Natur nad ift das P. ebenſowohl 


für mannigfachſten praftiihen Verwendungen 
als zur ern der jarteften künftlerischen For: 
men und Farben geeignet. Man fertigt daraus 
= Ta Bean, —0 — * 
„Shsf n; ferner Pfeifentöpfe, Puppentöpfe, 
B; hilder u. ſ. w.; Gefäße und Apparate 


für und ahafital. Zwede, wie Abdampf: 
pfannen, Tiegel, Röhren, Retorten Iſolatoren; 
Furusgegenftän e, wie Vafen, Nippfiguren, 

men. - 





205 


Die Herftellung des P. gehört zu denjenigen 
Erfindungen, deren Ursprung ſich in das Duntel 
der frübelten Zeiten verliert. Im 1. Jahrh. n. Chr. 
ſcheint diefelbe den un ſchon belannt geweſen 
u ſein; von ihnen gelangte dieſe Kenntnis erſt viel 
* zu den Japanern. Die hineſ. Porzellan: 
abrilation erreichte ihre höchſte Blüte vom 14. bis 
zum 17, Jabrh.; feitvem ift fie zum mindeften 
dem künftleriichen Wert nah im Sinken begriffen, 
Im J. 1518 fam das chinefische P. durch die Bor: 
tugiefen als koftbarer Handelsartitel nah Europa 
und von da an war man in den verjchiedenen Län: 
dern eifrig bemüht, basielbe —— ein Be⸗ 
mũhen, das ſo lange erfolglos bleiben mußte, als 
der weſentlichſte Beſtandteil des echten P. das 
Kaolin, unbelannt war. In Frantreich wurde 
ſeit 1695 in St.Cloud in größerm Maßſtab ein 
—— P. Frittenporzellan (f. d.), hergeſtellt, 
welches mit dem echten P. faſt nur das fdöne Aus: 
ſehen gemein hat, aber feiner fünftlerifch wertvollen 
Einenfhaften wegen noch heute geſchäht it, Seit 
dem Anfang des 18. Jahrh. wurde dasjelbe auch 
in Paris, Lille, Chantilly, Sceaur, Orlians, Arras 
erzeugt. Im J. 1759 kaufte Ludwig XV. die 1738 
in Vincennes gegründete, 1753 nad Sevres ver: 
legte Fabrik, weldye feitdem Staatdeigentum ges 
blieben ift und namentlich unter ihren Direktoren 
Bronguiart, Ebelmen, Regnault, Solvetat für die 
örberung der Porzellanfabrifation in technischer 
und fünftleriicher Hinfidht hohe Bedeutung erlangt 
. Das harte, dem chineſiſchen volllommen ähn; 
iche P. erfand 1709 ein Deuticher, J dr Sriedr. 
Böttger (f. d.), nachdem ihn ein Zufall_auf die 
Entdedung der echten PBorzellanerde, des Kaolins, 
geführt hatte. Im 3 1710 wurde unter feiner 
Leitung die nahmals jo berühmt gewordene Jabrit 
in Meiben angelegt. Obwohl man bier das Ver: 
[ebren mit allen Mitteln geheimzubalten fuchte, 
and dasjelbe bald durch beſtochene Beamte Vers 
breitung. So entitand die Fabrik in Wien 1720, 
die in Höchſt 1740, in Fürftenberg 1744, in Berlin 
1750, in Betersburg und in Nymphenburg bei 
Münden 1756, in Ludwigsburg 1760, in Franten: 
en 1775; zu den ältejten Etabliſſements diefer 
rt gehören auch die Fabrik Roerftrand bei Stod: 
holm und die in Kopenhagen. In Stores begann 
man 1770 hartes P. herzuitellen. Bis in die Mitte 
des 19. Jahrh. waren die Porzellanfabrifen aus: 
Schließlich Bejtandteile der fürftl. Hofhaltungen und 
dienten mehr dem Lurus als dem praltiichen Be: 
dürfnis. Dieſelben hatten indes eine Technik aus: 
ebildet, die fi ————— mit dem chineſ. 
Verfahren übereinſtimmend erwies, als dasſelbe 
durch Julien 1850 in Europa befannt wurde. Dieſe 
Technit war das wertvolle Erbe, welches die Privat: 
induftrie antrat, als die Rorzellanfabrilation all: 
mählid) fi) von den Höfen emancipierte. 
9lod) jebt find die Altern Erzeugniſſe der chineſ. 
und and) der japan, Borzellanfabrifation in 
der Schönheit und Güte des Materials, in der ge: 
ihmadvollen Wahl der Ornamente und in der 
Pracht des Kolorits unerreiht; dagegen hat in 
neuerer Zeit der Einfluß europ. Handelsintereſſen 
verſchlechternd auf den Kunſtgeſchmack beider Natio: 
nen eingewirkt. yı delorativer Hinſicht ubt die 
franz. Porzellaninduſtrie ſeit zwei Jahrhunderten 
den mächtigſten Einfluß auf die Induſtrie anderer 
Länder aus, Der Ruhm von Etvres — fi 
ebenfowohl auf die Reinheit der zur Verwendung 


206 


lommenden Materialien als auf bie Fünftlerifche 
Schönheit der Zeichnung, die Eleganz der Form 
und den Reichtum der Palette. Limoges erreicht 
das Högte in der Verzierung durch Cmailarbeit, 
welche glei) den präditigiten Cdelſteinen wirkt. In 
der neueften Zeit hat in Frankreich die Fabrilation 
des weichen oder Frittenporzellans (altes Sevres⸗ 
Borzellan) wieder bedeutend zugenommen, auch 
wird dasjelbe in Schlefien und Böhmen erzeugt. 
Gin weiches P. ift infolge des Zuſahes von Knochen⸗ 
aiche auch das eugliſche, das zuerft in Chelſea 1745, 
feit 1772 in Staffordihire fabrigiert wurde und 
—* in der Ausbildung der Technik ſowie der 
ommerziellen Wichtigkeit in erſter Linie ſteht. Hin- 
ſichtlich —— ——* lung des Materials 
hat ſich gegenwärtig das berliner P. dem von 
Stores würdig zur Seite geitellt. , 

Die Porzellanwaren erhalten oft eine Verzie: 
und, efonders durch Bemalen (Porzellan: 
malerei); die Farben, welche hierbei mit einem 
Dub verniiſcht werden müjlen, der leichter im Feuer 

chmilzt al3 die Glaſur, fallen nad) dem Brennen 
meiſt anders aus. (S. unter Thonmwarenfabri: 
fation; gl. auch Fayence und Tafel: Hera: 
” a . Su) — 
orzellanblümchen, ſ. unter Saxifraga. 

Borzellanblume, gewöhnlid Wachsb ri me 
genannt, j. Hoya carnosa. , 

en f. u. Galvanolauftil, 

orzellaudruck entipridt dem techniſchen Ver: 
fahren ei der Metachromatypie (f. d.), indem in 
Metall oder lithographiſchen Stein gravierte Muiter 
und Bilder auf elaftiihes Papier abgedrudt und 
auf das unglafierte vo. übertragen werden. 
orzellauerde, |. Kaolin 
‚ Borzellanfuöpfe werden aus einer eigentüm: 
lichen Porzellanmaſſe (gereinigter Feldipat mit 
Zufak von Knochenaſche) mittel3 einer Schrauben: 
reſſe geformt und in Muffeln gebrannt, öfters mit 
tetalloryden gefärbt oder durch Drud verziert, 

Borzellanmalerei, f. unter Borzellan und 
Ihonwarenfabrifation. 

Porzellandfen heißen ſowohl die zum Brennen 
bes Porzellang dienenden Öfen (f. unter Thon: 
warenfabrilation), als aud) die aus Fayence— 
Kacheln beitehenden eleganten —— 

orzellauſchuecken (Cypraeidae), Familie der 
Meeresihneden mit ovalem, meijt von ewölbtem 
Gehäufe, deren äußerfte Windung fait das ganze 
übrige Gewinde überdedt; die Mündung ift lang, 
ihlipförmig. Die Schalen find jehr feit, porzellan: 
artig, oft ſchön gefärbt, namentlich gefledt und glän: 
zend. Die P., zu denen da3 Kauri (f. d., Cypraea 
moneta; ſ. Zafel: Mollusten, gie 14) gebört, 
find beſonders in den tropischen Meeren zahlreich). 

Porzellanthon, ſ.Kaolin. 

Posada (jpan.), Wirtshaus, Schenfe, 

Pofada:Herrera (Joſe de), pan. Staatsmann, 
geb. Ir Llares in Ajturien, war Brofeflor der Na: 
tionalöfonomie an der Univerfität zu Dviedo und 
wurde 1840 in die Cortes gewählt, wo er zu den 
gemäßigt Liberalen gehörte; 1853 wurde er zum 

izepräjidenten ber Corte gewählt. Später war 
er Flslalprokurator des Staatsrats; Juni 1858 
bis März 1863 Minifter des Innern. Nach der 
a engine 1868 wurde er Geſandter 
in Rom; 1869 trat er wieber in die Corteö, deren 
Präfident er 1875 ward. Cr ftarb 7. Sept. 1885 
in Madrid, 


Porzellanblümchen — Bojaune 


Poſamentier over Bofamentierer (vom frz. 
passementier; engl. lace-maker, fringe-maker, 
inkle-manufacturer) hießen uriprünglich Diejenigen 
Handwerker, welde die zu Beſähen beftimmten 
Borten, Treffen, Yisen, Gimpen u. f. w. wirlten 
oder webten. Später zogen dieſelben auch die Ber: 
fertigung von Schnüren, Flechtwerk aus [ehtern, 
Franſen, Quaften, Nojetten, Santillen, ber über: 

ponnenen Knöpfe u. j. w. in ihren Bereich, ſodaß 

fie jebt fait den ganzen Ausputz gemwebter Stoffe 
liefern, Die Arbeit de3 P. ift teil Hand-, teils 
Mafchinenarbeit. Der Bofamentierftuhl oder 
Bortenwirkituhl enthält die weientlichen Teile 
des gewöhnlichen Webituhls (ſ. unter Weberei) 
meiſt in etwa3 abgeänderter Form und ijt ge Her: 
ftellung von Mujtern mit entſprechenden Vorridh: 
tungen verjeben, oft auch mit dem Jacquard⸗Mecha⸗ 
nismus verbunden. Außerlich unterjcheidet ſich 
derſelbe durch feine geringe Breite, da er nur zum 
Weben jhmaler Stoffe bejtimmt iſt. über Poſa— 
mentierarbeiten j. Bortenweberei, Klöp— 
peln und Klöppelmajdine. 

Pofamentierftuhl, Bojamentiertvaren, |. 
unter Bofamentier. 

Pofaune (frz. trombonne, ital. trombone), 
ein Blasinftrument von Meifing, beiteht aus einer 
etwas weiter ald beim Horn menfurierten Röhre 
ohne Tonlöcher, und ift amı obern Mündungsende 
bis etwas über die Mitte der Höhe des Inſtruments 
abwärt3, am rg no Mundjtüdende bis 
ungefäb: auf drei Viertel der Größe und nach der 
andern Seite hin aufwärts gebogen. Die Nöhre 
bat zwei Hauptteile, das Hauptitüd und den Zug 
oder Auszug. An dem aufwärts gebogenen Ende 
des —— befindet ſich das keſſelfoͤrmig au: 
netiefte Mundſtück, während das entgegengejckte 
in einen weit ausladenden Schallbecher mündet. 
Das Mundjtüd ijt ganz dem der Trompete und des 
Horns Ähnlich, — nur einen weitern Keſſel. 
Die doppelten Röhrenſchenkel ſind durch metallene 
Querſtaͤbe verbunden, damit fie ſich nicht verbiegen 
und aus der Lage weichen können. Der unterhalb 
des Mundjtüds befindliche Doppelichenkel aber iſt 
da, wo er die Biegung mahen würde, abgefchnit: 
ten, ſodaß zwei offene Röhrenenden entitehen. An 
dieje ift der Zug oder Auszug, aud die Stangen 
genannt, angefhoben. Diejes zweite Stüd beitcht 
ebenfall3 aus einer zu einem Doppelichentel zu: 
fammengebogenen, durch einen Querftab verbun: 
denen Röhre, weldye um jo viel weiter menfuriert 
ift, ala die Röhre des Hauptitüds, daß fie luftdicht 
ſchließend über die erwähnten offenen Enden des 
legtern gejhoben und an denſelben, ähnlich den 
Auszügen eines PBerjpektivs, aufs und abbewegt 
werden lann, wodurd die Länge bes Rohrs ſich 
beliebig verändern und, ungeachtet die Tonlöcher 
fehlen, eine vollitändige ee Etala ſich 
bherausbringen läßt. Die P. ift wejentlih auf das 
mitteltiefe Tongebiet, il den Umfang des Män: 
nergeſangs bejhränft, daher gibt e3 drei Arten der 
B.: die Baf:, Tenor: und Altpojaune, die zufam: 
men einen fog. Chor ausmaden. Die Baß— 
pofaune bat einen Umfang vom Contra:B diro: 
matifch bis e der eingeftrichenen Dftave und höher; 
fie ift ein kraftvolle, aber ungelenles Inſtrument, 
welches weber für jehr kurze und ſchnell wechjelnde, 
noch für lang ausgehaltene Töne geeignet iſt. Die 
Tenorpofaune hat einen Umfang vom großen E 
bi3 zum eingeftrichenen b und höher. Ihre Beweg: 


Bofaunenfeft — Poſen (Provinz) 


lichleit iſt ae weitem größer als bie der ni 
pojaune. red ri fi weniger anjtrengen 

tritt at in Frankreich —— 

an die der Be fodaß alſo der drei: 

jtimmige er mit zwei Tenorpofaunen 

und einer Altpofaune — wird. Die Altpo— 

—— —* an ** erreicht in der Tiefe 

5 B, boch ſind die unterſten 

shre Sire Sihe erjtredt fich bis zum 

r Klangharalter der P. 

ah von marliger Sonorität 


m ebel, —* und feierlich, daher ſie au 
— eine bevorzugte Stellung ein: 
zinmt, 4 ber der z. 5* — ſich 
werer mit den ſonſtigen Tonorganen 
als die übrigen mente, und wird daher na= 
mentlich er feicht ——— * die 
ug dat ma viele 5 —— — gi In * 
at man auch, an e der Hüge, da 
Syftem der Bentile au uf die P. angewendet. Die 
ne * — —— An er 
is zweigejtrichenen c 
rs ihres ftumpfen und harten Klangs 
bejondern Beliebtheit fich zu erfreuen. Die 
um 1600 an Geſtalt ber 
feit, das 8* Neujahrsfeſt (f. d.). 
2 Bajlaromis. 
dt im rufl. Gouvernement 
3 —— Rebenfluß der Schelsna 
—— Be es ie bedeutenden Handel mit 
Butter und Häuten treiben. 
( ), Komitat in Sroatien, 
‚56 Saar: gr 75257 E., meijt 
Serben und ae aan ng gebirgig, 
walbig, gu gut — chtbar, aber nur mäßig 
——— —— 
Pen ulte. Die zucht liefer 
Die Jagd (aud) auf Bären) 


— —— * von Lipil, Daru⸗ 
Beide a at —— —— 
J tats, Si — ‚bat ——— 
ee ung liegt in Ruinen 
Pof * m (Boideran), Dorf bei Tau: 


84 I (beuti uſchlap), ——— im 

—— Kanton liegt ſadlich * 
Veltlin vorgeſchoben, im 

= ber ——— d.). z. und —— 8 von Ehen, 

rn 0 er Südrhäti: 

icen bus 8 oſſen, nach geneigt, ver: 

Gropartigleit der Hocalpen mit 

Während feine ober: 

— Charakter zeigen, 


—— 
m © —— Teil ug a und Kata: 
er dem Gottes: 


angebörig, er das P. jeht den grau: 

hen Bernina mit 239 qkm Areal und 

( 4151 6. meijt ital. Zunge und fath. ton: 
ormierte). SHaupterwerbsquellen 


Mena ft, ber Aderbau und bie Ta: 


— der wichtige Spe⸗ 
uns Ping = Eröff: 
n * nen bat, 


dtart 
en Sn BP. «oil 2 hen ai an Mrd u 
nörbl, Korb Oller des —— — mit gipebaltiger 


207 


Schwefelquelle, und Bruſio (755 m). Das Thal: 
waſſer, der —— ——— mit drei Quel⸗ 
len im Vai Lagone, Valle di Campo und auf dem 
Berninajodh (Lago Bianco) und bildet in der Thal: 
ſtufe von P. den 1,8qkm großen Lago bi P. (962 m), 
den er bei Meschino wieder verläßt, um durd) eine 
tiefe Schlucht die Stufe von Brufio zu erreichen; 
bei dem Engpaß Piattamala (520 m) tritt der Fluß 
auf ital, Gebiet über und mündet nad 32 km lan: 
g> Lauf 2 km unterhalb Tirano (Beltlin) in die 
dda. Mit dem Engadin und dem Beltlin ift das 
P. durch die Poftitraße des Berninapafies ver: 
bunden; nad Bormio führt ein Saumpfab über den 
Sal ı jo di Val Viola (2460 m), Pe dem Livi u 

die la di — Bol, Leonharbi, « 

ojchiavino» (Lpz. 1859). 
lina, ſ. Boszlina. 
- eidon, griech. Gott, f. Neptun. 

ofeidonia, dergrieh. Name von Pältum (f. e 
Poſeidonia, neue Niederlaflung auf dem Iſth— 
mus von —— am Weſtende des Iſthmiſchen 
a Station der Bahn Athen-Korinih-Patras. 


of en; rovinz des preuß. Staats, gehörte 
früher zu ß olen und bildete einen Teil Grofpo ns, 
Bei der erjten Teilung Bolens 1772 tamen zunädjt 


* von der Reße nördlich liegenden Teile unter dem 
Namen Beet, bei der zweiten Teilung 1793 
aud) das übrige an Preußen, und fowo (biefer wie 
der ganze übliche, von der Weichjel bis Warſchau hin 
1795 bei derbritten Teilung ir olens von Preußen ee 
mworbene Landſtrich wurde (f. d.) be: 
nannt. Seit 1807 — . zu dem Herzogtum 
Warſchau, fiel indes durch die Wiener Kongreß Akte 
1815 unter dem Namen eines Großherzogtums 
en - Preußen zurüd. Die Provinz grenzt an 
olen im O. 8 an die preuß. 
—* n im N., Brandenburg im W. und 
Sclejien im S., bat einen Fläheninhalt von 
28 956,5 qkm und zählt (1880) 1703397 E. Der 
größere Teil der Vevölferung ift ſiawiſch (polnisch) 
und katholiſch; die Deutjchen ww meijt Proteftan: 
ten, doch gibt es in den füdl, Areifen der Pro: 
vinz auch * polniſch redende Evangeliſche. Die 
poln. Bevöllerung iſt beſonders in den ſüdöſtlich 
gelegenen Kreiſen der Provinz überwiegend. Nach 
den Belenntnis zählte man 1880: 532498 Evan— 
Shen 1111962 Nömiich : Hatholifhe, 56609 
uden, 2328 Andersgläubige. Die Provinz, P. iſt 
—— phyfiichen Beſchaffenheit nach ein vorwie Do 
enes einförmiges Flachland von 80bis 120m 
gebe, mit vielen jumpfigen, fandigen und walbi or 
treden, im Norden teilweife an den bier ziemlich 
teil abfallenden uraliſch⸗baltiſchen Landrüden an: 
toßend, im Süden von eini 73 n vorgeſchobenen Er: 
be bungen des märkiſch-ſchleſiſchen Landrüdens 
durchſeßt. Hervorragende Berge —— er 
von dem Lyfa:Gora jüdlid vom Eintritt d arthe 
in die Provinz. Der größte Teil der Provinz ge: 
bört zum Gebiet der Oder, deren größter Nebenfluf, 
die Wartbe (f. d.), ‚ Seupituß der Provinz ift; an: 
dere, zum Teil floͤß⸗ und ſchiffbare Flüſſe find: die 
Projna, Obra, Bartih, Orla, Nehe, Welna, Küd— 
eg Brabe: die Meichfel berüßrt | die Provinz im 
NO. nur auf eine kurze Strede. Die Seen, unter 
denen ber Goplofee im Nebegebiet der nrößte iſt, 
ne om etwa 330 qkm ein; fie treten gruppenmweife 
auf, am umfänglichſten in der Gruppe der Nebefeen. 
Neben dem für die Verbindung zwiſchen Weichſel 
und Ober Höchit wichtigen, von Friedrich d. Gr. 


208 


1773/74 angelegten Bromberger Kanal (26km ohne 
die kanalifierte Brahe und Nehe) und einigen kana— 
liherten Flußſtreden gibt e8 größere ſchiffbare Ha: 
näle nicht ne aber viele kirnftliche Abzugstanäle 
in den groben Brüchen, welche leßtern etwa 500 qkm 
bededen und unter denen ber Nebe:, Obras, Land: 
raben-, Parchanie- und Bachorzebrud) die bemer: 
enswerteften find. _ Das Klima ift, der öjtlihen 
dage entiprechend, ein kontinentales und im ganzen 
nid mild; Bromberg hat ein Nahrestemperatur: 
mittel von 7,6° C., Bofen ein foldyes von 8° C.; der 
Mangel an geößern Dälengügen und die nad) den 
Ebenen ru ands bin offene Lage der Provinz be: 
wirten, dab aud die Regenmenge mäßig ift, (in 
Bromberg 514, in Poſen 505 mm im vie Reigen 
Mittel). (Hierzu eine Karte: Provi " ofen.) 
Seuptsefhälinung der Bewohner iſt bie Land: 
wirtichaft und Viehzucht; doc) auch in der Induſtrie 
find gute Anfänge gemacht. Im J. 1882 wurden 
überhaupt 634576 Erwerbäthätige, 34259 Perfo: 
nen ohne Beruf und 996 782 hauptberufälofe An: 
gehörige ermittelt; von den Erwerbäthätigen wid: 
meten ſich 59,12 Proz. der Bodennukung und Tier: 
mi 15,57 der Induſtrie und dem Handwerk, 5,02 
em Handel und Verkehr, 10,61 —— Dienſt⸗ 
leiſtungen und 4,56 dem Heer: und Verwaltungs: 
dienfte jowie den freien Berufen. _Öewerbe, Han: 
del und Verkehr befhäftigten in 74306 Betrieben 
132162 Perfonen; die gewöhnliden bürgerlichen 
Gewerbe nehmen bavon den größern Zeil in 
Anſpruch; Ziegelei, Steinbrüche (Gips, Kallſtein), 
Eifenverarbeitung, Maſchinenfabrikation, Wagen: 
bau, etwas dem, Induſtrie, Holzbearbeitung, 
Brauerei, Brennerei, Zuderfabrilation, Tabalver— 
arbeitung, Salzgewinnung (Inowrazlaw), etwas 
Zertilinduftrie u. ſ. m. find die wihtiglten Gewerbs⸗ 
—— e. Der Handel, unterſtüht durch mehrere gute 
en dur Kunftftraßen und ein Anfang 
1885 doch ſchon 1143,3 km umfaflendes Eifenbahn: 
neb (39,5 m auf 1 gan), befabt fi ganz überwie: 
gend mit Korn, Vich, Wolle, Holz und andern land: 
und ak Produlten; auch Salz und 
fchlef. Steinfoblen bilden einen bedeutenden Han: 
delsartilel. Die jehr ausgedehnte Landwirticaft 
beruht vorzugsweiſe auf dem Großbetrieb, welcher 
dem relativen Umfange nad) fait demjenigen der 
Provinz Rommern gleihtommt; 58,5 Bros. der ge: 
famten Wirtfchaftsfläche entfallen auf Wirtfchaften 
mit 100 und mehr Hektar Anbaufläche, Der Groß: 
—— befindet ſich etwa je zur Hälfte in den 
änden von Deutſchen und von poln. Edelleuten. 
Guter und fruchtbarer Boden findet ſich in weiten 
Streden der Warthe- und Nebeniederung und in 
den durch Melioration und Gntwäflerung für die 
Kultur gewonnenen Bruchflächen, hauptſächlich aljo 
im Centrum und im öftl. Teile der Provinz; der 
vorzäglihe Weizenboden im Kreife Inowrazlaw 
und in den angrenzenden Kreifen liefert den aus: 
gezeichneten tujaniichen Meizen; fandige und we: 
niger fruchtbare Streden find an ber jchlef. und 
brandenburg. Grenze vorherrjchend. Bon der Ge: 
famtflädie der Provinz waren 1883: Ader: und 
Gartenland 61,9 Proz., Wiefen 8,1, Weiden, Hu: 
tungen, Od: und Inland 5,2, Forften (ju 87,65 Pros. 
zu und Holjungen 20, Haus: und Hof: 
träume, Wege, Gewäfler u. f. w. 4,8 Proz. Die 
Provinz iſt ein ausgezeichnetes Getreideland und 
erzeugt namentlich zur Ausfuhr ge viel Weizen, 
Roggen, Gerfte, Hafer, Rübjen; Hopfenbau mird 


Poſen (Provinz) 


bei Neutomifchel (Kreis Buf) in bedeutenden lm: 
fang betrieben. Auch die Viehzucht ift von Belang; 
befonders® ragt die Schafzudht hervor, auferdem die 
Pferdezucht (ein Landaejtüt mit 225 Beſchälern be: 
fit die Provinz in Zirfe, Kreis Birnbaum, Land: 
befhäler werden auf 67 Deditationen in allen 
Kreifen aufgeei), die Bienenzucht und der Seiden⸗ 
bau. Der Viehſtand betrug 1883: Pferde 211291, 
Nindvieh 625728, Schafe 1892336, Schweine 
469 043, Ziegen 71353, Bienenftöde 93743. 

In adminiftrativer Hinficht it P. in die Regie: 
rungsbezirfe Rofen mit 18 und Bromberg mit 10 
landrätlichen Streifen eingeteilt. Der Provinz ift 
die Brovinzialordnung (f. d.) und die Kreisordnung 
noch nicht zugeftanden; es beiteht daher nod die 
eigenartige Einrihtung der ſchon 1837 eingeführten 
Polizeidiſtrikte mit ftaatlihen Polizeibeamten, den 
Tiftrittsfommiffarien, welde den Landräten als 
Organe der Ortspolizeiverwaltung u. f. w. zu 
dienen beftimmt find; der Sit des Oberpräfibenten 
ift Poſen. Die Reihstagswahlen erfolgen in 15 
Mahltreifen, In das Abgeordnetenhaus entfendet 
die © a 29 Abgeordnete; im Herrenbaufe iſt fie 
durd 19 Mitglieder (davon 7 erbliche und 10 auf 
Präfentation berufene) vertreten. In militärijcher 
Beziehung gebört der —————— Poſen zum 
5. Armeelorps (Sit des Generallommandos in 
ofen), der Regierungsbezirt Bromberg zum 2. 
Armeelorps (Generaltommando in Stettin), _ Die 
lirchlichen — der evang. Landeslit 
werden von dem Konſiſtorium zu Poſen verwaltet; 
für die röm.kath. Kirche beſtehen die auf immer vers 
einigten, jedoch je mit einem befondern Metropolis 
tantapitel ausgeftatteten Erzbistümer Poſen und 
Gnefen; ein Teil des Regierungsbezirls Bromberg 
fteht unter dem gneſenſchen Suffraganbiſchof zu 
Kulm; während der noch andauernden Erledigung 
des erzbifchöfl. Stubls führt ein befonderes ftaat: 
lies Kommiſſariat in Poſen die Bermögensver: 
waltung der beiden Didcefen. Beſondere ftaatliche 
Berwaltungsbehörden find das rar 
kollegium und dag Mebizinaltollegium in Poſen, 
ferner für Bearbeitung der Auseinanderfegungsds 
und Gemeinheitsteilungsfahen die Generallom- 
miffion zu Bromberg (uateich für Dit: und Weit: 
preufen), weiter die Nentenbant und für die ins 
direkten Steuern die Provinzial:Steuerdireltion zu 
ofen. Die Bergwertsangelegenbeiten refiortieren 
vom Oberbergamt zu Breslau; für die fisfal. Salz: 
bergwerls- und Galinenverwaltung * das 
Salzamt zu Inowrazlaw. Die Staatseiſenbahnen 
werden von den fönigl. Eiſenbahndireltionen zu 
Bromberg und zu Breslau verwaltet. Die Provinz 
zerfällt in die beiden Oberpoitdireltionsbezirfe Poſen 
und Bromberg. Sie bildet mit dem weitpreuß. 
Kreife Deutſch-Krone den eng ie en + 
Poſen, zu welchem die Bezirke der Landgerichte 
Bromberg mit 7 Amtsgerichten, Gnefen mit d, Liſſa 
mit 8, Meferik mit 8, Oftrowo mit 8, Poſen mit 9 
und einer Kanımer für Handelsſachen, Schneide: 
mübl mit 13 Amtzgerichten — P. zählt 136 
Städte (darunter eine, Anzahl Heinften Umfangs, 
was eine befondere Eigentümlichleit der Provinz 
ift), ferner 3395 Landgemeinden und 1997 Guts⸗ 
bezirle. Die Provinzialverwaltung iſt die ſtan— 
dig die Brovinzioltände werden von 48 Mit: 
—— gebildet, nämlih von 2 Inhabern von 

irilftimmen, 22 Abgeordneten der Nitterfchaft, 8 
Viril- und 8 Kollektivftimmen von Städten und 


PROVINZ POSEN. 











#4 0estl. Lanfe von Ferro 





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Poſen (Stadt) — Pojtdonius 


8 Landgemeinden; bie Brovinziallandtage finden in 
Poſen ſtatt, wo auch der Sigder provinzialitändiichen 
Verwaltungstommiifion, ferner ber — 
diſchen Konmiſſion für Chauffee: und Wegebau, der 
Sandarmendireltion, der Direktion der Brovinzial: 
hilfslaſſe u. f. w. iſt. Handelslammern beftehen zu 
Poſen und Bromberg. An Bildungsanftalten be: 
fibt die Provinz ein fönigl. Seminar für gelehrte 
Schulen zu Poſen, 14 Oymnafien, 2 Progymnaften, 
4 Realgymnaſien, 13 Mittelichulen, verfchiedene 
höhere Mädchenfchulen, 5 Schullehrerfeminare, 4 
tönigl, Präparandenanftalten, 1königl. Lehrerinnen: 
feminar, 2187 öffentliche Volksſchulen, außerdem 3 
Zaubftummenlehranftalten und 1 Blindenunter: 
richtsanſtalt. Der Erfolg des Boltsihulunterricht3 
it indeflen noch immer nicht ganz befriedigend und 
die Provinz ftellte 1884/85 noch den höchſten Pro: 
zentjag von Analpbabeten zum Heere, nämlich 8,55 
Proz. Das Fahihulwefen ift nicht befonders ent: 
widelt. Es bejtehen 1 Landwirtichaftsfchule, 2 
Aderbaus, 2 Garten: und Obſtbauſchulen und 13 
ländliche Fortbildungsihulen, außerdem 1 Hebam⸗ 
menanftalt. Eine tehnijche oder fonitige Hochſchule 
befigt die Provinz ebenfo wenig wie eine Univerji: 
tät. Das Mappen der Provinz ift der preuß. 
Adler, auf deſſen Bruft fi ein weißer Adler in 
rotem Felde befindet, Die Provinzialfarben find 
Karmoifin: Weiß. 

Litteratur: Beröffentlihungen des lönigl. 
preuß. Statiſtiſchen Bureaus; VBäd, «Die Provinz 
P. in geogr., ftatift. und topogr. Beziehung» (Berl, 
1847); Wuttle, «Städtebuch de3 Landes I» (Lp3. 
1864; Nachträge 1866); «Statift. Handbuch der 
Provinz > N of. 1877); Beheim⸗-Schwarzbach, 
«Hobenzollerniche Rolonijationen» (2p3. 1874); 
Meyer, «Geſchichte des Landes P.» (Pof. 1881), 
welche gute Litteraturnachweiſe enthält; «Zeitichrift 
für Geihichte und Landeskunde der Provinz BP.» 
(of. 1882 fg.); Bergmann, «Zur Geſchichte der 
Entwidelung deutider, poln. und jüd. Bevölferung 
in der Provinz P. ſeit 1824» (Tüb. 1883). 

Der Regierungsbezirk Poſen zählt (1880) 
auf 17507,5ı qkm Fläche 1095873 E., darunter 
285825 Gvangeliiche, 772187 Römif Katholische, 
125 fonjtige Chrijten und 36570 Juden, ie 88 
Städte, 2079 Landgemeinden und 1148 Gutsbezirke. 
Er ift in folgende 18 landrätliche Kreife eingeteilt: 
Wreſchen, te en, Schroda, Schrimm, Koiten, 
Bul, Stadtkreis ofen Landkreis Poſen, Obornit, 
Samter, Birnbaunt, Meferik, Bomit, Frauftadt, 
Kröben, Krotofdhin, Adelnau und —— 

Poſen (poln. Poznan), Feſtung erſten Ranges 


und Hauptſtadt ber gleichnamigen Provinz des 
Königreichs Preußen, ſowie einer der beiden Regie: 
von 


un arg derjelben, liegt 245 km djtlich 
Berlin, an beiden Ufern der Warthe, die hier die 
Eybina aufnimmt, Station der Linien B.:Stargard, 
B.-reuzburg, B.:Bromberg, P.-Schneidemühl, P.: 
—— a. O. und Breslau⸗P. der Preußiſchen 
taatsbahnen, iſt Sit des Oberpräſidiums der 
Provinz, des Generallommandos des 5. Armee: 
torps, des Kommandos der 10. Diviſion, des 
Er bifchofs von Gneſen und P., eines Gene: 
taljuperintendenten, eines Dberlandes:, Land: 
und Amtsgerichts, einer Provinzialiteuerdireltion, 
einer laiſerl. Oberpoftdireltion, einer königl. Regie: 
rung, eines Landratsamts und anderer Behörden 
und zählte 1880 (einfliehlih ber 5717 Mann 
ftarten Garnifon) 65713 E, Unter. den 59996 
Gonverfationd » Lexiton. 13, Hufl, XIII. ; 


209 


Givileinwohnern befanden fih 34899 Ratholilen, 
22580 Proteftanten und 7043 Juden. Am Marft: 
platz fteht das —** ein prächtiger Bau im 
Renaiſſanceſtil, aus dem 16. Sabıh., mit dem hödh: 
ften Turme der Stadt. Unter den Kirchen zeichnen 
ſich aus die Prarrliche Maria Magdalena (die ehe⸗ 
malige Jeſuitenlirche), ein bedeutendes Bauwerk im 
jog. Jeritenfi, aus dem Ende des 17. Jahrh., und 
der Dom, deſſen Außeres aus dem Ende des 
18. Jahrh. datiert; in demſelben befindet fich bie 
prächtige, hauptſächlich durch die Fürſorge des 
Grafen Raczynitieingerichtete «goldene» Kapelle mit 
den von Rauch angefertigten Bildfäulen der im 
Dome ruhenden poln. Herzöge Mieczyflam und 
Boleſlaw. Neben dem Don fteht der Palaſt des 
Erzbiſchofs. In dem weitläufigen ehemaligen Je— 
juitenkollegium hat die Hegierung ihren Sit. Der 
Bazar ijt ein — auf Koſten des poln. Adels 
erbautes Hotel. Am großen, ſtattlichen Wilhelms— 
plab ſtehen das 1879 neu erbaute Stadttheater 
und die 1836 aufgefübste Raczynſliſche Bibliothek 
(30000 Bände ftark) mit 24 gufeijernen korinth. 
Säulen, vom Erbauer der Stadt geſchenlt. Eine 
architeltoniſche Zierde der lehtern iſt das 1865 
vom Kaufmann Berger aus eigenen Mitteln auf: 
geführte Gebäude des Realgymnaſiums. Außer 
dent lektern befinden fih in P. von Unterrichts— 
anftalten noch zwei Gymnafien, ein Seminar für 
kath. Geiſtliche (geſchloſſen), ein königl. Seminar für 
Lehrerinnen und Erzieherinnen, eine königl. höhere 
Töchterſchule, fünf Etadtidhulen, eine Bürger: 
und eine Mittelihule und eine Hebammenlehran: 
ftalt. Der Handel iſt Bonn bedeutend; Haupt: 
gegenftänbe desfelben find Holz, Getreide, Wolle, 
piritus u. ſ. w. Die wichtigiten Gegenſtände des 
Fabritbetriebs find: landwirtſchaftliche und andere 
Nafchinen, Möbel, Sprit und Liqueure, Mehl, 
Wagen, kupferne Brennereigeräte, Eigarren u. ſ. w. 
Verkehr und Handel unterjtühen eine Neihsbant: 
rer die Brovinzialaftienbant und andere 
nftitute. Der Bau der großartigen Feſtungswerle 
begann 1827; von der Citadelle, Fort Wintary ge: 
nannt, überblidt man die ganze Umgegend P.s am 
beiten; 1876 hat der Bau von zwölf detachierten 
Forts begonnen. — P. iſt eine der ältejten Städte 
Polens, erhielt 968 bei der eriten Einführung des 
Chrijtentums in Polen ein Bistum und war bis 
1296 — 5 der poln. Herzöge. Der weſtliche 
(Haupt-) Teil wurde 1253 von deutſchen Einwan— 
derern gegründet und hatte bis 1793 eigene Ber: 
waltung nad Magdeburgiichem Recht. Im Mit: 
telalter gehörte B. zur Hana, und viele deutjche, 
engl. und jchott. Kaufleute lichen fich dafelbit nieder, 
Später geriet die Stadt in Verfall, bis fie 1793, 
reip. 1815 an Preußen lam. Von 1807 bis 1815 
gehörte P. zum Großherzogtum Warſchau. Am 
11. Dez. 1806 ſchloß Napoleon zu P. den Frieden mit 
Sachſen. — Ter Landkreis Bojen zählt (1880) 
auf 1093 qkm 68953 E. Bal. Yulafzewicz, «Obraz 
historiczno-statystyczny miasta Poznania» (2Bde., 
Poſ. 1838; deutſch, Bof. 1881); Ölichläger, «P.Nturz: 
gefabte Geſchichte und Beſchreibung » (Poſ. 1866). 
Poferna, Dorf im preuß. Regierungsbezirk 
Merfeburg, Kreis Weißenfels, an der Rippach, mit 
420 E. und einer Salzquelle, Geburt3ort Seumes. 
Pofidonius, ſtoiſcher Philoſoph, der Rhodier 
enannt, weil er des Panaͤtius von Rhodus Schü: 
er war und fpäter in Rhodus lehrte, war aus 
Apamea in Syrien gebürtig und um 103 v, Chr, 


14 


210 


geboren. Nach der Rüdkehr von feinen Reifen trug 
er mit großem Beifall die ſtoiſche Philojophie vor. 
Er war zugleih Staatsmann und ging in feinem 
50. Jahre als Gefandter nad Rom. Die auöge: 
zeichnetſten Römer, wie Pompejus und Cicero, 
waren feine Schüler. Auch in die mathent.=ajtron. 
Wiflenichaften fcheint er tief eingedrungen zu fein. 
Er maß die Größe der Erde, ſoll auch die Abhängig: 
feit der Erfcheinungen der Ebbe und Flut von dem 
Monde gelehrt haben und gab die Höhe der Atmo— 
fphäre ber Erbe zu 400 Stadien und die Entfernung 
der Sonne von ber Erde zu 13000 Erdhalbmeſſern 
an. Seine Schriften find verloren gegangen; die 
gr“ mente berjelben haben Bale (Leid. 1815) und 

. Müller (in «Fragmenta historica Graeci», 
Bd. 3, Bar. 1849) gefanımelt. Bol. B. Töpelmann, 
«De Posidonio Rhodio rerum scriptore» (Bonn 
1867); R.Scherpig, «De PosidonioApamensirerum 
gentium terrarum scriptore» (Berl. 1870); Arnold, 
allnterfuchungen über Theophanes von Motilene 
und P. von Apamea» (2pz. 1882). 

Pofiipo, ein villenreiher Höhenzug an der 
füdbweitl. Seite Neapels, ift merkwürdig wegen ber 
jog. Grotta di Posilipo, eines Tunnels, der wahr: 
ſcheinlich unter Auguftus durch ben Tuffitein jenes 
Höhenzugs gebrochen wurde und bereitö von Ge: 
neca erwähnt wird. Diejer Tunnel, 689 m lang 
und von verſchiedener Höhe, endet bei bem Städt: 
den Fuorigrotta, von wo der Weg nadı Pozzuoli 

rt. Die Mitte bezeichnet eine Höblentapelle der 
aria, Alfons I. ließ 1442 die Grotte erweitern, 
Diele von Toledo lieh fie pflaftern. Das Wort 
osilipo ftammt von grieh. Pausilipon 
ee Sans souei), dem Namen einer da; 
elbft einft belegenen Billa des Vedius_Pollio 
welche diefer dem Auguftus vermachte. Am ö {. 
Gingang e Grotte liegt hoch das vielbefudhte 
fog. Grab bes Birgil, ein röm. Grabgemwölbe, 
4 m in Quadrat, mit 11 Nijchen für Aichenkrüge. 
tiber die —— führt eine von Murat be— 
gonnene herrliche Straße. 

Pofiliptuff ober Buzzolan, ein von ber 
Gruption der erlojchenen Bultane der Phlegräiichen 

Iber herrührender Bimsfteintuff (j. d.), welder 
unter andern ben Pofilip bei Neapel aufbaut. 

Pöfing (meiſt Böjing, magyar. Bazin), königl. 
Freiſtadt in Ungarn, preiburger Komitat, Sta: 
tion der Linie Preßburg-Sillein der Öiterreichiich 
Ungariihen Staatöbahnen, 
und zählt —* 4338 E., Deutſche, Slowalen und 
Magyaren, welche Bergbau auf Gold, Silber und 
Eiſen treiben und guten Wein bauen. 

Pofition nennt man in der Metrik und Bro» 
jeit die Silbenlänge, wenn fie dadurch entſteht, 

B auf einen kurzen Vokal zwei Konjonanten fol: 
gen, 3. B. lat. fero—fert; ferner liber — liber 
atque — aber lang durch B.: liber nubibus aether 
oder libör patet exitus. Den Gegenſaß bildet die 
jog. Naturlänge, die dann attendet, wenn bie 

Silbe einen langen Vokal hat, 3. B. lat. it. 

Im Kriegsweſen heibt Bofition eine Ört: 
lichleit oder einen Terrainabichnitt, der ſich ent: 
weber von Natur oder unter — fünftlicher 
Mittel zur Berteibigung mehr oder weniger eignet, 
ſodaß ber — in ben örtlichen —— 
ein gewiſſes Gegengewicht gegenüber ber feindlichen 
ra ee Ander. ennzeihen einer guten P. 
find: Vegünftigung des Gebrauchs der eigenen 
Feuerwaffen durch freie Beherrihung des Bor: 


bat ein Mineralbad | fi 


Poſilipo — Poſitiv 


terrains, Dedung der Streitkräfte, Erſchwerung 
des feindlichen Angriffs in Front und Flanlen 
durch Terrainhinderniſſe, Möglichkeit — Offenſive 
überzugeben, freie Bewegung in der Stellung und 
geiiderter Nüdzug. Geeignete B. bilden namentlich) 
Höbenzüge, welde fanft nad dem Feinde zu ab- 
fallen, doc} finden fih P. auch in der Ebene, wenn 
verteidigungsfäbige Ortidaften, Walbungen, Ter: 
rainhinderniſſe in glüdlicher Berfnüpfung vorlom: 
men. Auf Hindernifie vor der Front legt man, bei 
ber ohnehin vernichtenden Wirkung der heutigen 
Feuerwaffen, nicht mehr den Wert wie früherbin, 
und um jo weniger, je mehr man eine aktive Ber: 
teidigung im Sinn hat. Sie haben häufig nur 

Folge, daß der Angreifer die P. ganz zu uigeben 
ucht. Die Fortifitation lehrt, wie P. durch fünft- 
en verjtärten und erforderlichenfalls zu 

affen find. 

In der Tanzkunſt werben Bofitionen die 
(fünf) einfachen Hauptitellungen der Füße genannt, 
die ben verjchiedenen Pas zu Grunde liegen. 

Aud in der Fecht kunſt wird die Grundftellun 
ber Fechtenden als Bofition bezeichnet; fie i 
nad) der Art ber Waffen eine verſchiedene 

BPofitiondartilferie, f. unter Artillerie, 

Pofitionebnatterie, f. u. Batterie (milit.). 

Pofitionsgeſchütze nennt man die Geihübe 
oröhern Gewichts, welde ihren Kampf aus länger 
andauernden Aufitellungen führen, im Gegenjaß zu 
ben ihre a r elnden Manövrier⸗ 
—2 Zu den P. gehören namentlich die Be: 
agerungsd: und Feſtungsgeſchüße; im Felbiriege 
lommen ®. gegenwärtig jeltener vor. 

BPofitionsiwinfel nennt man ben Winfel, wel: 
hen ber durch zwei Sterne gelegte größte Kreis der 
Himmelskugel mit dem durch einen 
den Dellinationskreis bildet. wird von 
Norden über Djten, Süden und Weiten von 0° bis 
360° gezählt. Das jog. Pofitionsmitrometer Re 
ftattet an einem we Kreiſe ben PB. abzuleſen 
unb dient in Verbindung mit einem Fabenmifro- 
meter, welches die Entfernung zweier nahe beieinan: 
ber befindlichen Geftirne zu meflen erlaubt, zur Be: 
ſtimmung ihrer gegenjeitigen Lage in Beziehung 
auf die Kreiſe ber Himmelskugel. ö 

oſitiv oder affirmativ bezeichnet im allne: 
meinen das, wodurd) etwas bejahend gedacht wird, 
entgegengejekt dem Negativen (f. d.), 3. B. ein po: 
\ if, ein pofitives Urteil u. }. m. Ferner 
bezeichnet P. aud) das faltiſch Gegebene, jowie das 
durd eine äußere Autorität Feitgefehte. Bolitives 
Recht ift der Inbegriff der ftaatlihen Geſehe, ent: 
gegengejept dem fog. natürlichen oder Bernunft: 
tet; politive Religion eine ſolche, die auf eine 
äußere Offenbarung fi ſtüßt; poftive —— 
e: 


itiver B 


entgeg eht der natürlichen Theologie oder 
figionspbilojophie u. f. w. Schelling nannte die 
legte Phaſe feiner Philoſophie die pofitive Philo- 
fopbie, indem er annahm, daß die gejamte Ber: 
nunftwifjenihaft nur eine Lehre von dem fei, was 
er Gott ijt, alfo eine tive «Philojophier, und 
daß die dialeltiſche Entwidelung des Gottesbegriffs 
die einzige Aufgabe der poſitiven Philoſo Sie lei. 

Poſitiv, die ungefteigerte Form des Adjeltivg, 
ſ. — 1 ohne felbfänbiget 

‚ eine Heine Orgel ohne än 

Beat! welche früher —X auf ————— 
und in Zimmern gebraucht wurde, alſo die Stelle 
des modernen Harmoniums einnahm. 


Pofitives Bild — Poſſelt 211 


Bild, ſ. unter Photographie. 


. man Ph * Philoſophie 
Richtung, im enſaß zu einem 
bis auf die legten Gründe zurüdgehenden ſpekula— 
& an dem bereits Ausgemachten 
und — enũgen läßt und 

rebt. Insbeſondere 


ebraudte der granzofe Auguft Comte (f. d.) dieſen 


eine jede Ni 
tiven Verfahren fi 
darüber nicht weiter hinaus 


Husdrud von ch ibn begründeten —* 


und — iſtiſ Schule, welche mit Umgehung 
aller das —e— Wiſſen * die 
Fãcher der Mathematik, Ajtronomie, Phyſil, Che: 
mie, Biologie und Soziologie (f. d.), mit einem 


Wort ber pofitiven Wifjenihaften, einſchloß. Diefe 
Billenfhahen follen Kain bean 
folge derartig aufeinander aufbauen, daß jede fol- 
ende als die —— — bie frühern ala 
e vorausfept. Das We: 
ſentli it dabei, daß auch die Pſychologie ala 
fte Teil der Biologie und die darauf zu 
Geſellſchaftswiſſenſchaft nad) der eraften 

der Naturwiſſenſchafte 
P ie behandelt werden ſollen. Dieſelben 
mit einer induftiven Feſtſtellun 


Q 
d Iler über den Berei 
des Sehr Knauschnben Oppaieen nt 


J 


acht und George 
Lewes («Comte’s philosophy of the posi- 
five sciences», Lond. 1874) fie popularifiert. In 
— zu das Gleiche Marimilien Littre («A. 


und e8 hat id dort allmählich eine fatlihe She 
woe Im Der von Sitte heraus: 


\ «Revue ve» ihr Organ hatte. Bol. 
EN RS 


1 
Posonium, ber lat. Name von Preßburg. 
21, (ef) gr im etlichen Bar, 

tum it Poſſabski die Bezeichnung der Stadt: 

bewohner mit Ausnahme der Kaufleute. 
—— (cuſſ), in Rußland in der älteſten 
von den zur Verwaltung einzelner 

Ba en eh 
e P. nur als Name ter vom Volk ge: 

Leiter ber rg re —2* 
Dorf in der ital, Provinz Trevifo, 

4 36 km im NW. von Trevifo. in 


malerifcher Sage am Fuße des Monte-Örappa und 
am Gingung ber Kalle Dec, it (ap bar 


Ne 


und das Grabmal des berühm: 


ten , ein Sarlophag nad) dem Entwurfe 
Canovas. Das eh i enthäl 
Gipsabgüfie feiner gan som 


„ Poflat (dm ee 0. 12. a | Be 
[2 t, * * 
Bein, Inte ale Buchhändler, eno$ | 6 


büs | «Bellum populi Gallici adversus Hungariae Bo- 


dann dramatifchen Unterricht 
tierte, mad) veriiebenen fenufpielerfhen Br 


n und fpeziell der 


ſuchen an Liebbaberbühnen, 1861 in Breslau. 
Hier für zweite Charakterrollen engagiert, fpielte 
er 1862/63 erite Charakterrollen in Bern und 
wurde 1863 als Nachfolger Görners für das ham: 
burger Stadttheater engagiert, ging aber ihon im 
folgenden Jahre an die Hofbühne nah München, 
‚im J. 1873 wurde er bier Oberregiffeur und 1878 
Direktor des Lönigl. Schaufpiels und Profefior. 
Ihm dankt München die Organifation der feit 
1876 dajelbit beftchenden Theaterſchule, ebenſo die 
Aufjehen — — Geſamtgaſtſpiele von 1880. 
P., der auf allen größern deutichen Bühnen, auch 
in Rußland, Holland und der Schweiz gaſtierte, ijt 
ein Mufter der Dellamation; in der Auffafiung 
[Ener Rollen aeigt er — 
härfe, im Spiel ftet3 edle Bewegungen. Nathan, 
er Narciß, Manfred (dem er ebenjo wie den 
Beriffes zuerſt auf die deutiche Bühne brachte), 
Behrent (von Björnjon für ihn geſchrieben), ©hy: 
lod u. ſ. w. gehören zu feinen bejten Leitungen, 
8: verfaßte auch Bearbeitungen verſchiedener 
halſpeareſchen Dramen und ein Syſtem einer 
— 35— deutſcher Worte. 
det auch Burleste, Farce, iſt die dra: 
matiſche Geftaltung des fog. niedrig oder derb Ko— 
mifchen. Diefelbe zeigt nicht trungen des Herzens 
und Verftandes, fondern die —— ufälle und 
Verwidelungen de3 gewöhnlichen Lebens, nicht 
Charatterentwidelung, fondern Situationenwir, 


. | und zwar Situationenwiß jo hervorragend, daß die 


alten ital. Masten des Arlechino, Pierro, Banta: 
leone, der Colombine oft nur pantomimifch aufs 
treten. Die B. muß daher durchaus im Naiven, 
derb Naturfräftigen, echt Vollstümlichen wurzeln; 
denn e3 gilt, daS Urgefunde und das unverwüitliche 
Heitere einer Grüten ER, in welder noc) 
gar kein Bruch ** innlichem und Geiſtigen 
eingetreten iſt, der nicht ſofort wieder humoriſtiſch 
aufgelöft werden könnte. Es iſt daher eine Ent: 
artung der P., wenn fi in fie moralijierende 
Sentimentalitäten einmiſchen, wie wenn fie aus 
dem naiv Komiſchen in das Gemeine fällt. Von 
jenem Fehler ift der treffliche Naimund, von dieſem 
die wiener und berliner * nicht freizuſprechen, 
welche inſofern weſentlich Lolalpofſe iſt, als in 
ihr meiſt das Treiben und die Sitten einer bes 
jtimmten Stadt zur Darftellung gelangen. P. war 
da3 Satyripiel der Alten, ja Ni freilid großartig 
durchgebildet, iſt jelbjt die Komik des Ariſtophanes. 
P. find die Faſinachtsſchwänke des Mittelalters; in 
P. bewegten ſich namentlich auch die Buppenipicle 
der een, Am eigenartigiten und glänzend: 
5 bat fi die P. auf dem Volfätheater der Sta: 
iener entfaltet. Beſonders aber find auch Moliere 
und Holber Fi nennen. j 

Boffelt ( nft Ludw.), hiſtor. Schriftiteller, geb. 
22. Yan, 1763 zu Durlad in Baden, ftudierte in 
Göttingen die Rechte, praktizierte ala Advolat in 
Baden und übernahm 1784 die Stelle eines Bro: 
feſſors der Gefchichte und Beredſamleit an dem 
Gymnafium zu Karlsrube, wo er zugleich Privat: 
fefretär des regierenden 5*5 war. Hier gab 
er unter anderm das «Wiſſenſchaftliche Magazin 
für Auftlärung» (1785—88) heraus. Im J. 1791 
wurde er nad Gernsbah unweit Najtatt, als 
Beamter verjeht, wo er Muße fand, fich biltor. 

tubien zu widmen. Er beichrieb unter dem Titel 


russiaeque reges eorumque socios» (Gött. 1798) 
14* 


212 


bie Begebenheiten von 1792, _ Gleichzeitig begann 
er fein Hauptwerl, das «Hiſtor. a er für 
die neueſte Geſchichtey. Im J. 1796 nahm er feine 
—— und lebte ſeildem abwechſelnd in Dur— 
lach, Karlsruhe, — 5**— Erlangen und Nürn: 
berg. Er ftarb zu Heidelberg 11. Juni 1804 infolge 
eines Sturzes aus dem Fenfter der obern Etage. 
ng feine Geſchichte der Deutichen» 
(2 Bde. Lpj. 1789—90; for geicht von PBölik, Bd. 
8u.4, Pp3. 1805 und 1819), «Geſchichte Karla XI.» 
(Harlär. 1791), «Geſchichte Guſtavs IIL.» (Karlsr. 
1793), «Strieg der Franken» (2p3.1794), —** 
Leben» (Tub. 1798), die «Europ. Annalen», ſeit 
1795, und die 1798 von ihm angefangene «A ge: 
meine Zeitung». Bol. Gehres, «Lebensbeidhreibung 
P.s» (2 Bde, Mannh. 1827), 
3 en, der höchſte Gipfel der Hainleite (f. d.). 
offenhofen, Dorf im bayr, — —— 
Oberbayern, Bezirksamt München IL, am Weſtufer 
des Wurmſee und an der Bayriſchen Staatsbahn 
München:Unterpeiffenberg, hat ein ſchönes Schloß 
de3 Herzogd Mar in Bayern mit Part, 

Possessiva (pronomina p.), die Befit anzei: 
genden Fürmörter: mein, bein, fein u. ſ. w. j 

Poſſeſſoriſche Nechtömittel, ſ. unter Peti— 
torientlagen. 

offiethafen, f. unter Amurland. 
guck, Stadt im Kreiſe Saalfeld des Herzog: 
tums Sadjen:Meiningen, an der Kotichau, welde 
unfern in die Orla mündet, Station der Linie Gera: 
Eihiht der Preußifhen Staatsbahnen, ift Sik 
eines Amtsgerichts, hat eine got. Kirche von 1390, 
ein got. Rathaus, eine Bürger ule und eine höhere 
rivatichule und zählt (1880) 7069 E., welche 
abriten in Lederwaren, Flanellen, Porzellan, 
arben und Konfitüren unterhalten. 
oft, ſ. Poſtweſen. 
oſtaliſch (vom franz. Adjektiv postal), das 
Poſtweſen betreffend, 3. B. poftaliiche Borfchriften. 
oftanent, ſ. Piedeſtal. 
oſtanweiſung (fr. mandat-poste, engl. 
money order) nennt man eine Anweiſung, welche 
die Roftbehörde auäftellt, um einen bei ihr einge: 
zahlten Geldbetrag dem Adrefiaten durch die Pojt 
r übermitteln. Die Einzahlung erfolgt im deut: 
hen Reichspoſtgebiet auf ein von der Poſt geliefer: 
tes Formular am Poſtſchalter, und zwar in deut: 
ſcher a a Die Sendung muß franfiert 
werden. Innerhalb desdeutichen Reichspoftgebietes 
beträgt die Gebühr, ohne Küdficht auf die Entfer: 
nung, für Summen bi3 100 Mark: 20 Pf., über 
100 bis 200 Mark: 30 Pf., über 200 bis zum 
—— von 400 Mark: 40 Pf. Der Abſchnitt 
der Anweilung kann im deutſchen Poſtverlehr zu 
Ichriftlichen Mitteilungen verwendet werden. Die 
Erhebung des Geldbetrags am Beſtimmungsorte 
muß fpäteitens innerhalb fieben Tage nad Behän: 
digung der Anweiſung erfolgen, Die Quittungs: 
leiftung de3 Aoreflaten findet durch Ausfüllung 
des beitlichen Vordruds auf der Nüdjeite des 
dormulars ftatt, 

Nach Art. 13 des Parifer Weltpoftvertrags vom 
1, Juni 1878 bildet der Austaufh von P. den 
Gegenftand befonderer Vereinbarungen zwiſchen 
einzelnen Ländern oder Ländergruppen des Welt: 
green. Der Meiftbetrag einer internationalen 

. it auf 500 Frs. feftgeleht, die Dan auf 
25 Gent. für je 25 Fr3. Wert, in Deutichland 
20 Pf. für je 20 Mark, mindeltens aber 40 Pf. 


Poſſen — Poſtauftrag 


Dem Ubereinlommen ſind beigetreten Deutſchland, 
Öfterreih:Ungarn, Belgien, Dänemark, Agypten, 
Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Nor: 
wegen, Portugal, Numänien, Schweden Schweiz, 
Türkei (Ronftantinopel), Tripolis und Tunis. 
ie find auf Grund befonderer Verträge B. zu: 
läfjig: aus Deutfehland nad) Auftralien, Barbadoes, 
Canada, Kaptolonie, Großbritannien und Irland, 
apan, nieberländ. Kolonien in Dftindien, Britifch: 
ftindien und Vereinigte Staaten von Amerita, 

Auf P. singegabtte Beträge können auf Ber: 
langen bes Abfenders auch auf telegraphiſchem 
Wege an die Poftanftalt des Beftimmungsortes 
(innerhalb des Rei —— und nach der 
Schweiz) zur Auszahlung überwiefen werden. Das 
für find zu entrichten: die Poſtanweiſungsgebühr, 
die Gebühr für das von der Poſtanſtalt auszufer⸗ 
tigende Telegramm, 25 Pf. Beftellgebühr von der 
Poſtanſtalt zum Telegraphenamt, endlich das Eil: 
beftellgeld am Beitinnmungzort. 

Poitauftrag (frj. ordre de recouvrement) 
oder Boftmandat nennt man bie 55 
der deutſchen Poſt, Gelder auf Grund von Wech— 
ſeln, Rechnungen, Belegen u. |. w. von einer be: 
ftimmten Perſon zu Gunften des Abfenbers ein: 
iehen und lehzterm dann übermitteln zu laſſen. 

er Abfender hat ein Formular unter Angabe fei: 
ned Namens und Wohnortes, des einzuziehenden 
Geldbetrags, fowie de3 Namens und Wohnortes 
de3 Schuldners auszufüllen und der Poft zu über: 
geben, Die Abjendung erfolgt unter verichloffenem 


mſchlag an die —— des Beſtimmungs⸗ 
ortes. ae ikteilungen an den Schuldner 
dürfen au 


dem Formular u. ſ. w. u. enthalten, 
dagegen muß lehterm der betreffende Wechſel, die 
Rechnung u. ſ. w. beigegeben fein auch lann der 
Ball feitätag angegeben werden. Der Meiftbetrag 
ür Boftaufträge ift in Deutjchland 600 Mark, die 
Gebühr dafür 30 Pf. Für Poſtaufträge, welche 
den Büherpoftiendungen beigefügt werben, 
find außer dem Drudfahenporto nur 10 Pf. Auf: 
tragägebühr zu entridhten. Die =. ge Be: 
träge werden dem Abjender abzüg (a er Bolt: 
anmweifungsgebühr übermittelt. Wird Zahlung 
vom Adreſſaten nicht geleijtet und foll infolge 
defjen die Proteftierung eines Wechſels u. f. w. bei 
einem Notar u, |. w. erfolgen, jo muß der P. mit 
dem deutlihen Vermerk «Sofort zum Proteit» 
(fra. prot&t oder A protester) verfehen fein. Solde 
Boftaufträge verbleiben 24 Stunden zur Ber: 
fügung des davon benachrichtigten Schuldners auf 
der Boftanftalt und werden mangeld Zahlung 
alsdann zum Proteft gegeben, Pojtaufträge find 
zuläiig in Deutſchland, nach Be gien, Frankreich 
und Aigerien bis 750 $r3., Helgoland (ohne Bro: 
tefterhebung), Luxemburg bis 400 Mark, Nieder: 
lande bis 150 Fl., Oſterreich-Ungarn bis 200 Fl., 
Rumänien bis 750 Frs., a bis 750 Fr8., 
Tunis bis 750 Irs. Nach dem Ausland find die 
ee ran . Sprade auszuitellen (nad) 
umänien in deutfcher), Gebühr nad) den meilten 
Ländern: Borto 20 Bf. [Ar je 15 g und 20 Pf. Auf: 
tragsgebühr. Für Erfüllung der Weclelredts: 
beitimmungen haftet die rg er: nicht. 
Außerdem übernimmt die deutfche Reichspoſt 
auch —5* zur Einholung von Wechſelaccep⸗ 
ten im Inland. Dem PB. iſt der Wechſel beizufügen. 
Der Auftrag wird auf das dazu beſtimmte For⸗ 
mular gefchrieben und an diejenige Poftanftalt 


Poſtbeamte — Boftgeldfendungen 


adreffiert, welche die Borzeigung des Wechſels an den 
Bezogenen bewirlen joll. Der angenommene Wed): 
fel wird an den Auftraggeber unter Einſchreibung 
urüdgejandt. Soll im Falle der Nihtannahme 
— erfolgen, fo muß dies auf dem P. ver: 
Bo werden. Gebühren: für den Auftragsbrief 
Borto für den Einſchreibebrief mit dem acceptierten 
Wechſel 30 Pf. Die eritere Gebühr iſt vom Auf: 
traggeber vorauszubezahlen; die beiden andern 
Gebühren werden ihm angerechnet, fall3 die Nüd: 
fendung des Wechſels erfolgt; bei Proteftaufnah: 
men bleiben die legtern Gebühren außer Anjap. 
oftbeamte. Die Bedieniteten der Poſtver— 
mwaltung werben in Beamte und Unterbeamte 
unterſchieden. Zu den Beamten gehören: der 
Refiortchef (Staatsfelretär), die Direltoren, Räte 
und Selretäre der Gentralbehörde, die Beamten 
der Dberpoitdireltionen, Oberpoſtlaſſen, Poſt⸗ 
ämter u. ſ. w. und die Poftagenten; zu den Unter: 
beamten: bie Kaſtellane, Kanzleidiener, Kafien: 
biener, Bureaubiener, Briefträger, Poſtſchaffner, 
Stadtpojtboten, Landbriefträger, Poſthilfsboten, 
Voſtfußboten, ſowie die — im Dienſte. 
Die Beamten der deutſchen Reichspoſt müſſen dem 
Kaiſer den Eid der Treue leiſten; ihre Verhältniſſe 
regelt das Reichsbeamtengeſeß vom 31. März 
1873. Zu der Beamtenlaufbahn werden Bewerber 
entweder als z.. oder als en au: 
elafjen. Poiteleven haben das Zeugnis der 
eife eines Gymnafiums oder Nealgymnafiums 
beizubringen. Kaution 900 Mark, Bedingung: 
körperliche Rüjtigleit, namentlich geſunde Seh: und 
Gehörwertjeuge Alter 16-25 ahre. Nah Ab: 
lauf einer dreijährigen Ausbildungszeit haben Poſt⸗ 
eleven die Sefretärprüfung abzulegen und werben 
dann zu Poſtpraltikanten ernannt, beziehungsmeife 
Bern vg — räcegg org munn 
etat die erforderlichen Stellen bietet. dach weitern 
3—5 Jahren können fie die höhere Verwaltungs: 
—— ablegen, deren Beſtehen den Zugang zu 
n höbern tellen (Boftinfpeltor, Poſtdireltor, 
Boftrat u. f. w.) eröffnet. Neuerdings hat Staats: 
jelretär von ———— eine Poſt⸗ und Telegrapben: 
Hochſchule in Berlin errichtet, auf welder die Be: 
amten für die höhere —— im Rahmen des 
Univerſitãtsſtudiums ausgebildet werden. Be: 
werber als Poſtgehilfen haben eine Eintrittd: 
prüfung im Deutihen, Rechnen und Franzöfiichen 
abzulegen. Nach dreijähriger Ausbildung werden 
e im Falle des Beſtehens einer weitern technifchen 
rüfung zu Poſtaſſiſtenten ernannt und joker 
etatsmäßig angeftellt. Die Unterbeamtenlauf: 
bahn ift im wejentlihen den Militäranwär: 
tern mit dem Eivilanftellungs: und ⸗Verſorgungs⸗ 
fchein vorbehalten. 
ost coenam stabis etc., f. unter Coena. 
ampfer, f Dampfihiffabrt. 


pP 
GR ‚unter Untedatieren. 
o 


eflaration, ſ. unter Deklaration. 
Iber (seh. Postoloprty, lat. Apostolo- 
rum porta), Stadt in der Bezirkshauptmannfchaft 
Saaz, im norbweitl. Böhmen, Station der Linie 
—— der Oſterreichiſchen Staatsbahnen, iſt 
ib eines —2——— ar (1880) 3267 meijt 
beutjche E. und hat eine gi erfabrif, ein Brauhaus 
und in der Nähe Steinfohlengruben. Nach Eos: 


mas foll der og Nellan 869 den Ort angelegt 
baben . der zuerst den Namen Dragus hatte, jpäter 


für die Borgeigung des Wechſels 10 Pi., | dem 


213 


aber nach dem Benebiltinerflofter Apostolorum 
er benannt wurbe, welches bier um 1121 ent: 
tand und 1420 durd bie Huffiten zerjtört_ wurde, 
Seit 1692 gehört das Schloß und Gut dem Fürjten: 
baufe Schwarzenberg. j 

Poſten bezeichnet ſowohl den einzelnen Mann, 
die Bewachung eines befondern Punktes über: 
eben ift, als auch eine zu ſolchem Zwed aufgeitellte 
Mannſchaft; ebenjo pe: den Ort ihrer Aufitellung. 
Jede Wade 3.8. kann ein PB. genannt werden, 
ebenjo wie jede einzelne Schildwache. Der + iſt 
unverlehlich. Er hat die Pflicht und das Recht, 
Den Unfug, in feiner Nähe zu verbieten und im 

eigerungzfall den Schuldigen zu verhaften und 
feitzuhalten, bis er von der Wade abgeholt wird. 
Ihätliche Widerfegung gegen den PB. wird überall 
—* hart beſtraft. Dagegen iſt der auf P. ſtehende 

dann auch zu beſonderer Wachſamleit, Nüchtern⸗ 


eit und Beobachtung der ihm beſonders aufgege— 
enen Funktionen verpflichtet. Cr darf ſich von 


feinem eigentlihen Standpunlt nur etwa 30 Schritt 
entfernen, er darf ihn, ohne abgelöjt zu fein, nie 
verlafien, und jede Bernadhläffigung auf dem P. 
wird härter als fonft beſtraft. Man —— 
Ehren: und Wachpoſten, einfache und Doppelpoſten. 
often vor bem Gewehr beibt der bei jeder 
ache zu deren unmittelbarer eu aufge: 
jtellte P. Im Felde fihern die Vorpoſten ( d.) die 
rubenden Truppen; bei ihnen untericheidet man 
Schhnarr:, Avertifiements:, detachierte P. Die bier: 
bei von der lavallerie gegebenen P. heißen Bedet: 
ten (f. d.). Relaispoften werden aus einigen 
Neitern gebildet und an Straßenpunften aufgeitellt, 
um Depeſchen, Briefe ıc. Schnell weiter zu befördern, 
wenn eine telegraphifche Leitung nicht beiteht. 
Bean ne, ſ. unter Chaine, 
oftenfrieg nennt man die Unternehmungen, 
bie im 17. und 18. Jahrh. von den Heeren, die Win: 
terquartiere bezogen hatten, gegeneinander unter: 
nommen wurden, da fie die Grenzen ber von ihnen 
befegten Gebiete durch Aufitellung Heinerer Trup: 
penabteilungen, fog. Poſten, zu fhüsen fuchten und 
diefe Poſten dann während de3 Winters mehrfach 
Heinere Scharmüsel gegeneinander bejtanden, 
Pöſteny, i. Pöſtyen. 
Poste restante, ſ. Poſtlagernd. 
Postöri (lat.), Nadhlommen; Poſterität, 
Nachkommenſchaft, Nachwelt; Posteriora, nad: 
folgende Dinge, ſpätere nun: auch ber 
Hintere; Pojteriorität, dad Späterjein, das 
Nachitehen im Rang (Gegenfak von Priorität); 
a posteriori, im p ilofoph. Einne, f. unter 
Apriori. u |pät. 
Post festum (lat.), eu dem Een .b. 
oftgeheimnis, f. unter Briefgebeimnis. 
oftgeldfendungen. Wenn jemand eine Geld: 
fendung mittels der Poſt zu Händen des Adreſſaten 
elangen laffen will, fo fteben ihm dafür im deut: 
hen ojtgebiet mehrere Arten der Übermittelung 
u Gebote; er Tann Papiergeld in einen Ein: 
hreibbrief (f. d.) legen, wobei natürlih von 
einer Wertangabe —— abgeſehen werden 
muß; oder er wählt die Abſendung mittels Poſt— 
anweifung (f. d.), oder endlich er entſchließt ſich, 
Geld in die Boftfendung ach einzupaden, Was 
zuerft die Form der Abjendung mittel3 Poſtan— 
weiſung betrifft, fo ift fie die einfachfte und zugleich 
ſicherſte, da alle Schwierigteiten betreff3 der Be: 
ihaffung der Geldjorten (Gold, Papier, Courant) 


214 


vermieden werben, eine Deraubung oder Spoliie⸗ 
rung ausgeſchloſſen ift und bei dem etwaigen Ber: 
[uft des Formulars zur Anmweifung ein Erſaß 
durd eine Doppelpoftanweifung bei der Poſtan— 
ftalt de3 Aufgabeortes fich Leicht befhaffen läßt. 
Für Meinere Summen ift diefe Berfendungsart zu: 
gleich die billigfte, indem ein Brief mit angegebe: 
nem Werte minbeftens 20 Pf. Porto und 10 Bf. 
Derfiherungsgebühr koſtet, während für Poftan: 
weifungsbeträge bis 100 Mark nur 20 Pf. im gan: 
zen zu entrichten find. Man fende daher Kleine 
Geldbeträge bis zu 100 Mark ftetS mittels Poft: 
anweiſung ab, Es tft durchaus zu warnen vor 
der Cinlegung von Papiergeld in Einfchreibbriefe. 
Denn im Falle de3 Verluſtes einer Einſchreibſen⸗ 
dung wird nur ein Erfaß von 42 Mark, für beſchä— 
digte oder jpolüierte derartige Sendungen aber kein 
Griaß geleitet. Das Gleiche ijt der Fall bei Ber: 
fendung von Geld in gewöhnlichen, d. b. nichteinge: 
jhriebenen Briefen. Man beobachte vielmehr ftet3 
den Grundſatz: der Wert einer jeden Sendung in 
barem Gelde muß deklariert, d. h. auf der Adreſſe 
angegeben werden. Daburd wird man ſich vor 
empfindlichen Verluſten bewahren und auch jene 
vielfahen Weiterungen erfparen, welde mit Er: 
jabforderungen an den Fiskus verbunden zu fein 
pflegen. überdies follte man auch davon abjehen, 
nur einen Teil des Werts auf der Adrefie anzus 
geben, den andern aber bei einer Transportver: 
iherungsgefellichaft gegen "Prämienzahlung zu 
verfihern; denn derjenige Betrag an poftalischer 
Aſſeluranzgebühr, welchen man bei geringerer 
Wertangabe weniger an die Poſt zahlt, wird reich: 
lid) aufgewogen durch den Zinsverluſt, welchen 
man jelbjt bei Erlangung bes Zuſatzbetrags von 
ber verlihernden Transportgefellihaft durch den 
Verluft an Zeit oder fonftige Weiterungen zu tragen 
hat, Außerdem ift da3 Geldporto der deutſchen 
Reichspoſt leineswegs übermäßig hoch. (S. darüber 
Bojtporto.) BeiBerjendungen von kurshabenden 
Vapieren ift der zeitige Kurswert, bei Hypothefen: 
initrumenten, Wechſeln u, j. w. ift der Amortifa: 
tiongwert oder Neubeichaffungswert für den Ber: 
luſtfall, im übrigen ſtets der gemeine, d. h. wirt: 
lie Wert der Sendung auf ber Adrefie, und 
nötigenfalls auch auf dem Paket, Geldbeutel oder 
Faß zu dellarieren. 

Geldbriefe müſſen mit einem genügend ftar: 
fen Papier: oder Leinwandumſchlag (ſog. Geld: 
couvert) verfehen und mit mehrern, durch dasſelbe 
Petſchaft mit gutem Siegellad hergeftellten Siegel; 
abdrüden jo verichloften fein, daß eine Berlegung 
des Inhalts ohne Auferlih mwahrnehmbare Be: 
ſchädigung des Umſchlags oder der Siegel nicht 
möglid) it. Am beften find die, wie nachſtehend an: 
gegeben, verichlofienen Leinwandumſchläge: 


>< 


® = Fetihaftabdrud. 


Dabei wirb empfohlen, das Siegellad auch unter 
den Petſchaftabdruck auf die innere Seite ber Klap⸗ 
pen zu träufeln und die Giegelabbrüde nicht aus 
einer jebr diden Schicht Lads, fondern aus einer 
möglichft geringen Menge diejes Materials herzu: 
jtellen, dabei aber die Aborüde ri auszjuprägen, 
Schwere Geldiendungen find in feite Kiſten, ftarte 


Poſtgeſetz 


Leinwandbeutel von mehrfachen Hüllen ober in 
ftarle Fäſſer von Holz zu verpaden; wertuolle 
Bapiergeldfendungen padt man am beften in mehr: 
Id um ben Inhalt gewidelte Wachsleinwand. 
ei Aufgabe von Geldjendungen vergleiche man 
die Angaben in dem von dem Boftbeamten erteil: 
— — AR mi bu on 
ung fe ediglich dieſer Schein bie re e 
AS 
waltung bildet. Derartige : 
ſtens jeh3 Monate nady Einlieferung des Gegen: 
ftandes an bie Dberpoftdireltion bes betreffenden 


„Bon zu —— iq EI 
oftgefeß, die Bezeihnung für diejenigen ge⸗ 
ſeß — — welche Rechtsverhãlt⸗ 
niſſe der Poſtverwaltung zum Publikum feſt— 
ſtellen. Für das deutſche Reichspoſtgebiet gilt das 
Geſeß über das Poſtweſen des Deutſchen Reichs 
vom 28. Dit. 1871. Roch 1866—67, bei Gründung 
de3 Norbdeutichen Bundes, beftanden in Deutſch⸗ 
land 10 felbftändige Poftverwaltungen, von denen 
teil3 Spezialpoftgeiege, teils Verordnungen über 
poftrechtliche Verhältniſſe erlafien waren. Diejer 


une lihe, für das Bublifum fehr ungünftige 
Zuſtand der hin Far wurde durch das 
Norddeutſche Bundespoſtgeſeß vom 2, Rov. 1867 


befeitigt, weldes am 1. Jan. 1868 in Kraft trat. 
Aus diefem Gejeß entitand das einheitliche Reichs: 
polt e is vom 28. Dft. 1871, weldes namentlich 

3 3 regal in Betreff des Perfonenverlehrs gänz: 
lich bejeitigte und die Strafen wegen unregelmähig 
beichaffener Kreuzbandſendungen aufhob; dasſelbe 
bat aud für Bayern und Württemberg, beren 
Territorialpoitverwaltungen durch bie tiche 
—— er; eiftet find, volle Gültig: 
feit. Abfchnitt I dieſes Gefehes enthält die Vor: 
ſchriften über die Rechte und Pflichten der Poſt, 
—— über den Poſtzwang (j. d.); $. 5 garan⸗ 
tiert die hrung des Briefgeheinmifles. Ab: 
ſchnitt II regelt die Haftpflicht der Poſt. Danach 
wird dem Abfender im alle reglementämäßiger 
Ginlieferung Erſatz geleiftet ($. 6): 1) für den Ber: 
luft und die Beſchädigung der Briefe mit Wertan: 
gabe, jowie ber Bafete mit und ohne Wertangabe, 
2) für den Berluft ber refommanbierten (Gin: 
ſchreib⸗) Sendungen (nicht für beren —22* 
ür einen durch —— Beförderung oder Be⸗ 
tellung entftandenen Schaden leiſtet die Poſtver⸗ 
waltung nur dann Erſatz, wenn bie Sache durch 
verzögerte Beförderung oder Bejtellung verborben 
ift, oder ihren Wert bleibend ganz ober teilweije 
verloren hat. Auf eine Beränderung des Kurſes 
oder marktgängigen Preiſes wird jedod keine Rüd: 
fiht genommen, , Die Erjabpflicht der Poſt it aus: 
geichlofien, wenn der Berluft, die Beihädigung 
oder die Verzögerung durch die eigene Fahrläffig: 
feit des Abſenders (3. B. fchlechte Verp ‚uns 
genügende Abrefie), oder durch die unabwendbareii” 
Folgen eine Naturereignifies (vis major, z. B. 
Erdbeben, liͤberſchwemmungen u. f. w.) oder durch 
die natürlihe Beichafjenheit des Gutes (4.3. Leicht 
verderblicher Inhalt an gan. Auftern u. ſ. w.) 
herbeigeführt worden it, oder endlih fih auf 
einem auswärtigen Gebiete ereignet hat wel: 
ches bie Poſt die Erfasleiftung nicht durch ertrag 
übernommen hat. Bei gewöhnlichen (nicht einge: 
ſchriebenen) Briefen wird kein Grjaß geleijtet. So— 
Bu bei Baleten die Angabe des Werts nicht er: 
olat iit, wird im Falle eines Verluftes oder einer 


Poſtgloſſatoren 


Schaden, niemals aber 
jedes Pfund der ganzen 







Senbung vergütet ($.9. Bei Beihäbigungen von 
enden die —— Kur: und 
zungskoſten erjtattet, fofern nicht etwa 
Fahrlẽ it des Reiſenden oder höhere 
Beibädigumg herbeigeführt hat. Der 


muß in allen Fällen 


reiie belegen ift. Diejer 


Anſpruch erliſcht mit d 
Ablauf von ſechs Fr tggpunn = in 
oder vom Tage ber Be: 
ichädigung des Reifenden angerechnet. Aofepmittiit 
des u De we ———— 
i n 
—— Abſchnitt IV enthält trafbeftine, 
bei Bolt: und Bortoübertvetungen (f. d.). 
V regelt das Ber in Sontenoen- 
chnitt 2 — 60 at die 
ei 
— — ner Poſtordnung, 
ꝛc. 


“= 


riften über die Einlieferung 
endungen enthält. 
— * „J. unter G off * — 
ergo at., en 
diefem, daher el vr —* Bezeichnung für einen 
r ‚ wenn man aus der bloßen 
zweier Erfcheinungen einen ur: 
Zufammenbang zwiichen beiden folgert. 
„1. Nahgeboren. 
(lat.), die hintere Säulenhalle eines 
(lat.) nannte man ſonſt Auslegungen 
j über die u und ol: 
fchen Perilopen (.d.), welche uriprünglic) dazu be— 
ftimmt waren, biejen (post ila) verlejen zu 
werben, daber der Name. Eine ſolche trug bereits 
Paulus Diafonus auf Befehl Karls d. G 
dem Titel «Homiliarum» aus den Kirchenvätern 
Die größte Verbreitung erwarben ji) 
im 14. Jabrh. die «Postillae perpetuae in Biblia» 
(5 Bde., Rom 1471) des Nitolaus von Lyra (geit. 
1340), der vorzugsweife der Poſtillator hieß. del 
verbreitet im —— Mittelalter war auch die 
«Roftill» Joh. v3 von Kaijersberg. Am be: 
aber ift die «Kirchen⸗ und Hauspoftille» 


rden. 
Sorten . postillon), . 
tnedht oder — ————— aber —* 


oder mieiſt vom Poſtfuhrunterneh⸗ 


d 


if 






al3 Beamter re und trägt Uni: 
u.a.) gefeiert; von ſei⸗ 
«Schwager» ijt eine Berftümmelung 
(frz. carte-co dance, engl. post 
postali 


rwerfs. In 

alters, wird er doch 
- Sein i ’ das ’ i d [: 
en Se as Alan rk Sa 

ner als Botfcaftsüberbringer i \ 
— — ——7 
chevalier (S er L 
— —— Kat das Bon 

erlangt. 
rrespon 
card, . brief-kaart, ſchwed. brefkort, dãn. 
bref kort, rufj. otkrytoe en ital, ihn 
jpan. — 5— —* van — 
ungar. ferelezösilap orrejpondenztarte, 
zur Erleichterung brieflichen Mt 


— Poſtkongreß 216 


Poſtverwaltung 53* offene Karte (etwa 6cm 
breitund3,s cm hoch), welche auf der Borderfeitemit 
einem Poltwertzeichen in der Höhe des tarifmäßigen 
Portos, jowie mit einem VBordrud für die Adrefle 
verjeben ift, auf der Rüdjeite aber den Raum 
chriftliche Mitteilungen a Die P. wird der 
oft ohne Umſchlag (Eouvert) übergeben und zu er: 
mäfigten Portoſahen befördert, welde innerhalb 
des Deutichen Reichs neb erreid: Ungarn 5 h 
mit Antwortformular 10 Pf., innerhalb bes We 
oftvereins aber 10 Gentimes betragen. In dem 
* it ber Preis für Herſtellung der Karte ent: 
alten. Die P. kann als eine neue, auf dem Prin: 
Er der —— beruhende Briefform ange⸗ 
ehen werben. Die P. wurden vom eralpoſt⸗ 
meiſter des Deutſchen Reichs, Stephan, erfunden, 
welcher ihre Einführung 1865 auf der fünften deut⸗ 
jo Pofttonferenz in Karlerube empfahl; die Idee 
rang jedoch damals nicht durch. Sodann regte 
1869 Emanuel Herrmann, Profeſſor an der Mili- 
täralademie zu Wien:Reuftadt, den Gedanlen noch 
einmal mit mehr — an; ſchon vom 1. Olt. 
1869 ab wurden innerhalb ber Oſterreichiſch. Unga⸗ 
riſchen Monardie P. gegen ein Porto von 2 Freu: 
zer öftere. Währung befördert. Gleich in ben drei 
erften Monaten jtieg ihre Zap auf mehr ala 2Mill. 
Dem Beifpiel Öfterreichs folgten die übrigen P 
verwaltungen, zuerft 1. Mai 1870 bie deutſche 
Reichspoſt. Ein bleibendes Andenken habendie 
poſtlorreſpondenzlarten im Deutjch : Franzöftichen 
Kriege von 1870 bis 1871 ſich erworben. Seitdem 
baben die P. ſich zum von allen Kulturvöltern 
angenommenen Univerfaltorrefponbenzmittel ber: 
ausgebildet. Die Anzahl der (1884) in Europa be: 
förderten P. beläuft ſich auf gegen 600 Mill. (dar: 
unter Deutichland mit 212, England 160, Bjter: 
reich «Ungarn 60, Frankreich 34 Mill). In ber 
nordamerif, Union wurden im J. 1882/83 über 
370 Mill. P. verlauft. Im Weltpoftverein lurſieren 
alljährlich insgeſamt (1884) etwa 1000 Mill, P. 
Bofttongeeh (Snternationaler) wird bie 
Bereinigung von Vertretern der Poftverwaltungen, 
insbefondere der dem Weltpoftverein angehörigen 
Länder, genannt, welche in bejtinnmten Zeiträumen 
(von fünf zu fünf Jahren) zufammentritt, um über 
die tentwidelung der Weltpofteinrihtungen 
und über die Annahme neuer Grundfähe für den 
Weltpoftverlehr zu beraten. Die Vereinbarungen 
unterliegen der Santtion der betreffenden —* 
rungen, welche einen völferrechtlichen Alt über die 
Beichlüffe ratifizieren und auf diplomatischen Wege 


der | außtaujchen lafien. Der erite Verſuch, gemeinfante 


Rofteinrichtungen für mehrere Weltteile anzubab: 
nen, wurde auf der von ber nordamerif, Union 
angeregten — — tlonferenz von 1863 
in Warıs gemadyt. Doc) blieb er ohne prattiſches 
Ergebnis. Beſſern Erfolg erzielte der_auf Hein: 
rich von Stephans Antrieb am 15. Sept. 1874 


in Bern zufammengetretene P. 22 Staaten _be: 


des | gründeten durch den Berner En vom 9. Dit. 


1874 den Allgemeinen Boftverein, und damit war 
die Grundlage für gemeinjame Regelung des Welt: 
—— geſchaffen. Die zweite pariſer oſt⸗ 
onferenz erweiterte das in Bern begonnene Wert 
und begründete mit der Annahme des einheitlichen 
MWeltportos von 25 Gentimes = 20 Pf. für den 
einfachen Brief den Weltpoftverein (Bertrag 
vom 1. Juni 1878). Der dritte Weltpojtlongreß trat 


erfehrs von der | am 4. Febr. 1885 in Lilfabon zufammen, gebilde 


216 


aus Vertretern von 48 Poftverwaltungen. Der: 
felbe auf namentlich weſentliche Erleichterungen 
für den Austauſch der Briefe mit angegeben m 
Werte, für die internationale Paletpoit (5,Rilo: 
Badete) und für den internationalen Poſtauftrags⸗ 
bienft. Die betreffenden Beſchlüſſe treten am 
1, April 1886 in Kraft (1. Poſtweſen). 
Sol (Karl), ſ. Sealsfield (Charles). 

o — (früher posterestante, frj. bureau 
restant, ital, ferma in posta, engl. to be called 
for at Post Office) ijt die Vezeihnung für folche 
Poſtſendungen, welche am Beitimmungsort nicht 
durch bie — 55 — an den Adreſſaten beſtellt, 
ſondern im Poſtamt bis zur Abholung ſeitens des 
berechtigten Empfängers aufbewahrt werben ſollen. 
Statt de3 Namens des Adreflaten fann, nadı der 
deutichen Poſtordnung, eine Angabe der Adreſſe in 
Buchſtaben oder Ziffern angewendet fein; nicht zus 
Läffig ift die bei Sendungen, für welche die Poſt ge: 
ferlih Gewähr j leiften hat. Die Aushändigung 
poftlagernder Briefe erfolgt an diejenige —* 
welche ſich zur Abholung meldet und bei Sendungen 
gegen Poſiſchein u. ſ. w. durch einen Paß, Legiti: 
mationsſchein u. ſ. w. ihre Berechtigung zum Gm: 
pfang nachweiſt. Die Abholungsfriſt beträgt einen 
Monat für Sendungen im Inlande, zwei Monate 
bei Sendungen vom Auslande. 

Po um (lat.), die Rüdlehr (inter die 
Zbürihwelle, d. i. nad Haufe), ſ. Jus postli- 
minii; auch bie MWiederheritellung ber frühern 
Rechtsverhaltniſſe in einem Lande nach deſſen Be: 
freiung von feindlicher Gewalt. 

oftmandat, |. Boftauftrag. 

e, |. Sreimarte. 

oftmeile, ſ. unter Meile, 

oftnachnahmen graben VBoftvorfhäffe) 
können bis zu 150 Mark auf Briefiendungen und 
Palete mitteld der Poſt als Erftattung von Spe: 
fen, Auslagen u. f. w. entnommen werden. In 
der Aufichrift (ſowohl auf den Briefen, als = 
auf ben Baleten und auf den Begleitadrefien) mu 
ber Nachnahmevermerk lauten: Nachnahme von 
.... Mark .... Pf., auch bat der Nbiender Na: 
men und ——— zu bezeichnen. Die Auszahlung 
des Betrags erfolgt erſt, nachdem die Poſt ihn 
vom Adreſſaten erhalten hat, und zwar empfängt 
ihn der Abſender mittels —————— ohne Ab⸗ 
ng. Uneingelöjte Sendungen müſſen fpätejtens 
ieben Tage nach dem Cingange an den 


fender 
urüdgefhidt werden, Wünfcht der Abfender eine 
———— Abwidelung, fo hat er die Sendung 


mit dem Vermerk « Sogleich zurüd» zu verſehen. 
Wegen der Gebühren ſ. Boftporto. 

Post nubila Phoebus, neulat. Gprid: 
wort: «Nach Molten die Sonne», unjer: auf Regen 
Top Sonnenfdein. ’ 

oftnumerando (lat.), nachzahlend, im Gegen: 

faß zu Pränumerando (f. d.). 
Hor-Offie-day, f. u. Galapagoßinfeln. 
oftorduung, vom 8. März 1879, iſt eine auf 
Grund des Reichspoſtgeſehes vom Neichätanzler 
erlafiene — welche die Vorſchriften über 
die Deichaffenheit, Verpadung und Adreſſierung 
ber der Poſt zu übergebenden Sendungen jeder Art 
(Abſchnitt I), ferner die Bedingungen für Eſta— 
fettenfendungen (Abfchnitt Il), für ferfonenbeför: 
derung mittel3 der Poſten (Abſchnitt III), endlich 
für Ertrapoft: und Kurierbeförderung (Abſchnitt IV) 
enthält. Mer Sendungen mit der Poſt befördern 


ſeheslraft 


Poſtl — Poſtporto 


laſſen will, muß ben It ber P., welche Ge: 
bat, genau achten, um fi vor Ver: 
luften zu bewahren und eine gefiherte Boftbeförde: 
rung für die eingelieferten Sendungen zu erreichen. 
fipatetfendungen. Obwohl Bädereien im 
Deutihen Reiche er mehr dem yolgmange f.b.) 
unterliegen, aljo aud auf andern Wegen abgejandt 
werden können, bat doch die Poftverwaltung ver: 
möge ihres vortrefflih eingerichteten, fchneller 
als die Eifenbahnen und andere Transportanital: 
ten funktionierenden Poftpädereibetriebes alle Hei: 
nern Pakete an fi geogen. fiberdies ift die 
Baletbeförderung mitteld der Poft vom Stand: 
—— ber Landeskultur geradezu unentbehrlich; 
nn ohne den Bädereidienit der Bft würben viele 
Gegenden, welde von Eifenbabnen noch nicht be: 
rührt werden, binfichtlich des Güteraustaufdhes und 
Warenbezugd in hohem Maße benachteiligt fein. 
Deshalb ift es zwar nicht unbedingt notwendig, 
aber doch vom Standpunkte der Berüdfihtigung 
verlehrsarmer Gegenden wunſchenswert und jeden: 
fen wirlſamer, wenn die Staatspoft ben Rädercı: 
ienft in eigene Verwaltung nimmt und bie Tarife 
o feitftellt, daß fie, ohne jedoch Staatszuſchüſſe in 
nſpruch zu nehmen, burd) ihre Billigleit den Aus: 
taufch von Waren und Gütern fördern. Die beut: 
ſchen Staaten haben diefen Grundfaß von alters 
er beobadhtet und ben Pädereibetrieb durch bie 
taat3poft beforgen lafien, ebenjo Dänemarf, 
Schweden, Norwegen und Rußland. In Frankreich 
beitanden bisher nur PBrivatpafetgejellichaften 
(Messageries), ebenfo in England (Agence conti- 
nentale etanglaise), in den Niederlanden van Gend 
et Loos u. a. m. Die Begründung des Weltpoftver: 
eins hat aber zur Folge gehabt, daß die fremden 
Staaten, nach dem erfolgreichen Vorgange Deutſch⸗ 
lands, ebenfalls Staatspaletpoſten einrichteten, 
fo neuerdings namentlich England, bie Nieder: 
lanbe, Belgien, Stalien. 

Bis zum J. 1873 waren aud bie deutſchen 
PBaletportofäge der Reichspoſt ——— 
durch ihre ielftufigleit Schwer anwendbar. Durch 
das auf Stephans Initialive erlafiene Geſeß über 
das Polttarweien vom 17. Mai 1873 wurde eine 
durchgreifende Tarifreformeingeführtunddas Porto 
für Palete bis 5 kg auf den Einheitsſaß von 50 Pf. 

i8 10 Meilen 25 Bf.) feſtgeſeht (f.u. Poltporto). 

iefer Einheitstarif hat die Verſendung von Waren 
und andern Gegenftänden bis zum Gewidt von 
5 kg in hohem Maße erleichtert und erweitert. 
Namentlich find durch da billige einheitliche Porto 

blreihe Handelaverbindungen und Berjendungs: 

eziehungen ermöglicht, fo 3. B. Verſendung von 
Kafiee, The, Tabak in Heinen Pateten bis 10 Pid., 
von Be Butter und andern Nabhrungdmitteln, 
ebenfo von — Konfeltionsſachen, ſelbſt 
von lebenden Tieren (harzer Ganarienvögeln); es 
baben ſich dadurch birelte Beziehungen zwiichen 
den Produzenten und Konfumenten gebildet, welche 
früher des hohen Portos wegen nicht möglich 
waren, vom Standpuntte ber Landeskultur aber 
höchſt bedeutiam find. Innerhalb Deutſchlands be: 
—* ſich alljährlich 50-60 Mill. Zehnpfund: 
palete, Die Verfendungs: und Berpadungeverdin: 
gungen enthält die Poſtordnung von 8. März 1879. 

Poftporto, ——— beſtand das 
Porto, d. h. die für Beförderung von Poſtſen— 
dungen mittels der of u entrichtende Gebühr, 
aus unverhältnismäßig hoben und meift ganz 


PVoftprädilamente — Postscriptum 


willtürlich f Beträ der felbftänbi 
Eioat Hate Tee eigenen Doriefähe, melde I 


- a anopeit ſchwer verftänt waren, in | 20 


vorm gg ifiermaßen eine Steuer "auf 
bie N da ie und den Gedanfenaustaufd dar: 
Sn England wurde vor 1840 jedes ein: 
—* — eines Briefs taxiert, woraus 
ein förmliches Spionierſyſtem ſich erga ab, um bei 
IK werern Briefen durch allerlei fün tliche ae 
ie Zahl der Briefbogen und demgemäß bie Zahl 
der anzumendenden Bortofähe zuerforichen. Deutich: 
lan halt in jedem ber Bundesgebiete eine Tertis 
to oft, nur in Süd: und Mitteldeutfchland 
waren verſchiedene —— als Dan 
— den Fürjten von Thurn und Taris (f. d.) ver: 
odaß noch vor — —— 17 
io —— in Deutſch Gehan en, von 
den jede innerhalb ihres be dad Worto 
felbftändig feititellte. Nimmt man die Auslands: 
pe ofäse hinzu, jo erijtierten 1500—2000 verjchie: 
ne Bortofähe, deren Anwendung u wie: 
ee im efolge hatte. In England regte fi 
der Kampf dagegen. Am 10. Jan 
— ills (j. d.) Pennyporto, alfo ber 
murhe Ai Portojap von 1 Penny a den ein: 
Ban Brief, An feftgeftellt. Dieſem Vorgang 
— ch und nad) die übrigen Poſtverwaltungen; 
löglihe Ausfall in den Poſteinnahmen uns 
nicht ohne weiteres ertragen werden, 3 
nn Briefvertehr, ohwoßl er fich tr * 
nah, "Ben doch nicht ſogleich den erhofften Umfang ans 
Deutichla erhielt den Ginheitsja yon 
Pf. für den info —* —— erſt 1868, na 
En der Nordde und: despoft. 

Die neuern Porto: * mens ber Deut: 
— ko aıfbs Saar i 
vom 28. Dit. 1871 nebft ujabgeieb ſehen vom 17 
1874. beträgt das 


1873 und 3, Nov 
Briefporto imerSalß pe Ian 3 für den ge 
wöhnli ierten Brief auf alle —— — 


bis au Ben einf ww. 10 Pf., bei aröherm 
zum dlag vo Oi unfrantierte Briefe 


2 in erhoben, weil die 
ni 

größere Dahvaltung und Kontrolle erfordert 
—— —5* wird, neben — 
10 — —— rag be für Boftlarten 
(f. d.) Pf. ohne Unlerſchied der Entfer: 
—X P er als Drudſachen hergeitellt, 
Unzureichen —— ue oder —8 

achen iſt zu —— - —— ar rei id 
über 50—250 g 
über IL, big ke Snfatchu 0 30 Bf.: € Be 
* Papyrographs, — * 
Srudia — — ie 
Büder: 
— Sendungen mit Büchern, 
farten, Beitfeprften, Bildern ıc., 
3 

rudjadhenporto eine 
—— 10 it au oben. ns ben 
„wenn fie frankiert find, 10 Pf.; bei un: 
be anlierung wird der rt Betrag 


an on endungen 
Bufclag von 
rten mit Antwortöformular 10 
Fi, 
dert. rt Dru 
—* 
Vorio ift für die mittels 
20 tie einge — werden. 

— des Preiſes bei 
fen, ohne Unterjchied des Gewichts und der Ent: 
fenden Bortoteildvom Empfänger eingejonen 


217 


Für tried ber Onir beträgt die Gebühr, 
ohne Unter —— der —— * 100 Marl 
100 Want 40 31 Woaufträne Tnb mit 30 Bf. 
tar oftaufträge find mi 
zu franfieren. Das Huf für Balete beträgt: 
1) bi85 kg au an bis 10 geogr. Mei: 
I si li ‘f., auf weitere Entfernungen 
eim Gewicht über 5 kg: für die eriten 
5 ie Ne —* unter 1, für jedes weitere Kilo— 
ka bis 10 Meilen (Zone 1) 5 Pf. bis 20 Mei: 
en (Zone 2) 10 Pf., bis 50 Meilen (Bone 3) 
bis 100 Meilen (Zone 4) 30 Bf., bis 150 
Bellen en 5) 40 Pf. über 150 Meilen (Bone 6) 
She ür Sperrgut wird dieſes Porto um die 
gr te erhöht. Bei unfranlierten — bis 
einſchließlich iſt ein Suichlan von 10 Pf. zu 
blen. Wertjendungen unterliegen außer den 
SBorto einer Berficherungsgebühr. Es ift zu zahlen: 
für — mit Wertangabe ohne Rüdjiht auf das 
Gewicht bei Entfernungen bis 10 geogr. Meilen 
—— 20 Bf., auf alle weitern Entfernungen 
40 Bf. (un anfierte 1U Pf. Zufchlag); für Palete 


0 | das gewöhnliche Paletporto; außerdem an Ver: 


fiherungsgebühr 5 Pf. für je 300 Mark oder einen 
Teil von 300 Mark, mindeitens aber 10 Bf. Für 
Ginf&hreibfendungen wird, außer dem Porto, 
Em Ginihreibgebühr von 20 Br. erhoben. Für 

— Bee ae re beträgt das Porto wie 
vor bei Wertiendungen, doch find ftatt der Ver: 
fi ——— an Rachnahme ebühr zu — 
2Pf. für jede Mark oder einen Zeil von 1Mark, 
mindeltens aber 10 Pf. Die Zeitungsgebühr 
beträgt 25 Proz. des Einfaufspreifes der betreffen: 
den Zeitung, «gi find bei Zeitungen, welche felte: 
ner als viermal im Monat ——— nur 12%, 
—— zu erheben, mindeſtens aber 40 Pf. jährlich. 

ie Bortofreiheiten find gefeplich aufgehoben 
und beitehen im weſentlichen nur noch für hilitäre 
a und Neichsdienitiendungen, fowie für bie 
Sendungen von den Fürften des Deuticen Reichs 
und deren Gemahlinnen und Witwen. 

Poitprädifamente, in ber alten Logik die von 
—— es nach den zehn Kategorien behandelten 

gemeinen Begriffe des Gegenſahes, der Zeitfolge 

en der Gleichzeitigleit, der Veränderung und des 
Buftandes (oppositum, contrarium, prius, poste- 
rius, simul, motus, modus habendi). 

Poftreg jäl ift das aus den Hoheitsrechten (jura 
* * Staats ſich ergebende, den Gewerbe: 
betrieb von Brivatperjonen ausfhliefende Recht — 
Staats, Bolten, d. h. Transportanſtalten mit re —— 
mäßiger Abgang3: und Antunftszeit, ſowie nad) 
ftänden mit unterwegs gewechſelten Teansportmits 
teln einzurichten und zu — —2* Recht 
des Staats iſt ein unveräußerliches, auf Erzielun 
der Vollswohlfahrt — es verbleibt ihm au 
dann, wenn, wie die Seihicht e es lehrt, die Aus⸗ 
—8 des Regala als Lehen an Private verliehen 

burn und Taris, f. d.) oder gegen Zahlung 
Mae — — verpachtet De eneralpächter 
in — Der Poſtzwang (ſ. d.) bezieht ſich auf 
Fe 5 Fi Kos Sendungen, welche 
ausjchliehlich mit den vermöge des Negals begrüns 
deten Bolten befördert werden dürfen. 
en (lat.), der Raum hinter der Bühne, 
chiff, foviel wie Paletboot. 
Postscriptum (lat., abgekürzt P. S.), Nach⸗ 
—— zu einem Schreiben; von tribieren, eine 
achſchrift beifügen, 


218 


mwaltungen — Deutſchlands getroffenen Ein⸗ 
richtungen, welche unter Mitwirkung ber Boftan- 
ſtalten als Sparannahmeſtellen dem Publikum die 
verzinsliche Anlegung kleinerer Erſparnisbeträge 
unter Garantie des Staats für deren prompte Ju: 
rüdzahlung ermöglichen. Großbritannien war das 
erite Land, welches, genötigt durch fchreiende Mip- 
ftänbe und große Unterſchleife bei den jelbitändigen, 
feit 1817 beitehbenden Brivatiparlafien (savings 
banks), auf Vorſchlag von Mr. Syles in Hudders⸗ 
field, zur geiehfihen Einführung von Staatöipar: 
laſſen (Post ofüce savings banks) ſchritt. Die be: 
treffende Bill (Act to grant additional facilities 
for depositing small savings at interest, with 
the security of Government) wurde unter be& 
Schatzlanzlers Gladftone Mitwirkung am 17. Mai 
1861 in Kraft geieht und ber Poitiparbetrieb zu: 
nächſt mit 300 Poftämtern eröfinet. Die Em: 
lagen beginnen von 1 ©h. und —* bis 30 Sh. 
in einem Jahre ſich ſteigern, der Meiſtbetrag mit 
Zinſen beträgt 200 Pfd. St.; der Zins iſt 2 Rd. 
Et. 10 Eh. von 100 Pfd. St. Die Einheitlichkeit 
des Poſtinſtituts, defien Verzweigung durch alle 
Teile des Yandes, große Grleichterungen bei der 
Zurüdzahlung und die unbebingte Garantie des 
Staats waren Faktoren, welche die jtetige Vermeh— 
rung der Poitiparlafjeneinlagen in hohem Maße 
begänftigten, obwohl daneben die Brivatiparfaiien, 
und zwar unter befjerer Kontrolle de3 Staats fort: 
been blieben und zum Teil höhere Zinfen ala 
die P. gewährten. Im %. 1860 waren 638 ber: 
artige Brivatiparfafien mit Gefamteinlagen von 
412359145 Bid. St. in Großbritannien vorhanden. 
Bis zum 31. Dez. 1869 war die Zahl der 


Ginlagen beliefen ſich insgeſamt auf 51078765 
fd. St. (37554556 Pd, St. bei den Privatipar: 
laſſen, 13524209 Pfd. St. bei den P.). Im J. 
1880 waren 6302 P. mit 2185 Sparfaffenbüdern 
und 33745000 Pfd. St. Einlagen einſchließlich Zin- 
jen vorhanden. Bon den alten Privatiparlafien 
waren bis 1870 154 eingegangen, neue aber find 
nicht mehr gegründet worden, 

Die tontinentalen Länder Europas verbielten 
ſich dieſen brit. Einrichtungen gegenüber abwar: 
tend; namentlich hatte Deutichland vorerjt Leinen 
unmittelbaren Anlaß, die vorhandenen Kommunal: 
—— welche muſterhaft eingerichtet ſind und 
durch nlegung der Spargelder für provinzielle 
oder kommunale Zwede wirtichaftlih überaus 
woblthätig wirkten, durch Eintritt der Konkurrenz 
von P. zu beeinträchtigen. Auf dem europ. Kon: 
tinent war e3 zuerjt Belgien, welches die britijchen 
P. nahahmte, indem 1865 mit der Delgiihen Bant 
ein Ablommen wegen ——— einer ſtaatlich ga⸗ 
rantierten Caisse genérale d'épargne et de retraite 
getroffen, 1870 aber bie Nitwirtung der Poſt⸗ 
anftalten als Filialen diefer Staatsiparlafie ins 
Werk gefeht wurde. Die Zabl der Annabmeftellen 
wuchs von 57 (1868) auf 554 (1880). Die Ein: 
lagen betragen etwa 11 Mill. Frs. Um die An: 
janımlung Heinfter Sparbeträge zu erleichtern, hat 
man in Belgien Sparmarfen von 5 Gent. an ein: 
geführt. In den Schulen find fogar Marten zu 
2 Gent. zugelafjen. Die belg. Sparlafje legt die 
Ginlagen teil3 proviforiih in guten Wechſeln, 
Warrants, GStaatöpapieren, Kommunalaltien, 
teils definitiv in Hypothelen, Staats: und Kom: 


) war [der Syar⸗ 
taflen (Private und Bolt) auf 4554 geitiegen. Die | 





Poſtſparkaſſen 
Poſtſparkaſſen find die von einzelnen Poſtver⸗munalobligatio 


ionen an, woburd in großen Krifen 

die Zurü erleichtert wird. Am 1. Jan. 
1876 — ien mit der Einführung von P. 
dem Beitpiel Englands und machte ſehr günſtige 
Erfahrungen damit; benn ſchon Ende 1876 beitau: 
den 1989 P. mit 2443000 Fr3. Einlagen; 1880 
belief deren Zahl fich auf 3313 mit 46253 000 Frs. 
Einlagen. Es werben ben italieniihen P. meijt 
nur Meine Erſparniſſe zugeführt; der Dur itts⸗ 
betrag eines jeden Buchs nee (1880), 
bei den daneben beitehenden en dagegen 
710 Frs., bei den Vollsbanken und Krebitinftituten 
ogar 1000 Irs. Die ältern Spartaffen haben ſich 
in Italien ebenfalls fräftig entwidelt, fie hatten 
Ende 1879 mehr al3 1 Mill. Spartafjenbücher mit 
814 Mill. Frs. Guthaben im Umlauf. s 
Frankreich führte durch das Gefch vom 9. April 
1881 ebenfalls Spartaflen unter Benugung der 
Boitanftalten ein, wobei die Einlagen unter Garan⸗ 
tie bes —— * Caisse des depöts — con- 
signations in franz. Staatöpapieren angelegt wer: 
den. Die Einlagen —* 2000 Frs. über: 
fteigen, der Zinsfuß beträgt 3 vom Hundert. 
Arbeiterforporationen, Wobltbätigkeitstnjtitute, 
Vormünder u. f. w. lonnen bis 8000 Frs. eimab- 
len. Auch in Frankreich zeigt das Boltiparlaflen: 
tapital eine fortwährend a Im 
J. 1882 betrug das Sparautbaben 47599891 Fr3., 


| Ende 1883 77444134 Fra, auf 375888 
\ tafienbücber. 


Spar: 
Auf 1000 E. fommen (1883) 9,1 
Bücher. Franfreih und Belgien haben unterm 
31. Mai 1882 eine internationale Übereintumft 
wegen libertragung der Sparguthaben von den P. 
de3 einen Pandes auf diejenigen des andern Landes 
aetroffen, doch wird dieſer Dienft wenig bemuht 
(1883 nur in 43 libertragungen und 94 Zurüd: 
zahlungen). Am 1. April 1884 wurde ber franz. 
Poſtſparkaſſendienſt auf Algier und Tunis ausge 
dehnt. Der überſchuß der franzöſiſchen P. betrug 
1883 111172 Fres. Frantreich bat im Ariege 
1870/71 die Erfahrung gemacht, dab felbft 
großen Krifen die Gefahr eines allgemeimen run 
bezüglih der Zurüdforberung der Spareinlagen 
nicht zu beforgen ift. Ende 1870 betrug das Spar: 
authaben, das Anfang 1870 fih auf 684 Mill. 
Irs. belaufen hatte, 632 Mill. Fr3.; Ende 1871 
538 Dil, Frs.; die gejamte Verminderung be: 
ziffert fich alio auf 21,3 Proz. OSſterreich-Ungarn 
rief P. am 12. Yan. 1883 in3 Leben. Ende 1883 
betrug die Zahl der Einlagen bereit# 1802756 und 
deren Betrag 8176883 Fl., wovon etwa 3 Mill. Ft. 
im Laufe des Jahres zurüdgezogen wur ſodaß 
5,3 Mill, Fl. im Beſtande verblieben. den 
iederlanden bezifferte fi das Sparguthaben bei 
den P. Ende 1883 auf 3217605 FI. mit 67922 
Büchern. Das Durchſchnittẽguthaben auf ein Buch) 
beträgt 12,18 Fl. Freimarken können, ebenfo wie 
in Belgien, in den Niederlanden als Sparmarken 
benußt werden. Schweden führte den Boftipar: 
tafienbetrieb vom 1. Yan. 1884 ab ein. Der Min: 
deftbetrag ift 1 Krone; auch find Sparmarfen zu 
10 Sre eingeführt. Der Zins beträgt 3,60 Proz, 
wird aber nur für jeden vollen Monat gewährt. 
Außerhalb Europas * bis jeht von Japan, Gas 
nada und den auſtral. Kolonien eingerichtet worden. 
Deutſchland, welches übrigens vortrefflich ver: 
waltete Konmunalſparkaſſen beſiht, ſteht ebenfalls 
im Begriff, die Einrichtung von Reichspoſtſparkaſſen 
vorzubereiten, da es von hohem wirtſchaftlichen 


Post trinitatis — Poſtweſen 


Werte iſt, der Bevölterung möglichjit zahlreiche An: 


uabmeeen fr, Graenlgen ber, 
Si — * 


— 
— * — * 
e, in the a N 
—— —— 


Reg 
0 
— 38. Dit. 1871, welches in 
27— ee Strafbeftimmun en ent: 
des er een —— ———— mer 
3 Mart ‚wer B ber polit. Zeitu 
welc —— = Bo E. ‚ui ander 
0 n s 
—* oder verje wer fü gi — portopflich. 


—— —* ie ortofreiheit bedin —* 


— — —— 
nutzt —— Betrug zu Salben): 


—* oder andere Sachen zur Um: 

e einem Poftbeamten oder 

Be — 
ung elben ⸗ 

ram ——— die Bun pelt, bei fernern 


eublid, wer 
Sri sn 
ferner wifjent: 


en aber verv 
lich, um m ber oflafle das a ‚Berfonengeld zu ent: 


ben, öweije ohne Lö: 

cheins, mit r Bolt reiſt, wird mit 

— Send —* e Be erfonengelbeß, min: 

eg Außer der 
I allen allen | das ——— Porto 
—— Perſonengeld nachträglich zu 
—— eigene und Entideidung im 

t derjenigen Oberpoſtdirel⸗ 

an zu, —— En die Poftanftalt des Auf: 

gabe: oder Einſchreibungsortes liegt. 

(lat., a i. Verlangen — in 

mentlich der —— Be⸗ 

zeichnung ihn fr Aufgaben, deren Loſung o weitere 
ic) ai 3. D. zwilden zwei 

Bas = gerade Linie u — während 
robleme Aufgaben find, uflöfung erſt 
von Operationen möglich ift. In 


—— inne nennt man P. auch jede Voraus⸗ 
—— —— en en —* —— fein läßt, 


hulaten, vr nraltiidhen Ver: 


—— ntiche Philoſophie die Glau⸗ 

erblich⸗ 

der Men De diejelben ſich im mo: 
== ung im it als unabweis: 

ie — 3 — —— 
a —* ine eben, obne no 

en tbeoretifches 


zu fein 
—2 An * Stände: 
infofern fe fie zur Bewilligung von 


en) 






welche die Regierung des Fürjten 
—————— —— 
t., abgelurzt 
P. u. c.), nach Erbauung der Stadt. er: Kom). 
ans oftnahnahmen. 
dreimarte, 






(Boit: —* Ben equites, nad) Sue: 


ton von 


aufgeitellte Reiter [Relais] zur Bes ! 


219 


förderung von Kriegsnachrichten) ee nad) 
dem modernen vo eine Staatsverfebrsanftalt 
ur Beförderung von Briefen, —5* n, Geldſen⸗ 
—* en und, in mehrern europ —8 von 
ereien und Perſonen. Das P. iſt, als Aus: 
dub 5 des aus dem Begriff der Souveränetät ſich er: 
gebenden ftaatlichen Regals (j. Poſtregah, in 
allen civilijierten Ländern als Staatsanftalt unter 
geiehlihen Garantien eingerichtet, weil die Not: 
wen —— mit Aus Pr des Privatgewerbe 
betrie bes, das Verlehrsbedürfnis —— 
rigen dur gewifienhafte, unter die Be 
—— gane Ilte —— Betriebäein, 
—— unbedingter Negelmäßigfeit und 
* ahrung des Briefgeheimnifies zu ge 
digen. Überdies verlangt der internationale 
talter der Wirlſamleit des P. vielfache Vertrags: 
abichlüfje, welhe unter Beachtung der Grundfähe 
des Völlerrehts — find und daher nur 
von den Staaten felbit vollzogen werben können. 
Vom nationalölonomiichen Standpunkte aus muß 
ebenfalls der ftaatlihe Betrieb des P. als zwed: 
* anerlannt werden, weil nur dadurch zu er⸗ 
— iſt, daß alle einzelnen Landesteile, gleich: 
viel ob fie bedeutenden oder geringern Berfehr be: 
fisen, mit gleihen Boiteinrihtungen bedacht wer: 
den, deren Koften eben von der Gefamtbeit, d. h. 
dem Staate zu tragen find. Diefe Art der er: 
waltung fiert zugleich die fchnellite Ginfü A, 
von Betriebserleichterungen, Bortos und 
—* en | und andern Verbeflerungen, die * 
etrieb, ihrer Koſtſpieligleit halber, jedenfall⸗ 
ng Zeit hinaus uſchieben geneigt wäre, 
Altertum * lte es an sBoiten im jebigen 
Simgänjid; ‚vielmehr mußte man ſich jahrtaufende: 
lang zudem Nachrichten⸗ und Briefverkehr der Boten 
und Sußläufer bedienen, wie dies aus den Angaben 
der heil. Schrift (Either 3, 12), des Herodot, Diodo: 
rus Siculus, Strabo, Sueton, S Suidas u. a.m. ber: 
vorgeht. An Babylon, eiay n (unter König 
Amenbotep 1500 v, Chr.), China (nad Marco 
Polo), Griechenland, Rom und ebenfo bei den Inkas 
in Beru beftanden Boten: Einrichtungen, welde 
naturgemäß anfänglid nur zur Beförderung der 
Negierungsfahen und Befehle des Herrfchers dien: 
ten, nad) und nad) aber auch für Privatzwede Ber: 
wendung finden. Der von Chabas te Ra: 
pyrus des Königs Mineptoh (1300 v. Chr.) er: 
wähnt zahlreiche ägypt. Briefboten (Bäal, at, 
Nedt:amon, Sohn des Zor). Von den griech. 5 
merodromen haben — aus —— 
der 316 v. Chr. im Wettlauf zu Olympia ſiegte und 
deſſen aus grauem Kallſtein gemeißelte Stele von 
Prof. Curtius in Olympia aufgefunden ift, ſodann 
Philonides, ein Abjchreiter NAleranders d. Gr. in 
Alten (Annartorng rüs Aolac), deſſen Denkmal eben: 
fall in Olympia ausgegraben üt, ſowie Phidippus, 
welcher den 1200 Stadien langen Weg von Athen 
nad) Lacedämon in 24 Stunden durchlief, um den 
Einfall des Darius dorthin zu melden, endlich Yadas, 
von deſſen Zub man im Sande feine Spur zu jehen 
—— eine —* Berühmtheit erlangt. Ci: 
cero, Cäfar und Martial erwähnen der liburnifchen 
Stlaven ala tüchtiger ne und Briefboten in 
Rom (tabellarii, von tabella = Brieftäfelhen). 
Doch war die Vriefbeförderung vom alten Rom 
nad) den Provinzen, worüber Cicero in den Brie: 
fen an Atticus vielfach Hagt, eine jehr langſame 
und oft unzuverläffige. Cäfor fand in Gallien 


220 


Rufpoften vor. Auch Feuerzeichen (Fanale) dien: 
ten Gänfin zur Bermittelung von ** Aſchy⸗ 
los. Die Anwendung des Pferdes bezeichnet 
einen großen Fortſchritt für den Kurierdienſt. Kyros 
hatte, wie Xenophon in der Kyropädie (8. Buch) und 
Herodot (VIIL, 98) mitteilen, in eh weiten perl. 
Reihe von drei zu drei Stunden Stationen errich— 
tet, auf welchen gefattelte Pferde Tag und Nadıt 
bereit ftanden, um die Kuriere (Zyyz>oı) mit ben 
Depeſchen des Königs an deſſen Satrapen unauf: 
gehalten und zu jeder Zeit weiter zu, befördern, 
Diele Angaroi (daher die Einrichtung den Namen 
Angareion, dyyazeiov, nad) einen perſ. Worte Gara 
[Frondienft] erhielt) legten die 111 Stationen = 
333 Meilen von Sardes (bei Smyrna) bis zur 
Hauptitadt Sufa in 6 Tagen zurüd. Auch der Maul: 
tiere bedienten fi bie Cilboten_de$ Artarerres I, 
(Bud Eſther 8, 10, 14); fpäter foll Antigonus bei 
den Heinafiat. Kriegszügen den Eilboten Dromedare 
gegeben haben, mit denen fie 1500 Stadien pro Tag 
zurüdlegen konnten, was ebenfall3 auf untergelegte 
Nelais hindeutet. Aleranders d, Gr. Boten an 
Parmenio, der ihn verraten hatte, legten den Weg 
von a nam nach Ekbatana «auf jchnell laufen: 
den Kamelen» in 11 Tagen zurüd, 

Den Römern blieb e3, bei ihrer ftraffen Staat: 
einheit, vorbehalten, den poftmäßigen Gebrauch des 
Pferdes nad) den VBorbilde der Perſer im Abendlande 
einzuführen. Darauf deutet Schon die Ableitung des 
Wortes veredus hin (vom perj. berd = tragendes 
Pferd), dad mit der griech. Bezeichnung PBeztda; 
übereinftimmt. Das Wort «Prerb» (niederſächſ. 
perd) iſt danach dem gemeinfamen indogerma: 
niſchen Sprachſtamm entiprofjen. Die reitenden 
Kuriere Roms nannte man veredarii (auch diplo- 
marii = mit Freipäſſen Verfehene). Solche rei: 
tende Boten hat, nad) Sueton, zuerft Cäfar auf: 
geitellt (dispenere equites, positi equites), um 
Kriegsnachrichten zu befördern; es waren junge Leute 
(juvenes), deren fehr primitive Kleidung, ohne 
Schuhe, ein Mojcitbild im Tempel der Diana in 
Non andeutet, Gteigbügel und Sporen waren 
nicht im Gebraud. Ein etiwaiges zweites Beipferd 
bie paraveredus oder parhippus, Mit dem Wache: 
tum des röm, MWeltreihs unter Auguftus wurde ed 
nötig, zu dem Neife: und Nachrichtenverlehr Wagen 
zu benuen, Der ältefte röm. Wagen ift die rheda, 
uriprünglich zweiräderig, Später vierräderig, auf der 
Gäjar große Streden zurüdlegte (Sueton, «Leben 
Gäjard», ap. 37) und die mit 1000 Pfd. belaitet 
werden konnten, Schneller und leichter als bie 
rheda war da3 zweiräderige eisium, das Cicero in 
derNede pro Roscio erwähnt. Die carucca (Luxus⸗ 
wagen) und das carpentum (Pädereimagen) waren 
vierräderig; zum Fortſchaffen des Gepäds der Sol: 
daten dienten die clabulae oder clabularia vehi- 
eula (Leiterwagen). 

Die Anfänge poftmäßiger Einrichtungen durch 
Auguſtus (vgl, Sueton, «Leben des Auguftus», 
Kop. 49) verlegt man in die Zeit nad) den Bürger: 
triegen; jedenfalls brachte Auguftus die vorhan: 
denen Beförderungsmittel von Neitern und Fuhr— 
werfen in geordneten Zuſammenhang; e3 ift dies 
der röm. cursus publicns, bei dem zur Beförderung 
der Fuhrwerke die Leitungen der Privaten heran: 
gezogen wurden. Die große Zahl der Militärs, 
Staatsbeaniten u, ſ. w., welde auf Grund von 
faijerl, Freipäfien (diplomata und evectiones) mit 
dem cursus publicus fid) befördern liefen, gejtaltete 


Poſtweſen 


dieſe Leiſtung einem ſchweren Frondienſt der 
Landbewohner, der mit der Ausdehnung des Reichs 
immer brüdender wurde. Caligula und Helioga— 
bal benugten den cursus publicus zur Beſchaffung 
ze Lederbiſſen für die kaiferl, Tafel; ganze 
ater: und Girktuseinrichtungen, wilde Tiere, fer: 
nerMilitärausrüftungsgegenftände aller Artund un: 
ter Ronjtantius fogarganze Legionen wurden mit dem 
cursus publicus befördert. Die Freibeforderung ge: 
ſchah auf Grund einer evectio (Freiichein), ſowie der 
tractoriae (Bälle), dieden mitdiplomatibus verſehe⸗ 
nen Beamten ıc. auf der Staatspoftanftalt aufge: 
ftellt wurden. Dberauffeher der röm. Staatspoft 
war (im 3. Jahrh.) der praefectus praetorio, unter 
ihm als Leiter I die einzelnen Provinzen beitellt 
waren die praefecti vehiculorum, dieſen waren zu: 
geteilt die principes agentium in rebus, bie prac- 
positi und die curiosi (Nundfchafter). Die Bolt: 
meifter (mancipes) (Konſtantins d. Gr, Mutter He: 
lena 3. B. war eine Tochter des Manceps von Ni: 
comedia) hatten zugleich die Aufficht über die an den 
einzelnen Stationen (mansiones) befindlichen, oft 
pradhtvoll ausgeftatteten Staatögebäude (palatia 
und ee Unter ben mancipes Tanben 
als Stationsbeamte und Diener die stationarii und 
stratores (Stallaufjeher), die carpentarii, Wagen: 
meifter, und muliones, beziehungsweife hippocomi, 
Maultier: und Pferdetreiber. mi en den man- 
siones waren (in der Negel ſechs bis acht) muta- 
tiones, Pferdewedhielitationen, von weniger glän: 
zender Ausftattung mit Ställen, Wirtshäufern 
u. f. w. eingerichtet. i 
Die brüdende Lait der Frondienfte wurde zeit: 
weiſe von Kaifer Nerva gemildert, welcher den ita- 
liſchen Gemeinden die Geitellung der Jubren für den 
eursus publicus erließ, wofür zu Ehren Nervas eine 
befondere Dentmünze geprägt wurde (97 n. Chr.): 
ein Sefter; von Bronze (Imperator Nerva Caesar 
Augustus Pontifex Maximus Tribunus Plebis Con- 
sul III Pater Patriae); die Umſchrift lautet: Vehi- 
culatione Italiae Remissa 8. C. (im Poſtmuſeum 
zu Berlin befindlich). Doc) dauerte dieje Befreiung 
nicht lange, da Nervas Nachfolger Trajan zwar bie 
Ausftellung von Freipäfien feiner perjönlichen Ges 
nehmigungvorbebielt, im übrigen aber die Benugung 
des cursus publicus in ber alten Weile eintreten 
ließ, Hadrian Dante eine burchgreifende Reform 
der Einrichtung herbei, indem er einen Poſtengang 
aus fiskal, Mitteln beritellte (Spartianus im «Le: 
ben Habriand»); auch diefe Neform aber war nur 
eine zeitweile, ſodaß die alten Bebrüdungen ber 
Gemeinden, namentlich unter Commodus, Berti: 
nar und Didius Julianus, fortdauerten. Die 
Mibbräuhe waren ſchließlich, trog aller Geſetze 
egen ben Wucher mit den diplomata (326 fon: 
antins Verordnung De commercio angariarum 
interdicto), fo fchreiend geworden, daß Arcadius 
401 allen, mit Ausnahme de3 —— raetorio, 
die Benuhung des cursus publicus verfhloß. Mehr 
und mehr ging lehterer dem Verfall entgegen. Die 
beiden legten Gejeke über den cursus publicus, das: 
jenige unter Qeo (457—474), welches die Aufhebung 
der Güter: und Gepädpoft, cursus clabularis, im 
Dftrömifchen Reiche verfügte, und die Lex Anasta- 
siana, welche die Beſchraͤnkung auf bloße Reitpoften 
(cursus velox) einführte, waren zugleich die Grab: 
efänge auf den Untergang des einjt jo geopartigen 
eförderungsinftituts, der fid in den Stürmen der 
Bölferwanderung vollzog. Offenbar war die röm. 


Roftiwefen 


Staatspoft mehr ein instrumentum regni, ein Ne: 
ierungswerkzeug, doch hat fie vermöge der weiten 
usdehnung des röm. Weltreich3 zugleich als ein 

wichtiges Aulturelement die —— oms mit 

fremden Ländern erleichtert und gefördert. 

Selbft auf die Verbindungen zur See erftredte 
— irlſamleit der röm, Staatspoſt; mit den 

onjiffen konnten Nachrichten und Perfonen nad 

Afrika, Kleinafien, Spanien u. ſ. w. gefandt wer: 

den. Namentlih war der Hafen Noms, Oftia, am 

Ausfluffe des Tiber, der re für die 

Poſtſchiffe (Buteoli für die Getreideſchiffe) Momm— 

jen bat in Dftia eine Inſchrift abet, deren 

Inhalt darthut, daß an diefem Orte der curator 

pugillationis et ad naves vagas, alio der Hafen: 

und Seepoftmeilter, feinen amtlichen Si hatte. 

Ebenſo hatten Rhegium, Brundufium und Byzanz 

regen Seeverlehr. pi J. 562 verfuchte Kaiſer 

YJuftinian nod) einmal den cursus publicus, in Ge: 

meinſchaft mit den Saflaniden, neu zu beleben, in: 

deſſen ohne durchgreifenden Erfolg, zumal die alten 
herrlichen Bafaltitrafen, welde von Nom bis By: 
dan; und Antiochien, ſowie nördlich bis zum Picten: 
wall in Schottland fi) eritredten, allmählich ver: 

fielen und im Schutt untergingen, j 

Grit Chlodwig hatte im Zrantenreiche die Aus: 
nubung der Gemeinden für den Voripann zu Ein: 
richtungen, weldye dem röm. cursus publicus ähn: 
lich waren, wieder ind Werk zu fepen verfucht, und 
von Ehildebert wird berichtet, daß er Staats: 
furiere, ausgeftattet mit der evectio publica, 
nad) allen Richtungen au&gefandt habe, um bie 
Güter der gegen ihn Verſchworenen in Beſchlag zu 
nehmen. Karl d. Gr. bildete den cursus publicus 
wieder großartiger aus und rief insbefondere drei 
regelmäßige Kurſe ins Leben: von Autiffiodurum 
(Aurerre), ala dem Anfangspunfte, über Nevers, 
Limoges und Südfrantreih nach Spanien, ferner 
über Autun und Lyon ——— und endlich über 
Paris und Nahen nah Deutichland, Auch Lud: 
wig der Fromme erlich noch 823 eine Verordnung, 
weiche beitimmt, daß auf allen durch Gefeb zur ur 
nahme des Kaifers und der laiferl. Beamten ver: 
pflichteten Poſtſtationen ſtets die nötigen Bor: 
tehrungen zu treffen feien: Neime, aus denen 
fpäter (1103) Ludwigs VI. von Frankreich Eilboten: 
einrichtungen hervorgingen, 

Im Orient finden fi, abgeiehen von der häu: 
figen Benukung der Tauben als Votſchaftsüber— 
bringer (j. TZaubenpoften), faum 50 Jahre nad) 
Mohammeds Tode die erften Spuren regelmäs 
Giger arabifher Pojteinridtungen, als 
deren Schöpfer Kalif Moawija (zeft. 679) genannt 
wird. Zu jener Zeit hatte der Islam ein Gebiet 
erobert, das ſich vom Indus bis nad) Kairawan, 
von der Südfpike des Glüdlichen Arabien bis nad) 
Armenien eritredte, In einem ſolchen Reiche war, 
wie die Geſchichte Roms gezeigt hatte, eine De: 
———— eine politiſche Notwen— 
digfeit. Unter Kalif Abd:Almalik (geit. 705) waren 
die wichtigiten Städte des Reichs durch Poſtſtraßen 
verbun Nr Auen Beamte und Regierungs: 
depeſchen mit Hilfe aufgeftellter Nelais ſehr ichnell 

örbert wurden. Ibn Khorbadbeh, unter dem 

Kalifen Motamid (870—892) Oberpoſtmeiſter der 

u Fral⸗adſchemi, befchreibt in feinem Werte 

«Das Buch der Straßen und Provinzen» an Ein: 

—— ſehr genau, Die wichtigſie Straße war 

die «heilige» Straße von Bagdad über Kufa nad) 


221 


Melfa, Im ganzen Reiche gab es damals 930 
Foftitationen, welde durchichnittlich 2%, geogr. 
Meilen voneinander entfernt * Selbit 50— 
100 Mann Truppen beförderte die Poſt; ein Kurier 
(sgte in 24 Stunden 60 deutſche Meilen zurüd. 
Selbit ins Feldlager folgte die Poft dem Kalifen. 
Die Oberpoftmeifter des Kalifen(arad. Farwanegay) 
follen zugleich zur fiberwachung der andern Behör: 
den und gu Berichterftattung über wichtige Dinge 
an den Herrſcher verpflichtet gewefen fein. _ Nurs 
eddin legte 1146 außer den Poſtſtationen noch Tau: 
benpojtrelais behufs Beförderung der Negierungs: 
depeſchen mitteld Tauben an, Damascus und Ha: 
2 waren die Hauptrelais der Taubenpoft (f. d.). 
Mit dem Zerfall des islamitiſchen MWeltreichs — 
brödelte auch die Kalifenpoſt; ihre Spuren erhielten 
I aber lange Zeit in den einzelnen Staaten, die 
ſich aus den Trümmern des ——— erhoben, 
fo die Kurierpoſten des ägypt.⸗fyr. Reichs unter 
Sultan Beibar (1260—77), der dem Aniturn der 
Mongolen Halt gebot. Die Kuriere gingen von 
den vierten Nilfataraltten über Kahira bis Birah am 
zupınat; regelmäßig zweimal in der Woche trafen 
Briefe von allen Befchlahabern des Reichs am Hofe 
de3 Sultans ein; felbft mit Schnee vom Pibanon 
anftatt de3 Cijes wurde die Hoflüche des Eultans 
durch die Kurierpoften verieben, ähnlich wie einit 
GCaligulas Hofhaltung Delitateffen von Agypten, 
Spanien und Byzanz durch den cursus publicus 
geliefert erhalten Jam. Ähnliche Kuriereinrich— 
tungen beſtanden ſeit uralter in dem Reiche der 
Mitte, China, und Japan. Marco Polo, der venet. 
Neifende, welcher im 13, Jahrh. den Hof des Chu: 
bilai:Chan in Peling befuchte, berichtet, daß von 
Peling aus regelmäßige Ruriere nad allen Teilen 
des Reichs ausgingen, beziehungsmweije dahin zu: 
rüdfehrten, und dab diefe Staatskurierpoft bereit3 
et der Han:Dynaftie (3. Jahrh. v. Chr.) beftanden 


abe. 
Während alle diefe —— durch das Be: 
dürfnis der Centralifation der Regierungsmacht, 
aljo durd) den abjoluten Staatsbegriff, bedingt und 
ausfchlieklich zu Etaatszweden geihaffen waren, 
ändert der Charalter der Beförderungsanitalten jür 
Nachrichten ſich in der folgenden Zeitepoche infofern 
weſentlich, al3 die num ins Leben tretenden Ein— 
rihtungen, die Botenanjtalten des Mittel: 
alters, durch ein mehr allgemeines Bedürfnis, 
jumächle der Höfe und der geijtlichen Korporationen, 
Iniverfitäten, fodann aber durch die Initiative 
großer Handelsgefellichaften, aljo der Privaten, 
geichaffen werben. Zuerſt waren es die Abteien 
und Klöfter, welche eines Nachrichtenaustauſches 
mit den geiltlichen Obern, andern Ordensbrüdern 
u. f. w. bedurften und daher einen Boftdienft durd) 
Klofterboten einrichteten. Zur Unterbringung 
der Kloſterboten an Gebirgspäflen und in fonftigen 
unwirtlichen Gegenden waren Möndshoipize be: 
gründet. Von den Univerfitäten ging diejenige in 
Paris im 12. Jahrh. mit Errichtung eines Voten: 
dienftes durch Univerfitätsboten (messagers 
grands et petits) voran, Pie Boten bejahten ſich, 
wie eine zeitgenöffiiche Chronik über den Streit de3 
Biſchofs von Lificur (1368) mit den Normannen er: 
zählt, mit der Beförderung von Perſonen, Briefen 
und Rädereien, hatten aljo ausgedehnten Geſchäfts⸗ 
verkehr; fie waren durch Privilegien der franz. Kö: 
nige, Philipps IV. des Schönen (1296) und Luds 
wigs X. (1815), geichüht und leiſteten auch Privaten 


At ogle 


222 


gute Dienfte. In einigen Gegenden Deutichlands 
batten die Mehger die Aufgabe übernommen, bei 
ihren Antäufen von —— die fie oft zu weis 
ten Neijen nötigten, für Vermittelung bes Nach⸗ 
richtenverkehrs zu ſorgen. Dieſe gelegentlichen Be: 
förderungsanſtalten ſind unter dem Namen der 
Mepgerpojten bekannt; fie gaben ibe Eintreffen 
ei Blajen auf einem Horn zu erfennen, was 
vielleicht zur Annahme des Gebrauchs der Bolt: 
hörner geführt hat; fie beftanden in einer gewiſſen 
Organijation felbjt nad Gründung der Thurn und 
Zarisihen Poften, und Kaiſer — U. erließ 
1597 fogar ein Patent gegen die Mißbräuche der 
Mepgerpoit. Cine — Einrichtung, rg 
wifiermaßen die erjte deutſche Staatspoſt, 
war die Poſtanſtalt des Deutichen Ritterordens, 
welche von dem Hauptorbenzfike, der 1276 gegrüns 
deten Marienburg aus alle Drdenslomtureien 
durch reitende Boten miteinander in Verbindung 
bielt; leptere hießen Bryffiongen und ihr Dienft: 
total Bryfiitall: die Pferde Bryffſwoylen. Daneben 
beitand noch ein ——* durch Wythinge 
(freie Grundbeſiher). Die Überbringung eines 


Poſtweſen 


botenanſtalt (maitres coureurs unter einem grand 
maltre) errichtet, deren Relais fiber das ganze Land 
verbreitet waren; ebenjo Spanien (zuerjt unter AL 
fons X. 1252—84): manderos, quetraen mandade- 
rias pe cartas = Boten, welche Aufträge durch 
Briefe beforgen; eine Cinrichtung, welche Ferdinand 
der Katholische vervolllommnete. In Jtalien war 
die Gefellidhaft der corrieri di Venezia von Beben: 
tung. Nicht minder hatten die Schweiz, England 
(Eduard I., gejt. 1307) mit zahlreichen Relaispoften, 
die Niederlande, namentlih Flandern mit jeinem 
blühenden Weltverkehr, ihre Botenanftalten. Aufer: 
balb Curopas fanden die Spanier in Peru und 
Merito bereits vollſtändig organifierte Kurierein— 
richtungen vor, als deren Begründer in Peru der 
N Yupanqui Pachacutec genannt wird. Die 

oſtlurſe führten von Cuzco, der alten Inlahaupt— 
Dal, De zum Meere; und auch dem SHerricder 


von Merito, Montezuma (1502—20 n. Ebr.), wurde 
bie Ankunft der weißen ner vom Meere aus 
nad) der mexik. Hauptftabt Tescuco durch Aurier: 
reiter mit erftaunlicer Schnelli gemeldet. 


Mexilo und Peru führten die iere damals die 


Brief von Mariendurg nah Kom durch bejon: | Quipus, Schnürbündel, als geheime Botſchaften 
dere Boten koſtete damals 10 Marl (1 re = | mit ſich Quipuſchrift). In China funktionierte die 
2 Dufaten), wo aiferl. Eilpoft von Peking bis zum Amur, und von 


überall freie Zehrung hatten, für biejelbe Leiſtung 
nur 1Mark empfingen. Etwa 1525 börtedie Ordens: 
poftanftalt auf. In gleicher Weife batten die — 
und Hoͤfe Boteneinrichtungen zur ii ag ter 
Brieffchaften hergeftellt. Auch mander große Ge: 
lehrte, z. B. Erasmus von Rotterdam (1467— 1536), 
bejaß einen eigenen Briefboten, dem er 60 Gold⸗ 
aulden Wehe zahlte und der den Verkehr mit den 
ifenfän lichen — des Gelehrten beſorgte. 
it — als dieſe vereinzelten Boten: 
änge aber waren die Botenanjtalten ber 
Städte organifiert, ir zur Beit der allmäh: 
lihen Gritartung der Rechtszuſtände nad Befei: 
tigungderfeubalen Übergriffe namentlich in Deutich: 
land als Träger ber Kultur erſchienen und_feite 
Bündniffe untereinander zum Schuhe ihrer Selb: 
————— und * andels abſchloſſen. Straß: 
urg hatte nach urkundlichen Nachrichten bereits 
im 12. Jahrh. 24 Boten zur Verfügung bes Bi: 
fchof3 geitellt (feudum portandi litteras), woraus 
ſich allmählich die ſtädtiſche Botenanftalt entwidelte, 
Im J. 1443 erfdien dajelbit bereit3 eine Dienft: 
anweiſung, «Die Löffern», d. h. für die geſchwo— 
renen daãnſerboten Ebenſo beitand in Köln feit 
Anfang de3 14. Yahrh. eine geordnete Botenanitalt; 
in Frankfurt aM. find Botenbücer von 1385 vor: 
handen. Sehr ausgebreitet war das hanjea: 
tifhe Botenweſen, für das eine umfangreiche 
Botenordnung vom J. 1580 erijtiert: «Ordnung 
dor de Olderlude des gemeinen Kopmans mit 
Bewilligung eines Erbaren Rades geitellet, wo Idt 
mit ben geihworenen Baden, be nha Welten reiten, 
künftig Shall geholden werden.» Die Botenkurje 
der Hanfa und de3 Rheinischen Städtebundes er: 
ftredten ih von Niga über Königäberg, Elbing, 
Danzig, Lübed, Hamburg bis Köln, fodann von 
Hamburg über Magdeburg, Braunfhweig, Dres: 
den, Prag nad) Wien, und über Nürnberg, Aug: 
burg nad Italien. Das Reichspoſtmuſeum be: 
wahrt zahlreiche alte Stiche und Porträts von 
«Botten» und von Botenorbnungen auf. 
je Krantreis hatte Ludwig XI. 1464 aus 
polit, Rüdjichten eine wohlorganifierte Regierungs: 


en bie . welche unterwegs | f 


Veling bis Yün:nan, Lhaſſa in Tibet (5460 km) 
und St, mit über 2000 Relaisjtationen zu einer 
Zeit, wo die europ, Poiteinrichtungen noch weit 
zurüdftanden, mit großer Pünktlichkeit. 

Das 15. Jahrh. gehört zu ben glämgenbften Zeit: 
epochen ber Grde; es weit die größten geogr. Ent: 
dedungen (Columbus, Vasco be Gama, t) auf 
und bot der Intelligenz neue mächtige Anregung 
durch Vervolllommnung ber ——— 
und mathematiſchen Wiſſenſchaften. N 
mußten auch die ge de wenn fie den 
Anforderungen des in Kultur und Leben fid) voll: 

iehenden Umſchwungs gerecht werden follten, einer 
Reform unterzogen werden. Bei der Zeriplitterung 
des Botendienſtes unter zahlreihen Anjtalten der 
Fürften, Univerfitäten und Städte war ed nicht 
möglich, dem Mitteilungsbebürfnifte der Völler und 
der Ausbreitung des feit dem Türfenkriege in Bene: 
dig entitandenen Zeitungsweſens (f. Zeitungen) 
mit der bisherigen Form der Boteneinrihtungen zu 
—— es mußten die Grenzpfähle ber einzelnen 

änder für den Poſtdienſt fallen. Cin Sprof des 
Gejhlehts von Torriani, Herren von land, 
bie ji ſpäter u Befipes in dem an 
Dahswild reihen Gebirge von Taſſis bei Bergamo 
den Namen berer von Taſſis beilegten (|. TZaris), 
bat das Verdienſt, zuerſt die perj. dee des Anga⸗ 
reion, ber Pferderelais, auf Deutichland übertragen 
und jo den Grunbdftein zu den modernen R rien 
richtungen gelegt zu haben. Als Kaiſer Marimi: 
lian I. die Notwendigkeit erfannt hatte, fein Hof: 
lager in Wien mit ben Erblanden in gefiherte Ver: 
bindung zu bringen, erbot fih Francesco de 


Taffis, genannt Torriani, deſſen Bater Roger de 
Taſſis on 1451 als Oberjägermei ed⸗ 
richs III. uniformierte Poſtreiter in Tirol und 


Steiermarf zur —— der Briefſchaften auf⸗ 

eſtellt hatte, die kaiſerl. Briefe von Wien nach 
Brüffel foftenfrei zu befördern, wenn ihm und 
feinen Nachlommen der Bezug der Einkünfte aus 
der neuen Beförberungsanitalt zugeſichert würde. 
Diefe Zufiherung erhielt Taſſis im J. 1516; zus 
gleich erteilte der Kaifer die Genehmigung dazu, 


Poſtweſen 


dab die «reitenden Boten des Taſſis⸗ ohne An: 
ehung der territorialen Sonderrechte der einzelnen 
ürjten und — ** ihre Straße von Wien 
nad) Bruſſel ziehen durften. Die Ritte bewegten 
fh von Wien — Augsburg, dann durch Würt: 
—— über das Hochſtift Speier, Kreuzuach und 
Bistum Lüttich nach Brüfiel; fie wurden nad) 
dem Borbilde der courriers Ludwigs XI. ‚von Fran: 
reich «postes» — Bolten genannt. Franz von 
Taſſis aber wurde (31. nd — zum Poſtmei—⸗ 
fter der Niederlande ern 
„Sl Aa eweien N et 5 nt 
mbur ich nad) Man⸗ 
tua. Das erjte — r — 1552 erbaute 
deutſche a — bei Pbi- 


—— die Berichte der Eistee und Gefandten, 
die Briefihaften der Kaufleute wurden mit gleicher | R 
Echnelligteit beförbert, ſodaß ein gleichzeitiger Chro: 
niſt — «Die Erfindung der Poſten iſt unter 
Glüdieligfeiten j Zeit billig zu jeben.» 
Die Landeäherren ber , burdı weldye die 
Voſten on. Zaffıs — mn 
er unentgeltlich bejorgte 

Mit der - t 


Sbreitung des P. aber (1588 

100000 Dulaten reinen Über: 

und ala Samoral von Taris, deſſen Familie 

e: iſer naturaliiiert war — den 58* 
hurn und —— — am uli 
1615 vom Kaiſer Ma — —— 
oftmeijter mit ber — ernannt wurde, daß 
dieſes Amt aals ein neu eingejehtes Regale 

38 und ſeine Erben zu Lehen» ver: 


ie 


f 


E 


Hin 


acac Det regte m * 30 der —— —— 
ihre Territorialrechte, 

Nur in Oſterreich 
SH Dieidero errichtet, dort war 1624 


— as Se Reichspo 
mit dem P. beſonders bei 
— — — 


eſervat⸗ 

— Sei Jahrhunderte —— 
Nr bet * Er — rt; es blieb 
t bei den li ar Streitſchriften (informa- 
tiones rohen — —— 2, Hein > 
———— angegri eiſende un 
Poſtillone ver igt und iifelleifen weg: 


—— und beraubt. Inzwiſchen war Eugen 

von Thurn und Taris von Kaiſer 

Leo ni I. 4. en 1695) in den ee Reichs⸗ 
f erhoben worden. norbnunge 

auf den Poſtlurſen nahmen (liche einen jede 


Um da ne d ä t 
Bine Que ee Kurfärit u * —— 
ich veranlaßt 


rſt von 
—— die —22* zurüdzumeiien 


auf ihrem Gebiet ans 


ulegen, Gran o. dies ſchon früher 
—— der Hurfürjt hatte auf —X 
es eiſters in Berlin) Auraten die alten 
a en ug aufgehoben und kurfürſtl. Poſten 


Kleve er Im J. 1651 

iorieh ber 3 an den ra Brief 

—— er reits eigene Poſten in ſeinem 

— un Te nz ann gu 
vom € 

ehindert rd feine Eranten 

Base nen ortete der Hurfürft mit einer 


eo enden Note, welche für alle En 
— einlegte. Seitdem 
t mehr in der Entwide: 


223 


lung feiner ey oehenmt. Kurſachſen 
erklärte 1681 das P. für ein «landesberrlihes Re; 
galey. Braunſchweig⸗ Lüneburg belehnte 1682 die 
Grafen Platen mit dem Erbgeneralpojtamt, und 
Hannover hielt dieje Belehnung aufrecht, bis 1736 
das bannöv. B. in Staatäbetrieb genommen wurde, 
Im 3; 1720 Löjte Öfterreich das gräflih Paarſche 
Erbpoftlehen ab und übernahm die Bojten in ſtaat⸗ 
liche Berwaltung. Ju den Niederlanden blieb das 
Zarisjche P. bis 1789 in Wirlſamleit und zwar als 
poste royale gegen eine zulegt bis auf 135000 Fl. 
jährlich gefteigerte Pachtſumme. Obwohl num der 
Befipitand von Taris im $. 13 des Reichsdeputa⸗ 
tionshauptſchluſſes vom 25. Febr. 1803 jo «wie er 
tonftitwiert war» ausdrüdlidh garantiert wurde, 
ging er doch mit dem Zuſammenſturz bes Römischen 
* deutſcher Nation rechtlich unter, und bie 
—— — auch im P. volle Souverãne⸗ 
tät, daß Taris nur aus Zwedmaßigleits⸗ 
gründen —— gen Pachtzahlung in der Ausübung 
= —— — belaſſen wurde. Baden 
de Taris erſt 1811, in Wurttemberg 1851 
* egen 1’% int. Fl. Abfindung) abgelöft; in Hefien: 
rinſtadt, Raſſau, Frankfurt Kurbeiien und den 
üring. Fürftentüimern verblieben often 
bis 1866, zu welcher Zeit Preußen Nachfolger von 
Taris gegen eine Abfindungsfunme von 3 Mill, 
Thlrn. wurde. Faßt man das Urteil über die 
Wirlſamleit der Thurn und Taxisſchen Poſt zu: 
fammen, jo muß anerfannt werden, daß diefelbe 
trog ihres fislal. Geiftes, der naturgemäß auf Se 
eig a Teerinei war, Deutfehland das mit 
jeinen 2000 Territorien dem P , feine Ginheit zu 
— vermocht hätte, große ee in wirtichait: 
icher Hinficht fowie im Verlehrsweſen geleiftet bat, 
—r daß die einheitliche Organiſation der Taxisſchen 
a Grundlage für die jpätern ftaatlichen 
en geworden iſt. Don lestern find einzelne 

‚rwaltungen, wie folgt, eruorgubeben: 

Das brandenburgi ch-preußiſche Poſt— 
weſen, als deſſen Schöpfer der Große Kurfürſt ans 
zufehen it, gedieh unter der einficht3vollen Pflege 
der andesherren zu hohem Grade der Ausbildung 
überall im Lande wurden Poſten angelegt, — 
bei der langgeſtredten Lage Preußens eiheblige 
Ausgaben erheiſchten. Im J. 1710 wurde die erſte 
Poſtordnung — * 130 ia der reine fiber: 
jhuß 200000 Thlr. Friedrich der Meiſter 
im — — zu Felde, "vervollfomin: 
nete namentlich auch die preuß. Feldpoſt (j. d. .): Die 
vorübergehende Verpachtung des P. an ein Finanz⸗ 
päcdter:ftonfortium hatte feinen bejondern Erfolg 
und ging 1770 wieder ein. Am 26. Nov. 1782 er: 
ſchien die «Allgemeine „noforenung für fämtliche 
tönigl. preußiihe Provinzen». Die franz. Invaſion 
1805—12 warf faft jämtliche Boften nieder. Staats 
tanzler Hardenberg ließ nad) dem Siege über die 
Franzofen die Bojt neu —— der Abſchluß 
von gang n mit Sadjen, Kurhefien, Ölter: 
reih und ben Niederlanden belebte den Berl lehr. 
Generalpoſtmeiſter Nagler rief 1821 die ſo al 
gewordenen Schnellpojtverbindu — zwiſchen B 
lin und Dresden, Hamburg und Leipzig 1827, * 
Berlin: :Tauroggen:Nufland (1839) ins Leben, auch 
vervolltommmete er das Landbriefbeſtellweſen. Im 
J. 1849 trat Generaldireltor Schmüdert an die 
Spide des P.; 1862 Philipsborn; beiden verdanlt 
das P. viele zweama ige Einrichtungen. Im 3; 
1850 wurden bie Oberpoftdireftionen (f. d.) als 


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Pr 
re 
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224 Poſtweſen 


Provinzialorgane der — Degrkinek, Die 
Erlenninis der Notwendigleit, die internationale 
Wirkiamteit des P. durch billige Tarife und andere 
verlehrserleichterungen zu fördern, führte zunächft 
(6. April 1850) zur Errichtung des Deutſch⸗Oſter— 
reichiſchen Be dans nachdem frühere Be: 
ftrebungen (1815), ein einheitliches deutſches P. zu 
begründen, an der wenn der Roftverwaltungen 
eicheitert waren. Ter neue Deutſch⸗Oſterreichiſche 
Berein ftellte wenigftens für Deutſchland und Ofters 
reich einen einheitlichen Bortojab ber. Nah den 
folgenreihen Ariegen zwijchen ‚Breußen und ter: 
reich, 1866, gelang es der fräftigen Jnitiative des 
damaligen — eh. Poſtrats Stephan, auf die 
Alten der fürjtl. Thurn und Js) en General: 
poitdireftion in Frankfurt a. M. Bei ing zu legen 
und aus den dortigen Rechnungen die Orundlage 
für Nblöfung des_Tarisihen Nutzungsrechts im 
en tum Hefien, den thüring. ; inientümern, 
Kurhejien, Naflau und Frankfurt a. M. feitzuftellen. 
Preußen —— für eine Abfindungsſumme von 
3 Mill, Ihlen. das Nupungsrecht des Voftfürften 
Taris. Damit war ber lebte Reſt des Feudalis: 
mus in Deutichland bejeitigt. Im Y 1867 wurben 
Hannover, Schleswig-Holjtein und Yauenburg dem 
preuß. P. einverleibt. Am 1. Jan. 1868 erfolgte 
die Begründung der Norddeutihen Bundes: 
z0 ft, welche auch Heflen füdlih vom Main umfaßte. 
ur Baden (is 1870/71), Bayern und Württem: 
berg behielten eigene Landespoften; an die Stelle 
der 17 Poftinftitute Deutichlands traten 4, in wel: 
hen durch Verträge ein einheitlicher Betrieb des 
N. garantiert wurde, Die Bundespoft war bie 
erite Etappe zur Verwirklichung der deutichen Ein: 
heitspoſt; ihr Gebiet umfaßte 419580 qkm mit 
30 Mill. E. und 4600 Poftanftalten. Im J. 1868 
übernahm Graf von Bismard, als Bundeskanzler, 
die obere Leitung des Bundespoftweiens, das an 
2, Nov. 1867 ein einheitliches Poſtgeſeh erbielt. 
Eodann wurde durch Geſeß vom 4. Nov. 1867 
der Sinpeitsyortoian von 1 Sr. für den ein: 
fadhen Brief auf alle —— innerhalb 
Deutſchlands eingeführt. Am 26. April 1870 trat 
Heinrich Stephan (f. d.) vorerit als eneralpoftdi- 
reltor an die Spike der Verwaltung; ihm wurde, 
ba im Juli 1870 der Deutſch-Franzöſiſche Krieg 
ausbrach, zunächſt die wichtige Aufgabe der Neu: 
organifation des Feldpoſtweſens, welde er 
glänzend Löfte (f. Feldpoit). 
Nach Aufrichtung des neuen Deutſchen Reichs in 
Terjailles (18. Jan, 1871) eritand auch die Deut: 
HEN 4. spoſt wieder, aber nicht als Fortſetung 
er alten feubalen Tarisfhen Reichspoſt, fondern 
als eine der re des deutichen Volls gewid: 
mete kraftvolle Reihsverlebrsanftalt mit ein 
—— Leitung und einheitlichem Betrieb. Elſaß— 
othringen wurde 1871 der Reichspoſt einverleibt, 
Baden trat am 1. Jan. 1872 hinzu. Dagegen blie: 
ben Bayern und Württemberg im Befis ihrer Ter: 
ritorialpoftinftitute, mit der Maßgabe zes: daß 
die Reichspoſt fie dem Auslande gegenüber vertritt, 
Boftgefehe und Tarife aber allgemeine Geltung für 
ganz Deutichland haben follten. Stephan wurde 
1876 ber erſte Generalpoftmeifterdes Deut: 
Then Reichs. Seine frudtbare, von Genialität 
und Organifationstalent getragene Wirkfamteit hat 
das deutiche P. auf eine Höhe gebracht, welche es 
den erjten Rang unter den Poſtverwaltungen 
der Erde einnehmen läßt. Abgefehen von der 


Codifizierung des deutſchen Poſtrechts, der Vers 
einigung von Poft und Telegrapbie im \nterefie 
einer hier ri toftipieligen Verwaltung, ferner 
der cinheitlihen Gejtaltung des techn n Be 
triebe3 gebührt ihm das Verdienſt, die Zahl der 
Toftanftalten in hohem Mabe vermehrt, fie mitten 
in die ländliche Bevölkerung vorgefhoben und 
den. Sandbriefbetellungsbienit in mufjtergültiger 
Weiſe reformiert zu haben, dergeitalt, daß Stadt 
und Land gleiche Berkehrserleichterungen genießen. 
Dementiprehend hat der Verkehr fi in ungeahn: 
tem Maße gehoben. Es betrug für 1884: die 
Zahl der Boftanftalten (für das Reichspoſtgebiet 
von 445147 qkm mit 37978 165 —* 13405 (gegen 
4600 im Sabre 1868), der Reichstelegraphenanſial⸗ 
ten 1527, der Verkaufsitellen für Wertzeichen 11139, 
der Voftbriefläften 56232, der Boitgrundftüde 334, 
der Beamten und Unterbeamten 77 980, die Geſanit⸗ 
eN aller Poſtſendungen 1716277125 Etüd, der 
elegramme 17223505, der Gefamtwert aller des 
Marierten Sendungen 15542916502 Marl, das 
—— t der Pädereien 331172860 kg, die 
Gejamteinnahme 166207128 Mark, die Geſamt— 
ausgabe 142165496 Mark, mithin der Überfhuß 
24041632 Mark: Zahlen, welde ohne Kommen: 
tar die Großartigkeit des Poſtverlehrs verdeut⸗ 
lihen. Außerdem verdankt das Verlehrsbeamten⸗ 
tum Deutſchlands Stephan wichtige Verwaltungs: 
einrichtungen, welche die materielle und die geiltige 
Wohlfahrt diefer großen Klaſſe von Staatsbürgern 
re fördern beftimmt find. — müfjen nament⸗ 
ic erwähnt werben: die egründung ber Kaiſer⸗ 
Wilhelm:Stiftung, aus der zahlreiche Unterftükuns 
gen und atjäbelich mehrere Stipendien zu Neifen 
ind Ausland gewährt werben; die —— von 
—A un — — ein wichtiger 
ritt zur Löſung der ſozialen Frage unter den 
Beamten; ferner die Erleichterungen bei der Lebens⸗ 
verfiherung der Beamten; endlich die Gründung 
einer Hochſchule für Poft und Telegraphie, die Cr: 
richtung von Amtsbibliothelen und die Herausgabe 
des «Ardivs In Voft und Telegsaphieı zur Förde: 
rung ber geiftigen Intereſſen Der KR j. w. 
Beamten. Noch wichtiger für die erfolgreiche Kul— 
tur find Stephans a men zur Negelung der 
internationalen Boftbeziehungen. Die 
lehtern litten in früherer Zeit an dem Mifftand 
zahllofer Poftvertragsabichlüfie, etwa 1200, durch 
welche die Beziehungen der einzelnen Länder in der 
verfhiebenartigiten Weife geregelt waren, Die 
bunte Moſail der internationalen Vertragsvor— 
ſchriften hemmte den Verlehr ebenjo, wie er die 
technijche Seite des Poſtbetriebes erſchwerte. Ste: 
an erfannte mit Harem Blid dieſe jchreienden 
— und es gelang ihm, durch die Ge— 
walt feiner Ideen auf dem Poſikongreß in Bern 
die übrigen europ. und norbamerif, Poſtverwal⸗ 
tungen zum Beitritt zum Allgemeinen Bolt: 
verein (9. Dft. 1874) zu bewegen, dem 22 
Staaten mit 37 Mill. Quadratfilometern Gebiet 
und mehr ala 370 Mill. G. ſich anſchloſſen. Dieſer 
Verein ſchuf mit einem Schlage neue Orundfäge für 
den ve ungebinderte Freiheit des Poſt⸗ 
austaufches, Feſtſehung eines mäbigen Einheit: 
portofahes im ganzen Bereinsgebiet und Fortfall 
aller Tranfitentihädigungen. _ Der am 2. Mai 
1878 zufammengetretene parifer Poftlongreb ers 
weiterte diefe Union zum Weltpoftverein (j.d.), 
welcher nach und nad) alle civilifierten Nationen 


Poſtweſen 


der Erde mit elementarer Gewalt an ſich gezogen het: 
eine glänzende Kulturerrungenſchaft des 19, Ya eD. 
oit» 
anbetrifft, fo befaßt ſich gegenwärtig die ggg 

ce: 
wöhnlichen und 


Was nun die Feitftellung des Begriffs « 

im mwejentlichen mit folgenden Geichäften: a) 
förderung (fowie Beftellung) von 
eingeichriebenen Briefen, von Sendungen und Wa: 
renproben oder Mujtern, von gedrudten, litho: 


—— u. ſ. w. Sachen unter Band und von 


eitungen, d. i. die Briefpoſt im eigentlichen Sinne; 
b) Beförderung von Paleten, Geldern und Per: 
fonen, d. i. die Fahrpoft im eigentlihen Sinne; 
€) Bermittelung von Poitgeldanweifungen, Gin- 
jiehung von Bo ala beziehungsweife Poft: 
nachnahmen, ferner von (dbeträgen (auf Wechſel 
u. f. mw.) im e des Poftauftrags —— 
ſowie die Beſchaffung von Wechſelaccepten (in 
Deutſchland durch Poſtauftrag). d) Vermittelung 
des a ren ade Br an von Abonne: 
ments, Ausführung der Beftellungen, Abredynun 
mit den Verlegern u.f.w. Hierzu ‚tonımen no 
aewiffe Nebenverrichtungen, wie die Zuftellung 
ti ru en — — —— 
rmittelung von Sparkaſſengeſchaften (in ⸗ 
land: Post Office ri in andern Yan: 
dern die Boltiparlafien im eigentlichen Sinne), 
— —* Ertrapoft: und Gftafetten: 
‚ bie —— von Telegtaphenge⸗ 
a er beihräntt Ki 
auf die Briefpoft in Frankreich, Spanien, Por: 
tugal, Italien, den Bereinigten Staaten u. ſ. w. 
Sie erjtredt ſich auf Brief: und Fahrpoft in Deutſch⸗ 
land, Großbritannien (Heine Batete), Belgien, den 
Niederlanden, der Schweiz, Schweden, Norwegen, 
Dünemarl, Aufland Er w. In Deutichland 
get 1876), England, Frantreih, Rußland und 
ortugal find Poſt und elegrap ie neuerdings zu 
Einem Reffort vereinigt worden, was fich in finan: 
rer wie in nationalötonomijcher Hinficht als ein 
utender Fortichritt bewährt hat. Nu en weſtl. 
Staaten bildeten ſich für den Fahrpoitbetrieb früh: 
itig Brivatunternehmungen aus (Mefjagerien in 
Öranlreich, Erpreb:Companies in England, Poft: 
wagen -Ondernemingen in Holland, reſas in 
Spanien). Wenn einzelne derfelben au Vorzüg: 
liches leiſten, fo ftehen fie doch in der Gefamt: 
beit, namentlich was die Transporte auf auäge: 
dehnten Entfernungen und das Jneinandergreifen 
betrifit, den deutichen und fchweiz. I erg eig ten 
bei weitem nad). Die Gifenbahnen —— ie Ent: 
laftung der Bolt von der Berfonenbeförderung und 
von den —— eigentlich zu den Frachtgütern 
—— rſendungen zum Teil bereits — 
gel rt, Bezüglich der Hleinern Sendungen und 
er Gelder können jie aber, wie die Einführung des 
einheitlichen Patetportos (50 Pf. für 10: Prund: 
valete) in Deutſchland bewielen hat, die Po u. 
eriepen, weil ihre Organifation nicht fo einheitlich, 
ihre Anlagen nicht fo ausgebreitet oder ihre Be: 
triebäeinrihtungen nicht auf den Meinen Palet— 


berechnet find, 
— 3* — lommen vornehmlich in 


Betracht: die itions⸗, die Kaſſen- und Ber: 
waltungsgeſchafte, der Dienft im Verkehr mit dem 
—— Gefällerhebung, der Betrieb des 

ens (Pferde, Wagen, Poſtillone), der 
Gang der Bolten, Eifenbahnzüge u. f. w. und die di: 
reften mit andern Boftanitalten, 
ferner ber Beitellungsdienit ım Orte und in dein 


Gonverjations + Legiton. 13. Aufl, XIII. 


225 


aaa nachörigen Landbezirle. Für die Anlage neuer 
Poſtanſtalten entſcheidet, neben der Einwohnerzahl 
und der fommterziellen oder abminijtrativen Bedeu: 
tung des Ortes jelbft, hauptſächlich aud) die Hüd: 
ſicht auf —— Verteilung der — 
punlte für das vie — Netz der Poſtverbin⸗ 
dungen und auf weitere Vorſ wat der Bolt: 
verfehrsanlagen in das platte Land ek Ver: 
mehrung und — der Landbriefbeſtellung. 
Von den ſtabilen Boltanlagen (Poſtämtern, Agen— 
turen, Hilfſtellen, burcaux de poste, post offices, 
ufficii postali etc.), breiten ſich die mobilen Boft: 
anlagen, die eigentlihen Bolten, über das Land 
aus, Unter «Boftene find nicht nur die betreffenden 
Einrichtungen auf den gewöhnlichen Lanpdftragen, 
fondern audy die Pofttransporte auf den Gifen: 
bahnen zu verftehben, welche namentlich feit Er: 
rihtung der fahrenden Boftämter (Bahnpoften, bu- 
reaux umbulants, travelliug post-offices, spoor- 
weg-expeilitie-kantoors, uffici ambulanti) große 
Bedeutung — ee ferner auch die Seepojt: 
verbindungen mittels der Dampfſchi jet . d.). 

In Vetreff der Poſtdampfſchiffe befteht in 
England, fowie in Franlreich, Stalien, Spanien, 
den Vereinigten Staaten u, ſ. w, das Syftem der 
Subvention von Privatunternehmungen, denen 
dann die für den Poſtdienſt (mail-service) nötigen 
Bedingungen auferlegt werden. Auch Deutichland 
ge neuerdings (vom April1886 ab) zwei proße vom 

eiche fubventionierte (15 Mill. Mark) Poſtdampf⸗ 
hiffsunternehmungen ins Leben gerufen, welche 
dazu beſtimmt find, den deutſchen Poſtverlehr nad) 
rede und Auftralien von den fremdländifchen 
Boftdampferlinien unabhängig zu maden. Ruß: 
land, Dänemark, Belgien u. ſ. w. unterhalten 
die Koftdampfichiff:Ver indungen unmittelbar für 
Staatsrehnung mittel® Staatd: oder gemieteter 
Schiffe. Die Poftverwaltung muß darauf bedacht 
fein, ftet3 die volllommenften Transportmittel für 
den Dienft des Bublitums in Benubung zu ftellen; 
fie muß den Erfindungen und Berbeflerungen auf 
diefem Gebiet mit Aufmerlfamteit folgen und_die 
neuen Bewegungskräfte ſich dienftbar machen. ‚Die: 
fes ift bezüglich der Gifenbahnen in zwedmäßigiter 
Weiſe gefcheben, indem man mittel$ der erwähnten 
fahrenden Poſtämter und deren Jangapparate (ex- 
changing apparatus, appareil ä recevoir) eine 
Korreipondenzverbindung aud mit folden Orten 
herſtellte, wo die Schnell: und Kurierzüge nicht an: 
pri Auf den ante namentlich in 
lorwegen, Dänemark und England_befinden ſich 
ebenfall3 ambulante Boltbureaus. Die pneuma: 
tiihe Beförderung (f. Nohrpoft) leitet für die 
groben Hauptjtädte: London, Berlin und Wien, 
wichtige Dienſte in Bezug auf Schnelligleit des 
Zrangport3 und nebenbei durch Entlaftung des 
Straßenverfehrs als Folge der f erminderung der 
Boltwagenfahrten. Auf den gewöhnlichen Yand: 
ftraßen erfolgt die Beförderung der Po ten durch 
Menſchenkräfte (Fußpoften, Botenpoften, pietons, 
mail-messengers, pedoui) oder durch Zugtiere (Per: 
fonenpoiten, Güterpoften, malle-postes; Reit: und 
Gitafettenpoften, fahrende Yandbriefträgerpoften, 
correos a caballo; chwimmende ndianerpoften, 
fibir. Nenntierpoften u. ſ. w.). Sg nie 
klimatiſche Einflüfle, Landesfitte u. ſ. m. beitimmen 
die Art der Fortihaffungsmittel. In den meijten 
europ. Ländern verjieht das Pferd den Dienſt, int 
gebirgigen Svanien das Maultier, in den polaren 

15 


226 


Nepionen das Nenntier. Die Pofttataren bed Gul- 
tans und des Vizeldnigs von Ügypten bedienen 
fich für Wüftenftreden des Dromedard, während 
für die ruſſ. Narte (Poftichlitten) im öſtl. Sibirien 
reise dreffierte Ziehhunde verwendet werben. _ 

s franzöſiſche Poſtweſen hat namentlich 
unter Minifter Cocherys Leitung, ſeitdem 1878 
Boft und Telegraphie vereinigt worben waren, er: 
hebliche Fortſchritte gemacht. Am 1. Mai 1875 
trat eine bedeutende Portoermäßigung in Kraft. 
Das Porto für franlierte Briefe wurde von 25 auf 
15 Gent. für je 15 g Gewidt, für unfranlierte 
Briefe von 40 auf 30 Gent. und für Boftlarten 
von 15 auf 10 Gent. eg ‚Die Zahl 
der Poſtſendungen hat fih von 1865 bis 1875 um 
26,03 Proz. erhöht. Die Lage des Poftperfonals 
wurbe erheblid) verbefiert. Die Subventionen für 
Seepoftlinien (103 Dampfer) erböhten fih auf 
12118807 Ft3. jäbrlih. Die Anzahl der Poitan: 
ftalten ftieg von 5570 (im J. 1877) auf 6486 im J. 
1884, Die finanziellen Ergebniſſe find folgende: 
1877: Cinnahme der Poſt und Telegraphie 
139199515 Frs. Ausgabe 932923539 Frs., Über: 
{hub 46275 976 Fr3. ; 1883: Einnahmen 161 094000 
Fr8., Ausgaben 129830140 r3., Überfäub 
31263860 $r3. Im J. 1881 richtete Fran reich 
den Boftiparlafjendienft ein, 

Das Ölterreihiiche Boftweien beſaß Ende 
1883: 4148 Boftanftalten, 9117 Briefläften und be: 
förderte insgeſamt 403 652 147 Boftiendungen (Stei- 
gerung gegen da3 Vorjahr 23083474 Stüd), Die 
Ginnahmen ftellten fich auf 20020730 Fl., die Aus: 
naben auf 16473730 Fl., ber Überfhuß 3547000 
Il. Oſterreich führte im Jan. 1833 den Poitfpar: 
laſſendienſt ein. BR 

Das britiſche Poſtweſen zeigt einen groß: 
artigen Aufihwung. Es betrug nad) einer hiſtor. 
Überfiht im Deutſchen Boltardiv: 

Die Zahl 


auf den 
2. Ar 


U ji ber 
in Mifionen Bev ng 
Im J. EAN — 3 
» » 1840 (nad Einführun 
des Nowland Hill: 
Shen Benny: Bortos 
[f. Nomland Hill]) . 169 7 
De ver |, ————— 327 12 
0 1860 .. ......... 523 18 
„ » 1870 „oo0.0....0+ 800 26 
n © 1880... .uo-n0000% 1128 33 
»„ » 1881/82.. .. 1229 35 


Davon find allein 11 Mill. unbeftellbare Sendun: 
gen (dead letters), welche in dem Dead-letter-office 
in London behandelt werden und die Werteinlagen 
von mehr als 6000 Pfd. St. enthielten. Cine be: 
fondere Einrichtung Englands find die Postal- 
orders (Geldpoftanweifungen als Papiergeld für 
den Umlauf); davon wurden 1881/82 4462920 
Stüd im Betrage von 2006917 Pfd. St. aus: 
gegeben; eine jolde Anmweifung ift etwa 6 Tage 
durchſchnittlich im Verkehr. ei den engl. Poſt— 
ſparkaſſen (dem älteſten in Europa) bezifferte ſich 
1881/82 da3 Sparguthaben win 194 495 Bid. St. 
(Zunahme 7, Proz. gegen das Vorjahr). Die 

Zahl der Sparcontos betrug 2607612 (422640 

mehr al3 1880/81). Boftanflalten waren 14918 

vorhanden, die Zahl der Beamten u. ſ. w. war 

53772 (daneben 20000 Aushelfer). Die Cinnab- 

men beliefen fi) auf 9028374 Bid, St. (einfchlich: ! 


Poſtweſen 


lich Telegraphie und Poſtſparlaſſe), die Ausgaben 
au 5.997899 Bid. St., der Reinertrag aljo auf 
3100475 Pd. St. = 62009520 Mart. 

Das italienische Poſtweſen hatte 


lange Zeit 
mit den übertommenen Mißftänden der an: 
terei zu fämpfen. Im J. 1868 betrug die ahl 
der Briefe faum 80 Mill, Die ver Ein: 


richtungen fteigerten in Verbindung mit dem erböh: 
ten Nationalgefühl und dem Wachſen des Wohl: 
itandes bie Dee 1876 auf 278 Mill. Im J. 
1881 betrug diejelbe 362120101 Briefe, 22827 
delarierte Briefe mit 20015165 fire Wertin- 
halt, 4022308 eingezahlte Poſtanweiſungen mit 
503695138 Lire und bei dem im Dft. 1881 einge: 
führten Boftpädereidienit in zwei Monaten 415366 
Stüd, Die Einnahmen = 1881 29787318 
Lire, die Ausgaben 25980398 Lire, der Reinertrag 
alſo 3806920 Fire. Italien hat die erhebliche Ein: 
nahme von jährlich (1881) 980948 Lire aus dem 
Poſttranſit der brit. iberlandpoft (f. d.), welche 
dur den Mont⸗Cenis bis Brindiſi beförbert wird 
und dort auf die Boftvampfer nad) Alerandrin über: 
gebt, um nach Oſtindien transportiert zu werben. 

In ben Vereinigten Staaten von Ame: 
rila zeigt fih das wunderbare Wachstum dieſes 
Landes aud) bei den Poſtanlagen. Als Dsgood 17% 
Generalpoftmeilter wurde, beftanden aur 75 Poſt⸗ 
ämter in der Union, 1870 belief ſich deren bi 
auf 28492, 1876 auf 36383, 1883 auf 47863, 
york und Vhiladelphia hatten Ende des 18. Jahrh. 
drei mal wöchentlih Poſtverbindung; jebt ie: 
ren von Neuyort nad) San-Francidco auf brei Ba: 
cific-Überlandbahnen npoftbureaus und durch⸗ 
fliegen den 3307 engl. Meilen breiten Kontinent 
in 130 Stunden. Unter Wajhingtons Bräfibent: 
ſchaft wurden 300000 Briefe alljährlich befördert; 
im J. 1883 wurden für 42910319 Doll. r⸗ 
ten (1861699669 Stüd) abgeſetzt und Die der 
Voitfendungen betrug etwa 1 Milliarde. Die 
Länge der Poſtlurſe beläuft ih auf 353166 engl. 
Meilen, 70000 onen verjehen den Dienjt ebenſo 
pünktlich in dem Centrum Neuyorks wie in ben 
öden Landitreden der Pacific-Territorien. Für ben 
transatlantifchen Seepoftdienft werden 313584 Doll. 
In gezahlt. Lange Zeit war im P. der Union 
erhebliches Defizit (1859 etwa 7 Mill. Doll); jegt 
bat das Finanzergebnis fich günftiger geftaltet. Die 
Einnahmen betrugen (1883): 45508692 Doll., die 
Ausgaben 43282944 Doll. , mithin der Neinertrag 
2225748 Doll. Im Aufihwunge ift aud) das ca: 
nadiſche a wefen begriffen, weniger zeigt ſich 
eine Verbeſſerung des P. in den mittel: und füd: 
amerit, Nepubliten, wo die Rechtszuſtande immer 
noch er genügend befeitigt find. Der Gintritt 
aller diefer Staaten in den MWeltpoftverein wird 
aber ſichet den Poſtverleht beleben und erhöhen. 

n Aſien vermitteln meift Agenten ber europ. 
Bojtverwaltungen den Poſtdienſt. England unter: 
= (von Dftindien abgefehen) Poftämter in Hong- 
ong), Geylon, Shanghai, Singapore; Frankreich in 
Beirut, Bien:Hoa und Saigon ——— ‚Zonlin, 
Chandernagor, Bondichery und Karilal in Oftindien. 
Rußland taufcht die Koxreſpondenz mit China über 
Kiachta in Maimatichin aus, von wo die von 
Grant errichtete Mongoliſche Steppenpoft Briefe 
und Neifende über Urga und Karachoto nad) Peling 
befördert. Im übrigen hat China kein PB. im mo: 
dernen Sinn; zur Beförderung der Staatsdepeſchen 
wird ein Staatspoſtdienſt durch Auriere (custom’s 


Pöftyen — Potemfin 


couriers) unterhalten, welche gegenwärtig zwifchen 
Tientfin und Beling, beziehungsweife Newchwang, 
Cheefoo und Shanghai täglich kurfieren. Ye n, 
in einem bebeutfamen Kultur: und ehrsauf: 
ſchwunge begriffen, bat bereit3 europ. Bofteinrich: 
gen eingerichtet, welche vortrefflich funktionieren. 
n Siam befindet fidh jet (1885) ein beutfcdher 
Boftbeamter, um die Bolt auf europ. Fuß zu orga: 
nifieren, Aujtralien bejist Bolten nad) dem Mu— 
tterlan In Afrika verdienen die 
n Organifation Agyptens, 
tungen ber Franzoſen in Algier und die 
Verſuche iens, den ſeit Nov. 1871 im Kaiſer⸗ 
tum Narollo ins Leben gerufenen Poſtdienſt zu ver: 
beſſern und —— der — Ein 
Unicum iſt P. des hawaiiſchen König: 
reichs, deſſen Poſtverbindungen mit der übrigen 
Welt durch einen Vertrag der amerif. Union mit 
dem hawaiiſchen Gejandten Eliſha Allen vom 4. Mai 
1870 geregelt find, | 
Die Litteratur über das PB. war im 17. und 
18, 34 —— —* —— 
ſtregals ſchwebte, ziemlich ausgedehnt; 
dieſe ältere Litteratur iſt —— ohne 
Intereſſe. Zu erwähnen find dagegen: Beuſt, 
«fiber das he Boitregal» (3 Bde., Jena 1748); 
Matthias, «Über Bolten und Poitregal» (2 Boe., 
Berl. 1832); Stängel, «Das deutſche B. in geſchicht⸗ 
licher und rechtlicher Beziehung» (Stuttg. 1844); 
Hüttner, «Beiträge zur Kenntnis des deutihen PB.» 
(2p3. 1849); Stephan, «Geſchichte der preuß. Poſt 
n en Quellen» (Berl. 1859), deſſen Ar: 
ti um im «Staat: Lerilon» von Rotted 
und (3. Aufl., Bd. 11, 2p3. 1864) und «Das 
verleht leben im Altertum» (im «Hijtor. Tafchen- 
bud», Jabrg. 1868); ferner Dambachs «Som: 
mentar "io geieh» (Berl.); Sicher, «Deut: 
ide Bo »; Qewins, «Her majesty’s 
mails»; — —R « Histoire des postes » 
(Bar); « Beitrag zur Geſchichte und Zu: 
hunft des P.» in «llnfere Zeit» Gahrg. 1871, 
1. Hälfte); «Zur Gefchichte des Briefichreibeng und 
des Bri imnifjes» in «Ulnjere Zeit» (Jahrg. 
872,2.9 fte) 


1 Tybuſch, «Die internationale 
Voftreform» in «linfere Zeit» (Jahrg. 1875, 1. 
9 fte); «Die Norddeutſche Feldpoft im Deutic;: 


chen Kriege von 1870 und 1871» (Berl.); 
«Die —588 in «Unſere Zeit» (Jahrg. 
1872, 1. Hälfte); «Das Reichspoſtgebiety (2 Bde,, 
Berl. 1878); endlidy ala wichtige urkundliche Quelle: 


das «Arhiv für Poſt und Telegraphie» (jeit 1871). 


ſtyen (Böfteny, PBiityan), berühmtes 
efelihlammbab im ungar. Komitat Neutra, 

chts an der Wang, Station der Linie Preiburg: 
S ber Oſterreichiſch⸗Ungariſchen Staatsbah⸗ 
nen; bie mefelquellen fördern überall 
an ihren prungsftätten einen Mineralihlamm 
58 bis 65° C.) zu Tage; die jährliche 

f durchſchnittlich 2200 Kur: 
gä ift Eigentum des Grafen Franz Erbödy, 
it das aus dem Poſtregal (f. 2* 

tende des Staats, zu verlangen, da 
entweber alle oder einzelne bejtimmte Gattungen 
von —— ar en 2 — 
m er Bolt von rt zu 

Ort Die Übertretung diejer Vor: 
ſchrift zieht Strafe ui fih. Der P. war früher 


eine Anzahl von Sendungen ausge: 
auch eritredte er fi) auf die gewerbsmäßige 


227 


Beförderung von Perfonen. Bis zur Begründung 
der Reichspoſt waren die Beitimmungen über den 
P. in den einzelnen deutfchen Ländern verfchieben. 
Das Geſet über das PVoſtweſen des Deutjchen 
Reichs vom 28, Dit. 1871 machte diefen Abwei- 
ungen ein Ende und —— ($. 1) die Materie ein⸗ 
ri für ganz Deutfhland. Danach ijt der Be: 
örberungszwang für Perfonen ganz aufgehoben, 
der P. aber dahin beſchränlt, dab es verboten ijt: 
i) alle verfiegelte, zugenäbte oder ſonſt verſchloſſene 
riefe, 2) alle Zeitungen polit. Inhalts, welche öfter 
als einmal wöchentlich erfcheinen, gegen Bezahlung 
von Orten mit Poſtanſtalt nad andern Orten mit 
einer Poſtanſtalt des In- oder Auslandes auf an- 
dere Weije, als durch die Poſt zu befördern; bin: 
ſichtlich der polit. Zeitungen erjtredt dieſes Verbot 
ſich nicht auf den zweimeiligen Umkreis ihres Ur- 
———— Das wichtigſte Kriterium des P. be: 
teht hiernad) darin, daß die Beförderung der ihm 
unterliegenden Gegenjtände gegen Bezahlung ver: 
boten ijt. Unentgeltlich darf daher jedermann ver: 
ſchloſſene Briefe befördern. Auch können verfchlof: 
fene Briefe und polit. Zeitungen in ein Balet gelegt 
werben, ſofern lektereö nur mit der Poſt verjendet 
wird. Die Beförderung offener Briefe unterliegt 
feinem Verbot. Ebenfo können verſchloſſene Batete, 
aber ohne Beigabe verjchloffener Briefe, mit jeder 
— EEE ABER it verjendet 
werden. Nur in Einem Falle dürfen poſtzwangs⸗ 
pfüchtige Briefe und polit. Zeitungen gegen Beʒah⸗ 
ung anders als durch die Poſt verſandt wer 
nämlich durch einen expreſſen Privatboten; doc 
darf ein folder Erprefier nur von Einem Abjender 
abgeſchidt fein und dem Poſtzwange unterliegende 
Gegenjtände weder von andern mitnehmen noch für 
andere zurüdbringen. 
Poszlina, im ältern Ruſſiſch Gewohnheitsrecht, 
dann Gebühren, im lektern Sinne wird es nod) 
jest gebraucht zur Bezeihnung indirefter Steuer, 
. DB. für Zölle, Stempelfteuer, Korroborations— 
‚Bet Kanzleiſteuer, Gerihtägebüßren u. a. 
Poszony, ungar. Name von ! a d.). 
Pot (Bott), Flüffigleitämaß; in der Schweiz 
= 1,1], in Dänemark = 0,966 1. 
—35* portug. Maß = 8,37 1. L'Hlaſſa. 
otala, Reſidenz des Dalai: Lama, ſ. unter 
Botajche, ſ. unter Kalium (Verbindungen 7). 
Votaſſium, joviel wie Kalium. 
Potatoe Bug, j. GColoradofäfer. 
Potchefitroom, chemal3 Vrijburg, vorma: 
lige Hauptitadt der Südafrifanifhen Nepublit 
(Trangvaal), Hauptort des Diſtrilts P., am Mobi- 
River oder Klakuga, einem rechtsſeitigen Nebenfluß 
des Baal oder Lilwa, hat etwa 1500 E. 
otelot, foviel wie Graphit. ä 
otemfin (Grigorij Alerandrowitih, Fürft 
Tawritichesti), ruſſ. Feldmarſchall und der befann- 
teite unter den Günjtlingen der Kaiſerin Katha— 
rina IL. (f. d.), war ein Nachtomme Peter Jwano— 
witſch P.s, Statthalters von Borowsk, welcher 
1668 Botſchafter des Zaren Alerei Michailowitic 
bei Karl II. von Spanien und Ludwig XIV. war, 
und deſſen merkwürdiger Gefandtichaftsbericht unter 
dem Titel «La Russie du 17e siöcle dans ses rap- 
orts avec l'’Europe occidentale» (Par. 1855) er: 
Erbeoke ift. Im Sept. 1736 auf dem väterlichen 
Gute Tſchiſchewo im Gouvernement Smolensk ge- 
boren, kam P. frühzeitig nad) Mostau, wurde im: 
dortigen Seminar erzogen und trat als Fähnrich 


15* 


228 


in die Gardelavallerie, wo er von der Kaiferin in: 
folge einer Galanterie fogleich zum Oberſt befördert 
wurde und bald die Orlow aus der Gunit ber 
Kaiferin verdrängte, Er war nicht allein im Innern 
allmädtig, fondern leitete auch die auswärtigen 
Angelegenheiten und ward feit dem Ende der fieb: 
ziger Jahre der bedeutendite Träger ber ruſſ. Bolitit 
in Guropa. Obwohl ohne militäriiche Kenntniſſe, 
ward er doch am die Spite der Armeen geitellt, 
zum Feldmarjhall und Wräfidenten des Kriegs: 
follegiums ernannt und mit der Verwaltung der 
wichtigften Provinzen betraut. Im Wettlauf um 
das rufi. Bündnis erhob ihn Joſeph II. zum Fürften 
de3 Römischen Reichs und bot ihm —*8 Gr. 
den Erwerb des Herzogtums Kurland an. P. ſtarb 
unweit Stuljani in Beſſarabien 16. Olt. 1791. 
Obwohl von perjönlichen Anterefien geleitet, ift P. 
doc) der Anreger und Schöpfer manches nüglichen 
und bleibenden Werts geworden. So veranlafte 
er im Heere die Abihatfun des Zopfes und eine 
dem Klima angemefienere Bekleidung, ferner die 
Vereinigung der Krim mit Rußland, melde ihm 
den Fürjtenrang eintrug, die Gründung von Cher: 
fon, Kertih, Nitolajew, Semwaftopol u. |. w., die 
Hebung des Fabritwefens, die Errichtung der Flotte 
de3 Schwarzen Meeres, Während ———— II. 
Anſtalten traf, ee ein riefiges Maufoleum zu 
gründen, ließ Paul I. B.3 Leichnam aus dem Grabe 
reißen und in den Feltungsgraben werfen. Kaiſer 
Alerander I. ließ dann feine Gebeine anſtändig bes 
ftatten, Grit 1836 ward von der Stadt Cherjon 
eine Bildfäule B.3 aufgeitellt, und noch fpäter lieb 
feine Nichte, Gräfin Branicka, an der Stelle, wo er 
ftarb, ihm einen Obelist errichten. Bol. Cerenville, 
«Vie du prince P.» (2. Aufl., Bar.1808) ; Lewſchin, 
«Shisn I’.» (2 Bde., Petersb. 1811). ‚ 
Potentät (vom lat. potens, mächtig), regieren: 
der Fürjt, Souverän, [tential, 
Botential (elettriiches), f. Eleltriſches Po: 
BVotentialfunftion heißt in der neuern analy: 
tiſchen Mechanit eine auf beſtimmte Art zu bildende 
Funktion, mittels deren die Wirkung eines gegebe: 
nen Körpers auf einen gegebenen Punkt oder auf 
. einen gegebenen Körper berechnet wird. 
Potentinlid, in der Grammatit der Modus 
des Verbums, welcher eine Möglichkeit ausdrüdt, 
eine befondere Gebrauchsart des Konjunftivs, 
Potentielle Energie, f. unter Energie. 
Potentilla L., Fingerkraut, Name einer 
Pilanzengattung aus der Familie der Roſaceen. 
Man kennt gegen 120 Arten, die eine je auäge: 
dehnte Verbreitung befisen, befonders aber in der 
nördl, gemäßigten Bone vorlommen. 3 find 
Trautartige, jeltener ftraudartige Gewächſe; fie 
haben verſchieden geformte, am bäuftgften finger: 
förmig zerteilte Blätter mit an den Stil angewach— 
jenen Nebenblättern und meift trugdoldig, felten 
einzeln geitellten Blüten, welde aus fünf mit dem 
ſcheibenförmigen Blütenboden verwachſenen Held: 
blättern, fünf gelb, felten weiß oder rotgefärbten Blu: 
menblättern, zahlreihen, mit den Blumenblättern 
perigyniſch eingefügten Staubgefäben und ebenfalls 
ahlreichen Heinen Stempeln beitehen, aus deren 
Fruchttnoten ſich einfamige Nüßchen entwideln, An 
den ſcheibenſörmigen Blütenboden find auswendig 
fünf mit den Kelchzipfeln abwechſelnde Dedblättchen 
angewachſen, welche einen fog. Außenlelch bilden. 
Huber einer Menge wildwachſender, perennieren: 
ber Arten, unter denen P. anserina L., der Gän— 







PVotentat — Potenza 


—24 das Gänſekxaut, mit unterbrodhen ge: 
ederten, unterſeits ——— Blättern, und 
P. reptans L., mit langgeftielten, fingerförmigen 
Blättern, deren Stengel fadenförmig, kriechend und 
wurzelnd find, und deren Blüten einzeln auf langen 
Stielen ftehen, als Unkräuter auf Schutt, bebautem 
Boden, an Mauern und Heden auftreten, lommen 
aud) einige afiat. und amerif. Arten als Bierpflan: 
e in Gärten vor, befonders die mit —— Ba 
elroten Blumen begabte P. atrosanguinea Lodd. 
und die mit großen purpurnen Blumen prangende 
P. Nepalensis Hook. aus Nepal, die gelbblühende 
P. pensylvanica L. u. a., welde alle im Freien 
ne ohne befondere Pflege —— und ſich 
durch Zerteilung der Wurzelitöde leicht vermehren 
laſſen. Zu erwähnen ift ferner P. fruticosa Z., ein 
aufrechter Stleinftrauch mit fiederfchnittigen Blättern 
und gelben Blumen, der in Norbafien und Nord: 
amerifa, auch in Rußland und in den Pyrenäen 
wächlt und oft als Zierftraud kultiviert wird, 

Bon der weitverbreiteten, in Deutichland fehr 
häufigen Art P. TormentillaSchrnk. Kane illa 
erecta L.), die gewöhnlich vierzählige Blüten befist 
und früher mit einigen andern Arten als eigene 
Gattung Tormentilla abgegrenzt wurde, war ber 
MWurzelitod als Radix tormentillae gegen Durdfall 
früher offizinell und wird aud) jebt I vielfad) als 
Hausmittel verwendet. 

Potenz oder Dignität bedeutet in der Mathe: 
matik ein Mrobut gleicher Faktoren, deren Anzahl 
der Exponent genannt wird, Rach dem leptern 
wird die P. benannt: zweite, dritte u. |. .; die: 
jenige Größe, welche mehrmals als Faktor geieht 
oder auf eine B. erhoben wird, heißt die Grundzahl 
oder die Wurzel der P. au wohl der Dignand. 
Die erite B. einer Zahl ift von der Zahl nit ver 
fhieden. Die zweite B. pflegt man Quadrat, bie 
dritte Kubus oder Würfel, die vierte Biquadrat zu 
nennen. Um eine B. zu bezeihnen, ſezt man ben 
Grponenten rechts oben neben die Grundzabl, 
J. B. as. Nach der obigen Erklärung ift der Expo— 
nent eine ganze und pofitive Zabl, Man kann 
jedoch aud Brüche und Wurzeln als = mit nega⸗ 
tiven und gebrochenen Erponenten darſtellen. 

n der Mechanik verfteht man unter den medha= 
nifhen Potenzen —— einfachen Vorrich⸗ 
tungen, aus welchen Maſchinen zufammengefcht 
find, nämlich den Hebel und die ſchiefe Ebene, 

Die Naturphilofophen, namentlih Schelling, 
verfuchten dem Worte Potenz eine tiefere Bedeu: 
tung unterzulegen, indem der letztere unter bildlicher 
Anwendung des mathem. Sinns ded Wortes die 
einzelnen Stufen der Natur als P. des Subjelts: 
Objelts (d. i. des «Abfoluten») auffaßte. 

Potenza, früher Bafilicata, Provinz des 
Königreichs Italien, zählt auf 10676 qkm (31. Dez, 
1881) 539258 €. 

Die Hauptitadt Potenza mit 20353 E., an 
der Straße von Salerno nad Tarent, am obern 


Bafento, Station der Bahn Eboli: PB.» Metaponto, 


ift Sit der Präfektur, einer Sektion des Appellhofs 
in Neapel, eines Tribunals erjter Inſtanz, einer 
Handels: und Gewerbefammer, eines Biſchofs und 
bat eine Kathedraltirche, ein Gymmnafiallyceum und 
ein Nationaltonvitt. Durch Erbbeben wurde 16.00 
1857 faft die ganze Stadt zerftört. Das alte Po- 
tentia in Qufanien, an der Via Popilia, lag tiefer 
in der Ebene an dem Orte Ya Murata, Fundort 
antiker Snichriften und Münzen, und wurde durch 


Poterie — Potidäa 


Kaifer Friedrich IT. zerftört; die heutige Stadt 
nimmt die Stelle der antilen Arr ein. 

(vom frj. poterie, engl. pottery), foviel 
wie Thonwa ren; aud jovielwieTopfgieherei, 
bie Herjtellung eiferner Kochgeſchirre. 

Poterium L., Pilanzengattung aus ber Fa: 
milie der Nofaceen. Man tennt gegen 20 Arten, 
meift perennierenbe Kräuter, bie beſonders in der 

gemäßigten Zone wadfen. Sie haben alter: 
nierende unpaarig gefiederte Blätter und Heine zu 
Köpfchen oder Ahren vereinigte Blüten. Die Ich 
tern find teils zwitterig, teil$ diöciſch oder auch 
polygamifh und beitehen aus einem röhrenför: 
migen vierzipfeligen Kelch, welcher blumentronen- 
artig entwidelt it, vier oder mehr Staubgefähen 
und ein bis d chtlnoten, von denen jeder 
einen fadenförmigen Griffel trägt; eine eigentliche 
Blumentrone feb t. Die Früchte find einfamige, 
vom ftehenbleibenden Kelche umſchloſſene Nußchen. 

Die belannteſte Art iſt die in Deutſchland, beſon⸗ 
ders auf Kallboden ſehr häufige Becherblume, 
P, Sanguisorba L., deren Blätter einen gewürzigen 
— * und deshalb auch an einigen Orten 
als Gemüfe oder Suppentraut gegefien werden; 
auch gilt diefelbe für ein gutes Fulterlraut. Die 
als rba officinalis L. befannte Pflanze, 
auch Wieſenkopf, Wiefenbibernell genannt 
—— s zur Gattung P. zu rechnen, fie iſt au 
Wieſen ſehr gemein un —* im Spätfommer, 
ihre auf einem 60—80 cm hohen wenig beblätter: 
ten Stengel fisenden Blütenköpfchen find braunrot. 
Die Dlüten find fämtlicy zwitterig, während bie 
von P. Sanguisorba monöciih find. Die Wurzel 
war früher als blutftillendes Mittel offizinell. 

Poterne (vom lat. posterula), Au sfallihor, 
wird ein o Ib geihlofiener, alfo tunnelartiger 
Durchgang durch den Wall eines Feitungsmwerts 

enannt, namentlich ein folder von Heinern Dimen: 

onen, Weniger gebräuchlich ift der Ausdrud für 
Öreiten, ben 


wölbten 
8 (lat.), S. reg Imperium. 


zothenotſche Aufgabe oder Rückwärtsein— 
ſqhnitt nad) drei Punkten ift das in der praltiſchen 
Geometrie Meßlunſt) vorlommende Problem, aus 
brei ihrer Page nad; gegebenen Punlten, welche ala 
unzugän zu betrachten find, die Lage eines 
vierten Punltes auf bem Felde durch bloße Mintel: 
meſſung von diefem aus zu beſtimmen. Das Pro: 
blem fann durch Rechnung, wie durch geometrijche 
oder mechan. Konftruftion gelöft werden. Die erite 
——— 1614 der niederl. Mathematilker 
Snellius, während ber franz. Alademiler Pothenot, 


iedensverlehr dienenden über: 
ore. 


defien Namen die Aufgabe trägt, erft 1692 ein 
Memoire das Problem ferieb. al. von 
eind, «Glemente der Vermeffungstunde » 


(6. Aufl. zn 1879). 
Pothier (Nob. 2) berühmter franz. Rechts⸗ 
elebrter, geb. zu Orldans 9. Yan. 1699, war im 
Siter von 21 % bereit3 Nat beim Präfidialgericht 
Orleans, 


einen Nubm begründete er mit der 
0 aPandectae Justinianeae in no- 

vum ordinem digestae» (3 Bbe,, Bar. 1748—52; 
Leid, 1782; neue Aufl. von Latruffe Montmeylian, 
1818— 21; franz. mit gegenüberftehendem 

von Bröard de Neuville, 18 Bde., Par. 1806 


. wurbe jpäter or des Rechts 
zu Bellen und a — Bere ran —— 


S 


22) 


Gr ftarb 2. März 1772 zu Orleans, wo ihm 1859 
ein Standbild errichtet wurde. Zu feinen bedeu: 
tendſten wiſſenſchaftlichen Leijtungen gehören noch, 
außer einer Bearbeitung der Coutume d'Orléaus, 
die «Traitös sur differentes matidres de droit 
civil» (8 Bde., Par. 1773), als deren Meifterftüd 
ber « Trait& des obligations» (2 Bde., Par. 1781) 
gilt. Seine Werte erfchienen zuerit als « Oeuvres 
completes» (Par. 1810) in 25 Bänden. Don 
gr Ausgaben find die von Siffrein (20 Bde., 
ar. 1820— 24), Dupin (11 Bde., Bar. 1823—25) 
und Bugnet (11 Bde,, Bar. 1845—48) zu nennen, 
Lebensbefchreibungen P.s verfaßten Dupin (Par. 
1827) und Fremont (Orleans 1859). : 
Pothos (erh), in der griech. Mythologie die 
Berfonifitation des Verlangens, 
—— (Port), f. unter Hyeres. 
Bothuan (Louis Pierre Aleris), franz. Ads 
miral, geb. 30. Dt. 1815 auf der Infel Martinique, 
trat 1831 in die Marinefhule und wurde 1810 
Ediffslieutenant, 1850 Fregattenlapitän und 1864 
Kontreadmiral; während der Belagerung von Paris 
1870 war er Kommandant des ‚et von Bicẽtre 
und der von Marinetruppen verteidigten Sudforts; 
fpäter befebligte er eine Divifion der Dritten Armee 
und wurde im an. 1871 Vizeadmiral, PB. war 
vom Febr. 1871 bis Mai 1873 Minifter der Marine 
und ber Kolonien und feit 1871 Mitglied der 
Nationalverfammlung, in welcher er mit dem linlen 
Gentrum ftimmte; 1875 wurde er zum Senator auf 
Lebenszeit ernannt, Unter dem Minifterium Du: 
faure war P. nochmals Marineminijter, wurde 
dann Gefandter am engl. Hofe, nahm aber ſchon 
1880 feine Entlafiung. Er tarb 6. Oft. 1882. 
vo (türf, Kala-⸗Faſch), befeitigte Hafenitadt im 
rufl.»taulaf. Generalgouvernement Kutais (Min: 
gesien), 125 km von Kutais, am öſtl. Ufer des 
hwarzen Meeres an der Mündung des Nion ge: 
legen, Station der Linie B.:Samtredi der Trans: 
faufafifchen Gifenbahn, hat einen guten Hafen, iſt 
aber berüchtigt wegen der bösartigen Fieber, die 
ihren Grund in der niedrigen Lage der Stabt und 
der großen fie umgebenden ftehenden Gewäſſer 
aben. 4 km von J ſoll das alte griech. Phaſis 
ſ. d.) gelegen haben. Die jebige Feſtung wurde 
1575 unter Sultan Amurat Ill. erbaut, und lam 
1829 an Rußland. Die Stadt hat eine hölzerne 
Kirche und (1884) 3112 E. j R 
Potihomanie(orh.),auh Potihinomanie, 
ein um die Mitte des 19. Jahrh. beliebtes Verfab: 
ren, um Glasgefäße mit Malereien auszufhmüden. 
Man Hebt das Papier mit den Zeihnungen in das 
nnere ber * und ſtreicht die Nüdjeite mit 
(farbe an, ſodaß das Ganze dem gemalten Bor: 
zellan ähnlich wird. : } 
Potidän, im Altertum eine Kolonie der Korin— 
ther, die durch den Fürften Beriander (625—585 
v. Chr.) an dem ſchmalen Halfe der macedon. Halb» 
infel Ballene gegründet wurde. bielt in dem 
Perferkriege des Kerres 479 v. Chr. eine Belage: 
rung durd den General Artabazos re aus. 
Der Abfall diefer Stadt (432) von Athen wirkte 
entſcheidend mit zum Ausbruch des Beloponnefiichen 
Kriegs; die 429 v. Chr. von den Athenern wieder: 
eroberte und mit attiichen Anſiedlern bejegte Stadt 
wurde 356 durch den König Philipp II. von Mace: 
donien zerjtört, auf ihren Trümmern aber_ nad 
316 v. Chr. durch König Hafjander bie neue Stadt 
Kaflandreia angelegt. 


' 


230 


Potior (Prior) tempore, potior jJure, 
lat, —— «Fruher in der Zeit, früher im 
Rechte, unjer: Wer zuerft kommt, mahlt zuerft. 

otiphar oder Potiphera, ägypt.: «dem 
—— Ra ergeben», Name eines ä pt. 

riefter3 von Heliopolis, welcher nad) der # r. 
—* Joſeph, den Sohn Jakobs, kaufte, als Schwie: 
erſohn annahm, zulekt aber auf die Anklage feines 

jeibes hin in das —* nis werfen ließ. In der 
Bibel (1 Moſ. 39) wird P. als «des Pharao Käm— 
merer und Hofmeiſter⸗ bezeichnet, alſo als ein höherer 
Staatsbeamter; ſein Weib verſuchte eine Verfüh— 
rung Joſephs, ward aber von dieſem zurüdgewieien 
und verllagte ihn dann, daß er fie habe entehren 
wollen; Soleph fam ins Gefängnis, ward aber bald 


wieder befreit (vgl. Jofepb). _ 

—— eine poln. deren Stamm⸗ 
* m. in ber ehemaligen Wojwodſchaft Kra: 

u und ber noch gegenwärtig jehr bedeutende 
Seredaften, beſonders in Galizien und der Ukraine, 
angehören. Bom 16. ‚yebrh. an betleideten viele 
Mitglieder dieſer Familie die höchften Staats: und 
Kirhenwürden in Polen. — Graf Staniflamw 

elir ®., geb. 1752, Großfeldherr der poln. Ar: 
tillerie, hatte großen Anteil an den poln. Unruben 
von 1788 und ftiftete zum Sturze der Berfafjung 
vom 3. Mai 1791 mit Gleichgefinnten die Targo: 
wiger Konföderation. Nach dem Auftreten Ko: 
ciuſzlos 1794 floh er nad) Petersburg, Das 

öchſte Gericht der Republik verurteilte ihn als 

erräter bed Baterlandes zum Tode. Sein Ver: 
mögen wurde eingezogen und fein Bildnis an den 
Galgen geictonen uworows Siege vereitelten 
jedoch diefe Beichlüffe, und Katharina ernannte P. 
1795 zum ruſſ. Generalsen:Chef. Doch lebte er 
meiſt auf feinen Gütern in ber Ukraine und ftarb 
1805. Bon feinen Söhnen nahm Wladimir P., 
je 1798, im Ay Se er — 

eldzuge gegen die Öfterreicher und ſtarb 1811 als 

berit. Eeine Fink von Thorwaldſen fteht 
in der kralauer Kathe 

Graf Jonacy P., geb. 1751, Großmarſchall 
von Litauen, war einer der Begründer der Konfti- 
tution vom 3. Mai 1791, für die er aud) den Kö: 
nig Staniflam Auguft zu gewinnen wußte. Als 
bie ruſſ. Truppen vorbrangen, ſuchte er am ber: 
liner Hofe vergebens Hilfe zu erwirlen. Er flüd: 
tete dann a und feine Güter wurden 
konfisziert. Der Aufftand Kofciufzlos 1794 rief 
ihn nad) Warſchau zurüd, wo er mit der oberiten 
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten beauf: 
tragt wurde, Im Vertrauen auf die mit Sumorow 
abgeſchloſſene Kapitulation von Warſchau blieb er 
in der Stadt, wurde aber verhaftet und ala Staats: 
gefangener nad, Schlüfjelburg abgeführt. Paul 
gab ihm 1796 die Freiheit wieder. Erſt feit 1806 
trat er wieber ins öffentliche Leben ein. Er hatte 
fih an der Spike der Abgeordneten ded Herzog: 
tums Warſchau zu Napoleon nad Wien begeben, 
als er 80. Aug. 1809 ftarb. 

Graf Staniflaw Koftla P., des vorigen 
Bruder, geb. 1752, zeichnete fi durch feine Bered: 
jamteit ſchon auf den Reichſtagen von 1788 und 
1792 aus und zog ſich nad) Polens Untergang auf 
jein Gut Willanow bei Warihau zurüd. Dort 
widmete er id) dem Studium der Künfte und den 
Wiſſenſchaften und ward Mitbegründer der «Ge: 
fellichaft der Freunde der Wifjenfchaften». Als 
1807 das Herjogtum Warſchau errichtet wurde, 


tale, 


Potior tempore, potior jure — Potomac 


wurbe er Präfibent der Erziehungsdireltion, 1815 
vom Kaifer Alerander I. zum Minifter des Kultus 
und bes öffentlichen Unterrichts ernannt. Er ftarb 


14. Sept. 1821. Zu feinen vorzüglidhften Schrif: 
ten gehört fein Werk über Beredjamteit und Stil 
(4 Bde., Warſch. 1815); ferner eine trefili hide 

en» 


—— Windelmanns «Kunſt der 
(3 Bde. Warſch. 1815). 

Graf Jan P., einer der ausgezeichnetſten flam. 
Geſchichtsforſcher, war 1761 geboren, hielt fi bis 
1812 in Peteröburg, jpäter auf dem Lande in Po; 
bolien und Bolbynien auf und ftarb 1815. Seine 
vorzüglichften Werte find: «Voyage en Turquie et 
en pte fait en 1784» (Warſch. 1788), «Essai 
sur Vhistoire universelle et recherches sur la 
Sarmatie» (5 Bde., Warſch. 1788), «Histoire pri- 
mitive des peuples de la Russie» (Peter&b. 1802), 
«Fragments historiques et g&ographiques sur la 
Scythie, la Sarmatie et les Slaves» (4 Bde., 
Braunſchw. 1796), «Chroniques, m&moires et re- 
cherches pour servir & l’'histoire de tous les 
peuples slaves» (Warſch. 1793), «Voyage de Basse- 
Saxe», mit Kupferjtihen, die Prillwiger Alter: 
tümer enthaltend (Hamb. 1795), «Histoire des 

uvernements de Volhynie, de Podolie et de 

herson» (Petersb. 1804—5). Alle dieſe Werte 
ind als Materialienfammlungen wichtig. P. 
chrieb nur franzöſiſch, und von jedem feiner Werte 
ind nur 100 Gremplare abgedrudt. P.s «Voyage 
dans le steps d’Astrahan et de Caucase» (2 Bbe., 
Bar. 1829) gab Klaproth heraus. j 

Claubyna Botocka, geborene Gräfin Dzia⸗ 
lynſta, die Gemahlin des Grafen Bernhard P., 
geb. 1802 zu Kurnif bei Poſen, wibmete ſich wäh- 
rend der Revolution von 1830 zu Warſchau ganz 
der Krankenpflege mit Singebung, teilte darauf das 
Eril ihrer Landsleute und ftarb zu Genf 8. Juni 
1836, wo ihr ein Dentlitein geſetzt wurde, 

Alfred B., öfterr. Staatgmann, geb. 1817, bes 
trat die diplomatische Laufbahn, warb 1861 zum 
Mitglied des rg re bes öfterr. Reichsrats 
ernannt und zugleich bgeorbneter im galiz. Land: 
tage. Im Bürgerminiterium war er 1867— 10 
Minifter des Aderbaues, darauf vom 15. April 
1870 bis 7. Febr. 1871 Minifterpräfident; burd) 
ihn wurde die Aufhebung des Kontorbats veröfient: 
lit. Gr jcheiterte an der Aufgabe einer Verſöh— 
nung ber Nationalitäten, 30g ſich dann zurüd, um 
fi der Bewirtfhaftung feiner Güter in Oſterreich 
und Rußland zu widmen, und war 1875—83 
Statthalter von Galizien, ‚ 

Potomar, Su in den Bereinigten Staaten 
von Amerila, welcher größtenteils die Grenze zwi: 

ı Maryland einerfeit3 und Birginien und Weit. 
virginien andererjeit3 bildet, entiteht durd die 
Vereinigung eines nörbl. und fühl. Arms. terer 
entſpringt in den Alleghanies, letzterer auf ber 
Shenandoabhtette. Bon dem —— an, 
welcher etwa 32 km ſüdöſtlich von ber Stadt Cum: 
berland ftattfindet, fließt er zuerft nordöſtlich, dann 
aber jüdöftlid, ſodaß er einen —— Bo⸗ 
gen beſchreibt, bis er die Stadt Waſhington er— 
reicht. Von bier ab dehnt er fidh, eine fühl. und 
ſüdweſtl. Richtung annehmend, zu einer 10—13km 
breiten Bucht aus, wendet fih dann wieber nach 
Südoft und mündet nad) einem Lauf von 640 km 
in die Chefapeafebai. Seine Hauptnebenflüfje find 
der Shenandoab, der Cacahon und der Monocacy. 
Schiffbar ift er troß vieler Stromverbeflerungen 


Potoſi — Potsdam 


nur bis Waſhin u. da fein oberer Yauf von vielen 
Säuellen und Kataralten unterbroden wird. Seine 
= gm 33 — Naturſchonheit aus, befon: 
ufiger Nämpfe. 

im nordameril. Staat 
Dubuque und A 80 *8 E., worunter viele 
Deutf Bei B. wird viel Blei gefunden. 
einer Zweigbahn der St.-Louis:, ron: Mountain: 
und Souttern-ifebahn, bat (1880) 715 6. 
die Hauptſtadt des glei namigen, durch 


wo er ben Blue:-Ridge 
x bare Ada waren die Ufer 
ber € ——2* 

—— ae = um pi und an der Mun⸗ 
dung des Grantflufles m oberhalb der Stadt 
Botoſi, Poſtdorf und Hauptort von Wafhing: 
ton County im amerif, Staate Mifjouri, an 
Potofi wird oft auch der Staat und die Stadt 
er (f. d.) in Meriko genannt. 


feinen Sat an edeln Metallen berühmten De: 
partements der ſudameril. Republik Bolivia, wurde 
—* einer —* von 3960 m auf der Nordfeite 
4688 m hoben Gebirgäjtods 
—* —* Poioſi 1545 von Juan Vilarel und 
Drego Centeno unter dem Nanıen Villa⸗-Imperial 
— die jedoch bald dem indian. Namen des 
es un Plah machte. Eine der 
a tãdte der Erde, in fahler, öder Gegend, 
fehr ee und I&luhtenreihem Terrain 
Stadt zwar etwas eng, doch regel: 

— Die Häufer find einfach aus Lehm: 
nd —2* aufgeführt, im Centrum der Stadt 
zweiltödig, ſonſt einftödig, mit Ziegeln bedacht, 
weiß ichen, in den Parterreraͤumen meiſt 


von Magazinen, Kaufläden, Branntweinläden 
u. .w. ein —— und gesen plögliches Ein: 
dringen bei ben oder Nevolutionen mit Vor: 
— * errammelung verſehen. Außer der 
Kathedrale, die 1809—37 ganz aus Quadern er: 
baut, 1858 reftauriert wurde und im Innern 
pradhtvoll ausgeftattet ift, hat P. noch 33 andere 
= und fhöne, aber meilt verfallene Kirchen, 
er und Komvente. Auf einem Heinen Mat 
a von der Katbebrale jteht ein Obelist zu 
Ehren Bolivars. it der Sitz des Departe: 
mentöpräfelten und zäbtt etwa 11000 E., während 
zur Zeit der höchſten Blüte die Zä (ung. von 1611 
150000 E. ergab, die ausichließlicy vom Bergbau 
febten,, wie * "die eutige Bevölterung. Außer 
der Münze deren Mafchinen Maultiere treiben, 
Belichen cm etwa act Amalgamierwerte mit Zubehör, 
eine Buchdruderei, eine Bierbranerei und Bren: 
nerei, ferner die Nationalbank, ein Handels: und 
ein En non ein Gymnafium und einige Volta: 
Privatihulen. Das Klima ift nit ungefund, 

und lalt, die Gegend zur Kulturungeeignet. 

Er & t ift reichlich mit gutem Trintwailer ver: 
ſehen, das aus Sammelteichen auf der benad barten 
Sordillera de Andacachua herbeigeführt wird. Die 

1 sur Betrikung © erleitungen wurden urfprüng: 

der Erzmahlmühlen u. ſ. w. an: 

te Cerro de Potoſi, ein 

—— F u a —— Suarz 
rödeligen Zra eſtehend und ganz 

von Silberadern üllt, üt er mehr als 5000 
teil3 verlafiene, teils noch bearbeitete Stollen und 
Galerien ausgehohlt. Die frühere ſehr reihe Sil⸗ 
berausbeute iſt jebt bedeutend gefunten. Die raſche 
unahme der Bevöllerung im alten P. lag i in dem 
iſchen Geſeß (Mita), wonad) die | 


ndianer 


231 


ber bamaligen Brovir rcas gezwu waren, 
in den Minen zu arb ng Rah ei — 
Angabe floß durch den Fünften (Ouinta- d.h. 
20 Proz.) 1556—1719 die Summe von 651 160123 

eſos Ks me. Mark in den Lönigl. 


— —**2* A Entdedung der Minen 
von Saracoles, iefert B . bie Hälfte des in Bolivia 
gewonnenen Silbers 


Das Denen Potofi zählt (1865) auf 
140457 am 290304 E. und zerfällt in fünf Pro: 
— 27 Chayanta, Chichas und Lipez. 

— iſt der franz. Name für Olla “ 
tri 7 b.) und wird nicht nur in derſelben 
beutung red u ern, uber 

on in muſilali eziehung, 
ftatt 1 Ouodlise — —— m ga B — 

Botſchappel, Ki im i en 
Kreishauptmannſchaft Dresden ag diweitlic) 
von Dresden, Station der — Dres ——— 
nitz und —— der Sächſiſchen Staatsbahnen, 
in einem weiten Thalleſſel am uägange des Blaucn: 
ſchen Orundes (f.d.). P. zählt (1880) 3520 E., ijt 
der Gentralpuntt ber Steinfohlenprobuftion der 
dortigen Gegend und hat Fabrilen für Porzellan, 
Zündwaren, Blumen u. f. w 

—— (flaw. Podätek), Stabt in ber Be: 

—— chaft ilgram im füböjtl. Böhmen, 

ber mä en Grenze, an ber Waffer: 

ct ie a ae — cn 
eer, it Sig ein eri 

2931 czech. E. und ehe anufaltur 


undin —— — ütten, Spinnereien, 
blu € ve Kartoffelzuderfabrit. nike 
tadt im ruſſ. Öouvernement Niſch⸗ 
nij⸗Rowgorod, Kreis Lulojanow, an Boma: 
wg Rebenfluß des —* x), mit (1880) 8000 E., 
bat Getreidehanbel A itation von Matten 
und Säden aus Linden 


Potsdam des gleichnamigen Ne: 
Bi g8bezirkg de der preuß. Provinz Brandenburg 
und weite Refidenz des * > t 26 km fübd: 
eftlich von Berlin an der Linie Berlin-P.:Nagde: 
9 der —— er — in ber ſchoͤn⸗ 
ten Gegend der Mark Einflufie der Nuthe in 
ie ſchiffbare Havel auf ei dam Inſel von 30 km lim: 
fang (Potsdamer Werber), welche von der Havel, 
einigen Seen und einem Kanale gebilbet wird. 
Die zum Teil fhöngebaute Stadt rag aus der 
Alt: and Neuftadt, zu ber auch der Kiez, die Fried: 
richsſtadt und das Sollänbiih Revier gehören, und 
aus vier VBorftädten (Berl — Nauener, Branden⸗ 
* und Teltower). traßen ſind breit, 
mit vielen et —— und, wie 
oe: zum Teil mit Bäumen beieht. Unter 
lägen find die vorzüglidhiten: der ei 
* — dem von —* entworfenen Denlmale 
as mit —— 
bäube nad) — — einer ehema In⸗ 
ſel, das als ri buy hie — egium 
—5 — = — —— Ind Hart 6; 
er arten, aus dem Bar: 
ftehend vs dem em Saraepa u Ya Bil: 
einen I. (von Hilgers, 18. 1 1885 enthüllt), 
ner 14 Büften preuß. * herren aus dem Be: 
—— (von Rauch) und einer des Seiler 
lexander I. von Rußland, 12 Marmorftatuen und 
8 Kanonen aus verfchiedenen Beitaltern; endlich 
der Alte Markt am Schloſſe, auf deſſen Mitte ein 
Obelisk von rotem und weißem Marmor, 23 m 


232 


hoch, fteht, deffen vier Seiten mit den Bruftbilbern 
des Kurfürften Friedrich Wilhelm und der Könige 
Friedrich J. Friedrih Wilhelm I. und Friebrid U. 
geihmüdt fin . Unter den ſechs Slirchen (fünf pro: 
teitantische und eine fatholifche) B.3 find bemerlens⸗ 
wert: die Garnifon: und Hoflirche mit ſchönem 
Glodenfpiel auf denn 90 m hoben QTurme, einer 
marmornen Kanzel, unter welder in einem Ge: 
wölbe die Leihname Friedrich Wilhelms I. und 
Friedrichs II. beigefeßt find und die eroberten franz., 
dän. und öfterr. Feldzeichen aus den Kriegen 1807, 
1813 — 15, 1848, 1864, 1866 und 1870 und 1871 
(an 150 Stüd) aufgehängt find; die nad) Schinkels 
Entwürfen 1830 —37 aufgeführte Stadtlirche zu 
St.Nilolai, die 1843 —50 noch mit einer präch— 
tigen, 75 m hoben Kuppel und vier Glodentürm: 
hen auf den Gden geihmüdt wurde; die Heilige: 
Geijtkirche mit einem 90m hohen Turme; die franz.» 
reform. Kirche, eine Notunde, ähnlid dem Pan: 
theon zu Non; die Friedenskirche vor dem Bran— 
denburger Thor am Cingange zum Garten von 
Sansſouci, 1845—50 in Form einer Bafılila mit 
freiftehendem Glodenturm (nad) San:Elemente in 
Nom) nah Plänen von Perſius aufgeführt, mit 
der Gruft Friedrih Wilhelms IV. und feiner Ge: 
— ietas und Rauchs Moſesgruppe. 
nter den übrigen öffentlichen Gebäuden iſt zu: 
erit das königl. Schloß in der Altftadt zu nennen, 
das 1660 —1701 erbaut, 1750 von Anobelsdorfi 
umgebaut wurde und ein längliches Viered von 
drei Geſchoſſen bildet. Einen ſchoͤnen Effekt be: 
wirfen die Kolonnaden auf der Seite gegen die 
110 m lange, 1822—25 erbaute Havelbrüde, zwi: 
ſchen der Mitte des weitl. Schlopflügels und dem 
tönigl. Neitpferdeftalle; die erjtere beiteht aus 20, 
die andere aus 32 freiftehenden korinth. Säulen mit 
m — aufgeftellten Hämpfergruppen. Sonſt 
find in architeltoniſcher Hinficht noch bemerlenöwert: 
das Rathaus, welches Friedrich II. 1754 nad) dem 
Muster des amfterdamer Nathaufes erbauen lieh; 
das Militärwaiſenhaus an der Waifenftraße, 120 m 
lang, vier Stod hoch, mit einem Turme von 45 m 
Höhe; das Schaufpielhaus, das Cafino (von Schin⸗ 
tel erbaut), das große Neit: und Erercierhaus. 
iit der Sig des Oberpräfiviums der Provinz Bran— 
denburg, der Regierung des Negierungsbezirts B., 
der Dberrehnungstammer, de3 Rechnungshofs des 
Deutichen Reiche, eines Amts- und Landgerichts, 
ſowie auch der Märkiichen Okonomiſchen Gefell 
ſchaft. Auch beitehen dajelbit ein Gymnafium, ein 
Realgymnaſium, eine Unteroffizierfchule, ein Ka: 
detteninjtitut und eine Kriegsſchule, eine Gärtner: 
lehranitalt mit einer Landesbaumſchule; —* das 
Militärwaiſenhaus mit 800 Zöglingen, das Civil: 
waijenhaus für Söhne unbemittelt verjtorbener 
Staat: und Gemeindebeamten und eine Stiftung 
zur Husjtattung tugendhafter Mädchen unter dem 
Namen eLuiſendenlmals. 

Die Bevölkerung der Stadt hat verhältnismäßig 
nur langfam zugenommen; fie belief ſich 1817 ohne 
Militär auf 23362, 1852 auf 32878, 1880 auf 
48447 E. Handel und Induftrie haben in neuerer 
Zeit größern Aufſchwung erhalten. Unter den Ya: 
brifen cher die Werkjtätten der Eiſenbahn und 
das Jacobsſche Etablifjement den erften Nang ein, 
Außerdem beitehen große Brauereien, Fabrilen für 
Tabak, Baummollwaren, Seidenzeuge, Yeder, Tuch, 
MWahsleinwand, Licht und Seife, Pappe u. ſ. m. 
Auch iit die Kunftaärtnerei von Bedeutung. Wäh— 


Potſu — Bott 


tend eines Teils des Jahres, namentlid im Som: 
mer, ift P. die Refidenz des Kaiſers und der Prin— 
zen. Die Stadt mit ihren reizenden Umgebungen 
ft dann der Bielpuntt für viele Fremden. Vor den 
meiften Thoren findet man ſchöne Alleen und weiter: 

in, größtenteil® an der Havel, Wälder, buſchige 

ügel und Weinberge. Durd) das Brandenburger 

bor, einen ſchönen, mit freiftehenden 3 Saͤu⸗ 
len gezierten Triuniphbogen, nad) dem Muſter des 
Trajanifchen in Nom 1770 von Unger erbaut, ge: 
langt man — ‚Lönigl. Luſtſchloſſe Sansſouci 

ſ. d.). Außerdem —* in den Umgebungen von 

‚no: Babelsberg (f. d.); das königl. Luftichloß 
barlottenhof, von Friedrich Wilhelm IV. als 
Kronprinz 1826 angelegt; da3 «Neue Palais», 
Sommerrefidenz des Kronprinzen, 1763—69 er: 
baut; das Marmorpalais, am Heiligen See, 1786 
—96 von Friedrich Wilhelm IL. erbaut, der auch hier 
ſtarb, vollendet 1845 durch Friedrich Wilhelm IV., 
eht Sommerrefidenz des Prinzen Wilhelm; bie 
illa des Prinzen Karl in Klein: Glienide an der 
Havel, wo eine prachtvolle Brüde über den brei: 
ten Fluß führt; das ehemalige Jagdichloß des 
Großen Kurfürſten, jeßt Sommerfig der Familie des 
verftorbenen Prinzen Friedrich Karl; die Pfauen- 
infel in der Havel; die fönigl. Villa auf dem PBingil: 
berge; das Belvedere auf dem 85 m hohen Brau- 
bausberge mit ſchöner Ausficht über Stadt, Strom 
und weitere Umgebungen; das Jagdſchloß Stern 
und das 1875—79 von Spieler erbaute Aſtrophy⸗ 
fitalifche Dbfervatorium auf dem Telegraphenberge. 
Die Stadt P. entitand um 1300 aus einen von 
Wenden bewohnten Bildern, welches die Stelle 
der jebigen Burgitrabe einnahm, während ein zwei: 
te3 auf dem heutigen Kiez ftand. Der Grobe fur: 
fürft erhob dasfelbe zuerſt aus feiner Unbedeutend- 
heit, indem er 1660—73 das fönigl, Schloß bauen 
und mehrere Straßen anlegen ließ. Friedrich Wil- 
beim I. umaab den Ort mit Mauern und gründete 
die Neuftadt und den Wilhelmsplah, und Fried: 
rich II. verſchönerte ihn durch viele Prachtgebäude, 
das Nathaus, das Schloß Sansjouci, die Bilder: 
galerie, das —— das —— u. ſ. w. 
Friedrich Wilhelm IL. begann den Bau des Mar: 
morpalais, und auch Friedrich Wilhelm ILL: fuhr 
fort, die Stadt durch Gebäude und Anlagen zu ver: 
fhönern. Die en wurde befonderd unter 
Friedrich Wilhelm IV. unter Leitung Lennds (f. b.) 
und des Hofgärtners G. Meyer zu den ven iten 
Schöpfungen der Bartgärtnerei umgeftaltet. "Vgl. 
außer den Schriften de3 1862 begründeten Vereins 
für P.s Gefhichte: Schmidt, «Geſchichte und Topo: 
rapbie der Reſidenzſtadt PB.» (Potsd. 1825); «Ge: 
chichte der lönigl. Nefidenzitadt P.» (derausg. von 
A. R., Potsd. 1883); Grieben, «Berlin, P. und lim: 
gebungen» (31. Aufl., Berl. 1885). 

‚Der ——— otsdam, welcher 
die weſtl. Hälfte der Provinz Brandenburg bildet, 
umfaßt ein Areal von 20642,57 qkm, zählt (1880) 
1161332 E. und zerfällt in die 17 Kreiſe: Ober: 
und Niederbarnim, Teltow, Stadt Potsdam, Stabt 
Charlottenburg, Dft: und Weithavelland, Stadt 
Brandenburg, Ruppin, Brenzlau, Templin, Anger: 
münde, Weit: und Oftpriegnik, Beeslow⸗Storkow, 
Yüterbogk:?udenwalde und —* 

Potſu, chineſ. Name des Amu (f. b.). 

Pott (Aug. Friedr.), ausgezeichneter Sprachfor⸗ 
icher, geb. zu Nettelrede im Hannoverſchen 14. Nov, 
1802, widmete fi, nachdem er in Hannover bie 


— — | u eu — 


Pottaſche — Potteries 


Säule beſucht, feit 1821 in Göttingen philol. Stu: 
dien, wurbe 1825 Kollaborator am —— zu 
Gelle, legte aber 1827 dieſe Stelle nieder und ging 
nad Berlin, wo er fic) bei der Univerfität habilis 
tierte. Im J. 1833 wurbe er Brofejlor der age: 
meinen Spracwillenigaft an ber Univerfität Halle. 
Seinen wiſſenſchaftlichen Ruf begründete er durch 
feine rn Forihungen» (2 Bde., Lemgo 
1833—36 ; 2. vollftändig umgeftaltete Aufl., 6 Bde., 
1859— 76). Eine fiberfiht über den «Yndogerman. 
Spraditanım- gab er in Grid und Grubers «All: 
gemeiner Encyllopädie» (Selt.2, Bd. 18). Hier: 
auf erfchienen die Schriften «De Borussico-Li- 
tbuanıcac tam ın Slavicis quam Letticıs linguis 
principatus (2 Abhandlungen, Halle 1837—41), 
«Die Zigeuner in Europa und Aſien⸗ (2 Bde, 
Halle 18414—45), für welches lehtgenannte Wert 
ihm die parifer Akademie den Volneyſchen Preis 
erteilte, «Die quinare und vigelimale Zählmethode 
bei voltern aller Weltteile» (Halle 1847) und «Die 
Perſonennamen, insbefondere die Familiennamen 
und ihre Entitehungsarten» (er 1853; 2. Ausg. 
mit Regiſter, 1859). Kleinere Schriften find «Die 
Ungleichheit der menſchlichen Hafen hauptſächlich 
vom ſprachwiſſenſchaftlichen Standpuntte» (Lemgo 
1856), «Doppelung als eins der wichtigſten Bil: 
dungsmittel der Sprache» (Lemgo 1862), «Anti: 
Kaulen, oder mythiſche Boritellungen vom Ur: 
iprung der Völker und Spraden» (Lemgo 1863) 
u.f.mw. Auch gab er W. von Humboldt3 Schrift 
aliber die Berichiedenheiten des menſchlichen Sprad): 
baued» nebit einer Einleitung «Wilhelm von Hum: 
boldt und die Spradmilienichaft» (2 Bde, Berl. 
1876 ; neue Ausg. 1880) heraus, 
de . u. Kalium (:Berbindungen 7). 
Botteudorf, Marktfleden in Niederöfterreich, 
Bezirtshauptmannihaft Wiener:Neuftadt, Station 
der Linien Meidling: Wiener:Neuftadt und B.:Gram: 
mat:Neufiedel der Öfterreihifhen Südbahn, mit 
einem fürſtl. ——*5— Schloſſe und (1880) 
G., welde eine Baummollipinnerei und me: 
han, Weberei (die erfte der Be. 1804 gegrün: 
det) unterhalten. Das alte Schloß, im 11. Jahrh. 
und wahrſcheinlich mit dem Material älterer Römer: 
bauten aufgeführt, war der Siß des Edelgeſchlechts 
von Pottendorf, das im 15. Jahrh. erloich. 
BPottenftein, Vlarktfleden in Nieberöiterreich, 
Bezirlshauptmannſchaft Baden, an der Triefting, 
Station der Linie Leoberdborf :St. Pölten der 
Oſterteichiſchen Staatsbahnen, ift Sig eines Ve: 
sirtögerichts, bat Ruinen einer Burg der im 
14. Jahrh. ausgeitorbenen Pottenfteiner und zählt 
1880) 1897 E., welche eine Baummollipinnerei, 
etallwaren: und Drabtitiftfabriten unterhalten, 
ur Zeit Maria Therelias begründete Melchior 
teiner aus Winterthur bier wie in der nächſten 
Umgebung eine großartige Metallinduftrie, bie 
zum Teil, wenn auch nicht im Orte, noch befteht. 
Botter (Louis be), einer der Haupturbeber der 
belg. Septemberrevolution von 1830, geb. zu 
Brügge 26. April 1736, widmete fih während 
eines langen Aufenthalts in Italien (1811—23) 
tirhenhijtor. Studien, die von rationaliſtiſchem 
Standpunft aus gemadht waren und deren Gr: 
ebnijie er in mehrern Schriften , als «L'esprit de 
'eglise» (8 Bde., Bar. 1821) und «Vie de Scipion 
de Ricci, evöque de Pistoies (3 Bde., Brüſſ. 
1825; 3. Aufl. 1857; deutſch, Stuttg. 1827), nieder: 


233 


Belgiens trat er in bie fhärfite Dppoſition gegen 
die Minifter und zog fi 1828 eine Gefängnis: 
itrafe von 18 Monaten zu. Gefängnis bes 
5* er bie fog_Unton ber Katholiken und 
iberalen , verflocht ſich aber durch vielfache revo: 
lutionäre Pamphlete abermals in einen Hochver— 
ratsprozeß, infolge deſſen er 30, April 1830 zu acht: 
jähriger Verbannung verurteilt wurde. Nach den 
brüfieler Septembertagen von 1830 wurde er Mit: 
glied der Proviſoriſchen Negierung, entzweite ſich 
aber bald mit feinen Kollegen, die ix tepublilan, 
Borfhläge zurüdwielen. Cr verzichtete deshalb auf 
jeine Umter und lebte feit jener Zeit ald Privatmann 
(bis 1838 in Paris). Er flarb in — 22. Juli 
1859. Als fein Hauptwerk verdient Erwähnung 
die «Histoire du christiauisme» (8 Bde., Bar. 
1836— 37; Auszug, 2 Bde., Var. 1856), die ganz 
in antilirhlihem Sinne verfaßt iſt. Sonſt find 
nod zu bemerken feine «Etudes sociales» (Brüfi, 
1843), fein «Dietionnaire rationnel» (Brüfj. 1859) 
und die «Souvenirs personnels» (2 Bde., Brüſſ. 
1840). Bol. Yufte . «Louis de P.» —— ie 
Votter (Baul), ausgezeichneter holländ. Dialer, 
eb. zu Enkhuyzen 20. Nov. 1625, erhielt durch) 
Inn Vater, Wieter P., einen mittelmäßigen 
aler, den eriten Unterricht. Schon in feinem 
15. jahre lieferte er allgemein bewunderte Werte, 
und nadydem er ſich 1649 im Haag niedernelaflen, 
fah er ſich mit Aufträgen überhäuft. Beſonders 
arbeitete er viel für den Prinzen von Dranien. 
Sein Fady war Tiermalerei und Landidaften, dod) 
eihnete er ſich hauptſächlich in der eritern aus. 
ie Landſchaften dienten ihm gewöhnlid) nur, um 
die Kühe, Schafe, Biegen, die feine Lieblingägegen: 
itände waren, in einer ihrer Lebensweiſe entipre: 
enden Umrahmung barzuftellen. Sein Kolorit 
it ungemein glänzend, und fo fein er aud alle 
einzelnen Teile ag fo wenig findet fid) eine 
Spur von gang, teifheit und Danier. Ge⸗ 
wöhnlic arbeitete er nur Stüde von mäßigem 
Umfang. Cine Ausnahme biervon machen die 
Bärenjagb im —— duſeum, die große 
Ochſenherde, die beim Transport nach Peters: 
burg auf der See unterging, und fein Hirt mit 
einer Herde im natürlicher Größe, gewöhnlich Der 
junge Stier genannt (im Haag), eins feiner auss 
——— Werte. Am berühmteiten wurde er 
ne feine Piffende Kuh (1814 vom Kaifer von 
ußland in Paris angelauft). Auch hat man 
geähte Blätter von ihm, die in hohem Wert jtehen. 
Er jtarb 27. eig 1654 zu Amiterdam, wohin er 
fid) zwei Jahre vor feinem Tode begeben hatte. 
Kabinettsitüde von . werden unter allen holländ. 
Tierjtüden am teueriten bezahlt. Sein Stier, ber 
urfprünglic dem Prinzen von Dranien gehörte, 
wurde 1795 von den Franzoſen aus dem Haag 
weggeführt und war. Serauf eine der vorzüglich: 
ften Zierden des parifer Muſeums, bis er 1815 
wieder nad) dem Haag gebracht wurde. Auber: 
dem finden ſich Hauptbilder von ihm in Peters: 
burg, London, Paris, Antwerpen, Scheveningen, 
Dresden, Wien und Münden. Sal. Meitrheene, 
«Paulus P ‚sa vie et ses auvres» (Haag 1867). 
Potteries, d. h. Töpfereien, nennt man in 
England die Fabrikgegend im nordweſtl. Teil der 
engl. Grafihaft Stafford, welde das berühmte 
engl. Steingut, Porzellan u. f. w. liefert. Der 
Diitritt umfaßt das Thal des obern Trent in einer 


legte. Gegen da3 Ende der holländ. Regierung | Ausdehnung von 11 bis 13 km und hat auscr 


234 


groben Reichtum an Eifenerz ein befonderes Koh: 
enlager und reichlichen Töpferthon 
bie hier betriebene Induſtrie nod ergänzt wird 
durch die feinften Thonarten von Burbet in Dorfet, 
Seifen aus Cornwall, erftein von Gra: 
vesend, aus Wales und Jrland. Gtrom:, Kanal: 
und Eifenbahnverbindbung erleichtern dem merk: 
würdigen Induſtriediſtrilt den Abjah feiner Erzeug⸗ 
niffe nad) allen —— Auf einem nur be: 
ſchränlten Raume enthält derfelbe eine Reihe von 
Städten, — und Dörfern, bie einander allmãh⸗ 
lich fo nahe gerüdt find, daß fie jebt faft eine einzige 
Stadt von etwa 300000 E. bilden. Die ig 
— meiſt an ber Eiſenbahn gelegen, find: 
tofe upon Trent (f. d.); Nemwcaftle under 
Lyme (f. d.); Etruria (f. d.); Fenton (f. d.); 
Longton und Lane:End (4,3 km im Güb- 
often von Stofe), ein unregelmäßig gebauter Ort 
mit den Borftädten Gibraltar und Dreften, 
zufammen mit (1881) 18615 E., 98 Fabrilen und 
62 Werlftätten, einem Athenäum, einem litterari: 
(den Inſtitut und einer Bibliothet; Hanley (1. d.); 
urdlem (4,3km im Rorben von Stofe), ſchlechi 
ebaute Marttftadt am Trent, der wichtigfte Ort für 
ie yes der ®., mit (1881) 26521 E. einer 
Stadthalle, einer Markthalle, dem 1870 eröffneten 
Wedgwood⸗Inſtitut, einer Kunftfhule, Mufeum, 
einer Glashütte in ber Borftabt Longport und 
einem Kranlenhaufe in ber Nahbaridaft; Tun: 
ftall(f.d.). Die Pottery befteht zum Teil aus einem 
verworrenen Haufen funftlofer Gebäude, die, durch 
bloße Feldwege verbunden, mitten unter Meiereien 
und Adern liegen. Die Pottery verdankt ihr Auf: 
tommen dem Unternehmungsgeifte Wedgwoods, 
ber 1760—95 bier in dem von ihm erbauten Dorfe 
Struria wirkte, ſowie dem Umftande, daß ſich da: 
jelbſt die ergiebigften Steinfohlenminen und die 
Gruben des beiten Thons befinden. 

Pottfiſch, Pottwal, ſ. Kaſchelot. 

Bottle, engl. Hohlmaß, = 2,72 1. 

Vottloh, foviel wie Graphit. 

Votto, ſ. unter Halbaffen. 

Pottfcheö Abel (Malum Pottii), Spondyl: 
arthrocäce, benannt nad) dem engl. Chirurgen 
Bercival Bott (geb. 1713, geſt. 22. Dez. 1788 als 
Oberarzt am ieh year pital zu London), 
der das Leiden zu enau beſchrieb, heißt bie eite: 
tige Entzündung der Wirbellnochen und die durch 
fie hervorgerufene winfelige Anidung (Budel) der 
Wirbelfäule. (S. unter Wirbelfäule.) 

Vottötotun, Poſtdorf in Montgomery County 
im norbamerit. Etaate Bennfylvania, liegt am 
Schuyllillfluß, an der Mündung des Manatawny: 
Greef, an der Bhiladelphias und Reading: und ber 
Golebrootdale-Gifenbahn , hat (1880) 5305 E., 12 
Kirchen, 1 höhere Unterridhtäanitalt, 1 Ho ſchuie, 
2 Eiiengiebereien, 2 Hohöfen, 1 Nagel:, 1 Wagen: 
und andere Fabrifen. 

Bottoville, Stadt und Hauptitadt von Schuyl: 
KU County im nordamerit. Staate Bennfylvania, 
* in wilder Gebirgsgegend am Schuyltillfluß 
und an der Mündung des Norwegian:Greel, an 
der Bhiladelphia: und Reading-Eifenbahn und hat 
(1880) 13253 G., unter denen viele Deutiche. 


en 


bat 1 Gerichts: und 1 Stadthaus, 18 Kirchen 
1 5° ſchule, 3 Rational: und 6 andere Banlen, 
4 Walzwerle, 3 Eiſengießereien, Hohöfen, Maſchi— 
nenwerlftätte und mehrere Sabriten und ift ein 
Hauptitapelplag für Steintohlen. 


ber jedoch für | M 


. | lie und Privatgebäude und 


Pottfiſch — Poughleepfie 


Potvbin (Karl), —— . au 
ons 2. Dez. 1818, ftudierte an der kath. Univer: 
fität zu Löwen, deren Grumbfägen er jedoch gleich 
beim Antritt feiner litterarifchen Laufbahn abhold 
wurde. 7 Zeit widmete er ſich zu Brüſſel der 
Öffentlichen Zagesprefle im Sinne des eytremen 
Liberalismus, fpäter beidhäftigte er ſich ausſchließ⸗ 
lid mit Studien und Arbeiten auf dem Gebiete 
der Pitteratur: und Kunſtkritit und ift feit wielen 
yabren einer der thätigften Rebacteure ber «Revue 
e Belgique» und Inhaber des von der Stadt 
Brüfjel unterhaltenen öffentlihen Lehrituhls für 
Litteratur. Seit 1884 ift er Konſervator des Mu: 
feums Wierz in Brüfiel. Bon feinen poetifchen 
Werten find zu erwähnen: «Po&mes historiques 
et romantiques» (Brüfj. 1840), «Patrie; po6sies» 
(1862), «Marbres antiques et crayons modernes» 
(1862), «L'art flamand» (1868), «Jacques d’Ar- 
tevelde» (biftor. Drama, 1861), «La mörc de Ru- 
bens» (Drama in 5 Alten, 1875), «Le roman du 
Renard» (verfifiziert, 1860). Bon feinen fonftigen 
Schriften verdienen hervorgehoben werben: 
«L’eglise et la morale» (2 Bde., . 1858; 
unter bem Pieudonym Don Jacobus), «Nos pre- 
miers sidcles litteraires» (2 ., 1870), «De la 
eorruption littraire en France» (1873). Zur 
roman. Pitteratur lieferte er einen wertvollen Bei: 
trag durch Herausgabe des zu Mons befindlichen 
Manuftripts von Chreftien de Troyes' « Perceval 
le Gallois» (5 Bde., Mond 1865— 71). 
otwal, |. Rafcelot. j 
onanee, Stadt im franz. Depart. Maine:et: 
Soire, Arrondiffement Segre, Station der Linie 
Sable:Chäteaubriant der Weitbahn, hat (1881) 
2038 (Gemeinde 3446) E. ein Schönes modernes 
Schloß, die Ruine einer Burg aus dem 13. und 
14. Jahrh. und ein 1651 gegrünbetes Eifenwert. 
Poudre (fr;.), Sand, Pulver, Buber; P. de 
riz, feinftes Reismehl als trodene weiße Schminte. 
Boudretie (irz., Fälalbünger), der zu einem 
trodenen Düngemehl verarbeitete, zumeilen vorher 
desinfizierte Inhalt der ftädtifchen Aborte. Wäh- 
rend fıch die frühere Behandlung Far auf eine 
fortgefehte Berbampfung an freier Luft, teilmeije 
auch auf Hürden und in Trodeuftuben befchräntte, 
hat man in neuefter Zeit die Gewinnung ber wert: 
vollen Stoffe audy auf teild mechan., teild chem. 
Wege (Verfahren von von Bodewild, Buhl und 
Keller u. a.) mit Erfolg durdgeführt und dadurd) 
zugleich einen Dünger gewonnen, welder, im Ge: 
enſatz zu der frühern P „einen gleihmäßigen Ge: 
hatt an Stidftoff, Kali, Bhosphorjäure u. }. w. be: 
it. Auch die Vermiſchung der Fälalien mit 
orfftreu hat fich als zwedmäßig erwieſen. Bal. 
Heiden, Müller und von Langedorff, «Die Ber: 
mertung der ftädtifchen Zätalien » (Hannov. 1885). 
Ponghtecpfic (auch Boleepfie), Stadt umd 
——— von Dutch Sen). im norbamerif. 
taate Neuyork, liegt am Hublonfluß, über wel: 
en eine ſchmiedeeiſerne Baltenbrüde führt (f. Ta- 
fel: Brüden II, 2), an der Hudion: River: und 
der B.: und Eaftern:Eijenbahn, hat (1880) 20207 E., 
breite und fhöne Straßen, geihmadvolle öffent: 
be Anzahl vorzüglicher E Armen heran har 
große Anzahl vorzüglicher Erziehun alten aus, 
morunter das von Matthew Bajlar 1865 gegrün: 
dete Vaflar:College, eine ee nterrichtsanftalt 
jr Mädchen, das bedeutendite ift, Außerdem bat 
. mehrere Gofleges, Seminarien, Ynftitute, eine 


Pouillac — Bourtales 


ſtaͤdtiſche Hochſchule, ein Opernhaus, ein Stadthaus, 
eine Öffentliche Bibliothel, ein rg ſechs 
Banten, ein Walzwert, einen Hohofen, Wolls, Wa: 
en:, Mafchinen: Schuh⸗, —— und andere 
abrilen. Die Deutfchen ber Stadt haben brei 
irhen unb eine Schule. 
ouillac, ſ. Bauillac. 
onillet (Claude Servais Mathias), ausge: 
zeichneter franz. Phyſiler, geb. 16. Febr. 1791 zu 
Cuzance (Doubs), beſuchte feit 1811 die Normal: 
ſchule zu Paris, an welcher er bald darauf Repe— 
tent und Maitre de Conferences wurde. Er erhielt 
dann den Lehrituhl der Phyſil am College Bourbon 
und wurde 1829 zum zweiten Direltor des Konfer: 
vatoriums ber Nünfte und Gewerbe ernannt, an 
welchem er das un der Phyſil übernahm. Im 
J. 1831 erhielt er die oberfte Zeitung diefer Anftalt. 
Als ein aufrichtiger Verehrer der Julidynaftie ge: 
hörte er auch ala Deputierter zu ben Bertretern 
der minifteriellen Bolitit, Nach der Februarrevo: 
lution von 1848 zog ſich P. aus dem polit. Leben 
zurüd und legte nad dem Staatsſtreich von 


2. Dez. 1851 auch feine Umter nieder. Seit AJuli | de 


1837 war er Mitglied der Atademie der Willen: 
fhaften. Er ftarb 15. Juni 1868 in Paris. P.s 
Auf gründet fih auf feine trefilidden « El&ments 
de physique experimentale et de me&töorologie » 
(7. Aufl., 2 Bde., bearbeitet von N Müller [f. d.]; 
8. Aufl., von Pfaundler, Braunſchw. 1876—81), 
die fih aud in Deutichland eingebürgert haben, 
und auf feine « Notions generales de physique et 
de met£orologie» (3. Aufl., Par. 1859). 
Poniliy, Dorf im franz. Depart. Meufe, Ar: 
rondijjement Montmedy, lint3 an der Maas, Sta: 
tion der Linie Lerouville:Sedan der Dftbahn, mit 
509 €.; bier überichritt am 31. Aug. 1870 das 
preuß. Garbelorps ben Fluß, um bei der Berfol: 
gung Mac⸗Mahons gegen Carignan vorzugehen. 
‚Bonilly:fur-Loire, Stadt im franz. Depart. 
Nieore, Arrondiſſement Cosne, reits an der Loire, 
Station der Linie Paris: Neverd: Lyon (Ligne du 
Bourbonnais) der Paris: Lyon» Mittelmeerbahn, 
bat (1881) 1848 (Gemeinde 2986) E., Weinbau 
(guter Weißwein) und Weinhandel. B., mittellat. 
Polliacus im Pagus Autissiodorensis, gehörte 
unter den Balois und Bourbons zu Nivernais. 


oulat (Yean Joſeph Francois), franz. 
Per eller, geb. 26. San 1800 wir du (De: 
ırt. Rhönemündungen), machte feine Studien in 


lir, fam 1826 nad) Paris, trat in freundfchaft: 
lihen Bertehr mit Mihaud, wurde deflen Mit: 
arbeiter an der «Bibliotheque des Croisades» und 
bereifte mit ihm feit 1830 Griechenland, Konftan- 
tinopel, Kleinafien und Jeruſalem. Bei * Rüd: 
tehr ließen fie die «Co ndance d’Orient» 
(7 Bde., Bar. 1833—35) erſcheinen. Nachher ver: 
öffentlichten fie eine « Nouvelle collection des mé- 
moires pour servir & l’histoire de France depuis 
le XIIl® siècle jusqu'& la fin du XVIII% (32 Bde 
Var. 1836—38). reits 1835 hatte P. den Ro: 
man «La B£douine» (2 Bde., Par. 1840 u. öfter) 
—— der von der — — Alademie ge⸗ 
rönt wurbe. Nach der Rüdlehr von einer Reiſe 
nach Italien, wohin er Michaud begleitet hatte, 
ließ er«Toscane et Rome, correspondance d’Italie» 
(1839) erfcheinen, bejorgte auch eine neue Ausgabe 
von Michauds «Histoire des Croisades » \ de., 
Se. 1840—48), mit einem Borbericht über das 
ben bes Berfaffers. Außerdem verfaßte P. eine 


235 


«Histoire de Jerusalem» (2 Bde., Bar. 1841—42; 
4. Aufl. 1856), die «Histoire de Saint-Augustin » 
(3 Bde., Den 1844; 3. Aufl., 2 Bde., 1850), eine 

elrönte Breisichrift und eins feiner Hauptwerte; 
erner «Histoire de la r&rolution frangaise » 
(2 Bbe., Tours 1847; 6. Aufl. 1877), «Le cardinal 
Maury, sa vie et ses @uvres» (Bar. 1855; 2. Aufl. 
1858) u.f.w. Im J. 1848 wurde P. im Depart. 
Rhönemündungen in die Konftituierende National: 
verlammlung und naher auch in die Gefeßgebende 
Verfammlung gewählt, wo er mit der legitimift. 
Rechten ftimmte. Gr jtarb zu Baris 5. Jan. 1880, 

Poularden (frz.), verihnittene Hühner, bie ſich, 
wie die Kapaunen, vorzüglid gut mäjten lafjen 
und ein noch beſſeres, zarteres Fleiſch geben als 
biefe. Anjtalten, wo diefe —8 im großen geſchieht, 
nennt man in Frankreich POularderien. Neuer: 
dings kommt das Verſchneiden aber immer mehr 
ab, und man wmäjtet mit mehr Vorteil die fog. 
Poules und Coqsvierges, junge Tiere, bie bis 
zur Majtzeit völlig getrennt gehalten worden find. 
Ponte (fr3.), der gefamte Einſaß in einem Spiel, 
n der Gewinner belommt, befonders beim Billard, 

oulton:le-Sands, Seebad beilancalter(i.d.). 

ound (engl.), Gewidt, f. unter Avoir- 
dupois, — P, Sterling, Pfund Sterling. 
ounza iſt in Dftindien natürlid vorkom— 
as 2, Dorf im Depart.’Eure:et:Loi 
oupry, franz. epa tre⸗et⸗Loir, 
5 km nordweſtlich von Artenay, bildet einen Teil 
bes Schlachtfeldes von —* f. d.), auf weldem 
2. Dez. 1870 gelämpft wurde, 

Pongquebille —— Charles Hugues Lau⸗ 
rent), franz. Gelehrter, geb. 4. Nov. 1770 zu Mer: 
lerault im Orne: Departement, widmete fi ur: 
fprüngli) dem Stubium der Med in und erwarb 
fih durd feine Abhandlung über die orient. Belt, 
die er in Ügypten und Syrien beobadıtet hatte, 
einen ehrenvollen Ruf. Nachdem er Mitglied der 
ägypt. Kommiſſion geweſen, dann eine Reiſe nad) 
Konftantinopel und Griehenland unternommen 
batte, fenbete ihn Napoleon ala Generaltonful zu 
Ali Paſcha nad) Janina, bei dem er bis 1812 blieb, 
worauf er zum eneraltonful in Patras ernannt 
wurde. Er ftarb 28. Dez. 1838 zu Paris. P. 
widmete ſich — der ** ung Grie⸗ 
chenlands. Zuerſt erſchien feine «Voyage en Mo- 
ree, à Constantinople, en Albanie, etc.» (3 Bbe., 
Bar. 1805), dann bie «Voyage de la Gr&ce» (5 Bbe., 
Par. 1820—22; 2. Aufl., 6 Bde., 1826—27), zus 
left «La Gröce, histoire et description» (Par. 
1835) für das «Univers pittoresque», Grobe Ber: 
breitung erlangte aud) feine «Histoire de la r&ge- 
neration de la Gröce, 1740—1824» (4 Bbe., Bar. 
1824). Als Mitglied der Alademie der Inicpriften 
verfaßte er das «Mö&moire historique et diplo- 
matique sur le commerce et les &tablissements 
frangaises au Levant» (1833). 

Pour aoquit, ſ. Acquit. ’ 

Pour le mörite (Orden), f. Mérite (Or: 
en frz), Unterrebung (behufs ei 

Pourparler (frj. nterredung ufs einer 
Berftändigung), Unter —— 

Pour prenäre cong&, ſ. unter Congé. 

Bonrtalds, ein in Preußen, Oſterreich (Böh: 
men), Frankreich und der Schweiz blühenbes gräf: 
liches und adeliges Geſchlecht, defien —— 
Vorfahren nad) Aufhebung des Edikts von Nantes 
aus dem jüdlihen Frantreich nad der Schweiz 


236 


auswanderten und ſich * Neuenburg niederließen, 
wo ſie als fleißige Gewerbsleute lebten. Der erſte dies 
fer Bürgerfamilie, der aus der —* hervor⸗ 
tritt, iſt der Kaufmann Jeremias P. deſſen Thä⸗ 
tigleit und Geſinnung die Blicke Friedrichs d. Or. 
auf ihn Ienkten, Lebterer erteilte ihm 9. Febr. 
1750 den Abelöbrief. Der Sohn diejes Jeremias 
= war Jakob Ludwig von P., der eigentliche 
öpfer jenes * Vermoͤgens, welchem 
feine Nachkommenſchaft Rang und Stellung ver: 
dankt, Er war 9. Aug. 1722 zu Neudätel geboren, 
befuchte einige Jahre hindurch wiſſenſchaftliche Bil: 
dungsanftalten und eröffnete dann 1753 fein Han: 
delshaus in Neuenburg, das er binnen Furzer Zeit 
zu einem der geachtetſten in der Welt erhob. Sein 
taftlofer Unterne —**2* Da nicht nur ein 
Nep von Comptoird und Geſchäftsverhindungen 
über beide Hemilphären gezogen, ſodaß er Durch feine 
roßen Handelsoperationen der glüdliche Neben: 
ubler des Hopeihen Haufes in Amfterbam wurde, 
fondern er begründete auch in feiner Heimat wie 
anderwärt3 induftrielle Gtabliffements aller Art. 
Er ftarb 20. Dlärz 1814 zu Neucätel. Zur An: 
erfennung feiner Verdienſte wurden feine brei 
Söhne 19, Mai 1814 vom König Friedrih Wil: 
beim ILL. in den preuß. Grafentand erhoben. Sein 
ältefter Sohn, Graf Ludwig von P., geb. 14. Mai 
1773, geit. 8. Mai 1848, war Präfident des Staat2: 
rat3 im Fürftentum Neuenburg , fowie Oberinjpel: 
tor der ſchweiz. Artillerie. Bon feinen drei Söhnen 
war ber ältefte, Graf Ludwig August von P., 
geb. 17. März 1797, geft. 7. Juni 1870, preuß. 
außerordentliher Staatsrat und Oberftlieutenant 
ber Artillerie des Fürftentums Neuenburg, wäh: 
rend ber zweite, Graf Harl Friedrid von ®., 
eb. 10, Juni 1799, geſt. 5. Juni 1882, Oberin: 
peltor der Milizen des Fürſtentums war. Beide 
Brüder fuchten 3. Gept. 1856 an der Spibe der 
Royaliften die königl. Regierung in Neuenburg 
(j. d.) wiederherzuftellen. Graf Ludwig nahm das 
Schloß zu Neuenburg, während Karl Friedrich nad) 
Locle und Lahaur:de: Fonds z0g. Beide wurden 
jedoch von ihren Gegnern gefangen genommen und 
erit 26. Mai 1857 wieder in Freiheit geſetzt. 
Peuinn (Nicolas), ausgezeichneter Hiftorien- 
und Landſchaftsmaler, geb. Juni 1594 zu Billers 
bei Les Andelys (Normandie), machte feine erſten 
Studien in feiner Heimat_und in Paris unter 
D. Darin und Allemand. Sein Berbienft war be: 
reits anerfannt, als er, um ſich in feiner Kunft zu 
vervollfommmen, 1624 nad Italien ging. An 
Rom trat der Dichter Marini mit ihm in ein freund: 
—— Verhältnis und flößte ihm Geſchmack 
an den Dichtern Italiens ein, in benen PB. reichen 
Stoff für feine Kompofitionen fand. Nah Marinis 
Tode fehlte es P. an Unterftügung und er jah fich ge: 
nötigt, feine Arbeiten zu ſehr niedrigen PBreifen zu 
verlaufen, Endlich fand er eg Fr den 
Kardinal Francesco Barberini und den Ritter Caſ— 
fiano del Pozzo, für den er die Sieben Salramente 
malte, Durd) diefe treffliche Folge von Gemälden 
wurde P. au in Frankreich berühmt und 1639 
vom Kardinal Richelieu nah Paris berufen, um 
die Galerie de3 Louvre zu verzieren. Ludwig XII. 
ernannte ihn zu feinem erjten Dialer. Er —* 
in Paris viele Aufträge, fand aber auch zugleich 
eine Menge Widerfacer, namentlih an Vouet, 
Feuquieres und Mercier, welche bereits die Delo: 
ration des Louvre begonnen hatten. Auch hatte er 


Poufiin — Pouyer :Quertier 


gegen bie ganze Schule des von ber Königin be- 
nftigten Simon Bouet zu lämpfen. Er gab daher 
ereits im Sept. 1642 feine Stellung in Paris wie: 
ber auf und fehrte dann nad) Rom zurüd, wo er 
19. Nov. 1665 ftarb. Am bedeutenditen war er im 
————— Auf Grundlage des bisher von 
den — und den in Rom wohnenden Nieder⸗ 
ländern Geleiſteten ſchuf er die ſog. heroiſche Land⸗ 
ſchaft, welche nad) den Geſetzen bedeutfamer Mafjen- 
verteilung angeordnet, in ihren fanften und großen 
rmen den Schauplaß für ein goldenes, idylliſches 
italter darbieten follte. Dabei find diefelben von 
erniter, ja melandolifcher —— Figura⸗ 
len verfolgt er eine antiliſierende Richtung, wo: 
durch er zuerit die Haffiiche Bahn der fpätern franz. 
Schule eröffnete. Als Hiftorienmaler befaß er 
bie genauefte Kenntnis der Zeichnung und der Kom: 
pofition. Auch in der Zeichnung find ihm plaftifcher 
Ernit und ftrenge Beftimmtheit des Stils nicht ab- 
zufprechen. P. bleibt das Verbienft, der Entartung 
und Willtür in der franz. Kunſt für einige Zeit 
Stillftand geboten und fie auf eine ftrengere Hai: 
fiihe Bahn geleitet zu haben. Bu feinen berühmt: 
teften hiſtor. Werfen, die ſich meift im Louvre be- 
finden, gehören die Sündflut, Germanicus, die 
Ginnehme von Zerufalem, das Abendmahl, die 
Peſt der Bhilifter, Rebella, die Ehebrecherin, Mofes 
als Knabe, Mofes, der mit feinem Stabe Wafjer 
aus dem Felfen jchlägt, die Anbetung des Golbenen 
Kalbes, Johannes, welder in der MWülte tauft 
u.f.w. Nad ihm haben geftochen Chateau, Boilly 
und am vorzügliditen G. Aubran, J. Besne und 
Claudine Stella. Bol. Boudittd, «Le P., sa vie 
et son @uvre» (Par. 1858); Andrejen, «Nicolas P., 
Verzeichnis der nad) feinen Gemälden gefertigten 
Kupferttiche» (Lpy. * oillon, «Nicolas P., 
etude biographique» (2, Aufl., Lille 1875). 
Pouſſin (Gaspäro), eigentlich Gaspard 
Dughet genannt, Schwager des vorigen, geb. in 
Nom Mai 1613, geft. dafelbit 25. Mai 1675, folate 
diefem in der Pflege des Landihaftsfahs nad. 
Seine ibealifierten Bilder aus ber Gampagna be- 
zeichnen die höchſte Stufe diefer Richtung, fie find 
voll Klarheit, großer Linien und gewaltiger Grup: 
pierungen. Seine Werle find in den verſchiedenen 
Galerien zeritreut, die zu Wien befist eins feiner 
fhönjten, das Grab der Cäcilia Metella bei Kom, 
outroye (La), foviel wie Schnierladh. 
ouyer⸗Quertier (Auguftin Thomas), franz. 
Staatsmann, geb. 3. Sept. 1820 zu Etouteville 
(Seine:$nferieure), widmete ſich induftriellen Un— 
ternehmungen und begründete zu Nouen umfang: 
reihe Baummollfabrifen. Im 8. 1857 als bona- 
partijtifcher Kandidat in den Gejehgebenden Körper 
ewäbhlt, zeigte er fich zwar als Anhänger der kaiferf. 
Regierung, betämpfte aber x freihandleriſches 
polit. Suftem aufs ae efe 5 ihn da 
bei den Neuwahlen 1869 fallen, Als Mitglied der 
— — vom 8. Febr. 1871 (für 
Rouen) ſchloß er fich dem rechten Centrum an und 
wurde ſchon 28. Febr. 1871 von Thiers, befien 
Ihubzöllneriihe Anihauungen mit denen vVa viel⸗ 
Rn übereinftimmten, zum Finanzminiſter ernannt, 
n biejer Stellung leitete er beim Friedensſchluß 
mit Deutichland die finanziellen Unterbandlungen 
in Betreff der Kriegsfoftenzahlungen, Auch unter: 
ſtüßte er den Präfidenten Thiers aufs wirlſamſte 
vor der Nationalverjammlung in Berteibigung der 
von diefem beantragten Reform der Steuern und 


Pouzanges — 


Zölle. P. nahm 3. März 1872 in Veranlaffung 
der Affaire des Präfelten Janvier de la Motte, 
deſſen Verhalten er in Schuß nahm, feinen Abichied, 
worauf er in die Nationalverfanmlung wieder ein: 
trat. Am 30. Jan. 1876 wurde er vom Depart. 
Seine:nferieure in den Senat gewählt. 
Bouzanges, Fleden im franz. Depart. Vendee, 
Arrondijiement Fontenay:le:Comte, auf den Höhen 
von 2a:Gätine, Station der Linie Tours: Yes 
Sables d’Dlonne der Franzöfiihen Staatsbahnen, 
hat Bun 1508 (Gemeinde 3096) E., Ruinen eines 
Schloſſes aus dem 13. und 14. Jahrh., Eifenquellen, 
Gerberei und Biehmärtte, 3 
——* do Varzim, auch Bavda de Varzim, 
Hafenftadt im portug. Diftrilt Oporto, Station der 
Setundärbahn Oporto:Billa Nova de Famalicäo, 
bat (1878) 10365 E., Schiffahrt und Fiſcherei. 
otwellinfeln, f. unter Südpolarländer., 
owenez, Kreiftabt im ruf. Gouvernement 
Dlonez, am nördl. Ufer des Onegafees, mit (1881) 
643 E. bat Handel mit Bau: und —— 
Pözl (Joſ. von), ee geb.5.Nov. 
1814 zu Pechtersreuth bei Waldſaſſen in der Ober: 
falz, widmete ſich jurift. Studien zu Münden und 
Babilitierte fih 1842 in Würzburg. Seine publi: 
ziſtiſche Thätigkeit war —— darauf ge: 
richtet, die ide —— über Auslegung und 
Handhabung der Berfallung zu belämpfen, zu wel: 
wed er ein Kompendium des «Bayr. Staats: 
verfafjungsrehts» (Würzb. 1847) veröffentlichte. 
Er wurde 1847 Profeſſor des bayr. Staatsrechts 
in Münden und 1848 von zwei bayr. Wahlbezirten 
zum Parlament nad) Frankfurt gewählt. Später 
veröffentlihte er das «Lehrbuch des bayr. Ber: 
fa eu t3» (Munch. 1851; 5. Aufl. 1877), das 
«Lehrbud des bayr. Verwaltungsredht3» (Münd). 
1856; 3. Aufl. 1870) und den « Grundriß zu Bor: 
lefungen über Bolizeiv (Münch. 1866). Außerdem 
feitete P. unter Mitwirtung von Arndt und 
Bluntichli feit 1853 eine kritiſche Zeitihrift für 
Geſehgebung und Rechtswiſſenſchaft, die anfänglich 
unter dem Titel «Kritiſche Überichau» erſchien, den: 
felben aber 1859 in «Stritiihe Vierteljahrichrift» 
abänderte. Im J. 1858 in die bayr. Zweite Ham: 
mer gewählt, ward er 1863 zum zweiten, und ſpä— 
ter zum eriten PBräfidenten ermählt. Seit 1871 
war P. Mitglied der bayr. Kammer der Reichsräte 
und gehörte jeit 1868 auch zum Lehrlörper der tech: 
nif Hochſchule in Münden. P. ftarb in der 
Nacht vom 9, zum 10, Yan. 1881 in Dünen. 
ozſega Poſchega. 
ozza dge äuber, ſ. Fra Diavolo. 
Pozzo di Borgo (Karl Andr., Graf), ruf. 
Diplomat, geb. 8. März 1764 in Alata auf der 
Injel Corfica, wurde Advolat und 1791 in die Ye: 
gislative Nationalverfammlung gewählt, wo er ſich 
den Girondilten anſchloß. Er verlieh aber Frant: 
reich um feiner perfönlichen Sicherheit willen und 
wandte ſich feit Herbjt 1792 Baoli (f. d.) zu. P. 
übernahm unter der engl. Herrichaft auf Corfica 
ben Borfig des Staatsrats und ſchiffte ſich beim 
abzupe der Engländer mit diefen ein. Der corſiſche 
amilienhaß gegen die Bonapartes brachte P. vol: 
ends ins Lager der Gegner der Revolution. Nach— 
dem er in mehrern geheimen Sendungen, z. B. 1798 
in Wien, für die Koalition thätig geweſen, trat er 
in ruf. Dienfte, ging 1805 zur engl.:neapolit, Ar: 
mee als rufj. Kommiliar, ebenjo 1806 zum preuß. 
Heere. Der Bund Auslands mit Navoleon bewog 


237 


ihn, vorübergehend den ruſſ. Dienft zu verlafien 
und 1809—10 in Oſterreich, dem Orient, Groß: 
britannien feine Thätigfeit gegen Napoleon fort: 
äufegen. Im J. 1812 begann der wichtigfte Teil 
jeines öffentlichen Wirlens. Er brachte den Bund 
mit Schweden zu Stande, drängte Alerander zur 
Fortſetzung des Kriegs, fuchte Bernadottes bebä 
tigeö Zögern zu überwinden, ging dann als ruf]. 
Kommillar ind ſchwed. F und im Jan. 1814 
nad) England, um die brit. Politik zu entſchiedenem 
Handeln zu beftimmen. Kaifer Alerander I. be: 
lohnte ihn mit dem Poften eines ruff. Botichafters 
in a und nahm an mit auf den Wiener on: 
areß. Nach der Rüdlehr Napoleons von Elba eilte 
er zu Ludwig XVII. nad) Gent, begab ſich hierauf 
ins Hauptquartier Wellingtond und wurde bei Wa: 
terloo leicht verwundet. Nach dem Ausbruch der 
„ulirevolution von 1830 ward feine Stellung 
chwierig. In Baris jah man in ihm den Vertreter 
der Bolitit Rußlands gegen Polen, und es fam 
nad) dem Falle Warſchaus zu Demonftrationen, die 
feine —— im Fruhjahr 1832 zur Folge 
hatten. Indeſſen ward er bereit nad) einigen Mo: 
naten wieder nad) Paris gefandt, 1834 zum Bot: 
ſchafter in London ernannt, blieb auf diefem Poften 
bis 1839 und zog fi) dann als Privatmann wieder 
u. ger jurüd, wo er 15, Febr. 1842 ftarb. 
Bol. Vuhrer, «Notice biographique sur le comte 
P. di Borgo» (Bar, 1842). 

Pozzudli (bei den Alten Dicaearchia, dann 
rõm. Puteoli genannt), Hauptjtadt des ae 
en Kreifes in der ital. Provinz Neapel, in herr: 
—F Gegend an einer Bucht des Golfs von Nea— 
pel, zählt (1881) 11967, ala Gemeinde 16639 E., 
war einjt eine große röm. Handelsſtadt. An die 
Nömerzeit erinnern zahlreiche ae und Ruinen, 
namentlich da3 grandioje Amphitheater, fowie die 
Neite des Serapistempels und des antifen Hafen 
dammes. In und bei P. find berühmte Mineral: 
bäder, in der Nähe die zumeift aus reihhaltigem 
Gifenfand bejtehende neunnlanerne, welche, 
durch Kalk verbunden, fteinhart wird. Zwiſchen PB. 
und Bajä liegt der Lucrinerfee, dicht daran der 
1538 durch vullaniſche Eruption aufgefchüttete 
Monte-Nuovo, der See Avernus, ae von 
P. die berühmte Solfatara (f. d.). Die alten Römer 
benupten die Gegend von P. als Villeggiatur, an: 
gebliche Reſte der Billa Eiceros werden gezeigt. 

P.P., auch P.p. oder p. 7 Abkürzung für: 
1) Professor publicus; 2) Pastor primarius; 
3) Pater prior; 4) praemissis praemittendis (j. d.); 
5) per procura (f. unter Protura); 6) prossimo 
passato (f. unter Prossimo). 

pp., joviel wie und fo weiter (ic.). j 

p- p o., Abkürzung für pour prendre conge 
(frj., d. h. um Abſchied zu nehmen), auf Qifiten 
karten gebräuchlich, |. unter Conge. j 

P. B. O., Ablürzung für Professor publicus 
ordinarius. j nissimo. 

ppp., mufifalifche Vortragsbezeihnung für pia- 

p. ptr., lbtürjung für praeter propter, lat., 
d.h. Mapa, etwa. 

P.R., Abiurzung für Populus Romanus (lat., 
d. b. das röm. ; 

Pr, NAbtürzung ichem. Zeichen oder Symbol) 
für Pruſſin. ‚ [der Vorrang. 

Prae (lat.), vor; auch fubftantiviich gebraucht; 

PBrändamiten, Menſchen, welde-vor Adam 
gelebt haben jollen. 


Präadamiten 


Volt), 


238 


Bränmbel (Praeambulum, [at.), lange Ein: 
leitung, ehe man zur Sache jelbft Tommt, Um: 
j weil: in der Mufik joviel wie Bräludium. 

Präbende (lat.) hieß uriprünglich der den Mön: 
hen und Klerilern am gemeinfamen Tiſch gewährte 
Lebensunterhalt. Daraus erllärt fi, daß der 
Ausdrud im engern Sinne, und fo ijt er aud in 
ber — Kirche üblich, vorzugsweiſe für die Ein: 
nahmen der Stanonifer gebraucht wird, welche an 
die Stelle des diefen gewährten Lebensunterhalts 
getreten find, nachdem das gemteinfame Leben in 
den Hlöftern auseinander gefallen war, und welche 
heute meiſt in feften nein geeäieien Gebalten 
und in Einräumung einer Wohnung (curia) be: 
jtehen. m weitern Sinne bedeutet das Wort in 
der kath. Kirche dasſelbe wie Pfründe (f. d.). 

Bräcedend(vomlat.praecedäre), vorangehend. 

räcedenz (lat.) beißt ein Vorgang, der für die 
Behandlung eines gleichartigen fpätern Vorgangs 
als Vorbild dient ober dienen kann. In diefem 
Sinne ſpricht man von völferrechtlichen, verwal— 
tungsrechtlichen, parlamentarijchen, polit, Präce: 
denzfällen. Iſt der frühere Fall durch ein gericht: 
lies Urteil erledigt worden, fo nennt man dies 
ein Bräjubiz (f. d.). 

Praeoessor (lat.), Borgänger. , 

Prachatitz (flaw. Prachatice), Stadt im füdl. 
Höhmen (Böhmerwald), am rg des nn 
am Ziwnahach, in landſchaftlich ſchöner Gegend, 
©ih einer Bezirlshauptmannſchaft und eines Be: 

irtögerichts, zählt 4359 meift deutſche E., hat eine 
Sofamentiermarenfabri „„tine Brauerei, zei 

tärkefabriten und eine Zundhölzchenfabrik. Cine 
Spesialität von altersher ift der fog. Berlbrannt: 
wein, ber unter bem Namen ae in die 
Nachbarländer verjendet wird. P. ift eine der älte: 
jten Städte Böhmens ımd war bedeutend als 
Stapelplak des Salzes, das auf dem Goldenen 
Steige von Paſſau nad Böhmen ie wurde, 
P. hat mehr als jede andere Stadt Böhmens das 
mittelalterliche Ausfehen bewahrt, bat enge Gaſſen, 
Häufer mit innen, Fresken und Sprafittmalereien, 
Reite der Stadbtmauern u. ſ. w. P. fam Ende des 
15. Jahrh. an die Nofenberge, —* der Schlacht 
am Weißen Berge an den Fürſten Johann Ulrich) 
von Eggenberg, und 1710 durch Vererbung an die 
Fürften von Schwarzenberg. 

Prachern, in der Gaunerſprache ſov. w. betteln; 
Pracher, Bettler; Pracherfleppe, Bettelbrief. 

achtalof, f. unter Yucca. 
rachteider, f. unter Giderente, 

Prachtfinken (Amadinae), eine Gruppe meift 
Heiner Vögel, die ſich von den Edelfinken nur durch 
das meijt prachtvolle Gefieder der Männchen unter: 
ſcheiden und im tropifchen Afien und Afrika, fowie 
in Auftralien zu Haufe find. Man bringt fie jeßt in 
großer Zahl als Stubenvögel auf den Markt, und 
da fie verträglich, lebhaft und Leicht zu zähmen 
ind, einige au ein angenehmes Gezwiticher 
haben, fo werben fie gern in Bauern gebalten. 
Dan kennt etwa 100 Arten, die in verfchiedene 
Untergattungen verteilt find, wie Ymadinen (mit 
didem Schnabel) und Aſtrilds (mit dünnem 
Schnabel). Sie leben in großen Schwärmen und 
verurſachen als echte Körnerfreffer in Getreide: 
und Reisfeldern großen Schaden. Der Bartfinte 
(Amadina fasciata), das Glitervögeldhen (Sper- 
mestes cucullatus), das Goldbrüjtchen (Pytelia 
subflava), der Heine Senegali (Lagonosticta mi- 


Präambel — Präcifionsftenerung 


nima), der Corbon bleu (Mariposa phoenicotis), 
das Faſänchen (Astrilda undulata) u, a. *8* 
u den ften Arten. Bol. Göller, «Der P 

ucht und % * (Weim. 1878), 

Prachtkäfer — —* eine aus mehr 
als dritihalbtauſend Arten be —— über die 
ganze Erde verbreitete, aber befonders in den Tro- 
pen quantitativ und qualitativ ſtark entwidelte 
Käfesfamii Die P. haben meift einen länglichen, 
ihlanfen, nad hinten zugejpisten Nlörper, ber 
häufig pe und fe bepa it. Der 
leine Kopf ist tief im cylindrifchen Halsſchild, hat 
kurze, elfglieberige, gejüghe Füblhörner; die oft mit 

urden, Gruben u. j. w. verjehenen Fl n 
en meiſt lebhaften Metallglanz oder prächtvolle 
arben. Der Flug dieſer Tiere, die den warmen 
Sonnenſchein lieben, ift ein ſehr burtiger, während 
der Gang unbeholfen ift. Die langg en Lar⸗ 
ven leben meijt im Holz; einige der Meinern und 


häufigern Arten werden bei uns bisweilen ſchäd— 
ih. Die ausgebildeten Infelten finden auf 
Blumen und bejonders an Baumftämmen und auf: 


eſchichtetem Nußholz. Die größte einheimif 
Art ift der erzbraune Kiefernprachtläfer — 
s. Chalcophora mariana; ſ. Tafel: Inſekten J, 
Fig. 13). Einige tropiihe Formen werden zu 
Sdimuegenländen verarbeitet, 
räcipieren (lat.), vorwegnehmen; vorfchrei- 
ben, verordnen, 

Praecipitantia (lat.), in der Chemie: Fäl- 
lungsmittel; in der Medizin: niederſchlagende, 
fäuretilgende Mittel, 

äcipitation, ſ. Füllung. 
äcipitieren (lat.), über Hals und Kopf 
ftürzen, jäh herabitürzen, überftürzen, überbajten; 
in ber ( ie: fällen. 
äcipuum (lat.) bezeichnet das, was bei 
gleihmäßiger Verteilung unter mehrere Perfonen 
einer oder der andern derfelben von der zu vertei: 
lenden Maſſe im voraus, d. b. * man die Teilung 
vornimmt, gewährt wird. Solche Präcipua famen 
früher namentlich bei Erbteilungen vor. Auch bei 
faufmännifchen Societätägeichäften fommen ⸗ 
cipua inſofern vor, ala hier und da der eine Geſell⸗ 
(dafter. welcher in irgend einer Weife [ar das ge: 
meinfame Unternehmen mebr leiftet als die andern, 
vertragsmäßig eine_beftimmte Summe aus bem 
fonft nad) gleichen Teilen zu verteilenden Gewinn 
vorwegnimmt. Am gebräuchlichiten ift diefer Aus: 
drud durch die Verträge binfi —8* des Deutſchen 
Zollvereins geworben. Nach denſelben ſtand als 
Regel feſt, dab an allen Zolleinkünften die Vereins: 
ftaaten gleihmäfig nad) Maßgabe ihrer alle drei 
Jahre durd) —— feſtzuſtellenden lg han 
ticipierten. Nur von feiten einiger Staaten, Frank⸗ 
urt a, M., Hannover und Oldenburg, war ausbe⸗ 
ungen, daß fie mit Rüdjiht auf die größere Kon— 
fumtion von verzollten Waren durch ihre Bürger 
eine — — ſollten. Na 
vereindvertrage vom 8. Juli 1867 ward jedoch die 
Verteilung der —— Einnahmen ein⸗ 
fach nach Verhältnis der Bevölkerung —— 

Prärcis (lat.), genau, darf, beſtimmt, punttlich; 
Präciſion, Genauigkeit, Bündigkeit (bes Aus: 
drud3); z cifieren, genau bejtimmen, 

äcifetwechfel (Tagwechſel), ‘4 ‚Me DEE 
räcifionsftenerung, bei inen 
‚ eine Steuerung, welche einen mögli nellen 
Abſchluß der voneinander getrennten Eins. und 


Bräcifionswafien — Brabdier 


Ausftrömungslanäle bei meijt hoher Erpanfion ge: 
itattet, wober das Verftellen des Erpanfionsgrades 


fe eichiebt. 
nötwaffen üt eine Bezeihnung für die 
mit Zügen verjehenen Feuerwaſſen, welche bier: 
durch in Verbindung mit der Anwendung der Lang: 
geſchoſſe eine erhöhte Trefffãhigleit erlangen. Prä: 
ciſtonsgewehr (fusil de pr&cision) wurde in Frank⸗ 
reich das erjte, auf Erpanfionsgeichofien berubende 

Infanteriegewehr genannt, (S. Minie⸗ 


nöwage, 1. Chemiihe Wane. 

Praeco (lat.), öffentlicher Ausrufer, Herold; 

te jemandes 2ob laut verfünden, 

Fr 3. onifation, der Alt, durch wel: 

in ber Karbinalsverfammlung einen 

J —— geeignet befundenen Praͤlaten 
als Biſcho at). 

at. 


gezogene 
gemwehr.) 


en Pesssä, bie Gegend 


ums Herz. 
gi (lat.), er vor ber Zeit reif 
ober reifend, —— —— te tragend; auch in 
übertragener Bedeu frübreif. (S. rübreife.) 

—* at) orberverbammung. 
radelled, Stadt a franz. ey Haute: 
Loire, Arrondifjement Le Buy, 31 km ſüdlich von 
& Em, in den Monts du Belay, bat (1881) 
, Bollipinnerei, Fabrifation von Spigen 
und —— ae eng B. gehörte einft zu Vivarais. 
dt und Hauptort eined Arron: 
ts im {ran Depart. Pyrendes:Drientales, 
t3 an ber und am nörbl. Fuße des Mont: 
Cala. Station der Linie Perpignan:P. der 
Südbahn, ud 1881) 3856 E., ein Seminar, 
—— ch und Wirkwaren, welche nad) 
Bevante ausgeführt werben, ferner Handel mit 
See Wein und =. ten. Etwa 3 km von R. 
liegen die Huinen der 878 gegründeten Abtei 
St Michel de Eura mit ſchönen Marmorarlaben 
und Bortaf aus dem 11. Jahrh. 

bänger der Lehre von 


atianer 
der Prädefti —— Gi 8. 
d. i. Borberbeftimmung) 
in ber und —* abſolu freie Ratſchluß 


—— vermöge deſſen aus der durch den Sünden: 
fall verberbten * e des Menſchengeſchlechts nur 
die von t ber perjönli rwählten zur 
Seligteit gela Der Urfprung ber Lehre hängt 


ws dem —— = —— zuſammen, alles Heil 
—— die freie görtlihe ide 6 

— mit welchem man die thatſächli 
Idee daß das chriſtl. Heil 
— nur zu einem kleinen Teil der 
Menſchen gelangt und guch unter dieſen wieder 
nur — einem Heinen Teil ergriffen wird. {m 
ans elagianer (f. d.) ftellte Augu⸗ 
—22 auf, welche ſpäterhin noch 
—* gei her bak man eine doppelte P. 
lehrte, Die eine zur Lerdammnis, die andere zur 
Seligfeit. Aber die dem fittlichen "Beruftiein an: 
Nößige Härte dieſer Lehre lieh fie troß des Anſehens 


des Auguſtin während des ganzen Mittelalters 
niemals zur Herrichaft gelangen. Schon im 
9, . wurde ber Mön Sottichalt zu Orbais 
um des Belenntnifjes zur B. willen graufam ver: 
folgt und ftarb im Gefängnis. Dennod wurde fie 
von nen ebenjo religiös ernſt geftimmten als 


durch lonſequentes Denten ausgezeichneten Gei— 
fern, wie im 14. Jahrh. von dem orforder Theo: 


239 


logen Thomas von Bradwarbina und nad ihm 
Zr Biclifie (f. d.), verteidigt. Während die röm. 
Kirhe dabei geblieben ift, die Beſtimmung zur 
Seligfeit oder Unfeligfeit von dem durd Gott 
vorausgejehenen menſchlichen Freiheitsgebrauche 
abhängig zu machen, traten die Reformaloren ans 
fangs jämtlid aufs entidiedenfte für die Prädes 
Itinationslehre ein. Luther hat feine anfangs in 
Schroffiter Form vorgetragenen prädejtinatiichen 
Anfhauungen niemals zurüdgenommen, und bis 
tief in die zweite Hälfte d des 16, Jahrh. wurde die 
P. von ben meilten namhajtern luth. Theologen 
nelehrt. Melanchthon, der jeit 1535 ww! von 
ihr zurüdtrat, ftand ziemlich ifoliert. ilde⸗ 
rung ber P., welche bie Konkordienformel von 
* vorträgt, * mehr ſcheinbar als wirklich, * 
iſt durch innere Widerſprüche zu teuer erlaufi. 
deſſen — ſich die luth. Theologen ſchon eit 
dem Anfang des 17. Yabrb., die P. von dem durch 


Gott e vorbergefehenen rechten Gebraudy ber 
naher, ee men ten ebenjo wie bie 
röm 


Kirche von dem se Vorherwiſſen ab: 
bängig zu machen. Dagegen hielten die Reformier: 
ten est nur an der P. umerjchütterlich feft, fon: 
dern prägten fie unter "dem Einfluß Calvins mit 
eiferner Fol per —— aus. 
rungen, w og Arminius 
ve ucte, —— * —— ide ſy mbolifche 
Seititellung auf der ode zu Sabre (1618) 
und die Ausſcheidung der Arminianer (j. d.) aus 
der reform. Slirchengemein * — innern Dif: 
ferenzen ber reform. Theo über bie P., unter 
denen ber Streit über eine * (te ober eine ein: 
fache P., über die Abhängigkeit des Prädeftina: 
tiomöbelrets von dem vorherverhängten Fall und 
von vorherbeſchloſſenen Grlöfungswerle 
Chriſti * apſarier und Supralapſarier) die 
tn en find, machen für bie praftifch:rel je 
* einen Unterf ied. Unter den nahma 
n hen, die Bartikularität der Gnadenwahl Bit 
der Univerfalität des —— Heilswillens 
vereinbaren, ſind die ge n, aber widerſpruchs⸗ 
—* 3— * oſes Amyrault und 
le von Saumur am belannteſten. Im 
ch. mußte auch die reform. Prädeftina- 
ons ehre dem Rationaliamus weichen, Cine tief: 
finnige, aber von ber ältern uude u —— 
abweichende Begründung ber Schleier⸗ 
macher — ‚ welder das — im —— des 
philoſ. Determinismus bi d.) deutete und gerade 
das dem fittlihen Gefühl Anſtößigſte daran, die 
Peg Auswahl weniger Berdammter, dadurd) 
pejeitigte er darunter nur eine in der geſchicht 
*27 idelung des Reiches Gottes rn 
begründete —— oder fpätere Berufung der Vol⸗ 
ter und der Ginzelnen zum Heile verftand. In 
neuejter Dei | ift unter den feparierten —— 
Amerikas ein heftiger Streit über die P. en 
brannt, in an auch das lanbestirchli Suter 
tum Zur at) vielfach verwidelt wu 
Br auf Prädien (d. 5. Tiegenbe 
Güter) al helle en, Grundſteuer. 
Bradier (James), Bong. Bilbfauer geb. zu 
Genf 23. Mai 1792, u 1008 Kar. und 
ftubierte die eihenfunit i dem le Meynier 
und die Bildhauerei im Atelier des Bildhauers 
Lemot. Im J. 1812 erhielt er von der Atademie 
einen Ehrenpreis, und das Jahr darauf gewann er 
mit feinem Obyffeus bei Philoktet den erften 


240 


Hauptpreis der Bildhauerei, der ihm zu einer I 
Der in der franz. Akademie zu Nom verhalf. 
lad) feiner Nüidtehr aus Rom (1823) arbeitete er 
beitändig in Paris und produzierte eine Menge 
rößerer und lleinerer Bildhauerwerle, wie eine 
Benus, die allerliebite Gruppe der drei Grazien, 
das Modell der Statue des J. 3. Rouſſeau, nad) 
welchem das Gußwert für Genf ausgeführt wurde. 
Das nftitut nahm ihn 1827 unter feine Mitglie: 
der auf, und feitbem entwidelte er als Alademiter 
eine neue Thätigkeit. P. verfertigte unter anderm 
1827—40 den Faun und die Bachantin, die Bas: 
relief3 am Fronton der Deputiertenfammer, die 
tolofjalen allegorifchen Figuren der beiden Städte 
Lille und Straßburg auf dem Concordeplas u. |. w. 
Hierzu famen fpäter die allegorifchen Figuren um 
das Zifferblatt der Uhr im Gtebelgefilde des neuen 
Flugels am —— die beiden Muſen am 
oftanıent des Molitrebrunnens, eine Odalisle, 
die Phryne, die Flora, die zwölf koloſſalen Victo: 
rien am Grabdentmal Napoleons I. im Jnvaliden: 
hotel. P. ftarb 14. Juni 1852 bei Paris. Bol. 
Eter, «Biographie de P.» (per. 1859). 
rädifabilien (Brädilamente, lat.), Merk: 
male, Kennzeichen , die von einem Gegenjtand aus: 
gelagt werden können; in ber alten Logik find P. 
ie fünf Grundbegriffe, welche bei der Bildung von 
Definitionen in Betracht fommen (Species, Genus, 
Differeutia, Proprium, Accidens), 
rädifamente, |. Kategorien. j 
rädifant (lat.), Prediger, befonders bei den 
Holländern und Mennoniten, Hilfsprediger. 
rädifantenorden, jov. m. Dominilanerorden. 
rädifat (lat.), dad, was von einem Subjeft 
(f. d.) ausgeſagt wird; auch foviel wie Titel. 
Prädisponieren (lat.), im voraus für etwas 
geneigt oder empfänglid maden, Brädispofi: 
tion, Anlage befonders zu einer Krankheit. 
Prado (ipan., “Wiele, Aue»), die öffentliche 
Promenadenanlage in ſpan. Städten. 
radfchapati, in der alten ind, Mythologie ber 
Echöpfer, Herr der ——* ber oberſte Gott der 
Inder in den vedifchen Liedern. Später jegte die 
seligiöfe Spelulation Brahına an feine Stelle. 
Vradt (Dominique Dulsae be), franz. Publiziſt 
und Diplomat, geb. 23. April 1759 zu Allandes 
in Auvergne, war vor der Revolution Großvilar 
bei bem Kardinal: Erzbifchof von Rouen, Laroche— 
foucauld. Als Abgeordneter feines Standes trat er 
1789 in die Nationalverfammlung, wo er fid) gegen 
die Reform ertlärte. Nach Auflöfung der Koniti: 
tuierenden Berfammlung wanderte er nah Ham: 
burg aus, tehrte nad) der Revolution vom 18. Bru: 
maire zurüd und wurde von Bonaparte zum Al: 
mofenier, fpäter zum Baron und zum Biſchof 
von Poitierd ernannt; 1809 erhielt er das Grz: 
bistum Mecheln. Im J. 1811 hatte er die Ver: 
andlungen mit dem Papft zu Savona zu leiten, 
ei Eröffnung des Feldzugs von 1812 wurde P. 
als franz. Gejandter na arſchau geidhidt, han: 
delte hier aber mit Abficht gegen das Intereſſe Na: 
—— verließ bei Annäherung der Ruſſen War: 
hau und wurde in feine Diöcefe verwiefen. Nun 
zeigte fih P. offen als Anhänger der Bourbonen 
und veröffentlichte einen « Röcit historique sur la 
restauration de la royaut& en France», Nach 
der zweiten Reftauration gab er fein Erzbistum 
gegen eine Leibrente auf. Er widmete fih nun 
ausſchliebend der Bubliziftit und ſchrieb eine «His- 


Prädikabilien — Präfelt 


toire de Pambassade dans le grand -duch& de 
Varsovie en 1812» (Bar. 1815), die großes YAufs 
fehen erregte, ferner «Du congrös de Viennes 
(2 Bde., Par. 1815), «Des colonies et de la 
revolution actuelle de l’Amerique» (2 Bbe., 
1817), «Les quatre coucordats » (3 Bde., 1818 
— 20), «L’Europe upr&s le congrös d’Aix-la- 
Chapelle» (1819), «Le congrös de Carlsbad » 
(1819), «De la Belgique depuis 1789 j’usqu’en 
1794 » (1820). Diefe und andere Arbeiten erwars 
ben en durch ſchlagende Polemik, freimütige 
DOppofition und geiltreihe Gefihtspuntte große Er⸗ 
folge. Später veröffentlichte er: « Parallele de la 
puissance anglaise et russe relativement A l’Eu- 
rope » (1823), «Du jesuitisme aucien et moderne» 
(1825), «Le congrös de Panama» (1825) ıc. Im J. 
1827 trat er alö Abgeordneter von Glermont in die 
Sammer, wo er ſich zur Oppofition gefellte. P. 
ftarb 18. März 1837 auf feinem Schloſſe Bedrine. 

Präcgiftenz, d. h. die Annahme, daß die 
menſchliche Seele ſchon vor der Erzeugung des 
gegenwärtigen Körper vorhanden geweſen jei, 
war ein in dem Orient ſehr verbreitetes Vhilofos 
phem. Auch griech. Philoſophen, beſonders die: 
jenigen, welche eine Seelenwanderung annahmen, 
belannten I —* dieſer Anſicht. Bei ‚Niro 8* 
net uns dieſelbe, wenn auch in mythiſcher Dars 
—* — in der Geſtalt eines Seelenfalls aus der 

immliſchen Heimat. In dieſer Kr wurde fie 

aud unter den Ehriften namentlih von Drigenes 
vertreten, und in neuerer Zeit hat —5 üller 
fie wieder aufgenonunen, um den Urfprung der 
Sünde zu erllären, 

Praefatio (lat.), Vorrede; im Mebritual 
der kath. Kirche das Gebet vor der Wandlung. 

Praefeotüra (lat.), Amt cines Bräfelten; 
eg gg big 90 v, Chr. jede Stadt 
in Stalien, welche nicht eigene Gerichtsbarkeit 
hatte, fondern alle Jahre aus Nom einen Präfelten 
zur Gerechtigleitspflege empfing. 

Bräfelt (lat, Praefectus) war bei den Nöntern 
eine Benennung für Vorgefehte verfchiedener Art. 
Vorzugsweiſe hießen fo die verfdiedenften Civil— 
und Militärbeamten und Offiziere in Rom wie im 
übrigen talien und in den Provinzen. In der 
Regel find fie von einem höhern Beamten, in der 
Karferzeit zum Teil vom Kaiſer beftellt und jeden: 
fall3 durchweg von den Magiitraten (f. d.) unter: 
ſchieden. Bon Eivilbeamten gab es ſchon in re: 
publitaniſcher Zeit namentlich die praefecti jure 
dicundo, die von Rom aus ernannten Direltoren 
folder Stäbte, denen ihre Selbitändigleit und na; 
mentlich das He t, ihre obern richterlichen Beam: 
ten ſelbſt zu bejtellen, entzogen war und die deshalb 

räfelturen hießen. In der Armee bieken prae- 
ecti sociorum die von Konful ernannten Befehls» 
baber der bei den Legionen dienenden Bundes: 
genojlen, praefecti equitum die Führer der Reiter: 
abteilungen. In der Haiferzeit, als die Legionen in 
den legati eigene bleibende Befehlähaber erhielten, 
wurden die praefecti castrorum, Plaplommandans 
ten, inden feſten Standquartieren eingeführt, denen 
in ber |pätern yet der Befehl der Legionen über: 
tragen wurde. Auch die Admirale der an vericies 
denen Orten ftationterten Flotten hießen P. _ 

In der Stadt war der praefectus urbi ber 
fhon in der Königszeit vom König in Abmweiens 
beitsfällen zur Daun der Stabt zurüdgelafiene 
Stellvertreter, teit Auguftus aber der Polizeichef 


Präfekturen — Prag 


über Rom und beffen Umgegend, und handhabte 
fpäter au die Strafgerichtsbarleit. Auch für 
Ronitantinopel ward ein ſolcher durch Konftantin 
329 n. Chr. eingeſetzt. Die Befähigung zu diefem 
Amt befaßen eigentlih nur Konjularen, und bie 
Berufung erfolgte wie überhaupt für die meilten er: 
nannten laiferl. Beamten ohne beſtimmte Zeitgrenge. 
Ferner ward von Auguftus ein praefectus vigi- 
lum eingejcht, dem bie Feuer: und fonftige Sicher: 
—— und die Leitung der ſieben Kohorten 
harwächter (vigiles) übertragen war. 

Mit einzelnen Zweigen der Berwaltung waren 
ber praefectus annonae und die praefecti aerarii 
beauftragt. Lebtere führten feit Auguftus und 
nad verjchiedenen Änderungen dauernd jeit Nero 
anjtatt der Quäjtoren die Aufjicht über den öffent: 
lihen Schab und wurden anfang aus den Präto: 
ren durch den Senat, weiterhin durd das Los er: 
wählt, zulest aber vom Kaiſer ernannt und zer: 
fielen feit Errichtung des aerarium militare in die 

raefecti zerarii Saturni und aerarii militaris. 

ie Sorge für das VBorhandenfein von ausreichen: 
den Getreidevorräten (annona) in der Hauptitadt 
lag eigentlich den Ädilen ob, erſchien aber mit der 

unabhme der Stadt und des Proletariats als eine 
o wichtige Angelegenheit, daß deshalb Auguftus 
chließlich einen beftänbigen, aus den Nittern zu 
wäblenden praefectus annonae einjekte, welder 
aud) in den auf das Getreidegeichäft bezüglidhen Ci: 
vil: und Kriminalllagen die Gerichtäbarteit erhielt. 

Eine höchſt bedeutende Stellung nahmen bald 
die praefecti praetorio ober Dberbefehls: 
baber der Garden ein. (S. Brätorianer.) Zu 
der von Auguftus ihnen zugewiefenen Sorge für 
die Sicherheit des Kaiſers fam, abgefehen von 
der Macht, die ihnen ſchon ihre Stellung an der 
Spitze der Garden in dem nicht zu einer erblichen 
Monardyie gewordenen Raiferreid verſchaffte, mit 
der Zeit der —— faft über das geſamte in 
Rom und Stalien jtehende Militär, die Straf: 
gerihtäbarkeit in Jtalien mit Ausnahme von Rom 
und Umgegend und die Entſcheidung von Rechts— 
rar auf Deshalb eingeleate Berufung, ſowie aud) 

as Recht, allgemeine Verordnungen zu erlaflen, 

die infofern fie nicht das geltende Recht veränder: 
ten, gewiffermaßen Geſetzeskraft erlangten. Bei 
der durhgängigen Trennung ber Civil: und Mili: 
tärgewalt, welche Konſtantin d. Gr. vornahm, ge: 
langte legtere an die magistri militum oder Heer: 
meilter, für die eritere aber wurden bie praefecti 
praetorio re deren jeder einem der vier 
großen Gebiete oder Präfelturen vorftand, in welche 
das Reich zerfiel. 

Präfekturen (prefectures) heißen in Fran: 
reich die oberiten Berwaltungsbehörden ber De: 
partements. Diefelben wurden an Stelle der alten 
aus Gemeindewahlen hervorgegangenen Departe: 
gen durch Geleh vom 28. Pluvioje 
des J. VIII ins Leben gerufen, das vom Staat: 
oberhaupt zu ernennende und von diefem jederzeit 
abjehbare Bräfelten (Prefets) an die Spike der 
Departementsverwaltung ftellte. Den Präfelten 
wurden Generaljetretäre und, befonders für ver: 
waltungsgerichtlihe Angelegenheiten, Präfeltur— 
räte (Conseils de pröfecture) beigegeben, lehtere 
jebt aus drei oder vier und im Seine: Departes 
ment aus acht gleichfall3 vom Staatsoberhaupt er: 
nannten Mitgliebern bejtehend. Diefe Einrichtung 
bildet noch jept die Grundlage der franz. Landes: 

Converjationd»Leziton. 13. Aufl. XIIL 


241 


verwaltung; nur ift feitdem ben P. einerfeitö durch 
das ſog. Decentralifationsdelret vom 25. März 
1852 eine bie frühere bedeutend überfteigende, ſehr 
umfangreihe Kompetenz verliehen, anbererfeits 
jeit 1833 in den Conseils généraux eine jeht aus 
direlten allgemeinen Wahlen bervorgehende und 
duch Gefek vom 10. Aug. 1871 neu organifierte 
Departementövertretung zur Seite geitellt worden. 
Den ig Yang ftehen von ber Regierung er: 
nannte, jedoch mit jehr geringen Amtöbefugnifien 
verjehene Unterpräfetten (Sousprefets) vor, 
neben denen als gewählte Vertreter die Conseils 
d’arrondissement —— Gegen Entſcheidun⸗ 
gen ber P. ift das Miniſterium und danach das 

taatsoberhaupt, gegen Entiheidungen der Präs 
felturräte der Staatsrat Relurs: und Beſchwerde⸗ 
inftanz. In Paris und Umgebung iſt die Polizei: 
verwaltung nicht den Departementspräfelten, fon: 
dern einem befondern Prefet de police unters 
geben. In Eljab:Lothringen find durch Gefeh vom 
30. Dez. 1871 die Funktionen der Präfelten den 
Bezirlöpräfidenten, der Brafelturräte den Bezirkös 
räten, der Conseils generaux den Bezirlstagen, 
ber Unterpräfelten den Kreisdireltoren, der Con- 
seils d’arrondissement den Kreistagen, de3 Staats⸗ 
rat3 dem kaiſerl. Rat in Eljaß:Lothringen über: 
tragen worden; durch fpätere Verordnungen iſt 
die Kompetenz der Bezirlöpräfidenten und Kreis: 
direftoren weientlihd anders als in Frankreich 
geitaltet worden. , 

Präfig (lat., Vorfilbe) beit in der Grammatik 
eine Silbe, die, einem Worte oder Wortitamme 
vorgeieht, durd ihre Verbindung mit diefem ein 
neued Wort oder eine neue Wortform mit verän: 
derter Bedeutung hervorbringt, 3. B. «ftehen» — 
averftehen», «Berge — «Gebirge». Gebr viele 
Spraden beſihen P., die für fid) feine felbjtändige 
Bedeutung haben, fondern nur in Verbindung mit 
andern Elementen der Sprache dieſen eine bejtimnit 
modifizierte Bedeutung geben, 3. B. die ſemit. 
Spraden (Arabiſch, Hebräifch u. ' w.). Die indo: 
german, Spradyen beſaßen urfprünglid) feine fol: 
hen P. (nur Suffire, f. d.), fondern was wir jeht 
P. nennen, find anfänglid felbftändige Worte und 
zwar Präpofitionen, die mit andern Elementen fo 
zufammengejeßt wurden, daß fie das erjte Glied 
der Zufanımenfehung bildeten; erft wenn durch 
Verkürzung und Verjtümmelung diefe einft für ſich 
beftehenden Worte lautlich verändert find und nicht 
mehr al3 Worte empfunden werden, erhalten fie 
ungefähr den Charakter der obengenannten eigent: 
lihen P., fo unfer «ver:, zer:, bes, ge:»; ber P. 
abe:n 3. B. ift ganz derjelbe, was bie Präpofition 
«bein, got, beides bi, vgl. got. bi thamma — bei 
dem, und bi-satjan = bejehen (vgl. «beisfekenn). 

Präfoliation (lat.), die in den geſchloſſenen 
Knoſpen gegebene Stellung der Blätter zueinander, 

Präformation (lat.), Vorausbildung von et: 
was Künftigem nod int Keime, fodaß feine Ent: 
rn Fa eine Entwidelung des bereits Vorhan: 

enen iſt. 

Prag (law. Praha), die Hauptſtadt Böhmens 
und die drittgrößte Stadt in Oſterreich-Ungarn, 
liegt an beiden Ufern der Moldau, ringd von 
Höhen umgeben, umfaßt in fieben Stadtteilen 
auf einem Flächenraum von 1378, ha einen Nom: 
pler von 4018 Häujern mit (1880) 177026 E. 
Bon den Stadtteilen breitet ſich die Altſtadt, die 
Joſephſtadt, dieNeuitadt und Wysehrad am rechten 


16 


242 


die Stleinfeite, der Hradichin und Holesowiẽ Bubna 
am linten Moldauufer aus, Die Stadtteile Wyse: 
brad und Holesowii:Bubna, früher jelbjtändige Ge: 
meinden, wurden erjt 1883 und 1884 mit B. ein: 
verleibt. Außerdem ift die Stadt im Halbtreis 
nod von vier volfreihen Vorftädten (Smichow, 
Karolinenthal, Zizlow und Weinberge) umgeben, 
welche fi) unmittelbar an dieſelbe anſchließen und 
mit P. einen zufammenhängenden Kompler von 
5768 Häufern und 278862 E. auf einem Flächen— 








Prag 


Bau befinden; in einer der 12 Kapellen des Unt: 
angs iſt das filberne Grabmal des Landespatrons 
Johann von Nepomuk; in einer beſondern, mit 
böhm. Halbedeljteinen und alten Wandmalereien 
reich verzierten Slapelle das Grabmal des heil, 
Wenzel und in einem anftoßenden Turmgemach die 
böhm. Kroninfignien. In demſelben Burghof iſt 
die altertümlide St. Seorastirche, das größte 
Baumwerl roman. Stila in Böhnen, mit dem Grab: 
mal der heil. Ludmila. Bon ben übrigen fünf 





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Topographifhe Lage von Prag. 


raum von 3048,38 ha darſtellen. Auch die weitere 
Umgebung iſt dicht bebaut und bevöltert. 

Die am linten Moldauufer gelegenen alten 
Stadtteile (Heinfeite und Hradſchin) find noch von 
teild ältern, teil3 jüngern Feſtungswerken einge: 
ihlofien, haben fait burchmeg, eine hohe und anfte 
gende Lage und haben ala Sik de3 Beamtentums, 
des Klerus und des Adels zahlreihe und hervor: 
ragende kirchliche und Brofanbaten Auf dem 
Hradſchin nimmt unter den Kirchenbauten die erite 
Stelle die Domlirche St. Veit (im dritten Hof der 
Burg) ein, ein Prachtwerk der Gotik, 1344 begon: 
nen, jedoch nur im Chor vollendet und von dem 
1859 gegründeten Dombauverein reftauriert, wäh: 
rend dad Schiff und ber zweite Turm fich noch im 


Kirchen des Hradſchin find von Bedeutung: bie 
Lorettolirche mit reichem Kirchenſchaß, bie Kirche 
de3 Prämonftratenferitift3 Strahow mit großer 
Orgel und dem Grabmal bes Ordensſtifters St. 
Norbert — die demſelben Stift angehörige 
St. Nocuätape fe. Bon PBrofanbauten des Hrad: 
ſchin find beſonders hervorzuheb | 
Burg, ein großartiger Bau, in feinem füdöjtl. Teil 
dem 15., in den übrigen Zeilen zumeilt bem 16. 
und 17, Jabeb. angehörend, mit vier Sälen, mo: 
von ber Spanijche Saal ber größte, ber Mladir 
flamwifche der ältejte ift; nebenan ijt das Therefia: 
niſche Damenftift mit der gotifhen Allerbeiligens 
fire; im Schloßbezirk find noch das alte Oberſt⸗ 
burggrafenamt, das Propfteigebäude und in dem 


en: die königl. 





Prag 


m — — arten ber ſchöne Renaiſſancebau bes 
uf dem Hradidinerpla jteht das erz⸗ 
* Valais, das ehemals Toscaniſche Palais, 
dann der altflorentinij e Bau des ehemals Rofen: 
ku (jeptfürftl.Schwargenbergfa en) Majorats: 
ß . Lorettoplaß der pompoſe Bau des ehe: 
Gzerninfchen Palais (jebt Franz: Yofephs: 
Kane) und auf dem hödhjfi Pe unlte des Hrad⸗ 
Abtei Strahow. In der Kleinjeite 
* fümtfiche Kirchenbauten (fieben), mit Aus: 
* me des got. Teils der Malte —— in ihrer 
en Geſtalt dem 17. und 18. Jahrh. an; unter 
Keen ben ijt die St. Niklastird . dur Größe 
Neihtum und edeln Stil, die Thomastirche — 
de targemälde bemerkenswert. Auf dem öchſten 
nite der Kleinſeite und der Stadt überhaupt, dem 
jog. ge (322,5 m über dem Meere, 139,5 m 
—— oldauſpiegel), N das St. Saurenzlird): 
leinmit einerStapelle des heil. Grabes und den Streuz: 
w ionen (von Fuhrich). Unter den zahlreichen 
läften der Kleinfeite (mit geringen NAusnab: 
ahrh. entitammend) 


men auch dem 17. und 18, 
arg Ei durch ftilvolle Anlage und Größe aus: } 
8 Id ee Palais, am gleichnamigen 


Plaß, von dem en Friedländer erbaut, mit 


Task und Beier $ Loggia und weitläufigen 

er räfl. Schönbornihe Palais und das 

gräf.A ide lais, Unter 8 öffentlichen Ge: 
Klöfter) ” 

er tatthaltereigebäube, da3 Gebäude 

erichts und das Generallommando 

das jhöne Gebäude des ftädtifchen 

In Altkabt, welche ebenfo wie die Klein⸗ 

mit der ehernen Sta aifer Karls IV. gezierte 

Hi mit gi sn Nuppelbau ber 

dehnten Mafliv des Elemen: 


fl. Thunfche und gräfl. Morziniche 

das es Oobtonnihiche Yelais mirns 
auch ehemalige Adelspaläjte oder 
au dem mit der en des Feldmarſchalls Gra⸗ 
feite durch zahle eihe und enge Gaflen und bobe 
„dem — Colloredoſchen Palais 
nam, — außerdem noch eine zweite > 


= 


Loblowisiche Palais mit großem 

En. bemerlenswert das Land: 

fen —— —— Ring, dann die Gendar: 

Gebäude ihren —*— Urf — bekundet, iſt der 
ug ehörende marmorrei 


; fern dem neuen, nod) un: 
Medi das Künstlerhaus Ru: 
um (für Konzerte, Ausftellungen u. ſ. w. 
— a die bie na ende ftaatliche 
ie ftäbtilche ——— 
bei St. Marienplag bie 
—* des * mund 1 Slam: un de nn a 
am:&a e Ra: 
—— dem Wine ing dad Rathaus mit 
kr Ihönen Erlerfapelle und 
ker be Perg —* —— —1— 
r 
Sänftofche Balı und die ehrwürbige Augen, | 00 
ee {ae ——— 
bau der Bi ic un m ——— er⸗ 
Salvatorlirche am 


oteſt. 
—— u erwähnen der ſpät⸗ 
Pulverturms mit der an⸗ 
er am erne (einer —— 


— et —* eis 


mit gotifcher Grlertapelle, * ſchoͤne we 


dol 


Keim 


243 


sr ebäude bei St. Copa, bie gotiſche Et. 
Egydilirche und am —* es mit dem gotiſchen 
onument Kaiſer Sram I ‚ge ihmüdten Franzens⸗ 
fai3 die Gruppe der Altjtädter Mühlen mit dem 
alten Wajjerturm einem neuen ſtädtiſchen 
Waſſerwerk. — In der Heinen und eng gebauten 
yolephiiabt ( emals Judenſtadt, jeht * als 
* Hälfte chriſtlich iſt troh der zahlreichen Syna- 
—— nur die ſog. Alt⸗Neuſchule und der neue Tem: 

un ber alte —— bemerlenswert. 
Reuſtadt, rößte Stadtteil P.s (1880 
mit 74355 E.), iſt = an monumentalen Bau: 
ten jeder Art, von denen hervorzuheben find: auf 
ber — Seite des Franzenslais das präch— 
tige böhm. Nationaltheater, 1883 vollendet, mit 
dem Anbau des erg auf dem mit 
dem Standbild des böhm = ehrten Jungmann 
ae oleihnamigen u die got. Pe 

ariasSchnee, die höchſte B.3; auf 
Graben, der een Straße P.s, das * 
Mufeumsgebäude; ferner das aus ebehnte Voft: 
direltionsgebäude und die Heinrichslirche mit dem 
freiftehenden got, Glodenturm; die ſpätgot. Cie: 
menskirche —— ſowie die Sorten ot, 
St. Peterslirche. Im obern (füdl.) Teil der Neu: 
ftabt, welcher in burd feine anfteigende Lage 
harakterifiert, befinden ſich beinahe jämtliche Heil: 
anftalten P.s famt den Kliniken, Hörfälen und 
Sammlungen der beiden mebiz. "Fakultäten ber 
Univerfität; fo in&befondere die Jrrenanjtalt (in 
vier abgefonderten Gebäuden untergebradt), das 
Kranlenhaus der Glijabetbinerinnen, die in alt: 
deutſchem Stil erbaute Gebäranftalt, das ſtädtiſche 
Siechenhaus im og. mit dem got. Kup: 
pelbau der Maria Himmelfahrislirche, die Kranten: 
anftalt des prager Handelsgremiums mit — 
auslapelle, das Allgemeine —— 

ilitärkranlenhaus San ehemaliges Je hitertoller 
ium) mit der St. ug und das Franz: 
oſeph⸗ rg eiden lehtern auf dem 
arößten Plab P.s, Ber Karlsplatz, auf welchem 
ſich noch an monumentalen Bauten das on. 
Peuftäbter Rathaus (Kriminalgerichtögebäude) mit 
Be Turm, und das Gebäude der böhm. Poly: 
technischen Hochfhul⸗ befinden. Von ſonſtigen Ge: 
bäuden der obern Neuſtadt find 
Renaifjancebau des ftädtiihen Bauhofs, das Ge: 
bäude der böhm. Staatsrealihule, die ftädtiiche 
höhere Töchterfchule nebjt den Schulgebäuden des 
deutichen Mädchenlyceums und den Gemeinde: 
fhulen bei St. Trinitas, das maffive Gebäude 
des Provinzial trafhaufes” mit der got. St. Wen: 
Ei, weldes jedoch demoliert und außerhalb 
er Stadt verlegt wird, die got. Pfarrlirden zu 
St. Stephan und St. Adalbert, bie alte Stiftslirche 
be3 Kloſters Emmaus, bie | ichöne get. Marienlirdye 
und der ftilvolle Neubau des ftädtijchen Bartlıos 
lomäi:Armenbaufes. Die lehtern zwei Bauten lie: 
ps Kon unterhalb der jteil anfteigenden Citadelle 
ysehrad, in welder insbeſondere die ſpät⸗ 
Rolle iatfirde u St. Peter und Paul, fowie 
neue Bropfteigebäude — find. Der 
neuefte Stadtteil P.s, Holedomwii:-Bubna, in 
balbinfelförmiger und "ebener Lage am linten Mol: 

—— nur als Induſtrieort bemerkenswert. 
Verbindung über die Moldau, deren Breite 
— des Weichbildes der Stadt (mit Einihluh 
—— Inſeln) zwiſchen 583 und 161 m 
It, wird durch fieben Brüden bergeitellt, von 

16* 


ervorzubeben ber 


244 


denen bie oberfte und unterfte eg 
find; den ältejten Flußübergang bildet die 497 m 
lange und 10 ın breite Karläbrüde, von Karl IV. 
im J. 1357 angelegt, feit dem 17. und 18. Jahrh. 
mit 30 Heiligenftatuen mat und an beiden 
Enden durch majfive got. Türme ald Brüdentöpfe 
eihübt, von denen der altſtädter ſich durch jeine 
Ihöne ilhouette und architeltoniſchen Schmud 
auszeichnet; die re fteinerne Palackybrüde, 
famt dem ausgedehnten Palackylai wurde 1878 er: 
öffnet, während die Franzens:Hettenbrüde ſeit 1841, 
die Franz: Jofeph3: Kettenbrüde feit 1867 und der 
Ketteniteg ſeit 1868 beftehen. fiber die zahlreichen 
lußarme ur leichfalls Brüden und Stege. 
nter den Inſeln ift die im Weichbild der Vorjtadt 
Karolinentbal gelegene — die größte, die 
der prager Stadtgemeinde gehörige Sophieninſel 
die ſchönſte. Der innere Stadtverkehr, ſowie der 
Verlehr mit den Vorſtädten wird durd cin weit: 
verzweigtes Trammwayneb vermittelt, welches Ende 
1884 die Gefanttlänge von 18536 m hatte und 
auf welchem 85 Wagen rg . ift der 
Gentralpuntt von 10 Eijenbahnen, welde, mit 
Ausnahme der Oſterreichiſchen Rordweitbahn, 
durd Schienenitränge miteinander in — 
ſtehen, und beſiht en den Vororten acht meiſt 
tombinierte Bahnhöfe. Es führen von P. ab die 
Böhmische Nordbahn nah Turnau, die Böh- 
miſche Weftbahn nah Furth, die Buſchtiehrader 
Bahn nad) Eger und Hoftiwik, die Oſterreichiſche 
Staatäbabn nad Gmünd, die ae na 
Liſſa, die Oſterreichiſch, Ungariſche Staatsbahn na 
Wien und Bodenbach, die Prag-Durxer Bahn na 
Brür. Außerdem münden in Prag 12 Straßen: 
zuge, Der Flußverlehr wird durch drei Schiffahrts— 
—— vermittelt, welche 35 Danıpfer (davon 
acht Propeller) befigen, Der Geldverlehr wird 
durch die Börje, durch ſechs einheimishe Banken 
und zwei Bantfilialen, ferner dur zwei Spar: 
taffen und acht Vorſchußlaſſen vermittelt. Als 
Hauptzudermarkt Böhmens ſeßte P. an 290 Mill. 
Gulden jährlihb um. Auch in andern Artikeln, 
insbejondere Rohprodulten, Manufalturwaren, 
Eifen, Maſchinen, Glas, Handſchuhen ꝛc. iſt der 
Handel ſehr bedeutend. Auf dem Gebiete der In— 
duſtrie, deren Hauptſiß Holesowiẽ-Bubna, dann 
die Vororte Smichow, Karolinenthal und Lieben 
find, erzeugen die meiſten Werte die zahlreichen 
Vierbrauereien und Mühlen, die Eifengießereien, 
Maſchinen- und Metallwarenfabrifen, die Baum: 
wollfpinnereien und Drudereien, die Lohgerbereien, 
Handihubfabrifen und die dem. Fabriten, 

B., als Hauptitadt Bohmens, ijt der Eik der 
oberften Landes- und Kirhenbebörden und verfügt 
über eine große Zahl von Unterrictsanitalten, 
Vildungsmitteln und Humanitätsanitalten. Cs 
befist insbejondere die 1343 gegründete Karl: 
derdinandeiihe Univerfität, feit 1883 in 2 Ab: 
teilungen (1 deutſche und 1 czechijche) mit mehr 
al3 300 Brofefioren und Lehrern und 3000 Stus 
dierenden, 2 —5 Hochſchulen (1 deutſche und 
1 czechiſche), zuſammen mit 112 Profeſſoren und 
Vehrern und an 1000 Studierenden, 3 deutiche und 
2 czeh. Obergymnafien, 3 czech. Oberrealgymna: 
fien, 2deutfche und 1czech. Oberrealſchule, 1 deutiche 
und 1 cçzech. höhere Töchterſchule, 2 Bildungsan: 
ftalten für Lehrer und 2 für Lehrerinnen, 6 Bürger: 
ſchulen (2 deutiche und 4 czechiſche), 25 Vollsſchulen 
S8 deutſche, die übrigen czechiſch). An Brivatanftalten 


Prag 


für allgemeine Bildung beſiht P. 1 deutſches Unter: 
realgymnafium und 1 ec. ehrerinnenbildungs⸗ 
anftalt, 3 deutſche Bürgerſchulen und 18 Rolls: 
chulen (15 deutiche, 2 czech. und 1 deutich:czedh.), an 
Fachſchulen 1 deutiche und 1czech. Handelsatademie 
und viele andere Fachſchulen. Von den fonftigen 
Bildungsmitteln nehmen die wiſſenſchaftl. Inftitute 
und Sanımlungen der Univerfität und der techn. 
Hochſchulen, dann die Sammlungen des böhm. 
Landesmufeums, des neuen kunftgewerblihen Mu: 
ſeums im Nudolfinum und das Privat: Gewerbes 
mujeum des V. —* ſowie das ſtädtiſche Mus 
—— (im Kleinen Stabtparf) den erſten Rang ein. 
Inter den fünf öffentlichen Bibliothelen zählt die 
Univerfitätsbibliothet 190000, die Bibliothek des 
böhm. Mufeums 160000, die Bibliothek der beiden 
techniſchen Hochſchulen 20000, die Bibliothek des 
Landeslulturrats 27000, die des Gewerbevereins 
39000, die Näpriteliche Bibliothef 38000 Bände. 
In P. erſcheinen an 120 Zeitſchriften (wovon über 
80 in böhm. Spradye). An Humanitätsanftalten 
befigt P. acht öffentliche Krantenhäufer, eine Ge: 
bär: und Findelanſtalt, ein ſtädtiſches und fünf 
Privat: Waifenhäufer, zwei ftädtifche Armenhäufer 
und ein ftädtiiches Siechenhaus, zwei getitliche 
Pfründenanftalten, fünf israel. Verſorgungsanſtal⸗ 
ten, ein Zaubjtummeninftitut und eine Anjtalt zur 
Verforgung erwachſener Blinder, ein ſtädtiſches und 
ein Brivat:Afylhaus u. a. m. 

Für Vergnügungen ift zunächft durch die beiden 
Landestheater, jowie durch ein drittes ftabiles 
czech. Theater in Smichow geforgt; außerdem be: 
fist P. in der Gemeinde Weinberge drei Sommer: 
theater (zwei deutſche und ein czechiiches) und, in 
Karolinenthal ein viertes Theater. Offentliche 
—— ſind die Sophien- und die 

chuheninſel, der auf der öſtl. Ochne des Laurenz: 
berg3 gelegene große Garten der Hafenburg, der 
fog. Volksgarten und die Rudolfsanlagen auf dem 
Belvedere, alle drei mit weiter Fernſicht über die 
Stadt; ferner am rechten Moldauufer die Anlagen 
auf dem Rudolfs- und Franzenskai, die Parkan— 
lagen auf dem Karlsplaßz, die Eelalowikyanlagen 
mit dem Bauplaß des neuen Mufeums, der Große 
und Kleine Stadtpark und der fog. Baradiesgarten 
in Zizkow. Auch die ſchönen Gärten des Grafen 
Maldktein und der Fürſten Loblowik und Kinſty, 
(ehterer in Smichow, und die der böhm. Garten: 
baugeſellſchaft find dem .Publitum zugänglich, 
ebenjo der Kanaliſche Garten in der Weinberg: 
gemeinde und der große, dem Lande gehörige Part 
(ber — rd in Buben, 

P. entwidelte fih unter dem günftigen Einfluß 
feiner centralen Sy und als ©ih der Herrſcher 
Böhmens aus vier Burgfleden, welche der Zio0r 
Burg, fowie der en. rg deren Anlage in 
bie Prubeften Zeiten der böhm, Geſchichte hinauf: 
reicht, ihre Entjtehung verdankten, und von denen 
die jetzige Altſtadt, ala Siß des Handels und der 
Induſtrie, von jeher der bedeutendite war. Zu 
diefen Burgfleden gefellte fih feit dem Ende des 
11. Jahrh. auch eine deutiche Kolonie auf dem Bo: 
den der jetigen untern Neuftadt, ſowie zahlreiche 
Dörfer sp dem altitädter und wysehrader 
Burgfleden. Um 1235 erhielt die Altſtadt deutſches 
Stadtreht und Mauern, im J. 1257 die Kleinfeite 
(d. h. die Heine Stadt * im Regenſab zur grö 
Stadt P. = * ‚ während ber Hrad 8 
ſchuhunterthänig blieb und in der Altſtadt ſich 


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Be 


— nz 





Praga 


allmählich eine privilegierte Judengemeinde ent: 
widelte (Nudenjtadbt). Im %. 1348 erhielten die 
prager Städte einen neuen —— durch die An: 
lage der Neuftadt, welche raich ausgebaut und von 
ihrem Gründer, Kaiſer Karl IV., mit zahlreichen 
Kirchen und Klöftern geihmüdt wurde. Durch die 
Huſſiten, die 1420 an dem jebt fog. Zislaberge, 
öftlih von dem Neuthor gelegen, unter ihrem An: 
führer Ziska den Kaiſer Sigismund ſchlugen, wurbe 
P. 1424 erobert und damals im Innern jehr ver: 
wüſtet, jedoch, nachdem fie 1433 dem Kaiſer ſich 
unterworfen, deſto regelmäßiger wieder aufgebaut. 
Die höchſte Stufe der Macht und des Anfehens er: 
reichten die prager Städte in ben — Georgs 
von Podiebrad und der Könige der Jagelloniſchen 
Dynaſtie. infolge der Beteiligung an der Erhebung 
der böhm. Stände im Schmalfaldiihen Krieg ver: 
loren jedoch bie prager Städte im J. 1547 ben 
weitaus größten Teil ihrer Privilegien und Güter, 
und zugleich wurde ihre Macht, gleich der des böhm. 
Bürgerjtandes überhaupt, Durch neue Einrichtungen 
dauernd bejchräntt, Ginigen Erfak hierfür erbielt 
P. dadurd, daß es bis 1618 die Nefidenz der kunſt⸗ 
finnigen Nachfolger Kaiſer Ferdinands I. und fo: 
nad aud in gewifjer Hinficht der Mittelpunkt der 
bab3burgifchen Monarchie war. Der Dreikigjährige 
Krieg nahm durch den Fenfterfturg der —* Statt: 
halter (23. Mai 1618) in Prag feinen Anfang. Am 
8. Nov. 1620 fam ed auf dem eine Stunde weit: 
ih von P. gelegenen Weißen Berge zur Schlacht 
-zwilchen dem Stönig Friedrich V. (f. d.) von ber 
Pfalz und dem Kaiſer Ferdinand IL., die jenem die 
Krone koftete und die Stadt in die Hände des Hai: 
ſers bradte. Im J. 1631 wurde PB. von den Sadı: 
jen erobert, wenige Monate nachher aber durd) 
Wallenftein ihnen wieder entriffen. Am 10. Mai 
1635 fam e3 bier zwifchen dem Kaifer und Kur: 
ſachſen zum Frieden. Im Ofterreichiichen Erbfolge: 
triege wurde die Stadt 26. Nov. 1741 von den 
Sranzofen und Bayern genommen, im Jan. 1743 
aber wieder zurüderobert. An Frievrih db. Gr. 
übergab fie fih im Sept. 1744 durd Kapitulation. 
Im Siebenjährigen Kriege (6. Mai 1757) ſchlug 
Sriebrich db. Gr. am Ziskaberge den Prinzen von 
Lothringen. Tie vier prager 
durch Kaiſer Joſeph II. zu einer einzigen vereinigt. 
Im Juli und Aug. 1813 fanden zu P. die Ver: 
band — zur Vermittelung des Friedens zwiſchen 
Oſterreich, Preußen und England mit Frankreich 
ſtatt. Im J. 1848 war P. namentlich der Schau: 
plaß der nationalen Kämpfe zwiſchen Deutſchen und 
Gechen. Zu Ende Mai des genannten Jahres trat 
hier ein allgemeiner Slawenkongreß zuſammen, 
der bei dem mittlerweile 11. Juni ausgebroche— 
nen flaw.:demofratiihen Aufſtand auseinander: 
geiprengt wurde. Die Altitabt und Neuftadt wur: 
den bei biejer Gelegenheit durch den Fürften Win: 
diihgräß zwei Tage hindurch beichofien. Seit 
1860 fteigert fi die böhm. Agitation von Tag zu 
Tag, wie namentlich die Wahlen für den Landtag, 
den Gemeinderat und bie Handeläfammer bekun: 
den. Im J. 1861 trat in P. zum eriten mal ber 
böhm. Yandtag in feiner neuen Organijation auf 
Grundlage des Patents vom 26. Febr. 1861 zu: 
fammen. Während des Deutichen Kriegs von 
1866 wurbe die Stadt 8. Juli von ben Preußen 
bejegt und blieb es bis nach dem Frieden, welcher 
23. Aug. 1866 (ratifiziert 80. Aug.) bier abge: 
ihlofjen wurde, 


täbte wurden 1784 | (Bd 


245 


Die wihtigften Beltimmungen dieſes Prager 
riedens, mit den Präliminarien von Nitols: 
urg weſenilich übereinftimmend, find folgende: 
Art.2. Der Kaifer von Oſterreich gibt feine Zu: 
ftimmung zur Vereinigung des Lombarbifch : Bene: 
tianischen Königreichs mit dem Königreich Italien. 
Art. 4. Der Kaifer von Öfterreich eriennt die Auf: 
löfung des bisherigen Deutihen Bundes an und 
ibt feine Zuftimmung zu einer neuen Geftaltung 
eutichlands ohne Beteiligung Oſterreichs, ertennt 
ebenfo das engere Bundesverhältnis an, welches 
der König von Preußen nördlich von der Linie des 
Mains begründen wird, und erllärt ſich damit ein: 
verftanden, daß die ſüdlich von diefer Linie gelege: 
nen beutihen Staaten in einen Berein zufammen: 
treten, defien nationale Verbindung mit dem Nord: 
deutfchen Bunde der nähern Verjtändigung zwifchen 
beiden vorbehalten bleibt und ber eine internatio: 
nale unabhängige rn haben wird. Art. 5. Der 
Kaifer von Oſterreich überträgt auf den König von 
Preußen alle feine im Wiener Frieden vom 30, Dt. 
1864 erworbenen Rechte auf die Herzogtümer Hol: 
ftein und —— mit ber Maßgabe, daß bie Be— 
völferung der nördl. Diſtrikte von Schleswig, wenn 
fie durch br Abjtimmung den Wunfch zu erfennen 
gebe, mit Dänemark vereini E werden, an Dä: 
nemart abgetreten werden ſolle. (Diefer Zufak 
wurde aber durch den in Wien 11. Olt. 1878 zmi: 
hen Deutichland und Bfterreich Ungarn abge 
fchlofienen Vertrag [veröffentlicht durch den «Reichs: 
Anzeiger» 4. Febr. 1879] wieder aufgehoben.) Art.6 
betrifft den unveränderten Territorialbeitand des 
Königreihs Sachſen. Nach Art. 11 verpflichtet ich 
ber Kailer von Djterreih, 40 Mill, Thlr. Kriege: 
entjhädigung an den König von Preußen zu zab: 
len; dafitr übernimmt Preußen die an Ofterteich 
nod von Schleswig-Holjtein zu zahlenden 15 Mill. 
Thlr. Kriegskoſten und bringt 5 Mill. Thlr. für 
freie Verpflegung der preuß. Armee in den von ihr 
occupierten öiterr. Zandesteilen in Abzug, fodak 
nur 20 Mill, Thlr. bar zu zahlen bleiben, 

Val. Tomel, Stiche der Stadt B.» (deutfch, 
Prag 1856 fa.); derſelbe, «Geſchichte der prager 
Univerfität» (rag 1849); derjelbe, «D2jepis Prahy» 
.1—3, Prag 1855—75); derfelbe, «Mistopis 
Prahy» (Bd. 1—5, Prag 1865—76); die Führer 
von Merklas, Klutihat, Schönpflug, Boromfty u.a.; 
Ambros, «Der Dom zu P.» (Prag 1858); Kühne, 
«dB, Böhmiſch-deutſch und czechiich» (Lips. 1857); 
Herold, «Maleriſche Wanderungen durch P.» (Prag 
1875); «Statiltiiches Handbuch der königl. Haupt: 
ftadt P. und ber Vororte» (2Bde., Prag1832—83). 

Praga, eine am rechten Weichjelufer gelegene, 
[eft nur von Kleinbürgern und Arbeitern bewohnte 

orftadt Warſchaus, zählt gegen 15000 E. und iſt 
mit der Hauptitabt durch eine — eiſerne 
Brücke verbunden. An ihren Namen fnüpft ſich 
eine verhängnisvolle Kataſtrophe der poln. Ge: 
ſchichte. Nach der Schlacht bei Maciejomwice (f. d.), 
10. Dft. 1794, 308 Suworow pegen B., den Waf: 
fenplas und das leßte Bollwerk der Polen, bie ſich 
20000 Dann jtark unter Makranowſli hineinge 
worfen hatten. Zajonczek erhielt den DOberbefell 
über die nunmehr 30000 Mann ftarle Befakung, 
die ein befeftigtes Lager vor P. bezog. Nachdem 
die Ruſſen 2. Nov. gegen P. vorgerüdt, brachen fie 
am Morgen be3 4. Nov. in fieben Kolonnen zum 
Sturm auf. Zwei Kolonnen ſchnitten, nachdem fie 
die poln. Neiterei zurüdgebrängt, die Befahung 


246 


von P. von ber Verbindung mit Warfhau ab, 
während die andern Kolonnen ſich der Bajtionen 
und ber innern Werke bemädhtigten. Unter blu: 
tigem Kampfe von Straße zu Straße drangen die 
Ruſſen in die Stadt vor, und um 9 Uhr früh war 
das dreifach verſchanzte P. erftürmt. Der Kom: 
mandant von Warjhau, Wawrzecki, hatte die 
VBrüde nah Warſchau abbrennen laſſen; doch unter: 
warf ſich die Hauptitabt ſchon 8. Nov. 

ägedrud, j. Neliefdbrud, 

ragel heißt der Paß der Schwyßzeralpen 
(1. Alpen 22), der das Muotathal im ſchweiz. Kan: 
ton Schwyz mit dem Klönthal im Kanton Glarus 
verbindet. Kriegsgeſchichtlich iſt der P. durch die 
—— vom 27. bis 30. Sept. 1799 zwiſchen 
den Rufien unter Suworow und den Franzojen 
unter Molitor befannt. 

Prägen (frz. estamper, frapper; engl. stamp- 
ing, coining) beißt im allgemeinen das Verfahren, 
einem Körper dur) Drud oder Stoß eine voraus: 
beitimmte Geftalt zu geben, fofern es mittels einer 
Maichine (rägmaf ine, he te oder 
Prägwerk) und mit Hilfe entiprechend vertieft 
gravierter, regelmäßig gebärteter jtählerner For: 
men (Brägftempel gefcieht. In den meiiten 
Fällen liegt dem P. die Abfiht zu Grunde, auf 
plattenförmigen oder ähnlichen flachen Gegenjtänden 
Neliefzeichnungen, Aufichriften u. dgl. bervorzu: 
bringen; nicht felten jedoch erzeugt man buch W. 
felbjt die ganze Geftalt eines Gegenitandes, wie 

.B. bei der Herftellung filberner, neufilberner und 
Kahlerner Gabeln, neufilberner Eplöffel, Gardinen: 
halter u. ſ. w. ber Fall iſt. (S. unter Blechbearbei— 
tungsmaſchinen und Fallwerk.), Seine 
Hauptanwendung findet das P. in der Verarbei— 
tung der Metalle, aber auch Papier (zu Vifiten: 
tarten, verziertem Briefpapier), Leder (zu Tapeten 
und Büchereinbänden) ul w. werben geprägt. Die 
allerwichtigften Erzeugniſſe der Prägkunſt ſind die 
Geldftüde, eye und Medaillen, 

In alter Zeit geihah das P. in der Meife, daß 
man ben untern —— auf einem Blocke feſt— 
ſtellte und auf den mit der Hand gehaltenen Ober: 
itempel mit einem Sammer jchlug; dieſes Verfahren 
war natürlich mangelhaft, verurſachte viel Zeit: 
verluft und lieferte eine ſchlechte Prägung. Daß 
man fpäter den Oberftempel mit feinem Stiele 
ſchieberartig in einer Führung auf: und niebergehen 
ließ (bei dem jog. Klippwerke), tonnte wohl das P. 
etwas bequemer machen, das Produkt aber nicht 
verbeflern. Die Prägmaſchine, das joe. Stoßwert 
mit ſtarker eiſerner Schraubenſpindel, welche, von 
mehrern Menſchen bewegt, ſelbſt die größten Geld— 
jtüde mit einem einzigen Stoße vollendete und eine 
weit größere Schnelligleit in die —— des P. 
brachte, ſoll bereits 1558 in Frankreich gebraucht, 
nach andern erſt Ende des 17. Jahrh. erfunden 
worden fein. Selbſt in feinem vollkommenſten zu 
ſtande, auf welchen es von Mechanilern des 
19. Yahrh. erhoben worden war, hat das Stoßwert 
fühlbare Mängel; es nimmt wegen der Kreis— 
bewegung feines langen Schwengel3 einen großen 
Raum in Anſpruch, erfordert viel Menſchenhände 
und erzeugt bei feinem Gange erjchütternde Stöße. 
Man fe te —— nad) Brägwerfen, welche bei 
geringem Raumbedarfe leicht in Verbindung mit 
einem Motor geiegt werden konnten und durch 
Drud (nit dutch Stoß) das P. bewirken. Ein zu 
biefem Biele führendes Maſchinenelement entdedte 


Prägedrud — Pragmatiihe Sanktion 


man in bem Anichebel, der bekanntlich zu Preffen 
vorteilhafte Anwendung findet. Das erite Präg- 
wert nach dem Kniehebelprinzip ift von Nevedomfti 
zu Petersburg erfunden worden, aber zu feiner 
groben Verbreitung gelangt. Größern Erfolg hatte 
ie von Uhlhorn in Grevenbroih ausgeführte 
Prägmaſchine, die jet überall eingeführt iſt. (©. 
Münzeund u en nebſt der dazugehöri⸗ 
gen Tafel, Bd. XI, ©. 42.) 
rager Friede, . unter Prag. 
rager Kompaftaten, f. unter Calirtiner. 
ägeſchatz oder Schla Tab, ſ. unter 
Münze und Munzweſen, Bd. XI, ©. 941*, 
Aägmaf inet. ünzeu. Münzwefen. 
agmatifch (vom gried. rpäyue, Handlung, 
Geihäft, Sache), fahlih, der Geſchäftslunde ge— 
mäß, in Gejchäften gewandt, erfahren; man ſpricht 
demnadh von einem pragmatifhen Kopfe, 
einem Bragmatiiden Genie oder von prag⸗ 
matifhen Regeln, d. h. Ratſchlägen der Klug- 
heit, die von den moralifchen Grundjäßen verſchie⸗ 
den find, Cine befondere Bedeutung erbält das 
Wort in der Gefhichtfchreibung, wo man diejenige 
Daritellungsweife, welche die Begebenheiten nad) 
ihrem er Bi ammenbang entwidelt, die 
pragmatijche ritellung (den hiſtoriſchen 
Pragmatismus) nennt. (S. Gefdidte.) 
Cine Dienftpragmatit ift eine Verordnung, 
welche die Regeln für den ftaatlichen Verwaltungs: 
dienit enthält. 

Pragmatifche Sanftion (Sanctio a- 
tica) hat man eine Reihe von Staatägrun 
genannt, welche unverlehlich fein und für e 
Heiten in Kraft bleiben follten. Die wichtigſte die⸗ 
jer Urkunden ift das Gefeß, durch welches Kaiſer 
Karl VI., da er ohne männlide Nadhlommen war, 
die Nachfolge unter feinen —— Nachlommen 
ordnete. Dieſelbe wurde von Karl VI. bereits 
19. April 1713 als Hausgeſetz erlafien, aber jpäter, 
da fie nicht bloß Hausgeſeß, jondern ein Staats: 
orundgefeh fein follte, den — aller öiterr, 
Yänder vorgelegt. Kon den Ständen Niederöfter: 
reich8 und Böhmens wurde fie 1720, vom ungar. 
Landtage, unter Verwahrung der ungar. Berfaf: 
jungärechte, 1722, von den übrigen Landtagen in 
den J. 1720—24 angenommen und barauf 6, Dez. 
1724 als Grundgefeß prollamiert, In dieſem Ge: 
fe war beitimmt, daß die gefamten öfter. Staaten 
immer ungeteilt beifanımen bleiben und zunädhit 
auf die männlihen Nachkommen des regierenden 
Kaiſers, in deren —— auf ſeine weiblichen 
Nachkommen, bei deren Abgang auf die Töchter ſei⸗ 
nes Bruders Joſeph und deren männliche und weib- 
liche Nachlommenſchaft jederzeit nad) dem Rechte 
der Erftgeburt fallen follten. Um die Gewähr: 
leiſtung ſowohl des Deutihen Reichs al3 der aus: 
wärtigen Mächte wurden keine Bemühungen und 
Dpfer gefcheut, ja es lich fogar Karl VI. zur grö: 
fern Sicherftellung die beiden Joſephiniſchen Erz: 
berzoginnen, die al3 Töchter des ältern Bruders 
die naͤchſten Erbrechte hatten, bei ihrer Vermäblung 
mit dem Kurprinzen von Sachſen und dem won 
Bayern auf die Erbfolge in Öfterreich eidlich Ver: 
zicht leiften. Troß diefer Borlehrungen wurde biefe 
Pragmatifche Sanktion doch nad Karls VL Tode 
die Urſache zu dem Oſterreichiſchen Erbfolgetrieg 
mit Maria Therefta, indem namentlid Ba ins 
folge feines verwandtſchaftlichen Verhältnities Ans 
ſprüche auf einen Teil der öjterr. Erbländer machte, 


Prägnant — Brafrit 


Berühmt ift ferner die von Karl VII. von Frank— 
reich 1438 zu Bourges nad) den Beichlüffen des Ba: 
feler Konzils gegebene Pragmatifhe Santtion, auf 
welcher die Freiheit der Gallitaniichen Kirche (f. d.) 
berubte; ebenſo der Beichluß des deutfchen Reichs: 
tags zu Mainz von 1439 zur Annahme derjelben 
Beiclüffe; endlich auch das vom König Karl III. 
von Spanien, als er 1759 den Thron beider Si: 
cilien feinem dritten Sohn und defien Nachlommen 
abtrat, erlafiene Erbfolgegeieb. 
ant (lat., «[hwanger»), bedeutungsvoll, 
inhaltsihwer; prägnant heiht bejonders ein 
Ausdrud, wenn er in einem übertragenen, bie 
ewöhnliche Bedeutung gleichſam potenzierenden 
inne gebraudt wird; Prägnanz, Gedanken: 
reichtum, Begrifisfülle, 
ägring heißt der ftählerne Ring, innerhalb 
beiten die Münzplatten während des Prägens ein: 
eſchloſſen find, um völlig runde Form, genau die 
röße und eine glatte oder verzierte und mit In— 
ii ten verjehene zen ji erhalten. Der 
ing ift zuweilen aus drei Teilen beitehend (der 
gebrochene Prägring), meift aber voll (d. b. nicht 
geteilt). Eine bejondere Art P. iſt der Kerbring, 
er dem Rande der Münzen eine gerade gejtreifte 
oder feingerippte Beichaffenbeit erteilt. 
empel, ſ. unter Brägen. 
ägſtock, foviel wie Prägitempel oder aud) 
foviel wie Prägmaſchine, f. unter Münze und 
Münzweien und unter Brägen. 
(fr3.) hieß der Aufitand der franz. 
Großen 1440 gegen Karl VII. wegen Errichtung 
eines Heinen ftehenden Heeres. Der Name kam 
von dem Huffitenaufitand in Prag 1419. 
erk, f. unter Münze und Münz: 
weſen nebft Tafel: Munzweſen, Bd.XI, ©.942, 
und unter Brägen. ichte 


ſchichte. 
—— ich, vorgeſchichtlich. Rot Uraeı 
‚ein flaches, niedriges mare. das in 
= und auf Slüffen zum Fort Halten ſchwe⸗ 
rer Laſten dient und je nad ſeiner Beſtimmung 
chiedene Namen, & B. Fährprahm, Kanonen: 

pr u. f. w. enthält. 
Zn 0) «MWiefenmonat» des franz. re: 
publifaniichen alenders 20. Mai bis 18. Juni). 
ie (frz. prairie, Wieſe, Aue) ift der Name, 
die franz. Erforſcher den großen frucht: 
baren, baumlojen Ebenen Noxdamerilas, bie zwi: 
ichen Öbio und Michigan im Dften und den bürren 
im Welten liegen, beilegten. Die großen 
Grasebenen erjtreden ſich über den weſtl. Teil von 
Dbio, über Indiana, Illinois und Jowa, den fühl. 
Zeil von Michigan, den nördl. Teil von Mifjouri 
und Zeile von Wisconfin, Nebrasta und Kanſas. 
Sie find teils ſlach und teils wellenförmig (rolling 
prairies), meijt holz: und wajlerleer, mit einem 
Graswuch⸗ verſehen, ſodaß der Horizont 
auf allen Seiten in einem Grasmeer untertaucht, 
das, vom Winde bewegt, wie in Wogen auf: und 
‚ Die Prairiebrände, welche teils 
durch iges, teils abſichtliches Anzünden des 
bürren Prairiegrajes entjteben, vernichten jedes 
‚mit Ausnahme der Wurzeln des 

3, die bald wieder ausſchlagen. 

du Chien, Hauptort von ig Si 
— ei taate Wisconfin, liegt 
am pi, 5 km oberhalb der Mündung des 
Wisconfinflufies, an der Chicago:, Milwaulee: und 
St.:Bauleifenbahn und hat (1880) 2777 E., von 


247 


denen viele Deutfche find. P. hat eine Hochichule, 
ein fath. College, ſechs Kirchen, eine Bank, eine 
Mafchinenwerlitatt, eine Mahl: und eine Eiger 
mühle und mebrere Pflug: und andere —— 
rairie Grove, —— in Waſhington 
County im nordamerif, Staate Arkanſas, hat 
(1880) 994 E.; im Dez. 1862 fand bier ein blutiger 


ten ftatt, in welchem leßtere unterlagen. 
— ſ. unter Murmeltier— 

in ge praejudicium), eigentlich eine 
vorgefabte Meinung oder ein Vorurteil, in der 
Rechtslehre die nachteilige Folge, die einer Partei 
daraus erwädlt, dab fie einer gejeblichen Vorſchrift 
oder rihterlihen Verordnung nicht Genüge leiftet. 
‚Mit le bezeichnet man auch die ge 
richtliche Entſcheidung einer Rechtsfrage, welche die 
Nichtſchnur für künftige gleihartige Fälle abgibt. 
Eine un: Autorität fonımt naturgemäß den 
P. des höchſten Gerichts zu ; doch ift diefe Autorität 
jeßt eine nur thatiädhliche; ältere Beftinnmungen, 
welche den P. oberiter Gerichtähöfe eine weiter 
F ende Bedeutung, ſogar Geſetzeskraft, beilegten, 
ind durch die Reichsjuſtizgeſetßgebung beſeitigt. 

räjudizieren des ng bedeutet die 
Lähmung bdesfelben in feiner felfraft, befon: 
ders di Verjährung und durch Verſäumung der 


Kampf zwifchen Unionstruppen und Konföderter: 


Vrotefterhebung. Obwohl in diejen Fällen der aus 
dem Wechjel Verpflichtete nit mehr wechſelmäßig 
patch, o bleibt er doch injoweit dem Inhaber des 
Bechjels haftbar, als er ſich mit defien Schaden 
bereichern würde (Wechielordnung, Art. 83). 
äkluſion (lat.) bedeutet in der Rechtsſprache, 
dab mit einem beftimmten Zeitpunkt eine Perſon 
von der Vornahme einer Rechtshandlung ausge: 
ſchloſſen fei, fie nicht mehr vornehmen könne, was 
ur Folge haben kann, daß fie eines ihr zuftebenden 
echtes verluftig geht, wenn zur Wahrung diejes 
Rechts jene Rechtshandlung erforderlich war. P. 
find namentlich im Prozeß nicht zu entbehren, um 
kei Erledigung ficher iu ftellen. Aber auch außer: 
alb des Prozeſſes finden fie und fanden von al: 
ters her Verwendung zur Sicherung rechtlicher Vers 
hältniſſe. (S.Aur ebotsverfahren.) 
rafonifieren, j. unter Praeco, 
räfrit bedeutet im weitern Sinne ben ganzen 
Kompler ind. Sprachen, welche eine mittlere Stel: 
lung zwijchen dem Sanskrit und den heute gejpro: 
chenen ariichen Dialekten Indiens einnehmen und 
fich zeitlich von etwa 500 v. Ehr. bis 1000 n. Chr. 
eritreden, In diefem Sinne umfaßt es aud) das Paͤli 
(j. d.), welches höchſt wahrſcheinlich mit den nord» 
oͤſtl. Dialelten Indiens verwandt ift. Gewöhnlich 
aber verfteht man unter P. nur eine beſchränlte 
auch von mittelind, Dialelten, welche wie das 
Pali ſchon frühzeitig litterariſche Verwendung ge: 
funden und eine Grammatik im Gegenſatz zum 
Sanslrit firiert haben. Es ift befonders die Sprache 
der Didainas (j. d.) und einige Dialekte, welche 
von den Dichtern, namentlid Dramatilern, ver: 
wandt worden find, befonders die Caurajeni (da3 
profaifhe Dramenprälrit), die —— das 
poetiſche P.), Mägabhi und Apabhramçä. Bon 
der ſehr umfängreichen Litteratur der Dſchainas iſt 
erſt wenig in Europa veröffentlicht worden in Mes 
bers «fiber ein Fragment der Bhagavati» (2 us 
Berl. 1866—67); Yacobi, «The Kalpasütra 0 
Bhadrabähu» (Lp3. 1879). Vol. Ed. Müller, «Betz 
trägezur®rammatildes Jainaprätrite (Berl.1876). 


(30% gle 


248 


Aus der poetischen Prafritlitteratur find zu nennen: 
«Rävanaha oder Setubandha» (präfrit und 
deutih, berausg. von S. Goldſchmidt, 2 Lign,, 
Straßb. 1880—83); Weber, «fiber das Saptagata- 
kam des Häla» (2pz. 1870 u, 1881). Die Dramen 
find meift in Sanskrit und P. geichrieben, aus: 
ſchließlich in P. die «Karpüramanjari» de3 Ra— 
jacefhara» (herausg. im «Pandit⸗, Bd. 7). Das 

3, iſt Frübzeitig Schon in Indien grammatiſch bes 
bandelt worden, die mwichtigften europ, Arbeiten 
darüber find: Laflen, «Institutiones linguae Pra- 
criticae» (Bonn 1837); Delius, «aRadices Pracri- 
ticae» (Bonn 1839); Cowell, «The Präkrita Pra- 
kaca of Vararuci» (Pond, 1862); Piſchel, «De 
grammaticis pracriticis» (Bresl. 1874); derfelbe, 
«Hemacandra® Grammatit der Präfritipracdhe» 
(mit Überfeßung, 2 Bde., Halle 1877—80); Bühler, 
«The Päiyalacchi Nämamälä» (Gött. 1879); der: 
felbe und Bijchel, «The Decinämamäld of Hema- 
candra» (Bomb, 1880). , 

Praktik, die Ausübung oder Anwendung einer 
Kunft oder Wiffenichaft; auch veraltete Bezeihnung 
des Kalenders; Bauernpraftil, die bei Yand- 
leuten geltenden Wetterregeln; welſche Praktik, 
ein Verfahren, fih durch Zerlegen einer größern 
Zahl in Heine das Nechnen zu erleichtern; Prak— 
titen (vom franz.), ſchlaue Kunftgriffe, Ränte. 

Praktikant, ein zur Beihilfe oder zur Cinübung 
des praltiſchen Dienjtes bei einer Behörde u. ſ. w. 
Angeſtellter. 

— (vom griech. npäfıs), den Zweden des 
thätigen Lebens gewidmet, dazu brauchbar und ge: 
ſchickt, im Gegenjab zum bloß Theoretifchen. 

—— etwas ausübend betreiben (3.2. 
die Thätigfeit eines Arztes, Nechtsanmwalts); etwas 
gewandt und unmerllic ins Werk fehen, an eine 
Stelle bringen, von einer Stelle weg bringen. 

Pe (Getränk), ſ. unter Bischof. 

rälaten (lirchenlat.) 0 in der kath. Kirche 
bie Inhaber eines mit wirllicher Jurisdiltion ver: 
bundenen Kirchenamts (Dignität). Diefes waren 
urfprünglid nur die Biihöfe, Erzbiichöfe, die 
Patriarchen und der Papit. Später erhielten auch 
die Kardinäle und Legaten, die Übte und Voriteher 
der Klöſter durch Privilegien und Herlommen eine 
gewiſſe — tion, wird zuweilen der Pra⸗ 
latentitel ohne damit verbundene Jurisdiltion ver: 
lieben (Ehrenprälaten). In Deutichland gab 
es bis zur Sälularifation zahlreiche ., welde, 
frei von ber Landeshoheit, unmittelbar unter dem 
Reiche ſtanden. Viele hatten re weltliche Negie: 
rungsrechte, jelbit die fürftl, Würde und Sik und 
Stimme auf den Perg erg en. In England, Schwe: 
den und Dänemark bat jih die Prälatür aud 
nad) der Reformation erhalten. 

Im prot. Deutichland blieb der Name P. vor: 
zugsweiſe in den Domftiftern; in Baden und Heſ— 
jen iſt J noch jeht der höchſte Würdenträger der 
evang. Yandeslirhe; in Württemberg iſt P. der 
Titel der Generalfuperintendenten. 

‚Brälegät (lat.), Borvermädhtnis, heiht im tech⸗ 
niſch juriſtiſchen Sinne das Vermächtnis an jemand, 
der zugleih Erbe ift. Dieſes Vermächtnis hatte 
nad röm. Recht Eigentümlichleiten, wenn, was 
rer Begriff der P. erforderlid war, der Erbe 
elbft mit der Entrichtung des Vermächtnifjes an 
ſich zu einem Teil belaftet war. Jedoch ift gerade 
dieje Eigentümlichleit in den neuern Landesrechten 
meift bejeitigt und ber Erbe erhält das ganze P. 


Praktik — Prämie (Belohnung) 


als reines Vermächtnis, nicht mehr, wie nach röm, 
Anfhauung, zum einen Teil nur al3 Vermächtnis, 
zum andern als Erbteil. 
Präliminärien (neulat.), das Vorhergehende, 
Borläufige, nennt man in&belondere ſolche Verein 
barungen, weldje die fernere Verhandlung einleiten 
und ermöglichen. Bei dem Borhaben eines Frie: 
densſchluſſes beftimmen die P. den Ort der Beipre: 
hung, die dabei zuzulafienden Mächte und diejeni— 
gen ugeftänbnife, von welden der eine oder an: 
dere Teil das Eingehen auf Weiteres abhängig ge: 
macht hat. rar gg part ver f. $riede, 
linde8, |. unter Canditen, 
udinm, |. Vorſpiel. 
am (Chriten Henritfen), bän.:norweg. Did: 
ter und ftaatsölonomiidher Shri titeller, geb. in 
Gudbrandsdalen in Norwegen 4. Sept. 1756, war 
feit 1781 beim Ölonomie: und Kommerzlollegiumt 
angeftellt, bis er 1816 bei Aufhebung dieſes Depar: 
tement3 feinen Abſchied erhielt. Er redigierte die 
«Handelszeitung» 1782—87 und lieferte mehrere auf 
flantsmiffen haftliche en bezũgliche Preis: 
fhriften, 3. B. über die Nationaltracht (1798) und 
über die Anlegung einer Univerfität in Norwegen 
(1796). Als Dichter begründete er feinen Ruhm 
durch das ——— os «Stärtodder» (1785); 
auch feine —— en Stüde und eine Reihe klei— 
ner Erzählungen befunden viel Lebensfriſche und 
Humor. Mit Rabbet —— er 1785 die Zeit⸗ 
Schrift «Minerva», welde auf die Geftaltung ber 
dän. Litteratur einen bedeutenden Einfluß ausübte. 
Im %, 1819 ging er als Bollverwalter nad) der 
weſtind. Inſel St. Thomas, wo er aber ſchon 
25. Nov. 1821 ftarb. Seine belletriftiihen Werte 
gab Rahbek heraus (mit Biographie, 6 Bde., 
Kopenh. 1824—29). 
rämie (lat, praemium) be ee eine beſon⸗ 
bere Belohnung Ar verdien (ice iftungen. ®. 
werben bei vielen Gelegenheiten gewährt, 3. B. 
Schülern in Form von Büchern und andern Dingen 
für bewiejenen Fleiß und gutes Betragen, Arbei: 
tern für ausgezeichnete Leiltungen, für Kleinere Gr: 
findungen und Ablürzungen des Verfahrens bei der 
Arbeit, Landwirten für Zucht beiter Haustiere, au: 
ter Getreide: und Obſtſorten, ſowie für Kultur bis: 
er unbenupter Ländereien u, |. w. Ferner gibt es 
. für Tötung = Tiere, namentlich der 
eigentlihen Raubtiere, für Erzeugung ausgezeic): 
neter Produfte, Heritellung von Fabrilaten in qu: 
ter Qualität oder großen Quantitäten, für Einfuhr 
von Getreide bei Teuerung oder von neuen Nob: 
ftoffen, für Altlimatifation von Tieren und Pflan: 
en, bei Ausjtellungen aller Art u. dgl, Belannt 
Kind die Yusfuhbrprämien, welche denjenigen 
ewährt werben, die gemwifje gewerbliche und andere 
Produlte des Landes ausführen, In der Regel be: 
ftehen diefelben in der Eritattung der Zölle und Ab: 
aben, welche von den bei der Produktion verwen: 
eten Robitoffen erhoben wurden. Bei Anleihen 
werben oft denjenigen P. gemäbt, welche die ge⸗ 
pen Sunme vor der beitimmten Zeit einzab: 
en. Außerdem gibt es Prämienanleiben (f. d.), 
die fih von dem übrigen Anleihen dadurch unter: 
—* daß fie denjenigen, die ſich bei ihnen betei— 
igen, neben einem mäßigen Bin noch P., die un: 
ter fämtlichen Zeichnern verloft werben, in Ausjicht 
ellen. Beim Verfiherungsgeichäft heißen P. (Ber: 
iherungsprämie) die Beträge, welche die 
erjiherten an die Verfiherungsgefellihaften für 


Prämie (im Lieferungsgefhäft) — Prantl 


die fibernahme des Rifiko zahlen. (S. Prämien: 
verfiherung.) 
Prämie (im Lieferungsgeihäft), |. unter Prä— 
miengeihäft und Zeitlauf. 
Pramienanleihen find ſolche Anleihen von 
Staaten, Korporationen, Gefellihaften u. |. w., 
melde den Gläubigern außer einem bejtimmten 
Zins auch noch Ausficht auf den Gewinn von zum 
eil jehr großen Geldprämien gewähren, bie jähr: 
lich nad) einem bejtimmten Plane verloft und den 
Inhabern der Stüde mit den gezogenen Nummern 
ausgezahlt werden. In andern Fällen wird nur 
den jährlich zur Amortifation gezogenen Stüden 
durch das Los eine gröfere oder geringere Prämie 
zugeteilt. Nach dem deutſchen Reichsgeſeß vom 
8. Juni 1871 dürfen Inhaberpapiere mit Prämien 
in Deutichland nur auf Grund eines Reichsgeſehes 
und zwar zum Zwed ber Anleihe eines Bundes: 
ftaates oder de3 Neich® ausgegeben werden. Bon 
ausländiihen Papieren diefer Art dürfen fortan 
nur diejenigen Stüde in den Verlehr gebracht wer: 
‚ weldye in einer am 15. Juli 1871 abgelau: 
fenen Friit abgeftempelt worden find, (S. An: 
leiben, Zotterieanleben.) 
ämiengefchäft nennt man eine eigentüm: 
liche Art des Lieferungstaufs, welche fi dadurch 
charalterifiert, daß dem einen Kontrahenten, Käufer 
oder Verkäufer, gegen eine Vergütung (Prämie), 
die er bem andern Kontrahenten zahlt, ein Wahl: 
recht zuftebt in Bezug auf die Erfüllung überhaupt 
(aljo ein Rüdtrittsrecht) oder auf Zeit, Art, Objelt 
der Erfüllung. Der Wahlberechtigte büßt alſo die 
Prämie ein, Hehert fi aber dadurd die Möglid: 
teit, von dem Geſchäft gänzlich zurüdzutreten 
(Empfang ober Lieferung der Ware zu verweigern) 
oder zu einer andern Zeit ein anderes Quantum 
u gay en oder zu liefern u. f.f. Den Gegen: 
nd des F bilden —— ertpapiere. 
Prämienpapiere find ſolche Wertpapiere, bie 
bem Berechtigten die Chance eröjinen, dab wenn 
feine Nummer behuf3 Amortifierung ausgeloft wer: 
den follte, er außer dem Nominalbetrage noch eine 
bald höhere, bald niedrigere Summe (Prämie) er: 
halten würde. (S. Brämienanleiben.) 
Prämienverficherung nennt man im Gegen: 
fat zur Verfierung auf Öegenfeitigleit denjenigen 
Berjicherungdvertrag, bei dem die Leiſtung des Ver: 
ſicherten genau firiert ift, ſich alfo nicht wie dort nad) 
dem Unlange er zu erjehenden Schäden richtet. 
Bei der P. lufriert der Aſſeluradeur (regelmäßig 
eine Altiengefellibaft) den überſchuß der gefamten 
Prämien über die gefamten Schadenbeträge, trägt 
aber auch allein den Berluft, wenn jene hinter die: 
fen zurüdbleiben. Die B. iſt * Handelsgeſchäft. 
Gandelsgeſehßbuch, Art. 271, Nr. 3.) 
en (lat.), in der Logik die Vorderfähe 
eines Schlufies (j. Syllogismus), überhaupt 
die Urteile, aus weldhen man einen Schluß zieht. 
Praemissis praemittendis (lat., meiit ab: 
gelüirst P. P. oder p. p.), nad) Vorausſchidung des 
ſchidenden, d. b. mit Weglaſſung aller 
Kurialien, des Titels u. bal, 
Praemisso titulo (lat., abgefürzt P. T.), mit 
Borausf 


(Weglafiung) des Titels. 
fer orbertiner, weiße 
Ranoniler, ein geifllicjer Orden, geftiftet von 
Norbert, einem Chorherrn aus Kanten im Kleve— 
Ken der 2 lirchlichen Eifer ſpäter ala Cr: 
of von Magdeburg (feit 1127) die Kanonijation 


249 


erwarb und 1134 ftarb. Im Walde von Coucy, 
zwiichen Rheims und Laon, fammelte Norbert auf 
einer ihm nad) feinem Vorgeben vom Himmel ges 
keipten Miefe (pr& montr&, pratum monstratum, 
aber der Name des Ordens) feine erften Schüler 
1120 und baute 1121 das erfte Klofter, dem er die 
ene Regel Auguſtins gab. Deshalb rechnen 
ſich die P. zu den regulierten Chorherren, obwohl 
fie ihrer Verfaſſung nad wirklliche Mönche find, 
Der Orden wu s(onel auch entjtanden mehrere 
Nonnenklöfter derjelben ftrengen Negel, nachdem zu: 
er die Rrümonftratenferhorirauen in den: 
felben Klöftern wie die Männer, nur durch eine 
Mauer getrennt, gelebt hatten. Der Abt des 
Stammllofterd Premontre bei Coucy führte den 
Titel General und bildete mit drei andern kan. 
PBrämonftratenjeräbten den Hohen Nat der Väter 
des Ordens, infolge der Reformation verminder: 
ten ih die Alöfter des Ordens um mehr als die 
Hälfte, Um die verfallene Klofterzucht herzuftellen, 
vereinigten fich die KHlöfter in Spanien 1573 au 
einer noch ftrengern Obſervanz; doch blieben fie mit 
den Klöftern von ber gemeinen Objervany in Dr: 
densgemeinichaft, welche 1630 durch neue Statuten 
für alle Klöſter beider Sattungen befeftigt wurde. 
Im 18, Jahrh. hatte fi der Orden in Frankreich 
i8 auf 42 männliche Klöſter vermindert; die weib: 
lihen waren eingegangen. Seht beſiht er nur noch 
eine geringe Zahl von Klöftern in Bolen und den 
öjterr. Staaten, befonders in — Die Tracht 
der P. iſt durchaus weiß und beſteht aus Tunila, 
Slapulier und vieredigem Barett, darüber im Chor 
ein weißes ——— und auf der Straße ein 
weißer Mantel und breitfrämpiger weißer Hut. 
Bol. Winter, «Die P. des 12. Jahr.» (Berl. 1865). 
Prämortäl (neulat.), vem Tode vorbergebend; 
prämortale Temperaturfteigerung iſt in 
der ra Yo Thermometrie die Bezeichnung ‚für 
die — über 42° C. hinaus; fie iſt ein 
Zeichen des rain Todes. (S. unter 
Sieber, Bd. VI, ©. 791°.) j 
—— Stadt in Latium, ſ. Paleſtrina. 
ranger oder Schandpfahl (palus infa- 
mans, numella; engl. pillory) nennt man ben ftei: 
nernen oder hölzernen Pfahl, an welchem Verbre: 
her nad) gerichtlichen Urteil durch den Gerichte: 
fron oder gar den Henker zur Schau geitellt und der 
öffentlichen Beihämung preisgegeben werden. Die 
Prangeritrafe hatte ont mancherlei Grade und 
Örtliche Formen, wurde auch häufig mit Auspeit: 
ſchen verbunden. Sie zählte zu den jog. beihimpfen: 
den und darum grundjählich verwerflichen Strafen. 
Gine jeder vernünftigen Kriminalpolitit wider: 
ſprechende Gigentümlichteit diefer Strafe war, vor: 
züglich in England, die unbefchränfte Freiheit, mit 
welcher die Zufchauer dabei ihre Gefinnung äußern 
durften, War der am P. Stehende dem Pöbel 
verhaßt, fo lief er Gefahr, durch Steinwürfe und 
andere } —— an feiner Geſundheit Scha: 
den zu nehmen oder felbit das Leben einzubüßen, 
während die Strafe, wenn ihn das Volt entichul: 
digte, In in eine Art Triumph verwandelte. Bei: 
jere Einfichten haben alle Prangerftrafen befeitigt. 
Praenomen (lat.), Borname. 
Prantl (Karl von), nambafter Hiſtoriler der 
ghtofoppie, geb. 28. Jan. 1820 in Landsberg am 
ech, itudierte in München und Berlin und habili: 
tierte fih 1843 an der münchener Univerfität, we 
er 1847 außerord. und 1859 ord. Profejior der 


250 
Shilofop ie wurbe. Außer liberfeßungen einiger 
Dialoge Platos und einer Tiberfiht der gried. 
röm. Bi —— (Stuttg. 1854) veröffentlichte er 
eine Ausgabe der Schrift des Arijtoteles über bie 
Farben (Münch, 1849) und in der Engelmannfchen 
Eammlung die « Bhpfit des Ariftoteles (Lp3. 1854) 
und desfelben «Bücher über das Himmelsgebäude 
und über Entitehen und Vergehen» YA 1857), 
erner «Die gegenwärtige Aufgabe der Philoſophie⸗ 
Münd. 1852) und noch einige andere philof. 
riften. Sein Hauptwerk iſt: «Geſchichte der 
Logik im Abendlande» (Bd. 1—4, Lyz. 1855— 70). 
Auch verfaßte er «Geſchichte der Ludwig: Marimi: 
lians-Univerfität in Ingolftadt, Landshut, Mün« 
en» (2 Bde., Münd. 1872). Don feinen Heinern 
riften find zu nennen: «Die Philofophie in den 
Sprihmwörtern (Münd. 1858), «Michael an 
und Petrus Hiſpanus⸗ (Lps. 1867), «Verſtehen 
und Beurteilen» (Münd. 1877) u. |. w. 
Präuumerando (lat.), durch Vorausbezahlung 
(d. 5. vor Empfang einer Sache oder vor Gewäh— 
rung einer Leiltung), im Gegenfah zu poftnume: 
rando, durch Nachbezahlung (d. h. nad Empfang 
oder Gewährung). 
ränumeration (lat., d. i. Borausbezahlung) 
ißt die fofortige Gewährung der ——— 
ür eine erſt zu erfüllende Verbindlichkeit. Dies 
ann bei verſchiedenen Geſchäften bedungen wer: 
ben, 3. B. bei Mietverträgen, Verkäufen; vorzüg: 
li fommt aber P. im Buchhandel vor, im deut: 
hen gewöhnlich nur bei Zeitfchriften. Meift genie- 
n die Pränumeranten für die zum voraus er: 
füllte Leiftung den Vorzug eines geringern Preifes, 
als jpätern Käufern nach Verlauf der, bejtimmten 
Friſt bewilligt wird. Von der P. ift die Subflrip: 
tion (f. d.) verichieden, j 
Präparand (lat.), «ber Borzubereitender, Schü: 
ler einer Vorbereitungsihule; Präparanden: 
anftalt, Borbereitungsanftalt zur Aufnahme in 
ein Schullehrerfeminar, 
Präparat (anatomijhes), f. unter Ana: 
tomie, Bb. I, S. 612°. 
Präparat (hemiiches), f. Chemiſche Prä— 
parate, Bb. IV, ©. 232, [leitend 
äparatorifch, vorbereitend, vorläufig ein 
arieren (anatom.), Bräparierfaal, ſ. 
unter Anatomie. 
—— ſ. Grundierſalz. 
räponderanz (lat.), Übergewicht; präpon: 
derieren, überwiegen, das Übergewicht haben. 
Bräpofition (lat., Vorwort, Berhältniswort) 
bezeichnet in der Grammatik eine Wortllaffe, die 
uriprünglich identifch ijt mit dem Adverbium, d. h. 


zur nähern Beitimmung eines andern Sabteils, | 


namentlich de3 Berbums dient. Das von der P. 
näher bejtimmte Verbum erfordert einen beftimm: 
ten Cafus des zu ihm fonftruierten Nomens, wel: 
her Caſus aljo eigentlich vom Verbum abhängig 
ist, ſehr früh aber, bat ſich das Sprachgefühl daran 
A den Caſus als von der P, abhängig zu 
ühlen (daher der grammatijche Ausdrud: die P. 
regiert den und den Caſus). Wir können das ur: 
ſprüngliche Verhältnis noch nachfühlen, wenn wir 
— B. den Saßtz ver ſpricht zu mir» umftellen in «er 
priät mir zu», in erfterm Falle beziehen wir den 

ativ «mir» auf «zu», im zweiten auf «fprichtn, 
während die Säbe derart urfprünglich ganz iden: 
tiſch find. Cine ſehr weite Yusbeimung hat zum 
Zeil auch Schon in früher Zeit der Sprachgeſchichte 


Pränumerando — Präfentation 


der Gebraud der P. dbadurd erlangt, daß fie zur 
Bezeichnung des Verbältnifjes zweier Subftantiva 
(oder der durch fie bezeichneten Vorftellungen) ver- 
wendet wurden, während urfprünglich dazu weſent⸗ 
lich die Dellinationsformen (Cafus) dienten; ver: 
gleiche 3. B. im Deutichen «Liebe zum Vaterlande» 
mit lat, amor patriae, Spraden, welde durch 
lautlihen Verfall ihre Cafus ganz oder teilweife 
eingebüßt haben, pflegen diefelben durch präpofitio- 
nale Verbindungen zu erfehen, ver * B. den 
franz. Genitiv agneau de Dieu, buchſtäblich lat. 
agnus de deo mit echt lat. agnus dei, 
— (at.), die Vorhaut bes mãnnlichen 
iede 


Präraffakliten, Name einer Sms engl. 
Maler, welche inhaltlich und techniſch die Borgän- 
ger Rafaels nachzuahmen fuchen. Die Hauptmaler 
diefer um 1850 entjtandenen, jeht nur noch ſchwach 
vertretenen Ridhtung find: ‚sohm Everett Millais, 
William Holman Hunt, Rofetti, Stanhope. 
Prärogativ (das), — — (die, lat.), 
Vorrecht, insbeſondere Bezeichnung für bie Bor: 
rechte des Monarchen, namentlich derjenigen Rechte, 
—— deren den parlamentar. Körpern eine 
—— nicht zuſteht (3. B. Berufung, Erörf- 
nung, Schließung, Auflöfung der Kammer), ſowie 
derjenigen, welche dem Monarchen den parlamentar. 
Körpern felbft — zuſtehen (z. B. das Recht, 
ber Kammer Vorlagen zu machen, Sanktion ber 
Kammerbeihlüffe, Bublifation derjelben u, ſ. w.). 
rafem, der lauchgrüne Quarz (f. d.). 
äfen® (lat.), in der deutſchen Grammatik ge: 
wöhnlid, gegenwärtige Zeit, Gegenwart. genannt 
heißt eine Form des Verbums, die uriprüngli 
nicht die zeitliche Beziehung der Gegenwart auss 
drüdt, fondern bezeichnet, daß die angegebene 
Handlung eine dauernde fei. aber die Anwen: 
dung der Präſensform in allgemeinen Sentenzen 
und Süßen, 3. B. «die .. dient zum Aus: 
drud des Gedantenä». Da bie sr von Dauer 
und Gegenwart für den Nedenden jehr oft zufam: 
menfallen, dient diefe VBerbalform im Gegenfaß * 
andern Formen, die beſondere Elemente zur Be— 
eichnung der Vergangenheit enthalten, 3. B. das 
ers tum, zugleich zum Ausbrud der gegen: 
wärtigen Zeit. Zu unterjcheiden von dem un 
praesens iſt der in der neuern Grammatil üblich 
—** Ausdruck Praäſensſtamm; man verſteht 
arunter diejenige Form des Verbalſtamms welche, 
abgeſehen von allen zeitlichen Verhältniſſen, die 
dauernde Handlung bezeichnet, während der Per: 
feltjtanım die vollendete, der Aoriftitamm bie mos 
mentane Handlung ausdrüdt. (S. Tempus.) 
Präfentation (lat.) beißt der Vorſch n eines 
oder mehrerer Kandidaten zu einer erlebigten 
Stelle, weldhe dem Patron einer Kirche, den 
Städten in Anfehung ihrer Beamten und in man- 
chen Ländern den —— Landeslollegien bei den 
in ihrem Gefchäftäfreife erledigten Umtern zufteht 
(Bräfentationsredt). Die P. iſt bloß Bor: 
ſchlag, denn die einentliche Verleihung oder Über: 
tragung des Amts geht immer von dem aus, wel: 
chem präjentiert wird, Wenn der dazu Berechtigte 
die P. bei kirchlichen Amtern über ſechs Monate 
verzögert, fo tritt nach gemeinen firchenrechtlichen 
Beltimmungen Devolution ein, d. b. der Höhere 
ernennt felbit. (S. Rirdenpatronat.) 
Präfentation heißt auch das Vorlegen eines 
Wechſels (f. d.) an den Bezogenen und zwar, wenn 


Präfentationspapiere — Präjumption 


—* noch nicht fällig iſt, zur Acceptation, wenn 
er fällig iſt, zur Zahlung. Die P. zur Annahme iſt 
nur bei Wechfeln, die auf eine bejtimmte Zeit nad) 
Sicht lauten, nad der Deutſchen Wechſelordnung 
notwendig; ®. zur Zahlung aber ftet3, um den 
Negreß bei nicht erlangter Zahlung zu fihern. Bei 
verweigerter Annahme oder Zahlung wird darüber 
der Broteft (j. d.) aufgenommen. 

Präfentationspapiere nennt man die Ur: 
funden über Forderungen, die nur unter Borlegung 
der Urkunde geltend gemadt werden können, Es 
gehören dahin namentlich der Wechjel und die In: 
haberpapiere. (S. Au porteur.) 

Präfentätum (lat., d. b. «vorgelegt»; abgekürzt 
praes.) nennt man die Cingangsbemerfung, die 
Angabe der Zeit, wann ein Schriftitüd bei einer 
Behörde eingegeben worden iſt. 

räjenzzeit, ſ. Dienitzeit, 

‚ Bräfervation (lat.), ———— Verhũtung 
eines übels, Vorbauung gegen dasſelbe; präfer: 
vativ, vorbeugend, werben, verwahrend; Brä: 
fervativmittel, Vor * Schußmittel. 

Präfervierung der Nahrungsmittel, ſ. 
Konfervierung der Nahrungsmittel, 

(lat.), Bräfident, Vorſihender; Statt: 
halter einer röm. Provinz. 

Präfident (lat. Praeses) oder Vorfihender 
beißt derjenige, welder in einer kollegialifch ein: 
gerichteten Berwaltungs: oder Gerichtäbehörde oder 
in einer beratenden oder beſchließenden Verſamm— 
lung den Vorſiß führt und die Gefchäfte leitet. In 
Republilen führt das auf eine beftimmte Zeit ges 
wählte, verantwortliche Staatsoberhaupt meiſt den 
Titel R. ‚Im Fall der Verhinderung wird der 
®B. durch einen VBizepräfidenten —— 
den Vorſihenden) oder das älteſte Mitglied des 
Kollegiums vertreten, 

Prafidiäl (in Zufammenfegungen), den Vorfik 
I das PBräfidium betreffend, davon ausgehend, 
frei eren (lat.), vorschreiben, verorbnen ; 
I verjährt erklären; davon das Subftantiv Prä: 

fription., 

Praslin ir ber Name eines Marquifats in 
Franlreich, welches im Beſih einer der Hauptlinien 
des Hauses Choifeul war, aber 1690 nad} dem Er: 

hen der Marquis von P. an die Grafen von 
Chevigny, einen andern Zweig des genannten Ge: 
ſchlechts, gelangte und 1762 zu Gunften desjelben 
zum Herzogtum erhoben wurde, : 

Charles Raynard Laure Felir Choi: 
feul, Herzog von P. geb. 24. März 1778, 
eifriger Anhänger Napoleons, Kammerberr ber 
Kailerin und 1814 Chef der eriten Legion der 
parijer Nationalgarde, mit welder er 30. März 
gegen bie Verbündeten kämpfte. Er ftarb zu Paris 
28. Juni 1841. 

Sein Sohn, Graf Theobald Choifeul, 
Herzog von P., geb. 29. Juni 1805, verheiratete 
ih 1825 mit der Tochter des Marſchalls Scha: 
ftiani, die —* ein bedeutendes Vermögen zubrachte 
und neun Kinder, drei Sohne und Er Töchter, 
gebar. Am 18. Aug. 1847 wurde diefelbe in ihrem 
Haufe ermordet — Der Verdacht des Ber: 

fiel bald auf den Herzog ſelbſt, welcher 

21. Aug. nad) dem Lurembourg abgeführt 

wurde, bier aber 24. Aug. infolge genommenen 

Giftes ſtarb. Die Schuld des Herzogs war aufer 

allen Fe geiebt, (Vgl, « Der Neue Bitaval», 
Bd. 14, 2py. 1860.) 


251 


Gegenwärtiger Herzog von P. und Haupt der 

Familie it des lehtern Sohn, Gaſton Louis 

ilippe vonChoifeul:®., geb. 7. Aug. 1834. 

j Suyfch, Kreisitadt im Gouvernement Block, 

in RuſſiſchPolen, mit (1881) 7212 E. hat Leinen: 
induftrie un Holzhandel. 

‚Präftabilierte Harmonie oder Bräftabi: 
lis mus iſt ein Ausbrud von Leibniz (f. d.), wel: 
cher mit Recht die allgemeine Bezeihnung von 
deflen metaphufiihem Syftem wurde, da die damit 
ausgedrüdte Lehre deſſen el ten Stern bildet. In— 
dem nämlich Leibniz jede «Dionade» als eine felb: 
ftändige, feinen Einfluß von einer andern erfah: 
rende Subſtanz betrachtete, lehrte er, daß ber 
Iheinbare Einfluß derfelben aufeinander fih durch 
eine innere Harmonie der Vorftellungen erlläre, in 
denen nad) ihm die Thätigkeit diefer Subftanzen 
befteht. Weil nämlich jede Monade das ganze Uni: 
verjum mit größerer ober rg pe Deutlichteit 
vorftellt und der Ablauf dieſer Vorftellungen in 
allen mit gleicher Notwendigkeit — ſo 
ſtimmen ſie alle in jedem Augenblide überein. 
Insbeſondere wendete Leibniz dieſe HART ean, 
um das durch die artellaniiihe Schule lebhaft an: 
geregte Problem des Verhältniffes von Leib und 
Seele zu löfen, indem er annahm, daß die Seele 
als Centralmonade des Körpers, ohne von dem 
felben einen Einfluß zu ee oder einen ſolchen 
a ihn auszuüben, doc vermöge ihres innern 
Lebens in jedem Augenblid eine Hare und deutliche 
Borftellung von allen Zuftänden des Körpers habe. 
Die durch Chr. Wolff gegründete Schule, welde 
im allgemeinen die Ideen von Leibniz zu fyitema: 
tijieren fuchte, ließ diefe Hypotheſe wieder fallen. 
Dal. G. R. Bilfinger, «Commentatio de har- 
monia animi et corporis humani praestabilita, 
ex mente Leibnitii» (Sranff. 1723); 9. C. W. 
Sigwart, «Die ee a von ber präftabi: 
lierten Harmonie in ihrem Zufammenhange mit 
frühern Bhilofophemen» (Tüb. 1822); ©. C Gub; 
rauer, «Leibnitii doctrina de unione animae et 
corporis» (Berl. 1837); H. Sommer, «De doctrina, 
quam de harmonia praestabilita Leibnitius pro- 
posuit» (Gött. 1866); Erdmann, «Martin Knuͤten 
und feine Zeit» Lpz. 1876). 

Präftanz, Vorzüglichkeit, würbevolles Anfehen, 
Vorrang, Leiftungsfähigkeit. _ ; 
räjtieren (lat.), etwas leijten, entrichten, 
räfumption (lat.) nennt man eine Voraus: 
feßung, welde auf Gründen der Wahrfcheinlichteit 
beruht. In den Rechtsverhältniſſen —** man 
darunter einen Satz, welcher ohne weitern Beweis 
ſo lange für wahr gilt, bis das Gegenteil erwieſen 
werden kann. Das Natürliche, Regelmäßige wird 
präſumiert; Veränderungen und Abweichungen 
müſſen erſt beſonders erwieſen werden. Jeder iſt 
[In einen rechtlich handelnden Menjchen, für un: 
chuldig alten, bis ſeine Schuld bargethan 
wird. Wahrſcheinlichleiten aus beſondern indivi: 
duellen Gründen beißen praesumptiones hominis 
oder facti, die in den Geſetzen anerfannten Ber: 
mutungen, wie 3. B. dab das Kind, weldes eine 
drau während der Che gebiert, von ihrem Ehe: 
manne erzeugt fei ug are juris. In 
einigen Fällen der (chtern, 3. B. bei der Annahme, 
daß ein der aus nicht sg Bellagter 
berjelben geftändig fei, wird jogar der Beweis de3 
Gegenteils nicht zugelafjen; dieje heißen praesump- 
tiones juris et de jure. (9. Beweis, juriltifch.) 


252 


A rear nennt man dad, was unter ge: 
willen Bedingungen eintreten fann; daher fpricht 
man von einem präfumptiven Thronerben und 
verfteht darunter denjenigen, der unter ben ge: 
—— Umftänden, die ſich aber noch ändern 
Önnen, bie naͤchſte Anwartichaft auf den Thron hat. 
Brätendent (vom lat. praetendere) ijt im wei: 
teften Sinne jeder, der auf etwas Anſpruch erhebt. 
In engerer Bedeutung bezeichnet man aber damit 
die Prinzen, welde Erbanſprüche auf einen ihnen 
vorenthaltenen Thron maden. 

Praeteritio (lat., libergehung), rhetoriihe 
Figur, f. unter Paralipfie. 

Bräterition (Tat.) hieß im röm, Recht die 
aeg eined fog. Noterben (ſ. d.), d. 5. 
deſſen ichtuennung unter den teſtamentariſch ein: 
gejekten Erben, Die P. vernichtete das Teſta— 
ment, denn der Noterbe mußte entweder zum 
Erben eingefeht oder ausdrüdlid) enterbt wer: 
den, Diejes Präteritionsrecht erlitt bereit3 im 
Lauf der röm. Entwidelung bedeutende Verände— 
rungen, indem zunädjt die Enterbung der Not: 
erben nicht mehr der Laune des Erblafjers über: 
laſſen, vielmehr an Gründe gebunden wurde, und 
[dann die V. nicht mehr bei allen Noterben (Ge: 
chwiſtern) dem Teſtament ſchädlich war. Zugleich 
wirkte allmählich mit der Ausbildung des Prlicht: 
teilgrecht3 die nicht genügende Hinterlafjung des 
Pflichtteils (f. d.) der P. gleih. In den mober: 
nen Nechten gibt es nur noch Pflichtteilsrecht, die 
P. it dieſem gegenüber ohne eigene Bedeutung. 

Präteritum (lat., d. i. vergangen, zu ergänzen 
tempus, d. i. Beit) heißt in der Grammatik eine 
Form des Verbums, an welcher durch bejtinmte 
Nittel diefes Zeitverhältnis ausgedrüdt it. Dieſes 
Mittel it in den indogermaniihen bad Augment 
(i.d.); wenn dasfelbe dem Präſensſtamm vorgefebt 
it, entiteht das Imperfeltum (praeteritum prae- 
sens), wenn dem Perfeltſtamm, jo heißt die jo ent: 
ftehende Form Plusquanıperfeltum, wenn dem 
Aoriſtſtamm, jo nennt man biefe Verbalform 
gewöhnlich einfach Aoriſt (genauer praeteritum 
aoristi). In dieſen urfprünglicen Verhältnijien 
bat die Geſchichte der einzelnen Sprachen, die das 
ba zuweilen fehr früh verloren haben, oft 
grobe Änderungen vorgenommen, von benen eine 
der —— die iſt, daß eine urſprünglich 
nicht zur Bezeichnung der — Zeit, fon: 
dern der Vollendung der Handlung beſtimmte 
Form, das Perfektum, die Bedeutung eines prä: 
terialen Tempus der Erzählung angenommen bat; 
jo ilt das fog. deutſche Imperfekltum urſprünglich 
ein Perfeltum; das lat. ejeltum (3.8. veni, vidi, 
vici) ift Zempu3 ber Erzählung geworden, 

Praeter propter (lat.), mehr oder weniger, 
ungefähr. 

Prätexta toga, ſ. unter Toga; praetexta 
tragoedia, f. unter Comoedia, 

Prati (Giovanni), ital. Dichter, geb. 27. Jan, 
1815 zu Dafindo bei Trient, ftudierte zu Padua 
die Rechte und widmete ſich fpäter ganz der ſchönen 
Litteratur, Geit 1835 lebte er in feiner Heimat, 
feit 1840 in Padua, wo er feine «Edmenegarda» 
(Padua 1841), eine rührende poetiſche Erzählung 
in Byrons Manier, ſchrieb, die feinen Ruf als 
Dichter begründete. Im J. 1843 ging er nad) 
Zurin, veerihte in einer Dichtung Karl Albert 
als Netter Italiens und erhielt dafür eine Benfion. 
Später lebte er in Venedig und in Florenz, zuleht 


Präfumptiv — Prätor 


in Rom als Mitglied bes oberften Rats im Mini- 
fterium des Unterridt3 und Direktor einer vom 
Miniſter De Sanctis gegründeten höhern Mädchen: 
ihule, Cr _ftarb zu Nom 9. Mai 1884, Seine 
zahlreihen Schriften zeichnen fich aus durch Bilder: 
reihtum und ſchwungvollen Stil, laſſen aber Ur: 
fprünglichleit und Serühlstiefe ae Geſamt⸗ 
ausgaben erſchienen zu Genua (»Opere. Edizioue 
ordinata e riveduta dall’autorer, 4 Bde. 1851— 
52) und in Florenz («Opere edite ed inedite di 
Giovanni P.», 5 Bde., 1862—65). Aus fpäterer 
Zeitijt namentlich die Gedihtfanmlung«Armando» 
(Flor. 1868) zu erwähnen, Vgl. De Gubernatis, 
«Giovanni P.» (Flor. 1861). 

Pratioa (ital.), in den Mittelmeerhäfen der 
ir Verkehr eines anlommenden Schiff? mit dem 

ande, der nicht geftattet wird, wenn der Abfahrt: = 
bafen pet: oder holeraverdächtig iſt. 

Ber f. Prättigau— 

‚ Brato, Stadt in der ital. Provinz und im Ve— 
irk Florenz, 18 km im NW. von Florenz, am Pi: 
—* und an der Bahn Bologna⸗Piſtoja⸗Florenz, 
in reizender und fruchtbarer Gegend, Sit eines 
Biſchofs, a 20 öffentliche Pläke, eine alte Cita— 
belle, ein Theater, eine im 12. Jahrh. als roman. 
Bafılifa errichtete, im 14. Jahrh. durd) Giovanni 
Piſano in got. Stil vergrößerte Hathedrale mit 
trejilichen Skulpturen von Donatello und Andrea 
bella Robbia, den fchönften Wandgemälden im 
Chor aus der Geſchichte Joanne de3 Täufers 
und des heil. Stephanus von Filippo Lippi (1456), 
und einer prachtvoll ausgefhmüdten Kapelle, in 
welcher ber Gürtel der Jungfrau Maria (Cintola 
della Madonna) aufbewahrt wird, die Kirche Dia- 
donna belle Garceri, von Giuliano da Sangallo, 
1485—92 in —— eines griech. Kreuzes mit Kup: 
pel erbaut, zehn andere Pfarrlirchen, im Palazzo 
comunale eine kleine fehenswerte Gemäldegalerie, 
in welcher befonders die beiden Pippi vertreten find, 
ein Gymnafium (Collegio Cicognini), eine öffent: 
lihe Bibliothek, ein Findlingshaus und ein großes 
Hofpital. Die Stadt zählt (1881) 16509 (Gemeinde 
42070 E.), hat Wollweberei, Seidenfpinnerei, Fa: 
brifen in Seiden-, Baummwoll: und Leinenzeugen, 
Strohhüten, Papier, Seife und Kupferwaren, fowie 
Kupferhämmer und berühmte Bädereien, welche das 
beſte Brot in ganz Italien baden. — ®., mittellat. 
Pratum, 1289 —— unterwarf ſich 1313 
dem König Robert von Neapel, wurde 13850 von 
Johanna I. an Florenz vertauft und am 13. Aug. 
1512 vom ſpan. General Carbona erjtürmt. 

Prato Magno, dem Etruskiſchen Apennin füd: 
lich vorgelagerte, bi3 1580 m aufjteigende Gebirgs⸗ 
mafle, vom Arno öftlih, ſudlich und weſtlich um: 
floffen, gehört zum kleinern nordweſtl. Teil der 
ital. Provinz Florenz, zum größern ſüdöſtlichen ber 
Provinz Areyo an. 

Prätor hief bei den Nömern ber ben Konfuln zu: 
nächſt ftehende Dagijtrat, fein Amt Prätura. 
ALS die Patricier fahen, daß fie das Konſulat mit 
ben Plebejern teilen mühten, ſuchten fie die Juris: 
biftion ihrem Stande, bei dem auch damals vor: 
zugsweiſe die Kunde bes Rechts war, zu retten. 
Daher wurde 867 v. Chr. ein eigener Magijtrat 
unter dem früher aud für die Konfuln üblichen 
Namen P. eingefeht, um der Rechtspflege in der 
Stabt vorzuftehen. Erſt 337 Ben die Blebejer 
aud) den Zutritt zu dieſem Amte, Um 242 fam, ba 
die Zahl der in Nom ihren Aufentbalt nehmenden 


Prätoria — Prättigau 


Fremden (peregrini) immer wuchs, ein zweiter 
B. der jpäter praetor peregrinus bieh, hinzu, dem 
die Behandlung von Nechtsjtreitigleiten zwiſchen 
Fremden oder zwiichen Bürgern und fremden ob: 
lag, während dein eriten als praetor urbanus oder 
praetor urbis die \yuriädiftion unter Bürgern ver: 
blieb. Nur bisweilen wurden anfangs noch bei 
anderweitiger Verwendung des einen P. die Ge: 
Ihäfte beider verbunden. Zwei neue P. wurden 
feit 227 zur Verwaltung der Provinzen Eicilien 
und Sardinien, und noch zwei feit 197 für die Ver: 
waltung der beiden fpan. Provinzen gewählt. Als 
aber für gewifle Berbrechen ftändige Gerichtähöfe 
(die quaestiones perpetuae) in Nom eingerichtet 
wurden, blieben auch diefe B., um denfelben vor: 
zufteben, in der Stadt und gingen erſt nad) Ablauf 
ihres Amtsjahres in die Provinzen. Wegen Ber: 
niehrung der Quäftionen fügte Sulla noch zwei P. 
binzu; Cäſar erhöhte die Zahl auf 10, dann auf 
14 und 16. in der eriten Kaiferzeit war die Zahl 
ſchwankend, bis vielleicht Claudius fie auf 18 feft: 
iehte. Die P. wurden in denfelben Comitien und 
unter denfelben Aufpizien wie die Konſuln gewählt 
und als Kollegen der Konſuln betrachtet, ihr Im— 
perium galt aber doch für ein geringeres. Unter 
Ihnen war ber praetor urbanus der angefehenite; 
er verſah auch die jtädtifchen Geſchäfte der Kon: 
fuln in deren Abweſenheit und ihm kam die oft: 
ſpielige Haltung der Apollinariihen Spiele zu. 
Aus den Botihaften, den fog. Brätorijhen 
Edikten, die der praetor urbanus und der prac- 
tor peregrinus über die Rechtspflege namentlich 
bei dem Amtsantritte erlieken, bildete fi) das prä: 
toriihe, magiſtratiſche Necht (jus praetorium oder 
honorarium), welches namentlich dem jus gentium 
einen Einfluß auf die Jortentwidelung des röm. 
Rechts verſchaffte. Als curuliſche Magijtrate mit 
Imperium hatten die P. die Ehrenzeichen der sella 
curulis, der toga praetexta und Yiltoren, wahr: 
ſheinlich in Nom zwei, in den Provinzen feche. 
In der Kaiſerzeit blieben anfänglich ihre Verrich— 
tungen diejelben ; aud) erhielten beftinmte, einzelne 
P. gewiſſe Civilfachen, namentlich neben den Son: 
fuln Streitigfeiten über Fideilommiſſe, desgleichen 
boden eier und Privaten und das Vormund: 
haftswejen, ſowie die oberite Leitung des Ge: 
richtshofs für Erbſchaftsprozeſſe, der Centumviri 
(ij. d.) und die Leitung der Freiheitsprozeſſe zu: 
geteilt, Allmählich verengte ſich ihr Wirkungstreis 
durch den Untergang der jurisdictio peregrina, 
der quaestiones perpetuae und durch den liber: 
pang der richterlihen Gewalt auf den Kaiſer und 
eine Beamten. Die Sorge für die Feftipiele war 
nun ihre — 
rätoria, ſ. Pretoria. 
rãtoriauer hießen die Gardetruppen der 
roͤm. Kaiſer. Schon die Feldherren der Nepublit 
batten von alter Zeit ber eine Echar erprobter 
Soldaten zu ihrer perjönlidhen Bededung und 
nädjten Umgebung verwendet, die fog. cohors 
praetoria, die aber zu einer der Legionen gehörte, 
der Hauptſache nad) nur durd) die höhere Schäßung 
de3 Feldherrn vor den übrigen Reyerten ausge: 
zeichnet wurde, äußerli von den übrigen Linien: 
truppen fich nicht unterſchied. Als ftändiger Ober: 
befehtshaber dergejamten Armee bildetedann Augu: 
Mus unter dem Namen cohortes praetoriae neun 
eigene Kohorten, die fpäter um eine vermehrt 
wurden, jede zu 1000 Dann. Zu jeder Koborte 


253 


lam noch eine Abteilung Reiterci. Ihre Vorrechte 
vor den Legionen (f. d.), zu deren feiner fie ge: 
börten, beitanden in kürzerer Dienſtzeit, höherer 
Löhnung und größerm Gefchent, das der einzelne 
bei der Entloffung empfing. Eie ftanden unter 
dem praefectus praetorio f Präfelt) und wur: 
den bis auf Septimius Severus bloß aus Stalien, 
Macedonien und außerdem nur aus ganz romani: 
fierten Ländern, wie Spanien und Noricum, aus: 
gehoben, beziehungsweiſe durch Freiwillige aus 
denjelben ergänzt, Eeit Severus dagegen gelang: 
ten die Soldaten der Legionen aus dem ganzen 
Neid durch Avancement in die Garde. Unter 
Auguftus lagen nur drei — durch die der 
Wachdienſt im Palatium verſehen wurde, in Rom, 
die übrigen waren in Landſtädten untergebracht. 
Tiberius vereinigte fie insgefamt in einem großen 
verfhanzten Standlager, das auf der Norbdoitjeite 
Noms, vor der Borta Gollina und Biminalis, an: 
gelegt war. Wiederholt erlangten fie den bedeu— 
tenditen Einfluß. Schwächere Kaifer wurden ganz 
abhängig von den P. und deren Bräfelten, die oft 
genug mit dem Throne gewaltthätig ſchalteten, 
Kaifer, die ihren Unmillen erregt hatten, mordeten 
und bei der neuen Wahl die gewichtigfte Stimme 
hatten, während fie doch beinahe niemals im 

riege zur Verwendung famen. Septimius Seve: 
rus vermehrte die Zahl der P., Diocletian ſehte ihre 
Zahl und Bedeutung herab. Stonftantin d. Gr., 
der das Heerweſen des Reichs von Grund aus neu: 
geftaltete, fchafite fie gan ab. 

Praetorium (lat.), im röm. Lager das Haupts 
quartier; in den röm, Provinzen das Amtsgebäude 
des Statthalters. 

Prätorius (Michael), berühmter deutfcher Kir: 
chenkomponiſt und D ufitfchriftfteller, geb. 15. Febr. 
1571 zu Kreuzberg in ne war feit 1604 
Fat weig. Kapellmeifter in Wolfenbüttel, wo 
er 15. Sebr. 1621 ftarb. Bon feinen zahlreichen 
Kompojitionen, die fi) über alle Gebiete der Kir: 
chenmuſik eritreden, find die mehr ala 1200 Ge: 
jänge enthaltenden «Musae Sioniae» (9 Tle., 
Wolfenb. 1605—10) die wichtigiten. Noch bebeu: 
tender iſt er als Mufitjchriftiteller. Eein dreibän: 
dige$ «Syntagma musicum» (fat. und deutich, 
Wolfenb. 1614—20) ift die reihhaltigfte Quelle 
für die praltiſche Mufit der damaligen Zeit, na: 
mentlich find feine Abbildungen und Beſchreibun— 
gen ſämtlicher mufitaliiher Inſtrumente von Wert. 

Prat3:dc-Mollo, unmauerte Stadt im franz. 
Tepart. —————— Arrondiſſement Ce: 
ret, linls über dem Tech, am Endpuntte der Straße 
von Berpignan, ſüdlich vom Mont:Canigou, bat 
(1881) 1001, als Gemeinde 2467 E., das nad) 
Plänen Baubanz erbaute Hort Lagarde über dem 
Orte, und Fabrikation von Tuch und Baummwoll: 
waren, — Etwa 8 km weſtlich im wilden Pyre: 
näenthale de3 Ted liegt La Preſte mit vier 
Schwefelthermen, die zum Baden, Trinken und 
Douchen Verwendung finden, j 

Prättigau (roman. Val Partenz), Hochthal im 
ſchweiz. Nanton Graubünden, eritredt fi, 40 km 
lang, an ber Sohle felten über 1 km breit, zwifchen 
dem Rhätilkon und den Pleſſuralpen vom Sılvretta: 
gebirge nordweitlih bis zu der wilden, von der 
Burgruine Fragitein beherrichten Feldenge Klus, 
durd) welche das Thalwaſſer, die Landquart (f. d.), 
in das Nheinthal binaustritt. Rechts münden 
gegen das Hauptthal das Schlappinthal, das 


254 


et. auge und die Tobel des Schrau⸗ und 
des Taſchinesbachs, linl3 das Yenazertobel und 
Valzeina. Im untern Teil fruchtbar und gut an: 
ebaut, reih an Wieſen und Adern, Objtbäumen, 
lhornen und Buchwäldern, befikt das P. in feinen 
obern Stufen ausgedehnte Alpweiden und Nadel: 
waldungen. Zahlreiche wohlhabende Dörfer mit 
ftattliden Herrenhäuſern beleben den fchmalen 
Fbeigkuns und die Berglebnen. Die ‚wichtigiten 
derjelben find: auf der rechten Seite Kloſters (1. d.), 
Edierd (660 m, 1710 E) und Seewis (932 m), 
Geburtsort des Dichters Joh. Gaudenz von Salis, 
auf der linken die Babeorte Serneus (altaliiche 
Schwefelquelle) und Fideris (ſ. d.). Das Thal zählt 
(1830) in 16 Gemeinden 9111 E. meift deuticher 
Bunge und reform. Konfeilion, deren Haupter: 
werbsquellen der Ader: und Obſtbau, die Vieh: 
zucht und Alpenwirtihaft, die Ausbeutung der 
Kalt: und Scieferbrüde und ber —9* Tou⸗ 
riſtenverlehr ſind. Mit dem Rheinthal und dem 
Davos iſt das P. durch eine Poſtſtraße verbunden, 
die einerſeits bei der Station Landquart an die 
Bahnlinie Chur-Sargans, andererſeits bei Davos: 
Dörfli an die Flüelaſtraße anfchließt. Liber den 
Rhätiton ins Montafon (Vorarlberg) führen meh— 
tere raube Fuß: und Saummege, wie das Schwei: 
zerthor (2151 m), das Schlappinerjod_(2200 m) 
u. ſ. w., in das Unterengabin der Fleßpaß (2470 m) 
und einige Gletſcherpäſſe. Früher als einjtiger 
Belig der Freiherren von Va und der Grafen von 
Toggenburg zum Zehngerichtenbund gehörig, bildet 
jebt das P. mit dem Davos und dem untern Zeil 
des graubündifchen Nheinthals die Bezirke Ober: 
und Unter:Landquart. 

de das Amt des röm, Prätors (f. d.). , 

raudnig, Stadt im preuß. Regierungsbezirk 
Breslau, Kreis Militſch, am Nordfuße des Hagen: 
gebirges, Sig eines Amtsgerichts, hat (1880) 
2205 E., eine evang. und eine lath. Pfarrkirche 
und ftarfe Schuhmacherei. 

Prävarifation (lat.) wird nach röm. Recht be: 
gangen von dem Ankläger, welcher den eines öjfent: 
lichen —— Angeſchuldigten durch übertre— 
tung der Pflichten des An a... begünjtigt. Seht 
nennt man P. das pflichtwidrige Verhalten eines 
Anwalts, der zum Schaden feines Vollmachtgebers 
dejien Sache im Einverjtändnijje mit dem —— 
gegner ſchlecht führt. Nach 8. 356 des Deutſchen 
Strafgeſetzbuchs wird ein Advolat, Anwalt oder 
anderer Rechtsbeiſtand, welcher bei den ihm ver: 
möge feiner amtlichen Eigenſchaften anvertrauten 
Angelegenheiten in derſelben Rechtsſache beiden 
Barteien durch Rat oder Beiſtand giihtwibrig 
dient, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bes 
ftraft. Handelt derfelbe im Ginverftändnis mit 
der Gegenpartei zum Nachteil feiner Partei, fo 
tritt Zuchthausitrafe bis zu fünf Jahren ein. 

Pravaziche Sprige, Heine von Neufilber oder 
Hartgummti verfertigte Spritze zur Vornahme fub: 
tutaner (unter die Haut ftattfindender) Ciniprigun: 
gen, benannt nad} dem franz. Arzt Bravaz in Lyon. 
(S. unter Injektion.) 

Prävenire (lat.), das Zuvorlommen, das 
Durchkreuzen von jemandes Abficht, dadurch, daß 
man das von ihm Gewollte früher thut oder dem: 
felben vorbaut, namentlich gebräuchlich in der Re: 
densart adas P. fpielen». 

‚Bräpention 63 d. h. das Zuvorkommen) 
wird im Rechte beſonders in dem Sinne gebraucht, 


Prätur — Prawda rufffaja 


daß jemand eine rechtlihe Handlung früher vor: 
nimmt al3 ein anderer dazu ebenfall$ Berechtigter 
und fi dadurd das ausſchließende Recht zur Fort: 
ſehung der Sade verihafft. So entſcheidet unter 
mehrern zu Anftellung einer Klage Berechtigten fo: 
wie unter mehrern zugleich zuftändigen Gerichten 
die erfte er und Behandlung der An: 
gelegenbeit. Auch nad der Deutihen Strafprozeh- 
ordnung ($. 12) gebührt unter mehrern zuftändigen 
Gerichten demjenigen der Vorzug, welches die Un: 
terſuchung zuerjt eröffnet bat. 

Auf einem andern Gedanken beruht die Prä— 
ventionätheorie deö Strafrecht. Ginem An: 
oriffe zuvorzulommen, ift erlaubt. Aus der Vor: 
ausjehung nun, dab man jemand, ber einmal ein 
Verbrechen begebt, weitere Nechtöverlehungen zu: 
trauen könne, leiten die Anbänger diejer Theorie 
das Recht des Staats zu Sicherheitämitteln ab, 
welche unter anderm auch darin beitehen können, 
daß man den Verbrecher ſolche üble Folgen feiner 
rechtswidr gen Handlung empfinden läßt, welche 
ihm die Luſt zur Wiederholung feines Verbrechens 
verleiden, Dieje Theorie, deren vorzüglichiter Ber: 
teidiger in neuerer Zeit Karl Ludw, Wilh. von 
Grolman war, iſt deshalb zu verwerfen, weil fie 
den Zwed ber Strafe in etwas von diejer felbit 
Verſchiedenem ſucht. Die Polizei wird als Sicher: 
beitspolizei aub Bräventivjuftiz genannt. 

m kath. Kirchenrecht beißt PB. das Recht bes 
höhern Geiltlihen, in die Befugniſſe des Unter: 
gebenen einzugreifen und dieſem dadurch zuvor: 
zulonmen, insbeſondere aber das angebliche Recht 
des Bapftes, geiftlihe Benefizien und Imter mit 
Üibergehung der eigentlichen Kollatoren vergeben 
u können. Diejen Vorbehalt ftügt das kanoniſche 

echt darauf, a. der Papſt fein Necht bei Ver: 
leihung der Benefizien und Pfründen den Kolla- 
toren nur übertragen habe, daß er daher dieſen 
auch jederzeit zuvorfonmen und fein Necht jelbft 
wieder ausüben könne. — 

Prävigilien (lat.), ber Tag vor der Vigilie oder 
bem Vortag eines Feites. 

tere bulgar. Stadt, f. Brovadija. 

rawda ruſſkaja, «Ruſſiſches Necht» (von 
pers: das Recht, die Wahrheit), heißt eine Sanım: 
ung des ruſſ. Gewohnheitsrechts, welche von Ja— 
roſſaw 1019 veranſtaltet wurde. Die älteſte da— 
tierte Handſchrift iſt vom Ende des 13. Jahrh. 
Man unterſcheidet mehrere Redactionen der P.; 
die ältefte von Jarojlam erkennt die Blutrache und 
—— an, und ſtellt daneben für Tötung das 
Wergeld (wira) und die Sühne (golowniczestwo), 
[a andere Berlegungen ein Strafgeld (prodasha, 
.d.) und Sühne (plata sa. obida) feſt. Wergeld 
und Strafe fielen den Fürften, die Sühne dem 
Verletzten oder defien Erben zu. Die Söhne Jaro— 
ſlaws en die Blutradhe auf, und um Mitte des 
11. jahr). kam die zweite Redaction der B.zu Stande. 
Meitere Julie (Wuchergejehe) fügte Wladimir 
Monomady Anfang des 12. Jahrh. hinzu. Die 
legte Bearbeitung wird als P. des 13. und 14. Jahrh. 
bezeichnet. Die 9 wurde von Tatiſzczew 1737 ent: 
dedt, und zum erſten mal herausgegeben und ins 
Deulſche überfeht von Schlözer 1767. Die lehte 
Ausgabe iß von —— (einleitende Grklärun: 
gen, Moslau 1846 und Tert 1847). Bearbeitet 
wurde die P. zuerft von Nalowiecli (poln., Warfch. 
1821) und Ewers, «Das ältejte Recht der Ruf: 
fen» (Dorpat u. Hanıb, 1826). Cine umfaſſende 


Praweſh — Präzeflion 


Bearbeitung ift in neuefter Zeit von Mroczel:Dro3: 
dowſti begonnen worden. Be 
ee 4 ‚ein Erelutionsmittel im alten 
ruf. Net, durd) Peter d. Gr. aufgehoben, Das 
ältere rufj. R nnte feine Grefution in das 
Gigentum, fondern nur gegen die Perſon bes 
Schuldners. Der P. beftand darin, ba der Schuld: 
ner in Haft gehalten wurde und an Gerichtstagen 
geprügelt wurde, bis er entweder ſelbſt zahlte oder 
von andern oft aus Mitleid ausgelöft wurde. 
Hatte der Schuldner eine beftimmte Zeit die Prü- 
gel ausgehalten, fo wurde er entlaffen und konnte 
nicht mehr belange werben. Da je —— 
ihre Schulden sabjtanden», fo ver ee Regierung 
im 17. yahı . dem Gläubiger ein Erefutionsredht 
gegen deſſen Bauern; wenn die nicht zahlen konnten, 
wurden fie zum ®. geftellt. 
—— je: 1 gie ftoin ten bp 
azend, ein ſog. Batripaffianer, db. 5. 
einer derjenigen lirchl. Lehrer, ai feine Mehr: 
eit göttliher Perfonen annahmen, fonbern be: 
upten, daß in Ehriftus die Gottheit bes Vaters 
elbit Menſch geworden ſei und gelitten abe, u: 

leid ein eifriger Gegner ber Montaniſten. K 
—— aus Kleinaſien, wo er in einer Verfolgung 
Konfeſſor wurde, und verbreitete feine Lehre ums 

. 190 unter dem Schuhe des röm. Biſchofs in 

om. Die gegen ihn gerichtete Schrift Tertullians 
(f. d.) ift lange nach P. geichrieben und in Wahrheit 
gegen den Biſchof Calliſtus von Nom gerichtet. 
re edis, bie Heilige, und ihre Schweiter 
die heilige Budentiana, waren ber Sage na 
Töchter de3 röm. Senators Pudens, den Betrus 
betehrt haben foll. Beide find dargeitellt in Do: 
faifen der Zn gewidmeten Kirchen Sta.Praſſede 
und Sta.:Pudenziana in Rom. 

Pragid (gr), die Ausübung einer Kunft, 
Lehre u. f. w. (im Gegenfaß zur Theorie). das er: 
fahrungsmäßig fiblice. aud Geſchäftskreis und 
Zhätigfeit eines Rechtsanwalts, Arztes. 

Pragitöles, ein Sohn des Bildhauers Kephiſſo⸗ 
dotos aus dem attiſchen Gau Eirefivä, ift mit feis 
nem etwas ältern Zeitgenofien Skopas (f. d.) der 
Hauptvertreter ber jüngern attijhen Bildhauer: 
ſchule, welche in der Bildung zarter Jünglings: und 
- anmutiger rauengeftalten und in ber Ausprägung 
der bald mildern, bald heftigern Gemütsbewegungen 
(auf dem Gebiete de3 Bathetifchen) ihre ſchönſten 
Kerrolge. errungen bat. Der Haupticdauplak ber 
fünftlerifchen Thätigfeit des P., die etwa die Zeit 
365—335 v. Chr. umfaßt, war Athen und die be: 
nachbarten Landihaften Megaris und Böotien. 
Er arbeitete fomohl in Erz als in Marmor, war 
aber nady dem Urteile alter Kunftrichter auf dem 
lestern Felde glüdlicher als auf dem erſtern. Seine 
zahlreichen Werke find größtenteil® Ginzelftatuen 
oder aus wenigen Figuren bejtehenbe — 
arg Göttergeltalten, wie Hera, Apollon, 

rtemis, Hermes, Dionyſos, Aphrodite und Gros, 
Demeter und Berjephone und göttliche Weſen aus 
den Streifen berfelben, — aus dem des Dio⸗ 
nyſos. ALS die berühmteften find hervorzuheben: 
fein jugendlicher Apollon, ber, an einen Baumſtamm 

im Begriff it, eine an —— empor⸗ 

Eidechſe au töten (Sauroftonos); me 

tere Statuen jugendliher Satyrn, darunter einer, 

x ben rung —— “un ber Fr 
Trunlenheit) zu einer Gruppe gehörig, nli 

einfah ber Berühmter (Weribostos) —— 


255 


bie Statue ber Aphrodite in Knidos, wofür ihm an- 
geblich die berühmte Hetäre Phryne als Modell ge: 
dient haben foll; die Statue des Eros in Thefpiä 
in Böotien; endlich eine Gruppe ber Demeter und 
Kora und des Jalchos in einem Tempel der Deme: 
ter in —— an welcher beſonders die Statue des 
we ewundert wurde, Bon mehrern biefer 
Werte find aus dem Altertum mehrfache, zum Teil 
gute Kopien erhalten, jo von der Aphrodite im Ba: 
tifan in Rom er chon modifizierte Nachbildung 
ift die in Münden, f. Zafel: Bildnerei II, Fig. 
12); neuerdings ift auch ein Driginalwerl bes P., 
die im Heräon in Olympia aufgeftellte Marmor: 
ftatue eines den Anaben Dionyſos tragenden Her: 
mes, bei den Ausgrabungen in Olympia entdedt 
worden (j. dieſelbe Tafel, Fig. 11), Auch die 
Gruppe der Niobe (f. d.) und ihrer Kinder wurde 
Schon im Aitertum von manden für eine Arbeit des 
B, gehalten, während andere fie wohl mit mehr 
Recht dem Slopas zufchrieben. al. Friedrichs, 
«PB. und die Niobegruppe» (Lpz. 1855); Treu, «Her: 
mes mit dem Dionyjostnaben» (Berl, 1878); Ke— 
fule, afiber den ie des Prariteliichen Hermes» 
(Stuttg. 1881), und über einen ältern B., dem 
einige einen größern Teil der dem P. beigelegten 
Werte puteilen, während andere feine Exiſtenz ganz 
verwerten, Klein, « Studien zur 53 Kunſtler⸗ 
geichichte» in den «Archäol. epigraph. Mitteilungen 
aus Öjterreich» (Wien 1882); Brunn, «Zur gried. 
Künftlergefhichte» in den «Sikungäberihten der 
Bayriſchen Atademie» (Münd. 1880), 
BPrazäf (ipr.: Praſchal, Alois, Freiherr von), 
öjterr, Juſtizminiſter, geb. 21. are 1820 zu Unga⸗ 
riſch-Hradiſch in Mähren, abfolvierte in Olmüß die 
juriſt. Stubien, begann in Brünn die Anwaltspraris, 
wurde 1848 in den mäbrifchen Yandtag und in den 
Reichstag gewählt und trat der föderalijtiichen Par: 
tei bei. Im J. 1861 trat er an die Spibe der von 
ihm organifierten czech. Partei Mährens, die er 
bis 1864 im Reichsrat vertrat, buldigte dann der 
czech. Abjtinenzpolitif, doch trat er, wenn aud) unter 
Verwahrung einer Rerzichtleiftung auf das czech. 
Staatsrecht, 1874 wiederinden Reichsrat und ſchloß 
fih anfangs der Rechtspartei unter Hohenwart an. 
Im %.1879 wieder gewählt, wurde er zuerit ala Mi: 
nifter ohne Bortefeuille in das Kabinett Taaffe be: 
rufen und 1881 zum Juſtizminiſter ernannt und in 
ben Freiherrenftand erhoben. In der Seſſion 1883 
—85 war feine ——— in Böhmen und 
Unterſteiermark, die Durchführung der Sprachen— 
wangsverordnung, die Slawiſierung des Richter— 
Hanbes u, ſ. w. Gegenftand der herbjten Kritit von 
feiten der Deutſch-Liberalen. , 
Präzeffion nennt man die von bem gricd). 
Aſtronomen Hipparh durch Vergleihung feiner 
eigenen Beobachtungen mit denen älterer Nitro: 
nomen entdedte langfame Bewegung der Äquinok⸗ 
tialpunfte, Als er durch das Erſcheinen eines neuen 
Sterns im Skorpion im %. 134 v. Chr, zur An: 
legung eines Sterntatalogs veranlaft wurde, fand 
er, J die Länge des Sternes Spica in der Jung: 
frau jeit etwa 150 gaben um 2° — 
habe, und es ſtellte ſich heraus, daß diet ewegung 
eine allen Sternen gemeinſame ſei. Sie entſteht 


h⸗dadurch, daß die Durchſchnittspunkte des ÄAquators 


mit der Elliptik auf dieſer langſam nad Weſten, 
entgegengeſeht der Bewegungsrichtung der Sonne, 
fortwandern, und zwar beträgt dieſes Fortrücken 
augenbliclich 50,2" in jedem Jahre oder nahezu 1° 


256 


in 70 Jahren. Die Thatfache, daß die Längen aller 
Eterne zunehmen und diefelben infolge deijen nad) 
Dften vorrüden, gab Beranlafjung zu der Benen: 
nung ®., während die eigentlihe Urſache ein Bu: 
rüdweidhen der firen Punkte an der Himmelstugel 
ift, auf welche die Längen bezogen werden. 

Tie Urſache diefer Erfheinung fand Nemton 
nah GEntdedung des —— in der 
Anziehung, welche Sonne und Mond auf den ſphä— 
roidiihen Erdlörper ausüben. Wäre die Erbe eine 
vollfommene Kugel, fo würde ihre Adje, deren 
irren Nr die Richtung der Weltachſe 
angibt, ihre Richtung im Weltraum niemals än- 
dern. Da man ſich aber die Erde in eine Kugel und 
eine diefelbe in der Gegend des Aquators um: 

ebende Schale von ungleicer Dide jealent denfen 
ann, fo üben Sonne und Mond auf die vericie: 
denen Teile derfelben eine ungleiche Anziehung aus, 
welche, wenn bie anziehenden Körper ſich außerhalb 
der Ebene des Hquators befinden, zur Folge, hat, 
daß lehtere bejtrebt iſt, 8 der Ebene der Etliptit, 
reip. der Mondbahn zu nähern. Da nun ferner die 
Erde eine Notation befist, fo erfolgt nad) den Ge: 
ſehen der Mechanik eine Trehung der Erdachſe um 
eine ber Achſe der Elliptik parallele, welde mit 
jener einen Winlel von nahezu 23',,° bildet. Man 
lann diefe Erfcheinung mittel3 des erging 
—* Maſchinchens darſtellen, welches einen frei 
ſchwebenden Kreiſel enthält. Erteilt man demſelben 
eine Rotation und hängt an den den Kreijel um: 
— Ring ein kleines Gewicht, ſo beſchreibt die 
lchſe, indem ſie eine beſtimmte Neigung gegen den 
Horizont beibehält, eine Kegelflähe und zwar ift 
die Bewegung, um fo langfanıer,, je Heiner das an: 
gebänte Gewicht war, welches bei dem Berfuch die 

stelle der Anziehung von Sonne und Mond auf 
die Erdſchale vertritt. 

Da Sonne und Mond fowohl ihre Stellung zur 
Ebene des Uquators, al3 aud) ihre Entfernungen 
von der Erde beitändig verändern, fo ift die Be: 
wegung der Erbadjie feine gleichmäßige. Insbeſon⸗ 
dere bewirlt die in einem Zeitraum von etwa 
19 Jahren periodiſche Veränderung der Lage der 
Mondknoten ſtarke Schwankungen von gleicher Pe: 
riode, welche Heine Drehungen der Erdachſe um 
ihre mittlere Lage verurſachen und mit dem Namen 
Nutation (f. d.) bezeichnet werden. Der oben an: 
gpoebene Wert von 50,3" iſt die fogenannte mittlere 

., weldye, da die Gkliptik ſelbſt ihre Lage in Welt: 
raum langfam verändert, in einem ——— 
um 0,0244” wächſt. Die P. hat zur Folge, daß der 
Weltpol, in welchem die Verlängerung der Erd: 
achſe über den Nordpol hinaus das Himmelsge— 
wölbe trijit, langfam unter den Sternen fortrüdt 
und im Laufe der Zeit ungefähr einen Kreis um den 
Bol der Elliptit befchreibt., Der Name des Polar: 
fterng (ſ. d.) fann daher einem beftimmten Sterne 
nicht dauernd angehören, Die Veränderung ber 
Lage de3 Weltpols bewirkt aud), daß gewiſſe Stern: 
bilder zeitweilig für den Horizont einer bejtimmten 
Breite verihiwinden. Go war das befannte Süd: 
liche Sireuz (j. d.) in frühern Zeiten felbjt im nördl. 
Europa fihtbar, während es ſich jeßt nur im nie: 
drigen nördl. Breiten über den Horizont erhebt. 
Die Periode diefer Veränderungen, die man das 
Platoniſche Jahr nennt, beträgt etwa 26000 Jahre. 
Das Zurüdweichen der Hauinoktialpunlte bewirkt 
aud), daß die Zeit, welche die Sonne von einem 
Durchgang dur den Frühlingspunft bis zum nächſt⸗ 


Präzipitat — Prechtl 


folgenden gebraucht, um 20 Min. 23 Sel. lürzer 
it als die Dauer eines wahren Umlauf. Dan 
nennt diefe Zeit das Tropiiche Jahr. 

Prägzipität, ſ. Niederihlag (vol. Füllung). 
— Rotes Präzipitat (Mercurius praecipita- 
tus ruber) ift Quedfilberoryd, f. unter Quediils 
ber(:Berbindungen 10). — Weißes PBräzipi: 
tat (Mercurius praecipitatus albus) iſt Diquedjil: 
ber: Diammoniumchlorid (f. ebendafelbit 3°). 

Preanger NRegentichaften, eine Reſident— 
Schaft im weſtl. Dritteil der niederländ. Inſel Java 
in Hinterindien, Die Preanger Regentſchaften neh: 
men ein Areal ein von 21243 qkm und werben be: 
grenzt gegen W. von der Kefidentichaft Bantam, 
gegen N. von den Refidentihaften Batavia, Kra: 
wang und Tieribon, gegen D. von lepterer und ber 
Refidentihaft Banjumäs, gegen S. von dem ind, 
Dcean. Die Bevölterung von den Preanger Reſi— 
bentichaften beträgt (1879) 1238540 Seelen, wor: 
unter 757 Europäer und 1553 Chinefen. Obgleich 
dieſe Reſidentſchaft im allgemeinen gebirgig, üt, 
enthält fie doch auch große Ausbreitungen niedrig 

elegener Flächen, äußerft fruchtbaren, für den An: 
auersoh aller einheimiſchen al3 aud) eingeführten 
Pilanzen, deren Kultur auf Java überhaupt itatt: 
ndet, ihr eeigneten Bodens. Unter den einge: 
übrten Kulturpflanzen nimmt ber —— 
eine der Hauptſtellen ein. Große Bodenjtreden in 
den Preanger Regentſchaften find auch noch mit den 
pradtvolliten Urwäldern beitanden. Hauptort 
und Sit der höchſten Provinzialbehörden it Ban: 
dong, Station der Bahn Batavia:Tjitjalenta. 
ebifchthor, ein Felsbogen in ber Sächſiſchen 
Schweiz, jedoch ſchon auf böhm. Gebiet gelegen, 
auf dem rechten Elbufer, 10 km jüböftlih von 
Schandau, unten 30, oben 20 m breit, 373 m über 
bem Meere, mit Hotel und ſchöner Ausjicht. 
ecarlum (lat.), bittweis liberlafjenes. Wenn 

man jemand eine Sache auf beliebigen Widerruf 
unentgeltlich leiht, fo entiteht ein P. Dasielbe be: 
rechtigt den Empfänger (Precarift) zum Bejik der 
Sadje und verpflichtet ihn zur Nüdgabe, fobald der 
Geber diefelbe verlangt. Gin foldes Verhältnis 
fand im ältern röm. Recht, aus welchem der Be: 
riff des P. herfommt, wohl nur an Immobilien 
tatt, vielleicht ift e3 urſprünglich die Form für die 
liberlaffung von Staatsländereien an Private ge: 
wefen und fomit ber Urtypus der röm. — 
Moderne Rechte haben das P. in dem Kommodat 
aufgeben laſſen, indem fie es bloß ala einen Fall der 
unentgeltlichen Leibe behandeln. 

Prechtl (Joh. Joſ., Ritter von), hervorragender 
Technolog, geb. 16. Nov. 1778 zu Biſchofsheim an 
der Rhön, widmete ſich philof. und fameraliftiichen 
Studien zu Würzburg und kam nad) kurzem Aufent: 
halte in Wehlar 1802 nah Wien, um bei dem 
dortigen Neihshofrate feine Praxis fortzuſetzen. 
Hier wendete er ſich bald phyfit.smathem. und 
de: Studien zu. Seine —— «über die 

hyſik des Feuers» wurde 1804 von der holländ. 
Sefelfcjaft der Wiſſenſchaften zu Harlem gekrönt, 
Ini J. 1809 ward er Direktor der in Trieſt zu er: 
richtenden Real: und Navigationsalademie und mit 
deren Organifation beauftragt. Nad) dem Fries 
densſchluſſe ging er nadı Wien zurüd und übernahm 

ier 1810 an der Realalademie das Lehrfach der 
Phyſit und Chemie. In dieſer Zeit ** 
ihn die Vorarbeiten zur Errichtung des Polyted 
niſchen Inſtituts in Wien, wozu er den Plan 


Prechtler — Predigt 


—— hatte, Im J. 1814 ward er zum Direk⸗ 
tor dieſer Anftalt ernannt, welche bald zu einem 
ausgedehnten Rufe gelangte, Er trat 1849 in den 
Ruheſtand und wurde bald darauf in den öfterr. 
Ritteritanderhoben. P. ſtarb 28, Olt. 1854 zu Wien. 

Unter B.3 Schriften iſt vor allen die «Technol. 
Encytlopädie» (20 Bde., Stuttg. 1830—55; Sup: 
plemente, herausg. von — 2 Bd. 1—4, 1857 
Fr) u nennen, für melde er eine große Anzahl Ar: 
titel jelbit bearbeitete. Viele Abhandlungen enthal: 
ten pi die von ihm herausgegebenen «Aahrbücher 
de3 Volytehnijcen Inftituts» (20Bde., Wien 1819 
—39), ſowie andere techniſche Zeitihriften. Von 
jelbjtändigen Arbeiten find hervorzuheben: «Grund: 
lehren der Chemie in techniſcher —— (2 Bbe., 
Wien 1813; 2. Aufl. 1817), «An eng pe ⸗ 
mäßigen Einrichtung der Apparate zur Be euhtung 
mit Steintohlengag» (Wien 1817), «Prattiſche 
Dioptrit» (Wien 1828), «Unterfuchungen über den 
Flug der Vögel» (Wien 1846). j 

rechtler (Joh. Dito), deutich:öfterr. Dichter, 
— Jan. 1813 zu Grieslirchen in Oberöſterreich, 
tudierte in Linz und Wien, trat 1834 in die allge: 
meine Hoftammıer in Wien ald Beamter ein, wurde 
1856 an Grillparzerd Stelle Ardivdireltor im Fi— 
nanzminifterium, lebte feit 1866 penjioniert meijt 
in Linz und jtarb 6, Aug. 1881 zu Innsbruck. P. 
machte ſich zunächſt dur, lyriſche «Dichtungen » 
(Wien 1836) belannt. Dieſen folgten «Gedichte» 
(Wien 1844), das romantijhe Gedicht «Das Kloiter 
am Traunjee» (2. Aufl., Gmunden 1869), «Ein 
Jahr in Liedern» (Wien 1849), «Beitlofen» (Wien 
1855), «Sommer und Herbfts (Stuttg. 1870) u... 
Bon jeinen dramatijhen Werfen find zu nennen: 
«Die Aronenwädter», « Falloniere», «Adrienne», 
«Die Roſe von Sorrento», «Er ſucht feine Braut», 
Auch fhrieb PB. gegen 40 Dpernterte, darunter 
«Diana von Solange», fomponiert vom Herzog 
Ernit von — — 

Precigne, Fleden im franz. Depart. Sarthe, 
Arrondiſſement La Fleche, Station (4 km vom 
Orte) der Linie Le Mans-Angers der Weftbahn, hat 
(1881) 1216 E. (Gemeinde 2700), ein Seminar, ein 
Waiienhaus, Tuch: und Ölfabritation, Seilerei, 
Ziegelei, Töpferei und Mineralquellen, 

Dreriös, & Pretiös. 

redeal, Dorf in Siebenbürgen, an dem höch— 
ften Buntte des Törzburger Bafles an der Grenze 
von Rumänien, Station der Linien Großwarbein: 
„der Ungarijden und Plojeſti⸗P. der Rumãniſchen 
Staatsbahnen. Das Hodplateau der Umgebung 
ift reich an Alpenweiben, 

Predella (ital.) it bei Altarauffähen und na: 
mentlid den mittelalterlihen Flügelaltären der un: 
mittelbar über dem Tiſch befindliche Sodel oder bie 
auf demjelben befindliche figürliche oder bilbnerifche 
— ee der auf der bintern 
Seite deö Itars befindliche Stufentritt, welcher zur 
Aufbewahrung von Leudtern, Altargefäßen u. |. w. 
dient. 1 elet, 

rediger (Buch des Alten Teitaments), j. Ko: 
redigeraffe, j. Brüllaffe. 
redigerorden, f. Dominilanerorden. 

Predigt (vom lat. praedicare, verfündigen) 
heist der geiltliche —— welcher zur religiöfen 
Grbauung der Gemeinde das göttlihe Wort ver: 
fündet un — von der Kanzel herab gehal⸗ 
ten wird. Nach dem allgemeinen Anhalt der P. 
der fich auf die kirchlichen Zeiten und Feſte bezieht, 

Gonverjationd » Lerilon. 13. Mufl. XIIL 


257 


3. B. auf Weihnachten, Oftern, die Reformation 
u. f. w,, redet man von Feſtpredigten; jofern er 
aber befondere Begebenheiten und Verhältniſſe be: 
handelt, fpricht man von Gedächtnis-, Hochzeits⸗ 
und Leichenprediaten, oder von Gaft:, Probe⸗, An: 
tritts- und Abſchiedspredigten, Ernte-, Brand-, 
Miifiond:, Bußtagspredigten u, ſ. w. Behandelt 
die B, Sähe aus der Sittenlehre, fo heißt fie Mo: 
ralpredigt, bezieht fie fi aber auf Glaubens: 
lübe, fo ift fie dogmatiſch, und ſofern fie die chriſtl. 
Glaubensfäge gegen Angriffe verteidigt, iſt fie Dog: 
—B— —— Da die P. die Verkundigung 
des göttlichen Wortes ift, jo ergibt es fid) von ſelbſt, 
daß ihr immer eine religiöfe Wahrheit oder That: 
ſache zu Grunde liegen muß, welche der Prediger 
auf das chriſtl. Leben anzuwenden jucht. Übrigens 
läßt ſich auch jede Erfcheinung im Leben felbit zum 
Gegenitand einer hriftlihen P. machen. Bor allem 
aber find die Wahrheiten und Thatſachen des Ehri- 
ftentums ſelbſt dazu angethan, die Erbauung des 
Menihen durd Auslegung des in der Heiligen 
Schrift enthaltenen göttlichen Wortes zu Ichaffen. 
Daber entlehnt auch die PB. ihren Stoff vorzugs— 
weile aus der Heiligen Schrift, indem fie einen ein: 
vu Abichnitt derielben zu Grunde legt. Um 
ieje Bibelftelle, der Tert genannt, bewegt fich dann 
die ganze B. Entweder iſt der Tert für jede P. an 
Sonn: und Felttagen vorgeichrieben, wie dic bei 
den aus den Gvangelien und Epiiteln entlehnten 
Beritopen (f. d.) der Fall, oder er wird frei gewählt. 
Außer den Bibeljtellen werben in der prot. Kirche 
ausnahmsweiſe auch Abfchnitte aus dem Katechis— 
mus (fog. Katechismuspredigten) und geiftliche Lie: 
der als Predigtterte behandelt. Die Grundlage 
und der Entwurf zur organischen Geitaltung des 
Inhalts der P. bildet die Dispofition. Der Grund: 
gedante der P., welcher beftimmt, möglichſt kurz 
und leicht Fahlich ausgedrüdt werden muß, heißt das 
Thema. Dasjelbe zerfällt gewöhnlich in mehrere 
Teile, welche dad Thema nad) feinen verfhiedenen 
Beziehungen hin entwideln. Die Anordnung der 
Teile kann verfhiedene Methoden befolgen (ana» 
lytiſche oder ſynthetiſche P.). Cine erbauliche Be: 
trachtung über ein zu Grunde Be Bibelwort 
ohne förmliche Gliederung in Thema und Teile 
pflegt man eine Homilie (f. d.) zu nennen. 

In formeller Beziehung muß der Charalter der 
P. im allgemeinen ineinfacher, gemeinverjtändlicher, 
aber edler Sprache gehalten fein und ebenjo wohl 
auf den Verftand als auf das Herz und den Willen 
einzumirten fuchen und namentlid) den erbaulidhen 
Zwed nie aus dem Auge verlieren, Die P. bildet 
in der evang. Kirche den Mittelpunkt des Gottes: 
dienftes; in der kath. Kirche ward fie vielfach ver: 
nachläſſigt. Die wiſſenſchaftliche Anweiſung zur 
tirchlichen Beredſamkeit gewährt die Homiletik(ſ. d). 

Bol. Paniel, «„Pragmatiſche Geſchichte der chriſt— 
lichen Beredjamteit» (unvollendet; 2 Bde., Lpz. 
1839—40); Cruel, «Geſchichte der deutſchen B, im 
Mittelalter (Detm. 1879); Marbach, «Geſchichte 
der deutichen B. von Luther» (Berl. 1873), C. ©. 
Schmidt, «Gefchichte der P. in der evang. Kirche 
Deutichlands von Luther bis Spener» (Gotha 
1872); ©. Sad, «Geſchichte der P. in der deutſch— 
on. Kirche von Mosheim bis Schleiermacher und 
Mentens (Heidelb. 1866); Stiebrik, «Zur Geihichte 
der P. in der evang. Kirche» (2 Bde. Gotha 1875 
— 76); Nebe, «Zur Geihichte der P. von Schleier: 
macher bis auf die Gegenwart» (3 Bde., Wiesb. 

17 


258 


1879); Rothe, «Geichichte der Kanzelberedſamleit 
von den Anfängen bis auf Schleiermadyer», herausg. 
von Trümpelmann (Brem. 1881). j 
Bredil, Alpenpab im füdl. Kärnten, der, foweit 
bie Kenntnis reicht, feit dem früheſten Mittelalter 
den fibergang aus dem Gebiete der Drau in das des 
Iſonzo vermittelt und auch ſchon von den Römern 
begangen wurde. Der Anftieg auf einer Kunſtſtraße, 
die fi) in eine Sommer: und Winterftraße teilt, 
erjolgt von ber lärtner Seite bei Raibl, füdlich 
von Zarvis, in einer Seehöhe von 914 m, die Paß⸗ 
höhe felbit beträgt 1162 m, der Abjtieg auf der 
görzer Geite bei Flitſch 580m. Die ganze Strede 
bietet eine Reihe hodinterefianter Bilder aus ber 
Alpenwelt. Die Benubung des P. für den Gifen- 
nie ift von der öfterr. Regierung im Prin: 
zip angenommen, aber noch nicht auägerübrt. 
—— Stadt in der preuß. Provinz Schleswig: 
Holſtein, Kreis Plön, an der hier aus dem nördl. 
Teil des Lanlerſees, dem Kirchfee, tretenden und 
den Abfluß des nahen Boftjees lints aufnehmenden 
Schwentine ſchoön gelegen, Sik eines Amtsgerichts, 
Station der Linie Rel-Aſcheberg der Preußiſchen 
Staatäbahnen, hat (1880) 4720 E,, Gewerbeſchule, 
Höhere Tochterſchule, MWaifenhaus, Stiftung für 
Töchter jdyleswig-holitein. Adelsfamilien (an Gtelle 
des 1216 auf dem Wlarienfelde — und 
um 1260 nad) feinem jetigen Standort verlegten 
Benediktinerinnenklofters), Woll: und Baummoll: 
weberei, Gerbereien, ſehr ſtarle Schuhmacherei, 
Bierbrauereien, Brennereien, eine Hefefabril, Ziege: 
leien, Kaltbrennerei, eine Wagenbauanjtalt mit 
Dampfbetrieb, eine Mafchinenfabrit und eine 
Flachsbereitungsanſtalt. Etwa 7 km unterhalb P. 
liegt im romantifhen, von Tourijten viel beſuch— 
ten Thale der Schwentine die 1637 gegründete 
Naftorfer Rapiermühle, : j 
Pröference (frj.), a ed mit beutfcher 
Karte unter drei oder vier Perfonen geipielt; in 
legterm Falle ijt der Geber beim Spiel nicht betei: 
ligt. Der Name rührt daher, daß eine Farbe vor 
der andern bevorzugt iſt; den Gewinn enticpeidet die 
Mehrheit der Stiche, nicht der Wert der Bilder. 
Prefisso (ital.), ſ. Bräfir. 
Pregel, der Hauptiluß Djtpreußens und bie 
Grundlinie für das Waſſerſyſtem diefer Provinz, 
entiteht bei Gumbinnen aus der Vereinigung ber 
‘Billa und der Nominte. Die 22, km lange Piſſa 
iit der Abfluß des Wyfztyten, eines an der poln. 
Grenze liegenden Seed. Die 66 km lange Nominte 
bildet ſich teils aus Landieen im Kreiſe Goldap, 
teils aus ſolchen an der poln. Grenze bei Przerosl. 
Das vereinigte Wafler trägt den Namen Piſſa noch 
bis zur Einmündung der Angerapp, 8 km oberhalb 
Sinjterburg bei Tarpupönen, worauf der Name P. 
eintritt. Bon bier an ijt der Fluß ſchiffbar, ver: 
folgt noch 133,8 km weit feine weftl. Richtung und 
mündet, nachdem er von Tapiau aus rechts einen 
ſchiffbaren, 41,43km langen Seitenarm, bieD eine, 
an Yabiau vorüber in das Kuriſche Haff geiendet, 
8 km unterhalb Königsberg, bei dem Schlofte Hol: 
ſtein, in das Friſche Haff. Die Breite des P. be: 
trägt im Regierungsbezirk Gumbinnen, bem er 
30,3 km weit angehört, durchſchnittlich 132 m, im 
Regierungsbezirl ee: den er 60,6 km weit 
durditrömt, 150m, Nach der Bereinigung der faft 
parallel laufenden Arme de3 Alten und des 
Neuen Pregel, in die ſich der Strom bei Hei: 
ligenwalde 27 km oberhalb Königsberg getrennt 


Predil — Preis 


Dat, dehnt fich jeboch bei diefer Stadt felbft bie 
reite auf 226 m aus. Die Tiefe ift oberhalb 
Wehlau 0,8 bis 0,54 m, in Königsberg aber normal: 
mäßig 3,45 m; Heinere Seeſchiffe lönnen bis bierber 
ftromaufwärts ngen, große müſſen in Billau 
löjhen. Die hohe Bedeutung des P. für Preußen 
liegt namentlid darin, daß derſelbe ein ganz preuß. 
Strom it und in feinem 19230 qkm großen Ge: 
biet alle Wafjer ſammelt, die zwiſchen der Sjeſzuppe 
und Bafjarge auf dem preuß. Landrüden ent: 
fpringen, "Snfterburg, Wehlau, Tapian und Kö: 
*8 liegen an dem P., und die letztere Stadt 
gi t als Feitung im Verein mit Pillau diefer 
teomlinie Wichtigkeit und Feftigleit bei militäri: 
hen Operationen. Der bedeutendite Nebenfluß 
P. ijt die Alle (f. d.) bei Wehlau. Der größte 
Nebenflub auf dem rechten Ufer ijt die In ſter, bie 
bei Inſterburg mündet, 105 km lang, aber nur 
1,3 km aufwärts für Heine Kähne fahrbar ift, 

Preien, ein sa auf See mit dem Sprachrohr 
anrufen; aud durch Signale mit einem Schiffe 
verlehren. 

Preis (lat. pretium) nennt man im allgemeinen 
den Gegenwert, der für ein in ben Taufchvertehr 
—— Gut, eine Ware, von ſeiten des Eintau— 
chenden gegeben wird. Im engern Sinn jedoch 
verſteht man unter P. den in dem allgemeinen 
Aquivalent- und Vermittelungsgut, dem Gelde 
(. d.), ausgedrüchten Gegenwert, den der Käufer 
der Ware entweder fofort zahlt oder in ber Zukunft 
zu zahlen fich verpflichtet. Rot. Kauf) Die in Geld 
ausgedrüdten Breife ftellen zugleich die relative 
Gröbe der Taufchwerte der vertchiedenen Waren 
dar. Unmittelbar hängt der B. einer Ware ftet3 
von dem Verhältnis des Angebots zu der Nachfrage 
ab, und es unterliegt daher auf einen gegebenen 
Markt fortwährenden Schwankungen, mit Sebung 
oder Senkung, je nachdem jenes Verhältnis ab: 
nimmt oder zunimmt. Aber Angebot und Nad): 
frage ſelbſt können ſich nicht mwilltürlih bewegen, 
fondern find von den thatfädhlichen Verhältniſſen 
der Produktion und der Konfumtionsfähigfeit der 
Bevölkerung abhängig. Enticheidend maßgebend 
für den . werden daher die Produftionstoften. 
Sind dieſe für alle Produzenten annähernd gleic) 
und fann die Produltion unter gleihen Bedingun: 
gen beliebig ausgedehnt werden, jo wird der P. 
der Ware nur vorübergebend mehr betragen Fön: 
nen, als die Herſtellungskoſten nebft dem landes: 
üblihen normalen Kapitalgewinn, da bei füber: 
jchreitungen diejer Grenze bald ein vergrößertes 
Angebot hemmend und preisbrädend auftreten 
wird. Andererfeit3 aber kann der PB. auch nie 
längere Zeit hindurch erbeblih unter jenem Nor: 
maljab bleiben, da in diefem Fall die Produzenten 
ihre Nechnung nicht finden, ruiniert werden oder 
ihren Betrieb befchränten oder einftellen, und ſomit 
eine Berminderung des Angebot3 ftattfindet, welche 
wieder ein Steigen des B. bedingt. Demnach wird 
durch die Broduftiongkoften nebjt dem landetübs 
lien Sapitalgewinn ber fog. natürlide P. be: 
dingt, um welchen ber jeweilige Marktpreis mit 
größern oder geringern Ausfchlägen zu, ſchwanken 
pflegt. Handelt es fih um Waren, die mır mit 
jteigenden Schwierigkeiten und Koſten vermehrt 
werden können, fo iſt der natürliche B. gleich den 
Koften (nebit dem üblichen Stapitalgewinn) in den: 
jenigen Betrieben, die unter ben ungünftigiten Bes 
dingungen arbeiten, aber zur Beiriedigung ber 


Preiscourant — Preller (Friedr.) 


ei eftiven Nachfrage noch mitwirken. müffen. In 
diefem Fall erhalten alſo die günftiger geitellten 
— in dem P. mehr als den gewöhnlichen 
ta Wird ein ugnis nur von einem 
— —* von — roduzenten, die ſich 


en rem eliefert bed bildet fi ein Mo- 

no — Bei Ar och jtellt, dab die Ver: 
has erden kat —— gap ealten wobei 
rn audi ” bnahme der Nachfrage bei ſtei⸗ 


jerdem Betracht flommt. Affektions- und 
ne —— nd ſolche, die aus beſondern 
—— für einzelne individuelle Ge: 

BER * 34 Fi baftehende Grzeugnifie, 
wie namentl tie, bezahlt werben. Fur 
bie —— Ft der Geldpreife einer Mare 
—— aber au den de Seite F Boss MIR 
zus a eigentliche es 

Es ßes, mit A Betradt. Bei 
=. —* — — anhaltenden Vermehrung 
es baren Geldvorrats wird unzweifelhaft ſchließ⸗ 
id, mi wie fich dies auch deutlich bei der übermäßigen 
ermehrung von —— Papiergeld mit 
—— gezeigt bat, eine Verminderung des 

gegen Die Waren, aljo ein allgemeines 

eg eintreten. Jedoch geſchieht dies 

—— eines verwidelten Brozefies und keineswegs 
für alle Waren gleihmäßig, oder in irgend einer 
angebbaren Proportionalität zu 2. Geldvermeh: 
rung. Beitweije fann aud der bare Geldvorrat 
einen erheblichen Zuwachs erfahren, ohne daß die 
Preiſe —— beeinflußt werden, weil das Geld 
—— gü & Vermenbungögelegenhei findet und 
in den ten aufftaut ne Herabdrüdung 
durch Verminderung des Geldvorrat3 wird 

einen nur mittelbar entitehen, indem die 


—— nur eine Erhöhung des Disconto 
> chließlich vielleicht eine Geld * und 
Kreditkrifis er ©. Preisrevolution.) 


nr en Bes! ein Ihe He Dertäuf Hr —* 
reiſes, zu we ie verläuflich ſin 
———— ution nennt man eine bedeutende, 
raſch von ze ‚gehende und dauernde Berände: 
hen des a ae Niveaus der Preife, ſpeziell 
= din eingetretene allgemeine —— 

jelbe wurde In von dem ze 
nö ne eäri titeller Jean 60 für eine i * 
des ufluffes von Edelmetall aus Amerita 
erllärt. 3 Zweifel hat dieſe lehtere Thatſache 
weſentlich mit —— jedoch ſteht die P. auch 
mit der ganzen en Entwidelung der Welt: 
in or mug Eine neue Periode 
ann ar und 1850 mit den großen Gold: 
in Californien und Auftralien zu be: 
innen — es fand in der That in den naͤchſten 
ng Da eonn u: und ganzen eine erhebliche 
arenpreiie ftatt. Die Bewegung 
14 Ic nicht als na haltig, vielmehr trat 


ind — Ey en ein üdichl: ag ein, ſodaß 
etwa im Durchſchnittspreis von 22 
wichtigen — I, ber lonboner «Economist» 
feinen fortlaufenden vergleichenden Berechnungen 
S Grunde legt, wieder dem Durchſchnitt aus 
1845 — 50 A Diefe Erfheinun 


ben allgemeinen vollswirtſchaftlichen Ver H 
niflen der tie mund und fo ti Mären, 
—— Rae 


der Demonetiſierung 
o große Barvorräte in den 
Banlen = rung —* der Discontoſaßtz ſelten 


die bayr. Armee 


259 


—— geweſen iſt, als gerade in dieſer Periode 
der ee Preisbewegung. 

— elbeeren, ſ. unter Vaccinium. 

refaär (vom lat. precarium, ſ. d.), unſicher, 
ſchwankend. 

—— iſt der durch Vermittelung 
einer neutralen Nation betriebene heimliche Ger 
bandel zwiſchen zwei im exe e —— Staa: 
ten, deren beiberfeitige e in den 2. des 
neutralen Landes Au u = —* u 

Prel (Karl, Freiherr du), a riftiteller, 

geb. 3. April, 1839 in Landahut, m 1853 in bie 

önial. Pagerie in Münden, wo er aud) das Gym— 
nafium und die Univerfität befuchte, trat 1859 in 
nahm 1872 als Hauptmann feinen 
Fat und seat ſich are —— — 
Gr veröffentlichte: «Oneirokritikon. Der Traum 
vom Standpunkte des transſcendentalen Jdealis: 
mus (in der «Deutſchen Vierteljahrsfchrift», 1869), 
«Der gejunde Menjchenveritand vor den roblemen 
der Wifjenichaft» (Berl. 1872), «Unter Tannen und 
Pinien» — Berl. 1876), « Pſychologie 
der Lyrif» (ps. 1880), «Die Du Bisssiibewekne und 
die Nebularhy vpotbefe» (2p3. 1880), «Entwidelun e 

eſchichte des tall3» (3. Aufl., Lpz. 1882), « 
it ophie der Myſtik⸗ (£p3. 1889), «der alas 
phyſiſche — (Lp3. 

Beil Her (Friedr.), berliner deutfcher Sand: 
fchaftömaler, geb. 95. April 1804 in Eiſenach, be: 
uchte zu Weimar die Zeichenſchule unter Hofrat 

eyer. Bon Goethe empfohlen, fam P. ala 18jäh: 
riger Jüngling nad) Dresden. Der Großherzog von 
Meimar vr ihn 1825 felbft zu van Bree N die 
Alademie zu Antwerpen, wo er feine Aufmerkfan:: 
feit vo nr ber menf lihen Figur zuwandte. 
Hierauf ging P. 1827 nah Mailand, 1828 nadı 
Nom, wo er fich bejonders an Jojeph Anton Koc) 
anſchloß und fehrte 1831 nad) Weimar zurüd, wo er 
als Zeichenlehrer bei der Kunſtſchule eintrat. Zu— 
gleidy ward ihm der Auftrag, neben Genelli und Hoc 
das Härteliche, fog. Nömiiche Haus in Leipzig mit 
Gemälden zu ade. P. führte daſelbſt J eben 
—— Bilder aus der Odyſſee in Tempera aus 

i der Ausſchmückung des weimariſchen Schlof: 
ſes mit Bildern nah den Werten der deutfchen 
Klaffiter fiel ihm das Wieland: Zimmer zu. P. 
wandte 49 bierauf nah der Inſel Nügen und 
1840 nad) Norwegen. Zahlreiche timmungsbilder 
aus nordiichen Landichaften gingen jchnell in Pri: 
vatbeſißz über. Sechzehn landſchaftliche Sliz— 
en zur Odyſſee machten 1858 auf der allgemeinen 

eutichen Ausitellung zu München ae eben. Im 
J 1859 wandte 3 wieder nad) Jul ien und er: 

ielt nach feiner Rüdtehr (1861) na & Weimar vom 

roßherzog den Auftrag, die erwähnten Bilder au: 
der Odyſſee I das neu zu errihtende Mujeum aus- 
zuführen. Zunädjit vo jexbeie er binnen 18 Mo: 
naten die Slartons in der Größe der Wanbbilder, 
welche fich jeit 1865 im Mufeum zu Leipzig befin: 
den, Inzwiſchen hatte P. noch die Kalypjo und 
Leulothea (zwei Bilder) für —*—* in Munchen und 
die Naufilaa für die Galerie Raczynſti in Berlin 
gemalt. Die Bilder für dad Muſeum zu Weimar 
wurden 1868 vollendet. Mit dichteriſchem Geiite 
ſchuf P. frei aus den Eindrüden, die er von der 
Naturempfing, bedeutende Schaupläbe, indenen ein 
roßes Menſche —— P. ſtarb als Pro: 
Il und Hofmaler zu Weimar 23. April 1878. Cr 

at auch eine Reihe trefflicher Nadierungen oeliefert, 

17° 


260 


Pes landſchaftliche Skizzen * Odyſſee find mehr: 
fah in photographiſcher Nachbildung erſchienen, 
befonders von Albert (Münd. 1864), Val. Ro: 
quette, «Friedrich B.» (Franff, a. M. 1883), 

ein Sohn, Friedrich B., geb. 1. Sept. 1838, 
wurde durch den Vater in die Kunſt eingeführt. Mit 
demselben befuchte er 1859 Italien, wo er bi3 1866 in 
Rom verweilte. Nach Dresden übergefiedelt, erhielt 
P. 1868 die Profeſſur der Landſchaftsmalerei an 
der dortigen Alademie. Im ftiliftiichen Sinne des 
Vaters Figur und Landichaft verbindend, lieferte 
er feitdem die Wandbbilder für die Villa Cichel in 
Eiſenach (1870—71), desgleichen mit Staffage aus 
der griech. Heldenmythe in der Billa Dieyer zu Dress 
den, in der Albrechtsburg in Meißen, im dreödener 
Theater. Das jtädtifche Mufeum in Leipzig, ſowie 
die dresdener Galerie befiben von P. auch Lein— 
wanbdbilder ; außerdem hat P. treffliche Zeichnungen 
tlaſſiſcher Landichaften geliefert. 

Preller (Ludw.), deuticher Altertumsforicher, 
geb. 15. Sept. 1809 ji Hamburg, ftubierte in Leip: 
sig und Berlin Philologie und privatifierte dann 
einige Jahre zu Hamburg, bis er ſich zu Kiel habi— 
litierte, In diefer Zeit veröffentlichte P. eine my: 
tholog. Arbeit über «Demeter un wre 
(Hamb. 1837). Im J. 1838 ging P. als ord. 
Profeſſor der Philologie nad) Dorpat, nahm aber 
bald feine Entlafiung, lebte längere Zeit in Italien 
bis er 1844 nad) Jena überjiedelte, wo er 1846 au 
eine Profeſſur an der Univerfität erhielt. Noch in 
demfelben Sabre wurde er Oberbibliothefar in Wei: 
mar, wo er 21. Juni 1861 ftarb, Er hatte 1852 
mit Böttlin und Hettner eine Neife durch Griechen: 
land und Kleinafien unternommen, welche auf feine 
Anſchauungen von dem Altertum weientlichen Ein: 

uß übte. P.s Hauptwerk ift die «Griech. Mytho— 
ogie» (2 Bde,, Berl. 1854—55; 4. Aufl, von 
Robert, 1885 —8 Weniger Wert hat die «Röm. 
Mythologie» (Berl. 1858; 3, Aufl., von Jordan, 
1881 fa.). Ferner jehrieb er: «De Hellanico Les- 
bio» (Dorp. 1840), «Die Negionen der Stadt Rom» 
(Yena 1846), «über die Bedeutung des Schwarzen 
Meere für den Verkehr und den Handel der Alten 
Welt» (Dorp. 1842) u. ſ. w. Die Ergebniſſe feiner 
philoſ. Studien legte er in der «Historia philoso- 
pbiae Graecae et Romanae» (Berl. 1836; 6. Aufl. 
von Teihmüller, 1878) nieder, welche er mit 9. 
Nitter bearbeitete. Für die «Allgemeine Encyllo: 
yädie» von Erſch und Gruber lieferte B. zahlreiche 
wertvolle Beiträge, Eine Anzahl «Ausgewählte 
Auffäher gab N. Köhler (Berl. 1864) heraus, 
Prellſchuft, auch Prallichuß (frj. ricochet), 
ein Schuß, welcher nicht direkt, fondern erft nad) 
vorhergegangenem Aufichlag des Geſchoſſes auf den 
Erdboden ein Objelt trifft. Durch den P. erleidet 
das Geſchoß eine Verminderung feiner Kraft. 
relliteine, f. Abweifer, 
reloutich (Prelout), Stabt in der Bezirks: 
bauptmannichaft Bardubik in Böhmen, links an der 
Elbe, Station der Linie Wien: Prag der Öfterreis 
—— Staatsbahnen und der Lolalbahn 
PreHeĩmanmẽſtee, ift Siß eines —— und 
zählt (1880) 3437 czech. E. In der Nähe beſteht 
eine grobe Zuckerfabrik. — P. gehörte ſchon 1086 
zur Dotation des Kloſters von Opatowiß, erhielt 
1261 das Stabtreht und verblieb im Beſihe des 
Kloſters bis zu dejien Aufhebung 1421. Der Ort 
bat in Böhmen denfelben Ruf wie im Deutſchen 
Schildau. 


Preller (Ludw.) — Preradovié 


Preémery, Stadt im franz. Depart. Nievre, 
Arrondifiement Cosne, am Nitvre, Station der 
Linie Clamecy⸗Nevers der Paris:Lyon-Mittelmeer: 
bahn, hat (1881) 1183 (Gemeinde 2449) E., Hoh— 
Öfen, Eifenhämmer, Holz: und Lederhandel. 

‚emeti, Bremmeti, Stadt im türk. Vilajet 
Jannina, Lima Argyrolaftro (Ergheri), linls an der 
Wojusa, hat 3000 &., meijt Albanefen, ein Kaftell, 
— — Han — — nr 

em pr. emyfl), au rzemy 
ein Edelmann aus der Gegend von Stadik (bei 
Auffig), war nach der Sage der Gemahl der Libufia 
(f. d.) und der Begründer der Dynaftie der a 
mojliden, die gegen 600 Jahre in Böhmen herrſchte 
bis fie 1306 mit dem in Olmüß ermordeten Men: 
zel III. im Mannsſtamm erloſch. 

Prenzlau oder Prenzlow, Kreisſtadt im 
preuß. Regierungäsbezirt Potsdani, die Hauptſtadt 
der ehemaligen Ulermarf, liegt an der Ufer und an 
der Norbfeite des Unteruferfees, Station der Linie 
Angermünde: Stralfund der Preußiſchen Staat: 
bahnen, iſt Siß eines Lande, Schwur⸗ und Amts: 
gerichts, eines Landratsamts, einer Neichabant: 
nebenjtelle und eine3 Hauptfteueramts un Eur 
(1880) 16933 E. Unter den fünf Kirchen der Stadt 
— ſich die got. Maxienkirche (von 1340) mit 
wei Türmen aus, welde zu den fhönften Bad: 

einbauten der Dark zählt. Auch find die alten 
Stadtthore bemerlenswert. Von höhern Unter: 
richt3anitalten befinden fich zu * ein Gymna⸗ 
ium, verbunden mit Realgymnaſium, eine Kna— 
enmittelihule und zwei ‚über Töchterſchulen; 
auch beſteht daſelbſt ein Provinzial : Landarmens 
haus. Unter den Einwohnern befinden ſich viele 
franz. reg m Aufer manderlei Manu: 
— on A — — * —* 
ie hauptſächlichſte rungsquelle für die Stadt. 
Dei P. mußte n 28. dr 1806 das von Jena her 
auf dem Nüdzug begriffene 10— 12000 Mann ftarte 
preuß. Korps unter dem Fürſten von er 
nah einem unglüdlihen Gefecht den nzofen 
unter Murat ergeben. — Der Kreis Prenzlau 
zählt (1880) auf 1133 qkm 56 180 €. 
eobrafchenst, ruſſ. ae | in der Nähe von 
Mostau, wo Zar Peter der Große eine aus Spiel: 
genofien zufammengeitellte gie militäriich 
ausbildete, aus welcher nach der Thronbeiteigung 
das erite —— — iment P. errichtet 
worden iſt. Died Negiment gehört zur 1. Garde: 
—— ſteht in Pelersburg und ergänzt 
ein Offizierlorps aus den Söhnen hoher Generale 
und Würdenträger, fowie der angefeheniten ruji. 
und deutichen Adelsfamilien, welche im Pagenkorps 
erzogen worden find, 

eradovie (Peter), der angefehenfte froat. 
Dichter der Neuzeit, geb. in Grabovnica (in Kroa⸗ 
tien) 19. März 1818, kam 1830 in die Militärala- 
demie in Wiener:Neuftabt, wurde 1838 Offizier und 
avancierte nach vielfachem Wechſel der Regimenter 
und Garnijonen 1866 zum General. Die deutſche 
—— hatte ihn ſeine Mutterſprache faſt ver— 
3 en lajjen; durch Iroat. Kammerreden und die 

erbindung mit den in den vierziger Jahren in 
Agram und Dalmatien thätigen Schriftftellern an= 

eregt, wandte er fih dem Stubium ber kroat. 

prache wieder zu und begann von 1842 an darin 
zu dichten. Seine gefammelten Merle erichienen 
unter dem Titel: « Pjesnitka djela Petra Prera- 
dovica» (Ugram 1873). P. ftarb 18. Aug. 1872, 


Prerau — Presbyterianer 


Prerau (czech. Prerov), Stadt in Mähren, ſüd— 
ag oe Dlmüs, an der Berzwa, Station der Li: 
nien Wien⸗Kralau, zen und Nezamyslis:P. 
der Ferdinands:Nordbahn, it Siß einer Bezirks: 
bauptmannichaft und eines Bezirkägericht3, hat ein 
not. Rathaus und eine alte Burg, ehemals Sik des 
Königs Matthias Corvinus, ein czech. Realgymna— 
fium mit Obergymnafium und Oberrealſchule, eine 
gewerbliche Fortbildungsidhule und eine landwirt— 
ſchaftliche Schule und zählt (1880) 11190 meilt 
law. E., welde Zuder:, Seilerwaren:, Metall: 
waren:, Magen: und lanbwirtichaftlihe Maſchi— 
nenfabrifen unterhalten. 
rerowſtrom, ſ. unter Bodden. 
zeöber (Herm.), humoriſtiſcher Schrijtiteller, 

geb. 9. Dez. 1830 zu Rüdesheim, jtudierte in Heidel⸗ 
berg und Tübingen Geſchichte und Litteratur, wurde 
1853 Lehrer zu Frankfurt a. M. und ftarb dafelbit 
3. März 1884, Am befannteften find feine Genre: 
bilder «deal und Kritit» (1856) und «Wolfen: 
fududsbheim» (1859), eine Schilderung bes rhein. 
Lebens in den fünfziger Jahren. Auch jchrieb er 
einige Novellen, wie: «Gin Anempfinder» (1862), 
«Nudolf» (1876), «Nheiniiche Novellen» (1882). 

Preöburg, |. BErbbure 

Presöbpopie (ard.), j. Altersſichtigkeit. 

Breöbpter (erg, d. i. ÜUlteſte) hießen nad) dem 
Borgang der jüd. Eynagoge in der älteften Kirche 
die mit der Sittenaufficht in den einzelnen Gemein: 
den betrauten, durch Alter und Erfahrung ange: 
jehenen Mitglieder derjelben, welche meiſt mit den 
Biſchöfen, d. h. uriprünglicd den Verwaltern des 
Gemeindevermögens, zufammengefallen zu fein 
ſcheinen, daher in der Urkirhe die Ausdrüde P. 
und Biſchof (j. d.) häufig wellen. Erit um die 
Mitte des 2. Jahrh. wurde Bi Sof der Chrentitel 
für den Borjikenden des Pres er 
(Bresbyterium), der bald alle lirchliche Macht: 
volllommmenheit in feiner Perſon vereinigte. Doch 
war noch im 3. Jahrh. das Anfehen der B. fehr 
bedeutend. Erjt im 4. Jahrh. wurden die P. als 
Parrer einzelner Kirchen den über einen ganzen 
Sprengel geſeßten Biſchöfen —— unterthan. 
Der prieſterliche Charaller, welcher namentlich das 
Recht der Sakranientsverwaltung bedingt, blieb 
ihnen jedod mit den Viihöfen gemeinfam und 
wies ihnen ihren Pla im hoͤhern Klerus an. Gie 
fonnten predigen, taufen, Abendmahl halten, die 
Statehumenen unterrichten, dagegen nur vermöge 
bejonderer biihöfl. Vollmacht konfekrieren, ordi— 
nieren, fonfirmieren, und folde, die in öffentliche 
Kirchenbuße verfallen waren, abfolvieren. Der 
erfte P. hieß Archipresbyter oder BProtopres: 
byter. Etwas weſentlich anderes als die kath. 
Kirche verfteht die evangelische unter dem Amt der 
PB. Unter vermeintliher Wiederaufnahme der apo: 
ſtoliſchen Gemeindeverfaflung wurden in ben re 
form, Kirchen der Schweiz, Franlreichs, der Nieder: 
lande und namentlih Schottlands ſchon in ber 
Neformationszeit den Geiltlihen angejehene und 
lirchlich gefinnte Laien zur Wahrung der Kirchen: 
nut und zur Zeitung der äußern Genteindeange: 

enheiten zur Seite gejeht, welche mit den Geilt: 
den gemeinfam das durd fog. Kooptation ſich 
ſelbſt ergänzende Preöbyterium bildeten, Dieſe 
alten reform. Presbyterien waren ſonach kirchliche 
Auffichtsbehörden von arijtofratijch : theolratiſchem 
Charakter, denen die Gemeinden ebenfo rechtlog 
gegenüberjtanden ala den luth. Konfiftorien. Grit 


261 


in neuerer Reit verfteht man unter P. bie erwähl« 
ten Vertreter und Bevollmächtigten der kirchlichen 
Gemeinden, welche die Angelegenheiten berielben 
—— zu ordnen haben und den Geiſtlichen mit 
er Aufgabe zur Seite ſtehen, die Rechte und An— 
uungen der chriſtl. Laien gegenüber einem ein: 
eitigen Paſtorenregiment zur Geltung zu bringen. 
Gegenwärtig befteben folde freigewählte Presby: 
terien (Rirchgemeinderäte, Kirchgemeindevorftände) 
in den meilten deutihen Landeslirchen. Als Be: 
dingung ber Wählbarteit hat man oft außer per: 
fönlider Unbefgoltenheit und einem Alter von 
mindeſtens 30 3. auch gewiſſe lirchliche Qualifila— 
tionen (lirchlichen Sinn, fleißigen Beſuch des Got: 
tesdienjte3, regelmäßige Teilnahme am Abend: 
mabl u. a. m.) aufgeitellt. Presbyter. 
esbyter Johaunes, ſ. Johannes der 
Ag men (grch.) iſt ber Name einer in 
England, Schottland und Amerila fehr zahlreichen 
Kirchenpartei, welde die biſchöfl. Verfaſſung der 
Anglilaniihen Kirche (f. d.) verwirft und an der 
reform, Shan reg ebenfo wie an den 
übrigen Grundfäpen ber ſchweiz. Neformatoren, 
namentlih aud an ber Einfachheit und Schmud: 
lofigeit des reform. Kultus feſthält. Schon in 
der ehe Reformationsperiode gab ih gegenüber 
der halben Reformation Seinrichs VII. in England 
das Streben fund, die Kirche zu ihrer urfprüng: 
lichen Reinheit zurüdzuführen, wurde aber durch 
ben Fönigl. Defpoten gewalttam niedergehalten. 
Das eigentlihe Hervortreten einer presbyteria: 
nifhen Partei unter den engl. Protejtanten datiert 
jedoch erjt feit dem Regierungsantritt ber Königin 
Glijabeth, unter welder zahlreihe, den Händen 
der blutigen Maria entronnene Flüchtlinge aus 
Genf, Zürih, Bafel und Straßburg mit ftreng 
reform. Anſchauungen nad ihrem Vaterland zu: 
rüdfehrten. Als Eliſabeth vom Parlament fi die 
oberfte Kirchengewalt übertragen ließ (Febr. 1559), 
die ohnehin halbkath. Liturgie Eduards VI. nad 
einigen noch mehr tatholijierenden Ünderungen 
durd die Uniformitätsalte (Juni 1559) für alle 
Kirhen des Reichs beitätigte und ihren frühern 
Lehrer Matthäus Parker zum Erzbiihof von Can: 
terbury erhob, fo verwarfen bie calviniſtiſch Ge: 
innten das Epijlopat der Königin und die biihöfl. 
ürde überhaupt als hierarchiſches Unweſen und 
forderten die Unabhängigteit der Kirche vom Staat, 
eine fhärfere Kirchenzucht und die Einführung der 
** Kirchenverfaſſung, wie fie Knor der ſchott. 
Kirche gegeben hatte. Als Gegner der Uniformi- 
tät3afte wurden diefe P. auh Nonconformilten, 
wegen ihres rigoriitiihen Cifers für Heritellung 
einer von allen katholifierenden Elementen gerei: 
— Kirchenordnung Puritaner (f. d.) genannt. 
8 die Regierung die wiberjtrebenden Ürebiger 
entfeßte und verfolgte, begannen fie feit 1567 eine 
eigene, auf den ine genfer Grundbjägen be: 
ruhende kirchliche Gemeinſchaft zu gründen und mit 
der preäbyterialen Verfaſſung das — 
Dogma und die ſchlichten calviniihen Kultusfor— 
men unter ſich einzuführen. Sie verſammelten ſich 
in eigenen Häusern, verwarfen die bisher beibehal: 
tene, kath. Prieſterlleidung, bie —— der 
Heiligentage, der Faſten und Apoſtelfeſte, ferner 
das Singen der Gebete, bie Anwendung des Kreu— 
zes bei der Taufe, die Paten bei derielben, die 
Gloden, Orgeln und Altäre, das Knien beim Abend» 
mahl, das Berneigen beim Namen Jefu, bie 


262 


—— durch die Biſchöfe, das Vorleſen aus 
den —— das herfömmmliche kanoniſche Recht 
und alle geitlichen Würden, die der ältejten Kirche 
unbelannt gewejen wären. Sie behaupteten, daß 
alle Diener der Kirche unter fich gleich, das Epiflo: 
vat mit jener ganzen Verfajiung nur Hierarden: 
tum fei, die Kirche ſich unabhängig vom Staat re: 
gieren, jede einzelne Gemeinde durch Presbyterien, 
die ganze Kirche aber durch die aus denjelben her: 
—— — Synoden geleitet werden muſſe. 
Mit der Gründung dieſes kirchlichen Vereins be: 
gann das eigentliche und jelbftändige Auftreten ber 
2. in England. Unter mannigfahen Drud er: 
hielten ſich die P. im ftillen big es endlich 1572 
dem Prediger Field zu Wandsworth, einem Dorf 
bei London, gelang, die erite resbyterianiſche 
53 in England zu ſtiften. Die Leitung derſelben 
ward elf Presbytern oder Alteſten anvertraut, 
Bald verbreitete fich die presbyterianiſche Kirchen: 
verfaffung, befonders von Th. Cartiwright willen: 
ihaftlich verteidigt, im geheimen immer weiter, 
Gemeinden traten zu Klaſſen zufammen, befonders 
in Eifer, Warwidihire, Rorthamptonſhire und an: 
derwärt3, und zu ihnen ehörte ein großer Teil 
der Geijtlihen in der bijhöfl. Kirche, ſodaß ſich bis 
su Glifabeth3 Tod die Zahl der P. auf 100000 be: 
lief, Die jtrengen Verordnungen gegen fie dauer: 
ton dabei immer fort, ja fteigerten x noch unter 
Jalob J. der ein in Staat und liche unbeichränt: 
t8 Rönigtum, geftüßt auf die Grundfäge der Epi- 
itopaltirhe, eritrebte. Gin Vereinigungsverſuch 
mit den Staatslirhlihen zu Hamptoncourt 1604 
war vergeblich. Viele P. wanderten unter ſolchen 
Verhältniffen abermals aus, andere verteidigten 
isre Nechte gegen die königl. Willtür und fteigerten 
die polit, Oppofition gegen den König durch ihren 


veligiafen Fanatismus. Noch größer ward der | 


MWiderftand und der Haß gegen den König, als 
Jalob die fchott. Kirche, die jich feit der Reforma— 
tion ebenfalls als Presbyteriallirche geitaltet hatte, 
mit der engl. Epijlopalticche wieder zu vereinigen 
iuchte. Die neue, der bijchöfl. Kirche entiprechende 
Liturgie, die Jalobs Sohn, Karl L, in Edinburgh 
einführen ließ (Juli 1637), gab endlich die Veran: 
(aflung zum eriten Ausbruch der Revolution. In 
Schottland bildete nd 1638 eine fait über das 
sanze Land fich erjtredende politisch: religiöfe Vers 
bindung gegen den König (Covenant). In England 
begann das fait ganz pres yterianiſch gefinnte Par: 
lament im Staat wie in der Kirche zu reformieren, 
und auf dem Wege der Gefehgebung die biſchöfl. 
Yiturgie und Verfaſſung durch die presbyteriantiche 
zu erfehen. Die polit. Revolution, welde Karl I. 
aufs Schafott führte, trug zugleich einen jdwär: 
merifch:religiöfen Charakter und war die Glanz⸗ 
periode der P. und der mit ihnen verwandten, nur 
noch weiter —— Independenten (ſ. d.). Die 
Wiederherſtelung des Königtums dagegen durch 
Karl IL. (1660) bereitete auch der — der 
V. und Independenten ein Ende. Karl II. ftellte 
tofort die bifchöfl. Kirchenverfaffung in England 
und Schottland her und erließ ftrenge Geſetze wider 
die P. Unter dem zum Katholizismus neigenden 
König Jakob IL. wurde ihre Yage noch ſchlimmer, 
daber ein großer Teil nad Nordamerika auswan: 
derte umd dort neue Gemeinden gründete, Grit 
unter Wilhelm III. wurde die preöbyterianijche 


Verfaſſung in Schottland — und in Co 


Gnaland erhielten die P., und mit ihnen die In— 


Presbyterium — Prescott 


dependenten, Baptijten und Duäler, durch Die To: 
—— — eine beſchranite Ge⸗ 
wiſſensfreiheit, indem alle gegen fie erlaſſenen 
Gejeke, mit Ausnahme der Korporationd- und 
Teſtalte, aufgehoben, fie aber verpflichtet wurden, 
den Ort ihres Gottesdienftes zuvor anzuzeigen, bie 
Gefälle an die bifhöfl. Kirche fortzuentriten und 
die 39 Artikel, mit Ausnahme von Art. 22, 34 und 
36, welche im Sinn der biſchöfl. Kirche lauten, zu 
unterfchreiben. Im Barlament erhoben fid) zwar 
mehrmals (1736, 1790) Motionen, auch die Kor: 
porationd« und Zeftalte aufzuheben, doch gingen 
fie nicht durch. 

Die Kirchliche Einrichtung der B. ift weſentlich 
folgende: ‘jede Gemeinde befteht für fih, wählt 
ihre Alteſten, Diatonen und Geiftliden, unter 
denen es feine verſchiedenen Klaſſen gibt. Sy 
noden werben nicht gehalten. Die Geiltlihen be: 
raten alle Eirchlichen Angelegenheiten, tönnen aber 
ohne ee uno der Gemeinde keinen bindenden 
Beſchluß fallen. Für alle gilt Gewifjenzfreibeit; 
die Kirchenzucht wird mit ver yo und Aus: 
ſchließung geübt. Der Gottesdienjt beiteht in Ger 
fang ohne Orgelbegleitung, Gebet Predigt und in 
der eier der Satramente, Die Srebigt wird ab: 
gelefen, bei der Taufe der Täufling mit Wafler 
nur beiprengt, das Zeichen des Kreuzes en. 
Paten find nicht zugegen, vielmehr legt der Vater 
des Kindes oder ein Anverwandter dad Glaubens: 
befenntnis ab. Beim Abendmahl, das figend ent: 
re wird, findet das Brechen des Brotes ftatt. 
In Schottland hat ſich die rg eg 
feit MWilpelm II. ganz in ihrer frübern Strenge 
erhalten, (5. Schottifhe Kirche.) In England 
dagegen it die Partei bedeutend zurüdgegangen 
und zählt gegenwärtig circa 270 Heinere Gemein: 
den, in Irland circa 560. y Nordamerila, wo 
bie ee ae Kirche jeit Begründung ber 
neuengl. Kolonien die angejehenfte und zahlreichſte 
it, hat ſich diefelbe neuerdings in viele Kleinere 
Varteien geipalten und unfat im ganzen: Aber 
7000 Gemeinden. Bol. Gillat, «History of the 
nn Church» (2 Bde., Pbhilad. 1864; 
2, Aufl. 1875); Weingarten, «Die Revolutiond: 
firhen Englands» (2pz. 1868); Steats, «History 
of the free-churches of England» (Lond. 1869). 

Presbyterium, das Kollegium der Presbyter, 
— die vrieſter in der Kirche, daher jo: 
viel wie Chor. 

Prescot, Stadt in der engl. Grafſchaft Lan⸗ 
cafter, 10 km im OND. von Liverpool, Station 
der Linie Liverpool: Wigan:Mandefter: Mirfield 
Leeds, hat (1881) 6418 E., —— —— 
Baummwollipinnerei und Fabrikation von Segeltuch, 
Uhren und Uhrmacherwerlzeugen. 

escott, Stadt in Grenville County der cas 
nad. Provinz Ontario, links am Lorenzftrom, über 
den eine große Eifenbahnbrüde führt, zählt (1881) 
2999 €E., treibt Handel und bat Gif eien, 
Brauereien, eine Brennerei u. |. m. - 

Predcott, Hauptort von Yavahai County im 
nordamerit, Territorium Arizona, zählt (1880) 
1836 E. und war früher Sit der Territorialregies 
rung. Rahebei find reiche Gold: und Silberminen. 

Mredcott (William Hidling), amerit. Geſchicht⸗ 
—— geb. 4. Mai 1796 zu Salem im Staate 
Mafachufetts, ftudierte 1811—14 im Harvard: 
ege die Rechte. Noch auf der Univerfität hatte er 
durch einen Zufall ein Ange verloren, die Sehlraft 


Prejenning — Preßburg 


des andern warb bald durch anhaltende Arbeit 
ge t, und nad einer fchweren Krankheit, 
während der er dem völligen Erblinden nahe war, 
ſah er fid) genötigt, feinen jurift. Beſchäftigungen 
zu entjagen. Zwei Sabre verbrachte er in Curopa, 
wo er die Hilfe der berühmteiten Augenärzte von 
London und auffucdhte, ohne jedoch Heilung 
zu finden. Später beſſerte ſich indejjen feine Seh: 
fa zu — en dien! 
ichen tiglei nitten, beſchloß er, ſich ganz 
dem Studium —A zu widmen. Unter den 
großen Schwierigleiten, die ihm — Zuſtand ent⸗ 
negenfehte, ſammelte er zehn Jahre lang die Ma: 
terialien zu feiner «History of Ferdinand and 
Isabella» (Boft. u. Lond. 1838; deutſch, 2 Bde., 
Lpz. 1842). Diefer folgte die «History of the con- 
zz exico» (3Bbe., Bojt.1843; deutich, 2Bde. 
p3. 1845), welde, dur Stil und Inhalt gleich 
ausgezeichnet, den litterarifchen Nuf des Berfaflers 
befeitigte. Seine «History of the conquest of Peru» 
3 Doft. 1847; deutih, 2 Bde., Lpz. 1848) 
—8 — ge De De ale Eon Lei: 
ngen ®. nen: fleißiges Quellenftudium, 
arbenreihe Darjtellung und eine der objeftien 
uhe des Gefhichtihreibers nur felten Eintrag 


tbuende Wärme des Gefühls. Seitdem ae 


[6 P. mit Vorarbeiten zu einer, Gedichte Phi 
ipps II. Gegen Ende 1855 erfhienen die beiden 
eriten Bände unter dem Titel «History of the reign 
of Philip IL, king of Spain» (beutfc, 2p3. 1856), 
denen 1858 ber dritte Band folgte. Er war eben 
im Begriff, die legte Hand an den vierten zu legen, 
als er 28, Jan, 1859 zu Boiton ftarb. P.s Bei: 
träge zur «North American Review» wurden unter 
dem Titel «Biographical and critical miscel- 
lanies» (Neuyork u. Lond. 1843), andere Heinere 
Arbeiten in den «Critical essays» (Neuyorf u. Lond. 
1852) gejammelt. Eine Frucht der zur «Geichichte 
IL» gemachten Studien war aud) die von 
F m 1856 veröffent — Ben en — 
nzungen verſehene Ausgabe von Robertſons 
en of a Bol. Tidnor, «Life of P.» 
Ron 1864). Die legte revidierte Ausgabe feiner 
erfe wurde von feinem Privatſelretär J. F. Hirt 
herausgegeben (15 Bde., Vhilad. 1874— 75). 

P g, Stüde von waſſerdichtem, ge: 
teertem Segeltuch, welde zum Bededen von Yu: 
ten u. ſ. w. J ei A — — Darſel⸗ 

—— i e»), bildliche Darſte 
lung der Anbetung der Hirten. 

Prefidios (vom lat. praesidium, d. i. Schub, 
Wache, Poſten) heißen in Spanien und Portugal, 
owie in den Kolonien beider Länder eigentlich fefte 
Plaͤhe, gegenwärtig aber verfteht man in Spanien 
unter diefem Namen Gefängnifle, inäbejondere 

uhthäufer für männlide Verbrecher. Ynsbefon: 

nd im Ausland unter dem 


Küfte von Marokko, in welde Staatsgefangene 
und bie fchwerften Verbrecher lommen, und * 
an die Stelle der —— Galeeren getreten ſind. 
AL find dies die Ieten Nefte des früherhin ausge: 


ten fpan. Landbeſitzes an derNiorbtüfte Afrikas, 
Als das harteſte P. in Afrika gilt Ceuta (. d.), das 
1580 mit Bortugal an Spanien fam. Dann fol: 
gen von Weiten gegen Diten an der Küſte der Nif: 


iraten; Benon de Velez de la Gomera oder 


‚ind amen B. | 
befannt die vier ſpan. Deportationaorte an der | 


263 


Albucemas (feit 1673 ſpaniſch, 277 E.), beide auf 
Heinen Inſeln, und Melilla oder Mlila (jeit 
1496 fpanijch), eine feite Stadt füblid) von Cabo 
de Tres Forcas gelegen, mit 1517 G. und einen 
Hafen. Südöſtlich von Melilla liegen die drei 
Dihafaran: oder Zafarani:$nfeln, von den 
Spaniern erjt 6. Yan. 1848 bejegt und Islas— 
C afarinas genannt, mit 367 E. Die vier P. 
zählen zufammen auf 66 qkm mit den Garnifonen 
und Sträflingen (1877) 12170 E., ein Gemiſch 
von Spaniern, Juden, Mauren, Negern und Mu: 
latten, und haben für Spanien nur als feite Plähe 
und Straforte Ruben. 

resirn (ſpr. Preſchirn, Franz), der bedeu— 
tendſte ſlowen. Dichter der Neuzeit, geb. 3. Dez. 
1800 in einem krainiſchen Dorfe, ftudierte in Wien 
die Rechte und war zugleich Lehrer am Klintow: 
ftrömfchen Juftitut. Im J. 1828 wurde er in Laibach 
angeftellt, 1847 erhielt er eine Advolatur in Krain: 
burg und jtarb dafelbit 8. Febr. 1849. Seine Ge: 
dichte find durchweg lyriſcher Art (gefammelt unter 
dem Titel «Pesmi Franceta Presirna», Laib. 1866). 
Deutſche Überfegungen von Liedern P.s gab E. 
Sambaber heraus unter dem Titel « Prediren: 
Hänge» Laib. 1880). 

‚Prest, bei naturwifjenfhaftlihen Namen, be: 
zeichnet Karl Botiwoj Bresl, geb. zu Prag 
17. Sebr. 1794, war Cuſtos des böbm. Mufeums 
und Profeſſor in Prag, ftarb 2, Oft. 1852 in Prag; 
feine Hauptichrift ijt «Tentamen Pteridographiae» 
(Prag 1836; Supplement 1845). 

resles, Dorf bei Chatelet (j. d.) im Hennegau. 

Prefibau ijt beim Bergbau der Abbau, Aus: 
bieb des ganzen Inhalts einer Lagerftätte. P. be: 
zeichnet Per den verlajienen, ganz abgebauten 
und mit Bergen ausgefehten Abbau einer Grube. 
Treßbauen heißt eine Lagerftätte rein abbauen, 
ohne Bergfeſten, taube Mittel, Pfeiler ftehen zu 
lafjen. reß wird —— ſolche Zimmerung ges 
naunt, welche wandelbar, verſtodt, verfault iſt. 

* beugel, ſ. unter Buchbinderkunſt. 

rehburg oder Presburg (ungar. Pozsony, 
jlaw, Prespurk,, lat. Posonium), königl. Freijtadt 
im gleihnamigen Komitat Ungarns (4310,83 qkm 
mit [1880] 314,147 E.) am linfen Ufer der Donaır, 
Station der Linien Marchegg-Budapeſt und B.: 
Sillein der Oſterreichiſch. Ungariſchen Staatsbahnen, 
iſt die zweite Hauptſtadt, und wenn auch nicht der 
Bevölkerungszahl nad, jo doch hinſichtlich der gün: 
ftigen Lage, des Verlehrs und der fozialen Bildung 
Ihrer Bewohnerſchaft nächſt Budapeſt die wichtigſte 
Stadt des Landes. Dieſelbe iſt Sit der Komitats— 
Iee eines Wechſelgerichts, einer Filiallandes: 
falje, einer Poſtdireltion, einer Handels: und Ge: 
werbefammter und hatte bei der Iehten Zählung 
(1880) 48284 meijt fath. E. in großer Teil der 
Bevölferung — ausſchließlich deutſch, doch wird 
in den höhern Kreiſen das Magyariſche und Deutſche 
leichzeitig lultiviert. Das zur Stadt gehörige Ge: 
Diet umfaßt ein Areal von 80 qkm. Dan unter: 
cheidet die Altſtadt, Ferdinanditadt, Franz-Joſeph— 
tadt, Therefienftadt und Neuftadt (Blumenthal). 
nter den Bauwerken ragt befonders das alte Schloß 
hervor, weldes fi auf einem über der Donau 
83 m hoch aufiteigenden Helfen erhebt und die Stadt 
jowie die weite Donauebene beherrſcht. Dasſelbe 
war einft die Nefidenz der Könige von Ungarn und 


ele; de la Gomera (feit 1508 fpaniich, 1877 | eine Zeit lang Siß der Sandtage. Unter Maria 
mit 315 E.), Fort Alhucemas oder Peñon de | Therefia wurde es erneuert und dem Schwiegeriohn 


st. nnalo 
N ‚oogle 


264 


Preßdecke — Prefie und Preßgefeggebung 


der Staiferin, bem Dev Armed von Sadjen: | Stabt wieber je Hauptftadt des Landes erhoben. 


Zeichen, dem damaligen 


Mohnfig beftimmt. Seit dem Brande von 1811 


latin von Ungarn, zum | ®. blieb inde 


en Sik der Landtage, bis aud) dieſe 


1848 nad Peſt⸗Ofen überfiedelten. In dem nad 


liegt es jedoch in Auinen. In der 1090 begonnes | der Schlacht und dem MWaffenftillftand von Aufter: 


nen, 1452 geweihten Domlirche St. Martin wur: 
den bie Hönige von Ungarn gefrönt und auf dem 
von Menſchenhänden errichteten, 1873 abgetra: 

enen Krönungsbügel (unmittelbar an der Donau 


fig (f. d.) zwifchen Napoleon I. und Kaiſer Franz IL. 
26. Dez. 1805 abgeichlofienen Frieden zu Preß— 
burg mußte lekterer 1) den im Luneviller Frieden 


erworbenen Teil von Benedig (40200 qkm mit 


ei der Sciffbrüde gelegen) wu. der neuge⸗ 2180000 €.) an das Königreich Ftalien abtreten; 


frönte König nad alter Sitte das Schwert Ste: 
phans bes Beiligen nad) den vier Weltgegenden 
um Beichen, dab er Ungarn verteidigen wolle, wo: 
er der Feind auch komme. Außer der Domlirche 
bat P. noch 14 kath. und 2 evang. lichen, 7 Ka— 
pellen, 6 Klöjter und 2 Synagogen. Bon ben 
übrigen Gebäuben find bervorzubeben: das 1288 be- 
gonnene Rathaus mit dem ftädtiihen Mufeum, das 
1753 erbauteLandhaus, 1802 —48 Sikungsgebäubde 
des Reichstags, jeht Gerichtshof, das Komitatshaus 
ber ersbiichöfl alait, das vom Erzherzog Friedri 
bewohnte Grafialfowikihe Palais und das neue 
Theater. Bon höhern Bildungsanſtalten beftehen zu 
B.: eine königl. Nechtsatademie, ein kath. Staats: 
gymnaſium, eine Staat3-Oberrealichule, ein prot. 
Lyceum mit einer theol. Lehranftalt und einer reich 
ausgeltatteten Bibliothek, ein = geiftliches Semi: 
nar und eine höhere Töchterſchule. In Bezug auf 
Heil: und Humanitätsanftalten ift P. reicher als bie 
meiften andern Städte Ungarns, Unter den Hojpi: 
tälern ſteht das 1864 eröffnete Landlkrankenhaus 
obenan. Handel, Induſtrie und Weinbau find die 
hauptſächlichſte Erwerboquelle für die Bewohner. 
Die hauptſächlichſten Ausfuhrartilel find Getreide, 
Bein, Mehl, Gemüje, Obit, Spiritus, Chemitalien 
und Holz. Nicht unbedeutend ift verhältnismäßig 
bie yrbuftie: Drechsler: und Tijchlerarbeiten, 
mufttaliiche Inſtrumente (Klaviere), Handſchuhe, 
Bädereiwaren (Zwiebad) erfreuen ſich eines weit: 
verbreiteten Rufs. Sonft find zu nennen einige 
Waflermühlen, eine Dampfmühle, eine Tabals: 
fabrif, eine Seidenband: und mehrere Shanıpagues,, 
Spiritus: und Nofogliofabriten, eine große Tuch: 
fabrik in der Stadt; ferner in der Umgebung das 
Schieferbergwert zu Mariatbal und die Schwefel: 
fabrif zu —— Die Umgebungen P.s ſind rei— 
zend. Während die Stadt von ber Hügelreihe der 
Kleinkarpaten umfäumt wird, auf denen 1868—69 
der Gebirgspark angelegt wurde, breiten fich jenfeit 
der Donau dichtbelaubte Auen, befonders der forg: 
fältig erhaltene Aupark aus; in der Engerau finden 
im Frühjahr Pferderennen ftatt. 
‚„ Üiber den Urjprung ber Stabt und die Entitehung 
ihres Innern berrfchen fehr abweichende Anſichten. 
Gewiß it, daß Herzog Wratiflam pier fhon im 
9. Jahrh. eine Burg bejaß, welche jpäter in den 
Beſiß der vordringenden Ungarn kam. Geitdem 
waren die Schidjale der Stadt P. mit denen des 
Königreihs Ungarn aufs engfte vertnüpft. Als 
Sclüfiel des Landes wurde diefelbe oft hart be: 
drängt, wie unter den Kaiſern Heinrich III. (1042) 
und Heinrich V. rc unter Herzog Friedrich 
von Öfterreih und Dttolar von Böhmen. Bon den 
Mongolen blieb P. jelbit zwar verſchont, doch wur: 
den die Orte der Umgebung fait gänzlich zerftört 
(1241). Als die Türken 1541 die Nefidenz Dfen 
enommen batten, wurde P. Haupt: und Krönungs: 
* von Ungarn, ſowie Siß der Reichsbehörden, 


des Reichsprimas und des Landtags. Im J. 1784 


wurde die Statthalterei nach Ofen verlegt und dieſe desha 


2) den ſturfürſten von Bayern und Württemberg 
die königl. Würde und Souveränetät und lehtere 
auch dem Kurfürjten von Baden zugeitehen; 3) Ti: 
rol, Vorarlberg und einige Landichaften nebit Eich: 
ftätt und Paſſau an Bayern, ben größten Teil des 
Breisgaus nebſt Konftanz an Baden, die Donau: 
ftäbte und einige Stride in Schwäbiſch-Oſterreich 
an Württemberg überlaflen; dafür wurde 4) das 
bisherige Kurfürftentum Salzburg der öfterr. Mon: 
archie einverleibt, der Kurfürit Erzherzog Ferdinand 
aber durch das ihm von Bayern abgetretene Würz: 
burg entichädigt. Der Friebe zu P. wurde auch 
bie nächſte Veranlaſſung * Auflöſung des Deut: 
hen Reichs. (S. Deutihland und Deutſches 
eich, Gefhichte, und Rheinbund.) Bal. Helich, 
Illuſtrierter Führer durch P.» (Preßb. 1884); 
gner und Orbok, «Geographie des Preßburger 
Komitats» Preßb. ve : 
ede, 


' PBrefidede, & unter e 

reffe und Brefigefehgebung. Nach ber bei 
der Bervielfältigung von Schriftwerlen hauptſäch— 
li verwendeten Buchdruderprefie bezeichnet man 
die Geſamtheit der durch ben Drud verbreiteten 
Schriften und die darin fid) offenbarende geiltige 
Bewegung mit dem Namen Preſſe. In einem 
engern Sinne wird diefe Benennung auf denjenigen 
Zeil der Litteratur übertragen, deſſen ganze Wirt: 
ſamleit von der raſchen und allgemeinen Berbrei: 
tung, darum aber vorzugsweife von der Benukung 
ber Druderpreiie abhängt, alſo auf die Tages: 
litteratur. Während des 18. Jahrh. gebrauchte 
man dafür häufig den Ausdrud Bublizität, 

Faſt gleichzeitig mit dem Aufblühen des Drud- 
gewerbes tritt das Mißtrauen der geiftlihen und 
weltlihen Macht gegen diefes Mittel der Gedanlen⸗ 
verbreitung hervor, Es jollten alle a 
Veröffentlihungen mittel Konfiskation und Ber: 
nichtung der vorgefundenen Gremplare, Beitrafun 
ber Druder und Verbreiter, noch beſſer aber dadur 
gehindert werden, daß man von dem Inhalt der erit 

u drudenden Schrift Kenntnis nahm und, falls 

erjelbe anſtößig befunden wurde, die Beröffent: 
lihung unterjagte. Das letztere Berfahren, die bes 
reits vom Bapl Alerander VL. in Bezug auf bie 
Anfertigung von Bücerabichriften eingejehte Gen: 
fur 6 d.), erhielt ſeit 1515 durch Leo X. aus Anlaß 
der an Neformbewegung ihre weitere Aus: 
bildung. Seit 1557 ward feitens der päpſtl. Re— 
gierung ein «Index librorum prohibitorum» ber: 
ausgegeben (j. Inder) und bis zum heutigen Tage 
fortgeführt, (Vgl. Neufch, «Der Inder der verbote: 
nen Bücher», Bonn 1883.) 

In Deutihland war die oberhirtliche Beauf: 
fihtigung der Drudereien allerdings nicht allgemein 
durdzuführen. Dafür verordnete aber ſchon 1529 
der Reichstag zu Speier: «Alles, was Neues ge 
drudt oder feilgehalten werden folle, fei zuvor 
einer von jeder Obrigkeit dazu verorbneten ver: 
ftändigen Perſon zu unterbreiten.» Obgleich nun 

ib ein Büdherlommiffariat in Frankfurt a. M, 


Prefle und Preßgefeggebung 


errichtet und mehrfach mit Wiedereinfchärfung der 
Genjurverordnungen en wurde, jo kam dod) 
von Reichs wegen nichts G — zu Stande, 
und die Behandlung der Preſſe war in den verſchie— 
denen deutichen Territorien je nach der Stellung, 
die man zu den liberalen Ideen genommen, eine 
höchſt abweichende. Hierin vollzog fich nicht einmal 
eine weſentliche Underung, als feit dem 17. Jahrh. 
die litterariiche Thätigfeit auch dem Gebiete ber 
Politik und der fozialen Frage fih zumandte und 
damit der bis dahin —— — 
fen Cenſur eine zugleich polit. Richtung gab. Viel 

mebr behielt diefes Polizeiinititut bis gegen das 
Ende de3 römisc:deutihen Reichs eine partitula: 
rütiiche Färbung, und während in Bjterreich noch 
unter Maria Therefin der furchtbarite Preßzwang 
herrſchte, in Bayern Schriften und Schriftiteller der 
jreiern Nichtung mit Fanatismus verfolgt wurden, 
mochte das freie Wort in Preußen unter Friedrich 
d. Ör., in Hannover, Braunfchweig und Holſtein 
eine offene Zufluchtsitätte fuchen. Erſt als nad 
dem Auäbruche der Franzöfiichen Revolution bie 
Befürchtung überhand nahm, daß die Völker auch 
diejjeit des Rheins die Notwendigkeit des Beitehen: 
den in Zweifel ziehen könnten, wurden beim Reichs— 
tage wieder allgemeine Maßregeln gegen die Preſſe 
angeregt, famen aber, bauptiächlich auf Hannovers 
Einſprache, nicht zu Stande, Zur Zeit der franz. 
Fremdberrichaft unterlag die deutfche Preſſe allent- 
halben dem Trude des Napoleoniſchen Dejpotismus, 
welder an Balm (j. d.) fogar die Todesſtrafe wegen 
Preßvergehen volljtreden ließ. Bein Wiener Kon— 
greß drangen Preußen und Hannover auf allge: 
meine Bejtimmungen über die Preſſe in liberalem 
Sinne. Es ward jedoch durch Art. 18 der Deut: 
{chen Bundesalte nur verheißen, daß ſich die Bun: 
desverfammlung in ihrer eriten Zuſammenkunft 
mit der Abfafiung von gleihförmigen Verfügungen 
bezüglich der Preſſe beſchäftigen Flle, a dieſe 
Zufage eine Stelle unter den zugeliherten Volt: 
freiheiten einnahm, jo fonnte man als entiprechende 
Verfügungen nur ſolche vorausfepen, die den Bann 
der Genjur und aller Bolizeiwilllür von der Preſſe 
binwegnähnn. Sn diefem Sinne ſprach ſich auch 
der 12. Dit. 1818 durd) den Bunbestagsgejandten 
von Berg erjtattete Vortrag aus, nach welchem eine 
Kommiſſion mit der Einbringung von entipreden: 
den Vorſchlãgen beauftragt wurde. 

Während man aber nod) ein Bundesgeſeß zu Guns 
ften der A reibeit erwartete, die in Weimar, 
Raſſau, Medlenburg, Hefien: Darmitadt, Bayern, 
Württemberg und Hannover bereit3 Aufnahme ge: 
funden hatte, wußte die —— Realtion 
einen Umſchlag an den maßgebenden Stellen ber: 
beizuführen, und der infolge der Karlabader Kon: 
ferenzen (j. Karlöbader Beſchläſſe) gefaßte 
Bundesbeihluß vom 20. Sept. 1819 verpflichtete 
deshalb alle Staaten zur Beibehaltung oder Wie: 
bereinführung der vorläufigen Genjur in Betreff 
aller Schriften unter 20 X ogen. Umfänglidhere 
Schriften fonnten zwar auf Gefahr des Verlegers 
ohne weiteres erjcheinen, doch follte auch hier Gen: 
fur nachgeſucht werden dürfen und, wenn die Be: 
hörde das Erſcheinen —— habe, der Verfaſſer, 
Verleger und Drucker von jeder nachträglichen Ver— 
antwortung befreit ſein. Die Bundesverſammlung 
legte ſich ferner das Recht bei, Schriften für den 

anzen Umkreis des Bundes zu verbieten und ben 
Redacteuren von fo verbotenen Zeitichriften jede 


265 


entiprechende Thätigkeit für anf Jahre zu unter: 
agen. Außerdem erhielten die Bundesregierungen 
er zu gegenjeitiger Rechtshilfe in Preß— 
fahen. Der Beichluß, welcher nur al3 ein provi: 
foriiher auf fünf Jahre verlünbet, aber 1824 auf 
unbeitimmte Zeit verlängert worden war, nelangte 
indejjen nicht zu gleichförmiger Durdführung. 
Bayern behielt in Wreßedift von 1818 bei, das 
bloß periodiihe Schriften polit. Anhalts der Cenſur 
unterwarf, Oldenburg gewährte hinfichtlich der 
innern Landesangelegenheiten völlige Preßfreiheit, 
Preußen ordnete mittel® Edilts vom 18. Ofi. 1819 
eine allgemeine Cenfur für alle Schriften an, und 
in Öfterreih und Sachſen verfuhr man nad) den 
eigenen Genfurvorichriften von 1810 und 1812. 
Meiſtens hing jedoch ſchon damals die Gröffnung 
neuer Drudereien und die Herausgabe polit. Zeit: 
ichriften von der Grlaubnis der Negierungsbehörde 
Konzeſſion) ab, und die Vorſchrift, dab auf jedem 
Iuche der Druder und Berleger genannt fein müſſe, 
ficherte allenthalben die Haftbarmachung beitimmter 
Perſonen. Grleichternd wirkte zuerft wieder 1830 
der Nüdichlag der franz. Yulirevolution. Baden 
erließ ein Preßgeſeß, weldyes die Cenjur nur für 
alle den Deutihen Bund oder andere Bundesftaa: 
ten betreffende Schriften mit der Beitimmung bei: 
behielt, daß dieſe fi en Befeitigung des wirklich 
Strafbaren beihränten folle.. In Bayern ward 
ein ziemlich freiiinniges Preßgeſeß von den Stän: 
den als noch nicht ausreichend verworfen. In ben 
meilten fübdeutichen Etaaten hörte die Cenſur fat: 
tiih auf, indem bie Behörden fie nicht zu üben 
wagten, und anderwärts gelangte wenigitens eine 
mildere Praxis zur Geltung. Nur F bald legte ſich 
aber wieder der Bund ins Mittel, Verſchiedene 
polit. Beitichriften, wie «Der Freifinniges, bie «Zeit: 
fhwingen», die «Deutjche Tribüne», wurden unter: 
drüdt, das bad. Preßgeſeß als mit dem Bundes: 
beſchluß von 1819 unvereinbar außer Kraft neieht, 
die Cenſur wenigftens aller Schriften unter 20 Bo: 
en für obligatoriſch erklärt, den Regierungen eine 
—J—— ſtrenge ala > binfichtlich der Berörient: 
lihung landſtändiſcher —— empfohlen, 
weiterhin ſelbſt der ganze Verlag einiger Firmen 
(unter andern Hoffmann u. Campe in Hamburg), 
ja fogar jedes durch Schriftiteller einer beftimmten 
Kategorie (Heine, Gußkow, Laube, Wienbarg, das 
fog. th Deutichland) herauszugebende Wert ver: 
boten. Dabei nahmen die Cinzelgeiebgebungen von 
dem franz. Syftem der Kautionen Kenntnis, wonach 
den Herausgebern von Zeitſchriften bie Hinter: 
legung einer Geldjumme zur fofortigen Beitreitung 
etwaiger Geldbußen ziel oh wurde. Die Preb: 
vereine, die fi) darauf in mehrern Ländern, 3. B. 
Rheinbayern, zur Verbreitung freilinniger Schriften 
und zur Unterftükung in Strafe verfallener Schrift: 
fteller gebildet am; mußten ſich auflöfen. 
Seit 1840 loderten fi indeſſen abermals die 
Belkin. In Preußen jollte die 1842 erfolgte Ein: 
ehung einer höhern Inſtanz mit annähernd richter: 
lihem Charalter, des Obercenjurgericht3, der Will- 
für allzu enaherziger Genforen begegnen, und das 
ſächſ. Preßgejeg von 1844 befreite die Schriften 
über 20 Bogen von der ohnehin nicht überftrengen 
Genjur. Das J. 1848 brachte endlich der Preije in 
allen Teilen Deutihlands eine Freiheit, ‚Die wegen 
der Schwäche der Behörden eine Zeit lang der Bürg: 
haften gegen wirkliche Gejepübertretungen ent: 
behrte. Nr Genfur, jowie das Konzeſſions⸗ und 


266 


Kautionsweſen bei Zeitihriften ward in den einzel: 
nen Ländern durch die neuentitandenen Berfaflungen 
oder durch beionderes Gefeh, für ganz Deutichland 
aber in der Reichsverfaſſung vom 28. März 1849 
unter Berweifung der Brefvergehen vor die Schwur: 
gerichte für immer aufgehoben. Kurz darauf follte 
Es die Preſſe infolge der überall hereinbrechen: 

en Nealtion dem ern Banne aufs neue vers 
fallen, Die Cenfur in alter Form 309 zwar nicht 
wieder ein, bafür erließ man aber in den meijten 
deutſchen Staaten verſchärfte Preßſtrafgeſetze, griff 
hinſichtlich der —— auf den Kautionszwang 
und ſonſtige Erſchwerungen zurüd und er den 
Geſchworenen das Urteil in ‚eeiaden Als Bor: 
bild diente meiftens das preuß. Geſeß vom 12. Mai 
1851. Noch weiter ging der Bundesbeichluß vom 
6. Juli 1854, welcher die Verwarnung, Einitellung 
und Unterbrüdung ak im Berwal: 
tungswege aus Franlteich herübernahm und mit 
der Anordnung , daß alle Schriften vor ihrer Aus: 
abe bei der Behörde eingereicht werden follten, die 
Behelfe der Cenſur, wiewohl ohne die Verbindlich 
eit zur Entfhädigung ber Verleger, fich vorbebielt, 
* en publizierten nicht alle Regierungen den 

eſchluß, und Sachſen nahm au biefen Grund hin 
fpäter die Veröffentlichung zurüd. Mit Auflöfung 
de3 Deutichen Bundes 1866 fiel natürlic der ge 
meinfante ® vehgwang in Deutichland weg, während 
die bisherigen Preßbeſchränkungen in den einzelnen 
deutſchen Staaten, ſowie au) im Norddeutſchen 
Bunde vorerit im ganzen fo blieben, wie fie ſich 
Anfang der fünfziger Jahre geitaltet hatten. Ein: 
zelne Beſchraͤnkungen entfielen durch die Gewerbe: 
ordnung vom 21. Juni 1869. Bol. Schletter, 
eHandbucdh der deutihen Preßgeiehgebung» (Lpz. 
1846); Wiesner, «Denkwürdigleiten ber öſterr. 
Cenfur» (Stuttg. 1847); Kommentare zum wen 
(orich von 1851 von Schward (Berl. 1862), Thilo 
(Berl. 1862), Hartmann (Berl. 1865); zum bayr. 
Gefeh vom 17. März 1850 von Brater (Erlangen 
1853); zur ſächſ. Gefehgebung von Bauſch Epz. 
1870) und von Barth (Yypz. 1870). 

‚Das neubegründete Deutſche ya ee 
die Beitimmungen über die Preife der ! eh 
gebung. Das xPreßgeſetz für das Deutſche Reich 
vom 7. Mai 1874» ward in allen Staaten einges 
führt mit Ausnahme von Elſaß-Lothringen, wo das 
franz. Preßgeſetz einftweilen beibehalten wurde, 
Die bisher gültigen Präventivmapregeln wurden 
durch das Reichspreßgeſetz zum größten Teil befei: 
tigt. Zum Betriebe des Buchhandels und der Bud) 
bruderei, ſowie zur Herausgabe einer Zeitung ift 
eine befondere Konzeſſion nicht mehr erforderlich; 
eine Entziehung dieſes Gewerbebetrieb iſt weder 
im Verwaltungswege noch durch rihterlichen Spruch 
zuläffig. Die Beitellung einer Kaution iſt nicht er: 
forderlich und ber biöher in einigen Staaten einge: 
führte Zeitungsſtempel ift befeitigt. Jede Drud: 
ichrift muß den Namen und Wohnort des Druders 
und Berlegers enthalten, während bei periodiichen 
Drudſchriften, welche in monatlichen oder kürzern 

riiten ericheinen, außerdem ein verantwortlicher 

ebacteur, der im Deutſchen Reich feinen Wohnfis 
baben muß, anzugeben iſt. Gleichzeitig mit ber 
Ausgabe einer Heitungsnummer it ein Eremplar 
derfelben an die Polizeibehörde des Ausgabeortes 
——— nur bei Drudſchriften, welche aus: 
Schließlich den Zweden der Wiſſenſchaft, der Kunit, 
bes Gewerbes und der Induſtrie dienen, findet dieſe 


Preſſe und Preßgeſetzgebung 


Vorſchrift keine Anwendung. Wenn gegen eine 
Nummer einer im Auslande eriheinenden periodi⸗ 
hen Drudichrift binnen Jahresfrift zweimal eine 
Verurteilung auf Grund ber SS. 41 und 42 
Strofgetenhmie erfolgt it, jo lann der Reichs; 
tanzler das Verbot der fernern Verbreitung der 
Drudiärift bis auf zwei —* ausſprechen. Die 
Verantwortlichleit für Handlungen, deren Straf: 
barkeit durch den Inhalt einer dichrift begrüns 
det wird, beftimmt ſich nad) den bejtehenden allge: 
meinen Strafgefegen. Iſt die Drud chrift eine 
eriodijche, fo ijt der verantwortliche Redacteur als 
häter zu beftrafen, wenn nicht durch befondere 
Umftände die Annahme feiner Thäterfchaft ausge: 
—86 wird. Worin dieſe «befondern» Umſtände 
beftehen, ift dem Ermefien des Richters überlafien. 
Es können Fälle eintreten, in denen dem Rebdacteur 
der ftrafbare Dani des Artikels entgangen iſt, 
weil ihm die befondern Thatſachen und Berhält 
er auf denen die Strafbarteit de3 Artikels be: 
ruht, nicht befannt gewefen find, Dies gilt vor: 
zug&weife von Injurien, bei denen ber Injuriöfe 
Charakter nur denen ertennbar wird, welden die 
einfchlagenden Verhältnifje bekannt find. Dagegen 
enthebt die Unterzeichnung des Artikels dur n 
Verfaſſer den Redacteur nicht der Haftbarfeit. Denn 
e3 liegt dem Nedacteur die Pflicht ob, den It 
des Artikels zu prüfen und bei eintretenden N: 
ten den Abdrud zu inhibieren. Auch aus dem Um: 
ftande, daß ein Artikel aus einem andern Blatte ent: 
lehnt und an dem Orte feines Erfcheinens nicht zum 
Gegenftand einer Unterfuhung gemacht worden, 
fann der angellagte Nebacteur feinen Entidul: 
digungsgrund herleiten. Begründet der Inhalt 
einer Drudichrift den Thatbeftand einer jtrafbaren 
Handlung, jo find der Redacteur, der Verleger, der 
Druder und der gewerbmäßige Berbreiter Dur 
fie nicht al3 TIhäter oder Teilnehmer zu beitra en 
find, * Fahrläſſigkleit zu beſtrafen. Die 
itrafung bleibt jedoch für jede der benannten Per: 
jonen ausgeſchloſſen, wenn fie den Berfafler, mit 
defien — die Veröffentlichung gejhehen 
iſt und der im Bereich der richterlichen Gewalt eines 
Bundesſtaats fich befindet, nachweiſt. Darüber, 
inwiefern Redacteur, Verleger oder Druder zum 
Zeugnis fiber die — des * ers angehalten 
werden können, find bis zur Einführung der Deut⸗ 
ihen Strafprozehordnung vom 1. Febr. 1877. die 
Beitimmungen ber Proze —— der einzelnen 
deutſchen Bundesſtaaten maßgebend geblieben. Vgl. 
außer den Kommentaren zum Reichspreßgeſ 
von Schwarze —— Erlangen 1885) 0 
Berl. 1874), rquardien (Berl, 1875) noch: 
Jaques, «Abhandlungen zur Reform der Geſeh— 
gebung» (Abteil. 1: «Grundlagen der Preßgeſeß⸗ 
ebung», Lpz. 1874); Berner, «Lehrbud) des 
chen Preßrechtsv (Epz. 1876); von Liſzt, «Das 
deutjche Reichspreßrecht» (Berl. 1880). 
In England war die a € 
jede beſchtänkt. Diefelbe ftand unter der t 
er Sternlammer, eines von —— einge⸗ 
ſehten Ausnahmegerichts, welches die ———— 
Buchdruder und Preſſen beſtimnite und den Cenſor 
ernannte, * deſſen — nichts gedrudt 


von 


werben durfte. Die Strafen, womit man einen 
mipfälligen Gebrauch der Preſſe ahndete, Tonnten 
bis zur Barbarei ausarten, und Urteile, die wegen 
angeblicher Beleidigung des Königs auf Abſchnei⸗ 
den der Ohren oder Abhauen der Hand lauteten, 


'mamsal : Pyılv nz 'yuv Tr "moyızaı 












usyuueg 'Ipuopm 'n uuRUuLIosRug "noptmorf "SB aJjefr 'MLIqRjuSuTgoRE "g 8 oje Aqunmngosuje 
UOA 98891] SlosijnwipäH "01 'ammfan Altuaf 'n ugop uaoso]jwH ap assaıdäu, 0 uatfsafe] Jap asraıduio a 'Q 
noa assardusqneayas '7 


SIERT 


II} 





uopuor 'auufan Arno ’n unof 
OA ORKALT OUOSIINBAPÄH "2 






uopuo tauuÄae) 
Aıuapy 'n uioe uoA assardusqnuagog 'g 





orsandusgteigog 
-Jerjuatogiaq FuUomog "I 


arten 


"Sm olıeH 
'yıaquzuaurgosumg vsissnen 
op assaudasıdeg ‘Fr 








Preſſen 


find wirklich vollſtredt worden. Das Lange Parla— 
ment machte 1641 ber Sternfammer ein Ende und 
nahm deſſen Rechte hinſichtlich der Preßpolizei auf 
fi. Bis 1694 erneuerte auch das Parlament 
mehrmals die Anordnungen, welche die Behörden 
mit der Ausübung der Genfur beauftragten, er: 
Härte ih aber dann gegen bie weitere Erneuerung. 
Co trat gleihjam von jelbit das Syftem in Kraft, 
wonach es durchaus feine Beſchränkung des Druds 
und der Berbreitung von Schriften gibt und bloß 
die Urheber von Schmähſchriften (Libellen) als Stö⸗ 
rer des öffentlicdyen Friedens auf erhobene Anklage 
und nad) einem verurteilenden Wahrſpruche ber 
Jury beitraft werden können. Doc) kommen jelbit 
jolche Anklagen nur felten vor, denn es bat in 
England die Anficht_feften Fu gelobt, daß bie 
öffentliche Meinung, fich ſelbſt überlafien, am beften 
Wahres vom Falſchen fcheide, Unwürbiges verwerfe 
und dem durch die Preſſe ungerecht Berlepten auf 
demfelben * vollgültige Genugthuung verſchaffe. 
Nordamerika befolgt gleiche Grundſähe. 

In Frankreich ward die Außerungs- und 
Prebfreiheit durch die Konftitutionen von 1791 und 
1793 verkündet. Naddem aber Igon bad Geſeh 
vom 27. Germinal des J. IV die Aufforderungen 
zum Hodverrat, zur Wiederberftellung bes König: 
tums und zu Mord und Blünderung mit dem Tode 
bedroht hatte, unterwarf bereitö wieder das Geſetz 
vom 19. Sructibor des J. V (6. Sept. 1797) die Zei: 
tungen polizeiliher Aufſicht, und der Konſularbe— 
ſchluß des %. VIII (1800), welder das Erfordernis 
öffentlicher Ermädtigung zur Herausgabe von polit. 
Zeitjchriften einführte, leitete nur das Syftem von 
Maßregeln ein, mit deren HilfeNapoleon I. die Prefie 
in völliger Abhängigleit erhielt. In der konftitu: 
tionellen —— von 1814 war die Preßfreiheit 
wiederhergeitellt, und die Drdonnanzen von 1830, 
welde fie vernichten und die Genfur von neuem 
einführen follten, ftürzten fogar den Thron der 
ältern Bourbonen. Nach der ultrevolution trat 
wieder ein gefiherter Rechtszuſſand für die Preſſe 
ein. Geſchworenengerichte entſchieden über deren 
Mißbrauch nad) den allgemeinen Strafgefegen; für 
Angriffe g den König und die Kammern beftanden 
befondere ftrafrechtlide Beftinnmungen. infolge 
des Fieschiſchen Attentats auf König Ludwig Phi: 
lipp (28. Juli 1835) ergingen jedoch die joe. ep: 
tembergefege, welche die Strafen für Pre vergehen 
bedeutend Ihärften und deren Zuerlennung in allen 
ſchwerern Fällendem Pairshof übertrugen. Die Un⸗ 
gebundenheit der Preſſe nach der Februarrevolution 
von 1848 ſollte nur kurzen Beſtand haben. Infolge 
der Juniemeute und des über Paris verhängten 
—— — —— Cavaignac als 
Diltator der Republik eine große Anzahl polit. 
Zageblätter, und die Gefehe vom 27. Juli 1849 
und 16. Juli 1850 Tehrten faft 7 allen Behelfen 
vorbeugender Strenge zurüd. Nod weiter ging 
Napoleons III. Dekret vom 17. Febr. 1852, das die 
Preſſe der Gnade der Verwaltung überlieferte. 
Dieſes Dekret wurbe geändert durch die Gefepe vom 
11. Mai 1868, 15. April 1871 und 29. Dez. 1876, 
Das neueite Geſeh vom 29. Juli 1881, welches end: 
lid einmal ein vollitändiges Geſeß für die perio— 
diſche wie nichtperiodiſche Brefie brachte und an bie 
Stelle von zahlreichen und zerjtreuten Terten einen 
einheitlichen feste, ift aus parlamentarischer Initia— 
tive hervorgegangen und jehr freifinnig. Bezüglich 
ber Zeitungen und veriodiichen Drudjchriften beiteht 


267 


feine —— vorgängiger Genehmigung, 
feine Kautionspflicht, keine Pflicht der Unterzeich- 
nung ber Artilel; beibehalten ift der Gerant (vers 
antwortliher Redacteur), Anzeige: und Hinter: 
legungspflidt. Die Reihe ber Wrehbelitte ift einge: 
Ichräntt gegenüber Peahen Gefegen (Art. 23—41), 
Die Berantwortlicleit in ſtrafrechtlicher Beziehung 
trifft den Geranten (oder en und den Ber: 
le: dagegen den Druder und Verbreiter nur für 
nit mit ihrem Gewerbe in Verbindung ftehende 
Handlungen (Art. 42—46). Die Cigentümer der 
Zeitungen ober periodiſchen Druchſchriften haften 
für Berurteilungen, welche auf Gelb lauten. Cigent: 
lie Prefdelitte, ausgenommen Berleumdung und 
Beleidigung von Brivatperfonen, find vor die Jury 
gewiejen. Cine Ergänzung (betreffend Verteilung 
von unfittlichen Schriften, Bildern u. ſ. w.) brachte 
das Gejeh vom 2. Aug. 1882. — 
Preſſen (frz. presse, engl. press) find im eigent⸗ 
lichen Sinne Apparate und Maſchinen, welche 
dazu dienen, burch den auf einen feiten Körper aus: 
geübten Drud entweder die Oberfläche desjelben zu 
verändern, ober fein Bolumen zu vermindern, oder 
eine in ihm enthaltene 28— zu entfernen. 
(Bol. Prägmaſchineunter MUnze und Münz: 
wejen;Bergolde:, Blinddrud: und Präge— 
preſſen unter Budbinderlunft; Filter: 
preile, Sarnpreffe, Heuprefie; Ölprefie 
unter Slfhlägerei.) In jedem Fall wird das 
betreffende Refultat dadurch erreicht, daß der zu 
peeil ende Körperaufeinefefte Unterlagegebradht und 
em Drud des gegen diefelbe ie a Teils (Blatte 
oder Kolben) * wird. “ den zur Ans 
wendung kommenden Mechanismen bezeichnet man 
die Preſſen als Keil-, Ercenter:, Kurbel-, 
S rauben:,Rniehebel:oderWalzen reſſe; 
nach der verwendeten Betriebskraft als Hand-, 
Dampf: ober Hydrauliſche Preſſe, nad den 
verarbeiteten Materialien oder ben zu gewinnenden 
Probuften ald Thonpreije, Weinprefje ıc. 
Bei den Heilpreifen, bei denen neben dem zu 
preſſenden Gegenftand ein Keil eingetrieben wird, 
ift die Wirkung ungleihmäßig, weshalb dieſe ältejte 
Anordnung jeht nahezu verlaſſen iſt. 

n dig. 1 bis 3 der Tafel: Preſſen find 
Schraubenprejfen bargeftellt. Diefe, die am 
bäufigften vorlommende Art von P., find mit einer 
Schraubenipindel, feltener mit zwei oder mebrern 
verjehen. Die Ausübung des Druds geſchieht dur 
Drehung entweder der Spindel oder der Schraubens 
mutter, welche Bewegung durch Hebel oder Räder: 
wert bewirkt wird. gi . 1 zeigt eine Bowenfde 
Differentialfdraubenpreffe. Die vertikale 
Schraube hat im obern Zeil Gewinde von geringerer 
Steigung al3 im untern. Die Drehung geſchieht 
durch ein Anarrwert, ähnlih dem Mechanismus 
berBobrfnarrer ober = he (f. unter Bohrer 
und Bohbrmafchinen), indem zunächſt die obere 
Schraube bewegt wird, wobei die Preſſung ziemlich 
raf 5* Hierauf wird der Sperrlegel um: 

etehrt, ſodaß bei entgegengefehter Bewegung bes 
Hebel3 gearbeitet wird; die Preffung erfolgt ald: 
dann langfamer, bei jeder Umdrehung um die Diffe: 
renz zwiichen der Steigung ber untern und ber 
obern Schraube. Bei den Schraubenprefien von 
John und Henry Gwynne in London wird bie 
Mutter der Nrebföpraube — und dadurch die 
wirkſame Bewegung der Spindel erzeugt. Entweder 
wird zu dieſem Zwech die Mutter mit Löchern zum 


268 


das Muttergemwinde ijt in die Nabe eines loniſchen 
Rades eingedreht, welch lehteres durch konifche Ge: 
triebe von einer Handfurbel aus bewegt wird 
(Fig. 3). Bei den Kniehebelpreſſen wird die Leber: 
tragung des Druds durd) zwei unter einem Wintel 
Idharnierartig verbundene Streben bewerfitelligt, 
wobei durch Vergrößerung des Winkels eine all: 
mäbhliche Verftärkung des Druds ftattfindet. Cine 
Papierprefſe mit Aniehebelbewegung, von der 
Halleihen Maſchinenfabrik und Giiengießerei ge: 
baut, iſt in Fig. 4 abgebildet. Bei derjelben wird 
burch Klinlwerl mittels eines Hebels oder eines 
Handrades mit Kurbel und Griffen eine rechts: und 
eine linfägängige Schraube gedreht, auf welchen je 
eine Mutter gleitet, an denen die Scharniere ber 
Sniehebel angebracht find. Diefe Preſſe dient fo- 
wohl zum Satinieren des Papiers als auch für die 
mangerli Zwecke der Buchbinderei. In Fig. 5 ilt 
eine Weinprejfe der genannten ge dargeftellt. 
An einer vertifafen mittlern Welle find oben an 
fräftigen Scharnieren die Kniehebel befeitigt. Die 
Anteftüde werden durch Schraubenmuttern gebildet, 
die auf einer rechtö und einer links gejchnittenen 
Schraubedurd deren mittels Hebels und Knarrwerls 
erreihte Drehung gleiten. Die vertilale Welle dient 
gen an welcher die untern Stniehebel be: 
rerigt find, als Führung. In Fig. 6 ift eine Talg: 
prejje derjelben Firma ab ebilbet. Das cylindrifche 
Vreßgefäß hat einen durdläffigen, aus hölzernen 
Stäben hergeftellten Mantel, der für den Ywed der 
Entleerung zum Aufllappen nad) der Arbeitsjeite 
bin eingerichtet ijt. 

‚Bon bejonderer Wichtigkeit find die Hydraus 
liſchen Preſſen, nicht nur wegen ihrer bedeuten: 
den Preßwirkung, fondern auch weil man bei ver: 
bältnismäßig geringem Kraftverbraud den Drud 
nad) Belieben fteigern und durch das an denfelben 
angebrachte Manometer den ausgeübten Drud 

enau beſtimmen fann. Der außerordentlich ftarte 

rud wird bei diefen Mafchinen dadurch erreicht, 
daß mittel einer Pumpe mit Plungerfolben 
(j. unter Bumpen) von geringem Querſchnitt 
ölüffigkeit (Wafler, oder mo dasfelbe dem Gefrieren 
ausgeſetzt iſt, Glyzerin) in ein Gefäß gepumpt wird, 
in welches ein zweiter Kolben von bedeutend größerm 
Querſchnitt, auf den die Preßplatte aufgeſeßt ift, 
taucht. Der Drud pflanzt ſich durch die ganze 
Slüffigkeit hindurch gleichmäßig fort; e8 muß daher 
auf die Querfchnittseinheit des groben Kolbens der: 
jelbe Drud ausgeübt werden, den die Querſchnitts— 
einbeit des Heinen Kolbens erzeugt. Hieraus erklärt 
es ſich, daß mittels der Hydrauliſchen Preſſe ein viel 
ftärferer Drud als mit jeder andern Preſſe ausgeübt 

werden fann. Die Preßplatte —— ſich bei dieſen 
B. meiſt von unten nad) oben, nur bei vereinzellen 
Anwendungen wirkt der Drud in horizontaler oder 
von oben nach unten in vertilaler Richtung. 
ber Iehtgenannten Korftruktion befindet 1 das 
Bumpmwert direlt unter der Preſſe; der feite obere 
zeil wird in feiner Lage durch kräftige chrauben 
fixiert, die einen Querfchnitt entſprechend dem 
häufigen ſtarlen Zug, auf weichen fie beanfprucht 
werden, erhalten müflen, Die Pumpen find für 
Handbetrieb und Mafchinenbetrieb eingerichtet. 
Sig 7 zeigt eine Hydrauliſche Preſſe von John 
und Henry Gwynne. 

Bei der Garnpreife (Fig. y, wird die in dem 
untern Behälter befindliche Flüſſigkeit durch eine 


Dei | ht 
| mehr in Anwendung gelonımen, da ſich genug Leute 


— — — — — — 


Preſſen der Matroſen — Brefjenie 
—— von Dreharmen (Fig.2) —— oder Handpumpe in den Preßſtiefel gepumpt. 


Um 
einem Bruch in der Maſchine vorzubeugen, iſt feit: 
li} ein Heines, durch Hebel mit euiäh belajtetes 
Bentil angeordnet. Bei der Preſſe Fig. 9 find 
zwei Bumpen getrennt vom Preßapparai aufgeftelit 
und mit demſelben durch Hope verbunden. Die in 
Fig. 10 dargeftellte, von Baſſermann u. Mondt in 
Mannheim gebaute Preſſe, welche hauptſächlich als 
Obſtpreſſe, fowie in Laboratorien Berwendung 
findet, bejteht aus zwei burd einen anal ver: 
bundenen, mit Öl gefüllten Eylindern. Der größere 
berjelben iſt vertital, der Heinere horizontal an: 
geordnet. In beiden find Kolben geführt, von 
denen der auf und nieder pedene ftärlere einen 
tellerartigen Aufiag mit Abflußrinne trägt;_auj 
diejen wird ein gelochtes cylindriiches Gefäß geftellt, 
das, um ein Beriprigen der — lüfig: 
keit zu verhindern, mit einem Mantel aus Blech 
—— iſt. Die zu bearbeitenden Subſtanzen 
werden zunächſt mit Hilfe der an dem Schwungrab 
angebrachten Schraubenfpindel, bie auf eine runde 
Platte drüdt, geprebt. Sodann wird mittels der 
Kurbel die untere Schraubenfpindel gedreht und 
dadurd) der Heine Kolben in den Eylinder hinein: 
gedrüdt; das Öl dringt durd den Kanal in den 
größern vertifalen Eylinder, worauf durch Heben 
des größern Kolbens die Brefiung vollendet wird. 
Die gewaltigften bydrauliichen — en 
werben im Lokomotivenbau zur Herſtellung der 
Naben mit Speichen aus einem Stüd für die Yolo: 
motivräder gebraudt. Hierbei wird das bellvot 
warme Eiſen durch den Stempel der Preſſe binnen 
einer Minute in die aus Hartguß hergeſtellte Form 
geprebt. Auch das Aufziehen der Lotomotivräber 
aufdie Achſen gefchieht mittels hydrauliſcher Preſſen. 
Die Nabe des aufzuziehenden Nades wirb koniſch 
—— entſprechend koniſch, —* 1', mm 
ſtärler, wird die Achſe abgedreht, r die leptere 
Preſſung werden die Materialien nicht erhigt. Zur 


| Heritellung von Blechdoſen, Patronenhülien, Ber: 


zierungen an Bijouterien, beim Nieten ftarter Bleche, 
zur Anbringung von Verzierungen auf Papier und 
bei Anfertigung von Attrapen benupt man ®., 
deren Preßplatten mit den beabfichtigten Form: 
veränderungen entiprechenden Vertiefungen oder 
Erhöhungen verfeben find. 
ber die in den —— Künſten zur 
Vervielfältigung von Schriftſtücken oder Zeichnun⸗ 
gen dienenden P. f. die Artikel: Brieffopier- 
preffe, Buhdruderfunft, Kupferdrud, 
Schnellpreſſe und Steindrud, 
effen der Matrofen, eine geiehlihe Nah: 
regel in oem, wonach im Sriegsfalle, bei 
mangelnder Mannſchaft, Kriegsichiffe vom Sande 
Seeleute aufgreifen oder fie auch von engl, Han: 
delsſchiffen nehmen und fie bis Er Ende des Kriegs 
in Dienit behalten konnten. Das Geſehß it zwar 
noch nicht aufgehoben, jedoch in neuerer Zeit nicht 


zum freiwilligen Eintritt in die Marine meldeten. 
Preſſenſe (Edmond Dehoult de), franz. prot. 
Theolog, geb. & Paris 7. Jan, 1624, uber 
1842—45 zu Laufanne unter Binet Theologie, 
worauf er 4 die Univerfitäten Halle und Berlin 
befuchte. Nah Paris zurüdgetehrt, wurde er im 
Sommer 1847 als Paſtor der evang. Freilirche an 
der Kapelle Taitbout angeftellt und jpäter Profeſſor 
der Ecole libre des sciences  theologiques. 
Seine glänzende Nebnergabe, das Feuer feiner 


Preßfreiheit — Preſtel 


religiöfen Begeiſterung und fein Kampf für völlige 
Unabhängigteit der evang. Kirche von der Staats: 
gewalt machten feinen Namen bald in weitern 
Kreifen befannt. Auch feine zahlreichen Schriften, 
die fih durch ebenfo viel Wärme als Berediamteit 
auszeichnen, haben zum größten Teil eine praltiſch— 
religiöfe Tendenz. Im ganzen ftebt er der deutichen 
Bermittelungstheologie nahe, Unter P.s zahl: 
reihen Schriften find erbaulichen Inhalts «Le re- 
dempteur» (Par. 1854; deutſch, Gotha 1883), «La 
famille chretienne» (deutſch, Lpz. 1864), «Discours 
religieux» (Par. 1859) u. ſ. w. Bon feinen biftor. 
und dogmatischen Arbeiten find hervorzuheben die 
von der Afademie gefrönte «Histoire des trois pre- 
miers siöcles de l’öglise chretienne» (deutſch, 
6 Bde. ,2p3. 1862— 77), «J&sus-Christ, son temps, sa 
vie, son euyre» (3. Aufl., Bar. 1866 ; deutich von Fa: 
barius, Halle 1866), «Le Concile du Vatican, son 
histoire etc.» F 1872; deutſch von Fabarius, 
Nördl, 1872), »Ktudes Evangäliques» (Par. 1867; 
deutih von Jabarius, Halle 1869), «Les origines» 
(Bar. 1882; 4. Aufl. 1884; deutſch von Fabarius, 
Halle 1884). Auch begründete B. 1854 die «Revue 

chrötienne» und das «Bulletin theologiquen». 
tehfreiheit, ſ. unter Brejje und Preß— 
gelebaebung. gefehgebung. 
efee, Sf. unter Preſſe und Preß— 

wen, f. unter Preßbau. 
Fr e iſt fünftlich kultivierte Hefe, die zur 
ehe der lebhaftejten Vegetation von ihrer Nähr: 
figkeit getrennt und durch Abpreflen in Hebel: 
und Silterprefien fomweit wie möglih von Feuch— 
tigkeit befreit ift. Sehr häufig, fait immer, wird 
fie zur leichtern Entwäflerung mit Kartofielitärte- 
mebl vermiſcht. Ihre Dar — ———— einen 
nicht unwichtigen Induſtriezweig. Sie findet aus— 
gedehnte Verwendung bei der Bereitung des Brotes 
und ſonſtiger Badwaren. 

‚Breflieren (lat.), drängen, treiben; Eile haben, 
feinen Aufſchub leiden; Pre f fion, Bedrängung, 
Drud, Beeinfluffung. 

Breffionsführung „ſ. u. Geſchütz, Bd. VL, 
S. 888 


— ————— Robert), —— forſt— 
— air chriftſteller, geb. 17. Jan. 1815 
Dresden, beſuchte die Pealicule und technifche 
ehranſtalt dafelbit, wurde 1836 Lehrer an der Ge: 
werbejchule zu Zittau, 1840 Profeſſor an der forit: 
und landwirticaftlihen Akademie zu Tharand; 
1883 trat er in den Rubejtand, Im J. 1858 er: 
ſchien das erſte Heft feines «Nationellen Wald: 
wirtön: «Des Waldbaues Zuftände und Zweden 
Dresd.), 1859 das zweite Heft: «Die forftliche 
Finanzrechnungy. Diejes Werk war bahnbrechend 
und begründete eine ganz neue Schule der forftlichen 
Miffentchaft und Praris, die ſog. «Neinertrags: 
ſchuley. Sein «Forftlices Hilfsbuch für Schule und 
Brariss (Dresd, 1869) iſt das umfaflendite Wert 
auf diefem Gebiete. Mit Kunze bearbeitete P.: 
«Die Holzmehkunft in ihrem ganzen Umfang» (Berl. 
1872). Grobe Berdienjte erwarb er ſich auch durch 
feine Lehre vom «Meiferprogent», (5. unter Fort: 
abj äbung, Foriteinrihtung und IE 
mat ematif.) Für die Schäkung ftehender 
Bäume und Beitände entdedte B. ein neues, vor: 
ügliches Verfahren, die og. Richtpunktsmethode, 
Dar Unterjuhung des Zuwachſes ftehender Bäume 
erfand er den jog. Zuwachsbohrer, mit welchen 
man dem Baum einen dünnen Span entnehmen 


269 


fann, um die Jahresringe zu meſſen und zu zählen. 
Aud) rühren von ihm mehrere praftifch konftruierte 
Tabellenwerte ber, unter denen der «ingenieur: 
Mebfnecht mit Tertbud;» (5. Aufl., Tharand 1876), 
“ —— Zafeln» (3, Aufl., Tharand 
1882) und aForſtliche Nubierungstafelns (6. Aufl, 
Tharand eine find, 

Prefnig, Stadt in Böhmen, Bezirkshaupt ⸗ 
mannſchaft Kaaden, im Erzgebirge ‚Station der 
Linie Komotau:Weipert der Bufchtichrader Eifen: 
babn, ift Sit eines Bezirlsgerichts und zählt (1880) 
3487 beutjche E. welche Spigenklöppelet und Fabri: 
fation von Muftlinftrumenten treiben. Tie pre: 
niber —— aften (Harfeniſtinnen) unterneb: 
men Reifen durch halb Europa. 

— Preßpappe oder Tuchkarten, 
ſ. Klanzpappe. 

Preffvergehen liegen im Gegenſatz zu Preß— 
poltzeivergeben dann vor, wenn eine ſtrafbare Ge: 
dantenäußerung öffentlich durch Verbreitung von 
Drudicriften erfolgte. In der Verbreitung liegt 
die Begehungshandlung; bis diefelbe ftattjand, lies 
gen Vorbereitungshandlungen vor, 

Prebpolizeivergehen find dagegen Über: 
tretungen ganz beftimmter ——————— en, 
namentlich der Pflicht der Rennung der bei Herſtel— 
lung und Ausgabe von Drudſchriften beteiligten 
Perjonen, der Bilicht der Hinterlegung eines Erem: 
plars jeder Nummer ber periodifhen Preſſe gleich: 
zeitig mit der Ausgabe, der Pflicht zur Aufnahme 
von Beridtigungen u. dal. Für diefe Vergehen 
find meift kürzere Berjährungsfriften (6 Monate) 
feftgefebt und in Bayern, Württemberg, Baden 
und Oldenburg für P. die Shwurgerichte als ent: 
ſcheidende Berichte beibehalten. 

Prefziegel find mit Hilfe von Prefien herge— 
ftellte Dauerziegel oder aud nach dem Formen und 
teilweifen Trodnen zu dem Zwede befonders nad) 
geprefte Maſchinen- oder Sandziegel, um ihnen 
eine eraftere oder glattere Oberfläche zu geben. 

Prefteigue, Hauptitadt der engl. Grafſchaft 
Radnor (f. d.) im Fürftentum Wales, 

age (Joh. Gottlieb), Maler und Nupfer: 
fteher, geb. 1739 zu Grünbad in Schwaben, er: 
bielt den erften Unterriht in der Dlalerei durch die 
Brüder Zeiller in Tirol, ging 1760 nad) Venedig 
und 1767 nad Rom, In der Schweiz, wo er ſich 
nachher aufbielt, beichäftigte ef fich befonders mit 
Borträtmalen, wobei ihm Yavater zur Seite ftand; 
in Nürnbera, wo er dann lebte, fing eran, mit 
dem Grabftichel zu arbeiten. Später begann er 
in Nötel: und Tufchmanier zu arbeiten und ver: 
ſuchte fi dann nicht ohne Glüd im Radieren. So 
entitand eine befondere Handzeihnungsmanier, die 
ihn berühmt gemacht hat. Er wußte die > 
nungen auf das alüdlichite in der Nadierung na 
zuahmen. Die Blätter, welche er herausgab, über: 
trafen alles, was Engländer und Franzofen hierin 

eleiftet haben. Im x 1783 ließ er fi in Franl: 
—* a. M. nieder; Beam gine er nad Augsburg, 
wo er 5. Dft. 1808 itarb. Vorzüglich befannt find 
feine in —— 1780, 1782 und in Wien 1779 
————— rei großen —— intereſ⸗ 
anter Zeichnungen der vorzüglichſten Maler aus 
mehrern Schulen, wovon die erite 48, die zweite 
30, die dritte 36 Blätter enthält. 

Preftel (Michael Aug. Friedrih), Meteorolog, 
geb. 27. Dit. 1809 zu Göttingen, war am Gym: 
nafium au Emden, zeitweife auch an der Naviga: 


— 
2 


Ä ıVOQJIE 


270 


tionsfchule dafelbit thätig. Er richtete 1864 an den 
bannov, Hüften ein Sturmwarnungsſyſtem ein und 
— ſich durch zahlreiche Abhandlungen um ver— 

chiedene Zweige der Meteorologie verdient ge— 
macht. P. ſtarb zu Emden 29. Febr. 1880. 

Preftidigitatenr, ſ. —— 

Pre © (frz.), eigentlich Blendwerk, Gaufelei; 
dann foviel wie Nimbus, überlegenes Anjeben. 

— Erestie), Stadt im weſtl. Böhmen, 
lints am Sie Angel, Station der Linie Pilien: 
Eifenftein der —— Staatsbahnen, Sit 
einer Bezirlshauptmannſchaft und eines Bezirks: 
gerichtö, mit re 3066 E. jlaw. Zunge, bat 
große Viehmärlte. . 

Presto (ital., «eiligr), in der Mufil das ſchnellſte 
ber fünf Haupttempi; eine weitere Steigerung ift 
nur Prestissimo (jehr eilig). 

Preiton, Muntcipaliabt und Barlaments: 
borough in der engl. Grafihaft Lancafter, rechts 
am ſchiffbaren, fifchreichen Ribble und am Lancafter: 
fanal ey einer 40 m bohen Anhöhe gelegen, iſt 
Station der Linie Stafford:Warrington:Lancafter: 
Garlisle der London:Norbweitbahn und ber Linien 
Mandheiter » Bolton: B. : PRoulton, P.⸗Ormslirk— 
Liverpool, PB. : Wigan und P.-Lytham-Blackpool 
der Lancafhire » Horkibirebabnen, und zählt (1881) 
96532 E. Im 18. Jahrh. hatte fie ald Sik der 
Gerichtshöfe des Herzogtums Lancafter und als 
Sammelplatz de3 Adels ber nächſten Umgebung 
ein vornehmes Anfehen; feit dem Auflommen der 
Daumwollinduftrie a ift fie durchaus Fabrit: 
und Handeläftadt. Sie bat 25 Kirchen und Sa: 
pellen, eine Lateinſchule, einen Verein zur Verbrei: 
tung nüßlicher Henntniffe mit Bibliothef und Mu: 
feum, einen Aderbauverein, ein Theater, eine Korn:, 
eine Tuch: und eine Markthalle und ein Taub: 
ftummeninftitut. Cine Statue des Grafen Derby 
wurde im Juni 1873 enthüllt. Es gibt bier und 
in der nädften Umgebung 220 Fabrifen und 2000 
Werkjtätten mit mehr als 24000 Arbeitern, meiſt 
Baumwollfabriten, dann Leinwandfabrilen, Gifen: 
und Meflingeiehereien, Mafchinenfabriten, Walz: 
darren, Brauereien, Gerbereien und Seilerbahnen. 
Kleine Seeſchiffe gelangen bis zur Stadt. Bei P., 
das einſt Prieſt's⸗Town bieß, auf dem Nibbleton 
Moor, erfochten 18.—20. Aug. 1648 Crommell und 
Lambert einen Siegüber dieNoyalijten und Schotten 
unter dem Herzog von Hamilton, und an berjelben 
Stelle wurden 1715 die Anhänger des Prätendenten 
Jalob (III.) Stuart durch die Generale Willes und 
Carpenter geſchlagen und zerfprengt. Etwa 21 km 
nordöftlich von P. liegt das berühmte Fefuitenkolleg 
Stoneyhurft mit 200 Zöglingen. 

Preiton (Richard Graham, Viscount), f. unter 
Graham Geſchlecht). 

Prefton : Band, Heiner Hafenort der fchott. 
Grafſchaft Haddington, 12,9 km öftlih von Edin— 
burgh, ſüdlich am Firth of Forth gelegen, mit 
1592 €,, die Fiſcherei, Aufternfang, Salzftederei, 
Geifenfiederei und Ziegelbrennerei treiben, iſt Sit 
eines deutſchen Konfularagenten und befonders be: 
rühmt wegen ber Auftern, deren beite unter bem 
Namen Pandoor3 weit und breit verichidt werden. 
Hier erfodt 2. Dit. 1745 der Prätendent Karl 
Eduard einen Sieg über den engl. General Gope. 

Preftonfalz it Bitterfalz (ſ. d.). 

Prefttwich, Stabt in der engl. Grafichaft Dan: 
cafter, nahe Mancheiter, hat (1881) 8627 E. und 
Daummwollipinnerei. 


Preftidigitateuer — Preuner 


eti (Maria), ital. Maler, f. Calabrefe. 
8 (lat.), koftbar, wertvoll, gesiet; Pre— 


tiofen, Koſtbarleiten, Geſchmeide, Cdelſteine. 
Pretiso (Siſinio, Freiherr von P.Cagnodo), 
öfterr. Staatsmann, geb. 1828 in Hamburg als 


— dortigen öſterr. Generalkonſuls, ſtudierte 
in Jnnsbrud, Prag, Göttingen und Heidelberg, 
diente bei den Finanzbehörden im Süden des Reis, 
vornehmlich in Trieit, 1850-62, dann im Marine: 
minifterium, bierauf im Handelsminifterium. Als 
Autorität in Zollangelegenbeitenbelannt, reihänb: 
ler feiner lͤberzeugung nach, ſchloß erdie meiſten Han⸗ 
delsverträge (mit Frankreich, Italien, Deutſchland). 
Nah Pleners Nüdtritt ſchied er aus dem Miniſte— 
rium und wurde 1871 Statthalter von Trieſt und 
Küftenland. Im Miniſterium Auersperg wurd: 
er 1872 Finanzminifter. Er fuchte die Folgen der 
1873er Krifis zu heilen, begann die Steuerreform 
und fchloß den Ausgleih mit Ungarn. P. war 
außerjeben, ein Kabinett ug Auerspergs Ent: 
(afjung zu bilden, fand aber bei den Führern der 
euer «liberalen Bartei, von denen er bie Ver: 
längerung des Wehrgefeges und die Anerlennung 
der Occupation verlangte, feine Unterftügung und 
unterließ deshalb die Habinettsbildung, was die 
Berufung Taaffes zur Folge hatte. P. ging im 
—— als Statthalter nach Trieſt. 
etoria, Hauptſtadt der füdatrif. Republik 
(Transvaal), Vorort de3 Diſtrilts P., Siß de3 
Vollsraads und der Regierungsbehörden, am Ab: 
bange der Magaliesberge, hatte (8. Febr. 1881) 
eine Bevölkerung von 1550 Weißen und 1350 
Schwarzen, außer der Befakung von 842 Mann 
regulärer Truppen und 700 Freiwilligen, von denen 
in * der größte Teil den Ginwohnern von P. 
angehörte. In der Nähe find Bleiminen, 
rettin, Stadt im preuß. Regierungsbesirt 
Merfeburg, Kreis Torgau, unweit rechts der Gibe, 
18 km im NW. von Torgau, Sik eines Amts: 
gerichts, . (1880) 1877 E. Dicht an P. ſchließen 
ih die Dörfer Hinterfee und Lihtenburg an, 
legtere3 mit Schloß, feit 1811 Strafanftalt. 
retze, ſ. Brebel, 
euſch, Stadt im preuß. Negierungäbenirt 
Merfeburg, Kreis Wittenberg, nahe linl3 der Glbe, 
at (1880) 2026 E., Schiffahrt und Fiſcherei. 
chloß P. auf der Elbjeite, Schon von den Wenden 
als feite Burg (Pretofinie im Gau Nizizi) benutzt, 
1697—1727 Wo sie von Chrijtiane Eberhardine, 
Gemahlin Auguft3 II. von Polen und Sadjen, feit 
1829 eine Tocteranftalt des Fönigl. Waijenhaufes 
in Potsdam für Mädchen. Unweit ſüdweſtlich der 
Stadt liegt die königl. Domäne P. mit Part. 
Preuner (Chriſt. Ludw. Auguſt), klaſſiſcher 
—— und Altertumsforſcher, geb. 14. Sept. 
1832 zu Obringen in Württemberg, ftudierte in Tu— 
bingen, war dann in verichiedenen Lehritellungen 
thätig, wurde 1860 Bibliothelar des theol. Stifts in 
Tübingen, habilitierte fich dafelbit 1864 als Privat: 
bocent der Haffiihen Philologie und wurde 1866 
außerord., 1870 ordentl. Brofeflor der Archäologie 
und ber öeſchicht⸗ des klaſſiſchen Altertums an der 
Univerfität in Greifswald. Cr bat mit feinem 
Hauptwerk «Heſtia —Veſta. Ein Cyllus religions: 
—— * ungen» (Tüb. 1864) den ſeit⸗ 
namentlih auch von W. H. Roſcher verfolgten 
Meg der zugleich hiltor, » fritiihen und vergleichen: 
den Grforihung ber grieh. und röm. Mythos 
logie und —— * betreten. Außerdem 


EROVIENZENZEOSTZZUEN 


m ng 00 


> 35 3 Vestl. Lange 37 w 








— 


Erklärungen. 
ua) Preussische Provinz Ost - Preussen 
| nn | - West 


I 
| 
1 


STADT mit über 100000 Eure. ©Stadt mit über 1EB09 Eirw. ı ! 
STADT se . eh... | t 
o Stadt 2000 . as . . Se. 


ee a ee ar ie , 
die der Kreise dusfäch unterserichm. ! 
Maßstab 1: 1750000. 
Der Ba. — — 
































12 
N 
E: 


Rrorkhanm‘ Tan: Lexikon. 1% Aufl 


Ze a 


‘DD WEST " PREUSSEN: 








x — 


Ex SHE = 

—8 — Se 

—— — 
— 











u — — Zu Artikel Preunsen 


Preufelbeeren — Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


* —— die un — — N bi 
ardhäol, Unterjuhung auf Grun ndberichte» 
Greifsw. 1874) und «fiber die pergameniſchen 
fulpturen » (in den « Berhandlungen der ftettiner 
BVhilologenverfammlung», Zpz. 1881). 
elbeeren, f. unter Vaccinium. 

(9 . David Erdmann), — 
geb. 1. April 1785 zu Landsberg an der Warthe, 
widmete fih in Frankfurt a. D. theol. und huma⸗ 
Ad 


ſchrieb 


tudien. e Schrift «Die ſchönen 
fünfte in Deutichland» (2Bde. Berl. 1814—16) 
ab gern de , daß er 1816 ala Lehrer der Ge: 
chichte und —* Litteratur an das Friedrich— 
ilhelms⸗ Inſtitut in Berlin berufen wurde, Einige 
Zeit darauf erhielt er auch den Titel eines lönigl. 
rofefjors ber Geſchichte und 1841 —— ſeine 
nennung zum Hiſtoriographen des lönigl. Hauſes 
Brandenburg. Nachdem er ſich jedoch 29. April 
1860 von feinem Lehramt zurüdgejogen, ftarb er 
24, r. 1868 zu Berlin. Aus * tudien 
zur ichte vn“ IH. ging zuerſt die «Bio: 
grapbie iedrichs d. Or.» (4 Bde, Zert und 5 Tle. 
rlunden, Berl. 1832—34) und fobann bie mehr 
rt bad Kine: Bublitum berechnete Schrift «Die 
ageichichte des groben Königs von ur 
Ben, Friedrichs IL.» (2 Bde., Berl. 1834; 2. Aufl. 
1837) bervor; darauf folgten «Friedrich d. Gr. 
ala Schriftfteller» (Berl. 1837;, Ergänzungsheft 
1838) und ⸗Friedrich d. Gr. mit feinen Verwandten 
und Freunden» ra Pen a Die Schlußſchrift 
diefes Cyllus bildete die Jubelfchrift « Friedrichs 
d. Gr. Jugend und Thronbefteigung» (Berl. 1839). 
Während der fpätern Zeit wurde P.' ganze Thätig: 
feit durch die Ausgabe der « Oeuvres » Kriedriche 
d. Gr. (30 Bde., nebſt Negifter, Berl. 1846—57) 
in Anfprud genommen. . 

; en (Brovinz P.) hieß bis 1378 die nord: 
öftlichite Provinz der Preußiſchen Monardie; die: 
felbe umfaßte 62459,97 qkm mit (1875) 3199171 
G. (worunter 70,» Proz. Evangeliſche, 27,9 Proz. 
Satholiten, 1,3 Proz. Juden), zerfiel in die vier Ne: 
gierungsbezirfe Königsberg, Gumbinnen, Danzig 
und Marienwerder, hatte Königäberg ur Haupt: 
ftadt, wurde aber, durch Gefeh vom 19. März 1877, 
am 1. April 1878 in die beiden felbitändigen Pro: 
vinzen Dftpreußen (f. d.) und Weitpreußen (f. d.) 
= t. Hierzu eine Karte; Preußen (Oft: und 
Srcnhen ſchſatiſiſch. Das A 

renfen (geographiich:itatiitiih). Das König— 
reich B., der größte Staat des Deutſchen Neichs, 
iſt —— aus einer langen Reihe von Land— 
erwerbungen, deren Kern die Markgrafichaft Bran— 
denburg bildete. Im S. der Oſtſee, Medlenburgs, 
Dänemarls und der Nordſee und im N. Öfterreichg, 
Sachſens, ber t Eng. Staaten, Bayerns und 
Air dehnt 4 a8 Yand von den Grenzen Ruß: 
ands bis Elfah-Lothringen, Quremburg, Belgien 
und Niederlande aud. Mit Ausnahme von 14 Gr: 
Haven in dreifach fo vielen Stüden, fowie verjcie: 
ben großer, zu 16 andern leer Staaten gehö— 
riger Enllaven iſt das Gebiet P.s feit 1866 ae: 
ſchloſſen. Es erjtredt ſich zwiſchen 49° 6’ 45" (fü: 
lihfter Punlt der Rheinprovinz), einſchließlich 
Hohenzollern dagegen zwiſchen 47° 36’, und 55° 53' 
40” nörbl. Br. und zwijchen 23° 31’ 55” und 40° 
33’ 25" öſtl. 2. von Ferro. Die Äußere Landes: 
grenze des Hauptgebietes, abgefehen von den Gren: 
en der Erflaven und Enllaven, ift rund 7600 km 
ang; davon fallen 1244 auf die Grenze gegen die 


271 


Oſtſee, 410 gegen die Nordfee und raft 6000 auf bie 
Sandgrenze; an lehterer find beteiligt: Rußland 
mit 1357, Öfterreich mit 765%, , Luremburg mit 
125, Belgien mit 112, Niederlande mit 607, Däne: 
marfmit 75. —— ——— ächen⸗ 
inhalts liegen bisher nicht von allen Teilen des 
Staats vor; die Grundſteuerverwaltung Earl 
1883 benjelben auf 352485 qkm, einſchließlich 
4154 qkm Inhalt der drei großen Haffe an der Dit: 
fee, der engen Gewäfler um Rügen und Bingft, ber 
Glbflädhe auf holftein. Seite und bes Jadebufens. 
Seit der Mitte des 19. Jahrh. wurden neu erwor: 
ben: da3 Gebiet des Kriegähafens am Jadebuſen 
3,40 qkm vom Großherzogtum Oldenburg durch 
Kaufvertrag vom 20. Juli und deſſen Nachtrag vom 
1. Dez. 1853 (in Beſiß genommen dur atent 
vom 5. Nov. 1854), am 8. April 1873 vergrößert 
auf 15 gkm, gemäß Vertrag vom 16, Febr. 1864; 
das früher dem König von Dänemark unterworfene 

erzogtum Lauenburg mit 1182 qkm nad dem 

iener Friedensvertrag vom 30, Oft. 1864, und der 
Gafteiner Kauflonvention vom 14. Aug. 1865 zwi: 
ſchen P. und Öfterreich durch das Gefek vom 23. Juni 
1876; die früher mit Dänemark in Berfonalunion 
ftehenden, feit dem Deutſch⸗Däniſchen Kriege von 
1864 von P. und Hfterreih gemeinfam verwal: 
teten und durch den ‚Brager Friedensvertrag vom 
23. Aug. 1866 für P. allein behaupteten Herzog: 
tümer Schleswig (wovon die äußerſte Nordland: 
— an Dänemark zurüdgegeben ward) und Hol: 
tein mit 17665 qkm ug mittel3 Vertrags 
vom 27. Sept. 1866 das Amt Ahrensböl an Dlden: 
burg abgetreten war), beibe in B. förmlich aufge: 
nommen durch Geſeß vom 24. Dez. 1866; ferner 
auf Grund des Berliner Friedensvertrags vom 
22. Aug. 1866 die früher bayr. Landesteile Bezirk: 
amt Gerzfeld, LandgerihtsbezirtOrb ohne Aura und 
Gemeinde Kaulsdorf mit 542 qkm; die vom Gros: 
berzogtum Heflen am 83. Sept. 1866 abgetretene 
Landgrafſchaft Heſſen-Homburg nebit der Herrſchaft 
Meiſenheim, ſowie die ehemals heſſen-darmſt. Kreiſe 
Vöhl und Biedenkopf nebſt dem nordweſil. Teile 
des Gießener Kreiſes, dem Ortsbezirk Rödelheim 
und dem Anteil an Niederurſel mit zuſammen 
1065 qkm; durch das Recht der Eroberung und bie 
Ginwilligung des Landesherrn das ehemalige Kur: 
fürjtentum Heffen (nad) Abtretung von 69 qkm an 
das Großherzogtum Heflen und eines Walodiftrilts 
an den Herzog von Coburg:Gotha) mit 9403 qkm, 
fowie das ehemalige Herzogtum Naffau (nad) Ab: 
tretung von 17 qkm an Heſſen) mit 4674 qkm; 
dur Eroberung und auf Grund des Bejehes von 
20. Sept. 1866 das Gebiet der ehemals Freien 
Stadt Frankfurt a.M. (nah Abtretung von 13 qkın 
an Hejlen) mit noch 84 qkm; endlid) ebenjo, ohne 
Zuſtimmung des frühern Landesherrn, das ehema: 
lige Königreih Hannover mit 38475 qkm. Spätere 
Grenzverträge mit Niederland, Öjterreih, Sachjen: 
Altenburg, Bremen, —— Braunſchweig, An— 
halt, Oldenburg und Medlenburg-Schwerin brad): 
ten nur unbedeutende Arealveränderungen zu Wege. 
Seit 1853 iſt etwa ein Fünftel des heutigen Areals 
neu erworben. Das gegenwärtige Territorium 
P.3 wird mit Einrechnung von Berlin und Hohen: 
zollern in folgende 14 Provinzen eingeteilt: Dit: 
preußen, Weitpreußen, Stadtkreis Berlin, Bran: 
denburg, Pommern, Poſen, Schlefien, Sachſen. 
— —— Hannover, Weſtfalen, Heſſen— 
Naſſau, Rheinprovinz und Hohenzollernſche Lande. 


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272 


(Vgl. die Politifhe Überfihtstarte des 
Deutihen Reihe, Bd. V, ©. 205. Karten der 
verichiedenen Gebietsteile finden ſich bei den Ar: 
tifeln der einzelnen Provinzen.) j 
Die Bodengeftaltung P.3 ift ſehr mannig: 
faltig; in reihem Wechſel bat e3 tiefe Ebenen, 
welliges Hügelland, waldreiche Mittelgebirge, fub: 
alpine Regionen und ſelbſt Hochgebirge, da aber 
feine diefer Formen einfeitig weite Flächen bededt, 
% ijt es nicht allein an landſchaftlichen Schönheiten, 
ondern auch an natürlichen Hilfsquellen rei. Der 
weitaus größte Teil des Staatögebietes gehört den 
norddeutichen Tieflande an, welches von einzelnen 
oftweftwärts ftreichenden Hügelfetten (Baltiicher 
Landrüden) belebt, fanft nad) Norden hin abfällt 
und, jtredenweife vom Meere ſelbſt durch veränder: 
liche Tünen (die höchſten in Europa, auf der Kuri— 
* Nehrung bis 62 m hoch) gegen die Fluten ge: 
ſchutzt, ah in den Meeresboden übergeht; Aus: 
nahmen bilden fait allein die ſamländiſchen Steil: 
füften, die Inſel Nügen, deren Kreidefelſen ſchroff 
am Strande emporjtehen, und der Nordoiten 
Schleswig:Holiteing mit feinen von tief eingreifen: 
den Föhrden (HFiorden) zeridnittenen hohen Ufern. 
Gegen die Nordjee find an verſchiedenen Stellen 
toftipielige Dämme aufgeführt, um das bahinter 
zum Teil tiefer als der Waſſerſpiegel liegende Land 
vor — zu ſchüßen, von welchem gleich— 
wohl manche Sturmflut größere Strecen in eine 
neu gebildete Meeresbucht verfenkt; auch im Nor: 
ben der Provinz Preußen und in Norbweiten Pom— 
merns war man mehrfach zu künſtlichem Küften: 
ſchuhe genötigt. Die vorgedadhten welligen Cr: 
bebungen des Bodens bilden einen breiten Haupt: 
ftod im preuß. Landrüden, fteigen im preuß.:pom: 
merſchen Höhenrüden bis 334 m im QTurmberg, 
erreichen in Bungsberge in Holjtein noch 159 und 
in Schleswig 110 m, Angenehme Formen bildet 
der märtiice Höbenrüden in den Freienwalder 
Dergen (Märkiihe Schweiz). Südlicher ftreicht ein 
zweiter Höhenzug, bier und da von Tieflandb unter: 
broden, vom Tarnowiber Plateau (St. Annaberg 
390 m) aus in wejtnordweitl,. Nichtung fort; ben 
jufammenbängenden —— bat man die Na: 
men Trebniber Höhen (Weinberg 310 m), Grüne: 
berger Hügelland (Nüdenberg 228 m), Fläming 
tHageläberg 201 m), Huywald (311 m), Haldens: 
lebener Hähen, Hellberge (150 m) u. f. w. gegeben; 
er verläuft in der Lüneburger Heide, wo ſich der 
höchſte Punkt noch 171m erhebt. Teils zu Füben 
biefer Bergzüge, teil3 mitten in der Ebene oder in 
Meeresnähe breiten fich weite Bodenſenkungen aus, 
von denen bentertt zu werden verdienen: die Til: 
fiter Diemelniederung, die MWeichfelniederung, der 
Nebebruh, der Marthe: und Obrabruc, der Oder: 
bruh und das Mündungägebiet der Oder, der 
Spreewald, das Havelluh, die Niederung der 
Schwarzen Elfter, der Drömling, die Marſchen in 
Schleswig-Holitein und Hannover, die Torfmoore 
in Hannover und Münfterland und die Ebene des 
Niederrheing. Dieſes ganze Gebiet befteht faft durch— 
weg aus Diluvialbildungen, in welchem erratifche 
Blöde aus dem Norden nicht felten find, und aus 
Zertiärformation, aus welcher bier und ba ältere 
Felsbildungen bervorragen. Im füdl. Dritteil 
waltet der Gebirgächaralter vor. Zunächſt wird 
das Örenzgebiet gegen Oſterreich vom Subetenzuge 
erfüllt, innerhalb defien der Schneeberg 1424 m, 
das Gulengebirge in der Hohen Eule 1014, da3 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


Reinerzgebirge in der Hohen Menfe 1085, die Heu: 
ſcheuer 919, der ifolierte Zobten 718, das Niefen: 
gebirge in der Schneefoppe 1601, das Iſergebirge 
in der Tafelfichte 1124, das Lauſiher Gebirge end: 
lih in der Landskrone bloß noch 429 m erreicht. 
Den Südmeiten der Provinz Sadhien bededt das 
Jähl. »thüring. Dergland in verfhiedenen Formen: 
der Frankenwald mit dem Nofenpiehl von 537, der 
Zhüringerwald mit bem \nfelöberge von 914 m 
Höhe, das thüring. Hügelland an Saale und Un: 
ſtrut, die Schmüde, das fahle Plateau des Eichs— 
felde3 mit dem Obmberge von 523, nördlicher der 
Unterharz mit dem Namberge von 537, der Ober: 
herz mit dem Broden von 1141 m Höhe. Nad) 
eiten zu ſchließen fih die unter dem Sammel: 
namen des Wejergebirges bekannten, im Moosberge 
auf 494 m fteigenden Gruppen des Thüſter-, des 
Deilter:, des Solling, des Teutoburgerwaldes und 
ber ir an. Ohne —— Unterbrechung 
reiben ſich ſüdlicher im alten Franlen der Reinhards— 
wald (Staufenberg 467 m), der Meißner von 751, 
die Hohe Rhön mit der Großen Waflerkuppe von 
950, das Sauerland (Haaritrang, Yennegebirge 
u..m.) mit dem Kahlen Aſten von 830, der Weiter: 
wald mit dem Fuchslauten von 657, der Taunus 
mit dem Großen Feldberge von 880 m Höhe an, 
und das maleriſche Siebengebirge ſchließt dieſen 
Gebirgsftod ab. Das Rheinthal ſcheidet ihn von 
ben gleichfalls eine große Mafie bildenden weſtl. 
Hodplatten: dem Vorgebirge, dent Hohen Veen 
von 695, der Schnee: Eifel mit dem Wiejenftein 
von 710, der Eifel mit der Hohen Acht von 760, 
dem Soonwalde mit dem Simmerer Hopf von 663, 
dem Hundsrüd mit den Zwei Steinen von 781, dem 
Hochwalde mit dem Walderbeslopf von 814 m Er: 
ebung über dem Meere. Hohenzollern gehört der 
chwaͤbiſchen Alp an, welche hier im Hohenzollern 
866 m und im Hornbühl 886 ım erreicht. P.s oro: 
graph. Öliederung iſt zumgroben Teil nurim Zuiam: 
menhang mit derjenigen Deutſchlands zu veriteben. 
(S. Deutfhland und Deutſches Reich.) 
Die Bodenbeſchaffenheit des norddeutſchen 
Tieflandes, eined Prodults mehrerer geolog. Bil: 
dungsepochen, wedjielt je nad) den aufliegenden 
Tiluvial: und Alluvialſchichten vom beiten Weizen: 
und Nübenboden bis zum gänzlid) ertraglofen Flug: 
fand. Stauende Näſſe des Untergrundes vereitelt 
in weiten Streden häufig die Mühe des Anbaues, 
und erſt eine jahrhundertlange eifrige Ableitung der 
Sumpfgewäfler vermochte laum bewohnbares Yand 
in fruchtbare Gefilde umzuſchaſſen, wie beiſpiels— 
weije Die map und ben Oderbruch. 
Höher gelegene Streden leiden in trodenen Jahren, 
welche glüdliherweife den mit ihnen abwechſelnden 
Niederungen mn ute lommen, Dangel an befrud;: 
tenden Niederichlägen. In den nordweſtl. Provin: 
en wedhfelt trodener- und farger Geeitboden mit 
umofem Marſchlande und abjolutem Torfmoor 
ab. Die Länderrüden, welche bie —— durch⸗ 
ziehen, beſtehen zumeiſt aus Sandſchichten mit 
geringer —— von Thon, welche bei der 
furzen Dauer der Beſtell- und Erntezeit keinen 
reihen Ertrag zulaſſen. Kaum vorteilhafter für 
die Vegetation ift der Kallboden des oberſchleſ. 
Plateau, Eine außerordentliche Fruchtbarkeit wohnt 
dagegen dem Schwemmgebiete der Haldensleben: 
ichen Singer (Magdeburger Börde) inne, wie denn 
aud die Vorlandſchaften der Subdeten, des ſächſ. 
thüringifchen Berglandes (Saalthal, Unftrutthal, 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


Goldene Aue), der Wefergebirge (Weſerthal, Fürften: 
tum Hildesheim), des Lennegebirges (Hellweg), des 
BWeiterwaldes (Rheinthal), des Taunus (Rheingau) 
und die Thäler des Hundsrüd größtenteils von den 
beiten Bodenarten bededt find, Die Gebirgsrüden 
felbft geftatten wegen ihrer Höhenlage u. |. w. felten 
— Anbau der genügfamiten Gewächſe. 
mtlihe Gewäſſer, deren mwohlverteilter 
Reichtum den Aderbau und die Schiffahrt günſtig 
beeinflußt, gehören außer einem Teil Hobenzollerns 
dem Oſt⸗ und Norbieegebiete an. Die Hüfte der 
Ditfee, wenig gegliedert in den Provinzen Dit: und 
Weſtpreußen bis zur Odermündung in die pommer: 
Ihe Bucht, bildet den einzigen größern Meerbufen 
von Danzig mit dem durch die Halbinfel Hela von 
der offenen See getrennten Pupiger Wie, ſowie 
bie drei aroßen Haffe (f. d.) und mehrere Kleinere 
Strandjeen. (S. Pommern.) Fürgröhere Schiffe 
mit 4 m Tiefgang und darüber find die Häfen von 
Memel (5,6 m), Königsberg (4 m), Billau (5,5 m), 
Danzig > m), Neufahrwaſſer (6 m), Stolpmünde 
(4 m), ügenwalde (4 m), Kolbergermünde (4 m), 
Swinemünde (6 m), Stettin (5 m) und Wolgalt 
(4,7 m) geeignet. r —— üfte von Vor: 
pommern mit mehrern Heinern, aber nicht unwich⸗ 
tigen Häfen (Greifswald, Wyl, Stralfund, Barth) 
liegen mehrere Injeln vor, unter denen nur Rügen 
durch Größe und Geftalt —— Von den 
durch dieſe Inſel und das Feſtland begrenzten Ge— 
wãſſern ſind oftwärts der Stralfunder Bodden nebſt 
m Fahrwaſſer, weſtwärts der Jasmunder und 
der Kubitzer Bodden bemerlenswert. An der pom— 
merſchen Weſtgrenze bildet die See die Inſel Zingſt 
und durch Vorſchiebung eines bald mehr, bald min: 
ber breiten Gewäflers in das Land die Halbinjel 
rd, Mad) einer — durch andere 
deutſche Gebiete beſpült die One en öſtl. Strand 
Schleswig-Holjteind, an welchem ſechs u. 
Inſeln, darunter Fehmarn und Alfen, liegen. Auf 
diefer Strede wird der Schiffsvertehr ſehr erleich: 
tert durch tief ins Feſtland eindringende Buchten 
mit 27. Häfen, von denen Neuftabt — Tiefgang 
ber Schiffe 4 m), Heiligenhafen (26 m), Stiel (6 m), 
Holtenau (6 m), Friedrichsort (6 m), Edernförde 
(5m), Flensburg (6m), Edenfund (7m), Apenrade, 
Habersleben, Sonderburg auf Alfen (6. m) die wid): 
tigften find, Die Nordjeelüften von Schleswig: 
Holjtein im Weften und Hannover im Norden haben 
mehrere bedeutende Einbuchtungen, wie die Eider:, 
Eb⸗ und Wefermündung, den Jadebuſen und die 
Emsmündung (Dollart). Über 70 größere und Klei: 
nere > liegen an diefer Küftenitrede, darunter 
Huſum (größter Tiefgang der Schiffe 2,3 m), Tön: 
ning (83,5 m), Glüdjtabt (5,5 m), Altona (4, m), 
Krautiand (7,5 m), Kranz (4,5 m), Harburg (4,5 m), 
Geejtemünde (7,3 m), der Kriegshafen Wilhelms: 
baven (7,5 m), Emden (3,5 m), Leer (5 m) und Ba: 
enburg (3,5 m), Starke Wogenjpülungen haben 
er übrigens den Saum bes Meers mit Untiefen 
(Wattenmeer mit den Halligen, f. d.) erfüllt und 
zahlreiche Infeln zum Teil erft in gel chichtlicher Zeit 
vom Feitlande losgeriffen. Die bedeutenditen diejer 
Ianggeftredten, bünenreichen Inſeln find Sylt, 
Söbr, Amrum, Pellworm, Rorditrand, Spielerooa, 
Langeoog, Norderney, Juiſt und Borlum. — Land: 
feen fommen in der von Holitein über Medlenburg 
burd Pommern, Weit: und Oſtpreußen nad Ruß: 
—— durch viele Flußdurchbrüche ge 


en baltifchen Seenplatte außerordentlich 


Eonverjationg»Legifon,. 13. Aufl. XIII. 


273 


jablreid vor, zuweilen, namentlich in Oftpreußen, 
urch ſchiffbare Waflerläufe zu Schiffahrtsſyſtemen 
verbunden. Auch außerhalb dieſer Seenzone finden 
fih vereinzelte bemerfenswerte MWafferbeden. Im 
ganzen zählt P. rund 400 Landfeen von annähernd 
1 qkm und darüber. Durd ihre Größe zeichnen 
ih aus; in Dftpreußen der Spirdingiee von 102, 
der Mauerfee von 105 qkm Fläche, der Löwentin: 
und der Geſerichſee; in Bofen der Goplo: und die 
Nebefeen; in Pommern der Lebaſee von 82, der 
Gardeſche von 26,4 der Madüejee von 40 qkm 
und der Hummeromfee; in Schleſien die Miltiſch— 
Trachenberger Seengruppe; in Brandenburg der 
Ruppiner und die Haveljeen; in edle der fühe und 
der falzige Mansfelder See; in Schleswig: Holftein 
der Rapeburger, Plöner und Eelenter See; in 
Hannover das über die Grenze reichende Stein: 
huder Meer und der Dümmerfee, diefe beiden bie 
einzigen größern Wafieranfammlungen weſtlich der 
Elbe.  Endlicd) verdient der hochgelegene Laacher 
See, ein auägebrannter Krater, in der Nheinprovinz 
Erwähnung. — Von mehr als der Hälfte des 
Staatögebietes fließt das Wafler zur Ditfee ab. 
Die Stromgebiete derfelben find einjchliehlich der 
Haffe: äußerfter Nordoften 990, Memel 4420, ſüd⸗ 
öftl, und ſudl. Abdahung zum Kuriſchen Haft und 
Nehrung 1150, Abdahung zur Oſtſee zwiichen beis 
den Haffen 220, nördl. Abdachung zum Friſchen 
Haff 540, Pregel 15750, übrige Abdahung zum 
* Haff und Nehrung 5380, Weichſel 30910, 

bdachung zur Oſtſee zwiſchen Weichſel und Oder 
15600, Oder 100240, übrige Abdachung zur Dit: 
fee 7400; Stromgebiete der Ditfee julammen 
182600 qkm, Nach der Norbiee fallen etwa 
165000 qkm ab, und zwar: nörblichite Küſtenflüſſe 
8730, Elbe 61690, Weſer 34480, Abdachung zur 
Nordiee zwischen Wefer und Ems 1400, Ems 10300, 
Vechte 1900, Nhein 41440 und Maas 5030 qkm, 
Zum Gebiet der Donau, aljo des Schwarzen Meers, 
ehören endlih 725 qkm, Größte und größere 
Fffbare Flüſſe und deren Längen auf preuß. Ge: 
biet (in Klammer: ſchiffbare Länge, wenn kürzer als 
jene) in Kilometer find: die Memel 64 mit dem 
Ruß 48 und der Gilge 42; der Pregel 117 nebit 
dem Nebenarn Deime 41 und den ſchiffbaren Ne: 
benfluß Alle (54); die Weichſel 117 mit dem Neben: 
arm Nogat 58 und Danziger Weichſel 68 (der 
Elbinger Weichſelarm iſt nacht ſchiſſbar und in ber 
trodenen Jahreszeit meiſt waſſerleer); ſchiffbare 
Nebenflüſſe der Weichſel ſind rechts Drewenz (11), 
lint3 Brahe (16), Schwarzwaſſer (4) und See: die 
Dder 806 (741, Mündungsarm Dievenow außer: 
dem 86), ihr zufließend rechts die Warthe (358), 
mit Nehe (214) und Obra (45), ſowie die Ihna (60), 
lint3 die Glaher Neiſſe (11), die Görliger Neifje 
(15), die (der (35) und die Peene (170); die Tollenje 
(45); der Trebel (28); die Redni (28); die Eider 183 
(140); die — (41); die Elbe (614), ihr zufließend 
rechts die Havel (306) mit Spree (169), Rhin (80) 
und Doſſe (17), fowie die Stör (40), lints die Saale 
(159) mit Unjtrut (72), die Jeetze (28), die me: 
nau (38) und die Dite (81); die Wefer (410), aus 
Merra (72) und Fulda (104), ihr zufliehend die 
Aller(105) ; die Ent3 330 (272) ; der Rhein (360), ihm 
zufließend der Main (55), die Lahn (107), die Nubr 
(73) und die Lippe (191), links die Moſel (240) mit 
Saar (119). Die Gefamtlänge der innern natürs 
lihen Waſſerſtraßen P.s mit Ausschluß des Kuri— 
fhen und des Friſchen Hafjs wird auf 7340 kın 

18 


274 


angeaeben; am reichlichſten find bamit die Provin- 
zen Brandenburg, Hannover, Ditpreußen, Weit: 
preußen und Rheinland verjehen, ne erg ven 
für den Verlehr wird durch eine anjehnlihe Za 
von längern ober kürzern Stanälen gehoben, welche 
fi zum Teil an natürliche Waflerläufe oder Seen 
anſchließen und Höhen bis zu 20%, m im Friedrich: 
MWilhelmötanal, 23,4 m im Bromberger, 26 m im 
Gider:, 36,4 m im Finow- und 99 m im Glbing: 
Dberländiichen Kanal überwinden. Durch ihre 
Yänge oder era sc für den Verlehr u ber: 
vor: der König: Wilhelmsfanal mit der fanalifierten 
Minge 49,3 km, die maſuriſche Waflerjtraße 163,9, 
der Glbing:DOberländiide Kanal 197, der Seden: 
burger Kanal 11 und der Große Friedrichsgraben 
19 in Khpreuben, ‚ber Bromberger Stanal_26,5 
zwifchen Brahe (Meichfel) und Nepe ae) 
in Poſen, der Klodniptanal 45,5 in Oberjchlefien, 
der Finowlanal 67 Rai en Oder und Havel 
(Eibe), ber Sriebrich. :Wilhelmslanal 24 zwiſchen 
Oder und Spree (Havel:Clbe), der Rhinkanal 96,5, 
der Havelländijche 58, der Yandwebr: 9, der Luiſen— 
ftädtiiche 2,2 und der Spandauer Kanal 9 in Bran: 
denburg, der Cider: 32 und der Stednipfanal 72 
zwifchen Trave und Elbe in Schleswig:Holitein, ber 
Plaueſche Kanal 32,3 zwiſchen Havel und Elbe und 
der Ihleburger Kanal 30,4 in Sachſen, der Hadeln: 
ſche und Geeitelanal 43,5, der Tredjahrtätanal 23,5, 
der Nhauderfehnlanal 72,5, der Bapenburger Stadt: 
tanal 34, der Gmölanal 26, der Em3:Bedhtelanal 21, 
ber Süd:Nordlanal 71 km und andere Kanäle in 
Hannover, der Mar:Clemenstanal 37,5 km in Weit: 
falen, die Rubrlanäle bei Duisburg und Rubrort 
und die Saarlanäle in der Nheinprovinz. Gin wei: 
terer Ausbau des preuß. Kanalnetzes ift projeltiert. 
Das Klima ift vermöge ber Yage des Landes 
und wegen ber wechielvollen Bodengeftaltung größ: 
tenteils ein gemäßigtes und bei dem Fehlen fchroffer 
Gegenfäße im ganzen der Gefundbeit und der Wege: 
tation günjtiges. Im Norboften des Landes ift die 
Zeit ber Seite allerdings ſehr befhräntt, und auf 
den Höhenrüden des norddeutichen Tieflandes, ben 
beil.weitfäl, Gebirgen und den linfsrhein. Hoch— 
platten herrihen rauhe Winde vor. Die mehr ge: 
Ihüpten Gegenden erfreuen ſich indes eines fehr 
milden und gleihmäßigen Klimas, 3. B. die Vor: 
landſchaften der Sudeten, der größere Teil Sad: 
jens, der Süben Hannovers, der Nheingau und 
das mittlere Rheinthal. Nach 30: bis 33jährigen 
Beobachtungen fteigt Die mittlere Jahrestemperatur 
auf den Höhen nee faum auf 64°C. und 
auf der ojtpreuß. Seenplatte faum auf 6'/,, da: 
gegen an der Mojelmündung auf 10Y,, und im 
Rheinthal immer noch auf über 9 bis nahe an 10°, 
Das Vlonatstemperaturmittel liegt in Oft: und 
Weitpreu n bis 5%,,° unter Null im Dezember, 
„yanuar, Februar und März, in Pommern, ka 
Brandenburg und Schleſien 1 bis 3° im Dezember, 
Januar und meift aud) im Yebruar, in Sachfen nur 
im Januar mit weniger ala 1°, im Rhein» und 
Mofelthal dagegen mit 1Y, bi82'/,° über Null jelbft 
im Dezember und Januar. Das Marimum der 
—— Niederſchläge im langjährigen 
Durchſchnitt fällt auf den Oberharz (Clausthal) 
nut 1365 mm, dann die nieberrhein. Gbene (Stleve) 
mit 781, die Küften der Oft: und Nordjee mit 641 
bis 721, die Borftufen des Niefengebirges mit 651, 
bie münfterfche Gbene mit mehr denn 688; am 
wenigften Riederfhläne wurden im Berlin mit 420, 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


der Ukermark, dem öjtf. * des Eichsfelde3, 
dem ſüdl. Pomerellen und dem Nahethal beobach— 
tet. Die Menge ber Niederſchlage wechſelt natür— 
lich von Ort zu Ort, namentlich in den gebirgigen 
Gegenden. Das Negenitationenneb iſt in Beufen 
aber nicht dicht genug, um bierüber ein erſchöpfen⸗ 
des Bild zu geben. Auf die Richtung des Windes 
find örtlihe Zuftände von großem Einfluß; 3. B. 
überwiegt im Thale der obern Dder Nord: neben 
Sidmind, in Tilfit der Sudwind, in Krefeld Süboft, 
in Trier Nordoft während eines Dritteils des ad: 
reöneben Süb, in Kreuznach Südweſt nebenNorboft ; 
auf den meilten Stationen ijt aber der Sübmelt: 
wind, an der Niederelbe, Havel und Warthe ber 
reine Weitwind am bäufigften beobachtet. Für die 
klimat. Verhältniffe P.s iſt charalteriſtiſch, dab in 
den 6 Jahren 1879 — 84 von rund 55000 Ge— 
meinde: und Gut3bezirfen des Staats Ernteſchäden 
erlitten: durch Negen und Näjle 3,4 bis 11,4 Broz., 
durch Uberſchwemmung 0,7 bis 5,1, durch Hagel 
2,5 bis 12,3, durch Kälte und Froft (Maifröfte) 2,0 
bi8 32,5, durch Dürre 1,2 bis 9,4 Proz. 

Die ortsanweſende Bevölkerung B.3 betrug 
nad) der Volkszählung vom 1. Dez. 1880 (deren 
Koſten ſich beiläufig auf 499608 Mark beliefen), 
27279111 Berfonen, auf dem Quadratkilometer 
(nad Abzug der Grenzgewäfler und Haffe) mitbin 
78,3. Die ſüdweſtl. und mittlern Provinzen find 
ftärler ald die nördlichen bevöltert: die Rheinpro- 
vinz mit 151, Weſtfalen mit 101,2, Schlefien mit 
99,5, Hefien:Nafjau mit 99,1, Brandenburg ein: 
ſchließlich Berlin mit 84,9, Sachſen mit 91,6; ba- 

egen Pommern mit nur 51,2, Dftpreußen mit 52,3, 

eitpreußen und Hannover mit 55,2 Bewohnern 
aufjelgkm, Das P. von 1816 zählte 10349031 
€. ;1825 betrug die Bevölkerung 12256 725, 1810: 
14928501, 1852: 16935420, 1861: 18491220, 
1867: 23971462, 1871: 24639706 und 1875: 
25693634 E. Die durchſchnittliche jährliche Be— 
völferungszunahme betrug von 1871 bis 1875 1,04 
und von 1875 bis 1880 1,16 Proz. der mittlern Be: 
völlerung und war in legterer Periode am ſtaͤrkſten 
in Berlin (2,92), Weitfalen (1,39), Rheinprovinz 
(1,57) und Sachſen (1,27), am ſchwächſten dagegen 
in Hohenzollern (0,35), Oſtpreußen (0,82), Schlehen 
(0,83) und Weftpreußen (0,91). Bon der 1880er Be: 
völferung, welche fih auf 3113676 bewohnte Ge: 
bäude und 18589 zum ——— — ſonſtige 
Wohnſtãtten (Schiffe u. dgl.) verteilte, lebten ein 
zeln 325066 Perfonen, die übrigen teils in den 
5390690 Familienhaushaltungen, teild in 7849 
öffentlichen und 21287 Beherbergungsanftalten. In 
1287 Stadtgemeinden wurben 9707 802, in 37668 
Landgemeinden und 15 829 Gutsbezirken 17571309 
Ortsanweſende gezählt; 4564098 Perfonen oder 
16,73 Broz. der Gejamtbevölterung wohnten in den 
69 Städten mit über 20000 E., und auf die Drte 
mit über 2000 E. kommen 11614385 Berfonen oder 
42,5 Proz. der — Mehr als 25000 E. 
—— folgende 51 Städte: Berlin 1122330, Bres⸗ 
au 272912, Köln 144772, Königsberg 140909, 
Frankfurt a. M. 136819, Hannover 122843, Dan: 
zig 108551, Magdeburg 97539, Barmen 9591, 
Düffeldorf 95458, Elberfeld 93538, Stettin 91 756, 
Altona 91047, Aachen 85551, Krefeld 73872, 
Hallea. 6.71 484, Dortmund66 544, Poſen 65 713, 
Kaſſel 58290, Efien 56944, Grfurt 53254, Arant: 
furt a,D, 51147, Görlig 50307, Wiesbaden 50233, 
Potsdam 48447, Stiel 43594, Duisburg 41242, 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


Münfter 40434, Gladbach 37337, Liegnik 37157, 
Elbing 35842, Bromberg 34044, Bodum 33440, 
Dsnabrüd 32812, Bonn 31514, Halberjtadt 31 260, 
— 30956, Bielefeld 30679, Koblenz30648, 
rlottenburg 30483, Remſcheid 30029, Stral: 
fund 29481, Spandau 29311, Brandenburg a. 9. 
29066, Stadt Königshütte 27522, Neuftadt:Mlagbde- 
burg 27090, Hagen 262%, Norbhaufen 26198, 
Hildesheim 25887, Guben 25840, Kottbus 25584. 
fiber die Zufammenjekung des Volks nad) Ge: 
ſchlecht, Alter, Samilienftand, Religionsbefenntnis, 
Gebürtigleit und —— —— im J. 1880 
—* genaue und gleichartige Nachrichten vor. 
Neben 13414866 männlichen wurden 13864245 
weiblihe Berfonen gezählt, d. h. 1033 weibliche 
auf je 1000 männlide; das männlihe Geſchlecht 
überwiegt auffällig in Weitfalen (nur 969 weibliche 
auf 1000 männliche), um ein Geringes auch in Rhein: 
land, Hannover und Schleswig-Holitein; das weib: 
liche dagegen in Schlefien (1100 weibliche auf 1000 
maͤnnliche), Oftpreußen und Hohenzollern (1084 
weibliche auf 1000 männliche), forte in Bofen. Un: 
ter 1000 männlichen Berjonen ftehen im Alter von 
15 3. und darunter 360, von 15—65 J. 599, von 
mehr al3 65 J. 41; von 1000 weiblichen beziehent: 
lid) 354, 600 und 46. Bon je 1000 männlichen 
Berfonen waren 343 verheiratet, 31 verwitwet 
und 1 gefhieben, von ebenfo vielen weiblichen Per: 
ſonen —8 334, 84 und 2. Dem Religions: 
befenntnifje nach fcheidet ſich P.s Bevölkerung in 
17633279 (64,64 Proz.) Evangelifche und Proteitan: 
ten, 9206283 (33,74) röm. Katholiken, 52225 (0,19 
fonitige Ehrijten, 363790 (1,33) Juden; der Reit iſt 
anderer oder unbefannter Religion. Die Katbolifen 
üiberwiegen in Hohenzollern (95,36 Broz.), Rhein: 
land (72,20), Poſen (65,28), Weitfalen (52,37) und 
Schleſien (51,94), und bilden aud in Weftpreußen 
nahezu die Hälfte der Bevöllerung (49,34), ver: 
ſchwinden dagegen faft ganz in SH eswig:Holftein 
(0,79 Broz.), Bommern (1,55) und Brandenburg mit 
Berlin (3,89) und find auch in Sachſen (6,2), Dan 
nover (12,20) und Oſtpreußen (12,95) erheblich in 
ber Minderheit; in Heſſen-Naſſau find fie mit 
27,03 Broz. der Bevölkerung vertreten. Die Juden 
find bejonder3 zahlreich in Berlin (4,81 Broz.), in 
ber Brovinz Poſen (3, 32, in der Stadt Pofen 10,7) 
und effen:Nafjau (2,66, inder Stadt rankjurta. Mt. 
3,3) und machen aud im weſtpreuß. Negierungs: 
bezirt Marienwerder noch 2,99, im Bezirk Oppeln 
1,69, Breslau 1,50 (in der Stadt Breslau 6,4) und 
Koblenz 1,53 Proz. der Bevölterung aus. Der 
Staatdangehörigteit nad) wurden 1880 in P. 
163390 nichtpreuß. Reichsangehörige und 98985 
Reihsausländer ermittelt. Dagegen befanden ſich 
unter je 10000 männlichen Berfonen 84 außerhalb 
Deutſchlands, aber in Europa, 3,3 außerhalb Euro: 
pas und 204 In andern deutichen Staaten geborene; 
für das weibliche Geſchlecht find die N 
den Zahlen 65, 3,+ und 182; 91,2 Proz. der Be: 
völlerung waren in ihrer Provinz und 6,1 außerdem 
im Staate geboren, woraud man auf die Sep: 
baftigleit und den verhältnismäßig geringen Wan: 
dertrieb der Bewohner 24 ſchließen darf, ohne daß 
damit ein lebhafter Wohnfihwechiel in engern Krei— 
jen, der thatſaͤchlich befteht, ausgeichlojien wäre. 
die Nationalität der Bewohner nad) ihrer 
Abjtammung mit Sicherheit feitzutellen, iſt uns 
möglich; denn bejonders in den öſtl. Provinzen 
haben Hungeränöte, verwüjtende Kriege und Geu: | 


275 


en einen oftmaligen Wechjel der Volksſtämme in 

efik und Bewohnung des Landes hervorgerufen. 
Die Behauptung, daß eine mehr oder minder ge: 
waltfame Verdeutſchung der geſchichtlich ältejten 
Inſaſſen öftlich der Elbe ftattgefunden babe, hält 
vor einer jorafältigen Kritit nur inſoweit Stid), 
als jede polit. Unterjohung, zumal in den raubern 
ältern Zeiten, den Beſtand des unterworfenen Volks 
erjhüttert und durch Ginführung ber Verwaltungs: 
ormen des Siegers, fowie durch bie aus feinen 

eihen rei ri Kolonifation bie Verbreitung 
der fiegenden Nation und dementſprechend meiſt 
eine Verminderung ber befiegten im u. bat, 
So aud) in den Landesteilen des jekigen P. Auch 
die Heranziehung fremder Koloniſten hat in ausge: 
behntem Maße ls, und diefen Zuzügen 
verbantt die heutige Bevöllerung mehr als den 
Ureinwohnern ihr Dafein. So wurden Deutiche 
von den wendifchen Herzögen nad) Pommern, von 
den Piaften nad Schlefien, von poln. Großen nad 
dem Südweſten Poſens und andererjeitö Polen 
vom Deutichen Orden und feinen er nad) 
dem Süden Ditpreußens in berfelben Weiſe heran: 
gezogen, wie Bolen zur Beit der poln. Herrichaft 
nach Weltpreußen und wie Ober: und Niederbeut: 
ſche von Aslaniern und Hohenzollern nad Bran- 
denburg, Pommern und Ditpreuben. Die allmäh: 
liche Germanifierung der nichtdeutichen Bevölkerung 
erfolgt gegenwärtig auf freiwilligem Wege und 
nicht am wenigiten dadurch, daß fih Ablömmlingne 
freinder Stämme nad) deutichen Gegenden begebeit 
und dafelbft deutiche Sitte und Sprache fih und 
ihren Kindern zu eigen machen. Als Kennzeichen 
der Nationalität ift Die Sprache anzuſehen, weldy: 
im Samilienkreife geredet wird. Cine Feititellung 
berjelben ift neuerdings nicht erfolgt. Auf Grund 
älterer Ermittelungen darf man die Deutfchen auf 
24030000 oder 88,4 Proʒ. der Bevölkerung nad) 
Abzug der Neich3ausländer, die Dänen auf 153500 
oder 0,55, die Litaner und Kuren auf 147000 ober 
0,53, die Polen rl 2700000 oder nahezu 10, die 
Böhmen und Mährer auf 54000 oder 0,20, bie 
Menden auf 81000 oder 0,30 und die Wallonen auf 
10800 oder 0,04 Proz. ſchätzen. Dänen wohnen 
nur im Norden Schleswigs, Yitauer nur im Norben 
der zen Ditpreußen, Wallonen an der belg. 
Grenze. eiter verbreitet find die Polen; der im 
Süden Ditpreußens lebende Volksſtamm der Ma: 
furen unterfcheidet ſich durch Glaubensbelenntnis 
und Mundart weſentlich von den Großpolen; die 
im Weſten des danziger Regierungsbezirks und in 
äußerſten Oſten Pommerns angeſeſſenen Kaſſuben 
bedienen ſich ebenfalls eines beſondern Dialelts; 
dichter wohnen die Polen im Süden Weſtpreußens 
und im Oſten Poſens zuſammen, in welden Lan: 
desteilen allein fie fich ihrer reinen Schriftſprache 
bedienen; die oberichlej. Polen endlih, deren Ge: 
ſchich feit Jahrhunderten von dem der Großpolen ge- 
trennt war, befigen eine eigene Mundart, die wafler: 
peintide. Don Slawen anderer Stämme fommen 
Mährer und Böhmen im Süden Ober: und Mittel: 
ichlefiens und Wenden auf einem aufammenhängen 
den Gebiete der Laufik im Norbmweiten Schleften: 
und im Süboften Brandenburgs vor. Die deutichen 
Bewohner des Staats gen meijt den Staͤm⸗ 
men ber Niederfachien, Oberſachſen und Franfen an. 

Die Vorgänge der natürlihen Bewegung ber 
Bevölkerung werben feit Einführung der Standes: 
ämter abfolut zuverläffig und ausführlich regiſtriert, 

15* 


276 


allerdings nicht ohne erhebliche Koften, welche 
100000 Mart allein für die Zwede diefer Statiftik 
betragen. Am J. 1884 haben in P. 1093973 Ge: 
burten oder 38,7 auf 1000 Lebende (Geburtäziffer), 
761172 Sterbefälle oder 26,9 ei 1000 Lebende 
(Sterbeziffer), beides mit Einſchluß von je 43123 
Totgeburten (3,9 Proz. aller Geborenen), und 
225939 Eheſchließungen oder 16,0 auf 1000 Le: 
bende —— iR ſtattgefunden. Die Geburt3: 
iffer war im Mittel der J. 1867—84: 40,0 und ift 
feit den auf den Deutich:Franzöfifchen Krieg folgen: 
den Jahren, wo fie den hoͤchſten Stand mit 42,8 er: 
reicht hatte, a berabgegangen. Die Ster: 
beziffer betrug im Mittel derjelben Jahre 28,0, war 
am höchiten 1872 mit 31,1 und hat ſich ſeitdem re: 
gelmäfig vermindert. Die mittlere Heiratäziffer 
derfelben Veriode war 17,0, am höchſten 1872 mit 
20,7, und iſt jeitdem merklich gefallen, In den 
Städten ift die Geburtsziffer wegen der verhältnis: 
mäßig größern —* der Unverheirateten etwas 
niedriger als auf dem platten Lande, bie Heirats— 
ziffer ebendeehalb aber etwas höher; auch die Sterbe: 
ziffer ift in den Städten höher. Die rein land: 
wirtſchaftlichen und die mit polnischer Bevölterung 
ftart durchjesten Provinzen Weſtpreußen, Poſen 
und Dftpreußen haben bie höchſten Geburtsziffern, 
1884 beziehungsweife 43,4, 41,6 und 40,1; aud) 
Schleſien Sadıfen und Weitfalen zeichnen ſich in 
el dem Sinne aus, während Heſſen-Naſſau und 
hleswig:Holftein mit 33,4, Hannover mit 33,7 
und Hohenzollern mit 33,8 in entgegengefekter 
Richtung hervorragen; die Sterbeziffer war 1884 
und Äähnlid in andern normalen Jahren bejonders 
body in Schlefien mit 30,7 und in Oſt- und Weſt— 
preußen mit 29,2 und 29,1, ein Gab, hinter 
dem Berlin mit 28,2 zurüdbleibt, mas, in An: 
betradht der befondern Verhältnifie der Großſtadt, 
ein gunſtiges Zeichen für ihren Gefundbeitäzuitand 
iſt; mit fehr niedrigen Sterbeziffern ftehen Schles: 
wig⸗ Holſtein (20,6), Hannover (22,7) und Hefien: 
Naflau (23,1) obenan, Wirlten Fortpflanzung und 
Sterblichkeit allein auf die Vollsmenge ein, jo würde 
fie im Mittel der}. 1867 —83 jährlich um 1,20 Proz., 
im J. 1884 um 1,18 Proz. gewachſen fein. Die 
allerdings regüitrierte, aber nicht genau zu erfaflende, 
bald ftärtere, bald, ſchwächere Auswanderung ver: 
mindert indejlen die natürliche Bevöllerungszu— 
nahme um etiva 2 biS 3 pro Mille der durchſchnitt— 
lich Zebenden. Dem Geſchlecht nad) von 1000 
Geborenen im Mittel mehrerer Jahre rund 515 
männliche und 485 weiblihe, und bei den Geftor: 
benen ijt der mittlere Anteil der männlihen Ge: 
fchlecht3 mit 525 von je 1000 noch größer, woraus 
ſich Schließlich die obenerwähnte ſtärlere Vertretung 
des weiblichen Geſchlechts in der Bevölferung er: 
gibt. Die unehelihen Kinder machen im Dlittel 
etwa 7,5 Proz. aller Geborenen aus; fie find mit 
8,8 Broz. am bäufigften bei evangeliſchen und mit 
2,7 +4 am jelteniten bei jüd, Müttern, während 
von kath. Müttern 5,6 Proz. unehelich geboren wer: 
den. Die weſtlichen Provinzen, aber auch Poſen, weis 
jen die wenigiten unebelichen Geburten auf, Unter 
1000 Geborenen find ungefähr 25 Mehrlingskinder 
und unter 1000 Entbindungen etwa 987 Einzelgebur: 
ten. Unter 1000 neuvermählten Berfonen befanden 
ſich durhichnittlich 2,3 Männer und 96,7 Frauen 
von unter 20 J., 679 Männer und 705 Frauen von 
20 bis 30 J., die übrigen in höhern Altersſtufen; 
ferner 865 Junggefellen und 913 Jungfrauen, 


Preußen (geographifch:ftatiftifch) 


129 Witwer und 82 Witwen, 5,3 geibiebene Mäns 
ner und 5,6 gefchiedene Frauen. Unter 1000 neu⸗ 
geihlofienen Ehen waren 626 rein evangelifche, 
291 rein Batbekitee 1,2 rein bifidentifche, 11,3 rein 
jüdifche und 70,5 Miſchehen. Die verhältnismäßig 
— —— iſchehen wird als ein Beweis für die 
zertraglichleit der Religionsgemeinſchaften unter 
einander, vom ſpeziell lirchlichen Standpunlte aber 
als ein Schaden anzuſehen ſein und iſt vom popu⸗ 
lationiſtiſchen Standpunkte ebenfalls nicht günſtig 
— beurteilen; denn in P. wenigſtens ſind die 
Mifchehen durchweg weniger fruchtbar als die rein 
tonfejfionellen, am ——— die hriftlichsjüdiichen, 
welche Lektere fo wenig Kindern das Leben geben, 
daß eine lediglih aus dergleihen Miſchpaaren bes 
ſtehende Bevölterung fehr bald ausſterben müßte. 
Über die Bef Sat tigung der Bevölterung B.8 
hat die Berufszählung von 1882 die ausführliche 
ten Aufichlüffe gegeben. Danach waren unter der 
auf 27287860 (eroehelten Gefamtbevölterung 
10120813 ober 37,1 Proz. Erwerbäthätige aller 
Art, 886177 oder 3,2 Proz. Dienftboten für häus: 
liche Dienfte, 15575375 oder 57,1 Proz. Angehö: 
rige, weldye überhaupt nicht oder nur nebenfächlich 
erwerbend thätig waren, und endlich 705495 oder 
2,6 TO berufslofe Selbftändige und Anftalts- 
infaffen. Dem Hauptberufe der Ermwerbäthätigen 
nach aliedert ſich die Bevölferung mit Einrechnu 14 
—— und der im Haushalte bei den betreffen⸗ 
den Erwerbsthätigen Dienenden folgendermaßen: 
Gruppe A, Landwirtſchaft, Forſtwirtſchaft, Tier: 
zucht und Fifcherei 11904407 oder 43,63 Proz. der 
Gejamtbevölterung; Gruppe B, Ynduftrie, ein: 
Ihlieplid Bergbau und Bauweſen 9393750 oder 
34,2; Gruppe C. Handel und Verkehr, einſchließlich 
Saft: und Schankwirtichaft 2725344 oder 9,99; 
Gruppe D. Lohnarbeit wechielnder Art und häus: 
lihe Dienftleiftungen (Aufwartefrauen u. dal.) 
690892 oder 2,53; Gruppe E. Staats:, Gemeinde:, 
Kirchen: u. f. w. Dienſt und jog. freie Berufsarten 
1305657 oder 4,79; Gruppe F. Berufslofe Selb: 
ftändige und Anjtaltsinfaffen 1267810 oder 4,61 
Proz. Nah dem Anteil der Bevölkerung an den 
einzelnen Berufägruppen zu urteilen, iſt P. noch 
überwiegend auf das Gebeihen der Landwirtſchaft 
angeioiefen, erſt in zweiter Yinie fteht die gewerb: 
lie Thätigfeit, bie allerdings ebenfalls bereits 
einen großartigen —— gewonnen hat. Über⸗ 
wiegend landwirtſchaftlich thätig iſt die Bevöllerung 
der Provinzen Poſen (64,67 Proz.), Oſtpreußen 
(64,32), Weſtpreußen (60,55) und Bommern (54,51), 
welche in diefer Richtung alle andern Gebietsteile 
de3 Deutichen Neichs, ſelbſt Sübbayern, Medien: 
burg und Oldenburg überragen. Dem gegenüber 
waltet in Berlin, im — (mit Hohenzollern) 
und in Weſtfalen die Induſtrie ſo ſehr vor, daß 
dieſe Gebietsteile nacht dem Königreih Sachſen 
die induftriereichiten Deutichlands find; 54,0 be 
jiehungsweife 47,31 und 46,50 der Bevölkerung 
jener Provinzen gehören mit ihrem Hauptberufe 
der Induſtrie an. Berlin, Schleswig: Holitein, 
Hellen:Rafjau, Rheinland und Hannover zeichnen 
fi) durch größeres, Berlin fogar jehr ſtarkes Auf: 
treten der Handels: und Bertehrögewerbe aus, 
Die Landwirtihaft hat, feitdem die Stein: 
Hardenbergſche — der phyſiſchen Landes⸗ 
tultur überhaupt die Wege geebnet, einen hedeut⸗ 
famen Aufihwung genommen, Der nachhaltige 
Fleiß der lanbmirtt chaftlichen Bevölkerung hat unter 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


Mitwirkung und Leitung einer einfichtävollen Re: 
gierung und Gejeßgebung der Bodenbenutzung 
Erfolge zu erringen vermocht, welche die nicht ge: 
rade verichwenderiiche Natur des Landes zu ver: 
fagen ſchien. Die grundlegenden gejebgeberiichen 
Maßnahmen, welche die Landwirtichaft weſentlich 
gefördert haben, find folgende: 1807 wurde die Erb: 
— aufgehoben, 1811 und 1861 die Ab: 
lösbarleit der Grundlajten gegen eine billige Ent: 
ihädigung ausgejproden, die Parzellierung und 
Zufanmenlegung der Beliktümer gejtattet, 1821 
die Teilung der Gemeinbeiten unter gewiſſen Be: 
dingungen verordnet, 1850 die Lehen in freies Gigen: 
tum verwandelt und die Ablöfung der Grundlaſten 
durch Errichtung von Provinzial:Nentenbanten er: 
leichtert, 1861 die ungleich verteilten Grundſteuern 
mit Ent;chädigung der Neubejteuerten neu reguliert 
u.f.w. Auch in den neuen Provinzen find teils 
von den frühern Regierungen, teild unter preußi: 
ſcher Herrſchaft in ähnlicher Weile die rechtlichen 
Borausjegungen geihaffen, unter denen die Ent: 
widelung der Landwirtſchaft überhaupt möglich ift. 
Die freie Verfügung und Teilbarleit des Grund: 
eigentums, welche die Gefehgebung zum Grundſatz 
—— hat, iſt indeſſen auch nicht ohne nachteilige 
Folgen geblieben und hat infolge der gleichen Erb— 
teilung zur Verſchuldung des laͤndlichen Grundbe— 
tez und zur Gefährdung des mittlern Bauern— 
tandes geführt. Den hierdurch drohenden natio— 
nalwirtſchaftlichen und ſozialen Gefahren ſucht die 
—* preuß. — — Wiedereinführung 
bezie u... pünitigung er frühern bäucr: 
fi Erbrechte zu begegnen. (S. Höfemwefen.) 
Andern Maßnahmen zur Hebung der Landeskultur, 
wie der Ordnung des landwirt Sehen Kredit: 
weſens, der Deichverbände und Waflergenofien: 
ſchaften zu Ent: und Bewäfjerungazweden u. ſ. w., 
ber —— und Waldgenoſſenſchaften, 
des Viehſeuchenweſens, des landwirtichaftlichen 
Unterrichts: und Verfuhsweiens, der Melioratios 
nen u. a. m., bei welchen Staat und Selbitverwal: 
tungsförper mitwirken, verdankt Land: und Forit: 
wirtichaft reihe pofitive Förderung. Go kommt 
es, daß dieſer Zweig produftiver Thätigkeit > 
aller großartigen Entfaltung der Induftrie no 
te die Hauptgrundlage des nationalen Wohl: 
andes bildet; A fein Gedeihen find 40 bis 45 
Bros. aller Familien direlt angewiefen; im 5. 
1882 wurden in P. 3040196 Haushaltungen oder 
56 Proz. aller Familienhaushaltungen ermittelt, 
von denen aus überhaupt Landwirtſchaft betrieben 
wurbe: davon bewirtichafteten 613000 nur geringe 
Anbauflächen von unter 20 a, die übrigen 2 427.000 
mit über 20 a Anbauflähe hängen unzweifelhaft 
mehr oder minder vom Wohl und Wehe der Land: 
wirtihaft unmittelbar ab. Im ganzen berricht 
Heinere und mittlere Betrieb vor, der Grob: 
betrieb nur in einigen öſtl. Provinzen. Es wurden 
im J. 1882 1456 724 Landwirtſchaftsbetriebe mit 
unter 1 ha landwirtidaftlih benußter Ba 
1178625 mit 1—10 ha, 884408 mit 10—100 ha 
und 20439 mit mehr als 100 ha ermittelt, und von 
der geſamten landwirtſchaftlich benuhßten Fläche 
lamen 2,2 Proz. ag er erite, 19,8 auf die zweite, 
46,3 auf bie dritte biefer Grö enffafien, während 
die vierte 31,7 in a nahm; der entre he 
zentjab, ber des ro betriebes, erhebt ſich in Weit: 
preußen auf 47,1, in Bofen auf 55,3 und in Bom: 
mern bis auf 57,4, fällt aber in Hohenzollern auf 


277 
2,5, in Rheinland auf 2,7, in Weltfalen auf 4,8, in 


Heffen:Nafiau 7 6,7 und in Hannover auf 6,9. 
Nah dem Anteil an der bewirtichafteten Fläche 


haben den ftärliten Bauernitand (Wirtſchaftsfläche 
10—100 ha) die Provinzen Ne Ha ae 
(72,2 Proz.), Hannover (63,3), Weltfalen (57,8), 
Ditpreußen (51,1) und Sadjen (50). Das Grund: 
fteuerfatafter beziffert den Anteil der Kulturarten 
an der weiter oben angegebenen Gefamtflähe für 
1883 folgendermaßen: Aderland, Gärten und Wein: 
berge 50,35 Proz., Miefen 9,5, Weiden, Hutungen 
und Unland 11,2, Foriten und Holzungen 23,4, 
Haud: und Hofräume 0,3, Wege, Gewäſſer u. f. w. 
48 Pro. Won den 17548011 ha Ader: und 
Gartenland waren 1883 bejtellt: mit Getreide und 
Hülſenfrüchten 60,4 et mit Hadfrüchten und 
Gemüfe 15,1, mit Handelsgewächſen 1,1, mit ut: 
terpflanzen 8,3, als Adermweide und Brache wurden 
benugt 13,9 und als Obitgärten 1,2 Proz. Die Ars 
bauflächen ber wichtigſten Nährfrüchte für Men: 
hen und Tiere waren für Noggen 4431034 ha, 

t Weizen 1099683, für Spelz 17290, für Gerite 
939027, für Sartofteln 1990221, für Hafer 
2456373 und für Wiefenheu 3202297 ha; von 
Handelsgewächſen wurden 91193 ha mit Rübjaat 
ur Ölgewinnung, 76257 mit Flache, 271609 mit 
re 5071 mit Tabal, 5412 mit Hopfen 
angebaut u. ſ. w. In wärmern Landſtrichen iſt die 
Obſtzucht ſehr betraͤchtlich; Wein wird im ganzen 
auf 20271 ha, und zwar beſonders am Rhein und 
der Mofel, an der Saale und Unjtrut, fowie in 
Shlefien gewonnen. Die Grtragsfäbigteit der 
einzelnen Kulturarten ijt natürlich ſehr verſchieden. 
Der N j. Orundfataiter, 
Grunbdfteuer) des Aderlandes wechſelt in B. von 
9,2 Marl pro Heltar in Ojtpreußen, 10,2 in Poſen 
und 10,8 in Weitpreußen, über 19,» in Schleften 
EStaatsdurchſchnitt 18,2) bis zu 30,3 in der Rhein: 
provinz und 31,2 in Sachſen; derjenige der Gärten 
von 19,4 in Dftpreußen bis zu 68,4 in Rheinland 
Staatsdurchſchnitt 40,7); derjenige der Wieſen 
von 11,ı in Dftpreußen bis 29,1 in Rheinland 
(Staatsdurdichnitt 18,1); derjenige ber Holzungen 
von 1,8 in Weſtpreußen bis 11,8 in Schleswig: Hol: 
ftein (Staatsdurdichnitt 4,9) u. ſ. w. Dem ent: 
ſprechend find auch die durchſchnittlichen Heltarer: 
träge in den einzelnen Provinzen fehr ungleich. 
Im ganzen Staate jtellt fih der Ernteertrag der 
dauptfruchtarten im J. 1884 in Doppelcentnern 
zu 100 kg wie folgt: Weizen, Spelz und Einkorn 
13593835, Roggen 38142750, Gerjte 10408261, 
Hafer 24860345, Buchweizen 1223426, Erbjen 
und Aderbohnen 3779913, Kartoffeln 141 800105, 
Mohrrüben, Weiprüben und Kohlrüben 18373851. 

m Durchſchnitt der J. 1879—83 wurden auf den 

opf der Bevölkerung 46 kg Weizen u. f. w., 139 
Nopgen, 38 Gerite, 4,4 Buchweizen, 14 Erbjen und 
Bohnen und 458 kg Slartoffeln — 8. 
würde alſo, wenn es auf ſich allein angewieſen 
wäre, feine Bewohner troß des großen Anteils der 
Induſtriebevöllerung ſelbſt zu ernähren im Stande 
ein; indeſſen find Ausfuhr und Einfuhr landwirt— 
chaftlicher Erzeugnifje bedeutend. Die Waldfläche, 
welche 1883 auf 8146073 ha, davon 33,69 Proz. 
Laubholz: , 54,5 Kiefern: und 11,51 fonftige Nadel: 
bolzbeitände, ermittelt wurde, verteilt fich ungleich 
über den Staat; fie beträgt 6,4 Proz. ber Geſamt— 
fläche in Schleswig:Holitein, 16,1 in Hannover, 18 
in Dftpreußen, 19,7 in Bommern, 20 in Bofen und 


278 


Sachſen und fteigt auf 30,7 in Rheinland, 32,5 in 
Brandenburg, 33,4 in Hohenzollern und 40 Proz. 
in Heſſen-Naſſau. Der Staat befikt 2409739, die 
Gemeinden u. f. w. 977084, Stiftungen 88445, 
Brivate 4374438, Waldgenoſſenſchaften u. dal. 
237005 und die Krone 59449 ha Waldland. Den 
Holzertrag jhäst man auf 25", Mill, cbm jährlich, 
wovon ein Viertel Stod: und Reiſerholz. Der 
Geldertrag aus Holz ftellt fi in den Staatsforjten 
auf etwa 20%, Mark pro Heltar der gefamten 
Waldfläde. Der Staat läßt ſich eine gute Forſt— 
wirtſchaft für den eigenen Befig angelegen fein und 
hat neuerdings Gelehe wider ſchaͤdliche Entwal: 
dungen und Waldfrevel erlaffen. 

Gleich dem Aderbau dent aud) die Viehzucht 
2.8 einen nicht unerheblichen Zeil ihrer Erzeugniſſe 
in das Ausland ab; einen hohen Ruf hat fich be: 
fonders die Pferdezucht erworben. Auf bie Erhal: 
tung und Bervolllonmnung guter Raſſen wirken 
drei Hauptgeftüte vorteilhaft ein, und aus den eben: 
falls vom Staate unterhaltenen 15 Landgeftüten 
werben Hengfte alljährlich im Lande verteilt, um 
die Stuten der Pferdebefiger gegen ein nicdriges 
Sprunggeld zu deden; derartige Bebedungen fanden 
1381 100469 ftatt, aus denen über 56000 lebende 
Sohlen geboren wurden. Auch die Remontemärkte, 
welche zur Ergänzung des Heereöbebaris regel: 
mäßig veranftaltet werden, tragen zur Belebung 
der Pferdezucht bei. Vor allen andern Lanbesteilen 
zeichnet fi in u > Beziehung die Provinz Dit: 
preußen aus. Man zählte 1883 im Staate 
2417138 Pferde überhaupt, worunter 400363 
Fohlen von weniger als drei Jahren, 8924 Zucht: 
hengfte, 1514168 vorzugsweife zu landwirtichaft: 
liher Arbeit, 66712 Militär-, 426971 fonjtige 
Reit- und Wagenpferde, Die Rindviehzucht, unter 
beren * zumal die holftein. und frieſ. 
Ochſen großen Ruf haben, umfaßt 8737199 Haupt, 
nämlich 119 784 Zuchtſtiere, 51328339 Kühe, 747136 
Ochſen, 1883474 Ninder von Y, bis 2 Jahren und 
853966 Kälber. Einſchließlich Lämmer erijtierten 
um diefelbe Zeit in B. 14747975 Stüd Schafvieb, 
worunter 5315330 feine Wollfchafe; doch legt man 
wegen der Konkurrenz der auftralifcen und Kap: 

„wollen feit Jahren mehr Gewicht auf Erzeugung 
von Fleiſchſchafen; im ganzen befindet ſich die Schaf: 
sucht im Rüdgange; der Ehafbeftand war 1883 
un mehr als 25 Proz. geringer ala 1873. 
Schweine, einſchließlich der Ferkel, waren 5818 732 
vorhanden, Ziegen und Ziegenböde 1679686. Die 
Vienenzucdt wurde mit 1237991 Bienenftöden be: 
trieben, darunter 178957 mit beweglichen Waben. 
Der Hefamtbefig an Vieh verteilt jih auf 3125062 
Haushaltungen. Die Fiſchzucht it durch Schon: 
geſehe, die gelungene Verpflanzung edler Fiſcharten 
u. f. w. neuerdings fehr gehoben worden; die fis— 
taliſchen Fifchereigewäfler liefern allein einen jähr: 
lihen Padtertrag von über 1 Mill, Mark, Die 
Seidenzucht ift im ganzen nicht bedeutend, am mei: 
ften noch in Brandenburg, Schleſien und Bommern. 
Die Jagdnutzung wird auf etwa 6', Mill. Mark 
jährlich veranfchlagt. X 
‚ Eine große Bedeutung für die inbuftrielle Thä— 
tigteit des Volta —* der Reichtum P.s an Mine— 
ralien. Zwar iſt der foſſile Bernſtein der Djtfee: 
duſte nur örtlich von einiger Wichtigkeit, deſto um— 
fangreidher tritt aber der Abbau rober Dlineralien 
auf. Man bricht Marmor in Schlefien und andern 
Provinzen, brennt Kalt namentlich in Oberfchlefien, 


Preußen (geograpbiich : ftatiftifch) 


— Porzellanerde bei Wettin in S 
feifen und Waltererde in Mittelſchleſien und Naf: 
fau, bearbeitet Lavamuhlſteine in der Rheinprovinz, 
andere in verfchiebenen Gebirgen des Landes, ver: 
fendet Traß und Tufffteine aus ber Mofelgegend 
in die Niederlande u. f. w. Der Induſtrie der 
Steine und Erden gehörten 1882 179369 Erwerbs: 
thätige und mit deren Angehörigen überhaupt 
479117 Berfonen an. Mit mineraliihen Quellen 
it befonders der Regierungsbezirt Wiesbaden ge: 
jegnet (Bäder in Homburg iesbaden, Ems, 
Sclangenbad, Zangen walbadı, Eoden u. f. w.), 
aber aud der Kaſſeler Bezirk (Nenndorf, Schwal- 
geim), Nheinland (Machen, Kreuznach, Heuenabr), 

lefien (Warmbrunn, Salzbrunn, —— 
Reinerz, Landech und ſporadiſch auch andere Bro: 
vinzen, Der Bergbau, welcher 1883 auf 1818 s 
fen, darunter 1577 in Produltion, mit einer durch⸗ 
—— Belegſchaft von 284270 Köpfen betrie— 
en wurde, lieferte Mineralien von 69222260 t im 
Merte von 367,3 Mill. Marl an den Gruben. 
Steintohlen allein wurden 50611018 t von 255,3 
Mill. Mark Geldwert gewonnen. Sie kommen in 
ber Rheinprovinz an der Saar, nördlid von der 
Eifel (Inde- und Wurmrevier) und am beiten und 
reidhlichften im Gebiet der untern Nuhr vor; der 
Koblenreihtum der Provinz Weſtfalen liegt im 
Ruhrgebiet und an den Borbergen des Teutoburger: 
walde3, der Hannovers am Deifter und im Fürften: 
tum Dönabrüd, ber der Provinz Sachſen im Beden 
von MWettin und der Schlefiens im Waldenburger 
und befonder3 im Tarnowiher Revier. Braun: 
tohlen, deren Förberung fid) 1883 auf 11826 630 t 
von 31,5 Mill. Mark Wert belief, finden fich zwar 
in ben meiften Provinzen; —— Mengen lieferten 
indes nur Sachſen, Brandenburg, Niederſchleſien 
und der Regierungsbezirk Köln und Kaſſel. As— 
phalt (20411 t zu 134419 Mark) neben Erdöl 
(2495 t zu 254117 Marl) ift bloß in Hannover von 
einigem Belang. Unermeßliche Lager von Stein: 
falz beſiht die Provinz Sachſen im Staßfurter 
Beden und bei Erfurt; hier und zu Stetten in 
Hohenzollern wurden 203241 t zu 1262534 Mari 
Wert gefördert, wovon fat neun Zehntel ohne 
Umfiedung in den Verbrauch gelangen. Daran 
fchließen v 230071 t Kainit zu 3,ı Mill. Marl, 
andere Halijalje 609742 t zu über 5 Mill. Matt, 
etwas Bitterſalze und reiner Boracit zu 74200 Marl, 
Die Gefamtproduftion von mineralifhen Salzen 
betrug 1048235 t zu 9465000 Marl. Die Erz 
gewinnung umfaßte: Eiſenerz 4118331 t zu 
27507000 Dtark (befonders in den Bezirlen Kto: 
blenz, Arnsberg, Oppeln, Wiesbaden, Hildesheim 
und Osnabrüd), Zinterz 676 796 t zu 8858 000 Mark 
(hauptſächlich in Oberſchleſien), Bleierz 149445 t 
zu 17145000 Marf (in den Bezirken Aachen ⸗ 
peln, Wiesbaden, —— uü. ſ. w.),$ pfererz 
604406 t zu 15775000 Dark (hauptſächlich in der 
Grafihaft Manzfeld), Silber: und Golberz 96 t 
zu 57000 Mark (bei Clausthal), Kobalterz zu 
19000 Mark (im Kafleler Bezirk), Nidelerz, Anti: 
monerz, Arfeniferz, Manganerz 4573 t zu 118000 
Markt, Schwiefelfies 148717 t zu 1352000 Mart 
(bauptfächlic im Bezirk Arnsberg) und fonftige Bi: 
triol: und Alaunerze. Die nefamte Erzgewinnung 
belief fi auf 5713471 t im Werte von 70868 009 
Mark, Die Salzgewinnung aus wäfleriger Lö: 
fung u. f. w. befhäftigte 59 Werke mit 3642 Mann, 
welche neben Alaun (323800 Mark), fchwefelfaurer 


Preußen (geographifch:ftatiftifch) 


Thonerde (911250 Mark), fchwefelfaurer Kalium: 
magnefla (435800 Marl) u. a. m. vorzugsweiſe 
Gtlauberfalz (2053700 Mark), fehwefelfaures Kali 
(2 752400 Mark), Chlorkalium (10467000 Mart) 
und Kochſalz (6316000 Mark) produzierten. Die 
Gefamtgewinnung von Salzen aus wäfleriger Lö— 
fung betrug 425209 t zu 23360000 Mark Wert. 
% ausgedehnt ijt auch der Hüttenbetrieb. 
Tie Metalldarftellung aus Erzen und Edladen 
machten fich im J. 1883 212 im Betriebe befindliche 
Werke zur Hauptaufgabe, nicht eingerechnet bie 
hüttenmäßige Verarbeitung von Roheiſen; e8 ar: 
beiteten 1883 darin in mittlerer Belegung 35 786 
Arbeiter; in ber gefamten Hütteninduftrie waren 
1882 109088 Perſonen thätig. Aus 10193912 t 
Erz, Schladen und andern Materialien wurden 
3037 652 t Metall und andere Hüttenprodulte im 
Werte von 227240 7738 Mark, außerdem Edelme: 
talle, Cadmium und Uran im Werte von 26111 130 
Mark erzeugt, ſodaß die geſamte Hüttenprobultion 
(inmer ohne die weitere hüttenmäßige ale 
verarbeitung) fi) auf 253360000 Mart belief. Es 
betrug die Produktion an Noheifen 2575 978 £ von 
143 070300 Mark Wert, an Zinkin Blöden 116644 t 
von 33668 700 Marl, an Blei in Blöden und gl 
glans 88667 t von 21348400 Marl, an Vlod: un 
tofettenfupfer nebit Kupferſtein 18750 t von 
24855500 Marl, Silber 172866 kg von 25804900 
Mark, an Gold 101 kg von 284400 Marl, an Nidel 
nebit Rideltupfer und Nidelfpeife 109 t von 755000 
Dart, an —— 224980 t von 12253600 
Mark, an Bitriol 8550 t von 1334500 Marl, an 
Schwefel 3753 t von 497385 Mark, dazu etwas 
Cadmium, Uranpräparate, Mangan, Zinn, Kobalt: 
farben, Antimon und Arfenitalien, Außerſt um: 
angreich iſt die büttenmäßige —— des 
oheiſens, namentlich in Berlin, Sachſen, Nhein: 
land, Meftfalen und Schlefien, und die preuß. Eiſen— 
indujtrie gehört mit zu den eriten ber Welt, 

Die Intelligenz und ber Fleiß der Landesbewoh- 
ner haben P. auch im übrigen den induftrielliten 
Etaaten beigefellt; die Hinwegräumung aller Zunft: 
beichränlungen und zu weit gehenden Bolizeivor: 
foriften durch die Stein: Hardenbergfche Gefehne: 
bung, die Gewerbefreiheit, fjodann eine dem Groß: 
gewerbsbetriebe günftige Öeiepgebung, die Handels: 

olitik, die ftarle Zunahme der Bevölterung und 

ie bis zur liberproduftion führende Zuwendung 
bedeutender Kapitalien trugen zu biefem Ergebnis 
das Ihrige bei, nicht minder 2 die ftaatlichen 
und jonftigen Einrichtungen zur Hebung der ge: 
werbliden Bildung und Geſchiclichkeit, jowie die 
reichs⸗ und —— — Maßnahmen zum 
Schutz gegen unbefugte achahmung. _Hauptjike 
der Gewerbſamkeit ſind die großen Städte, die 
Thäler im Stromgebiet des *— die Regie: 
rungsbezirte Aachen, Düffeldorf, Arnäberg, der 
nördl, Teil des Mindener Bezirks, der Süden Han: 
nover3, der Sübmelten Sachſens, die Laufik und 
die Borlandihaften der Sudeten. Mit Ausſchluß 
der vom Bergbau, Hütten: und Salinenbetriebe, 
fowie von der Torfgräberei lebenden Bevölte: 
rung gehörten 1882 nad) dent Hauptberuf der Er: 
werbsthätigen 8266925 Bewohner P.s der In: 
dufirie mit Einfluß des Bauweſens an; das find 
30,3 Proz. der Gefamtbevölterung. Beider Gewerbe⸗ 
zähfung 1832 wurden, ausfcliehlid, der Handels 
und Vertehrägewerbe, aber einfchlichlich des Berg: 
baues und der Hütteninduftrie, 1245362 Haupt: 


279 


und 187171 Nebenbetriebe verzeichnet; von eritern 
befanden fd 201 im Befiß des Staats oder Reiche, 
403 in demienigen kommunaler Körperfchaften, 
2215 in demjenigen wirtfchaftliher Gefellichaften 
und Genofienichaiten, 16783 in demjenigen meh: 
rerer Gefellichaften und 1225760 in demjenigen 
einzelner Berfonen; 92 Hauptbetriebe befchäftigten 
mehr als 1000, 1062 zwifchen 201 und 1000, 4399 
zwiſchen 51 und 200, 20765 zwiſchen 11 und 50, 
29997 zwiſchen 6 und 10, 1189047 weniger als 5 
Perſonen; unter lektern waren jpeziell 768510 Be: 
triebe einzelner Perſonen ohne Gehilfen und ohne 
Motorenbenupung, welche fomit die einfachite Form 
des handwerksmäßigen Handbetriebes darftellen. 
Als Inhaber und Geichäftsleiter find 891 731 männs 
liche und 321125 weibliche Perſonen, als taufmän: 
niſch und technifch gebildetes Perſonal 70.066 männ: 
liche und 1401 weibliche Berionen, als Gehilfen, 
Lehrlinge und Arbeiter 1910652 männlidhe und 
288160 weiblihe Perfonen bezeichnet. Die Ge: 
famtzahl von 3483135 in der Induſtrie Beichäftig: 
ten verteilt fich auf die Gemwerbegruppen: Kunft, 
und Handelsgärtnerei mit 28247, Siierei und ge: 
—— Tierzucht mit 21114, Bergbau, Hüt: 
tens und Salinenweſen und Torfgewinnung mit 
359177, Induſtrie der Steine und Erden mit 
216931 , Dietallverarbeitung mit 285112, Heritel: 
lung von Mafchinen, Werkzeugen und Apparaten 
mit 200528, chem. Induftriemit 38722, Herftellung 
von Heiz: und Leuchtſtoffen mit 24399, Tertilindu: 
ftrie mit 428548, — und Lederinduſtrie mit 
117210, Induſtrie der Holz: und Schnikftoffe mit 
253925, Herftellung von Nahrungs: und Genuß: 
mitteln mit 393105, Gewerbe für Belleidung und 
Reinigung mit 741142, Baugewerbe mit 331338, 
polygrapbifche Gewerbe mit 35970, künſtleriſche 
Betriebe für gewerbliche Zwecke mit 7672. Die 
Verbreitung der einzelnen Induſtriezweige über den 
Staat und Is Zeile ijt, je nad) dem Vorhanden⸗ 
fein der allgemeinen und bejondern Borbedingungen 
für ein Gewerbe, jehr ungleih. Cine gedrängte 
Schilderung der daralteriftiihen Andultrien der 
einzelnen Provinzen ijt in den Artikeln über lehtere 
erfolgt, weldhe daher zu_vergleihen find. Im J. 
1885 ift man mit der Schaffung befonderer Ge: 
werbefammtern (f. db.) vorgegangen. 

Dem bedeutenden Umfange des Bergbaues und 
der — 6 iſt auch die Menge der 
in Gebrauche befindlichen motoriſchen Kräfte 
ſehr groß; 1882 wurden 60817 Hauptbetriebe er: 
mittelt, welche motorische Kräfte verwendeten, Im 
%.1885 waren in P. 41421 feitftehende Dampfleſſel, 
38830 feftftehende Dampfmafchinen und 9191 be: 
weglihe Dampfleſſel und Lolomobilen vorhanden 
und zum allergrößten Teile in der Induftrie thätig. 
Allein an Dampfpferdeträften beſaß 1885 P.s In— 
duftrie und Pandwirtichaft 1304884; dazu fommen 
noch ungefähr 290000 Waſſerkraft-, Gastraft:, 
Windkraft: und ———— Rechnet 
man hierzu die in den Handels: und Verlehrsgewer⸗ 
ben benubten rund 2394400 Pferdeſtärken, fo ftellt 
fi die Summe von zur Form: und Drt3verände: 
rung verwendeten Pferdeſtärlen in B., ohne Gin: 
tehnung der Kriegsflotte, auf rund 3989300. 

Der Verkehr ilt jehr lebhaft entwidelt und hebt 
fi) Hand in Hand mit der wachſenden Induſtrie, 
dem blühenden Handel und dem weitern Ausbau 
der Verlehrsſtraßen außerorbentlih. Im J. 1882 
waren im Land: und Waflerverkehr, ſowie in den 


250 


bierher zu rechnenden Gewerben für Beherbergung 
und Grquidung 415988 Perſonen erwerböthätig; 
mit Einrechnung der Angehörigen u. f. w. derſelben 
lebten im nanzen 1349687 Bewohner P.3 unmittel: 
bar vom Verkehr. Die Eröffnung neuer age 
wege ilt in ftetigem Fortichreiten begriſſen. Den 
bereits erwähnten natürlichen und künftlihen Waf: 
feritraßen im Innern des Landes treten zahlreiche 
Chauſſeen hinzu, in deren Erbauung P. in der neue: 
ſten Zeit ſehr eifrig und mit Aufwendung beträdht: 
licher Mittel (früher aus Staatsfonds, gegenwär: 
tig aus Provinzial: und Kreisfonds) vorgegangen 
ift. Es gibt deren innerhalb der weſtl. Provinzen 
ungleidy mehr als innerhalb der öjtlihen; fie gehö— 
ren gegenwärtig, nachdem die Straßenbau:Angele: 
enheiten den Selbjtverwaltungsförpern übertragen 
ind, entweder den Provinzialverbänden oder den 
Kreifen, nur wenige einzelnen Gemeinden ober Pri⸗ 
vatperfonen. Ihre Länge ift wohl auf 75000 km 
zu ſchäzen. Das Eifenbabnnek umfaßte zu Ende 
1884 eine Gefamtlänge von 21 923 km, welche inners 
balb der Grenzen des Staats dem öffentliden Ver: 
tehr gewidmet waren; bierunter befanden ſich 
17543 km Haupt: und 4380 km Nebenbahnen von 
bloß lokaler Bedeutung; 1265 km lagen in Dit: 
preußen, 1106 in Meftpreußen , 2540 in Branden: 
burg, 1343 in Pommern, 1144 in Bofen, 3010 in 
Schleſien, 2011 in Sachſen, 999 in Schleswig:Hol: 
ftein, 2095 in Hannover, 2070 in Weitfalen, 1325 
in Hejien:Nafjau, 2033 in Rheinland und 81 in 
Hohenzollern. Ferner waren große Streden Gru: 
ben: und Indüuſtriebahnen für nichtöffentlichen 
Verlehr vorhanden. Entſprechend der neuern preuß. 
Eiſenbahnpolitik ſind die Bahnen gegenwärtig zu 
faſt 90 Proz. (18799 km) Staatsbahnen; die noch 
nicht verftaatlidhten Vrivatbahnen (3124 km) find 
zu mehr al3 einem Drittel lediglich Nebenbahnen 
von untergeorbneter Bedeutung. Außerpreuß. 
Gijenbahnen beſihen kurze Streden an der Grenze, 
wogegen mehrere preuß. Bahnen in das benachbarte 
Ausland hinübergreifen, Das gefamte Anlage: 
fapital der preuß. Giienbabnen betrug 1881 
5388247000 Marl, oder für jeden der Damals vor: 
bandenen 20492 km durdichnittlic 262944 Marl. 
An Betriebsmitteln waren 1881 auf fämtlichen 
Bahnen in P. vorhanden 7144 Polomotiven, 10955 
BVerfonen:, 150919 Güter: und 745 Boitwagen. 
Befördert wurden in demjelben Jahre 124383 963 
Perſonen mit 4050 Milliarden Berfonentilometern 
für 144738000 Mark und 120120222 t Güter und 
Vieh mit 9598 Milliarden Tonnentilometern für 
402741000 Mart, _ 

Der Verkehr auf den Waſſerſtraßen it ebenfalls 
außerordentlich beträchtlich und mit dem Ausbau 
des Cifenbahnnekes immer mehr geitiegen, zumal 
die Konkurrenz der Gifenbahnen eine Ermäßigung 
der Kanalgebühren und früher ſchon die Aufhebung 
der Flußzölle herbeigeführt hat. Er läßt ſich aber 
nicht wohl allgemein, fondern nur individuell für 
einzelne bedeutende Durchgangs- oder Hafenorte 
darjtellen. So find 3. B. 1883, ausschließlich des 
Floßverlehrs, bei Schmaleningten auf der Memel 
in der Berg: und Thalfahrt 2908 beladene und un: 
belabene Frachtſchiffe von 299000 t Tragfähigkeit 
mit 143600 t Güterladung durdhgegangen; bei 
horn auf der Weichfel 1943 Schiffe von 212900 t 
Tragfähigkeit mit 155 800t Gütern; auf dem Brom: 
berger Kanal 1809 Schiffe von 160500 t Zragfäbig: 
keit mit 93800 t Gütern; bei Küftrin auf der 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


Warthe 4525 Schiffe von 465000 t Tragfähigkeit 
mit 282500 t Gütern; ebenda auf ber Oder 4664 
Schiffe von 432800 t Tragfähigkeit mit 307000 t 
Gütern; bei Thiergarten (Oblau) auf der Dder 1666 
Schiffe von 111400 t Tragfähigteit mit 49600 t 
Gütern; auf dem Friedrich Wilhelms: (Müllrofer) 
Kanal 8616 Schiffe von 344300 t Tragfähigkeit 
mit 183400 t Gütern; bei Berlin auf der Spree 
angelommen 32007 Schiffe von 3133400 t Trag: 
—I mit 2896500 t Bütern; bei Harburg auf 
er Elbe angelommen 12 632 Schiffe von 402000 t 
Tragfähigkeit mit 300700t Gütern ; auf dem me 
tanal bei Eberswalde durchgegangen 11 941 Schiife 
von 1201800 t Tragfähigleit mit 1054900 t Gü: 
tern; bei Magdeburg auf der Elbe angelommen 
4990 Schiffe von 1091400 t —— mit 
689000 t Gütern; auf dem Plauer Kanal durchge⸗ 
gangen 7142 Schiffe von 918600 t Tragfähigkeit 
mit 664600 t Gütern; bei Bremen (Boligrenge) auf 
der Ober: Mefer durcgegangen 1166 Schiffe von 
138315 t Tragfäbigteit mit 99700 t Gütern; bei 
Gmmerid auf dem Rhein 36791 Schiffe von 
6072400 t Tragfähigkeit mit 4494300 t Gütern; 
bei Ruhrort auf dem Rhein abgegangen 12768 
Schiffe von 2118700 ie mit 1977200t 
Gütern; bei Güdingen auf der Saar burchgenan: 
gen 7456 Schiffe von 1683600 t Tragfähigleit mit 
680700 t Gütern u. ſ. w. Der Beſtand an in P. 
— luß⸗, Kanal⸗, Haff: und Küſtenſchiffen 
belief ſich Anfang 1883 auf 13120 (darunter 512 
Dampfidiife), von 12733 wird die Tra 55* 
auf 1198005 t angegeben; die 512 Dampfer hatten 
ua Ze von 63913 indizierten Pferdekräften. 
Der Seeverfehr, dem Sigenhankl und der Spe: 
bition gleihmäßig Dienfte leiltend, iſt in einzelnen 
Hafenplägen fehr umfangreid). 9 beſiht, außer 
kleinern, 27 Häfen, in welchen der Seeverlehr eine 
töbere Bedeutung hat; bie hervorragenbditen find: 
Nemel, Königsberg, Pillau, Neufahrwafler (Dan: 
ig), Swinemünde, Stettin, Kiel, Flensburg, Al: 
tona und Geeitemünde. Am großen Weltvertehr 
nimmt das Land indefjen einen feiner fonjtigen 
Bedeutung Br entiprechenden Anteil, indem es 
ſich vielfady der Bermittelung der Hanfeftäbte, Grob: 
britanniens und der Niederlande bedient, Im J. 
1884 verfügte die preuß. Reederei über 2747 See: 
ſchiffe mit 453272 Regiftertons Netto-Raumgehalt 
und mit 17103 Mann Bejapung; darunter befan: 
den fid 280 Dampfichiite mit 94256 Negiftertons 
und 3306 Mann, Auf Ditpreußen fallen 32178, 
auf Weitpreußen 43509, auf Pommern 159095, 
auf das Ditfeegebiet Schleswig: Holfteins 80316, 
auf deſſen Nordjeegebiet 35285, auf das Elb⸗ und 
Weſergebiet Hannovers 50021, auf das Ems: und 
Jadegebiet 52871 Regiftertons, 

Der Verkehr der wichtigſten Hafenpläke war 
1883 folgender: Memel eingegangen 940 Schifie 
von 230082 Regiftertons (davon 508 Schiffe von 
140023 Regiſtertons in Ballaft oder leer), ausge: 
gangen 948 Scirfe von 228909 Regiſtertons (16 
Schiffe von 5851 Regijtertong); Königsberg einge: 

angen 1635 Schiffe von 368286 Regiſtertons 
418 Schiffe von 99925 Regiftertons), ausgegangen 
1750 Schiffe von 397231 Regiſtertons (39 Schiiie 
von 9844 Regiftertond); Pillau eingegangen 390 
Schiffe von 191966 Regiftertons (106 Sale von 
58351 Regiftertons), — en 368 Schiffe von 
219189 Regiſtertons (63 Schiffe von 41849 Re 
giftertons); Neufahrwafler (Danzig) eingegangen 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 281 


2352 Schiffe von 652828 Regiftertons (560 Schiffe —— und beruht auf der Goldwährung und ber 
von 187471 Regiſtertons), ausgegangen 2365 ecimalteilung (1395 Mark — 1 Pfund fein; 1 Mart 
Schiffe von 658126 Regiftertons (458 Schiffe von | [4]=100 Pfennige). Das Maß- und Gewichts: 
111591 Regütertons); Smwinemünde eingegangen arm, gleichfalls reichsgeſetzlich durch die Maß: 
567 Schiffe von 241722 Regiftertons ( Schiffe | und Gemwichtäordnung vom 17. Aug. 1868 ges 
von 5163 ee), ausgegangen 563 Schüfe | ordnet, ift das metriſche. 
von 238333 Negiſtertons (331 Schiffe von 171271 Entiprechend der hoben wirtichaftlichen Entwide: 
Regütertong); Stettin eingegangen 3251 Schiffe | lung üt aud das Bant: und Kreditweien in 
von 859052 Regiftertong (206 Schiffe von 213412 | B. Fehr vieljeitig ausgebildet. Bezüglich der Yet: 
Regiftertons), ausgegangen 3528 Schiffe von 
876646 Regiitertong (516 Schiffe von 220658 Re: 
güftertong); Kiel eingegangen 3217 Schiffe von 
439491 Regiſtertons (149 Schiffe von 9586 Ne: 
great), ausgegangen 3254 Schiffe von 449352 
egiftertons (844 Schiffe von 126919 Regiitertons); 
—— eingegangen 1329 Schiffe von 117446 
egiſtertons (128 von 4799 Regiſtertons), 
Teer igen 1138 Schiffe von 120208 Regiſtertons 
(497 Scyitie von 93 922 Regiſtertons); Altona ein: 
angen 585 Schiffe von 138810 Negijtertons 
(6 Shit von 1596 ——— ausgegangen 
Schifſe von 110843 Regiſtertons (122 Schiffe 
von 97612 Negiftertons) ; Geejtemünde Any 
618 Schiffe von 225126 Negijtertond (118 Hi 
von 25093 Negilterton), —— en 629 Schiffe 
von 255349 Negiltertons (233 Schiffe von 131929 
Negiftertond). Der gefanıte Seevertehr P.3 bezif⸗ 
ferte fe auf 43318 Schiffe von 4449395 Regiſter⸗ 
lons im Eingange und 42982 Schiffe von 4485594 
Regiftertons im Ausgange; davon gehören etwa 
zwei Drittel der Regiltertong dem Dampferverkehr | Grundkapital) zu Nöslin, die Schleſiſche Boden: 
an, Der Verkehr der Bolt und —— kann für | trebit:Aftienbant (mit 7% Mill), die Preußiſche 
P. nicht Bene angegeben werden, da dies Ans | Bodenkredit:Aktienbant (30 Mill), die Preubil 
gelegenbeiten des Deutihen Reichs (f. d.) find. Gentral:Bodentredit:Altiengefellihaft (147, Mill.), 
die Preußiſche Hypothelen : Attienbant Spielha en 
(6 Mill.), die Deutihe Hypothetenbant (5% Mill.), 
die Norddeutiche Grundfrebitbant (4, Mill), die 
Preußiſche Hypothelenverficherungs » Attiengeiell: 
(dert 15 Mill.) und bie Preuß Immobilien⸗ 
ktienbant (6 Mill.) in Berlin, die National:Hypo: 
De Mare te (etwa 1 Mill.) in Stettin 
der Frankfurter Hypotbelen:treditverein (1? Mill.) 
und die Frankfurter Hypothelenbank. Zur Betrei- 
bung von Kommiſſionsgeſchäften wurden unter an: 
dern gegründet: bie Breslauer Wechslerbant 
a, der Börfenhandelsverein (3 Mill), der 
erliner Maklerverein (3 Mill.), die Börjenlom: 
miffionsbant (2Y, Mill), die Gifetenmallerbant 
(2 Mill), die Fondsmallerbant (1%, Mill.), die ©e- 
treidemalferbant (1Y, Mill), die Maklerbant 
3 Mill.) in Berlin, die Koiniſche Wechsler: und 
ommiffionsbant (5"/ mil), die Deutiche Gifel: 
ten: und Wechſelbank (12 Mil.) in Frankfurt a, M. 
Andere hervorragendere Banten, ausgenommen bie 
R Bauzweden errichteten, find: die Königsberger 
ereinsbant (3 Mill.), die Bant — Landwirtſchaft 
und Induſtrie (2'/, ill.) in Polen, der Oberſchle⸗ 
iſche Kreditverein (1'/; Mill.) in Ralibor, die Ober: 
lefiiche Bank für Handel und Induſtrie (1Y, Mill.) 
in Beuthen, der Schlefiiche Bankverein (18 Mill.) 
in Breslau, die Breslauer Discontobant (13), 
Mill.), die Kommunalftändiiche Bank für die preuß. 
DOberlaufik in Görlig, die Niederlauſiher VBant 
2), Mill.) in Kottbus; folgende in Berlin: bie 
iscontogefellihaft (60Y, Mill.), bie Deutiche 
Bank (45 Mill), die Berliner Händelsgeſellſchaft 
(20 Mill.), die Nationalbank für Deutichland 
20 nn die Vereinsbant (6 Mill.), die Deutiche 
enofienichaftsbant Sörgel:Varrifius (9 Mill), 


























telbanten bat die Reichsgeſehgebung einheitliche 
Drdnung geſchaffen, mit dem in Cngland und 
——— bereits erreichten Ziel einer Gentrali: 
ierung ber —— e durch die Reichsbank. 
Indeſſen beſtehen in P. neben letzterer, die ihren 
Haupiſih in Berlin und zahlreiche Filialen im Lande 
at, zur Zeit noch folgende Hettelbanten: Frant: 
urter Bank mit 177, Hannoverfhe Bank mit 12, 
Danziger Privat: Aktienbant, Provinzial: Altien: 
bank des Großherzogtums Poſen, Städtifhe Bant 
u Breslau, Magdeburger und Kölnische Privat: 
ank mit je 3 Dill, Mark Grundkapital. Dem 
Nealkredit dienen die Landestreditanitalten für 
—— Heſſen und Naſſau, die auf Gegenſeitig— 
eit errichteten ältern und neuern General-Land— 
ſchaften u. dal. zu Königsberg, Marienwerder, 
Stettin, ss, reslau, Görlik, Berlin, Halle, 
Kiel, Stade, Celle, Hannover und Aue einige 
Heinere Verbände, dann die Presse hiltstafjen 
u. f. w., ferner folgende Altiengeſe Br die 
Bommerfhe Hypothefen:Aktienbant (mit 3 Mill. 


Der Handel mit nihtpreuß. Ländern ift ein 
Beitandteil de3 Handels des —— und man⸗ 
gels beſonderer preuß. Erhebungen nicht nachzu⸗ 
weiſen. Er hat aber einen ſehr bedeutenden Um— 
fan r den Außen⸗ und — mit 
Einichf des Kredithandels, aber ohne die Haufier: 
ee wurden 1882 im ganzen 260 769 Haupt: 

mit 492720 darin beichäftigten Perjonen 

und außerdem 88 787 nebenfädhlich betriebene Han: 
—— gezählt; von den Hauptbetrieben hat: 
ten 85157 je 1—5 Gehilfen, 7231 dagegen 6 und 
mehr Gehilfen, von leptern 141 fogar mebr als 
50 Verjonen. Die im Hauptberuf vom Handel 
lebende Bevöllerung (Ermwerbsthätige, Angehörige 
und Dienitboten) bezifferte fih auf 1256099 ober 
m der Gejamtbevölferung. —— 
be für den Binnen: und —— ind Ber⸗ 
in, Königäberg, Danzig, Stettin, Poſen, Breslau, 
Mag 9, Hannover, Altona, Frankfurt a. M,, 
Köln, Barmen, Elberfeld, Krefeld, aud Frankfurt 
a. D.; ber Bin ndel blüht außerdem in vielen 
ge Städten. In über 2700 Orten finden neben 


Heinere Märkte und Mefien ftatt, darunter bedeu— 
tende Wollmärkte in Berlin, Breslau, Königsberg, 
Lands a. W., Straljund Hildesheim, 

ver, Pa en und Kaſſe E3 beftehen in 

81 Handelälammern. Regelmäßige Börienver: 
andengrö ge äben, worun: 

die zu Berlin und ranffurt a. M. von europ. 
zeitweilige Induſtrieborſen an verichie: 

denen Orten, die en zu Franlfurt a. M. und 
—— a. O. * ieren den Umſaß im Großen 
und die Preiſe. 8 Münzwejen iſt durch die 
Neichögejehe vom 4. Der. 1871 und 9. Juli 1873 


282 


die Berliner Produlten⸗ rm 
vie Sandwirtfchaftlice Bant (1%, M Bant 
für * und Produltenhandel a, ‚de 
Bant Berliner Kaffenvereins (9 Mill), 
en emeine Deutfche —— eich (| io) ): 
en weitl. zeug en: ber an N eburger Bant: 
Serie und ve — —— ant (je 3MiM.), 
die Erfurter Bant (1 M der Hall je Pant 
verein (6 Mill.), die Kereindbant (9 Mi F Han⸗ 
nover, die Osnabrüder Bant (1Y, Mill, ), die Land: 
räflich Seide tonzefjionierte Landesbank in 
Homburg, die Deutfche Vereinsbant (24 Mill.), die 
Deutſche Handelägefellicha a (9 Mill.), der Frank— 
juni ntverein (9%, iD in anffurt amM,, 
die Weftfälifhe Ban (4Y, V Si), n Bielefeld die 
Eſſener er u ), die Duisburg: 
Shane 8 ant (1% M der Barmer Bant: 
verein Sn 10 Mill, NR die ie Leni, Märlkiſche Bant 
(10%, Mill.) in Elbe — Schaaffhauſenſche 
Banlverein — Nil), die eitige male 
Genofienfhaftäbant ( (1% Mil.) in Köln, die G 
werbebant (2 Mill.) in Krefeld, 
contogefellichaft 65 ill.) die Bank für Handel und 
Gewerbe (6 Mi 9 in Ya * die Mittelrheiniſche 
Kreditbank (1°; Mill.) in oble enzu.a. Gigentlidher 
Vantier des Staats ift die ihm gehörige Preußifche 
Ceehandlung in Berlin. Der Geld: und Kredit: 
handel wurde 1882 in B. von überhaupt 2506 Ge: 
ſchäften (darunter von 415 nebengewerblih) und 
12389 Berfonen er ungerechnet jedoch bie 
Landichaften u. dgl ., jomie die dem Kredit vielfach 
dienftbaren Öffentlich id —— 

Die Anſtalten Br orforge zeigen fi in 
P. nad allen Seiten gut entwidelt. Sparkaſſen 
wurden al Sammel unfte und Nubungsanftalten 
der Heinen Erfparnilfe im erften Viertel des 19. 
Jahrh. nur in geringer Anzahl von ftädtifchen Be: 
bhörden und einzelnen Privaten errichtet; feit dem 
Erlaß des Neglement3 vom 12. Dez. 1838 nahm 
die ab! der Gemeindefpartafien beträchtlich zu, 
und feit den fünfziger Gabten traten ſehr viele 
Kreisanftalten diefer Art auf; zum Teil dienen fie 
gleichzeitig als Darlehnstaffen. m %. 1883 be: 
siehungsweife 1883/84 beftanden as 1258 
Sparta en mit einem Cinlagelapital von 1966 
SU, Mark, die fih auf, 3650613 Sparbücher 
(darunter fol 28,03 Proz. mit weniger ala 60 Mark) 
— Keſerveſ onds belief ſich auf 128,6 

tarf. Von den 2045,5 Mill, Mart jinabar 

an aelcaten Beltänden waren 26,65 Proz. ald Hypo: 
thelen auf ftädtifche, 28,02 auf ländlide Grund: 
— 26,75 in kurshabenden Wertpapieren ange: 
2 * gegen Pfand, 9,87 auf Schuldſcheine und 
et und 6,62 an öff Hentliche Inſtitute und Hör: 
perfchaften ausgeliehen. Neben der in den J. 1884 
und 1885 reichögefehlich geordneten Kranken: und 
—— —— .d.) der Arbeiter wirten zahl⸗ 
reiche freie Vereine, welche ihren etwa 250 000 Mit: 
aliedern Unterftühung i in hl gm rt ober den 
Hinterbliebenen Begräbnisgeld gewähren. Für die 
Vergwerld: und Hüttenarbeiter beſtehen Zwangs⸗ 
taflen feit Jah ——* bei einzelnen Werken oder 
in größern riften, und zwar verfichern dieſe 
Knappſchaftskaſſen ihren rund 320000 Mitgliedern 
auch SEUDLARDERS EHEN und bieten verichiebene 
andere Vorteile. Ähnlich find die mit Zufchußver: 
vilic tung der Arbeitgeber ausgeftatteten Fabrik: 
arbeiter-Unterftügungstaffen und Geſellenlaſſen für 
einzelne Anftalten und Verufszweige oder für die 


die Aachener Dis, Mm 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


betreffenden Arbeiter innerhalb bes Gemeinbebegiris 
eingerichtet. Die Zahl —— Kaſſen dieſer 
tern Art mit Einſchluß der 


—* betru ok: P. sol me —* 

iedern. Verhältnism 

nftalten der ebenfalls — um bi 
vereine ( d.) nad Sir em Mufter. 


—* Be er — eamten und 
ber Lehrer find nefehlich geregelt, desgleichen die 
is e für die Hinterbliebenen der Eivilbeamten 
und der Lehrer, Für die Beamten der Gemeinden 
und vieler u Privatunternehmungen, ſowie 
für die Werkitättenarbeiter und das untere Betriebs⸗ 
perfonal der Eifenbahnen, befonders 
nen, beftehen enfionstaffen mit Zufchüfien der Ge- 
meinden oder nternehmer. Bon ben na lze⸗ 
Delißſchſchen Grundfägen arbeitenden Erw und 
Wirtſchaftsgenoſſenſchaften gab es Ende 1881 in P. 
1051 Vorfhuß: und Kreditvereine, von weldhen 496 
einen Umfaß von 1958, Mill, Marl $ 
daneben beftanden viele "Ronfumvereine, ftoff:, 
agazin-, Werl: und Baugenofjenfchaften, 

Die Berfiherungen auf den Lebens: und 
Todesfall haben in P. feit —— vieler mit⸗ 
einander konkurrierenden, zum Teilta — 
Geſellſchaften in hohem Maße Teen, Beten 
den verfchiedenen Zweigen der Lebens: 


und * —— efaßten ſich in 
1883 überhaupt 65 paid AKT Dale 
—* und Anftalten; die ver: 
apitalverficherungen ben 


außerdeutſche — 

ſicherte Summe der 

Todesfall betrug allein über 1353 

439 000 Bolicen; Knie hang 15 Boy. 

der V ai blume ällig und en — 

Auszahlung. Ins fiberwiegen der deutfchen 

tiengefellf aften ift ein bedeutendes; ihnen ver 

ten 65,4 Proz. aller * Berfonen 

58,3 Bros. der gefamten Verſich — — 

während auf die Gegenſeitigleit lt ae 

beziehung&weife 36,5 Broz., ber 

deutf * e Geſell —** entfel. Die —— 

und —— — D bat ihren Schwer: 
pentı * lreichen lotalen Sterbelaſſen; die gro- 
— Geſellſchaften — hieran nur einen unter: 

geordneten Anteil. a re auf 7 

Erlebenzfall ewähren 33 Gefellichaften u, 

Die gewerblihe Unfallverfierun ——— 

mit 572773 verſicherten Perf —2 

lichen Geſellſchaften ſteht * der NR —2 

—— der — en und ii 
aftstafien zu ie Nentenverfiherung 
gleichfalls nicht fehr entwidelt. Die 

gegen. Hagelihäden betreiben neben außerpreu 

hen in P. felbft e Afalln nf, & und 27 

* und kleinere Anſtalten auf Gegenſei 

Viehverfiherung find neben 9 groͤßern 

felfihn * — meift Heine 

thätig. e ©ee:, Fluß: und Landtransportver: 

fiherung ift bei dem bedeutenden Verle 

umfänglih entwidelt; aufer nichtpreubif 

treiben in P. felbft 25 aröfere Gefellichaften he 

außerdem eine Anzahl —— Anftalten und Ber: 

eine diefen ne Angel ngszweig; am bedeuten 

it das Gefchäft der Düffeldorfer Geieltihe * 

Rheiniſch⸗ dpi eg loyd in G 

Deutichen Lloyd in Berlin, der ———— 

portverficherungägefellichaft dajelbft en 

in Köln und des Neuvorpommerfchen 


e Seite 


fiherungsvereind in Stralfund, 


Preußen (geographifch -ftatiftifch) 


Suualbeliuweridierunotgeieliäuft und die Nord: 
——— hol in Berlin betreiben außer 
Dan ten auch die Verficherung gegen Kün— 
digung Ausfall von Dupotgeten. Spiegel: 
ola herung gewähren bie — ——— 
die Berliniſche, die Hannoverſche und die Kölniſche 
Spiegelglasverſicherungsgeſellſchaft, außerdem ne: 
benbei einige für andere Berjiherungsarten be: 
ftimmte ee ften. x die Berfiherung gegen 
uerſchãden ht in P. ein ſehr umfangreicher 
pparat. Die meiſten Landesteile ſind aus frühern 
an ber mit ftändifchen oder ſtädtiſchen Feuer: 
ocietäten verfehen, 
Pflichten befaben, ihre Ausnahmeftel: 
fung aber großenteil3 allmählich verloren und die 
Verſicherung von Mobilien erft in neuerer Zeit auf: 
—— ben. aft alle find mit ähnlichen 
nftalten anderer Staaten zu_ einem Verbande 
deutfcher öffentlicher eng in no ern 
mit dem Eibe in Merjeburg zujammengetreten, 
und mehrere unter ihnen haben eine befondere Rüd: 
—— oſſen, um Schwankungen in 
den Beitragsſahen moͤglichſt zu vermeiden. Bei 
38 Anftalten dieſer Art waren zu Ende 1882 an 
nmobilien 13492 und an Mobiliar 1339 Mill, 
mit durchſchnittlich 1302 Promille Beiträgen 
verfihert, Ihnen reihen nd: 78 auf eine Bro- 
vinz —— Heinere Berbände für Immobiliar⸗, 
156 für Mobiliar: und 10 für beiderlei Berficherung 
mit Mill. Mark verfihertem Gebäude: und 
675 Mill. Mart Mobiliarwert, 14 andere Anftalten 
auf it mit 33695 Mill, Mark, 24 
deutfche Altiengefellichaften mit 22 153 Mill. Mart 
und 7 nichtdeutiche Attiengefellichaften mit 1614,5 
Mil, Mark Berfiherungsbeitand. Danach beläuft 
= in B. die gefamte Berfiherung gegen Feuers: 
aefahr auf 28 156,5 Mill. Mark, 
n Hinfiht auf Bildung und Unterricht, 
her Thätigleit 1882 im ganzen 72538 männ: 
liche, 26818 weibliche Berfonen hauptberuflich und 
2324 —— 20 weibliche Perſonen neben: 
ne als hrende u. dgl. oblagen, nimmt der 
preub. Staat eine hervorragende Stellung ein. Der 
Efementarunterriht je obligatorisch, die Schul: 
—— t Sache der Gemeinden und 
Gulsherren u. f. w., welchen der Staat in Fällen 
der Vebürftigkeit zu Hilfe kommt. Die Oberaufficht 
über die Schulen nimmt der Staat für ſich in Anz 
fprud; die unmittelbare Aufficht führen Deputa- 
tionen und Kommiffionen der Gemeinden nebjt den 
Lokal: und den ftaatlich beitellten Kreisichulinfpet: 
toren, die höhere liegt den Vezirköregierungen ob. 
Die Erteilung de3 Unterrichts und die Vorbildung 
der Lehrer ift wohlgeorbnet und entfpricht der fort: 
gefchrittenen abogogit nach Maßgabe der —— 
denen Mittel; in den Landesteilen nichtdeutſcher 
Zunge wird auf die Erlernung der deutſchen Sprache 
ſeitens aller ee bingewirtt. Bon den fchul: 
pflidtigen und Dungeähigen Kindern vermag 
ih nur ein verfchwindender Bruchteil dem Unter: 
richt zu entziehen, weshalb fich in der neueiten Zeit 
—— nitt des Staates nicht mehr 2 Proz. der 
jährlich in das Heer eingeftellten Relruten, in vielen 
Landesteilen nicht einmal % , Bros. ohne alle Schul⸗ 
bildung erweiſen. Am günftigften ift e3 um bie 
Bolt Bun m Sobe ollern, Schleswi a — 
Hannover, in jehtalen und Sage n beitellt, 
am —— den öſtl. Grenzgegenden. Für 
bie ruheſte Jugend beſtehen viele Kindergärten und 








welche gewiſſe Vorrechte neben | 


283 
Kleinlinderbewahranftalten, Die Zahl der öffent: 
lichen Voltsfchulen war 1882: 33040 mit 65968 
Klaſſen, in welchen 4339729 Kinder von 59917 
Lehrern und Lehrerinnen, durchſchnittlich aljo 72 
Kinder von je einer Le tfraft unterrichtet wurden. 
an Privatſchulen, welde nicht mehr fehr zahlreich 
ind, finden etwa 120000 Kinder Unterricht. Fort: 
bildungsfhulen, Abend: und Sonntagsjdulen, 
welche teil3 ee we teils —— ar erichtet 
find und erforderlihenfalld Staatsbeihilfen er: 
alten, find über das ganze Land verbreitet und 
orgen für Befeftigung des in ber Schule Erlernten 
bei der nicht mehr ſchulpflichtigen Jugend. An 
öffentlichen Mittel: und höhern Mä n/hulen be: 
fteben etwa 350 mit gegen 100000 Schülern. Die 
Gejamtfoften der, öffentlichen Bollsihulen, ein: 
ſchließlich der Mittelihulen, wurden 1878 auf 
101016623 Mark beziffert; davon wurden aufge: 
bracht 66,27 Proz. von den Gemeinden u. ſ. w. 
12,85 Proz. durdy das in den Vollsſchulen nod) 
nicht überall abgeſchaſſte Schulgeld, 12,24 Proz. 
durch Staatszuſchuſſe, 7,79 Proz. durch Erträge bes 
Schulvermögens un. |. w. jedes Schullind Toftet 
jährlich pe 24 Mark, Die Heranbildung von 
Lehrern erfolgte, von 4 jüd. Lehrerbildimgsanftalten 
und vielen höhern Mädchenichulen mit_Seminars 
Hafen abgeſehen, 1882 in 102 lönigl, Seminaren 
mit 9373 Schülern und 9 königl. Lehrerinnenfemis 
naren mit 582 Schülerinnen. 13 Lehranftalten mit 
50 Klaſſen und 117 ordentlihen und Handfertig: 
leitslehrern foraten 1883 für den Unterricht von 
900 Blinden, für deren jeden im — 
546,61 Mark aufgewendet wurden, 96 Anſtalten 
und Schulen mit 381 Klaſſen und 463 Lehrkräften 
im %. 1884 für den von 3991 Taubjtummen, deren 
jeder einen Aufwand von etwa 416 Mark jährlich 
verurſachte. An Anftalten für den höhern Unter: 
richt befaß P. im Winter 1884: 18 höhere Bürger: 
Donien mit 222 Lehrern (ohne DOrtägeiftliche für 

eligionsunterricht) und 4578 Schülern, 17 Neal: 
fchulen mit 246 Lehrern und 3957 Schülern, 
12 Oberrealjhulen mit 224 Lehrern und 3656 Schü: 
lern; 88 Rea progpmnafien mit 613 Lehrern und 
8547 Schülern, 90 Realgymnafien mit 1490 Leh— 
rern und 23906 Schülern, 36 Progymnaſien mit 
278 Lehrern und 3880 Schülern, 253 Gymnafien 
mit 4208 Lehrern und 73060 Schülern; an den zu 
den vorgenannten Anftalten gehörigen —— 
unterrichteten außerdem 610 Lehrer 19203 ü: 
fer; auf den Gymnafien erhielten 1884: 3420 Schü: 
ler, auf den Realgynınafien 648 und auf den Ober: 
realichulen 46 Schüler das Reifezeugnis. Mit der 
Aufficht über die bien Schulanftalten und Lehrer: 
bildungsanftalten find die Provinzial: Schulfolle: 
gien betraut, Als mittlere und niedere Fachſchulen 
eitanden 1883: a) 16 De dulen, 32 
Aderbaufchulen und 32 landwirtſchaftliche Winter: 
ſchulen, ferner 26 Schulen für Garten» und Obft: 
bau u. j.w., 5 für Wiefenbau u. ſ. w., 1 für Flachs⸗ 
bau, 9 Moltereiihulen, 6 Hufbeichlags:Lehrihmie: 
den, 452 ländliche Fortbildungsichulen, verſchiedene 
Kurfe für Seidenbau und Bienenzucht, 1 Brennerci: 
fchule, 1 Lehrinftitut für Zuderfabrilation u. f. w.; 
ferner: b) 9 Bergichulen und 17 Bergvorſchulen, 
1 Hüttenfhule, 1 Martiheiderfahichule, 5 höher: 
MWebeihulen, 18 Baugewerk: oder Kunft: und Ge⸗ 
werlihulen, 1 Schule für Kunſttiſchlerei, 1 Schule 
für Korbflechterei, 1 Schule ji Töpferei, 2 Lehr: 
anftalten für Aleineifen: und Stahlindujtrie und 


IQ 


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284 


Metallinduftrie, die Fachllaſſen bei verſchiedenen 
böhern Bürgerfchulen u. ſ. w., ferner 14 Naviga: 
tionsſchulen und 18 Navigationsvorichulen; e) 19 
Hebammenlebranftalten; d) 2 Militärknaben Er: 
— 6 Unteroffizierſchulen und 2 Bor: 
hulen, 1 Militärfchießichule, 1 Artilleriefchieb: 
Out, 1 Militärreitinjtitut, 1 Oberfeuerwerler: 
ichule, 7 Kadettenanftalten, 7 Kriegsſchulen, 1 Mi: 
litärturnanftalt, 1 Lehrbataillon, 3 Militärlehr: 
ſchmieden, Werftichulen, Schiffsjungen:Abteilungs: 
ſchulen, Werftdivifiond:, Matrojendivifions:Schu: 
len, 2 Mafciniften: und Steuermann: Schulen, 
1 Marineſchule. , 
Univerfitäten mit einer evang.:theol,, einer jurift., 
einer mediz. und einer philof. Fakultät beſtehen zu 
Königsberg, Breslau, Greifäwald, Berlin, Halle, 
Kiel, Göttingen, Marburg und Bonn; Breslau 
und Bonn befiken auch eine kath.:theol. Fakultät, 
und als ——— Hochſchulen haben die Ala— 
demie zu Munſter und das Lyceum zu Braunsberg 
je eine lath.theol. und eine — Fakultät. An 
allen zuſammen wirkten im Sommerſemeſter 1884 
1086 Profeſſoren, Docenten und Lehrer, darunter 
56 Lehrer für Stenographie, Muſik, Fechten, Rei— 
ten und Turnen; von den Profeſſoren und Docen— 
ten nehören ber evang.theol. Fakultät 81, der fa: 
tholiichtheologifchen 26, der juriftiichen 90, der me: 
diziniſchen 293 und der philofophiichen 538 an. 
Für eine umfangreihe Berufsbildung forgen die 
trefflich ausgeſtatteten Inſtitute, Seminare und 
Sammlungen, welche mit den Univerſitäten eng 
verbunden ſind. Im Sommerſemeſter 1884 be— 
ſuchten die Vorleſungen an den Univerſitäten 2111 
evang. und 423 kath. Theologen, 2040 Juriſten, 
3307 Mediziner und 4961 Studierende der philoi. 
Yakultät; die Summe der 12342 immatrifulierten 
Studierenden verteilt ih auf Königsberg mit 925, 
Braunsberg mit 20, Breslau mit 1481, Greife: 
wald mit 903, Berlin mit 4154, Halle mit 1593, 
Kiel mit 421, Göttingen mit 1010, Münfter mit 
332, Marburg mit 803 und Bonn mit 1109 Stu: 
dierenden. Denfelben fchließen ſich 1519 zum Be: 
fuche der Vorlefungen Berechtigte (in Berlin allein 
1487) an, Als Hochſchulen für Spezialfächer wir: 
fen: die lanbmwirtichaftliche Alademie zu Poppels: 
dorf und die Fönigl. Iandwirtichaftliche Hochſchule 
u Berlin mit zufammen 185 Studierenden im 
inter 1883, daneben die mit den Univerfitäten 
verbundenen landwirtichaftlichen Inſtitute zu Bres— 
lau, Halle, Göttingen, Kiel und Königsberg mit 
zuſammen 203 Etudierenden, die Foritafademien 
zu Eberswalde und Dlünden mit zufammen 231 
Studierenden im Winter 1883, die Bergalademien 
zu Berlin und Clausthal mit zufammen 158 Stu: 
dierenden im Winter 1883, die königl. technijchen 
Hochſchulen zu Berlin mit 887, zu Hannover mit 
354 und zu Aachen mit etwa 300 Studierenden im 
jahre 1833, eine Handelsafademie zu Danzig und 
eine höhere Handelsſchule zu Berlin, die koͤnigl. 
Zierarzneifchulen zu Berlin mit 247 Studierenden 
und zu Hannover mit 91 Studierenden, das mebdiz.: 
chirurgiſche Friedrih-Wilhelms:|nftitut, die mediz.: 
chirurgiſche Akademie und die — — 
zu Berlin, die vereinigte Artillerie: und Ingenieur— 


ſchule bei Charlottenburg, die Kriegsakademie zu | 


Berlin unddieMarinealademie zu Kiel. Erwähnung 
verdienen bier aud) die private Dohigule I die 
Wiſſenſchaft des Judentums und das Nabbiner: 
femimar zu Berlin. Hochſchulen der Künſte find: 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


die Alabemie der Künfte zu Berlin mit fünf Abtei: 
lungen, die Kunſtakademien zu Königeberg, Kaſſel 
und Düfleldorf, die page ademie zu Hanau, die 
Hochſchule für Mufil in Berlin und das Inftitut 
für Kirhenmufit_in Berlin und Breslau. Ihnen 
reiben fi die Hoftheater zu Berlin, Hannover, 
Kaſſel und Miezbaden, die Singafademie zu Berlin, 
die königl. Mufeen und Bildergalerien an. Bro: 
vinzielle und ſtädtiſche hiſtor. Muſeen und Archive, 
Altertum3: und Kunitlabinette, Brivat: und Stadt: 
theater ıc. find ns über das Land zerftreut, wie 
benn auch viele Gejellihaften und Privatinititute 
fi) die Förderung von Künſten und Wiſſenſchaften 
angelegen fein laſſen. Die königl. Atademie der 
Wiſſenſchaften, die Staatsardive, dielönigl. Biblio: 
thet zu Berlin, die Univerfitätsbibliothelen und 
* Landesbibliotheten u. ſ. w., das geodätiſche 
In titut, das Gentralbureau der eurov. Grad: 
mellung, der botan, Garten in Berlin, das aſtro— 
—— Obſervatorium bei Potsdam, die geolog. 
ndesanſtalt und viele andere öffentliche Snftitute 
dienen der Pflege der —— in ausgedehn⸗ 
tem Umfange. Der Erhaltung von Kunſigegen— 
ſtänden und Denkmälern der Vorzeit wendet der 
Staat eine freigebige Fürforge zu. Für den Schuß 
be3 geijtigen Eigentums ijt * lich (Geich 
vom 11. uni 1870) und durch zahlreiche Verträge 
(Litterarfonventionen) geforgt. Cine unmittelbare 
praltiſche Richtung verfolgen bie in allen bedeuten: 
dern Städten vorhandenen Gewerbevereine, wäh: 
rend die feit etwa 1845 entitandenen Arbeiterbil: 
dungövereine die Hebung bes Arbeiteritandes be: 
weden; daneben wirkt die Deutiche Gefellichaft für 
erbreitung von Bollsbildung mit zahlreichen 
Zweigvereinen in P. Die —— und Pflege 
der Waiſenlinder iſt durch die Vormundſchaftsord— 
nung vom 5. Juli 1875 umſichtig geregelt und 
findet in Waiſenhäuſern und in Familien ftatt. Die 
verwahrlojten Kinder finden ſeitens freier Vereine 
und kommunaler Nettungshäufer, (auch in zwei 
ftaatlihen) erziehlihe und unterrichtliche Verſor— 
gung; 1882 gab e3 deren 180 mit über 7800 Zög⸗ 
ingen. Das Gefek vom 13. März 1878 regelt die 
zur Hälfte auf Staatskoften erfolgende Zwangs— 
erziehbung der finder von 6—12 Jahren, welche —* 
im Zuſtande ber Verwahrloſung befinden (1884: 
7190), durdy fiberweifung derfelben an die Kom: 
munal:, bejiehungsweife PBrovinzialverbände, wo: 
für ihnen und dem Staate jährlih über 1330000 
Mark Ausgaben erwachſen. Es wird beabfichtigt, 
in fämtlihen Landesteilen hierfür auch ftaatli 
Bellerungsanftalten zu errichten. i 
ie fittlihe Kultur läßt ſich ſtatiſtiſch nicht 
in allen Erſcheinungen erfafien, barf aber als eine 
bem ode allgemeinen Kulturftande der Nation 
entiprechende bezeichnet werben. Unter den nega⸗ 
tiven eig je die Sittlichleit mögen neben 
ben bereit3 berübrten unehelihen Geburten unter 
andern die Konflifte mit dem Strafgefeßbud 
mwähnt werben, die dem Durchſchnitt des ganzen 
Deutſchen Reichs — * 1883 kamen in P. auf 
10000 über 12 Sabre alte Bewohner 104,2 wegen 
Verbrechen und Vergeben Berurteilte, barunter 17,4 
wegen folcher gegen Staat, öffentliche Ordnung und 
Religion, 34,3 wegen folder gegen bie Perjon, 52,0 
wegen folder gegen das Gigentum. Auch über 
das Firdliche Leben liegen umfafiende —— ten 
ur bezügli nde3: 


er: 





nicht vor. der evangelifchen 


lirche, welcher 64,54 Proz. der Gejamtbevöllerung 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


angehören und welche 1881 über 14016 Kirchen und 
Hapellen und 9087 Pfarr: und fonitige geiftliche 
Amtsjtellen verfügte (durhichnittlich 1256 Gvange: 
liſche auf eine Kirche, 1938 auf einen Geiftlihen), 
lann als Zeichen kirchlichen Lebens angegeben wer: 
den, dab von den lebend geborenen Kindern evang. 
Eltern 1876: 94,05 Proz., 1881: 95,21 und 1884: 
94,20 Bros. kirchlich getauft, von rein evangeliichen 
neu geſchloſſenen Ehen 1876: 86,44, 1881: 91,16 und 
1884: 92,76 Proz. lirchlich eingeiegnet worden find. 
Im ganzen Staate und in allen Neligiontgemein: 
Ihaften waren 1882 überhaupt 18102 Perſonen 
als Geiftlihe, Organijten und andere — 
beamte bauptberuflich und 2851 ebenfolche neben: 
beruflicdy thätig, außerdem als Kirchendiener und 
dergleiden Dienftperjonal 2956 hauptberuflich und 
2211 nebenberuflich. — 

Für die Geſundheitspflege ſorgt ein reich— 
liches Heilperfonal; 1882 waren 8436 approbierte 
Arzte (1 auf 3234 E.) vorhanden. r Bereitung 
der Heilmittel beftanden 1879: 2429 fonzejfionierte 
Apotheten, J Krankenpflege und nn 
987 öffentlide und private allgemeine Heilanftal: 
ten mit 43393 Betten, worin 275875 Kranle ver: 
pilegt wurden, ferner 1881: 64 öffentliche und 92 
private Srrenanftalten mit 28334 Berpflegten, 
51 Augenheil: und 134 Entbindungtanitalten, Im 
3. 1882 widmeten ſich überhaupt 40887 Berjonen 
bauptberuflih und 3230 Perfonen nebenberuflich 
der Gejundheit: und Krankenpflege. 

Hinfihtlih der Staatsverfaffung it P. 
nad dem Grundgeſeh des Staats, der durch ſpä— 
tere Gejehe im einzelnen mebrfah abgeänderten 
Berfaffungsurlunde vom 31, Yan, 1850, eine fon: 
ftitutionelle Monarchie, in weldyer die gelehgebende 
Gewalt von König und dem Landtage gemein: 
ſchaftlich au&geübt wird und die Freiheitsſphäre der 
Unterthanen dem Monarchen gegenüber derart ab: 
geftedt ift, daß diefelbe gegen mwilltürlidye Gingriffe 
des letztern geſchüßtzt ift. ß ® ng Be Sn: 
wiemweit die preuß. Verfaffung durd die Verfafjung 
des Deutihen Reichs vom 16. April 1871, defien 
bundesftaatliches Mitglied und Bräfidialma > 
ift, nad dem Grundfahe: «Reichsrecht bricht Yand: 
recht», an Geltung verloren hat, vgl. unter Deut: 
ſches Reid) (ſtaatsrechtlich. Der König von P. 
leiftet nad dem Negierungsantritt in_ Gegenwart 
ber Kammern den Eid auf die Verfaſſung; iſt er 
minderjährig (bis zur Vollendung des 18. Lebens: 
jahres) oder zu regieren dauernd verhindert, fo führt 
der nädjite re Agnat die Regentichaft. Die 
Krone vererbt ſich nach dem Rechte der Erſtgeburt 
im Mannsitamm und der agnatiſchen Linealfolge 
mit Ausſchließung der Kognaten, Das königl. Haus 
Hohenzollern iſt evang. Konfeffion. Die Angelegen: 
heiten des lönigl. Haufes und des Hofitaats reſſor— 
tieren vom Minijterium des königl. Haufes, das 
dem Gejamtminijterium nicht angehört, und vom 
Oberitlämmereramt. Zur, perjönlihen Grleid): 
terung bei feinen Staatsgeſchäften bedient fid) der 
König eines Civil: und eines Militärfabinetts, 
Neben den ihm als Deutihem Kaijer beigelegten 
Befugniſſen vereinigt der König nad ber Grund: 
anſchauung des deutic:monardiichen Staatsrechts 
die geſamte — grundſätzlich in feiner 
Hand; er übt die vollziehende Gewalt, ernennt und 
entläßt die Minifter und Staatödiener, beruft und 
—— t die beiden Häuſer des Landtags und darf 

aus der Abgeordneten auflöfen; die Verlün: 


285 


digung und Ausführung der Gefehe fteht ihm allein 
au; er hat dad Recht der Begnadigung und Straf: 
milderung, der ee dar Orden und andern 
Auszeichnungen; er führt den Oberbefehl tiber das 
Heer, aber dad Recht, Krieg zu führen und Frieden 
zu ſchließen, ſowie teilweiſe die Fuhrung der aus: 
wärtigen Angelegenbeiten find, ſtaatsrechtlich ges 
nommen, von dem König von %. auf den Deutichen 
Kaiſer übergegangen. Die Perfon des Königs iſt 
unverlehlih. Handlungen der Regierungsgewalt, 
mit Ausſchluß der Armeebefehle und der Alte des 
Königs, welche er als oberjter Träger des landes— 
herrlihen Kirchenregiments vollzieht, bedürfen zu 
ihrer Gültigkeit der Gegenzeihnung eines die Vers 
antwortung übernehmenden Miniſiers, doch fehlt 
es biäher an einem diefe Verantwortlichkeit vegeln: 
den Gefehe. Zu den öffentlichen Bermögensrechten 
des Königs zählt neben Steuer: und Bortofreiheit 
die Eivillifte, welche fi zur Beit auf 12219296 
Mark beläuft und die geſamten aus Staatsfonds 
dem Könige und dem königl. Haufe zu gemährenden 
Mittel darſtellt. Als Deutſcher Haifer bezieht der 
König von P. feine Dotation, 

Der Landtag beiteht aus dem Herrenhaufe und 
dem Haufe der Abgeordneten; er han das Recht der 
geſehgeberiſchen Initiative, ber Zuſtimmung zu allen 
Geſehen und gewiſſen Verträgen, übt die Kontrolle 
der Dinangsermaltung, nimmt Betitionen entgegen, 
fann von den Miniftern Auskunft verlangen (f. In— 
terpellation), Kommijfionen zur Unterfudung 
von Thatſachen einfegen und Adreſſen an den Kö— 
nig rihten, Er tritt alljährli zwiichen Anfan 
November und Mitte Januar gejehlih und fonft 
nad) Bedarf —— Die Sißungen find öffent⸗ 
lid. Die Mitglieder können wegen ihrer Abitim: 
mungen und Reden im Haufe außerhalb desfelben 
nicht zur Verantwortung gezogen werden und ges 
ulchen bejondern ſtrafrechtlichen Schuß. Ausge: 
ſchloſſen vom Landtage find nur der Präfident und 
die Mitglieder der koͤnigl. — ——— 
Die Mitglieder des Abgeordnetenhauſes erhalten 
Zagegelder und 4* ten, auf welche ſie nicht 
verzichten dürfen. Das Herrenhaus beſteht aus 
den grohjäbrigen Prinzen des lönigl. Haujes, dem 
Haupte des fürftl. Hohenzollernſchen Haufes, den 
mit erblicher Berechtigung auf Lebenszeit oder auf 
Präjentation vom König berufenen Mitgliedern, 
welde Preußen fein und in P. wohnen, über 
30 Jahre alt und ehrenhaft fein müſſen. Zur Prä: 
jentation je eines Mitgliedes ſind beredtigt: die 
Domſtifter Brandenburg, Merjeburg und Naum: 
burg; die Zandesuniverlitäten; die — 
bände der mit Rittergütern angeſeſſenen Grafen; 
adelige Familienverbände mit ausgebreitetem 
Grundbefis; 45 Städte, denen dieſes Recht vom 
Könie veigelegt wurde; zur Präſentation eines 
oder mehrerer Mitglieder die Verbände des alten 
und befejtigten Grundbeſihes, d. ). der minbejtens 
50 Jahre in derjelben Familie verbliebenen und der 
in Veräußerung und Vererbung beſchränkten Rit— 
tergüter. Im %. 1884 zählte das Herrenhaus 
324 Stimmen, darunter 44 rubende; 95 Mitglieder 
find erblich berechtigte, 64 auf Lebenszeit, 165 auf 
Präfentation berufene. Das Haus der Abgeord: 
neten zählt 433 in 256 ftändigen Wahlbezirlen ge: 
wählte Mitglieder. Die Wahl erfolgt alle drei Jahre 
nad) dem Gejek vom 30. Diai 1849 mittelbar durch 
Wahlmänner (je einer auf 250 Seelen), welde in 
Urwahlbezirten von je 750—1749 Seelen jeitens 


286 


der über 24 Jahre alten, bie bürgerlihen Rechte 
befigenden, feit ſechs Monaten in der Gemeinde 
wohnhaften und feine Armenunterftügung empfan: 
genden Männer der Eivilbevölterung mittels öffent: 
lider Stimmabgabe erwählt werden; die Urwähler 
find in drei Abteilungen von gleicher Steuerleiftung 
Sn nk a geteilt. Dem Abgeordneten: 
aufe müfjen finanzielle —— der Staatsregie⸗ 
rung zuerſt zugehen, und das Herrenhaus darf den 
Staatshaushalt3:Gefepentwurf, wie er aus den 
Veratungen des eritern hervorgegangen iſt, nur im 
ganzen annehmen oder ablehnen, J 
FETT N Net der Preußen iſt 
die Gleichheit vor dem Gejeb unter Aufhebung aller 
Standesvorredhte; bloß die Mitglieder des königl. 
und des Hohenzollernfchen Fürftenhaufes, die ge 
milien der 1866 depoſſedierten —— und die 
Standesherren, d. h. diejenigen mediatiſierten Für: 
ſten und Grafen, welche ſich bei Aufloſung des 
alten Reichs im Befis_der Neichunmittelbarkeit, 
der Reichsſtandſchaft (Sik und Stimme im Reichs: 
tage) und einzelner Regierungsrechte, beziehungs: 
weiſe der Landeshoheit befanden, genießen, be: 
ftimnte Vorrechte, und für die Beamten des Civil: 
und Militärdienftes find neben gewillen PBrivile: 
gien und Pflichten auch beiondere, zum Teil einge: 
Ichräntte Nechte gültig. Die bürgerlichen Nechte 
find feit Begründung des Deutfchen Reichs (f. d.) 
zum Zeil reichsgeſetlich, beziehungsweiſe reichsrecht⸗ 
lich geordnet (Freizügigteit, Gewerbefreiheit u. ſ. w.). 
Die — Freiheit iſt gewährleiſtet, das Eigen: 
tum, die Wohnung, das Briefgeheimnis unverleh: 
lich: alles vorbehaltlich eines Einſchreitens der Ge: 
richte und zum Zeil (bei frifcher That) der Polizei. 
Auf bürgerlihen Tod und VBermögenseinziehung 
darf nicht erlannt werden. Ausnahmegerichte find 
nicht geftattet, es ſei denn ein befonderes Geſehz er: 
laſſen oder über einen Yandesteil der Belagerungs: 
zuftand verfündigt. Jeder Ginwohner darf aus: 
wandern, fofern er nicht feiner Militärpflicht zu ges 
nügen hat. Glauben, Wiſſenſchaft und Preſſe find 
innerhalb der Grenzen, welde das Strafgefehbud 
zieht, frei. Zu frieblichen und unbewafineten Ver: 
ſammlungen, jowie zu nicht traffälligen Gejell: 
ſchaften darf man ſich vereinigen; aber freie Ber: 
fammlungen zur Beratung politiicher und ſozia— 
ler Angelegenheiten unterliegen der Anmeldung 
bei der Polizeibehörde und der Beaufſichtigung 
durch dieſe. Jeder geſunde Preuße männlichen 
Geſchlechts iſt wehrpflichtig. 

Die Organijation der Staatsbehörden, 
die Beſtimmungihrer Juftänbdigfeit, Bezirke und Sibe 
ſteht als Beftandteil der volljiehenden Gewalt dem 
König zu, ſoweit 1 wegen Ünderung bejtehender 
Gejehe oder —* Mehrbelaſtung des Staatshaus— 
halts eine geſehliche Ordnung unter Mitwirkung des 
Landtags vorgeichrieben ift. Die Staatöbehörden 
find Gentralbehörden, Provinzial: (Bezirks:, Kreis:) 
Behörden und Lolalbehörden, An der Spihe ber 
Verwaltung jteht das Staatsminifterium, das 
vom Minijterpräfidenten, beziehungsweife deſſen 
Stellvertreter, 9 Reſſortminiſtern und fonjt etwa 
bejonders ernannten Staatsminiftern gebildet wird. 
Demfelben untergeordnet find das Gentraldirefto: 
rium ber Vermeſſungen, der Disciplinarhof für 
nichteichterliche Beamte, der Gerichtshof für lirch— 
liche Angelegenheiten, das Dberverwaltungsgericht, 
die Brü ngöfonmtiffion r die höhern Verwal: 
tungsbeamten, der Gerichtshof zur Entſcheidung 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


* —— 8 —— 
er «Deutſche Reichs und Preu i- 
er» und die Nedaltion der Gefehfammlung. Dem 
Präfidenten find insbefondere die Generalordens- 
lommiſſion, die Staatsardive und das Gejeßfamm- 
—— (im . oftamt befindlich) unterftellt, 
Selbftändige Oberbehörden neben den Minifterien 
find die Oberrechnungslammer und der Evan % 
Oberkirchenrat. Als beratende Körperſchaft beite 
Br Begutachtung von Verordnungen und 
er (1884 realtivierte) Staatsrat (1. d.). 
ber Einzelminifterien find: die auswärtigen ⸗ 
legenheiten bon Auswärtigen Amt des 
Reichs verfehen); die Finanzen; die geiſtlichen, Un- 
terrichts- und Medizinalangelegenbeiten; 
und Gewerbe; die öffentlichen Arbeiten; die Innern 
Angelegenheiten; die Juſtiz; die militärifhen An- 
gelegenbeiten; die landwirtfcpaftlichen, Domänen 
und Forftangelegenbeiten. i 
Das Finanzminifterium befteht aus den brei 
Abteilungen für das Etat: und Kaſſenweſen ¶ 
für die Verwaltung der direlten Steuern (IL) und 
für die Verwaltung der indireften Steuern und 
Zölle (111). Die Generalſtaatslaſſe und Haupt: 
buchhalterei, die Seehandlung, die Hauptvermal: 
tung der Staatsſchulden nebit dem königl. Leihamt 
find dem Miniſter untergeordnet; die Gen 
tion der Lotterie, die Münze zu Berlin und die 
amtliche Probieranftalt zu Frankfurt a. M,, 
allgemeine Witwenverpflegungtaxbalt ören der 
I. Abteilung an; unter der II. fteht die Direktion 
für die Verwaltung der bireften Steuern in Berlin; 
unter der III. die Brovinzial:Steuerdireftion zu 
Berlin, das Hauptitempelmagazin dafelbft und die 
ur Kontrolle der Zölle und Reichsſteuern im Gebiete 
es Reichs beftellten preuß. Beamten. Zur Bro- 
vinzialverwaltung der indirelten Steuern find 11 
Vrovinzial-Steuerdireltionen (außer der zu 
eingefeßt, deren lofale DVerwaltungsorgane bie 
Haupt: und die Nebenzollämter und die Haupt: 
jteuer: und Steuerämter find; ber —— 
Steuerdireltion der Rheinprovinz unterſtehen aud) 
die Hypothelenämter. Die direlten (in Hohe 
auch indirekten) Steuern werden von den 
regierungen verwaltet; die Veranlagung der direl: 
ten Steuern geſchieht durch die Kreis: und Ge— 
meindebehörden unter Mitwirkung von Steuer: 
pilichtigen und Vertretern der Selbſtverwaltungs⸗ 
förper; die Hebung erfolgt, abgefehen von der an 
die Kreislaſſen einzuliefernden Einfommen 
durch die Gemeinden in ben öftl. alten Provinzen, 
4 Ye —X und in —* vos — *528 
urch königliche Steuerempfänger (Steuerlaſſen 
die Veränderungen in den Grund: und Gebäude: 
ftenerbüchern fortzufchreiben liegt der Ratafterver: 
waltung ob. Die unter dem Yinanzminifter und 
dem Minijter für Landwirtidaft, Domänen und 
Foriten stehenden Provinzialrentenbanten haben 
auf richtigen Gingang der Alm für 
Grundlajten und auf die Berzinfung und Einlöfung 
der Nentenbriefe zu ſehen. Die Oberprü s 
tommijfion für Landmefier fteht gemeinſcha 
unter dem Finanzninifter, dem Minifter für Land⸗ 
wirtſchaft u. ſ. m. und dem für Öffentliche Arbeiten. 
In die Geſchäfte des Minifteriums der 
öffentlihen Arbeiten, welches 1878 vom Mi: 
nifterium für Handel, Gewerbe und hy iche Ar: 
beiten abgelöft wurde, teilen ſich die vier Abteilun: 
linenmwejen, für die 


gen für Berg, Hütten: und 


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‘ 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


Berwaltung ber Staatseifenbabnen, für die Ver: 
waltung des Baumwelens und für bie Führung der 
Staatsauffiht über bie Privateifenbahnen. Die 
fi) felbjt verwaltenden Privateiienbahnen werben 
durd das königl. Eifenbahntommifjariat in Berlin 
beaufiichtigt, die Staatäbahnen und die unter 
Staatsverwaltung ftehenden Privatbahnen durch 
die Gifenbahndirektionen zu Bromberg, Breslau, 
Berlin, Hannover, Altona, Magdeburg, Erfurt, 
Frankfurt a. M., Elberfeld und Köln (redht3: 
rheiniſche und linfsrheinifche) geleitet; der durch 
Gejek vom 1. juni 1882 eingejebte Landeseiſen⸗ 
bahnrat und die Bezirkseiſenbahnräte, beratende 
Körperichaften für die Staateifenbahnverwaltung, 
ehören zum gemeinſchaftlichen Refiort bes Mint: 
her der öffentlichen Arbeiten, des Minifters für 
Handel und Gewerbe und deö Minifters für Land: 
wirtfchaft. Bon der dritten Abteilung refjortieren 
die Alademie de3 Bauweſens (beratende Behörde 
in Bauſachen ꝛc.) und die techniſchen Prüfungs: 
fommiffionen für bie erfte und zweite Staat3prü: 


fung im Bau: und Maſchinenfache; mit Ausnahme | wird dur 


287 


ölonomielollegium —55 — deſſen Mitglieder 
teils von den landwirtſchaftlichen Centralvereinen 
gewählt, teils vom Minifter ernannt werden. Zu 
er I. Abteilung für landwirtſchaftliche und Ge: 
in we ebören neben jenem Kollegium 
ie Landıpirtfhaftlicen Lehranftalten und Vereine, 
ebenfo die techniihe Deputation für das Veterinär: 
wefen und bie königl. Thierarzneifchulen, die land: 
ge ra das landwirtſchaftliche 
ujeum, bie Deichverbände, Meliorationsgenofien: 
ſchaften u. ſ. w., die Central-Moorkommiſſion, Die 
Staatägeftüte und das Dber:Landestulturgericht, 
nebjt den Auseinanderfeßungsbehörden in ben Pro: 
vinzen zur Negulierung der gutsberrlihen und 
Gäuerlien Verhältnifie, ſowie zur Ausführung der 
Gemeinheitsteilungen (Generallommifjionen). Die 
U, Abteilung verwaltet die Domänen, die Ill. 
bie Forſt- und —7— — fowie das 
forſtliche Unterrichts und Prüfungsweſen (Forit: 
alademien und Forſt-Oberexaminationskommiſſion). 
Der Geichäftötreis des Kultusminiſteriums 
die vier Abteilungen für die geiftlichen, 


der Strombauten, für welche vier befondere Direl: | für das höhere und techniſche Unterrichtöwejer, 


toren beftellt find, gehören die Waſſer- und Hoch— 
bauten in den Bereich der Bezirlöregierungen; bie 
Bauſachen der Provinzen, Kreife und Gemeinden 
werben von Organen ber Selbftverwaltung geleitet. 
Zum — der Abteilung für das Berg-, Hütten: 
und Salinenweſen gehören die geolog. Landes: 
anftalt, die Bergalademie zu Berlin und die Prü: 
fun miffionen für die erſte und zweite Staats: 
g über die Befähigung zu ben technijchen 
Amtern bei den Bergbehörden, nk als Provin⸗ 
ialbehörben die Oberbergämter zu Breslau, Halle, 
rtmund, Bonn und Clausthal; letztere beauf: 
fichtigen die Bergſchulen, kontrollieren durch Ne: 
vierbeamte ben WPrivatbergbau, behandeln bie 
ber. den —— u die Verg: 
bauhilfslaſſen zur Unterftügung bergbaulicher Un: 
ternehmungen, haben die Oberaufſicht über. die 
An aftstäfen und bilden eine obere Inſtanz 
für bie Staatsunternehmungen auf biejem Ge: 
biete; zur fpeziellen Verwaltung der dem Staate 
gehörigen werfe, Hütten und Salinen dienen 
die Bergwerlsdireltion zu Saarbrüden, die Berg: 
infpeftionen und Faktoreien, die Hüttenämter und 
die Salzämter, 

Das Minifterium für Handel und Ge: 
werbe verwaltet, nach vielen im Lauf der Jahre 
erfolgten Abtrennungen und nad ben diefem Nef: 
fort durch die Kompetenz bes Reichs gewordenen 
Einſchränkungen, alle mit Handel und Gewerbe 
mittelbar und unmittelbar zufammenbängenden 
Angelegenheiten, namentlich diejenigen der Reederei 
und Schiffahrt, das Lotjenwefen, die Navigation: 
ihulen, die Privatbantinititute, das er und 
Gewichtsweſen, die Korporationen für Handel, 
Gewerbe: und Induſtrie, ſowie (neuerdings wieder) 
einen großen Teil des gewerblichen und lunſtge— 
werblichen Unterrichtsweiens, das KHunftgewerbe, 
einſchließlich der Lönigl. Porzellanmanufakturu. ſ. w. 
Unter ihm ſtehen ferner die techniſche Deputation 
für Gewerbe und der Vollswirtſchaftsrat, lehterer 
zugleich unter bem Minifterium der öffentlichen Ar: 
beiten, fowie für Landwirtichaft u. f. w. 

Dem Minifterium für Landmwirtichaft, 
Domänen und Forften, welches in drei Abiei— 
lungen zerfällt, N als eine begutachtende und bes 
tihtende Sahverjtändigentommiffton das Landes: 


jowie Kunft u. f. w., für das niedere Schulwefen 
und für die Medizinalangelegenbeiten bezeichnet. 
Zum Reſſort des Miniſteriums ori die willen: 
ſchaftliche Deputation für das Medizinalweſen, bie 
techniſche Kommiſſion für pharmaceutiiche Ange 
legenheiten, bie ärztlichen, pharmaceutiichen, zahn— 
ärztlichen u. j. w. Feifungstommiftanen, die große 
Heilanftalt_der Charite, die Hofapothelentommii: 
fion; das Direltorium Montis pietatis, die Kom⸗ 
miſſionen für wilenshaftlihe Prüfung der Kandi— 
daten des geiftlichen Amtes, die allgemeine Kirchen— 
verwaltung u. ſ. w.; die Akademie der Willen: 
ihaften, die Alademie der Künfte, das aſtrophyſila— 
liſche Obſervatorium, das meteorologifche — 
(von 1886 ab), die koönigl. Muſeen, die National: 
galerie, das Raud:Mufeum, die königl. Peer 
Sternwarte, der botan. Garten, ba3 geodätiſche 
Bi (zugleich Gentralbureau der europ. Grab: 
mellung), die Univerfitäten und technifchen Hoch— 
faulen, die wifienfchaftlihen Prüfungstommiffio: 
nen, bie litterarifchen ꝛc. Sadyverjtändigenvereine, 
die Schulbehörden, die Unterrichtsanitalten, bie 
Zurnlehrer:Bildungsanftalt, die Prüfungstont: 
mijfion für Turn, Shwimm: und Fechtlehrer, für 
QTurnlebrerinnen, für die Vorfteher der Taubftum: 
menanftalten u, ſ. w., die Hunftdenfmäler u. ſ. w. 

Gentralitelle der allgemeinen Landesverwaltung, 
der PBolizei:, Gemeinde:, ſtändiſchen und Armen: 
angelegenheiten it das Minifterium des In— 
nern; auch refjortiert von ihm bie Leitung der 
polit. Wahlen und die Mitwirkung bei militäriſchen 
Aushebungen u. ſ. w. Bu feinem Refjort gehören 
die ftatift. Centraltommilfion, das Statiftiihe Bi: 
reau nebjt (bi3 1886) dem meteorologifchen Inſti— 
tut, fowie unmittelbar das Polizeipräftdium zu 
Berlin und einzelne Stifter, . 

Als oberfte Inſtanz für die Juſtizverwaltung 
dient das AJuftizminifterium; die Vorftände 
der Gerichte und Staatsanwaltichaiten find Organ: 
desfelben, Eine Einwirkung auf die Rechtſprechun; 
jteht dem Juſtizminiſter nicht zu; neben der rei 
verwaltenden Thätigteit ift feine Entſcheidung vie! 
mehr nur auf die Beichwerden über Disciplin, 
Beihäftsbetrieb und Verichleppungen beichräntt. 
Unter dem YJuftigminifter hebt die für die ganze 
Monarchie eingefehte Yultizprüfungstommilfior. 


288 


Die Verfaffung der ordentlichen Gerichte ift reichs— 
geiehlih durd das Gerichtsverfallungsgeich vom 
27. Jan. 1877 — Auf Grund deſſen, jo: 
wie des preuß. Ausführungsgejehes vom 24. Apri 
1878 und des Geſehes vom 4. März 1878 ift das 
Land in 13 Oberlandesgerichtöbezirfe, und dieje 
ihrerfeitö wicder in Landgerichts: und weiter in 
Amtsgerichtsbezirke eingeteilt (j. Gericht und Ge: 
rihtsverfaflung), welche fämtlih nur durd) 
Gejeh abgeändert werben können. Die Oberlandes: 
nerichtäbezirte entiprechen im allgemeinen den Bro: 
vinzen, in Dee ae den Negierungsbezirken, 
und haben ihre Sige in Königsberg, Marienwerder, 
Berlin (hier Kammergericht genannt), Stettin, Pos 
fen, Breslau, Naumburg, Kiel, Celle, Hamm, 
Kaſſel, Frankfurt a. M. und Köln; zugelegt find 
jedodh: zu Naumburg die Imter Elbingerode und 
Hohenftein, ſowie Schwarzburg: Sondershaufen 
und Anbalt; zu Celle der Kreis Ninteln ynd die 
beiden Lippe, jowie Pyrmont; zu Hamm der land: 
rechtliche Teil der Nheinprovinz (f. d.); zu Kafjel der 
Kreis Biedenkopf, fowie Walded; zu Frankfurt a. M. 
der gemeinrechtlihe Teil der Nheinprovinz und 
Hohenzollern; zu Köln das oldenburg. Fürftentum 
Birkenfeld; die Kreife Schleufingen, Schmaltalden 
und Ziegenrüd find dagegen dem nihtpreuß. Ober: 
landesgerichtsbezirt Jena zugewieſen. Oberſter Ge: 
richtshof für Preußen ift das Reichsgericht in Leipzig 
(i. Reihsgeriht, Amtsgericht, rent 
richt, Oberlandesgeridht, Handelsgeridt, 
Schwurgeridt, ir 

An klirchlichen Angelegenheiten find zwar 
alle Religionsgefellihaften grundjäplic unabhängig 
vom Staate; indes leitet fi aus der Kirchenhoheit, 
die ein wejentlider Beſtandteil der —— 
iſt, das ſtaatliche Oberaufſichtsrecht an wichtigſtes 
neben einigen andern) her. Die oberbiſchöfl. Ge— 
walt des Landesherrn bedingt einen unmittelbaren 
Einfluß der Staatsgewalt auf die evang. Kirche 
aud) heute noch. Die ſtagtsbürgerlichen Rechte find 
unabhängig vom religiöfen Belenntnis, Die jtaat: 
lien Organe in Kirdenauffihts:, Kirchenverwal— 
tungs⸗ ac. Sachen find der Minifter der genen 
Angelegenheiten, in den Provinzen die Ober: und 
die Negierungspräfidenten und die Kirchen: und 
Sculabteilungen der Bezirkäregierungen. Oberſte 
Behörde für die rein lirchlichen Angelegenheiten der 
evang. Landeslirche der Altern Provinzen ijt der 
dem König unmittelbar untergeordnete Evangeliiche 
Oberlirdenrat zu Berlin, deffen Organe in den 
Provinzen die Generaljuperintendenten und bie 
Konfiftorien find. Die äufere Ordnung und die 
Drgane für die kirchliche Selbftverwaltung find 
durch die Kirchengemeinde: und Synodalverfailung 
geſchaſfen; dieje Organe find der Gemeindelirchen: 
rat und die Gcmeindevertretung, die Kreisſynode, 
die Provinzialiynode und die Generaliynode. (©. 
Evangelijde Kirhenverfaffung.) in den 
neuen Provinzen führt der Landesherr gleichfalls 
das Kirchenregiment und e3 bejtehen dort ähnliche 
eg An Hannover 
haben ſich das luth. Pandestonfiftorium und bie 
reform. Kirche ——— zu Aurich), in Frank— 
furt a. M. das luth. und das reform. Konſiſtorium, 
in Naſſau das — Konſiſtorium zu Wiesbaden, 
int Regierungsbezirk Kaſſel das Da evang. 
Konfiftorium zu Kaſſel, in Schleswig: Holitein das 
—— Konſiſtorium zu Kiel noch ſelbſtändig 
und frei von der Oberaufſicht der berliner Kirchen: 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


u erhalten; fie ftehen unter dem Kultusmi⸗ 
nifter. Die Konftitorialbezirke find in 608 Kirchen⸗ 
freife (Diöcefen, Superintendenturen, Inſpeltionen, 


ien eingeteilt. — Die —— der Ka⸗ 
tholilen werden größtenteils von einheimiſchen 
iſchöfen geleitet (Bulle De salute animarum 
von 16. Juli 1821). Das eremte Bistum Ermland 
GBiſchofsſih in Frauenburg) umfaßt Oftpreußen und 
den rechts der MWeichiel gelegenen Teil von Weit 
preußen mit Ausnahme des Kulmerlandes. ar 
res und die meiiten wejtpreuß, Kreife links 
Weichſel bilden neben dem pommerſchen Dekanat 
Lauenburg den Sprengel des von Poſen refjorties 
renden Suffraganbistums Kulm (Sit in Belplin). 
Dem Erzbistum Poſen-Gneſen gehört die Pros 
vinz Bofen, das weſtpreuß. Dekanat Deutſch⸗Krone 
und die pommerfche Propftei Tempelburg an. Für 
beinahe ganz Schleſien, den franffurter Negies 
rungsbezirt und den Delegaturbezirt Berlin beſſeht 
das audı nad Oſterreich — eremte 
Bistum Breslau; die Grafſchaft Glaß fteht unter 
der \urisdiltion des Erzbiſchofs von Prag, der 
Diftritt Katſcher in Oberichlefien unter der des 
Erzbiichofs von Olmüg. Der Erzbiichof von Köln 
verwaltet die Bezirke Köln und Aachen und Teile 
von Düfjeldorf und Koblenz. Das eemte Bistum 
Hildesheim umfaßt den größten Teil Hannovers, 
Das eremte Bistum Dsnabrüd beiteht für die Re— 
ierungsbezirle Dsnabrüd und Aurich und die 
* ogtümer und iſt zugleich Provilariat der nor 
diſchen Miifionen. 


l — Delanale u. dgl.) und dieſe in Paro— 


urfraganbistümer von 

find die Bistümer Paderborn für die Provinz 
Den und die Bezirte Minden und Arn ß 
Münfter für den Negierungsbezirt Münfter umd 
Teile von Düffeldorf; Trier fr den Südmweiten ber 
—— Zur Oberrheiniſchen Kirchenproving 
(Erzftift Freiburg) gehören: die 4 hohenzoll. Dela⸗ 
nate, die Suffraganbistümer Fulda für das Ge 
biet des ehemaligen Kurfürftentums Heſſen und 
Limburg für das ehemalige Nafjau, jowie die von 
Mainz rejjortierenden Prarreien der früber heſſ.⸗ 
darmit. und homburg. Pandesteile. — Die Ges 
meinde Norditrand in — hängt dem —— 
länd. Janſenismus an. Die Altkatholilen 
ihren eigenen Biſchof ohne abgegrenzten Sprengel, 
— Die Juden, deren Kultusangelegenbeiten in den 
alten Provinzen durch Geje vom 28. Juli 1847, 
in den neuen Provinzen teils etwas ie er, teils 
etwas Später durch damalige Landesgeſehe geordnet 
find, haben frei nebeneinander ftehende Synagogen: 
emeinden; nur in Hannover ift das ißraelit. Kon: 
iftorium und in Kaſſel das Landesrabbinat Auf 
ſichtsbehörde über den Glauben. 

In der innern Berwaltung der Propin— 
en und einzelnen Landesteile hat neben den ſtaat⸗ 
ihen Verwaltungsorganen die Selbftverwaltung 
in ausgedehntem Umfange Boden gewonnen, 
Durd die neuere ——— ebung 
die ſtaatlichen Provinzial, Bezirks: und Kreis: 
behörden eine völlige Umgeſtaltung erfahren, wel: 
der, in Antnüpfung an die weiter unten zu bes 
ſprechende Ordnung der Selbftverwaltung, der 
Grundſatz der Decentralijation der Landesverwal⸗ 
tung unter Mitwirkung der Selbjtverwaltung und 
der von unabhängigen Organen zu übenden 
waltungsgerichtsbarteit — iſt. Die 
ältern Vorſchriften über die Organiſation der Vers 
waltung fommen, bis zu der teilweife in nädjiter 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


Zeit bevorftehenden Einführung der Brovinzialorb: 
nung (j.d.) und Kreisordnung (j.d.), jekt nur nod) in 
Poſen, Weitfalen, Rheinland und Schleswig-Hol— 
ein zur Unwendung. Die —*—*— der allgemeinen 
ndesverwaltung, neben welchen die bei den ein: 
zelnen a oben bereit3 erwähnten befondern 
Staatsbehörben beitehen, find der Oberpräfident, 
ber Regierungspräfident (beziebungsweife die Ne: 
gierung bis zur Cinführung des Landesverwals 
tungs&gefehes vom 30, Juli 1883 in ben lehtgenann: 
ten vier Provinzen) und der Landrat, weldyen in den 
Kreisordnungsprovinzen bejondere Organe ber 
Selbftverwaltung als beſchließende (in Verwal: 
— in ober entfcheidende (in verwaltungs: 
en Angelegenbeiten) Kollegien mit 'gejeb: 
i timmten uftändigteiten zur Seite ftehen. 
Die weiter oben bereit3 genannten Provinzen, zu 
denen ber Stadtkreis Berlin und der Negierungs: 
bezirt Sigmaringen (Hohenzollernſche Lande) zu zaͤh⸗ 
len find, ftellen bie allgemeinfte Ginteilung des 
Staats in Verwaltungsbezirle dar. Sie werden in 
Regierungsbezirle (im ganzen 86 mit Berlin und 
igmaringen) und diefe wieder in reife (am 
u i 1885 im ganzen 515, davon 47 Stadt: 
freie, d. b. größere, einen Kreis für ſich bildende 
Städte) eingeteilt; die Knoten des vielmafchigen 
tungsneped bilden die Gemeinden (1883: 
1285 Stabtgemeinden, 37348 Landgemeinden und 
15803 Gutöbezirle). — Der Dberpräfivent vertritt 
in der Provinz die oberiten Staatsbehörden und 
da3 Staatsintereffe, verwaltet unter Mitwirkun 
des Provinzialrats die über die ganze Provinz fi 
erftredenden Angelegenheiten, führt die Aufficht 
über die Behörden und ift fpeziell in Kommunal: 
und Rolizeifachen letzte Befchwerbe-Inftanz, wäh: 
rend der Provinzialrat über Beſchwerden gegen 
Beſchluſſe des Bezirlsausſchuſſes zu entſcheiden hat; 
er iſt —— des —— und des Provin⸗ 
Fe egiumd, Mitglied des Staatsrats, 
in Kommiſſarius des het 
nimmt bie ſtaatliche Kirchenauflicht und eine Reihe 
befonderer Gefhäfte wahr. Der Oberpräfident von 
Brandenburg ift zugleih Oberpräfident von Ber: 
lin; ber Negierungspräfident von Sigmaringen 
teilt ſich mit auflänbigen Miniftern in die Ober: 
präfidialgefhäfte von Hohenzollern, das nur in 
—— vom Oberpräfidenten der Rheinpro⸗ 
vinz reffortiert. — Den Bezirkäregierungen, be: 
iehungsweife Negierungspräfidenten nebjt dem 
Berirtsausihuß liegt die Sermaltun aller innern 
Landesa iten innerhalb des Bezirks ob, für 
wel t bejondere Behörden geipafjen find. ie 
alte Regierun — in drei Abteilungen (nur 
eine in Stralſund und S u nur zwei in 
Weftfalen Rheinland aufer üffeldo ) ift in 
a eigen Yan — un 
u ulſachen und für 
direfte Steuern, Domänen uns orten) gewichen, 


nachdem die Geſchafte der Abteilung des Innern 
dem Regi präfibenten übertragen find, wel: 
Gem hierbei ein zugleich das Bezirlsverwaliungs⸗ 
t der usſchuß zur Seite fteht. 

n in werben die Kirchen; und Schulfachen ıc, 
vom Bolizeipräfidium, die Militär, Bau⸗ und 
Kafienfahen von der Minifterial s Militär: und 
‚bie Ben — ee 

vom identen verfehen. — 

Die des Landrais erftreden ſich auf alle 
‚ zu beren Wahrneh: 


Eonverjationd«2eziton, 13, Aufl, XIII, 


289 


mung die Regierung eines —— — in 
den Kreiſen bedarf; feine Wirkfamdeit umfaßt 
innerhalb feines Kreiſes materiell diefelben Dinge 
wie die der Regierung. In den Kreisordnungs: 
provinzen führt er in Verbindung mit dem unter 
jeinem Vorfig ftehenden Rreisauskt uß nicht allein 
die Gefchäfte der allgemeinen Landesverwaltung, 
fondern eig 1 die der Sreistommunalverwaltung; 
in letzterer Beziehung iſt er auch Vorfikender des 
Kreistags. Der Kreisausſchuß (in Stadtfreifen 
der Stadtausſchuß) bildet zunleih dad Verwal: 
tungsgericht erſter Inſtanz. — Die örtlichen Organe 
der Kreisverwaltung find die Amtsvorſteher, die 
Vürgermeifter (Nheinland), Diſtriktskommiſſare 
(Bofen) u. f. w., fowie die Vorftände ber Stadt: 
gemeinden, Landgemeinden und Gutsbezirle. 

Die Selbftverwaltung ift, nachdem fchon die 
Steinſche Städteordnung die erfte Vrefche in die 
Meisheit des alten Polizeiftaats gelegt und der 
Gedanke der Ausbildung der Htonnnunalverbände 
allmählich, lange Jahrzehnte hindurch allerdings 
nur beſcheidene praltiſche Groberungen gemacht 
hatte, durch die mit|der Nreisordmung (f. d.) vom 
13. Tez. 1872 (Neurebaltion vom 19. März 1881) 
beginnende neuefte Berwaltungsreform in die brei: 
teiten Bahnen gelenkt worden und heute ſchon zu 
vieljeitiger und fruchtbarer Entwidelung gelangt. 
Den fommunalen Verbänden (Provinzen, Kreifen 
und Gemeinden) find nicht allein eine Reihe wich: 
tiger Verwaltungszweige felbftändig übertragen, 
fondern es ift ihnen auch die Mitwirkung bei der 
allgemeinen Verwaltung in ausgedehntem Um: 
fange zugeitanden. 

8 unterfte Glied in dem Organismus der 
Eelbjtverwaltungstörper ift die Gemeinde, gleich: 
zeitig ein wirtfehaft iher und politifcher Ber: 
band; dieſelbe verwaltet Tr eigenen Angelegen: 
beiten felbftändig durch jelbftgewählte Organe 
unter Aufiht des Staats, beziehungsweiſe ber 
böhern Selbitverwaltungsorgane. Die Verwal: 
tungöregeln für die Gemeinden find in Städte: 
und Kandgemeinbeorbmungen (f. Gemeindeord— 
u. taeftellt, deren Heform ala Abſchluß der 
auf elbftverwaltung der einzelnen Organismen 
im Gtaate gerichteten Gelepaebung in Ausficht 
ftebt. In den Städten ift der Grunbjab voller 
Selbftverwaltung ſehr vollftändig durdgeführt. 
Mit dem an der uk der ftädtifhen Verwaltung 
—— Bürgermeilter (ober in größern Städten 

berbürgermeijter) bilden Beigeordnete und andere 
befoldete oder unbeioldete Näte den Magitrat; 
alle Mitglieder desjelben werden in der Regel auf 
12 oder 6 \jahre von ber Gemeindevertretung ers 
wählt, unterliegen aber ber Betätigung oder Nicht: 
genehmigung durch die Bezirksregierung (in volts 
reihen Städten zum Teil durch den König); nur in 
Neuvorpommern ergänzt fi der Magiſtrat durch 
Kooptation, und der Bürgermeifter wird von König 
ernannt; auch Hannover bat eine befondere Städte: 
ordnung, und in Helfen :Naffau (außer Frankfurt 
a.M.) und Hohenzollern: Sigmaringen bejteht nur 
eine ————— für Stadt: und Landge: 
meinden. Den rhein. Städten fehlt der Magiftrat, 
an deſſen Stelle der Bürgermeijter für die Verwal: 
tung verantwortlic) ift und bie 5— zu 
ve — Geſchaͤften deputiert. Als Vertretung 
der Bürger dient die Stadtverordnetenverſamm⸗ 
lung, welche a dem Syſtem der drei Steuerab: 
teilungen gewählt wird, In den Landgemeinden 


19 


2% 


der öſtl. Provinzen bilben alle ſteuerzahlenden Gin: 
wohner die Gemeindeverfammlung, in welder das 
Stimmrecht an den Grundbefip gebunden iſt; in 
den Kreisordnungsprovinzen fann mit Geneh— 
migung des Kreisausſchuſſes an deren Stelle eine 
gewählte Gemeindevertretung gefeßt werden. An 
hrer Spiße fteht der Gemeindevoriteher (Schulze), 
ihm zur Seite die Schöffen (Geihworenen, Ge: 
rıchtsmänner). In den weitfäl. Landgemeinden 
mit eigenem Haushalt bilden die Nittergutäbefiker 
und 6—18 gewählte Gemeinbeverorbnete die Ge: 
meindeverfammlung, welde den Vorſteher auf 
G Jahre wählt; in den rheinischen befihen diefe Be: 
fugnis die Meiftbeerbten und die denfelben glei 
fiehenden Gemeindeberechtigten, und mit dem Bor: 
jteher teift fich-ein aus 6—30 Mitgliedern beftehen: 
der Gemeinde: ober Schöffenrat in die Geſchäfte. 
Die aus mehrern Gemeinden zufammengejchten 
weitfäl. Amter werben von einem ernannten Amt: 
mann verwaltet, dem die aus Rittergutsbefigern, 
Gemeindevorftehern und gemählten Abgeordneten 
— Amisverſammlung zur Seite ſieht; ähn: 
ich ift die Organijation der rhein. Vürgermeiite: 
reien; unter den Einfluß der bureaufratiichen Amt: 
manns: und Bürgermeifterei:Einridtung bat ſich 
hier allerdings die fommunale Selbittbätigleit am 
wenigiten zu entwideln vermodht. Den 1866 ers 
worbenen Landesteilen find abweichende Gemeinde: 
ordnungen teils belafien, teils neu verliehen wor: 
den. Auch in Hohenzollern gelten noch die frübern 
Landesgeſehe. Im ganzen gleicht die Verfafiung 
der preuß. —— einer bunten Mufter: 
larte, was bei der großen wirtichaftlidhen und 
joziafen Verfhiedenheit der einzelnen Landesteile 
nicht immer zu beflagen ift, wenn hon die gefehliche 
Feſtſtellung gewiſſer allgemeiner Grundjäbe immer 
mehr unabweisliches Bedürfnis geworden ift. 

Der ** Kommunalverband und Haupt⸗ 
träger ber Selbſtverwaltung iſt der Kreis. 
Kreisordnung.) Statt der frühern, von ber 
Entwidelung der Dinge längft überholten ftänbi: 
ſchen Verfa — t der gegenwaͤrtigen ai 
fung in ben meiſten Anh ein wohldurchdach⸗ 
tes Syften von Intereſſengruppen, auf welchen 
die Kreisvertretung —— iſt, zu Grunde; in 
den übrigen iſt deſſen Einführung in Bälde zu er: 
warten, Die Dertretung der Kreisangehörigen ges 
Ihicht durch ben von ihnen gewählten Kreistag, 
weldyer den Areistommunalverband zu vertreten, 
den Kreishaushalt Feitzuftellen, die Kreisleiſtungen 
zu verteilen, die Orundjähe für die Verwaltung 
des Kreisvermögens und der Kreisanſtalten zu be: 
ftinnmen ha u. ſ. w. Er wählt die Mitglieder des 
Kreisausſchuſſes, welcher unter dem Vorſiß bes 
Landrats die eigentliche kollegialiſche Regierungs- 
behörde für die reisangelegenheiten bildet; daß er 
ugleich die Beihlußbehörde in Landesverwaltungs: 
achen und bie erjte enticheidende (verwaltungs: 
gerichtliche) Inſtanz iſt, war ſchon weiter oben er: 
wähnt. Den Kreifen find neben bem Vefteuerungs: 
recht noch befondere Dotationen und gewilje Ein: 
fünfte überwieſen. Die großen Städte von mehr 
als 25000 €. find befondere Stadtlreiſe oder kön: 
nen folde fein; die Pflege der Selbftverwaltung 
liegt in denjelben vorwiegend auf dem Gebiete 
der Gemeindeverwaltung; nur in den Stadtaus— 
ſchuſſen, heziehungsweiſe deren verwaltungsgericht: 
licher Zuftändigeit, ift ein darüber hinausgebendes 
Clement enthalten, 


Preußen (geographiſch-ſtatiſſiſch) 


Der zwiſchen Kreis und Brovinz ftehende Regie: 
rungöbezirk it fein Stommunalverband oder 
—— t; in Hefien:NRaffau bilden 
jedoch die Negierungsbezirle ebenfalls Kommunal: 
verbände; in dem mit Staatsverwaltungsgeichäften 
und der Thätigfeit des Bezirksverwaltungsgerichts 
betrauten Bezirlsausſchuß bat in dem Streis- 
ordnungsprovingen indeſſen aud das Laienelement 
laß gefunden, und imiofern iſt er auch an dieſer 
telle zu berühren. 
Die Provinzen jtellen die oberſten Glieder 
der fonımunalen Gelbitverwaltung dar. Nach— 
dem bereits 1867 ben neuen Provinzen eine von 


&: | der veralteten ſtändiſchen Berfafjung der alten 


Provinzen abweichende Bertretung der Provinz: 
angehörigen unter Aufgabe ber Beoorredtung 
des Grundbefipes verliehen war, erfolgte durch dje 
Provinzialordnung (f. d.) vom 29. Juni 1875, be: 
ziehungsweife 22. März 1881, melde Dur Seit (1885) 
bloß für Polen, Schleswig Hofitein und Rheinland 
itfalen aber in Vorberei⸗ 
tung ift, die Umbildung ber Provinzen je zu einem 
mit den Nechten einer torporation ausgejtatteten 
Kommunalverband zur erweiterten Selbjtverwal: 
tung ihrer Angelegenheiten, Der ——— 
band baut ſich auf den Kreisverbaänden auf, fein 
tommunaler Inhalt ift hauptfähli durch das 
Dotationsgefeh vom 8. Juli 1875 beitimmt. Die 
Vertretung der Brovinzinlangehörigen erfolgt in 
dem von den Slreiätagen gewählten Provinzial: 
landtag, welcher über befondere Brovingeinrichtun: 

n und Verfafjungsangelegenbeiten Provinzial: 
tatuten und Neglements zu erlafien befugt ift, die 
Grundjäpe für die Bermönensverwaltung der Pro⸗ 
vinz bejtimmt, bie jtenerlihen und ahdern Leijtun- 
gen für Provinzialzwede verteilt, den Provinzial: 
baushalt feititellt u. ſ. w., das Petitionsrecht be: 
—— auf Erfordern der Regierung Gutachten 
über Geſetze und ſonſtige Gegenſtände abgibt. Die 
Berwaltungsorgane der Provinzialverwaltung find 
ber vom Provinziallandtag gewählte Provinzial: 
ausihuh und ber Landesdireltor (in ejien 
Landeshauptmann, in Hamover Landesdirelto- 
rium), weld) lehterer das ausführende Organ iſt 
und der Beitätigung des Königs unterliegt. Ab— 
weichend von dem analogen Inſtitut des Kreisaus: 
ſchuſſes ift im Provinzialausſchuß die Kommunal: 
verwaltung nicht mit der Landesverwaltung ver: 
bunden. Lebterer dient dagegen der Provinzialrat, 
in weldem auch das Yaienelement vertreten ift. — 
Die in P. ſonſt noch vorlommenden fonımunal: 
ftändiihen Verbände find Ständelörperfchaften 
chemals felbftändiger Landſchaften, welde nur 
ihre eigene Bermögensverwaltung und folche An: 
gelegenbeiten ihres landſchaftlichen Bezirls verwal; 
ten, bei denen eine Ktollifion mit_der allgemeinen 
PBrovinzialverwaltung ausgeſchloſſen iſt; ihre Be— 
deutung als Selbitverwaltungsförper im gewöhn⸗ 
lichen Sinne des Wortes iſt gering. 

Die Finanzwirtſchaft P.s gilt als eine der 
fparjamjten der Welt und iſt vorzüglid) geordnet. 
Die preuß. Staatsſchuld ijt ganz überwiegend pro; 
dultive —— neuerdings namhaft ver: 
mehrt durch Anlage und Anlauf von Eiſenbahnen. 
Sm J. 1806 betrug die verzinslide Staatsſchuld 
159, 1820: 654, 1847: 387, 1866: 776Y, Wil. 
Mark, bie unverzinsliche in —— 
47%, Mill. Dart; im Senbjabr 1878 betrugen 
Kapilalſchulden einichliehlih derjenigen der neuen 


nod) nicht ergangen, für 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 291 


Zanbestzife 10974, Mill. Marf, 1855: 390110 
Mill, Marl, Ihnen gegenüber ftebt aber ein jo bes 
deutendes Vermögen des Staats an baren Wit: 
* Domänen, —— Gebäuden, Eiſenbahnen, 
induſtriellen Anlagen u. f.w., dab die Jinan (age 
—* — als eine äußerft günftige angeleen 
den darf. Für * — 1885/86 find 
ke Gianalnes und Ausgaben auf. 1258928 396 
—— lagt. Die Betriebsausgaben betragen 
641920414 Mart, die Dotationen 318626 297, die 
Verwa usgaben des Staatsminifteriums 
3184453, Fre der auswärtigen Uns 
aelegenheiten 503 en wen miniſteriums 
4866626, des , offentlichen Ar: 
beiten 17 786661, des Hand elöminifteriums 
2927841, des Ju inminifteriums 85663000, des 
Mi ms des Innern 41768671, des Miniftes 
riums für Sandwirtichaft, Domänen und Korften 
12447526 des Minijteriumg der geiitlichen, Unter: 
und enbeiten 52 744533, bes 
Dat orbentiihe, Inba eutfhes Neic) 114862 
odann 36925212 Mark ein: 
malige —— yon Ausgaben. Eins 
na en find —— die Domänen und 
mit 8481809 (wovon v 7719296 
die Givillifte des Königs in Abzug lom⸗ 
, die direkten Steuern mit 148521 672, die in: 
di gr mit 51009000, die Lotterie mit 
4049900, die Seehandlung mit 2339000, bie 
3 ‚ Salinen und Öüiten mit 107684851, 
die Gifenbahnen mit 679181267, die allgemeine 
Finanzverwaltung mit 122. 002.983 und die Ein⸗ 
nahmen aus einzelnen Zweigen der Staatsverwal: 
ang nat 66 705559 ER Die direlten Steuern 
die Grunditeuer, die eu — 










die Eiſe nbahna bga 

„die laflenfteuer, bie, taffigterte Ein 
euer und die — &gebühren 
— 5———————— ſ. w., ſowie die b beio nders ge: 
schien diretten Steuern in — welche 
on Mark ertragen. Die Grunditeuer 
— Provinzen, ausgenommen Hohenzollern 
Grund djäben geregelt und au 

Betrag von 39,5 Mill. Ma 
bein u worden, ilt aber infolge der Beränderun: 
fi ons ne 18866 mit Liegenſchaften 
ür Sub Sinai it 40131000 Mart 
ähnlicher Weiſe ijt die 
— * der Baulich⸗ 
leiten verteilt, — dab ſie alle 15 Jahre neugeord⸗ 
ns de fein —— —*— — 

Set, ur Be 31 

54— vor einertrag der 
—— nen —* —* vollen Prozent: 
ienfapital fteigende Abgabe ent: 
ri — Se, mel un 3 Seit ı nur noch 334000 Mark ein 
Bine ee von welcher die 

beträgt 2 Proz. 

nes aba eßten Brobulte. Perſonen, 
e n —2* ichtigem Umfange 
betreiben —— Ge jteuer von ver * 

ben, a v) der Bevölterung und dem 

- Drtid bie — en 
und der Mittelhanbel, der Klein⸗ 
lich Bäder, leiſcher, 
ller und des Ha [3 mit 
Nebengeihäft), die Gaſt⸗ 
immervermieten, 
ft (einf ber Heinen 


Müller), dann die Schiffahrt, das Fuhrgewerbe 
und die P ferdeverleiber, „endlich der Haufierbetrieb; 
fie erträgt 19200000 Mark (einjchliehlich Perg: 
werlsabgabe). Die ge der Hajfifizierten 
Cintommenjteuer, welde alle Haushaltungsvor: 
jtände und einzelne felbjtändige Perjonen mit mr 
denn 3000 Mark reinen Einkommens trifft, erfolgt 
* der mutmaßlichen Jahreseinnahme mit run 
3 Proz. derjelben, Haushaltungsvorjtände und ja 
jelbjtändig ermährende ger at * 
ein geringeres Einlommen b herab 
haben, zahlen in 12 — Steuerſtufen eine 
Klaſſenſteuer von im Hoöchſtbetrage nicht 3 Proz. 
des reinen Einlommens, deſſen Einfhägung unter 
—* der Woh Ihabenheit des Steuer: 
flichtigen efchieht: fie H ps 42100000 Mart 
— vorausbeftimmt; durd) neuere Gejehe 
t aber den beiden unteriten Klafenfteuerftufen 
(bis 900 Mark Einlommten) die ganze Steuer, den 
Stufen 3—12 ein Vierte berfelben, ferner ber 
unteriten —* llaſſifizierten Einfommenjteuer 
ein Sechſtel, der zweiten Stufe ein Zwölftel bes 
Japresiteuerbetrags dauernd erlafjen worden, wo: 
durch fi die Erträge erheblid vermindern; für 
1885/86 iſt 4 Ertrag ber — Eintom: 
meniteuer auf 36440000, der ber Nonteahenen anf auf 
22062000 Mark veranfchlagt. Die indirekte Be: 
fteuerung ift in der Hauptiache auf das Reich über: 
gegangen (Zölle, Branntwein-, Braus bat, 
NRübenzuder:, Salz, fowie Wedf el, Vörfen: und 
Spiellartenftempe teuer), für die preufi. per 
zen kommen hiervon nur die Anteile für ngs⸗ 
u.f. w. Koſten, ſowie die aus den Zolleinnahmen 
u. ſ. w. des diei den —— zu ee 
den Beträge in Betradt; rein * indirelte 
Steuern beitehen nurin * tempelabgaben 
für Verträge u. ſ. w., der Erbſchaftsſteuer, ber 
Brüden:, Hafen», Kanal: u. f. m. ( älle und ver: 
fchiedener Gebühren uf. w ie giomiee 
Staatsausgaben belajten — Kopf 
der Bevölkerung mit 43,5 Mark, davon werden 
aber nur 5,8 Marl durd, die direkten Steuern auf: 
ebracht; von feiten des preuß. Staat wird da: 
u der Sädel der Steuerzahler nur in mähigem 
Umfange in Anfprud genommen, Die umfang: 
reihen Aufgaben aber, welche die ——7 den 
Selbitverwaltungstörpern überwieien übren 
ihrerjeitö eine weitere nicht i* Na Be: 
laitung der Bevölterung herbei. 1833/81 
beliefen fih die Ausgaben der en 
auf 280653259 Marl, die der Landgemeinden auf 
129499927 Mark und die der Gutsbezirle, bei 
welchen die Ausgaben für Ö — Zwede viel: 
fa von den privatwirtichaft tiden untrennbar find 
und deshalb nur annähernd ‚geihäbt werden kön: 
nen, anf mindeſtens 25 Mill. Mark, zufanmten 
alfo auf rund 435,2 Mil, Mark, einſchließlich der 
Korporationsabgaben zu Provinzia «, Sreide, 
Schul und lirchlichen Zweclen. Das ergibt Somit 
nahezu 16 Mark auf den Kopf der Bevölkerung. 
Demnach verurſacht bei der heutigen Lage der 
Dinge in B; die Erfüllung. der öffentlichen Staats: 
und Selbitverwaltungsaufgaben einen Aufwand 
von rund wenigitens 50 Mart pro Kopf ber Be: 
völferung. — Das Finanzjahr beginnt am 1. April. 
Das preußiſche Heer bildet den Hauptbe: 
ndteil der Armee des Deutichen Neih3 und um: 
bt nicht nur das fpegiell preub. Kontingent, fon: 
dern auch die Kontingente aller deutjchen Staaten 


19* 


292 


bis auf diejenigen Bayerns, Württembergs, Sad: 
fens und Braunfchweigs. Für Walded, Schwarz: 
burg-Sonder&haufen, beide Lippe und bie drei 
Hanfeftädte hat P. alle militärifhen Leiftungen 
übernommen und bisponiert dagegen unter ge: 
willen Beſchränkungen über die brpflichtigen 
diefer Staaten und unbeichräntt über die Mittel, 
welche nad) dem Reichsetat auf das Wehrweſen der: 
felben entfallen, ie Sontingente von Baben, 
Heilen, beiden Medlenburg, Oldenburg, Anhalt 
und den thuring. Staaten find unter verjchiedenen 
Modalitäten Beftandteile der preuß. Armee gewor: 
den, —— daß der —** von P. der Kriegs: 
berr derjelben ift und dab P. die Militärverwaltung 
ber Staaten übernommen bat. Die gefamte Armee 
P.s, einſchließlich der mit ihm durch Militärlon: 
ventionen verbundenen Staaten, umfaßt 13 Ar: 
meelorps (dad Garbelorps und die Armeelorps 
1—Xl und XIV [Baden]) ganz und das XV. Ar: 
meekorps (Elſaß⸗Lothringen) großenteild und ent: 
bält nad) den einzelnen — ————— 123 Re: 
gimenter Infanterie, 14 Bataillone Jäger, 73 Ne: 
gimenter Kavallerie (10 Kürajfier:, 26 Dragoner;, 
18 Hufaren:, 19 Ulanenregimenter), 29 Negimenter 
Dee‘ 11 Negimenter und 2 Pataillone 

——— 15 Bataillone Pioniere, 1 Gijenbahn: 
regiment, 14 Pataillone und 1Rompagnie (heſſiſche) 
Train, insgefamt 14004 Offiziere und 330629 
Mann Friedensſtärle und etwa 25000 Dffiziere 
und 1 Mill. Mann Kriegsftärte, Auf die nicht 
in die preuß. Armee einverleibten Kontingente der 
übrigen deutichen Staaten find ihre militäriihen 
Einrichtungen bis auf einige Außerlichleiten, wie 
Uniformierung u. ſ. w. übertragen worden. 

Das preußische Kriegsminifterium befteht 
aus drei Departements und mehrern Abteilungen: 
dem Allgemeinen Arieg&departement, dem Militär: 
Öfonomiedepartement, dem Departement für das 
Invalidenweſen, der Abteilung für die perfönlichen 
Angelegenheiten, der Abteilung für das Nemonte: 
weſen und der Militär: Medizinaladteilun . Das 
Allgemeine Kriegsdepartement zerfällt in nf Ab: 
teifungen, davon zwei für die Armeez, pen r bie 
Artillerie:, eine für die ngenieurangelegenbeiten. 
Das Militär: Ökonomiedepartement hat Abteilungen 
für das Etats: und Haffenwefen, für die Natural: 
verpflegungsangelegenheiten, für die Belleidungs⸗, 
Gelbverpflegungs:, Reife: und Borfpannangelegen: 
beiten und für das Serviswefen. Die Abteilun 
für die perfönlichen Angelegenheiten befindet ß 
zwar im Etat des Kriegsminiſteriums, dat aber 
unter der —— «Militärtabinett» feit 1883 
eine felbftändige Stellung erhalten. Von 
Kriegsminiſterium reffortieren die Infpeltion der 
Sinfanteriefchulen (unter ihr die Unteroffizierſchulen 
au Potsdam, Julich, Biebrih, Weihenfels, Ett: 

ingen und Marienwerder, die Unteroffiziervor— 
ſchule zu Weilburg, das Militärfnaben:Erziehungs: 
injtitut ji Annaburg mit der Unteroffiziervorichule, 
die Militärturnanftalt, die Militärſchießſchule), 
die Traininfpeltion, die Gewehrprüfungstommijs 
fion, die Inſpeltion der Gewehrfabrifen (unter ihr 
die Gewehr: und Munitionsfabriten zu Spandau, 
Danzig und Erfurt) das Militärreitinjtitut zu Hans 
nover, bie Artillerievepätinfpeltionen, die Zeugs 
bausverwaltung zu Berlin, bie yaipeten bes 
Militärveterinärwefens, die Inſpeltion der mili: 
tärifhen Strafanftalten, das Medizinifchschirurs 
giihe Friedrich: Wilhelms: Inftitut und die Medi— 


Preußen (geographifch: ftatiftifch ) 


——— — für das Militär. Von 
er techniſchen ei für Artillericangelegen; 
heiten des Allgemeinen Kriegsdepartements a 
tieren die Artilleriewerkftätten zu Spandau, Deub, 
Danzig und Straßburg im Elfaß, dad Feuerwerl& 
laboratorium in Spandau, die Geſchlißgießerei in 
Spandau, die Geſchoßfabrik zu —— und 
zes zu Spandau, Meb und Hanau. Der 
neralftab bildet kein in ſich abgeſchloſſenes Korps, 
fondern ergänzt fih unaufbhörlid aus ten 
aller Raffengattungen, während feine Mitglieder in 
den praftifchen Dienft zurüdtreten. Er bat in dem 
Grofen Generalftab zu Verlin feinen Mitt 
und verfieht die höhern Truppenftäbe (Urmeelorps 
und Divifionen) und Gouvernements der wichti 
ungen mit eneralftabsoffizieren. Unter o 
eitung des Chefs des Generalitabes der Armee 
das gelamte Landesvermeſſungsweſen in der 
des un der Landesaufnahme⸗ konzentriert, dem 
eine trigonometriſche, topo —*29 und 
grap iice Abteilung unterftellt ift. liber die Wehr: 
verfaffung, Dr anifation der Truppen, Stärlever: 
Raul derfelben, —— die Feſtungen 
ze Heerwefen, Bb. V, ©. 110 fg. 

Das Militärbildungs: und Gr iehungs: 
mwefen erfreut na ganz befonderer Ihrlege, [43 
fteht unter einem ——— dem für die 
Leitung der Kriegsſchulen ein befonderer ——— 
unterſtellt iſt. Die Kriegsſchulen bezweden die 
militaͤrwiſſenſchaftliche Ausbildung der Aſpiranten 
des Offizierſtandes in einjährigem Kurſus und be: 
ftehen zu Potsdam, Erfurt (am 1. Oft. 1885 nad 
G — * Neiſſe, Engers, Kaſſel, Hannover, 

ntlam und Meh. Für den Erfah der 
forgt außerdem die von Berlin im Juli 187 
Lichterfelde (ſ. d.) —* Haupiladettena 
mit den Voranſtalten zu Kulm, Potsdam, Wahl: 
ftatt, Bensberg, Plön und Dranienftein. Die Ber: 
einigte Artillerie: und Ingenieurſchule bei Berlin 
dient zur tehnifch willen haftlihen Ausbildung 
der Offiziere für die Spezialwaffen, die Ariegsala- 
demie Mu Berlin zur höhern Ausbildung für Ai 
iere aller Waffengattungen, namentli a 
—538 für den Generalſtab. An m 
diefer Unterrichtsanftalten beteiligen fi 
rag me Bayerns diejenigen beutf taaten, 
deren Kontingente felbjtändig daſtehen; eine Aus: 
nahme bildet bezüglich der —— das 
Konigreich Sachſen, das ein eigenes Kadettenlorps 
in Dresden beſiht. 

Eine fpeziell preufifhe Marine gibt es feit 
Errichtung des Deutſchen Neich® * mehr, ſon⸗ 
dern nur eine Marine des Deutſchen Reichs, welche 
einheitlich unter dem Oberbefehl des 
Laiſers ſteht. (S. unter Deütſchland und 
Deutſches Reich, Bd. V, S. 228 fg.) 

Das Staatswappen ift ein drerfäches. Das 
Heine enthält in Silber einen ſchwarzen gelrönten 
Adler mit roter Zunge, goldenen Kleeſtengeln auf 
den Flügeln, dem Scepter in der Nechten, 


Reichẽ apfel in der Linken und dem Namens 
Königs auf der Bruft. * Adler 


mit 


233 


Das mittlere Mappen bat ein Mittelf 
Mappen von Preußen enthaltend, und 11 
mit den Embfemen der per Es ift mit der 
Königstrone bededt und wird von zwei 
Männern mit Keulen ga und von Kette und 
Kreuz des Schwarzen Adlerordens umgeben. Das 
große Wappen enthält drei Mittelſchilder (Preußen, 


f 


Preußen (geographiſch-ſtatiſtiſch) 


Brandenburg, Nürnberg:Follern) und 48 Felder 
mit ben Zeichen der Provinzen. und Lanbesteile; 
e3 wird von einem gelrönten Helm bededt, von 
den Ketten des Schwarzen, des Noten Adlerordens 
und bes Fönigl. Hausordens, jowie von dem Bande 
be3 Kronenordens umfangen, von zwei wilden 
Standarten haltenden Männern geftüpt und it au 
einen blauen, goldeingefabten Schildesfuß mit 
dem Wahliprud «Gott mit und» geitellt. Das 
Ganze umgibt ein purpurnes, mit Adlern und 
Konigslronen beftidtes Wappenzelt, beijen Gipfel 
die Königslrone und das Fönigl. Reichspanier 
deden. Die Landesfarben find rohe und Weiß. 
Unter den Orden ijt der von Friedrich I. am 
18, Jan. 1701, am Tage der Krönung, geftiftete 
Schwarze Adlerorden (f. d.) der — bm 
unädjft ſteht der 1705 geatänbete und jpäter mebr: 
ha erweiterte Note Adlerorden (j.d.), welcher ſich in 
Großlreuze und vier Klaſſen mit zahlreichen Schat⸗ 
tierungen teilt. Der Orden Pour le mérite wurde 
1740 von Friedrid d. Gr. gefiftet (f. M6rite). 
Belohnung für Gelehrte und Künftler bejtebt 
erner eine. goldene und eine filberne Verdienit: 
mebaille.. Der Hausorden von Hohenzollern, am 
23. Aug. 1851 bei der Huldigung der hobeno ern: 
Igen Sande geitiftet, zerfällt in den mit der Devije 
m Fels zum Meer» verfehenen, vom König zu 
nden Orden des königl, Haufes mit mehrern 
Abteilungen und den mit königl. Genehmigung von 
bem jeweiligen Haupte des fürjtl. Haujes De 
zollern zu verleihenden Hausorden, Am 18. Olt. 
1861 wurde von Aönig Wilhelm I. der Kronen: 
orben (f, d.) geftiftet. Der Johanniterorden (f. d.), 
ein Standesorden , wurde nad Aufhebung der Jo: 
banniterballei Brandenburg 1811 preuß. Haus: 
orben, Der Orden des Gijernen Sireuzes (f. b.) 
bejteht aus dem Öroßkreug und zwei Klaſſen; er 
wurde 10. März 1813 gejtiftet und 19. Juli 1870 er: 
neuert. Der Luſſenorden (j. d.) wurde 3. Hug. 1814 
eitiftet. Das Verdienſtlreuz für Frauen und Jung: 
tauen wurde 22, Mai 1871 geitiitet. Außerdem 
n noch das Militärverdienjtlreug, das Mili— 
i ideen 1. und 2. Klaſſe, die Landwehr: 
—— 1. und 2. Klaſſe, ein Dienſtaus⸗ 
zeihnungsfreuz für Offiziere des jtehenden Heer, 
eine —— für Unteroffiziere und Ge: 
meine, eine Dienſtauszeichnung für alle, welche 
1848—50 unter den Fahnen eflanden, Medaillen 
für die an ben Siriegen feit 1864 beteiligt Geweſe⸗ 
nen, das Allgemeine — — das Ver⸗ 
die aan rn für Rettung aus Gefahr. 
Litteratur. SHauptquellen für die Statijtil 
B.3 find die Veröffentlihungen des Aönigl. Stati: 
ftüchen Bureaus, namentlic das «Jahrbuch für bie 
——— preuß. Staals (Berl. 1863, 
—* „1876 und erg th Seitteit 
zwanglojen Heften (je ‚ die «Zeitſchri 
az tatiftiichen Bureaus» (feit 


1861 In rth, «Beiträ i 

, ferner ‚ «Beiträge zur Finanz: 
= Gemeinden 1878 » (Bert, Hang): 4 
rg \ tijtit der Kreiſe des —* taats⸗ 


elbe und von den Brinden, «Bei⸗ 
atijtit der Gemeinden 1881» 






293 


öfterr, Eiſenbahnnehes von 1838 bis 1882 » (Berl. 
— — für das Königreich * 
(Berl, 1884); « Standesamtö:Lerilon für das Kö: 
nigreich P.» (Det 1883); Guttftadt, «Stranlen: 
—— ür das Königreich P.» (Berl, 1885); 
ngel, «Das Zeitalter des Dampfes» (2. Aufl., 
Berl. 1881); derielbe, «Die deutiche Induſtrie 1875 
und 1861» (2. Aufl. Berl. 1881); Meiten, «Der 
Boden und die landwirtichaftlihen Verhältniſſe des 
preuß. Staats» (Berl. 1868— 73); Neumann, 
«Das Deutiche Reich in geogr., ſtatiſt. und topogr. 
Beziehung» (Berl. 1874); Delitſch, a Deutſch⸗ 
lands Oberflä —* Bresl. 1880); Müller: 
Köpen, «Die Höhenbeftimmungen der Königl. preuß. 
Landesaufnahme » —* einzelne Provinzhefte, 
noch nicht abgeſchloſſen); die zahlreichen Zeit— 
ſchriften der übrigen Centralſtellen des Staats und 
die Artitel «Preußen» in Notted3 und Welders 
«Staats: Lerifon» (3. Aufl., Bd. 12, Lpz. 1865), 
fowie in Wagener «Staats- und Geſellſchafts 
Leriton» (Berl, 1864); ferner Dieterici, «Handbud 
der Statijtit des preuß. Staat» (Berl. 1861); Lin 
gewitter, «Die preuß. Monarchie, geographiſch, ftas 
title, topographiſch und hiſtoriſch ausführlic) dar: 
geftellt» (Berl. 1859 ; Keller, «Der preuf. Staat, ein 
Handbuch der Baterlandstunde» (Wiind, 1864—66); 
«Statiftit des zollvereinten und nördl, Deutjchland» 
von Biebahn (Bd.1 u. 2, Berl. 1858—62); Kraab, 
« Topogr.statiit. Handbuch des preuß. Staats» 
(2, Aufl., Berl, 1870); für Staatsredt und Ber: 
waltung; 2. von Nönne, «Das Siaats-Necht 
der Preuß. Monardie» (4. Aufl., Bd. 1—4, Lppʒ. 
1881 —84); 9. Schulze, «Das preuß. Staats: 
recht auf Grundlage des deutichen Staatsredt5» 
(2 Dde., Lpz. 1872—77); Graf Hue de Grais, 
«Handbudh der Verfafjung und Verwaltung» 
(4. Aufl., Verl, 1884); Freiherr von Stengel, 
«Die Organifation der preuß. Verwaltung nad 
den neuen Neformgefehen» Lpz. 1884); 9. Schulze, 
« Das Staatsrecht des Königreichs B.» in «Hand: 
buch des öffentlichen Nechtö», herausg. von Dar: 
quardſen (Bd, 2, 2. Halbbd,, Freiburg u, Tüb. 
1884); €. Meier, «Die Neform der Verwaltungs- 
organijation unter Stein und Hardenberg» (Er 
1881); G. Meier, «Lehrbuch des deutichen Ver: 
waltungsreht3» (1883); Schneider, «Bollsjchul: 
wefen und Lehrerbildung in B.» (Berl. 1875) ; «Der 
Schutz der jugendlichen Perſonen im ie 
Berl. 1883) ‚ Wiefe,« Das höhere Schulwelen in B.» 
3 Bde. Berl. 1864— 74). Die beten Karten find: 
gelhardts «Harte vom preuß. Staat» (23 Blatt, 
Berl, 1843) und «Beneraltarte vom preuß. Staai» 
Berl. 1868), Neymanns und Handtles «Atlas von 
.» (36 Blatt, 2. Aufl., Ologau 1853), «Secatlas» 
(14 Blatt, Berl. 1841), R. ori « Spradfarte 
vom preuß. Staat» (2 Blatt, Berl. 1865), «Harte 
vom preuß. Staat mit befonderer Rüdjicht auf die 
Kommunilationen» (12 Blatt, Berl); Ißleib, 
«Specialatlas DER DRS Staatö» (16 Blatt, Gera 
1869); Sohr, « Wandlarte des preuß. Staats » 
12 Blatt, Olog. 1872); bie öfters erneuerte «Pojt: 
rd: Starte» in 9 Blättern; vorzüglich aber die im 
Maßſtab von 1:80000, refp. 1:100000 immer 
noch fortgeſehte Generalitabstarte (ſ. d.); «Nlarte 
des Deutichen Reichs», herausg. im Maßſtab von 
1:100000 von der fartogr. Abteilung der Königl. 
preuß. Landesaufnahme (Berl. 1880 Gu Dechen, 
« Geolog. Harte von Deutichland» (2 Blatt, Berl. 
1870). — Eine fehr vollitändige Nachweiſung der 


294 


über B. handelnden wichtigern Litteratur iſt der 
«Katalog der Bibliothel des Königl. preuß. Stati: 
ftifchen Bureaus» (2 Bde., Berl. 1874— 79). 
Geſchichte. (Hierzu Hiftorifhe Karte von 
Preußen.) Die Länder an der Ditjee, welche 
fpäter das eigentliche Königreih P. bildeten, 
tollen infolge de3 Berniteinhandels fchon den 
Alten durch den Griehen Pytheas etwa 820 Jahre 
v. Chr, befannt geworden fein. Pytheas nennt das 
von der Oſtſee bejpülte Land Mentenomon, die Be: 
wohner desjelben Guttonen (Boten), deren Nad)- 
barn Tentonen. Diefe Namen verraten unzweifel: 
aftdeutihe Stämme. Tacitus nennt dieBewohner 
ſtii, d. b. Dftleute oder Eſten, welcher Name jpä- 
ter auf die finn. Einwohner des heutigen Gitland 
überging. An der Stelle der mit der großen Goten: 
wanderung abziehenden deutſchen Bölter fehten 
[id Stämme ſlaw. Uriprungs in diefen Küftenlän: 
ern feit, ſich mit zurüdgebliebenen Reften german. 
Bevölterung vermifhend. Der Volkszweig, wel: 
er dem Lande P. öftlih von der Weichſel (in 
eitpreufen, Pomerellen, ſaßen die Pomerani) 
den Namen gegeben bat, die Poruſſi (Boruffi, 
Pruſſi, Pruzzen), wird zuerft gegen, Ende bes 
10. Jahrh. genannt. Die Religion diefes Volks 
trägt wejentlic den Charakter des Naturdienites. 
Kein flaw. Bolt hat mit folder Zäbigleit an fei- 
nem alten Glauben ac A als die Preußen, 
was fi aus den taufendfältigen Beziehungen der 
Religion zu den örtlichen Cigentümlichleiten des 
Landes erllärt. Spuren heidniſcher Sitten und 
Kultusformen laſſen ſich ie bis in den Anfang 
des 17. Jahrh. verfolgen. Die erſten Belehrungs⸗ 
verfuche, die von dem heil. Adalbert, Bifchof von 
Prag, und von Bruno von Magdeburg unternom: 
men wurden, fcheiterten an der friegeriihen Wild: 
beit des Volls. Adalbert wurde 997, Bruno 1009 
erichlagen. Der poln. Herzog Bolejlam Chrobry 
machte 1015 die B. tributpflidtig. Seine Nach— 
[eloer, Kafımir I., Boleflaw U., Wladiilam J. 
ührten glüdliche Kriege mit den P., welche fich 
fortwährend gegen die Bolenherrihaft und gegen 
das Chriftentum auflehnten. Boleſlaw IV., wel: 
cher einige Gebiete P.s unterjocht hatte, wurde zu: 
leht (1161) völlig geichlagen. 
inzwischen war in den Lande weitlich der Weich— 
fel unter vielen Stätten Ser Bildung um 1470 
das Eijtercienferllofter Oliva gegründet worden. 
Hier faßte der Mönd Chriſtian, ein Pommer von 
Geburt, den Gedanten, das Ehriftentum in P. zu 
verfündigen. Nachdem er feit 1208 in den öftlich 
von der MWeichfel gelegenen Dijtritten eine große 
Anzahl von Heiden, darunter auch manche Stam: 
meshäuptlinge, zur Taufe vermodt, wurde er 
1215 von Rapft ee III. zum eriten Biſchof 
P.s ernannt, Allein da, diefem erjten Gelingen 
nur deſto Eu ere Reaktionen und Verwüjtungs: 
kriege der P. folgten, fo gewann Chriftian die Über: 
jugung, daf das Heidentum diefes Volls nur mit 
em Schwert ausgerottet werden fönne. Mit Cr: 
laubnis des Papſtes rüftete er in Gemeinschaft 
mit Herzog Konrad von Mafovien und Herzog 
Heinrich dem Bärtigen von Schleſien einen Kreuz: 
zug gegen die Preuben. Aber diefe erhoben ſich 
1223 und 1224 zu kräftiger Gegenwehr, eritürmten 
Danzig, zeritörten Dliva, verwülteten Mafovien 
und alle von Ehriftian gejtifteten Kirchen und 
Klöfter. Diefer ſelbſt hielt fi in dem feften Kulm; 
die Fuhrer des Kreuzheers hatten fih beim erften 


Preußen (geſchichtlich) 


Sturm zurüdgezogen; die Preußen mit 
ihrem Raub in ihre Wälder zurüd, Num riefen 
Chriſtian, der inzwifchen zu Dobrin den Drben der 


Nitter Chrifti gegründet hatte, und Herzog Konrad 
den Deutihen Orden zu Hilfe. Der amalige 
Drdensmeilter Hermann von Salza wurbe durch 
die von Konrad angebotene, von Raifer Friedrich I. 
und Papſt —* IX. bejtätigte Schenlung des 
Kulmer und Löbauer Landes, famt allen in ®. 
noch zu erobernden Gebieten, beiwogen, 1228 eine 
Heine Anzahl von Drdensmitglievern, 1230 eine 
größere unter dem tapfern Hermann nad P. 
zu jenden. Die Deutſchen Ritter trugen auf dem 
weihen Mantel das ſchwarze Kreuz, woran bie 
preuß. Farben noch erinnern. In den erften Jah: 
ren Ankunft des Ordens wurden Seren; en 
den Preußen vermieden. Zuerſt fuchten die 

durh MWiedererbauung zerjtörter Bur 
Kulm, und durd Gründung neuer Felten, 3. B. 
Rp Marienwerder (1233), Elbing (1287), ih 
eiten Halt zu verfchaffen. Im J. 1233 —— 
jedoch mit einer für den Orden glüdlihen Schlacht 
an der Eirguna der große Krieg, der unter ⸗ 
ftrömen deutſchen Adels, deutj rſten und 
hervorragender Dynaſten des Abendlandes50 Jahre 
dauerte und 1283 mit Unterwerfung des ganzen 


‚ wie 


Preubenlandes endete. Durch Begünftigun 
ſcher — die aus allen Teilen des Reichs ein⸗ 
wanderten (befonders zahlreich aus den nieberrhein. 
Gebieten), wurde nun dem Lande allmähli ein 
deutſches Gepräge gegeben. Die Städte erhielten 
zum Zeil Lübiiches, zum Teil Magdeb des 
Recht, die Bauern freie Gemeindeverwaltung. 
Andenken an die unter Leitung Köni 
von Böhmen nad harten Kämpfen vo Gr: 
oberung Samlands wurde 1256 Nönigäberg ge: 
— Die Burg Memel war 1253 erſtanden. 
dach Chriftians Tode (1243) richtete man die Bis: 
tümer ein, Kulm, Bomejanien, Ermeland, als 
viertes 1255 Sanıland, 
Nach der Eroberung P.s befchäftigte ſich der 
Drden mit der Unterm Fitauens und unter: 
ftühte den Markgrafen mar von Branden⸗ 
burg in der Eroberung Pomerellens, welches Land 
ihm gegen eine —A abgetreten wurde 
(1310). Zu derſelben Zeit hatten die fortwähren: 
den Kämpfe und die mit der Erweiterung des Ter: 
ritorialgebietö zunehmende Schwierigleit der Ver: 
waltung den Orden veranlaht, feine bisher in 
Venedig und Marburg gehaltene Hauptrefidenz 
1309, unter Siegfried —— n, in die 
(1276 erbaute) Feſte Marienbu ep Die 
Städte erblühten unter dem S ns de3 Ordens zu 
großer Macht und Wohlhabenheit und wurden 
meilt von reihen Kaufmannsgilden in 
Weiſe regiert. Bald entitand j i 
weder die Städte noch die eingewanderten Adeligen 
wollten fih in die ftrenge Herrihaft des Orbens 
fügen; Städte: und Ritterbüindnifje wurden s 
tet. Unglüdliche Kriege gaben dem innern 
reiche Nahrung. Litauen konnte in einem beinabe 
100jährigen Kampfe nicht befiegt werden. Zwar 
hatte Konrad von Kiniprode (1851—82), der mäd: 
tigſte der ge en er, ben Pitauern 
und deren Verbündeten bei Rudau (1370) eine 
glänzende Schlacht geliefert, aber die Ero 
des Yandes fcheiterte an dem Widerjtand Polens. 
Als durh Mladiflam Jagello Litauen und Polen 
vereint wurden (1386), war der Orden dem Tiber: 


HISTOKISCHE KAR.: 


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24 Oostl. Länge v. Ferro 











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Brockhaus Conversations Lexiken . 13, Aufl. 


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Territoriale Entwicklung des brandenburgisch - preussischen Staates. 
Zeitfolge der Erwerbungen. | 
Il. Unter den Kurfürsten Frnedr. Wilhelm II. us ne. Prriedr.Wilhelm IV. wwe ımsı | 
FRR Die Mark unter Friedrich I. ın15- ı0%0 Wilhelm I. ıscı. Deutscher Kaiser 1371. 
> Fi Friedrich I. mem. Albrecht Achilles. ın1e ne Jahumn Ciraro ınar on Verlorene Gebiete. 
Pr — 
n | Joachim I, oe ısas. Johann Gonrg 1anı-ısas, JohannSigiemtmd wenn wis, | Erwarben unter König Friedrich 1.u. Friedr.Wilhelm I. 
— Friedrich Wilhelm '4 Eroune Kurfürst me ıun« l " ‘ Yriedr.Wilhelm U... Hu Wilhelm I 
2.Unter den Königen. Erklärungen. j 
M | Die den Namen beigesetzten Zahlen bezeichnen das Jahr der Er 
Friedrich T.(Kurf.r men m) mei mu Priedr Wilhelm I.nu ne werbwng, die aingehlammaerten Zahlen das Jahr des Verlusten 
A Pie Hau umränderten Gebiete ın Schlerien. sind diejenigen and 48 
Friedrich II. ad. Grosse rw ı1n8. wriche Preussen Erbansprüche besuss 
f Be Mabktab 1: 4,500000. 
Friedrich Wilhelm IL. ns sms. Fried Wilholm DIE. 1t93- 100: EEE & jo 
# Gregrambische Meslen 221 
L — tn: uU — — — — — = ——_ — — —ñN — — 
32 34 26 38 
z ertist. Anstalt, keipsig. Zu Artikel: Preussen 


l 


( Io 
j \008 [ 


Preußen (geihichtlich) 


gewicht dieſes großen flam. Reichs nicht mehr ge: 
wadien. Er erlitt in der Schlacht bei Tannenberg 
1410) eine ſchwere Niederlage, mußte zuerst in dem 
Frieden von Thorn (1411), dann in mehrern 
andern Verträgen preuf. Ländergebiete abtreten 
und verlor auch im Innern feine Selbſtändigteit, 
indem er Ausfhüfien von Adel und Städten Zeil: 
nahme an der Negierung einräumen mußte, Durd) 
den Abfall mehrerer Ordenslomture und durd den 
in Elbing gefchlojienen Preußiſchen Bund (1440), 
der bald mit den Bolen gemeinfame Sache machte, 
geihwächt, von dem Deutſchen Reich ohne jede 
Hilfe gelaſſen, ſah fid) der Orden, zumal feine aus 
den aufgelöften Huffitenheeren gebildeten Söldner: 
baufen dem Gegner die Schlüffel der Feitungen 
überlieferten, zur Unterwerfung unter Polen ge: 
nötigt. In einem zweiten Thorner Frieden (1466) 
wurde das Land .n. von der MWeichjel mit 
voller Souveränetät an Polen abgetreten, ifür die 
öftl., Hälfte aber die Lehnsoberhoheit der poln. 
Könige anerkannt. Diefes Ereignis hatte aljo die 
Trennung Pes in Oft: und Weitpreußen zur Folge. 
Nach einer Reihe ſparſam und milde regierender, 
aber ſchwacher Ordensmeifter, die fih den poln. 
Lehnẽeid meiſt ohne Schwierigkeit gefallen ließen 
jahen die Ritter ein, dab nur ein feerer Anſchlu 
an das Deutſche Reich ſie von dem fremden Joch 
wieder befreien könnte, und fie verſuchten daher 
durd Übertragung der Hocdmeifterwürde auf fürſtl. 
Sprößlinge das Intereſſe deutjcher Zurlen yna⸗ 
ſtien für ihre Säche zu erweden. Im J. 15 
wählte das Kapitel den Markgrafen Albrecht von 
u et (Ansbady), den Entel des 
Kurfürften Albrecht Achilles, zum Hochmeilter. 
Auf die Hilfe vertrauend, bie ihm der Kaifer ver: 


bAlbredt, den Eid als Lehnz: | d 


ſprochen, weigerte 

unterthan des Königs von Polen zu leiten. Nach 
mehrjährigen en ber poln. libermadt für 
Aloreht unglüdlihen Kriegen ‚ging diefer nad) 
Te d (1522), um für die Unterftühung P.8 
von jeiten des Reichs zu wirken. Da ihm diefe 
nicht zuteil ward, fo entichlof fih Albrecht zu einer 
ihm von mehrern Seiten angeratenen Staat&ver: 
änderung, die zwar in den äußern Beziehungen zu 
Bolen teine Berbefierung bervorbradte, dagegen 
der Delle des Landes, welche durch fortiwäh- 
sende Streitigleiten zwiiden Orden, Adel und 
Städten, bei zunehmender Beſchränlung der ober: 


ihen Rechte des Hochmeijters, immer halt: 
fer rdben war, ein ganz anderes Gepräge 
verlieh. Als t 1523 den Reformator Luther 


in Wittenberg aufjuchte, machte ihm diejer den 
Hr ‚den Orden aufzuheben und P. in ein 
Farſtentum zu verwandeln. Auch Polen 

8 darauf ein und übertrug, unter der Bes 
ung des von Albrecht anertannten Lehnsver: 
bältnifjes, den Vertrag von Stratau (8. April 
1525) B. dem afen als weltliches, erbliches 
n. Der Beifall, welchen diejer Schritt im 

nde bei Rittern und Unteribanen fand, war 
ich der Verbreitung der reformatorijchen 


in ®. zu verdanten. Zu den erſten, welche 

em. neuen Herzog. huldigten, gehörten bie der 

Kirhenneuerung zugethanen Bilhö von Sam: 

land und omelanien, welche von der Regierung 

in a re "Bice gm arte Dem bet 
n. er e dem‘ 

und den h landitändifche Rechte. Die meisten 


Ritter blieben im Lande und erhielten Lehnsgüter. 


1 |von Quremburg über die 


295 


PBapit Clemens VII. ———— bie Sälula: 
rijierung des Ordenslandes und Kaijer Karl: V. 
beitätigte die vom Reihälammergericht 1583 gegen 
Albreht —— Acht; allein dieſer blieb 
im ungeftörten Beſih des Landes, führte die Refor— 
mation in P. durch und gründete ihr einen feiten 
Si durch Stiftung der IUniverfität Königsberg 
1544. Mit den Landftänden, welche ihre Macht zu 
vergrößern ſuchten, hatte er manche Streitigfeiten, 
wobei jene meijt die Entſcheidung des Oberlehns- 
beren anriefen. Herzog Albrecht ftarb 20, März 
1568. Schon vorher hatte auf dem Reichstag zu 
Betrifau (1563) Bolen für den Fall des Aus: 
fterbens der fränk. Linie der Hohenzollern ber 
brandenb. Linie die Mitbelehnung und Anwart: 
ſchaft auf P. erteilt. Wenige Monate nad) Herzog 
Albrechts Tode, welchem fein Sohn Albredht Fried: 
rich folgte, wurde diefe Belehnung für Kurfürſt 
Joachim LL., defien Sohn Johann Georg und 
dejien männliche Deſcendenz erneuert, und 1618 
nach dem Tode Albrecht Friedrihs wurde P. mit 
Brandenburg — einem einzigen Staat vereinigt. 
Seit 1415 befand ſich die Hohenzollernſche Dy⸗ 
najtie bereits in dem Befis der Hurmark Branden- 
burg. (S. Hohenzollern und Brandenburg.) 
Die beiden erften Regenten aus biefem Haufe, 
Driebeit I. (1415 —40, als Burggraf von Rürn: 
erg Friedrich VI.) und Friedrich U. (1440 — 70) 
benugten ihre lange Regierungszeit, um die Ver: 
lufte, welche die Länderverfchwendung Sigismunds 
) art verhängt hatte 
wieder gut zu machen. Die Ulermark wurde urd) 
Sriedrie I., die Neumark durch Friedrid IL, 
wieder mit Brandenburg vereinigt; 1445 wur: 
den bie Palin Kottbus und Peih, 1462 
bie Herrſchaft Teupik erworben. Grfolgreid waren 
ihre Verſuche, der Landesherrihaft im Innern 
eine kraftvollere Stellung gegenüber den Adel 
und den Städten zu geben. Friedrich I. beftegte 
den Adel und zwang ihm ein Landfriedensgeje 
auf, Friedrich II. dbemütigte die Städte, namentli— 
Berlin. Der ger 0 des legtern Albrecht Adil: 
les (1470—86), widmete ben märtifchen Ange: 
legenbeiten wenig Intereſſe und refibierte meijt in 
den fränt. Befisungen Ansbah und Bayreuth. 
Dod * er nad) einen glüdlihen Kriege Pom⸗ 
mern zur Anerkennung der brandenb. Lehnsober: 
pomit (1479) und wurde der Stifter eines für die 
ererbung der Hohenzollernſchen Lande beider 
Linien maßgebenden Hausgeſ (dispositio 
Achillen), am N 1482 lam das Yürftentum Srof: 
fen an Brandenburg. Sein Sohn Johann (1486 
—99) gab den Anfprud auf die Lehnshoheit über 
ommern auf und ließ biefelbe in eine eventuelle 
folge verwandeln (1493); 1490 erwarb er bie 
richaft Zofien. Defien Sohn und Na olger 
oachim I. (1499—1585) jteuerte dem ritter: 
wejen des Adels, errichtete 1506 in Frankfurt a. D. 
eine Univerfität, gründete ald oberftes Gericht das 
Kammergericht zu Berlin (1516) und vergrößerte 
1524 die Kurmart durd) die Ye Ruppin. Cr 
verfolgte die prot. Lehre mit Graujamteit, ſelbſt bei 
feiner Gemahlin Eliſabeth, die, für ihr Leben fürch⸗ 
tend, in Sachſen ein Aſyl fuchen mußte. Durch die 
Che mit diefer aus dän. Haufe jtammenden Fürftin 
002) hatte Joachim J. für den Fall, da die männ: 
ide Linie in Dänemark aus türbe, eine Even: 
u — Schleswig und Holitein erworben 
(1508), ie Goldene Bulle und die erwähnte 


296 


Achilleiſche Hausordnung verlekend, zweigte Joachim 
von den lurmärliſchen Landen die Neumark ab und 
vermachte leptere feinem zweiten Sohne, Johann 
von Küjtein, während der ältefte, Joahim IL., mit 
der urwürbe das übrige erhielt. 
oachim II. (1585—71) führte zwar 1539 die 
Neformation in die Kurlande ein, nachdem fein 
entjchlofjenerer Bruder in der Neumark ihm das 
Beifpiel dazu gegeben, aber fein Bemühen, mit 
bem Kaiſer in dem * Einvernehmen zu blei⸗ 
ben, hielt —* von der Teilnahme an dem Schmal⸗ 
laldiſchen Bunde ab. Beſſer forgte Joachim II. 
ür die Ausdehnung des Territorialbeftandes, ‚in: 
em er durd Erbverbrüderung mit Herzog Fried: 
rich II. von Liegnig (1537) die Anwartſchaft auf 
die Fürftentümer Liegnig, Brieg und Wohlau 
—* der Hohenzollernſchen Erbanſprüche in Schle⸗ 
ien) feiner Dynaſtie zubrachte. Hierzu kam noch, 
wie bereits erwähnt, die Mitbelehnung mit dem 
erzogtum .P. Den erjten bedeutendern Auf: 
Ömung nahm indes die Mark unter Joachims 11. 
adhfolger, Johann Georg (1571—98). Die drei 
Bistümer der Mark, Brandenburg, Havelberg, 
Lebus, wurden eingezogen, bie Neumark mit ben 
Kurlanden wieder vereinigt, 1575 Beeskow und 
Storkow einverleibt, der geh des Kurfürſten 
in der Behauptung des Erzſtifts Magdeburg, 
welches fchon feit 1513 von Prinzen des bran- 
denb. Haufes bejcht worden war, antertüßt: 
Vor allem aber erwarb er Erbaniprüde auf B. 
und die jülichihen Lande, indem er feinen Enfel 
Johann Sigismund mit Anna, der Erbtochter des 
weiten — von P., des geiſtesſchwachen 
lhrecht Friedrich, vermählte. Dieſe FJearſin war 
nicht nur die Erbin des Herzogtums P., ſondern 
hatte auch durch ihre Mutter, die als Schweſter 
des lehten Herzogs von Jülich bei dem Erlöſchen 
des Mannsſtammes in ihrer Familie für erbfähi 
erllärt worden war, die nächſten Anrechte es 
die Herzogtümer Jülih, Kleve und Berg, fo: 
wie auf die Damit verbundenen Grafichaften Mart 
und Ravensberg. Joachim Friedrich (1598-1608) 
verfolgte die beiden großen Aufgaben feines Va: 
terö, die Erwerbung P.s und Julichs, weiter. 
Gr lief ſich die Belebung über P, erneuern und 
fuchte in Jülich die Landitände für das brandenb. 
—3* zu gewinnen. Außerdem beſtätigte er das 
ausgeſeß des Albrecht Achilles durch den Vertra 
u Gera, den er mit feinen fränk. Bettern abſchlo 
(1608). und errichtete 1604 als ftändige oberite 
erwaltungsbebörde das Kollegium des Geheimen 
Nat, Johann Sigismund (1603—19) beeilte fi 
nad) dem Tode des legten jülichichen Herzogs, fich in 
den Veſitz der ganzen jülihfchen Erbſchaft zu ſehen, 
mußte fih aber in dem mit Pfalz:Neuburg 1614 
abgeichlofienen Vertrag von Kanten mit Kleve, 
Mark und Navensberg begnügen, Des Kurfür— 
ften libertritt zur reform. Kirche war von dem 
Erlaß eines Religionsedikts für feine Territo: 
rien begleitet, in welchem beiden evang. Kirchen 
oleidhmäßige Toleranz zugefichert wurde. Von da 
an blieb die Verſöhnung und Vereinigung der 
evang. Belemmtnifje ein eifriges Beſtreben der 
brandenb.:preuß. Herrider. 
Sm %. 1618, als mit Albrecht Friedrih das 
Deraonl- Haus von P. ausftarb, wurde Johann 
igismund Herzog von P. und dieſes Land mit 
Brandenburg zu einem einzigen Staat vereinigt, 
Die poln. Lehnshoheit scubte zunächſt anerlannt 


Preußen (geſchichtlich) 


werden. Bon unbeilvarer Gehirnlran 
fen, mußte Yohann Sigismund die Negierung 
(Dez. 1619) niederlegen; er ftarb wenige Tage ſpã⸗ 
ter. Sein Sohn Georg Wilhelm (1619—40) war 
den Schwierigkeiten der Lage nicht gewachien. 
Unter dem Einfluß des Grafen Adam von Schwar: 
ienberg, feines tatholifhen, öſterreichiſch gefinnten 
Minifters, ftehend, blieb er der kaiſerl. Politik 
treu. Trohdem wurden die Marten von den 
Wallenfteinern furchtbar verheert. Die Bundesge: 
nofienihaft mit Guftav Adolf, von diefem durch 
Bedrohung Berlins (Mai 1631) erzwungen, war 
nur eine vorübergehende Epiſode. Als nah dem 
Sinten des ſchwed. Kriegsglüds der Kurfürſt von 
Sachſen einen a en (1635) mit Kaiſer 
Nerdinand II. einging, folgte Brandenburg dieſem 
Beifpiel; hierdurch zog es die Rache der Schweden auf 
fi, die mın mit allen Greueln entfeflelter Kriegs: 
wut länger als zehn Jahre in den Marken bauften. 
Unter diefen traurigen Verhältnifien übernahm 
Friedrich Wilhelm (1640-88), fpäter der Große 
Kurfürft genannt, ala 2Ojähriger Fürft die Negie- 
tung ber brandenb. Sande, Durch ufftelung eines 
tüdhtigen Heerd und durch Abſchluß eines Waffen: 
ftilljtandes mit den Schweden machte er ſich wicder 
zum Heren von Brandenburg und durd ein Bund— 
nis mit Holland ſicherte er fich den Bejis feiner 
weſtl. Gebiete. Im Weitfäliichen Frieden erlangte 
er zwar nicht ganz Pommern, auf das er ein 
Grbredht hatte, und muhte Vorpommern nebit 
Stettin den Schweden überlaffen; als Erſatß da 
für erhielt er aber die Bistümer Halberjtadt, 
Minden und Kamin als weltlihe Fürftentümer 
und die Anwartichaft auf das Erzitift Magdeburg. 
Sid von der poln, Lehnsherrlichleit umachen, 
war in den erſten Jahrzehnten ſeiner Regierung 
das Hauptbeitreben driedrich Wilhelms. Er nahm 
am ſchwed. poln. Krieg (1655-60) Anteil und 
erhielt für feinen Beiltand in der breitägigen 
Schlacht von Warihau (28. bis 30, Juli 1656), 
die fich zur erften Heldenthat der brandenb, Armee 
eftaltete, im Vertrag von Labiau die Anerfennung 
* Souveränetät im Herzogtum P. ſeitens des 
ſchwed. Königs Karl X. Guftav. Kaum hatte ber 
25 durch die Entfernung der ſchwed. Kriegs: 
macht freie Hand erhalten, ald er auch das Einver- 
ftändnis mit Polen wieder antnüpfte und fid) die 
unbeſchränkte Oberhobeit in B. durch den Vertrag 
von Wehlau (1657) beftätigen ließ. se er 
Brandenburg die Herrichaften Lauenburg und 
tow von Polen zu Lehen, Sowie Drabeim als Pfand, 
welches lehtere 1688 völlig einverleibt wurde. Die 
Friedensverhandlungen in Dliva (1660) brachten 
ihm endlich die alljeitige Anerfennung der Souve: 
ränetät aber P. Nun erit war diefe Provinz mit den 
übrigen brandenb. Landen unmittelbar vereint und 
der Grund für die —— eines mächtigen 
norddeutſchen Staats gelegt. Wie im Norden, fo 
mußte die Politit Friedrih Wilhelms auch im 
Weiten die deutſchen Intereſſen mit Nachdrud 
vertreten. Als Ludwig XIV. von Frankreich 1 
in da3 Reich einfiel, war Friedrich Wi der 
einzige Fürft, der für die Unabhängigkeit 
lands am Rhein die Waffen erhob, Infolge deſſen 
veranlafte Frantreih, um ſich von den bran 
Truppen zu befreien, bie Schweden zu einem Ein 
fall in die Marten, Der Hurfürft Ki t über fie 
den Sieg bei Fehrbellin (18. Juni 1675), vertrieb 
fie aus Pommern und foäter, als fie von Livland 


Preußen (geſchichtlich) 


ber bie preuß. Grenzen überſchritten, auch (1679) 
aus P. Allein in dem 1679 ab eſchloſſenen Frie⸗ 
den zu St.-Germain mußte er auf bie Groberungen 
in V. verzichten. Im J. 1680 fiel das Erzſtift 
Magdeburg definitiv an Sturbrandenburg; 1686 
wurde der Schwiebufer Kreis (1694 wieder ab: 
getreten), 1687 Burg erworben. 
Kurfürft —— Wilhelm iſt der wahre Be— 
ründer des brandenb. preuß. Staats. Er ſchuf die 
randenb. Armee, die er meiſt aus ſeinem eigenen 
Landvolk zuſammenſeßte. Durch Aufnahme der 
aus Frankreich vertriebenen —— (1685) 
überwied er feinem Staate die Rolle der Schup: 
macht des Proteſtantismus. Am wicdhtigiten für 
die Geſtaltung ber ganzen Staatsverwaltung war 
e3, daß er die Oppofition der Landſtände, nament: 
lich der ojtpreußifchen, an welcher der provinzielle 
Partilularismus feine Stübe fand, unterbrüdte, 
den Adel und die Städte zur Unterordnung unter 
das Staatsinterefje zwang und im Geheimen Rat 
für alle Landesteile eine einheitliche Verwaltungs: 
bebörbe jchuf. Bei feinem Tode, 9. Mai 1688, bin: 
terließ der Hurfürjt den Staat, der 110840 qkm 
mit 1%, Mill. E. zählte, in der beten Ordnung; 
dinanzen und Heerweſen ftanden aufs günftigfte, 
Friedrich III. (1688—1713), ein prunkliebender 
Fürft, nahm an dem zweiten Reichskriege gegen 
Frantreid teil und ſchidte dem Kaiſer Hilfstruppen 
gegen die Türlen. Um feiner Dynaftie und feinem 
Yande einen höhern Rang zu verichaffen, betrieb er 
die Erhebung des jouveränen Herzogtums PB. zu 
einem Rönigreih und die Anertennung besjelben 
feitens des Kaiſers und der übrigen Mächte. Die 
Zuſtimmung des Kaiferd hierzu erhielt er durch 
Unterzeihnung des Vertrags vom 16. Nov. 1700, 
worin er ihm —— den Spaniſchen Erbfolgekrieg 
ein preuß. Hilfslorps und in allen Reichsangelegen⸗ 
beiten treue Grgebenbeit zufagte. Am 18. jan. 1701 
ſegte er fich zu Königsberg die Krone aufs Haupt 
und nannte fich fortan König Friedrich I. Als fol: 
cher wurde er, mit Ausnahme Frankreichs, Spa: 
niens und des Papſtes, von fämtlichen Nächten 
anerlannt. Frankreich und Spanien thaten dies 
exſt im Utrechter Frieden von 1713. Obgleich das 
Verhältnis des Königs zu dem Deuficen eig 
hierdurch feine Veränderung erfubr und er zuglei 
v8 Kurfürft von Brandenburg blieb, jo trat er 
doch num ebenbürtig in die Reihe ber — 
Europas ein und hörte auf, ein bloßer Reichsfurſt 
u fein. Indes führte er vorläufig nur erſt aufer: 
Ib Deutichlands den Titel König’von Breufen; 
im Reid) jelbit nannte er fi König in Preußen, 
und erit Friedrich d. Gr. nahm 1773 auch bier 
ben Titel König von Preußen an, nahdem 1772 
bad —** von ihm reoccupiert worden war. 
n Kurfürſtentitel verſchwand jean aud) 
allmählih die Begeihnung der einzelnen Länder: 
gebiete als befonderer Herzog:, ig und Dart; 
rafentümer, welche num unter dem Gefamtnamen 
Dre ußen als ein einziges I Mn 
gefaßt werden. Durd) die Gründung der Univerfis 
tät Halle (1694), auf weldyer den Gegnern ber ftar: 
ren Drthoborie eine freie Stätte bereitet, wurde, 
und durch Stiftung der Alademie der bildenden 
Kanſte und der Societät der Wiflenfchaften in 
Berlin förderte Friedrich I. die geijtige Bildung. 
ejehen von der Erwerbung Neuenburgd und 
Ballengins (1707) vermehrte er das Staatögebiet 
duch Anlauf der Grafihaft Tedlenburg (17071 


297 


fowie der Vogtei über Norbhaufen und Dueblin- 
burg (1697). Außerdem wurde 1699 die Grafichaft 
Hohenſtein, 1702 Lingen und Mörs erworben. 

Die Regierung feines Sohnes, Friedrich Wil: 
helm I. (1713—40), war für B. von hoher Bedeu: 
tung, da ohne deſſen zwedmäßtge Heereseinridhtun: 
gen und treffliche Finanzverwaltung Friedrich d. Gr. 
nicht die Kräfte a Laie hätte, die für jeine 
unternehmende Politik unerläßlich waren. 
Einrihtung des « Kantonsſyſtems», wodurch den 
einzelnen Negimentern bejtinnmte Bezirke jur Gr: 
gänzung der abgängigen Mannſchaft angemwieien 
wurden, war ein F zur Umwandlung des 
Soöldnerweſens zum nationalen Wehrſyſtem. Dies 
ſehte ihm in den Stand, das Heer allmählich von 
38000 auf 84000 Mann zu verftärfen. Hinſicht— 
lich der innern ed erhob der König B. zu 
dem beutichen Zn es 18, Sabeb. Um Ein: 
beit in das Finanzweſen und bie ganze Berwaltung 
des Staats zu bringen und eine genaue Kontrolle 
auszuüben, errichtete er 1723 das Generaldirekto: 
rium, Grfolgreih waren feine Bemühungen für 
Hebung des Aderbaues, für die Kultur öden Lan: 
des, befonders in P., für die Heranziehung tüch— 
tiger Kolonisten (die 18000 Salzburger 1732), Gr 
erweiterte den Staat im Frieden von vr (1713) 
durch Obergeldern und im Frieden mit weden 
1720 durch Vorpommern bis zur Peene nebſt Stet: 
tin und den Inſeln Uſedom und Wollin. 

Sein moin Friedrich II. oder der Große (1710 
—86) fand ſonach ein zwar räumlich nicht arron: 
diertes, doch durch einheitlihe Verwaltung zu 
einem hohen Grade des Gemeingefühls entwidelt.s 
Ländergebiet von 120590 qkm mit etwa 2Y, Mill. 
GE. vor, ſowie eine gute Armee und einen gefüllten 
Staatsihag. In der deutichen Politit waren ihm 
die Wege jhon von feinem Vater vorgezeichnet. 
Auch Friedrih Wilhelm hatte anfangs eine kailer: 
jeans Haltung bewahrt, war aber, obgleich er 

ie Pragmatiiche Sanktion anerkannt und den 
Kaifer im Po * Erbfolgekrieg unterſtußt 
atte, mit Undank belohnt worden, indem Kaiſer 
arl VI, in Angelegenheit der julich⸗kleveſchen Erb: 
ſchaft, auf die P. die nächſten ———— zu 
deſſen Ungunſten entſchied. Fice ilhelm ge: 
langte ſo Ir der Überzeugung, daß P. ohne Rüd: 
fiht auf Oſterreich die Bahn feiner Interejien ver: 
folgen müjje, felbft auf die Gefahr hin, mit dem 
Kaiferftaat in Konflikt zu geraten, iebrich 11. 
I, bald nad) feinem Regierungsantritt Gelvgen: 


N; 
Lie 


eit, diefer Politif Ausdrud zu geben, inden der 

od Haijer Karla VI. (20. Oft. 1740), in Ermange: 
lung eines männlihen Nachfolgers, das Berhält: 
nis des — n Hauſes 
den wie zum ge eih in Schwankun 
bradte. Maria Therefia feinen Antrag, da 
er gegen Abtretung Schlefiend, auf das er wohlbe: 
ründete Anfprüce hatte, ihre Erbfolge mit allen 
einen Kräften gegen jeden a verteidigen 

\ * 


es zu feinen Kronlan⸗ 


wolle, nicht annahm, ſo erklärte iedrich für 
die Anſprüche des Kurfürſten Karl Albert von 
Bayern, unterjtügte denſelben in ver Erwerbung 
des deutſchen Staifertbrons und begann den erjten 
Schleſiſchen Krieg (1740—42), in weldem er die 
reihe Provinz eroberte, ſodaß fi Maria Thereita 
’ deren Abtretung genötigt ſah. Als jodann die 
eptere Din ihrem Sieg über Bayern und Frant: 
reih, Schlefien bedrohte, kam Friedrich 1744 ihr 
auvor, rüdte in Böhmen ein und wußte in cinem 


298 


weiten Schlefifchen Kriege (1744—45) die Provinz 
zu behaupten. (S. Schleſiſche Kriege.) 
Angefichts der fortdauernden Bemühungen 


Oſterreichs, mit den andern Großftaaten eine feite 
rag egen P. zu fchließen,, benukte hierauf der 
König die nädjite Friedengzeit zu durchgreifenden 
Neformen auf allen Gebieten der innern Verwal: 
tung. Er forgte dabei nicht nur für Hebung der 
San esluitur und der Wehrkraft, ſondern faßte 
auch eine beſſere und lhmahgete Organiſation 
der Nechtöpflege ins Auge. Unter anderm ſtam⸗ 
men aus jener Zeit die Coccejiihen Rechtsformen, 
aus denen das Preußiſche Landrecht erwachſen üt. 
Das Heer wurde in den elf Friedensjahren auf 
152000 Mann verftärlt. Die Mittel zur Erhal: 
* dieſer Militärmacht ſuchte jedoch der König 

t in Erhöhung der Steuern, ſondern in der Be: 

rderung der Bodenkultur, der Fabrik: und Ge: 
ee überhaupt in der Gntwidelun AI 
aller —— Thãtigleiten, welche den Er 
jtand des Landes und infolge deff en die Einkünfte 
des Staats —— Die Staatseinkünfte 
ftiegen in den er‘ . oT Jahren feiner Regierung 
von 7 auf 12 Thlr. Wie vortrefflid der 
König — beweiſt, daß er von Eripar: 
niſſen des jährlichen Budgets bis zum J. 1756 
einen Staatsſchatz von 11 Mill. anfammeln konnte. 
In diefer Anangteilen Bereitichaft lag die Macht 
welche Friedrich II. befähigte, endblid den Kamp 
geaen das kolofjale fi ergewicht feiner Feinde an: 
unehmen und mit beiipiellofem Erfolg durchaus 
Fra In dem Siebenjährigen Striege (1756 —63), 
den Maria Therefia zum Zwed der Wiedererobe: 
rung Schlefiens —— und in welchem P. gegen 
die nr von fait ganz Guropa Stan halten 
mußte, erwarb Friedrich II. feinem Staate, der 
bisher ein mehr nur geduldetes Dafein geführt, die 
allgemeine Anertennung als Großmacht. (S. 
u a 

Nah mebrjährigem Einverftändnis wit Kaiſer 
Dan) 1. ſah fi der König nody einmal veran: 
aßt, der öfterr. Politik entgegenzutreten, als dieje 
nach dem Tode Marimilian | Solep bs von Bayern 
den Verſuch machte, Zeile de3 bayr. Kurſtaats 
Oſterreich (1778) einzuverleiben. (S. Bayriider 
Grbfolgetrieg.) Nod einige Jahre vor feinem 
Tode ftiftete Friedrich, um den Vergrößerungsplä- 
nen be3 —— Hauſes ein bleibendes Hindernis 
entgegenzu eden, zur Aufrechthaltung der deutichen 
Reichsverfaſſung und des deutjchen Gleichgewichts 
uerſt mit — und Hannover (1785) den Fürs 
—— (j..d.), dem allmählich nod 13 Reiche: 
fürften beitraten. Um Polen nicht ganz in die 
Hände Ruflands fallen zu lajien, Beteiligte er ſich 
mit Öfterreicdy und Rußland an der eriten Teilung 
Polens 1772, wodurd P. das bisher polniihe P. 
(MWeitpreußen), außer Danzig und Thorn, und den 
Nepediftrilt mit 34 690 qkm und 600000 €, erhielt. 
Nah dem Hubertusburger Frieden (1763) gingen 
die Bemühungen des Königs dahin, die ſchweren 
Wunden zu hie, bie ber Siebenjähri e Krieg 
feinem Lande geichlagen. Namentlich bot Ei Ne: 
gierung jehr bedeutende Geldmittel (über 24 Mill.) 
dar, um den Wiederaufbau ber zeritörten Dörfer 
und. Vauergehöfte zu betreiben, Wie in der aus: 
wärtigen Politik, jo ging auch bei den Maßregeln 
dee innern Verwaltung. jeder Anſtoß vom König 
jelbft aus. Die ganze Staatöregierung gipfelte in 
feiner Berion, und die Miniſter waren nur Wert: 


Preußen (geſchichtlich) 


— ſeiner Beſchlüſſe. Wenn ſich —**— Frhr 
[utismus a von gewaltiamen rei: 
tungen fern bielt, jo la —* in * or n Grund: 
ſahe des Königs, daß illen und 
fein Streben dem —5— oltg un unterzuorbnen 
yabe —— * der * m St zu Könet 
ab «da, wo das Recht Ipre er zu 
gen babe», Sein befannter Ausfpru ‚daß in ſei⸗ 
nem Staate jeder nad) anni Baron eli —— 
lönne, beruhte auf der Üüberzeugung, da tab ih 
Glaubenaform nicht vorſchreiben lafle und a * 
— —— —— — 
ntwidelung der bürgerlichen Freiheit 
ei. —* I. hatte der Ländermafle feiner 
onarchie dur die Eroberung von. Schlefien 
37000, burd die Erwerbung von iesland 
(1744) 2970, durch das bei der erften pol, Teilung 
gewonnene weitpreuß. Gebiet 34690 qkm hinzu: 
efügt und der * Länderumfang des preuß. 
Stants belief 6 ei feinem > (17. Aug. 1786) 
auf 193546 qkm mit 6 Mill, E. Die jährlichen 
Staatseinnahmen waren während -: 3 
rung von 7'/, Mill, auf 22 Mil. Thlr. g 
Unter folhen Berhältnifien wäre fein 
Nachfolger, König Friedrih Wilhelm IL — 
97, wohl im Stande geweſen, eine fi 
reuß. olitik in den auswärtigen —— 
en Solange der aus der 
bervorgegangene Minifter 
= Die ber Staatöleitung ftand, 
Selbftändigkeit gefihert. Aber eine 
Gamarilla am Hofe arbeitete auf die An 
P.s an Oſterreich hin, in der beftimmten 
durch die Vereinigung beider Mächte ein Gegen: 
ie — *— — Revolution in 
Ira Die — —— —— 
tion gu 36 — Me ne * ei 
nung P.s unter Öfterreih um 
Schritt jener —— 


—— des En ur any, —— 
ionskriegen anheimfiel. Der zu n ——— 
1787 war weder für die Fi für den mis 


litäriſchen Geift Age sin a —* 1792 
begann er im Bunde mit Biterreid) 

das revolutionäre Frankreich, der bei a salat 
und dem Mißtrauen der Verbündeten nur 
Nachteil beider, namentlich aber zum 


He; 


ausfiel. Wenn aud) der Kön nig dur —— 
der Fürftentümer Ansbach u ) 
und durch die beiden neuen Teilungen aaa 


und 1795) einen Landerzuwachs (1798 

mit a und Thorn, 1795 Neu: mit 
der Hauptkadt Warſchau und NenS fefien) von 
.. 110000 qkm le fodaß nun nd 


er —* trug dieſer duwach⸗ —* nicht 
Staates nad) innen und 

a Sie altloje Politil Friedrich Wi 

hatte ihm die Großmächte entfrem * 

war erichäpft, ber Staat mit Schulden  belaftet, 

Stimmung in den öftl. Provinzen ‚bas 


geiftige Leben durch bemmende 


regeln, wie das Religionsedilt und den urs 
wang, 8 gelähmt. Durch einen Se wit 
Sean rei 4 fu Bajel 5. April 17%), in 

das tech einufer an Frankreich ü 

u durch Ziehung einer Demarkationslinie fuchte 


der König feine Neutralität zu ſichern. 
Friedrich Wilhelm IIL., 1797—1840, fußte dar» 
auf die innern Hilfsquellen zu vermehren 


Preußen (geſchichtlich) 


erichöpften Ben wieberherzuftellen. Während 
aber Frantreid jeine Macht auf dem Kontinent 
immer weiter ausdehnte, verlor B. durch fein neu: 
trales Verhalten feine polit. Bedeutung und brachte 
ſich in eine bedenkliche Afolierung. Als Erfah für 
die abgetretenen linlsrhein. Gebiete hatte es bei 
dem Reichsdeputationshauptſchluß 1803 die Bis: 
tümer Baderbornund Hildesheim, den größten Teil 
des Hochſtifts Münfter, die kurmainziihen Be: 
finungen in nn (Erfurt und das Eichsfeld) 
und die Neichejtädte Mühlbaufen, Nordhaufen und 
Goslar erhalten. Aber jeine zögernde Haltung im 
beitten Sloalitionstriege 1805, die Einwilligung if 
den Bertrag von Schönbrunn 15. Dez. 1805 und 
in den Vertrag vom 15. Febr. 1806, wonach es 
Ansbach, Kleve und Neuenburg abtrat und dafür 
das dem befreundeten England gehörige Hannover 
annahm, und die Zuſtimmung zu dem Ichimpflichen 
Allienzvertrag mitNapoleon (15. Febr. 1806) brach⸗ 
ten ®. bei Napoleon um alle Achtung. Im Gefühl 
biefer Erniedrigung griff nun®. zu den Waffen. (©. 
Franzöſiſch-Preußiſch-Rüſſiſcher Krieg 
von 1806 bis 1807.) Aber der günftige Zeit: 
punft war vorüber. e Unfäbigleit der Feld: 
berren führte den Verluſt der Schladhten bei Jena 
und Auerjtädt (14. Dft. 1806) herbei und nach den 
Kapitulationen der Feltungen und einzelner Trup: 
——— die Zertrummerung des Staats. 
is an die ãußerſten Grenzen feines Reichs zurüd: 
pas . der König mit Napoleon den Frie: 
zu Tilft @. Yuli 1807)‘, durch welchen er bie 
Hälfte feiner Länder verlor (alle Beſihungen lints 
z Kreis Kottbus und die meiften poln. 
Grwerbungen von 1793 und 1795 nebſt Teilen 
Nekediltrilts) und in die Bejekung des Neftes 
durch ein franz. Heer bis zur Bezahlung — 
Kriegslontributionen einwilligen mußte. Dieſer 
Schlag wurde vom ganzen Volle aufs tiefſte ge: 
fühlt, umd die allgemein geliebte Königin Luife 


farb 19. Juli 1810 aus Gram. Syn diefer Not er: 
wachte aber auch die Lebenskraft und die innere 
Energie des preuf. Staats von neuem. Der Mi: 


nifter Stein, nad) diefem, feit 1810, Hardenberg, 
leiteten mit Glüd die Reorganifation B.3, die vor 
allem darauf er durch liberale Reformen den 
Vatriotismus der iger u en und ibren 
Zu zu fördern. A. das Edilt vom 9. Dit, 
1807 wurde ein freier Bauernftand geichaffen, durch 
die nn an 19. DR > —— 
munen Selbſtverwaltung zugeſtanden, währen 
ERSTE 
g vor ete. Nach fieben Jahren 
Druds erfhien endlich die Zeit der Be: 
Flüchtig und ohne Truppen kehrte Napo: 
eon 1812 aus Rußland zurüd, noch jeht den 


E-Rulitjo-Deusjd:hramöfiicer Arten) 
A De :xran er Ar 
Da u PER SSriebrich Wilhelm a 


März 1813 an Napoleon den Krieg und rief 
fein Volt unter die Waffen, das num 
mit Gut und Blut dem allgemeinen 
Ham B.3 Erhebung, feine Ausdauer 
und führten vorzugsweiſe in den glor: 


16. 
17, 


reichen Feldzügen von 1813 bis 1815 zur Befreiung 
3* d3 aus den Feſſeln der Stemdberrihaft 
Inf der Friedensſchluſſe zu Paris und des 
N zu Wien nahm P. feine frühere polit, 


Etellung unter den europ. Mächten und in Deutſch⸗ 
fand wieder ein, indem e3 zur Entihädigung für 


299 


feine verlorenen Provinzen und die im Befreiungs- 
kriege gemachten Anftrengungen, außer den ebe- 
mal3 am linken Ufer der Elbe von ihm befeflenen 
Landedteilen, die Hälfte des en Sachſen, 
das —— Tr ofen nebſt Danzig und zu 
den frühern weitfäl. Befikungen mehrere neue, zu 
dem ehemaligen Meftfalen gehörige, ferner das 
—— Berg, das Herzogtum Jülich, den 
größern Zeil der ehemaligen kurkölnifchen und tur: 
trierfchen Länder, das Fürftentum Neuenburg und 
Schwediih: Pommern nebit Rügen erbielt. Da: 
gegen verblieben Ansbach und Bayreuth bei Bayern 
und Dftfrieeland, Lingen, Goslar und Hildesheim 
lamen an Hannover. Zugleich trat e8 in den neu: 
gegründeten deutſchen Staatenbumd ein. Ungünſtig 
war auch bei dem neugeſchaffenen P., daß feine ein: 
zelnen Gebietsteile mit ein fompaftes, fondern ein 
auseinander nerifienes, in zwei ungleiche Teile zer: 
ee Ganzes ausmadten. Dadurch wurde feine 
Dat jo geihwäht, daß es nur in der engften 
Verbindung mit dem übrigen Deutichland feiner 
Aufgabe genügen konnte, Die Herjtellung einer 
ſolchen engern Verbindung war von nun an das 
Streben der preuß. und deutſchen Patrioten. 
Die hierau —— Friedensjahre benuhte 
riedrich Wilhelm, ſeinem vielgliederigen Staat 
E en zu geben, die Verwaltung zu organifieren, 
Handel und Gewerbe zu beleben, Kunft und Wiſſen— 
ſchaft —— und den durch den Krieg erfchüt: 
terten Woblitand wieder zu heben. Zunächſt warb 
ber Staat 1816 behufs der Abminijtration in zehn 
Provinzen und jede Provinz in Negierungsbezirte 
geteilt, die verwaltenden Behörben für dieſe, ſowie 
die ge ———— eingejekt, die Juftizpflege 
durch Errichtung der Land» und Stabtgerichte, der 
Dberlandesgerichte u. ſ. m. organifiert und in den 
neuen Sandesteilen, mit Ausnahme des größten 
Teils der Nheinprovinz und Neu-Vorpommerns, 
das preuß. Landrecht eingeführt, Im J. 1824 wur: 
den jedod die Provinzen Niederrhein und Julich— 
Kleve-Berg zur Rheinprovinz, 1829 Dft- und Welt: 
preußen zur Brovinz Preußen (bis 1878) zufammen: 
gelegt. Zugleich traten neben dem neuorganifiers 
ten Staatsrat die Miniſterien mit ftreng abgegren;- 
ten Gejchäftstreifen ind Leben. Die allgemeine 
Militärpflichtigleit wurde zugleih mit einer Mi: 
litärverfafjung,, wie fie ſchon im legten Kriege vor: 
bereitet war, eingeführt, die Finanzverwaltung und 
das Staatäfhuldenweien eordnet und eine Rom⸗ 
miffion für die Geſetzreviſion niedergeſetzt. Zu⸗ 
(eich ward die Ausführung eines Nebes tre licher 
unftftraßen begonnen, die Einrichtung der Poſten 
vervolllommmnet, 1838 der Ban von Eifenbahnen 
unternommen. Den größten Aufichwung erhielt 
der Handel durch den vom Finanzminijter Maaßen 
zwiichen P. und den meilten deutichen Staaten 
1828—34 zu Stande gebradten —— dem 
fpäter 1888 bie allgemeine Münztonvention und 
der Bertrag über ein allgemeines Zollgewicht folgte. 
Dr Gründung und age rg der Schulen und 
öhern Lehranftalten ward in diefer Neorganija: 
tionsepoche de3 Staats ebenfalls auf das groß: 
artigjte und nachbaltigite geforgt. Außer der ſchon 
früher zu Berlin (1810) errichteten Univerfität 
wurde eine zweite 1818 zu Bonn gegründet, gegen 
70 Gounalen neu geitiftet, die alten verbejiert, 
Schullehrerfeminarien und Vollsſchulen errichtet 
und die Gehalte der Lehrer, beſonders die der 
Roltsichulfehrer, verbefiert. Mit gleich lebendiger 





300 


garisıpe ſuchte der König das Gedeihen bes Kir: 
enwejens zu fördern, Fuͤr bie lath. ode mwurben 
infolge des 1821 mit dem röm. Stuhle abgeſchloſſe⸗ 
nen Konlordats zwei Erzbistümer und ſechs Bis: 
tümer errichtet. Die ſchon von feinen Vorfahren 
pebeote Idee einer Union (f. d.) der reform. und 
uth. Kirche, die der König bei dem 1817 eingetre: 
tenen Reformationsjubiläum zu verwirklichen juchte, 
fand indefjen, fo wohlgemeint fie aud) war, bei Ge: 
meinden und Geijtlihen heftigen Widerſpruch und 
führte, befonders feit die Cinführung der neuen 
Agende und Liturgie befohlen wurde, zu anhalten: 
den Zerwürfniſſen. Rt harten Konflikt geriet die 
Regierung Friedri — mit der lath. Kirche, 
als der Erzbiihof zu Köln, Droſte-Viſchering, 
1836, im eu mit feiner frühern offiziellen 
Erklärung, die gemijchten Chen der Protejtanten 
und Katholilen * as Verſprechen einer lath. 
Kindererziehung als ungeſetlich und unrechtmäßig 
verbot, Als er ſich der Negierung nicht fügen wollte, 
dem Staate alles Recht, in lirchlichen Dingen mit: 
ureden, abſprach und ſogar Klerus und Bolt zu 
anatifieren Fucte, wurde er 20. Nov. 1837 nad) 
der Feſtung Minden und aus dem gleidien Grunde 
ber Erzbiihof von Pofen und Gnefen, Martin von 
Dunin, 6. Olt. 1839 nad) der Feltung Kolberg ab: 
prjavek Die Unterhandlungen mit dem Papſt 
lieben ohne Refultat. Außerden nahmen die An: 
zeichen polit. Aufregung und bürgerlicher Unzu— 
riedenheit die Aufmerkjamteit der Negierung in 
RIprud. Die politiich fortgeichrittenen Clemente 
der Nation fühlten ſich unbefriedigt, da der König 
die 1815 verjprochene — —— nicht 
erteilte, ſondern ſich von den freiſinnigen Anfängen 
der frühern Zeit mehr zur Rejtaurationgpolitif bin: 
wandte. Die feit 1817 bervortretenden, burichen: 
ſchaftlichen Beitrebungen trugen dazu bei, die Bo: 
litit B.8 immer mehr mit der Reſtaurationspolitit 
r verflehten. Beſonders feit den Slarläbader Be: 
chlüuſſen errang dieje Tendenz allmählich das Über: 
gewicht, und das Patent vom 5. Juni 1823, das 
die Bildung von — —————— mit beratender 
Stimme und die Einrichtung von dreijährigen Pro: 
vinziallandtagen anorbnete, blieb die farge Erfül— 
tung der 1815 gegebenen Zufagen. 
©o waren bei ben Negierungsantritt Friedrich 
Wilhelms IV. (1840—61), der 7. Juni 1840 feinem 
Vater folgte, roße Schwierigkeiten im Innern vor: 
handen. Auf den kirchlichen, willen haftlichen und 
polit. Gebieten hatten fi Anſprüche erhoben, die 
nad) einer Reform der immer noch ziemlich abio: 
Iuten Berwaltungsgrundfähe und des ganzen 
Staatöfyftems bindrängten, Bor allem trat an 
die Regierung bie Forderung Dean ben aud) in 
P. mädtig vordringenden Tonititutionellen Ydeen 
gegenüber in klarer und bejtimmter Meife gerecht 
zu werden. Aber Sriedrih Wilhelm war nicht der 
Mann einer polit. —— ſondern der 
einer mittelalterlichen Romantik. Gleich bei der 
Huldigung in Königsberg erklärte er dem preuf. 
—** welcher in einer Eingabe um Einführung 
einer allgemeinen Landesvertretung bat, die Pro— 
vinzialitände ſollten erhalten, Reichsſtaͤnde nicht 
—— werden. Die Brofhüren Schöns und 
Jacobys: «Woher und wohin?» und «Bier Fragen», 
verlangten entſchieden das Gintreten in die koͤnſti— 
tutionelle Bahn. Die Regierung Be na zu nichts 
mweiterm berbei als zur Abſchaffung der Genfur für 
Bücher über 20 Bogen, zur Grridtung des Ober: 


| 


durch Vermittelung des lath. 


mm — — — — — — — — — — —— — — — — — — — — — 


Preußen (geſchichtlich) 


cenſurkollegiums und zur Berufung der ſtändiſchen 
Ausſchuſſe Ve rovinziallandtage nad Ber: 
lin 1842. Die Provinzialjtände, an melde ſich 
Korporationen und Privatleute mit Petitionen für 
Berufung von Reichsſtänden wandten, richteten in 
diefem Sinne eine Adreffe an den König, erbielten 
aber eine abjdlägige Antwort, An die Spibe 
Unterrihtäminiftertums wurbe der jtreng orthobore 
Eichhorn berufen, An der noch nicht geordneten 
Angelegenheit der fatb. Kirche bewies die Regierung 
große Schwäche. Der König war bereit, der fat, 
Kirche alle von ihr begehrten Freiheiten zu geftat- 
ten, ſchaffte ſofort das fönigl. Blacet ab, gab den 
Verlehr der Biihöfe mit Rom frei, unterbandelte 
. Grafen Brühl mit 
dem Bapjte und ſchloß 1841 eine Konvention, mo: 
nad Dunin auf feinen Biihofejis — 
Droſte ſeiner Haft entlaſſen wurde und den Bi of 
Geiſſel von Speier als Koadjutor erhielt und eine 
kath, Abteilung im Nultusminijterium eingerichtet 
wurde, welde, mit der Wahrung ber ſtaatlichen 
Hoheitörechte propmäher den Kirchenbehörden be: 
traut, ſich bald zur Vertreterin der lirchlichen An: 
tereſſen gegenüber der Staatsregierung bergab und 
1850 bei Abfafjung der firchlichen Verfaſſungspara⸗ 
graphen aufs freigebigfte für die 5 ſorgie. Die 
ultramontane Propaganda nahm infolge deſſen in 
P. wieder mächtigen Aufihwung, wie 3. B. 1844 
die Ausftellung des ſog. — Rods > Trier 
bewied, Der Aufitand in Polen (1846), allerdings 
nur ein Ausbrud des —— teö, und 
einige Neibungen zwiſchen Civil und Wilitär, na: 
mentlich in ber Rheinproving, vermehrten bie Gr: 
tegung der Gemüter. In ber Abjicht, die Verſtim— 
mung zu befeitigen, trat endlic) die Negierung des 
Königs mit dem Patent vom 3, Febr. 1847 bervor, 
weldes die Landjtände der Provinzen in den Ber: 
einigten Landtag zufammenzog, der bei neuen 
Staatsanleihen, bei Einführung neuer oder Gr: 
böbung ber bejtehenden Steuern eine Zultimmung 
eben und bei der Gejebgebung eine beratende 
Stimme haben follte, Das DO diejer jtän: 
diſchen Verjammlung beitand aus der Herrenfurie, 
die der König aus den Prinzen feines Hauſes, ben 
Fürften und ehemaligen reihsunmittelbaren Stan: 
desherren, fowie aus Bertrauensmännern der Krone 
peiommenients, ‚Das Unterhaus, die Dreiftände- 
urie, bildeten die Stände der Provinziallandtage, 
die Nitteridhaft, die Städte und Landgemeinden, 
Ein Ausſchuß follte ſich periodiſch, wenigſtens alle 
vier Jahre, verjammeln, während bie Einberufung 
bes vollen Vereinigten Landtags nur in 
ſachen und etwaigen weitern Berfaflungsänderun: 
gen ——— hatte. Die Nede, die der König 
11. April 1847 zur Gröffnung des erjten Vereinig: 
ten Yandtags hielt, verriet feine tiefe Abn 

egen alles Eonititutionelle Leben. Da ber 
ammlung felbjt eine Begutachtung des Februar: 
—— und ſeiner —————— en war, ſo 
onnte eine eingehende Kritil tönigl. Entwurfs 
nicht ausbleiben. Während ſich die Herrenlurie 
im ganzen jehr regierungsfreundlicy bewies, trat 
dagegen in der Treiftändelurie eine aeilofiene 
Phalanr_ der Liberalen auf. Gemille ge 
a“ fr ge pi * — N 

nträgen auf Vorlegung jährlihen Finanz: 
etats, Abjchaffung der Genfur, hrlide Boruht 
des Landtags, verlangt. Da das Kabinett di 
und andere Yunkte teils ftilljchweigend überging, 


Preußen (geſchichtlich) 


teils verwarf, fo lieh der im Juni 1847 geſchloſſene 
Landtag im ganzen Bolte einen entihiedenen Miß—⸗ 
Hang zurüd, der fich noch fteigerte, als die im Jan. 
1848 verfammelten Ausſchuſſe als einzige Vorlage 
die Durchberatung eines neuen Strafgejehbudhs er: 
bielten, —* wie allgemein erwartet, Modifilatio⸗ 
nen in der Berfafiung. 
Die re der franz. Republik (24. Febr. 
1848) gab der Neformbewegung —E einen an⸗ 
dern Chaxalter. Während man bisher nur eine 
friedfiche Überleitung des Staats in fonftitutionelle 
Zuftände int Auge gehabt, verband man jetzt mit 
der Forderung einer freiheitlihen Verfaſſung aud) 
die einer Neorganijation des Deutichen Reichs, 
gegenüber den —5*** die dem gemeinſamen Ba: 
terlande von Weiten ber drobten. inmitten ber 
allgemeinen und tiefen 5 ſchloß der König 
rn Wilhelm IV. (6. März) den Vereinigten 
usſchuß mit der Erklärung, die diefem bereits ge: 
währte Periodicität auf den Yandtag zu übertragen. 
Eine Kabinettsordre vom 8. März ftellte zugleich 
eine Neform der Pregeiehgebung in Ausſicht. 
Während fo die Regierung die Gewalt ber Be: 
wegung unterſchãtzte und in gefährlicher —— 
leit der Meinung war, mit zögernden Konzeſſionen 
Meifter bleiben zu lönnen, fanden in Berlin bereits 
ftürmifche Vollsverſammlungen ftatt, und vom 
14. bis 16. März lam es zu blutigen Konflikten 
zwifchen dem Bolt und dem Militär. Vergebens 
erließ die Negierung 14. März 1848 ein Yatent 
weldyes den —— Landtag auf den 27. Apri 
einberief und die Maßregeln der deutichen Neform 
von einem nad Dresden zu —— Fürften: 
longreß abhängig machte. ine Deputation aus 
Köln 17. März ſprach von der brohenden Stim- 
mung der Nheinprovinz, eine andere aus Berlin 
18. März verlangte ntlafjung des Minifteriums, 
Einführung einer freifinnigen Verfaſſung und Bür: 
te eng m 18. März endlich wurde ein 
Önigl. Patent erlaffen, welches die Preſſe gie 
freigab,, den Vereinigten Landtag auf den 2. April 
einberief und zu einer Umwandlung des Deutichen 
Bundes in einen Bundesſtaat, zur Regeneration 
Deutſchlands mitzuwirken verſprach. Mitten in 
der Freude über diefe Zufagen gaben in Berlin 
einige ge Schüſſe am Nahmittag des: 
jelben Tags den Anlaß nz den blutigen Konflikt 
meinte ilitär und Boll, von dem es ſchwer zu 
agen, ob Zufall oder Abjiht die Schuld daran 
trug. Rach einem hartnädigen und blutigen Kampfe, 
in welchem die Truppen die wichtigften Stabtteile 
eroberten und Sieger waren, gab der König feine 
Einwilligung zu dem Verlangen, die Truppen zus 
rüdzuziehen (19. März) und das Miniiterium zu 
ändern. Graf A. von Arnim, Graf Schwerin und 
Alfred von Auerswald wurden zunächſt in dasſelbe 
berufen, und in den nächſten Tagen wurde es durch 
den Eintritt Bornemanns, 2, Camphaufens und 
bes Freiherrn A. H. von Arnim ergänzt. Am 
19. Dlärz wurde der König gezwungen, dem Leichen: 
zuge der gefallenen Barritadentämpfer vom Balkon 
Schloſſes aus feine Achtung zu bezeigen. Der 
König näherte ſich der Bevölkerung in Fehr verjöhn: 
licher Weife, erließ eine polit. Amneftie, welche auch 
auf die gefangenen Bolen ausgedehnt war, und ge: 
pi br die Errihtung einer Bürgerwehr zum 
der Stadt und des Schloffes, während der 
Prinz von Preußen, dem die aufgeregte Stim— 
mung die Schuld an den Vorgängen zufchrieb, nad) 


801 


England ging. Am 21. März machte der König, mit _ 
den deutſchen Farben geſchmůdt / einen —S 
Berlin und erklärte dem Bolt, ſich an die Spike 
der deutichen Bewegung, jtellen zu wollen. Am 
29. März ward das Minifterium weiter im liberas 
len Sinne reorganifiert, indem ftatt des Grafen 
Arnim Camphaujen an die Spitze trat und Hanje: 
mann die Finanzen übernahm. Am 2, April trat 
der Vereinigte Yandtag zufammen, votierte das 
von der Nenierung vorgeichlagene Wahlgefeb zur 
Berufung einer tonftituierenden Berfammlung und 
bewilligte der Regierung einen Kredit für die Be: 
dürfnifie der Lage. Während fo die Dinge zur 
Ruhe einlentten, erhoben fid) Konflikte an anderer 
Stelle. In der Schweiz hatte Neuenburg die europ, 
Verwirrung benutzt, fih von P. loszuſagen. Die 
poln. —— der Provinz Roten erhob ſich 
unter Führung Mieroſlawſlis, verjagte die preuß. 
Beamten und wollte ein 8* Polen wiederher⸗ 
ſtellen. General Williſen — die Aufſtändiſchen 
und zwang fie 9. Mai zur Unterwerfung. Inzwi— 
ſchen war in Frankfurt jene Umgeftaltung des Burns 
EAU 
vorgegangen, welche diefe Behörde unter den Ein: 
uß des Borparlaments und Fünfziger-Ausihufies 
tellte, P. ward vom Bundestage die Erelution in 
der fchlesw.-holjtein. Berwidelung übertragen. 
Nachdem ein Bundesbefhluß vom 4. April B. mit 
der Wahrung der Rechte der Herzogtümer beaufs 
tragt, rüdten preuß. Truppen in Salfein ein, ſchlu⸗ 
gen unter Wrangel die Dänen bei Schleswig 
(23. April) und drangen nad) \ütland vor, 

Am 22. Dai wurde die fonjtituierende Verſamm⸗ 
lung eröffnet. Sie bejtand meiſt aus Politilern 
zweiten und dritten Ranges, welde ſich einer 
ſchrankenloſen Demokratie hingaben und von den 
Strafendemonftrationen beherrſchen ließen. Am 
14. Juni ftürmte und plünderte die revolutio- 
näre Maffe das Zeughaus und 15. Juni beſchloß 
die Verfanmlung, den von der Regierung vorge: 
legten Berfafjun Bauen als zu wenig demofra: 
triſch beifeite zu legen und eine eigene Kommiſſion 
zur Beratung einer neuen Verfaſſung einzufehen. 
Darauf nahm das Minifterium feinen Nüdtritt 
und ward durch ein Kabinett erjeht, deſſen Vorſitz 
Rud. von Auerswald führte, und in welches Hanſe— 
mann, Milde, Nodbertus, Kühlwetter, Schrecken⸗ 
ſtein, Gierle und Maärker eintraten (25. uni). Das 
neue Kabinett ſtellte außer der ————— 
Geſehe über die Bürgerwehr, die Entlaſtung des 
Eigentums, bie Gemeinden, die Rechtspflege und 
die Beſteuerung in Ausſicht. Als aber die Ver: 
fammlung, damit nicht zufrieben, den demokrati— 
ſchen auch in die Armee verpflanzen wollte 
und den Antrag annahm, wonach denjenigen Offi⸗ 
zieren, welche mit den neuen polit. Prinzipien nicht 
— — der Austritt aus dem Dienſt 
zur Ehrenpflicht gemacht wurde, ſo entſtand ein 
verhängnisvoller Konflilt. Das Miniſterium wei: 

erte fih, den Beſchluß auszuführen; die Verſamm⸗ 
ung beharrte (7. Sept.) auf ihrer Abftimmung. 
Darauf reichte das Minifterium 9. Sept. jeine Ent: 
lafjung ein. Der Krieg mit Dänemark, halb 30: 
ernd und diplomatijc geführt, hatte inzwijchen 
Kinen vorläufigen Abſchluß durch den Warfenftills 
tand von Malmö (26. Aug.) gefunden. Die Trup⸗ 
—* fehrten zurüd, lagerten ſich in der Umgebung 

erlins; Wrangel erhielt die Würde eines Oberbe⸗ 
fehlababers in den Marten, Das neue Miniſterium 


302 


von 21. Sept., unter Vorſiß des Generals Pfuel 
gebildet und durch Eichmann, Bonin, Donhoff, 
Kisler und Ladenberg ergänzt, ſchien durch feine 
Zufammenjekung die Politit des Widerſtandes 
gegen die Nationalverfammlung anzulündigen. 
Die Berfammlung ging, nachdem jie verſchiedene 
wichtige Gefege beraten, 12. Dit. zur Beratung der 
Berfatiung jelbit über. Die Bejeitigung des Titels 
«von Gottes Gnaden», die Abjchaftung des Adels, 
der Titel und Orden waren die bezeichnenditen Be: 
ſchlüſſe, welche aus diefen eriten Beratungen ber: 
vorgingen, Neue Tumulte der Arbeiterklaſſen 
(16. Dit), die zu blutigen Konflikten zwijchen dieien 
und der Bürgerwehr führten, die wiederholten In— 
julten, welde den —— beim Heraus⸗ 
gehen aus dem Sißungslolal zugefügt wurden, bie 
Ohnmacht der öffentlihen Gewalt und ber Bürger: 
wehr, dergleichen zu hindern, dies alles mehrte 
die Sehnfucht nach feitern und geordneten Buftän: 
den. Das Minifterium gab 2. Nov. feine Ent: 
lafjung, und Graf von Brandenburg wurde mit 
der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt. 
Am 8. Nov. war das Minifterium gebildet; Dan: 
teuffel, General Strotha, von Ladenberg waren in 
dasfelbe eingetreten. Am 9. Nov. erhielt hierauf 
die Berfammlung die Mitteilung, daß fie nad) 
Brandenburg verlegt und ihre Sıgungen bis zum 
27.Nov. vertagt jeien, Die Berfammlung beſchloß 
dagegen, in ihren Arbeiten fortzufahren. Die Rechte 
hatte zwar zugleich mit den Miniſtern den Saal 
verlajien; doch blieb die Verſammlung beichluß: 
fähig und bemühte ih unter Unruhs Vorſiß ihre 
Beratungen fortzufeßen. Um dies zu verhindern, 
rüdte 10. Nov. Militär in Berlin ein und bejeste 
das Sipungslolal; am 12. warb darauf der Be: 
lagerungszuftand über Berlin verhängt und die 
Auflöjung der Bürgerwehr angeordnet. Bon Drt 
zu Ort gedrängt und in ihren Beratungen vom 
Militär gehindert, ließ fich die Verſammlung bei 
ihrer lebten Zufammenfunft, 15. Nov., zu dem Be: 
ſchluß fortreißen, das Minijterium fei nicht berech: 
tigt, Steuern zu erheben: ein Beichluß, der im 
Lande eine der —— entgegengeſehte Wir: 
tung hervorrief. Am 27. Nov. fanden ſich die Mit— 
glieder der Rechten in Brandenburg ein; am 1. Dez. 
erſchienen aud) etwa 100 Abgeordnete von der Op: 
polition, jedod nur, um ihren Proteft gegen die 
Verlegung zu wiederholen. it ihrem Ausſcheiden 
war die Verſammlung nicht mehr beichlußfäbig. 
Nun erfolgte 5. Dez. ein Lönigl. Delret, dag die 
Verſammlung —5— eine Verfaſſung oltroyierte, 
welche durch die nächſten Kammern revidiert wer— 
den follte, und dieſe Kammern auf den 26, Febr. 
1849 einberief. Die neuen Wahlen ergaben eine 
Majorität der gemäßigten Partei. Doc trat nun 
die deutiche Berfafjungsangelegenheit in den Vor: 
dergrund. In Frankfurt beſchloß man, einen Bun: 
desſtaat unter P.s — zu gründen, und 28. März 
1849 erfolgte die Erwählung des Königs Friedrich 
Wilhelm IV. zum deutichen Kailer, worauf die 
Kaiferdeputation in Berlin erfhien. Beide Hanı: 
mern baten den König um Annahme der Wahl; 
allein e3 erfolgte 3. April an die taiferdeputation 
ein Beicheid, den dieje felbft ald Ablehnung auf: 
nahm, auch wenn die Regierung diefe Deutung 
noch zurüdiwied. Inzwiſchen ftellte Rodbertus in 
der Zweiten Hammer den Antrag, die deutiche 
Verfaſſung, wie fie aus den Beratungen in Franl: 


furt hervorgegangen, als gültig anzuertennen. Der 


Preußen (geſchichtlich) 


Antrag ward 21. April angenommen: er enthielt 
eine unzweideutige Wibbilligung der minifteriellen 
Bolitit; am 25. Voril zog man die Frage, inwieweit 
der fortdauernde Belagerungszuftand geieklich ſei, 
in Beratung, und die Abſtimmung entihied aber: 
mals gegen das Minijterium, Am 27, April er: 
folgte jodann die Auflölung der Zweiten Hammer. 
2.5 unvermeiblider Bruch mit dem Parlament 
in Frankfurt trat nunmehr ein. Nachdem man 
(28, April) die Verfaſſung und Kaiſerkrone unbe: 
dingt abgelehnt, wurden die Bevollmächtigten der 
einzelnen Regierungen nad) Berlin zur Beratung 
über die Reichsverfaſſung eingeladen und damit 
ber Weg der Vereinbarung betreten. Als die 
Deutſche Nationalverfammlung 4. Mai den Be: 
ſchluß faßte, die Durchführung der Reichsverfaſſung 
ihrerfeitö zu verjuchen, und das bewaffnete Ein: 
fchreiten als einen Bruch des Reichsfriedens be: 
—— erllärte P.: es erlenne die Nationalver⸗ 
ammlung nicht mehr als die Vertretung des deut⸗ 
ſchen Volkls an, und berief feine Abgeordneten zu: 
rüd, Indeſſen war es nicht bloß in Dresden und 
in der Pfalz zu Bewegungen gelommen, die unter 
der Form legaler Agitation für die Reichsverfaſſung 
republilaniſche Tendenzen verbargen, fondern aud) 
in ®. felbit war die Ruhe —2 wenigſtens 
brachen in Breslau, Elberfeld, Duſſeldorf, Yier: 
lohn und andern Orten ähnliche Aufſtände aus wie 
in Sadien und im deutichen Suüdweſten. Zugleich 
famen die in Berlin — Konferenzen zum 
Abſchluß. Während Sſterreich und Bayern nicht 
beitraten, die Heinern Staaten, welde die jranl: 
furter Reichsverfaſſung anerkannt, ſich fern hielten, 
fam zwiſchen P., Hannover und Sadjien das 
Bündnis vom 26. Mai 1849 zu Stande, weldes 
bie le om einer bundesftaatlihen Berfaj: 
ung für die freiwillig beitretenden Staaten Deutſch⸗ 
ands zum Ziel ſehte. Zugleich intervenierte P. 
in Sachſen, unterbrüdte bie dortige revolutionäre 
—— ſchidte feine Truppen nach der Pfalz 
und nad) Baden und überwältigte in wenigen Wo— 
chen die dort ausgebrochenen republilaniichen Er: 
bebungen. Der Krieg mit Dänemark, von Reichs 
wegen unternommen und eine Zeit lang glüdlich 
gerührt, ward, nachdem die jchle3.:holjtein. Arnıce 
die Niederlage bei Fridericia erlitten hatte, von P. 
durch den Waffenſtillſtand vom 10. Juli vorerjt 
beendigt, die Herzogtümer unter eine Landesver: 
waltung geftellt und das füdl. Schleswig von 
preuß. Truppen bejebt. Die Unterhandlungen über 
das Bündnis vom 26. Mai gingen unterdeſſen vor: 
wärt3, führten aber mit Ölterreih, Bayern und 
Württemberg zu feiner Verjtändigung; dagegen 
traten die meijten der Heinern Staaten dem Bunde 
allmählich bei. Mit Ofterreich vereinigte fih P. 
einjtweilen nur über den Vertrag vom 30, Sept., 
wonach bis zur definitiven Ordnung der deutjchen 
Angelegenheiten eine gemeinfame Bundeslommij: 
fion die Verwaltung der Bundesangelegenheiten 
übernehmen follte. Indeſſen waren auch die innern 
Angelegenheiten P.s der Löfung einen Schritt 
näher gelonımen. Die Negierung hatte nad Auf: 
löjung der Kammer das liberale Wahlgefeb vom 
5. Des. 1848 aufgehoben und ein neues oltroyiert, 
welches fih dem ın dem Dreilönigsbündnis verab: 
rebeten Dreillafienwahlgeieß näherte. Dadurch und 
noch mehr durch die freiwillige Zurädhaltung von 
den Wahlen, über welche die demokratische Partei 
übereingelommten, fielen die neuen Wahlen zur 


Preußen (geihichtlidy) 


Zweiten Kammer für die Regierung viel günftiger 
aus als die frübern, und in der neuen Verfamm: 
(ung, die 7. Aug. 1849 zufanmentrat, war das 
tonjervativ:reaktionäre Element überwiegend, das 
liberalstonititutionelle in der Minderheit, das be: 
mofratijche gar nicht vertreten. So begann bie Re: 
vifion der preuß. Verfaſſung in dem ber Negierung 
erwünfhten Sinne und warb im Dez. 1849 zu 
Ende gebradt. Allein ftatt der erwarteten befini- 
tiven Erlebigung erſchien nachträglich 9. Jan. 1850 
eine lönigl. Botihaft, worin weitere Abänderun: 
gen verlangt wurden, welche die Minijterverant: 
wortlicheit, die Bildung einer erblihen PBairs: 
fanımer, die Erweiterung der königl. Brärogative, 
den aſſungseid, die Errichtung eines bejondern 
Staatsgerichtshofs, —— der Preßfreiheit 
u. ſ. 0, betrafen. Nicht ohne lebhaften Wider: 
ſpruch wurden faſt alle Foörderungen bewilligt. 
Am 31. Jan. 1850 erfolgte bie Verkündigung diejer 
Berfaffung und 6. Febr. die Eidesleijtung des Nö: 
nigs und ber Übgeorbneten. 
Zu derſelben Seit war auch die bundesftaatliche 
Politik in ihre enticheidende Phaſe getreten. Nach⸗ 
dem die Verſtändigung mit Ojterreih, Bayern 
Württemberg mißlungen, Oſterreich ſelbſt dur 
das Ende des ungar. Aufſtandes freie Hand be— 
fommen, geſtaltete ſich deſſen Haltung gegen das 
Bündnis vom 26. Mai ſchroffer, zumal ſeit ſich er» 
gab, daß Hannover und Sachſen ſelbſt nicht ges 
neigt waren, bei jenem Bundniſſe zu beharren. 
Diejelben felofien vielmehr mit . Württemberg 
und Bayern das Vierkönigsbündnis. P. berief 
das Unionsparlament nad) Erfurt 20. März 1850; 
die dort angenommene Unionsverfajlung wurde 
im Mai dem in Berlin tagenden Sonareh ber 
Unionsfürjten vorgelegt. Man konnte jih aber 
bier nur zu dem Beichluß vereinigen, daß ein pros 
viforifches. Füritenlollegium die Gentralgewalt der 
Union bilden jollte. Die Mittelitaaten fteuerten 
bereit3 mit vollen Segeln der Nejtauration des 
Bundestags unter öflerr. Fahne zu. In Frankfurt 
jaben bereitd 13 Bundestagsgejandte als außer: 
ordentliche Plenarverfanmlung. Noch fperrte ſich 
B. gegen die Wiederheritellung des Bundestags. 
Aber Oſterreich verftändigte fih (11. Oft.) zu 
Bregenz mit Bayern und Württemberg über ben 
Ginmarfch eines Bundeserelutionsheers in Kurs 
heilen. WB. proteftierte; General Radowig über: 
nahm das Miniſterium des Auswärtigen; das 
Heer wurde mobilifiert. Bei einer neuen Zu: 
janımentunft in Warſchau, wo Franz Joſeph und 
Graf Brandenburg ih einfanden (Ende Dftober), 
unterftüßte Kaiſer Nitolaus bie Forderung Öfler: 
reichs, dab P. die Union aufgeben und den rejtau: 
tierten Bundestag anerlennen folle, Der Austritt 
von Rabowis (2. Nov.) aus dem Kabinett entſchied 
für die Nachaiebigteit. Es fam zwar (8. Nov.) bei 
Bronzell in der Nähe von Fulda zwiichen ben 
Preußen und den bundestäglihen Grefutionstrups 
ven zu einem Heinen Zuſammenſtoß; aber die Kons 
ferenz; zu Olmüß, die Manteuffel mit dem öiterr. 
Bremierminiiter Schwarzenberg bielt, entjchied den 
Nüdzug der Preußen aus dem Kurfürjtentum Hefs 
jen. Die zu Dlmüs getroffene Punktation vom 
29. Nov. beitimmte, daß P. ſich der Befehung Kur: 
heſſens nicht widerjegen und Holftein gemeinfam 
mit Öfterreich befeßen , und daß auf Miniſterkonfe⸗ 
renzen zu Dresden bie beutihe Verfaſſungsfrage 
entichieden. werden follte. Bei diefen Konferenzen 


303 


| der deutfchen Regierungen zu Dresden wurden alle 
 Verfafjungsreformvorichläge verworfen und ein- 
fach zum alten Bundestag zurüdgegriffen. Geit 
| Mai 1851 nahm PB. wieder an deilen Beratungen 
teil, und einige Zeit darauf löſte e8 auch diejeni- 
en feiner Provinzen, welche es 1848 dem Deut: 
ſchen Bunde einverleibt, wieder von demfelben ab. 
Auch im Innern machte I eine gleiche Tenden; 
ber Reitauration geltend, jeitdem, wie der Minifter 
Manteuffel, der nach dem Tode des Grafen Bran: 
denburg (6. Nov. 1850) an die Spike des Minijte: 
riums trat, fich ausdrüdte, mit der Revolution ge: 
—5— und an die Stelle der konſtitutionellen und 
Einheitspolitit die «Solidarität der konſervativen 
Intereſſen⸗ getreten war. Es ward bereits gegen 
die 1850 befchlofiene Gefehgebung, 3. B. die Ge: 
meinbeordnungen, reagiert, die Ütefgefehgebung 
verihärft, die Beantendisciplin jtvenger gehand— 
habt. Im Minifterium ſelbſt erhielt durd den 
Eintritt Naumers als Kultusminiſters dad ftreng: 
gläubige Clement, durch den Weſtphalens als Dit: 
niſters des Innern das Neftaurationzftreben der 
grundbefikenden Adelspartei Unterftükung. Stren: 
ere Mafregeln der Kirhenpolizei, Verfolgung der 
eien Gemeinden und die Wiederberufung der für 
erloſchen gehaltenen PBrovinziallandtage waren die 
eriten Erfolge dieſer Richtung. Auf andern Ge: 
bieten konnte man dagegen eine rege Förberung 
nicht verfennen, und namentlich erlangte das Eifen: 
bahn:, Bolt: und —— eine bedeutende 
Entwidelung. Im Auguſt reiſte der König nad 
den hohenzoll. Landen (f. Hohenzollern), die 
durch den freiwilligen Verzicht der Fürften (7. Dez. 
1849) an P. übergegangen waren, um dort die 
Huldigung entgegenzunehmen, In derjelben Zeit 
erlangte P. einen wichtigen Erfolg durch den Ab: 
ſchluß des Bollvertrags vorı 7. Sept. 1851, wo— 
nad Hannover und die fibrigen Staaten des 
Steuervereind dem Zollverein beitreten follten. 
P. kündigte nun (November) den Zollverein, um 
denjelben auf neuer Grundlage zu refonjtituieren. 
Dies gab Hfterreih Anlaß, den * früher ange: 
regten Entwurf einer öſterr.deutſchen Zollvereini— 
gung aufzunehmen und zu dieſem Zwed Zollkonfe— 
renzen nad) Wien zu berufen. Der Konflift fand 
eine friedliche Löjung. Am 19. Febr. 1853 ward 
zwiſchen Öfterreih und P. ein Handels: und Schiff: 
fahrtsvertrag auf 12 Jahre unterzeichnet, der ge— 
genjeitige Verlehrserleichterungen feititellte. Der 
Zollverein wurde durch den Steuerverein vom 
1. Jan, 1854 an erweitert, während der Verlehr 
mit Oſterreich durch den Vertrag vom 19. Febr. 
einen neuen Aufſchwung erhielt. Dem Londoner 
Vertrag vom 8. Mai 1852, wodurch die dän. Erb; 
folge abgeändert ward, trat P. bei. Auch wandte 
e3 einen bejfondern Gifer auf die Gründung einer 
Seemadt. Im Juli 1853 ward mit Oldenburg 
ein Vertrag abgeichloffen über die Erwerbung von 
Gebiet an der ade zur Gründung, eines Kriege: 
—— und zugleich das Marineweſen als ein be— 
onderes Departement von der Kriegsverwaltung 
getrennt, In der auswärtigen Politik fchien jeit 
dem Staatejtreih in Frantreid und der Heritel: 
lung des franz. Kailertums eine Annäherung an 
die Djtmächte bemerkbar. Doch mißlang im Herbit 
1853 ber Verſuch Rußlands, in der_orient. Ber: 
widelung P. näher in fein Intereſſe zu ziehen, 
fowie aud der Verſuch der Weſtmächte, dab P. 
mit ihnen gemeinfchaftliche Sahe gegen Rubland 


304 


meh folle, unerfüllt blieb, Das Minifterium bielt 
an feiner vermittelnden — — feſt. Tropdem 
nahm P. an den Verhandlungen des Pariſer Frie— 
denslongreſſes teil und unterzeichnete ben Vertrag 
vom 30. März 1856. Am 3. Oft. 1854 erlieh der 
Kultusminifter Raumer drei tiefeingreifende Vers 
ordnungen über die Einrichtung des evang. Semi: 
nar:, Bräparanden: und Glementarunterrichts (die 
fog. Regulative), welche die Boltsfhule aufs 
äuferfte beihränften und im Lande die entichie: 
denfte Mißbilligung erfuhren. Nachdem endlich 
durch Lönigl. Verordnung vom 12, Dit. (auf Grund 
des Pairiegefehes von 1852) eine neue Erite Nam: 
mer gebildet worden, die den Namen des «Herren: 

ufes» erhielt, während die Zweite Hammer fortan 

8 «Haus der Abgeorbneten» hieß, erfolgte 30.Nov, 
1854 die Eröffnung des Landtags. N 

Die Neuwahlen für das Abgeordnetenhaus, die 
27. Sept. 1855 ftattfanden, fielen für die Regierug 
— günftig aus. Nachdem der König durch zwei 

;erordnungen vom 12. Nov. die kg Au ung 
des privilegierten Gerichtsitandes zugelichert und 
den früher reichsunmittelbaren Standesherren weis 
tere Begünftigungen verſprochen hatte, eröffnete 
er 29. Nov. den Yandtag. Es erfolgte nunmehr 
die Annahme des minifteriellen Antrags auf Wie: 
derberftellung der gutäherrlihen Polizeigewalt, 
eines Disciplinargefehes für den Richterſtand, eines 
Geſetzes über die Beihränfung der Wechſelfähig— 
leit. Noch in demjelben Jahre erhob ſich ein Her: 
würjnis zwilden der Krone Preußen und ber 
Schweiz, das aufs neue in einen Krieg auszufchlas 
gen drohte, DieNoyaliften des Kantons Neuenburg 
(j. d.) unternahmen in der Nadıt vom 2. zum 
3. Sept. einen gewaltfamen —— um die Herr⸗ 
ſchaft des Königs von P. in dem Laͤndchen wieder⸗ 
F uſtellen, der aber vollſtändig mißlang und die 

kr r des Aufitandes in eidgenöſſiſche Gefangen: 
Khaft brachte. Friedrich Wilhelm IV. verlangte in 

abetracht feiner Rechte die Niederihlagung des 
—— es und die Freigebung der Ge— 
angenen, welche gene her ſchweiz. Bundesrat 
verweigerte. Die preuß. N egierung dagegen ſehte 
eine bedeutende Truppenmacht in Bereitſchaft und 
wandte jih an die Großmädte ſowie aud) an den 
Deutſchen Bund. Im Yan. 1857 brachte der Kai 
fer der Franzofen eine Vermittelung zu Stande, 
wonach der Bundesrat die Gefangenen freigab. 
In einem Vertrag vom 26, Mai verzichtete ven 
die Krone Preußen in aller Form auf ihre Souve: 
ränetäterechte über Neuenburg. ö : 

‚ Wiewohl auch in diefer Zeit der polit. Realtion 
eine Förderung der materiellen Vollsintereſſen von 
jeiten der Regierung nicht zu verlennen war, be: 
fand fi) doch gegen 1857 hin der preuß. Staat in 
einer unbefriedigenden Lage, der öffentliche Geift 
war verftimmt und gedrüdt, die Regierung nad) 
außen ohne Anfehen. Im Sommer 1857 wurde 
König Friedrih Wilhelm von einem Schlaganfall 
betroffen, infolge deſſen er dur Kabinettsordre 
vom 23. Oft, jeinem Bruder, dem Prinzen Wilhelm 
von Preußen, auf drei Donate die Stellvertretung 
in den Regierungsgeſchäften übertrug, die 6. Jan. 
1858 auf weitere drei, im April auf ſechs Monate 
verlängert wurde, Am 7. Olt. 1858 wurde endlich 
durch lönigl, Verordnung die bisherige Stellver: 
tretung in eine ige Regentſchaft verwandelt, 
und der Prinz: Negent berief auf 20. Oft. den Land: 
tag ein, dem er anı 26. den Eid auf die Verfaſſung 


Preußen (geſchichtlich) 


leiftete. Nach Ginfehung der Regentichaft- wurde 
das — e Kabinett 6. Nov. entlaſſen und ein 
neues Minilterium —— Die Mitglieder des⸗ 
jelben waren Fürft Karl Anton von Hohenzollern: 
Sigmaringen (Premier), Rud. von Auerswald 
(Staatäminifter), von Scleinik (Auswärtiges), 
Graf Schwerin-Hukar (Inneres), von valow 
er von Dethmann:Hollweg (Kultus und Un: 
terricht), von Bonin (Beleg), von VBüdler (Ader: 
bau). Bon den bisherigen Miniftern behielten nur 
der Yuftizminifter Simons und der Handelämini- 
ter von der Heybt ihre Portefeuilles. Eine Ans 
rache des Prinz:Negenten vom 8. Nov. an das 
inijterium war als dad Programm der neuen 
Ne ————— und rief in gun une 
lebhafte ympathie hervor. Der Regent ſprach 
ſich im ganzen für ein geiehmäßiges, konjtitutio- 
nelles Regiment aus, bezeichnete die Vertretung 
der Intereſſen Deutichlands für P.s heili 
Pflicht und erflärte die Schaffung einer fta 
Armee als eine abfolute Notwendigkeit für B.8 
Stellung. Ein Erlaf an die Oberpräfidenten unter: 
jagte jede Beeinflufiung der bevorftehenden Wahlen 
von feiten der Negierungsorgane. Die Wahlen 
fielen minifteriell aus, Am 12, Jan. 1859 wurde 
* ae — die öffentliche Aufmerkfa 
nzwiichen begann bie öffentliche Au m: 
feit fih, der Spannung zwiſchen wann und 
Franlreich bezüglich Ktaliens zuzumenden. Die im 
preuß. Volle vorherrihende Überzeugung, daß die 
Grhaltung der öiterr,. Herrſchaft in Jalien lein 
Inlereſſe der deutſchen Machtſtellung und National⸗ 
ehre ſei, wurde auch von der —— geteilt. 
Dieſelbe unterſtühte anfangs bie engl, Vermitte— 
lungsvorfchläge, erklärte aber ngleich, daß fie 
ihre gefamte Kraft in bie Wagla e legen werbe, 
um jede für Deutſchland nachteilige Veränderung 
des europ. Gleichgewichts zu verhindern. Um für 
alle Eventualitäten gerüftet zu fein, wurden 20. A 
1859 drei preuß. Armeelorps mobilifiert. 
5. Mai forberte die Regierung einen außerordent⸗ 
lichen Kredit für Heer und Marine und einen zeits 
weiſen Zufchlag zur Eintommeniteuer, fowie zur 
Mabl: und Schladhtiteuer, wobei ihr das Abgeorb- 
netenhaus bereitwillig entgegenfam, Am 14. Mai 
wurde fodann der Landtag geſchloſſen. a 
bei einen Befuch des Erzherzogs Albrecht in 
lin, hatte m das preuß. Kabinett gew ‚ eine 
Garantie für den djterr. Befisftand in Italien zu 
übernehmen und dur Aufftellung eines. großen 
deutichen Heers am Rhein Frankreich zu ins 
dern, jeine Armeen nad yo zu jchiden. 
die polit. Ziele Öfterreich$ fennen F lernen, ſandte 
P. den General Williſen nach Wien. In Sud— 
deutſchland ſtanden Regierung und Volt =; feiten 
Oſterreichs; P. wollte aber weder ala Vaſall Öfter 
reichs, noch als Beauftragter des Bundestags in 
militärische Aktion eintreten, fondern nur als ſelb⸗ 
Pänbipe Macht, welde, nad) keiner Seite ge 
en, beiden Parteien Forderungen ftellen und bies 
fen durch eine fchlagfertige Armee ein 
wertes Gewicht geben tonnte. P. mobilifierte zu 
diefem Zwed feine ganze Armee und beantragte 
25. Juni Mobilifierung des 7. und 8, U 
und 4. Yuli die des 9. und 10. Bundesforps, vers 
langte aber für P. den Oberbefehl über die ganze 
deutihe Streitmadht und die unbeichräntte Vers 
Moung über diefelbe. Sſterreich ftellte am Bunde 
n Öegenantrag, wonad) der Oberbefehl zwar P. 


— — — 


Preußen (gefhichtlid)) 


übertragen. werben, ber. Brinz von P. aber von 
ben zu trultionen des Bundestags, d. h. thätjädh: 
lich — abhängig fein ſolle. Darauf konnte 
BP. nit eingehen. Darauf ſchloß Oſterreich 11. Juli 
den , org eigen von Villafranca, da es in 
dem Borgehen —33 am Bunde eine ſolche Gefähr— 
bung feines Ein * in Deutſchland erblidte, dab 
eö den von diefer Seite drohenden Verluſt 
höher anſchlug ala die Opfer, die ihm der Friede 
von Qillafranca auferlegte. ! 
Bon nun an fchlofien ſich bie Reformparteien 
wieder mit Bertrauen dem Staate Friedrichs d. Gr. 
an, Am 16. Sept. 1859 wurde in Sranffurt a. M. 
ber Rationalverein (f. d.) gegründet, der die Does 
der Gentralgewalt, die Vereinigung militäriicher 
Führung und einheitlicher diplomatifcher Vertre— 
tung Deutichlands unter P. hervorhob. Durch 
ganz ge) land verzweigt, erwedte der Verein in 
allen deutſchen Landen — — zu Gunſten 
der preuß. Spibe. Die preuß. Regierung duldete 
e die Berfaminlungen des Vereins und deſſen 
usbreitung im eigenen Lande, unterließ e3 aber, 
ih über jenes Programm der nationalen Partei 
zu erllären und fich auf dasfelbe zu ſtühen. Biel: 
mehr beſchränlte fie fih darauf, in einigen am 
Bunde ſchiwebenden Angelegenheiten eine das Ver: 
trauen der Liberalen erwedende Stellung einzuneb: 
men, jo im —* en ren und in den 
Angelegenheiten eswig⸗ Holſteins, und bean: 
fragte zunädft am Bunde eine Reform der Bun: 
beöfriegäverfafjung. In feinem Entwurf vom Yan. 
1860 verlangte e3 für das Kommando über die 
Bundesarmee eine Zweiteilung, ng bie zwei 
—— * Korps an Öfterreich, ie zwei nord: 
den an P. fü — follten, Dieſer 
Antrag yurde 20. April 1860 von der Bundes: 
verfammlung verworfen, namentlich von den Staa: 
ten der ſog. Würzburger Koalition vom 23. Nov. 
1859, d ne gebildet hatte, um bei den Abjtim: 
mungen am Bunde als eine geſchloſſene Phalanx 
aufzutreten. Ebenſo führten die von PB. im Jan. 
1860 nad) Berlin berufenen Konferenzen ber Ufer: 
—— von Dit: und Nordſee, zur Verbeſſerung 
Küftenfchupes, nur mit den Heinern Staaten 
zu ‚einem Refultat (zu dem Beſchluſſe, 10 Linien: 
hiffe und 20 Fregatten aufjuftellen), fanden das 
gegen Widerftand an —— das auch dem Bau 
einer Eiſenbhahn von Minden nach dem Jadebuſen, 
fomeit die bannov, Gebiet berühren follte, die 
Erlaubnis verfagte. Es war Mar, dab P. weder 
Öjterreich noch die Mittelftaaten für fi gewinnen 
lönne, um auf dem Wege des Bundestags eine 
orm der Bundesverfaflung uf en. 
fo mehr glaubte unter folden Umftänden 
bie preu he ——— —— ——— 
eigenen r u müſſen. Nachdem 
5. Dez. 1859 der Generallieutenant von Roon ala 
Kriegäminifter eingetreten, wurbe 9. Febr. 1860 
dem Sandtage ein Gefeh vorgelegt (betreffend die 
Verpflichtung zum Beige) welches die Dienit: 
icht in der Linie auf drei, in der Neferve auf 
er, in der Landwehr auf neun, die Gefamtdienft: 
fomit auf 16 Jahre (bisher 19) fehle, 
ie von 150000 Dann auf etwa 
213000 erhöhte, eine Aushebung von jährlich 
63000 (itatt 000 Retruten anordnete, die ge 
illone, zur —— weiterer Ga: 
‚von 135 auf 253 erhöhte und die Einrichtung 
18 neuer imenter verlangte. Die 
Gonverjationd-L2eriton, 13, Aufl. XIII. 


305 


Landwehr follte bei einer Mobilmachung geſchont, 
die Linie und die au de verftärft und dadurch die 
Möglichkeit zur raſchen Aufitellung einer nad) 
Quantität und Qualität ftarten Armee bergeftellt 
werden. Der jährliche Mehraufwand für dieje Or: 
ganifation war zu etwas über 10 Mill. Thlr., die 
Koſten für bie hen Einrihtungen auf etwa Sl. 
Thlr. beredinet. Da nad) den von der Kommiffion 
gusgeſprochenen Anſichten die Nichtannahme des 
Geſehes wahrſcheinlich war, fo I ‚die Regierung 
dasſelbe zurüd und bradte 5. Mai einen andern 
Antrag vor das Haus, der eine außerordentliche 
Bewilligung von I Mill, Thlrn. verlangte, um das 
Heer ein Jahr lang, bis zum 30. Juni 1861, in er: 
öhter Kriegsbereitihaft halten zu können. Mit 
üdfiht auf die unfihere polit. Lage bemwilligten 
nun beide Häufer den außerordentlichen Kredit und 
erteilten damit allerdings vorläufig, d. b. bis zum 
30. Juni 1861, der Militärreorganifation —* Zu⸗ 
ſtimmung, indem man die Regierung zugleich zu 
einer kräftigen Politik in Deutſchland aufforderte. 
unädjft ſah man aber P. nirgends eine nationale 
olitit einihlagen, und die Note des Minifters 
chleinitz 30. Dit. 1860 an Sardinien betonte in 
ſehr auffallender Weife den Standpunlt der Legi: 
timität, Die Zuſammenlunft des WrinyNegenten 
mit Napoleon IIL in Baden-Baden 15. bis 17, Juni 
1860 geitaltete A zu einem Fürftentongreß, da 
vier Könige, drei Großherzöge und ein Herzog um 
den Prin :Regenten fih verjanmelten, Dieſen 
deutſchen Mitverbündeten gegenüber hob der Prinz: 
— hervor, feine Bemühungen ſeien auf eine 
Reform der Bundesverfafiung und auf eine ftrafie 
Bufammenfaffung der Streitträfte Deutſchlands 
— ‚ohne daß dadurch das zwiſchen den deut: 
den —— beſtehende völlerrechtliche Band 
erjhüttert würde, 

Friedrich Wilhelm IV. ftarb 2. Jan. 1861, und 
ber Prinz⸗Regent folgte ihm ala König Wilhelm 1. 
auf dem Thron. Alle Erwartungen fonzentrierten 
ih in P. auf die Perſon des neuen Herrſchers. 
Ein 12. Jan. 1861 erlafienes Ammeftiedefret für 
alle polit. Vergehen machte den beiten Cindrud. 
In einer Proflamation vom 7. an. erklärte der 
aönip, daß er feine Pflichten für P. als mit denen 
für Deutichland zufammenfallend betrachte. gu 
geig ward ausgeſprochen, daß die Aufgabe, die 
P. in und für Deutichland zu erfüllen habe, auf 
feiner rubmvollen Geſchichte und feiner entwidelten 
Heeresorganisation berube. Auch in der Thron: 
rede zur Gröffnung des Landtags (14. an.) fand 
ih die Betonung der Heereorganifation. Da: 
gegen wurden beftimmte Vorſchlage über die Bun: 

eöreform bei diefer Gelegenheit vermißt. Das 
Abgeordnetenhaus verfäumte nicht, in der Ant: 
wort auf die Thronrede darauf hinzuweiſen, daß 
eine zwedmäßige Geftaltung der Heereorganija: 
tion allein nicht genügen werde, die beredtigten 
Wunſche des deutſchen Volls zu erfüllen (7. Febr.). 
Die preuß. Militärorganijation wurde auch dies: 
mal nicht zum Gefeh erhoben, fondern die für jene 
— Summe, mit einem Abſtrich von 750000 

(en, nur als außerordentliche Ausgabe bewilligt 
(31. Mai), —— eindringliche Vorſtellungen 
von ſeiten der Regierung hatte endlich das Herren: 
baus das Örunditeuergefeh 7. Mai angenommen. 
Am 5. Juni wurde der Landtag geſchloſſen. Am 
9. Juni verlündigte die «Deutſche Fortſchritts— 
partei», welche aus der Fraktion « Jungstitauen » 

20 


306 


bervorging,ir Programm, Sieverlangte darin eine 
deutjche Centralgewalt mit preuß. Spike und einer 
Volksvertretung, und forderte für P. Minifterver: 
antwortlichteit, m der Gejhworenenge: 
richte für politiiche und Preßvergehen, Reform des 
Herrenhaufes und Eriparungen im Militäretat 
duch Einführung der zweijährigen Dienjtzeit. Die 
Gegenbeitrebung der Konfervativen that ſich in 
dem 20, Sept. 1861 geftifteten «Preußiſchen Volls⸗ 
verein» fund. Diejer Verein verwarf das parlas 
mentariiche Regiment vn der Minifterverant: 
wortlichleit und ftellte dafür das Gottesgnaden: 
Königtum auf, weldes König Wilhelm jelbit in 
der Ylede bei dem Kammerſchluß und in dem Mani: 
fejt vom 3. Juli, worin er jeine Krönung in Königs⸗ 
berg für den Monat Oltober ausihrieb, in den 
Vordergrund geihoben hatte. Während eines 
Aufenthalts in Baden-Baden wurde der König 
14. Juli von dem erfolglojen Attentat eines jungen 
Deutih:Nuffen, Oslkar Beder, betroffen. 

Das Nefultat der Wahlen vom 6. Dez. 1861 
war ein Sieg der Fortidrittspartei, welde nun 
die Majorität in der Kammer hatte, In der14. Jan. 
1862 ——— Thronrede nahm der König die 
ſchon Juli 1860 vollendete Militärorganifation als 
unumſtößliche Thatſache an, bedauerte den Stand 
der deutſchen Wehrverfaſſung und erwähnte den 
Abſchluß von Militärlonventionen mit einigen Hei: 
nern Staaten(Coburg:Gotha, Altenburg, Walded). 
Das Abgeordnetenhaus vermißte ein energiiches 
Vorgehen in Sachen der Bundesreform und wollte 
einer thatenlofen Regierung die Mittel zu einem 
ftärfern Militäraufwand nicht bewilligen. Es 
nahm 6. März den Hagenihen Antrag an, wonad) 
der Staatshaushaltsetat künftig mit genauerer 
Spezialifierung der einzelnen Halten vorgelegt und 
diejer Grundjaß ſchon auf das Budget von 1862 
angewandt werden Inne. Darauf reichte das Mi: 
nijterium fein Entlaſſungsgeſuch ein, das Abgeord: 
netenhaus wurde 11, März aufgelöjt, die Ent: 
lafiung 18. März angenomnien. 

68 3 bie Bildung eines neuen Kabinetts, 
an deſſen Spitze der Prinz Adolf von Hohenlohe: 
Ingelfingen jtand. Graf Bernftorff, von der Heydt 
(Sinanzen) und Roon blieben, von Jagow trat 
für das Innere, ie zur Lippe für die Juſtiz, 
von Muhler für den Kultus, Srat von Fpenplik für 
die Landwirtſchaft ein. Cin ann vom22. März 
forderte die Yandratsämter auf, ihren Einfluß aufs 
zubieten, damit nicht dem königl. Regiment zu 
Gunften einer fog. parlamentariichen Regierung 
Abbruch geichähe. Diefer Drud auf die Wahlen 
batte feinen Erfolg. Die Wahlen vom 6, Mai 
1862 brachten der Fortſchrittspartei den entſchie— 
denſten Sieg; fein einziger Minifter wurde gewählt, 
Der Landtag wurde 19. Mai vom Fürjten von 
Hohenlohe eröfjnet. In der von ihm verlejenen 
Rede war auf die größere Spezialifierung der Ein: 
nahmen und Ausgaben und auf die Erſparniſſe im 
Militärhaushalt hingewieſen. In dem vorgelegten 
Budget waren die Ausgaben rg die Armeeorganis 
fation al3 ordentliche aufgeführt. Die Adreſſe des 
Abgeorönetenhaufes wies auf den minijteriellen 
Wahlerlab hin, verlangte verſchiedene Reformen 
in der innern Gefehgebung und nad) aufien eine 
träftige nationale Bolitit, Yepterm Verlangen kam 
die Negierung eben damals entgegen. Das König: 
reich Italien wurde von P. anertannt, der Hait: 
delövertrag mit Franlkreich der Kammer vorgelegt, 


Preußen (eſchichtlich) 


der Hurfürjt von Heflen zur Wi der 
Verfaffung von 1831 genötigt. ae rn 
Tem genehmigte den Handelsvertrag und bie Mi: 
itärfonventionen und — Sept. mit 
308 gegen 11 Stimmen als ordentliche Ausgaben 
für das Heer 31932000 a ſtrich aber die 
Mehrkoſten für die Neorganijation, welche ſchon 
von der Kommifjion aus dem Orbinarium in das 
Ertraordinarium, 29* worden waren. 
In dieſer Lage der Dinge übernahm 28. Sept, 

1862 von Bismard:-Schönbaufen, mit 
ſchon im März Unterhandlungen eröffnet wort 
waren, interimiftifch den Vorſiß im Staatsminiſie⸗ 
rium, während ber Brinz von Hohenlohe davon 
entbunden wurde. Die erite Mitteilung, die Bit 
mard der Hammer machte, ging dahin dab 
die Regierung den vorgelegten Entwurf des Stantds 
baushaltsetats für 1863 zurüdziche, um denfelben 
in der nächſten Sikungsperiode nebft einem neuen 
Neorganifationsgejeh von neuem zur Beratung 
ju bringen (29. Sept.). Seine Grül in ber 
Budgetlommiffion 30, Sept., dab bie groben Ar 
eihlaff Be : Non pe ob Cie entſchie den 
€ e, jondern durch Blu en 
würden, erregte unter den Liberalen weniger Auf: 
mertjamleit, als fie e3 verdient hätte, Am 1. DE, 
trat von Bodelſchwingh an von 
als gg ein, und Bismard 
nahm 8. Oft, definitiv das Präfibium dee 
minifteriums und das Portefeuille des 
gen, während Graf Bernftorff ausf 
in den erjten Wochen feiner minift 
leit entwidelte Bismard die Theorie 
terführung der Finanzen ohne ein V 
einem Notrecht werde, ſobald einer ber 
gebenden Faktoren (Krone, Herrenhaus, i 
netenhaus) feine Zuftimmung verweigere, 
Konflikt der drei Faktoren trat offen zu Tage, 
das Herrenhaus durch den Beſchluß vom 11. Dit. 


Gtat verwarf und dagegen den 
feiner urfprünglichen Form annahm. Das At 
ordnetenhaus antwortete darauf 13. Dt. mit einer 
Refolution, welche dahin lautete, daß ber 

des Herrenhaufes gegen den Sinn der 

verftoße und widerrechtlich , fomit null und 

fei. Den Kern feiner For en hatte das 
—— bei der ge in die gegen 


* 
3 Minifterium gerichtete Erllarung "die eng 







dab es verfaflungswidrig fei, wenn bie 
Staatöregierung eine Ausgabe verfüge: welche 
Haus definitiv abgelehnt habe (7. DM. 1862). 2 
am 13. Oft. wurde der Landta oe 

die Majorität ded Landes mit ber 
Abgeordneten einverftanden war, darüber lieh ber 
Empfang „der diejen allenthalben in den liberalen 
Wahllreiſen bereitet wurde, feinen Zweifel. Die 
Negierungsorgane und die er anderer: 
ſeits fuchten durch Anfpraden, Ylugblätter umb 
Loyalitätsadrejien eine lonfervative 

im Lande zu unterhalten. Am 9, Dez. 1862 
nahm an Stelle von Jagows der Graf Eulenburg 
das Minifterium des Innern, und von Selchen 
erhielt das Miniſterium des Aderbaues, 

Unter folden Umftänden me 10. Jan. 1863 
die Eröffnung des Landtags jtatt. Die Antwort, 
die das Abgeordnetenhaus auf die Thronrebe 
geitaltete fich zu einer Anklage gegen die 
welche die Regierung in verfajjungswidriger Weife 


Preußen (geſchichtlich) 307 


ohne Etat führten, das Anfehen der Landesvertre⸗ 
u und, entgegen der Grflärung von 
7. 1862, Ausgaben beftritten, welche die 
Kammer abgejegt habe. Gin neues Motiv des 
Zwieſpalts trat hinzu, als die Regierung wegen 
des Aufitandes in den rufj.:poln. Brovinzen Ende 
anuar vier Armeelorps mobilifierte und, ob: 
chon Preußiich: Polen von der Bewegung nicht er: 
griffen war, eine Konvention mit Nubland abichlof 
(8. Febr.), obne dem Parlament über den Inhalt 
elben Eröffnung zu machen. In der Antwort 
auf die Adreſſe äußerte der König 3. Febr., ohne 

mung des Minifters, feine perjönli 
Anſicht dahin, daf das Zujtandelommen des Bud: 
gets auf der Übereinftimmung der drei Faltoren 
be und daß die Krone daher das von dem 
Haufe der Abgeordneten in Anſpruch genommene 
echt alleiniger Bewilligung oder Verweigerung 
des Gtat3 als ne] in die —— betrachten 
muſſe. Am 24. April erſtattete die Militärtom: 
miſſion des Haufes ihren Bericht über die von Mi: 
nifter Roon vorgelegte Geſehesnovelle zur Militär: 
——— Sie beſchränlte ſich nicht darauf, 
die Militärnovelle zurüdzumeifen, fondern hatte 
jeden Paragraphen derjelben mit ihren Berbeflerun: 
gen chen und daraus den Entwurf zu einem 
neuen Geſeß über die Kriegspflicht hulanmen: 
It, worin eine nur zweijährige Dienftzeit bei 
der Linie feitgefest war. Ein parlamentariicher 
Konflilt zwiſchen dem ae are Roon und 
dem Bizeprälidenten Bodum: olffs verichärfte den 
Streit (11. Mai). Das Miniſterium gab am fol: 
genden e die Erllärung ab, daß feine Mitglie- 
der nicht eher im Haufe wieder eriheinen würden, 
bis das Präfidium fich jeder Disciplinargewalt 
über die Miniſter ben habe. Da das Abgeord: 
netenhaus an der Bejtimmung der Gejchäftsord: 
nung feithielt, hielten ſich die Minifter fern von 
den Sigungen des Plenums und der ommiffio: 
nen, r König trat in einem Schreiben vom 
21, Mai für das Recht feiner Minifter ein, worauf 
das Abgeordnetenhaus in einer Adrejle (22. Mai) 
erflärte, daß die —— den Ratgebern der Krone 
und dem Lande beſtehende Kluft nicht anders als 
durch einen Wechſel der Perſonen und mehr noch 
durch einen Wechſel des Syſtems ausgefüllt wer: 
den könne. Die Negierung antwortete darauf 
27. Mai mit dem Schluß der Sejjion. Ihr nach⸗ 
ſes Beitreben richtete fich num darauf, die liberale 
, die das ganze Land ergriffen er 

ſtrenge tel der Verwaltung, namentlich du 
interrmiftische Aufhebung der Preßfreiheit zu unter: 
drüden. Eine Ordonnanz vom 1. un 1863 unter: 
itellte die — der Aufſicht der Regierungs⸗ und 


behoͤrden. 

‚Der beutichen Frage gegenüber nahm das Mi: 
niſterium Bismard von Anfang an eine entſchie⸗ 
dene Stellung ein. Zunädjit hatte ſich B. nicht be: 
itren laſſen durch den Widerjtand, den der 29. Mär, 
1862 abgefchlofiene Handelövertrag mit Frankrei 
bei den jüddeutichen Regierungen * und dur 
die Neigung, welche dieſe ſeildem zu einem Ham 
delsbunde mit dem öfter. Kaiſertum zeigten. In 
das Berhältnis P.s zur Bundesreform fam einiges 
Licht durch den. vom Kaiſer Franz Joſeph nad) 
Frankfurt a.M. (Aug. 1863) berufenen Fürjtentag, 
auf dem P. nicht erjchien, weil e3 den dort vorge: 
legten Reformplan mit dem öfterr. Bundesdiret: 
torium als feiner Machtitellung nicht entiprechend 


zurüdweifen mußte. Dagegen erflärte P. in med: 
rern Depeichen vom Aug. und Sept. 1863, es ver: 
lange die Gleichftellung hs mit Sſterreich hinſicht⸗ 
lid) des Vorſihes und der Leitung des Bundes und 
eine nicht aus Delegationen der Yandtage, ſondern 
aus direlten Wahlen nach dem Maßſtab der Be- 
völferung der einzelnen Staaten hervorgehende 
Vollsvertretung mit eg 3 eſſenen Befug⸗ 
niſſen. In der Hoffnung, durch ihre Haltung in 
der öjterr. Neformfrage das Vertrauen des Bolts 
wiedergewonnen zu haben und durch Neuwahlen 
eine willfähigere Kanımer zu erhalten, löſte die Ne: 
gierung 3. Sept. 1863 das Abgeordnetenhaus auf, 
Aber troß aller Anjtrengung bradhte fie nur 37 ihrer 
Kandidaten dur. Die erite Thätigkeit des 9. Nov, 
eröffneten Abgeordnetenhaufes erjtredte ſich auf die 
Verwerfung de3 vorgelegten ine gig! vom 
1. Juni, welches denn auch, obwohl das Herren: 
haus fih dafür ausſprach, 21. Nov. fuspenbiert 
wurde, Die Budget:, Militär: und Verfafjungs: 
frage trat aber augenblidli in den Hintergrund 
vor der großen Aktion in Schleswig-Holitein, die 
ſich jeit dem Tode Friedrichs VIL. von Dänemark 
in P. vorbereitete. Das Minifterium Bismard 
nahm in diefer Sade eine Stellung, die mit den 
Wünihen der Nationalpartei zunädit keineswegs 
in Gintlang ftand. Letztere Partei war für bie Los⸗ 
ſagung P.s vom Londoner Vertrag und für die An- 
erfenmung des Prinzen Friedrich von —— 
als Herzog von Schleswig Holftein. preuß. 
Regierung dagegen, indem fie gemeinschaftlich mit 
Öfterreih beim Bunde den Antrag (7. Dez.) ein: 
brachte, Dänemark dur exelutoriſche Bejebung 
Holfteins und Lauenburgs zur Aufrechthaltung der 
Verpflichtungen von 1852 zu zwingen, bewies, dab 
fie vorläufig bei den Stipulationen des Londoner 
Vertrags ſtehen bleiben wolle. Dadurch ſchonte fie 
die Giferfucht des Auslandes und leitete gleichwohl, 
wenn aud) in der Form einer Grefution, die mili: 
tärijche Occupation des Feitlandes von Tänemart 
ein. Daß der öjterr.:preuß. Antrag vom 14. Jan, 
1864, nad) weldiem Schleswig als Pfand für die 
Erfüllung der an Dänemark gejtellten Forderungen 
in Befis genommen werden follte, von der Majori: 
tät des Bundes abgelehnt ward, erweiterte die 
Hluft zeiten legterm und den beiden Großmäch— 
ten. Aber aud die liberale Mebrbeit des preuß. 
Abgeordnetenhaufes ſchloß fi dem Bundesſtand— 
punkte an und befürwortete jogar 18. Dez. 1863 in 
einer Adreſſe an den König die Ginfehung bes 
Auguftenburgers. In diefer Stellung des Ab: 
geordnetenhaufes zu einer groben auswärtigen Kom⸗ 
bination, wo der Rechtsſtandpunkt allein nicht ent: 
heiden konnte, fondern wo die Entſchlüſſe aus der 

erehnung der polit. Chancen und der Machtver⸗ 
bältnijje berzuleiten waren, lag die verhängnis: 
volle, Schritt für Schritt fich volljiehende Schwä: 
dung der Barlamentspartei. Das Abgeorbneten: 
haus machte eine auswärtige polit, Frage zu einer 
Frage der minifteriellen Oppofition, und es ver: 
weigerte 22. Yan, 1864 dem Minijterium eine An: 
leihe von 12 Mil, Thlrn. zur Beftreitung der durch 
die ſchlesw.holſtein. Verhältnifje gebotenen außer: 
ordentlichen Ausgaben, Die Negierung wußte ſich 
aber dod; die Mittel zur Kriegführung zu verſchaffen 
und hatte ſchon nad wenigen Wochen große Gr: 
folge aufzuweifen. Die Erftürmung der Düppeler 
Schanzen (18. April), das Scheitern der Londoner 
Konferenz und der libergang auf Alfen (28. bis 

20* 


308 


29. yuni 1864) waren Glanzpunlte der militärischen 
und diplomatiſchen Strategie. (S. Deutſch-Dä— 
ner Krieg von 1864.) 

r preuß. Landtag war inzwifhen 25. Yan. 
1864 uf en worben, Der 1.Aug. abgeſchloſſene 
Baffenitillitand wurde 30, Oft. 1864 zu Wien in 
einen definitiven Frieden verwandelt, in weldem 
Dänemark die Herzogtümer an Öfterreich und P. zu 
—— Beſitß abtrat. Unterdeſſen war auf 

handelspolit. Gebiete die Kriſis glücklich vor: 
——— indem die widerſtrebenden ſuübdeut⸗ 
chen Staaten und Hannover, dem Gegendrud ber 

oltäinterefjen weichend, zur Erneuerung des Zoll; 
vereind auf Grundlage des —— 
ſchen Handelsvertrags die berliner Zolllonferenzen 
(30. Sept. 1864) beichidten. j 

Die Tendenzen des preuß. Kabinett3 in ber 
chlesw.holſtein. Sache ftellten fich immer deutlicher 

us. P. verlangte von Sachſen und Hannover 

ie Entfernung der Erelutionätruppen aus Holftein 
und Lauenburg und ſehte diefelbe durch. Am 7. Dez. 
ging die Regierung Holfteins von den Bundeslom⸗ 
miflaren auf Civillommifjare Ö a Ar B.8 
über. In Berlin wurde der Wiener Friede und 
das Kondominium von Anfang an fo aufgefabt, 
daß man dadurch ein gewiſſes Verfügungsrecht über 
Schleswig-Holftein an ſich gebracht habe, Bei der 
Eröffnung des Landtags 14. Jan. 1865 ſprach der 
König die Hoffnung aus, daß angeſichts der bedeu- 
tungsvollen ——— des vorigen Jahres der Ge: 

ent zwifchen Regierung und Abgeordnetenhaus 
eine Ausgleihung finde. Aber lehteres verwarf 
nicht nur das Militärgefeh und die eng ations⸗ 
loſten, ſondern auch die Marine: und Kriegskoſten— 
vorlage (22 Mill, Thlr.) und erllärte die zum Zwed 
ber Kriegführung geichehene «Entnahme» von Gel: 
dern aus dem Staatsſchatze für verfafjungswidrig. 
Der Schluß dieſes vergeblihen Landtags erfolgte 
17. Juni. In der Depeihe vom 22. Febr. 1865 
machte P. feine Zuftimmung zur Erridtung eines 
felbitändigen Herzogtums Schleswig.do jtein davon 
abhängig, dab ee. unbedingte Verfügung über die 
ganze Yand: und Seemadht der Herzogtümer über: 
tragen würde. Bjterreich Dagegen ftimmte 6. April 
1865 einem Antrag der ſuddeutſchen Staaten am 
Bundestag bei, wonad die bedingungsloje Ein: 
feßung des Auguftenburgerd in die Verwaltung 
Holſteins fofort erfolgen follte. Diefer Widerftreit 
der beiden Großmächte äußerte fich im Kondominat 
von Schleäwig:Holitein, das unter fortwährenden 
Konflitten ausgeübt wurde, 

Das Verhältnis zwifchen P. und Öfterreich ftand 
bereit3 fo, daß man mit der Kriegsfrage rechnen 
mußte. Am 21. Juli, als der König von Karlsbad 
nad) Gaftein reifte, wurde in Regensburg Minifters 
rat gehalten und die frage aufgeworfen, ob P., 
falls Ojterreid auf feinem Widerſtande bebarre, 
—— Kriege ſchreiten ſolle und ob es dazu gerüftet jei. 

urd) die Konvention von Gaftein vom 14. Aug. 
1865 wurde bie —— hinausgeſchoben. 
Durch dieſe Konvention wurde die Verwaltung der 
Herzogtümer in der Weife geteilt, daß die Holiteins 
auf den Kaijer von Öfterreih, die Schleswigs auf 
P. überging, unbeſchadet der gemeinjamen Beſitz⸗ 
rechte, die auf dem Friedenstraltat vom 30, Dit. 
1864 berubten. Außerdem überließ Oſterreich das 
Herzogtum Lauenburg gegen eine Entihädigung 
von 2", Mill, Thlrn. an die Krone P. Aber das 


neue Proviforium machte den fortwährenden Rei: 


Preußen (geſchichtlich) 


bungen kein Ende. Die Spannung zwiſchen P. 
und Oſterreich trat aufs ſchroffſte hervor, da ber 
öfter. Statthalter in Holftein die Demonftrationen 
der auguftenburgifcen Partei gegen P. nicht nur 
geihehen ließ, fondern fogar begünftigte. Als unter 
Schutze des Statthalters 23. Jan. 1866 eine 
Maſſenverſammlung in Altona ftattfand, die eine 
entſchieden antipreuß. Stimmung bekundete, ent: 
Ipann ſich ein energifcher Depeſchenwechſel —— 
ſterreich und P., der die Unmoͤglichleit einer fer: 
nern Allianz darlegte. P.s Depeſche vom 26. Jan. 
griff das ganze polit. Regierungsſyſtem Oſterreichs 
in Holjtein an, erllärte es für eine Schädigung der 
fonfervativen Intereſſen und fprad) das uern 
darüber aus, daß «revolutionäre und jedem Thron 
—— Tendenzen unter dem Schuhe des öſterr. 
oppelablers fidy entfalten». Oſterreich wies in 
einer Note vom 7. Febr. die u. feiner Bolitit 
jurüd und erllärte, der Kaiſer werde bei derjelben 
verharren, felbft auf die gest: eines B der 
Altanz mit P. Seit Ende März 1866 geitaltete 
ſich die Lage aufs ſchlimmſte. Der preuß. Annerion 
Schleswig: Holſteins beizuftimmen, war Öfterreid) 
nicht geneigt. Eigene Croberungspläne in diefem 
Lande zu verfolgen, verbot ihm bie — Lage, 
und eine Geldabfindung hatte die öffentlihe Stimme 
in Öfterreich mit Gntrüftung ‚ehrt rare Ebenio 
wenig ließ ih Kompenſation * lbtretung preuß. 
Gebietes erwarten. Die Politik des berliner Kabi- 
nett3 ging von Anfang an dahin, den Krieg zwar 
teineswegs um jeden Preis berbeizuführen, aber 
demjelben aud) nicht durch 9 —* auszu⸗ 
weichen. Noch im März 1866 ging das Minifterium 
Bismard mit einer —— vor, die leinen Zwei: 
fel lieh, daß dasfelbe enticlofjen war, dem etwa 
entjtehenden Kriege eine —— die deut⸗ 
jöe rage überhaupt zu geben. Die Eirkular: 
epeſche vom 24. März 309 nicht nur die deutfchen 
Regierungen in die Spannung zwiſchen Öfterreich 
und P. mit hinein, indem fie denfelben bie Frage 
vorlegte, welches Verhalten fie bei einem Waffen: 
— beider Mächte einzuſchlagen geſonnen ſeien, 
—— ſie nr. auch P.3 Vorgehen in der Bun⸗ 
edreform an, Da aber die Februarbedingungen 
gezeigt hatten, dab man in Berlin eine Föderation 
mit Matter Gentralgewalt erfirebe, fo bie 
Mittel: und Kleinftaaten wenig Luft, an dem preuß. 
Reformwerk ſich zu beteiligen. Die Parteiſtellung 
der Bundesſtaaten formierte fich bei be 
(21. April) über den preuß. Antrag vom 9. April, 
wonach ein deutſches Parlament auf Grunddirelter 
Wahlen und des allgemeinen Stimmredts zum 
Zwech der Beratung einer neuen Bundes affıng 
einberufen werben follte, Dem nationalli 
Programm P.s gegenüber begann fich die Koalition 
Oſterreichs und der Mittelftaaten zu bilden. Man 
ewährte zwar dem Antrage die formelle —— 
ung durch Niederſeßung einer ————— rte 
aber den gegenwärtigen Beitpunft ala u 
— Reform und verwies zugleich auf den 
er Bundesalte, der jeden Krieg zwiſchen den Bun: 
besjtaaten verbot. Die Mitteljtaaten _ ftellten 
19. Mai am Bundestag den Antrag auf gleich: 
itige Abrüftung ſämtlicher Bundesglieder, er 
ntrag wurde angenommen; ®. und Sſterreich 
aber —— na die Erllärung, unter 
Vorausjekungen fie abrüjten wollten, vor. 
durch wurde ber Beſchluß wieder erfo los. P. 
ſchloß 8. April einen Allianzvertrag mit Italien 


ignet 
11 


a Te a rent 


Preußen (geſchichtlich) 


und orbnete im Mai bie Mobilifierung ſämtlicher 
Armeelorps an. : i 
Die nunmehr beginnende Politik der Aktion ftieß 
anfangs in ®. felbit auf ſchwere Hindernilfe. Die 
Kluft zwiſchen Negierung und Landesvertretung 
war völlig unausgeglihen. Die Regierung durfte 
von feiten des Abgeordnetenhaufes auch nr die 
geringfte Unterftüßung in der fchlesw.:holitein. 
ache erwarten. Der Landtag, 15. Jan. 1866 er: 
öffnet, verharrte auf feinem einjeitigen Rechtsſtand⸗ 
punkt und wurde jhon 23. Jan. 1866 geichlofien, 
noch ehe das Budget des laufenden Jahres beraten 
worden war, on mehrern ber —— 
Städte der Monarchie wurden Adreſſen an den 
König gerichtet mit der Bitte, dem Lande den Frie— 
den zu erhalten und andere Minifter zu berufen; 
nur Breslau — in ſeiner Adreſſe vom 16. Ma 
der Bismar — olitit rüchhaltslos bei. Die 
Regierung ſah ſich fomit auf ihre eigenen Mittel 
—— ein Staatsſchatß von mehr ala 20 Mill, 
:hlen., aus den vieljährigen Überſchüſſen einer wei: 
fen Finanzverwaltung ade und andere be: 
deutende Hilfsquellen — ihr zu Gebote. Als 
der Ernft des Kriegs herantrat, änderte ſich indes 
raſch das Verhältnis zwifchen Voll und Regierung. 
Nah) dem Bundesbeſchluſſe vom 14. Juni und dem 
Einrüden der preuß. Streitfräfte in Sadien und 
Hannover erlieh König Wilhelm, dem Aufruf von 
1813 entſprechend, die Broflamation vom 18. Juni, 
in —* er an die alte Einigleit zwiſchen König 
und Bolt appellierte. Der preuß. Geiſt erwachte 
überall —*— Mit den erſten Nachrichten von 
den böhm. Siegen verlor die innere Oppoſition 
ihren Boden im Volle. I der Hauptſtadt fündigte 
ſich der Umſchwung dur Ovationen an, die dem 
König und dem Minifterpräfidenten, der 15. Sept. 
1865 in den Grafenftand erhoben worden war, 
29. Juni dargebradht wurden. Der Sieg von König: 
gräß (3. A teigerte das kriegeriſche — 
des 5 Volls gi eier Daten und Üpfer: 
freudigfeit. = eutiher Krieg von 1866.) 
Der gewa get aber glorreidhen Löjung des 
öfter. Konflifts folgte die friedlihe Löjung des 
innern Konflilts. Die Neuwahlen für das 9. Mai 
aufgelote Abgeorbnetenhaus erfolgten 3. Zuli. Das 
Volt hatte wenig Verjtändnis mehr für die For: 
ber Dppofition, daß auch jeht noch, nad): 
dem die Negierung die nationale deine erhoben 
tte und im Begriff war, die Führung Deutſch⸗ 
nd3 zu übernehmen, derfelben ie Mittel 
—— Fl —— —* en 
e, verweigert werden follten. 
Die Sortichrittöpartei verlor gegen 100 Siße an die 
Regierung; die Liberalen hatten kaum noch eine 
Mehrheit von 70 Stimmen, Und auch diefe jerfiel 
bald darauf, da ein Teil der Liberalen eine die Ne: 
— —— id — —— 
ei nationalliberale Partei) grün: 
bete, —* 
ow 


r bie 
olge 


die äußerte Linle unter Hoverbed 

in Doltrinarismus verharrte. 

Bei der öffnung des Landtags 5. Aug. —— 

der König die Gründung eines neuen Bundes, die 

—— Vollsvertretung der Bundes⸗ 

—— und das Verlangen der Indemnität für die 

eitherige budgetloſe Verwaltung an. Die Indemnis 

tätönorlage mwurbe —— mit 230 gegen 75 Stim: 
men angenommen und damit das Vergan 


anbeimgeneben. Am 17. ‚ ver: 
B—— 


önigl. Botſchaft, wonach Hanno: 


ene der 


309 


ver, Kurheſſen, Naſſau, Frankfurt der preuß. Mons 
archie einverleibt wurden, und durch das Patent 
vom 12. Yan. 1867 wurde auch Schleswig:Holitein, 
mit Ausjchluß eines Heinen an Oldenburg abgetre: 
tenen Bezirks, einverleibt. Der Landtag genehmigte 
diefe —— — und erteilte der Regierung 
bis 1. Olt. 1867, wo die preuß. Verfaſſung in den 
neuen Landesteilen eingeführt werben follte, eine 
Art Diktatur. Auch ward der Regierung 25. Sept. 
ein außerorbentliher Kredit von 60 Mill. Thlrn. 
ur Anfüllung des ziemlih erfchöpften Staats⸗ 
ahes und aus ber Kriegsentſchäädigung 1Y, Mill. 
-hlr. zu Dotationen für den Grafen Bismard und 
die Generale Roon, Moltte, Herwarth von Bitten: 
feld, Steinmeß, Vogel von Faldenftein, bewilligt. 
Das Wahlgejek für den Reichstag des zu gründen: 
den eig Bundes, das Militärbudget famt 
den Ausgaben für bie Neorganifation, der Vertrag 
wegen Übernahme der Thurn und Tarisichen Poſt⸗ 
verwaltung gegen eine Entf rg ill, 
Thlrn. wurde gleichfalls genehmigt. Die Zahl der 
aus den neuen Provinzen zu wählenden Landtagss 
abgeorbneten wurde % 80 feitgefeht, was das 
errenhaus, das eine ähnliche Verſtärkung für fi 
elbft verlangte, nur infolge einer Preſſion des 
inifteriung * Der a wurde 8, Febr, 
1867 geichlofien. rch die anneftierten Länder, 
Sauenburg mitgerechnet, erhielt P. einen Zuwachs 
von 72022 qkm mit 4815700 Seelen, ſodaß nun 
das Gefamtgebiet einen Umfang von 347500 Som 
und 23590000 6, hatte. ebt erft bildete P. einen 
auch — wohl arrondierten Staat. Einen 
weitern Machtzuwachs erhielt es durch die Grün: 
dung des Norddeutſchen Bundes, defien Verfaſſung 
17. April 1867 von dem konſtituierenden Reichstag 
angenommen wurbe, P. gab zwar daburd die 
auswärtigen ——— Handel, Zollweſen, 
oft, Telegraphie, Militär, Marine u. ſ. w. an den 
und ab und ward in diefem ein Bartikularjtaat 
wie jeder andere. Da aber die realen Machtver: 
bältnifje überwiegend auf feiten P.s waren und der 
in ber Hand des Königs von P. befindlichen Cen- 
tralgewalt die Leitung des Militär: und Marine: 
weſens des Bundes übertragen war, fo hatte P. 
trop der Mainlinie (melde übrigens durch bie 
Alltanzverträge vom Aug. 1866 bereit3 überichrit- 
ten war) über eine Macht zu en wie fie faum 
einer andern Großmacht zu Gebote jtand. 

Gerade dies aber ag. die Eiferſucht Frank: 
reichs in einem fo hoben Grade, dab P. ſchon jeht 
in allen feinen Plänen und Einrichtungen mit ber 
Eventualität eines deutſch-franz. Kriegs rechnen 
mußte. Napoleon III. ging von der Anſicht aus, 
dab für die oeieftigung feiner Dynaftie die Er: 
oberung Belgiens und des linken Rheinufer abſo⸗ 
lut notwendig ſei. Der —— Khan Ab- 
fihten ftand feine Macht fo fehr im Wege als P. 
Daher bemühte er fi, jobald er zur Kegierung 

elangte, fortwährend um eine Allianz mit P., und 
uchte dasjelbe gegen Überlafjung der Hegemonie 
in Norbdeutichland, zur Abtretung linksrhein. Ge: 
biete zu bewegen. Schon 1851, vor feinen Staats⸗ 
eich, ſchictte er feinen vertrauteften Diplomaten, 
erigny, nad Berlin, um die dortige Regie: 
rung zu einer Allianz gegen Oſterreich zu bewe— 
gen. Dazu war indes das Minifterium Manteuffel 
nicht geneigt. Im Febr. 1859 ließ Napoleon dem 
Bra Repeater olitein, Hannover, Kurbefien an« 
ieten, fal3 P. ihn in der ital, Frage unterftügte. 


310 
Auch auf diefen Borichlag ging P. nicht ein. In 
ven es —— teils in —— 


in Berlin me ls ähnliche Anträge gemacht. 

m Mai 1866 ließ Napoleon III. P. ein förmli 
enfiv: und DOffenfiobündnis antragen, weldes 
P. einen Gebietszuwachs mit einer Bevölterung 
von TE Mil. E. Frankreid) einen Teil des linlen 
—— verſchaffen ſollte. Nachdem auch dieſes 
A ge abgelehnt war, fpetulierte Napo: 
feon III. auf eine Niederlage oder wenigftens auf 
eine bedeutende Erſchöpfung P.s. ALS ftatt deſſen 
ar ber Sieg gemeldet wurde, fuchte er die preuß. 
riedensbedingungen auf ein möglichft beicheidenes 
berabzubrüden, und als ihm aud) dies nicht 
vollftändig gelang, verlangte er 5. Aug. 1866 ala 
Kompenjation Rheinbayern und Rheinheſſen nebft 
der Feſtung Mainz, Auflöfung des zwiſchen dem 
Deutihen Bunde und Luremburg beitehenden Ber: 
bhältnifjes und Aufhebung des preuß. Garnijons: 
rechts in der Feitung Luxemburg und machte aus 
der Annahme oder Nichtannahme diefer Vorſchläge 
eine Kriegsfrage. Diejes —— wurde rund 
abgewieſen. Zu Anfang 1867 verlangte er von P. 
die Zuftimmung zur käuflichen Erwerbung Lugem: 
burgs und eine Allianz zum Zwed der Eroberung 
Belgiens und wollte dafür P. die Aufnahme Süd: 
deutihlands in den Nordbeutichen Bund zugeftehen. 
Zugleich wandte er fih an den König von Holland 
und unterhandelte mit diefem über die Überlafjung 
des Großherzogtum Erste Non eine ent: 
ſprechende Geldentihädigung. e preuß. Regie: 
rung, von Holland befragt, ob fie eine ſolche Abtre- 
tung gutheißen würde, erwiderte, daß fie niemals 
ihre Zuftimmung dazu geben werde. P. wandte 
fih darauf an die Mitunterzeichner des Vertrags 
von 1839, wodurch die jtaatärechtlidhe Stellung 
Luremburgs begründet war. Die Gefandten diejer 
Staaten verjammelten fi in einer Konferenz zu 
Sondon. Der Londoner Bertrag vom 11. Mai 
1867 beftimmte für Yuremburg bie —— 
tung des Statusquo mit der Ausnahme, daß die 
Feſtung von den preuß. Truppen geräumt, zugleich 
aber aud) ganeR werben jolite, Aber auch iebt 
ab Napoleon II. feine J—— nicht auf. Im 
März 1869, zur Zeit der * franz. Gijenbahn, 
ftreitigleiten, jchidte er feinen Better, den Prinzen 
Seröme Napoleon, nad) Berlin und lie dort jon: 
dieren, ob, für den Fall einer franz. Occupation 
Belgiens, B. jein Belgien nicht anderswo finden 
tönnte, Wie dieſe Anträge, jo wurde aud) der In— 
terventionsverſuch der franz. Regierung in dem 
Streit P.s mit Dänemark wegen der nördl. Dijtrifte 
—— von P. zurüdgewieſen und jene daran 
erinnert, dab fie nicht Nitunterzeichnerin des Prager 
Friedensvertrags fei. In P. verfäumte man nichts, 
was die Bereitihaft für den bevorjtehenden Krieg 
erhöhen konnte, ohne daß man übrigens heraus: 
fordernd auftrat. Für alle Fälle legte der R des 
preuß. Generalſtabes, General Moltke, im Winter 
1368 ver 1869 dem König einen bis ins einzelnjte 
ausgearbeiteten Feldzugsplan gegen Frankreich vor. 
Die Verſchmelzung der neuen Provinzen mit dem 
Königreih P. ging nit überall ohne Anitoß vor 
ih. Die Verordnungen über Einführung verſchie— 
dener Steuern und über bie tung ber in 
jenen Brovinzen vorhandenen Staatälapitalien rie: 
en Unzufriedenheit hervor. Die preuß. Regierung 
bemühte fi, die Differenzen auszugleihen und die 


Preußen (geſchichtlich) 


beſtimmen. Die Neuwahlen für das Abgeordneten 
haus fanden 7. Nov. 1867 ſtatt und ergaben einen 
eutſchiedenen Sieg für die nationalen Parteien. 
Der König eröffnete 15. Nov. den Landtag und be: 
gelbte die Vertreter ber neuen Provinzen. In das 
enhaus wurden aus denfelben 26 Mitglieder 
berufen, von denen der König 18 ernannte, die 
übrigen 8 von ben Städten Hannover, Kafiel, 
ntfurt, Altona, Flensburg und den Univerfitäten 
Öttingen, Marburg, Kiel präfentiert wurden. In— 
folge der Angriffe, melde der —— Graf 
zur Lippe wegen gerichtlicher verfo gung des Ab: 
eordneten Tweiten erfuhr, reichte jener jeine Ent- 
fung ein (5. Dez.) und erbielt zum Nachſolger 
ben vormaligen 38 Juſtizminiſter und Ober: 
appellationsgerichts-Prãſidenten Leonhardt. Der 
Landtag genehmigte 11. Dez. den Acceſſionsvertrag 
mit Walded vom 18. juni 1867 und die mit den 
depofiedierten Fürſten abgeſchloſſenen Entſchä— 
digungsverträge vom 18. und 29. Sept., wonach 
dem Herzog von Naſſau, gegen Ber ihtleiftung auf 
den Thron, I Mill. Thlr. außhejahlt, den König 
von Hannover, auch ohne Berzichtleiftung, die Bin: 
fen eines Kapitals von 16 Mill. Thlrn. angewiejen 
wurden. Die Civillifte des Königs von P. wurde 
von 3 auf 4 Mill. Thlr. erhöht. Hannover wurde 
ein PBrovinzialfonds von 500000 hen bewilligt 
und vom Abgeordnetenhaus die Au —— an 
die Regierung gerichtet, dem nächften Landtage Ge: 
fehentwürfe vorzulegen, wodurd aud) den übrigen 
Provinzen Provinzialionds zugemwieien und im 
Sinne der Selbitverwaltung eine Reform der Ge: 
meinde:, Kreis⸗ und Provinzialverwaltung einge: 
leitet würde. Der Yandtag wurde 29. 2 ‚1868 
eihlofjen und 4.Nov. wieder eröffnet. Inzwiſchen 
Pate die Regierung, ba der König von Hannover 
und der Kurfürft von Helen zur Ausführung ihrer 
Reitaurationspläne eine preußenfeindliche Agıtation 
unterhielten, jener jogar eine —* mu in ber 
Schweiz, fpäter in Frankreich aufitellte, durch Ber: 
ordnung vom 3. März 1868 die Beihlagnahme des 
Bermögens der beiden Fürſten verfügt und gegen 
den hannov. Grafen Blaten einen Hocverratspro: 
zeß eingeleitet. Die Beihlagnahme fam 29. Jan. 
1869 im Abgeordnetenhaus zur Verhandlung und 
wurbe genehmigt mit der Bejtimmung, dab die Wie: 
deraufbebung der Beichlagnahme nur durch Gejek 
erfolgen lönne. Am 1. März wurde vom Abgeorbd: 
et der wi ———— tadt 
rankfurt 26. Febr. abgeſchloſſene aus 
migt, wonad alle 1866 in der vormals Freien Stadt 
Frantfurt zu Staatszweden verwendeten Gebäude 
und Liegenſchaften und ſämtliche Eifenbabnen in 
den Beth des preuß. Staats übergehen, die Schul: 
den, welche nach Abzug der Aktiva noch 9 Mill. Fl. 
betrugen, vom Staat übernommen und der Stadt 
drantfurt als Erſatz für das verlorene Staatseigen⸗ 
tum die Summe von 3 Mill, Fl. übergeben wurde, 
wovon der Staat 2, der König aus feiner Privat: 
taſſe 1 Mill. bezahlte. Das von Vühler —— 
Vollksſchulgeſet und ſein Vorſchlag, den Artilel der 
Verfaſſung, welcher die Unentgeltlichleit des Unter: 
richts in der Vollsſchule feftfehte, aufzuheben, wur: 
den (lehterer 10. Febr.) mit großer heit — 
gewieſen. Der Landtag wurde 6. März geſch = 
Die Landtagsſeſſton 1869—70 wurde 6. Dit. 
1869 eröffnet. Zur Dedung eines Defizitö von 
5400000 Thlrn. forderte der Finanzminiſter von 


provinziellen Fonds für nur provinzielle Ziwede zu | der Heydt einen Zuſchlag von 25 Prozent zur 


Preußen (gefhichtlih) 


Einlommen:, Klafien:, Mahl: und Schlachtſteuer. 
Da beide fer gegen eine ———— 
ausſprachen, ſo nahm von u 25. Dit. jeine 
—— Beer Sampler 
r nt eehandlung, Camphau⸗ 
fen, ein itglied der liberalen Fraktion des n⸗ 
hauſes. Dieſer legte 4. Nov. einen neuen Finanz⸗ 
—— vor, wonach der Staatsſchuldenfonds durch 
rwandiung der in den alten Landesteilen be— 
ehenden Staatsſchuld in eine fonfolidierte Renten: 
um 3422600 Thlr. erleichtert und die zur 
edung bes Defizits noch fehlenden 2 Mill. durch 
Beräußerung eimger nicht ſehr rentabler Grund: 
ftüde und induftrieller Gtablifiements gewonnen 
werden jollten. Dieler Finanzplan, welder eine 
Gteuererhöhung unnötig machte, wurbe vom Ab: 
orbnetenhaus 14. Dez. angenommen und vom 
errenhaus genehmigt. Der vom Minijter des 
Innern, Grafen Gulenburg, vorgelegte Kreis— 
ordnungsentwurf wurde 16. bis 20. Dit. beraten, 
fand aber nicht die Zuftimmung der liberalen Frat: 
tionen, und wurde deshalb vom Minifter wieder 
jurüdgezogen. Der vom Grafen Lippe gegen bie 
Errichtung eines Bundesoberhandelsgerichts ge: 
ftellte Antrag wurde 17.Nov. vom Herrenhaus 
verworfen, dagegen der Miquel:Lasterihe Antrag, 
die Regierung aufzuforbern, ihren ganzen Einfluß 
geltend x machen, dab im Wege der Bundesgeſeßz⸗ 
gebung bie Kompetenz des Norddeutichen Bundes 
auf dad gelamte bürgerlibe Recht ausgedehnt 
werde, unter Unterftüßung des Yuftizminifters vom 
eorbnnetenhaus 24, Nov. angenommen. Der 

uß des Landtags erfolgte 12. Febr. 1870, 
or derfelbe wieder zujammentrat, brad) ber 
längjt drohende Krieg mit Frankreich aus, der mit 
ber gänzliden Niederlage dieſes Staat3, mit ber 
MWiedergewinnung ber deutihen Provinzen Elſaß 
und Lothringen und mit der Ummandlung des 
Rorddeutſchen Bundes in ein ganz Deutſchland um: 
Ye Deutſches Reich endigte. (S. Deutid: 
and und Deutihes Reich und Deutid: 
BESSISILGEE Krieg von 1870 und 1871.) 
ie Kriegserllärung vom 19. Juli traf ganz ®. in 
ber — zur Leiſtung bes äußerſten Wider⸗ 
ſtandes, zur Darbringung jedes Opfers entichlofie: 
nen Stimmung. Die preuß. Heeresverfaſſung be: 
wäbhrte ſich ſowohl in der Yeiitungsfäbigteit der 
Verwaltung und der Truppenlörper, als auch in 
der Unerſchöpflichleit des Materials an Rejerven 
und Landwehren. Das preuß. Finanzweſen war 


in fo guter Ordnung, dab aus der preuß. Staat: 
laſſe den ſüddeutſchen Staaten die erſten Mobili: 


fierungöfoften vorgejtredt werben konnten. Eine 
aus allen polit. Barteien zuſammengeſetzte Ber: 
fammlung ın Berlin —— in einem Aufruf 
an das deutſche Bolt und in einer Adreſſe an den 
König gegen jede Art von Einmiſchung fremder 
te und bezeichnete die Heritellung der Einheit 
Deutichlands als das unter allen Umſtänden feft: 
tende Ziel des Kriegs. Die Neuwahlen für 

3 Abgeordnetenhaus (16. Nov.) fiherten der Ne: 
gierung eine ſtarle Majorität. Der Yandtag wurde 
14. Dez. eröffuet und 17, Febr. 1871 geſchloſſen. 
Gr beihhäftigte ſich zunächſt mit der Grledigung des 
Budgets von 1871 und genehmigte zwei Gejepent: 
mürfe des Kultusminijters_in Betreff der evang. 
Kirchenverfaſſung und der Einführung der Presby: 
terial: und Synodalordnung in Hefien. Am 1. Jan. 
1871 erfolgte die amtliche Bertündigung des «Deut: 


311 


hen Reichs» und 18. an. fand im Schloſſe zu 
Berjailles die feierliche Proflamierung des Königs 
Wilhelm als Deuticher Kaiſer ftatt. Am 17. März 
tehrte der Kaifer mit bem Aronprinzen, bem ber 
Zitel «Kronprinz bes Deutſchen Reichss und bas 
Prãdikat «Kaiſer * Hoheit» 1. Febr. verliehen wor: 
ben war, nad) Berlin zurüd und eröffnete 21. März 
bie erite Seflion des erften Deutichen Reichstags. 
Den Abſchluß diefer großen Zeit bildete der Einzug 
der Truppen in Berlin 16. Juni 1871. 

Am 29. Nov. 1871 begann die neue Seſſion des 
preuß. Landtags. Der Finanzminifter fündigte an, 
daß die Einnahmen um mehr ala 6 Mill. Thlr. die 
Ausgaben überfteigen, daß der preuf. Staatsſchatz 
aufgehoben und das vorhandene Geld zur Tilgung 
eined Anlehns von 26 Mill. Thlen. verwendet 
werde. Der von der Regierung neubearbeitete Ent: 
wurf einer Kreisverfaſſung für Preußen, Branden: 
burg, Pommern, Sclefien, Sachſen wurde vom 
Abgeordnetenhaus 21. März 1872 angenommen. 
Bon der größten Bedeutung waren die Maßregeln, 
weldye bie Regierung ebendamals gegen das herrſch⸗ 
füchtige Auftreten der Herilalen Wartei ergriff. 
Schon bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus (und 
ipäter zum Reidy&tag) trat eine fpezififch fath. Par: 
tei hervor, jekte 57 Mitglieder dur und fon: 
ftitwierte ſich ſpaͤter als «Gentrumäpartei»; 56 Mit: 
glieder derfelben ſandten eine Adreſſe an den König 
nad) Berfailles, worin fie um Wiederberftellung der 
weltlichen Herrihaft des Papſtes baten. Aber der 
König und feine Regierung erlannten die Gefahr, 
welche dem modernen Staat durch die Beſchlüſſe 
des Batilanifhen Konzil drobten, und waren 
daher, angeficht$ der befonders unter der Hegierung 
des vorigen Königs —26* Langmut und Gleich⸗ 

ültigkeit und angeſichts der Konſequenzen des Un: 
— der Anſicht, daß die Macht des 
Klerilalismus nicht geſtärlt, ſondern geſchwächt 
werben miliſſe. Da die Regierung die Beihlüfie des 
Batilanifhen Konzils für fih als bindend nicht 
anerkannte, fo fonnte fie auch nicht zugeben, daß die 
Biſchöfe diejenigen Geiftlihen, welche das Unfehl: 
barteit3dogma nicht anerlannten, maßregelten. Als 
der Biihof von Ermland einen Neligionglehrer 
in Braunsberg wegen Nichtanerfennung diejes 
Dogmas juspendierte underfommunizierte, weigerte 
fi die eg diefe Mafregel anzuerkennen, 
und ſchutzte den Lehrer in der Fortführung feines 
Amts. Auf die Adreſſe der Biihofslonferenz von 
Fulda 7. Sept. 1871, worin gegen das Vorgehen 
der Regierung Beichwerde ah wurde, antwor: 
tete der König 18. Olt., es ch is auf verfaſſungs⸗ 
mäßigem Wege eine Loöſung ſolcher Konflilte erfolgt 
ſei, ſeine Pflicht, die —— Geſetze aufrecht zu 
erhalten und nad Maßgabe derjelben jeden Preu— 

n in feinen Rechten zu ſchüßen. Da die Biſchöfe 

ortfuhren, den Verordnungen feine Folge zu leiiten 
und den Staatägefeben nit zu gehorchen, worin 
bie preuß. Berfaljung von 1850 fie begünftigte, fo 
erfolgte Schlag auf Schlag der Erlaß neuer Ber: 
ordnungen und bie Vorlage neuer Geſetze. Es 
handelte fidh für Die Regierung darum, ben ENiiöfen 
ihre zwei *1 Domänen, die Leitung der 
Schule und die Beherrihung des niedern Klerus, 
zu entziehen und den Klerus amt den Biſchöfen den 
Staatägejeßen zu unterwerfen. Zunächſt wurde 
8. Juli 1871 die tath. Abteilung des Kultusminiftes 
riums, welche die Rechte des Staats, ftatt fie zw 
wahren, an die Nurie preisgab, aufgehoben und die 


312 


Bildung, altlath. Gemeinden gebulbet. Darauf 
legte Kultusminifter Mühler dem Landtag 14. Dez. 
1871 ein neues Sonulaufjuhtägeieh vor, wonad) bie 
Aufſicht über alle öffentlihen und privaten Unter: 
richts⸗ und Erziehungsanftalten dem Staate zu: 
ftehen, diefer allein das Recht ber Ernennung der 
Drt3: und Kreisſchulinſpeltoren haben und der vom 
Staat erteilte Auftrag jederzeit widerruflich fein 
follte. Da dad eg aus wenig Luft be 
zeigte, mit dem realtionären ultusninilter m. 
Geſetz zu diöfutieren, und bderfelbe bei einem die 
Verwaltung der Kunitanftalten betreffenden Anlaß 
in einen ihn fompromittierenden Konflikt mit dem 
Kronprinzen kam, fo reichte er 12, Jan. 1872 feine 
Entlafjung ein. Diefelbe wurde ihm 17. Jan. ges 
währt und 22. Jan. der Geh. Oberjuftizrat Fall 
um Minijter der geiftlihen, Unterrichts- und Me— 
iginalangelegenheiten ernannt. Darauf wurde dad 
Shulaufüchtäge eh nad) heftigem Kampfe mit der 
Gentrumspartei 13. Syebr. vom Abgeordnetenhaus 
mit 207 gegen 155 Stimmen angenommen. Das 
Herrenhaus genehmigte das Geſeß 8. März mit 
125 gegen 76 Stimmen. In Übereinftimmung mit 
dem vom Reichstag angenommenen Gefep über die 
Busfgliekung ber Jejuiten und ber ihnen ver: 
wandten Orden aus dem Gebiete des Deutichen 
Reichs ſchloß ein Erlaß des Stultusminifters vom 
15. juni die Mitglieder geiſtlicher Orden vom —— 
amt an oͤffentlichen Schulen aus. Ein anderer Er: 
laß vom 4. Juli verbot den Schülern der Gym: 
nafien und ähnlicher Anftalten die Teilnahme an 
religiöfen Vereinen. In mehrern Bezirken wurben 
weltliche Kreisſchulinſpeltoren angeftellt und lath. 
Geiſtlichen die Schulaufſicht entzogen. Durch dieſes 
Vorgehen der preuß. — —— wurde die päpitl. 
Kurie aufs höchſte erbittert. Der Papſt wies bie 
Ernennung bed Kardinals Hohenlohe zum Bot: 
——— des Deutſchen Reichs in der 28 Weiſe 
(3. Mai) zurüd, I 25. Juni von dem Stein, 
der bie Ferſe des Koloſſes zertrümmern werde, und 
bezeichnete 23. Dez. das Verfahren ber beutichen 
Regierung als ein unverſchämtes, worauf ber P. 
vertretende Legationgjelretär den ** erhielt, 
unbeſtimmten Urlaub zu nehmen und ſofort von 
Nom abzureiſen. 

Der Landtag wurde 23, März 1872 vertagt und 
22. Dit. wieder eröffnet. Das Herrenhaus verwarf 
31.D8t. den vom Abgeorbnetenhaus angenommenen 
Kreisorbnungsentwurf mit 145 gegen 18 Stimmen. 
Die Seffion des Landtags wurde 1.Nov. geichlofien, 
in einer Konferenz zwijchen — ala euren oa 
und Vertrauengmännern des Abgeordnetenhaufes 
ein neuer Kreisorbnungsentwurf vereinbart und 
diefer dem 12. Nov, einberufenen neuen Landtag 
vorgelegt. Derjelbe wurde 26. Nov. vom Abgeorb: 
netenhaus angenommen und 9. Dez. vom Herren: 
bausmit 116 gegen91 Stimmen Pe der t, nachdem 
der König 24 neue Mitglieder für dasſelbe ernannt 
hatte und weitere Mapregeln in Ausficht geftellt 
waren. Aus Unmut über den Widerjtand, welchen 
er in der Srage über die Reform des —— 
bei einigen Mitgliedern des Miniſteriums fand, bat 
Bismard um Enthebung vom Praͤſidium deajelben, 
welche Bitte ber König 21. Dez. gewährte; ber 
Borfig im Staatminijterium ging nun an ben 
Kriegäminifter Noon, als den älteften Staats: 
minilter, über. Am 1. Jan. 1873 wurde Roon zum 
definitiven Minifterpräjidenten und General fa: 
mele zum zweiten Chef der Urmeeverwaltung er: 


Preußen (geſchichtlich) 


nannt. Balb folgten nod andere Kabinetlsän⸗ 
derungen. Das —— des Miniſters 
der Landwirtſchaft, von Seichow, wurde 13. Jan, 
angenontmen und ber bisherige Oberpräfibent von 
2 en, Graf von Königsmard-Olesniß, zu feinem 
hfolger ernannt. Infolge der — Ent⸗ 
hüllungen über die Mißſtände im Eiſenbahnkon— 
eſſionsweſen und der Einſeßung einer Unter: 
Judungstommifion erfolgte 13. Mai die Ent: 
aſſung bes Handelsminiſters Grafen Jsenplik und 
die Ernennung be3 bisherigen Unterſtaatsſelretärs 
ee um Handelöminijter, Am 9. Jan, 
egte Kultusminiſter Fall dem Abgeorbnetenhaus 
vier Gefege vor, melde ben Viſchoͤfen die unbe: 
bingte Herrichaft über die Geijtlichkeit entreißen, die 
Macht des Klerus über die Laien vermindern, dem 
Staate die gefehmäßigen Mittel zur Beitrafung un: 
gehorfamer Biſchöfe und Oeitichen —*8 ſoll⸗ 
ten. Dieſe Geſetze, welche, weil fie im Mai ſanltio— 
niert und publiziert wurden, «Maigefehe» genannt 
wurden, betrafen bie Borbildung und Anjtellung 
ber Geiftlihen, den Austritt aus ber Kirche, die 
firhlihe Disciplinargewalt und die Errichtung 
eines königl. Gerichtshofs für kirchliche Angelegen: 
jeiten, die Grenzen des Rechts zum Gebrauch kirch— 
iher Straf: und Zuchtmittel. Da aber dieje vier 
Geſetze mit den die Selbftverwaltung ber Kirche 
ausſprechenden Art. 15 und 18 der preuß. Ber: 
fallung im Widerſpruch ftanden, fo wurde im Ab» 
eorbnetenhaus der Antrag geftellt, bieje beiden 
rtifel durch — von Zufägen mit den neuen 
Geſetzen in Einklan — bringen. Das Abgeorb; 
netenbaus nahm 4. Se t. bie Berfafjungsänderung, 
19. und 21. März die vier Slirhengefeße an; das 
Herrenhaus genehmigte die Verfajjungsänderung 
4. April, die Kirchengeſetze 1.Mai. In einer Kollel: 
tiveingabe an das Staatäminifterium vom 26. Mai 
fündigten bie preuß. able dem Staat den paſſi⸗ 
ven Widerftand gegen diefe Geleke an, machten 
nach wie vor bei der Anftellung und Berfehung der 
Geiltlihen dem DOberpräfidenten nicht die vorge: 
fchriebene Anzeige und wollten die Staatsaufſicht 
über ihre Konvifte und Seminarien nicht anerlen: 
nen. Mehrere berfelben wurden von ber Negierung 
geſchloſſen, Gelbitrafen über bie renitenten Biſchöfe 
verhängt, der renitente Erzbiſchof Ledochowſli von 
Poſen nad angeorbneter Zemporalienjperre — 
— — ſeines Amts aufgefordert, Die Re 
ierung ließ eine neue Eidesformel für neu zu beeis 
igende Pa ag feftießen, in welche das Gelöbnis 
gewifienhafter Beobachtung ber Staatögejehe auf: 
genommen war. Dielen Eid 2. 7. Olt. ber 
alttath. Biſchof Reintens, worauf er von der Re: 
ierung als kath. Biſ Zi anerlannt wurde und eine 
otation von 16000 Thlrn. erhielt. Der Konflikt 
rn ber Regierung und ben Klerikalen wurde 
urd einen Brief des Papites an Kaiſer Wilhelm 
(7. Aug.) noch verſchärft. Die vom 3. Sept. ba: 
tierte Antwort fand in allen nichtlferifalen Streifen 
ungeteilten Beifall. Im Minifterium trat bie ins 
derung ein, baß bie Stelle eines Staatsfelretärd 
de3 Auswärtigen Amts mit dem Titel und Rang 
eines Staatsminijterd dem bisherigen medlenb. 
Vinifter von Bülow übertragen, Generalfeldmar: 
ſchall Graf Roon 9, Nov. vom Präfivium des 
Staatöminijteriumd und vom Kriegsminiſterium 
entbunden, Fürſt Bismard aufs neue zum Präſi⸗ 
benten bed Minifteriums, Finanzminiſter phau⸗ 
fen zum Vizepraͤſidenten desſelben, Generallieute⸗ 


— — 


Preußen (geſchichtlich) 


nant Kamele zum Kriegsminiſter ernannt wurde. 
Das Entlaſſungsgeſuch des Miniſters der Landwirt⸗ 
ſchaft, Grafen Konigsmarck, wurde 8, Dez. ange: 
nommen, Sandelaminifter Ahenbac mit der einft- 
weiligen Führung diefes Minifteriums beauftragt 
und 19. Sept. 1874 basfelbe dem rt der frei: 
fonjervativen Partei, Dr. Friedenthal, übertragen. 

Bei den Landtagswahlen vom 4. Nov. 1873 ver: 
loren die Alttonfervativen 59 Sike, während bie 
Nationalliberalen 44, das Centrum 27 gewannen, 
ſodaß jene 169 Stimmen hatten, diefes 86. Der 
Landtag wurde 12. Nov. eröffnet und demfelben 
10, Dez. ein Gefehentwurf über Einführung der 
obligatorischen Civilehe vorgelegt. Das Abgeord: 
netenhbaus nahm das * 23. Jan. 1874, das 
Herrenhaus mit einigen Abänderungen 20. Febr, 
an, worauf dasjelbe, nachdem das Abgeorbneten: 
haus 24. Febr. den Anendements beigetreten war. 
im März —— wurde. Unter heftigem Wider: 
ſtand der Klerilalen wurde 29, Jan. die für den 
alttath, Biſchof Reinkens feitgefehte Dotation vom 
Abgeordnetenhaus genehmigt. Noch heftiger war 
der Kampf bei der Debatte über die beiden neuen 
Kirchengeieke, von denen das eine eine Deklaration 
und —— des Geſehes vom 11. Mai 1873 
über die Vorbildung und Anſtellung der Geiſtlichen 
enthielt, das andere von der Berwaltung erledigter 
lath. Bistümer handelte und den Staat vor der 
Anftellung renitenter Bischöfe fihern follte. Beide 
Gejege wurden vom Abgeordnetenhaus 9. Mai, 
vom Herrenhaus 16. Mai angenommen. Der Ge: 
fegentwurf über die evang. Kirchengemeinde: und 
Synodalordnung vom 10. Sept. 1873 für die Pro: 
vinzen Preußen, Bonmern, Brandenburg, Poſen, 
Schleſien, Sachſen wurde von beiden Häufern 2. und 
16. Mai angenommen, Die neue Brovinzialord: 
nung für die fünf öftl. Provinzen am 20. Jan. zur 
erften Beratung, wurde aber nicht mehr erledigt. 
Die Aufnahme einer Anleihe von 50 Mill, Thlrn, 
zur Erweiterung des Staatseiſenbahnneßes wurde 
vom Abgeordnetenhaus 16. Mai genehmigt. Bei 
der Darlegung der Finanzlage teilte Camphaufen 
mit, dab das %. 1873 mit einen überſchuß von 
21456483 Thlrn. abichliefe und dab der Staat 
1. Jan. 1875 um bie Summe von 2114000 Thlrn. 
entlaftet werben follte, Am 21. Mai wurde der 
Landtag geichlofien. 

Der Kulturlampf nahm in * immer größere 
Dimenfionen an. Erzbiſchof Lebochowfli, welcher 
dem Staate jedes Recht der Jurisdiktion in Fird: 
lichen Ungelegenheiten abſprach, wurde 3. Febr. 
1874 verhaftet und in das ———— 
u Otrowo gehracht. Der lirchliche Gerichtshof 
prach 16. April die aee über ihn aus, 

& Vermögen des 14 öfl. Stuhls wurde mit 
Beſchlag belegt und die Verwaltung der beiden 
— Poſen und Gneſen zwei Landräten als 
lönigl. Adminiſtratoren übertragen. Biſchof Mar; 
tin von erborn wurbe 4. Aug. in das ftreis: 

htögefängnis abgeführt, 5. Yan. 1875 feines 

t3 entjeßt und 19. Jan. in Wefel_ interniert. 
Auch der Erzbifchof von Köln und der Biſchof von 
Zrier wurden in das Gefängnis abgeführt, andere 
Biihöfe zu Gelditrafen verurteilt. In einer Im— 

—— vom 22. Mai 1874 an den Kaiſer 
erllärtendie preuß. Biläöfe aufs neue, daß die Kirche 
fih nicht eimfeitigen Staatögefeken und Verord: 
nungen über Firchliche Dinge unterwerfen fönne, 
und bei der Konferenz zu Fulda wieſen fie den vom 


313 


Bistumsverweſer Dem von Fulda gemachten Vor: 
ſchlag, wonad zur Anbahnung eines friedlichen Auss 
feichs mit der Regierung — ethan werden 
ollten, entſchieden zurüd, Die wich unter 
dem Volle, das in ben Vereinen und von der Preſſe 
gegen die Regierung ſyſtematiſch aufgehegt wurde, 
wuchs. Am 18. Juli 1874 erfolgte das Attentat 
des fanatifierten Böttchergejellen Kullmann (f, d.) 
aus Neuftadt: Magdeburg auf den Fürjten Bis: 
mard in dem Badeorte Kiffingen. 

In feiner Encyclica vom 5. Febr. 1875 erflärte 
Pius IX. dieneuen ft irdhengefehefür ungültig, verbot 
den Gehorſam gegen diejelben und ſprach gegen fämt: 
liche alttath, Geiitlihe die Erfommunitation aus, 
Am 15, März ernannte er den gefangenen und ab: 
geſetzten Erzbiſchof Ledochowſti zum Kardinal, Die 
Regierung, welde fi) auf einen noch erbittertern 
Bann gefaßt maden mußte, legte, um ihre Defen- 
fioftellung zu verftärfen, eine weitere Serie von 
Nirchengefehen vor. Am 4. März. 1875 brachte fie 
das jog. Sperrgeſeß ein, wonach alle Leiftungen aus 
Staatsmitteln an Bischöfe und ſämtliche kath. Geiſt— 
liche eingeftellt wurden, folange diejelben nicht 
durch eine fchriftliche Erklärung zu der Befolgung 
ber Staatägejehe fich verpflichteten. Das Sperr: 
gejeß wurde von beiden Häufern angenommen und 
22. April ald Staatsgeſeß publiziert, Die Bor: 
lage über die Aufhebung der Art. 15, 16 und 18 
der Verfaſſung, welde — ihre elaſtiſche Faſſung 
den Anſprüchen der Klerikalen eine günſtige Hand: 

abe darboten, wurde vom Abgeorbnetenhaufe 11. 
Mai, vom Herrenhauje 14. Juni genehmigt, Das 
Kloſtergeſeß ſchloß alle Orden und ordensähnlidhen 
Kongregationen der kath. Kirche vom preuß. Staats: 
gebiet aus, Iehte die Auflöfungsfrift auf ſechs Mo— 
nate feit, verlängerte diejelbe auf vier Jahre nur 
für die mit dem Unterricht und der Erziehung der 
Jugend ſich beichäftigenden Niederlafjungen und 
—— mit dem Aufhebungsdelret, jedoch wider: 
ruflich, diejenigen Orden, welde ſich ausſchließlich 
der Krankenpflege wibmeten. Diejes Geſeß wurde 
vom Abgeordnetenhaufe 10. Mai, von Herrenhaufe 
22. Mai angenommen. Das vierte Öejek betraf 
die Bermögensverwaltungen in den lath. Kirchen: 
gemeinden und übertrug diejelbe einem Kirchen— 
vorjtande, von weldem der Geiſtliche ausgeſchloſſen 
war, und einer Gemeindevertretung. Dieſes Geſetz 
wurde vom Abgeorbnetenhaufe 4. juni, vom Her: 
renhauſe 11. juni genehmigt. Um nicht diefe Ber: 
mögensverwaltung vollitändig in die Hände ber 
Negierung oder lirchenfeindlicher Gemeindemitglie: 
der oder gar ber Altlatholilen geraten zu laſſen, 
empfahlen die Biichöfe den Gehorjam gegen diefes 
Gejek und forderten die Gläubigen zur eifrigen Be: 
teiligung an den Wahlen in den Kirchenvorftand 
auf, Huferdem wurde von dem Abgeorbneten 

etri der Antrag geftellt, die Bildung der altlath. 

emeinden und ihre Aniprüde auf das kath. Kir: 
chenvermögen durch ein Geſeß zu regeln, und dieſes 
Altlatholitengejeh vom Abgeoronetenhaufe 8, Mai, 
vom Herrenhaufe 10, Juni angenommen, Die 
Neihe der Biſchöfe lichtele fih immer mehr. Im 
%. 1878 waren von den zwölf preuß. Bifhöfen nur 
noch drei im Amte, die von Kulm, von Ermland 
und von Hildesheim, Abgeſeßt waren ſechs: die 
von — von Paderborn, von Breslau, von 
Münſter, von Köln und von Limburg; drei Bis— 
tümer, Fulda, Trier und Osnabrüch, waren infol 
des Todes der Biſchöfe vacant und fonnten, ba d 


314 


Domlapitel ſich über die Befepung mit ber Regie: 
rung nicht einigen konnten, vorderhand nicht wieder 
befegt werben. Außer den Klirchengefeben befchäf: 


tigten den Landtag aud die Verwaltungsgefeke, | laub 


welche eine Fortfegung au der ſchon 1872 angenom: 
menen Rreisorbmung bieten. Nach langer Beras 
tung wurben dieſe Gefeke von beiden Häufern ge: 
nehmigt und 29. uni 1875 das Geſeß über die 
Provinzialordnung für die fünf dftl, Provinzen, 
3. Juli das Geſeß über die Verwaltungsgerichte, 
8. Juli das über die Dotation der Provinzen publi- 
zietrt. Der Schluß der Seffion erfolgte 15. Juni. 

Am 16. Jan. 1876 wurde die legte Seſſion biefer 
Landtagsperiobe eröffnet. Zwei a Vorlagen 
mwurben bei demielben einge Be ie eine betraf 
die Auffichtörechte des Staats bei der Vermögens: 
verwaltung in den kath. Diöcefen, war eine Ergän: 
zung des Gefehes vom 20. Xuni 1875 und wurde 
15. Mai vom Abgeorbnetenhaufe angenommen. 
Bei der zweiten Borlage handelte e8 ſich um bie 
Generaljynodalordnung für die evang. Landeslirche 
der acht Ältern Provinzen, welde aus ben Bera- 
tungen der auferorbentlihen Generalfynobe, auf 
Grundlage des vom Dberfirchenrat im Verein mit 
dem Kultusminiſter feitgeitellten Entwurfs, hervor: 
gegangen und vom ne 20. Yan. fanktioniert 
worden war. Dieſe Vorlage murbe vom Abgeord» 
*—— 9. Mai, beide zugleich vom Herrenhauſe 
24. Mai angenommen. dur ortführung ber Ber: 
mwaltungsreform wurden dem Yandtage weitere es 
—ã— vorgelegt, aber nur der über die Zu— 

aͤndigleit der Verwaltungs- und Verwaltungs: 
gerichtsbehörden im Geltungsbereich der neuen 
Vrovinzialordnung (Kompetenzgeſet), von beiden 
Häuſern 27. und 29. Juni angenommen. Die 
Geſehentwürfe über die Bereinigung Lauenburgs 
mit der preuß. Monardie und über den Gebraud 
der beutichen en als der ausſchließlichen 
Geſchäftsſprache der Behörden und polit. Körper: 
jchaften wurden vom Abgeorbnetenhaufe 28. April 
und 23. Mai, vom Herrenhaufe 18. Mai und 19. 
Juni angenommen. Die größte Aufmerkjamteit 
erregte der 24. März eingebradhte Gefehentwurf, 
wonach die Regierung von dem Landtag ermächtigt 
werden follte, zum Zweck des Verkaufs fämtlicher 
Staatseifenbahnen an das Neid) ey = — 
ſchließen, deren Genehmigung, falls es zum Abſchluß 
lam, dem Landtag vorbehalten blieb. Dieſe Eijen: 
bahnvorlage wurde nach langen Debatten vom Ab: 
georbnetenhaufe 2. Mai, vom Herrenhaufe 20; Mai 
angenommen. Am 30, Junt wurde die Geffion 
eye. Die Neuwahlen für das Abgeordneten: 
aus fanden 27. Dit. 1876 ftatt; von den 433 Ab: 
—— errangen bieRationalliberalen 174, 
ie —— 66, die Freikonſervativen 34, 
bie Neufonjervativen 26, die Altktonfervativen 9, 
das Centrum 88, die Polen 14. 

Dasneugewählte Abgeordnetenhaus trat 12. Jan. 
1877 zufammen. Gejekentwürfe über die Teilung 
ber Provinz Breufien in die Provinzen Dftpreußen 
und Weitpreußen, über anderweitige Einrichtung des 
BZeughaufes in Berlin und über die Berlin:Dres: 
dener Bahn wurden von beiden Häufern genehmigt. 
Die Angelegenheiten diefer Bahn braten P. in 
einen Konflilt mit Sachſen, welcher durch das Lu— 
beder Oberappellationägericht 28. Juni im Sinne 
P.s entihieden wurde. Am 3. März wurde die Sef: 
fion gehötofien, Das Entlafjungsgejud Bismards 
(27. März), welcher ala Reichstanzler und als preuß. 


Preußen (geſchichtlich) 


Minifterpräfident zurüdtreten wollte, wurde vom 
König nicht genehmigt. Der Minifter des e 


Graf Eulenburg, ** einen ſechsmo 
ion ndtags wurde 
eröfinet. Das Geſetz über Zwangs⸗ 


.. Die neue S des 2a 
21. Dt. 1877 
befugnis der Kommiſſarien für bifpöfl. Vermögens: 
—— in erledigten * en wurde von —* 
uſern angenommen, das X 
um Gerichtsverfaſſungsgeſeh eg re ni 
haufe 9. debr. — t, vom Herrenhauſe 16. 
ärz in amendierter Ba angenommen, weldyer 
odann das ur nie Sur 23. März zuftimmte, 

3 als Nadıtrag zum Staatshausbaltsetat vor: 
ge Refiortgejeb beantragte die Ablöfung des 

iſenbahnweſens vom Handeläminifterium und Er: 
rihtung eines eigenen Eifenbahnminifteriums, den 
Übergang ber Verwaltung der Domänen und Forfte 
vom Finanzminifterium an das Minifterium ber 
Landwirtſchaft und die Feitftellung eines lts 
von 36000 Mark (9000 Mark W — 
digung) für bie neu zu errichtende Stelle eines Bi 
präfibenten be3 Staatäminifteriums, Das Ab: 
georbnetenhaus Ichnte, zumal da die Vorlage erft 
gegen das Ende ber Sion eingebradht wurde, die 

eiden erften Vorſchlage ab und genehmigte 28. 
März ben Gehalt des Vizepräfidenten, welchem 
Befafuffe das Herrenhaus 30, März 
Der Landtag wurde 30. März 1878 geſchloſſen. 
Am nämlihen Tage publizierte der Meichsan— 
zeiger» die Entlaflung be3 Grafen Eulenburg 
als Minifter des Innern und Achenbachs als 
Minifter des Handels und die Ernennung des Gra⸗ 
fen Botho zu Eulenburg:Widen, Oberpräfidenten 
in Hannover, zum Miniiter des Innern, des Unter: 
ſtaatsſekretärs im Handelsminilterium, Maybadı, 
gi Handelsminifter, deö Oberbürgermeifters von 
rlin, Hobrecht, zum Finanzminifter an die Stelle 
be3 23. März entlafienen Camphauſen. Achenbach 
wurde zum Oberpräfidenten ber 1. April neu fon: 
ftituierten Provinz Weftpreußen ernannt. Zum 
Vizepräfidenten des Staatöminifteriums wurde der 
bisherige deutſche Botihafter zu Wien, Graf von 
Stolberg: Wernigerode, ernannt. Mit diefen Er: 
nennungen war teilö bie allzu ſtarle fiberbürbung 
de3 Fürſten Bismard bejeitigt, teild das Minifte: 
rium mehr im Sinne Bismard3 geftaltet. Die Er- 
nennung Maybachs, des frühern Präfidenten des 
Reichseiſenbahnamts wies auf ein entfdiebenes 
Borgehen im Eiſenbahnweſen hin. Am 6. Mai 
trat der Präfident des evang. Oberlirdhenrats, 
Dr. Hermann, zurüd, fein Nachfolger war der Ober: 
konfiftorialrat Hermes. 

Den ſchmerzlichſten Eindrud in ganz Deutſchland 
und weit über deſſen Grenzen hinaus madte das 
Attentat, welches der Alempnergeielle 
Lehmann) 11. Mai 1878 in Berlin 7 den 
unternahm. Die Partei ber Sozi 
nun in ben legten Jahren in P., namentlich in 
Berlin, ungeheuere Fortichritte gemacht und eine 
den Staat und bie ganze Gefellichaft bedrohende 
een unterhalten hatte, wurde von der öffent: 
lihen Stimme mit verantwortlich für das Attentat 
gemacht. Da der Reichstag 24. Mai das ihm auf 
dies hin vorgelegte Sozialüitengefek verwarf, ers 
ließen die preuß. Minifter des Innern und der Ju: 
ftiz Weifungen an die Bolizeibehörben und an die 
Staatsanwaltihaft, wonach hinſichtlich der fozial: 
demofratischen Bereine, Berfammlungen und Preſſe 
bi3 zur äußerften Linie des durch die beftehenden 


Preußen (gefhichtlich) 


Geſetze Zuläffigen vorgegangen werden follte. Die 
—— in P. und in ganz Deutſchland ſtieg aufs 
höchſte, als am Nachmittag des 2. Juni 1878 ein 
zweites Attentat auf den Kaiſer ftattfand und diefer 
dur mehrere Schrotlörner und Rebpoften ſchwer 
verwundet wurde. Der Attentäter war Dr. Karl 
Nobiling aus Kolno bei Birnbaum in der Provinz 
Poſen. Auch diefe That mußte man als das Ne: 
fultat der f —— Agitation, wohl auch 
als das der Thätigleit der londoner Internationale 
bezeichnen. Sofort eilte der Kronprinz, welcher 
26. Mai in London einer ſehr ftarten ſozialdemolra⸗ 
tiihen Demonitration ausgejeht geweien war, von 
England herbei; Bismard, feit mehrern Wochen 
geſundheitshalber abweſend, traf 3, Juni in Berlin 
ein; 4. Juni wurden in einem Minijterrat bedeu— 
tungsvolle Beſchlüſſe aefabt. Ein kaiſerl. Erlaf 
vom 4. Juni übertrug dem Kronprinzen die Stell: 
vertretung des Slaijers für die Dauer feiner Behin: 
derung und dur Erlaß vom 5. Juni an das 
Staatsminifterium übernahm der ser fofort 
in jtellvertretender Weiſe die Negierung. Der At: 
tentäter Hödel wurde vom kaiſerl. Staatsgerichts— 
hof in Berlin 10. Juli zum Tode verurteilt und 
16. Aug. entbauptet. Nobiling ftarb 10. Sept. 
in. der Stabtvogtei zu Berlin an den Wunden, bie 
er ſich bei jeiner Verhaftung jelbjt beigebracht hatte. 

— wurde 19. Nov. 1878 wieder er: 
öffnet. Die Regierung legte das Reſſortgeſetz in 
einer etwas veränderten Fajlung wieder vor. Die 
Domänen: und Koritverwaltung jollte vom Finanz: 
minijterium auf das landwirtichaftliche Minifterium 
übergeben, und das Miniſterium für Handel, Ge: 
werbe und öffentliche Arbeiten in ein Minilterium 
der öffentlihen Arbeiten (Giienbabnen, Bauten, 
Verg:, Hütten: und Salinenverwaltung) und ein 
Dinifterium für Handel und Gewerbe geteilt wer: 
den. Nachdem das Gefek von beiden Häufern an: 
—— war, wurde 80. März 1879 der bisherige 
Landwirtſchaftsminiſter Friedenthal zum Miniſter 
für Landwirtſchaft, Domänen und Forſten, der bis⸗ 
herige Handeläminifter Maybadı zum Minifter der 
öfientlichen Arbeiten, einige Zeit jpäter der Präſi— 
dent bes Neichälanzleramts, Hofmann, zugleich zum 
Minifter für Handel und Gewerbe ernannt. Die 
Anträge des Gentrums auf Wiederheritellung der 
1875 aufgebobenen Berfafiungsartifel und auf Sis 
ftierumg des Hlojtergeiehes wurden vom Abgeord— 
netenhaus abgelehnt. Das Gejeb über die Be: 
fahigung zum höbern Berwaltungsdienit wurde 
vom Landtag angenommen. Die vom Würften 
Biemard mit Öfterreich eröffneten Unterhandlungen 
über volljtändige Aufhebung des Artikels V des 
Prager Friedensvertrags, wonad) die Bevölterung 
der nördl. Dijtrilte Schleswig, falls fie durch eine 
freie Abjtimmung ihren Wunſch auf Wiederver: 
einigung mit Dänemark ausſprach, an diefen Staat 
abgetreten werden jollte, führten zum Abſchluß des 
preuß.söfterr. Vertrags vom 11. Oft. 1878, der die: 
fen Artilel außer Gültigkeit jeßte und dadurch dieſe 
Streitfrage befeitigte. 

Im Zuſammenhang mit den vom Fürſten Bis: 
mard dem Reichstag 1879 vorgelegten wirtſchaft⸗ 
lihen Gejehen, weldye eine Reform des bisherigen 
Steuer: und Zolliyftems bezwedten, ftand das Ent: 
laljungsgejud des Finanzminifterd Hobrecht und 
des lanbwirtihaftlihen Ninifters Frieventhal. Ihr 

wurde vom Kaiſer angenommen und 5, Juli 
1879 der bisherige Unterftaatajelretär des Innern, 





315 
Bitter, zum Finanzminifter, ber Nittergutsbefiper 
Lucius zum Minifter der Landwirtihaft ernannt. 


Das höchſte Aufjehen erregte die Nachricht, daß der 
Kultusminifter Fall au 5 neue feine Entlafjung 
nachgeſucht und daß ber Hlaifer den Oberpräfidenten 
von Schleſien, Buttlamer, zum Kultusminifter 
ernannt habe. Der Juſtizminiſter Leonhardt, wel: 
her ſich um die Einführung der neuen Yuftizorga: 
nifation große Berdienfte erworben hatte, erhielt 
30, Dit. 1879 die wegen fchwerer Erlrankung er- 
betene Dienſtentlaſſung; jein Nachfolger wurde der 
Staatsſekretär Friedberg. 

Die Abgeordnetenwahlen vom 7. Oft. 1879 hat: 
ten zum Rejultat eine Niederlage der Liberalen und 
einen Sieg der Konfervativen. Die beiden Frat: 
tionen berjelben hatten zufammen 158, die National: 
liberalen 101, der Fortichritt 35, das Centrum 96 
Mitglieder. Der Landtag wurde 28, Olt. eröffnet. 
Bon der nrößten Wichtigleit waren die Vorlagen 
über den Anlauf von Brivateijenbahnen. Nachdem 
fi der Landtag mit der Regierung über bie Ertei: 
lung ber nötigen finanziellen und wirtſchaftlichen 
Garantien verjtändigt hatte, wurden die Vorlagen 
genehmigt. In jedem der folgenden Jahre wurden 
neue Grwerbungen gemadt, ſodaß 1885 der Staat 
im Befis aller wichtigen Privatbahnen war. Die 
Nichtigkeit dieſes Verfahrens erhellte daraus, daß 
der Eijenbabnetatjährlid bedeutende Überfchülleauf: 
zuweifen hatte. Zugleich wurde dem Landtag ein 
neues Kirchengeſeß vorgelegt, welches die lirchen— 
polit. Gejege in einigen weſentlichen Punkte abän- 
dern jollten. Die Unterhandlungen mit Rom waren 
nad) dem Tobe Pius’ IX. (7. Febr. 1878) wieder auf: 
genommen worden, Sein Nachfolger, Leo XIIL., 
eröffnete in feinem Schreiben vom 20. Febr. 1878 die 
Korrefpondenz. Fürſt Bismard empfing 1878 in 
Kiffingen den Runtius Majella in Münden, 1879 
in Gajtein den Nuntius Jacobini in Wien, Darauf 
folgten längere Verhandlungen in Wien zwilden 
lehterm und dem preuß. Botichafter Prinzen Reuß. 
Aber weder die mündlihen noch die fhriftlichen 
Verhandlungen führten zu einem Refultat, da die 
Kurie bie Anzeigepfli t nur in jehr befchränktem 
Maße zugeitand und ſchließlich geradezu die Auf: 
bebung der Maigejehe und die Wiederberitellung 
der frühern, die Nechte und Würde des Staats be: 
einträchtigenden Zuſtände verlangte. Gleihwohl 
legte das Minifterium das Kirchengefeß vor, durch 
welches es ſich diätretionäre Vollmacht Übertragen 
laſſen wollte, um die von der — Kirche als beſon⸗ 
dere Härten empfundenen Vorſchriften und Anord- 


nungen zumilbern oder zu bejeitigen. infolge eines 
\ zwifchen den Konfervativen und Nationalliberalen 


abgeichlofienen Kompromiſſes, in weldem der bie 
Surüdberufung der abgejehten Biſchöfe enthaltende 
Paragraph und einige andere Beſtimmungen ge: 
opfert wurden, warb das Gejeh 28. „juni 1880 vom 
Sonsschneisubenß, 3. Juli vom Herrenhaus ge: 
nehmigt. Die prattifhen Folgen des Geſetzes lagen 
darin, daß einige geiſtliche Amtsbandlungen in er: 
ledigten Pfarreien von ftellvertretenden iſtlichen 
ausgeübt, die Staatsleiſtungen wieder aufgenom- 
men, die der Krantenpflege gemidmeten Orden von 
einigen Beichräntungen des Ordensgeſetzes befreit 
werden durften. Nachdem der Landtag dad Gejeh 
über die Berwaltungsorganifation genehmigt hatte, 
wurde er 3. Juli 1880 geſchloſſen. — 
An der Stelle des zum Staatsſekretär in Elſaß— 
Lothringen ernannten Miniſters Hofmann übernahm 


316 


Bar Bismard im %. 1880 felbft das Minifterium 
ür Handel und Gewerbe. In dieſer Eigenſchaft 
errichtete er durch Verordnung vom 17. Sept. ben 
preuß. ee welder ſolche Geſetz⸗ 
entwürfe, die ben Handel, das Gewerbe, bie Land: 
und Forftwirtfhaft zum Gegenftand haben, begut: 
achten follte, bevor diejelben dem Landtag oder dem 
Reichstag vorgelegt würden; er wurde 27. an. 
1881 zum erften mal eröffnet. Die neue Seilion 
be3 Landtags dauerte vom 28, Dit. 1880 bis 23. 
fsebr. 1881. Außer dem Etat, dem Gefeh über 
Steuererlaß und der Kreisordnungsnovelle wurde 
feine Vorlage von Bedeutung erledigt. infolge 
eines parlamentarischen Konflilts mit dem Fürſten 
Bismard reichte Graf Eulenburg 1881 fein Ent: 
laſſungsgeſuch ein, worauf derfelbe zum Oberpräfi- 
denten von Hefjen:Naffau ernannt, Hultusminijter 
von Puttlamer zum Miniſter des Innern, von 
Goßler, Präfident des Neihstags, zum Kultus: 
minifter ernannt wurde, Zugleich wurbe das vom 
Grafen Stolberg, dem BVizepräfidenten des preuß. 
Staat3minifteriums, eingereichte Entlaſſungsgeſuch 
vom Kaifer angenommen und biefe Stelle 11. Olt. 
1881 dem Mintiter von Puttlamer übertragen. 

Inzwiſchen waren die Verhandlungen mit ber 
Kurie fortgefebt worden, zuerft durch Spezialbevoll: 
mädhtigte, dann durch den zum außerordentlichen 
Botſchafter beim päpftl. Stuhle ernannten bis: 
berigen Gefandten in Dafbington, von Schlözer. 
Derjelbe überreichte 24. April 1882 dem Papſte 
jein Beglaubigungsfchreiben. Dem Wunſche der 
Regierung, durch Ernennung von Biihöfen eine 
regelmäßige Didcefanverwaltung wiederherzuftellen, 
fam bie Kurie in denjenigen Bistümern entgegen, 
welde dur den Tod ihres Oberhirten verwaift 
waren, nicht in denen, welche durd) das Abſetzungs⸗ 
urteil des königl. Gerichtshofs für kirchliche Angele: 

en —— Biſchofs beraubt waren; denn bie 

tehtmäßigleit dieſes Gerichtshofs erkannte bie 
Kurie niht an. Im J. 1881 wurde der Erzpriefter 
Dr. Korum von &trahburg um Bifchof von Trier 
der Generalvifar Em von Hildesheim zum Bilhof 
von Fulda, 1882 der Dompropft Dr. ig. in Ber 
lin zum Fürftbifhof von Breslau, der Bistums: 
verwejer Höting zum Biſchof in Dsnabrüd, ber 
Bistumsverweſer Drobe zum Biſchof von Paber: 
born ernannt, 1883 der abgefegte Biihof Blum von 
Limburg und 1884 der abgefegte Bifchof Brinkmann 
von Münfter begnabigt und beide wieder in ihre 
Diöcefen eingefeht, 1885 an die Stelle des verjtor: 
benen Blum der geiftlihe Nat Roos zum Biſchof 
von Limburg und im Oktober desfelben Jahres der 
Biſchof Kremenß von Ermland zum Erzbifchof von 
Köln ernannt —— der abgeſeßte — Mel 
chers den Karbinalahut erhielt, Allen dieſen Biſchö⸗ 
fen wurde der zum Gehorſam gegen bie Staatäge: 
jege verpflichtende Eid erlaflen, die lommiſſariſche 
Vermögensverwaltung, wurde —— und die 
Wiederaufnahme der eingeſtellten Staatsleiſtungen 
für die Diöcefen angeordnet. Bon den zwölf preuß. 
Bistümern waren nun alle wieder mit Bilchöfen 
beſeht, außer Poſen-Gneſen. 

‚14. Jan, 1882 eröffneten preuß. Landtag 
wurde ein neues Kirchengeſehß vorgelegt, worin aufs 
neue biäfretionäre Vollmachten für die Regierung 
gefordert waren, Nach einem zwiſchen ben Konten, 
vativen und dem Centrum abgeſchloſſenen Kompro- 
miß follte das * von 1880 über die diskretio⸗ 
nären Vollmachten bis zum 1, April 1884 verlän: 


Preußen (geihichtlic) 


gert, der ag verworfene Biſchofsartilel ange: 
nommen, die Aufhebung de3 Kultureramend und 
die Befeitigung des Inſtituts der Staatöpfarrer be: 
fchloffen werben. In diefer Faflung wurde das 
Geſehß von beiden Häufern angenommen und von 
ber Regierung 31. Mai 1882 beitätigt. Der Schluß 
des Landtags, der ſonſt nichts Bemerkenswertes 
darbot, erfolgte 11. Mai. Die 26. Dit. 1882 voll: 
zogenen Neuwahlen ins Abgeordnetenhaus veritärt: 
ten bie Reihen der Konfervativen. Die beiden 
———— derſelben zählten zuſammen 176, die 
tationalliberalen 67, —* ritt und Sezeſſioniſten 
zuſammen 58, Centrum 98 Mitglieder. Die neue 
Seſſion des Landtags dauerte vom 14. Nov. 1882 
bis 2. Juli 1883, In dieſer wurden die Geſetzent⸗ 
würfe über Verwaltungsgerichte, über die Land: 
er für Brandenburg, über die Aufhebung 
er Klafleniteuer für die zwei unterften Stufen und 
bie Lauenburgiſche Rommunalvorlage angenommen 
und ein weiteres Kirchengeſeß genehmigt, durch wel: 
ches das ſtaatliche Einſpruchsrecht auf folde geift: 
es Amter, welche fundationsmäßig dauernd zu 
bejeßen find, beſchränkt und die Zuftändigfeit des 
Gerichtshofs für kirchliche Angelegenheiten verfdie- 
benen Einſchränkungen dran sm wurde, Das 
Gefek wurde von beiden Häufern, 25. Juni und 
2. Juli 1883, angenommen und an lekterm Tage 
der Landtag gehiofe. Die neue Geifion des 
Landtags, welche vom 20. Nov. 1883 bis 19, Mai 
1884 dauerte, war eine ziemlich unfrudhtbare. Von 
den Regierungsvorlagen wurden nur ber Gtat, die 
weitern Eifenbahnverltaatlihungsgefeke, ein neues 
Selundärbahngefeß und die Kreis: und Provinzial: 
ordnung für Hannover von den Kammern vollitän: 
dig beraten und genehmigt, alle andern , welche ſich 
auf das Steuerwefen bezogen, unerledigt gelaflen, 
n bem Berfonal bes preuß. Miniſteriums fan: 
ben einige Veränderungen ftatt: das Entlafjungs: 
gel un bes Finanzminister Bitter, des Kriegs— 
minijterd von Kamele und des Staat3minifters von 
Stoſch wurbe vom Kaiſer angenommen und 2. Juli 
1882 Scholz zum Finanzminiſter, 8. März 1883 
Generalltieutenant Bronjart von Schellendorif zum 
Kriegdminifter und 20. März 1883 Generallieute: 
nant von Caprivi zum Chef der Abmiralität er: 
nannt. Gegenüber ben radifalen und demofrati: 
hen Parteien, welche für Einführung bes Parla: 
mentarigmus agitierten und den Monarchen zu 
einem Mer aeg ach ber Landtags⸗ und 
Reichstagsbeihlüffe zu degradieren beabfichtigten, 
wurbe ber Erlaß des Kaiſers vom 4. Jan. 1882 an 
das — — veröffentlicht, der das ver: 
faflungsmäßige Recht des preuß. Königs zur per: 
——— Leitung ber Politik betonte, welches R 
urch die verantwortliche Gegenzeichnung ber Mi: 
nifter nicht aufgehoben fei, und zugleih von allen 
Beamten verlangte, fih von jeder Wablagitation 
egen die Regierung —— Der des 
onprinzen Friedrich Wilhelm im Vatilan (18. 
Der. 1883) war, da derfelbe auf Förderung kirchen⸗ 
polit. Fragen nicht einging, nur als Höflichkeitsalt 
RE betrachten. Bon großer polit. Bedeutung war 
ie Zuſammenkunft, melde Kaiſer Wilhelm 15. 
Sept. 1884 in Schloß Stierniewicze (Polen) mit 
den Kaifern von fterreid:Ungarn und von Ruß: 
land hatte, und welcher auch die leitenden Minijter 
der drei Monarchen beimohnten. Als das Refultat 
berjelben war die Einigung der drei Oſtmächte in 
allen Fragen der großen Politik, fpeziell der Ballan⸗ 


Preußen (geſchichtlich) 


balbinfel, anzujehen. Nad einer Unterbredun 
von 30 Jahren — durch einen Erlaß des Rat, 
ers vom 30. April 1884 der preuß. Staatärat 
f. oben, ©. — wieder ins Leben gerufen, deſſen 
ei für die Vorbereitung von Gejehentwür: 
fen und den Erlab von wichtigen Verordnungen 
eine beratende fein follte. Zum Präfidenten bes: 
felben wurde durch den kalſerlichen Erlaß vom 
11. Juni der Kronprinz, zum Bizepräfidenten Fürft 
Bismarck ernannt. Die Eröffnung des Staatsrats 
erfolgte 25. Dit. 1884 durch den Kronprinzen. 

„die ——— — des RE 1885 dauerte vom 
Die Vorlagen über den Er: 

erh Brioatefenbahnen, über den Bau von 
— über die Ausdehnung der Kreis⸗ 
und rovinzialorbnung auf Heſſen⸗ Raſſau, über die 
Benftonsverbältnifie der —— — und der 
Antrag des Abgeordneten von Hüne auf liberwei: 
fung von beftimmten Beträgen, welde aus den 
vom Reichstag 1885 erhöhten landwirticaftlicen 
BZöllen u ae an die Kommunalverbände wur: 
den von n Häufern genehmigt. Auch das 
Geſeß über die ee Schadloshaltung des 
det :bolfteiniihen Fürftenhaufes, welchem die 
eiltung desſelben auf alle von dem Haufe 
—— Ho —* tenburg früher auf die 


erzogtümer Schleswig⸗ Holſtein gemachten An: 
prũche zu Grunde lag, er en NM —— 
— s. Die Feier des 70. Geburtstags 


— 2 — Dienſtzeit des Reichslanzlers 

us had in — Fuürſten Bismard 
April u, tete ſich bei der allgemeinen 
Zeilnahme der er n aller Länder zu einem na: 
tionalen Fefte erften Ranges. Die Erlrantung des 
Kaifers im Ma 1885 ließ das Schlimmite befürd): 
ten, zumal da der Tod mehrerer ihm ſehr nahe: 
ftehenden Männer ihn ſehr e — Fuͤrſt Anton 
von Hohenzollern ſtarb 2. Juni, d iedrich 
Karl von Preußen 15. ae, der — ter von 
> B ——— von Manteuffel, 17. Juni). Doch 
e ſich der Kaiſer fo weit, daß er 23, Juni feine 
gevobnte 3 Brunnenkur in Ems beginnen und von 
Mainau und Gaftein fich begeben konnte, 

6 dieſer Kuren lehrte er fo geſtärlt nad) 
— daß er an verſchiedenen Herbſtmand⸗ 


vern, die in Preußen, Baden und Württemberg 
anden, teilnehmen fonnte, Die Abgeoröneten: 
wahlen vom 5. Nov. 1885 hatten eine Nieder: 


e ber Deutichfreifinnigen zum Refultat, Die 
— Deutſchlonſ — Iten 129 Mitglieder, die 
* Nationalliveralen 68, 
dad Gentrum 1 a rn 43, 
die Polen 15, die e cin 3, bie Dänen R wäh. 
rend 8 ronete keiner Fraftion angehörten. 
Snfeige en war * —— nicht 
zu zu. omm 

Unter den ablesen ring g — P.s 
beſonders hervorzuheben: Kletle, «Quellen: 
2 1808-61); des ee Staatö» (Bd, 1u. 
Lancizolle, «Geſchichte der 
— — Peer (Berl. 1828); Leutſch, 

a ” — an von befien Eniſtehen 
3 Bde., Berl. 1825); 
een — —8 Staatö» (Bd. 1—5, 
1830—54); zn 8 e3 preuß. 


ubertusburg bis zum 

Er Barifer * Bde., Franff. 1819— 
8, von Rante Meun Bücher 

it dur 3 Bde., Opg. 184748); 


317 


ng, «Bmölf na 8* Gefchichter (2. Aufl., 
5 Bde., Op. 1874—78 Dmeiorge, «Geſchichte des 
————— er randenb.:preuß. Mon: 
ardie» (Lpz. —— ix, « Die Teritotialgeſidi⸗ 
des brandenb.: taat3» (3. Aufl., Berl. 1884); 
Niedel, «Gef id "des preuß. Königs aufes» (2 
Dbe., Berl, 1861); um; —88 er * 
Rolitito (2. Aufl, 3. 1868— 81); Hei: 
nel, «Geſchichte ke (7. i. a. und fortgejeht 
von Laudien, 2 Bde Gütersloh 1872— 76); ferner 
die Handbücher von FJ Voigt (3. Aufl., 7 Bde., 
Berl. 1878), Hahn (8. Aufl., Berl. 1883), die Dar: 
ftellung von Eberty (7 Vde., Brest. 186773) und 
Gojel, «Geſchichte des teuf, Staat3 und Volls 
unter den Hohenzollernſchen —* (8 Bde., Berl. 
1869—76). Einzelne Perioden behandeln: Drlid, 
Geſchichte des preuß. Staats im 17. Jahrh.» 
Bde., Verl. 1838—39); die Werke Föriters Aber 
den rohen Kurfürften (4. Aufl., Berl. 1855) und 
20 Wilhelm I. (3 Bbe., slotad, 183435). 
us der ungemein reichen Gitteratur über —— 
d. Gr. und deſſen Zeit ſind mit Ar eihnun 
nennen: die Were von Preuß g.B) öriter vd) 
und auie ($. d.) in geile: ezie 4. au * 
von —— e (4 Bde., Lond. 1858—65; deutſch von 
Neuberg, Berl. 185866). Die neuere und neuefte 
Zeit betreffen: Philippfon, «Gefhichte des preuß. 
Staatsweſens vom Tod % gi riedri 4 d. Gr. bis zu 
den Freiheitsfriegen» (2 Bde., 1880 — 82); 
Reimann, «Neuere Geſchichte des preuß. Staats 


vom we Frieden bis zum Wiener Kon: 
gre Ar d. 1, Gotha 1882); yore, «Neuere und 
neuelte 


teuf. er 5. Aufl., 2 Bde,, Berl. 
ri enzel, «Zwanzig Jahre preuf,. Gejihte 
1786— 1806» (Berl. 1819). öriter, —— 
beim IV. und feine geb (2% de. ‚Son ersh 1889); 
Gräfin vonVosf, «I eununbjeciig Jahre am bier 
Hofe» (1.—4. Aufl. ., £p3. 1876); ferner die Werte 
von Beipte (f. d.) er örjter über die Befreiungs: 
friege; die biographiſchen Werke von Verb (f. d.) 
über den Minijter von Stein und den General Önei: 
fenau, das von Droyfen über den General York, 
jew "das von S, von Ranle, «Dentwürdigfeiten 
es Staatslanzlerd Fürften von Hardenberg» (5 
Boe,, . 1877). Bol. noch Oppenheim, «Zur in 
nern Seh chichte P.s feit 1866» (in «Unſere Zeit», 
Lpz. 1877). Die ——* bes preuß. Kriegs: und 
—— nee ten Gansauge (Berl. 1839), 
"Homme de Courbitre (Berl. 1852), Croufaz (2 
Bde., Anllam 1865—67) und Lange (« Sefehichte 
der teuf. Landwehr», Berl. 1856); ferner die Ge: 
Shichte des Finanzweieng Niedel («Der brandenb.: 
reuß. Staatshaushalt in den lekten beiden Jahr: 
June, Berl. 1866); die De, ichte des preu 
eamtentums Saacfobn (28 (2 Bde., Berl. 1873—77); 
eine Geſchichte der «Titel und Wappen de3 preuß. 
Königshaujed» en Stillfried (Berl. 1875 und 
eine er preuß. Boft» ehe (Berl. 
1859). Vorzügliche Arbeiten über die Geſchichte des 
eigentlihen P. lieferte vor allem Job. Voigt (f. d.); 
ferner Töppen, «Geſchichte der preuß. Hiltoriogra= 
phie⸗ (Berl. eo: tterich, «Die Gründung des 
deutichen Orbensjtaats» (Lpz. 1857); Hirſch, Töps 
pen und Strehlfe, «Scriptores rerum prussicarum» 
(Bd, 1—8, erl. 1861—66); «Alten der Stände: 
tage Dft: und MWeitpreußens» (herausg. von dem 
Vereine für die Gefchichte der Provinz Preußen, Lp 
1874 fg.), fowie die «Publikationen aus den könig 
vreuß. Staatsardiven» (Lpz. 1878 fg.). ; 


318 


Preufßiſchblau, ſ. unter Berlinerblau. 

PBreufifch : Dentfcher Krieg, ſ. Deutſcher 
Krieg von 1866, 

hie Hr de u. Banken, Bd.I1, 5.447. 

reußiſche Sprache, j. unter Litauiſche 
Er Fifch- Eylan, f. Gy! 
reukifch : Eylau, ſ. Cylau. 

Preußiſch⸗ ——— — Krieg vom 
1806 bis 1807, |. Franzoͤſiſch-Preu— 
biſch-Ruſſiſcher Krieg von 1806 bis 1807. 

Brenufifch: Friedland, ſ. Friedland. 

PBreufiich: Holland, Kreisitadt im oftpreuß. 
Negierungsbezirt Hönigsberg, auf einem fteilen 
Berge, it Si des Landratsamts und eines Amts: 
gerichis, Station der Linie Güldenboden:Allenitein 
der Preußiſchen Staatsbahnen, bat ein altes 
Schloß (jett Gefängnis) und zählt (1880) 4773 
meift prot. E., welche Aderbau und Handel treiben, 
aud eine Maſchinenfabrik unterhalten. P. wurde 
von eingewanderten Holländern gegründet und er: 
hielt 1297 Stadtrechte, — Der Kreis Preußiid: 
Holland zählt auf 859,5 qkm (1880) 45345 E. 

Breufifch- Mähren, die Umgegend der fchlef. 
Stadt Katſcher (j. d.). 

Preufifch = Sfterreichifcher Strieg von 
1866, |. Deutſcher Krieg von 1866, 

Preußiſchrot, joviel wie Engliſchrot (f. d.). 

—— : Auififch = Franzd [de Strieg 
von 1806 bi 1807, ſ. Sranzöliid- Preu: 
biſch-RuſſiſcherKrieg von 1806 bis 1807. 

Prevali (Prävali), Dorf in der Bezirtshaupt: 
mannſchaft Böltermarkt in Kärnten (Öfterreich), 
Station der Linie Marburg : Billa der Südbahn, 
im Mißthal, einer rings von Höhen umgebenen 
Niederung, mit (1880) 938 (Gemeinde 6042) E. und 
dem größten Gijenraffinierwerk Härntens? 

Preveſa, wichtigiter türl. Hafen am Joniſchen 
Meer, Station der dalmatiih:albanef. Yinie der 
Hoyddampfer, der griech. Grenze gegenüber, am ſich 
bier verengenden und militärijch leicht zu beberr: 
fchenden Eingang des tiefen, für mittlere Kriegs— 
ſchiffe zugänglichen Golfs von Arta, auf einer den: 
felben vom Meere fcheidenden, ſchmalen Halbinfel 
und gegenüber dem durd die Seeſchlacht von 
Actium (2. Sept. 31 v. Chr.) berühmt gewordenen 
Vorgebirge gelegen, hat alte Mauern, einen ſichern 
Hafen, deilen Zugang aber durd) eine vorgelegene 
Sandbant erihwert wird, 5000 E. albanef, und 
griech. Stammes, die Schiffahrt und Handel trei: 
ben, und ift auf der Pandfeite von Dlivenpflanzun: 
gen umgeben. In der Nähe von P. befinden ſich 
die Ruinen des aus Anlaß des Siegs von Actium 
durch Octavianus erbauten Nilopolis. 

Prevorft, ein zur Pfarrei Gronau geböriger 
Meiler im Oberamte Marbach des württemb. 
Nedarkreifes, der Geburtsort einer durch Juſtinus 
Kerner (f. d.) belannt gewordenen Nerventranten, 
ber jog. Seherin von P. Dieje Kranke, Namens 
driederile Hauffe, geb. Wanner, wurde 1801 
als Tochter eines dortigen Nevierförfters geboren 
und zeigte ſchon früb krankhafte Reizbarkeit und 
Neigung zum Wunderbaren. Gie verbeitntete fich 
1819 mit dem Förſter Hauffe und zog mit dem: 
felben nah Kürnbah, einem Walddorfe an der 
bad, Grenze. Bald verfiel fie bier in ein lange an: 
haltendes heftiges Fieber mit geſpenſtiſchen Phan— 
tasnıagorien, Es trat endlich völlige Nervenzer: 
rüttung ein, und jebt 309 man Yultinus Kerner in 
Meinsherg als Arzt herbei, welcher anriet, die 


Preußiſchblau — Prevoft:Paradol 


Kranke aus ihrem magnetiihen Zuftanbe « binan- 
uführen» und mit den gemwöhnlidyen ärztlichen 

titteln au behandeln. Doc die Sirante verſchlim— 
merte fi — und nachdem ſie im Febr. 
1826 nach Weinsberg gebracht worden, griff Kerner 
zu dem Magnetismus und brachte fie in den Zu: 
jtand des ſog. Somnambuligmus, Den Verlauf 
diefer Behandlung erzählt Herner in der Scriit 
«Die Seberin von B.» (5. Aufl., 2 Bde., Stutta. 
1877). Immer böber ſich fteigernde Gfitafen führ- 
ten endlid 5. Aug. 1829 den Tod der Kranken ber: 
bei. Bei der Seftion fanden ſich krankhafte Ber: 
änderungen in den Unterleibsdrüfen, in der Leber 
und in dem Herzen. Vgl. auch Gichenmayer, «My: 
fterien de3 innern Pebens, erläutert aus der Ge— 
ichichte der Seherin von B.» (Tüb. 1830) und «Das 
verjcjleierte Bild zu Said» (%pz. 1830). 
_Prevoft d'Exiles (Ant. Francois), franz. 
Schriftjteller, geb. 1. April 1697 zu Hesdin in 
Artois, anfangs Mitglied des Jeſuitenordens, 
darauf Soldat und nad kurzer Nüdtehr in den 
Orden von neuem einem abenteuerlihen Soldaten: 
(eben fi widmend, trat, unbefriedigt von feinem 
weltlichen Leben, in den Orden der Benebiltiner 
von St.:Maur und nahm zu St.:Germain des: 
Pres an den gelehrten Arbeiten feiner Ordensbrü— 
der, befonders an der Ausarbeitung der « Gallia 
christiana» lebhaften Anteil. Später lebte er 
fchriftftellernd in Holland und England, wurde 
1735 Almofenier und Sefretär des Brinzen Conti, 
mußte infolge einer litterariichen Unvorfichtigfeit 
flüchten und ftarb 23. Nov. 1763 bei Chantilly. 
Durch P. erlangte die engl. Litteratur Einfluß aui 
die franzöfifche. Nachdem er feit 1728 in Holland 
feine «Mömoires d’un homme de qualit& qui s’est 
retir& du monde» (8 Bde.) herausgegeben, gründete 
er nach dem Vorbild des engl. «Spectator» 1733 
die Zeitjchrift «Le pour et le contre» und fchrieb 
eine Reihe abenteuerreicher, künſtleriſcher Kompo— 
fition entbehrender Nomane nad engl. Muiter, 
zum Teil an biftor, Perjönlichteiten antnüpfend, 
wie «Histoire de M. Cleveland» (6 Bbde., Utr. 1731 
und öfter; deutich, 3 Bde., Ypy. 1832), «Le doyen 
de Killerine» (1735), «Histoire de Marguerite 
d’Anjou» (1740) u. ſ. w., unter denen der bejte und 
befannteite die «Histoire du chevalier des Grieux 
et de Manon Lescaut» (2 Bde., Bar. 1733 u. öfter, 
deutfh von Bülow, Lpz. 1842) if. P. begann 
1746 jeine «Histoire generale des ren deren 
erite Bände bie Überjepung des engl. Werks «A 
new general collection of voyages» von Green 
(1745) enthalten, und die er bis zum 17. Bande 
führte, Er überfegte außerdem Werte Richardſons, 
Humes, Ciceros u. a.; eine Auswahl feiner Werte 
erfchien in Paris 1783 und 18310—16 unter dem 
Titel aDeuvres choisies», 

Prevoft:Baradol (Lucien Anatole), nambafter 
franz. Bolititer und Schriftiteller, geb. 8. Aug. 1829 
zu Paris, jtudierte an der Normalichule und erhielt 
eine Brofefiur für fram. Litteratur an der Alademie 
zu Wir, kehrte jedoch ſchon 1856 nah Paris zurüd 
und befämpfte im «Courrier du Dimanche» heftig 
da3 Napoleonifche Neigime, weshalb das Platt 
unterbrüdt wurde. B. war dann ftändiger Mit: 
arbeiter am «Journal des Debats» und wurde 
1865 Mitglied der Franzöfifhen Akademie. Kurz 
vor Ausbruch des Deutich - Franzöfiihen Kriens 
von 1870 nahm P. die Stellung eines Gefandten 
in Washington an und endigte fein Leben 20. Juli 


Prevdt und Prevdtalgerihte — Priamus 


1870 —— B.3 bedeutendſte Schriften 
find: «Eitudes sur les moralistes francais» (1864), 
«Du röle de la famille dans l’öducation» (1857), 
«La France nouvelle» (1868), und feine Brojdüre: 
et Deeos igerichte. Prevöt, d 
t talgerichte. PBrevöt, d. i. 
ren (vom lat praepositus, Vorge: 
eh e e 
bobe Bin 


in Frankreich verſchiedene 
Grand -prevöt de la conné- 
tablie, welcher leptere Würde überdauerte, übte 
mit feinen Lieutenants die Polizei in der Armee, 
mit Ausnahme der fönigl. Garden, die unter einem 
Prövöt des bandes ftanden, Der von Philipp V. 
eingejehte Pre&vöt de P’hötel richtete in allen Polizei: 
und inalfällen,, die im Bereiche des Hofs vor: 
lamen, und bie jeit Karl VII. Grand-prövöt de la 
France. Der Grand-prövöt de l’armde, welchen 
Napoleon einführte, beſaß zugleich faſt die ga 
Gewalt des alten Pr&vöt de France. Der Prevöt 
de Paris. war eigentlid der Präſident des Stabt: 
und Landgerichts der Vizegrafichaft Paris und als 
folder, auch Kreishauptmann der Ritterſchaft und 
Scirmvogt der Univerfität. Der Prövöt des mar- 
chands war das Haupt der Kaufmannsforporation 
und zugleich erfter Diunicipalbeamter von Paris: 
er verjah im ganzen die Funktionen de3 heutigen 
Maire, Außer der Hauptitabt befaß nur Lyon 
einen ſolchen Prevöt. Auch die Korporation der 
Bundärzte einen Brevöt; desgleichen führten 
diefen Namen mehrere Vorfteher geijtlicher Stifter. 
Diefe Würden find nicht zu verwechjeln mit den 
Soelalgeriäsien (Cours 1renötaes" Mreadtafbfe 
i prörvötales talhöfe 
oder et, zn welche die außer: 
ordentliche Bo ijuftiz in ben Provinzen mit ſum— 
marifchem ahren handhabten. Sie wadten 
über den ieden und pflogen über Landſtrei— 
dr me — et 5* er 
er untl ne e Juſtiz. elige und die 
meijten Staatöbeamten A Geriätsbarteit 
nicht unterworfen. Die Revolution machte den 
Prevötalhöfen ein Ende, Napoleon I. jtellte fie 
—* als Spezialgerichtshöfe wieder her. Nach 
n Reſtauration wurden fie aufgehoben, 
traten aber nochmals durch Geſeß vom 20. Des. 
1815 zur Verfolgung polit. Verbrecher auf drei 
abre wieder ins Leben. Bol. Frey, Frankreichs 
ls, und Kriminalverfafjung» (Mannh. 1842); 
erriöre, «Essai sur P’histoire du droit gais» 
* Becher (hier; Biliom), namhafter Ro 
ierry William), nambafter Phyſio⸗ 
log, 4. Juli 1841 in Mancheſter, befuchte die 
gemein zu Duisburg und Bonn und ftubierte in 
Bonn, Berlin, Heidelberg, Wien und Paris Natur: 
wiſſenſchaften und Medizin, habilitierte ſich 1865 in 
Vonn für Zoochemie und Zoopbyfil in der philoſophi⸗ 
jdhen, 1867 für Bhyfiologie auch in der mediz. Fakul⸗ 
tät und wurde 1869 als ord. Profeſſor der Ph fiolo: 
gie nach Jena berufen. P. war der erite, welcher bie 
quantitative Speltvalanalyje verwirklichte, jtellte 
zuerſt den wirlſamen Beitandteil des amerik. Pfeil: 
gifts, das Eurarin, rein dar, beftimmte die ren: 
® der Tonwahrnehmung wandte die Grundfähe 
Graßmannſchen Ausdehnungslehre auf die 
an in den «Elementen ber reinen 
dungslehre» (Jena 1877) und jtellte eine 
bie Uriadhe bes Ehlafs, (Brutto, 1B77Y Cine mit 
ie ats» (Stuttg. . Eine mit 
J. — aNeije nach Island im 


319 


Sommer 1860» wurde von beiden befchrieben ( 
1862). Bon größern Werken veröffentlichte P. 
außerdem: «Die Blaufäure» (Bonn 1868-70), 
«Die Blutlryftalle» (Jena 1871) und « Elemente 
der allgemeinen Phyfiologie, kurz und leicht faßlich 
dargeitellt» (2pz. 1883), ſowie namentlich «Die 
Seele des Kindes, Beobachtungen über bie geiftige 
Entwidelung des Menſchen in den eriten Lebens: 
Er. (2. Aufl., 2p3. — und «Spezielle 
Phyſiologie des Embryo, Unterſuchungen über die 
Lebenderjcheinungen vor der Geburt» (Upz. 1885). 
Die beiden legtgenannten Werte find die erften 
ihrer Art, P. zeigt darin die Fruchtbarkeit der 
Dejcendenzlehre für Phyſiologie und Pſychologie; 
den herrſchenden Anfihten über die Urzeugung tritt 
er entgegen, indem er die Möglichkeit der Entftehung 
von Lebendem aus Totem (Anorganifchem) ver 
neint. Don feinen populären Ejiays und Vorträ: 
gen erſchienen 2 Bände unter dem Titel «Natur: 
wiflenfchaftlihe Thatjahen und Probleme» (Berl, 
1880) und «Aus Natur: und Menichenleben» (Berl. 
1885). Auch veröffentlichte P. feit, 1862 eine grobe 
Anzahl von Driginalunterfuhungen, unter anderm 
über die Atmung, das Blut, den Hypnotismus, die 
— ‚und Tonempfindungen, in wiſſenſ 
ichen Zeitſchriften, und erflärte das ſog. Gedans 
fenlefen in natürlicher nei (1885). 

Preysst., bei naturbijtor. Namen — 5 
II, — Daniel —A— als Mar 
ch und Bergmeiſter zu Prag; «Böhm. Fauna»), 

eziös, j. Bretids, 
riamel ilt der Name einer Art kurzer, voll3- 

mäßiger gnomifcher Dichtungen, die in Deutjchland 
mindejtens vom 12. Jahrh. an, wo ſich bereits beim 
alten Spervogel Beijpiele finden, bis ins 16, gr. 
üblich und namentlich im 14. und 15. Jahrb. jehr 
beliebt war. Die eigentümliche Form dieſer Reim: 
ſprüche befteht darin, dab nad der Aufführung 
einer Reihe von Vorderſähen ein zu ihnen ind 
ejamt gehöriger kurzgefaßter Nachſat tritt, mit 

m der Spruch wie mit einer epigrammatif 
Spitze ſchließt. So 3. B.: «Wenn man einen Ein: 
fältigen betreugt, Und man auf einen Frommen 
leugt, Und Feindichaft zwiichen Ehleuten madt: 
der Dreyer Arbeit der Teufel lat»; und: «Eine 


junge Maid ohne Lieb, Und ein großer Jahrmarkt 
ohne Dieb, Und ein alter Jud ohne Gut, Und ein 
junger Mann obne Mut, Und ein alte Scheur ohne 
Mäus, Und ein alter Pelz obne Läus, Und ein 
alter Bod ohne Bart: das ijt Alles wider natürlich 
Art.» Der Name ift aus praeambulum, Vorberei— 
tung, entjtellt. Cine Sammlung von 54 P. lieferte 
Keller in «Alte gute Schwänte» (2. Aufl., Heilbronn 
1876). Bol. Wendeler, «De praeambulis corumque 
historia in Germania» (TI, 1, Halle 1870). 
PBriamus (ar. Priamos), der Sohn des Lao— 
medon und (mach Apollodor) der Strymo oder 
Plafia, König von \lios oder Troja, hieß (nad 
demfelben) früher Bodartes, d. i. der Schnellfühige, 
und befam den andern Namen erft fpäter, als ihn, 
der allein von den Söhnen des Laomedon übrig 
eblieben war, feine Schweiter Hefione von Hera- 
les lostaufte. Aus der Zeit vor dem Trojanifcher 
Kriege, der erſt in feinem ne Alter ausbrach, 
wird wenig von ihm erzählt, Nur das berichtet 
Homter, daß er mit den Pbrngiern gegen die Ama- 
zonen gezogen fei. Vermäblt war er nach Apollo: 
or auerlt mit Ariöbe, der Tochter des Merops, bie 
ihm den Uſakss gebar. Seine zweite Gemahlin 


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320 


bieß Helabe (lat. Hecuba, f. d.), und von biejer 
war er nad Apollodor Vater des Heltor, Paris, 
Deiphobos, Helenos, Pammon, Bolites, Antiphos, 
Hippenoos, Polydoros, Troilos, der Ardufa, Lao— 
dite, Bolyrena und Kaſſandra. Außerdem batte er 
no Kinder von andern MWeibern, nad Homer im 
ganzen 50 Söhne, von denen 19 von der Helabe 
waren. Am Kampfe zur Verteidigung Trojas nahm 
er feines Alter wegen nicht teil. Nach den die 
Beritörung Trojas — Dichtern fand er 
einen Tod durch Neoptolemus am Altar des Zeus 
Herleios, oder auch an der Schwelle des Palaſtes. 
riapea, ſ. unter Priapos. 
riapismus (grch.), der trankhaft geſteigerte 
a — bei — = sfaft 
riäpos, ein griech. Gott der Zeugungskra 
und in put Fruchtbarkeit der Natur, unter defien 
Schuß die Gärten und Weinpflanzungen, fowie 
wohlbewãſſerte Wiefen und die auf denjelben weis 
denden Herden ftanden. Sein Hult war befonders in 
Lampſalos und einigen benadbarten Städten am 
Hellespont und der ro ontis — aber auch 
über Lydien und mehrere Inſeln, ſowie über Griechen⸗ 
land und von da nach Italien verbreitet. Nach der 
ewöhnlichen Sage war P. ein Sohn des Dionys 
03 und der Aphrodite (oder auch einer Nympbe); 
eine andere Tradition nannte Hermes feinen Vater. 
Dargeftellt wurde er gewöhnlich als bärtiger, nad) 
afiat. Weife belleiveter Mann mit —— 
— Zeugungsgliede, in dem aufgehobenen 
churz ſeines Gewandes Baumfrüchte und Trau— 
ben tragend, ein turbanähnliches Tuch oder einen 
Kranz von Weinlaub ums Daun ei ben Nö: 
mern, welde P. mit ihren ländlichen Zaren (f. d.) 
identifizierten, wurden rohe Holzbilder des P., eine 
Diype oder Keule in der Hand, ein hin und ber 
wanfendes Rohr auf dem Haupte, als Bogel: 
ſcheuchen in den Gärten aufgeftellt. Röm. Dichter 
machten diefen Gott nicht Jelten zum Gegenſtand 
Heinerer, an Wis und epigrammatljchen Aeinten, 
aber aud an Unfauberleiten reicher Dichtungen 
Er ea); eine beträchtliche Anzahl (82) davon 
ind heiter Sie find von Sciopius (Schoppe) 
und Anton befonders herausgegeben und aud) in die 
——— der lat. Anthologie von Burmann und 
von Meyer, ſowie in die Textausgabe des Petro— 
nius von Büdheler (3. Aufl., Berl. 1882), in Müllers 
«Gatull» und in Bährens’ «Poetae latini minores» 
aufgenommen.i 
ribislau (Pribislav, fpr. Brihibislau), Stadt 
in der Bezirlshauptmannſchaft Bolna im öftl, Böh: 
men, rechts an der Sazawa, iſt Station der Linie 
Dien:Tetihen der Oſterreichiſchen Nordweitbahn, 
Sitz eines Bezirkägeriht3 und hat (1880) 2674 E. 
flaw. Zunge, Yandwirticaft, eine Stärke: und Ol: 
nn. abrit und Ziegeleien. Der frühere Bergbau 
auf Silber ging während der Huflitenkriege durch 
Zerftörung der Gruben ein. In der nädjten Um— 
gebung, bei Schönfeld, ift ein Dentmal an ber 
telle, wo Ziäta ftarb. 

Pribram 5 Prſchibram), königl. Berg: und 
Bezirksftadt in Böhmen, ſüdweſtlich von Prag, an 
der Rakonitz: Protiviner Staatsbahn, mit (1880) 
11171 größtenteils jlaw. Bewohnern, ift Siß einer 
Bergdireltion, die unmittelbar unter dem Han: 
delöminifterium fteht, einer Bezirtshauptmann: 
ſchaft und eines Bezirksgerichts und hat eine Berg: 
alademie, eine niedere Bergſchule, ein Pädago: 


eium und ein Ober:Realgymnafium, Die größte 


Priapea — Pridard 


Bedeutung hat P. durch. feinen Bergbau auf-Sil- 
ber, der nicht nur der bedeutendfte in Böhmen, fon: 
dern in der ganzen Monardie iſt. Er reicht ur: 
fundlih bis 1330 hinauf, wurde durd) 
häufig unterbrochen und gefhädigt und ift feit 
nn en e Kuranteile der — 
urgerſchaft ausgenommen, in ausſchließlichem 
des Staats. Sein Erträgnis beläuft ſich 
jährlich durchſchnittlich auf 45000 Mark feinen 
Silbers. In einer — von 1 km liegt 
Heiligberg, der berühmtejte Wallfahrtsort Böh— 
mens, den jährlich etwa 100000 Andächtige befuchen. 

Pribylowinjeln, Inſelgruppe im Berings- 
meer, zum Territorium Alasla der Vereinigten 
Staaten von Amerika gehörig, unter 170° weſtl. 2. 
von Greenwich und etwa 57° nördl, Br., mit den 
beiden Hauptinfeln St⸗Paul und St..George, 
haben ee: 400 E., blaue Füchfe, Seebären 
und andere Pelztiere, deren Jagd ehemals ſehr 
wichtig war. Das Klima ift rauh und kalt, felbit 
im Sommer berrihen dichte Nebel, 

Price (Bonamy), engl. Nationalöfonom, geb. 
22, Mai 1807 auf Guerniey, ftudierte in Orforb, 
wurde dann Lehrer am College in Nugby und 1868 
Profeſſor an der Univerfität Orford. Bon feinen 
größern Schriften find zu nennen: «The principles 
of currency» (Lond. 1869), «Currency and bank- 
ing» (Pond, 1876, deutich von Brefeld, Berl, 1877), 
«Practical political Economy» (Lond. 1878). 

Prichard (James Comles), berühmter engl. 

byfiolog, wurde 11. Febr. 1786 zu Roß in 

erefordihire geboren, ftudierte Medizin und lieh 
ſich als Arzt in Briftol nieder, wo er ji vorzugs⸗ 
weife der Behandlung von Geiltesfrantheiten wid⸗ 
mete. Go wurde er auf phyfiol. Studien geführt, 
deren erjte Frucht: «Researches into the physical 
history of mankind» zunächſt 1813, fpäter in ver: 
mebrter .. erfdhien (3. Aufl., 5 Bde., Lond. 
1838—47; deutſch von Wagner und Will, 4 Bde, 
Lpz. 1840—48) und die Frage, über Einheit oder 
Kai ing oe des Menſchengeſchlechts mit einem 

roßen Aufwand von Gelehriamleit behandelt. 
Eine fehr populär gewordene Zufammenit 
—— Forſchungen über denſelben Gegenſtand 

ie «Natural history of man» (Lond. 1843; 4, 
mit — von Norris, Lond. 1865). Im 
dem Werke « The eastern origin of the Celtic na- 
tions» (Lond. 1831) legte er wichtige etbnogr. und 
linguiftiiche Bemerkungen nieder, während er in 
der «Analysis of Egyptian mythology » (Lond. 
1819; deutf von 2. Haymann, Bonn 1837) die 
vorhandenen Hilfmittel mit Umfiht bemupte, 
Dabei war er eg. als mediz. Schriftiteller uner: 
mübet thätig, wie feine « History of the epidemie 
fever that prevailed in the years 1817—19» 
(Briftol 1820), feine « Treatise on diseases of the 
nervous system » (Lond. 1822), befonders aber bie 
« Review of the doctrine of a vital principle, as 
maintained by some writers on physiology» 
(2ond. 1829), «Treatise on insanity» (Fond. 1835) 
und «On the different forms of insanity in rela- 
tion to jurisprudence» (CLond. —9 beweiſen. 
Nachdem ihm die Univerſität er ie Doktor: 
würde erteilt und die Ethnologiſche Gefellichaft 
zu ihrem Präſidenten erwählt hatte, ehrte Die 
gierung 1845 feine Berdienfte durch Ernennung 
zum Kommijlar für Irrenhäuſer (Commissioner 
of lunacy). Hierdurch veranlaßt, 309 er nad Lon⸗ 
don, wo er 22. Dez. 1848 ftarb, 3 bat weſentlich 


Pride — 
m ing der Phyfiologie und ‚a id an 
n 
f 


einen 
tellung 


at er fi 


eigetragen; der Biychiatrie 
die Au 


dauernden Namen gemadt dur 
1.) Bejeiäneten ——— 
« d.) bezeichneten pſychiſchen Krankbeitsform. 
ride oder B id e, Soviel wie Reunauge. 


den, die in (üffen oder engen feidhten Fahr: 
waſſern zur Bezeichnung der Fabrrinnen an deren 


Seiten in den Grund geitedten Stangen, 
Mir rignitz. ſkeſſel. 
iel, die zwei hoͤchſten Punlle der Gebirgs⸗ 
gruppe, die ih an der Grenze von Oberöfterreich 
und Steiermark zwiichen den Flüffen Traun und 
Steyr ausbreitet und im Volle das Tote Ge: 
birge genannt wird. Der große Briel (2511m) 
it ein befuchter Ausfichtspuntt. Der Keine 
Briel (2132 m) bietet eine beichränktere Rundficht. 
Am Fuße beider Höhen ziehen fich die durch ihre 
Naturfhönbeiten berühmten Thäler der nördl, 

Kaltalpen, Vorder: und Hinterftoder hin. 

Briel, enge Durchfahrt zwiihen zwei Sand: 
bänten, t. unter Bant (geographiich). 

Priene, im Altertum eine ion. Stadt in Ka— 
rien Buyer Milet am latmiihen Meerbufen, 
von fie fpäter da3 vom Mäander ange: 
Ihwennmte Land trennte, am Abhang des Mylale: 

ebirges. Sie war eine der zwölf Bundesftädte der 
onier. Man bat dort bebeutende Ruinen gefun: 
den, namentlid von dem Tempel der Athena 5 
lias, der eine Weihinfchrift von Alerander d. Gr. 
trug, die mit andern in P. gefundenen Neften von 
Etulpturen ins Britifche Muſeum gebradht wurden. 

Briefen —— Stadt in der Bezirlshaupt— 
mannſchaft Komotau im nordweftl. Böhmen, Sta: 
tion der Linien Prag⸗ Komotau⸗Eger und P.:flaa: 
pe Buſchtiehrader Bahn, mit (1880) 968 

n 
der chi find Kohlengruben. 
r 


Beiegmin,t diene ſ. unter ent : 


* ig Wincenz), der Begründer der neuern 
Kaltwafjerkur (f. d.), geb. zu Gräfenberg im öfter, 
Schleſien 5. Dit. 1799 als der Sohn eines Land: 
manns, übernahm die VBewirtihaftung feines 
väterlihen Gutes. Teils durch einen in der Näbe 
wohnenden Dann, der oft Heinere Berwundungen 
an ſich und andern durch Anwendung von kaltem 
Waſſer beilte, teils durch den Erfolg diejes Ver; 
fabrens an fü —— bei einer bedeutenden Ver— 
wundung durch den Schlag eines Pferdes auf die 
Heillraft des lalten Waſſers aufmerliam gemacht, 
erteilte P. je häufig den — * der Um: 
egend Ratichläge, wie fie alle übel mit kaltem 
fier befämpfen follten, und erlangte durch meh: 
tere — d glüdliche Erfolge diefer Methode 
einen ziemlich bedeutenden Auf unter feinen Nad): 
barn. Nach und nad) immer mehr um Nat ange: 
gangen, bildete er fic durch die Modifitationen, in 
denen er fein Mittel anwendete, fowie durch die 
Erfahrungen, die er dabei fanmelte, eine Art 
en nad) dem er bie bei ihm Nat Suchenden 
t ndelte, lid) famen 1826 auch einige Fremde 
in — arg { * an, welche längere oder 
tü dafelbjt blieben, ſodaß fi) 1829 die 
Zahl $ ber Babegäfte ſchon auf 49 belief. V. ftarb 
28. Nov. 1851, feine Heilanftalt feinem Schwieger: 
john zurüdlafiend, 
Umfchlag, f. u. Bähung. 
im allgemeinen die, welche von 
Berufs wegen die gottesdienftlihen Handlungen 
Converfations» Leriton. 13. Aufl. XIIT, 


ch als Moral insanity 


€., Eiſenwerlen und Sauerbrunnen, In | de 


Priefter 321 


vollziehen. Nach einer faft bei allen Völlern ber 
heidniſchen Welt verbreiteten Anfhauung konnten 
nur beftimmte Berfonen, von denen man meinte, fie 
ftänden der Gottheit näher al3 andere, die religiö: 
jen Ceremonien, namentlich die Opfer (f. d.), an 
der Stelle der übrigen verrichten. Diefelben galten 
dem Bolfe für heilig, wohl auch als mit wunder: 
baren Kräften begabt und übernahmen ſonach das 
Mittleramt zwiſchen Göttern und Menihen. In 
den älteften Zeiten patriarhalifhen Lebens war 
das Yamilien» und Stammeshaupt zugleich mit 
den priefterlidhen Funktionen betraut, Später war 
die priefterliche Würde mit dem Königtum verbun: 
den. Sn Athen, Nom und anderwärts führte aud) 
nad) der Cinfü gi der republilaniſchen Berfafs 
fung der oberfte P. den königl, Titel (Zeywv Baar- 
keU;, rex sacrorum), Dagegen fheint in den 
deſpotiſchen Stanten des Morgenlandes das Prie: 
ftertum fich früh ſchon von der königl, Würde ge: 
trennt heat und neben der Madıt der Fürften 
bildete fi bier ein bald durch Wahl und Beruf, 
bald durd) erbliche Gefchlechtsfolge fortgepflangter, 
durch höhere Weisheit ausgezeichneter geichloflener 
Vriefterftand. So zeigten fich bei den Ägyptiern, 
Griechen und Römern die P. auch als Ratgeber 
der Negierungen und übten auf das öffentliche 
Leben einen tiefgreifenden Einfluß. Ihr urfprüng: 
liches Gefchäft war, aus geheimnisvollen Anzeichen 
(Orakel, Bogelflug, Eingeweideichau u. f. m.) den 
Willen der Götter zu erforfchen, durch fymbolifche 
—— das Göttliche zur Anſchauung der 
enſchen zu bringen und den nationalen Kultus 
(Opfer, Gebete, Prozeſſionen u. f. w.) zu leiten. 
Bei den —5— findet ſich bereits eine ausge— 
bildete Theotratie. Wie anderwärts, jo rührte 
auch bei den Hebräern die religiöfe Gefekgebung, 
welche ſich zum großen Teil mit den Opferritualen, 
n Moden: und Yahresfeiten, den eg und 
Neinigkeitsvoricriften beſchäftigte, von den P. 
ber und ficherte Iguen daher die religiöfe und 
polit, Leitung des Volls, bis in der Folgezeit die 
Schriftgelehrten ihr Anſehen in den Schatten ftell: 
ten. Das jüd, Prieftertum, gefchichtlich zu Davids 
Zeit aus dem Geſchlecht Hadots ervorgegangen, 
t ſich erit jpät zu einer eigenen rt: entwidelt, 
an deren Spibe der Hoheprielter (f. d.) ftand. In⸗ 
dem man die Ausübung der rieſterlichen Funltio⸗ 
nen an die (vermeintliche) Abjtammung von 
Aaron (f. d.) nüpfte, fanten die Leviten, d. h. 
die übrigen Glieder des fon. Prieſterſtammes Levi 
(ber aber mit dem alten, frühzeitig untergeordneten 
Stanme Levi nur den Namen gemein hat) zu 
bloßen Tempeldienern herab, Die fpätere Geſeh— 
gebung führte indefien nicht bloß die Ausfonde: 
rung eines bejondern Priefterftannmes (Levi) und 
die reihe Dotierung desfelben mit eigenen Städten 
und Ländereien ſchon auf Mofe zurüd, fondern 
aud) die Unterfcheivung von P. und Leviten und 
das Inſtitut des Desenpeichertumd. Diejelbe Ge: 
feßgebung beftimmte, daß das Prieftertum nur 
vom 25. oder 30. bis zum 50. Jahre verwaltet 
werden könne; doch konnte zu Davids Zeit der 
Gintritt in das ——— ſchon mit dem 21. 
Ybe beginnen und lebenslänglich dauern. Zur 
erwaltung des Tempeldienftes und Opferlultus 
waren 24 Prieſterklaſſen beſtellt; jede hatte einen 
Vorfteher und war ſteis eine Woche lang im Dienit. 
Bon Zehnten, Erftlingen und Opfern b ogen ſie 
ihren Unterhalt. Als Kleidung trugen fie einen 


21 


322 - 
weißen Nod, buntgewirkten Gürtel, Turban oder 
ein Kopfband von Byſſos 


Nach der urchriſtl. Grundanſchauung follten alle 
Bläubige ein —* Prieſtergeſchlecht und Gottes 
Eigentumsvoll bilden. Obwohl Jeſus ſelbſt die 
prieſterlichen Ordnungen nicht antaftete, fo trat 
das Prieſtertum ebenjo wie der Tempelkultus von 
felbft in feiner Lehre zurüd, Doc das von alt: 
teitamentlichen Anihauungen erfüllte Bewußtjein 
der ältejten Chriſten konnte der Prieſteridee ſelbſt 
auf die Dauer nicht entbehren. Der Brief an die 
Hebräer ftellte Jejum felbjt als den wahren Hohen 
Prieſter dar, welcher einmal ins Allerheiligite ein: 
gegangen, durd feinen blutigen Opfertod eine 
ewige Verföhnung geitiftet habe. Seit Ende bes 1. 
oder Anfang des 2. Jahrh. begann eine neue chriſtl. 
Prieſterſchaft oder ein eigener Klerus (ſ. d.) im 
Unterſchied von den Laien nad dem Vorbilde der 
altteftamentlihen Ordnungen fih zu entwideln, 
Schon im 2. ya) . durften gewiſſe T1 e Hand: 
lungen, wie die Feier des Heiligen Abendmahls, 
nur durch die Biſchöfe und Presbyter verwaltet 
werben, deren Verrichtu man immer mehr im 
Lichte de3 moſaiſchen Srieftertums betrachtete. 
Beſonders trug hierzu bei die gefteigerte Vorſtel⸗ 
lung he niet re om 
8. Jahrh. die Meßopferidee, welche den priejter 
a als eine —— zwiſchen Gott und 
den Menſchen erſcheinen ließ. Allmählich bildete 
ſich ein durch viele Grade gegliederter Klerus aus, 
welcher ein großes Gepränge im Gottesdienſte wie 
in der Kleidung einführte, die Gewifjen beberrfchte, 
von den Laien reihe Einkünfte bezog, und bald 
— auch in einen äußerlichen Tempeldienſt ver: 
anf, In der kath. Kirche kommt der Name Fe 
nicht allen Mleritern, fondern denjenigen zu, welche 
das heil. Amt der Meſſe verwalten. Die Brie: 
fterweibe (f. Ordination), welde als Sakra— 
ment gilt, erfolgt durch den Biſchof. Sie beiteht 
darin, daß ber Biſchof dem zu Weihenden unter 
Gefängen und Gebeten die Hände auflegt, ihm die 
innere Fläche der Hände, Daumen und Zeigefinger 
ſalbt, die Stola, das Meßgewand und andere Zeile 
der priefterlichen Kleidung überreicht und ihm die 
Befugnis gibt zu allen priefterlihen Funktionen, zu 
binden und zu löjen, zu fegnen, zu weihen und zu 

eiligen. Die prot. Kirche hat nicht nur die Prie: 

terweibe ald Satrament, fondern den ganzen Bes 

griff eines beſondern Vriefteritandes verworfen 

und, bie dee eines geiltlihen Prieftertums aller 

Chriſten im Zufammenbang mit der Lehre von der 

einigen Mitt —* Chriſti wieder hervorgezogen. 
i 


hre Geiftlichen find daher ‚aber t 2 
i Beieher Johannes, — — 
re er. 


Briefterfehrift (bieratifde Schrift), f. 
unter Hieroglypben. 

Priefterftädte werben diejenigen 13 von 48 
Levitenftädten in Baläftina (4 Mof. 35) genannt, 
welche nad) Joſ. 21 den aaroniti hen Brieftern zu 
Wohnungen angewiefen worden fein follen und in 
den Stanımgebieten Juda, Benjamin und Simeon, 
aljo rings um Jeruſalem lagen, eine ideelle Ein: 
richtung, welche das Worbandenjein des Tempels 
zu Jeruſalem vorausſeßt, aber wahrſcheinlich nie⸗ 
mals zur thatfächlihen Verwirklichung gelangte. 

Een CO. mal Bi Sfr 
e 0f.), eng olog, ilofopb, 
Chemiter und Phyſiler, geb. 13. März 1733 a 


Priefter Johannes — Prignitz 


Fieldhead bei Leeds, ſtudierte Theologie und erbielt 
1755 ein Predigtamt bei den Independenten in Sufs 
folt. Cr wurde 1761 Profeſſor der Litteratur an 
der Alademie zu Warrington und 1768 Prediger 
der Socinianer in Leeds. Als Theolog jah er * 
bald in Streitigleiten mit Reid, Beattie u.a. ver: 
mwidelt, namentlich durch feine Schriften «Exami- 
nation of the doctrine of common sense» (Lond. 
1775), «Disquisition on matter and spirit» (Lond. 
1777), «The doctrine of philosophical necessity 
illustrated» (Vond. 1777), » History of the cor- 
de of christianity» (2ond. 1782), in denen 
er die Bibrationen der Gehirnnerven als die mate: 
riellen Urfachen des Empfindens und Dentens dar: 
ftellte, die Kirche für eine Feindin der Wahrheit er: 

te u. ſ. w. Geine chem. ober fil, Arbeiten 
waren «History and present state of electricity » 
(Lond. 1767), «History and present state of disco- 
veries relating to vision, light and colours» 
(2 Bde., Lond. 1772; deutich, Lps. 1775), « Obser- 
vations on different kinds of air» (Lond. 1772). 
P. ging_1780 nad Birmingham als | er 
einer Diſſentergemeinde. Doch jeine Schriften und 
die Verdammung derjelben durch die Er 
bradten ihn in —* böſen Ruf, den er durch die 
«Familiar letters addressed to the inhabitants of 
Birmingham in refutation of several charges» 
Sl nicht zu verbeflern vermochte. Der Unmille 


Pobels in Birmingham brad end: 
u. derg t gegen ihn los, daß fein Haus nieber: 
gebrannt wurde und er nur mit 


e 
retten konnte. Drei Jahre nachher ſchiffte er fich 
nad Amerifa ein, wo er ſich zu Nortbumberland 
in Bennfylvanien nieberließ und feine « History of 
the christian church« (4 Bde. Rorthbampton 1803) 
—* Er ſtarb 6. Febr. 1804. Die 
dankt ihm eine Menge der wichtigften En 
indbefonbere die des Saueritofis und bes er: 
ftoffs. In feinen theol. Anfichten war er trog feiner 
Freiſinnigleit ein Feind des Unglaubens, gegen den 
er 8 in mehrern Schriften, z. B. «Institutes of 

and revealed religion» (1781) kämpfte, 
Seine Autobiographie ift in der von Rutt heraus: 
gegebenen Sanımlung der « Theological and mis- 
cellaueous works of Joseph P.» (25 Boe., Hadney 
1817) enthalten; feine Narmorftatue wurde 1. Aug. 
1874 in Birmingham enthüllt. 
j ka a, (Priegrig) oder Bormarl hieß ders 
jenige Zeil der ehemaligen Kurmarl Brandenburg, 
welder von Hannover, Medlenburg, der Mittel: 
mark, bem Herzogtum Magdeburg und der Alt 
mark begrenzt wurde. Dieje Landſchaft hat laden, 
fandigen Boden und wird an ihrer Sübweltgrenze 
von ber Elbe und Havel berührt und von ben Fluſ⸗ 
fen Doſſe, Stepenik, Elbe und Löleniß durchfloſſen. 
Die von den wend. Brizanen bewohnte B. bildete 
den wi tigften Schauplak des Kriegs zwifchen den 
nordſächſ. Markgrafen und den Wenden und wurde 
beuticherjeits Unterfhied von ber Nordmart 
(f. Altmark) die Bormark genannt. Diefer 
Name wurde auch fpäter in amtlihen Grlafien 
der gewöhnliche. Ohne Zweifel hat Albrecht der 
Bär bei jeinem Vorbringen über die Elbe zunädit 
in der P. feine Herrſchaft dauernd as Sie 
blieb im Beſiß der Aslanier, wurde nad deren 
Ausſterben (1320) von medienb. Fürften einge: 
nommen, jedoch von Ludwig dem filtern aus dem 
aufe Wittelsbach durch Bermittelung feines 
chwiegervaters, bes Königs von Dänemarf, 1324 


ie ver: 


Prifas — Prima Plana 


wieder gewonnen. Die Streitigleiten ber eriten 
Hohenzollern mit Medlenburg wegen der P. wur: 
den endgültig 12. April 1442 durch den Bertrag 
von Wittjtod beigelegt. Als er von fur: 
brandenburg 7 ie P. in fieben Kreiſe: Perle: 
berg, Brigwalt, Wittjtod, Kyrik, Havelberg, Lenzen 
und Plattenburg. Hauptftadt war Perleberg. 

Gegenwärtig zerfällt die P. in zwei Kreiſe, die 
ren (1880) auf 3346, qkm 140491 €. zäh: 
en: 1) der Kreis Weitprignib, 14634 qkm 
mit 72956 E., enthält die Kreisftadt Perleberg 
an der Stepenig mit 7825 E. und die Städte Wit: 
tenberge (9711 E.), Havelberg (7054 E.), Lenzen 
(2828 E.), Wildnad (2254 E.) un le (1942 E., 
Stammfig der «Edlen Gänfe von Putli»), 2) der 
Kreid Oftprignis, 1883,2 qkm mit 67535 E., 
enthält die Kreisftabt Kyrik mit 5111 E. und bie 
Städte ng (6838 E.), Prißwall (6041 E.), 
Meyenburg (1589 E.) und das Gut und abelige 
dräuleinitift Heiligengrabe, früher ein berühm: 
tes Eijtercienjer-Nonnentlofter, das 1289 geitiftet 
murbe, mit 309 


E. 
Prikas (ruſſ.), Befehl; im moslowitiſchen Zar⸗f 


tum bezeichnete man mit dieſem Worte auch die 
zahlreichen Centralbehörden, welche fi zum Teil 
aus ben Kanzleien des Bojarenrat3 (Bojorskaja 
duma, ſ. unter Bojar) gebildet hatten und an 
deren Spihe Bojaren oder Hofbeamte ftanden. 
Prikasnyje, Ranzleibeamte, prikaszczik, Berwal: 
ter eined Gutes, eines Dorfs, feltener einer Stadt. 

eilltwig, Pfarrdorf im Großherzogtum Med: 
lenburg.Strelig, am See Lieps, hat (1880) 210 E. 
Die jegt im neuitreliger Mufeum befindlichen Gößen: 
bilder (ſog. Prillwiger Idole) werden fajt allgemein 
für unecht gehalten. 

Priluki, Kreisſtadt im ruff. Gouvernement Bol: 
tawa, 240 km nordweitl. von Poltawa, am Udai, 
mit (1881) 13097 E., treibt Handel mit Tabal, 
Getreide, Talg und Vieh. 

Prim (Yuan), Graf von Reus und Marquis 
de los Gajtillejos, berühmter fpan. General und 
Staatsmann, geb. 6. Dez. 1814 zu Reus in Gata: 
lonien, trat 1834 beim Ausbruch des Bürgerkriegs 
in das Heer ber Ghriftinos und ſchwang fh raſch 
zum Oberſten auf. In polit. Hinficht hielt er zu der 
Partei der Progrefliften und beteiligte fich lebhaft 
an der Dppofition gegen den Regenten E3partero, 
Als Nov. 1842 der Aufitand in Barcelona aus: 
brach, geist BP. in Verdadt der Mitfhuld, Er 
ae ich der Verhaftung durch die Flucht nad) 
Fanktreich, kehrte aber wieder zurüd, als ihn feine 
—* ern Ab eorbeten Jr Barcelona gegen 
weitere Verfolgung jhüpte, Als im nächiten & re 
die Moberados und die Progreffiften fi zum 
Sturze Esparteros vereinigten, f —* te neben Nar: 
vaez auch P. eine hervorragende Rolle. Ende Mai 
1843 erhob er in feiner Baterjtadt Neus die Fahne 
des Aufftandes und warf ſich dann nad} Barcelona. 
Die neue Regierung erhob ihn dafür zum General 
und Grafen von Reus und ernannte ihn zum Gou: 
verneur von Madrid. Die im Herbit 1843 in Bar: 
celona begonnene Erhebung der radifalen Partei 
ſchlug P. 1844 mit Wafjengewalt nieder, erkannte 
indes, daß er nur ben Dioderados in die Hände ge: 
arbeitet, und 300, fi deshalb aus dem Dienfte du 
rüd, $. wurde im Dft. 1844 verhaftet, auch der 
Verſchwörung und des Morbverfucdhs gegen Nar: 
vaez angeklagt; doch verurteilte ihn das nn cn 
gericht nur zu fechsjährigem Gefängnis und die 


323 


Königin begnadigte ihn 1845 vollitändig. Später 
ging % als Generaltapitän nad der Inſel Bor: . 
torico, erhielt aber 1848 feinen Abſchied. Seitdem 
wirkte er al3 einer der peogeeifijtiihen Führer in ber 
Deputiertenlammer und ward deshalb im April 
1853 nad) Frankreich verwiefen, von wo er fi) Ende 
1853 nad) der Türkei wandte, um den Operationen 
der Donauarnee gegen die Ruſſen beizumohnen. 
Nach feiner Rüdtehr nah Spanien widmete er ſich 
wieder ber parlamentarijchen Thätigkeit und wurde 
1858 zum Mitglied des Senats ernannt, Beim 
Ausbruch des Kriegs gegen Marollo erhielt er das 
Kommando einer Rejervedivilion, anderen Spiße er 
im Sei bei 203:Gaftillejos 1. Jan. 1860 ſich 
augzeichnete. Die Königin verlieh ihm dafür den 
Titel eines Marquis de los Caftillejod. Nachdem 
die fpan. Regierung durch Konvention vom 31. Dit. 
1861 mit England und Frankreich eine gemeinfame 
Intervention in Merito vereinbart, wurde B. mit 
dem —— über das ſpan. Erpeditionslorps 
betraut und landete Anfang 1862 in Veracruz. 
Die Spanier und Engländer wollten jedoch den 
ranz. Eroberungsplänen nicht dienen, und auf der 
Ktonferenz zu Drizaba 9. April entzweiten ſich die 
——— ber Verbündeten vollends. P. ent: 
ſchloß ſich, — eigene Verantwortlichleit Mexilo zu 
verlaſſen, und lieb feine Truppen 25. April in 
Beracruz einſchiffen. Dies Verfahren ward von 
der fpan. Regierung und nachträglich auch von den 
Cortes gebilligt. ’ 

Am 13. Aug. 1864 erfolgte wegen angeblider 
Zeilnahme an einer Verfhwörung die Berbannung 
P.s nad) Dviedo. Er wandte fi) hierauf ins Aus: 
land, erhielt aber durch königl. Delret vom 10. 
Juni 1865, welches freilich nach wenigen Tagen 
amtlich zurüdgenommen ward, ben Befehl, nad) 
Madrid zurüdzulehren,. Am 3, Jan, 1866 gab P. 
dad Zeichen zum Aufitande, mußte aber ſchon 
20. Yan. über die 8* Grenze flüchten. Am 
17. Febr. 1867 wurde er von der portug. Regie: 
rung ausgewieſen und * nach England. Von 
dort und von Brüuſſel aus leitete er einen im Som: 
mer 1867 in Spanien ausbrechenden Aufitand, 
welcher aber jehr bald durch O Donnell unterdrüdt 
wurde. Als 17. Sept. 1868 unter ber en des 
Admirals Topete die Militärrevolution in Cadiz 
ausgebrochen, erſchien 19. Sept. P. daſelbſt und 
erließ 20, Sept, mit Serrano, Topete und andern 
verbannt geweſenen Generalen ein Manifeft über 
die Ziele der Erhebung. P. erſchien 26. Sept. vor 
Murcia, das fofort überging, und 308 nachdem 
Serrand 28. Sept. den königl. Genera Novaliches 
bei der Brüde von Alcolea geſchlagen, 7. DEt. in 
Madrid ein. In der von Serrano 8, Dft. gebilde: 
ten Proviſoriſchen Regierung — das 
Miniſterium des Kriegs, wurde 27. Dit. von Ser: 
rano zum Generallapitän der Armee ernannt, 
blieb während der Regentideft Serranos Kriegs⸗ 
miniſter und trat als Miniſterpräſident an die 
Spiße des Kabinetts. Er ſehte nad) dem Scheitern 
mehrerer anderer Kandidaturen die Wahl des Her: 
po Amadeus von Nofta zum König von Spanien 
ur, erlag aber fhon 30. Dez. 1870 den Wun: 
den, bie er von Meuchlershand 27. Dez. empfangen 
hatte. (S. unter Spanien.) 

ima, — —— unter Wechſel. 
imagen, ſoviel wie Kaplalen. 

Prima Plana, da3 nicht in Reihe und Glied 
ftehende Berfonaleiner Kompagnie; man unterfchied 
21* 


324 


früher das geſamte Kriegsperfonal liſtenmäßig in 
Stäbe, Prima Plana und Gemeine. _ f 

Primär (fra), urjprünglic, anfänglich; fo pri 
märe Gebirge, Urgebirge, — In der 
Heillunde nennt man primär ein fibel, welches 


nicht erft Folge einer andern Krankheit ——— 
tertiär) it ondern unmittelbar aus der frant 
machenden Urſache entiteht. 


Primärfchulen (Ecoles primaires) heißen im 
anz. und auch im belg. Schulweſen alle diejenigen 
ehranftalten, welche eine allgemeine Borbildung 
bezweden, fie fallen im weſentlichen mit unfern 
Elementar-, Volls⸗ und Bürgerfhulen zufammen. 
Yan gegenüber ftehen die Selundärjdhulen 
ecoles secondaires, collöges), die unfern Gelehr: 
tenfhulen (Gymnaſien —*— u. ſ. mw.) * 
und zunächſt auf das Stu ium der alten Sprachen 
game find, Außerdem gibt es in Frankreich 
coles primaires sup@rieures, höhere Bürger: und 
Realihulen, welhe auf dem Gebiete der modernen 
Wiſſenſchaften und Spraden ebenfo weit über die 
rimärfchulen hinausgehen, als die Gymnaſien in 

rem Bildungsbereiche, ä 

Primas, aud Metropolitan und Erard), 
wurde in der alten Kirche der Biſchof der Haupt: 

abt einer Provinz (in Afrita der am längiten ors 

inierte Biſchof der Provinz) genannt. Später 
warb P. der Amtstitel für die päpftl.Bilarien, Im 
11. Jahrh. verfuchten die Bäpfte mit Berufung auf 
die pfeuboifidoriichen Delretalen, den angefehen: 
en Erzbiſchof jedes Landes zum P. und apoftoli: 
hen Vilar zu erheben und iöm die übrigen unter: 
uordnnen. Allein die Erzbif L erklärten ſich ent: 
chieden dagegen, und fo blieb P. ein bloßer Ehren: 
titel mit einigen Chrenredhten, k B. dem Vorſih 
auf den Nationalkonzilien, der Königskrönung ꝛc. 
J Spanien iſt P. der Erzbiſchof von Toledo, in 

ngland führt der Erzbiſchof von Canterbury den 
Titel P. des Reichs und der von York den von 
England, in Ungarn iſt P. der Erzbiihof von 
Gran (in Brefburg). Im alten Deulſchen Reiche 
war P. der Erzbiſchof von Salzburg. Heute führen in 
der kath. Kirche aud) die Erzbiihöfe von Tarragona, 
Fi Rouen, Medeln, Venedig, Prag, Armagh, 
Poſen den Titel als P. Gin jouveräner Fürjt 
Primas wurde in Deutichland durch die er 
bundsalte geichaffen, und es erhielt diefen Titel 
der bisherige Reichslanzler Karl ge von Dal: 
berg (; .). Er wurde vom Protektor des Rhein: 
bundes ernannt und führte den Vorſih in der Bun: 
desverfammlung zu Frankfurt a. M. 

Zum Primas von ie wurde ber Erz 
biichof von Gneſen durch das Konzil von ——— 
1416 erhoben, darauf durch das Laterankonzi 
1515 zum Bertreter des Pair Nuntius, zum 
legatus natus des päpftl. Stubl3 eingejeht. Als 
Dt der poln. Geiftlidhleit war er der Leiter ders 
elben, insbejondere — er die Synoden zu be: 
rufen. In polit. Hinjicht befleidete er bei Thron: 
erledigung al3 primus princeps die Würde eines 
Stellvertreterd des ug als interrex, er hatte 
die Landtage und den Reichstag zur Wahl eines 
neuen Königs zu berufen, am Kinder felbft mit 

fremden Gejandten zu verhandeln, die Stim: 
men der Wähler zu ſammeln, den neugewählten 
König zu proflamieren und ihn auf dem Krönung: 
reihstage zu frönen, Im Senat führte er neben 
dem König den Borfib. Der P. wurde anfangs 
von dem Domkapitel erwählt, fpäter von dem 


Primär — Primawechſel 


König ernannt, durfte aber vor päpftl. Beftätigung 
ein Amt nicht antreten. Der lehte P. des poln, 
eichs war der Bruder des Königs Staniflam 
Auguft, Michael Poniatowſti, der 1794 ftarb. 
Rach 1815 hatte für Ruffiich-Kolen der Erzbiichof 
von Warſchau eine Zeit lang den Titel eines P. 
Bei Errihtung des Erzbistums Gneſen-Poſen 
m. die Bulle De salute animarum (1821) warb 
der Titel in Preußen nicht erneuert, doch ernannte 
Pius IX. während des Vatikan. Konzils den Erz 
biſchof Ledochowſti von neuem zum B. von Polen, 
rimat. Nach kath. Lehre hat Chrijtus feine 
Madtvolllommenheit auf die Apoftel in der Weife 
übertragen, daß Petrus unter ihnen der erfte fein 
follte und als fein Nachfolger anzufehen fei, und 
daß die röm. Biihöfe als Nachfolger Petri auch 
in deſſen P. fuccebiert feien. Während nun in ber 
älteften Kirche ein ſolches P. nicht eriftiert bat, fo 
nd doch Anfprüde auf dasfelbe jhon früh von 
n Räpiten erhoben und im Mittelalter zur all 
gemeinen Anerlennung und Durhbildung gebracht 
worben. Danach eh! dem Papite zu: primatus 
honoris, gemwifje ausſchließliche, feiner hohen Stel: 
lung entiprehende Ehrenrechte, und primatus juris- 
dictionis, die oberjte lirchliche Negierungsgewalt, 
Bezüglich der letztern bat in der Kirche lange eine 
pi geherricht (Epiſtopaliſten), die namentl 
auch in der franz. Kirche (Gallitanigmus), in B 
ien durch Dan Eipen, in Deutfchland durch Niko: 
aus von Hontheim (Febronius) Vertretung gefun: 
den hat und welde den Papft auf die zur tet 
tung der lixchlichen Einheit notwendigen Herrfi ⸗ 
rechte beſchraͤnlen, die übrigen aber den Bifchöfen 
umeifen wollte, deren im allgemeinen Konzil ſich 
arjtellende Körperfchaft über dem Papſte ftebe, 
Indeſſen it diefe Anfhauung durch das Batikanifche 
Konzil als falſch verurteilt und damit das dem 
Epijtopaliyftem entgegengejeste Papal: oder Ku: 
rialſyſtem alö Lehre der kat "Rirchedefiniertiworben. 
rimaten, joviel wie Affen (f. d.). 
rimaticcio (Francesco), Maler, geb. 1490 zu 
Bologna, erhielt feine erite Bildun Inno⸗ 
cenzo da Imola und hatte dann Gliulio ano 
zum Lehrer. Mit mehrern neh diefes Meifters 
malte er nad) deſſen Entwürfen den Palaft del Te 
in Nantua aus, Im J. 1531 kam er in die Dien 
des Königs Franz I. von Frankreich, der durch 
” gen we ee * —— 
güſſe fertigen ließ und ihn nachmals zu m 
eriten Hofmaler, fowie zum Abt von PR ern 
de Troyes ernannte, Unter Sranz II. erhielt er 
die Oberaufficht über die königl. Gebäube, —— 
um 1570. Bon ihm rühren nicht nur viele Stuc- 
caturarbeiten und Freslogemãlde ber, aud) andere 
Arten Malerei, 3. B. die Gmailmalerei und die 
Zeppicjitiderei wurden unter feinem Einfluß ſ 
vervolllommnet. Als Baumeifter en er 
Grundriffe zu mehrern arditeltonifchen 
3.2. ff den Grabmälern Franz’ I. und 
richs U. Mehr Bam garen ihm feine fün 
[chen Dekorationen des Schlofjes in Fontaine 
erworben. Ihn unterftügten dabei mehrere ital, 
Maler, unter welden Riccolo del Abbate der bes 
rühmtefte war. P. gilt als das Haupt ber 
Schule von Fontainebleau. Sein Stil verrät 
Schüler Giulio Romanos, den er an Gefälligleit 
und Geihmad wohl übertrifft. 
Prima vista (ital.), ſ. Aprima vista, 
Primawechſel, f. unter Wechſel. 


— ——— | 


Prime — Primordialſchlauch und Primorbialzellen 


Prime (prima), die Erſte, heißt in der Muſil der 
e Ton einer Oftavenreibe, Reine Brime oder 
Einklang (unisonus) nennt man zwei Töne von 
leicher Größe, 3. B. c, c; große oder übermäßige 
$. dagegen zwei Töne berjelben Stufe von uns 


glei röße, 3. eis, 

Ms Brime wird Beim Buchdrud die mit der 
eriten Seite eines Drudbogens anfangende und mit 
Signatur und Norm verſehene Drudform bezeichnet. 

el (Primula L.), Pflanzengattung aus der 

Familie der Brimulaceen. Sie umfaßt jchöne pe: 
tennierende Kräuter, welche meift grundjtändige, 
Ianagefticlte Blätter haben und auf einem nadten, 
grundftändigen Stengel (Scafte) die flah aus: 
gebreiteten oder etwas becderförmigen, fünflap: 
igen Blumen in der Regel in einfacher Dolde 
en. Die P. find in Europa und im noͤrdl. Aſien 
einheimiſch und einige ein Srüblingsfnnud der 
er und Wieſen. P. elatior Ehrh., die hohe 

r Schlüſſelblume, Himmelſchläſ— 
fel), iſt haufig in feuchten Wäldern und auf Wie: 
jen; ihr röhriger Kelch ift weißlih, grün gelantet, 
mit lanzettlichen arg der Saum der hellgelben 
Blumenkrone flach und die Kapfel länger als der 
fie dicht umschließende Kelch. P. officinalis L, die 
gemeine Brimel, wächſt auf trodenen Wiefen 
und lichten Waldſtellen; ver Saum der überhängen: 
ben —— goldgelben, am Schlunde mit 
Fünf rötlichen —* verzierten Blume iſt vertieft, 

Kelch aufgeblaſen, weißlich, mit eiförmigen zu: 
geipipten Bähnen, Aus der erjten diefer beiden 
ten find zahlreiche Gartenvarietäten bervorge: 
angen, deren Blütenfarben die verfchiedenartigften 
ancen bed Gelb, Not und Violett, fowie alle 
möglihen Miſchungen derfelben darſtellen. Gigen: 
tümli im diejenigen Barietäten, bei denen ber 
Kelh in ber Weife der Corolle entwidelt hat, 
ſoda os ganz on Blumen ineinander fteden 
(engl. hose in hose), Alle Varietäten aber gedeihen 
in ie mäßig friihen Boden und vorzugsweise 
in balbjchattiger Lage, An Farbenvarietäten nicht 
minder ausgiebig geweſen tft die in Europa auf 
ügeln und in Hainen wild wachſende P. grandi- 
ora Lam. (P. acaulis AI.), mit ſchwach entwidel: 
tem, einblumigem Schaft und fchwefelgelben, wohl: 
riehenden Blumen, Bon größerer blumiftifcher 
Bedeutung it P. Auricula (S. Auritel.) 

Was die genannten Arten für die Gärten, das ift 
P. sinensis Lindl. für Gewächshaus und Wohn: 
räume geworden. Die Blumenfärbung ihrer zahl: 
teihen Spielarten bewegen fih, abgeiehen vom 

in allen möglichen Nuancen von Not, wozu 

noch bei —— Flecken und Streifen treten. Auch 
einige Abweihungen in der Tracht und in der Be: 
laubung haben fi nad) und nad) entwidelt, 3.2. 
var. erecta und var. filicifolia, Am belieb- 
teiten find die zur Gruppe der fimbriata (mit ge: 
franften Blumen) gehörigen Spielarten. Die China: 
primeln blühen ſan das ganze Jahr hindurch und 
erhalten dadurch in der blütenarmen Zeit (vom 
an) doppelten Wert. Länger als zwei 

abre follte man feine Bflanze fonfervieren. In 
haben ferner Eingang gefunden P. cor- 

tusoides L., eine fibir, Art mit vielen grundftän: 
digen, geftielten,, behaarten, rundlich:ovalen, ge: 
bten Blättern und mit einer Dolde Heiner pur: 
purroter Blüten auf hohem Schafte, mit einer An: 
zahl von Farbenvarietäten; P. japonica Es., mit 
einem bis 45 cm hoben, ftarfen, geraden, fteifen 


Schaft, der fehr viele hellpurpurne, gelbäu 
Blumen in drei bis ſechs voneinander a cenen 
—— Quirlen trägt; P. nivalis ., bie 
chneeprimel, mit einer reihen Dolde hellvio⸗ 
letter Blumen, und ihrer Abart var. turkestanica 
Rgl., bie ſchönſte P. Mittelafiens, wie P. japonica 
mit quirligsetagenartig geordneten, leuchtend vio« 
lettblauen Blumen; P. capitata Hook., eine ſehr 
robufte Himalajajpecies, mit großen länglid lan 
zettförmigen, unten etwas weiß bejtäubten Blättern 
und zu einem dichten, vielblütigen Kopf zufammens 
gedrängten violett:rofenroten Blumen u. a. m., 
alle winterhart. Hierzu kommt nod eine große 
Zahl anderer alpiner Arten, wie P. farinosa L., 
das Sennenauge, P. carniolica Jacq., P. alpina 
Schleich., P. minima Z., P.marginata Curt. Mag., 
eine der ee Erſcheinungen des ganzen 
Geſchlechts, P. denticulata Sm., P. scotica Hook., 
P. viscosa Jacq. u. f. w. 
rimerofe, eine bläulide Modifikation des 
Eoſin, f. unter Fluoreszein. 
oerius (lat.), der erjte unter ben Amts⸗ 
genoflen, befonders der erſte Domberr eines Stifts. 
di, im franz. republilanifchen Kalender 
ber erfte Tag einer Delade, 

Primiero (deutich 2 imör), fübtirol. Bezirls⸗ 
hauptmannſchaft, mit Bezirksgericht, an der ital, 
Grenze, im Thale des Cismone, von Prebazzo int 
—— Thale aus auf neuer Kunſtſtraße über den 

ollepaß zu erreichen, mit (1880) 10 883 E.; Haupts 
ort ijt Fiera oder Pieve di P. mit 655 E. 

Primitien (lat.) biehen bei den Alten die Erfts 
linge der Früchte, welche irgend einer Gottheit dar: 
gebracht wurden, 

Primitiv (lat.), urfprfingfie), uranfänglid, ur: 
zuſtändlich, das Gegenteil von kultiviert. 

Primitivftreifen, die erite Organanlage des 
— . d.). lein junger Prieſter lieſt. 

miz, in der kath. Kirche die erſte Meſſe, welche 
rimfenan, Stabt im preuf. rar ge 
Liegnib, Kreis Sprottau, hat (1880) 1654 E., eine 
tath, und eine evang. * arrlirhe und Ziegeleien; 
nabebei liegt das Schloß P., Sik der gleichnamigen 
Herrichaft des Herzogs zu &cjleswig-Holflein-Sons 
derburg : Nuguftenburg,, der hier ein Cifenhütten: 
und Gmaillierwert, zwei Dampfichneidemühlen und 
eine Stärfefabrit unterhält. 

Primogenitür (lat.) oder Erftgeburt. Das 
ar nee der Gritgeborenen bei der Grbfolge 
(f. Erbredt und —— iſt eine ſowohl dem 
röm. wie dem alten german. Recht unbekannte, mit 
der Unteilbarleit der Stammgüter entitandene Erb⸗ 
folgeordnung, nad) welcher jedesmal der Ülteſte der 
älteften Linie zur Erbfolge gelangt. Nad den Ge: 
eben der P. ordnet ich jest fait in allen europ. 

eihen die Thronfolge.. Im Deutichen Nleiche 
ftellte — die Goldene Bulle Karls IV. 1356 die 
Unteilbarleit und P. für diejenigen weltlichen Ter: 
ritorien feit, auf welden die Kurwürde ruhte, und 
erit jpäter wurde diefelbe auf die übrigen Lande der 
Kurfürften, und zwar zuerjt 1473 im brandenb. 
Die: welches dadurch uptfächlich den Grund zu 
einer nahherigen Größe legte, ausgedehnt, aud 
bei den andern weltlichen efüren urch be 
fondere Hausgeſehe eingeführt. Val. H. Schulse, 
«Das Necht der Erjtgeburt in den deutfchen Für: 
ftenhäufern » (Pp3. 1851), e 

Primordialſchlauch und Brimordialzellen, 
ſ. unter Zelle, 


326 


orbialzone ift bie unterfte Abteilung ber 
Gilurformation, welche die erften reichlichen ei. 
einer irdiſchen Fauna, namentlih viel Trilo— 
biten (f. d.) * ließt (Böhmen, England, Stan: 
dinavien, Nordamerita). 

Primula, |. Pri mel, 

Primulacẽen — ki» Sag var 
aus der Gruppe ber Ditotyledonen an kenn 
gegen 250 Arten, von denen die Mehrzahl in ber 
nördl. gemäßigten Zone, beſonders auf höhern Ge: 
birgen wählt; nur verhältnismäßig wenige kom: 


men a y ber füdl. Ha Halbkugel vor. Es find kraut: 
artige Pflanzen von fehr verſchiedenem Habitus. 
Die Blüten And 


zwitterig und von bi one gar Po 
Bau. Sie beitehen aus einem in ber Regel fünf: | e 
fpaltigen Kelch, einer meijt tellerförmigen oder 
glodenartigen, —— Blumenkrone, fünf 
oder mehr Stau efäben und einem kugeligen ober 
—* — erigen Fruchtknoten, dem ein Griffel 
au ffiht. 41 eine er ge or. die 
—— * (reihe Samen enthält. Viele Arten 
die ie milie find ihrer fchönen Blüten wegen be: 
lie ierpflanzen. 

Primum mobile (lat.), das erfte Beweg⸗ 
liche, die Haupttriebfeder; in der alten Aftronomte 
die erfte oder tägliche (fjeinbare) Bewegung des 


Himmels, 
Primus inter pares — der ER unter 
(an Rang, Würbe ebeutung u | . mw.) Gleichen. 
Primzahlen heipen ac en, die Produlte an: 
derer ganzer Zahlen (mit usfähliekung ber Ein: 
heit) nicht find, 3.8. 2,3, 5, 7, 11,13, 17,19. Es 
gibt in der Ja (enreihe unendlich viel B.,0 geringere 
Mengen berjelben in den Beute: Taufenden, ohne 
ein bemerkbares Geje ihrer ufeinanderfolge. 
lative P. (P. unter fich) nennt man zwei oder 
mehrere ganze Zahlen dann, wenn fie feinen von 
1 a gemeinfchaftlichen Faltor haben; 
. 
Prince: —* Island, ſ. — 
Eduards-Inſel. 
rince⸗ of⸗ Wales⸗Jslaud, (ul * Be 
(lat.), der Erfte, Vor fommt 
bei den Römern mebhrfad als Ehrentitel ober Amts: 
at ge vor. Go hieß ihon zur Zeit der Ne 
publi senatus der vom Cenſor im Verzeichnis 
der Senatoren zuerit Aufgeführte , welcher auch bei 
Abftimmungen zuerft um feine Meinung gefragt 
wurde. Gewöhnlich gelangte der Ültefte unter den 
zurüdgetretenen Cenforen an dieſen Ehrenplak, Dc: 
tavian ward 28 v. Chr. P. senatus, und von da an 
verbindet fi im Anſchluß an bie allgemeinere Be: 
deutung bes Wortes mit dem Worte principatus 
der Begriff einer oberiten, dem Kaifer zulommen: 
den Madtvolllommenbeit, in welcher anfangs durch 
mehrere aufeinander folgende Senaisbeſchlüſſe, 
weiterhin auf einmal mittel® der Lex de imperio 
oder vielmehr de tribunicia potestate alle Befug: 
niſſe und ——— ber alten Magiſtraturen ver: 
einigt waren. Seit dem Kaifer Auguftus wurde 
aud) den Söhnen oder Enkeln der Kaifer der Titel 
P. ıuventutis erteilt. Dabei erhielt ſich aber die 
Verwendung des Titels —* außerhalb der laiſerl. 
Familie, indem namentlich in ſpäterer Kaiſerzeit 
die vorſtande verſchiedener Bureaus (officia) den 
Titel P. führten. 
Zur fränk. Zeit und in der erſten Hälfte des 
Mittelalters nannte man alle geiſtlichen und welt⸗ 
lichen Herren Principes. Im vollendeten Feudal—⸗ 


Primordialzone — Principium contradictionis 


— traten jedoch die Principes aus dem übrigen 
— als ein beſonderer Stand heraus, den das 
deutſche Wort Fürft (f. ——— ibt. 
nce Regent's Julet, eerenge im arl: 
Bann führt unter dem 90.° weitl. L. (von 
Örcenm ) öft (ich von ber Inſel New: Somerjet 
aus der Barromftraße füdlich in den — 
fie wurde 1819 durch Barry —— 
PBrince-Smith John), namhafter Volkswirt 
und Begründer ber beutichen Freihandelspartei, geb. 
+ London 20. Jan. 1809, verlebte feine Jugend in 
ritiſch⸗ Guaiana , wo fein Vater Civilgouverneur 
war, und fam fpäter nad Deutihland, wo er zu: 
* in Elbing (in Weſtpreußen) als, Lehrer der 
I. Sprache fungierte. Seit den vierziger Ja 
ibmete er fi ich vollswirtſchaftlichen Studien = 
—— vertiefte er ee in die Werte 


Smith3 und in bie Schriften ber fpätern Dar. 
cheſterſchule. Dann fiedelte er nad) Berlin über und 
mwurbe bier das geijtige Haupt des een 
—8 de lsvereins, zu welchem ——— 

ael Fe u. a. gehörten und der feine 
fegung in der «Volkswirtſchaftlichen Gejellf * 
and, deren langjähriger Vorſihende A war. 


ttes Tode [eek er auch den Vorfik der ftänbigen 
Deputatton De es ·Kongreſſes deutſ Boltswirter. 
Un dieſen Stellungen, wie durch feine publizifti > 

rbeiten übte er auf die Verbreitung ber 
zipien des Den (j. d.) einen nachhaltigen 
Einfluß. Diefe jeine Wirkfamteit fand ihre Ergän- 
zung in feiner parlamentarischen Thätigkeit, in der 
ſich jedoch mehr feine nationalötonomijdye Autorität 
in allen Fragen der freiern wirtfhaftlihen Gefeh: 
gebung als feine Rednergabe geltend machte. 
—— als Vertreter der Stadt Stettin —— 

em preuß. Abgeordnetenhauſe und 1871—73 
den erften anbalt. Wahlkreis dem Deutſchen Rei 
tage an, wo er fidy der nationalliberalen Bartei 
an hloß. Er ftarb zu Berlin 3. Febr. 1874. 2.3 
nationalölonomifche Arbeiten find als «Gefammelte 

Schriften» von D. Michaelis und K. Braun (mebit 
einer Biographie von Wolff) herausgegeben wor: 
den (3 Bde., Berl. 1877—80). 

Princeton, Ort im Mercer County im -_ 
amerif. Staate Neujerfey, an einer Zmweigbahn der 
Bennfylvania:Eifenbahn, ift hübich — bat 
neun Kirchen und eine Bank und zählt (1880) 
3209 E. Der — erh tagte bier am 
30. Juni 1788. P. ift der Sik bes Princeton: 
College, welches 1746 von eu ai ge: 
gründet und 1757 nad) P. verlegt wurde; 1884/85 
waren 519 Studenten und 48 rofefjoren in dem 
College. Die Bibliothek enthält über 60000 Bände. 

Prineipato, der Name von — Provinzen des 
ehemaligen Koönigreichs beider Sicilien, beide 
zum Compartimento Campanien —* F 
teriore iſt die jehige Fe Sa me; d. 1; $. 
ulteriore bie jebige rovinz Avellino (f. d.). 

Prinoipes (lat. —**x von Princeps), 
ber röm. Legion anfangs die Borlämpfer; fpäter 
bildeten fie das zweite reffen en Hastati 
und vor den Triarii, (S. Leg 

Principiis obsta ([at.), a na: 
ben erften Anfängen (nämlich rſuchungen 
zungen, Irrtümern, falſchen ——— u. |. @.), 
wehre dich gleich bei Beginn, Eitat aus Doids 

« Remedia amoris » (Vers 92). 

ipium oontradiotionis, ſ. unter ®i: 
berf ne 


Pringsheim — Prinz-Eduards-Inſel 


nael), ausgezeichneter deut: 
ſchet Botaniker ifroftopiter, geb. 30. Nov. 
1833 in et Landöber “ Oberſchleſien, 
ftubierte in Breslau, Leipzi erlin u Baris 
*ſꝛ —— * —— 

ſchaften —— 


nn eg (Na 


in mit der 
13 ———— der Achlya 
— u. en 1851) und wurde 1856 
auf Grund ber beiden n «Örunblinien einer 
Knie her Pie ver * 1854) — 

Befruchtung und Keimung der Algen und das 
Se —— (Berl. 1855 pm Mitglied de 

demie ber Bilent haften ernannt. 
1857 begann he usgabe der «Jahr: 
Ser, für wienic otanif» (Bd. 1—16 
—— Fark Si 1864 nahm er einen Ruf 
eſſor der nit nad) Jena an. Das von 


Froliferen 


1 dete Inftitut für P enphyſio⸗ 
Ei den en äntoh zu Kent 3 —— * 
an mehrern andern Univerfitäten, auch über eu 


land hinaus. Im J. 1868 gab '®. feine Kerken 
in Jena wieder auf und lehrte in feine alademiſche 
Stellung nad Berlin zurüd, wo er Aa ein 
De ten 73 pflanzenphyfi Unter: 
ir —* unterhält. Fe feinen wiffen] * 
ſtungen iſt beſonders hervorzuheben ſe 
Feen der Serualität bei den Wiebrigften 
Gewächſen. Nicht minderes Aufjehen n bie 
—ã ſenden wre ungen P.s über die Wirkung 
chtes auf die Pflanze und die Bedeutung ber 
einen ar für die Vegetation. Sie führten ihn 
ntnis, dab die grüne Farbe der Ge: 
mädea als ein den imungeeronh derjelben regu: 
der Schirm dient, welder die Pflanzenwelt 
Br dem —— Einfluß der bireften Sonnen: 


a. Kit. Kyzyl Ada), die größte * —— 
jeninfeln armaramıeer (.® Demonefi). 
—— engl. Maler, peb: 14. Gebr. 
1838 in Indien, lam früh nad; England und em: 
ging feine Erpiebung — im —— ollear, Dr 
orbereitungsſchule für Beamte im te 
— Kompagnie. wandte er ſich (ok 
alerei zu. Seine Gemälde find a 
buch Kraft der Zeihnung und Schönheit des Kto: 
lorit3. Für feine bedeutendite Leiftung gilt das im 
Auftrag eines ind. Nationallomitees gemalte, jetzt 
im Budinghampalaft in London befindliche Bild 
des großen Durbars in Delhi, bei welchem die Kö: 
nigin Bictoria als Kaiſerin von Indien proflamiert 
wurde, Die zu biefem Zwed von ihm unternom: 
mene Stubdienreife an die Höfe ber ind. Fürften be: 
ſchrieb P. in dem Buche «Imperial India» (Lond. 
1881). Im %. 1879 — er zum Aſſociate der 
lönigl. Mademie FETTE 
BPrinfterer ( toen van), ſ. Groenvan 


Brinfterer. 
be ic eye vom —** . Worte prince, Fürft, 
rinceps [b .i. ber Erfte] gebildet 
it) und (fr. princesse) jeiben gegen: 
wärtig zunädjt die — itglieder ſou⸗ 
grüne Fürftenhäufer, ebenfo in Deutſchland alle 
3% ſolcher ftandesherrlicher Familien, welche 
eit des een NRömif — Reichs bereits den 
ntitel befaßen. Der eritgeborene Prinz wird 
Sirene (f. d.), in kaiferl, und — Haͤuſern 
Kronprinz (j.d.) genannt. Das a te Srantreic 
erteilte den Zitel Prince dem höchſten Adel ohne 
Unterſchied, ftellte aber an defjen Spike die Prin: 


327 


zen von Öeblüt (Princes de sang royal) oder 
die naten des Tönigl. Haufes. 
Ebdbuarb3: ie (engl. PrinceEdward⸗ 
sland), norbamerit. el und feit 28, Juni 1873 
rovinz des Dominion of Canada, die bereit3 mit 
Groberung Canadas in die Hände der Engländer 
fiel und le endlich Durch den Parifer Frieden 
von 1763 von Frankreich abgetreten wurde. Die 
ward am Johannistage 24. Juni 1497 von 
obn und Sebajtian Gabot entdedt und von diefen 
obannesinjel, Saint-Johns'JIsland, 
von den Fra ofen Saint:Jean genannt, wel: 
Namen 1799 zu Ehren des Herzogs von 
nit t, —— —— — —* 
a, mit dem gegenwärtigen vertaufchte. Sie liegt 
im füdt. Zeile des St. Borenzgolfs, ift von den fon: 
tinentalen Provinzen Reufgottland und Neubraun: 
ſchweig durch die 15—50 km breite No s 
landftraße — und umfaßt 5628 qkm mit 
einer Bevölterun e gest) von 108891 E., weldye 
fih auf die drei Counties Prince Queens und 
Kings — — Inſel hat af durchweg fel: 
fige, 6—30 m hobe, überall von ſchönen Fjorden 
tief eingefchnittene Küften, feine Berge, | onbern nur 
einen —— Höhenzug, ſehr N aren, ln 
Getreidebau treffli —— Boden, reich 
Bewãſſerung, ver — wenig ne 
Sümpfe und Sandfläden, noch viel ſchönes Bau: 
hol, fowie ein mildes, jeht geſundes = von ftar: 
en Nebeln faft ganz freies Klima. Die Bevöl- 
ferung beiteht großenteild aus Nachlommen ber 
franz. Acadier, die nad) ibergabe der * 
urüdblieben,, teils aus Anſiedlern aus 
nd, bie feit 1770 bierher verfeht er 
aus Nachtommen ameril. Royalilten und pätern 
Ginwanderern aus Grofbritannien und and. 
en Ureinwohner (1883 nur noch 2%) ehören zu 
bem ehemals zahlreihen Stamme der Dlicmac:\jn: 
bianer. Dem Belenntnis nach gehören etwa 43 Proz. 
zur kath., 56 Bron. zu ber prot. (meift zur presby: 
terianijchen) Kirche. Es gibt (1881) 415 Schul: 
diſtrilte mit 463 Lehrern und 21601 Schülern, 
—— en höhern Bildungsanſtalten, wie Brince: 
les Tollege and Rormal:School und die Wes⸗ 
leyihe Methodiiten:Atademie in Charlottetomn, 
fomwie das röm.: =. College in St.:Dunftan, weld)e 
aber nur ſchwach beſucht werden. An der Spibe 
ber Verwaltun jtebt ein Lieutenant :Governor 
(Bizegouverneut), t vom Öeneralgouverneur von 
Canada ernannt wird und einen Rat von neun 
Mitgliedern als Erekutive zur Seite ftehen hat. Die 
gefeßgebende Verſammlung beiteht aus einem Le: 
iglative-Council von 13 Mitgliedern und einem 
oufe of Afjembly von 30 Mitgliedern, der Ober: 
gerichtshof (Supreme Court) aus einem Oberrichter 
und drei Beifisern. Im Parlament des Dominion 
ift B. durch vier Senatoren und ſechs Abgeordnete 
vertreten. Die öffentlihen Einnahmen beliefen fi 
1881 auf 275380 Doll.; die Ausgaben betrugen 
261275 Soll, Die ange ye wird von einer 
von Rorbmeften a Sübdoften laufenden Eifen: 
bahn durchſchnitten, welche Charlottetomn mit 
Tignifh und Georgetomn verbindet. Nah Neu 
(daten, Teig rg N Quebec, Halifar J— 
ofton fahren regelmäßige Dampfer, olange die 
Schiffahrt (Mai bis Dezember) dauert. Den Haupt: 
nahrungszwei der Bevölkerung bildet die Land: 
wirtſchaft. Alle mitteleurop. Getreide: und Ge: 


‚ müfearten werden gebaut Fur den Fiſchfang ift 


328 


die P. die befte Station in dem St. Lorenzgolf. 
Die Fischerei iſt jedoch großenteils in den Händen 
von Fiſchern der Vereinigten Staaten, die bier 


jabeli 2—300 —12* beſchäftigen. Der Han: 
beſchränlt ſich hauptjächlic auf den Umtauſch 
landw ge Produkte, Bauholz, Fiiche und 
fertiger Schiffe gegen brit. Manufalturwaren und 
andere Konſumtionsartikel. ü 
Hauptiiadt und Regierungsſiß iſt Charlotte: 
Tomn in Queen’3 County, an der Hillaboroughbai 
der Südfüfte, ein ganz regelmäßig angelegter, gut: 
gebauter Ort mit (1881) 11485 E., breiten, recht: 
winlelig fich ſchneidenden Straßen, mehrern ge: 
räumigen Squares und einem vortrefflichen Hafen. 
Die Stadt bat einen ſchönen mafjiven Kolonial: 
Building mit den Räumen für Sikungen und Bu: 
reaus der legislativen Verfammlung, der Regie: 
rungöbehörden und des Obergericht3, eine Akademie, 
eine Nationaljchule, eine Lateinfchule, mehrere Kir: 
hen und Kapellen, ein Irrenhaus, Werfte, Eifen: 
gießereien und Wollmanufafturen, Im Sept. 1881 
wurde bier eine Hiftorifche Geſellſchaft gegründet. 
* eninfel (Ylba do Principe), portug. 
Inſel in der Bai von Biafra des Golfs von Guinea 
230 km im SS®W. von Fernando Po, zählt au 
151,37 qkm (1878) 2665 E., Portugiefen und Ne: 
ger, hat ein gefundes Klima und führt Kaffee und 
Kalao aus. —— iſt Säo:Antäo an ber 
—** der Inſel mit ſicherm Hafen, 
uzeninfeln, .Demoneji. : 
rinzenranb (Sähfifcher) heißt die Ent: 
führung der Söhne des Kurfürſten Friedrich des 
Sanftmütigen von Sadfen, Ernſt und Albert, 
dur den Nitter Kunz von Kaufungen (defien 
Stammſitz die gleihnamige Burg bei Penig war) 
aus dem Schlofje zu Altenburg. Die Prinzen foll: 
ten ihm als Geijeln dienen für die Erfüllung der 
—— die er an deren Vater für geleiſtete 
Kriegödienfte zu haben glaubte. Zu feinem Vor: 
baben verband er ſich mit Wilb. von Mofen, Wilh. 
von & —* und andern dem Kurfürſten feind— 
lichen Edelleuten. Ein kurfürſtl. Küchenjunge Hans 
Schwalbe verriet ihm als die paſſendſte Zeit zur 
Ausführung die Nacht zum 8. Juli 1455, wo Fin 
i — in ipi und die meiſten Hofleute bei einem 
Banlett in der Stadt waren. Mit ſeiner Hilfe ge: 
langte Kunz, der dem Kurfürften am 4. Juli einen 
hdebrief zugeichidt hatte, in das Schloß, deſſen 
nneres er als ehemaliger Schloßhauptmann genau 
annte. Nachdem fie die Zimmer der Hurfürftin und 
ihrer Dienerinnen verriegelt, entführte Kunz den äl: 
teſten, Emit; — des jüngern, Albert, ſoll Moſen 
zuerſt deſſen Schlafgenoſſen, einen Grafen Barby, 
een, Kunz aber den rechten nadgeht haben, 
Auf verfchiedenen Wegen juchten die Räuber die 
böhm. Grenze zu erreichen. Kunz war bereits in 
die Gegend von Elterlein und Grünhain, unweit 
der damals böhm. Herrihaft Schwarzenberg gelom: 
men, als er abjtieg und dem Prinzen Albert, der 
über Durſt Hagte, einige Beeren zu prlüden erlaubte, 
Dabei foll bieler Gelegenheit gefunden haben, fich 
einem Köhler zu entdeden, ber darauf mit Hilfe 
anderer berbeigerufener Köhler den Nitter und feine 
Gefährten gelan en genommen habe. Das darauf 
bezügliche ! anitef des Kurfürſten vom 26. Juli 
1455 enthält davon nichts, fondern teilt einfach mit, 
daß die aufgebotenen Lehnsleute Kunzen beim Klo: 
ter Grünhain gefangen genommen, Die ältejten 
erichte kennen auch Leinen Namen des Köhlers; 


Prinzeninfel — Prinzip 


ber erfte, der ihm einen foldhen, und zwar « Bacco- 
lari», gibt, ift Albinus («Bergronit», 1580); erit 
Sagittarius in einem —— von 1674 
nennt ihn Georg Schmidt und bezeichnet die 
milie Triller als Nachlommen desjelben, und J. Vul⸗ 
pius fügt 1699 die ganz irrige Etymologie hinzu 
«weil er Kunzen mit — Schürbaum jo weiblich 
— babe». Das Gnadenlorn, welches an den 
Iteften aus dem Geſchlecht der Triller ald angeb⸗ 
liher Nachkommen des Köhlers u > wurde, 
ftammt erjt von Kurfürſt Morik ber. (Bol. Koch 
«Trillerfagen», Bd. 1, Meining. 1884.) Mofen und 
Schönfeld, die 10 in einer Höble bei Hartenftein 
an der Mulde veritedt hatten, lieferten den Prinzen 
Ernſt gegen Zufiderung ihrer Begnadigung frei- 
willig aus. Kunz wurde 14. Juli zu Freiberg ent: 
bauptet, bald danach aud fein Better, Dietrich 
von Kaufungen, wahrfcheinlich 30. Juli zu Alten: 
burg, Hans Schwalbe und drei Knechte wurden zu 
Zwidau gevierteilt. Vieles in dem ganzen Hergang 
it noch unaufgellärt, 

Val. Schreiter, « Geſchichte des PB.» (2pz. 1804); 
W. Schäfer, «Der Montag vor Stiliani u. ſ. w.» 
(Dresd. 1855); J. Gersdorf, « Einige Attenjtüde 
pi Geſchichte des PB.» (Enten 1855); von 

raun, «Die Stadt Altenburg in den J. 1350— 
— —— en 8 

eſſin, ſ. unter Prinz. 

Beine) nenifein ‚I. Demonefi. 

Prinzeflinftener. Die Berbeiratung der Tod: 
ter des Yandesherrn war im Mittelalter einer der 

älle, in welden die Leiltung eines Beitrags zur 

lusftattung und Mitgift feitens der — 
herlömmlich war. In der Magna Charta iſt das 
Necht des Königs von England auf Erhebung diejer 
Abgabe für die Verheiratung der älteften ter 
ausdrüdlih anerkannt; ebenjo beftand es im 
deutichen Fürftentümern gewohnheitsrechtlich. Ge: 
genwärtig it infolge der Zrennung des Staatöver: 
Feng ir von dem landesherrlichen Haussermögen 
die Ausftattung der Prinzeffinnen in ber Regel aus 
dem leptern zu entnehmen und ein Anfpruch auf 
eine P. nur da begründet, wo er durch einen Rechts: 
fat ausdrüdlih anerlannt ift. In den meijten 
deutichen Mitteljtaaten ift dies der Fall, dagegen 
in Breußen nicht. j 

Prinzip (principium) heißt Anfang, ein Erſtes, 
Vorausjepungslofes, von einem andern nicht Ab: 
— und Bedingtes. Man unterſcheidet P. 

es Seins und *22 (Realprinzipien, 
principia essendi oder fiendi) und Erfenntnis: 
prinzipien(Ydealprinzipien, principia cog- 
noscendi), indem man unter den erjtern die lehten 
Urjachen deſſen, was iſt und geihieht, unter diejen 
die für ſich felbjt gewiffen Ausgangspunfte des 
Dentens und Griennens verfteht, die zugleich fähig 
find, etwas anderes gewiß zu machen. Die Unter: 
[nung der erftern führt auf die Beſtimmung des 
erhältniſſes zwiſchen Urfadhen und Wirkungen, 
die der lehtern auf die des Verhältniſſes zwiſchen 
Gründen und Folgen. Unter den Ertenntnisprin: 
zipien unterfcheidet man wieder ſolche, welche ſich 
bloß auf die Form der Anordnung und innern Ber: 
bindung einer Menge von Erkenntniſſen be 
a Rn terueue 
Inhalt der Erfenntnis abhängt Materialprin: 
ipien). Dieje Unterfcheidung hat 3. B. die prot. 
heologie gemacht, wenn fie fagte: dad Material: 
prinziv der Dogmatik fei die Heilige Schrift, das 


Prinzipal — Priscianus 


Formalprinzip der Gebraud der Vernunft. Ein 
anderer Unterſchied ift der zwiſchen ſolchen P., die 
ſich auf die Erkenntnis deſſen, was iſt und geichiebt, 
beziehen, und folden, in denen ſich eine Wertbe: 
ftimmung ausſpricht. Man bezeichnet jene als theo: 
retiſche, dieſe als praftiiche, und zwar deshalb, weil 
der Gedanke einer ſolchen Wertbeitimmung ein Mo: 
tiv für ein bejtimmtes Handeln werben fann. Im 
Praltiſchen unterfcheiden fih P. von Maximen 
(j. d.) dadurch, daß jene eine — und objek⸗ 
tive, dieſe nur eine ſubjeltive Bedeutung haben; 
daher äſthetiſche P. Maximen des Künſtlers, ethiſche 
P. Marimen des Individuums werden ſollen. Un: 
ter dem höchſten oder abjoluten PB. wird ein ſolches 
verftanden, in welchem bie Dafeinsgründe oder 
Realprinzipien Pr den Erkenntnisgründen oder 
Idealprinzipien g —— ihre Begründung 
haben. Die Unterſuchungen über das höchſte P. 
ehören zu den Gegenſtänden der Metaphynif (f. d.). 

n ber gewöhnlichen Ausdrucksweiſe bezeichnet man 
mit B. jeden Geſichtspunlt, von welchem aus man 
irgend welche Gegenjtände erforjcht, betrachtet, be: 
urteilt oder behandelt: fo fpriht man von politi: 
ſchen, techniſchen P. Unter Brinzipienreiterei 
verſteht man daher ſoviel wie unter Doltrinaris: 
mus, ein zãhes und pedantiſches Feithalten an ge: 
—* Grundſähen, ohne Berüdfichtigung der ge: 
gebenen Verhältniſſe. 

Prinzipal, zunächſt der jelbitändige Kaufmann 
im Verhältnis zu feinen Handlungsdienern (f. un: 
ter Sandlungsdiener); dann überhaupt der Be: 
fiper oder Chef eines Geſchäfts im Verhältnis zum 
Perſonal. [Hauptſtimmen. 

Ahern ‚in ber —* Name der eigentlichen 

* (lat.), die Stelle, Würde eines Prin- 
ceps (f. d.), Oberherrſchaft, Vorrang. 
inzmetall, ſ. Bathmetall. 

Prinz von Wales * ſeit 1301 ber Kron: 
Prinz von Großbritannien (j. unter Wales). 

De ee Intel ſ. Pulo⸗Pinang. 

rior heißt in den Klöſtern der nächſte nach dem 
Abte und, wo kein Abt iſt, der Vorgeſehte des Klo: 
fterd. Denjelben Rang hat in Nonnentlöftern die 
Priorin. PBriorat, im allgemeinen das Amt 
eines P. oder einer Briorin, hieß bei den Johan: 
nitern ein Provinzialbezirk, ber wieder in mehrere 
Balleien zerfiel. Priorei heißt teils das Klofter, 
in welchem der P. oder die Briorin, fofern diefen 
Drdensobern andere Klöfter unterworfen find, den 
Siß hat; teild aber auch die Geſamtheit der ihnen 
unterworjenen Klöfter. Diejenigen P., welche die 
Angelegenheiten ihres Ordens leiten und eine Ge: 
rihtöbarkeit in demſelben ausüben, heißen Kon: 
ventualprioren; von ihnen ift der Großprior 
verſchieden, nämlih das Haupt einer Abtei, zu 
welder mehrere B. gehören. In ben geijtlichen 
Nitterorden aber Maar nächſte nach dem Groß: 
meiiter ben Namen Großprior, 

rior (Matthew), engl. Dichter, geb. 21. Juli 
1664, jtudierte jeit 1682 in —— und ſchloß 
ſich bier an Charl. Montague, nachmaligen Grafen 
Halifar, an, mit welchem gemeinſchaftlich er «The 
country mouse and city mouse» (1687) verfaßte, 
eine Barodie auf Drydens polemijches Gedicht 
«The hind and the panther», Auf Empfehlung 
be3 Grafen Dorfet wurde er dem engl. Bevollmäch: 
tigten im Haag als Sefretär mitgegeben, war dann 
längere Zeit Gefandtichaftäfelretär in Paris und 
wurde 1701 Varlamentsglied. Im J. 1712 be: 


329 


Beet er Lord Bolingbrote nad) ie und blieb 
ort als Gejandter bis zur Xhronbefteigung 
Georgs I. Bon der nun herrſchenden Partei der 
Whigs zurüdgerufen, wurde er 1715 verhaftet und 
wegen Fines Anteil3 am Utrechter Frieden in An: 
Hageftand verfekt. Bon der 1717 erllärten Amneftie 
wurde er ausgeſchloſſen, erhielt jedoch bald nachher 
feine Freiheit. Gr ſtarb 18. Sept. 1721 und wurde 
in ber MWeftminfter: Abtei beerdigt. Unter feinen 
Merken, weldhe von Mitford (2 Bbe,, Lond, 1835) 
und von Silfillan (Edinb. 1858) herausgegeben wur: 
den, find die beiden didaltischen Gedichte «Solomon, 
or the vanity of the world» ernften, und « Alma, 
or the progress of the soul», ſcherzhaften Inhalts, 
ſowie feine poetischen Erzählungen, in welchen letz⸗ 
tern er am glüdlichiten war, hervorzuheben. Gr 
befaß große Leichtigkeit und Anmut im Versbau, 
Lebhaftigkeit und heitere Laune, verbunden mit 
einer jehr gewählten Sprache, , i 

Priorät und Priorei, |. unter Prior (Titel). 

Priori, j. A priori. 

‚Priorität (lat.) nennt man das Net, vor 
einem andern zu irgend einem Vorteil, einem Anıte, 
zur Befriedigung einer — zu gelangen. 
Die P. iſt von beſonderer Wichtigkeit im Konlurſe, 
wenn das Bermögen des Schuldners zur Bezahlung 
fämtlicher Gläubiger nicht zureicht. Hier kommt e3 

uvörderſt auf die Nidtigfeit der Forderungen 
—— und ſodann auf die Ordnung an, in 
welcher die vorhandene Maſſe unter die Gläubiger 
verteilt werden foll (Priorität); diefe wurde nad 
früherm gemeinen Necht im Liquidationsverfahren 
ober auch in einem befondern a 
verhandelt und durch gemeinſcha u fog. «Klaſ⸗ 
fen:, Lokations⸗ ———— » feſtgeſtellt. 

In den Wiſſenſchaften und Kunſten nennt man 
Priorität das Recht jemandes, als Urheber neuer 
u und Entdedungen zu gelten. _ 

rioritätdaktien und Prioritätsobliga⸗ 
tionen, f. u. Altie und Altiengefellichaft. 

rioritãtsurteil, ſ. unter Konturs. 

ripet, rechter Nebenfluß des Dnjepr in Ruß: 
land, entipringt aus Sümpfen und Heinen Seen im 
Gouvernement Voldynien, fließt durch ben ſüdl. 
Teil des Gouvernements Mint und mündet im 
Gouvernement Kiew nad) einem Laufe von 814 km, 
Gr fliegt meiſt langfam durch ungeheuere Wälder, 
Sümpfe und durch par ober gar unbewohnte 
Gegenden; allein für die Schiffahrt ift er von Wich— 
tigkeit und ift durch Kanäle mit dem Syſtem des 
Niemen und der Weichfel verbunden. 

Prifchtina, Stadt im türk, Vilajet Koſſowo, an 
der Bereinigung der Bäche Woluja und Stare Keta, 
Station der Linie Saloniti:Mitroviga der Türlifchen 
Staatsbahnen, mit 9000 E., hat 12 Moſcheen und 
eine griedh..tath. Schule. Die Stadt (Prisdianum, 
Pristinum, Pristina) gehörte im 14. yabrh- zu Sers 
bien und fam 1455 in den Beftg der Zürfen, 

Prisciauus, mit dem Beinamen Cäfarienfiß, , 
von feiner Vaterſtadt Cäfaren in Mauretanien, 
der betanntefte lat. Grammatifer, ein Beitgenofie 
des Caffiodor, lehrte im 6. sah, n. Chr. zu Kon: 
itantinopel die lat. Sprade. Er ſchrieb unter dem 
Titel «Institutiones grammaticae» das gründlichjte 
und umfaſſendſte Werküber die lat. Spradein18Bü: 
chern, von denen die 16erſten Bücher die einzelnen Ne: 
deteile, die zwei legten «De constructione» die Wort: 
fügung oder Syntar behandeln. Außerdem gibt es 
von ihm noch fech® andere Leinere grammatiſche 


330 


Abhandlungen und zwei herametrifhe Dichtungen: 
«De laude imperatoris stasiio und eine freie 
Bearbeitung der «Periegesis» de3 Dionyfius Pe: 
riegeted. Am beten wurden die «Institutiones 
grammaticae» von Krehl (2 Bde., Lpz. 1819—20) 
und Herb (2 Bde., Lpz. ——— die Heinern 
grammatiihen Schriften von Lindemann (Leid. 
1818) und von Heil (Lpz. 1856—60) bearbeitet. 
Cine Ausgabe bes Gedichts «De laude Anastasii» 
und ber «Periegesis» beforgte zulept Bährens in 
den «Poetae latini minores» (BB. 6, Th 1883). 
Priseillian, Stifter einer gnoſtiſchen Sefte in 
Spanien, trat nad) der Mitte des 4. Jahrh. mit 
er an bie Lehren des Marcion (f. d.) und der 
anichäer (f. d.) erinnernden Syfteme hervor und 
ewann ne Sittenftrenge und Berebfamteit felbit 
ischöfe für fih. Bon einer Synode zu Saragofla 
380 erlommuniziert, wußte er durch Beitechung die: 
es Urteil rüdgängig zu mahen und feinen Haupt: 
eind, den Biſchof Ithacius, zur Flucht zu nötigen. 
ndes fand der lehtere bei dem Uſurpator Mari: 
mus zu Trier Gehör und brachte es bei diefem da: 
2 daf die Briscillianiften verhaftet und ihr 
nführer troß feiner Appellation an Maximus 385 


in Trier hingerichtet wurde, Gegen biefes erfte 


Beifpiel der an einem Häretifer vollzogenen Todes: | J 


ftrafe erlärte fi namentlid Martin von Tours, 
fibrigens pflanzte ie. die Selte ungeadtet aller 
Berfolgungen im geheimen fort. Vgl. Mander: 
nad, «Geihichte des Priscillienismus» (Trier 
1851); Pius Gams, ⸗Kirchengeſchichte Spaniens» 
(1. Abteil., 2. Bd., Negensb. 1864). 

Brife (franz.) nennt man im Seefriege ein weg: 
genommenes feindliches Schiff und nad) Befinden 
auch defien Ladung, oder das weggenommene 
neutrale Schiff, welches Kriegscontrebande führt 
oder die Blodade bricht. Den im Altertum allge: 
meinen Gebraud, das Eigentum der Unterthanen 
bes feindlihen Staats für herrenlos zu erflären 
duldet das neuere Vollerrecht nur noch radfichtlic 
des auf der See ſchwimmenden Privateigentums. 
Das Geebeutereht wird in Europa gegenwärtig 
nur noch durd) die von einer Kriegsmacht auöge: 
rüfteten Schiffe ausgeübt, indem die europ. See: 
ftaaten auf dem Parifer Kongreß von 1856 dem 
Vorbehalte entiagten, auch bloßen Freibeutern (f. 
Kaper) die gleiche Befugnis mitteld Mark: oder 
Kaperbriefs zu erteilen. Gegenftand des Seebeute: 
rechts find die feindlihen Schiffe (miewohl nicht 
bloße Fifcherboote) und das darauf befindliche Pri⸗ 
vateigentum der feindlichen Unterthanen, Yeind: 
lies Privateigentum auf neutralen oder neutrales 
Eigentum auf feindlihen Schiffen, das nicht für 
Kirtegdcontrebande anzujehen ijt, kann nicht mehr 
für equte PB.» erklärt werben, denn der Barifer 
Kongreß von 1856 bat die Säbe «Frei Schiff, frei 
Gut» und «llnfrei Schiff, frei Gut» zu allgemeiner 
Anerlennunggebradt. Dieweggenommenen Schiffe 
oder wenigftens deren Papiere find in einen Hafen 
bes Nehmeſtaats zu bringen, wo ein eigenes Pri— 
ſengericht über die Frage entjcheidet, ob die Bor: 
bedingungen einer rechtmäßigen Erbeutung vor: 
liegen. (Bol. Seeredt.) 

a et ſ. unter Priſe. 

risma heißt in der Geometrie ein Raum, wel: 
er von mehrern Ebenen, die mit einer Geraden 
parallel find, eingefhloffen und gewöhnlich durch 
zwei parallele Ebenen begrenzt wird. in breifei: 
tiges P., von drei Parallelogrammen und zwei 


Priscillian — Prittwitz 


Dreieden b t, hat ſechs Eden und neun Kan: 
ten, und he gerade, wenn die beiden Dreiede zu 
den Barallelogrammen normal jte 

In der Optif heißt P. ein von 
durchſichtigem Material. Ein Li wird beim 
Durdigang durch das P. zwei ; bie 
Bredung, welde er erfährt, ift von dem Winkel 
und dem Material des P. von Yncidenzwintel 


und von der Farbe des Strahls abhär 
ber Strahl, wenn er mehrfarbig ift, in 
Wegen der unter 










ausgebreitet wird. Wegen der unter gewiſſe 
(wine attfindenden «totalen Hefleric 
ient man fid) der P. aud) ftatt der Spiege 
riemaniched Bulder Erhiehpulner, bef 
e en 

Körner —— rismatifch geformten und durd; 
—* —— Hear find hr das für 
robe Ladun werer Gefhüße r verbrei- 
tet hi (S. Ge — re 

D, |, Brismoid, ’ 

enbrille, ſ. unter Brille. 


ismenkreis, |. unter Sertant, 
rismenfreuz ift ein einfaches und iveß, 
auf zwei redhtwinteligen Glasprismen 

nftrument zum Abjteden gerader Linien 

ter Winkel, eine Erfindung von Bauernfeind. 
Bauernfeind, «Elemente der Vermeſſungslunde⸗ 
(6. Aufl., Stuttg. 1879). 

—— (auch Prismatoid), ein Körper, 
deſſen Orundfläden parallele, aber nicht fongruente 
geradlinige Figuren von gleich vielen Seiten find. 

Prifrendi oder Berferin, Hauptort des Bi- 
lajets Koſſowo der europ. Türlei, an ber Resna 
Marika, einem Nebenbad des albanif Drin, 
auf einem wichtigen Straßentnotenpu 
zählt —— — —— 
und Viehzu eiben und zu faſt gleichen 
[I aus Ghriften und Moslems, = auch 2 

uden zuſammenſe fie ieht bi , 

Pristaw, im Ruffifhen j ie Bezeichnung 
für Bolizeibeamte; czastny pristaw, Stadtteils: 
aufieher; stanowoi pristaw, Diftriftsauffeher (auf 
dem Yande); in ber ältern Zeit B n 
GErefutivbeamte in Juftiz, Polizei, aber — — 
wie Verwaltungsſachenlommiſſar. 

Pritfche, hoͤlzerner Schlägel zum Glätten ber 
Schmelzhüttenherde; ein Stab mit einem Griff an 
einem Ende und in fournierartige dünne Blätter 
der Länge nad) gefchnitten, we 
dient, um damit laut ſchallende 


den Harlelins 
die nicht wehe thun; hölzerne — 5 — Baar 
tuben, Gefängnifien x.; am Schlitten der Binter 


Siömenfrei, f. u. Geradführungen. 


em Kaften angebradhte Sik für den Kutſcher. 
‚Bettgenmcien, ſJ. ah Schüpengefell: 
aften. 


ritteraal, ſ. unter Wollin. 
Futieih ein altes adeliges Geſchlecht poln. 
Urtprungs, das 


in Schleſien Ion im 12. Jahrh. 
angeſeſſen war. 


voahim Bernhard von P., geb. 8. 

Behr 8* Fe ——— ren. 2 

ietenſcher Hujaren in der von Kunersdorf 
1759 König Friedrich IL. aus den das Gefolge be: 
reits hart bedrängenden Koſalen heraus, Er ftarb zu 
Berlin 4. Juni 1793 als General der 
—— der märliſchen Kavallerie und des 

egimentes Gendarmen., —— 
rihsdentmal in Berlin befindet ſich feine Statue. 


u u — ———— 


Prigerbe — Privatklage 


Karl Ernſt von P., preuß. General der N 
fanterie, geb. 16. Dit. 1790, trat ſchon 1803 in die 
Armee und wurbe 1806 bei Auerftäbt vermunbet. 
Bei ber Berminderung des Heeres 1807 inaltiv ge: 
worben, trat er 1810 wieder ein, wurbe 1812 in 
den Generaljtab verfekt, nahm an ben Selbgügen 
1812/15 teil und wurde 1815 Major, fpäter Adju: 
tant des Prinzen Wilhelm, Abteilungächef im ®ro: 
ben Generalitabe, EEE ver me mn und 1828 
Kommandeur bed 1. Garderegiments zu_ Fuß. 
Im %. 1835 erhielt er dad Kommando einer Garde: 
‚nfanteriebrigabe und 1843, nachdem er 1836 zum 
General befördert war, das der Garde-Infanterie. 
Gr wurde 1844 Generallieutenant und befehligte 
18. März 1848 die Truppen in Berlin, und 1849, 
nad General von Wrangel, das Reichsheer in 
Schleswig. Hierauf wurde er zum fommanbieren: 
den General bes Garbeforps ernannt, nahm aber 
bald darauf feinen Abfchied ald General der In— 
fanterie und ftarb 9. Juni 1871 zu Görlis. ®. ift 
der een der «Beiträge zur Geſchichte bes J. 
1818» (Potsd. 1843), melde befonderd über bie 
en der neuen Heereäträfte wichtige Auf: 
ſchluſſe geben 


Morisg Karl Ernft von B. und Gaffron, 
ß. General, geb. 8. Febr. 1795, ftubdierte in 
reslau, trat im Febr. 1813 bei den Bionieren ein 
und ftand vom September desfelben Jahres als 
Lieutenant bis Sept. 1815 in Glab, worauf feine 
SEE bem Dccupationstorps in Frankreich 
und bald die Ernennung zum Hauptmann erfolgte. 
Im J 1818 wurde er zum Feltungsbau nad) Ho: 
blenz lommandiert, 1824 Adjutant bei General von 
Aiter und 1828 Feftungsbaubdireftor in Bojen. In 
gleiher Stellung fam er, feit 1837 Major, 1841 
nad) ber Bundesteftung Ulm, um beren Befeftigung 
er ſich während eines zehnjährigen Wirlens große 
Berbienjte erwarb. Auch die Wieberheritellung ber 
Burg Hohenzollern geſchah unter feiner Leitung. 
Er wurde 1849 Oberſt und 1851 Infpelteur zu 
Berlin, 1853 Generalmajor und 1858 General: 
lieutenant. Won 1851 bis 1856 war er Mitglieb 
bes Haufes der Abgeorbneten für Berlin. Nach— 
dem er 1860 zum zweiten Generalinjpelteur des 
Ingenieurlorps ernannt worden, nahm er 1863 den 
Abicieb. Cr ftarb 21. Dit. 1885 in Berlin. Aud 
litterariſch bat ſich P. belannt gemadıt. 
Konradfar von B..@altren, amannt on 
auf Ealoß Guhla be Ninpiig‘. Kubierte Jura 
au ublau bei Nimp udierte Jura 
und Rameralia in Breslau und Berlin und über: 
nahm nad dem Tode feines Vaters die Ritter: 
güter Henneräborf und Ober:Langjeiffersdorf. Er 
erwarb fid einen geachteten Namen durch feine 
1875) e@ehihten (Heikenbad 1881), edieder und 
«Gedichte» (Reichenbach 1881), «Lieder un 
Balladen» (Reihenbad) 1882). 
‚, Stabt im x ß. Regierungsbezirt 
Potsdam, Kreis Weithavelland, rechts an der Havel 
gelegen, hat (1880) 1734 €., Schiffahrt, Fiicherei 
u 


Prigwwalt, Stabt im preuß. Regierungsbezirk 
Potsdam, Kreis Ditprigmiß, [ints ans Dömnip, 
Station der Beigmib: iienbahn (Perleberg: Witt: 
fod), Siß eines Amtögerichts, hat (1880) 6041 E., 
eine irtſchaftliche Vereinsbank, Tuchfabrilen, 

brilen für landwirtſchaftliche Maſchinen, Für: 

reien und Tiſchlereien mit Dampfbetrieb, Ger⸗ 
bereien, Ofenfabril und bedeutenden Handel mit 


331 


Getreide und Fettvieh. Der Drt befipt eine got. 
Kirche und ein Hofpital (Beauinenftift) aus dem 
13. Jahrh., fowie ein Zohanniterfrantenhaus. 
Privas, Hauptitabt des franz. Depart. Ardeche 
und eines Arrondiſſements, am norböftl. Abhange 
der Montagne be Coirons, linls an der Dundge, 
Station der Linie Livron-P. der Baris-Lyon: Mit: 
telmeerbahn, hat (1881) 4203 (Gemeinde 7921) E., 
einen Gerichts- und Affifenhof, eine Normal:Pri: 
märjchule, ein mineralog. Mufeum, eine Srren: 
anftalt, Bergbau auf Gilen, Gary senior en 
Seidenfabrilation und Handel mit —— ein, 
Leder, Butter, Käfe, Raftanien und rüffeln, Die 
Stadt, welde nd an ber Spihe der Ealviniften des 
Vivarais gegen Ludwig XIII. erhoben hatte, wurde 
1629 in Aſche gelegt und entfeftigt. 
‚ Privat (lat.), das dem Öffentlichen, Gemein: 
jamen, Staatlihen, Amtlihen Entgegengejebte. 
rivat, f. Saint:PBrivat:la:Montagne. 
rivataften, |. Nanualalten. 
ivatbeichte, ſ. unter Beichte. 
rivatbefferungsanftalten, f. unter Bej: 
ferung, Befjerungstbeorie u. f. w. 
Privatbocent, ein Gelehrter, der Vorlefungen 
an einer Univerfität halten darf, aber den Titel und 
Gehalt eines Brofefiord noch nicht erlangt bat. 
rivatfürftenrecht, das bejondere Familien: 
und Erbrecht ber ——— und ehemals 
reichsſtändiſchen Geſchlechter in Deutſchland, meiſt 
auf Hausgefegen (f. d.) beruhend. 
vation (lat.),Beraubung; privativ, berau: 
bend, ausſchließend. (S. Alpha privativum.) 
Privatissimum, auf Univerhtäten ein nicht 
en oder für alle, fondern nur für einen ge: 
ſchloſſenen Kreis von Zuhörern gelefenes Kolleg. 
Privatllage, Privatank age beibt die pro: 
zeſſuale —— des ſtaatli Straf⸗ 
rechts, die Durchführung der Strafllage durch einen 
Privaten, nicht durh eine öffentlihe Behörde 
(Staatöanwaltihaft). Während das engl. Recht 
unter gewiflen Umftänden Brivate zur ebung 
und Verfolgung der öffentlichen Klage verpflichtet, 
fennt die deutſche Strafprogebordnung eine P. nur 
in fehr beihränttem Umfang: Beleidigungen näm: 
lih und Nörperverlegungen können, foweit_die 
Berfolgung nur auf Antrag eintritt, von dem Ber: 
legten im Wege ber P. verfolgt werben, ohne daß 
es einer vorgängigen Anrufung der Staatsanwalt: 
ſchaft bedarf. Die P. ift aljo eine pringipale, nicht 
eine jubiibiäre. Auf der andern Seite: in ben 
llen, in welden P. zuläſſig, wird die öffentliche 
lage von der Staatsanwaltihaft nur dann er: 
hoben, wenn dies im öfjentlihen Intereſſe liegt, 
worüber das Ermefien der Staatsanwaltihaft ent: 
cheidet. Der Entwurf hatte eine fubfiviäre P. ein: 
gem wollen in dem Sinne, daß bei Antrags: 
elitten, wenn die Staatsanwaltſchaft die Berfol: 
gung ablehne, der Berlepte die Klage in bie Hand 
nehmen lönne. Dieje Beftimmung tft aber von der 
—— — des Reichstags geſtrichen worden. 
tati deſſen gibt das Geſeß dem Verlehten, wenn 
ſein Antrag auf Strafverfolgung von der Staats: 
anwaltſchaft zurüdgemwieien und eine Bef tde 
bei ber vorgeſeten Behörde erfolglos aebli iſt, 
das Recht, auf gerichtliche Entſcheidung anzutragen; 
beſchließt dann das Gericht die Erhebung der Öffent: 
lien Klage, fo ift die Staatsanwallſchaft ver: 
pflichtet, fie durchzuführen. Bol. Strafprogehord: 
nung für das Deutiche Reich, 88. 169-175. Das 


332 
Privatllageverfahren ift geregelt in Strafprozeb: 
ordnung, 8. 414—434. (S.Nebentklage.) 


rivatrecht ift im fubjeltiven Sinne jedwede 
ugnis, die der Einzelne erwerben und nad 
Billlür gebrauchen oder wieder aufgeben Tann. 
Das P. im objeltiven Sinne, oder der Inbegriff 
aller Rechtsfäge, nach welchen die einzelnen und die 
zufällig unter ihnen entitehenden Beziehungen be: 
urteilt werden, zieht aber, im Anſchluß an die röm. 
Auffaffung, außer der Lehre vom Eigentum, den 
fonjtigen Saden: und ben Forderungsrechten (Ver: 
mögensreht), aud das Familienrecht in feinen 
Kreis, obwohl —* unverãußerliche Güter in Frage 
fommen. Obgleich die Gemeinden, der Staat und 
die Kirche binfichtlih der Aufgabe, beitimmte ge: 
meinnüßige Zwede zu verwirklichen, nad öffentli- 
chen Recht verfahren, Is fönnen fie doch auch in 
der eleichjeitigen Gigenihaft von Privatperfonen 
3. B. Dar _ und flaufverträge fchließen, Yand: 
güter und Grundftüde beſihen, und find deshalb 
ebenfall3 nah P. zu beurteilen. Alle P. jteben 
unter dem Gejee des Staats und dürfen im Falle 
einer nicht anders zu erzielenden Befriedigung des 
öffentlichen — durch die geſezgebende Ge: 
walt abgeändert oder widerrufen werden, wobei 
jedoch die Inhaber für den abzutretenden Beiis (f. 
Grpropriation) in der Regel Entſchädigung zu 
beanipruchen haben. : 
Privaiwirtſchaft iit die von dem wirtſchaftlich 
felbftändigen — auf eigene Rechnung 
und Gefahr betriebene planmäßige —— 
und Verwendung wirtſchaftlicher Guter zum Zwe 
der Bedürfnisbefriedigung oder der Vermögens: 
anfammlung. Der Gegenſaß derſelben iſt nicht die 
Vollewirtichaft, die aus der Gefamtheit ber unter: 
einander in Beziehungen ftehenden P. beiteht, fon: 
dern die Gemeinwirtichaft (f. d.) oder die öffentliche 
oder Staatsmwirtjchaft. 
ivet, f. Abort, 
rivigyn (Privitz), Marltfleden in Ungarn, 
Komitat Neutra, am Neutrafluffe, mit 2600 G., 
meift Slowalen, die Tuchweberei und Gerberei 
treiben, bat ein Piariftenklofter mit Gymnaſium. 
Privileginm (lat.) it ein Gele) oder eine An: 
ordnung, wodurd beitimmten Perjonen oder einer 
einzelnen KHlafje von Staat3bürgern gewiſſe Son: 
der: oder Vorrechte eingeräumt werden. Derglei— 
hen war 5.3. im alten Feudaljtaate die Steuer: 
freiheit der adeligen und geiftlihen Güter, ber Aus: 
nabmegerichtsftand der Mitglieder dieſer beiden 
Stände u. |. w. Diejenigen Stände, welche ber: 
artige Vorrechte genießen, nennt man privile: 
gierte Stände, Die Neuzeit hat viele derartige 
6; als unvereinbar mit der Gerechtigfeit und 
leichheit, auf welche das heutige Staatsleben ges 
game fein muß, im Geſeßgebungswege bejeitigt. 
eim Gewerbemweien fommt der Ausdrud P. noch 
vor als gleihbedeutend mit Patent oder Konzeifton. 
BeinILenlerieh Gewerbe heißt in manchen 
rten ein ſolches, deſſen Beſiher von Obrigkeits 
wegen die ſpezielle oder auch die ausſchließliche 
Erlaubnis zur Betreibung desfelben erlangt hat. 
Privy oouneil, ſ. unter Council. 
Pro (lat.), für, häufig in Jufammenfekungen. 
Pron oder Prau nennt man die namentlid) im 
Malaiiſchen Archipel gebräuchlichen Fahrzeuge von 
ſchlanker ſchmaler Form, hinten und vorn in hohe Bo: 
luten auslaufend und mit einem verhältnismäßig 
jehr großen Lateinfegel aus leichtem Baſttuch ver: 


Privatreht — Probiergewicht 


jehen, das jedoch nur bei günftigem Winde angewen⸗ 
det wird, während man die P. ſonſt mit Rudern fort: 
bewegt. Die B. haben verſchiedene Größe, je nad): 
dem he zum Fiihen, Perfonen: oder Warentrans: 

ort benußt werden, von 6 bis 20 m Länge. In 
he Falle find fie gededt, fonft gewöhnlich offen. 

Pro aris et foois (lat.), «für Altar und häus: 
lichen Herd», für Haus und Hof (kämpfen), Citat 
aus Ciceros «De natura deorum» “ 40). 

obabilismus (neulat.) heißt die Denkart, 
welche ſich bei der Beantwortung wiſſenſchaftlicher 
Fragen mit einem ——5—— oder geringern Grade 
von Wahrſcheinlichkeit begnügt. Sie iſt die ge: 
wöhnliche Form des Steptizismus (j. d.), wenn er 
den Saß, daß es überhaupt keine ſichere Erkennt: 
nis der Wahrheit, fon ern nur ug Ag 
gehe, allgemein ausjpricht und zum Prinzip macht. 
ie hauptſächlichſte Vertretung bat der ht. in ber 
antiten Philoſophie durch die jog. mittlere Alade— 
mie und deren Schulbäupter Arcefilaus und Kar: 
neades gefunden. Cine fpezielle Bedeutung ei 
das Wort namentlich dur die Jeſuiten für Die 
Moral erhalten. Hier heißt P. die Marime, eine 
Handlung ſchon für gerechtfertigt zu halten, wenn 

& nur für die Güte derjelben irgend ein wahr: 
cheinlicher Grund anführen läßt, ſei eg nun, daß 
ber Hanbelnde ſelbſt oder ein anderer, etwa ein 
angejehener Theolog, denſelben aufitellt. 

obät (lat,), erprobt, bewährt; probätum 
est, es ift bewährt, e3 hilft. 

Probegold und Brobefilber (Standard) find 
bie den geſetzlichen Vorichriften des Gold: und 
Silberwarenhandeld entipredhenden Legierungen 
der Edelmetalle, 

obefanf, f. unter Kauf. 
oben (Praben, auch Brona, magyar. 
Pröna, flaw, Provna), zwei Ortichaften in Un: 
garn, Komitat Neutra , nämlih Deutfhproben 
und Kleinproben. Der erftere Marltfleden mit 
faft ſtädtiſchem Ausfehen hat faft 3000 rein deutſche 
E., die zu den fog. Kriderhajern (ſ. d.) gehören. 
Der Ort reiht in feinem Beltande weit zurüd; er 
erhielt ſchon von König Ladislaus dem Kumanier 
(1272—%) Stabtprivilegien, die 1293 erneuert 
mwurben, Deutjchproben war der Mittel: und Aus: 
angapunft der umliegenden deutſchen Häueran: 
Tebelungen, die aber jet meiſt jlowalifiert find, 
obieren, f. unter Probierkunft. 
obiergetwicht heißen diejenigen Teilgrößen 
bes Gold: und Silbergewicht3, deren man ſich zur 
inheitsbeftimmung, d. 5. zur Beitimmung des 
bältnifies bedient, in welchem der Edelmetall: 
inhalt einer Metallmifhung zum Geſamtgewicht 
derſelben (in welhem das Feingewicht zum Rau 
gewicht) ftebt. Dieſe Teilgrößen bilden mandmal 
eine beiondere, d. h. von der beim Wägen üblichen 
verſchiedene Abſtufung; 3.8. die Feinheitsbeſtim⸗ 
— des Kr Hi — au Vierundzwan⸗ 
zigſteln, we er faſt allgemein verbreitet 
war. In ar und mehrern benachbarten 
Ländern hatte man bis in die neuefte Zeit ala Ein: 
beit des Edelmetallgewichts die Mark (f. d.), bie 
man ala P. beim Golde in 24 Karat zu 12 Grän, 
beim Silber aber (wie beim Wägen der Metalle) 
in 16 Lot zu 18 Grän, aljo zur Beitimmung ber 
ze bei beiden Metallen in 288 Grän teilte, 
r d B. eine Miihung von Gold und Kupfer 
ein Gerät, eine Goldmünze oder aud ein Gold⸗ 
rren) %, fein, d. b. enthielt fie %, ihres Gewichts 


Probierhahn — Probus (röm. Kaifer) 


an Gold und Y, an Kupfer, fo bezeichnete man fie 
als 18 Karat fein oder 18larätig, indem dann in 
jeder Mark oder in jeden 24 Karat der Mifchung 
18 Karat Gold enthalten waren; dagegen nannte 
man eine %, feine Silbermifhung 12 Lot fein oder 
12lötig. Die Bezeichnungen «Karat», «Lot» u. |. w. 
als fogenanntes - find alfo nichts anderes, als 
befondere Namen für einen Bruchnenner, da Karat 
Vierundzwanzigftel, Lot Sechzehntel, Grän Zwei: 
ernährt u.f. w. bedeutet. (S.X ot.) 
In den meiften europ. und amerit. Staaten brüdt 
man Are wenigſtens beim Münzmwefen (in 
Zeus and feit 1858) die Feinheit in Taufendteilen 
der Miſchung (frz. milliemes, ital. millesimi, fpan. 
milesimos, — duizendste deelen, engl, thou- 
sands) aus, fodaß eine Gold: und Silberware, 
welche %, feines Metall enthält (18 Karat, 12 Lot), 
ala 750 Taufendteile fein bezeichnet wird und die 
Benennung P. hierbei keinen Sinn mehr hat. In 
Großbritannien und Irland wird zur Per 
beitimmung das Troypfund beim Golde in 24 Ca: 
rats zu 4 Grains, beim Silber in 12 Dunces 
(Ungen) zu 20 Pennyweights Cejenniggewicht) e⸗ 
teilt und ſtets nur angegeben, wie viel eine Gold- 
oder Silberware befjer oder geringer an Fein: 
beit ift als brit. Münzgold (standard gold) von 
Y,, oder 2 Karat fein, bejiehungsweife Münz- 
filber (standard silver) von ?’/,, oder 11’/;, Unzen 
(= 222 dwts. Kefenniggemiät] fein, indem i B 
ein mit 8 gre- . (d. 1. 3 grains worse, 3 Grän 
ſchlechter) bezeichnetes Gold 3 Grän geringhaltiger 
als jenes Muͤnzgold ift, ein mit 10 dwts. M. oder B. 
(d. 1. 10 —— more [mehr] oder better 
[beifer]) ezeichnetes Silber aber ein ſolches be: 
eutet, das 10 Pennyweights feiner ift als Münz: 
filber. In Rußland heiht die Feinheit —— 
ie wird dort in den beim Wägen üblichen Abſtu— 
ngen des Pfundes ausgedrüdt, (S. Pfund und 
ünze, Bd. XI, ©. 91.) , 
obierhahn, bei Dampftefleln ein Organ zur 
ennung des Waflerftandes. j 
Probierkunft (Dotimafie) iſt derjenige Teil 
der analytiichen Chemie, welder die Berfahren 
lehrt, nach denen Erze, Hüttenprodufte und Legie: 
rungen zur Ermittelung ihres Gehalts und Mertes 
Einlöfung, Kaufsprobe) oder zur Kontrolle ihrer 
üttung und ——6 Betriebs⸗Kontroll⸗ 
probe) unterfucht werden. Die zu unterſuchende 
ubjtanz wird als Brobiergut, die behufs Prü: 
fung vorzunehmender Arbeiten als Probieren, 
der Hüttenmann, welcher mit ————— 
en betraut ift, ald Brobierer oder Wardein 
net. Das Probieren geichah früher falt nur 
auf trodenem Wege (Probieren in der Muffel, vor 
dem ng) der Neuzeit kommt das Probieren 
en ege mehr und mehr zur Geltung. 
Probieren auf trodenem Wege 
Fr dur Schmelzen mit — Bu: 
en, mit oder ohne Mitwirkung des Sauer: 
fi8 der Luft, die fremden Beimengungen zu ent: 
ernen und das vorhandene Metall in reinen, wäg: 
Buftand überzuführen. Beim Probieren 
Fr najjem Par werben die Materialien durch 
ungsmittel, Säuren, —— entweder ganz in 
flüffigen zn verfeht oder das Metall aus be: 
eftein in ogen, um dann nad) ben 
eln der dem. Ana te a8 vorhandene Metall 
oder in ge von 


fo enau be: 
fannter Zuſammenſetzung abzuiheiden. 


uf trode: 


333 


nem Wege läßt fi 3. B. Werkblei auf feinen Sil: 
bergehalt prüfen. Das gewogene Material wird in 
einer aus poröfem Material, ſchwach angefeuchteten 
rege in einer Form re didwandigen 
Scale, Kapelle, in einer jtark glühenden Muffel 
bei Luftzutritt anhaltend geſchmolzen. Durch den 
Sauerftoff der Luft werden bier alle ebeln Teile, 
mit Ausnahme des Silbers, in Oxyde verwandelt, 
und von dieſen befist da8 geihmolzene Bleioryd 
ein großes Löjungsvermögen für alle übrigen 
DOryde. Die geihmolzene Maffe der Oryde wird von 
der poröfen Kapelle aufgefogen,, während zuleht 
ein bellglänzendes Silberforn zurüdbleibt, welches 
zur Wägung kommt. Die Prüfung auf naſſem 
Wege wird unter anderm bei ber Prüfung des zu 
Münzen zu verarbeitenden Silbers angewandt. 
Hier wird die eingemwogene Silberfupferlegierung 
in —— gelöft, und fo lange mit einer 
Kochſa ien von genau befanntem Gehalt und 
einem abgeräß, Bürette, verfeht, bis der lebte 
Tropfen keine Abſcheidung von unlöslihem Chlor: 
filber mehr bervorbringt. Da der Wirlungswert 
der Kochſalzloͤſung genau befannt ift, und da außer: 
dem die Größe des Verbrauds —* Löfung er: 
mittelt ift, je läßt fi aus diefen beiden Daten der 
—— t leicht ableiten. Endlich iſt das Pro— 
bieren des Goldes eine Kombination der trodenen 
und naflen Methode. Das zu prüfende Gold wird 
mit einer durch Erfahrung (gelte Menge von 
Silber und mit Blei gemiſcht auf der Kapelle ab: 
getrieben, wie beim Werkblei. Es bleibt dabei ein 
aus Gold und Silber beftehender Kern zurüd, wel: 
der zu Blech ausgewalzt wirb, worauf die aus 
letzterm gebildete Holle mit Salpeterfäure gelocht 
wird, um alles Silber zu löfen. Die dabei zurüd: 
bleibende Golbrolle wird mit Waſſer gewaſchen, 
bis alles Lösliche entfernt ift, darauf auf einer 
reinen Kapelle ausgeglüht und endlich gewogen. 
Probierftein nennt man den bei der Gold: 
probe (f. d.) verwendeten Kiefelichiefer; mit Pro: 
biernabdel bezeichnet man die hierbei benusten 
Nadeln von befanntem Goldgehalt. 
—2 (lat.), ** enheit. 
roblem (grch.), eine Lufpabe, beren Löfung 
noch nicht gelungen I roblematifc, ein P. 
bildend, noch unentſchieden, fraglich; ein Urteil 
beißt problematiih, wenn es, mit dem entgegen: 
gefekten Urteil verglichen, ebenfo möglich iſt als 
das lehtere felbft; dem problematifchen Urteile it 
das apodiltiſche entgegengefebt, durch welches die 
entgegengefehten Urteile als unmöglihe ausge: 
ſchloſſen werden. , 
— — (grch.), Vers von einer kurzen und 
vier langen Silben (> , 
Probftheida, Pfarrdorf in der ſächſ. Kreis: 
und Amts auptmannſchaft Leipzig, 5 km ſüdöſt⸗ 
lich von Leipzig, mit Ge 1060 E. und Runit: 
gärtnerei, während der Völterfchlacht bei Leipzig 
18. Oft. 1813 Mittelpunft der franz. Stellung. 
(Val. Bd. X, S. 937° und 938*,) j 
robus (Marcus Aurelius), einer ber tüchtig: 
ften röm. Kaiſer, geb. 1. 232 h Sirmiun 
e 


in Pannonien, wurde al exbefehlshaber im 
Drient nad dem Tode des Kaiſers Tacitus (im 
April 276) von feinen Truppen zu Emefa als Kaiſer 
aufgeftellt, gegen des Tacitus Bruder Ylorian, 
der in Pontus | eigene Hand den Purpur ge: 
nommen hatte, Florian wurde aber im Juli 276 
zu Tarſos von feinen eigenen Leuten getötet. P., 


334 


am 3. Aug. durch den Senat anerlannt, ſah fein 
Streben, bie Grenzen des Reichs gegen die Bar: 
baren aller Stämme zu jhüsen, von glücklichem 
Erfolg — Er trieb 277 die Franken, Bur: 
gunder, Alamannen und Banbalen, bie in Gallien 
eingefallen waren, zurüd und erneuerte den Grenz: 
wall, der zwiihen der Donau und dem Main das 
fog. römiſche Zehntland von Germanien ſchied. 
Gleiche Sorge trug er 278 für die Sübbonaulän- 
der, für Ügypten, in das die nubiſchen Blemmyer 
eingefallen waren, und für den Orient, wo er die 
räuberifchen Jſaurier bezwang und einen vorteil: 
haften Frieden mit ben be oB;, 

pörer Saturninus in Ägypten, jowie die Gegen: 
faifer Broculus und Bonojus in Gallien übermand 
er ohne Mühe (279 und 280). Um ben verödeten 
Grenzprovinzen Bevöllerung zu ſchaffen, fiebelte 
er 279 in Möften und Thrazien grobe Maſſen von 
Barbaren an, die damals noch leicht romanifiert 
wurden. Bejondere Sorge trug er für bie Kultur 
des Bodens. Daher hob er das alte, den alleini: 
gen Vorteil Italiens bezwedende Verbot, in ben 
trangalpinifhen Ländern Ölbäume und Heben & 
pflanzen, auf und gab dadurch den Anlaß zum Öl: 
bau in der Provence und zum Weinbau in Gallien, 
am Rhein und in Bannonien. Die Strenge, mit 
welcher er bie Soldaten zu nüglichen Arbeiten bie: 
fer Art nötigte, rief eine Meuterei hervor, in 
welcher er im Sept. oder Dit. 282 bei Sirmium 
erſchlagen wurde. 

Probus (Marcus Valerius), belannter lat. 
Grammatiker, war aus Berytus In an lien ge: 
bürtig und lebte im 1. Jahrh. n. Chr. in Rom 
unter Nero bis in bie Yeiten Domitiand. Gr 
machte ſich durch kritifche Behandlung röm. Dichter 
verdient. Grhalten iſt unter feinem Namen ein 
Kommentar zu Virgils «Bucolica» und —— 
deſſen Kern von ihm berrühren wird (am beiten 
herausg. von Keil, Halle 1848), und ein Auszug 
aus feiner Schrift «De notis», der die in der Rechts: 
ſprache gebräudlihen Abkürzungen enthält (am 
beiten heraudg. von Mommſen in Keils «Gramma- 
tici latini», Bd, 4, 2pz. 1862—64). Die den Ramen 
des P. tragende «Ars vaticana» rührt von einem 
Grammatiker des 4. Jahrh. ber. Die —* Ausgabe 
lieferte Keil in «Grammatici latini» (Bd. 4). 

Proo., Abkürzung für Prozent, Profonful, 


Prokura. 
Procaccini, ital. Rünftlerfamilie aus Bologna. 


Grcöle P. geb. 1520 dafelbit, wurbe das 
Haupt einer Da rſchule, welche fih in Mailand 
bildete, nad ähnlihen Grundſähen, wie die ber 
Garacci zu i 


u Bologna, aber mit geringerm Erfolg. 
Seine mittelmäßigen Werte Selen fih zu Bo: 
logna und Parma. Er ftarb nad) 1590. 
— 9* Sohn und Schüler des vorigen, 
geb. 1546 zu Bologna, geft. 1625 zu Mailand, war 
er hervorragendſie Künftler diefer Schule, Cr 
hat mit Nutzen bie Schule der Caracci ftudiert und 
befonder3 Correggio und Barmeggianino zu Bor: 
bildern erwählt. Seine leichte Auffafiung verlei: 
tete ihn nicht felten zur Zlüchtigleit und zum Ber: 


nachl Tipen der Raturwahrbeit. Bejonders auf: 
—5 iſt ſein unwahr roſtfarbener Fleiſchton. 


ern Arbeiten rg fih in den Kirchen 


und ber Galerie zu Mailand. Auch in Bologna, 
avenna, Bavia, fowie in ben Galerien zu Wien, 
Dresden, Münden u. f. w. find Bilder von ihm, 


wie er denn überhaupt fehr produktiv war. Es 


rſern ſchloß; den Em | f 


Probus (lat. Grammatiker) — Procter 


gibt auch fünf von ihm radierte Blätter, die leicht 
und geiitreic behandelt find. 

Giulio Cefäre P., der Bruder des vorigen, 
geb: in Bologna um 1560, geit. um 1626 zu Mais 

nd, ftrebte ebenfalls der Schule der Caracci, aber 
auch Correggio nad, deſſen Weile er, ohne die 
Grazie und Darmonie feines Vorbildes zu erreichen, 
mandmal glüdlid traf, jodaß feine Werte oft für 
die des Correggio ausgegeben wurden. Nament: 
li war das bei Stabinettäbildern der Fall. 
, Procambium nennt man in ber Botanik bie: 
jenigen Gambiumpartien, bie in den jungen Stamm: 
pigen in Form von Strängen auftreten und noch 
feine weitere ——— in beſtimmte Gewebe⸗ 
elemente zeigen. (Bol. Cambium.) 

Brocedieren (lat.), vorgeben, zu Werte geben; 
Procedur, — Rechtsgang. 

Prooellaria (lat.), Sturmvogel, 

Procent, |. Prozent. 

‚ Procöres (lat.), die Vornehmiten, Ebelften; 
in Spanien die Mitglieder der Erjten Kammer, 
oceR, ſ. Prozeß. 
oceflion, ſ. Brozeffion. 
:ocida (Prochyta bei den Alten), eine Heine, 
um reife Bozzuoli der ital, Provinz Neapel ge: 
örige Inſel von 9 km Umfang, im Golf von 
Neapel, zwiihen der Inſel Ischia und dem Miie: 
niſchen Borgebirge, iſt überall fruchtbar und bildet 
leichſam einen Wein: und Gemüfegarten. Die 
dent .. Bewohner beläuft fi) (1881) auf 14247, 

iefelben find als ausdauernde und mutige Schiffer 
betannt, treiben an der Küjte einträglichen Thun: 
SH und an der afrif, Hüfte Korallenfiſcherei. 

Mittelalter gehörte die Inſel dem befannten 

obann von PBrocida, dem Hauptanitifter der 

iciliihen Beiper. Das am Meeresufer liegende 
Städten Procida hat einigen Handel, einen 
Hafen und ein Kaſtell, jest Strafanitalt. 

Pro oopia (lat.), für die Abjchrift. 

Procter (Bryan Waller), engl. Dichter, be: 
fannter unter feinem Schriftitellernamen Barr 
Gornmwall, geb. 1788 in London, widmete fü 
ber jurift. Laufbahn, praktizierte als Advolat und 
war dann längere Zeit Kommiſſar für die Bermal: 
tung der Srrenanitalten, welches Amt er 1860 
niederlegte. Gr ftarb 4. Oft. 1874 in London, Als 
Dichter trat P. zuerft 1815 mit «Dramatic scenes» 
auf, durch meld er eine natürlichere Redeweiſe in 
die dramatifche itteratur einzuführen ftrebte; 1820 
folgte «Marcian Colonna, an Italian tale», 1821 
ging fein Traueripiel «Mirandola» mit glängendem 
Grfolg über die Bühne von Covent-Garden. Bon 
—— 1831 erſchienenen «English songs» (neueſte 

ufl., Lond. 1853) find mande, wie 3.8. «The 
sea», voltätümlich geworden. PB. bat — dich⸗ 
teriſchen Stil nad den Dichtern aus Eliſabeths 
Beit gebildet; feine kleinern Iyrifhen Gedichte find 
meift vortrefflich. Auch gab er 1837 das Leben von 
Edmund Kean F Bde.) heraus, 1838 ein «Memoir 
of the life and writings of Ben Jonson» vor der 
Ausgabe diefes Dichters in Einem Bande (Lond, 
1838) und einen «Essay upon the genius of Shak- 
speare» vor deilen Werten (3 Be., Lond. 1843), 
wie eine Biographie feines Freundes tles 

mb (Lond. 1866). Cine Sammlung einer « ys 
and tales in prose» erſchien 1852 in zwei Bänden. 

Adelaide Anne P., Tochter des vorigen, geb. 

Dit. 1825, gehörte zu beliebteiten engl. 


80. 
Dichterinnen, ftarb aber ſchon 2. Febr. 1864, Bon 


Proctitis — Produftivgenofjenfhaften 


ihren Gedichten find «Legends and lyrics» (2 Bde., 
Lond. 185860; neue Aufl. 1865) und ihre Bei: 
träge zu dem 1861 unter dem Titel «Victoria Re- 
gia» egebenen Sammelwerfe zu erwähnen. 
‚1. Maftvdarmentzündung. 
an be (engl., vom lat, procurator), Anwalt; 
* — Brforb und — Titel 
von i) mit polizeilichen gniffen ausge: 
— Beamten. 


Procul a Jove, prooul a fulmine, lat. 
Spridwort: «Fern vom iter, fern vom — 
ſoll den Vorzug niederer Stellung vor den gefahr⸗ 
en bezeichnen; auch foviel wie «Meit 
vorm ” 


negotiis (lat.), fern von den Ge: 
fhäften. (S. unter Beatus. 
Pro oura (lat.), ſ. Brotura 


ou ern, f. u. Hund (Sternbilder). 
—8 rufl.), en. in der ältern Zeit 


Strafgeld, 3 r Tö und ſchwere Ver: 
ftümmelung wurde bie Hira (Wergeld) von 80, 
r alle andern Berlekungen 


Ibfreien oder Stlaven P. 
von 12 Grimny und weniger. , 
8, f. unter Dataria. 
ätderflärung (lat., von prodigus, 
d. chwender), der im Entmündigungsver: 
GE Eee ges )erlafjene Richterfpruch, 






m chwender erflärt (Ent: 
3. wirft nach der Deut: 





mit ber Zuſtellu der⸗ 
big: 


entsicht dem Entmündigten die 
feit, ohne vormundſchaftliche Genehmigung I 
‚se 


zu 
ober etwas zu ver die 
igteit, zu teſtieren. fte und andere 
Geſchäfte, auch Eheſchließung, 
lann er en ou jelbftändig vornehmen. 
um, j. Omen, 
domo, |. unter Oratio. 


Prodrom (grch.), Vorläufer, Vorrede; Pro: 
dromalſymptome, die dem Ausbruch der 
Krankheit vo den Symptome. 

net, j. Bhyiiofratismus, 

I bezeichnet den Handel mit 
nn r (Landesprodulten), in Deutſch⸗ 
land ih den Handel mit Erjeugnifien der 
Landwi er > B. Getreide, ülfenfrü ten, 
Kartoffeln, (fat, Spiritus, Sämereien u. f. w. 
Diefer Handel ift im 19. Jahrh. von großer Wich⸗ 
tigfeit geworben und bat an vielen Orten bes Sn: 
landes, namentlih an den Erportpläken der See: 
füften, eigene Börfen, Mäller und Kursberichte. 
Zugleich aber ift auch die internationale Kontur: 
venz, beſonders die der überfeeifchen Länder, zu 


ichen Entwidelung gelangt. Da | ® 


—— = —* ie ern g kart 
chwanlen, fo ie on i ‚ei 
große Rolle. Shre Wirkung ift j we = 
tigen enge rn ge weſentlich eine preis⸗ 
re und fomit eine Ft, (S. Ge: 
tre et 


nennt man die Erzeugung von 


335 


bringung und Bermehrung von Taufchwert pa: 
tallel, wenn es aud) vortommt, daß Einzelne 2. 
vatwirtiaftlihen Taufchwert für ſich erwerben, 
ohne daß irgendein neuer Gebrauchswert gefchaffen 
wird, ja jogar unter Verminderung des vorhan: 
denen Beitandes an Gebrauchswerten. Jede B. im 
voltswirtſchaftlichen Sinn ſchließt eine menſchliche 
Arbeitsthãtigleit mit ein. Bei der P. im engern 
Sinn, nämlid der P. von Sadhgütern, erfcheinen 
neben der Arbeit, wenn auch nicht in gleichartiger 
Bedeutung mit diefer, als weitere Faktoren 
Produktion einerfeits das Kapital, beitehend aus 
Arbeitsmitteln, die felbft Produkte find, und ande: 
rerfeitö die Naturgrundlage (Boden und Natur: 
fräfte), welche die nicht produzierten, fondern ur: 
—— von der Natur gegebenen Produktions: 
mittel umfaßt. Außer der Erzeugung von Sad) 
—— betrachtet man jedoch auch alle Arbeits⸗ und 
ienftleiftungen als P., die irgendwie für einzelne 
Menſchen oder für die Ge amt nüglich ober an- 
enehm find, wenn fie auch nicht in ein materielles 
ubitrat eingeben, wie die Dienfte ber gelehrten 
— — der Beamten, die Leiſtungen der 
chauſpieler, der Dienſtboten u. ſ. w. Dieſe Er— 
weiterung des Begriffs der P. und der probuftiven 
Arbeit iſt volllommen gerechtfertigt, da jene Dienft: 
leiftungen unzweifelhaft ſowohl Gebrauchswert, 
wie auch Tauschwert beſihen. 
Produftiondkoften nennt man die Geſamtheit 
der Auslagen, bie für die Herftellung einer be 
—— enge einer Ware im marktfähigen Zu: 
tand zu machen find. Es gehören aljo dahin zu- 
nächſt die Koſten ber in biefer Quantität enthal: 
tenen —— und der unmittelbar für dieſelbe 
aufgewandten Arbeit, ferner aber auch ein ent: 
prechender Anteil an den Ausgaben für Hilfs: 
toffe (Kohlen, Gas u. f. w.), an den Unterbalte: 
tojten des Aufſichts- und Verwaltungsperſonals, 
an dem durch Abnukung der Maſchinen und des 
übrigen ftehenden Kapitals verurſachten Verluſt. 
Auch die Verfiherungstoften, die Koſten der —T7 
bewahrung und des damit etwa verbundenen A 
angd, ſowie die in vielen Fällen unmittelbar vom 
* uzenten getragenen Koſten der Zufuhr auf den 
arlt ſind verhältnismäßig in Rechnung zu brin— 
gen. In der Regel rechnet man zu den P. auch 
noch den Anteil an der Verzinſung des ſtehenden 
und umlaufenden Kapitals nach dem landesüblichen 
Zinsfuß, obwohl dieſer Betrag nur einen Teil des 
Kapitalgewinns ausmacht. Der Kapitalgewinn 
im ganzen erſcheint privatwirtſchaftlich als ein 
nad) der Größe des benutzten Kapitals mit Berüd: 
fihtigung feiner Umlaufszeit bemefjener verhältnis: 
mäßiger Zufchlag zu den P., und die legtern in 
erbindung mit dieſem Suflag geben den Map: 
ftab für den normalen Preis. Volkswirtſchaftlich 
it immer eine Verminderung der P. zu wünfchen, 
wenn aud) die Produzenten pripatwirtichaftli nur 
einen vorübergehenden Vorteil von einer ſolchen 
baben, da derjelben infolge der Konkurrenz bald 
3 ein entſprechendes Sinfen des Breifes folgt, 


roduftiondtermin bieb im frühern gemein: 


wi i en, wie auch bie weitere Ber: | rechtlichen Prozeß der ——— Termin, in wel: 
a bereitö vorhandener Güter Br Erhöhung chem der Beweisführer die Beweisurkunde vorlegt 
8 handelt ſich bei der P. | und dann der Gegner ſich gleich über ihre Echtheit 


ihres es. 
vom Standpunkte der Volkswirtſchaft weſentlich 


on Gebr jedo t 
mit ber Ietern bei der ——— 
ordnung im und ganzen auch die Hervor⸗ 


zu —— 2 fen ſind Bereini 
rodu enoſſenſchaften find Vereinigun⸗ 

en von — oder Keinen Gewerbtreibenden 

(in ber Regel gleichen Berufs), welche die Herftellung 


336 


induftrieller oder landwirtfchaftliher Erzeugniſſe 
auf gemeinfhaftlide Rechnung zum Gegenitand 
baben. Die P. find durch den zunehmenden Groß: 
betrieb hervorgerufen; diefelben bezweden, durd) 
Kombination der einzelnen Arbeitskräfte und klei— 
nen Kapitale die Vorteile des Großunternehmens 
mit der möglichften Selbſtändigleit der Beſchäftig— 
ten zu verbinden, dadurch die guten Seiten des 
Handwerks auf dem Boden der modernen — 
ſoweit als möglich zu mehren und den Gegenſat 
zwiſchen Unternehmer und Lohnarbeiter innerhalb 
ihres Wirlungskreiſes zu beſeitigen. Indem die P. 
ſich nicht, wie andere Genoſſenſchaften, auf einzelne 
Bedingungen und Erleichterungen der Produltion, 
wie die Beihaffung von Kredit, Nobitoffen, Dia: 
ſchinen, beſchränken, fondern das Ganze der Pro: 
duftion umfafjen, bilden fie offenbar die höchſte 
Stufe der Genofjenfhaften, zugleich aber aud) die 
ſchwierigſte. Sie erfordern bei den Geſchäftsleitern 
einen bejonders —*— Grad von Zuverläſſigleit 
und techniſcher wie faufmännifcher Tüchtigteit, bei 
den andern Mitgliedern aber fehr viel Gemeinfinn, 
Verträglichkeit und Strebfamleit: Eigenſchaften, 
welche nur durd) längere Schulung im Vereinsleben 
erworben zu werden pflegen. Die Erfahrungen in 
Srantreih, England und Deutſchland beweijen 
übereinftinnmend, daß die P. gegenwärtig noch als 
bloße Experimente zu betradhten find. 

Als Grundzüge der Organifation wirklicher P. 
find bernoryubeben: 1) Das zum Geihäftsbetrieb 
erforderlihe Kapital wird in der Form von Ge: 
fhäftsanteilen in der Negel durch Jucceſſive Ein: 
zahlungen und Innebehaltung der Dividenden an: 
gefammelt; dasjelbe bleibt Eigentum der Mitglie: 
der, daneben aber wird durd die Eintrittögelder 
und einen Teil des Neingewinns ein Genoflen: 
—— als Reſervefonds gebildet. 2) Der 
Eintritt und das Ausſcheiden der Mitglieder unter— 
liegt der Beſchlußfaſſung der Generalverſammlung. 
3) Die Mitglieder find zugleich die Arbeiter des 
Geſchäfts, und der Neingewinn wird einesteils 
nad) der Höhe ber Geſchaͤftsanteile, andernteils 
nad) der Arbeitsleiitung (al «Bonus») verteilt; 
an Ichterm partizipieren aud) diejenigen Arbeiter, 
die (ausnahmsweiſe) nicht Mitglieder find. er Zur 
Kontrolle des Vorſtandes dient ftatt des Aufſichts— 
rats, bei der meift geringen Mitgliederzahl, ein Re: 
vijor, ald Drgan der Generalverfammlung; in der 
legtern, welde jehr weitgehende Befugniſſe befikt, 
hat jedes Mitglied nur eine Stimme, Für Deutich: 
land führt der Yahresberiht von F. Schrent für 
1883 neben 1910 Kreditgenoffenihaften und 675 
Konfumvereinen nur 145 induftrielle und 198 land: 
wirtſchaftliche P. auf, wovon die meiften unbedeu— 
tend und viele überdies nur dem Namen nah P. 
find. (S. Genofjenfdaften.) 

Gegenüber den auf Selbſthilfe begründeten P. 
eritreben die Sozialdemokraten ſolche, welche von 
der Kommune oder dem Staat dotiert und organi: 
I werden; fo befonders Louis Blanc und Laf: 
alle, welch lehterer vom Staat 100 Mill. Thlr. zur 
Eubvention von P. als Hauptmittel der fozialen 
Umgeftaltung forderte. Abgeſehen von ber ver: 
ſchwindenden Kleinheit einer folden Summe dem 
—— Privatlapital gegenüber, verlennt dieſer 
zorſchlag vollſtändig, daß die —5———— 
ner Rent der P. nicht in der Beſchaffung von 
Kapital, fondern in der zwedmäßigen und gewiffen: 
haften Verwendung desjelben liegt, diefe aber durch 


Produktivität — Profan 


das Fortfallen der peluniären Verantwortlichleit 
der Beteiligten im böchften Grad. beeinträchtigt 
werden würde, und dab andererjeit3 das birelte 
Ginmifhen der Negierung in den privaten Ge 
werbebetrieb in polit. und fozialer Beziehung 
äußerft bedenklich wäre. 
gl. Schäffle, «Kapitalismus und Sozialismus⸗ 
(Tüb, 1870); —— «Die Entwidelung 
des Genoflenfchaftsweiens» (Berl. 1870); derfelbe, 
«Die Genoſſenſchaften in einzelnen Gewerbözweigen» 
(2p3. 1873); Flärl, «Die P. und ihre Stellung 
zur fozialen Frage» (Münd, 1872); Mill, «Prin- 
ciples of political economy» (Boll&ausgabe, Lond. 
1867; deutich von Soetbeer, 3. Aufl., Lpz. 1870); 
Thornton, «On labour» (Lond. 1869; deutic von 
Schramm, Lpz. 1870). 
roduftivität iſt die Leiſtungsfähigleit ber 
wirtſchaftlichen Arbeit, gemefien an der Quantität 
ihrer verfhiedenartigen Erzeugniſſe. Je böber alfo 
die Menge des auf den Hopf der beidäftigten Ars 
beiter lommenden Produfts einer bejtimmten Art 
fteigt, um fo größer ift die P. der Arbeit in diefem 
Zweige. Eine Steigerung der P. der Arbeit fann 
erfolgen durch befjere Ausbildung und Übung der 
Arbeiter, —* zwedmäßigere Teilung und a: 
nifation der Arbeit, namentlich aber durch Ver: 
befierung der Werkzeuge und Maſchinen, burd 
neue techniſche —— und durch erweiterte 
Verwendung der Naturkräfte im Dienit der Men: 
hen. Der Taufchwert des durd erhöhte P. der 
Arbeit vermehrten Prodults fteht jedoch leinesw 
in gleihem Berhältnis mit der vergrößerten Maſſe 
desjelben, da der Preis der Mengeneinheit in der 
Regel bedeutend finkt, weil weniger Arbeit für ihre 
Heritellung erforderlich it und der Gewinnzufchlag 
wegen der etwaigen Mehranwendung von ftehen: 
dem Kapital die Erfparung an Arbeit nicht auf: 
wiegt. Für die Arbeiter hat daher die Steigerun 
der P. durch Mafchinen und Naturkräfte Unädit 
oft mehr Nachteile als Vorteile, und es gilt bis zu 
einem gewiſſen Grad der Satz von Rodbertus, da 
unter jener Borausfehung ihr Anteil an dem Na: 
tionalproduft relativ Heiner wird. Gleichwohl 
muß Erhöhung der Fe der Arbeit das Hauptziel 
des voltswirtichaftliden —5—— bleiben, da ſie 
die erſte Bedingung abſoluter Vermehrung der der 
Mafie der Bevölterung zugänglichen Güter bildet. 
roduzieren (lat.), vorführen, vorbringen, 
vorzeigen, beibringen (Beweismittel); bervorbrin: 
gen, erzeugen (von geiftigen und Naturerzeugniffen). 
Proẽdrie (grch.), bei den alten Athenern das 
Ehrenrecht, in den Schauſpielen die vo en 
Pläpe zunächft der Orcheftra einzunehmen ; auch Bor: 
fig im Nat und in den Bollsverfanmmlungen, 
Profän (lat., d. b. unheilig mei) eb bei 
den Nömern nicht nur jeder Ort, der au eines 
heiligen Bezirks lag, und überhaupt alles, was leis 
nem Gott geweiht war, fondern auch jede Berion, 
die nicht in gewiſſe Myſterien oder Geheimniffe eins 
— war, daher auch die Alten beim Beginn von 
pfern und andern feierlichen Handlungen die Un: 
eingeweihten durch befondere Formeln zu entfernen 
ſuchten. —— heißen bie g 
und röm. Schriftiteller, im — u den 
ſchen und lirchlichen Brofangef * die welt⸗ 
liche Geſchichte, im Gegenſaß zur Kirs 
Profanarchitektur die nichtlirchli 
tur; profanieren, entheiligen, en n; Bros 
fanation, Entweihung, Entheiligung. 


Profeß — Programm 


PVrofeh (lat.), dad Ordensgelübde, das der flo: 
ftergeiftlicde nad) überftandenem Noviziat ablegt. 
rofeifen (professi) ift der Name derjenigen 
Mitglieder des Fefuitenordeng, die in alle Ordens: 
—— e eingeweiht und im Beſiß der höhern 
mter find. Sie leiſten das vierte Gelübde des Ge: 
horſams gegen den Papſt, ſind insgeſamt ordiniert 
und wohnen in den * rofebhaͤuſern. 
rofeſſion (lat.), im allgemeinen jeder Beruf, 
zu dem man — etzt vorzugsweiſe ein 
Gewerbe oder Handwerk; Profeſſioniſt, einer 
der etwas berufsmäßig betreibt, namentlich foviel 
wie Handwerter. 
eofeffor (vom lat. profiteri) oder Ante— 
cefjor wurde in der röm. Kaiferzeit ein öffent: 
liher Lehrer, befonderd der Grammatik und Nhe: 
torif, genannt. Der Titel ging dann Ende des 
15. Jabrh. auf die vom Staat angeftellten Lehrer 
an den Univerfitäten über. Dieje teilen fi in 
ordentlidhe P. (Professores ordinarii), die ein 
mit beftimmten Rechten ausgeftattetes Kollegium 
bilden, und außerordentliche (Professores ex- 
traordinarüi); Honorar er find ſolche, 
die im Range den ord. Profejloren gleichgeftellt, 
aber ohne Si und Stimme in der Fakultät find, 
Die Lehrer an den den Univerfitäten gleichftehenden 
Hochſchulen (Techniſchen Hochſchulen, Polytechni— 
den Schulen, Bergalademien ıc.) führen ebenfalls 
n Titel ®., ebenjo audy Lehrer an Gymnafien, 
Realſchulen und andern höhern Bildungsanftalten 
(4. B. Kunftatademien, Konfervatorien der * 
Profil fr vom lat. filum, Faden), Dur 
ſchnitt, heißt im allgemeinen bie arftellung des 
—8 — Durchſchnitts eines Körpers, beſonders 
eines Gebäudes und eines architeltoniſchen Gliedes. 
Obgleich das P. auch nad der Länge genommen 
werden kann, wie bei der Oberfläde von Straßen 
und Gifenbahnen, bezeichnet dieſes Wort doch vor: 
zugsweiſe den Querjchnitt eines Bauwerls, aus 
weldem die Konſtrultion desfelben erfehen werben 
lann. Das P. iſt deshalb für Bauzeihnungen von 
der größten Widhtigleit und eine notwendige Er: 
gänzung von Grundriß und Aufriß. Befonders 
Ba angewendet werden P. einzelner ardjitelto: 
t Ölieder und Maſchinenteile. 
Im gewöhnlichen Leben bezeichnet man mit Bro: 
Til aud) die genau von der Seite genommene Ab: 
bildung des menſchlichen Gefihts oder Körpers, 
Es ift dann oft gleichbedeutend mit Silhouette oder 
Sxitenanfiht, wobei natürlih das Hauptgewicht 
auf die Contour gelegt iſt. 
Brofilhobel, ! unter Hobel. 
Pro forma (lat.), der (bloßen) Form wegen, 
anftandshalber, zum Schein. , 
Profof (vom lat. praepositus) war früher in 
den Heeren ein mit der Hegimentspolizei beaufs 
tragter Militärbeamter, Er hatte Hauptmannd: 
rang, ordnete im Lager den Markt an, bejtimmte 
den reis der Lebensmittel, fahndete auf Ausreißer 
und Marodeure, erhob die Antlage gegen Ber: 
brcher, verhaftete fie und leitete die Erelutionen, 
wozu ihm Stodmeilter, Stedentnedhte und Scharf: 
richter beigeordnet waren. Er jelbit ftand unter 
dem Generalprofoß oder — —— des 
Heeres. Jeßt iſt dieſe mit großer Autorität beklei— 
dete Stelle verſchwunden und der P. nur noch in 
einzelnen Heeren der die Aufficht über die Arreitan: 
ten führende Unteroffizier 
Profoßenarreſt abgeleitet ift. 
Converjationd- Legion. 13. Aufl, XIII. 


nil 


wovon der Ausdrud 


337 


us (lat.), übermäßig, zu ftark, 
‚Broglottiden, wiſſenſchaftliche Bezeichnung für 
bie — get . — — 
rognoſe (vom gr. pöyvwaıs orber: 
fage, M in der Batbologie die Pezeihnung 
für die Vorherbeftimmung des künftigen_ Ber: 
lauf3 und des Ausgangs einer beftimmten Aranl: 


rel (lat.), tieffinnig, gründlich, 
ro 


beit. In manchen Fällen ift eine allgemeine P. 
nicht | wer; von einer Anza —— (3. B. 
Krebs) iſt belannt, daß fie tödlich verlaufen, von 


andern, daß fie fait ausnahmslos mit Geneſung 
enden, und bier hängt das Eintreffen der P. nur 
von ber oo und Schärfe der Diagnofe (f.d.) 
ab. Um jo jhwieriger wird die P. aber, je unfiche: 
rer die Diagnofe ift oder je fpezieller, feiner die P. 
gegeben werden foll, Außer der Krankheit an ſich 
gibt allgemeine Anhaltspunlte für die P. der Er: 
nährungs: ober Kräftezuſtand des Kranken, der 
Charalter ng ort Epidentie, die Nom: 
plifation der SKrankheitserfcheinungen und bei 
[ebeegonen Krankheiten vor allem der Gang und 
ie > der Hörpertemperatur (f. Fieber); eine 
lange Zeit anhaltendes geringes Fieber oder eine 
aud nur einmal erreichte jehr hohe Temperatur 
find von ſchlechteſter P. Die Kunſt, die P. zu tel: 
len, wird Brognoftil genannt, 

In der Meteorologie verjteht man gegen: 
wärtig unter Brognofen (Wetterprognofen) 
die auf Grund der an vielen Orten eines größern 
Teild der Erdoberfläche angejtellten meteorologi: 
ſchen Beobachtungen zufammengeftellten Ausfichten 
auf die Wetterlage des näditen Tags (Tages: 
prognofe) oder Monats (Monatsprognoje). 
Auch nad) dem Gebiet, auf welches die P. 5 er: 
ftreden, zerfallen diefelben in allgemeine Bro: 
gnoſen und lofale Brognofen. Zu den erftern 
gehören die von der Deutichen Seewarte täglich 
gegebenen P., zu ben lehtern die einzelner Länder, 
wie Sachſen u, f. w. oder diejenigen, welche regel: 
mäßig größere politifche Zeitungen bringen. Über 
den praltiichen Wert und die N uverlärfigfeit der 
P. find die Anfihten noch fehr geteilt, während 
ihre Bedeutung für die Meteorologie al3 Willen: 
ihaft keinem Zweifel unterliegt. (Val. See: 
warte und Wetter.) 

Prognoftifon (grch.), eine Vorherſagung zus 
folge gewifler Anzeigen; jemand das P. jtellen, 
ihm fein Schidjal vorherfagen (vgl. Brognofe). 
‚ Programm (grch.), eigentlich öffentliche, Schrift: 
Iihe Ankündigung, öffentlicher nſchlag, jet ipe: 
ziel die Anzeige, welche die Reihenfolge bei Felt: 
lichkeiten, Konzerten und Schauftellungen aller Art 
angibt; ferner die Darlegung der polit. Grundfäße 
eines neueintretenden Miniiteriums, einer polit. 
Partei u. ſ. w. Auch heißt B. jede öffentliche An: 
fündigungsds oder Einladungsſchrift, die von den 
Univerfitäten, Gymnaſien und andern höhern 
Bildungsanftalten aus Veranlaſſung einer feier: 
lien Handlung, 3. B. eines kirchlichen oder polit. 
Feſtes einer Disputation, Promotion, Habilita 
tion, Prüfung u. ſ. w., erlaflen wird, und welcher 
nad) altem Brauch eine wiſſenſchaftliche Abhand: 
lung beigegeben ift. Cine nenelung des Program: 
—— der deutſchen höhern Schulen iſt 1872 
in der Art erfolgt, daß die Beigebung einer willen: 
Ihaftlihen Abhandlung freigeftellt it und der Aus: 
taufch jebt durch die Buchhandlung von B. ©. 
Zeubner in Leipzig vermittelt wird. Unterm 


22 


338 


31. DM. 1879 empfahl ber damalige preuß. Kultus: 
miniiter von Puttlamer dringend, die Sitte, den 
B. wilenfchaftlihe Arbeiten beizufügen, fegubal 
ten. Bol. Bechſtein, «Die Litteratur der Schul: 
programme» (2pz. 1864). 
Brosreh (lat.), Fortſchritt. 

rogreffion (lat.) nennt man in der Mathe: 
matit eine Reihe von Größen, deren jede aus der 
vorhergehenden nad) einem gegebenen Gefet gebil: 
det wird. Geben je zwei aufeinander folgende Ölie: 
der dieſelbe Differenz oder iſt jedes Glied das 
arithmet. Mittel aus dem vorhergehenden und nad: 
folgenden, fo ift die Reihe eine arithmetiſche; iſt 
Dagegen ber Quotient je zweier aufeinander folgen: 
der Ölieder gleich oder ift jedes Glied das geometr. 
Mittel des vorhergehenden und nachfolgenden, fo 
beißt fie eine geometr. Reihe. So ift 3. B. bie 
Reihe 3,5, 7,9, 11,13 u. f. w. eine arithmetische 
P. mit der Differenz 2, die Reihe 2, 4, 8, 16, 32 
u. 5 eine geometrijche B. mit dem Duotienten?. 

cögreifiobrall, f. unter Gefhüs, Bd. VII, 
6.888, 

Progreffive Paralyfe der Irren (Demen- 
tia paralytica), von ben Laien fälſchlich auch Ge— 
birnerweihung genannt, eine der häu er 
und wichtigſten Geiſteskranlheiten; troß der That: 
ſache, daß bei derfelben faft ausnahmslos an der 
Leiche deutliche Veränderungen des Gehirns unb 
feiner Hüllen gefunden werben, it man über das 
eigentliche Weſen de3 Krankheitsprozeſſes vu nicht 
ganz Har, Es ftehen fi zwei Hauptanfichten 
gegenüber, nad) der einen handelt es fich um eine 
Entzündung der Ninden: und Markjubit der 
Großhirnhemifphären und ihrer Häute, nad) der 
andern um einen einfachen Schwund der Nerven: 
fafern und Ganglienzellen daſelbſt. Schließlich 
tritt ftet3 hochgradiger Schwund der Großhirn— 
lappen ein, ten ber vordern Teile (Stirn: 
und vorderer Scheitellappen). Die Symptome ber 
Krankheit find ungemein zahlreich, bejonders * 
deshalb, weil ſich mit den Leiden des Gehirns au 
Rückenmarkserkrankungen (beſonders Rudenmarks— 
ſchwindſucht, Tabes dorsualis) verbinden können. 
Dan untericheibet die Brodromalericheinungen und 
die Erſcheinungen der ausgebildeten Krankheit; 
lehtere beitehen teils in geiftigen, teils in körper: 
lihen Störungen: in einer fortfchreitenden Ab: 
nahme der geiltigen Kräfte und der Präcifion und 
Energie der Bewegungen. Die Abnahme der gei: 
ftigen Kräfte betrifft bald mehr das Gedächtnis, 
bald mehr die Urteiläfraft und — ſich oft 
unter dem gleichzeitigen Auftreten von Reizungs: 
ericheinungen de3 Gehirns (maniatalifcher 
regung) meijt mit Größenwahn (f.d.); aud) in Form 
ihwerer Hypochondrie, Melancpolie, Berfolgungs: 
wahn u. ſ. w. kann fih das Gehirnleiden Deochiich 
äußern, Bon den Bewegungs: motoriſchen) Stö: 
rungen ift ganz befonders eine Form von Sprad): 
ftörung (Silbenftolpern) charakteriſtiſch, die Kran: 
ten verſprechen und verjchreiben fich u. j. w. Won 
Brodromalerfheinungen find — Anfälle von 
Bewußloſigleit, vorübergehende Spradjlofigteit 
u. ſ. w. Die Krankheit dauert meift nicht länger 
als 2—3 Jahre und endet meift mit dem Tod; oft 
eigen ſich trügeriſche Beſſerungen bis fheinbar zur 
Norm kürzerer oder aud jahrelanger Dauer; nur 
in ganz vereinzelten Fällen ift bisher dauernde 
Heilung beobachtet. Die Krankheit befällt aus: 
Schließlich Perfonen im kräftigen Alter (befonders 


:| von 1860 die für faft ſämtliche 


Progreß — Pröhle 


zwifhen 30 und 45 Jahren), Männer weit zabl: 
reiher al3 Frauen. Die großen Stäbte liefern 
eine viel arö Bahl von Erkrankungen als die 
ländlichen Diftrifte. Die * der —— 
Paralyſe ſind noch nicht feſtgeſtellt, geſchlechtliche 
Exceſſe und Syphilis ſcheinen nicht ohne Einfluß zu 
fein; auch Altoholercefie haben oft einen Anteil; 
desgleichen eine unregelmäßige aufregende Thätig: 
feit mit mangelhaften Salat Doch werben aud 
Perſonen von der progreifiven Paralyfe befallen, 
bei welchen fi nichts von alledem nadhmeifen läßt; 
bier ift öfter$ eine gewiſſe erblihe Anlage nad): 
weisbar. Die Behandlung läßt ſich aud in den 
Anfängen nur in einer Jrrenanftalt zwedmäßig 
durchführen und ift, wenn früh begonnen, keines: 
wegs ausſichtslos. Die baldige Berbringung ber 
Kranken in eine Anftalt ift au notwendig, weil 
diefelben zu unfinnigen Spekulationen, unfittlichen 
Handlungen u. dgl. —— und fo oft Vermögen 
und Auf aufs Spiel ftellen. 
neunte euer, ſ. u Ginlommeniteuer. 
rogreſſivſyſtem, foviel wie Iriſches Syitem, 
f. unter Gefängniswefen, Bd. VII, ©. 638*, 
PBrogymuafinm (in Bayern Lateinſchule 


enannt), Vorſchule zu einem Gymnafium; nad 
m amtlichen Sprachgebrauch in Preußen, Baden 


und Elſaß⸗Lothringen jedoch ein unvollftändiges 
Gymnafıum, dem die Prima fehlt. In Württem: 
berg wird das P. ala Lyceum (f. d.) bezeichnet. 
Demgemäß gibt e3 in den genannten Staaten auch 
Realprogymnafien, welde in Württemberg 
als Neallyceen bezeichnet werben. 

‚Beohibitivfg nennt man bie ertreme Aus: 
bildung des Schutzzollſyſtems (f. d.), bei der die 
Einfuhr der Waren, deren Brodultion im Inlande 
befördert werden foll, gänzlich verboten oder durch 
enorme Zölle thatſächlich jo gut wie gänzlich ver: 
—— wird. Die Einfuhrverbote entwidelten ſich 

onfequent aus ben Tendenzen bed Merkantil: 
ſyſtenis (f. d.) und zwar namentlich feit den legten 
yabt ehnten des 17. Jahrh. In den Eolbertichen 

arifen finden fie fi no nicht, aber bald nad) 
Colberts Zeit wurden fie in großer geht von Franl: 
reich und England als handelspolitiihes Kampf: 
mittel gegeneinander benugt. Meiftend betrafen 
die Prohibitionen nur Anduftrieerzeugnifie, doch 
finden fid) (befonder3 in England nad einem Geſeß 
von 1815 und in Frankreich nad einem Geſeß von 
1819) auch Berbote der Getreibeeinfuhr bei einem 

ewiſſen, feineswegs niedrigen Minimalpreife. 

m längiten hat Frankreich das P. beibehalten, in: 
dem es erit in dem Handelövertrag mit England 

Bebritate von 
einiger Bedeutung geltenden Ginfuhrverbote auf: 
bob und durch erträgliche Zölle erſeßte. Zur Er: 
änzung des P. diente auch das Verbot der Aus: 
* der von den geichükten — — be⸗ 
nußten Rob: und Halbſtofſe. (S. Ausfuhrver— 
bot, Einfuhrverbot.) 

Pröhle (Heinr.), deutſcher Schriftſteller, geb. 
4. Juni 1822 zu Satuelle im Regierungsbezirk 
Magdeburg, ftudierte in Halle und Berlin, lebte 
dann in Wien ald Horrefpondent für die m. 
burger «Allgemeine Zeitung» und 1850—56 in der 
Sarygegend. Im X. 1856 wurde P. Lehrer am 
Friedrichs : Werberichen Gymnafium in Berlin, 
1858—59 war er Dberlebrer in der Rheinprovinz, 
wurde hierauf Oberlehrer am Luifenftädtifchen 
Nenlgymnaftum in Berlin. Seine erfte Schrift 


Prohner Wiek — Profatalepfis 


erfchien unter dem Titel «Aus dem Kaiferftaat » 
(Wien 1849). Zu jeinen fpätern Schriften gehören 
«Aus dem Harze» (2. Aufl, 2pz. 1857), «Der 
Pfarrer von Grünrode» (2 Bdchn., Lpz. 1852), 
«Gedichte» (Lpz. 1859), «Harzfagen» (2 Boe., Lyʒ. 
1859), «Märden für —— (Halle 1854), 
«Weltlihe und geiftlihe Bollslieder und Volls— 
ichaufpiele» (Neue Ausg., Aichersleben 1863), 
«Harzbilder» (2pz. 1855). Unter feinen litterar: 
biitor. Schriften And zu nennen: «Gottfried Auguſt 
Bürger» (Ipz. 1856), «Friedrich d. Gr. umd die 
deutfihe Sitteratur» (Berl, 1872), «Leifing, Wie: 
land, Heinfes (Berl. 1877). 
er eösrebric udwig Jahns Leben» (Berl, 1855; 
neu bearbeitet von Euler, Stuttg. 1881). 
Prohner Wief, f. unter Bodden. 
ektil, ſ. Geſchoß. 
rojettion (lat., Entwurf) iſt die Darſtellung 
eines raumlichen Gegenſtandes auf einer Ebene 
(Bildflähe, Projeltionsebene). Die Projeltions⸗ 
lehre findet beſonders Anwendung auf den Ent: 
wurf von Lande, See: und Himmelstarten (Karten: 
nebe). Da e3 nicht möglich ift, die Oberfläche der 
Erde oder Teile derfelben vollftändig treu auf der 
Fläche darzuftellen, vielmehr entweder die Umriffe 
der Länder u. ſ. w. verändert erſcheinen, oder das 
richtige Berhältnis des Flächeninhalts geitört wird, 
ober beides eintritt, fo hat man unter den zahl: 
reichen Entwurföarten diejenige zu wählen, welde 
dem Zwed der zu zeichnenden Karte am beiten ent: 
ipricht. Die P. find entweder perſpeltiviſche, d. h. 
aus einem angenommenen Augenpunft —I— 
oder ano — Die erſtern teilen ſich, je 
nachdem der Augen- oder Gefichtäpunlt an der 
Oberfläche der Kugel oder in unendlich weiter Ferne 
außerhalb oder im Mittelpunkt derfelben befindlich 
gedacht wird, in eine ſtereographiſche, orthogra- 
pbiihe und Gentralprojeltion, und da ferner die 
mittlere Gefichtälinie entweder auf einen Punlt im 
Üquator, oder auf den Bol, oder irgend einen belies 
bigen andern Buntt arg auffallend angenom: 
men werden fann, fo find für jede der drei ge 
nannten Entwurfsarten wiederum drei verſchiedene 
Ausführungen möglid, eine Aquatorial:, eine 
Polar: und eine Horigontalprojeltion, was neun 
verſchiedene perſpeltiv. Darftellungen der Kugel er: 
gibt. Die ftereograph. und orthograph. PB. rühren 
von Hippard) (150 v. Ehr.), die Eentralprojeltion 
von Thales (600 v. Chr.) her. Die erftere wird ge: 
wöhnlich für Erd: oder Sternkarten angewendet, die 
zweite für Monbbilder. Die Mitte zwiichen der 
orthograph. und ftereograph. bildet die P. von La 
Hire (1701) und die B. von zwei Dritteilen der Erd⸗ 
fugel von James (1858) ; bei beiden wird der Augen: 
punkt etwas außerhalb der Kugel angenommen. 
Bei den nicht perſpeltiviſchen P. werden unter: 
ſchieden: 1) Mbbildungen duch Abwidelung. Die 
* find bie Mlattlarten, Entrollungen einer 
an Stelle der Kugel geſehten Eylinderfläche. Eine 
große Bervolltonmmnung derfelben it Mercators 
eg er 1569 von Gerhard Siremer 
(Mercator) konftruiert, wegen ber geradlinigen 
Lorodromie jo wichtig für die Schiffahrt, daher 
feit lange für Seelarten faft ausſchließlich, häufig 
auch für Erbfarten angewandt; die Kegelprojeftio: 
nen von PBtolemäus (erjte Hälfte des 2. Jahrh.), 
Mercator (1554), Murdoch (gejt. 1774), Lambert 
(geft. 1777) und Albens. Die zweite B. des Pto- 


rner veröffentlichte 


339 
Bonne (geft. 1795) empfohlen, kommt am häufig: 
ften zur_Darftellung —— Länder in Anwen: 
dung. Die nad Flamfteed benannte, aber von 
Mercator erfundene P. ift für Afrita und Süd— 
amerifa beliebt. Die P. von Werner (geft. 1528) 
und die polygonifhen Entwurfsarten gehören 
gleichfalls —* 2) Zu den äquivalenten oder 
eflähentreuen» P., Entwürfen mit proportionalen 
Slähenräumen, gehören von ben vorgenannten 
auch jene von Werner } —— und Bonne, ſo⸗ 
dann vier P. von und die Homalogra: 
hiſche B. (1. d.). 3) Zu den — oder win⸗ 
eltreuen P., in den kleinſten Teilen ähnlichen Ab: 
bildungen, Keen neben der auch hierher gehörigen 
—— en P., Mercators Cylinderprojeltion, 
mbert3 Kegelprojeltion und die von Lagrange 
(geit. 1813). 4) Die von Poftel (geft. 1581) erfun: 
dene P. wei von Lamberts äquivalenten Entwurfs: 
arten und Aires Projection by balance of errors 
(1861) werben Ar en Entwurfsarten genannt. 
5) Al tonventionelle Entwürfe werben bezeichnet 
die Trapezprojeltion (14. Jahrb.), die von P. Apias 
nus ( et. 1552) angegebene, die von Nicolofi 1660 
bargeitellte und bei engl. Blanigloben häufig ange: 
wendete Globularprojeltion und bie iu 
tion von Ludwig Müller (1807), ©. Yäger (1865) 
und Herm. Berghaus (1878). Bol. Se. Tob, 
Mayer, «a Grundlicher und ausführlicher Unterricht 
—5 chen —— hi >. agen —* 
nhauſer, «Grundzüge der mathem. ie 
und der Sanblartenprojeftion » (Wien 1857): Ger. 
main, «Trait& des projections des cartes géogra- 
phiques» (mit 14 Tafeln, Par. 1866); Doergens, 
«Theorie und Braris der geogr. Karte (1.ZL., 
Berl. 1870); Gretichel, «Lehrbuch der Kartenpro: 
jeftion» (Weim. 1873); 8. Zöppriß, «Leitfaden der 
Startenentwurfölehre» (Lpz. 1884). ur 
Projektion (homalographifde), [.Homa: 
epraphiige ale * tion 
(iſometriſche), }. Iſometriſche Projektion. 
erg ‚ auch optiiche B., bat ben 
Zwed des Vorführens von — vor 
einen größern Zuſchauerkreis. Mittels einer Bro: 
jeftionslampe oder Laterna:magica (f. d.) werden 
transparente Glasphotographien und durchſichtige 
natürliche Präparate auf einer gegenüberliegenden 
weihen Wand in — ertem Maßſtabe darge: 
Fr Y England und Nordamerila bedient man 
ich der P. feit langer Zeit zur Vorführung aftron. 
und rn a Bilder, befonders zur 
Darftellung der Phaſen der Himmelstörper, zu 
anatom, und phyſiol. Grörterungen, fowie zum 
Nachweis minimaler Lebensbewegungen und k 
Vorgänge. — Die von den Engländern erfundenen 
Dissolving views oder Nebelbilder (f. d.) find An: 
fihten von Gegenden, welche vor den Augen bes 
Zufhauers entitehen und vergeben, von Bewegun: 
gen im Bilde, fowie von plößlich auftretenden Na: 
turerfheinungen, und werden hervorgebradt, in: 
dem zwei verſchledene Bilder in eine doppelte La— 
terna:magica gebradht werden, Die B. als unent: 
behrlichen Beflanbteil des naturwiſſenſchaftlichen 
Unterricht3 begründete Johann Czermak (f. d.). 
Bol. Stein, «Das Licht ac,» (Lpz. 1877). 
Projektionslinie oder Sehlinie, f. unter 
Auge, Bd. II, S. 19. 
—— (grch.), in der Rhetorik der 
Kunftgriff, die Anklagepunfte zu Gunften des An: 


lemäus, Bonneſche genannt, weil von Rigobert | gellagten zu menden, 


22* 


340 


Prokeſch⸗Oſten (Anton, Graf von), öfterr. 
Diplomat, ein gründlicher Kenner des Drients, 
geb. zu Graz 10. Dez. 1795, nahm als Offizier 
1814 und 1815 an —3 in Frankreich teil, 
lam fpäter in Garniſon nah Mainz, Linz und 
Wien und war einige Zeit Ba der Mathema: 
tit an der Kadettenichule in Olmüs. Im J. 1818 
og ihn Feldmarſchall Fürft von Schwarzenberg in 
* Umgebung, bei welchem er bis zu deſſen Tode 
(1820) verblieb {und deſſen «Denkwürdigleiten » 
(Wien 1822) er herausgab. Später diente PB. im 
Generalitab und wurde dann der Marine zugeteilt, 
So lam er in den Drient und nad) Griechenland 
in diplomatischen Miſſionen. Nachdem er Griechen: 
land, Afien und Agypten bereift, wurbe er 1827 
Major und Chef des Generalſtabes der hen: Flo⸗ 
tille. Er vollführte Anfang 1828 die erſte Löſung 
griech. Gefangener aus türk, Sklaverei, ſchloß 1829 
mit dem Paſcha von St.-Jean d’Ucre eine Überein: 
kunft zu Gunſten der Chrilten in Baläftina und Ga: 
filäa und eine ähnliche mit dem Paſcha des nörbl. 
Syrien zuAleppo. Nad) Wien zurüdgelehrt, wurde 
er 1830 in den Adelsſtand re en mit dem Präbi: 
tat «von Diten». Als Oberftlieutenant und faiferl. 
Kommiffar ging er 1831 mit dem öjterr. Heere 
nad) Bologna, 1832 in befonderer Sendung nad 
Rom, 1833 zur Vermittelung des Friedens zwifchen 
dem Sultan und dem BVizelönig nad Kairo. Im 
Sommer 1834 wurde er Gejandter in Athen, wo 
er bis zum Jan. 1849 verweilte. Hierauf ging er, 
nachdem er bereits 1843 zum Generalmajor beför: 
dert und 1845 in den Freiherrenftand erhoben wor: 
den war, Ende Februar als Gejandter nad) Ber: 
lin, wo er bis Nov. 1852 blieb, in perſönliche Be: 
jiebungen zu Friedrich Wilhelm IV. trat und die 

blehnung der deutichen Kaiſerkrone beeinflußte. 
Er förderte die Pläne Schwarzenbergs, nahm an 
den Dresdener Konferenzen Anteil und wurde 
24. Yan. 1853 zum Präfidialgefandten am Bundes: 
tage in cantret a. M, ernannt, nachdem er in 
der Zwildhenzeit den Rang eines Feldmarfcall: 
lientenant3 und Geheimrats erhalten. Am 20. De;. 
1855 wurde P. zum kaiſerl. Internuntius zu Kon: 
ftantinopel ernannt und blieb in diefer Stellung 
(ipäter al3 Botfchafter) bis zu feiner 6. Nov, 1871 
erfolgten Penfionierung, bei welcher Gelegenheit 
er in den Grafenftand erhoben wurde, päter 
lebte P. in Graz und ftarb in Wien 26. Dit. 1876. 

P. galt als gründlicher Kenner des Drients, 
bedeutender Arhäolog und Numismatiter, als 
Dichter von Stimmung und Begabung. Bon jei: 
nen Schriften find hauptſächlich zu erwähnen: 
« Grinnerungen aus Slgypten und Sleinafien» 
(3 Bde,, Wien 1829—31), «Das Land zwiihen den 
Kataralten des Nils» (Wien 1832), «Reife ins 
Heilige Land» (Wien 1831), «Gefhichte des Ab: 
fallö der Griechen vom türk. Reich » (6 Bde. Wien 
1867). GC. Münd gab aus Schnellers Nadlak 
«Denfwürdigkeiten und Grinnerungen aus dem 
Drient von Ritter Profefch von Dften» (3 Bbe,, 
Etuttg. 1836—37) heraus; ein Freund P.s ſam— 
melte deſſen «Kleine Schriften» (7 VBde,, Stuttg. 
1842 —44). Als Mitglied der berliner und der 
wiener Alabenie der Wiſſenſchaften bat er auch 
mebrere ardhäol. und numismatische Abhandlungen 

ſchrieben. Kurz vor feinem Tode erihien «Die: 

ed: Ali» (Mien 1877); nad feinem Tode «Dein 
erhältnis zum Herzog von Reichſtadt. Zwei 
Sendungen nad) Italien » (Stuttg. 1878). 


Protefh:Dften — Proflus 


Lepteres Werk ift von feinem Eohne, Anton, 
Grafvon ni gr Diefer, geboren 
19. Febr. 1837, it Major des öfter. 1. Landwehr: 
Dragonerregiments, vermählte na 1861 zu Wien 
mit der Schaufpielerin Friederife Goßmann 1 d.) 
und widmete fidh der Herausgabe des reichen litte— 
raxiſchen Nachlaſſes feines Vaters. Er veröffent: 
lite: «Aus dem Nachlaſſe Friedrichs von Gentz» 
(2 Bde., Wien 1865), « Depöches inedites du che- 
valier de Genz etc.» (3 Bde., Par. 1877) und 
«Zur Geſchichte der orient. Frage. Briefe aus dem 
Nachlaſſe Friedrih3 von Gen» (Wien 1877). 
Außerdem verfaßte er: «Nilfahrt bis zu den zweiten 
Kataralten, Ein Führer durch Ugypten und Nus 
bien» (Lpz. 1874). \ 

oflamation (lat.), Verkündigung, wird bes 
fonders von folden gedrudten Anſprachen ges 
braucht, durch welde auf die Stimmungen und 
Entſchließungen einer größern Menge gewirkt wer: 
den fol. Bon dem Manifeſt (f. d.) unterfheidet 
fich die P. dadurch, daß erfteres einen mehr diplos 
—— lehtere einen mehr populären Charakter 
bat. P. wird aud die öffentliche Verkündigung 
von Brautleuten genannt. —— 

Prokles, Sohn des Ariftodemos und Bruber 
de3 Euryithenes, mit weldiem er der Gage na 
Sparta gründete; er ift Ahnherr der Königsfamis 
lie der Mrofliden. 

Proklitikon (grch.), nach dem Vorgange ©. 
Hermanns Bezeihnung für —— Woͤrter, die 
fi) an das nachfolgende «anlehnen», auf diejeg 
ihren Accent werfen, (Bol. Entlitifde®Wörter.) 

Proklus, der lehte bedeutende Neuplatoniter 
(f. d.), geb. zu Konftantinopel 411 n. Chr., ftudierte 
in Alerandria und Athen Philofophie und Rheto— 
rik. war der bedeutendſte Vertreter 
nienſiſchen Schule des Neuplatonismus. Von ſei— 
nen Schriften ſind noch Kommentare über mehrere 
Schriften Platos, über Euklids « Geometrie», eine 
Einleitung in die Platoniſche Theologie in ſechs 
Büchern, eine Abhandlung gegen das Ehriftentum, 
eine Schrift «De sphaera» u. |. w. erhalten, Seine 
Lehre gründet ſich auf die der gan en neuplatonis 
hen Schule gemeinſchaftliche efauptun das 
Abſolute, die allem Mannigfaltigen zu Grunde 
liegende Ureinheit, laſſe ſich durch unmittelbare, 
allem refleltierenden Denken vorausgehende Ans 
ſchauung erlennen. Der eigentümliche Dienft, wel: 
chen er der Schule zu leiften fuchte, befteht darin, 
daß er teil die Notwendigkeit der Borausfekung 
diefer Ureinheit dialektifh zu begründen, teils die 
Art, wie fih das Eine in der Mannigfaltigkeit 
einer  veränderlihen Erſcheinungswelt elle, 
beorifismäßie — beſtimmen bemüht war, Der 
Typus dieſer Entwidelung ift ihm eine triadifche 
—— das Eine bleibt bei ſich, geht aber 
ebenjo aus ic heraus und ehrt, weil e8 in dieſem 
Beben ei ſich iſt, im fich zurüd, Die 

rodufte dieſer triadiſchen Forticreitungen, bie 
ihrem Grundgebanlen rg an die Hegelihe Dia: 
lettit erinnern, find das Vegrenzende, das Unbe- 
grenzte und die Vereinigung beider; aus dieſer 
erften Trias entfteht die zweite, Sein, Leben, Ins 
telligenz, welche lehtere das Prinzip der Rü in 
das Cine enthält. Im weitern Yortichritt verliert 
ih P. in eine weit ausgeführte Dämonenlehre, 
und aud bei ihm fällt die Spekulation mit dem 
Aberglauben und der Schwärmerei des Zeitalters 
zufammen. P. ftarb 485, Seine Werle haben 


Prokne — Prokopius 


Couſin (6 Bde., Par. 1820—25; neue Ausg., Par. 
1864) und Creuzer (3 Bde., Drf. 1835) herausge⸗ 
eben. Seine Biographie von Marinus ift von 
oiffonade (Lpz. 1814) herausgegeben. Bol. 4. 
Berger, «P., exposition de sa doctrine» (Bar, 
1840); Kirchner, «De Procli neoplatonici meta- 
physica » (Berl. 1846). 
ofne, |. Philomela. 
ofne, der 194. ae Ä u. Planeten, 
rofonfuln und Proprätoren hießen bei 
ben Römern namentlid bie Statthalter der Pro: 
vinzen. Schon in frühern Zeiten wurde öfter er 
Behuf ber —— rung, — in einzelnen Fällen, 
einem Konſul oder Brätor na Ablaur feiner Yimts- 
zeit das Imperium auf Antrag des Senats durch 
einen Vollsbeſchluß, bernah auch durch einen 
bloßen Senatsbeſchluß, a wovon dad erſte 
Beiipiel das des Konſuls Quintus Bublilius 
Philo (f. d.) 327 v. Chr. war. Daraus bildete ſich 
fpäter ein regelmäßiges prokonſulaxiſches und pro: 
prätorifches —— 8 meiſt einzelnen aus der 
Zahl der — Magiftrate, ausnahmsweiſe 
vom Vollke auch einem Privatmann, wie dem Pu: 
blius Cornelius Scipio 211_v. Chr., übertragen 
ward, Als in der fpätern Zeit der Republit ie 
anfangs wegen ber PBrovinzialverwaltung in grö: 
Berer Anzahl erwählten Prätoren (f. d.) ide Amts: 
ahr glei den Konfuln (f. d.) in Rom zubrachten, 
Io wurde es üblih, daß biefelben nach Bekleidung 
ihrer Magijtratur als Broprätoren in bie Provinz 
en gingen. Dies wurde dann durch Sulla Gefeh, 
odaß nunmehr regelmäßig Prätoren und Konfuln 
als ſolche ein Sahı in Rom, das darauffolgende 
als Broprätoren und Profonfuln in den Provinzen 
fungierten; feit 53 und 52 v. Chr. aber und, nad; 
dem Cäjar diefe Beitimmung aufgehoben hatte, 
hernach wieder in ber Kaiferzeit, mußte eine Zwi: 
fchenzeit von —*— Jahren wiſchen Konſulat und 
rätur und Prokonſulat und Proprätur eintreten, 

n der Kaiferzeit führten alle Statthalter der ſena— 
toriihen Provinzen (f. d.) den Titel Proconsules, 
die der faiferlihen, welde ihr Amt im Auftrage 
de3 Kaiſers ausübten, den Titel Legati Augusti 
pro praetore, mochten fie von gewefenen Konſuln 
oder Prätoren verwaltet werden. Ausgenommen 
war jedoch Aanpten, das unter einem Bräfelten 
ftand und gewiſſe Heinere Provinzen von eigentüm: 
lihen Berhältnijien; bier hießen die Statthalter 
Procuratores, 

Profopins (Andr.), der Große ober der 
Kahle (Holy), berühmter Hufiitenführer der er: 
tremften Richtung, war der Schweiterfohn eines 
prager Edelmanns, der ihn aboptierte und ftubie: 
ren ließ. Mit diefem machte er Reifen nad Frank— 
rei, Spanien und Jtalien, aud) nad) Jeruſalem. 
Nach der Rüdlehr zum Priefter geweiht, eilte er beim 
Ausbruch des Suffiten ampfes zu Ziska und wurde 
Hauptmann. Nach Zistas (1424) und des Bohu: 
ſlaw von ig —— 1425) Tode wurde P. 
von einem Hauptteil der Hufliten (f. d.), den Ta: 
boriten, zum Führer erwählt und verwüftete nun 
zunächſt Oſterreich, eroberte 1426 die von ben 
Meibnern bejegten Orte Dur, Teplitz, Bilin und 
Leipa le nie Auffig. In der blutigen 
Schlacht bei Auſſig, 16. uni 1426, vernichtete er 
ein meißniſch⸗ſächſ.thüring. Heer und eritürmte 
und verbrannte die Stadt. Hierauf trieb er die 
Oſterreicher aus yore und verwüſtete im Früb: 
ling 1427 Öjterreidh bis an die Donau, Inzwiſchen 


341 


hatte ein anderer Haufe Taboriten, die ih Walfen 
nannten, unter dem Prieſter Procupek oder Pro: 
topius dem Kleinen die Lauſih verbeert und 
Lauban verbrannt. Mit ihm vereinigt, drang nun 
P. plündernd in Schlefien vor. Als die Deutichen 
in Böhmen eindrangen, wurde das von ihnen be: 
lagerte Mies ohne — 2. Aug. 1427 entſeht 
und das deutiche Heer auf dem Rüdzuge geichlagen; 
bierauf nahm P. Tahau mit Sturm. Dann zo 
er (1428) verwültend durch Schlefien, Mähren un 
Ungarn bis vor Preßburg, und nur bie befeftigten 
Städte, wie Neiſſe, Brünn u. f. w., widerſtanden 
ber huffitif en Wut, Bon 1429 bi3 1430 vers 
müjtete P. Meißen, Sadien, Mähren und Schle— 
fien. Ein Kreuzheer von Reichsſtruppen drang un: 
ter dem Rurfürten iedri I. von Brandenburg 
im Aug. 1431 in Böhmen ein und belagerte Taus, 
ergriff jedoch, al3 P. heranzog, die Flucht (14. Aug. 
1431). SHierauf_vertrieb des P. Unteranführer, 
rofopius der Kleine, ben Herzog Albredt von 
fterreih aus Mähren, P. felbit aber die Sachſen 
aus Böhmen, worauf er in Schleſien eindrang. 
Bereinigt plünberten und verheerten beide B. Uns 
garn bis jenjeit der Wang; jedoch —— 
bogen fie 1432 durch die Laufik und die Mark 
tandenburg bis Frankfurt a. O., mußten aber 
endlich auch bier zurüdweiden, worauf fie I 
trennten. P. fiel abermals in Schlefien ein, nahm 
Breslau durch Überfall und bewilligte dem Lande 
für eine große Geldſumme einen zweijährigen 
Waffenſtillſtand. Sodann wendete er fih nad 
Sachſen und ſchlug ben Herzog von Bayern, wel: 
her mit dem Hurfürften von aa Leipzig dedte, 
bei Taucha, das er verbrannte, Auch Sadjen ers 
—* mit 9000 Dulaten einen zweijährigen Waf: 
fenitillitand. Endlich brachten die Bäter des ton: 
ziliums zu Bafel es dahin, daß die Huffiten acht 
Abgeordnete, unter ihnen auch P., nah Baſel 
ihidten, wo fie 1433 anlangten, aber nad) 
50tägigem erfolglofen Disputieren wieder abjogen. 
Mit ihnen fchidte das Konzilium zehn berühmte 
Theologen und einige fürjtl. Abgeordnete nad 
Prag. Hier Biere man fich in mebren Bunlten, 
worauf in Bajel die theol. Verhandlungen zu 
einem —* führten, den ſog. * er Kompak—⸗ 
taten 30. Nov. 1433, durch welche di Suffiten den 
Genuß des Kelchs im Abendmahl erhielten und die 
Böhmen für die «erften Söhne der kath. Kirche» 
erklärt wurden, Nur die beiden P. mit den Tabo: 
riten und Waifen und viele Stabtgemeinden woll- 
ten ſich nicht fügen; daher entitand num zwiſchen 
diefen und den Galirtinern ein mörberijcher Kampf. 
Nach mehrern Gefechten fam es unweit Böhmijch: 
brod, bei Lipan 30. Mai 1434 zu einer entſcheiden— 
ben Schlacht, in welcher die Taboriten vollftändig 
befiegt wurden und beide Brofope fielen. 
Prokopius, aus Cäjarea in Baläftina, daber 
Caesariensis genannt, ein — Geſchichtſchrei⸗ 
ber aus dem 6. Jahrh. n. Chr., begleitete den 
Beliſar ſeit 526 n. Chr. auf —— dzügen als 
Geheimſchreiber, lehrte dann zu — 55 — 
die Berebſamleit und wurde vom Kaiſer Juſti— 
nian I. zu hohen Staat3ämtern (unter anderm 562 
zum Praefectus urbi) erhoben. Grhalten find von 
ie mehrere wertvolle hiſtor. Werte, die nad) dem 
orbild des Herodot in einer noch ziemlich quten 
Sprache und mit großer Unparteilichteit und Wahr: 
rg verfaßt find, namentlich bie Geſchichte 
einer Zeit, in acht Büchern, die eine Beſchreibung 


342 


ke Yuftinians mit den Berfern, Ban: 
dafen, Mauren und — enthält und um 555 
n. Chr. —— wurde; ferner unter dem Titel 
«Ktismata» aedificils) eine Schrift über bie 
vielen unter —X neu errichteten und wieder⸗ 
ten Bauten, in ſechs Büchern, die um 560 
verfaßt wurde und gewöhnlich unter der Auffchrift 
«De aedificiis Justiniani» angeführt wird. In ben 
* gg Kanten Tode herausgegebenen aAnecdota» 
historia» macht er feinem Groll 
Aber die Defpotie des Kaiſers und der Theodora in 
= er Weile Luft. Die befte Ausgabe ſämtlicher 
e bejorgte W. Dindorf (3 Bde., Bonn 1833 
—38), eine bejondere Bearbeitung der «Anecdota» 
Nr Drelli (er. 1827) und eine gute deutſche 
berfegung der Gejchichte feiner get ed 
(4 Bde. Green. — ol. Dahn, « 


von _ . 

rn . ber gewaltſam Aus: 
redende) M ber ie es Räubers Damajtes 
oder Polypemon in Attila, ber alle Reifenden , bie 
in feine Hänbe fielen, in fein Folterbett legte "und 
die zu kurz _b nbenen & Tode ftredte, den ie 
langen das Übermaß der Ölieder abhadte. Schli 
lid brachte ihn Theſeus (f. “ auf diefelbe We se 
um, PBrofruftesbett braucht man daher ſprich— 
* — wangslage. 

—— (grch.), Eins am After; Brof: 
ins "Mait armentzündung; Broftocele, Mait: 
barmbruc, Aftervorfall; PRroftön cus, Afterge: 
— —BV einer, der in: 
olge von After: oder Unterleibs eiden Eriheinun: 
en hat oder Gefpenfter fieht (in Goethes «Fauft») ; 
Nrottoplaftif, tünftlidhe Aterbildung; Prof: 
torrhagie, Maftdarmblutung; Proktorrhöe, 
— Brottofpasmus, Haft. 
darmlra Broktoftenofe, Maftdarmverenges 

Elm, Maftdarmichnitt. 
tulejaner, |, unter Sabinianer. 

Brofica (lat.) bedeutet Bollmadht, im engern 
Einne aber die ausgedehnteſte, dem Umfang nad 
ſetzlich beftimmte, hg: unbeichränfbare Wollmanıt, 
welche ein Prinzipal feinem Handlungsdiener er: 
teilen kann, indem er ihn zum Disponenten ernennt 
und In bevollmä ot, die Firma «per procura » 
zu zeichnen (Hande efepbuch, Art. 41); * Dis⸗ 
ponent wird dann Meokurift genannt. Der Pro: 
kurift ift zu allen Rehtshandlungen bevollmädhtigt, 
welche der Betrieb irgend eines Handelsgewerbes 
mit jich bringen kann, daher ijt er lediglich zur Ber: 
äußerun * und Bela tun von Grundjtüden nicht 
befugt (Art. 42). Die wird in das Handels: 
regiſter eingetragen und der Brokurift bat vor dem 
Gericht die Firma und feine Namensunterfchrift zu 
zeichnen (Art. 45). Eine P., welde an mehrere 
eig gemeinſchaftlich erteilt wird (4. B. an die 

attin des — und an einen Handlungs⸗ 
diener), heißt Kollettivprofura. 

Profuration (lat.), einer der verſchiedenen 
Ausdrüde für Auftragsbeforgung, Stellvertretung, 
wird hauptſächlich für diejenige Form der Ehe: 
Ihließung Pen fürftl. Berfonen verwendet, wo 
ein Bevol arg er ih ſtatt des abwejenden 
Bräutigams mit der Verlobten trauen läßt und fie 
dann dem durch P. vermählten — zu⸗ 
ührt. Gewöhnlich findet Her —* nochmalige Ein⸗ 
egnung des Paares ſtatt. Früher war dieſe Art 
von Ceremonie ai fürftl. Perſonen allgemein 
gebräuchlich und wurde in der ältern Zeit fogar 


Profruftes — 


Brolepfis 
dabin ausgedehnt, daf der ai rn mit der 


ihm an t B dem gelam 

Ser me — u nn 
eide auf einem R ſich niederl en und ein 

blo chwert zwifchen ſich hatten. i 


dieſe Geremonie ae Gebrauch gelommen. 
ofurätor (lat. it im allgemeinen zur 

Bejorgung fremder Angelegenheiten cn den A 

tigte. Die Römer erteilten diefen Namen ben 

jebern über Landgüter und den Berwaltern 

Einkünft * = oo 2 des Senats und der 

in den e auch bisweilen die S 

der —2 wg ri on in kleinern Provinzen, 

oder in fo no vertraten, welche einen Zeil der grö- 

bern ausmachten. Gegenwärtig verfteht man unter 

. denjenigen, - —— einem andern durch eine 

den Auftra Big — gerichtliche 
Es au —* Seichäfte r NER 

Da der B — der 
und ſie i 'defien # amen leitet, 4 
durch Beibringu ———— t —— 

u beweiſen, daß er von demſelben zur Beſorgung 
Be: Angelegenheiten ie —— * von einer 
Gemeinde beitellte P. heißt Syn dikus. 

In der franz. Geri —— ſind —— 
die Beamten des öffentlichen Minifteriumß, 
Staatdanwalte (f. u. er 

In Hlöftern wird der Konventual, —— 
olonomiſchen und andern weltli en Ang 
u beforgen bat, Pater Brolurator oder Ho 
h terfhofner genannt. 

* uratorvon San-Marco war ber Ti⸗ 
tel der vornehmiten Staatöbeamten Fe rn 
Venedig. eben den neun wirtfihen ®. 
denen der Doge gewählt wurde, gab es nod Rn 
Titularproturatoren. 

rofurift, ſ. unter Brofura, 
ofuror (vom frz. procureur), im Ruffif 
Staatsanwalt. Dieſes Amt wurde zuerſt von 
ter d. Gr. verwandt und in moderner, bem 
Inftitut nachgebildeter Form du 
— von 1864 eingeführt. (S. 

Proläpfus (lat.), der Vorfall, 
treten innerer Körperteile, ſodaß diefelben mit —— 
äußern Luft in unmittelbare Berührung fommen. 
{ber den P. der Scheide und Gebärmutter f. unter 
Gebärmuttertrantheiten, über den P. des 
Maſtdarms ſ. Maftdarmvorfall, 

Prolegomena erh), — das Vorher⸗ 
geſagte, bezeichnet bei den Neuern eine 
oder Einleitung, befonders zum Vortrag einer Wif- 
ſenſchaft, um die Vorbegriffe derjelben zu en 
oder Namen, Begriff, Einteilun * dal. Mar 
ſtellen. In diefem inne fchrieb 
berühmten «Prolegomena» zu —— 
die urjprün —* und echte Geſtalt, über * —* 
ſchiedenen Veränderungen und die Art der Ber: 


befierung der Homeriihen Dichtungen 
wird, und O. Müller die «P. zu einer 
lichen Moytbologien. 

Brolcpfis je 


grch.), das —— eines 
Krankheitsiymptoms, namentlid beim Wechſel⸗ 
fieber; in der Nhetorik die —— Beant⸗ 
wortung (Anticipation) eines möglichen Einwurfs 
in der Botanil die Erſcheinung, wenn bie jet 


nächſte Jahr angelegten Knoſpen ſchon in 
ben Sommer zu einem beblätterten 

wideln; proleptiſch, vorgreifend, ad 
mend, vorbeantwortend. 


Proles — Prometheus 


Proles heißen in der Botanik verfchiedene 
Sproßarten, beſonders aber die jog. Zwiebelbrut, 
die ſich aus den Achſeln der Zwiebelblätter ent: 
widel nden wiederum zwiebelartigen Sproſſe. 

letarier (lat.) hießen nad der Genfusein- 

tung bes röm. Königs Servius Tullius alle 
—— „ann welche nicht mehr den niebrig: 
—5 Vermögensſaß der fünften Klaſſe (12500 As) 
und eine einzige J—————— in den 

192 che der in den —— er en enthaltenen 
Bürger und Ritter bildeten. ame wurde ab: 
— von proles, d. i. Nadtemmenide t, weil 

e ®. allein durch dieſe dem Staat n ich fein 

—— neuerer Bei bat man den Be auf 
e befigloje, nur auf die Lohnarbeit angewiefene 
Ka e ber bü —— Geſellſchaft angewendet. 
roli, Seltierer, ſ. unter Rapp ei; 
oliferierend nennt man in der Botanik einen 
Laub: ge an an welchem abnorme Ber: 
a oder Knofpenbildungen auftreten. Diele 
Me be enge ehört .. 
u isbildungen und ibr re Urfa 
lönnen erfdhiebenartiger Natur fein. ( 
Mißbi —— 
er (orö. ), eigentlich Borrede oder Vorwort 
haupt, bildete im Drama der Alten den erften 
Teil der u den vor dem erften ——— 
pur diente ep dem ag die Du inge 
uf ‚ die zu erwartende Handlung 

—— ns die Scene zu je — wo die 

— ftattfinden follt gewöhnlichen 
e der P. zuerit von Thespis, 
rheber —8* Trauerfpiels, um 530 v. Chr. 
un und Arne nur von Einer Berfon 
Doch behielt man diefen Namen aud 
‚ al3 der Chor feit = ylus die Handlung des 
Stüde durch eine Erzählung eröffnete. 
Eine Erweiterung u der bejonders durch 
Euripides, der ihn ala eigentliche Einleitung in 
die dem m Stüds untergelegte Fabel betrachtete, um 
biefe dem Zuſchauer zu erflären oder bis dahin zu 
—— wo die Handlung ihren fand nimmt. 
tem kann der . auch die Verhältniſſe des 
ichter8 Sa Schau pielers zum Rublitum be: 
& : nee ören —* By: ei m. 
erenz und au nige engliſche, je illers 
—3 zum « Wallenftein» und Goethes « Vorſpiel auf 
dem — zum «Fauft» und «Was wir bringen», 
pt auch der B. bei außerordentlichen or 
laffungen oder feierlichen ——— 3. B. b 
dem tage eines berühmten Dramatiters, 
bei Hoffeften oder bei Eröffnung einer Bühne der 
rung vorangejdidt, um die Bedeu: 


vie de 


des Tags eibrin (id) auseinander un —* 
I vo lat) erlängerung,, bezei net 
—— ändigung, wonad) ein redht: 
s ie bie urfprüngliche Zeitdauer 


5 e —“ * — leit 
Geſtundung ung für noch einige Zeit 
—— erklärt wi Ob foldenfalls juriftisch 
Schuldneuerung (fog Novation) vorliegt oder 
———— ve einzelnen Falles. Im Wechiel: 
eine P. nur Wirkungen zwijchen dem 

’ welcher die Geftundung bemwilligt, 

und Vezogenen, ſodaß jener, wenn er am 
—— alltage den Wechfel vorlegen und 
—* ichtzahlung Proteſt (. d.) er —— läßt 
die B eher, von denen das Papier au 

ihn übergegangen ift, mit der Regrehllage in An: 


343 


fprud) nehmen kann. (5. Negreh.) Dafür 
aber auch felbft eine id dem Wechſel Ba du 
P. nichts Verpflichtendes für Dritte, an welche das 
hir ier weiter begeben wird, Diefe find alfo zur 
ablungsforderung am ——— berechtigt. Ahr 
gens wird die P. am einfadhiten erelion Ausitellung 
einer neuen Wechſelurlunde ade 
Seren essen, efchäft, f. unter Feittauf. 
— Y.,b.i. erlängerung) beißt 
eine 1876 vom ——— abrilanten Friedrich 
Ehrbar in Wien erfundene Verbeſſerung des Kla— 
—— welche den Spielenden in den 
Stand jeht, einen Tom oder einen ganzen Kompler 
von Tönen alfo einen Accord) beliebige Zeit nad): 
lingen zu laſſen, während alle übrigen der Dänt; 
plung unterworfen bleiben. Das P. ift ein über 
er gewöhnlichen Dämpfung befindliche er, einer zwei⸗ 
ten obern Dämpfung ſcheinbar glei nder Meda: 
nismus, der durch ein neben dem gewöhnlidyen 
|; der eerfeiebunge) angebradhtes Pedal, das 
rolongementpedal, dirigiert wird, 
Prome, Dijtrilt der Divifion Begu der Provinz 
. | Britifch-Birma in —— zählt auf 7477 qkm 
(1872) 274872 E, Die Hauptitabt Rt Na: 
mens, linl3 am Irawadi, * urch Eiſen⸗ 
bahn verbunden, m 831157 €. und ijt von bedeu⸗ 
tender Michtigteit ür den Handel nad) Oberbirma. 
Promemoria (lat., «zur Erinnerung»), Gin: 
gabe an eine Behörde, einen Borgejebten; auch jo: 
viel wie Memorial. 
zomefie, Öeuerbricf f.u.Heuergefdäft. 
metheus (d. i. nad der Etymologie der 
Alten Gelbft ber —— Vorausblickende) iſt 
in der griech. Mythologie ein Sohn des Japetos 
und der Klymene, neben welcher auch Themis oder 
Afia als feine Mutter genannt werben. Seine 
Brüder in Atlas, Menoitios und Epimetheus; 
mit der Bandora oder einer andern erzeugt er den 
Deulalion, mit der —— den Hellen. Haupt: 
—— für feinen Mythenlreis find nme und 
Uſchylus, der benfelben! in einer Trilogie behandelte, 
aus welcher aber nur eine a or «Der ee 
P.», volljtändig erhalten ift. Dieſe galt früher für 
die mittlere, wird jeht aber wohl mit Recht viel: 
mehr j die erite gehalten, während bann der «be: 
Ir .» bie mittlere, der «feuerholende B.» die 
F Tragödie der Trilogie war. Nach Ü hylus 
i P. einer —* No ai in Dee 2 den * 
— * zu ziehen ſich anſchiden, wir von ſeiner 
Mutter Themis belehrt, daß nur durch Lift der 
Sieg erfochten werben könne. P. ſucht die Titanen 
in diefem Sinne zu überreden und fchlägt fi, als 
diefe auf Anwendung von Gewalt ae ur 
Partei des Zeus, der nun durd die Mu N: 
läge des P. fiegt und ben väterlichen T uch be: 
teigt. Allein jet zerfällt P. mit dem neuen Ober: 
aupte der Götter, weil, wie er bei dem Dichter 
agt, bei Verteilung der Güter der Welt das Ge: 
Het der Sterbliden nicht nur nicht berüdjichtigt, 
9 ern fogar vertilgt und ein neues Gef let 
babe geſchaffen werden follen. Da habe er allein 
die Menſchen vom Untergange gerettet, das Feuer 
feinen ———— mitgeteilt und ſie unterwiejen, 
es zu gebrauchen. Zeus rächt fi an dem Ber 
wegenen, indem er ihn von Hephaiftos und beffen 
Dienern Kratos und Bia an einen Felfen des Haus 
tafus anſchmieden, pl hlen und endlich von einem 
Adler feine ftet3 wieder nachwachſende Leber zer: 


fleifhen läßt. Lange Zeit muß P. diefe Pein 


344 


leiben; er trägt fie aber ſtandhaft und trobt allen 
Drohungen bes Zeus, da er weiß, daß und warın 
er befreit werben wird, fowie dab auch Zeus, wenn 
er mit einer nur dem P. bewußten Göttin (Thetis) 
einen Sohn erzeugt, von dieſem geltürzt werden 
wird. Endlich fommt Heralles zu ihm, erlegt den 
Adler und erlöft den Dulder, und zwar mit Zeus’ 
Suftimmung, nachdem P. fein Geheimnis enthüllt 
—* P., der zum Andenken an feine Schuld und 

trafe einen eijernen Ning am Finger und einen 
Lygoskranz auf dem Haupte tragen muß, kehrt in 
ben Olymp zurüd und lebt fortan als weifer Rat: 
geber mit den Göttern. Er foll aud nad Apollo: 
dor die Geburt ber Athene aus dem Haupte des 
Zeus durd Spaltung deöfelben ermöglicht haben. 

Nach Hefiod unternahm es P., als ſich die Göt: 
ter mit den Menfchen zu Melone, dem fpätern Si: 
fyon, wegen ber ihnen gebührenden Zeile vom 
Dpfertier auseinander zu ſetzen fuchten, den Den: 
ſchen das beſte Teil zuzumenden, indem er die Göt: 
ter betrog. 838 der den Menſchen nicht wohl 
wollte, ließ ſi abſichtlich betrügen und ſtrafte nun 
den P. und die Menſchen, indem er diefen das 
ya vorentbielt, nad) defien Naub dann P. jene 
Bein erdbulden muß, bis hernach Heratles * er⸗ 
löft, während die Menſchen mit der alles Unheil 
über fie bringenden Pandora (f. d.) heimgefucht wer: 
den. Spätere Dichter lafjen den 8; aud den Men: 
ſchen erfhaffen. Er formt ihren Körper aus Lehm 
und mit Benußung mander Teile und Eigenſchaften 
von Tieren. Sodann befeelt er die Geftalten felbit 
oder erlangt die Bejeelung von wohlwollenden Göt⸗ 
tern, wie von Ballas Athena. —** iſt der My⸗ 
thus von P., ſowohl von Dichtern als Philoſophen, 
je nad) ihrem Zwed und Bedarf modifiziert worden. 

Uriprünglid iſt P. ohne Zweifel ein mächtiger 
wobhlthätiger Seuergott, der den Menſchen im Blik 
das Feuer vom Himmel gebracht hat, und dem fie 
dann den Gebrauch desjelben bei den Opfern, wie 
im Dienfte des täglichen Lebens verdanken. Er it 
ein Wohlthäter der Sterbliden: er gibt ihnen das 
Feuer, die Grundbedingung menſchlicher Kultur 
und Gefittung, und er hebt fie zu höherer Weisheit 
und Erkenntnis. Aud) leidet er für fie ſchwer und 
willig im troßigen Gegenftreben wider die herr: 
ihenden Götter. P. wird dann zugleich der Ne: 
präjentant des ftrebenden Menjchengeijtes, ber in 
nie raftendem Grfindungstriebe die Natur und ihre 
Clemente fich dienftbar macht. 

Die bildende Kunft hat die Ginzelgeftalt des P. 
nicht zu einem Idealbild erhoben, wohl aber ift fein 
Mythus in den verfchiedeniten Phafen zu einem 
Lieblingsgegenftand derjelben geworden. Am voll: 
ftändigiten gibt den Kreis der Mythen von P. im 
Sinne der |pätern Zeit ein berühmter Sarkophag 
im Mufeum GCapitolinum: Bildung des Menichen 
durch P., Beſeelung dur Athena, Tod, Heim: 
führung der Seele durch Hermes, Schmiedung der 
‚selleln des P. in der Schmiede des Hephaiftos, 

efreiung durch Herakles. 

Bol. Welcker, «Die Üſchyliſche Trilogie P.» 
(Darmit. 1824; Nachtrag, Frankf. 1826); Weiske, 
«PB, und fein Mythentreis» (herausg. von Leyſer, 
it 1842); Lafaulr, «P., die Sage und ihr Sinn» 
(Würzb. 1845); Schömann, «Des Aſchylus gefej: 
jelter B.» (Greifsw. 1843); Milhhöfer, «Befreiung 
des PB,» (Berl. 1882). Im Zufammenbang mit 
den verwandten Sagen wurde der Mytbus von 
Adalbert Kuhn (f. d.) behandelt. 


Pro mille — 


Pronomen 


Pro mille (lat.), für Taufend oder im Berhält: 
2 — beſonders ber Preis für 1000 Stüd; 
0 


Promittieren (lat.), ver ; Bromif: 
fion, Beripreden; et oriſch, ein Per: 
ſprechen madend oder enthaltend; Promiſſo— 
rium, ſchriftliche Sufage, 
Promontorium (lat.), Borgebirge, in ber 
Anatomie die vordere, in bie Höhle Heinen 
Bedens vorjpringende Flach⸗ des obern Kreuzbein⸗ 
endes; auch ein Heiner Knochenvorſprung in der 
Paukenhöhle, unmittelbar unterm ovalen Feniter. 
Promotion (lat., d. h. Beförderung) wird 
auptſächlich von ber Beförderung zu akademiſchen 

ürden gebraudt. Daher Iapt man von einem 
Gelehrten, daß er ald Doktor, Magiſter u. ſ. w. pro: 
moviert worden fei. (S.Doltor.) 


Promp nm ober Bromtuarium (vom 
lat, * früher häufig Titel für Bücher, in 
welden eine Wifjenfchaft volljtändig zum nn 
Nachſchlagen dargeitellt ift. Berühmtheit ei ben 
Juriſten erlangte 3. E. J. Müller «Promptuarium 
Juris novum etc.» (7 Bde., Lpʒ. 1792—97). 
Promulgieren (lat.), öffentlich befannt machen, 
namentlich ein Gefeß; bavon Bromulgation., 
‚Pro mundo (lat.), «für die Reinjdrift», in 
Liquidationen über Gericht3:, Rechtsanwalts⸗ oder 
fonftige —— rg 
oelium, botan. Bezeihnung für die 
kurzen Mycelien, bie bei einigen De bei ben 
Uredineen und Uftilagineen als Keimfhläuce aus 
ben Sporen bervortreten und an ru Enden Heine, 
fofort feimfähige Sporen, To0, zer hun: ab: 
Ihüren, (Bol. Urebineen, Ujti —— Fr 
8. e u. ” 


Tafel: Pflanzenkrankheiten, 
——— .), Tempelvorhalle. 

onation (lat.), Ginwärtsdrehung, diejenige 
Bewegung des Vorderarms und der Hand, infolge 
deren der Handteller nad hinten, der Daumen 
nad) einwärts zu ftehen fommt, im Gegenjaß zur 
Supination, burd welche ber —— nach 
vorn, der Daumen nach auswärts kommt. Die P. 
erfolgt durch zwei Musleln, — — auch 
Pronatoren heißen; der eine, Pronator teres, 
verläuft vom innern Knorren des Oberarmbeins 
ra⸗ nach auswärts und abwärts zur Speiche, 
er andere, P. quadratus, dagegen dicht oberhalb 
des Handgelent3 von ber Speihe zum Ellbogen. 
Pronomen (lat.) oder Fürmort iſt ber zujam: 
menfafjende grammatiihe Name für eine Wort: 
Kaffe, die urfprüngli g dene Glemente 
enthält. Das eigentlie P. auch P. substantivum 
genannt, dient in der Rebe dazu, ben Namen eines 
Gegenftandes, aljo ein Subjtantivum zu erjegen, 
und unterſcheidet id vom Nomen durch eine eigen: 
tümlihe Art der Deklination, die man erkennt, 
wenn man 3. B. im Deutichen bie Dellination von 
«der, die, dad» mit ber Deklination von « Dann » 
oder andern Gubjtantiven vergleicht. Je nach der 
Beziehung, in der die Pronomina — wer⸗ 
den, teilt man fie in verſchiedene Klaſſen: das P. 
personale «id, du», welche beide als ungeſchlech— 
tige, d. b. das grammatifche ** nicht unter: 
ſcheidende Formen dem P, personale der britten 
Perſon: «er, fie, e8», welches die drei Gejchlechter 
unterſcheidet, gegenüberitehen; P. demonstrativum, 
welches auf einen Gegenftand hinweiſt, 3. B. aber»; 

P. interrogativum oder Fyragepronomen, 3. 
«mer?» P. relatirum, wodurch eine in einem neuen 


Pronomination — Propellerſchraube 


Sage enthaltene Ausfage auf ein Clement eines 
andern Saßes bejogen wird; P. reflexivum, wel: 
ches fi auf das Subjekt eines Sapes zurüdbezieht, 

B. «er ärgert ih». Das im deutichen «fich» ent: 
En B. bejo ſich urſprünglich auch auf die erſte 
und zweite on, Dieler Gebraud) ift dem Deut: 
fchen verloren gegangen, baher «ich ärgere mich, du 
HR dih». Jede Sprache befist außerdem eine 
Anzahl als Pronomina deklinierter und gebraud;: 
ter abgeleiteter Formen, bie teilweife unter bie an: 
gegebenen Kategorien fallen, bemonitrative: 3. B. 
edieſer, jener, foldher» u. a., relative: «welcher», teil: 
weije adjektiviiche Bedeutung haben, wie « meiner, 
deiner» u. f. mw. Lebtere, weil fie den Befi an: 
zeigen, heißen Pronomina possessiva. Außerdem 

ilden die einfachen Pronomina die Grundlage für 
eine große Anzahl fog. Adverbien; im Deutſchen 
find 3. B. «wo, da, je» u. a. ſolche Ableitungen. 

Bronomination (lat.), Redefigur, beftehend in 
ber Umicdreibung eines Eigennamens durch eine 
den Träger derjelben hezeichnende Wendung, 3. B. 
der Sieger bei Roßbach, ftatt Friedrich II. 

Prouoneiert (frz.), ausgeſprochen, ſcharf auds 
geprägt, deutlich hervortretend. e 

Pronunciamento (pan.)beihtin Spanien und 
den amerif, Republiten ſpan. Zunge eine öffentliche 
Kundgebung gegen die — egierung, wel 
zugleich das Signal zu einem Aufitand gibt. 

ony (Gaspard Clair Frangois Marie Riche de), 
— eh, Ingenieur, geb. zu Chamelet 
im Rhöne-Departement 22. Yuli 1755, wurde 1780 
Unterfriegsbaumeifter, 1783 nad Paris berufen, 
um Berronet und Chejy in ihren ſchwierigen Arbei: 
ten zu unterjtügen, und 1785 Safenbeamter in 
Dünkirhen. Im J. 1791 zum Jngenieursen:Chef 
u Perpignan ernannt, erhielt er Me in bemfelben 
ahre die Direktion des neueingeridhteten Steuer: 
weſens, wurde 1794 Profeſſor an der Polytedh: 
niſchen Schule, 1798 Generalinfpeltor und in dem: 
felben Jahre Direltor der Baualademie. Sm J. 
1828 zum Baron und 1835 zum Pair erhoben, ftarb 
er 29. Juli 1839. Von B.3 zahlreihen Werken find 
u nennen: «Nouvelle architecture hydraulique» 
2 Bde., Bar. 1790—96), «Cours de mecanique, 
concernant les corps solides» (2 Bde., Bar. 1815), 
«Description hydrographique et historique des 
Marais Pontins, etc.» (Par. 1823, nebft Atlas), 
«Notice sur les grandes tables logarithmiques et 
trigonometriques, adaptees au nouveau systöme 
mötrique döcimal» (A 1824), worin er über die 
unter feiner Zeitung feit den eriten Jahren der Res 
volution im Auftrage der Negierung beredneten, 
17 Foliobände füllenden logarithmifchen Tafeln bes 
richtet. Auch wurden von P. viele öffentliche Bau: 
ten, beſonders Wafjerbauten, in Frankreich und 
Stalien ausgeführt. 

Pronyſcher Zaum, ein nach dem Erfinder bes 
nannted Dynamometer (f. d.). 

Prodminm (grd.) nannten ſchon die Alten im 
allgemeinen teils den Eingang einer Rede ober 
eines Gedichts, teild das Vorjpiel in der Mufit, 
insbejondere aber eine eigene Gattung Heiner Iy: 
riſcher Gejänge, bie vor einem gröbern Hymnus 
angeitimmt und mit der Zeit von muſilal. Dichtern 
zu jelbftändigen Ganzen ausgebildet wurden, 

opädentif (grich., d. i. Vorbereitung oder 
Vorübung) nennt man den Inbegriff der Kenntniſſe 
und geijtigen Übungen, die zum Griernen einer 
Wiſſenſchaft oder Kunft nötig find, 


345 


‚ Propaganda (lat.), eine für die Verbreitung 
einer Lehre wirlende —— t; in der röom.lath. 
Kirche fpeziell die zur Ausbreitung des Hatholizis- 
mus begründete, mit den Miifionen (f. d.) verbun: 
dene große Anftalt, welche in der von Gregor XV. 
1622 geitifteten Congregatio de propaganda fide 
ihren Centralpunft hat. Diefe Kongregation der P. 
ift ein gegenwärtig aus 30 Hardinälen und 2 Präla: 
ten, die vom Papite auf Lebenszeit ernannt werden, 
beſtehendes Kollegium, welches die Aufgabe bat, 
die Verbreitung des kath. Glaubens und die Aus: 
rottung der eher zu leiten, Urban VIII. verband 
damit 1627 das Collegium seu seminarium de 
propaganda fide, eine Bildungs: und Vorberei- 
tungsanftalt für Miffionare. Die Kongregation 
verjammelt ſich wöchentlich einmal in Gegenwart 
des Papftes. Ihr Hauptfeit begeht fie 6. Jan., 
an weldem eine Alademie gehalten wird und die 
aus den verſchiedenſten Ländern gebürtigen Zög— 
linge de3 Kollegiums in ihren Landesipracdhen Re— 
den halten oder Gedichte deflamieren. Sie ijt im 
Beſitß eines eigenen fehr ſchönen Palaſtes und bat 
eine dur ihren Reichtum an Drudſchriften be: 
rühmte Druderei, welche die ferniten Yänder mit 
Breviarien, Mepbüchern und Traktätchen in ihren 
Landesipraden verfieht. Alle Länder find von de 
in Provinzen geteilt. In enger Verbindung mit ihr 
ftehen die jefuitiihen Seminare oder Kollegien, 
wie das Collegium Germanicum und Hungaricum 
in Rom, das Collegium Helveticum in Mailand, 
Bei weitem bie en der Mitglieder ber B. 
find Priefter, größtenteils Jeſuiten und Franzis: 
faner. Die Vermittler zwiſchen der P. und den 
Biſchöfen find die Erzbiſchöfe, wo dieje fehlen, die 
jtehenden väpfil- Nuntien oder bejondere Delega: 
ten. Vol. Meijer, «Die B., ihre Provinzen und 
ihr Recht» (Gött. 1852). Se j 

Proparorhtöndn (grch.) heit in der griech. 
Betonungslehre ein Wort, welches den Acutus auf 
der drittlegten Silbe hat, 3.B. Pfaop.ev awir tragen». 

Pro patria (lat.), «fürd Vaterland»; Bro: 
patriamenfur, ein ftudentifches Duell, welches 
ein oder mehrere Vertreter einer Verbindung, im 
Namen derjelben mit ebenjo viel Vertretern einer 
andern eingeben. , j 

Propeller (hydrauliſcher), ſ. Hydrauli— 
ſcher Propeller. 

Propellerſchraube (engl. screw-propeller; 
urſprunglich vom lat. propellere, forttreiben, fort: 
ftoben) nennt man die archimediſche Schraube in 
ihrer Anwendung ald bewegende Straft bei Dampf: 
ſchiffen. Die P. oder der Schraubenpropeller, auch 
furzweg Propeller genannt, befteht aus zwei, drei 
oder vier jhraubenartig oder, wenn man jo jagen 
will, windſchief gebogenen Flügeln, die, ähnlich wie 
die Nuten einer Windmühle, mit einer Nabe an 
einer horizontalliegenden Achſe befeitigt find. In 
der Regel tft die P. an dem Hinterende des Schiffs 
in der ÜBeite angebracht, daß jene Achie, indem bie: 
jelbe in der Nichtung des Kiels aus dem Hinter: 
jteven des Schiffs hervortritt, an diefem ihrem ber: 
vortretenden Zeile den Propeller trägt, der jeiner: 
feit3 vermittelft der Achje durch die Dampfmaichine 
des Schiffs in rotierende Bewegung gejeht wird. 
Wenn von einem großen, zwei: oder breigängigen 
Schraubengewinde, welches bis auf die Achie durch: 
geführt iit, ein kurzes Ende abgeichnitten wird, jo 
erhält man dadurch die Anficht des Propellers mit 
den Flügeln. Die Steigung oder die Höhe des 


346 Propemptifon 


Gewindes biefer Schraube, wovon ber Propeller ein 
Abſchnitt ift, richtet ſich nad der Geſchwindigleit, 
die das Schiff erhalten foll. Als Bedingung für 
den beiten dynamischen Effelt ift es erforderlich, daß 
die Flügel des Propellers ganz unter Waſſer tan: 
den, und da mit dem Durchmefjer des Propellers 
aud der er wädjlt, fo erfordert diefer Motor 
tiefgehende Schiffe, infofern die Ausdehnung feiner 
5 el die Unterkante des Kiels nicht überfchreiten 
* Die phyſil. Urſache für die Fortbewegung 
des Schiffs dur diefen Propeller liegt in dem 
ſchiefen Drude der Flügel gegen das Waller. Wäh— 
rend die Achſe eine Umdrehung macht, bat die ge: 
wundene anni bie Steigung des Schrauben: 
windes einmal durchlaufen und, indem ihr das 
Hafer als Widerftand gedient, das Beſtrehen ge- 
äußert, nad Art einer gewöhnlichen Schraube, fi 
um das Maß diefer Steigerung von der Stelle zu 
bewegen. Da die P. jedoch ein integrierender Teil 
des Schiffs iſt, fo iſt auch dies Veitreben des Fort: 
bewegens auf das Schiff —— en. Bleibt der 
Fortgang des Schiffs hinter dem Maße der Gtei- 
gung zurüd, fo ilt diefe Steigung dem Verhältnis 
nad) zu groß, und der Propeller gleitet um den ver: 
lorenen Teil im Wafjer aus, welden Verluft man 
mit Slip bezeichnet. Schiffe, die mit der P. ver: 
fehen werden, behalten die ſchlanle Form eines 
Segelſchiffs bei und tönnenaud) als ſolche mandvrie: 
ren, welches bei Dampfidiffen mit Schaufelrädern 
nicht der Fall ift. Gegenwärtig hat das Bedürfnis, 
die Meere per Dampf zu durdfahren, die P. fo: 
wohl für den Handel wie aud) für den Krieg ganz 
allgemein zur Geltung gebracht. 
en meiften Einfluß auf die Verbreitung ber P. 
in England bat fi Francis Pettit Smith —* im 
Febr. 1874) dadurch erworben, daß er mit einem 
Shraubenf iffe von 6 Pferbelraft und 6 t Gehalt 
die erfte Fahrt von Dover über den Kanal nad 
Srantreih machte. Durch die Negierung aufge: 
muntert, baute er 1838 den Ardiimedes, ein Schiff 
von 80 Pferdelraft und 232 t Gehalt. Kapitän 
Champel machte damit eine Reife um Großbritan: 
nien. 9 neun Jahre ſpäter wurde die Anwen— 
dung der P. allgemeiner, indem 1847 Brunel bei 
dem im Bau begriffenen Great:Britain die anfangs 
beabfihtigten Schaufelräder verwarf und dafür 
Emiths ——— adoptierte. Was die Priorität 
der Erfindung betrifft, ſo iſt neuerdings erwieſen 
worden, daß 1812 der Deutichöfterreiher Joſeph 
Reſſel (f. d.) die Idee der P. bereits ſehr richtig be: 
arbeitete und zur praktiſchen Ausführung brachte. 
In Oſterreich —2* ſich jedoch Reſſel für die Ent— 
wickelung feiner Erfindung allerlei Hinderniſſe ent: 
gegen, und er fuchte deshalb diefelbe 1829 in Frank— 
reich zu verlaufen. Es iſt jo gut wie erwiefen, daß 
man fich feitdem in Frankreich der Erfindung be: 
mädhtigte, und daß ſowohl hier ald aud) in Eng: 
land die jpätern Konſtruktionen der P. eu der 
Reſſelſchen Erfindung beruhten. Die Verſuche, 
Fahrzeuge vermittelit der Schraube fortzubewegen, 
reichen indes bis ins 18. Jahrh. zurüd, wenngleich 
En angeitellten Verſuche zu einem praltifchen Ne: 
ultat nicht führten. So erhielt 3. B. Bramah 
1785 ein Batent in England auf einen Propeller, 
der nad) Art der Windmiühlenflügel konftruiert war 
und am Hinterteile des Schiffs ruderte. William 
Littleton erhielt 1794 ein Batent auf einen Schrau: 
benpropeller mit drei Blättern. Ein bejonderes 
Berdienft um Vereinfahung und Verbeſſerung des 


— BPropertius 


Schraubenpropellers hat fid) der Ingenieur Erics; 
on (j.d.) erworben, der in Amerila die erfte Schrau: 
enfregatte, Princeton, baute. In Beit 

t die P. viele Rerbefferungen, nam 
irſch und Griffith, in ihrer Form erfahren, wo: 
durd ihre Slip bedeutend verringert worben ift. 

Im Verein mit Vervolllommnungen ber Majchine 

im allgemeinen und der Schiffsform iſt es —— 

Schraubenſchiffen die che Geſch 

leit von 20 Knoten (37°, km) in der Stunde 

geben. In der Neuzeit verfieht man die Ecilie 

vielfach mit Awillingsfhrauben, d. h. es u 
fi an jeder Seite des hintern Schiſſs eine 

eine befondere Welle getriebene P. an 

dadurch nicht nur beijere Mandvrierfähigkeit, in: 

dem man bei Drehungen die eine Schraube rüd: 

wärt3 und die andere vorwärts geben läßt, jondern 
dies Syftem geftattet auch bei flahgehenden Fahr⸗ 
zeugen mehr Fahrt zu geben, als dies mit einer 

Sale wegen ihres geringen Durchmeſſers der 
a 


fein könnte, 
Propemptifon (ard.) beißt ein Abfi \ 

d e mit 
find einige 


gedicht, womit man jemand bei feiner 
ge MWünfhen begleitet. Erhalten 

rfe aus einem «Propempticon Pollionis» von 
Helvius Einna aus dem 1. Jahrh. v. Chr., nz 
an den nach Griechenland reijenden Aſinius Pollio 
— iſt. Ahnliche Erzeugniſſe gibt es von 

tatius und Sidonius. 

Properiſpbomendu (grch.) heißt in ber griech. 
Betonungslehre ein Wort, welches den 
auf der vorlehten Silbe hat, z. B. noüs« «die Mufen, 

pertius (Sertus), einer der —— 
m —5** der ae en Bei * 49 = br. 
n Umbrien, wahrſcheinlich zu m, geboren, 
lebte zu Nom, A Aber Hit Mäcenas, Doibius 
und ftarb um 16 v. Chr. Seine Dichtungen be: 
x in einer Sammlung Glegien, die nur 
e t und in —— verderbter alt überlie: 
ert find. Wie die leidenfhaftlide, glübend ſinn⸗ 
liche Liebe zur ebenfo ſchönen als geiftvollen \ 
falls diefe wirklich die «Cynthia» —* Gedichte 
war, den faſt ausſchließlichen Inhalt derſelben bil: 
det, fo baben die Studien griech. Poeſie, namentlid) 
der alerandrinishen Dichter Philetas umd Kalli: 
mados, den wejentlihiten Einfluß auf ihre 
und Darftellung geübt. * verhüllt den dichterſchen 
Gedanken vielſach in Anſpielungen und ernt 
liegende Bilder, die fein Verſtändnis ſehr ſchwer, 
ja oft ganz unmöglich machen. 

Die Elegien von P. zuerft in Venedig 1472, feit: 
dem in der Negel mit Gatullus und Tibullus zu: 
fammen gedrudt, wurden kritifch zuerft Durch Joſeph 
Scaliger (ver 1577) und mit reihen Kommentaren 
von Broelbuizen (Amſterd. 1702, 1727) und von 
Yurman (UÜtr. 1780) herausgegeben. durch⸗ 

reifende Recenſion gab Lachmann (Epz. 1816 und 

erl. 1829), der ſich die Texte von Jacob —— 
1827), W. Hertzberg (mit Kommentar, 2 . 
Halle 1843 —45), Keil (2pz. 1850), Haupt («Ca- 
tullus, Tibullus, Propertius», 2p3. 1853; 8. Aufl. 
1868; 4. Aufl. von Bablen, 1879) und mit ftärlern 
Abmweihungen L. Müller * 1870) 
Eine neue Tertesrecenfion hat Bährens (2pz. 1880) 
unternommen, aber faft allgemeinen —— 
gefunden. Überſeßzungen verſuchten Anebel (p5. 
1798), 3.9. Voß (Braunſchw. 1830), Strombed 


(2. Aufl., Braunfhw. 1822), wv. Herkberg Stuttg. 
1839) und Jacob (Stuttg. 1869). t 


— — — — 


Propheten 


Propheten (arh.), d. h. S t Gottes (hebr. 
nebiim, d. nuntii), hießen in der Zeit 
des entwidelten Hebräismus die vom Geifte des 
reinern Monotheiamus erfüllten Männer, melde 
im Namen Jahves zu dem Bolte redeten, das re: 
ligiöfe Bewußtſein wedten und pflegten, die religiö- 
fen und fittlihen Forderungen ber altteftament: 
fi Bundesidee an das Cigentumsvolt Gottes 
geltend machten und dem Bolte je nad) der Stellung 
besjelben zu jeinem Bundesgotte bald —— 
—— 2— feine Geſchicdde verlündigten. Als die 
verjönli 
legten fie die Norm des göttlichen Gefepes an die 
ee Gegenwart, traten bald als begeifterte 
oltärebner, bald als Ratgeber der Könige, bald 
als Reformatoren des Gottesdienftes, Sittenrihter 
und Bußprebiger auf und griffen durch die Macht 
—* — Perſoönlichleit oft tief auch in 
die polit. Geſchide des Volks ein. Die Berlün: 
di —*— Zukunft war keineswegs ihre ausſchließ⸗ 
ie oder auch nur hauptiächliche Wirkjamteit, doch 
gehörte ed mit zu ihrem Berufe, die religiöfe Idee 
auch durch ben Hinweis auf die Jutun t bes Gottes: 

i wei I erhalten und das Volk durd die 
Weis ſagung drangſalvoller, bald glüdfeliger 
Zeiten zur Erfüllung feiner YBundespfli ten gegen 
Sjahve zu ermuntern. Dem Brieitertum gegenüber 

fie die eigentlichen Repräfentanten der religiö- 
fen Bewegung, von denen alle Weiterbildung und 
Zäuterung des hebr. Gottesbewußtfeind ausging. 
Wie das religiöfe Bewußtſein Israels überhaupt, 
fo hat aud der Prophetismus eine reiche Ent: 
widelung durdlaufen, wie denn namentlich die von 
ihm dem Bolte vorgehaltenen Zukunftsbilder ſich 
fortichreitend vergeiftigen und auf dem Höhepuntte 
der Entwidelung ſich zur Verlundigung eines allge: 
meinen Öotteöfrievens und eines Reichs der From⸗ 
en und Geligfeit erheben, in welchem alle 
Bö es zu dem wahren Gotte belehren werben. 
Den at der hebr. Prophetismus den natio: 
nalen Bartitularismus, mit dem freilich die alt: 
teftamentlihe Bundesibee felbft ftand und fiel, nie: 
mals überwunden. (S. Meſſias.) 

Den P. ſelbſt galten ebenio wie dem gläubigen 
Bolte ihre Reden und Sprüde als unmittelbar ein: 
gegeben von Gott, und die religiöie Begeiiterung, 
welche bald in der Form der Bifion oder des 
Traums, bald als elſtatiſche Entzüdung und un: 
woiberjteblicher innerer Nededrang über fie kam, 
wurde als ein Überwältigtwerden vom göttlichen 
Geifte, der dem Menichen das Gotteswort «in den 
Mund legt», befchrieben; doch mußte dies Gottes: 
wort feinen natürlichen Antnüpfungspuntt in ber 
Seele des P. haben. In der Zeit Samuels, in 
welder die P. zuerft erwähnt werden, war zum 

to f eine längere Vorbereitung und 

orbilbung erforderlich, die in den jog. Propheten: 
fchulen erworben wurde. Damals traten die P., 
wie es fcheint, auch in gefchlofienen Vereinigungen 
auf. it jener Zeit mag fih aud die eigentüm: 
liche Bropbetentracht, der lange Mantel von grobem 
Stoff, der lederne Gürtel und vielleicht auch die 
Tonſur herſchreiben. Seit der feftern Drganijation 
des dienſtes und des levitiichen Priefter: 
tums handeln die einzelnen P. meilt ohne engern 
Verband untereinander auf ihre perfönliche Verant: 
wortlichleit. Jeder, der fih vom Geiſte Gottes ge: 
trieben fühlte, trat ala ®. hervor, und nicht felten 
widerſprachen ſich ihre Ausivrüche aufs fchroffite, 


Träger des israel. Gottesbemußtfeins | 3 


347 


Darum erwähnt die Gefdhichte neben ben wahren 
BP. Jahves auch faliche, denen es an innerm Beruf 
ehlte und deren Neben ſich ala teügerife erwieſen. 
In Zweifelsfällen wurde die Entſcheidung wohl einer 
Urt von Gottesurteil überlaflen, wobei derjenige 
dann als ber rechte P. galt, defien Weisfagungen 
eintrafen. Auch kommen neben den P. Jahres hat. 
Ihe B. vor, die im Namen anderer Götter weisfag: 
ten. Den Willen Jahves thaten die B. bald in 
fürzgern oder längern Sprüdhen (Oraleln), bald 
durch ſymboliſche Handlungen Fund. In der lehten 
eit des Prophetentums trat an die Stelle der 
etftatiichen Begeifterung deren künftlihe und finn- 
bildliche Rachbildung, an bie Stelle der echten Bifion 
die ſchon bei Ezechiel oft jehr lang ausgefponnene 
gr Allegorie. Bald nad der Rüdtehr 
aus dem Eril hörte die Brophetie völlig oh und 
an die Stelle fchöpferifcher religiöfer Begeiiterung 
trat bie hriftgelehrte eihäftigung mit den bei: 
ligen Urkunden des Altertums. Die jüd. Apola— 
Iyptit (f. d.) der Folgezeit war nur eine Fünftliche 

achbildung der propbetiichen Erzeugnifie aus ber 


Zeit des Verfalls. 
Von vielen P. bes Altertums nur die 
Namen, von andern nur einzelne Sprüche oder 


ſymboliſche Handlungen befannt. Größere Samm: 
lungen von Sprüden finden ‚ih im altteftament: 
lihen Kanon von Jeſaias (und Deuterojefaias), 

eremia und Gzedhiel, welche mit dem weit fpätern 
Buche Daniel ald die «vier großen PB.» bezeichnet 
werden. Außerdem gibt es das Buch der zwölf 
Heinen P., mit den gefammelten Sprücden bes 
Hofea, Joel, Amos, Dbadja, Micha, Nahum, Ha: 
batut, Zephanja, Haggai, Saharja und Maleadıi 
und der wunderbaren Geſchichte des Propheten 
ee und feines Orakels über Ninive. Obadja, 
(Yona,) Haggai, Sacharja und Maleachi wirkten 
noch nad) dem Eril. Bol. Knobel, «Der Bropbetis: 
mus der Hebräer» (2 Bde., Bresl. 1837); Ewald, 
«Die P. des Alten Bundes» (2. Aufl., 3 Tie., Gött. 
1867—68); Gujtav Baur, «Geſchichte der alttefta- 
mentlichen u (1. Tl. Gieß. 1861); Dill: 
mann, «Die P. des Alten Bundes nad) ihrer polit. 
Wirkiamleit» gr = 1868). In der chriſtl. Kirche 
werden in den erſten Jahrhunderten ebenfalls P. 
erwähnt. So erzählt die Apoſtelgeſchichte von einem 
Propheten Agabus, welcher eine Hungersnot vor: 
berfagte und den Paulus fpäterbin durch eine ſymi⸗ 
boliſche Handlung vor der Reife nad Jeruſalem 
warnte (11,28; 21,10 fg.). Auch Propbetinnen 
werden im Alten und Neuen Teftament erwähnt 
(Apoftelgejh. 21,9), und um die Mitte des 2. Jahrh. 
rühmte 8 namentlich der Montanismus feiner P. 
und Propbetinnen (wie Montanus, Marimilla, 
Priscilla u. a.), welde als Organ des Heiligen 
Geiites berufen feien, die Kirche zu leiten, um fie 
auf die Wiederkunft Chrifti vorzubereiten. Die ein: 
zige prophetiich-apotalyptiiche Schrift ift die um 
68 n. Chr. verfaßte Offenbarung des Johannes 
(j. d.). Eine dem Montaniämus verwandte pro: 
phetiiche Schrift des 2. Jahrh. iſt der jog. Hirte des 
Hermas (f. d.). Auch in der Folgezeit hat es der 
hriftl. Kirche niemals an ſog. Prophetien gefeblt, 
deren Zukunftsbilder fih namentlid um die Er: 
ſcheinung des Antichriſts, um die Wiederlunft 
Chriſti und die Aufrichtung des tauſendjährigen 
Reichs bewegten. Insbeſondere gab das Beſtreben, 
durch Auslegung der Offenbarung des Johannes 
die Zukunft des Gottesreichs zu lecken in alter 


348 


und neuer Beit zu bergleihen Schwärmereien Ber: 
anlafiung. (S.Apolalyptilerund Antidrift.) 

Prop ylaktilch ih), vorbeugend, verhütend, 
abmwendend, 

Brophylägis (grch.), d. b. das Streben, Krank— 
beiten vorzubeugen, ift ein Hauptteil der ausüben: 
den Mebizin ſowie der öftentlihen Geſundheits— 
pflege und gehört zur Hygieine (j. d.). Sie umfaßt 
teils allgemeine medizinal:polizeilihe Maßregeln in 
Betreff der die Bevöllerung umgebenden frant: 
machenden Ginwirtungen (wie z. B. Sorge für 
gute Luft, Waſſer, Wohnungen, Nahrungsmittel), 
teils vorlehrungen gegen beſondere Schidlichleiten 
oder gegen drohende endemiſche und epidemiſche 
Krankheiten, teils eine das Individuum ſelbſt gegen 
folche Übel gleichſam ftärtende und ftählende Ge: 
fundheitspflege B. durch paſſende Nahrung, 
Nörperübungen, Abbärtung, Vermeiden von Aus: 
ſchweifungen u. ſ. w.), teils endlich die ärztlichen 
—— daß wirklich ſchon ausgebrochene 
Krankheiten nicht andere ſchwere Übel und Kom: 
plifationen nad) ſich ziehen. In allen diefen Be- 
— fann der Arzt ſehr viel Gutes ſtiften, 
und zwar meijt ohne Arznei, durch feinen morali: 
ſchen und diätetiihen Einfluß, oft aber aud) durch 
medilamentöfe oder operative Eingriffe (wie 3. B. 
durd Edußpodenimpfung). ,_. 

Propination (lat.), ausſchließliche Brau⸗ und 
Drenngeredtigfeit. 

Propionfaure C, H, O,, das ber Gifigiäure 
zunädjt homologe Glied der Fettſäurereihe. 

Propontis nannten die Alten bie Erweiterung 
bed Meer vor dem Pontus Curinus (dem jekigen 
Schwarzen Meere) oder den zwifchen dem Thrazi: 
ſchen Bosporus und dem Hellespont gelegenen Teil 
des Meers, das jekige Meer von Marmara (f. d.), 
jedoch jo, daß der noͤrdl. Teil der Dardanellen im 

Itertum mit zur P. gerechnet wurde. 

‚Proportion (lat., d. i. Verhältnis) heißt jcht 
die Gleihung von ———— Je nachdem die 
Berhältnifje arithmetiſche oder geometriſche find, 
heißt die P. eine arithmetische, 3.8. 17—14=10—7, 
oder eine geometriiche, 3.8. 5:15=6:18. Iſt das 
weite Glied dem dritten gleich, fo heißt die P. eine 
tetige, 3. B. 11—8=8—5, oder 2:6=6 : 18; das 
doppelt ftehende Glied ge dann das arithmet, 
oder geometr. Mittel aus den beiden andern, In 

jeder arithmetifchen P. ift die Summe ber beiden 
äußern Glieder, des erften und vierten, der der beis 
den innern, des zweiten und dritten, gleich; in jeder 
geometriſchen aber das Prodult der äußern Glieder 
glei dem Prodult der beiden innern. Hiernach 
lann ein unbelanntes Glied einer P. aus ben übri: 
gen Öliebern gefunden werden. Die ald Negula 
de Tri befannte Nechnungsart ift Die Berechnung 
des vierten Gliedes einer geometrifchen P. durch 
die drei übrigen, die dadurch gefchieht, daß man 
das zweite mit dem dritten multipliziert und das 

Produft durch das erſte Glied dividiert. 

‚ Die Proportionslehre findet Anwendung 
in mehrern ‚mei en ber —————— in [ber 

Chemie bei den Maß- oder Vo — 

nach welchen einfachere Körper chem. Verbindungen 

eingehen (Stöchiometrie); in der Aluſtik bei 
den Berhältnifjen der Schwingungsmengen, wel: 
hen Töne von bejtimmten Intervallen entiprechen 
armani). Eine «Broportionslehre der menſch— 

ichen Geitalt» ijt von K. G. Carus (Lpz. 1854) und 
"von Beijing (2p3. 1854) aufgeftellt worden, 


Prophylaktiſch — Propyläen 


rn uber f. unter Zirkel. 
roportiondlehre, j. unter Proportion. 
‚Propositio (lat.), etwas Vor⸗, an wer 
ein vorangeftellter Sab; P. major, berjap; 
P. minor, der Unterjaß im Schluß (f. d.). ; 
Propdtiden, in der grieh. Mythologie cypri: 
{che Mädchen, die die Gottheit der Aphrodite ge 
leugnet hatten und deshalb von diefer zur Liebeswut 
entzündet und endlich in Stein verwandelt wurden. 
roprätoren, ſ. Brofonfuln. 
ropregut, ſ. Ginbandsgut. 
roprehandel, ſ. Gigenbandel, 
ropft (aus dem lat. praepositus) heißt im all: 
gemeinen jeder weltliche wie geiſtliche Vorgejfekte, 
Speziell war es der Amtstitel für denjenigen, der 
in Stiftern und Klöſtern die Ölonomie zu beauf: 
fihtigen hatte, und ift in diefen noch gegenwärtig 
ber Titel eines der erften u Hase Würdenträger, 
Der B., in Hathedralitiftern Dompropft genannt, 
folgt für gewöhnlich im Range gleid nad) Bi: 
ſchof oder Abt, anderwärts aber erft nad dem 
Delan, während er aud) ag oberiter Vorge⸗ 
fegter de3 Stift war, n Propfttitel führten 
auch die geiftlichen Vorſteher bei den Frauenllöſtern. 
y" bie prot. Kirche iſt der Titel übergegangen als 
Bezeichnung bald der Superintendenten, bald ber 
zaſtoren an den Hauptlirchen einiger norddeutfchen 
Städte, wie z. B. Berlin. ——— verſteht 
man den geiſtlichen Amtsbezirk, den Sprengel 
eines P. Der Feldpropſt iit in Preußen die erjte 
Inſtanz der Divifiond: und Brigadeprediger, 
Propftei, eine Gegend im Kreiſe Plön ber 
ring Provinz Schleswig:Holitein, öftlih vom 
ieler en an ber Ditiee, früher dem Stlojter 
Preeß gehörig. Die Bewohner, Nahlommen der 
Menden, haben noch eigentümlihe Sitten und 
Tradten. Hauptort ift das — Schönberg, 
Sitz eines Amtsgerichts, mit (1880) 1557 €, 
Berseiken lat.), das Forttreiben, Fortſtoßen 
propulfiv, forttreibend, x 
Proppläen (grh., d. i. Vorhallen) hießen bei 
den Griechen die Thorhallen, welche den Eingang 
der Tempelböfe oder größerer ae un überhaupt 
bildeten. Es waren feine bloßen Thore, fondern 
Bauten von einigem Umfange, die in der Mitte 
eine Säulenballe und zu beiden Seiten Gemädher, 
öfter auch ——— an beiden Façaden ent: 
hielten. Insbeſondere berühmt waren die pracht⸗ 
vollen, in den %. 437—432 v, Chr. nad dem Plane 
und unter der Leitung des Architelten Mnefilles 
erbauten P. in Athen, welche den Eingang in den 
innern Naum ber Alropolis bildeten, und bie in 
dee Anlage dieſen entiprechenden P. des äu 
eribolo8 des Heiligtums der Demeter und Kora 
zu Gleufis, Die ganz aus pentelifhem Marmor 
erbauten, mit reihbemalten und vergoldeten 
menten —— atheniſchen⸗ V., von denen noch 
bedeutende Reſte erhalten find (während die eleufi- 
niihen jebt einen verworrenen Trümmer 
bilden), enthielten eine Mittelhalle, deren Dede von 
ichs ion. Säulen getragen wurbe, Aus biejer 
Mittelhalle führten fünf an Höhe und Breite ſym— 
metriſch abgeftufte Thore in eine durch ſechs dor. 
Säulen, deren Interlolumnien der Weite der T 
entiprachen, gebildete Vorballe, Eine gleiche Bor: 
halle befand jıch vor der Weftjeite der Mittelballe; 
zu beiden Seiten diefer waren Flügelgebäude ans 
gebracht, mit Vorballen rechts und linls von den 
in die P. Eintretenden, von welchen die eine fürzer 


Pro rata — 


wurde als die andere, weil während des Baues der 
P. der Bau des Nitetempelchens auf dem Plate vor 
der füdl. Halle befchlofjen wurde. Überhaupt hat 
es ſich herausgeftellt, daß nicht die ganze urfprüng: 
fi geplante Bauanlage ausgeführt worden iſt. 
Doc jſt aud) die Gejtalt der wirklich ausgeführten 
Slügelbauten erft vor kurzem vollends richtig ge: 
eftellt worden, Die große Treppe, welche zu den 
5 Hinauffübrt, wurde im 1. Jahrh. v. Chr. gebaut. 
S. Tafel: Alropolis zu Athen.) Der nördl. 

u enthielt in dem Saale hinter der Halle eine 
Gemäldefammlung, wovon er heutzutage gemöhn: 
lid. Pinakothek genannt wird. Die Koſten bes 
Baues follen 2012 attiſche Talente, d. i. über 
MU, Mark, betragen haben. Bol. Stuart und 
Revett, «The antiquities of Athens» (neue Ausg., 
95,2, Lond. 1825); Beule, «L’acropole d’Athenes» 
(Bd. 1, Bar. 1853); Bohn, «Die B. der Alropolis 
zu Athen» (Stuttg. 1882). 

Pro rata, j. unter Rate, 

oreftor, ſ. unter Rettor, 

orogation (lat.), Verlängerung (eines Im— 
periums über die Amtsbauer), Huffepub Vertagung - 
daher B, einer Frift, des Barlaments u, ſ. w. — 
Bon BP. der Gerichtsbarkeit fpriht man, wenn 
ſich jemand einer Gerichtsbarleit unterwirft, welcher 
ex jonjt nicht unterworfen ift. 

Proſa (wahrjcheinlidd vom lat. prorsus, zu: 
fantmengezogen aus proversus, Nebenform prosus, 
alio prosa, seilicet oratio, die geradeaus gehende 
Rede), wird diejenige Iprachliche Darftellung ge: 
nannt, welche fich nicht in der —— Form 
der Poeſie bewegt. Sie iſt die Sprache des ge— 
wöhnlichen Lebens und des wiſſenſchaftlichen Den: 
tens; fie ift auch die Sprache derjenigen Dichtarten, 
die, wie der Roman, das bürgerliche Trauerjpiel 
und mande Gattungen des Luſtſpiels, ſich eng an 
den Boden und die Bedingungen der Gegenwart 
und Wirklichkeit anjchließen. N% altlich unterfcheidet 
man die erzäblende Broja von der didalti: 
Shen und der rhetoriſchen Proſa. Die mer: 
würdige Thatjadye, dab in der Schriftiprache früher 
die Poeſie auftritt als die P., iſt die naturnotwen: 
dige fee des pſychol. Entwidelungsgangs, daß 
die Phantafie ſich früher ausbildet als der Verſtand 
und daher die Mythe und Religion der Natur: und 
der Ge Bichtswiffenicaft vorangebt. 

Projcenium (lat.) hieß im röm, Theater der 
Ma vor der Scene oder der vordere Teil der 
Bühne, wo die Schaufpieler auftraten. Er war 
etwas niedriger ald die Bühne, aber in gleicher 
Ebene mit der eier Am modernen Theater 
it P. der unmittelbar an die Bühne angrenzende 
Teil des Zuſchauerraums. 

Profeceo, Dorf im Gebiete von Trieft in 
Öfterreich, am der Lehne des Karftgebirges, Station 
der Linie Wien: Trieft der Serben, mit (1880) 
1179 E., deren Haupterwerb im Weinbau beiteht. 
Der unter dem Namen 8: befannte dunfelrote 
Dein wird auf der ganzen Strede bis gegen Duino 
bin gebaut. Es ift die älteft befannte Weingattung 
im Küftenlande und gehörte ſchon zur Römerzeit 
unter die vorzüglichen und namentlich wegen feiner 
Heilwirkung geſuchten Weine. 

Broſekior (lat., «Borfchneider», «Zerglieberer), 
in anatom. Lehranitalten der dem Lehrer der Ana: 
tomie beigegebene Aſſiſtent, welcher die zu den Vor: 
lefungen gebrauchten Präparate an friſchen Leid: 
namen, ſowie biejenigen, welche in Sammlungen 


| tra 


Proferpina 349 
aufgenommen werden follen, anzufertigen hat. In 
pin wi Krantenhäufern und tihnifchen Inſtituten 
werden auch die pathol. Anatomen, welche die 
Leichenſeltionen behufs Feſtſtellung des Krantheits⸗ 
befundes ausführen, P. genannt, 

Proſelyt (erh), eigentlich Antömmling, heit 
derjenige, welder von einer Religion zur andern 
übergeht. Die Juden, bei denen der Name — 
gehraͤuchlich wurde, unterſchieden P. des Thors 
und P. der Gerechtigkeit. Unter P. des Thors, 
auch Judengenoſſen dest, ‚verftand man bies 
jenigen, welde dem Götzendienſt entfagten und fich 
zur Verehrung des einigen Gottes betannten, ohne 
jich der Beſchneidung und den übrigen Vorſchriften 
des moſaiſchen Ceremonialgefehes zu unterwerfen. 
Die Beitimmungen über ihr Verhältnis zu Israel 
waren den geſetzlichen Anordnuͤngen hinſichtlich 
jener Nichtisraeliten entlehnt, welche das Recht 
re «in den Thoren Israelsy, d, h. in den Vor: 
tädten und Flecken des israel, Gebiets, zu wohnen. 
Für diefes Recht wurden ihnen außer dem Belennt: 
nis des einigen Gottes nad 3 Mof. 17 und 18 ges 
wiſſe, nahmals unter dem Namen ber are er 
* befannte Verpflichtungen auferlegt. Das 
Judendriftentum trug das Wrofelytenverhältnis 
aud) auf die Stellung der Heidenchriſten zur Meſſias⸗ 
gemeinde über. P. der Gerechtigteit wurben die: 
jenigen genannt, die von dem Heidentum zum Ju⸗ 
dentum völlig übertraten, beidynitten wurden und 
fich zur Beobachtung des moſaiſchen Gefehes (Ge: 
techtigteit) verpflichteten. Nach der Beichneidung 
erhielten fie, nad) einer freilich erft für die nad) 
chriſtl. Zeit nachweisbaren, aber wahrſcheinlich ſchon 
ältern Sitte, die Taufe, indem man fie an einem 
Feſttage in Gegenwart dreier Richter mit dem gan: 
zen Körper in eine Gijterne voll Waſſer tauchte. 
Bei Kindern eines P. fand diefe Taufe, welche unter 
dem Namen der Brofelytentaufe befannt ift, 
nur ftatt, wenn fie eine heidniſche Mutter hatten, 
Bei den Mädchen Are die Taufe aud) die Bes 
ſchneidung. Be ytenmaderei nennt man 
vorzugsweife das zudringliche Beſtreben, Genoſſen 
einer fremden chriſtl. Religionspartei in die eigene 
herüberzuziehen. 

Brojen ym nennt man im Gegenfaß zu Pa: 
renchym in der Botanik diejenigen Gemwebeelemente, 
die langgeitredt find und an ihren Enden ſchief vers 
laufende Querwände ee wodurd die betreffen: 
den Zellen eine fpindelförmige Geftalt erhalten, 
gef alle Baftzellen, fowie die meiften Elemente der 

efäßbündel find zu dem P. zu rechnen, 

roferpina (ach. Perſephone, auch Per: 
fephatta und noch anders, bei Homer Perfephoneia), 
die Tochter des Zeus und der Demeter, ift im Kul— 
tus ſtets aufs engjte mit diefer verbunden, ſodaß 
P. Van | einfah als Kora, d. ß Mädchen, 
Tochter, bezeichnet wird und beide oft ohne weiteres 
adie Göttinnen» oder auch «die Herrinnen» genannt 
werben. In der Poefie ericheint fie von Homer an 
als ftygiihe Hera, als Gemahlin des Hades oder 
Pluto (1. d.), mit weldhem fie über die Seelen der 
Abgeſchiedenen und über die Schreden der Unter: 
welt herrſcht. Pluto raubte fie ihrer Mutter mit 
Bewilligung des Zeus, als fie mit ihren Geſpie— 
linnen auf einer Wiefe Blumen pflüdte. vange 
fuchte Demeter ihre Tochter vergebens mit Fadeln 
auf der ganzen Erde, bis fie von Helios deren Aufs 
gie erfuhr. Heftig zürnte fie num, und die Erde 

infolge ihres Zorns Unfruchtbarkeit. Dadurch 


350 


enötigt, befahl Zeus dem Pluto, die P. auf die 
berwelt — Dieſer unterwarf ſich 
dem Befehl, gab ihr aber liſtig von einem Granat⸗ 
apfel ju lem, wodurch fie für immer der Unterwelt 
verfiel. Nur fo viel lonnte Demeter jetzt von Zeus 
noch erlangen, daß P. bloß ein Dritteil (nad) ſpä⸗ 
terer Sage die Hälfte) des Yen bei Pluto in der 
Unterwelt zuzubringen habe. Offenbar ift in dieſem 
Mythus, aud) einen wejentlichen Teil der den 
Eleuſiniſchen Mofterien N d.) zu Grunde liegenden 
Mythen bildete, zunächſt die im Frühling hervor: 
iprofiende Erbvegetation gemeint, die zur Zeit des 
Herbites wieder vergeht, insbefondere bie der Ge: 
treidefrudht, daher aud) Triptolemos, der Heros des 
Aderbaues, im Kultus wie in der Kunft und Poeſie 
aufs engfte mit Demeter und PB. verbunden ift. Bei 
den Orphilern und in der Myſtik der Spätern er: 
ſcheint J als allwaltende Naturgottheit, die alles 
hervorbringt und tötet, weshalb ſie auch mit andern 
mpftiichen Gottheiten, der Rhea, Artemis, Helate 
u.a., verbunden oder identifiziert wird. Diele 
moftifche B. ift es auch, mit der Zeus in Schlangen: 
geitalt den Dionyfos Zagreus erzeugt = en ſoll. 
Hauptgegenden en —— waren Attila und 
Sicilien; doch iſt ihr Kultus kaum irgend einem 
Teile Griechenlands und feiner Kolonien fremd. 
Dargeftellt wird r teils al3 des Hades Gemahlin, 
neben diefem auf einem Throne fipend, mit dem 
ernten und ftrengen Charafter der unterirdiichen 
Hera, teil als —— Abbild ihrer Mutter 
Demeter. Bol. Preller, «Demeter und Perſephone⸗ 
(Hamb. 1837); Förfter, «Der Naub und die Nüd: 
lehr der PB.» ‚Stun: 1874); Dverbed, «Demeter 
und Kora» (im 4. Buch des 3. Bd. der «Griech. 
Kunftmythologie», Lpz. 1878). 3 
Broferpina iſt aud der Name des 26. Aſteroi— 
den, ſ. unter Planeten. 
Prosimii, |. Halbaffen. f 
Proskau, Varktfleten im preuß.ſchleſ. Regie: 
rungsbezirt und Kreis Oppeln, mit (1880) 2339 
mei fath. E. iſt — eines pomologiſchen Inſtituts, 
einer Forſtlehrlingsſchule und eines milchwirtſchaft⸗ 
lichen Inſtituts. Dal. Stoll, «Das königl. pomo: 
logische Inſtitut zu P.» (Lpz. 1877). ; 
Brojfription (lat.) bie bei den Nömern eine 
öffentliche Belanntmahung durch Anſchlag, wie fie 
vor —— ſtattzufinden pflegte. Als Sulla 
nad der liberwindung der Marianer 82 v. Chr. 
auf Grund feiner unbeſchränlten Diktatur viele fei- 
ner demokratiſchen Gegner ermorden lieb, beichloß 
er, gemahnt, der Ungewißbeit ein Ende zu machen, 
die Belanntmadhung der Nanıen der zu Tötenden 
mittel3 ausgebängter Tafeln. Dadurch famen die 
Nusdrüde proscribere und proscriptio für die Ver: 
urteilung zum Tode unter Ausschluß jeden Gehörs 
lediglich mittels öffentliher Belanntmahung des 
Namens und der Strafe in Gebraud. Mafjen: 
weile P. verhingen auch Dctavian, Antonius und 
Lepidus während ihres Triumvirats. 
roseturow, ſtreisſtadt im ruf). Gouvernement 
Podolien, 96 km nördlid von Kamenez, an der 
Gijenbahn Odeſſa-Wolotſchisk, mit (1882) 11751 
G., darunter 4500 Juden, die bedeutenden Getreide: 
handel, Garten: und Gemüſebau treiben, 
rosfyneiis (grch.), fuhfällige Verehrung. 
rodlav: Balkan, j. unter Ballan. 
rosna, linksjeitiger Nebenfluß der Wartbe, 
entjpringt im preuß. Negierungsbezirt Oppeln 
9 km nordöſtlich von Nofenberg, fließt überwiegend 


50 RO 


Proftata 


in nörbl. Richtung und mündet nad einem Laufe 
von 180 km ſüdweſtlich von Peiſern ). 
ft auf ——— —* bildet = Dr 

renze zwijchen den preu i 
peln und Poſen einerſeits und Yu —— 
andererſeits, nur bei Kaliſch greift ruſſ. 
auf das linke Ufer über. 

Proſodie (grch.), bei den alten Grammatilern 
dad, was bei der Ausſprache zu den bloßen Bud- 
ftaben hinzugefügt wird, alſo namentlich Accent, 
Spiritus und Dauer der Silben, jeht teild Bezeich 
nung für das Beitverhältnis der Silben, teils ber 
Nnbeoeifi der allgemeinen Regeln über und 

ürze der Silben. In lehterm Sinne gebraudt 
man au den Namen Brofödil, die daher von 
ber Metrik (j. d.) oder eigentlichen Verslehre wohl 
S unterfcheiden ift. Je nachdem in der Poeſie eines 

olls die Quantität (f. d.) oder der Accent (f. b.) 
der Silben fi überwiegend geltend macht, nennt 
man die Boefie und Sprache desfelben quantitierend 
oder accentuierend, 

rofödif, f. unter Proſodie. 
ro —— (grch.), Geſichtsſchmerz. 
roſopopiegie (ard.) tslähmung. 
olope die, 1. Berfonifltation. 
roſopofpasmus (grch.), Gefichtätrampf. 
roſpekt (lat.), —2 Ausſicht, Fernſicht, 
nennt man in der bildenden Kunſt die 
der Anſicht von —— Stra — 


einer Stadt u. dal., wonach diejen 


lerei, welche ſich mit ſolchen Darſtellungen bejchäf- 
tigt, als Proſpeltmalerei bezeichnet wird. 
Architetturmalerei) St u det 


aber von der eigentlichen Arditeltu 
geringere Anwendung maleriiher Mittel 
von Staffage und landidaftlider U und 
ftrengere Betonung des Perſpeltiviſ Aud 
nennt man P. die gedrudte Ankündigung einer 
werblichen, willenichaftlihen oder kün —* 
Unternehmung mit Sfijzierung des ts. 
Proſpelt nennt man auch bie Schiff der 
Kirche zugelehrte ——— des Drgelgebäufes; 
dieſe Seite allein iſt mit künftlerifhem Schmud 


(Gefimfe, Säulen, Türme u. |. m.) verſehen und 
d. 


zeigt die ſauber polierten —— 
Prossimo ſital.), nächſtens, nahe bev 

roſnitz (böhm. Prostöjov), Stadt in ’ 
in der fruchtbaren Hannaebene, Station der Lini 
Brünn:Sternbergber Bee 
ijt Siß einer Bezirlshauptmannſchaft und eines 
irlsgerichts, zählt (1880) 18417 E. und hat eine beut- 
Ihe und eine ſlaw. Oberrealichule und ein Klofter mit 
Spitalder Barmberzigen Brüder, bedeutende 
wollinduftrie, Getreidehandel, Malzfabriten, Fa: 
brifen für landwirtſchaftliche Maſchinen wi⸗ 
mübhlen, Branntwein: und Liqueu abrifen, Bier: 
brauereien, Kleiderfabriten und eine Zündwaren: 
— Mi un iſt — —— rs 16. 
eine Zeit lang der Hauptfi 3 
die bier ihre et und dene Gatten, 
a — 
aftaniengroße, aus mehrern Lappen 
—— — m zu. — —*— Teil 
es Beckens zwiſchen mbein un 
liegt, den Anfangsteil der Harnröhre a 
einen Karen eiweihreichen Saft (liquor i- 
eus) abjondert, welcher ſich bei der Ergi des 
Samens mit dieſem mengt und zugleich mit ihm 
entleert wird. Im Alter wirb die P. häufig von 


Prosthefe — Protagoras 


Hypertropbie befallen, wodurch die Harnröhre ver: 
und die tleerung oft im hohen Grabe 
a me aa de a 
ieren nbung der P. von hart: 
nädigen Blaſenbeſchwerden begleitet. — Broita: 
titis, Entzündung der Vorſteherdruſe. — Projta: 
torrböe, Schleimfluß der —5—— 
Prostheſe ober Prosthe —2 — Hinzu: 
fehung») bedeutet bajelbe wie Brotbeie (1. d.). 
a (lat.) oder Breisgebung, vor: 


——* —F Eye ns rauen ig — 
e eisgebung eines Frauenzimme 

zur bt. Die Geſchichte der P. ift fo alt wie 
die gem ichen Geſellſchaft und der Kultur 


chlichen 
upt. In der Bibel finden ſich ſchon zur Zeit 
der ar projftitwierende —— erwähnt 
a an a ae 
au ro en. ylon mußte 
ſichj * rene mindeſtens einmal im Leben 


im t Mylitta (f. d.) einem Fremdling 
hingeben, und von bier auß verpflanzte ſich der 
Kultus der religiöfen P. rafh nah Phönizien, 
Eypern, Üigypten und Perfien. In Athen bildeten 
bie or anen Em gg — hie 
nad bejtimniten en und Regeln ihr ſchmach⸗ 
volles sg ae Ole wenn — — elne 
Hetären (f. d. ildung, Feinheit m: 
gangs ihren Einfluß auf rag ie Män- 
ner eine ‚bedeutende Rolle ſpielten. Ebenſo war 
Nom zur Zeit der Kaifer von Proftituierten über: 
flutet; e8 nd nicht nur eine große Anzahl jtaat- 
lider und privater Freubenhäufer (Lupanaria), 
auch zahlloſe vagierende Luftdirnen (meretrices und 
prostibulae) trieben in den öffentlihen Bädern, 
dem Cirlus und den Tavernen ihr Unweſen. Im 
Mittelalter nahm troy wiederholt verjuchter ges 
waltjamer Unterbrü durd Kirche und Staat 
die Sr dern (S. Srauenbäufer.) 
Die Geſchichte der P. beweiſt hinlänglid, daf die 
lehtere ein in der menschlichen Gefellichaft und in 
den Berhältniffen ihrer Kultur tief begründetes 
fibel ift, wel wohl durch zwedmäßige Maß: 
regeln eingefchränft, aber nie gewaltjam unter: 
drüdt und ausgerottet werben fann, und welches 
um jo ſchwerer und eingreifender das Wohl der 
Geſamtheit Schädigt, je heimlicher und verborgener 
es auftritt, Troß aller Belämpfung bat die P. in 
allen großen Städten eine Ausdehnung erlangt, 
wilde derjenigen des alten Rom nicht viel nad: 
fteht; fo wurde 1884 die Zahl der proftituierenden 
Frauen und Mädchen in Berlin auf 23000, in 
Wien auf 25000, in Paris - weit über 40000, 
in London auf 60000 geihägt. Namentlich werden 
ſchlechte Erziehung der Mädchen, insbefondere der 
untern Voltsflafien, materielle Not und Arbeits: 
loſigleit, die Betreibung eg Gewerbe buch 
Frauen, bie Bermifchung der Kinder mit den Gr: 
jenen in Werfftätten und Sabrilen, die immer 
gröber werdende Schwierigfeit der Gingehung von 
Chebundniſſen, ſowie Arbeitsfcheu, Pusjucht und 
die mannigfachiten Be ——— in den großen 
Städten ftet3 zahlreiche Frauen der P. in die Arme 
werfen. -Da nun die Hauptgefahr der P., abge: 
jehen von ber tiefen Schädigung und Untergrabung 
der öffentlichen Moral, vorzugsmweife in der Ver: 
breitung einer der an Ar m und gemeingefähr: 
lichſten Kranlheiten, der Syphilis, Tiegt, fo iſt die 
Notwendigkeit einer ftrengen fanitätäpolizeilichen 
Überwadhung der P. neuerdings allfeitig anerfannt 


351 


worben. In diefer Fa ift wiederholt auf inter: 
nationalen mebdiz. Kongreſſen (Paris 1867, Florenz 
1869, Wien 1873) auf das ftrengfte betont worden, 
daß nur dur das Verbot der heimlichen, ur 
die polizeiliche Kontrollierung der offenen P., dur 
Ginzegilirierung und regelmäßige ärztliche Unter: 
ung der Broftituierten und womöglich durch 
ie Beihränfung der P. auf öffentli leichter 
fontrollierbare Proftitutionshäufer (Bordelle, 
Maisons tol&rdes) die Verbreitung der Syphilis 
wirkſam betämpft werden kann. 

Dem entſprechend ift jeßt fait in allen Kultur: 
ftaaten die P. durch Geſehe und polizeiliche Anord- 
nungen geregelt. Im Gebiete des Deutſchen Reichs 
werben nad) $. 361 des —— Sera nur ſolche 

ewerb3mäßig Unzucht treibende Weiber mit Haft: 
trafe bedroht, welche die polizeilichen Vorſchriften 
überfreiten, wohingegen das Proftituieren unter 
Einhaltung der diesbezüglichen eg an Negu: 
lative nicht geahndet wird. Das Konzejfionieren 
und Halten von Bordellwirtſchaften ijt nach den 
$$. 180 und 181 des Strafgeſehbuchs, welche die 
Kuppelei und gewohnheitsmäßige Beripaffung 
von Gelegenheit zur Unzucht mit ihr fen 
bedrohen, verboten; aber troßbem beftehen in faft 
allen — Städten, namentlich Hafenſtädten 
Deutſchlands noch Bordelle, wenn auch nur ftill: 
ſchweigend gebuldet. Zur erfolgreichen Belämpfum 
der P. ſtehen auch der Gejell haft eine Reihe wirt: 
famer Dlittel zu Gebote; in diefer Du dürften 
namentlich gewifle Neformen im Erziehungs: und 
Vormundſchaftsweſen, die Errichtung von Mägde: 
berbergen und Unterkunftshäufern für dienft: und 
arbeitslofe Mädchen, Beitrebungen zu befierer Ver: 
wertung der rauenarbeit, fowie die Stiftung von 
Alylen und Beflerungshäufern für reuige Profti: 
tuierte (Magdalenenjtiften) geeignet fein, die Quel: 
len der P. wenigftens teilweiſe zu verftopfen. 

Litteratur, Hügel, «Zur Geſchichte, Statiftik 
und Regelung der PB.» (Wien 1865); Müller, «Die 
P. in fozialer, legaler und fanitärer Beziehung» 
(Erlangen 1868); Parent:Duchatelet, «De la P. 
dans la ville de Paris» (3, Aufl,, Par. 1857); 
Sjeannel, «De laP. dans les grandes villes au 
19° sicle» (2. Aufl., Bar. 1874; deutſch von Mul⸗ 
ler, Erlangen 1869); Acton, «P. in its moral, 
social and sanitary adspects in London and 
other cities» (2, Aufl., Lond. 1869); Huppe, «Das 
foziale Defizit von Berlin» (Berl. 1870); « Das 
deutihe Strafgeiehbud und polizeilich konzefjio: 
nierte Bordelle, Altenftüde ıc.» (Hamb. 1877); Le: 
cour, «La P. à Paris et à Londres 1789— 1871 » 
(3. Aufl., Bar. 1877). j 

Proftfen, Dorf im preuß. Regierungsbezirk 
Gumbinnen, Kreis Lyck, am Lydflub und an der 
ruſſ. Ben, Station der Linie Pillau-P. der Dit: 
preuß. Südbahn und Breft :Litowst:P. der Nufi. 
Südweſtbahn, hat ein Hauptzollamt und (1880) 
1797 E. Hier fiegten 18. Oft. 1656 die Polen und 
Zataren über die Brandenburger und Schweden. 

Proſtylos (ar), Tempel, deffen Vorhalle in 
voller Breite durch freie Säulenftellunggebildetwird. 

Prot..., Proto... (vom griech. rpwros ber 
erite), in Zufammenfegungen der erfte, vornehmite 
> —* 5. Philoſoph, geb Ab 

rotagöras, griech. Philoſoph, geb. zu Ab— 
dera, lebte um die Mitte des 5, Jahrh. v. Chr., 
vermutlich etrva 485 —415. Man bielt ihn ee 
lich für einen Schüler Demokrits, deſſen Atomlehre 


352 


er aber nicht annahm und ber vielleiht um: 
geehrt Schon protagorifche Lehren feinerfeit3 be: 
nubt hat. Gr lehrte vorzüglich in Athen und galt 
für einen der bedeutendften Sophiiten (f. Ph Des 
Atheismus befhuldigt, wurde er aus Athen ver: 
wiefen und feine Schriften öffentlich verbrannt, 
Auf der Flucht foll er 70 J. alt im Meer ertrunten 
fein. _Sein Hauptfag: Der Menſch iſt das Maß 
aller Dinge, wird ihm von den Alten in dem Sinne 
beigelegt, dab nur das * ſei, was einem jeden 
fo ſcheine, daß es feine allgemeingültige, ſondern 
nur eine jubjeltive Wahrheit gebe; es liegt darin 
eine innere Berwa —* mit der Lehre des Hera⸗ 
Mit, wie namentlich die Erörterung in Platos 
«Theätet» deutlich nachweiſt. Die ——— die⸗ 
ſer Leugnung einer allgemeinen ee. eit war die 
Lehre, dab man mit angemefjener Nedelunft auch 
der »[hwädern Sache⸗ zum Siege verhelfen könne. 
Außerdem hat ih P. durch zahlreihe ſprachliche, 
—— e und ſyntaltiſche Unterſuchungen ver: 

ient gemacht. Auch in Beziehung auf die ethiſche 
Nihtung der Sophiſtik betrachtet ihn Plato im 

«Protagoras» ald Vertreter des Satzes: daß die 
Luſt der Maßſtab des Guten fei, und damit als 
Typus des fenfualiftiichen Eudbämonismus, Bol. 
8, 5. Herbit, «B.’ Leben und Sophiſtik, aus den 
Duellen zujammengeftellt» (in Beterfens «Bhilol.: 
hiſtor. Studien», Bd. 1, Hamb. 1832); J. Frei, 
«Quaestiones Protagoreae» (Bonn 1845) ; Halbfaß, 
«Die Berichte des Platon und Arijtoteles über * 
EStraßb. 1882); Natorp, «Forſchungen zur Geſchichte 
des Erkenntnisproblems im Altertum» (Berl, 1884) ; 
Cattig, «Der Protagoreiihe Senfualismus» (in 
«Zeitschrift für Philofophie und philof. Kritik» 
Bd. 86, Halle 1885), 

Proteacken (Proteacdae), ———— aus 
der Gruppe der Dikotyledonen. Man kennt gegen 
1000 Arten, die zum größten Zeile in Auftralien 
und Südafrika wachſen. In der nördl. gemäßigten 
Zone fehlen fie gänzlid. Es find Bäume oder 
Sträucher, feltener perennierende krautartige Ge: 
wächſe mit leverartigen, meiſt immergrünen Blät: 
tern. Die Blüten find bei vielen Arten fehr au: 
ſehnlich und chen gewöhnlich in ähren: oder köpf: 
dienartigen zn orescenzen, Sie find in der Regel 

witterig, ſeltener polygamifch oder diociſch, fie be: 
tehen aus einem vierteiligen Perigon, vier Staub: 
gefäßen und einem einfäderigen Fruchtlnoten, dem 
ein an ber Spibe etwas verbidter Griffel anfikt. 
Die Frucht iſt eine einfamige Nuß oder eine mehr: 
famige Kapſel. Viele P. find ihrer Blüten wegen 
beliebte Zierpflanzen. 

‚ Proteinftoffe (Eiweißſtoffe, Blutbilder), 
eine * Klaſſe von organiſchen Verbindungen, 
die ſich im Körper aller lebenden Weſen, im Plan: 
zenreich, wie im Tierreich vorfinden. Sie entjtehen 
im Aſſimilationsprozeß des Pflanzenreihs, ob fie 
aber in der unge unmittelbar aus anorganifcher 
Materie, Kohlenjäure, Waſſer, Ammoniat oder 
Ealpeterfäure gebildet werden, oder ob fie aus der 
Umbildung und Verwandlung von andern orga: 
nijchen Subftanzen, 3. B. aus der Metamorphofe 
von Amidoverbindungen hervorgehen, darüber ift 
Sicheres noch nicht bekannt. Im Pilanzenreich 
treten fie in reihlichiter Menge in den jugendlichſten 
Zellen auf, die in ihrer eriten Anlage zum ganz 
überwiegenden Teil aus Giweißitoffen (Proto: 
plasma) beitehen, und erſt in ihrer weitern Ent: 
widelung mehr und mehr andere Stoffe aufnehmen, 


Protenceen — Proteinftoffe 


Bei fortfchreitender Vegetation fammeln ſich in ber 
Pflanze immer größere Mengen von P. an, bis zur 
Ausbildung der Blüte und beginnenden Frufti 
tion, Mit diefem Zeitpunkt iſt das Eiweißbildungs⸗ 
vermögen ber Pflanze beendet, bagegen beginnt eine 
Wanderung des Eiweihes aus den vorhandenen 
Organen, die dadurch ärmer an P. aber nie ganz 
daran erfchöpft werden, zu dem entſtehenden Sa: 
men, in weldem die P. fi konzentrieren, —*— 
als Neferveftoffe für eine neue Vegetation aufge: 
eichert zu werden. Gin Bildungsvermögen fir 
welches dem Pflanzenlörper eigentümlich ift, 
bejist der Tierförper nicht. Lebterer ift darauf ans 
ewiefen, die für feinen Aufbau und für feine Ers 
altung in großer Menge nötigen P. zunächſt in 
Form von Pllanzennahrung aufzunehmen. Die in 
diefer in den Tierlörper gebrachten B. werden hier 
ee die —— Weiſe umgeftaltet und um: 
geformt, ohne aber ihren em. Charakter weentli 
zu verändern, Ühnlich wie der Tierlörper v 
ten ſich die nichtgrünen Pflanzen, auch dieſe ges 
deiben nur dann üppig, wenn ihnen in 
rung P. oder von dieſen fich direkt ableitende Ber: 
bindungen zugeführt werden; dod) find fie nicht in 
leihem Maße von diefer Art der Ernährung ab: 
ängig wie die Tiere, infofern als fie, wenn es 
ihnen an P. fehlt, auch Ammonialjalze oder ſal⸗ 
peterfaure Salze zum Aufbau neuer Giweißniole 
füle verwenden können. In Bezug auf die 
bes Vorlommens findet in beiden Naturreichen ein 
wefentlicher Unterſchied ftatt. In der ausgebildeten 
Pilanze befteht das eigentliche Gerüft des Körpers 
nicht aus P., diefe treten, wenn man ben flörper 
als Ganzes betrachtet, der Menge nad) jehr gegen 
die andern Stoffe zurüd. Im Zierlörper berricht 
ein umgelehrtes Verhältnis, Sieht man von jeis 
nem Wafjergebalt ab, fo befteht er zum ganz über: 
wiegenden Teil aus P. Alle Organe der Menſchen 
und Tiere, Musteln, Drüsen, Gefäße, das Fleiſch, 
die Gliedmaßen find organifierte P., denen haupt: 
—* nur noch Fett und Salze beigemiſcht find, 
nd während die — ihren Giweißvorrat 
zu dem angegebenen Zeitpunft pin beftändig ver: 
mehren, Eiweiß fammeln, aufipeidhern, jo vers 
brauchen die Tiere beftändig B., And auf dauernde 
Neuzufuhr derjelben angewieien und n zu 
Grunde, fobald diefe eine Unterbredju hrt. 
In chem. ana; ee die einzelnen Kö 
der Eiweißgruppe viel ÜUhnliches. Sie find fämtlid 
fehr fompliziert zufammengefekte Moleküle, in beren 
Bau die fünf Elemente: Kohlenftoff, Wafferftoff, 
Stidjtoff, Sauerftoff und Schweiel e geben, Wie 
diefe Elemente im Cimweifimoletül gelagert ’ 
oder welche Konftitution die Moleküle befhen 
über fehlen ung noch alle Kenntniffe, da es bislang 
nicht gelungen ift, das Wefen der 1. irgendiie zu 
erfennen. Zrob zahlreicher und mühevoller Unter: 
ſuchungen fteht die Wiffenfchaft bei dieſen fo hoch⸗ 
wichtigen Körpern noch am Anfang nfangs, 
und es ift nit unwahrſcheinlich, daß durch weitere 
Beehaungen alles bisher Erreichte wieder unge: 
oben werden wird. Die P. find ungemein leicht 
erjehbar, bei dem geringften em. Angriff zerfallen 
fe ſodaß man bei Unterfuhungen faum die Ge 
wißheit hat, ob man nod) den urfprünglichen Kör⸗ 
per oder bereit3 Zerſehungsprodulte unter ben 
er bat. Außerdem geben die P. gie feicht 
erbindungen mit andern Körpern, . Salzen 
ein und zeigen dann ganz mobdifizierte Gigenfchaften. 


Protektioniften — Proteftanten und Proteftantismus 


ner treten I in verfchiedenen Zuftänden auf, fo 

ann derfelbe P. Nüffig und feit fein, oder berjelbe 
P. * „je nachdem man ihn bei höherer oder nie— 
derer Temperatur eg ein ganz verjchiebenes 
—— es ſollen ſogar lebende PB. und tote ver: 
ſchieden fein. Alles dies läßt es zweifelhaft erichei: 
nen, ob bie einzelnen Körper der Eiweißllaſſe, 
welche man jebt al3 chem. Individuen betrachtet, 
wirklich an t find, 

Brotektioniften, Bezeihnung ber Anhänger 
des Schutzzollſyſtems. 

reg —— ollfyftem. 

tektor (lat.), Beihüher, Schirmherr, Titel 
Erommwelld; Proteltor des Rheinbundes, 
Ziel Napoleons 1. j 
teftor, eine ap) aworriitung an 
Schloſſern. (S. unter Schloß.) 
oterandrie (orh.), ſ. unter Beftäubung 
und Dihogamen. 
roterobaß, f. unter Diabas. 
oterogynie (ard.), ſ. unter Beftäubung 
und Dihogamen. 

Protefilaos, ein Held des trojaniichen Sagen: 
treifes, fprang bei der Landung der Griechen zuerit 
and Geſtade, obwohl er wußte, daß der erſte, der den 
teoifchen Boden betrete, fterben müife, und wurde 
fogleih von Heltor getötet. Seiner eben erjt mit 
ihm vermählten Gattin Laodameia gewährten die 
Götter die Bitte, dab P. auf kurze Zeit in die Ober: 
welt zurüdtehrendürfte. Als ihr dann aud) ein Bild 
des Gatten geraubt wurde, gab fie ſich jelbjt den Tod. 

. (im Wechſelrecht). Sämtliche auf einem 
mon als Ausfteller und Indoſſanten verzeichnete 
onen haften ihren Rechtsnachfolgern dafür, daß 
der Wechfel von dem dazu Verpflichteten angenom: 
men und zur rechten Zeit an dem — *r Orte 
eingelöjt werde. Wenn dies nicht geſchieht, fann der 
Inhaber des Papiers * Vormänner wegen des 
ihm daraus erwachſenden Schadens nad) Wechiel: 
Aniprud nehmen, muß aber dabei mittels 
öffentlicher Urkunde beweijen, daß der Wechjel dem 
Vezogenen oder fonftigen Schuldner an dem an: 
ge Tage und vorgelegt worden fei. 
olhe Urkunden fertigt auf Erſuchen der Beteilig: 
ten ein Notar oder ein Gerichtsbeamter aus, indem 
er jchriftlich bezeugt, daß er ſelbſt den Wechjel vor: 
fhriftsmäßig anzubringen verfudht, aber damit kei⸗ 
nen * gehabt und deshalb ſeinem Auftrag: 
mr ämtlihe Rechte vorbehalten habe. Bon 
iefjem ausdrüdlihen Vorbehalt führen derartige 
Urkunden den Namen P. Die Form der Bro: 
teiterbebung ift in der Deutihen Wechſelord⸗ 
nung, 87—9%0, geregelt. P. find zur Wahrun 
des W es jo wejentlih, daf fie nicht einma 
unterlafjen zu werden brauchen, wenn fid) die Bor: 
männer, um für alle Fälle an den Koften zu fparen, 
die Brotejtierung verbeten haben (Wechielordnung, 
Art. 42), es geihieht dies durch die Worte * 
—— ober «ohne Koftens. Auch außerhalb des 
ſelverlehrs können P. erforderlich werden, um 
den vergeblichen Berjuch ullung einer Rechts: 
pflicht u einigen, 3.8. wenn am lebten Tage 
einer Notfriſt Beweisiehriften Berufungen und 
andere Nechtsmittel bei Gericht nicht angebracht 
werben können; ober wenn ein Verkäufer den ur: 
tundlichen Beweis beritellen will, dab fein Mitkon— 
trahent bie reell angebotene Lieferung nicht an: 
—— oder wenn bei Veräußerung eines 
rundjtüds ein Borfaufsberechtigter feine Rechte 
Converfationd- Lexiton. 13, Aufl. XIII. 


353 


durch Eintragung des P, im Grund: und Hypotbelen: 
buche fich vorbehält xc. gar ſolche Fälle iſt jedoch 
ſtatt P. au) der Ausdrud Proteſtation üblich. 
— liber die weitere Bedeutung von P. in privat: 
und ſtaatsrechtlicher Beziehung ſ. Ri otejtation, 

Proteftanten und Broteitan mund. Pro— 
teftanten heißen eg 1 ang PR ana em 
Spradgebraud die Belenner jämtlider aus ber 
Reformation des 16. Jahrh. bervorgegangenen 
Kirchengemeinſchaften, im Unterſchiede — von 
den röm. als von den griech. Katholiklen. Seinen 

eſchichtlichen —** hat dieſer Name von der 
964 tation, welche die evang. Stände auf dem 
ar Reichstage zu Speier 19. April 1529 gegen 
en alle kirchlichen Reformen verbietenden Beichluß 
der Mehrheit um Gottes, feines heiligen Wortes, 
des Seelenheils und Gewiſſens willen eingereicht 
hatten, Seit diefer Zeit wurden fie als die «pro- 
tejtierenden Ständer bezeichnet, daher der Name 
Proteſtanten zuerst im Munde der Gegner für alle 
Anhänger der deutichen Reformation auflam, von 
biefen eibft aber als Ehrenname aufgenommen 
wurde, Allmählich ging derfelbe auch auf die Evan- 
eliſchen der außerdeutichen Länder über. Die röm. 
egner brauden den Ausdrud abwechjelnd mit 
Alatholiten (f. d.) und verbinden damit den Sinn, 
daß die Proteftanten gegen «die Kirde» und die 
örtliche Wahrheit, überhaupt gegen alle «pofitive» 
eligion «proteitieren», 

Um das Wefen ebenfo wie die urfprünglidhe ges 
ſchichtliche Geftalt des Broteftantismus zu veritehen, 
muß man ihn im lulturgeſchichtlichen zuſammen⸗ 
bange mit einer Reihe verwandter Erſcheinungen 
auf andern Gebieten des geijtigen Lebens betrachten, 
tiberall macht fi am Ende des Mittelalterd das 
Streben geltend, fi durch erneute Vertiefung in 
die urfprünglichen Quellen von der Herrichaft bes 
—— Herlommend und der alten Autoritäten zu 

efreien, Nachdem man auf dem Gebiete der Kunſt 
ſchon im 15. Jahrh. begonnen hatte, durch Zurüd: 
gehen auf die urfprünglicden Mujterbilder des Schö- 
nen im Haffischen Altertum mit den mittelalterlihen 
Traditionen zu bredjen, vollzog ſich der —— 
im Humanismus auf dem Gebiete der Sprache und 
Litteratur, in der Reformation auf dem Gebiete 
der Religion, und ergriff ein apobe undert jpäter 
auch die —588 Wie die Renaiffance in Kunſt 
und Litteratur auf das Haffiiche Altertum, fo ging 
die religiöfe Reformation auf die Urkunden des 
Chriſtentums, die heiligen Schriften des Alten und 
Neuen Teitaments zurüd, um mit ihrer Hilfe an 
dem dermaligen — bes Dogma und der firdh: 
lihen Ordnungen Kritit ji üben. Mit diefer Ten: 
benz verband jid) in ber Reformation das Streben 
nad) perjönlicher religiöfer Befriedigung bes from: 
men Subjelts, welches den nädjiten Antiop zur Be: 
lämpfung der äußern lirchlichen Heilsvermittelung 
gegeben hatte. Wie nachmals die neue, mit Gar: 
teſtus anhebende Philofophie den ganzen Beſtand 
unſers wirklichen oder vermeintlichen Wiſſens unter: 
fuchte und mit Energie dahin ftrebte, im unmittel: 
baren Selbjtbewußtiein des dentenden Ich die erite 
ſchlechthin unumftöhlihe Gewißheit nden, jo 
juchte die Neformation perfönliche Gewißheit des 
Heils in der unmittelbaren innern Erfahrung des 
frommen Gemüts. Nicht die äußere Autorität 
eines heiligen Buchſtabens, fondern der innere Got: 
teötroft oder das «Zeugnis des Heiligen Geiftes » 
im Herzen bob einen Luther über alle Qualen und 


354 


belfemmenden Zweifel feiner nad) Frieden mit Gott 
vürjtenden Seele hinaus und erfüllte ihn mit freus 
diger Zuverficht zu dem Evangelium von der Gnade 
in Chriſtus, welches ihm dieje innere Gewißheit ge: 
geben hatte. Als das Prinzip des Protejtantismus 
ericheint in diefer Beziehung das Recht der Subjel: 
tivität, gegenüber allem äußern Traditions- und 
Autoritätäwefen, und infofern iſt derjelbe allerdings 
feiner Natur nach «negativ», d. 5. er proteitiert 
gegen jeden Gewiſſenszwang und alle überlieferten 
Formen und Normen, wenn diejelben vor dem relis 
giöfen Gewiſſen ihr Recht nicht darzuthun vermös 
gen. Andererjeits erhält der Proteitantismus auf 
religiöſem Gebiete jene nähere Beilimmung als 
evang.:prot. Frömmigleit. So weift er feiner Ra: 
tur nad) auf ein Objeltives zurüd, deſſen das Sub» 
jeft fih immer völliger und —— bemäctigen 
ſoll, auf die ewige göttliche Heilswabrbeit ſelbſt und 


deren geichichtlihe Offenbarung in Chrijtus. ns | 


jofern fann man von zwei Seiten ober Momenten 
des prot. Grundprinzips reden, der jubjeltiven oder 
dem Nechte des frommen Subjelts auf perfönliche 
Aneignung bes Heild, und ber objektiven oder die: 
ſem Heile jelbit in feinem ewigen geiftigen Gehalt 
und in feiner geſchichtlichen Verwirllichung in der 
on im Chriſtentum. Weſentlich in dieſem 
Sinne hat auch die neuere Vermittelungstheologie 
die von der Dogmatik des 18. Jahrh. unterjchiedenen 
fog. zwei Prinzipien des Protejtantismus, das 
Materialprinzip oder die Nechtfertigung aus dem 
Glauben allein, und das Formalprinzip oder bie 
Normativität der Heiligen Schrift gedeutet, ns 
bejien ift nicht zu überjehen, daß der ältere Prote— 
ftantismus damit etwas ganz anderes meinte, Die 
Heilige Schrift ift ihm das oberjte Erlenntnigprin: 
zip ber Theologie, fofern alle Dogmen aus der 
Schrift als unfehlbarem göttlichen Lehrcoder (ſ. 
Inipiration) abgeleitet und begründet werben 
jollen; das Dogma von ber Rechtfertigung aus dem 
Glauben allein dagegen ift ihm der erjte und weient- 
lichſte Glaubensartifel, mit welchem alle andern 
jtehen und fallen. Mit der röm.-lath. Kirche 
ſtimmte ber ältere Proteftantismus nicht bloß in 
der Feſthaltung der in den erjten fünf bis ſechs 
Jahrhunderten feitgeftellten Lehrformeln, ſondern 
aud) in der Wertſchäßung des ganzen bogmatijchen 
Ehriftentums überhaupt und in dem Surüdgreifen 
auf eine unantaftbare äußere Lehrnorm überein. 
Nur follte letztere nicht mehr die Kirche fein, ſondern 
die Heilige Schrift. Dieſe aber wurde von Anfang 
bis Ende unmittelbar al3 «Gottes Wort», alfo 
alles in ihr Enthaltene als unantaftbare Wahrheit 
betrachtet, ein Stanbpunft, welder allerdings den 
fath. Gegnern mehr als einen Angrifispuntt bot, 
Wirklich ließ fi die altprot, Schriftautorität nur 
durch eine neue Pehrtradition feftbalten, welche, in 
den Belenntnisichriften niedergelegt, alö treue, für 
alle Prediger und Lehrer ſchlechthin verbindliche 
Auslegung der Schriftlehre galt, und wenn man 
doch die Lehrartifel der alten Kirche über die Drei: 
einigfeit die Menfhwerbung Gottes, die zwei Na: 
turen in Ehriftus u. ſ. w. als fchrijtmäßige Wahr: 
beit glaubte fefthalten zu müflen, fo war es eine 
Sntonfequenz, erit an der fpätern kirchlichen Ent: 
widelung Kritik zu üben, Indeſſen war diejer dog: 
matiſche Proteftantismus mit feiner «reinen Lehre», 
ſeinen tbeol. « Stontroverjen» und feiner Bergötte: 
rung bes ag Wr nur bie erjte und für 
die Zeit feiner Entjtehung einzig mögliche Weife, 








PVroteftanten und Proteftantismus 


in welder das neue, in der Reformation zum 
Durchbruch gelommene Prinzip fi Geltung ver: 
ſchaffte. Später bat dann Georg Ealirtus gegen: 
über der ſcholaſtiſchen Spikfindigfeit, die überall 
bei andern tirden fundamentale Abirrungen von 
der alutb. Wahrheit» ſah, dad Gemeinjame in 
allen chriſtl. Konfeffionen betont, der Pietismus 
an die Stelle dogmatiſch-kirchlicher Lehrkorreltheit 
die perjönliche Deren römmigfeit der Einzelnen 

eſetzt, die Leibniz: Wolfiſche Schule das t des 
Beritandes im Chriftentum und die Notwendigfeit 
einer ——— Begründuug der lirchlichen 
Glaubensartilel geltend gemacht. 

Mittlerweile hatte ſich die allgemeine Bildung 
und Wiſſenſchaft immer mehr von der lirchlichen Be: 
vormundung emancipiert und im jog. Aufllärung®: 
zeitalter zu Ergebniſſen geführt, melde mit dem 

anzen —— Chriſtentum zugleich die bis⸗ 
J von allen Kirchenparteien feitgebaltene Mei: 
nung von feiner übernatürlihen Gntftehung und 
den naiven Glauben an die Gefchichtlichkeit der 
biblifchen Wundererzählungen erichütterten. Der 
Nationalismus (f. d.) lenkte dieſe geiftige Strö: 
mung mitten hinein in bie Theologie, indem er 
vom «pofitiven» Ehriftentum nur bie moraliſchen 
Wahrheiten ftehen ließ, die Wunder aber möglichſt 
durch natürliche Deutung befeitigte. Ihm gegen: 
über fuchte der Supernaturalismus weninjtens 
den Wunderglauben mühſam zu retten, während 
er von bem altprot. Dogma ein Stüd nad ben 
andern preisgab. Das Werk des Nationalismus 
führte ſodann die neuere Bhilofophie durch Kant, 
Fichte und Hegel weiter. Aus ihren Arbeiten ging 
die moderne Weltanſchauung hervor, welche alles 
natürliche und geiftige Geſchehen, ftatt auf einen 
außerordentlihen Mahtwillen, auf die der Welt 
einwohnende vernünftige Geſetzmäßigleit zurüd: 
kg und folgerichtig mit dem Gottesbegriffe auch 

ie Vorftellungen von Religion, Offen —— 
weſentlich umgeſtaltete. Gieich eitig bereicherte 
unſere klaſſiſche Litteratur das Leben mit einem 
neuen geiſtigen Gehalt, der, dem kirchlichen Chri: 
ftentum fremd, dennod zu einem ——— 
Beſitze der deutſchen Nation ward. abr 
je ‚ Über diefer Bildung mit der unrettbar ver: 
orenen Form aud den lebendigen Gehalt des 
chriſtl. Heilsbewußtjeing zu verlieren, trat Schleier: 
macher mit feinen tiefeingreifenden Unterfuchungen 
fiber das Weſen der Religion und feiner Neugeital: 
tung der Dogmatik aus dem frommen Bewußtſein 
der Chriften heraus, aber mit den Mitteln der 
modernen Wiſſenſchaft und im Geifte der freieſten, 
dur feine dogmatifche Fseflel gebundenen For— 
ſchung gegenüber, und begründete fo als ber erite 
eine den willenidaftlichen und ——— Ten⸗ 
denzen des 19. Jahrh. volllommen ebenbürtig zur 
Seite tretende, ebenſo prot. als evang. Theologie. 
Dennoch führte die Reubelebung der chriſtl. Froͤm⸗ 
migfeit zunaͤchſt zu einer Repriſtination der ältern 
Vorftellungsfornen, welche zuerft im neuerwachten 
Pietismus die philoſ. und die hiſtor. Kritik, dauach 
in der durch die polit. Reaktion ermutigten meu: 
alten Orthodorie jede Abweihung vom Buchſtaben 
der Schrift und des altlirdlidyen « Betenntnifjed» 
proffribierte. Dagegen arbeitet die freie prot. 
Iheologie der Gegenwart an ver Aufgabe, in 
Schleiermachers Bahnen weiter ſchreitend, eine tie: 
nn Berföhnung des Chriſtentums mit unjerer nıo- 

rnen Kultur zu gewinnen, Der prot. Charalter 


— —⸗ 


Proteſtantentag — BProteftation 


diefer Richtung erweilt fich im allgemeinen in dem 
Streben, das reine Wejen des Chriſtentums im 
Unterfdied von jeder unfreien Gebundenheit an 
irgend welche geichichtliche Erfcheinungsform immer 
lauterer auszumitteln, aljo einerjeit3 feinen ewigen 
religiöfen und fittlihen Gehalt in den wechſelnden 
Formen herauszufinden, andererjeit3 durch fortge: 
este forgfältige Forſchung über die geſchichtlichen 
Uriprünge des Chriſtentums überhaupt und. ber 
prot. Kirche insbeſondere eine wirklihe geſchicht⸗ 
liche Dt derjelben zu ermöglichen. In leb: 
terer Beziehung find namentlich die Schriften von 
Strauß, Ferdinand Chriftian Baur und der Tüs 
bi Säule, ferner von Holmann, Keim, Haus: 
rald, So jten, Darnad u. a.; in eriterer die von 
Hafe, Aler. Schweizer, Biedermann, Ritſchl, Zip: | 
us, Schentel, Pfleiderer u. a. zu nennen. | 
Mas ie äußere firdliche Geftaltung des Pro: | 
teftantismus betrifft, jo findet man nit nur von 
Anfang an eine große Mannigfaltigteit von fird): 
liden Kultus: und Verfaſſungsformen, fondern 
auch verichiedene Ausgeitaltungen des dogmati: | 
ſchen Lehrbegriffs. Der bebeutendite dieier Inter: 
ſchiede, — durch alle Gebiete des lirchlichen 
Lebens hindurchzieht und bereits in der Reforma⸗ 
tionszeit hervortrat, üt der zwifchen den Luthera⸗ 
nern (j. d.) und Heformierten (j. d.)._ Derjelbe 
ruht nicht ſowohl auf prinzipieller Differenz ala 
vielmehr auf einer verſchiedenartigen Ausprägung 
des prot. Grundprinzips. Indeſſen hat ſich trob 
der firchlihen Trennung im Laufe der Zeit eine jo 


durdhgreifende Mi reform. und luth. Ele 
mente vollzogen, daß die urfprünglichen Unter: 
ſchiede erſt die 


** Forſchung der Gegen⸗ 
wart Har erlannt und in ihre feinern Beziehungen 
verfolgt werben konnten. Die Union (j. d.) beider 
Kirchen, bie ſich im 19, Jahrb. zuerit in Preußen, 
danady auch in einigen Heinern Staaten vollzog, 
war daher nicht bloß durd Die «\jnoifjerenz» der 
Zeit, fondern durd die kirdlihe und theol. Ent: 
widelung felbjt veranlaßt. Außerhalb Deutſch⸗ 
lands hat namentlich der reform. Proteſtantismus 
eine große Mannigfaltigteit von Heinern Kirchenpar⸗ 
teien erzeugt, deren uppiges Gedeihen befonders in 
Gngland und Nordamerika aber gerade kein Zeichen 
innerer Geſundheit ift. Während die lebendige ge: 
ſchichtliche Entwidelung des Protejtantismus ihre 
eigentlie Heimat in Deutihland bat, iſt der 
angloamerit,. Proteftantismus von der geiitigen 
Bewegung in ber Theologie erjt in neuerer Zeit be: 
rührt worben. Dagegen haben die Proteſtanten 
zu ‚ Öfterreih3, der Niederlande und ber 
eiz ſich an den geiltigen Kämpfen Deutichlands 
leb beteiligt. Über die äußere Geſchichte des 
Broteftantismus f. Reformation. 

Bol. Schenkel, «Das Weſen des Proteftantie: 
mus» (2. Aufl., Schaffh. 1862); Dorner, « Das 
Prinzip umferer Kirche» (Kiel 1841); (Hundes: 
Dagen) a Der deutſche Proteitantiamus» (3. Aufl., 
Heibelb. 1850); Schentel, « Chrijtentum und Kirche 
= — ggg » en 

- a ichte der prot. Dogmatit» 

(3 Bbe, Berl. 1854-62); Frant, «Geichichte der 
prot. Theologie» (2 Bde. en. 1862—65); Dorner, 
Geſchichte der prot. Theologie» (Münd. 1867); 
weizer, «Die prot. Gentraldogmen» (2 Bbe., 
Zür. 1854—56); Baur, «Das ur bes Pro: 
teftantismus und feine geſchichtliche Entwidelung » 
(in den «Theol, Zahrbü », Jahrg. 1855); 


355 


Schwarz, «Zur Geſchichte der neueften Theologie» 
(4, Aufl., Lpz. 1868); Baur, «Kirchengeſchichte des 
19. Yahrb.» (Tüb. 1862). 
rd ir ‚PBroteftantenverein. 
oteftantenverein (Deutjicher), eine im 
Sept. 1863 zu Frankfurt a. M, gegründete Ver: 
einigung namhafter prot. Theologen und Laien, 
welche ım allgemeinen dem Zwede buldigt, die 
Sortentwidelung des prot. Chrijtentums im Gin: 
Hange mit der modernen Kultur befördern zu bel: 
fen, Der Berein erjtrebt nad außen bin Befreiung 
der prot. Kirche von ftaatliher Bevormundung, 
Verhinderung ihrer Ausnugung für realtionäre 
polit. Tendenzen, Erwedung des prot. Bewußtſeins 
namentlid) aud gegenüber den libergriffen der 
fath. Kirche; nad innen die Begründung einer 
wirklichen Vollslirche gegenüber der bisherigen 
Theologenlirche, aljo — der Gemeinden 
und namentlich der gebildeten Klaſſen zur leben: 
digen Beteiligung an den lirchlichen Angelegen: 
beiten; die Berbindbung ber einzelnen deutichen 
Landeslicchen zu einer beutfchen Nationallirche; die 
Verreiung der prot. Wiffenihaft von dogmatiſchen 
und ſymboliſchen Feſſeln, aljo Schuß der Lehrfrei- 
beit auf Nanzel und Slatheber, und energifchen 
Kampf gegen jede Gewiſſensbeſchwerung und alle 
hierarchiſchen Gelüfte innerhalb der Kirche. Da: 
gegen gibt der Berein bem Prinzip ber Freiheit 
gemäß Raum für die verjchiedeniten theologiſchen 
Richtungen. Seine Jmwede erreicht er teild durch 
Gründung von Lolalvereinen, welche durch Vor: 
träge und wieberlehrende Verſammlungen das In⸗ 
terefje für kirchliche Angelegenheiten in immer wei: 
tern Kreifen zu weden haben, teils durch jährliche 
Generalverfammlungen der von den einzelnen Ber: 
einen bevollmädhtigten —*—— oder durch 
jog. Proteſtantentage. Die Geſamtleitung des 
Vereins liegt in den Händen eines engern und 
eines weitern Ausſchuſſes. Der erſtere hat ſeinen 
Sitz jest in Berlin. Der letztere beſteht aus den 
Delegierten der Lolalvereine. ze der neueiten 
Zeit find eine Anzahl Brovinzialverbände (nord: 
weſtdeutſcher, —23 ſchleſiſcher, ſchleswig⸗hol⸗ 
ſteiniſcher u. ſ. w. B.) entitanden, welche regel: 
mäßige ——— abhalten. Der 
erſte deutſche Proteſtantentag wurde im Juni 1865 
zu Eiſenach gehalten. Bol. die Berichte über die 
einzelnen Proteftantentage und das im Auftrage 
des Ausſchuſſes 1866 begründete «Flugblatt des 
Deutfchen B.» en 
oteftantifche Freunde, ſ. Lichtfreunde; 
vgl. Freie Gemeinden. 
Proteftantismus, |. Proteitanten und 
Proteftantismus. j 
oteftation (lat.) nennt man jebe feierliche 
Erklärung, befonders die Berwahrung gegen eine 
Handlung oder genen nadteilige Folgerungen aus 
einer Thatſache u. ſ. w. Durch läßt ſich nament: 
lih der Annahme begegnen, dab man mit dem 
nachteiligen Gebaren eines Dritten einverjtanden 
fei. Mitbeteiligung an der betreffenden Handlung 
macht jedoch die P. (protestatio facto contraria) 
wirkungslos. Im Staatsleben fommt die P. ge: 
wöhnlih da vor, mo der protejtierenden Partei 
die reelle Macht zur Geltendmachung ihres Rechts: 
anfpruchs fehlt und e3 keine anerfannte höhere In— 
ftanz gibt, vor der man feine Sache austragen 
fönnte oder wollte, So proteftierten häufig die 
deutihen Ständeverfammlungen gegen Tibergriffe 
23 * 


356 


der Regierungen, Prätendenten gegen das Vorgehen 
angeblich unberedhtigter Throninhaber ıc. — Über 
Proteftation im Wechſelverlehr ſ. Proteſt. 
Proteſterhebuug, ſ. unter Proteſt. 
Brotend war nah Homer ein weisſagender 
Meergreis, der die Robben oder Seelälber des Bo: 
—— weidete und die Gabe hatte, ſich in alle Ge— 
alten zu verwandeln. Sein Aufenthaltsort war 
die Inſel Pharos (nad Virgil im Karpathiſchen 
Meer zwiſchen Kreta und Rhodus). Er ſtieg des 
Mittags aus den Fluten und fchlief in der Mitte 
feiner Robben im Schatten am Ufer. Zum Weis: 
jagen mußte er mit Gewalt, der er ſich jedoch durch 
allerlei Verwandlungen zu entziehen fucdhte, ge: 
bradt werden. Konnte er der Gewalt nicht wider: 
fiehen, jo nahm or feine urfprüngliche Geſtalt wie: 
r an und weisfagte dann untrüglid. Seine 
Tochter heißt bei Homer Eidothea. Nach fpäterer 
age war ®. ein uralter König Ägyptens, ein 
Sohn des Poſeidon. Bei ihm foll während der Be: 
lagerung Trojas die wahre Helena gewejen fein, die 
Menelaos nad feiner Nüdtehr von Troja zurüd: 
erhielt, während Paris nur ein Schattenbild beſaß. 
Die fpätern, namentlich die —* chen Myſtiler ge⸗ 
ſtaltelen ihn zum Symbol des offs um. 
aid (Ampbibie), ſ. Olm 
rotebangelium, die in 1 Mof. 3, 15 gefuns 
dene erſte Weisfagung vom Meſſias im Alten 


Zeitament. 
Brorbaittum, f. unter Farn, Bd. VI, 6.584*, 
rothefe oder Brothelis (arh.,«Borjehung») 
nennt man in der Sprachwiſſenſchaft die Entwide: 
lung eines Bolals aus einem anlautenden Konſo—⸗ 
nanten, 3. B. wurde im Lateiniſchen spiritus 
«Haud)e) zu ispiritus, espiritus, worauf die franz. 
Form esprit beruht. 

Prothefe (grch.), in der Chirurgie ber künftliche 
Wiedererjak verftünmelter oder durch Krankheiten 
verloren gegangener ——— He entweder 
durch mechan. Hilfämittel, wie die künftlihen Nafen 
aus Silber, Hartgummi, Papiermaché, die Obtu: 
ratoren gegen Gaumendefelte, die ünftlichen Arme 
und Beine (f. Glieder, künſtliche), oder auf 
operativem Wege (f. Blaftifhe Chirurgie). 

Protiften (grch. oder Urweſen nennt man 
nad) Hädel die niederften, einzelligen Lebeweſen 
von geringer Größe, die eine derartige Mifchun 
pilan —* und tieriſcher Charaltere zeigen, da 
ihr Studium mit demſelben Rechte der Zoologie 
wie der Botanik zugeteilt werden dlann. Dies ver: 
anlafte Hädel, aus dieſen Geſchöpfen ein bejon: 
deres «Neich» zu mahen, das jih, gewiſſermaßen 
neutral, zwifchen Tier: und Pflanzenreich ein: 
fhiebt; er rechnet zu den P. unter andern die Mo: 
neren, Amöben, Gregarinen, Slagellaten (f. unter 
VBrotozoen), Infuſorien im engern Sinn, Bacil: 
larien und Diotomeen, Foraminiferen, Radiolarien, 
Bilze und Schleimpilze oder Myrompceten. _ Bol. 
E. Hädel, «Das Protijtenreich» (Lpz. 1878). Hierzu 
eine Tafel: Brotiften und Protozoän, 

Brote .., 1. Brot... 

Protoeoccoideen, |. unter Algen. 

Protococcus, ſ. unter Blutregen. 

Protogeneia, ber Name des 147, Aiteroiden, 
f. unter Planeten. 

Protogenes, berühmter grieh. Maler aus 
Raunos in Karien, Zeitgenofje des Apelles, lebte 
im legten Drittel_des 4. Jahrh. v. Chr. auf ber 
Inſel Rhodus. Seine beiden berühmteiten Ges 


Proteſterhebung — Protokoll 


mãlde, die er für einen Tempel (wahrſcheinlich des 
Dionyfos) in ar ausführte, waren ber rho⸗ 
diiche Heros Ja os als Dager von einem Hunde 
begleitet dargeitellt (diefe8 Gemälde, an welchem 
der Künftler jieben, nad} einer andern Angabe gar 
elf Jahre lan — ————— ſoll, befand ſich in 
ber röm. Kalſerzeit in Rom im Friedenstenipel 
und verbrannte dort unter Commodus) und ein an 
einen Baumftamm 3* Satyr mit der Dop⸗ 

flöte. Auch in der Pinalothek der atheniſchen 
Kroyläen befand ſich ein berühmtes Gemälde des 

welches bie beiden attifhen Staatsſchiffe Para⸗ 
[08 und Ammonias al3 eine männlide und weib: 
liche Geftalt ———— darſtellte. Alle Werte 
bed P. zeichneten ſich durch große Sorgfalt in der 
Fran n Aus Au aus, . Brunn, «Ge 


gl 
dichte der griech. Künitler» (Bd. 2, Stuttg. 1859). 
* anit, ſ. unter Granit. 
oto „ſ. unter Bo 


p. 
rototoll (ar) bieß im griech. Altertum ber 
ben Bapyrusrollen vorgeflebte Zettel, der zu Auf: 
priften iente. Gegenwärtig verfteht man unter 
. (procds verbal) da3 Niederichreiben irgend 
einer Verhandlung, einer Erklärung, der Ausfagen 
befragter Berfonen, Zeugen, Angeſchuldigter, Sach⸗ 
verftändiger, ber Beichlüfe eines Kollegiums oder 
einer andern beratenden Verfammlung. Diefe Auf: 
—— muß durch einen dazu beſtellten öffentlichen 
eamten (Gerichtsſchreiber oder Notar) geſchehen. 
Für den ——8 beſtimmt die Civilprozeß⸗ 
ordnung für das Deutſche Reich; über die mund⸗ 
liche Verhandlung vor dem Gericht ein P. ee 
men. Das B. hat indefien nicht den 
er Berbandblung aufzunehmen, fondern nur den 
—— der Verhandlung im allgemeinen anzugeben; 
daneben bezeichnet bad Geieh gersie Alte (4. B. 
Anerlenntniſſe, Verzichte, Vergleiche, gewiſſe An: 
träge und Erflärungen), welche jedenfalld durch 
Au me in das P. feftzuftellen find (im amtsge—⸗ 
rihtliden Verfahren entſcheidet über die Proto— 
tollierung von Erllärungen und Anträgen der Par: 
teien das richterliche Ermeflen); zu prototollieren 
Kor insbefondere auch das Ergebnis eines Augen: 
eins und die Auslagen der Zeugen und Sad: 
veritändigen (bie legtern aber bann nicht notwens 
big, wenn bie Bernehmung vor dem Prozeßgerichte 
olgt und das Endurteil der ng ni 
unterliegt). Das P. ift, ſoweit es Anträge, Erlläs 
rungen, Anerlenntnifje, Berzichte, Vergleiche, Bes 
weisaufnahmen betrifft, den Beteiligten vorzus 
lefen oder zur Durch 3x vorzulegen, in bem P. 
auch zu bemerlen, daß dies geichehen und die Ges 
nehmigung erfolgt ſei oder welche Einwenbun 
oben find. Das P. ift von dem Borfien 
und dem Gerichtsſchreiber zu — und 
ießt als öffentliche Urkunde öffen ichen Glau⸗ 
eobachtung der für die münd⸗ 
lie Berhandlung vorgefchriebenen Förmlichleiten 
fann nur durd) das ®. bewiefen werben und es i 
gegen ben diefe Förmlichleiten betreffenden Jap t 
ſelben nur ber Nachweis der Fälſchung zuläſſig. 
r ben —— gilt in der Vorunter⸗ 
ſuchung das Geſetz vollſtaͤndiger Protolollierung; es 
iſt Über jede Unterſuchungshandlung ein P. aufzu⸗ 
nehmen. Das P. über die Hauptverhandlung, das 
von dem Borfigenden und Gerichtäfchreiber 
unterzeichnen ift, muß Ort und Tag der Verhand⸗ 
lung angeben, die Namen ber Richter, Gejhwore 
nen, Schöffen, bed Beamten ber Staatsanwalts 


nzen Inhalt 


en. alt bie 





PROTISTEN UN 











1. Protomyxa aurantiacn. 2. Amoeba, a, » kriechend, c eingekapselt. 3. Difflugia oblonga. 4. Hastingeria 
Kammern zu zeigen, e im Querschliff, 6, Alveolina Quoyi, Längsschnitt. 7. Triloeulina gibba. 8. Textulari 
13. Actinomma asteracanthion. 14. Carpocanium diadema, 15. Bodo saltans, a, 5 kriechend, e in Querteilu 
21. Stylonychia mytilus, 22. Freia elegans. 23. Stentor polymorphus. 24. Balantidium coli, a Beginn, d 
zwei Individuen im Zusammenhang, c Stylorhynchus oligacanthus. 27. Eingeka] 


Brockhaus’ Conversations- Lexikon. 13. Aufl. 


SDEPRROTOZOEN. 


m —ñ— 


a re 





19 is 


„Murrayi. 5. Nummuliten, a im Mutterstein (Nummulitenkalk) angeschliffen, d einzelne aufgebrochen um die 
„ Mariae. 9. Globigerina bulloides. 10. Actinophrys sol. 11. Thalassicolla pelagiea. 12, Heliosphaera actinota. 
‚degriffen. 16. Cercomonas intestinalis. 17. Euglena viridis. 18, Acineta. 19. Vortieella. 20. Aspidisca turrita, 
jrtgang der Querteilung. 25. Opalina polymorpha, 26. Gregarinen, « Monoeystis agilis,  Gregarina cuneata, 
„welte Gregarinen, a zwei konjugierte Individuen, 5 Auflösung in Pseudonavicellen, 





Zu den Artikeln: Protisten und Protozoen, 





R 


Protonema — Protuberanzen 


ſchaft, des Gerichtsſchreibers und des etwa zuge: 
ge Dolmetſchers, die ——— der —* 
n Handlung nad ber Anklage enthalten, die 
Namen der * en, ihrer Verteidiger, der 
— ————— ebenklläger, Jeern ertreter, 
ollmãchtigten und Beiſtande, und die Angabe, 
daß öffentlich verhandelt oder bie Öffentlichkeit 
auageichloflen ift. Das P. muß den Gang und die 
Ergebnife der Hauptverhandlung im we —— 
wiedergeben und die Beobachtung aller weſentlichen 
örmlichkeiten erſichtlich machen. —— 
iederſchreibung und Verleſung hat der Vorfigende 
anzuordnen, wenn es auf die Feititellung eines 
Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des 
Wortlauts einer Ausjage oder Außerung ans 
lommt. Bezüglich der Genehmigung und bezüglich 
der Beiveittralt des P. gelten im —— ent⸗ 
ſprechende Vorſchriften. Im übrigen vgl, Civil: 
prozeßordnung für das Deutſche Reich, 88. 145 fg., 
470; Strafprozeborbnung, 88. 186, 271 fo. 
Sn völlerredtlidher eziebung wirb der 
Ausdrud Protokoll im allgemeinen für die Auf: 
eichnung ſolcher amtlicher Verhandlungen gebraucht, 
ie in Gegenwart von Vertretern der Staaten und 
durch fie geführt werden, insbejondere da, wo es ſich 
darum handelt, ein Ginverjtändnis ber Staaten 
durch perjönlidhe Vertretung oder durch Verband: 
lungen fo herbeizuführen, daß ein Vertrag verein: 
‚ein gemeinfamer Beichluf geiobt oder au 
nur eine gemeinfame Grllärung abgegeben wird. 
zotonema, f. unter Musci, Bo. XII, ©. 5®, 
tonotarien a apoftolifche, heißen 
beim päpft. Stuhle die zwölf ein Stollegium (das 
Bentosatariat) bildenden vornehmen Geilt 
en 


welche alle die Kirche betreffenden Alte, die 


ben und verpflichtet find, auch dem Papfte außer: 


om? zu en. 
ton die 03 — aerſte Lüge»), Grund⸗ 
fehler, Grundirrtum, z. B. in einer Beweisführung. 

Protoplasma (ar&.), früher auch Cyto— 


ober Sarköde zen, eine weiche 


he uren bei anonifationen u. ſ. m. zu beforgen 


införnige, eimeihähnlihe Subftanz, welde aus 
lenftoff, Sauerftofi, Stidjtoff, Waflerftoff und 
wefel beftebt und für fich oder in feinen Mem: 
branen (Zellhäuten) einge inlen die Grundſub⸗ 
nz der tierifchen und pflanzlichen Bellen darftellt. 
BP. bildet die einfadfien rganismen \ Pro: 
tiften- und Protozoen) wie die höchſten Ge: 
webe des Tier: und VRangentörpers und vermittelt 
durch feine fteten chem. Umänberungen die gefam: 
ten ae ur pflanzlichen Lebenserfcheinungen. 
» Belle. 


toplaften (grch.), die Zuerftgebilbeten, in 
ber Dogmatik vorzugeweife Adam und Eva; pro: 
toplaſtiſch, urbildlich. 
otopope, ſ. unter Pop. 
topresbpter, f. unter Presbyter. 
ptöris Sternb. nennt man in der Phyto: 
valäontologie eine Gruppe von folfilen Farnftäm: 
men, die beſonders in der Steinlohle und zum Teil 
aud im nn. —— in 
otorganiömen, joviel wie Protiſten. 
—* * Urtypus, Us Mufterbild, 
01050 
e, einzellige, ſich ungeſchlechtlich fortpflanzende 
anismen von geringer Größe, aus Sarcode 
(f. d.) beitehend und ohne befondere Organe und Ges 
webe. Zu ihnen gehören die zwei folgenden Klafien: 


.) oder Urtier beißen ein: | b 


857 


Die erfte Klaffe, bie — pre (f. d.), find 
ebildetausden Drbnungender1)Foraminifera, 
oraminiferen (f. d.), zu denen die Amöben 
ſ. d. und Tafel: PBrotiften und Protozoen, 

. 2a, b und c) und wohl aud die Moneren 
.Sig.1, Protomyxa aurantiaca) gehören; ferner die 
hecolobosa oder beihalten Amöben (Big. 3, 

Difflugia oblonga, aus unjerm Süßmwafler) und die 

eigentlichen Foraminiferen mit einer meijt gelam- 

merten und falligen, von zahlreichen Poren dur: 
brochenen Scale (Fig. 6, Alveolina Quoyi, eine 

Schale im Längsdurdfchnitt; Fig. 4, Hastingeria 

Murrayi, das ganze Tier mit der Schale; Fig. 7, 

Triloculina gibba; dig 8, Textularia Mariae; 

Fig. 9, Globigerina ulloides, von allen dreien 

bloß die Schalen), Zu ——— ehören 

auch die Rummuliten (ſ. u Rummulitenformas 

tion; und Fig.5 a,b und e). 2) —— d.), 

Sonnentierden (Fig. 10, Actinophrys sol, aus 

dem fühen Mailer). 3) Radiolaria (f. d.), 

Strablinge (fig. 11, Thalassicolla pelagica; 

fig. 12, Heliosphaera actinota; dig. 13, Acti- 

nomma astheracanthion; ig. 14, jum 
diadema), Die zweite Klaffe ber g bilden 
die Sujnlerien (f. d.), zu denen außer den 
eigentlihen Infuforien (Fig. 18, ein Sauger, 

Acineta; Fig. I9, eine Vorticella; Fig. 20, J. Aspi- 

disia turrida; ig. 21, —— mytilus; die. 22, 

Freia u Fig. 28, Stentor polymorphus; 

go 24, Balantidium coli, ein im menſchlichen 

d: und Maftdarm fchmaropendes Infufor; Fig. 

25, Opalina polymorpha, aus dem Enddarm 

Froſches), auch nod die merkwürdigen Brent 

rinen (}. d. fig. 26 a Monocystis agilis, aus den 

männlichen Sefälchtsorganen bed Regenwurms, 

b Gregarina cuneata, aus dem Darm des Mebl: 

wurmfäfer®, c Stylorh chus oligacanthus, aus 

dem Darm einer Libelle; Fig. 27 eingelapielte 

Gregarinen, a zwei in Konjugation befindliche In— 

dividuen, b Zerfall in Teilftüde, fog. Pieubonavi- 

zellen) und die Geißelträger, Flagellata, gerechnet 
werben, —5 find ſehr Hein, mit einer oder 
mehrern Geibeln, deutlihem Kern, zumeilen noch 
mit beitommenden Wimperfäumen, ftet3 ohne After, 
öfters auch ohne Mund. Zu ihnen gehören die Mo: 
naden (j. d. Fig. 15 a, b,c, Bodo saltans, und 

Fig. 16, Cercomonas intestinalis, aus — 

von Typhuslranlen) und Aſtaſieen, mit lon— 

traftilem nadten Körper und fee Nahrung aufs 

— (Fig. 17, Euglena viridis). 

otuberanzen (lat.) nennt man bie bei totas 
len Sonnenfinfternifien an dem ſchwarzen Rande des 

Mondes wahrnehmbaren roten Hervorragungen, 

welche in —— Geſtalten ähnlich verſchie⸗ 

denen Wollenformationen erſcheinen und von be: 
trächtlicher ug 5 find. Schon im 18. Sa. bat 

bei der totalen Sonnenfinfternis am 12. Mai 1706 

Stannyan aus Bern einen bluteoten Saum be: 

merkt und als 1715 Halley auf fie, die Roſenlranz⸗ 

lörner genannt wurden, aufmertjam machte, wur: 
den fie vielfach gefeben, Jedoch erjt bei der totalen 

Sonnenfiniternis 1842 und 1851, zu welcher von 

verschiedenen Aitronomen Neiien gemacht wurden, 

find fie ausführlich nad Geftalt; Größe und Farbe 
eſchrieben. Bei der totalen Sonnenfinfternis in 

Spanien 1860 wurden fie zuerit ——— 

und kurze Zeit vor und nad) der Verfinſterung wahr: 
enommen, und zu gleicher Zeit dabei feitgeftellt, 
5 fie Gebilde Ans die der Sonne angehören. 


Bei einer totalen Sonnenfinfternis in Indien 
18. Aug. 1868 entdedte der Ajtronom Yanfien und 
unabhängig von ihm Lodyer in London, daß die 
P. fih im Speltroftop (i. d.) durch lichte Linien 
in bem Spektrum auszeichneten und daß in dem: 
felben die Eriftenz der P. zu jeder Zeit Lonftatiert 
werben kann, Im 3. 1869 zeigten Zöllner, Hug: 
gins und Lodyer, daß im Speltroflop, wenn man 
den Spalt recht weit macht, die B. ihrer ganzen 
Form nad) erlannt werben können, und feitdent 
wurden fie auf vielen Sternwarten, bejonders in 
Nom, in Palermo, in Moslau u. ſ. w. regelmäßi 
beobadıtet. Da die P. ihre Geftalt oft jehr raf 
ändern, ift man zu der Anficht gelommen , daß fie 
leicht fich verändernde, mit ungeheuerer Schnellig⸗ 
keit fih bewegende Gafe find, deren Maſſen eine 
Höhe bis zu 100000 km und mehr haben. Unmit: 
telbar um ven Sonnenrand iſt ein kontinuierlicher 
Ring diefer roten Hervorragungen, welden man 
——— nennt. Die P. find nicht im 
allen Jahren oa Ka ie ſondern haben wie bie 
Sonnenflede ein Marimum und ein Minimum, und 
es ſcheint ſowohl die Periode als auch die Häufig: 
feit mit der der Sonnenflede und Fadeln in fiber: 
einftimmung - * woraus man auf einen Zu: 
fammenbang dieſer Grf einungen ſchließt. 
eng ua Ne —— 

mit «proben», d. i. plahen, krachen, zu: 
ſammenhängend) der zweiräberige Border: 
Sehen der 


eſchüze. Man unterſcheidet nad) den 
Geſchutzllaſſen: Feld:, Belagerung: und Feſtungs⸗ 
proßen, nad) der Konftruttion: Kajten: und Sattel: 
—— Die Kaſtenprotzen haben kaſtenförmige 

ehälter zur Aufnahme von Munition und find 
nur für Feldgefchüge beftimmt, während die Sat: 


telproßen blob zum Transport, daher ohne Kaften, | P 


fonitewiert find. Bei den Feltungsprogen unter: 
ſcheidet man nod Wall: und Ka —— 
welche lehtere ftatt der Speichen- niedrige Blod: 
räber haben. Protzhalen, Proßnagel find Teile der 
P. welche zur dung berjelben mit ber Yafette 
dienen, die ihrerfeits eine Protzöſe oder ein Prog: 
loch befikt. Die Sicherheit der Verbindung wird 
durch Die Proplette erhöht. (S. G ki id 
Proudhon (Pierre Joſeph), berühmter franz. 
Soyialift, geb. 15. Juli 1809 zu Befanson, Sohn 
eines armen Böttcher, zuerit Lehrling, nachher 
Afiocie eines Buchdruders, veranitaltete eine neue 
Auflage von dem Werte des Abbe Bergier über die 
«Elements primitifs des langues» (Bejangon 1837) 
und fchrieb als Beilage dazu «Essai de grammaire 
—— für welche Arbeit ihm die Alademie von 
efangon 1838 auf drei $ re ein Stipendium 
von 1500 Frs. erteilte. P. ging bierauf nad 
Paris und überreichte ald Früchte Mi national: 
dtonomiſchen Stubien ber Mademie von Befancon 
feine Rechtfertigung der Sonntagsfeier, «La cel6- 
bration du dimanche» (Par, 1840; 4, Aufl. 2: 
und feine vielbefprochene Abhandlung über bie 
Gigentumsfrage: « Qu’est-ce que la propriet&?» 
(Bar. 1840 u. öfter), die von vornherein den Cab 
aufitellt: «Gigentum ift Diebitabl.» Die Alademie 
von Bejancon äußerte dem Berfafier ihr ftrengites 
Mipfallen und entzog ihm das Stipendium. P 
ward nad Lyon berufen und leitete dafelbit ein 
Unternehmen von Warentransport auf der Saöne 
und dem Rhöne (1843—47). Dabei jehte er zugleid) 
feine ſchriftſtelleriſche Thätigleit fort und ließ in 
Paris zwei feiner Hauptwerte ericheinen: «De la 


Protutor — Proudhon 


er&ation de Vordre dans l’humanite» (1843; 
2. Aufl. 1848), eine polit. iſations 
und «Systöme des contradictions &eonomiques» 
r a u. öfter), rasch > Reformatoren —— 
er polit. eien, die Uto r rar 
Setten und die Öfonomiften der er chule mit 
den ſchärfſten Waffen der Dialektit und Satire be: 
fämpfte, n die ber Gründung ber r⸗ 
republit folgende polit. Bewegun er mit 
grober Lebhaftigteit ein. An der 86 des ⸗ 
laits «Le reprösentant du penple» (April 
——— er als Organ der Partei auf, die eine 
demokratiſch⸗ſoziale Republik verlangte und machte 
ſich bald fo populär, daß er im Juni zum Abgeorb- 
neten des Seinedepartements gewählt wurbe. 
* der Konſtituierenden Verſamm ung and ermit 
einen ercentriichen Anträgen und Neben wenig 
Erfolge, er griff daber wieder zur Feder und grün: 
dete nacheinander drei Zageblätter: «Le peuple» 
(Nov. 1848 —2—— 1849), «La voix du peuple» 
(Oft. 1849 bis Mai 1850) und «Le penple de 
1850» (Juni bis Ditober). Obgleich in beftändige 
Preßprozeſſe verwidelt, beitritt er doch alle Koften 
mit bereitwilligen Beiiteuern vom Volle. Im J. 
1849 begründete BP. die Banque du Peuple, eine 
u mit der immung, die Ab⸗ 
chaffung der Geldzinfen und die Neform bes 
Güterumlaufs mittels der Organifation des Are: 
dits auf Gegenfeitigkeit und ber Ausgabe von 
«Bons de cireulation» herbeizuführen. Jedoch 
—* gen te zu drei n 
efängnis wegen Prefvergehen bewogen, 
Unternehmen zu unterbrechen und nad) ber Schweiz 
zu flüchten. Bald kehrte er aber nad) Paris zurüd 
und ftellte fc zur Abfisung feiner Haft in Ste. 
elagie, wo er ſich verheiratete und auch mehrere 
Bücher fchrieb: aConfessions d’unrevol 
(3. Aufl. 1851), ‚«La revolution sociale d&montree 
par le coup d’Etat» (1852 u. öfter). Nachdem B. 
die Freiheit wieberer ‚ geriet er in neue Non: 
flitte durch fein Wert: « j dans la r&vo- 
lution et dans l’6glise» (3 Bde,, 1858). Er wurde 
dafür zu drei Fahren Gefängnis und 4000 Fre. 
Geldbuße verurteift, entzog ſich aber der Boll: 
tredung des Urteils durch die Flucht nach Belgien. 
J. 1860 amnejtiert, fehrte ernad) Paris zurüd 
und ktarb in Bafiy 19. Jan. 1865. 

P. war ein glängender Dialettiter, ein geiftreicher 
—— u er une a ——— 
ens, aber do 
beanlagt und nicht frei von blendender Sophüftit. 
Gr war nichts weniger als Kommumiſt, er wollte 
das Privateigentum nicht aufheben, fonbern refor: 
mieren und verallgemeinern und den ein: 
zelnen Individuen auf eit und billige 


Gegenfeitigkeit begründete — ame 

er 
ezeichnet. taat a 

woͤmoͤglich ganz befeitigen und eine bloße 
Adminiftration erfepen. Er nannte fi) daher 

rg —— Pa Wort anders auf: 
apte, als eiten® der heutigen gu 
ii Cine Geſamtausgabe von Beten er: 
* * — «Oeuvres complötes » 
2 e., Par. — 70), «Deuvres posthumies » 
(8 Dve., Par. 1870-75). Langlois u 
feine «Correspondance» (14 Bde. Par. 1874— 5). 
Bal. Sainte ve, «Pierre Joseph P., sa vie et 
sa correspondance 1838—48» (Par. 1872). 


SB: 


Prouft — Provence 


Pronft (Antonin), franz. Politiker, geb. 18. 
März 1832 zu Niort, widmete fi —— our⸗ 
nalismus und gründete 1864 in Brüſſel ein 
wöchentliche Blatt «La semaine universelle»; 
1870 wurde er Gambettas Sekretär, 1871 Mit: 
er ber Rebaction der «R&publique frangaise». 

wurde 1876 in die Deputiertenlammer gewählt 
und war im Kabinett Gambetta (14. Nov. 1881 bis 
26. jan. 1882) Minifter der ihönen Künſte. P. 
ſchrieb «Les beaux-arts en Angleterre» (La Ro: 
delle 1862), «Chants populaires de la Gröce 
moderne » (Niort 1866), « Les beaux-arts en pro- 
vince» (Riort 1867), «Archives de l’Ouest» (5 Hefte, 
1867 —69), eine Urkundenfammlung, die Revolu: 
tion betreffend, «La justice r&volutionnaire & 
Niort» (1869), «La d&ömocratie en Allemagne» 


(1872), «Le prince de Bismarck, sa correspon- | Laf 


dance» a " balic 
ovadija (offiziell, gewöhnli rawady, 
BE er im Mittelalter en. 
Stadt und Diftriltshauptort im Fürftentum Bul: 
rien, in maleriſcher Gebirgägegend linls am 
Stufe ., ber füblih von Barna in dad Schwa 
teer mündet, Station der Eiſenbahn Rujtihul: 
Varna, hat (1881) 4704 E., Wein: und Gartenbau. 
Unmeit öftlih von P. Ina das antile Darciano: 
polis (f. db.) — Der Diftrilt P. zählt 63246 E. 
Proveditori, f. Provveditori. 
aan f. Provence. 
rodengalifhe Sprache und Litteratur. 
Die provencal. Sprade, deren Gebiet das fitdl. 
Srantreich biß zur Loire und einen großen Teil des 
nordöftl. Spanien umfaßt, hieß von der Bejahungs: 
form oc (d. i. lateinifch hoc) die Langue d’oc 
oder die occitaniſche, im Beoeniah zu ber 
Langue d’oil (b. i. lateinifch hoc illud, neufrz. 
oui) oder ber nordfranz. Spradye. Nach ber 10: 
vinz Limoufin wird fie auch die limouſiniſche 
Sprade genannt, während man fie vielfach ganz 
allgemein auch als die romanische (romans) bezeid): 
net. Diefelbe fteht linguiſtiſch wie geogranhiich in 
ber Mitte zwiichen ben volltönenden füdroman. 
Epradyen und urn ranzoſiſch. 
Das Provencalifche ur öſtlich nach Stalien hin: 
ein, wo bas Piemonte ide ihm verwandter ala 
dem Italieniſchen üft; in Spanien gehört demſelben 
das Catalonifhe an. Das Grundelement ber pro: 
vencal. Sprade, wie das aller roman. Spraden, 
bildet das Bulgärlatein; dazu lommen bedeutende 
german. Beftandteile, in geringerm Umfang teltiiche 
und griechiſche. Als die litterariih am früheiten 
ausgebildete roman. Spradhe hat fie ein beſonderes 
Intereſſe. Das ältefte poetiihe Denkmal ijt das 
ruhftüd von 257 Berjen eine Gedichts über 
Boẽthius, aus dem Ende des 10. Jahrh., am beiten 
von Diez (Altroman. Spraddentmale», Bonn 
1846) und von Bartih in der «Chrestomathie 
—— (4. Aufl. Elberf. 1880) herausgegeben. 
e Blütezeit der Litteratur beginnt Ende des 11. 
und reicht bis zum Schluß bes 13. Jahrh. Ihren 
Mittelpunkt bildet die hoͤfiſche Lyrik der Trouba: 
dours (f. d.), während die epiſche Poeſie ihren 
Schwerpunlt in Nordfranlreidh bat; doch fehlt es 
auch im Süden niht an einzelnen epiſchen Dich— 
tungen, Romanen, Legenden, didaltiſchen Gebidhten, 
wozu nod) eine ehe ra itteratur fommt. Bon 
ber Bollspocfie jener Zeit, die in den Händen ber 
Jongleurs (f. d.) war, find nur vereinzelte Spuren 
überliefert. Die polit, Ereigniffe des 13. Jahrh. 


359 


serftörten die polit, wie litterarifche Selbftändigteit 
Sudfranlreichs; zwar bemühte ſich die jünftige 
Dichterſchule in Zouloufe, feit dem Anfang des 
14. Jahrh., die nationale Poeſie zu erhalten (I. 
Jeux floraux), vermochte ihr aber kein Leben ein: 
—— Das Provensalifhe wurde zu einem 

ollsdialelt herabgebrüdt, ift jedoch in neuerer Zeit 
wieder zu litterariihem Gebraud und Anfehen ge 
langt, und einzelne diefer Dialektdichter, wie Go: 
dolin, Eyprian Deipourrins (geb. 1628), Jacques 
erg und Frederic Miftral, haben ſich Berühmt: 

eit erworben. Es übertrifft noch jebt das Nord: 
franzöfifche bebeutend an Volltönigfeit der Formen 
und Wohlllang der Laute. 

Eine Entwidelung ber Sprade in Proben von 
der älteften bis auf die neueſte Zeit gibt Mary— 
on in «Tableau historique et litt@raire de la 
langue parlöe dans le midi de la France» (Bar. 
1842). Wiffenihaftlic zu behandeln verſuchte fie 
Raynouard («Choix des po&sies originales des 
troubadours», 6 Bbe., Par. 1816 —21, wovon Bd. 
1 u. 6 grammatiſchen Juhalts; Auszug danad) von 
Adrian: «Provençal. Grammatik, Frank. 1825) 
und «Lexique roman» (6 Bbe,, Par. 1838—44); 
dod) erjt Diez («Grammatik der roman. Sprachen», 
3 Vde. Bonn 183644; 4. Aufl. 1876—77) gab 
eine wahrhaft wiſſenſchaftliche Darftellung. Schon 
aus dem 13. Jahrh. gibt es provencaliſch geichrie: 
bene Grammatilen («Grammaires romanes inedites 
du 13* siöcle», herausg. von Gueſſard, Par. 1840; 
2. Ausg. 1858; am beiten von Stengel, Marburg 
1877), wozu im 14. Jahrb. die umfangreichere der 
«Leys d’amors», berausg. von Gatien Arnoult 
(Zouloufe 1841) fommt. Darſtellungen ber Litte: 
ratur gaben außer Naynouard namentlid Diez 
(«Die Poeſie der Troubadours», Zmidau 1826; 
2. Aufl. von Bartich, Lpz. 1883; «Leben und Werte 
ber Zroubabours», Zwidau 1829; 2. Aufl. von 
Barth, Lpz. 1883) und fpäter Fauriel («Histoire 
de la po&sie provengale», 3 Bde,, Par. 1846), ber 
aber viel Unrichtiges einmifht, und Bartſch in 
feinem «Grundriß zur Gedichte der provemgal. Lit: 
teratur» (Giberf. 1872); die jpan. Troubabours be: 
—*— Milä y Fontanals «Los trovadores en 

ispana» (Barcel. 1861). fiber die_neuprovencal, 

Sprade und Litteratur vgl. Schnalenbourg, 
«Tableau des idiomes populaires de la France» 
(Berl. 1840); Pierquin de Gemblour, «Histoire 
litteraire, philosophique et bibliographique des 
patois» (Par. 1844); ferner «Notices et extraits 
de quelques ouvrages &crits en patois du midi de 
la France» (Par. 1840); Cabrie, «Le troubadour 
moderne» (Par. 1844); Günther, «fiber die füb: 
franz. Vollspoejier (Bernb. 1844); Böhmer, «Die 
provencal. Poeſie der Gegenwart » (Halle 1870), 

Brovence (lat. Provincia), früher eine Provinz 
Franlreihs, die in die Ober: und Unterprovence 

rfiel und von Piemont, dem Mittelländiichen 
Ser, Languedoc, der Dauphine und Benaijfin 
umgrenzt wurbe und 22025 qkm umfaßte, bildet 
jept, abgefehen von einem Heinen Teil, der zum 
Depart. Bauckufe gehört, die drei Departements 
Niederalpen, Rhönemündungen und Bar, ſowie 
ba3 zum Tepart. — gehörige Arrondiſſement 
—8* Das Land wird nach allen Seiten hin von 
Ausläufern der Alpen, Alpinen genannt, zwiſchen 
welden fi) weitere und engere Er öffnen, un: 
ter denen vorzüglich das große Thal von Barcelo⸗ 
nette befannt iſt, jowie von den Flüſſen Nhöne, 


360 Provenceröl 
Durance, Bar und einer Menge Waldbäche durch⸗ 
jogen Die in ber Nieberprovence fi ausbreiten: 

n Alpinen, nadte, unbemwalbete, aber mit aroma: 
tiſchen — bebedte Felſen, —*— bier Maures. 
An ihrem Fuß liegt die ſteini ene Grau (ſ. b.). 
Zemperaturverhältnife, Beſchaffenheit des Bobens 
und Erzeu —— ſind in den beiden Teilen 
der P. —* verſchieden. Während die Oberpro⸗ 
vence bei feuchten, höchſt veränderlichem Klima, 
ſteinigem und dürftigem Boden nur geringen Ader: 
bau ku, nur in einigen wenigen Gegenden Mein 
und Südfrächte hervorbringt und den Mangel an 
Getreide durch den Anbau von Kartoffeln erſehen 
muß, bat die Niederprovence ein wahrhaft ital, 
Klima, trefflihe Seidenkultur und Bienenzucht, 
— eher s, — Si Divenbun, 
aud Ziegen un ucht un erei. Keine 
Provinz Frankreichs H fo reih an edeln Süd: 
rühten als bie P. Außer dem vorzüglichen HL, 

18 unter bem Namen Brovencerdl ausgeführt 
wird, ge n bier das meiſte Kern: und Steinobjt, 

rune Pflaumen von Brignolles), Feigen und 

erdrigonen, Miſpeln, Maulbeeren, Saitanien, 

an Eitrenen, Drangen, welſche und Hajel: 
nüffe, Kapern Sükhol, rüffeln, Rofinen und 
Wein, aus defien geringern Sorten man Brannt: 
wein bezeitet. Weniger bebeutend ift, weil ed an 
guten Weiden fehlt, die Rindvieh: un Bierbe ut; 
aud) ift an Holz großer Mangel, was ber Betrei— 
bung des Bergbaues auf die bier hrechenden Mine: 
ralien, Kupfer, Eifen, Blei, große Hinbernifie in 
ben Weg legt. Die Hike im Sommer ift, da es nur 
felten regnet, oft unmäßig. Schon im Sanuar be: 
Heidet fi die Erde mit friſchem Grün, und im 
Februar fteht alles in Blüte; doch führt der kalte, 
wütende Norbweftwind, hier Mijtral genannt, häu: 
fig, wenn auch nur auf Tage, Froſt und Reif, die 
dann den Dliven und Güdfrüdhten ſchädlich werben. 
Die Bewohner der P. die BProvencalen, unter: 
chen fih von den übrigen Franzofen durd ihren 

oltächarafter, wie durch eine eigentümliche Mund: 
art und beſondere Litteratur. (S. Provenca: 
lifde Sprade und Litteratur.) Sie find 
beftig, leidenfchaftlih und unbeftändig und lieben 
Vergnügungen über alles; doch find fie auch geift: 
ei, aufridtig, ihr mäßig und arbeitfam und 
einen ſich als fleißige Landleute, unerfchrodene 

iſcher und Schiffer und als thätige Kaufleute und 
geihidte Manufalturiften aus. 

Die Römer benannten Provincia Gallia ober 
bloß Provincia im Gegenfaß zu dem freien Gallien 
denjenigen Teil des Transalpiniihen Gallien, den 
fie zuerit 122 v. Chr. eroberten und ber die jehige 
B., Dauphime und Languedoc umfaßte. a hen : 
dem das übrige Gallien durch Cäfard Eroberung 

ur Provinz geworden war, blieb die Benennung 

incia fi jenen Teil, der bei der nun erfolgen: 

den Einteilung Galliend Gallia Narbonensis be: 
nannt wurde, vorzugsweiſe üblid. Cine der Hei: 
nern Provinzen, in die dad Narbonenſiſche Gallien 
im 4. Jabrh. zerfiel, die Narbonensis I. oder Sep- 
timania, welche den größten Zeil von Languedoc 
begriff, wurde in ber erften Hälfte des 5. Sehr 
von den Weltgoten, das Land vom Genferjee bis 
egen bie Durance (das heutige Dauphine) von den 

Burgundern eingenommen und jo der röm. Beſih 
und zugleich der Name Provincia auf das Land 
wiſchen ber Durance und bem Mittelmeer einge: 

Ohränkt, ber bei dieſem als Eigenname verblieb, 


— Proverbe 


obwohl im meitern Sinn fpäterhin, wo er in das 
romanifche P. übergegangen, ber Name Brovencas 
len aud für bie Einwohner von ganz Südfrant: 
reich gebraucht wurde. Auch jener Reit der alten Pro- 
vincia wurde ben Römern um 470 durch den weft: 
—* König Eurich entriſſen, der Arelate (Arles) zu 
einem Sik machte. Durch Theoborich d. Gr. wurde 
die P. 507 für den Schuß, den er den Weſtgoten 
gegen die Franklen gewährte, ein Teil des Dftgo- 
tiichen Reichs. — ſchon 536 trat fie ber oſigot. 
König Vitiges dem fränk. König Theobebert ab, 
morauf fie mit dem Fränkiſchen Reich vereinigt 
murde. Bei ben Teilungen unter ben Göhnen 
Lubmwigs —— kam die P. erſt an Lothar I., 
dann an Karl den Kahlen. Nach dem Tode Lud— 
wigs beö Stammlers wurbe fie 879 ein Teil des 
Burgunbifchen Königreich, das Graf Boſo von 
Vienne ftiftete. (S. Burgund.) Die Grafen von 
Arles aber, die den größten Zeil der B. beſaßen, 
daher aud Grafen ber B. genannt wurden, ftanden 
nur in geringer Abhängigleit von den Königen. 
Nachdem ihr Dannsitamm 1100 erlofchen, fiel ihr 
Land durch Erbfchaft an den Grafen Raimund IV. 
von Barcelona. Dur einen Bertrag von 1125 
wurde der Süden beö Arelat fo zwiſchen ben 
Grafen von Touloufe und Barcelona geteilt, daß 
eritere bie Grafichaften von nce, Die, Drange, 
Venaiſſin, lehtere bie eigentlihe B. oder die Graf: 
fchaft Arles, zu der damals aud Niyga bis 1365 
ehörte, und die Grafidaft Forcalquier (den Land: 
Fri zunächſt nördlich und weitlich von der Durance) 
erhielten, Diefes Land fam 1162 an Alfons II., 
feit 1163 aud König von Aragonien, weil er 
von derjenigen Linie der Grafen von Barcelona 
ftammte, die 1137 bie Krone von Aragonien er: 
worben hatte; er hinterließ es feinem Sohne glei: 
hen Namens, mit deffen Sohn Raimund Beren: 
ar IV. 1245 ber nnaftamm ber barcelon, 
rafen ausftarb, unter beren Schuß bie Blüte der 
rovengal. Dichtkunſt fich entwidelt hatte. Beatrir, 
aimunds Tochter, brachte bie P. 1254 ihrem Ge: 
mahl Karl von Anjou, Ludwigs des Heiligen Brus 
der, zu, der nachher auch —— von Sicilien wurde. 
Den feines Haufes blieb die P. bis auf bie 
nigin von Neapel Yohanna I., bie den Herzog 
Ludwig von Anjou (f. d.), Bruder bes age d: 
nigs Karl V., 1382 zum Erben einſehte. Deſſen 
legter Nahlömmling Karl IV. vererbte 1481 die 
B. an Ludwig XI. von Franfreid. Über bie Graf: 
ſchaften Orange und Benaiffin mit Avignon, bie 
geographiſch zur P. gerechnet werben, [. Oranien 
und Avignon. Die Hauptitabt der P. war Air 
(. d.). Bal. Bapon, «Histoire générale de la P.» 
(4 Bbe., Bar. 1777—86); Boude, «Essai sur 
l’'histoire de P.» (2 Bde., Marf. 1785); Merry, 
«Histoire de P.» (2 Bde., Bar. 1830), 
ovencerdl, ſ. Baumöl, 
vencer Rofe, ſ. unter Centifolie. 
ovenienz (neulat.), bie Herkunft eines Pro: 
dult3 u. f. w.; ein aus einem fremden Lande ein: 
—— Erzeugnis oder von dorther kommender 
egenftanb; in neuelter Zeit werden aud (3. B. 
bei Anorbnung von Quarantänen) Schiffe, Per: 
fonen u. f. w. als Brovenienzen * 
Proverbe, Sprichwörterſpiel, in Frank 
ür Heine Luſtſpiele von wenig 
fomplizierter und zur Gntwidelung irgend eines 
Sprichworts bienender Handlung. Garmontelle 
(f. d.) ſchrieb mehrere Bände »Proverbes drama- 


reich Bezeichnun 


Proviant — Provinz 


tiques», welche fchnell das Repertoire aller Gefell: 
(hnftöthenter wurden und zahlreiche Auflagen er: 
ten. In neuerer und neueiter Zeit machten bie 
dramatiſchen B. von Theodore Leclerg, Qu re be 
Muſſet und Octave Feuillet beionders viel Glüd. 
Probiant (ital.) heist Mundvorrat für die 
Zruppen. Er umfaßt alle zur Unterhaltung der 
Armeen erforberlihen Nahrungsmittel, Er wird 
in Magazinen aufbewahrt und im Kriege den Trup⸗ 
en durch Brovianttolonnen nadgeführt. Die 
haffung des P. (Berproviantierung) ift fehr 
wichtig und wird von der ‚Nrtenbantur durch Bro: 
viantämter geleitet. Beſonders notwendig iſt 
eine ausreichende, auf längere Dauer berechnete 
Berproviantierung für Feitungen, welche einer Be: 
lagerung auägefept find. 

‚PBropdidence, abwechſelnd mit Newport (f. d.) 
bie polit. Hauptſtadt und ihrer Bedeutung nach die 
erite Stadt, ſowie der Haupteinfuhrhafen des nord: 
amerif, Staats Rhode» Island, liegt 57 km vom 
Ocean, 70 km von Bolton, am nörbl. Ende ber 
Narraganfet:Bai, auf beiden Seiten des Brovi: 
bence-River, der ſich innerhalb der Stadt zu 
einem gewaltigen, von einem ſchönen Ulmenpart 
umgebenen Baſſin erweitert. Unter den Gebäuden 
find hervorzuheben die aus Granit aufgeführte, 
68,5 km lange «Arcade» mit Warenlagern und Ge: 
—— das ſchönſte Gebäude dieſer Art in 

Vereinigten Staaten; das Staatöhaus, das 
Dpernhaus, einige Schulhäufer, die neue Eity:Hall, 
die-Börje u. f. w. WB. wurde 1636 von Roger 
Billiams gegründet, 1649 als Tomn und 1832 ala 
Stadt inkorporiert, hatte 1800 erit 7614, 1870 be: 
teit3 68904 und 1880 jchon 104857 E., worunter 
3592 Farbige und 64 Chinefen. P. hatte 1205 in- 
duftrielle Gtablifjements aller Art; der Handel wird 
durch fünf Eifenbabnlinien, den Hafen und —— 
bie täglich nach Fall:River, Newport und Neu or 
abgehenden Dampfer begünitigt. Die — in 

rartilel ſind Weizen, Hafer, Mais, Kohlen, 
olle, Eifen und Baumwolle. Die bedeutendſten 
rilen verarbeiten Silber, Gold, Eiſen und 
aummolle. Vv. hat 142 Gold: und Silberwaren- 
Etablifjements, Kattundrudereien, Schrauben;, 
Wertzeug⸗, Wollzeug : und Pofamentierwaren: 
fabriten. Die Corlik: Steam: Engine:Company, 
welhe Dampfmaſchinen zu Yabritzweden kon: 
ftruiert, ift eine der beiten der Welt. Die Stadt 
bat 76 Kirchen; die erite Baptiſtenlirche, welche 
1638 gebaut wurde, it die ältefte in Amerila. 
er befinden ſich in B.: das Staats-⸗Lehrerſemi⸗ 
nar, bie Franklin Society (für Naturwilienicaf: 
ten), bie Rhode Island Medical Society, das Butier 
Hospital for the insane, das Armenhaus, das 
Dexter Asylum, das Pehrinititut Friends’ Yearly 
Meeting Boarding School. 
Providentiae memor (lat., b. b. ver Bor: 


febung eingebent), ber Wabliprud der fächl. Krone, 
baber auch bie Deviie des fächl. Ordens ber 
utenkrone. 


Providenz (lat.), Fürforge, Borfebung (Gottes); 

———— von der göttlichen Vorſehung 
errührend, zeugend. 

vinceto wn, 


afenſtadt im norbamerif, 
Staat Mafiahufetts. 


S, unter Cape Cod.) 
Provins (mittellat. Pruvinum und Pruvinnum), 
Stadt und Hauptort eines Arrondifiements, im 
Depart, Seineset: Marne, 95 km füdöftlid) 
von Paris, am Duretin und der Boulzie, auf einem 


361 


Hügel gelegen, durch Zweigbahn nach Longuevilfe 
mit der Oſtbahn (Baris: Petit — verbunden, 
Pr in eine eng gebaute alte Oberjtabt mit ſiei⸗ 
en Straßen und eine weitläufiger angelegte neue 
Unterſtadt, deren jede von einer gut erhaltenen, be: 
türmten Mauer umgeben ift. Am Südweſtende der 
Dberitabt erhebt ſich ein ſchönes mittelalterliches 
Bauwerl, ber achtedige Gefangenen» oder St. 
Uuiriaceturm, ein Donjon aus dem 12. Jahrh,, 
an jeder Ede von einem runden Turm flanfiert. 
Unter den Kirchen zeichnet fich die des heil. Quiriace, 
1160 begonnen, von einer modernen Kuppel über: 
ragt, durch majeſtätiſche Cinfachheit aus. In dem 
Palais bes Grafen von Champagne befindet fi) 
jest das Kommunal:College. Ein hier entipringen: 
ber Eifenfäuerling wird viel . Die Stadt 
gaplı (1881) 5986 —— 7728) E., welche Han⸗ 
mit den ſeit alten Zeiten belannten Roſen von 
P., mit Getreide, Mehl, Wolle und Leder treiben. 
Provinz (provincia) hieß in der Sprache des 
röm. Staatsrecht3 im weitern Sinne überhaupt 
der einem Magiltrat zugeteilte Wirtungstreis, ur: 
ſprünglich Ku}. auch das ihm übertragene 
Kommando in einem beftimmten Kriege, dann in 
eogr. Beziehung ein Land, das, der röm. Herr: 
hatt unterworfen, nad) einer in ber Negel von dem 
Feldherrn und Abgeordneten des Senats eingerich— 
teten Berfaflungsform (forma provinciae) von 
einem —— dem bie militãriſche und bürger: 
lihe Verwaltung zugleih zulam, regiert wurde. 
Die erfte B. in dieſem Sinne war, feit 241 v. Chr., 
Sicilien, die zweite ſeit 236 Sardinien. Für bie 
Statthalterfchaften wurden anfänglich eigene Prä⸗ 
toren erwählt, fpäter wurden fie durch Proprätoren 
und Prolonjuln verwaltet. Den Statthalter be: 
gleiteten Legaten, die er ſowohl mit bürgerlicher 
al3 militäriiher Verwaltung beauftragen konnte, 
ein Duäftor für das Kaſſenweſen und eine prä: 


« | torifche Kohorte, unter welhem Namen fomwohl 


feine Leibwache als fein übriges Gefolge von Freun⸗ 
den, Schreibern (scribae) und Dienern verjtanden 
wurde, Der Grund und Boden der P. wurde, ab: 
efehen von dem der civitates foederatae, für 
Shoatkei entum (ager publicus) erllärt und blieb 
um Zeil unter der Verwaltung des Staats; ein 

eil wurde verlauft, ein Teil den alten Befigern ge: 
lafjen; aber diefer wie auch jener blieb Staatseigen: 
tum und abgabenpflichtig, der verkaufte freilich zum 
Zeil mehr nur formell; die —— ung des ital. 
Bodens, quiritariſchen Gigentums fähig und fteuer: 
frei zu fein, hatte der Boden der P. im allgemeinen 
nit. Die Städte in der P. hatten eine beſondere, 
gewöhnlih von Rom aus geordnete Verfaflung; 
im übrigen war ihre Stellung eine ſehr veridhie: 
dene, je nachdem fie glei anfangs Durch einen Ver: 
trag (foedus), ber ihre Verpflichtung beitimmte, für 
felbjtändig erklärt (civitates foederatae) oder nach⸗ 
ber mit der Freiheit, fpeziell auch der von Abgaben 
der Grundfteuer (Jmmunität), beſchenlt (civitates 
liberae et immunes) und dem unmittelbaren Im: 
periun des Statthalters entzogen oder umgelehrt 
diefem völlig unterworfen waren. Zu den Städten, 
die im allgemeinen ihre hergebradhten Einrichtungen 
behielten, famen dann die Kolonien, die es ſeit 
Gajus Grachus auch aufer der Halbinfel gab, jo: 
wie die Städte, welde, ohne Kolonien zu werden, 
das jog. Recht der Latinität oder das röm. Bürger: 
recht erhielten und Municipien wurden. Die Ober: 
behörde für Rechnungsablegung des Statthalters, 


362 


Beſchwerden ber Provinzialen u. ſ. w. war ber 
Senat; für bie gewöhnlichite Beſchwerde, über wi- 
derrechtliche Erprefiungen, wurde zuerft 149 durch 
ein Calpurniſches Geſeß ein ftehender Gerichtshof 
(quaestio perpetua de repretundis) eingerichtet. 
Auguftus teilte die römischen B. fo ein, daß er 
biejenigen, welche einer ſtärlern militärischen Bes 
fahung bedurften, feiner eigenen Berwaltung unter: 
ordnete, die übrigen aber dem Senat und Bolt 
rüdgab, und diefer Unterſchied zwiſchen PB. des 
rinceps und bes Volks beftand mit öftern Ber: 
nderungen bis gegen Ende des 8. Jahrh. n. Chr. 
In die leßtern, die aber der Dberauflicht des Prin⸗ 
cep3 nicht etwa entjonen waren, wurden nad ber 
alten Weiſe Statthalter gejchidt, im zwei gewejene 
Konfuln, in die übrigen geweiene Brätoren mit 
Legaten und Duäftoren, jo jedoch, daß jeht alle 
Brotonfuln hießen. Die erftern ließ der Princeps 
dur Legaten mit unbeftimmter Amtsdauer ver: 
walten; an die Stelle der Quäftoren traten bier 
taiferl. Procuratores, denen bisweilen aud eine 
Heinere ober ber Teil einer P. übertragen war. 
So verwaltete Pontius Pilatus ald Prokurator 
Yudäa, das zu Syrien gehörte. Agypten ward 
anders als die fämtlichen übrigen 


. von einem 
eigenen kaiſerl. Vräfelten regiert. Für die Ver: 
waltung erbielten die Statthalter, bie jekt auch 


nicht bloß wie früher außgerüftet, ſondern auch bes 
foldet wurden, beftimmte Inſtrultionen. Die P. 
ag = jest größern Schub gegen die Eigenmacht 
er Statthalter, namentlich was Truppenauds: 
bebung, Beftenerung und Kriminalgewalt anlangte, 
als in den Zeiten der Republit. Stalien war wäh: 
rend der Republik für ſtaatswirtſchaftliche Zwe 
in vier 2 ie mit eigenen Quäftoren geteilt wor: 
den, die Claudius aufhob; Auguftus teilte bad 
Land in 11 Regionen. Hadrian übertrug einen 
Teil der Rechtäpflege bafelbft, mit Ausnahme von 
Rom und deſſen Gebiet, vier Konſularen; M. Aurel 
In Juridiei prätorijhen Ranges ein, ſchließlich 
eit Ende des 8. Jahrh. ward auch Italien in feften 
Verwaltungdbezirten von Correctores in der Art 
der P. verwaltet. Cine bedeutende Veränderung 
im Provinzialweien geihah, als Konftantin das 
ur Neih mit Ausnahme der beiden Hauptitäbte 
in Diöcelen teilte, welde unter Statthaltern ftan: 
den, bie felbft unter die Praefeeti praetorio geftellt 
waren, und beren von Rectores verwaltete Unter: 
abteilungen nun bie gegen früher beträchtlich Hei: 
nern P. ausmadhten. 
neuerer Zeit bezeihnet man als P. die ver: 
ſchiedenen Teile eines Staatöganzen, namentlich 
wenn, wie im Königreich Preußen, bei dieſer Ein: 
en die Gigenart ber Länder und ber Bevölle: 
rung, ſowie ihr früherer geſchichtlicher Zuftand Be: 
rüdjihtigung gefunden hat. In Frankreich behaup: 
tete fih, troß aller von Richelien und mehr noch 
von Ludwig XIV. gegen bie Provinzialfreiheiten 
geführten Streihe, ein ähnliches Syſtem felbit 
während des 18. Jahrh., bis die Revolution und 
das erfte Kaiſerreich den centraliftiihen Gedanten 
rüdfihtslos durchführten und alle Fäden der Ver: 
waltung in der Hauptitadt vereinigt wurben. 
Brovinziäl (lat.) Fr in der fath. Kirche der 
Drdensvorgejehte der Klöfter einer ganzen Brovinz, 
der unter dem Ordensgeneral fteht und bei bem 
Provinzialtapitel den Borfis führt. 
Provinzialismus (neulat.) heißt ein Wort 
oder eine Webensart, die nur in einer bejtimmiten 


Provinzial — Provinzialordnung 


Stabt oder Provinz gebräuchlich ift. So fehr man 
fid) im allgemeinen folcher Brovinzialismen zu ent: 
halten hat, fo haben doch viele berielben ihrer fräf: 
tigen Bildlichleit und Deutlichleit wegen durch Lu: 
tber, Goethe, Voß, Hebel, Uhland u. a. .. in ber 
Shhriftfprade bie verdiente Aufna gefunden, 

Provinziallandtag, f. unter 
orbnung. 

Provinzialorduung wird das preuß. Gefeh 
vom 29. Yuni 1875 genannt, durch welches die 
tommunale Selbſtverwaltung auf ihrer oberften 
Stufe gegliedert ift. Diefelbe trat 1. Jan. 1876 
in Rat t, erftredte ſich aber zunädhft nur auf die 
Provinzen Dftpreußen und Weſtpreußen on 
bis zum April 1878), Brand ne ie Stadt 
Berlin, Bommern, Sclefien und en. Durd 
Gefeh vom 7. Mai 1884 ift dann aud für Han: 
nover und durch Gejek vom 8. yuni 1885 für Heſ⸗ 
jen:Rafjau die B. mit gewiſſen, durch die befondern 
Berhältnifie jener —— bedingten Abänderun: 
gen eingeführt worden. 

Nach der P. bildet jede Provinz einen mit Kor: 
porationdredhten ausgeftatteten Kommunalverband 
zur Selbftverwaltung ihrer Angelegenheiten, ver: 
treten burch den Brovinziallandtag, der aus 
den Abgeordneten der Land: und Stadtkreiſe befteht. 


rovinzial: 


ge Kreis werben gewöhnlich (mel, r ſchleſ. 
e mit weniger alö 40000 Givileinwohnern 


nur ein, für größere Kreife drei ober mehr Abae- 
orbnete auf ſechs Jahre ig und zwar für die 
einen eigenen Kreis bildenden Stabtgemeinden vom 
Magiftrat und der Stabtverorbnetenverfammlung 
in gemeinſchaftlicher Sikung, für die übrigen Kreiſe 
vom Areidtage. Wählbar ift jeber felbftändige 
Deutſche, welcher das 30. Lebensjahr vollendet hat, 
fi im Befis bürgerlien —*— befindet 
und feit minbeftens einem Jahre ber Provinz durch 
Grundbefis oder Wohnfik angehört. Den Teil: 
nehmern an ben Berhandlungen, Kommiſſions— 
figungen u. bgl. wird eine ihren baren Auslagen 
entſprechende Entihädigung gewährt. Der Pro: 
vinzallandtag wird vom König alle zwei Jahre min: 
beftens einmal en und fann aufgelöft werden 
in weldem Falle kted) Brouinztalausiänß 
und Kommiſſionen beftehen bleiben. Mittelöperfon 
der Staatäbehörden bei den Verhandlungen mit 
jenem ift ber — als königl. Kommiſſa⸗ 
rius, welcher auf Verlangen zu jeder Zeit gehört 
werben muß. Der Provinziallandtag —* einen 
ik er felbit , darf Anträge und Bejchwer: 
den, welde bie Provinz betreffen, an bie Regie: 
rung richten, beſchließt über Statuten mit Tönıgl. 
Genehmigung, über die Berwendung ber auß ber 
Staatötafje überwiefenen Jahresrenten und Fonds, 
fowie nee Einnahmen, über die Aufnahnıe 
von Anleihen und Eingehung von Burgſchaften mit 
Genehmigung bes Miniſters des — richtet 
die Provinzialämter ein, wählt den Lande ſSdirel⸗ 
tor und dle ſonſtigen leitenden Beamten der Pro⸗ 
vinzialverwaltung und —— die Wahlen zum 
Provinzialausfhuß. Dieſer beſteht aus einem Bor: 
figenden, 7—18 Mitgliedern und bem Landesdirel⸗ 
tor, welche vereidigt werben und fo oft zuſammen⸗ 
treten, wie es bie Gefchäfte erfordern. Der Pro: 
—— bereitet die Beichlüfie des Provin⸗ 
ziallandtags vor und Feet fie aus, infoweit damit 
nicht befondere Kommiflionen oder Beamte beauf: 
tragt find, verwaltet die Angelegenheiten bes Pro: 
vinzialverbandes, ernennt und beauffichtigt die 


Provifion — Provokation 


Brovinzialbeamten und begutachtet die ihm von den 
Miniftern oder dem Oberpräfidenten ü iefenen 
Angelegenheiten. Sämtliche PBrovinzialbeamten 
haben die te und lichten mittelbarer Staats: 
beamten; ihr Borgefehter ift der auf 6—12 Jahre 
“ erwäblende und ber Beitätigung durch den König 

bürfende Landesdireltor oder Yandeshauptmann. 
Diefer führt unter Auffiht des Provinzialaus:- 
ſchuſſes die laufenden Geſchäfte der fommunalen 
Brovinzialverwaltung, vertritt den Provinzialver: 
band nach außen und führt ven Schriftwechſel; er 
darf die vermittelnde und begutadhtende ur 
der Kreid:, Amts: und Gemeindebehörben in An: 
fprud) nehmen. — 

Die Verteilung der Provinzialabgaben er— 
folgt auf bie eimelnen Land: und Stadtkreiſe nad) 
Maßgabe der in ihnen aufkommenden direlten 
Staatöfteuer mit Ausſchluß der Gewerbefteuer vom 
Haufierbetrieb. Hierbei find die von einer Be: 
lajtung mit Kreis: ober Gemeindeabgaben ganz 
oder teilweife befreiten —— 3. B. die der 
Militärperjonen, außer Anfak zu affen, bagegen 
die behufs Aufbringung ber ftädtiichen und Kreis: 
abgaben beſonders veranlagten Beiträge auf Höhe 
der Staat3fteuern mit anzurechnen. Der Genehmi: 
nung der Staatäregierung bedürfen gewiſſe Punlte 
in den Satzungen über die bienftlihen Verhältnifie 
der Brovinzialbeamten, Aber bie Landarmen: und 
Korrigendenanftalten, fiber bie Itten-, Taubftum: 
men:, Blinden: und piotenanftalten, über bie 
Hebammenlehrinftitute, über die Provinzialhilfs⸗ 
und Darlehnäfafien und über die Verſicherungs⸗ 
anftalten. Auch behalten die Minifter den größten 
Zeil we} bisherigen Befugnifie in Betreff polizei: 
licher Vorſchriften. In der allgemeinen Landesver: 
waltung fügte bie P. ald neues Glieb ben Be: 
jirtörat ein, beſtehend aus dem Regierungdprä- 
jiventen, einem vom Minifter des Innern ernann: 
ten höhern VBerwaltungsbcamten mit Befähigung 

m Richteramt und vier von bem Provinzialaus: 
chuß gewählten Mitgliedern. Derjelbe beauffich: 
tigtdie Rommmunalangelegenheiten der Kreiſe, Amts: 
verbände und Gemeinden im Regierungsbezirk, bie 
Scdwlangelegenheiten und den Wegebau, iſt für 
Belhlüfe in allgemeinen Landesangelegenbeiten in 
Bezug auf Grundftüde und Berfonen oder Kor: 
po en in eriter Iuſtanz zujtändig und hat das 
Net, in —— Faͤllen den Regierungspräfi: 
denten zum Erlaß proviforiiher Polizeivorſchriften 
ee er Belhwerden gegen die Beſchluſſe 

Bezirkörats werben vom Brovinzialrat ent: 
ſchieden, welcher aus dem Oberpräfidenten, einem 
vom Minifter des Innern ernannten höhern Ber: 
waltungsbeamten und fünf erwählten Mitgliedern 
des Brovi nusſchuſſes befteht. Diefer Behörde 
ftehen im in mit bem Minifter des Innern 
aud) die Abänderung ber Amtäbezirke und die Ber: 
einigung ländlicher en ser — der Polizei⸗ 

tabtbezi 


verwaltung mit einem u; fie darf dem 
D äfidenten Vollmacht zum Erlaß von Polizei: 
ve gen für mehrere Kreife oder den Umfang 
der Provinz erteilen. fiber die Anwendung 


der B. in en tet bas Geſeß 
vom 26. Juli 1876 Beftimmung. Bol. Brauchitſch, 
«Die neuern Organiſationsgeſehe der innern Ver: 
waltung für bie Brovinzen reußen, Brandenburg, 
ommern, Schleſien und Sadjen» (Berl. 1876). 
Bropifion iſt die Verleihung eines Kirchen: 
amtes, welche der Kirchengewalt zufteht. Eie ijt 





363 


ordinaria, wenn fie durch ben orbnungamäßig Be: 
redhtigten vorgenommen wird. Dies vollzieht ſich 
aber bei niedern Umtern durch ben Biſchof, ent: 
weder frei (collatio libera) oder gebunden an ven 
Vorſchlag eines dritten (collatio non libera, ſ. 
Kirhenpatronat), wo dann die bifchöfl. Thätig: 
feit institutio collativa heißt. Bei höhern Kirchen: 
ämtern erfolgt die P. durch Wahl (electio ober 
postulatio) unter Bejtätigung (confirmatio oder ad- 
missio) des Papftes, oder auf landesherrlicde Er: 
nennung (regia nominatio) durch päpftl. institutio. 
Die provisio extraordinaria greift aber Plaß, wenn 
an die Stelle des orbnungsmäßig Berechtigten ein 
zen Drgan tritt, umd zwar entweber, wenn ber 

erechtigte ſchuldhafterweiſe von feinem Vrovifions; 
rechte in der zulälfigen Friſt feinen oder unrichtigen 
Gebrauch gs t (ex jure devolutionis), ober 
weil der Bapft fich die Verleihung der Stelle vor: 
behalten hat (reservatio), oder ausnahmsweiſe die 
Verleihung nicht durdy den nad gemeinem Recht 
Befugten vorgenommen wird. In ber evang. 
Kirche erfolgt die P. durch ben Landesherrn, ent: 
mweber veriönlih oder durch das kirchliche Nenie: 
rungsorgan. Vol, Friedberg, «Lehrbuch des Kirchen: 
rechts» (2, Aufl., Lpz. 1884). 

Im Handelsweſen nennt man P. die Gebüh— 
ren, welche neben ben baren Auslagen für die Be: 
forgung eines Geſchäfts berechnet werben, was 
meist nad) Prozenten geſchieht; in ber franz. Han: 
beläterminologie beißt P. die Dedung. 

Propifionsreifender, f. unter Agent und 
unter Handelöreijender, 

ovifor (lat.), Berwalter, Verweſer; in Apo: 
tbelen Titel des erften Gehilfen. 

Proviförifch (lat.), vorläufig, für die Zeit bis 
zur endaliltigen Negelung geltend; Brovijorium 
ein vorläufiger Nechtäjuftand oder eine vorläufige 
Eintihtung. — Proviſoriſche Centralgewalt 
bie die von ber Deutſchen Nationalverfammlung 
zu Frankfurt durch Gejek vom 28. Juni 1848 ein: 
gejehte Reichsregierung über Deutigland, weil fie 
ihr Amt nur bis zur Aufrihtung einer befinitiven 
Reichsgewalt führen follte. Da leptere nicht ins 
Leben trat, fo ward an bie Gtelle jener Gentral: 
gewalt fpäter ein neues Proviforium, das fog. In⸗ 
terim,, gelebt, bis man endlich zum alten Bundes: 
tage zurüdtehrte. 

onofation (lat., d.h. Aufforderung) war in 

der Rechtsſprache zunaͤchſt gleichbedeutend mit Ap⸗ 
ellation; dann verftand man darunter auch eine 
lage, wodurch ein anderer aufgefordert wird, einen 
Anſpruch binnen einer gemifjen EA gerichtlich gel: 
tend zu machen, entweber weiler ſich dieſes Anſpruchs 
wider die Wahrheit berühmt hat oder weil dem Bro: 
volanten dagegen Einreden zuftehen, bie mit ber Zeit 
ihre Wirkjamteit verlieren. Dem Provolaten wurde, 
wenn er die lage nicht erhob oder den Beweis nicht 
führte, im erften Fall ein ewiges Stillſchweigen 
auferlegt; im zweiten befam die Einrebe eine blei: 
bende Dauer. Dies et dar bieß früher Provo⸗ 
fation&prozeh. Derfelbe iſt jet —— wor⸗ 
den durch die Beſtimmung der Deutſchen Civil: 
——2 Saal, wonach auf Tel tellung des 
eitehens oder Nichtbeſtehens eines Rechtsverhält: 
niſſes auf Anertennung einer Urkunde oder auf Felt: 
tellung der Unechtheit derfelben Klage erhoben wer: 

n ann, wenn der Kläger ein rechtliches Intereſſe 
daran bat, daß das Rechtsverhältnis oder die Echt⸗ 
beit, beziehentlich Unechtheit der Urkunde durch 


364 


richterliche Entſcheidung alsbald feitgeftellt werde. 
(©. Feitftellungstlage.) s 
An anderm Sinne bezeichnet man mit Bro: 
volation aud eine Anreizung, Herausforderung, 
beſonders zum Duell, (Bol. Brovozieren,) 
Provo —— ſ. u. Provotation. 
Provoſt (engl., vom lat. praepositus, Vorge— 
febter), in England Titel höherer kirchl. Würden: 
träger, ſowie der Boriteher von Colleges an ver: 
—5— Univerſitäten; in Schottland Titel der 
agiſtratsvorſteher, von denen einige den Titel 
Lord P. führen. 
oe Drug ie (lat.), etwas hervorrufen, ver: 
anlaſſen; jemand zu etwas reizen, anreizen, heraus: 
fordern. (gl. PBrovolation.) i 
Provveditore (Proveditore, ital.), Titel 
ber Beamten, welche mit der Verwaltung ber der 
Republik Benedig untergebenen Territorien beauf: 
tragt waren; in Venedig ſelbſt führte den Titel 
P. commune ber Direktor der Polizei, den Titel 
P. del mare der Zahlmeiſter der Flotte. 
Bash. Abkürzung für Prozent. 
rozent (in Sfterreih Bercent, frz. pour 
cent, engl. per cent) heißt wörtlich: für 100. Eine 
grobe Menge von —— und Abzügen wer: 
en für jede 100 Einheiten des Geldes, Gewichts 
oder Maßes angerechnet, aud wird die Qualität 
mander verunreinigter ober gemijchter Waren 
(Spiritus, —*2 Soda) vielfach in Hundert: 
teilen der ganzen Menge an unvermiſchter Mare 
ausgedrüdt, ſowie man bei Gewinn und Verluſt 
beren Anteil —— auf jede 100 Einheiten des 
Kapitals zu —— und in ſtatiſt. Erhebungen 
den Anteil vieler Berhältnifie auf je 100 Köpfe der 
Bevölkerung u. ſ. w. zu ermitteln pflegt; alle dieſe 
Anteile, das Maß jener Vergütung u. f. w. find 
demnach P. In P. wird insbefondere auch der 
Binsfuß ausgebrüdt, ferner ber Diöconto, bie Kom: 
miflionagebühr oder Brovifion, das Delcredere, bie 
Courtage, vielfach aud die Tara, das Gutgewicht, 
das Agio u. ſ. w. Die B. find entweder wahre P. 
oder P. «von» hundert, d. h. fie verjtehen ſich für 
jede 100 Marl, Pfund u. f. w., oder fie find un: 
—— (die dann im Widerſpruch mit dem Na: 
men ftehen und gar — genannt werden ae 
ten), nämlid —— . «auf» und «in» hun: 
bert. Wenn 5. B. irgend ein Preis mit Nüdjicht 
gewährende Kreditfriſt um gewille P. 


Pr bie zu 
höher geftell worden ift, als er bei barer Zahlung | bef 


normiert worden wäre, fo führt man, wenn dann 
doch Bere Dahl eintritt, indem der Kredit nicht 
benußt wird, die Rechnungsſumme durch einen ent: 
Ip: enden Abzug auf ihr ven ob zurüd, 

ären z. B. 6%. Auficlag im Preife, d. b. wären 
latt jeder 100 Mark wegen Krediifriſt 106 angeſeßt, 
o rechnet man bei barer Zahlung wiederum ftatt 
eder 106 nur 100 Marl, und da aljo hierbei 
6 Marl auf Ihe 106 (nicht 100) Marl abgezogen 
werden, fo bezeichnet man diejen Abzug oder Rabatt 
als 6 ÿ. «auf» hundert (von der bereits erhöht ge: 
wejenen Summe find dies alfo keine wahren 6 ®. 
«mehr», d.i. feine %ı90, fondern vielmehr %ıos). 
Sehr häufig aber wird gleichwohl der Rabatt avon» 
hundert gerechnet (in wahren P.), weil man ſich 
auf die Entjtehung nicht weiter einläßt, und das 
Nämlihe gilt immer vom Wechſeldisconto, der 
fahgemäß « auf» hundert bewilligt werben müßte. 
Hat man dagegen üblicherweiie an einer Rechnung 
ſich einen feftitchenben projentweifen Abzug gefallen 


Provofationsprozeß — Brozeßbetrieb 


u laflen und will daher den Betrag derſelben ober 
Preis um jenes Maß im voraus erhöhen, da 
man jene P. nicht verlieren kann ober will, jo muß 
man ihn in der Art erhöhen, daß die Rechnungs: 
Kane ober der Breis nach Abzug jener wahren 
. fo groß ift, daß fein foldher Berluft ftattfindet, 
Mußte man 5. B. 1 r Abzug newähren, ſodaß 
man für jede 100 Mark u. f. w. der Rechnung nur 
99 wirklich erhielte, fo würde man dann ſchon ftatt 
jeder 99 Mark u. ſ. w. 100 anfeßen; man mwürbe 
alſo die fonft zur berechnenden 99 Mark nicht um 
ein wahres ®., d. i. um Yıoo erböhen, fondern um 
ein fogenanntes B. «in» hundert, d. i. um "4. 
ozent:Aräomöter, ſ. unter Aräometer. 
ozeh in der Chemie nennt man eine Ope— 
ration oder Realtion, bei oder durch welde die Na: 
tur eined Körpers verändert wird. Zu diefen he: 
mifhen Prozeſſen gehören die Auflöjung, der 
Niederichlag (das Fällen), die Berdampfung, das 
Schmelzen, die Deitillation und Sublimation. In 
ber Natur geben ähnliche chemiſche P. vor fich, 
und durch fie bringt die Natur die beitändigen Ber: 
änderungen in dem Weſen der Körper oder den 
Wechſel der Dinge hervor. 

‚Vrozefi (processus, im Haffiichen Latein ein 
—— Aufzug oder —— beißt ber Rechts⸗ 
ge oder das gerichtliche Berfahren, d. b. diejenige 

eibe olge von Handlungen, durch welche ber 
ftaatlihe Rechtsſchutz fih verwirklicht. P. nennt 
man auch die geießlichen Vorſchriften über das ge: 
richtliche Verfahren und deren wiſſenſchaftliche Dar: 
ftellung. Aus der Verſchiedenheit feined Gegen: 
ſtandes ergibt fidh der Gegenſatz zwiſchen Straf: 
prozeb (1. d.)und bürgerlichen oder Civilprozeb (f. d.). 

vzchbetrieb(civilprozefiualiich). Am frühern 
emeinen Prozeß lag die formelle Fortführung des 
Berfahrens ausfchliehlid in den Hänben des Ge: 
richts. Im Gegenſah dazu wird nad) franz. Pro: 
eßrecht das Gericht durch jeden Spruch adejaifiert» 
(Sariiät des Gerichts) und bedarf eö eined neuen 
tte3 ber Partei, um das Verfahren wieder in 
Lauf zu ſehen. Dies Prinzip ift in feiner Schroff: 
beit nicht von ber beutichen —— 
adoptiert; Syſtem iſt das eines weſentlich mo: 
bifizierten Parteibetriebes. Die Zuſtellung der 
— — wird danach von den Parteien 
etrieben. Die Zuſtellung nicht verlündeter Ent: 
ſcheidungen wird durch das Gericht von Amts wegen 
eſorgt. Berkündete Entſcheidungen werben, inſo⸗ 
weit ihre Zuſtellung erforderlich, quf Betreiben der 
artei zugeſtellt, nur in einigen Ausnahmsfällen 
(fo namentlich das auf Trennung, Ungültigleit 
oder Nichtigkeit einer Che erfennende Urteil) von 
erg —ã —— die vg 
ebt, fo gilt Folgendes. rimip iſt biefelbe 
Ende ber Bart: diejenige hat den Gegner zu 
laden, welche über die Hauptſache oder einen Zwi⸗ 
fohenftreit mündlid verhandeln will. In von Amts 
wegen anberaumte Termine aber wird dur das 
Geriht von Amts wegen geladen. Bon Amts 
wegen werden anberaunıt Termine —— 
einer ſchon begonnenen bug sur ao ung (ug 
nad einem vorbereitenden Verfahren ober na 
einer Beweisaufnahme) ober zum Erfaß eines aus: 
gefallenen Verhandlungstermins. Vorausſetzung 
iſt jedoch dabei, daß nicht ein Stillſtand des Pro— 
eſſes (Unterbrechung, Ausfekung, Ruben bes Ber: 
Ihres) eingetreten war. Bon Amts wegen wer: 
en anberaumt ferner zur Beweidaufnahme und 


Prozeßeinrede — Prozekleitung 


zur Verlündung einer Entſcheidung beſtimmte Ter: 
mine. Zu verfündeten Terminen wird überhaupt 
nicht geladen, gewiſſe Fälle ausgenommen, in wel: 
den die Partei zu laden hat. 

—— ſ. unter Einrede. 
rozehfähigkfeit iſt die Fähigkeit, ſelbſtändig 
einen Mroseh zu führen, prozeliuale Handlungen 
mit Wirtiamteit vorzunehmen. Nach der Deuticen 
Civilprozeßordnung ift eine Perſon injoweit pro- 
sehfähig, als fie ſich durch Berträge verpflichten 
fan; diefe Fähigkeit aber bejtimmt ſich nad) den 
Vorfchriften des bürgerlihen Rechts; jedocd wird 
die P. einer grojährign Perſon nicht dadurd, 
daß fie unter väterliher Gewalt jteht, die P. einer 
Frau nicht dadurch, daß fie Ehefrau ijt, beichräntt, 
und finden die VBorichriften über die Geſchlechtsvor— 
mundfchaft auf die Prozeßführung Feine Anwen: 
dung; aud find einzelne Vrozebhandlungen, zu 
welden nad Eivilrecht eine bejondere Ermächtigung 
nötig wäre, ohne ſolche gültig, wenn nur die Er: 
mäctigung zur Prozepführung im allgemeinen er: 
teilt oder die Prozepführung ım allgemeinen ohne 
ſolche Ermädtigung Ratthaft ift. Ein Ausländer 
wird allemal als prozehfähig behandelt, wenn er 
es nach dem Recht des Prozeßgerichts iſt, wenn er 
es auch nicht iſt nad) dem Hecht feines Landes. Der 
Prozeßunfähige (prozeſſualiſch Handlungsunfäbige) 
bedarf eines «gejeglihen Vertreters» | 4. B. Vor: 
mund eines Minderjä rigen), der an jeiner Statt 
ndelt (fog. notwendige Stellvertretung). Der 
angel der P., der Legitimation des gejehlichen 
Vertreter, der erforderlichen Ermächtigung zur 
Prozekführung ift von Amts ur m vom Gericht 
u berüdfichtigen; bei Gefahr auf Berzug lann aber 
ie progebunfähige Partei oder ihr geſehlicher Ber: 
treter einjtweilen zur Prozekführung —5——— 
werben, unter Vorbehalt der Beſeiligung des Man: 
* erſt wenn die hierfür beſtimmte Friſt ver: 
Bu darf dann das Endurteil erlaffen werben. 
Soll ein vertreterlojer Prozehunfähiger verklagt 
werden, jo hat ihm bei Gefahr auf Verzug der Bor: 
fihende des Prozeßgerichts einen befondern Ber: 
treter auf won zu beitellen, bis der grade 
eintritt. ©. Civilprozekordnung für das Deutſche 
Reich, ð8. 50—55. 
Beogeifion (lat.) nennt man insbeſondere bie 
in röm.slath. Kirche üblichen feierlihen Auf: 
und Umzüge der Geiftlidleit und des Volls um 
Altäre, Kirchen oder durch Straßen nad Kirchen 
und heiligen Plägen unter Schautragung heiliger 
Gegenitände, mit brennenden Yichtern unter 
——— und Abſingung von Hymnen, Pſal⸗ 
men und Gebeten, zur Verehrung Gottes und der 
Heiligen, Man nennt diefe Aufzüge aud Kreuz: 
und Fahnen, die mit 


änge en ber * 
—— Ar werden. Bittgänge heißen fie, 
wenn fie ben Ipegielen Zwed cin, eine Gabe 


oder Gnade, nftige Witterung oder Ernte: 
fegen, zu loben an Betfahrten 
wenn fie nad) einem entfernten heiligen Orte, 


wo fih ein Marien» oder Heiligenbild befindet, 
unternommen werben. Ühnlihe P. waren ſchon 
im Altertum bei den meiften Völkern üblih. Die 
welche die alten Griechen zu Ehren des 

‚ ber Demeter, Perſephone und anderer 

- en nr Ärger e Soden von —* 
en begleitet, bei welchen man gewöhn⸗ 
Diele —— vortrug. Auch das Juden⸗ 
tum lannte feierliche P. In der kath. Kirche lamen 


365 


fie feit der Zeit des heil, Ambrofius im 4. Jahrh. 
auf. Bitt: und Bußumgänge wurden um die Mitte 
de3 5. Jahrh. von dem Biſchof Mamertus zu Bienne 
eingeführt, Die Sitte fand bald —— und 
Verbreitung, zumal ſeit die Kirche anfing, die Teils 
nahme an Bittgängen und Wallfahrten als für ein 
gutes Werk zu ertlären, wofür Ablab geboten 
wurde. Die —— v. der —* Kirche finden 
am Fronleichnamsfeſte, und den Gedächtnistagen 
der Schutzheiligen ſtatt. Die prot. Kirche hat die 
P. als auf willtür —* Satzung beruhend und als 
Anlaß zu Sittenloſigleiten, verworfen. In mans 
hen Staaten, wie in Breußen, ift die Abhaltung 
von 3. auberhalb der Kirchenmauern an bejondere 
polizeilihe Erlaubnis gelnüpft. 
Prozeſſiousſpiuuer (Cnethocampa proces- 
sionea) heibt ein 30—37 mm fpannender, im Auguſt 
fliegender Nachtſchmetterling, mit dünn beichu pten 
braungrauen Vorderflügeln, auf denen zwei dunk⸗ 
[eve Querbinden jtehen, die hellern Hinterflügel 
Dr nur eine verwaſchene Binde, Die 30 mm 
ange Raupe ift unten graugrün, oben blaugrau, 
mit einem breiten ſchwarzen Rüdenitreifen; auf 
jedem Leibesring befinden fich 10 braunrote Warzen, 
die mit langen weißen Haarbüſcheln bejeht find. 
Jedes dieſer Haare iſt hohl und am Grunde mit 
einer Drüje verbunden, die ein der Ameifenjäure 
verwandtes Gift abjondert, bricht bei Berührung 
äußerft leicht ab, dringt mit dem Gift in die Haut 
von Menſch und Vieh ein und veranlaßt oft geführ: 
lie Entzündungen. Am Tage ruhen die Raupen, 
tlumpenweiſe zufammengeballt, irgendwo am 
Stanım oder in der Ajtgabel eines Baumes; gegen 
Sonnenuntergang rüden fie zum Freſſen aus, eine 
voran, ber die andern, wenn die Gefellichaft nur 
klein ift, im Gänfemarfch olgen. Iſt der Trupp 
—— er, ſo folgen auf die Anführerin, die in— 
eſſen keine beſtimmte iſt und während des Mars 
ſches wechſelt, zwei, dann drei Raupen u. |. w. bis 
ünf in einem Glied und bilden fo eine Phalanr, 
ie fih nad) hinten zu wieder verjhmälert, Die 
Puppe findet fi im Juli in einem löfdhpapier: 
artigen, grauweißen Cocon, befonderd an den 
Stämmen der Hauptnährpflanze, der Eichen. Der 
P., welder in Mitteleuropa ein beſchränltes Bors 
tonımen hat, wird bisweilen den Eihenwaldungen 
außerordentlih jchädlih und wird am beiten im 
Raupenzuftande, durch Abbrennen oder Zerquetichen 
der an Stämmen ruhenden Geſellſchaften vernich⸗ 
tet. Der Hauptfeind des P. ijt der Kudud und der 
Puppenräuber (f. d.). L 
Prozehlegi om iſt der Nachweis der Vers 
tretungsbefugnis von feiten deſſen, der in einem 
Bruch für einen andern handelnd auftritt. Bon 
dem Bevollmächtigten verlangt die Deutiche Civil: 
er ordnung v 76), daß er fich durch eine ſchrift⸗ 
ihe Vollmacht legitimiere, deren gerichtliche oder 
notarielle Beglaubigung der Gegner fordern kann, 
wenn fie nur in einer Privaturlunde beftebt. 
sgchleitung iſt die ee des Richters, 
welche darauf ** daß der Prozeß ſeine ord⸗ 
nungsmäßige Er ebigung finde, Sie äufert ſich 
burg Beihlüffe un rfügungen. in pofitiver 
Weite (fog. formale B.), 3. ®. durch Anfesung der 
erforderlichen Termine und Friſten, Leitung der 
münbdlihen Verhandlung u, |. w. wie in negativer 
(jog. materielle ®.) u Burüdweiiung ee 
neter oder unzuwläjliger Prozeßalte (4. B. überflüls 
figer Beweisanträge). 


366 


Prozekordnung heißt ein umfänglicheres Ges 
ſeß, weihes die Formen des gerichtlichen Verfah⸗ 
rens oder des Prozeſſes (ſ. d.) feſtſtellt. Aus der 
Verſchiedenheit der Juſtizſachen ergibt ſich der Ge: 
genjak zwiſchen Strafprozeb (j. d.) und Civilprozeß 
(ij. d.) und demnach auch zwiſchen Strafprozeßord⸗ 
nungen und Civilprozeßordnungen. Die Civilpro— 
zepordnung für das Deutſche Reich datiert vom 
30. Jan, 1877, die Strafprogebordnung für das 
Deutiche Reich vom 1. Febr. 1877. Beide Geſetze 
find 1, Dit. 1879 in Kraft getreten. j 
Prozehitrafen find Nachteile, welche eine Bar: 
tei treffen, die in ſchuldhafter Weiſe ihre prozeſſua⸗ 
len Rechte mißbraucht, zur Verſchleppung des Pro⸗ 
zeſſes, Chifanierung des Gegners u. ſ. w. Solche 
tennt das geltende Deutſche Prozeßrecht nur im ſehr 
beſchränktem Umfange. Nad dem Gerichtskoſten⸗ 
geieh, 1 47, tann ig in gewiſſen Fällen (3. B. 
bei Ablehnung eines Richters), in welchen an ſich 
feine Gebühr erhoben werben foll, bie Erhebung 
einer folhen von Amts wegen das Gericht dann 
beſchließen, wenn das Verfahren nad) freier richter⸗ 
licher fiberzeugung mutwillig veranlaßt war. Es 
fann ferner nad) $. 48 desſelben Geſehes das Ges 
richt, wenn außer dem Fall des $. 300 der Civil: 
prozehordnung durch Verſchulden einer Partei oder 
eines Vertreters derfelben die Vertagung einer 
mündlichen Verhandlung oder bie Anberaumung 
eines Termins zur Fortjehung der Teer ai Ber: 
handlung veranlaft oder durch nachträgliches Vor: 
bringen von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln, 
Beweismitteln oder Bemweiseinreden, weldes zeiti: 
er erfolgen konnte, bie Erledigung bes Rechts⸗ 
treit3 verzögert worden iſt, von Amts wegen bie 
befondere Erhebung einer Gebühr für die verur: 
fachte weitere Verhandlung, ſowie einer — 
für die durch das neue ——— veranlaßte noch⸗ 
malige Beweisanordnung beſchließen. 
Prozeftvollmacht iſt die Vollmacht zur ge 
famten Prozeßführung, zu allen den Prozeß be: 
treffenden Rechtshandlungen. Der geſehliche Um: 
fang, welden ihr die Deutiche Civilprozeßordnung 
($$. 77, 78) gibt, Tann mit Wirkjamteit gegenüber 
dem Gegner nur beihränft werden in Hinſicht auf 
die Befugnis zu Vergleich, Verzicht, Anertenntnis. 
Die B. kann jelbft wiederum in einer umfafjendern 
Vollmacht, z. B. einer Prokura, enthalten fein. 
Einer bejondern Form bedarf fie nicht, auch die 
mündlich erteilte ijt bindend. (fiber den Nachweis 
der P. ſ. Brozeplegitimation) Mangel der 
Vollmacht kann der Gegner jederzeit rügen und ift 


aud von Amts wegen vom Gericht zu beachten, 
joweit * Anwaltszwang beſteht. Durch nach— 
trägliche 


—*— wird der Mangel geheilt. 
Gin auftragloſer — fann gegen oder 
ohne Sicherheitsleiſtung für Koften und Schäden 
einftweilen zur Prozeßführung zugelafien werden; 
Endurteil darf dann e olgen, wenn bie zur 
nagbringung der Vollmacht gejehte geift ver: 
ſtrichen. Die Vollmacht endigt weder durch den 
Tod des Bollmaditgebers, noch durch eine Anderung 
bezüglich feiner Prozeßfähigleit oder gefchlichen 
—— Sie endigt ee ar a die je: 
doch dem Gegner gegenüber erjt durch Anzeige wirt: 
fam wird, im Anwaltsprozeß erft durch Anzeige der 
Beitellung eines neuen Anwalts. S. im übrigen 
moilpengehorbnung für das Deutiche Reich, 88. 7A fg. 
(Dgl. Bollmadt, Rechtsanwalt.) 
rozymiten, f. unter Azumiten. 


Prozekordnung — Prüfung 


Prſchewalsky, ſ. Przewalfkij. 
—25 Abtürzung für Praeter propter. 
Prüde (frz.), zimperlich:geziert, \pröde; Prüs 
derie, zimperliches Weſen, Sprödethun. 
rudentin® (Mureliud Clemens), einer ber 
frühern chriſtl. Dichter, geb. um 348 zu Galagurris 
in Spanien, lebte noch zu Anfang des 5. Jahrh. 
Gr trat anfangs ald Sachwalter auf und ftieg bis 
zur Würde eines Statthalter8, widmete ſich aber 
in fpätern Jahren religiöien Betrachtungen und 
verfaßte eine Anzahl Gejänge teils für die häus— 
lie Erbauung, teild zum Lobe der Märtyrer oder 
über ähnliche religiöfe Stoffe. Diefe Gedichte wur: 
den von Arevalo (2 Bde., Rom 1788), Obbarius 
> 1845) und am beiten von Drefiel (en. 1860) 
rausgegeben. Bol. Clem. Brodhaus, «Aurelius 
P. Clemens» (Lpz. 1872), 
Prudhommes, in Frankreich die ſachverſtändi⸗ 
gen Mitglieder ber Gewerbegerichte (ſ. d.). 
rud’hon (Pierre), franz. Hiftorienmaler, geb. 
4. April 1758 zu Cluny (Depart. Sadneset:Loire), 
erhielt den eriten Unterricht in feiner Kunſt bei 
Desvoges, Lehrer an der Malerſchule in Dijon. 
Der grohe Preis für Malerei und das bamit ver: 
nüpfte Stipendium ermöglichten ihm 1782 die Reife 
nad) Stalien, wo er vorzüglich die Werke von. bel 
Sarto, Leonardo da Vinci und Correggio zum Ge: 
genſtande des gründlichiten Stubiums made (1785 
—88). Sein erfted Gemälde war eine große allego- 
rifhe Nompofition: die Weisheit, unter der 
ftalt der Minerva, bringt die Wahrheit auf bie 
Erde (1799, jeht in ganz verborbenem Zuſtande im 
Louvre), 1808 malte er den Plafond eines Saals 
in der Antilengalerie de3 Louvre: Diana bittet 
ihren Vater Jupiter um die Grlaffung des Che: 
tandes. Zwei Hauptwerfe von ihm find —— 
ſyche, von Zephyren entführt, und das Verbrechen 
des Mordes, von der Rache und Gerechtigleit des 
—— vertelgt (im Louvre). Im Y 1812 er: 
chien von ihm Benus und Aboni® und 1814 ber 
ih ſchaulelnde 38 Die ſchlafende *. mit 
dem | lafenden Amor an ihrer Seite ift 
Stizge geblieben, aber felbft in diefem Zuſtande fein 
Meitte tüd. P. ftarb 16. Febr. 1823 ir Paris, 
Sn 9.3 mytholog. Gemälden ift weit mehr am: 
tiles Weſen als in den feubollaffifhen Bi 
von David und feinen Schülern. —— an⸗ 
ziehend in P.s Werken iſt eine dem Correggio ver: 
wandte Zartheit der Abrundung. Copia und B. 
Roger ſtachen ſeine Werke; die beſten Lithographien 
ar. denfelben lieferten Aubry⸗Lecomte, Sirony und 
%.Boilly. Bol. Element, «P., sa vie, ses auvres et 
sa correspondance» (niit 30 Kupfern, Bar. 1872). 
Prüfung beift überhaupt der Akt, durch wel: 
chen die Be —* eines Gegenſtandes oder das 
Maß der Kenntniſſe und Fertigleiten einer Perſon 
erforſcht wird. In lehterm Falle bezeichnet man fie 
—— mit dem lat. Worte Examen. Dieſes 
eſteht nicht bloß für die Schule überhaupt, um die 
Beſchaffenheit und den Grad ihrer Leitungen be- 
urteilen zu fönnen, fondern bejtand früher auch für 
die, welche ein Geſchäft betreiben wollten, für mel» 
ches dem Publitum die Garantie gegeben werben 
jollt, daß feine Bebürfnifje in genügender Weite 
efriedigt werden würden. Daber beftanden aud) 
obligatorifche P. für Handwerker in dem Gefellen- 
und Meifterftüd, für Kaufleute und andere Ge: 
werbetreibende. Mit der Ginführung ber Gewerbe: 
freiheit find die obligatorischen gewerblichen P. mit 


Prüfungsapparate für Materiallen — Pruntrut 


wenigen Ausnahmen abgeihafit worden, jedoch 
fteht es den auf Grund der Deutſchen Gewerbeord: 
nung neu gebildeten gen fee) ben Eintritt in 
bieielben von einer P. abhängig zu machen, ſowie 
auch Lehrlingsprüfungen vorzufchreiben, und diefen 
legtern fönnen aladann nad) $. 100 e durch Beitim- 
mung ber —** Verwaltungsbehörde auch die 
Lehrlinge ſolcher Meiſter unterworfen werden, die 
der Innung nicht angehören. Unmittelbar vorge: 
ichrieben find in der Gewerbeordnung B. für die 
Seeſchiffer, Seedampfermaſchiniſten, Yotien, Heb: 
ammen, Apotheler, ſowie für Ärzte, Tierärzte und 
Yahnärste, fofern fie eine Approbation und da3 
Necht ſich Arzte u. f. w. zu nennen, erhalten wollen, 
und landesgeſetzlich können aud) B. für Huffchmiebe 
und Marliceider angeordnet werden. Bon unzwei⸗ 
jelhafter Zwedmãßigleit find die P. für folche, die 
ein öffentliches Amt im Civil: oder Militärdienft 
bekleiden wollen, und e3 bat fich daher diefes Ver: 
fahren mit größerer und geringerer Ausdehnung 
in den meiften Staaten eingebürgert. Selbſt in 
Nordamerika erfennt man die Nühlichkeit desſelben 
mehr und mehr an. Zur Abhaltung der P. find 
bejondere, für jedes Fach aeeignete Behörden ein: 
gejegt, welche die Prufungslommiſſion bilden. 
Srüfungsapparate fur Materialien, ſ. Ma⸗ 
terialprüfungsmaſchinen. 
PBrüfungdtermin heißt im Konkurs ber Ter: 
min, ber zur Prüfung der angemeldeten Konkurs: 
forderungen bejtimmt ift, Im ſog. allgemeinen 
P. werben jedenfalls geprüft die innerhalb der An: 
meldefrift angemeldeten Forderungen, die nachher 
angemeldeten dann, wenn weder von jeiten des 
Berwalters, noch der Gläubiger widerſprochen 
wird. Die im —— P. hiernach nicht ge 
prüften werden in beſondern P. geprüft, deren Ho: 
jten die betreffenden Gläubiger tragen. Die Prü 
fung geſchieht in mündlicher, von Konlkursrichter ges 
leiteter Verhandlung; jede angemeldete Forderung 
iſt ei na ag und Vorrecht zu erörtern. 
Notwendig ift die Inweſenheit des Konkursverwal⸗ 
ters, nicht die der ©läubiger; die angemeldeten For: 
berungen werden auch in Abweſenheit der betreffen: 
den Gläubiger geprüft, Der Gemeinshuldner hat 
fi über die angemeldeten Forderungen zu erklären; 
eine Forderung ift für den Konkurs feſtgeſtellt, 
wenn weder der Verwalter nod ein Gläubiger 
Widerſpruch erhebt (ver Wideriprud des Gemein: 
ſchuldners ift nur außerhalb des Konkurſes wirt: 
jam; bat er nämlich nicht wiberiprodhen, fo fann 
unmittelbar aus der Feititellung in der Gläubiger: 
tabelle die Erelution gegen ihn bewirkt werden). 
Der Eintrag der jeltgeitellten Forderung in bie 
Gläubigertabelle wirkt gegenüber allen Konkurs: 
läubigern ſowohl bezüglid des Betrags wie des 
orrechts wie ein rechtölräjtiges Urteil. Iſt Wi: 
derfprud erhoben, jo bedarf es gerichtlicher Ent: 
ſcheidung in geiondertem Prozeſſe; je nach Lage der 
Sache bat der Widerfprechende feinen Widerſpruch 
ober der Gläubiger ber beitrittenen Forderung die 
Feſtſtellung derjelben prozeſſualiſch zu betreiben, 
Dal. Konkursordnung für das Deutiche Reich, 
Bud U, Tit. 4, SS. 126 fo., 152. 
Prügelitrafe. Die Berabreihung von Schlä: 
gen mit der Nute, dem Stod, der Peitiche oder 
Seibel durch den Gerichtsdiener, in älterer Zeit, 
wenn auf Staupenſchlag erfannt war, durd) den 
Henker, bei Militärvergeben durch eine gene 
Truppe, wie im Falle des Spiefiruten: oder Steig: 


367 


riemenlaufeng, ift neuerdings mit Ausnahme Eng: 
lands fajt allgemein al3 inhumanes Strafmittel 
befeitigt. Dasielbe wirkt felbjt in geringern Gra— 
den ungleich, indem es je nad) der Körper: und Ge: 
mütsbejchaffenbeit des Gezüchtigten bleibende Nach⸗ 
teile für die Gefundheit zur Folge haben und fogar, 
bejonders wenn die Streicdhe en den Rüden zu füb: 
ren find, das Leben gefährden kann, wogegen das 
vorher einzubolende ärztlihe Gutachten über die 
Bollitredbarleit der Strafe keine Sicherheit ge 
währte. Entſchadend für den Gefehaeber ift die 

tage, ob die P. nad) dem jeweiligen Stande bes 

olt3bewußtfeins als beihimpfend erachtet wird. 
Sie fonımt nur nod) als Disciplinarftrafmittel in 
mand)en ya ui arg vor. 

Prüm, Kreisitadt im_preuß. Regierungsbezirk 
Trier, 60 km im N. von Trier, am ſudl. Ende der 
Schneeeifel und am Flüßchen Prüm, das gegen S. 
in den Mofelzufluß Sauer gebt, gelegen, Station 
der Linie Geroljtein:B, der Preußiſchen Staats: 
bahnen, it Sig eines Landrat3amts und eines Amts: 
geriht3, bat ein Progymnafium, ein —— 
Schloß (die ehemalige Abtei) mit ſchöner Kirche und 
ein kath. Lehrerſeminar und zählt (1880) 2176 * 
dath. E., welche Lederfabrikation, Gerberei un 
Landwirtſchaft treiben. P. war vormals der Sig 
einer berühmten reichsunmittelbaren, gefürfteten 
Benediltinerabtei, die, 722 von Bertrada, der Großs 
mutter der Gemahlin des Frankenlönigs Pipin, 
geftiftet, 762 bedeutend erweitert wurde und 1579 
an das Erzitift Trier kam, pn berfelben ftarb der 
Kaifer Lothar I. Im Mittelalter war die dortige 
Stlofterichule Sehr berühmt, an welcher unter andern 
der Chroniſt Negino lehrte. Im Lundviller Frieden 
wurde B. mit dem linfen Vore 1801 an Frank⸗ 
reich abgetreten und die Abtei ſäkulariſiert; 1815 
lam die Stadt an Preußen. — Der Kreis PVram 
zählt auf 918,8 qkm (1880) 35485 E. 

Pruneae, |. Amygdalaceae, 

Brunel, Stoff, ſ. Yafting. 

Prunella L. oder Brunella, Brunelle, 
Name einer zur Familie der Labiaten gehörenden 
Gattung perennierender Kräuter. Man kennt nur 
drei Arten, bie eine weite Verbreitung befigen und 
beſonders in ber nörbl, gemäßigten Zone, ſowie 
auf höhern Gebirgen der Zropengegenden vorlom: 
men. Die häufigfte Art ift die fajt über die ganze 
Grde verbreitete gemeine Brunelle (P. vul- 
garis L.), eine niedrige Pflanze mit geftielten, läng: 
lihen Blättern, nah allenthalben auf trodenen 
Wieſen und Graspläken, aud in Wäldern wächſt 
und früher al Herba Prunellae offizinell war. In 
Gegenden mit Kalkboden kommt die höne P. gran- 
diflora Z., mit mehr als doppelt größern Blumen, 
häufig vor. Dieſe findet man auch bisweilen als 
Zierpflanze kultiviert. 

Prunellen, ſ. Brunellen. 

Bruntent (fri. Borrentruy), Hauptitadt des 

leihnamigen Bezirl3 (317 qkm, 24287 GE.) im 
Jura des jchweiz. Kantons Bern, liegt 446 m über 
dem Meere, 59 km nordnordweſtlich von Bern auf 
dem linken Ufer der Allaine an der Linie Delemont 
Delle der Bernifchen Jurabahn, befist ein altes 
Schloß, 1523— 1792 Reſidenz der Fürftbifhöfe von 
Bafel, jept Waifenhaus und Öreifenatyl, zwei Kir 
den und eine Synagoge, ein Lehrerfeminar, ein 
Gymnafium (franz. Kantonfhule), das in dem 
ehemaligen Sejuitenfollegium untergebracht ift, ein 
Rathaus und ein Spital und zählt (1880) 5676 E,, 


368 


meist lath. Konfeſſion (1162 Reformierte, 140 33: 
raeliten) und franz. Zunge (916 deutich), deren 
Haupterwerböquelle neben Feldbau, Handel und 
Kleingewerbe die Uhreninduſtrie ült. 
us L., eine zur race der Amygdaleen 
(Mandelbaumgewächle) gehörige Gattung, welder 
auch der Pflaumenbaum (j.d.) I und I er 
auch die Apritofe (P. armeniaca L.) und die Kirſche 
(P. Cerasus L.) beigerechnet wurde, welche jest als 
für fich beitehende Gattungen aufgefaßt werden. P. 
spinosa L., der © hlehenborn, it ein dur 
ganz Europa gemeiner Straub, und eignet ſich na: 
mentlich zur Heritellung von Ginfriedigungen, In 
den Gärten pflanzt man bisweilen eine Ihöne Spiels 
art mit gefüllten Blüten an. P. japonica Thbg., 
ein nicht über 1 m hoher Straud) der Landidaft?: 
ärten mit ——— paarweiſe oder zu dreien 
Were beilroten Blüten, Einer ihrer Spielarten 
(var. multiplex Ser.) beſiht gefüllte rofenrote und 
eine andere (var. alba plena) dichtgefüllte weiße 
Blüten. P. Mahaleb L., Steinweidjel, ein in 
Vittel: und Südeuropa einheimisher Straud) oder 
Baum von 5—8 m Höhe, wird bei der Anlage von 
Larlgehölzen häufig als Füllmaterial vun und 
iſt nůt feinen zahlreichen weißen, in kurzgeitielten 
Doldentrauben ftehenden Blüten eine gan ange: 
neme —— Letztere, wie auch die Blätter 
und das Holz haben einen fräftigen Wohlgeruch. 
Aus den geraden, ſtarlen Schoſſen werden in ben 
Vogeſen die beliebten Weichſelrohre verfertigt. P. 
Padus L., Traubenfirjche, im Vollsmunde 
aud Silberregen, ein Yierbaum von 4—5 m 
Höhe, der in Blüte (im Mai) oder in Frucht gleich 
anmutigift. Er hat bräunliche, * weige, 
eirund-lanzettförmige, fpike, doppelt gefägte Blät: 
ter und feine langgeitielten, jtart duftenden, weißen 
Blüten ftehen in zahlreichen überbängenden Trau: 
ben. Gr findet ſich Häufig in Parlanlagen, wo er 
doppelt nüplich zu verwenden ıft, da er den Schat: 
ten höherer Gehölze verträgt. 2 der Gattung P. 
gehört auch der — (.d.). 
Brurigo oder Bruritus (lat.), das Juden, 
auch der Judausſchlag oder die Judblattern (j. 
Juden); aud Nigel, heftige Begierde. 


rufa, alte Stadt, das jekige Brufja (f. d.). 
ruſias, alte Stadt, ſ. Gemlilk. 
ruſias, zwei Könige von Bithynien (f. d.). 


‚neulat, Name für Preußen. 

Pruth (Pyretos bei den Alten), ein Nebenfluß 
der Donau, entfpringt in Galizien auf dem nord: 
öftl. Abhang der Karpaten, unweit der Schwarzen 
heiß auf dem Homiliberge, fließt anfangs eine 
kurze Strede nad) Norden, nimmt rechts den Grenz— 
uk zwiſchen Galizien und der Bulomwina, den Gje: 
remosz auf, geht dann durch die Bulomwina nad) 
Diten und zuleht nad) Süden, bis er ſich nad) einem 
Laufe von 630 km bei Reni, öftlid von Galacz, in 
die Donau ergieht. Raſch in feinem obern Laufe, 
durchſtrömt der Fluß von Stephaneidi an nur 
langiam die Ebenen ar untern Laufs: ſchiffbar 
wird derſelbe erſt auf eine Strede von 266 km von 
Slulieny, gegenüber Jaſſy, an. Auf einer dur 
Windungen des Fluſſes gebildeten Landzunge wurde 

eter d, Gr. bei dem Städten Huſch von ben 

ürlen gänzlich eingeſchloſſen und 23. Juli 1711 
re Frieden am P. gezwungen. Der P. bildete 
eit dem Frieden von Bulareft (1812) die Grenze 
—2 dem türk. und dem ruſſ. Reich, ſeit dem 

rieden von Paris (1856) jedoch nur noch bis Ka: 


dh) | ftudierte 1834—8383 Whilologie, 


Prunus — Pruß 


tamori (etwas unterhalb de3 47. Breitengrabes), 
während von da an bis zur Mündung aud) das 
linte Ufer zu Rumänien neihlagen wurde. Der 
Berliner Bertrag vom 13. Juli 1878, nad welchem 
das 1856 an Numänien —— Stüd Beſſara⸗ 
bien an Rußland zurüdfiel, macht jedoch den P. 
wieder bis zu feiner Mündung zum Grenzfluß zwi⸗ 
ihen Rumänien (Wejtufer) und Rußland (Dftufer). 
‚Brut (Rob. Eduard), deutſcher Dichter, A 
tifer und Hiftoriler, geb. 30, Mai 1816 zu — 
bilofopbie 
Geſchichte zu Berlin, Breslau und Halle und begann 
feine litterariiche Thätigleit mit Beiträgen zu den 
—— dann «Deutſchen Jahrbücern». Seit 
1840 in Preußen vonder Bolizeigemaßregelt, wandte 
er fih erft nach Dresden, dann nad) Jena, von wo 
er, 1843 — nad) Halle ging. Erſt 1846 
erhielt er zu Berlin die Erlaubnis zu litterarhiltor, 
Vorlefungen. m J. 1847 übernahm er die dras 
maturgijche Peitung des hamburger Stabttheaters, 
wo er «Dramaturgiiche Blätter» erjcheinen lieh; 
doch gab er diefe Stellung bald auf. Er privati- 
fierte erft in Hamburg, dann in Dresden, wo er 
nad Ausbruch der Februarrevolution Vortrade 
über die neueſten Zeitereigniſſe hielt. Hierauf bes 
gab er ſich im März 1848 nach Berlin ieß 
mit Gintritt der ovembertataftropbe die — 
Hauptſtadt wieder und lebte zu Stettin er 
Ditern 1849 ala außerord. Profeſſor der Litteraturs 
peihigte nad) Halle berufen wurde. Aus dieſer Stel- 
ung ſchied er 1859 und fiedelte nad) Stettin über. 
Einen Namen machte fih P. zuerit durch feine 
Monographie: «Der Göttinger Dichterbund» (ps. 
1841), Diejer folgte die unvollendet gebliebene 
«Geſchichte des deutihen Journalismus» 5 
Hannov, 1845), dann die «VBorlefungen d 
Geicichte des deutfchen Theaters» (Werl. 1847), 
«Borlefungen über die deutiche Litteratur der Ge: 
genwart» (en 1847) und «Zehn Jahre. 1840—50. 
Geſchichte der neueften Zeit» e ., 2.1 
56), denen fi) das « Tafchenbuch der neueſten Ges 
ſchichte (1. Jahrg. 1849, Deflau 1851) anf 
m J. 1851 begann er mit Wolfjohn das 
Mufeum» (2pz.), eine Wocenjchrift, die er feit 
Dit. 1851 allein redigierte, bis 1866 8. in 


Berlin erg a on. . —— 
eine «Gedichte» (4. Aufl., Lpz. dienen, 
und «Neue —— (2. Aufl., . 1849) 

erfe» (4Bde,, 2pz.1 7-49) 


eg ge - — 
olgten. In dem Luſtſpiel «Die polit. u ante 
(3. Aufl., Zür, 1845) lich er In Arifto —— 
Weiſe der freieſten Laune die Zügel ſchießen. In 
Folgezeit wandte ſich P. Roman zu. 3 
veröffentlichte er «Die Schwägerin» (Defiau 

ferner «Das Engelhen» (3 Bde., 2pj. 1851); 
diefen ſchloſſen jth an: «Der Mufilantenturm» 
(3 Bde., Lpz. 1855), «Helene» (3 Bbde., Brag 1857) 
und «Vberndorf» (3 Bde., Lpz. 1862). Bon feinen 
fpätern Arbeiten find die litterarhiſtor. S 

über «Ludwig Holbergs (Stuttg. 1857) und 
Litteratur der Gegenwart, 185060» (2. 

2 Bde., Lpy. 1860), die poetiihen Sammlungen 
«Aus der Heimat» (1858), «Aus goldenen —— 
Prag 1861), «Herbitrojen» (4. Yu ge d), 
«Stinmen der Liebe» (Berl. 1868) und «Buch der 
Liebe» (3. Aufl., Lpz. 1874) hervorzuheben. - 
itarb 21. Juni 1872 in Stettin infolge eines 
hirnſchlags. Vol. Gottſchall, «Robert P. - Ein lite 
terariiher Efjay» (in «linfere Zeit», 2p3. 1872) 


Prytaneum — 


Hans P., Sohn des vorigen, geb. 20. Mai 1843 
zu Jena, ftubierte in Jena und Berlin Geihichte 
und war 1863—72 je am Gymmafium zu 
Danzig. Durch feine Monographie «Heinrich der 
Löwen (?p3. 1865) und fein Wert Safer ihr L» 
(3 Bde., Danz. 1871— 74) belannt geworden, wurde 
er 1872 als DOberlehrer an die iriedrihs «Wer: 
derſche Gewerbeſchule zu Berlin berufen und habi: 
fitierte fih 1873 an der berliner Univerfität. - Im 
Dane 1874 führte er im Auftrag des Deutichen 

eichs lanzleramts eine Forihungsreife nad Syrien 
und beſonders Zyrus aus, deren Ergebniffe er in 
dem Bud; «Aus Phönizien. Geogr. Skizzen und 

iftor. Studien» (Lpz. 1876) niederlegte. Seit 
tern 1877 wirlt er als ord. Profeſſor der Ge: 
ſchichte an der Univerfität Königsberg. Von P. er: 
ienen ferner: «Geſchichte des Sireifes Neuftadt in 
jeitpreußen» (Danz. 1869), «Geheimlehre und Ge: 
heimſtatuten des Tempelberrenorbens» (Berl. 1875), 
«Duellenbeiträge zur Geſchichte der Kreugüge⸗ 
Left 1, Danz. 1876), «Die Befikungen des Deut: 
hen Ordens im Heiligen Lande» (Ep. 1877), 
eg te des Abendlande3 von Karl d. Gr. 
big imilian» (1. Bd., Berl, 1885, in 
Ondens Gef — 
Brytaucum (grch. Prytaneion) hieß in den alt: 
eh. Städten ein etwa unferm Rat: oder Stadt: 
us En! A age ps Gebäude, in welchem die Bry: 
tanen, d. h. bie regierende Behörde, oder in be: 
mofratiihen Staaten ein Ausfhuß des Rats (in 
Athen aus 50 Mitgliedern beftehend), der je unge: 
F einen Monat hindurch die laufenden Seichähte 
rte, zuſammenlamen und aud ihre gemeinfamen 
ableiten auf Staatstoften hielten. Zu dieſen 
Mahlzeiten wurden auch ausgezeichnete Fremde, 
befonders Gejandte —— Staaten, häufi 
als Ehrengãſte eingeladen, und Bürger, welche fi 
große Verdienfte um das Vaterland erworben hat: 
ten (wozu im Altertum auch die Sieger in den gro: 
ben ‚Nationalfpielen gerechnet wurden), erhielten 
als höchſte Ehrenbezeigung lebenslänglihe Spei: 
fung im P. In Athen, wo das alte \ in einiger 
Entfernung öftli von der Agora am Nordfuhe der 
Alropolis ng. wurde feit der Demotratifierung 
Athens durch Hlei Re gegen Ende des 6. Yahrh. 
v. Chr. das Speiſelolal der Brytanen in die neben 
dem Nathaufe (Buleuterion) von der Südoftfeite 
der Agora gelegene olos verlegt. Den Mittel: 
—— edes B. bildete der ber Heſtia geweihte hei— 
ice Herd der Stadt, auf welchem ewiges Feuer 
unterhalten wurde; von diefem nahmen Stoloniften 
Feuer mit, wenn fie auszogen, ſich eine neue Heimat 
in der Fremde zu gründen, als Symbol des Zuſam⸗ 
menhangs wilden der vlutter und Tochterſtadt. 
nie, Stadt, ſoviel wie zen: 
‚ eine der ältejten Städte des öfterr, 
Kronlandes Galizien, liegt zu beiden Seiten des 
Fluſſes San, über welchen eine Brüde, fowie weiter 
abwärts eine Eifenbahnbrüde führt, ift Anoten: 
punlt der Karl Ludwigsbahn und der Ungarijch: 
—— Eſenbahn, ſeit 1874 ſtark befeſtigt und 
befigt ein geräumiges verſchanztes Lager. 
Stadt zählt (1880) 9244, als Gemeinde 22040 E. 
darunter ein Drittel Juden. Sie ijt Siß einer 
— anebBaizttgeelätl, einer 
dinanzbezirtödireltion und anderer Behörden; fer: 
ner eines röm.sfath. (feit 1375) und eines griech.⸗ 
tath. (ſeit 1218) Bistums, Unter den Gebäuden 
zei ſich die beiden altertümlihen Domlirchen 
nö»Leziton, 13, Aufl, XIIL 


Die R 


Przewalſtij 369 


aus. Bon Klöftern beftehen ein Franziskaner: und 
ein Reformatenttoiter, fowieein Benebiktinernonnen: 
Hofter mit einem Lehrerinnenfeminar und einer hö- 
bern Mädchenſchule. Dem Unterricht dienen nod) 
ein Obergymnaftum, eine höhere Bürgerfchule, eine 
Haupt: und zwei Vollsſchulen, ein rönt.tath. und 
ein gried.sfath. Seminar, eine PBrivatanftalt für 
— —— ein Muſikverein mit einer Mufit: 
ſchule für Knaben und eine Bibliothet des griech. 
tath. Domtapitels. Der Handel, der ſich zumeijt 
in jud. Händen befindet, beſchränlt ſich m Holz, 
Getreide, Leder und Leinwand, Bon gewerbliden 
Anlagen beftehen zwei Dampfmühlen, eine Spos 
dium: und Mafchinenfabrif, eine —— le 
und eine Liqueur- und Roſogliofabrik. Auf dem 
der Stadt benachbarten Berge liegen die ziemlich 
gut erhaltenen Nuinen zweier Bajtionen des u. 
maligen fürftl, Nefiden Äihlofies, P. foll bereits im 
8. Yahrh. von dem poln. Fürften Przemyſlaw bes 
gründet und nad) diefem benannt worden fein. 
—— Stadt im öſtl. Galizien, Sik 
einer Bezirfshauptmannihaft und eines Bezirks: 
gerichts, zählt (1880) 3654 E. meift ruthen. Stam⸗ 
mes, hat eine Gerberei, eine Dampfbrauerei, eine 
Spiritusbrennerei und bedeutenden Hopfenbau. 
Przewalſtkij (Nitolai von), ber bedeutendſte 
neuere ruf. Entdedun —— geb. 31. Mär; 
1839 al3 Sohn eines Gutsbeſihers im Gouverne: 
ment Smolenst, beſuchte das © —— zu Smo⸗ 
lenst und ſpäter die Militäralademie in Peters: 
burg. Er wurde Lehrer der Geſchichte und Geo: 
raphie an der Junkerſchule zu Warihau und er: 
hl 1867 auf feinen Wunſch eine Anftellung in 
jtübirien, wo er zwei Jahre lang blieb und na: 
mentlich das Uſſurigebiet durchforſchte. Hierauf 
durchreiſte er 1870 die Mongolei auf der Linie von 
Kiachta nad) Peking, durchforfchte von bier 1871 
die ſudl. Mongolei und brach im März 1872 von 
Peling nah der dinef. Provinz Ganfu auf und 
drang bis an den obern Yang:tjesliang vor. Bon 
—— wandte er ſich nad) Norden, durchzog die Wuſte 
obi und fan im Dit. 1873 in Irlutsk an, Eine 
neue Entdedungsreile, welche die Erforfhung des 
Lob:Nor:Sces und des Altyn: Tag: Gebirges zum 
Zmwed hatte, begann B. von Kutfän aus 12, Aug. 
1876. Nachdem er fein Ziel erreicht, fam er im 
—* 1877 mit reichen botan. und zoolog. Samm⸗ 
ungen wieder in Kuldiha an. Wegen Erkrankung 
m Febr. 1879 


tehrte er nad) ep Sr „Behr: 
ab und war 


reifte P. wieder von Petersbur 
30. Mai in Chami, überftieg das Nanihangebirge 
und drang in Tibet ein; al3 er nur noch 260 km 
von Laſſa entfernt war, wurde bie Weiterreife ges 
waltfam gehemmt und P. 309 nad) Sining, er 
forſchte das Quellgebiet des Hoangho, ging über 
Urga und Kiachta zurüd und war Ende 1850 wieder 
in Orenburg. Cine neue Reife trat er Nov. 1883 
von Kiachta aus an, durchzog die Wüſte Gobi nad) 
Alaſchan und dem öftl, Zaidam, entdedte in 4140 m 
Meereshöhe die Quellen des —— und drang 
bis zum Yang⸗tſe⸗liang vor; hierauf trat er ben 
üdweg an und gelangte 7. Febr. 1885 an den 
Lob⸗Nor. Sein Berfud, von hier in das eigentliche 
Tibet zu gelangen, fcheiterte, B. zog deshalb nad) 
Chotan, um über Alſu nad) Guropa zurüdzutehren. 
> iſt get enwärtig Oberft im rufj. Generalitab. 

eine elleheri te find meiſt in den Bublilationen 
der kaiferl, ruf. Geogra —— Geſellſchaft zu 
Petersburg ent * em veröffentlichte er 


(ten, Außer 


370 


«NReiſen in der Mongolei, im Gebiet der Tanguten 
und den Wüiten Norbtibets 1870— 73» (me jüch, 
2Bde., Petersb. 1875— 76; deutich von Slohn, Jena 
1877) und »Neifen in Tibet und am obern Laufe des 
Gelben Flufies in den J. 1879—80» (rufj., Petersb. 
1883; beutich von Stein:Norbheim, Jena 1884). 
ibram, Stadt in Böhmen, }. Bribram. 
P.3, —— für Postseriptum, Nachſchrift. 
aligraph „1. Ausigneidetunft. 
alm (grch.), im Niederfähliihen Salm, 
ibt im allgemeinen foviel ala Geſang. eg 
weife aber verfteht man unter P. die im Alten Te: 
jtament in eine ——— ſ. d.) ver: 
einigten religiöfen Gejänge bebr. Voils Der 
——— ſalter iſt aus mehrern, zum Teil 
ß re ungleicharligen Sammlungen in — 
ter Zeit zuſammengeſtellt worden. Einige Lieder 
find ſogar in doppelter Recenſion auf uns gelom: 
men. Die liberlieferung führt die P. teild auf den 
König David, dem allein TI ®. beigelegt werden, 
teils auf feine Sang: und Mlufitmeijter Aſſaph, 
Heman, Ethan, einige auch auf andere Namen zu: 
rüd (darunter fogar den 9. P. auf Moſes und 
V. 72 und 127 auf Salomo). Obgleich ſich der 
Tempel efang zugleih mit dem reidhern gottes: 
dienitlichen Seremoniell erft nad Salomos Tem: 
pelbau ausbilden fonnte, fo werben doch einige dem 
David beigelegte P. wirklih von ihm berrüßren. 
Aber bie —* ſind ſicher ſpätern Urſprungs. 
Mehrere unter den Klagpſalmen rühren von pro: 
vhetiſchen nern her, welche für die hittere 
Wahrheit, die ſie verfünbeten, von ihren Zeitge: 
nojien Hohn und Mißhandlung ernteten. Andere 
ftanımen wohl aus der Trauerzeit der Babyloni: 
ichen Gefangenſchaft und der Rüdtehr, wohin wohl 
befonders die gehören, die mit dem Namen ber 
Kinder Korah bezeichnet find und wahrſcheinlich 
meijt_einen Verfaller haben. Aus noch jpäterer 
Zeit find die fog. Stufenpfalmen, von Luther mib- 
verftanden Lieder im böhern Chor nenannt, jene 
Neifelieder, die man auf die Nüdlehr von Babylon 
bezogen bat, die aber überhaupt ſich auf die jähr: 
lichen Walltahrten nad) Jerufalem und dem Tempel 
beziehen, Einige wenige endlich ſcheinen jogar der 
er ber Mallabãer anzugebören. Die gegenwärtige 
mmlung befteht aus 150 P., die jedod) in ältern 
Handſchriften nicht überall mit derjelben Zahl be: 
zeichnet find wie in der liberjegung Luthers. Die 
ganye Sammlung zerfällt in fünf Bücher, deren 
jcbes mit einer Doxologie fließt. Die Ticdhtgat: 
tung, welder die P. angehören, ijt im allgemeinen 
die religiöfe Lyrit, Die meiften haben die Gebets: 
form, beginnen oder enden al$ Gebet und find, fie 
mögen Klage, Trauer oder Troſt ausiprehen, Aus: 
drud bes tiefiten Gottvertrauens und der lebendig: 
iten — Doch ſpricht ſich in vielen ein das 
chriſtl. Bewußtſein befremdendes Vertrauen auf die 
eigene —— und Unſchuld, in andern auch 
ein leidenfchaftliches Berlangen nad Rache an den 
Feinden aus. Bei vielen derſelben laſſen fich die 
geſchichtlichen Beziehungen nody auffinden. Übri— 
2. enthält die Sanımlung der PB. im Alten Te: 
tament keineswegs den ganzen Liederihak der 
Hebräer. Im Alten Teftament felbit werden noch 
manche erwähnt, die fich in der Bjalnenfanımlung 
nicht finden, 3. B. ber — —*— der Debora 
im Buch der Richter. In der alten reform. Kirche 
wurden bie P. beim öffentlichen Gottesdienſt ge: 
fungen, und eine Reihe evang. Kirchenlieder find 


Przidram — Pſeudepigraphen 


aus Umdichtungen bibliſcher P. hervorgegangen. 
Die beſte Überjehung iſt die von De Wette. Gute 
Stommentare haben De Wette, Hibig, Sn Len- 
gerle, Ewald und Olshauſen gegeben. Her 
der, «&eijt der ebräifchen Poefie» (2 Tle., 3. Aufl. 
von Juſti, Lpz. 1825); Gwald, «Die Dichter des 
alten Bundes» (2. Aufl., Bd. 1 u. 2, Gött. 1866). 

Pialmödie (grch.) bezeichnet ſowohl das Singen 
der Bialmen mit oder ohne Mufikbegfeitung, als 
die Vielodie des Pjalmengefangs. Die alte P., wie 
fie bei den Juden üblich war, üt unbelannt. Schon 
in der gpoſtoliſchen Kirche waren P. bei jeber lirch⸗ 
lihen eier gebrãuchlich. 

Bialter (grd.) hieß das Saiteninſtrument, un: 
ter befien —— die Bialmen gchn n mwıtr: 
den, eine dreiedige Spipharfe. Auch * man 
mit P. die ganje Sammlung der Bjalmen. a 
Mittelalter hieß P. der lange Rojentranz, den bie 
Nonnen einiger Orden führten. 

terium Mariae, j. unter Ave Maria. 
fammenit, ſ. umter Bfammetid. 


fammötich it der wahrſcheinli de) 
Name von drei ägypt. Königen der 26. z 
ſchen Dynajtie. Die grieh. Schrütfteller nannten 
den zweiten König diejes Namens Piammis, ben 
dritten Pfammenitos mit wi Berän- 
berung. Der erſte und berühmteite war ur: 


Iprünglid) Fürft von Sais; erregierte663—610 und 
befreite das Laud mit Hilfe griech. Söldner von ber 
afiyr. Oberhoheit. Gleichzeitig unterwarf er die an: 
dern Kleinen Fürjten, die von Herodot jo genannten 
Dodelarchen. Er gab der ägupt. Politik eine neue 
Richtung, indem er griech. Söldner in Dienft nahm 
und das Yand dem fremden Handel ‚wo: 
durch ihm ungeheuere Neichtümer zufloil Auch 
die Kunſt nahm unter ſeiner —— einen neuen 
Aufihwung; freilich trägt fie jo wie die pause 
Kultur diejer ug einen gelehrt a 
Charalter. U diefe fpäte nationale Blüte 
dauerte nur bis an das Ende feiner Dynajtie, wo 
die Perſer das Land unter P. IH. eroberten. 
fammis, f. unter Pſammetich. 
fammöm (gr. Eandgeihwulft), eine rund⸗ 
lie, höderige, dem Sarlom (f. d.) nabe 
Geſchwulſt mit veichlicher Cinlagern er oder 
jandiger Stonfremente, findet ſich bisweilen im ®e- 
birn und an der harten Hirnhaut. 
Piara, Injel im Agäiihen Meer, ſ. Ipjara. 
Psaronius Corda nennt man in der v: 
paläüontologie eine Gruppe von foffilen Farnzeiten, 
die größtenteils ſich im eng finden, Es 
ſind teils Stämme mit breiten Gefähbänbeln, teils 
—* auch kp die op —* Er im 
ehtern Falle zeigen fie auf dem Querſchnitte zahl: 
reiche freisförmige oder lptiide er — 
fend...,1. Bieude... _ 
fendarthröfid (grch.), faliches Gefent, ſ. un: 
— —— (erh..d.6. 6% 
eudepigraphen (ard)., d. h. Schriften unter 
falſchen Namen) heißen im kirchlichen Spenge: 
braude eine Reihe von Schriften, weldye nady Ab: 
ſchluß des altteftamentlichen Kanon unter den Ra: 
men von alten Gottegmännern umb Propheten, 
wie Henoch, Moſe, Jeſaja, Jeremia, 
Baruch, Esra u. ſ. w. in Umlauf geſeßt wurden. 
Dieſelben werden von den Apolryphen des Alten Te: 
ſtaments noch unterſchieden. Die jehr zahlreich un: 
ter falſchem Namen verbreitete neuteſt 
Litteratur wird, joweit bie ältere Kirche ihre Pfeubo: 


Pſeudo ... — Pjendomorphofen 371 


nymitãt durchſchaute, unter den Namen «Apo— 
bes Neuen Zeitaments» zuſammengefaßt. 
Diefe Art von Schriftitellerei war zu einer Zeit 
außerordentlich verbreitet, welche den Begriff des 
litterariichen Eigentums nicht kannte und die Män- 
ner, unter deren Namen man neue Litteraturpro: 
dulle ausgehen lieh, zu = meinte. Sammlun: 
gen der P. des Alten Tejtaments haben Fabricius, 
«Codex pseudepigraphus Veteris Testamenti» 
(2, Aufl., 2 Bde., Hamb. 1713— 23), Gfrörer, «Pro- 
phetae veteres pseudepigraphi» (Stuttg. 1840), 
und Ärigiche, «Libri Veteris Testamenti pseud- 
epigraphi selectio (EB: 1871) herausgegeben, 

Wieudo... (vor falen Pteud..., vom grch. 
Yeidw, d. i. belügen, taͤuſchen), als Borfilbe in 
Zufanımenfeßungen aus dem Griechiſchen, bedeu: 
tet, daß nicht der wahre Begriff des durd) die Nach— 

Iben bezeichneten Wortes, fondern etwas diefem 

älſchlich Angedichtetes und Untergeihobenes ge: 
meint fei, 3. B. Pſeudophiloſophie, Mieudoproppet, 
Pſeudoſmaragd u. ſ. w. Cbenjo wird es Namen 
vorgefebt, die jemand nicht zulommen, ſei es nun, 
daß die Perſon fie felbft fich zueignet, z. B. Pſeudo— 
Demetrius, Pſeudo⸗Sebaſtian, Bjeudo:Smerbdig:c., 
oder daß jie ihr von Spätern beigelegt wurden, 
3: B. Pſeudo⸗ Iſidor, Pſeudo⸗Orpheus ıc. 

‚ Bienbodipteros hieß ein gried. Bau, welder 
eine ringsum laufende Säufenhalle hatte, wenn 
dieſe jo weit von ben Mauern des Tempels entfernt 
war, wie bei dem wirklich von einer doppelten Säu: 


("BBfeubobogie (prä), falhe Sehre, Zreleh 
odorie .), fa ebre, Irrlehre. 
a (grd., faliche Roſe), 
pP ne diffusa, eine ausgebreitete heftige Ent: 
zändung der Haut und bes Unterhautzellgewebes, 
welche in ihren Symptomen mande uSy feit mit 
dem echten Eryfipel oder der Rofe (f. ) hat, von 
diefer aber dur ihren atypifchen Berlauf unter: 
ſchieden iſt. Sie führt meift zu ausgebreiteter Eiter: 
bi ‚oft auch zu brandiger Zerjtörung des 
Unterhautzellgewebes. Die Behandlung hat vor: 
nehmlich für eine möglichſt baldige Entleerung der 
entjtandenen Abſceſſe durch große und tiefe Ein: 
ichnitte, ſowie für einen forgfältigen antijeptiichen 
Verband zu 


auf i 
‚ Biendo: Fidorifche Defretalen beißt eine 
lirchliche Rechtsſammlung, weldhe um die Mitte 

9. Jahrh. im Frantenreihe auftritt, und 
von einem unbelannten, weitfräntiihen, erit ber 
rheimfer Kirchenprovi er gr Geiſtlichen 
veranjtaltet iſt. Dieſelbe gibt ſich den Anſchein 
identiſch zu ſein mit einer ältern, dem Iſidor 
von Sevilla fälſchlich zugeſchriebenen lirchenrecht— 
lichen —— die auch im Frankenreiche 
verbreitet war. Sie unterſcheidet ſich aber von 
derſelben namentlich dadurch, daß ſie viele Be— 
ſtandteile enthält, die in jener fehlen und welche 
ich durchweg als Fälſchungen charalterifieren. Der 
Berfafler bat nämlich nicht nur eine Anzahl ge: 
fälſchter Altenftüde, die ſchon vorher verbreitet 
waren, in jeine Sammlung aufgenommen, ſondern 
- ‚jelbit zahlreiche Briefe gefertigt, welche er 
N 9 aus Stellen von Schriftitellern, Ge: 
—* Konzilien zuſammenſetzte und als von den 
ültejten PBäpiten außgegangen bezeichnet. Bei die: 
ſer groben Fälſchung iſt als ausgeſprochene Ten: 
denz erlennbar, die älteſten Zeugen des Chriſten— 
zu le I welche zu ben 


tums ausfpre 
Fuhänden des Sehufifäeniiteids In Kheian Ge 


genſatz ftehen und font diefe ala ſchädlich und ab: 
änderungswürdig bezeichnen. Soweit dieſe Ten: 
denzen mit denen der röm. Päpfte und dem Ber: 
treter des Papſtſyſtems übereinftimmten, haben 
dieje die pfeudo:tfiborifchen Materialien benußt, die 
denn aud) in die Rechtsſammlungen und in das 
Corpus juris canonici eingeſchloſſen find und die 
Rechtsentwickelung der Kirche ftark beeinflußt haben. 
Daß das pfeudo:ifiborifche Werk Fälſchungen ent: 
halte, iſt feit dem 16. Jahrh. deutlich erfannt wor: 
den und heute unbeftritten. Cine kritiſche Ausgabe 
des Wertes ward 1863 von Hinſchius veranftaltet. 

—— ſ. Joſippon. 

Pſeudokrupp, nachts bei kleinen Kindern 
auftretende Anfälle von heftiger Atemnot, die mit 
Sruppanfällen eine game bnlichleit win und 
polge von alutem Kehltopflatarrh find; Behand— 

ung: Brechmittel, warmes Getränf, warme Um: 
fchläge auf den Hals. 

Plendomembrän (grö.:lat., d. i. falfche Haut, 
Afterhaut), in der Medizin hautähnliches Gerinfel, 
durch Ausſchwißung gerinnbarer Lymphe entjtehend. 

Pfeudomorphoſeun (nach der ältern Bezeich— 
nung Afterkryſta = nennt man diejenigen fry: 
ftallinifchen oder amorphen Mineralförper, welche, 
ohne jelbjt Kryſtalle zu fein, die ihrer Subſtanz 
nicht zulommende Kryſtallform eines andern Mi: 
neral3 zeigen. Die oft äußerlich ganz ſcharfkantigen 
und glattflädigen P. bejtehen nicht aus einem In— 
bividuum der ihrer Form entiprechenden Mineral: 
art, jondern meiſt aus einem lörnigen, fajerigen 
oder dichten Aggregat einer ganz andern Mineral: 
art, und diefe äußere Form der P. üt nur das rüd: 
ftändige Monument des urfprünglichen und oft 
nun ſpurlos verſchwundenen Kryftalls, um welchen, 
in welchem und aus weldem die P. gebildet wurde. 
Gemäß der verfhiedenen Entjtehungsweife unter: 
ſcheidet man bei den P. einerfeit die Umhüllungs- 
und Ausfüllungs = B — — andererſeits 
die — Tr er ofen. 

Bei ben Umbüllungs: Pjeudomorphofen 
handelt e3 na um den Abjah einer dünnen Krufte 
irgend einer Mineralſubſtanz auf den Kryſtallflächen 
eines andern Minerals. Wenn 5. B. eine Er 
Schicht von Quarz ein Rhomboẽder von Kallſpat 
überziebt, jo ftellt bier der Quarz äußerlich eine 
Form dar, welde ihm felbft nicht zulommt. ft 
dann jpäter der umbüllte innerlide Kallſpat durch 
irgend einen natürlichen Auflöfungsprozep, welcher 
die Quarzkruſte verſchonte, entfernt worden, jo blieb 
entweder der Quarz mit der von dem Kallſpat er: 
borgten Geitalt als leere Schale übrig, oder es 
wurde diejer Hohlraum alsdann im auf der Zeit 
durch Abjag einer neuen Mineraljubitanz in der 
Innenſeite teilweife oder ganz ausgefüllt, wodurch 
dann auch bieje, einem Abguß zu vergleichende ein: 
jeführte Maſſe an ihrer Außenfeite die ihr fremde 

altypatform gewann. Während dieje Vorgänge 
mehr auf dem einfach mechanisch erfolgten Abfas 
eines fremdartigen Mineral3 aus Gewäſſern be: 
ruhen, wurden dagegen die Umwandlungs-Pſeudo— 
morphojen vermöge der jubjtantiellen Veränderung 
eines Kryſtalls, vermöge der em. Erjegung feiner 
Subſtanz durch eine andere, und »e unter Bei: 
behaltung feiner Form gebildet. Diefe dem. Un: 
wandlung beginnt gewöhnlih an der Oberfläche, 
dringt dann, namentlich zunächſt auf gg 
en, allmählich weiter einwärt3 vor, und fo findet 
man. nicht felten im Innern einer folden P. noch 

24* 


yYy\ ml 2 c 


372 


einen unveränderten Kern des urſprünglichen Mi: 
nerals, aus deſſen Zerfepung die P. hervorging. 
Diefe Ummwandlungs: Pfeudomorphofen 
find 1) foldye, bei weldyen zwifchen der urjprüng: 
lien und der pfeudomorphen Subſtanz noch 
ein hem. Zuſammenhang ftattfindet, indem beide 
Mailen wenigftens noch einen oder mehrere Be: 
itandteile gemein haben; dieſe fönnen gebildet wer: 
den durch Nerluft gewiſſer Beitandteile (nicht fon: 
derlich häufig), oder durch Aufnahme neuer Be: 
jtandteile (3. B. von Waller, Sauerftoff, Kohlen: 
fäure, wie die P. von Gips nad Anbydrit, von 
— 5 nach Rotlupfererz), oder endlich durch 
teilweilen Austaufd von Beitandteilen, wobei die 
uriprünglihe Subitanz gewiſſe Stoffe verloren, 
andere dafür aufgenommen hat, 3. B. die weitver: 
breitete P. von Brauneifen nad Cijenties oder 
Eifenjpat, Kaolin nach Feldipat, Aragonit nad 
Gips u. f.w.; 2) folde B., bei welchen die Ten 
Beltandteile des urjprünglicen und des an jeine 
Stelle getretenen Minerals vermöge des jtattge: 
fundenen Stofjaustaufhes gänzlich voneinander 
verſchieden find (4. B. Uuarz, Flußſpat oder Kalt: 
fpat, Giientie® nah Quarz, Zinnſiein nad Feld: 
ipat), eine Abteilung der B., deren genetiſche Deus 
tung noch manches Ratſelhafte bietet. Die pfeudo: 
morphe Umbildung ijt übrigens nur ein ganz ipe: 
zieller Fall der großartigen hem. Veränderung: 
vorgänge im Dlineralreid) und zwar derjenige, bei 
weldem während und troß der Wletamorphoje bie 
äußere Geitalt erhalten blieb. Dieſe unſcheinbaren 
Gebilde find aud für die Geologie von höchſter 
Wichtigkeit, denn durch fie wird in erjter Linie bie 
Grienntnid und Spezialifierung der gejebmähig 
verlaufenden dem. Prozeſſe vermittelt, welche in 
den Gebirgen der äußern Erdkruſte thätig waren 
und noch fortwährend andauern, _Breithaupt, 
Blum, Dana, Haidinger, Scheerer, ©. a. ba: 
ben ſich —— um Auffindung, Beſchreibung 
und Deutung der P. verdient gemacht. 
Pſeudonhm (grch.) nennt man eine Schrift, die 
entweder abſichtlich von dem Verfaffer unter einem 
falſchen Namen ge wurde oder den Na: 
men eines Verfaljers führt, der fie nicht verfaßt bat. 
Bfeudönymus it daher derjenige, der diefen 
falſchen Namen mit Abſicht oder aud) ohne fein Zus 
thun führt._ Die volljtändigiten Verzeichniſſe pjeu: 
donymer Schriftiteller gaben Barbier in dem 
«Dictionnaire des ouyrages anonymes et pscudo- 
nymes» (3. Aufl., Bar. 1872 fg.), De Manne in 
«Nouveau dictionnaire des ouvrages anonymes 
et pseudonymes» (2. Aufl., Bar. 1862; dazu «Re- 
touches» von Qusrard, Bar. 1862); Qudrard, «Les 
&crivains pseudonymes de la litt6rature frangaise» 
(Kar, 1854—56); Yancetti, «Pseudonimia» (Mail. 
1836); (Delzi,) «Dizionario di opere anonime e 
pseudonime di scrittori italiani» (3 Bde., Mail. 
1848—59); Weller, «Die mastierte Litteraturn 
(Bd. 1: «Index pseudonymorum», 2. Aufl., Xp}. 
1862; Supplement, 1867); «Essaı d’un dietion- 
naire des ouvrages anonymes et pseudonymes 
publies en Belgique» (Brüfl. 1863); Doornind, 
«Bibliotheck van nederlandsche Anonymen en 
Pseudonymen» ('3 Gravenhage 1867— 70). 
Pfeudoparenhhm (grih.), botan. Bezeichnung 
für Gewebe, die zwar auf Durchſchnitten die Formen 
des gewöhnlichen Parenchyms zeigen, aber nicht 
durch Zellteilung entſtanden find, ſondern ſich durch 
dichtes Aneinanderlegen einzelner Zellen gebildet 






Pſeudonym — Pſlow 


haben. P. findet ſich beſonders häufig bei Pilzen, 
wo es durch Verflechtung und Verwachſung der 
Hyphen entſteht. 
Pſeudoplasma grch. geſchwulſtförmige Reu⸗ 
bildung, Gewächs, Altergebilve (j. Geihwulft). 
Pieudoftop (gr.) heißt ein von Wheatjtone 
1852) erfundener optiicher Apparat, der mitteld Res 
erion die von den Erhabenheiten und Bertiefungen 
der Körper ausgehenden Lichtſtrahlen derart ver: 
taufcht, dab daraus Umfehrungen des Reliefs für 
die Seherſcheinungen, mithin o tifhe Täufhungen 
entitehen, jodaß 3. B. das Nädjite als das Entfern⸗ 
tefte, das Entfernteite al3 das Nächite, Tontave 
Körper als fonver, fonvere aber als tonlav u. dal. 
erſcheinen. Das einfachſte B. ergibt fih, wenn man 
in einem Stereoftop die Bilder verwechſelt. 
Pſeudoſtopiſche Erjheinungen beißen die 
unmilltürlihen optiicen Tauſchungen bezüglich der 
Größe, —— Geſtalt der fihtbaren Ges 
genitände; fo 3. B. ſcheint eine geteilte Gerade 
länger als eine ungeteilte, ein ſehr heller Gegen: 
ftand näber als ein duntler u. dgl. m. 
Pſeudoſtorpione, ſ. Afterilorpione. 
Psidium ZL., Mlangengattung aus der Familie 
der Myrtaceen. Die Arten derjelben find ſamt⸗ 
ic im tropiſchen und ſubtropiſchen Amerila eins 
beimish. Am befannteften find die jog. Guaven: 
oderÖuajavenbäume, deren Früchte einfchmad: 
baftes Dbft liefern. Die als Objtbäume belichteften 
Arten find P. pyriferum L., ein urſprünglich nur 
in Weftindien und dem benachbarten äquatorialen 
Südamerila heimischer, jegt aber in allen Tropen: 
(ändern in verjhiedenen Abarten kultivierter Baum, 
und die Abarten desfelben befonders P. pomiferum 
L. und P. sapidissimum Jaeg. Alle Arten find 
ſchöne ig Bäume mit gegenftändigen, 
ganzrandigen Blättern und achſelſtandigen Blüten: 
buſcheln, deren wohlriechende Blüten aus fünf 
weißen, meilt großen Blumenblättern und zahl: 
reihen Staubgefäßen mit gelben Budeln beft 
Die durch Verſchmelzung der —* werden 
Kelchroͤhre und des darın An enen Frucht: 
fnoten® entitandenen Früchte enthalten in ihren 
marligen Innern mehrere harte Samen und 
bei P. pyriferum die Form und er einer Birne 
und eine äußere gelbliche gerk bei miferum 
eine runde Form, die Größe cined Borsdorfer 
Apfels und eine dunfelgrüne Farbe, während fie 
bei P. sapidissimum etwa einer Pflaume gleichen. 
Alle find aromatiſch wohlrichend und von füßem, 
mehr oder weniger aromatijchem (bei P. pyriferum 
imbeerartigem) Geihmad. Sie gehören Em 
liebteiten und geſchäßteſten Obitarten der Tropen: 
länder und werden teils rob, teils verſchiedenartig 
zubereitet gegeſſen. Die in —* eingemachten 
Fruchte lommen in neuerer Zeit als Konſerven 
in den Handel. 
omelan, Kae} Glaskopf (j. d.). 
ſilsſis (grich.), das Ausfallen der Haare; 
Piilothrum, ein Enthaarungsmittel, 
sittäous (lat.), Papagei. 
Biol, Fluf in den rufj. Gouvernements Kurst, 
Chartow und Poltawa, der in einer jump Ge: 
gend des Kreifes Obojanow entfpringt ur in füd: 
weitl, Richtung dem Dnjepr zuflieht. Er ift 560 km 
lang und großenteils fhijfbar. 
Bikom oder Wleftomw, feit 1777 ein Gouver- 
nement des europ. Rufland 


vielfa 


nd, einen ae 
des alten Großfürftentums Nomwgorod, nämlich 


Pſoa — Pſyche 


alte Fürſtentum P. —— und von ben Gouver: 
- nementö-Peter2burg,Nomwgorod, Twer, Smolenst, 
Witebst und Livland begrenzt wird. Das Land üt 
eben, nur an wenigen Stellen hügelig, meiſt jandig, 
im fübl, Teil fumpfig, ſehr reih an Seen (854) 
und von ziemlich waſſerreichen Fluſſen bewäſſert, 
die teils, wie der Lowat und Schelon, in den Ilmen— 
fee, teils, wie die Welitaia, in den 734 qkm großen 
Bitomwerfee fallen, welcher gegen Norden dur 
einen 64 km langen und 5—15 km breiten Waſſer⸗ 
zug mit dem Peipusſee in Verbindung ſteht. Der 
Ertrag des Aderbaues genügt = den Bebürfnifien 
ber Bewohner; von größerer Bedeutung ift der 
Flachs und Hanfbau. Die 31 Proz. der Bodenfläche 
einnehmenden Wälder bergen nur weniges Wild, 
deſto mehr Beeren und Pilze, die, fowie eine Art 
von Fiſchen, die ſog. Löffelitinte, woran die Flüſſe 
reich find, weit durch das Land verſchickt werden. 
duftrie und Handel find unbedeutend, Das 
ouvernement, welches in acht Kreiſe zerfällt, 
zählt (1882) auf 44208 qkm (davon 995 Waſſer) 
895 713 E. (meift Rufen). 

Die gleihnamige Hauptjtabt de3 Gouverne: 
ments liegt am rechten Ufer der Welifaja, 270 km 
im SSW. von Peteräburg, an der — 
Warſchauer Eiſenbahn und iſt der Sig des griech. 
Erzbiſchofs von P. und Livland, ſowie eines Civil: 
gouverneurs. Die Stadt zählt (1882) 21170 €. 
und hat einen ganz aus Stein erbauten Kreml und 
feite Mauern, breite Straßen, 38 griech. Kirchen, 
eine kath. und eine prot. Kirche, ein Priciterfeminar, 
ein Gymnafium, zwei Kreis: und zwei Kirchſpiels⸗ 
ſchulen, ein — drei Klöſter, ein 
Hoſpital, eine Militärſchule, ein Waiſenhaus und 
ein Zuchthaus, ſowie einen fteinernen Bazar. Man 
verfertigt gute Juchten, Leinwand und Segeltuch 
und treibt lebhaften Handel zu Waſſer nad) Narwa, 
u Lande na u. ——— im Fe: 

rar ein bedeutender Marlt abgehalten. Unter 
den Gebäuden zeichnen fich die mit verfilberten 
Kuppeln gezierte Kathedrale, das großartige Gou— 
vernementögebäudbe und das palaltartige Gebäude 
des Priefterfeminars_aus. SP. batte Früher eine 
republitaniſche Berfafiung, ſtand mit der Hanfa in 
lebhaften Verlehr und hählte einft 60000 E., wurde 
aber 1510 dur Iwan Waſſiljewitſch erobert und 
ijt ſeitdem nad) und nad) gefunfen. 
Er (ardh.), die Lenden: und Nierengegend. 
das (ard.), der große Lendenmustel, welcher 
von ber GSeitenflähe und den Duerfortiähen der 
denwirbel entipringt, unter dem Leiftenband aus 
der are bervortritt und fih am Oberjchen: 
felbein an et. ‘ 

BPfönsabjech (ar.-lat.), die Vereiterung des 
Lendenmustels infolge einer primären Entzündung 
des lestern oder fariöjer Seritörung der Lenden⸗ 
wirbef, verurjacht meijt eine Geſchwulſt in der Hüft: 
beuge, Schmerzen in den Lenden und Beſchwerden 
beim Geben. Behandlung: möglichſt frübgeitige 
Entleerung des Eiters, antifeptifher Verband. 

en (grch.), die Entzündung des Lenden: 
"Bora (gr&.), bie Rräbe; pforifd, ! 

ora .), die Krähe; pſoriſch, kräbig; 
**218 ittel (Psorica), Krägmittel. 

Pforiäfie (gri., d. i. Krägigfein), Schuppen: 
flechte, eine ronifche, nicht anſtedende Hautfrant: 
beit, welche auf einer ſchleichenden Entzündung der 
oberjten Lederhautſchichten beruht und ſich durd 
Bildung von trodenen, weißen, perlmutterartig 


373 


glänzenden Schuppen auf geröteten Hautitellen zu 
erkennen gibt. Je nad) der Form und Ausbreitung 
der franten Hautftellen unterfcheidet man verfcie- 
dene Formen der P. Handelt es fih um Meine 
runde Gijloresjenzen, jo fpridht man von einer 
Psoriasis guttata; durch Vergrößerung derſelben 
entitebt die großfledige P. nummularis; weiterhin 
untericheidet man die ringförmige P. annularis, die 
guirlandenartige P. gyrata und die nleihmähig 
über größere Hautftreden ausgebreitete P. diffusa. 
Lieblingsftellen der P. find die Stredieiten der Gr: 
tremitäten, beſonders die Aniee und die Glibogen. 

Die Krankheit kommt verhältnismäßig häufig 
vor, befällt vorzugsweiſe gefunde und kräftige In— 
dividuen und ijt in manchen Familien ein erbliches 
Leiden; mitunter ift fie ein Sumptom allgemeiner 
Syphilis. Der Verlauf der trodenen Schuppen: 
flechte ift gewöhnlich ein ſehr hartnädiger und Rüd: 
fälle find auch nad) vollitändiger Abheilung unge: 
mein häufig. Die Behandlung befteht zunächſt in 
der Entfernung der aufgelagerten Schuppenmafien 
durch Dampfbäder, warme Bäder, Cinreiben mit 
Dlivenöl und Schmierfeife oder durch Bededen mit 
Kautihulleinwand. Sind die Schuppen völlig ents 
fern, fo werben die kranken Hautitellen mit Chry— 
arobinjalbe, Byrogallusfäure, Naphtboljalbe oder 
andern Teerpräparaten eingerieben. Die örtliche 
Behandlung wird zwedmähig mit der innerlichen 
Darreihung von Heinen Doſen Arjenik verbunden. 
Kit die P. ſyphilitiſcher Natur, fo muß, fih der 
Rrante einer antiſyphilitiſchen Kur unterziehen. 

forofpermien, joviel wie Gregarinen (j. d.). 

ſychagögos lard., Eeelenführer), Beiname 
des Hermes als Führer der Seelen der Veritorbe: 
nen in die Unterwelt; auch foviel wie Toter 
beihwörer, f. unter Nelromantie. 

Piyche it das griech. Wort für Seele. Tiefe 
wird in der gried. und gried.:römijchen Kunſt al3 
zartes Mädchen zuerjt wohl mit Vogel-, dann mit 
Scmetterlingsflügeln und als Schmetterling dar: 
geitellt. Gin Erzeugnis der philoſophierenden Tich: 
tung des fpätern Hellenismus ijt die —— von 
Gros (Amor) und P., die bald von Eros hoch be: 

lüdt, bald gepeinigt wird, nicht eigentlid ein 

tuthos, fondern eine wohlauf Blatoniichen Vor: 
ftellungen der menschlichen Seele beruhende Alle: 

orie, die zahlreichen Kunſtwerken zu Grunde liegt. 

erahmt üt namentlich die Gruppe, welde Amor 
und P. fih umarmend darftellt. (S. Tafel: Bild: 
nerei II, Sig 16.) Vogl. D. Jahn in «Archäol. 
Beiträge» (Berl. 1817); Collignon, «Essai sur les 
monuments grecs et romains relatifs au mythe 
de Psych6» (Bar. 1877); Stephani in «Compte 
rendu de la commission archöologique de St.- 
Pötersbourg» für 1877 und Wolters in der «Ars 
chãol. Zeitung» (1884). 

Nicht viel mehr als die Namen Amor und P. bat 
mit jener Erzählung ein von Apulejus 7 
anmutiges Märchen gemeinſam, das auch bei an: 
dern indogerman. Völlern fi wiederfindet. P. 
eine Königstochter, wurde wegen ihrer Schönheit 
für Venus felbjt gehalten und wie eine Göttin ver: 
ehrt. Dies erregte den Neid der Venus, die dem 

mor gebot, ihr Liebe zu einem unebenbrtigen 
Menſchen einzuflößen. Auf den Sprud) eines Ora— 
lels wurde P. auf den Gipfel eines Bergs geführt 
und von bier trug fie ein fanfter Wind in ein ans 
mutiged Thal hinab, wo fie in einen prächtigen 
Palaſt gelangte, in welchem Amor, der fie ſelbſt ſich 


— 


374 Pſychiatrie — Pſychologie (philoſophiſch) 


erloren hatte, fie bes Nachts, ungeſehen und un: 
erfannt, befuchte. Sie wäre glüdlich geweſen, 
wenn fie Amors Warnung befolgt hätte, ihn nicht 
[De zu wollen, Allein fie glaubte ein Ungeheuer 
n ihm zu umarmen, und beleuchtete mit einer 
Lampe den Schlafenden, entbedte den ſchönſten ber 
Götter und ließ vor freudigem Schreden einen 
Tropfen heißes Ol auf ihn fallen. Amor erwachte 
und entſloh. Nun irrte P. nad) ihrem Geliebten 
orichend überall umber. Bu fam fie in ben 
laft der Benus, welche ihr die ſchwerſten Arbei: 
ten auflegte. Aber P. er dabei wunderbare Hilfe. 
Auch die lehte aefährlihite Aufgabe, von Projer: 
ina aus dem Schattenreich eine Büchfe mit Schön: 
beitsfalbe zu holen, beftand fie, aber auf dem Rüd: 
wege öffnete fie die Büchfe, und der Dampf, der 
— —— betäubte fie. Erſt die Berührung mit 
mors Pfeil brachte fie ind Leben zurüd. Endlich 
wurde P. von Jupiter mit Unfterblichfeit begabt und 
ihre Vermählung mit Amor im Beifein aller Göt: 
ter, auch der Venus, gefeiert, worauf dann P. dem 
Amor eine Toter, Voluptas (die Luft), e- 
Von neuern künftlerifchen Darftellungen der Mythe 
—8 die Freslen Rafaels in der Farneſina zu Rom, 
erner die plaſtiſchen Gruppen Canovas und Thor: 
waldfens die berühmteften, 
FAR der 16. Aiteroid, ſ. unter Planeten. 
ſychiatrie oder Seelenbeillunde, die 
—— Lehre von den Geiſteskranlheiten und ihrer 
ehandlung, einer der jüngern Zweige ber Medi: 
zin, welder erſt feit Ende des 18. Jahrh. eine 
willenfcha tlihe Geftalt angenommen hat. (©. 
Geiftestrantbeiten, Jrrenanftalten.) 
Piychograph (Spiritoftop), }. unter Tiſch— 
rüden und Geilterllopfen. — 
ſychologie (grch, d. i. Seelenlehre) iſt die 
Wiſſenſchaft von der Seele oder, ſofern von der 
metaphyſiſchen Annahme einer Seelenſubſtanz Ab: 
itand genommen wird, von den Geſehen bes ſeeliſchen 
(piy gen Lebens. A Dbjelt find die Zuftände 
und Thätigleiten, welche bie innere Erfahrung uns 
in unferm eigenen Innern finden läßt, unjere Ge: 
danlen, Gefühle, Überlegungen, Pläne, Entſchlüſſe 
u. ſ. w. velrachtet man die P. als Erfahrungs— 
wiſſenſchaft (empiriſche P A fo bat 
fie in Bergleih mit andern Gebieten der Beobadı: 
tung und der Grfahrung mit eigentümlihen Schwie: 
rigfeiten zu fänıpfen. Ihre einzige unmittelbare 
Quelle ift bie Selbftbeobadhtung; was die Beobadı: 
tung anderer lehrt, bebarf jhon einer Deutung mit 
Hilfe defien, was der Beobachtende in ſich ſelbſt 
wahrgenommten bat, und dasfelbe gilt von allen 
bijtor. Überlieferungen, ſowie aud vom ſeeliſchen 
Leben ber Tiere. Die geijtigen —5* bleiben 
niemals für den Beobachtenden volllommen gleich; 
denn ſie ſind fortwährend bald in allmählichen, bald 
in gewaltſamen Übergängen und Umwandlungen 
begriffen. Jede abſichtliche Selbſtbeobachtung unter: 
bricht und ſtört die Gemütslage, welche beobachtet 
werden ſoll, und der Einfluß den der Körper auf 
den Verlauf geiftiger Greigniffe bat, entzicht ſich im 
einzelnen jeder genauern empirijchen Beitimmung. 
Nimmt man dazu, daß die innern Beobachtungen 
nicht in der MWeife wie die äußern zu kontrollieren 
find, da jeder direlt nur ſich felbit erfahren kann, 
ſo ift es nicht zu verwundern, wenn die P. länger 
als andere Errahrungswiflenfchaften ſich mit ziem: 
ie allgemeinen Aoftraltionen und Hlaffifitationen 
beholfen und von jeher eine Neigung oehabt bat, 


ie ben pſychol. Thatbeftand im einzelnen leicht 
n ben Anfängen der —9* ol. Wiſſen⸗ 
ſchaft bei —— wurde das geiſtige Weſen 
dem lorperlichen noch nicht entgegengeickt, De 
ı Ei 


auf — Theorien hinzueilen, bei denen 


elbſt als ein Stoff von ätheriſcher und 

atur angenommen, in welchem man zugleich die 
——— des Leibes erblidte. Dieſe Anſicht 
herrſchte in allen Schulen vor Sokrates und wurde 
auch noch fpäter durch die Stoifer und Epilureer 
fortgejebt- Mit Sokrates und Plato dagegen be: 
gann die allmähliche Entlleidung des Seelenweiens 
von allen lorperlichen Eigenſchaften, die Erlenntnis 
der totalen Unvergleichlichkeit pbnfilcher und piy: 
hifcher Thatfahen und bie deutli der 
Einſicht, daß es gegenüber dem —— der 
äufern Sinne noch ein der Beobachtung inne: 
rer Thatſachen gebe. Aber erft 5355 machte 
einen Verſuch, die verſchiedenen pfy —* 
mene volljtändig und in naturgemäßer 
aufzufaflen und anzuorbnen. Er nahm brei ver: 
ſchiedene Teile der Seele an, einen vegetativen, 
einen empfindenden und einen denlenden. u 
rend ber lehtere dem Menſchen ei 
tonıme ber zweite auch ſchon dem Tieren, ber erſte 
den Tieren nebft den Pflanzen zu. Die 
ſah Ariftoteles al3 etwas von den Funktionen des 
leiblichen Lebens Unabhängiges an. Bol. Bren: 
tano, «Die P. des Ariftoteles» (Mainz 1867). 

Die Richtung, welche Ariftoteles der P. 
hatte, blieb lange Jahrhunderte bin 
gebend, und das Mittelalter bielt im ganzen, ob- 
wohl nicht fonfequent, daran feit und prägte na- 
mentlich den Gegenfab zwijchen der Seele und dem 
leiblichen Leben, teilweife aus religiöfen Motiven, 
bis pr einer prinzipiellen Sonderung derfelben aus, 
(Bol. Karl Werner, «Der ge 
mittelalterlihen ®.», Wien 1876.) Gin neuer 
für die P. erwachte mit den Umſchwung der neuern 
Philoſophie, beſonders —— weil im 

u ber objektiven Nichtung der antiken 


eht die Thätigleiten des menſchli und 
Mollens in den Vordergrund fun br tra: 
ten. Bei der ſcharfen Sonderung zwi Materie 
und Geift, welde die Gartefianiiche ofopbie 
geltend machte, beichäftigten bie des 


17. Jahrh. hauptſächlich die Frage nach dem ur: 
fachlichen ern ange —2 Leib und Seele 
(j. Dccafionalismus) und bie Strei 
über die Freiheit oder Nichtfreibeit des menſ 
Willens. (S. Determinismus und Freiheit.) 
Aber aud) für eine genauere Analyfe ber pf 
Griheinungen geſchahen bedeutende Schritte. 
cartes’ Schrift über die Leidenichaften («Les pas- 
sions de Vames, Amfterd. 1650) war in diefer Be- 
giebung ebenio bahnbrechend, als die fich unmittel⸗ 
ar daranfhließende Behandlung desfelben Themas 
durch Spinoza im dritten Buche feiner Ethil. Noch 
mehr aber geſchah dies infolge deſſen, dab Lode in 
feiner empiriftiihen Grfenntnistbeorie bie 
Erfahrung der äußern — hatte. Dar⸗ 
aus erſt erwuchs der wirkliche ang einer vor⸗ 
ausſehungsloſen ride 
Ipäter —— die —* re 
Standpunlt der innern Beo ng z 
nahmen, wurde die erflärenbe ren 
durd die Aſſociationspſychologen Hartley, Prieft- 
ley und Hume befördert, welde bie Sefehe der 
Ideenaſſociation feitzuftellen fuchten, dabei jedoch 


; 


ir 





Piyhologie (ꝓhiloſophiſch) 


nn die Abhängigkeit der feelifchen 
Dusch * —— aufmerkſam 
Beſtreben führte in Frankreich 

Peg m. ge aa ehe higen Theorien eines Eon: 
dillac, Bonnet, Helvstius, teils zu dem Materialis- 
mus von Samettrie und dem Systöme de la nature. 
Ein grober em ugr für die B. gefchab ferner 
Leibni * welcher ſich durch ſeine Monadologie 

der dunteln oder bewußtloſen Bor: 

Helkungen aefü u — er das Bewußtſein 
ie © ng der ®or: 

ftellumgen ertannte. Die Bolhfehe chule legte der 
Seele zwei Grundvermögen bei, ein theoretiiches 
oder Erfenntnisvermögen und ein praltiſches oder 
ne en Ye jedes derjelben wurde in 
ein höheres und ein niederes — wovon 


dieſes auch den —* — Rn ausfclich- 
Hd den Menſchen ‚na: 
—— Mendelsfi u — En wiſchen 
Erlenntnis⸗ und xungsvermögen noch ein 







Gefühlsvermögen als drittes Glied ein. So ent: 
fand im 18. % auch im Deutſchland eine 
Schule empiriſcher aus welcher manche ſchaͤtz⸗ 
bervorgingen, wie bie von Neimarus, 
Tetens, Platner, Tiedemann, Maaß, Moris u. a. 
Kants Grteuntwiötfeorie wurde für die P. dadurch 
——— fie der pſychol. E ner das 
—— en, we A aller Erfah: 
ine er imern vorangehen, al3 
Kg ebiet u — * ſtrengerer 
die wichtige 
un den ber Ede al3 einem Gr: 
ee und al3 dem transſcen⸗ 
dentalen Urquell der —2— und moraliſchen 
Thãtigleiten eingeleitet wurde; dagegen zeigte Kant 
die Unmöglichteit einer metaphyfi ſiſch bearündeten 
fog. rationalen Biudolonie und warf zugleid) 
der an he vor, daf fie niemals zu einer 
Sa an ran en Ai 
8 nne, weil fieder ung 
Peg fer Diefem Mangel ſuchte 
—— en, en er alle Borgänge in der 
eele * elengen —E Dieſe werden 
durch die zwi i tn — 
aneinander zu Kräften, und was wir geiſtiges Lebe 
nennen, ift das Prodult oder der Ausdrud der Art, 
wie fie wirten. Herbart * auf die Art die fon. 
———— (f. d.), die bald phantaſierende, 
ald gedächtnismäßige Neprodultion der Vor: 
—— ie yo u "0 der Begierden und Fei: 
ften u. ſ. w. zu erflären aetucht. Dabei hat 
2, * einen eralten Ausdrud für die pſychiſchen 
re ug m die Hilfämittel der Rechnung be: 
= u Entwu einer mathematifchen P. 
Krane Yuker ihm bat 5. E. Benele ebenfalls 
eine Theorie des geiltigen Lebens auf der Grund: 
Gar der Borftellungen aufgejtellt, jedoch nur mittel3 
der Beobachtung ıınd der induftiven Schlußfolge⸗ 
——— ee ar 
ei er men. 
Benele, «Die neue B.», Berl. 1845.) In hu 


ftarlen Gegenfi u Biefen *. rebungen en 
— der Sa Ei 
d der eg rer en e. —* beſtimmen 

en > e aus dem Verhältnis des 
—————— t, wobei ſie von dem 


Grundfag au alles Sein, auch das 
— — —2 von geiſtiger lan, ift. 


deenwelt zur Materie als der J. H 


375 


Nach dieſem Grundſaß geftaltet ale bie a — 
Übergangsglied — aterie und 

zu einer Geſchichte der Seele» * "ur 
Geſchichte einer allmählidhen Selbft 

geiltigen Subftanz aus den Feſſeln, in 

er unorganiichen Natur —8 — ak 
zu —— rieben, hernach zu Empfindungen 
und Begehrungen, much zu intelleltuellen, mora⸗ 
= =: äl tischen Thätigfeiten. 

n neuerer Zeit ift man teils auf Anregung 
engl. und. franz. Denler, teil® auf Grund ber 
großen Fortichritte der Phyfiologie und namentlic) 
der Nervenpbyfit, zu einer Wiederaufnahme der 

abe „Grundlagen des Seelenfebens zurüdgelehrt, 

ohne jedoch immer die —— I des an id) 

Gedantens zu vermeiden. (S. Biydo: 
— — Auf der andern Seite * man die von 
erbart neu betonte Theorie der Afjociation —— 

nlehnung an die ſprachliche Entwidelun u A 
Menſchen weiter burdzuführen. Die Aufg 

Zukunft befteht darin, mit Benußung der hefol 

tethoden den — * en Urſprung der Ele— 
—— des pſychi 8 zu begreifen 2 

dann auf ai — Indultion 
die Geſehe der Berknüpfungen feſtzuſtellen, welche 
—32 im einheitlichen Bewußtſein erfahren. 
—— — unge —* en Stand 

Vycho rıagung» Axp⸗ 

Abgeſehen von den Bearbei der Anthro⸗ 
pologie (f. d.) und den Schriften der Philoſophen, 
die der Gefchichte der Philofophie überhaupt ange: 
—A repraſentieren unter der reichen Litteratur 

er P. en ag die —— — der 
neuern P. Auf der Grundlage der —* 
mögenslehre ruhen: Tiedemann, «Lebrbud) der 

. von Wachler, Lpz. —* Cänii ib 

iide ntbropologie» (3. Aufl,, Gött. 1826 
Richtung der Schellingſchen —— ie Ram 
Sr tt, — der Seele» (Tüb. 1883; 

fl. 1850); ‚ “Borlefungen über B.» 
1831); Dreh, "«Bigcher ( OR 


ep: forzb. 1846; 
ufl. 1851). „ der Hegelſchen Schule eben 
Rofentranz, « ogie» (Königsb. 1837; 3. * 


1863); Michelet, «Anthropologie und VB.» (Be 
1840); Erdmann, «Biychologie» (3. Aufl., * 
1863); Sad, «Riychologie» (Beim, 1860). 
Herbarts «PB. als Wiſſenſchafte (2 Bde., Königsb. 
1824— 25) ſchließen ſich —— Fehrbud der 
B.» (Greifsw. 1828); Drobiſch, »Empiriſche PB.» 
Cpʒ. 1842); derjelbe, «Erſte Grundlehren der 
matbhem. B.» (Lpz. 1850); Mai, ne der P.⸗ 
Braunſchw. 1849); Vollmann, «Lehrbud) der P.» 
(2 Bde., Köthen 1875— 76; 2. Aufl. 1884); —— 
«Die Elemente der B.» (slöthen 1877); —* 
«Grundriß der B.» nr 1884); Bencle, «Ye —— 
ber B.» & Aufl., Be 1861): derfelbe, « 
matifche » (Berl. 1850). Sie fommeh mande e 
zwifchen den bisherigen — äben vermittelnde 
Arbeiten, wie: George, «Lehrbuch der P.» (Berl. 
1854); Fortlage, «Syftem pe (2 Xte., Lpi. 
1855): derielbe «Beiträge zur P.» (Lp3. 1875); 
Selen, — einer —— rũn⸗ 
dung der B.» (Berl. 1855); Schulß⸗Schulhenſtein, 
Meues Syſtem ber PB.» een 1855); Yazarus, 
Se Leben der Seele» (2. Aufl. Berl. 1876— 78); 
Fichte, «Anthropologie» Ce, 1856; 3. Aufl. 
1876); "berkiie. ‚Biyhologie» (2 Bde., 2y3.1864— 
74); oe, « «Mediz. B.o Lpʒ. 1862); derjelbe, «Milros 
tosımus» (3 Bde,, Opz. 1856—63; 3. Aufl. 1976); 


376 


Pſychologie (gerichtliche) — Pteris 


Grube, «Blide ins Triebleben der_Seele» (2pz. | dungsintenfitäten eine arithmet. Progreſſion bilden, 
1861% Den Standpuntt der ſprachwiſſenſchaftlichen fo bilden die entiprechenden Neizitärten eine geo: 
Apperceptionstheorie vertreten Steinthal, «Bram: | metr. Brogreifion; oder: die ren 

eizes. Dieſe 


malit, Logik und P. und ihr Verhältnis zueinander» 
(Der 1855);" derfelbe, «Abrik der Sprachwiſſen— 
fto (Tl. 1, Berl. 1871); Ologau, «Steinthals 
pſiychol. Formeln» (Verl. 1876); derielbe, «Grund: 
riß der B.» (Breslau 1884); denjenigen der phyſiol. 
Grundlegung H. Spencer, «Principles of — 
logy» (Lond. 1855); A. Baine, «Mental and moral 
science» (Lond. 1868); derjelbe, «Geilt und Baur 
(«Internationale wiſſenſchaftliche Bibliothel⸗, Bd. 8, 
Lpj. 1874); Ribot, «La psychologie anglaise con- 
temporaine» (Par. 1875); berjelbe, «La psycho- 
logie allemande contemporaine» (Par. 1879; 
2. Aufl. 1889); Taine, «De lintelligence» ur 
1874); W. Wundt, «Grund üge der phyſiol. P.» 
63 1874; 2. Aufl. 1884). Sammelſ ten find: 
Morig, «Magazin für ine) eelentunde» 
10 Bbde., Berl. 1785—93) ; Nafie, e Zeitichrift für 
nthropologie» (Lpz. 1823— 27); Friedreich, «Da: 
gapin für Seelentunde» (MWürzb. 1829—33); Venete, 
Archiv für die ee .» (Berl. 1851—54); 
Neugeboren, «Bierteljahrsichrift für die Seelen: 
lehre» (Kronftadt 1859 — 60); 
(5 Bbe., Lyz. 1858—63); Lazarus und Gteinthal, 
«Beitfchrift für Völterpfychologie» (Berl. 1861fp.). 
fiber die Geihichte der P. handelt 3. A. Carus, 
gelafenen der P.» (Lp3. 1808, al3 Bd. 3 der «Nach: 


Noad, «Piyher 


gelaſſenen Werte»), und Siebed, «Geſchichte der P.» 
(1 ZI. in 2 Abteil., Gotha 1880 u. 1884). 
ychologie (gerichtliche oderforenfifche), 
f. Gerihtlihe Piyhologie. 
Pi omantie (gr), foviel wie Nelromantie, 
ſy zus e (or) Schlaf der abge: 
fchiedenen Seelen vom leib iden Tod bis zur Auf— 
erſtehung; lirchliches Dogma der Pſychopan— 


er j 
In mag? (orch.) ift der von Fechner (f. d.) 
vorgefchlagene, jebt allgemein adoptierte Name für 
eine zwiſchen KA te und Biychologie fich bewe: 
— ſenſchaft, welche die gejegmäßigen Be: 
iehungen, die zwischen den Erregungen bes Nerven: 
Foftems und der Empfindungsthätigleit obwalten, 
auf dem Wege des Erperiments und der Mefjung 
exalt zu erforjchen beabfichtigt. Zu diefem Zwecke 
galt es zuerit, ba piygiiche orgänge wie Empfin: 
dungen an fich feine Meſſung erlauben, indirefte 
Methoden für eine ſolche Maßbeſtimmung aufzu: 
finden. Fechner entwidelte dabei im Anſchluß an 
frühere Verſuche von E. H. Weber (j. d.) die Me: 
thode der noch merklichen Unterſchiede. Diejelbe 
befteht darin, daß für einen jchon vorhandenen 
Reiz derjenige Reizzuwachs feitgeitellt wird, der 
eine von der frühern gerade noch unterſcheidbare 
Intenſität der Empfindung gibt. Dabei bat fid 
nun —— daß dieſer Zuwachs bei jedem 
Menſchen und in jeder Sinnesſphäre in einem fon: 
ftanten Verhältniſſe zu dem ſchon vorhandenen 
Reize jeden muß. Wenn der Anfangsreiz doppelt 
fo groß iſt, 4 auch der Zuwachs, den man noch 
empfinden foll, doppelt jo groß fein. In demfelben 
Mae, als der Nerv ſchon erregt iſt, ſteigt auch der 
Zuwachs von Erregung, der zu einer merklichen 
Unterfheidung beider Gmpfindungen erforderlich 
it. Mathemaliſch formuliert ſich dies jo: wenn die 
Intenfität der Empfindung um gleiche abjolute 
rößen zunehmen fol, jo muß der relative Reiz: 


zuwachs fonitant bleiben; ober; wenn die Emvfin: | lata Z. mit ihren Varietäten, 


roportional des Logarithmus des-Neizes. 
ormel nennt man da3 Weber: Fehneride 
oder das pſycho phyſiſche Grundgefeh. Cine 
der befannteften Thatfahen, welche Ra auf dieſe 
Meije erklären, ift icienige, daß wir bei Tage die 
Sterne nicht ſehen, indem der Reizzuwachs, welchen 
das eigene Licht des Sternd an dem von ihm ein: 
genommenen Puntte der allgemeinen Sonnen: 
beleudhtung des Himmels binzufügt, nicht aus— 
reicht, um die (an ich jedenfalls vorhandene) Mehr: 
beleuchtung diejed Punktes von dem Glanze feiner 
Umgebung unterjceidbar zu machen. Zwar haben 
ſowohl die Methode Fechners, als auch die allge: 
meine Geltung des von ihm aufgefundenen Geſehes, 
bauptiächlich bei ſehr ſchwachen und jehr ſtarlen 
Neizzuftänden, ſchwerwiegende Ginmwürfe bedeuten: 
der Forſcher, namentlich aud von Helmholtz, erfab: 
ren: allein jedenfalls iſt mit diefen Unterfuhungen 
der Anfang zu wertvollen Forſchungen gegeben, 
deren NRefultate für die exalte Arbeit beider dabei be: 
teiligten Wiſſenſchaften von größtem Werte find. 
Bol. Fechner, «Glemente der B.» (2 Tle. Lpz. 
1860); derfelbe, on * der P.» (Lips. 1878); 
Gaspari, «Die piyhophyiiche Bewegung in Nüd: 
ſicht der Natur ihres Subitrats» Eph. 1869); 
Hering, «Zur Lehre von der Bezi yung iſchen 
Leib und Seele. Erſte Mitteilung: Über deäners 
pfychophyfiſches Gefep» (Wien 1876); Langer, «Die 
Grundlagen der B.» (Jena 1877); ©. E. Müller, 
«ur — — der B.» (Berl. 1878); 5. 4. 
Müller, «Das Ariom der B.» (Marburg 1882). 

Abe ompos (grc.), foviel wie Piyhagogos. 

Pfychoſe (mediz.) Bezeichnung für diejenigen 
Geritesjtörungen , welche von längerer Dauer ſind 
und bei welchen ſich beitimmte urfächliche zen 
änderungen bisher nicht haben auffinden laſſen, wo 
aljo fcheinbar die Pſyche felbitändig leidet. 

Pfychromẽter (ard.), eine fpezielle Art von 

Hygrometer (. d., Bd. IX, ©. 500, wo ſich auch 
——— —— abllond 
ychrophor, ſ. onde. 
fyra, Bufel im Ugäiſchen Meer, f. Jpfara. 
Pt, chem. Zeichen oder Symbol für Platin. 
P.T., Abtürzung für pleno titulo (mit vollem 
Titel) oder für praemissis titulis (mit vorausge: 
fchidten, d. b. weggelafienen, Titeln). 

Ptah, ſ. Phtha. 

Ptarmioa, ſ. Achillea. 

Pteris L., Saumfarn, ift ber Name einer 
u den Polypodiaceen gehörenden Gattung von 
arnkräutern. Man kennt gegen 120 Arten, die 

größtenteils in den Tropengegenden wachen. Sie 
unterfcheiden ſich dadurch von den übrigen Gattum: 
en jener Familie, daß bie —— einen 
ortlaufenden, mehr oder weniger breiten Saum 
längs des nad unten ——— Randes des 
Farnblatts bilden. XLehterer dedt anfangs bie 

jungen Sporangien zu. Die Arten diejer 
haben eine fehr verihiedene Größe und —— 
geformte Wedel a und breifachgefiederte 
oder fiederteilige, einfach und doppelt dreiteilige 
u.f.w.). In Deutihland lommt nur eine Art 
vor, ber befannte Adlerfarn (ſ. d.). Einige Arten 
Ps beliebte Zierpflanzen für Warmbäufer, fo be: 
onders die im füddjtl, Afıen a P. serru- 
on der in Neuſee⸗ 


-Pterocarpus — -Btolemäer 


land wachſenden P. esculenta Forst. werben die 
jtärtemehlreihen Wurzelitöde geröjtet und bilden 
ein Nahrungsmittel fürdie Eingeborenen. 
»Pterocarpus L., Pflanzengattung aus ber 
Familie'der Keguminofen, Abteilung der Bapilio: 
naceen, Man kennt gegen 15 Arten, die ausſchließ—⸗ 
ich in den Tropengegenden wadjien. Cs find 
Bäume mit unpaarig gefiederten Blättern und 
gelben oder rötlihweißen aniehnlihen Blüten, 
welche meilt zu traubenartigen Inflorescenzen ver: 
einige find, Die Frucht iſt eine gelrümmte mit 
Flügeln verfehene Hülfe, die einen, feltener zwei 
nierenförmige oder längliche Sanıen enthält. Ver: 
ſchiedene Arten dieſer Gattung haben für die In— 
duſtrie eine ziemliche Bedeutung, da fie teils Dra— 
henblut und ähnliche Farbſtofſe, teil3 Holz für 
techniſche Zwede liefern. Beſonders zu erwähnen 
find der in Weſtindien wachſende P. Draco L., aus 
defien Ninde das fogenannte amerif, oder weltind. 
Dradenblut '. d.) gewonnen wird. Auch die in 
Dftindien vorlommende P. indiens Willd. liefert 
Dradyenblut und von dem — indiſchen P. 
Marsupium Koch. ſtammt das ſog. malabariſche 
oder Amboĩna⸗Kino (j. Kino). Cine andere, beſon— 
ders auf den ojtind. Inſeln wachſende Art, P. san- 
talinus L. fil., hat ein ſchönes rotgefärbtes Holz, 
das unter dem Namen rotes Sandelholz oder 
Galiaturbolzzu Drechsler- und Tiſchlerarbeiten, 
jowie zu Pulver gemahlen, beim Polieren anderer 
** verwendet wird. 
terodaftäle (arch.), Axmgreif oder Bogel: 
eidechſe (Pterodactjlus) heißt eine aus mehrern 
Gattungen beſtehende Ordnung vorweltlicher Nep: 
tilien von abenteuerlicher Form, die als Flu eibed: 
jen (Pterosauria) unterfcieden werden. Die bis 
jeht bejchriebenen Arten bewohnten zur Zeit der 
Yuras und Kreideperiode das mittlere Guropa und 
Nordamerila und Rejte von ihnen finden fid) nicht 
jelten im litho raphiſchen Stein von Eichſtädt und 
Solnhofen, Sie befigen einen nicht jehr langen 
Hals, eine ſehr verlängerte Schnauze, ein viel: 
zähniges, Icharfes Gebiß; vorzüglich find fie aber 
ausgezeichnet durch die ausnehmend lange lebte 
ober Heine Zehe der Vorderfühe, welche die bis zu 
den Hinterfühen reihende Flughaut ausfpannt, 
während bie vier andern Finger nur kurz und, wie 
bie Zehen der Hinterfühe, mit frummen Krallen be: 
waffnet find. Ihre Lebensweile war wahricheinlich 
derjenigen der Sledermäufe ähnlich. Die größten 
europ, Arten hatten etwa die Größe eines Auer: 
hahns, die Heinften maßen etwa gegen 8cm, In 
der Bildung des Schwanzes und der Zähne zeigen 
—* merkwürdige Abſtufungen; die älteſten Sie 
aurier aus dem Lias haben ſehr zahlreiche Zähne 
und ſehr langen Schwanz; Pterodactjlus unter: 
fcheidet fih durch bis nah vorn bezahnte Kiefer 
und einen kurzen Schwanz, Rhamphorhynchus 
durch vorn zabulofe, wahrjcheinlich mit einem Horn: 
bei bededte, hinten bezabnte Kiefer und einen 
en, —* Schwanz; die riefige Gattung Ptera- 
end ig aus der amerilk. Kreide, hatte weder 


N3. 
(PBteröma, grch. «lügel»), der Um: 
gene zwiſchen der Gella eines Tempels und den 
umgebenden Säulen. 


ut serie  frerer nannte Brogniart eine Öruppe 
von fojjilen Blattreiten, die Keu: 
per un Bi auftreten. Sie haben Ähnlichleit 
mit den Blättern mander Eycadeen und werden 


377 


‚deshalb aud in der Phytopaläontologie zu dieſer 


Sm —— das Slügefell (. d) 
Pterygium (avd.); das Flũgelfell (f. d.). 
Bine ern YA Tifane, Geritentranf, 
Ablochung von zerftoßener Gerfte; dann überhaupt 
ein dem Kranlen dargereichte3 —5 — Getränt, 

Ptolemãer ift der gemeinfhaftlihe Name der 
macedon.:grieh. Beherricher Agyptens feit dem 
Tode Aleranders d, Gr. . 

Der erite derfelben, Btolemäus Lagi, d. i, 
Sohn des Lagus (daher die B. auch öfters Lagi— 
den genannt werden), war einer der Feldherren 
Aleranders und, wie erzählt wurde, mit ihm ver—⸗ 
wandt. Seine Mutter, Arſinoẽ, follte ihon von 
Philipp ſchwanger fein, als jie den Lagus heiratet‘, 
Alerander jtarb im Juni 323 v. Chr. Sein Stier: 
bruder Philippus Aridäus folgte ihm, gegen den 
Nat des Ptolemäus, in der Regierung, deren An— 
fang nad} der ägypt. Jahresrechnung vom 12. Nov, 
324 v. Chr. datiert wurde. Ptolemäus übernahm 
die Statthalterfhaft von Aghpten im Namen des 
Aeilipp, deſſen Name daher auf den Seyptiicen 

enltmälern diejer Zeit erjcheint, — der Aleran: 
der& IL, des nachgeborenen Sohnes Aleranders, 
welcher 317 v. Chr. dem Aridäus folgte. Im Y.311 
ftarb auch Alerander II. und Ptolemäus ward da: 
durch fattiich (teinherrfcher von Ägypten, obgleic) 
er den Königstitel erſt 305 annahm und zugleid) 
den Beinamen Soter (I.) erhielt. , 

Gr übergab 285, zwei Jahre vor feinem Tode, 
die Negierung feinem Sohne Ptolemäus I. 
Philadelphus L., der ihm von feiner dal s 
ſchweſter und vierten Gemahlin Berenice I. geboren 
war und unter defien weiler Regierung beſonders 
der Grund zu der hohen litterariichen und willen: 
ihaftlichen Bedeutung Agyptens, die ed unter den 
WB. erlangte, gelegt ward, obgleich die eriten An: 
fänge dazu ſchon Teinem Bater zuufcreiben find, 
Es find bier namentlid die beiden m en Grün: 
dungen de3 Mufeums und der Bibliothek in der 
neuen Refidenz Alerandria zu erwähnen. 

63 folgte Btolemäus III. Euergetes L, 
Sohn des Philadelphus von feiner Schweiter 
Arfinod II. Diefer regierte mit feiner Gemahlin 
Berenice UI., Tochter des Magas, 247—222, Seine 
afiat. riegszüige, auf denen er alle Länder diesfeit 
des Euphrat nebjt Cilicien, Pamphylien, Jonien, 
den Hellespont und Thrazien fi unterwarf, dann 
auch über den Euphrat hinüberging und‘! tejopo: 
tamien, Babylonien, Sufiana, Perfien, Medien 
und die übrigen Länder bis nad) Baltriana eroberte, 
machen ihn zu einem der größten Eroberer des Alter: 
tums, obgleich nur wenige Nachrichten über dieſes 
mächtige, aber ephemere a * find, 

hm folgte Ptolemäus IV. Philopator J., 
der Mörder feines Vaters, dann feiner Mutter 
und feines Bruder? Magas. Cr beiratete feine 
Schweiter Arfinod III., die er im folgenden Jahre 
gleichfalls ermordete, , 

hr ar Ptolemäus V. Epiphanes, 210 
geboren, olgte feinem Vater er 204, 
vermählte ſich 193 mit Kleopatra J., der Tochter 
des Antiochus, von welcher die fpätern Königinnen 
den dynaftiihen Namen Stleopatra annahmen, und 
regierte bis 181. . 

Sein ältefter Sohn Ptolemäus VI. Eupator 
folgte, ftarb aber in demſelben Jahre. , 

der zweite Sohn PBtolemäus VIL Philo— 
metor L, aub Tryphon genannt, trat an feine 


378 


Stelle, warb 170 genötigt, feinen Bruder Ptole— 
mäus (IX. Exergetes II.) zum Mitregenten an: 
— heiratete 165 feine Schweſter Kleopa 

tra nd vertrieb im —— Jahre feinen 
Bruder nad Cyrene. Gr ftarb 1 

Gein Sohn und Nachfolger BPtolemäus VIII. 
Bhilopator II. wurde nod in —— 
ermordet von feinem Obeim Ptolemaus1 

63 folgte Euergetes II. 4 fon), der von 
Cyrene zurüdtehrte, feine S a und Schwä: 
gerin Kleopatra 11. 143 verftieß, Kleopatra ae 
die Erbtochter feines Bruders, iratete, und je 
Regierungsjahre von feiner Erhebung zum lt: 
tegenten (170) an datierte. Er nahm 141 feine erfte 

rau wieder auf und regierte bis 132 mit beiden 
gar zugleih, warb aber 130 vertrieben. 

Doc) kehrte er 127 "zurüd und regierte nun bis zu 
feinem Tode 117 wieder mit beiben Kleopatren. 

In diefem Yahre folgte ihm Kleopatra II. 
Bungee u3, Diefe nahm zuerft ihren älteften 
Sohn PtolemäusX. a U. Soter 
II. zum Mitregenten an, der im folgenden Jahre 

eine Gemahlin und Echweiter Kleopatra IV. ver: 
tieß > feine “ weite Schweſter Selene heiratete, 
bald aber auch diefe mit i De zwei Kindern ver: 
fiieß. Im 5. 107 vertrieb Kleopatra ihren älteften 
Sohn und nahm 5* eiten, Btolemäus XI. 
Alexander L, zum Dikttegenten an. Her} er 
tatete die [egitime Erbtochter ſeines Bruders 

nice III., ermordete 89 feine Mutter, warb — 
trieben und ftarb alsbald. Rtolemäus X. Philo⸗ 
metor II. Soter II. fehrte nun zurüd und zählte 
feine Regierungs gr von 117 an. 

Nach feinem Zode 81 folgte Berenice II. 
Philopator. Sie heiratete ihren Stiefjohn Bto: 
lemäus XII. Alerander Il., der fie aber na 
19 Tagen ermorbdete, fliehen mußte und bald darau 
Re ermordet ward. Mit ihm ftarb die legitime 

dachfolge der Lagiden aus, 

Ptolemäus XIII. Neos Dionyſos, Philo: 
—— II, Philadelphus Il., auch unter dem 

einamen Auletes befannt, unebelidjer Sohn 
Ptolemäus’ X. Soter II., verheiratet mit leo: 
patra V. Tryphäna, melde leihfalls eine unehe: 
liche Tochter des Soter geweſen zu fein ſcheint, ge: 
langte jet auf den Thron. Im 3.58 wurde er 
jebod) vertrieben, und es regierte, nadıdem i in dem: 
felben Jahre Tryphäna geitorben, deren älteite 
Tochter und Mitregentin Berenice IV. 57—55 
allein, die dann von ihrem zurüdtehrenden Vater 
netötet ward, Neos Dionyfos ftarb 52. 

Seine Toter Kleopatra VI. (f. d.) Philopa: 
tor, die berühmtefte ihre Namens, regierte mit 
ihrem nächſt jüngern Bruder PBtolemäus XIV., 
ber fie 49 vertrieb und acht Monate allein regierte. 
Im J. 48 kehrte Kleopatra zurüd und Ptolemäus 
Xıv. ertrant, Kleopatra nahm nun ihren zweiten 
Bruder, Ptolemäus XV., zum Mitregenten an. 
Nachdem diefer 44 von ihr ermordet war, erllärte 
fie ihren und Julius Cäfars Sohn P tolemäus 
XV. Cäfar (gemwöhnlih Gäfarion genannt) zum 


Mitregenten. Bon 37 an regierte fie mit Marcus 
Antonius, bi fie 30 fi) dur En tötete und das 
Reich jur tom rovinz warb, Ihr Sohn war [don 


—A ** — * ihr endigte die Dynaſtie 
er P 

ek Ba ekamvelten! 2. «Annales des Lagides» 

1819); Letronne, « Recueil des in- 

—— grecques» (Bd. 1 u. 2, Par. 1842 


Ptolemais — Ptyalagoga 


Lepſius 
J— (Berl. 1853 
Ptolemais, un mehrerer von Btolemäern 

— Städte in Pamphylien, ——— 
eht Acca, ſ. d.), in ber Cyrenaica (Ruinen bei 
Tolometa) und in Aoypien 

Btolemäus (Claudius), Geograpb, Aſtronom 
und Mathematiler, von Geburt ein aypter, lebte 
in der erften Hälfte des 2. Jahrh. n. Chr. zu X eran: 
dria. Er machte ald Mathematifer und Aftronom 
einige neue Entdedungen und Beobachtungen. Doch 
—— zum Teil nicht feſt, welche er ſelbſt neu 2* — 

welche er von feinen Vorgängern, namentli 

von Hipparch, überfommen hat. Insbeſondere hi 
er ein Inſtrument zur Mefjung von Parallaren des 
Mondes zum Behufe der Beitimmung feiner Ent: 
fernung von der Erbe erfunden und bie Eveltion 
desfelben feitgeiegt. ebenfalls war er? — 

Sauptnerbientt, t, baf er x Beobachtungen und 
dedungen früherer Aftronomen, namentlid ge 
größten von allen, des Hipparch, in einem 
zufammenfaßte, das nad) T das eh Haie be 

erle belannt machte, 


« Zur Kenntnis der Ptolemäer⸗ 


Syftem heißt, und in einem W 
das gewöhnlid unter dem at. Titel «Syntaxis ma- 
thematica» ober « Constructio mathematica» an: 


eführt wird. Diefes Werk, das runglich ben 
itel «Die große ufaınmenftellung» wurbe 
um 827 ins Arabiſche überjeht, ⸗ 


ſehzung, die unter dem Namen «Alma me 
Verbindung des arab. Artikels al mit dem 
lativ adyıotog) befannt ift, ward zuerft im12. Ja 
und fonft noch öfter ins Lateiniſche übertragen, 
am beiten wurde zuleht der griech. Text und eine 
franz. Überfegung von Halma (4 be., Bar. 1818 
—28) heraudgegeben. 

Eine nit minder — Schri —— ſeine —* 


hia», die im Vergle 
—— Geographen ia Sort m ae ins 
dem B. außer andern Jufähen, eiherungen und 
Berbefferungen darin, übrigens ebenfalls nad) dem 
Borgange des Hipparch, die Lage der Drte nad) 
den Graben der Länge und Breite beitimmte und 
den geometr. Grund zur Berfertigung ne —— 
farten und der Projeltionen der Erd 
Eine Bearbeitung de3 in vielfadher Suche 
— Textes lieferten Wilberg und Grashof 
„Eſſen 1832—44); eine lorrelte Handaus⸗ 
———— ra —45); eine umfaflende 
Sugabe hat Karl er unternommen (Bd. 1 
Par. 1883); eine deutſche fiberfekung gab Georgi i in 
feiner —— Geographie» (Bd. 1, Stuttg. 1838). 
Eine p tapbierte Ausgabe des Manuftripts 
aus * 7 ostlofter Batopebi —F Langlois War. 
1866) beforgt. — 55* über Ajtro * 
Chronologie und In feiner Optilk lo 
tierte er die Etroblenbredung und die durch bier 
felbe bewirkte Veränderung im Orte der beobadte: 
ten Himmeläförper. 

Ptomalue, leihen ifte, find organifche, in 
rel Ab ähnliche Stoffe, welche ei der 

aͤulnis der Eiweißſtoffe entitehen. 

Ptofis (grch.) iſt das Herabhängen des obern 
en entweder infolge von abnormer 
Schwere desfelben oder von einer Lähmung des 
zur Hebung des — dienenden Muskels. 

Ptyalagsga (gech., lat. Salivantia, Spei⸗ 
helmittel), Mittel, "welche eine vermel rte Ab: 
fonderung des Speichels bewirken. Zu ihnen ‚fe 
hören die Duedfilberpräparate, die Sallaparilles 


Ptyalin — Puccinia ' 


I, das Saffafras: und Quajalholz u. a.; am 

wirkanfen aber erweifen fich die Folia Jaborandi 
3 das aus dieſen dargeſtellte Altaloid Pilolar⸗ 
vin, w in ganz geringen Mengen unter die 
Haut ven ejprit, eine außerordentlich ſtarle Spei: 
Selabfonberung; jur e bat. 

Ptyalin, ein im * peichel enthaltenes 
ment, dem die Eigenſchaft zulommt, Stärtemeh 
igſen und in Maltoſe zu verwandeln. Es iſt we ni 
diefer Wirlung von großer Wichtigkeit für den Ber: 







f der S h 
—— — — Er = 1m. 
ftpflanze, ſ. unter Namie, 


(lat., oder Mannbarkeit) heißt 

der Eintritt und bie weitere Ausbildung der Ge: 

I —— er erfolgt beim Weibe in der 

—— (im 13. und 14. Jahre) als 

beim Manne (im 15. und 16. Jahre). Doc) finden 

ie auch oftgroße individuelle —— ftatt, 

von verſchiedenen Berhältnifien abhängen. 

ber größern Städte tritt bie 

P. — etwas früher ein als bei den Landbewoh: 
nern, in ._ —— früher als in den nördl. Län: 

bern u der nun fchneller erfolgenden 
Entwideli * Geſchlechtsorgane und dem Ein: 

- Herr arg (Samener me beim Manne, 

bei der u, fähigteit) 

eh eine Umbildung aud) des übrigen örpers | jo: 

eper Dad ichbaft Im Die Bänan mente in bi 

in die Län r in bie 

—— Beim Manne nimmt er Muskulatur zu, 


se Stimme wird tiefer (mutiert), der Bart beginnt 
Weohen. Beim Weibe gewinnt der Körper durch 
an chlichern 


.—. an der der Frau eigen: 
tümlihen Rundung, der Stimme wirb 
voller. Auch gewifle ee eränderungen treten 
dabei zus or. —— tindlichen Beſchaf⸗ 
In mad gewohnten Neiz, und nicht 


—— ein en Unbehagen bes 
ieh he atenfuft des Junglings erwacht 
—— — u ſich den ihre zulunftigen Beſtim⸗ 
ichten vorbereitenden Gefühlen hingibt, 
tliche Objelte fie noch nicht kennt. In 
ve Beit der lebhaftern Entwidelung fällt au 
die Dispofition zu —— Krantkheiten, namentli 
des Weibes epfie, Somnambulismus, Hy: 
fterie, 2... t), und die Tuberluloſe macht, 


wenn die Anıla a: dazu Kane oft in der eriten 
re der Eder 3, baftere Fortichritte; auch kommen 
chlechtern Rh verfehrter Erziehung 
——— ante Stimmung und Schwärmerei 
—— — Geiſtesſtörung vor, lehtere na— 
a He erotijcher und reli iöfer 
Sue chluß erreicht die B. beim Weibe 
—— rals —— Manne; fie iſt beim Weibe 
Manne etwa im 25. Yahre 

—** — — und Jungfrau.) 
(lat.), öffentliche (obrigteitliche) 


"Babtiianie lage, ſ. u. Bindilation. 
(sc. collegium), f. u. Kollegium. 


we Berlündung. 
Some Name eines röm. plebeſiſchen 
zwei * Verteidiger der pfebeji: 
t berühmte 
us olero, der 472 als Vvoustribun 
gab, durch welches die Wahl der Tri— 
— der Plebs in Verſammlungen 


———— 
— li 


58 


Männer angehören, nänı: 


379 
ber Plebs nad Tribus ei ingefüh und 
Quintus Publilius Philo. Kiefer bet betleidete 


das a viermal: 339, wo er gegen die Latei: 
ner, ‚wo er un Baläpolis (auf der Stelle 
des Kater Neapel) kämpfte, 320 und 315 mit Pu: 
cius Papirius Curſor zufammen im Sammniter: 
friege. Im J. 839 wurde er nad) der Tradition von 
feinem Kollegen aud zum Diktator ernannt; aud) 
war er der erite, deſſen Imperium (326) prorogiert 
wurde. Als folder gab er drei Geiehe (Leges 
Publiliae Philonis), von denen das eine die Gültig: 
feit von Blebisziten oder nad Diommfen von Be: 
fchhlüffen der patriciich:plebeiifhen Tributcomitien 
für das Gefamtvolf ausiprad), refp. erweiterte, von 
gewiflen Beihräntungen befreite. Das andere ver: 
orbnete für die Genturiatcomitien, dab bie von 
ihnen befchlofienen Gejege von den Patres (wohl 
den Batriciern im Senat) fhon vor der Abftimmung 
bejtätigt werden follten. Das dritte gebot, daß ſtets 
ein Genfor Plebejer fein ſolle. Die Brätur beklei: 
dete er als der erſte —5 337, die Cenſur 832, 

—— Syrus, ſ. 

ubliziſten nannte man re diejenigen Ge: 
lehrten, die ſich mit der —— des poſitiven 
Staats: und Staatenrehts und des Völterrechts 
beidhäftigten. Gegenwärtig werden befonders polit. 
Schriftiteller für Zeitungen als P. bezeichnet. - 
ublizität ift die Eigenſchaft einer Handlung 

ober eines Greignilics, dem Publikum (im Gegen: 
fat zu einzelnen Rrivatpe onen) kenntlich und ficht: 
bar zu fein. Im juriſtiſchen Sinne aber wird die 
P. von Rechtsakten nicht nur dadurch bewirkt, daß 
der Alt ſich vor den Augen des Publikums "voll: 
zieht; auch das ift nicht erforderlich, dab derjelbe 
öffentlich betannt gemacht werde (j. '». in Beitun: 
gen oder durch öffentlichen Anſchlagh; vielmehr be: 
eutet bier B. die dem Publikum oder body dem in: 
tereffierten Publilum gewährte Möglichkeit, von 
einem folden Akt in öffentlihen Büchern, d. b. 
folchen, die von einer Behörde geführt werden, Ein: 
fiht zu nehmen, Sie findet ſich daher nanıentlich 
bei dem Grund:, Stadt:, Hypothetenbüchern, kurz: 
bei den über den Immobiliarbejib jet faſt überall 
angelegten Negiftern. Von einem Syſtem ber P. 
fpriht man dann, wenn dingliche Rechte nicht an- 
ders, ala durch Eintragung in diefe Bücher be: 
gründet und nicht anders, als durch Löſchung in 
denfelben aufgehoben werden fönnen, ſodaß alſo 
der Einſichtnehmende aus dem öffentli en Bud 
ein vollftändiges und erflufives Bild von den recht: 
lihen Verbältnifien eines Grundftüds erhält. In: 
des ift diefes Prinzip noch keineswegs durchgeführt. 

p. u. o., Abtürjung von Post urbem conditam, 
nad) Grbauung der Stadt (nämlich Nom). 

Puccinia Pers. pgatene aus der Familie 
ber Uredineen oder Ho pilze. Man kennt zahlreiche 
Arten, von denen etwa 40 in Deutichland vorlom⸗ 
men. G3find fämtlich Die die aufböhern Pflanzen 
als Barafiten leben und ihre Sporenhäufchen unter 
der Epidermis diefer Bilanzen entwideln. Bon 
mebrern Arten iſt ein volljtändiger Generations— 
wechſel (vgl. Uredineen) bekannt, von andern 
lennt man nur eine ober zwei Formen besjelben. 
Die Uredofporen find einzellig und haben in ar 
Hegel eine gelbliche, —* €: oder roſtrote 
bung; die Teleutofporen be teben aus zwei * 
und find dunfelbraun oder ſchwarz gefärbt. Beide 
Arten von Sporen fommen in länglichen ftaubigen 
Häufchen vor und durchbrechen meijt bei der Reife 


380 


die Epidermis ber befallenen Pfl teile. Die 
Urebofporen treten im Laufe bes Sommers und 
ſtets her als die Teleutofporen auf, häufig ent 
mideln ſich beide in benjelben Sporenhäufchen. 
Während die Uredofporen unter günftigen Bedin: 
e en fofort nad) ihrer Reife teimen und fo zur 
rbreitung ber Pilze während des Sommers bei 
tragen können, müllen die Teleuto: oder Winter: 
poren erjt überwintern; fie treiben im nächſten 
jahr ein 109, Promycelium (vgl. Tafel: 
flanzenkran Maren Fig. —* an welchem 
Heine, — keimfãähige Sporen, og. Sporidien 
one werben. Diele Sporidien lönnen nun bei 
jenigen Arten, welde einen vollitändigen Ge: 
nerationswechſel befipen, entweder auf derfelben 
Wirtöpflanze oder auf einer andern durch die Epi: 
dermis mitiels ihrer Keimſchläuche eindringen und 
nunmehr die Ücidiengeneration, als deren Fructi⸗ 
filationen die Hcidiumfporen und die —— 
nien zu betrachten ſind, hervorrufen. Sr Zafel: 
Pflanzenkrankheiten, Fig. 58 ei benjeni: 
gen Arten, bei denen bie leßtere eration fehlt, 
werben aus den Sporibien wieder Urebofporen ent: 
widelnde Mycelien oder, wenn auch die Uredoform 
mangelt, direkt bie Teleutofporengeneration — 

Die befannteften Arten find diejenigen, wel 
auf verjdiedenen Getreibearten und Gräjern vor: 
fommen. Es find dies befonders brei Bi von 
denen ein vollitändiger Generationswechſel befannt 
ift, nämlich P, graminis Pers., P. straminis F'ink. 
und P. coronata Corda. Alle drei find a bete: 
röciſche Formen, d. ?. ihr Generationswechſel fpielt 
fih auf zwei er Pflanzen ab. Die P. 
graminis befällt fait alle Getreidearten, ſowie auch 
viele andere Gräjer. Sie unterfcheidet ſich von ben 
beiden legtern vorzugsweiſe dadurch, daß ihre Te: 
-Teutofporenhäufhen bie Epidermis durchbrechen, 
während bie von P. straminis und P. coronata 
dauernd von derfelben bededt bleiben. Die P. co- 
ronata ijt daduxch charalterifiert, daß ihre Teleuto: 
fporen amt Scheitel: zapfenförmige Verdidungen 
befigen, bie eine Art Krönden bilden. In ihrer 
Entwidelungsweife, fowie in ber Färbung ber 
Uredo⸗ und eg zeigen dieje drei Roſt— 
pilge feine befondern Verſchiedenheiten. P. grami- 
nis und straminis treten fajt aufallen Getreidearten 
und vielen andern Gräfern auf. P. coronata findet 
ih zwar auch auf mehrern Getreidearten, am häufig: 
ften jeroh auf Hafer und einigen Wiefengräfern, 
wie Holcus lanatus und Lolium perenne. 

Die Lcidiengeneration von P. graminis ent: 
widelt ſich auf der gewöhnlichen Berberipe, Berbe- 
ris vulgaris, und bildet hauytſãchlich auf den Blãt⸗ 
tern biefer Pflanze den früher als Aecidium Ber- 
beridis Pers. bezeichneten orangeroten Roſt. (Bol. 
Tafel: Aflanzentzantpeiten, Fig. 58) Die 
gleichfalls gelbrot gefärbten Ucidien von P. stra- 
minis fommen auf verfchiedenen, als Aderunfräuter 
Yan fon ——— zur Entwidelung, vorzugs⸗ 
weile auf ben Blättern von Anchusa officinalis 
— —— arxensis. Aus bie —— —— 

zeigen eine orangerote Farbe, ſie entſte 
auf Heinen Öemebepolftern ber Alter und jungen 
meigen einiger Rhamnusarten, befonders auf 
amnus frangula und R. cathartica. 

Da die genannten Roftpilze infolge ihrer fchnellen 
und ausgedehnten Berbreitung für die Getreide: 
arten von großem Schaden find, zumal durch ihre 
Mycelien ein nicht geringer Zeil des Afiimilitations: 


Puchta (Wolfgang Hehir.) 


*8* zerſtört und ſomit weniger Stärlemehl ne- 
ildet-wird,-fo iſt es dringend nötig, durch Vor— 
ſichtsmaßregeln die Verbreitung dieſer Pilze zu be- 
Ihränfen. Dazu dient in erſter Linie die möglichit 
gänzliche Entfernung derjenigen Pflanzen, auf 
enen die Hcidien ſich entwideln, aus der Nähe ber 
Getreidefelder; ferner empfiehlt es fih, das mit 
Zeleutoiporen dicht befeßte Strob durch Berbrennen 
nu vernichten, ebenſo follten die mit jenen Sporen 
ededten Stoppeln verbrannt werben, denn burd) 
die Zerftörung der Teleutofporen wird die fiber: 
winterung der Pilze verhindert. Auch diejenigen 
Grasarten, die von den Pilzen befallen werden 
und in den Getreidefeldern oder in deren Näbe vor- 
fommen, beſonders die auch fonft läftige Quede, 
Triticum repens, find möglichit zu entfernen. 

Bon andern hierher gehörigen Roftpilgen mögen 
nod) folgende erwähnt werden: Der jog. Zwiebel: 
roft, welcher durch P. allii Casp. häufig auf Zwie- 
bein und auf dem Schnittlaude hervorgerufen 
wird, Diefer Pilz gehört zu den ſog. antöcischen 
Formen, deren ganzer Generationswechiel fich auf 
derfelben Pflanze abipielt. Die fämtlichen Sporen: 
formen entwideln ſich auf den Blättern jener 
Pflanzen, die Urebofporen find rötlich, die Teleuto: 
fporen haben eine dunkelbraune Farbe und bleiben 
von der Epidermis bedvedt. Ferner der Sonnen: 
blumenroft, P. helianthi Schto., der auf den Blät- 
tern von Helianthus annuus auftritt, er gehört 
ebenfalls zu den antöciihen Formen mit volljtän- 
digem Generationswechſel. Die Uredofporen haben 
eine braunrote Särbung, fie bededen mit den Te- 
leutojporen zn n großen Mafjen die Blät: 
ter der befallenen Pflanzen und führen dadurch ein 
Vertrodnen derfelben herbei. Dieſer Til bat in 
Süudrußland, wo die Sonnenblume zur Olgewin: 
nung im großen angebaut wirb, befrädtlichen 
Schaden angerichtet. Bon den Arten mit unvoll: 
ftändigem Generationswechſel ift der Roft der Mal: 
ven, P. malvacearum Mont., bervorzubeben, der 
auf verfchiedenen Arten von Malva und Althaea 
vorfommt. Derfelbe ftammt aus Südamerika und 
bat fich in neuerer Zeit ziemlich Schnell über faſt ganz 
Guropa verbreitet. Es find von ihm nur die Te: 
leutojporen befannt, die zahlreiche — 
graubraune Häufchen auf den Blättern bilden, wo- 
durch dieſe eine gelblihgraue Färbung annehmen 
und fchließlich vertrodnen. In den Anpflanzungen 
von Althaea officinalis fann diefer HA: groben 
Schaden anrichten; für die in Gärten a er an: 
zen gezogenen Malven ift er ebenfalls fehr lä 0. 

Puchta * Heinr.), nambafter deutſcher 
Juriſt, geb. zu Möhrendorf bei Erlangen 8. Aug. 
1769, betrat die prattiihe Laufbahn als Abvofat 
in Ansbad, wo er bald als Kriminalrat bei der 
preuß. Regierung — wurde. Seit 1797 
erfter Yuftizbeamter un Duftgtat, lam er nad) 
dem fibergange ber Provinz Ansbach an Bayern 
als Landrichter nach Cadolzburg und 1811 als Di: 
rigent des Landgericht nah Grlangen, wo er 
6. März 1845 ftarb. Es war bejonders eine reiche 
Erfahrung und eine ihres Zweds ſich Har bewußte 
praltiſche Richtung, die feinen Schriften Anerlen: 
nung verſchafften. Seine vorzügliditen Arbeiten 
find: «Handbuch des gerichtlichen Er in 
Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit» (2 Bde. 
Nürnb. 1821; 2, umgearbeitete Aufl. 1831— 32), 
«Das Inſtitut der Schiedsrichter» (Erlangen 1824), 
«Gntwurf einer Ordnung des Verfahrens in den 


Puchta (Georg Friedr.) — Püdler- Mustau 


Gegenjtänden der freiwilligen Gerichtsbarleito (Er: 
langen 1824), «fiber den Konkursprozeß» (Erlangen 
1827), «Üiber die gerichtlichen Klagen, befonders in 
Streitigteiten der Landeigentümer» (Gieb. 1833; 
2. Aufl. 1840), «Das Prozepleitungsamt des deut: 
ſchen Civilrichters (Gieß. 1836), «Über die recht: 
liche Natur der bäuerlihen Gutsabtretung» (Cr: 
langen 1837), «Der Inquifitionsprozeß mit Rüds 
fiht auf eine zeitgemäße Reform bes —— 
Strafverfahrend» (Erlangen 1844). Seine reichen 
Grfahrungen legte er in den «Erinnerungen aus 

eben und Wirken eines alten Beamten» 
(Nördl. 1842) nieder. 

Puchta (Georg Friedr.), Sohn des vorigen, aus: 
gezeichneter deutſcher Rechtslehrer, geb. 31. Aug. 
1798 zu Cabolzburg in Franken, ftudierte zu Er: 
langen, wo er 1820 Privatdocent wurde. Die ihm 
1823 übertragene außerordentliche Profefiur ver: 
taufchte er 1828 mit einer ordentlichen in München. 
Er folgte dann 1835 einem Rufe nad) Marbur 
1837 nach Seipiio und 1842 als Savignys 3 
folger nach Berlin, wo er 1844 zugleich zum Geb. 
Obertribunalrat und 1845 zum Mitglied des Staats: 
rat3 und ber Gelehgebungstommiffion ernannt 
wurde, aber ſchon 8. Jan. 1846 ftarb. P. veritand 
es, das röm. Recht bis in feine innerjten Gedanten 
zu verfolgen und feine Geftaltung zu einer geilt- 
und lebensvollen Einheit aufzuzeigen. Dabei ver: 
band er mit — philoſ. Bildung (er gehörte 
der Schellingſchen Schule an) eine auferordentliche 
Schärfe und Klarheit des Gedantens und des Aus: 
druds. P.s Hauptwerte find: «Pandelten» (Lpz. 
1838; 12. Aufl., bearbeitet von Schirmer, 1877), 
«turfus ber Jallitationens (Bd. 1 u. 2, &pz. 1841 
—42; 6. Aufl. 1865—66; Bd. 3, herausg. von 
Rudorff 1847; 9. Aufl,, von Krüger, 2 Bde., 1881) 
und die «Vorlefungen über das heutige röm. Recht» 
(berausg. von Rudorff, 2 Bde., Lpz. 1847—48; 
6. Aufl, 1873—74). Von P.s übrigen Schriften 
find hervorzuheben: «Grundriß zu Vorlejungen 
über jurijt. Encyllopädie und S — (Er: 
langen 1822), « ne Abhandlungen» (Bd. 1, 
Verl, 1823), « Encyllopädie als Einleitung zu In: 
fitutionen:Borlefungen» (Berl. 1825), «Das Ge: 
wohnbeitäreht» (2 Bde., Grlangen 1828—37), 
«Lehrbuch für Inftitutionen:Borlefungene (Münd. 
1829), «Syitem des gemeinen Civilrechts, zum Ge: 
braud) bei Bandelten:Borlefungen» (Munch. 1832), 
«Einleitung in das Recht der Kirche» (Lpz. 1840). 
Seine «Kleinen civiliftiihen Schriften» (Kpz. 1851) 
wurden von Rudorff herausgegeben. i 

Pucie —* Graf; auch Pocié, 23 
Putié geſchrieben, ital, Orſatto Conte Pozza), 
einer der befannteften und fruchtbariten dalma— 
tiniſch⸗ ſlaw. Dichter der neueften Zeit, geb. 21. 
März 1821 in Raguſa, ftudierte in Padua und 
Dien, lebte 1846—48 in talien an den Höfen 
von Lucca und Barma und ging 1849 nad) Agram. 
Die Bewegung des jog. Illyrismus, wie die von 
1848, begleitete er mit ſchwuͤngvollen patriotijhen 
Gedichten. Seit 1849 lebte er in Ragufa und jtarb 
bier 30. Juni 1882, Seine poet. Werte find teils 

triotiſch⸗ſlaw. Inhalts 2, Braöa», « Bosanske 

vorije», «Slavjanstvo», «Karadjurdjevkan u. a.) 
teils fonettenartig («Talijanke»), teils epifch:lyrifch 

mb («Cvietao), und zeigen eine anſehnliche 
—5— — verbunden mit gewählter und 
pathetiſcher Sprache (gefammelt unter dem Tert 
jesme Meda Puci6a Dubrovtanina», Pancſova 


381 


1879). Bon den Gedichten ift einıged ins ta: 
lieniſche überjeßt von de Rubertis Campobaſſo 
1866). Cine Lebensbeichreibung P.8 findet ſich im 
«Rad» der Sudſlawiſchen Alademie (Bd. 67, 1883). 
‚Bud, bei den alten geieien, Angeln und Yüten 
ein Kobold, durch die Angeln aud nad England 
eingeführt, wo er auch Robin Goodfellow heißt 
und von Shaljpeare im «Sommernadtstraum » 
poetiſch verwertet wurde, 
ckler⸗Muskau (Herm. Ludw. Heinr., Fürft 
von), geiftvoller deuticher Schriftiteller, geb. 30. Dit. 
1785 zu Muskau in der Laufis, ftudierte 1801—8 
u Leipzig die Rechte, trat in Dresden in die Garde: 
wCorps und nahm 1804 als Rittmeijter feinen 
Abichied; 1811 kam er durch den Tod feines Baters 
in den Beſiß der Standesherrſchaft Muslkau (f. d.) 
und widmete ih der Berfhönerung feines Stamm: 
uts, wobei ihn Schinlels Rat unterjtügte. Er trat 
it. 1813 als Major in ruſſ. Dienfte und wurde Adju⸗ 
tant bei dem Herzog Auguft von Sadien: Weimar. 
Zum Oberitlieutenant ernannt, beſchäftigte er fid) 
in der nächſten Zeit mit Errihtung eines Jäger: 
regiment3 und war zu Brügge Militär: und Eivil: 
gouverneur, Nach dem Frieden trat er in das Pri- 
vatleben zurüd, Im %. 1817 vermäblte er fi) mit 
der Tochter des Staatälanzlerd Fürſten von Har: 
denberg, der biöherigen ir. räfın von Bappen: 
beim, von der er 1826 ehelich gefchieden wurde, 
ohne ſich jedoch von ihr zu trennen. Zur Entſchä— 
digung für aufgegebene Vorrechte wurde er 1822 
von dem König von rien in den Fürftenftand 
erhoben. Nach feiner Rudlehr von einer Reife nad) 
England betrieb er die Berfhönerungen in Muslau 
mit neuem Eifer nad) vergrößertem Maße und gab 
diefem Werte eine mahrhat geniale Vollendung. 
Eine Frucht diefer Thätigleit waren feine «Andeu: 
tungen über Landihaftsgärtnerei» (Stuttg. 1836). 
Später machte er mehrjährige Reifen durch Nord: 
afrita und Vorderafien und lebte dann wieder in 
Mustau, bis er 1845 diefe Herrſchaft —— 
Seitdem hielt er fi an verſchiedenen Orten Deutſch⸗ 
lands und Italiens auf. Sein eigentlier Wohn: 
fig war das Schloß — im Kreiſe Kottbus, wo 
unter feiner Leitung ebenfalls großartige Garten: 
anlagen ausgeführt wurden. Im Oft. 1861 erhielt 
er das Prädikat Durdlaudt und 1863 wurde er 
zum erblihen Mitglied des Herrenhaufes ernannt. 
Nachdem er noch im preuß. Generalitab bem Deut: 
{hen Krieg von 1866 beigewohnt hatte, ftarb er 
4. Febr. 1871 zu Branis. Sein Nadfolger zu 
Branig iſt fein Vetter, Reichsgraf Heinrih von 
Püdler, geb. 14. April 1835. 
Als Schriftſteller machte fih P. zuerit befannt 
durch die «Briefe eines Verftorbenen» (4 Bde., 
Münd. 1830 u. Stuttg. 1831). Diejelben enthal: 
ten ein Tagebuh aus England, Wales, Irland, 
Frankreich, Deutihland und Holland, bieten äußerft 
interefiante Sitten: und Charalterfchilderungen von 
Verfonen aus den höditen Kreiſen und zeichnen 
fich durch glänzenden Stil und freimütige Urteile 
aus, Sodann erſchienen von ihm «Tutti frutti, aus 
den Papieren des Verftorbenen» (5 Bde., Stuttg. 
1834), weldye, wie aud) feine «Tjugendwanderungen» 
(Stuttg. 1835), geringere Bedeutung haben. _ Als 
Früchte von P.s jpätern .. erſchienen: «Semi: 
aſſos vorlegter Weltgang; Traum und Wachen; 
aus den Papieren des — — a 
1835), «Semilafjo in Afrita» (5 Bde. Stuttg. 1836), 
«Der Vorläufer» (Stuttg. 1838), « Südöjtlicher 


382 Pud — Bueblos 


Bilderfaal» (3 Bde. Stuttg. 1840), « Aus Mebe: 
med⸗Alis Reich» (3 Bde., Stuttg. 1844), «Die Rüd: 
tehr» (3 Bde., Berl. 1846—48). 

Bol. Ludmilla Aſſing, «Fürjt Hermann von B.» 
(Bd. 1, Hamb. 1873; Bd. 2, Berl. 1874); «B.3 
Briefwecjel und Tagebücher» (herausg. von Lud⸗ 
milla Aſſing, Bd. 1u.2, Hamb. 1873; Bd. 3—9, 
Berl. 1874— 76); Bebold, «PB. in jeiner Bedeutung 
für die bildende Gartenfunft» (Lpz. 1874). 

Pud iſt ein rufi. Handelsgewicht von 40 Fat 
10 P. machen 1 Berloweß oder 1 Sciffepfund. 
12. ift = 16,58 kg = 36,113 engl. Handelspfund. 

Buddeln (vom engl. Duddie), im Flammofen 
frühen, biejenige Behandlung des geihmolzenen 
Roheiſens, bei weldher man den in demfelben ent: 
baltenen Koblenftoff unter bejtändigem Umrübren 
der orydierenden Wirkung der Luft ausfeht, ſodaß 
nad) der teilweijen Verbrennung des Kohlenſtoſfs 
Schmiedeeiſen oder Stahl entiteht. (S. u. Eiſen— 
erzeugung, Bd. V, ©. 898.) , } 

uddelofen, cin Slammofen, in welchem die 
Dperation des Puddelns vorgenommen wird. (S. 
unter Gifenergeugung, Bd. V, ©. 898.) 

Pudding, eine als Zuloſt beliebte Mehlſpeiſe 
aus Mehl, Giern und Butter, die öfters durch ver: 
ihiebene Zufäße pitant gemacht wird. Der berühmte 
Plumpudding, das brit. Nationalgeridht, er: 
hält als Hauptzuſaß Rofinen, Citronat und dium, 
der beim Auftragen angezündet wird. 

dingſtone, ſ. unter Konglomerat. 

dlingsarbeit, ſ. Friſchen und Puddeln. 

udel, ſ. unter Hunde, Bd. IX, ©. 465. 
‚ein aus feinfter Stärte —— 

häufig aromatiſches weißes Pulver, diente ſeit der 
Mitte des 16. Jahrh. dazu, Haare und Perüden 
damit zu bejtreuen, meld Sitte aber feit Anfan 
des 19, Jahrh. aus der Diode gelommen ift. Erſt 
jeit den lehten Jahren des zweiten Kaiſerreichs hat 
ſich der P. wieber in einzelnen Kreiſen eingebürgert 
und dient als Neisftärfemehl (poudre de riz) aud) 
zum Beftäuben der Haut. f 

Pudicitia, in der röm. Mythologie die Per: 
fonifitation der Keufchheit und en meiſt 
als nadte, in ſich gelauerte Jungfrau oder Frau 


abgebildet. 

Buplein (Bobolin), Stadt in Ungarn, Ko: 
mitat Zips, linls am obern Poprad, mit 1659 
meijt flowal. E., hat ein Gyninaſium und Mar: 
morbrüde und war früher ein befeitiger Blab. 

Pudoſh, Kreisitadt im ruf. Gouvernement Olo: 
ney, rechts an der Wodla, 116 km öſtlich von Petro: 
ſawodst, mit (1881) 1327 E., welde iſchfang, na: 
mentlich Lachsfang und Handel mit dlachs treiben. 

Pudufota, Butunlottai, Heiner zu der Pra— 
——— Madras des brit.⸗ ind. Reichs gehören: 
der Vaſallenſtaat mit gleichnamigem Hauptort, 
wird nördlich vom brit. Diſirilt Tirutfchinapalli, 
öftli von Tanjore, ——* von Madura, gleich: 
falls beit. Diftrikten, begrenzt und zählt (1872) auf 
3574 qkm 316695 6, 

Puebla (2a), Stadt auf der fpan. Inſel Mal: 
lorxca, zum Bezirk Inca der Provinz Baleares ge: 
börig, Station der Bahn Empalme:®B., an der 
Straße von Balma nad Alcudia, hat (1877) 4861 €, 

Buebla (La), mit vollftändigem Namen La P. 
belos Ang eles, die Hauptitadt des gleichnamigen 
merif, Staats, Gib der ——— desſelben, ſowie 
eines Biſchofs (jeit 1550), liegt an der Haupt raße 
von Beracruz nach Mexiko, 240 km —8 von 


Vera und 120 km füböjtlih von Merxilo, in 
2196 m Meereshöße, am fübweitl. Fuße der Sierra 
Malinche und nahe öjtlih vom Fluſſe Atoyac, ber 
dort den Rio Preto aufnimmt. Die Stabt wurbe 
1533 gegründet und gehört zu den vollreichſten und 
ihönjten Städten Neuſpaniens. Sie hat nad) alt: 
Ipan, Bauart dide Ningmauern, außerhalb welcher 
die Stadtviertel (barrios) der Indianer liegen, üt 
ganı regelmäßig erbaut, hat breite, gutgepflafterte 
traben, 72 Kirchen und Stapellen, 9 Mönds: und 
13 Nonnentlöfter, ein Briefterfeminar, eine mediy.: 
chirurgiſche Akademie, eine Wajjerleitung, ein Mu: 
feum und ein großes Theater und zäblt (1880) 
64588 E. Bemertenswert ift die 1552 begonnene, 
1649 eingeweihte große Domlirche im reiniten bor. 
Stil, mit zwei ſchlanlen Türmen und im Innern 
jehr reich ausgeitattet. In Bezug auf Handel und 
engen nimmt P. einen nicht unbedeutenden 
ang ein. Mit der von Veracruz nad Merito 
übrenden Bahn it P. durch eine 47 km lange 
weigbahn nah San Luis Apizaco verbunden. 
Hauptausfubrartifel find trefflicher 9 Weizen, ſowie 
Mehl, befonders nad) Daraca und Veracruz. Die 
Märkte in P. find ftark befucht. Wegen ihrer ſtra⸗ 
tegiichen Bedeutung bat die Stadt in der ms 
Kriegsoeſchichte mehrfach eine Rolle gefpielt. % 
kannt machte fie fih durch ihre ge 
Gegenwehr in dem It :merif, Kri Am 
5. Mai 1862 erlitten — unter General 
Lorencey, der über die res von Acalcingo 
—— war, bei P. durch den merif, General 
ragoza eine u ge, ſodaß fie 
8. Mai ihren Rüdzug na ba antreten muß: 
ten. Im J. 1863 waren die Franzoſen unter Ge- 
neral Forey bei einem neuen Angriff erfolgreicher. 
—— fie der Stadt das Waſſer abgeſchnitten und 
16. Mai dad wichtige Fort Teotimehuacan zerftört 
hatten, ließ fi) Ortega bewegen, 18. Mai die Stab: 
zu —— (S. Merito, Land.) 

Der Staat Buebla im N. und D, an Vera: 
cruz, im S. an Daraca, im SB, an Guerrero, im 
W. an Morelos, Merito, Tlascala und Hidalgo 
grenzend, zählt 1882 auf 33000 qkm 784466 6. 

PBnebla de ag (2a), Stabt in der jpan. 
— Sevilla, Bezirk Moron, linls am ober 

orbones, einem linken Zufluß des Guabalquivir, 
hat (1877) 5161 E. und in der Nähe Silber:, Blei: 
und Eijengruben, ſowie Mineralquellen. 

Puebla de Don rique, Stadt in der fpan, 
Provinz Granada, Bezirk Huescar, am 
des big zu 2400 m aufiteigenden Gebir La 
Sagra, hat (1877) 6765 E., Woll: und ⸗ 
rei und gu Sc 

Puebla de man, Stadt in ber jpan, Bro: 
re her Bezirk Valverde del Camino, 50 km 
nordweitlih von Huelva, mit dem es 
jtraße verbunden ift, 204 m über dem Meere, hat 
(1877) 3868 €, und reiche Rupferbergwerle. _ 

Puebla de Sauabria, Bezirlshauptort in der 
ſpan. Provinz Zamora, rechts am Tera, an ber 
Einmündung des Gaftro in denfelben, hat 1215 €. 
und ift Hauptort der Landſchaft Sanabria, de 
nordweſtl. Teil der Provinz Zamora, 

ueblos, d. i. abewohnte Orte», Name der 

albeivilifierten regnen au. welche in 

— = rizona Ka > dio —— 
orte in feſten Wohnſihen ange i 

den Bauten und ——— zu ſchließen, 

waren die von den P. bewohnten Gegenden der 


Pueblo-Viejo — Buerto:Montt 


Sig einer alten, über das ganze Hochland ver: 
breiteten Kultur, weiche bis auf den heutigen Tag 
nicht ganz verwijdht werden fonnte. Die P. zer: 
fallen in mehrere Stämme, welche ſprachlich drei 
Abteilungen bilden, nämlih: 1) Jemez, Tegua, 
Teſuque und Taos ; 2)Queres und Ncoma ; 3) Zuñi. 
Die —— der P. zeigen weder mit den Idiomen 
der umwohnenden Stämme, noch überhaupt mit 
einer Sprache Nordamerilas irgend welche Ber: 
wandtſchaft. Vol. Bancroft, «The native races 
of the Paciſie States of North-America» (5 Bde., 
San⸗Francisco, Lond. u. Lpz. 1875). 

Bueblo-Biejo oder Tenampua, alte Quiche: 
jtabt, j. anter Comayagua. 

Puella/lat.)‚,das Mädchen; Puella publica, 
Freudenmãdchen, Broftituierte, 

Bueltfihen (Puelches), die Indianer der 
Bampas in der u rg Nepublit, vornehm: 
lid) zwiidhen dem Rio Negro und Rio Colorado, 
nicht mit den Picunches zu verwechjeln, die irrtümlich 
auch Puelches genannt werden, aber einen Stamm 
der Araucaner bilden. (S. Behuentihen.) _ 

:®enil, Stabt in der fpan. Provinz 

Cördoba, Bazirk Nauilar, rechts am Genil, Station 
der Bahnen Görboba-Mälaga und P.«Jaen-Espe⸗ 
luy, hat (1877) 10904 E., Woll: und Leinweberei, 
Seidenzaupenzudt, Oliven: und Weinbau. 

Puente la Reina, Stabt in ber ſpan. Provin 
Ravarra nice ag! [ins am Arga, i 
Straßenfnotenpunkt und hat (1877) 3306 €., Wein: 
bau und zwei Meſſen (im Juli und im September). 

(lat.), lindiſch; Puerilia, Hindereien, 
era, Kinbbetterin, Wöchnerin. 
alfieber, j. Kinbbettfieber. 
um (ar Kindbett, Wochenbett. 

Puerto (ipan.), Hafen; Paß. 

Buerto:Belo (Porto Bello), eigentlih San: 
Felipe de Puerto Belo, Stabt auf der Land— 
enge von Panama, im RD. von Eolon oder Aspin⸗ 
wall, in dem ehemaligen Generallapitanat Gua: 
temala, jebt zum Depart. Colon des columbiichen 
—— Panamũ gehörig, wurde 1584 angelegt. 
Die Stadt ijt berühmt wegen ihres Schönen Hafens, 
der, ſchon von Columbus 2. Nov. 1502 entdedt und 
benannt, fie jonft zum Stapelplab der fpan. Silber: 
flotte madte, und berücdhtigt wegen ihres mörbe: 
rifchen Klimas, das ihr den Namen des Grabes der 
Europäer zuzog und alle kommerziellen Vorteile 
ihrer Lage amı Ende vernichtete, ſodaß fie jept aus 
einem wichtigen feiten Handelsplage mit 15000 E. 
zu einem verjallenen Orte mit etwa 1200 E., meijt 
Negern und Mulatten, geworden ift, die allein dem 
dortigen Klima etwas Widerftand leiten können. 
Unter ber jpan. nid war P. ein Hauptempo- 


rium de3 Handel3 zwiihen Spanien und Mittel: 
amerila und hatte jährlic) eine große Meſſe. Durd) 
wiederholte Blünderungen feitens der Boucaniers, 
durd die Einäfherung von jeiten des engl. Abmi- 
rals Bernon 1739 und zulept dadurch, daß feit dem 
Ende der ſpan. Herrſchaft —— als Haupthafen 
an der atlantiſchen Küſte des Iſthmus an ihre 
Stelle trat, jank jie immer mehr herab, 

Buerto : Caballo8 oder Puerto» Cortez, 
fleiner Ort in der mittelamerif, Republit Hon: 
duras, an der Bai gleihen Namens, öſtlich des 
Seehafens Dmoa, ift der Ausgangspunlt der Eifen: 
bahn, welde den Atlantifchen Drean mit dem 
Stillen Dcean (Amapala an der Fyonjecabai) ver: 
binden foll. Doc ift feit 1871 erſt die Strede von 


3833 


P. bis Sant: jago (90 km) in Betrieb, Seitdem 
ift nicht weiter gebaut worden. 
Buerto⸗Cabello, Seejtadt von (1882) 10145 C. 
im Staate Carabobo der ſüdamerik. Nepublit Ve: 
nezuela, in niedriger Küftenebene am Karibiſchen 
Meere gelegen, iſt gut gebaut und bat einen der 
ſchönſten Häfen der Welt, der von einer gegen alle 
Winde —— Bai gebildet und ſo tief iſt, daß 
die größten Schiſſe unmittelbar anlegen können. 
Zwei Forts und ein Bajtion verteidigen BP. Das 
Klima iſt heiß und ungejund; die Bevölferung be: 
jtcht meift aus Mifchlingen und Farbigen. Dod gibt 
e3 verhältnismäßig viele große Handelshäufer von 
Ausländern, befonders deutiche, englifche und fran- 
zöfiche. Zur Ausfuhr gelangen Kaffee, Farb or 
Kakao, Felle, Indigo, Baunmolleund Zuder. P. iſt 
Siß eines deutichen Konſulats, deſſen Amtsbezirk die 
Staaten Garabobo und Norte de Dccidente 5* 
rto de Gabrad, Hauptort der Canariſchen 

Inſel Fuerteventura, _ , 

uerto de Colima, Hafen des merilan, Staa: 
te3 Golima (f. d.). 

nerto de Eopinpö, ſ. unter Copiapd. 
j o de Espaũa, Hauptitadt der brit.weit 
ind, Infel Trinidad (j. d.). 

uerto de Jolay, Y3lay, 1830 angelegter 
Hafenort der peruan. Stadt Arequipa (f. d.), im 
* Arequipa, an ſteiler, öder und ungefunder 
Küjte, hat einen Race und geräumigen Hafen, 
welder aber feit Anlage der Bahn Arequipa: 
Mollendo an Bedeutung eingebüßt bat, 

Buerto de la Oroiava oder Puerto de la 
Cruz, ein ihön — Drt an der Nordkuſte ber 
Ganarifchen Inſel Teneriffa, 5 km von ber Stabt 
Drotava, u eine offene Reede, aber feit dem Ein: 

eben des Weinbaues wenig Handel; Hauptausfuhr 
it Cochenille und Kartoffeln nah Wejtindien, Die 
Stadt zählt (1877) 4195 G. 
uerto de la Periquera, Hafenort im vene: 
zuel. Staate Apure (f. d.). 

Puerto de Sauta : Maria, cine Gtabt 
(Eiudad) in der Provinz und 10 km im NO. von 
Gadiz, an der Eifenbahn Sevilla:Cadiz und am Ab: 
bange einer Anhöhe bei der Mündung des ſchiff⸗ 
baren Guadalete in die Bai von Cadiz gelegen, 
zählt mit ihrem von Weingärten bebedten Gebiete 
(1877) 22125 E. und ijt eine großenteils regelmäßig 
gebaute, wohlhabende Handelsſtadt, der Haupt: 

| verihiffungsplas des Kerezweins, der bier in groß: 
| artigen Lagern (Bodegas) aufgeltapelt wird. Der 
| Ort bat ein Findel: und ein Korreltionshaus, ein 
Theater, einen großen Stiergefechtscirlus, fowie 
ſchöne Promenaden. Mitten in der Stadt erheben 
ſich die Reſte eines großen mauriſchen Kaſtells. Die 
Induſtrie befteht in Leder:, Seifen-, Hut:, Brannt: 
wein: und ——— Die Umgegend er— 
zeugt viel Wein, Getreide, Gemüfe, Drangen, Fei— 
gen, Mandeln und Ol. Auf dem Delta de3 Gua⸗ 
dalete und Rio San: Pedro liegen viele Salinen. 
Aljährlih im Mai wird eine Meſſe in Verbindung 
mit großartigen Stiergefechten abgehalten, , 

Buerto la Mar, der Sechbafen Bolivias, feit 
29, Nov. 1884 unter hilenisher Verwaltung, ſ. 
Cobija. (f. d.). 

erto:Mahon, Hauptſtadt von Menorca 
nerto:Montt (bei den Araulanern Mili: 
pulli), Hauptitabt der Provinz Aanquihue im 
ſudl. Chile, lieat im Hintergrunde des r⸗ 
buſens von Reloncavi und wurde 1853 unter 


384 


der: Regierung des Präfidenten Montt gearün: 
det. Die Stabt ag » (1888) > etwa. 4000 G;, 
rößtenteild Deutſche, m Handwerlsbetrieb jeder 
Sirt, eine deutſche Schule und feit 1865 einen deut: 
ſchen prot. ar ‚Der Hafen iſt einer der 
beiten Chiles, freilich in einer nod) fajt ganz mit Ur: 
wald bededten Gegend. Derſelbe vermittelt den 
Verkehr mit Ancud, —* den Quaytecas⸗Inſeln 
und andern Kuſtenpunlten. Erportiert werden Holz, 
Getreide, Sohlleder und Honig. B. iſt Sik eines 
deutichen Bizetonfulats, defien Amtsbezirk ſich über 
die Provinzen Llanquihue und Ehiloe eritredt. - 

Puerto:Plata, Seeſtadt der Republit Santo: 
Domingo mit etwa 40006. und Hauptort des glid- 
namigen Seediſtrilts (mit 18000 E.), auf der Nord: 
füfte der Inſel Haiti in Weftindien, ift nächſt der 
Hauptitadt Santo:Domingo der bedeutendite Han: 
velsplap des Staats und fteht in regelmäßigen 
—— — mit St. Thomas und Ha⸗ 
vana, Ausfuhrartitel find Tabat, Mahagoniholz, 
Gelbholz, Wade, Honig, Kaffee und Zuder. Die 
Deutihen nehmen an dem Handel bedeutenden 
Anteil, In der Nachbarſchaft find mächtige Stein: 
tohlenlager. P. it Sip eines deutſchen Konſulats 
für das Land nördlich des Gebirges Cibao von 
Monte-Erifti bis zur Bahia de Samand, 

Puerto: Bozo, f. Pailon. j 

Puerto: Principe oder Ciudad del Prin: 

cipe, Hauptitadt des gleihnamigen Diſtrilts im 
Dftdepartement der ſpan. Inſel Cuba, 475 km im 
DSD. von Havana, 70 km fübwejtlih von ihrem 
Eeehafen Nuevitas oder San: Jernando de 
Nuevitas entfernt und mit diefem jeit 1840 durch 
eine Gifenbahn verbunden, zählt 30000 €. Die 
Stadt hat große Cigarrenfabrilen und bedeutenden 
Handel mit Zuder, TZabat, Wachs und Honig, treibt 
ftarte Viehzucht, Tent in einer feuchten Niederung 
wiihen zwei zur Regenzeit weithin austretenden 
Flüſſen und gewährt mit ihren auf Pfählen er: 
bauten Häufern einen elenden Anblid. Es beitehen 
fünf Kirchen, zahlreiche Klöſter, Hofpitäler und 
Kafernen, zwei Theater, zwei Gymmajien und 27 
Glementoriäulen. m Anfang des 16. Jahrh. von 
Velasquez am Deere erbaut und dann zweimal 
verlegt, blühte die Binnenftadt zu anſehnlicher 
Größe auf, ward 1733 zur Gouvernementsftabt er: 
pen und 1780 durd) den Hafen Nucvitas bereichert. 
dachdem die Spanier Santo:Domingo 1800 an 
Kaurds abgetreten, wurde‘ P. zum Siß der oberiten 
önigl. en, und des oberjten Gerichtähofs für 
das ſpan. Weſtindien erhoben. 

Puerto:Neal, eine Stadt (Billa) von (1877 
10632 €. in der ſpan. Provinz Cadiz, 10 km öftli 
von der Stadt Cadiz, an deren innerer Bai, wie das 
—— Fort Trocadero an der Eiſenbahn 
von Sevilla nad Gadiz gelegen, ift regelmäßig ge: 
baut und hat jhöne Gebäude und Gärten, die meift 
begüterten Gabitanos (Bewohnern von Gadiz) ge 

ören. Bei dem Fort Trocadero befinden fh 

—— und Werfte, am Bahnhof ein Gin: 
Shiffungsplag und in der Nähe viele Calinen, für 
deren Produlte die Stadt große Niederlagen hat. 

uerto:Rico, ſ. Rortorico, 
ufendorf (Samuel, Freiherr von), einer der 
erjten und ausgezeichnetiten deutichen Naturrechts: 
lehrer, geb. 8. ‚jan. 1632 zu Dorf:Chemnih bei 
Chemniß, wo fein Vater Prediger war, befuchte die 
BerPeniasie zu Grimma, dann die Univerfitäten zu 
eipzig und Jena und nahm 1658 die Stelle eines 


Nuerto:Plata — Pufendorf 


Hofmeifters. in dem Hauſe des ſchwed. Geſandten 
am dän. Hofe an. Als bald nachher der Krieg zwi⸗ 
ichen Dänemark und Schweden ausbrach, wurbe er 
in Kopenhagen mit der familie des ichweb. Ge: 
jandten ——— Waͤhrend ſeiner achtmonatlichen 
Verhaftung ſtudierte er beſonders des Grotius und 
Hobbes Schriften über Recht und Staat und ſchrieb 
feine «Elementa jurisprudentiae universalis » 
(Haag 1660). Ter Aucfürft von der Pfalz, Karl 
Ludwig, welchem P. diefe Schrift zugeeignet hatte, 
nahm fie mit folhem Beifall auf, daß er für P. 
1661 zu einge eine Brofeflur des Natur: und 
Völterrecht3 (die erite in Deutichland) ftiftete. Im 
3. 1670 übernahm er die Brofefiur des Völterrehts 
an der neuerrichteten Univerfität zu Lund. Hier 
—— er fein Werk «De jure naturae et gentium» 
Lund 1672) und dann das Nompendium «De officio 
hominis et civis» (und 1673), das viele Ausgaben 
und Überſetzungen erlebt bat. Da er in diejen 
Schriften fib von der ſcholaſtiſchen Methode noch 
mebr al3 Grotius entfernt batte, jo fonnte e3 ihm 
an heftigen Gegnern nicht fehlen, die er aber durd) 
jein geiftiges Übergewicht überwand, Ihm ſchwebte 
noch Harer als Grotius die Idee einer Wiſſenſchaft 
vor, weldye, ge mau von allem Einfluſſe des 
pofitiven Rechts oder der Theologie, die Rechts— 
verhältniffe bloß nad Gefepen der Bernunft be: 
itimmen follte. Er ftellte als Grundlage des Rechts 
mit Grotius bie Sozialität auf, d. h. er betrachtete 
das Recht, deflen Bedürfnis er aus der verderbten 
Natur des Menſchen ableitete, als die Bedingung 
einer rubigen und geordneten Gemeinſchaft und 
Geſellſchaſt. Wie in dem Naturrecht, jo machte er 
nicht minder im deutſchen Staatereht Epoche. 
— Heidelberg ſchrieb er auf Anregung des 
Kurfürften unter dem Nanıen Severinu3 a 
Monzambano das berühmte Buch «De statu 
reipublicae Germanicae» (1667 u. öfter; deutſch 
von Breklau, «Hiltor.:polit. Bibliothek», Lief. 31 
u. 43, Berl. 1870), weldye er durch feinen Bruder, 
Eſgias P., der ſich damals als ſchwed. Geiandter 
in Paris aufhielt, zum Drud befördern ließ. In 
demfelben hatte er Deutſchland als einen republis 
laniſchen Körper dargeftellt, deſſen ſchlecht zufam: 
mengefügte Teile ein abenteuerliche Ganzes bil: 
beten. ( Franklin, «Das Deutihe Reich na 
Severinus von Monzambano», Greifsw. 1872. 
—— rieb er mehrere andere ftaatd: und 
lirhenrehtlide Werke. Als der Krieg in Schonen 
ausbrad, ne. er fih nad Stodholm, wo er zum 
Staatsfelretär, Hofrat und Hiltoriographen er: 
nannt wurde. In diefer Zeit ſchrieb er «De rebus 
Suecicis» (ltr. 1676) und «De rebus a Carolo 
Gustavo gestis» (2 Bde., Nürnberg 1696), fowie 
die «Ginleitung zur Geſchichte der vornehmiten 
Reihe und Staaten» (3 Bde., Frankf. 1682), die 
fpäter Ohlenſchläger fortführte. Im J. 1686 folgte 
er dem Rufe des Kurfürſten von Brandenburg, 
iedrih Wilhelm, ald Hofrat, Hiftoriograph und 
ammergeriht3beifiger nach Berlin, mwurbe 1690 
wm Geh. Rat ernannt und 1694 von Karl XI. von 
chweden in ben lege erhoben, Er jtarb 
u Berlin 26. Dit. 1694. Nach feinem Tode er: 
—— noch von ihm: «De rebus derici 
Wilhelmi Magni» (2 Bde., Berl. 1695) und «De 
rebus gestis Frideriei Ill.» (Berl. 1695). Bal. 
Droyfen, «Zur Kritit P.3» (in «Abhandlungen. Zur 
— 2p3. 1876); von Treitſchle in den 
«Rreuß. Jahrbüchern» (Nr.35 u. 36, 1875), 


Buff — Bulcinella 


Puff, eine Art Vrettſpiel, weldes von 2 Ber: 
fonen auf.dem Trictrachrett- mit je.15 Damenjtei: 
nen geipielt wird. Das Brett beiteht aus zwei 
nebeneinander gelegten quadratiichen Feldern, jedes 
mit 12 jpiten Dreieden, deren Spiben gegeneinan: 
der gelehrt find. Das Seen der Steine erfolgt 
durch NAuswürfeln mit zwei Würfeln, ebenjo, wenn 
alle Steine gefekt find, da3 Ziehen. Wer alle 
jeine Steine zuerſt wieder aus dem Brett heraus: 
gewürfelt bat, ijt der Gewinner. Zur Belebung des 
Spiel3 dienen verſchiedene Negeln. j 

Buffbohne, die Widenart Vicia Faba L., ſ. 
unter Bobne, ME: 

Buffotter (Clotho arictans), eine höchſt giftige 
Schlange, die bi3 1,5 m lang wird, einen fehr diden 
Yeib, kurzen Schwanz und gelielte Schuppen hat; 
diefe fandfarbige Otter findet fih in Südafrika, 

Pugatſchew (Jemeljan), berüchtigter Abenteu: 
rer, ber ſich flır Kaiier Peter III, (f. d.) von Ruß: 
land ausgab, war der Sohn eines Koſalen und 
1726 in dem Dorfe Simoweist am Don geboren, 
wo er ſich in der jugend ſchon zum Anführer einer 
Näuberbande emporſchwang. Im Siebenjährigen 
Striege diente er erjt im rufj., dann im preuß., zu: 
let im öſterr. Heere. In fein Baterland zurüd: 
gekehrt, juchte er unter feinen Landsleuten Aufruhr 
auszuftreuen, wurde indes bald zu Mailowla an 
der Wolga verhaftet und nad Kaſan geſchickt. Doc) 
wußte er 9 u befreien, zjog weiter öſtlich nad) 
aizfoi und abe bier, Bra eine angebliche ihn: 
lichfeit mit dem Kaiſer Peter III. veranlaßt, den 
Entihluß, ſich für diefen audzugeben, Seine An: 
hänger verbreiteten da3 Gerücht, man habe ftatt 
Peters III. einen ibm ähnlichen Soldaten auf dem 
Totenbette ausgeitellt, jener aber fei verkleidet ent: 
fonımen und erſcheine nun wieder in der Mitte jeis 
ner getreuen Koſalen, um mit_deren Hilfe Krone 
und Reich .zurüdzugewinnen, Der Aufruhr brad) 
in der Dlitte Augult 1773 aus, wo ein Manifeft 
2.3 im Namen. Kaiſers Beter III. verbreitet wurde. 
P. wußte die 500 Mann ſtarke Befagung der Feltung 
Jaizkoi für ſich zu gewinnen, und als.ein Teil der 
durch harte Verfolgungen erbitterten Altgläubigen 
ſich für ihn erllärte, traten viele ſeiner Landsleute, 
ſowie ber größte Teil der Bauern zu ibm über, Gr 
eroberte mehrere ruji. Feftungen und Stanijen am 
Ural und am Don, wobei er furdtbare Graujams 
keiten beging. Sein Heer belief fich bereits auf 
mebr als 15000 Mann, als fich ihm die Mehrzahl 
der Bajchtiren, fowie der Wotjäten, Bermjäten und 
anderer finn, Bölferihaften auſchloß und aud) die 
eigentlichen Tataren unterwarfen. General Wlichels 
fon konnte anfangs nicht3 gegen P. ausrichten. 
Sogar Kaſan erlag P.s Angriff, und nachdem er 
die Wolga überfchritten, gedachte er ſich Mostaus 
zu bemäditigen. Da gelang e3 endlid) den verein: 
ten Anjtrengungen Panins und Sumorows, P. 
von feinem Hauptheer abzufchneiden. Won fei: 
nen einenen Anhängern verraten, wurde B. durch 
Michelſon nah Moskau gebracht, wo ihn ein Kriege: 
gericht zum Tode verurteilte. P. wurde 21. Yan. 
1775 nebjt den Rädelsführern zu Moskau hingerich: 
tet, Val. Puſchkin, «Geſchichte des P.ſchen Aufitan: 
des» (2 Bde., Betersb, 1834; deutfch, Stutta. 1840). 

PBuget:Sound, tiefe Bucht des Großen Oceans, 
zum Territorium Waibington der Vereinigten Staa: 
ten von Amerita gehörig, hängt durch Admirals: 
Inlet nordweitlid mit der Straße San: juan de 


Gonverjationd=Lerilon. 13. Aufl, XIIL 


Fuca zufammen und hat an feiner jerllüfteten Küſte 


385 


eine große Anzahl fichere und ſturmfreie Unterpläge, 
unter denen Olympia, die Hauptſtadt des Territos 
riums, der bedeutenbite iſt. 

Pujol (Alerandre Denis), f. Abel de Pujol. 

Pula, afrik. Volksſtamm, ſ. Felläta. 

Pulawy, jezt Nowaja Alexandrija ges 
nannt, ehemalige Reſidenz des Fürſten Gzartoryili, 
rechts an der Weichſel, im ruſſ. Gouvernement 
Lublin, ein Marttfleden mit ungefähr 2200 E., iſt 
Station der Linie Kowel-Plawa der Weichſelbahn. 
In dem Schloſſe befand ſich eine auserwählte Bi: 
bliothet von 80000 Bänden. Der engl. arten war 
einer der ſchönſten in Polen, und der darin erbaute, 
von MWoronicz befungene Sibyllentempel enthielt 
eine Sammlung der felteniten poln. und flaw, Al: 
tertümer. Während des Inſurrektionskriegs von 

1831 wurde das Schloß von den Ruſſen verwültet 
und fpäter die ganze Befikung lonfigziert, die Bi: 
bliothek aber nadı Petersburg gebradt. In dem 
Sclojje beitand 1846—62 ein höheres Erziehungs: 
injtitut für Mädchen, das nah Warichau verlegt 
wurde; jeßt ijt bier eine landwirtſchaftliche Schule. 
Bei B. fochten die Bolen 1809 mit den Öfterreihern, 
26. Febr. und 2, März 1831 mit den Ruſſen. 

Pulcheria (Alia Augufta), Tochter des oſtröm. 
Kaiſers Arcadius, geb. 19. Jan. 399 n. Ehr., über: 
nahm 2. Juni 414, nad) dem NRüdtritt des Mini: 
ſters Anthemius, als Augufta für ihren noch min: 
derjährigen Bruder, den Haifer Theodofius II., 
die vormundf aftliche Regierung. Als Theodofius 
28, Juli 450 ftarb, reichte fie (zu bloß nomineller 
She) dem General Marcian die and, um ihm die 
Krone zuzumenden. P. jtarb im Juli 453. 

Bulei (Luigi), ital, Dichter, 8 3. Dez. 1431 zu 
Florenz, ſtand mit Lorenzo de Medici und Polizian 
in vertrauten Verhältniſſen und ſtarb 1487. Sein 
durch Geiſt und With ausgezeichnetes, aber im Vers: 
bau rauhes Epos «all Morgante maggiore» (Vened. 

1481; vollitändigfte Ausg., Flor. oder Neap. 1732), 
worin er die Abenteuer des Rinaldo und des Nies 
fen Morgante erzäblt, foll er auf Antrieb der 
Viutter Lorenzos, Lucrezia, verfaßt haben. 

Von feinen beiden ältern Brüdern ſchrieb Bers 
nardo P. Iyriiche und religiöje Gedichte; Luca 
P. verfahte Stanzen auf das Turnier des Lorenzo 
de’ Medici, heroiſche Epijteln, eine Rajtoralromanze 
«Driadeo d’amore» (Flor. 1479) und eine epiiche 
Romanze, wahrſcheinlich die erjte im ital. Sprache, 
all Ciriflo Calvanco» (Flor. um 1490), 

Puleinella, franz. Polichinelle, eine Cha: 
raltermaste in ber ncapolit. Volkspoſſe, verdantt 
angeblih Namen und Urjprung einem wihigen 
Bauern aus der Gegend von Acerra, Namens 
«Puccio d’Anielloo, der diefe Nolle zuerjt geipielt 
haben foll, it aber gewiß eine viel ältere Volks— 
tradition von einem wikigen Budeligen, dem man 
allerlei ſpaßhafte Einfälle aufgebürdet, und der ſich 
vielleicht ſchon aus den altröm. Atellanen (ſ. d.) auf 
das niodern ital. Volksluſtſpiel (commedia deli’ 
arte) vererbt hat. P. üt ein Heiner verwachſener 
Kerl, voll fcharjer und beißender Laune. Seine 
Tracht beiteht in weißwollenen Pluderhofen und 
weitärneligem Oberlleide von denjelben Stoffe, 
mit Herzen von rotem Tuch benäht, mit Yranien 
beſaumt und mit einem ſchwarzen Ledergürtel oder 
Haarjeil umgürtet. Um den Hals trägt_er eine 
Yeinwandkranfe, auf dem Kopfe eine weihwollene 
Mühe, lang gefpikt und rot bezipfelt. Drei Viertel 
des Geſichts find mit einer ſchwarzen Maske bededt; 

25 


386 


die Nafe ift krumm und fpik wie ein Vogelſchnabel. 
P. fpricht in bäueriſchem Dialekt und figuriert in 
Italien nicht bloß auf den Bollsbühnen, ſondern 
auc bei Boltsfeiten, zumal beim Starneval. Im 
franz. Marionettenjpiel befam die Maste die Ge: 
jtalt eines hinten und vorn budeligen Glieder: 
mannes, der einen großen Dreimajter trägt, jchlen: 
ternde, dünne Beine, plunpe Holzihuhe und ein 
buntes Harletinstleid hat. Beſonders charalteriſtiſch 
für den B. ift ein quielender, gellender Stimmton, 
den der Marionetteiiipieler mit einem Stückchen 
Holz oder Blech im Munde hervorbringt. 

Pulex (lat.), der Floh. 

PBulgada (jpan., von 
ſpan. Zoll,= 4, pie oder 

Pulicärla Gaertn., Sloblraut, Lg vr 
gattung aus der familie der Kompofiten., Van 
tennt gegen 24 Arten, die größtenteild in den 
Mittelmeerländern vorkommen. Es find fraut: 
artige Pflanzen, die mit den Arten der Gattung 
Inula (j. Alant) große Ähnlichkeit Eur und fich 
nur durch einen doppelten Pappus der Achenen 
von jenen unterfcheiden. In Deutichland find zwei 
Arten einheimisch: das gemeine Flohkraut (P. 
vulgaris @aertn., Inula pulicaria Z.) und P. dys- 
enterica Gaertn., weldye beide früher offizinell 
waren. Gie finden fich häufig an feuchten Orten 
Flußufern, überſchwemmten Bläßen, feuchten 
Wieſen) und blühen gelb. Das gemeine Flohkraut 
bat länglidhe, jpige, wellig gebogene Blätter und 
Heine, riipig angeordnete Blutenkörbchen mit jehr 
furzent, zurüdgeichlagenen Strahl, die zweite Art 
berzförmig:ftengeiumfafiendg, jinmpfe, ebene Blät: 
ter und doldentraubig gejtellte größere Blütentörb: 
hen mit langem, borizontalem Strahl. Beide 
Arten, befonders die eritere, haben einen jehr un: 
angenehmen Geruch. 

VPulk, ſ. Bolt, 

Pulkowa heißt ein Bergruͤden 15 km ſüdlich 
von Petersburg, welcher das niedrige Becken der 
Rewa mit der ruſſ. Hauptſtadt von den dahinter 
liegenden Gegenden mit ihren lieblichen Hügeln, 
Törfern und friihem Grün fondert. Er fällt jteil 
zu jener Cbene ab; über ihn führt die große Strabe 
nad) Zarstoje:-Selo und bietet dem Auge das präch— 
tige Janorama der Hauptitabt. An —— Fuße 
liegen die freundlichen Pulkowaſchen Dörfer 
mit 600 E,, ihren weißen Häuschen und grünenden 
Gärten, Oben aber fteht die peteröburger oder 
Sternwarte von Pulkowa, die großartige 
Gentraljternwarte Rußlands, welche, mit den koſt— 
barjten Inſtrumenten ausgeitattet, 1833 —89 er: 
richtet, jeit jener Heit bis zu dem Tode Struves 
(1. d.) unter dejien Direktion ſtand. Sie liegt unter 
59° 56’ 31" nördl, Br. und 47° 57° 57° öftli) von 
Ferro. Bol. Struve, «Description de l’observa- 
toire astronomique central de P.» (Petersb. 1845). 

Püllna, Dorf in der böhm. Bezirfshauptmann: 
haft Brür, mit (1880) 234 E. und den berühmten 
Bitterwaljerquellen, die unter 1000 Teilen 12,12 
ſchwefelſaure Magnefia, 16,12 ſchwefelſaures Na: 
tron, 0,3 ſchwefelſauren Halt und 2,16 Chlormagne: 
fium enthalten. Der jährliche Verſand beträgt 
800000 Flaichen. 

Pulmo (lat.), die Zunge, 

PBulmonaden, die Pungentchneden. 

Pulmonaria 7.,Zungentraut, Bilanzen: 
gattung aus der Familie der Boragineen. Van 
sennt nur vier Arten, die in Guropa und im weſtl. 


ulzar, Daumen), der 


in = 2,33 cm. 
[ 


— — — — —h — —— — — — — — —— — — — —— — —— — —— —— —— — — — 


Pulex — Pulo-Pinang 


Aſien vorkommen. Es ſind krautartige Pflanzen 
mit jtark behaarten ungeteilten Blättern. Die Blü— 
ten haben einen glodig:fünflantigen Held, eine 
triterförmige Blumenkrone mit fünflappigem 
Saume, fünf Staubgefäße und vier getrennte 
Fruchtknoten, die ſich zu vier einfamigen Nüßchen 
entwideln. Die verbreitetite Art it dad gemeine 
gun rede (P, officinalis L.), eine der eriten 
srühlingsblumen, welche in Deutſchland allerwärt3 
in Zaubgebölzen, Wäldern, an Bächen wild wächſt 
und deren Blumen erjt bellrot, dann violett, zuleßt 
dunkelblau find. Das jaftige, behaarte Kraut ſo— 
wie die Wurzel war chevem als Herba et radix 
Pulmonarine maculosae (die Blätter find meiſt 
weihlich-gefledt) als Mittel gegen Blutſpeien, Hei: 
jerkeit und Halsentzündung oje 
Bulo:Eondor, franz. Inſelgruppe in der Chi: 
nefichen Südfee, aus elf Felfeneilanden beitehend, 
unter 8° 25’ nörbl. Br. und 108° öftl, 2. von 
Greenwich gelegen und 1862 von Codindina abge: 
treten. Die ſich mit ihrer höchſten Spihe gegen 
600 m erhebende Hauptinjel umfaßt 60 qkm mit 
450 E. Durd) ihre nur 89 km von ber weſtl. 
Mündung des Me—kong entfernte Lage bildet P. 
eine wichtige Seeftation für die Schiffahrt von 
Saigon nad) Siam, China und Singapore, und 
eignet fih, da die Etromfahrt bis Saigon felr 
langwierig und beſchwerlich iit, zu einem weit be: 
quemern Hafen für Franzöſiſch-Cochinchina als 
die Hauptſtadt. Die Inſel wurde 1687 von Tanı: 
pier beſucht, hatte dann von malaiiihen Seeräu: 
bern viel zu leiden, und diente 1702 ſchon der Eng— 
liſch-Oſtindiſchen Kompagnie zur Anlage einer 
Faltorei, welche jedoch gegen Anfang des J. 1820 
einging, nachdem die dort angefiedelten Malaſſarea 
alle Engländer ermordet hatten, Neben den Eng: 
ländern hatten auch die Franzoſen bereits 177) 
hier eine Schiffäftation angelegt. Durch Verbeſſe— 
rung der natürlichen Häfen und Befejtigung derjel: 
ben jeitens Franlkreichs iſt die Inſel jegt eine der 
wichtigſten Stationen in den ojtafiat. Gewäſſern. 
Bulo:Binang oder Bulu: Pinang, d. h. 
malaiiſch Betelnupinfel,audh Brince:o f:WBales: 
3land genannt, brit, Inſel in Hinterindien, zwi⸗ 
Ichen5* 16’ und5° 30’ nörd!. Br.,fowie unter 100°25' 
öftl.L. von Greenwich gelegen, bildet mit Singapore, 
Valakta, Tulu Saggar und Wellesiey die Provinz 
Strait3:Settlements, ping 1867 von dem Yndian: 
Dffice an das Colonial⸗Office über, wurde zu einem 
Seligovernment erhoben und üt in militäriicher 
wie in fommerzieller Hinfiht jehr wichtig. P. be: 
— den noͤrdl. Eingang der Straße von Ma— 
alla, hat einen geräumigen, ſichern Freihafen, ein 
itarfes Sort (Cornwallis) und beichükt deu Hanbel 
zwiſchen China und Indien, fowie die engl. Be: 
isungen auf der Halbinfel Malalle. P. umfast 
»74,5 qkm (mit dent gegenüberliegenden, 55 kın 
langen Küjtenitrich Wellesfey 885,7 qkm) und be: 
hist eine jehr gemilchte Bevölkerung von 61797 
Seelen (mit Wellesiey 133230), meilt Schiffahrt 
und Handel treibende Malaien und Chinejen, jer: 
ner Briten, Hindu, Eiamefen u, ſ. w. Die Inſel 
it durch Klima, Yage, Fruchtbarkeit und Geftaltung 
ganz bejonders begünitigt. Obgleich ſich im Weiten 
und Diten der Inſel weit in die See hineinreichende, 


nit Nhizophorenwäldern bededte Strandſümpfe 
befinden, üjt das Klima jo gejund, daß die E 
der jie ald einen Sanität3ort anjehen. Die 
iſt überall vortrejjlich angebaut und dicht bevöllert, 


lan: 
en? 


Pulpa — Puls 


während die gebirgige Mitte, mit Ausnahme de3 
gegen 750 m hohen Flaggenſtodsbergs, wo ſich 
einige Landhäuſer und Gärten befinden, unbebaut 
und wie auch die Weitlüjte nur von wenigen Wa: 
laien bewohnt ift. P. erzeugt treffliches Schiffbau—⸗ 
holz, viel Pfeffer und Reis, außerdem Betel und 
die meiſten Erzeugniſſe der ind. Flora. Von Wich— 
tigkeit find, nachdem die Muslatnußplantagen 
meijtens eingegangen find, jet die Anpflanzungen 
von Gewürznelten und Kokosbäumen. Yuder und 
Arrowroot werben nicht jomohl hier als in Welles⸗ 
ley in großer Duantität gewonnen, kommen aber 
auf P. zu Markte. Mit dem Anbau von Kaffee hat 
man günftige Verſuche gemacht; die Anpflanzung 
von Baummolle aber blieb ganz erfolalod. Die 
Ditindiiche Kompagnie nahm die Inſel 11. Aug. 
1786, am Geburtstage des Prinzen von Wales, in 
Beſitz. Sie hatte diejelbe kurz vorher dem engl. 
Kapitän Light abgelauft, der fie als Mitgift von 
jeinem Ecwiegervater, dem Fürſten Abdallah von 
Dueda oder Keddah, erhalten hatte. Light, geit. 
1794, war eriter engl. Gouverneur von $ hm 
ift das fchnelle Aufblühen der Inſel befonders zu 
danfen. Der Fürft von Diunda trat 1800 der 
Kompagnie aud den gegenüberliegenden Stüjten: 
jteich, jeßt Wellesleyprovinz genannt, ab. 

Pulpa oder Fruchtbrei nennt man in ber 
Botanik dasjenige faftige Gewebe, weldyes in der 
Beerenfrucht die Samen umgibt. (Vgl. Deere.) 

Be (Seepolyp), f. unter Bolypen. 

ülpe (fr3. pulpe, engl. pulp) wird insbefondere 
in der Rartojfelitärfefabrilation der Nüditand ges 
nannt, der ſich bei der Abjcheidung des Stärtemehls 
aus dem Kartoffelbrei ergibt. 

Pulpitum (lat.), in den röm. Theatern ber 
mittlere Teil des Profceniums, von dem aus die 
Darfteller jpradyen; in drijtl. Kirchen das Leſe— 
pult, Gvangelienpult. 

Pulque it der ſpan. Octli der aztelifche Name 
eines Lieblingsgetränl3 der Derifaner, aber aud) 
der Bewohner von Vlittel: und Südamerika. Das: 
jelbe wird aus mehrern Varietäten der Agave 
Americana, welde in Mexilo Diaguey oder Wetl 
beißt, bereitet, welche nicht nur die Rebe ber azte: 
tiihen Völker ift, fondern aud) die Stelle des aſiat. 
Hanf und des Bapiercypergrafes —— anti- 
quorum) der alten aypter vertritt, Unmittelbar 
vor Entwidelung der Blüte wird das Herz ausge: 
ihnitten und dadurch während zwei Monaten an 
5—10 hl Saft gewonnen, der in Krüge gefüllt 
wird und in eine leichte —— gerät. Fremde 
trinlen ihn friſch am liebſten, die Eingeborenen 
aber erſt, wenn er in die zweite faulige Gärung 
übergegangen. Er gibt dann ein ſäuerliches Ges 
tränt, das zwar einen fehr unangenehmen Geruch, 
wie von faulem Fleiſch hat, nichtsdeftoweniger aber 
für den Geihmad ſehr angenehm, dabei jtärkend 
und jehr nabrhaft it. Man bereitet auch Pulque— 
branntwein daraus. In weitere Gärung er 
raten, gibt der P. Eſſig, eingelocht Sirup. Mit 
Waſſer und Rohrzuder vermiſcht und nur einige 


Stunden der Gärung überlafien, heißt das Getränt | 


Tepade. Pulquerias nennt man offene Schup: 
pen, in denen ber 
glei als Zanzböden dienen, 

Puls, Pulsſchlag (pulsus), die eigentümliche 
Bewegung, die an größern Arterien G. d.) durch 
das Gefühl und das Geficht wahrnehmbar ijt. 
Bon Herzen wird betanntlic das Blut rhythmiſch 


P. verſchenlt wird und die zu: | 





387 


unter kräftigem Stoße in die Schlagadern (Arte: 
rien) geprebt, und während die Blutmaffe jelbit 
durd Dielen Nachichub verhältnismäßig langſam 
in Gefäßiyftem fortrüdt, pflanzt fi der Stoß, 
welcden die Blutjäule erfahren bat, ſehr ſchnell in 
einer al3 B. wahrnehmbaren Welle im arteriellen 
Syitem fort. Am Haargefäßigftem wird biele 
Welle dur Reibung des Blutes an den Gefäß: 
wandungen gebroden, ſodaß fie jenfeit desfelben 
(in den Blutadern, Benen) unter normalen Berhält: 
niffen nicht mehr wahrgenommen werden kann. 
Dieſe Blutwelle erweitert aber nicht bloß die Arte: 
rien momentan, fondern ftredt fie aud) etwas in 
die Länge, infolge deſſen jih das in feiner Umge— 
bung feſt angebeftete Gefäßrohr in einer für das 
Auge und den taftenden Singer wahrnehmbaren 
Weiſe krummt. Der Finger, welcher die Arterie 
fanft gegen eine harte Unterlage (einen Knochen) 
andrüdt, fühlt einen furzen Stoß, und die fihtbaren 
Arterien machen eine fchnellende Bewegung. Sekt 
man auf die Arterien den kurzen Arm eines hebels 
ähnlihen Inſtruments (Spbygmograpben, 
Pulszeihner), deiien langer Arm auf einem 
vorbeigezogenen Bapierftreifen jchreibt, fo ran 
das Inſtrument eine wellenförmige Yinie, Die Ge: 
ihwindigteit der Fortpflanzung der Pulswelle läht 
ſich mit der Uhr mejjen, indem man die Durdhtrittä: 
eit des Mellenberg3 in eine entferntere Arterien: 
Helle mit der Zeit der * vergleicht; fie bes 
trägt im Mittel I m in der Selunde. 

rrAe hi Kg der 
Thätigleit de3 Herzens und von der Beſchaffenheit 
der Arterie, Bei jchnellem Herzſchlag iſt auch der 
P. ſchnell (frequens). * der Herzſtoß kurz 
und kräftig, fo iſt der P. gleichfalls ſchnell (celer), 
im untgelebrten Falle träg (tardus), Eine ftarre 
oder geipannte Arterie macht den P. hart (durus), 
In gemwifien, namentlich fieberhaften Zujtänden 
wird der P., was er fchon unter gewöhnlichen Ver: 
hältnifjen in geringem Grade ilt, deutlich doppel: 
ſchlägig (dierotus), und man fühlt gleich nad) dem 
eriten jtarfen Stoße einen ſchwächern zweiten. Bei 
einem gefunden Manne beträgt die Pulszahl in der 
Minute 60 und 70, etwa um zehn mehr beim Weibe 
und weitere zehn mehr beim Kinde, während der 
Säugling gegen 130 Schläge in der Minute bat. 
Bei Klappenfehlern des Herzens wird der P. mehr 
oder minder weſentlich verändert. Es ilt hieraus 
erfichtlich, daß das Verhalten des P., wenigſtens 
in Bezug auf die Frequenz desfelben, weit mehr 
von der Thätigleit des Herzens abhängig it als 
von der Beichaffenheit der Arterie. Alles, mas auf 
die Thätigleit des Herzens von Einfluß ift (Ge: 
mütseindrüde, Körperbewegungen), ändert auch den 
P. ab. Deshalb hat die Beihaffenheit des P. für 
die Beurteilung eines Krantheitszuftandes auch nur 
einen beihräntten Wert. Doch bat fich ermitteln 
lafjen, daß, bei Ausſchluß der zufälligen Einflüfie, 
bie Frequenz des P. mit der Höhe des Fiebers zu: 
nimmt. Auch die Denen können pulfieren, und 
zwar ijt der Venenpuls entweder ein fcheinbarer 
oder ein wirklicher. Giner Vene, welche über einer 
Arterie verläuft, wird die fchnellende Bewegung 
mitgeteilt, wodurd der fcheinbare (fortgepflanzte) 
Benenpuls entjteht. Dagegen zeigen den echten P. 
die Denen in unmittelbarer Nähe des Herzens, 
wenn die venöfen Klappen desſelben nicht mehr 
ſchließen und das Blut fo in die Denen zurüdge: 
worfen wird; ferner dann, wenn eine Arterie jo 


25* 


388 


mit einer Bene verwachſen ift, daß ſich das arterielle 
Blut in die Vene ergieht (Varix aneurysmaticus). 
(5. Arterien, der, Kreialauf.) 

Bulsader, |. Arterien; Pulsaderge— 
ihmulft, j. Aneurysma. 

Bulfanten (lat.), Klopfende, Antlopfende; 
Glodenläuter, Glödner; Afpiranten auf eine erle: 
digte (fath.) Vfarre, Klofteritelle, 

Pulsatilla, Kühenihelle oder Diter: 
blume, ift der Name einer Unterabteilung der 
Gattung Anemone L. Dieſelbe unterjcheidet fich 
von den übrigen Anemone: Arten befonders durch 
die mit einem Federſchwanz verfehenen Früchte. 
Die hierher gehörenden Arten find ausdauernde, 
zottige, narkotiſch-ſcharf giftige Kräuter mit doppelt: 
Federjchnittigen oder doppelt: dreifchnittigen Blät: 
tern und einem einfachen, einblütigen, oberhalb der 
Witte von einer Blätterhülle umgebenen Schaft. 
An Deutichland ift die Wiefenpulfatille, P. 
pratensis Mil. (Anemone pratensis L.), welde 
ſich durch die ſtets hängende glodige, die Staub: 

eräße nur wenig überragende, meilt braunviolette 
Blüte auszeichnet, und in manden Gegenden auch 
die gemeine Bulfatille (Anemone Pulsatilla 
L., Pulsatilla vulgaris Mill), welche durd) die fait 
aufrechte, größere und ſich ausbreitende, violett: 
blaue Blüte unterihieben ift, als Heilmittel ge: 
bräuchlich. Beide Arten wachten auf fandigen und 
talkigen Hügeln des mittleren und ſüdl. Guropa und 
blühen im Frühling. Das beim Zerreiben beißend 
riechende Kraut enthält als Hauptbeftandteil ein 
eigentüntliches giftigesÖl. (S. Anemonin.) Das 
Kraut von P. prutensis war früher offizinell. (Gine 
Abbildungvon Anemone Pulsatilla j. Tafel: Gift: 
pflanzen I, Fig. 5.) 

PBulfation (lat.), das Klopfen, befonders des 
Herzens, der Pulsſchlag; pullieren, Schlagen, 
Klopfen; Pulſion, Stoß, Edlag, Schwungbe: 
wegung. 

ulshammer beißt eine mit zwei Endkugeln 
verjehene, geichloflene Glasröhre, welche teilweiſe 
mit rot oder blau gefärbtem Weingeiſt gefüllt iſt, 
und aus welder vor ihrem Berichlujfe die Luft 
dur Erhihen ausgetrieben worden iſt, fodaß bie: 
felbe oberhalb des Weingeijtes nur noch die Dämpfe 
des lektern enthält. Diefe drüden bei gewöhnlicher 
Temperatur auf den Weingeift viel f Pu als 
wenn die Luft darin geblieben wäre. Infolge 
deſſen bietet der MWeingeijt im Inſtrument, wenn 
bloß eine der Kugeln mit der Hand erwärmt wird, 
eine dem Sieden ähnliches Aufwallen und Pulſie— 
ren. Lebteres, und weil e3 den Anſchein hat, ala 
ob der Puls der Hand auf dieſes Analogon de3 
Siedens Einfluß hätte, dürften beigetragen haben, 
das Ynjtrument als P. zu bezeichnen. 

Bar onsſyſtem, j. unter Bentilation, 

ulsmeſſer oder Sphygmograph, f. unter 
Pula, 

Pulsuitz, Stadt in der ſächſ. Kreishauptmann— 
Schaft Baugen, Amtshauptmannſchaft Kamenz, an 
der Pulsniß, einen Nebenfluß der Schwarzen liter, 
und an der Linie Nadeberg:stamenz der Sächſiſchen 
Staatsbahnen, ift Sit eines Amtsgerichts, hat ein 
Schloß mit Park und zählt (1880) 2984 E., welde 
Gurt: und Bandfabrifen, mechan, Weberei, Segel: 
tuch⸗ und Leimvandjabrilation, Biejferüchelei, 
Zöpferei, Wagenbauerei, Nagel: und Drabtfabris 
kıtion, Woll: und Haargarnipinnerei betreiben. 
®. ift der Geburtsort des Vildhauers Nietjchel, 


Bulsader — Pulſzky von Lubocz und Efelfalva 


Pulſomẽter ober Dampfvacuumpumpe, 
eine Waflerhebemafchine , welche das Waſſer direkt 
dur Dampf, ohne Vermittelung eines Kolbens, 
in die Höhe treibt. (S. unter Pumpen.) 

—— ſ. unter Puls. 

ulſzky von Lubocz und Cſelfalva (Franz 
Aurel), bedeutender ungar. Schriftſteller, geb. 
17, Sept. 1814 zu Eperies im Komitat Säros, ſtu⸗ 
dierte hier und in Miskolcz, worauf er Reifen ins 
Ausland unternahm. a. fein ungarifh und 
deutich erichienenes Wert «Aus dem Tagebuche 
eines in Großbritannien reifenden Ungarn» Peſt 
1837) wählte ihn die Ungarijche Akademie zu ihrem 
torrejpondierenden Mitglied. Vom Komitat Säros 
wurde. er in den Reichstag von 1839/40 ge: 
wählt, und zog fi 1845 auf fein Gut Szecfeny 
zurüd, Im J. 1848 wurde er Staatäfelretär im 
ungar. Finanzminifterium, fpäter in gleicher Eigen: 
(daft nad Mien verieht. Nach dem Dftoberauf: 
tand entlam P. nad) Ungarn und wurde hier zum 
itglied des Landes :Vertretungsausihufles er: 
nannt. Als Windifhgräg nahte, ging P. ins Aus: 
land und wurde 1849 von Koſſulh zum Vertreter 
Ungarns beftellt. Epäter begleitete er Kofuth auf 
defien Rundreiſe durch Amerika, die er in Gemein: 
[haft mit feiner Gattin befchrieb («White, red, 
black», 3 Bde., Lond. 1853; deutſch, 5 Bde., Haffel 
1853). Schon vorher hatte er einen hiftor. Noman: 
«Die Jalobiner in Ungarn» (deutih, 2 Bde, Lpz. 
1851) veröffentlicht. Im Mai 1852 wurde P. vom 
Kriegsgericht in Peſt in contumaciam zum Tode 
verurteilt. P. ging 1860 nad) Italien, nahm an 
Garibaldis Erpedition, die mit Aspromonte endete, 
teil und wurde infolge deffen einen Monat lang in 
Heapel gefangen gehalten. Im J. 1866 wurde P. 
ammejtiert und 1867 — 75 in den Neidyätag ge: 
wählt, wo er fid) der Deäk: Partei anſchloß. Seit 
1869 ift P. Direktor des ungar. Nationalmufeums, 
ſeit 1872 eneralintendant der öffentlichen Muſeen 
und Bibliothefen Ungarns, au ee des 
Kunſtrats ꝛxc. Seit 1884 iſt er wieder Reichstags— 
abgeordneter, P.s neuere Werle find feine Auto: 
biographie «Eletem &s levrom» (4 Bde., Peſt 1882; 
deutih, «Meine Zeit und mein Leben», Preßb. 
1880—83) und «Die Slupferzeit in Ungarn» (ungar, 
und deutih, Peſt 1854). 

P.s Gattin, Thereje, geborene Walter, geb. 
1819 in Wien, verheiratete ſich 1845 mit P. und 
folgte 1849 ihrem Gatten nad) England, wo fie ſich 
litterariichen Arbeiten — Ihre «Memoirs 
of an Hungarian lady» (2 Bde., Lond. 1850; 
deutich, Lpz. 1850), die mit P. verfaßten «Tales 
and traditions of Hungary» (2 Bde., Yond. 1851; 
deutſch, Verl, 1851) und die geiftvollen Ekizzen, 
nit denen fie das amerik. Neifewerk ihres Gatten 
bereicherte, fanden jehr günitige Aufnahme. Cie 
ftarb in Ofen, Sept, 1866, an der Cholera, 

R.3 Sohn Hugujt, geb.1816, feit 1875 Vrofeffor 
des Naturreht3 an der Univerfität Budapeſt und 
Reichstagsabgeordneter, fehrieb über «Bergangen: 
heit und Gegenwart des Gefängniswejens» (Veſt 
1567), über «Die neuere Entwidelung des röm. 
Nehtsn» * N und verfaßte ein «Handbuch 
des Naturrecht3> (Peſt 1855). 

‚ Ein anderer Sohn, Karl, geb. 1853 in London, 
richtete 1873 das Hunftgewerbemufeum ein und iſt 
feit 1880 Direltor der Yandes:(Efterhäzy:)Galerie 
in Belt. Im J. 1884 organifierte er die Gold: 
f&hmiebelunjt:Ausitellung dajelbjt und wurde Reichs 


— — u ——— u 


Pultawa — Pulvermüpl: 


tagsabgeordneter. Er ſchrieb zahlreiche kunſthiſtor. 


‚Studien und gab «Chefs’d’wuvres.de l’orferrerie 


en Hongrie» (ar. 1885) heraus. 
“ Bultaton, richtiger Boltämwa, ein Gouverne: 
ment von 49895 qkm in Kleinrußland, begreift 
einen großen Teil des alten Großfürſtentums Kiew 
und des Fürjtentums PBerejaflam, gehört zu der 
altruſſ. Ukraine, bildete bis 1797 die Stattyalter: 
ſchaft Jekaterinoſſaw und wurde 1802 zu einem 
eigenen Gouvernement erhoben, weldyesin 15 Streiie 
eingeteilt iſt. Es it eine der fruchtbarſten und be: 
völfertiten Provinzen des Ruſſiſchen Reichs. Wei: 
zen, Spelz und Buchmweizen, Mais, Hirje, alle 
Arten Hüljenfrücte, Olgewächſe, Flachs, Hanf, 
Hopfen, Tabak, ipan. Vfeffer werden reichlich ne: 
baut; Arbufen oder Waflermelonen und Kanta: 
lugen, auch eine Melonenart, wachjen im freien 
Felde, und unter dem VBaumobit zeichnen ſich befon: 
ders die Pultawaſchen Kirfchen aus, aus denen der 
Wyſchnewka, eine Art Kirſchwein, bereitet wird. 
Das Land ift meiſt flah, nur an wenigen Stellen 
bügelig, aut bewäjlert, aber holjarm, Am Süden 
ift Steppe. Unter den Strömen iſt der Dniepr mit 
feinen unzähligen Nebenflüjjen beſonders hervor: 
zubeben. An feinen Ufern balten fih Belitane, 
Schwäne, wilde Enten und Schnepfen auf, und im 
Fluſſe jelbit iſt die Fiicherei von großer Bedeutung. 
Vieh: und Pferdezucht find aufgezeichnet, auch der 
Gemüſebau und die Bienenkultur von Belang. 
Handel und Anduftrie haben nach der Vollendung 
der das Gouvernement berührenden füdrufi. Bahn 
bedeutenden Aufihwung genommen. Unter den 
Fabriten zeichnen fih Wollfabriten, Gerbereien, 
Branntweinbrennereien, Salpeterfiedereien und die 
zabllofen Yiqueur: und Konfitürenfabriten aus, 
Die (1882) 2418871 E. find meiſt Nleinrufien; 
doch leben unter ihnen viele Großruſſen, Griechen, 
Deutiche und Juden, in deren Händen meijt der 
Handel iſt. 

Die Hauptftadt Pultawa, mit einer Cita: 
delle, liegt, von Kirſchwäldern umgeben, am Gin- 


389 


Pultusf, KAreisftadt im ruf. Gouvernement 
Lomſha, rehts am Narew, mit 7689.G., mehrern 
ſchönen Kirchen und einem großen Schlofie (ehemals 
Nefidenz der Biihöfe von Block), war der Schau: 
plab zweier Treſſen. Während des Norbiichen 
Kriegs befiegte dort 1703 Karl XII. ein ſächſ. Heer 
unter dem General Steinau und nahm es fait voll: 
ftändig gefangen. Am 26, Dez. 1806 ſtießen bier 
die Franzofen unter Lannes zum erſten mal nad) 
ihrem Einmarſch in Polen mit den Ruſſen unter 
Bennigien zuſammen. Der taktiihe Sieg verblieb 
den Nufien, weldye indes in der Nacht aus jtrategi: 
ſchen Rüdfichten und wegen Vlangel an Verpflegung 
nad Oſtrolen?a — 

Pulu, zum Ausitopfen verwandte Haare meh— 
rerer Farnarten, ſ. unter Agnus Seythicus. 

Pulver (pulvis) nennt man jede jehr —* zer⸗ 
teilte fefte Subjtanz. Man pulveriſiert Subftanzen 
zu techniſchen, mediz. und andern Zweden und 
unterfcheidet einfache P., 3. B. Diamantenpulver 
zum Schleifen, und zufammengejebte, > Näuder: 
pulver, Schiehpulver, Sprengpulver, Düngepulver, 
Zahnpulver, Beſonders bäufig und in.den ver: 
ſchiedenſten Zufammenjehungen werden die P. in 
der Medizin angewendet, Man gibt gewöhnlich 
ſolche Stoffe in Bulverform, welche ſich in den ge: 
wöhnfichen Flüffigleiten nur ſchwer oder gar nicht 
auflöjen laſſen. P. aus Stoffen, die Schon in Hei: 
nen Gaben bedeutend wirken, miſcht man der bejjern 
Verteilung wegen mit einer größern Quantität 
einer andern, pulverifierten, aber nicht wirlſamen 
Subitanz, wie Nohrzuder, Milchzucer u. ſ. w. Ve: 
nubt werden fie äußerlich, wie Zahn-, Nies: und 
Streupulver, und innerlid, wie Huften: und 
Braujepulver. Se nach der Wichtigkeit der Gabe 
des angewendeten Hauptmittel3 verordnet der Arzt 
entweder eine gewiſſe Quantität P., von der z. B. 
ein Teelöffel oder eine Meſſerſpiße voll genommen 
wird (og. Schadtelpulrer), oder. er läßt vom Apo: 
thefer die ganze Quantität in eine gewiſſe Anzahl 
gleicher Teile teilen und dieje dann beionders ver: 


fluß der Poltawka in die Worskla und an der Bahn | abreihen (die fon. aptierten B.). Sind flüchtige 


Eliſabethgrad-Charkow, ift von Boulevards ein: 
geichlofien, hat breite und gerade, aber ungepflafterte 
Straßen, 19 Kirchen, ein Wrieiterfeminar, ein Gym: 


| 


Etoffe darin (5. B. Kampfer, Moſchus, ätheriſche 
Öle), fo werden diefelben in Wachspapierkapſeln 
verabreicht. Die Herjtellung der B., das Pulveri— 


naſium, das Petrowſche Militärgymnafium, zwei | fieren, geichiebt in den meilten Fällen auf medan. 


Zheater und zäblt (1881) 41035 E. Den öffent: 
lichen Blap ziert ein fchönes Tentmal Peters d. Gr., 
eine Säule aus grünlihem Kupfer. Der bier all: 
jährlih vom 10. Juli (a. St.) bis zum 10. Aug. 
abgehaltene Iljinsliſche Jahrmarkt iſt einer der be: 
deutenditen ın Südrußland, namentlid für fpan. 
Wolle und Pferdehandel. Die Stadt wurde im 
12. Jahrh. von den ukrainischen Koſaken gegründet 
und fiel 1667 durch den Traktat von Andrufjom 
von Polen an Rußland. Hiſtoriſch denkwürdig üft 
fie durch die Schlacht vom 27. Juni (8. Juli) 1709, 
in der die Nufjen unter Peters Anführung über 
Karl XII. (f. d.) und die Schweden einen entichei: 
denden Gieg bavontrugen, von melden ber ſich 
zeriio die Machtitellung Nuflands datiert. (S. 
a: her Ktrieg.) Nur 5km von B., an der 

elle 
das «Schwedengrab» in Form eines 20 m hoben 
Hügel, der ein hölzernes Kreuz trägt. 

ultdach, ſ. unter Dadı. . 

Bultfenerung, bei Dampfkeſſeln eine Feuerung 
mit geneigten Nottitäben, um das Nachrutichen der 
Kohlen zu erleichtern, 


wo der Sieg entichieden wurde, erhebt ſich 


Wege durch Stoßen oder Reiben mit Reibſchalen 
und Reibkeulen oder durch Mahlen, in neuerer 
Zeit auch durch Maſchinen. Auch auf chem. Wege 
durch Fällung aus Flüjfigkeiten werden beſonders 
viele als Farben P. hergeſtellt. 

Per ſ. Schießpulver. 

ulverflagge iſt eine ſchwarze Flagge mit 
weißem P, welche mit Schießpulver und andern 
Erplofivftoffen beladene Fuhrwerke und Schiffe als 
MWarnungszeichen 1: führen verpflichtet find. 

ulverholz, Straucdart, ſ. Khamnus. 
ulverifatenr, ſ. unter Anäjthefieren und 
Inhalation. 

Pulverkammer, auch Verbrauchs: Pulver: 
magazin, iſt ein kleiner Aufbewahrungsraum für 
Pulver und Pulvermunition, wie er bei Anlage 
von Batterien im Feſtungskriege vorkommt. 

ulverforn, Le hiekpulver. 

uldermagazine, |. Magazine. 

— im weitern Sinne eine Anlage 
zur Fabrikation des Schießpulvers; im engern 
Sinne die maſchinelle Vorrichtung zum Zermahlen 
der bei dieſer Fabrikation verwendeten Materialien, 


3% 


beftehend in einem Stampfwerl, in einem Roll: 
oder Walzwerk, oder in einer fog. Pulverifiertrom: 
mel, einem um eine Achſe drehbaren, im Innern 
mit vorfpringenden Leiften verjehenen Eylinder, in 
welchem die Zerfleinerung bei der Drehung durd) 
Reibung des Materiald an den erwähnten Leiſten, 
fowie an einigen metallenen Kugeln vor fich gebt. 

Pulververſchwörung nennt man ben von 
Fanatifern der kath. Partei in England entworfe: 
nen Plan, bei Eröffnung der Parlamentsſeſſion von 
1605 den König Yatob I., deffen Familie und das 

anje Parlament in die Luft zu fprengen. In diefen 
ſchlag, für defjen Urheber Robert Catesby und 
—— Percy, aus dem Hauſe Northumberland, 
— ten, wurden zunächſt John Wright und Thomas 
inter eingeweiht. In x ndern gelang es lehterm, 
einen engl. emigrierten Offizier, Guy Fawles (ſ. d.), 
dafür zu gewinnen. Geit Ende 1604 gruben fie 
aus den Kellern eines Nebenhaufes des Parlaments 
die Grundmauern durch, mieteten dann den zufällig 
mietlo8 gewordenen Keller unter dem Haufe der 
Lords felbft und bradıten nun eine Anzahl Pulver: 
tonnen in dad Gewölbe. Der Eröffnungdtag des 
Parlaments, mehrfach hinausgeſchoben, endlich auf 
den 5. Nov. 1605 feſtgeſetzt, ward zur Susführung 
beitimmt. Zehn Tage vor ber Barlamentseröffnung 
erhielt Lord Monteagle von unbelannter Hand 
einen Brief, worin erin geheimnisvollen Ausdrüden 
ermahnt wurde, fi) bei der Eröffnung von dem 
rei fern zu halten. Darauf hin ließ der 
tönig am 4. Nov. den Keller durchſuchen, in dem 
man 8 nmtes bei den legten Vorbereitungen traf. 
Die andern Berfhmworenen, alles in allem etwa 
100 Gefährten, wollten ſich nach Wales retten und 
die Bevölkerung gegen das jtuartifche Königtum 
aufrufen; aber nirgends hob ſich hier eine Hand, 
viele von ihnen zeritreuten fi, die Nädelsführer 
wurden in dem Schloß Holbeach —— ange⸗ 
griffen, einige getötet, die übrigen gefangen 
nach London gebracht und nach förmlichem Vrozeß 
80. Yan. 1606 hingerichtet. Zur Erinnerung an die 
BP. wird nod) jebt der Guy-lawkes-Day (5. Nov.) 
in London al3 Volksfeſt gefeiert. 

Pulvinar (lat.), urfprünglid) das Götterpoliter, 
der vor den Statuen und Altären der Götter be: 
reitete, mit Loftbaren Teppichen bebedte Eik der: 
jelben, dann Yagerftätte oder Siß der Kaifer und 
Kaiferinnen; in Mittelalter foviel wie Yoliter. 

uma, ſ. Cuguar. 

umpen (frz. pompe, engl. pump) find Ma— 
ſchinen, welche den Zwed haben, Fluſſigleiten —F 
Anſaugen, Heben und Drüden zu befördern. Na 
ber he re unterjcheidet man Kolben: 
pumpen, Rotationspumpen, Gentrifugal: 
oder Kreifelpumpen und Strablpumpen. 
Die Rumpen find mit Röhren und Ventilen oder 
Klappen verjehen. Dasjenige Rohr, weiches die 
Hlüjfigleit zu der Pumpe leitet, wird Saugrohr, 
das ableitende Rohr Drudrohr genannt. Die Höhe 
ber Pumpe über der Oberfläche der zu hebenden 
Flüffigkeit bezeichnet man als Saugböbe, diejenige, 
eu welche die Flüffigkeit gedrüdt wird, ala Drud: 
böbe; Saug: und Drudhöhe zufammengenommten 
ergeben die Förderhöhe einer Pumpe. Die am 
meiſten angewendeten P. die Kolbenpumpen, 
find entweder Hub:, Saug: und Drudpumpen, oder 
Saug: und Hubpumpen, oder Saug: und Prud: 
vunpen, je nahdem die Flüffigkeit durch hydro- 
ftatifchen d in diejelben fließt und von dem in 


Pulververfhiwdrung — Pumpen 


einem Eylinder auf und nieber ober hin und ber 
gehenden Htolben gehoben, oder durch die Bewegung 
des Kolbens angefaugt oder fortgedrüdt wird. E 
ner unterjheidet man einfahmwirltende und 
dboppeltwirlende Pumpen; bei Ichtern wird 
bei jedem Kolbenhub auf der einen Eeite gejangt, 
auf der andern gebrüdt. 

Jede einfachwirkende Bumpe bat zwei 

Bentile: ein Saugventil, durch weldes das einge: 
ſaugte Wafler in die Pumpe tritt, und ein Drud: 
ventil, durch welches das gehobene Wafier hindurch⸗ 
geht. Entweder haben beide feſten Siß, oder es iſt 
nur das eine feſt, während das andere in dem be: 
wegten Kolben angeordnet ift. Danach bezei 
man die Bumpen als folde mit mafjivem Kol: 
ben und joldye mit Bentilfolben. 
Eine Hubpumpe gewöhnlider Anordnung ift 
in Sig. 1 und 2 der Tafel: Bumpen abgebildet. 
Die Einlafventile befinden ſich hier unter dem Ober: 
waflerjpiegel. Beim Niedergang des Kolbens wird 
das unter demfelben befindliche Waſſer durch die 
Bentiltiappen über den Kolben gedrüdt und das 
Einlaßventil ift geſchloſſen; beim Aufgang des Kol- 
bens fchlieben fi die Klappen, das Ginlafventil 
öffnet fi und während durd) dasfelbe Mafler zu: 
ftrömt, wird das über dem Kolben befindliche zum 
Ausfluß gebradt. Steht das Steigrohr über dem 
Stiefel (dem Teil, worin ſich der Kolben bewegt), jo 
gebt die Kolbenftange in demfelben in die Höhe; üt 
das ge neben bem Stiefel angeorönet, fo 
wird die Kolbenftange durch einen über dem Stiefel 
angebrachten Dedel geführt, in dem fie durd) eine 
Stopfbuchle gedichtet wird (Fig. 3). 

Eine einfahe Saugpumpe ift in ig. 4 und 5 
bargeftellt. In Fig. 4 wird beim Aufgang des 
Kolbens das Kolbenventilgeichlofien und die Fiuſſig⸗ 
keit durch den Drud der Atmoſphäre in dem Rohr 
bis in den Stiefel getrieben; beim Niedergang 
des Kolbens (Fig. 5) wird das Saugventil ge: 
ſchloſſen und das Kolbenventil geöffnet, ſodaß das 
Mafler durch dasfelbe über den Kolben treten fann. 
Der Drud der äußern Luft hält einer Waflerfäule 
von 10,336 m das Gleichgewicht. Weil die Luftleere 
in dem Saugrohr nicht volllommen zu erreichen ift, 
fann jedody mit diefen P. nur bis zu einer Höhe von 
7 bis 8 m gefaugt werden; der Kolben darf aljo 
nicht höher über dem Unterwaſſer angeordnet wer: 
den. Eine Saug: und Hubpumpe erhält man, 
wenn man Saugrohre an den einfachen Hubpum- 
pen anbringt, aljo den Stiefel von dem Unter: 
waſſer entfernt. 

Die Drudpumpen arbeiten ftet3 mit maflt- 
vem Kolben, der entweder ſcheibenförmig it und 
fi) in einem Gylinder, dem Stiefel, bemegt, 
oder aus einem langen Gylinder, dem Blun: 
ger (au Bramah⸗- Mönds: oder Taucherkol⸗ 
ben genannt), beſteht, weldger die Wandungen des 
Stiefels nicht berührt, fondern nur am obern Ende 
des leßtern durch eine Stopfbüchſe geführt iſt. 
Fig. 6 und 7 ftellen das Prinzip der erften Art dar. 
Beim Aufgang des Kolbens hebt ſich das untere 
Ventil; die Flüſſigkeit ftrömt ein, der Riede 


gang 
des Kolbens bewirkt den Schluß des untern Bentils, 
jowie das Fortdrüden der Flüffigkeit durd das 


obere Ventil und die Drudleitung. Fig. 8_ftellt 
das Prinzip der zweiten Art dar; hierbei iſt Gang: 
und Drudpumpe vereinigt. Zur Bejeitigung bes 
ftoßweifen Ausflufies, des Waſſers, welcher bes 
ſonders bei einfachwirlenden P. fehr ftart aufs 











= 





’ 


21. Wanddampf- 
pumpe von 
Weise u. Monski, 
Halle a. 8S. 


'wl 





30, 31. Zwillingsdampfpumpe von Klein, Schanzlin u. 
Becker, Fraukenthal. 












23. Freistehende Dampfpumpe 
von Weise u. Monski, Halle a. S. 








29. Vertikale Wanddampf- 
plungerpumpe von Schütz u, 
Hertel, Wurzen. 


2 


1.8. Hubpumpen. 4. 5. Saug- und Hubpumpen. 
13. Aufl. 





Brockhaus’ Conversations- Lexikon, 


26. Flügelpumpe 


, 832. Dampfpumpe der Wasserleitung 
in Brooklyn bei Neuyork. 





= von Schumann u. x 
18. Gartenspritze von Köppe, Leipzig. 28. Rotie 
W. Knaust, Wien. 2 


5 W,Gar 





2 19. Wandpumpe 
Efrer für Handhetrieb 
==’ von W. Knaust, 
Wien. 








INPEN. 













7 27. Flügelpumpe von 
Schumann u. Köppe, 











6. 7. Druckpumpe. 8, Suug- und FREIE ER ORTEN : 
; Druckpumpe. Leipzig (im Schnitt). 90, Kesselspeisepumpe für Hand- 
i betrieb von Weise u. Monski, 
Halle a. 8, 


x irende Pumpe von 
Würens, Hannover. 





16. Hydraulischer Widder von 
W. Garvens, Hannover. 








10. Ketten- oder 
Juuchepumpe. 


11. Ketten · 
pumpe von 
W,Garvens, 
Hannover, 


23. Dampfpumpe mit stehen- 
En dem Kessel von Weise 
| u. Monski, Halle a.S. 








24. I penanlage für 
tiefe Brunnen mit 
Göpel- und Handbe- 









25, Horizontale Dampfpumpe von 


ir 17. Hals trieb von Weise u. k h 
„+ Mlsometer, 9. Membranpumpe. Monski, Halle a. S. Weise u. Monski, Halle a. S. 
um I — — — 


— Zu Artikel: Pumpen. 





Numpen 


tritt, orbnet man Windfejjelan, Behälter, in 
benen Luft angefammelt it. Durd das Pumpen 
wird dieſe Suft derart komprimiert, dab fie das 
Waſſer in faft gleihmäßigem Strahle zum Ausfluß 
bringt. Windtefjel, welche über den Saugrohren 
unter den Saugventilen angeorbnet werben, heißen 
Eaugmwindfefjel; fie heben teilweiie die Stoͤße auf, 
die beim Eintritt des Waſſers im Stiefel entitehen. 

Diedoppeltwirtenden Bumpen findderart 
Tonftruiert, dab an beiden Enden des Sticfels je ein 
Einlaß⸗ und ein Auslaßventil angebradt find; in: 
folge deſſen werden beim Hergang wie beim Rüd: 
gang gleiche Waſſermengen angefaugt und fortge: 
drüdt. Für Hlüffigkeiten, welche das Material der 
B. angreifen würden, oder welde Sand, reip. 
lörnige Niederfchläge mitführen, werben Konftrul: 
tionen angewendet, bei denen die zu hebende Flüffig: 
keit durch eine elaftiiche Membrane von der B. ge: 
trennt bleibt (Fig. 9). Durch den Auf: und Nieder: 
gang des Kolben werden Schwingungen der Mem— 
brane erzeugt und die Flüffigkeit angefaugt und 
fortgedrüdt. Für unreine Flüfligleiten werden Het: 
tenpumpen (ig. 10 u. 11) benukt, welche befon: 
ders ala Tauchepumpen Verwendung finden, Gine 
Kette ohne Ende, in gewifien Abjtänden mit Schei: 
ben aus Holz, Eiſen oder Gummi verjchen, iſt durd) 
ein Rohr geführt, ſodaß die Scheiben die innere 
Rohrwandung leicht berühren und jtatt der Ketten 
zum Heben der lüifigleit dienen. Diele Kette wird 
durd Hand: oderMaichinenbetrieb in Bewegung ge: 
ſeht. Wird das Anjaugen und Weiterdrüden der 
Flüſſigleit durch drebende Bewegung des Kolbens 
in einem Gehäuſe ſtatt durch hin und her gehende 
bewirkt, fo iſt die P. eine rotierende, Der Kol— 
ben ſaugt dadurch Flüffigkeit ein, daß er ſich von 
der Wandung entfernt; er drängt die Flüſſigkeit 
aus dem Gchäufe, indem er fi) der Wand wieder 
nähert (Fig. 12). Zu den rotierenden Pum— 
pen gehören aud) die Kapſelräder (j. d.). 

BeidenGentrifugalpumpenwird die Flüſſig— 
teit einem in einem Gehäuſe jchnell rotierenden 
Schaufelrad in der Achienrichtung desielben zu: 
geführt, die Gentrifugaltraft treibt die Flüſſigkeit 
nad) dem Umfang des Schaufelrades, reſp. des Ge: 
häuſes und zwingt diefelbe zum Austritt. Um das 
Waſſer auf eine beftimmte Höhe zu fördern, muß 
die Umfangsgeichwindigteit des Rades größer fein, 
als die der Förderhöhe entiprechende Fallgeſchwin— 
digkeit. Fig. 13 zeigt eine Centrifugalpunpe im 
Schnitt durch Gehäufe mit Schautelrad, Fig. 14 
eine Gentrifugalpumpenanlage. - 

Mit dem Namen Hydrauliiger Widder oder 
Stoßbeber (vgl. eben) bezeichnet man eine 
Waſſerhebemaſchine, bei welcher als bewegende 
Kraft die Kraft eines Gefälles benupt wird. In 
Big. 15 it ein Hydrauliiher Widder ſchematiſch 
dargeltellt. Das Waſſer jtrönıt durch ein Rohr in 
den Apparat, der mit einen Speriventil, Steig: 
ventil, Windkeſſel und Eteigrohr verfehen ift. Iſt 
ber Apparat in Ruhe, jo füllt fih das Steigrohr 
bis zur Höhe des Oberwaſſerſpiegels in den offenen 
Gefäß. Wird das Sperrventil aufgeſtoßen, fo 
fließt eine gewille Menge Wajler aus dem Apparat, 
dasjenige im Zuflußrobr drängt nad, und jobald 
dasſelbe eine gewiſſe Geſchwindigkeit erlangt bat, 
fchließt der Waflerdrud das Sperrventil. Die ganze 
im Rohr in Bewegung geratene Waſſermenge 
tommt jebod) nicht jogleich zur Ruhe, fondern ſtößt 
das Steigventil auf, wodurd eine Quantität Waj: 


des äußern Luftdruds geöffnet wird, wodurch 


391 


fer in — das Steigrohr tritt; dem: 
gemãß ſteigt das Waſſer höher als der Spiegel im 
—— Ehe ſich hierauf das Steigventil 
ſchliehen kann, nimmt die Waſſermaſſe im Zufluß— 
rohr eine kleine — u an, durch welche 
der Drud auf das Sperrventil für kurze Zeit auf: 
gehoben und dasjelbe vermöge feines Gewichts * 

er 
Gang des Stoßhebers ein ſelbſtthätiger wird. 
Fig. 16 zeigt einen Stoßheber nad) der Ausführung 
von W. Garven3 in Hannover. 

‚Beim Bulfometer, welcher gleichfalls unter 
die P. zu rechnen ift, wird Waſſer durch direkte 
Einwirkung von Raflerdampf gehoben. Die erite 
Konftruftion diefer Art wurde 1698 von Ihomas 
Savery (ij. unter Dampfmajdhinen, Bd. IV, 
©. 817°) ausgeführt; erſt nahdem die Erfin: 
— 1871 durch den Amerikaner Henry Hall ver: 
volllommnet worden war, fand diejelbe praktiſche 
Verwertung. Zwei nebeneinanderliegende flachen: 
förmige Kammern find durch ihre Hälfe miteinan: 
ber verbunden und münden in einen gemeinfamen 
Bentilfaiten, durch welchen der Dampf eintritt. 
Das Tamprventil wird durch eine Klappe oder, 
wie in ig. 17 an 57— durch eine Bronze: 
fugel gebildet; dieſe I icht abwechſelnd die beiden 
PBunpenräume, Die untern Teile der Kammern 
fonımunizieren durd Ventile mit dem Eaugrohr; 
außerdem ftehen die Kammern mit eimer zwijchen 
ihnen liegenden VBacuumlammer in Verbindung. 
Unter dem Saugrobrftugen wird ein zweites 
Saugventil angebracht, das dazu dient, das ein: 
gedrimgene Waller am Nüdjall zu verhindern. 
Der einftrömende Dampf tritt je nad) der Yage des 
Ventils am Kopfende der Kammern in eine der: 
jelben und drüdt die in ihr befindliche Flüjſſigkeit 
durch die Drudöffnuung hinaus. Hierbei findet, weil 
der Dampf beim Gintritt nur mit einer geringen 
Hlüffigkeitsoberfläcye in —— fommmt, geringe 
Kondenfationdesjelben ftatt; die Flüffigleit wird auf 
eine. dem Dampfdrud in der Kammer entiprechende 
Höhe getrieben. it die Kammer mit Dampf ge: 
füllt und die Fluſſigleit aus berfelben heraus: 
gedrüdt, fo findet durch zurüdfallendes Wailer 
plöslihe Kondenjation ftatt und es wird ein fait 
volllommenes Vacuum erzeugt. zn wird das 
Dampfventil rad) diejer Seite bin angefaugt, der 
Dampf abgeichlofien und gezwungen, in die andere 
Sammer zutreten und hier das Spielzu wiederholen. 

Zu den Pumpen gehören aud bie Feuer: 
jprigen (1. d.). ig. 18 zeigt eine Gartenſpritze 
von W. Knauſt in Wien. Die Bumpe (fig. 19) der: 
felben Firma it eine Wandpumpe für Handbe— 
trieb, die mittel3 Schrauben befeftigt wird. Bei der 
Kefielfpeifepumpe für Handbetrieb von Weije 
u. Monsti in Halle a. ©. (Fig. 20) iſt der Pum— 
penſchwengel drehbar, fodaß die Befeltigung auf 
der rechten oder linten Seite gefchehen fann. Tie 
MWanddbampfpumpe derjelben Firma (ig. 21) 
ift boppeltwirfend; fie wird mittels Schrauben an 
der Wand befeitigt. Bei der in Fig. 22 dargeltellten 
Dampfpumpe mit ftehendem Keſſel von 
Weiſe u. Monsli it links eine Zwillingspumpe 
für das zu fördernde Wafler, rechts die Pumpe, 
welche dem Keſſel das Speifewaifer zuführt. Tie 
Speifewafjerpumpen werden aud) ald Halt: 
wafierpumpen bezeichnet. Fig. 23 zeigt eine 
freiftehbende Dampfpumpe derfelben Firma, 
die zur automatiihen Speifung von Maiſch- und 


392 


Deftillierapparaten bient; bei derfelben ijt der Hub 
veritellbar. Die Bumpenanlage für tiefe Brunnen 
mit Göpelbetrieb (Fig. 24) it mit_einer doppelt: 
wirfenden Zwillingspumpe verjeben. Fig. 25 
zeigt eine horizontale Dampfpumpe auf eige: 
nem Fundament... Fig. 26 und 27 ftellen, eritere 
geſchloſſen, leßtere im Schnitt, eine Flügel: 
pumpe von Schumann u. Köppe in Leipzig dar. 
Der in dem feiten Gehäufe Shwingende Kolben ift 
mit zwei Drudventilen verfehen. Gin feſter Boden 
trägt zwei Zaugventile, zwischen denen —— 
wand errichtet iſt. Beim Schwingen des Kolbens 
findet auf der einen Hälfte Saugen, auf der andern 
Drüden ftatt. Dierotierende Bumpe von Bar: 
vens in Hannover ift auf einem Dreifuß montiert, 
fodaß fie leicht transportiert und aufgejtellt werben 
fann (Fig. 28). Fig. 29 zeigt eine vertifale Wand: 
dampfplungerpumpe von Schüb u, Hertel in 
Wurzen, welche hauptiächlich für dide Flüſſigkeiten 
in Brauercien zur Anwendung kommt. ig. 30 
u. 31 ftellen eine Zwillingspampfpumpe von 
Klein, Schanzlin u, Beder in Frankenthal dar, die 
für große Waſſermengen bejtimmt it. 

Die Waflerverforgung der Großſtädte erfordert 
PBumpenanlagen von bebeutenden Dimenfionen. 
dig. 32 zeigt die Purmpenwerke für die in Broollyn 
— Waſſerleitung von Neuyork. — 
(S. aud Luftpumpe und Strahlapparate.) 

Pumpenſood ijt ein Bretterverichlag, in wel: 
chem die Schiffspumpen Steben, und der vom Ober: 
ded bis unten auf den Kiel reicht, damit die Pum— 
pen nicht beichädigt oder bei lojer Ladung (Kohlen, 
Korn u. j. w.) nicht veritopft werden lönnen. 

Bumpenftiefel, das Nolbenrohr einer Pumpe. 

Pumpermetten, |. Sinitermetten. 

Bumpernidel beiht das in Weitfalen, befon: 
ders im Münjterichen und Dsnabrüdiichen, aus 
die Kleien noch enthaltendem Roggenmehl gebadene 
grobe, ſchwarze Brot in großen, meijt vieredigen 
Laiben, wovon ein einziger oft 30 kg wiegt. Es 
gehört dazu eine eigentümlidhe Behandlung des 

eig& und des Feuers, da das Gebäck 12— 14 
Stunden im Badofen ſtehen muß. In neuerer Zeit 
kommt B., der für den Yandbewohner, welcher fich 
ausarbeitet, eine jehr kräftige Nahrung iſt, vielfach 
auch in den Handel. Üüber die früher behauptete 
bejondere Nahrbaftigkeit des P. bat man ſich Täu— 
ſchungen bingegeben. Neuere, im phyſiolog. Sn: 
titut in München ausgeführte Unterſuchungen ba: 
ben ergeben, dab der P. von allen Brotarten 
im Organismus am wenigſten ausgenußt werde. 
Unter den zahlreichen Etymologien für dieſes Wort 
it die wahrjcheinlichite die, nach welcher es von 
einer Bezeichnung diejes Brotes jeitens der Stadt 
Dänabrüd abgeleitet wird, welde bei einer 
Hungerönot un 1400 für die ftädtiichen Armen 
Brot baden ließ und dies abona panicula» nannte, 
woraus im Vollsmund korrumpiert das Wort P. 
entitand; der Turm, in welchem ber betreffende 
Magitratsbadofen lag, wird noch jeht Bernidel 
genannt, Nach einer andern, wohl ſcherzhaften 
Unnahme it P. eine Berftümmelung der franz. 
Worte: «bon pour Nickel», mit denen ein ran: 
zoſe dieſes Brot ala gut für Pferde (Nidel war der 
Name feines Pferdes) bezeichnet haben ſoll. 

PBumpernidel heißt auch ein Judergebäd von 
trodener Konfiitenz, welches mit Zujak von grob 

eichnittenen fühen Mandeln, Citronat und ver: 
hiedenen Gewürzen’ in längliche Brote geformt, 


Pumpenfood — Bunderpur 


auf einem Blech gar aebaden, no warm in Schei: 
ben zerſchnitten und jo nochmals gebaden wird. 
n, japan. Gewicht. Gandariı. 
una, Dunai, engl. Boona ‚ein Kollektorat 
ber füdl, Divifion der brit!: ind, Bräfidentichaft 
Bombay, mit 14200 gkm und (1872) 997235 E., 
hauptſächlich Maharatten, 

Die Hauptftadt Buna, in kahler Ebene an 
der Vereinigung (Sungum) der Flüfie Muta und 
Mula, früher F 1750 ftatt Satara) Eik des 
Peiſchwa und als folder die Hauptitadt der Dia: 
—— ſoll zu ihrer Blütezeit 150000 E. ge: 

abt haben und zählt (1881) wieder 129751 E., 
Dat auch durch die Briten mannigfadhe Berbejie: 
rungen erhalten. Die Stadt ift eins der Haupt: 
quartiere der brit. Bonbayarmee, hat jet Ning: 
mauern, ein Fort, gute Straßen und Bazars, in 
dem großen, aber geſchmacloſen ehemaligen Balajt 
des Peiſchwa ein Befängnis, Kranken: und Irren— 
haus, Seit 1846 befindet ſich bier eine engl. Ne: 
gierungsichule, verbunden mit einem 1821 geitifte: 
ten Sanäfrittollegium, welches aus drei Abteilun- 
gen für Sanskrit, Engliſch und Lehrerbildung 
bejteht. ferner beiteben dafelbjt mehrere Mädchen: 
ſchulen. Als Handels: und Fabrikſtadt bat P. 
gegen früher verloren; nur die Händler mit Korn 
und Nobitoffen haben fih noch im Wohlſtand er: 
halten. Saum 2 km weitlid von der Stadt befin: 
den fi) die großartigen Nantonnements der engl. 
Truppen mit geräumiger Kirche und comfortablen 
Dffizierswohnungen. Im Norden und Diten liegen 
zablreiche, teiliweije in den Annalen der ind. Kriegs— 
aefchichte, befonders durch die blutigen Kämpfe der 
Briten 1817 und 1818 berühmte Felſenfeſtungen. 
Für die brit. Truppen zu B., und auch ſonſt von 
grober Wichtigkeit it Mababaleihwar, ein 
75 km im Eüdweiten der Stadt und ebenjo weit 
vom Meere, 1300 m über deinjelben auf den Ghats 
gelegenes Torf mit einem 1828 gegründeten viel: 
befuchten Sanitarium. Der Ort bat alle Ginrich: 
tungen folcher indobrit. Gejundheitsanftalten und 
N auch meteorologijch berühmt als einer derjenigen 

rte der Erde, wo am meiſten Regen fällt, nämlich 
jährlich 630 em in 127 Negentagen, meiltens in 
den vier Monjunmonaten. Die meteoroloa. Gr: 
ſcheinungen find bier von großer Negelmäßigfeit. 

Buna, zur Provinz Guayas der Nepublit Gcuas 
dor gehörige Anjel im Golf von Guayaauil des 
Großen Oceans, 45 km lang und 22 kn breit, dicht 
bewaldet, hatte zur Zeit der Landung des Pizarro 
(1531) etwa 20000 G.; die wenigen ndianer, 
welche P. jeht bewohnen. bringen fog. Panama— 
hüte in den Handel. 

Bunas, die öden, vegetationslofen Hochplateaus 
von 4000 m und darüber in Peru (f. d., Bd. Xli, 
©. 839 fg.; vol. Paͤramo). 

Punch, fatiriiche Zeitichrift, f. unter Punſch. 

Punch, Pierderaiie, ſ. unter Punſch. 

uudenn, engl. Weinmaß, = 1, Hogshead, 
= 3,50 hl, 

Punota diaeresdos (lat.), Trennungspunlte, 
ſ. unter Diärefis, 

Punotum ooeoum (lat.), die Stelle der Neb- 
baut, an welcher der Sehnerv in das Auge tritt. 

Punotum saliens (lat.), hüpfender Punkt, in 
der Anatomie die früheite Anlage des Herzens beim 
Gmbryo (f. d.); bildlich der Yevensvunlt, Haupt: 
punkt, auf den alles anlommt, 

Punderpur, Stadt, foviel wie Pandharpur. 


Pılnditen — Puniſche Kriege 393 


Bunditen oder Banditen, eingeborene Aſia— 
ten, meilt Inder, welde von den Engländern zu 
Geodätencausgebitdet werden, -umsin Tibet und 
andern ‘den Guropäern ſchwer zugänglidien Ge: 
bieten Forſchungsreiſen zu unternehmen. Der erſte 
BP. war Mohammed.i Hamid, welcher» 1865—64 
über den-Staralorumpaß nad Jarkand reiſte; der 
berübmteite war Nain:Singb (I. d.). 

Bundichab, joviel wie Pendſchab. 

Punica (lat.), der Granatbaum. 

Punier oder Pönier (Poeni) wurden die Kar— 
tbager genannt nad) ihrer Abjtammung von den 
Phöniziern, (S. tartbago.) 

- Bunifcher Apfel, joviel wie Granatapfel., 

Bunifche Kriege nennt man die drei Kriege 
der Nömer mit den Karthagern, die von den No: 
mern gewöhnlid; Poeni, Punier, d. i. Bhöniter, 
genannt wurden. Die.Groberung von Unteritalien, 
die 265 v. Chr. vollendet war, hatte die Römer den 
Karthagern genähert, die einen großen Teil Sici: 
fiens bejaßen und mit dem —— des übrigen, 
Hiero II. von Syralus, damals im Frieden lebten. 
Den Anlaß zum Kriege bot das Hilfsgeſuch der in 
nl ie von Hiero belagerten Mamertiner, dem 
die Römer entipraden, was ein Bündnis des Hiero 
mit den Narthagern zur Folge hatte, Appius 
Glaudius Gauder ging mit einem Heere nad) Sici: 
lien, bejehte Meſſana, und damit begann der erjte 
Puniſche Krieg, 264—241. Hiero ſchloß ſich 
bald den Nömern an, deren Siege in Sicilien 
jedoch fruchtlo3 bleiben mußten, jolange fie den 
Karthagern nicht auch zur See die Spihe bieten 
fonnten. In kurzer Zeit wurde daher die erite röm. 
Siriegäflotte gebaut, mit der Gajus Duilius, der 
durd die Anwendung des Enterhakens den Krieg 
zur See dem zu Lande ähnlicher machte, über_die 
im Seeweſen erfahrenen tarthager den erjten See: 
fieg bei Diylä (260) erfocht. Nach einem zweiten 
groben Seeſieg bei dem Berge Ginomos (256) 
verjekte Marcus Atilius Negulus den Krieg in 
das fartbag. Afrika jelbit, wo er die Karthager 
ſchlug und in Tunes überwinterte. Schon dadıten 
diefe an Frieden, als ihnen der Spartaner Xan: 
thippus geübte griech. Söldner zuführte; durch ihn 
wurde 255 das röm. Heer geſchlagen, deſſen Trüm: 
mer fih nad dem feiten Orte Clupea retteten, 
von wo fie die röm, Flotte nach einem Sieg über 
die fartbagiiche beim Hermäiſchen Vorgebirge heim: 
holte. Nachdem diefe Flotte auf der Nüdjahrt bei 
Camarina und eine neue im J. 253 an der Stitite 
Lucaniens Schiffbrud erlitten hatten, befchräntten 
fih die Römer auf den Landfrieg in Sicilien, wo 
die Karthager nach dem Siege des Lucius Cäcilius 
Metellus bei Panormus über Hasdrubal (250) auf 
den Bejit des wejtlichiten Teils, bei Lilybäum, Dre: 
pana und Eryr, beichränlt wurden. Hier wurde 
ber —* mit wechſelndem Glüd —— Hamil⸗ 
tar Barkas, ſeit 248 karthag. Oberfeldherr, errang 
mehrere bedeutende Erfolge, bis die Entſcheidung 
durch den großen Seeſieg, den Gajus Lutatius 
Catulus mit einer durch freiwillige Beiträge der 
röm. Bürger neu geſchaffenen Flotte bei den Liga: 
tiſchen Inſeln erfocht (241), herbeigeführt wurde. 
Die Karthager mußten den Frieden durch völlige 
Verzihtleiftung auf Eicilien, das die erſte rom. 
Brovinz wurde, und durd) die Zahlung von 3200 
Zalenten erlaufen. (5. Narthago.) j 

Der zweite Puniſche oder Hannibaliſche 
Krieg, 218— 201, begann, alö Hannibals An: 


griff auf das von ben Römern gefhüste Sayunt 
von den Karthagern gutgebeißen wurde. Hannibal 
lan ; nachdem Sagunt gefallen, den Röntern, die 
den Strieg nach Spanien verſehen wollten, zuvor 
und fiel, nachdem er.die. Pyrenäen überfchritten, 
das jüdl, Gallien durchzogen und, feinen bewun: 
derungswürdigen Marjch über die Alpen gemacht 
hatte, in Stalien ein, wo er die Römer zuerft in 
dem Neitertreffen am Ticinus, dann an der Mün: 
dung der Trebia in den Po überwand (218) und 
im näditen Jahre 217 über den Apennin nad) 
Gtrurien zog. Die Niederlage, weldye der Konſul 
Gajus Flaminius am Traſimeniſchen See zwiſchen 
Cortona und Peruſia (Perugiq) erlitt, vermochte 
die Feſtigleit des röm. Senats nicht wu brechen, 
und Quintus Fabius Marimus verſtand es, durch 
Huge Krieyführung, die ihm Später den Namen de3 
Zauderers (Cunctator) erwarb, Hannibal, der durd) 
Umbrien, Bicenum, die Gebiete der Bejtiner, Mar: 
ruciner und Frentaner nad Apulien gezogen war, 
in den ſamnitiſchen Bergen hinzuhalten. Jm J. 216 
aber bradıte die furchtbare Niederlage, welche die 
Nömer bei Gannä erlitten, Nom nahe an den Rand 
des Verderbens. Es wurde gerettet durch Die Weis: 
beit jeines Senats und die Standhaftigfeit des 
Volks. Hannibal, der wohl erfannte, dab ein An: 
griff auf Nom felbit auch nach einem jolden Siege 
erfolglos, ja gefährlich fein würde, zog ſofort nad) 
Gapıra, wo er fein Heer überwintern ließ; das 
Bündnis, das er mit dem macedon. Könige Phi: 
lipp V. ſchloß, war fruchtlos, da dieſem die nötige 
Energie ganz abging, und die röm, Politik ihn dann 
auch namentlich durd die Ütolier in Griechenland 
beichältigte; 2 das Übergewicht der karthag. 
Partei in Syralus nah Hieros Tode gewährte 
feine Hilfe. Marcus Claudius Marcellus, der 216 
bei Nola den erjten Vorteil über Hannibal im offe: 
nen Felde errungen, wurde 214 nad) Sicilien ge: 
jendet, das, nachdem Syrakus nad zweijähriger 
Belagerung fih ergeben hatte (212) und endlich 
auch Agrigent durch einen numidiſchen Offizier, 
Mutines, den Römern ausgeliefert worden war 
(210), wieder ganz im Beſiß der Nömer war, Von 
Karthago nicht unterſtühzt, focht Hannibal in Unter: 
italien zwar meijt fiegreich gegen die Römer, aber 
zu entſcheidenden Schritten war er zu geſchwächt, 
und auch fein plößlicher March auf Nom (211) 
vermochte Capua nicht vor der Rache der Nömer 
zu fhühen. Die Bernihtung des Hilfsheerd, das 
ıhm fein Bruder Hasdrubal von Spanien ber zu: 
führte, unfern von Sena in Umbrien duxch die 
Römer entichied 207 den Krieg in alien. Zu den 
Bruttiern, die ihm treu blieben, zurüdgedrängt, 
bielt fi) Hannibal in der Sübweitipike noch bis 
zum J. 205, wo er dem Befehl des larthag. Senats, 
der ihn zum SR der Vaterftadt zurüdrief, gleich 
feinem Bruder Mago, der in Ligurien gelandet 
war, gehorchen und Italien verlafien mußte. 
Waͤhrend des ital. Kriegs hatten Die Römer auch 
in Spanien, wo Hannibal feinen Bruder Hasdrubal 
als Oberbefehlshaber zurüdgelafien hatte, tapfer 
gelämpft. Die Brüder Onäus und Publius Cor: 
nelius Scipio hatten feit 217 dort mit Glück gegen 
Hasdrubal gefochten und diefen dadurch abgehalten, 
Hannibal nad) Italien zu folgen. Im J. 212 unter: 
lagen aber beide und ihr Heer wurde vor Vernic): 
tung nur durch Lucius Marcius bewahrt. Aber 
nun übernahm der Iunge Publius Cornelius Scipio, 
des Publius Sohn, den fpan. Oberbefehl, Er 


394 


ewann bie Ipan. Bölter durch Milde wie durch feine 
iege über die Harthager, denen er das wichtige 
Neularthago 210 abnahm; Hasdrubal wurde 208 
bei Bäcula in Andalufien geſchlagen. Der Abzug 
Hasbrubals, den Scipio nicht zu hindern vermochte, 
erleichterte ihm die Führung des Ariegs in Spa: 
nien, ben er, nachdem er Hasdrubal, Gisgos Sohn, 
und Mago wiederum 207 bei Bäcula geichlagen, 
und der lebtere 206 Gades, ben lepten Plat, den 
die Karthager noch innehatten, verlaffen hatte, um 
feine Truppen nad) Xtalien zu führen, mit der Ein: 
nahme von Gades für bie Römer fiegreic endete, 
In Rom erbielt er für das J. 205 das Konfulat 
unb bie Zn Eicilien; 204 landete er an ber 
larthag. Küfte, er über Hasdrubal, den Sohn 
Gisgos, und den numidiſchen Fürften Syphax, und 
bie Harthager jahen eidg ey ige vn 
das lehte Rettungsmittel. In der Ebene von Zama 
lam es 202 zwiſchen den beiden großen Felbherren 
aut Schlacht. Scipio blieb Sieger, und im farthag. 
enat ſprach Hannibal nun felbft für den Frieden. 
Die Bedingungen, die Scipio ftellte, genügten, um 
Karthagos Macht zu brechen. Die Karthager muß: 
ten 50 Jahre lang eine jährliche Kontribution von 
200 Talenten zahlen, bie Kriegsichiiie bis auf zehn 
und die Glefanten ausliefern, den mit Rom ver: 
bündeten Numiderfürften — entjchädigen 
und geloben, feinen Krieg fernerhin ohne Noms 
Erlaubnis zu führen. Bol. Keller, «Der zweite 
Puniſche Krieg und feine Quellen» (Marburg 1er: 
War der zweite ein Kampf um die Weltherricaft 
geweien, fo war ber dritte Puniſche Krieg 
149—146, von feiten der Karthager ein Kampf 
der Verzweiflung um ihre Grütenz. Der Wider: 
ftand, den die —— den Quälereien des Maſi⸗ 
niſſa entgegenzuſtellen ſich genötigt ſahen, wurde 
von den Romern, die fie — gelaſſen hatten, 
als Bruch jener Friedensbedingung erllärt. Haß 
und Begier nach den Reichtümern der wieder auf— 
blühenden Stadt, —* als Beſorgnis vor einer 
Gefahr, die von ihr drohen könnte, waren es, welche 
die Römer bewogen, dem Verlangen des ingrimmi: 
gen alten Cato Folge zu geben und den Krieg zu 
erllären. Die geängfteten Karthager verftanden 
fich zur Stellung von Geijeln, zur Auslieferung 
der Waffen und Schiffe; ala aber die Römer nun 
mit der Forderung bervortraten, fie follten ihre 
Stadt verlafjen und ſich mindeftens 10000 Schritte 
vom Meere entfernt anfiedeln, erhoben fie ſich zum 
Kampf. Der Konjul Manilius wurde 149 von 
Hasdrubal zweimal geſchlagen, auch der Konful 
Lucius Calpurnius Piſo vermochte 148 nicht3, und 
erit 146 eroberte Publius Cornelius Scipio Ami: 
lianus die Stabt, die er über ein Jahr belagert 
tte und die von ben Einwohnern, noch als bie 
Römer ſchon eingedrungen waren, Schritt für 
Schritt verteidigt, endlid den Flammen geopfert 
wurde. Bol. Jäger, «Die Puniſchen Kriege» (2 Bde,, 
Halle 1869); Neumann, «Das Zeitalter der Buni: 
chen Kriege» (herausg. von Faltin, Brest. 1883). 
mente reue (Fides Punica), d. i. fartha: 
ginienfifhe Treue, f. unter Graeca fides. 
PBunig (poln, Poniee), Stabt im preuß. Regie: | 
rungsbezirt Poſen, Kreis Kröben, lints am Bolni: 
fchen Landgraben, nahe der ſchleſ. Grenze, hat 
(1880) 2008 E., darunter 760 Bolen, 56 Juden, 
eine kath. und eine evang. Pfarrkirche, viele Wind: 
müblen, rege Stellmacherei, Böttderei und Tiſch— | 
lexei, fowie Schweinehandel. P., bereits kurz nad) 





Punifhe Treue — Punktion 


1200 erwähnt, lag ehemals an der großen von Ro: 
fen nad) Breslau führenden Handelsſtraße. Etwa 
1,5 xm weitlid) von P. iſt 1884 eine I milde De: 
EBEN, gefunden worden, wo zahlreiche Urnen 
ern, Bei ®. befiegte 1704 Karl XIL die Sachſen. 
ünjer Bernd. ‚ Prot. Theolog, geb. 7. Juni 
1850 zu Friedrichsgaabeloog in Schleswig-Holltein, 
ftubierte 1870— 1874 zu Jena, ngen, Zürid) 
und Kiel, habilitierte Ka 1875 in Jena als Docent 
ber Theologie, wurde 1880 außerordentlidier Bro: 
* und ſtarb 13. Mai 1885. Ein Schüler von 
ipſius und Biedermann, gehörte er der freien 
wiſſenſchaftlichen Richtung an. Sein Hauptfeld 
war das der Religionsgefhichte und Religions: 
—2533 — Seine Hauptſchrift iſt «Die Geſchichte 
der chriſtl. Religionsphiloſophie ſeit der Refor— 
mation» (2 Bde., Braunſchw. 1880—83). Außer⸗ 
dem verö ntlichte derjelbe eine kritiſche 
von «Scleiermachers Reden über die Religion » 
Braunſchw. 1879) und gab feit 1880 den «Theol. 
a —— on heraus. ’ 
unft (lat.) heißt in der Geometrie nad) des 
Euflides Definition das, was keine Teile oder feine 
Ausdehnung bat. Ein P., in Bewegung gedacht, 
beichreibt eine Linie. P. bilden die Grenzen, nicht 
aber die Teile einer Linie. In der Arithmetik it 
ber ®. Zeichen der Multiplitation. — In der mufi: 
taliſchen Notenſchrift ift der P., ſobald er neben 
einer Note fteht, ein Zeichen, welches die Beitgel: 
tung des Tons um die Hälfte vermehrt; ftehen zwei 
®: hinter einer Note, fo gilt der zweite wieder die 
älfte von dem erjten. Man nennt derartige Noten 
punttierte Roten. Gin P. über einer Note be: 
deutet, daß diefelbe leicht abgeſtoßen werden joll, 
was man staccato nennt. 

Punktation (lat.) heißt jede fchriftliche Beur: 
fundung, worin die Hauptpunlte eines zu Schließen: 
den Vertrags enthalten find und aus welder, jo: 
bald fie gegenfeitig angenommen worden, jhon auf 
Vollziehung geklagt werden fann. Die noch in Aus: 
fit jtehenden mweitern Vereinbarungen follen dann 
nur nod) wegen der Ausführung des fiberein- 
tonımen® und binfichtlich bloßer Nebenpunlte das 
Erforderliche beſtimmen. 

unftierfunft, |. Rupferftehlunft. 
unktierkunſt, eine Art, Dratel zugeben, indem 
man eine Anzahl Bunte, die man ohne befondere 
Abficht verzeichnet, in Figuren bringt, um daraus 
nad gewiſſen Regeln verborgene und zulünftige 
Dinge zu erforfchen. Diefe Art der Meisjagung 
wird von den Arabern hergeleitet, welche die Buntte 
mit einem Stabe in den Sand oder Erbe zu machen 
flegten, weshalb fie auh Geomantie (d.i. Weis: 
agung aus der Erde) genannt wurde. Die Regeln 
der in den untern Volksſchichten noch fehr beliebten 
Kunft finden fi in den jog. ed Ser 

Bunktion (lat.), in der Chirurgie bie Durch: 
trennung der Weichteile vermittelft fpiker und 
ftechender Inſtrumente, um Aufſchluß über Beſchaf⸗ 
fenheit und Widerftand der tiefer gelegenen Teile 

u erbalten oder widernatürlich angejammelte 

lüffigleiten oder Gafe aus denjelben zu entfernen. 
Handelt es fi dabei um bie fünftlihe Gröffnung 
einer Körperhöble (Bruft: oder Bauchhöhle, Harnz 
blafe, Herzbeutel), jo heißt die Dperation aud) Pa⸗ 
racente je Man führt die P. je nad) dem beabs 
fihtigten Zwed entweder mit einem jhmalen fpiben 
Mefjer oder dem Trolar (f. d.), oder mit langen 
ftählernen Nadeln (ſ. Alupunttur) aus und 


Bunftlorallen — Pupille 


bededt nach ber P. bie Heine Wunde mit Heftpflafter 
ober einem anti en, Samilie 
poridae * eine 
von Cölenteraten, die man früher den en ten oral: 
len zuzäbfte, jebt aber, auf Grund umfafjender Un- 
bilden maſſi ge verjweigte, 
i ſige, oder au aus 
Stöde oder Kolonien von oft be: 
trädtlicher Größe, in — die ei 
nen Individuen, weiche alle ziemali 
einfaden, runden, Ang = Bunttlö 
—— ind und 


nenben $ 
feinen —— gende e.. ftrabligen Bau 
Kattftelett it außerdem 
rchzogen. 


nd find, in 


aufweilen. Das ganze 


” imiento der Republif Peru, grenzt 
‚am Bolivia, im R. und W. an das 
* ferner i im W. an bie peruan. 
name user requipa, Moquegua und Tacna 
und — 52301 qkm (1876) 256 594 G., welche 
bejonderd Viehzucht, am Titicacafee auch Aderbau 
und etwas Ber treiben meebededte Ge: 
birgözüge der Anden rufen ein kaltes Klima ber: 
vor; im R., in der Waldregion, fließen die Gemäller 
zum Rio Snambari, im ©, zum Ziticacafee, defien 
nordweſtliche Hälfte hierher gebört. 

Puno oder Eoncepcion de Buno, Haupt: 
ftabt des rtimiento, an ben weltlichen Bufen 
des Titicacaſees, 3821 m über dem Meere, durch 
Eiſenbahn einerfeits über Arequipa mit Mollendo 

andererjeits mit Santa:Rofa verbunden, hat (187 6) 
229 €. und —— Tranſithandel nach Bolivia, 
dagegen hat der ehemals bedeutende Bergbau jet 
ganz aufgehört. 

ch, ein allgemein verbreitetes Getränf, 

nad Europa gegen Ende des 17. Fahrh 
aus Dftindien gelangte, wo die dort anſaͤſſigen 
Briten nad dem Veriht 5 («New account 
of East-India and Persice, Lond. 1697) es aus 
Arak, Thee, Zuder, Wafler und Citronenfaft be: 
reiteten und wer - es aus fünf Materialien 

nen en ind. Namen Pantſch (d. i. 
Hinf in fi — Mundarten) beibehiel⸗ 
ten. ne, meiſt warm genoſſen, fand in 
eg hier — Das Waſſer wird 
bei der Bereitung oft ganz oder an Zeil bur 
Wein erſeßt ee Außerdem gibt es 
viele verfdiedene Arten von P., und i a dem Bar: 
teeper:Guide «How to mix drinks» (Neuyort 
1862) find allein 79 verſchiedene Punfchrezepte aufs 
oeführt. Unter den zahlreichen Buniheffenzen 
genicht bie Düfieldorter befondern Ruf. 

In keinem Zuſammenhange mit diefem Getränt 
ftebt das engl. Wort Bund (befonders durch das 
—* ihm benannte ſatiriſche Blatt «Punch» be: 
u; welches aus dem ital, Pulcinella entjtand. 

Beritümmelumg diefes Namens mag viel: 

—— — em, punch, d. i. ein jeder kurze 

und dide Gegenſtand (3. B. ein Sind), mitgewirkt 

—— In der leßztern Bedeutung gilt auch der 

P. für eine —— Raſſe von Gebrauchs⸗ 
erden, die ſich durch gedrängten, ſtämmigen 

u und ftarte Glieder befonder⸗ zur Landarbeit 

ıen, }. 2 die Suffol: Bundes, Clydesdale: 
Funde. © e Bezeihnung iſt in die deutjche 

rache —— und im Pferdehandel wie 
bei ——e üblich. 

Bunfchpflange, ſ. unter Aloysia, 


dei: 00 ‚5 km) verbunden, bat etwa 8000 


395 
Punta Bichas ſpan.), Gpise, Borgebirge. 


% chilen. Kolonie an der Ma: 
Ge 
rena „Stadt und Hauptausfuhrhafen 
ber mittelamerif. Republik Coſta⸗Rica, auf Se 
ger, fandiger — am öſtlichen Ufer des Golfs 
von * Haupiort eines Diſtrilts und run 
deutſchen Bizetoniulats, Station mehrerer Dampfer 


Mei: } linien, ift mit Ejparta durch Eijenbahn (22, km) 


und mit Gartago durch eine benfinie 
und führt 
affee, Kautſchuk, Metalle, Häute und Selle, Ba: 
nanen, Hölzer, Ecildpatt und Silber in Barren 
aus, B, wurde um 1840 gegründet und hat ein 
heißes, ungefundes Klima. (f. d.). 
nta de Europa, Sübfpite von Gibraltar 
uuto be von foviel wie Boint:de-Galle. 
unta do Lenha, Hauptitlavenfaltorei im 
Lande Congo (f. d.). 
en, ſ. Bunzen. [wefen. 
larde ofitorium, f. unter Depofiten: 
ilarf tion, ein Inftitut des röm. 
Erbredts: der Vater als Gene ber über fein 
unmündiges (noch nit 12—14jähriges) Hauslind 
ſetzt, da das letztere teftierunfähig tft — in 
einem Teſtament Erben ein für den daß das 
Kind noch vor erreichter —— En während 
andauernder väterlier Gewalt) fterben follte. 
Dies h, aljo eine ftellvertretende Erbeinfehung kraft 
väterlichen Rechts, Subftitution aber war fie des: 
balb, weil der Vater fie nit, ohne zugleich über 
jein eigenes Bermögen zu teftieren, verfügen konnte 
und er bier gewöhnlich das Kind zu Erben einfehte, 
ſodaß der Punillariubititut die Erbſchaft des 
Vaters ſamt der des Kindes Fre it einge: 
tretenem Re erlojd die Gültigkeit 
d jeht ſelbſt verfügungsfä —* 
wurde. "Diefes Reben ift in moderne 
t ohne Modifilation ———— 
ille (lat. Pupilla), die ce oder das 
Seblod, ift die runde, normalerweije teil warz 
ericheinende Offnung in der Regenboger o ge⸗ 
nannt, weil auf derſelben ſich das (eine Bilden 
(pupilla, Puppchen) projiziert, welches bie Horn: 
baut als Heiner Ronveripiegel von einem ins —— 
Ihauenden Beobachter entwirft. J —— 
albinotiſchen Auge leuchtet die P. hellrot, weil! Kae 
durch die Yugenhäute u bie in das Augeninnere 
gelangt und badjelbe dilfus beleuchtet. Die P. 
dient hauptfählic zur Negulierung der ind Auge 
gelangenden Lichtmenge und hat eine ver: 
änberliche Größe. Es befindet ſich nämlich in der 
Jris ein doppelter Mustelapparat; ber ringförmig 
die B. umkreiſende Verengerer (sphincter) der B., 
welder unter dem Einflufje eines Gehirnnerven 
Nervus oculomotorius) ſteht, und ber rabiär ver: 
aufende Erweiterer (dilatator) der —— der dem 
vom Rudenmart tommenden {ympathiichen Nerven 
aehordht. Die P. kann fi verengern ſowohl durd) 
Aujanımenzieen des Berengerers als durch Er: 
ihlafiung des Ermeiterers; fie dann fid) erweitern 
jowohl durd) Aufammenziehen des Erweiterers, 
als durch Erſchlaffung des Verengerers. Cine 
Verengerung der P. tritt ein bei heiler Beleuchtung, 
beim Sehen naher Gegenftände, bei Konvergen;: 
Beh der Sehachſen, eine Grweiterung bei 
gan oder fehlender Beleuchtung, beim ern: 
k en und bei Barallelftellung der Sehachſen. Das 
upiltenfpiel hört auf, wenn einer der beiden 


396 Bupillen — 


Musteln gelähmt it (Jridoplegie); bei Lähmung 
de3 Sphineter verharrt die P: im Zuſtande abnor⸗ 
mer Weite (Mydriaſis), bei Lähmung des Dilatator 
im Zuftande abnormer Enge(Myofis). Daher deutet 
bei Lahmungszuſtänden eine beftehende Mydriafis 
auf ——— der Gehirunerven, eine Myoſis da— 
gegen auf Fähmung des Nüdenmarls. Durch Cin: 

ringen gewiſſer Prlanzenalfaloide, des Atropin, 
Daturin, Hyoscyamin, Cocain, Duboifin, ann die 
BP. künſtlich erweitert werden; dieje Mittel werden 
daher al3 Mydriatila bezeichnet. Andere haben 
die Eigenſchaft, die Pupille zu verengern, das 
Eſerin oder Phyſoſtigmin, Pilocarpin, Morphium, 
Nicotin, und werden daher als Myotika bezeich— 
net. In der Augenheilkunde finden diefe Altaloide 
reihlihe Verwendung. 

Als Ausdrud gewilfer Entwidelungsftörun en | 
kommen fowohl partielle als totale Defekte der 
Kris vor, im erſten Falle bat die P. eine birn: | 
oder ſchluͤſſellochfoörmige Geſtalt (Coloboma), im | 
zweiten (Srideremie) erjcheint fie EL yın: | 
gemein weit, Nimmt die P. nicht die Mitte 
der Iris ein, fondern liegt ercentrifh, fo nennt | 
man das Korreltopie. Die runde Horm der menſch— 
lihen P. geht bei den Tieren vielfah in ans 
ders gejtaltete, bei der Habe 3. B. in eine ſchlih— 
förmige über. Infolge von Entzündungsprozeflen 
fann der Nand der B. entweder teilweije oder ganz 
mit dem unmittelbar hinter ihr liegenden Linfen: | 
ſyſtem verwachſen. Tie B. wird dann enger und 
unregelmäßig, oder auch volljtändig durd; Ablage: 
rungen geſchloſſen. Hier fann dann durch Bildung 
einer neuen, ercentrijch von der natürlichen liegen: 
den Fünftlihen P. (Noremorphoje), die darin 
bejteht, daß man ein Stüdchen der Iris ausjchneidet 
(Frideltomie), das verringerte oder verloren 
gegangene Schvermögen oft_ganz oder teilweile 
wiederhergeftellt werden. Diefe Iridektomie iſt 
auch das von Albrecht von Graefe entdedte Mit: 
tel, um der Hi für unvermeidlich gehaltenen 
Grblindung infolge des fog. Glaucoma («grüner 


x 


Star») entgegenzutreten. 
Pupillen (von lat. pupillus) heiben eigentlich 
nur die unmündigen Minderjährigen (bis zum 12., | 
reſp. 14. Jahre), in weitern Sinne aber alle Min: 
berjährigen in der Bedeutung von Pflegebefohlenen; 
daher Bupillentollegium, das Amt, welchem 
von Etaat3 wegen die Wahrnehmung des Inter: 
eſſes der unſelbſtaͤndigen Minderjährigen übertragen 
it, Da nad) dem Gejche Vormünder die Mündel— 
gelder jin&bar anlegen, dabei aber die Gewährung 
eines Darlehns von deflen Eiderftellung durch 
fihere Unterpfandsrehte an viel wertvollern 
Grundjtüden abhängig machen follen, fo verjteht 
man unter pupillariſcher une! über: 
haupt eine ganz fichere, für alle Fälle Dedun 
gewährende Hypothet. (Vgl. Vormundi haft) 
Pupillenregiment wurde 1811 das von Napo: 
leon I. in den franz. Dienft übernonmtene, vom 
Könige Ludwi ——— für den Kolonialdienſt 
aus Söhnen holländ. Offiziere und Soldaten er— 
richtete, aber wegen des Verluſtes der Kolonien im 
Lande verbliebene Bataillon Vélites royaux ge— 
nannt und ber Kaiſergarde zugeteilt. Das P. ſollte 
ſich au? allen Waiſen- und Findelhäuſern des Reichs 
ergänzen, hat aber meiſtens aus Holländern, Bel— 
giern, Teutihen und Italienern beftanden. Das 
tegiment wuchs raſch auf 9 Bataillone an, von 
denen zwei (das 1. und 7.) als Yeldregiment 1813 


Buppenfpiel 


bei Fügen und 1814 bei Paris ins Feuer kamen. 
Ferner, wurde aus den-über 16-%. alten Pupilles 
ein Tirailleurregiment 1813 errichtet, dieſelbeñ auch 
zum Teil als Erſaß für die junge Garde verwendet. 
Tas P. wurde nad) dem Sturze Napoleons aufgelöjt. 
upillin, Weinort bei Arbois (f. d.) 
upiparen, ſ. Qauäfliegen. 
pen werben die Inſellen in derjenigen Pe: 
riode der volllommenen Metamorphofe genannt, 
in welcher fie ruhen und nicht frefien, und aus wel: 
her fie nach fürzerer oder längerer Zeit in das voll: 
fommene Inſelt fi) verwandeln. Nubende P. be: 
fisen die Häfer (j. vom Coloradofäfer, Tafel: 


Schädliche Anjelten, Fig. 16 f), Hymeno: 


pteren (f. vonder Johannisbeer:Blattweipe, 
Zafel: Schädliche Anfelten, Fig. 20 b), Ti: 
pteren, Schmetterlinge und eigentlichen Nebflügler. 
Die P. ijt bald nur mit einer feinen Haut befleidet 
(Bienen), die alle Organe ſehen läßt, bald edig und 
nur mit geringen Andeutungen der Körperteile 
(Schmetterlinge), bald gänzlid) in ihrer Geſtalt von 
derjenigen des Inſekts oder feiner Larve vericie- 
den (Dipteren). Häufig ift fie-von einem Gejpinit 
oder Cocon umſchloſſen (Ameijen, Spinner, 3. ®. 
beim Kleinen Nachtpfauenauge, Tafel: niet: 
ten III, Fig. 8), in andern Fällen nadt. Die 
Dauer der Puppenruhe ijt fehr verfchieden, von 
wenigen Tagen bis zu Monaten und Jahren. Wäh— 
rend dieſer Zeit wird der Bildungsftoff, welcher 
durch die frejjende Parve angehäuft wurde, zur 
Ausbildung der äußern und innern Organe, ganz 
befonders aber derjenigen der Flügel und der Fort: 
pflanzungsorgane verwendet. Cine Scharfe Grenze 
zwiſchen ruhenden und beweglichen P., die man 
Ipeziell mit den Namen Nympbhen belegt, eriltiert 
nicht, Viele font rubende P. bewegen ſich lebhaft, 
wenn fie gereizt werden, andere, wie mandhe der 
Müden, Shwimmen oder friechen fogar umher, wie 
3. B. die P. der Glasſchwärmer (Sesia) gegen das 
Ende ihres Puppenlebens aus dem Innern der 
Baumftämme an die Öffnung ibrer Nöhren, die 
fih an der Rinde finden, emporjfteigen. 
uppen (Getreidepuppen), ſ. unter Ernte. 
uppengebärer, Abteilung der Dipteren (1.d.). 
uppenränuber (Calosoma) heißt ein Geſchlecht 
anfehnliher Cauftäfer, deſſen 80 Arten über die 
ganze Erde verbreitet, aber im Norden der Alten 
und Neuen Welt am zalfireichiten find. Die größte 
einheimifche Art (C. sycophanta) ijt bi3 gegen 
30 mm lang, dunkelblau, mit grünen rotihimmern: 
den Nlügeldeden. Der Käfer Hettert mit Vorliebe 
auf Bäume und ift ein Hauptfeind gejellig, leben: 
der Raupen, befonders der des — 
wodurch er ſehr nuͤhlich wird, 
uppenſpiel nennt man in Deutſchland eine 
Buhnendarſtellung, in der die Schauſpieler durch 
Gliederpuppen erſeht werden. Die P. gehören 
lediglich, wie die franz. Marionetten (f. d.), der 
Volksbühne an und find meiſt burlesfen Anbalte. 
Ahre Blütezeit fällt in die Zeit nach dem Dreißig— 
jährigen Kriege; erhalten haben fie fich bis in den 
Anfang des 19, Jahrh. Ein Lieblingsitüd bes 
Buppentheaters war das P. von «Doltor Johannes 
Fauft» (lderausg. von Simrod, Frankf. 1846), das 
ſchon Leſſing bearbeitete, und aus deſſen Anregung 
aud Goethes «Fauft» hervorgegangen iſt. Engel 
veröffentlichte eine Sammlung alter deuticher B. 
unter dem Titel «Deutſche Puppenltomödie » 
(3 Bde., Dldenb. 1873— 75). 


Pur — Puritaner 


397 


Pur (Bura), im Indiſchen foviel wie Stadt, | drüdte. In ihm kam die echt engl. Mufit zur 


a 5 vielen Ortsnamen angehängt. 

uränas heißen in der ind, Litteratur eine An: 
zahl umfangreicher Gedichte, welche theolog. und 
pbilof. Belehrungen, rituelle Borjchriften und Le: 


Blüte, Bon P.s Werken wurden einige nad) feinem 
Tode wiederholt gedrudt, die Kirchenſtüce am voll: 
jtändigiten von Nivello in vier Bänden. Drei ſei— 
ner dramatiſchen Kompoſitionen erfchienen in der 


genden enthalten, Es find ihrer 18 vorhanden; fie | Ausgabe der Musical Antiquarian Society; eine 


beruhen auf untergegangenen Edhriften ältern Da: 
tums, gehören aber ſämtlich einer fpätern Zeit, 
jedenfalls dem Ichten Jahrtaufend an, (Bol. In: 
diſche Litteratur und Sansfrit.) 

Burbach oder Peurbach (Georg), ausgezeich— 
neter Diathematiter, führte diefen Namen nad) dem 
Städtchen Peurbach in Eiterreich ob der Enns, wo 
er 30. Mai 1423 geboren war. Nadydent er feine 
Studien in Wien vollendet, ging er nad) Stalien, 
wo cr an den vorzüglicdhiten Univerſitäten aftron., 
Vorträge bielt, und wurde dann Wrofeflor der 
Mathematik und Aitronomie in Wien. Das crfte 
Werk, welches er dafelbit jchrieb, war eine Erklä— 
rung der fechs eriten Bücher des «Almageſto des 
Ptolemäus, der bald eine größere Anzahl anderer 
mathem. und aſtron. Arbeiten, wie die Sinus: 
tafeln, die efliptiichen Tafeln zur leichtern Berech— 
nung der Sonnen: und Mondfinfterniffe und haupt: 
fädhlich die «Theoriae novae planetarum» folgten, 
Auch fertigte er Duadranten, Sertanten u, iR w. 
Er ſtarb 8. April 1461. 

Purbeck, Halbinſel an der Sudküſte Englands, 
bildet den ſüdoͤſtlichſten Teil der Grafichaft Dorſet, 
ift 16 km lang, bis 12 km breit, erreicht eine Höhe 
von 220 m und fällt fteil zum Hanal La Mande 
ab, Kalkſtein, Gifenftein, Schiefer und Marmor 
wird bier gebrochen. 

Purcell (Hecury), der größte engl. Komponiſt, 
geb. 1658 in London, wurde ſchon 1676 Organiſt 
an der MWeltminjterabtei und 1682 Organitt ber 
Hoftapelle oder der lönigl. Kirchenmuſik. P. ftarb 
21. Nov. 1695, nachdem er durch eine erftaunliche 
Fruchtbarkeit in allen Zweigen der Kompoſition 
ſich ausgezeichnet hatte, In der Kirchenmuſitk leistete 
er in großern Formen und in dem fonzertierenden 
Stil jeiner Zeit dasjelbe, was hundert Jahre vor 
ihm fein Landsmann William Byrd in den jtren: 

ern und geichlojjenern Formen des 16, Jahrh. ge: 
eiftet hatte, Zu den Gäcilienfejten, welche von 
1683 an alljährlid in London ee wurden, 
ſchrieb P. die erſte Ode und 1694 ſein berühmtes 
Tedeum nebſt Jubilate. Weil der muſikaliſche Teil 
der Opern oder Singſpiele, die ſeit 1666 in London 
auf ital, und franz. Anregung entſtanden, damals 
in den Händen der Rp. Kapelle war und felbit 
die Knaben des Kirchenchors darin mitwirften, fo 
fonnte auch P. unbeichadet feines Kirchendienites 
mit der Bühne in Verbindung bleiben. Schon 1675, 
in feinem 17. Jahre, fomponierte er die Heine Oper 
«Tido und Anegsy, und in den nächſten zwanzig 
Jahren die Mufit für 38 Theaterjtüde, die teils 
aus ganzen Opern, größtenteils aber aus Schau— 
fpielen, muſikaliſchen Scenen und Zwiſchenakts— 
muſilen beitanden. Bon einem diefer Werle (Dio— 
cleitan oder die Tropbetin», 1690) erichien die 


Geſamtausgabe feit 1878 in London. P. wurde in 
der Weſtminſter-Abtei bejtattet. 

PBurganz oder Abführmittel, ſ. Abführen. 

Purgas, Bezeihnung für Schneeftürme in 
Kamtſchatta. (5. unter Buran.) 

‚Purgation (lat.), j. Reinigung und Bur: 
gieren; Purgatio contumaciae nannte der 
gemeinrechtliche Brozch die Nachholung einer ver: 
täumten Prozeßhandlung, bevor der an die Vers 
ſäumnis gelnüpfte Nachteil verwirklicht war, 

urgatorium (lat.), der Neinigungseid; in der 
fatb, Kirche das Fegfeuer. 

Purgieren (lat.), reinigen, befonders den Leib, 
abführen; fih von einer Beldhuldigung befreien, 
lich rechtfertigen; Purgiermittel (Purgantia), 
Reinigungs: oder Abführmittel; Burgation, die 
Reinigung, beſonders von dem Verdacht eines 
Verbrechens. 

PBurgierföruer, ſ. u Croton und Ricinus. 
Burgierfrant, ſ. u. Gratiola, Burgierlein, 
Pflanze, f. unter Linum, Burgiermittel, ſ. unter 
Burgieren. Burgiernuf, |. unter Jatropha, 

uri, Stadt in Bengalen, f. Dibangarnatd. 

urifizieren (lirhlich), j. unter Ablution. - 

urifizierung, die «Bereinigung» eines (durch 
Gid) bedingten Urteils; Burikitati onsurteil 
oder Burifitationsbefceid, das Urteil, wel 
ches die Folgen des geleiteten oder nicht geleifteten 
Parteieides feftitellt. (S. Eid.) 

Burimfeft beißt ein jüd. Feſt, das am 14. und 
15. Tag de3 Monats Adar (zum Teil unjerm 
März entiprechend) als ein durd Gaſtmaähle, ge: 
genfeitige Beichenkung und Spenden an die Armen 
zu begehendes Freudenfeſt gefeiert wird, zur Erin: 
nerung an die im Buch Ejther erzählte Errettung 
der Juden durch Ejtber und Mardochai aus den 
Gefahren, die Haman ihnen bereitet hatte. Daher 
beißt das Feſt auch Hanıansfeit oder das Felt der 
Mardohaitage. Am Vorabend des Feſtes wird 
gefaltet, zur Erinnerung an das Faſten Ejthers und 
Mardochais, am Feite feloft die Synagoge alänzend 
erleuchtet und das Bud) Ejther vorgeleien. Der Urs 
ſprung des Feſtes füllt wohl erft ins2. Jabrh. v.Chr. 

Puris, cin Indianerſtamm in den brafil, Pro— 
vinzen Rio de Janeiro und Espirito:Santo. Die 
P. jollen mit den Coroados verwandt fein und mit 
den Botokuden zufammenhängen, gehören aljo nicht 
zu den großen Völfertompler der Guarani-Tupi, 
welchem die indianische Bevölkerung Brajıliend 
gröftenteild angehört. . , 

Puriémus (vom lat. purus, rein, unvermiſcht) 
heißt das Streben nad) Neinigung der Sprade 
von fremden Worten. Dieſes an fid) geredhtfertigte 
Streben wird tadelnswert, wenn es in Bedanterie 
ausartet und ſich auch auf Ausdrücke eritredt, die 


Muſil damals volljtändig gedrudt, von den übrigen | längft das Bürgerrecht in der Mutteriprade cr: 
find viele Geſänge gedrudt in den zwei Bänden | langt haben, oder auf ſolche, für. die es der Mutter: 


beö «Orpheus Britanunicus», welde feine Witwe 
1698 und 1702 herausgab. B. haralterifiert fich 
durch Neichtum der Erfindung, Geichlojjenheit des 
Charalters und Kraft der Perſönlichkeit, und ver: 
ftand e3, ſich einen perjönlihen Stil zu ſchaſfen, 
indem er allem das Gepräge feines Geiſtes auf: 


ſprache felbjt an entiprechenden glei deutlichen 
und beſtimmten Bezeichnungen mangelt. Puriſt, 
Spradreiniger, (S. Fremdwörter.) 
Buritaner heißen in England feit der Nefor: 
mation diejenigen Protejtanten, die die Kirche aufs 
jtrengite nach der Reinheit (puritas) de3 ‚göttlichen. 


398 


Wortes und frei von jeber menſchlichen Autorität 
und Sakung beritellen wollten. Der rigoriſtiſche 
und fanatifche Eifer, mit welchem fie dieſe Tendenz 
verfolgten, wurde durch den Defpotismus erwedt, 
womit die Hönige durch die Errichtung der Epijfo: 
pallirhe oder Hochtirche (f. Anglikaniſche 
Kirche) der Reformation ein willfürliches Biel 
jeßten. Die Oppofition der B. in Schottland und 
England trug weientli zur Entwidelung der Nie: 
‚volution unter Karl I. bei. Die Kirchenverfaſſung, 
welche die gemäßigtern PB. anjtrebten, war die 
Vresbyterialverfafiung, woher fie den Namen 
Vresbyterianer (f. d.) führen. Bol. Hopkins, «The 
Puritans» (3 Bde., Lond. 1860—61); Weingarten, 
«Die Revolutionslirchen Englands» (Lpj. 1868). 

Purkinje (Jobs. Evangelijta), nambafter Phy⸗ 
fiolog, geb. 17. Dez. 1787 zu Libochowik bei Leit: 
merit in Böhmen, wurde in dem Biarijteninftitut 
zu Nikolsburg erzogen, ftubierte dann zu Prag zu: 
erit Bhilofophie, dann Medizin, wurde 1819 Ali: 
tent der Anatomie und Phyſiologie zu Prag, 1823 
ordentl. Brofefjor der Phyſiologie und Pathologie 
zu Breslau und 1850 Profeſſor der Phyſiologie in 
“rag, wo er das 6, Dt. 1851 eingeweibte phyfiol. 
Anftitut gründete, Gritarb zu Prag 28. Juli 1869. 
Don feinen Schriften find zu nennen: «Beobad: 
tungen und Verſuche zur Pögfiologie des Sehens» 
(1. Bd., Brag 1823; 2. Bd., Berl. 1825), «De cel- 
lulis antherarum fibrosis nec non de granorum 
pollinarium formis commentatio physotomica» 
Bresl. 1830) und zahlreiche Abhandlungen in Zeit: 
Schriften, namentlidy in der von ihm 1853 gegrün: 
beten und bi3 1864 herausgegebenen Zeitichrift 
eZivan. Auch überjegte er Schillers lyriſche Ge: 
bichte ins Czechiſche (2 Bde. Bresl. 1841). 

Burmerceud, Stabt in der niederländ. Provinz 
Nordholland, am Kanal von Amiterdam nad) Hel: 
der und an der Eiſenbahn Zaandam :Enthuizen, 

wiſchen den drei Poldern Burmer, Wormer und 

center, zählt 5400 E. und treibt einen nicht un: 
bedeutenden Handel, befonders in Vieh, Käfe und 
Holz. B. verdankt feinen Namen dem Bürmerfee, 
ber 1618—22 troden gelegt wurde. 

Burneah, ee Kommiflariatfchaft der 
Divifion Bhagelpur der brit. : ind. Präſidentſchaft 
Bengalen, mit 12838 qkm und (1872) 1714 795 E., 
bem größten Teil nad Hindu, wurde gegen das 
3. 1541 von den Mohammedanern unterworfen 
und fanı 1756 an bie Britiſch-Indiſche Kompagnie, 
Die Hauptitadt B., an beiden Ufern des Flufjes 
Klin-Koſi mit 16057 E., vielen Gärten, Plantagen 
und offenen Pläken, iſt eine der beftgebauten Land: 
täbte in Britiſch-Indien. 

Purpur, eine im Altertum berühmte Farbe, 
welche wefentlich violett in verfchiedenen Nuancen 
war und zu dem Ecdjönften und Stoftbarften ge: 
hörte, was die Alten kannten, weshalb auch die da- 
nit gefärbten feinen Stoffe bei ihnen ftet3 in hohem 
Wert jtanden, Ein Burpurmantel war daher ſchon 
in frübefter Zeit das charakteriftiiche Abzeichen der 
afiat. Slönige und Häuptlinge, ebenfo * erſten 
Miniſter und Hofbeamten, welche lehtere deshalb 
bei den Römern vorzugsweije Purpurati hießen. 
Selbſt fpäter blieben dergleichen Gewänder eine 
Bevorzugung bochgeitellter Berfonen und gewiſſer 
Etände oder Würden, wie noch jeht der Kardinäle, 
baber der Ausdrud «mit dem PB. beffeidet werden» 
oder «den P. erhalten» fo viel bezeichnet, als zur 
Würde eines Hardinals gelangen. Die Alten be: 


Purkinje — Purnlent 


reiteten den P. aus mehrern Schaltieren, die im 
Mittelmeer einheimiſch ſind und meiſt den Gat— 
tungen der Tritonshörner (Buccinum), Felien: 
ſchneclen (Murex) und Burpurichneden (Purpura) 
angehören. Die Drüje, welche den ſchleimigen, 
farblojen oder gelbfichen Saft abſondert, findet jich 
bei allen Schneden; der Saft färbt fich unter dem 
Ginfluß des Lichts. Wenn man ihn aus der 
Schnede ninımt, ſieht er gelblichweiß aus; taucht 
man aber cin Stüd Zeug hinein und jeßt es der 
Einwirlung der Sonne aus, jo ändert ſich jene 
Farbe ftufenweife und geht endlich in ein mehr 
oder minder dunlles unvertilgbares Biolett über. 
ALS Erfinder der Furpurfarbe nennen die Alten 
einſtimmig die Bhönigier, und allgemein verbreitet 
ift die Sage von dem Schäferhunde, ber ſich die 
Schnauze von dem Safte zerbijiener Purpur: 
ſchneden rot färbte und dadurch Veranlafiung zur 
nähern Unterjuchung diejer Tiere wurde. Da aber 
bie Burpurfchnede nicht blos an der phöniz. Küjte, 
fondern im ganzen Mittelmeer gefunden wurde, jo 
waren aud bie Purpurfärbereien den Phöniziern 
nicht ausfchliebend eigen. In der Schönheit, Güte 
und Haltbarkeit der Farbe fand, nad Beſchaffenheit 
der Schneden, von welden der Saft genommen 
wurde, ein großer Unterſchied ftatt. In Tyrus 
war der hochrote und violette P. ganz vorzüglich. 
Man färbte damit hauptſächlich Wolle, gewöhnlich 
zweimal, und gab den Purpurgewändern durch 
Kunſt noch einen befondern Glanz. Doch verfer: 
tigten auch ſchon die Alten aus gewilien Beeren 
eine unechte Burpurfarbe. Die neuern Farbitoiie 
aus der Drjeille und die aus Teerbeitandteiien 
bereiteten, die jhöner, leichter zu behandeln, man: 
nigfaltiger und gleihförmiger ind, haben den aus 
Schneden gewonnenen P. ganz verdrängt. Cine 
ründliche und vollftändige Gejchichte der Purpur— 
Pirberei und de3 Burpurbandels bei den Alten gab 
Schmidt in feinen «Forſchungen auf dem Gebiete 
de3 Altertums» (Bd. 1, Berl. 1842). Val. Lacaze: 
Duthiers, »Al&moire sur la pourpre» (Lille 1860). 
urpur (franzöfiicher), f. unter Drfeille. 
urpura (lat.), foviel wie Blutfledenkrankheit. 

Purpurausſchlag, PBurpurfriejel (Pur- 
pura), Kleine unfdeinbare rote Fleden ber Haut, 
welche meijt unter rheumatischen Schmerzen auf: 
treten und allmählich wieder verblaflen. 

urpurblau, foviel wie Andigpurpur, 
urpur des Caſſius, |. Goldpurpur. 
urpurholz, ſ. Amarantholz. 
urpurin, ein Farbſtoff des Krapps (j. d.). 
urpurkarmin, ſoviel wie Murerid. 
rpurlack, ſoviel wie Krapplad. 
tpurolein, ein roter Sun, welcher in den 
Stengeln von Sorghum saccharatum enthalten iit. 
a rar f. unter Burpur. _ 
urpurfchwefelfäure, f. unter Indigblau: 
fhwefelfäuren. 

Purree, Jaune indien, gelber Farbitoff, der in 
fugeligen Mafien von etwa 100—120 g von Dit: 
indien und China importiert wird. Sein Urfprung 
it gänzlich unbefaunt. Gr beiteht aus Euranthin: 
fäure C,, Hy, O,, und Magnejia. 

Bürfchen (richtiger Pirſchen), ſ. u. Jagd, 
Bd. IX, S. 771* Purſchbüchſen, j. unter 
Jagdgewehre, Bd. IX, ©. 773*, j 

Burulent (lat.), eiterig; Buruldnta, Eiter 
erzeugende Mittel; Burulenz, die Giterung, das 

tern; Puruleszenz, die Bereiterung. 


Purus — Puſeyismus 


Burns, bebeutender rechtäfeitiger Nebenfluß 
bes Amazonenjtroms, —s unter 10° 30 
füdl. Br. in der Waldregion (la Montana) Perus, 
fließt _jtet3 in nordöftl. Richtung, berührt Bolivia 
in deflen nordweſtl. Spibe, tritt unter 9° 5’ in die 
braſil. Provinz Amazonas ein, durchſtrömt diefelbe 
in fehr gewundenem Lauf und mündet in vier 
großen Armen, Der ®. hat eine Länge von über 
3100 km und ift bis nad) ‘Beru für Dampfer ſchiff⸗ 
bar, da feine Stromfchnellen und Waflerfälle die 
Be ieit hindern, was 1864—65 Chandleß feit: 

ellte, der den Strom aufwärts befuhr. Unter den 

Indianerſtämmen, welche die Ufer bewohnen, find 
ju nennen die Burus, weitlid vom untern P. 

Burtooredjo, Hauptort der Reſidentſchaft Ba: 


gelen (f. d.). 

Puſchkin (Alerander Sergejewitich), der ge— 
feiertfte Dichter der ruſſ. Nation, geb. 26. Mai 
1799, erhielt den erften Unterricht im Hauſe feines 
Baterd und trat 1811 als Zögling im das Lyceum 
zu Zarskoje-Selo, wo er fich bereits eifrig mit 
Voeſie beihäftigte. Nachdem er 1817 feinen Kurfus 
im Lyceum beendigt, erhielt er eine Anitellung im 
auswärtigen Minijterium, wo er bis 1820 blieb, 
Hier jchrieb er unter anderm die Didtung «Nuplan 
und Ljudmilla», ein Heldenmärden in ſechs Ge: 
füngen, das die alte Heldenzeit Rußlands in Kiew 
verberrlicht. Ginige Gedichte von zu großer epi: 
grammatiicher Schärfe hatten P.s Entfernung ans 
Vetersburg zur Folge; er wurde nach Kiſchinew in 
die Kanzler des Generallieutenants Inſow verieht, 
welcher bevollmächtigter Statthalter in Beſſarabien 
war. Später wurde er dem Grafen Woronzow, 
damaligen Generalgouverneur von Neurußland, 
attachiert. Doch al& er 1824 in jugendlichem Über: 
mut ein Schmähgedicht auf denſelben geichricben, 
wurde er auf fein väterliche3 Gut im Bitowichen 
verwiejen. Während feines fünfjährigen Aufent: 
balt3 im ſüdl. Rußland erlernte er die ital. und 
teilweile aud die ſpan. Sprache. Gr jtubierte 
Byron, defien Einfluß auch in P.s Dichtungen aus 
diejer Zeit nicht zu verlennen iſt. Dahin gehören 
der «Kaulaſ. Gefangene» (deutſch von Wulfert, 
Beter2d, 1823, und Seubert in Reclams «Ulniverfal: 
bibliothel»), ferner «Die Duelle von Baltidhijarai» 
(Most, 1824) und der Anfang des verfifizierten 
Romans aus dem ruff. Leben «Ewgenij Onjegin » 
(1825— 32; deutſch von Seubert in Neclams «Uni: 
verjalbibliotbet). Kurz nad der Thronbeſteigung 
des Kaiſers Nifolaus ward P. von diejem aus dent 
Grit nad Mostau berufen und zu neuen Erzeug: 
nijjen ermuntert, doch hatte cr auch ferner viel un: 
ter der Verfolgung der geheimen Polizei zu leiden. 
Gr trat 1826 der Form nad) wieder in den Staat®: 
dienit, machte im Hauptquartier des Grafen Bas: 
fewitich den Krieg in Türkifch:Afien mit und hielt 
fid) dann bis 1831 bald in Moskau, bald in Beters: 
burg auf. Während diefer Zeit erjchienen unter 
anderm im Drud: «Die Zigeuner», «Die Näuber: 
brüder», «Graf Nulin», eFoltawa», «Angelo», 
«Das Häuschen in Kolomna», feine profaischen 
Novellen, die er pſeudonym als Iwan Belkin ver: 
öffentlichte, mehrere lleinere Gedichte und feine 
bramatiiche Dichtung «Boris Godunorm» (Petersb. 
1831; deutjch, Lpz. 1853) aus der vaterländifchen 
Geſchichte. P. fievelte 1831 aus Moskau ganz 
nad Petersburg über. Hier begann er zunächſt 
an einer ⸗Geſchichte Peters d. Gr.» zu arbeiten; 
als Frucht feiner jonftigen Studien über rufl. Ge: 


399 


fchichte veröffentlichte er unter anderm die «Ge; 
ſchichte der Verſchwörung Pugatichews» (Petersb. 
1834; deutſch, Stuttg. 1840). Seine Novelle 
«Pique-Dame erſchien in der «Lejebibliothet » 
(1833), feine «Stapitänstochter» (deutſch in Wolf: 
Johns «Rußlands Novellendichter», Bd, 1, En. 
1848, und von W. Lange in Reclams «Univerfal: 
bibliothef») in dent «Sovremennik», einem Journal, 
das er jelbt feit 1836 berausgab, Außerdem find 
unter vielem andern noch die «Neife nad) Erzerum⸗ 
und die dramatiſchen Scenen aus «Fauft», ferner 
«Der Schmaus in den Zeiten der Veit», «Mozart 
und Galieriv und «Der geizige Nitter» hervorzu—⸗ 
rn Auf dem Höhepunkt jeines Talents ftarb 

. 10, Febr. 1837, in einem Duell tödlich verwun: 
bet, zu dem er drei Tage vorher den ‚sranzofen 
d'Antes (Baron Hederen), der feiner fhönen Frau 
den Hof gemacht, aufgefordert hatte. Die ganze 
Sache hat ſich als die Folge einer Intrigue erwieien, 
welde von Feinden P.s in den ariſtokratiſchen Krei— 
fen Vetersburgs erdacht wurde. Sein Denkmal in 
Moskau wurde 6. (18.) Juni 1880, ein anderes in 
Petersburg 19. Aug. 1884 enthüllt. 

Gine Geſamtausgabe feiner Werte warb 1839 
—41 in 12 Bänden veranftaltet (2., und die bejte 
Aufl., beforat von P. AUnnenkof, 7 Bde., Petersb. 
1855 —57; Bd. 1 enthält Materialien zur Bio: 

rapbie des Dichters; 4. Ausg. 1870—171). gu 
fihe zu derielben, die in Rußland verbotenen Ge: 
dichte enthaltend, erfchienen 1861 in Berlin (2. Aufl. 
1870). Deutſche Überfehungen von P.s poetifchen 
und dramatiihen Werten lieferte Bodenſtedt 
(3 Bbe., Berl, 1854—55). Mehrere «Novellen» 
wurden von Tröbft und Sabinin (2Bdchn., Jena 
18410—47, fpäter von W. Lange in Neclams «Uni 
verjalbibliothel»), B.3 «Gedichte» in deuticher Nach— 
bildung von Schmitt (Wiesb. 1873) und Aſcharin 
(Dorpat 1877) deutich bearbeitet, Die beite Bio: 
rapbie, von P. Annenkfof, aber noch nicht voll: 
Mändıg (1799 — 1826), ift 1874 erfchienen, eine für: 
zere von W. Stojunin (Petersb. 1881). Vgl. auch 
da3 «Album der P.ſchen Ausitellung im J. 1880» 
(Most, 1882) mit vielen Borträts u. a. 

uſchkur, ind. Wallfahrtsort, ſ. u. Adſchmir. 

uichlav, ſ. Poſchiavo. 

uſchtu, ſ. Batbto, 

ufey (pr. Piüſeh, Edward Bouverie), engl. 
Theolog, einer der Begründer des nach ihm genannten 
Puſeyismus (ſ. d.) geb. 1800 zu Puſeh bei HR 
trat 1818 in die Ghrift:Churd:School in Oxford, 
reijte 1823 für längere Zeit nach Deutſchland und 
wurde dann 1828 Kanonikus von Ehrit-Churd 
und Profeſſor der hebr. Sprache an der Univerjität 
Drford, in welcher Stellung er bis zu feinem 
16. Sept. 1852 in Ascot-Priorei erfolgten Tode 
verblieb. Am J. 1833 fchloß er fich der von feinen 
Freunden Newman, Sieble, Perceval und Froude 
ausnehenden katholifierenden Richtung der engl. 
Hochlirche an, ſchrieb auch einige der «Tracts for 
the times», wurde 1813 auf zwei Jahre feines 
Predigtamts entjeht und trat dann nad) dem Über: 
tritt feiner Freunde zur lath. Kirche an die Spike 
der Partei, Trotz feiner Vorliebe für die Lehren 
und den Kultus des Katholizismus blieb er ber 
engl. Hochlirche treu. j 

Puſeyismus, Traltarianismus, Nitun- 
lismus, von den Anhängern Anglolatholizis- 
mus oder Anglitanismus genannt, heißt ein: 
dem rom. Katholizismus zuneigende Nichtung in 


400 


der engl. Staatslirche. Ihre Entftehung ift auf eine 
Konferenz in Hadleigh in Suffolf 
wo 1833 einige engl. Beinlice, Roſe, Froude, 
Keble, Newman, Perceval, denen ſich ſpäter Pu— 
ſey (i. d.) anſchloß, zufammentraten, um über eine 
Neubelebung der durch die Diſſenters und die me: 
thodiſtiſch gefärbte ſog. evangelische Partei ihrer 
Anſicht nah ſchwer bedrohte enal. Hochlirche zu 
beraten, Sie fanden das Hauptübel in der durch 
die Reformation geförderten allzu großen Freiheit 
und die einzige Heilung in einem Zurüdgeben zu 
der Kirche der eriten Jahrhunderte, der alten wah— 
ren apoftoliihen. Um für ihre Anſichten Propa: 
panda zu machen, gaben fie eine Reihe von 
Traftaten («Tracts for the times», daher der 
Same Traktarianer) heraus, in welchen fie 
die Autorität der kirchlichen Tradition und bie 
magiſche Wirljamkeit der Salramente betonten 
und nur dem Geiftlichen die Beräbigung zur Bibel: 
erilärung erteilen wollten, indem jie die Entſtehung 
de3 Sektenweſens in England dem freien Bibelleſen 
ter Laien zujchrieben. Befonderes Gewicht legten 
fie auf die apoſtoliſche Succeſſion der Biſchöfe. 
Außerdem verwarfen fie die Suprematie der welt: 
lichen Macht, wollten nicht die Predigt, ſondern die 
Ependung der Salramente und das Gebet des 
Geiftlihen als die Hauptſache beim Gottesdienit 
angeſehen wilfen und lichen jogar die Ginführung 
der Meilen, der Falten und der Ohrenbeichte als 
wünſchenswert erſcheinen. Sie nannten dies die 
Herftellung, der wahren Kirhenprinzipien und 
gegen ihre Holgerungen noch weiter. Eie beftritten 

ie Rechtfertigung durch den Glauben, priefen das 
Verdienſt der guten Werke und erneuerten die röm. 
Vehre vom Fegfeuer. Am meijten Auffehen machte 
der lebte der 90 Traftate, den Newman 1841 un: 
ter dem Titel «Remarks on certain passages of 
the thirty-nine articles» veröffentlichte, und worin 
cr das Hauptiymbol der anglifan, Kirche, die ſog. 
39 Artikel, angriff und offen behauptete, die engl. 
Kirche müſſe mit der römiichen in Einklang gebracht 
werden. Gegen dieje Abhandlung erhoben ſich num 
in zahlreichen Ediriften die Vertreter der Staats: 
lirche, denen nicht nur die Bujeyiten, jondern auch 
lathol. Iheologen mit Eifer antworteten. Der 
Biſchof von Oxford unterjagte die Fortſehung der 
«lracts for the times». 

Um fo größer war der Aufſchwung, den der P. 
unter den Beiltlichen, Lehrern und Studenten zu 
Orford, das immer mehr Mittelpuntt der Bewe— 
gung wurde, jowie in der hochlirchlichen Geiſtlich— 
teit überhaupt nahm. Doch ſchieden ſich die Pu: 
ſeyiten bereits wieder in zwei Richtungen, in eine 
mildere, die den Kryptokatholizismus Rewmans 
verwarf, und in cine ertreme, von Puſey, Keble, 
namentlih aber von Newman, Ward und ber 
Dierteljahrsichrift «The British eritic» vertreten, 
bie ganz offen die Notwendigfeit einer Wiedervers 
einigung mit Nom verfocht, Bereits traten einige 
jüngere Geijtliche diejer Nichtung zum Hatholizis: 
mus über; Puſey befannte fih 1843 in einer Pre: 
digt zur kath. Transjubjtantiationslehre und Ward 
nannte in feiner Schrift «The ideal of a christian 
church» 1844 die Rechtfertigung durch den Glau: 
ben eine «verdanmliche, peitilenzialiiche luth. Kehe— 
rein. Als aber die Univerſität Oxford das Bud) 
verdammte und ihn felber, der nicht widercufen 
wollte, ausſtieß, antwortete er ebenjall3 mit dem 
fibertritt, und ihm folgte 1845 Newman, der be: 


zuritdzuführen, | 


Pusillus — Buftel 
deutendſte Bertreter des B;, fowie eine ‘große Anz 


zahl hochtirchlicher Geiftlichen und Laien. Puſey 
ſelber verblieb indeſſen in Gemeinſchaft mit der 
anglilan. Kirche, ſuchte ſich auch in einem Schreiben 
an den Biſchof von London gegen den Vorwurf des 
Kryptolatholizismus zu rechtfertigen und wurde 
nun das Haupt der Partei (daher Puſeyiten). 
Ein neuer Römerzug folgte dann 1850 infolge des 
Gorhamſchen Taufſtreites, in welchem trotz aller 
Vroteſtationen der Puſeyiten der etwas liberaliſie— 
rende Gorham von allen Oberbehörden in ſeinem 
Amt beſtätigt wurde, Unter andern traten der 
Archidialonus (nahmalige Kardinal) Manning 
und Wilberforie, Bruder de3 Biſchofs von Orford, 
über, Nom durfte es infolge diejer mafienbaften 
libertritte wagen, in England ein kath. Kirchen: 
fyitem einzurichten (the papal aggression); nun 
| aber jtieg die Erbitterumg im Volfe, das gegen den 
P. jtet3 einen —————— Widerwillen gehabt 
hatte, aufs höchſte. Der Ruf «No popery» wurde 
mit Macht erhoben, und nachdem bereits Aug. 1846 
die evang. Gejinnten aller Denominationen ſich zu 
London zur Evangelifchen Allianz (ſ. d.) zufammen: 
geſchloſſen hatten, mußten fich die Puſeyiten öfient: 
(ih von den romanifierenden Tendenzen ihrer 
frübern Gefinnungsgenofien losfagen. Damit war 
ihrer Bewegung Halt geboten. Troßdem fehten fie, 
obihon mit größerer Vorfiht, ihre Wirtjamfeit 
nanientlich unter der hohen Arijtofratie fort, und 
ſuchten durch Einführung des alten Nituals auch 
die engl. Yiturgie der rönt. Meſſe fo nahe al3 mög: 
lid) zu bringen (daher Nitualijte Hi Im J. 1860 
gründeten ſie zur Verteidigung ihrer Lehre die 
English church Union, der ihre Gegner 1865 die 
Church Association gegenüberfebten. Dieje beiden 
Vereine führen den Kampf für und gegen den Ri— 
tualismus, und es ift nicht zu leugnen, daß die 
Puſeyiten, wenn auch von den Gerichten jtet3 ver: 
urteilt, doch in neuelter Zeit burd) ihre humanitären 
Beftrebungen und Anjtalten auch im gemeinen Bolt 
viele Freunde gefunden haben, ſodaß ſich gegens 
wärtig gewidhtige Stimmen, wie 3. B. Gladſtone, 
für ihre Tuldung ausſprechen. Ihre Organiſation 
ift ganz der kathol. Kirche nahgebildet: ein Nek 
von Bruder: und Schweiteridaften, ſogar von Or: 
ben, ijt über das ganze Land geworfen; doch iſt die 
Hauptverbindung die genannte English church 
Union, die (1884) 2615 Geijtliche, 18600 Männer 
und Frauen und 300 Zweigvereine zählte. Tas 
Hauptorgan nennt fid} «Church Union gazette» 
und die eigentliche Leitung, eine Art Tirektorium, 
liegt in der Society of the holy cross. 
gl. Weaver, «Der B.» (deutih von Amthor, 
2p3. 1844); Puſey, «The church of England» (Or: 
ford 1866); Mettgenberg, «Nitualiamus und No: 
manismus in England» (2p3. 1877). 

Pusillus (lat.), in der botan. Terminologie 
foviel wie klein, 

Puſtel (pustula), Blatter oder Eiterblafe, 
eigenartige Form der Hautentzündung, wobei ſich 
an einem rundlichen geröteten Haut: oder Schleim— 
bautbügel durch Anſammlung von Giter unter der 
Oberhaut eine Dla’e abhebt, die ſich bald in einen 
mehr oder weniger diden Echorf verwandelt, wel— 
her nad einiger Zeit abfällt und eine Heine glatte 
Narbe hinterläßt. Dieie Form entſteht faft immer 
durch Entzündung einzelner Talgdrüien der Haut 
und bildet die Grundform mehrerer Hautlranthei: 
ten, 3. B. der Menſchen- und Kubpoden, der Puſtel⸗ 


PVuftelfledte — Putbus 


fedte, der eiternden Hauffinne, des Elthbyma u. a. 
brigens find die B. an Gröhe, Form und Bau 
jebr verſchieden, z. B. die Heine, Honigſaft abſon— 
ernde P. der Milchborle, die fͤcherige und gena— 
belte der Menſchenpocke u. ſ. w. Weſentlich von der 
P. verſchieden find die Blafen (f. d.), indem dieſe lei— 
nen Eiter, fondern nur klare Flüffigleit enthalten, 
— * ſ. Elthyma. 

erich, ein vielbeſprochenes Erzbild von 

64 cm Höhe, das ſich im Schloſſe zu Sonders— 
hauſen befindet. Angeblich wurde es im 16. Jahrh. 
in einem unterirdiſchen Gewölbe der Rotenburg bei 
Kelbra aufgefunden. Die Figur, hohl gegofien und 
einen fnicenden Knaben von unförmlic diden Ver: 
hältnifien daritellend, wurde früher für ein flaw. 
Göpenbild gehalten und zwar für ein Bild des 


Feuergottes, aus weldent die Priejter Flammen 
und Rauch bervorftrömen ließen. Indeſſen ift in 


neuerer Zeit dieſe Anficht aufgegeben und die Er;: 
figur wird mit größerer Wahricheinlichkeit für den 
Iräger eines Vebälters, vielleicht eines Taufbedens 
erllärt, wie fie in ähnlichen Figuren, wenn aud) in 
geringerer Größe, am fog. Krodo Altar zu Goslar 
und an vielen noch vorhandenen Taufbeden vor: 
kommen. Bol, Raabe, «Der P. zu Sondershaufen, 
fein Götzenbild. Unterfuhungen über deſſen ur: 
fprüngliche —— (Berl. 1852). 
Bultertha ‚ ein etwa 100 km langes Gebirgs: 
tbal im öſtl. Tirol, eins der größten und interefjan: 
tejten dieſes Landes, zieht ih von Mühlbach an 
der Riem), einem Zufluß des in die Etſch ftrömen: 
ben Cijaf, aufwärts und im ganzen gegen Oſten 
über die Muhlbacher Klaufe, St. Lorenzen, den 
Hauptort Bruned (f. d.), über Welsberg, Dorf mit 
Schloß und Mineralbad, nah dem Toblader 
Felde, einer Hochebene von 1204 m Höhe, die, 
ohne ein merkliches Querjoch zu tragen, die Waller: 
ſcheide enge der Rienz und der Drau bildet, 
weshalb denn auch das Thal beider Flüſſe als eins 
angefehen und innerhalb Tirols P. genannt wird. 
N Drauthal liegt der Marttjleden Innichen 
.d.); dann folgt der Marttileden Sillian mit 
663 E., einem Bezirkögericht und einem Sauer: 
brunnen (Weitlanbrunn), dann die von der Drau 
durchtojte Lienzer Klaufe. Hinter diefer eröffnet 
fi eine der grobartigften und reizendften Gegenden 
Zirols, in deren Mitte, an der Vereinigung der 
Jel und Drau, die Stadt Lienz (f. d.) liegt, die 
oͤſtlichſte Tirols, Fundort röm. Altertümer (hier: 
ber verlegt Mommtfen das alte Aguntum). An der 
Nähe liegt das Schloß Brud, und der benachbarte 
Berg Schleinis ift für diefe Gegend, was der 
Blodsberg in Norddeutihland. Das P. hat viele 
Seitenthäler. Von Lienz führt die Straße nad 
Kärnten, aud) ins SHeiligenbluterthal, aus dem 
ich die Eispyramiden des Glodner erheben. Von 
oblach gelangt man in das Ampezzothal (f. 
Ampez30.) Das P, welches einen fo bequemen 
Übergang aus dem alten Noricum in das Herz der 
Rhätiichen Alpen darbot, war ſchon von den Nö: 
mern, von deren Niederlaflungen zahlreiche Alter: 
tümer zeugen, mit einer Straße verjehen worden, 
Denfelben Weg, den die Nömer gebabnt, zogen 
Ende des 6. Jahrh. die Slawen: fie fielen ver: 
wüjtenb über das Thal «Buitrifia» her. In einer 
großen Schlacht auf dem Toblacher Felde befiegte 
609 ein Bayernherzog die Andringenden, und feit: 
dem ſcheint der Anrafer Bah, 20 km oberhalb 
Lienz, die Grenze der law. Bevölferung gewefen zu 
Gonverjationd » Lexiton. 13. Mufl. XIII. 


401 


fein, Im Mittelalter warb die Gegend von zahl: 
reihem Adel beſetzt, und auch jeht haben alle Dörfer 
der Nahbarfchaft Schlöffer und Edelfibe. Das p. 
geielı politiic in die Bezirtshauptmannfchaften 
runed und Pienz. Bal. Rabl, «Alluftrierter Füh— 
rer durch das P. und die Dolomiten» (Wien 1882). 
Pustula maligna (lat.), der Milzbrandpuſtel. 
(S. unter a hehe —— 
Pufzten (Singular Puſzta), gewöhnlich mit 
«Ginöde» überfeht, find und waren in Ungarn 
eigentlich Allodialgrümde oder Prädien, d. h. folde 
Befigungen, auf denen keine Bauerngründe.oder Urs 
barialjeffionen vortamen. Im Innern des Landes, 
wo durd die lange Türkenherrichaft eine große 
Menge Heiner Dörfer verichwanden und die Bewoh: 
ner jih in wenige Ortichaften zufammendrängten, 
waren wi Prädienweitausgedehnt, und, aneinan: 
der ftoßend, bildeten fie vor 1848 jene großen Weide: 
pläße für Pferde (Menes), Rindvieh (Gulya), Schafe 
und Schweine, deren Hirten Csikös (für Pferde), 
Gulyäs (für Nindoich), Juhäsz (für Schafe), Ka- 
näsz (für Schweine) ein freies Leben führten. Die 
Schönheiten diefer Ebenen: der ital. Himmel, ber 
fhöne Sonnenuntergang, die Fata:Morgana (Deli 
Bäb, db. h. Mittags: oder füdl, Ace) u. ſ. w., find 
oft von Dichtern, namentlich, Petöfi und Arany, 
befungen worden. Sept find die Weidegründe vom 
Ailuge ichon fehr eingeengt und auf den P. find 
ort Mufterwirtichaften, ausgedehnte Weizen: und 
Maisfelder und Baumpflanzungen an die Stelle 
der frühern «Cinöde» getreten; daher ift jeht Puſzta 
der gewöhnliche Name für ein ungar. Landgut, und 
die meilten derfelben bilden leinere Gemeinden, 
die einer größern Stadt oder Gemeinde einverleibt 
find. Man zählt im eigentlichen Ungarn 3917, in 
Kroatien : Slawonien 147, zufamnıen 4064 P. 
er (Hendrit van), f. Buteanud. 
ei (Slaubensche, Matrimonium 
putativum), ſ. unter Che, Bd. V, ©. 785°, 
utauali, Bullan, f. Cdgecunmbe: Mount. 
utbus, Sürften und Grafen, find eine Neben: 
linie der alten Zürften der Inſel Rügen und erfen: 
nen als — den ige dr Stoiſlaff I. rer. 
an. Der Entel desfelben, Borante, erhielt dur 
Erbvergleich 1249 das Schloß Podebust oder Put: 
bu3, wonach er ſich nannte, nebft 15 Dörfern, die 
Halbinfel Jasmund, die Graffhaft Streye und 
andere anfehnliche Ländereien. Seine Nachtommen 
teilten fich ſeit 1483 in die däniſche oder Pridbori- 
ſche und die rügifche oder Waldemarfche Linie, welche 
lestere 1704 ausſtarb. Die fie beerbende dän. Linie 
wurde in ihrem Haupte Malte, Baron von Ein: 
fiedeläburg und Kiorup (geb. 1671, beit 1750), 
unter die dän. Barone aufgenommen, jowie 1727 
in den deutſchen und 1731 in den ſchwed. Reichs— 
—— erhoben. Sie hatte bereits 1650 das 
erbliche Landmarfchallamt in Vorpommern und auf 
Rügen erhalten, welches 1728 beftätigt wurde. Der 
König von Schweden erhob 27. Mai 1807 den Gra⸗ 
jen ilhelm Dlalte von P. und defien männliche 
adjlommen, nach dem Mechte der Erjtgeburt, unter 
dem Namen Malte in den ſchwed. Fürſtenſtand, 
und ber König von Preußen beftätigte, nachdem 
Schwediſch-Pommern 1815 an Breußen gelommen, 
24. Yan. 1817 nicht nur diefe Würde, fondern er: 
teilte aud dem Fürften von P. den Titel Dur: 
laucht und 1823 eine Virilſtimme im erften Stande 
und den Borfiy auf dem Provinziallandtage von 
Neuvorponmern. Die Najoratsherrichaft P. nebit 
26 


402 


der 1816 erfauften Herrichaft Spyfer wurde 1840 
zu einer Grafſchaft erhoben. Der letzte männliche 
ee en ee ame 
(geb. 1. Au Fürft und Herr zu P., © 

zu B. und 28* a hei der Infanterie u. ſ. * * 
ůfteie rm Ar neue Fideilommikurkunde, wonach 
da er feine Söhne hatte und fein Bruder, ra 
Morik Karl zu P. (geb. 1785, geft. 1868), auf die 
Succeſſion verzichtete, ber zweite Sohn feiner äl: 
teiten Tochter, Graf "Wilhelm Malte von Wylich 
und Lottum, berufen werden follte, Nach dem 
eventuellen Auäfterben des Stanımes jeiner älteiten 
Tochter follten Würden und Güter an die Nahtom: 
men feiner ** Tochter, Gräfin Aſta Luiſe, ver: 
mäbhlte von theim tbeim auf Bartensleben ‚ fallen. 
* * Sr Bil Im Malte 26.Sept. 1854 ftarb, 


erh . und Spyter feine Gemahlin, 
bie Sarftin I 6, ürftin und Herrin zu B., gebo: 
rene von Lauterbach, verwitwet geweſene — 
von Veltheim (geb. 7. Dit. 1784), und na 
Tode 27. Sept. 1860 ihr genannter Entel, i 
an Sohn ihrer ältejten Tochter Glotilve (a 
ril 1809) (ie, Dal Grafen von Kar 


em 


a Erna due ai Ehe 
e t ieſer gegenwaͤrtige 
Wilbelm Malte (geb. 16. Ari 1833), Oberft: 
Truchſeß, Erblandmarihall im Fürftentum Rügen 
und der Sande Barth, Mitglied des preuß. Herren: 
baufes, erhielt von König Wilhelm I. durch Kabi: 
nett3ordre vom 4. Marj 1861 das Prädilat Durchs 
laucht beftätigt. Derjelbe ift 
Witwer von der Yürftin Wanda, geborene von 
Beltheim:Bartenzleben (geb. 12. Zufi 1837), und hat 
fünf Töchter (Gräfinnen von Byli und ed 
Die Herrf ERBE: und Spyler umfafien 330 gkm 
mit 15000 E., welde auf 120 Yandgüter (darunter 
45 Dörfer) verteilt find. Das füritl, Schloß But: 
bus, 2 km von der Sübfüfte Nügens, enthielt vor 
den Brande vom 24. Dei. 1865, außer Arbeiten 
von Canova und Thorwa dien und einigen guten 
Gemälden, eine Sammlung rügenfcher, —— 
und anderer Altertümer, ſowie eine ſchoͤne Ka 
Das Schloß ift von, herrlichen Barlanlagen und 
Gärten umgeben, in denen jeit 1859 das von ann 
pejertiate. tandbild des 1854 verstorbenen 
tebt. Diefer —— 1810 auch ben F J * 
Putbus und das daſelbſt befindli 1836 eröff: | ; 
nete tönigl. Bädagogi —— Der Fleden ift ein gut 
pe bauter Badeort (dad «Rügenihe Karlsruhe —3* 
a ” a. Dee Gärten gelebhnt, und 
he —— eetrande ig 
em buſchigen e, gegen m Gilan 
Vilm, liegt Offer beju * Seebadeanſtalt zu 


Lauterbach (Dorf mit 120 E.), 1816 mehr dem 


und feit 1818 Friedrich⸗ Wilpelmsdad ge: 
nannt. Klima ift mild, und r und Runft 
haben ſich vereinigt, um Putbus und feine Uimgebun: 
gen er einem reienden ufenthalt zu machen. 
nung .), eigentlich eine fteinerne Brunnen: 
ein affung, nn ein Bliggrab, das an ber Stelle er: 
richtet ward, wo ein Blign indie‘ Erde geihlagen hatte. 
nicanus (Erycius), eigentlih Hendrifvan 
But, berühmter Altertumäfenner uud Geſchichts⸗ 
forfcher, r, geb. 8.Nov. 1574 zu Benloo, erhielt, nad): 
dem er feine Studien zu Köln und Löwen vollendet 
batte, 1601 ben Lehrſtuhl der Berediamkeit zu 
Mailand und 1607 die Brofefiur der alten Littera: 
tur zu Löwen, die er bis an feinen Tod (17. Sept. 


1 made als (ebenslänglice Nupnieberin | ts d 


preuß. Geheimrats | Wei 


Puteal — Butlik 


1646) mit großem Ruhm belleidete. Er beſaß eine 
—* ende Gelehrſamleit und beihäftiate ſich na⸗ 
ch mit Unterſuchungen über ardäol. Gegen⸗ 
—* bie ſich in den Theſauren von Gronov und 
Grävius geſammelt finden, und mit Grörterung 
und —*5*8 einzelner Teile der BAER, 
wohin fein «Theatrum historicum im; 
Austriacerum etc.» (Brüfj. 1642) und die "Histo- 
riae Insubricae libri VI» (Pöwen 1630 u. Pp3. 1678) 
— Letzteres Werk erſchien auch unter dem 
itel «Historia barbarica» (Antw. 1634), 
Richt minder befannt it Beier P., eigentlich 


Bierre du Bu 27.Rov. —— * 
6. tar 
De le Dart h 4 6 — en Be Mer 


und —— — 
es droits et libertes 
(3 — 19 — 
im franz. 
rondiſſemeni ent, em fu 
lint3 an der Seine, am 
—— der Linie Pa re Ems — 
—*— hat 15586 €. 
dam fen end ‚tr bei, Bellen, 
in > ineffi fig, und Ba 
tundruderei ie — * — 
teöli, |. Bozzuoli. 
ter, foviel wie Truthahn (.d.). 
utiguano, Stadt in der ital. Provinz und 
Yarı ba Bari delle Pu In 38 km im SSD. von 
Bari, hat (1881) 12161 


* 
zn 


eit 18. Dez. 1867 | Fabrikation 


Weg) bezeichnet in we altern 
———— zweig. —— 
— die ihr t aus einem fürjtl. 


Amte 

Butlig, Stadt im preuß. Regierungtbezirk 
Potsdam, Kreis Meitprignig, an der Siepenib, 
bat (1880) 1942 Ar Aderbau umd Bieh:, bejonders 
Schwein le i liegen die Nittergüter Burg: 
ER, und} erde . mit 113 und 109 G. 
R gay dar «Bänfe Edle Herren 

P.», des e bauch mädhtigiten der Prignig, wird 
Ay urlundlid) als Bot *2* im er (in der 
— *6 F Se we —— 
u einr. Ga x Herr iu), 
ie, aus einem alten ku 
ihleht, geb. 20. März 1821 zu ru 3 = 
Prigniß, widmete fi zu Berlin und rer era 
Studium der Rechte, war von 1846 bis 1 
bei der Negierung in Magdeburg beihäftigt und 
lebte ſeitdem teild auf feinem Gute ——— — 
in Berlin, teils auf Reiſen. 
nahm er die Intendantur des H 
Schwerin. Seinen Ruf als — 
u dem lieblichen rg 9 i * pa 
ald erzählt» (Berl. 1850; 44 — 

verwandt iſt 4 ii ee *8* Au, l. 
1882). Daneben hatte P. feit 1847 auch eine Neihe 
von Zuftipielen der Bühne übergeben, die zum 
arößern Zeil in drei Bänden Bert 1850—52) ger 
drudt erfchienen. Ihre Saupteinenfchaften find 
Deine Anmut und gemütreiher Humor. Als bes 
onder& gelungen find «Die blaue Schleifer, «Babes 


Zeit in 


Putney — Puttkamer (Robert Bictor von) 
. | Geervliet, 


furen» und «Der Salzdireltor⸗ hervorzuheben 
Später eridhienen die Schaufpiele: «Das Teita: 
ment de3 Großen Kurfürften » (Berl. 1858), «Wal: 
bemar» (Berl. 1862) und « Wilhelm von Dranien » 
(Berl. 1864), dad Trauerfpiel «Don Juan d'Au⸗ 
jtria» ( 1860) und die Luſtſpiele «llm die 
Sirone» (Berl. 1864) und «Spielt nicht mit dem 


Beuer!» (Berl. 1866). Außerdem veröffentlichte B. | flallee. 
d | mit der Grafſchaft Holland vereinigt. 


einen Band «Novellen» (Stutte. 1863) un 
«Brandenb, Geihichten» (Stuttg. 1862). P. fun: 
ierte 1867 —68 als Hofmarſchall des deutſchen 

ronprinzen, wibmete ſich dann wiede 
ſchrifiſtelleriſchen Thaͤtigleit und lebte in Berlin, 
bis er 1873 die Generaldireftion des Hoftheaters 
in reg übernahm. Die Zwiſchenzeit bezeugt 
eine reiche litterarifche Thätigkeit im Drama, Ro: 
man und ber Novelle. Es erfchienen: eine Biogra- 
phie Immermanns (2 Bde., Berl. 1870), vier 
Bände Luftipiele (Berl. 1869— 72), die Romane 
«Die Halben» (1868), «Die Nahtigall» (1870), 
«Walpurgis» (1869), « Funken unter der Ajche» 
1871), « Theater:Grinnerungen» (1873), emblich 
eine «Ausgewählten Werte» (6 Bde., Berl. 1872 
— 77). Dazu lamen fpäter nod mehrere Romane 
und Novellen, wie «Groquet» (1872), « Gifen» 
(1879), « Das Frölenhaus » (1881), «Das Maler: 
Majorle» (1883), ſowie die Scaufpiele «Rolf 
Berndt» (1881) und «Die Spealiften», 

Putueh, fübmweltl. Boritadt von London, I— 
10 km von ber Paulskirche, in der Grafſchaft 
Surrey, am füdl. Themfe:Ufer, gegenüber Fulham, 
mit dem e3 durch eine alte hölzerne Brüde verbun- 
ben ift, in anmutiger, von Parks, Billen und 
gartenartiger Kultur erfüllter * gelegen, mit 
(1881) 13225 E. Zwiſchen P. und London:Bridge 
findet lebhafter Dampfichifiävertehr ftatt; außer: 
dem fteht ed mit ber Hauptſtadt durch bie Linien 
der Sübmeit: und der Nord »London :Eijenbahn in 
Verbindung. P. iſt eine Hauptitation für die Boot: 
fahrten auf der Themfe. Thomas Erommell, der 
Minifter Heinrichs VIII. und der Hiftorifer Gibbon 
wurden in P. geboren; der jüngere Bitt ſtarb dort. 

Putorius (lat.), der Illis. 

utride Fieber, ſ. Faulfieber, 
teide Jufektion, |. Byämie. 

Putſch, ein Wort der züricher Mundart, kam 
bei der dortigen Bewegung von 1839 auf und wird 
feitbem überhaupt für einen unerwarteten, aber 
raſch vorübergehenden Aufftandsverfuch gebraucht. 

utte (Iſaak Dignus Franſen van de), nieber: 
länd. Staatömann, geb. 22. März 1822 in Goes, 
machte ald Matrofe, Päter al3 Steuermann, meh: 
tere Reifen nad) Oftindien; 1849 ward er Befiker 
einer Zuderfabrif, jowie einer Tabalpflanzung auf 
ava. Nach zehn Yahren ins Vaterland zurüdge: 
ehrt, warb er 1862 von Rotterdam zum Abgeord: 
neten für die Zweite Kammer gewählt und trat 
1863 ala Minijter der Kolonien in da3 unter Füh— 
rung Thorbedes jtehende liberale Kabinett, =. 
Mai 1866 zurüdtrat. Den gleihen Poſten beklei 
dete er in dem von Geertiema und de Bries gebil: 
beten Minifterium (Juli 1872 bis Aug. 1874). Er 
war dann wieder ald Mitglied ber Zweiten Kammer 
thätig; feit 1880 gehört P. der Eriten Kammer an, 
utteeala, foviel wie Battiala. 
uttelange 128 Saaralbe, ſ. Büttlingen. 
‚Butten, ehemalige Inſel in der niederländ. Pro⸗ 
vinz Südholland, zwiihen der Alten Mans, dem 
Spui und der Bornifje, enthält die Ortichaften 


rt ganz der | Marl 


403 


| Spitenife, Helelingen, Simonshaven 
und Biert. Nach der Verfhlämmung ber Bornifle 
bildet P. den öftl. Teil der Inſel Boorne und P. 
Die alte Herrſchaft P. deren ſchon 1048 Erwähnung 
geihicht, erftredte fich bedeutend über die Grenzen 

e Inſel und umfabte, außer diefer, den weſtl. Teil 
elmonde und die öftl. Hälfte der Inſel Over: 
Das «Band von PB.» wurde im 15. Jahrh. 


von 


ütter (ob. Steph.), einflußreiher Staats: 
tslehrer, geb. zu Iſerlohn in der Grafſchaft 
Rart 25. Juni 1725, bezog bereit3 im 13. Jahre 
die Univerjität, Nachdem er ein Jahr in Marburg 
jurift. und philoſ. Disciplinen ftudiert hatte, ging 
er 1739 nad) Halle, 1741 nad) Jena, 1742 wieder 
nad Marburg, wo er 1743—45 einem jungen, ba= 
felbit ftubierenden Burggrafen zu Kirchberg als 
jurijt. Repetitor beigegeben war. Gleichzeitig habi- 
litierte er fi 1744; 1746 folgte er dem Rufe als 
außerord. Profefior der Rechte nad Göttingen. 
Bon 1752 an las er regelmäßig Staatsrecht, Reichs⸗ 
geihichte und Reichsprozeß; auch hatte er ein fehr 
beſuchtes Praltikum. J. 1755 rüdte er in bie 
ze ät ein und 1757 wurde er zum Brofeflor des 
taatsrechts und zum Hofrat ernannt. Mit königl. 
Erlaubnis ging er 1762 nad) Gotha, um ben Erb: 
— en von Sachſen-Gotha im Siaatsrecht und in 

r — te zu unterrichten. Im J. 1764 
wurde er der furbraunihw. Wahlgeſandtſchaft in 
drantfurtbei Gelegenheit der ErnennungJoſephs II. 

um röm. Könige als Rat beigegeben. Zum Geh, 

* ernannt, war er von 1797 an erſter Pro⸗ 
eſſor der Rechte und Ordinarius im Sprudtfolle: 
— ließ ſich 1805 als letzterer emeritieren und 
tarb 12. Aug. 1807. Sein Hauptwerk: aHiſtor. 
Entwidelung der Berfaflung des Deutichen Reiche» 
(3 Bde., Gött. 1786; 3. Aufl, 1793), bat auch jeht 
noch Wert, ebenfo feine « Litteratur des deutfchen 
Staatärehtö» (3 Bde., Gött. 1776—83; 4. Bo. 
von Klüber, Erlangen 1792). 

Putti (Butten, ital., d. b. Kinder, Knaben), 
Bezeichnung der feit der Renaiffancezeit in ber belo: 
tatıven Malerei und Blajtit mit Vorliebe ange: 
brachten Kindergeſtalten. 

Puttkamer (Robert Victor von), preuß. 
Staatsminiſter, geb. 5. Mai 1828 zu ent 
a.D., Sohn des fpätern Dberprälidenten der Pro— 
vinz Bofen, ——* das —— um Grauen 
Kloſter und das Köllniſche 25* ium zu Ber: 
fin und ftudierte feit 1846 in Berlin, Heidelberg 
und Genf Rechts- und Staatswiljenihaften, mo: 
derne Sprachen und Geſchichte. Nach Abjolvierung 
feiner erjten jurift. Prüfung beim Appellations: 
per zu Diarienwerder 1850 arbeitete er ald Aus: 

ultator am Gericht zu Danzig, wurde 1851 Ge: 
richtöreferendar, 1852 Regierungsreferendar und 
nad einer zweijährigen Beichäftigung bei der Re: 
gierung zu Poſen 1854 Regierungsafiefior. In 
iefer Eigenſchaft war er bis Ende des Jahres bei 


iz | der Direktion der Ditbahn zu Bromberg er unb 
r Heydt 


folgte dann einem Rufe des Miniſters von 

als Hilfsarbeiter in die Eiſenbahnabteilung des 
Handelsminiſteriums. Hier arbeitete er vier Jar 
unter dem Unterjtaatöjefretär von Pommer⸗ che, 
den er im jan. 1859 al3 Oberpräfidialrat nad 
Koblenz begleitete. Won dort wurde er 1860 zum 
Landrat des Demminer Kreiſes und während bes 
Deutſchen ig en von 1866 zum Giviltommiflarius 
von Mähren berufen. Nah dem Friedensſchluß 

26* 


404 


trat er zunächſt als Hilfsarbeiter in das Minifte: 
rium des Innern, dann als vortragender Rat in 
das — Bundeskanzleramt, Im Aug. 
1871 wurde er zum Regierungspräſidenten von 
Gumbinnen, 1875 zum Bezirlspräfidenten von 
Lothringen, 1877 zum Oberpräfidenten von Schke: 
fien ernannt, Nah dem Rüdtritt des Minifters 
Falk übernahm P. 12. Juli 1879 das Kultusmini: 
ee um die von Leo XIII. mit der preuß. Ne: 
ierung angelnüpften Unterhandlungen wegen Her: 
Nelung des Friedens zwiſchen Staat und Kirche zu 
örbern. Zu diefem * e wußte er im Landtage 
ein Gefeß durchzubringen, welches die Regierung 
ermädtigte, gewiſſe Beitimmungen der Maigefeke 
außer Kraft zu ſeßen. Durch einen Erlaß P.s vom 
21. San. 1880 wurde in ben preuß. Schulen eine 
berichtigte deutihe Orthographie eingeführt (ſog. 
Puttkamerſche Orthographie). Am 18. Juni 1881 
übernahm er das Miniſterium des Innern und er: 
bielt im Oktober das Vizepräſidium des preuß. 
Staatsminiſteriums. Im J 1874 wurde P. vom 
Wahlkreis Pod: Dleplo:Fohannisburg, 1878 und 
1831 vom Wahllreis Löwenberg in den Deutjchen 
Reihetag, 1830 von diefem Wahlkreis ins preuß. 
Abgeordnetenhaus gewählt (Hofpitant der deutſch— 
fonjervativen Partei). Im Dez. 1884 ward er 
zum Bevollmä tigten für den Bundesrat ernannt. 
Puttlamer (Varimilian von), preuß. Staats: 
mann, Vetter und Schwager bed vorigen, geb. 
28. Juni 1831 auf Groß: Noffin in Pommern, 
ftudierte in Bonn und Berlin die Rechte, arbeitete 
ald Gerichtsafjellor eine Zeit lang bei den Land: 
gerichten in Koblenz und Bonn, wurde 1861 Kreis: 
richter in Frauſtadt (Pofen), 1871 Rat bei dem 
Appellationggeridht zu Colmar, 1877 Generaladvo: 
kat bei diefem Gerichtshofe und wurde 1879 als Chef 
ber \juftizverwaltung zum Mitglied des neugebil: 
deten Minifteriums für Cljab:Lothringen ernannt. 
m J. 1882 wurde ihm außerdem die gefamte Ge: 
ngnis» und die Slultusverwaltung, mit Aus: 
nahme des öffentlihen Unterrichts, übertragen. 
Seit 1879 verjieht er zugleich die Gefchäfte eines 
Kommiſſars des kaiferl. Statthalters beim Bunbes: 
rate und ijt feit 1884 ftellvertretender preuß. Be: 
vollmädhtigter bei biefer Körperſchaft. Seine parla: 
mentariſche Thätigkeit begann P. als Mitglied des 
Norddeutſchen ——— Reichstags, dem er 
ebenſo wie dem Abgeordnetenhauſe ſeit 1867 als 
Vertreter des Kreifes Frauftadt angehörte, Beim 
Übertritt in den Reichsdienſt legte er fein Land: 
tagsmandat nieder, während er im Reichstage bis 
1881 may blieb, P. gehörte der nationallibe: 
ralen Partei an, bis er infolge der ablehnenden 
Haltung feiner Fraltion gegenüber der Zolltarif: 
vorlage mit Völk und einigen andern Genoflen 
aus derſelben ausſchied. J. 1881 unterlag 
er bei der Reichsſstagswahl feinem poln. Gegner. 
Seine Gemahlin, Alberta von B., geb. 5. Mai 
1849 zu Groß-Glogau, begann ihre bichterifche 
Thätigteit bald nach ihrer liberfiedelung in das 
Elſaß 1871. Sie veröffentlichte wie einzelne 
Dihtungen und Überfegungen aus dem Franzöfis 
ſchen, nad) Alfred de Muflet, in verfchiebenen Zeit: 
ſchriften und gab dann das biftor. Drama «Saifer 
Otto III.» (Glogau 1882) und einen Band «Did; 
tungen» (ep. 1885) heraus, 
Wültt! ngen, Landgemeinde im preuß. ‚Regie: 
rungsbezirk Trier, Kreis Saarbrüden, im Göller: 
thal, Station der Induſtriezweigbahn Wölflingen: 


Puttlamer (Marimilian von) — Puy (Stadt) 


P. ber Preußifhen Staatsbahnen, hat (1880) 7782 
meijt fath. €. und Steintohlenbergbau. 

üttlingen (frz. Puttelange [23 Saar; 
albe), Stadt im Kreife Forbach des elſaß⸗lothring. 
Bezirks —— 14 km ſüdweſtlich von Saar⸗ 
gemünd, an ber! tober (einem Seitenflufle der Albe), 
zählt (1880) 2202 meiſt fath. E. und hat bedeutende 
Seiden:, Ylüjch: und Samtfabrifen, fowie Stroh: 
hutflechtereien. Die Stadt war einftmit Mauern um: 
geben und bildete den Mittelpuntt einer Orafidaft. 

uttun, |. Batan. 

utu, Inſel bei Tſchuſan (f. d.). 

utumayo, linfer Nebenfluß des Amazonen: 
ftroms in Südamerifa, entipringt im Staate 
Gauca der Republit Columbia am Oftabbang der 
Cordillera von Neugranada, fließt meiſt in ſüdöſtl. 
Richtung, bildet im mittlern Yaufe die Grenze von 
Columbien gegen Ecuador und Peru und mündet 
nad 1580 kın Stromlauf ala ca bei Säo: Anto- 
nio do Ica in der brafil, Provinz Amazonas. Der 
ee nu ſich und durchſtrömt meift Urwald, 

ug, ſ. Abpub. 

uhen, Buben (frj. döcoupure, engl, burr), 
Abfall, der ſich beim Lochen :c. von Metallen ergibt. 

Pupig, Stadt im weitpreuß. Regierungsbezirt 
Danzig, Ntreis Neuftadt in Weftpreußen, an dem 
Pusiger, Wiek, dem weitlihen im NO. von 
der Putziger — — begrenzten Teil der 
Danziger Budıt, Si eines Amtsgerichts, hat (1880) 
2019 E., einen Hafen, eine evang. und eine fath, 
Pfarrlirhe, eine Dampfmahlmüble und Ziegelei. 
P. ward 1341 vom Deutſchen Orden gegründet und 
1378 zur Stabt erhoben. Die Putziger Kempe 
ift das wollen r und der Rheda gegen das Wiel 
voripringende Plateau. — 

utzmaſchine, ſ. unter Meblfabrilation. 
utzmühle, ſ. u. Getreide-Reinigungs— 
maſchinen. 

Putztuch, ein gazeartiges Baumwollgewebe 
mit weit auseinander liegenden Fädenpaaren in 
der Kette und fehr diden Fäden im Einſchlag, das 
zum Busen von Maſchinenteilen verwendet wird, 

Puvid de Chavannes, franz. Hiftorienmaler, 

eb. 14. Dez. 1824 zu Lyon, war Schüler von 
Feat Sceffer und von Couture, Den eriten Er: 
folg hatten feine zwei Gemälde Krieg und Frieden 
(1861, Mufeum in Amiens), diefem Tolgten Arbeit 
und Ruhe (1863), Ave Picardia nutrix (eine Dars 
ftellung des Lanblebens in der Picardie, 1865), 
Maifilia (1869) und der Sommer (1873, letztere 
beiden im Mufeum in — Für das Yan: 
theon in Paxis malte er zwei Epifoden aus dem 
Leben der heil. Genoveva; kin Gemälde Pro patria 
ludus (libung der Jugend im Lanzenwerfen) er: 
warb ihm die Ehrenmedaille bes Salons von 1882, 

Buy (in catalon. Form ‚Buip) ift im fühfran;. 
zen ber Auvergne und der Gevennen der 

ame für bie dort fo — abgeſtumpften 
Kegelberge erloſchener Vullane. 

Buy 6 Le: Buy:en:Belay (mittellat, in 
der Frantenzeit Anicium, fpäter Podium), Haupt: 

abt des franz. Depart. Beute Size und eines 

rrondiſſements, ſowie der Landichaft Belay(Pagus 
Vellavus oder Vallagia), amp — am 
ſchroffen Abhang des vulkaniſchen Berges Anis, 
aus welcheni ber lkoloſſale Baſaltkegel Corneille 
(757 m) emporſtarrt, unweit vom Zuſammenfluß 
der Borne und des Toolaijon mit der Yoire, Station 
ber Linie Et.» Etienne:Langcac der Paris-Lyon 


Puy (Pierre du) — Puy:de:Döme 


Mittelmeerbahn, in der Nähe der vulfaniichen Berge 
von Volignac, St.: Michel und Eſpaly in 625 m 
Seehöhe gelegen und unmittelbar felbft von hoben, 
anz ſeltſam geformten Felsnadeln umgeben, ift in 
Bas auf die Gigentümlichleit ihrer Yage und Um: 
gebung vielleicht bie merfwäürdigite Stadt Franl: 
reichs, übrigens finfter, unregelmäßig gebaut, mit 
jteilen, etagenmweije übereinander ſtehenden, meiſt 
aus Lava errichteten Häufern. Die Stadt iſt der Siß 
eines Suffraganbiidofs der Erzdiöceſe Bourges, 
eines Aſſiſenhofs, eines Handels: und zweier Yyrie: 
densgerichte, ſowie eines Arbeiterfchtedsgerichts 
(conseil de prudhommes), hat zwei geiſtliche Se: 
minare, ein Lyceum, ein Lehrer: und ein Lehrerin: 
nenjeminar, eine Geſang- und Mufilihule, kom: 
munale Induftrieihulen, eine Schule für Spiken: 
Höppelei, eine öflentlihe Bibliothef von 15000 
Bänden, das Mufeum Crozatier für Kunſt, Ar: 
häologie, Naturalien, Gthnograpbie, re 
und Spipeninduftrie, ein Theater, eine alademiſche 
Gejellihaft für Aderbau, Wiſſenſchaften, Gewerbe 
und Handel, eine Aderbaufanımer , eine Gewerbe: 
kammer, eine befondere Kammer für die Spihen⸗ 
fabrifation, eine Taubftummen: und eine rren: 
anftalt. Unter ben öffentlichen Gebäuden ijt ber: 
vorzubeben die auf dem höchſten Punkte der Stabt 
gelegene Kathedrale Notre: Dame aus dem 8, bis 
15. Jahrh. Ihr früher in ganz —— be⸗ 
ruhmtes und vielbeſuchtes Gnadenbild Notres 
Dame de Puy (la vierge noire) aus Cedernholz, 
angeblich ein 1254 von König Ludwig dem Heiligen 
aus dem Drient mitgebradhtes Gelder, nad ans 
dern ein ſchon im 8. Jahrh. aus Agypten bierher 
getommenes Iſisbild, wurde in der Revolution: 
eit verbrannt und fpäter durch ein anderes erfekt. 
m Sept. 1860 ward auf der Spike des Bajalt: 
tegels Gorneille dad 16 m hohe Standbild ber 
Notre: Dame de France, nad) dem Entwurf von 
Bonnaflieur, aus 213 den Ruſſen bei Sewaſto— 
pol abgenommenen Kanonen errichtet, innen mit 
einer gußeiſernen Treppe von 57 Stufen bis zur 
firone. Auf der Plattform des Nocher de Corneille 
“erhebt fih außerdem die Bronzeftatue deö 1862 ge: 
ftorbenen Biſchofs de Morlhon von Buy, gleichfalls 
nad) Bonnaffieur. Bemerlenswert find ferner bie 
St. Laurentiuskirche (14. —— dem Grabe 
des Connetable Duguesclin, das jedoch nur deſſen 
Eingeweide birgt, während der Körper ſelbſt in 
St.:Denis ruht; die monumentale Fontaine Cro: 
Re in Marnıor und Bronze. (mit den Statuen 
er Stadt Buy und der Flüſſe⸗Loire, Allier, Borne 
und Dolezon) auf dem großen Plage Breuil. Auch 
t die Stadt reizende Promenaden; auf einem der 
oulevards erhebt fi) die Statue Lafayettes, von 
Hiolle. Neben der Unterſtadt führen 277 in ben 
Fels gehauene Stufen pP der auf einem 35 m hohen 
vulfaniihen Feld gelegenen Kirche St.-Michel 
—— aus zwei Kapellen beſtehend, deren 
neueſte aus dem 10. Jahrh. ftammt. P. zählt (1881) 
15459 (Gemeinde 18825) E. und bildet den Hauptſitz 
der Spißen: und Blondenmanufaltur des Departe: 
ments. Auberdem bat die Stadt Seiden-, Garn;, 
Wollſtoff·, Gold: und ‚Silberfädenmanufalturen, 
Lob: und Weißgerbereien, Buchdrudereien, Ge: 
treidemuhlen, Gloden: und Keſſelgießereien. Seit 
langer Zeit liefert P. auch die Schellen und Klin: 
seln für Maultiertreiber und Fuhrleute des mitt: 


lern und ſüdl. Frankreich. Die er ——— 
des Handels ſind Schlachtvieh, Ser e, Maul: 


‚die D 


405 


tiere, Wolle, Getreide, Gemüfe, Spihen, Leber 
und andere Fabrilate. 

33 (Bierre du), ſ. Puteanus. 

uycerda, Puigcerda, Heine ſpan. Stadt an 
der von Perpignan nach Seo de Urgel führenden 
Straße in Catalonien, Provinz Gerona, rechts an 
der obern Segre, mit alten Befeltigungen, wurde ge: 
ſchichtlich namhaft 1795, mo die Spanier den von 
ben Franzofen beſehten Plaß erftürmten und die 
Beſaßung gefangen nahnten, 

Buy:de:Döme, Departement im mittlern Süd: 
franfreich, aus Teilen von Nieder: Auvergne, Bour: 
bonnai3 und Forez zufammengejebt, zählt (1881) 
auf 7950,53 qkm 566.064 E., zerfällt im bie jüni 
Axrondiſſements Clermont-Ferrand, Ambert, 
Iſſoire, Riom und Thiers mit 50 Kantonen und 
467 Gemeinden und bat zur Hauptſtadt Klermont: 
derrand (j. d.). Etwa drei Viertel der Oberfläche 
gehören dem Gebirgalande, ein Viertel den Thä— 
lern und ber Ebene an. Zweige des Cevennen: und 
Auvergnegebirged erfüllen den Dften und den 
Weiten, zu beiden Seiten des in nördl. Richtung 
vom Allier durchſtrömten, im ganzen 126 km lan: 
gen, durch feine Schönheit und Fruchtbarkeit be: 
rühmten Thals —— linf3 und rechts von 
Hügelreihen begleitet, deren Abhänge mit Reben: 
pflanzungen geſchmudt, während die nit mit 
Dörfern und Burgen befeht, bie durchführende 
Heerftraße und Eiienbahn mit berrlihen Nußbäu— 
men eingefaßt find. Die Menge von Kegelbergen 
ober By Bafalt:, Lavamafjen und Kratern 
zeigen bier die dullaniſche Natur des Bodens. Am 
meijten häufen fich die erlojchenen Vulkane im 
Meiten des Allier und teilen fi dort in zwei 
Hauptgruppen. Die Gruppe des 1465 m hohen 
Buy:de:Döme, weitlid von Clermont, erjtredt 
ſich etwa 30 km von Nordoften gegen Südwelten 
und beiteht aus etwa 60 Felslegeln auf granitener 
Baſis, mit mehrernKratern von 160 bid 200m Zee 
und 1600 m Umfang. Die kolofjale, in Geftalt 
einer Kuppel aufiteigende Maſſe des eigentlichen 
P. trägt zwei Gipfel, den Großen und ben Kleinen 

uy, beherrſcht die übrigen 60 Gipfel und ift von 

chladenfeldern umabießbaren, öden, mit finfterm 
Heidefraut bededten Flächen, umlagert. Die jüdl. 
Gruppe des Mont:Tore (f. d.) beherrſcht der eigent: 
lihe Mont: Dore, defien Gipfel Puy-de-Sanc 
(1886 m) der höchſte Punkt im centralen Frankrei 
iſt. a der Ditfeite des Mont:Dore liegt die von 
Bultanbergen umgebene Stadt Beile:en-Chandefle, 
in ber Nähe die falten Mineralquellen von Condat 
und einer der merkwürdigſten unter ben ee 
Kraterieen des Landes, der Lac-Pavin, deſſen 
Abfluß, die Couze, die prächtige, 7 m hohe Ga3: 
cade- von Saillans bildet. Südlicher, bei dem 
Städtchen Ardes, befindet fich eine der größten und 
ſchönſten Bafaltlolonnaden, 23—26 m hoch. Der 
Boden des Departements iſt zwar größtenteils ftei- 
nig und dürr, aber die vultanifche Natur befördert 
die. Begetation und die Thäler find fehr — bar, 
beſonders die Limagne. In dieſer nimmt der Allier 
ore, Alagnon, Couze, Veyre und Morges 
auf, Die Dorbogne erreicht nad) kurzem Laufe die 
Südgrenze. Das Klima tft fehr unbejtändig; die 
von Stürmen umtobten Gebirge find 6—7 Vlonate 
lang mit Schnee bededt. Der Aderbau it in der 
Limagne fehr lohnend und erzeugt Weizen, Noggen, 
Flachs; Obſt, befonders Kirihen und Nüffe, gibt 
e3 in großer Menge und Güte; ber Hornertrag 


406 


dedt den Bedarf. Der Mein ift mittelmäßig und 
wird in beträchtlicher Menge ausgef ie Fel⸗ 
der der ag Den liefern nur kümmerfi 
Ertrag an Roggen, de fer, Buchweizen und Kar⸗ 
toffeln, ſodaß uptnabrun des Dergbewoh: 
ners die Kaftanien bilden. Deito ausgezeichneter 


8 die Bergweiden und der Wieſenwa Dieſe - 


örbern befonders die Rindviehzucht, die Butter: 
und Käfebereitung, außerdem aber auch die Schaf⸗ 
Ziegen :, Pferde: und Maultierzudt. Das Mine: 
een, liefert Gifen, Antimon, Blei, Alaun und 
teintoblen, ſowie mancherlei "Steinarten, Lava, 
Marmor, Granit, Müblfteine u. f. w. Heiße und 
talte Vineralauellen find fehr zahlreich; die befuch: 
tejten find: Bains (f. d.) und bie von Saint: Myon 
und Chaͤteldon. Die wichtigſten 
find Leinwand, Spiten, Bänder, Zwirn, 
woll:, Woll:, Bapier:, Leder:, Meiler: Saum 
Quincailleriewaren. Haupif he der —— ſind 
Clermont⸗ Ferrand, Thiers und Riom. Joanne, 
— du Departement du P.» a 1876). 
aurens, Stabt im franz. Depart. Tarn, 
ih Lavaur, hat (1881) 1575 E. (Gemeinde 
5012), und Handel mit Ak und Maulejeln. 
Puzol, Stadt in der fpan. Brovinz Valencia, 
Bezirk Sagunto, unmeit der Hüfte des Golf3 von 
Valencia, an der Bahn Almanja:Balencia-Tarra: 
gona, bat 2924 E. Hier ſch alu am 35. Dit. 1811 
der franz. Marſchall Sudet die Spanierunter Blale. 
uolanerde, f. unter P Bonu oli. 
nagwölt, Stadt, ſ. Bonus 
heli, Stadt in der rafſchaft Carnarvon 
des engl. Fürftentums Wales, an der Nordküite 
der Gardiganbai, Station ber Lnie Machynlleth⸗ 
Barmouth⸗P. der Cambriſchen Bahn, die über 
Garnarvon mit der London: und Northiwefternbahn 
in Berbinbung ftebt, bat (1881) 3239 E., einen 
— Auſtern-⸗, Hummern: und Heringsfifcerei. 
(oder dwt.), Abkürzung für Pennyweight. 
Bine (ardh., nuutuere tung, Eiter: 
vergiftung putride Anfeltion), eine meilt 
ſchnell verlaufende, fchwere, fieberhafte Infeltions: 
trantheit, wel e zumeilen nach äußern Verlegungen, 
eingreifenden Operationen, ſowie nad ausgedehnten 
Giterungen innerer Organe auftritt, durch die Auf: 
nahme von mechaniſch und hemijch ſchädlichen, fog. 
jeptiihen oder putriden Subjtanzen in das Blut 
entfteht und ſich durch ja fieberhafte Allgemein: 
erfcheinungen, durch Schüttelfieber und durch ſog. 
—— Abſceſſe verſchiedener Organe, bejon: 
ders der Lungen, mit Entzündungen der betreffen: 
den ferdfen Häute charakterifiert. Nicht weientlich 
verſchieden von der P. ift das bei Wöchnerinnen 
vorfommende Kindbettfieber (f. d.). Während bei 
normalem Wundverlauf in den verlegten und durch⸗ 
ſchnittenen Blutgefähen bald mehr oder minder aus: 
gedehnte Blut: und Faferftoffgeriniel, fog. Throm: 
ben, ſich bilden, welche ſich nad) und nad) organifie: 
ren und einen wejentlihen Anteil an dem Prozeß 
der Wundheilung nehmen, erfolgt unter ungüniti- 
gen Verhältnifien, namentlid durd Zutritt der 
überall in der Luft umberjdiwebenden mikroſlopi⸗ 
ſchen Fäulnis: und Gärungserreger, der fog. Mitro: 
ben (j. d.), eine Verjaudung der eiternden Wund— 
fläche, welche weiterhin eine Erweichung und fau: 
lge Berfegung der in den Gefäßen gebildeten 
— ur Folge hat. 
Werden Teile dieſer zerfallenden Gerinſel durch 
Embolie (ſ. d.) von dem Blutſtrom fortgeriſſen und 


Puy⸗Laurens — 


nduſtri —— das 


Pyat 


an den verſchiedenſten Stellen des Körpers in ben 
feinften par der Arterien eingefeilt, fo 


n fie auch dort ae ihrer reigenden Be: 
‘a affenheit he a 
86 * if ——— 
metaftati ““ ceifen eine 
ränderu — in Bin 
alle bewi an Diefer en 
eidieben fein; ihre ug — 
aöbängi von dem Ei bolie. Während 


Abſceß im Gebirn önel — Tod, ein Abſceß 

* der Lunge wenigſtens eine ſwere 
hrt, lann ein metaſtatiſcher Abſceß in einer 
liedmaße Bine er e Symptome bleiben. 
Doch iſt ein pyämifcder Giterberb * —— 


Leben wichtigen Körperſtelle 
der eutung, weil nur fetten 
einer allein auftritt und jeber einzelne "ans die 
Quelle neuer Embolien werden kann. 
itandelommen eines ſolchen Abjcefies Tün 
immer zuerft durch einen ſtarlen Schü —* 
verſchiedener Dauer an, —— ein A 
SERIE A em kt je 
oft t nn meilt ein tioes, 
Irmüierenbs Sicher, a —— * * 
Schwãche und ud 
taten Zuftand führt; unter Zunahme Beer Er: 
re erfolgt meiſt der Tod, felten Genejung. 
iſt eine äußerſt anjtedende Krankheit, 
weldye haupifad ich durch unreine, mit Miasmen 
eſchwängerte Luft, durch unſaubere Inſtrumente, 
wãmme und —E— durch ſchmutzige 
Hände u. dgl. übertragen und derhalb vorzugsweile 
in unxeinlichen, überfüllten und ſchlecht ventilierten 
Krantenhäufern entjteht. Da die Siran 
tödlich verläuft, fo bildet die Frage ihrer 
eine der wichtigften Aufgaben der Chirurgie; in bie 
fer Beziehung üt vor allem auf die größte Zn 
teit, auf unausgejehte Bentilation und Desinfeltion 
der "Rranfenzinmer, fowie auf die größte Sauber: 
ie = Sorgfalt ie —* 3 — ae 
ich aber vermag die von Liſter 
antiſeptiſche Berbandmethode, bei der bie 
Fäulniserreger der Luft durch zeritäubte Carbol⸗ 
jäurelöfung und carbolifierte Verbandſtoffe von der 
Wunde fern gehalten werden, ziemlich fiher bie 
Entjtehung der P. zu verhüten. (S. Bunde.) 


* 3 an). ), — — 
— liſt und Bubnend F 
ter, = 4. Ött. 1810 % rt. 


ierjon 

war vor der Februarrevolution Mitarbeiter am 
alte Rd) ala Berl ” —— 
und machte ſich als Verfaſſer mehrerer 

belannt, die —* Seit den 

serruriers» (1841), 
chiffonnier» (1847). 
Depart. Cher in bie — wo gi 
Nepräientanten des Bergs iu been 
—— ge er ge höre sr! n die — 
gewählt, wurde er als 

rischen Manifeites vom 2% 


—5 — * & ed du Se —* se 
weiz der ftung zu entziehen. 

—— ging er Belgien und von da 
nach London. 869 Tehrte er Frant: 
reich wieder zurüd, de jedoch ſchon Mo: 
nate —* =. feiner —— im — zu 
einem halben Jahr nis verurteilt 
tete abermals ven Den ndon, von mo a 


Pydna — Popin 


menge den 5 t, 1870 die Nüdlchr . eigene — 
Belagerung von Paris gab er 
«Combat» nad) dieſem den » Vengeur» heraus. 


Er war nad) dem 18. März 1871 Mitglied der 


zifer Commune, entfloh beim Eindringen der 2. She 


ailler Armee und wurde 1873 vom verfailler Kri 
gericht in contumaciam zum Tode verurteilt, 
ebte jeitdem in London, von wo aus er die in Pa: 
ris erfcheinende «Commune affranchie» dirigierte; 
nad) der Sr ee fam er nad Paris zurüd, 
feite Stadt an der MWeitfürte des 
men a Sertufens in un 168 * 
Zun v. 
König Wer fg von —— durch den home 
Amilius Paullus gänzli — wurde. In 
—* bzant. Zeit —3 fie Kitron oder Kitros, 
er Be elomephritis (gr), & 
0 ye ze is grch.), die 
eiterige Entzündu —* nbedens, 
ſtlin 
eanos Fluten 


en 

Dä b ein —* ftes 

—— It, daß es an des 
von Krani befriegt werde, Gemwö 2 

erben fie an die Duellen des NilS oder na 
dien, von Spätern u > in den Norden in die Gegend 
von Thule verfegt. Sie follen unter anderm den 
—* ſeinem —— mit Antäos (f. d.) im Schlafe 
—— nit ihren Heerſcharen ange: 
aber von diefem in feine Löwenhaut 
gene Yorke fein. Es erijtieren noch zahlreiche 
titellungen der 
Pygmalion, von Kypros, Vater der 
Metharme, der — in des Kinyras, fahte eine 
SE Seideni, idaft für das elfenbeinerme Bild 
obite, Ben. eis Darjtellung für das 
er ſelbſt Rt gefertigt und das 
au feine Bitte belebte, Er nahm danndie 
lin; fie gebar ihm den Paphos. 
„unter scompceten, 

ometer heißt ein Heines, dünngeblafenes 
welches zur Beftimmun der Dichte 

Des he ſchen — — der Körper dient, Für 

gleiten iſt hierbei die Anwendung des P. einfach, 

Item Th rag u ai, —— 

zu mmen 198 a e dann 

er * md Sun. dit des gleic den Volumens 

werben, Für d mung der 

te ne Süne ift der Sehr, P. etwas 

tomplizierter, aber im weſentlichen fommt —* dabei 

—— an, ju — —— viel Waſſergewicht 

ins P. on gelegte fefe rperchen verdrängt bat. 

Diefes Gewicht eh Waſſers, dividiert 

in das abjolute Gewi 4 — 

lleinen feſten me r* 38 —*— 
— — 

n nur um das Ein⸗ und — th 
untern es entfernt jtehen. 
‚ der Sobn des Strophios und der 
Be Sr ti —— Sähweh n 

deſſen Schweiter 
a er heiratete und welde ihm den Medon 


und & 
A ), die Entzündung der 


* 
en beißen bie mächtigen, turm: 
welde den Haupteingang ber 
opt. Tempel bilden und in ihrer eigentümlichen 
ein harakteriftiiches Merkmal der alt 
ägypt. Arkhiteltur find. Bu beiden Seiten des 


wergvolf, von 


a 


eh 


eu: 


ri 


‚ &bnlich wie = a 


407 


entlihen Thors erhebt ſich je ein Turm mit ge: 
böfchten Wänden zu anfehnlicher Höhe, der an = 
Eden einen Rundjtab als Umrahmung der Seite 
und eine mächtige Hobltehle ala ig gen bat. 
den find gewöhnli und gar mit 
en Daritellungen und jerog vphiſ zu 
—2 in flachem, bemaltem Steliet bevedt. 
ihrer —— waren oft auch noch große M 
mit weh Blaggen angebracht. Bor en 
Tann ms mei zwei Obeliöten oder Statuen. 
.), der Magenpförtner, |. Dia: 
— Ca tenofe, De erengerung bes 
Ma ortners 
108, alte Stadt an der Weſtkuſte Mefieniens, 
auf dem die jepine Bucht von Navarin im Norden 
abſchließenden 8* Koryphaſion gelegen, er⸗ 
cheint in der Homeriſchen Woche als Königsfip des 
eftor und jpielt im — Äriege eine 
Rolle, da es 425 v. Chr. durch den atheniſchen 
Demofthenes befeitigt wurde. Gtädte 
Namens gab e3 auch in der Landſchaft 
— (dem füblichiten Teile von Elis) am 
Bade Pamiſos im Gebiet von Lepreon und im 
nördl. Elis am Einflufje des Ladon in den Peneios. 
por hieß * das heutige Navarino (f. d.). 


(Hohn), engl. ep geb. 1584 in 
— ire, — in an und wurde wäh: 
rend in egierung Jalo ins Parlament ge: 


wählt, wo er bald als —* der Führer der Oppo⸗ 
fition bedeutenden Einfluß gewann. —* Einfluß 
—— wãhrend der Regierung Karls J. Du 
tönigl. Broflamation im Y, 1637 verhindert aus: 
uwandern, trat B. nad) der Wiederberufung des 
Barlaments ; im %. 1640 fofort mit unerbittlicher 
Entſchiedenheit gegen die —— Politik des 
Königs auf und wurde zum Vorſihenden der Kom— 
milfion ernannt, vor welder Graf Strafforb des 
Hodyverrats angellagt und zum Tode verurteilt 
wur P. war eins der fünf Mit —* * Un⸗ 
terhauſes, deren gejehwidrige Ver arl I. 
im Jan, 1641 perſuchte, die aber * ae fpä: 
ter im Triumph aus der City nad) Belmin r zu⸗ 
rüdgeleitet wurden, Rach dem Ausbruch des Buͤr⸗ 
gertriegs im Nov. 1643 zum Feldzeugmeiſter er: 
nannt, ftarb P. 8. Dez. desſelben Jahres. Seine 
Leihe wurde in der MWeltminfterabtei beigejcht. 
Bol. Tu; Forjter, nen of the Common- 
wealth of England» (5 Bde., Lond. 1841—44), 
Pyon (ard.), Eiter; Byocele, ein —— 
Byocephälus, die Giteranfammlung i —* 
der Schäbelhöhle —80 —— —5 
des Eiters; vor ftis —e 
Byogenie, iterbildun —— die Eiter⸗ 
vergiftung des m. (i. ee: —* 
Eiteranſammlung in der Ge bärmutter; Byone: 
ae €, —— Rierenabſceß Y0: 
— eiterige ugenentzündung: 0 
almus, ein Eiterauge; Poopneumatbe. 
Er er und Luftanfammlung in der ze i 
böble; 3331 Eiterhuſten; Pyorrhöe, 
Vereiterung. 
a ur, Eiterbruft,Empyäma), 
die — ammlung von Giter in dem 
—— = Ige einer heftigen Vruſtfell⸗ 


ne —*4 
in (Aler. Nilolajewitſch), namhaſter ruſſ. 
— iſtoriler und Strititer, geb. 1833 in Sa⸗ 
ratow, abjolvierte feine Studien auf der peters: 
burger Univerfität und bereilte 1858—60 und 1862 


408. 


Meitenropa. Er wurde 1860 Profeſſor der peters: 
burger Univerſität, doch nahm er ſchon nad an- 
derthalb Jahren, infolge der damaligen Unruhen, 
leichzeitig mit andern Profefioren (Kawelin, 
tapjulewitih, Spaſowiez u. a.) feinen Abſchied 
und widmete üich der litterarifchen ran zuerſt 
im «Sovremennik», feit 1867 im «Vestuik Evropy». 
V. ift, wie fein Vorbild Bielinftij (f. d.), über deſſen 
Leben und litterarifche Wirkjamtleit er ein 4 
liche& Werl («Bölinskij», ruff., 2 Bbe,, Peteräb, 
1876) veröffentlichte, eifriger Verbreiter humaner 
und liberaler Ideen (im welteurop; Sinne) in Ruf: 
land, jedoch zugleich unter unbefangener Würdi⸗ 
gung der wirllichen Verbienfte des Slawophilen: 
tums und der flaw, litterariſchen Bewegung über: 
aupt. Dies zeigt feine Schrift «Die litterariichen 
einungen der zwanziger bis funfziger —— 
—— 1871), die eigentlich eine Fortſezung 
ildei von «Die geſeliſchaftliche Bewegung zur Zeit 
Alerander& I.» (ruf)., Petersb. 1871; 2, Aufl. 1885); 
ferner die mit dem Uwarowſchen Preiſe gefrönte 
Weſchichte der jlaw. Litteraturen » (ruſſ., Petersb. 
1865; 2. Aufl. in 2 Wn., 1879—80; lehtere deutſch 
von T. Pech [Lpz. 1880— 84]; fie wurde aud ins 
geangöfi de und Czechiſche überjekt), worin die 
bteilung über die poln, Litteratur von W. Spa: 
fovid oder Spring A d.) verfaßt ift, In feinen 
den ältern Perioden der ruſſ. Litteratur gewidmeten 
Forſchungen bat ſich P. befonders den apotryphen 
und märdenhaften Erzählungen zugewendet, eine 
Anzabl folder Terte ———— (Betersb. 1862) 
und in der Schrift «Die Litteratur der altruff. 
Märchen und Novellen» (ruff., Petersb. 1857) den 
eritem Grund zur Erforfhung des Zuſammenhangs 
diefer Terte mit ähnlihen byzant.:röm, Litteratur: 
erzeugnifien gelegt. Auch ſchrieb er eine Geſchichte 
der ruf. Eihnographie (in « Vöstnik Evropy», 
Jahrg. 1884—85) und überjehte die die franz. 
und engl. Litteratur behandelnden Teile von Hett: 
ners atitteraturgefchichte des 18. Jahrh.v (Petersb. 
1865—66) ins Nuſſiſche. 
Pyra (Immanuel Jakob), deutſcher Dichter, 
ge. 25. Juli 1715 zu Kottbus, ftudierte 1734—38 
heologie in Halle, wurde Mitglied der Hallefhen 
Dichterichule, lebte dann bei feinem Freunde Sam. 
Gotth. Lange zu Laublingen, war Hauslehrer 
in Poplih und Heiligenthal, 1742 in Berlin und 
ftarb dafelbft 14. Juli 1744 als Konreltor am Koll⸗ 
niſchen Gymnaſtum. Durd den Hallefchen Pietis— 
mus angeregt, widmete er fich der religiöfen Poeſie 
und dem Freundichaftäfultus und ward damit ein 
Vorläufer KHlopitods,. Es erſchienen von ihm: 
«Tempel der wahren PDidtfunjt» (Halle 1737), 
«Thyrfis' N ra3) und Damons (Panges) freund: 
fchaftliche Lieder» (Für. 1746; 2. Ausg. von Lange, 
Halle 1749). AS Gegner Gottſcheds zog er ſich 
viele Feindfeligleiten au befonders durch feinen 
«Erweis, daß die Gott 
verderbe» (Hanıb. 1743). Bol. Waniel, «m: 
mannet B. und fein Einfluß auf die deutſche Lit: 
teratur des 18. Jahrh.» (Lpz. 1882). 
en, f. Kiaurlsche Zahlen. 
ramide (grch.), ein geometr. Körper, be: 
renzt vom einer ebenem, gerablinigen Sigur als 
rundfläche und fo vielen in einem Punkte zufam: 
. nden Dreieden, als die Grundfläde Sei: 
ten bat; Die Dreiede heißen die Seitenflädhen, der 
gedachte Punkt aber die Spige; ihr Abjtand von 
der Grundfläche beißt die Höhe, Je nachdem eine 


chedſche Sekte den Geichmad. 


Pyra — Pyramiden 


B.3,4,5 u. ſ. w. Geitenflähen ober zur Grunds 
fläche ein Dreis, Bier:, Fünfed'ıc. * heißt fie drei⸗ 
vier⸗, fünffeitig x. Zu den dreijeitigen P. gehört 
auch das Tetraẽder. Der körperliche inhalt einer 
P. it gleich dem dritten Teile eines Priama, das 
mit ihn. Er Grundfläche und Höhe hat, und wird 
daher gefunden, wenn man bie Grundfläche mit dem 
dritten Teile der Höhe multipliziert. 
Pyramiden (des verlängerten Marks), f. unter 
Gehirn, Bd. VIL, ©. 662°. I 
yramiden heißen die von einer quabratifchen 
Grundfläche vierfeitig aufgebauten, ſpiß zulaufen- 
den Grabgebäude der altägypt. Könige und nad) 
diefen alle ebenfo geformten Körper, Die ägypti— 
chen P. haben nie einen andern Zwed als den von 
Grabmälern gehabt. Bei weitem die meilten und 
die größten von allen finden fi) in Unterägypten 
auf der Wetfeite des Nils in der Höhe von Kairo 
bis gm Fayım, (Bol. die Karte: Kairo und 
die Byramidenfelder, Bd.X, S.11.) Es find 
in diefem Stride des Wüſtenrandes noch jeht bie 
Spuren von 67 P. nachzuweiſen. jede war zum 
Grabmal eines Königs beftimmt, einige wenige llei⸗ 
nere für einzelne Glieder der Lönigl. damit, Da: 
gegen hatten die Privatgräber, aud; die der Prinzen, 
eine länglich;vieredige, oben flach gebedte Form. 
Diefer Gebraud, P. für die en a errichten, be: 
ftand aber nur im Alten und Mittlern Reiche bis 
gegen 2000 v. Chr. Aus dem Neuen Reiche iſt feine 
einzige Königspyramide befannt. Doch ſtammen 
ausdiejer jpätern Zeit einige Heine Ziegelpyramiden 
in rg Dagegen wurde etwa feit dem 7. Jahrh. 
v. Chr, diefer Gebraud in Äthiopien wieder aufge- 
nommen, und bier ift auf den ya Totenfeldern 
in der Nähe vom Berg Barkal und auf der Inſel 
Meroẽ die Sornbisene nicht bloß auf die Kö— 
nig&gräber bejchräntt, fondern in allgemeiner An: 
wendung. Die ägypt. Pyramidengruppen von Abu: 
Roaſch, Gizeh, Zämyet el⸗ Aryan, Abufir, Saltära 
und Dabidhür gehören fäntlid den Königen der 
mempbitiichen Dynaſtien an; die ältejten, die von 
Dahichür, der dritten; die größten, die von Gizeh, 
der vierten; die übrigen den folgenden Dynaitien; 
die in der Nähe des Fayum wahricheinlich der zwölf: 
ten; alle find zwischen 3500 und 21000. Chr. erbaut. 
Die beiden größten P. find die des Cheops 8 
ln der Dentmäler) und die des Chephren (des 
Chafre der Denkmäler) aus der vierten Manethoni: 
ſchen Dynaftie. Jene war urſprünglich an ber 
Baſis 233 m breit und 146,5 m hoch; jeht mißt fie 
nur nodj 227,5 m und 137,2 m, Die zweite, etwas 
—* gelegene P. hatte uriprünglich 215,7 m Breite 
und 138,4 m Höhe, jeht 210,5 m und 136, m. Die 
dritte, von dem Nachfolger des Chephren, Men: 
cheres, dem Menlare der Denkmäler, neben der 
zweiten erbaute P. ift bedeutend Heiner; fie ift nur 
108 m breit und früber 66,4, jeht 62 m body. Da⸗ 
gegen erreichen die beiden not ältern Steinpyra: 
miden von Dahſchür faft die Höhe der beiden er- 
ftern, indem bie eine 213 m an der Baſis, 99 m in 
der Höhe hat, die andere, welche jeht einen doppel: 
ten Winfel der —*— zeigt, weil fie ur: 
iprünglich eine größere Baſis haben follte, 188 m 
(Ntatt circa 210) an der Balis, 97,3 m in der Höhe. 
Die meilten P. waren von Stein, mande von 
ſchwarzen Nilziegeln gebaut, aber aud) dieje wur: 
ben, wenn ih vollendet, mit einer fteinernen glatt: 
polierten Belleidung verjehen, melde die P. von 
Gizeh erit im 14. Jaͤhrh. durch die Araber verloren 


Pyramidenbaum — Pyrenäen 


baben. Alle P. find mit ihren Seiten genau nad 
den Himmelögegenden orientiert. Die Grablam: 
mern find in der Regel unterirdijch in den Fels ne: 
graben und die P. über den Felsklammern maſſiv 
aufgehäuft. Nur ausnahmsweiſe finden fi aud) 
Kammern im Mauerwerk ſelbſt, 3. B. in der P. des 
Cheops. Inſchriften fehlen in den älteften P. ganz; 
bie fpätern (feit dem Ende der 5. Dynaftie), die 
neuerdings geöffnet find, enthalten umfangreiche 
religiöfe Terte, die als die älteften Spradpent: 
mäler Sigyptens eine befondere Wichtigkeit haben. 
Bol. Vyie, «The pyramids of Gizeh» (3 Bde. At: 
las und 3 Bde. Tert, Lond. 1839—42); Lepfius, 
«liber den Bau der P.» (im «Monatsberichto der 
berliner Akademie für 1843); Petrie, «The pyra- 
mids and temples of Gizeh» (Yond. 1885). 
Pyramidenbaum nennt man diejenige Obit: 
baumform, bei welder der volltommen ſenkrechte 
Stamm von unten (30 cm über dem Boden) bis 
zur Spike rundum in 30 cm voneinander abjteben: 
den Gtagen mit nad) oben regelmäßig an Länge 
abnehmenden Aſten bejeht it. Letztere müſſen da: 
bei mit dem Horizont einen Wintel von hödjitens 
85 cm bilden. —* dieſer Formgebung iſt ein 
möglichit reicher Ertrag von volllommen gusgebil⸗ 
beten Früchten auf —— beſchränltem 
Raume. Im übrigen haben viele nicht zu den 
Obſtarten gehörige Bäume ſchon von Natur einen 
— * oder weniger volllommen pyramidalen Wuchs, 
3. B. mande Fichten und Tannen, die Pyramiden: 
eihe (Quercus pedunculata var. fastigiata), die 
lombard, Bappel, Cupressus sempervirens und 
andere. Bäume folder Form dienen oft dazu, die 
Monotonie des Gehölzbeitandes der Parkanlagen 
zu unterbrechen. 
—— f. unter Obelisken. , 
raͤmos und Thisbe war der Sage nad) ein 
babylon, Liebespaar, das durd) die Fein erh ber 
Eltern zu geheimer nächtliher Zufammenkunft ge: 
trieben wurde, Als dieſe ein plöplich erfcheinender 
Löwe ftörte, gab ſich erſt P., da er Thisbe von dem 
Löwen zerriſſen glaubte, dann diefe felbjt den Tod, 
Bei den Alten ver man diejen Stoff nur in Dvids 
«Metamorphofen» und in den « Dionyfialas bes 
fpätern gried. Epilers Nonnos ausführlicher be: 
handelt. Dagegen war er im fpätern Mittelalter 
äußerft beliebt. Am berühmtelten wurde er durch 
die Farikierte Behandlung in Shalejpeares «Som: 
mernadtstraumn, , 
Pyrawarth, Dorf in der Bezirlshauptmann: 
haft Großenzersdorf in Niederöfterreih, mit 
(1880) 1301 E. und einer Mineralquelle, die als 
eilbad für Frauen einen weitverbreiteten Auf 
at. Die Gegend iſt hügelig, ohne bejondern land: 
haftlichen Reiz. Für die Äußere Ausitattung des 
Bades wurde in neucjter Zeit viel gethan. Vol. 
Bree, «Das Eijenbad PB.» (Wien 1884). : 
enden heißt das Spanien von Frankreich 
trennende Gebirge, das fi in einer Fänge von 
450 km und einer Breite von 22—120 km vom 
Golj von Rojas im Mittelländiihen Meere bis 
m Col de Belate (ſprich Velate) zieht. Die P. 
ind durchaus ein Hettengebirge, welches einen Teil 
des Nordrandes des Plateau der Byrenäifhen 
Halbinfel bildet und weſentlich dieſem angehört, 
da e3 nicht mit den Cevennen zuſammenhängt, fon: 
dern frei, fait unmittelbar aus den Tiefebenen und 
Hügellandicpaften Südweitfrankreichs auffteigt, auf 
der Sübjeite dagegen durch die Gebirge von Ara: 


409 


gen und Gatalonien mit dem Gebirgsterne ber 
yrenäijhen Halbinjel verfnüpft, auf der Weitjeite 
aber unmittelbar mit demſelben verbunden iſt. Die 
Landesgrenze zieht ſich fait durchgehends auf der 
Kammlinie hin, Die P. beftehen aus zwei Haupt: 
fetten, einer aus Weſten fommıenden, welche, als 
öftl. Fortfeßung des Gantabrifhen Gebirges, bei 
dem Grenzflüßchen Bidaſoa beginnt und im Diten 
an der Noguera Ballarefa endigt; und einer andern, 
welche nördlich von der vorigen von der Garonne 
im Thale Aran (Val d’Aran) und vielen Heinern 

lüfjen durchbrochen wird und oftwärts bis zum 

olf von Nojas am Mittelländiichen Meere ftreicht, 
wo fie nördlich von diefem Golf in den Vorgebirgen 
von Norfeo und Creus endigt. Beide Ketten hängen 
jedod in der Nähe der Garonnequellen dur eine 
2000 m hohe, nordiüdlich ftreichende Kette bei dem 
2880 m hohen Gebirgäftod des Bic de Mauberme 
—— Die Abdachung der P. nach Norden zu 

en Hügellandihaften Südweſtfrankreichs iſt ſanfter 
als nach Süden zu, mo [ie in teilen Terrajjen in 
die anliegenden Berglandichaften übergehen, 

Die größtenteild3 granitiiden Djtpyrenäen, 
vom Cap Creus bis zum Pont:du:Noi der Garonne 
und noch weiter ſich eritredend, beftehen im Diten 
aus drei, durch tiefe Thäler von einander getrenn: 
ten Ketten. Die beim Kap Gerbere beginnende erjte 
pen einen langen Arm zum Kap Creus; dort liegt 

er Pic Zaillefer 514 m hoch; aber bald folgen 
höhere Gipfel, wie der Pic Neulus 1257 m. Hier 
find, felbit an der Meereslüſte (Gol els Balitres) 
bloße Saumpfade vorhanden; nur am Wejtende 
führt ... 290 m hohe Einfenkung der durd) 
das Fort Bellegarde geihüpte Perthus, bie fahr: 
bare er von Berpignan nad) Gerona hindurch. 
Der öjtl. Teil diejer eriten Nette heiht_die Monts— 
Albores; fie ift durch fahle Gipfel und fteile Wände 
über den mit Ölbäumen geſchmückten —— 
ausgezeichnet. Im Thale des Tech, der den Granit 
fait ganz von den fibergangsgefteinen trennt, führt 
eine a ritrafe aufwärts bis nad Prats-de Mollo 
und Bains; aber in feiner Qucllengegend über: 
jteigen wieder nur Saumpfabe die nr 1600 m 
hohe Kette. Im Norbweiten des Ted) iſt die Stette 
auf der Nordjeite durd Granit, auf der Südjeite 
zum Teil durch kryſtalliniſche Schiefer gebildet; 
zwiſchen Tech und der Töt jteht der impofante gra: 
nitiiche 2785 m hohe Ganigou, vor der Kanımlınie 
nah Frankreich hineingeihoben. Er ijt an den 
Kanım angeichlofien durd) den 2460 m hohen Vlont: 
Escoula, auf weldyen der 2881 m babe Pic du Geant 
und der ungeheuere, 2909 m hohe Puigmal folgen; 
der Kamm Petbft ſeht fih nad) Südweiten auf ſpan. 
Gebiete fort in der Sierra del Gadi, welche die ſüdl. 
gegrenzung der Gerdagne oder des Hochthals ber 
Segre bildet; der fahrbare Col de Toſa trennt fie 
vom Kamme. Im Norden dieſer Linie findet ſich 
eine Ginjentung; dort fließt bie Tet nach Nordoſten 
und die Segre nady Südwelten, und der 1610 m 
pobe Col de la Perche verbindet beide Thäler; dort 
äuft durch die franz. Gerdagne die Straße von 
Perpignan nah Vuigcerda, an welche ſich von lep: 
term Orte an, in ber fpan, Cerdaña, wieder nur 
Saumpfad nah Seo de Urgel anſchließt. yım 
Norden diefes Col erreiht auf der Grenze der 
Departements ber Ditpyrenäen und der Aude der 
Sranitjtod im 2471 m hohen Pic Madres feinen 
höchſten Gipfel; jenjeits liegt der 1720 m dobe Gol 
de Gafteillon mit der Straße von Quillan nad 


410 


Montlouis; der Pic Carlitte (2920 m hoch); der 
1931 m Col de Buymorend mit der Straße 
von Ar nad) Buigcerba, und ver 2812 m hohe Pic 
Nigre mit der Arisgequelle, Im Norden biejer 
dritten — 2* liegen m wiſchen dem Unterlaufe ber 
Tet und Aude, von Col⸗St. Louis nad Rordoſten 
bis Narbonne, die Gorbitres (f. d.). Der zweite 
Abſchnitt der Oftp venäen bilbet eine einfache, bald 
Kante bald — fette, wel im Bic de 
ontcalm 3080 m Höhe erreicht, und in n weder 
die wenigen Cols nur Senf ade b bieten; fie ift 
nirgenb3 unter 2200 m body m Pic Negre zum 
2849 m hohen Pic be ourbe fiber den 2911 m 
oben Pic de Serrere umſchließt bie gebrochene 
inte die Hochthäler der Balira und ihrer Zuflüfie 
Fr das Thal von Andorra. Nah Nordwelten feht 
der Kamm im 3080 m hoben Pic de Montcalm, 
at hohen Mont⸗Rouch, im ſchönen, 2839 m 
bohen Montya im 2880 m hohen Mauberme 
fort bis zur — des Pont⸗du⸗-Noi, durch welche 
die Garonne in 585 m H5 austritt. Nach Fran: 
reich ſchiden diefe P. jentredht vom Kamme aus 
* ende Contreforts, welche im Norden durch zwei 
lange, der Hauptlette parallelitreihende Hämme 
begrenzt werben; der En, fajt gas fibergangs: 
ein, auf den Seiten ftarf bewaldet (der 2543 m 
—* lanc, ber 2349 m hohe Pic de Tabe ober 
de St.- -Bartheleny, ber 2366 m hohe Pic de Tar⸗ 
befon), heifst Tabegebirge; der zweite, lahlere, mauer: 
artig, oft boppelt, 500 — 900 m hoch, heißt Plans 
— —8 folgen nur niedri ß Hügel. 
—— näen beſtehen, si den 
wer ber :Ballareja und des ragon, 
aus Granit und ——— und ſind der 
——— Teil des — Gebirges; weſtlich von den 
des Aragon und des Öave d’ Aspe beitehen 
fie hauptfädli and Triasformation und find viel 
niedriger. Die öftl. Abteilung beginnt am Aran: 
thale mit dem granitiichen Malabettaftode, der bie 
rößten Gletſcher und höchſten Gipfel (den 3402 m m 
oben Bic d'Anethou) aufzuweiſen —— 
den Maladetta ũberſchreitende Puerto de Viella hat 
2456 m Höhe. Diejer Spanien angehörende Ge: 
birgsftod iſt von fchieferigen Zöchern umgeben; mit 
der Grenlette verbindet ihn der Pic de la Pine, 
in deſſen Weiten der 2417 m hohe Port de Benas: 
que liegt. Um das Lys⸗ oder Luchonthal —— 
ſich die höchſten Gipfel und breiten ſich die ausge: 
behnteften Schneejlähen aus: der 3110 m hohe 
— ng -. Hr 3104 le saie 
n größten Pyrenäen A 
Gram?s beberrichen chen, jomwie der 3220 m hohe x 
Kerbiobern, dem zur Seite ſich der hödhite De 
3044 m Portillon, binziebt. 
ält bie Kette, 120kı weit, Dis lm 2823 m hohen 
lic Arriel bei der Gall elle, 3000 m mittlere 
Gipfel: und 2500 m - öbe; nur ber Port von 
Gavarnie finkt zu 2282 m herab. Dort liegt ber 
Xroumoufe:Cirtus, weiter alö der von Gavarnie, 
— weniger großartig; dort ſteht der Marborẽ (der 
3253 m hohe Pic und der 3327 m hohe Eylinder), 
von weldyem die Gletſcherbäche des Gavarnie-Eir: 
fus von den 4000 m weit ſich erjtredenden Wänden 
aus 1000 m Höhe herablommen; bort liegt auch 
die 304 m hohe Nolandsbreſche und fteht ſudlich 
von Eauteretö der 3290 m hohe Vignemale, der 
bödfte PByrenäengipfel Frankreichs; weitlicher er: 
bebt fi) der 3146 m hohe Bat Laktouſe. Auf ſpan. 
Seite fteigen die höhern, der 3367 m hohe Fic Fo: 


Pyrenäen 


fetö (ber zweite Porenäengipfel) und ber 3352 m 
ar Mont du oder Las tred —— auf, der 
ochſte und ſchönſte Kallberg Europas. gwiſchen 
Gallego und —* werben bie Höhen geringer; 
bei ber Quelle — lehtern liegt ber nur 1640 m hohe 
Somport, wo eine fahrbare Straße von 
als N m a, ierführt Alf den mad Chden 
umpfab me n na 
auslaufenden vw. ge fi ber 3160 m hohe 
ic Eoricilla. km Entfernung von der 
äife der Weltpyrenäen ziehen in Gatalonien und 
Aragonien ihre parallelen Kalkketten, der Monjed) 
zwiſchen Segre und Einca, —* Sierra de Guara 
zwiſchen Cinca und Sallego, bie in der Peña de 
Droel 1649 ım hohe Sierra de In Pena (jwilcen 
Bern und Aragon). Nacı Norden jenten ſich die 
Kauirde rts eta gern bis zu 1400 und 
12000 Höhe: das beim hc be la Mine beginnende, 
welches im Weiten das Aranthal —3 — hat etwa 
2000 m Höhe; daß zwifchen der zur Garonne gehen: 
ben Nejte und dem zum Adour gehenden Gave de Pau 
ift der Neouvielle:Stod mit feinen Dh und 
feinen hoben Gipfeln, dem 31765m hohen Pic Camp⸗ 
vieil, 8194 m boben Pic Long, dem 2831 m 
hoben Arbigon und dem 2877 m boben, jchönen 
Vic du Midi de Biaorre. Im Diten des Gane: 
d Oſſau erhebt ſich der ebenſo majeftätifche Doppel: 
gipfel des 2885 m hohen Pic⸗du⸗midied Dſau und 
bei Gaur:Bonneß der 2612 m hohe Mont be Ger. 
Die weitl. Abteilung der Weitpyrenäen culminirt 
in dem 2504m hoben Pic d'Anie (d. i. Ziegenberg); 
außer dem 2017 m hohen Pic d’Dry 5* bie 
Gipfel aber nur 1500 und 1000 m 9 —— 
—* führen der 980m uohe —— ol We 
gambide, der 1222 m hohe Col de art mit 
einer Heinen Fahrſtraße; der 1000 m hohe Gol be 
Roncevauz, ein Eaumpfad zwifchen der Straße von 
Burguete nad) Pamplona und der aus dem Bal 
Gartos nad St.Jean⸗Pied⸗de⸗Port; der 947 m 
bobe Col des Aldudes, längs deö 1503 m hoben 
ont:Abi, welcher das Ende der von t.-Gtienne: 
be Baigorry mit dem Anfange der nad) Pamplona 
—— Fahrſtraße verbindet; der mit einem 
rt ne Col de Lindur, und ber 868 m hohe 
Vort de Belate, 7, km im Südweſten der franz. 
Grenze, zwifhen ben Bidajoa und dem Aragon; 
dur ihn führt die ——— — von Bayonne 
nadı Bamplona, die zuerſt ü ber den 602 m —* 
Im Nordweſten erheben ſich 
erglande die 678m hohe Montagne 
d’Urfonia; die 900 m hohe Rhune eig Nivelle 
und Bidafoa; der 1132 m hohe Mendaur und die 
838m hohe Haya i in Spanien, zwiſchen Bidafoa und 
der Urumen. Längs diefer Nbhänge führt Die 
Küfteneifenbahn hin, welche Spanien und Frant: 
reich, verbindet. 

Die mittlere Kammböhe der P. beträgt 150— 
2270 m. Faſt in derfelben Höhe liegen die meiften 
ihrer teil Gol, teils Bort (jpan. Puerto) genann- 
ten Dale, haza m mebr als 100 über das Gebirge 
geben. des ewigen Schnees, welche auf 

———— des Gebitges mit 2730 m und 
auf dem Sübabhange mit 3050 m Höbe beginnt, 
enthält feine geoben Schneefelder, umd der Pyre— 
ndenlamm zeigt im Sommer eine zufanımen: 

hängenbe Schneebede, —— nur einzelne Schnee⸗ 
loppen und Flede. In Betreff des ewigen Schnees 
ſtehen fie den Alpen nad. Gipfel von mehr als 
3000 m Höhe find im Sommer frei von Schnee 


Col de Ma ebt. 
im vaatiichen 2 


Pyrenäen 


und nur im — finden fi 
—* und Gletſcher; dieſe find —* 
der Graouesgietſcher beim 
mg Ku w -. neben bem ig 
fie —* nur auf den * Abbängen der hochſten 
Berge zu trefien und reihen am tiefiten am Bigne: 
male, bi 2200 m, und niemals in die bebauten 
Thäler binab. Die obere Baumgrenze reicht an der 
Nordjeite bis 2415 m, an der Südjfeite bis 1625 m; 
die Getreidegrenze dort bis 1625 —8 bis 1690 m. 
Sehr verſchieden ift der landſchaftliche —*2— 
auf den beiden Seiten der P. Mäbhrend auf 
—— und trodenern Gübabhange G 
*283 Wälder nur wenig gefunden werden 
teilen Zelawände meift ganz lahl oder 


in 3000—3400 m 


er 


ner mit niederm Gejtrüpp und magern Weis | WI 


befleidet find, zeigt der jchnee: und darum quel- 


, fanfter adfallende Norbabhang eine rei: 
—* tion, iſt großenteils mit Hochwaldungen 
und ſchoͤnen en befleivet und tommt in 


feiner Natur den Alpen näher, Das Gebirge ift 
nit ſehr metallreich, zählt aber rt — 
quellen, von denen die von -. 

(1. d.) und von Bareges (f. d.) die —— 
ſind. ochſte bewohnte Ort iſt * —— in 
den Ditpyrenäen, in einer en 

Yüdemann, «Züge durd die BP.» Be 1 a: 
ben) «Reife eines Norddeutf * durch die H 
pyrenäens (2 Tle. 23. 1843); Brandes, Ausflug 
in die B.» (Lemgo und Detmold 1855); Taine, 
«Voyage aux Pyrönees» (6. Aufl., Var. 1872); 
Joanne, «Itineraire general de la France. Les 
Pyren&es» (4. Aufl, War. 1874). 

Die B. haben drei franz. Departements den Ha: 
men Das größte derjelben, das Depart. 
Niederpyrenäen (Basses Pyröntes), das füb: 
weſtlichſte Frantreihs, aus Biarn, Franzöfifch 
Navarra und den gascognijchen Landſchaften Soule 


und Labourd zujanmengejeht, zählt (1881) auf 
7622,66 qkm 434366 E. in 40 "Nantonen mit 558 


&emeinden, zerfällt in die fünf Arrondiffements | C 


Bau, Dloron, Orthe;, Bayonne und Mauldon und 
hat zur Hauptftadt Ban (j. d.). Die P. fteigen hier 
am höchſten im Süboften auf, in dem 2885 ın hoben 
Pic-du-Midi-d’Dffau, werben gegen Weiten immer 
niedriger und treten nur mit unbebeutenden Bor: 
bergen in da3 Innere des Landes ein. Dasjelbe 
gehört faft ganz dem Beden des Abour (f. d.) an, 


der einen Zeil der Rordgrenze bildet und bier eine 
Menge Pyrenäen oder Gaven aufninmt * 
die —— oder Gave de Pau im Thale 


—* mit der Gave d ODloron im Thale von Offan, 
welches die Seitenthäler Soule und Aspe aus: 
Kaufen, die Bidoufe und die Nive im Thale Bai: 
gorry. Die Nivelle im Thale Bajtan ergieht ich 
unmittelbar in Meer, wie aud das FIlußchen Bi: 
dajoa (j. d.). Das Klima ift gemäßigt und geſund. 
= Boden ift, außer in den Heibefläcdhen im Nord: 
when feud) r und liefert namentlich viel Mais, 

e Brotlorn der — guten 

—— viel Bit, befonders N Die beiten 
Pontaca, bei pnein und bei 

den — Kubertin und ) furancon gebaut. Die 
Bälder und Weiden ber Thäler und Bergacbänge 
—— die Viehzucht, namentlich von Schwei⸗ 
die berühmten Bayonner Schinten lie: 

— von Rindvieh, geihäkten navarreſiſchen Pfer⸗ 
den und von Maultieren. Die Wälder liefern Maſt⸗ 
bäume und Zimmerholz in Menge. Das Mineral: 


bem | de? 


411 

—* pendet namentlich Kupfer, auch Eiſen, Blei 
Marmor un — * den zahl⸗ 

rn ineralquellen find die von Gaur:Bonnes 


oder Aiqued:Bonned und von Eaur:Chaubes im 
obern Oſſauthale, von Laruns und Cambo die be: 
rühnteften. Die Induftrie ift wenig erheblich, lie: 
—— Frey = a tan und hl Mein‘ 
Leder un gniſſe nebft n 
Branntwein So, — Wolle, Vieh, hinten, 
Sa fleifch u. .w, bilden die Hauptgegenftände des 
Handels, den die Häfen von Bayonne und St. Jean 
u} —— 
Hochpyrenäen oder Ober— 
renden (Hautes Pyröndes), aus ben gascog⸗ 
hi hen Landſchaften Bigorre, Duatre:Balldes, 
agnoac, Teilen von Nebouzan und aus Haut: 
——— gebildet, zählt (1881) auf 4529,45 gkm 
236474 GE. in 36 Stantonen und 480 Gemeinden, 
zerfällt in die drei Arrondiffements Tarbes, Ar: 
eles und Bagnered:de:Bigorre und hat zur Haupt: 
—* Tarbes. Die P. ſteigen —— im —* du Midi 


m body und 
mi De 
und Ebenen den Norden. Der Hauptfluß ift der 
Ali entipringende Adour im —— * 
a iſt mild (außer im Hochgebirge), aber verän: 
frudtbare und gutbebaute Voden der 
—** und Thäler liefert Getreide, Flachs, Obſt 
und Wein, ber zum Zeil ausgeführt, zum Teil zu 
Branntmwein benußt wird. Die Bewä erungsfunft 
bat bier beveutende Fortſchritte gemacht. Die fetten 
Berg: und Thalweiden —— die forgfältig 
betriebene Ninder:, Schaf, Schweine: und 3 erde: 
zuct. Im Gebirge * man viel Eiſen, man⸗ 
— andere Metalle, viel Schiefer und Marmor. 
Unter den zahlreichen Mineralquellen bilden die 
von Bagneres, Bardges und Cauterets die berühm 
teiten und befuchteften pr — Bei u 
Schwefelquellen von St. findet fi 


de Bigorre 2376, im Bignemale 3290 
bededen mit ihren Vorbergen ben Süben.: 


:Sauveur bei 

höchſte Waflerfall des ** die 422 m 
ascade de Gavarnie, welche die ‚Gene de Bau bil: 
— Die Induſtrie beſch ent auf ®erberei, 
berei, Bapierf hin md nufaltur von 

— =; Wollwaren und Barẽegesſtoffen. 

—* Depart. Oftpyrenäen (Pyrenees orien- 
tales), aus Rouffillon mit Cerdagne und einem 
Teile von Razes gebildet, von — dem Mittel⸗ 
meer, den Depart. Aude und Aridge und Andorra 
begrenzt, zählt (1881) auf 4122,11 qkm 208855 E. 
in 17 Kantonen und 231 Gemeinden, zerfällt in die 
drei Arrondifiements Perpignan, Prades * Ceret 
und hat zur Hauptſtadt Perpignan (. d.). Die P. 
ug bier feine bedeutende Höhe mehr, * in 
dem 2785 m h ‚ fait ganz Sole ‚Canigou, 
breiten ſich aber in — ebenzweigen weit⸗ 

eer ſtoͤßt eine ziemlich geräu⸗ 


hin aus. An das 
mige Tiefebene, die hier von den Strandſeen von 


Et.: —— und von Leucate ** —* und von 
der Tet, dem Hauptfluß des La durchzogen 
wird. * —* bewäflert den —— 
hlreichen, ſaͤntlich gutbewäflerten in 
das von Garrol, das des Ted) und der Tet die be: 
merfenswerteften, die beiden lektern, wie die Hüften: 
ebene, von ausgezeichneter Frudtbarteit. Der Bo: 
den trägt. bier, begünftigt von dem fehr warmen 
Klima, eine große Menge trefflichen Obſtes, ſelbſt 
Drangen und Gitronen im Freien, ſowie Dliven, 
Maulbeerbäume, Melonen. und Getreide. Den vor: 


zügliditen Neichtum des Landes aber macht ber 


412 Pyrenäifher Friede — Pyrker 
Mein aus, denn bier wachſen die vortrefflichen | Berithecien nicht wie bei jenen eine Heine fporen- 
Mustatweine von Nivesaltes, Collioure u. ſ. w, | oder halsförmige Öffnung tragen, fondern alljeitig 
die unter dem Namen Noufiillonweine betannt find. geſchloſſen find und bei der Neife unregelmäßig 
Auch die Yenupung der Korleiche und der Soda üt | auseinanderreißen ober bie Ascofporen erſt nad 
gewinnreih. Die Weiden find bier mager, doch | Verwittern, reip. Verfaulen der Berithecienwand 
giebt man Pferde, Maultiere, Merinos und yiegen. austreten lafien, (S. Berifporiaceen.) 
nfangreiih ift die Bienenzucht, und aud die Sei: Pyrethrum, ſ. Chrysanthemum. 
denfultur ift nicht unbeträchtli. Das Mineral: Pyretica (richtiger Antipyretica, grd.), 
reich liefert viel Eiſen, auch Blei, Alaun und Koh: | Mittel gegen Fieber. Die am häufigiten angewen: 
Ien, fhönen Marmor und Alabafter. Die Induftrie : deten und fiherften P. find Chinin, Antipyrin, 
iſt wenig entwidelt und beſchränlt ſich auf Cifen: | Kairin, ug og Digitalis und = ierte 
büttenbetrieb, gg mar die Fabrifation von | kalte Bäder. (Vol. Fieber, Bd. VI, ©. 798°.) 
VBapier, Dlivenöl, Branntwein, etwas Tud und Pyrexie (grch.), Sieber, Sieberzuftand, ein Fie⸗ 
Leber. Lebhaft wird dagegen Eeefiicherei betrie: | beranfall. j } 
ben. Der Handel bringt namentlih Rouſſillon. Pyrgos, Nanıe mehrerer Orte ın Griechenland, 
weine zur Ausfuhr. Warme Bäder finden ſich zu befonders des Hauptortes der Eparchie Eleia in der 
Villefranche und Arles. Nomardie Achaia und Eli, 20 km weitlid von 
Pyrenãiſcher Friede heißt der zwiichen Frank: | Olympia, belebt und zumal durch Korinthenaus: 
rei und Spanien von Mazarin und Don Luis de | fuhr blübend, mit (1879) 8788 E., ift mit feinen 
Haro auf der Fafaneninfel im Bidafoaflufie 7. Nov. | Hafen Hatalölo am Golf von Arkadien durch 
1659 geſchloſſene Friede, der den feit 1635 geführ: | eine 22 km lange zur verbunden, 
ten Krieg mit dem völligen Üübergewicht Sranl: | Phrheliometer (gri.), Initrument für Mei: 
en den Rivalen beendigte. Spanien trat “ai Sonnenwärme, (S. Altinometer.) 





an Frankreich ab: Nouffillon mit der feiten Haupt: yriphlegäthon, joviel wie Bhlegethon. 
ftadt Perpignan, Conflans und einen Zeil der Ger: rit —— wurde von ben Alten ſowohl 
dagne, ſodaß die Pyrenäen ſeitdem beide Neiche | der Feuerftein, d. b. jede harte funtengebende Kie— 
trennen; in den Niederlanden Artois und Zeile von | ſelmaſſe, als aud der Schwefellies oder Eiſenlies 
Nandern, Hennegau und Quremburg mit den feften | genannt, welcher ebenfalls zum Feuerzeug diente 
(ägen Arras, Hesdin, Gravelines, Landrecy, Le: | und früher duch zu Alintenfteinen verarbeitet wurde; 
uesnoy, Thionville, Montmedv, Marienburg und | die neuere ſyſtemaliſche Mineralogie braucht dieſen 
Philippeville. Dagegen verſprach Franlreich, Por- Namen für den Gijenties, 
Be nicht zu unterjtüben. Der Prinz von Conde u Age oder Kiefe nennt man die Ediwe: 
und bie Herzöge von Lothringen, Savoyen und | fel:, Arien: und Antimonmctalle von metalliihem 
Modena und der Fürft von Monaco wurden in den Habitus und meiftens gelber, weiber oder roter, 
Zuftand vor dem Kriege —* Zu den Frie⸗ | jelten grauer oder ſchwarzer Farbe, welche im all: 
densbejtimmungen gebörte die Vermählung Lud- | gemeinen fpröde und härter als Kallſpat find. 
wigs XIV. mit Maria Therefia, der ältejten Tod): | Porig, Kreisftadt im preuß. —— 
ter Philipps IV. die 1660 allem Erbrechte auf den | Stettin, in ebener, ſehr fruchtbarer Gegend, dem 
fpan. Thron entjagte. Dennoch machte jpäter Lud: | «Meizader», Station der Stargard-Slüftriner Eifen: 
wig XIV. ein Erbrecht geltend, welches 1667 dem | bahn, von einer Ringmauer mit Türmen und büb: 
Devolutionsfriege und 1701 dem Spaniſchen Erb: | jchen Thoren umgeben, ift Sit eines Amtsgerichts 
folgefriege zum Vorwand diente, ; und bat (1885) 8058 E., ein Fkönigl. Gymma- 
renäiſche Halbinfel, die füdweitlichite | um, ein Schullehrerfeminar, eine höhere Töch 
Halbinfel Europas, die Königreihe Spanien und | terfchule, eine Kreditbant, Mafchinenfabrifen, eine 
Portugal umfafiend, fo benannt nad den Pyre: | Nübenzuderfabrit, Weberei, Viehzucht, Gärtnerei 
näen, welche fie von Frankreich trennt. und Getreidehandel. P. ift eine der älteften Städte 
Pyrenompeäten, Kernpilze, —— Pommerns; am 15. Juni 1124 taufte Biſchof Dito 
ber Gruppe der Ascomyceten. Es find ſehr zahl: | von Bamberg die erſten Pommern aus der Quelle 
reihe Arten befannt, die über die ganze Erde ver: | des alten Dttobrunnens, wo jeht das frühere Se: 
breitet vorlommen. ine beftinnmte Zahl läßt ſich minar Ottoftift ſich erhebt, welches jept emeritier: 
ni * en, da ſehr viele noch zu wenig unter: | ten Lehrern zur Wohnung dient; der neue Otto— 
fucht find. Der allgemeine —— der P. iſt die | brunnen iſt ein dem heil. Otto errichtetes Dent- 
fugelige oder flaihenförmige Ausbildung der Beri- | mal. Am 26. März 1493 wurde zu B. zwiſchen 
tberien, d. h. derjenigen Sruhtlörper, in denen | Herzog Bogiſlaw X. und Kurfürft Johann Gicero 
die og (j. Ascompceten) erzeugt wer: | von Brandenburg ein Vertrag abgeſchloſſen, welder 
den, Außer den Perithecien befipen die P. noch | die Erbfolge des brandenburg. Kurhauſes in Bom- 
verſchiedene Conidienfructififationen, deren For: | mern für den Fall des Erlöſchens bes —— 
men eine große Mannigfaltigleit zeigen. Die | Mannsſtammes feitiepte. P. führte unter allen 
P. find teils Sapropbyten, teils Paraliten, von | Städten Pommerns zuerft die Reformation ein 
denen einige Arten auf Tieren, die meilten aber | (1524). — Der Kreis Byris zählt auf 1045 gkın 
auf Pflanzen fchmaropen. Bu den ‚leptern gehört | (1880) 45055 E. 
unter andern derjenige Pilz, der die ald Mutter: | Pyrker (ob. Labiilam), von Felld-Eör, 
torn (f. d.) bezeichnete Krankheit auf verſchiedenen öfterr. Dichter, geb, 2. Nov, 1772 zu Langb in 
Getreidearten und andern Gräſern hervorruft. | Ungarn, trat 1792 in den Orden ber Gijtercienfer 
(Bol. Tafel: Pfla — Claviceps | zu ilienfeld in Unteröfterrei), hörte Theologie in 
purpurea, Fig. 4.) Den ®. ftehen die Perifporia: | dem Seminar zu St. Bölten, wurde 1812 Abt, 
ceen jehr nahe und werben auch gewöhnlich mit zu | 1818 Bifchof zu Bips, 1820 Patriarch von Venedig 
diefer Familie gerechnet; fie unterfheiden fi von | und erhielt im Febr. 1827 das Bin Grzbistum 
den übrigen P. hauptſächlich dadurd. dab ihre | Erlau und die damit verbundene Erbobergeipans 


Pyrmont — Pyrometer 


würde des Heveſer Komitats. Er ftarb 2, Dez. 
1847 zu Bien. Verdienten Ruf erwarben ihm feine 
epifhen Dichtungen; «Berlen der heiligen Vorzeit» 
(Ofen 1821; 4. Aufl., Stuttg. 1841; ital., 2 Vde., 
Brescia 1824; ungar., Dfen 1830), die «Tunifias» 
Wien 1819; 3. Aufl. 1826; ital, von Malipiero, 

ened. 1827) und «Rudolf von Habäburg» (Wien 
1824; 2. Aufl. 1827). Lyriſch Wertvolles enthalten 
feine «Lieder der Sehnſucht nad den Alpen» 
Sagen 1845) und die «Bilder aus dem Yeben 

efu und der Apoftel» (Lpz. 1842—43; 3. Aufl. 
1855). Cine Sammlung jeiner Werke erichien in 
drei Bänden (Stuttg. 1832—33; neue Aufl, 1855). 

Pyrmont, ein mit dem deutichen Fürjtentum 
Malded (j.d.) zu einem untrennbaren Staatsgebiete 
vereinigtes Fürjtentum, umfchlojien von dem preuß. 
Negierungsbezirt Minden, dem reife Hameln, dem 
braunſchw. Kreife Holzminden und den lippefchen 
Umtern Blomberg, Scieder und Echwalenberg, 
ift ein gebirgiges Landchen, das von der Emmer 
durchfloſſen wird und auf 66,35 qkm (1880) 8000 
meijt prot. E. zählt, die fi in eine Stadt und zehn 
Dörfer verteilen. Außer Aderbau und Viehzucht 
bilden die Dlineralquellen und Suranitalten des 
Hauptortes Pyrmont (f. d.), die Fabrilation von 
Cigarren, fowie Strumpfitriderei die hauptſäch— 
lichſten Grwerbsquellen der Bevölkerung. Tas 
ießige Fürftentum P. war früher Grafihaft und 
gehörte den Grafen von P., durch deren Ausjterben 
1494 das Yändchen an die Grafen von Spiegelberg, 
1557 an die von der Lippe, 1584 an die von Glei— 
den und durch Grbverbrüderung 1625 an Walded 
gelangte. P. ſchidt drei Abgeordnete in den Wal: 
dedichen Landtag. In abminitrativer Beziehung 
bildet das Fürftentum P. einen der vier Kreije des 
Fürſtentums Walded. 

Pyrmont, Hauptitadt de3 Fürſtentums P., 
im Thale der Emmer am Fuße des Bombergs ge: 
legen, Station der Linie Hannover. Altenbelen der 
Preußiſchen Staatäbahnen, zählt (1880) 1401 E., 
ift Sommerrefidenz des Fürften von Malded, hat 
zwei evang., eine fathol., eine engl. Kirche und 
eine Synagoge und ijt berühmt durd) feine Eijen: 
und Eoolquellen. P. iſt feit dem 16. Jahrh. ein 
vielbejuchter Kurort, der alljährlih von nahezu 
13000 Kurgäſten bejucht wird, die hier trinfen und 
baden, wg re Dineralwäfler, Stahlbrunnen und 
Salzbrunnen werden alljährlich in großen Uuantis 
täten verfendet (neuerdings jährlid über 100000 
Flaſchen). Die bedeutenditen Mineralquellen find 
an Gifenfäuerlingen der eiſenhaltige Trinkbrunnen 


(Stahlbrunnen), der Brodelbrunnen und der Neu: 
brunnen; auferdem ein Kochſalzſäuerling, der | 
äuerling. Die | 


Salzbrunnen und ein einfadher 
Vlineralquellen haben eine Temperatur von + 9 
bi3 -+ 11° R. Die Ummgegend des Kurortes ijt 


413 


robolif, Feuerwerlerei. 
Pyroelektricität —3 auch Kryſtallelek— 
tricität) heißt die beim Etwärmen oder Abkühlen 
mancher Kryſtalle auftretende Eleltricität. Einige 
Kryſtalle (3. B. Turmalin, Boracit) zeigen bei ber 
Erwärmung xwei entgegengeſeßt eleltriſche Pole, 
andere (3. B. Topas, Prehmt) ——— zwei gleich⸗ 
artig eleltriſche Pole. Beim Abkühlen kehrt ſich die 
Polaritãt der P. um; bei konſtanter Temperatur 
jedoch verfchwindet die P. Mit der befonders von 
Rieß, Rofe und Hankel ftudierten P. darf man die 
Ihermoeleftricität (j. d.) nicht verwechſeln, weld) 
lehtere es hauptiädhlich mit den durch Temperatur: 
unterfchiede erregten eleltriſchen Strömen zu thun 
hat, während die P. nur die rubende polare Elel: 
tricität gewiſſer Kryitalle zum Gegenitand hat, 
Byrogallusfäure,auh Byrogallolgenannt, 
C, H, (OH), ,, wurbe bereit3 im lebten Viertel des 
18. se von Schecle beim Erhiken der Gallus: 
fäure (j. d.) bemerkt, ader für identiih mit lehterer 
gehalten. Sie bildet id, wenn man Gallusfäure 
bi3 zu 210—220° C. erhiht. Diefe zerfällt dabei in 
Kohlensäure und P., welche lehtere jublimiert. 
Die fublimierte P. bildet blendendweiße lange 
Kryftallblättden oder Nadeln, löſt ſich leicht in 
Wafler, Altohol und Üther und fchmedt bitter. 
Sie findet vielfah Verwendung in der Photo: 
grapbie, Sowie zum Schwarzfärben der Haare. In 
neuerer Zeit hat man interejiante farbige Terivate 
aus der P. dargeitellt, jo das Gallein und das 
PBurpurogallin. i 
——— ein aus Carbolſäure dargeſtelltes, 
doch faum in Gebrauch gelommenes Mineralöl. 
— (Pyrolacöae) nannte man früher 
eine befondere Familie der Ditotyledonen, die jeht 
allgemein zu den Ericaceen (f. b) gejtellt wird, 
ee (grch.), Feueranbetung. 
yrolufit, f. Braunftein. , 
romanie (grch.), f. Branbditiftungs: 
trieb. ‚ euer. 
romantie (gcch.), Weisjagung aus dem 
romẽter (grch.) oder Hitemeſſer üt ein 
Inſtrument, mit welchen höhere Hibeyrade, die 
über den Siedepunft des Quedjilbers weıt hinaus: 
(iegen, gemeifen werben können. Unter den ver: 
ichredenen Vorrichtungen, die man hierzu erjonnen, 
gt das auf dem Schwinden des Thons bajierte 
P. von Wedgwood (1782) ein kaum verdientes An: 
jehen genoljen. Andere P. beruhen auf der Aus: 
dehnung eined einzelnen Metallitabes (Muſchen— 
broet 1750) oder der ungleihen Ausdehnung ver: 
ſchiedener Metalljtäbe, Auf den verichiedenen 
Schmeljgraden der Metalle beruht das P. von 
Prinſep. Auf der Erhigung der Luft bafieren die 
eine genauere Meſſung geitattenden Luftpyrometer 
(3. B. von Bonillet). Dan kann die hohen Hike: 


romantifch; dieKlur: und Badeanftalten find mufter: | grade auch mittel® des thermoelettriihen Stroms, 

aft. Intereflante Ausflüge bieten der Königsberg, | 3. B. eines Platin-Eiſenelements, mefjen, wenn bie 
sriedensthal, die Klippen bei Thal, die Erdfälle, | cine Berbindungsitelle der beiden genannten Me: 
die Gasgrotte, ber Obxberg, Hämelfche Burg, die | talle in die Wärmequelle getaucht wird, während 
Stadt Hameln, die Grterjteine, das Hermann: | die beiden andern Enden auf fonitanter Tempera: 
Dentmal dar. gl. Gruner, «Bad PB.» (Aroljen | tur erhalten und mit den .. eines eleltro: 
1873); Seebohn, «P. und feine Kurmittel» (Berl. | magnetiihen Multiplitators (Galvanometers) ver: 
1875); derjelbe, «Der Kurort B.» (Arolien 1876); | tnüpft werden, um durch dieſen den infolge der 
Braun, «Führer durch B. und Umgegend» (Byrm. | Temperaturunterfchiede entjtehenden Strom zu 
1878); Lynker, »Altes und Neues über den Kurort | meſſen. Da jedod die Stärte des Stroms ben 
P.o (Pyrm. 1880); Schüding, «Bad P. Ein Führer | Temperaturuntericieden der Enden beider Metalle 
für Kurgäjte und Fremden or. 1884) nicht genau proportional — ſo muß man auf 


3] en(:Berbinbungen). | empirischen Wege, durch Bergleihung mit einem 


varfenfäure, ſ. u. 


414 


Quftpyrometer, bie den einzelnen Stromitärten zu: 
gehörigen Temperaturen ermitteln, Zu den thermo: 
eleltriſchen B. gehören die von Pouillet, Bequerel 
u.a. Das P. von Siemens beruht darauf, daß der 
elettr. Widerftand eines Blatindrahtes nad einem 
beftimmten Gefehe mit feiner Crbigung zunimmt, 

Poromorphit (Grün: und Braunbleierz, 
Buntbleiery) iſt ein in bem beragomalen ©y: 
ftem, vorwiegend als ſechsſeitige Säule mit Grad: 
endflä ‚ tryftallifierendes Mineral, gewöhnlid 
—* inend und fettglängend, von der Härte 4 
und dem jpezifiichen Gewicht 7, meift grünlich oder 
bräunlid) gefärbt: in chem. Hinficht bejteht der P. 
aus ungefähr 90 Proz. phosphorfaurem Blei und 
10 Proj. Chlorblei. Sein Name kommt von der 
Gigentümlicheit, vor dem Lötrobr ſehr leicht zu 
ſchmelzen und dann unter Aufglühen zu einem po: 
lyẽdriſchen en rg en Horn zu eritarren, Die 
ſchonſten Fe des P. findet man zu Zſchopau 
in Sachſen, Zellerfeld auf dem Harz, Braubad) in 
Heſſen: Raſſau, Pızibram, Bleiftadt und Mies in 
Böhmen, höniguille in Vennfylvanien. 

Pyröp (Irch, von rin, Feuer), in Bezug auf 
die blutrote are bei durchtallendem Lichte, eine 
in böberm Werte ftehende Varietät des Granat 
(1. d.), ein etwas chrom: und eifenhaltiger zeugen: 
Thongranat, defien feinere Körner aud) als Scleif: 
pulver benußt werben, 

— * —8— Feuerfreſſer. 

yrophor (grch.) Luftzunder, iſt im allgemei⸗ 
nen Sinne des Wortes jeder an der Luft ſich von 
jelbft entzündende Körper. [Bindungen 1). 
eg er 1. Phosphor (Ber: 
vropiſſit oder Wachs lohle iſt eine graulich⸗ 
gelbe bis gelblichbraune, im feuchten Zuſtande net: 
bare, im trodenen erdige und leicht zerbrödelnde 
Maſſe, mit glänzendem Strich und dem fpezififchen 
Gewicht 0,0, weldhe bei Weißenfels und Helbra in 
der preuß. Provinz Sadjjen die obern Teile eines 
Braunfohlenflözes bildet; fie entzündet fich ſchon 
an der Lichtflamme, brennt mit heller rußender 
— und ſchmilzt zu einer ſchwarzen pechähn⸗ 
ichen Maſſe; mit Ather läßt ſich ein wachsartiger 
Beſtandteil von ſehr komplizierier Zuſammenſehun 
ausziehen. Der P. liefert ein wertvolles Materia 
für die Darftellung von Paraffin. E \ 
yrofäuren, j. Brenziäuren. 

Pyrofis (grch.), Brand, Entzündung; in ber 
Heilkunde das Sodbrennen. 

ram ind foviel wie Byrometer. 

yro —— ſoviel wie Chlorophan. 

rotechnik oder angewandte Wärme— 
lehre nennt man denjenigen Zweig der Technolo: 
nie, welder ſich mit der Feititellung der willen: 
—— Grundfäge und mit ber Praris aller 
auf Unterhaltung, Regierung, Benußung der künit: 
lien Wärme und des Feuers — en Gegen⸗ 
ftände beſchaftigt. Dahin gehören alle Feuerungs⸗ 
anlagen (gewoöhnliche Öfen, Gasöfen, Negenerativ: 
feuerungen) zum Heizen, S melzen, Ölüben u. f.w.; 
die Feuerzeuge und Feuerlöſchmiltel, die Bereitung 
des Sciehpulvers u, dgl. 

Im engern Sinne verfteht man unter P. die 
deuerwertgkun t. G. unter Feuerwerl.) 

yrogen, Mineral, f. Augit. 
yroxyſin iſt Schießbaumwolle. 
ſ. Deulalion. 
yrrhichius beißt in der griech. und röm. 
Metrif ein aus zwei Furzen Silben (oo) beftehen: 


Pyromorphit — Byrrhus 


der Versfuß; er erhielt feinen Namen von der 
yrrbide, einem griech. Wafjentanze, bei wel: 
roceleusmatifhe (aus P. zufammengefehte) 
Werbe: Euiter ber Büufg nach lfm genannt 
yrrho, Sti er hãu ihm genannten 
ältern fleptiihen Schule der griech. ſophie, 
war aus Elis im Peloponnes gebü und um 
376 v. Chr. geboren. In feiner Jugend Säftiete 
er ſich mit der Malerkunit, bis teils eigenes Nach 
denlen, teild das Studium der Schriften des De: 
motrit ihn der Bhilofophie jufüßrten. Ginen fei 
Lehrer, den Anarardog, foll er im Gefo 
bers b.-Gr. nad) —* begleitet und ſi —* 
ſem Zuge mit den Meinungen der Gymnof 
und Magier bekannt rg er Sein Miß⸗ 
trauen gegen das pohtive Willen ging endlich fo 
weit, dab er alles Willen für unnüg hielt, die Ent: 
baltung von allem Urteil empfahl und nur ber 
Zugend und der auf ihr beruhenden um ⸗ 
lichen Gemütsrube (Atararie) einen Wert te. 
ne Außerungen in dieſer Hinficht feine 
Gegner durch viele lächerliche Geſchichten zu perfi- 
—— geſucht. Einen großen Teil ſeines Lebens 
un — in der * a ir Seine —— 
ehrten ihn wegen ſeines ſittlichen Charakters um 
übertrugen ihm nicht nur das Knt eines Oberprie- 
fters, fondern erklärten feinetwegen auch alle Phi: 
loſophen für frei von öffentlichen Abga 
Er ftarb un 288 im hohen Alter. Die Athener ehr: 
ten ihm durch Aufitellung feiner Statue. Cicero 
—* ihn ausdrüdlich noch zu den Solratilern, 
und zwar infofern mit einigem Grunde, weil feine 
Skepfis fih an die Ironie des Sokrates anſchloß. 
Seine Anfihten trug er bloß münblid vor; auch 
die Schriften feines Schülers und Freundes Timon 
find verloren. Was man von B. und feinen An: 
ten weiß, verdanlt man Sertus iricus und 
pätern Philoſophen. Die 108, Pyrrhoniſchen 
Wendungen oder Zwei — e gehören 
. nicht alle an, fondern find teils ſchon von den 
ophiſten, teils erjt von fpätern St aufge: 
ftellt und entwidelt wo ber it es 
falſch, die Stepfis Byrrbonismus ’ 
da P.s Anfiht nur eine der eriten Gehalte des 
Sleptizismus (f. Stepfisund Steptizismus) 
war. Vgl. R. Broderien, «De philosophia Pyrriio- 
nis» (fiel 1819). 
erhopin, ſ. unter Chelidonium, 
rerho8, Sohn des Adilles, f. Neoptole: 
rrhotin, ſ. Magnetlies, ſmos. 
hula (lat.), der Gimpel. 
bus arch B rrhos), König von Epirus 
fl .), geb. 319 v. Chr., einer der größten 
erren feiner Zeit. Nach einer unter vielen 
efahren verbrachten Jugend hatte er an der Seite 
(ins Schwager Demetriod Boliorletes ven 
iederlage bei Ipſos (301) geteilt, ging für diejen 
300 als Geijel nad) — äblte dort 
mit ber Antigone, der Tochter der Kö Bere: 
— — F —— 298 in feine 
epirotifche Herrichaft zurüdgeführt. Hierauf ver: 
— er ſeine Macht durch Eroberung nach allen 
eiten; Macedonien vermochte er jedoch nurvorüber: 
gehend 288—286 zu behaupten. Ein neuer Schau: 
plap des Ruhms eröffnete ſich ihm, als ihn die Be 
mohner von Tarent im Kriege gegen bie Römer zu 
Hilfe riefen. P. fiegte zuer v. Chr. bei He: 
rallea am Siris und 279 zum zweiten mal bei As: 
culum in Apulien glanzvoll über die Römer; allein 


Pyrus — Bythagoras 


der lehtere Sieg wurde jo teuer wu, daß er, 
wie Plutarch im Leben des P., Kap erzäblt, 
lacht in die Worte un «Ro 
ein jolder Sieg und wir find verloren!» * der 
Ausdrud Pyrrhusſieg). Bon den Syraluſanern 
fen, um ihnen 


ee Beiſtand keiten folgt Bier &in. 
ger zw lei As as - n⸗ 


ladung, zumal da er 
thotles gewiſſe 348 auf dieſe Inſel zu * 
meinte, —* v. * nad Sicilien über, drängte 
—— rüd und war 
J — er ft anzugreifen, 
anf eines ftrengen —— die unzuver⸗ 
lãſſigen — Do ae ee elen. 
Er lehrte nun, von den italifhen Bundesgenofien 


dringend eriucht, nad) Italien zurüd, um den bart 
bedrängten Tarentinern abermals zu helfen, erlitt 
aber in Jtalien 275 v. Chr. bei Beneventum du 
Curius tatus eine gänzliche Niederlage. Na 
biejen Unfällen ſah er ſich genötigt, a8, nad | Epirus 
er Angrif X os * —5368 eek. |bah 
auf Ara v. Chr 

9, Nom und König B.» (Halle 1870). 

PR he I —23 —— aus der 


— — des ——— — 


—— auch des innern, das 
den Fruchtſleiſches, du 
De Mnkasit bi nicht moi jenben, fondern 
und —*— elchzipfel, durch 
in Doldentrauben oder nmengefehte Trug⸗ 
dolden —— — It a einfach che Blätter, 
3 baum» und ftraucförmigen Arten, 
melde fi groß: und Lleinfrüchtige einteilen 
— * 
dei en in 


a 5 cm 
Apfel: und Birnbäume. (6. ie; Apfel: 
baum und Birne, Birnbaum.) Die Heinfrüd: 
rien, welde von ben meilten Botanilern 
— Sorbus —e— werden, haben viele 


reife 


en in zuge, zufammengefeßte | 2 
er —— nn 
— aſiat. und nordameri 

—— gehören bie Ibirne (P. Aria 


A, Sorbus rs, die Elfebeere, Elze: 
— (P, torminalis Ehrh., Sorbus torminalis 
Ortz.) und dieDpelbirne (P. intermedia Ehrh., 
Sorbus scandica Fr.). Erftgenannte Art, ein auf 
Kalkboden, an Haltfelien in Mittel- und Südeuropa 
wild wachfender und bei zus cl als Ziergehölz häufig 
angepflanzter Großſtrauch oder Heinerer Baum iſi 
durch de. —— gehe unterfeits fchnec- 
* ie . ur) Tänglichrunde, rote, 

55 chte ausgezeichnet. Die 
en iR Kal oden tiebenbe, in Mittel: 
europa ſche und auch oft zur Bierde kultivierte 
Art wir —— —* 3 au 
berzeiförm pige, ahornäbnliche er 
bejibt und 24 u. —— 


chte, faſt 
von ber Größe der m or de, von jänerlichem 
Geichmad trägt, fen er einem Froft einiger: 
—— geni — ee. 8 im Kern rötlich— 


mte, hart ‚ 
per ge Tele es ſich nicht hehe und — F 


tur annimmt, wird zu Maſchinenteil em. Vreſſen, 
Schrauben, ſowie zu En Dredöler: un een 
arbeiten ar Ad namentlihin Südſchweden 


‚d Deutichland t 
ns ons J— 366 


415 


beiden gen ech Arten nd bie ringsherum 

— zahnte Lappen zerſpaltenen, übrigens 

eiförmigen® tter, die unterfeits ——— 

und ſich im Herbſt ſcharlachrot färben. Die 

or denjenigen des Meblbirnbaums äh 

iefe Art wird häufig als Fierbaum angepflangt 
üttenwerf bei ee; rg (.d.). 
agvräilch, f. a a 
öras, ein Weifer 


= iiter der Itali Säle, 
Sri br u Als fein 


ae wirb die — ‚Samos genannt; fein Bater 
Mneſarchos foll a u oder font einer Eon 
Stadt —— Nachri 
fein =. wu —* ne Ben, intiefnden Be * 
en vun iſſer i 
Ye bes Bolpfrates und vermutlich a 
sobre Abneigung gegen deſſen Alleinberr, 
daft, 40 J. alt, Samos a Kroton in Un: 
—— ien ewandert iſt. er eine höchſt be: 
ee war > daraus hervor, 
daß er —— der Stifter und SR ttelpuntt einer weit: 
—— und einflußreichen —— ft ie 
Botba priiden Dunbeb, wurde 
und polit, Zwede uerfolgle und * burg je 
liihe Gebräuche von der MI taffe ab 
——— wurden einer 2* und ſorg⸗ 
fältigen Prüfung ——— fie mußten ſich wäh: 
rend einer langen Lehrzeit bewä ren, und in biefer 


waren fie nur —— — —* torität des Mei: 

ſters unterworfen. de LebenSorbmung 
war eine den tere + En. die y den 
eine große Familie betrachteten, emeinfame; eng 
geregelte Mäßigfeit in tn Genüflen, ein 
forgtältig ——— wiſchen gymnafti- 


fchen und gen (teligiöfen un u elbft ascetifchen) 
fibungen — Selbitprüfun —* 6 
derſelben. Cine Abhängigleit der ganzen Einzie- 
tung wie einzelner Borfchriften von den Gebräuchen 
der ägypt. ski iefterfafte ift unverfennbar._ Die —* 
Wirkſamkeit iſt wahrſcheinlich in der Hand eines 
engern Ausſchuſſes von 300 Mitgliedern konze 1: 
triert gewefen; Vythagoriſche Berbrüderungen, die 
von dieſem abbingen, feinen in mehrern unter: 
ital, und ficil, Städten beitanden zu haben. Ihre 
Tendenz, gegen demokratifche Neuerungen (bie zum 
Teil von dem Ehrgeiz einzelner, die nad) der Ty- 
rannis jtrebten, benupt wurden) die dor.=ariftolra- 
tifchen Staatsformen — u erhalten, hatte 
mern, wie es fcheint, bedeutenden ee, wurde 
aber fpäter bie —53 zur Zerſtörung des 
Bundes. Der erbittertfte Gegner des P. in Kroton 
jetoft war Kylon, ein angeje hener Bürger. Diefor 
ie das Haus des Milo, wo eine Anzahl Batbe ba: 
goreer ver —— war, ingeln und anzit 
egen 40 Berfonen, uhr Ban nad) änoen, or 
Peibit, follen dabei das Peben verloren haben. Na 
andern floh er nad) Lolri, wo man ihm die Auf- 
nahme verweigerte, und foll in Metapontum pe: 
ftorben fein. Die Wirkjamtleit des Bundes war a 
gebrochen, und die Epuren deöfelben verlieren ſich 
nad) kurzer Zeit, obgleich einige ide goreer auch 
fpäter noch eine ſehr einflußrei tellung ein: 
nahmen, Bol. Jam lichus «De vita Pythagorica⸗ 
(heraus ‚von fichling, X 3.1815—16; von Wefter: 
ei ar. 1850); Kriſche, «De societatis 
ora in En Crotoniatarum conditae 
—— itico» (Gott. 1830); C. 2. Heyder, «Ethi- 
ces Pythagoreae vindiciae» (Sranff. 1854). 


416 Pythagoreiſcher Buchftabe — Pythagoreifhe Zahlen 


Die Wirkfamtleit des P. lag hauptſächlich in der | ſpraͤchen. Sie nahmen diefer Sphären zehn an: die 
Nichtung einer religiöfen, moralijchen und polit. | ſechs damals befannten Planeten, Sonne, Mond, 
Neformation. Er lehrte vor allem den Monotheis: | Erde und eine hypothetiſche «Gegenerden, Bon der 
mus, die Unfterblichteit der Seele in der ägypt. | Erde lehrte Philolaus eine tägliche Bewegung um 
Form der Seelenwanderung und eine lautere Mo: das Gentralfeuer, jpäter Hiketas von Syralus ihre 
ral, zeigte jedoch in der Anordnung des Unterrichts | Achſendrehung, andere fuchten beides zu vereinigen. 
die weile Einxichtung, diefe Lehre nicht den gewöhn: | ie Pythagoreer entwidelten eine große willen: 
* Vorſtellungen der Griechen ſchroff entgegen: | ſchaftliche Thätigkeit. Ihre Lehren fanden durch 

l 

ch 





uſtellen, fondern vielmehr aus denſelben allmäh: | Alkmäon eine Annäherung an den orient. Dualis— 
id) und zwar vermutlich dur Vermittelung der | mus, durch Hippafus von Metapontum eine noch 
in den Myſterien, befonder3 den orphiichen, um: | mehr an Herallit, durch Elphantus eine an den 
laufenden Gedanten zu entwideln. Daneben forgte ‚ Atomismus erinnernde Formung, burd den Klo: 
er dafür, daß feine Schüler fi eingehend dem | miker Gpiharmus eine allgemeine Verbreitung. 
wilienichaftlicen Leben widmeten, und richtete die | Auf Plato haben fie einen großen Einfluß gehabt, 
Thätigkeit derjelben hauptſächlich gi die mathem. | und namentlid) in der lehten Zeit feines Lebens hat 
Etudien. Er jelbit beſchäftigte fich fehr lebhaft mit | er ſich bemüht, feine Jdeenlehre mit der Pythago— 
denfelben, und es wird auf ihn der mad) ihm be: | teiihen Zahlenlehre zu verlnüpfen. In den eriten 
nannte Pythagoreiſche Lehrias (ſ. d.) zurüdgeführt. | Jahrhunderten nad) Chriftus ſuchten die fog. Neu: 
Ihm ſchreibt man aud) die Entdedung zu, daß die | pythagoreer (f. d.) in der Zahlenlehre des P. eine 
muifaliihen Tonverhältnifie ſich durch Zahlenver: | Quelle höherer Weisheit. 
hältnifie darftellen laflen. Aufmerkſam gemadt | Dal. Ritter, «Geſchichte der Bytbagoreiichen Phi: 
durd den verfchiedbenen Klang der Hämmer in der | lofophie» (Hamb. 1826); A. Wendt, «De rerum 
Weriſtãtte eines Schmiedes, Fort er durch das Ber: | principiis secundum Pythagoreoss (Lpʒ. 1827); 
bältnis der Gewichte der Hämmer auf die Grfin: Pen «Beitrag zur Crläuterung der Pytha— 
dung des Monochords, ſowie auf die Beitimmung | goreiihen Metapbyiit» (Jena 1827); Brandig, 
der Zonfeiter (Pythagoriſche Lyra) gelommen fein. | «liber die Zahlenlehre der Bythagoreer» (im «Rheis 
Im Anſchluß an diefe Studien haben fpäter die | niſchen Mufeums, Bd. 2, 1828); Gladiſch, «Die 
Pythagoreer ein eigentümliches philof. Syitem | alten Schinefen und die Rythagoreer» ( Bof. 1841); 
aufgeteilt, welches unter dem Namen ihrer Zah: | Nöth, «Geſchichte unferer abendländ. Pbilofophier 
ig befannt iſt. Die bedeutendjten unter | (Bd.2, Mannh. 1862); Rothenbücher, «Das Syitem 
ihren find Philolaus aus Kroton oder Tarent, | der Bythagoreer nad den Angaben des Ariitoteles» 
Drellus aus Lulanien, Timäus aus Lolri und | (Berl. 1867); A. E. Chaignet, «P. et la philo- 
Archytas aus Tarent, Doch iſt es fchwer, ihre | sophie pythagoricienne» (2 Bde,, Bar. 1873). 
Lehren genau feftzuftellen, da ihre erhaltenen Frag: yt —— Buchſtabe, ſ. Y. 
mente zahlreiche jpätere Unterfchiebungen verraten. j 
Bol. Bödh, «Philolaus! des Pythagoreers Leben 
nebit den Bruchſtücken feiner Werte» (Berl. 1819); 
D. 5. Gruppe, «Liber die Fragmente des Archytas 
und ber ältern Pythagoreer» (Berl. 10; Ded: 
mann, «De Pythagoreorum reliquiis» (Berl. 1844); | opfert haben foll. Der Er, beißt: «In jedem re 
Nofe, «Commentatio de Aristotelis librorum or- | winfeligen Dreied iſt da3 Quadrat der Hypotenufe 
dine et auctoritate» (Berl. 1854); Schaarihmidt, | glei der Summe der Quadrate der beiden Has 
«fiber die angebliche Cchriftitellerei des Philolaus» | teten.» Bezeichnet man demnach in einem ſolchen 
(Bonn 1864); Mullad, «De Pythagorae eiusque | Dreied die dem rechten Winkel gegenüber liegende 
discipulis et successoribus » (in «Fragınenta phi- | Seite (die Hypotenufe) mit a, die beiden andern 
losophorum Graecorum», Bd, 2, Par. 1867), Seiten (die Katheten) mit b und e, ſo iſt a?=b?+c?, 
Tas ep diejer Lehre Scheint auf den Ver: | In innigem Zufammenhang mit dem aufgeführten 
ſuch hinausgelaufen zu fein, den eleatiihen Begriff | Sap ftehen die folgenden: Fällt man in einen recht: 
von der Ginheit des Seins mit der heraklitiichen | winkeligen Dreied ABC von der Spike A des red: 
Sehre von der Vielheit der ewig werdenden Dinge | ten Winteld ein Perpendilel AD auf die Hypotes 
in der Weile zu verjöhnen, daß die Ableitung der | nufe, jo ift 1) das Quadrat über diejem Perpen« 
Zu aus der einheitlichen Gottheit in derſelben dikel an Fläche gleich dem Nechted aus den Ab— 
Weile begriffen wurbe, wie diejenige des Zahlen: | jhnitten der Hypotenufe, AD? = BD-DC; 2) das 
ſyſtems aus der Eins. —J— dieſe Weiſe erhielt in Quadrat irgend einer Kathete iſt gleich dem Rechteck 
d * Syſtem jeder Begriff eine beſtimmte Stelle, | aus der Hypotenuſe und dem an jener Kathete lies 
welche pi mit einer ber Zahlen in Barallele fekte. — — derſelben, AB? = BO · BD oder 
AC?=BC» 


ythagoreiicher Lehrſah, einer der wichtig: 
ften und folgenreichiten geometr. Lehrſähe Tdaber 
früher häufig Magister mathes&os genannt), 
den Vythagoras fand, worauf er nad) Diogenes 
von Laertes den Göttern eine Helatombe (f. d.) — 
t⸗ 


Darin beſtand die pythagoreiſche Zahlenfymbolit C; 3) das Rechteck aus ben Katheten 
oder —— es Zahlenſyſtems iſt gleich dem Rechteck aus der Hypotenuſe und 
alten ihnen die 4 und die 10 (=1+2+3+4) als | ihrem Perpendilel, AB- AC = AD-BC. Für den 


ejonders heilig. Auf den übrigen Gebieten, 3. B. | Nythagoreiichen Lehrſatz gibt es eine große Anzahl 
bei den — Grundbegriffen eine wertlofe Spie: | Beweiſe. Bol. Hoſſmann, « Der —— read 
lerei, enthielt diefe Anſicht auf demjenigen der | Lehrfah mit 32 Beweifen » (Mainz 1821); Müller, 
Phylit eine unklare Ahnung von der mathem, Ge: | « Syftematiihe Zufammenftellung der wichtigften 
[eßmäßigfeit ber Ratur. Namentlich wertvoll waren | bisher befannten Beweiſe des Pythagoreiſchen 
ie aftron. Lehren diefer Schule. ie hatten nad) | Lehrfages» (Nürnb. 1819). 
aaypt. Vorbild die Vorftellung der Bewegung von ythagoreiſche Zahlen heißen 3 8* Zah⸗ 
phären um ein Centralfeuer, aus der die berühmte | len a, b, c, wenn a! +b?=c?ilt. 3. B. 3, 34,5 
Sphärenharmonie hervor eben follte, da die Abs | find Pythagoreiſche Zahlen, weil 9 + 16 = %, des: 
ftände derfelben den mufitalifchen Intervallen ent: | gleichen 5, 12, 13, u.f.w. Ein Dreied, dejien 


Pytheas 


Seiten ſich verhalten wie Pythagoreiſche Zahlen 
a, b, e, it rechtwinkelig und heißt ein Pythago— 
reiſches Dreied. 

Pythẽeas, aus Maſſilia, vorzüglicher Geograph, 
Aſtronom und Mathematiler des Altertums, dem 
man die erfte beftimmte Runde von den norbweitl. 
Gegenden Europas und deren Bewohnern ver: 
banft , lebte zur Zeit Aleranders d, Gr. und unter: 
nahm um 334 v. Chr. von feinen Geburtsorte 
Maffilia, dem heutigen Marfeille, aus eine See: 
reife nad) dem brit. Cantium, dem jegigen Kent, 
von da na ae: worunter Pelewel die Ortabi: 
[den und Shetländifchen Inſeln, Müllenhoff eine 

r vr * und in das ſog. Bernſteinland. 
Auch hat er eine Meſſung der Sonnenhöhe mittels 
de3 Gnomons zur Zeit der Sommerjonnenwende 
ausgeführt, die Lage des Weltpol3 genauer ie 

eftellt und wohl auch die geogr. Breite von Maf: 
Alla bejtimmt. Bon der Beihreibung feiner Ent: 
bedungsfahrt, die er unter dem Titel · Vom Dcean» 
in griech Sprache verfaßte, haben ſich nur Brud;: 
ftüde erhalten, welche von Arwedſon (Upſ. 1824) 
und Schmetel (Merieb. 1848) gefammelt und er: 
Härt worden find. Weil man die von P. berichteten 
Erſcheinungen in dem die norbweitl, Hüften Euro: 
pas befpülenden Ocean mit den allgemein verbrei: 
teten Vorftellungen von ber Beſchaffenheit der nördl. 
Länder und Meere nicht vereinigen konnte, litt P. 
unter den Schmähungen eines kritiſchen —— 
namentlich wurde er nach des a. organg 
bei Strabo als lügenhaft mit Tadel überjchüttet. 
Bol. Lelewel, « Entdedungen der Karthager und 
Griechen im Atlantiihen Dceans (Berl. 1831)), fer: 
ner die von Strafzewicz herausgegebene Schrift «P. 
de Marseille et la geographie de son temps» 
Par. 1836; deutſch mit Zufäben von Hoffmann, 

eeyz br,«De Pythea Massiliensi» (Darmit. 
1835); Redslob, «Thule. Die phöniz. Handels: 
wege nad) bem Norden» (£p3. 1855); Beflell, «Über 
BP. von Maffilien» (Gött. 1858); Ziegler, «Die 
Reiſe des P. nad) Thule» (Dresd. 1861). Nament: 
lid hat neuerdings Müllenhoff in feiner «Deutfchen 
Altertumstunde» (Bd. 1, Berl. 1870) die Refultate 
des P. einer —— Unterſuchung unterworfen, 
welche für die Bedeutung und Glaubwürdigleit des 
P. ſehr günftige Ergebnifje gehabt hat. 


— qmm 417 


thia, die Brophetin bes Delphifchen Oralels 
Del) be bei der Befragung desſelben auf 
einem Dreifuße über dem dampfenden Schlunde zu 
Delphi thronte und deren in der Verzüdung aus: 
geſtoßene Worte der Opferpropbet formulierte, 
war in den frühern Jahrhunderten ftet3 eine Yung: 
frau (Bürger: oder — aus guter Fa: 
milie; in der Blütezeit des Oralels wurden fogar 
drei folder P. beichäftigt; im fpätern Zeitalter 
war die P. eine Frau in Altern Jahren, 

. Bothien oder Pythiſche Spiele nannte man 
eins der vier großen hellen. Nationalfeite, welches 
der Sage nad) von Apollo jelbft nad) Überwindung 
des Drachen — (1.d.) in Delphi geftiftet worden 
fein follte, Uriprünglid) fanden dabei nur mufifche 
MWettlämpfe ftatt. Panhelleniſche Bedeutung er: 
hielt das Felt feit 590 v. Ehr., wo e8 nad) den 
eriten glänzenden Erfolgen bes fog. erften Heiligen 
Kriegs durd die — e Amphiltyonie 
neu eingerichtet und erweitert wurde. Die Feier 
fand nunmehr alle vier Jahre, und zwar im dritten 
Jahre jeder Olympiade, im delphiſchen Monat Bu: 
tatios (Auguſt oder September) unter der Leitung 
der Amphiftyonen ftatt, und e3 wurden dabei außer 
den muſiſchen auch gymniſche und hippiiche Wett: 
tämpfe, wie bei den Olympiſchen Spielen, ab: 
—— als Wettpreiſe erhielten die Sieger Lor— 

eerlränze. Lieder zur Verherrlichung folder Sie: 
ger gibt es no von Pindar, Die Feier erhielt ſich 
bis ins 4. Jahrh. n. Chr. Bol. Weniger, «Die 
religiöfe Seite der großen ng (Brest. 1870). 

ython, fpäter auch Delpbynes genannt, 
war nach der grich. Mythologie ein furdhtbarer 
Drache, der am Parnaß baute und von Apollo ge: 
tötet wurde; Apollo erhielt davon den Beinamen 
des Pythiers. 
eeee, ſ. unter Rieſenſchlangen. 
yurie (arh., Siterharnen), ber mehr oder 
minder reichliche Abgang von Eiter durch den Harn, 
wodurch berjelbe trübe, mildig und ſtark ſedimen— 
tierend erfcheint, meift Solge von afutem oder dhro: 
nihem Harnblafentatarr), Nierenabicefien und 
andern Nierenkrankheiten. (S. unter Sarnblaje 
und Nieren.) u . 
Pz., die Chiffre des Militärfchriftitellers Karl 
Eduard Pönit (. d.). 


—* 


O it der ſiebzehnte Buchſtabe des lat. beutfchen 
und ber meilten übrigen abendländ. Alphabete, ge: 
wöhnlid mit einem nachfolgenden u vorlommend. 
Der Pautwert des q ift= K. (S. unter el 

Als Abkürzungszeichen fteht Q (oder Qu) 
und q in röm, Snforilten. Handſchriften u. ſ. w. 

ür Quintus, Quirinus, quaestor, quartus; bei 
lächenbeftimmungen beißt Q, q (oder Qu, qu) fo: 
viel ald Quadrat, } B. Oflilom. oder qkm = Qua: 
dratkilometer; beiden franz. Franzthalern bezeichnet 
Q bis 1709 die Münzitätte Narbonne, fpäter Per: 
—* und Chälons; qu ſteht für quäſtioniert (in 
age ftehend), [bench. 
«B., Ablürzung für Queen’sBench, ſ. King’s 
O. Abkürzung für Queen’s Counsel (f, unter 
Counfel), aud für Queen’s College (f, unter 
Cambridge). 
Converſations· Lexilon. 13. Aufl. XIII, 


om, offizielle Abkürzung für Duabratcentimeter. 

8. D.b. v., Ablürjung für Quod Deus bene ver- 
tat (lat., d. b. was Gott zum Beiten lenken möge). 

Q. e., Abkürzung für Quinta essencia (Duint: 
eflenz); aud) für quod est (lat., d. h. was bedeutet). 

Q. o. d., Abkürzung für Quod erat demon- 
strandum, f, unter Demonstrandum. 

Q. F. F. F. S., Abtürzung für Quod felix 
faustum, fortunatum sit (lat., d. h: was glüdlid) 
von ftatten gehen möge); mit dieſer Formel be: 
gannen Tonß ie Geridtsverhandlungen. 

km, offizielle Abkürzung für Duadratlilometer. 
.1., Abkürzung für Quantum libet (lat., d. h. 
fovicl als beliebt). 

qm, offizielle Abkürzung für Quadratmeter. 

qmm, offizielle Abkürzung für Quadratmillis 

ı meter, 
27 


418 


.pl., Abkürzung für Quantum placet (fat., 
—8 als gefäio it). [was recht ift). 

.r., Ablürzung für Quod rectum (lat., d. b- 

. 8., Ablürzung für Quantum satis (lat., d. h. 
ſoviel als eben genügt). 

Sundelbeeren,, joviel wie Wacholderbeeren. 

Quackſalber, ein Medizinpfuſcher, ift zunächſt 
die Bezeichnung für jene herumziehenden Wunder: 
doftoren, die auf öffentlichen Plägen und freien 
Straßen die Wirkungen ihrer Salben, Bilafter und 
Tinlturen mit geläufiger Zunge anpriejen (qualen 
— ſchnattern, quälen wie eine Ente). Dann über: 
haupt die Benennung für jeden, der ohne willen: 
ſchaftlich mediz. Bildung Heilveriuche unternimmt, 
aijo «turieridmwindel» treibt. (S. Charlatan.) 

Quadjalberei, ſ. Medizinalpfujherei. 

Meitelmal, Pomphus), eine flache, 
unregelmäßig geftaltete, doc ſcharf umfchriebene, 
bellrötlihe Anſchwellung der Haut, weldye durd) 
die Ausſch g einer feröjen Siuffgteit in das 
Gewebe ber Lederhaut entiteht. Die O. bilden bie 
Grundform mehrerer Hautkrankheiten: der Reſſel⸗ 
fudht (f. b.), des Lichen urticatus, der ſich von der 
eritern durch bie Aleinheit der D, unterfcheibet, des 
fog. Borzellanfriefels (Essera) u. a. Auch gehören 
die Sloßitiche und bie durch Brennnefjeln entftehen: 
den Hautausſchlãge hierher. , , 

on (Drean), ein Atoll in der Ralillette 
bed Marſchallarchipels, mit 40 Inſeln, worunter 
Namo und Kwajelein die bedeutenditen find. 

Quaden, die jüböftlichjte jneviiche Völlerſchaft, 
ſaßen vom 1. bis zum 4. Jahrh. n. Chr. im heutigen 
Mähren und im nordiweitl, Ungarn, namentlidh 
zwiſchen Mar) und Gran, zwiichen der Donau, 
dem Mähriichen Höhenzug und den Karpaten. Sie 
werden gewöhnlich zufammen mit den ftanmıver: 
wandten Marfomannen genannt und nahmen kräf⸗ 
tigen Anteil an den Striegen dieſes Volls und der 
jarmatifchen zjasyoen gegen die benachbarten röm. 
Provinzen. Nachdem ihre Macht genen Ende des 
4. Jahrh. bedeutend geſunlen, verichwindet ihr 
Nanıe gänzlich im 5. Jahrh. PWahriceinlic find 
fie, teil vermifcht mit andern fueviihen Stänmen, 
weitwärts gezogen, teils, in den alten —* zurüd⸗ 
bleibend, unter nachrüdenden Völkern aufgegangen. 

DQuader (oder Hauiteine) nennt man alle aus 
dem Rohen regelmäßig zugehauene oder rein be: 
arbeitete Werkitüde aus natürlichen Stein, nament: 
lih Sandſtein, welche befonders zu Grund: und 
Waſſerbauten, aber auch zu Obermauern, 3.2. bei 
Monumentalbauten, verwendet werden. Je nad): 
den die Steine, die meijt die doppelte Breite oder 
Höhe zur Yänge haben, mit der lehtern Dimenfion 
nad) der Tide oder Länge der Diauern gelegt wer: 
den, nennt man fie Binder oder Läufer. Meiſt 
wechſeln in jeder Schicht Binder und Läufer niit: 
einander ab (Ouaderverband). Duadermauern find 
aus jolden Q. hergeitellte (maffive), bisweilen aber 
auch nur cin: oder zweifeitig bamit verfleidete (ver: 
blendete) Mauern, deren Zwiſchenraum aus joy. 
Fullmauerwerk beiteht. 

Die äußere oder Kopffläche der D. lann in ner: 
ſchiedener Weife bearbeitet, 3. B. gefpibt, ſcharriert, 
geihliffen oder mit Gliederungen verjehen fein. 
Auf der Oberfläde rauh zubearbeitete, gefrönelte 
oder mit wurmförmigen Vertiefungen verjehene Q., 
die befonders zu Sodel: und Varterremauern Ber: 
wendung finden, nennt man Rujtilaquader. 
Im Mittelalter verſah man die DO. häufig mit 


| 
| 


m 7m m m ——— 
= 


Q. pl. — Quadrat 


Bofien (Kröpfen), die — Anfaffen oder leichtern 
Verſetzen dienten und ſpäter abgearbeitet wurden, 
bisweilen aud) ftehen blieben (Budeljteine). 
Qunderjanditein, ein gelblich-weiber .. 
jandjtein mit weitläufiger Schichtung und jent: 
rechter Duerflüftung, deshalb zur Uuader: und 
Felsbildung geneigt, bildet ein Glied der obern 
Streibeformation, z. B. in der ſächſböhm. Schweiz, 
bei Adersbach und Medelsdorf, bei Quedlinburg, 
aus welhem Grunde leistere wohl auch al3 Dina: 
derianditeinformation bezeichnet wird. 
Duadragena (lat.), in der fath. Kirche in Be- 
zug auf Buße, Ablaß x. ein Zeitraum von 40 Tagen. 
Quadragesima, Duadrageiimalfaften, 
f. unter Safen (al3 Neligionsübung). 
— — — 
t. quadrangulum), ered, 
Quadrat; quabrangulär, vieredig. 
ans (lat.), der vierte Teil eines Gangen, 
onders eine altröm. Rupfermünge im von 
Y,Q8 (f. d.); früher auch ein Gewicht von 3 Unzen 
nad Medizingewidt. 
Sn zant, a - bie neuere Zeit von 
Aſtronomen vie enußtes Inſtrument zur 
B der Höhe von i welches aus 
einem geteilten Viertellreiſe und einer Alhidade 
mit Dioptern, refp. einem Fern zum Biſieren 


beitebt. Die D. waren zum Tei bel 
eingerichtet, indem fi der Gra an einer mit 
einem Fußgeftell ebenen vertifalen Säule be- 


fand. Zu den genauern Beobachtungen dienten 
die jogenannten Wanerquadranten, welche an 
einer in ber Richtung des Meribians jtehenben 
Mauer angebracht und in Guropa zuerit von Tycho 
de Brahe angewandt wurden. Die Beobachtungen 
mit benjelben erreichten namentlih, als man jtatt 
der Dioptern Fernrohre zum Bifieren benußte, eine 
große Genauigkeit, und erft in der neuern Zeit find 
Iben einerjeit3 durch den Gertanten und die 
transportabeln Univerjalinjtrumente und anderer: 
jeit3 den Meridiantreis verdrängt worden. 
Als Zubehöritüäd von Geihügen wird der D. 
bemubt, um dem Rohr die gehörige —— zu 
eben. Der Gebrauch des D. zu diejem } iſt 
i Mörſern Regel, bei Kanonen nur fakultativ, 
als Erſaß de3 Auffabes (j. d.), wenn das Ziel über 
das Geihükrohr hinweg nicht fihtbar ift oder die 
Länge des Aufſahes nicht augreiht, auch um beim 
Richten beſſere Dedung zu haben. In früherer Zeit 
hatte man Bendelquadranten, jeht benubt man aus: 
ſchließlich Libellenquadranten. Der Q. wird auf 
eine am Nobr fih als geeignet darbietende oder 
befonders angebrachte Fläche aufgejeht. 
Quadrautel, rom. Hoblmaß, ſ. u. Amphora. 
Quadrat heiht ein Vieret, deſſen Seiten und 
Winkel fämtlih untereinander gleich find, aljo ein 
regulierted Biered. Megen feiner Einfachheit dient 
das D. als Einheit bei der Ausmeſſung der jenen 
oder Flähenräume; das Duadratmaß heilt 
Quadratmeter, Ouadratcentimeter u. ſ. w., je nad): 
dem bie Seite desjelben einen Meter, Eentimeter 
uf. w. lang ift. Um den Flächeni eines Q. 
zu finden, muß man die Seite desfelben mefjen und 
mit fich jelbft multiplizieren; iſt z. B. die Seite 7 m 
lang, fo ift der Inhalt 49 qm. Deshalb nennt man 
vor die zweite Botenz einer Zahl (oder ihr Pro: 
duft mit 19 jelbit) das Quadrat derjelben. 
Magiſches Duadrat nennt man ein D., das 
ſchachbrettartig in Felder eingeteilt, in welche die 


Quadrateifen — Quaglio 


natürlichen Zahlen ober auch die lieber einer be: 
liebigen aritbmet. Progreifion eingetragen find, 
aber jo, dab die Horigontal:, Vertifal: und Diago: 
nalreihen gleihe Summen geben, 3. B. 


1 J15!14] 4 
1216 |7 |» 
slıoluıl5 
13/3] 2 ]ı6 


Die Zahl der Felder an age Seite heißt die Sei: 
tenzabl oder Wurzel des Q., wonach man magische 
D. mit gerader oder ungerader Seitenzahl unter: 
ſcheidet. Ihr Urſprung iſt in Indien * U a 
ihre Benennung haben fie ohne Zweifel von dem 
Gebraude, den man ehemals (wahricheinlich ſchon 
in Indien) von ihnen als Talismanen (f.d.) machte, 
In dieſer — t gelten die erſten ſieben A. von 
den Seitenzahlen 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, mit den erſten 
9, 16,25, 36, 49, 64, 81 natürlicyen gaben beſeßt, 
für beſonders wichtig; man nennt fie lanetenftegel 
Sigilla Saturni, Jovis, Martis, Solis, Veneris, 

ereurii, Lunae). Geitvem Moſchopulos (um 
——— die magiſchen D. ng anern baben ſich 







auch Mathematiter mit denjelben beichäftigt,, unter 
denen Frenicle, Lahire, Sauveur, Euler, Klügel 
und Mollweide zu nennen find, 

eifen (fr. fer carr&, engl. square bar- 


iron), vierlantiges Eiten, f. unter Walzeifen. 
Auadratiiche Gleichung, VBezeihnung ber 
Gleichung (f. d.) zweiten Grades. 
Sunseaimah, 1 ir Onsdrat, ofehrift 
r t die in den Handſchriften 
der —— angewendete Schrift, welcher die 
iebigen bebr. Typen nadgebildet find. Gie iſt 
die einer aramãiſchen Schriftart, die feit 
Gras Zeit bei den Juden in Gebrauch kam und 
die althebräifche (phöniziiche) Schrift allmählich ver: 
drängte, Un bie Zeit Cheiftiwarhe mit ihren Gigen: 
tüm ten ſchon ganz ausgebildet und hat ſich in 
diejer Jorm either wenig verändert erhalten. Die 
rabbintjche Aurfivfchrift iſt eine Abart davon. , 
tür, die Berechnung des Inhalts einer 
—— Planfigur, geſchieht durch Integral: 
auch durch Verwandlung der krumm 
linigen Figur in eine gleichgroße geradlinige, Über 
die D. des Kreiſes f. u. Kreis (geometriſch). 
In der Analyjis heißt DO. die Berechnung bes 
[8 eines gegebenen Differentials, z. B. ydx, 
wenn y mit x burd eine Gleichung verbunden it; 
dagegen wird die Auffindung des Integrals einer 
gegebenen Differentia gieicjung eine Integration 
genannt, die. man auf OÖ, — ſucht. 
(in ber Sternlunde), ſ. unter 


Wipelten. 
— f. unter Wurzel (mathem.). 
Quaäriönnium (lat.), Zeitraum von vier 


(lat.), vieredig machen, eine arith: 
metifche Größe ins Quadrat erheben: in der Bau: 
funft: den Bub eines —— mit Quaderfugen 
v um O una men. 

m eg —— für di 
ie zeichnu r einen 
von vier et geptnnten ren ge: 
jogenen Wagen (Vier nn), rend der mit 
Pferden Amer. iga genannt wird. Der 


durch die Achſe verbundenen Rädern 


419 


rubende Wagenlaſten war hinten offen, vorn mit 
einer niedrigen Brüjtung umgeben, die teils aus 
bloßem Holz beitand, teild mit Leder oder auch mit 
Grjplatten überkleidet und gewöhnlich mit orna: 
mentalen und oft auch bildnerifhem Schmud ver: 
ziert war, Den obern Rand der Brüftung bildete 
ein feiter Holm oder Bügel aus Holz oder Metall, 
an dem fich der wer, dem Wagen Stehende (im der 
Schlacht der eigentliche Ränıpfer, der immer nod) 
einen Wagenlenter neben fi) hatte) mit einer Hand 
feithielt. Diefe Wagen wurden bei den Römern 
wie bei den Griechen der hiftor. Zeit zum Wett: 
fahren in den Feſtſpielen 5 In den heroi⸗ 
ſchen Zeiten dienten fie hauptſächlich den Griechen 
als Streitwagen, wie ähnliche Streitwagen bei 
Agyptern, Aiiyrern und überhaupt im Drient im 
Gebraud waren. So _ findet man fie vielfach 
in Darftellungen von Schlachten oder auch, wie 
öfter auf aſſyr. Dentmälern, von Jagden abge: 
bildet. Vgl. Ginzrot, «Die Magen und Fahrwerte 
der riechen und Römer» (Münd. 1877). 

Qundeille, ein franz. Tanz (eine Art Gontre: 
tanz, |. d.) von munterm Charakter, welcher von 
je vier Perſonen getanzt wird; aud) eine Tour bei 
Nitteripielen und Ringrennen, von vier Abteilun: 
gen Reiter, jede zu 8—12 Mann, ausgeführt, 
die ſich durch die Farben ihrer Wafjenröde unter: 
ſcheiden; fie führen Tanztouren aus oder ftedhen 
nad einem Ringe, Türlentopfe u. f. w. 

Quadrillion, f. unter Billion. 

‚Dmadrireme (lat.), vierruderiges, d. b. mit 
vier Neihen von Ruderbänlen verfe Schiff. 

Quadrivium, ſ. unter Freie Hünite. 

(lat.), «Vierhänders, j. Affe, 
adrupeden (Quadrupödes), «Bierfühler», be: 
ſonders die Säugetiere, 

Quadrupel, vierfad; bei Golbmünzen gewöhn: 
(ih das vierfache Münzitüd, befonders die jpan. 
vierfache Piſtole. 

Quadruple⸗Alliauz, f. unter Allianz. 

Quadruplit, ſ. unter Replit, 

‚Quagga (Equus s. Hippotigris Quagga) heißt 
eine der gejtreiften Pferdearten Südafrilas. Es ift 
an den Schultern etwa 1,20 m hoch, im allgemeinen 
braun, an dem Bauche und der Innenſeite der 
Scentel weiß und nur am Kopfe, Halje und an 
der Bruſt grauweiß gejtreift, während das ähnliche 
Daum (E. Burchelli) über den ganzen Leib mit 
Ausnahme der Beine, und das Zebra (f. d.) aud) 
an den Beinen geftreift ift. Es zeigt fich muti 
und wild, läßt ji zwar zähmen und beweilt fi 
gelebrig, bleibt aber doch tüdijch und — 
ie ſüdafril. Bauern halten es gern unter ihren 
Herden, weil e3 den Naubtieren mutig entgegen: 
tritt. Seine Stimme wird mit den Silben quah— 
quah oder quada verglichen, daher auch fein Name. 

Quaglio (Domenico), Architefturmaler und 
Nadierer, geb. 1. Jan. 1786 zu Münden aus einer 
ausgezeichneten, von Laino am Comerſee ftam: 
menden Hünftlerfamilie, die von ihrem Ahnherrn 
Giulio (geb. 1601) an, der fich zur Schule Tinto: 
rettos bielt, dur —— Generationen ſich mit 
der Pflege und Ausbildung der Dekorations- und 
BVerfpeltivmalerei beichäftigte und viele tüchtine 
Mitglieder zählt. Domenico D. wurde früh als 
Theatermaler angeftellt. Cr hatte bereits viel in 
Kupfer, auf Stein und in Hl gearbeitet, als er 
1819 feine Stelle aufgab, um fich der Ölmalerei zu 
widmen. Seitdem machte er große Neifen, um die 

27* 


420 


vorzäglihften Werke der altdeutichen Baulunſt zu 
ftudieren und die berühmten Dentmale berfelben, 
wie die Münfter zu Freiburg, Ulm, Münden, 
Straßburg und Köln, das Rathaus zu Löwen, St. 
Sebald zu Nürnberg, den Dom zu Regensburg 
u. ſ. w. zu malen. Auch gab er die Ihöne «Sanım: 
fung mertwürbiger Gebäude des Mittelalters in 
Deutihland» (2 Bde., Karlsr. 1810), «Anfichten 
merfwürdiger Gebäude in München» 2 a 
Münd. 1811) und «Denktmale der Baukunft des 
Mittelalterö in Bayern» (Münd). 1816) heraus, 
Er hatte im Auftrage des damaligen Kronprinzen 
Marimilian von Bayern den Plan zur Reftauration 
der Burg von Sobent wangau entworfen und dieſe 
bereitö angefangen, als er 9, April 1837 zu Hohen: 
fhwangau ftarb, 

Angelo D., ein älterer Bruber (geb. 1778, geit. 
2, April 1815), Deforationamaler, lieferte die Bei) 
nungen zu Sulpiz Boiſſerees «Dom zu Köln», 

Sre Q,, ein 5* Bruder, geb. 19. Dez. 
1793, widmete fi vorzugsweiſe der Genre: 
malerei. Seine Gemälde beitehen teils in Dar: 
Dekan aus dem Mittelalter, teild und vorzüg: 

ich in Schilderungen ländlicher Scenen aus dem 
bayr. Hochlande. Auch lieferte er mehrere Stein: 
rt hen zum müncdhener Galeriewert, 

Der jüngfte Bruder, Simon Q., geb. 23. Dit. 
1795, Hoftheatermaler und Delorateur in Mün: 
den, folgte als Maler und Lithograph dem Bor: 
bild feines Vaters und älteften Bruders, wurde 
1815 an Angelos Stelle Hoftheaterardhitelt und 
dann Hoftheatermaler; er jtarb 8. März 1878 zu 
Münden. Sein Sohn Angelo, geb. 13. Dez. 
1829, folgte Ion in berjelben Richtung nad). 


. Kai, 

Quaken „Stadt im preuß. Regierungs⸗ 
bezirt Osnabrud, Kreis Berſenbrüch an der Haaie, 
dicht an der oldenburg. Grenze, Station der Linie 
Duisburg-D. der Preußiſchen und der Linie Olden⸗ 
burg.Denabrüdder Oldenburgiſchen Staatöbahnen, 
zählt (1880) 2545 E., ijt Sig eines Amtögerichts 
und hat eine evang. und eine kath. Pfarrkirche, ein 
Realgymnafium, Gerberei und Seilerei, Bürjten: 
fabrifation, Baumwollweberei und Färberei, eine 
Gold: und Silberwarenfabrit, Lachsfang und Han: 
del mit Getreide, Wein und Wolle, 

Quäfer (engl. Quakers, d. i. Bitterer, ur: 
fprünglid Spottname, entweder wegen zitternder 
Bewegungen in ihrem ſchwärmeriſchen Religions: 
eifer oder weil ihr Stifter, ©. For [f.d.], eine 
Nede vor Gericht mit den Worten ſchloß: Hittere 
vor dem Worte des Herrns) werden die Mitglieder 
einer um die Mitte des 17. Jahrh. in England ent: 
ftandenen Religionsgefellichaft genannt. Sie felbft 
nennen fi die Chriſtliche Geſellſchaft der 
Sreunde, weil dad Band der Freundſchaft und 
Gleichheit ihre von der engl. Kirche abweichenden 
Glieder und Gemeinden vereinigen ſoll. ng 
Söhne oder Belenner des Lichts laſſen fie fi 

ern nennen. Es war 1649, als For, 23 J. alt, 
ich berufen hielt, ala Neligionslehrer aufzutreten. 
Trotz aller Verfolgungen bildeten ſich in mehrern 
Teilen von Großbritannien, wie in Wales und 
Leicefter, feit 1654 au) in London Uuälergemein: 
den, die von den Regierungen abwechſelnd geichont 
und gedrüdt wurden, Unter Karl II. waren ihre 
gottesdienitlihen Verfammlungen und Übungen 
anfangs freigegeben; doch wurde jpäter For mit 
jeinen Anhängern verfolgt, befonders. weil fie fich 


Quai — Quäfer 


weigerten, Eide ab — * Viele von ihnen wan⸗ 
derten aus, vornehmlich nach Nordamerika und 
Weſtindien; andere zogen nad) Holland, Dft: und 
Weitfriesland. ALS unter Jalob IL. eine friedlichere 
Zeit für fie erfchien, fehten fie ih in Schottland 
und Irland feit. Ein bejonderes Berdienft um ihre 
innere Organifation erwarb fih William Penn 
(f. d.), der am Delaware eine Quäferkolonie grün: 
dete. Unter Wilhelm III. verſchaffte ihnen endlich 
in England die Toleranzalte (1689) kirchliche Freis 
beit, und in Amerila wurde ihnen bald auch bürger: 
iche Gleichitellung mit den ältern — *— 
teien gewährt. Die Quãlerſelte hat ſich beſonders 
in England und in den Vereinigten Staaten erhal: 
ten, In Deutſchland leben Q. nur vereinzelt in 
der Gegend von Pyrmont und Minden; in Güb: 
frantreih in der Nähe von Nimes. Wo fie jeht 
geduldet werden, gilt ihr einfaches Wort vor Ge: 
richt an Eidesftatt. Etatt Kriegsdienſte zu leiften, . 
entrichten fie beftimmte Abgaben, 
Ein eigentlices ar es Ölaubensbelenntnis 
are die Q. nicht aufgeftellt; doch gilt der ur: 
prünglid) in lat. Sprache abgefaßte «Catechismus 
et fidei confessio» Robert Barclays (Rotterd. 
1676) als ihr eigentlich ſymboliſches Buch, mit dem 
man Barclays «Theologiae vere christianae apo- 
logia» (Amjterd, 1676) verbinden muß. Aus diefen 
Schriften, wie aus denen von George For, George 
Keith, Samuel Fisher, William Penn, Henry Tufe, 
. J. Gurney u. a., fowie aus den gebrudten Ur: 
nden und Sendſchreiben ihrer jährlichen Ber: 
Sammlungen in London find ihre Glaubensanfichten 
au entnehmen. Als Kern und Wurzel —* eigen: 
tümlidhen Lehren ift die von einem göttlidhen und 
übernatürlichen Lichte zu betrachten, das fiber einen 
jeden zur rechten Seit fommt und das als inneres, 
eiftiges Licht, als Heiliger Geift, als innerer Ebri« 
tus die einzige richtige Quelle der Gotteserfenntnis 
und eines wahrbaft chriſtl. Lebens ift. Aus diejer 
Quelle ftammt aud) die Heilige Schrift; aber fie iſt 
doch nur eine tote Kopie und kann ala Norm des 
religiöfen Lebens nur infofern Kin, als fie der 
direften Gottesoffenbarung im Geiſte nicht wider: 
[nei Da diefes innere Licht ferner über jeden 
enichen fommt und an fein befonderes Amt ge 
bunden it, jo haben die Q. feinen beſondern geiſt⸗ 
lihen Stand und —*—— Zehnten und andere 
Abgaben an Kirche und Klerus. Ihr öffentlicher 
Gottesdienſt übertrifft an Einfachheit den Kultus 
jeder andern Selte. Man ſieht weder Altar noch 
Kanzel und Bilder, ebenſo wenig hört man Geſang 
oder Muſik in ihren Verſammlungen. Ohne Gloden⸗ 
Hang kommt die Gemeinde zuſammen und ein jeder 
barrt ſchweigend auf den Herrn, bis ſich irgend 
jemand von ihnen, ſei ed Mann oder Weib dazu 
berufen fühlt, Fr predigen oder zu beten, Taufe 
und Abendmahl verwerfen fie als äußere Ceremo⸗ 
nien und erfennen ftatt der Waflertaufe nur bie 
innere Geiftestaufe, ftatt des Leiblihen Eſſens und 
Trinkens nur die Teilnahme des innern Menſchen 
an dem geiftigen Leibe, d. b. dem Worte Ebrifti, an. 


Ihre Moral verwirft den Eid, den Kriegsdienſt und 
alle Luftbarleiten, wie Theater, N d, Tanz, Spiel, 
Nomanleltüre, Die Kleidung be tebt bei den Män: 


nern in einem breitfrempigen Hut und- fchlichten 
Rod ohne Kragen, bei den Frauen in afchgrauem 
Hut obne Band, Vlume, Feder oder ſonſtigen Auf⸗ 
pub, aſchgrauem Kleid und lichtem Shawl. Im 
geſelligen Verlehr vermeiden fie alle Titulaturen 


Qualififation 
d böfli ‚ nennen alle M n ohne 
Unter! 4 ven * —— ei⸗ 


nem den Hut ab. Die Monate und Wochentage 
benennen fie nicht mit den herkömmlichen altröm. 
Namen, fondern nad) der Zahlenordnung. 
„Die Berfa ung ber Quälergemeinben ift zufolge 
ihres Gleichheitsprinzips bemofratifch, 
lieder einer oder mehrerer Gemeinden, nad) Ber: 
Phiedenheit ihrer Anzahl, verfammeln fih monat: 
li, um über den Wandel ihrer Glieder, die Pflege 
der Armen, die Schul: und Wohlthätigkeitsanftal: 
ten, über bie Beitrafung ausgearteter Glieder, über 
die Aufnahme von Brofelyten u. |. w. zu berat: 
ſchlagen und zu verfügen. Diefe monatliche Ber: 
fammlung enti&heidet auch in eriter Inſtanz über 
die Streitigfeiten einzelner Glieder und wählt die 
weder durch Befoldung en bug andere Vorrechte 
——— Beamten der Geſellſchaft. Die 
vierteljährlihen Verſammlungen beſtehen aus den 
Deputierten der Gemeinden eines Diſtrikts und bil: 
den eine höhere Synode zur allgemeinen Aufficht 
der monatlichen Berfammlung, welche die Berichte 
derjelben je Kenntnis der jährlihen Verfammlung 
bringt, Appellation in zweiter Inſtanz annimmt 
und enticheidet und die Repräfentanten des Diftrifts 
p den ger. Verfammlungen ernennt. Diefe 
Yind_für alle Gemeinden die hoͤchſte Inſtanz, üben 
in Sadıen der Tizciplin, Verfa tung und Sitte die 
gejehgebende Gewalt und geben in Angelegenheiten 
und Streitigkeiten jeder Art die definitive —— 
dung. Solcher jährlichen Verſammlungen gibt es 
ſieben in Nordamerifa und für die europäiſchen D. 
eine in London. Die ee welde den 
Aufwand der Gemeinde für die 
bäufer, milden Anftalten u. ſ. w. bloß aus dem Er— 
trage freiwilliger und meijt fehr reichlich eingehen: 
der Beiträge der einzelnen beftreiten, ftehen unter 
der Dberaufficht der Berfammlung, die aud einen 
allgemeinen Nationalfonds hat, aus dem die Koften 
für Verbreitung religiöfer Bücher u. dgl. beftritten 
werden. Bemerlenswert it, dab dieje Verfaſſung 
und Kirchenzucht fhon von George For felbit ein: 
geführt wurde. Unter den Q. haben ſich übrigens 
vielerlei Sekten gebildet. Diejenigen, welche manche 
—— Gigentümlichkeiten in der Strenge des 
Lebens aufgegeben, beißen Naffe Quäker, im 
Gegenfag zu den Strengen oder Trodenen; 
die, welche es jelbit für erlaubt halten, Krieg&dienfte 


erfammlung®: 


zu thun, heißen freie oder Fechten de Quäler; 
die, welche den freien Anfich‘en von Elias Hids 
über die Bibel huldigen, heißen Hidfiten, denen 


wieder die Evangelical Friends gegenüber: 
ftehen. Grofartig find die Leiftungen der O. auf 
den verſchiedenſten Gebieten der chriſtl. Liebes: 
thätigteit, wie fie fih_auc in ihrem Privatleben 
durd) ihre würdigen, ftrengen Sitten auszeichnen, 
—— net man in England etwa 16000, 
in Nordamerika etiwa 70000 Q, 
l. —*2 «A portraiture of Quakerisme» 
(3 Bde., Lond. 1806); Sewel, «History of the rise 
of the Q.» (2 Bde., Lond. 1834); Ernit Bunfen, 
«Milliam Penn» (aus dem Engliſchen, Lpz. 1854); 
Lods, «Ktude historique et critique sur le Quake- 
risme» (Straßb. 1857); Weingarten, «Die Nevolu: 
tionsfirhen Englands» (Lpz. 1868); Abbey Over: 
ton, «English church in the 18% century» (Lond. 
1878); Stougbton, «W. Penn» (Lond. 1883). 
Qualififation (lat.) beißt die Beilegung, dann 
auch der Befik einer Eigenschaft, eines Titels u. ſ. w., 


ie Mit: | I 


— Quantität 421 


und in diefer Bedeutung wird aud das Beitwort 
qualifizieren gebraudt. Qualifiziert ift in 
der Rechtsſprache ein Verbrechen, 5.8. ein Dieb: 
ftahl, ein Mord, das unter gewiſſen, vom Gefek 
als erichwerend bezeichneten Umftänden verübt wird. 
Qualifikationoberichte, |. u. Conduiten: 


iſten. 
Qualifiziertes Geſtändnis, |. Geſtändnis. 
rex, talis grex (lat. Sprichwort: 
aMie der König, fo die Herde»), entiprechend dem 
deutſchen: Wie der Herr, fo der Knecht. 

Qunlität(lat.,d.b. Be wird ebenfo: 
wohl auf das, was 14 die Dinge, als auf das, 
was 8 dacht wird, bie eariife und Urteile bezogen. 
Die Q. eines Dinges heißen feine Eigenfchaften; ſie 
bezeichnen das, was da3 Ding ilt. Die D. eines 
Begriffs ift gleich feinem Inhalt; je —— das, 
was in einem Begriff gedacht wird. Unter der DO, 
eines Urteils verfieht man bie Gültigleit oder Un: 
gültigkeit desjelben, d. b. aljo feine pofitive oder 
negative Form, wie fie im bejahenden und ver: 
neinenden Urteil bervortritt. Im gewöhnlichen 
Leben iſt D. auch foviel wie Rang, Titel, Würde ıc. 

Qualität der Ware, Wenn in einem Ver: 
trage über die Beichaffenheit und Güte der Ware 
nichts Näheres beftimmt ift, fo hat der Verpflichtete 
nad Handeläreht Handelsgut mittlerer Art und 
Güte zu gewähren (Handelsgeſeßbuch, Art. 335). 
(Bal. dejihtigung derWare und Empfang: 
barleit der Ware.) j beit nad). 

Qualitativ, der Qualität, innern Beichaffen: 

Qualitätöeifen, zur Serftellung tadellofen 
Schmiedeeiſens vollitändig taugliches Roheiſen. 

uallen, ſ. Afalepben. 

Quan (Kwan), Münze in Annam = 2,3 Mark; 
auch Gewicht dafelbjt = 312,2 kg. 

uando? (lat.), wann?, eine der ficben Slate: 
gorten (f. d.). 

Quandoque bonus dormitat Homörus 
(Tat.), «Juwelen fchläft (ift unachtſam, begeht einen 
Fehler) auch der gute Homer», Citat aus Horaz’ 
«Ars poetica» (Vers 359), 

Quandt (Job. Gottlob von), namhafter Kunft: 
biftorifer, geb. 9. April 1787 zu Leipzig, machte 
mebrere Reifen nach Jialien, Iebte fpäter in Dres: 
den, dann auf feinem Gute Dittersbach bei Stolpen, 
wo er 18, Juni 1859 ftarb. Er veröffentlichte na: 
mentlih: «Streifereien im Gebiete der Kunjt» 
(3 Ile., Lpz. 1819), „Entwurf zu einer Gefchichte 
der Kupferjtechlunft» (Lpz. 1826), «Briefe aus Ita— 
lien» (Gera 1830), «Vorträge über Sifthetil» (Lpz. 
1844), «Briefe aus Spanien» (Lpz. 1853). Auch 
lieferte Q. eine gute fiberjekung von Panzis «Ge: 
fchichte der Malerei in Jtalien» (3 Bde. Dresd. 
1830—33). Val. Uhde, «Johann Gottlob von D. 
und der Sächſiſche Kunftverein» (Stuttg. 1877), 

Quänon, Inſtrument, ſ. Kanün, 

Suantität (lat.), das Wieviel, die Größe (f.d.), 
Menge. In der Logik bezeichnet die D. eines Be: 
griffs feinen Umfang, d. 5. die Menge von Be: 
griffen, die ihm fubordiniert find; die Q, eines Ur: 
teil die Beltimmung, ob das Prädilat von ben 
ganzen Umfang des Subjelt3 oder nur von einem 
Zeil desjelben bejaht oder verneint wird. Parin 
bejteht der Unterfchied de3 allgemeinen und bejon- 
dern Urteil. — A. nennt man aud) das Maß ber 
Zeit, weldhes man braucht, um eine Silbe (nadı 
ihrer Zuſammenſeßung aus den einzelnen Lauten 
bemefjen, ohne Nüdficht auf die Betonung oder den 


422 


Accent) auszufpredhen. Man unterfdeidet dem: 
nad ni ber Profodie (f. d.) kurze Silben (breves, 
correptae, —— durch —— und lange Silben 


(longae, a. ductae , bezeichnet Dur) —); doc) gibt 
es auch die —— lurz als lan join 
fönnen —— communes, bezeichnet bu 


—8 der — nach. 
Duantitätöf: sb — Sachen. 
re mung — Quantität (ſ. d.) mel: 
in; = — von —— —— 
egenſaß zu den accentuierenden ccen 
— lat.), das Wieviel, eine — 
** 


Joy 

der Le ei s d. Ör., geb. an. 1697 zu 
——— — * ey * Rays ne 
Hu ed3, lam in die herzogl. Kapelle in €: 
—* im Hi iföen Ra ‚ munbe un; — 
og. Polniſchen Kapelle in u un 
—2 dann ı stehen (wo er Aler. eich ug 

5* genoß), hierauf Frankreich und E 

Er ging dann nach Dresden * loönigl. 
— bis ihn 1741 Friedrich II. unter jebr * 
9 ften —— nach Berlin berief. Er ſtarb 


berü an ötenfpieler, 


otödam 12. Juli 1773. D. hat nicht blo als 
iR er auf ber Flöte, jondern . als Berbejjerer 
derfelben große vdienfte. Sein «Berjud einer 
Anweiſung die Flöte traversiere zu zu (Berl. 
1752) —— mehrere A uflagen und —— 
auch verfertigte er rg löten zum Verla 
Komponift arbeitete er Ta nur für feinen edler 
Friedrich d. Gr., für welchen er mehr ala 400 Stüde 
ejeßt hat. Seine Kompofitionen find deshalb nicht 
I — wie ſie bei ihrer techniſchen Voll ng, 
melobijche —— heit und Reinheit des Satzes es 
verdienen. V Quant, «»Leben und Werte des 
Alötiften Schaan Joachim D.» (Berl. 1877). 
Duanza, Coanza oder Cuanza, bedeuten: 
der Strom in Süd: oder Niederguinen an ber 
Veittäfte Südafrikas, entipringt auf dem centralen 
Hodlande aus bem Mufumbofee, etwa 13° 35’ 
fübl, Br. und 15° öftl. 2, von Greenwich, fließt in 
der erften Hälfte feines Laufs in nördl. Richtung, 
wendet fih dann, um in felfigem Bette die ber 
Küfte parallel ziehenden Bergletten mit Wajler: 
fällen zu durchbrechen, im öjtl. Angola gegen 
Weiten über die —* Preſidios Pungo⸗Andongo 
(noch 1280 m body, Stapelplaß der Produlte des 
Innern) und Cambambe und tritt nahe unterhalb 
des legtern mit feinen legten Kataralten, aldbald 
für große Kähne ſchiffbar, in die flache Küftenebene, 
wo er mit vielen Windungen und doch noch mit 
ftarfer Strömung die Brefidios Dondo (bis bier 
ftromaufwärts regelmäßige Fran eg teil „ 
ſchima und Bom Ne ſus berü Strom mün: 
det über 375 km füblic) vom Congo, 50 km füblih 
von Säo:Paolo de Loanda, unter 9° 23° füdl, Br., 
nachdem er, ehe er das Meer erreicht, mehrere ee 
jeln gebildet. Er fchüttet jehr bedeutende Waſſer⸗ 
waſſen i in das Meer, die wegen ihrer weißlichen 
Färbung noch 10 km von der Küſte bemerkbar find. 
Se bedeutende Nebenfluß it recht3 der Luando. 
Valdez, «Six years of traveller’s life in 
—— Africa» (2 Bde., Lond. 1861). 
Quappen, Kaulguappen, No nägel wer: 
den die Larven der Fröſche und Kröten genannt, 
welche durch ihre Geſtalt rung von den er: 
wachſenen Zieren abweichen, r Dotter der in 
gallertartiger Hülle im Waſſer — Eier die— 


n⸗vorzeigen. 


Quantitativ — Quarantäne 


fer Tiere wandelt ſich in ein Tier mit didem Kör: 

ver, ohne abgejegten Kopf um, an deſſen vorderm 
Ende ber mit Hormzähnen bewaffnete Mund, da: 
hinter die Augen und binter diefen bie Kiemenipal: 


ten und Kiemen ſich befinden, während das hintere 
Ende in * — mit bäutiger Floſſe 
auzläuft. d. fhwinmen im Waſſer, nähren 


ih von Bilanenfiofen: erit wenn fie eine 


A 
Größe erreiht haben, „aprolien zuerft die E 


be, dann die Hinte hervor und left u —* 
der Schwanz * le fodaß fie dann 
in Frofchgeftalt erfcheinen und auf dem Lande als 


(uftatmende, 5*8* ende Tiere leben. 
Tafel: Lurche IL, Fig. 4. 
uarantana, est Dihebel Karantal, > 


(S. 


fer und böbfenret: Bergrüden an dem öftl. A 
fall des Gebirges —* zur Jordansaue, a 
norbwetli oberhalb Jericho. Er wurde feit bem 


Zeitalter —— für die Stätte des Mtägigen 
ftend (daher fein Nanıe) und der Berfuhung 
Jeſu gehalten. Auf feiner höchſten Spige finden 
ch bie Ruinen einer Kapelle, und an feinem Fu 
entfprinat eine Duelle, Ain e3:Sultän, welche Elifa 
geſund gemacht haben ſoll (2 Kön. 2). 
Quarantäne (frz.) oder Kontumaz. Die 
Wahrnehmung, daß gewiſſe Krankheiten ſich durch 
Anſiedung von Perſon zu Perſon weiter verbrei: 
teten, veranlaßte ſchon in frühen Zeiten das 
Abfperren einzelner Kranlen. eh zu Ende bes 
— Jahr. errichtete die Republik Venedig zur Ab: 
u —* Veit, die in Oberitalien herrſchte, eine 
Anſtalt, welde alle Antommenden, ehe fie die Stadt 
betreten durften, einer 40tägigen liberwahung 
und Beobachtung unterwarf und deshalb ben Na: 
men Quarantina erhielt. Dieſem Beijpiel engen 
nah und nad) die übrigen Völfer, namentlich die 
Seeitaaten, und e3 find jeitdem die Quarantäne: 
ober, wie man fie fpäter nannte, die Kontumaz: 
anftalten allmählich zu einer hoben Stufe ber Aus; 
—* gelangt. ſehen von derartigen Gin: 
n bei einzelnen Epidemien für eine * 
Zeit find Rontumazanftalten ftehenb zur Ab —* 
der orient. Pet (j. d.) in allen größern Hä 
ropas eingerichtet, namentlich in denen des Sitte 
ländifhen Meeres, welche dem Herde ber orient. 
Belt am nãchſten liegen, und an den Landgrenzen 
gegen bie Türtei, wo vorzüglich die öfterr. Militär: 
grenze ſich als vortrefliches Schukmittel gegen das 


Eindringen der Peſt bewährt hat. In den Häfen 
iſt die Einrichtung ungefähr folgende: Jedes Schiff, 
weldye3 aus einem öfters von der Peſt heimgefudh: 


ten Lande kommt, nmuß, bevor es die Erlaubnis 
zum Einlaufen erhält, ein Gefundheitäzeugnis über 
den Ort, von dem es fommt, für defien Richtigkeit 
ber Kapitän und der an —* Orte von der Re: 
sierung beauftragte Konſularagent zu haften _ 
mitbringen und dasjelbe beim Hafenlommandant 
Auf diefe Gefundheitszeugniffe fügt 
fih nun die Ausdehnung ber anzumenbenden 
Uuarantäneverordnungen. Rad) Mabgabe 
—— —** oder geringern Gefährlichleit wird 
dem Schiffe eine gewiſſe Zeit als Kontumaz aufge: 
Icot und ein gewiſſer Plaß zum —— angewieſen. 
jede Verbindung mit Lande und andern 
Er Er abzuſchneiden, wird e3 mit Wachtbooten 
umgebe e Mann ft fann auf dem Schiffe 
bleiben * erhält ihre Bebürfnifie mittelö langer 
Stangen augetellt Gleichzeitig wird das .. 
gelüftet und die Ware, welche der Verbreitung des 


Duarantäneflagge — Quartal 


iſt, — Be un 3 


een a Ann hen aus: 


cn Sort, 
Benin) 


werfen. Sie, m 


en. 
Ihe, me bekangt —e— 
—2 —— — 


———— 

doch — 
Ka das Ole er Bet. Gone entlich | B 
— N ne von 
—— —— 


— 
ke —— 


ſamen Ordnung dieſer Sa 
dings —* zer = = 
einer * > 


‚ s. ımter Flagge. 
—— im Be | 


—— Wräffel-D. br Q. ber 


Staatabahnen, mı it 12517 €. 
ne der Nil durd —— 


irl Mons 
ich von —* 


derſelbe durch 
e | getremut ift; er wird 8 


u f. a gaza ſcher Meer. | 


Meerbufen von Fiume genannt wird 
Gh Me Dagraetiläen Aalen (U ——— 
——— Cherſo und 
TAT Mi 
genaue und Safe die im 
ltertum durch ihren ttsbetrieb berũhnite 
an der fi ee Hehe 
einzelnen 
m anfteigenden T 


— 

———— verhältwismäßig niedri 
iedriger 
— a 
3 ten, d. i. illgrifch —* 
re 
n u 

—— —— — —— 
maritimen Verle en, eniſchen 
— —* ohren all 


—— 


Die 
die ei üdl Die 
halt de Se Gere (8) u — F 


Luſſin (. d.). Die erſtere iſt durd) den Duarnero: 
tanal (Canal del ) von der Halbinjel itrien 
getrennt, der an der engiten Stelle Ganale di Ya: 
salina heißt, und von den Cilanden Levrera, Plan: 
nich, Tritenik u. a. t. Die lestere it von 
den Gilanden Unie, ibole, Sanjego, Palazio, 
Aſinello u. a. umgeben. Die zweite Haupt: 


Diten, durch den Quarnerofanal von den 


6. | aufmi 


423 


n gefchieden, Rear - ı grobe Inſel ® 
und ba Gil BVervichio, die durch den ee 
—— —— eat (Cansle — —— 
— * der engften rden 

—— di Maltempo genannt) von dem froat. 
Küftenlande rer un wie auch * füdlichern, 
ſchon zu —— 
Im 34 — und Pago. Die fleinen 
nd — nur nn bald fahl, nit 
Eine merkwürdige Ausnahme 

in —— ein 110 m hoher 

bevöltert und mit Reben ut. Die üben 
ben Inſeln ift tief und das Ufer » äh 
dab eine Flotte fait überall bis belt 
länge beranfabren lann. Die © sh ift daher 
Kanälen des O. Teicht und 
— doch bisweilen durch die plö * von 
von dem Monte⸗ 


—* in der 
uteriemaſſe, 
— —— Angriff a avallerie nad 


allen Seiten Front t. Man unterf gs 
und hohle OD. Wbjolut kompakte 

innern fönnen nur Ueme Ybteilungen it 
den. Sat illonsquarres bebürfen eines immern 
Raums zur Ordnung 


rer Formation, zur * 
eg von cher nn ieren, und Ge 
d, Verwunbeten u. ſ. w. Sit di 
gering und bie Sieg aller vier Fronten tief 
nennt man das O. ein volles, adden ohle Q. —9* 
auf jeder —— etwa vier —— Tiefe —* 5 


oßen innern Raum. 

> | at das ı —— er gi —* das Bm Bi zweite a 
Entfernung Salven oder Schnell: 
in hd Sr die Senn erie Kin D. nn. EM 

aus ihrer eit der 
eutung zum SE. Gewehre —* c ibn Be: 

bei europ. Kriegen fait 

nie Zukunft in den — n ie 
—— uncivilifierter Völker immer no 
Anwendung kommen, wie es thatſächlich bei den 


mr 


obe 
jur 


ben } engl. — * im öjtl. Sudan 1884 und 1885 


zur Anwendung gelommen iſt. 
O ur er wie Carremaſchine. 
Quart, B unter Format. 
Quart ® br em Viertel) Die ein bis zur 
hen Syſtems fibliches Flüf- 


eu —— 
einiger —* Staaten. Das preuß. 
a — Yun des Eimers = Y, preuß. Getreidemehze 
= 64 preuf. Kubilzoll = 1,145 1 = etwa Y, engl. 
Imperialgalton. Das engl. D. des Flüffigkeits- 
und Tro —— iſt* * een on {i. d.). 
Quart, Hieb und Stoß, ſ. unter sehttunf. 
QDuarta, eidemaß in Portugal und Bra: 
filien = 3, u; —— in Genua = Wa 1. 
ia, ſ. Falcidia lex. 
——* der vierte Teil eines Jahres, 
welcher gewöhnlich nad) dem Anfangstag desjelben 
genannt wird (Nenjahrs:, Diter:, Jo ohannis⸗, Mi: 
chaelis⸗Quartal), oder auch durch "He vier Quatem: 
ber (ſ. he ee —— auch 
—— wird das auf emonat 
e3 Beamten folgende —— für 
—— der Gehalt desſelben gewö ee Te ort: 
—* vom 31 


geht. Nach dem Reich 
beziehen die Witwe oder die ehelichen —*— 


424 


eines deutſchen Neihöbenmten während bes Gna— 
denquartal3 dem vollen Gehalt des Berjtorbenen 
(8. 7). (S. Onabeniahr.) , 
Ouartän (lat.), viertägig, nad) je vier Tagen 
wiederfehrend (Fieber). 
Q nt, ein Buch in Quartformat. 
Quartär (au wohl Duaternär) nennt man 
bie jüngften, elle pofttertiären Ablagerungen der 
Erdrinde, nämlih das Diluvium und Alluvium 
(j. d., fowie Geognofie, Eiszeit, Drift). 
Duartation, |. Soldideidung 
Quarte (grch. Diatefiäron, d. b. vier) heißt in 
der Mufil ein ——— weiches vier Stufen ums 
faßt und in drei verfhiedenen Gattungen ericheint: 
rein (volltommen), übermäßig und verntindert, 
Die reine oder volllonmene D. (c-f, g-c) beiteht 
aus zwei ganzen Tönen und einem großen halben 
Tone; die übermäßige D. enthält in vier Stufen 
drei ganze Töne (abe Tritonus genannt, f-h); 
die verminderte D. endlich beiteht aus einem ganzen 
und zwei großen halben Tönen (gis-c). Die reine 
D. An in ber Tonleiter eine umgelehrte Duint 
(3. B. g-c iſt gleich der Duint c-g), und wird dann 
als Konfonanz, in allen übrigen Fällen aber als 
Diſſonanz betrachtet, Die Tonleitern der Griechen 
festen ſich aus verſchiedenen Reihen der D. zufam: 
men, ben fog. Tetradhorden; die D. ift daher > 
riſch wichtig ald der Umfang der älteften Syiteme 
der Muſik. Auf der Violine heißt die a-Saite D. 
Quarte, Onartlage, 


nartparade ıc., |. 
unter Fehtlunft, Bd. VI, ©. 628, 

Quarter (d.i. Viertel), der Name eines Troden: 
maßes und eines Handelsgewicht3 in England, 
Das Getreidequarter (Imperial quarter), das 
bauptfächlichite engl. Maß für Getreide, Sämereien, 
Salz, Kalt u. ſ. w., bat 64 Gallons und iſt = 
290,791, Das Gewichtsquarter iſt ein Viertel des 
Hundredweight oder engl. Centners und hat 28 
engl. Pfd. Handelsgewicht (avoirdupois) = 12,70kg. 

Quarteronen, f. unter Farbige. 

Quartett ne im allgemeinen jedes für vier 
Stimmen, Gejang: fowohl wie Jnjtrumentalftim: 


men gelehte Tonftüd. Im engern Sinne (welcher 
fir bejonders eit „ol. aydns Kompofitionen ge: 
bildet hat) ift U. jede für zwei Biolinen, Bratjche 


und Violoncello beredjnete, fonatenförmige, aus 
drei bis vier Säßen beftehende Kompoſition und 
gehört, wie das Duo, Trio u. f. w., zur Sammer: 
mufil. Zur Unterfcheidung von dem D, für Sing: 
ftimmen nennt man dag D, für Inftrumente aud) 
Quatuor. Im DSrcheſter werben die vereinigten 
Bartien der Riolinen, Violen, Violoncelle und 
Kontrabäfje, mit Ausnahme der Blas: und Schlag: 
injtrumente, ebenfall3 OD. (Bogen:, Saiten:, Streih, 
quartett) genannt. Das D. für Singjtinmen fann 
ein einfaches, vierftimmiges Lied (Bolalquartett) 
oder aud) breiter ausgeführt und mit nffeumen: 
talbegleitung verfehen fein (in Opern, Dratorien, 
Cantaten u. f. w.); wird e8 nur von männlichen 
Stimmen gefungen, fo heißt es Männerquartett. 
Das D. oder die kunſtmäßige Vereinigung von vier 
Stimmen bildet den Mittelpunkt der harmonifchen 
Stompofition, ‚  [republitanifchen Stalender. 
di, der vierte Tag einer Dekade im franz. 
nartier, —— —— mehrern 
Ländern Norddeutſchlands, meiſt —Quart (}.d.). 
Quartier (vom franz. quartier, das Viertel 
oder überhaupt die Abteilung eines Sonn bes 
zeichnet namentlich das Stadtviertel, den 


Quartan — Duarz 


zirk, wird aber auch für Wohnung gebraucht, mili- 
tärifch für die Unterkunft von Truppen ober ein: 
zelnen Mannſchaften in Kaſernen ober bei den Ein- 
wobhnern (Hafernen:, Bürgerquartier). (S. Eins 
quartierung.) Man unterfcheidet Standquar: 
tiere (joviel wie Garnifon), Marſch-, Kantonnie: 
rungd und Winterquartiere, Lehtere find feltener 
—— da bei der jehigen Kriegführung der 
Winter die Operationen nur im äußerſten Notfall 
unterbricht. Alarmquartiere find D., in denen bie 
Truppen enge zufammen und jtet3 zum Ausrüden 
bereit gehalten werben. 

Im Schiffsdienft heißt Duartier die Wach— 
eit auf Ded, Der ganze Tag wird dazu in vier ober 
joe Teile geteilt und dabei berüdfichtigt, dab die 

aunſchaft abwechielnd gleiche Nachtruhe bat, 

Quartier geben, im Gefecht, heißt foviel 
wie Pardon (ſ. d.) geben. 

Quartierleiftung, die ben Landeseinwohnern 
obliegende Verpflichtung, den Truppen unter näher 
fejtgelekten Umftänden und Bedingungen für län: 
gere oder kürzere Zeit Unterkunft zu gewähren. Im 
Deutichen Reiche ift die A. dur das Gejek vom 
13. Febr. 1875 über die Naturalleiftungen für die 
bewaffnete Macht im Frieden geregelt. 

Quartiermacher werden die von marſchieren— 
den Truppen ein bis zwei Tage vorausgejendeten 
Mannſchaften genannt, welche in den zu belegenden 
DOrtichaften die Unterkunft und Verpflegung der 
Truppen vorzubereiten und zu regeln haben, 

Quartiermeifter it die Bezeichnung für einen 
Offizier oder Unteroffizier, dem die Sorge für die 
Verpflegung, Belleidung, Ausrüftung ee ’, einer 
orößern oder kleinern Truppenabteilung oblient, 
ſodaß es Regiments-, Esladrons-Quarkiermeiſter 
u. ſ. w. gibt. In der deutſchen Armee findet ſich 
dieſe Bezeichnung nur für einen Unteroffizier der 
berittenen Truppen, der die Funltionen des Ham: 
merunteroffiziers der Fußtruppen innehat. Ein 
wefentlich anderer Begriff ift mit der Bezeichnung 
Generalquartiermeiiter (ſ. d.) verbunden, 3 

Quartodeeimaner heißen diejenigen Klein: 
afiaten, die den Hauptfeittag in der Paſſionszeit 
am 14. Niſan (daher der Auen), fei es ald Todes: 
tag Jeſu, fei es als Tag des lehten Paſſamahles 
des Heren feierten. (S. unter Djtern.) 

Quarto Sant’ Elena Dein Sleden 
in der ital. Brovinz und im Bezirk Gagliari, auf 
Sardinien, unweit nörblih vom Golf von Duarto, 
den norböftl. Teile des Golfs von Cagliari, bat 
[1201 6681 E., Salzwerle, Getreide: und Wein: 
yau (Malvagia). Bemerkenswert iſt das bier all- 
jährlih am 21. Mai glänzend gefeierte Feit der 
heil, Helena. 

Qwuartrevers, f. Flanconade. 

Quarz beißt ein Mineral, welches Ergftallifiert 
(zumeift in beragonalen Pyramiden mit oder obne 
Brismenflädhen), derb, eingeiprengt in unregel- 
mäßigen Körnern, als körniges bis ſcheinbar dich: 
te3 Aggregat, als Geſchiebe, Gerölle und Sand 
vorlommt, an farblos, durchſichtig und waſſer⸗ 
bell, aber vielfach mannigfaltig gefärbt ift, dabei 

(asglänzend bis fettglängend, von muicheli em 

ruch und in der Härte zwiſchen Feldfpat und To: 
pas jtehend; das ipeziniche Gewicht beträgt 2,5 
bis 2,8. In chem, Hinſicht beiteht der in Säuren, 
mit Ausnahme der Fluorwafjeritoffiäure, unlös- 
lihe A. aus reiner Kiefelfäure (Kiefelerde). Die 


tadtbes | Klarjte und edelſte Varietät des A. it der Berg: 


Duarzbreccie — Quäftor 


—* (f.d.). Der gemeine Quarz bat unter 
allen 


Mineralien die weitefte Verbreitung, in ein: | ber 


425 


sia L., Name einer Pflanzengattung aus 
milie der Simarubaceen und durch zwittes 


nen und zufammengruppierten Sryftallen als | rige Blüten, einen fünfteiligen gefärbten Kelch, 
örniges Aggregat (fog. Quarzit) ganze Feld: | fünf Blumenblätter erh in eine Nöhre zuſam— 


maſſen bildend, ferner al3 wejentliher Gemengteil 
zahlreicher Felsarten, wie des Granits, Felfitpor: 
pbyrs, Rhyoliths, Gneiſes, Glimmericiefers, 
Granulits u, f. w., endlich noch als Hauptbejtand: 
teil aller Sandfteine und lodern Sande. Die 
Quarzite und Sandſteine dienen zu Baufteinen, 
Muh —— Schleifſieinen, die Quarzſande finden 
eine Benußung bei der Bereitung des Glaſes und 
Porzellans, des Mörtels, als Schleif: und Scheuer: 
material, ald Formſand und bei verfchiedenen me: 
tallurgifchen Arbeiten, Der indigo: bis berliner: 
blaue Saphirquarz verbantt * arbe einer 
Einmengung von Krokydolithfaſern, der u ir 
Praſem genannte D. die feinige einem Durch— 
wachſenſein von zarten, grünen Hornblendebüfcheln. 
Der muſchelig brechende Roſenquarz ift rötlichweiß 
bis roſenrot, der opalähnlide Milchquarz mild) 
weiß und halbdurchſichtig. Stinfquarz nennt 
man eine graue bis braune Darietät, welche fein: 
verteilt Bitumen enthält und deshalb gerieben oder 
angeichlagen ftinlt, Der Gelentquarz oder Ita— 
tolumit (f. d.) iſt fein eigentliher D., fondern ein 
jchieferiges Gemenge von DO, mit Glimmer, Talt 
oder Ehlorit. Schillerquarz oder a 
nennt man einen grünlihweihen bis grünlichgelben, 
von parallelen Amianthfaſern durchwachſenen D., 
welde e3 veranlafien, dab der Stein, —— 
ge — einen wogenden oder ſchielenden beweg⸗ 
lichen Lichtſchein, aäͤhnlich dem eg einer Rabe, 
ausfendet, weshalb er vielfach als Ningitein ver: 
arbeitet wird; die beiten finden fich als Geichiebe 
in Geylon und Malabar. Andere Varietäten des 
D. find der Aventurin und der Gifenkiefel. Auch der 
violblaue Amet hyſt ift nur cine gefärbte Barietät 
des A. Im Achat ift mit verjdiedenfarbigem D. 
(bejonders Amethyſt) Jafpis, Hornitein, Chalce: 
don u. ſ. w. lagenweife verwachſen. Dem DL. äuferft 
nabe jtehen die jehr fein Eryitalliniichen Aggregat: 
maſſen Feueritein, Hornftein und Jaſpis. 
——— ein gewöhnlich ſehr hartes und 
ſchwer 3 —— Geſtein, beſtehend aus grö— 
bern und Heinern edigen Bruchſtücken von Quarz 
oder Duarzit, welche durch ein kiefeliges ochergelb 
oder braunrot gefärbte ei enthäifiges auch etwas 
thoniges Cement verbunden find. old) 
mentlich in ältern ——— Formationen aus: 
gebildet, 3. B. im Silur Böhmens, im Devon Nor: 
wegens —— im Rotliegenden bei Eiſenach. 
narzdiabas, j. unter diabas. 
Quarzdiorit, j. unter Diorit. 





Quarzfels oder Russell, i unter Quarz. | 


rphyr, ſ. unter Borpbyr. 

Quad, Öetränt, ſ. Kwaß. 

Quaſi (lat.), als wenn, gleihjam; in Zuſam— 
menfehungen mit andern Wörtern foviel wie 
Schein... 4 B. Quaſigelehrter: Scheingelehrter; 
aber auch Bezeichnung von etwas Analogem, z. B. 
Quaſilontratt, Quaſiuſusfrultus u. ſ. w. 

iz, |. Juris quasi possessio. 

Quafimödogeniti (lat. * wie die neuge⸗ 
borenen» [Kinder)), in der abendländ. Kirche Be: 
zeichnung des erften Sonntags nad) Ditern, an wel: 
chem die Meſſe mit 1 Petri 2, 2 — 
— „unter Sub: 

itution, 


menneigen und vielmal länger als der Kelch find, 
ar Staubgefähe, fünf Frucdtlnoten, aus denen 
päter Steinfrüchte werden, und einen einzigen 
Griffel ausgezeichnet. Es it nur eine Art, Q. 
amara Z., befannt, welde in Surinam einheimiſch 
it, in Ouaiana, dem nördl. Brafilien und in Weit: 
indien kultiviert wird und ein 3—5 m hohes Baum: 
hen mit grüner Rinde, unpaarig gefiederten Blät: 
tern, beren Stiel geflügelt ift, und mit aus Trug: 
dolden zufanmengefegten Trauben p roter Blüten 
bildet. Das ſtark und rein bittere Holz des Stam: 
mes und der bdiden Üjte ift unter dem Namen 
echtes oder furinamifhes Quaſſienholz 
oder Bitterbolz (Lignum Quassiae) als Arznei: 
mittel gebräuhlih und das Fräftigjte unter den 
rein bittern und gerbitofffreien Arzneimitteln, Es 
wird meilt in der Form des Delolts gegen Ber: 
dauungsihwädhe angewendet. Das gerafpelte 
Quaſſienholz in Waller geweiht und mit Zuder 
verfüßt, gibt ein gefahrlojes und ficher wirfendes 
Fliegengift. (S. aud Fliegenpapier) Das 
äbnlih wirkende jamailanifche oder dide 
Quaſſienhol ſtammt von der nl Jamaila und 
auf den Karaiben wachſenden hoben Bitter: 
eiche, Simaruba excelsa Dec. (S. Simaruba.) 
Der Träger de3 bittern Stoffs aller Duaffiaarten 
iſt ein indifferenter, in Heinen weißen Prismen 
kryſtalliſierender Nörper, das Quaſſiin, weldes 
feinen Geruch, aber einen intenſiv bittern Geihmad 
ze, im Waſſer bei Zujab von etwas Salz ſich 
eiht auflöft und beim Trhihen wie ein Harz 
ſchmilzt. Quaffienholz wird zuweilen in der Bier: 
brauerei als Hopfenjurrogat verwendet. 

Quaſte oder Quajt (frz. houppe, = tassel), 
eine durch Polamentierarbeit bergeitellte‘ eure 
an Kleidungajtüden ıc., beftehend aus büſchelförmig 
berabhängenden, an den obern Enden zuſammen— 

ebundenen Fäden oder zufammengerollten Fran: 
* Eine Heine D. wird auch Troddel genannt. 

Quästio (lat., Frage), im Strafprozeß der rönt. 
Nepublit das Unterſuchungsverfahren, aud das 
Gericht zur Aburteilung beitimmter vor die einzel: 
nen, nad) und nach eingeführten quaestiones ge: 
wiejenen Strafiadhen. Die dauernde Anordnung 


ed. ift na: | folder Gerihtstommifjionen erfolgte unter Sulla. 


Quaestiopertormenta, \ 
estio faoti (lat.), Frage des einzelnen 
Falls, eine Frage, die fich nicht allgemein nad 
echtsgrundfägen, fondern nur nad) Yage des eins 
zelnen alles beantworten läßt. , 
Quäftor ift der Name eines röm. Magiitrats, 
dem die oberite Leitung der Staatskaſſengeſchäfte 
anvertraut war, Zu den anfänglihen zwei Q., 
denen urſprünglich namentlid die Unterfuchung 
von Kriminalverbrechen oblag, während fpäter 
immer mehr die Verwaltung des ftädtifchen Ara: 
riums ihr Hauptgeiäft wurde, und die dann zum 
Unterſchiede von den hinzulommenden andern D. 
jtädtische hießen, lamen 421 v. Chr. zwei, um die 
Konjuln als Kriegszahlmeifter ind Feld zu begleis 
ten. Kurz vor dem erjten len Kriege wurden 
acht D, ernannt, und ihre Zahl ftieg wahrſcheinlich 
mit der Vermehrung der Provinzen, bis fie Sulla 
auf 20, Gäjar auf 40 erhob, worauf fie dann aber 
Auguftus wieder auf 20 befchränkte, Die Mahl 


— wie Folterung. 


— 


Duäftur — Duatremere de Duincy 


der Q., welche in der ältern der Republit, wie | auf einer gelegen. der Nähe durd- 
früher vor den Hönigen, —— den Konſuln er⸗ſchneidet bie von PR A: nad) Brüfjel 
nannt worben waren, geihah dann in Tributcomi: | die von Namur nad; Nivelles. Der Drt it burd 
tien; feit 421 war die Duäjtur aud Plebejern | die bei (f. d.), 16. Juni 1815, ge 
— a vorbem häufig aud) ältere i Napo: 
äuner diefelbe betleibeten, galt fie fpäter ala un: | leon I. die Preußen bei Liany ® pn Ney 
terite Stufe der honores ober der hoͤhern Ehren: | an ber eine3 ftarten —* engl.: 
ämter, (S. Magijtratu2.) Die —* D. w . Yrmee bei feithalten. 
wohnten ben fißungen bei, und alle D. bat: | Auf beiden Seiten blieben in den D. 
ten, wenn fie nad) der Rechnungslegung abgegangen | u 5000 Dann, darunter der 
waren, feit Sulla das Anrecht auf einen im | ri von Rraunfchweig. Die von Na— 
Senat. Zur Ausführung der Gef ftand ihnen | poleon I. bezwedte Trennung der Blücherö 
ein wechſelndes und ba eigentliche | und wurde nicht —— 
——— er; 
na ote. u wurde iance aterloo) u 
ihnen die — des Arariums mmen, —— Louis Ar⸗ 
welche fie nur auf wenige Jahre durch Claudius mande be) franz. Naturforicher, geb 
wiedererbielten. Doch es bloß in den | 10. Febr. 1810 zu (im “ 
Provinzen, in welden ft die feitherige Ver: im umd 
waltung umter oberjter Huficht de Senats fort: dich als Arzt nieder und wurde 
beftehen ließ, fondern aud) in Rom noch D. ne: | 1838 ebenda zum Brofefior der Zoslogie 
beſondere hatten die dem Kaiſer —— Ste er jedoch bald be⸗ 
D. —* ne Arge — I: 5 ein A na — > 
wo ber ieb zwi vinzen des Prin: ſchungen nad) Paris 1842 
ceps und des Senats aufhörte, wurden aud) in die | reifte er die Nü — tlantiſchen uud 


legtern ſtatt der A. nur faiferl. Proturatoren | des 


oder Nationales gefendet. Dennoch erhielt ſich die 
Duäftur, bei deren Antritt Fejtipiele gegeben wer: 
den mußten, ohne innere Bedeutung als Titular: 
ma tur noch geraume Zeit. 

uf mehrern deutſchen Univerfitäten heißt D. 
der das Geldweien, namentlich die Einnahme der 
Honorare für bie Vorlefungen beforgende Beamte, 
fein Amtslolal die Duäftur. 

Quäftören hießen in der franz. Nationalver: 
fammlung von 1848 und 1849 die drei Mitglieder 
einer Kommifjion, welche das Rechnungsweſen der 
Berfammlung, fowie die Sicherheit und Ordnung 
derjelben aufrecht zu erhalten hatte. Ebenfo werben 
im Deutjchen Neihötage und im preuß. ord: 
netenbaufe die vom Präfidenten für die Dauer fei: 
ner Amtöführung ernannten, das Kaſſenweſen ver: 
waltenden zwei Abgeordneten D. genannt. 

Quäftür, ſ. unter Duäftor, 

Duatember (auö dem lat. quatuor tempora, 
d. i. die vier Jahreszeiten), weldhe ala Epochen für 
manche bürgerliche Geichäfte und Einrichtung von 
Steuern dienen, find in einigen Gegenden Ditern, 
Johannis, Michaelis und Weihnachten; in andern, 
3. B. in Sachſen, Reminiſcere (27. Febr.), Trini: 
tatis (28. Mai), Crucis (17. Sept.) und Luciä 
(17. Dez); in noch andern, z. B. in Nürnberg, 
Lichtmeb, Walpurgis, Laurentii und Allerheiligen. 
Bei den Katholilen find die D. vier Fafttage, welche 
am Mittwoch, Freitag und Sonnabend vor gewii: 
fen Feiertagen beobadytet werden und fich mit die: 
jen jährlich ändern. 

Quaternär, j. Duartär. 

Duaterne, j. unter Yotto. 

Quaterne (im Buchdrud), j. unter Duernen. 

Quaternionen⸗Kaltül it der Name eines von 
Hamilton 1853 erfundenen Hilfämittel3 für Unter: 
eng ar im Gebiete der analytiidhen Geometrie 
und Mechanil 


Quathlamba, Rablamba,f. Drakenberge. 

Quatrain (fr;.), Strophe oder Gedicht von 
vier Verjen. — 

OQuatre⸗Bras, cine Meierei in der belg. Pro: 
vinz Sübbrabant, zum Bezirk Nivelles gehörig und 


"Bar. 1811), «Observations sur qu 


dienfte beftehen weſentlich in den i 

ſchungen, durch u er bie Kenntnis der Natur 

der niedern Tierllafien bereicherte, und in einer 

Reihe antbropol. Unterſuchungen. Mit Virchow 
iner Schrift «La race 


bar. 170 Sins ga Fehde zu — 
— Orientaliſt, geb. 12. 1782 zu 
zu 


1809 bie — ber gried) der 3: 
! an > 
tultät zu ouen erhielt Im J. 1811 ehrte er nad 


* —— 1815 _ Alademie der 
Anfchriften aufgenommen, Profeſſor 
— und Syrif am de 
und war jeit 1838 aud) Lehrer des 
der Schule für lebende orient. he 
18. Sept. 1857 zu Baris. Mit gründlichen 
tenntnijien und umfaflender Belefenbei 
teratur der Kopten, Syrer, Araber, Berfer, Türken 
und Armenier, arbeitete er Hauptjächlic 
(hung der Gejdji und eoarapbie dieſer Voller. 
eine wichtigſten ): Recherches his- 
toriques et critiques sur la langue et la littöra- 
ture de l’Egypte» (Bar. 1808) «M&moires 
g&ographiquesethhistoriquessurl. —— 
ts 
de la g&ographie de P . 1812), bie 
Ausgabe von Raſchid⸗ed dins «Histoire d 
en Perse» (Bar.1836), dielüberiehung von 
«Histoire des soultans mamlouks en » 
(2 Bde. in 4 Tin. Bar. 1837—45), «Memoires sur 
les Nabatdens» (Par. 1835). D.3 an orient. Ma- 
nuffripten reiche Bibliothek nebjt feinem eigenen 
handſchriftlichen Nadlaf wurden von König s 
milian II. von Bayern für die mündener Hof: und 
Staatsbibliothek angelauft. 
—— — ntoine jo: 
töme), berühmter franz. Ku u 
ris 28. Oft. 1755, war vor der ud min Nat 






u 


Duattrocentiften — Quebec 


Si —— Ser mung gie er al ef al 


—— f be te er 13 AR uns og im Ge 
fängnifle zu. Am 5. —— ſtand er mit —— der 


Spihe des ee ben Konvent gerichteten A 
be3 und eöhalb zum Tode —— 
aber Gelegenheit zu entlommen. Im 


ze ee wurde er 1797 Solar dem 


Seine: Departements bei dem —— reichen 


Fr und —— des Rats der Fünfhundert 
ctidor wieder geächtet, entging er 
t der Deportation nad) Cayenne. 
——— tüdberufen, wurde er 
1800 Mitglied bes Rats de3 Seine. Departements 


427 


nb oft 1200-1500 
en Ts 
An ber Küfte nörblich vom St. Lawrence Niver * 


A Ad En —* 
Chaleurs n e lt: 
co an der Mündung bes St. Lawrence und bie 


Magdalen im Golf. Bon den Flüfjen ift der Lorenz: 


796 nad) | jtrom id —— Nebenflũſſen, unter denen der 


b.) der bedeutendite ift. Bon den zahl: 
Seen find ber Memphremagog, —— 
Temiscouata, Matapediac, St.:\john und &t.: 
bie bedeutendften. Das Klima it gefund : bie 
bie — ———— ſeh — — 

r 
den iſt in Sieden Diltriften * —* 


und 1803 in das Inſtitut aufgenommen, treide geeignet. Gipfel und ee im 
biitor. Klafie fein «M&moire sur l’&tat de —— Ser gebe 2 — ri nod von 
tecture chez les Egyptiens» (Bar. 1808 5 Wäldern bededt, in wel ee ich die weiße 
hatte. Später wurbe er Generaljetretär des Rats —— rote —5— —— —— iſt. Außerdem gibt es 
m ach der Betaurati eg hy en ernannte —— sen a 3 one Nu: 
i t Reftauration zum er ber bäume Sidor: b nu rn, Kirſch⸗ u. ſ. w. 
legion, zum königl. Sie, ns ve ber Bäume. See Kartoffeln und Heu, —— 


Künfte und öffentlichen Dentmale umd zum Mit: 
glied des Conſeil für den öffentlichen Unterricht. 
Er ſtarb zu Paris 28, Dez. 1849. Von feinen zahl: 
reihen Werken find zu nennen: «Dictionnaire de 
Parchiteeture» (3 Bor, Bar. 1786— 1828), «Le 
Jupiter ee, (Bar. 1814), «De la nature, du 
but et des moyens de l’imitatıon dans les beaux 
arts» (Par. 1823), «Histoire de la vie et des ou- 
vrages de Rafatlo (Bar. 1824; 2. Aufl. 1838), 
«Histoire de la vie de Michel- -Ange» (Par. 1835), 
«AMonuments et ouvrages d’art antique restitu6s» 
(2 Bbe., Bar. 1826—28), «Vies des plus c&löbres 
architectes» (3 Bbe., Bar. 1830), «Canova et ses 
ourrages» (Bar. 1884). Seine Lobreden a ver: 
ftorbene Alademiler erſchienen gefammelt (2 Bde, 


Bar. 1833—87). 
Denis un D.:Disjonval, Bruber bes 
ten Dee Baris 4. Aug. 1754, ftubdierte 


ften und gewann mehrere Preiſe, 
= 2. reden 0 Schrift «Examen chimique de 


Pindigo» (Bar. 1777). Mit einer Seidenjpinnerei, 
bie er e, fallierte er 1786, worauf er nad) 
Spanien ging. Sodann trat er 1789 in die Dienfte | u 
der holländ. Batrioten, wurde aber von der Dra: 
niſchen Partei gefangen. m J. 1796 kehrte er 
nadı Baris ‚wo er —— «Araneologie» (Bar. 
1798) ſchrieb. ter wurde er dem Kaiſer — 


dächtig und in bie Be! verwiejen. Na 
Reitauration lebte Q F Marſeille, dann zu — 
deaux, wo er 1830 ſtar 

ital. quattro cento, 


(vo 
X — —— für 1400). "die ital, Künjtler des 
Jahrh. 


(lat), f. unter Duumviri. 
4, vier), foviel wie Quartett 


8 Dominion of Canada 
nur im N. von La: 
venzgolf, im S. von Neu: 


(lat., 
d. 
0: ——— — 
in Britiſch⸗ Amerika, wir 
bradot, im D. vom Lo 


bra eig, Maine, Newhampihire, Vermont 
und Neuyork und im W. von Ontario. Gie bat 
500769 qkm mit (1881) 1359027 E. Die Haupt: 


gebirge And: die Notre-Dame: oder Green-Woun: 
tains, welche in den Shidfhod:Mountains nahe dem 
Gape-Chatte: Fluß eine Höhe von 900—1200 m er: 

reichen, die Laurentian-Mountains, welche ſich von 
der Hüfte von Labrador nad dem Dttama-Niver 


außer 
Weizen, Gerite, Roggen, Mais lache, Zabat find 
die Hauptfarmprodufte. Die Siicherei, beſonders 
an der Hülle von Labrador, iſt gan) bedeutend. 
ge find in fteter eter $ 


Möbel, Leber, —— Chemila ien, Schuhe Schuhe und 
Sti —— —— —— und Agrilultur⸗ 
Naſchinen u. Der —— 
—* bedeutend: bleu Hehtiran) 


Walſiſch⸗ und chweinthran werden — ca 
erportiert. Durch 2726 km Eifenbahnidhienen ift D. 
mit Ontario und mit ben Bereinigten Staaten ver: 
bunben. Die Yegislatur befteht aus einem Council 
von 24 Mitolievern, welche vom Lieutenant-Go: 
vernor auf Lebenszeit ernannt werben, und einer 
‚| Affembly von 65 Mitgliedern, welche vom Bolte 
auf vier Jahre erwählt werden. Der nt: 
Governor wird vom General: Governor des Do: 
minion ernannt; er wird von fieben Räten, welche 
von ihm ernannt und ber Ajiembly verantwortlic) 
find, unterftüßt. Die Brovinz ift in 68 Gounties 
eingeteilt. ie öffentlichen Schulen I unter der 
Kontrolle des Minifters für öffentli ne 

nd einem aus 24 Mitglievern (16 Katholiten, 


8 Broteftanten) beftehenden Nate. Es gab (1883) 
246 Alabemien, 31 College, 18 Spe — 
3 Normal: und 4404 Glementarfchulen ie Haupt: 


ftäbte der Provinz find Montreal und Dureber. 


eber, Hauptitabt, Feſtung und Hafen ber 
eleigmamieen vovinz in —— Amerila, liegt 
auf der des Lorenzſtroms und an der 


—— os 6t.:Charlesflufles, auf dem Bor: 

ſprunge eines mit bem 170 m hohen, mit einer großen 
& itabelle befeßten Gape:-Diamond — — 
zugs. Die Oberſtadt 1 * —— — 


d t: 
lügen Gebüude, jo ber Sieben —— 


Governors, die kath. Rathebrale, die 4000 Den: 
ſchen faßt, die Univerfität der Kath oliten mit ber 


Refidenz des Erz Erzbiſchofs, die —— —— 
das Hötel:Dieu, welches ein N —— ter ar 
Kirche, Kirchhof und Gärten umfaßt, as von f 


nen Gärten umgebene Sefuitentollegium, jebt = 

Kaferne, die Markthalle, das Theater, das Stadt: 

us, das Gefangenhaus, Kaſernen und das 304 
wi w., ee große und | - öffentli 

Rläge, 3 } Pa Pt ngegarten 

mit einer —— Eu die — trägt: 


428 Duebrado — Quedjilber 


«Hier ftarb ber fiegreihe Wolfe am 13. Sept. 1759.» 
Die untere Stadt iſt vorzugsweile der Gik be3 
Handels und bes Geſchäftslebens. Q. zählt (1881) 
62446 E. und ift Freihafen und das Hauptcentrum 
des Seehandels von Canada. Der Lorenzitrom hat 
anı Cape:Diamond eine Breite von 1200 m, bildet 
aber mit der Mündung des St.:Charles ein Hafen: 
baſſin von ungefähr 6,5 km Länge und 2,5 km Breite. 
Der Strom fi ier etwa 50 m tief, die Flut beißt 
5,5 und die Springflut 7 m. Die größten —— e 
koͤnnen bei den Werften anlegen. Von der Mitte 
de3 Dezember bis zur leßten er des April iſt 
der Strom gefroren und die Schiffahrt unterbrochen; 
1883 gehörten 1733 Schiffe mit einem Gehalt von 
216577 t zu dem Hafen. Die Haupterportartifel 
find Hol. Schiffe, Tiere —— — zur 
Einfuhr kommen Wolle, Baumwolle, Seidenzeuge, 
Eiſen, Kohlen, Zuder, Weizen u. f. w. Die bedeu: 
tenditen Bildungeanftalten find das Seminar mit 
der Yaval:Univerfität, die prot. Sigp:Schont das 
Morrin:Gollege, die Laval:Normal: and Diodel: teilten Metallen. Es findet fich gediegen und in 
School. Ferner find zu erwähnen die Royal: Zniti: | Form von —— als Zinnober. Die 


und ſchwer zu vertilgendes Unkraut; doch gewähren 
tution, die Literary and Hiſtorical-Society, das ausgezeichnetſten Fundorie des D. find in Spanien 


fie auch einigen Nußen als gefundes Futter und 
als Düngemittel — medenden, zuder: und 
gummibaltigen Durelipee en der DO. (Dueden: 
mwurzeln) find als Rhizoma Graminis nebft dem 
daraus bereiteten Extractum Graminis offizinell. 
Ein Vorteil der D. beiteht darin, daß fie an Hüften: 
gegenden den Fugſand ſchnell überziehen, befeiti: 
en, mit der = verbeſſern und dann eine gefunde 
eide gewähren, Meniger häufig fommt die 
Hunds ede (Triticum caninum Z.) vor, welche 
fi von den gemeinen D. dur einen büfcheligen 
Wurzelftod, einjeitig überhängende Uhre und lang: 
begrannte Blüten unterfcheidet. Sie wächſt gern 
an Ufern von Flüſſen und Mübhlgräben und fonft 
an feuchten Orten, 
uedentrefpe, f. unter Trefpe. 
Queckſilber oder Merkur (dem. Zeichen Hg; 
Atomgewicht = 200) gehört zu den jeltener vor: 
fommenden und nur fparfam in der Erbrinde ver: 


Mechanics: Inſtitute, die Legislative:-(Barlaments:) | (Almaden) und Jdria in Krain; ferner findet e3 ſich 
——— mit wertvoller Handſchriftenſammlung, in Venetien, in Frankreich, am Ural, in China und 
verſchiedene gelehrte Vereine u. ſ. w. apan, in Mexiko, in Peru und in Californien. 

alt alles D. wird aus dem Zinnober erhalten, und 
zwar entweder durch Nöften in Schadhtöfen, wobei 
die Verdichtung der Quedfilberdämpfe in Kammern 
vor ſich geht, oder in ‚ober bar Aeegen des ten 


Q. wurde 1608 von den Franzoſen angelegt, 1629 
von den Englänbern erobert, 1632 aber wieder ber: 
ausgegeben. Im J. 1663 erllärten es die Fran: 
zofen zur Hauptitadt von Canada. In den J. 1690 
und 1711 pa e3 die Engländer vergeblid) an; 
1759 übergaben e3 die Franzoien an die Engländer, 
naddem General James Molfe die Franzoſen unter 
General Montcalm bei Qt. geſchlagen hatte. Im J. 
1775 belagerten e3 die Nordamerifaner unter Ge: 
neral Montgomery, welder bei dem Hauptiturm 
(31, Dez.) fiel; aber durch Garletons Sieg ward es 
6. Mai 1776 entſeht. Im Frieden von 1783 blieb 
es den Briten, 

Quebracho, Troguen, von denen zwei Arten 
unterfchieden werben: 

1) Notes Quebrachoholz und :Rinde, 
ſtammt von Loxopterygium Lorentii Grisch. 
Tas von Argentinien lonimende Holz j- ſehr hart, 
aber 4. ipaltbar, e3 iſt, fo wie die Ninde, ſehr 
reich an Gerbſtoff und enthält, auf Klüften abgefon: 
dert, viel Harz. In der Rinde ift ein Alfaloid 
Loropterygin C,H}; NO von Helle entdedt. 

2) Weifes Brei are und «Rinde, 
ſtammt von Aspidosperma Quebracho Schlech- 
tend., fommt in ber Provinz Catamarca in Argen: 
tinien vor. Das Holz ift wegen feiner großen Seltig: 
feit zur Anfertigung von Xylographien benußt. Die 
Ninde dient als Fiebermittel, fie enthält mehrere 
Altaloide, die von Hefie unterfucht find. 

Ducde, auch Hund&mweizen, Pädergras, 
Zweden, heißt ein zur Gattung Weizen gebören: 
des ausdauerndes Gras, das auch den Nanıen 
triehender Weizen (Triticum repens Z.) führt 


Ihongefäßen erfolgt, oder durch Zerlegen des Fin: 
nobers in Netorten durch Zuſchläge, wie Gijen: 
hammerſchlag oder Halt, und Kondenfation der 
übergehenden Quedjilberbämpfe. Das Q. ift metall: 
glänzend, zinnweiß, bei — Temperatur 
flüſſig, bei —39,5° C. wird es feſt und dehnbar; es 
fiedet bei 360° C. Sein ſpezifiſches Gewicht iſt in 
flüffiger Geftalt 13,5, in feiter Form 14,19. Es ver: 
bindet ſich mit den meiften Metallen und bildet da: 
mit die Amalgame. Das D. des Handels ift nie 
ganz rein, fondern enthält meift wenn auch nur ge: 
ringe Mengen von andern Metallen, wodurd es 
für mandye Verwendungen untauglich wird. Um 
e3 zu reinigen, fann man es der Dejtillation unter: 
werfen, oder befier e3 mit 5 Proz. feines Gewichts 
Gifenchloridlöfung von 1,88 ſpezifiſchem Gewicht 
ihütteln, big es ſich zu feinen Kügelchen verteilt. 
Nach zweitägigem Stehen find die fremden Metalle 
gelöft und werden durch Waſchen zuerft mit ver: 
dünnter Salzläure, dann mit Wafler entfernt, 

Tas D. bildet zwei Neihen von Verbindun— 

en, dem Orybul und dem Oryd entiprechend, die: 
elben werden aud) al3 Hydrargyro: und Hydrar: 

yri:Verbindungen bezeichnet. Die wichtigiten der: 
jelben find folgende: 

1 Quedfilber und Sauerftoff: a. Queck— 
filberorydbul Hg,O entiteht als ſchwarzer, in 
Wafler unlösliher Niederihlag beim Vermiſchen 
} { einer Löfung von Quedfilberorgbulnitrat mit 
und fid) durch eine aufrechte, zweizeilige Ühre kenn: | Altalibydrat. b. Quedfilberoryd HgO, Hy- 
zeichnet, deren flache, vielblütige Ährchen fih mit | drargyrum oxydatum, rotes Quediilberprä: 
ihrer breiten Seite an die Spindel anlehnen und | zipitat, entitehtalsrotes kryftalliniiches, in Waſſer 
deren Blüten grannenlos find. Die Q., welche | unlösfiches Kryitallpulver, wenn Quedſilberoxyd⸗ 
überall an Wegen und Zaäunen, beſonders auf | nitrat mit feinem gleichen Gewicht Q. gemifcht 
Sandboden wachen, find auf Adern wegen ihres | und in einem Deftillierapparat bis zum Verſchwin— 
weit umberkriechenden, vielfach verzweigten, den | den der anfangs entweichenden ſauren Dämpfe 
Boden in allen Nichtungen durdhziehenden Rhizoms, | erhikt wird, oder als Hydrargyrum oxydatum via 
defien Heinfte, im Boden verbliebenen Stüde neue | humida paratum, wenn eine Löſung von Qued: 
Prlanzen zu entwideln vermögen, ein fehr läftiges | filberchlorid mit Altalihydrat gefällt wird. 


Quedfilberacetat — Quedjilbermittel 


2) Duedfilber und Schwefel: Schwefel: 
quedfilber HgS, Hydragyrum sulfuratum ni- 
grum, entiteht ala ſchwarzes amorphes Pulver bei 
anhaltendem Berreiben von 200 Zeilen Q. und 32 
Teilen Schwefel; jet nicht mehr offizinell, Dasfelbe 
in ——— bildet den naturlich vorlom⸗ 
menden und künftlid) dargeſtellten Zinnober (f. d.). 

8) Quedfilber und Chlor: a. Duedjilber: 
&Hlorür Hg,Cl,, Raldömel, Hydrargyrum chlo- 
ratum, wird in dem. Fabrilen dargeltellt, indem 
D. zunädjt in Quedfilberorydfulfat verwandelt, 
dies mit einer dem angewandten O. gleichen Menge 
D. verrieben und auf je 100 Teile D. mit 50 Teilen 
trodenem Kochſalz innig gemifht wird. Das Ge: 
menge wird in einem Glaslolben, der im Sand: 
babe ſteht, erhit, wobei das Sal; in ſchönen weißen 
Kruften in den obern Teil des Kolbens jublimiert. 
Läßt man, bei der Sublimation die Dämpfe des 
Kalomels in einen Behälter eintreten, in weldyen 
zugleid Waſſerdampf einftrömt, fo verdichten fich 
die Tämpfe rajch und Ihlagen fi) als weißes 
Bulver, Hydrargyrum chloratum vapore paratum 
oder Dampffalomel, nieder. Auch erhält man Dued: 
filberhlorür durch Vermiſchen einer Löfung von 
QDuedfilberorydulnitrat mit Kochſalzlöſung, Hy- 
drargyrum chloratum via humida paratum. Leh— 
tere Form ift nicht offizinell, Kalomel ift in Waſſer 
unlöslid und unterideidet ſich hierdurch, fowie 
durch feine mildere Wirkung wejentlid von dem 
Quedfilberdjlorid. b. Quedjilberdlorid HgCl,, 
Sublimat, Hydrargyrum bichloratum. t: 
ftellung durch Sublimation einer Miihung von 
Duedfilberorydjulfat mit Kochſalz. Bildet weiße, 
truftenförmige Mafien, die in heißem Waſſer un: 
ſchwer löslih find, beim Grlalten ber Yöfun 
ſcheidet ſich das Eal; in Argitallen ab. Hödjit gif: 
tig. e. Diquedjilber:Diammoniumdlorid 


ne N,Cl,, Hydrargyrum praecipitatum album, 


weißesQuedfilberpräzipitat. Darftellung: 
2 Zeile Quedjilberhlorid, in 40 Teilen Waſſer ge: 
löft, werden bi8 zur eben wahrnehmbaren altalifchen 
Realtion mit Ammoniak vermiicht und der auf dem 

ilter gefammelte weiße Riederſchlag mit 18 Teilen 

aſſer gewaſchen und bei aewöhnlicdyer Temperatur 
getrodnet. Weißes, beim Erhipen nicht ſchmelzen— 
de3, nicht in Waſſer, leicht in Salpeterjäure lös: 
liches Pulver. 

4) Quedfilber und Jod: a. Duedfilber: 
iodür Hg,I,, Hydrargyrum iodatum. 8 Zeile 
D. werden in Kleinen Anteilen mit 5 Teilen Jod, 
unter Befeuchten mit Alkohol, zufammen gerieben, 
wobei jede Erwärmung zu vermeiden ült. Das 
Reiben ift fortzufeßen, bis fein Metall mehr wahr: 
zunehmen und das Ganze in ein gelbarünes Pulver 
verwandelt ijt. b. Duedfilberiodid Hel,, Hy- 
drargyrum biiodatum. 4 Zeile Quedſilberchlorid, 
in 80 Zeilen Waſſer aelöft, werden mit einer Lö: 
fung von 5 Teilen Jodkalium in 15 Teilen Waſſer 
vermischt, der entſtehende ſcharlachrote Niederfchlag 
it mit altem Waſſer zu waſchen. Unlöslid in 
Waſſer, in 20 Teilen heißem Altohol löslich, die 
— — beim Erkalten Kryſtalle ab. 

5) Quedfilber und Cyan: Quecſilber— 
cyanid Hg(CN),, Hydrargyrum cyanatım. Dar: 
ftellung: durd) Cöfen von Quedfilberoryd in wäjle: 
riger Blaufäure, Nah dem Verdampfen wird das 
Salzin durchſichtigen Kryſtallen erhalten. Es vereint 
die giftigen Wirkungen des D. und der Blauſäure. 


429 
wefelfäure: Qued— 
filberorydfulfat HgSO,. Gleiche Gewichts— 


teile DO. und Schwefelſaͤure werben im Eifentefiel 
erbibt, bis eine trodene weiße Kryſtallmaſſe zurüd: 
bleibt. Wird diefe mit viel Waller vermift, fo 
tritt Zerſehung ein und es fcheidet ſich in Waffer 
unlösliches, gelbes, bafifches Sulfat 11gSO, .2HgO 
ab (früher ala Turpethum minerale of inell). 

7) Quedfilber und Salpeterjäure: a 
Quedfilberorybulnitrat Hg,(NO,), Hy- 
drargyrum nitricum oxydulatum. Darſtellung: 
Gleiche Teile D. und Salpeterfäure werden bei ge: 
wöhnlicher Temperatur 4—5 Tage in Berührung 
pelafien, wobei das Salz na in Siryftallen aus: 
cheidet. Löft fih in wenig Waſſer unzerfeht, bei 
mehr Waſſer ſcheidet ſich gelbes baſiſches Salz aus, 
Gine unter Zufas von Salpeterjäure bereitete 
10pro3. Löfung des Salzes war bis 1882 als 
Liquor Hydrargyri nitrici oxydulati offizinell, 
b.DuedfilberorybnitratHlgiNO,}, entftcht als 
in Nadeln tryftallifierendeg, fehr zerfliehliches Cal; 
beim Löfen von Quedfilberoryd in Salpeterfäure. 

QDuedfilberacetät (Gfiiofaures Qued: 
filber), f. unter Effigfaure Salze (9). 

Qucdfilberamalgäm, |. Umalgäm. 

Quedfilberbranderz, foviel wie Ydrialif: 

, Quedfilberdlorid und Ouedfilberchlorür, 
j. unter Duedfilber («Verbindungen 3 a und b). 

Quedfilbercyanin, j. unter Quedjilber 
(:Berbindungen 5). j 

Quedfilberhornerz, natürlih al3 Mineral 
vorlommendes Quedfilberdlorür Hg,Cl,, jehr 
Heine tetragonale Kryftalle bildend, welche zu grau: 
(ih: und gelbli au diamantglänzenden düns 
nen und reihen Drüfenhäuten verbunden find; auf 
den Quedfilberlagerftätten von Jdria, Almaden, in 
Rheinbayern, Meriko, R 

Ouedfiberiodib und Queckſilberiodür, f. 
unter Quedjilber (:Berbindungen 4 a und b). 

Qucdfitberfrantheit (Merkuriallrant: 
heit), f. unter Quedfilbervergiftung. 

SQ uedfifberlebererz, Gemenge von Schwefel⸗ 
quedjilber (Zinnober), erdigen, kobligen und hars 
zigen Stoffen, das ſich bei Idria in Krain findet. 

Quedfilberlegierungen, fov. w. Amalgame. 

QDuedfilberiuftpumpe, f. u. Quftpumpe. 

Quedfilbermanometer, f. u. Manometer. 

Quedfilbermittel (Mercurialia) gehören zu 
den fräftigften, aber audy bei Mißbrauch geradezu 
oiftig wirkenden, krantmachenden und lebenver— 
fürzenden Arzneimitteln, weshalb die neuern ärjt: 
lihen Schulen ihren Gebrauch weſentlich einge: 
ſchränkt haben. Das reine metalliihe Quedſilber 
it unmwirkffam. Man benupt diefe Mittel gegen: 
wärtig hauptſächlich gu Heilung der Sony 
(f. d.), wo fie troß der Anfeindungen der fog. Anti: 
merturialiften al3 unfhäsbare, geradezu besifiih 
wirfende Heilmittel noch immer gan unentbehrlid) 
find und teils innerlich, teils äußerlich als Ginreis 
bung in die Haut (fog. Schmierkur) und als ſublu— 
tane Injektion vielfache Anwendung finden ; ferner 
ur Tötung gewilier Schmarober, zur Förderung 
der Aufjauaung und Zerteilung gewilier Entzüns 
dungsformen, einige derfelben aud) als Fig: oder 
Abfuhrmittel u. |. mw. Die am meilten angewens 
deten Quedfilberpräparate find das Quedjilbers: 
&lorür oder Kalomel (Hydrargyrum chloratum 
mite, ſ. Nalomel), Quedſilberchlorid oder Eub: 
limat (Hydrargyrum bichloratum corrosivum, 


430 


f. —— das ee oder gelbe 
Fodquedjilber ( ——— iodatum flavum), 
das Quedfilberi oder od 
(Hydrar ur biiodatum rabrum), 
Uuedjilberoryd (Hydrargyrım — bei das 
weiße Quedjilberpräcipitat (Hy 

—— album), das —— —— 
dul (Hy nitricum oxydulatum . 
und in Loſung (Liquor Bellostii) —— 
— — een) und jhwarzes Qued⸗ 
filberorydul (Hydrargyrum oxydulatum ni 
Habhnemanns auflöslihes Duedfilber); nur elten 
gebraucht werden * erahnen gr engen 


rat nd me Stadien (minera, 


liſcher oder 
—— Queck⸗ 
filberfalbe —— 


ratum ni 
oder Neapolitanum) und das Que E 
fter (Emplastrum —— s. mercuriale) ent» 
n — von Quedſilberoxy 
dul das Metall in Buftande aber fer 
fein zerteilt. Das ned wurde erit von ben 
ge . ni — in —— a 
en, je angewende e 
jo zur Kenntnis der übrigen Nationen. Der innere 
Gebraud wurde geraume Zeit hindurch noch ſehr 
5 Hvar und erjt durch van Swieten allgemeiner ein: 
nachdem auch die aa ren 
* * — 1* denſelben durch Auffinden und zwed⸗ 
mäßigere Bereitung einzelner — erleichtert 
hatten. Kann eine zu große, rper auf ein: 
mal jugeführte Quantität diefer ee ſehr ſchnell 
Vergiftungszufälle herbeiführen, jo verm 
ein zu lange fortgejeßter Gebrauch derjel — in 
Heinen Gaben eine allmähliche Vergiftung hervor: 
zurufen. (S. Quedjilbervergiftung.) 
ermohr (Acthiops mineralis) ijt 
Schwarzes — unter era I 
d (fnallfaures), ſ. Knall 


quedfil er 
und Quedfilberogydul, 
ſJ. —* er Dusali ilber (:Berbindungen 1 a — bj. 
ueckſilberoxyd wit At,j.unterQuedjilber 


— en —5 — 

—* ulfat, unter ued: 
filber( einbungen 6). 

Quedfilberpflafter (Emplastrum Hydrar- 
gyri) wird bereitet aus 100 Teilen metallischen 
Quedſilbers, 50 Teilen Terpentin, 300 Teilen 
Bleipflafter und 50 Teilen gelben Bad es. 

Queckfilberpräparate, ſoviel wie Duedfilber: 
verbindungen, im engern Sinne nur die in ber 
Medizin angewandten, ſ. Quedfilbermittel, 

O äzipitat, rotes, ſ. u. Qued: 
filber («Verbindungen 1 b); weißes, f. unter 
Quedſilber — 3.c). 

Querfilberfalbe, graue (Unguentum 
Hydrargyri eineröum), ein Gemiſch von 13 Teilen 
Schweinefett, 7 Zeilen Hantmeltalg und 10 Tei: 
m metalliichen QUuedjilberö; rote (Unguentum 

Uydrargyri rubrum), ein Gemiſch von 1 Teil 
rotem Quedjilberpräzipitat und 9 Teilen Baraffin; 
und ca rem Hydrargyri album) von 1 Teil 

—— —— und 9Teilen ein 
imat(Quedfilberdlorid) 
ſ. ar ——— (Verbindungen 3 b). 

Queckſilberſulfat (Ouediilberorydiul: 

fat), f. unter Ouedfilber (-Berbindimaen 6). 


auch giftun 


Queckſilbermohr — Quedfilbervergiftung 


Dnedfilberiulfid (Sesteisnehtiinen, 
j. unter DQuedfilber(-Berbindungen 2). 
Iberturpeth (Turpethum minerale), 
f. unter Duedfilber (»Berbindungen 6). 
Quedfilberverbindungen, ſ. unter Qued: 
ass = — 
mg ne ftung (Merkurialismus, Hy: 
5 win oder Hydrargyrismus), die durch Gin- 
verleibung einer größern Menge von Quedſilber 
hervorgerufenen Bergiftungsigmptome. nd 
—* t nach der Schnelligleit und 
Duedfilberwirtung die atute und hromifche ‚nad 
ber Art der Cinverleibung die techniſche 
—— = einer 5 chniſchen 
ervergiftung (gewerblichem Merturialis 
ſpricht a in a Dong ren Fällen, in denen Are 
ter in ihrem Beruf andauernd Duedfilber 
DeeiEilundieinupee al3 feinen Staub oder 
Zeus einatmen und mehr oder minder 


— in dieſer 35 
—— 


„ Bergolde u 
—— in geringem Grade die 
5* die ſich wre jbereitu des falpeterfauren 
beiten und | —E — ——— 
nale — 


ten des Arztes zu Ar 
a nn * —5 — uf nnaloh wäh: 


rend lngeer Je it in Form von Ginreibungen, 
Einfpri innerlic) v t werden. 
Die ymmptone der alutenQued —— 
, die am häufigſten durch Sublimat, jel- 
ten durch andere Quedſilberverbindu ngen veranlaft 
werden, find die einer überaus heftigen Magen: 
darmentzündung: intenfive —— in Mund, 
—— und Magen, heftiges Erbrechen, anbal- 
tende zu Harnverhaltung und rascher Krafte 
verfall. Der Berlauf ijt meijt ein ſehr rapider, a 
tritt der Tod ſchon nad wenigen Stunden ein. D: 
Behandlung der akuten Q. beſteht in = 
fchnellen Entfernung des eingeführten G 
die Magenpumpe oder durch ublutane nietionen 
von Apomorphin, fowie in dem reichli enuß 
von einhüllenden und reizmildernden Sto en Re, 


Eiern, Giweiblöjungen); als eigentliches —— 
wird das ch gefälte Eiſenſ en 
durch Zuſaß von Schwefelaltalien zu triol: 


löfung) empfoblen. 
Die droniiche oderfonftitutionelleQued- 
filbervergiftung (Merkurialtrankheit, 
—— Merkturialismus) iſt ent: 
—* r eine * —— —— O. u 
olge von öfterer Aufnahme Heiner ⸗ 
lbers, —— —— Sue und 
ber — De 
räparaten; fie gibt fich le be * ——— 
Rund d: und Aufladen Ir mit Speichelfluß und 
geihwürigem Zerfall der Mundſchleimhaut und des 
mg durch Lodern und der 
ähne, durch übelriechenden Atem und auffal: 
ende Störungen der Gejamternährung ( (fehmupige i 
bleiche Hautfarbe, ein — Geſicht 
Augen, anhaltende Appetitloſigleit) 
Arbeiter, welche infege, ihrer — 
— — — * 
auch lei anlungen der 
geſetßzt; viele leiden an chroniſchem Huſten und Hit 


— — 


Duedjilbervitriot — Quedlinburg 


menige erliegen jchließlich der Lungenſchwindſucht. 
Bei den höhern Graden des konititutionellen Der: 
kurialismus jtellen fich ſtets auffallende Alterationen 
der Nervenfunktionen ein; die Kranken Hagen über 
Sclaflofigfeit, unrubige und ängftigende Träume, 
Kopfihmerzen, Herzllopien und grobe Erregbarfeit, 
vermögen infolge eines höchſt charalteriſtiſchen 
Mustelzitternd (Duedfilberzittern, Tremor 
mereurialis) nicht ihre Glieder ſtillzuhalten und 
werden auch oft von Krämpfen, Anäjthefien und 


2a befallen. 

i —* ich der Berhüt der i D. 
* ————— 
ärztliche Überwa durchaus erforberlid; über 
die hierbei nö 


fihtsmaßregeln j. unter 
Sy philis. e 


nijhen Q. 
lommen vor al 


Verhütung der t 
Dingen eine lichſt volllom⸗ 
mene Ventilation der Arbeits mini i 


träume, eine ange: 

meſſene —— in denſelben, 
das Verbot der nasaufnahme im Arbeits: 
fen beein, Häufhge Benenung 

in freier Luft u. |. ug Betracht. AUS feinftes 
Wohnräumen vorhanden Ian ass Eee 
dienen; fie jterben in quedilberhaltiger zeugen 
Ubememupber Branle (öleunigf ansberquedfuber 
h Atmofphäre entfernt werben; Sie eigent: 


im —— ee 
gierenden Mumdwällern 
des Jodlaliums 


Syphilis» (Berl. 


ben onfti: 
rialismus» (MWürzb,. 1861). 
esitriol (Quediilberorydjul: 
fat), f. unter Duedjilber (Verbindungen 6). 
über umfa —— F fd ib: 
r ng entum auf der 2 
Ken Malaklka, im Innern derjelben, die öftl. Be: 
ber einen Zeil des brit. Gouvernements 
trait: ements bildenden Provinz Wellesley, 
mit 600 qkm und 70000 G. Früher gehörte and) 
bie Inſel Pulo: Binang (f. d.) zu dem Neid D. 
Die Hauptjtabt Queda liegt an der Ditküjte 


der Malaklaſtraße. 

Quedlinburg, ehemaliges freies weltliches, 
reichöunmittelbares Frauenftift im Oberfächfiichen 
Kreiſe, ward von König Heinrich I., der nahe dem 
alten Dorfe Duitlingen an der Stelle des ſpä— 
tern Kloſters St. Wiperti eine Pfalz beſaß, in * 
nem lehten Lebensjahre durch Berlegung des Stiftes 
Wenthuſen (Thale) gegründet, erhielt aber erjt 
durch Otto L, und zwar durch die Urkunde vom 
13. Sept. 936, feine innere Berfafjung. Das Stift, 
deſſen vier erjte Übtiffinnen Töchter der deutichen 
Kaiſer waren, erfreute fi der befonbern Begün: 
jtigung der legtern und warb mit Gütern und Pri- 
vilegien reichlich ausgeitattet. Seine Befigungen 
erjtredten fi) bi3 zum Vogtlande und Havellande, 
und von ben Hoheitsrechten beſaß e3 das Münz, 
Yoll: und Marktreht, den Wildbann , die Reichs: 
ſtandſchaft mit Siß und Stimme auf der Rheini— 
ſchen !brälatenbant, die oberſächſ. Kreisitandichaft, 
bie hohe und niebere Gerichtsbarleit. Das Kapitel 
beftand in älterer Zeit aus der Albtiffin, der Pröp- 
ftin, der Dechantin, der Schlieberin, der Scholaftita 
und ber Pförtnerin; feit dem Übertritte zur Refor: 
mation (1539) aus ber Abtiffin, Pröpitin, Dedan- 


dige | an und lieh feine Anſprüche durch einen —* 


451 


tin und Kanoniffin. Die Privilegien und Güter 
bes Stiſts erlitten die bedeutendſte Einbuße durd) 
das Verhältnis zu feinen Schukvögten, mit denen 
es in faſt ununterbrochenem Streite jtand. Die 
Schutzherrſchaft war urſprünglich bei dem ſächſ. 
Kaiſerhauſe, nad) deſſen Ausſterben fie vielfach neu 
und weiter verliehen, vertauft und verpfändet 
ward. Nachdem fie 1479 erblich geworden, fiel fie 
1485 der Albertinischen Linie des ad: Kurhaufes 
u, welche fie 1697 für 340000 Thlr. an das Stur: 

us Brandenburg verlaufte, Lebteres eignete ſich 
alsbald Rechte ver Landbeshoheit gegen das Stift 


hauptmann wahrnehmen, der unmittelbar von den 
höchſten Landeskollegien zu Berlin abbing. Infolge 
de3 Luneviller Friedens ward das Stift, das noch 
110 qkm mit 13200 E. umfaßte und aus ber Stadt 
Quedlinburg (f. d.) nebit einem Teile de3 waldigen 
Rambergs im Unterharze und dem Fleden Ditfurt 
beitand, durch den Reichsdeputationshauptſchluß 
von 1803 der Krone Preußen ala ein erbliches 
vürftentum überwiefen. Nah dem Sturze der 
weitfäl, Zwiſchenherrſchaft (1807— 13) wurbe es 
dem preuß. Staate vollitändig einverleibt. In der 
Zeit 966— 1704 und 1718—1803 wurde das Stift 
von 38 Abtiſſinnen, in der Zeit 1704—18 von der 
—— Aurora von Königsmark (ſ. d.) regiert. 
ie erſte btiffin war Mathilde, Tochter Kaiſer 
Dttos L., die legte —— Albertine, Tochter König 
Adolf Friedrichs von Schweden. Vorgãngerin 
(1755—87) war Anna Amalie, die Schweſter Fried⸗ 
richs d. Gr. Bol. Voigt, «Geichichte des Stifts 
D.» (3 Bde., 2p3. 1786 u. 1787; Quedlinb. 1791); 
Fritſch, «Geſchichte des vormaligen Reichsſtifts 
und der Stadt OD.» (2 Bde. Quedlinb. 1828). 
Quedlinburg, ehemalige Stifts- und Hanſe— 
ſtadt, jeßzt Hauptſtadt des Kreiſes Aſchersleben des 
Regierungs bezirks —— liegt überaus male: 
il in der Nähe des Unterharzes an der Bode und 
an den Linien Wegeleben:Thalehınd D.:Ballenftedt 
der Preußiſchen Staatsbahnen. Der nörbl. Arm der 
Bode oder Mübhlengraben fcheidet die Altftadt (von 
Kaiſer Heinric) I. ala Stadt begründet) von der im 
12. Jahrh. angelegten Neuftadt, während der ſüdl. 
Arm (die Wilde Bode) dieſe beiden Stadtteile mit 
ihren Borftädten Reueweg, Weitenborf und Münzen: 
berg von der erft 1862 angelegten Vorſtadt Süder— 
ftadt ſcheidet. D. ift Siß eines Yandratdamts, eines 
Amtsgericht? und einer Reihäbanfnebenftelle. Die 
Stadt befist fieben evang. und eine neuere lath. 
Kirche. Unter denfelben ragtdie Stifts:und Schloß: 
firche hervor, eine Baſilila aus der zweiten Hälfte 
des 11. Jahrh., 1862 bis 1882 rejtauriert. Von 
architeltoniſcher Bedeutung find ferner die Krypta 
des St. Wipertiflofters, die einjt der Pfalz der 
Ludolfinger zugehörte und als der älteite Überreſt 
hriftl. Kunftbildung in den ſächſ. Landen betrachtet 
werden Tann, die Ruinen des Marienklofters auf 
dem Münzenberge, die vormaligen Stiftägebäude, 
das jehr alte Rathaus mit einer Sammlung von 
Altertümern, die Ruinen der Burg Gersdorf jüd: 
öftfich der Stadt und der Burg Lauenburg im 
ftäbtiichen Rambergsforſte; endlich zahlreiche alte 
Warten auf den Höhen des Weichbildes der Stadt. 
Die Krypta der erwähnten Schloßlirche enthält die 
Gräber Heinrichs I., feiner Gemahlin Mathilde 
und feiner Entelin gleihen Namens; in ber Ober: 
firche befindet _fih das Grabgemölbe der Gräfin 
Aurora von Königsmart. Neichhaltig find das 


432 


Archiv der ftädtifchen Urkunden und die Bibliothet 
des Gymnaſiums. Lebtered wurde unter ben 
Aufpicien Luthers und Melanchthons begründet. 
Die Stadt befikt eine fehr ausgedehnte Feldmarf, 
und Ader- und Gartenbau bilden den Haupt: 
nabrungszweig der Bewohner. Bon befonderer 
Wichtigkeit iſt die Kultur von Sämereien, hinſicht⸗ 
lich welcher DO, mit Erfurt rivalifiert. Daneben iſt 
auch die Fabritation von Tudwaren, Zuder und 
Drabtwaren erwähnenswert. Der Handel nich 
zumal auf dem im Oktober ftattfindenden Vie 
markte, ift erheblich. Die malerische Lage der Stadt, 
die mannigfaden ntınäler ihrer bedeutfamen Ge: 
ſchichte, die Nähe der ſchönſten Punkte des Unter: 
barzes machen Q, zu einem bevorzugten Ziele der 
Harzreifenden. Von befonderm ntereffe für die 
Geologen iſt der benachbarte Sibetenberg mit feinen 
Kaltiteinhöhlen. Unter den Parkanlagen zeichnet 
fi) der Brühl aus, ein Luftwälbchen, in welchem 
1824 für Klopftod und 1865 für Karl Ritter, bie 
zu Q. geboren find, Denkmäler errichtet wurden. 
Vol. Ranfe und Kugler, «Beihreibung und Ge: 
ſchichte der ee zu Q.» er 1838); Ya: 
nide, «Urkundenbuch der Stadt O.» (2 Boe., Halle 
1873— 82); Hafe und Quaft, «Die Gräber in der 
Schloßlirche zu D.» (Quedlinb. 1877). 
ueen (engl., ipr. Rein, Königin, vom angel: 

ſäch. cwen, Titel, der erft jeit den normann. Zeiten 
den Gemahlinnen der engl. Könige beigelegt wird, 

Queens (engl., « Königinnen») oder weiche 
Biskuits, f. unter Biskuit. j 

Queen’s bench ijt feit ber — 
der Königin Victoria Name des früher King's 
bench (f. d.) genannten Gericht&hofs. 

Qucen’8 Counſel, ſ. unter Counfel. 

Queew’8 County, Grafihaft in der iriſchen 
Brevinn Zelnher, mit a 72598 €. auf 
1719 qkm, zwiichen den Slieve-Bloom-Dlountains 
im NW. und den a a Hills im SO., wird nörd: 
lich und öjtlid) vom Barrow umflofjen, it fruchtbar 
an Getreide, hat Steintohlenbergbau, Schiefer: 
und Marmorbrühe, Viehzucht und Leinweberei. 
Hauptort it Maryborougb, Station der Great: 
Eouthern: and Wejternbahn und der Waterford: 
and Gentral:relandbahn \ aterford), mit 2060 €. 
‚ Qucenöferey (South:Queensferry, Stadt 
in der jchott. Grafſchaft Linlitbgow, ſüdlich an der 
engiten Stelle des Firth of ort, Station der Linie 
Ratho : Dunfermline der —— nakubedr: 
die bier auf einer großartigen Eijenbahnbrüde 
das Aſtuarium des Fort) überichreitet, hat (1881) 
1676 E., Fiiherei und Seifenfieberei, SR 
liegen Hopetoun:Houfe und der Talmeny Bart, 
legterer im Beſiß des Earl of Nofeberry. North: 
Queensferry mit 450 E, liegt auf dem nörbl, 
Ufer des Firth of Fortb, in der 368 Ste. 

Qucendland, zweitgrößte der brit. Kolonien 
Auftraliens, bededt mit F Areal von 1730630 
Fa den ganzen Norboften diefes Kontinents, ein: 
chließlich der Halbinjel York und der anliegenden 
Heinern Inſeln. Sjtlih wird die Kolonie vom 
Korallenmeer, im Norden von der Torresitraße, 
im NW. vom Garpentariagolf beipült; im Süden 
grenzt fie an Reuſüdwales, die Weſtgrenze bildet 
der 141. Meridian öſtl. L. von a vom 29. 
bis 26. ° jüdl. Br. (gegen Südauftralien), von da 


- 
= 


Queen — Queensland 


liche und gefhükte Häfen; der hauptiächlichite der: 

(ie iſt Vie Woretonbat der fih die H i, 
ort Curtis, Keppelbai, Vort Bowen, Vort { 

fon, Rodinghambai, Port em u. a. anſchließen. 
auptflüfle find im O. der Brisbane, der Burnett, 

igroy und Burdelin, im N. Albert, 5 

orman, Mitchell, im ©. Victoria oder Barcu 
(Cooper Greef), Warrego, Gondamine und Bar: 
wan, Bu D. ee aud eine Anzahl Inieln; 
die größern verk find: Strabbrofe:, Moreton;, 
Bribie:, Frazer:, Curtis:, Whitfunday:, PBalm;, 
—— und Lizardinſeln an der —— 

hursdayinſel an der Nordküfte und die Wellesley: 
und Bentindinfeln im Golf von Garpentaria. Den 
Südoften der Kolonie erfüllt ein Bergland, das ſich 
unweit der Grenze von Neufübmwales zu Höhen von 
1300 m erhebt und vielfady von Querthälern durch⸗ 
feßt wird; von diefem zieht fich ein niederes Pla: 
teau durch das nnere, das, überragt von niedrigen, 
Hippenähnlichen Bergen, einen ... von Gras⸗ 
land, Baumbeftänden und wülten Ebenen zeigt und 
defien Flüffe nur periodifh Waſſer führen. 

Die Bevöllerung, welde 1846 nur 2253 
Seelen betrug, belief Ni 1856 bereit3 auf 22232 
und war 1883 auf 2837475 (169990 männliche, 
117485 weibliche) E. geftiegen ; davon waren 54.376 
Römisch: Katholische, 457 Juden und 16871 Heiden 
und Mohammedaner; was die Nationalität der 
Bevölkerung betrifit, fo waren nach dem Cenſus von 
1881 geboren in auftral. Kolonien 100901, in Groß⸗ 
britannien 75614, in Deutfchland 11638, in China 
11253 Seelen; die Eingeborenen wurden damals 
gefhäkt auf 20585; 1883 fanden 2392 Heiraten, 
9890 Geburten und 5041 Todesfälle ftatt; 1883 
betrug die Zahl der Einwanderer 26685, die ber 
Auswanderer 11959. Die Kolonie wird in zwölt 
Diftrikte geteilt, Sie ift reich an Kupfer, Kohlen, 

inn und Gold; 1867 ward Gold im ampton: 

iſtrilt entdedt. Wichtig für die Zukunft der Kto: 
lonie ift auch das Auffinden von Blei, Galmei und 
Silber. Mit Erfolg werden Zuderrohr und Baum: 
wolle angebaut. Zur Kultur diefer Felder ift durch 
ein Gefeß (Polynesian Labours Act) die Ein: 
aprung von Eingeborenen aus den Subſee⸗Inſeln 
geitattet worden, Seit 1870 iſt freier unter: 
richt in der Kolonie eingeführt. Die Schiffäbewe- 
gung ftellte fi für 1883 auf 1808 iffe zu 
832491 t, Die Kolonie befaß 1879 43 eigene 
Dreandampfichiffe von 18715 t und 115 Fluß⸗ 
dampfichiite von 5272t, Die öffentlichen Einn 
men der Kolonie betrugen 1883 2583444 Pd. Et. 
(davon Steuern 929430 Pfd. St.), die Ausgaben 
2242971 Pfd. St., die Staatsfhuld 14907850 
Pd, St. Die Einfuhr bezifferte fih 1883 auf 
6233000, die Ausfuhr I 5277000 Pd. St. 
Ausgeführt werden namentlid) Ber Gold (1883 
für 128000 Bid, St.), Zinn, Wolle — 2.278.000 
Pfd. St.), Baumwolle, Talg, Häute, Fleiſch, Num 
u.f.w. Der Viehftand besifferte fih Ende 1880 
auf 163083 Pferde, 2800633 Hornvieh, 6065 034 
Schafe und 64686 Schweine. Die Ausfuhr von 
präpariertem Fleiſch (preserved meat), Fleiſch— 
ertralt und Fleiſcheſſenz ift in neuefter Zeit beden⸗ 
tend im Zunehnien begriffen. Der Regierung ſteht 
ein die Königin von Großbritannien vertretender 
Gouverneur vor; ihm zur Seite ſteht eine Erelu⸗ 


an nördlich bis zum Garpentariagolf der 138. Me: | tive und ein aus zwei fammern — 
zuſa 


ridian öſtl. Länge (gegen Alexandraland). Außer 


zahlreichen Buchten und Baien hat Q. viele treff⸗ 


Council und Legislative Assembly) mmen: 


geiehtes Parlament, Das Legislative Couneil 


Queen’s pipe — Quellen 


befteht au3 28 von der Regierung ernannten Mit: 
gliedern unter Borfiß eines von ihnen felbjt er: 
nannten PBräfidenten. Zur Legislative Assembly 
x men 43 Mitglieder. Jeder wirkliche oder natu— 
ralifierte, unbeicholtene, 21jährige brit. Unterthan 
iſt nach ſechs Monaten feines Aufenthalts in der 
Kolonie wahlberehtigt, wenn er ein Beſihtum im 
Werte von 100 Pfd. St, oder einen feiten Gehalt 
von gleicher Höhe nachweiſen kann, oder wenn er 
10 Pfd. St. jährliche Miete bezahlt. Im J. 1883 
waren in der Kolonie auf 10708 km 17083 km 
Trahtlänge im Betrieb, auf denen 1019686 De: 
peihen von 201 Bureaus verfandt wurden. An 
Eijenbahnen befigt OD. (1883) 1670 km; 731 km 
find im Bau begriffen. Poſthureaus gab es (1883) 
538. Die Hauptitadt iſt Brisbane (f. er mit 
(1882) 36169 E. und einem deutfchen Konſulat. 

Geſchichtliches. Durd James Cook war 1770 
die Moretonbai und die Nordoftfüfte entdedt wor: 
ben (f. Auftralien); die erite europ. Anfiedelung 
war eine 1824 gegründete Berbrecherlolonie an dem 
in die Moretonbai mündenden Fluß Brisbane, 
welde bis 1842 beitand. Diefer Anfiedelung folg: 
ten bald andere nady und ſchon 1843 konftituierte 
ſich der Moretonbai:Dütritt als ein befonderer 
Wahlbezirk von Neujüdwales. Cine vollitändige 
Zrennung der neufolonifierten Diſtrilte al3 eine 
jelbftändige Kolonie wurde im Juli 1857 vom 
Parlament in London fanktioniert. Der eigentliche 
Alt der Trennung beider Kolonien fand 5. Juli 
1859 fatt, und 6. Sept. wurde Brisbane zur 
Hauptitabt erhoben. Vgl. Eden, «Q. by an eight 
years resident» (2, Aufl. 1876), ‚ 

Queen’s pipe (engl., fpr. Kwihns ir) 
Tabalspfeife der Königin, wird fcherzweile ein 
großer Dfen in den londoner Tod, neben dem 
von den Zollbehörden DEREN Tobacco» Ware: 
ben genannt, in welchem die fonfigzierten , ge: 
älichten und verdorbenen Waren, bejonders Tabat, 
verbrannt werben, 

Queendfprige, ſ. unter Biskuit. 

„ Queensdtown, ehemal3 Cove of Cork, Stadt 
in der irifhen Grafichaft Gorf der Provinz Mun— 
fter auf der Inſel Great-Island im Hafen von 
Eorl, durch Zweiglinie mit der Bahn Cork:V)oughal 
verbunden, hat (1881) 9740 E., prädtige Kais, 
Schiffsmagazine, ein ſtark befuchtes Seebad und iſt 
Slottenftation und Luftlurort. D. ift Haupthafen 
von Cork, befonders gehen die Dampfer der Linien 
Eiverpool: ac Liverpool: Duebec: Montreal 
und Öla ar bier vor Anfer. 

Queich, linler Nebenjluß des Rheins im bayr. 
Regierungsbezirt Pfalz, entipringt ſüdlich von 

auenjtein in der Hardt, fließt durch das Annweiler 

hal, berührt Landau und mündet nad) einem Laufe 
von 50 km bei Germersheim, 

Sueiroz (Joſe Maria Era be), hervorragender 
portug. Romanjdriftfteller, wurde 25. Nov. 1843 
in Povoa :de:Varzim geboren, jtubierte von 1860 
bis 1866 \urisprudenz in Coimbra, gab aber die 
juriftiihe Garriere auf und widmete fid) in Evora 
und Lijjabon litterariihen Studien. Er ging dann 
al3 Adminijtrator nad Leiria und ward hierauf 
guerit portugiefifcher Konful in Havana, fpäter in 

teweajtle und 1880 in Briftol._ Bon feinen durch— 
aus naturaliftiichen Romanen find hervorzuheben: 
«O crime do padre Amaro» (Porto 1874; 2. ums 
gearbeitete Aufl. 1880) und «O primo Basilio» 
(Porto 1879 u. 1880). 

EonverfationseLeriton. 18, Aufl, XIII 


433 


‚ Quellbottich, ein meit aus Eifen oder cemen: 
tiertem Mauerwerk beftehender Behälter, der in der 
Brauerei, Brennerei und Stärkefabrifation zum 
Einweichen (Ginmaifchen) der Getreidelörner dient. 

Quellen find mit jehr wenigen, durch beſondere 
Umftände veranlaßten Ausnahmen nicht3 anderes 
als der Teil de3 aus der Atmoſphäre auf die Land: 
oberfläde niedergefallenen Waſſers, welder bis zu 
einer gewiſſen Tiefe in den Boden eingedrungen tft 
und dann an einzelnen Stellen, zu DO. verbunden, 
wieder hervortritt. Die Stellen, an welchen das 
durch die Oberfläche eingedrungene Waſſer al3 D. 
wieder hervortommt, find bedingt durch den innern 
Dau des Bodens. Das Wafler der meilten gemöhn: 
lihen Q. ift nur dur die lodere obere Boden-, 
Schutt- oder Sanddede bi3 zu deren feiterer und 
dichterer Grundlage eingedrungen, wo es fid an 
den relativ tiefiten Stellen ſammelt und als D. 
wieder zu Tage tritt. Zuweilen aber it der felſige 
Untergrund derart zerllüftet, dab das durch die 
Oberfläche eingebrungene Waller einen weiten oder 
tiefen unterirdiihen Weg zurüdlegt, ehe es, durch 
die befondere Natur diefes Felsbaues veranlaßt, 
al3 D. ausftrömt. Auf feinem unterirdischen Wege 
nimmt das verhältnismäßig fehr reine Regen: oder 
Zauwafler ftet3 gemwifle Beitandteile de3 Bodens 
oder der durdfiderten Gefteine auf. Die Quantität 
dieſer aufgelöften Beitandteile ift aber bei den ge: 
möhnlihen oder füßen Q. fo gering, daß man fie 
durd Geſchmack und Geruch kaum bemerkt, und 
daß ſie eben nur dazu beiträgt, dem Wafler einen 
—— Geſchmack und eine durſtlöſchendere 
Eigenſchaft zu — als das Negenwalier be: 
fist, Etwas Kohlenfäure, gewille Salze, Altalien 
oder Erden enthält fat jedes Quellwaſſer in ge: 
ringen Duantitäten aufgelöft. Wird der Gehalt 
folder Beltandteile durch Geihmad oder Gerud) 

utlich bemerkbar, fo nennt man fie Mineral: 
quellen, deren viele als Heilquellen oder als Sal;: 
quellen, une benust werden, Wenn das 
Wafler der O. keinen tiefen unterirbiihen Weg 
qusüdgelegt bat, fo befist es ungefähr die mitslere 

emperatur der Gegend, eriheint daher im Som: 
mer lälter, im Winter wärmer als die Luft. Sit es 
aber, durch den befondern Felsbau veranlaßt, 
einigermaßen tief eingedrungen, fo zeigt e3 eine um 
fo höhere Temperatur, je tiefer e3 eingedrungen iſt, 
und diefe Temperatur kann bis zum Siedepunkt 
jteigen. So entjtehen warme und hie Q., bie F 
gleich häuſig Mineralquellen ſind, da ſie durch ihre 
erhöhte Temperatur beſonders befähigt waren, 
allerlei Bejtandteile aufzulöjen. Zu den minera: 
lichen D, *7 nicht nur die eigentlich ſog. 
Diineralquellen (f. Mineralwaſſer), fondern 
auch die Cementquellen, welche aufgelöftes Kupfer: 
vitriol enthalten und ein nur * eit eingetauch— 
tes Eiſen mit einer roten, metalliſchen Kupferhaut 
überziehen, dergleichen ſich zu Neufohl und S möl: 
nit in Ungarn, zu St. Pölten in Oſterreich, Inni⸗— 
im in Tirol, Falun in Schweden und eine am 

ammelsberge in Goslar zeigen; endlich infruftie- 
rende D., die einen Teil ihrer aufgelöften Beltand: 
teile, befonders toblenfaure Kallerde, nad) ihren 
Austreten fallen lafjen und die mit ihnen in Be: 
rührung kommenden Körper mit einer Krufte von 
fteinharter Beſchaffenheit überziehen, wie die D. 
bei Karlsbad, bei Königslutter in Braunihweig 
und viele in Stalien, 

28 


434 


An der niederländ, Hüfte bei ne wer ae 
Sceveningen, Hattwyk:an:dee, auf Grönland, bei 
Budum im_weftl. Island, bei Bolton im Nord: 
amerika, auf Helgoland und im Belington Harbour 
in der Graffhaft York findet man Q., melde 
Zuflüffe aus dem Meer erhalten. Start be te, 
ausgedehnte, mit mäßigen Vertiefungen wechſelnde 
Berg: und Hü elreihen ng ftet3 die meiſten 
und keihaltigten Q., während das Flachland und 
jelbft daS in Ebenen ſich allmäblic 
Hügelland deren nur wenige oder feine befigt. In 
Rüdficht der Waflermenge, welche die OD. liefern, 
teilt man fie in gleihförmige und periodifche. Die 
eritern geben fait zu allen Seiten gleichviel Waſſer, 
und zu ihnen gehören vorzüglich die Mineralquellen 
und bie heißen O. Die periodiihen zeigen einen 
—— en * in he Waferenlab ung, flie 
a T, er und verfiegen zu 
—* ganz ee dee ö —F 
erg namentli gro nzabl von Q., 
die, unter dem Namen reden befannt, 
den Winter über verfiegen, zu Anfang des Früh: 
lings aber wieder zu fließen anfangen; ferner die 
Hungerquellen, bie, wenn fie ſehr reichlich 
fließen, ein Mißjahr weiſſagen follen. Beide Arten 
verdanfen ihren Urſprung dem auf den Gebirgen 
angefanmelten Schnee, welcherim Sommer ſchmilzt, 
durd) die Erde fidert und die Q. fpeilt. Man findet 
aber auch D., die ftundenweife ab: und zunehmen. 
Die D. von Fonfande bei Nimes feht je nad) fieben 
Stunden aus, und eine andere bei Gichenberg, uns 
weit Wipenhaufen, von zwei zu zwei Stunden. Die 
von Senez in ber Wrovence ſeht jedesmal 7 Minuten 
aus; 1755, bei dem großen Erdbeben von Liſſabon, 
wurde fie gleihmäßig fortfließend, fing aber 1763 
an, wieder auszufehen. Mehrere folder ausjehen: 
den D. findet man in der Schweiz. Man leitet dieje 
Erſcheinung von Heinen Berghöhlen oder Wafler: 
behältern ber, bie fi von oben anfüllen und jeit: 
wärts durd) —— Nöhren oder Kanäle wie: 
der leeren. Die Heber leeren die ar. nur bis 
an die wagerechte Fläche ihres Berbindungspunftes 
aus, hören dann auf zu fließen und fangen erjt 
wieder an, wenn ber dentel am Behälter bis auf 
den höchſten Bunkt gefüllt it. Auf Yeland, am 
eng rg in Nordamerila und auf Neufeeland 
efinden ſich einige D., die ihr Wafler nur ſtoß— 
weiſe von ſich geben. E3 find dies diefog. Geifer (ſ. d.). 
Tas Aufſuchen von Q. fann nur uf Grund 
der geolog. Kenntnis einer Gegend von Erfolg fein. 
Als Bedingungen für unterirdiihe Wafleranfamm: 
(ungen, welche durch eine künftliche D. angezapft 
werden follen, find anzufchen: 1) das Vorhanden: 
fein eines leicht durchlaͤſſigen, poröfen (5. B. feige 
fandigen oder jtark zerklüfteten) Geſteins, in wel: 
dem ſich die Wafler anfammeln können; 2) das 
Vorhandenfein einer undurdläffigen oder ſchwer 
durdläffigen (z. B. rn Schicht unter der 
wafjerführenden, wodurch verhindert wird, daß die 
Waſſer in größere Tiefe ſinlen; 3) das Vorhanden: 
fein einer Dedſchicht, welche bei flacher Lage der 
Waſſerſchicht daS Verdunſten, bei tieferer Lage der: 
jelben das allmähliche Entweichen des Waſſers 
—— Dieſe Bedingungen bieten ſich z. B. in be 
onders günſtiger Weiſe fait im ganzen norddeut— 
ſchen Tieflande, wo der Diluviallies die Waſſer— 
ſchicht, der Geſchiebelehm die Dechchicht und ber 
Thon des Diluviums und Dligocäns die undurch⸗ 
läjfige Baſis bildet. In hochgelegenen Gegenden 


Quellery — Quenſtedt 


und auf Gebirgärüden find jo ftige Berhält: 
niſſe nur felten gegeben, an nur 
von einer Verwitterungstrume bebedte 

boden meift nicht —— — von Waſſer ge⸗ 
eignet iſt, dieſes vielmehr entweder itig a 


+ . fi ” b⸗ 
a a nn 


in 
Thalende I oder 
Ken Ba Bien a are Beten 


verlaufende | Vgl. 


d zb Sufrnbung Di MER Mac Tair: 

beutie von . [ * ent : —— 
Suellmoos, !. Fonsinalin. er —* 
Quelpart, richtiger Ouelpaer 

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&, zum Korea i 
groß, geingig unb erben Dem 
udland genannten Berge bis an 2000 ın über die 
See. An dem norböitl. Ende von D. liegt die Heine 
pe an ihrer Sũdlũſte 
unmweit ihre3 weitl. Endes die der Barlow» Fnjeln. 
Die Bewohner von Q. find meiſt Fiſcher und Schiffer. 
— — 
sen Friede. Aug.), bero 
[og und Mineralog, geb. 9. juli 1809 in Eisleben, 
ftudierte in Berlin und folgte 1837 einem Nuf als 
PBrofeflor der Mineralogie, Geologie und Paläonto- 
Iogie nad Tübingen. Seine — 
ſind: —— der —— (Züb. 1840), 
«Handbuch der Mineralogie» (3. Aufl., Züb. 1877), 
«&rundeiß der beitimmenden und dechnenden Ary: 
rung" (Xüb. 1873). In der ograpbie 
olgte er feinem 2 . Sam. Weiß; 
Zwed der überfichtliben Darftellung des fan, 
men! 8 unter den Öliederneines 1 
unternahm er den Ausbau der von Neum in 
Königäberg zuerjt erfonnenen Linearprojeftion. 
J. 1861 eridienen die «Epochen der Natur» (Tüb.). 
Das Hauptverdienit von D. liegt aber auf geolo- 
gie läontologiihem Gebiet, insbeſondere in der 
urhforfehung des Schwäbiſchen Jura, in dem 
— Studium der typiſchen Gliederung des⸗ 
elben, der Gegenſaähe in der Foſſilführung der 
verſchiedenen Horizonte, der beſondern Entwide 
lung und des Zuſammenhangs der einzelnen foſſi⸗ 
(en Formen. So verfaßte er: «Das nt u 
MWürttemberg3» (2. Aufl., Tüb. 1851), «Der Jura» 
(Tüb. 1857), «Handbuch der Petrefaftenkunder 
(3. Aufl., Tüb. 1882 fg.); noch unvollendet find die 
«Betrefaktentunde Deutichlands» (2pz. 1849 fg.) und 
«Die Ammoniten des Schwäbiihen Fran ( tuttg. 
1884 fa.). Auch veröffentlichte D. zwei Reihen popu: 
lärer Vorträge über Geologie (Tüib. 1856 u. 1884), 
Quenftedt (Job. Andr.), luth. Scholaftiter, 
geb. 1617 zu Quedlinburg, ftubierte zu Helmijtedt 
und Wittenberg, wurde 1646 Privatdocent, 1649 
außerordentl, Profeflor, 1660 orbentl. Profefior, 
1684 Propit an der Schloßlirche und Konfiftorial: 
rat in Wittenberg und ftarb dafelbit 1688. Sein 
Hauptwert, die «Theologia didactico -polemica» 
(2 Bde., Wittenb. 1685), in welchem er mit großer 
Belejenheit und Gelehriamteit die Lehrjäge 
luth. Proteſtantismus einerfeits durd Sammlung 
von Autoritäten aus den Kirchenvätern zu ver: 
teidigen, andererfeit3 durch Antithejen gegen alle 
davon abweichenden Parteien Har zu legen juchte, 


Quental — Querelle d’Allemand 


ilt als charalteriſtiſch für die fog. lutheriſche Scho— 
aſtik. Auch fchrieb er «Ethica pastorum» (Wittenb, 
1678) und einige Heinere archäolog. Schriften. 

QDuental (Antbhero de), einer der eigenartigiten 
Dichter und Denker des modernen Portugal, geb. 
in Bonta » Delgadba auf der Inſel San: Miguel 
18. April 1842, ftubierte Jura in Coimbra und 
veröffentlichte feit 1860 lyriſche Dichtungen, philoſ. 
Auffähe und litterarifche Streitartifel, welche bes 
fonders bie veralteten Richtungen und Anfchauun: 
gen des Dichters —** (f. d.) und feiner 
Schüler befämpften und den neuen losmopolit., 
von philof. Geijte — durch V. Hugo 
u. a. beeinflußten dpfungen der jüngiten 
Dichterſchule das Wort redeten. D. gab 1863 eine 
Sammlung von Sonetten heraus; 1864 das Ge: 
dicht «Beatriz»; 1865 eine Gedichtſammlung «Odes 
modernas» (vermehrte Aufl., Porto 1875), 1872 
neue Lieder unter dem Titel «Primaveras roman- 
ticass (Porto); 1881 ein Meines Heft gedanfen: 
reicher «Sonetos» (Borto). Unter feinen Proja: 
ſchriften find zu nennen «Bom-senso e bom-sosto» 
(Goimbra 1865), «A dignidade das letras» (Coim: 
bra 1865), «Consideracgöes sobre a filosofia da 
historia litteraria portugueza» (Porto 1872), «A 
poesia na actualidade» (Porto 1881), Mit natio: 
nalpolit. ragen beſchäftigen fich die Werte «Por- 
tugal perunte a revolugäo de Hespanha» (1868), 
«Causas da decadencia dos povos peninsulares» 
(Liſſ. 1871) und «Carta ao sr. marquez de Avila» 
(1871). D. lebt in dem Städtchen Billa-do-Conde. 

Queutchen oder Duint hieß im frübern Ge: 
wichtsſyſtem der vierte Teil des Lotes, ſ. Lot. 

uentel oder Quentell (Heinr.), einer der 
berühmtejten Buchdruder des 15. Jahrh., der 1479 
—1503 zu Köln thätig war, wo er jeinen Mohnfik 
im Haufe zum Palaſt auf dem Dombofe (jet Dom: 
hotel) hatte. Im J. 1500 belief ſich die Zahl feiner 
Drude bereit3 auf mehr ald 170, von denen 134 
feinen Namen tragen, Diejelben find in 13 ver: 
ſchiedenen Typenarten gebrudt. Diejenigen feiner 
Vreberzeugnifle, die feinen Namen nicht tragen, 
find erfennbar an dem Holzſchnitt (ein Leſer, vor 
einem geöffneten Buch fipend), der fi in allen 
Druckwerken von D. findet. — Einer feiner Nad): 
fommen, BeterQ., lieferte noch im 16. Jahr). 
jehr ſchöne Werfe, wie die «Opera» des Dionyjius 
Carthuſius a Rydel in mehr als 20 Folianten. 

Quentin (Saint:), Stadt in Frankreich, |. 
Saint-Quentin. 

Querard (Joſ. Marie), ausgezeichneter franz. 
Bibliograph, geb. 25. Dez. 1791 zu Rennes, kam 
im Alter von 11%. in eine Buchhandlung feiner 
Vaterjtabt und ging fünf Jahre jpäter nad) Paris. 
Hier fonditionierte er in verichiedenen Häufern und 
reijte im buchhändleriſchen Jnterefle, Notizen über 
die franz. Litteratur fammelnd, in Frankreich, Eng: 
[and und Jtalien, bis er 1819 in die Schalbacheriche 
Buchhandlung zu Wien eintrat, wo er fünf Jahre 
blieb. Nach der Rudkehr nad Paris begann er 
fodann die Veröffentlihung ſeines großen Werls 
«La France litteraire» (10 Bbde., Bar. 1827—42), 
das nicht bloß Notizen über jämtlihe franz. 
Schriftſteller des 18. und 19. Jahrh. und Beni 
niſſe ihrer Schriften enthält, fondern auch über alle 
ausländiichen Schriftiteller, welche in Frankreich 
wieder abgedrudt oder überjekt worden find, Ein 
Supplement dazu bilden als Teil 11 und 12 «Ad- 
ditions, auteurs pseudonymes et anonymes dé- 


435 


voil&s» (Par. 1854—64). Nod vor ber Bollendung 
besjelben begann D. al3 Ergänzung «La litterature 
frangaise contemporaine» (6 Bde., Bar. 1842— 
57), von denen aber nur ber erjte und bie Hälfte 
des zweiten Bandes vonD. herrühren, während das 
übrige von Louandre, Bourquelot und Maury bes 
forgt ift. Dazu ließ DO. «Omissions et bevues» 
(1848) ericheinen. DO. veröffentlihte außerdem 
«Auteurs döguises de la littörature francaise au 
19° sidcle» (Bar. 1845), «Les supercheries littö- 
raires devoildes» (5 Bde. 1846—54) ıc. In ber 
periodiſchen Schrift «Le Q.» (2 Bbe., Bar. 1855— 
56) veröffentlichte er mehrere litterar. und biograph. 
Monographien. D. ftarb 3. Dez. 1865 zu Paris. 

Queragt ober Zwerchart (fri. bisaigud, engl. 
twybill), f. unter Art. , 

Quercetin, ſ. unter Duercitron. 
‚Quereit (Eihelzuder, Samenzuder), 
ein von Braconnot in ben Eicheln entbedter und 
von ihm anfangs für Milchzucker — —— 
Stoff. Er kryſtalliſiert in farbloſen Säulen, welche 
bei 255° C. ſchmelzen und dann fublimieren , fann 
durch feine Gärungsmittel in_geiftige Gärung 
verjeßt werden und gibt mit Salpeterfäure eine 
erplojible Verbindung (Nitroquercit). 

Quereitrin, f. unter Quercitron, 

Quereitrön beißt die in gerafpeltem Zuftanbe 
in den Handel fommenbe Ninde der nordameril. 
Färbereiche (Quercus tinctoria), eines großen 
Baums mit jpiglappigen, unterfeits filzigen Blät: 
tern, welcher aud) bisweilen bei und ala Zierbaum 
angepflanzt wird. Die Rinde, auch gelbes Eichen; 
holz genannt, bat einen berben und bittern Ge: 
Ihmad und färbt den Speichel intenfiv gelb. Außer 
Gerbſtoff enthält fie ein eigentümliches, gelbes Pig: 
ment, das Quercitrin C3sH,s0,, weldes aus 
der altoholiich: wällerigen Yöfung in blumenlohl⸗ 
artigen, aus Eleinen Siryitallen zufammengejebten 
—— ſich ausſcheidet, geruchlos, aber von 
äußerjt bitterm Geihmad iſt, ſich in lochendem, 
mit etwas Allohol verſetem Waſſer mit gelber 
Farbe auflöſt und mit eſſigſaurem Bleioryd einen 
ſchön gelben Niederjchlag bildet. Beim Behandeln 
mit Säuren zerfällt da3 D. in einen zuderartigen 
Körper, ben gg C;H,,O, und dad Duers 
cetin C,,4H,,Ö,,. Das Quercitrin findet fi auch 
in den Blüten der Roßtaftanie, im Weinlaub, 
Gatehu und Sumad. Man benukt den D. zum 
Gelbfärben von Baumwolle und Wolle und zum 
Grundieren baumwollener und wollener Stoffe, die 
man fpäter braun oder grün färben oder druden 
will, Seit dem Belanntwerden der gelben Teer: 
farben hat die Wichtigkeit des D. abgenommen. 

uerous, Laubholzgattung, ſ. Eiche. 
uerch (Cauſſes de), f. unter Cauſſes. 

Querder, ſ. unter Neunauge. 

Querel (lat.), foviel ald Beihwerbe oder Klage. 
In erjterm Sinne kommt e3 meijt al3 Nullitäts- 
querel, d. i. Nichtigleitsbeſchwerde (f. d.), vor. a" 
legterm Sinne ijt_e3 im röm. Recht die ſpezifiſche 
Bezeichnung gewiffer Klagen, 3. B. querela inoffi- 
ciosi (testamenti), die Klage des in einem Teſta— 
ment ungerecht ausgeichlojienen Noterben gegen 
die Teftamentserben, querela non numeratae pecu- 
niae, die Klage auf Zurüdgabe der Schuldverichrei: 
bung, weil man das darin verſchriebene Darlehn 
nicht empfangen. 

erelle d’Allemand, eigentlich Querelle 
(d. d. Streit) d’Allemans, foviel wie ein vom Zaun 
253* 


436 


gebrochener Streit, Allemans war der Name einer 
weitverzweigten altfranz. Adeläfamilie, welche jedes 
Unrecht, das einem ihrer Mitglieder zugefügt war, 
als dem ganzen Ge ge angefügt betrachtete und 
eh folidariih gegen den Urheber des Un: 
rechts vorging. Von a a an rapben 
Littre, wird die Redensart auf die Deutichen bezogen. 
Querstäro (de Arteaga), die Hauptitabt des 
gleichnamigen Staats der Nepublit Merito, Liegt 
an der Sa in Straße von Merito nad San: Luts 
2. 1850 m über dem Meere auf und an einem 
ügel, umgeben von einer fruchtbaren und wohl: 
angebauten, gegen Norden und Often von hoben 
Bergen begrenzten Ebene. Die Stadt zählt (1880) 
27 560 E., darunter viele Indianer und Meftizen, 
und ift eine der fchönften Städte Merilos, von 
Fruchtgärten umgeben, mit regelmäßigen Straßen, 
drei großen Pläpen, vielen prächtigen Gebäuden 
und * Springbrunnen, 15 Kirchen, acht 
Mön Das merk— 
würdigte ®ebäudeift das NonnentlofterSta.:Clara, 
defien weitläufiges ‚Innere fait einer Heinen Stadt 
Pa Das auf der Spibe des Stadthügels ge: 
egene Franzistanerllofter Sta.Cruz ift durch eine 
intereflante Bibliothek bemerkenswert. Die ſchöne 
Hauptlirhe Nueftra Señora de Guadalupe enthält 
einen Altar von mafjivem Silber. Die Stadt be: 
fit ein Kranfen: und ein —“ ſowie —— 
verhältnißmãßig gute Schulen, eine alte berühmte 
Waſſerleitung (Caheria) und jehr ſchöne öffentliche 
—— Es beſteht zu D. eine Baumwoll⸗ 
fabrit, die größte Mexikos; in den zahlreichen Woll: 
manufalturen arbeiten befonder3 die Indianer und 
Meftizen, die ſich auch durd) Anfertigung von Holz: 
fchnigereien auszeihnen. Außer dem Gewerbe: 
betrieb trägt der Handel, der viele Einwohner be; 
fchäftigt, zur Velebtheit der Stadt bei. — D. war 
urfprünglih ein Hauptort der Dtomiten, eines 
friegeriihen und unabhängigen Indianerſtammes, 
wurde 1531 von den Spaniern erobert und 1655 
fe Ciudad erhoben, Am 29. Mai 1848 ratifizierte 
ort der mexik. Kongreß den mit den Vereinigten 
Staaten 2. Febr. geſchloſſenen Frieden von Guada: 
lupe:Hidalgo, Nachdem die längere Zeit von Kaiſer 
Marimilian verteidigte Stadt 15. Mai 1867 durch 
Verrat des Generals Lopez von den Nepublilanern 
unter General Escobedo eingenommen worden, 
wurde der Kaifer 19. Juni nebjt den Generalen 
Mejiaund Miramon aufdem Cerro de lasCampanas 
bei DO. kriegsgerichtlich erſchoſſen. (S. Merilo.) 
Der Staat Queretaro, einer ber lleinften der 
Republit, im N. an San: Luis Potoſi, im O. an 
Hidalgo, im S. an Meriko, im SW. an Micdhoacan 
und im W. an Guanajuato grenzend, umfaßt 
10200 qkm mit (1882) 2032350 6. 
Querfurt, vormals eine reichsunmittelbare 
Herrihaft im Oberſächſiſchen Kreife, beftehend aus 
der Herrihaft O. mit den Städten Jüterbog, Dabme 
und Burg, gehörte urjprünglich den Edeln von d., 
nad) deren Ausjterben mit Bruno XI., 1496, fie 
vom Erzitift Magbebutg als eröffnetes Lehn ein: 
geiogen wurde, Im Prager Frieden von 1635 
überlich Kaifer Ferdinand II. die Herricaft dem 
Kurfüriten Johann Georg I. von Sachſen, der fie 
————— erhob, das bei ſeinem Tode nebſt 
r Herrſchaft Heldrungen ſein zweiter Sohn Auguſt, 
der Stifter der Linie Sachſen-Weißenfels, erhielt. 
Der Herzog Johann Adolf J. trat 1687 Burg an 
Brandenburg ab, und nach dem Ausſterben der 


3: und drei Nonnentlöftern. 


Queretaro — Querſchnitt 


Weißenfelſer Linie fiel das Fürftentum 1746 wie: 
der an Kurſachſen. Dasielbe hatte ein Areal von 
450 qkm und 20.000 E., fiel 1815 an Preußen und 
wurde teil dem Negierungsbezirt Merfeburg (die 
Amter D. und Heldrungen), teils dem Negierungss 
bezirt Botsdam (die Amter Jüterbog und Dahme) 
— ‚Das frühere Amt D. bildet feitdem einen 

eil des jegigen Hreifes Querfurt, der 1880 
auf 684 qkm 56748 €. zählte, 

ie Kreisftadbt Querfurt, 30 km lich 
von —— und 32 km —— von e 
in fruchtbarer Gegend an der Querne gelegen, Sta 
tion der Linie Oberröblingen-A. der Preußiſchen 
Staatsbahnen, iſt Eik eines Landratsamtes und 
eines Amtsgerichts und zählt —— 4920 meiſt 
prot. E. mit anhängendem Thaldorf 5844 E, Die 
Stadt befiht drei evang. Kirchen, ein Kreisftände: 
Dane —— —— ule für 

öhere Schulen und eine Bürgerfchule. In bem 
alten Schloß befinden fich jeht die Räumlichkeiten 
der Amtägerichte, des Rentamts, fowie die Woh— 
nungen und Wirtfcaftsgebäube des Domänen 
pächters. Q. hat zwei Zuderfabrifen, zwei Mineral: 
wa — vier Ziegeleien un ei K 
brennereien. In der Nähe befinden fi) ergiebige 
Braunktohlengruben und Steinbrüde. 
‚Quergurt, der bei Gewölben, namentlich über 
Kirchenſchiffen, ſenkrecht zur Län —s——— 
meiſt nach unten ſichtbare und profilierte Gurtbogen, 
durch welchen das Joch des Gewölbes markiert und 
letzteres m verjtärft wird. Die nad) der Länge 
ehenden Gurtbogen (Längsgurte) in gewölbten 
irchen trennen die einzelnen Echiffe voneinander, 
Auch bei langen Tonnengewölben kommen DO. vor, 
Suerhaupt, Mafdinenteil, |. Kreuzkopf. 
Querieug, lub, in Frankreich, ſ. Hallue, 
Querini, |. Quirini. 
Quermäuler, Gruppe ber Knorpelfiſche (f. b.). 
Querpfeife, eine beim Militär gebräudjliche 
alte Flötenart von gellendem Ton, melde eine 
Oltave höher fteht als die gewöhnliche Flöte und 
der Videlflöte ähnlih, aber durdy den Mangel der 
Klappen von ihr verſchieden iſt. 
Querprofil, j. Querihnitt, 
Querrieug, Dorf im franz. Depart. Somme, 
11 km nordweitlid von Amiens; bier 28, Dez. 
1870 Nelognoszierungsgefeht als Einleitung der 
Schlacht an der Hallue (. d.). 

—*— eine Säge, die zum Querabſchneiden 
des Dale ient und ein breites, bauchiges Blatt 
mit zwei ſenkrecht ftehenden Angeln bat. 

Querfchiff (Kreurfchiff) it bei Kirchen ber 
—— zum Laneihif ftehende Teil des Ge 
bäudes, wodurd) dasjelbe im | eine Kreuz: 
form erhält und nd im Jufammenftoß der beiden 
Schiffe eine fogen. Vierung oder Transſept bildet, 
Das D. befindet fid) entweder am Ende des Lang: 
ſchiffs, wie bei den althriftlichen Bafilifen, oder 
bildet mit demjelben ein griehiihes (F), meilt aber 
lateinifches Kreuz (7), wie bei den romaniſchen und 
gotiſchen Kirchen, : 

Querfchnitt (Duerprofil) ift die ae 
ſchnittszeichnung eines Gebäudes nad der Ti 
oder eines ftabförmigen Körpers rechtwinfelig zu 
feiner Längenrihtung, bisweilen auch dieſer aus: 
geführte Schnitt felbt (3. B. bei Hölzern) oder die 

Infiht der Schmalfeite. Er dient zur genauen 
Voritellung der innern Beihaffenheit oder äußern 
Form des Gegenitandes. (S. Profil.) 


ren 


Querſchotten — Duesnoy (Stadt) 


Querſchotten nennt man diejenigen wafler: 
dichten eifernen Wände, mit welchen eiferne Schiffe 
quer durchzogen werden. —— hat man deren 
acht bis neun, welche den Raum des Schiffes in 
ebenſo viele Abteilungen teilen. Der Zwed iſt, bei 
ſchweren Leden das eindringende Wafjer auf einen 
der Zeile a beichränten und das Schiff dadurch vor 
dem Sinken zu bewahren, oder lehteres wenigſtens 
folange wie möglich zu —— Bei Kriegs⸗ 
ſchiffen verfleinert man dieſe Räume auch noch durch 
Laͤngsſchotten, ebenſo wie man den ganzen unter 
Waſſer befindlichen Boden doppelt baut und mit 
einer großen Zahl waſſerdichter Zellen verſieht. 

Querulant fat.) eißt derjenige, welcher que: 
ruliert, d. i. Beichwerde führt; mitunter verbindet 
ih damit die Nebenbedeutung eines zudringliden 
chilanöſen Verfahrens, 

Querulantenwahnfinn, Prozeblrämer: 
wa un inn, eine Art ——— welche ſich im 
weſentlichen lundgibt in rudſichtsloſer, eventuell 
bis zu gewaltthätiger Selbſthilfe ausartender Ver: 
in en Dog Rechtshandels. An den einfadhern 
Fallen diefer Art liegt entweder Schwachſinn (Un: 

äbigfeit, die abftralten Rechtsbegriffe, beziehungs: 
weile die Rechtsordnung zu fallen) oder Berfol: 
gungswahnjinn (fire Ideen der Beeinträd: 
tigung durch andere, fpejiell die Gerichte) vor; 
dabei findet ſich ausnahmslos ein — geſtei⸗ 
gertes Selbſtgefühl, welches die eigene Meinung 
ſtets als die richtige anſehen, davon abweichen: 
den fahverftändigen Rat mißachten läßt. Vielfach 
lommt e3 auch vor, daß an ſich nur gering ſchwach— 
finnige Perfonen im Berlauf eines Prozeſſes an 
Berfolgungswahn erkranken, welcher den Charalter 
des D. zeigt; ja auch bei geiltig Gefunden fann das 
begründete Bewußtiein, in einer gerechten Sache vor 
Gericht Unrecht erhalten zu haben, durch die mit der 
Prozekführung verfnüpften Erregungen ıc. ſchließ— 
li zu Berfolgungswahn in Form von D. führen. 
uerwälle, P Traverjen. 

Suefe, f. unter Blafenwürmer., 

Ducduay — der Urheber des Phy— 
fiofratismus (ſ. d.), geb. 4. Juni 1694 zu Merrey 
bei Montfort:l'Amaury im franz. Depart. Eure, 
bekleidete eine Profeſſur der Brent und war zu: 
nleih Leibhirurgus Ludwigs XV, D, ftarb zu 
Paris 16, Dez. 1774. Schon ig richtete er fein 
Augenmerk auf die Beihränkung des Innern Ver: 
kehrs dur Zölle zwischen den Provinzen, die Menge 
der verjchiedenen Abgaben und die Begünftigung 
des ſtädtiſchen Gemwerbfleißes = Koften der Land: 
wirtihaft, für die er jtet3 eine befondere Vorliebe 
begte. So es im Öegenjab zu bem berrichen: 
den Merkantiliyitem zu einer vollswirtſchaftlichen 
Zheorie, bie von ber Annahme ausging, daß bie 
Landwirtichaftallein eine wirklich produktive Thätig: 
feit und Freigebung aller wirt — räfte 
die befte Wirtichaftspolitif ſei. Cr veröffentlichte 
feine Ideen zuerft 1756 in ben Artikeln «Fermiers» 
und «Grains» der Diderotfhen Encyklopädie, dann 
in präciferer Form 1758 in dem «Tableau &cono- 
mique», befjen erfte in Verfailled nur in wenigen 

emplaren — Ausgabe gänzlich ver: 
ſchwunden ift. Eine «Analyse» de3 «Tableau» nebft 
vermebrter Ausgabe ber beigefügten «Maximes» 
und «Notes» und andern in dem «Journal de 
V’agriculture etc.» erfdienenen Abhandlungen Q.s 
ijt von Dupont de Nemours in dem Werte «Physio- 
cratie, ou constitution naturelle du gouvernement 


437 


le u avantageux augenrehumain» (2Bbe., Par. 
und Leiden, 1767—68) herausgegeben worden. Q. 
ſchrieb auch mehrere geſchaͤhte mediz. Werte, } B. 
die «Histoire de l’origine et du progrès de la 
chirurgie en France» (Bar. 1749). Eine Samm: 
lung der bedeutenditen Schriften D.8 mit einer zwed⸗ 
mäßigen Auswahl aus den Werfen der übrigen Phy— 
fiofraten enthält die «Collection des principaux 
&conomistes» von Guillaumin (Bd, 2, Par. 1846). 

Quesnel (Le), Dorf im franz. Departement 
Somme, Arrondifjement Montdidier,nambaftdurd 
das Gefecht vom 24. Nov. 1870 zwifchen der Avants 
garde des 1. deutjchen Armeelorps und Abteilun: 
gen der vor Amiens ftehenden — . Armee. 

Quesnel (Paſchaſius), kath, Theofog, Priefter 
de3 Dratoriums, geb. zu Bari! 14. Juli 1634, gab 
1675 die Werte Leos d. Gr, heraus, verjehen mit 
Anmerkungen, in benen bie Freiheiten der Galli: 
fanifchen Kirche verteidigt wurden. Das Bud 
ward auf den Inder gefeht und D. ” fih 1681 
nad Orleans zurüd. Als 1685 der Hof von allen 
ai des Dratoriumd die Verdammung bes 

anſenismus (f.d.) forderte, ging D. nad) Brüffel, 
und als er bier 1703 auf Betreiben der Sefuiten 
gefangen geſeht, aber durch Freunde befreit ward, 
nad Amſterdam, wo er 2. % 1719 jtarb. Großes 
Auffehen erregte feine from. berfehung des Neuen 
Tejtament3, mit moraliihen Anmerkungen in 
milden janfeniftiichen Geijt («Reflexions morales 
sur le Nouveau Testament», 2 Bde., Par. 1687), 
Obgleich Boſſuet undNoailles GErzbifchof von Paris, 
das Buch als Erbauungsbuch empfahlen, wußten 
die Jeſuiten es durchzüſetzen, dab dasſelbe 1708 
verboten und in der Bulle Unigenitus vom 8. Sept. 
1713 von Papft Clemens XI. 101 Säge desjelben 
als keperiich verdammt wurden. Die röm, Kirche 
Des ich damit offen zum Semipelagianismus be: 

annt; die franzöfiiche fpaltete fi in dem Streit 
über die Anerlennung oder Ablehnung der Bulle in 
die beiden Parteien der Konftitutioniidhen oder 
Acceptanten und ber Appellanten; letztere, an ihrer 
Spihe Noailles, appellierten wegen der Bulle an ein 
allgemeines Konzil, vermifchten ſich aber ſpäter mit 
den ſchwärmeriſchen Janſeniſten oder Konvulfionärs, 
Unter den seltenen Schriften D.8 find nod) zu 
nennen: «Tradition de l’öglise romaine sur la pre- 
destination et la gräce» und «L'idée du sacerdoce 
et du sacrifice de Jesus-Christv. Vol. Neudlin, 
“ —** von Port:Royal» (2 Bde. Hamb. und 
Gotha 1839—44); Sainte:-Beuve, «Port-Royals 
(5 Bde., Par. 1840—60). 

Quesuoy (Le), Stadt im franz. Norb:Departe: 
ment, Arrondiffement Avesnes, im ehemaligen 
Hennegau, 16 km im SSD. von Valenciennes, 
zwifchen den Flüßchen Nhonelle und Ecaillon, Sta: 
tion der Linien Anor:Balenciennes und Cambrai: 
Bavay der Franzöfiihen Nordbahn, an einer An: 

öbe, welche dieweite undfruchtbare Ebene bis zu dem 

alde von Marmal beherriht, zählt — 40306. 
und bat Nagelichmieden, Cichorienfabriken, Ger: 
berei, Brauerei, Baumwollipinnereien und Handel 
mit Pferden, Rindvieh, uhwerk und Wolle. 
Die Stadt war bis 1866 befeltigt. — D., in alten 
Urkunden Haimoncasnoit, erhielt Mauern und ein 
Schloß durd Balduin V. von Hennegau um 1150, 
ward 1477 von Ludwig XI. von Frankreich, bald 
darauf vom Erzherzog Marimilian, 1654 von Zu: 
renne, 4. Juli 1712 vom Prinzen Gugen von Sa: 
voyen, aber ſchon 4, Olt. vom franz. Marſchall 


438 


Billard erobert. Es Tapitulierte 11. Sept. 1793 an 
bie Öfterreicher unter Glerfayt, warb 16. Dit. 1791 
von ben Franzofen unter Scherer eingenommen und 
ergab ſich 1815 den Niederländern. 
Que —— bu), f. Fiamingo. 
g-fur-Denle, Stadt im franz. Nord: 
Departement, Arrondijiement Lille, 11 km norb: 
nordweitlid von Lille an der Deule, Station der 
Linie LillesComines ber Franzoſiſchen Norbbahn, 
£ it (1881) 2376 (Gemeinde 5051) E. und bat 
Nagel: und Kettenfabriten und Flachshandel. 
Bueflant, foviel wie — 
Questembert, Stadt im franz. Depart. Mor: 
bihan, Arrondiſſement Vannes, Station der Linien 
Savenay⸗Landerneau und Q.⸗Ploẽrmel der Dr: 
Lansbahn, hat (1881) 1119 (Gemeinde 4155) E., 
Tudfabritation und Gerberei. 
Quetelet (Lambert Adolphe Jacques), nam: 
bafter Aſtronom und GStatijtiter, geb. 22. Febr. 
1796 zu Gent, erhielt dajelbft feine Bildung und 
bereitö 1815 bie Profefjur der Mathematit am 
königl. College. Gr fiedelte 1819 in gleicher Eigen; 
Schaft an das Athenäum zu Brüffel über, wo ihm 
1836 auch die Brofeflur der Aitronomie und Mathe: 
matit an ber Kriegsſchule übertragen wurde. In— 
wifchen hatte O. 1828 aud) die Direktion der unter 
wii Leitung errichteten Sternwarte übernommen. 
Daneben wirkte er jeit 1834 als beftändiger Selre- 
tär der Afabemie, die ihn bereits 1820 zu ihren 
Mitgliede ni tte. Auch ftand er mit an der 
Spihe ber ftatilt. Centraltommifjion für Belgien. 
Er ftarb 17. Febr. 1874 zu Brüjlel. 
nter D.3 mathem., ehren. und phyſil. Schriften 
find befonders en « Elöments d’astro- 
nomie» (5. Aufl., 2 Bde., Brüff, 1848), «Positions 
de physique» (2. Aufl., 3 Bde., Brüff. 1834), «Sur 
le climat de la Belgique» (2 Bbe., Brüff. 1849— 
57) und «Meöt£orologie de la Belgique» (Brüff. 
1864) ; ferner «Sur la physique du globe»s (Brüjj. 
1861), «Histoire des sciences mathömatiques et 
physiques chez les Belges» (Brüff. 1864) nebit 
«Sciences math@matiques et phyeigues chez les 
Belges au commencement du XIX® siöcle» (Brũſſ. 
1866). Seinen europ. Ruf aber hat D. namentlid 
durch feine focial:ftatift. und anthropometriſchen 
Arbeiten erworben. D. ſucht darin die Gefehe auf: 
uftellen und zu begründen, welche ſowohl die phyſi⸗ 
chen al3 die moralifchen Erſcheinungen des inbivi: 
duellen und fozialen Lebens regeln. Er bekundet 
dabei allerdings oft eine zu mechaniſche Auffaſſung 
ber nachgewieſenen numerifchen Regelmäßigfeiten 
und aud) feine Methode ift in der neuern Zeit mehr: 
fach angegriffen worden. Seine hierher gehörenden 
Werte find: «Sur ’homme etle developpement de 
ses facultös, ou essai de Pu sociale» (2Bde., 
Bar. 1885; deutſch von Niede, Stuttg. 1835), 
«Lettres au duc regnant de Saxe-Cobourg sur la 
thöorie des probabilites» (Brüff. 1846), « Du sy- 
steme social et des lois qui le rögissent» (Par. 
1848) und «L’anthropomötrie ou mesure des diffe- 
rentes facultös de l’homme» (Brüfl. 1871). Den 
größten Teil der Ergebnijje feiner eigentlich fad): 
wiſſenſchaftlichen Studien legte DO. teil in den «Me- 
moires» ber belg. Alademie, teild in der anfangs 
mit Garnier, fpäter allein redigierten «Correspon- 
dance math@matique et physique» und den «An- 
nales del’observatoire» nieder. Aucherfchien unter 
feiner Leitung feit 1834 das «Annuaire de l’obser- 
vatoire», teil3 aftron., teils ftatift. Inhalte, Wal. 


Duesnoy (Frangois du) — Quevedo y Villegas 


Mailly, «Essai sur la vie et les ouvrages de Q.» 
(Brüff. 1875); Wolomfti,«ElogedeQ.» (Bar. 1875). 

Ern eſt D., Sohn des vorigen, geb. 7.Aug. 1821, 
bildete fih auf der Militärfehule zu Brüffel und 
trat 1848 ala Unterlieutenant in da3 Geniecorps 
der Armee. Gr lam 1855 al3 Aſtronom an bie 
Sternwarte zu Brüflel, wo er fi an ben Arbeiten 
feines Bater3 beteiligte und ſich beſonders durd) 
feine magnetifhen Unterfuhungen vorteilbaft be: 
fannt madte. D. ftarb 6. Sept. 1878 Fr Brüflel. 
* Er aan f. unter Analyje, 


Quetſchmaſchine (frj. machine à exprimer, 
engl. rolling-machine), eine mafchinelle Vorrid): 
tunß mit mehrern Paaren gubeiferner Walzen, 
zwijchen welchen man ben den Rottebehältern ent: 
nommenen Flachs durchgehen läßt, um defien Trod: 
nen und nadjfolgende Bearbeitung zu erleichtern. 

Quetfchmine, ſ. u. Mine, Bd. XI, ©.740°. 

Quetſchmühle, joviel wie Schrotmühle. 

Quetſchung, Kontufion (Contusio),diejenige 
Verlegung von Körperteilen, wobei diefelben zwi: 
hen zwei harten, feiten Gegenftänden gebrüdt wer: 

n. Die nädjfte Folge ber D. ift die Berreißung 
der weichen Teile unter der Haut, auf welche ein 
Bluterguß, Schwellung, dunkle Färbung der Haut, 
Schnierzhaftigfeit folgen. Bei der Heilung wird 
unter größerer oder geringerer Entzündung bas 
ergofjene Blut wieder aufgelaugt, das zerjtörte Ge: 
webe durch neues erfekt, ober die Haut über der 
gequetichen Stelle briht auf und es kommt zur 
Giterung, felbft zu Brand. Iſt die Haut gleichzeitig 
ve worden, fo heißt die Verlegung eine 

uetſchwunde. Die höchſten Grabe der O., bei 
denen es zu vollftändiger Zertrümmerung ber Ge: 
webe und zu völligem Erlöfchen der Bitalität kommt, 
werben als Zermalmung oder Jerquetihung 
(Conquassatio) bezeidhnet. Bei ganz friiden ein: 
fachen DO. erweift fi) das Befeuchten mit Alkohol 
(Arnitatinktur) vorteilhaft; in ſchwerern Fällen iſt 
die Anwendung von kalten Romprefien, Eisbeuteln 
und narlotifchen Mitteln erforderlich. 

Quetta, Stabt in Balutidiftan, im Gebiete bes 
Chans von Kelat, am Eingange de3 Bolanpafies 
und an der von Kandahar durd) das Viſchinthal 
nad) Shilfarpoor am Indus führenden Straße, iſt 
befeftigt, befißt eine ftandige Garnijon des brit.-ind, 
Heeres, bildet den wichtigiten Zugang aus Indien 
nad) dem ſüdlichen Afghaniſtan, it mit bedeutenden 
Magazinen für Kriegsmaterial nusgeftattet und 
wird (1885) durch eine Eijenbahn mit dem Indus 
in birefte Verbindung gebradt. Bei D. foll ein 
ftehendes Lager errichtet und mit einer ftärlern 
Heeresabteilung bejegt werden. 

Queue (frj. «Schwanz»),, die letzten Reihen 
—— eines Truppenteils; eine Reihe von Ber: 
onen, welche einzeln oder zu zweien hintereinander 
fih aufftellen, um die Sröfmung eines Theaters 
u. dgl. abzuwarten, daher Queune maden, fid 
einer hinter dem andern aufitellen. 

Queue beißt aud der Stab beim Billard (ſ. b.). 

Duevedo 9 Villegas (Don Francisco de), 
origineller fpan. Schriftiteller, geb. zu Madrid 
26, Sept. 1580, ftudierte zu Alcalä de Henares, 
mußte noch al3 Student wegen eines Duell, in 
welchem er feinen Gegner erſtochen, nad) Italien 
flüchten, wo er fi die Freundichaft des Herzogs 
von Dfuna, Vizelönigs von Neapel, erwarb. Unter 
demfelben ward er in Neapel Finanzminifter, wurde 


Duszaltenango — Quichua 


jedoch nach feiner Zurüdkunft nad Spanien als 
ein Bertrauter des in Ungnade gefallenen Herzogs 
— en —— auf ſeinem —— La 

ngen ** und erſt 
nach ae ud wieder; in Freiheit geſeßt. Wegen 


org fi * den Miniſter Olivarez, welches 
er abermals faſt vier 
I⸗ lang in — erlerhaft und ſtarb nad | 2 


einer F —— 
los ter —— n See A 
bie humoriſtiſchen durch Scherzhaftigleit und 
nnreihe Erfindung aus (neue Ausg. — 
cia 1876; Ungedrudtes enthalten: «El libro 
verde. Coleccion de poesias de Francisco Q.», 
Madr. 1871; 2. vermehrte Aufl. 1874, und «Poesias 
icarescas —— Madr. 1863). Mit Unrecht 
—* cheinen ihm die trefilichen Gedichte des Francidco 
de la Torre, die er herausgab, beigelegt zu werben. 
Seine profaijchen Werte be eben meiſt aus Ergüflen 
der Laune und Satire. Berühmt wurde U. be: 
fonder3 durch rm aeg nadhgebildeten aSuehos 
y discarsos » ( Barcelona u. Balencia 1627; deutſch 
ai Bhilander von Sittewald, Straßb. 1645) und 
durch feinen «Gran Tacafio» ventfch von =. 33 
1826), einen ber erſten komiſch⸗ſatiriſchen oder 
S omane (picaresco). Seine Werte 1% 
febr oft gebrudt worden; bie volljtändigite Ausgabe 
bien zu 9 (u Bde. 1791 — A). 3 
Ulbrich, «Don Francisco de DO,» (Franif. a - 
1866) und Baumitark, «Don Francisco be 
fpan. Lebensbild» (Freiburg i. Br. 1871). ER 
eriten zwei Bünde einer neuen kritiſchen Ausgabe 
der Werke D.8 (mit Biographien von Guerra y 
Drbe) erfchienen in ber « Biblioteca de autores es- 
paholes » (Bd. 23 u. 48, Mabdr. 1852 u. 1859, ben 
Dritten publi ierteXaner, Bd. 69, Madr. 1877), eine 
4 bejorgte Ochoa, «Obras escoridas con 
notas» (Par. 1873), eine illuftr. Ausgabe erſchien 
1873,4 „ Mabdr.). 
tenau 90, Departenient der mittelamerif. 
publit Guatemala. mit (1880) 83 674 E. ilt der 
— Zeil des Landes. Die ſchmale Rüften: 
ebene ift wenig bevöltert, im Gegenſaß zu dem ge: 
ſunden Hodyplateau 1, mofelft neben den europ, 
Getreibearten aud Baumwolle und Zuderrohr ge: 
baut werden und die ſchönen Savannen Viehzucht 
begünitigen. Die Hauptitabt gleichen Namens, 
mit etwa 22 000 E. faſt ausſchließlich Judianern, 
an Etelle ber zweitgrößten Stadt des ehemalige * 
Quichẽ⸗Reichs 1524 von Alvaredo gegründet, 
eine jhöne Kathedrale und ſechs andere — 
ftarte Yeinen:, Baummoll: und Wollweberei und 
vermittelt den Handel —— Guatemala und 
mexitan. Staate Chiapa 
Quibdo, Stadt im — Cauca ber fübamerif, 
—— Columbia, Municipio de — — 
ts am obern Atrato, bat (1870) 68 
niberon, eine Lange Sand er = en Weit: 
füjte von Franlreich, mit einem Marftfleden gleichen 
Namens (Station der Linie Auray:D. der Orleans: 
bahn) von (1881) 2537 E., im Depart. Morbihan, 
wurde durch die von einer großen Niederlage be: 
tete Landung, welche 1795 die von ber brit. 
erung unterftügten franz. Emigranten unter: 
Ben tlih namhaft. Während General 
21795 mit den Royaliftenhäuptern 
itete Graf Puiſaye, ber Ober: 
—— Ghouans (j. ey = Derein mit ber 
ig ne einen — auf die franz. Hüften 


Sept. 1645 zu Villa-Nueva * Pr 


439 


vor und ſchiffte fi auf cinem vom Commodore 
Warren befehligten Geſchwader Mitte Juni ein. 
Im Angefiht der Küfte begegnete Warren der aus 
12 8inienfdiffen und 11 Fregatten beſtehenden fran;. 
or von Breit. Warren rief das zu u feiner Dedung 
ftimmte, 10 Linienſchiffe ftarle brit. Geſchwader 
Admiral Britport herbei und dieſer ſchlug 
uni die franz. Flotte auf —* Höhe von Lorient. 
dem Warren 26. Juni im ber un von Q. ge: 
ankert, ſtieg Puiſaye 27. bei dem Dorfe Carnac mit 
3000 Mann ans Land. Sogleich eilten die Chouans 
—F und bildeten ein Korps von 10000 Mann. 
uiſaye ließ die in drei Haufen ee Chouans 
ins Land hineingehen, wo fie 7. Juli von Hoche 
angegrilfen | und auf die Zandzunge zurüdgeworfen 
wurden. Dergeltalt mit 15 000 Mann und vielen 
üchtlingen auf Q. ae ahnt faßte Nr 
aye den Entſchluß, die Nepublitaner, welde Seh 
ei Ste.:Barbe verfhanzten, zu überfalle N. 
—* ein ftartes Korps unter inteniac zu Saife 
an die Mündung der Vilaine, weldes von hier aus 
Hode in den Nüden fallen jollte. Nachdem nod) 
ein 1100 Mann ſtarkes Gmigrantentorps unter 
Sombreuil von der Elbmündung angelommen, griff 
Buifaye 16. —* bie Nepublifaner an, wurde aber 
von Hoche geihlagen. Tinteniac war auf dem uge 
gefallen. In der Nacht vom 20. yuli ließ je 
hierauf durch 300 Grenadiere das Fort Penthievre 
auf einem Felswege erſteigen. Rn gleidy brang er 
auf der Landzunge vor und trieb die Emigranten 
nit den Chouans nah dem Meere. Buifaye rief 
—— herbei, und das brit. Geſchwader vermochte 
en 2200 Emigranten zu retten. Sombreuil 
m ut mit 1000 Entigranten ergeben, bie auf 
on — Konvents erſchoſſen wurden. 
Quibo oder Coiba, Inſel im Großen Ocean, 
an der Südküſte des Staates Banamä (Iſtmo) der 
üdamerik. Republik Columbia, ift 550 gkm groß, 
t einen trefflihen Hafen und wird von Berlen: 
ſchern befucht. 
niche, ein Indianerſtamm in Guatemala, 
ſotegn zu dem ——— gehörend. 
rat (Louis Marie), franz. a 
12. yo 1799 zu Paris, wurde Profeſſor —8 
torit in Bourg:en: Brefie, war 1827—31 — 
der pädagogiichen Zeitſchrift « Lycées in Paris und 
wurde 1843 Konjervator der Bibliothel Ste. :Ge: 
nevieve dajelbft. Bon feinen Werken find hervor: 
— «Traitö de versification latine» (1826 
. öfter), « Thesaurus poöticus linguae latinac » 
(1836; umgearbeitet 1875), «Traite de versification 
frangaise» (1838; 2. Aufl. 1850), « Nouvelle pro- 


dem | sodie latine» (1839 u. öfter), « Dictionnaire latin- 


francais» (1844 u. 
(3 Bde., 1867), «Intr 
nius Marcellus» (1872). 

‚Etienne yuleh Foſeph Q., Bruder des v0: 

—** —— geb. 13, Okt. 1814 zu Paris, 

be ud e die Ecole des chartes bafelbit, war danıı 
an der königl. Bibliotyet befchäftigt, wurbe 1849 
Profefiorander Ecole des chartes und1871 Direktor 
diejer Anjtalt. Er ftarb 9. April 1882 zu Paris. 
D. ſchrieb: «Procts de condamnation et de r&ha- 
bilitation de Jeanne d’Arc» (5 Bde., Bar. 1841— 
49), «Apercu nouveau sur Jeanne d’Ärc» (1860), 
«Histoire du siege d’Orl&ans» (1850), «Histoire de 
Sainte-Barbe» (3 Bbe., 1R60—64), «Histoire du 
costume en France» (1874). 

Quichua, füdamerit. Stamm, ſ. Khetſchua. 


öfter), «Adolphe Noworit» 
uction & la lecture de No- 


440 


Quick, —* wie Quedſilber; Quidarbeit, 
foviel wie Amalgamation; Duidbrei, ſoviel wie 
Amalgam; Duidgold und Quidfilber, foviel 
wie Gold: und Silberamalgam. 

Quidam (lat.), ein Gewiſſer, gewöhnlich in ver: 
ächtlichem Sinne, 

Quiäd pro quo (lat.), etwa& für etwas, eins 
für das andere, Verwechſelung. 

Quidquid 3, —— agas ot res- 
pioe finem, «Was du auch thuft, thue e3 Hug 
und bedente das Ende», lat. Spruch eines unbe: 
fannten Verfaſſers. 

dquid delirant reges, pleotuntur 
Achivi (lat.), «Was bie * (nämlid Aga⸗ 
mennon und Achilles, die ſich vor Troja entzweiten) 
raſen, müſſen die Achiver bühen», d. b.: Für un: 
heilvolle Handlungen der Herriher muß das Volt 
büßen, Citat aus Horaz' «Epijteln® (I, 2, 14). 

Quiädquid id est, timeo Danaos etdona 
ferentes, ſ. unter Danaer. 

Quieszieren (lat.), in Ruheſtand verſehen; 
Quieszenz, Ruhe, Ruͤheſtand. 

Quietiner, f. Theatiner. 

Quietismus (vom lat. quies, Ruhe), eine 
myſtiſch⸗religiöſe Richtung in der röm.kath. Kirche 
de3 17. Jahrh. Der gänzlich nad) außen gerichtete 
Geijt einiger ag erg beſonders der yı uiten 
und Dominikaner, hatte im 17. Jahrh. die Andacht 
und Bottesverehrung der Katholiken —* in eine 
bloß mechan. Gottesdienſtlichkeit verwandelt. Daher 
wendeten ſich —58* Gemüther, die es mit ihrer 
Andacht ernit 10 meinten, mit neuem Gifer der 
a zu. Diejem Bedürfnis entiprad) be3 fpan. 
Weltprieſters Mid. Molinos (f.d.) Erbauungsbuch 
«Guida spirituale» (Nom 1675). Nach der darin 
gegebenen Anleitung fuchten die Andächtigen die 
Ruhe eines gänzlich in Gott verfuntenen Gemüts 
(Quietijten). Der franz. Hof fehte e3 beim 
Papſt dur, dab Molinos feine Jrrtümer ab: 
ſchwoͤren und in ein röm. Dominilanerflofter 
wandern mußte, wo er 1697 jtarb, Diefer Gemalt: 
ſchritt Dinderte jedoch feineswegs die Verbreitung 
des Q. Der «Geijtlihe Wegweiler» Molinos’ fand 
in Deutſchland und Frankreich, wo man durch die 
Schriften der Bourignon, Poirets und der Bietiften 
vorbereitet war, immer weitere Verbreitung und 
veranlaßte bald eine Menge Erbauungsbüder in 
aleihem Geiſte. Die berühmtefte Bilegerin des 
franzöfiihen DO. war eine am Hofe Ludwigs XIV. 
beliebte ſchͤne und reihe Witwe, Jeanne Marie 
Bourier de la Mothe Guyon (ſ. d.). Ihre ercen: 
triſchen —— ſowie ihre übel gedeutete pla⸗ 
toniſche Liebe zu ihrem Beichtvater Lacombe brachten 
ſie ins Gefängnis, aus dem ſie aber Frau von 
Maintenon befreite. Auch Fendlon (ſ. d.) redete 
der Madame Guyon und ihren Schriften in feiner 
«Explication des maximes des sainis sur la vie 
interieure» (1697) das Wort. Die Fürfprade 
eines fo bedeutenden Theologen gab den D. neues 
Gewicht und dem Vorfechter der franz. Theologen, 
Boſſuet, Geegenheit, Fenelon eine Beihämung zu: 
zuziehen. Boſſuet erwirkte 1699 ein päpitl. Breve, 
das 23 Sähe aus Fenelons Buche als irrig ver: 
dammte und der weitern AusbreitungdesQ. Grenzen 
Igier bob men be no 1724in Palermo anzwei Quie: 
tiſten ein großes Autode Fe vollzogen. Der Q. fordert 
die fog. reine Liebe, die ſich ohne Furcht und Hoff: 
nung, gleichgültig gegen Himmel und Hölle, mit 
gänzlicher Selbftver 


Duid — Duimper 


Fleiſch muß dabei ganz ertötet, jeder weltliche Ge— 
danfe entfernt, alles Bertrauen auf eigene Kräfte 
bei guten Werten vernichtet und die Seele in einen 
leidenden Zuftand verfeßt werben, bei dem Gott 
allein in ihr wirkt. (. Matter, «Le mysticisme 
en France au temps de Feueclon» (Par. 1864); 
Stein,«Studien über die Heſychaſten des 14. Sr 
(Wien 1874); Heppe, « Geihichte der quietiſtiſchen 
Moitit in der kath. Kirche » (Berl. 1875). 

Quietiſten, myitiihe Sekte, ſ. Heſychaſt en 
und unter Quietismus. 

Quieto, Fluß in Sitrien, entipringt oberhalb 
Pinguente aus zwei Quellen und geht in einem 
vielfach gewundenen, tief eingeihnittenen Thal in 
weitl. Richtung zum Meere. Gr wird 10 km vor 
feiner Mündung ſchiffbar, während in feinem obern 
Laufe die Waſſermenge dazu nicht genügt. 

uievrain, Gemeinde im Bezirt Mons ber 
nr Provinz Hennegau, Station der Linie Brüjjel: 
D. der Belgiſchen Staatsbahnen und Paris-Q. der 
Framööſiſchen Norbbahn, mit 3088 E. Hier fiegten 
29. April 1792 die Öfterreicher über die Franzoſen. 

Quilca, Hafen in Beru, f. unter Arequipa. 

Quilimane, Quelimane, nördl, Stromarm 
des Sambeſi-Deltas, nad weldem der portup. 
Küitenitrih D, zwiihen Mozambique (nördl.) und 
Sofala (jüdl.) feinen Namen führt. Ctwa 10 km 
von der Mündung des Q, auf einer Inſel, liegt 
der Hauptort diejes Diſtrikis, ebenfallaU. genannt, 
mit 3500 E. und lebhaftem Handel. 

ala Mol., Pflanzengattung aus der Ya: 
milte der Nofaceen. Man kennt nur vier Arten, 
die namentlich im tropiichen Südamerita wadien. 
63 find Bäume mit immergrünen lederartign 
Blättern und großen anjehnlihen Blüten. Die 
Ninde der in Peru und Chile wachſenden Q. Sapo- 
naria Mol, zeichnet ſich durch die Eigenſchaft aus, 
glei der Seife mit Wafjer Schaum zu bilden, in: 
dem fie Saponin enthält. Cie wird deshalb in den 
genannten Pändern allgemein al3 Seife benupt 
und bildet dort einen bedeutenden Handelsartitel, 

Quillau, Stadt im franz. Depart. Aude, Arron: 
billement Yimour, am Aude, Station der Yinie 
Garcafionne:Q. der Südbahn, hat (1831) 2424 E. 
Zudfabritation, einen Eiſenhammer und bedeuten: 
den Holzhandel. Jr der Nähe liegt das Bad 
Ginoles mit drei Thermalquellen, 

Quillebeuf, Stadt im franz. Depart. Cure, 
Arrondifiement Bont:Audemer, linls an der Seine, 
unweit deren Wündung, bat (1831) 1414 E., einen 
Heinen Hafen mit Leuchtturm und Fifcherei. 

Quillota, Stadt und Hauptort eines Tepart. 
in der Brovinz Balparaifo der jüadamerit, Repubiit 
Chile, lints am Rio Quillota, Station der Bahn 
Balparaijo:Santiago, hat (1875) 11347 E. und in 
der Ihönen Umgegend ſehr reihe Kupferminen, 

Quillu, Fluß, ſ. Kuilu. 

Quiloa, Stadt in —— (. d.). 

Quilon, Hafen in Travancore (f. d.). 

Qui mangedu pape, en meurt (fr3.),« Wer 
(etwas) vom Bapit (Kommendes) ißt, ftirbt daran», 
ein aus der Zeit des Papſtes Alerander VL ftam: 
mende3 Sprihmwort, welder ſich mißliebiger Ber: 
fonen dadurch entledigte, daß er ihnen bei feinen 
— mit Gift gemiſchten Wein vorſeßte. 

nimper, Quimper Corentin, Seeſtadt 
und Hauptort des franz. Depart, Finistere, im 
Hintergrunde einer tiefeingejchnittenen Meeresbucht 


eugnungauf Gott richtet. Das | der Südküjte von Niederbretagne, dem Äſtuarium 


DuimperlE — Quinctier 


des Det, Station der Linien Savenay⸗Landerneau, 
D.:Douarnenez und D.-Bont-['AbbE der Orléans⸗ 
babn, hat am Zujanımenfluß des Ddet und Steir, 
17 km vom offenen Dcean, einen guten, für Schiffe 
von 150 t zugänglichen Hafen mit zwei je 325 m 
langen Kais, ift der Sih eines Sufra anbifhof3 
der Grzdiöcefe Rennes (frder des Erzſtifts Tours) 
und zählt (1881) 12709 (Gemeinde 15 288) €. Der 
ältere Stabtteil, no mit Mauern und Türmen 
umgeben, bietet ein Labyrinth von finjtern Straßen. 
Auch der neuere Stadtteil, unterhalb 200 m hoher 
Felſen, iſt nicht ſchön dod beſſer gebaut und befipt 
die Kathedrale &t.:Corentin, der fchönfte goti 
Bau der Bretagne, auß dem 13. bis 15. a — 
mit prächtigen Türmen, die Kirche Locmaria (aus 
dem 11. und 15. Jahrh.), dad Schaufpielhaus und 
die öffentlichen Bäder. Nahe der Kathedrale be: 
findet fich eine Statue des zu Q. geborenen Arztes 
Laönnec, des Erfinders der Ausfultation. Die 
Stadt hat ein rieſterſeminar, ein Kommunal: 
College (ehemals —— 7 ein Seminar 
für Lehrerinnen, eine ueegrapil e Schule, einen 
Vehrituhl für Landiwirtichaft, eine öffentliche Biblio: 
thet von 25000 Bänden, ein Gemäldemufeum, eine 
Aderbaufammer, einen landwirtſchaftlichen Verein, 
ein Gejtüt nebjt Hippodrom, ein allgemeines Ho: 
jpital und ein Jrrenhofpital, Sie unterhält Schiffs⸗ 
werfte, Seilerbahnen, große Fayence- und Topf: 
marenfabriten, derbereien und Brauereien und 
treibt Sardinenfiiherei, fowie ziemlich lebhaften 
—— Zur Ausfuhr kommen Getreide, Mehl, 

opfwaren, „she, Salzfleiſch, — 
Pferde, Honig, Wachs und Butter. Eingeführt 
werden Salz, Wein, Branntwein, Baumwolle, 
Steintohlen u. f. w. — D. (in der Landesſprache 
Kemper, im Mittelalter lat. Coriosopitae oder Co- 
risopitum ——ã war die Hauptſtadt der Graf⸗ 
* Gornouaille (lat. Cornu Galliae). Als die 
Grafen Herzöge von Bretagne wurden, kam die 
Stadt ganz unter die Herrichaft des Biihofs. Gie 
wurde 1344 von Karl von Bloi3 erobert, 1364 von 
Johann IV. eingenommen, 1594 im Kriege ber 
Ligue, fowie 1793 als Anhängerin der Girondiſten 
hart mitgenommen. 

Duimperle, Stadt und Hauptort eines Arron: 
bifjements des franz. Depart. Finistere, am Zu: 
jammenfluß der Elle und Iſole, welche von bier ab 
die Paita bilden, deren Nündungein Heiner Seehafen 
(Anfe du Rouldu) it, Station der Linie Savenay: 
Yanderneau der Orldansbahn, entitand um die Abtei 
Kemperlegia, zählt (1881) 4557 (Gemeinde 6821) E. 
und hat Bapierfabritation, fowie Handel mit Ge: 
treide, Vieh, Holz, Leder, Honig und Wachs. Die 
wieberhergejtellte Kirche Ste.» Croir iſt nad dem 
Vorbild der Grabeslirche zu Jeruſalem erbaut. 

Quinarius, altröm. Silbermünze, die Hälfte 
de3 Denars (j. d.), nämlich 5 Aſſes, welcher Wert 
bäufig im Avers durch V oder 44 edrücdt iſt. 
Als der Denar auf 16 und 12 Aſſes * * wurde, 
bezeichnete man aud) die D. mit VIIL oder VI. Bon 
der Siegesgöttin, welche fpätere D. auf dem Revers 
haben, nannte man dieſe auch Victoriati, 

Quinault (Bhilippe), der ausgezeichnetite 
Dperndichter der fyranzoien, geb. 3. Juni 1635 zu 
Paris, war kurze Zeit Advolat, wurde aber früh 
durch feinen Umgang mit dem Dichter Triftan 
UHermite, feinem Erzieher, für das Theater ge: 
wonnen und erzielte ſchon mit jeirem erſten Luſtſpiel 
«Les rivales» 1653 einen Erfolg. Im J. 1670 





441 


wurde er in Anerfennung feiner Leiitungen als 
dramatischer Dichter Mitglied der Alademie. Durch 
feine Verheiratung mit der Witwe Bouvet fam er 
zu großem Vermögen und kaufte fich 1671 die Stelle 
eines Auditeurs der Rechnungskammer. Er über: 
nahm 1672 mit dem Komponiſten Lully die Aca- 
démie royale de musique, das erite franz. Opern: 
baus, in dem bie —— Oper ihre Ausbildung 
erfuhr. In ſeinen aim Jahren von Schwermut 
ergriffen, bereute er feine dramatiſche Thätigkeit 
und ſuchte durch ein Gedicht gegen den‘ —— 
mus («L’herösie dötruite») ſeine Schuld zu ſuͤhnen. 
Gr ftarb 26.Nov. 1688. Er jchrieb fünf Tragödien, 
fieben Tragifomödien und vier Komödien (1653 bis 
66), fowie 14 Opern (darunter zwei Ballette und 
ein Baftorale, 1672 — 86). Die Komödien find 
Intriguenſtücke, das befte ijt «La möre coquette» 
(1665); die Tragödien ge der polit. Liebes: 
tragödie an und haben Corneilles Stüde zum Vor: 
bild; intereffant ift darunter «Astrate» * ob⸗ 
wohl von Boileau verſpottet. Die meiſt mytholog. 
Sujet3 und ernſte Konflikte behandelnden, mit 
bäufigem Scenenwechſel, Aufzügen, Verſenkungen, 
Ballett undallegorifchen Brologen verjehenen Opern 
find zwar bisweilen eintönig und Dürftig in der 
Handlung, von geringer Wahrfjcheinlichteit in den 
Charakteren und phantaftiih in der Konzeption, 
er ſich aber durch ihre poetiihe Sprache und 
urch Wohllaut des Verſes aus, find u Rs ber 
Stimmung und gehen wie ihre Vorbilder, Racines 
Tragödien, auf Nührung aus; die hervorragenditen 
unterihnen find «Armide» (1686) und «Atys» (1676). 
Seine dramatifchen Werke find in feinem«Theätre» 
(5 Bde., Bar. 1739 u, 1778), zum Teil in den 
«Oeurvres choisies» (2 Bde,, Bar. 1842) enthalten. 
Quinecailleriewaren, |. Kurzwaren, 
Qnincey (Thomas de), engl. Schriftiteller, ſ. 
De Duincey (Thomas). 
Quinde (Georg Hermann), namhafter Phyſiler, 
eb. 19. Nov. 1834 zu Frankfurt a. D,, ftudierte in 
Berlin, Königsberg und Heidelberg, wurde 1859 
Vrivatdocent, 1865 außerord. Profeſſor der Phyſil 
an der Univerfität Berlin, 1872 ord. Profeſſor der 
Phyfit an der Univerfität Würzburg; feit 1875 in 
Heidelberg. Seine wiljenihaftlihen Unterfuhun: 
gen über Capillarität, Aluſtik, Optik, Eleltricität 
und Magnetismus hat er feit 1856 größtenteils in 
Poggendorii3 und Wiedemanns «Annalen ber 
Chemie und Phyft» veröffentlicht. j 
Quinctier, Name der Mitglieder eined röm. 
patriciihen Geichledts. Ihm gehörte der berühmte 
Lucius Quinctius Cincinnatus (f. d.) und jpäter 
Titus Duinctius Slamininus an. Diejer 
wurde, noch nicht 30 jährig, nachdem er nur erſt die 
Quäftur bekleidet hatte, für das Jahr 198 zum Kon: 
ful gewählt, um den Krieg gegen Philipp V. von 
Macedonien zu führen. Er gewann die Achäer für 
fih, entriß dem König in den Böotiern feine Ichten 
griech. Bundesgenofien und zwang ihn durch bie 
entſcheidende Schlacht bei Kynostephalä 197 v. Chr. 
die Friedenshedingungen einzugeben, die ihn au 
Macedonien beihräntten und ſeine Macht lähmten. 
Hierauf verkündete er, der in der Politik ſich nicht 
minder gewandt als in der Kriegstunit ige und 
rieh. Bildung befaß, den Griechen bei den Iſthmi- 
Then Spielen in Korinth 196 die Freiheit und Un: 
abhängigkeit, welche ihnen Rom ſchenlte, aber nur 
mit der Folge, dab von neuem Zwietracht fie 
innerlich zerrüttets, Er demütigte den fpartan, 





442 Duinctilianus — Quinquennales 


Tyrannen Nabis und feierte dann einen glänzenden | Quiudiu, Teil der Corbillera von Columbia, 
Triumph in Rom. m J. 189 verwaltete er mit | auf ber Grenze der beiden Staaten Gauca und To: 
Marcus Claudius Marcellus die Cenfur; 183 ging | lima, fteigt im Pic de Tolima bis zu 5584 m auf. 
er als Gejandter zum König Brufias UI. na — —— —— franz. u ik und —— 


thynien und verlangte von ihm Hannibals X * 1808 zu Bo —— 
Ze ging, —— er ſeine Studien in afburs, 


lieferung, worauf ſich diefer den Tod gab. 
Dninetilianns, |. Onintilianus. Genf und Paris vollendet, nad —— und 
veröffentlichte nad) feiner being 


von Herders «Sheen zur Hofe pbie "der Geſchichte 
der Menichheit» (3 Bde. Straßb. 18235—27). Zum 


Duincung (lat.), fünf —— eines Ganzen, 
als Münze = 5 Unciä = As, welde auf ber 
einen Seite neben bein ‚Bilde der Diosfuren 1 fünf 
Bunkte in der Form :-: trugen. Name und Figur | Mitgliebe der — bei der franz 
wurden auch auf die röm, Schlachtordnung, jowie | Erpedition nad) Wo 828) ernannt, all. 
fpäter auf eine Anordnung von Bäumen oder Säu: | D. in Griethenlanb Die aterieften zu feinem * 
len in der Form eines Q. übertragen, und zwar | «De la Grèee moderne et de ses 
nad) dem Echema 3* Vantiquit&» (Par. 1830; 2. Aufl. 1832). Rad 

Quinch, Hauptitadt von Adams Eonnty im — —— orieb er 1831— 39 für die 
nordamerit. Staat Minois, am Miſſiſſippi, auf eux Mondes» eine Reihe gehaltvoller 

— ſtiliſtiſch ausgezeichneter Aufſatze (teilmeife ge⸗ 
ſammelt in « Allemagne et Italier, 2 Bde. Par. 
1839) und ein poetiihes Werk von myftiic theofo: 
phiſchem Inhalt: «Ahasrerus» (befondersabgedrudt 
1833). d. ihwärmte damals für das Vollsepos 
und verfuchte feinen Ideen in den Dichtu aNa- 
pol&on» (1836) und «Promethee» (1838) Ausbrud 
zu geben. Um Diejelbe Zeit erfolgte feine Ernennung 

ım Brofefior der ausländiſchen Litteratur an der 
Sahultät zu yon, wo er ſehr befuchte Borlefungen 
hielt, in we er den eriten Umriß zu ber Schrift 
«Du genie es religions» (Par. 1842) entwarf, 
Ein ziemlich Tebbaftes Pamphlet, «1840 et 1815», 
—— den Minifter nicht, ihn nad; Paris and 
ollöge de France zu berufen und ihm dem neu: 
gründeten Vehritubt der fühenrop. Spr Bus 
iteraturen zu übertragen. Die energifche Art und 
| Weife, wie er vom Katheder aus die polit. Fragen 
behandelte, hatte indes jeine einfi Amtsent: 
bindung zur Folge. Zugleich ließ er auch heftige 
antilferitaliiche Alunblätter ericheinen, darunter 
aLes Jesuites» (1843 [gemeinschaftlich nıitMichelet), 
brüche,, in melden 1200 Perſonen beihäftigt find. | 10.Aufl., Bar. 1873). Abgeordneter ne 
D. wurde 1625 angefiebelt, iſt aljo einer ber ältejten | 1848, fodann der Legislative 1849, bielt er fi 
Pläge in den Vereinigten Staaten. Hier wurde beiden Verjanımlungen zur äufeeften Linken. 8* 
ng —* die erſte Eiſenbahn in —— gebaut. | dem Dekret vom 9. Jan. Ay das . aus Frant: 
t Geburtsort von John Hancod, des reich verbannte, nabın D. jeinen Aufenthalt in 
* Bräfibenten ing en —— Sohn | Brüflel. Cr ftarb 2 7. März 1875 in Berjailles, 


einer 38 m über dem Wa eripi el elegenen => 
höhe, hat lange, breite und ſchöne Stra ben & 
eiienbabnen, viele ſchone öfjentl.und ———— 
vier hũbſche vari⸗ einen großen Ausſtellungsplatz 
ein College, eine Akademie, eine — 
De Hoipitäler und drei A yle und zählt — 
27268 E. Die Stadt hat Wagen:, Tabals: und 

Mröbelfaßriten. Gijengiebercien, ſchinenwerl⸗ 
ftätte, Mehl⸗ Säge: und andere Mühlen, einen 
Getzeibejveicher, BE oße Schladht: und Giehäuier 
und fieben Banlen. Pure; den Miffifippiftehtfiemit 
St.:2ouis und Neuorleans, durch Eiſenbahnen 
mit St. Paul, Chicago und Toledo in Verbindung 
und treibt mit biefen beträchtlichen Handel in Ge— 
treide, Mehl und Schweinefleiich. 

nisch, Boitdorf in Norfolt County im nord: 
amerit. Staat Maſſachuſetts, liegt an der DI6 | 
Golony: Eifendahn, hat (1880) 10570 E., ein 
ihönes, aus Granit gebautes Stadthaus, zwei 
Nationalbanten, eine Hoch: und 27 öffentl. Säulen, 
eine öffentl. Bibliothek, eine Alademie u. |. w. In 
ber Nähe befinden fid) "bie berühmten Granitftein: 


dams und deſſen Sohn John DO. Adanıs, Sein Standbild zu Vourg wurde 14. Mai 1883 
(Sefieh), edeutender amerit. Staats: enthüllt. Unter jeinen fpätern Schriften find ber: 
— * br. 1772 zu Bofton, ſtudierte die vorzuheben: «Les esclaves» (1853), «Marnix de 


Achte und — e 1793 Advokat in feiner Geburts: | Sainte-Aldögonde» (1856), «Merlin Venchauteurs 
ftabt, 1804 Staatäfenator und 1805 Mitglied des | (2Bde., 1860), «La ercation» (2 Boe., 1870; deutſch, 
Rongrefies. Letzterm gehörte er acht Jahre lang Lypz. 1871), «La zcpublique» (1872) und «L’ esprit 
an und — fi in demſelben als Führer ber | nouveau» (1874). Nad) feinem Tode fein 
föderaliftiiden Minorität und durch feine Be aLivre de l’exilö» (Par. 1875). Eeine «Deuvres 
ſition gegen ben Krieg von 1812, bie —— umfaſſen 10 Bände (Par. 1856—59). 
nahme von Louiſiana und ge geom gen die laverei = I. Ehaflin, « Edgar Q., sa vie et ses @urres» 
Sim 3. 1813 legte er feine Stellenieder, wurde aber | (Yar. 1859) "und « Correspondance d’Edgar Q.» 
bald darauf in den Staatsfenat und 1620 ” - (2 Bde., Bar. 1877); «Edgar D. Ein litterarifcber 
Staatörepräfentantenhaus gewählt. ur (in «Unſere Beite, Jahrg. 1875, 2. Hälfte). 
rejignierte er, wurde Stadtrichter und N Ama Quinin, joviel wie Chinin. 
meilter von Bolton. Bon 1828 bis 1845 war er —— Reismelde, ſ.u. Chenopodium. 
Bräjident der Harvard;Univerfität und son fih dann | inquageſima (lat., zu ergänzen dies, Tag), 
ins Privatleben zurüid. Er jtarb 1. Juli 1364 zu | der fünfzi R Tag vor Ditern oder der Sonntu 
Duincy. Bon Q.s Werten 5* nennen: «Memoir — 9 
of Josiah Q. jr., of Massachusetts» Boſton I88u nätens (lat.), ein im alten Rom zu Ehren 
u.1875), «History of Harvard University» (2Bde., | ber Minerva im Mär; und uni gefeiertes Felt. 
Cambridge 1840), «Ihe life of John Q. Adaıns» Duinquecentiften, joviel wie Cinquecentiften. 
(188). Sein Sohn Edmund D. gab feine Leben: | Om aleö, in den röm. —— die 
beſchreibung (1867) und ſeine Neden (1875) heraus. | den röm. Genforen entiprechenden, alle fünf Jahre 
Duindecimbiri, ſ. unter Decemviri, gewählten Beamten. 


Quinquillion — Quintilianus 


Quinuquillion, ſ. unter Billion, 

Dninquina, ſoviel wie Cinchona. 

Quint, Eiſenhuttenwerk bei Ehrang (ſ. d.) in 
der preuß. Rheinprovinz. 

Quiutal (franz., ſpan. und portug. Schreibart, 
ital. Quintale), bedeutet Centner (ſ. d.). _Der Q. 
metrique ober metriiche Gentner (in Oſterreich⸗ 
Ungarn auch «Metercentner») hat 100 kg ⸗2deutſche 
Gentner und wird daher aud Doppelcentner ge: 
nannt. In Spanien, wo jept das franz. Maßſyſtem 
geſehlich vorgefchrieben ift, bat der frühere DO. 
4 Arrobas oder 100 Pfd. (Libras) und ift in Ga: 
ſtilien = 46 kg. In Portugal und Brafilien, wo 
ebenfall3 das franz. Maßſyſtem gilt, war vorher der 
Q. ein Gewicht von 4 Arrobas —8— (Libras 
oder Arrateis) = 58,752 kg. (Val. au Pfund.) 

Quintäns (Don Manuel Joſe), fpan. Dichter, 
geb. zu Madrid 11. April 1772, ftudierte zu 
GCordova und Salamanca, trat dann in bas 
Advofatenkollegium der Refidenz und war fpäter 
Generalfefretär der Gentraljunta und Sekretär im 
Departement ber Auslegung fremder Spraden. 
Er dichtete patriotiiche Lieder An & Espaüa 
libre», 1808), rebigierte die Beitichrift « Varie- 
dades de ciencias, literatura y artes» und grün: 
dete das «Semanario patriötico». Nad) der Re: 
ftauration wurde er auf eine Fern gebracht 
und erjt 1820 freigegeben, bierauf in feine frühern 
Stellen wieder eingejekt und 1821 zum Präfibenten 


der Generaldireltion der Studien ernannt. Im |f 


J. 1823 verlor er wieder feine Stellen und lebte in 
Gjtremabura, bis er 1828 — zurüdtehren 
durfte. Im J. 1839 wurde er Procer des Reichs und 
Witglied des Staatsrats, bannzumSenator erwählt, 
Erzieher der Königin und Präfident de3 Stubien: 
rats. Am 25. März 1855 krönte ihn bie Königin 
feierlich al3 Dichter. D. ftarb 11. —* 1857. 
Schon 1795 trat er als Iyrijcher, fpäter al3 drama: 
tiſcher Dichter auf und erregte durch feine «Oda al 
mar» allgemeine Aufmerkſamleit. Cine gute Aus: 
gabe feiner Werle erſchien im 19. Bande ber «Biblio- 
teca de autores espaholes» (Mabdr. 1852). Die 
neuefte und volljtändigite trägt ben Titel «Obras 
poeticas» (Madr. 1830). Als Hiftorifer hat er 
fi) einen Namen gemacht durch feine « Vidas de 
los espaüoles c&lebres» (3 Bde. Madr. 1807— 
83). Cañete veröffentlichte D.8 «Obras ineditas» 
(mit einer vom Neffen bed Dichters, J. Duintana, 
geichriebenen Biographie, Madr. 1872). D.3 Ge: 
dichte erheben a durch die Wahl meiit erniter 
Gegenftände über das Gewöhnliche und zeichnen fich 
durch philof. Tendenz, patriotifhe Gefinnung und 
eine männlich : kräftige Sprade aus, 
Quintanrennen , f. unter Raruffell. 
Quiute (ar. Diapente, b. 5. durch fünf), 
ift in der Mufil ein Intervall, welches fünf 
tufen umfaßt und in drei verſchiedenen Gattungen 
erſcheint: rein (volllommen) oder groß (aus brei 
an und einem großen halben Zon beftehend, 
3.B. cdefg), vermindert oder Hein (aus zwei 
zu und zwei großen halben Tönen beftehend, 
cde N, und übermäßig (vier ganze Töne, zwei 
roße un ps Heine oder zwei große Terzen um: 
aſſend, c de fis gis) (c-gis). Die reine D. ift eine 
—— andern ſind mehr oder minder Diſſo⸗ 
nanzen. Die Fortſchreitung gleicher Stimmen in 
D. iſt im reinen oder ſtrengen Sahe fehlerhaft, fo: 
fern fie gegen den Wohlklang verjtößt. Sämtliche 
13 Töne unferer Tonleiter find durch fortlaufende 


443 


D. in Zufammenbang zu bringen (3.8. c-g, e-d, 
d-au.f.w.); man nennt dieſes den Quinten: 
zirkel. Auf der DO. beruht alfo gewiſſermaßen 
unfer moberne3 ober temperiertes Toniyitem, wie 
auf ber Quarte (f. d.) das der Alten. 

Quinterne, ſ. unter Lotto. 

Quinteffenz (lat. quinta essentia, «da3 fünfte 
Eeiende») nannten bie — ——— den Äther. 
Jetzt verſteht man barunter den feinſten Auszug 
einer Sache, der ihre Beftandteile in konzentrierter 
Form enthält, daher aud) bildlich das Beite oder 
den fern einer Sache. 

Quintett (ital. Quintetto), ein Tonftüd für fünf 
obligate, mehr oder minder felbftändige Botal: 
oder Inſtrumentalſtimmen. Das nftrumental:Q. 
wird zum Unterſchied von bem Vokal⸗Q. wohl aud) 
Quintuor genannt. Der Ranıe D. —*— 
beim Geſang ſtets nur Soloftimmen, bat alio feine 
Anwendung auf jene fünfftimmigen Bolaldyöre, die 
in ber alten Kirchen: und Mabrigalmufit fehr be: 
liebt waren. In Weſen und Einrihtung gleicht 
ba3 D. dem Üuartett (f. d.), bat aber in ber 
Kompofition eine viel geringere Bedeutung. 

Quiutidi, im franz. republ, Kalender ber fünfte 
Tag eine Delade. 

uintilianus (Marcus Fabius D.) oder 
Quinctilianu3, der berühmtefte röm. Rhetor 
(Lehrer der Beredfamteit), geb. zu Calagurris (Ca: 
lahorra) in Spanien 85 n. Sir, erhielt in Ron 
eine Ausbildung und trat dann in feiner Heimat 
al3 Lehrer der Beredſamkeit auf. Er ging 68 mit 
Galba wieder nad Rom, wo er bald höchſten 
Ruhm als Lehrer der Beredſamleit ſich erwarb und 
von Veſpaſian durch Ausſetzung eines Jahrgehalts, 
von Domitian durch Erteilung des Titels und 
Ranges als Konſul geehrt wurde. Nach 2Ojähriger 
Lehrthätigleit legte er die in ber Praris gewonnenen 
Erfahrungen in einem «Institutio oratoria» be: 
titelten Werke in 12 Büchern nieder. Bon feinem 
weitern Leben ijt nichts befannt. Sein Wert ftellt 
fich die Aufgabe, eine Anleitung zur Bildung des 
Redners von frühefter Jugend an bis zum reifen 
Lebensalter zu geben, und Löft biefe Aufgabe in nad) 
Form und Anhalt gleich befriebigender Weife. Bon 
befonderm nterefie it das 10. Buch des Werts, 
defien erftes Kapitel eine prägnante Charalteriftit 
der bebeutendern griech. und lat. Schriftjteller aus 
den Geficht3puntte des Nutzens, weldyen üre Lektũre 
dem künftigen Redner gewährt, enthält. Unter ben 
vollitändigen Ausgaben des Werts find bie von 
Gesner (Gött. 1738), von Spalding (vollendet von 
Buttmann und Sumpt, nebft «Lexicon Quintilia- 
neum» von Bonnell, 6 Bbe., Lpz. 1798 — 1834), 
von Bonnell (2Bde., Lpz. 1872—74) und die kritiſche 
Ausgabe von Halm (2 Bde., Lpz. 1868—69), unter 
den —— —— des 10. Buchs die 
von Bonnell (4. Aufl., Berl. 1873; 5. Aufl., von 
Meifter 1882), von Krüger (2. Aufl., Lpz. 1874) 
und die lateinisch: deutfche von Alberti (Lpz. 1858) 
hervorzuheben. Eine Überſetzung de3 ganzen Werts 
aben Hente unter dem Titel «Lehrbuch ver ſchönen 
ilenichaften in Profa» (neu überarbeitet von 
J. Billerbed, 3 Bbe., Helmftedt 1775— 77) und 
Voßier und Baur (Stuttg. 1863 fg.), bes 10. Buchs 
Bender (Stuttg. 1874) heraus. j 

Außerdem gibt es unter D.3 Namen eine Samm⸗ 
lung von 19 größern und 145 kleinern «Declama- 
tiones», d. i. Ubungsreden (amt beten herausg. von 
Burmann, Leid. 1720, zufammen mit der «Institutio 


444 


oratoria» Q.s), bie Heinern neuerdings gefonbert 
von Nitter (2py. 1884), Die größern find ficher 
nicht von Q. ein Teil derfelben vielleicht von einem 
Schüler desfelben, die Heinern find neuerdings, 
aber ſchwerlich mit Recht, für Slizzen erllärt worden, 
welche Schüler nad Vorträgen D.3 aufgezeichnet 
baben. Bol. Ritter, «Die Quintilianifchen Della: 
mationen» (Freiburg i. Br. 1881). 
Quintin, Stabt im franı. Depart. Coͤtes⸗du⸗ 
Nord, Arrondifjement Et.:Brieuc, am Gouet, 
Station der Linie St.:Brieuc-PBontivy der Weit: 
bahn, hat (1881) 3281 E., ein Schloß aus dem 17, 
und 18. Jahrh., ein Handelstribunal, nambafte 
Seinmweberei («toiles de Bretagne») und Handel 
mit Leder, Vieh und Honig. j 
Duintinus, Stifter der Quintiniften, einer 
libertiniftiihen Sefte, urjprünglid ein Schneider 
aus dem Hennegau, der um 1530 mit feinem Lands⸗ 
mann Bocquet bejonders in Frankreich die Lehre 
verlündigte, dab der Menſch alles nur durch die 
Gingebung de3 Heiligen Geiites Du ‚ dab alſo die 
Sünde nur eine Einbildung, ein Wahn und die Gr: 
löfung die Befreiung von diefem Wahne fei. Bon 
der Königin Margarete von Navarra aufgenommen 
und beihüpt, aber von Calvin 1545 in feiner Streit: 
ſchrift wider die Sekte ber Libertiner ſcharf ange: 
griffen, verſchwindet O, und feine Selte bald wieder 
aus ber Geſchichte. 
Quintius, |. Quinctius, 
, Omintöle neulat), Gruppe von fünf Tönen 
in die eine gröhere Note zerlegt worden üft, durd) 
einen Bogen mit darüber gefehter Ziffer kenntlich. 
Quintomonarchiauer, |. Fünfmonardi: 
Quintuor, ſ. unter Quintett. ſten. 
Quintus Calaber, von der Auffindung feines 
Gedichts in Ealabrien fo genannt, auch Smyr: 
näus, von feinem Aufenthaltsort Smyrna, ein 
jpäterer gieg Dichter, vielleicht im 4. Jahrh. n. 
Ehr., ift er * der «aPosthomerica», eines 
ziemlich umfangreihen Epos in 14 Büchern, welches 
als Fortſegung der Ilias die Gefchichte des Troja- 
nischen Kriegs von dem Untergang des Heltor bis 
zur Nüdlehr der Griechen enthält, und wenn es 
aud mit den Homeriſchen Gedichten nicht ver: 
glihen werden kann, doch eine für die damalige 
Zeit hervorragende Leiftung ift. Die beiten Aus: 
aben lieferten Lehrs (in der Ausgabe des Hefiod, 
Bar. 1840) und Köchly (Lpz. 1850 u, 1853), eine 
Üiberfegung Donner (Stuttg. 1867). 
Quintus Jeilius,ſ.Gu ichard(Karl Theoph.). 
Quippos oder Khipus (vom Khetſuaworie 
Khipus, der Knoten) iſt die —— der 
Schnurenbünbel, durch welche die alten Peruaner 
ewiſſe Regiſter, Vollszählungen, Steuereingänge, 
riegeriſche Sseignifle u. dgl. verzeichneten. Jedes 
diefer Bündel beitand aus einer ziemlich ftarfen 
Hauptidhnur, an bie — — und ver: 
hiedenartig gelnotete dünnere Nebenichnüre an: 
getnüpft wurden; ge Farbe und jede Art Knoten 
hatten ihre eigene Bedeutung. Es war jedoch für 
jeden DO. ftet3 ein mündliher Kommentar not: 
wendig, der angab, wovon derſelbe handle, gu 
Inlazeit waren eigene Beamte zum Anüpfen, Ent: 
zijern und Aufbewahren der Q. beftellt, fie bießen 
Khipusltamayor. Died. find bloß höchſt ungenfigende 
mechaniſche mnemoniſche Behelfe und jtehen weit 
binter den Bilderfchriften zurüd, 
ed pro quo (lat.), « Einer für Einen», Ber: 
wechſelung einer Perfon mit einer andern. 


Duintin — Duiftello 


Quirinãl, einer ber fieben Hügel des alten Rom ; 
jest ein Palaſt auf bemfelben, jeit 1871 Refidenz 
—— von Italien. “ -. u 
a 83 aa im alten Rom Feſt des Quirinus 

. Yebr.). 

Suirini oder Duerini (Angiolo Maria), ein 
um bie Litteratur und Kunſt hochverdienter Karbi- 
nal, geb. 30. März 1680 zu Venedig, trat in den 
Orden der Benebiktiner von Monte :GCafino und 
wurde 1718 Abt feines Kloſters. ‚1723 erbielt 
er das Grzbistum Korfu, von Benedikt XIIL. das 
Bistum Brescia und 1727 den Kardinalshut; doch 
lebte er, zumal da er zum Bibliothelar der Kirche 
und zum Vorſteher der Kongregation des Inder er: 
nannt worden war, meilt zu Rom, bis er 1751 nad) 
Brescia fi zurüd; 8, wo er 6. Jan. 175% jtarb, 
Bon D.3 Schriften em zu nennen: «Primordia Cor- 
eyrae» (Bredcia 1725; 2. Aufl. 1738), «Specimen 
variae literaturae, quae in urbe Brixia ejusque 
ditione paulo post typographiae incunabula flore- 
bat» RN Bde., Brescia 1739), «Pauli II., P.M., 
vita» (Rom 1740) und mebrere Sammlungen feiner 
Briefe. 2 erſchienen auf ſeinen Vetrieb die 
Werte des Ephraem Syrus in griech. fyr. und lat. 
Sprache (6 Bde. Rom 1732—46), von denen er 

äter felbit eine lat. Üüberſetzung beiorgte (2 Bde., 

ened. 1755). Wichtig für jein Leben und Wirken 
find die von ihm ſelbſt verfaßten «Commentarii de 
rebus pertinentibus ad A. M, Quirinum» (3 Bde., 
Brescia 1749; 2. Aufl. 1754). 

Quirinus (von dem fabin. Wort quiris ober 
curis, d. i. ber Speer) war wohl zuerit bei den Sa: 
binern ein Beiname des Mars; bei den Nömern 
murde es aud der Name des nad feinem Ent: 
ſchwinden von der Erde vergötterten Nomulus, des 
Sohnes de3 Mars. 

irinusöl, Bezeihnung für ein am Tegern: 
fee in geringer Menge vortommendes Erdöl. 

Quiriquina, Heine die Bai von Goncepcion 
oder Talcahuano fchüsgende Inſel, gehört zur dilen. 
Provinz Concepcion. { 

Duirites, wohl ftammverwandt mit Duirinus, 
war nad) den meiften alten und manchen neuen For: 
fern ber Name ber nad) der Sage unter Titus 
Zatius zu den Römern unter Romulus binzutreten: 
ben Sabiner. Später findet man es als Benen: 
nung ber Bürger des röm. Volls; wenn Cäſar 
durch die Anrede D. den Trop aufrühreriſcher 
Soldaten beugte, fo geſchah es, weil er, indem 
er fie nicht Milites ( a fondern Quirites 
—— als aus dem Militärdienſt Entlaſſene 

zeichnete. 

Quirl oderQuerl, ein bölgernes Werlzeug, mit 
wel man durch rafches mdreben (Ouirlen) 
Fluſſigleiten in Bewegung ſetzt. Auch der Gipfel 
einiger Nadel — wird bisweilen als D. 
— Rn — Bi —— 

ital., d. h. bier geneſt man) wir 
oft ala ——— klimatiſche Kurorte und in 


denfelben gelegene Benfionen, Hotels ıc. — 
— eig eg ift das koͤnigl. Sufethlop 4 
bei Gaftellamare di Stabia (f. d.). 


bia (f 

? Quid? Ubi? x. f. u. Aategorien. 
uiftello, Ortſchaft in der italien. Provin; 
Mantua, Diſtrikt Nevere, recht? an der untern 
Secchia, hat — 2968 (Gemeinde 10 492) E., 
Weinbau und Branntweinbrennerei. Hier brachten 
1734 die Kaiferlihen den Franzofen und Garden 
eine Niederlage bei. 


— — eu 


Quiftorp — 


Quiftorp oh Ehriftian von), berühmter 
deuticher Kriminali fe . zu Roftod 30. Dt. 1737, 
bilitierte ſich dajelb t 1759 und erregte Aufiehen 
urch En nauguraldifjertation, in welcher er bie 
damals wichtige Frage « Utrum unus testis faciat 
torturae locum ?» beantwortete. Er wurde 1772 
ord. Profeſſor der Nechte zu Bühow, 1774 medlenb.: 
ſchwerin. Juftizrat, 1780 Oberappellationsrat, 1792 
von dem Kurfüriten von Sachſen als Reichsvilar 
in den Adelöftand erhoben und jtarb 15. März 1795. 
Von der großen Zahl feiner Schriften ftehen noch 
ebt feine «Grundſätze des deutſchen peinlichen 
echt3» (2 Bde., Roft. 1770; 6. Aufl,, 4 Bde., 
1809—27) in Anjehen. 
Andere gelehrte Mitglieder diefer Familie waren 
Johann D. geb. 1584, geit. 1648 als Profefior 
der Theologie und Superintendent zu Noftod; deſſen 


Eohn, m Q. geb. 1624, geft. 1699, und 
Enkel, Johann Nikolaus D. ebenfalld Pro: 
r Theologie zu Roftod; ferner Bern: 


rofeſſor zu Roftod und Generaljuperintendentüber 

chwediſch Pommern und Rügen; Theodor Jo— 

ann Q. geb. 1722, geft. 1776 zu Wismar ala 

rolurator und Advolat des königl. Tribunals, 
den feiner Luft: und Trauerfpiele wegen Gottſched 
als Dichter ſchãßte. 

Quis tulörit Gracchos de seditione 
querentes? (lat.), «Wer mag die Grachen er: 
tragen, die über Aufruhr Hagen», d. h. Wer mag 
auf den hören, der dasjenige, wogegen er eifert, 
ſelbſt thut; Citat aus Juvenals «Satiren» (II, 24). 

tacet, oonsentire vidätur(lat.), «Wer 
ſchweigt, ſcheint zuzuftimmen», von dem wird ange: 
nommen Hi er ppm: der Grundfah bes 
Bapites Bonifacius VIIL., findet fi) im 6. Bud) der 
«Detretalen». s 

Quito, auch San: Francisco deQuito, die 
Hauptftadt der fübamerif. Nepublit Ecuador und 
der Broninz Pidinda, unter 0° 14’ füdl. Br., in 
2850 m Sechöhe —— öſtl. Fuß des Vulkans 
Pichincha am Fluſſe Muhangare, 1533 vom Con: 
quijtabor Sebajtian de Benalcazar gegründet, 1541 
von Kaifer Karl V. zur Stadt erhoben, ift regel: 
mäßig auf ſehr unebenem Terrain angelegt. Von 
den öffentlihen Gebäuden, die größtenteils maſſiv, 
—* die bedeutendſten an dem großen, in der 

litte der Stadt gelegenen, mit einer ſchönen Fon: 
täne gr Hauptplak (Plaza mayor), wie die 
Kathedrale, der erzbiichöfl. Ralaft, das Regierungs— 
—— und das Nathaus (Cabildo). Für das 
hönjte Gebäude gilt das ehemalige Jeſuitenlolle— 
gium, das ein ganzes Strafenquartier einnimmt 
und deſſen Kirche mit Säulen, Statuen und Stulp: 
turen von vielem Kunſtſinn gefhmüdt ift. Es um: 
fat diejes Kollegium die Univerfität mit der nod) 
wohlerhaltenen, die Lage und Seehöhe der Stabt 
anzeigenden Marmortafel, welche die mit der 
peruan, Grabmefjung beauftragten franz. Afade: 
miler (Lacondamine, Bouguer und Godin) 1736 
bajelbit aufgeteilt, und einer von benjelben ein: 
gerichteten Sonnenuhr; ferner das Seminartolle: 

ium San⸗Luis mit Bibliothel und Gemäldefamm: 
und; die Münze, ein Waffenmagazin und das Klo: 
fter de los Camilos, Unter den zahlreichen übrigen, 
zum Zeil ſchönen Klöftern ift das größte das Fran: 
——— —— für die Sihungen des 

ongre esund zu Gefängniſſen eingerichtet. Außer: 
dem befist DO. ein Colegio-Nacional (ehemals Do- 


efloren 
h rdöyriedrihQ,, geb. 1718, geit. 1788 als erfter 


Quitten 445 


minifanerlollegium San: Fernando), Die Zahl der 
Einwohner wird zu 80000 angegeben, Nur ein Hei: 
ner Teil derjelben befteht aus Beißen (überwiegend 
Grundbefiger und Beamte); die Mehrzahl bilden 
Indianer und Meftizen (Cholos), Neger und Ab: 
fömmlinge id gibt es fehr wenige. Fremde 
balten ſich in_der durch ihre Lage überaus ſchwer 
ugängliden Stadt nur wenige auf, am meiften noch 
Franzoſen. Der Landbau, welcher den größten Teil 
der Bevöllerung beſchäftigt, wird nur von India: 
nern, nduftrie und Handel vorzüglich von Meftizen 
betrieben, welche auch für fehr geichidt in der Archi: 
teltur, Skulptur und Malerei gelten. Q. verfieht 
einen großen Teil Südamerifas mit Heiligen» und 
andern Bildern, die meift in Öl gemalt find, Man 
verfertigt grobe Tude, Woll: und Baumwoll: 
ewebe, gute wafjerdidte Zeuge, Strumpfwaren, 
wirne, Spißen, ge twert, Goldfhmiedewaren 
und Konfitüren, OD. ift der Siß der oberiten Re: 
ierungsbehörden, des höchſten Gerichtshofs, des 
—5— des Erzbiſchofs von Ecuador und eines 
deutſchen Konfulats. Die Hauptvergnügungen der 
niedern Vollsklaſſen find Hahnentämpfe und Stier: 
eben, jowie die Chihahäufer, Das Klima ift ge: 
und, wird aber mit Unrecht als das eines ewigen 
srühlings bezeichnet. Die mittlere Jahrestemvera: 
tur ijt 12,5° R,, die beiden Ertreme find 4,8 und 
17,6° R. Einen Teil bes * hindurch iſt die 
Witterung ziemlich — ie im Norden und Su— 
den die Stadt umgebenden Ebenen enthalten viele 
Gärten und gute Viehweiden. Befonders köftlich 
iſt das jenfeit des Dügelß Puengafi (Roingafi) ae: 
legene Thal von Chillo mit angenehmem Klima, 
zahlreichen Gärten und reizenden Landhäuſern. 
Großartig find die Panoramen, welche die in der 
Nähe der Stadt liegenden Hfigel genen, indem 
die Ausficht von denfelben er evados (Schnee: 
berge) umfaßt, die Vullane Cayambe (5840 m hoch), 
Antifana (5746), Cotopari (5943), Sinholagua 
(4988), Corazon (4787), Yliniffa (5305), Pichincha 
(4787) und Catacachi (4966 m hoch). 
Quitfchbeere, Bogelbeere, ſ. a 
Quitta, Ketta oder Kita, Stadt an der $ üjte 
von Norbguinea, zur 45 Kolonie auf der Golp: 
füjte gehörig, liegt im W. der deutfchen Beſitzung 
Bageida auf einer ſchmalen Halbinsel zwiichen dem 
Meere und einer Lagune und zählt 5000 €. Zu Q. 
befinden fih eine hamburgi de and eine bremifche 
Faltorei. Im J. 1885 brady hier eine Empörung 
gegen die engl. Herridaft aus, j 
Quitten heißen die Fruchte de3 im ſüdlichern 
Europa einheimiſchen und jeßt auch in Deutſchland 
— und da verwilderten gemeinen Quitten— 
aums (Cydonia vulgaris Pers.). Die zu den 
PRomaceen gehörige Gattung Cydonia unterfchei: 
det fi von der ihr zumächit jtehenden Gattung 
der Apfel: und Birnbäume (f. Pyrus) durd die 
blattartigen, nach der Blütezeit fich vergrößernden 
und die Frucht frönenden Kelchzipfel, durch die 
vielfamigen Faͤcher der Srudt, durch die fnorpelig: 
holzige —— des das —— um⸗ 
gebenden Fleiſches und die aus ſchleimhaltigen 
Zellen beſtehende Schale der Samen. Die Blüten 
find groß und ftehen einzeln. Die Früchte des ges 
meinen Quittenbaums find groß, apfel: oder birn: 
förmig, citrongelb, mit einem graulichen, lodern, 
abfallenden Filze befleidet und haben einen erben 
und zufammenziehenden, füßlichen oder ſäuerlichen 
Geſchmad und einen eigentümlichen,, angenehmen, 


4416 


etwas an Ananas erinnernden Gerud. Diefelben 
werden niemals roh, wohl aber gelocht und als 
Quittengelde oder Quittenjirup genofjen und find 
befonders für Konditoreiwaren * beliebt. In 
der Heilkunde geben fie als Konſerve, Gelée oder 
Quittenbrotein fühlendes, einhüllendes, doch immer 
etwas adftringierendes Heilmittel ab. Die Samen 
(Duittenterne) enthalten in ihrer Schale eine 
große Menge Schleim (jog. Baflorin), der ſich ſchon 
mit kaltem Wafler ie bt und bei Augen; 
frankheiten, vorzüglich bei Entzündungen — 
det, ſonſt aber auch von Konditoren und zu kosme⸗ 
tüicen weden benuht wird. In ber griech). —* 
thologie war der Quittenapfel ber Aphrodite geweiht 
und ein Gejchent der Liebe. Häufig wird jept bei 
uns au der japanijhe Duittenbaum (Cy- 
donia Japonica), eine im erſten Fruhling blühende, 
bei und immer nur jtrauchige Art mit dornigen 
Zweigen, wegen feiner zahlreichen, fait granatroten, 
hönen Blüten in Gärten fultiviert. Die fablen 
Früchte haben einen quittenartigen Geruch und 
einen den Renetten äbnlihen Geſchmad und wer: 
den in Japan al3 Obſt gegejien, lommen aber bei 
uns nicht zur Neife, 

Quittenäther, Quitteneſſenz, Sructätber, 
befteht aus einer alloholifchen Löfung von Pelar: 
gonjäureäther. 

Quittung (apocha) ift die vom Gläubiger aus: 
geſtellte oder auf defien Antrag bei Gericht abgefahte 
Urkunde über die erfolgte Zahlung einer Schuld. 
Privatquittungen lönnen gemeinrehtlih binnen 
30 Tagen nad ihrer —— Grund der 
Behauptung widerrufen werden, daß der Schuldner 
vorzeitig, ohne Zahlung neleiftet zu haben, in deren 
Beſitz gelangt ſei. Der Schuldner muß dann, wenn 
er wirllich jeiner Verbindlichkeit genfigt hat, durch 
andere Beweismittel, 3. B. durch Zeugen, die Zah⸗ 
lung darthun. Indeſſen werden Privatquittungen 
gleich von vornherein unanfechtbar, wenn ſie einen 
ausdrüdlichen Verzicht auf die Einrede des nicht: 
gezahlten Geldes enthalten, oder wenn darin das 
Belenntnis enthalten iſt, daß die Zahlung bereits 
in einem frkern näber angegebenen Zeitpunlt ge: 
ichehen jet. Nach Ablauf der erwähnten 30 Tage 
wird die Schuld durd eine felbit ohne Grund 
empfangene DO. jebenfallß getilgt. Neuere Geſetz— 
gebungen an dagegen den D. fofortige Be: 
weistraft zu, laſſen aber den Gläubiger jederzeit zu 
dem Beweife, dab der Schuldner nicht gezahlt und 
die D. nur zufällig oder irrtümlich erhalten habe. 
Cbenſo beftimmt $. 17 des Einführungsgefehes zur 
Deutſchen Eivilprozekordnung vom 30. jan. 1877, 
daß bie Beweistraft einer D. an den Ablauf einer 
Heitfrift nicht gebunden fein fol, Q. über öffent: 
liche Abgaben haben ftet3 fofortige Beweistraft. 

Quito, ein altes, einft ſeht mächtiges Adels: 
geile t wend, Uriprungs in der Mark Branden: 

urg, das noch beſteht und defien Name in dem 
209 und Gute Duikom, 4 km im Nordweſten von 
‘Berleberg in der Prigniß, fortlebt. I der Zerrüt: 
tung des Landes während der bayrischen, noch mehr 
während der luremb. Herrihaft war dieſes Ge: 
ſchlecht zu folder Macht gediehen, daß der Pfand: 
inhaber der Mark, Jobſt von Mähren, 1400 eins 
der beiden Häupter der Familie, Hand von Q., 
zu feinem Statthalter ernannte. Da jedoch diefer 
Q, die Fehden felbft ins Große trieb und das Land 
hart drüdte, este er ihn wieder ab, Friedrich I. 
von Hohenzollern, von Kaifer Sigismund anfangs 


Quittenäther — Duote 


pr Stadthalter der Marten ernannt, fpäter mit 
em Lande als Kurfürjt belehnt, hatte bei jeinen 
Kämpfen mit dem widerfpenitigen Abel befonders 
zu —** die Gebrüder Hans und Dietrich 
von U., die Söhne des Ritters Kuno auf Quitz⸗ 
höfel (jebt Dorf und Gut in der Meftprignik, 
rechts an der Glbe und an der Mündung der Havel); 
24 Schlöſſer wurden von Friedrich I. den DO. ab: 

enommen; aber erjt nad) — Tode 1414 konnte 

ch ſeine Autorität befeſtigen Ein Dietrich von Q. 
war brandenb. Rat und laiſerl. Feldmarſchall. Gr 
ftarb 14. Oft. 1569. Bol. Klöden, «Die Q. und 
ihre Zeit» (Berl. 1828). 

Quod erat demonstrandum, |. unter De- 
monstrandum. 

. Quodlibet (lat. quod libet, d.h. was beliebt), 
ein aus ſehr verſchiedenartigen Teilen zu lomiſcher 
Wirlung zufammengefegtes Ganzes, bejonders eine 
Aneinanderreibung von Brucjjtüden verſchieden⸗ 
artiger belannter Kompoſitionen (mufilalifhes 
Duodlibet oder Botpourri). 

Quod licet Jovi, non licet bovi (lat.), 
wörtlih: «Was dem \jupiter erlaubt ift, paßt ſich 
(darum noch lange) nicht für das Nindviche, b.b. 
eine Handlung findet nad dem Anjchen oder der 
Stellung des Handelnden verfhiedene Beurteilung. 
Ahnlich jagt Goethe: «Eines fchidt ſich nicht für alle,» 

Quod tibi fiöri non vis, alteri nefeoöris 
(lat., entiprechend dem deutichen Reimfprud «Was 
ou nicht willſt, dad man dir thu’, das füg’ auch 
feinem andern zu»), eine Sentenz, bie der röm, 
Kaiſer Alerander Severus (geft.235 n. Chr.) öffent: 
lih ausrufen ließ, wenn er jemand rügte, und 
welche er aud an feinem Palaſt und verſchiedenen 
öffentlichen Gebäuden anbringen ließ. Die Senten; 
it die lberfepung einer Stelle aus Tobias 4, 16 
(«Was du nit willjt, dad man bir thue, das thue 
einem andern auch nicht», ähnlich wie in Matth. 7, 
18, Zul, 6,51), welche er von Juden oder Chrijten ge: 
bört und_im Gedächtnis — batte. Cine 
ähnliche Sentenz findet fi Ion bei Jolrates, 
welche im «Nitolles» ſagt: «A nasyovres up irdpwv 
doylfesse raüra rois Adkoıg pr) moreiren (d.h. Wor: 
über ihr zürnt, wenn ihr es von andern erleidet, 
das thut den andern nicht), wogegen der heil. Co: 
lumbanus (geit. 615) hat: 

Quod tibi vis fieri, hoc alii praestare memento; 
Quod tibi non optas, alii ne feceris ulli. 

Quorra, ber untere Lauf de3 Niger (f. b.). 

Quos Deus perdere vult, prius de- 
mentat (lat.), «Welche Gott verderben will, ver: 
blendet er zuvor», bie lat. Übertragung eines bei 
mehrern griech. Schriftitellern vorlommenden Ge: 
danlens. 

Quos ego! (lat.), «Euch werde ih!» elliptifcher 
Drohruf, mit welchem Neptun in Virgils «Aneide» 
(I, 135) den Winden Ruhe gebietet. , 

Quot capita, tot sensus, lat. Sprihwort, 
afoviel Köpfe, joviel Sinner, ift wohl der Stelle in 
Horaz’«Satiren», Buch II, 1,27: «Quot capitum vi- 
vunt totidem studiorum milia», nahgebildet. Ahn⸗ 
ih hat Plautus im « Phormio», Alt 2, Scene 4, 
und Cicero in «De finibus», Bud) I, 5,15: «Quot 
homines, tot sententiae», «foviel Leute, for 
viel Anfichten». : , 

Quote bebeutet gewöhnlich denjenigen Bruchteil 
eined unter mehrere Perſonen zu verteilenden 
Ganzen, 3. B. eines Gewinns oder auch eines Ber: 
(ufte8, der auf einen einzelnen fommt, wobei 


Quotient — Raab (Stadt) 447 


übrigens diefe Anteile fowohl gleich ald aud nad) 
irgend einem Prinzip verſchieden beitimmt fein 
lönnen. Man nennt aber auch D. überhaupt einen 
von; mebrern qualitativ gleichartigen, quantitativ 
aber auf irgend welche Art bejtimmten Anteilen, 
ohne daß diefe durch Zerlegung eines Ganzen ent: 
jtanden zu fein brauchen. 

Quotient 7* die bei der Diviſion gefundene 
Zahl, ſ. Diviſion (arithmetijch. 

nenzt man diejenigen direlten 

Steuern, welche nicht, wie bei den Reparti: 
tions! „ eine feite Geſamtſumme (eim jog. 
Kontingent ) ringen üt, das dann nad) be- 
itimmnten 


. zum. 8 — einzelnen I + Hi 
verteilt wird, jonbern bie jeben einzelnen tigen 
nit einem nad jeinen ECinlommens⸗, Befih» oder 


fonjtigen Berhältniffen befonder3 beftimmten Be: 
trage treffen. So find H. B. in Preußen die Grund» 
und die Klaſſenſteuer Hepartitions: oder kontingen: 
tierte Steuern, die Einlommenſtener dagegen eine 
D. Man kann übrigens auch alle indiretten Steuern 
als D. betrachten. Aemtllet), «Wie er 
ousque tandem? (lat.), «Wie lange noch ?» 
— gewordener Ausruf der Ungeduld, 
nach den Anfangsworten von Ciceros erſter Catili⸗ 
nariſcher Nede: «Quousque tandem, (atilina, 
abutẽre patientia nostra» («Mie lange noch, Cati⸗ 
lina, wirft du unfere Gebuld mißbrauchen 2 
Quoy et Gat., bei naturwiſſenſchaftlichen Nas 
men Abfürzung für Jean Ren“Conſtant Quoy 
(geb. 10. Nov. 1790, geit. 4. Juli 1869) und Paul 
Gaimard (geb. 1793. aeft. 10. Des. 1858), 


R. 


AM— der 18. Buchſtabe des deutſchen Alphabets, 
iſt wie alle unſere Buchſtaben zunädjt aus dem lat. 
Alphabet entnonmmen; da dieſes aus dem griechi: 
ſchen ftammt (wo r, genannt rho, fö, bie 17. Stelle 
einnimmt), das —2 aus dem phoniziſchen, jo 
acht im legten Grunde das Zeidyen auf das phöni: 
ze r zurüd (im bebr. Alphabet resch genannt). 
Den Laut, welden das r bezeichnet, nete die 
ältere Grammatil mit 1, m, n zu deu hquidae, diefe 
Bezeichnung ijt aber IA meijtens eingeihränft auf 
l,r (während m, n Najale genannt werben). Der 
Laut x (wie I) gehört zu_bem tönenben (fonoren) 
Lauten, da bei ihm ein Stimmton ftattfindet; die 
Stellung der Nundorgane zur Bildung des r it im 
allgemeinen die, dab der vordere Zungenſaum den 
Alvcolen der Oberzähne ober dem harten Gaumen 
hinter biejem ert und ber Luftſtrom durch 
dieje Enge bindurdgepreht wird; es kann dabei 
ugleich ein Schwingen des vordern dünnen Zungen: 
—* ftattinden, das dann dem r ben zitternden 
oder rollenden Laut gibt; dies Zittern ift aber nicht 
an fich ein notwendiges Charalteriftifum des r, 
3. DB. das engliiche r wird ohne — geſprochen. 
Tas in Deutſchland viel gehörte jog. gutturale r 
entitet, wenn bei der Ausiprade des Yautes das 
Zäpfchen (uvula) in Schwingung verjept wird. 
Das r ijt nicht bloß Konfonant, jondern fann ebenfo 
wohl aud Vokal jein und ift es in vielen Spraden, 
z. B. im Sanstrit vrkas(Wolf), im Serbiſchen crna 
zora (Montenegro), im Czechiſchen Broo (Brünn). 
Die nächſte Verwandtſchaft zu r bat 1, in den indo: 
german. Sprachen wedieln r und I häufig; aber 
auch andere urjprüngliche Laute find oft in r über: 
gegangen, fo im Deutichen gegenüber dem Goti: 
Ichen das s zwiſchen Volalen, z. B. gotiſch basi, 
unſer «Beere», ebenſo im Lateiniſchen, wo z. B. 
generis für — ſteht, val. den Nominativ genus. 
Die Schreibung griechiſcher, mit r anfangender 
Worte durch rh beruht darauf, daß im Griechiſchen 
dieſe Worte vor dem r den spiritus asper hatten, 
alſo mit $ (eigentlich hr) gefchrieben wurden. 

Als Abkürzungszeichen jteht R undr in röm. 
Inſchriften, Handichriften, auh Münzen u. ſ. w. 
für Roma, Romanus, regia, regnum, restitutor 
u, f. w.; ein Heined r. oder f. r. in Citaten in 
bibliogr. Beichreibungen heißt recto oder folio recto 


(d. i. auf der rechten Seite bes Blattes), Auf Ne 
zepten bedeutet K, foviel ala Recipe (d. i. nimmt). 
Auf dem Nevers älterer franz. Münzen bezeichnet 
R den Munzort Orldans, auf ältern portug. Mün: 
— — Rio de Janeiro. In der Mathemati N R 
ür rechter Riintel, z. B. 2 R= 180°, In der Phyſik 
bezeichnet R die adhtzigteilige Stala nad) Reaumur. 
In der Mufil jteht R für Ripieno (f. d.) oder jür 
schte Hand. Auf der Stellieibe von Tajchens 
ubren iſt R die Abfürzung für Retarder (b. i. ver: 
zögern), im Gegenſaß zu A für Avancer (d. i. vor: 
geben), —— mie auf engl. Uhren 8 für Stower 
ım Gegenſaß zu A für Advance, 

B., bei — ———— Namen Ab: 
fürzung für Karl Asmund Rudolphi. 

a, ägypt. Gott, ſ. Re. F 

Raa nennt man die quer am Maſt in ihrer Mitte 
aufgehängte Stange, welche bejtimmt ift, Segel zu 
tragen. Auf grosen Schiffen gibt es Ragen an 
jedem Maft, vier übereinander, welche je nad) ihren 
Segeln benannt werden: jo Fochraa, Großraa, 
Groß:, Vor: oder Kreuzmars⸗, Bram: und Obers 
bramraa. Die R. werden gewöhnlich aus Holz 
gefertigt. Auf größern und namentlih auf den 
Vanzerſchiffen macht man fie jedod) aus Eiſen⸗ oder 
Stablbleh, und hohl. Die lateiniihe Ran, 
wie fie die Heinen Fahrzeuge des Mittelmeers, 
Schebecden, Tartanen u. ſ. w., noch führen, und 
wie ſie auf den alten Galeeren gebräuchlich war, hat 
ein dreiediges Segel. Ihre untere Spitze * auf 
dem Ded, ihre obere ragt jchräg in die Höhe. 

Raab (ungar. Györ over Nagy-Györ, lat. Jauri- 
num), fönigl. Freiſtadt und Hauptort des gleich: 
namigen Komitat in Ungarn, der Sig eins 
Bischofs, der Komitatsbehörden, eines Steueramts 
und cincd Stuhlgerichts, liegt am Zufammenfluß 
der Naab und Nabnik mit einem Arm der Donau 
(der jog. Kleinen Donau), Station der N.» Eden: 
burger, der Linie R.:Steinamanger der Ungarijchen 
Weſtbahn und der Linie Budapeit:Brud der Unga⸗ 
riihen Staatöbahnen, in einer ausgedehnten Ebene. 
Die Stadt pa (1880) 20981 G., von denen etwa 
drei Viertel Ungarn, die übrigen nun Deutſche 
find. Die innere Stadt, welche ſeit Aufhebung der 
dejtung ungemein gewonnen, üt jehr regelmäßig 
gebaut, Gine beiondere Zierde it bie Promenade, 


448 


Unter den Sehenswürbigleiten find zu nennen: bie 
alte Domlirche, neuerdings im Innern falt ganz 
— namentlich mit mehrern prachtvollen 

armoraltären geihmüdt; die Benediltinerlirche, 
die Karmeliterlirche, die bifchöfl. Refidenz, das Ko: 
mitatähaus und das Nathaus. Bon höhern Bil: 
dungsanftalten beftehen eine Rechtsalademie (nad) 
19jähriger Unterbredung 1867 —— ein 
—— der Benediltiner, eine * Lehr⸗ 
anftalt und klerilales Seminar, eine Unterreal: 
ſchule, eine kath. Lehrer: und eine Pehrerinnenprä: 


Raab (oh. Leonhard) — Nabät 


Sänger Niemann und gaftierte feitbem nur nod 
an größern deutichen Theatern, biß fie nah Grün: 
dung des Deutihen Theaters in Berlin 
desjelben wurde, Im Genre der muntern, jchel: 
miſchen und naiven Mädchenrollen ift fie eine der 
beiten Vertreterinnen. 

Naabe (Wilh.), ein unter dem Pieubonym 

atob Corvinus befannter deutiher Roman: 
hriftfteller, geb. 8. Sept. 1831 zu Eicherähaufen 
in Braunfhweig, befuchte die Gymnafien zu Holz: 
minden und Wolfenbüttel, ftudierte 1854 — 56 zu 


Aud | Berlin Bhilofophie und Geſchichte und widmete ſich 


eg ein evang. Untergymnaſium u. ſ. w. Au 
findet ſich hier die luth. Superintendentur für 
ben ungar. Diſtrilt jenfeit der Donau. R. iſt ein 
wichtiger Handelsplag, namentlid für Getreide, 
gie und Borftenvieh, und Station der Donau: 
—— ———— Neuerdings hat ſich 
daſelbſt auch eine eigene Dampfſchiffahrtsgeſell⸗ 
ſchaft gebildet. Unter den gewerblichen Etabliſſe— 
ments ſind die für — und landwirtſchaftliche 
Maſchinen und eine große Olfabrik hervorzuheben. 
n ber Nähe von R. liegt die alte und berühmte 
enebiltinerabtei Martinsberg (f. d.). — Die An: 
fänge RE * bis in die Zeiten der Römer zurüd, 
ie dafelbh ie Kolonie Arabona ober Rabona 
anlegten. Gegen Ende des 10. Jahrh. war e3 ſchon 
ein bedeutender Ort, ber in den Kämpfen zwiſchen 
den — und den deutſchen Kaiſern viel zu leiden 
hatte. Die Türken nahmen R. 1594 durch Verrat 
ein, verloren es aber wieder durch den Überfall 
unter engere und Palffy 20. März 1598. 
Montecuculi erhob R. zur Feſtung erften Ranges, 
die jedoch 1783 unter Joſeph LI. einging. Erft 1809 
wurde bie Feltung wieder erneuert, doch 1820 aber: 
mal3 aufgehoben, Am 14. juni 1809 befiegte bei 
R. der Vizekönig Eugen von Italien die ungar. In— 
furrettion nad — Gegenwehr. Auch 1848 
und 1849 war R. welches die Ungarn ſtark befeſtigt 
hatten, mehrmals Schauplap kriegerifcher Ereigniſſe 
und wurde 28. Juni 1849 von den Bjterreichern 
erjtürmt. — Das Komitat Raab zählt (1880) 
auf 1881 qkm 109502 meift magyariide E. 
Raab (oh. Leonhard), Kupferſtecher, geb. zu 
Schwaningen bei Ansbach 29. März 1825, wurde 
in Nürnberg in der polgtehnifchen Zeichenichule 
vorgebildet und lernte dann in der Kunftanjtalt 
von Karl Maier die Kunferjtchtunft. Zugleich 
unterrichtete ihn in der Kunſtſchule Direktor Reindel 
im Gebiete der Malerei. Nachdem er 1846/47 die 


Alademie zu Münden befucht, kehrte er nad Nürn: | A 


berg zurüd, wurde aber 1868 an die Atademie der 
Künjte nah München berufen, wo ihm die Schule 
ber Kupferftcher fpeziell zur Leitung übergeben 
wurde, Bu feinen beiten Sorträts in Malerei ge: 
bört das des Prinzen Albert von England, ım 
uftrag der Königin gefhaffen. Seine — 
Stichblaͤtter find nad Originalen von Bautier, 
lüggen, Leſſing, J. Beder, Schwind, Riloty, 
amberg u. a, entitanden. Auch lieferte er einen 
fhönen Sti der Madonna Tempi nad) Rafael, 
Raabe (Hedwig), Schaufpielerin, geb. 3. De. 
1844 zu Magdeburg, trat (bon früh zur Bühne, 
lam mit 14 Jahren an das Thaliatheater in Ham: 
burg, fräter nach Stettin. Nachdem fie einige Zeit 
am Wallner:Theater in Berlin, in Mainz und Prag 
geipielt hatte, erhielt fie dauerndes Engagement 
am Deutſchen Hoftheater in Petersburg, von wo 
fie alljährlich Gaſtſpielreiſen nad Deutſchland unter: 
nahm. Im %.1871 verheiratete fie fich mit dem 


bann dem litterariichen Beruf. Im J. 1862 fiedelte 
R. nad) Stuttgart Aber und 1870 nahm er En 
dauernden —— in Braunſchweig. Von ſeinen 
Romanen und Novellen find zu nennen: «Die Chro⸗ 
nit der Sperlingögaffe» (1857), «Ein Frühling» 
(1857), «Die Kinder von Finkenrode» (1859), «Halb 
Mäbr, halb mehr» ng: 1859), 
oliniers Herrgotts Kanzlei⸗ (1862), «Tie Leute aus 
dem Walde» (1863), «Ter Hungerpaftor» (1864), 
«Ferne Stimmen» (Novellen, 1865), «Abu Zelfan 
oder die Heimkehr vom Mondgebirge» (1868), «Der 
Regenbogen» (1869), «Der Schübderump» (1870), 
«Ghriitoph Pechlin⸗ (1873), ·Deutſcher Mondſchein⸗ 
(1873), „Wunnigel⸗ (1879), «Deutſcher Adel» (1880), 
«Alte Neſterv (1880),« Das Horn von zus 
er) «Prinzeſſin Filch» (1883), —— Muhle⸗ 
u ‚ “Unrubige Gälte» (1885). R. verfolgt in 
einen Romanen und Novellen bei einer ausge: 
ſprochenen Neigung zum Phantaftifchen oft eine 
anz realiſtiſche Richtung, wobei er fich wejentlid 
* ſeinen friſchen De und feine kernige 
Sprache —— 

Raaſegel, ſ. Raa und Segel. 

Rab, dalmatiſche Inſel, ſ. Arbe. 

Rab (ruſſ., ftammverwandt mit raböta, Arbeit, 
undrobenok, das Kind), ber Sklave, Rabä, bie Stie: 
vin, fpäter durch das Wort Cholöp (Knecht) ver: 
point: Die Sklaverei, teild erbliche, teils zeitwei- 
lige, beftand in Rußland feit ältefter Zeit und wurde 
et Ende de3 17. Jahrh. von der Gejehgebung mit 
der 100 Sabre vorher aus andern Urſachen ent: 
jtandenen Leibeigenfchaft zufammengeworfen. 

NRabanusMaurns,j.Hrabanus Maurus, 

Rabaſtens, Stadt im franz. Depart. Tarır, 
Arrondifjement Gaillac, reht3 am Tarn, Station 
der Linie Perigueur:Figeac:Touloufe der Orleans: 
bahn, hat (1881) 3092 (Gemeinde 5093) E., eine 
irche mit 1860 entdedten Wandmalereien aus dem 
14. und 15. Jahrh., Fabrikation von Hanfleinwand 
und Hüten und Getreidehandel, 

Nabät, Rebät, Rbat ober Arbet, aud 
S’lab Dihedid oder Neu:Saleh genannt, 
Seeſtadt an der Weftküfte Maroftos, dritter Han: 
belspla und Marineftation des Neih3, linls an 
der Nündung&bucdht des Led Bu-Regreg gegenüber 
der alten Stadt Saleh gelegen, bietet mit feinen 
zahlreihen Häufern von europ. Bauart einen fait 
europ. Anblid dar, Die mauriſchen —— 
En jedoch niedrig, unſcheinbar und teilweile zer: 
allen. Die Kasbah iſt eine gefhmadlofe Baus 
mafle, das Fort halb zerfallen, die Bazars und Bü: 
der von gewöhnlicher Art, die fog. Kriegsmarine, 
in einem ummauerten Hofe auf3 Trodene geleat, 
beiteht aus einigen ärmlichen Kanonenbooten, wäh: 
rend das anſtoßende Arfenal mit einer Anzahl alter 
und unbraudbarer Kanonen verjehen it. Impo⸗ 
fant dagegen und ein Kunſtwerk aus der Blütezeit 


a 


Nabato — Rabbiner 


der maurischen Baukunft iſt das 58 m hohe Minaret 
der Hajlan:Mojchee, das aus einem Walde von 
Drangen: und Gitronenbäumen, Binien, Sytomoren 
und Cubeben hervorragt. Auch das Holllager gr 
hört der beſten Zeit der mauriſchen Kunft an. R. 
* (1878) 32000 E., darunter 3—4000 Singer 
ie ein befonderes Viertel bewohnen, und fehr we: 
nige Europäer. Nädjit ge ift R. noch immer der 
auptfig der Jnduftrie Maroftos und fertigt viel 
eppiche, Mäntel (Haiks), Woll:, Baummwoll: und 
Seidenftoffe, Töpferwaren und Maroquinleder. 
Der Handel ift ſehr geſunken; zur Ausfuhr gelangen 
uptfächlid Getreide, Ol, Orangen, Ninderhäute, 
chs und Färbeftoffe, bie meiſt nach England 
gehen, Tabak, Schwefel und a find Mono— 
volartitel des Kaifers; Vieh, Wachs, Kork und 
Blutegel find Monopole, die verpacdhtet werden. 
Die geringe, Einfuhr beiteht in Baumwollſtoffen, 
Muflelin, Leinen, Eiſen-, Meſſerſchmiede- und Glas: 
waren, Zuder, Ihee und Färberröte, N. ift Sitz 
eines: deutichen Konſulats. Die Schweiteritadt 
Saleb (arab. Selah oder Stab), am rechten Ufer 
Bu:Regrea, gewährt mit ihrer weißen Häufer: 
mafje, ihren Dlinaret3 und ſchön en Kuppeln 
von Marabuts einen ftattlichen Anblid, zeigt aber 
im Innern den tiefiten Verfall. Die Stadt zählt 
noch 10000 E., fanatifche Mufelmanen. Der Hafen 
iſt beinahe n verjandet. Das alte Sala am 
Fluſſe Sala Fol ie füdlichjte röm. Kolonie in Nord: 
weitafrifa geweien fein. Doc ift nicht ficher, ob 
dieſe antife Stadt nicht in dem Heinen, nahe bei N. 
u enen Orte Eſch⸗Schaleh zu fuchen, der, weil er 
ie heiligen Grabmaufoleen mehrerer maroff. Herr: 
ſcher enthält, keinem er ng juoäng- 
lich ift. m fpätern Mittelalter war Saleh eine 
völlig unabhängige Stadt, reich durch Handel und 
Seeräuberei. E3 wurde 1755 von Muley Moham: 
med unterworfen und zerftört. 

Rabäto, Hauptort der Inſel Gozo (f. d.). 

Nabatt (ital.) heit der nad) Prozenten feitzu: 
gr Abzug vom Kaufpreis, welcher barzahlen: 

en Käufern als Jnterufurium (f. d.) zugute gebt, 
wenn der Preis mit Nüdjiht auf die Gewohnheit 
eines längern Kreditgebens bemeſſen war (dann ge: 
wohnlicher Disconto [j. d.) genannt); fodann der 
Nachlaß von den bere —B womit Groß⸗ 
händler den Wiederverläufern eine Prämie gewäbh 
rei. —3 Art iſt auch der R. welchen die Ver— 
lagsbuchhändler, Muſilalienverleger u. ſ. w. von 
ihren Verlagsartikeln den Sortimentsbuchhändlern 
bewilligen. 

Rabatte Ih) ber. umgeichlagene Saum man: 
her Kleidungsitüde, bejonders der andersfarbige 
Aufſchlag an Uniformen ; auch das die größern Quar: 
tiere eines Gartens einfafjende ſchmale Nandbeet. 

Rabaut (Paul), hervorragender Vertreter der 
reformierten Kirche Frankreichs, geb. 9. Jan. 1718 
in Bedarieur (Tepart. Herault), wurde 1744 
reform. Geiſtlicher zu Nimes, in welcher Stellung 
er fih um bie Wiederberftellung ber infolge der 
Aufhebung des Edilts von Nantes zerjtörten reform. 
Kirche Frankreichs große VBerdienfte erwarb. Wie: 
derholt leitete er die Beratungen der reform. Na: 
tionalfynode, trat 1785 nach 50Jährigem Dienſte von 
feinen? Anıte zurüd, wurde in der Franzöſiſchen Re: 
volution in den Kerler — und ſtarb 25. Sept. 
1794 zu Nimes. Bol. Coquerel, «Histoire des 
eglises ‚du deserts» (Pur, 1841); Borel, «Bio- 
graphie de Paul R. et de ses trois fils» (Par. 

Eonverfations » Lexiton. 19. Aufl. XTIT. 


449 


1854); Hugues, «Histoire de la restauration du 
Protestantisme en France (Bar. 1872). 

Rabaut: Saint: Etienne (Jean Paul), franz. 
Redner und Hiftoriter, Sohn des vorigen, geb. 
1743, widmete fi dem Predigerftande, war aber 
yeleic auch Advolat. In dieſer doppelten Eigen: 
haft kämpfte er für die Gewiliensfreiheit feiner 
Glaubensgenoſſen, der Broteitanten, denen er beim 
Ausbruch der Nevolution als Mitglied der Kon: 
ftituierenden Berfammlung unbedingte Anerfen: 
nung ihrer Rechte erringen half. Unter feinen vielen 
Schriften hatten vorzüglich die «Considerations sur 
les interöts du Tiers-etat» (Par. 1789) großen Ein: 
fluß auf die öffentliche —— Nach Anflöfung 
der Konſtituierenden Verſammlung beſchäftigte er 
ſich mit der Abfaffung feine® «Almanach histo- 
rique de la r&volution francaise» (War, 1791, mit 
Kupfern), welches Wert als «Precis de l’histoire 
de la revolution frangaises von Pacretelle beendigt 
und_oft aufgelegt worden ift (mit R.s Leben von 
Boiſſy d'Anglas, Bar. 1822). Auch arbeitete er an 
der «Feuille villageoise», die er mit Cerutti ge: 
gründet hatte, und am «Moniteur», Als Mitglied 
des Konvents, in weldem er das Depart. Äube 
vertrat, widerſetzte er fich den Blutbeſchlüſſen des 
Bergs und wurde deshalb beim Sturz der Giron: 
diften geächtet. Er irrte eine Zeit lang in den 
Wäldern umber, kehrte aber dann nad) Paris 
urüd, wo er bei einem freunde entdedt wurde, 
Das Nevolutionsgericht verurteilte ihn und er be: 
hieg 5. Dez. 1793 das Schafott. j 

abba, Hauptort der Landichaft Nupe im Reich 
Gwandu oder Gändo, im weitl. Sudan, links am 
Niger, 169 m über dem Meere, auf dem hohen Ufer: 
rande de3 Stroms, nahe den Stromſchnellen und 
Strudeln, welde eine durch ‚den Niger ziehende 
Rifflette veranlaft, hat Schiffahrt, Handel und 
Induſtrie in MWollwaren, befonders in ſchwarzen 
Toben oder Hemden, _ 
‚ Rabba oder Nabbath: Ammon, alte Stadt 
im Lande der Ammoniter, ſ. Ammän, 

Rabban, f. unter Rabbi. 

Rabban:Hormuz, Kloſter bei El-Koſch (f. d.). 

Rabbaniten heiben im Gegenjab zu den Karai— 
ten oder Karäern diejenigen Juden, welde an den 
rabbinifhen Überlieferungen und bem Talmud 
feithalten, [induftrie ſtechniſch). 

ar Leminbel: f. unter Baummwoll: 

Rabbi heist im Hebräiſchen ſoviel als (mein) 
Lehrer und war ein Ehrentitel der jüd. Schrift: und 
Geſetzeslundigen, und zwar derer in Baläftina (die 
babylonischen hießen Hab), anfangs, wie Doktor 
und Magiiter nur den Graduierten gebührend; ipä: 
ter wurde es zur höflichen Anrede und gleichbedeu— 
tend mit Herr. Gin noch höherer Ehrentitel war 
Rabban (unſer Lehrern); denjelben führten in 
den beiden erjten Jahrhunderten die Präfidenten 
de3 Synedriums. — 

Rabbiner heißen die von den Gemeinden be— 
— oder von dem Staate eingeſeßten oder an: 
erfannten Lehrer des talmudiſchen Judentums. Sie 
waren früher, wie nod) gegenwärtig in den osman. 
Ländern, nicht bloß Lehrer der gefehftudierenden 
Jugend und mit den Trauungen und Sceidungen 
beauftragt fondern zugleich Prediger, Richter, zu: 
weilen auch Gemeindeichreiber. Jeht beichräntt ſich 
ihr Wirkungskreis meilt auf Begutachtungen des 
rituell Geſehlichen, Verrichtung der Trauungen 
und Scheidungen, Prüfung der Schächter und 

29 


450 


Unlerweiſung im Talmud, In Frankreich jteht an 
der Spihe der Nabbiner ein jüb. Konfitorium mit 
einem Großrabbiner als Vorfikenden; im andern 
Yändern gibt es Land:, Kreis⸗ und Ortsrabbiner. 
Anſtalten zur Bildung von Nabbinern (Rabbiner: 
feminare) gibt es in Paris, Berlin, Breslau, 
Yudapeft. Früher unterſchied man vom Rabbiner 
den israelit. Prediger; doc hat man, jeitdem nur 
geprüfte und gelehrte Männer zum Rabbinat zu: 
gelafien werden, den Nabbinern den Religions: 
unterricht, das Predigen und die Yeitung des ©ottes: 
dienites übertragen. ; 

Nabbinifche —— — Sprache nennt 
man gewoͤhnlich die Geſtaltung der hebr. Sprache, 
welche IE durch Aufnahme ſtarler aramätjcher Ele: 
mente ſchon in der Miſchna und den bebr, Teilen 
des Talmud (f. d.) und Midraſch angenommen bat. 
‘te weiter jih vom 10, Jahrh. an bei den Juden 
die Sitte verbreitete, alle Wiſſenſchaften in Fed 
Sprache zu bearbeiten, deſto mehr mußte ſich die 
Unzulängligjteit des Althebrätihen für eine Menge 
wijjenjchaftlicher Begriffe herausitellen. Man half 
fi) danıit, daß man entweder den alten Wurzeln 
neue Bedeutungen unterlegte (meift nach Vorgang 
des Arabijchen), oder nach Analogie des Althebrät: 
fchen von den alten Wurzeln neue Ableitungen bil: 
dete, oder (dod) im ganzen jelten) neue Wurzeln aus 
dem Aramätichen und Arabifchen, hier und da aus 
dem Griechiſchen und Lateinischen aufnahm, Frei: 
lich weicht infolge deſſen die rabbiniiche Sprache, 
beſonders der philoſ. Schriften, von derjenigen der 
bibliſchen Bücher ſehr weientlih ab. (5. Jüdi— 
fche Litteratur.) Hilfsmittel zur Erlernung des 
Nabbinischen find: Cellarius’ «Rabbinismus» (Zeit 
1654); Nelands «Analecta Rabbinica» (Utr. 1702); 
Burtorf3 «Lexicon Chaldaicum, Talmudicum et 
Rabbiniecum» (Baf. 1639; neue Ausg. von Fiſcher, 
Lpz. 1866— 74); Levys «Neuhebr. und chaldaiſches 
Wörterbuch über die TZalmudim und Midrafchim» 
(Lpz. 1875 fg.); Siegfried und Strad, «Gramm: 
tit des Neuhebräifchen» (Lpz. 1884). 

Nabe oder Kolkrabe (Corvus —— ein 
über den größten Teil von Europa, Mittel: und 
Nordafien verbreiteter Vogel aus der nad) ihm ge: 
rannten Gattung, zu welcher lestern auch die 
Sträben (j. d.) gerechnet werden, Er iſt von anfebn- 
licher Größe, etwa 70 cm lang, fein Schnabel von 
der Länge des Laufs, fein Gefieder rein ſchwarz 
mit ſtarlem ftahlblauen, auf den Flügeln grün: 
lihem Detallglanze. Der R. lebt paarweife, niſtet 
an den einjamjten Orten, entweder auf jehr hoben 
Bäumen dichter Waldungen oder auf Felſenſpitzen, 
frißt —55 Mäufe, Maulwürfe, aber auch Heine 
Vögel und junge Hajen, am een aber Aas. Er 
äußert halbe Haubvogelfitten, iſt liſtig, ftarl, ge: 
wandt, Fühn und grimmiger Feind aller echten 
Raubvögel, Sein diebiiches Weſen bat man zwar 
übertrieben, doch läht es ſich durdaus nicht ab: 
leugnen. Harte Muſcheln und Seeigel läßt er auf 
Felſen fallen, um nachher die zerſchellten zu ver: 
ſpeiſen. yung eingefangen, wird er leicht pm, 
lernt ſprechen und belujtigt dann durch jein laumi: 
ges und liſtiges Weſen, bleibt aber doch biſſig, 
diebiſch und boshaft, Den Römern galt der R. viel 
bei ihren Yugurien, Die nordiihen Völker jaben in 
ihm einen dem Odin heiligen Vogel. Das Weibchen 
legt vier bis fünf grünliche, braungefledte Eier, und 
die Brütung, in welche fich beide Gatten teilen, 
dauert drei Wochen. In Amerika wird der R. von 


Rabbiniſche Sprache — Rabelais 


einer andern, wenngleich ähnlichen Art vertreten. 
= ——— F Zeichnen. 4 
abe anco berühmter franz. Sa 
tirifer, geb. um 1195 u Chinon in der Touraine 
(nad) andern in Seni Im fein Bater Apotbeter 
oder Gaſtwirt geweien jein foll, trat bei den ⸗ 
—— zu Fontenay⸗le· Comte in der 
Novize ein, empfing die 


mn Durch eüri- 
es Stud te die Mönde ‚ 
bie * —— — ſich mit — 


au beicäft en, ze — — | 
aber, em Freunde 

päpff. Qudults gelangt, in ben Venebitineroxben 
u 


in di 
Nbtei Maillans — ee 
regulierten Chorberrn. Aud) Koſter verlieh; 


= ohne —— md Dbern. Der 
enthalt feinem Eelofie bei 

R. ſehte dort feine Studien fort, : 
a — 
nad) Montpellier, wo er it — ⸗ 


dierte. Darauf Spitalarzt zu a 


EBEg 


trat er als mediz. Schriftiteller hervor und ließ 
beiden erſten Bücher feines jatirifhen Romans er: 
icheinen. Gr begleitete 1535 und 1536 als Leibargt 
den Kardinal du Bellay auf deſſen —— 
reiſen nach Rom und erhielt dort vom 
Paul III. aufer völliger Abfolution, die Bollmacıt, 
u. in den en i —— 
armherziger icht auszuüben. 
Nach feiner Nüdtehr nach Franfreich erlangte #. 
1537 in Montpellier een Dottors der 
Medizin. Gr —— [8 
Drten im fübl. Sranfreich und 
die Benediltinerabtei St.:Maur bei Barıs, wo ihm 
vom Abt, dem Kardinal du Be —— 
ſtelle verliehen wurde. Die Gunſt, deren er ficdh bei 
Franz I. erfreute, ſchuhte ihn vor Verfolgungen, 
denen er auch hier ausgefeht war; nad) des Königs 
Tode (1547) mußte er jedodh den Schub des Hlar- 
dinals du Bellay in Rom juchen einer Unter: 
fuchung wegen —* zu entgehen. NS derjelbe 
jpäter Bijchof von Paris geworden, erhielt R. durdı 
ihn die Pfarre von Meudon (1551), im deren 
er 9. April 1558 zu Paris ftarb. Sein Denfmat 
zu Tours wurde 25. Juli 1880, ein anderes zu 
Chinon 2, Juli 1882 enthüllt. 
N. bejah eine für feine Zeit erſtaunliche 
feitigteit des Wiſſens; außer den damals am all- 
gemeinjten gelannten Spradhen (G Latei 
niſch, Hebräisch, Franzöſiſch und Spani — 
er auch das Engliſche und Deutſche — das 
Holländiide, Dänische, Arabiſche und Basliſche und 
mehrere franz, PBatois; dabei war er 
Theolog, Matbematiter, Arzt, Jurüt, 
Geometer, Mufiter, jogar Maler und Dichter. Man 
bat von ihm mediz., ardjäol. S aſtron. 
Kalender. Alle dieſe Arbeiten — jedod) weniger 
zur Verewigung feines Namens i 
iches Wert: «Das Leben des großen Rieſen 
gantua und feines bodhberühmten, erlauchten Sob: 
ne3 Bantagruel, ng eider, 
Heldeuthaten», ein religiös:politifcher 
riih-jatirücher Noman von ganz a 
uhr der bei jeinem Erjdeinen 
Aufſehen erregte und N, erbitterte Widerſacher, 
aber auch Bewunderer unter den Anhängern der 


* 
— 


- Nabenau — NRabiufa 


umaniſtiſchen Geiſtesbildung verjdnfite, die weder 
eine wunderliche Sprache noch fein Eynismus in 
ihrer Hochachtung und Würdigung jeines eigenarti: 
gen Geijtes beirrte. Den Wert des Werks bezeugen 
die vielen von der Entitehungszeit bis auf die Gegen⸗ 
wart herab gaben, Überfegungen und 
umfangreihen Kommentare. Der Roman iſt in 
feiner groteslen Form ein Seitenftüd ſowohl 2 


5 maccaroniſchen Dichtung als zur 
itteratur der erſten Hälfte des 16 Sabıh.. nad 
Geift und Inhalt das Werk eines ungemein origi- 
nellen, vieljeitig gelehrten, fein Jahrhundert über: 
ſchauenden fühnen a, in feinen Übertreibungen 
und Nobeiten der Ausdrud eines in feiner 
Jugend der Zucht und m ni ge: 
mordenen Ingeniums. tür fehlt e3 nicht an 
jatirijchen Beziehungen auf beftimmte Perſönlich— 
feiten und Borgänge; aber da3 Ganze geht nicht 
darin auf, infojern es aus ſich jelbft und in dem 
oben Sinne verftändlid wird, 
N’ Roman bejteht aus fünf Büchern, die einzeln 
erfchienen; das zweite («Bantagruels, 1533) vor dem 
en (188), was insbejondere wahrſcheinlich 
macht, dab R. auch Berfafler der anonymen, mit 
jeinem Roman bisweilen zufammengedrudten gro: 
testen «Chronifen vom großen Köng Gargantua» 
(2yon 1532; neue Ausg., Par. 1835) fei, als deren 
Umdichtung in verändertem Geiſte der erjte von 
Gargantua handelnde Teil des Romans anzufehen 
und zu dem «Pantagruel» —— als Fort: 
jeßung gedacht gewejen fein wird. Das dritte Bud) 
erjchien 1546 zu Paris unter R.’ Namen, ftatt des 
von ihm eye Ti ebrauchten anagrammatiſchen 
Dieudonyns « Icofeibas ſiers; das vierte, dem 
Kardinal von Ehätillon gewidmet, mir 
1552; das fünfte, das er unvollendet binterlich, 
elf Jahre nad feinem Tode (1564). Die beiten 
Ausgaben find die von Leduchat und B. de La: 
monnoye (5 Bde., Amſterd. 1711 u. öfter), von 
Esmangart und Eloi Johannot (9 Bde. Bar, 1823 
— 26), von Lacroir (Par. 1854), von Vurgaud bes 
Maret3 und Rathery (2 Bde., Bar. 1857—58), von 
Barre (Par. 1876), von Cheron Be 1816 fa.). 
Die engl. liberjeßung von Th. Urdard und B. de 
moteur (2 Bde., Lond. 1708, feitdem öfter wieder 
aufgelegt, vermehrt und verbejjert) wird von den 
Engländern als ein Muſter in Ne Art betrachtet. 
Gine bolländ, Überſetzung se ien bereit3 1682 
(2 Bde., Amfterd.) voneinem Pſeudonymus Claudio 
Gallitatio. Am früheiten aber ward R. in Deutich: 
land eingeführt durch feinen Geiltesverwandten 
Joh. Fiſchart, der 1575 den «Gargantua» und 
«Bantagruel» frei bearbeitete. Eine klaſſiſche archäi: 
fierende deutjche Überfehung mit Kommentar gab 
Regis (2 Ile. in 3 Bon., en. 1832 —41), eine 
in der heutigen gebildeten Sprache geſchriebene 
4. Gelbde (Lpʒ. 1880). Vgl. Brunet, «Recherches 
bibliographiques et critiques sur les &ditions 
originales des cinq livres du roman satirique de 
R.» (Bar. 1852); Lacroix, «R.,savie et ses euvres» 
rt. 1859); Mayrargues, «B., etude sur le 
VIe sieele» (Par. 1869); Fleury, «R. et son 
auvrer (2 Bde. Par. 1877); Sebdart, «R., la 
renaissance et la röforme» (Nancy 1877). 
Nabenau, Stadt in der ſächſ. Kreishauptmann: 
ſ Dresden, Amtshauptmannſchaft Dresden: 
Altitadt, an und auf einem rechts über der Noten 
ſich _erhebenden Berge, Station der 
ihmalfpurigen Setundärbahn Hainsberg: Schmiede: 


451 


berg⸗Kipsdorf, hat (1880) 2021 E,, eine Dungpeine 
und eine bereit3 1710 gegründete ſiarle Stuhlbaue⸗ 
vei, N. und der Nabenauer- Grund (Meiherib: 
thal) find ein befichtes Ausflugsziel der Dresdener. 

Nabener (Gottlieb Wilh,), deuticher Satirifer, 
geb. 17. Sept. 1714 auf feines Baterd Gute Wachau 
bei Leipzig, beiuchte die eilt zu Meißen 
und jtudierte feit 1734 auf der Univerfität zu Leip⸗ 
zig. Im J. 1741 wurde er ai des 
Leipziger Kreiſes, 1753 Oberjieuerjelretär in Dres: 
den und 1763 Steuerrat. Gr jtarb 22. März 1771. 
Zuerſt trat er als Satiriler feit 1741 auf in den 
von Schwabe herausgegebenen «Beluftigungen de3 
Verftandes und Mibes», dann in den «Bremer 
Beiträgen». Die in diejen Zeitihriften zuerit er: 
Ichienenen Satiren füllen bie erjten beiden Bände 
feiner «Sammlung ſatiriſcher Schriften» (Lpz. 
1751), denen er 1752 einen dritten («Satirifde 
Briefe») und 1755 einen vierten Band folgen fie, 
welche bis 1772 zehn Auflagen erlebten. Die von 
x geſammelten «Freundihaftlichen Briefe» gab 

. 3. Weihe heraus nebft einer hurzen Biographie 
des Berfafiers (Lpz. 1772); auch bejorgte derielbe 
eine Ausgabe der Jämtlichen Schriften R.s (6 Bbe,, 
a: 1777; neuejte Ausg., beraudg. von Ortlepp, 
4 Bde,, Stuttg. 1840), Seine Satiren, in die er nie 
Berfönlichleiten bereinzog, ftellen mit heiterer Laune 
und gutmütigem Wiß im einer leichten, gefälligen 
Profa die Thorheiten der mittlern Stände dar. 

Rabenfrähe, ſ. unter Hräbe, _, 

Rabenſchlacht, der Name einer Dichtung aus 
dem Kreiſe der Sage von Dietrich von Bern, die 
in der zweiten Hälfte des 13, yabrb. ein Spiel: 
mann verfaßte, wahrfcheinfich derjelbe Heinrich der 
Bogler, der das Gedicht von Dietrihs Flucht ſchrieb. 
Die Strophenform ift der Nibelungenftrophe nad): 
gebildet. Grhalten it das Gedicht nur in über: 
arbeiteter Geftalt mit duchgeführten Eäfurreimen. 
Den Inhalt bilden die Kämpfe vor Naben (Ra: 
venna), welches Ermenrich belagert, während Diet: 
rich vor Padua liegt. Etzels jugendliche Söhne und 
Dietrich3 jüngerer Bruder Diether verlaſſen das 
Heer, verirren fih nach Ravenna und werden von 
Witich erſchlagen. Diefe Epifode bildet den Aus: 
gangs- und Höhepunft der Erzählung. Dietrich 
nimmt Rache und verfolgt Witid bis and Meer, 
wo eine Meerfrau den Fliehenden aufnimmt. Her: 
ausgegeben iſt das Gedicht von von der Hagen 
und Primiſſer im «Heldenbuch» (Bd. 2, Verl. 1825), 
in von der Hagens «Heldenbuch» (Bd. 1, Lpz. 1855) 
und von E. Martin im « Deutfchen Heldenbud) » 
(Bd. 2, Berl, 1866). 

Rabeuſtein nannte man ehedem den erhöhten, 
von Steinen aufgemauerten Plab, auf welchem bie 
Enthauptung von Berbrechern ftattiand, weil da- 
jelbft gewöhnlich Naben in Maſſe fih aufzuhalten 
pflegten. Die R. dienten als Zeichen der peinlichen 
Gerichtsbarteit und fanden ſich daher fat in allen 
den Städten, denen dieſe zujtand, find aber in 
neuerer Zeit befeitigt. j 

Nabenftein, Weiler im bayr. Negierungsbezirt 
Dberfranten, Bezirkſamt Pegniß, in der fränf. 
Schweiz; dabei die Sophien- oder Rabenfteinhöhle. 
(S. unter Muggendorf.) 

Rabies canina, ſ. Hundswut. 

Rabiuſa oder Rabioja, zwei wilde Bergwaſſer 
im jchmweiz. Kanton Graubünden, von denen das 
eine, au Safierrbein genannt, am Bärenhorn 
(2932 m) entipringt, das Safierthal und da® 

29, * 


452 Nabnig — Nadel Felir 


lyriſche Empfindung. In ag und Stil ift er 
weniger lorreit als fein Lehrer Malherbe defien 
Leben er auch beſchrieben hat. Eine neue Gefamt- 
ausgabe — —5 hat Tenant de Latour 
(2 Bde. Par. 1857) beſorgt. 

Racconigi, Stadt in der ital, Provinz Cuneo 
ca zu ‚ reht3 an der Maira, Station der 
Gifenbahn Turin:Euneo, hat (1881) 9471 E., ein 
Eur — mit 1755 von Le Notre nn 
Bart, einit Pieblingsaufenthalt des Königs Karl 
Albert von Sardinien, ein Gymnafium, ein großes 
Hoipital, Seidentultur, Seidenipinnerei, Fabriten 
von Wollwaren und ftarte Schuhmacheret. 

Raoe (frz.), Raffe, f. Art und Menſch. 
a oviel wie Eumeniden. 

achel, 


Verfamertobel durchſließt und nad) 20 km langem 
Eu 90 km oberhalb Neichenau rechts in den 
Borderrhein mündet, das andere von der Majler: 
fcheide der Qenzerheide nordlich durch das Thal von 
Ehurwalden fließt und ic bei —— i km 
fudlich von Chur, in die effur ergiebt. 

Nabnitz (ungar. — linter Nebenfluß ber 
Raab, jan Kane in Niederöfterreich weitlid, vom 
Stidlberg, durcfließt die ungar. Komitate Oden⸗ 
burg und Raab, fowie den Sumpf Hanſäg deſſen 




























zum Reuſiedlerſee gehenden Haupttanal fie lints 
— und mündet bei der Stadt Raa 
abuliit (vom neulat, rabula), Zungendreſcher, 
—— 
abutin (Roger de), Graf von Buffy, franz. 
General und S tiftiteller, geb. 18. April 1618 zu 
ai (Depart. Nitvre), diente feit feinem 12. Jahre 
im Regiment feines Vaters und ftieg raſch bis zum 
Generallieutenant empor, verfeindete ſich aber mit 
dem Marihall Turenne und muhte die Armee ver: 
faffen. Er ping nun an den Hof, wo ihm ein 
Spottgebicht Auf bas Verhältnis Ludwigs XIV. mit 
der La Palliere die königl. Ungnade in foldem 
Mahe zuzog, daß er ein Jahr lang in die Baftille 
geſeht, jodann auf feine Güter verbannt wurde und 
erit nach 16 Jahren wieder in Verfailles ericheinen 
durfte. Später lehrte R. nad Burgund zurüd, 
Hier fhrieb er unter andern Werken «M&moires» 
(2 Bde., 1696; neu herausg. 1857) und «Lettres» 
(7 Bde., Par. 1697 und 1709; neue Ausg., 5 Bde., 
185859). Er ftarb zu Autun 9. April 1693. 
Sein Hauptwerk ift die «Histoire amoureuse des 
Gaules», zuerjt 1665 in Lüttich gruß, feitdem 
fehr oft wieder herausgegeben (2 Be., Bar. 1857; 
2, Aufl, 1858, mit Einleitung und Anmerkungen 
von Roitevin). f i 
Nacahon ift der Name eines meblbaltigen 
Nahrungsmitteld, weldes zu verhältnismä ig 
ohem Preife verkauft wird und hauptſächlich aus 
Reis: und Kartoffelmehl fowie aus Zuder beftebt, 
dem noch einige andere Zufähe, wie Chololaden— 
pulver, Saleppulver, Dertrin (Röftgummi), Na: 
nille u. f. w. beigefügt find. Es wird zu ftärtenden 
Suppen verwendet und ſoll die gefdmwächte Ver: 
dauung wiederberitellen, ſowie überhaupt die «ver: 
(orenen Kräften erfepen. Urfprünglid war das N. 
ein ſchwach geröftetes Pulver der in Algerien wad): 
fenden ekbaren Eicheln (der Früchte von Quercus 
Ballota) und fam als Racahout des Arabes 
in den Handel. Bald aber wurde dieſes echte R. 
dur obige Miſchungen nahen. Meder das 
echte nod) das * eahmte R. beſitzt den, hohen 
Nahrungswert, we En die Nellame ihm beilegt. 
aealmuto, früberauh Nealmuto, Stadtin 
der ital. Provinz und im Bezirk Girgenti, —— 
cilien, Station der Eiſenbahn Aragona-Caldare— 
Gatania, hat (1881) 13434 E. und Bergbau auf 
Schwefel, Salz und Quedüilber. 
Racan (Honorat de Bueil, Marquis de), franz. 
————— geb. 1589 zu Laroche⸗Racan in der 
ouraine, geſt. dafelbft 1760, war zuerft Page am 
Hofe Heinrichs IV. und lebte, nachdem er als Offi⸗ 
zier einige Feldzüge mitgemacht, zu Paris im Um: 
gange mit den ausgezeichnetiten Männern der da: 
maligen Zeit. Er war eins der eriten Mitglieder 
der Sranzöfiichen Atademie. eine «Bergeries», 
Heine Schäferdramen im Gefchmade des « Pastor 
fido», find liebliche Bilder des Yandlebens. Manche 
feiner «Po6sies diverses» (1621 u. öfter) zeigen echte 


Berg im Böhmerwald, f. u. Arber. 
Rachel (Koahim), fatirifcher ee b. 
28. Febr. 1618 zu Funden in Norderd der, 
ward 1652 Neltor der Schule zu Heide in Dith- 
marfchen, 1660 der zu Norden in Dftfriesland und 
1667 der zu Schledwig, wo er 3. Mai 1669 ftarb. 
R, war in der funftmäßigen, verfifizierten, den röm. 
Muftern nachgebildeten deutſchen Satire der be— 
rühmtefte Dichter feiner Zeit, Er gab zu ſechs 
«Deutiche fatiriſche Gedichte» (Frantf. 1 und 
dann noch einzeln zwei andere heraus. Alle acht 
erfchienen zufammen 1667, worauf bis in die Mitte 
des 18. Jahrh. noch elf Ausgaben jene mit zehn 
Satiren, von deren beiden legten die Echtheit aber 
nicht feftiteht. Neueſte Ausgabe der a t Satiren 
mit Anmertungen u. f. w. von Schröder, Altona 
1828.) R.s Satiren beziehen ſich auf Verhältnifle 
des Privatlebeng, 3. B. die Kinderzucht, und zeigen 
ur fittlich-ftrengen Eifer ala Humor und 
Vol. Sad, Joachim R.» (Schleswig 1869). 
Rachel Felig, eine der größten neuern Tragd: 
dinnen, geb. 28. Febr. 1821 in einem Wirts hauſe 
uMumpf im Kanton Aargau, ſtammte von armen 
Srael. Eltern, Die Familie —— die 
und deutſchland, bis fie zu Lyon einen 
nahm, wo die ältefte Tochter, Sarab, fingend in den 
Kaffeehäufern umberzog, begleitet von R. 
das X. 1830 fam die Zamilie nad) Paris, und auch 
der ehten die beiden Geſchwiſter ihr Gewerbe fort. 
oron, der Direltor der Schule für Kirhenmunt 
fernte fo R. kennen, nahm fie in feine Schule auf, 
und als fie keine Anlage zur Sängerin, wohl aber 
dramatiiches Talent zeigte, Grad er fie in der 
Detlamationsichule von Bagnon St.:Aulaire, Mit: 
glied des Theätre frangais, unter. Am 26. Oft. 
1836 fpielte R. auf einem Heinen, von St.:Aulaire 
errichteten Theater die Rollen der Hermione und 
der Soubrette im «Philosophe marie» von Molitre 
mit Beifall. Poirſon, der Direltor ded © k 
engagierte * of R., u * —* 2 
«Die Wendeerin» tierte, aber ohne 
Bit der Direktor fie fortan nur in — 
ollen auftreten ließ. N. wandte ſich darauf an den 
berühmten Schaufpieler Samfon, der — 
ab, und bald wurde fie von Vedel für das Theätre 
Francais gewonnen. Sie trat zuerjt 12. Juni 1898 
in den «Horatiern» auf, und fortan waren ihr Glüd 
und ihr Nubm begründet. Im J. 1840 fchloß fie 
mit dem Theätre rancais ein feltes 
das ihr mit Einfluß der — —— 
(ic) 60000 Fre. eintrug. Außerdem erhielt fie 
das Jahr einen dreimonatli Urla 
den fie zu einträglichen ra in allen Ländern 
Guropas, zulept felbft in Nordamerila benutte. 





Nahen — Nacine 


Die bedeutenden Erfolge indes, welde Adelaide 
Nütori 1856 in Paris errang, verfehten fie in große 
Reizbarleit, Um ihrer Nebenbublerin auszuweichen, 
trat fie eine Kunftreife nach Amerita an, von ber 
fie mit reichen Einnahmen, aber lörperlich gebrochen 
rer Vergeblih ſuchte fe Genefung in 

loypien; e ſtarb 8. San, 1858 in einem Landhaufe 
zu Canet bei Toulon, welches fie im Herbit 1857 be: 
zogen hatte, Bon ihren beiden natürlichen Söhnen 
wurde der ältefte vom Grafen Morny anerkannt. 


Die Beilehung ihrer überreſte erfolgte zu Paris, 


auf dem Pere⸗ Lachaiſe. N. brachte auf der franz. 
Bühne das Trauerfpiel wieder zu Ehren, und na: 
mentlid war es bie altklaſſiſche franz. Tragödie 
(Racine, ‚Corneille, Voltaire), in ‚der fie ihre 
Triumphe feierte und die Majeität ihres Genies 
entfaltete, In modernen Traueripielen dagegen 
zeigte jich ihre Größe weniger. Ihre antife Hal: 
tung ‚ ihr mächtiges 358 ihr reines Organ, ihr 
ſtrenges Marmorgeſicht und zugleich das Freiſein von 
jedem nationalen Gepräge und Pest Schultradition 
befähigten ſie durchaus für die klaſſiſche Darſtellung. 
* Janin, «R. et la tragédieo (Par. 186833. 
achen ober Schlund (fauces, pharyux) heißt 
der im Hinterhaupte und Halſe gelegene laum, in 
welchen die Nafen» und Mundhöhle gemeinfchaft: 
li münden. Bon der Mundhöhle ift der R. durch 
den — — (isthmus faucium) — 
welcher vom Gaumenvorhang und den Gaumen: 
bogen mit den Mandeln begrenzt wird; mit der 
— — hängt er durch die beiden hintern Naſen— 
gänge, die jog, Ghoanen jeisumen. Am gel iſt 
die vordere Wand desſelben durch die Zungen— 
wurzel gebildet. Die hintere Wand iſt gewoͤlbt und 
beſteht oben aus dem Boden der Schädelhöhle, 
unten aus den Weichteilen des Halſes. Unten 
fpaltet ſich der R. in zwei Kanäle, die hinten ge: 
legene Speiferöhre und die vorn gelegene Luftröhre 
mit dem opt: Durch den R. gelangt aljo der 
aus ber Nafe abjliehende Schleim entweder in den 
57 oder in die Mundhöhle, ferner die Luft in 
die Yunge und aus derielben, ebenfo Mageninhalt 
Deine Erbrechen) und Lungenjelret (Schleim) in die 

undhöhle. Durch die Selretionen der den R. 
auslleidenden Schleimhaut, fowie durch den ver: 
ihludten Speichel wird der N. fortwährend feucht 
erhalten, Nach außen wird die Rachenſchleimhaut 
von einer Lräftigen Musfelhaut (constrictores 
haryngis, Nacdenjchnärer) umgeben, durch deren 
ufammenziehung bie Nacenböble verengert wird, 
(©. Shlingen) Da der N, nicht bloß beim 
Schluden, fondern aud beim Atmen, Sprechen 
und Singen fortwährend gebraucht wird, auch der 
Einwirkung Ihädlicer Subjtanzen ausgeſetzt wird, 
jo befindet er ſich oft in krankem Zuſtande. 

Unter den Erfranfungen des R. ift der Ka— 
tarıh (Pharyngitis) die gewöhnlichite. Bei dem 
afuten mapsntatartd. der oft unter Fieber 
verläuft, tritt eine ſtarle Nötung und Schwellung 
der Schleimhaut, namentlih aber der Mandeln 
und ihrer Umgebung ein, ſodaß der Racheneingang 
mehr oder minder vollitändig geſchloſſen ift (angina 
faucium). Es findet dabei eine leb m chleim: 
und Speidelabjonderung ftatt, welche fortwährend 
zum Schluden Butt (Leerfhluden), die Sprade 
iſt geftört, näfelnd und undeutlich, die Mandeln 
abjcedieren häufig, die Schmerzen und bie Atem: 
not find nicht unbeträchtlih. Der chroniſche 
Rachenkatärrh findet fi befonders bei ſolchen 


7 


453 


Leuten, welche viel ſprechen müſſen (daher auch 
Schullehrerbräune genannt, in — clergy- 
men sorethroat, in Frankreich angine elericald), 
und nicht felten bei ſolchen, welde viel rauchen. 
Die Rachenſchleimhaut iſt hierbei gerötet, Lörnig, 
verdidt und mit erweiterten geſchlaͤngelten Venen 
—— durchſetßzt; auch wird mehr Schleim abge: 
ondert, der zu häufigem Näufpern und Hüjteln 
nötigt. Nicht felten ergreift der Katarrh aud die 
benachbarte — wodurch dann die 
Stimme belegt, heiſer und klanglos erſcheint. Der 
chroniſche Rachenlatarrh ift mehr läftig als gefähr: 
lich und wird häufig eine andauernde Quelle jhwerer 
——— Während man beim akuten Rachen⸗ 
fatarrl) am zwechmäßigſten abwartend Dee und 
alle energifchen narife meidet, behandelt man 
den chroniſchen Katarrh des R. am beiten durch 
volllommene Ruhe, Gebirgs: und Waldluft, Trink: 
furen, Bepinfeln und Inhalieren adftringierender 
Subjtanzen (Alaun, ſchwa e Höllenfteinlötung x). 
Yon ‚probe Wichtigkeit ift bei der Behandlung 
chroniſcher Rachenkatarrhe die Abhärtung des Kör: 
en durch kalte Bäder im Fluß oder Schwimm: 
affin, tägliche lalte Abreibungen u. dgl. Ber: 
didungen und Wucherungen der bintern Rachen— 
wand werden am beiten durch ähende Mittel 
(Höllenftein, Galvanofauftit) belämpft. 

Die wichtigſten, weil geſährlichſten Erkrankungen 
DEN. find Krupp (f.d.)u. Diphtberitis (j.d.). 

NRacenbräune, jede beftigere Entzündung der 
Rachenſchleimhaut; —— oder epidemiſche 
Rachenbräune ſoviel wie Diphtheritis (ſ. d.). 

Rachenkatarrh, ſ. unter Rachen. 

Rachenlilie, ſ. Antholyza. 
Nacine, zweitgrößte Stabt des nordamerik. 
Staates Wisconfin, liegt am Michiganſee und an 
der ar, des Noot:Niver und iſt mit Mil: 
waufee und Chicago durch die Chicago:Milwautee: 
und St.-Paul: und durd die Chicago: und North: 
a lan verbunden. Im J. 1848 infor: 
poriert, zählt fie (1880) 16031 E., von denen viele 
Deutiche oder deuticher a rang find. N. hat 
viele und große Fabriken, in denen landwirtſchaft- 
lihe Maſchinen, beſonders Dreſchmaſchinen und 
Kornſchwingen, Wagen, Möbel, Schulgeräte, Pia— 
nos, Schuhe und Stiefel, Segel und Tauwerk, 
Shawls und Wollwaren, Eisſchränle u. ſ. w. ber: 

eſtellt werden; ferner mehrere Banken, ein Waiſen— 

rg mehrere Hofpitäler und Wohlthätigkeite— 
anftalten. Das Racine:College wurde 1852 von 
der Proteftant:Episcopal: Kirche gegründet, bat 
ſchöne Gebäude und eine Bibliothet. 

Racine (Jean Baptifte), berühmter franz. Tras 
gödiendichter, geb, y a Ferte⸗Milon in der Picardie 
21. Dez. 1639, der Sohn eines * Verwaltungs⸗ 
beamten, lernte Lateiniſch im Kollegium zu Beau— 
vais, Griechiſch im janſeniſt. Kloſter zen 
unter Leitung des berühmten Grammatikers Claude 
Lancelot. Nachdem er auf dem College d'Harcourt, 
dem jehigen College Saint:Louis (zu arie), feinen 
philof. Kurjus were machte er ſich bei Hofe 
durch eine Ode auf die — ung Ludwigs XIV.: 
«La nymphe de la Seine», befannt und gewann 
durch eine zweite Dde: «La renommöe aux Muses» 
(1663), Boileaus Freundihaft. Seine auf Ver: 
anlafiung Molieres 1664 aufgeführte erite Tragödie 
ala Thebaide ou les fröres ennemis» errang leid: 
lihen Erfolg, gröbern die folgende «Alexandre» 
(1665), obwohl beide weder den Regeln der fran;. 


454 


Tragödie vollftänbig entſprachen, noch R.s Cigenart 
und feinen Gegenfak zur beroijch:polit. Tragödie 
Eorneilles deutlich zum Ausbrud brachten. Dies 
war erjt der Fall mit bem dritten Stüd «Andro- 
maque» (1669), en welches R. die franz. Liebes: 
tragödie und md ſelbſt als den Reformator der dra: 
matifhen Sprache Frankreichs inaugurierte. R. 
hat dasſelbe Motiv in ſeinen folgenden Tragödien 
«Britaunicus» und »Iphigénie en Aulide» (1669), 
«Berenice» (1670), «Bajazet» (1672), «Mithridate» 
(1673), Phedre (1677), mit fi fteigernder 
tiefung, Feinheit und wachſendem poetifhen und 
veredelten Ausdrud, am erihütternditen wohl im 
Iebigeme unten Stüd behandelt. Am J. 1673 wurde 
N. zum Mitgliedder Franzoſiſchen [tademiegewählt. 
Von religiöfer Schwermut ergriffen, 30g er fich von 
der Bühne zurüd, heiratete ein Fräul in — 
und führte nun ein frommes, zurũdgezogenes 
milienleben. Grit 1689 fchrieb er, a itten er 
Frau von Raintenon, «Esther» rdie linge bes 
Sräuleinftifts St..Eyr, und zulept, auf langen 
des Königs, «Athalie» (1691), zwei biblifche Tra- 
gödien, von denen bie lehtere * der Ein Sole 
der Handlung, der Mannigfal K unb Ho 
der Werfonen, der religiöſen Begeifterung und 
wegen ber ergreifenden Lyrik der Chöre, als R.s 
Meiſterwerk gilt. R.s Tragddien find der Ausdrud 
einer edeln harmonifchen Perfönlichteit, bie aud) 
den böfen Charakteren eine gemifle Rornehmbeit 
verleiht, das Kraſſe, Niedrige und Triviale überall 
vermeidet, meiſt au erte voll dramatifchen | a 
vchens bei aller Regelitrenge, reich an Gebanten 
und wo ach in ber Sprache, und in allen 
diefen ungen ben franz. Tragödien des 17. 
und 18. % ab, überlegen. Ym_ ariftophaniichen 
Stil geſchrie und bes ee pen» 
— et iſt fein Luſtſpiel «Les pisklonrss 
*2 eine Verſpottung der Advolaten. Außerdem 
chrieb R. Epigramme, Oden und religiöſe Lieder, 
—* Gefchichie von Port: Royal, zu welcher fein 
Ehrenamt eines Hiftoriographen der Krone Frant: 
reich die ren, ung geboten, ferner liberjegungen 
aus dem Griehiihen und Briefe. Seine gleihialls 
in —— Een **8* verfaßte gungen e Frant: 
reis unter Ludwig XIV. wurde von ihm in der 
Handfhrift verbrannt, nur vereinzelte Notizen und 
Bruchftüde find davon übrig. Ein Finanzreform: 
plan, den er auf Antrieb der Frau von Maintenon 
ausgearbeitet und ber vom Könige bei derielben 
gefunden ward, raubte ihm Ludwigs XIV. Gunft; 
der Gram darüber foll jeinen 26. April 1699 zu 
Paris erfolgten Tod zur Folge gehabt haben. Bon 
den zahlreihen Ausgaben feiner jämtlichen Werte, 
deren erite 1697 erſchien, iſt die ſchönſte die von 
Didot (3 Bde., Par. 1801—5, mit Hupfern), die 
pol han rich: * von Martin (1. Aufl., Bar. 1826; 
5. ‚ Bar. 1844), die befte die von 
—— 8 Bier ‚Bar. 1865 fg.) mit Ginleitungen, 
Varianten und Borterbud). Gine vollftändige 
deutfche fiberfeßung der Dramen lieferte H. Vieboif 
6 4Bde., Berl. 1870), eine Auswahl Laun (Hild: 
urgb. 1869). Bal. Stop, aR,, sa vie intime et sa 
correspondance avec son fils» Bar. 1874); Picot, 
«Bibliographie Racinienne» (Bar. 1876). 
Sein Sohn, Louis R., Dichter und Schrift: 
* geb. 6. Nov. 1692 zu Paris, geit. ebenda: 
29. Yan. 1763, iſt bekannt dur) religiöfe 
Weine, «La religion» und «La gräce», zwei 
— geſchäßte, doc) wenig geleſene, kalte, torrefte 


Rad — Raczynſſli 


* Auch ga * er — *—— a. * 
ſeines Vaters und Bem —— 

Kann beraus. Seine gefamten Sch 7 

oͤfters gebrudt (am volljtändigiten, 6 Bde., Par. 

1808). De-la Roque veröffentlichte «Lettres in- 

edites de Jean et Louis R.» (Par. 1862). 

Ba}: Arral, 

Nade, |. A neltrane 

— * per —— Auer: und Birk: 

el, f. unter Birthu 
ee f. Raketen. 

Naiti (fpr. Ratſchli, Franjo), kroat. Geſchichts⸗ 
und Altertumsforſcher, geb. 25. Rov. 1829 in Aujine 
bei Fiume, ftubierte a riefterfeminarien und 
an der In tät Wien. uf war er 1857— 
60 Kanonikus De yrifhen Kapitels in Rom 
und ward 1866 bei Begründung der Südjla 
Alademie in Agram zu deren re ee 
welche Würde er noch belleidet. R. fchri 
alter und die Wirlſamleit der Slawenapoftel En 
und Method» (2 Bde., Agram 1857—59), woran 
fih eine Unterfuhung über die altſlaw. Schrift 
anſchloß (Agram 1861 Rom kopierte er das 
ſog. Aſſemaniſche ober atilaniſche Evangelium 

agolitifche ſchrift) und gab es mit Jagit 

eraus (Agram 1865). Seine fernern Arbeiten über 
üdflaw. Gefchichte, die Bogomilen * Patarener, 
Ausgaben alter Litteratur a. erfchiemen 
in ber Beiticheift «Knjizevnik», im ads und ben 
«Starine» der Sudſlawiſchen ‚zum Zeil 
au befonderd. Auch war er als 5 Mitofieb des 
froat. Landtags und pefter Reihötags an den Aus- 
gleichsver nt R yotylen Kroatien hey Fr 
See zur 1) un ie: bas Bra 
ra — 1861) und über 
Gabe, Dom, | enter Hednis. 
‚um edni 
—8 Berta e Mi 


Gouvernements 3 nörblich von Stra: 
fau, in defien langem Thalwege Rofciufzlo 4. April 
1794 den rufl. General Tormaflow unter Beibilfe 
der mit en bewaffneten Bauern befiegte. 
Näczteve, —— F Cſepel. 

Naczynſfki, eine großpoln. —— aus un 
Stanme Nalecz, — ——— 
der kurländiſchen und der im * 

gen, blüht und aus welcher mehrere 

I oben Staatd: und Kirchenämtern in «ro = 
angten. — Rafimir R. ( 1824), Krongroß 
marſchall und General von oßpolen,, ftellte ftellte ben 
von feinem Enkel Eduard R. herausgegebenen hiſto⸗ 
riſch wichtigen «Codex diplomaticus Majoris Po- 
loniae» Bi 1840) — — Sein Schwie 
gerſohn, Bhilipp R. (geſt. 1804), war General 
im poin. Heere und hinterließ zwei Söhne, welche 
1824 den preuf. Grafenftand erhielten. 

Der ältere, Graf Eduard R., geb. 1786 in 
Pofen, ftudierte zu Frankfurt a. D., wo er ſich 
bauptfählic dem Spraditubium und den Natur: 
wiſſenſchaften zuwendete. Nach dem Ginrüden Ra- 
poleons in Polen 1807 trat er ins Be Heer und 
nahm al3 Hauptmann an mehrern Schlachten teil. 
Darauf wurde er Landbote au DE. Reichstage 
den Friedrich Auguſt 1812 na u — 
Er unternahm 1814 eine Reiſe N antinopel 
und der Heinafiat. Hüfte, die er in einem mit präd- 
tigen Kupfern auögeftatteten Werle (deutſch von 
5 MW, von der Hagen, Bresl. 1827) beichrieb. Die 
ange Reihe der von ihm herausgegebenen poln. 


ee 


Nad — Nadabweijer 


Werte eröfjneten die «Briefe des Königs Johann 
Sobiefti an feine Gemahlin während de3 Feldmmas 
vor Wien» (deutih von Decdäle, Heilbr. 1827), 
denen bie wichtigen «Memoiren Bafjels» deutſch 
von Steftend, Bresl. 1838), die Memoiren de3 
Furſten recht Radziwill, Wobielis, Kitowicz' 
u. a. folgten. Hieran ſchloß ſich eine quellenreiche 
Sammlung einzelner Werle unter dem Titel«O 
Polski i Po (21 Bde., Poſ. 1840), ferner 
Geſchichte der Negierung Johann Kaſimirss. 
Gie neing lieh er eine poln. «Bibliothek lat. Alaifi: 
> in * rg er ſelbſt —* 

s po un nzoſiſch erſchienene prachtvo 
Wert «Gabinet medalöw polskich» (Bb. 1 u. 2, 
Verl. 1845; Ddb.3 u.4, Poſ. 1841—48) und die 
durch einen Atlas erläuterten «Wspomnienia Wiel- 
kopolski» (2 Bde., Bof. 1842—43). Seine befon: 
vers für die poln. Litteratur wichtige Bibliothet 
von etwa 21000 Bänden fchenkte er mit einem 
großen Gebäude der Stabt Poſen. Mibmut über 
Kräntungen, die er von den poln. Parteien zu er: 
dulden hatte, veranlaßten ihn, wie es ſcheint, fi 
20. Yan. 1845 das Leben zu nehmen. 

Sein einziger Sohn, Graf Roger R., geb. 
7. Juli 1828, ern geiftige Befähigung 
und Bildung, Wohlthätigleits: und Gemeinfinn, 
ftarb finderlos 24. Febr. 1864 in Paris. Erveröjient: 
Lichte mehrere franz. und deutjche Schriften, unter 
a : aLa justice et la monarchie populaire», 

Der vor Bruder von Eduard R. GrafAtha: 
nafius R., geb. 2. Mai 1788, wurde preuß. Ge: 
1863 in ‚1854 zum erblichen Mitgliebe des 
preuß. Herrenhanje3 ernannt. Er ſammelte eine 
tojtbare Gemäldegalerie, die von ihm in feinem 
Palais zu Berlin aufgeftellt wurde, jebt_aber 
der dortigen Nationalgalerie einverleibt ik. Durd 
jeine «Histoire de l’art moderne en Allemagne» 
(3 Bde., Par. 1836—42; deutſch von F. 9. von 
der Hagen, Berl. 1836—42) und «Les arts en 
Portugal» (Bar. 1846) er ſich al3 einen gedie⸗ 
genen und geihmadvollen Kenner bewährt. Er 
pab auch unter dem Titel «Geſchichtliche For: 
chungen von Athanafius NR.» (2 Bde., Berl. 1860 
—63) die Geſchichte jeiner Familie heraus. R. ftarb 
in Berlin 21. Aug. 1874. — Sein einziger Sohn, 
Graf Karl R., geb. 19. Aug. 1817, vermäblte ſich 
1854 mit der Prinzeffin Karoline von Öttingen: 
Marlerftein und lebt in —5* 

Das Haupt der ältern kurländ. Linie, welche 
6. Juli 1798 in den preuß. Grafenſtand erhoben 
wurde, it Wilhelm Leopold R. geb. 30. Sept. 
1808, rufj. Garberittmeilter und Staatsrat a. D. 

Rad (frj. roue, engl. wheel), im allgemeinen 
eine Treisförmige, maſſive oder durchbrochene 
Scheibe aus Holz oder Metall, welde den Zwed 
Be drehende Bewegungen zu vermitteln, und ba: 

entweber zur libertragung von Kräften oder 
zur Unterftüßung von Fuhrwerken dient. Die Räder 
ber erftern Art übertragen die Bewegung entweder 
bireft, wie bie ——— und die Friktions— 
räder (f. d.), oder indirelt, wie die Riemen- Seil-, 
Schnur: und Kettenfcheiben (ſ. unter Trans: 
mijjionen und Triebwerle). Tas R. fist 
entweder feit, wie alle Iraftübertragenden und wie 
die Eifenbahnwagenräber, oder drehbar, wie bie 
gewöhnlichen Wagenräder, auf der in der Mitte 
durchgehenden Achſe. Das Speihenrad, im 
Gegenſaß zu dem mafjiven oder Scheibenrad, 


fandter in Hopenhagen, dann in Lifjabon und bis | 
Madrid 


455 


beſteht aus ber Nabe, den in biefelbe eingefügten 
Speichen (10—16 an der Zahl) und 6—8 Fel: 
ı gen, welch Iehtere —— den Kranz bilden, 

wozu noch die verſchiedenen Beſchläge kommen. Um 
die paarweife je in einem Stranzteil angeordneten 
Speichen in der Nabe dauerhaft zu befeitigen, um: 
gibt man die lehtere mit eifernen Ringen, die heiß 
aufgezogen werden. Die Geſtalt des Nadkran: 
zes iſt entweber die eines cylindriſchen oder (für 
gewölbte Straßen) die eines loniſchen Ringes. Ta: 
mit das hölzerne R. genügende Haltbarkeit erlangt, 
umgibt man e3 mit einem eijernen Reifen, welcher 
meijt glühend aufgezogen und mittels Nägel ober 
Schraubenbolzen mit verfentten Köpfen befeftigt 
wird. Die Häder für Luruswagen umgibt man 
nod mit Hautichufftreifen (fog. OGummiräbder), 
um das Geräuſch beim Fahren auf gepflafterten 
Straßen zu vermeiden. Die Naben verfieht man 
mit Büchjen (Achsbuchſen), welche am beiten vorn 
verſchloſſen find und in ihrem Hohlraum ein Quan⸗ 
tum Schmiermaterial enthalten, um dasjelbe all: 
mãhlich an die Achfe abzugeben. 

‚San neuerer N tommen häufig für alle Nab: 
teile Spezialmaſchinen zur ee + So be: 
dient man ſich zur Anfertigung der Naben, da die 
Bohrung derielben volltonmen central und rein 
fein muß, befonderer Mafchinen. Cine Maſchine 
zum Zerſchneiden hölzerner Speichen bejteht aus 
mebrern nadeinander angewendeten Sreisfägen. 
Naben und Speihen für Eifenbahnmwagenräder 
werden aus weißglühendem Gijen unter hydrauli: 
ſchen Brefien in gußeiſernen Formen gebildet. Die 
hölzernen Felgen werden oft in voller Kreisrundung 
durch mechau. Vorrichtungen, Biegemafdinen, 
hergeitellt. Das Biegen eijerner Nadreifen geſchieht 
in kaltem ober in glübendem Zuſtand in einem 
Walzwerk mit drei gußeiſernen Eylindern. Zum 
Abdrehen der bereit3 auf der Achſe feftfikenden 
Gifenbahnwagenräder jind eigentümlich angeordnete 
Drehbänte, Räderdrehbänke, in Gebraud. 

Rad, Strafe des Radesoder Rädern. Tie 
während des Mittelalters in Deutſchland üblich ge: 
wordene, übrigens aud im Orient vortommende 
Strafe des N, beftand urjprünglid darin, daß 
dem Verbrecher die Glieder, erſt die Unterjchentel 
und Vorderarme, dann die Oberfchentel und Arme 
mit einem fchweren R. zeritoßen und zerbrochen 
wurden, Bor derjelbe noch lebendig auf das N. 

elent und dieſes auf einen Pfahl geitedt ward, 

odaß der Unglüdliche zuweilen noch mehrere Tage 
lebte, Später war man wenigſtens menſchlich ne: 
nug, den Qualen des Verbrechers durch einen lehten 
Stoß auf die Bruft und in das Genid ein Ende zu 
maden (Nädern von unten), oder mit dem 
Zerbrechen des Nüdgrat3 den Anfang zu maden 
(Nädern von oben), oder aud) den Berurteilten 
vor dem Zerſtoßen erbrofjeln zu laſſen. Auf Rüde: 
rung ward namentlich gegen Mörder erfannt. Die 
legten Beijpiele des Näderns gehören den eriten 
Jahrzehnten des 19. Jahrh. an. Auch in Preußen 
beitand nad) dem Allgemeinen Landrecht von 1794, 
dejlen Beſtimmungen erft durch das Strafgejehbud) 
vom 14. April 1851 abgeändert wurden, die Strafe 
des N. nod) bis zur Mitte des 19. Jahrh. für Lanz 
besverrat ($. 100) und für Mord (SS. 826, 854 und 
1193) zu Recht, wenn fie auch längjt nicht mehr 
volljtredt, fondern die Todesitrafe durch Enthaup: 
tung volljogen wurde, * 

NRadabweiſer, ſ. Abweiſer. 


456 


Mabagaifud, ein germ. Heerführer von unges 
wilier Herkunft, ber 405 n. Chr. mit einem aus 
fiber 200 000 Mann beftebenden Heere von Boten, 
Sueven und Bandalen in Oberitalien einbrad und 
Florenz belagerte, aber dur Stilicho 406 bei Fä- 
ful& geichlagen und gefangen wurde. R. wurde 
enthauptet Fin Heer teils in röm. Sold genommen, 
teilö nach Südgallien abgeführt. 

Radakinfeln oder Rataktinfeln, f. unter 
Mariballinfeln. , . 

Radaune, lintzjeitiger Zufluß ber Mottlau im 
meitpreuß. enge Pen Danzig, entfließt dem 
15 km langen Radaunejee, durditrömt den 
Klodno⸗, Brobno: und Dftribiee, teilt fi unterhalb 
Prauft in die Alte und Neue R,, von denen jene 
bei Nonnenhof, diefe unterhalb der Stadt Danzig 
in die Mottlau flieht. 

MRadautz, Stadt im öfter. Herzogtum Bulo— 
wina, nahe der Oſtgrenze des Landes, in Schöner 
Umgebung, 8 km vom Gtationsplak der Linie 
Suczawa-Czernowiß der Lemberg: Ezernomwiher 
Eiſenbahn, iſt Sik einer Berirtshauptmannicaft 
und eines Bezirlägerichtö, zäblt (1880) 11162 E. 
gemifchter Nationalität, vorwiegend Deutſche, und 
bat ein deutiches Staats: Obergymnafium und ein 
ärariiches Geftüt. R. war bis 1786 Sik des Bi: 
ſchofs für die nichtunierten Griechen, der fpäter 
nad) Gzernowiß verlegt wurde, 

Nadbagger, f. unter Bagger. , 

Nadbarometer (von Hood), ſ. unter Mikro: 
barometer. . 

Nadeliffe, Stadt in der engl. Grafſchaft Pan: 
cafter, 6 km füdöftlih von Volton:le:Moors, Sta: 
tion ber Weſtlinie (Mancheiter : Bolton : Brefton: 
Poulton) der Lancaſhire- und Yorkſhirebahn, hat 
(1881) 15856 E. Kohlengruben, Baummollweberei 
und Kattundruckerei. 

Nadeliffe (Anna, geb. Ward), engl. Roman— 
bichterin, geb. zu London 9. Juli 1764, heiratete 
1787 den Rechtsgelehrten Will, Nadcliffe, nad: 
maligen Eigentüner und Herausgeber ber Reitung 
«The English Chronicle». Ihre Nomane «The 
romance of the forest» (1791) und namentlich 
«Ihe mysteries of Udolpho» (1794) ftellten fie an 
bie Spike einer Schule, welche fi in der Aus: 
malung grauenbafter Scenen Sen Wie bierin, 
fo war fie auch in Schwung der dh antaſie, kräftiger 
Grfindung und NAusführung ihren zahlreihen Nach— 
ahmern weit überlegen. Ihre übrigen Nomane find 
vergefien. Cine Reife nad) dem Feſtlande beſchrieb 
fie in der «Journey through Holland and along 
the Rhine» (1795). Eie ftarb 7. Febr. 1823. 
— ſ. unter Dampfſchiff, Bd. IV, 

a) 


Madde (Guſt. Ferd. Nihard), Neifender und 
Naturforicher, geb. 27. Nov, 1831 zu Zanig, be: 
—* ſich 1852 auf Koſten der —— en Ge⸗ 
ellſchaft in Danzig nach der Krim und veröffentlichte 
in dem «Bulletin» der mosfauer Naturforfchenden 
Geſellſchaft (1854 und 1855) die drei Aufſähe 
«Tierleben am Faulen Deere», Tan 
Prlanzenphyfiognomie QTauriens» und « 
zur Ornithologie Südrußlands». In den %. 
1855--60 bereijte R. im Auftrag der Ruffifchen 
Geographifcen Gefellihaft zu Betersburg ben 
Süden von Dftfibirien, berichtete über dieſe Wan: 
derungen in Baers und Helmeriens «Beiträgen 


„einer 
iträge 


Nadagaifus — Radecke 


feiner Forſchungen in feiner «Reife im Süden von 
Dftübirien» (Bd. 1, «Die Säugetier- Fauna», Be: 
ter&b. 1862: Bd. 2, «Die Feſtlands-Ornis des 
ſüdöſtl. Sibirien», 1864) nieder. Seit 1863 lebt 
R. in Tiflis, wo er Vorftand des durch ihm be 
—— naturhiſt. ethnogr. und Altertumsmu— 
eums iſt. fiber die Reiſen und Forſchungen, 
die er ſeitdem von Tiflis aus in den kaulaſ. Ge: 
bieten, namentlih aud in Hocharmenien unter: 
nahm, finden fi Berichte in Petermanns «Mit: 
teilungen» (Jahrg. 1865 fg.). Seine Reifen in 
Mingrelien find in den zu Tiflis eriheinenden 
Berichten über die biolog. Rabe: Unterſuchungen 
in den Kaukaſuslaändern⸗ Gahrg. 1866) beſchrie⸗ 
ben. Ferner erſchienen: «Die Chew'ſuren und ihr 
Land» (Kaſſel 1878); «Ornis caucasica» (Kaſſel 
1884); «Reifen an der perſ.-xuſſ. Grenze. Talyſch 
und feine Bewohner» und «Die Fauna und Flora 
des fübweitlihen Hafpigebiets» Lpz. 1886). Am 
3. 1885 wurde R. zum Chef einer Erpedition in 
die neuen Grenzländer von Chorajan und Afgha: 
niltan ernannt. 

Nadderalbud nennt man eine alte Silber: 
münze, welche feit dem Anfang des 15. Jahrh. von 
den rhein. Hurfürjten Mainz, Trier und Köln, denen 
fich fpäter Pfalz und Heſſen anichlofien, gemein: 
ihaftlid geprägt wurde. Ihren Namen trägt die 
Münze von ben auf dem Revers in einem Zirkel 
fi) befindenden großen Kreuz, welches einem Rade 
ähnlich) ſah; in den vier Winkeln des Kreuzes ftan: 
den bie vier kurfürftl. Wappen. Die R. waren 
anfänglid von 12lötigem Silber und galten am 
Rhein 3 gemeine Albus und 6 Heller. Sie wurden 
aber allmählich verringert und ſanken ſchließlich 
im Werte bis auf Kaiſergroſchen zu 9 Pfennigen, 
Nade, Pflanzenart, f. Agrostemma, 
Nadeberg, Stadt in der ſächſ. Kreishaupt: 
mannſchaft Dresden, Amtshauptmannfhaft Dres: 
den-Neuftabt, an der Röder und ber Linie Dres: 
den⸗Gorlitz der Sädfiihen Staatsbahnen, iſt 
= eines Amtsgerichts und zählt (1880) 6610 E,, 
welche bedeutende Hohl: und ZTafelglasfabriten, 
ein Gifenwalzwert mit Gifengieherei, eine Ma: 
Ihinen: und Gijenbahnwagenbauerei, eine Drabt: 
nagelfabrif und eine Papierfabrik unterhalten. In 
der Nähe ift die Lehrmeierei Heinrichsthal, verbun: 
den mit Moltereiwirtichaft und Käferei, ferner das 
Auguftusbad (f. d.) und das Dorf Liegau mit dem 
Hermannsbad, fowie dad Dorf Langebrüd, ein 
vielbefudhter Luftlurort und Sommerfriſche, das 
parkähnliche Seifer&dorfer Thal und der Felirturm, 
ein heſuchter Ausfichtspuntt. , , 
‚Radeberge oder Haftenlarre, ein zweiräde: 
riger Karren, deſſen Boden und Seiten nicht durch— 
broden find, (S, unter Karren.) 

—— Stadt in der ſächſ. Kreishaupt— 
mannſchaft Dresden, Amtshauptmannſchaft Gros 
benhain, am Einfluß der Promniß in bie Nöder, 
Station der ſchmalſpurigen Selundärbahn Rave: 
beul:R., Sip eines Amtsgerichts, hat (1835) 2759 E., 
eine Fabrik für landwirtſchaftliche Maſchinen, eine 
Glastabrit, eine ——— und Chamotte⸗ 
—— Schuhmacherei, Tiſchlerei, Seilerei, 
Gerberei und Faͤrberei. 

Nabede (Rob.), Muſiker, geb. 31. Dit. 1830 zu 
Dittmannedorf, Kreis Waldenburg in Schlefien, 
bildete fi 1848—50 auf dem Konjervatorium zu 


* 


zur Kenntnis des Nuffifchen Reichso (Bd. 23, | Leipzig, wurde 1852 zweiter Direktor der leipziger 
Petersb. 1862) und legte die zoolog. Ergebnijie | Singatademie und 1853 Chor: und Muſildireltor 


Nadegaft — Näbdertiere 


am leipziger Stadttheater. Hierauf ging R. nad) 
Berlin und richtete dafelbit Soirden für Kammer: 
mufil ein, gründete fpäter auch große Abonnements: 
Konzerte für Volal⸗ und Inſtrumentalmuſil. Im 


3. 1863 wurbe er Muſildireltor der königl. Oper, | prattiihen Talt und duxch vergleichende 


1871 Lönigl. Kapellmeiſter, 1880 m Kapell⸗ 
meiſter der Hofoper. R. lomponierte 


| 


) 


457 


paßt, das erlennt man weder aus dem ärztlichen 
Namen der Kranlkheit noch aus dem Weſen der 
innern Krankheitsprozeſſe. Man muß vielmehr das 
richtige Mittel durch Proben, durd einen ** 
0 ⸗ 
tung zu treffen wiſſen. Das praltiſch Wichtige in 


uverturen, | NR. Auftreten war nur, daß er eine Menge von 


eine Symphonie, die Oper «Die Möntguter», Trios | teild neuen, teils ai Arzneimitteln und 


für Klavier, Violine und Cello, Gejangswerte für 
Frauenchor und viele Lieder. 

Radegaſt, in anderer liberlieferung aud Rede— 

noR; Nedigaft, it der Name eines von den Elb— 

lawen (‘Bolaten) tag Gottes, defien Tempel 
fi in der Stadt Nethra (auch Niedegoit genannt) 
im Gebiete des Stammes der Nebarier (der ſüdöſtl. 
Zeil des heutigen Medlenburg :Strelik) — 
tiber den Gott iſt nichts Näheres belannt (der Name 
üt überliefert bei Adanı von Bremen und daraus 
in Helmold3 «Slawendronib»), der Tempel beichrie: 
ben in Thietmars von Merjeburg Chronit (Bd. VI, 
©. 17); es war ein Holzgebäude, dad Dad auf 
Zierhörnern rubend, die Außenfeiten mit Schnib: 
bildern von Göttern verjehen, im Innern befanden 
ſich Götterjtatuen. 

Nadein, Badeort in Steiermarl, Bezirlshaupt: 
mannſchaft Quttenberg, 4 km djtlid von Nablers: 
burg, an der Diur, hart an der ungar. Grenze, zählt 
(1880) 486 E, und bat einen Sauerbrunnen, der 

egen hroniihen Magen: und Darmlatarrb, Gelb: 
Id, ämorrboiden u. ſ. w. empfohlen wird. 
ädelsführer oder Nädleinsführer (dux 
eriminis) ijt bei Gewalthandlungen, melde von 
mehrern Berfonen begangen werden, derjenige, 
welcher die Leitung und Anführung bei der Ver: 
brechensbegehung übernimmt, In diefer Eigen: 
ſchaft ficht die Gefehgebung einen qualifizierenden 
Umſtand, dem zufolge eine ſchwerere Strafe den R. 
trifft. Vol. Neihsitrafgefehbuch, 88. 115, 125, und 
Seemanndorbnung vom 27, Dez. 1872, 88. 89, 91. 
Die Herleitung des Wortes R. ift noch beftritten. 
Einzelne bringen dasjelbe in Zufammbang mit den 
aufrübreriihen Bauern des 16. Yahrh., welde 
außer dem Bundjchub (j. d.) oft auch ein Nad als 
Feldzeihen geführt haben jollen. Andere leiten es 


= von dem bayr. Worte «Mädel», was einen Kreis 


ne va bedeutet. j 

Nademacher (ob. Gottir.), belannt als Stif: 
ter einer neuen ae Schule, geb. 4. Aug. 
1772 zu Hamm in der Grafihaft Mark, ftubierte 
die Medizin zu Jena und Berlin und ließ ſich 1797 
in dem Heinen Städtchen God nahe der holländ, 
Grenze nieder, wo er 40 jahre lang der einzige 
praktische Arzt weit und breit war und aud) 7. Febr 
1849 ftarb, In diefem vielbewegten RBꝛ en 
Leben faßte R. frühzeitig Widerwillen gegen die 
damals in der Medizin herrſchenden Theorien (be: 
fonderd den Bromwnianismus) und ergab fi in: 
folge defien dem reinen Probieren von Arzneimit: 
teln am Siranlenbette, womit er das Studium ber 
Schriften des Paraceljus und der Schüler desjel: 
ben verband. Seine mediz. Prinzipien legte er in 
bem Werke «Rechtfertigung der von den Gelehrten 
mißlannten, verſtandesgerechten Grfahrungsbeil: 
lehre der alten fcheidelünjtigen Gebeimärzte » 
(4. Aufl., 2 Bde., Berl. 1852) nieder. Diefe Grund: 
fähe find etwa jei ende, In ——— ſind 
beſtimmte Heil —* gegen gewiſſe Kranlheitsarten 
verborgen (Eigenmittel, Spezifila). Welches Eigen: 
mittel aber auf einen vorliegenden Krankheitsfall 





Priparaten zu prüfen ſuchte. Damit fand er, be: 
ſonders unter ähnlich fitwierten Praktikern, eine An: 
hl Ipeg welche ſeine Mittel nachprobierten. 
ie dieſer Methode zu Grunde liegende Theorie 
von prädeftinierten, in den Arzneiſtoffen verborge: 
nen, aus gewöhnliden Naturkräften nicht erllär: 
baren Heilfräften muß von der wijjenihaftliden 
Medizin verworfen werden. tgrath, «Dottor 
Johann Gottiried R.» (Berl. 1850): ürgenen, 
«Dre willenihaftlihe Heillunde und ihre Wider: 
jadher » (£p3. 1877). 
äder, |. Rab. 
Räder (Guit.), Komiker und Poſſendichter, ge). 
22. April 1810 zu Breslau, der Sohn des Teno— 
riften Karl R., betrat ſchon 1813 als Kind die 
Bühne und begann feine eigentliche ſchauſpieleriſche 
Laufbahn am Hoftheater in Altenburg. In der 
Folge fpielte R. meift an Heinen Bühnen, lam 
dann an das Königjtäbtiihe Theater in Berlin, 
von da nad) Hamburg und 1839 an das Hoftheater 
in Dresden, dem er bis zu feinem 16. juli 1868 in 
Teplig erfolgten Tode angehörte. N. ſpielte in der 
lomiſchen Oper, im Euftipiel, in der Poſſe, im 
tomiſchen Ballett und wirkte immer durch feinen 
echten Humor. Bon feinen Poſſen find die popu: 
lärften «Robert und Bertram», «Der Beitumjenler 
wider Willen», «Der Artefiihe Brunnen». Seine 
Arbeiten find gefammelt als «Gefammelte komiſche 
Theaterjtüde» (4 Bde, Dresd. 1859—67), «Sing: 
fpiele für Heinere — (3 Hefte, Diesb. 1868), 
«Komiſche Couplets⸗ (5 Hefte, Dresd. 1869 - 70). 
Räderbohrer, ſ. unter Bohrer und Bohrs 
molsine » 
äderdrchbanf, ß unter Drehbank. 
Räderformmaſchine, ſ. unter Eifengiebe: 
rei und unter Zahnräder. 
Rädern, Todesſtrafe, ſ. unter Rad. 
eh ſ. unter Rädertiere. 
NRäderfteinchen, |. Bonifaciuspfennige. 
Nädertiere (Rotatoria) find fehr Heine im 
Waſſer lebende wirbellofe Tiere, welde jeht all: 
emein als eine * Formenkreis der Würmer ge— 
Örende Klaſſe betrachtet werben und ſich dur 
og. Räderorgane auszeichnen, worunter die am 
Kopfende angebrachten, mit Wimpern bejegten ein: 
fachen oder et ten, ganzrandigen oder einge: 
(änittenen Hautlappen verftanden werden, deren 
impern fo fchnell geſchwungen werden, bafı die 
Lappen das Anjehen von jhwirrend umbdrehenden 
Rädern erhalten. Mittel3 dieſer Räderorgane 
ihwimmen die R. entweder oder erzeugen eine 
freifende Strömung im Wajler, durch welche Heine 
Körper der Mundöffnung zugeführt werden und 
die Ernährung ermöglicht wird. Der Körper der 
R. iſt durchſcheinend, bald verlängert, bald kurz, 
öfters mit einem Fortfake verſehen, der aud) der 
Fuß genannt wird, wie ein Fernrohr ein: und aus: 
geihoben werden Tann und mit einer Gabels 
nge endet, mittels welcher das Tierchen ſich feits 
Iten fann. Xroß ihrer Reinheit haben fie doch 
eine wunderbar volllommene innere Organifation 





458 


und find dadurch von den nfufionstierdhen weient: 
lich verſchieden. Sie pflanzen fid) durch Gier oder 
aud durch ausgekrochene junge fort. Entweder fipen 
fie rubig an Wafferpflanzen feit oder ſchwimmen frei 
umber; viele können ihre Geftalt ſehr verändern, 
andere find von harten Banzern umſchloſſen. Manche 
Arten leben nad) jahrelanger Bertrodnung wieder 
auf. Bis in die neuere Zeit kannte man mur die mit 
einem bezahnten Schlundkopfe und vollitändigen 
Verdauungsapparaten verjehenen Weibchen, erit 
Veydia hat ung die weit Heinern Männchen kennen 
aelehrt, welche weder Mund, noch Schlundlopf ober 
Darm befinen und nur kurze Zeit leben. Man teilt die 
N. , weldye Ehrenberg noch zu den Infuſorien red: 
nete, jeht fait allgemein in feſtſitzen de, welde mit 
dem Fube angewachſen find und meilt fogar in 
Hülien fteden, die oft große Gallertmafien durch 
ihre Zuſammenhäufung bilden, und freiihwim: 
mende, welde wieder je nad) ihrer verſchiedenen 
Organijation in mehrere Familien zerfallen. 

äberiwerf, j. unter Jäbnräder, Trans: 
miffionen und Triebwerle und Uhren. 

Nadeſyge (aus dem dän.:normweg. rade, lang: 
wierig, und syge, Krankheit, gebildet) oder Thaerıa 
(Böd) nennt man in Slandinavien eine langwie: 
rige, auf tertiärer Syphilis (ſ. d.) berubende Krant: 
beit, welche ſich vorzugsweiſe durch ausgebreitete 
Hautgeihwüre auszeichnet, die im glüdlichern Falle 
mit Hinterlaffung weißer nchförmiger Narben 
heilen, oder immer weiter um fid) areifen und fo: 
gar tiefer liegende Teile, 3. B. die Naſe, zerftören 
!önnen. R. verwandt find: die jog. Dith— 
marſche Krankheit in Holftein, der Sterlievo im 
ülyr. Küftenlande, die Sibbens Schottlands und 
einige andere endemiſche Nrankbeitsformen. Ältere 
Urzie vermifchten mit der R. andere chroniſche 
Hautübel, inöbefondere 1) die fog. norwegiſche 
oder Vorlenträge (Scabies crustosa), d. b. jenen 

ften Grad ber —— Kratze (ſ. d.), wo bie 
aut dick mit Grinden bededt iſt, in welden ſich 
zahlloſe Krägmilben ſamt Brut und Eiern finden, 
und 2) den eigentlihen nordiſchen Ausfag, bie 
Spebalste Sigdom (Lepra borealis, die Liktraa 
der Yaländer), welche in der . al3 Knollenaus: 
ſatz dide, felte Knoten unter der Haut und ben 
Schleimbäuten hervorruft, oder als fog. verftün: 
melnder Nusjak ein brandiges Abfterben der Zeche 
und Finger bedingt. (S. Au3fas.) 

Nadenkt Fedor Feborowitich), ruff. General, 
geb. zu Kaſan 28, Juli 1820, wurbe in der In— 
genieuralademie zu eteräöburg erzogen, trat 1839 
als Dffizier in das ruſſ. ngenieurlorps, wurde 
lange Zeit in Kaulaſien verwendet und war 1849 
in Ungarn dem General Grafen Rüdiger al3 Gene: 
raljtab&offizier beigegeben, lehrte dann nad) Hau: 
tafien zurüd und warb 1860 Generalmajor und 
Chef des Generalftabes des Koſalenheeres vom 
Teret, R. wurde 1868 Generallieutenant und 1876 
tommandierender General des 8. Armeelorps , mit 
welchem er im Türfenfriege im Juni 1877 die 
Donau bei Simnida überfchritt und bis zum Ballan 
vordrang. Im Auguft und September gewann R. 
hohen Ruhm durch die hartnädige Verteidigung des 
Sciplapafies. Er wurde Generaladjutant des 
Kaiſers und übernahm nach dem Friedensſchluſſe 
den Befehl über das 5. Armeelorps zu Nabom als 
General der njanterie, 1881 den Befehl über das 
(Srenadierforps zu Moskau und wurde 1382 Gene: 
ralgouverneur des Militärbezirfs Charlom, 


: 








Näderwert — Radetzky 


Rad (Jof. Wenzel, Graf R. de Nadch), 
öfterr. Feldmarſchall, geb. 2. Rov. 1766 zu Trzeb- 
nit bei Klattau in Böhmen, trat 1784 als Kadett 
in ein ————— und wohnte 1788-89 dem 
Kriege gegen die Zürten ald Ordonnanzoffizier des 
Feldmarſchalls Lacy, dann 1792—95 den Feldzügen 
in ben | und am Rhein bei. Im J. 
1796 Rittmeifter und Adjutant Beaulieus zeichnete 


er fih bei Boltri aus, rettete den Feld bei 
Baleagio vor Gefangenſchaft, ward zum Major im 
Bionierlorps beförbert und mit ber neuer 


Bataillone für dasfelbe beauftragt. Während des 
Kriegs von 1797 war er alö Oberitlieutenant Ab: 
jutant bei Melas und ſtieg 1799 zum Oberjt auf. 
April 1800 wurbe er Nommanbant bed fi: 
raffierregiment® Erzherzog Albert, mit welchem er 
in der Schlacht von Hohenlinden rühmlich focht. 
Nach dem Frieden ſtand er in Ödenburg, von wa 
aus er bei Beginn des Feldzugs von 1805 als 
Generalmajor nad) Stalien veriekt warb. m 
Kriege von 1809 dem 5. Armeekorps zugeteilt, focht 
er als Befehlshaber der Borhut mit Auszeichnung 
bei Braunau, Wels und Gungendorf, ftieg nad) der 
Schlacht bei Aapern zum Feldinarihalllieutenant 
auf und wohnte Bu Schlacht bei Wagram ſowie 
ben Gef auf NRüdzuge des ölterr, Heers 
bei. Nach dem Frieden wurde R. zum Eher bes 
Generalguartiermeifteritabes ernannt, in welcher 
Stellung er für die Reorganiſation des öfterr. 
Heer3 und in den Feldzügen von 1813—15 im Stabe 
des Fürften Schwarzenberg hervorragendes leiftete. 
Di der Schlacht bei Leipzig wurde er verwundet. 
ad dem Frieden von 1515 tam R. als Divifionär 
nad Odenburg, fpäter nad Ofen, 1821, nachdem 
er kurz zuvor zum General der Kavallerie ernannt 
worden, ala Neitungslommandant —* Dimis 
und 1831 nad) \\talien, wo er den Befehl über bie 
dortigen öjterr. Truppen übernahm. 

18. März 1848 der Nufitand in Mailand 
losbrach, führte R. ſeit 1836 Feldmarfchall) einen 
mebrtägigen Straßentanpf, verlieh indeſſen in ber 
Nacht vom 23. März mit jeinen Truppen bie Stabt 
und 0A fi) nach Verona zurüd. Während König 
Karl Albert mit den ital. Streitfräften über den 
Mincio vordrang, 2 N. das aus dem Norden 

ranrüdende Korps Nugents an fib und rüdte 

eit3 27. Mai nad) Mantua ab, überichritt den 
Mincio und nahm die Linien von Enrtatone, 
Wegen der Unzulänglichkeit feiner Mittel wurde 
er bei Goito jnrüdgeichlanen und mußte ih Man- 
tua wieder nähern. Da die Enticheibung nament: 
lid) von diejer von den Ftalienern eingeihloflenen 
Stadt abbing, lieh R. 22. Juli die Höhen von 
Sona und Sommacampagna nehmen, die Höhen 
von Cuſtozza beſehen und beherrſchte dadurch die 
fibergänge längs des Mincio. Jeßt endlich ſah er 
ſich im Stande, einen Hauptſchlag zu führen, der 
25. Juli in der ſiegreichen Schlacht bei Cuftozza 
erfolgte. R. bewilligte dem Könige einen Waffen: 
ftillftand, den diefer aber ſchon 12. März 1849 fün- 
digte. N. ‚og raſch feine — t bei Pavia 
zulammen, überfchritt 20. März den Ticino, rüdte 
ın drei Kolonnen vorwärtd und fchlug mit ber 
rehten 21. März den Feind bei Bigevano, 22, mit 
der mittlern bei Wortara, infolge beilen die Piemon⸗ 
tejen von ihrer eigentlihen Nüdzunslinie abge- 
ſchnitten wurden. Am 23. März ftegte er ſodann 
in der Schlacht bei Novara fo entiheibend, dab 
Rarl Albert die Krone niederlente. Der aanze 


Nade vorm Wald — Nabdiometer 


a war burdh die rajchen Bewegungen R.3 in 
chieden worden, “rn ſchon 26, März 

* er ehr u neuen Könige, Victor Gmanuel, 
illftand, welchem der Friede folate. 
Benebin el ge erit nad —* lagerung in 
jeine Hände. N. hielt ſeitdem als Generalgouver: 
neur und Militä ——— die Ruhe in Ober⸗ 
italien mit großer Strenge aufrecht. Auf fein An: 
fuchen entbob ihn der Kaiſer 28. Yebr. 1857 
—— als ren anna ea von Lombardo⸗ 
Venetien. ftarb an Folgen eines unglüd: 
lichen Falles —* —* 1858 zu Mailand und wurde 
in (im unteröfterr. Bezirt Ravelsbach) in 
—3* —— ggg Joſeph Ritter von 
wo ihm in dem Helden: 
au —* errichtet wurde. Am 
10. "1868 wurde ein ihm auf dem Kleinfeitener 
a Brag erri A. 36 Ouforewegment (von 
— enthüllt. —— ya 

= Selten ki feinen Namen. 
zu Stuttgart «R 3 Dentiehri en nititärife 
—* aus dem j ihen Na 

l. Strad, « 

1849); 


1851): ar ® Semar Il Graf R. 
—S err. da — er hie 
(Stuttg, 1852); Se Heller, — ——— 


es du Feld- 
2 comte a. le — de Vltalie en 
18 16 490⸗ (neue —— ar 
—— Düfjelbort. Rreis- 2 " —* —* 
ennep, 
—* —— mit 185 Wo 9036 
farrlirche, Fabrilen 


755 
—8 Shen Nr, € «und Welingmaren, ‚ namentlich 
Schlöſſern und ne von ae ‚Hammer: 
werfe, » und Baummwollfpinnereien, Tu 
fabritation, Strumpfwirlereien, Bierbrauereien 


— GSlorentius), Stifter der Brüder 
des ——————— Lebens. 


— —— —ündg 
al (at), in ber It von Rabien, ſtrah⸗ 
Is; in ber Nabius oder die 
—— er fung; das 
(aine en j. unter Bohrer und 
rmafdinen. 
nr... wie ——— 
—— Radial. 
ſt, ſ. unter 


Kupferſtecht —* x6$ 

upferftehtun 

Nadiernadel, Weinabeloderieißt * 

Hift, be 

vom Kupfer: Sub er ſowie vom Hd 

zum r ftärterer Pinien be» 
—8 breite Striche werben mittel3 

ei — Nadeln hervorgebracht. 
— 


NRettich. 
Nadikal (vom at. —* Wurzel) pflegt man 
eine —— oder ein Syſtem des Handelns zu 
welches überall bis zu den lehten ton: 
* eines ez, — bis a die 
Wu gehen ſucht. Vorzugsweiſe wendet man 
—— Ak rn au 


ſolche Rich— 
der Wiſſenſchaft und des Lebens an, welche 
und Handeln rucſichtslos die Kon— 


——— eines Prinzips zur Geltung zu bringen 


459 


fuchen und daher nicht mir von allem Beftehenden, 
fondern felbft von aller Antnüpfung an das Be: 
itehende, aller allmählichen Entwidelung aus dem: 
jelben abſehen wollen. In diefem Sinne verjteht 
man unter Rabilaliamus wen religiöfem oder BE 
Gebiete die bis zur Leugnung und ichtun 
poſitiv Gegebenen getriebene Kritil oder S Hit 
auf politiihem diejenige Denk: und Handlung®: 
weife, welche die höchſten Prinzipien der Bee 
Gleichheit und Humanität in unbedingteiter Wei 
und nad allen ihren am an 
Radikale nennt man in der Chemie Atomen: 
tomplere, welche bei Berjekungen die Eigenſchaft 
der elementaren Atome zeigen, unverändert 
gegenfeiti —— en jene austauf Radilale 
gibt es iſe in organiſchen und unorga: 
nifchen — Unter Umftänden können 
el Atome fi wie N, verhalten, 5. B. ber 
ritoff in der Chlorwaſſerſtoffſäure u. ſ. w. 
arte glaubte man fie jedoch nur in organiſchen 
indungen annehmen zu müflen, und fo lam e8, 
daß Liebig und andere ter bie organifce 
Chemie geradezu die der zufammengefehten R. 
nannten, Unorganiſche — ehte R. ſind 
das re das Uranyl ul u.f.w. 


Einige der wi Ötigften ee 3. Map ind 


ge [, Athyl, 
—* wie einzelne tome fo find fie 
ch zu iſolieren, ſondern nen aaa bei ihrer 
vs Bonsai ftet3 zu Molekülen, die aus zwei Atom: 
gruppen find. (Val. Methyl.) 
eff, \oo iel wie ; 
— muß, |. —* Nadital, 
Nadiolärien, eine formenreiche e ber 
Urtiere, deren innerer organlofer, nur aus s 
plasma beftehender Körper von einer feften —* 
umfchlofien iſt, deren feine Poren die 
(Bieubopobien) durchlaſſen, *— ähnlich ee bei 
füßern nach allen ———— 
Meift haben die R. ein außerordentlich erliches, 
aus Kieſelſubſtanz gebilbetes Stelett . von 
trabligen Sternen, Gittern, Körb Die 
. leben jelbft in ößten Tiefen des Meeres, 
einige wenige Arten — ſich im Saßwaſer. 
* Zen _ N» 
eter (ard).) bci nu ve Erootes (1874) 
— Inſtrument aus einem mittels 
— — ‚mögl ft Iuftleer, gemachten 
Glasballon be ein —— es, 
um eine lo 4 % Ne fehr leicht dre (u: 
miniumfreuz fich befindet; an dem eines 
jeden Armes Ay je ein fehr leichtes, auf einer * 


geſchwärztes Scheibchen (aus Aluminium 
merblättcen, Sollundermat u. bat) befefat, 
daß feine Ebene fenkredht zu dem zugehöri Arme 
— t vie daß die geihwärzten Flächen jener vier 
ibchen nach berjelben Seite gewendet find. 
Sat man das R. dem Lichte auß, Any; dieſes 
Kreuz zu rotieren an —— ala ob Erg 
Flächen von dem Li rüdgeftofen w 
äftiger die eihtanele A. —* * ee Yi 
jenes Kreuz; man bat d chtmühle 


genannt, welcher Name i m geblieben 1 it obwohl 
jene Rotation des Kreuzes micht von nen Stoß 
der Fichtftrahlen auf die geihwärzten Flächen, wie 
Crooles urjprünglid annahm, herrübren fonde rm 
zunãchſt —— —— iede hervorge 
rufen werden ß nicht das Licht die Notation 
bewirkt, iſt Be worben, indem jenes Areuz 


460 


ey in Notation gerät, wenn bem Licht, von dem 
es beftrahlt wird, die Wärmeftrahlen dadurd) ent: 
jogen werden, dab man das Licht durch eine Dide, 
urchfichtige Alaunplatte oder durd eine Alaun: 

löfung geben läht, bevor es das N. beicheint. Leitet 
man dagegen die Lichtitrahlen durch eine dunlle 
Jodlöſung, fo werden die Lichtitrahlen von der: 
jelben auagelöjcht (abjorbiert), und es dringen nur 
die dunfeln Wärmeſtrahlen dur, welche lehtere 
jenes Kreuz in Umdrebung zu verjehen vermögen. 
In welcher Weife die Ungleichheit der Temperatur 
jene Notation veranlafien kann, ift gegenwärtig 
noch eine offene Frage. Gewöhnliche durd die 
Temperaturverſchiedenheit bewirkte Luftitrönnungen 
fönnen in dem höchſt luftverdännten Raum kaum 
—— je. Einige Phyſiler (Fait, Dewar, 
Finlener und fpäter Groofes) ſuchen jene Notation 
aus der neuen mechan. Gastheorie, nach welcher 
die Gasteilchen auf die Wände ſtoßen, zu erklären; 
andere (Reynolds, Govi, Zöllner) ſuchen jene Ro: 
tation auf eine Emiſſion oder Gvaporation der an 
der Oberfläche der Körper londenfierten Gafe oder 
Tämpfe u. del. m. zurüdzuführen. Hantel ift der 
Anficht, dab die Notation des N. von den durch die 
einfeitige Temperaturerhöhung gefteigerter Ampli: 
tude —— en Schwingungen des jenes Kreuz 
umgebenden Üither3 herrühre. 

Radiophön, ſ. bbotopbon. 

Radius (lat.) eines Kreiſes ift gleichbedeutend 
mit feinem Halbmeſſer (f. d.), Radius vector 
(Zuglinie) eines bewegten Punktes beißt feine 
veränderliche Dijtanz von einem feiten Punkt; 3. B. 
Vector eines Planeten ift die Diftanz des Planeten 
in feiner elliptiichen Bahn von den Brennpunlte 
der Gllipfe, weldhen die Sonne einninmt, 

Radix (lat.), Wurzel, 

‚Radizieren (lat.), wurzeln, Wurzel ſchlagen; 
die Wurzel ziehen ch etwas auf feinen 
Urjprung zurüdführen; auf bejtimmte Einkünfte an: 
weilen; auf ein Orundjtüd als Hypothel eintragen. 

Nadfersburg, Stadt in Unterfteiermart. Die 
Stadt liegt nahe der ungar. Grenze an der Mur, 
Sih einer Bezirkshauptmannſchaft und eines Be: 
zirksgerichts, Station der Linie Spielfeld-R. der 
eg Staatsbahnen, zählt 
(1880) 2525 G. deuticher Zunge, die neben den 
jtädtiichen Gewerben Feldiwirtihaft und Weinbau 
treiben. In der Umgebung finden ſich zahlreiche 
Altertümer aus der Nömerzeit. Bei N. wurde einer 
der ae liberfälle der Türken 1418 vom Her: 
zoge Ernſt dem Eijernen Tr ana 

Nadkranz, ſ. unter Nad, ©. 809. 

Radkunſigezeug, ſ. unter Bergbau, Bd. IL, 

Nadlinie, |. Cytloide. 
 Radmannsdorf (jlow. Radoljea), Stadt im 
öjterr, Herzogtum rain, in dem an Naturfchön: 
heiten reihen Thale der obern Save, Sib einer Be: 
sirtshauptmannichaft und eines Besirkägerichts, 
Station der Linie Tarvis:Laibah der Öfterreichi: 
Ichen Staatsbahnen, zählt (1880) 664 E. flow. 
Zunge. Der Ort mit dem feiten Schloß gelangte 
nad) dem Ausjterben ber Ortenburger an das Haus 
Oſterteich, und von diejem als ———— ſpäter 
an die Herren von Dietrichſtein, endlich durch Kauf 
an die Grafen von Thurn Valſaſina, die das Gut 
zu einem Familienfideilommiß machten. 

Raduitz (Radnice), Stadt in der böhm. Ve: 
zirlshauptmannſchaft Pilfen, durch Ylügelbahn 
nad Chraſt mit der Böhmiſchen Wejtbahn verbun: 


Nadiophon — Radom 


den, zählt (1880) 3021 E. czedh. Zunge, die meiſt in 
den benadhbarten Pe Grwerb fin: 
den. Das Nabniper Kohlenbeden, 126 ha eroh, 
umfaßt die älteften Roblenichürte Böhmens, 
Schädte erreichen eine Tiefe von 83 m, das obere 
Kohlenflög hat eine Mächtigfeit von 76 m, 
adnor, Grafihaft im öjtl. Teile des 
Fürftentums Wales, zu Südwales gerechnet, zählt 
auf 118,5 qkm (1881) 23539 €, und fchidt zwei 
Abgeordnete ind Parlament, Die Gra t be: 
jteht zum größten Teil aus Berg⸗ und De land, 
weldes entweder ganz kahl oder mit Heidelraut be: 
wachen ift, auch große Torfitreden enthält, im 
Nadnor:Fore t 659 m, im a er hung eh 
aufiteigt und feine Gemälier zum Teil dem * 
—— aber mittels des Wye dem Briſtol— 
anal zufendet. Der ſiſchreiche Wye, der die Weit: 
und rm bildet und den * aufnimmt, 
iſt der bedeutendſte Fluß. Derſelbe durchſtrömi 
eins der wenigen Thäler, in welchen Feldbau Naum 
findet, während fajt alles übrige Land zur Schaf: 
trift dient, Der Haupterwerbszmweig ift Viehzucht ; 
der Bergbau liefert nur geringe Mengen Blei und 
Silber. In der Mitte und an der Weltgrenze wird 
die Sraficaft von Eiſenbahnen durchſchnitten. 
Die Hauptſtadt Preſteigne, an der Oſt 
dem fruchtbaren Thale des Severnzufluſſes Lugg 
elegen, zäblt 2336 E. und enthält das Grafidhafte- 
Es: ein Gefängnis und_eine Lateinſchule. Der 
12,s km füdwejtlicher am Somergill in einem Eng: 
paß zwifchen zwei Bergen gelegene und von Vieh: 
weiden umgebene Parlamentsborough News Rad: 
nor, bie frühere feite — iſt ein armer Ort 
mit 2190 E. und einer Schloßruine. Nur 6,5 km 
davon liegt das Dorf D[d:Radnor und 12,6 km 
entfernt der Badeort Llandrindod, 

Radolfzell oder kurzweg Zell, Stadt im bad, 
Kreife Konflan ‚17km im Norbweiten von Kon- 
ſtanz an der Linie Baſel-Konſtanz 
Staatsbahnen, die hier nad Mengen abzweigt, 
und am nörbl. Ufer de3 Unter: oder Zeller: 
fees, des nordweftlichiten Arms des Bodenſees, 
405 m über dem Meer gelegen, ein alter um: 
mauerter Ort, iſt der Siß eines Antägerichts bat 
eine jhöne got. Kirche aus dem 11. v (voll: 
endet 1436) mit zablreihen Grabdentmälern, ein 
Spital (das alte Nitterhaus) und zählt (1880) 
2056 E., welche eine Trilot: und eine Pumpen: 
fabril unterhalten, Mein:, Obft: und Gemüjebau, 
Schiffahrt und erheblichen Vieh: und Getreide: 
penbel nad) der Schweiz treiben, der durch ſtarl 

eſuchte Wochenmärlte befördert wird, N. wurde 
816 als Gella von Natolf, Biihof von Verona, 
gearünbet, gehörte fpäter zu den ſchwab. Befipungen 

ſierreichs, erfaufte ſich 1415 von Kaiſer ha 
mund die Erhebung zur Freien Neichsftadt, I 
aber nachmals wieder an Biterreich und 1805 wie 
Konftanz an Baden. Die nahegelegene Billa See 
balde ijt der Sik des Tichters J. V. von Scheitel. 

Nadom, ruf). Gouvernement im frühern Hönig- 
reih Polen, —— aus der Wojwodſchaft 
Krakau vergrößert, umfaßte das ganz nd 
ichen der Weichiel, der Wilica und bericlehen, 
den unebenften Teil Polens, und ift feit 1866 in 
zwei Gouvernements zerlegt, von welchen das n 
öjtlihe den Namen N, beibehalten, das fühweltli 
nad) feiner Hauptſtadt Kielce (f, d.) benannt wi 
Das Gouvernement R. enthält auf 12352 qkm 
(1882) 633715 E. und hat ergiebige Eifenbergwerle. 


Nadomysl — Radſcha 


Die Hauptſtadt Nadom, in der Tiefebene an 
der in ben, —— ſtrömenden Mleczna, 
105 km ſüdlich von Warſchau gelegen, iſt der Sit 
eines Gouverneurs und anderer Behörden, Sta: 
tion der Eiſenbahn Ywangorod:Dombrowo, bat 
drei fath., eine orthodore und eine evang. Kirche, 
ein Gymnaſium, eine Realſchule und zählt (1882) 
12061 G., welche Fabriten für Metallwaren unter: 
halten und bedeutenden Handel treiben. Hiſtoriſch 
denkwürdig ift R. durch das Blutbab bei der Er: 
oberung feitens der Schweden 1656; ferner durch 
die hier 23. Juni 1767 duch Repnin zu Stande 
gebrachte Konföderation unter Karl Radziwill, jo: 
wie durch die —— ſeitens der Ruſſen 
16. Febr. 1831. Auch war R. von 1613 bis 1766 
Sitz der Schaßlommiſſion oder der Rehnungslam: 
mer für Polen, die jährlich ſechs Wochen fungierte. 

Radomysl, Kreisitadt im ruſſ. Gouvernement 
Kiew, 105 km —* von Kiew, am Teterew, mit 
(1880) 5900 E., darunter 3200 Juden, treibt be 
deutenden Handel mit Holz und Waldproduften, 
namentlich mit getrodneten ‘Pilzen. 

RNadowitz (Joſeph Maria von), preuß. General 
und Staatsmann, geb. 6. Febr. 1797 zu Blanfen: 
burg, erbielt au ar und auf der Kriegsſchule 
des Königreih8 Weitfalen zu Kaflel feine militä- 
riſche Berufsbildung und trat 1813 als Offizier in 
bie weitfäl, Artillerie ein. Bei Leipzig verwundet 
und gefangen, ging er nad) Auflöfung des König: 
reichs Weſtfalen in den kurheſſ. Dienjt über un 
machte in der Artillerie die Feldzüge in Franfreid 
mit. Vach dem Frieden wurde er Lehrer der mathem. 
und Kriegswiſſenſchaften bei der Kadettenanitalt 
u Kaſſel und zugleid de3 Prinzen Friedrih Wil: 

elm (nadhmaligen Kurfürften von Heflen), welche 
Stellung er jedoch verließ, um als Hauptmann in 
den Generalftab und als Lehrer des Prinzen Albrecht 
in preuß. Dienfte zu treten. Er wurde 1828 Major 
und 1830 Chef des Generaljtabes der Artillerie. 
Durd feine Berheiratung mit der Gräfin Marie 
von Voß An er in den Kreis der hoben 
preuß. Ariſtokratie ein und fpielte in dieſem bald 
eine hervorragende Rolle. Lebhaft beteiligte er fich 
bei dem 1831—37 in Berlin erſcheinenden «Polit. 
Wochenblatt». Seine reihe und vieljeitige Bildung, 
ja geiftvolle und eigentümliche Betrachtung der 

inge, feine polit. und religiöfe ge 
näberten ihn dem Aronprinzen (Friedrich Wil: 
helm LV.), und es bildete fi ein Verhältnis inniger 
und dauernder Freundſchaft. Auf das Gerüdht, daß 
er den Kronprinzen zum Katholizismus verleiten 
wolle, wurde R. 1836 als preuß. Militärbevoll: 
mächtigter zum Bundestage verfeht; 1839 wurde 
er Oberitlieutenant, 1840 Oberſt. Im J. 1842 
erfolgte jeine Ernennung zum außerordentlichen 
Gefandten und bevollmädhtigten Minijter bei den 
Höfen zu Karlsruhe, Darmitadt und Naffau, und 
1845 ward er Generalmajor, R. war der engite 
Vertraute der polit. Beitrebungen König Friedrich 
Wilhelms IV. Er war am innigften eingeweiht in 
deſſen Pläne einer_deutjchen Bundesreform und 
verfaßte in diefem Sinne 1847 eine Dentichrift, die 
ber König genchmigte und auf Grund welder R. 
als aufßerordentliher Bevollmädtigter in Wien 
unterhandelte. Der Plan ſcheiterte an Metternichs 
Zögerungspolitit und an der Bewegung von 1848. 
Die Shriften von R.: «Deutjchland und Friedrid 
Wilhelm IV.» (Hamb. 1848), «Geſpräche aus der 
Gegenwart über Staat und 





) 
Kirche» (Stuttg. 1846) ! tituläre Würde, 


nn nn — — — — — — — — — ne — — ——— — 
— 5 


461 


konnten als Manifeftation der Nichtung gelten, dic 
in dem preuß, Berfajjungspatent vom 3. Febr. 
1847 praltiſch zu werden fuchte, 
R. nahm 1848 feinen Abſchied aus preuß. Tien: 
ften. In die Deutſche Nationalverfammlung ae: 
wählt, war er dort der Führer der äuferjten Rech— 
ten, Ende April 1849 ward R. nah Berlin beru: 
fen, und der gel durch das Dreifönigsbündnis 
Deutſchland eine Berfaffung zu geben, geichah 
bauptjächlich unter feiner Mitwirlung. Er trat an 
die Spige der proviforifhen Bundesverwaltung 
(Herbft 1849), vertaufchte aber diefe Stelle bald 
mit der Leitung der Unionsangelegenheiten, die er 
fowohl vor den preuß. Kammern ald vor dem 
(März 1850) nah Erfurt berufenen Parlament 
vertrat. Am 27. Sept. 1850 übernahm er das Wi: 
nilterium des —— trat aber, da feine Bor: 
Schläge wegen kräftigen Borgehens gegen Oſterreich 
feine Annahme fanden, ſchon 2. Nov. wieder zurüd. 
Gr 309 fi im Jan. 1851 nad) Erfurt zurüd, Schrieb 
dort jeine «Neuen Gefprähe aus der Gegenwart» 
(2 Bbe., Erf. und Lpz. 1851), welche die Heorgani- 
fation Deutſchlands pen Gegenftand * wurde 
im Aug. 1852 Direktor des Militärſtudienweſens 
und ftarb 25. Tez. 1853. Seine « Gefanmelten 
Schriften» erjchienen ind Bänden (Berl, 1852—53). 
Ral, —— Joſeph von NR.» (Lpz. 1850), 
und Fiſcher, «NR. Seine polit. Anfhauungen und 
deren Einfluß auf Friedrih Wilhelm IV.» (im 
«Hiſtor. Tafchenbud)», Lpz. 1874). 
Radowitz (Joſeph Maria von), on des vori: 
en, geb. 19. Mai 1839 in Frankfurt a. M., ftubierte 
in Bonn und Berlin, trat 1860 in den Staats: 
dienft, wurde 1861 der Gefandtidaft in Konftanti: 
nopel beigegeben und lam 1862 als Legationsjelre: 
tärnah China und Japan, Er führte 1864 die 
Geſchäfte des Generaltonfulats in Shanghai und 
wurde 1865 zur Botſchaft in Paris verjept. Als 
— des Prinzen Friedrich Karl von 
Preußen nahm er am Kriege 1866 teil, war ſeit 
1867 bei der Geſandtſchaft in München und wurde 
1870 Generaltonful des Norddeutſchen Bundes in 
Bulareft und Mitglied der Europäifchen Donaufom: 
miffion. Am 22. März 1871 leiftete R. an der Spike 
der deutichen Kolonie den Angriffen des bulareiter 
Pobels Widerftand und ftürzte, infolge deſſen, das 
deutichfeindlide Minijterium Joan Ghifa. Im 
J. 1872 tam er ald Gefhäftsträger nad) Konftan- 
tinopel, wurde dann ala Decernent für die orient. 
Angelegenheiten in das Auswärtige Amt nad) Ber: 
lin berufen und zum Geb. Legationsrat befördert. 
NR. blieb, troß feiner 1874 erfolgten Ernennung zum 
Gefandten in Athen, mit geringer Unterhrechung 
im Auswärtigen Amt beichäftigt, verwaltete im 
Sommer 1880 in befonderer Miſſion die Botſchaft 
in Paris und war dann auf dem often in Athen 
bis zu feiner im Oft. 1882 erfolgten Ernennung zum 
Botichafter des Deutichen Reichs in — 
Radſcha, von den Engländern Naja und Na: 
jah gefchrieben, iſt ein indiches, mit gleicher Be: 
deutung aud in die malaliſche Sprache aufgenont: 
mene3 und im Indifchen Ardhipel vielfach nebraudı): 
tes, im Sangtrit König oder Fürſt bedeutendes 
und den uralten Titel der einheimiſchen . 
Vorderindiens bildendes Wort. Maharadſcha, 
d. i. Großlönig oder Groffürft, wird nicht ‚ten 
ein folder genannt, dem mehrere andere R. pi 
borchen, iſt meiftens aber nur eine höhere, bloß 


462 


Nadſchahi (engl. Rajeshaye), Rudi abi, 
eine Divifion der Lieutenantgouverneurſchaft der 
Untern Brovinzen der Bräfidentichaft Bengalen des 
— Reichs, ſowie ein Diſtrilt darin. 
Die Diviſion R. hat 45206 qkm mit 7377063 E., 
der Dijtritt A. 5786 qkm mit 1310729 E. 

Nadſchamaudri, Najamundri oder Goda— 
vari, Diſtrilt der Präſidentſchaft Madras des 
Briliſch⸗Indiſchen Reichs, 16119 qkm groß, mit 
(1871) 1592939 G,, wird im N. von Oriſſa, gegen 
NO. von dem Diſtrilt Wifagapatam, gegen SD. 
von der Bai von Bengalen, gegen SW. von dem 
brit. Diftritt Mafulipatam (Sriihna) und gegen 
W. durch das Gebiet de3 Nizam von Haiderabad 
begrenzt. Der Boden in R. bejteht meiſtens aus 
einem reichen Alluvialgrunde und zeichnet ſich durch 
Sruchtbarkeit aus. — desſelben find 
Reis, Mais, Hirſe, Olſaaten und Zuclkerrohr. Für 
die Ausfuhr wird vorzüglich Tabak, Indigo und 
Baumwolle gewonnen, die lehtere von vorzüglich) 
ſter Beſchaffenheit. Die Hauptftadt N. liegt auf 
dem linten oder nördlichen Ufer des Godavari und 
zählt (1872) 19738 6. s 

Radio, f. unter Handfeuermwaffen, 
Bd. VILL, S. 794*. 

Radfchpntana, das Land der Radſchputen 
($. d.), eine Brovinz der Präſidentſchaft Bengalen 
des Britiſch⸗Indiſchen Reis, die aus einer Anzahl 

rößerer und Heinerer feudaler, unter eingeborenen 
Siegenten jtehender Fürjtentümer kombiniert und 
unter die Oberleitung und Veauffihtigung von 
einem den Titel des politiihen Agenten führenden 
hoben Beamten der brit. Regierung geitellt ift, der 
in Mount:Abu refidiert, N. ijt 336088 qkm groß 
und zählt (1881) 10268392 E. Die beträchtliche 
Anzahl der Radſchputenſtaaten wird in politiſch⸗ad⸗ 
niniftrativer Hinficht in fieben Aififtentagentichaften 
geteilt, nämlich —— daipur), Dſchaipur, 
Marwar, Haraoti, Agentſchaft der ö l. Staaten, 
Alwar und Sirohi. Jede diefer A —— 
ſchaften iſt unter einen Aſſiſtentagenten geſtellt, 
denen die Beaufſichtigung der, betreſſenden Fürſten 
und dieſe, ſowie deren Miniſter mit ihrem Rat, 
wenn ſolches nötig iſt, zu unterftügen obliegt. 
Außerdem find noch die Diſtrilte Adſchmit und 
Mairwara, weldje den Briten unmittelbar unter: 
worfen find, von Nabichputen bewohnt. Im gan: 
en beitehen 19 Nadichputenftaaten: Meywar oder 
ldaipur, 32814 qkm, 1134700 E.; Dſchaipur, 
37463 qkm, 1750000 E.; Marwar oder Dſchod⸗ 
pur, 95826 qkm, 2850 000 E,; Bundi, 5950 qkm, 
224000 G.; Kotah, 9834 qkm mit 527000 G.; 
Diallawar, 6475 qkm mit 331268 E.; Karoli, 
3260 qkın, 140000 E.; Kiſhengurh, 1875 qkm, 
105000 &.; Shapura, 1030 qkm, 36000 E.; 
Alwar, 7832 qkm, 778596 E.; Dichefalmer, 
42596 qkm, 72000 E,; Bilaner, 60863 akm, 
300000 6,; Sirobi, 7821 qkm, 153000 E.; Dun: 
garpur, 2600 qkm, 175000 E.; Partabgarh, 
3800 qkm, 150000 G.; Banswara, 3900 qkm, 
150000 €.; Bharatpur, 5113 qkm, 743710 E.; 
Tholpur, 3108 qkm, 250000 GE. Die beiden 
legtgenannten Staaten werden von Dſchats be: 
herrſcht. Der einzige mohammed. Staat ift Tont 
mit 7070 qkm und 320000 E. Die Agentidaft 
Meywar umfaßt Udaipur, Bartabgarh, Dungarpur 
und Banswara; die Agentihaft Dſchaipur diefes 
und Bikaner; die Agentihait Marwar Dihodpur 
und Dichefalmer; die Agentichaft der öftl, Staaten 


Nadihahi — Radwelle 


Bharatpur, Dholpur und Staroli; die Agentſchaft 
Serast! Tonf, Shapura, Kiſhengurh, Bundi, Ho: 
tab und Djallamar; Alwar und Sirohi find eigene 
Agentichaften. Der Agent von Marwar it zugleich 
Präfident des Gerichtshofs der Watils (zur Schlich⸗ 
jr er Zwiftigleiten zwiſchen Radſchputenſtaaten). 

dſchputen, im Engliſchen Rajpoots (im 
Sanstrit Rajaputras, d, 5. Hönigsjöhne), ein weit 
verbreiteter Vollsſtamm in Djtindien, der feinen 
Urfprung auf die zweite oder Kriegerlaſte der alten 
Hindu zurüdtührt, wahricheinlich aus den Ländern 
auf der Nordfeite des Ganges abitammt, ſich im 
Süden ya Stroms aber auf dem Wege der Gr- 
oberung feitgejeßt und im centralen und weill. Hin- 
doſtan eine Nenge anderer Stämme, wie die Bhils, 
bie eg die Dihäts, die Mina, zum Teil aud) 
die Vihaird oder Meras (Maiwaras), fich unter: 
worfen hat. Die R. leben in f n It 
niffen in der Provinz Radjchputana (f. d.). Sie 
find nur laue Anhänger des Brahmanismus. Die 
Brahmanen find wenig geachtet und ihre Stelle 
vertreten die Charuns und Bhats, welche zugleid) 
die Gefährten und gewöhnlichen Ratgeber der yür: 
ften find und als —— Barden, Annaliſten 
und Genealogen größten Einfluß haben. Alle 
rg fondern En 
Adel jtoly von den übrigen Landesbewohnern ab, 
unteriheiden fi von ihnen durch Haltung, Ge: 
ftalt, Kleidung und führen zum Teil feit der Be: 
Ihräntung und dem Verluſt ihrer Freiheit erſt 
durd die Maharatten, dann durch die Briten ein 
träges Leben, während andere noch immer ihrer 
alten Fehde: und Raubluft nachhängen. 

Radſchuh, f. Hemmſchuh. 

Madſiwilow, Flecen im ruſſ. Gouvernement 
Volhynien, Kreis Kremenez, an der Slowna in der 
Nähe der öſterr. Grenze, an der Eiſenbahnlinie 
Scolbunowo:R., die bier an die Galiziſche Karl 
Ludwigsbahn anfchlieht, mit (1882) 7350 E., iſt 
ein wichtiger Ort für den auswärtigen Handel. 

NRapdftadt, Stadt im öjterr. Herzogtum Salz: 
burg, Bezirlshauptmannſchaft St. Johann, an der 
Enns, nit fern von dem Punkte, wo der Fluß aus 
feinem gegen Norden ziehenden Quellthal in das 
öſtlich gerichtete Yängenthal eintritt, an der ſchon 
von den Römern erötineten Bergitraße, die von den 
Ufern der Mur und Drau über die Tauern nch 
Salzburg führt, und an der Linie Biſchofshofen— 
Seljthal der Haijerin:Glifaberb:Bahn, ift Sih eines 
Bezirkögerihts und zählt (1880) 953 E., welche be: 
beutenden Holzbandel treiben. Die Stadt, von den 
age von Salzburg wegen ihrer Unterwätr: 
figfeit in der Gegenreformation «die Getreue» ge: 
nannt, war eine der reichiten im Lande, trägt jekt 
noch ein mittelalterlihes Gepräge und ift burd 
eine reizgende Lage an den Norbabhängen der 
Dadjfteingruppe (TZaunloppen 1672 m, Rofbrand 
1768 m, Hofered 1630 m) ausgezeichnet. Im 
nahen Quellthal der Enns waren die jebt einge: 
gangenen Eiſenwerle von Flachau altberühmt. 

Radwelle, beiler Rad an der Welle, eine 
zu den einfachen Mafchinenteilen gezählte Anord: 
nung. Gewöhnlich wirkt die bewegende Kraft am 
Rad, die zu überwindende (Lat) an der Melle, doch 
me auch das Umgelehrte ftatt; die Laft iſt in der 

egel mit der Welle durch ein Seil verbunden, 
welches ſich um diejelbe auf: und abwidelt. Die 
auf den uniene des Rades wirkende Kraft faun 
direft als äfeltraft, als Seilfpannung, als 


Nadziwill 


Zahndruck oder auf andere Weiſe übertragen wer: 
den. Iſt fie groß genug, un das Rad zu drehen, 
jo wird offenbar die Lajt gehoben werden. Man 
macht hiervon in der Braris bei Winden und ähn: | 
lihen Mechanismen (f. unter Hebeapparate) 
ausgedehnten Gebrauch. Liegt die Achſe des Wellen: 
rabes horizontal, fo heißt es Hafpel; ſteht fie ver: 
tital, fo nennt man e8 Böpel. Beim Tretrad 
oder Tretwerl, welches von Menſchen durch die 
Bewegung ber Fü er mit Benukung des Hör: 
gergewichts in geſetzt wird, find am Umfang 
des Rades Tritte oder Sproſſen angebradit. 
Nadzitwill, eine der älteiten und ausgezeichnet: 
ften litanifchen Fürlienfamilien mit großen Be- 
fihungen im Nönigreich Bolen, in Litauen und in 
Vojen. Der Erite des Namens R. kommt als ein 
Marſchall von Litauen 1405 vor und wurde mit 
Sagiello . Kaijer Marimilian I. erfannte 
1518 ben Balatinus von Wilna und Kanzler von 
Litauen, Nitolaus R., Fürjten von Goniqgdz und 
Mebele, als Reichsfürſien an, welche Würde von 
dem König Sigismund von Polen beftätigt wurde. 
Da aber mit den Söhnen diejes Fürjten die Linie 
von Gonigdz und Medele 1542 ausſtarb, fo dehnte 
ber Kaiſer Karl V. 1547 die Reichsfürſtenwürde 





e 
auf defien Bruberföhne, den Fürften von Birze 
und , laus, und die Füurſten von 
fa und Niefwieiz, Niolaus und Johann, aus 

Ermeiterung vom König Sigismund Auguft 
von Bolen 1549 beftätigt wurde, Cine jpätere, von 
jeiten des Großen Aurfürften von Brandenburg 


ra Bemübu 8 —— R., zu — 
wi ei ande mit Si un 
Stimme Fee hatte feinen Erfolg, weil 


es feine ungen im Deutichen Neiche hatte. 
Die Schweiter des Nilolaus von Birze war Bar: 
bara R., geb. 1523, mit welder fid; Sigismund 
Auguſt als Aromprinz heimlich vermählte. Nach 
feiner Thronbejteigung wideriehte ſich aber ber 
Reichstag, aufgereigt von des Königs Mutter, Bona 
Sforza, ihrer Krönung und forderte die Trennung 
der Ehe, weil der König ſich nicht ohne Willen des 
Neihstagd vermählen dürfe, Als die Krönung 
dennoch zu Krakau erfolgte, ftarb Barbara an 
empfangenem Gifte 1551. 
Zu der Linie von Birze gehörte Januſz R., | 
Kajtellan von Wilna, geit. 1621, der Jeines evang. | 
Glaubens wegen vom poln. Könige Sigismund Ill. | 
von allen hoͤhern Staatämtern ausgeſchloſſen 
wurde und deshalb in offenem Kampfe gegen den 
König auftrat, jedoch mit feinen Anhängern bei 
Guzowo geihlagen wurde. 
on feiner zweiten Gemahlin Sophia, einer 
Tochter des brandenb. Kurfürjten Johann Georg, 
binterließer einen Sohn, Boguflaw R. geb.1620, 





welcher 1657 vom Großen Kurfürjten von Bran: | 
denburg zum Generalgouverneur in Preußen er: | 
naunt wurde und ſich feine Ber: 


HA dur ; 
waltung wie aud durd) feine Stiftungen für Unis 
verjität und Schulen ein bleibendes Andenlen er: 
warb. Gr jtarb 1669, Mit ihm erloſch die Linie 
von Birze und Dubinli; feine einzige Tochter, 
Charlotte Luife, wurde zuerjt mit dem zweiten 
Sohne des Großen Kurfürften, Ludwig, und nad) 
deſſen Tode mit dem Pfalsgrafen Karl Philipp von 
Neuburg vermäblt. 

So ift der Stammmvater des jet noch blühenden 
Haufes der gemanke Nikolaus R., Fürft von 
Diyfa und 


tiefwiejz, mit dem Beinamen’ ber | 


463 


Schwarze. Er war Wojwode von Wilna und Ge: 
fandter bei Kaifer Karl V., ging zur reform, Kirche 
über, ließ 1563 — Brzesc die berühmte poln. 
«Nadziwiller Bibel» druclen und ſtarb 1567. 

Schon feine Söhne traten wieder zur nn Kirche 

— Der älteſie derſelben, Chriſtoph Niko— 

aus R. von Olyla und Nieſwieſz, geſt. 1616, 
machte ſich durch eine Pilgerreiſe nach Jeruſalem, 
die in poln. Sprache (herausg. von Wargocki, 
Bresl. 1847) ſowie lateiniſch in dem Werke «l’ere- 
grinatio Hierosolymitana» —— 1601) 
beichrieben it, belannt und jehte 5000 Dulaten 
aus, um Gremplare der von feinen Vater bejorg: 
ten Bibel aulyasaufen und verbrennen zu laſſen. 

Fürft Kari R., geb. 1734, war einer der reich: 
ften a und populärften Männer feiner 
Zeit. Als er fih nad) dem Tode Auguſts III. der 
Wahl des Königs Staniflaw Auguft widerſehte, 
ward fein Schloß Nieſwieſz von den Ruſſen erftürnit 
und er mußte ins Ausland fliehen, Nach vergeb: 
* Bemühungen, dort Hilfe für Polen a finden, 
fah er jich genötigt, zurüdzufehren und Staniflaw 
August anzuerkennen. Bald aber ward er eins der 
Häupter der Barer Konföderation, worauf er ſich 
wieder ind Ausland begeben mußte. Turd Pro: 
teltion der Haiferin Katharina erbielt er feine Gü— 
ter — auf denen er wie ein ſouveräner Fürſt 
waltete und ein eigenes Heer unterhielt. Er ſtarb 
1790 tinderlos. Mehrere poln. Schriftſteller, wie 
Chodzko, Rzewuſti, haben feinem Leben ausführ: 
liche Darftellungen gewidmet. 

Michael Hieronymus R., MWojwode von 
Wilna, Fürft von Nieborom, geb. 10. Dft. 1744, 
jtarb 28. März 1831 und hatte vier Söhne. 

Der zweite derfelben, Anton Heinrih R., 
Fürft zu Olyla und Nieſwieſz, geb. 13, juni 1775, 
vermählte fi) 1796 mit der einzigen Tochter bes 
Prinzen Ferdinand von Preufen — Do: 
rotbea Luiſe Bhilippine (geb. 24. Mai 1770, geft. 
T. Dez. 1836), wurde 1815 preuß. Statthalter im 
Großherzogtum Poſen und verband mit willen: 
ſchaftlicher Bildung und gründlichen Kenntniſſen 
in der Mathematik und Zonkunjt alle gefelligen 
Talente cines feinen Weltmanns. Geine Kompo— 
fitionen zu Goethes «Faujt» erwarben ihm einen 
geachteten Namen als Diufifer, Er ftarb zu Berlin 
7. April 1833, 

Sein Sohn, Fürft Wilhelm R., geb. 19. März 
1797, trat früb in das preuß. Heer, befehligte 1848 
als Generallieutenant eine pen Divifion in Hol: 
ftein und nahm 1849 unter dem Prinzen von Preu: 
ben an dem Zuge nach Baden teil, Als General 
der Infanterie und Chef des Ingenieurkorps jtarb 
er 5. Aug. 1870 zu Berlin 

Defien Bruder, Bogutlam R., geb. 3. Yan. 
1809, preuf. Major a. D., galt als eins der Häup: 
ter der ultramontanen Partei und ftarb 2. Yan. 
1873 zu Berlin, 

Bon den drei Söhnen des Fürſten .. N. 
ift der älteite, Fürft Anton, geb. 31. Juli 1853, 
Beſiher des Herzogtums Rieſwieſz in Rußland, 
preuß. Generallieutenant und General & la suite 
des Deutjchen Kaiſers und erbliches Mitglied des 
preuß. Herrenhaufes. f 

Bon den fünf Söhnen des Fürften Boguſlaw N. 
it Fürst Ferdinand, geb. 19. Oft. 1834, vermählt 
niit einer Fürſtin Sapieha, Befiker der —5* 
Przygodzice und des Schloſſes Antonin im Kan en: 
ſchen, fowie de3 Herzogtums Dlyfa in Rupland, 


464 


erbliches gie des preuß. Herrenhauſes und feit 
1874 Mitglied des Deutihen Reichstags für den 
ojener Wahlkreis Adelnau⸗Schildberg, der polni: 
— * angehörig. Ein anderer Sohn ring 
Edmund, geb. 6. Sept. 18412, Vilar in Difromo, 
äpftl. Hausprälat, war 1874— 81 Ditglich bed 
eutſchen Reichstags für den fchlef. Wahlkreis 
Beuthen:Tarnowig, dem Centrum angehörig, iſt 
Verfaſſer der Schrift «Die lirchliche Autorität und 
das moderne Berubtfeine (Brest. u 
Nafacl Santi oder Sanzio, der berühmteite 
Maler aller Zeiten, wurde im J. 1483 zu Urbino 
geboren. Der Geburtstag ſelbſt ift ſtreitig. Je 
nachdem man die Grabjdrift R.s interpretiert, 
welhe von R. ausfagt, er fei «an gleichen Tage 
geboren, an welchem cr ftarb» («quo die natus est 
eo esse desiit VIII. Id. April. MDXX»), Starfrei: 
tag, 6. April 1520, feht man den Geburtstag auf 
ben 6. April oder auf den Karfreitag (28. März) 
1483 an. Schon im Haufe des Vaters Giovanni 
Eanti, der felbft ein tüchtiger Maler und über: 
dies eine am Hofe beliebte Perfönlichteit war, 
mochte er die Elemente der Kunft erlernt haben. 
Seine eigentliche Erziehung dankte er aber nicht 
dem Vater, den er bereits im 11. Jahre verlor, 
fondern zunädjit einem unbelannten Meijter in Ur: 
bino, vielleicht dem Timoteo Viti, mit welchem er 
aud) jpäter enge ——— unterhielt. Erſt im 
. 1499 verlieh er die Vaterſtadt und trat in die 
erkitätte ie in Perugia, Etwa drei bis 
vier Jahre genoß R. Peruginos Unterricht. Das 
älteſte Datum, welches man auf feinen Bildern an— 


trift, ift das J. 1504 auf dem Spofalizio in Mai: 
land. Doch hat er gewiß * früher ſelbſtändig 
earbeitet, für Kirchen in Perugia und in Cittä di 


aftello Beitellungen erhalten. Als jeine früheften 
Gemälde werden gewöhnlich der heil. Georg und 
der heil, Michael in Paris und der Traum eines 
Nitters in London ausgegeben. Im J. 1504 über: 
jedelte R. nad) Florenz, wo er mit einigen Unter: 
rechungen, die ihn nad) erugia und Urbino zu: 
rüdführten, verweilte. Ju Florenz traf ihn der 
Einfluß Leonardos und ge Bartolommeos am 
mädjtigften. Leonardos Vorbild ändert feine Zei: 
chenweiſe, Fra Bartolommeos Beifpiel iſt an feinen 
erößern Kompoſitionen erjichtlid. Die oft behaup: 
tete Cinwirlung Michel Angelos kann erft für R.3 
römiſchen Aufenthalt nachgewieſen werden und 
aud) dann traf fie mehr R.s Schüler als ihn felbit. 
ALS abſchließendes künſtleriſches Reſultat der ſog. 
Florentiner Periode iſt die für San-Francesco in 
Serugia gemalte Grablegung zu betrachten (jeßt im 
Palaſt Borghefe zu Rom). 
nı Srabjn r 1508 finden ſich die erften An: 
Inüpfungen mit Herbit bes: 
elben Jahres definitiv überfiebelte, Die Päpfte 
ulius II. und Leo X. gaben ihm, hier die würdig: 
ten und bögften Aufgaben. Bis dahin hatte er 
hauptſächlich nur Altarbilder gemalt 
von Madonnen, einige Porträts und 
gen Inhalts. Nur einmal hatte er ſich bis jeßt in 
er Srestomalerei (S. Severo in Berugia) verfudht. 
yeht wurden ihm monumentale Aufgaben geftellt. 
leben andern Aufgaben hatte er eine Heide von 
Zimmern im Vatilan, eine ganze Arkadenreihe des 
ke Stodwerts im vordern großen Hofe des⸗ 
0 


Non, wohin R. im 
eine Reihe 


elben Palaſtes mit Hiftor.:fymbolifchen und bibli: 


hen Darftellungen zu bededen. In ben eriten 
eben Jahren feiner röm. Periode ift er noch vor: 


Tafeln heili: 


Rafael Eanti 


zugsweife Maler und zeigt ſich Fat De Verleht 
mit dem Venetianer —* del Piombo ange⸗ 
regt, eifrig bemüht, die koloriſtiſche Seite feiner 
Kunft auszubilden. Davon legen einzelne frübröm. 
Madonnen und befonder3 mehrere Porträts Zeug- 
nis ab. In den lepten fünf Jahren feines Lebens 
war er auch Baumeilter von St. Peter, und neben 
arditeftonischen nahmen ihn aud) ardjäol. Studien 
in Anſpruch. Er ſtudierte den Vitruv, und um die 
alten Dentmäler ſelbſt auf ſich wirlen zu laſſen, 
lam er auf den Gedanken, das ganze alte Rom 
wieder aus dem Schutt der Jahrhunderte an das 
Tageslicht zu ziehen. Ein Breve des Papſtes Leo 
machte ihn zum Konſervator der Denkmäler und 
Vorſteher über alle Marmorftüäde und Steine 10 
Miglien weit im Umkreis von Rom. Man hat 
einen intereflanten Bericht des Künſtlers an den 
Papſt (ein Eremplar davon befindet fi in der 
Bibliothet zu München) über feine Ausgrabungs:- 
arbeiten, Während aber das Unternehmen bei 
feinen Zeitgenoſſen die > Begeifterung erregte, 
führte ihn ſelbſt das Beltreben, die alte Stadt wie 
der zum Leben zu erweden, um fo früher in den 
Tod, NR. zog ſich bei den anftrengenden Arbeiten 
ein hibiges Fieber zu und ftarb nad kurzem Kran: 
tenlager im 37. Jahre, Ganz Rom enpfand den 
Verluft aufs fchmerzlidite. Bei der Ausſtellung 
der Leiche jtand das lebte, noch nicht ganz vollen: 
bete Merk feiner Hand, die Verklärung Chriſti 
(«Trangfiguration»), ihm zu Häupten. Dann 
wurde er feierlich im Pantheon beigeſetzt, in einem 
Gewölbe hinter dem Altar unter der Statue der 
Madonna, in der Nähe der Gruft von Maria 
Bibiena, Nichte des Kardinals Bibiena, feiner 
ihm bejtimmten Braut. Pietro Bembo verfahte 
die lat, Grabſchrift, deren finniger Wortlaut beißt: 
llle hie est Raphael, timuit quo sospite vinci, 
rerum magna parens et moriente mori.» (ine 
Ausgrabung 1833 zeigte eine ungewöhnlich gute 
Erhaltung der Reſte. Dies das kurze Leben des 
größten Malers, deſſen liebenswürdige Perſönlich— 
feit und angenehmes Weſen von feinen Zeitgenofien 
nicht genug gepriefen werden fan, Alle, die ihn 
lannten, rühmen den —— bilfebereiten, Frie⸗ 
den und Liebe ſpendenden Charalter des auch durch 
körperliche Schönheit ausgezeichneten Künſtlers. 
Aus der madonnenreihen Schule von Umbrien 
ſtammend, bat R. fein ganzes Leben hindurd Ma: 
| donnen gemalt von Jugend auf bis ınd Mannes: 
alter. So ijt eine der frübeften, die Madonna Eon: 
nejtabile in ‘Petersburg (1503), ganz aus der An: 
dacht heraus gemalt, Maria geht in der Landſchaft 
und lieſt; jo ſorglich fie dabei den Sinaben trägt, 
iſt * bier noch kein rechtes Verhältnis zu ihm, 
Die Madonna del Oranduca in Florenz (1504) er: 
innert, wie jene, aud noch an jeine perugimifche 
Zeitz fie iſt dargeftellt mit in fich gefehrtem Blid, 
von wahrhaft feuihem Neiz, das Kind die liebe, 
unbeholfene, unfchuldige Natur. Als Gaſtgeſchent 
für das Haus des Taddei in Florenz malte er zwei 
Madonnenbilder, vermutlid die Jungfrau im 
Grünen (volllonumen erhalten im Belvedere in 
Wien), im Wiejengrunde rubend, auf —— 
und das Chriſtuskind nachdenklich niederblidend, 
und die ſog. Madonna mit der Fächerpalme (im 
Befih des Lord Ellesmere in London). In beiden 
ieht man die Einflüfle Beruginos und Leonardos 
jich verichmelzen, Diejelbe Gruppe, in ber Nom: 
pofition jo ſchön wie in den einzelnen Körpern, 


Rafael Santi 


wiederholt ſich in den beiden Nadonnen del Garbel: 
lino (Galerie zu Florenz) und La belle Jardiniöre 
1508; Louvre), Die Madonna Canigiani (Pina: 
othet in München) ift_eine ſtreng architeltoniſche 
Gruppe der ganzen Heiligen Familie. Immer 
handelt «3 fi * mehr um Andacht; nur all: 
mäblich ſpielt das Buch eine geringere Holle, In 
der Madonna Tempi, aber bricht die Mutterliebe 
mit aller Innigkeit hervor; fie herzt das Kind 
und drüdt es an ſich (münchener Pinakothet). In 
der Madonna Golonna (Berlin) ift e3 ſchon die 
Mutter, welche fi) im Lefen unterbricht dem Kinde 
u Liebe, das ſtürmiſch nad) ihrer Zärtlichkeit ver: 
angt. Dieſes Motiv tritt jet in den Vordergrund. 
Man findet e8 in der Madonna Niccolini, Ma: 
donna Bridgewater (1512) u. a.; R. weiß es viel: 
ad zu variieren. Aus der röm. Zeit tritt in der 
abonna au Diademe (Louvre) ein anderes, viel: 
ad behandeltes Motiv auf: ya hläft und 
aria hebt den Schleier, um das Kind dem Heinen 
Johannes zu zeigen. Diefes Bild, je die Ma: 
donnen Alba in Petersburg und Al obrandini be: 
reiten den libergang zu einem ungleich grobartigern 
Stil vor, derzum erjtenmalin der verklärten Erſchei⸗ 
nung der thronenden Gottesmutter der Madonna di 
Fuligno (Vatikan) deutlich auftritt. Auch die Ma: 
donna del pesce, urfprünglidy für die Dominila⸗ 
nerlirche in Neapel gemalt, jebt im königl, Mufeum 
zu Madrid, iſt ein foldes Gnadenbild. Mehr Fa: 
milienbilder find wieder die Madonna col divino 
amore (Mufeum von Neapel) und die Madonna 
dell’ impannata (Palaſt Bitti), Auch la perla 
1518 für den Deriog von Mantua gemalt, jet in 
Madri ) ift eine der herrlichſten Familienſcenen, 
während in der berühmten Madonna della sedia 
(Balajt Pitti in Florenz) der reinfte Ausdrud der 
Mütterlichleit und Liebe fpricht. uiid fteht die 
Madonna di San-Eifto, (Siztinifce ladonna, 
Dresden) als die Krone feiner Madonnenbilder, ja 
der Malerei da: die Jungfrau in ihrer hödften 
Verklärung ald Königin des Himmels, von unaus: 
ſprechlicher Schönheit und Hoheit der Erſcheinung. 
Die Arbeiten im Vatikan, drei Zimmer und ein 
— Saal, tragen den Namen der «Stangen» 
R. In der Camera della Segnatura fchilderte 
er, an die Anſchauungen der Renaiffance an: 
Inüpfend, die Mächte, welche dem Leben des Geiſtes 
vorjtehen und das menſchliche Dafein ordnen, und 
führt uns die Gemeinden, welde diefen Mächten 
buldigen, vor die Augen. An die Dede ftellte er 
leichan in Überſchriften die Mächte felbit, die 
beologie, die Pbilolophie, die Poeſie und die Ge- 
rechtigleit in Nundbildern dar und bietet in_ob: 
longen Feldern Beifpiele ihres Waltens, den Sün: 
denjall, Urteil Salomos, Beitrafung des Marſyas. 
Auf den n Wandbildern treten uns die Ge: 
meinden, welche diefe Ideen auf Erden verlörpern, 
— In der ſog. Disputa die Gemeinde der 
Glaubigen, um den Altar bei geöffnetem Himmel 
eihart, im Parnaß die Dichter alter und neuer 
dei um Apoll und die Mufen gefanmelt. Die dee. 
chule von Athen zeigt die Vertreter der Willen: 
ſchaft (trivium und quadrivium), vorwiegend griech. 
Philoſo ‚von Nato und Ariftoteles ei tt, 
wie jie lehren und unterweifen. Nur das Bild der 
Jurisprudenz zeigt eineabweichende Anordnung, un: 
ter einer ale Darftellung Bapft und Kaiſer, 
welche den Befehl zur ana der Gefepbücher 
erteilen. In dem zweiten Zimmer (Stanza dell’ 
Eonverjationd-Legifon, 13, Aufl, XIII. 





465 


Eliodoro genannt) beziehen fid) die Wandbilder auf 
en Gott der Kirche 


den unmittelbaren —* 
leiſtet. Sie zeigen zunächſt die Vertreibung des 
tempelräuberiichen Heliodor durch göttliche Send: 


linge aus den Tempel von Serufalem (Maklab. 2,3), 
dann die 1263 ftattgefundene Meſſe von Bolfena, 
bei der ein Wunder Veranlaſſung zur Etiftung des 
ronleichnamfejtes gibt; weiter, bereit3 unter dem 
ontififat Leos X., die Befreiung Petri aus dem 
erler und die Vertreibung Attilas aus Italien. 
gm dritten Zimmer (Stanza dell’ Incendio oder 
ten) werben Ereigniffe aus dem Leben der - 
gei namigen Bäpfte Leo III. und IV. vorgeführt. 
das — nen Gemälde iſt der Burgbrand, 
die Loſchung des Brandes im vatilaniſchen Stadt: 
teile durch den —— des Papſtes, in Wahr⸗ 
beit der Brand von Troja, feſſelnd vor allem durch 
die dramatische Lebendigkeit der Schilderung. Die 
eslen im vierten Saale, Begebenheiten aus dem 
Leben Kaiſer Konſtantins (Sonftantunfchlacht) erzäb: 
lend, find erft na R.3 Tode ausgeführt, ja — 
erſt entworfen worden. 

Eine andere große Arbeit, die Leo X. R. noch 
auftrug, war die Ausfhmüdung der Loggien, offene 
Arkadenreiben, die um den Hof des heil. Damafus 
laufen, und deren Architeltur der Künftler felbit 
angegeben. Im zweiten Stodwerk hat R. 13 Ar: 
faden an ihren gemwölbten Deden mit 52 Leinen 
Bildern aus der Bibel, befonders dem Alten Tefta: 
ment, an ihren Wänden und Pfeilern aber mit 
Drnamenten und Arabesten höchſt mannigfaltig 
und phantafiereih geihmüdt. Im Entwurf rührt 
da3 meifte von ihm ber; die Ausführung überließ 
er feinen Schülern, den ornamentalen Teil den 
Giovanni da Udine. Ein noch bedeutenderes Wert 
R.s find die zehn Kartons mit Darftellungen aus 
der Apofelpeichte, in Waflerfarben ausgeführt, 
nad) welchen in Brüfiel Tapeten gewirkt wurden, 
die an Feſttagen die Sixtiniſche Kapelle ſchmücken 
follten, Die Gegenftände, welde N. aus der 
Apoftelgefchichte hierzu wählte, find: der wunder: 
volle önug, weide meine Schafe, die Heilung 
des Lahmen, der Tod des Ananias, die Steinigung 
de3 Stephanus, die Betchrung des Paulus, Elymas 
mit Blindheit gefchlagen, Paulus und Varnaba⸗ 
in Lyſtra, die Predigt des Paulus in Athen und 
deſſen Gefangenſchaft. Für den Altar komponierte 
er eine — Marias, die gleichfalls mit Gold 
durchwirlt in Flandern gewebt wurde, Sieben der 
Driginallartons befinden ſich jet im South-Ken— 
fington:Mufeum zu London (Früher in Hampton: 
court),. Die ganze Folge von Tapeten, welche zu: 
erit am Stephandtage 1519 in der Kapelle an den 
Wänden prangten, iſt jept im Vatikan aufgehängt. 

Außer diefen monumentalen Arbeiten für die 
zone übernahm er deren auch für Privatperfonen. 
Agoſtino Chigi, der Pina ier Papſt Julius’ H,, 
> in zwei von ihm gr tigten Kirchen Kapellen 

auen lafjen und deren künftlerifche Ausfhmüdung 
N, übertragen. In der einen, der von Maria della 
Pace, malte R, über dem 3iigenbagen die herr: 
lichen Geftalten der vier Sibyllen, in Bezug auf 
eng der Linien und der Kompofition eine 
feiner beiten Leiftungen. Fi Sta.:Maria del > 
polo aber, der andern Kirche, gab er felbit die Ar: 
iteltur der Kapelle an und fertigte nicht nur die 
twürfe zu den Gemälden in der Kuppel, die in 
Moſaik ausgeführt wurden und die Gridaffung 
der Geftirne darjtellen, fondern auch die für die 

30 


e 


466 


Marmoritatuen der Bropheten Jonas und Elias. 
Nür denfelben Kumftfreund führte R. in deſſen 
Villa, La Farnefina, eigenhändig ein großes Wand⸗ 
bild aus, welches unter dem Namen des «Trium: 
vhes der Galatea» fo befannt geworden iſt. Auch 
ſchuf er für die Gartenhalle desfelben Gebäudes 
die von bezauberndem Liebreiz erfüllten Entwürfe 
von Darftellungen aus der Geſchichte des Amor 
und der Pſyche. . j 
An die Wandmalereien RS ſchließen ſich feine 
Tafelbilder religiös-bifter. Inhalts. Die Beil. 
Gäcilia (etwa 1514; jebt in der Pinalothet zu Bo: 
logna) iſt eine wunderbare Berberrlihung der Wir: 
kung der Mufit, durch zartefte Abwägung und Be 
rechnung der Farbentöne ein Meifterftüd von Yar: 
benharmonie, von wohltbuenditer Wirkung für das 
Auge. Die Bifion des Gzechiel (etwa 1515), ein 
Heines Bildchen (Palaft Pitti), iſt bewundernswert 
durch die. Größe der Erſcheinung in jo Heinem 
Naum. Für Palermo malte er 1517 die berühmte 
Streuztragung (lo spasimo di Sicilia), jebt in 
Madrid. Aus demjelben yjehre ijt die für König 
Franz I. gemalte lebensgroße Figur des heil. Mi— 
chael, berabfabrend und fchon im voraus Sieger, 
den ſich unter feiner libermacdht krümmenden Satan 
mit der Lanze durchbohrend (jet im Louvre I Pa⸗ 
ris). Die Transfiguration (1519—20) beſchließt 
die Reihe diefer Bilder wie die Thätigleit des Ma: 
lers überhaupt. Die untere, bei feinem Zode un: 
vollendete Hälfte führte Giulio zu Ende (Batita: 
niſche Galerie). Nicht unerwähnt dürfen R.s Lei: 
ftungen al3 Porträtmaler bleiben. Noch aus ber 
lorentiner Periode datieren die liebenswürdigen 
sorträts Angelo und Maddalena Donis (im Ba: 
laſt Pitti zu Florenz), fowie dad eigene Porträt 
des Künftlers in den Üffizien. In bie Zeit_ feiner 
Wirkfamteit zu Nom fallen dann: der großartige 
ulius II. (Bitti), die Fornarina (im Palaft Bar: 
erini zu Rom), das — —7— Inghi⸗ 
ramis (Pitti) u. a., welche nur noch von dem ge: 
radezu monumentalen Gruppenbilde Leos X. mit 
zwei Kardinälen übertroffen werben (Pitti). Als 
Baumeiſter von Et, Peter machte R. einen neuen 
Plan und ließ ein Modell danach fertigen, welches 
allgenieine Bewunderung erregte, Es kam jed 
nur eine Berftärkung der von Bramante zu ſchwa 
angelegten vier Pfeiler, welche die Kuppel tragen 
follten, zur Ausführung, und der Plan erlitt fpäter 
gänzlihe Umänderung. Mehrere Baläfte in Rom 
—X Ricciardi, Vidoni) und Florenz (Palazzo 
ndolfini) wurden nad feinen Blänen errichtet. 
R.s wunderbare Begehung, welche ihn die Re: 
fultate hundertjäbriger Kunftentwidelung harmo- 
nijch zufammenfafjen und roft ee ſchaffen ließ, 
wie es die andern wohl wollten, aber nicht konn: 
ten, find durch feinen Fleiß beinahe noch über: 
troffen, weldyer ihn in den Stand jehte, jedes fei- 
ner Werke auf das forgfältigfte vorzubereiten. Das 
ber iſt das Stubium Fe Handzeichnungen (die 
meijten von Braun in Dornach in getreuen photo: 
graphiſchen Falfımiles herausgegeben) für R.s Gr: 
tenntnis von beſonderm Werte. Sie gewähren den 
beiten Einblid in die Entwidelung des Meifters. 
‚Am 28. Mär) 1883 wurde der 400. Jahrestag 
feiner Geburt in vielen ital. Städten, bejonders in 
Rom und Urbino, fehr feſtlich begangen. 
‚Dur Grundlage aller Lebensbeſchreibungen R.s 
dient die, welche Bafari in feinem Werte über bie 
ital, Künjtler gegeben. ©. della Balle und Bot: 


ser 5 ER 82. 





’ 


Raff — Nauffinieren 


tari haben diefelbe in neuern Ausgaben dur Ro- 
— — gg —— ſich beſondere 
erdienſte um die und Jugendgeſchichte 
R.s in dem «Elogio storico di Giovanni Santi- 
(Urbino 1820). Die Abhandlung über R. von Ru: 
mohr in deſſen «tal. Forſchungen · enthält eine 
geitreiche Beleuchtung des Gegenſtandes. Im bio: 
graphiſchen Teil antiquiert , wegen bes kriti⸗ 
tifchen Berzeichniffes von R.s Werten noch inmmer 
unentbehrlich iſt Baflavants Wert «N, von Urbino 
und fein Bater Giovanni Santi» (Bd. 1 u. 2 nebit 
Atlas, Lpʒ. 1839; Bd. 3, 1858), gewöhnlic) 
—— der franz. Ausgabe von 1860 citiert. 
. 9. Grimm, s Leben R.3 von lirbino» 
(ital. Text von Bafari, Bd. 1, Berl. 1872); N. 
Springer, «RM. und Michel Angelo» (2. Aufl., 
2 Bde., %p5. 1883); Eugene Münk, «Raffael, sa vie, 
son @uvre et son temps» (2. Aufl., Par. 1885); 
Crowe und Gavalcajelle, « Raphael, bis life and 
works» (2 Bbe., Lond. 1886). erg Fe 
träge zum Leben R.s hat Campori in 
(«Notizie inedite etc.»), zur Rafnelstritif Morelli 
(Lermolieff) in verfchiedenen en 
ker Sehr wichtig it auch der von Au Be: 
ehl der Königin Bictoria verfabte «Catalogue of 
the Raphael-Collection in the Royal Library at 
Windsor-Castle» (Lond. 1877). 

Naff (Joachim), deutiher Komponift, geb. 
27. Mai 1822 zu Lachen im Kanton Schwyz, wurbe 
dort im Lyceum der Jeſniten zum Lehrfach ausge: 
bildet. Auf Mendelsſohns Empfehlung tamen feine 
erften Rompofitionen zum Drud 1843), was 
ihn beftimmte, ſich gänzlid der t zu wibmen. 
Außer Mendelsiohn war befonders Liizt von Ein- 
fluß auf ihn, mit welden er 1850 nad Weimar 
309. Seiner Begeifterung für Wagner, welche Liſzt 
ihm einflößte, gab er damals im mehrern Kritilen 
und a Ben. el —— ie: 

age» (Bd. 1, Braunſchw. umfänglichjte 
F Er fievelte 1855 nach Wiesbaden über, wo er 
jeine meiften Werle fhuf. Seine am beifälligften 
aufgenommenen Rompojitionen find aus dem Ge 
biete ber Inftrumentalmufit: Alavierftüde, Sona: 
ten für Bianoforte und Violine, Trios, Ouartette, 
Duverturen, Symphonien u, ſ. w. Gr ſchrieb mit 
großer Gewandtbeit, aber zu jchmell, denn die be- 
deutende Zahl feiner Werfe jteht mit dem Gehalt 
derjelben im Mifverhältnis. Seit 1877 war N. 
artijtiiher Direktor deö neugegründeten Hochſchen 
Stonfervatoriums der Muſik in Frankfurt a, M., 
wo er 24. uni 1882 farb. 
NRaffinade, f. unter Raffinieren. 
Raffinenr (vom frz. rafüiner, d. i. verfeinern), 
ein in Holzi (eifereien gebräuchlicher 
apparat. (6. unter Holzftoff.) 

af ten (frz. raffiner, re-affner, von fin, 
fein) nennt man in der Chemie und Technologie 
überhaupt das Feinmachen, Reinigen und Läutern 
gewiller Subftanzen. —⸗ aber wird R. 
von der Läuterung bes Zuders (Raffinade), 
Kampfers, des —* Borar, Rüböls, Betroleums 
u. f. w. gebraucht, ſowie in der Hüttenfunde bei der 
Stahlbereitung und Kupfergewinnung. 

Figürlich bezeichnet man mit Raffınement die 
Feinheit und Berihmibtheit im Denken und Han: 
deln, inäbejondere aber die Erlünftelung in irgend 


einem enuſſe. 
Naffinieren des Roheiſens und Stahls, f. 
Gärben und unter Eiſenerzeugung. 


Berfeinerungs: 


Rafll. — Nagaz 


Baffl., bei naturhiſtor. Namen Abkürzung für 
Thomas Stamford Raflles. j j 

Raffles SB: Thomas Stamford), um bie 
wiſſenſchaftliche Erforſchung von Hinterindien hoc): 
verdienter brit.:ind. Staatsmann, geb. 5. Juli 
1781 auf dem Schiff Anna im Gejicht von Jamaita 
ala Sohn des n bayern Benjamin Raffles, 
wurbe im 14. jahre im Ditindiichen Haufe zu Yon: 
don als Schreiber angejtellt und 1805, als bie 
Dftindifche — auf Pulo⸗Pinang eine Nie: 
derlafjung gründete, Setretär des Gouverneurs 
dieſer Snfel Hier und zu Malalla erwarb er fich 
die —— Kenntnis von allen Verhältniſſen 
ſowohl der Malaienſtaaten, als auch der niederländ. 
Beſitzungen in Hinterindien, Er machte den Gene: 
ralgouverneur von Britiſch-Indien, Lord Minto, 
auf die Wichtigkeit des Beſihes von Java für Eng: 
land aufmerkſam, begleitete ihn 1811 auf dem Zuge 
dahin und wurde nach der Groberung Batavias 
Lieutenantgouverneur von Java. Als Tolcer ging 
er zu der Radilalreform aller Zuftände dafelbit und 
ee den Molulten über, ließ ſich aud die willen: 
ſchaflliche Erforfhung der ind, zieh nad allen 
Richtungen angelegen fein. Nah Zurüdgabe der 
ind, Sniein an 5 and (1816) kehrte er mit großen 

ungen nad England zurüd, wo er feine 
Haffifhe «History of Java» (2 Bde., Lond. 1817; 
neue Aufl. 1830) herausgab. Die Regierung er: 
nannte ihn zum Ritter; die Oftindifche Kompagnie 
mißbilligte aber feine durchgreifenden Reformen 
auf Java. Deſſenungeachtet aber wurbe er 1817 
zum Pientenantgouverneur von Benkulen ernannt. 
Das großartigite Werk feiner Thätigfeit von dort 
aus war die Gründung der Stadt Singapore (f. d.) 
1819. Als er feiner immer mehr geſchwächten Ge: 
fundheit wegen 1824 nah England zurüdfehren 
wollte, hatte er da3 Unglüd, daß das Schiff, auf 
dem er ſich befand, wenige Stunden, nachdem es 
Benlulen verlafien, in Brand geriet. Cr verweilte 
hierauf nod) mehrere Donate in Benkulen, fuchte 
den Berluft feiner reihen naturbiftor. Sammlungen 
nah Möglichkeit zu erſeßen und legte darauf die 
Reife nad England glüdlih zurüd. Mit grob: 
artigen wiſſenſchaftlichen Arbeiten beſchäftigt, Harb 
er 5. Juli 1827. Bgl. das von feiner Witwe ber: 
ausg aMemoir of the life and public ser- 
vices of Sir Thomas Stamford R.» (2 Bde,, Lond, 
1830). In Singapore wurde eine Marmorjtatue 
von ihm aufgeftellt, und eine von Dr. Arnold ent: 
dedte Bflanzengattung wurde R. zu Ehren Raffle- 
sia (f, d.) genannt. . 

Rafflesia R. Br., Nafflefie, Pflanzen: 
gattung aus ber Bamiie der Cytineen, Man kennt 
vier Arten, die famtlih auf den Inſeln des Ma: 
laiiſchen Archipels vorlommen. Es find eigentüm: 
liche Schmarohergewächſe, die auf, den Wurzeln 
von Vitisarten leben. Ihre vegetativen Teile ſind 
auf ein rhizomartiges, in die Wirtöpflanze eins 
dringende3 Organ beihränft und die riefigen Blu— 
ten erjcheinen als direfte Auswüchſe diefes Ge: 
bildes. Die befanntefte Art ift die von Arnold 1818 
auf Sumatra entvedte Rafflesia Arnoldi 
R. Br., deren Blüte im geſchloſſenen Zujtande die 
Größe eines mächtigen Kohlkopfs ber mit dach— 
ziegelartig liegenden Schuppen bebedt iſt, beſitzt. 
Die geöffnete Blüte hat einen Durchmeſſer von 
etwa 1m und ijt fomit wohl die größte aller be: 
fannten Blumen, Sie beiteht aus einem fünf- 
teiligen fleifchigen Perigon von lebhaft roter Farbe 


467 


und aus einer biden roten Säule von — 35 — 
Staubgefäßen oder Griffeln. Die Blüten ſind diö— 
ciſch und verbreiten nad dem Aufblühen einen 
ftarfen aasartigen Geruch, der Fliegen berbeilodt 
und fo die Beitäubung ermöglicht. Cine etwas 
Hleinere Art, R. Patma Blume, die auf Java vor: 
fonımt und deren Blüten einen Durchmeſſer von 
40—60 cm befißen, wird von dem dortigen Gin: 
geborenen als blutitillendes Mittel verwendet, 

Naffray (Adille), franz. Naturforſcher und 
Neifender, bereifte im Auftrage des Unterrichts— 
minifteriums 1873—75 Abefjinien, Sanfibar und 
da3 Yand der Wanila, 1876—77 die Moluften, die 
Nordküfte von Neuguinea, ſowie die Inſeln der 
Geelvinkbai, kehrte mit wertvollen z0olog. Samm: 
lungen zurüd und wurde zum franz. Stonful zu 
Maſſaua ernannt. Im J. 1876 veröffentlichte er: 
«Afrique orientale, Abyssinien. 

Rafin., bei naturhiitor. Namen Abkürzung für 
Konftantin Fr. Rafines Band als 
Profeſſor der Naturwiſſenſchaften in Lexington 1840). 

Rafn (Karl Chriſtian), ausgezeihneter Kenner 
des nordiſchen Altertums, geb. 16. Jan. 1795 zu 
Brabesborg auf Fünen, widmete fih auf der Uni: 
verfität zu Kopenhagen (feit 1814) dem Rechts—- 
ſtudium, wandte ſich aber dann ausſchließlich der 
Geſchichte und Poeſie des alten Skandinavien zu. 
Seit 1821 als Unterbibliothefar an_der Univer: 
htätsbibliothel zu Kopenhagen angeftellt, unter: 
nahm er eine Hauptrevifion der dort aufbewahrten 
altnord. Handjchriften, die zum Arna:Dagnäani: 
chen Legat gehören; auch gründete er 1825 die Be: 
jelifhaft für nordifche Altertumsfunde, ald deren 
Selretär er die Nedaction der von derjelben heraus: 
gegebenen Schriftdentmäler führte. Er gab eine 
dän, Bearbeitung der «Nordiichen Heldengefhichten 
oder mytbiichen und romantischen Sagen» (2. Aufl., 
3 Bde. 1828—30) heraus, Diejem Werke folgte 
die Ausgabe der «Kräkumäls» ($topenbh. 1826) und 
der «Fornaldar-Sögur Nordrlanda» (3 Bode,, 
Kopenh. 1829 — 30), eine Sammlung mytbijc: 
biftor. und romantiiher Sagen des Nordens. Fer: 
ner veröffentlichte er 1832 die «Fereyinga - Saga», 
Bu der großen Sammlung der «Fornmanna-Sögur» 
. Bde. —— 1828 fg.) bat R. einen großen 

eil der Ter earbeitung und von der dän, fiber: 
ſehung diefer Sagen die drei erften und den elften 
Band geliefert. N den«Antiquitates Americanaer 
Kopenh. 1837) führte er den Deimeis, daß bie alten 
Standinavier im 10, Jahrh. Amerika entdedt, vom 
11. bi3 14. Jahrh. eine große Strede des Küſten— 
landes von Nordbamerifa zu wiederholten malen 
bejucht und fi namentlich in Rhode-Island und 
Mafiahufett3- niedergelafien haben. Dieſen Ar: 
beiten ſchloſſen ſich in ähnlicher —— an 
aGroenlands hiſtoriſte Mindesmaerter» (3 Bde., 
Kopenh. 1838—45) und die «Antiquites russes et 
orientales» (3 Bde., Kopenh. 1850-52, Folio; 
1856, Oltav), an denen R, einen wejentlihen Anz 
teil hat. R. ftarb 20. Oft. 1864 in Kopenhagen. 

Rafraichiffene (vom frz. rafraichir, d. i. er: 
frifhen), eine Borrihtung, um ſich erfriichendes 
und wohlriehendes Waſſer ins Geſicht zu jpriken. 
(S. unter Berftäuber.) \ 

Ragaz oder Raga d Dorf und Bad im Bezirt 
Sargans des jchweiz. Kantons St. Ballen, liegt in 
reizender Umgebung, 521 m über dem Meere, an 
ber Tamina, da wo dieſelbe aus derengen Thalſpalte 
von Biäfers (ſ. d.) in das Nheinthal binaustritt, 

30* 


468 


an der Bahnlinie u Se ud und zählt (1880) 
1996 meift fath. E. Die Heilquellen, indifferente 

en von 37,3° C., entipringen in ber Pfäfer: 
ſerſchlucht und werben durch eine 4,3 km lange 
Nöhrenleitung nah R, binuntergeführt,_1o „bie: 
felben, immer noch 35,2° C. warm, zur Speifung 
der großartigen und vorzüglich eingerichteten 
Bäder (Neubad mit den Fürjtenbädern, Helenen;, 
Mühlen:, Dorf:, Schwimmbad) verwendet werden. 
Früher Staatsdomäne des Kantons St. Gallen 
ging 1868 der Hof N. famt dem Bade Piäfers 
und den Thermen für 100 Jahre in den Beſih 
des Architelten B. Simon über, welder die Kur: 
anftalten Bi er en: Nr ern und großartige 
Neu: und Umbauten s uellenhof, Kurfaal, Trint: 
balle u. ſ. w.) beträchtlich erweitert und verſchö— 
nert und damit R. zu einem der beſteingerich— 
teten und freguentierteften Kurorte (jährlid etwa 
20000 Kurgäfte) Europas gemacht hat. Geſchicht⸗ 
lich ift R. befannt durch den Sieg, den die Ölar: 
ner und Schwyzer bier 6, März 1444 über die 
Öfterreicher errangen. Vgl. Kaifer, «Die Therme 
von R.:Pfäfers» (5. Aufl., St. Gallen 1829); von 
Tſchudi, «R.:-Pfäfers und die Vereinigten Schwei: 
jerbahnen» (St. Gallen 1870). 

Raglan (Fikroy James Henry Somerfet, Lord), 
brit. Feldmarſchall, geb. 30. Sept. 1788, war der 
jingfte Sohn des fünften Herzogs von Beaufort, 
trat 1804 als Kornet beim brit. 4. Dragonerregi: 
ment ein und wurde im folgenden Jahre Lieutenant 
und 1808 Kapitän. Mitgroher Auszeichnung diente 
er im Halbinfeltriege unter Wellington, der ihn be: 
reit3 1809 al3 Chef der Kriegstanzlei in feine un: 
mittelbare Nähe sg Beim Eturm von Badajoz 
war er der erite, der die Brefche erftieg und den 
Degen des franz. Kommandanten empfing, und in 
der Schlacht von Waterloo verlor er den rechten 
Arm. Zum Oberiten aufgerüdt, folgte er Welling: 
ton nad) Paxis und auf feinen Geſandtſchaftsreiſen 
nad) Wien, Verona und Petersburg. Inzwiſchen 
ward er zum Mitglied des Unterhaufes gewählt, 
erhielt 1818 die Stelle eines Selretärs beim Ge: 
neralzeugamt, die er fpäter mit der eines Selretärd 
beim ——— des engl. Heers, Lord Hill, 
vertauſchte, in we * Amt er auch ſeit 1842 unter 
Wellington verblieb. N. wurde 1825 General: 
major, 1838 Generallieutenant und nad Melling: 
tond Tode 1852 Generalfeldzeugmeifter mit der 
BVeerswürde und dem Titel Lord R. Im Febr. 
1854 übernahm er den Befehl über die brit. 
Armee im Drient, und mit der Landung in ber 
Krim 14. Sept. begann der blutige und ereignis: 
volle Kampf, in dem der Sieg an der Alma, der 
Flankenmarſch nad Balallawa, die Schlaht von 
Inlerman, nad der R. zum Feldmarfhall erhoben 
wurde, und die langwierige Belagerung von Se: 
mwaftopol die Hauptmomente bilden. R. ftarb an 

höpfung vor Sewaftopol 28. Juni 1855. Aus 
feiner Ehe mit einer Tochter des Örafen Morning: 
ton und Nichte Wellingtons hatte er zwei Söhne, 
wovon ber ältefte, Major Arthur William 
Fisroy Somerfet, 1845 im Kriege gegen bie 
Silhs blieb, der zweite, Rihard Henry Sipron 
Somerjet, geb. 24. Mai 1817, der dem Vater 
als Lord N. in der Peerage folgte, unter dem Mi: 
nifterium Derby 1858—59 Kammerherr der Köni— 
gin Victoria war und beim Wiedereintritt der To: 
ries im Juli 1866 diefes Amt zum zweiten mal er: 
bielt. jtarb 4, Mai 1884 zu London, Ihm 


Raglan — Ragufa (Stadt) 


folgte als dritter Lord N. fein Son George 
Fißroy Den), geb. 1857. 

Nagnaröf, d, i. die große Kataſtrophe der Göt: 
ter, bedeutet in der nordiichen Mythologie den Un: 
tergang der Welt und der herrſchen ötter, die 
im Kampfe mit den böfen Mächten, nachdem aller: 
lei Naturerfcheinungen vorausgingen, ihr Ende fin; 
den, Neben R. erſcheint in fpätern altisländ, Quel⸗ 
len ragnarökr, d. i. Verfinfterung der Götter ; nad) 
diefem ijt das ort und der Begriff «Götterbämme: 
run in unfere Roefie eingedrungen, 

agnit, Kreisſtadt im preuß. Regierungsbezirk 
Gumbinnen, an der Memel, it Sib eines Land: 
ratsamts und eines Amtsgerichts, bat ein altes 
Schloß und ap (1880) 3580 meift prot. €., weldye 
Dampfſägemühlen unterhalten un 
Holz: und Getreidehandel treiben. Bei R. liegt das 
Rittergut ——— nit mit einer 1846 gegrunde⸗ 
ten Provinzialbaumſchule, Lehrhof⸗Ragnit mit einer 
1850 eröffneten Ader auf: ule und Neuhof: Nagnit 
mit einem tönigl. Nemontebepöt. — Der Kreis 
nagnt ählt (1880) auf 1217 qkm 54394 €, 

aguhn, Stadt in Anhalt, Kreis Defiau, auf 
einer durd die Mulde gebildeten Inſel, Station 
der Linie Magdeburg :Zerbit-Peipzig der Preubi: 
hen Staatsbahnen, hat (1885) 2040 E. und Fa: 
brifation von Tuch, Bapier, Öfen, ätherifhen S 
und Drabtfieben, fowie eine bedeutende Mahlmühle, 

Ragufa (ilaw. Dubrownik, türf, Paprownik), 
Hauptitadt der gleihnamigen Bezirlshauptmann⸗ 
[seit im öjterr, Köniareih Dalmatien, liegt amı 

ihe und zum Teil an den felfigen, fteilen Ab: 
* en des Berges Sergio, ſodaß die 

afen durch Treppen mit den untern verbunden 
find. Durd die vielen Türme und hohen Mauern 
erhält fie da3 Anfehen einer Feltung aus dem 
Mittelalter, dod) iſt fie ziemlich gut gebaut und die 
Gaflen find, wenn aud) eng und uneben, fehr rein: 
lid. Der 300 m lange, ſehr breite Corſo teilt fie 
in zwei gleiche Teile, Die Stadt hat zwei Bor: 
ftädte, alte Feſtungsmauern und (1830) 7245, als 
Gemeinde 10936 E. Sie ift feit 1 der 
eines Bischofs, während früher (feit 1121) da 
ein Erzbifchof refidierte, eines Kreisgerichts, einer 
Prätur, eines Central:, Hafen: und Geefanitäts: 
amts und einer Handeld: und Gewerbefammer und 

at eine theol. Lehranftalt, ein Gymnafium, eine 
Nautiſche Schule, Klöfter der Jefuiten, Domini- 
faner und Franzisfaner, mehrere Woblthätigleits- 
anftalten u. f. w. Die Domlirdhe und der € 
lige Nefidenzpalaft des Reltors der Republik find 
ausgezeichnete Gebäude, Die Forts ©: 0, 
Leverono, Molo, ne eritta, Imperial und 
croma beberrfchen die Stadt und den Hafen, wel: 
cher Hein und dem Sirocco ausgefept ift. Bei 
Leverono liegt das HKontumazgebäude und auch ber 
Bazar für die türk. Karavane, welde br 
wöchentlih fommt, Den eigentlihen Hafen von 
N, bildet die 6 km entfernte Bucht von Gravoſa 
oder Sta.Eroce, die ſicher und für die größte Flotte 
geräumig, auch mit Magazinen und Schi 
wohl verjehen iſt. An diefer malerif Bucht 
—— die vornehmen Bewohner R.s ihre Villen. 

t. war beinahe vier Jehrhun erte lang der Mittel⸗ 
— eines bedeutenden Induſtrie- und Handels⸗ 
etriebs und befaß eine anfehnlide Marine, Gegen: 
wärtig —— ſich die Irduſtrie auf etwas 
Eeide und Leder und einige Liqueurfa ; vor 
trefflich ift auch das dortige Sl. Der Handel mit 


Nagufa (Herzog von) — Rahl 


der benachbarten Türkei ift mehr Tranfit: und Spe: 
bitions: als Aftivbandel, 

Der Drt wurde 656 n. Chr. durch Flüchtlinge 
aus Altraguſa gegründet, als diefes die Treburier, 
ein flaw. Bollsitamm, zerftörten. Es bildete ſich 
nah Venedigs Vorbild zu einer ariftofratiichen 
Nepublit mit einem Rektor an der Spike, begab 
fih 1358 unter Ungarns Schuß und zahlte fpäter 
auch der Pforte Tribut. Seine Blütezeit fällt in 
die J. 1427—37, wo die Stadt 35000 E. zählte. 
Das Gebiet der Nepublil betrug nie mehr als 
1375 qkm, Die Belt in den J. 1548 und 1562, 
überaus häufige Erdbeben, von denen das von 
1667 die Stadt faft ganz zeritörte und bas vom 
14. Avril 1850 fie abermals fchredlich heimſuchte 
(jowie das benadhbarte Stagno 29, April gänzlich 
nieberwarf), endlich die veränderte Richtung des 
Welthandels untergruben den Reichtum des Heinen 
Handelsſtaats. Napoleon I. ließ 1805 unter dem 
Vorwand verlekter Neutralität das Gebiet von R, 
befepen, das nun von Ruſſen und Montenegrinern 
verwüjtet ward, R. wurbe 1811 zum neugebildeten 
Hönigreih Illyrien gefchlagen, mit dem es 1814 
an Biterreic tam. Napoleon verlieh dem Marſchall 
Marmont den Titel eines Derzons von R. 

Der Fleden Altragufa (ital. Raguſa vecdhia), 
das alte Epidaurus, 589 v. Chr, von griech. An: 
fieblern gegründet, ift jebt ein ärmlicher Flecen, 
10 km von R., mit 675 (Oemeinbe 9304) E. 

—8* (Herzog von), ſ. Marmont. 

Ragufanifche Litteratur, |. u. Kroatiſche 
gitteratur]). 

Nagwurz, Bilanzengattung, foviel wie Orchis, 

Nahber Anud Yyne), leiter dän. Schrift: 
fteller des 18. Jahrh., geb. 18. Dez. 1760 zu open: 
bagen, bezog 1775 die Univerfität dafelbit und wid: 
mete ſich fa ausſchließlich belletriftiichen Studien. 
Nachdem er * 1788 Vorleſungen über Aſthetil 
an der lopenhagener Univerſität gehalten, erhielt 
er 17 die Prof der Aſthetit und war feit 1809 
Mitglied der Thenterlommilfion. Seit 1816 trat 
er von neuem als Lehrer der Univerfität auf, Er 
ftarb 22, April 1830. Von feiner_litterarifchen 
Thätigleit bat R. eine ausführliche Schilderung in 
feiner Selbjtbiograpbie (5 Tle., 1824—29) binter: 
laſſen. Als Dichter erwarb er ſich durch feine Iyris 
ſchen Gedichte (2 Bde., 1794—1802), weniger durch 
jeine vaterländiihen Schaufpiele (3 Bde., 1809 
— 13) Beifall. Die allgemeinfte Anerkennung fan: 
ben jedoch feine nad Gefinnung wie Form gleich 
vortrefflihen Erzählungen (8 Bde., 1785—1806). 
Einen noch nedkaltierre Wirkungslreis eröffnete 
er ſich durch feine Fritiiche Thätigleit als Heraus: 
geber mehrerer Zeitfchriften, der «Minerva» jeit 
1785, der «Dän. Minerva» 1815—19, des «Hespe⸗ 
russ 1819—23, der «Tritogenia» 1828—30, vor 
allem aber des durch Addiſons «Spectator» ber: 
—— «Dän. Zufchauer» 1791—1806, 

ahel (bebr., «Diutterichaf»), nad der hebr. 
Stammfage die jüngfte und jchönfte Tochter La— 
bans, um deren Beſiß atob erſt fieben Jahre und 
danach, ala ibm Laban binterlijtigerweije feine 
ältefte Tochter Lea untergefchoben, noch weitere 
fieben Jahre diente, Sie follnad einer langen un: 
fruchtbaren Ehe die Mutter —38 und Benamins 
geworden, bei der Geburt des lehtern aber geſtorben 
ſei. Am Wege nach Ephrath, zwiſchen Bethel und 
Jeruſalem (nicht bei Bethlehem), ſoll ihr Jalob ein 
Örabmal gejept haben. 


469 


De Gattin von Barnbagen von Enfe (f. b.). 
Ra (Karl Heinr.) — Kupferſtecher, 
geb. 11. Juli 1779 zu Hofen ei Heilbronn, ftubierte 
in Wien unter Fügers Leitung. Seine eriten Ar: 
beiten führte er in der Punftiermanier aus, wandte 
ſich indes bald dem Grabftichel und der Nadel zu, 
— welchem Gebiet er zu ruhmvoller Auszeichnung 
elangte. Im J. 1815 wurde er zum Mitglied ber 
kademie der Künfte zu Wien, 1829 zum Kammer: 
fupferftecher und 1839 zum Profefior an der & £ 
Akademie, endlich 1841 zum Profeſſor erfter Klaſſe 
in Florenz ernannt; er ftarb 12. Aug. 1843 in 
Wien. Seine bebdeutendften Arbeiten find: Hiob 
und Belifar, nah Eberhard Wächter zu 
die großen Landſchaften von Pouffin, bie 
eil. Margareta aus der Schule Rafaels, Correg: 
i08 Nacht, fowie die Madonna und die heil. Mag» 
alena desſelben Meifterd, bie Darftellung im 
Tempel von Fra Bartolommeo, bie heil. Juſtina 
von Moretto u. f. w. 
Mahl (Karl), Sohn des vorigen, einer der be: 
deutenditen Hiftorienmaler der neueften Beit, 4*. 
13. Aug. 1812 zu Wien, beſuchte die bortige Ala— 
demie unb gewann im Alter von 19 Jahren mit dem 
Bilde David in der Höhle Adullam einen Preis. 
Nachdem er feit 1833 mit mehrern Kirchenbildern 
aufgetreten, malte er Hagen an ber Bahre Si 
frieds. Im J. 1836 ging er nad) Venedig un 
Rom. Die nachſten Arbeiten waren: der Schwur 
auf dem Nütli, und Manfred, ber von farl von 
Anjou auf dem Schladhtfelde von Benevent gefun: 
ben wird; ferner der Einzug Manfreds in Luceria. 
Beide Manfred:Bilder famen in die Galerie bes 
Belvedere, Dann entitand Odyſſeus, dem Leuto- 
thea im Sturm den Schleier reiht. Auch Porträts, 
in denen er ftet3 Hervorragendes leiltete, wurden 
bereits in Nom gemalt, Sm 1843 fehrte er nad) 
Wien zurüd und beſchäftigte fi dann in Paris mit 
Kopien nah Tizian, Veroneſe und Rubens, 
J. 1848 nahm er als Abgefandter der Alademiſchen 
Pegion in Wien an der — —— in 
Eiſenach teil und lebte dann in München. I 
1850 wurbe er proviforiich an bie wiener Akademie 
berufen, aber feine fünftlerifche Richtung wurbe fo 
ſehr angefeinbet, daß er bereits nad) fieben Monaten 
urüdtrat und eine Privatlunſtſchule gründete. Im 
uftrag des Barons von Sina malte er 1856 die 
Bilder an der Fazade und im Veſtibul ber griech. 
Kirche am Alten Fleiſchmarkt al fresco auf Gold— 
rund. Außerdem jhuf er für den Palaft dieſes 
Önners vier Bilder aus der griech. Heroenzeit und 
die vier Glemente. Ferner fhmüdte er den Palaſt 
Drafche (Heinrichshof) mit den Perjonifilationen 
ber Künſte de3 Friedens und ber Kultur und den 
Balaft Todesto mit Gemälden aus ber Paris: 
mythe. Cine ber Bürgerichaft von Athen vom 
Baron von Sina gefchentte Summe beftimmte jene 
dazu, eine peefaruge Kompofition R.s in Fries— 
form, die Aulturgefchichte Griechenlands darſtellend, 
ausführen zu lafjen. N. vollendete noch die Farben⸗ 
ſtizze und einen großen Teil der Karton®, Im J 
1863 zum Profeſſor ernannt, wurde ihm bie Aut: 
malung des Treppenbaufes im Waffenmufeum zu 
Wien übertragen. Gr malte bier drei koloſſale 
Dedenbilder und drei Bilder über den Fenſtern. 
Ebenjo vollendete er noch die Entwürfe für das 
Dpernhaus, die, feiner teftamentarijchen Beſtim— 
mung gemäß, zwei Lieblingsfhüler ausführen 


ſollten. SHierunter nimmt der Vorhang mit der 





470 


Berfinnlihung der Orpheusmythe den vornehn: 
iten Plab ein. Unter den vielen Kompofitionen 
ür Zafelbilder find = hervorzuheben: Neros 
— durch das brennende Rom und die 
Cimbernihladht (für die Galerie des Barons von 
Schad in Münden beftellt). Außerdem hat R. zahl: 
reiche Porträts berühmter Zeitgenofien ig Hm 
N. ftarb 9. Juli 1865 zu Wien. Bol. George: 
Mayer, « Erinnerungen an Karl N.» (Wien 1882). 

Rahm, Sahne, Schmand iſt ber fettreichite 
Teil der Bild, welter Sid bei rubigem Stehen in 
Form einer ſchiwach gelblich gefärbten, didflüffigen 
Schicht an der Oberfläche der Milch abjondert und 
teil3 als Nahrungsmittel genofien wird, teild das 
—— ur Bereitung der Butter und gewiſſer 
Käfejorten bildet. Ye nachdem die Milch während 
der Rahmabjonderung friſch blieb oder — 
a zu fäuern, erſcheint der N. als ſüßer oder 

aurerRahm. Zur momentanen Abjcheidung des 
R. aus der Milch bedient man fi) mit großem 
Vorteil der Centrifugen oder Separatoren, Mild: 
ihälmafchinen, von denen die von Lefeld und Lenz, 
Fesca u. a. zu erwähnen find. Die Menge des bei 
ruhigem Steben fich bildenden Rahms gewährt ein 
wenn auch nicht — ſicheres Urteil für bie 
Dualität der Milch. Zur Ermittelung dieſer Menge 
bedient man fi befonderer Inſtrumente, der 
Rahmmefjer oder Eremometer (f. d.). 
ahmäniye, Heine Stadt in der ägypt. Pro: 
vinz Behera, lintö am weſtl. Hauptmündungsarm 
(von Rofette) des Nils, 70 km im DSD. von 
Alerandria, namhaft durch das ſiegreiche Gefecht 
der Franzofen mit den Mamluten 12. Juli 1798, 

Rahmen, im Maſchinenhau joviel wie Geftell; 
bei der Appretur der Gewebe joviel wie Troden: 
oder —— in der Schuhfabrikation am 
Rand genähte Sohlen. — über Bilderrahmen 
ſ. unter Goldleiſten. 
Rahmenarbeit, ein Verfahren der weiblichen 
Handarbeit, bei welchem durch Nähen innerhalb 
eines Rahmens allerlei feine Wollwaren, ſog. Phan: 
tafieartitel, hergeſtellt werden. 

Rahmmeffer, foviel wie Gremometer. — 

Nahn (Joh. Rud.), Kunſthiſtoriler, geb. 24. April 
1841 in Züri, ſtudierte in Züri, Bonn und Ber: 
lin, und habilitierte fi 1868 in Züri, wo er jeit 
1877 als Ordinarius wirtt. Seit 1883 bociert er 
gleichzeitig als Profeſſor der eg am 
dgenöffifchen Polytechnilum. Von ibm erjchien 
namentlih «Geſchichte der bildenden Künfte in der 
Schweiz von den älteiten Zeiten bis zum Schluß 
des Mittelalters» (3 Abteil., Zür. 1874— 76), eine 
Ausgabe des «Psalterium aureum von St. Gallen» 
(St. Ballen 1878), «ftunft: und Wanderjtudien aus 
der Schweiz» (Wien 1883). Seit 1879 rebigiert R. 
den «Anzeiger für fchweiz. Altertumsfunden, 

Nahnis, Stadt, ſ. Nanis. 

NRahway, Stadt in Union County im nord: 
amerit, Staate Neujerfey, am Rahwayfluſſe und 
an der Benniylvania: und der eg Sr 
bat (1880) 6455 E., Wagen: und andere Fabriken 
und eine Öffentliche Bibliothel. AR. wurde 1720 ge: 
gründet und 1858 als Stadt inforporiert. 

Raiatea, eine der Gefellichaftsinfeln im Großen 
Deean, die größte und füdlichite der Leewardinſeln, 
mit dem nördlicher gelegenen GEiland Tahaa von 
einem Korallenriff umgeben, bat vielfad einge: 
buchtete Steillüften, vier gute Häfen (Hamanene 
und Toteroa im W., Uturoa und Dvoa im D,) 


Rahm — Raimondi 


und zählt auf 194 qkm 1400 prot. 
Das Gebirge der Inſel fteigt bis zu 650 m auf. - 
Rai Bareli, Roy Bareilly 
den Norbweitprovinzen des Indo:Britifhen 
im ebemaligen Audh, 12027 qkm mit 
2648950 E., zwifchen dem es im ©. und der 
Gumti im N, Der Hauptort i 
—— er 7 über den eine —— 
is hierher für Fahrzeuge von 
Raibolini — berühmter ital. ler, 


f. as 

aid (ſchott. ſpr. Rehd, d. h. S nannte 
man namentlich die im norbamerif. 
von der Reiterei unternommenen Züge, 


die feindlihen Verbindungen und 
ftört, Vorräte fortgenommen, Gefangene 
und Heine Boiten aufgehoben wurben. 
Naiffeif e Darichnätaff 
Darlehnövereine. 


envereine, |. 

Naigern (auch Groß-Naigern af kai, m 

Markt in der Bezirlshauptmann im 
fübl, —— Zt vum ala - 

— un 


Brünn der Kaifer Ferdinands-Norbbahn, 
1651 jlaw. E. einer bedeutenden 
einer Benebiktinerabtei, die 1048 vom Herzog Die: 
tislaw aeftiftet wurde, eine ſchöne S eine 
ie — —— 
iche und archaͤol. ungen 

Raigras, ſ. unter in 

Railway-spine (engl.), en — 
der Grihütterung des note wie fie bei 
Gifenbabnunfällen vortommt, und bierdurd) 
bedingten —— Kopf: und Rüden: 
ihmerzen, Schwindel, Nustellähmungen, abnorme 
Zaftempfindungen u. hal. 

aimondi (Marco Antonio), gewöhnlih Marc: 

anton genannt, der größte Ku echer ber ital. 
Renaiflance, berühmt als trenefter 
bedeutenden Anzahl Rafaelſcher 
Seine Lebensumstände find fehr wenig 
De Belogne 1475 ober wenig fpäter geboren, 
cheint er feine Lehrzeit bei Francesco Raibolini, 
dem Maler und olbichmied, bejtanden und in 
deſſen Werkitätte ſich zuerft in Nielloarbeiten ver: 
jucht zu haben. Auch bei ben erben 
arbeiten dienten —* die Zeichnungen ſeines 
ſters neben denen Mantegnas und anderer 
als Vorlagen. Im J. 1504 wird Marcanton ale 
hervorragender Stecher genannt; aus bem J. 
ift uns der erfte datierte Stich erhalten. 
nach muß er mit den Merken Dürers helannt 
worden fein, von denen er ganze Serien in 
ar mg —— gu 

ohnſit na om und trat bort 
reiche Beziehungen zu Rafael. — Zn 
techniiche Befähigung durch zwei feiner gefuchtejten 
Stiche: die Hletterer und Qucretia, bewiefen, 
traute ihn Nafael von da ab gem mit der Repro- 

fi) . 


dultion feiner vorzüglichiten ofitionen, 
Stecher jener Beit fertigten ihre Sfatten 


8 


Bar 


aus⸗ 
nahmslos nad) Skizzen und Zeichnungen, 
nad) den Kartons des Malers, aber nicht den 
fertigen Gemälden; von Wi des loloriſti⸗ 
ſchen Effelts oder des Helldunfels eines Bildes 
wußte auch Marcanton ae bagsarn feine 
Zeichnung ‚von unverglei * und 
edelſter — ſodaß ſchon Sage 
entitand, Rafael felbit habe ihm die Contouren auf 


die Wlatte vorgezeihnet, In diefer Hinſicht 


® 


— — 


Raimund — Naimund de Sabunda 


feine Werle bis zur Gegenwart unübertroffen, 
während fie von für alle Stecher reichſte 
Quelle de3 Studiums geweſen. Die Thätigkeit 
Marcantons erreichte ihren Höhepunkt in den J. 
1510— 24; eine Anzahl trefflider Schüler, wie 
Marco di Ravenna, Ngoftino Veneziano, Jacopo 
Garaglio u. a., arbeiteten unter feinen Augen, und 
ihre Mithilfe ermöglichte innerhalb jener 12—15 
Sabre das Entftehen von Hunderten ——— 
Platten. Rad) Rafaels Tode (1520) arbeitete Marc 
anton häufig nad Zeichnungen Giulio Romanos; 
in einem Fall zu feinem Unglüd, da die Wieder: 
gabe der tigten 20 Götterliebichaften ihm 
den Zorn des ftes und Gefängnishaft zuzog. 
Das bedeutendite Wert, der fpätern Jahre ijt der 


Tod des heil. Laurentius nad Bandinelli. Die | Herbit 


Groberung Roms (1527) ruinierte Marcanton voll: 
ſtãndig und trieb ihn nad) Vologna zurüd; von da 
ab verliert fid) jede fiddere Spur künftleriihen Wir: 
lens, ſodaß nicht einmal das Todesjahr anzugeben 
it; 1534 ſcheint er nicht mehr gelebt zu haben. 

Ra von Saint-Gilles, Graf von 
Zouloufe, jeit 1088 der reichſte und mädhtigfte Fürft 
S ‚ war einer der erjten, welche auf den 
Auf Bapftes 1095 fi zum Kreuzzug bereit er: 
Härten. Während desfelben zeichnete er ſich wieder: 
holt aus, namentlich bei der Eroberung und Ber: 
—— ——— Als nad) der Einnahme Je— 
ruſalems 1099 Gottfried von Bouillon zum ze 
de3 neuen Königreich erwäblt warb, fühlte R. fi 
zurhdgejett und kehrte heim. Unterwegs aber tra 
er in Konftantinopel ein neues Kreuzheer; er fü 
ſich beftimmen, die Führung desjelben durch Klein: 
aſien zu übernehmen, eroberte 1103 Tripolis und 
ſtarb dafelbjt 28. Febr. 1105. 

Ra ein Scholaftiter, mit dem Beinamen 
de Penna forti oder de Rupe forti, gleid) 
ausgezeichnet als Kanoniſt und Kafuift, ein Sad. 
lomme der Grafen von Barcelona und ber Könige 


von Aragonien, wurde 1175 auf dem Schloſſe Ho 


Bennafort in Gatalonien geboren. Er widmete 
ſich dem Rechtsſtudium, trat dann als Lehrer des 
fanonifhen Rechts in Bologna auf und wurde 
1218 Kanoniker und Ardidiafonus in Barcelona, 
1222 Dominifaner. Als Freund und Bejörderer 
der Inquiſition wie als Prediger gegen die gr 
bigen Mauren machte er fih um den päpitl. Stuhl 
verdient, ſodaß Gregor IX. ihn zum Beidhtvater 
und Großpönitentiarius erwählte (1230) und durd) 
ihn ein fgjtematiiches, meiſtens aus den frühern 
Defretalen zufanımengebradptes Geſetßzbuch auf: 
ftellen lieb (1234), weldyes unter dem Namen «De- 
eretalium Gregorii P. IX. Lib. V» befannt ift. 
Auch war er ed, ber ftatt der alten Bönitengbücher 
die Kaſuiſtik in eine ſcholaſtiſch-wiſſenſchaftliche 
Form brachte. Dies geſchah durch feine «Summa de 
itentia et matrimonio», gewöhnlid) «Summa 
imundiana» genannt, bie oft herausgegeben 
wurde (namentlich mit den Glofien von Johannes 
de Friburgo, Nom 1603). N. kehrte nad) Epa- 
nien wieber zurüd, erhielt 1238 die Generaldwürde 
feines Ordens, legte fie aber ſchon 1240 wieder 
nieder, widmete fih nun dem beihaulichen Leben 
und ftarb, 100 3. alt, 1275. Glemens VII. ver: 
feste ihn (1601) unter die Heiligen der röm. Kirche. 
‚Raimund (Ferd.), nambafter öiterr. Bühnen: 
dichter und Schauipieler, der Begründer der humo: 
riftiich:gemütlichen Vollspoſſe, geb. zu Wien 1. Juni 
1790, lernte bei einem Honditor, entfloh aber und 


4il 


ging zum Theater. Er trat zuerft in Preßburg und 
1809 in Edenburg und Naab auf. Dur }; 1814 
elang es - am Iheater in der Joſephsſtadt in 
ien für das Fach lokaltomiſcher Bartien ange: 
ftellt zu werben; 1817 fam er an das Leopoldjtädter 
Theater und wurde allmählich die Secle der wiener 
Volksbühne. Seit 1823 trat er auch als Bolts: 
dihter auf. Sein erſtes Stüd war das Zauber: 
[piel aDer Barometermader auf der Zanberiniel»; 
ieſem folgte «Der Diamant des Pr 
1824), «Der Bauer als Millionär» (1826), «Moi: 
— Bauberfludh» (1827), «Die gefeſſelte Phan— 
tajie» (1828), «Der Alpenlönig und der Menſchen⸗ 
feind» (1828) und das tragitomiiche Zauberſpiel 
«Die unbeilbringende Zaubertrone» (1829), Im 
1830 löfte er jein Verhältnis zum Leopold⸗ 
jtädter Theater, dejien Direktion er in den Ichten 
zwei Jahren geführt. Im J. 1831 fehte er felbit 
in ben und Hamburg, 1832 in Berlin und 
Hamburg feine Luftipiele in Scene und trat in den 
Hauptrolten berjelben, fowie in andern beliebten 
wiener Lolaltomödien auf. Im %. 1833 fchrieb er 
für das Joſephſtãdter Theater fein leites und beftes 
Stüd «Der Verſchwender⸗. Hierauf kaufte er fi) 
in einem Thale bei Gutenſtein eine Heine Beſizung 
und jpielte ſechs Monate lang wieder im Leopold: 
ftädter Theater. In den %.1835 und 1836 gab er in 
Münden, Prag und Hanıburg abermals Gaft: 
rollen. Sn einem Anfall von Hypochondrie fuchte 
er ſich mittel3 eines Terzerols a töten und ftarb 
= en Zope ; nadıbet, * ei; — 
«Sämtlichen e» gab zuerjt J. N. Bogl herau 
(4 a en 1837; 3.4 u Fi 1882); dann 
Glofiy und Sauer, anad) den Original: und Then: 
termanuftripten, nebſt Nadlah und Biographie» 
(3 Bde., Wien 1881). Am 18. Dez. 1872 wurde 
ihm an jeinem Geburtshauſe zu Wien eine Geben: 
tafel errichtet, eine zweite ijt für 1886 in Potten: 
ftein, dem Drt feines Todes, geplant. Bol. Otto 
mm Bäuerle), «Ferdinand R., Roman» 
(3 Bde., Wien 1855); 2. 9. Franll, «Zur Bios 
graphie Ferdinand R.3» (Wien 1884). . 
Raimund (Golo), Romanfhriftitellerin, Pſeu— 
bonym für Frederich, geborene Heyn (nicht, 
wie früher geglaubt wurde, für Georg Dannen: 
berg), feit 1847 vermählt mit dem Hofmaler und 
jpätern Rebalteur des «Hannöverjcyen Kouriers, 
Eduard Frederic in Hannover (geit. 1864), ver: 
Öffentlichte feit 1854 zumächit im Feuilleton dieſer 
Zeitung, dann in Buͤchform eine Reihe von No— 
vellen. J. 1856 erſchien ihr erſter zweibändiger 
Familienronian «Z3wei Bräute», dem ſpuüter eine 
rößere Anzahl anderer Romane und Novellen 
olgten, darunter «Bürgerlidh Blut» (1859), +»Cin 
rtes » (1859), «Durch zwei Menſchenalter⸗ 
1862), «Schloß Cltrath» (1865), «Zweimal ver: 
mäblt (1867), «Berwaift» (1875), «Mein ift die 
Rache⸗ (1877) u. f. w. Sie ftarb 5. Dit. 1884. 
aimund de Sabunda (eigentlih Sabiende), 
gebürtig aus Spanien, wendete fid von der Medi: 
zin zur Philoſophie und Theologie, die er um 1430 
Zouloufe vor Gr gehört zu den fpätern Aus: 
äufern der Scholajtit und ſuchte ihr vom Stand: 
punkte der Naturkenntnis und des geſunden Men: 
ſchenſinns Hilfe zu leiften in_einer Ausglei ur, 
des Gegenſatzes zwiſchen der Scholaftit und Myſti 
mit bloß etlektiiher Benuhung der herfömmliden 
ſcholaſtiſchen Formeln. In dieler Beziehung ift fein 
«Liber creaturarum. seu theologia naturalis» 


472 


(1436; Straßb. 1496; neue Ausg., Sulzb. go 
am bebeutenbften geworben. Gr behauptete, ba 

Gott dem Menichen zwei ſich nicht widerjpredhende 
Bücher gegeben babe, um ibn, ihr Verhältnis zu 
ihm und ie Beſtimmung zu erkennen; dieſe Bücher 
feien das Buch der Natur und die 5 Schrift. 
Von Ben Buche, das allen une vorliege, ver: 
ftändli und von Kehern Weser bar fei, müfle 
die Erfenntnis at Da die Heilige Schrift 
durch die Menschen gefälfcht worden ſei, müſſe man 
jenes Buch, d. b. durch die 
Vernunft, wie durch die innere und äußere Erfah— 
rung begründen. Andererſeits könne die Dffen: 
barung nur fe lehren, was mit der Vernunft 


ihre Ausfprüde du 


vereinbar ſei; fte fei zur Gröffnung berjenigen 
Wahrheiten, die der Menſch aus eigener Kraft nicht 
finden würde. Als die höchſte Erlenntnis bezeichnete 
er bie Liebe Gottes, Nach jenen Grundſähen fon: 
ftruierte er dann bie ganze Kirchenlehre. Val. Mapte, 
«Die natürlihe Theologie des R. von Sabunda» 
(Brest. 1816); Hutter, «Die Neligionspbilofopbie 
des Raymund von Sabundan up. 1851). 

Raimundns Lullus, Scholaftifer bes 13. 
Jabrh., ſ. Lullus, 

Rain, Stadt im bayr. Regierungsbezirl Schwa⸗ 
ben, Bezirlsamt Neuburg a. D., an der Ach und 
unweit rechts des untern Lechs, Station der Linie 
— mpeg“ ensburg der Bayriſchen 
Staatsbahnen, eines — bat (1880) 
1449 E. und eine Hündhölzerfabrif. Bei Verteidi- 
aung bes Lehübergangs und der damals wichtigen 
Grenzfeitung R. gegen Guſtav Adolf erhielt am 
15. April 1632 Tilly die Wunde, welcher er am 
30. April zu Ingolftadt erlag. N. iit Geburtsort ber 
Rompeniken dranz, Janaz und Bincenz Lachner. 

NRainald von Dafiel, Erabifcor von Köln 
1159— 67, war ſchon er 1156 Kanzler Kaifer 
Friedrichs I. S ebe er kölniſcher Erzbiſchof 
und zugleich Erzkanzler von Italien ward. In der 
erſten ie ber Regierung des eg kl deſſen vor: 
nehmſter Natgeber und ganz von der alles über: 
ftrablenden Machtvolltommenbeit des Kaifertums 
erfüllt, trug R. viel dazu bei, daß Friedrichs Ver: 
bältnis zu den lombardiſchen Städten und zum 
Wapfttum ein frofies ward, namentlich jr Zeit 
Aleranders III. mit dem R., als derfelbe nod 
Kardinal Roland war, auf dem Reichstag zu Be: 
fangon Dt. 1157 perjönlich Brrnhsiinerse N war. 
Mur feinen Betrieb erklärte Friedrich fi für den 
Gegenpapft Victor IV. und deſſen Nachfolger. 
Zurd ibn und feinen in Gemeinſchaft mit dem 
Erzbiſchof Chrijtian von reis gewonnenen Sieg 
vor den Thoren Roms wurde Alerander zur Flucht 
genötigt und der Gegenpapſt Bafchalis III. in Rom 
inftalliert. R. ftarb an der Malaria 14. Aug. 1167, 
Seine Leiche ward im lölner Dom beigefept, welchen 
R. durch die von ihm erworbenen Gebeine der heil. 
drei Könige zu einer bochgefeierten Pilgerftätte ge: 
macht hatte. Vol. J. Fider, «N, von Dajjel, Erz 
— Fr a A lie 

ainer (of. ob. Michael Franz), Erzherzog 
von Öfterreicy, Vizelönig des Lombardijch:Venetia: 
nischen Königreichs, der fiebente Sohn Kaiſer Leo— 
pold3 II. aus deſſen Che mit Marie Luiſe von 
Spanien, war 30. Sept. 1783 geboren, Geine | 
Yaufbahn war anfangs eine militärische, bis er | 
1818 zum Bizelönig des öjterr. Italien erhoben 
warb. Sein perſönlich milder Charakter verſprach | 
eine glüdlihe Regierung, aber das Metternichiche 


Raimundus Lulus — Raiwawai-Inſeln 


Grenzen, Unter ſolchen Verbäftnijien konnte ber 
Grjberzog die innere Gärung und ihre gewaltiamen 
Ausbrüde nicht bindern. Als im M 
Aufitand in Mailand ausbrach, ſah er fi genötigt, 
die Lombardei zu verlafien. r 
num meiſtens in Sübtirol und ftarb dort 16, Jan. 
1853, Cr war feit 1820 mit der farbin. Pri 
Glifabeth, der Schweiter des Königs Karl > 
vermäblt, aus welder Ehe ihn ſechs Kinder über: 
lebten: Adelheid, geb. 3. Juni 1822, ſeit 1842 mit 
Victor Emanuel Il. von Sardinien vermählt, = 
20. Yan, 1855; Erzherzog Leopold (f. d.) k 
6. Juni 1823, General der Kavallerie; Griberzog 
Ernit, geb, 8. Aug. 1824; Siegmund, geb. 7. 
1826; Erzherzog Rainer, geb. 11. Yan. 1827, 
eugmeifter, ſeit 1852 mit der Erzherzogin 
Karoline), der jüngften Tochter des Enbeniogs 
arl, vermäblt, trat früh in die Armee, wu 
1852 Oberft, fpäter Generalmajor und Brigabier. 
Am 2. Febr. 1857 zum Präfidenten des ftänbigen 
Neichärats ernannt, leitete er 1860 die 
lungen des Berftärkten Reichsrats und wurde 
4. Febr. 1861 Präfibent des erften liberalen Kabi⸗ 
netts —5— Am 9. März 1861 Feld: 
marfhalllieutenant erhoben, leitete er die Staats: 
geſchafte big zum 22. Juli 1865. Seit 1868 wid- 
mete er fi der Drganifation der Landwehr, deren 
oberiter Kommandant er ward. Durd Anlauf des 
— von El⸗Fayum ———— Gr Rai: 
ner), den der Kaufmann Theodor Graf auf feiner 
Drientreife entdedte und Profefior Kara ent: 
üiiente und bearbeitete, bat ſich R. ein befonberes 
gerdienft um die Wiffenichaft erworben. Dabei 
—— er die Kunſtinduſtrie als Proteltor des 
uſeums (ſeit 1863) und Präfident der Weltaus- 
ng ya 1873. Heinrich, ber 
Sohn R.s, geb. 9. Mai 1838, 
tenant, ift vermäblt mit Baronin Waidel lehema⸗ 
ligen Schaufpielerin Hofmann). 

Nainha (Caldas da), f. unter Caldas, 

Naintweide, f. unter Ligustrum, 

Rainy Lafe, ein Landfee auf der Grenze des 
nordamerif, Staates Minnejota und Britiſch Nord: 
amerila, fteht durch den Rainy oder Rainy Late: 
Sub mit dem Lafe of the Woods in Verbindung. 

abe feinem Ausflufie befinden fid) die 6 m hohen 
Fälle von Fort Francis, i 

Naipur, Naiapur, Hauptitabt eines Diftrikts 
(30 781 qkm mit 1093405 €.) in der Divifion 
Zichattisgarh der Gentralprovinzen des Indo 
Reichs, öftlih von Nagpur, mit (1872) 
1 Y 


Raifind de Damas, ß unter Roſinen. 
Naismes, Stadt im franz. Depart. bu Nord, 
Arrondifiement Balenciennes, Station der Linien 
Donai:-UQuicvrain und Valenciennes⸗Lille der Nord» 
bahn, hat (1881) 3276 (Gemeinde 4896) E. Stein: 
tohlenwerte, Eifeninduftrie, Fabrifation von Weins 
eig und Holzhandel. } 
ait (lm. Räjec), Dorf in ber Bezirlshaupt⸗ 
mannſchaft Boslowis im füdl, Mähren, an ber 
Zwittawa, Station der Linie Wien:Prag der 
reihiich = Ungariihen Staatsbahnen, mit 1000) 
1332 flaw. E. Das Schloß des Fürſten 
Reifferſcheid, auf einer bominierenden Anböbe, bat 
ihöne Gartenanlagen und eine wertvolle 
Ina von Bildern und Antiquitäten, 
aiwawai-Inſeln, ſ. Tubuai:Injelm, 


— 


Syſtem in Wien Shen Be Einfluß bie engften 
e 


1848 der 


Naizen — Naleten 


Naizen, ribtiger Rahen (ſſaw. Nabi, Raſchhi, 
Rafchane, magyar. Räcz, in der Mehrzahl Näczot, 
im mittelalterlichen Latein Rasciani), werben die 
Serben grieh. Glaubens in Serbien, Slawonien, 
Niederungarn und Rumänien von ibren nichtilam. 
Landsleuten, namentlich von den Magyaren, aber 
auch von Deutihen genannt, Der Name 
fommt von ber alten Stabt Raſſa, bem heutigen 
Novibazar, an dem Fluß Raſchla im ſüdl. Ser: 
bien, wo zuerit in dem geichichtlich befannten alten 
Gau gleihen Namens die Nemanjiten 1159 bie 
Großzupanie Raſſa (Rascia), das fpätere 
raſſiſche oder ferb. Königreih, gründeten und in 
der genannten Stadt ibre erfte Refidenz hatten. 
Selbit noch rn ber —— des Reichs bis 
—— Küfte nannten nd ie Fürjten aus 

em Haufe Nemanja «Könige des raßiſchen (fer: 
Dilcen) und Küjtenlandes». Später zerfiel das: 
jelbe in einzelne Gebiete mit_befondern Namen, 
und Rascien gilt im engern Sinne nur für Ser: 
bien. Der inifer von Dfterreich führt als König 
von Ungarn no das Wappen eines Herrn von 
Rascien im großen Staatswappen. 


a, der Rochen. 

Raja, Rajah (in Kamen: f. Nadia, 

Majah (eigentlih riaja, Mehrzahl des arab. 
Wortes raije, Herde) dient im Zürliihen als 
Kolleltivbe unge, ber der Pforte unterworfenen 
Bölterfhaften. welche, fofern fie nit dur An: 
nabme des Islam in die —— Raſſe der DS: 
manen eintraten, von dieſer als willen: und recht: 
loſe Herben geführt und — werden ſoll⸗ 
ten. Die europ. Sprachen haben das Wort R. als 
Bezeichnung des jenen Volkerſchaften angehörigen 
Individuums aufgefaht, ſodaß ein R. einen nicht: 
mohammedaniſchen Untertban ber Pforte bedeutet. 
tiber die ſtaatsrechtlichen Berhältnifie der Rajah— 
nationen ſ. OSmaniſches Neid. 

Najerz, Marktjleden im ungar. Komitat 
Trentichin mit 2636 E.; in der Näbe tft ein warmes 
Mineralbad 


Naiolen (des Bodens), f. Rigolen. 
oo gl Beni puten, 
Male, ſ. Mandelträbe. 


Raketen (vom ital, rocchetta) find Feuerwerls⸗ 
körper, welche nicht bloß auf dem Gebiete der Luft: 
feuerwerlerei eine Rolle fpielen und bier zu ben 
eindrudsvolliten Stüden * ſondern auch für 
ernſtere Zwede (Signalmelen) und insbeſondere 
als Kriegsmittel Bedeutung haben und als ſolche 
zeitweiſe für hervorragend galten. Die R. gehören 
zu den Steigfeuern (. Feuerwerk) und haben 
als Hauptteil eine cylindrifhe Hülfe von ftarlem 
Bapier oder Eiſenblech, welche mit einem raſchen 
Treibſaß in verbichtetem Zuftande derart angefüllt 
ift, daß innerhalb des Sabes eine an einem Ende 
ofiene Höhlung, bie Seele, bleibt. An bem der 
Offnung entgegengeiehten Ende ift die Seele durch 
ein Stüd maſſiven Sabes, die ſog. Zehrung, ge: 
ſchloſſen. Die Hülfe ift fo ftarl, daß fie der aus: 
gebehnten Araft des Gaſes bes Treibſaßes zu 
wiberftehen vermag. Bei der Entzündung fängt 
der Sak auf den Seitenwänden der Seele und der 
innen der Zehrung Feuer und brennt unter 
ftarter Gasentwidelung allmählich ab. Die N, be: 
ment fich infolge des auf die Zehrung wirlenden 
einjeitigen Gasdruds in entjprechender Richtung 
mit wachiender Geſchwindigleit fort, Die vermöge 
ber Anbringung der Seele vergrößerte Vrenufläce 





473 


des Satzes ergibt von Anfang an die nötige Gas: 
menge, um das Trägbeitsmoment der N. zu über: 
winden. Gin an ber Hülfe * langer hoͤl⸗ 
erner Stab dient dieſer als Gegengewicht, ver: 
hindert bie feitlihen Schwankungen und das Über: 
agen der N. und verleiht diejer die pfeilartine 
—— Am vordern Ende erhält die Hülſe 
zum bejjern Durchichneiden der Luft eine koniche 
Spitze. R. zu Feuerwerlszweden läßt man mög: 
lichſt fenfrecht aufiteigen, ihr Effelt berubt entweder 
nur auf dem langen Funkenſtrahl des Treibfages 
(woran ſich beim Grlöfhen des lehtern häufig noch 
der Knall einer vorwärts der Zehrung angebrach— 
ten Heinen Bulverladung reiht), oder außerdem 
noch auf der Zugabe einfacher Feuerwerlslörper, 
die fie auf der größten Steigböhe brennend aus: 
wirft. Man nennt foldhe die Verſeßung der R. 
Beliebte Berfehungen ind Schwärmer, jowie Leucht⸗ 
kugeln, welde in einer Haube am vordern Ende 
der Hülfe untergebracht und von ber R. im höch— 
jten Punkte ihrer Bahn in Brand gejeht und aus: 
geſtoßen werden. Manfpricht demnach von Schwär: 
mer: und von Leuchtraleten. Hallihirmrateten 
aben ala —— eine intenſive und längere 
eit leuchtende Flamme, oberhalb welcher ji beim 
usſtoßen ein aus Seidentaft beitehender Schirm 
ausbreitet und vermöge bed Widerſtandes ber 
Luft die Flamme einige Zeit ſchwebend erhält. 
um Grnitgebrauch dienen die den R. der Luft: 
feuermwertlerei ui ee Signalraleten, 
welche im höchſten Punlte ihrer Bahn ein weithin 
wahrnehmbares Signal durd Knall oder durch 
verfchiedenfarbiges Licht geben, und bejonders die 
riegsraleten, welde Träger eines Geſchoſſes 
find und damit eine dem Geihüs ähnliche Wir: 
fung auszuüben vermögen. Das die Berfehung 
der Kriegsralete bildende Gej 4 kann entweder 
ein gewöhnliches Artilleriegeſchoß fein (Oranate, 
Shrapnel, Kartätiche), oder es iſt ein ſpeziell dem 
—— der N. dienendes Spreng:, Brand» oder 
eucht eich in diefem Fall als Spreng:, Brand: 
oder Leuchthaube bezeichnet. Die Kriegsraleten 
haben einen ſehr ftarten, Bug aus verdich⸗ 
tetem Kornpulver beftehenden ‚reibjaß und eine 
dem entipredhende wiberftandsfähige Hülfe aus 
Eiſenblech; der Stab ift entweder ſeitlich, oder in 
der Achſe der Hülfe angebradt, die Berbindun 
geſchieht in lehterm Falle mittels einer Burat 
Gibt man den Binfen der leßtern eine fchräge 
Stellung, fo fungiert die R. als Rotation» 
rafete. Leptere lommen auch ohne Stab vor und 
tragen ftatt desjelben am bintern Ende ein eiſernes 
Gegengewicht, den Kondultor; in demjelben bes 
finden fi gewundene Kanäle, durch welde bie 
Gaje ausſtroͤmen und fo die Achfendrehung erh. 
erzeugen. Die Kriegsraleten werden je nad) ihrem 
Zwede und der ——— auf welche ſie wirlen 
ſollen, unter verſchiedenen Elevationen abgefeuert 
und man bedient ſich zur Ermöglichung desſelben 
eines Raletengeſtells, welches — drei einig 
it. (fiber Gewehrrateten ſ. Bd. VI ‚S. A 
über den Gebrauch der N. im Nettungsweien an 
den Seetüjten ſ. Raletenapparat.) 

Die N. ftammt aus dem Orient und war dort 
bereits im 9. Jahrh. n. Chr. belannt. Yon da ver: 
breitete fich ihre Henntnis auch in das Abendland, 
Durch das Auftommen_ der Feuerwaſſen geriet fie 
ya: beinahe in Vergeſſenheit, bis bie Engländer 

ei ihren Kämpfen in Oſtindien im 18, Jahrh. die 


* 


474. 


Brandrafeten ald Kampfmittel in den Händen der 
Gingeborenen kennen lernten. Der indifche Fürſt 
Hyder Ali (f. d.) hatte 1766 ein Korps von 1200 
Rafetenwertern, welches fein Sohn Zippo Sahib 
auf 5000 Mann vermehrte, Bejonders bediente 
fi lezterer desjelben bei der Belagerung von 
Seringapatam 1799. Dies wurde Veranlafiung 
zur Ausbildung der —— in Europa. Den 
erſten Anftoß gab ber engl. General Congreve (ſ. d.) 
1804. Die Verwendung ber R. ala Geſchoßträger 
regte der däniihe Hauptmann Schuhmacher an 
se Beſchießung von Kopenhagen durch bie 
nder 1807, wobei au Brandrafeten zur An: 
wendung gelommen waren). Seine bee wurde 
befonder3 durch die Engländer und Ojterreicyer 
außsgebeutet und fpäter and) von andern Artillerien 
aufgenonmen. Nordbameritaner William Hale 
erfand 1846 die Rotationsrafete ohne Stab, welche 
päterhin in der dfterr. Artillerie Annahme fand. 
an benupte die Kriegsralete ſowohl im Feld: und 
Gebirgs:, als im Feitungstriege. Zu eriterm Zwed 
organifierte man Raletenbatterien, welche ä er 
den Feldbatterien auftraten. Beſonders erfolgrei 
war die Anwendung ber Kriegsraleten ſeitens ber 
& in Feldzuge in Stalien und Un: 
garn 1848 und 1849. Im Feſtungskrieg gebrauchte 
man hauptſãchlich die Spreng: und Leuchtraleten. 
Befondere Vorteile bieten die R. im Hochgebirge, 
da man zu ihrem Transporf der Fahrzeuge ganz 
entbehren fann und das Raletengeſtell ſich überall 
mit Leichtigkeit aufftellen läßt. Die Schattenfeiten 
der R. als Kampfmittel liegen namentlid in ber 
Unficherheit ihrer von vielen AZufälligleiten ab: 
bängigen Flugbahn und in ihrem Mangel an Ber: 
fuffionstraft. Durch die gezogenen Gefdüpe traten 
die Kriegsraketen mehr und mehr in ben Hintergrund 
und lommen geaemmärtis nur noch im Gebirgs⸗ 
Irieg und al3 Leuchtraleten im yet frieg vor. 
tenapparat ift eine Rorrihtung zum 
Retten Schiffbrüdiger, wenn das Schiff fo nahe 
(nicht über 4—500 — Meeresufer geſcheitert 
iſt, daß ſich mittels R. eine Tauverbindung 
zwiſchen jenem und dem Lande herſtellen läßt. Dies 
geſchieht auf folgende Weiſe: An den Stab einer R., 
wie fie ähnlich für —— gebraucht werden, 
iſt eine dünne ſtarle Leine befeſtigt, welche über das 
verunglüdte Fahrzeug fortgeſchoſſen wird und von 
den Schifibrüdigen ergriffen werden kann. Letztere 
—* dann mit ihr ein ſtärleres, etwa 6 cm im 
mfange baltendes Tau, fog. Yolltau, vom Lande 
zu fh an Bord. Das —— iſt durch einen 
Steertblod (Kloben mit Tauwerksſchwanz) ge: 
ſchoren und feine beiden zufammengefügten Enden 
bleiben am Lande. Wenn dann der Steertblod fo 
hoch wie möglich am Bord feſtgemacht ift, wird von 
der Rettungsmannfhaft am Lande mit dem Soll: 
tau das eigentliche Rettungstau von 10 bis 12 cm 
Umfang zu dem Schiffe hingezogen, von ben Ber: 
unglüdten etwas über dem Steertblod befeitigt und 
fodann am Lande vermittelt eines Flaſchenzugs 
jo ftraff wie möglich gelebt, wobei man no, um 
es zu erhöhen, einen Bod unterjhiebt. Dann ſchidt 
man mit_Hilfe des Jolltaues die Hofenboje an 
Bord. Dies ift ein mit waflerbichtem Gegeltud) 
überzogener Rorkring, an dem eine kurze ebenfalls 
aus Segeltuch gefertigte Hofe fiht. Die ganze Bor: 
richtung hängt in einem Taubdreied, das mit einem 
Ninge über das Rettungstau geftreift wird und auf 
ihm bin: und bergleiten fan, Die Schiffbrüchigen 


Naletenapparat — NRälöczi 


fteigen einzeln in die Hojenboje und werben mit ihr 
ans Land geholt. Die Raketen werben ftets von 
einem unter 45” gegen ben Horizont geneigten Bod 
efeuert; die Leine trägt 5—600 m weit, bie, um 
ſich nicht zu verfnoten, jehr forgfam auf ein Bilod: 
geftell aufgewidelt ift und von ihm mit 
wenig Reibung ablaufen fann, In 
gebrauchte man ftatt der R. Mörjer, an deren 
die Peine mit einem Kettenende befeftigt 
Der erfte beftige Bulverftoß brach jedoch öfter die 
Leine, während die Raleten eine geringere Anfangs: 
geſchwindigleit haben, deshalb ficherer und jegt all- 
gemein gebräuchlich find. Der ganze R. befteht aus 
zwei vierräberigen, leicht fonftruierten Wagen, 
denen manibnmit allen Jubehöran die Straudungs- 
ftelle ſchafft. Die deutſchen Raketen find bie beiten. 
= werben ar Ipandauer Laboratorium i 
und vom preuß. Kriegäminifterium gegen 
toftenpreis an bie Deutiche Gefellichaft zur Rettung 
Shiffbrüdiger abgegeben. Lehtere hat jeit Is 
Gründung (29. Mai 1865) an ber rn ite 
99 Rettungsftationen errichtet und mit denfelben 
bis 1. Aprıl 1885 bereit3 1546 Perfonen gerettet. 


a A zur See.) 

Nakhaing, die nordlichſte Divifion von Britiich- 

Birma,f. Aracan. . 

Bey; ‚ — im * —— Haleb 5* 
a, linls am rat, oberhalb N: 

mündung bes Nabr-Belit (im Altertum Biledas), 

ehemals ein Mittelpunkt des Karawanenverkehrs 

zwiſchen Syrien und Mejopotamien, hat 8000 €. 

lifen Harün:al:Rafdhid. 


und war Lieblingsfik das 

An ber N ba3 331 v. Chr. von Alerander 
d. Gr., nad a 310 v. Chr. von Seleufos 1. 
gegründete Nilephorion in Dörhoöne, weldes 


- re - ——— Ken wird, 

J mte, in männlicher Abftammun 
erlofepene Familie in Öberungarn, deren — 
figungen in den Komitaten Säros, Abauj, Zemplen 
u. ſ. w., namentlich in der weinberühmten Heayalja 
(Zofay) lagen. Auch gehörte ihnen Säros:Patat, 
der Sik eines berühmten reform. Kollegiums, als 
defien Batrone die R. befannt find. 

Siamund R., Bocstais (. d.) Statthalter in 
Siebenbürgen , wurde nach deſſen plöplichem Tode 
troß feines Alters 11. . 1607 zum Furſten 
Giebenbürgens ausgerufen. Doch danlte er zu 
Gunften riel -Bäthoris 5. März 1608 ab und 
ftarb 5. Des. 1608. 

Sein Sohn, Georg L. R., wurde nad dem 
Nüdtritt der Witwe Betblend‘ (1. .), Ratbarı 
von Brandenburg, 26.Rov. 1631 von Sieben: 
bürgen. Er ließ 16. Febr. 1642 feinen Sohn 
Georg II. zum Fürften erwählen, den er ein Jahr 
barauf mit der Erbin aller Bathoriſchen Güter, 
Sophie Bäthori, vermählte, wodurd) feine Familie 
die reichſte in ey pe und Siebenbürgen wurde. 
Infolge eines 26. April 1643 mit dem ſchwed. und 
dem franz. Geſandten geſchloſſenen Bündnifjes fiel 
Georg I. im Febr. 1644 in Ungarn ein, wo religiöfe 
Bedrüdungen überall Unruhe zur hatten, und 
breitete fich bald in Oſterreich und Mähren aus, um 
dem ſchwed. General Torftenfon die Hand zu rei: 

en. So erlämpfte er zu Gunften feiner prot. 

—— den Linzer (Linz in Oberöfter: 
reich) Frieden (16. Dez. 1645), welcher Ungarns 

olit, und religiöfe Freiheit auf3 neue — 
uf einer Nationalſynode zu Szathmär:Remeti 
(1646) ordnete er die reform. Kirche in Ungarn und 


Nälsczimarſch — Näkofi. 


Siebenbürgen; er ſtarb ſchon 11. Dit. 1648. Bal. 
Szifägyi, «Actes et documents ponr servir ä 
Phistoire de Yalliance de George R. prince de 
Transsylvanie avec les Francais et les Suddois 
dans la guerre de trente ans» (Peſt 1874). 
Georg II. R. folgte feinem Bater, zeigte aber 
weniger Unficht als diejer. Er ließ die Yandtags- 
beihlüiie feit 1540 orbnen umd prüfen und gab 
diefe als «Approbatae constitutiones» aus, 
Rachdem Georg die Oberherrlichleit über die Mol: 
dau und Waladei erlangt, trat er, gegen den 
Willen der Hohen Pforte und der Stände, auf bie 
Seite des Echwedenlönigs Karl X. Guſtav gegen 
Johann Kafımir, König von Polen. Sein aben- 
ſeuerlicher Zug begann 18. Yan. 1657 und endete 
nit der © y mn der Armee, die ſamt ihrem 
General Joh. m. die Krim abgeführt wurde. 
Georg entwich nad; Siebenbürgen, das türl, und 
tatar. Truppen graufam verwüjteten, obne feinen 
er in son Nachdem er endlich 22, Mai 
1660 bei Klaufenburg gefhlagen worden, ftarb er 
6. Juni an feinen Wunden zu Großwardein, 
in 18jähriger Sohn, Franz J. R., obgleich 
ſchon 12. Febr. 1652 gewählt, gelangte nicht zur 
Regierung und 208 ſich mit feiner Mutter, Sophie 
Bäthori, nad Ungarn zurüd. Diefe begünftigte 
den Katholi i ie Jefuiten und warb die 
in der Proteftanten. Durch die Ber: 
mählung mit Helena Zrinyi ſah ſich Franz I. in 
die von deren Tater Peter Zrinyi und dem Pa- 
fatin Weflelenyi geleitete Berijhwörung verwidelt, 
welche die rigen der übrigen Hänpter (1671) 
zur Folge hatte, während Franz von Leopold 1, 
amneftiert ward. Er ftarb8. Juli 1676 zu Muntäcs. 
Sohn, Franz II. R., war die bedeutendfte 
Berjönlichleit feines Geſchlechts. Nach des Vaters 
Tode und der Ergebung feiner Mutter (15. * 
1688), welche ſich in der Feſtung Munläcs drei 
Jahre lang gegen den öfterr. Feldherrn Carafia be: 
hauptete, geriet er in die Gewalt Oſterreichs und 
wurde in den ejuitenllöftern zu Prag und Neu- 
haus erzogen. - Nachdem er die Tochter des Land: 
arafen von Heſſen geheiratet, gab man ihm jedoch 
einen Teil feiner ungar. Güter zurüd und erlaubte 
ihm aud) die Nüdtehr nad Ungarn. Indes zog 
man ihn wegen feiner Verbindung mit den unger. 
Unzufriebenen im Mai 1701 wieder ein und führte 
ihn nad Wien, von wo er nad) Polen entwich. 
Bon Oſterreich geächtet, lebte er bier mehrere Jahre 
rubig, bis ihm eine Deputation der in den Nord: 
komitaten aufgeftandenen ungar. Bauern das 
Kommtando anbot, das er aud), von Frankreich 
aufgemuntert und von den poln. Großen unterftüßt, 
übernahm. Durch fein Manifeft im Mai 1708 bes 
lebte er den Aufitand, den aber 7. Juni Mlerander 
Kärolyi niederichlug. Vom wiener Hofe beleidigt, 
trat jedoch and) lekterer zu den Aufitändifchen über 
und wurde der tüchtigfte Anführer R.s. Der Auf: 
ftand geftaltete ſich nun zu einer Nationalerhebung 
und 1705 wurde Franz R. zum Oberhaupt der fon: 
füderierten Stände erllärt. Im J. 1707 erfolgte 
auch feine Ausrufung zum Yürften von Sieben: 
bürgen, wo er aber feine große Anhänglichleit fand. 
Bon Siebenbürgen aus begab er ſich zur Verſamm⸗ 
kung nach Onod, wo 31. Mai 1707, zum Nachteil 
der Erhebung, die Unabhängigleitserflärung Un: 
arns ausgeſprochen wurde. Seitdem fant das 
füd der Konföderierten, und die Unterhandlungen 
mit Wien wurden wieder aufgenommen. @raf 


475 


Johann Palffy trat als Bevollmächtigter des 
Königs auf, und es lam zwil dieſem und 


Alerander Kärolyi pm Frieden, der 1. Mai 1711 
zu Sjathmär * fien wurde, Franz R. ver: 


fhmähte die Ammeftie, ging nah Frankreid und 
fpäter in die Türkei, wo er 8, April 1735 zu Ro: 
—— ſtarb. —— AMemoires = = revolutions 
© Honzries (Haag 1738) geben Auskunft Über 
a und Fi, de ie Finde 
. Horn, «Kranz R. II., ein hiſtor. : 
bild» (2p3. 1854); Siedler. «Altenftüde zur Ge⸗ 
Ihichte Franz N.s» (Wien 1855 — 71); Krones, 
«Zur Geſchichte Ungarns im  Beitalter Franz 
R:8 IL.» (Wien 1870), In den Schriften der he 
rien Alademie der Wifienihaften veröffentlichte 
Koloman Thaly da3 «Archivum Räköezianums ; 
von ihm ſtammen —— Monographien über 
Ne —— Bernie ze. don ·Geſchichte ber 
anz' Il. cin (alle in ungar. Sprache). 
ats ‚ % ungar. Mufitjede von 
einem unbelannten Komponiſten, angeblich das 
Ciebtingsftüd Franz Rätöcis IL (1. d.), jebenfalls 
in feiner Armee viel geipielt. Den Driginaljag aab 
Gabr. Mätray (Wien 1825) heraus. Die Sage 
nennt den Zigeuner Michael Barna (der Braune), 
der Näköczis Hofmufitus geweien fein foll, als 
Komponijten, deſſen Enlelin Anna Cinla, eine 
berühmte Geigerin, die Tradition des Stüds be: 
wahrte, Nach deren Spiele feste der Propit Karl 
Baczeh das Stüd in Noten. In der Revolution 
und im Kampfe 1848—49 galt der R. den Ungarn 
als das, was den Franzojen die Marſeillaiſe war. 
Raksczy, toblenfäurehaltige Kochſalzquelle in 
Kiffingen (f. d.); auch Bitterwafjerquelle in Ofen. 
Watonit (flaw. Rakovnik), Stadt imnorbweitl. 
* Station der Linie R.Protivin der Oſter⸗ 
rei teen Staatsbahnen und durch Zweigbahn nad) 
Luzna⸗Liſchan mit der Bufchtiehrader Eifenbahn ver: 
bunden, Sis einer Bezirlshauptmannſchaft und 
eines Bezirtögericht3, zählt (1880) 5245 E. flaw. 
unge (1881) und hat eine Kommunal: Oberreal: 
Aule, eine alte Delanatälirde, eine Zuderfabrit, 
ein Brauhaus und eine bedeutende Hafnerei, in der 
Nähe Steintohlengruben. j 
Ratkos (Ipr. Rahloſch, deutſch Kroiſſenbach, d. i. 
Krebſenbach) iſt der Name eines Heinen Flufies 
in Ungarn, ber, von Gödöllö nad) der Donau zu 
fließend und bei Altofen in diefelbe mündend, der 
aroßen Ebene, welche meilenweit Beit im Halblreiſe 
umgibt, ihren Namen Rakosfeld gegeben hat. 
Seine hiſtor. Berühmtheit verdankt dasjelbe dem 
Umiftande, daf bis zum erften Viertel des 16. Ja nr 
auf demfelben die ungar. Reichstage olt 
unter freiem Himmel abgehalten wurden. Vom 
8. bis 24. April 1849 lagerte daſelbſt ein Teil der 
ungar. Armee unter *4 und wurden dort zwi⸗ 
ſchen diefer und der in Veſt befindlichen laiſerl. 
Armee mehrere bedeutende Gefechte geliefert. 
Näkofi ſpr. Rahloſchi, Eugen), ungar. Dichter, 
neb. 12. Nov. 1842 zu Acſad im Eifenburger Komi⸗ 
tat, * a. 7 — —— * dem 
romanti piel «Aſopus⸗ auf, das glänzen: 
den Erfolg errang und ein Lieblingsitüd des Publi⸗ 
tums bfieb. Wechſelnden Erfolg hatten jeine fols 
genden Dramen: «Ein altes Lied von altem Haß», 
bürgerlihes Schaufpiel; «Lift wider Liſty und «Die 
Mönde von Kratauz, hiſtor Luftiyiele; «Die Schule 
der Liebe», dramatiſches Gedicht; «Die ade des 
blatternarbiaen Mitar. Vollsſtüd; «Magdalenar, 


476 


Bauerntragödie; «Die Briefe ber Baronin», Poſſe, 
und mehrere Gelegenheitsftüde, Gleichzeitig über: 
fete er für die Kisfaludy-Geſellſchaft einige Stüde 
Shalipeared. NR. war 1869— 75 Rebacteur des 
Dealiſtiſchen Tageblatts «Neform», 1875 — 81 
Direktor des budapeſter Vollstheaters. 

Näfod:Palota, ſ. unter Palota. 

NRakow, Fleden im ruf. Gouvernement Radom, 
mit 1900 E. 20 km im Südoften von Kielce, am 
Weichſelzufluß Czarna, war im 16. Jahrh. eine 
ſtarl bevölterte Handelsſtadt und eine Zeit lang als 
Siß der Socinianer (f.d.) berühmt. Nachdem diejen 
von dem Erbherrn von R., Sienienfti, eine Zuflucht 
gewährt und 1570 eine Kirche eingeräumt worden 
war, gründeten fie hier in dem efarmatiichen Athen» 
1602 ihre berühmte Schule, an der Ditorod, Stato: 
rius u. a. als Lehrer wirkten, und die von mehr als 
1000 Schülern, zum Zeil aus edeljten poln, Ge: 
ſchlechtern, befudyt wurde, fowie eine Druderei, 
aus der neben vielen Schriften Socins und anderer 
der Iop- Ralauiſche Katechismus 1605 polnisch und 
1609 lateinifch hervorging. Die Gegner der Soci: 
nianer (in Polen «Artaner» > 
endli bin, daß 1638 die Schule und Druderei 
aufgehoben, die Kirche zerftört und die «Arianer» 
1643 vertrieben wurden, 

Rakſchi, Fluß in Armenien, ſ. Aras. 

Naleigh, Hauptitadt des nordamerik. Staates 
Nordcarolina, liegt an der N. und Gafton;, der R.: 
und Nugufta:Air-Line: und der North:Carolina: 
Tiviion der Nihmond: und Danvile:Cifenbahn 
10 km weſtlich vom Neufeiluffe und zählt (1830) 
9265 E., von denen 4911 Weihe und 4354 Farbige 
find, N. liegt auf einer Erhöhung und ift Iebe regel: 
mäßig angelegt. Im Centrum der Stadt liegt der 
4 ha umfajjende öffentlihe Plab Union Square, 
von dem vier 30 m breite Straßen auslaufen. 
Durd) diefe wird die Stadt in 4 Teile geteilt, deren 
jede einen 160 a umfafjenden öffentlichen Plat pr 
N. hat viele und ſchöne öffentlihe Gebäude: das 
aus feinem Granit gebaute Vereinigte: Staaten: 
Gerichtshaus nebft Bot, das ebenfalls aus Granit 
gebaute Etaatsgebäube (State house), das geolo: 
diſche Mufeum, die Taubitummen: und die Blinden: 
anjtalt, das Irrenhaus, das Stantsgefängnis, das 
County: Gerihtshaus find die hervorragenditen. 
In dem 1831 abgebrannten alten Staatsgebäude 
ftand die Statue Wafhinntons von Canova. N. 
treibt lebhaften Handel mit Baumwolle und Schnitt: 


waren, bat mehrere Gifengiebereien, Tabak: und | 


andere Fabriten und drei Nationalbanten. 
Naleigh (Sir Walter), berühmter brit. See: 
mann, geb. 1552 zu Hayes bei Bodley in der Graf: 
haft Devon, ftudierte zu London und Orforb die 
Rechte, ging 1569 mit dem Korps, mel es die 
Königin Eliſabeth den Hugenotten zu Hilfe ſendete, 
nad) srankreic und focht 1578 in den Niederlanden 
gegen die Spanier, Im J. 1579 unternahm er mit 
teinem Halbbruder Humphrey Gilbert eine erfolg: 
loje Entdedungsreife nad Nordamerita. Als 1580 
in \jeland der von den Spaniern unterftühte Auf: 
ftand losbrach, Fänıpfte er tapfer unter dem Grafen 
von Ormond und wurde von der Nönigin Eliſabeth 
mit der Statthalterfhaft von Cork und mehrern 
Gütern belohnt, Im J. 1584 richtete er aus eige: 
nen Mitteln mehrere Schiffe aus, um mit Einwilli— 
ung Glijabeths den eriten ernitlichen Verſuch zu 
einer brit. Kolonie in Nordamerika zu machen. Gr 
landete im Juli in ber Cheinpeakebai, gründete an 


—— brachten es 


Raͤlos-Palota — Raleigh 


der Küjte eine Kolonie, die ſich jedoch na i 
Jahren auflöite, und nannte ben ee 
Ehren der jungfräulichen Königin Virginien. 

die jpan, Armada die engl. Hüfte bedrohte, ver: 
mebrte R. die Flotte der Königin durch 2. 
Schiffe und wurde deshalb zum Mitgliede des Ge— 


heimen Rats ernannt. Ehrgeizig und verfchwende- 
riſch nu leich, beutete er die königl. Gunft ſtalt 
aus, — er ſich Haß und Neid der übrigen Höflinge 


zuzog. Im J. 1590 rüftete er mit Frobiſher aber: 
mals ein Geſchwader aus, weldes er zur De 
nahme fpan. Schiffe nah Weftindien führte. 
erbeutete er nur ein reichbeladenes jpan. Saü- 
Die Erzählungen von den reihen Gold: und Silber: 
jhäsen Guaianas bewogen ihn bierauf, eine Er: 
pedition dahin zu verſuchen. Er ging 1595 nad 
Südamerifa unter Segel, nabm die Inſel Trinidad 
und ſchiffte den Drinoco hinauf. Indeſſen ſah er 
bald ein, dab die erwarteten Schäße nur berg: 
männifch gewonnen werden könnten, und 
mißnutig nach England zurüd, Nachdem er 1596 
der Erpedition gegen Gadiz beigewohnt, befehligte 
er im folgenden Jahre als tontreabmiral auf der 
Flotte, mit welcher der —* von Eſſer die ſpan⸗ 
weſtind. Flotte wegnehmen follte, Von ben engl. 
Streitlräften durd Stürme getrennt, eroberte er 
im Augujt an der Spike feines Geſchwaders bie 
Dias ayal, ohne die Ankunft des 
abers abzuwarten. Er zog ih dadu Zorn 
ebrgeigigen Eſſer zu und entging der Abjekung mur 
durch die geriprade mächtiger Freunde. 
Unter Jalob I. der Teilnahme an der VBerichmö: 
rung, welde die Thronerhebung ber Ara 
Stuart bezwedte, bezichtigt, wurde er im Des. 1608 
ins Gefängnis gebradt. Miewohl er, feinesiwegs 
überführt werden konnte, verurteilte ihn eine ge- 
fällige Juſtiz auf das einzige Zeugnis Cobhams 
r überdies feine Ausfagen zurüdnahm, Tode, 
Der König ließ ihn nun in den Tower jehen, mo 
er fih während einer 13jährigen Haft mit ben 
Wiſſenſchaften beihäftigte. Unter anderm ſchrieb 
er de feine geichäßte «History of the world» 
(2 Bde., Yond, 1614 u. öfter), deren Fortf er 
aus Unmut über das Schwanfende u or. [3 
verbrannte, Nachdem ber Graf von Somerfet, 
beftigfter Feind, in Ungnade gefallen, er 
1615 die Freiheit zurüd. Während feiner Gefangen: 
ſchaft hatte R. das Gerücht von einer Goldmine 
| verbreitet, die er früher in Guaiana entdedt haben 
wollte, und von wel e dem 


den 


er er verficherte, daß fi 

Ausbeuter unerme in Neihtümer einbri 
müßte. Jalob I., der ſich in großer 
befand, gab zu einer Erpedition nad) Guaiana feine 
Einwilligung, N. wurde zum D er: 
nannt, mit der — Gewalt eines lönigl. 
Generallieutenants, bedung ſich aber zugleich das 
Fünftel aller Schäße aus, die man auffinden würde. 
Im %. 1617 lief . mit einer 14 Segel ftarten und 
von einer Schar von Abenteurern bemannten 

von Plymouth aus und langte 12. Nov. an den 

Kaſten von Ouaiana an. Bon einer jhweren Krant 
beit befallen, blieb er felbit mit einem Teil der 
Flotte an der Mündung des Drinoco liegen und 
ab feinem Sobne und dem Kapitän A den 
Auftrag, mit den andern Teile itromaufwärts zu 
geben und die Goldgrube am bezeichneten Orte auf: 
zufuchen und zu eröffnen, Nachdem j 
einem Stampfe mit den Spaniern bie Erpebition 
mihlungen war, mußte R. das Unternehmen 


— E 


Ralikinſeln — Nämäyanı 


aufgeben und nad) England zurüdtehren. Sogleich 
nad) feiner Ankunft lieb ihn der König verhaften 
und vor eine Kommiſſion ftellen, die jedod) erflärte, 
dab fein Verhalten rüdfidhtlic der re un: 
tadelbaft fei. Unterdeſſen beichwerte fid) der fpan. 

of drohend wegen des Friedensbruchs, ſodaß 
Jalob befchloß, den Schuldlofen ala Opfer fallen 
zu laffen. R. wurde vor die Kings-Bench geführt, 
wo man ihm auf königl. Spezialbefehl eröffnete, 
dab das frühere, in der Komplottangelegenbeit ge: 
fällte Todesurteil nunmehr an ihm vollzogen 
werben follte, Er mußte 29. Oft. 1618 das Schafott 
—* und ſtarb mit großem Gleichmute unter 
dem Beile. Die Schriften R.s, polit., hiſtor. und 
poetiichen Inhalts, erſchienen gefammelt in act 
Bänden (Orf. 1829 u. 1857). Bol. Tytler, «Life 
of R.» (Edinb. 1833 u. 1857). Gebensbeihreibungen 
lieferten Saint⸗John (2 Bde., Lond. 1868), Edwards 
(2 Bde,, Fond. 1868), Creighton (Fond. 1877). 

Hatitinjein, f. unter Darf allinfeln. 

Nallen (Rallidae) heißt eine Familie der Wad— 
vögel mit langen Läufen und langen jchlanken 
Zehen, verhältnismäßig kurzem Hals und kurzem, 
kräftigem, feitlich zufammengedrüdtem Schnabel; 
Bügel a. —— und wie der weiche Schwanz 

urz. Die R. find kosmopolitiſche Voͤgel, deren 
etwa anderthalbhundert Arten ſich auf 18 Galtun 
gen verteilen. In Europa finden ſich gus dieſer 

amilie häufig das Bag eh? das ger 

en, das —* er Wachtellönig und die 
gemeine Waſſerralle (Rallus aquaticus), ein un: 
pelabe ftargroßer Bogel, oben grünbraun mit 
chwarzen Fleden, an den Seiten mit ſchwarz un 
weiß gebänderten Federn; Schnabel und Beine 
find rot, In Deutſchland tft er ein Zugvogel, der 
im März anfommt und im Dftober nad) Süd: 
europa pet, wo er viel gegefien wird, 

Ralliement, ralliieren (fr3.), das fchnelle 

ufammenziehen und Dronen der Truppen nad) 
einer auflöjenden Bewegung, einem Sieht j 

Rama, Namatb, Namoth (hebr., «Höben») iſt 
im Alten Zeftament Name mehrerer paläftinenfischer 
Städte. Rama Benjaminslag2 Stunden nörd: 
lid von J— auf einem kegelförmigen Hügel 
an der Ditfeite der Straße nad) Bethel und Sichem 
und ift heute ein Dörfchen mit dem alten Namen 
Er:Räm. Davon iſt wahrſcheinlich zu unterjcheiden 
das Nama Samuels, aud genannt Ramathaim 
Zophim («Doppelhöhe» oder «Schau»), das neu: 
teftamentlihe Arimathia, auf dem weitl, Teile 
des Gebirges Ephraim gelegen und deshalb wohl 
einerlei mit dem heutigen hochgelegenen Orte Veit: 
Rima, nordöftlich von Lydda. — Rama im Stamm: 
mern Naphtali ift noch vorhanden in dem großen 

orfe Raͤme, füdweftlih von Safed in Nieder: 
galiläa. — Hama im tammgebiete Affer heißt 

Bun. noch Räme und ift ein Dorf auf einem 
Süge füdwetlid von Tyrus. — Rama oder Ra: 
motb in Gilead, j. unter Mizpa. 

Ramadan oder Ramadhan, nad) türt. Aus: 
fpradje Ramasan, der neunte Monat des isla— 
mitiſchen Mondjahres, ift eine 29tägige Feſtzeit, 
während welcher der Koran den Gläubigen unver: 
brüdliche Entbhaltung von allen fürperlichen Ge: 
nüflen für die Zeit der Tageshelle vorjchreibt, wäh 
rend die Nächte religiöfen fibungen und Luftbar: 
keiten gewidmet find. Den R. beſchließt der Bairam 
Kal ein auf die eriten drei Tage des folgenden 
onats Schawwal fallendes Seit, welches wegen 


477 


der ——— ſtenzeit von den Drientalen 
mit dem Oſtern der genen verglihen wird und 
al3 das bedeutendfte islamitiſche Feſt nad) dem 
Kurban: (Opfer:)Bairäm gilt, 

Ramaganga, zwei Flüſſe im nördl. Teile des 
brit. Vorderindien, Der öftlihe Ramaganga 
entfpringt in der Divifion Kamaon der Nordweſt— 
provinzen von den Südabhängen der Hauptlette 
de3 Himalaja und mündet bei Ramefur in den 
Surju. Der weitlihe Ramaganga entipringt 
ebenfalls in der Divifion Kamaon, aber von dem 
niedrigern, füdl. Borgebirge des Himalaja, aus der 
Vereinigung einer Anzahl_unbedeutender Quell: 
arme, fließt im ganzen nad) Süden und mündet nad) 
einem Laufe von 597 km fints in den Ganges, der 
alten Stadt Kannaudſch faft quer gegenüber, 

Namakeifen (frz. fer de ramasse; engl, fa- 
goted iron, scrapiron), eine Art Stabeifen, aus 
Abfällen von Schmiedeeifen beftchend, weldhe man 
in Palete J— ſchweißt und ausſtredt. 
(5, unter Eiſenerzeugung.) 

‚ Rämäyana des Bälmili, das zweite große Na: 
tionalepos der Inder, in 24000 Doppelverfen, die 
in fieben Bücher verteilt find, Dem Mahäbbhärata 
(f. d.) gegenüber gilt es als ein Kunſtgedicht (kävya) 
und im weſentlichen als das Wert eines Tichters. 
Den Deal bildet die Geschichte des Näma. Thron: 
erbe jeines Vaters Dazaratha, Königs von Ayodhyä 

Dude), wird er dur die \ntriguen einer zweiten 
Frau desfelben auf zwölf Jahre eriliert. Im Dan: 
dalawalde wird ihm feine Gattin Sitä durd) einen 
Dämonenlönig Rävana, der in Lanka, Ceylon, ſei⸗ 
nen Gib hat, entführt, NRäma zieht mit feinem 
Berunbe, em Affenkönig Sugriva, und dejien Ge: 

olge über das Meer zur Belagerung der Stadt 
Lankä, tötet den Nävana im Kampf und lehrt mit 

Sitä nad) Ayodhyä zurüd, Dieſe Sage ruht allem 
Anschein nad wejentlih auf mythiſchem Grunde 
und ſcheint teils die Verbreitung der ariſchen Kultur 
nad) dem Dethan (die Affen wie die Dämonen ver 
präjentieren die Ureinwohner Indiens, jene die den 
Ariern freundlichen, dieſe die ihnen feindlichen 
Stämme), teild aud ganz allgemein den res 
palden den dem Aderbau günftigen oder feind: 

ihen Mächten der Natur (Näma im Aveſta der 
freundliche Genius des Windes; Sitä die im Veda 

eng. verehrte Aderfurde; das Eril die winter: 
liche eit u. f. m.) zu fymbolifieren. Möglicher: 
weiſe hat Bälmiki manche Züge auf Grund einer 
Belanntihaft mit dem Inhalt des Homeriiden 

Sagentreijes der alten Sage hinzugefügt. Das R. 
ift allem Anſchein nad) nur mündlich 
überliefert worden und erſt allmählich) u ee 
jepigen Umfang herangewachſen. Die A faſſungs⸗ 

eit der vorliegenden Form kann nicht über die 
dei der griechiich: baktrifchen und indoſkythiſchen 

önige hinausgehen. 

Die grobe Popularität, deren ſich das Werk über 
ganz Indien hinerfreut, ent darin verherrlichten 
—— Rama und Sita, ſchließlich geradezu göttliche 
Verehrung, reſp. die Identifilation mit ifönu und 
feiner Gattin, eingetragen, und Räma tt neben 
Kriſchna in der That noch jet der populärfte Bott in 
Indien, Sehkei e Überfeßungen und Bearbeitun: 
gen in ind. Dialelten, ebenfo wie das Borhandenjein 
mehrerer, nad) den verfchiedenen Landftrichen ver: 
jchiedener Tertredactionen auch in Sanstrit, fowie 
einer Unmaſſe von Werten, die ihren Stoff aus dem 
R. entlehnt haben, bezeugen den ungebeuern Einfluß, 


478 


den es auf den ind. Geiſt ausgeübt hat und ausübt, | 
wie noch jebt fowohl biejes Gedicht wie das Ma: 
häbbärata von bejondern brahmanischen Erzählern 
(näthalas) in den Tempeln dem verjammelten 
Volke vorgetragen werden. Nachdem die beiden 
Ausgaben und fiberjekungen des Werls 
Garey und Maribman, Seranpore 1806—10, und 
durch U. von Schlegel, Bonn 1829—38) nicht über 
die beiden eriten Bücher hinausgelommen waren, 
gibt e3 jeht drei vollſtändige Tertausgaben, die 
von Gorrefio (ber jog. Bengalitert, Bar. 1843—67) 
und zwei, Die 1859—60 in Kaltutta und in Bom: 
bay, begleitet von dem Slommmentar des Räma (der 
Soli führt ben Namen des Helden jelbit), er: 
ſchienen find; eine vierte wirb gegenwärtig in 
Indien umter ben Aufpizien des patriotijhen Hindu 
Protay —— Roy vorbereitet. Es gibt bis jeht 
mei Überjegungen in europ. Spraden, eine Ita: 
ieniſche (durch Hipp. Fauche ins Franzöfiide über: 
jet) von Gorrejio (der legte Band erſchien Par. 
1370) und eine engliihe von Griffith (Benares 
1870— 74). Bal. Ahr, Weber, «liber das NR.» 
(Berl. 1870; engl. überfebt im «Indian Antiquary», 
1872), und die Gegenſchrift dazu von Kaſhinath 
TrimbatTelang unter dem fonderbaren Titel: «Was 
the R. copied from Homer?» (Bombay 1873). 
Nambaud (Alfred Nicolas), frany. Hiftoriker, 
geb. 2. Juli 1842 zu Befangon, ftudierte an der 
Normalſchule in Paris und wurde 1871 Profeilor 
der Geſchichte an der litterariihen Fakultät zu 
Gaen, 1875 zu Nancy, 1882 zu Paris, Er fchrieb: 
«L’empire grec au X*sitcle, Constantin Porphyro- 
gentte» (1870), aL,a domination frangaise en Alle- 
magne 17%2—1804» (1873), «aL’Allemagne sous 
Napolöon I. 1804—11» (1874), «La Russie &pique» 
(1876), «Francais et Russes, Moscou et Scbasto- 
pol» (1877), «Histoire de la Russie» (1878). 
Rambeeler Heide, ſ. unter Gadebuſch. 
Rampberg, die höchſte Kuppe des Unterharzes, 
537 m body, J. unter Harz. . 
Ramberg (Arthur Georg, Freiherr von), 
deutſcher Maler und Zeichner, geb. 4. Sept. 1819 
in Wien, wo er auch feine künftlerifche Ausbildung 
erhielt. Seit 1850, wo er in Münden auftrat, be: 
gann er die Aufmerkſamleit auf ſich zu lenken durch 
eine Neihe von Genrebildern, welche fih durch 
ſchlagende und feine Charatteriftit der Figuren, 
Präcifion in der Zeichnung und forgfältige Behand: 
lung auszeichneten, R. wurde 1860 an die Kunſt⸗ 
ſchule in Weimar gerufen, wo er das ihm über: 
tragene Hiftorienbild: Hofhaltung Kaifer Fried: 
richs IT. zu Palermo, für das Marimilianeum in 
Münden ausführte, Außerdem wurde er in weitern 
Kreifen beſonders belannt durch jeine reizenden 
Zeichnungen zu der von ibm und Pedht (f. d.) 
berausgegebenen «Schiller: Galerie» und «Goethe: 
Galerien, Auch wurden ihm mit Pauwels die 
Fresken in dem einjt von Luther bewohnten Zeile 
der Wartburg übertragen. Cr ging 1865 wieder 
nad München, einem Rufe als Profeſſor der Malerei 
an der dortigen Afademie der Künſte folgend. Zu 
feinen ſchönſten Leiftungen gehören die Kompofitio: 
nen zu Goethes «Hermann und Dorothea», R. jtarb 
in ber Racht vom 5. zum 6, Febr. 1875 zu München. 
Ramberg (ob. Heinr.), Hiltorien: und Genre: 
maler, geb. zu Hannover 1763, ftubierte an ber 
Vialerakademie zu London, wo er neun Jahre blieb 
und hauptſãchlich unter Neynold3' Leitung in jeiner 
Kunft fih ausbildete. Später fehrte er nah Han: 


Namband — Rameaun 


nover zurüd und wurde zum Hofmaler ernannt. 


N. zeichnete ſich bejonders in humoriſtiſchen Kari: 
laturen aus; berühmt find fein Neinete Fuchs und 
fein Gulenjpi Geäst hat R. mehrere Kleine 


Blättchen, die jelten vorfommen. Er jtarb zu Han: 


(durd) | nover 6. Juli 1840. Bol. Hofmeijter 


ijter, «NR. in feinen 
Werten dargeitellt» (Hann. 1877). 
Rambervillerd, Stadt im je Er vorn ber 
Vogeſen, Arrondifiement Epinal, an der N e 
und der Linie R.:Charmes ber Franzöffchen Dil: 
bahn, 27 km im NO. von Epinal, zählt (1881) 
5153 E., bat eine teilweife aus dem 11. \ . 
rührende Kirche, ein Stadthaus von 1581 und 
it Mittelpunkt einer bedeutenden Hopfentultur; 
eine Bewohner fertigen Papier, ce, “ 
öhren, Gußeijengeidirr, Leinen, Strümpfe, 
Zwillich und unterhalten eine Wolljpinnerei, Säge: 
müblen und bedeutende ien. R., mittellat. 
Nampertoilla, gehörte im Mittelalter zum Bistum 
Meg und kam mit diefem 1552 an Frankreich. In 
einem Gefecht fchlug bier General von Degenfeld 
12. Dft. 1870 franz. Truppen zurüd, j 
Rambia (La), Stadt und *— ptort in 
ber ſpan. Provinz Cordoba, 30 üdlich von 
Cordoba, hat (1877) 6160 E., Fabrilation von 
Wolld und Wein⸗, Getreide: und Olhandel. 
Rambouillet, Arrondiſſementshauptſtadt im 
Gen Depart. Seine:et:Dije, Station der Linie 
18: Breit der Franzöſiſchen Weitbahn, zählt 
1881) 3564 (Gemeinde 5186) E. Das alte Schloß 
ebt in einem von Le:Nötre a ten Barte vor 
1200 ha, weldyer durch ſchöne Anfihten, mannig- 
altige Hochwaldungen, große Teiche, fowie durch 
einen Garten mit dem Milchhauſe der Königin 
Rarie Antoinette und einer von Ludwig XVI. für 
die Veredlung der Schafzucht gegründeten Schäferri 
(Rambouilletwidder) mertwürdig ift. An ihn ſchließt 
ich der Wald St.:Quger von 12818 ha, mit jchönen 
tomenaden, das ehemalige kaijerl. Jagdgebiet. 
3 Schloß, von Baditeinen und unregelmäßig 
aufgeführt, mit einem gewaltigen got. Turme, war 
—— Reſidenz. Franz I. ſtarb bier 1547. 
Ludwig XVI, kaufte die Beſihung von Fleuriau 
b’Armenonville, Karl X. unterzeichnete bier 2, Aup. 
1830 jeine Abdankung. 
NRambouillet3, f. unter Merinos. 
Ramdaspur, Diſtriltshauptſtadt im Pendſchab, 
Ramké, ſ. Ramié. [f. Amritſar. 
Rameau (Jean Philippe), einer der größten 
und einflußreijiten franz. Komponiften und Mufit: 
theoretifer, geb. zu Dijon 25. Sept. 1683, betrieb 
die Mufit anfangs unter Leitung feines Vaters, 
fowie verſchiedener Drganiften Be Bate t 
und ging 1701 nad Mailand, wo er ſich ald Bio- 
linift bei einer Scaufpielertruppe, die in den 
Städten Sudfrankreichs ihre Vorftellungen gab, 
engagieren lieh und ſchon damals als Orgelfpieler 
Auf erhielt. Im J. 1717 wandte er ſich nad) Paris, 
wo er anfangs an bem berühmten Organiſten Mar: 
chand einen Freund und Natgeber, bald aber einen 
en fand, N. ging deshalb als Organiſt nadı 
Lille und darauf nach Clermont in die Stelle feine: 
Bruders (Claude R., get. 1761). Hier bildete er 
eine neue Theorie der Harmonielehre aus. Nach 
erlauf von vier Jahren wandte er fih abermals 
nad Paris, wo er 1722 jeinen «Traits de l’harmo- 
nie reduite à ses principes naturels» veröffent: 
* ber viel Aufmerkjamteit erregte. Im J. 1726 
chien jein epochemachendes «Nouveau systöme 


Ramée — Ramler 


de musıque thöorique» und 1732 die «Disser- 
tation sur les differentes methodes d’accompagne- 
ment pour claveein ct pour l'orgue», welche Werte 
feinen Ruf als Theoretifer befeitigten. Durch den 
reichen Generalpachter La Popliniere, deffen Frau 
er Alavierunterricht gab, erhielt er von Boltaires 
Hand einen Dperntert, «Samson», den er fompo: 
nierte, Das Werk wurde mit Beifall in La Popli: 
nieres Haufe aufgeführt, kam aber nicht auf die 
Bühne, weil die Direftion von einer Dper bibliſchen 
Inhalts nichts wiſſen wollte, Sein Gönmer ver: 
Ichafite ihm jedoch einen andern Tert, «Hippolyte e: 
Aricie» (vom Abbi Pellenrin); dieſe ſeine zweite 
Dper warb 1732 zum erſten mal gegeben, fand 
indes anfangs eine ungünitige Aufnahme, nament: 
lich bei den Anhängern Lullys. N. war entmutigt, 
aber feine Freunde halfen ihm das Publitum zu 
gewinnen, und jo gelang e3 ihm endlich 38 
durch mehr als 20 mufitalifch-theatralifche Werte, 
Opern und Ballettopern die Herrfchaft auf der Bühne 
der Großen Dper, wenngleich nicht über Lully, doc) 
neben diefem zu erringen. Als Hauptwerk unter 
dieſen € ntfien gilt «Castor et Pollux» (1737). 
Hieran ſchli ſich «Dardanus», «Zoroastre» (mit 
Benutzung der Muſil zu aSamsour), «Pygmalion», 
« Zais», aAcante et Cöphise» u, a. m. Bon dem 
König zum Kammerloniponijten ernannt, fpäter 
auch genbelt, ftarb R. 12. Sept. 1764. R, hat ala 
Iheoretiler das Verdienft, die Harmonielehre durch 
die Lehre von dem Fundamentalbaß zuerſt in das: 
jenige Syitem gebradht zu haben, welches der Kom— 
poſitionsrichtung feiner Zeit entiprah. In der 
Dper baute er mit entjchiedenem Talent und be: 
bentend entwidelterer Technik auf den von Lully 
gegebenen Örunblagen fort, wobei er in der Bildung 
der Melodien ben Yalicners feiner Zeit ih an: 
ſchloß; Lullys und R.s Werte bildeten fortan den 
Grundftamm — Oper. 

As Reffe, unt durch das dialogiſche Wert 
Diderots, welches Goethe überjehte und veröffent: 
lichte, noch ehe das Drigimal ſelbſt befannt war, ijt 
feine fingierte, fondern eine reelle erfönlichkeit, 
von ber 3. B. Wercier, der Verfaſſer des «Tableau 
de Paris», berichtet. Diderot benußte dieſe Ber: 
fönlichkeit, teild um feine Anfichten über Mufil 
dialogiih zu entwideln, hauptjählih aber, um 
einen Charaktertypus jeiner moraliſch und ſozial 
verwilderten Zeit aufzuftellen. Neuerdings bat 
Brachvogel denjelben Eharalter, als Prototyp des 
beruntergefommenen, revolutionären Frankreich, 
in dem Trauerjpiel «Rarcih» dramatüch, wenn 
auch mit dichterischer Licenz behandelt. 

Ramede (Daniel), franz. Architekt und Kunft: 
——— geb. 19. Mai 1806 zu Hamburg, 
tudierte auf den Colleges in Dinant und Mezieres 
und fam 1823 nad Paris. Als Mitglied der Kom: 
mijfion für die Baudentmäler wurde er mit der 
Nejtauration der Kathedralen in Senlis und Benu: 
vais und mehrerer Abteien und Kirchen beauftragt. 
Hierauf reifte er 1832—48 durd Italien, Deutic- 
land, Holland und England. jchrieb: «Manuel 
general de P’histoire de l’architecture» (2 Bde., 
ar. 1843), «Sculptures döcoratives du XII° au 
X VI® siecle» (2 Bde., Bar. 1864), «L’architecture 
et la construction pratiques» (2, Aufl., Bar. 1871). 

Ramee (Louija de la), ſ. Quida. 

Ramie 78 de la), ſ. Ramus. 

Rameh, J. Ramie. 

Namenghi, ital. Maler, f. Bagnacavallo. 


479 


Nameffiden, Pharaonen, f. unter Ramſes. 

Ramedtivaram ober Rameswar, Kleine brei- 
edige Inſel zwifchen der Eüdofttüfte von Vorder: 
indien und der Nordweſtküſte von Geylon, bildet 
das wejtl. Ende der ſog. Adamsbrücke (f. d.), ge: 
bört zum Dijtritt Madura der indo-brit. Bräfident: 

Ihaft Madras und wird von dem Feltlande ge: 

trennt durch die für die Sciffahrtsverbindung 

—— den Golf von Danaar und der Pallſtraße 
ienende, aber gefahrvolle und ſchwer zu paffierende 

fog. Panıbanjtraße. Auf der Inſel R. befindet fi) 

ein berühmter großartiger Tenıpel des Siwa, der 
dur die Negelmäßigkeit und Vollendung ber 

Arditeltur, ſowie durd) feinen an den ägytijchen 

erinnernden Bauftil ausgezeichnet iſt. Die Haupt: 

ftadt Paumben pi (1872) 9407 6, 

, Ramie over Nameh nennt man eine Geſpinſt⸗ 
afer, die von einer Pflanze aus der Familie der 
rticaceen, Böhmeria tenacissima (j. Böhme- 

ria), gewonnen wird. Ihre Heimat ift Ditafien; 

angebaut wird fie in Indien, China, Manila und 
dem jüdl. Zeile der Vereinigten Staaten von Nord: 

amerila. Die R. ift ein Straub, welcher etwa 3 m 

hoch wird; aus der Wurzel entwideln ſich zahl— 

reihe dicht und ſchlank emporſchießende Schöß— 
linge oder Stengel mit ziemlich fpärlichen, zungen: 
förmigen, genarbten und wolligen Blättern, Sie 
ift perennierend und dauert in gutem Boden viele 
abre aus, Borigepan wird fie nur durch 
urzelausläufer oder Stedlinge; die Pflege der in 

Reihen geftellten Pflanzen beſchraͤnkt ſich auf Yode: 

tung und Reinhaltung des Bodens. Yür Europa 

ift die beſte Pflanzzeit April und Mai. Schon in 
eriten Jahre gibt fie, günjtige Bedingungen voraus: 
gejeht, vier Ernten, in jpätern fogar noch mehr. 

Die Ernte erfolgt, fobald die Oberhaut der Stengel 

dunkelbraun geworden, alsdann werben fie dicht 

am Wurzelftode —— Zur Gewinnung 
der Faſer, welche als (f. d.) in den 

Handel kommt, iſt das fernere Verfahren, wie beim 

Flachs, ——— und nach Trocknen und Blei— 

chen des Rohbaſtes Brechen und Schwingen. 

Mr ————— Schlachtort bei Jodoigne (ſ. d.) in 
elgien. 
Haming (Groß:Raming), Dorf in der Be: 

zirlshauptmannſchaft Steier in Oberöfterreih, ar 

der Enns, in Schöner Umgebung, Station der Linien 

St. BalentinsTarvis der Öjterreihiihen Staats: 

babnen, I (1880) 499, al3 Gemeinde 2657 C. 

und bat lebhafte Gifeninbuftrie. 

Ramiften, Anhänger des Petrus Namus (f. d.). 
Ramla, Ramleh (arab., «Sand»), offener 

— in Baläftina, auf dem Wege von Jaffa nach 

Jeruſalem etwa 18 km von erſtgenannter Stadt in 

der Saronebene gelegen, verdankt feinen Ruf den 

Umftande, baß hier die Pilger zur heil. Stadt in der 

Negel nädhtigen, Die lat., die gried. und die armen. 

Konfeifton befigen dafelbit zu jenem Behufe an 

jehnliche Klöfter mit Hoſpizien und Kapellen: außer: 

dem befinden fih in R. ein Bazar, eine Bezirke: 
regierung mit Kreiägerihtund mehrere Moscheen. 

Der Ort zählt 3000 E. (unter denen etwa 800 

Chrijten), die Landbau und Geifenfabrifation 

treiben. Die firdliche Tradition bezeichnet den Ort 

als da3 Arimathia der Bibel, nad arab. Duellen 
aber verdankt R. feinen Uriprung (feit 716n. Ehr.) 
erjt ben ommaijadiſchen Kalifen. 

Ramler (Karl Wilh.), Iyrifcher Dichter, geb. 

15. Febr. 1725 zu Kolberg, ftudierte zu Halle, wurde 





480 


1748 Profefior der Logik und ſchönen Wiſſenſchaften 
bei dem Kadettenkorps in Berlin, legte aber 1790 
das Lehramt nieder, um fich ganz der Mitdireltion 
des Nationaltheaters in Berlin zu widmen, die er 
feit 1793 allein führte, m J. 1796 zog er ſich von 
allen Geihäften zurüd und ftarb 11, April 1798. 
Gr verfuchte ſich = t mit Glüd in ftrengerer Nadı: 
bildung antiter iyriſcher Versmaße. Dadurch und 
als ein Mufter des jorgfältig abgerundeten und 
torrelten Ausdruds bat er ſich um die deutſche 
Sprache bleibende Verdienſte erworben. R. darf 
als der Begründer der deutjchen — 
angeſehen werden, und hat namentlich in ſeiner 
Überſehung einer Anzahl «Den aus dem Horaz» 
(Berl, 1769; die Pech iene fämtliher Oden des 
Horaz erſchien erft nad) feinem Tode und iſt von 
ſehr ungleihem Wert) ein für feine Zeit vortreff: 
* Muſter in Übertragung antiler Gedichte ge: 
liefert. Unter feinen eigenen Gedidhten verdienen 
nächſt den Oden die Gantaten erwähnt zu werben, 
von denen «Der Tod Jelu» durh Grauns Mufil 
berühmt geworden ift. Seine «Nlurzgefahte Mytho: 
logie» (Berl. 1790; 7. Aufl. 1869) hat als Handbud) 
vielen Nuten gehabt, Auch lieferte er eine Be: 
arbeitung von Batteur’ « Einleitung in die ſchönen 
Willenihaften» (4 Bde., Lpz. 1758; 5. Aufl. 1803). 
Um die Wiedererwedung Logaus (f. d.) machte er 
fih gemeinfhaftlih mit Leifing verdient, Cine 
rg ag «Boetifchen Werte» gab Gödingt 
heraus (2 Bde., Berl. 1800—1); eine Zafchenaus: 
gabe erfchien zu Berlin 1825 (2 Bde). Vgl. Heinſius, 
Werſuch einer biograph. Slizze N.s» (Berl. 1798), 
Ramlöſa, Kurort bei Hellingborg (f. d.). 
Nammbär, f. unter Ramme. 
NRammbrunnen, |. unter Brunnen. 
NRamme iſt ein Werkzeug oder eine Mafchine, 
womit Steine, Pfühle oder andere Gegenftände in 
die Erde eingetrieben werden, Der Hauptteil beider 
ift ein ſchwerer Kloß, defien durch eine gewiſſe Fall: 
höhe vermehrtes Gewicht den zu rammenden Gegen: 
ftand in den Boden treibt, gun Pflaſtern oder 
zum Komprimieren von Beton bedient man ſich der 
gewöhnlihen Handramme, die je nach ihrem Ge: 
widt von einem bis vier Mann gehoben wird. 
gem Einſchlagen von Pfählen bei Grund: und 
Waflerbauten dienen die größern Nammmajfdinen, 
von denen man Jugrammen, Hunftrammen und 
Dampf:, bez. Pulverrammen unterſcheidet. Diefe 
Nlamnmnafdinen bejtcehen au3 einem, auf einem 
Schwellwert (Rammiftube) erhobenen Gerüfte, das 
die zur Führung des Rammklohes oder Nammbärs 
(Hoyer) dienenden Laufruten oder Läufer trägt. 
Am obern Ende derfelben befindet fi die Ramm— 
ſcheibe, über —5* das am Rammbär befeſtigte 
Seil (Rammtau) läuft, um auf der andern Seite 
ſich in eine Anzahl Stränge, wie bei der Zugramme 
abzuzweigen oder, wie bei der Kunftramme, a 
einer Welle mittels Vorgelege aufgewunden zu 
werden. Gewicht und allhöhe des Nammbärs, 
fowie Zahl der Echläge in der Zeiteinheit find bei 
den genannten Arten von. verfchieden, demzufolge 
auch ihre Wirlungsweiſe. Während bei den Zug: 
rammen das Gewicht des Nammbärs 300—600 kg 
und die Fallhöhe höchſtens 1,5m beträgt, und nad) 
einer Anzahl von 25 Schlägen, Hihe genannt, eine 
Nubepaufe eintreten muß, ift das Gewicht und die 
Ballhöhe des Bären bei Kunſtrammen bedeutender 
und zwar 350 — 800kg, bejiehungsweife5—10m, da: 
gegendie Anzahl der Schläge einegeringere, Bei den 


Ramlöſa — Rammler 


in neuerer Zeit angröbern Bauten faft ausichließlid; 
zur Anwendung kommenden, — von Naf 
fonftruierten Dampframmıen beträgt das 
de3 Nammbärs 2500 kg, die Hubböhe 1 ın und bie 
nl der Schläge in der Minute 80—120. Bei 
den Pulverrammen wird die Erplofionsfraft bes 
Bulvers zum Eintreiben der Pfähle benubt; doch 
ift dDiefe Art von R, nur wenig eingeführt. 
Rammeln (der Hafen), |. unter Brunft. 
Rammeldberg, ein 622 m hoher, durd) feinen 
Erzreichtum berühmter Berg des Harzes, im prei 
Regierungsbezirk Hildesheim, jüdl. von der Sta 
Goslar, welde an feinem Fuße liegt, 88* bis 
1874 zudemfog. Kommunionharz, weldhen 
(Ehe Hannover) und eg —— 
ich befaßen. Die Erze, die man abbaut, find fehr 
mädtige Kiesmaſſen im en 
welche vorzugsweiſe Kupfer, Blei, Silber und f 
Gold liefern; bei ihrer Verhüttung wird befonders 
Schwefelſaure in fehr bedeutender Menge und vor: 
ügliher Güte gewonnen. Die Entdedung ber 
ergiverfe oeihah der Sage nad um das J. 
Später war ihr 
Goslar und den Herzjögen von Bra 
Dur Vertrag vom 9. Juli 1874 lam Preu 
ben alleinigen Befiß des Bergs, während die Aus: 
beute der in dem Hüttenwerlen an der Oder umd 
Grane zu gemachten Erje noch * zu“/Preu⸗ 
7 * 


ben, zu %, Braunſchweig zufällt. ( arz.) 
—— (Karl tiebr.), — 
deutſcher Chemiler, geb. 1. April 1818 zu Berlin, 


widmete fi anfänglich der Pharmacie e 
aber fpäter (1833—37) auf ber Univerfität feiner 
Vaterſtadt Naturwiflenfchaften, namentlich Chemie 
und Mineralogie. Nachdem er 1837 den Doltor: 
grad erworben, habilitierte er fi) 1840 in Berlin 
und wurde 1845 zum Profefjor ernannt, Das von 
ihm geleitete aboratorium für analytiiche Chemie 
mußte R, aufgeben, ald er 1851 die Stelle eines 
—— der und Mineralogie am Gewerbe: 
inftitut übernahm und na augleih an den Vor: 
lefungen der neuerrichteten Bergalademie beteiligte, 
m J. 1855 wurde er von der Alademie der Wi 
haften zum Mitglied erwäblt und erhielt 1874 die 
zweite ord. Profeſſur der Chemie an der Univerfi- 
tät, jowie die Direktion des zweiten dem. Inſtituts 
derfelben. R.s dem. Arbeiten, über die er zum 
größten Teile in Poggendorffs „Innalen» b = 
betreffen vorzugsweije die dem, Natur der Miner 
förper. Seine Hauptwerle find das «Handwörter: 
buch des chem, Teils der Mineralogie» (Berl, 1841; 
Supplement 1—4, 1843—49), welches in —— 
— — ng — — 
emie» (2. Aufl., Lpz. 1875 r «Handbud) 
der Iryftallographifchen ca (Verf. 1855; Sup: 
plement, 1857) und das «Handbuch der tryjtallo- 
graphiich-phyfil, Chemie» (2 Bde. Lpz. 1881—82). 
Hieran reihen fich das «Lehrbuch der Stödhiometrie» 
— 1842), «Leitfaden für die chem quantitative 
nalyje» (3. Aufl., Berl. 1874), «Leitfaden für die 
em.:qualitative Analyfeo (7. Aufl, Berl, 1885), 
«Lehrbuch der Kiryftalltunde» (Verl. 1852), «Lehr: 
buch der dem, Metallurgie» (2. Aufl., Berl. 1865) 
und «Grundriß der Chenrie» (5. Aufl., Berl. 1883), 
Rammenan, Dorf in der ſächſ. Amts 
mannichaft Bauhen mit (1880) 1378 E,, i 
burtsort des Philofophen ob. Gottlieh 
dem bier 1862 ein Denlmal errichtet wurbe, 
Nammier, der männlide Haje (f. d.). 


968. 
eſih lange Zeit ftreitig zwiſchen 


Rammohun Roy — Namus 


Nammohun Roy, |. u. Drabmajomadid. 

Ramnad, Ramanathbpuram, Stadt im 
Diſtrilt Madura der indo-brit. Bräfidentichaft 
Madra3, 9 km von der Hüfte der Palkitraße ent: 
fernt, Hauptitadt eines Bafallenjtaats gleichen Na: 
mens. Sie ijt ihrer Befeſtigung und des fehr uni: 
fangreihen, an jie anftoßenden Forts — — be⸗ 
— in welchem über 5000 Menſchen 
leben. Auch hat R. einige wohlgebaute Mofcheen 
und eine Heine prot. Kirche. 

Ramnes, yatriciicher Tribus — d.) in Nom, 

NRamolino (Maria zn), unter Bona: 
parte, Bd. III, S. 30 

Ramoth: Muse. unter Mizpa. 

Rampe oder Appareille, f. Auffahrt. 

Ramphastus, der Tufan, Pfefferfreſſer. 

NRampfinit, ein fagenhafter ägypt. König, bei 
Herodot der Nadjfolger des Proteus, Gr würde 
bijtorifch etwa den König Ramſes III. dem Haupte 
der 20. Manethoniſchen Dynaftie entipreden. R 
war nad der griech. Sage ein befonders Ei 
König, belannt ift dad Märchen von feinem Schab: 
haus und dem ſchlauen Diebe. 

Rampur, indo:brit. Bajallenftaat in der Tivi: 
fion Rohilthand der Nordmweitprovinzen, wird gegen 
N. und W. von dem brit. Diftrikt Muradabad, gegen 
NO. und SO. von dem brit. Tiltritt Barayli be: 
grenst, und zählt (1872) auf 2447 qkm 507013 E. 
Die Ein fünfte des an feiner Spi er jtehenden Na: 
warb werden auf — t im ahre ge: 
fhäßt, Derfelbe i Bent N 500 Mann Sa: 
vallerie und 1447 Mann volt zu unterhalten. 
Die Hauptitadt R. liegt. am linten Ufer de3 Sutlai. 

Ramri, Stadt im Diſtrilt R, (11160 qkm mit 
1414177 €. |ber Divifion Aralan in dem brit. Birma 
in Hinterindien, auf einer Heinen, vom Feltlande 
von Arakan einen engen, aber tiefen Kanal 
getrennten Sn, zählt (187 E. 

Namsau, Pfarrdorf im * Regierungsbezirk 
Oberbayern, Bezirlsamt VBerdtesgaben, im Alpens 
thal ber Ramsauer Ache, 663 m fiber dem Me eere, 
hat (1885) 908 6. Slabe füdöftlich befindet fid) 
* Wimbachtlamm er dem großartigen Wim: 

badıthal und dem — Gletſcher Deutſch— 
nds (das «blaue Ciä»), 

"Bam ay ar unter Dalboufie. 

ay (Allan), fchott. Dichter, geb. 15. DI. 
10801 zu Der ilt3 in der Grafſchaft vLanart, kam zu 
einem Perũcenmacher in Edinburgh in die Lehre 
und errichtete dann ein eigenes Geſchäft, das er je: 
doc) 1716 aufgab, um Buchhändler zu werben. Gr 
ftarb 7. Jan. 1758. Sein Hauptwerk it der «Gentle 
shepherd» (1725), ein Hirtenfpiel in ſchott. Mund: 
art, welches fid) durch treue und lebendige Schilde⸗ 
rungen jhott. Natur und jchott. Landvolt3 aus: 
= eichnet. Auch ſchrieb er Lieder, Fabeln — Fer 
zungen; feine Sammlungen alter ſchott. 2 
he tea-table miscellany» (1724) und «T * * 
abi (1725), hat man der vielen willtürlichen 
Beränderungen Iber getadelt. Die befte Aus: 
gabe — dichte iſt die * Ne an 

3 Bde., Edinb. 1800; neue Aufl ). 

n Edinburgh wurde ihm 25. März iß66 ger 

Samöven (Seile), Dererti licher 

amöden (Jeſſe), Derfertiger vo 
mathem. — geb. 8. Dit. ang de 
in der der Karl — wibmete fe e. in 
tehlunft; doch mitand, 
daß er oft Abbildungen mathem. Inſtrumente zu 
—— 13. Auſi. XIII, 


481 


itehen hatte, führte ihn feinem eigentlihen Ve— 
rufe zu. Sein Lehrer wurde der berühmte Optiler 
Dollond; ſchon 1763 ftanden feine Arbeiten in gro: 
ben Rufe, Mehrere optiſche und aftron, Inſtrumente 
find durch ihn ——— wie der Theodolit, das 
Pyrometer, das zu Höhenmefiungen beitimmte Ba: 
rometer und Hadleys Uuadrant und Sertant, 
mehrere von ihm erſt erfunden worden; feine Haupt: 
erfindung ift eine Teilmafchine. Zu feinen vor: 
züglichſten Leiſtungen ‚gebören die für die Stern: 
warten zu Blenheim, Dublin, Mannheim, Gotha 
und Baris verferti ten Fernrohre und die in Radıra 
und MWilna — Mauerquadranten. Er 
wurde 1786 Mitglied der Königlichen Geſellſchaft 
zu London und ftarb 5. Nov. 1800, 

Ramſes (Ra-mes-se, «Ni hat ihn geboren »), 
Name verfciedener ägypt. Könige. Der be: 
rühmtefte derielben ift N. II. (um 1250 v, Chr, ), 
der zwar troß langjähriger Kriege dent nordfyriicen 
Reiche der Cheta gegenüber feine Dauernden Erfolge 
erringen Tonnte, der aber doc) durch die 67 jährige 
Dauer feiner Negierung und durd) feine unzähligen 
großartigen Bauten den Nadlommen als ein 
— ohnegleichen erſchien. R. III. (um 1180 

ck der einer andern Yamilie angehörte als 
fi II. beitrebte fich, feinen großen Vorgänger auch 
in allen Hußerli feiten nachjuahmen; ebenfo thaten 
es die zehn Nachfolger des felben, die auch den Na— 
men, führten ke etwa ein Yabrhundert regierten. 
Unter dieſen letern, den ſog. Rameſiden, geriet die 
Herrſchaft in die Hände der tbebanif—hen Hohen: 
priefter, die endlich die Hönige jtürzten. Nachkom— 
men der R. finden ſich indes noch in fpätern Jahr: 
hunderten als vornehme Leute, 

Mamſey (mittellat. Ramsa), Hafenftabt an der 
Dftküfte der engl. Inſel Man in der Iriſchen See, 
im Hintergrunde der Bai von Ramſey, hat 2900 E., 
Leuchtturm, Herinoefiſcherei Schiffbau und iſt mut 
dem Hauptort Douglas durd) Eifenbahn verbunden. 

Namdgate, Warltitadt, Seehafen und ſtarkbe— 
fuchter Seebadeort in der engl. Grafichaft Kent, an 
der Dftküfte der Halbinjel Thanet, 24 km im Oft: 
norbojten von Canterbury gelegen und mit diejer 
Stadt durd) die Eifenbahn verbunden, iſt ein jehr 
freundlicher Ort, teils in einer Zheltpalte, teils auf 
den dieſe einfchließenden malerischen Kreidellippen 
erbaut. Der Hafen der Stadt, 19 ha umfafjend 
und durch Batterien verteidigt, wird durd zwei 
Steindämme gebildet und iſt die einzige Zuflucht 
vor den im Süboften liegenden Goodwin: Sands 
(gefährlichen Sandbänten), © Der Ort hat ein Stadt: 
haus, neun Kirchen und Kapellen, eine Konver: 
fationshalle, ein Seehofpital und zählt (1881) 
22605 E., welche Schiff jbau und Seilerbahnen unter: 
halten, fowie von diicherei, Handel und Fremden: 
vertehr leben. Nur 3 km im Norden liegt der 
Seebadeort Broadftairs, mit einem_ hölzernen 
Hafendamm, zwei Batterien und 4362 €. 

Hamstopf, Pferdekopf, bei dem die Nafe nad) 
außen gewölbt ift, im Gegenfah zum Hechtkopf, 
bei dem die Nafe nad) innen gebogen ift. 

zen. (Petrus), eigentlih Pierre de la 

mede, ein —— Gegner ber ariſtoteliſch— 
—A— Philoſophie des 16. Yahrh., Mathe— 
matifer und Humanijt, wurde 1515 zu er in 
Vermandois geboren. Ein Polyhiſtor in vollem 
Sinne, ftudierte er * — 5*— —— 
den Ariftoteles, von deſſen Anfehen er fi jeboc 
nidyt blenden ließ; vielmehr fing er bald an ihn 


31 


482 


mit Freimütigleit zu befampfen. Er hielt die Lozil 
für die bloße Kunft, geſchickt zu disputieren, ſuchte 
daher für diefelbe eine einfachere, praltiich braud): 
bare Form der Darftellung und ging überhaupt 
darauf auß, bie Philoſophie mit Hilfe der Ahetorif 
von den Feſſeln der Scholaftil zu befreien. Im J. 
1543 erſchienen feine «Institutionum dialecticarum 
libri Ill», denen die «Animadversionum in dia- 
lecticam Aristotelis libri XX» 1534 ——— 
Beide —— erregten einen wirklichen Aufruhr 
und zogen ihm viele Verfolgungen zu; gleichwohl 
erhielt er 1551 den Lehrſtuhl der Dialektil und Rhe⸗ 
torit an der Univeriität zu Paris, die ihm viele 
trefflihe Einrichtungen verdankt, Als quten Hu: 
maniiten zeigte er jich in feinen Schriften «De 
moribus veterum Gallorum» und «De militia 
Caesaris», in vielgebraucdhtes Werk it feine 
«Professio regia, h, e. septem artes liberales 
apodictico docendi generepropositae» (Baj. 1569), 
einer der erjten encyllopädiihen Verſuche. Da er 
fich für den Calvinismus erflärt batte, mußte er 
einigemal aus Paris flühten. Mehrmals feines 
Amtes entjept und wieder angeltellt, reijte er einige 
Zeit und fand in der Schweiz und Deutſchland 
vielen Anklang. Im J. 1571 nad Paris zurüd: 
getchrt,, fand er in der Bartbolomänsnacht durch 
den Verrat de3 Ariftotelifers Charpentier 24, Aug. 
1572 feinen Tod. Sein Leben ift ſehr oft beichrieben 
worden, namentlich von feinem Schüler Freigius 
und von Lenz in der «Historia Petri Rami» 
(Wittenb. 08} Er gewann in Frankreich umd 
Deutichland viele Anhänger, Ramiſten genannt, 
die jeitens der beitehenden Autoritäten Unfechtun- 
gen zu bulden hatten, Wal. die Biographien von 
Waddington (Bar. 1856) und Deömaze (Bar, 1861), 

Ran, Göttin, f, unter Öogir. 

Ran, Moraft in Borderindien, f. u. Katſchh. 
Rana (lat.), der Froſch. 
Rane (Arthur), Ira Bolitiker, geb. 20. Des. 
1831 zu Poitiers, ſtudierie Jurisprudenz zu Paris 


| 





und wurde unter Napoleon III. wegen feiner Teil: | 


nahme an demokratiſchen Kundgebungen nad 
Algerien deportiert. Es gelang ihm aber, zu ent: 
weichen. Nach der Amneltie von 1859 nah Paris 
zurüdgelehrt, wurde er Korreltor der «Opinion 
nationale» und Mitarbeiter an Dppofitionsblättern. 
Ein Preßproʒeß zog ihm vier Monate Gefängnis zu. 

ach dem 4. Sept. 1870 wurde er Maire des 9. 
parifer Bezirks, verlieh Paris 14. Dit. im Luft: 
ballon und begab ſich r Gambetta, welder ihn zu 
einer Art Boltzeiminiiter machte, worauf R. einen 
Spionendienit organifierte, Im J. 1871 von dem 
Tepart, Seine in die Nationalverfammlung ge: 
wählt, ſtimmte R. gegen bie Friedenspräliminarien 
und legte fein Mandat nieder. Er wurde Mitglied 
der parijer Commune und gehörte zum Ausſchuß 
der Juſtiz und ber auswärtigen Angelegenheiten. 
Da er aber dad Dekret über die Hinrichtung der 
Geiſeln mißbilligte und zwiſchen ben Führern de3 
Aufftandes und den gewählten Maires kein Ein: 
verjtändnis berftellen konnte, gab er 6. April feine 
Dimiffion, Im Nov. 1871 trat er in bie Redaction 
der «&publique frangaise», Seit dem Juli 1871 
Mitglied des pariier Gemeinderats, wurde er 1873 
vom Depart. thöne in bie Nationalverfammlung 
gewählt und bielt ih zur äußerften Linken. Als 
wegen feiner Teilnahme an der Commune das ge: 
richtliche Verfahren I ach n eingeleitet wurde, floh 
er nach Belgien, in contnumaciam zum 


Nan — Nanda 


Tode verurteilt (13. Olt. 1873), kehrte nad) der 
Amneſtie von 1879 nah Frankreich zurüd und 
fchrieb für die « Republique frangaise» und deu 
«Voltaire»; 1881 wurbe er von dem Depart. Sein: 
zum Deputierten gewählt. Gr verfabte einen poli- 
tiihen Roman: «Sous l’empire» — u. 1877), 
«Le roman d'une conspiration» (1868 u. 1885), 
« Histoire de la conspiration de Babauf» (1869), 
«De Bordeaux à Versailles» (1877, eine Geſchichte 
der eg er 

Nance, Küſtenfluß in der Bretagne, entſpringt 
im franz. Tepart. Cötes:du:Nord am Ditabhange 
des Gebirgsſtockes Le Mend, vereinigt fi ſüdlich 
von Dinan mit dem zur Ille nad) Rennes führenden 
idiffbaren Stanal, bildet bald darauf ein Aftunr 
und mündetim NW. bes Depart. Ylleset:Bilainenadı 
ge m. 2 1 — ae era 

n der Mündung der R. li ich die Seehäfen 
von St.-Servan und St.-Malo. 

Rance (Dominique Armand Jean le Boutbillier 
de), der Stifter der Trappijten (ſ. d.), geb. zu Paris 
9, Jan. 1626, = ſchon in feinem 13. Jahre den 
Anakreon mit Anmerkungen (Bar. 1639) us, 
Seit feinem 11. Jahre Chorberr an ber Hirdie 
Notre: Danıe, wurde er 1651 Prieſter und 1654 
Doktor der Theologie. Dabei gab er fih den 
gröbſten Ausihweifungen bin, bis er 1660 infolge 
eines erfhlitternden Greignifjes plöklich bie Haupt: 
jtabt verlieh und der übertriebenjten ascetifchen 
Strenge ſich zuwendete. Er verzichtete auf ſämtliche 
Pfründen mit Ausnahme bes Klofterd La Trappe, 
das er zum Gib der ſtrengſten Entfagung machte, 
und fchrieb feinen «Traits de Ia saintets et des 
devoirs de la vie monastique» (Bar. 1683), worin 
Verachtung der Wiſſenſchaften, bie ſchwerſten 
Kaſteiungen und namentlich ein ewiges Schweigen 
verlangt werden. Er ſtarb als Abt von La Trappe 
12. Ott. 1700, noch im Tode die Regel feines 
Ordens beobadhtend, auf einem Aſchenhaufen. Zr: 
tereffant iſt jeine «Relation de la vie et de la mort 
de quelques religieux de la Trappe» (4 Bde., Bar. 
169). Val. Marjollier, «Vie de R.» (Bar. 1703; 
neue Aufl, 1753); Chäteaubriand, «Vie de BR.» 
(Bar. 1844); Dubois, « Histoire de l’abbe de R.» 
(2 Bbde., Bar. 1867), 

Naucheros (vom jpan. rancho, d. i. Namerad⸗ 
ſchaft) beißen in Mexiko Landleute, die, aus einem 
Gemiſch von fpan. und indian. Blute hervorge— 
gangen und von Jugend auf im Sattel lebend, vor: 
treffliche Neiter umd Sjäger find und ben größten 
Zeil der berittenen Truppe, eine Ar* irreguläre 
Kavallerie bilden. j 

Randa (Anton), ausgezeichneter öfterr. Necht?: 
lehrer, geb. 8. Yyfı 1834 in Biftrig in Böhmen, 
ftudierte die Rechte an der prager Univerfität, ba: 
bilitierte ſich 1859 dafelbjt für öſterr. Givilreht und 
wurde 1862 zum auberord., 1868 zum ord. Bro: 
fefior bes öjterr. Civil-, dann des Handel: und 
Wechſelrechts mit czech. VBortragsiprade ernannt. 
Im J. 1881 wurde N. zum — — Mit: 
lied des öſterr. Herrenbauies und kurz darauf zum 
Hofrat umd Mitglied des Reichsgerichts ernannt. 
Geit 1882 ir N. an der czech. Univerfität in 
Trap. R., welcher zu den beiten Stennern des öjterr. 
Givilrechts zählt, fchrieb auf diejem Gebiete eine 
große Reihe von Abhandlungen, namentlich in der 
von ibm (1861) mitbegründeten jur. Heitjchrift 
«Prävnik», Gr veröffentlichte ferner in beutjcher 
Sprade fein Hauptwerk: «Der Beſiß nach äfterr. 


Nandazzo 


Nechte» (2p3.1865; 3. Aufl. 1879), dann bie Schrif: 
ten: «Der Erwerb der Erbichaft» (Wien 1867) und 
«Das Eigentumsrecht nad) ölterr. Hecht» (Lpz. 1884). 
In czeh. Sprade gab N. ein Lehrbud des öfterr. 
Eigentums: und des Handelsrechts heraus und be: 
handelte in ausführlichen Monographien die Lehre 
über den Schadenerfah und die Entwidelung der 
öffentlichen Bücher in Böhmen und Hiterreid). 
andazzo, das antike Tissa, mittellat. Ran- 
dacium, Stadt in der ital, Provinz Catania, 
Bezirk Acireale, am Nordfuße des Sitna, 15km von 


deilen Gipfel, 773 m über dem Meere, rechts am | 


Flüßchen Alcantara, hat ein durchaus mittelalter: 
liches Ausjehen, dunlelbraune bezinnte Yavamauern 
mit normann. Türmen und Spikbogenthoren, 
Häufer aus jhwarzer Lava und mehrere Kirchen in 
normann. Stil, unter denen der 1222—39 erbaute 
Dom Santa-Maria mit mobernem Weftturm ber: | 
vorragt. R. zählt (1881) 10225 E, und hat Han: 
del mit Wein, Öl und Käfe. 

NRändelgabel, ſ. unter Krauäräder. 

Nändelmafchine oder Rändelwert, f. unter 
Münze und Münzweien. Ben 

Rändelrand oder Rändelſcheibe, foviel wie 
Krausrad. . 

Nanden, Bergrüden des Jura im —5 Sans: 
ton Schaffhauſen, erhebt 5 nördlich vom Klettgau 
als breites, von tiefen Thälern durchfurchtes Hoc): 
plateau mit bewaldeten Abhängen und kahlen, jekt 
zum Teil aufgeforfteten Kämmen, deren höchſter, 
der Hoh R., an der —— Grenze mit zwei 
Kuppen, dem Hagen und den Klauſen, 914 und 
930 m über dem Deere erreicht. 

Nanderd, Hauptitadt eines Amtes (2432,7qkm 
mit 104321 E. im J. 1880) des Stiftes Aarhuus 
in Jütland, 37 km nördlich von Narhuus und öſt— 
lid von Biborg, an den Linten Bamdrup:fFrederifs: 
haven, R.:Nyomgaard und R.:Hadfund der Jütiſch— 
Funenſchen Gijenbahbn, und an der Guben: Aa, 
11 km von deren Mündung in den 22 km langen 
und für Schiffe von 4m Tiefgang fahrbaren Nan- 
ders:Fjord gelegen, bat einen Hafen, wozu 
25 Schiffe von 2964 t gehören (1883), eine gelehrte 
und einige Bürgerfchulen, ein großes Hofpital und 
zählt (1880) 13457 E., die Brauereien und Brennes 
reien, Cichorien- und Tabalsfabrifen, Kattun: 
drudereien, Strumpf:, Tuch: und namentlich aud) 
Handſchuhfabrilen Randersihe Handſch J e), 
jowie eine nicht unbebeutende Fabrik für Giten: 
bahnwagen unterhalten. Auch betreibt man Lachs: 
fiſcherei und Handel mit eigenen Fabrilaten, Ge: 
treide, Vieh, Butter, Salzfleiſch ut. w. Bedeutend 
find die Prerdemärkte des Ortes, R. wird fchon 
im 11. Jahrh. genannt, war ehemals ftark befeitigt, 
daber im Mittelalter und noch im 16. und 17. Jahrh. 
häufig Kriegsihauplag, hat aber ſehr an Bedeu: 
a verloren. 

andgloffen, foviel wie Marginalien. 

Randon (Jacques Louis Ceſar Alerandre, 
Graf), Marſchall von Frankreich, geb. 25. März | 
1795 in Grenoble, wurde 1812 in Rußland für | 
Auszeichnung in der Schladht bei Borodino Offizier. | 
Im ** von 1813 war er Adjutant beim Ge: | 
neral Mardand, feinem DOntel, und, ftieg zum | 
Napitän auf. Nach ber Reftauration diente er den 
Bourbon, wurde 1830 Major, 1835 Oberitlieute: 
nant und fam 1838 als Oberſt zu den afrit. Jägern. 
‚in Algerien zeichnete er ſich mehrfach rühmlich aus, 
lommandierte eine Zeit lang in Konftantine und 

















' erhoben. 


— Rang 483 


wurde 1841 zum Marehal:de:Camp, 1847 zum 
Generallieutenant befördert, worauf er nad Franl: 
reich zurüdtehrte. Nach der Februarrevolution 
übertrug ihm die Provijorifche Regierung im März 
1848 die Yeitung der alger. eg im 
Kriegsminiſterium. Im Juni erhielt R. die 3, Mi: 
litärdivifion in Mek und übernahm vom Jan. bis 
Dft. 1851 unter dem Präfidenten Ludwig Napoleon 
das Kriegsminiſterium. Nah dem Staatsjtreid) 
wurde AR. noch im Des. 1851 zum Generalgouver: 
neur von Algerien und im folgenden Jahre zum 
Senator ernannt. R. erwarb fıch viele Verdienfte 
durd feine Verwaltung und Förderung der Koloni— 
fation, unterwarf 1853—56 die Kabylen vollitän: 
dig und wurde dafür 18. März 1856 zum Marfchall 
Im Kriege von 1859 war er Chef des 
Gencralftabes der ital. Armee, übernahm 1860 bis 
‚an. 1867 das Krieggminifterium, erhielt jedoch im 
Deutſch⸗Franzöſiſchen Kriege von 1870 und 1871 fei: 


nes hoben Alters wegen fein aktives Kommando, 


Die Regierung der nationalen Verteidigung er: 
nannte R. Nov. 1870 zum Vorfikenden der Kom— 
miffton, welche die Unterfuchungen über die Kapitu- 
lationen von Sedan und Mek führen ſollte. R. 


ı jtarb indes fhon 16. San. 1871 zu Genf. Bol. 


aM&moires du maröchal R.» (Bd. 1, Bar. 1875 fa.). 
Raudom, rechtsſeitiger Nebenfluß der Uter, 
in feinem obern, fanalifierten Laufe als Land: 
araben Grenze der Ukermark und Bommerns und 
mit der Welfe, einem Heinen linfen Zufluß der Ober 
in Verbindung Let urn mündet bei Goagefin im 
preuß. Regierungsbe irl Stettin. — Der Kreis 
Random des preu A Stettin 
zwifchen N. weitlich und der Ober öftlich, zählt auf 
1316 qkm (1880) 109056 meijt evang. E.; Siß 
- ee a Ser ber Gifße, f 
an t:Singh, Herrſcher der Silbe, 
Fe 

Randichrift nennt man in der Minzlunde bie 
Schrift, die ih auf dem Rande der Münze felbft 
befindet und meijtvertieft indemfelben eingeichlagen 
ift. Sie follte auch da3 Beſchneiden der Münzen 
— und kommt zuerſt auf franz. Münzen vor. 

andsfjord, norweg. Binnenjee in Ktriftians: 
Amt, 131 qkm groß, liegt 130m bo. Perf. ge: 
hört zum Syften der Bayna:(Drammens):elf und 
wird von der Dolla durchſtrömt. Am jüdl, Ende 
des R. liegt Nandsfjord:Station (Eiſenbahn— 
ſtation der Linie nach Drammen und Kriſtiania), 
von wo Dampfſchiffe nah Odnäs am nördl. Ende 
des R. gehen, 

Ranen, bedeutender Fjord an der norweg. 
MWeitküfte (66° nördl. Br.); nördlich dabei liegt der 
große Öleticher Spartijen. , 

Ranenburg oder Oranienburg, Kreisſtadt 
im Gouvernement Rjafan, am Zufammenfluß der 
Stanowaja und Yagodnaja Rjafa, Station der 
Rjaſan-Koslover Eiſenbahn, mit (1882) 4302 E., 
treibt bedeutenden Handel mit Getreide, Bieb, Hanf, 
Wolle, Honig, Wachs u. f. w. 

Rang nennt man die Ordnung, wodurd ſich 
im Uußern ein Vorzug des einen vor dem andern 
ausfprechen foll. Rangordnung heißt das nad) 
der Bedeutung bejtimmte Heibenerpältnis der fou: 
veränen Staaten untereinander, der Souveräne 
bei Zufammentfünften und der Gefandten bei feier: 
lien Audienzen, während die einzelnen Hofrang: 
ordnungen die Aufeinanderfolge derer bejtint: 
men, die bei Hofe zu erjcheinen das Recht haben. 


81* 


484 


Nangabe — Nangieren 


Die Rangverhältniffe haben in früherer Zeit fehr | wie «Die XXX Tyrannen» (deutſch, Brest. 1883), 


oft ernitliche Streitigfeiten veranlaßt; befonders | « Ducas» (deutih von Elliſen 


Bresl. 1881), 


lächerlich waren die Rangitreitigteiten beim Zu: | « Phrofyne», der «Vorabend » (beutfch von Elli: 


fammentreten deutiher Neihsftände, (Ngl. Hell: 
bad, «Handbuch des Rangrechts», Ansb. 1804.) 
Gegenwärtig find diefelben faft ganz aufgehoben. 
Die Souveräne betrachten fi) als einander gleich: 
gejtellt und kommen meiit ohne alle Etikette zufam: 


men; bei Unterzeihnungen wählt man, wie bei den | 


fen, Bresl. 1882), «Die Hochzeit des Kutrulis» 
(deutich von Ellien) und andere Luftipiele. Fer: 
ner enthält die Sammlung Üiberfegungen (von 
altgrich. Dramen von Aſchylus, Sophofles, Arifto: 
phanes, und von der neuen Lirteratur die « Hölle» 
von Dante, «»Julius Cäfar» von Shalipeare, 


diplomatischen Berhandlungen jeit 1813, die alpha: | «Nathan» von Yeifing, «pbigenie» von Goethe, 
betiiche Ordnung der Staaten (nah dem franz. | «Tell» von Schiller), erzählende Gedichte und zwei 


Alphabet). Nach der Einwohnerzahl ninımt man 
Staaten eriten R. von wenigitens 10 bis 12 Mill., 
zweiten R. von 3 bis 10 Mill, dritten R, von 1 bis 
3 Mill. Cinwohner und endlidy vierten R. an; zu 
lehtern werden die deutichen Kleinftaaten gerechnet. 
Nirgends ijt die Nangorbnung unter den einzelnen 
stlaffen ber Deamten und Einwohner fo genau be: 
ftimmt als in England. In Rußland und Preußen 
it der R. auch der Staatsdiener nach militärifchen 
Adftufungen beitimmt. Del. Malortie, «Der Hof: 
marfchall» (2Bde., Hannov. 1866); Graf Stillfried, 
«Geremonialbuch des preuß. Hofö» (Berl. 1878). 

Rangabe ee Rizos), einer der vielfei: 
tigften Gelehrten de3 neuen Griechenland, geb. 
1510 zu Konftantinopel, ftammt aus einer ange: 
fehenen Fanariotenfamilie, Sein Bater J.R. Ran: 
gabe, der fi) ebenfalls als Dichter auszeichnete 
uk: (yriihen Gedichten eine metriihe fiber: 
— der AÄneide und vieler franzöſiſcher klaſſiſcher 
Thealerſtüche) und von dem nachmals ein geogr.⸗ 
hiſtor. Werk über das neue und alte Griechenland 
unter dem Titel: «T&'Edinwxd» (3 Bde., 1853 
—54) erihien, belleidete früher namentlich in ber 
Walachei einflußreihe Staatsämter und lebte feit 
1821 in Odeſſa. , Der junge R, beſuchte feit 1825 
bie Kriegsſchule in Münden, ging Ende 1829 nad) 
Griechenland und trat bier in die Artillerie ein, 
weldye Stellung er jedoch bald wieder aufgab, um 
ſich philol. Arbeiten zu widmen. Im %. 1832 zum 
Departementödireltor des Unterricht3 ernannt, be: 
mübhte er fi, das höhere Unterrihtswefen nad) 
deutichen Grundjäßen einzurichten, Gr wurde 1841 
zum Direktor der lönigl, Druderei ernannt, 1842 
zum Nat im —— des Innern und 1845 zum 
Brofejlor der Urdäologie an der Univerfität Atben. 
zn Febr. 1856 übernahm R. das Portefeuille des 

ußern, melde Stellung er bis Ende Mai 1859 
innehatte. Im 3.1867 ging er als griech. Geſandter 
nad Walhington, Später belleidete er den Poften 
des griech. Gejandten in Paris, Konftantinopel und 
nachher in Berlin und war einer der Bevollmäch— 
tigten der griech, Regierung, die dem die orient. An: 
gelegenheiten regelnden Kongreß zu Berlin (1878) 
die Wünſche Griechenlands übermittelten, 

Seine wiflenidaftlihen Arbeiten find vorzugs: 
weile archäol. Inhalts. Befondere Erwähnung 
verdienen: das mit Samurlafig und Levadeus ver: 
fahte «Ac&ıxdv Tlardo-Eiinvırövn (Athen 1842), die 
«Esquisses d’une grammaire du grec actuel» 
(1857; 2.Aufl.1873), die «Antiquites helläniqness 
(2 Bde., 1842 u. 1855), namentlich Inſchriften ent: 
haltend:; «Eyyerpldtov nerpeans® (Athen 1862), für 
Gymnaſien, und «Iorepla trjisdpyalaz xadkırzyviagn 
(2 Bde., Athen 1865 fo.). _ Cine Sammlung feiner 
poetischen Arbeiten, in Athen 1874 angefangen, iſt 
bis zum 12. Vande gediehen. Sie enthältaußer (yri: 
ſchen Gedichten eine Anzahl Dramen, den verſchie— 
benen Epochen der griech. Geſchichte entnommen, 


Bände Novellen, N. überfehte auch Plutarchs «Bior 
rapäkhrnıcı» (10 Bde., Athen 1864—66) ins Neu: 
riechiſche. ch Mitbegründung der «Eörkarn» 
1848), der «Tlavöcspan (feit 1851) und vorzüglich 
der polit, Zeitung «Edvopia», deren einziger Leiter 
und Nebacteur er war in den fchwierigen Zeiten, 
die ber Revolution gegen König Otto vorangingen 
und folgten, erwarb er a um die wiſſenſchaftliche 
sjournallitteratur in Griechenland Berdienfte. Au 
drieb N. eine «Geſchichte der neugriech. Littera— 
tur» (franzöfih, Verl. u. Par. 1877, deutſch, 
Lpz. 1884), Vol. Nicolai, «Geſchichte der neu: 
ariech. Literatur» (Lpz. 1876). ! 
Rangieren heißt im Eiienbahnbetrieb das Zus 
fammenftellen einzelner Wagen zu einem Zuge, 
jowie aud die Auflöfung eines Zugs in Zugteile 
oder einzelne Wagen. Für das Zujammenftellen 
der Züge find mist die allgemeinen, namentlid 
in Bezug auf die Verteilung der Bremfer u. f. w. 
egebenen Betriebsvorfchriften maßgebend, ſodann 
iſt aber befonders darauf zu achten, daß die Abgabe 
der Wagen an den Stationen, für welde fie be: 
ftimmt find oder an welden fie die vom Yuge ver: 
folgte Richtung verlaffen follen, um auf anfdlie: 
bende Bahnen —— thunlichit erleichtert 
wird, Die letztere Rüdfiht macht bejonders das 
N, der Güterzüge zu einem der weſentlichſten 
weige des Betriebädienftes. Ausgeführt wird das 
. durd Menfchen, Tiere oder mechan. Vorrich— 
tungen. Das N. durch Menfhen und Pferde 
empfiehlt fih nur für Stationen mit geringerm 
Verkehr, am allgemeinften verbreitet ilt dad N. 
mit Lolomotiven. Auf ben größern Stationen 
werden hierzu befonders für diefen Zweck gebaute 
Lolomotiven verwendet, welche nicht fehr ſchwer 
find, möglichft kurzen Radjtand haben und nad allen 
Seiten ri Ausſicht gewähren. Auf einzelnen 
Dee en wird das R. durd) Dampfidiebebühnen 
bewirkt, durch welche die einzelnen Wagen von 
einem Gleife zum andern ohne Bermittelung von 
Weichen gebracht werden. In England, wo die 
Güterwagen durdgängig Heiner und leichter als in 
Deutichland find, geſchieht das R. größtenteils unter 
Anwendung von Schiebebühnen und Drebicheiben. 
In Deutihland gewinnt in neuerer Zeit das R. 
mit Benuhung fteigender Gleiſe (Ablaufgleiie) 
immer mehr an Ausdehnung. Der Zug oder ein: 
zelne Zugteile werden hierbei von einer Lokomotive 
auf ein mit einer Neigung von etwa 1:150 bis 
1: 100 anfteigendes Gleis gezogen, die einzelnen 
Magen werden nad) und a. von dem Zuge los: 
getuppelt und laufen dann, durd die Schwertrait 
getrieben, nachdem die Weichen —— geſtellt 
worden, in das für fie beſtimmte Gleis. Für das 
N. der Züge find umfangreihe Gleisanlagen er: 
forderlich; e3 werben deshalb bei größern Sta: 
tionen bejondere Rangierba nböfe ebaut. Bol. 
Heufinger von Waldegg, «Handbuch für ſpezielle 


Ranglifte — Nant 


Gifenbabntehnif» (Bd, 4: «Die Technik des Gijen- 
babnbetriebes», 2. Aufl., Lpz. —5— 
angliſte heißt in der deutſchen Armee das nad) 
eereseinteilung, den Truppenteilen und ben 
Graden geordnete namentliche Verzeichnis der Offi: 
ziere und Militärbeamten. Gewöhnlich ift die N. 


auoleih QDuartierlijte, indem fie die Standorte der | 


tuppen angibt; zuweilen üt jie mit einer Stamm: 
lite, eine furze Geſchichte der Truppenteile enthal⸗ 
tend, verbunden. In der öſterr. Armee wird dieſes 
Berzeihnis Schematismus — während 
N. dort nur das Verzeichnis der Dffiiere nad) 
—* Anciennetät im gleichen Grade durch die ganze 
rmee bezeichnet, 
Nangoondl, f. unter Petroleum, 
Rangordnung der Gläu ei Se iſt die Dr 
folge, in welcher im Konturs die Konkursgläub er 
zur Befriedigun elangen, derart, dab immer bie 
——— Klaſſe voll befriedigt fein muß, wenn 
die nachfolgende etwas erhalten Holt Das frühere 
gemeine Necht hatte ein ſehr fompliziertes Syftem 
zahlreicher Pfand: und Vorzugärechte, welches den 
Kredit gefährdete und das Verfahren zu einem fehr 
Ichwerfälligen geftalten mußte. Die modernen Nechte 
baben damit volljtändig gebrochen und fo insbe: 
fondere auch die Deutſche Reichslonlursordnung, 
welde in $. 54 die N. genau beitimmt. (Vgl. auch 
—— im Konturs). 
angpur oder Nungpore, Diſtrilt der Divi— 
fion Rudicichahi der indo-brit. Präfidentfchaft Ben: 
galen, 9002 qkın grob, mit (1872) 2149972 E., 
nördlich von Kutſch Behar, öftlic, von dem Brahma⸗ 
utra, ſudlich von dem brit, Diſtrilt Bograh und 
Fübroei id von dem brit. Diftrikt Pinadfhpur be: 
ge Die u Hauptitadt mit 14845 E. 
t eine Schöne Mofchee und zwei bei Mohanıme: 
danern in hohem Anſehen ftehende Monumente, 
Nangün, nad engl, Schreibweile Nangoon, 
Hauptſtadt bes gleichnamigen Diftrikts (25381 qkm 
mit 431099 ia der Divifion Pegu der engl.-ind, 


Provinz Britiſch⸗ Birma in Hinterindien, 44,5 km 
oberhalb der Mündung des öftl. Arms des Jra- 
wadi, der zu allen Jahreszeiten mit dem Haupt: 
ftamm des — —— Stromſyſtems in un— 
unterbrochener Verbindung ſtehend, Hin einen 
trefflichen, für die größten Rauffabrteifchiiie und 
z. otten zugün lichen Hafen bildet. Zugleich 
iſt R. durch die Nähe reicher Zealwaldungen das 
erſte Schiffswerft des Reichs geworden, auf dem die 
Einwohner unter Leitung brit. Baumeiiter Schiffe 
bis zu 1000 t Tragfähigkeit bauen. N. ift mit Ba: 
lifjaden umgeben, bat enge, von Kanälen durd): 
zogene Gaſſen, auf —— ruhende elende 
uſer, ein Fort, eine Menge Buddhamonumente 
und Klöfter und zäblt (1881) 134176 E, Unter 
den Ausfubrproduften jtehen Tealholz und Reis 
obenan. Die größte Merhvürdigkeit von R. ijt die 
große Pagode Shoe:Dagong oder Schwe:Dagong, 
d. h. golbenes Haus, in jeiner Nähe, ein maflıves, 
imponierendes Gebäude mit einem 100 m hoben 
Zurme, deſſen 12 m hohe Krone reich vergoldet ift. 
Sie ift berühmt durch die in ihr aufbewahrten acht 
upthaare Gautamas oder des vierten Buddha 
und durch ihre 56000 Pfd. fans Slode, daher 
ein ſehr — im Gradi r mit einer lebhaften 
Meſſe in Verbindung ftehender Wallfahrtsort. R. 
wurde erjt 1753, nad) der Zerjtörung der Städte 
und Syrian, von Alonıpra zur Hauptitabt 

von Pegu Fax a und bildete feitvem die zweite 


485 


Stadt de3 Birmanenreichs. Am 19, Mai 1824 
wurde fie von den Briten unter General Campbell 
erobert. Im uni 1851 gab die Weigerung des 
birman, Gouverneurs, zwei von ibm beleidigten 
engl. Kaufleuten Genugthuung zu gewähren, Ans 
laß zu einem Kriege mit den Virmanen, in dem die 
Briten unter General Godwin und Admiral Auſtin 
14. April 1852 die große Pagode und bald darauf 
die Stadt ſelbſt eroberten. (S. Birma.) 
Nanieri (Antonio), ital, Schriftiteller, geb. 
8. Sept. 1809 zu Neapel, ftudierte dajelbit und in 
Bologna die u päter in Berlin Philoſophie 
und Geſchichte. Nah Italien zurüdgelehrt, aber 
wegen feiner liberalen polit. Gefinnung aus dem 
Königreich Neapel verbannt, ließ er ſich in Florenz 
nieber und wohnte hier mit Leopardi zufammen, 
den R., als er nad) Neapel zurüdtehrte, mit ſich 
nahm und mit feiner Schweiter Pauline fieben 
Jahre lang pflegte, Nach Leopardis Tode errichtete 
ihm R, ein Denkmal in Neapel, beforgte eine Ge: 
amtausgabe von defien Schriften und jchrieb eine 
iograpbie des Dichters, welche er jpäter durch die 
Schrift «Sette anni di sodalizio con Giacomo 
Leopardi» (Reap. 1880) ergänzte, Von feinen fon: 
ftigen Schriften find zu nennen der foziale Roman 
«Ginevra, o l’orfana della Nunziata» (Gapolago 
1839), welder großes Aufiehen machte und N. 
Berfolgungen von feiten des Klerus und Halt 
zuzog. Es folgten: «I primi cinque secoli 
della storia d'Italia da Teodosio a Carlomagno» 
(Brüfj, 1841), deren Zwed war, die Entitehung der 
päpitl. Theofratie aufzudeden. Cine Gefamtausgabe 
jeiner Schriften ift zu Mailand (3 Bde, 1862— 64) 
erichienen. Nach der Wiedergeburt Jtaliens ward N. 
Profeſſor der Geſchichte in Neapel, , 
Nanigandfch (Naneegunge), Stabt in der 
Divifion Bardawan der brit..ind, Lieutenantgon: 
verneurfchaft der Untern — mit (1872) 
19578 E, bat ſehr große Steinkohlenlager. 
Rauis, Stadt im preuß. Regierungsbezirl Erfurt, 
Kreis Ziegenrüch, Siß des Pan ratsamts und eines 
Amtsgerichts, bat (1880) 1842 E. und eine evang. 
und eine kath. Kirche. Auf einem die Stadt über: 
tragenden Felſen erhebt fich das die Dienfträume des 
Landratsamts enthaltende alte Schloß «Burg: R.»; 
in der Nähe des Ortes liegen die Schlöfier Branden: 
itein, Ludwigsbof und Heroldshof. j 
Nank (Yofepb), belannt durch feine Schilderun— 
gen und Erzählungen aus dem Vollsleben, geb. 
10. juni 1816 zu Friedrichsthal im Böhmerwald, 
—*— eines Landwirts, ftubierte in Wien Philo— 
ſophie und Rechte, wandte fich aber bald ausſchließ— 
lid) der litterariichen Laufbahn zu. Im J. 1848 
war R. kurze Zeit Mitglied der Deutfchen National: 
verjammlung, wo er fich zur gemäßigten Temofratie 
befannte. Später lebte R. abwechjelnd in rant: 
furt a. M., Stuttgart und Tübingen; hierauf nahm 
er längern Aufenthalt in Weimar, dann in Nürn: 
berg, wo er den «Nürnberger Hurier» redigierte. 
Im J. 1861 fiedelte R. nad Wien über, wo er 
1862 das Direltionsſelretariat der k. f. Hofoper 
und jpäter den Poſten eines Generaljelretärd anı 
Wiener Stadttheater übernahm. Schon fein erites 
Merk: «Ausdem Böhmermwalde» (Lpz. 1843), welches 
lebensfrifhe und treue Schilderungen ft unbe: 
fannter Vollszuſtände bot, ward beifällig aufge: 
nommen, Wehr fünftleriihe Durchbildung bekun: 
beten fpätere Arbeiten, wie «Neue Gedichten aus 
dem Böhmerwalder (Wien 1845), «GineMutter vont 


486 


Ranke (botanifh) — Nante (Leopold von) 


Lande» (2pz. 1848), «Florian» (2 Bde., Lpz. 1853), ! und fomit auch ein Reiz ausgeübt. Die nunmehr 


«Geihichten armer Leute» (Stuttg. 1853) u. a. 
Seine Vollserzählungen fahte er wieder unter dem 
Titel «Aus dem Böhmermwalde» (3 Bde., Lpz. 1851) 
—— e Sammlun —* den bedeutenditen 
ertretern ber fog. Dorfgefei te zugefellte. Bon 
R.s fpätern Schriften find zu nennen: der Volkes 
roman «Adhtipännig» (2 Bde., 2p3.1856), das Cha: 
ralterbild «Ein Dorfbrutus» (2 Bde., Glog. 1861), 
die beiden Sammlungen: «Bon Haus zu Haus» 
c 3. N! und «Aus Dorf und Stadt» (2 Bbe,, 
og. 1860), die Romane «Im Klofterhofr (Stuttg. 
1875) und «Der Seelenfänger» (Stuttg. 1876). 
Raute (cirrhus) nennt man in der Botanik ein 
——— verzweigtes oder —— Ge⸗ 
ilde, das den meiſten kletternden Pllanzen dazu 
dient, eine Befeſtigung derſelben an irgend einem 
als Stube paſſenden Gegenſtand zu ermöglichen. 
Ihrer morphologiſchen Natur nach kann die R. ſo— 
wohl ein metamorphoſiertes Stammorgan als aud) 
ein Blatt oder ein Teil desfelben je n mans 
hen Fällen ift es überhaupt zweifelhaft, ob fie als 
Blatt oder als Stengel zu betradten iſt, fo z. B. 
bei den Cucurbitaceen. Übrigens ift es für bie 
dunktion der, als Befeftigungsmittel völlig gleich 
gültig, welcher morphologiichen Kategorie diefelbe 
angehört; denn die blattbürtigen Ranlen der Pa: 
—— leiſten genau dasſelbe, wie die als 

tengelorgane zu betrachtenden Ranlen von Vitis 
Ampelopsis u.a. Die äußere Form ber R. ift bei 
den einzelnen Kletterpflanzen tulofern verſchieden, 
als die einen, z. B. die Paſſionsblume (f. d.), un: 
verzweigte, andere —* wie die Cucurbitaceen, 
verzweigte beſihen. Doch iſt dieſe Verſchiedenheit 
für ihre Funktion ebenfalls ziemlich belanglos. 

Die wihtigite Eigenſchaft jämtliher Ranten ift 
eine mehr oder minder ſtark ausgebildete Reizbar⸗ 
keit, die — zu erlennen gibt, daß bei an—⸗ 
dauernder Berührung, Drud oder Stoß, alfo durch 
og. Kontaltreize, Beränderungen im Wahstum 

ernorgerufen werben. Bei den meijten AR. tritt 
infolge des Reizes eine Berzögerung im Wachstum 
ber berührten Seite ein und es lommt babei eine 
bogenförmige oder ſchraubenlinige Krümmung zu 
Stande, mittel3 deren ein Anheften an den Stuͤtzen 
ermöglidt wird. Da diefe Krümmungen ſich nicht 
bloß auf die direkt gereizte Partie, fondern allmäb- 
lid) auf die ganze R. eritreden, fo wird zugleich ein 
Heranziehen des Hetternden Stengel3 an die Stübe 
herbeigeführt. , NR: 

Bei jehr empfindlichen R., wie bei vielen Beil 
floren, genügt fon ein Drud von wenigen Milli: 
gramm, um eine Krümmung zu erzielen, bei an: 
dern dagegen muß eine länger andauernde Berüh: 
rung verbunden mit ftärferm Drud einwirken, 
ehe jenes ungleihe Wachstum zweier gegenüber: 
liegenden Seiten der R. eintritt. Die Urſache diefes 
verſchiedenen Wachstums iſt nicht ficher bekannt, 
jedenfalls aber werden Underungen in der Tur— 
—8 der an ber berührten Seite liegenden Bel: 
en durch den Reiz hervorgerufen und es dürfte 
infolge deſſen wohl das ftärkere Wachstum der 
gegenüberliegenden Partie eingeleitet werden. 

Cine weitere wichtige Eigenſchaft der R. iſt ihre 
Fähigkeit, Ion Nutationsbewegungen (ſ. Nuta: 
tion) auszu — und ſo gewiſſermaßen in dem 
Umtreis ihrer Bewegungen eine paſſende Stübe zu 
ke Tritt eine ſolche hindernd für die Nutation 
auf, 


entitehende Krümmung kann dann leicht ein Um- 
pilingen ber Stüße ermögliden. Bei einigen 
Hanzen, die an Mauern, Wänden, diden Baum: 
tämmen u. dgl. in die Höhe Hettern, wirb die Be- 
eftigung der Ranken auf etwas andere Weife er: 
reiht; bei derartigen Stüben würbe ein lim: 
ſchlingen mittel3 Krümmungen nicht möglid) fein, 
e3 kommt deshalb bei folhen Pflanzen, wie 3. B. 
bei den Arten der Gattung Ampelopsis, infolge 
bes Reizes zur Bildung —*8 Gewebe⸗ 
polſter an den Enden der einzelnen Ranlenzweige, 
die ſich feit am die Unterlage andrüden. —— 
tritt, wahrſcheinlich durch Ausſcheiden eines Sefrets, 
eine Verlittung dieſer Polſter mit der Stutze ein 
und es wird dadurch eine ebenfo wirlſame Be: 
feftigung ber Metternden Stengel erreit. Da auch 
in biejen Fällen außerdem noch in den zurüd: 
liegenden Partien der N. meiſt fchraubenlinige 
Krümmungen auftreten, jo wirb ebenfo wie bei 
den andern Kletterpflanzen der Stengel an die 
Stüße Derange ogen. 
‚ Ganz ähn id wie die echten Ranken wirfen bei 
einigen Kletterpflanzen die Blattftiele; doc kommt 
in diefen Fällen nur ein Befeftigen mittels Krüm: 
mungen iu Stande. Derartige Blattitiele befipen 
3. B. viele Arten der Gattung Clematis; fie find 
auf allen Seiten gleich reizbar, während die mei 
ften R. nur auf einer Seite Reizbarkeit befigen. 
ats N. — man im —A Leben 
häufig auch die Ausläufer mander Pflanzen , wie 
3. B. der Erdbeerſtöde, body haben derartige Dr: 
gane mit den eigentlichen R. gar nichts zu thun. 
Nauke (Leopold von), ver ide eichneiſte der 
gegenwärtigen beutichen Geſchi Öreiber, geb. 
21. Dez. 1795 zu Wiehe in Xhüringen, erhielt 
eine Erziehung zu Donndorf und Schulpforta und 
tubierte dann zu Leipzig, wo er, bejonders durch 
G. Hermann angeregt, fich mit den Grunbfägen 
ber neuern philol. Kritit vertraut machte und ein: 
gehend mit den Werken bes Thucydides, Luthers 
und Fichtes beidhäftigte. Für feine hiſtor. Studien 
wählte er, außer Thucydides, namentlich Niebubr 
und Savigny zu Vorbildern. Schon R.s erfte 
Schriften, die « Geſchichten ber roman, und german. 
Bölter von 1494 bis 1535» (Bd. 1, Berl. 1824; 
3. Aufl, Lpz. 1885) und «Zur Kritik neuerer Ge: 
ſchichtſchreiber (Berl. 1824; 3. Aufl, Lpz. 1885), 
erregten ungewöhnliche Aufmerkiamteit und ver: 
anlasten 1825 feine Berufung von Frankfurt a. D., 
wo er feit 1818 als Oberlehrer am Gymnafıum 
wirkte, a einer außerord. Brofejiur der Geſchichte 
an die Univerfität zu Berlin. Wie feine huge 
Methode, fo kennzeichneten feine erjten Werte be: 
reits auch den vornehmlichen Gegenitand feiner 
—— Studien. Seine Hauptwerle jtel: 
en vorzugsweiſe jene große Weltbewegung des 
16. — dar, welche der mobernen Entwidelung 
bis auf unfere Gegenwart die enticheidende Nic: 
tung gegeben hat: den — Weltlampf 
der german. und roman. Völker im Zeitalter der 
Reformation. Seine Forſchung wie feine Dar: 
ftellung it ohne jede Sympathie oder Antipathie 
jr den Gegenjtand unternommen und ſtets auf das 
eritändnis des Ganzen, bes ————— 
exichtet. Der von N. aufgeſtellte Grundſatz der 
bifter. Methode, wonach aller Wert der Studien 
in der Auffindung und Benutzung der echten Quellen 


fo wird dadurd) ein Drud auf die R. erzeugt | befteht, alſo die umfafjende Sammlung, genaue 


Ranke (Friedr. Heinr.) 


Verglei enhafte Sichtung des ge- 
famten —— in ſi ar liebt, bat zur Herans: 
abe einer Menge wichtiger Quellen u zur Unter: 
uchung und Feltitellung von eg eg aus allen 
den der Geſchichte geführt. S 
einer erften Arbeiten erfannte R. —ã& im ber⸗ 
liner Archiv, die große Wictigteit der Berichte, 
u e die venet. Gejandten ihrem Nate ren 
tet waren, und veröffentlichte, auf iefelben 
oeftnpt bie «F Fürjten und —* zu Südeuropa i im 
16. und17. Jahr.» (Bd. 1, Berl.1827: 4. erweiterte 
Aufl, ich 1877, unter dem Titel «Die 35 
— * 16. zer 17, H 
einer — beſonders na 
Venedig, Rom und — ——— er Die 
== Revolution » n» (Ham. 1829; unter u see 


und di te 19. 
in in en — en (la 


487 
chmidt, Fer 
ivffamteit für Hebung und 


Dunder, — „A. 


R 
et en 


' Förderung der Geſchichtswiſſenſchaft erhielt eine 


—— Stutze, als König Marimilian von 

Bayern zu Münden eine hütor. Rommiffion fti etc, 
u deren Vorfipendem er ernannt ward. Die 
tn «Jahrbücher des Deutichen Heiäs 
unter den ſächſ. Kaifern» wurden wieder un 
nommen und nunmehr au auf die fränkiſ 
ftaufifchen ausgebehnt. eit 1834 war 
Profeſſor an * Univerfität = eit 1841 Sifionier 
graph des preuf. Staats; anı 22. 1865 wurbe 
er vom König von Breuben in den erblichen 

nd erhoben. Seine akadem. Ihätigfeit ſchloß er 

Herbjt 1871 und widmete fich feitden einer u 
Ausgabe feiner «Sämtlihen Werte» (48 3 


1867 fg.; 2. Aug. 1873 fa.; 3. Au —— 
Örung gege vor allem aber der Heraus eder«Me 
1081; unter dem age Le “ © verein Se bein Hauptwerfe feines Lebens, von weld 

», 295. 1878, — en undb«Bar: | 1885 6 Teile in 12 Bänden (1.3, U ah 

ocfie» (Berl. 1873). | 1880— 85) —— Am 29. Sept. 1867 Tourde 

—— — ———— R. zum pour le mörite er: 

an ——— eine 2. s = nannt, am rn & oje ee feiner 

fhrift» (1832—36) onmen. Zu — hr Akademie der Wiſſenſchaften 

werte — * 5 übe Mi SE | bene Frktiiet ——— 

werle mit «Die te ihr dem Br ce am Y3 em 
——— » (3 Bde., ? 


1885), Wert, t 
nur in zinda — | 


a —— = 


z 1871—74, 
Bande er 


d. Gr. zu entwideln Fucht. 
wieher — —— 
ichte, vor⸗ 

* tr dir, Stuttg. 
Stuttg. 1 — 
* 
ichte im 16. und 17. 


—* die « 
16, — 3185967; 3.Aufl,, 9 Be, 
In allen diejen Wert 


Berl. u 
— eifter in der geihichtlicen 


Er felbft beabfichtigt nicht die Er— 
5* n ee en — aterials, 


Sesam mine zu 4 

nchmlich im 16. un 5: 

— 3. 
4. Aufl, 6 Be,‘ 


Tage, an welchem er vor 60 Jahren an die Uni: 
—*8 Berlin berufen worden, erteilte ihm Ber: 
lin das Ehrenbürgerredt. Sein 9. 90. Geburtsta 
(21. Des. —* * MR allgemeinfter Teil: 
nahme g 
Werke R.s find: «Zur beutichen. 2 
ee Von Religionsfrieden bis zum Dreibigie 
(2pz. 1868; 2, Aufl. 1874), «© 
—— Epʒ. 1869; 4. Aufl. 1880 * = 
des Siebenjährigen Krieges» (Lips. 1871), 
J— und — Füritenbund, Deutſche 
chichte von 1780 bis 1790» (2 Bbe., Lyʒ. 1872; 
2. N Lpz. 1875), «Abhandlungen und erfucher 
AI 872; 2. Auft., 2py. 1877), «Uriprung der 
volutionäfriege 1791 und 1792» (2p;. 
2. en, ‚Aus den Briefwechſ Sri 
mit Bunfen» (2pz. 1878). Von der 
Regierung wupe N. mit der ‚Herausgabe 
der Memoiren Staatslanzlerd Fürften von 
Hardenberg beauftragt. Das derſchien unter 
dem Titel «Dentwürdigleiten des Staatslanzlers 
Kürften von Hardenberg» (5 Bde. Lpz. 1876—77). 
Noch veröffentlichte er: «Zur Seldihte von Hfter: 
reich und Preußen zwijchen den lüfjen 
tor Biogrnphiiöe — 
«Hiftor.-biogra: en» (Kardinal Eonjalvi; 
—— il o Strozzi und Gofimo, eriter 


iedenäf 


em wählt Rn ie prägnanten, entiheidenden Gro oA von Toscana; Don Carlos, Sohn 

und Bann! a ente aus. Den Stoff | Kön K ilipps II. von Spanien; Lpz. 1877). Bon 

weiß er eren, die Thatfachen J r wurden hera eben: «Leopold von 

mit ihr: —3 83 — ee nbängen und Folgen | R — len aus feinen Werlen⸗ (Bert. 1885). 

in fharfen ngen —— u jtellen, Seine ae Dear), nambafter deutſcher 

it überaus Har und lebhaft. — Bruber des vorigen, ge 1797, war 

—— —— und ſchließt er mit weittragenden all: vediger in Rüdersdorf tnberg, dann 

en Betr: en. Meijterha —— an und gräflich Giechſcher Konſi itorialrat 

er CE die Berfön en mit lebensvoller Friſche und 1 urn. Im J 1840 wurde er orb. Profeſſor 

Anf —3 — Rs alademiſche Thätigleit, nur ogmatit zu Erlangen, 1841 Konfiftorialrat 

zeitweilig durd) wienthaftt Neifen unterbrodhen, bei dem prot. re zu u — yre x 33 
na 


or. Abu 


wat von Erfolge begleitet. Die von ihm 


en rag den —— 


unlkt der ae cin 
Keil der —** —— — icht — ie 


1842 ging er in * 

von wo ſeine De erlonſiſtorialrat 
nach München — ſtarb daſelbſt 4. Sept. 
1876. Außer durch die — uber den 


488 Nanle (Johs.) — Nanpau 


Pentateuch · (Bb. 1u,2, Erlangen 1831—40) bat er | berg trägt, R. hat eine große Spinnerei und eine 
ſich ** durch Predigten belannt gemacht, Landes rrenanſialt. 

die ſich durch ag aeg Innigleit und Glaubens⸗ ‚Rann (flow. Brez&e), Stadt in Unteriteiermarf, 
treue auszeichnen. Aus feinem Nachlaß erſchienen | die füblichite Stadt im Lande an der Save, Station 
SOageapezunerungen» (Otußg, 1876), der Linie Steinbrüd:Sifjet der Öfterreichifchen Süd: 

Karl Ferdinand R. ein dritter Bruber, geb, bahn, Gik einer —— und eines 
26. Mai 1802, war zuerſt Kollaborator, dann Kon: Bezirlsgerichts, zäh t (1880) 996 E. gemifchter Na- 
reltor, jpäter Direktor des Gymmafiums zu Qued: tionalität, die Sandwirticha t und Weinbau treiben. 
linburg, lam 1837 in gleicher Eigenſchaft an das | R. hat ein bedeutendes Schloß des Grafen Attems 
Gymnaſium nah Göttingen, Ditern 1842 als Di: | und ein Franzislanerlloſter. 
reitor des Friedrich-Wilhelms Gymnaſiums nach Ranqueles, ein Stamm der Araucos (j. d.), 
Berlin, Vorübergehend war er aud in Göttingen | öftlich von den Anden auf den Pampas am Salcado 
Direltor eines pädagogiidhen Seminars und Pro: | und feinen guflüfen wohnend. Die R. find famt 
[eier der alten Litteratur an der Univerfität, N. | den verwandten ncaes erit nach der Befi ung 
tarb zu Berlin 30. März 1876. N, genob als Pa- de3 Landes durch die Spanier vom Welten ber in 
dagog und Didaltifer eines bedeutenden Nufs und | diefe Gegenden eingewandert. , 
hat ſich durch mehrere pädogogiſche und philol. Ar: ansbach, Prarrdorf im preuß. Negierungs- 
beiten befannt gemacht. } bezirt Wiesbaden, Kreis Unterwefte ‚ Amt 

Friedrich Wilhelm R., ein vierter Bruder, Selters, am Nordfuhe ber ‚Montabaurer Höhe, 

eb, 1804, war Regierungsrat in Breslau und bat | Station der Pinie C ngerö:Siersbahn der P Bi: 
EG als Berwaltungsbeamter Verdienſte erworben, —* Staatsbahnen, zählt (1880) 1214 kath, G,, iſt 
Seine Schriften: «Die Verirrungen der hrijt. Stunfts | $ ittelpunft des Kannenbäderlandes und hat ⸗ 
Bresl. 1855), der er aBerirrungen der hriftl. Welt» | fation von Thonfrügen und anderm «fob r 
Lpz. 1857) folgen ließ, erregte grobes Auffehen. | Thongefchirr» und eine Schmirgelmüble, 
Gr farb 17. ‚Juni 1871 auf feiner Beſihung Silber: Ranftädt (Nlaus von), f. Kla usNarr. 
fee bei Teupiß. Ranzan, einederälteiten Familien ber jchlesw.: 

Ernit R., ein fünfter Bruder, geb. 10, Sept.1814, boljtein. Ritterſchaft, die jeht noch in feh8 Pinien 
war zuerit Prediger zu Buchau in Franten und | über Deutichland anemart und Holland verbreitet 
wurde 1851 Profeſſor der Theologie, 1858 Kon: | und ohne weifel nad ihrem im = — 
ſiſtorialrat in Marburg. Er bat ich dur Her: | (Wagrien) belegenen Stammgute, fei amens 
benannt iſt. Nach einer geſchichtlich unbegründeten 
Sage ſoll das Gefhleht von dem Stamme, der 
Burggrafen zu Leisnig und Grafen von Groikjch 
(j. d.) im Nönigreih Sachfen meint fein, 
—— des Mittelalters nahm die Famille N, in 
Schleswig-Holitein eine —— Stellung ein 
und verpflanzte ſich ſeit der Thronbeſteigung des 
oldenb. Hauſes auch nach Dänemark, - 

Baltbajar von N. (geb, 1498, geſt. 1547), 
feit 1536 prot. Biſchof von Yübed, wurde 1545 von 
dem medlenb. Edelmanne Martin von Waldenfels 
auf der Reiſe überfallen und entführt und ftarb in 
der Gefangenschaft. Yon feinem Bruder Ka jet 
von R. ftammt die Linie R.:Schmoel:Hoben- 
felde, welche jet noch im zwei Zweigen in Dir 
nemarf und Holland fortblüht, 

——— von R. (geb. 1492, geſt. 1565), Herr 
auf Breitenburg und Vothlamp in Holitein, wurde 
Landrat und Landhofmeijter und wirkte eifrig mit 
bei der Einführung der luth. Reformation in 
Schleswig:Holitein. Er diente Köni —*— I. 
und Chriſtian ILL. von Dänemark, ſowie 
Adolf von Gottorp lange Jahre als Staatsmann 
und Feldherr, zuleht noch (1559) als Feldmarjchall 
bei der — Dithmarſchens. 

Johanns Sohn, Heinrih von R. (geb, 1526, 

eit. 1598), Herr auf Breitenburg, Nankau u. f, w., 
tte in Wittenberg ftudiert und wurde, nachbem er 
ih am Hofe Staifer Karls V. — ausgebildet, 
Anıtmann von Segeberg und Statthalter im fönigl, 
dän, Anteil von Schleswig:Holitein, Durch ftaats- 
männifche Gefabrua und ( ne amleit, ſowie durch 
Sorge für Kunſt, Induſtrie un fen] — 
er ſich berühmt. Auch verfaßte er eine lat. ichte 
des Dithmarſcherlriegs von 1559 (unter dem Pfeu- 
donym Gilicius) und eine Veichreibung der Cint 
briſchen Halbinfel, i 

Der Entel von Heinrichs älteftem Sohn, Dtto 

von N., Herr auf Asdal, erbielt durd König 





































ausgabe wichtiger Fragmente der «ltala», durd) lat. 
Gedichte, ganz bejonders aber durch feine kritiich: 
liturgiihen Werte befannt gemacht, Hierher ge: 
bören «Das Firdjliche Beritopenfyftem» (Bert. 1847), 
sstritiihe Zufammenftellung der neuen Berifopen- 
treije» (Berl. 1850), «Der Fortbeſtand des herfömm: 
lihen Perikopenlreiſes⸗ (Botha 1859), Bum 600, 
Jahrestage der Einweihung der Glijabethentirche 
zu Marburg gab er heraus «Chorgefänge zum Preis 

er beil, Eliſabeth aus mittelalterlichen Antipho⸗ 

narien» (2 Hefte, Lpz. 1883—84), 

Nanfe (obe.), Phyfiolog und Anthropolog, 
Sohn von Friedrich Heinrich R., geb. 23. ug. 1836 
zu —— ſtudierte in Munchen Berlin und Paris, 
habilitierte ſich 1861 in Münden für Phyſiologie 
und wurde 1869 Profeſſor der Anthropologie 
dafelbit. Seine Hauptwerte find: « Tetanus» Epʒ. 
1865; Bb. 2, 1871), «Grundzüge der hpfiologte» 
(2p3. 1868; 4. Aufl. 1881), «Die Vebensbedingungen 
der Nerven» (Ip. 1868), « Die Genahrung des 
Menichen» (Münd. 1876), «Das Blut» (Münd. 
1878), «Beiträge zur phnlilden Anthropologie der 
Bayern» (Münd. 1883). Much ift N. Nedacteur 
des «Archiv für Anthropologies, der «Beiträge zur 
Anthropologie und Urgefchichte Bayerns» und als 
Generaljetretär der Deutichen Antbropologifchen 
Geſellſchaft des «Correipondenzblattes» der lehlern. 

anfenfüher, |. ———— Zu ihnen ge⸗ 
hört die gemeine Entenmufchel (Lepas anatifera ; 

Zafel: Kruftentiere, Sig. 8), von der nıan im 
Mittelalter glaubte, ſie wüchle au treibendem 
do löſe fich los und würbe zu einer Bernideigans. 

anfforn, j. Milzbrand, 

‚ Ranktweil, Dorf in Öfterreich, im u Feld⸗ 
irch in Vorarlberg, an der rechtsjeitigen ehne des 
Nbeinthals, Station der Linie Vludenz:Lindau der 
gtereihlien Staatsbahnen, zählt (1880) 2686 6. 
Die Häufer ftehen im Halbfreis um den Frauen. 
berg, ber dieberühmtefte Wallfahrt3firhe in Vorarl. 


Ranula — Ranunfulaceen 


Chriftian V. 1671 den Rang eines bän. Lehnsgrafen, 
der fpäter auf die er feines Bruders 
anz überging. Für diefe daniſch-lehnsgräf— 
iche Linie wurde 10. Sept. 1756 das Fideicommiß 
Rojenwald im Amte Veile (Kütland) errichtet, wozu 
noch 1828 Stovgaarde auf Fünen binzulam. 

Des * ters Heinrich vierter Sohn, Ger: 
hard von ®R. (geb. 1558, geſt. 1627), folgte dem 
Vater auch in der Statthalterfchaft bes königl. bän. 
Anteils von Schleswig :Holitein. Defien Sohn, 
Chrijtian von R., ftiftete die reihsummittel- 
bare Reichs ee e in der Reichsgrafſchaft 
Ranpau, welche ſchon 1734 exloſch. 

Ein Entel von des Statthalters Heinrich jüngerm 
Bruder Baul war Joſias von N, (neb. 1609, 
aeft. 1650), Erbherr auf Bothlamp, der während des 
Dreißigjährigen Kriegs abwechſelnd unter ſchwed. 
und kaiſerl. feit 1635 aber unter franz. Fahne 
diente und wegen feiner Tapferkeit berühmt war. Gr 
trug 60 Wunden davon, verlor ein Auge, ein Ohr, 
einen Arm und ein Bein. In der Schlacht bei Tutt- 
lingen 23, Nov, 1643 ward er von den Kaiferlichen 
gefangen aber bald wieder auggelöft und 1645 zum 
Marſchall von Frankreich erhoben. Gr ſtarb kinder: 
los als Gouverneur von Dumkirchen. 

ı Ein Better des Statthalter Heinrih war Da: 
niel von N, (geb. 1529, geit. 1569), Herr auf 
Nienhof und Ahrensburg in Holitein, welcher im 
Heere Kaiſer Karla V. diente, Nach Holftein zurüd: 
gelehrt, trat er in den Dienft des Herzogs Adolf 
von Gottorp und wirkte 1559 bei der Unterjodhung 
Dithmarſchens mit. Als der fog. Siebenjährige 
pn (1563— 70) zwiſchen Dänemark und Schweden 
ausbrach, wurde er Feldhauptmann des dän. Kö: 
nigs Friedrich IL Seine dentwürbigfte That war 
der Sieg auf der ——— eide bei der 
Sparterau in Halland, wo er 18, Oft. 1565 ein 
weit überlegenes ſchwed. Heer ſchlug. Er fiel bei der 
Belagerung vor Warberg in Halland. 

Bon feinem Bruder Anton von ®. ftammt bie 
fog. Gottſchalkſche Linie, weldhe im 18. Jahrh. 
nach Medienburg überfiedelte und in die dortige 
Ritterſchaft recipiert wurde. Die Mitglieder wer: 
den nad einem Gute dafelbjt als Herren von R. 
aus dem Haus Neeſe (dagegen in Schleswig: 
Holflein als N. aus dem Haus Panter) bezeichnet 
und haben fid auch eg Preußen ausgebreitet. — 
Eine andere Linie, die Herren von R.:Segalen: 
dorf, befindet ſich teils im württemb., teils im 
medlenb. Staat3dienft. 

n rg Holſtein blühen noch zwei gräfl. 
Linien. Die ältere ftammt von Chriſtian von R. 
(geb. 1683, gel 1729), der 18. März 1727 zugleich 
mit feinen Brüdern Hans und Detlev dur ya 
Karl VI. in don deutichen Neichagrafenitand erho— 
ben wurde. Bemerkenswert ift der Sohn von Hans, 
Schad Karl zu R.:Ajcheberg (geb. 1717, geit. 
1792), tönigl. dän. General, melde erit 1770 mit 
Struenjee zum Sturz des Grafen Bernftorff wirkte, 
dann aber 1772 Struenfee ftürzen ch Er war 
darauf kurze Zeit Kriegäminiiter, verlieh dann Dä: 
nemarf und ftarb kinderlos in Avignon. Bon den 
Bamiliengütern ward Oppendorf zum — ——— 
erhoben, wonach man die Linie jeht als R.-Oppen: 
borf bezeichnet. Diefelbe zerfällt in zwei Zweige. 
Haupt des ältern Zweigs N 
zu Dppendorf, geb. 1. Aug. 1871, Haupt des jün: 
gern Zweigs Graf Emil, Herr _auf Raitorff, geb. 


t Graf Heinrich, Herr | 





489 


—— iſt Graf Kuno, geb. 10. März 1843, Geh. 
gationdrat und vortragender Nat im Aus: 
wärtigen Amte bes Deutfchen Reichs, vermählt feit 
6. Nov. 1878 mit Maria, der Tochter des Fürjten 
Dito von Bismard. 
Die jüngere Linie ftammt von Detlev von R. 
(geb. 1659, geft. 1745), der 18. März 1728 in den 
eihsgrafenitand erhoben wurde, Dieſelbe wird 
nad) ihrem Hauptgute nunmehr R.»Breitenburg 
genannt. Jetziges Haupt biefer Linie ift Graf 
Kuno, geb. 8. Dez. 1852. Bol, Karl von Nankau, 
»TDas HausR. Eine Familienchronif» u 1865). 
Ranula, 1. Sröf leingeſchwulſt. 
Ranumfel oder Hahnen Pi h (Ranunculus Z.), 
die typiſche Gattung der Familie der Ranunkula: 
ceen. Sie umfaßt ausdauernde, felten einjährige, 
mehr oder weniger ſcharfſaftige, ſelbſt giftige Kraͤu⸗ 
ter. Im allgemeinen iſt fie durch einen drei: bis 
fünfblätterigen Kelch, eine fünf: bis mehrblätterige 
Blumenfrone mit * am Grunde der 
Blälter, zahlreiche auf dem Blütenboden ſtehende 
Staubgefähe, viele einfächerige, kopfförmig ge: 
äufte ruchtinoten und auf einem fegelförmigen 
ruchtboden ftehende Schließfrüchtchen gelennzeich 
net. Je nad) dem Standorte wechſeln die Formen 
biefer artenreichen —** in auffallender Weiſe. 
Die alpinen Arten find holzig, verlürzt und haben 
oft ein einfaches Blatt (R. glacialis u. a.), bie der 
Wälder und Wieſen (R, aconitifolius u, a.) zahl: 
reichere, kräftiger entwidelte Blätter, welche bald 
einfach, bald in der verichiedeniten Weiſe geipal- 
ten, ſehr oft handförmig geteilt, bisweilen drei- 
zählig und boppelt breigäblig, find; die der in 
Sünmpfen wachſenden Arten (R. Flammula u, a.) 
find meiſtens fehr Kamel oft linienförmig, und bei 
den in ftehendem oder fließendem Waller vorlont: 
menden (R. aquatilis, fluitans u. a.) in bloße Rip: 
pen aufgelöft, während nur die ſchwimmenden 
Blätter es > einer Spreite —— Einige gefüllt 
blühende Spielarten werden als Zierpflanzen in 
den Gärten unterhalten, z. ®. von R. repens Z., 
dem Kriechhahnenfuß, und R. acris L., bem 
Scorfbahnenfuß, wegen ber art und der gold: 
gelben Farbe der Blumen gewöhnlich Goldknöpf— 
hen genannt, während jener R. aconitifolius Z. 
mit gefüllten Blumen den Namen Silberfnöpfchen 
führt. Blumiftifch bedeutender ift R, asiaticus Z., 
der Gartenranuntel, welcher, feit länger als 300 
Jahren in Kultur, in unzählige halb oder ganı 
efüllte en ——*9 iſt; lehtere 
len en, abgefehen von Weiß, alle möglichen 
Nuancen von Gelb, Rot, Braun bis Schwarz. 
Auch gibt es in verfchiedener Weife geftreifte, ge: 
flammte und marmorierte Blumen, Cine Form 
de3 Nanunfels, welde aus Afrika ſtammen foll, 
der fog. türfiiche Ranunfel, unterſcheidet fih vom 
Gartenranuntel durch kräftiger entwidelte Blätter 
und Stengel und mehr halbkugelig gebaute Blu- 
men. Der Wurzelitod des Blumiften:Ranuntels 
iſt aus kurzen, deiichigen. gebüjchelten Anöllden 
(Klauen) zufammengefebt, oben mit einer Gruppe 
filsiger, Schuppiger Augen, aus denen die Blätter 
und Stengel nd entwideln. Man pflanzt den Ra: 
nunfel durch Xeilung dieſes Wurzelftod3 F 
Aus Samen, den man von einfachen oder höchſtens 
halb gefüllten Blumen gewinnt, blüht der R. erſt 
im dritten Jahre. 
Ranunkulacken (Ranunculacéae), Pflanzen— 


12. Juli 1827. Ein Bruder des Vaters des Grafen familie aus der Gruppe der Dilotyledonen. Man 


4% 


lennt gegen 1000 Arten, die über bie ganze Erbe 
verftreut vorlommen. 63 find größtenteils Frauts 
artige, feltener ſtraucharti Er Gewächſe, einige ber 
(ehtern baben kletternde Stengel. 

Blätter ift bei den einzelnen Gattungen jehr ver: 
ſchieden; die Blüten find zwitterig und meift regel: 
* gebaut, fie beſtehen aus einem drei⸗ oder 
nie rblätterigen, nn fünfzähligen Kelch, 
einer mit dem Ste ch 9 hligen Blumentrone, 
zahlreichen ng —** Staubgefäßen 
und mehrern een den Frudtinoten, aus denen 
fi) fpäter einfamige Achenen ng Diele R. 
werden teils als offizinelle Pflanzen, teils als Bier: 


gemädfe —* 

emals reichsunmittelbare Grafſchaft 
in m gehörte bis 1641 zu Pinneberg und 
lam bis 1726 an Dänemarf, 

Ranz des vaches (fr;.), ſ. Rubreiben. 

en (Baarung ber aubtiere), f.u.Brunft. 

we 5 g nennt man Öle oder Yette, die durch 
langes Aufbewahren und Luftzutritt ihren milden 
und fühen Geihmad und Gerud verloren und 
einen ſcha 7 uͤnangenehmen Geruch und einen 
widrigen Geihmad angenommen haben. Das 
Ranzigwerden iſt eine Folge einer eingetretenen 
Zerfegung, durch welche aus den fetten freie, durch 
unangenehmen Geſchmack und Geruch dharalteri: 
fierte Fettjäuren abgefpalten werden. Um dieſe 
Säuren zu neutralifieren und z. B. ranzig gewor: 
dene Butter wieder > enießbar zu machen, fann man 
da3 Fett oder die Butter mit verbünnter Yöfung 
von Soda * beſſer noch von doppelttohlenfaurem 
Natron waſchen. 

Ranzion Li bie das Löſ — durch wel⸗ 
ei Kriegsgefangene chemals losge tauft werden 
mußten. Der Sieger beftimmte die Höhe desſel⸗ 
ben; doc wurde in jpätern Zeiten dur ondere 
Kartellverträge wiſchen friegrührenden —* * 
N. für die ve —— Grade feſtgeſett 
zwiſchen Oſterreich und Schweden im — 
rigen Kriege 1642: für einen fommandierenden 
General 30000 Thlr., einen Dberjten 1000, Nitt: 
meiſter 200, Kapitän 150, Reiter 6, Mustetier 4, 
Martetender > Thlr. Noch) 1780 ſchioſ en Franl: 
reich und England einen eigenen dem nad) dem für ben 
Gemeinen ae St. und na ange jteigen: 
der Betrag zu zablen war. Seit it dent franz. Revo: 
Iutionstriegen werben Gefangene nur gegen Ge: 
— nen. Briganten und Kaper laſſen 
ich no en 

Naon V’Etape, franz. Städten im Depart. 
Bogefen, an der Su che: Station der Linie Lund: 
ville:St.:Die der ehe mit (1881) 3962 €,, 
welche vorzugsweiſe in Eifengießereien, Töpfereien, 
Strohhut : und Strumpfwarenfabrilen, jowie im 
Holz: und eg erwerbt ätig find, wurde 
geſ — t im Deutid: —— — 
Kriege durch das Gefecht 5. Olt. 1870, in welchem 
die von Francs⸗Tireurs beſeßte Stadt nad) beftigem 
Kampfe von bad, Truppen unter Generalmajor von 
Degenfeld genommenmwurde. Die Franzofen erlitten 
* —— ſtarle, die Deutſchen geringe Verluſte. 

Dupal (Edgar), franz. Polititer, geb. 

9. April 1832 in Yaon (Depart. Aisne) begann 
früh feine jurift. Laufbahn und war nadeinander 
Staatsamwaltsvertreter in Nantes, Generaladvo: 
fat in Angers, Vordeaur und Rouen. Nach ber 
Revolution vom 4. Sept. 1870 nahm er feine Ent: 


Die Form der | Wa 


Nanzau — Rapel 


Niederfeine in die Nationalverfammlung gewählt, 
wo er ald gemäßigter Jmperialift der monarchiſchen 
Maiorität —2 Im J. 1876 wurde er vom 

hlbezirl von Lonviers Eure) in die 
Deputiertenfammer ; bei den von 


1877 erhielt er lein 
— Nochette (Deſire Raoul, genannt), 
ku —*— geb, 9. März 1790 

7 — —— 1811 ae er der Ge: 
(dich e am la Lyceum in Ba Guizots 

— ei * — 

eſchichte an der pariſer 

lademie der — itredacteur des 
—— des savants», er Rechten des An: 
tifen: und Mepaillentabinetts an der fönigl. Biblio: 
thel, fowie 1826 Profeſſor der —— 
ſelben Anſtalt und 1839 beftändiger Sefretär der 
Atademie der jhönen —— Er Fe zu — 
Juli 1854. ſchrieb; 


l'ẽtablissement des —— ne. ( She 
Ze. —— inedits d’ uites 
figur&es grecques, &trusques — 
Bar. 182830), «Antiquites 
phore cimmerien » — de 
tiques inedites» (Par. 
giques sur la peinture y- — (Bar. 1840), 
«M&moires d’arch6ologie comparde asiatique, 
grecque et ötrusque» iS 1, Par. 1848). 

Napa, yufel, ſ. Oparo. 

Napa, * lz gefättigte Waſſer des 
Salzjees Elton ( 


es ap ), Haubwögel — (lat.), 


Raubtiere 
Rapacki (Bincenz), poln, S 
Da er — 
ule in aus 
ic) bald auf den poln. Bühnen gro a 
auptrollen find: Jago, « 
Kafımir in dem Drama «DMazeppa» u. 
feines Schaufpiels ic Stwosz» —5 
++ * * —— ) in der 
o (mittella um 
ital. Provinz Genua, 2 — - — 
Riviera di Lvanle des & f8 von Genua 
der oberital. Bahnlinie Piia-Genua, Kahle (8 
5372, ala Gemeinde 10142 €, und hat einen 
Spikentlöppelei und Handel mit —— 
Sintergrunde de * Diebe (an —— 
eine Fahr in ie zu den ——— 
gehoͤrt, iſt ein altes K Die Stadt und 
mgegend feiert 1. bis 3. Juli in 
Madonna — — ein * 


Napallo Miccolo, Marcheſe di), 1825, 
diente mit Auszeichnung in en 
u fügelabjutant des —— 

en 10. r. 1855 erfolgtem Tode Groß: 
Bee der Witwe des Herzogs t 
rinzeſſin Glifabeth von en mit 
ihm 1856 in morganatijcher 
309 ſich jeitdem gänzlich vom Hofe zurüd und ftarb 
. v. Kr u Turin 


3* * —————— 

0 appee, 

aus Karotten und aeisien St ttern; die —— 
Sorten ſind: echter in 

facon, Marino, Maroklo, Pariſer und olar 


beige in Bid, feinem nörbL. Dudların Gabe 
‚ mi jenem n arm a . 
Santiapo 


laflung und wurde Juli 1871 vom Depart. der ! poal Grenzfluß zwiſchen den Provinzen 


— — 


Raphael — Rapp 


491 


und Colchagua der fübamerit. Republit Chile, mün: | Rapoport (Salomo Yehuba), ausgezeichneter 


m. — ee —— ee os h 
aphae ara), Pſeudonym der dän, rift⸗ 
ſtellerin Mathilde Fibiger (f. 35 

Raphael Santi, |. Rafael, [1f. d.). 

Raphania, früherer Name der Kriebeltrantheit 

Raphänus, Pflanzengattung, ſ. Rettid). 

Naphe oder Naht nennt man in der Botanit 
diejenige Partie der Samentnofpe oder aud) des 
daraus hervorgegangenen Samens, an welder 
der Nabelitrang (funiculus) mit dem Anofpentern 
oder Eilern verwachſen ift. Am ausgebildeten Sa: 
nen tritt Die R. bei vielen Pflanzen gewöhnlich als 
deutlich begrenzte und heller gefärbte Linie hervor. 

Naphelenugh oder NRapheling (Franz), be: 
tannt al3 Gelehrter und Buchdruder, war zu Lano 
unweit Riſſel 27. Febr. 1539 geboren, bildete fi 
in Nürnberg zum gen aus, ging aber dann, 
um die griech. und hebr. Sprache gründlich zu er: 
lernen, nach Paris und brachte es bald darin fo 
weit, daß er das Griechiſche in Cambridge öffentlich 
lehren fonnte. Nach kurzer Zeit in die Niederlande 
zurüdgelehrt, heiratete er 1565 Wargarete Plans 
tin, die älteſte Tochter des berühmten Buchdruckers 
Chriſtoph Plantin (f. d.) in Antwerpen, wodurch 
er der Buchdruderkunſt zugeführt wurde, Die 
große Korrektheit der Plantiniſchen Drude ift zum 
großen Teil fein Berbienft; a an gilt Died auch 
von dem Hauptwerle jener Druderei, der «Biblia 
polyglotta» (8 Bde, 1559 — 72). Im %. 1585 
übernahm R. Plantins Offizin in Peiden, die unter 
feiner Zeitung auf das beite gedieh. Aus ihren 
Preſſen ging auch 1595 eine reichhaltige Probe fei- 
ner arab. Typen hervor. Gr erhielt ſpäter die 
Profeſſur der _hebr. und arab. Sprache an der lei: 
dener Univerfität und ftarb 20. Juli 1597. Er 
veröffentlichte unter anderm «Variae lectiones et 
emendationes in Chaldaicam bibliorum para- 
phrasin», eine bebr. Grammatik, ein chald. und 
ein arab. Wörterbuh. Seine beiden Söhne, 
Franz und Juſtus N., zeichneten fid gleichfalls 
al3 Kenner der alten Sprachen aus und führten 
gr bie Druderei eine Zeit lang fort. 

Raphoe, uriprünglihd Rathbol, Stadt und 
Sit eines lath. Biſchofs in der Grafihaft Donegal 
der iriſchen Brovinz Ulfter, 10 km im WNW. vom 
Hauptort Lifford, hat (1831) 1021 E., eine Kathe— 
drale und ein Waiſenhaus. 

en (Mario), ital. Dichter, geb. 1843 zu 
Eatania, it Profeſſor Ra an der Uni: 
verfität da elbſt und hat fid) befonders durch philo: 
fophifch:reflettierende Dichtungen, wie «La Palin- 
genesi» (Flor. 1868) und «Il Lucifero» (Flor. 1877) 
befannt 8* Außerdem veröffentlichte er ein 
Drama in en: «Manfredi», eine Gedichtſamm⸗ 
fung: «Ricordanze» (lor. 1872; 3. Aufl. 1881), 
Tiberfeßungen des Gatull und Lucrez tt. a. m. 

Rapolano, Babeort in ber ital. Provinz Siena, 
auf einem Travertinhügel, Station der Bahn Em: 
poli:Chiufi, hat (1881) 2488 (Gemeinde 4202) E. 
und ſechs Schwefelthermen (39° C.). 

olla (mittellat. Rapulla), Stadt in ber 

ital. Provinz Potenza ee Bezirk Melfi, 
am norböftl. Abhang des Monte-Bulture, in ro: 
mantifcjer Gegend. hat (1881) 3299 6. Bie 1258 
erbaute Kathedrale des Bistums Melfi:R, wurde 
1694 durd) Erdbeben bis auf das Hauptportal 
der Façade zerjtört. tlıöra, 
apontifa oder gelbe Rapunzel, f. Oeno- 


israel. Gelehrter, geb. 17. Mai 1790 zu Lemberg, 
veröffentlichte feit 1820 eine Reihe forgfältig gear: 
beiteter Biographien berühmter jüd. Schriftiteller, 
fowie Abhandlungen über Partien der jüd. Litte: 
raturgejdicdhte, auerft in dem Jahrbuch «Bikkure 
ha-ittim» («Gritlinge», 12 Bde., Wien 1820— 81), 
dann in ber Zeitihrift «Kerem chemed» («Luft: 
garten, 7 Bde., Wien und Prag 1833—47). Bon 
einer «Talmudiſch- rabbiniihen Encyllopädie » 
(«Erech-Millin») ift nur der erfte Band (Prag 
1852) veröffentlicht. Im J. 1837 wurde R. Kreis: 
rabbiner in Tarnopol, 1840 Rabbiner in. Prag 
und jtarb dafelbjt 16. Dt. 1867. Bgl. Aurländer, 
Salomo Jehuda RN. Studie» (Peft 1868). 
Rapp (Georg), Stifter der Harmoniten, geb. 
im Württembergiihen 1770, wollte eine nad) dem 
Borbild der apoſtoliſchen Kirche organifierte lirch— 
liche und bürgerliche Gemeindeverfaflung mit @üter: 
—— Apoſtelgeſch. 4, 52) herſtellen. Vom 
taat in feinem Treiben gehindert, zog er mit ſei⸗ 
nen Anhängern 1803 nad) Amerifa und gründete 
ier 1804 in Butler County bei Bittsburg bie Ko: 
onie Harmonie. Er erreichte mit feinen Genoſſen 
bald einen bedeutenden Wohlftand, 309 1815 nad) 
Indiana und kaufte dort am Wabalh einen Land: 
rih von 27000 Adern. Im 5. 1824 verlaufte 
er das Beſißtum an den fhott. Sozialiften Robert 
Dwen und ließ fih dann in Beaver County in 
Venniylvanien, amı redhten Ufer des Ohio, etwa 
30 km norbweitlih von Pittöburg nieder, wo er 
die Stadt Economy anleate. Im J. 1831 erlitten 
die Harmoniten einen bedeutenden Berluft durd) 
den Seltierer Bernhard Müller, der fi eine Zeit 
lang in Offenbad a. M, aufhielt, Proli nannte 
und eine geiſtliche Weltmonarchie verkündete, dann 
aber nad Amerika fi begab. Hier trat er unter 
dem Namen Graf Marimilian von Leon auf, lieh 
IK in Bittöburg nieder, erllärte ſich für den Ge: 
bten des Herrn und für berufen, die Welt zu 
richten und durch die Gründung der Neu: 
eruſalems⸗Geſellſchaft das —— Reich 
zuſtellen. Er ſchloß ih an R. an, und dieſer 
nahm ihn al3 Propheten in feine Geſellſchaft auf. 
Bald aber verlieh Proli mit 300 Anhängern die 
Gefellichaft wieder und gründete das Neue Jeru— 
falem in Philippsburg. Er vergeubete jedoch das 
Gemeindegeld leichtſinnig, trennte ſich 1833 von fei- 
nen Anhängern, ging nad) Natchitoches in Arkanfas 
und ertrant fpäter im Miſſouri. R., beflen Kolonie 
ſich erhielt, ftarb 7. Aug. 1847. Sein Nachfolger 
wurde ber Kaufmann Beder. (S. Economy.) Bgl. 
Wagner, «Geſchichte der Harmoniten» (Baihingen 
1833); Bonnhorit, «Der Abenteurer Proli» (Frantj. 
1834); Norbboff, «The communistic societies of 
the United States» (Pond. 1874). 

Napp (Jean, Graf), franz. General, geb. 
26. April 1772 zu Colmar, trat 1788 in ein franz. 
Kavallerieregiment, wohnte den Revolutionsfriegen 
bei, wurde Offer und 1796 in Italien Adjutant 
Defair', der ihn auch 1798 mit nad) Agypten nahm, 
wo er bis zum Oberſten ftieg. dr der Schlacht bei 
Marengo 14. Juni 1800 nahm ihn Bonaparte unter 
feine Adjutanten. Im %. 1802 vermittelte er in 
der Schweiz die — Frankreichs. Nach 
Errichtung des Kaiſerthrons wurde R. Brigade: 
general, begleitete 1805 den Kaiſer auf dem Feld⸗ 
duge nad) Öjterreih und —— In bei Aufterlig 

ucch einen kühnen Kavallericangriff auf die ruſſ. 


492 


Garde zu Pferd aus, worauf er zum Diviſions⸗ 
general erhoben wurde. Im Feldzuge von 1806 
war er bei Jena im Stabe Napoleons und * 
ligte danach bei —— der Preußen die Bor: 
but Murats, und im poln, Thjuge eine Dragoner: 
divifion unter Davouft. Bei Golymin verwundet, 
wurde er von Napoleon zum Gouverneur von 
Thorn und dann zum Gouverneur von Danzig er: 
nannt, In diefer fehwierigen Stellung erwarb er 
fich durch feine Biederkeit allgemeine Achtung. Im 
Feldzuge von 1809 kämpfte er in der Schlacht bei 
Aspern, Als Stapk (f. d.) 13. Dft. Napoleon bei 
einer Heerfhau zu Schönbrunn ermorden wollte, 
war es R. der das auffallende Betragen des Sun 
ling3 zuerit bemerkte und denſelben verbaften lieb. 
R. wurde bierauf in ben Orafenftand erhoben. 
Dog ver der Schlacht bei Wagram wurde R. durd) 
miturz feines Wagens gefährlich verlegt, fo: 
daf er —— zurüdfehren mußte. Im 3.1810 
begab er ſich nad Danzig, um dort die ftrengite 
Ausführung des Kontinentalſyſtems an der Ditiee: 
tüfte zu überwachen. Im ruf. Feldzuge fämpfte R. 
tapfer bei Smolenst und erhielt an der Moskwa 
die 23. Wunde. Von Wilna ſchidte ihn Napoleon 
nad Danzig voraus, wo er die flüchtigen Heeres: 
trümmter ——— ſollte; bald wurde er jedoch von 
den Ruſſen und Preußen eingeichlofien. Er ver: 
teidigte ſich auf das 5 — ein ganzes Jahr 
hindurch und übergab die Stadt im an. 1814 
unter ber Bedingung des freien Abzugs nach Frank— 
reih. Die Verbündeten verwarfen indes den Ber: 
trag und fchidten ihm als Kriegsgefangenen nad) 
Kiew. Nach der eriten Rejtauration durfte R. im 
Juli 1814 nach Frankreich zurüdtebren, wo er fi 
den Bourbons unterwarf. Bei der Nachricht von 
x Landung Napoleons erbielt er von Zub: 
wig XVII. den Befehl über das 1. Armeelorps; 
er trat jedoch zum Kaifer über, ber ihm das Kom— 
mando der Nheinarmee gab. Bon den Öfterreichern 
gedrängt, mußte er fih auf Straßburg zurüd: 
ziehen, wo er einen Waffenftillitand abſchloß. Lud: 
wig AVIIL, dem er fi wieder unterwarf, lieh 
ihm das Kommando nach ber zweiten Neftauration 
bis zur Auflöfung des Heeres. Dann begab er fi 
a fein Gut Wildenftein im Kanton Aargau, 
Erſt 1817 kehrte er nah Frankreich zurüd und 
wurde wieder in die Armee aufgenommen. Gr 
behielt die Pairswürde, die ibm Napoleon wäh: 
rend Det Tage erteilt hatte; außerdem er: 
nannte ihn der König 1818 zum ——— 
N. ſtarb 8. Nov. 1821 auf feinem Landgut Rhein— 
weiler bei Lörrad) in Baden. Außer einer Beſchrei— 
bung der Belagerung von Danzig hinterließ er «de- 
moires» (Par. 1823; deutih, Gotha 1824). Sn 
Colmar wurde ihm 1853 ein Denkmal errichtet. 
Nappahannod, Fluß im nördl. Virginien in 
den Vereinigten Staaten von Amerila, entitebt 
durch die Vereinigung des Nord⸗Forl und anderer 
Heiner Gewäſſer in Culpepper County im genann: 
ten Staate und fällt nad) einem etwas über 200 kın 
Langen Laufe in ſüdl. Richtung, fi zu einer etwa 
90 km langen Bucht erweiternd, in die Chefapeate: 
Bucht. Sein Hauptnebenfluß iſt der 135 km lange 
Napidan, der fih an ber Enge von Gul: 
vepper County in ihm ergieht, Die bebeutenbfte 


Stadt am R. ift Frederidsburg, wo der Fluß an: | R 


fängt — werben, Während des amerik. 
Bürgerkriegs bildete der R. häufig die Scheidelinie 
zwiſchen den beiden feindlichen Heeren und erlangte 


Nappabannod — Rappier 


eine große ftrategifche Wichtigfeit. Namentlich war 
das in dem Feldzuge von 1862, 18683 und 1864 ber 
Fall, wo ihn die Bundestruppen bei Frederidsburg 
überfchritten und empfindliche Niederlagen 13. Dez. ° 
1862 bei Frederidsburg, 2. Mai 1863 bei Chan: 
celloräville, 5. Mai 1864 in der Wilderneß erlitten, 

Nappee, Schnupftabat, |. Rapé. - 

‚ Rappen (in_der franz. Schweiz Gentime, 
in Kanton Teffin Centefimo genannt), eine 
Heine fchweizer Bronzemünze, den 100. Teil 
Frankens vorftellend und alfo dem franz. Gen: 
time gleih. Man prägt in gleiher Art auch 
Stüde zu 2 R., ferner aus einer aus Silber, 
Kupfer, Zint und Nidel beftehenden Mifchun 
(Billon genannt) Scheidemünzen zu 5, 10 um 
2 R. +3 m früher war der R. eine Rechnungẽ⸗ 
und — mehrerer ſchweiz. Kantone und 
ſtellte den 100. Zeil des ältern ſchweiz. Franlens 
vor, welcher lehßtere burchichnittli 11’ nm 
preuß. wert war, Die erften R. wurden 
15. Jahrh. in Freiburg gemünzt und erhielten ihren 
Namen von dem aufgeprägten Nabentopfe. _ _ 

Nappenan, Pfarrdorf im bad. Kreije Heide‘ 

berg, Amt Sinsheim, Station der Linie Nedar- 

ahnen, hat (1880) 1449 evang. E., ein Schloß der 
Herrſchaft von Gemmingen, eine Mafchin abrit, 
eine Liqueurfabrit und eine Saline (wohin Zweig: 
bahn) mit bis 210 m tiefen Bohrlödern und dem 
Solbad Sopbienbad. 

Nap erichtop! oder Rapperswil, altes 
malerifches Städtchen, Hauptort des — im 
ſchweiz. Kanton St. Gallen, liegt 412 m über dem 
Deere, 26 km füdöjtlich von Zürich auf einer Land: 

unge am —* Ufer des obern Züricherſees, be- 
Hit eine alte, ur in welcher ſich gegen ein 
olnijches hiſtor. Muſeum befindet, ein f t: 
— ein Kapuzinerkloſter, eine reihe Pfarr: und 
eine prot. Kirche, ein Proghmnaſium, — 
briken (Baummollfpinnerei ıc.), Gafthöfe t 
und zählt (1880) 2637 E., worunter 924 Proteſtan⸗ 
ten, Der wohlhabende gewerbfleißige Ort iſt ein 
belebter Safenplab, Station der Dampferlinie 
Zürich: Horgen:R. und der Bahnlinie Züri en: 

ur, welde fih bier durch die Zweigbahn R.- 
Pfaffiton an die linlsuferige Zürichjeebahn an- 
ſchließt. Der Seedanım, über welchen diefe Zweig- 
linie rührt, 1876— 78 an Stelle einer alten 
1358 erbauten Geebrüde errichtet, ift 1005 m 
lang und beftehbt aus einem gemauerten Damme 
mit eilernen ——— auf 26 Pfeilern und 
einer eiſernen Drehbrücke. R. wurde zu Anfang 
des 12. Jahrh. von den Grafen von R. 
deren Stammburg Alt:R. dem jekigen gegen 
über auf dem linten Ufer des Sees lag, fam 
an —— von deſſen Herrſchaft es fih 1458 
freimachte, bildete von da an mit feinem Gebiet 
unter dem Schuß der Eidgenoſſenſchaft ein jelb- 
jtändiges Gemeinwefen, bis es 1798 an den Slan- 
ton Linth der Helvetiichen Republik fiel und 1803 
dem neugeichafienen Kanton St, Gallen einverleibt 
wurde. Bol. Nidenmann, «Gedichte der Stabt 
N.» (2. Aufl., Rapperſchwyl 1879). 

Rappert, in Oſterreich übliche Benennu 
die Lafette der Schiffegefhüge, Man unterf 
ad: und Sclittenrapperte. , 

Rappier (im, rapitre) beißt der für ben Fecht⸗ 
boden und die Menſur beftimmte Degen zum Gto- 
ben besichbunpsweile Hauen als eriterer Stoß: 


Rappitz — Rafant 


rappier oder Florett, als ———— Hieber 
oder Schläger genannt. Das Haurappier hat eine 
breitere und ftärtere Klinge als das Stobrappier 
und ift auch im Gefäß abweichend, infofern een 
ftatt des Stichblatts eine halbkugelförmige Glode 
zum Schuhe der Hand befigt. 
Rappitz, Dorf bei Buſchtiehrad (f. d.), ; 
Rappol n, auh Hohen:Rappoltitein 
genannt, ein 450 m hohes, jeht in Trümmern lie: 
endes ſchloß am Eingange eines anmutigen 
ogeſenthals im elſaß⸗lothring. Bezirt Oberelſaß, 
Kreis Rappoltsweiler, war früher die Reſidenz der 
Herren von R., welden die umfangreiche Herrſchaft 
R. zugebörte, die durch Erbgang 1673 an die Pfalz: 
* von Birkenfeld, 1734 an die von Zwei— 
rüden, zulegt an Marimilian Jofepb, den fpätern 
eriten König von Bayern, fiel, und 1789 durch die 
Seanzöfhe Revolution beftätigt wurde. Die Herren 
von. waren mit der — — über die fah⸗ 
renden Spielleute, die «Pfeifer» belchnt, welde 
— am 8. Sept. zur Feier des «Pfeifertags» in 
appoltsweiler zufammentamen. Zu dem Schloſſe 
be Hi die Schlöſſer 


n:Nappoltjtein gehörten no 


Ho 
E chsburg und 
Nr 1874); Varre, «fiber die Bruderfhaft der 
Pfeifer im Eljaß» (Colmar 1874); C. Mündel, 
«Die Bogefen» (Straßb. 1883). . j 
, som töweiler 63 Ribeguville), Kreisſtadt 
im elfab:lothring. Bezirk Oberelfaß, am Eingange 
de3 Rappoltsweiler ar und am Fuße deö Rap⸗ 
poltfteins, 16 km nördlich von Colmar und 5 km 
weſtlich des an der Eifenbahnlinie Straßburg: Bafel 
gelegenen gleichnamigen Bahnhofs, mit weldem 
es durd) die Straßenbahn verbunden ift, zählt (1880) 
6013 meift fath. E., ift Si einer Kreisdireltion und 
eines Amtsgerichts, hat eine Realſchule, eine von 
Nonnen geleitete Erziehungsanftalt für Mädchen, 
Mafchinenwebereien für Baumwolle, Kattunfabri: 
fen, Gerbereien und Meinbau, — Der Kreis 
Rappoltsweiler zählt (1880) auf 459 qkm 
62996 meiſt kath. E. j z 
ort (frz.) beißt in der Militärſprache im 
allgemeinen jede ſchriftliche oder mündliche Mel: 
dung des Untergebenen an den Borgefepten, ſpe— 
ziell aber eine nach bejtimmtem Schema angefer: 
tigte, hauptſächli ablengrupven enthaltende 
Nachweiſung über dienſtliche Öegenftände. So gibt 
der Stärferapport die detaillierte Stärke einer 
Truppe, der rontrapport die Stärken der in einer 
Parade pure Abteilungen, der Waijenrapport 
die Zahl der vorhandenen Waffen u. ſ. w. Die 
weiten R. werden periodiſch eingereicht, 

Raps und Nübfen find die beiden wichtigjten 
in Mitteleuropa kultivierten Olgewächſe, welche zur 
Familie der Kreuzblütler und zwar zur Gattung 

rassica (f. d.) ——— Man uͤnterſcheidet Win: 
terraps und Sommterrap3 von B. Napus, 
Winter: und Sommerrübfen von B. Rapa; 
jener wird im Herbit, diefer im Frühjahr ausge: 
jäct. Von dem Winterraps kommen wieder meh: 
tere Spielarten vor, von denen ſich befonders der 
holländ, oder peid: Schirmraps auszeichnet, der 
ſich ftarf bejtodt, ſehr hoch wird, große, ölreiche Ea: 
men befigt, vom Ungeziefer weniger zu leiden hat 
und etwas Feher reift. Der Raps, — Reps, 
Sohl, Kohlfaat (daher frz. und ital. Colza), 
Tölpel, Lewat, große W Merjant genannt, 
behauptet den Vorzug vor dem Nübfen, weil ex er: 


. MEER ‚ die fog. «Trei 
Burgen». Bol. Rathgeber, «Die Serfägft RN.» | fi 


493 


giebiger iſt, ſtellt jedoch ee Anfprücde an Boden, 
ee u. ſ. w. Beide haben verheerende Feinde 
an dem Erdfloh (Haltica napi und brassicae), dem 
Slanztäfer (Meligethes aeneus), verfchiedenen 
Geutorhyndhusarten, dem Pfeifer, der Yarve der 
Rübfaatmorte (Botys margaritalis) und der Napa: 
weipe (Athalia rapae), Raps und Nübfen werden 
Bee: Samen wegen angebaut, die ein vorzügliches 

vennöl (Rüböl) liefern; Stroh und Schoten ge: 
währen ein gutes Biehfutter, Der Raps liebt einen 
träftigen, tiefgründigen, nicht zu naflen Boden, 
welcher namentlid) guch feine Näffe im Untergrunde 
befigen darf. Die Düngung kann fehr ftark fein; 
beſonders hat fi der Schafdung bewährt. Die 
Ausfaat erfolgt für Winterraps und »Nübfen im 
Auguft, beziehungsweife September, für den Som: 
merraps und :Rübjen Ende März, beziehungsweiſe 
Anfang Mai. Da der Naps_ eine Behr unfichere 
Pflanze ift, fo ſchwanken die Erträge zwiſchen 
8—25 hl (a 65—70 kg) —— Heltar. 

Rapsiloh, |. unter Erdfloh. 

Rapskäfer heit vorzugsweiie der Glanzläfer 
(Meligethes aeneus), ein gefährlicher Feind der 
Raps- und Nübfenfaaten. (S. Raps.) Er ftellt 
ich öfters in Maffen bei der eriten Entwidelung 
der Blüten der Ölfaaten ein, das Weibchen legt 
feine Gier in die Blütenknojpen und die daraus 
entitehende braunföpfige Larve frißt deren Inneres 
aus. Iſt die Rapspflanze infolge vorausgegange: 
ner ungünftiger Witterung nicht hinreichend erjtarlt, 
D vernichten die Glan täfer häufig die gefamte An⸗ 
aat. Yhretwegen 9— zuweilen der Rapsbau ganz 
aufgegeben oder fo lange filtiert werden, bis die 
Fortentwidelung der Käfer aus Mangel an Nab: 
rung unterbrochen ift. Ganz befeitigt können dies 
jelben niemals werden, folange freuzblütige Un: 
teäuter auf den Sldern geduldet find. Ter R. iſt 
taum 2 mm lang, ebenfo breit, glänzend erjgrün, 
mit lfeulenförmigen Fühlern und braunen Beinen, 

NRapsverderber, ſ. Polydesmus. 

Raptatöres (at), Naubvögel, 

Rapuntifa, f. unter Denothera, 

Rapünzchen, |. Feldialat. e 

Rarotonga, Inſel, |. Coolsardipel, 

Räs (arab.), foviel wie Kap (f. d.). 

Nas, Fluß in Armenien, f. Aras. 

Helen: ſ. Rjäſan. DEZE. 

Nafant oder beitreihend heißt die Flugbahn 
eines Geſchoſſes in den Grenzen, innerhalb wel: 
cher ſich diefes nicht mei als bis zur u A 
ewöhnlihen lebenden Ziele (Manns-, Reiters 
öbe) über den Boden erhebt. Innerhalb der ra: 
anten Geſchoßbahn ift der Schüge in feinen Er: 
olgen von der Kenntnis der Entfernungen und der 
Wahl des richtigen Viſiers ver ig. Bejondern 
Wert legt man J— eine große Raſanz oder Ge: 
ftredtheit der Geſchoßbahn bei Handfeuerwaflen, 
wo die Beobachtung der Gefhoßauffdläge erſchwert 
iſt. Mittel zur Erreihung Kl afanz find die 





Steigerung de3 Ladungsverhältniſſes und eine zur 
Überwindung des —— tandes günftige Geſtalt 
des Geſchoſſes. In letzterer Hinſicht find die Lang: 
geſchoſſe der gezogenen Feuerwaffen von befon: 
derm Werte. Eine Skigerung des Ladungaver: 
hältnifies hat man in neuefter Zeit bei Gewehren 
durch Verminderung des Kalibers, bei Geſchuͤßen 
durch Verwendung langfam verbrennenden Schieß⸗ 
pulvers moöglich gemacht. (S, Geſchüh und 
Handfeuerwaffen.) 


494 


Raſch (frı. ras, engl. rash), ein vierfchäftig ae: 
föperter Stojf aus meift eben Kanımgarn und 
leicht gearbeitet. Feiner R. lam jonjt unter der 
Benennung Chalon vor. Früher verfertigte man 
unter dem Namen Tuchraſch einen ähnlichen, 


aber ganz aus Streichgarn bejtehenden, ſchwach ges | 


waltten Stoff. j 
Maſchau, Pfarrdorf in der ſächſ. Kreishaupt: 
mannſchaft Zwicau, Amtshauptmannſchaft Schwar: 
zenberg, im Thale der Mittweida, 4 km im SD. 
von Schwarzenberg, hat (1885) 2716 E., Bergbau 
auf Silber, Braunfteingruben, eine Arjenil- und 
zwei Kallwerke, eine Dampflorkfabrik, eine Fabrik 
jür —— über 50 Korlſchneidereien/ zwei 
Holzftoffichleifereien, Feuerfprigenfabrit, Spiken: 
Höppelei, Gerbereien, eine —— rik, 
L Bund Sägemühlen und eine Kloppelſchule. 
afchdorff (Yul.), Architekt, geb. 1823 zu Pleß 
im gg Fa Oppeln, beſuchte die Baus 
akademie in Berlin und wurde 1853 Gtadtbau: 
meijter in Köln. Hier reftaurierte er mehrere ro: 
man. ober zum Teil * Kirchen, ſowie das Nat: 
haus, lieferte den Plan zum Umbau des Gürze— 
nich, leitete mit Felten den Bau des Wallraf: 
Richarz⸗Muſeum, baute das neue Stadttheater 
(im Renaiffanceitil), das rhein. Brovinzialftände: 
haus in Düffeldorf (ital. Nenaiffance) und viele 
andere öffentlihe Profanbauten. Im 1879 
wurde er Profeſſor an der berliner Alademie, 

Raſchewka, Fleden im rufl. Gouvernement 
Poltawa, im Kreis Gadjatſch, am Pfjol mit 4702 E., 
welche Handel mit Honig, Wachs, Federn, Borjten, 
Bferdehaaren u, f. w. treiben, i . 

Raſchi, eigentlih Salonıo ben Iſaak, fälſch— 
ih Jarchi genannt, jud. Gelehrter, geb. 1040 zu 
Troyes in der Champagne, hielt ſich auch zeitweilig 
in Mainz und Worms auf, genoß eines großen Ans 
ſehens als Gefeplehrer und ftarb 26. Juli 1105. 
Verdient bat er 1d durch feinen Kommentar zu 
30 Zraltaten de3 babylon. Zalmud gemacht, der 
auch in allen volljtändigen Ausgaben den talmu: 
diſchen Tert begleitet. Außerdem verfaßte er einen 
Kommentar zu der hebr. Bibel (die Chronik ausge: 
nommen), ber ſehr oft gebrudt und von Breithaupt 
ins Lateiniſche überfekt it (3 Bde., Gotha 1710 
—14). Eine deutfche libertragung des Kommen: 
tars * erſten Buche Moſis beſorgte — 
(1834), zum ganzen Pentateuch Dules (Prag 1833 
—38). Sammlungen halachiſcher Ausſprüche und 
Gutachten rühren von jeinen Schülern ber. 

Raſchid, Stadt, |. Rofette. 

cia, f. unter Raizen. f 

Rasdorſtaja Staniza, ein Fleden in Ruß— 
land, im Lande der Doniſchen Koſalen, erfter donis 
nifcher Kreis, am Don, mit 3493 E., hat bedeuten: 
den Weinbau und große Viehmärkte. 

Nas:el-Kadrün, f. unter Caſius. 

‚Rafen nennt man eine in der Hauptfache aus 
dicht beifammenftehenden Grasblättern zufammten: 
geiehte Pilanzendede des Erdbodens. Je mehr die 
Gräſer vorberrichen, je dichter diejelben ftehen, je 
gleihmäßiger hoch und von je friiherm Grün fie 
ſind, deſto ſchöner iſt der R. Der ſchönſte R. iſt 
bloß aus Gräjern mit grünen und ſchmalen, flachen 
Grundblättern zufammengefegt. Einen folden R. 
aibt 3.8. das engl. Raygras (Lolium perenne), 
deſſen nıan ſich gewöhnlich zur Anlage künftlicher 
Najenpläge in Gärten und Parks bedient. Auch 
da? Knauſgras (Dactylis glomerata L), das Ti: 


us nn — — 


| 


‘ 


Naſch — Nafin 


mothygras (Phleum pratense 7..), das Fiorıngra3 
(Agrostis alba Schrad.) und da3 Honiggras (Hol- 
cus lanatus L.) benust man zur Heritellung von 
Rafenplägen, jedoch newöhnlid im Gemiſch mit 
dem engl. Raygraſe. Um einen ſchönen R. aus ven 
genannten Gräſern berzuftellen, iſt es notwendig, 
den Boden tief umzugraben, von Steinen zu jäu: 
bern und durch wiederboltes Harfen zu zerfleinern. 
Noch befler iſt es, denfelben durchzuſieben. Hierauf 
ebnet man ihn ein, fäct den Grastanıen breitwürfig 
und möglichft dicht und walzt den Boden. Die 
fmaragdgrüne Grasnabe , welche ih dann bildet, 
muß öfterd abgemäht und gewalzt werden, bis der 
R. die gewünschte Dichtigkeit erhalten bat. Unkräu— 
ter werden fofort ausgegätet, wenn fie fich zeigen. 
Soll der R. dauernd ſchön bleiben, jo dürfen die 
Gräjer nie zur Blüte gelangen, fondern müjlen im: 
mer kurz gehalten werden. Hierzu empfiehlt ſich 
befonders die Raſenmähmaſchine (f. unter Gar: 
tengeräte, Bd. VII, S. 559%). Durd forgjam 
—— Düngung mit Ruß, Aſche, Guano, Chili— 
alpeter, Kaliſalzen, neben reichlicher Befeuchtung, 
kann einem ſchwachen R. bald aufgeholfen werden. 

Nafenbrennen oder Brandwirtich eft nennt 
man das Abbrennen oder Schwelen fterilen oder 
ſtark verfilzten Wald, Moor: und Heibebodens. 
(©. unter Betriebsiyitem 1.) 

Nafeneifenftein, auch Wieſenerz, Sumpf: 
erz und Morafterz, heißt ein Gifenerz, weldes 
hauptſächlich aus Eijenorybbydrat bejteht, gewöhn⸗ 
lich etwas Manganoryd, Kieſelſäure, Phosphor: 
läure und organische, aus dem Pilanzenreich jtam- 
mende Beimengungen enthält und mit Quarzſand 
verunreinigt üt; es it dunkel gelblihbraun bis 
Ihwärzlichbraun und pehichwarz, häufig fettglän: 
zend, bald erdigund weich, bald porös und ſchwamm⸗ 
artig durchlöchert und findet ſich meiſt gleich unter 
dem Raſen an durchwällerten moorigen Stellen, 
wo feine Bildung noch jeht vor fich gebt; weit aus: 

edehnte, aber nicht jehr mächtige Ablagerungen 
ommen namentlid) in der großen mitteleurop. Nie: 
derung vor, von Friesland bis in die ruſſ. Ditfee: 
ze und füdlich bis Niederfchlefien reichend. 
Man benust den R. wegen feiner Dünnflüffigkeit 
oft zu Gußwaren, doc) ilt das aus ihm dargejtellte 
Eifen wegen des Phosphorgehalts kaltbrüchig. 
enen, Bollöjlanm, f. unter Etrurien. 

Rafenerde, ſ. unter Erden und Grdarten. 

Rafenmähmafchine, f. u. Gartengeräte, 

Nafenmeifter, |. Abdecker. 

Nafenfchmiele, Bflanzenart, f. unter Aira 

Raferei, ſ. Manie. 

Nasgrad, befeitigte Diftriktäftadt in Bulgarien, 
am obern Bjali Lom (At Lom), 295 m über dem 
Meere, Station (2 km vom Drt) der Bahn Aufl: 
ſchul⸗Varna, zählt (1831) 11.084 E. und hat Bein: 
bau und Handel, Am 13. Juni 1810 und 14. Aug. 
1877 fanden bier Gefechte zwiichen Türfen und Ruſ⸗ 
jen ftatt; am 28. Jan. 1878 befehten lehtere N. — 
Der Diftrift Rasgrad an (1881) 121412 E. 

Raficren (militärifch) bei t ſoviel wie abtragen, 
dem Boden gleihmahen, und wird namentlich in 
der militäriichen Sprade für das Freimachen des 
BVorterraind von Feitungswerfen gebraudt, wo: 
durd) den Feuerwaſſen ein freies Schußfeld ver: 
ſchafft werben foll, \uglhe 

aftermeifer (frz. rasoir, engl. raser), ſ. unter 

Rafin (Stenla, d. i. Stephan, Timofejewitich), 


Führer eines Kojaten: und Rollsaufitandes 1667 


Raſk — Raskolniken 


—70 in Rußland, ftanımte aus dem Wojßlo der 
Doniſchen Kofaten und wurde in Tſcherlaſſk ge: 
boren. Snfolpe der bedrängten Lage des Volls im 
Moskauer Reih und in der Ukraine —F ge des 
Zaren Alerej famen viele flüchtige befikloje Leute 
und Hofaten am Don zufammen, Sie wählten N., 
einen Dann von ungewöhnlicher Thatkraft, und 
Verwegenheit, zum Ataman, und er zog mit ihnen 
«gegen die Bojaren», alles plündernd und mordend. 
Der Hauptſchauplahß feiner Thätigkeit war längs 
der Wolga und auf dem Kaſpiſchen Meere; bier 
hatte er einen Kampf mit ber perj. flotte zu be: 
jtehen. Am ſchlimmſten war fein Auftreten in 
Aſirachan, wo er den Wojwoden Broforomftij, alle 
Adeligen und reihen Leute, Später der Nachfolger 
R.s au den Metropoliten Joſeph ermorden ließ, 
und bie Kirchen, Staatslajjen u. a. plünderte, 
tiberall in den eingenommenen Orten wurde die 
demotratiſche Koſalenverfaſſung eingeführt und das 
Volk ſah in R. feinen Netter und Befreier; gegen 
ihn gefandte Truppen gingen meift nach Ermor— 
dung ihrer Befehlshaber zu N. über, Crit als er 
Baryzin, Saratow, Samara erobert und vor Sim: 
birst ftand, wurde er im Dft. 1670 vom Fürften 
Barjatynſtij geihlagen. Immer mehr zurüdge: 
drängt, zo kb R. an den Don zurüd, wurde hier 
jedod von den fehhaften Koſalen gefangen genom: 
men und an Moslau ausgeliefert. Nach graufa- 
men Folterungen erfolgte dajelbft 16. (6.) Juni 
1671 feine Hinrichtung, wobei ihm zuerjt ein Arm, 
dann ein Bein und zulekt erit der Kopf abgebauen 
wurde. N. ertrug alle Qualen mit großem Gleid: 
mut, ohne nur ein Zeichen von Schmerz zu verraten; 
das Andenten an jeinen Tod und feine Berfon hat 
ſich in zahlreichen Liedern und Sagen de3 großruf]. 
Volls erhalten. Bol. Koſtomarow, «Bunt Stenka 
Razinas» («Der Aufitand R.3», Petersb. 1859, und 
in defien «Istoribeskija eg dee 
Maſt (Nasmus Krijtian), bedeutender Sprach— 
foricher, geb. 22. Nov. 1787 zu Brendelilde bei 
Odenſe auf Fünen, begründete zjuerft feinen Ruhm 
durch die vänifch geichriebene, 1818 ſchwediſch um: 
gearbeitete «Anleitung zur Kenntnis der isländ. 
oder altnord. Spradhe» (Ho wi 1811); eine fürzere 
dän. Faſſung («Stortfattet Vejledning» u. f. w.) er: 
ſchien 1832 10 Auft., 1861). In den J. 1807—12 
entwarf er Syſteme der meiften german., ſlaw. und 
roman. Spraden; auch brachte er die ind. Sprad: 
familien in eine vergleihende Überliht. Im J. 
1813 ging er nad Island, und hier widmete er 
drei Jahre der Geſchichte des Landes feine -_ 
merkjamleit und legte eine Sammlung ber intere): 
fanteften Sagen an. Sein 1814 vollendetes Haupt: 
werk für fomparative Spracdenfunde, die «Unter: 
ſuchungen über den Urſprung der altnörb. ober 
isländ. Sprache», wurde 1817 gebrudt. * J. 1816 
trat er eine Reiſe nah Aſien an. In Stodholm, 
wo er fich zuerit über ein Jahr aufbielt, gab er die 
aEdden⸗ (1818) heraus und vollendete feine «Angel: 
ſächſ. Spradlehre» (Kopenh. 1817). Dann hielt er 
ſich längere Zeit in Peterdburg auf, ginghieraufüber 
Tiflis nad) Berfien und Indien, wo ihn neben dem 
Hinduftanifhen und Sanskrit aud die alte Berfer: 
prache —— Als t dieſer Studien er⸗ 
chien die Abhandlung «fiber das Alter der Zend: 
prade und die Echtheit des Zendaveita» (deutſch 
von gen, 1826). Im J. 1823 nah Kopenhagen 
zurüdgelebrt, ſchrieb er eine «Span. Spradjlehre» 
und eine « . Spracdhlehre» (1824— 25), gab 


495 


feinen —** einer wiſſenſchaftlichen dän. Recht: 
ſchreibungslehre⸗ (1826) und eine dän. Grammatik 
in engl. Sprade (1830 u. 1846) heraus und ar: 
beitete zugleich an einem Werle über den malaba: 
riſchen Spradftamm. Außerdem beichäftigte er ſich 
mit einem got. Wörterbuch, jowie mit einer Unter: 
ſuchung der Berwandtichaft zwiichen den lappiichen 
und den nordafiat. Spraden. Seine Thätigfeit 
als Vorftand der von ihm 1816 gegründeten 4: 
ländifchen Litteraturgefellichaft und der 1825 ge: 
ftifteten königl. Gefellihaft für nord. Altertums: 
kunde, an deren Ausgaben altnord. Terte er ſich 
beteiligte, war umfaſſend. R. ftarb 14. Nov. 1832, 
Nach feinem Tode erfchienen noch feine «Engl. For: 
menlehre» (1833) und die Sammlung feiner Ab: 
bandlungen ß Bde., Kopenh. 1834—38), 
Raskoͤlniken (ruf: raskolniki, von raskolotit’, 
zerfpalten), foviel ala S iömatifer, Keher; Ras- 
kol, das Schisma. Die älteften Abweihungen von 
der Kirche in Rußland befchräntten fih nur auf 
— Lehren. Dahin gehören die Strigol: 
niten, im 14. Jahrh. von KarpStrigolnik gegrün: 
det (je verwarfen jede — u. a.); die Juden⸗ 
tümler im 15. Jahrh. verwarfen die Saframente; 
im 16. Behr eugneten Matthäus Baſchkin und 
Theodoſius Koßyj die Gottheit eine j 
Der eigentliche Raskol beginnt aber erft im 17. 
Jahrh. mit der Verbefferung der liturgifchen Bücher 
durch den Patriarchen Niton, und It neben der 
a ichen auch eine polit. und foziale Bedeutung. 
Auf einem Konzil zu Moslau 1666 wurden die von 
Nikon TERN Verbeilerungen von vielen nicht 
anerlannt, und fie, diefe R., hielten fich auch ferner 
an die alten Bücher und Gebräuche, weshalb fie ſich 
auch Altrituale (staroobrjadey) oder Altgläubige 
(straroverey) nannten, während man unter Recht: 
läubigen oder Orthodoxen (pravoslavnyje) die An: 
bün er der Staatslirche verfteht. Zugleich ver: 
warten fie aber aud die polit. Gentralifation, ja 
oft jogar die Gewalt des Zaren felbit, die Bureau: 
fratie, die Nefrutenaushebungen u. a., insbeſondere 
die Neformen Peters d. Gr. An den Aufitänden 
von Rafin und Pugatſchew waren die R. ſtark be- 
ng Sie hatten daher heftige Verfolgungen von 
der Regierung und der Kirche zu erdulden, breiteten 
fi aber gleihwohl immer mehr aus, über_alle 
—— Rußlands, wie auch in Polen und Sibi— 
rien. Budilowitſch (in «Statistiteskija tablicy», 
ee. 1875) berechnet fie auf 3074000, doch foll 
tein der That8, nach andern ſogar 11 Mill. betragen. 
‚Schon zu Ende des 17. Jahrh. fpalteten ſich 
die R. in zwei Hauptzweige, die noch en 
in folde, welche die Notwendigkeit von Prieftern 
anerlannten und fie beibehielten (popovcy, popov- 
$tina), und in folche, welche einen befondern Pric: 
ſterſtand verwarfen (bezpopovcy, bezpopov3tina, 
die Priefterlofen), wobei dann die Älteſten die lirch— 
lichen Geremonien auszuüben haben. Die Priefter: 
lojen (Bespopomzen) entitanden im Gouvernement 
Dione;, am Aluße Wyg und an der Küſte (po- 
morje) de3 Weißen Meer3 und beiben deshalb 
auch Pomorijanen, von denen fich fpäter die So. 
fianer und Bhilipponen (f, d.) abtrennten. Neben 
diefen drei Hauptzweigen bildeten ſich noch verſchie— 
dene Heinere Selten, wie die Baganten (stranniki), 
die Flagellanten (chlystovstiki), Stopzen (f. d.) 
u. a. Aablreich find die Duchoborzen (f. d.) und 
die Mololanen (f. d.), bei denen Ginflüfle des Pro: 
teitantismus nicht zu verfennen find. Um 1870 ift 


496 Rasores — Räß 


eine Selte pietiftifher Richtung (Stundisty, Stunda) 
im Gouvernement Kiew entitanden. Auch die R. 
mit Prieftern (Bopomwzen) zerfallen in verſchiedene 
Selten, von denen die wichtigjten die Cingläubigen 
(jedinovörcy) oder Neupopowzen find, welche ſich 
von den Orthodoxen nur in einigen Außerlich— 
leiten untericheiden. er 
Durch Nüchternheit des Lebens und gegenfeitige 
Unterftüßung gelangen die R., zu denen viele ruſſ. 
Kaufleute gehören, meift zu großem Wohlſtande. 
Das Centrum ihrer Organiſation ift Mostau, mo 
beide Hauptriditungen des Raslols ihre reid) do: 
tierten Hofpitäler und Klöfter haben. Die anfangs 
barten Berfolgungen ließen unter der Kaiferin Ha: 


tbarina IL. etwas ah Doch wurbe erft 1874 durd) | 
i 


Einführung der Eivilftandsregifter in Rußland die 
Ehe der R, wenn fie in jene Negifter eingetragen 
worden, als gefehlid anerkannt. Andere Beichrän: 
lungen der bürgerlichen Freiheit beftehen noch fort. 
Infolge der genauern Kenntnis des Raslols, welche 
die neuern ge gebracht haben, wird es 
aber immer mehr möglich, die ſchadlichen von den 
unfhädliden Selten zu unterſcheiden. 

Vgl. Malarij, «Gedichte des ruſſ. Rastols» 
(rl, Vetereb. 1855); Schtihapow, «Der ruſſ. 
astol» (tuff., Kaſan 1859); «Le Raskol, essai his- 
torique etc.» (Par. 1859); ferner die ruf. Schriften 
von Melniltom (f. d.), Ariftow, Nilstij, Subbotin, 
öres (lat.), j. Scharrvögel. 

Raspail (Francois Vincent), ausgezeichneter 
ben aturforjcher, zugleich belannt als radilaler 

epublifaner, geb. zu Carpentras 29. Jan. 1794, 
lam 1815 nad Paris, wo er ſich bei allen Ber: 
chwörungen der Neftaurationsperiode beteiligte. 

n der \julirevolution von 1830 wurde er ver: 
wundet. Später half er die Geſellſchaft der Bolts: 
freunde gründen und ſchrieb each ‚die Juliregie: 
rung eine Reihe erbitterter Flugſchriften, die Im 
einen Prozeß und 15monatliche Haft zuzogen, Als 
1832 die —— der Vollsfreunde ſich auf— 
löfen mußte, trat R. der, Geſellſchaſt der Men: 
fhenrechte bei. Unter feinen naturwifienfchaft: 
lihen Schriften früherer Zeit find befonders 
hervorzuheben: «Essai de chimie microscopique 
appliquée & la physiologie» (Bar, 1831), «Nou- 
veau systöme de chimie organique» (Par. 1833), 
«Nouveau systöme de physiologie vögetale et de 
botanique» (2 Bde., Par. 1837, mit Atlas), worin 
beſonders die glüdlicdhe Anwendung mitrojfopifch: 
den. Berfuche zu rühmen ift, «M&moire compara- 
tif sur P’histoire naturelle de l'insecte de la galen» 
(Bar. 1834; deutſch von Kunze, Lpz. 1835) und 
«Histoire naturelle de la sant& et de la maladie 
chez les végétaux et les animaux» (3 Bde. 1839— 
43; 2. Aufl, 1846), ein Werk von bedeutendem Ber: 
dienft, Beim Ausbruh der Aprilunruben von 
1834 verhaftet, doch alsbald wieder freigelaflen, 
itiftete er das demofratifche Tageblatt «Le Röfor- 
mateur», das infolge von Preßprozeſſen Ende 1835 
wieder aufhören mußte, N. warf ſich num mit 
doppeltem Eifer auf wiſſenſchaftliche Forſchungen 
und bildete ſein mediz. Kampferſyſten aus. Die 
— in welcher er mit dieſer Theorie hervor— 
trat, führte den Titel: «Cigarettes de camphre et 
camphatitres hygieniques contre une foule de 
maux lents à guerir» (Par. 1839 u. öfter). 
Am Abend des 24. a 1848 drang er an 
der Spige eines Voltshaufens in den Beratungs: 
faal der Proviſoriſchen Regierung auf dem Stadt: 


baufe und — dieſe, ſofort die Republil 
rotlamieren. Am 27, Febr. lieb er bie ehe 

ummter des «Ami du peuple» erſcheinen, deſſen 
Wirlſamkeit er durch die Stiftung Klubs der 
Vollsfreunde unterftüste. Am 15. Mai befand er 
fi an der Spibe des Vollshaufens, der in den 
Saal der Nationalverfammlung eindrang. Mit 
Barbes, Blanqui und den andern Urhebern biefes 
Komplott3 verhaftet und nad Vincennes gebradit, 
wurde er vor den 8 en Gerichtshof in Bou 
geſtellt und zu fünfjähriger Haft verurteilt. 
Sommer 1853 erlaubte ihm die faijerl. Regierung, 
Bir Haft mit dem Eril zu vertaufhen, und ſeitden 
ebte er in Belgien auf einem Dorfe bei 
Im J. 1869 in den Gejehgebenden Körper ge 
gehörte er bier zur äußerſten Linlen. Seit 6 
war er Mitglied der Deputiertenlammer, Er 

u Arcueil bei Paris 8. Jan. 1878. Von feinen 
Inte Schriften find zu nennen die periodiiche 
Schriit «Almanach et calendrier meteorologique» 
und »Nouvelles etudes scientifiques et philolo- 
giques» (1861—64). Pol. Saint-Martin, «Fran- 
gois Vincent R. Sa vie et son @uvre» (Par, 1877), 

Benjamin R., ältefter Sohn des vorigen, geb. 
16. Aug. 1823, Naturforfder und demolratiſch⸗ 
fozialitifcher Republitaner, war 1848 Repräjentant 
des Rhönebepartements in der Legislative und 
wurde im Yan. 1852 verbannt. fehrte 1863 
* Franlreich zurüd und wurde 1876 als Mit: 
glie der äußerjten Linfen in die Deputiertens 
ammer gewählt. 2 

Eugene R. Neffe von Fransois Vincent R., 
geb. 12. Sept. 1812 zu —— im Depart. Vau⸗ 
cluſe, hat ſich als Archäolog, Numismatiler und 
Geolog belannt gemacht. Er war Direltor der 
Gasheleuchtungsanſtalt zu Avignon, als er im 
April 1848 als Abgeordneter von Baucluſe in die 
Nationalverfammlung gewählt wurde, wo er der 
äußerjten Linken angehörte. 

afpe, ae! Raſpe. 

Raſpe (Rudolf Eric), ſ. unter Munchhauſen 
(Karl Friedr. Hieronymus, Freiherr von). 
Rafpel (m räpe, engl, x ift ein zur Forms 
gebung und Slättung von Holz, Horn und andern 
Schnisitoffen dienendes Handwerljeug aus r⸗ 
tetem Stahl, welches durch sahlseiche, auf jeiner 
DOberflähe (dur Einhauen mit einem Spibeifen) 
bergeitellte Zähnchen wirkt; feine Dimenfionen und 
die Form bes Querfhnittes find nach der Geftalt 
des Wertjtüds verfchieden. Bon der Feile unter: 
fcheidet fie ſich durch eine — Stellung und 
andere Herſtellungsart der Zähnden. _ 

Naspopinffaja Staniza, Stadt in Rußland 
im Lande der Donifchen Koſalen, Kreis Uſt Died: 
webizt, am Don, mit 10353 E. it ein Ha — 
plaß für Getreide und Fiſche und hat por 
tenden Handel mit Rindern und Pferden. 

NAH (Andreas), kath, Theolog, it April 
1794 zu Sigolsbeim im Obereljab, ftubierte unter 
Liebermanns Leitung in Mainz und wurde 1830 
Superior de3 bifhöfl. Seminars in Straßburg, 
dann Kanonilus am Münfter und 1842 — da: 
[er Er war 1874—76 Mitglied des Deutichen 
deichſtags, wo er ald Mitglied der — 
erſchien, aber 18, Febr. 1874 durch feine 
fennung der Thatjadhe des Frankfurter Friedens 
Auffehen erregte. Auch empfing er 2. Mai 1877 


unter dem Portal des Müniters den 
Kaiſer. N. —* mit Biſchof Weiß er Ce 


Raſſa — Naftatt 


Butlers «Leben ber Väter und Märtyrer» (25 Bbe., 
Mainz 1821—27) heraus, begründete die Heitichrift 
«Der Katholil» und veröffentlichte das große Wert 
«Die Konvertiten feit der Neformation» (12 Bde., 
Freiburg i. Br. 1866— 75). 
Halle: ſ. unter Raizen. .. 
Raffam (Hormuzd), riefen, geb. zu Moſſul 
am Tigris, von chaldaiſch⸗chriſtl. Abjtammung, am 
1847 nad) Orford, wo er ftudierte, wurde Layards 
Gehilfe und fpäter Stellvertreter bei deflen Nad): 
gra ungen in Ninive; 1854 Dolmetſch des engl. 
Minifterrefidenten in Aden, bald darauf Unter: 
refident dafelbjt. Im di; 1864 mit einer Botſchaft 
an König Theodor von Abefjinien beauftragt, wurde 
er von diejem 1866 gefangen geſeht und erjt April 
1868 durch Napiers Erpedition befreit, und rt 
nad) London zurüd. Seit 1876 leitete er die Aus: 
rabungen der Engländer in Afiyrien und Baby: 
onien, Ihm verdankt man (1877—78) die Auf: 
dedung des Ruinenhügel3 Balawat, öftlic von 
Ninive, mit dem Balalt des Salmanaflar Il. und 
den vielgenannten « Bronzethoren von Balamwat», 
ebenfo (1881) die Aufdedung der Ruinen von Sipar 
(Sepharvaim der Bibel) in dem heutigen Abu 
abba, ſüdſüdweſtlich von Bagdad, und die wenig: 
ens fe e wahrſcheinliche Nachweiſung der alten 
Etadt Kutha in dem heutigen Tell: Zbrahim, nord: 
öftlich von Babylon, — 
Naffe, ſ. Art und Menſch (naturgeſchichtlich). 
Raffelkllingeln und Raſſelwecker, ſ. unter 
Elektriſche 7* und Weder. 
Naffeltwig, ſ. Deutſch-Raſſelwißtz. 
Raffowa (bulgar. Rasevata), offener Fleden 
in dem durch den Berliner Frieden 1878 an Rumä— 
nien äbgetretenen Teil der Dobrudiha, an der 
Donau, welche hier ihren weftöftl. Lauf in einen 
ſudnördlichen ändert, war früher peeftigt und a 
2006 E., meift Bulgaren, welche Aderbau und Fiſch— 
ka treiben. Seine Bedeutung als —— ab 
at der Drt feit Eröffnung der Gifenbahn von Gzer: 
namoda nad) Küftendfche verloren. lofens. 
Beier untere fegelförmige Raum eines Hob: 
Raſtatt, Stadt un ung im Kreiſe Baden: 
Baden des Großherzogtum Baden, an der Mur, 
und den Linien Nannheim:Bafel und R.:Gernsba 
der bad. Staatsbahnen, ift Sik eines Amtsgerichts 
und bat (1885) 12463 E. Die Stadt bejist ein 
Ihönes Schloß nebit *8 arten, drei lath. und 
eine evang. Kirche, ein Rathaus, ein Gymnafium 
und eine höhere Töchterfchule. Die Fabrilthätigfeit 
der Bewohner erftredt fi auf Spriken, Tabak und 
Handfabrifation. Als Feſtung hat R. einen Teil 
einer frühern Bedeutung verloren, feit Straßburg 
ih eworden iſt. Die Werte m. aus der 
Stadtbefeftigung (Forts Leopold, Friedrich und 
Ludwig, Weit: und Oftfort) und dem verfchanzten 
Lager auf dem rechten Murgufer unterhalb der 
Stadt. R. war früher nur ein Amtsfleden, den die 
Sranzofen 1689 niederbrannten. Bald darauf 
ward e3 als Stadt in feiner jehigen regelmäßigen 
Geftalt von dem berühmten kaiſerl. Feldherrn Lud⸗ 
wig von Baden angelegt, deſſen Gemahlin, die 
Markgräfin Sibylle Augufte, den von ihm be; 
gonnenen Bau des Schloſſes vollendete und 1725 
auch das 3 km entfernt liegende, jebt großherzogl. 
Luſiſchloß Favorite erbaute. Geit jener Zeit bis 
1771 war ber Ort Nefidenz der Markgrafen von 
Baden-Baden. Infolge der franz. —— 
1840 wurde vom Deutſchen Bunde die Befeſtiguüng 
GonverjationdsLerifon. 13. Aufl. XIIL 


497 


ber Stadt al3 Bundesfeftung befchloffen und bis 
1848 unter Leitung öfterr. Ingenieure bei vo 
endet, In R. begann 11, Mai 1849 mit Militär: 
meutereien der Aufitand in Baden (f. d.), und 
ebenda fand le Erhebung mit der Übergabe der 
Feftung an die Preußen 28. Juli ihr Ende, — 
war R. wieder von bad. und öſterr., feit 1860 au 
von preuß. Militär befeht, bis mit Errichtung des 
Norddeutihen Bundes 1866 bie Yltung Baden 
allein überlaffen blieb. Durch die Militärfonven: 
tion Baden mit Breußen vom 25.Nov. 1870 über: 
nahm Preußen die Fürforge, für die Feftung N. 
unter Vorbehalt der bad. Territorialoheit. Außer: 
dem ift R. noch durch zwei Kongreſſe und einen 
Friedensſchluß befannt. 

Aufdem erſten Kongreß im Nov. 1713 wurden 
durch den Prinzen Eugen von Savoyen und den 
Marſchall Villars die Unterhandlungen angefangen 
. den Spanifchen Erbfolgelrieg (f. d.) dur 
den Raftatter Frieden 6. März 1714 endigten. 
Da das Deutſche Reich nicht mit darin begriffen 
war, fo fand ein zweiter Kongreß zu Baden in der 
Schweiz jtatt, wo Eugen und Billars den Frieden 
Sy zwiichen dem —— zo. und Frankreich 
7. Sept, 1714 unterzeichneten. Demgemäß wurde 
Landau an Frankreich abgetreten, die Kurfürſten 
von Köln und Bayern wiederhergeitellt, der Utrechter 
Friede, ausgenommen in den, was Spanien betraf, 
anerlannt, Nantua, Mirandola und Comacchio an 
Sfterreich überlaffen. Der zweite Kongreß zu 
R. wurde 9. Dez. 1797 zum —* der Friedens: 
unterhandlung zwiſchen Frankreich und dem 
Deutichen Reiche eröffnet. Von franz. Seite waren 
anweſend Treilhard und Bonnier, und nachdem 
erfterer in das Direktorium getreten, Noberjot und 
—* Debry; von öſterr. Seite ie Metternid) 

raf Cobenzl und Lehrbach; von preuß. Seite ra 
Görz, Yalobi und Dohm, Nachdem infolge des 
—* ens von Campo⸗-Formio (ſ. d.) und der ges 

Een TER Ratter Honnention nem] De. LTE 
die legten deutſchen Waffenpläge am Rhein von 
den Ojterreihern geräumt und von den Franzofen 
occupiert worden, forderte die franz. Sefandtiäaft 
19. Jan. 1798 als Friedensbaſis die Abtretung des 
linten Rheinufers, welche Forderung nad längerm 
Sträuben von der Reihsdeputation (11.März) bes 
willigt wurde, Dann einigte man fi (4. April), 
daß die dadurch beeinträchtigten gen Reiche: 
tände durch Sälularifation der geiſtlichen Stifter 
ür ihre Gebietsverlufte FRE werden follten, 

m auf diefem Wege möglichft viel zu befommen, 
unterhandelten bie einzelnen Fürſten, ſelbſt Öfter: 
rei und Preußen, —— mit ber franz. Re: 
publik, wodurd) die Thätigkeit der Neihsdeputation 
gelähmt wurde. Um fo eher tonnten die Sraugolen 
tropi die Annahme ihres Ultimatum vont 6. Des. 
verlangen, welche 9. Dez. 1798 erfolgte. Aber in: 
zwiſchen hatte ſich eine zweite Koalition gebildet, 
und der Krieg brad) wieder aus. Nunmehr zogen 
id die kaiſerlichen Gefandten 8, April 1799 von 

em Raftatter Friedenstongreb zurüd und verließen 
13. April die Stadt. Auch die Reihsdeputation 
erllärte endlich 23. April * Thãtigleit für ſus⸗ 
endiert. Als darauf die franz. Geſandten, mit 
äſſen des kurmainziſchen Direltorialgeſandten 
verſehen, 28. April, abends Uhr, abreiften, wurden 
fie ungefähr 500 Schritte weit von der Rorftadt, 
auf dem Wege nad) Plittersborf, von einem Trupp 
öfterr, Szeller »Hufaren (nach andern von Neitern 


32 


498 
in der Uniform bderjelben) überfallen. Noberjot 


und Bonnier wurden ermordet; Jean Debry, ob: | ruf]. 
gleich verwundet, und der Gefretär Rofenftiel ent: | jerin pn ein 
R. und wurden dann von Hu: | rußland, wurde 1709 im Kirchdorfe Lemeſchi des 


famen wieder nad 


Naftelbinder — Nat 


NRafumosffij (Alerei Grigorjewitih, Graf), 
fi — * und DOberjägermeijter der Hai: 
ifabeth, der Sohn eines Bauern aus Klein: 


faren nad) der Grenze geleitet. Man wollte der | Gouvernements Tjhernigow geboren und für dem 


öjterr. Regierung die That infofern beimefien, als 
fie durch einen Überfall jener Gejanbtichaft in den 
Defi wichtiger Papiere a. gelangen wollen, 
weihe über die etwaigen Unterhandlungen Preu: 
bens und Bayerns mit ——— Republik Aufklä⸗ 
rung geben konnten. Die militäriſche Unterſuchung, 
die —A Karl ſofort einleitete, ward durch 
einen Befehl von Wien aus ſiſtiert. Von der ſpäter 
auf dem Reichstage zu Regensburg angeordneten 
Unterſuchung hat niemals etwas verlautet. Nach 
einer andern Annahme (Mendelsſohn-Bartholdy 
und Helfert) ift der Mord von franz. Emigranten 
ausgegangen. Nad) einer dritten, von Böhtlingt 
wieder aufgenonımenen Hypotbeje wäre bie That 
auf die franz. Kriegspartei und deren Führer, Ra: 
oleon felbit, zurüdjuführen, deſſen Werkzeug'wieder 
Jean Debry geweien fei; während andere wieber 
die Blutthat als einen Racheakt der Königin Karo— 
line von Neapel, Marie Antoinettes Schweſter, 
haben baritellen wollen. Bol. Eggers, «Briefe über 
die Auflöfung de3 Raſtatter Kongrefies» (2 Bde,, 
Braunſchw. 1809); Mendelsſohn Bartholdy, «Der 
Raitatter Gefandtenmorb» ( Heidelb. 1869); Neid: 
lin: Meldegg, «Der Naftatter Gejanbtenmord » 
Heidelb. 1869); Vivenot, «Zur Geſchichte des 
aftatter Kongrejjes» (Wien 1871); Helfert, «Der 
Raſtatter Gefandtenmord» (Wien 1874); ©. Müller, 
«Der Raftatter Gefandtennorb» —— 1873); der: 
felbe, «Die neueften Beiprechungen des Raſiatter 
Geſandtenmordes⸗ (Dresd. 1876); Böhtlingk, «Na: 
poleon Bonaparte, feine Jugend und fein Empor: 
tommen» (Jena 1877); derjelbe, «Napoleon Bona: 
parte und der NRaftatter Gejanbtenmord» (Lpy. 
1883); Hüffer, «Der Raftatter Kongreß und die 
zweite Koalition» (2 Bde. Bonn 1878—79). 
uder, |. Drabtbinder. 

Raftenberg, Stadt und Babeort in Sachſen— 
Meimar:Eifenad), Kreide —— an 
der obern Loſſa und am fübmweltl. Abhang der Finne 
bat (1885) 1240 E., drei Stablquellen und nördlich 
über dem Orte die Ruine der Raspenburg. 

Naftenburg, Sreisftabt im oftpreuß. Regie: 
tungsbezirt Königsberg, rechts an ber uber, 105m 
über dem Meere, Station der Oftpreußiichen Süd: 
bahn (Billau: Proftten), Sik eines Amtsgerichts, 
bat (1885) 7300 E. eine Reichsbanknebenſielle, ein 
tönigl. Gymnaftum, einLandgejtüt, Eifengießereien, 
Gelbgießerei, Bierbrauereien, Ziegelbrennereien, 
zwei Dampf: und Waffermüblen, eine Zuderfabrif. 
In unmittelbarer Nähe liegt Carlshof, Heil: und 
ilegeanftlt für Gpileptifche und Arbeiterkolonie. 
— Der Kreis Raftenburg zählt auf 874 qkm 
(1880) 44060 E., bavon 1600 Mafuren. 

Ra exin, niel, f. unter Spezzia. 

Raftral (Rojtral, vom lat. rastrum, d. ) 
Harte), fünffahe, aus Mefiingblech gefertigte Reiß— 
feder, mit welcher man die fünf Linien zur Noten: 
ſchrift auf einmal zieht. 

Raftrick, Stadt in der engl. Grafihaft Port, 
Weftriding, 4 km nördlich von Hubbersfield, Sta: 
tion der — (Mandpefter-Goole) der Lancaſhire⸗ 
und Norlj —— bat (1881) 8541 E., Maſchinen⸗ 
bau und Wollinbuſtrie. 

aſtriermaſchine, ſoviel wie Liniiermaſchine. 


Dienſt in der Hoflapelle beſtimmt, wo ſein ſchöner 
Oejang und jeine Geſtalt ſich den Beifall der Hai- 
ferin Eliſabeth, die damals noch Grokfürftin war, 
in fo hohem Grade erwarben, daß fie ſich heimlich 
mit ihm in der liche des Dorfes Beromwo bei Mos⸗ 
fau trauen ließ. Sie vermodte Kaijer Karl VII., 
ihn 1744 zum beutichen Reichsgrafen zu ernennen, 
worauf fie ihn in den rujj. Grafenſtand erhob. R. 
war ein durchaus uneigennüßiger Charafter, ber 
ch nie in öffentliche pr en mijchte. Er 
arb, nachdem Beter ILL. ihn zum Oberjägermeijter 
ernannt hatte, 18. Juni 1771 zu en % 
Graf Kyrill Grigoriewitſch R., Bruder 
des pe geb. 29. März 1728, wurde ebenfalls 
von ber Raijerin Elifabeth 1744 in den Grafenſtand 
erhoben und 1750 zum Hetman von Slleinrußland 
befördert. Doc wurde er biefer Würde durch bie 
Kaiferin Katharing II. 1764 entſeßt, bie ihn mit 
dem Feldmarſchalltitel entihäbigte. Er an 
ber Verichwörung gegen Peter III. teil, f ſich 
unter Katharina II. ala Ge ber der 
Bartei Banind an und farb 21. Jan. 1803; er 
binterlick mehrere Söhne, unter denen Alerei R. 
geb. 1748, gejt. 1822, Minifter bes öl ichen 
Unterrichts unter Wierander I, und Andrei R., 
geb, 2, Nov. 1752, bie bervorr: waren. 


Mit dem Kater Baul gemeinfam war 
Andrei Gefandter in St — und n, 
wurde 1815 in den Fürſtenſtand erhoben und ftarb 


23. Sept. 1836, nachdem er zur fath. Kirche fiber: 
getreten war. Beethoven bat ibm mehrere feiner 
ausgezeichnetiten Quartette gewibmet. Mit dem 
finderlofen Tode des Grafen Beier Alereje: 
witſch R. erloſch 1837 die ruf, Linie der R. Cin 
anderer Sohn des Grafen Kyrill, Graf Gregor 
R., wanderte 1805 nad) Öfterreid) aus, wo er das 
Gut Naboleg in Mähren erwarb und 1811 den 
öfterr. Grafentitel erhielt. Gr ftarb 1838. Gein 
Entel, Graf Camillo R., geb. 31. Aug. 18652, 
iſt jest Vertreter ber öfterr. Linie des Geſchlechts. 

at (consilium) nennt man die einem andern 
mitgeteilte Meinung über einen zu fallenden Ent: 
ſchluß, in der Abficht, denjelben zu einem gewijien 
Handeln zu beſtimmen. In —— Rechts⸗ 
verhältnifjen iſt für einen bloßen R. niemand ver: 
antwortlih, ausgenommen wenn ber Ratgebenbe 
in der Abficht zu Schaden bie Wahrheit entitellt, 
ober im Widerſpruch nıit einer vertragamäßig übers 
nommenen oder amtlichen Pflicht zu gewiſſenhafte⸗ 
fter Natserteilung ſich eines Werfchens ſchuldig ge: 
madıt ober für die Nichtigkeit und den Erfolg feines 
R. einzuftehen —— hat. Der R. zu einem 
Verbrechen iſt eine Teilnahme an demſelben, welche 
bis zur Miturheberſchaft gehen kann. 

Der Titel Nat (Consiliarius) bezeichnet einen 
Beamten höhern Ranges, befonders ein mit vollem 
Stimmredt angeftelltes Mitglied eines Kollegiums. 
Namentlich it in Deutfchland dieſer Titel jehr üb- 
id. Man —— ihm unzählige ſpeziellere Bezeich⸗ 
nungen gegeben, z. B. Fi und Kammerräte, Juſtiz⸗ 
und Striegsräte, EaAMEn. Dura: Ardivräte 
u. ſ. w., durd den Zuſaß «Geheimer» eine höhere 
Nangitufe ausgebrüdt, diefe durch das Prädilat 
«Ober», 3. B. Geheimer Oberfinanzrat u. f. w. 


Natafia 


efteigert und endlich die letzte noch durd) die Hinzu: 
ügung «Wirkliche, 5. B. Wirklicher Geheimer Ober: 
juitizrat u. ſ. w. erböbt. Mit dem höchſten der: 
artigen Titel «Wirkliher Geheimer Nat» iſt das 
Prädilat « Ercellenz» verbunden. Ehedem führten 
nur die Mitglieder eines höhern Pandeskollegiums 
den Titel R. und hatten damit von Rechts wegen 
für ihre Perſon * Rechte. (In Frankreich 
ehemals noblesse de la roben, ſ. Abel.) Gegen: 
wärtig wird der Natätitel aud) an onen erteilt, 
die feine Amtöftellung baben, 3. 3. königl. oder 
taiſerl. Rat, Sanität3:, Kommerzien:, Hofrat. 

Der Ausdrud Rat wird ferner angewendet zur 
Bezeihnung einer kollegialiſchen Behörde. Im 
Mittelalter wurde er vorzugsweile für die ftädti: 
chen Kollegien gebraucht, deren Mitgliever Nat: 
mannen genannt wurden. Öfters wird die Zahl 
ber Mitglieder zur nähern Bezeichnung beigefügt 
oder e3 wird ein zujammengejektes Wort gebildet, 
3. B. der Hofrat (in Wien), der Staatsrat, Ge: 
meinberat u. f. w. 

Bon den biftoriich wichtigen Berfammlungen, 
bie jpeziell die Bezeichnung N. führten, find zu er: 
wähnen: der Rat von Gaftilien, ber den Rang 
über allen Behörben hatte; der Rat der Kelle 
welchem in der Republik —— die hohe Polizei 
und Strafgerichtsbarleit juße ; ber Rat ber 
Sünfhundert und der Rat ber Alten, zwei 
repräfentative Körper in Frankreich, bie durch die 
dritte Konjtitution der Republit 1794 ins Leben 
gerufen, durch bie vierte 1799 wurden. 

Ratafia iſt ein weingeiftiges, zuderbaltiges und 
durch u Öle aromatifiertes Getränk, mit 

röberm Wajjergehalt als ein Liqueur und ſtets 
blau, grün, N. An i — eg: — 
enzen werden au e direlt ala Zuſa 
verwendet. Es gibt viele * R. die früber be⸗ 
liebter waren als jetzt; in ſüdl. Ländern ſind fie 
noch am meiſten im Gebrauch. 

Natakinſeln, ſ. unter Marſhallinſeln. 

Ratanh el (Radix Ratanhiae) heißt eine 
oeichäste, in ben Handel kommende Drogue, welche 
aus ben getrodneten Murzeln mehrerer Arten der 
Familie Volygaleen (Krameria Loeff.), 

uptgattung einer Heinen, nad ihr benannten 

ilie, bejteht. Die Kramerien jind —— 
des tropiſchen Amerila, mit zerſtreuten, einfa 
Blättern und achſelſtändi üten, melde aus 
vier bis fünf gefärbten abfallenden KRelchblättern, 
und ebenjo vielen verfchieden geformten Blumen: 
blättern beiteben und kugelige, mit Hakenborſten 


bevedte, einfamige Steinfrächte mit holzig leder: 
artiger Außenhülle tragen. Man unterfcheidet drei 
Sorten: bie gemeine oder peruvianiide Ra— 


tanhbiawurzel, von Krameria triandra Ruiz et 
Pav, in abitammend, die Savanilla: ober 
Granada:Ratanbiawurzel, von einer unbe: 
kannten Art herrührend, und die Tehas:-Ratan- 
biawurzel, welche die in Texas und Merito hei: 
miſche K. secundiflora fiefert. Die R. wirb als 
adjtringierendes und toniſches Mittel innerlich (in 
Pulver: und Tinkturform) und — (zu Um: 
ſchlãägen) angewendet. Sie enthält Gerbfäure (Ra: 
—— erbfäure), Stärle, einen eigentümlichen kry⸗ 
ftallini hen Körper, das Hatanbin, einen Farbftoff 
(Ratanhiarot) und eine eigentümlihe Säure, 
bie Kramerfäure, welce in jharflantigen Pris: 
men Iryftalliiiert und einen zufammenziehenden 
Geihmad hat. 


— Nat} 499 


Ratdolt oder Rathold (Erhard), berühmter 
Buchdrucker des 15. und 16. Jahrh., war aus 
Augsburg gebürtig und kam 1475 nad Venedig, 
wo er bis 1480 in Gemeinjchaft mit Beter Loslein 
und Bernd. Pictor oder Maler von Augäburg 
drudte; nachher führte er das Geichäft allein. Die 
Ausgabe des Appian von 1477 let Zeugnis von 
der Saönrit feiner Preßerzeugnijje ab. Seiner 
Ausgabe de3 Euklid von 1482, dem erjten mit 
mathem. Figuren verſehenen Drudwerke, lieh er 
bei einigen Greniplaren die Zueignungsſchrift an 
ben Degen Mocenigo nad) einer neuen Erfindung 
mit goldenen Lettern vorandruden. Im J. 1486 
fehrte er in feine Vaterſtadt zurüd, wo er bereits 
1487 das ſchöne rot und jan: gedruckte Rituale 
Ir die augsburger Diöcefe drudte, welchem bald 

erte aus allen Wiſſenſchaften folgten. Er foll 
auch der Erfinder der mit Blumen verzierten oder 
aus Blumen guiemmen ejchten Buchllaben, ber 
fog. Litterae florentes, En Geine Kunſt betrieb 
er gegen — ver bi3 1516, in welchem Jahre 
fein leßtes Wert, das lonſta Brevier, erſchien. 

Rate iſt ein feitgefehter Teil, beſonders bei 
— Abzahlungen einer Schuld, eine Ra: 
tenzablung demnad eine Zahlung in beftimmten 
periodiſch zu leiftenden Teilen. Ein Ratenwechſel 
üt ein ratenweiſe zahlbarer Wechſel; ein folder iſt 
wie in Deutſchland und HSfterreih-Ungarn, fa 
überall ohne Wechfeltraft, beſiht diefe aber in Groß: 
britannien, felbft wenn er, wie das bisweilen der 
Fall, die caffatoriihe Klaufel enthält, vermöge 

en die fpäter fälligen R. ſogleich geforbert wer: 
den dürfen. Unter Ratenbriefgeihäften verfteht 
man den Berlauf einer gewiſſen Anzahl Lotterie: 
anleihe:-Obligationen (oft zu verſchiedenen Anleihen 
gehörig) beftimmter Nummern dur einen Unter: 
nehmer (gewöhnlich ein Bankhaus) gegen raten: 
weije Abzahlung des feitgeftellten Breijes an ein: 
zelne Käufer oder an desfalls gebildete Gruppen 
von Kaufintereffenten. Dabei erhalten von Gr: 
legung der erftenR. an diefe Häufer die bis zur gän;z- 
fiden Abzahlung des Preifes auf die bezüglichen 
Nummern etwa fallenden Gewinfte, während nadı 
diefer Abzahlung die betreffenden Obligationen felbft 
an bie Ginzeltäufer geliefert, beziehungsweife unter 
die Mitglieder der Käufergruppe in natura verteilt 
werben, welde lehtere bis dahin gemeinſchaftlich 
auf die Gejamtheit der in Betradht lommenden 
Anleihelofe fpetulieren. Bis zu diejer ihrer Aus: 
lieferung bleiben die Obligationen in Verwahrun 
und Verwaltung deö Unternehmers, weldyer Ser 
die der Regel nad) hohe Preisſtellung feinen Nußen 
findet, Die betreffende Urkunde, melde der Unter: 
nehmer ben beteiligten einzelnen Käufern ausſtellt, 
beißt Ratenbrief. Das * liche Geſchäft iſt na— 
mentlich in Frankreich im > wur und war das 
auch in Öfterreih, wo e3 aber jest verboten ift. 

Pro rata (lat., d. i. pro rata parte) heißt wört⸗ 
lich foviel ala verhältnismäßig und wird fomohl 
für gleichmäßige Teilzahlungen einzelner ala für 
* mäßige Beyablun ——— Perſonen ge⸗ 

raucht; von dieſem Ausdruck ſtammt die deutſche 
** Rate. 
ntefan, ſ. Ratkau. 

Ratel, |. Artal. 

a A — vom), hervorragender Minera⸗ 
log, geb. 20. Aug. 1830 zu Duisburg, ſtudierte in 
Bonn, Genf und Berlin und habilitierte ſich 1856 
in Bonn, worauf 1863 feine Ernennung zum 

32* 


500 


auferord,, 1872 die zum ord. Brofef or und Direltor 
des Mineralogifchen —— olgte; die lehtere 
Stellung legte er 1880 nieder. R.s wiflenf ftliche 
Arbeiten ——* ſich über die geſamte Minera— 
logie und Petrographie und über viele Gebiete der 
Geologie; man verdankt ihm die genaue mineralog. 
und dem. Unterfuhung vieler bemerfenäwerter 
Gefteine des Rheinlandes, der Alpen und naments 
lich Italiens. Jede der vielen und großen Reifen 
die er faſt alljährlih nad der Schweiz und Tirol, 
nad) den veridiebenften Teilen von Italien, bis 
nad Calabrien und Sicilien, nad Skandinavien 
nah Ungarn: Siebenbürgen, 1883 und 1884 aud 
nad den Vereinigten Staaten von Nordamerila 
und Merilo ausführte, ift immer von einem erheb: 
lihen Gewinn für die — . Wiflen: 
ſchaft begleitet geweſen. Nr ondere hat R. ſich 
durch die Ermittelung der Irgftallographiichen Ber: 
hältniffe einer jehr großen Neihe von Mineralien 
verdient gemacht. ne hauptſãchlich in Poggen⸗ 
dorffs «Annalen», der Zeitfchrift der Deutichen 
Geologiihen Gefellihaft und den Monatsberichten 
der berliner Alademie veröffentlichten Unter: 
ſuchungen über Kaltfpat, die verjhiedenen Feld: 
fpate, 9 Tridymit, Leucit, Axinit, Eiſenglanz, 
pidot, S lerotlas, Broolit, Sumit, ivianit, 
Zenotim, Ampbibol und Pyroxen, Chabafit, Gold 
u. {m befipen bleibenden Wert, 
athenotw oder Rathenau, Stabt im Welt: 
—— chen yayı des preuß. Regierun sbezirts 
otsdam, rechts an der Havel, 75km im Weſtnord⸗ 
weiten von Berlin an der Linie BerlinsLehrte der 
reuß. Staatsbahnen, Siß eines Landratsamts und 
tsgerichts, hat eine Hauptlirche mit einem neuen 
ot. Turme, eine hölzerne Havelbrüde, ein altes 
bot, auf dem Paradeplag ein fteinernes Stand: 
bild des Großen Kurfürften, ein Realprogymmna: 
fium, vor welhem ein Denlmal an die in ben 
Kriegen von 1864, 1866 und 1870—71 Gefallenen 
fteht, zwei Ho pi ‚ein großes ſtãdtiſches Kranlen⸗ 
gu und zählt (1885) 13072 meift prot. E. Die 
Austisbeitenel e find Se bear —— 
len, eine ———— abril und Ho on 
dereien, Müblmwerle, —— für optiſche an treu: 
mente und Dampfmajdinen; aud bat NR. viele 
ie eleien und vier Dfenfabrifen. — R. wird ur: 
undlich zuerft 1217 erwähnt und erbielt 1295 
deutiches Stadtredht. Hier wurde 1394 der Statt: 
balterder Markt Brandenburg, Lippold von Brebomw, 
von dem Erzbiſchof Albrecht IV. von Magdeburg 
und 14, Aug. 1627 das dän. Heer von den Kaifer: 
lihen unter dem Herzog Georg von Lüneburg ge: 
ſchlagen. gm Febr. 1414 ward vom Burgarafen 
riedrich IV. von Nürnberg im 2 gegen die 
uihows und Genoflen die Burg R. gebrochen. 
Am 24. Nuni 1427 fand zu R, ein Vergleich zwischen 
dem Kurfürften Friedrich I. und dem Herzog fo: 
hann von Stargard ftatt, in dem lehterer, der Haft 
entlajfen, Land und Leute von Brandenburg zu 
Lehn nahm. Am 6. Sept. 1636 übergab die ſchwed. 
Beſatzung die Stabt ohne ernftlidhe Gegenwehr dem 
al. General Klißing. Sie wurde 1637 von den 
Schweden wieder bejekt und 15. Juni 1675 durch 
fiberrumpelung feitend des brandenb, Generals 
Derfflinger von den Schweden befreit. Vol. Wag: 
ner, «Dentwürdigleiten der Stadt R.» (Berl.1803). 
Rrathiin, Bafaltinfel an der Norboftküfte Krs 
lands, im Norblanal, mit Leuchtturm an der nord: 
öſtl. Spike, aehört zur Grafſchaft Antrim der Pro: 


Rathenow — Natibor 


vinz Ulfter, zählt etwa 750 gäliſch ſprechende E., 
teild Bauern, teild Fiicher, und hat Gartenbau, 
Schaf: und Pferdezugt. R. hieß ehemals Read: 
rain, Radlin o — 
Rathmines, eine füdliche Vorſtadt von Dublin, 
Nathold, f. Ratdolt. 

Natibor, Kreisftabt im preuß. Regierungsbe: 
irt Oppeln, früher Hauptftabt bes —— 
ürftentums, liegt am Iinten Ufer der Oder, die 
ier {hiffbar wird, Station der Linien Kofel-Oder: 
erg und R.:Leobihüg der Preußiſchen Staats: 

bahnen. Die Stadt iſt Siß eines Landratsamts, 

Land», Schwur: und Amtsgerichts und einer Reichs 
bantnebenitelle, und hat zwei tath, und eine evang. 

Kirche, eine Synagoge, ein 1819 eröffnetes © 
ium, ein Realprogymnafium, drei höhere Töchter: 
Aulen, eine Strafanftalt, eine Taubſtummen⸗ 

anftalt, ein —— ein Waiſenhaus und 

mehrere Hofpitäler, eine eiſerne brüde und 
eine Eifenbahnbrüde und zählt (1885) 19536 meift 
tath. E. Unter den Fabriken find die für Tabat, 

Zuder, — —— Maſchinen, Schu m und Eifen: 

open! ervorzubeben. ee ie Eifenbahnver: 
indungen und die Flußſchiffahrt . tigte Handel, 
bejonders mit Holz und Getreide, tft bedeutend. 

Der Kreis Ratibor, der auf 858 qkm (1880) 

126460 €, zählt, bildet den Hauptbeftanbteil des 

rer reichsunmittelbaren Fürftentums 

atibor, das etwa 990 qkm umfaßte, 

1532 unter eigenen Herzögen ftand, dann aber 

Gigentum des öiterr Kaiferhaufes war, bis es durch 

den Breslauer Frieden von 1742 an die Krone 

ag ni lam. Die Herrichaft mit dem in der Näbe 
der Stadt R, liegenden Schloſſe R. und mehrern 
von der Krone Preußen binzugefügten Kloftergütern 
wurde 1822 um Mebiatjgr tentum Ratibor 
erhoben und dem Landgrafen Victor Amadeus von 

——— als Entihädigung für feine 1815 

an Preußen abgetretenen Befigungen in ber 

Graffhaft Rapenellnbogen und in Kur 
diefeg wieder an Naflau und Hannover überlich, 
uteil, Als die Linie eg ae, mit dem 
ode des Landgrafen Victor Amadeus 1834 im 

Mannsſtamm erlofch, fiel das Fürftentum R. durch 

Ieftament dem Prinzen Victor von — 
Waldenburg⸗Schillingsfürſt zu ff 90 AR, 

der indes erft nach einem Prozeß mit der Furbefl. 

Regierung in den Befik desselben gelangte und 1840 
für majorenn erllärt und vom König von Preußen 

zum Seriog von Natibor erhoben wurde, Das 
ebige mittelbare Dee tum Ratibor liegt jers 

Fre in den Kreiſen R,, R vu und Leobjhüß und 
ft faft nur von tath., teilweife polnifch redenden 

Bewohnern bevöltert. 

Natibor (Victor Morik Karl, Fürft von Corvey, 
ie von Hohenlohe: Waldenburg: Schillin für, 
erzog an) Präfident des preuß. H ufes, 
eb. 10, Febr. 1818, ftudierte in Göttingen, Bonn, 

Heidelberg und Caufanne Rechts: und Staatswiflen: 


en, bie 


ichaften und neuere Spraden, übernahm dann die 
Leitung der Verwaltung feiner ausgedehnten Be: 
itglieb der enlurie 


[bungen, war 1847 
es preuß. Vereinigten Landtags, gehörte von 
1849 bi3 zur Bildung des Herrenhaufes der zen 
Kammer an und trat dann als erblidhes ied 
in das Herrenhaus, deſſen ——— er ſeit 1. Jan. 
1877 iſt. Im J. 1850 gehörte er dem Deutſchen 
Parlamente in Erfurt und feit 1867 dem Nord» 
deutichen und Deutichen Reihstage an, wo er ſich 


Natid — Nationalismus (philoſophiſch) 


der Deutichen ge anfhloß. In den Feld: 
be ee 1866 * 1870/71 nahm er als Vorſihender 
Vereins der Schleſiſchen Malteferritter an 
——— Krankenpflege teil. Im Juni 1884 
urde er Mitglied bes a Staatsrats. 

(Ratihius, Ratke, Wolfgang), Schul: 
* rd 1571 zu Milfter in rl ftudierte in 
Rofoi Iheologie, widmete fi aber dann dem 
Schulamte und ging nad England und von dort 
nad Holland, wo er acht jahre lebte. Später lebte 
er * Weimar, in Augsburg und andern fühdeut- 
fhen Orten, Im J. 1618 errichtete er in Köthen 
nad feinem P ane eine Lehranſtalt, wurde aber 
wegen ſeiner — acht Monate lang gefan: 
gen ne ern Auch der Verſuch, in Magdebur 
* —*— zu gründen, mißlang. Er ſtar 

635. Er wollte von der Anf Ihauung zum Bes 


2 vom Einzelnen zum Allgemeinen übergehen 
und jtrebte eine Konzentration des Unterrichts an. 
Bol. über R. fünf Programm: Abhandlungen Herm. 


Agathon Niemeyers i in Halle aus den } 1840—43 

und 1846, ferner die Schriften von Kraufe (Lpz. 

1872 Sch (e * und Schumann —— 
tien. 

Ratifikation (at.) oder Ratihabition 
heißt die Genehmigung einer Verhandlung oder 
eines Geihäfts, welches von einem andern ent: 
weber infolge eines erteilten Auftrags oder aud) 
* ſolchen vorgenommen iſt; im erſtern Fall i r 

Ausdrud atifizieren, im leptern Nat 
babieren —— Von Ratihabieren ſpricht 
man aber —* nn, wenn ein anderer gehandelt 
ba dejien Handlung des Konſenſes des Nati: 

abierenden bedarf, ja felbit dann, wenn jemand 
—* oh nichtig de anfehtbar eingegan enes 
nadträ * ür gültig erllärt (ſoweit 
zen möglich ijt). Be diplomatiſchen 

* lungen —3* chlüſſen und Verträgen 
*5 m R. vorbehalten. Sie kann 
ohne der Gründe verweigert werben, in 
welchem Fall das ga “ nze Geichäft ala nicht geichloffen 
u betrachten ift. Wird fie erteilt, fo pflegt fie von 

en ten beider Teile in einem Mo: 
ment ya gegeben und empfangen oder aud: 

ewechjelt zu werden. Ein Bevollmächtigter, welcher 

ie Sat fationdurfunde aus der Hand gäbe, 
obne zugleid) die gesenfeitige zu empfangen, würde 
ſich einer großen erantwortung ausſehen. Die R. 
gene * die Verhandlung, wie ſie geſchloſſen iſt; 
die hat alſo das Satum des Abſchluſſes, 

nicht de — Natibabition kann jowohl 
—— als ſtill hd durch Handlungen 
erllärt werden; wer wi und Vorteile anninımt, 
welche ihm ohne das Gejchäft nicht zulommen wür: 
den, m ie 2 die Verbindlichleiten anerkennen. 
Wer wiflentlih zur Begehung eines Verbrechens 


— rt, wird dadurch Teilnehmer (Gehilfe) des 

n3 jelbR, wenn auch in geringerm Grade 
als ber, welder dasſelbe mit verüben half, ebenſo 
wer dem Verb nad der That noch ga 


leiftete, um den Zwed derſelben zu erreichen, 

bürgerlihen S Sachen kann nur ber giftig —ã 
Ey — das Geichäft 9— ey hätte ein: 
ge * nnen. (Val. Bee nebmigung.) , 


Natin (vom fry. ratine), * tuchartiger Wollſtoff, 
—* we av dad Br * weiche gelegte —* 
zahlloſe einzeln oder reihenweiſe ſte 
oder Zopfchen zuſammenge ch ee ET 


1876). | im Kriege zumeilen nicht zu befchaffenden 


501 


Natingen, Stadt im *— * ngabeiirt 
und im Landkreife Düffeldorf, 10 km im NND, von 
Düfleldorf, am Angerbah, Station der Linien 
Dr eldorf » Steele =. Speldorf - Niederlabnitein 
reubiichen Staatsbahnen, Sik eines Amte; 
ge ts, hat (1885) 5561 E., eine evang. und eine 
I ‚Parziräe, alte Stabimauern mit Fr 
abrifen von Papier, Watte, Maſchinen, Dad): 
—— und feuerfeſten Steinen, —— 
eine Kallbrennerei, eine Dampfma (müble und 
Fer Nöhrenteffelfabrit. 3 In der Näbe liegen die 
F Iten wohlerhaltenen Burgen am Gräfgenftein und 
Da um Haus, 
Ratiniermaf ni eine mechan. Vorrichtung 
zum Natinieren, r pe Zufammenfnoten der 
en 


Ben bei — toffen. 
ooinatio (lat.), rbetorifche Figur, bei wel: 
su Br "ging! um feine Meinung Har zu maden, 


ſich fe ha die Urfache einer Behauptung fragt. 
— nie ne die tägliche Menge des 
une für ein ae tier im allgemeinen. 
ie beſteht gewöhnlich aus * Heu und Strob; 
legteres teilweife zur Streu b bejtimmt, Statt * 
er 
werden andere, wenn auch weniger zuträgliche Ge— 
treidearten efüttert, oder der Mangel wird wuns 

Ößere Lieferung an Heu erfept, Es bejtehen von 

chiedene Säpe für die R. " Tehte und * 
ne dem Pferdeſchlag Friedend«, Marich:, Fe 
rationen nad den erforderlichen Anitren unan. 
In neuerer Zeit werden auch fomprimierte 
dem Nährwert der friſchen entſprechen, —52 
und im Bedarfsfa ——* 

National (vom dat. ratio, Vernunft) ober ra» 
tionell verfährt derjenige, welcher den von der 
Erfahrung dargebotenen Grfenntnieo nicht un: 
mittelbar für den Ausdrud oder Abſchluß des 
wahren Wifiens bält, fondern benfelben einem 
prüfenden, umbildenden, berichtigenden und erwei- 
ternden Denten unterwirft. Der Gegenfab von 
rational oder vernunftgemäß ift irrational. 

In der Mathematik heißt das rational, was 
fih durch ein beftimmtes ablenverhältnis aus: 
drüden läßt; eine Zabl ift aljo rational, welde 
durch die Einheit oder Teile derjelben ſich vollftän: 
dig ausdrüden läßt, Irrational ift, was durch 
fein beftimmtes — darſtellbar iſt. 

ationalismus im philoſ. Sinne bezeich— 
net denjenigen erfenntnistheoretijchen Standpunft, 
welcher die Quelle der philoſ. Erkenntnis nicht in 
der Erfahrung, fondern in der Vernunft, nicht in 
Zhatjachen, Pondern in den Gefehen des Denlens 
und den daraus allein entipringenden Begriffen 
ſucht. —— können hauptſaͤchlich die Eleaten 
und Platon als Rationaliſten bezeichnet werden; in 
der Geſchichte der neuern Philoſophie bildet der R. 
eine dem Empirismus entgegengefehte Entwide: 
— welche * Descartes durch deſſen 
chule und Spinoza bis zu Leibniz und MWolif 
an bis der durch beide Richtungen repräfentierte 
Begenfa ww. De böbere Aufafi jung, mit ber 
rc bei F leich überwand, mehr —— 
allgemeinerer vebeutun verſteht man 
ann 3 R. au basjelbe wie Ruf Ehrung (f._d.). 
Bol. W * 2 Ledy, «History of the rise and in- 
fluence of the spirit of rationalism in Europe » 
(3. Aufl., Lond. 1866; deutſch unter dem Titel 
«Geicichte der Aufklärung i in Europa» von H. Jolo⸗ 
wicz, 2. Aufl., 2 Bde. 2py. 1870-71). 


502 


Rationalismus im theol. Sinne nennt man 

* gene Ende des 18. und Anfang bes 
ahrh. weit —— theol. Richtung, wel 

—— eig rate rich reif — 
nisv en» betra und en fo ig 
die Entiheidung über die Frage —— * 
Beſtandteile der lirchlichen Glaubenslehre als we: 
ſentlicher Kern der chriſtl. —— welche dage 
nur als lokale und temporelle Zuthaten —— * 
ſeien. Den Gegenſaß zum R. bildet der Super: 
naturaliömus, welder die Unterordnung der 
Vernunft unter die Autorität der Heiligen Schrift 
fordert und die Entſcheidung darüber, was ala 
—— Wahrheit geglaubt werben müfle, lediglich 


von der — en Ausmittelung des Schriftſinns 

abhängi t. Das altorthodore Dogma war 

get m Itte —* 18, Bad: durch den —— 
die Wolfſche Philoſophie bereits vielfa 


— als unter dem Einfluß des engl. = 
mu3 und ber franz. Encyllopädijten aud) in Deutſch⸗ 
land das Zeitalter der jog. Aufllärung hereinbrach, 
welche da3 ganze Fundament des kirchlichen Dogmas 
> ge ftellte, die —— von een 
übernatürlichen Dffe famt dem Wun 
glauben verwarf und bie dir chriſtl. Religion durch eine 
allgemeine —— welche rein moraliſche 
——— lehre, erfeßen oder -: — ſo weit 
elten laſſen Kr als fie mit leb ein: 
imme. Im Unterf ie von im Raturalis. 
mus ſchlug nun der nen Mittelweg ein, indem 
er formell den Su — materiell den 
Naturaliften beipflichtete. Indem er die VBorftellung 
einer übernatürlichen Offenbarung, d. h. nad) da- 
mal3 allgemein beitehenber Rang ir einer 
übernatürlihen Belehrung Menſchen durch 
Gott, kritiſch unterſuchte, lam er zu dem Ergebnis, 
daß vie Möglichkeit derſelben nicht zu beitreiten ſei, 
die Anerkennung ihrer Wirklichleit aber von einer 
Prüfung ihres Inhalts abhänge. Ob etwas über: 
natürlich offenbart fei oder nicht, fönne nur die 
Vernunft enticheiden, mit welcher die Offenbarung 
nicht im Widerfpruch ftehen könne. Die von den 
Supernaturaliften feitgebaltene Annahme überver: 
nünftiger Wahrheiten wurde verworfen, weil das 
Übervernünftige ein Widervernünftiges fei, und 
nur zugeftanden, dab Gott durch übernatürliche 
Beranftaltung den Menihen Bernunftwahrbeiten 
EuE mitgeteilt haben könne, als fie, ſich ſelbſt 
überlaffen, auf diefelben aelommen fein würden 
oder etwa verloren aegangene Wahrheiten auf 
jenem außerordentlichen Wene für das menfchliche 
Bewußtſein wieder aufgefriiht habe. Dennod 
wollte aud) der R. an der Autorität der Bibel feit: 
halten und behauptete, fid) im vollen Einveritänd: 
nis mit ihrem wahren Sinn zu befinden. Da er 
aber ebenjo wie der Naturaliämus die Wunder als 
widernatürlidy verwarf, fo — er das Wun⸗ 
derbare aus den bibliſ ichen Erzählungen durch die 
og. natürlihe Auslegung, und deutete die dem 
Zeitalter fremd gewordenen religiöfen ge 
gen der Bibel entweder um oder ſchaffte fie durch 
die Annahme fort, daß die — Schriftſteller 
ſich nur aus pädagogifchen Gründen an die jübd, 
oder heidniſchen Zeitmeinungen — uemt hätten. 
2 uf Weiſe behielt man als wejentlichen In: 
der Schrift nur die fog. vernünftigen Wahr: 
ten übrig, unter denen der ge ewöhnliche N. die 
drei höchſten «Bernunftideen» Gott, Freiheit und 
Unjterblichkeit al3 notwendige Bedingungen alles 


Nationalismus (theologiſch) — Nationelle Formeln 


moraliihen Handelns begriff. Hiermit —* 
man zwiſchen Chriſtentum und Vernunft 
geſtiftet, die Autorität der Bibel gerettet a uud m 
glei den ze... Forderungen des 
T jr“ vn * leicht, die Shwädhen 

s iſt gegenwärtig leicht, die Schw > 
N. zu erfennen. Seit feiermadher wiflen wir 
dab weder die Bibellehre das Chriftentum, ned ie 
religiöfe Boritellun 0 oder Lehre die Religion it. 
(S. Religion.) RNicht minder war es eime 
flühtigung des religiöfen Gehalts bes Ehriften: 
tums, denjelben einfady auf Morallehre zu rebu: 


jieren. Es ift au verwirrend, die Bernunft als 
«religiöfes Grfenntnigvermögen» en, 
d. h. den religiöjen Inhalt aus ik zu 
wollen, da diejer nur aus der innern 

der Frommen entnommen werben lann. Auch die 


—*— es der engen Ey, ß 
er Bibel liegt gegenwärtig offen zu ‚un 
inäbejondere die natürliche Aust ber Biber 
Aber jelbjt vor einem ſchärfern philof. 

fonnte jener R. nicht beftehen. Sn was er er 
—— * — eiten nen in 
nunftwahrheit betrachtet hatte, war 

der Forni, die dem R. über jeden * erhaben 
ſchien, felbft nur ein Niederſchla 

Zeitbildung. Andere gegen un ge on " 
lagen, wie feine Nücternbeit und platte Ber 
ftändigteit, jein philof. und äſthetiſches 
mögen, feine äußerlihe Moral mit ihrer Bert: 
gerechtigteit und Zugenbjeligleit u. a. m., 

nit ſowohl ihn jelbit, al3 das ganze 

Dennod find die großen BVerdienfte, welche is der 
R. erworben hat, nicht zu unterichäßen; denn indem 
er auf die innere Einheit aller menfchlihen Er: 
lenntnis drang , hat er die unklare Lehre von über: 
vernünftigen Wahrheiten fiegreih befämpft, und 
gegenüber der blinden ee ne unter äußere 
Autoritäten das unveräußerliche „2 > 
jelts, nichts für wahr an —* 

eigenen Innern des Menſchen feine 

findet, aufs nahdrüdlichite —* * 

Forderung, alle Überlieferung, 

der Bibel enthaltenen, auf i Ar. 

balt hin zu prüfen, ift den — — 

gen der * und der Kirche Te ebenfo be: 
rechtigt als feine an die vermeintlichen übernatür- 
lichen Thatſachen angelegte Kritik. Burn beſonders 
bedeutſam aber iſt die durch den R. ge⸗ 
ſchichtliche Forſchung über die menfi Ent: 
ftehung der Bibel und ihre Behandlung nad) den- 
jelben kritiſchen Grundfäsen, die für alle andern 
Litteraturprodufte gelten, geweien. ‚Gerade bier 
at er durd) eine Neihe von ſcharfſinnigen umd ac- 
ehrten Werten den Grund zu umierer nemern 
Bibelkritit und Bibelertlärung gelegt. Auch auf 
praltiihem Gebiet hat er in einer refigiöfen 
terefien abgewendeten Zeit verjöhnend umb ver: 
mittelnd gewirkt und neben. feiner 
Hochachtung für die Perſon age Ebrifti, 
niemals verleugnet hat, die fi iche Seite des 
jtentums im Bemwußtjein der Zeitgenofien 

zu ‚erhalten geſucht. 

Val. Stäudlin, «Geſchichte des R.» (Gött. 1826); 
Franf, « Saaate des N. und feiner Gegenjähe » 
(Xp. 1875 

Rationell, j. Rational. 

Rationelle Formeln, j. unter Chemiſche 
Formeln, 


Natisbona — Nattazzi 


Ratisböua, neulat. Name für Regensburg. 
Ratisbonne (Louis Guftave Fortune), franz. 
Shriftiteler, geb. 29. Juli 1827 zu Straßburg, 
ftudierte in Paris. Sein erftes Wert war eine 
preisgefrönte Überfekung von Dantes «Divine Co- 
medie» (4 Bde., 1852—57) im Versmaß bes 
Driginald. Ferner eridienen von ihm zwei Bände 
Dichtungen: «Au printemps de la vie» (1857) und 
«Les figures — (1865); ein einaltiges Drama 
in Verſen: «Hero et L&andre» (1859) und viele 
nit großem Beifall aufgenommene Jugendichriften: 
«Comedie enfantine» (1860, von der ranzöfiichen 
Atademie 1861 gekrönt), « Dernidres scenes de la 
Comedie enfantine» (1862), «Les petits hommes» 
(1868), «Les petites femmes» (1871). Als Tefta: 
mentsvollftreder feines Freundes Alfred de Vigny 
ab er deſſen Nachlaß heraus: «Les destinces» 
1864) und «Le journal d’un potte» (1867). Bon 
1873 bis 1876 gehörte er der Nebaction des «Jour- 
nal des Debats» an, 


an, 
Ratfau, Dorf, 8 km nörblic) von Lübed, wurde 
— * durch die 7. Nov. 1806 von Blücher (f. d.) 
abgeichloffene Kapitulation, durch welche der Reit fei: 
nes Korps (4050 Mann —— 3750 Mann Ha: 
vallerie und 16 Geſchutzeſ in franz. Kriegsgefangen⸗ 
ſchaft — Die Truppen Bluchers hatten weder 
* egung noch Munition, als ſie lapitulierten. 
atounean, Inſel bei Marfeille (f. d.). 
‚ Ratrammus, Theolog des Mittelalters, Mönch 
in dem Klofter Corbie, geb. Anfang bes 9. Jahrh., 
geit. nad) 868. Sein Sauptmert ift feine berühmte, 
im Auftrage Karls des Kahlen abgefaßte Schrift 
über das Abendmahl: «De corpore et sanguine 
Domini», in welder er feinen Zeitgenofjen Paſcha⸗ 
fin Radbertus (f. d.) und ber von ihm verfochtenen 
Transſubſtantiationslehre ſcharf entgegentrat und 
die Anſicht aufftellte, daß Leib und Blut Ehrifti nur 
miyſtiſch und figürlih im — ——— vorhanden 
ſeien. Die Schrift, im Mittelalter lange Zeit un: 
befannt, rief nad) der Reformation, als ſich beſon— 
ders die Reformierten für ihre Abendmahie an 
ſchauung darauf beriefen, eine ganze Litteratur ber: 
vor. Nicht minder berühmt find bes R. vier Bücher 
«Contra Graecorum opposita», in welchen er gegen 
Photius, den Ratriardien von Konftantinopel, die 
Abweihungen der abendländiihen Kirche von der 
morgenländifchen in Lehre und Kultus redhtfertigte. 
Eine Gefamtausgabe feiner Werte ift in Mignes 
«l’atrologie» (Bd, 121). 

Ratfche, Ratihbohrer, Bohrratſche oder 
Bohrinerre( . pergoir ä rochet; engl. rock- 
drill, ratchet-dnill), f. unter Bohrer und Bohr: 
na akfehty (Jof w der Did 

of. Franz von), ſatiriſcher Dichter, 

eb. er 21. Aug. 1757, begann zu Wien 

cine Laufbahn im Staatödienit. Nachdem er zu 

Lemberg, Linz und zulept in Wien Präfidialjetre: 
tär geweien, wurde er bafelbit 1806 Hof: und 
Staatsrat. Er ftarb zu Wien 31. Mai 1810. 
Sein eriter ſchriftſtelleriſcher Verſuch war das 
Eingipiel «Weib und Rofenfarb» (Wien 1773), 
welchem verſchiedene dramatiihe Arbeiten und 
zwei Sammlungen feiner «Gedichte» folgten. Bon 
1777 bis 1796 gab er, und zwar feit 1780 in 
Gemeinihaft mit Blumauer, den «Miener Mufen: 
elmanadı» heraus. Am berühmteften aber wurde 
er als Verfaſſer des «Melhior Striegel» (Wien 
173 —94; neue Aufl. 1799; neue Ausg., Lips. 


503 


forrefter, Butler3 «Hudibras» nachgeahmter Form 
Poeſie und Wis enthält. 

‚NRätfel (altdeutſch rätsal, raetsel, eine Wort: 
bildung wie Mübjal, liberbleibfel, eigentlid eine 
zum Naten aufgegebene ſchwierige Frage) heißt die 
umſchreibende Darftellung eines nicht genannten 
Gegenitandes, um dad Nachdenken des Leſers oder 
Hörers — Auffinden oder Erraten desſelben zu 
reizen. Es gehört mithin zu den Spielen des Wites 
oder Scharffinns und ift um jo volllomntener, je 
mehr e3 ſolche Eigenſchaften des Gegenjtandes her: 
vorhebt, die er mit andern gemein hat, aljo abficht: 
lid) den Ratenden irreführt, und doc) bei aller ab: 
ſichtlichen Dunkelheit zugleich ſcharf und bejtimmt 
ift und, wenn aud) in — Form, alles an: 
führt, was zur ausſchließlichen Bezeichnung des 
Gegenitandes erforderlich ift. Nebenarten find die 
Charade (f. d.) und der Logogriph (f. d.). Ein teil: 
weije durch Bilder und Zeichen dargeftelltes R. iſt 
der Rebus (f. d.). Das R. hat feinen Uriprung im 
hohen Altertum. Bei den Griechen, die es Inigma 
nannten (eier änigmatiſch foviel wie rätiel- 
haft), Schloß es ſich in den * Zeiten an die 
gnomiſche Dichtung und an die Drakelſprüche an; 
e3 war daher meift in Herametern verfaßt. Zu den 
ältejten diefer Art rechnet man das R. der Sphinr. 
Die griech. Dichter miſchten gern rätjelartige Sinn: 
iprüge in ihre Dichtungen ein. Vie Römer fanden 
am N. weniger Geihmad, Dagegen war dasjelbe 
bei allen german. Stämmen von ältefter Zeit an be: 
liebt. In Deutihland hat man dem R., wie ander: 
wärt?, durch die poetifdhe Form größern Nachdrud 
und Reiz zu geben geſucht. Ausgezeichnet find die 
Kätjel Edillers. ber in kunſtleriſch⸗ſchoͤner Einklei⸗ 
dung die einzelnen Merkmale zu einem anfchaulichen 
Ganzen verband. Die erfte deutſche Rätſelſamm— 
[ung erſchien 1505 in Straßburg (neue Aufl., Straßb. 
1876); eine Sammlung alter Vollsrätſel enthält 
Simrods «Deutihes Rätfelbudhe (3. Aufl., Franff. 
1874); unter den vielen neuern Sammlungen 
find hervorzuheben: Ohneſorgens Rätjelalmanad) 
«Sphinz» (6 Bde., Berl. 1833—36) und W. R. 
Hofmanns «Großer beuticher Rätielihak» (2 Bde., 
—— 1874). VBgl. Friedreich, «Geſchichte des N.» 
(Dresd. 1860. 

Ratspenſiouär, ſ. Penſionär. 

Rattazzi (Urbano), ital, Staatsmann, geb. 
29. Juni 1808 zu Aleſſandria, war Advotat am 
Appellhof zu Cajale, als ihn jeine Vaterftabt im 
Frühjahr 1848 zum Abgeordneten wählte, und ver: 
trat diefe ſeitdem ohne Unterbrehung im jubalpis 
niſchen wie fpäter im ital. Parlament. Als nad 
dem Sturz des gemäßigten Minijteriums Balbo 
Pinelli (28. Juli 1848) ein neues Kabinett aus 
Lombarden und Piemontejen unter dem Grafen 
Cafati zur Regierung fam, wurde N. zum Unter: 
richteminiſter indemjelben ernannt. Doch trat ſchon 
nad wenigen Tagen infolge des Waffenftillitandes 
vont 9. Aug. dies Minifterium wieder zurüd. R. ges 
fellte ſich wieder der damals durch Gioberti ge: 
führten Oppofition zu, welde mit Ungeftüm auf 
Grneuerung des ** gegen Oſterreich drang. 
Im «demokratiichen» Miniſterium Gioberti (Dei. 
1848 bis Febr. 1849) hatte R. das Vortefeuille der 
Juſtiz und übernahm nad) dem Nüdtritt Giobertis 
das Minijterium des Innern. Nach der Niederlage 
der Piemonteſen bei Novara (23. März) mußte gr 
mit feinen Slollegen am %. März abtreten. R. g0: 


1875), eines heroiſch· epiſchen Gedichts, welches in | jellte fich abermals der Oppoſition zu, welde den 


504 


Frieden mit Öfterreih verwarf und bas Kabinett 
d’Azeglio zur Auflöiung der Kammer und zur 
Proffamation von Moncalieri zwang. In der 
neuen Kammer trennte er fi) von ber rabifalen 
Vartei und begründete eine das linke Centrum bil: 


dende Mittelfraltion, die er fo geichidt leitete, dab, | Fü 


ala Graf Cavour, Finanzminifter im Kabinett 
d'Azeglio, eine energiichere geint für angemeflen 
bielt, er ſich der Unterftüßung Sund hin Terre 
verficherte, Diefe Verbindung des rechten Gentrums 
mit der Partei R.s erhielt den ſeitdem hiſtoriſch ge: 
wordenen Namen des «Gonnubio», 

Die hierauf erfolgende Wahl R.s zum Kammer: 
präfidenten brachte zunächſt eine Minifterkrifis und 
den Austritt Cavours aus dem Minilterium im 
Mai 1852 zu Wege, allein ſchon im November 
folgte auf das Minijterium zangle ein neues 
unter dem Vorſiß Cavours, in das R. im Dft. 1853 
als Minifter der Zuftiz eintrat. Später, 16. März 
1854, übernahm er auch das Portefeuille des 
Innern. An feine Verwaltung Inüpft ſich befon: 
ders das von Nom und bem Klerus dertig bes 
een ser welches bie Aufhebung eines Teils 
der Klöjter und anderer geiſtlicher Körperfchaften, 
fowie die Gründung einer zur Beltreitung der 
Kultusloſten beftimmten en 2 verfügte. gm 
Anfang 1858 trat R. aus dem Minijterum Ca: 
vour und wurde im Juli nad Cavours Rüdtritt 
Minifter des Innern, bis er Anfang 1860 wieder 
Gavour weihen mußte. Als im Febr. 1861 das 
neue ital, Parlament zufammentrat, wurde R. zum 
Präfidenten besfelben gewählt. Im März 1862 
bildete er nad) dem Sturz de3 Kabinetts Ricafoli 
das erjte Minifterium der Linken. R. ſah ſich aber 
genötigt, die Unternehmungen_der Aftionspartei 
gegen Oſterreich (Vorfälle von Sarnico u. ſ. m. im 
Mai 1862) und gegen Rom (Treffen bei Aspro— 
monte im Augujt) gewaltiam zu unterbrüden. 
Iroß dieſes energijchen Auftretens gegen bie Revo: 
lution vermochte er von Frankreich Feine Kon: 
zeſſionen in der röm. Frage zu erwirfen, und fo er: 
lag feine Regierung der allgemeinen Ungunjt im 
Dez. 1862. Als das zweite Habinett Nicafoli im 
April 1867 zurüdtrat, wurde N. wieder Premier: 
minijter, verwaltete das Minijterium des Innern 
und fpäter auch das ber Finanzen. Gr erwirlte 
die Zulaſſung Htaliens zu der über die Qurem: 
burger Frage beratenden Konferenz in London und 
ſchloß einen Vertrag mit Öfterreih ab. Dagegen 
erwarb fich die von ihm und dem Finan dr 
Ferrara vorgefchlagene Löjung des Problems der 
ee er Kirchengüter nicht den Beifall des 
Landes und de Parlaments. Am 20. Dit. nahm 
er der drohenden Haltung Frankreichs wegen feine 
Entlaffung. Er blieb jedoch Haupt und Führer der 
Linlen bis zu feinem Tode, der 5. Juni 1873 zu 
Froſinone erfolgte. Sein Denkmal in Aleſſandria 
wurde 30. Sept. 1883 enthüllt. R. war ein Mann 
von außerordentlich ſcharfem Verſtand und großer 
Gewandtheit. Er beſaß ein bedeutendes Redner: 
talent und alle die Künfte, “un welche fich eine 
gg Verfammlung beberrichen läßt. 

och ward ihm Mangel an wahrhaft —— 
ſchem Blid, ſowie an Feſtigleit und Aufrichtigleit 
vorgeworfen. Seine Reden wurden nad ſeinem 
Tode von Giovanni Scovazzi herausgegeben («Dis- 
eorsi parlamentari di Urbano R.», 8 Bbe,, Nom 
1876—80). Vol, Morelli, «Uchauo R., saggio 
politico» (Babua 1878). 


Ratten 


Seine Gemahlin, Marie R., geb. 25. April 
1835 , ift die Tochter des SJrländers Thomas Wyſe 
(geft. 1862 als brit. Gefandter am Hofe zu Athen) 
aus deflen Che mit ber ig lee Lätitia Bona: 
parte, ber Tochter Lucian Bonapartes (f. d.), 
rſten von Canino. Wyſe trennte fih alsbald 
von feiner Gattin wegen beren ärgerlihen Lebens: 
wandels, und letere lebte in —2 wo ihre 
Tochter auf Veranlaſſung König Ludwig Philipps 
in dem Inſtitut für verwaiſte Offizierstöchter zu 
St.:Denis erzogen wurde. Marie Wyſe erhielt 
nad) abgelegter Prüfung das Diplom als Lehrerin 
er die Primär: und Sekundärſchulen und ver: 

eiratete fih 1850 mit_einem Eljäffer, Friedrid 
Solms. Sie trennte fih aber bald von —* 
Gatten und hielt ſich 186260 abwechſelnd in 
Savoyen und Nizza im vertrauten Umgang mit 
verfhiedenen litterariihen Größen (Eugen Sue, 
Ponſard u. f. FR auf. Nachdem fie 1860 nad 
Paris zurüdgelehrt, ging fie 1862 eine Che mit 
dem ital, Staatämann ein, nad deſſen Tode fie 
fih mit einem reihen Spanier, Ramen3 Rute, 
verheiratete, Ihre zahlrei belletriftifchen, polit. 
und andern Schriften erheben fi nicht über die 
Mittelmäßigleit. Unter ihren Romanen find zu 
nennen: «La röputation d’une femme», «Made- 
moiselle Million», «Les mariages de ce sitcle», 
«Les mariages de la Cr&ole» (8, Aufl. 1883), «Le 
piöge aux maris». Ferner ſchrieb fie: «R. et son 
temps. Documents» (Bd, 1, 1881), «Le Portugal 
à vol d’oiseau» (1883). 

Ratten nennt man einige große Arten ber Gat— 
tung Maus (f. d.), von denen e3 in Deutſch— 
land nur zwei gibt: die ſchwarze Ratte oder 
Haußratte (Mus Rattus) und die Wander: 
ratte (M. decumanus), Die Haudratte ift dun- 
tel-{hwarzbraun, etwa 18 cm lang, mit einem 
19 cm langen Schwanz, und eriftierte, nad den 
neuern Funden in Medlenburg und ber Schmweij, 
(gem zur Zeit der Pfahlbauten. Sie ift dem Men— 
chen überallhin gefolgt, aber jet an ben meijten 
Drten durch die größere und ftärfere Wanderratte 
vertrieben und ausgerottet worden. Überhaupt 
lebt die ſchwarze R. ei in warmen als gemäßig: 
ten Klimaten und fehlt ganz in falten Zändern. 
Sie gräbt nicht fo eifrig wie die Wanderratte und 
bat oft ihr Neſt unter Bimmerdielen, in Strob- 
bädern oder lebt in verlafienen Gebäuden. Die 
Wanderratie it rötlih:grau, zwiſchen den kur: 
“ Haaren mit doppelt längern Borftenhaaren 

efleivet, 20—26 cm lang, mit einem 18— 
19 cm langen Schwanz. Crit im Anfang des 
18, — tam dieſe R. aus Aſien nad Europa, 
fie durchſchwamm nah Pallad 1727 in großen 
Zügen die Wolga, wurde in England zuerjt um 
1730, in Frankreich um 1750 und in den Ber: 
einigten Staaten Norbamerilas um 1775 bemerft 
und iſt jet ein über bie ganze Erbe verbreite: 
ter, äußerjt läftiger und teilweife ſehr verderb: 
licher Weltbürger. Sie läuft, klettert und ſchwimmt 
gut, lebt gern ın der Nähe von Waſſer, weshalb fie 
oͤfters mit ber Wafjerratte verwechjelt wird, und 
räbt und wühlt mit großer Kraft und Ausdauer. 

ie R. gehören p den am ſchwerſten ausrottbaren 
unter ben auf Koiten des Menſchen ſich nährenden 
zieren, find liftig, wild, biffig, mutig, gefräßig, 
fehr fruchtbar, unreinlid) und lieben es, Zerjtörum: 
en im größten Maßſtabe durchzuführen. Der 
Rattenkönig ift nichts anderes als eine Geſell⸗ 


Rattenberg — Ratzeburg 


[haft junger R., welche, in einem Neft mit zu 
2. Ausgang geboren oder durch andere Zufäl- 
ligteiten gefangen, fih mit den Schwänzen ver: 
midelten und, weil die lektern von einer dem 
Weichſelzopf ähnlichen Krankheit ergriffen wurden, 
mit den Shwänzen zufammentlebten. —— 
des Rattenlönigs, mit dem . der Aberglaube 
viel beihäftigt hat, finden fih in manchen ältern 
Sammlungen. Die Wafferratte (Hypudaeus 
anphibis) gebört einer andern Gattung derjelben 
Familie an, Sie ift graubraun, zuweilen ſchwarz, 
15—18 cm lang, mit einem viel kürzern Schwanze, 
lebt in und an den Ufern von Teichen und ruhigen 
dlüfen, nährt fih von Wafjerpflanzen und lbommt 
niemal® in die Häufer. Sie ſchadet durch Unter: 
mühlen der Ufer DerRktung der Pilanzungen und 
Beraubung der Siib: und firebswäjler. 
Nattenberg, Stadt in der Bezirlöhauptmann: 
ſchaft Kufftein in Tirol, am nn, unweit der Süd- 
bahnſtation Brirlega, iſt Siß eines Bezirksgerichts 
und zählt (1880) 727 E. Auf dem Schloßberge be: 


505 


von Medlenburg —— Aber 1596 bewog 
der Herzog Auguft von gie ar Be 
genanat uguft der ltere, zu Celle) durch große 

pfer das Kapitel, ihn zum Koadjutor zu erwählen, 
und nad) Karls Tode 1610 gelangte er zum Belik, 
obwohl die Herzöge von Medlenburg mit gewaff: 
neter Hand ſich dem mwiderfeßten. Nun kam es zu 
einem Vertrag (29. Mai 1611 und 8. Aug. 1612), 
demgemäß künftig die beiden Häufer Medlenburg 
und Braunſchweig⸗Luneburg als Erbſchutzherren 
des Stifs N. gelten und abwechſelnd immer einer 
von ihren Prinzen zum Biichof gewählt werben 
ſollte. Hiernad) folgte auf Biihof Auguft (1610 
—36) der minn rlährige Derzog uftav Adolf von 
Medienburg:Gnjtrom, der aber ſchon nach 12 Nah: 
ren refignieren mußte. Dann ward im MWeftiäli: 
ſchen Yrieben 1648 das Bistum N, fäkularifiert 
und, zum Erſaß für die Abtretung von Wismar, 
als erblides Yürftentum an den Deriog Adolf 
I. von Medlenburg- Schwerin übertragen. 

. blieb beim Haufe Schwerin, bis es durd den 


finden fich die Nuinen einer alten Fejtung, in welcher — —— leich vom 8. März 1701 an 


17. Juli 1651 Wilhelm Biener, «der Kanzler von | das Haus Strelig 


Zirol», enthauptet wurde, 
Nattenfänger von Hameln, |. u. Hameln, 
Zeikngi 
Natteninfeln, eine Gruppe der Aleuten ( 
Rattenfönig, ſ. unter Natten. 
‚Rattenfchtwang (fr. queuederat, enzl.rat-tail), 
eine Heine runde Feile. (S. unter Feilen.) 


.d). 


Nätter (Bergbau), eine Art Siebe zur Klaſſie⸗zä 


rung von Kohlen oder erzhaltigen Maſſen nach ver: 

ſchiedener Korngröße; fie fin 

Stofrätter, je nad der Art der Bewegung. 
Nah, ſ. Iltis. 


t, ſ. unter Arſen (: KT nbunaen Lauenburg in 


am, (S. J5 Val. 
Maſch, «Geſchichte des Bistums R.» (Lübed 1835). 
Nakeburg, Kreisftabt des Kreiſes Herzogtum 

' ber preuß. Brovinz Schleswig : Hol: 

ein, liegt mitten im Rakeburgerfee au einer 
fel und ift im Diten und Weſten durch zwei 
mme mit dem Feltlande verbunden. Auch die 
Umgebung ift reih an Naturfchönheiten. R. 
it (1885) 4281 E. ohne den Dombof mit 211 E., 
und ilt Station der Lübed:Bücener Eifenbahn, 


Sclagrätter und | ſowie Siß eines Landratsamts und eine Amts— 


erichts. Seit 1882 wieder Garniſon des Lauen— 


urger Jägerbataillons Nr, 9. R. hat ein Gym: 


Ratz,, bei naturwifjenichaftlihen Namen Ab: | nafium, ein Schullehrerfeminar und eine Gtabt: 


breviatur für Julius Theodor Napeburg (f. d.). 
Natzebuhr, Stadt im preuß. Regierungsbezirk 

Köslin, Kreis Neuftettin, an der Zarne, einem 

rechtsſeitigen Zuflup der Küddow, 


Station (3 km | fiegt der Kirchort St. Georgs 


tirche, während die Domlirche nebit dem fog. Dom: 
bof zum Fürftentum Raßebur perl Unmittel: 

ar vor der Stadt, am mei Ufer des Sees, 
erg mit der älteſten 


vom Orte) der Yinie Bofen:Neuftettin-Stolpmünde | Kirche im Kreiſe Herzogtum Lauenburg. Urjprüng- 


der Breußiihen Staatsbahnen, Sik eines Amtäge: 


xichts, hat (1885) 2327 E., Aderbau, Viehzucht, | Burg gleihen Namens, 


Zudfabrifation und Wollipinnereien. 


Rabeburg, ein zum Großherzogtum Medlen: | wurbe. raff 
treliß gehöriges Fürſtentum, welches im | nahmen die Herzöge von Lauenburg bier ihre Reſi— 


eur 
SW. von dem Kreis Herzogtum Lauenburg der 
preuß. Provinz Schleswig: 


Holftein, im W. und N. 


vom Gebiete der Stadt Lübed und der Trave, inı | währen 

NO. und D. von dem Großherzogtum Medlenburg: | die neue Feluno ein Bombarbement 

Schwerin begrenzt wird. Es gehören dazu mehrere | nen zu beite 

Gnllaven in Lauenburg. Der Flächeninhalt des | fallenen Feſiungswerke * — 
„» 


Fürftentums beträgt 382 qkm mit (1880) 16600 E. 


lich —— die Stadt R. unter dem S ” ber 

welche ſchon 1062 urfund: 
fi erwähnt und 1143 Gib der Grafen von N. 
Nah dem Heimfall der Grafihaft R. 


denz. Das feite * ward 1690 abgebrochen 
und dagegen die Stadt R. befeltigt. Schon 1693 
es Lauenburgiichen Erb — hatte 

uch die Dä— 
n. Grit 1819 wurden die längit ver: 
Bol. 


idmann, «Die Domlirche zu abeburg 1881); 


Bon ber Stadt Nabeburg (f. d.) gehört nur die | Schmidt, «VBeichreibung und Chronik der Stadt R.» 


tirche nebit dem fog. Domhof zum Fürftentum R, | und Umgehung» 
u 


Grit 6. Nov. 1869 erhielt dasfelbe eine land: 


fhöne, um 1172 im roman, Stil erbaute Dom: | (Rapeburg 1888); Ecel — «N, 
N 


ftändifche Verfaflung. 
dete dasſelbe eine Fa 


Bistum, geſtiftet 1154 durch Heinri 


In lirchlicher Hinſicht bil⸗wiſſenſ —52 
poſitur (Propftei) mit acht | 1801 IR Berlin, ftudierte bafelbit Me 
Pfarren. Das Fürftentum war uriprünglic ein | Naturwifienihaft, befonders Botanik. Cr 
den Löwen, | litierte fih 1828 al3 PBrivatdocent in Berlin und 


Mölln 

. Aufl., Hamb, 1884). 

I. Iheod.), Begründer ber 

tftentomologie, geb. 16. Febr. 
Medizin, Na 

abi⸗ 


Ratze 


und teilte anfangs die Schidſale des Herzogtums | wurde 1830 Profeſſor der Naturwiſſenſchaften an 


Sadjen Lauenburg, bis e3 im Mär 
Reichsunmittelbarleit erlangte. Biiho! 


1236 bie | der % 
Chriftopb | den Ru 


tatademie zu Eberswalde; 1869 trat er in 
ftand und ftarb 24. Dft, 1871 in Berlin, 


von der Schulenburg refignierte im Oft. 1554 mit | Unter feinen Schriften find hervorzubeben: «Die 


Buftimmung des ve ri zu Ounften des Herzogs | Waldverderber und ihre yeinder ( 


Chriftoph von Medienburg, Diejer regierte das 


Bistum al3 Adminiſtrator 1554—92, und ihm | «Die 
folgte in diefem Amte fein jüngerer Bruder Karl | «Die 


Berl. 1841; 
8, Aufl., von Judeich und Nitiche, Wien 1885 fg.), 

oritinfelten» (3 Bde. Verl, 1839 —44), 
Schneumonen der Forftinjelten » (3 Bde., 


506 


Berl. 1844—52), «Die Waldverderbnis» (2 Bde, 
Berl. 1866—68) u. ſ. w 

Natzel (Friedr.), * h und Reiſender, geb. 
30. Aug. 1844 zu Karlsruhe in Baden, war erſt 
Apotheler, ftubierte dann Naturwiſſenſchaften in 
Karlarube, Heidelberg, Jena, Berlin und Mont: 

llier, und nahm als eimilliger am ee 
Srampöfifchen Kriege von 1870 und 1871 teil, 
weldhem er zweimal verwundet wurde. Später 
—* er als Korreſpondent der «Slölnischen Zeitung» 

talien, Südfrankreich, Siebenbürgen, Ungarn, 
Ro merita, Merito und Cuba und wurde 1876 
Bro * — der ẽrdiunde an der Techniſchen Hod): 
hu Münden. In den J. 1882—84 war er 

— —— de3 «Ausland». Er fchrieb: «Sein 
und Werben der oraaniihen Welt» Epz. 1868), 
«Wandertage eines Naturforichers» (2 Bde., Lpz 
1873— 74), — und Kulturbilder aus Nord, 
amıerila» (2 Bde . 1876 6) Die chineſ. Aus: 
wanberung» ( (Bres il. Ey Hus 3 Merito» (Breäl, 
1878), «Die Bereinigten — von Nordamerila⸗ 
2 Boe., Münd. 1878—80), Anthropogeographie⸗ 
Stutta. 1882). In der ala Fortjehung zu «Brebms 

ierleben» eriheinenden N ligemeinen Naturkundes 
en 1885 1 bearbeitet R. die «Böllerlunde», 

Nakes. on nd di lhaltiges Bab 

we und vitriolbalti im 

Bezirk Kaftelruth in Südtirol, zwiſchen den nördl. 
Abhängen des fern und ber Seiferalpe, viel: 
—— Sommerfriſchort —* m) der beite Bl 
punlt für die Beiteigung des ** l. 
iner, «Das Bad R. in Südtirol» ( iin 4 

—5 Schriftſteller, geb. 11. Febr. 
1813 zu nkfurt a. M., war zuerſt Kaufmann, 
fchlob fi) dann feit 1842 der freireligiöjen Be: 
wegung an und ftubierte 1844—46 Theologie zu 
Heidelberg. Hierauf wurde er Prediger der Da 
Gemeinde in Stuttgart, 1849 in Mannheim , aber 
im Juni 1856 von der Regierung feiner Stelle ent: 

oben. Er jtarb 26. Sept. 1876 zu Franlfurt. Er 
eieb Werte populär:pbiloi. — en ve 
eue Stunden ber Andadıt», 

En 1876; «Evangelium der —— Nu. 
1880) und die, meijt | —— ie 
Nomane (« Dogarts, 4. Au 1875; « 

Baul», 4 Bbe., @py. 1861 u. ſ. w.). 

Gen (Karl Heinr.), ausgezeichneter deuticher 
Nationalölonom, geb. 23. Nov. 1792 zu Erlangen, 
ftubierte dafelbft Nameralwifienf aften, habilitierte 

id 1812 als Privatdocent und löfte 1814 bie 
Sreisaufgabe der göttinger Gocietät: «Wie bie 
Nachteile der Aufhebung des Zunftweſens zu ent: 
ernen feien?» uch erhielt er 1820 von der Ge: 
ellſchaft der Wiſſenſ haften zu Harlem einen Ehren: 
—— für eine Abhandlung über die Urſachen der 
mut. Nachdem er 1816 mit einer Differtation 
«Primae lineae historiae politices» promoviert 
—* wurde er 1818 außerord., dann ord. Bro: 
eſſor und Univerſitäts bibliothefar zu Erlangen, 
nahm aber 1822 den Huf als Profeflor der Staats: 
und Kameralwifienfchaften nach Heidelberg an. 
Von feinen frühern Schriften find zu nennen: 
Anſichten der Bollswirtidaft» (Lpz. 1820), «Mal: 
thus und Say. fiber die Urſachen der jetzigen 
Handelaftodung» (Hamb. 1821), «Grundriß der 
Kameralifen/daf Geidelb. 1823) «fiber bie 
Kameralwifjenichaft» (Heidelb. 1825). Sein Haupt: 
werk iſt aber fein «Lehrbuch der polit. Ötonomie» 
(3 Bde., Heibelb. 1826—37; Bd. 1: «Grundfähe 


can 


Nagel — Raubbau 


ber get töle A SER. 8. Aufl., 2p3. 
869; Boltswirtichafts: 
—e 2 Ubleil, 5. Lu Se 1862—63; Bd. 3: 
«Grundfäge ber "Finanzwifienicaft», 2 "Abteil., 
6. Aufl., ern. 1871— 72), das durch Gründlichkeit, 
richtiges. Urteil und namentlid großen Fleib und 
Geſchick in Anſammlung und Benukung ftatift. An⸗ 
gaben ſich —— Die dem Tode er 8 
von U. Wagner beabfihtigte arbeitung de3 
Buchs ift nicht —— worden, indem Wagner 

ein ganz neues ſelbſtändiges Wert geliefert 

R. gab auch feit 1834 das «Archiv der polit. * 
nomie» (Bd. 1—6, 1834—39; 2. Folge, in 

{haft mit Hanfen, 10 Bbe., 1840.53) heraus. 
Bon feinen zug ih dem Gebiet der Landwirtſchaft 
angehörenden Schriften ſind ae ag bie «ße: 
ſchichte des Pflugs» (Heibelb. 1845) und «Die 
Landwirtſchaft der heibelberger Gegend» Fr 
1830; in neuer —— in ber Feſtſchrift für 

die 21. Verfammlung der beutihen and» und 
—— 1860). A, 1837 bis war R. 
Tr (ied ber bad. a — Er ſtarb 


einer fremden bewe — Sache *8 eine an der 
——— Inhabers verübte Gewalt, ſei dieſe 
nun wirklich zwingende Gewalt (vis ablativa) ober 
bloß Drohung (vis compulsiva), Der R. wird 
‘ 249 des Deutichen Strafgele vn -_ —— 
aus, beim Vorhandenſein mi 
mit Gefängnis nicht unter ſechs —— a er 
—* die — ewendete Gewalt auf Tötun 338 wird 
aubmord, welcher als Mord nach 
AH gr dem Tobe beitraft wird, Neuere Ce 
hen ftellen es * R. — wenn der Dieb 
ſitz der geſtohlenen Sache durch Gewalt 
be uptet oder durch Gewalt gegen eine Berjon 
eine Erprefiung begeht ($$. 252, 255). Die Römer 
betrachteten den R., wenn nicht öffentliche Gewalt 
und Störung ber öffentlichen Sicherheit —* ge⸗ 
tommen war, als bloßes Privatvergehen, welches 
mit Geldſtrafen gebüßt wurde. Im german. Alter: 
tum madte nur ein libermaß von Gewalt oder an 
en verübte Gewalt den R. unehrlih. Da: 
n gel für ehrenvoll, feinen im offenen Kanıpfe 
= ind h berauben. Nach der fpätern ger: 
En tsan —— jedoch liegt in dem R. ein 
rss und daher hat ſich bie Strafe des 
chwerts, vornehmlich bei dem auf einem öfjent: 
lien Mege begangenen R., dem Straßenraube, 
in ber air 3 ——— von 1632 
erhalten. heutige Strafe für Straßenraub, 
ſowie für R. j ri einer Eifenbahn, auf offener See 
oder, Aid Waſſerſtraße, auch für R. — Nacht⸗ 
eit in einem bewohnten Gebäude if 8. 250 
uchthaus nicht unter — Jahren, orhan⸗ 
* ein mildernder Umſtände Gefängnis nicht unter 
Einem Jahre. Verſchieden vom * im eigentlichen 
Sinne find der Menſchenraub (ſ. d.) und der. See: 
raub (j.d.). Eine ſchwere Iyıg des Diebjtahls it 
der fog. Kirdenraub (f 
NRaubbau nennt man in * Landwirtſchaft 
denjenigen Betrieb der Bodenkultur, bei welchem 
dem Boden bie in demſelben in verhältnismäßig 
geringen Mengen enthaltenen und durd die Ernten 
entzogenen mineraliichen Bilanzennäbrftoffe in ber 
Düngung nicht oder nicht genügend erjegt werden. 
Der R. tt zuweilen für den Augenblid rentabel, 
erihöpft jedoh den Boden für die Dauer und 








KLEINERE 


RETTEN 
NN t X 
















6. Vielfrafs (Gulo borealis). 
tn \ R 4. Europäischer Dachs 
SAN 





* ut de N N Autälr 
TR 2 —2 ih * 


1. Ginsterkatze (Viverra Genetta). 









— 


10. Gemeine Fisch: 













4 x 2 d N N 
Be a 


Sa, Iltis (Putorius foetidus). 85. Wiesel (Mustela vulgaris) im 
Sommerkleide, 






11. Waldhund (] 


Brockhaus’! Conversatious- Lexikon. 13. Aufl. 











en 





wer nn j 
— ee y in » a « — 
—— 
a — re — 
„a b 


d. Stinktier (Mephitis chilensis ). 


IN 8* ff 
l- oder Baummarder (Mustela martes). 
REN 





lcticyon venaticus), 


Zu Artikel: Baubtiere, 











vi e a 
I, te 
1 3 a Du 2 
3%, Hühnerhabicht (Astur palumbarius), 
25, Rauhfufsbussard ( Buteo lagopus). 











. Königsınilan ( Milvus regalis ), 


va ai 
= (Falco peregrinus). ba, Schädel des Adlers, 


Brockhaus’ Conversations- Lexikon, 13. Aufl. 





ÖGEL. I. 














65. Klane des Adler, Leæeut (Gypogeranus serpentarins). ______| 
Zu Artikel: Kaubvogel. 











RAUBV 











15. Bartgeier (Gypaetus barbatus), la. 


ernten 








> h er A AT Be \ N 
db. Uhu (Bubo maximus). 2. Schmutzgeier ( Neoph: 


Brockhaus’ Conversations-Lexikon. 13. Aufl. 





ÖGEL. IL 


=> — 











m» © —“* — * 


(Strix Hammen ). 


3. Condor (Sarcorbamphus gryphus)., 








Artikel: Raubvögel, 











Naubbeutler — Raubvögel 


vermindert dadur 
keit. Bol. %. von 


auf Agrilultur 
B 
Bein Dieses 


ei, Die Chemie — — 
[4 «Di 
und Hhpfologier (. Kult, 


Seit Raubbau ein Betrieb, 
—— —2**— die Regeln des rationellen Graben 
triebes verftößt, durd Mifverhältnis zwif: 
—— und — Herausreißen 
Erzmittel ohne Berucſſichtigung der ärmern und 


Meg von Bergfeiten, Stollenjoblen. Schacht⸗ 
und a m Sicherbeitspfeil ern. 
Rau er, |. Dafyurnz. 


Räuber, Räuber: oder Wafierjweige 
nennt man die am Stamme an en Aſten 
alter Dbftbäume entitehenden langgliederigen 
, mit gering entwidelten Anofpen. Sie ent: 

ftehen aus unter der Rinde —— fog. Ad⸗ 

ventivfnofpen und deuten auf das 

Baums, fid) zu verjüngen, werden auch in der 
gr oft dazu benugt, abgängig gewordenes Holz 
u erfeßen. Wenn H. an jungen Bäumen vor: 
ana fo ift diefe Erſcheinung meiftens eine 
br 


fernaba 
—— — Br hangimgn e 

nnere einer Höhle von über 30 m yo — 
diefe ſchließen dann noch weitere O 
die nur f zu betreten find. Die Hö 
find f A aeg. der Aufenthalt nd 

e. 
als uud 


Sr gen! ht, Megt 

i ie 
ER, eine da ne 

—— min des darunter 


Öffnung, 
ee erg Refervoirs 


äuberromane, eine eigentümliche Abart der 
enden Romanlitteratur, wurden durch Schillers 


er» rufen, wie die Nitterromane 
er .. von nr ie und die 
urch Schillers «Geifterjeher». 
aan * — > große Bandit» ntf. * 
th 1794), den der Berfafler n aud) 
ch bearbeitete, eröffnete die Reihe der in den 


zwei bi3 drei zunächſt folgenden Jahrzehnten jehr 

lreich erjcheinenden R m b —— = 

* — —— 891707) Bol 
tmann» von Bu uerft Ip}. 

Appell, «Die — gi uber: und Schauerroman: 


tif» (2p, 
Rarkmienn, f. Morbdfliegen. 
. Kurzflügler. 


Raubmord, J unter Raub. 
ven, ſ. unter Möve. 

Naubtiere (Ferae) _ man im engern 
—— die Carnivoren ‘. d.), im weitern alle vom 
che anderer Tiere den Säugetiere, alſo 
aa . Infelten frejienden FI je, die ns 
ſeltenfreſſer felbit und die Robben. Die 

im engern Sinne arg iR a Katzen (fi. d 

Felidae); 2) Dun A ( d. ) denen 
as wa Bahriceintich auch 


ern 
der jonderbare und nr, jene brafil. Waldhu> 
(Icticyon. venaticus el: Kleinere Raub: 
tiere, Die. 11) zu rechnen find; 3) Hyänen (ji. d., 
Hyaenidae); a) Sch aidilaben (f. d., Viver- 


der | di 


507 


rinae), zu benen die Ginſterlahe (h. unter Vi- 
verrinae, Viverra Genetta, fig. ıı ber 
Balmmarder (Fig. 2 Paradozurus typus), da3 


Ichneumon (f. d. Herpestes Ichneu- 
m. gertren; 4) bie we (ij. d. Ursinae); 0) die 
Dadie (if. d., Melinae) mit dem nemeinen Dachs 


(Meles — Fig. 4), dem Stinktier (f. d., 
Mephitis chilensis, Fig. 5); 6) die Marder: 
artigen (Mustelidae), und zwar a, die Bären: 
ähnlichen (Pladypoda), mit ſtumpf vorjtehenden, 
nicht rüd —53* Krallen: hierher gehört der 
Bielfrab (f.d., Gulo borealis, Fig. 6), b- die 
Marder (f. d., Acanthopoda) mit hurzen, gekrümmt: 
ten, rüdziehbaren Krallen; fie bilden zwei Unter: 
—— echte Marder . d., der Edel⸗ oder 
aummarder, Austela martes, Big. 7), zu 
denen _ der & ltis (j. db, Putorius foetidus, 
8a) und das Wiefel (Mustela vulgaris, 
8b im Sommerfleide, ee im Winter: 
leide) gehören, und Ditern oder —— 
(Lutrina) mit der gemeinen Fifchotter ( 
Lutra vulgaris, Fig. 9 un F — —* 
Seeotter (f. d. Enhydris marina) 

Naubvögel (Raptatores s. Adtomorphae) bil: 
ben eine pb eiche (etwa 630 Arten), über die ganze 
Erde verbreitete, wohlcharalteriſierte Ordnung der 
e | Vögel mit erümmten Schnabel, an dem der 
Oberſchnabel halenartig über den Unterfchnabel 
— und an ſeiner Baſis mit einer weichen Haut 
—— aut) verſehen iſt, in der die Nafenlöcher 
iegen. Alle Zehen haben Fräftige, ſcharfe, ge: 
frümmte Krallen, die Innenzehe nach hinten ge: 
richtet. Die Färbung i (dene büfter, ſchwarz, grau 
und braun in verjchiedener —— ſehr ſel⸗ 
ten blau; einige haben bisweilen lebhaft ee 
nadte Hautitellen und Lappen an Kopf und Hals 
Sie nähren fi von tieriiher 36 u von 
lebenden Säugetieren, Vögeln, N feltener 
von Reptilien, einige gelegentlid, andere aus: 
ſchließlich von Infeilen, viele auch von Aas. Die 
Weibchen ſind größer als die Männchen; meiſt 
haben fie in kunſiloſen Reſtern wenig Eier, nur die 
Heinern haben eine zahlreichere Na tommenschaft. 
Eie frefien viel, haben eine jtarle Verdauung, kön: 
nen aber ger e bungern; ihre Ausleerungen riechen 
wiberlih, ſcharf⸗ :ammoniataliich. Unverdbauliche 
Zeile der —— Knochen, Haare, Federn, 
Gräten u. ſ. w. geben fie als Gewölle von ſich. 

Man teilt die R. in zwei große Gruppen: 
I. Zagranbvögel, an ein Tagleben angepaßt, mit 
Kropf an der —— 1) Gypogeraninae, 
Seltetär (f. d., Tafe Raubvögell, Fig. 1, 
Gypogeranus 8 entarius); 2) Falconinae, 
rc (1. d., Tafe L; ð 9.28, Falco peregrinus, 

anderjalte, Fin. 38, isus communis, Sperber, 
—* 3) Äquilinae, Adler (f. d., * I, 

4a, Aquila chrysaötus, Goldadler, Fa 4b, 
A. alva, Steinabler, j. d., Fig. 5 a u. b, Schädel 
und Stlaue des Adlers); —— Buj arde 
(j. d., Tafel I, Fig. 3b, Buteo lagopus, Hau jub- 
buffard); 5) Milvinae, Milane (j. unter 
ben, Tafel I, Big. 6a, "Milvus regalis, Rönigs: 
milan); 6) Accipetrinae, Habichte (. d., 
Tafel l, Fig. 3b, Astur palumbarius, Hühner: 
bebic); 7) Circinae, Weihen (f. d., Tafel I, 
ig. 6 b, Cireus cyaneus, Kornweibe); 8) Vultu- 
rinae,Geier(f.d., Tafel: Raubvögelll, Fig.1a, 
Vultur monachus, Ruttengeier); 9)JGypaätinae, 
Bartgeier (f. d. Tafel I. Fig. 1b, Gypaötus 


508 


barbatus, gemeiner Dartgeier): 10)Cathartinae, 
Aasgeier (ſ. d. Tafel Il, Fig. 2, Neophron per- 
enopterus, gemeiner Nasgeier, 8: 3, Sarcorham- 
phus gryphus, Kondor, }. d.). II. Nadıtraubvogel 
(Strigidae) oder Eulen (ſ. d.): 1) Surninae, 
Tageulen (Tafel II, Fig. 4, Nyctea nivea, Schnee: 
eufe, ſ. unter Eule);2) Buboninae, Uhus (f. d., 
Tafel IL, Fig. 5, Bubo maximus, großer u): 
3)Syrminae, fläuze (f. unter Eulen, Tafel II, 
Fig. 6a, Syraium aluco, Waldlauz, Fig. 6b, Otus 
vulgaris, Waldohreufe); 4) Striginae, Schleier: 
eulen (f. d., Tafel IL, Fig. 7, Strix flammea, ge: 
meine Schleiereule). 

Rauch N fume&e, engl. smoke) nennt man 
das Gemifh von Gaſen und Dämpfen mit unver: 
brannten und balbverbrannten Zeilden, welches 
von bis zur angehenden Zerſeßung erbikten oder 
beilbrennenden Körpern, namentlid Brennftoffen, 
in die Luft auffteigt. Nach der —— ee erun 
der Theorie ſollte der Kohlen» und der kafferftof 
eines Brennmaterials bei der Verbrennung fich mit 
dem Sauerftoff der zutretenden Luft rein zu Kohlen: 
fäure und Waſſerdampf verbinden. In der Praris, 
bei den gewöhnlichen Feuerungen, ift es jedo 
ausnehmend ſchwer, ja unmöglich, alle zur voll: 
ftändigen Verbrennung nötigen Forderungen zu 
erfüllen. Die Speifung mit Luft erweift ſich über: 
haupt oder zeitweilig unvolllommen; viel öfter 
aber ift die Abkühlung des Feuerraums zu groß. 
Bei Cots, Holzloblen und Anthraciten, die alle nur 
wenig flüchtige Beitandteile enthalten, lann in die: 
jem alle nur Kohlenoxyd ftatt oder neben Kohlen: 
jäure, aber es lönnen keinefichtbaren Berbrennmungs: 
vrodufte auftreten, Bei waflerftoffreihen Brenn: 
jtoffen, wie Steinfoble, Sol, Zorf u, ſ. w., ift dies 
anders. Es miichen fi alsdann mit der Kohlen: 
jäure, dem Stidjtoff und der atmoſphäriſchen Luft 
nicht bloß Koblenoryd, fondern aud eine große 
Anzahl von Produkten der trodenen Deltillation, 
hauptſächlich Verbindungen aus Kohlen-, Waſſer— 
und Sauerſtoff als Gaſe, mehr noch als Däntpfe 
(des Teers oder Teerwaſſers), nebſt dem feinzer: 
teilten ausgeſchiedenen Kohlenſtoff oder Ruß bei, 
und bilden einen ſichtbaren, rt Hu graugelb bis 
tief dunlelgrau, ja ſchwarz gefärbten Gasſtrom, der 
im gewöhnlichen Leben als «Rauch» betannt iſt. 
Der N. des Holzes ift zwar fehr beißend für die 
Augen, aber leicht und zum Auffteigen geneigter; 
der R. von foffilen, belonbers badenden Stein: 
tohlen ift nicht beibend, aber infolge des geringen 
Fee one ra Dielen Drei reichlicher, dider, 
ſchwerer, gi geneigt als eine Wolle an der Um: 
gebung zu haften, die, einen ftetigen Niederfchlag 
von zarten Außiloden abfehend, einen fchwer zu 
bemältigenden Nachteil auf die Reinheit der Sult, 
auf die Reinlichkeitdes Körpers und der Wohnungen, 
ſomit auf die öffentliche Wohlfahrt ausübt. 

_ Die Erkenntnis, daß die Entitehung des R. keine 
Folge der Natur der Steinkohle, ſondern der Un: 
volllommenheit der üblichen Heizeinrichtungen, und 
daß der R. nicht bloß eine Unbequemlichteit, fon: 
dern an ein nicht zu unterfhäsender Verluft an 
Brennſtoff if, fpornte den Erfindungsgeift an, ſich 
mit Verbeſſerung der Feuerungen in Sinne einer 
Bejeitigung des R. zu beichäftigen. In England 
ariff in diefe Frage über die ſog. Rauchverzehrung 
ein Barlamentsbeihluß vom 20. Aug. 1853 ein, 
welder allen Fabriken der Hauptitadt, fowie allen 
oberhalb London:Bridge fahrenden Dampficifien 


Nauc (bei Fenerungen) 


vom 1. Aug. 1854 ab die Entwidelung von qual: 
mendem N. bei Strafe verbot. Auch auf dem ton: 
tinent fand dies Nachahmung, indem ſchon in dem⸗ 
jelben Jahre die Volizeipräfeltur von Paris ein 
ähnliches Berbot erlieh. Diefe Mafregeln waren 
—* —— aher man irrte ſich darin, daß man 
ie mädhtigite Quelle des R., die häusl 

rungen nämlich, als unerheblic anfab. 

Seit jenem Ginfhreiten der Gejehgebung trat 
man mit zahlreichen Vorrichtungen für Naud- 
verzehrende Feuerung hervor, deren Beſchrei⸗ 
bung zu einem umfangreichen ve e der gewerb⸗ 
lichen Litteratur angeihwollen it. (S.u. Dampf: 
tejfel, Feuerungsanlagen und Öfen.) Doc 
gehören dergleichen Beitrebungen nicht allein der 
neueften Zeit an. Seit mehr als einem Jahrtauſend 
hat man in den Glasöfen, feit einem Ja dert 
in den Borzellanöfen Einrichtungen getroffen, welche 
die größten Mengen Brennit a der og. 
Pultfeuerung ohne R. verbrennen. wenigſten 
praltiſch iſt von den Nauchverzehrungsmeth, 
edenfalls diejenige, wonach man den R. vor ſeinem 
Eintritt in den Schornftein mittels eines, durch * 


ch Brauſe als Regen eintretenden Wa 


ms 0 
durch eine andere ähnliche Vorrichtung auswäſcht, 
weil dadurch nur Au nicht die ae Da She 
entfernt werden, der Brennftoffverluft nicht vermie- 


den wird und der Schornftein durch Abkühlung 
einen großen Teil feiner Zugkraft verliert. Bor: 
züglicher find Schon die Verbeflerungen der Rojte, 
wie die zus und Gtagenrofte (3.B. der von E. 
Langen) und die Schüttel: und Kettenrofte, indem 
durch dieſe eine regelmäßigere Luftzufübrung zum 
uer ermöglicht wird, i ber der 
Feuerungen ijt übrigens die Urfache der fees 
des meijten und dichtejten R. die eb Art 
des Nachſchurens, befonders das Öffnen 
thür und das Auflegen von friihem Brennftoff, 
wegen der Abkühlung des Brennraums — den 
—2— Brennſtoff und den hereinſtürzenden falten 
Luftitrom. Bei großen Feuerungen bedarf e8 einer 
Biertel: bis halben Stunde Zeit, ehe das Feuer ſich 
wieder gehörig anfadıt. Man fuchte daher das 
Schüren und Aufihütten zu verbefiern, indem man 
die Heizthür zum Nahfhüren durch eine eher. 
erfebte, welche mit einem trichterförmigen ned 
oder Numpf, wie die Mablgänge der Getreide: 
müblen, verſehen er Auf diefen Numpf werben 
die Kohlen aufgeichüttet, und um fie von feiner 
untern Öffnung aus zu gehöriger Zeit und gleich: 
mäßig über den ganzen Roſt zu verteilen, bat man 
die verfchiedeniten Vorrichtungen erfonnen. Auch 
die Füllöfen gehören > den Vorrichtungen für 
befiere, gleihmäßigere Speifung des Feuers, die be 


fonders darum wichtig find, weil fie auch zur Zim⸗ 
merbeizung benupt werden lönnen. 

— ängft iſt übrigens die gewöhnliche Art 
be3 Aufichüttens des Frifchen Brennftofis oben auf 
die —— als durchaus unzw g erlannt 
worden, weil dabei bie Luft erft durch die ee 
Schicht ftreiht und die aufiteigenden Gaje in der 
falten Schicht des friichen Brennſtoffs fo weit ab- 
netühlt werden, daß fie unvolllommen verbrannt 
fortgehen. Man bat daher auch —— 
— Ar ee am über ei En 
dierher gehören 3. B. die ſchon n Jahrhun⸗ 
dert belannten Sul euerungen, bei denen bie 


[ ten jchlägt und bi ür 
Beung bee Ola und Borelansfen mit ol 


Rauch (Chriftian Daniel) 


erfunden, dann auf die Heizung ber Pfannen in den 
Salinen mit Torf und Steintohle übertragen wor: 
den find, Minder zwedmäßig als die erwähnten 
Methoden find diejenigen, welche darauf ausgehen, 
ben R. durch jelundäre Luftitröme zu verbrennen, 
weil man eigentlich nicht er den durch mangelhafte 
Einrihtung entitandenen R. verbrennen, jondern 
überhaupt feine Entjtehung verhindern muß. Übri: 
ens gibt e8 zur Zeit feinen im vollen Sinne bes 
ortes —— Apparat. Troßdem ba: 
ben fih mande Borfchläge bei guter Kefieltonftrut: 
tion und pafjender Qualität der Brennmaterialien 
gut —— indem ſie wenigſtens eine teilweiſe 
auchverhutung bewirken, beſonders dann, wenn 
man einen tüchtigen und umſichtigen Heizer anftellt 
und dbemfelbenbei Kohleneriparniseincentiprecpenbe 
Prämie bewilligt. DieCinführung der Gasfeuerung 
(nad) den Syftemen von Siemens, Bicherour, Boẽ— 
tius, Ponſard, Gröbe-Lürmann) wird in vielen 
Fallen die Raudjverzehrungs: ober * die Rauch⸗ 
verhütun sjrage in befriedigender Weife löfen. 
Bon Wichtigkeit für die Kenntnis der Rauchgaſe 
und der ütung des R. find die Analyfen des 
N., die mit Hilfe eines von Orſat konjtruierten 
Apparats (j. Drjatiher Apparat) mit Leichtig⸗ 


leit auszuführen find. Vol. Ferrini, «Technologie | 1840 


der Wärme» (Nena 1878), j 
M (hriſtian Daniel), einer der a 
—*— ildhauer, geb. 2. San. 1777 zu Arolien 
in Walded, begann bei dem Bildhauer Ruhl in 
Kafiel zu lernen und fam 1797 nad) Berlin, wo er 
ſich bereden ließ, als Kammerdiener in den Dienft 
des Königs zu treten. Als diefer im Herbſt des: 
elben Yabres ftarb, ging R. in den Dienft Friedrich 
are II. und Fa Seile 0 
€ — ab ihm Muße zur Ausbildung 
feines Talents. Er begleitete 1804 den Grafen 
Sandrecziy durch das ſudl. Frankreich über Genua 
nad) Rom. Im engen Berlehr mit dem Wilhelm 
Humboldtſchen * und der dort ihren Sammel⸗ 
punkt findenden Gelehrtenwelt eignete er ſich raſch 
eine vielſeitige Bildung an. Nächſt der Antile 
übten die Arbeiten Thorwaldſens den meiſten Ein: 
fluß air obſchon er nie Thorwaldiens Schüler 
war. Zu feinen frübeften Werten gehören: die 
* Hippolyt und Phädra, Mars und Venus 
von Diomedes verwundet, ſowie die Statue eines 
elfiährigen Mädchens, einer Tochter W. von Hum— 
boldts, die fpäter in Marmor ausgeführt wurde; 
ferner die kolofjale Büfte des Königs von Preußen 
und die lebensgroße Büfte der Königin Luiſe, fowie 
verſchiedene Büften für die Walhalla, Im 3.1811 
berief ihn der König nad Berlin, um unter feinen 
eigenen Augen von R. das Modell zu den Grab: 
denkmal der 1810 gereebagen Königin Quife aus: 
führen zu ſehen. R. durfte dann zu dejien liber: 
tragung in Marmor auf zwei age nad) Carrara 
und Rom zurüdfehren. Im inter 1814 lam er 
wieder nad) Berlin, bad Denkmal aufzuftellen. Es 
befindet fi zu Charlottenburg in einem eigens 
dazu gebauten Maufoleum in Form eines dor, 
Tempels. Die Königin ift auf dem Nubebett 
fhlummernd dargeitellt, ein Frauenbild voll Adel 
und Liebreiz, welches ſchnell den Ruhm des Künft: 
lers verbreitete. Cine fait noch fchönere Wieder: 
bolung desielben lieh der König in dem Antiten: 


Potsdam Brenn. 
Im & 1815 erhielt R. den Auftrag, die Statuen 
der Generale Scharnhorft und Bülow zu verfer: 


509 


tigen, die er 1822 vollendete, nachdem die erfte An: 
lage in Carrara gemadjt worden war. Daneben 
waren bis 1824 bereits über 70 Büften in Marmor 
entjtanden, darunter an 10 kolofjale. Noch in Gar: 
rara erhielt er von ber Provinz Schlefien den Auf: 
trag, ein Kolofialbild zum Andenten des Fürften 
Bücher und feines Heers in Bronze auszuarbeiten, 
das 1827 in Breslau aufgelelt wurde. Cine an: 
dere Statue Blüchers, gleichfalls in Bronze, wurde 
ihm vom König aufgetragen und 1826 in Berlin 
aufgeitellt. Auch an den zwölf Statuen, welde 
das in Eiſen gegoffene Nationaldentmal auf den 
Kreuzberge bei Berlin fhmüden, beteiligte ſich R. 
m 1829 vollendete er in München die ſihende 
tatue des Königs Marimilian I. von Bayern für 
den Erzguß (aufgeftellt 1835); auch führte er mit 
Hilfe feiner nad) dem Leben genommenen berühm: 
ten Buſte Goethes Standbild im Heinen auf, 
Dann lieferte er das Standbild König Friedrich 
Wilhelms I. für Gumbinnen und das Denkmal 
Srandes für Halle. Sein Monument für Albrecht 
ürer im Auftrag des Nönigs Ludwig I. 1828 wurde 
1838, von Burgichmiet gegoflen, in Nürnberg auf: 
eſtellt. Die Erzftatuen der alten PBolenkönige 
Kiecayflam und Boleflam Chrobry vollendete er 
m wen bes Grafen ea für den 
Dom zu Poſen. Sechs kolofjale Victorien aus 
Marmor arbeitete er für die Walballa (feit 1833); 
fie gehören zu feinen ſchönſten Werten aus dem 
idealen Gebiet der Skulptur. Später lieferte er 
aud) für Berlin, und zwar als Schmud der Säule 
auf dem Belle: Alliance: Plab, eine fliegende Victoria 
in Bronze. Die un am Sarlophag Scarn: 
Bart geben in hiftor. Darftellungen die bedeutend; 
ten Momente aus dem Leben des Helden. Cine 
überaus zierlihe Najade erhielt der Kaiſer von 
Rupland, Für das Maufoleum zu Herrenhaufen 
bei Hannover, ganz nad dem zu Charlottenburg 
—— meißelte R. (1842) in Marmor die Statue 
er verftorbenen Königin von Hannover, in der 
Auffafjung dem Grabmal der Königin Luife, ihrer 
Schwelter, genau entipredend, und wie d eies, fo 
vervollftändigte R. auch das andere Denkmal durch 
Hinzufügung der Figur des königl. Gemahls; die: 
jenige Friedrich Wilhelms III. wurde 1843, die des 
Königs Ernft Auguft 1855 fertig. Na Schwerin 
lieferte er das erjene Standbild bes Großherzogs 
— Friedrich, welches 1849 aufgerichtet wurde. 
it 1840 konzentrierte R. feine künftlerifche Kraft 
auf die Ausführung de3 kolofialen Monuments für 
Friedrich d. Or., in welchem zugleich eine Berherr: 
fichung er Feldherren des großen Königs und der 
geiftigen Heroen feines Zeitalter gegeben iſt. Es 
wurde 31. Mai 1851 in Berlin enthüllt. Darauf 
folgten die bronzenen Kolofjalitatuen Yorls und 
Gneifenaus, zur Seite des Blucherdenlmals in 
Berlin (aufgeitellt 21. Mai 1855), dann eine Sta: 
tue Kants für Königsberg in Preußen und eine 
Statue Thaerd. ins der lepten gröhern Werle 
iſt altbibliihen Inhalts, das Modell zu einer 
Sruppe: Mofes während der Schlacht mit den 
Amalelitern auf der Höhe betend, von Hur und 
Aaron geftüßt, eine großartige, wirlſam eorbnete 
Kompoltio, Das Wert ward nad) R.s Tode von, 
Albert Wolff in Marmor vollendet und fteht in der 
zen e in Sansſouci. Im Herbit 1857 ging 
‚zur Konfultation wegen eines körperlichen Ubels 
nach Dresden, wo er 3. Dez. ftarb. Er hatte nicht 
die Gabe überitrömender Erfindung, aber die ber 


510 


Durchdringung des Crfaßten, des ftrengften Stu: 
diums und ausharrenditen Fleißes. Daher bei ihm 
langfames Reifen, fihere Meiiterihaft und unge: 
trübt andauernde Friſche. Wie er den berrlichiten 
Grinnerungen feines Baterlandes begeijternden und 
fpredienden Ausbrud gegeben, bat er aud bie 
Schule der Joealplaftit in Berlin begründet, in 
der über 200 Schüler nacheinander ihre Ausbildung 
fanden. Vgl. Waagen, «Abbildungen der vorsüg: 
lihiten Werte R.s mit erläuterndent Tert» (Berl. 
1827); ferner F. und K. Eggers, «Chr. Dan. R.» 
(Bd. 1—3, Berl. 187381); Dobbert, « Rauch» 
(Berl. 1877). R.s tolofiale Bildnisftatue von Drales 
Hand fteht in der Borhalle des berliner Muſeums. 
Rau ‚ S. unter Bad. 
» $. unter Darren. 
2 Seeger ſJ. ee j 

äucherefienz, sterzchen, :lad, papier, 
:pulver, Sbhunaen ober Gemifche von mehr oder 
weniger wohlriechenden ee ee eim Erwär: 
men ihre riechenden Stoffe ſich verflüchtigen laſſen. 

Rän fig, f. Eſſig, aromatijcher. 

Räu äucerungen finden ftatt, um üble 
Gerüche in der Luft zu bejeitigen oder zu mastieren, 
Anjtedungsitoffe zu gerftören, und bei Fleiſchwaren, 
um fie vor Fäulnis zu bewahren, dadurch zu ton: 
fervieren. Zu Räucherungen der erftern Art dienen 
alle Präparate aus Subftangen, welde in der 
Märme flühtige, wohlriedende Stoffe lorganiſche 
Säuren, ãtheriſche Öle) entwideln, die durch ihre 
ftärtere Wirkung auch die Geruchsnerven hindern, 
den übeln Gerud zu empfinden, wie Benzodharz, 
Weihrauch, Sandelholz, Wacholder u. |. w. Auf 
dieje Wi —— ſich der Nuben derſelben; 
keineswegs aber können fie als irgendwie luftver⸗ 
beſſernd angejehen werben. Dasjelbe gilt von den 
Räucherungen mit Kaffee, die zur Einhüllung übler 
Gerüche in der Luft fo wirkjam find, daß man an: 
fangs glaubte, fie vermöchten biefelben wirklich zu 
zeritören. Die Näucherungen mit Eſſig, die früher 
zur Befeitigung der übeln Gerüche in den Kranken⸗ 
zimmern angewendet zu werben pflegten, wirfen 
dadurch, dab fie die zum Teil —— 
Ausdunſtungs produlte neutraliſieren. Weſentlicher 
Rußtzen iſt von denſelben nicht zu erwarten. Weit 
beſſer it e3, alle Riechftoffe dur gute Bentilation 
zu entfernen. Zu Räuderungen zur Zerftörung 
von Anftedungsftoffen in der Luft dienen Subſtan⸗ 
zen, welde Daͤmpfe von ftarler em. Wirkung zu 
entwideln fähig find, namentlich ſchweſlige Säure, 
Salpeterjäure und Salzfäure. Noch wirkjamer iſt 
das Chlor, welches als Gas oder auch in 
von Chlorfalf angewendet wird. In neuerer Zeit 
findet au Brom und Carboljäure zum R. An: 
wendung. Alle dieſe Räucerungen können aber 
nur dann einen Erfolg gewähren, wenn babei die 
Desinfeltionsmittel in ſolcher Menge in der Luft 
des betrefienden Raums verbreitet werden, daß 
die Anftedungsftoffe wirkli vernichtet werben. 
Dies ift jedoch ſchwieriger, ald man früher glaubte. 
Wenn man neben ber Leiche eines an einer an: 
ftedenden Krankheit Gejtorbenen ober nad) Ent: 
fernung der Leiche in den Sterbezimmer eine Schale 
voll Chlorlalk aufitellt, oder ein bischen Schwefel 
verbrennt, fo wird dadurch gar nichts genußt, es 
tann vielmehr Schaden dadurch herbeigeführt wer: 
den, indem man, in ber Meinung, jedes Kontagium 
zerftört zu haben, fich der Sorglofigfeit bingibt. 
(Bol. Desinfeltion.) 


Nauhbäder — Raude 


Zum Räudern von Nahrungsmitteln, 
namentlich Fleiſch, Fiſchen u. ſ. w. um fie zu dörren 
und durch Jmprägnation vor Fäulnis zu jhüsen, 
bedient man fid des gewöhnlichen She. 
ERRLBERIESTERRENEE abrung3mittel, 

d. X, ©. 486°.) 


Räucerung, j. Räuchern. 

Rauchfang Rauchmantel), bie untere trich⸗ 
terförmige Erweiterung ber Kamine zum Auffangen 
bes in offenen Herben ſich bildenden Rauchs. 

NRauchjaf oder Rauchpfanne, bei den Grie: 
hen, Römern und Juden ein Gefäß zum Berbren- 
nen Fady —— der fath. 5* 
zum ottesdienſtli ucherungen. 
älteften kath. Kirche galt das gottesdienſtliche Räu: 

ern als beidnischer Opfergebraud und war bei 

trafe der Grlommunitation ftreng verboten. Erſt 
feit dem 4. Jahrh. drang Inc Gut in bie 
Kirche ein. Man gebrauchte dabei au ein gol- 
denes R., und Evagrius erwähnt in feiner Kirchen⸗ 
geihichte, dab es auf-dem Altar be. 
Bon diejer Zeit hat ſich das 2 ienftlihe Rãu⸗ 
mittel3 des R. in der lath. erhalten, 
SR, ift meift von Silber und mit drei an Hafen 
befeftigten filbernen Stetten verſehen. Es wird zur 
Beräuderung der Heiligenbilder, Reliquien und 
der Monſtranz, zu Einweihungen und bei Begräb- 
niſſen gebraudt. 
froſt, |. een 

Rauchfukbuffard, |. unter Buffard, 

Raucdpfanne, |. Rauchfaß. 

Nauchquarz, Rauchtopas, dunkler oder ” 


ler braun —— Barietät des —— ( 
Rauchſchieber (frz. rögistre, engl. damper), 
ein bei Dampftefielfeuerungen und Öfen im Schorn: 
Ds —* Schieber zur Regulierung des 
uftzug®. 
auchſchwalbe, f. unter Schwalbe. 
Rauchverbreunnug (frz. fumivorit6, engl. 
smoke-burning), f, unter Dampfteffel, Feue⸗ 
nes I rl und zn — 
rende Feuerung, ſ. u. Rauch. 
Ran » f. unter Dolomit. 
Rauchmwaren, |. Pelzwerl. 
Ranconrt (Francoife Marié, gen. Antoinette), 
3. Schaufpielerin, ‚nr 29. Sept. 1753 zu Dom: 
3le, hieß eigentlich Glairien oder Saucerotte, de- 
bütierte 1772 als Dibo im Theätre francais und 
—* dann hauptſächlich in den Rollen der Rorane, 
Hermione, Agrippina, Semiramis und Kleopatra 
ihr dramatij Talent und ihre Kraft im Aus: 
drud der Leidenſchaft. Sie eignete fid) vorzüglich 


für tragifhe Heldinnen, wobei ein hoher Wuchs 
und eine volle Stimme fie begünfti Zur Beit 
der Schredendregierung bildete fie nad ⸗ 


ierres Sturz 1796 aus den liberreften des Theätre 
ncai®, von dem fie nur 1776—79 fern geweſen 
war, eine neue Geſellſchaft, bie bis zum Sept. 1797 
fpielte, wo das Direktorium bie Schließung verord: 
nete, Später leitete fie eine Geſellſchaft in Jtalien, 
kehrte aber na einigen Jahren nad Paris zurüd 
und jtarb dafelbft 15. Jan. 1815. 

Naude, Räude, Kräbe ober Grind iſt eine 
bei allen Hausfäugetieren vorflommende, de 
Hautkrankpeit. Dan unterſcheidet allgemeine, d. i. 
mehr oder weniger über ben ganzen Körper ver: 
breitete N. und lofale Aräße, wie die Fußräube des 
Pferdes und Schafes, die Steiräube des Rindes, 
die Obrräube der Kaninchen, Hunde und Haken, 


— u —— 


Rauden — Rauhes Haus 


511 


Urſachen des Ausichlags find mikroſkopiſch Heine | die Fürſten Loblowik (jeit 1786, wo die Familie 


Milben, und zwar bei der allgemeinen N. die Grab: 
milben (Sarkoptes) und die Saugmilben (Derma- 
tokoptes), bei der Zuß: und Steipräude die Haut: 
ſchuppen frefienden Milben (Dermatophagus), bei 
der Obrräude bald Dermatolopten, bald Derma- 
tophagen. Auch bei Hühnern hat man eine Fuß: 
träge, welde gewöhnlich Kalkbein genannt und 
durd eine Milbe (Sarkoptes s. Dermatoryktes mu- 
tans) hervorgerufen wird, jowie eine über den gan: 
zen Körper verbreitete, durch Dermatophagus gal- 
linarum erzeugte Räude beobachtet. Die von der 
R. befallenen Tiere fangen an, fi) zu reiben, be: 
tommen fahle Stellen mit weißlichen, ftaubartigen 
Schuppen bebedt, welche nad) und nad) einen großen 
Umfang erhalten, oder es bilden ſich Eleine Knötchen 
mit Bläschen, welche berjten und eine fette, Elebrige 
Feuchtigkeit ergießen, die zu Borken und Kruſten 
verhärtet, unter welchen die Haut näßt oder auch 
gefhwürig wird, endlich in Falten ſich legt und 
pergamentartig ich verbidt. Unter allen Umftän: 
den verurſacht das übel den Tieren ftarfes Yud: 
— dadurch grobe Unrube. Die lofalen 
äuden find leichtere Übel und unſchwer zu bejeis 
tigen, Die von kranlen zu gefunden Tieren leicht 
übergehenben Milben bilden den Anjtedungsjtoff; 
alle Grabmilben der räubigen Tiere geben auf 
en über und erzeugen bei dieſen Kräpe \y d.). 
Das kranle Vieh ift zu feparieren, zunächſt mit 
ierfeifen: oder Zaugenbädern zu | n, 
dann mit Milben tötenden Mitteln e 


N, 
wie —— — Nikotinalöſung, Kreoſot 
ober Benzin mit Ol gemiſcht oder mit Salben eines 


von Teer, Schmierjeife und Spiritus, 
denen ein wenig Sireofot zugelebt iſt, oder mit einer 
Salbe aus Holjteer und Schwefelblumen, oder 


mit Berubaljam, der mit Weingeift verbünnt üt. 
re —— Krippen, Raufen, Wände, 
Fußböden der Gtallungen, wo räudige Tiere ge: 
jtanden, müfjen mit Lauge rein uert, mit 


Garbollöjung besinfiziert, mit überzogen, 
überhaupt fo gereinigt werben, daß von deren fer: 
nerm Gebrau 


feine Anjtedung zu * en ſteht. 
Räudige Schafe müſſen durch Baͤder behandelt wer: 
den. Auch Balgmilben (Demodex) erzeugen bei 
Hunden und Schweinen eine meift unheilbare träge 
(rote Räude). Zürn, «Die tierijchen 
a MWeim. 1882). 
uden, Bfarrborf im preuß. Regierungsbezirk 
Dppeln, reis Rybnik, an der Kuba, hat ar 
1160 fath. und polniic ſprechende E., ein Schlo 
de3 Herzogs von Ratibor (1258— 1810 Ciſtercienſer⸗ 
abtei) mit Bart, ein herzogl. Eiſenwerk Glifabeth- 
Amalienhütte, herzogl. Schneidemühlen und Drain: 
röhrenfabrifation, 
Raudiſche Felder, f. unter Bercelli. 
—— öhmt. Roudnice), Stadt im nördl. 
Bö ‚„ lin an der Elbe und an ber Biter: 
reichiſch⸗ Ungariſchen Staatsbahn (Wien : Boden: 
bad) , iſt Sit einer Bezirlshauptmannſchaft, eines 
Bezirkögerichts, einer fürjtl, Loblowisihen Do: 
mänens und Forftverwaltung, eine® Kapuziner⸗ 
Hojters, einer böhm. —— eines Ober⸗ 
realgymnafiums3, einer höhern Bürgerſchule und 
einer gewerblichen er e, und zählt 
(1880) 5942 E., die Fabrilen für Zuder, Spiritus, 
Malz, Liqueur, Öl, Leder und * und zwei 
Dampfbretfägewerle unterhalten und Handel mit 


Holz, Getreide und Vieh treiben Bon N. führen 


Lobtowi ihr Herzogtum Sagan in Schleſien ver: 
faufte und der Herzogstitel auf R. überging) den 
Herzogstitel. Das impojante Schloß zu N. wurde 
in jebiger Geftalt 1655—77 an ber Stelle eines 
ältern, bis 1194 zurüdreichenden Holzbaues erbaut 
und enthält einen Waffenfaal, eine große und be: 
rühmte Bibliothel (500 Manufjfripte, 1200 Inku⸗ 
nabeln und 50000 Bücher), welche im 15. Jahrh. 
gegründet wurde, ein Archiv und einen großartigen 
Seller. Im J. 1350 ſaß bier der röm. Tribun 
Cola di Rienzi ald Gefangener Kaiſer Karls IV. 

Raudten, Stadt im preuß. Regierungsbezirk 
Breslau, Kreis Steinau, Station (2km vom Orte) 
der Linien Breslau:Stettin und R.Franlenſtein der 
Preußiihen Staatsbahnen, hat (1885) 1479 G,, 
eine evang. und eine kath, farrkirdhe, Braumtohlen: 
lager und ehemals bedeutende Tuchfabrikation. 

anuenthal, ee! im preub. Regierungs: 
bezirt Wiesbaden, reis Nheingau, auf einem Vor: 
berge (261 m) de3 Taunus, 5 km nörblih von 
Gitville, hat (1885) 1019 katb. E, und Weinbau. 
Die nahe Bubenhäufer Höhe (268 m) gewährt einen 
prädtigen Überblid über den Rheingau von Mainz 
bis unterhalb Johannisberg. Das öltlid am Bache 
Walluf belegene ehemalige Alofter TZiefent hal ift 
jest ein Schloß; der ältere Teil der Gebäude iſt zu 
einer Mablmühle eingerichtet. 

Nauenthaler, einer der ebelften Meine des 
Rheingaus, wächſt füböftlih vom Dorfe Rauenthal 
auf einem Bergfattel an der Straße von Walluf 
nah Schwalbad. Der R. — ſich insbeſondere 
aus durch höchſt entwidelte Blume, neben fein 

eiltiger 7 e und bebeutender Kraft. Dan unter: 
Peidet« auenthaler Berg» (die befiern Lagen) 
und gewöhnlihen R., unter welcher Etifette das 
Prodult einer weiten lmgebung in den Handel tritt. 

Ranfhandel hat, nebjt den dabei vorlommen: 
ben Körperverlekungen und Tötungen, von jeher 
der —— Schwierigleiten rüdfichtlich geeig: 
neter, nit allzu ſehr von Filtionen ausgehender 
Beitrafung bereitet. Dft ift e8 unmöglich, feitzu: 
jtellen, wer von ben babei Beteiligten den Tod oder 
die Hörperverlegung verurjadht hat, —— in 
andern dällen der Erfolg nur aus dem Zuſammen⸗ 
wirken mehrerer Verlegungen fi ergibt. Das 
Reichsſtrafgeſetbuch, $. 227, entſchied ſich dafür, in 

em eriten Fall eine Strafe wegen Beteiligung an 
ber er ki und in dem lebtern einen bejondern 
Strafrahmen aufzuftellen. , 

Rangraf war im Mittelalter eine Bezeihnung 
mehrerer gräfl. Geſchlechter. Es geb R. zu Dafjel 
und auch in der Gegend zwiſchen Trier und Alzei, 
wo bie Altenbaumburg ober rege Isa 
Münfter ihr Stammfig war, nachdem die Wild 

* von Kirberg und Daun und die Grafen von 
Be en; fi von ihnen abgezweigt hatten. Biel: 
leicht hängen aud die —*— mit ihnen 2 
te —— Yale H ——*— dem Er⸗ 
ö r raugräfl. echter an die Pfalz ge: 
lommen waren, erneuerte 5* —XE 
von ber Pfalz 1667 dieſen Titel zu Gunſten feiner 
ihm an die linke Hand getrauten Gemahlin, Zuije 
von Degenfeld, die fortan ee bieß, 

Rauhbank, ſ. unter Hobel, Bd. IX, 6.278*. 

Rauhbirke, ſ. unter Birke, 

Nauhe Alp, ſ. Alp (Gebirge), : 

Rauhes Hand, die von Wichern zu Horn bet 
Hamburg gegründete Anftalt, die ganz im Dienfte 


512 


der Innern Miffion fteht. Der Name «Rauhes 
Haus» rührt her von dem «alten Haufe» mit dem 
Strohdach, in welchem das Inſtitut 1833 eröffnet 
worden, und das im Munde des Volls jenen Na: 
men führte, wahricheinlich weil fein Erbauer «Rugen 
hieß, daher plattdeutfh: Ruges Huus, d. b. Haus 
des Nuge, woraus hochdeutſch «Naubes Haus» ge: 
worden. Die Anftalt, zu welcher jeht 24 Heinere 
und größere Häufer gehören, wurde 1833 - alle 
Kapitalien — Sie beſteht aus folgenden 
Zweiganſtalten: 1) Die Knabenanſtalt; ſie nimmt 
nur aͤrmere oder für das Handwert oder den bie: 
nenden Stand zu erziehende Kinder auf, die ihr 
von den Eltern oder deren rechtlichen Xertretern 
anvertraut werben; bie Knaben (etwa 80) erhalten 
in vier Klaſſen Vollsſchulunterri t und werden in 
Werkſtätten, ſowie im Feld und Garten beſchäftigt. 
2) Die Lehrlingsanftalt, für 24 Lehrburſchen einge: 
richtet, enthält Druder, Schriftfeger, Buchbinder, 
Schuhmacher, Tiſchler u. f. w.,_welde in der Ans 
ftalt ausgebildet werden. 3) Die feit dem Juli 
1879 abgelöfte Nädchenanftalt, «Kaftanienhof» in 
Hamm, ift für 24 Kinder eingerichtet. 4) Tas 
Benfionat (feit 10 für 80 Knaben aus gebildeten 
Ständen; die Schule entſpricht der eines Gymna: 
ſiums und — 5) Die Brüderanftalt, 
in weldyer das Rauhe Haus die erziehenden, mit 
unterrichtenden und mit beauffichtigenden Kräfte ges 
winnt, Die «Brüder» (40-50) muſſen bei ihrem 
Eintritt in das Prüderhaus zwiſchen 20—30 Jahre 
alt fein und fid vor ihrem Eintritt als durchaus 
unbeiholten ausweiſen können. Die Mehrzahl 
derjelben gehört urjprünglid dem Handwerker— 
ftande an. Sie erhalten in der Anftalt, foweit fie 
defien bedürfen, in einem dreis bis vierjährigen 
Kurfus theoretiiche und praltiiche Vorbereitung und 
werden dann in irgend welchen —— Miſ⸗ 
ſion entſandt als Vorſteher und Gehilfen von Ret: 
tungshäujern, Herbergen zur Heimat, als Ge: 
fangenenpfleger, Armen: und Krantenpfleger, Ge: 
meindehelfer, Stadtmiffionare u. ſ. w. Die äußern 
Grijtenzmittel erhält die Brüderanftalt lediglich 
Kur milde Beiträge. 6) Die Agentur des Rauben 
Hauſes befteht aus der Buchdruckerei, 1842 auf 
AUltien begründet und unter einem Faktor ftehend, 
der mit einigen Geber: und Done die 
für diefe Beihäftigung paffenden Zoͤglinge der 
Anftalt ausbildet; aus der Buchhandlung des 
Rauben ge (begründet 1844), welde das Ver: 
Ingegeichäft er Anſtalt beforgt und feit 1849 in 
der Stadt Hamburg aud ein Sortimentägeichäft 
bejikt, und aus der 1844 gegründeten Buchbinderei, 
welche für die Agentur arbeitet. Gründer der An: 
ftalt e Wichern (f. d.), feit DE. 1873 hat die Lei: 
tung der Anitalt fein Sohn, Prediger Johannes 
Wichern, übernommen. Borfibender des aus drei 
Sektionen beftehenden Verwaltungsrats ift Sena: 
tor Möndeberg. Vol. Wichern, «Feitbüclein des 
Rauben Haufes» (3. Aufl., Hamb. 1856); «Fliegende 
Blätterdes Rauhen Haufes» (feit 1813); J. Wichern, 
Das Naube Haus und feine Arbeitsfelder 1833 
—83 (Hamb. 1883); F. Oldenberg, «J. H. Wicherns 
Leben» (Bd. 1, Hamb. 1884). 

Rauhe Mark, das Gewicht von 16 Lot legier: 
ten Silbers und 24 Karat feinen Goldes, im Ge: 
genjak zur Feinen Mark, 

NRauhen (fr. lainer, engl. raising), beim ge: 
wallten Tud und bei einigen Baummolljtofien, 
3. B. beim rauhen VBarchent, die lofen Enden der 


Rauhe Marl — Raum und Näumliches 


Wollhärchen aus der Zeugftä e herausziehen und 
parallel legen. (S. unter Tudfabrilation.) 
t, Raubreif, Haar: 


Rauhfroſt Beat i 
froft) entiteht Pr die Ausſcheidung flüffigen 
oder gefrorenen Waſſers an feiten Gegenftänden 
(Bäumen, Mauern u. f. m.) infolge eines Tempe: 
raturüberfchufies der Luft, wenn nad längerer 
Kälte ein rafcher Umſchlag der Witterung eintritt 
und feuchtwarme Luft die falten Gegenftände um: 
hullt. Die Bildung diefer zeilnrtigen in Form von 
Heinen Spihen oder Baden fich anfehenden Liber: 
züge wird im Gegenjak zu Neif oder Tau (f. d.) 
durch eine gute Wärmeleitungsfähigfeit der Gegen: 
ftände, an welchen der R. entitebt, begünftigt. 

Rauhfuft (Beter), Humanift, ſ. Dafypodius, 

Rauhkarde, ſ. unter Dipsacus. 
Rauhmafchine (frz. machine à lainer, lai- 
neuse; engl, raising-gig, gig-mill), f. unter Tud: 
fabrifation. 

Rauhnächte, ſ. Zmölfnädte, 

Rauhputz, ſ. unter Abputz. 

Rauhreif, ſ. Rauchfröſt. 

Rauhwacke, dolomitiſcher Kallſtein mit un— 
regelmäßigen ei und an wodurd er 
rauhes, zerfreſſenes Ausfehen erhält; in der Zech 
fteinformation 3. B. von Altenftein in Thüringen. 
Nauhiwaren, N Pelzwerk. ten. 
Rauhzeit, die Zeit der Mauſer bei Gänſen und 
Rauke, ſoviel wie Eruca sativa. 

Raum und Räumliches gehören zu ben zwar 
der gewöhnlichen Auffaflung der Ericheinungswelt 
ſehr geläufigen und Scheinbar jelbftverjtändlichen, für 
eine tiefer dringende —IX aber äußerft ſchwie⸗ 
rigen Begriffen. Da die Phantafie nicht im Stande 
ift, den allgemeinen Raum begrenzt zu denken, fon: 
dern jenfeit jeder Grenze doc immer wieder Kaum 
vorzuftellen genötigt iſt, 2 bildet ſich dadurch der 
Begriff des unendlihen Raums aus, in ‚weldyem 
das ganze Univerfum mit allen feinen Teilen ent: 
—*— ei und . bewege. Den lehtern Punlt 
abte das metapbylische Denken zuerft ala Problem 
auf, indem der Gegenjah zwifchen dem begrenzten 
Charalter aller anfhaulichen Raumvorftellung und 
dem Bejtreben der Bhantafie, den Naum fih uns 
endlich zu denken, die Dialeltit der — 
Schule — d.) herausforderte. Nachdem jedoch die 
Atomiſten den Begriff des leeren Raums als der 
Bewegungsſphäre der unendlich Heinen Körperchen 
feftgeftellt hatten, blieb die griech. Philoſophie im 
wefentlichen dabei ftehen, indem auch Plato und 
Ariftoteles den Naum für jene unbeftimmte und an 
fih nicht wahrhaft feiende Möglichteit erklärten, 
innerhalb deren erft die weltbildende Kraft die eins 
—— Geſtalten hervorrufe. Während ſich jedoch 

ie neuere Naturwiſſenſchaft die Annahme des 
leeren Raums zu Nuhe machte, um darauf ihre 
atomiſtiſche Bewegungslehre zu gründen, ging die 
rg ge ‚ Spetulation darauf aus, das Räume: 
liche al3 Attribut der Körperwelt zu betrachten 
und die Eriftenz de3 leeren Naums zu leugnen, 

Kant gab dann den Unterfuchungen über den 
Raum nicht nur eine neue Wendung, fondern au 
eine dauernde Grundlage, indem er zeigte, da 
der Naum und die räumliche Beſcha t ber 
Wabrnehmungsgegenftände eine notwendige Ans 
Ihauungsform des menſchlichen Geijtes fei, nad 
welcher derjelbe mit unbewußter Notwendigleit die 
Thatjahen der Sinnesempfindung anorbnet und 
zu gegenftändlihen Anfchauungen macht. Die 


— — —— 


Näumahle — Naumer (Rudolf von) 


Kantſche Theorie fand eine glänzende Beftätigung 
von feiten der eralten Biflentchaft, indem die I: 
—— der Sinnesorgane die Abhängigleit der 
aumanſchauungen von der Vorſtellungswelt des 
Wahrnehmenden in ganzer Ausdehnung nachwies. 
ährend die PVhilofophie mit ber erfenntnis: 
theoretiichen und metaphyſiſchen Bedeutung ber 
aumvorjtellungen ſich beſchäftigt, bat die Geo: 
metrie den Raum als eine gegebene Anſchauung zu 
betrachten und daraus alle diejenigen Lel ig ab: 
—— welche ſich durch die Konſtrultion befon: 
rer Raumgebilde mit innerer Notwendigkeit in ihm 
ergeben, wie dies in typiſcher Weiſe durch Eullid 
geile en iſt. Zu diefen Borausfeßungen gehören 
in erſter Linie die drei Dimenfionen des Raums. 
Erft in neuerer Zeit haben allgemeine mathem. Be: 
tradhtungen, indem fie die verfchiedenen Sphären 
mehrdimenfionaler Größen als verſchiedene Räume 
bezeichneten, zu dem naturphilof. Mißverſtändnis 
Anlaß gegeben, als ließe fi ein realiter eriftieren: 
der Kaum von ur als drei Dimenfionen denten. 
©. Dimenfion [vierte]). —— «Die 
ehren von Raum, Zeit und Mathematik in der 
neuern Philofophie» (2 Bde., Berl. 1868—69). 
Näumahle, ſ. Reibable. 
Raumer (Friedr. Ludw. Georg von), hervor: 
ragender deutſcher Geſchichtſchreiber, geb. zu Wör⸗ 
liß 14. Mai 1781, ſtudierte in Halle und Göttingen 
die Rechte, trat zunächit in den preuß. Staatädienft, 
wurde aber 1811 zum Profeſſor an der Univerfität 
Breslau und 1819 zum Profeljor der Staatswiljen: 
fhaft und Geſchichte in Berlin ernannt. Er ver: 
öffentlichte zunächſt: «Sechs Dialoge über Krieg 
und Handel» (1806), «Das brit. Beiteuerungs: 
fyftem» (Berl. 1810), «CCI emendationes ad tabu- 
las genealogicas Arabum et Turcarum» (Heibelb. 
1811), «Sandbucd merkwürdiger Stellen aus den 
lat. Gefhichtihreibern des Dlittelalter3» (Brest. 
1813), «Herbftreife nach Venedig» (2 Bde., Berl. 
1816). Daran fchlofien ſich die «Vorlefungen über 
die alte Gefhichte» (2 Bde., Lpz. 1821; 3. Aufl, 
1861) und die «Geſchichte der Hobenftaufen und ihrer 
Zeit» (6 Bde., Lpz. 1823—25; 5. Aufl. 1878). Vor 
allem in diefem feinem bedeutenditen Werte erfennt 
man den tiefen Blick des Denterd, die gereifte, 
Hare Anficht des ftaatätundigen Mannes und die 
Gründlichteit unbefangener Forſchung. Schule und 
Welt haben nd in R. glü va vereinigt, um ben 
vollen friſchen Kern feiner Wi enfchaft in der ſchö⸗ 
nen Form einer gediegenen Darjtellung und einer 
reinen Sprade zu zeigen. Zu feinen wichtigſten 
Arbeiten aus jener Zeit gehört ferner die Unter: 
ſuchung «Über die geſchichtliche Entwidelung ber 
ri von Net, Staat und Bolitil» (Lpz. 1826; 
3. Aufl. 1861). Dann erſchienen «Briefe aus Pa: 
1830» (2 DBbe., £pz. 1831) 
und «Briefe aus Paris zur Erläuterung der Ge: 
ſchichte des 16, und 17. Sahr ‚» (2 Bde., Lpʒz. 1831). 
Hierauf begann er die «Geſchichte Europas feit dem 
Ende des 15. ahrh.» (Bd. 1—8, Lpz. 1832-50), 
die jeinem Werle über die Hohenitaufen würdig zur 
Seite trat. Spätere Reifen nad) England, Italien 
und Amerifa veranlaßten die Schriften: «England 
1835» (2 Bde., Lpz. 1836; 2., um einen Band: 
«England 1841», vermehrte Aufl. 1842), «Beiträge 
jur neuern Geidjichte aus dem Britifchen Mufeum 
und Reihsardiv» (5 Bbe., Lpz. 1836—39), «Ita⸗ 
lien. Beiträge zur Kenntnis dieſes Landes» (2 Bde, 
Lpz. 1840) und «Die Vereinigten Staaten vonNorb: 
Eonverjations-Lerilon. 13. Aufl. XIII 


ris und Frankrei 


513 


amerifa» (2 Bbe., Qy3. 1845). Im J. 1847 Iegte er 
feine Stelle ala Sekretär und Mitglied ber Alademie 
der Willenfhaften in Berlin nieder. Zum Mit: 
> der Deutſchen Nationalverfammlung in Frank⸗ 
urt gewählt, gehörte er dem rechten Centrum an. 
Bon Frankfurt aus übernahm er auch eine Miffion 
als deuticher Gefandter nad) Paris. In diefer Zeit 
entitanden feine «Briefe aus Frankfurt und Paris» 
(2 Zle., 2p3.1849). In der Folge war er Mitglied 
der preuß. Erften Kammer in Berlin. Obfchon ihm 
1853 die Emeritierung als Profeſſor an der Uni: 
verfität bewilligt wurde, ftellte er doch feine Bor: 
lefungen nicht ganz ein. Gr veröffentlichte noch: 
«Vermiſchte Schriften» (3 Bde., Bi. 1852—54), 
aLebenserinnerungen und Briefwechlel» (2 Bde., 
Lpz. 1861) und ein «Sandbud) zur Geſchichte der 
Litteratur» (4 Bde,, Lpz. 1864—66). N. begrüns 
dete auch 1830 mit der Berlagshandlung b% A. 
Brodhaus in Leipzig das «Hiſtor. Taſchenbuch⸗ 
(Folge 1—4, 1830—67 ; Folge5, 1871—80, — 
egeben von Riehl, Folge 6, 1882 fa. von Mauren: 
recher). Er jtarb u Berlin 14. Juni 1873. 
NRaumer * Georg von), verdient als Geo— 
log, Geograph und Pädagog, Bruder des vorigen, 
geb. 9. April 1783 zu Wörlis, ftudierte zu Göttingen 
und Halle, dann auf der Bergalademie zu Freiberg 
und unterfuchte hierauf als Geognoft einen Teil 
Deutihlands und Frankreichs, befonders die Ge: 
end von Paris. Nachdem er fich im Peſtalozziſchen 
Daft zu Ifferten aufgehalten, warb er 1810 
eim Oberbergdepartenient in Berlin, 1811 als 
Bergrat beim Oberbergamt in Breslau und zu: 
lei ale Profeſſor der Mineralogie an der borti: 
gen Univerfität angeftellt. In den %. 1813 und 
1814 beteiligte er fi) als Freiwilliger am Be: 
freiungsfriege. Im J. 1819 wurde er an die Uni: 
verfität Halle und das dortige Oberbergamt ver: 
fest, nahm aber 1823 feinen Abſchied und Schloß ſich 
an das Dittmarfche Erziehungsinftitut in Nürnberg 
an. Später übernahm er (1827) zu Erlangen die 
Profefiur der allgemeinen Paturgelichte und Mi: 
neralogie. Gr ftarb dajelbft 2. Juni 1865. Unter 
R.s mineralogiihen und geognoft. Schriften > 
vorzugsweiſe zu nennen: «Der Granit des Rieſen⸗ 
ebirges» (Berl. 1813) und «Das Gebirge Nieder: 
Fhlefiens» (Berl. 1819), Sleinere Abhandlungen 
vereinigte er in den Vermiſchten Schriften» (2 Bde., 
Berl. 1819— 22) und «SKreuzzügen» (Bd. 1u. 2, 
Stuttg. 18410— 64), Am belannteften wurde R. 
durd * geogr. Arbeiten, das «Lehrbuch der all: 
gemeinen Geographie» (3. Aufl, pa. 1848), «De: 
hreibung der Erdoberflähe» (6. Aufl., Lpz. 1866) 
und «Baläftinao (4. Aufl., Lpz. 1860), ſowie durd) 
feine treffliche a der Bädagogil» (5. Aufl., 
4 Bbe., Gütersloh 1878— 80). Sonft veröffent: 
lichte er nody «Erinnerungen aus den J. 1813 und 
1814» (Stuttg. 1850). Seine Eelbitbiographie 
erſchien nach feinem Tode (Stuttg. 1866). 
Naumer (Nudolf von), ausgezeichneter Sprad: 
forfcyer, Sohn Karl Georg von R.s, geb. 14. April 
1815 zu Breslau, widmete ſich zu Erlangen, Göt— 
tingen und Münden philol, Studien. Nachdem er 
feit 1840 zu Erlangen als Brivatdocent gewirkt, er: 
bielt er dafelbit 1846 eine außerord., 1852 die ord. 
Brofeflur für deutiche Sprache und Litteratur. Er 
ftarb 30. Aug. 1876 in Erlangen. Unter feinen 
Schriften find hervorzuheben: «Die Aipiration und 
die LZautverfchiebung» (Lpz. 1837), «Die Einwirkung 
bes Ehrijtentums auf die althochdeutſche Sprache, 


83 


514 


(Stuttg. 1845) und «Vom deutichen Geiſte⸗ (2. Aufl., 
Grlangen 1859). Seine treffliche Arbeit «Der Unter: 
richt im Deutichen» (3. Aufl., Stuttg. 1857) ift ein be- 
ionderer Abdrud aus feines Vaters aGeſchichte der 
Bädagogit». Sein leptes Werk war bie «Geichichte 
der german. Philologie, vorzugsweiſe in Deutſch⸗ 
land» (Münd. 1870). Außer zahlreichen Heinern 
Schriften Reden u. ſ. w fühleben fih noch an: 
«Deutiche Verſuche⸗ —— 1861) und «Geſam⸗ 
melte ſprachwiſſenſchaftliche Schriften» (Frantf. 

a. M. 1863). Die legtern enthalten unter anderm 
—* Neibe von Abhandlun no und Aufiäpen über 
deutiche Orthographie, welche auf die Stlärung der 
Anfichten über dieſen "Gegenftand nicht ohne Gin: 
fluß geblieben find. Im J. 1875 wurde RN. vom 
preuß. Kultusminiſter mit Ausarbeitung eines Ent: 
— —— einer allgemeinen deutſchen 

re m. bea —— welcher bei den Ber: 
u lungen ber 1876 berufenen Konferenz zu 
Grunde gelegt wurbe. Liber jeine Mitwirkung ver: 
Öffentlichte er « Erläuterungen zu den Ergebniſſen 
der —— — —* erenz» I oalle 1876). 
rl a 
ichtsforſcher, ge 

lin, widmete ſich zu Berlin, Heibelber L, no 
tingen ber urisprubenz wurde 1827 Aflefior bei 
dem Sammıergericht zu »erlin und verö —28 
die anonyme Schrift «fiber die älteſte 
m Berfafjung der Hurmark» (Berl. 1830) irn 
«Novus we Erler ron Brandenburgensis» 
— Bde., Berl, 1831—33). Im J. 1829 trat er al3 
iliSarbeiter ins Finanzminifterium, 1833 wurbe 
er zum Nat bei dem preuß. Hausminifterium und 
der Archivverwaltung ernannt, 1843 zum Direltor 
ſämtlicher preuß. Archive und 1844 zum Mitglied 
des Staatdratd, Die Direktion der Archive legte 
er 1851 nieber. Er veröffentlichte. unter anderm 
die «Regestae historiae Brandenburgensis» (Bd. 1, 
Berl. 1836), w * a Hiſtor. Karten und Stamm: 
tafeln» (He 1 rl. 1837) —E und eine «Be: 
—— der Knfel BWollin» (Berl. 1853). Aus unbe: 
fannten Gründen machte er 11. Mär feinem 
Leben durd) einen Piſtolenſchuß ein 

Karl Georg von R., des vorigen Toter, geb. | f 
16. Nov. 1753 zu Deflau, ftarb 2. Juli 1833 als 
Wirkt. Geheimrat, Direktor im Minifterium des 
tönigl. Haufes und ber Archive, Präjident des 
Obercenſurkollegiums und vortragender Rat im 
preuß. Staat3minijterium. Seine Brüder waren 
Georg siebrid von R., der Bater Friedrich 
Ludwig Georg von jowie Karl Georg von Rs, 
und Karl keycherg Heinrid von R., der 
fih ald Major bei Auerſtädt 1806 auszeichnete 
und 2. Yuli 1831 als Generalmajor ftarb. Diefe 
drei Brüder waren die Söhne Leopold Gu: 
ſtav Dietrid von R.s, der als Direltor der 
fürſtl. Negieru rung zu Deflau 23. Aug. 1788 ftarb. 
Der Bruder des lehtern, Karl Friedrich Albert 
von R., focht mit Auszeichnung im zweiten Schle: 
ſiſchen und im Siebenjährigen Kriege, avancierte 

1790 zum Generallieutenant, befebligte 1794 die 
Blodade von Danzig und wurde nad er ge Be: 
ſihnahme erfter Gouverneur der Stadt. 

. Dez. 1806 ohne Rachkommen. 

Sohn de3 erwähnten Generalmajors Karl Fried: 
rich Heinrich von R. war Karl Otto von R., ton: 
jervativer preuß. Staatsmann, geb. 7. Sept. 1805 
zu Stargard in Pommern. Derielbe erbielt feine 
Gymnaſialbildung zu Stettin, ftudiertezu Göttingen 


Naumer (Georg Wild. von) — Raupach 


unb Berlin bie Rechte, wurbe 1834 Regierungsrat 


in Bofen, fpäter nadı Frankfurt a. O. verf = 
Frühjahr 1840 als Hilfsarbeiter in = 
minifterium berufen, murbe er noch im ft dei. 


jelben jahres zum Geh. nzrat, 1841 vor: 
nn Nat im S—— des — b beför- 

—* lam gr als \ — * 
nigsberg, 1845 in 

und 1848 nad) — Am 19. Dei, 1850 

übernahm cr im —— En an Porte- 

feuille = geiftlichen, Unterrichts: und i 

welches er bis 1858 im —— — 

366 und polit. Reaktion verwaltete. 

anderm erließ er 1854 bie viel Wiber der haben 

ben «Regulative» für die —— 

narien 8 ben Bo et 6. — 


1859 
—25* ſJ. 2*25 
Naummeter eg 
in 


eftmeter, 


1441—1538 ein 
rühmten —— “> (olgium Tamm, 


a ee und —* nee 


se —* — fe Ber: 
n are 
en zungen ve um: fo —— men 


5 in einem Secha 
ıblictich bebeutend —— — 

— f. I in 

öfterr —— eichnet 
einen S der über afles brummt. 

Naupach (Ernit et 2 Me Salome), dramati: 
ſcher —— 1784 zu —— 
einem Dorfe unmeit Fe in 
F 1801 —— ae Er er * 

Jahre in and a r geweſen un 
anderthalb Jahre zu B batte, 


wurde er 1816 bei ber —— als Or⸗ 
eich ber philoſ. Fakultät und ihm im 
ahre neben bem Sch che der beutfchen 
— 3 der Geſchichte —— lge 
einer 1821 über ihn und einige feiner Kollegen ver: 
hängten Unterſuchung verließ er 1822 Rußland. 
Hierauf machte er eine 35* na — und wen⸗ 
dete ſich nad) feiner Ruckehr na Berlin, wo er bis 
u feinem 18. März 1852 erfolgten Tode für die 
5 me thätig war. Gine Frucht feiner Reife waren 
« Hirfemenzel3 — aus Jialien ⸗ (Epz. 1823). 
Bon feinen früher erſchienenen —— verfob- 
ten) Stüden *. ‚nennen: «Die 
wanſty⸗ (1818), Gefeſſelten⸗ (21). «der 
Liebe Bauberkreis» (1829), «Die Freunde» (1825), 
aIſidor und Olga⸗ (1826). Später erfdienen «Na: 
faele» (1828) und «Die Tochter der Luft» nah Cal⸗ 
deron (1829), an die fih ein Cyllus dramatiſcher 
—— anſchloß, welche die Geſchichte 
Hohenſtaufen zum Gegenftande haben (8 Boe., 
mb, 1837— 38). Außerdem bereiherte R. feit 
1829 (wo der erite Teil feiner * zu Ham: 
burg erſchien) aud) die fomische Bühne mit neuen 
Stüden, von denen befonders die —— aſtritit 
und Antifritilo, «Die Schleihhändler», «Der Zeit: 
Cal «Das Sonett» und die Rofien a an 
ar» und «Schelle im Monde» anzuführen find. 
am Dramen fammelte er in zwei Abteilungen : 


Raupen — Rauſcher 


« iſche nſter Gattung» (18 Boe., 
Hamb. 1830—44) und «Dramatifhe Werte fomi: 
der 4 Hamb, 1829— 35). Aus 


j » (4 Boe., 

—— —8 deut⸗ 
Bühnenipiele» Schauſpiel Jalobine von 
Holland» (1852), das a. «Die rg 

und das Drama «Saat und Frucht» (1 
bejaß ſprachliche und metriſche Gewandtheit, — 
—— der —— u. Sinn a das 
3 ee Diefe Vorzüge ren, wie er lange 
ih den Beifall des Publilums bewahren 
ie Geringen —* ung feine —— 
von denen er eine Sammlung 1821 e 
1833 herausgab. Val. erg Raupad), aR., eine 

Sfisger 1853). 


bi che 
auven werden die — der Schmetterlinge 
; bocdh werben im gemeinen Leben mand)e 
sven ff. d.) für R. angeſehen, aus welchen 
ſich Käfer ober andere Inſelten, namentlich Blatt: 
weipen entwideln. Die R. Triegt ſehr Er aus 
dem Gi, wächſt aber ungemein ſchnell. Sie wirft 
ihre Haut Fr des Wachſtums drei: bis 
ſechsmal ab. Nach ng Aa ber —— —— 
ng verwandelt fie ſich in die 
(f. d.).. Die zu en — ug we via 
gen nötige ——* bald kürzer, 
aber eben)o be Kant bei jeder Ari, wie die Nah— 
balt, der Ort und die Art der 
lach dein Austriehen leben die R. 
entweber immer ober nur auf * e Zeit gefellig 
oder zerſtrenen ſich gleich anfangs. Sie nähren ſich 
von Blättern, jelten von rückten, Holz, 
‚ Belzwert, wollenen Stoffen u. j. w. 
Ginige finden” ſich ausihliehlih in und auf be 
ftimmten Pr — andere pen —* verſchiedenen 
a Ca i ——— er 
wie er nge je 
unter — ehr —— enge fehr f Ön 
tte (3. B. vom Gitronennogel, Tafel: 
—— 7— warzige (3. B. vom Nacht⸗ 
—— IH, Fig. 8), haarige (3. B. vom 
‚2. njeten 5; ia. 15), aber auch 
von Melitaea Cinxia, Tafel: In— 
ee ig. 12). Die Haare vieler erzeugen 
durch ie Biberhe en in der Haut Brennen und 
—*8 Ausſchlãge, beim Einatmen ſogar bösartige 
Krankheiten der Refpirationswerkzeuge. Außerlich 
See eh, man am ihnen den Kopf mit auf jeder 
in einen Kreis geftellten Augen, bie 
— —— und an der Unterlippe ein 
Spinnorgan, mit welchem fi viele zur Verpup⸗ 
Tan .. (cocon, 5.8. vom Radtpfauenauge, 
njelten I, a. 8, oder von einigen 
pen, Zafel: Habt e Inſekten, 
—* 19 u. 20°) 


en Seiten der 
u — e 


rung, ber Au 
Berpuppung. 


chnete, 


verferti 

befinden KR 9 Bu Quftlöcher oder 
ie vordern 6 Beine (Bruftbeine) find 

— —* Strallen, — niemals 


arg we des Schmetterlinge; 
die übri — Bauchbeine und 
die am = Beihes Ban ndlichen Nachſchieber; 


diefe find R beſonders geftaltete gabelartige An- 


hänge (3. ®. bei N. bes Buchenſpinners, Stau- 
ropus fagi, Tafel: Inſekten III, Fig. 14). 
Bauchbeine Tomopl als Nachſchieber chwinden 


bei der Verpuppung. Die meilten Schmetterlings⸗ 
raupen haben außer den Nachſchiebern vier Paar 
Bauchfüße; wenn weniger vorhanden find, nehmen 
die R. einen eigentümlichen, fpannenden Gang an, 


515 
[6 fie au Spanner genannt werben (w 
rg des ge Safe 6 

Inſekten, 1. A °); mehr als vier Bau 
paare baben Afterraupen — 
ven der Blattweipen (vgl. die R. der Hiefernblat 
weipe und oßanniablattıwefpe, Tafel: Sad. 
lie yale ten, Fig. 19 u. 20°). Das Innere 
der N. birgt, mit, usnahme der no — 
—F uge, beinahe alle die Ei 
0 Schmetterlinge einft unentb 
lic) find; nur silgen fie andere Berhältniffe, a 
Entwidelung ift bejonder von Herold ai 
worden. Die meiften R. find f —* Bit 
durch ihre Anhäufung in Wäldern, Gärten, 
dern, in Borräten und Kleidungafto en Re 
gen an, Nüplih find nur einige rt, wie 
namentlich der Seidenipinner 
NRaupenfadel und Raupen here, f. unter 
Gartengeräte. unter Abnoba. 
Ranracifches Gebirge (Montes Rauraci), f. 
Raurafer oder richtiger «Raurifer», eim kelt. 
Bolt im obern Elfaß und in Baiel: Sand, nördlich 
von den Sequanern und nordweſtlich von dem Hel⸗ 
vetiern wobnend. Unter ihren vielen Städten find 
in der röm, Raiferzeit beſonders — —— 
(beit Colmar oder Reubreiſach) und rica, le: 
tereö durch den Nömer Munatius Plancus 443 
* —* det, ſpater unter Auguſtus 
rieorum (Augſt, oͤſtlich von 2 
erheblich erweitert. 


"hub. fov.w. Empetrum ni (j.b.). 
Raufchenberg, Stadt im — egierungs⸗ 
bezirk Kaſſel, Kreis ns 13 a im RD. 


von Marburg, iſt a | vs Amtegerichts unb 
bat (108 1201 €. wird als Luftkurort be: 
nubt, fiber der Stabt liegt die Burgruine R. 
Der Drt wurde 30. a 1639 von ben Schweden 
erobert und fehr vermültet. 

Raufcher (Joſer ‚Dtömar, Ritter von), Kardi⸗ 
nal und zbiſchof von Wien, geb. 6. Okt. 
1797 zu Wien, — 5 — dafelbft merft — — 
ſchaft, dann Theologie. Er begann feine ſeelſorge⸗ 

riſche Thätigfeit zu Hüttelborf bei Wien, von mo cr 
als Profeſſor an die kath.:theof. Zakultät Ealzburg 
verfeßt wurde. Gr tehrte 1833 als Direktor ber 
orient. Alademie nach Wien zurüd. Zugleich wurde 
ihm der Auftrag zuteil, die drei ältern Söhne de3 
Erzherzogs Franz Karl, darumter den jetzigen Kaifer 
Bra oſeph, zu — J. 1849 erfolgte 
ine Ernennung zum Sarjtbiic of von Sedan, an 
Stellung er 1853 mit der ald Fürft:Erzbi {hof von 
Mien vertaufchte. Im J. 1855 er Kardinal. 
Als theol. Schri eller hat fih R. durch en fir: 
hen Kuh chte (2 Sulzbach 1829) bemerkbar ge: 
macht. Auf bie Leitung des Stantöwefens gewann 
NR. den mädtigften Einfluß, gm Dt. 1854 ging 
“nu Rom, um die Verhandlungen der öfterr. 
ierung mit der * tt, a zu feften, unb führte 
Hehelhen durch den Abſchluß des 18. Aug. 1855 
—— Konkordats (f. d.) zu Ende. Seit 
1861 war er Mitglied des Herrenhaufes. Auf dem 
Vatilaniſchen Konzil leitete er die —“ gegen 
bie Proklamation der Unfehlbarteit des Baoftes. 
In den lehten Jahren lieh er in feiner Diöcefe ftill: 
Ichweigend einen modus vivendi gene ber 
Staatögemalt eintreten, und als Centralift ver: 
urteilte er da3 nationale Treiben des Klerus in 
ben ſlaw. Provinzen. R. ftarb 24. Nov. 1875 

in Wien, 

83* 


516 


Naufchgelb, ſ. Auripigment und unter 
Ar *2 II, d 10®, 

aufchgold, ſ. unter Blech. 

Rauſchrot, ſ. unter Arien, Bd. II, ©. 10°, 
Rauſchſilber, f. unter Blech. 

gauie, Thon e,f. Ruta. 

Raute, Biered, befonders ein verfchobenes Vier: 
ed; Feniterraute, foviel wie Fenitericheibe. 

Rantenförmig beißt in ber Kupferitedhfunft 
eine Schraffierung,, deren Strichlagen ſich kreuzen 
und verichobene Vierede bilden, 

NRautengla® nennt man ein auf einer Seite 
eben, auf der andern vieledig geihliffenes Glas, 
durch das fich dem Auge die dahinterftehenden Gegen: 
ftände fo vielfach darftellen, ala Flächen auf der 
einen Seite geſchliffen find. 

Rautenfranz, ein an der obern Seite mit Blät: 
tern befeter grüner Schrägbalten, welder ſich im 
Mappen von Sadlen, Anhalt und verfdhiedener 
———— findet und über deſſen Urſprung 
und Bedeutung die Anſichten der Heraldiler ſehr 
er waren, Nad) dem Urteil des Fürjten 
* . von Hohenlohe: Waldenburg (vgl. deſſen 

rift «Der ſächſ. Rautenlranzy, Stuttg. 1863) 
ie er R. lediglich ein heraldiſch ftilifierter grüner 

ublranz. Diefer Meinung hat ſich neuerdings 
die Mehrzahl der Fachgenoſſen er 

Rautenfrone (Orden der), Lönigl. ſächſ. 
Hausorden, vom König Friedrih Auguft 20. Juli 
1807 geftiftet. Der Orden hat nur eine Klaſſe. Die 
Detoration ift ein achtipisiges hellgraues Kreuz mit 
weißemaillierter Einfaſſung, defien Mittelſchild die 
Buchſtaben F. A. mit der flönigäfrone inmitten eines 
grünen Rautentranzes, auf derRüdjeite die Ordens: 
devife «Providentiae memor» zeigt; dasfelbe wird 
an einem graßgrünen gewäflerten Bande von ber 
rechten Schulter zur linken Hüfte getragen; dazu 
auf der Bruft ein adhtediger filberner Stern. 

autendl, ein ätheriiches Ol, welches durd) 
Detillation der Gartenraute, Ruta graveolens, ge: 
wonnen wird und vornehmlih aus Eifigfäure: 
a er beiteht. 

autenfchlange, |. unter Riefenfhlangen. 

Nantenftein, |. Al e. 

Navaillae (Frangois), der Mörber HeinrihslV. 
von Frankreich, geb. zu Augoulẽme um 1578, diente 
als Schreiber mehrern Nechtögelehrten, trieb dann 
felbft jurift. Braris und lie fich endlich ala Saul: 
meilter in feinem Geburtsorte nieder. Wegen 
—— ins I geraten, verfiel er in 
Schwärmerei und hatte Viſionen. Huf einer Reife 
nad Baris trat er auf kurze Zeit in den Orden ber 
— Er ging dann nach Angouldme, geriet 

ier in Not und wurde, wahrſcheinlich durch Ber: 
mittelung der Jefuiten, für die Ermorbung Hein: 
richs IV. (f. d.), den er für den Hauptfeind des Ka: 
tholizismus bielt, gewonnen, Er reifte zu dem 
Zwede mehrmals nad Paris, wurde aber ftet3 am 
AZufamntentreffen mit bem Köni — End: 
lich erhielt er 14, Mai 1610 Gelegenheit, den An: 
NOS BMIENEEERR, Der König fuhr gegen 4 Uhr 
nad) dem Zeughauſe. In der engen Etrafe Lafer: 
ronnerie mußte der königl. Wagen halten, weil 
Laftwagen den Meg verfperrten. R. ſchwang ſich 
auf das rechte — und ſtieß dem Könige, der 
im Fond des Wagens auf der linlen Seite neben 
bem Herzog von Epernon faß, ein Mefjer in die 
Bruft. Der Stoß ging fehl, aber ein zweiter traf 
ben König durchs Herz, Der Mörder, bald feitge: 


Rauſchgelb — 


Ravenna 


nommen, Teugnete nit. Rad einem Ausſpruch 
des Parlaments wurde R. furdtbar gefoltert und 
am 27. Mai auf dem Greveplaße mit Pferden zer: 
riffen. Die Urheber des Mordes hatte er vers 
ſchwiegen. Einige hoben die Schuld auf die Kö: 
nigin Maria von Medici und deren Bertrauten 
Concini, andere auf den Serien von Epernon und 
die Marquife von Berneuil; die meiften aber fchrie: 
ben das Attentat dem fpan. Hofe zu, der fich der 
Jefuiten, die jedenfalls ihre Hand im Spiele hatten, 
als Werkeug bedient haben foll. Bgl. Loifeleur, 
«R. et ses complices» (Par. 1873). i 
Ravanufa, Fleden in der ital. Provinz Girgenti 
auf Sicilien, nahe reht3 am Salfo, hat (1881) 
8523 €. und Handel mit Öl, Mandeln und Biftazien. 
Ravelin (vom ital. rivellino, Uferwerf) diente 
beim Auftommen der baftionierten Befeftigu 9% 
weife humchft als Brüdentopf zur Sicherung der 
durch die Courtine über den auptgraben führen 
den ** eines befeſtigten Plaßes. Das R. 
wurde mit der Zeit vergrößert und damit ftieg feine 
Wichtigkeit ald Außenwerk einer baftionierten 
ont, welche durch die Anlage eines Reduits im 
nern noch erhöht wurde. (S. Feftungsbau, 
d. VI, ©. 729* u. 731. 
Ravenna, eine der älteften Stäbte Jaliens, 
auptort der gleichnamigen, den nörbl, Zeil der 
omagna bildenden Provinz (1922,3 qkm mit 
tussr) 226667 6.) des Konigreichs Jtalien, einft 
am Adriatiſchen Meere, jebt infolge unabläffiger 
Alluvionen 7—8 km von demfelben entfernt und 
in fumpfiger Ebene gelegen, wird durd) die Station 
der Linien Caftel:Bolognefe:R. und R.Cervia der 
Südbahn, den Eanale del Molino mit dem Po bi 
rimaro verbunden und iſt Sik der Provinzialbe: 
rden und eines Erzbiſchofs. Die altertümlich ge: 
uteStabt zählt (1881) 12092, mit den Vorftädten 
San:Biagio und San:Rocco 21 231, ald Gemeinde 
60306 E., hat 15 Kirchen, viele Köfter, ein erz⸗ 
biſchöfl. Seminar, ein proßartiges Kollegium, eine 
Accademia delle belle Arti mit re eine 
öffentliche Bibliothek im ehemaligen Camaldulenfer: 
ofter Claſſe, ein berühmtes Domardiv, ein Mus 
feum für Altertümer und ein Theater. Die Be: 
völterung treibt Weins und Geidenbau, Seiden: 
fpinnerei und Seidenweberei, Fabrikation von Mu: 
Minjtrumenten und unterhält eine große Meſſe (im 
ai). Die umliegenden Sümpfe find in neuerer 
eit ſowohl durch Ableitung in die Fiumi-Uniti 
gie vereinigt mündenden gen e Montone und 
onco) als durch Anbau vermindert, R. ift ver: 
mutlich von den Etrugfern gegründet, lam fpäter 
in bie-Hände ber lin an en Ballier und mit Un— 
terwerfung des cisalpinifhen Gallien in den Beſit 
der Römer. Seit Auguftus ftationierte in dem das 
maligen Hafen Claſſis die röm, Flotte des Adriatis 
[den Meers. Die eigentliche Blütezeit erreichte aber 
. erft ſeitdem ber weſtröm. Kaiſer Honorius 404, 
aus Furcht vor dem Eindringen on 
Barbaren, die kaiſerl. Refidenz von Rom na 
durch ihre Sümpfe, Kanäle und Dir ungen ges 
erten Stabt verlegt hatte, wo er un are, Nach⸗ 
olger in byzant. Luxus die Not der Zeit vergaßen. 
mals bildete R. mit der um den Hafen entjtan= 
benen Hafenftabt eine mit Prachtbauten geihmüdte 
Doppelftabt, die eine dritte Anlage, Cäjarea, ver: 
band, und Kanäle führten —— e bis in die Mitte 
der Stadt. Auch die german. Könige Odoaker (feit 
476) und Theodorich d. Gr. (feit 493) refidierten 


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Navennafhlaht — Ravensburg 


bier, fowie nad dem Untergange bes Dftgotenreichs 
die byzant. Erarchen, Lebtere wurden 751 von den 
Longobarden vertrieben, und diefen nahm ber fränt. 
König Pipin 755 die Stadt nebſt dem ganzen 
Erarchat H Exarchus) wieder ab und fchenkte e3 
bem röm. Stuble. Im Kampf der Welfen und 
Ghibellinen trat in R. als Haupt ber erftern Pietro 
Zraverjara an die Spibe der Negierung. Später 
wechfelten kaiſerl. und päpſtl. Befehlshaber, bis 
1318 Dftafio IV. die Alleinherrſchaft erlangte. Die 
Herrihaft der Herzöge von R. oder der Romagna 
beitand 123 jahre. Vom 21. Febr. 1441 bis 1508 
war bie Stadt in den Händen der Benetianer, denen 
e3 infolge der Ligue von Cambrai 1508 entriffen 
wurde, Geit diejer Zeit bis 1859 verblieb es dem 
Papſte. —— iſt R. befonders durch 
das benadbarte Schlachtfeld denfwürdig, auf wel: 
chem ber berühmte franz. Feldherr —* be Foix 
11, April 1512 über die nr und päpitl, Truppen 
fiegte und fiel, Eine Dentjäule von 1557 bezeichnet 
basjelbe. R. war lange eine bedeutende Handel3: 
ftadt für — Getreide, Wein, Hanf, Seide 
und Futter, Die altröm. und die venet. flotten 
entnahmen ihr Material dem Pinienwalde (la Pi- 
neta), dem größten und berühmteiten Italiens, ber 
ſich meilenweit längs der Küfte auf früherm Meeres: 
boden hinzieht und faft ganz der Stadt gehört. Der 
einſt berühmte Hafen (ital. Claſſe oder Chiaſſi ge: 
nannt), 728 von dem Longobardenkönig Luitprand 
zeritört, lag an den Fiumi⸗Uniti und ift infolge der 
Landanſeßungen gänzlich verſchwunden, feine Stelle 
von zuſammenhãngenden Gärten ——— 
‚Die einſt ſo große und blühende Stadt iſt ziem⸗ 
lich verödet. Doch deuten 9— mancherlei Bau⸗ 
denkmaler auf bie Zeiten alter Herrlichleit. Einzig 
iſt N. durch feine Denkmäler aus der lebten Beit 
de3 röm. Kaifertums, aus der Übergangszeit der 
Goten und der Epoche der byzant. ‚Herrfhaft, Be: 
fonderd merkwürdig iſt bie bie in manden Be: 
Kenungen felbitändige Entwidelung des Baſililen— 
tils. Der große Dom, uriprünglid eine fünfſchif— 
fige Bafilifa aus dem Anfange des 5. Jahrh., aber 
1734—49 vollftändig umgebaut, hat eine herrliche 
Kuppel, koftbare Säulen, ein merfwürdiges byzant. 
Baptijterium, die reihe Kapelle Aldobrandint mit 
— ben elfenbeinernen Biſchofsſiß des heil. 
Mariminianus aus dem 6. Jahrh., einen Oſter— 
cyllus aus der erjten hriftl. Zeit und andere Sehens: 
würbigleiten. Die ältejte Kirche S.: Francesco, 
Ton ‚‚Bietro, aus dem Anfang de3 5. Jahrh,, iſt 
reich geihmüdt; ihre 24 Marmorjäulen gelten als 
die eriten in althriftl, Zeit entitandenen. Dabei 
ftebt das 1483 errichtete und 1780 durch eine Ka: 
pelle überbedte Grabmal Dantes, deſſen Gebeine 
1865 daſelbſt wieder aufgefunden und feierlid in 
ben bisher leeren Sartophag beigejeht wurden. 
Die 425 erbaute Kirche S.Giovanni Evangeliſta 
it mit mn 24 prädtigen Marmorjäulen troß 
mander —— —— Die pracht⸗ 
volle Kirche S.:Apollinare Nuovo, ſonſt S.:Mar: 
tino in Coelo Aureo, unter Theodorich (geit. 526) 
erbaut, war die Hauptlicche der Arianer und gehört 
mit ihren 24 Marmorfäulen, die das Innere in 
brei Schiffe fheiden, und dem glänzenden mufivi- 
(den mud ihrer Wände zu dem feierlichiten 
eiten altchriſtl. Kunft. Gleichzeitig entitand die 
Heinere dreiſchiffige Baſilila S.-Teodoro, kurz dar: 
auf (534—549) die impofantefte ber noch vorhan⸗ 
denen ravennatiſchen Bafilifen, S.:Apollinare in 


517 


Glafie, der einzige fiberreft der Hafenftabt Claſſis. 
—— gleichzeitig wurde unter Juſtinian im reins 
ten byzant, Stil nach dem Mufter der Sophien⸗ 
tirche zu Konſtantinopel die adhtedige Kirde ©.s 
Vitale gebaut, ein 55 mit Marmor, koſt⸗ 
baren Säulen und Moſailen geihmüdt, Nabe ber 
Kirde Sta.:Maria Maggiore (aud dem 6. Jahrh.) 
fteht die Kirche S.:Nazario e Celſo, die berühmte, 
mit —— bededte Grablapelle der Kaiſerin 
Galla Placidia, Schweſter des Honorius. Von dem 
Palaſt des oſtgot. Königs Theodorich iſt ein ges 
ringer Teil in der Vorderfacade des Franzislaner—⸗ 
Hojter3 erhalten. F Pinienwalde vor der Stadt 
erhebt m die Kirche Sta.:Maria della Rotonda, 
das Maujoleum Theodorichs, das durch feine Ein: 
fachheit und Kühnbeit imponiert. 
l. Rubeus, «Historiarum Ravennatium libri 
X» (Vened. 1590); Birardini, «Degli antichi edi- 
fizi profani di R,» (Faenza 1762); derfelbe, «Mo- 
numenti Ravennati de’ secoli di mezzo» (Vened. 
1801—4); Spreti, «Dell origine e della magni- 
ficenza della cittä di R.» (2 Bde,, Nav. 1793 - 
%); Quaft, «Die althriftl. Bauwerke zu R. vom 
5. bi3 6. Jahrh.» (Berl. 1842); Hübih, «Die alt: 
hriftl, Kirchen u. |. m.» (Harler. 1863); Hahn, «N., 
eine kunſtgeſchichtliche Studie» (Lpz. 1869); Grego- 
rovius, «Bon R, bis Mentana» (Bd. 4 der «Wan: 
berjahre in Jtalien», 4, Aufl., Lpz. 1883). 
Navennafchlacht, Soviel wie Rabenſchlacht. 
Ravensara oder Nuces caryophyllatae 
nennt man die etwa walnußgroßen Samen eines 
in Madagaskar einheimifhen Baumes, Agatho- 
phyllum aromaticum W. (Ravensara aromatica 
Sonner.), aus der Familie der Laurineen. Die: 
jelben haben einen den Gewürznelten ähnlichen Ge: 
— und Geſchmack und werden auch ähnlich wie 
dieſe zum Würzen von Speiſen verwendet, 
Navenöberg, eine ehemalige Grafihaft im 
Weſtfäliſchen Kreife, jebt zum Regierungsbezirk 
Minden der preuß, Provinz Weitfalen gehörig, war 
früher Befig der gleihnamigen Grafen, die 1346 
ausftarben, und fam dur Vermächtnis an das 
Herzogtum Jůlich, worauf e3 nad endgültiger Ents 
ſcheidung des Julich-Kleveſchen Erbfolgeftreit3 1666 
an Kurbrandenburg fiel. Sie hatte zur Hauptitadt 
Bielefeld und zählte 1801 auf 900 qkm 89900 E. 
Die Grafihaft entſprach den jekigen Kreiſen Biele— 
feld, Herford und Halle, welche 1880 auf 1015 qkm 
174709 E. zählten. Val. Lamey, «Geſchichte der 
alten geulen von R,» (Mannh. 1779); Bormbaum, 
«Die Grafihaft NR.» (Lpz. 1864), 
Navensberger Berge, Teil des Teutoburger: 
waldes (f. d.). j j 
Ravensburg, Stadt im württemb. Donaufreife 
an der Schuſſen, Sit eines Land: und Amtsgerichts, 
eine Oberamts, an der Linie en 
afen der Württembergifhen Staatzeifenbahnen, 
t zwei fath. und eine ee zwei 
ehem. Klöfter, ein im mittelalterlichen Stil erbautes 
—— Gymnaſium, Real: und höhere Töchter: 
ſchule, ein fehr reiches Hofpital und zählt (1886) 
11 475 meift fath. E. welche Ader:, Hopfen:, Wein: 
und Objtbau, fowie leöha ten Handel und Gewerbe 
treiben. Es befinden ſich bier Fabriken für Par: 
fett:, Thon:, Möbel: und Wahswaren, Mafhinen, 
re Bapier, Spieltarten und Malz; bedeutende 
lachs⸗ und Hanfipinnereien, Baummoll: und Leine 
webereien, Gerbereien, Färbereien, Bleiben und 
zahlreiche Bierbrauereien, Öl:, Loh:, Säge: und 


518 
——— Se IE Beni, und hr ift 


tung. 
— * tabt erhebt Age bie mir = nis 
tiger Ausfiht auf das Schuſſenthal, den Bodenfce 
und en di ; in berjelben wurde Heinri der 
oren. Die Stadt und bie Burg wurden 
zo {f IL, — * —— (geit. 1030) er: 
ie W in lesterer, 


—* in * —— Nltdorf (jebt Wein: 
Ela a Mira 
üft ı Bi r aufge m am 
Rand benjtaufen und I = unter Rubolf 
von Habsburg Freie Neihäftadt; 1803 kam die 
Stadt an a. und gehört feit 1810 zu Würt: 
teniberg. Die größtenteils noch erhaltenen Be: 
—— und Türme aus früherer Zeit 
reizend gelegenen Stadt ein altertümliches Aus: 
fehen. Die Behauptung, daß von ber Fa; | Neo 
milie Holbein 1501 das * einenpapier ver⸗ 
a worben, ift wiberleg 
Raveiteyn (Jan — —— geb. 1572 
= u . 1657, nad andern 1660. = be: 
iteſten ilder von a. find drei große Ta eb 
und Schühen vorf im Bang m 
—— doele —2 ———— = 
—* a 2— ein großes Semäl de auf dem Nat: 
fe dajelbft, in welchem er 1636 die vornehmiten 
lagiftratsperfonen baritellte. Außerdem finden fich 
in ne Galerien zahlreiche Bildnifje von ihm. 
. Gemälde find vä g, voll Wahrheit und Le: 
u modelliert und tüchtig 2* bt, die Fär⸗ 
Har und harmoniſch. — von 
gemalt, befindet fü —— berühm: 
ix eins «lcones» gejtodhen 

Ravin (iv., —* —5 heißt in der 
Topographie eine flache Vertiefung von nicht großer 
Sr re So wor ed hun 
genfab zu Spalt, Kluft u. |. w er Aus: 
dehnung jagt man jtatt R, au Grund. In 
Taltit hat das N. injofern Bedeutung, als es zur 
verdedten Aufitellung oder Bewegung von Truppen 
benupt werden kann. 

Ratva (Rawa ruska), Stabt im nordöftl. Teile 
von Galizien, am einem Nebenfluf bes Sta: 
tion der Lolalbahn Yaroslau:Sotal im iebe 
der Karl:Ludwigsbahn, —* Sik einer Bezirlshaupt⸗ 
mannfhaft und eines Be — und 3 t 
(1880) 6468 meift ruthenijche Das 
feite Schloß enthält jest ein Reformatenkloiter. 

Im 3.1698 war hier die Zufammentunft des Zaren 

‘Peter 1. mit dem König Auguft II. von Polen 
zum Abſchluß eines Bündnifjes gegen den Hönig 
Karl XIL von Schweden. 

Bi... Fluß in der brit,-ind. Lieutenantgouve 

ft Bendihab, entipringt unter ter 32° 2 26’ 
nör Br. und 77° —* — L. an dem Berge Bungall, 
nimmt den ze ben Budhill auf und mündet 
Ban nn nad ei 1 Sant von 720 km Maber 1 
einem Lauf von 
ſcheinlich it der N. der Hydraotes Arrians und 
der —— ſanskritiſcher Schriftſteller. 

Rawitſch, Stadt im preuß. 
Poſen, Kreis Kröben, unweit der ſchleſ. Grenze, 
Station der Linie Rofen: Breslau der Preußiſchen 
Staatsbahnen, Sit des Landratsamis für den 
Kreis und eines Amtsgerichts, zählt (1880) 12260€. 
fach, Marrlicche Bolen) und bat eine er und 2 

Pfarr eine Synagoge, ein ſchoͤnes Kat: 
haus, ein u für die im Kriege von 1870 und 


Raveſteyn — 


Rawlinſon 


at Gefallenen, hen nn — 

ua, ine Saal — 
igarren, KAmme, 

Knodenm 


und i 


—— —* — 


mit Ge Vieh, Häuten, — — 
und Wein. R. wurde 1632’ von evang. Schlefern 
gegränbet, 1707 gen — 1768 von den 
nföberierten ei Peer. 
NRawlinfon ( —— 
geb. 1810 
diente 1826 33 
dann im 


* 


fi 


— 
feiner Ne: 
bei der 


——— 1 

in ante — —— Lage des 

Ekbatana und die Bewo —— ftan in dem 

nie nt, man —* ey 

wa er 

der ei en 

Darin f —— —— 

————— und Nimrud ent⸗ 

dedten Monumenten die überrafchenben 

I Gaben In inc bbentung sn de 

in on in fein ndlung inserip- 

tions of —— »vorlegte. Die 

— 

—— zu 1851 zum Rang eines 
eraltoniufs. nn wieder 

nad) eg ichte neuer 


Werten «Outline of the 


der | history of Assyria, as collected from the in- 


scriptions discovered in the ruins of Nineveh» 


(Lond. 1852) und «Memorandum on the publica- 
tion of the cuneiform inscriptions» 1855). 
m J. 1855 lebrte er England zurüd, wurde 
ireftor der Oſtindiſchen und taım 1858 
für Neigate ins Barlament. — 1858 bis 


April 1859 erte er als Mitglied des 

Buis, vum murhe cr vu Ds Ge 
ge 

in n ernannt, von welcher ern 
ſchon nad J vesfrüft zurüdtrat. Son 1009 ie 


1868 vertrat ———— ee 
war er wieder als 


es 
thätig, — ee Fr I 
m 5 en an von ihm 

ptions nd Sam 
lung von Artiteln über ler bie Rot und Se hie 


Gentralafiens unter er —— 
in the east» —252 
der von eor 


** R. 
—— ——— = 
Orforb und jeit 1874 — = der 


Rawylpaß — R. Br, 


of the ancient world» (4 Bde., Lond. 1862—67; 


neue Reuyork 1871). 
gm. Col des Ravins), Bab der Ber: 
ner Alpen (f. —— 17), verbindet das Simmen⸗ 

tbal im fhmeig. Kanton Bern mit dem Wallis, 
‚, bei naturbiftor. Namen Bezeichnung für 
John Ray (geb. 1627, geit. 1707, * Kr 
titer des Tierreichß). und Lold. 
a em 

» |. unter Berlinerblau. 
Raynal (David Be Minifter, geb. 26. Febr. 
1840 zu Baris, en Ablkunft, u hen in 
Bordeaur und wurbe hier 1879 in die Deputierten: 
lammer gs ft, mo er ich ber republilanifchen Lin⸗ 
ten anſchloß. Sept. 1880 wurbe er zum Unter: 
ſtaats är der öffentlichen Arbeiten ernannt und 
übernahm im Kabinett Gambetta 14.Rov. 1881 das 
—— der öffentlichen Arbeiten. Er trat 26. 
an.1882 mit den übrigen Mitgliedern des Gam⸗ 
bettaſchen Minifteriums zurüd und belleidete dann 
denſelben Mini ften im Sabinett Ferry (21. 


—— 
Raynal (Guillaume Thomas Franzois), franz. 
iſtoriker i 


* geb. 12. April 1713 zu St.⸗ Geniez im 
s ton 
zu outoufe Theolog 


ftudierte im Jeſuitenlollegium 
ie, trat ſehr jump in den Orden, 
verlieh aber 1746 die geiftliche Laufbahn und ging 
nad) Paris, um fi der Litteratur zu widmen. 
Seinen Ruf 
historiques, militaires et politiques de P’Europe» 
(3 Bde., Bar. 1753; vermehrte Ausgabe, Bar. 1762), 
welde unter anderm die «Histoire du divorce de 
Henri VIII avec Catherine» (einzeln gedrudt, 
Anıfterd. 1763) enthalten. Sein berühmteftes Wert 
iſt die «Histoire philosophique et politique des 
etablissements et du commerce des Europ6ens 
dans les Deux-Indes» (zuerft anonym 7 Bde., 
Amfterd., eigentlih Bar. 1771, dann mit des Li: 
fafiers Namen 5 Bde. 4. und 10 Bode. 8,, Genf 
1780; 22 Bde., Par. 1798 u. öfter; beutich am voll: 
fändigften, 11 Bbe., Kempt. 1783). rend der 
Ruhm des Berfafierd durd) ganz Europa ging, 
wurde das Werk wegen feines Liberalismus nod) 
1781 von Parlament — — und gegen 
R. ein Hafisbefehl erlaſſen. R. floh in die Schweiz, 
von da nad) Deutſchland, wo er von Friedrid) d. Gr. 
mit Auszeichnung empfangen wurde. Grit 1787 er: 
ielt er bie ubnis zur Rüdlehr nad) Frankreich. 
alouet, damals Marine: Intendant zu Toulon, 
eröffnete ihm ein Ajyl. Die Nationalverfammlung 
ftellte durch Dekret vom 30. Dez. 1790 die bürger: 
liche Ehre wieder her. Tas Direktorium ehrte 
ihn durch die Ernennung zum Mitglied des In— 
ſtituts. R. ftarb zu illot bei Baris 6. März 
1796. Unter feinen Schriften find noch zu erwäh: 
nen: «Tableau et revolutions des colonies an- 
ises dans l’Amerique septentrionale» (2 Bde., 
miſterd. 1781; Franff. u. Lpz. 1782) und »Essai 
sur Vadministration de St.-Domingue» (Bar. 
1785). Peuchet gab aus R.s Nachlaß heraus: «His- 
toire philosophique et politique des &tablisse- 
ments et du commerce des Europcens dans 
PAfrique septentrionale» (2 Bde., Par. 1826; 
deutſch von Hennia, 2 Bde, Ypz. 1829). 
ward (François Juſte Marie), Dichter 
und Gelehrter, bejonders verdient um provencal. 
Sprache und Yitteratur, geb. 18. Sept. 1761 zu 
—— in der Provence, urſprũnglich Advolat, 
wurde 1791 in den Gefehgebenden Körper gewählt 


dete er mit den «Anecdotes | la 


519 


und entging in der Schredenszeit nur burd bie 
Reaktion vom 9. Thermidor dem Tode. Hierauf 
war er wieder in feiner Heimat Abvolat und wen: 
dete ſich 1800 nad) Paris, wo er ala —— 
Dichter auftrat. Ini J. 1794 hatte er die Tragödie 
«Caton d’Utique» erſcheinen lafjen; ihr folgten bag 
Gedicht «Socrate dans le temple d’Aglaure» (1803) 
und 1805 und 1814 die Tragödien «Les Templiers» 
und «Les &tats de Blois», Er wurbe 1806 und 1811 
vom Depart. Bar in den Geſehgebenden Körper ge: 
wählt, 1807 Mitglied der Alademie. Im J. 1816 
wurde er Mitglied der Alademie der Inſchriften und 
&önen Künfte, 1817 — Selretär der Ala: 
mie und ftarb Er Paſſy bei Paris 27. Dit. 1836. 
R.s «Choix de poesies originales des Trou- 
badours» (6 Bbe., Bar. 1816—21) machte erſt ein 
näheres Studium der provencal. Dichter möglich) 
und Meg ee Nachweis des lautlihen und nor: 
pholog. Parallelisnius der roman. S 2 befei: 
—* er die Anſicht, die roman. 5* eien das 
ei der Willfür und ohne Geſeß und Regel. Gin 
anderes Hauptwerk über das Provencaliſche iſt fein 
eLexique roman, on dictionnaire de la e des 
Troubadours» (6 Bbe., Par. 1836—45), dejien 
erfter Baub einen «Nouveau choix de podsies des 
Troubadours» enthält. Cbendahin gehören feine 
«Recherchessur l’anciennet6dela langucromanc» 
(Par. 1816), die «Elements de la grammaire de 
langue romane avant l’an 1000» (Bar. 1816) 
und bie aGrammaire romane» (Bar. 1816). Das 
Nordfranzöfiiche betreffen feine «Obserrations sur 
le roman de Rou» (Bar. 1829). Der Geſchichtſchrei⸗ 
bung gehören die Werte an: «Histoire du droit 
municipal en France» (2 Bde., Par. 1829) und 
«Monuments historiques relatifs ä la conlam- 
nation des chevaliers du Temple» (Bar. 1813). 
Rayon (frz), milit. Bezirk, beijpielweije der 
den Truppen zur Sicperftellung ihrer Verpflegung 
angewiejene Diſtrilt, weshalb man aud) von Nayon: 
verpflegung ſpricht. Das nãchſte Borterrain einer 
geftung wird bezüglidy der Zuläffigleit von bau: 
ihen Anlagen in mehrere ft. geteilt. (S. Feſt ung s⸗ 
ra IS n.) Frankreich, ſ. unter Rep. 
ayz oder Retz (Baron von), Maridall von 
Razert (Rollpferd), Schiffslafette; in Oſter— 
reich für alle Lafetten — Ben 
zinfee, Raſimfee, großer Strandfee in der 
rumän. Dobrudſcha, mitdem Schwarzen Meere durch 
die Bortiga Boghaſi verbunden; in ihn mündet ein 
Waſſerlauf des St. Georgsarms der Donau. i 
Dass ‚ ein arab. Wort, das in der Berberei 
zur Bezeihnung der Bentezüge gebraudt wird, 
welde die Gewalthaber gegen ihre Feinde oder 
gegen abtrünnige oder widerjpenftige Stämme 
unternehmen, um dieſelben durdy Vernichtung ihrer 
MWohnpläge oder die Fortnahme ihrer Herden zu 
fhädigen. Maridall ud bediente ſich in Al⸗ 
ge iyftematijd) der R., um den Wohljtand der 
Araber und Stabylen au vernichten (Verbrennen der 
Ernte, Umbauen der Fruchtbaume, Wegiühren des 
Viehes), und die Franzofen haben dies Syſtem bis 
in die neuejte Zeit (in Zuneften) beibehalten. 
Rb, den. Zeichen oder Symbol für Aubidium, 
NRbät, Stadt in Marolto, j. Rabät. j 
Rbch., bei naturhiſtor. Namen Abkürzung für 
Hein. Bottl. Ludw. Reichenbach (j. d.). Fichbeh, 
Fü, für Heinr. Gujt. Reichenbach (I. d.). 


Br., bei naturwijlenichaftliben Bezeichnuns 


. gen Abkürzung für Robert Brown (I. d.). 


520 


Ro., auf Recepten, für Recipe, enimm». 

Re in der Mufif, j. unter Solmijation, 

RE (genau RE, meift unrichtig NA), Name des 
ägypt. Sonnengottes, der nad der Mythe fi in 
feinem Alter von der Erbe auf den Nüden ber 
Himmelskuh zurüdgezogen hatte, Nach anderer 
Anfhauung fährt er in einem Schiffe am Tage 
über den Simmeldocean, nachts aber durch bie 
Unterwelt. Er ward frühzeitig mit andern urfprüng: 
lich verſchiedenen Göttern vermengt, fo mit Horus, 
Atum, Month, Amon u. a., die dann meift — 
Namen zu dem ihrigen (Amon:Re ıc.) hinzufügen. 
Ne ward wie Horus abgebildet, ſperberlöpfig, die 
Sonnenfheibe auf dem Haupt; fein Haupttempel 
ftand zu On rg in Unterägypten. . 

„Rhé. Ile de NE (im Mittelalter lat. Ratis 
ober Radis), langgeftredte und im N. vielfach aus: 
— njel an der Weſtküſte Franlreichs, zum 

epart. Nieder:Charente, Arrondifiement Laro: 
helle, gehörig und der Stadt Larodelle gegenüber 
gelegen, vom Feitland im D. durch einen etwa 4 km 

reiten Meeresarm, im N, durch die Seepaſſage 
Pertuis Breton (Fauces Pertusae), im S. durch 
den Pertuis d’Antioche von der Inſel Oleron ge: 
trennt, bat 55 km Stüjtenumfang, 30 km Länge, 
ein Areal von 73,9 gkm, zerfällt in die zwei Han: 
tone St.: Martin und Ars mit je vier Gemeinden 
und zählt 17000 E. Die Inſel hat im S. und W. 
fteile, von Niffen umgebene und unzugängliche, im 
N. flache, durch ſtarle Deiche vor dem Einbruch des 
Meers geſchühte Küften mit mehrern Needen und 
Häfen und iſt c Ader, Holz, Quellen und Weiden, 
bat aber viele Weinpflanzungen. Die Hüften find 
mit ran Leuchttürmen ee: Die Bewohner 
find größtenteils yiiger und Schiffer, doch find aud) 
viele mit Weinbau, Salzſchlämmerei (jährlich 
32Y, Mill, Kilogramm Seejalz), Branntweindeftil: 
lation und Meineffigfabrifation beichäftigt. Auch 
Handel und —— um bedeutend, NR. gehörte 
im 12. Jahrh. zur Herrſchaft Talmont, im 17, und 
18, zum Gouvernement Aunis. — Als Hauptitadt 
der Inſel gilt Saint: Martin de RE, Kriegs: 
plak zweiter Klafje, Handelshafen und Sik mehrerer 
Konfulate, darunter eines deutſchen, mit Citadelle 
von Bauban, ſchönem Arfenal, Kajernen, einer 
Kirche aus dem 12, Jahrh. die 1696 von den Eng: 
ländern und Holländern zerjtört, Später wieder auf: 
gebaut worden, Der Ort zählt u 2472 G., die 
Seefiſcherei treiben und Salz, Fiſche, Hanf, Holz, 
Teer und Spirituofen zur Ausfuhr bringen. 

Reade (Charles), engl. Novellift und drama: 
tifcher — geb. 8. Juni 1814 zu Ipsden⸗ 
Houfe in Orfordfhire,, ftubierte in Orford und Lin: 
coln und trat 1843 als Barrifter auf. Da jedoch 
jeine Praris beſchränkt blieb, fo wendete er 19 der 
Litteratur und namentlich der Bühne zu und Ichrieb, 
meiſt in Gemeinfchaft mit feinem Freunde Tom 
Zaylor, eine Reihe von Theaterjtüden, von welchen 
beionder3 «Masks and faces» (1854) Crfolg hatte. 
Allgemeiner befannt wurde er durch den Woman 
«lt is never too late to mend» (3 ®be., Lond. 
1856), in dent er fein Talent in der Behandlung 
ſozialer esfragen bekundete. Es folgte aWhite 
Lies» (3 Bde., Lond. 1858) und einige Heinere Gr: 
zählungen, die im Publilum beifällige Aufnahme 
fanden. Bon feinen fpätern Arbeiten ijt «Hard 
cash» (3 Bbe., Lond. 1863) zu erwähnen, in ber er 
mit fehr arellen Farben die Geheimnifje der engl. 
Irrenhäuſer ſchildert; ferner «Griffith Gaunt, or 


Re. — Reaktion 


jealousy» (1866), «A terrible temptation» (1871), 
«The wandering heir» (1872), «A hero and a 
martyr» (1875) u.f.w. Mit dem auf Zolas «L’as- 
sommoir» gegründeten Schaufpiel «Drink» (1879) 
nahm er no einmal feine dramatiſche Thätigfeit 
auf. N, ift ausgezeichnet durch einen kräftigen Rea⸗ 
lismus der Darftellung, läßt wos durch feinen 
Tendenzeifer nicht felten zum Senfationellen ver: 
leiten. Gr ftarb 11. April 1884 zu London. 

Reading, Municipalitadt, Parlamentsborough 
und Hauptort der engl. Grafichaft Berls, 56 km 
im BSW. von London, am Kennet, nahe oberhalb 
deſſen Mündung in die Themfe, Station der Linien 
London:Ereter, R.:Bafingftole und R⸗Weymouth 
der Great:Wefternbahn, der Linie Yondon: ne 
ham⸗R. der London und South : Wefternbabn um 
der Linien R.:Guildford: Tunbridge der th⸗ 
Gafternbahn, bat 16 Kirchen und Kapellen, ein 

ut: und ein Arbeitshaus, eine Lateinfchule, ein 
itterarifches und ein Handmwerferinititut in ber 
Public: Hall, Fabriken in Segeltuch i 
wand, Sant, feidenen Bändern und Stednadeln, 
Gifengiehereien, Gerbereien, eine große Zwiebad 
bäderei, Sowie lebhaften Handel. Vorhanden ift 
noch) die Ruine der von König Heinrich I. 1121 ge 
ftifteten und unter Heinrih VIIL aufgebobenen 
Abtei, die eins der reichiten Klöfter Englands war, 
und in weldhem die bier häufig bis ins 15. 3 
abgehaltenen Barlamentsfisungen ftattfanden; 
auf Jalob I. war diefes Klofter auch Lönigl. Nefidenz. 
Bon einem 1233 gegründeten und ebenfalld unter 
Heinrih VIII. aufgehobenen — 
DR noch Mauerreite der Kirche, welche lange als 
Rathaus, dann als Gefängnis diente, — N., 
angelſächſ. Raedinga, wurden 871 die Dänen von 
den Brüdern Alfred und Fithelred, Königen der 
Weſtſachſen, geichlagen. Laud, Erzbiſchof von 
Canterbury, wurde bier geboren. 

Nending (ipr. Ned’ding), Hauptitabt von Berks 
County im nordamerif, Staate Benniylvania, liegt 
am Schuyllillfluß, am Schuylkill: und am Union- 
fanal, an der — und Reading: und der 
Wilmington und Readingeifenbahn und zählt (1880) 
43278 E. Bon den öffentlihen Gebäuden find er: 
wähnenswert: das fchöne Gerihtshaus, das Rat- 
haus, das Opernhaus, die Muſilalademie und das 
County: Gefängnis, die deutſch⸗ luth. Kirche mit 
einem 64 m hoben Turme, die Epiftopallirdhe ıc. 
N. hat 31 Kirchen, mehrere ———— 
ten, ein Lehrerſeminar, eine Hochſchule und 144 
en Schulen, ferner Hoböfen, Bubdelmerte, 
Gifengiebereien, Walzwerte, eine Nagelfabrit, Mas 
fhinenwerlitätten, Gifenmanufakturen, nee abri⸗ 
ten, Gerbereien, Möbel⸗, Cigarren⸗ x. Fabrilen. 

eagenzien, ſ. u. Analyſe, Bd. I, ©. 600*, 

Kay Prelude find mit organischen 
ftoffen (blauem oder gerötetem Ladmus, Hu 
u. ſ. w.) getränfte Bapiere, deren man fü bedient, 
um die faure oder altaliiche Beichaffenheit einer 
Flüfjigteit zu ermitteln, r 

Reaktion, in der Mechanik foviel wie Nüd- 
wirkung oder Gegentraft. Nach dem 8, Geſeß der 
Mechanik Nemwtons ruft jeder Drud ober jebe 
— einen —— endrud oder 
eine gleichwertige Gegenfpannung, jede Bewegung 
eine gleich große Gegenbewegung, jede Aktion eine 
St. von gleicher Größe hervor. Muf ber 
N. beruht das Rudern und aktive S 
Waſſer, das Fliegen in der Luft, das Zurädprallen 


— 


Neaktionsmittel — Realismus 


der Gefchüke beim Abfeuern ber Geſchoſſe, das Zu: 
rüdjhlagen der Feuergewehre, das Steigen der 
Raketen, bie rüdläufige Bewegung des Realtions: 
rades (j. d.), fowie der Turbinen u. dal. m, 

Neaktion ift aud die Bezeichnung desjenigen 
—— das die vorwärts ſtrebende Richtung auf 
polit. und religiöjem Gebiete zurüdzubämmen ſucht. 

tiber die chemiſche Reaktion f. unter Ana: 
[yie, ®b. I, ©. 600. Be , 

Reaktionsmittel, fovicl wie Reagenzien. 

Neaktionsrad oder Segnerſches Waller: 
rad, ein Motor, welder die beim Waſſerausfluß 
an einem Gefäß jtattfindende Reaktion als Betriebs: 
kraft verwendet. (5. unter Waſſermotoren.) 

Neaktionsichiff, ſ. Hydrauliſcher Bro: 
peller und Hydbromotor, 

Neaftiondturbine, f. u. Wafjermotoren. 

Reaftivieren, wieder in a feßen, 

Neal oder reell (vom lat. res, d. i. die Sadıe) 
bezeichnet entweder da3 Sachliche, den Stoff im 
Gegenjake zur Form feiner Mitteilung, daher der 
Ausdrud Realien und Realkenntniſſe, db. b. 
Sachlenntniſſe im Gegenfake zu Sprachkenntniſſen, 
und Realſchulen im Gegenſate zu der formalen 
Geijtesbildung der Gymnafien, oder man unter: 
fheidet dadurd das Mirklihe von dem blob 
Scheinbaren und Gingebildeten. So fpriht man 
von reellen, gründlichen Kenntniſſen im Unterſchiede 
von fheinbaren und oberflählihen, von reellem 
Vermögen u. f. w, und nennt Nealitäten ſolches 
Eigentum, welches ald Gegenftand des Beſihes un: 
mittelbar einen wirklichen Wert bat, z. B. Häufer 
und Grundjtüde; einen reellen Charakter einen 
jolhen, dem man fiher vertrauen lann. Pläne, 
Wünjce, Ideale realijieren heißt daher dieſelben 
verwirklichen. Gine dritte, von den vorigen weſent— 
lich verfchtedene Bedeutung gewinnt das Wort real 
durch feine Entgegenfeßung gegen das Ideale. Es 
bezeichnet dann teils den Gegenfab von Sein und 
Erlennen, wie bei der Unteriheidung von Neal: 
gründen als den Urjachen gewiſſer Grideinungen, 
und Idealgründen als den Gründen ihrer Erlennt: 
nis; teils den Gegenfaß zwiichen Körper und Geift, 
wie bei ber Unte FRE von reellen und ideellen 
Thätigfeiten zunächit des Menichen, dann des los: 
miſchen Lebens überhaupt. Die lektere Bezeihnung 
bat zuerjt ihren Urfprung darin, daß dem urjprüng: 
lichen Bewußtſein des Menſchen jtet3 das Körper: 
liche als das Wirkliche, der Gedanke dagegen im 
Bergleic damit als das Weſenloſere erſcheint. In— 
dem nun die pbilof. Betradhtung diefes Verhältnis 
zum größten Teil geradezu umlehrte, hat die Doppel: 
anwendung bes Wortes real, einmal gleich körper: 
lich, ein ander mal lid wirklich im metaphyſiſchen 
Sinne, zu vielfahen Mißverſtändniſſen und Zwei 
deutigfeiten Anlaß gegeben. 

Neal hieß eine frühere jpan. Silberfcheidemünge, 
an Geltung Ys, des Duro oder harten Piaſters, an 
Mert = 21 deutfche Miele, Der ältern fpanijchen 
NR. gab eö mehrere, und als Silberftüde erſchienen 
fie zuerft 1497, Der Silberreal — de plata) war 
1/, des Piaſters, der Billon- oder jog. Kupferreal 
Inge de vellon) ",, des Piaſters und daher weient: 
ich dent fpätern N, gleich, der Provinzial: Silber: 
teal (Real de plata provincial) Yı. bes Piaſters. 
Voch jest wird in mehrern ehemals fpan. Staaten 
— im gewöhnlichen Verlehr der Piaſter in 


geteilt. 
Real:de:1o3:Alamo3, Stabi, ſ. Nlämos. 


521 


Nealejo, Hafenftabt an der MWeftküfte ber mittel: 
amerit, Nepublif Nicaragua, Depart. Chinandega, 
an der Mündung bes. gleichnamigen Flübchens in 
die geräumige und fichere Bai von R., hat 1000 E., 
Schiffbau und lebhaften Handel, 

ealgär, Arjenfulfür, ſ. Arſen, Bd. II, S.10*, 

Nenlgemeinde it eine aus dem ältern Ger 
noſſenſchaftsweſen berftammende Form der Ge: 
meinde, die fich in einigen Gegenden Deutichlands 
und der Schweiz bis in die neuere Zeit erhalten 
bat, aber a: und mehr durch die rein polit. Ge: 
meindeorganijation, wie fie der modernen Geſeßz— 
gebung entipricht —— worden iſt. Die R. 
beſteht aus den Befipern eftimmter Grundjtüde 
oder Höfe, mit denen das Gemeinderecht von alters 
her verbunden iſt. Häufiger hat ſich die den ur: 
iprünglichen Kern der Gemeinde bildende Genoflen: 
ſchaft als privatrechtliche Korporation erhalten, der 
3. B allein die Nubung der Allmende zuſteht. 

Realgymnafium, |. unter Nealichulen, 

Nealien, ſ. unter Neal. 

Nealinjurie, f. unter Beleidigung. 

Nealifationdgeichäft iſt dasjenige Geichäft, 
durch welches eine Spelulation beendigt wird, es 
bildet gleihfam die Erfüllung der Spekulation, 
Die Spekulation & la hausse wird durd) den Ver: 
fauf der früher gelauften Waren, die Spekulation 
à la baisse durch den — der früher auf Liefe— 
rung verfauften Waren «realiliert», 

Nealifieren (fr3.), verwirklichen; zu (Lingen: 
dem) Gelde machen; in baren Gelde (ofen. 

Realiémus (neulat.) ift ein philof. Kunſtwort, 
das im Laufe der Geſchichte mehrfache Bedeutung 
angenommen hat. Am Mittelalter diente es im 
Gegenfabe zum Nominalismus (f. d.) zur Bezeich— 
nung der auf Plato und Nrijtoteles zurüdweijen: 
den, erfenntnistheoretiihen und metaphyſiſchen 
Anfıht, wonach den allgemeinen Begriffen der 
Mert des wahren Seins zulommten follte: univer- 
salia sunt realia. Diejer R. hatte innerhalb der 
Scolaftitjahrhundertelang eine ganz unumſchränlte 
Herrſchaft; die Häupter der mittelalterlihen Philo— 
fophie, Albert d. Gr., Thomas von Aquino und 
Duns Scotus, waren ic Realiiten; obwohl 
in der befondern Durchführung dieſes Gedantens 
namentlich zwiichen den beiden lektern und ihren 
Anhängern mandye Neinungsverf ee beitand 
4. Scholaftit). Die neuere Vhilofophie, zumal 
die engliiche, bewegte fich vorzugsweife in den Bah— 
nen des Nominalismus; dod) blieben für die ratio: 
naliſtiſche Richtung 3. B. bei Spinoza nod) immer 
die Anfıchten des R. herrſchend. Mit der allge: 
meinen Verſchiebung ber pbilof. Probleme wurde 
aber jener Gegenſaß allmählich bedeutungslos, und 
jeit dem 17. und 18, Jahrh. gab man dem Worte 
R. eine neue Bedeutung, wodurch berjelbe im 
Gegeniage zum Idealismus (ſ. d.) vorzugsweiſe 
ſolche Syſteme bezeichnet, welche mit einer nomina⸗ 
liſtiſchen Grlenntnistheorie zufammenhängen. In 
diejem Sinne nennt man den «naiven N.» die uns 
befangene Meinung des gewöhnlichen Bewußtſeins, 
daß das, was ilt, außerhalb und unabhängig vom 
vorjtellenden Subjelt eriftiert und in den Wahr: 
nehmungen fich darftellt; «philoſophiſchen R.» die 
Anficht, welche aus erfenntnistheoretiihen Grün: 
den zu demfelben Refultate fommt. Ein folder 
ift in neuerer Zeit von Julius von Kirhmann 
aufgejtellt worden. Doc bezeihnet man als R. 
auch ſolche Syiteme, welde die metaphyſiſche 


522 


—— Ba ü uch ae dur bie 
— non Gerbart. u disem a 


Sinne nennt man R. diejenige Denlart, wel 
Auffaffung der Wirklichkeit zugewendet if, 
fem Sinne ift der Gegenſaß von R. und 
mus namentlich für die Kunft von Bedeutung, wo 
N. diejenige Richtung bezeichnet, welche ſich im der 
künftlerifhen Auffaflung und Darftellung an die 
fin rheit anſchmiegt. 
. imter Real. 
: Realtonfurreng der Berbreden, ſ. Kon: 
urren 
Realfontrakte find diejenigen Verträge, welche 
im Gegenfap zu den Konjenjualtontraften nicht 
ſchon durch Willenseinigung der Kontrahenten, fon: 
dern erft dadurch perfelt werden, daß von feiten 
der einen Partei eine reelle Leiftung erfolgt. Der: 
artig waren nach römiſchem Recht das Darlehn, 
die unentgeltliche Leibe (Kommodat), das Depoji: 
tum (j. d.), der Saujtpfandvertrag unb eine un: 
begrenzte Reihe fog. Innominallontrakte. Heut: 
zutage iſt man beitrebt, diejen Bertragäbegrifi auf: 
zugeben und ſchon der vor der einfeitigen Krisen. 
erfolgten Willenseinigung der eien bi 
Kraft zu pugeheben, foda jedenfalls das nad) räm. 
Recht hier begründete Reurecht der leiftenden 
Partei, d. h. das Recht, felbit bei Bereitwilligleit 
des Gegners jur Gegeileiftung die einfeitig ge: 
a * zurüchzunehmen, in We tlommt. 
* a den Zeitpunkt de3 Beginns eines 
Hr de beitellten Viandredhts immer nod) jene 
röm. Auffaffung von Bedentun 
 folde —8 ermöge de 
ein r it, v 
ein beſtimmtes decht an das ihm materiell oder in 
—* einer Verſchreibung überwiefene Eigentum 
des Schuldners in dem Moment erwirbt, wo Lupe 
den vertraagmähigen Termin zur Zahlung 
borgten Kapitals, beziehentlich der Bind u und — 
gungsrate nicht innebält. Der R. ift entweder ym 
mobiliar: (®rund:) oder Bu 
Im erftern Falle wird dem Gläubiger unbeweg 
liches Eigentum ſeitens des Schuldners als Unter: 
pfand beitellt, was mittel3 Eintragung in ein Hypo: 
vn —— ehhicht. Das ee 
ie Hypothelengeiehgebung ger 
Hypothel.) Der Mobiliestrebe hat als 3 Grund: 
lage ein bewegliches Wertobjelt, das dem Gläubi: 
—F als Fauſtpfand wirkli dd wird. Das: 
be lann aus Ware beftehen, in der neuern Zeit 
aber jpielen Fanbobiete Wertpapiere eine fehr wichtige 
Rolle als Pfa Regel wird der 
Gläubiger nur einen — Kr des Fauft: 
pfandes als Da n, damit er au für 
den Fall des Eintens Warenpreife n 
dedt ſei. (S. LZombard.) Der Mobilia it 
dient, — er einen probuftiven Charalter befißt, 
bauptjächlich t Grleihterung der Bewegung bes 
ar ug apital3 der faufmännifchen und in: 
duftriellen Unternehmer. An fih könnte er =. 
der Landwirtichaft zugute kommen, jedoch findet 
dies biöher nur in geringem Umfange ftatt, weil 
es noch an einer genügenben —5 
——— its (f. d.) fehlt. 


Seite des a 

Die Land ber ganz überwiegend auf 
den ——— angewieſen, und wendet ben: 
felben nicht nur zur Ausführung von Meliorationen 


Wahr: 


vor allem 


n bie: 
alis: 


miſation "diefer 


In einem —— Zweden an. 
r 


g. 
im —— — Berjonaltrebit | B 
n der Gläubiger | Joh 


Nealitäten — Nealfchulen 
deren | und Betriebsanl ndern 
an fi annehmen, se en | u nlagen, fo auch ur Belang 


ihres umlaufenden Kapitals und ogar 
von Ausfällen im rg umtiven 
Gleichwohl ift der größte ‚Zeil der 

landwirtichaftlichen Hypothefarfhulden nicht durch 
erg entitanden, fendern er ft a rüd: 
——— bteilungs⸗ und 

b wird von manchen die ge genwärtige dern 
* landwirtſchaftlichen R. als ei eine unbaltbare be: 
trachtet und die Rüdtlehr zu dem zeitgemäß zu mobi: 
reg eg vorgefchlagen. (S.Renten: 
u ud die lm Nädtiiden Hand. 

efis laftenden Hupotheten find —— 

größten Sn Nefte von rn 
toften, doch haben die Vertreter bes Nentenpringtps 


ihre Reformvorſchläge nicht auch auf weig 
des R. ausgedehnt, deflen Verhältniſſe fih von 
denen des lanbmwirtichaitlichen Kredits - 


dadu tt 
—8 zwar ae he lan se boi m m Ans wie hen 


oden, eine u nzte D 
Reallaften, rk heine 
Realrechte, |. Sa enrecht. 

Renlfchulen, Realgymnajien und Ben 
Bürgaerihulen n ihre —* 
eg den höhern Verufdazten des pratige 
Lebens, für welde Univerfitätzftubien nicht 
derlich find, eine eeignete a eine Bildung z zu 
geben. Nachdem Frande und feine Anhänger dem 

praltifhen Nealiamus —— geleiſtet hatten, 
—— Chriſtoph Semler 1738 in Halle eine nıa: 

atifhe, mechaniſche und ölonomische R. Auf 
die nur kurze Zeit bejtehende Anitalt folgten andere 
erjuche, worunter am bebeutenditen y 1747 —— 

Jul. zn Si “ ne 
war, die 1822 4. A 
Organijation erhielt. — no Berjud einer ein: 
heitlichen Organijation der nad) und nad) entitan- 
denen Realſchulen machte die preuß. 
ch die «Vorläufige Anftrultion Ab über die an den 
höhern Bürger: und N. Entlafjungs- 
prüfungen vom 8. März 1832». An ihre Stelle 
trat die am 6. Dit. 1859 er «Unterrichts⸗ und 
nor bung vo der R. und der 
fhulen», welde R. 1. und 2. 
und von den lehtern —— im — 
nicht forderte; als An ringen mit 
rechtigungen wurbei ohne .. 
angefeben. Das ————— einer R. 
1. Ordnung follte unter anderm —— —5* 
in die Forft — ran ch das 
fowie zu den böhern S für den —— 
dienſt und das Bergfach Serien Eine wichtige 
geage für die Nenlich ulen dnung wurde die 
Zulaſſung ihrer eh zu Univerjitäts: 
ſtudien. Die Gutachten, welche das preuf. Miniite: 
rium 1869 von den ya über ragen Puntt 
erhielt, ſprachen ſich in — 
—8 aus, * hat man — den 2 Sat —— 

zu gewiſſen Fächern der pbilo ultät 
Zutritt geftattet und ibmen bie | 


tiquna ae: 
währt, das Staatseramen für den erberuf in 
diefen Fächern abzulegen. Die um 
das R Uni- 


t der Realichulabiturienten zu 
verfitätsftubten, insbejondere € bem ber Medi: 
jin, werden eifrig f est. (5. Maturitäts: 
eramen.) Einen Erfolg haben x bis jest jedoch 
noch nicht gehabt, auch nachdem die «Nevidterten 


Nealunion — Rebello da Silva 


u Schulen» durch die 
xy 1882 eingeführt wor: 
‚unteren Neal: 
A I ehe mi mit Ei 
errealſchulen n ur: 
fus, jene mit, diefe ohne sumhigen dur 
Healprog Seiten frü had Bir 
2 — —— (die frühern 
nung von fiebenjähriger Lehrbauer) und höhere 
Bürgerfhulen mit 6 elek ohne Un: 
—* t im wre Feen Ser Entfjunge An: 


— am cn 


later ende de N ben 
De hie tfchen ches is 


— — 

” erden Realgymnaften —— 
oder in R. verwandelt. In Oſterreich 

ja bie —— in Unter: und in 


e find Borberei 
— die — - —— —S 


Mer ai tar en — ildung zu ec een : 
n ift ni err. Oberrealichulen. 
Val. Ma : «Die deutfche ——— Stuttg. 


1840); Nagel, «Tie Aue; t Realichule» (Ulm 

5 Scheibert, « Das Weſen und die Stellung 

Bürgerfchuler (Be (Berl. 1848). Unter den 

* iften ſind das —— —* die —— 

en des Realſchulweſens », «Die Realſchule⸗, die 
eitſchrift für das —— — das Pa 


Bari Uniontpolit Ju. Bundesfaat. 
Realwert, der wirtlicye Wert einer Sache, 5.2. 


einer Ze nad ihrem Gehalt, im Gegenſa ab zum 


(mel), ‚fov.w. —— 
NR nz (lat.), fov. w. Rüdverfichern 

NR on, die Aufnahme des —ã— 
durch den Erben, nachdem Er den Tob einer 
Bartei unterbrochen war; f. Unterbrechung 
des Berfahrens. 

‚ wralte ital. Stadt, einer der Hauptorte 
der Sabiner, welche fie den — abgenom⸗ 
men hatten, "unter röm. — — Praͤfektur, 
Municipium an der Bia Salaria und Geburtsort 
des Marcns Terentius Barro, der daher Neatimus 
—— no — von R. —— 
war mt wegen i Ar: 
keit und Anmut, befonders nahdem Manlius Eu: 
rius Dentatus um 280 v. Chr. dem Fluſſe Belinus 
durch die eg er eines Felſens, der einige 
—— nörd as u perrte, einen Abfluß 

der nun di hmten Raataden von 
Ternt (1. 6) bifdet, und d baburg, De | Sem ı und 
Sümpfe, die er früher bi 
Gel Ihägt waren aud) we ——— A 
wegen ihrer Ausdauer. — Das jehige Rieti, 
Hauptort eines Bezirks der ital. Provin Berugia, 
70 km im NRD. von Nom, recht? am Velino, ein 
freundlicher, gutgebauter Ort, Station der Bahn 
Aquila:Terni, it Biichofafik, bat ein Raitell, neun 
Kirchen, darunter die Kathedrale von 1456 mit dem 
Dentmal der Iſabella Alfani von Thormaldien, 
einen Sanerbrunnen und zählt (1881) 13365, als 
Gemeinde 16551 E. Es beiteht dafelbit einige In— 
buftrie in wollenen Bengen, Leber und Geiden: 
weberei und eine Rübenzuderfabrit. Die Ebene um 
die Stabt, 380 m über dem Meere, das alte See: 


523 


jept in hohem Grabe fruchtbar, 
—— Den ——8 
gehörte während des ganzen 


beden, ift n 


und | Mittelalters zum —— Spoleto und kam mit 


em an den ftaat. Hier fand am 7. März 
1821 ein Treffen ftat , in welchem die Öfterreicher 
unter Walmoden den neapolit. General Bepe zum 
Rüdzuge nötigten. 


Reaum., bei —— — Namen 
Abkürzung für Reaum 

Reaumur (Rene Antoine —— 2 — 
gezeichneter Phyſiker, geb. zu — 
1683, ſtudierte anfangs die —— 
aber * ben Raturwiſſenſchaften zu ng 
1703 nach Paris, wo er 1708 Mitalieb der Alla: 
demie wurbe. In den «Me&moires» berjeiben erſchien 
1709 R.s Schrift «De la formation et de l’ac- 
| eroissement des —F Sn —— —— 
er ud u e en tiere 
aus dem Grhärten eines Safts entſtänden, ber 
aus —— dieſer Tiere dringe. Seine veiſuche 
über die Verwandlung des Eiſens in Stahl leiteten 
ihn auf die Methode, Gußeiſen in Schmiedeeiſen 
en die er 1722 in einer eigenen Schrift 

Bei feinen Bemühungen, das japan. 


35 nachzuahmen, erfand er da3 na * 
genannte matte Glas — 
—— Den größten Ruhm aber erwarb er ich 


70 d Anfertigung feines Weingeijtthermo: 
meterd und eine neue Ginteilung ber Gtala, die 
auch beibehalten wurde, ald man A in⸗ 
geiſt mit dem Queckſilber S. Ther— 
mometer.) Sein bedeutendſtes er ind die 
«Memoires pour servir à l’histoire naturelle des 
insectes» (6 Bbe., Bar. 1734—42). Cr ftarb auf 
feinem Sandgute ermonditre in der Landſchaft 
Maine 18, Dft. 1757, 

Mebät, Etabt in Marofto, ſ. Rabät. 

RebbeB, ſ. unter ua ratin im. 

Nebekka hieß nad dr. Stammſage die 
Gattin bes Erzvaters Saat Ihr Bater wird 
Bethuel genannt. Als Mutter des Cjau und Yalob, 
d.h. ala Stammmutter ber Cdomiter und Israe⸗ 
liten, wandte fie nad der Sage durch Lift ihrem 
jüngern Sobne Jalob den für den Eritgeborenen 
beftimmten Segen be3 Bater3 zu. — R. und ihre 
Söhne oder auch Rebellaiten hießen nad) 

1 Moſ. 24, co in — und zwar in Wales, 
— welche ſeit 1843 fid) namentlich der 

bung der *8 widerſehten. 

ebellion, ſ ——— 

Nebello da Silva (Luis Auguſto), portug. 
Hiftorifer und —— geb. 2. April 
zu Liſſabon, befuchte die Univerfität von Soimbra 
und widmete fh dann zu Liſſabon mit Vorliebe 
dem geſchichtlichen Romane. it 1858 wirkte er 
als Profeſſor der vaterländiſchen unb Univerjal: 
gefähichte an den Gurfo fuperior be Letras. Bereits 
1854 mar er zum Mitglied ber tönigl. Alademie 
der Wiſſenſchaften ernannt worden. Seit 1848 
wiederholt zum Deputierten bei ben Cortes ge: 
wählt, trat er bier durch fein glänzendes Nebner: 
talent "hervor. Im J. 1862 ward er zum Pair er: 
nannt, 1869 zum Staatörat und Marineminijter. 
Gr ftarb 19. Sept. 1871. R.s bedeutendſte hiſtor. 
Werte find «A historia de Portugal nos seculos 
XVII e XVIII» (5 Bbe., Lifjab. 1860— 71), eine 
Studie Aber den portug. Staat3mann Diego de 
Mendonca GorteReal, dann die ihm von der königl. 


524 


Alademie übertragene Fortfegung des vom Biss 
conde de Santarem begonnenen wichtigen Werts 
«Quadro elementar dasrelagöes politicas et diplo- 
maticas de Portugal» (vom 16. Bande an). Gro: 
ben Ruf erlangte R. auch durch feine hiſtor Romane 
«Odio velho näo canga» (2 Bde., Liſſab. 1848), 
«Rausso por homizio» (Liffab. 1842) und «A moci- 
dade de D, Joäo V» (4 Bbe., Liſſab. 1851 —53; 
2. Ausg., 3 Bde. Porto 1862). Klaſſiſchen Ruf 
bat das Sittenbild «Ultima corrida de touros 
reaes em Salvaterras» (Liſſab. 1848). 

Nebendolde, Vilanzengattung, f. Oenanthe. 

Nebengewärhje, ſ. Am elidene. 

Nebenichwarz, Frankfurter Schwarz, 
eine ſchwarze Farbe, welde durch jorgfältig aus: 

eführte Verfoblung von Weintreftern und Wein: 
bee dargeftellt wird, 

Nebenftecher werden mehrere Arten ber Rüflel: 
ftehläfer (Rhynchites) genannt, bie ſich durch 
bfauen, roten bis goldigen etallglany auszeichnen, 
einen dünnen Nüffel und ungelnidte Füblhörner 
haben. Die Weibchen rollen mehrere Blätter oder 
einzelne, bisweilen aud nur Stüde von ihnen 
tütenartig zufammen und legen ihre Gier hinein. 
Hierdurch werben fie den WR mande, wie 
der jtablblaue N. (R. alni, f. Tafel: Inſelten I, 
Fig. 20) aud) den Neben, außerordentlich ſchädlich. 
So vernichtete er 1756 in manchen Gegenden Ba: 
dens fait die ganze Weinernte. Abjammeln und 
Vernichten der Käfer und der Blattwidel ift das 
beite Gegenmittel, 

Reber (Bram von), Runft —— geb. 10. Nov. 
1834 zu Cham in der bayr. Oberpfalz, habilitierte 
ſich 1859 in Münden, wurde 1863 außerord. P 
jejlor und Ajfiitent am königl, Münzlabinett, 1869 
Ptofeſſor für Kunſtgeſchichte und Aithetit am Poly: 
technilum zu Münden; 1875 übernahm er außer: 
dem die Central⸗Galeriedireltion. Er jchrieb: «Die 
Ruinen Roms und der Gampagna » 63 1863; 
2. Aufl. 1879), «Geſchichte der Baukunſt des Alter: 
tums» (2p3. 1866), «Des Bitruvius Jen Bücher 
über Ardhiteltur» (Stuttg. 1865), «Kunſtgeſchichte 
bes Altertums» (2 A 1871), «Geſchichte der neuern 
deutſchen Kunft» [ tuttg. 1876; 2. Aufl. 1885), 
»Kunſtgeſchichte des Mittelalters» (Lpz. 1886), 
Ft von), der Verfaſſer des Sadhfen: 

iegel3 (f. d.), 

Biebpupn oder Repphuhn, f. Feldhuhn. 
rs ühnermörjer, ſ. unter Geſchüß, Bd. 


‚©. 885*, 

Nebhun (Paul), deutſcher Dramatifer des 16. 
Jahrbh. wahrſcheinlich in Berlin geboren, lebte in 
Luthers Hauſe zu Wittenberg, war dann Lehrer zu 
Kahla, Zwidau und Plauen, wurde 1542 auf 
Luthers Empfehlung Pfarrer zu Olsniß und Su— 
perintendent, Gr ftarb daſelbſt 1546. N, ſchrieb die 
geiſtlichen Schaufpiele «Sufanna » (Zwidau 1535) 
und Ras m zu Cana» (Plauen 1538) und die 
Predigt aKlage des armen Mannes» (Zwidau 
1540). Seine Dramen gab H. Palm in den «Stutt: 
garter Publitationen» (Bd. 49, Stuttg. 1859), die 
« Sufanna» Tittmann («Schaufpiele aus dem 16. 
Sabrb.», Bd. 2) neu heraus, 

Nebi ul ewwel (arab., « Frühling»), ber dritte 
Monat des mohammedan. Mondjahres; Rebi ul 
fani oder Nebiuladir, der vierte Monat. 

Neblaus (Phylioxöra vastatrix, vom gr. ro 
20 das Blatt, und inpöz, bürr, troden, ſ. Tafel: 
Schädliche Injelten, Fig. 24 a, b, c) ift ber 


ro⸗ 


Rebendolde — Reblaus 


Name eines faſt mikroſlopiſch Heinen, zu den Blatt⸗ 
läufen gehörenden Inſelts, welches ih an dem 
Wurzeln des Weinftods aufhält, ſie ausjaugt und 
dadurch die Pflanze vernichtet. Entdedt wurde die 
N. 1854 zuerit von Aſa Fitch in Nordamerila und 
Pemphigus vitifoliae benannt; die jpätere wiſſen⸗ 
ſchafiliche Unterſuchung reihte ſie unter die von 
Fonscolombe begründeten Phylloreren. Im J. 
1868 wurde das Inſelt zum erſten mal in Curopa 
aufgefunden, und zwar im franz. Depart, Gard. 
Von jenem Zeitpunkt an hat es ganz unglaublide 
Fortichritte gemacht, fowie Hunderttaujende von 
eltaren Weinberge vernichtet oder in der Kultur 
geihädigt. In Frantkreich jind bis Ende 1877 von 
der N. total zeritört 288608 ha Weinberge, ange: 
griffen 365353 ha mit einem Ertragsausfall von 
164949568 Irs. In Portugal find bis jeht zer⸗ 
itört 3000 ha im Dourothale mit einem Jahres: 
verluft von 1500000 Frs. In Oſterreich trat bie 
N, zuerſt auf 1872 im Verſuchsweingarten ber 
Weinbauſchule zu Klofterneuburg und hat ſich bie: 
ber auf ein Areal von etwa 120 ha beſchräntt, 
während in Ungarn über 1000 ha des Weingebirges 
von Pancfova davon ergriffen find, Die Schweiz 
bet bisjept bloß 12 ha von der N. befallene Wein: 
erge mit einem Ertragäverlufte von 22000 Frs. 
zu verzeihnen. Im Deutſchen er ift die R. 
bisher nur ſporadiſch aufgetreten (bel, onn, Erfurt, 
Bergedorf, Bollweiler im Elſaß, Plantitres in 
Lothringen, bei Stuttgart und Yiegnip), ohne er 
fern Schaden zu verurſachen. In neuejter Zeit ind 
ziemlich bedeutende Neblausherde im Ahr und 
am Rhein (Nreis Neuwied) aufgededt worden. Die 
übrigen Weinprodultionsländer Europas find noch 
von dem Inſelt verfhont. Es iſt fein Zweifel 
darüber, daß diefes aus Amerila jtammtund überall 
mit amerit. Neben eingejchleppt worden ift. 
N. if eine — faum punftgroß, 0,5 bis 1,2 mm 
Boch ten3 in der Länge, daher mit unbewafjnetem 
Kuge ſchwer zu entdeden; unter dem Mitrojlop 
jeigt fie ganz die Gejtalt einer gewöhnlichen Blatt: 
aus: ovalen, Dale abgeitumpften, in ber Mitte 
diditen Körper, defien Hinterleib aus fieben Ringen 
befteht , fech3 dünne Beine mit burzen Fußen, einen 
jtet3 eingezogenen Kleinen Kopf mit einer an ben 
untern Bruitteil gedrüdten Nüfieliheide, aus wel« 
cher drei fteife, hohle Stechborſten heraustreten, 
Bei den ausgeivachfenen Gremplaren werden auf 
den Rüdenihilden einige Reihen Heiner Höder 
wahrgenommen. Die Farbe der R. ift meiſt ein 
intenfive3 Gelb, öfters rötlidy oder grünlid). 

Die Vermehrung, welche eine ungeheuere ift, ges 
ſchieht wie bei allen Blattläufen gro 3 dur 
Barthenogenefis (f. d.); demgemäß tritt das zufett 
in folgenden verjchiedenen Formen auf: 1) als ge: 
ichlehtslofe Anıme, ungeflügelt, mit ftarfem Saug: 
rüſſel, auf den Rebwurzeln etbalten (Big. 24b); 
diefe unbeweglichen Ammen gebären die länger ges 

liederten, Sehr lebhaften Nymphen, aus welden 
ich entwidelt 2) die geflügelte R. (Fig. 24 c), das 
vollfommene Inſelt, aber gleichfalls geſchl t3los, 
beitimmt zur Verbreitung der Art mittel bes 
—7— in der Luft, daher mit ungewöhnlich 

lügeln verſehen, mit kleinem — e 
vom Juli bi8 September an bie Un 
Weinblätter zwei bis vier gelbliche Gier; aus 
entichlüpfen bald 3) die geichlechti n Inſelten 
Megeneratoren, Männden und —* Heinfter 
Körpergröße, ohne Saugrüfiel und Flügel; fie 





Neboul — Rebus 


find bloß zur Fortpflanzung beftinnmt. Won Ende 
Auguft bis Anfang Dftober legt das Weibchen ein 
großes Ei, das jog. Winterei, unter die alte Rinde 
des Wurzelftodd. Aus diefem Winterei entiteht im 
nädjiten Frübjabr 4) die gallenbildende R., eine 
abermals geſchlechtsloſe, ungeflügelte Form, welche 
ſich meiſtens in Baer Auftreibungen (Gallen) 
der Weinblätter aufhält und jehr bald die Ammen 
gebärt, die fi an den Wurzeln feftfiedeln. Dies 
it der merkwürdige Wandlungsgang des Lebens 
der R. Schon aus diefem geht hervor, wie ſchwer 
ihre Belämpfung ift. Die bald zu Milliarden an- 
wachſende Vermehrung der Barafiten, welche durch 
Ausfaugung der Wurzeln dem Weinftod die Lebens: 
fäfte entziehen, bedingt ihre Verderblichteit. Am 
Meinftod felber wird die Anwefenheit der. gemöhn: 
lic) erft im dritten Jahre wahrgenommen; der Stod 
erbält bann ein kränkliches ap namentlich 
werden die Blätter frühzeitig gelb, die Trauben 
verihrumpfen. Beim Nachgraben zeigen fid) die 
obern Saugwurzeln mit blafigen Anfchwellungen 
(NRodofitäten, gi . 24 a) infolge der Anbohrungen 
durd die R. ehaftet, das ſicherſte Zeichen vom 
Vorbandenfein bes Schädlinge. Schon im vierten 
oder fünften Jahre geht die Rebe völlig ein, wenn 
ihr nicht Rettung wird. Diefe aber ih ungemein 
ſchwierig. Wiflenfhaft und Srfahrung haben alle 
Hebel in Bewegung gefest, um ein wirfjames Ber: 
tilgungsmittel aufzufinden; die —** Regierung 
hat einen Preis von 300000 Frs. dafür ausge: 
ſchrieben, die Acad&mie des sciences eine befon- 
dere Kommiffion ad hoc gebildet; es find eine 
große Zahl von Mitteln empfohlen und verfucht 
worden, bisjeht alles ohne genügenden Grfolg. 
Einigermaßen bewährt haben fidh: 1) das Unter: 
waſſerſehen der Weingärten, von Faucon angegeben, 
aber nur in ſeltenen mir anwendbar; 2) injeften: 
tötende Stoffe, wie Schwefeltohlenftoff und Schwe: 
—— — (Sulfocarbonate de potassium, 
og. Dumasſches Mittel); 3) Kräftigung der Wein: 
oflanzungen durch fonzentrierte Dünger u. ! w, 

a, wo vollftändige Regeneration der Weinberge 
notwendig erfcheint, wird die Einführung amerit. 
Rebforten: Vitis aestivalis, cordifolia, rotundi- 
folia u. a., empfohlen, die erfahrungsgemäß von 
der R. zwar angegriffen, aber nur wenig geichäs 
digt werden; diejelben follen als Wildlinge dienen 
für die Veredlung mit den europ. Nebforten, 

‚Der außerordentliche nationalölonomiiche Nady: 
teil, welchen die R. ſchon gebracht * und zu brin⸗ 
gen droht, hat die Aufmerlſamkeit der Regierungen 
auf fi ge ogen. Oſterreich hat zuerft (1875) ein 
so er allen um Schube gegen die Verbreitung 
der R. Darauf erien im Deutichen Reiche das 
—5— vom 6, März 1875, Maßregeln gegen die 
Reblaustrankheit betreffend, nach welchem die vom 
Rei yore pi mit der Unterfu über Mittel 
ur Bertilgung der R. betrauten on befugt 
In, aud ohne Einwilligung der Verfügungs: 

erehtigten die Entwurzelung von Rebtöden zu 
bewirken und die entwurzelten Rebftöde, fofern he 
mit der R. behaftet find, an Ort und Stelle zu 
vernichten. Die Koſten einſchließlich der etwaigen 
—— — werden aus Reichsmitteln be⸗ 

tten. Auf Anregung des Naturforſchers V. 
tio berief die Schweiz im Sommer 1877 einen 

———— nach Lauſanne, der, von faſt allen 
weinbautreibenden Staaten Europas beſchidt, die 
Grundzüge einer internationalen Konvention zur 


525 


Ergreifung gemeinfamer Maßregeln gegen das fibel 
feititellte, An neuefter Zeit haben die Schweiz, 
Sranfreih und Spanien ae Sefebe zum 
Schuß gegen dieR. erlafjen. Endlich wurde17. Sept. 
1878 zwiſchen Deutichland, Öfterreich : Ungarn, 
Spanien, Frankreich, Jtalien, Portugal und der 
Schweiz eine Internationale Reblauston- 
ventionabge Alofien, welcher aeg Qurem: 
burg und Serbien beitraten. Da fich bei der Anz 
wen ung, der darin vorgefchriebenen Mahregeln 
manche Übelftände herausitellten, wurbe ber Ser: 
\y, auf einer internationalen Konferenz in Bern 
3. Olt. bis 3. Nov. 1881 revidiert; das Ergebnis 
war eine neue Übereinkunft vom 3. Nov. 1881. 
Auf Grund diefer lbereinktunft bafiert das Deutiche 
Neichögefeh vom 3. Juli 1883, die Abwehr und 
Unterbrüdung der Neblaustrantheit betreffend. 

Die Litteratur über die N. ift ungemein zahl: 
reich, befonders in franz. Sprache; in deuticher find 
teihjalls Schriften darüber vorhanden von Roͤs 
er, Nördlinger, Hamm, Vogt, Morik, Dillmann, 
Grad, Göthe u. a. Snäbefontbere vgl. V. Fatio, 
«Etat de la question phyllox&rique en Europe 
en 1877» (mit 7 Karten der Verbreitung der R. in 
den europ. Ländern, Genf 1878); von Babo und 
NRümpler, «Die Kultur und Beichreibung der 
amerit, Weintrauben» (Berl. 1885), 

Reboul (Jean), fen. Dichter, geb. 23. Jan. 
1796 zu Nimes, Sohn eines Soft, erlernte 
das Bäckerhandwerk und trat bald als Dichter auf 
mit Liedern analreontiiher Laune, die zu der 
weichen, elegiichen Stimmung feiner nachherigen 
Werte in merfwürdigem Gegenfag ftehen. Seine 
erite Gedidhtfammlung, «Posies» betitelt, erfchien 
1836, Diefelbe a mehrere ausgezeichnet fchöne 
Stüde; «L’angeet l’enfant», «L’aumöneau Christ», 
«La lampe», «Un soir d’hiver» u. ſ. w., in dem jantt 
elegiihen Tone, welchen Lamartine in feinen Medis 
tationen angefln en hatte. Auch in feinen andern 
Gedichten tritt iefelbe tatholifierenbe fentimentale 
Richtung hervor. Im J. 1839 tam R. nach Paris 
und veröffentlichte das biblifche Gedicht «Ledernier 
jour» (1840). Dann verfaßte er drei Tragödien, 
von weldhen eine: «Le martyre de Vivia», 1850 
im Odeon zu Paris aufgeführt wurde. Sein lehtes 
Werk war eine Sammlung Gedichte: « Les tradi- 
tionelles» (1857), R. wurde 1848 vom Gard:Des 
partement in die Konftituierende Verſammlung ges 
wählt, wo er mit der legitimiftifchen Linten ftimmte, 
R. ſtarb zu Nimes 1. Juni 1864. Nach feinem 
Tode er * feine «Dernieres po6sies» (Par, 
1865). Vgl. Montrond, «Jean R.» (Lille 1865). 

Rebus heißt eine befondere Art von Bilder: oder 
Zeichenrätſel, bie darin befteht, dab durd Zufammen: 
jtellung von Bildern und häufig noch durch Hinzu: 
fügung von Zahlen, einzelnen Buchftaben, Silben 
oder volljtändigen Wörtern, die dann al3 Ergänzung 
dienen, irgend ein Wort, meift aber ein allgemeiner 
Gedanke, eine Sentenz, ein Spridwort u. f. w. 
ausgedrüdt wird, Es wird hierbei von ber Richtig: 
feit der Orthographie und dem fonftigen Gehalt 
des durch das Bild angedeuteten Wortes völlig ab: 
gejehen und lediglich darauf Rüdjiht genommen, 
daß man aus den mittels des Bildes u. f. m. ge: 
wonnenen Buchſtaben ein Ganzes zufammenzufeben 
verftehe. So tet zur Bezeichnung des Beiwortes 
«ganz» das Bild einer Gans, und die Abbildung 
eines Bettes und Stabes mit dazwischen gejtelltem 
Buchſtaben I drüdt das Wort «Vettelftab» aus 


526 Necamier 
Der Ausdrud R. ng von 


itubierenden Jugend ber, welche, befonders in de 


Faſtnachtſcherzen a. | 
meide, be auf 1 


— Recept 


ne das ee ee Station der Eifen- 
mit 4729 €. wurbe 1229 


ref um 1600, ſolche Bilderrätfel i in von Kaiſer Re 

lomiſche Vorfälle sulammenjtellte und diefe Receiver (engl., d. i. , bei Compound 

—* de rebus * tur (ũber die Dinge, | maſchinen (f. unter Dampfmafdine) ein zwi⸗ 

geicheben», d. b. Tagesgeſchichten) ba ſchen beiden Cylindern lteter zur 

Fr Ochmann, gZur Stenntnis der R.» (Oppeln | Aufnahme des zu diere Da ? 

1861); Hoffmann, — — einer Geſchichte des — (lat.) heißt die neue 

Bilverrätfel» (Berl. 1869); Delepierre, « Essai | ober die kritiſch Ausgabe eines Schrift: 

histor. et bibliograph. sur lesrebus» (Zond. 1874). ler, t nennt man Necenfion —— 
Recamier (Jeanne Frangoife Julie Adelaide | die öffen Gh asien —— Be: 

Bernard, Madame), eine durch Schönheit und Geift | richt über ——— den Wert eines im Drud 


berühmte Frau, geb. 3. zn 1777 zu San. 
1793 einen reichen pariier Ban ues N. 
Gie zählte zu den bewunderten fi 

welde unter dem Direktorium in 5a ons der 
eleganten Welt alle Blide auf ſich Ienkten, und ver: 
fammeelte in ihrem Haufe zur Zeit des Konfulatz die 
intereſſanteſte Gejellihaft von Paris, —* 
Verbindungen mit zurüdgelehrten rer und 

antibonapartiftiichen en wurde fi 

politifch verdächtig, weshalb fie auf —* 

ihre ellſchaften einſtellen mußte. Von * 


Freundin, der F N - — nach Coppet ein⸗ 


Be: ui fe Prinzen Sy von 
Preußen, deſſen Aue * gewann. . 1811 
aus Paris verbannt, lebte fie eine Ing in 


Chälons fur »Säone und in Lyon, ma Me fodann 
Neifen in Stalien, von wo fie bei der Wiederein⸗ 
fegung ber Bourbons nad) & rüdtehrte. 
Später zog fie fi + die Abbayesaur:Bois zurüd, 
ein ehemaliges A Klofter, nachher eine Art 
ftift, im Faubourg St.:Germain, wo ‚Sie einen 
einen vertrauten Eirtel bildete, der eine große 
mtheit erlangte. Sie ftarb an ber Eholera 

ir ai 1849. Zu den Koryphäen ihres Salons 
zählten Chäteaubriand, Ballande, Mattbieu de 
Montmorency. Ihr H aus war die Aufluchtäftätte 
ropaliftifiher € Stantämänner. katholifierender Ge: 
lehrter und tomantifierender Schriftſteller. Es 
herrſchte darin ein Geiſt feiner, geſitteter Unter: 
baltung, aber mit einem ftarten Anflug von Fröm⸗ 
melei und Intoleranz. Demungeachtet bleibt der 
Salon der Madame R. ein merfwürdiges Moment 
in der fra . Kultur: und Eittengefhichte, aus 
demfelben runde wie bie frübern Salons der 
ring von Rambouillet und der Mabame bu 

Deffand. Ihre Nichte und Adoptivtochter, Mabame 
Lenormant, gab heraus: ——— 
dance tires des papiers de Madame R.» (2 
Dar. 1859—60 u. öfter), Bol. Shitenubrian, 
«M&moires d’outre-tombe» (Bd. runi * 
«Ein edles Frauenbild. Julie R.» — 

Recauati, mittellat. Racanatum Sad A 
Bezirkahauptort in ber ital, Provin ing Macerata, in 
der aligen Mark Ancona, im S. von Ancona 
auf einer Höhe, welche eine herrliche Ausſicht über 
bas Meer, den Apennin und Loreto bietet, zählt 
(1881) 12517 E., welche ausgezeichneten Dein ge: 
winnen, Gin Zeil der Straßen ift fteil; die lange 
Hauptitraße hat fchöne Palälte, an welche 8 — 
rühmte Namen der Befiser nüpfen. Im got. Do 
San Flaviano fteht dad Grabmal Gregors XII. "ber 
1417 als Rardinalbifchof von Borto bier —* "und 
auf der Binzza ein Monument des Dichters Grafen 
Leopardi, der bier geboren wurde. Bon 1240 bis 
1320 war R. Biſchofsſitz. 

Die 10km im OND. — Hafenſtadt Porto 
be Recanati, nördlich von der Mündung der Po: 


„beiratete erſchi 


Damen: | bar jind, da 


ber mia Yuffahrung in Jeitirften x: 
0 un . 
ber Berfafler einer folden 2 ist — *8 


—* lat.« baben » 
Gmplenafarin, € —— dee 
n 

hier Ta en Bade von Bl von Wichtigleit aus ans: 
u 


die an tliche Anweiſung, welche ber Arzt zur Be: 
Se  Srmeimitel (, befonderö —— 


geſeßtern, für die Ausführung rad a 
vejft Dies geſchieht in Deu 
teinifcher , anderwärts, 3. ie in 


ber — Für foldhe Bukammunisbungen, 
welche fehr . a vorfommen oder welche jo balt: 
man fie vorrätig halten fann, pfl en 
in bie Pandes: und Hojfpita — ———— 
Formeln ein für allemal aufgenonimen 
— Fe nennt dann joldhe Formeln m Ai meben, 
ir den vom Arzte bejonders —* 
bee saginrel ormeln. Der Inbegri 
der Regeln e bei Abfaljung der R. zu — 
en ſind, beit eceptierfunit. Dieſe * 
(mb erlens formelle, bie äußere Form bes 
. bet ei dab Die *8 (lateiniſch) nad) 
der durch die oea Germanica einge: 
führten Terminologie abzufafjen, undeutlihe Schrift 
und nie Abkürzungen juvermeiben find; 
daß ber Anfang mit dem} Beihen B, oder Rec. (Re- 
cipe, d. i. nimm) zu maden, Datum, Name bed 
Arztes und des Patienten zu benterfen * * 
am Ende noch die Arznei vom 
en Signatur (angedeutet 
‚1, Medicinae danda si ) ange: 
are sin "daß ungewöhnlid große Gaben durd 
Interftreichung oder Ausrufungszeichen zu marlie: 
ren, bie Mengen ber Ingredienzen nah Örammen: 
ewicht anzu m u.ſ. w. Da das N. —— 
lle mögli eiſe zu einem — — 
ment werden lann, ſo hat der auf — 
dieſer formellen Regeln ns zu adten. Die 
andern Negeln materieller Art geben zuerft über: 
un bie — Formen, nach welchen man 
lrzneiſtoffe verordnen lann, je nach dem beabſich⸗ 
tiglen Zwede und ihren befondern Vorteilen, 3.2. 
a ere Berbüllung des Geihmads und Geruchs 
.w. Man unterfchied in früherer Zeit = no 
Ih ufammengefepte R. gebräuchlich 7 vier 
F von Beltandteilen eines ſolchen R.: 1) das 
wirkende ober —— (die Baſis) 9) —— 
Unterſtuühungsmittel (das Adjunans), 3) das dem 
Ganzen bie nötige (feite oder finffige) Form gebende 
Vehilel ober Konftituens, und 4) die wegen befon; 


— ne u — 


—— Ku — 


m m Tu en 


X" u 


a u na 


a & 


sau gg“) 


aA. 


8 rn 3 


Receptaculum — Rechenlunſt 


—* — 3. B. bes messe; Geſchmads, 
er Farbe wege uſaͤte (Korrigen⸗ 
Ben). Seht find — die R. rg einfacher; auch lehrt 
die neuere Chemie dem früher oft außer Acht ge: 
laſſenen ee daß das Zuſammenmiſchen von 
ed en Subjtanzen zu vermei⸗ 
Fa ald und Lüdede , «Handbuch, der 
—— und et A eiverordnungslehre⸗ 


(10. Aufl., 
—— lat.), das bei Rei 
Abendmahls —— Tuch; in ehe 
joviel wie Borlage einer Retorte u. |. w.; Behälter 
gr in ber Botanik foviel 


Mereptierfunft, |. 

Beception (lat.), Unmahme, Aufnahme. 

re 
Neceptivität (lat. 


unter Recept. 


Steuern; Receptur, Amt eines R.; aud das 
Zubereiten von Arzneien. 
anne pe (lat.) bezeichnet die Vereinbarung, 


—— arbitri); fi mungen kn ale 
; ferner bie von 
—— durch Gaſtwirte ober Schiffer 
dieſ „für jeden, durch eine andere 
— * en —* den —— — — 
wiſſen m e 
er —— —— aufpulommen 
— nun etstabu rum). | 
—— Fe —— da au ben 
Güter, zu Te ale er und Koſtbarleiten jedoch 
nur, wenn els Wertdeflaration übergeben 
wurden, tn enbabnverwaltungen auferlegt. 


— nambhafter freiſinniger öfterr. 
Bolitifer, 6. Jan. 1815 in Graz, abjolvierte 
die juriit. ne in feiner Baterftadt, arbeitete 
bis 1845 bei der fteiriihen Finanzbehörde, daun 
als — — und erwa als 
ſelbſandiger Advolat eine bedeutende Anwalts- 
pratis. & 1848 vertrat er bie Univerfität, 
beit, 1861 abt Graz im Landbtage, welcher ihn 
ſeildem ftet3 in den ötem. Reichsrat wählte. N. ge: 


börte ber Fraktion der deutichen Autonomilten an 
= wurde. 1873 N äfidenten des Abgeorb: 
netenhaufes gemält. uli 1878 erhielt er 


vom — die er 

berg, ſ. unter Gmünd. 
53 rg und Nothenlöwen, ein ſchwäb. 
en Stammmvater Ulrich 1163 die 
* — im Den Schwaben be: 
— — Seine Enlel beſaßen ſchon 1227 die Bur 
——— Im J. 1609 durch Kaiſer Rudolf Il. 
—— erhoben, nahmen die R. feit 1613 
Sik und Stimme auf der Shwäb. Grafenbant. Im 
12. Sach teilte ſich das Geſchlecht in zwei Linien: 
NR. au Bergen und R. unter den Bergen. Dieſe 
erloſch 1418; jene teilte fi) wieder in Hohenred: 
berg, er fofehen 1685; Staufened , 'erlojchen 1599; 
Dongdorf, erlojhen 1732, und Weihenftein, die 
allein no beftehene. Sept befikt das Haus unter 
wöürttenb. Hoheit die Grafſchaft —— 2 
(1375 qkm) und in Ba die Standesherrſchaft 
Midhaufen (825 qkm). Standesherr mit dem Praͤ⸗ 
difat Erlaudt it Graf Albert von N., * 
T. Dez. 1803, der 1842 ſeinem Vater durch Vertrag 


527 


in der — pi folgte, erbliches Mitglied 
der Erſten Kammer (1860 Sr fibent) in Württem: 
berg und —— re Reichsrat in Bayern ift. 
Bater, Graf Aloys von R., ‚ geb. 18. Sept. 

1766, war re Subdelegierter beim Kongreß 
in Raftatt und bei der Reihödeputation von 1802, 
unterzeichnete 1806 ala ug he ger ri die 
Erklärung zu — welche 13 Reichs⸗ 
fürſten und ein Reichs zen ph vom ri ſich trennten, 
und war 1815 al3 bayr. Minifter beim Wiener 
ger eb bevollmädtigt. Er wirkte mit zu ben 
fien des Karlsbader Kongreſſes, zur Gr: 
EOtungber mager Kemmilkon uno en Jäpfen 

Verfahrengegen bie politiſch Berbächtigen. Nach dem 
Regierungsantritt de3 Königs Ludwig I. wurde er 
in ben Ruheſtand —— * März 1849, 

Des vorigen Bruder, jepb von RA, 
geb. 3. Mai 1769, Segen bin e jügen 1818, 
1814 und 1815 ein bayr. Armeelorps gegen Frank: 
reih, war dann bi3 1826 außerorbentli Ge⸗ 
ſandier und bevollmächtigter * m am 
Hofe zu zu 8 ug 27. März 1833 

Er anderer Bruder, Graf Karl von N. 

ebr. 1775, — Jan. u du of: 
mei ter und Ge at, machte — —— durch 
eine «Voyage pittoresque en Russie» (4 Bde., 
aris, mit Kupfern) und «Les peuples de la 

ussie» Boe., .1812—15, mit % Ku n). 

Graf | obann ernbard vonR, ein Bruder 
a. mwürttemb. Stanbeäherrn Grafen Albert von 

‚17. Zuli 1806 zu Regensburg geboren, wurde 
1828 Attahe der Öfterr. Gejandtfhaft in Ber 
lin, 1830 Legationsjelretär in London, 1833 Ge: 
fchäftsträger in Darmftadt und 1836 in Brüffel. 
Nachdem er hierauf einige Zeit in ber wiener 
Staatslanzlei gearbeitet, erhielt er 1841 den Poften 
eines öfterr. Gefanbten in Stod olm , den er 1843 
mit dem Geſandiſchaftspoſten in iode Janeiro ver: 
taufchte. R. tehrte 1847 nad) Europa zurüd, begab 
fih 1849 als Bevollmädhtiger bei der Gentralgewalt 
nad Frankfurt und kam Juni 1851 als öſterr. In— 
ternuntius nad) Konftantinopel. Mitte 1853 wurde 
er dem Feldmarſchall Radehly für die Civilange: 
legenheiten des Lombardiſch-Venetianiſchen König: 
reichs beigegeben und 1855 zum Präfidialgefandten 
beim Bundestag —— ernannt. Bei Beginn 
des ital, Kriegs wurde R. 17. Mai 1859 nad) Buol⸗ 
Schauenfteind Rädtritt zum Minifterpräfidenten 
ernannt und übernahm das Portefeuille des ußern 
und des kaiſerl. Hauſes, mußte zwar im Dez. 1860 
das Präfidium an am Schmerling abtreten, blieb aber 
noch Minifter des Außern, in welcer Gtellung 
97. Dit. 1864 Graf Mensdorff: Bouilly fein Nach⸗ 
folger wurde. R. ift lebenslängliches Mitglied 

es öſterr. Reichsrats. 

Recheukunſt. Rechnen heißt, gegebene Größen 
nach gewiſſen Regeln miteinander verbinden oder 
voneinander trennen, um dadurch eine noch unbe: 
fannte Größe zu finden. Das Berfahren beim 
Nechnen lehrt de Arithmetik (f. d.). Das jpeziell 
— ————— Rechnen erſtredt ſich vorzüglich 
über Geld:, Maß: und Gewichtsberechnungen, die 
Aligationz: oder Miſchungsrechnung, insrednung 
und andere Prozentrechnungen, Geſellſchaftsrech⸗ 
nung, Haverei⸗ und eturanzre_hnung, Waren: 
taltulationen , Wechſelkurs- und Arbitragerec: 
nungen Staat3papierrehnung, Wechſelkommiſ⸗ 
fionsrehnung. Die Proportiond: und Stetten: 
rechnung find dabei bie gemöhnlichften Vermittler 


528 


Bol. Feller und Ddermann, «Das Ganze der lauf: 
maͤnniſchen Arithmetit» (14. Aufl., Lpz. 1882). , 

Rechenmaſchine (frj. arithmomötre, machine 
à calculer; engl. arithmetical machine) nennt man 
einen Apparat 
mit benannten ( 
N. beiteht darin, daß eine Anzahl von Scheiben um 
je einen ben Siffern der Re nung entipredhenden 
Wintel gedreht werden, wobei der Mechanismus 
derart eingerichtet ift, daß, wenn die Scheiben die 
Lagen 0—9 oder I—O überjchreiten, ein Weiter: 
drehen der dieſen lehtern Scheiben [engenben 
(böhern) ftattfindet. Diefes Prinzip lag ſchon den 
finnreiden, aber —— ältern Konſtrultionen 
zu Grunde, an deren Vervolllommnung berühmte 
Gelehrte, wie Pascal, Leibniz, Poleni, Leupold, 
nearbeitet — Neuere Syſteme find die N. von 
Hahn, Müller, Thomas, Noth, Scheutz, Dießſchold, 
von denen diejenige von Thomas Kolmar in ihrer 
heutigen verbefierten Geftalt, ihrer beguemen Hand: 
habung und ausgedehnten Verwendbarkeit wegen, 
gegenwärtig die am meiften verbreitete ift. Die 
neueften erlegen der Thomasſchen Rechen: 
maſchine geftatten felbft die Ausführung der Ope: 
rationen des u und Potenzierens, 
Bol. Diepfhold, «Die N.» (Lpz. APR), ö 

Nechenfchicber (frz. rögle, engl. s ing rel?) 
ift ein Schieberlineal aus Holz, feltener aus Metall, 
mittels defien man multiplizieren, dividieren, po: 
tenzieren, Wurzel ziehen, aljo alle Rechnungen, bie 
fid) lo nal & behandeln laffen, in lurzer Zeit 
ausführen kann. Der R. befteht aus einem Lineal, 
in beflen Mitte fih der Länge nad) ein zweites 
Lineal, der Schieber oder die Zunge, in einem 
Falz verſchieben läßt. Die zufammenliegenden Kan: 
ten beider find mit Teilungenverfehen. Als Reden: 
ſcheibe bezeichnet man einen R. in Scheibenform, 
in dem eine größere Scheibe, der Limbus, ſowie 
eine auf diejem bemweglide Heinere Scheibe, die 
Albidade (f. d.), logaritbmifche Teilungen ent: 
halten. Die Rechenſcheibe ift wenig verbreitet. Vol. 
anni Tetmajer, «Theorie und Gebrauch des loga⸗ 
rithmiſchen N.» (Zür. 1875); Karl von Dit, «Der 
logarithmiſche R.» (Brag 1873). 

Rechnen, ſ. Rechenkunſt. 

Rechnung iſt Ps ft jedes Verfahren, bei 
weldem die Rechenlunſt gg | findet (Kallu⸗ 
lation). Im befondern Sinne heißt R. eine Liqui— 
dation oder ins einzelne ehende Aufitellung der 
Forderungen, welche Behörden, Anwälte, Mätler, 
Hgenten, rzte u. |. f. durch ihre Bemühungen und 
durch Beſtreitung von Verlägen bei der Belor ung 
fremder Angelegenheiten erworben haben. \jeder 
der Abteilungen, in welche die Buchführung einen 
Geſchãftsbetrieb zerlegt, und jedem Geſchäftsfreunde 
wird in den Handlungsbüdern eine befondere R. 
oder ein Conto gewidmet. Klagen aus Berläufen 
und Lieferungen brauchen nur den Gejantbetrag 
der Schuld anzuführen, wenn eine beigefügte R. 
jeden einzelnen Poſten nad) dem nd 
Gegenftande, Breife und den fonftigen Bedingungen 

enau aufzählt, während Abweifung wegen fehler: 
hiter —— erfolgt, wenn die Klagen ihre 

rläuterung bloß aus einem beigegebenen Conto— 
corrent (f. d.) erhalten foll, Man veriteht darunter 
Auszüge aus dem befondern Conto des betreffenden 
Kunden, welde wejentlih bloß die Poſten und 
Gegenpoiten nad der Summe und dem Tage, wo 
fie erwachſen, aber ohne Mitteilung der fonftigen 


r Ausführung von Rechnungen 
Bablen. Ei Shirtun sweiſe der | {cd 


Rechenmaſchine — Recht 


— 5— einander gegenüberſtellen. Beſondere 
Ausführlichteit und die Beigabe aller Belege macht 
ſich rüdfichtlich der Verwaltungsrehnungen 
erforderlich, die von Bevollmächtigten, Miterben 
und Miteigentümern, geichäftsführenden Geſell— 
often, Rormündern, Konluräverwaltern und 
andern Abminiftratoren fremder Vermögen abgelegt 
werden. Streitigfeiten über die Nichtigkeit foldher 
N. erledigt der Rechnungsprozeß (f. d.). Die Prü- 
fung der R. von Kirchen und Gemeinden en, 
Stadträten, fistalifhen Beamten erfolgt gewöhnlich 
im Berwaltungswege, und die lehte Feititellung der 
Staatshaushaltsrechnungen bleibt, wo eine 
tutionelle Verfaſſung befteht, den Ständen vorbe: 
halten. Mit Durdhmufterung der R. befhäftigen ſich 
im Staatädienfte eigene Kallulatoren 
fetretäre und Rechnungsräte, ſowie ala 
vifionsbehörde die DOberrchnungstammer — d.). 
«Sür fremde R.» handeln bedeutet joviel wie «im 
fremden Intereiie» handeln. Go flieht 3. B. der 
Kommiifionär im eigenen Namen, aber für fremde 
R. Handelsgefhäfte ab. si 
—— nennt man ſolche Werteinhei⸗ 
ten, die nicht durch beſondere wirlliche Münzen, ſon⸗ 
dern nur durch Teiljtüde oder Vielfache dargeftellt 
werben. Sierber Gehört die Hauptrehnungseinheit 
des Mittelalters, das Pfund oder Livre, das gleich 
12 Scillingen oder Sols und 240 Pfennigen oder 
Deniers gejept war, ‚In England wurde das Pfund 
Sterling erft 1816 in einer befondern Golbmünze, 
den Sovereign, ausgeprägt, während die früher 
brauchliche Guinee 21 Schilling und die größte Sil- 
bercourantmünze, die Krone, 5 Schilling galt. Auch 
das franz. Livre ift bis zur Revolution und der Ein: 
führung des Franteniyitems nur ausnahmsweiſe 
5 if a Aa * — „or unt 
aufenden Hauptmünzen in Frankreich im 18. Yabrh. 
die Ecus von 3 und 6 Livred und die Louisdor. 
— ia pe sfammer. 
Rechnungsm nie, & unter Münze und 
nn Br aka ——— 
echnungsprozeft. Im Anſchluß an 
Rechte läßt die deutihe Civilprozeßordnung ein 
ſchriftliches Verfahren zu in Rechnungsſachen Ber 
mögensauseinanderfeßungen und ähnliden Bro: 
eſſen; dasſelbe wird, wo die Zahl der ftreitigen An⸗ 
Ihrüdıe oder Erinnerungen gegen eine Rechnung 
oder ein Inventar e8 als angemeflen ericheinen 
läßt, vom Prozeßgericht angeordnet und findet vor 
einem beauftragten Nichter jtatt; e8 dient zur Vor: 
bereitung der mündlichen Verhandlung und hat den 
efamten Prozebftoff zu umfajien, ſodaß, was zum 
rotofoll des beauftragten Richters nicht erflärt ift, 
in der mündlichen Verhandlung nur geltend ge 
macht werden lann, wenn glaubhaft emadıt wird, 
dab es erft fpäter entitanden oder rtei befannt 
eworden üt. gl. Civilprozeordnung für das 

eutjche Reich, 88. 313—319. 

Recht ift in objeltivem Sinne ber Inbegriff 
der Normen, Regeln und Geſehe für die äußern Hand» 
lungen der Menſchen in ihrem Verhältnifje zuein 
ander; Recht in jubjeltivem Sinne bezeichnet 
dagegen die Befugnijje, auch gegen den Willen 


eines andern etwas zu thun oder zu u en, 
ohne fi) deshalb dem Tadel oder dem 

zwange — ‚Die Sphäre * was 

in der Mitte der übrigen thun darf, iſt die & 
feiner ——— ie wird begrenzt die 
R. anderer und ijt thatjächlich unter verjchiedenen 


Br 


TE EN a 


Recht auf Arbeit — Rechtfertigung 


Verhältnifien nah Inhalt und Umfang jehr ver: 
chieden begrenzt. Die Beichränfung der natür: 
ichen ara welche von jedem Rechtszuſtand un: 
—— find, führen auf die Srage, worauf denn 
ie Autorität beruhe, welche jeden auch noch ohne 
Rüdficht auf den zu erwartenden Zwang verpflic- 
tet, feine **— nicht willürlih zu über— 
chreiten, und we gi auf der andern Seite geftattet. 
ihn mit Gewalt in diefelbe zurüdzudrängen, ja jelbit 
überdies für gewiſſe Nechtöverlekungen nod ein 
Strafübel 558 en. Dieſe Frage iſt die nach 
er Idee Des R., d. b. nach einer von jeder Willkür 
unabhängigen Veftimmung über das äußere Ber: 
—* willensfreier Weſen zueinander; in der Auf: 
aſſung der Rechtsidee jedoch ſind die Meinungen 
der Philoſophen über ven lehten Grund der unver: 
brüdlichen Heiligteit des R. ve voneinander 
abgewiden. (5. Rechtsphiloſophie.) 
0 das R. eine Forderung an eine andere Per: 
- in ſich fließt, entipriht feinem Begriffe der 
er Verpflichtung oder Verbindlichkeit (obligatio) 
derjenigen Perſon, welche eine Leitung ſchuldig iſt. 
Hierbei treten den volllommenen R. oder Zwangs⸗ 
rechten, welche mit öffentlicher Autorität durchgeſeht 
werden können, die unvolllommenen oder moras 
liſchen zur Seite, bei denen diefes nicht der Fall iſt 
3. B. das R. auf die Dankbarteit deſſen, dem ich 
mich in einer Sache gefällig erwiejen habe, oder auf 
die Verfchwiegenheit defien, der mir diefelbe ange: 
lobt hat in Betreff eines ihm mitgeteilten Geheim: 
niffes. Daher werden zwiſchen öffentlichem und 
moraliſchem R. immer Unterſchiede beftehen müflen; 
nur dürfen diefelben nie fo weit gehen, daß irgendwo 
volllommene Wideriprüche — ihnen hervor⸗ 
treten. Zur Geſundheit alles Rechtsweſens gehört, 
dab die öffentliche Rechtsverfaſſung einer jteten 
öffentlihen Kontrolle * dem Maßſtabe eines 
Schutzes der moraliſchen R. und ch aller 
Mitbeteiligten unterworfen werde. Hierfür ift dann 
am beiten geforgt, wenn alle —— en 
auf repräfentativem Wege durch jelbjtgemwählte Ver: 
trauenämänner ihre gr moraliich gerecht gehaltenen 
orderungen und Anliegen zur öffentlihen Be: 
rehung und Abjtimmung bringen fünnen, Dieſes 
, einer möglichen aktiven Teilnahme aller Ber: 
fonen an ber Re oerfeliung nimmt darum jelbft 
unter allen moraliſchen R. der Staatsangehörigen 
die höchſte Stelle ein, Es liegt im Geifte des R. 
daß jeder Rechtszuſtand ee in der Form 
allgemeiner Verträge und Öefege eine unzweifelhafte 
Gültigkeit zu verſchaffen fucht; zum mindeiten müf: 
en die Willen, für welche etwas als R. gelten joll, 
abei fein, und Rechtsbeſtimmungen * ein zu: 
re Bewußtfein derer, welche babei beteiligt 
nd, mögen einen faltiihen Zuftand bezeichnen, 
aber einen Rechtszuſtand bezeichnen fie nicht. 
Ausdrüde, in denen das Wort Recht in ge: 
wiffen Zufammenfeßungen vortommt, welde ein: 
zelne Gebiete und Beziehungen des Nechtsorganis: 
mus bezeichnen, wie Brivats, Staats⸗, Vollkerrecht, 
Kirchen⸗, Kriminal-, Lehn-, Ari, Handels:, 
Wechſel⸗ Saden:, Berfonenredt u. . w,, erllären 
fid) urd) die Kenntnis der Gegenftände und Ver: 
bältniffe, auf welche ſich die betreffenden Rechts— 
normen beziehen, von jelbit; bisweilen bezeichnen 
ſolche Zuſammenſebungen auch nur die Formen des 
Gerichts, z. B. in dem Worte Standrecht. 
Necht auf Urbeit iit als ſozialiſtiſches Schlag: 
wort im wefentlichen gleichbedeutend mit Organi: 
Eonveriationd» Lexiton. 13. Aufl, XIIL 


529 


fation der Arbeit (f. d.). mn der vorm in 
welcher diefes Recht in den Konftitutionen ber erften 
und zweiten franz. Republik, aud) im preuß. Land: 
recht anerfannt worden, hat es nur die Bedeutung 
einer Einrichtung der öffentlichen Armenpflege, in 
dem bie — — arbeitsfäbiger Perſonen an 
die —— gelnüpft, daß dieſelbe eine ihnen zu: 
ewieſene Arbeit verrichten. Es wird dadurch mög: 
id), den Arbeitsloſen auf eine weniger bemütigende 
Art Hilfe zu gewähren, aber dieje Hil eleiftung 
bleibt dod) immer a dee Alt der Wohlt *— 
da die arbeitgebende öffentliche Körperſchaft, Staat 
oder Gemeinde, fid) nur nad) dem Angebot von un: 
—— Arbeitslräften, nicht aber nad) der 
Na fraoe nad) den Produkten richtet. Der auf 
m Markte zu erlangende Preis der Produlte wird 
daher möglicher: oder wahrſcheinlicherweiſe die aus 
öffentlihen Mitteln —* Koſten nicht 
deden. Andererſeits würden, wenn man ſich ein 
olches Syftem der öffentlichen Armenarbeit in gro: 
em Umfange verwirklicht dentt, aus demjelben für 
ie felbftändigen Handwerler und Gewerbtreibenden 
eine Konkurrenz entftehen, die diefen noch weit ver: 
derbliher wäre, als die der Oefängnisarbeit, über 
die jeht fo viel Klagen geführt werden. Kone: 
quenterweife müßte man alfo dann immer weiter 
gehen und zwar theoretisch bis zu einer Neuorbnung 
der ganzen Gefellichaft, in der die Verteilung der 
Arbeitskräfte und die Heritellung des Gleichgewichts 
von Produktion und Konjumtion nicht der Konlur: 
ren; und dem Iren Verlehr überlafien, fondern 
ſtaatlich oder gejellihaftlich organiftert wäre. So 
verſtehen die Sozialiſten das Recht auf Arbeit. 
Jeder Arbeitsfähige ſoll regelmäßig und dauernd 
eine paſſende Stelle im geordneten Organismus 
der Produktion innehaben ; eine Notlage, in der ihm 
durch öffentliche Wohlthätigkeit Arbeitägelegenbeit 
als Unterftügung gewährt wird, foll überhaupt nicht 
mehr vortommen können, [noetis. 
echt der eriten Nacht, ſ. Jus primae 
Nechte (die), im parlamentar. Sinne, ſ. Lin!s 
Rechte, |. ODblongum. [und rechts. 
Rechte Gerichtöfrühe, ſ. Frühe Gerichts— 
Nechter Winkel, f. unter Winkel. Leit. 
Rechtfertigung, im lirchlichen Sinne he 
ertigung dur) den Glauben, iſt nad) der 
uth. Dogmatik der innertrinitarifche, aber in ber 
Zeit und in Desiehung auf jeden —— beſon⸗ 
ders erfolgende At Gottes, durch welchen derſelbe 
dem Sünder auf Grund feines Glaubens das Ber: 
dienft Ebrijti —— ihn von den Strafen der 
Sünden um des unchuldigen Leidens und Sierbens 
Ehrifti willen losſpricht, ihn an Kindesſtatt ans 
nimmt und ihm die ewige Seligkeit erteilt. Sie 
erſcheint ſongch als ein richterlicher Alt Gottes, den 
die Dogmatik aud) ald actus Dei forensis oder ju- 
dicialis bezeichnete, dem griech. Ausdrude dıxalwsız 
entipredhend. Bon dem objektiven — ln on 
alt noch unterfdieden, obwohl häufig mit ihm zu: 
fammengefaßt, ‘ die Infinuation des elben an den 
Gläubigen durch den Heiligen Geilt, welde dur) 
Wort und Sakrament fich vermittelt, und die ba: 
durch in der Seele entzündete fubjeltive Gewißheit 
des Gerechtfertigtſeins. Der religiöfe Grund dieſer 
Lehre ift aber fein anderer als eben diefe jubjeltive 
Gewißheit jelbft, oder der in der Innerlichleit des 
frommen Gemütslebens empfundene Friede ber 
Seele mit Gott. Sofern nun die chriſtl. Frömmig⸗ 
leit diefen Frieden oder diefe Berföhnungsgewißhett 
34 


650 


auf die gefchichtlich durch Jeſus Chriftus vermittelte 

öfung zurüdführt, liegt e$ der dogmatiſchen Vor: 
ftellung nabe, diefes Hiftorifche nicht nur in der Ge⸗ 
wißheit der R. felbit als deren notwendige Grund: 
lage mit aufzunehmen —5— auch die R. ſelbſt 
nicht in dem Subjelte ſel ft, ſondern außer demſel⸗ 
ben als einen einzelnen göttlichen Gerichtsalt zu 
Stande kommen zu laſſen. Bereits der Apoitel 
Paulus Mmüpft feine Lehre von der R. aus dem 
Glauben ftatt aus Werten des Geſetzes an die That: 
ſachen des Kreuzestodes und der Auferjtehung Jeſu 
Chriſti an, durch welche er bie Abſchaffung der Ge⸗ 
fehesreligion und die Verſohnung der Menſchheit 
mit Gott vollzogen denlt. Der Glaube rechtfertigt 
daher im Sinne bes Apoſtels infofern, als er fi 
allein auf den am Kreuze Chrifti offenbarten Gna- 
denwillen Gottes verläßt, und dadurch die Zurech— 
nung des in Chriftus objeltiv und für alle Geſchehe⸗ 
nen an das —— ermöglicht. * ehre 
trat der ältern judenchriſtl. Anſchauungsweiſe gegen: 
über, nach welcher der Meſſias zwar für die Sünden 
des Volls gelitten, leineswegs aber dadurd die 
Aufhebung des mofaiichen Gefehes bewirkt habe, 
das vielmehr nad wie vor feine Geltung behalte, 
rg eg we auch nn —— 
lich ſeien. enſahe gegen die ung 
der fog. Guten Werte ‘ d.) in der mittelatertihen 
Kirche, d. b. der für befonders verdienftlich ange: 
fehenen,, firchlich auferlegten oder anempfoblenen 
Leiſtungen, wie Faften, Wallfahrten, Almojengeben, 
Noyentranzbeten, Monchsgelubde u. a. m., aber aud) 
gegenüber der aSelbſtgerechtigleit⸗, welche das Heil 
aus eigener Kraft verdienen zu können meinte, nahm 
die Neformation des 16. Jabrh. die pauliniſche 
Lehre von der N. aus dem Glauben allein wieder 
auf und ftellte fie als die eigentliche Grundlehre des 
Broteftantismus bin. Indem diejer alles Heil des 
Menſchen allein von der göttlichen Gnade erwartete, 
welche das Wollen wie das Vollbringen des Guten 
in uns bewirkte, fuchte und fand er den einzigen 
Troft befünmerter Gewifjen in der Gnade Gottes 
in Chriftus, die nur im lebendigen Glauben (fides 
salvifica), d. h. in der vertrauensvollen Hingabe 
des Gemüts an fie ergriffen werde, dem Gläubig: 
gewordenen aber durch das Geiſteszeugnis im Her: 
zen (testimonium Spiritus Sancti internum), die 
Vergebung feiner Sünden und feine Kindſchaft bei 
Gott verfiegle. Indem er aber gegenüber dem kirch- 
lihen Sahungsweſen, dem überſchüſſigen Verdienſt 
der Heiligen und den vermeintlichen heilsverdienen— 
den Bußwerken alles Heil allein auf das Berdienft 
Chriſti gründete, bebielt er zugleich die mittelalter: 
liche Lehre von der jtellvertretenden Genugtbuung 
Chriſti durch feinen blutigen Opfertod bei, in welcher 
er den einentlichen Mittelpunft des chriftl. Glaubens 
fand. So wurde der rechtfertigende Glaube doch 
wieder als hiſtor. und dogmatiſcher Glaube bes 
jtimmt, defjen rechtfertigende Kraft allein auf dem, 
wenn auch vertrauensvollen Fürwahrbalten eines 
äußern Faltums berubte. Gegenüber diefer Uußer— 
licpteit der luth. Rechtfertigungslehre erneuerte die 
fath. Kirche auf dem Konzil zu Trient einen Ge: 
danten Augufting, indem fie die N. mit der Heiligung 
in Eins fatjend, jene nicht als zugerechnete, fondern 
al3 eingegofiene Gerechtigkeit oder als fittliche Er: 
neuerungerllärte, wodurch ber Menfch in den Stand 
gejebt werde, gute, die Seligleit wirklich verdienende 
Werle zu thun. Uber aud innerhalb der prot. 
Kirche felbft hat es nicht an Verſuchen gefehlt, das 


Nechtgläubigkeit — Rechtsanwalt 


* 


ſittliche Interefie zu ug So faßte Andreas 
Oftander und die p yſtil die N. ähnlich; wie 
die kath. Kirche einen doch 
unter Feſthaltung des reformatoriſchen 

—— von der göttlihen Gnade als — 
rſache unſers Heils. Der em 

N. hinter —— aus der jene 

gehe, zurüd, während die Hationaliften dem 

von N. den Sinn unterlegten, daß nicht die 
— That, Q—ú er Geſinnung des 
enſchen vor Gott wo — 
und die Vermittelun nr a ie NR. als 
die Einpflanzung in “ mit 
——— Der religi ee 

iſt die * Heils 
—— mit Gott, die nur 
reine gr des natürlichen und 
Menfchen für das objektive Walten des 
* en —* durch die auf alles 

und Können nüber 

Hingabe des Ich u ewige nt 
und über uns, und an die geichichtliche Offenbarung 
der göttlichen Gnade in Jeſus 

werden kann. l. Ritſchl, «Die Sri. Bere von 
der R. und Verföhnung» (3 Bde,, Bonn 1 74; 
2. Aufl. 1882—83), 

Nechtglänbi ‚I. Drtbodogie, 
—— wen mit ve DD 
gung ein ‚wenn m 

zunimmt, fie aljo nad) der —— 
vor ſich geht, rüdläufig oder retrograd, wenn 
diefelbe in entgegengefehter Richtung 


Ron der Erbe aus gefeben ift die Bewegung der 


t l manchmal 
ung rd die je Stillftände ein; au 
Sonne 


ogen, iſt Die Bew der 
Eetäung. 2 i I Kometen, bern * 
elten gegen die Elliptit um mehr geneigt 
find, fommt, aud auf die Sonne bezogen, rädläu: 
nee pt der Zuftand mangelnder 
9 er n 
Rechtsherrſchaft, ie es bei Bol Untultur oder 
bei Anarchie oder Mißbrauch der Im 
engern und techniſchen Sinn bezeichnet NR. einen 
Zuftand verminderter Nechtsfä — deut: 
ſchen Mittelalter waren rechtlos Kämpfer ((.Ehbam+ 
pion) und ihre Kinder, unehelich Geborene und 
diejenigen, die einen Diebftahl, Raub oder ein nur 
mit Leibesitrafe belegtes Verbrechen 
der Buße gefühnt hatten. Sie erlitten eine 
fehung vor Gericht und konnten nicht als 
gürf precher, Urteiler auftreten, fie sun 
erlegungen mit einer —— nügen 
—— wenn * R. in Grund 
atte, nicht zum Reinigungseide gelaſſen. Auch 
waren —— Dagegen die 
und Rechtloſigleit der Friedloſigleit glei 
Folge ſchwerer Verbrechen oder 
eintrat und den davon Betro 
Geſetzes erflärte, Nicht ganz jo ſchwere 
der noch im franz. 
gerliche Tod (f. d.), 
Berluft der bürgerlichen 
der bürgerlichen Ehrenredte (f. d.) au bie 
Beſtimmungen des deutſchen S (©. 
Ghrenitrafen.) und rechts. 
Rechts, im parlamentarischen Sinne, j. Lints 
Nechtsanwalt ift die infolge der neuen 
organijation für das ganze Deutliche 





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Rehtsanwalt 


mäßig geltende Vezeichnung für Advolat, An: 
walt, Sachwalter, Fürjprecer u. f. w., eine Ber: 
fon, welde auf d ſtaatlicher Autoriſation 
in der Wahrnehmung prozeſſualer Parteiintereſſen 
ihren Beruf hat. Die Verhältniſſe der R. insbe— 
ſondere die Zulaſſung zur Rechtsanwaltſchaft, bie 
Rechte und Pflichten N,, die Anwaltlammern, 
das ehrengerichtliche Verfahren, die Rechtsanwalt: 
fchaft bei dem Reichsgerichte, find im Deutſchen 
Neiche geregelt durdy die Nebtsanmwaltsord- 
nung vom 1. Juli 1878, welche im gangen Um: 
fange des Reichs girineitie mit bem chtsver⸗ 
faſſungsgeſeß (1. Olt. 1879) in Sraft getreten iſt. 
Die wichtigiten Beitimmungen derfelben find: Zur 
Nedhtsanwaltihait lann nur zugelafien werden, 
wer bie Fahigleit zum Richteramte erlangt bat. 
Wer die Fäbigkeit zum Richteramte in einem Bun: 
desitante erlangt hat, kann in jedem Bundesjtaate 
zur Rechtsanwaltſchaft zugelafien werden. über 
den Antrag auf Zulajjung enticheidet die Landes: 
juftizverwaltung;; vor der Entſcheidung ijt der Bor: 
jtand der Anwaltslammer gutachtlich zu hören. 
Wer zur eur befäbigt ift, muß zu 


derjel den Gerichten des Bundesftaats, in 

er bie zum —— befäbigende Fro- 
fung beitanden ** auf feinen Antrag zugelaſſen 
—* (Freiheit der R.); das Recht auf Aula ung 
bei einem mehrern Bundesſtaaten gemeinschaft: 


lihen Gerichte wird dadurch begründet, daß de 
Antragfteller in einem diefer YBundesftaaten die 
gm ichteramte befähigende Prüfung bejtanden 

t; der Antrag eines nad) den bejtehenden Bor: 
ſchriften berechtigten Antragftellers darf nur aus 
den in dieſem Geſetze bezeichneten Gründen (Un: 
—5* BE Betleidu entliher ümter, be: 
hräntte tionsfähigtent, mit dem Beruf und 
der Würde des R. unvereinbare Befhäftigung, un- 
würdiges Berhalten, Schwäche lörperliher oder 
eig Kräfte u. f. mw.) abgelehnt werden. Die 
Zulaffung erfolgt bei einem beftimmten Gerichte 
(Grundfah der Lolalifierung). Der N. muß an 
dem Orte des Gerichts , bei welchem er zugelafjen 
iſt, feinen — nehmen (Domizilierungs⸗ und 
Reſidenzpflicht der R.). Auf Grund der Zulaſſung 
bei einem Gerichte ift der R. befugt, in ben 
Saden, auf welde die Strafprozehordnung,, die 
Eivilprozehordnung und die Konkursordnung Ans 
wen finden, vor jedem Gericht innerhalb des 
Reichs Verteidigung zu führen, als —— auf⸗ 
zutreten und inſoweit eine Vertretung durch An: 
mwälte nicht geboten ift, die Vertretung zu über: 
nehmen. Inſoweit eine Vertretung durch An: 
wälte geboten ift (Anwaltszwang), lan nur ein 
bei dem Br ericht zugelafiener R. die Ver: 
tretung als Brozehbevollmädtigter übernehmen. 
In der mündlichen Verhandlung, einfchliehlich der 
vor dem Prozjeßgericht erfolgenden isauf⸗ 
nahme, lann jedoch jeber R. die Ausführung der 

arteirechte und für den Fall, daß der bei dem 

ee zum Progekbevollmädhtigten beftellte 
R. iym die Vertretung überträgt, aud) dieſe fiber: 
nehmen. Die innerhalb des Bezirks eines Ober: 
landesgerichts zugelafienen R. bilden eine An— 
waltstammer; diejelbe hat ihren Sik am Orte 
de3 Oberlandesgerichtd. Die Zulafiung zur Rechts: 
anwaltihaft und die Zurüdnahme der Zulaſſung 
bei dem t erfolgt durch das Bräfivium 
des —— ts. Die Zulaſſung zur dan: 
waltſchaft bei dem Neichögericht ift mit Zulaffung 


551 


bei einem andern Gericht unvereinbar; die bei dem 
Neichögericht zugelafjenen R. dürfen bei einem an: 
dern Gericht nicht auftreten, Die Anwaltstanırer 
bei dein Neichögericht wirb durch die bei demſelben 

zugelafjenen R. gebildet. 
o alt wie das Richteramt ift auch die Anwalt: 
Gleich jenem ift fie ein 


Ihaft oder Advolatur. 
öffentlicher Beruf, deſſen Aufgabe in der Be: 
[dünne des —88 gegen Beeintrũchtigung 
ſeiner Rechte beſteht. Dieſe Aufgabe vollzieht jic) 
freilich anders als die des Richteramts. Während 
der Nichter rechtlichen Schuß kraft jeiner ftantlichen 
Gewalt wirklich verleiht, lann der R. nur dadurd) 
bilfreich werben, dab er feine Rechtslenntniſſe im 
Dienfte jeines Clienten verwendet und auf dieje 
Weije eine dem lehtern günjtige Entſcheidung des 
Rechtsſtreits herbeizuführen ib bemüht. Hieraus 
erllart fi, dab überall, wo die Sienntnis des 
Nechts aufhört, ein Gemeingut zu fein, und ein 
bejonderer Juriſtenſtand ſich bildet, auch die Advo⸗ 
fatur ſich zu einem engern reife rechtsverftändiger 
— — zuſammenſchließt. So bildete ſich in 
Rom, wo pr det der Republif noch der perjön; 
liche Einfluß eines nicht rechtsgelehrten Patronus 
oder Drators ausgereicht hatte, um die Aniprüche 
einer Partei vor Geridt in das rechte Licht zu 
eben, zur Zeit des Kaiſerreichs, bei entwideltern, 
eine wiſſenſchaftliche Erforſchumg verlangenden 
uftänden ein geſchloſſenes Kollegium von 
Anwälten (corpus togatorum), defien Mitglied: 
ſchaft durch Gintragung in eine Matritel erworben 
wurde und, neben einer gewiſſen Würdigleit der 
Herkunft, die vorgängige Abfolvierung eines Rechts 
tudiums, ja fogar das yon einer praltiichen 
rüfung vorausjehte. Galt diefe Bildung erliufi- 
ver Advolatentollegien mit befondern Privilegien 
in der röm. Kaiferzeit auch nur für die höbern Ge: 
richte, fo it jener Zuftand doch die Grundlage für 
fpätern Geftaltungen des Advofatenweiens 
geblieben. Nur machten ſich im Mittelalter Aus: 
artungen vorzüglich nad) zwei Richtungen hin gel: 
tend: einerfeit3 entſtand eine —“ tigung der 
Advolaten und eine mißtrauiſche Kontrollierung 
ihrer Thätigleit ſeitens der Gerichte, welche Kon— 
trolle noch zu den Zeiten des röm. Kaiſerreichs auf 
das ftrengfte verpönt war umd in der That mit der 
im Weſen des Advolatenberufs liegenden Unab: 
bängigfeit vom Richter im geraden Widerfpruche 
ſteht; andererfeits griff dann auch noch die Auf: 
faſſung plak, der Advofat fei ein niederer Yuftiz: 
beamter, welcher zur Beförderung der Rechtspflege 
von Staats wegen funktioniere. 
Diefe Ausartungen, in Verbindung mit ber in 
Deutichland ſich cinbürgernden Schrittlichleit des 
gerichtlichen Verfahrens, führten allmählich zu gan 
unbaltbaren Zuftänden ber Rechtspflege. Man ent- 
fernte fich immer mehr von der Vorſtellung, daß bie 
Advofatur zwar ein öffentlicher Beruf, aber ein 
freies Gewerbe, eine freie Kunſt jei, und betrachtete 
fie ala ein Staatöamt, das vom Staate verliehen 
und deſſen Ausübung gerade wie die eines jeden 
andern Staatsamts den Feſſeln oberbehörblidher 
Aufſicht ga nicht entzichen fönne, Nicht zum ge: 
ringiten Teile gründete ſich —2*4 Mißtrauen 
auf die durch die Schriftlichkeit Prozeſſes be: 
förderte Korruption des Advolatenftandes felber, 
weldier gegen Ende bes 18. au nicht allein im 
trafjeften Nabuliftentum fich gefiel, fondern die ſchutz⸗ 
bebürftigen Parteien oft auch auf das ſchmählichſte 
31 * 


532 


ausfog. Dies führte Friebrih d. Gr. dazu, in 
Preußen 1780 die Advolaten als freie Beiftände 
der Parteien ame abzuschaffen und an deren 
Stelle fog. Aſſiſtenzräte zu fehen, welche von Amts 
wegen und als Staatäbeamte den Barteien mit 
ihrem jurift, Rat zur Seite ftehen follten, Cine fo 
unnatürlice Bildung konnte felbitverftändlidh nur 
ganz furze Zeit ſich erhalten, on die Allgemeine 
Serihtsordnung für die preuß. Staaten von 1793 
mußte wieder die von den Parteien frei gewählten 
jog. Juftiglommiffarien anertennen, die aber 
aud unter dem veränderten Titel nichts anderes 
waren, als wirkliche, und zwar den Richtern unter: 
geordnete Staatöbeamte, deren Anftellung bei einem 
beftimmten Gerichte und mit Anweifung eines be: 
ſtimmten rg rn ledigli in der Hand des Yu: 
jtigminifterö lag und die in ihrer Amtsführung 
einem weitgehenden Auffichtärechte der Gerichte, 
fogar der unterften, und einem ziemlich arbiträren 
Entlaſſungsrechte unterworfen waren. Ein weient: 
lich gleichartiger Zuftand der Advolatur bildete ſich 
in eutich -Ofterteich und in Bayern heraus, wo 
ebenfalls die Advolaten wirlliche Staatsbeamte 
wurden. a diefe Weife wurden in dem größten 
Teile Deutichlands von dem Advolatenſtande alle 
dem Anfehen desselben früher gefährlich geweſenen 
Elemente ferngebalten. rohdem hat fidh dies 
fünftlihe Mittel der Hebung des Advolatenſtan— 
des ald unhaltbar erwiefen. Seit der Mitte des 
19. Pa ‚namentlich mit dem Berihwinden des 
ſchriftlichen Prozeſſes, gehörte die Neform der Ad: 
volatur in Deutihland zu den brennenden Fragen, 
deren Löſung durd die am 1. Oft. 1879 in Kraft 

etreteneReht3anmwaltsordnung imSinneder 

reigebung der Advolatur herbeigeführt 
wurde, —— trat auch eine vom 7. Juli 
1879 datierte Gebührenordnung für Rechts— 
anwälte in Kraft. In engem ——— 
mit der Form des gerichtlichen Verfahrens fteht der 
fog. Anwaltsjwang. S. Anmwaltsprozeh.) 

In denjenigen Ländern Deutſchlands, in welchen 
die Advolatur noch als ein Staatsamt erfcheint, 
ift fie vielfah mit dem Notariat (j. Notar) ver: 
fnüpft. Diefe Bereinigung verfchiedener Funktionen 
ift vielfach befämpft worden und wird bei einer 
Reform des deutſchen Notariat3_ vorausſichtlich be: 
feitigt werden. Dagegen ijt auf der andern Seite 
die Teilung der Advolaturgeſchäfte in die der reinen 
Vertretung der Partei (Brokuratur) und des Rechts: 
beiftandes vor Gericht (Advolatur imengern Sinne) 
nicht gerechtfertigt. Diefe Teilung hat ſich nament: 
lid) in Frantreich und England vollzogen, hat aber 
aud) dort viele Anfechtungen erfahren. Der avoue 
ift in Franfreih vom avocat ftreng geichieden. 
Jener betreibt die gefamte Inſtrultion des Pro: 
zeſſes und ijt der eigentliche Vertreter der Partei 
gegenüber dem Gericht; er gilt ald Beamter und 
berält fein Amt von der Regierung verliehen, ift 
übrigens berechtigt, feine Stelle in der Weile zu 
verlaufen, dab er der Regierung einen Nachfolger 
präjentiert. Der avocat dagegen iſt derjenige, wel: 
her in den mündlichen Verhandlungen vor Gericht 
die Sache feines Glienten verteidigt, plaidiert; 
feine Berechtigung beruht auf der Zulaſſung der 
Disciplinarlammer, welche erteilt wird, ſobald die 
Erlangung des Licentiats, einer juriſt. Gelehrten: 
würde, und die Abſolvierung einer dreijährigen 
Übungszeit nachgewieſen find. Die avocats werden 
in eine Matrifel eingetragen und bilden das bar- 


Rechtsbehelf — Rechtſchreibung 


reau des betreffenden Gerichtshofs. Eine beſondere 
Stellung nehmen in Fran die avocats à la 


cour de cassation ein, welche lediglich vor dem 
parifer Gaffationshofe plaidieren, bie nltionen 
des avoue und avocat in fid) vereinigen und ein 
geſchloſſenes Kollegium von beichränfter Mitglieders 
zahl (60) bilden. 

Ahnlich wie in Frankreich find in England die 
attorneys, den franz. avoues entipredhend, von 
den barristers (at law), den eigentlichen plaidie: 
renden Advolaten, geſchieden. Wie — 
tonzentriert (ia aud in England die 

ntelligenz des Advolatentandes in den lehtern, 
obſchon die Borbedingungen für bie *— F 
ber Praxis ber barristers noch viel larer find 
in Frankreich. In beiden Ländern mwurzelt die 
hohe foziale Stellung, deren die Advolaten (avo- 
cats un barrister) erfreuen, in der genofjen- 
ſchaftlichen, die Bildung einer befondern 
ehre befördernden Organifation der Advolatenver: 
eine und in der freien Konkurrenz, welche den Ein: 
fluß unbedeutender Kräfte erftidt, den 
aber die freiefte Bahn ihrer Thätigkeit eröffnet. 

Litteratur. Über bie franz. Advolatur vgl. 
Dupin, «Lettres sur la profession d’avocat » 
(5. Aufl., 2 Bde. Par. 1832); Gaudry, «Histoire 
du barreau de Paris» (2 Bde., Par. 1864); Mollot, 
«Rögles sur la profession d’avocat» (2, nn 
2 Bde., Par. 1866); Berryer, «Le ministere pub 
et le barreau» (Par, 1860); Favre, «Discours du 
bätonnat» (4, Aufl., Bar. 1880). Über die engl. Ad⸗ 
volatur vgl. Nüttimann, «Engl. Civilprozeß⸗ (2p3. 
1851); Gneift, «Das engl. Berwaltun » 
(2. Aufl,, 2 Bde. , Berl. 1867); Hopf, «Genoſſen⸗ 
ſchaften der Anwälte in England» (im « 

[ob 1863). Für deutfche Zuftände find befonders 
olgende Schriften einflußreich gew z 
ner, «Reform des Advolatenitandes» (Epz. 1840); 
Leonhardt, «Zur Neform des Civilprozefles in 
Deutihland» (Hannov. 1865); Gneift, « Freie Ad: 
vofatur» (Berl, 1867); Jaques, «Die freie Advo: 
fatur und ihre Legislative Organifation» (Mien 
1868). Die lehtere Schrift enthält in einem Anz 
bang eine fiberficht über die damalige Lage der 
Advolatur in den einzelnen deutjhen Staaten, 
liber das geltende Recht vgl. Meyer, «Die Rechts: 
anmwaltsordnung vom 1. Yuli 1878 erläutert» 
Berl. 1879); Meyer, «Die Gebührenord für 
Rechtsanwälte vom 7. Juli 1879 erläutert» 
1879); Siegel, «Die gefamten Materialien zu der 
Rechtsanwa —— CLpʒ. 1883). 
echtsbehelf, ſ. Rechtswohlthaten. 

ei ge ‚% Are quasi Dear. 

€ reibung, Ortbograpbie Pr 
ein Teil der Orammatif, welcher davon —* 
die Sprache durch Schriftzeichen dargeſtellt werden 
oll. Sie ſcheidet ſich in die Lehre von der Dar: 


tellung der einzelnen Wörter durch Buchſtaben 
— im engern Sinne) und in die Lehre 
en 
Darftellung der einzelnen Wörter durch 
beruht auf der *— Die Lau im 
—8 

zerlegt das geſprochene Wort in 

Laute und ſtellt jeden dieſer Laute durch ein befon: 

(3. B. das Sanstrit) befiken eine in A 

endete Lautſchrift. Die meiſten * —— 
e — 


von atzzeichen iſ. Interpunttion). Die 
Unterſchied von der Begriffsſchrif (f 
feine 
deres Zeichen dar. Aber nur wenige Sprachen 
rt volls 
fang an einer Schrift bedient, d Lauten 





Rechtſchreibung 


nicht volllommen angemeſſen war. Das Ziel aber 
das man ſich ſtedte, war nichtsdeſtoweniger, dur 
die Schrift für das Auge ein treues Abbild der ge— 
ſprochenen Sprache zu geben. Man gab die Laute, 
die das Ohr vernahm, mit möglichfter Genauigkeit 
durch Schriftzeichen wieber und folgte aljo dem ein: 
fachen Grundfag: «Schreib wie du prichit.» Bald 
aber zeigte ſich, dab die auf ſolche Weiſe durch die 
Schrift wiedergegebene Sprache nur die einer be: 
timmten Zeit und einer beftimmten Gegend war. 
as zuerjt die Zeit betrifit, fo änderte fi) im Laufe 
ber Jahre die — Sprache. Dieſen Unde— 
rungen gegenũüber konnte die Schrift einen doppelten 
Weg einihlagen. Entweder fie behielt die alte, der 
üben Sprache angemefiene Schreibung bei, mochte 
auch die inzwiichen geänderte Ausſprache ſich noch 
fo weit von den duch jene ältere Schreibweife aus: 
eg: Lauten entfernen (hiſtor. Schreibweife). 
ber fie ſuchte den geänderten Lauten der geſproche⸗ 
nen Sprade gerecht zu werden und vide geänderte 
Sprache ebenjo treu durch Schriftzeihen wieder: 
zugeben, wie die —— Schreibweiſe die Sprache 
rn Zeit auszudrüden bejtrebt war (phonetiſche 
ee Der hiſtor. Schreibweife, wenn aud) 
nicht in voller Strenge, folgt das Engliſche und das 
5 e, der phonetiſchen das Stalienifche. Das 
Deutſche hat ſich gleichfalls der phonetiihen Seite 
ugewenbet, ohne doch die Konſequenz des Jtalieni: 
chen zu befolgen. Zweitens aber war jene erite 
Wiedergabe der Sprache durch die Schrift nur bie 
Wiedergabe einer beftimmten Mundart, Die fo in 
Scriftzeihen gefaßte Sprache gehörte mur einer 
bejtimmmten Gegend, ja genau genommen, nur einem 
beitimmten Menſchen an. Andere Gegenden hatten 
andere Munbarten; ja felbft die Angehörigen einer 
und derjelben Mundart unterfchieden fich im einzel: 
nen mannigfach voneinander, 

Je mehr nun aber der jchriftliche Gebrauch der 
Sprade 1d ausbreitete, um ſo mehr * te ſich 
auch über den einzelnen verſchiedenen Mundarten 
eine gemeinſame, überall gültige Schriftſprache. 
Nicht auf einmal, ſondern erſt ſehr allmählich ge: 
langte dieſe Schriftſprache zu einer vollftändigen 
übereinſtimmung. Bei der Feſtſtellung derfelben 
waren mehr und mehr auch die Grammaliker thätig. 
Auf Grundlage der vorhandenen Schriftwerte ſuch⸗ 
ten fie zu enticheiven, was ber richtigen Schrift: 
Fein gemäß jei, was nicht. Die neuhochdeutichen 

rammatiker des 16. Jahrh. legten bei ihren Feſt⸗ 
fehungen hauptſächlich den Gebrauch der kaiſerl. 
Kanzlei und die Sprache Martin Luthers zu Grunde. 
Aber in unzähligen Fällen, zumal was die R. be: 
teifft, war die Tibereinftimmung erſt berzuftellen, 
die Entjcheidung erft zu treffen. In biefer Weile 
find die deutſchen Grammatiler des 16,, 17. und 
18. \jahrh. t tie gewefen, einerfeit3 mit ber fich 
weiter entwidelnden Sprache fortrüdend, anderer: 
jeits auf ihre Feitjtellung eimvirkend. Für den 
oberjten Grundſaß der R. erklären die bedeutendften 
unter ihnen, dab die Schriftzeichen die Laute ber 
geſprochenen Wörter wiedergeben follen. So im 
17. Ja! — im 18, Gottſched und Ade— 
fung. «Schreib wie du ſprichſt⸗ ; das höchſte und 
vornehmite. — ür die Schrift, ſagt Ade— 
lung in feiner 1787 erihienenen «Volljtändigen An: 
weilung zur deutichen —— Daneben 
haben die beiden andern Gejehe, nämlich: «1) Ab: 
geleitete und zufammengejekte Wörter werben ihrer 
nachſten Abftanmrung gemäß, 2) Wurzelwörter und 


533 


alles, was als folde betrachtet werben muß, nad 
dem —— Gebrauche gefchrieben», nur fubs 
ſidiäre Bedeutung. j 

So war gegen Ende des 18. Jahrh. zur Zeit ber 
Duden Litteraturblüte, die deutſche A, im wejent: 
ichen feitgeftellt. Nur in einzelnen Bunkten haben 
fie dann J. Chr. A. Heyfe und andere in ben eriten 
Jahrzehnten des 19, yabıp. noch weiter gebildet, 
und zwar auf dem von Adelung und feinen Vor: 
ängern betretenen Wege. Da erſchien (1819—40) 
atob Grimms «Deutihe Grammatil» mit ihren 
babnbrechenden Entdedungen auf dem Gebiete ber 
erman. Sprachgeſchichte. Auf Grimms Anregung 
ty man num einen von der biöherigen Methode 
gänzlich verfchiedenen We »  Diefer hatte in 
dem — Merle nachgewieſen, dab die Um— 
wandlung der Laute in den german, Sprachen be 
ftimmten Geſetzen gefolgt iſt. Auf Grundlage diefer 
Gejepe glaubte man beitimmen zu Lönnen, welche 
Laute einem neuhochdeutichen Worte von Rechts 
wegen zufommen, und dieſe Laute wollte man auf 
eine möglichit angemefjene Weife durch die Schrift 
ausdrüden. Allein man vergaß, daß jene von 
Grimm nachgewieſenen Lautwandelgejepe jchon in 
den ältern german, Spracden eine feinesiwegs aus— 
nahmsloſe Geltung haben, und daß fie vollends im 
Neubochdeutihen von fo vielen Ginflüjien durch— 
treuzt werben, daß ihre Durdführung eine gan 
andere Sprade ergeben würde, als das wirkli 
vorhandene Neuhochdeutſche, wie es Goethe und 
Schiller gefchrieben haben und wie es jeder gebil: 
dete Deutjche von der Schule her handhabt, So 
mußte jener Verſuch einer ſprachgeſchichtlichen Ne: 
fonjtrultion der deutſchen riftipradhe an feinem 
Widerſpruche mit den biftorifch gegebenen That: 
ſachen Velen. Die Frage nad) der deutichen R. 
und m Bervolllommnung findet ihre Löſung viels 
mebr jo: Die Entwidelung unferer neubochdeutichen 
Schriftſprache läßt ſich von — —— über: 
baupt nicht trennen. Unfere Schriftiprache iſt keine 
Braninie le Mundart, fondern fie ijt unter dem Ein: 


uffe der verſchiedenſten Mundarten erwach en, und 
y 


ein, 


deswegen beantwortet fich die Frage, welche Form 
der Wörter denn in unſerer Schriftipradhe zu Recht 
beiteht, dahin: «Die Form, welche durd die über: 
lieferte —— ausgedrüdt wird.» yo Ver: 
änderung unferer R. hat ſich deshalb auf die Wort: 
form zu gründen, welche unſere überlieferte Schrei: 
bung ausdrüdt, Diefe Wortformen mag fie in 
noch einfacherer und zwedmäßigerer Weife, ald es 
bisher geſchehen ift, durch —— ——— 
ſuchen, die Wortform ſelbſt aber muß fie unan: 
getaftet laffen. Nur in folden Fällen, in denen bie 
gebildete Ausſprache in ganz Deutichland aue- 
einjtimmend von den durch die überlieferte Schrei: 
bung bezeichneten Lauten entfernt bat, könnte die 
he e entjteben, ob nicht bie —** ber jeht 
errichenben Ausſprache nachrüden folle. Doc 
auch in folhen Fällen würde, entiprechend dem 
überwiegend phonetifchen Charakter unferer Schreib: 
weise, der Grundfaß zu befolgen fein, daß die Unde— 
rung Ausſprache und Schreibung einander näber 
zu bringen, nicht aber durch Zurüdführung hiſtor. 
Schreibweiſen voneinander zu entfernen babe. 

m J. 1876 trat auf Veranlaffung des preuß. 
Kultusminifteriums in Derlin eine Konferenz von 
Sprachforſchern und Schulmännern zur Feſtſehun 
einer einheitlichen R. zufammen, für welde Rudol 
von Naumer einen Entwurf ausgearbeitet hatte, 





554 


der den Verhandlungen zu’ Grunde gelegt wurbe. | 


Unter Benukung der von dieſer Konferenz gemad): 
ten Vorſchläge wurde zunächit in Öfterreich (2. Aug. 
1879) und Bayern (21. Sept. 1879), dann auch 
in Preußen (durch einen Erlaß des Dinifters von 
Puitlamer vom 21. an. 1880) und in den übri en 
deutſchen Staaten eine berichtigte R. in den Schu 
len eingeführt. Diefelbe wird ſeitdem aufer in 
allen Schulbüchern vielfach ſchon in andern Wer: 
fen angewendet, fo 3. B. aud) in der —— 
Auflage des «Gonverfations:Periton». Vol. d 
«Berhandlungen der orthonrapbiichen Stonfere 
Berlin» (Halle 1876); außerdem: Michaelis, « 
Ergebniſſe der orthograppijchen Konferenz» (Be 
1876); Duden, «Die Zukunftsorthograpbie » (2p3. 
1876); Schmitz, «fiber R. und Drudichriit» (Köln 
1876); Sanders, «ur Regelung der deutichen R.» 
(in allnfere Seit, Ep}. 1875); derjelbe, «Hatedjis: 
mus der Orthographie » En 1878); Wilmanns, 
— — preuß. Schulorihographie · (Berl. 
830); 9. Paul, «Zur orthographiihen Frage» 
(Bert. 1880). Außerdem find zu nennen: Rudolf 
von Raumer, « Gejammelte fpradwifienichaftliche 
Schriften » (Frankf. a. M. 1863); Schröer, «Die 
deutiche R.» (Yp3. 1870); dehmann, «fiber deutſche 
Rt.» (Berl. 1871); Duben, «Die neue Schulortho: 
rapbie» (Nördl. 1881); derfelbe, a Orthograpbi: 
(de Wegmweifer nn das a rattifche Yeben» (2. Aufl., 
’p3. 1884); derſelbe ollftändiges orthograph. 
Wörterbud für die Schulen ( (9. Abdrud, Lpz. 1886). 
Nechtöfall nennt man ein vechtliches, im Beben 
wirtlich vorgelommenes oder nur fingiertes Ber: 
bältnis, das unter die gefeplichen Begriffe zu fub: 
funieren it. Da ſolche Rechtsfälle oft mt le 
Gigenheiten und Berwidelungen darbieten, jo geben 
fie den Stoff, an welchem fid) die Nehtsmifl enihaft 
und burd) fie die Gefeggebung in Berichtigung und 
Ergänzung der allgemeinen Grundſäße fortbildet. 
Zeils den praltiichen Zwed der Nechtzenticheidung, 
teild den theoretiihen der willenihaftlihen Dar: 
itellung findetmanin dem jus honorarium oder en 
torium der Römer, in der jurisprudence des 
Rechts, in dem common law der Engländer undi in 
der Praris der deutichen Gerichtshöfe. Am wei: 
tejten geben die Engländer in der Achtung gegen 
die gerichtlichen Entiheidungen einzelner Fälle, in: 
dem fie in jedem die Anerkennung einer Hegel 
finden, welche für künftige Fälle bindend iſt. Daher 
iſt ihre Rechtsgelehrſamkeit vornehmli auf Samm: 


lungen der gerichtlichen Entfheidungen (reports of | des 


adjudged cases) gegründet, weldhe vom Anfange 
des 14. Sehr). bis ne die neuejten Zeiten vorhanden 
ind, Für Deutſchland pr eö große Sammlungen 
er Rechtsſprüche, welche von den angeſehenſten 
Sprudtollegien und Obergerichten ausgegangen 
find, die aber, weil jedes deutſche Land fein eigenes 
— var 1 große Autoritäterlangen 
fonnten. t e8 ſich jekt mit den Ent: 
—— des he a melde, wenn aud) 
nicht formell, jo doch thatiächlich eine allgemeine 
Autorität in Deuti land ausüben. Das vieljeitigite 
Intereſſe gewähren die reg ge Rechtsfaͤlle 
owohl dem Juriſten von Fach als auch dem Pſycho⸗ 
logen und Menſchenbeobabier In dieſer Hinficht 
hat England die a Sammtlungen in 
den State trials, d. b. ſolchen Kriminalprozeſſen, in 
welchen die Anklage von feiten der rose 
geführt wurde, * Frankreich fanden die «Causes 
celöbres» von Bitaval (f. d.) großen Beifall. 


Rechtsfall — Rechtshilfe 


——— j. Rechtswiſſen— 
ſcha 
Rechtsgeſchäft iſt eine Willenserllärung er: 
laubten Sr rn. ſich hy: Erzielung eines 
rechtlichen 2 . b. auf Begründung, er: 
änderung oder ufhebung von Rechten richtet. 
Der Begriff ift alfo ein engerer als der des «Ge: 
ihäftan worunter jede Hanblung veritanden wer: 
den fann und worunter inäbejondere — ein 
Handelöetablifjement verftanden wird. 
derne deutſche Rechtswiſſenſchaft ——— fi 
hinſichtlich des R. mit der Weg was bei 
ſelben in feiner rechtlichen Wirkung —— 
mũſſe, ob der Wille oder die Etllärung. Denn der 
Normalfall, daß beide ſich deden, tritt oft infolge 
jertums nicht ein, insbeſondere bei Berträgen, und 
ier erhebt ſich leicht ein Zweifel, ob jemand, der 
äußerlich einen an ichen Alt vo 
men, fi durd) ung auf den Mang jeines 
Wiens (feiner Abſicht) von der daraus hervor 
gehen den Verpflichtung folle frei machen dürfen. 
e Yurispruden; it geneigt, dieſen Einwand, 
vorausgefeht daß bie Gegenpartei in gutem Glau⸗ 
= war, —A— Man teilt ey er ein in 
ein jeitige eh ige Befügung unb zwei: 
feitige, d. 4 Berträge, je nachdem der Wille des 
Hanbelnden allein genügt ober Wilentenigung 
mit einem anbern —* iſt. ondere R. 


dd de 
— J Lu Bchtanitfenfäaft 
ei 5 vg Gejeb: 


gebun 
R hängigkeit — Pe, ber Ki 
—*8 a Ehretjade Ende 1 
erhebung eintritt; eine 1 hr Aaer 
es ift bezüglich ihrer. er ee der 
das Urteil eines Gericht rt. Rad; der Det. 
ſchen — —————— er die R. folgende Wir: 
kungen: Wenn wäh r Dauer der R. von 
einer Partei bie Shreitfade anderweit anhãngig 
gemad;t wird, fo kann der Gegner die Einrede der 
R. erbeben; die ee des 22*5* 


. u Gefeg und 


wird durd) eine Veränderung ber ” 

Umftände nicht berührt; —— A nt be be: 
rechtigt, ohne Einwilligung bes Betlag en bie lage 
au ändern. Die N. auch —* avilredht: 
ie Wirkungen: ‚se unterbricht bie jährung 
macht die unvererblidhe Kla — feige 
bei der Eigentumsklage ben ng ber 


Bellagten u. f. w. Ben bis zur Be 
endigung des Prozefies durch Rüdnahme der KL . 
rechtäfräjtigeö Urteil u. f.w. Wirb bie Kla 
rüdgenommen ober wegen eines prozefiualen 

gels abgewiefen, jo fonımen die Wirkungen der R. 
wieber in Wegfall. Iſt rechtöträftig in in Sade 
jelbft entſchieden, fo tritt an Stelle —* ae 

R. bie der rechtskräftig entſchirden — 
Klage ke und ae. 


Redtspitfe, fe. Da jedes Gericht der Regel nad) 
Amtshandlungen nur inner feines Sprengels 


vornehmen darf (außerhalb desfelben nur mit Zu⸗ 
ftimmung des Amtsgerichts des Orts, ohne dieſe 
nur bei Gefahr im Berzua und unter "Anzeige an 
das betrefjende Amtögericht), jo muß, wenn im 
Laufe eines Prozelies eine tichterliche Handlung 
notwendig wird, die in einem anbern Gerichts⸗ 
bezirt vorzunehmen ift (4. B. Augenſchein, Ber: 
nebmung eines Zeugen), das Geridt diejes Be: 
zirts um Vornahme der Handlung erjucht werben; 


Eu” 


„u“ 


- Au ui m a hl 


— mw 


nu 


nn 


Rechtskraft — Nechtsmittel 535 


dies nennt man Erſuchen un R., Requiſition. Die 

R. zwi den ordentlichen beutichen Gerichten ift 
geregelt durch das Gerichtsverfaſſungsgeſetz, Tit.13; 
die R. zwiſchen den ordentlichen und den befondern 
Gerichten untereinander noch durch das Rechts- 
a — von 21. Nov. 1869. Die N. zwiſchen 
deutihen und außerdeutſchen Gerichten beſtimmt 
fih nad internationalen Vertrag oder Braud) 
(Prinzip der —— Nach dem Gerichts: 
verfafjungägefeg gilt: Die deutſchen Gerichte find 
einander zur R. verpflichtet, einerlei, ob fie dem: 

elben oder verſchiedenen Bundesftaaten angehören; 

orausjehung iſt nur, daß das erfuchte Gericht für 
die Handlung örtlich zuftändig und diejelbe nad) 
dem Recht des erfuchten Gerichts erlaubt fei. Un: 
bedingt iſt aber jtattzu dem Erſuchen eines 
im Inſtanzenzug vorgelegten Gerichts. Das Er: 
—* iſt immer an das Amtsgericht zu richten, in 
deſſen Bezirk die Amtshandlung vorzunehmen iſt. 
Streitigleiten in Betreff der R. entſcheidet das dem 
erſuchten Gericht vorgejehte Oberlandesgericht, auf 
Antrag einer Partei oder des erfuchenden Gerichte. 
Koften der R. find von dem erfuchenden Gericht 
nicht zu erftatten, die baren Auslagen ausgenom: 
men; doch hat es, wenn eine zahlungspflichtige 
Bartei vorhanden, von dieſer die Koſten einzu: 
En und dem erfudhten Gericht zu ü itteln. 
Urteile und Beihlüfje eines deutſchen Gerichts 
im ganzen Reich3gebiete wirlſam find, jo bedarf es 
zum Zwed von Bollftredungen, Buftellungen, La⸗ 
dungen nicht erſt bed Erſuchens um R.; vielmehr 
lann ein Gerichtövollzieher unmittelbar bamit be: 
au t werben. 

‚Re „ im formellen Sinne, hat eine ge: 
richtliche Entſcheidung, welche für den erlennenden 
Richter unwiderruflich ift, dann, wenn fie auch 
nicht (begiehungsmweife nicht mehr) durch (ordent: 
liche) tömittel (j. d.) anfechtbar üft, fei es, weil 


gegen ſolche Entſcheidungen überhaupt fein Rechts: 
x. Rechts: 


mittel —243 oder das an ſich e äffi 
meittel tzicht oder Ablauf der Nechtsmittel: 
feift ausgeſchloſſen iſt. Materielle R. (tm weiteften 
Sinne) bedeutet, dab der Inhalt der Entſcheidung 
prozeſſualiſch unantaftbar ift: das im Urteil An: 
erlannte dann nicht mehr mit Wirkjamleit in Ab: 
rede geitellt, das Berneinte nicht mehr mit Wirt: 
jamfeit behauptet werden. Was den Umfang der 
N. betrifit, jo beftimmt die Deutſche Civilprozeß⸗ 
ordnung, $. 293, daß Urteile der R. nur injoweit 
fähig vn, als fie über den durch Rlage o 
Di e erhobenen Anſpruch enticheiden; dab 
die Entſcheidung über eine durch Kompensations: 
einrede geltend gemachte Forderung der R. fühig 
8 bis zur Höhe des aufzunehmenden Betrags; in 
ubjeltiver Hinficht wirkt die R. nur unter den Par: 
teien, fofern nit ausnahmsweiſe das Civilrecht 
den Urteil Wirlſamleit auch gegen dritte beilegt. 
m Strafprozeß reicht die R. weiter, da hier Gegen: 
and des Urteils nicht bloß das in der Anklage 
angenommene Delikt, ſondern die in der Anllage 
individualifierte That des Angellagten iſt, dieſe 
alio auch nicht unter einem veränderten ftrafredt: 
lichen Geſichtspunlt gegen denjelben Angellagten 
zum Gegenitand einer neuen Unterfuhung und 
Entideidung gemacht werben darf, — Soll eine 
Sade, über die ſchon entſchieden ift, wiederholt 
zum Gegenjtand eines Prozeſſes und Urteils ge 
macht werben, jo verteidigt jich dagegen ber Be: 
Hagte mit der Ginrede der rechtskräftig entſchie— 





denen Sache. Die formelle R. ift bie Borausfehung 
der Vollſtredbarleit des Urteils, doch erleidet diejer 
Sas im Civilprozeh erhebliche Einfchräntung durch 
die «vorläufige Bollitredbarfeit» (f. d.). — it aber 
das Urteil a. formell rechtskräftig geworden, jo 
gemäbrt doch noch die Rechtsordnung aus befon: 
ern Gründen die Möglichkeit einer Wiederauf: 
nahme des Verfahrens, jo wenn das Urteil auf 
ftrafbarer Handlung, einem Meineid beijpielöweiie, 
berubt, in befonder8 weitem Umfang im Etraf: 
prozeß zu Gunſten des Verurteilten, namlich ſchon 
dann, wenn neues Entlaſtungsmaterial zu Tage 
etreten. (5. Wiederaufnahme des Ber: 
A Ba ge tteil.) 
echtömittel (remedium juris) im weiteften 
Einne bedeutet jeden Rechtsbehelf zur a 
oder Verteidigung von Necdhten (Angrifis: oder Ver: 
teidigungsmittel, wie Klage, Einrede u. ſ. w.). In 
einem — Sinne verfteht man aber darunter 
olche Rechtsbehelfe, welche dazu beftimmt find, 
ie Entſcheidung einer Prozeßſache anzufechten und 
eine —— terl he Prüfung eizuführen, 
Sie können die Nachprüfung der That: und der 
Rechtsfrage bezweden (fo die Berufung) oder nur 
der töfrage (fo die Revifion); fie önnen bloß 
r Aufhebung angefochtenen Enticheibung 
been unter Rüdverweifung in bie untere Jnftanz 
(fo immer die franz. Cafjation) ober auch zur Ab: 
änderung berjelben; fie fönnen fi gründen auf 
einen —* in den prozeſſualen Borausfehungen 
der Entſcheidung oder auf die materielle Unrichtig⸗ 
keit ihres Inhalts; fie können gedacht jein als die 
Fortſetzung eines noch nicht definitiv abgeſchloſſenen 
oder die —— ſchon beendigten Ber: 
[einen bezwedend; bei der erften Auffafiung fallen 
ie in_ben Lauf des ge hinein 
und find darum im engere zeitlihe Grenzen ein: 
en (decendium des frühern gemeinen 
echts); ſolche N. nannte bie allgemeinrechtliche 
Doltrin wg im Unterfchied zu den außer: 
ordentlichen R. Die R. können ſich ferner danach 
unterſcheiden, ob fie die wiederholte Prüfung des 
eriennenden Gerichts felbit oder die Nachprüfung 
eines höhern Richters verlangen (nicht devolutive 
oder devolutive R.); ob ihre Einlegung den Vollzug 
der angefochtenen Entſcheidung hemmt (Suspens 
fiveffelt) oder nidt. . 
Als ordentlihe R. gegen Urteile, ſowohl für 
Civil: wie für Strafprozeß, kannte das frühere ne: 


der | meine Recht hauptſächlich folgende: die Appellation 


(devolutiv,, fuspenfiv, Nachprufung der That: und 
der Nechtöfrage bezwedend; im Inquiſitionsprozeß 
j. da war neben oder vieljad, ftatt derjelben das 
og. «remedium ulterioris defensionis» , «weitere 
Verteidigung», in Gebrauch, die nodmalige Prü: 
fung des Verteidigungsmaterials bezwedend), bie 

eihwerde wegen heilbarer Nichtigkeit (querela 
nullitatis sanabilis), als außerorbentliche: die Be: 
ſchwerde wegen unbeilbarer Nichtigteit (querela 
nullitatis insanabilis) und die —— * in 
den vorigen Stand (restitutio in integrum); das 
R. gegen progehleitende Verfügungen war bie que- 
rela simplex, die einfache Bejhwerde. Die deutiche 
Reichs juſtizgeſehgebung kennt nur ſolche R., welche 
ordentliche in dem bezeichneten Sinne ſind; die 
Einteilung in ordentliche und außerordentliche N. 
ift ihr unbefannt; Wiederaufnahme und Wieder: 
einfegung fallen nicht unter den Begriff der R.: 
R. find danach nur ſolche Rechtsbehelfe, welche die 


536 


Anfechtung einer nicht rechtäkräftigen (f. Rechts— 
traft) Entſcheidung vor einem Wien Nichter be: 
zweden. Die R. der Civil: wie der Strafprogeb: 
ordnung find: die Beſchwerde (einfache und jo: 
fortige), die Berufung und die Reviſion. Die R, 
ſehen ein Anfechtungsinterefje der Partei voraus 
und wirken nur zu Öunften der Partei, welche fie 
eingelegt bat, fie können nicht zu einer ihr nad 
teiligen Aufhebung oder Abänderung (reformatio 
in pejus) führen (vgl. Anſ LE es iſt aber 
im Strafprozeb das Staatliche Intereſſe, welches 
bie Staatsanwaltidaft vertritt, durch jede um: 
gerechte Entſcheidung verlegt — auch eine dem Be: 
Ihuldigten ungünftige, und es kann daher bie 
Staatdanwaltihaft R. auch zu Gunſten des Be: 
ſchuldigten einlegen und kann jedes von der Staats: 
anmaltichaft eingelegte R. zu einer Aufhebung oder 
Abänderung der Entſcheidung auch zu Gunſten des 
Beſchuldigten führen; darum bedarf die Rüdnahme 
bes von der Staatsanwaltſchaft eingelegten R. der 
Zuftimmung des ee Die prozefjualen 

orausfekungen der Zuläfligkeit des R. bat das 
Gericht von Amts wegen zu prüfen, im Fall ihres 
Mangels das N. als sunzuläffig» zu verwerfen; 
die Entſcheidung über das R. felbit kann demſelben 
ftattgeben (Aufhebung, beziehungsweife Abänderung 
der angefochtenen Entſcheidung) oder es als un: 
begründet — (alſo die — Ent⸗ 
ſcheidung beſtätigen). Während zu der Schwer: 
fälligleit und Langſamkeit des frübern gemein: 
rechtlichen Givilprozefies viel der Umſtand beitrug, 
daß alle aud in den Lauf des Prozeſſes fallende 
Entſcheidungen appellabel waren, ik im heutigen 
—— die Berufung nur gegen Endurteile 
(und beſtimmte ihnen gleichgeſtellte —— 
ſtatthaft. Der «Suspenſiveffelto der R. iſt im heu— 
tigen Civilpro eß erheblich beſchränkt durch die 
«vorläufige Bo —— (ſ. d.). Sofern die R. 
ſich an einen höhern Richter wenden, iſt durch die— 
ſelben bedingt ein Verhältnis der über- und Unter: 
ordnung, «ein Anftanzenverhältnis» der Gerichte. 
2 Geriht und Gerihtsverfaffung.) Die 
R. find in der Deutichen Civilprozehordnung im 
dritten Buche und in dem gleihen Buche ber 
Strafprozehordnung bebanbdelt. 

en aieine, j. Succeffion. 

Fee . Gerihtöbarleit. 

Rechtsphiloſophie oder philoſophiſche 
Ne re ift derjenige Zweig der Pbilofophie, 
welder ſich mit der Ableitung der Begriffe des 
Rechts und des ftaatlihen Lebens aus den all: 
gemeinften Prinzipien beſchäftigt. Diefe Aufgabe 
wird von der fog. hiſtoriſchen Schule geleugnet, 
welde das Recht lediglih für ein Produkt der 
biftor. Verhältniſſe und für eine Summe von Feft: 
jehungen erklärt, welche ſich bei jedem Volke je nad) 
der Verſchiedenheit feiner natürlichen und geichicht: 
lichen Bedingungen notwendig geftaltet haben. Aus 
diefem Grunde fann die Wiltenihaft vom Recht 
fih nur auf die thatfächliche Die ing desſelben 
und auf den Nachweis ſeiner hiſtor. Entitehung be: 
Schränken. Die R. feht dagegen einen Beariff von 
Net voraus, welcher von ben biftor. Verwirk— 
—— unabhängig iſt und infolge deſſen um: 
gelehrt zu einer Kritik der jedesmal beitehenden 
und ————— Rechtszuſtände ſich eignet. 
Ein ſolcher Begriff kann ſelbſtverſtändlich nur aus 
alfgemeinen philof. Überlegungen auf Grund einer 
Betrachtung des menihlihen Weſens gewonnen 


Rechtsnachfolge — 


Rechtsphiloſophie 
ben, Dabei I ber prinzipi i 
Sefihtäpuntte BA Entweber us 2 


überzeugt fein, dab das * ſeine Wurzel in dem 
urſprunglichen un emeinen wirklichen Weſen 
des Menſchen habe, d. h. daß es in der Natur des 
Menſchen begründet fei; in dieſem —* wird man 
darzuftellen haben, welches die natürlichen, mit bem 
Meien des Menfchen felbft gegebenen te find, 
und in diefem Falle geftaltet die. ur atur: 
recht: oder aber man betrachtet das Hecht als eine 
der Aufgaben, welche die Menfchbeit in ihrer Ent: 
widelung IM erfüllen bat, als ein - 
fie in den hiftor. Rechtsformen in mehr ober 
unvolllommener Weife erreiht und deſſen Dar: 
—* ſich deshalb auf einen Entwurf des idealen 
enſchentums zu ſtühen hat. In dieſem Falle iſt 
die R. ala ein Teil der Moralphilofophie von deren 
allgemeinen —T8 abhängig zu machen. 
ie Geſchichte der N. bietet einen ftetigen Wechfel 
und von Zeit zu Zeit Verfuche der Verf 
—— ieſen drei möglichen Auffaſſun 
ar. Schon das Altertum zeigt in den 
bei deren auögejprochener Anſicht, daß das 
jebesmal aus der Macht bes Stärfern fliche, 
biftor. Standpunft, in den Eynifern e von 
der ben Oel der Kulturverhältniſſe zu eimer 


N 


natürlichen Geitaltung des gefellihaftlichen Lebens 

zurüditrebten, denjenigen des Naturrechts, in feinen 

großen Dentern Plato und Nriftoteles 

den Begriff der idealen N. Plato dachte den 

als den Menfhen im großen und glieberte in 

feinem Spealitaate die er de wie er ſich bie 

pſychiſchen Thätigkeiten des ſittlichen 286 ge: 

ordnet dachte, derart nämlich, daß die Wiſſenden 

die Herrfchaft über diejenigen führen follten, welche 

nur teild zur Ausübung der gegebenen 

teils zur Befriedigung per materiellen Bebü 

der Geſellſchaft thätig find. Ariſtoleles war von 

der Überzeugung durchdrungen, ba 

feine fittlichen Aufgaben nur in der ſtaatlichen 

meinfchaft löfen könne, daß aber dieſe deshalb von 

Grund aus und in allen 7. einzelnen 

von diefem Gefihtspuntte beherrſcht fein e. 

In der Folgezeit us das fittlihe Bewußtjein 

Renſch eit belanntlich ein immer intenfiver reli- 

niöfes Gepräge an, und die Folge Davon war bie, 

daß auch die philof. Nechtstheorien den Staat ala 

eine Anjtalt u Beförderung ber fittli 

Aufgabe des Menfchen A anfı 

chriſtlichen Scholaftit ſprach fich dies in der 

aus, daß als das oberjte Prinzip auch der ftaat: 

lien Gejebgebung der göttlide Wille 

wurde. Dadurd kamen theoretiich wie 

die Rechtsinſtitutionen in ein Ab töver: 

bältnis von den kirchlihen Sakungen, und e8 war 

ein natürlicher Nüdichlag, daß mit der —— 

überall das Beſtreben ſich geltend madte, die N, 

von theol. Vorausfegungen unabhängig zu machen, 
Zu diefem Zwede fuhte Machiavelli das 

als einen Ausflug des nationalen Lebens zu be 

greifen und Bodinus dasjelbe lediglih aus bem 
iſtor. Verbältnijien er is andern 
eite begannen mit Thomas Morus die bis in bie 

neuefte Zeit binabreichenden — einen idealen 

Zuſtand der Geſellſchaft von möglichſt natikclicher 

Bethätigung ihrer Bedürfniſſe und ag 

darzuſtellen. Wiſſenſchaftlicher gingen 

vor, welche dem Recht eine eigene, 

beruhende und in der Vernunft 


Nectsritter — Nechtsfchule 


zu verſchaffen fuchten. Anfangs vergrifi man ſich, 
wie Gentilis, indem man die Nechtägefehe aus den 
allgemeinen Raturgefepen abzuleiten dachte; fpäter 
wurde Hugo Grotius der Begründer der modernen 
R., indem er das hiſtor. Recht von dem natürlichen 
Rechte beoriftfich unterfchied, das erjtere aus der 
Willtür der Menſchen und dem Verlaufe der Ge: 
ſchichte, das lehtere aus der unabänderlichen und 
ewig gleihen Natur des Menfchen ableitete, beiden 
aber das göttliche Recht als den in der Offenbarung 
niedergelegten Ausdrud des göttlichen Willens 
entgegenitellte. Grotius gab fodann der neuern R. 
anfänglich ihre bejtimmende Richtung, indem er 
das Naturrecht, das eigentliche Objekt der R., für 
etwas mit dem Naturzuftande des Menfchen Ge: 
gebenes erklärte und den Staat für eine von den 
Menſchen zur befiern Wahrung dieſes ihres ur: 
Bei rn Rechts geſchloſſene Gemeinſchaft an: 
ſah. Infolge deſſen gewöhnte man ſich im 17. und 
18. Jahrh., das Recht ala etwas dem Staatsleben 
Rorberge ndes und den Staat als ein Mittel zur 
Wahrung desjelben zu betrachten. Bon dieſem 
Geſichtspunkte aus entwarf man in diefer Zeit die 
Theorie des beften Staats als desjenigen , welchex 
diefen Zweck am vollendetjten erfülle, und ford 
allen Staatöformen , von denen man meinte, ba 
fie biefem urfprünglichen Recht nicht entiprächen, 
die Berechtigung zur Griftenz ab. So nahm die N. 
den beſtehenden Staatseinrihtungen gegenüber 
eine kritiſche, polemifche und ttitig revolutio: 
näre Geſtalt an. Dabei machte fid) wiederum ber 
Unterfchied geltend, daß bie einen meinten, der 
natürliche zen der Gefellidhaft enthalte eine 
jtete Gefährdung des natürlichen Nechts und müſſe 
deshalb dur die Staatseinrichtungen korrigiert 
werden. So dachten Hobbes und Spinoza, wenn 
aud) eriterer mit abſolutiſtiſchen, lebterer mit 
republifanishen Konfequenzen. Die andern ba: 
geoen träumten von einem Urzuftande der Gejell: 
haft, in welchem das Naturrecht realijiert ge: 
weien, welcher durch den Verlauf der Geſchichte 
nad) allen Seiten zeritört und verzerrt worden und 
defien Wiederberftellung deshalb die Aufgabe der 
Zukunft fei. Der —“* Vertreter dieſer Anſicht 
war belanntlich Rouſſeau. Allen gemeinſam aber 
war die —— daß der Staat auf Grund der 
natürlichen Rechte durch eine freie Vereinigung 
feiner Bürger entitanden fei und beshalb jeden 
Augenblid neu entitehen könne, Diefer Anficht 
buldigten auch diejenigen, welde, wie Lode und 
Montesquieu, bei der Bildung des beiten Staats 
eine Berüdfihtigung der gegebenen Berhältnifie 
befürworteten. 

n ber beutichen R. war der Gedanke des Natur: 

t8 hauptfächlich durch Pufendorf vertreten wor: 
den, und namentlich Thomaſius und feine An: 
bänger fuchten dasfelbe durch eine Feititellung ber 
rein äußerlichen Beziehungen der Gejellichafts: 
mitglieder zu beſchränlen. Auf der andern Seite 
aber hatte fchon Leibniz das Rechtsleben als eine 
der Stufen zur Nealifierung der fittlihen Aufgabe 
des Menſchen beitimmt, Aber ſchon bei Kant durd 
drangen fid) beide Auffafjungen: er fuchte zwar die 
Begriffe der Legalität und der Moralität ſcharf 
voneinander zu ſondern und ber Nechtälehre nur 
die Entwidelung ‚derjenigen Beltimmungen zu: 
umeifen, welche in dem äußerlihen Zufammen: 
—9 die Freiheit des Einzelnen neben derjenigen 


aller übrigen zum Ausdrud fommen laſſen. Aber 


537 


indem er biefen fittlichen Begriff, ber Freiheit zum 
Angelpuntt der R. machte, und indem er in feinen 
geſchi * Betrachtungen die Realiſierung 
der Freiheit als bie höchſte Aufgabe der menſch— 
lihen Kulturentwidelung bezeichnete, ftellte er das 
Nechtäleben im ganzen derartig unter den fittlichen 
Gefihtspuntt, daß die folgende deutſche Philo— 
fophie wiederum den Staat weſentlich als die not- 
wendige Form der Betbätigung des fittlichen 
Lebens der Menfchheit zu Fonjtruieren fuchte. In 
diefer Hinficht ift namentlich die — R. her⸗ 
vorzuheben, welche, indem ſie den Staat geradezu 
als die Realiſierung der ſittlichen Idee definiert, 
in der aufſteigenden Reihe der Staatsformen des 
geſchichtlichen Lebens die Entwickelung des ſittlichen 
Menſchengeiſtes erblickte. Sie fand zwar an der 
ſog. hiſtoriſchen Schule, welche wiederum das Recht 
nur aus hiſtor. Sahungen und zum Teil aus gött⸗ 
liher Gefekgebung ableiten wollte, entſchiedene 
Kenner: aber fie brach doch in weitelten Kreiſen ber 
Anſicht Bahn, daf der Staat nicht ein ee 
und dem Individuum äußerliches Gebilde, jondern 
vielmehr fein fittliches Lebenselement fei. Dieſem 
Beitreben, den Staat zum Mittelpunft des menid- 
* Gefellſchaftslebens zu machen, famen auf der 
andern Seite die fozialiftiichen 3 —* entgegen, 
welche die Loſung aller Schwierigleiten des Gejell: 
ichaftälebens von der ftaatlihen Geſetzgebung ver: 
langen und durch diefelbe für möglich halten. Da- 
durh wurde für die N. allmählich eine Unter- 
ordnung unter die allgemeine Gefellichaftswijien- 
[eft angebahnt und ihr der Gefihtspunft gegeben, 
ab fie die allgemeinen Formen des äußern Zu: 
fammenbang3 entwideln Toll, ohne weldye die Ge: 
ſellſchaft ihre böhern Aufgaben nicht zu löfen im 
Stande it, und welche deshalb von der Geſellſchaft 
nötigenfalls erzwungen werden dürfen. 

Aus der umfangreichen Litteratur über. find 
hervorzuheben: F. von Naumer, «Die geidhichtliche 
Gntwidelung der Begriffe von Staat, Recht und 
Volitik» (2pz. 1826; 3. Aufl. 1861); I. J. Roßbach, 
«Die Perioden der R.» (Regensb. 1842); H. Link, 
«Entwurf einer Geſchichte der N.» (Dany. 1846); 
Paul Janet, «Histoire de la philosophie morale 
et politique dans l’antiquit& et les temps mo- 
dernes» (Par. 1858); N. Blakey, «History of 
moral science» (2, Aufl., Edinb, 1863); Stahl, 
«Mhilofopbie des Rechts nad geſchichtlicher An: 
ficht» (Bd, 1: «Die Genefis der gegenwärtigen R.», 
3. Aufl. , Heidelb. 1853); 9. F. W. Hinrichs, «Ge: 
jchichte der Necht3: und Staatsprinzipien feit der 
Reformation» (Lpz. 1848—52); J. H. Fichte, «Die 
Bu Lehren von Recht, Staat und Sitte jeit der 
Mitte des 18. Jahrd.» en. 1850); 3. Vorländer, 
«Gejchichte der philoſ. Moral, Nedtd: und Staats: 
lehre der Engländer und Franzojen mit Einſchluß 
des Maciavelliv Marburg 1853); J. C. Bluntſchli, 
«Geichichte des allgemeinen Staatsrechts und ber 
Bolitit jeit dem 16. Jahrh. bis zur Gegenwart» 
(Münd. 1864); Nöder, «Grundzüge des Natur: 
rechts oder der N.» (2. Aufl., er 1860—63); 
Ahrens, Naturrecht oder Philoſophie des Rechts 
und des Staat» (2 Bde,, Wien 1870); Lafion, 
«Nehtsphilojophie» (Berl. 1880). i 

Nechtöritter, ſ. Geredhtigkeitsritter. 

Nechtsfchule it eine Bezeichnung für die 
rer er und Nachfolger eines hervorragenden 
Rechtslehrers in Methode und Anfichten. So hat: 
ten die Römer zu Anfang der Kaiſerzeit ihre zwei 


538 Rechtsſpruch — Rechtswiſſenſchaft 


berühmten, meift *8 N. der Sabinianer | führung derſelben zu; eine R. würbe aber in jedem 
und Brokulianer ( er des Capito und Labeo), Dale eine diejer Geſetze fein. 
machten noch die — Juriſten unter | We t, |. Reiervat. 
ch Schule. r die deutſche Rechtsentwidelung chaft oder — am: 
war es von beionderer Bedeutung, im Anfang | keit —— tie) —— aus ihren 
des 19. Jahrh. von Savigny und Eichhorn die 
fog. hiſtoriſche Schule begründet wurde, welche | nicht bloß me anna nen — eines Staats, 
— Sales ve — nicht bloß über das, was in einem gegebenen 
na i e der it zur An: ; in 
erfennung verhält, ba das Recht einer beitimmten Staate jetzt als Net gilt, fondern darüber, 
Heit ſich niit aprioriſtiſch lonſtruieren lafle, fondern | wie es Recht geworden tit, und über das, was 
basjelbe etwas geſchichtlich Gewordenes ſei, fein jollte, muß die R RU 
und dab das Recht daher auch nicht für alle Fern demnach eine empitife: rationale i in: 
völlig Ich 5 eben Hanne. nr teil, —— Ir * — — 
oviel wie Erlenn r⸗ iſſe, welche nur 
Ne — R 7* Staat. (Gef —5 vorau muß, wenn Regeln für 
2 derjenige Juan, wide jene Berbältniffe au werben | 


echt —* 4 wird bem eitö aber bie Erfahrung 
de, d Ausüb j i 
u — a 

in 
rd und in t Berjäb: 
zung) dies aber Ta mager Seh. 86 F- u 


entlichen Recht vermag ber — daraus als 


ie 


i gun —— angt, welche ihr 
durch Eroberu on ge —— | £ Berne (rei 
Geborjanı re a eine thatfächliche 
Degen En er m lien ehe em gone bes Rech 
nd im Öfen t eine weit 

größere ala —8 ee Wer in Fr ihrer Aufgabe als 
einem Lande “für tsſicherheit und das Rolls: 
wohl zu jergen b bat, —* —— messen 


ie Age ug Unterthanen find genö: 
R ’ 

der — nicht Hatten mer yon 
ich, ihnen den 8 ——— 


welche cht ſchüßen kann. Mit 
——— 1495 ein yet —* die für ſtraf⸗ 
erg einem rex de facto gebo 
Das Böller t Ichreibt ebenfo ber thatjächlihen 
Regierung die Befugnis ap 5 die Repräfentation des | unter 
Staats andzuüben. maãhlich wächſt aus dem 
Befigitand, wenn er fich tigt und daber ſchließ⸗ 
als notwendig ericheint, ein neuer R. hervor. 
ſoviel wie Prozeß. 
NRechtsvermutung, ſ. Präſumption. 
Ne nennt man die Ver— 
ſagung bes R —** infolge eines unberech· Gött 
tigten Eingrifiö der Regierung, Jei es, daß diefelbe lichen Schenkung, in m in wel * Fe 
die Beitellung der erf lichen Serie unterläßt, | ter, Schu ildebrand und 
i he den zuftändigen Gerichten die ord: eh und —— 
—— —** bes Prozeſſes unterjagt. | überaus reichen ——— ter gegangen 
hemaligen Deutſchen Reich tonnte man wegen | die Rechtsgeſchi r ee — —— 
N . Landesherren ſich an das Neichsgericht wen: | neuerdings vie von Deutf 
den; zur * des Deutſchen Bundes war gemäß —— —— ſche ——— 
Art. 29 der Wiener Schlußalte von 1820 die Bun: | lnig, die I. Dir — 


—— befugt, —— über Ber: — of 
—— dogmatiſ Fun hu | 
ai ke, Ye 










oder Hemmung der Hechtäpilege ent: Bm 
— — und fall fie für begründet befun: | Rechts, 

en worden, follte der —* Abhilfe ſchaffen. Im | leitenden Grunbiäg bejondern poſitiven 

jehigen Deutichen Reiche iſt diejelbe Befugnis und | Beitimmungen in der Anwendung —— — 

Verpflichtung durch Art. 77 der Reichsverfaſſung menden tnifie zu entwideln, 

dem Bundesrat zugewiejen. Seit Ein zierung der | des Rechts, vom Standpunlt Dan 

Reichs juſtizgeſete jteht gemäß Art. 17 der Neiche: | aufgefaßt, "läßt dasjelbe in — 

verfaſſung dem Kaiſer die lüberwachung der Aus: theoretifche und bie praltif ‚von 









—— —— —— — 


Rechtswohlthaten — Ned 


denen bie lektere ber Inbegriff von Regeln iſt, wo: 
nad * ticen ne mern welde die er: 
ftere lennen ‚in Anwendung gebradht werben. 


a and der praltiſchen R. ift das Prozeß⸗ 
owohl der Civil: als der riminalprogeß; 
Sedenitenön nr gehört ihr unter anderm die 
iel umfaſſender ift die theo: 
* ek Sie e fen verschieden eingeteilt gu wer: 
den. Eine ber gediegenften Einteilungen ijt folgende: 
* — auch als Eivilreht aufgefaßt. 
Dasſelbe zerfäll ta) » sw geihichtlihen Ent: 
widelung in röm. (Civil t, deutſches vom 
2* und das Partikularrecht der einzelnen 
Staaten, wobei neben dem röm. Recht no das 
fanonifche für die Rechtsentwi in Deutid): 
land augen ie in Betracht —— * der 
ſyſtematiſchen BE ne 


tagende nicht erichöpfende 
— tionen, Fa: 
milien⸗ an und als bejondere Lehren 
fommen n le 5 Mechiel:, Handels: u 
hurds, 2) Das df re Heit, 
welches das ‚Str t, das tliche 
— gg ie ifen 
en: 
ſchaft ift die ver ergiei end een A u 
* Kulturvöller 


= u —— Bibi ve, * 1882). 
cia juris) Bee 
— vom Gefeh verſta ttete Rechtäbeh 
Gebraud) jemand den — von 1 
n 


Es gehören dabin: 1) das beneficium inventarii 
(j. d.); 2 Bun —— restitutionis in inte- 


ung in den vorigen 
ab —* Befitution); 3 = — ce- 
actionum, wonad der Bürge die Be: 


Klum des Gläubigers an die Bedingung nüpfen | n 
ae ihm lebterer feine R * gegen den 
——— das Hecht Der rauen, Ice 
t der € 
Berbimbiichleit Mean Da —A 
engen und das ſchon Bezahlte zu 
das beneficium separationis oder die Redis: 
— —— die Gläubiger des Erblaſſers, 
* —— rer 30 die Abfonderung 
Des Roclafles er, ihrer Befriedigung vor 
den Gläubigern ded Erben ——— 
6) das beneficium com er —* 
Venefchum essionis Bonorum — —— 
beneficium dationis in solutum 


ſchränlte) Recht eines Schuldners, dem © — 
ea anderes an —— anzubieten, wenn er 


ehanbigtelt, en hänbigteit. 
—S Rüäfall. 


Meecife, clan: Beam ante 
a —2 das zur Auf⸗ 


mmte Gefäß. Bei der 

EEK N. et de in der Gegenftände 
—— Luftleere ausgeſetzt werden ſollen. 

ad.) aufnehmen, annehmen; re: 

Penn Recht, das von einem Volle aufge 


539 
ee fremde Net, 3. B. das römische in 


Deuti 
— — (lat.), wechſelſeitig o egenfeitig 
wird ya von erhäftniffen und ee 
Verlehr des äußern Lebens, wie von = 
Urteilen gebraudt. Reciproke Begriffe nennt 
man folde, von weldhen einer für ben anbern ge: 
——— lann; reciprote oder reciprotable 
rteile ſolche welche a bleiben, wenn man 
ihr Subjelt in die Stelle rädilats —* a. 
in die Stelle des Subjelts feht. — In der Arith: 
metit heißen zwei Zahlen reciprof oder die eine 
das Neciprofe der andern, wenn beide multipliziert 
bie Einheit zum Produft geben, 3. B. 5 und %. 
In der Grammatik verjteht man unter Reci- 
prolum ein Wort, u eine Gegenfeitigteit 
oder Wechielfeitigkeit des Thuns zweier ge meb: 
rerer Perſonen ausdrüdt und auf jede der Ber: 
—— > der Mehrheit bezogen werben kann. Be: 
3 gehören hierher die Pronomina reci vor 
** Verba reciproea, die im Deutſchen d 
unveränberliche «einander» — werden, z. > 
wir lieben einander, fie | einander u. ſ. w. 
bean, vr (ital, — vom 
on v —* ne — e, we 
—2 Dekllamation nähert und 


——— n und Dratorien teils end, 
teils dramatif die er Mu e zu 
einem Gan N. war in unaus: 


bildeter *8 ſchon bei en Hauptoöltern des 
ltertums vorhanden, fpäter befonders in 

F riftl. Kirche als Leſeton derjenigen biblifchen 
* rn — u ie Palmen, volllommen 
perftehe,Deseht fi eh 6 au Den a 
teht, t ſi ich auf die neuere 

—— und entitand g Ende des 6. Jahrh. 
in Italien durch 
erften und Dratorien verbanlt, 
m mit der Beil ı eine f ——* chiedenartige Geſtalt 
ngenommen; —* teilt es ſich in zwei 
Arten, —— = > eitete. Das unbeglei- 


ner, in man die 
Diefes R. 


tete x war das uriprünglidhe, e3 bat nur einen 
einfahen Grundbaß zur harmonifc en Unterlage 
welchem auf dem Klavier ober der Orgel di 
beg itenden Accorbe ange Zeh werden, und it 
3— Vortrag nicht an den ebunden. u. 

. it aus der heutigen — oftion na 
[dmunben, zum großen den der amp 
alt — und des me Das beg 
erhält verichiedene Ordheiterinftrumente, ge 
—— de —— des Ausdruds und mu 

durd genau im Talt geſu 
wer 2 fe lehte Form wurde zuerjt von 
Scarlatti um 1690 in bie Dper Angeführt und 
dann von Händel, Glud und andern Mei: 
—— 2* —8* Kunſt durchgebildet. Das mo: 
Scenen ju umſpannen und 
—— = 4 em Zwed recitativifche und ariofe 
Phraſen ——— was aber im großen und 
ganzen nur die Ze törung der wahren Geſang 
— —— bt hat. 
lat.) etwas aus dem Gedächtnis 
kr gen, vortragen, dellamieren. Necitierendes 
aufpiel nennt man, im Gegenjag zur Dper 
und zum Ballett, das Schaufpieli in ber weitern Be: 
deutung (Tragödie, Luſtſpiel xc.), infofern bier das 
Darzuitellende durch Rede verfinnlicht wird. 


eck nannte F. L. Jahn das aus zwei Säulen 
und einer Querjtange beitehende Turngerät, weil 


540 Nede — Neclam 


e3 feiner Geſtalt nad) den im Nieberdeutichen alio 
benannten, verjchiedenen Zweden dienenden Ge: 
ftellen entiprad. Wegen feiner vielfeitigen und 
ausgiebigen Berwendbarteit * Hang:, Stüb: und 
Sprungübungen ift es das beliebtefte Turngerät ge: 
worden und Feine Konftrultion bat ſich ungemein 
vervolllommnet. Die Querſtange wird jept oft aus 
Eifen jtatt aus Holz gefertigt. Eine an zwei Säulen 
ängende Querftange heist Schaufelred oder 
rapez. Auf Militärturnplägen foll_ber dide, 
tantige, da3 fihungsmaterial beengende Querbaum 
das R. erſehen. 
‚Rede Eliſabeth Charlotte Conſtantia, gewöhn— 
lich Eliſa, Frau von der), eine der edelſten Frauen 
ihrer Zeit, wurde in Kurland auf dem großmütter 
lichen Gute Schönburg 20. Mai 1754 geboren, als | 
die Tochter des Neichägrafen Friedrich von Medem. 
Im y 1771 vermäblte fie fich mit einem Freiberrn 
von der Rede, deiien Charakter mit dem ihrigen 
im grelliten Widerſpruch ftand. Nach jechs Jahren 
erfolgte die Wen! und Glifa lebte nun in 
Mitau. Harte Schidjalsichläge, ſowie die Belannt: 
ſchaft mit Caglioſtro pa 
Richtung. ährend eines Aufenthalts in Karls— | 
bad 1784 über Caglioftro aufgellärt, fchrieb m ihr | 
Buch «Nachricht von des berüchtigten Caglioftro 
Aufenthalt in Mitau im J. 1779 u. f. m.» (Berl. | 
u. Stettin 1787), mit einer Vorrede Nicolais, das | 
auf Befehl der Kaiferin Katharina II. ins Ruſſiſche 
überjept wurde. Bon diefer eingeladen, ging Glifa | 
1795 nad) Beteräburg, wo fie mit dem Niebbrauch | 
des Gutes Pfalzgrafen in Hurland befchenkt wurde. 
In den J. 1796—1801 lebte fie meiſt in Dresden, 
darauf in Berlin, verweilte 1804—6 in Stalien, 
bielt ſich dann in Geipzig, hierauf wieder in Berlin 
und jeit 1818 in Dresden auf, Tiedge, ihr Begleiter 
auf der Neife nach Jtalien, war feitdem ihr Haus: 
genofie, Sie ftarb zu Dresden 13. April 1833, | 
lußer der «Neife nad) Italien⸗ (4 Bde., vr 1815) 
erſchienen von ihr «Beijtliche Lieder» (mit Melodien 
von Hiller, Lpz. 1780; 3. Aufl. 1815), «Gedichte» 
(herausg. von Tiedge, Halle 1806) und «Gebete 
und religiöfe Betrachtungen» (Berl. 1826). Tiedge 
hat ihre «Geiftlihen Lieder, Gebete und religiöfen 
Betrachtungen» gefammelt Lpz. 1833). Vgl. Eber: 
hard, «Blide in Tiedges und es Leben» (Berl. 
); Brunier, «Glila von der A.» (Brem, 1873; 
3. Aufl, Norden 1885). 

Nedenit, ſ. Nednis. 

Nedheim, Gemeinde im Bezirk Tongern ber 
belg. Provinz Limburg, am Kanal von Maftricht 
nad) Denio enbuſch, unweit der Maas, mit 1292 E. 
Die Überbleibfel des Schloſſes der einjtigen Reichs: 
berren von N. dienen jekt zu einem öffentlichen 
Bettlerarbeitshaus. 

Recklinghauſen, frühere Grafſchaft im Ne: 
——— Münſter der preuß. Provinz Weſt— 
alen, von 830 qkm, gehörte bis zum Meichöbeputa, 
tionshauptichluß 1803 zum Erzitift Köln und kam | 





damals als Gntihädigung an den Herzog von 
Arenberg. 
Napoleon teild dem Großherzogtum Berg, teils 
Frankreich einverleibt und erit 1815 dem Herzog 
von Arenberg als Standesherrfhaft unter preuf. | 
Hoheit zurüdgegeben. -Der gröhtenteild aus ihr 
gebildete Kreis Nedlingbaujen zäblt auf | 
180 qkm (1885) 73894 E. und hat zur Hauptitadt | 
Nedlinghaufen, die zugleich Hauptort der Stan: 
beöherrfch 


Am 13. Dez. 1810 wurde fie durd) | lag «Philipp 


(Anton Philipp) 


teren ber Preußiſchen Staatöbabnen ift, 56 km im 
MW, von Münfter liegt. Die Stadt üit Gik eines 
Landratsamts und eines Amtsgerichts, hat ein 
Schloß, ein kath. Gymnaſium, eine oben Töd: 
teriule, eine Dochtfabrik, eine mechanische und 
eine Damaftweberei, Tabatsfabriten, eine mechan. 
Schloſſerei, an und mehrere Koblenberg: 
werte und zählt ae meiſt fath. E. 
Recklinghauſen (Friedr. von), nambafter 
pathol. Anatom, geb. zu Gütersloh in Weſifalen 
2. Des. 1833, widmete fih 1852—55 auf den Uni: 
verjitäten zu Bonn, Würzburg und Berlin dem Stu: 
bium der en und trieb, nachdem er auf Grund 
der Arbeit «Über die Theorien der Pyämie» pro: 


: moviert hatte, noch drei Semester unter Virchow 


—— Studien. Nach einer nach Wien, 
om und Paris unternommenen Reiſe fungierte 
er vom Herbſt 1858 bis Oſtern 1864 als Aſſiſtent 
des pathol.sanatom. nftituts zu Berlin und folgte 
dann im Sehhiahe 1864 einem Nufe als ord. Pro: 
fefior der pathol. Anatomie nad) Königsberg; aber 
ihon im Herbſt 1865 wurde er in gleicher Gigen- 


ben ihrem Beift eine myſtiſche ſchaft nah Würzburg und Oftern 1872 an die neu 


begründete Univerität Straßburg berufen. R. bat 
fic) durch eine Reihe von wichtigen pathol.-anatom. 
Gntdedungen einen Namen gemadt. Hierher ge: 
bört inäbejondere die Entdedung der fog. «Wander: 
ellen», welde die Grundlage für die von Cohn: 
ee (f. d.) unternommene Neubegründung der 
Entzündungslehre geworden ift. Weitere wertvolle 
eridungen R.s betreffen das eigentümliche patbol. 
erhältnis der Lymphgefäße zu dem Bindegewebe, 
Diefe Unterfuhungen bat er in der Schrift: « Di 
hgefäße und ihre Beziehung zum Bindegewebe» 
N tl. 1862) dargeſtellt; die übrigen Refultate jeiner 
orihungen find meilt in mediz. Fachzeitſchriften 
niedergelegt. Auch jchrieb er ein «Handbuch der 
allgemeinen Pathologie des Kreislaufs und der 
Ernährung» (Stuttg. 1883). 

—— oder Kedenisk, ein Küſtenfluß in 
Norddeutſchland, der auf ber fumpfigen Teufels: 
wieje bei Sudow unweit Güftrow in Medlenburg⸗ 
Schwerin entipringt, dann auf eine Strede die 


' Grenze zwifchen dieſem —— und Pom— 


mern macht und nad) einem Laufe von 82 kn, wo: 
von im ge 28 km (davon 15 km, von Marlow 
ab, für Heine Seeſchiffe) ſchiffbar, 2 km unterhalb 
Dammgarten in den Nibniker Bodden, den Hinter: 
grund des Saaler Bodden, mündet. (6. Bodden.) 
Reckniß oder Räckniß heißt au ein auf der 
Höhe unweit ſudlich von Dresden a sag Dorf 
von 303 E., mit einem Denkmal an der Stelle, 
wo Moreau 27. Aug. 1813 durd eine Hanonen: 
fugel tödlich verwundet wurde. 
eclam (Anton Philipp) Verlagsbuchhändler, 
eb. 29. Juni 1807 in Leipzig, als ältefter Sohn 
s dortigen Buchhändlers Karl Heinrich R., beſaß 
1828—37 das «Litterariihe Mufeum» (eine Leib: 
bibliothet mit Journalijtifum) dafelbft, firmierte 
aber dann für feinen inzwiichen entitandenen Ber: 
— u dem er 1839 die 
erwarb. Der Verlag be— 


eclam 


aadſche Buchdruckere 


| Pk aus Bibelausgaben, — —— 
griech. und röm. 


laſſiler, einer Opernbibliothek 
Klavierauszüge mit deutſchem Tert), iſt aber be 
onders betannt durch die in demfelben feit 1867 ers 


ſcheinende «llniverjal:Bibliothel», eine reichhaltige 
tu Sammlung deuticher und ins — überfekter 
aft und Station der Linie Wanne:Hal: | ausländifcher Werke, vorwiegend der 


chönen Litte⸗ 


Reclam (Karl Heine.) — Nedacteur 541 


ratur, in billiger Ausgabe (biß Ende 1885 erſchienen Recht des R. (jus archivi); die niedern Gerichte 
2080 Nummern & 20 %f.), neben der billige Ge: | find davon anägefchloilen. Die Gerichtsarchive 
famtausgaben der Werte Haffiiher Autoren veran: | Englands gehen bis in die Zeiten Heinrichs I. zu: 
ftaltet werden, R.s einziger en HansHeinrid ! id; und man hat in England mehr Sorgfalt 
R., geb. 18. Mai 1840, ift feit 1868 Teilhaber | darauf gewendet al3 in andern Ländern. Im J. 
des Geichäfts. J 1809 ſehte das Parlament eine Kommiſſion (Re- 
Reclam (Karl Heinr.), Mediziner und populär: | cord Commission) nieder, dieſe archivaliſchen Ur: 
mediz. Schriftiteller, Bruder des vorigen, geb. 18. | Funden zu unterfuchen, und fpäter wurden durch fie 
Aug. 1821 in Leipzig, ftudierte in Leipzig, Prag, | zahlreiche alte R., darunter die Parlamentsitatuten, 
Wien und Paris und wurde 1860 Profejlor der ; die Staatöverträge ıc., auf Staatsloften gebrudt. 
Medizin in Leipzig. R. hat ſich namentlic um die ; Diefe Behörde beitand bis 1837; dann wurde ein 
Gefundheitspflege durd viele Schriften verdient | Generalftaatsardiv, Public Record Office, unter 
gemacht, wie « — und Speifewahl» |; dem Master of the Rolls, eingefept. Dal. &ooper, 
( Ep. 1855), «Geiſt und Nörper in ihren Wedhjel: | «Account of the most important public records 
beziehungen» (en 1859), «Das Bud) der er of Great Britain» (2 Bde. Pond. 1832). 
tigen Lebensweile» (Lpz. 1863; 4. Aufl. 1886), | Recorder (db. h. Regiftrator) heißt in England 
«Des Weibes Gefundheit und Schönheit» (Lpz. | ein Beamter der größern Städte, welde mit Ge: 
1864; 2, Aufl. 1883), «Der Leib des Menfhen» | richtsbarleit verſehen find, in der Regel ein von der 
(Stuttg. 1870; 2. Aufl. 1879), «Lebensregeln. Staatsregierung aus der Zahl der Advolaten ers 
Ernftes und Heitered aus der a a ‚ nannter Stadtridter, ber die Kriminalaffifen ab: 
(Berl, 1878), «Gefundheitsichlüfiel, für Schule, | hält, Der Recorder von London ift eine der ans 
Haus und Arbeit» (Lpz. 1879), «Für Genefende, pelchenfien Magiftratsperfonen; er ift oberfter Ju⸗ 
Nervenleidende, Blutarnıe und Hodiährige» (ps. ſtizbeamter der City, Mitglied des Centralhofs für 
1886) u. ſ. w. Außerdem redigierte er mehrere Zeit: | Straffaden, nimmt an den Verhandlungen des 
fhriften, wie1858—-61 den «Kosmos», 1869— 70 die | Court of Aldermen teil und publiziert alle Erfennt: 
«Deutide — * für öffentliche Gefund: niſſe der londoner Gerichtshofe. 
heitöpflege» und jeit 1875 die «Gefundbeit, Aud | Beotum (lat.), der Maſtdarm. 
durch, feine Thätigkeit für Einführung der Leihen: | Becuperatores (lat.), bei den alten Römern 
verbrennung in Deutſchland machte ſich R. befannt, | ein vom Prätor beftelltes Geſchworenengericht von 
Reclame, f. Netlame, 3—5 Mitgliedern, weldes in Rom und den Pro: 
Neelus (Sean Jacques Elifee), franz. Geograpb, | vinzen in vermögensredhtlihen Prozeſſen (nament: 
geb. zu Sainte-Foy:-la-Crande (Depart, Gironde) | lich Klagen über Erja und Entſchädigung) — 
15. März 1830, ſtudierte auf der prot. Falultät zu | nur zmilchen Römern und Peregrinen binnen zehn 
Montauban und in Berlin, verließ infolge des | Tagen, fpäter aber überhaupt in jchnell zu erledi— 
Staatäftreich® im Dez. 1851 Frankreich und durd: | genden Rechtsfällen entſchied. 
reifte Großbritannien, Irland und Amerika. Nah| Recurrensfieber, ſ. Febrisrecurrens. 
einem mehrjährigen Aufenthalt in Neugranada | Beoursus ab abusu (lat.), frj. appel comme 
fehrte er nad Paris zurüd und lieferte für verichie: | d’abus, ift ein namentli in Sranlreih, Spanien 
dene Zeitichriften Reiſeſtizzen und geogr. Artikel, | und Belgien ausgebildete, aber auch der deutſchen 
Während der Belagerung von Paris 1870— 71 | Gefehgebung nicht fremdes Inſtitut, welches dem 
trat er in die Nationalgarde und blieb aud) unter | durch Mißbrauch der geiftliden Amtsgewalt Ber: 
der Herridaft der Commune bei derfelben. Bon | legten geftattet, die Hilfe des Staates anzurufen, 
der verfailler Armee gefangen genommen, wurde | in Frankreich aber au 3* Beanten ges 
er 16, Nov. 1871 zur Deportation verurteilt, | ftattet, gegen —— e ſtaatlicher Beamten an die 
welches Urteil jedoch durch den Präfidenten Thiers Entſcheidung des Staats zu appellieren. Während 
in Verbannung aus Frankreich gemildert wurde, | früher Gerichtsbehörden die Entſcheidung fällten, 
Seitdem lebt R. in Lugano, Unter feinen Schriften iſt diefelbe jet in Frankreich dem Staatärat über; 
find zu nennen: «Guide du voyageur & Londres» } tragen worden, in Deutichland den Minifterien, 
1859), «Voyage à la Sierre Nevada de Sainte- | und nur in Preußen ward durch bie neueſte Geſeh— 
arthe» (1861), «Les villes d’hiver de la Medi- | gebung ein lirchlicher Gerichtshof gefhaffen, der auf 
terrande et les Alpes maritimes» (1864), «Histoire | derartige Rekurſe zu .entfheiden hat. Dal. Fried: 
d’un ruisseau» (1866), «La terre» (2 Bde.,1867-68; | berg, «Die Grenzen zwifhen Staat und Kirche und 
deutſch von Ule, 2 Bde., er 1874— 76), «Nouvelle | die Garantien gegen deren Verlegung» (Tüb. 1872). 
geögraphie universelle» (Bd, 1—9, 1875—84). Neda, Fort in der arab. Landidaft Afir (f. d.). 
eelufi und Recluſä, ſ. Inclufi. Redacteur (fr3.), — Ordner oder Ein⸗ 
Recoaro, Badeort in der ital, Provinz Vicenza, richter, wird vorzugsweiſe der Herausgeber perio⸗ 
Diftrift Valdagno, in einem Thale der Monti Leifini | diſcher und encyllopädifder, aus den Beiträgen 
am Quelllauf des Agno, nahe der tiroler Grenze, | mehrerer zufammengefepter Werte genannt, und 
— 9 1153, als Gemeinde 6163 E., Gips-, Redaction heißt leils das Geichäft desſelben, 
Iftein: und Marmorbrüche. teils die Geſamtzahl der Borfteher und Leiter eines 
ecord — beißt im engl. Net eine | litterarifchen Unternehmens. In letzterm Fall iſt 
en Pergament geichriebene und in einem Gerichts: | gewöhnlich einer der R. der Hauptleiter, Ober⸗ 
bofe, welcher dazu berechtigt iſt (Court of record), | redacteur, Redacteur:en:Ehef. Der R. hat die Auf: 
aufbewahrte Urkunde über eine vor dem Gericht | gabe, das Unternehmen nad einem beftimmten 
gepflogene Verhandlung und das darauf gefällte | äußern und innern Plan zu leiten, die mitwirken: 
Ertenntnis. Diefe Urkunden haben eine ſolche Be: | den Kräfte dafür um ſich zu verfammeln, die Beis 
weisttaft, daß dagegen ſchlechterdings kein Einwand | träge berfelben zu prüfen und der dee des Ganzen 
jBite ift, Aber nur die fönigl, Gerichtshöfe und | anzupaflen u. ſ. w. Hat der R. eines periodiſchen 
ſonders privilegierte Staatsbehörden haben das | Werts oder einer Zeitung mit feiner redactionellen 


542 

Thätigleit Maßgabe der Prebgeiehgebung (f. 
Veeile) he vos ride —— ea 
Inhalt bes Werts ober der Zeitjchrift der Behörde 
gegenüber zu vertreten, fo 


liher Redacteur. 

edau (frz), ſ. Fleſche. 
Rebecliffe (Viscount Stratford de), ſ. Strat: 
forb de Redeliffe. 

Rede und R 
—— Vortrag eines Redners. Wenn Deut: 
lihleit und Beitimmtbeit, ſowie logiſche und gram- 
matijche Richtigkeit die Haupterforbernifie jeder 
ſprachlichen Daritellung find, jo vırlangt die „tebe, 
die ſich zur Redekunſt erheben will, eine erhöhte 
künjtleriiche Form. Schon im Außern muß fie fi 
vor ber Sprache des gewöhnlichen Lebens oder der 
KRonverfation durch einen mehr gerundeten Berios 
denbau, durch forgfältigere Wahl des Ausdruds 
und der Bilder, dur Neinbeit, Ebenmaß und 
Wohlklang auszeihnen. Den Inbegriff der Regeln 
unb Gelehe ber Redekunft gibt die Rhetorik (j. d.). 

Nedefiguren, f. unter Figur. 
Nedefreiheit der Mitglieber — Ber: 
ſammlungen it, abgefehen von England, erft in 
neuerer Seit gefordert und verfaflungsmäßig ge— 
wäbhrleiftet worden. Indem die Mitglieder folder 
Berfammlungen wegen ihrer Abjtimmungen und 
in Ausübung bed Berufs gethanen Nuherungen in 
der Kammer nicht außerhalb derfelben irgend zur 
Verantwortung gesogen werden bürfen, foll bie un: 
geſtörte Thätigleit der für das Berfafiungsleben 
wichtigen Organe gefichert werden. Gegen etwaigen 
Mißbrauch diejes Privilegs fichert lediglich einiger: 
maßen die innerhalb bes * auf Grund der 
Geſchäftsordnung geübte Disciplin. Die älteſten 
Beſtimmungen über R. enthalten die engliſche Bill 
of rights von 1689, die norbamerit, Rerfa ung 
von 1787 und bie franzöfifche von 1791. Die deut: 
ſchen Berfaffungen des 19. Jahrh. enthielten man: 
herlei Beihränfungen. Diefelben fielen fort zu: 
folge der Reichsgeſeggebung. Der Artitel 30 der 
———— 1871 befreite von Berant: 
wortlichkeit Die Mitglieder des Reichstags und $. 11 
des Neichöitrafgeiehbuchs fodann die Mitglieder der 
Sandtage oder Hammern ber zum Deutidyen Reiche 
gehörigen Staaten. * von Bar, «Die R. der Mit⸗ 
glieder geſetzgebender Verſammlungen mit beſon— 
derer Rüdjiht auf Preußen» (Lpz. 1868); Schleiden, 
«Disciplinar: und Strafgewalt parlamentarifcher 
Verfammlungen» (Berl. 1879); Heinze, «Die Straf: 
a parlamentarischer Nechtöverlekungen und 
die Aufgabe der Neichagefehnebung» (Stuttg. 1879). 
. Rebemptoviften oder Orden vom heiligen 
Erlöfer (santo redentore) heißen die Glieder des 
von Liguori (f. d.) geftifteten Möjterlichen Vereins, 
und daher führen fie auch den Namen Liguoria: 
ner. Der Orden iſt den Jeſuiten eng verihwiltert 
und macht feinen Gliedern eine eifrige Nachfolge 
Jeſu, ſowie die Anleitung anderer zum röm.slath, 
Slauben mitteld der Miſſion, befonders in prot. 
Ländern, die Seelforge und den Jugendunterricht 
zur Pflicht. Der neue Orden verbreitete fich ſchnell 
über Neapel und Sicilien; die erſten Ordenshäufer 
entitanden in Salerno, Conza, Nocera und Bovino, 
Später festen fie fi) namentlih dur die Be: 
mühungen bes Clemens Maria Hofibauer (geb. 
1751 zu Taßwiß in Mähren, geit. 1820 in Wien) 
in Oſterreich und in Polen feſt. Mährend ber franz. 
Deeupation mußten fie mande Bebrüdmeen er: 


| 


heißt er verantwort: geſehliche Aufnahme, und in 


edefunft. Nebe ift der funjtmäßig | 


— — nn 0 — — — — — 


Bayern 


Redan — Reden 


leiden und 1809 aus Warſchau ſich entfernen. Nach 
der Reitauration in Deutichland fanden die R. aber 
aud in Oſterreich wieder wo, ja 1820 jelbit 
ien wurde ihnen der 
obere Paſſauerhof mit der Kirche zu Maria:Stiegen 
überwiejen. Im 5%. 1848 für furze Zeit zurüd: 
edrängt, gründeten fie bei ihrer Rüdfehr zahlreiche 
öfter in Öjterreih, Böhmen, Steiermarl und 
Tirol, ſowie auch einige Häufer für einen weiblidden 
Zweig ihres Ordens, die Nebemptoriftinnen. 
Ebenfalls ſtark entwidelte ſich die Kongregation in 
2 wo fie 1841 in Altötting bei Ballau Auf: 
nahme fand, 1848 ihren Sit verlor, aber fpäter 
wieder einzog und noch 4 männliche und 17 weib: 
liche Nieberlaflungen gründete. Auch im übrigen 
utſchland, in Baden, Naffau und in Preußen, in 
welchem fie vor Ausbrud) des Aulturlampies fünf 
Häufer beſaßen, waren die R. befonders jeit 1850 
außerordentlich thatig durch ihre Bollsmiffionen. In 
wurde ihnen 1814 im Kanton Freiburg 
die aufgehobene Trappiftentartaufe zu St.-Baleinge: 
räumt; au finden fi) Riederlaffungen der R, 
in Frantreih und Belgien, namentlid aber inNorb- 
amerila, wo fie jeit den dreißiger Jahren eine Reihe 
von Kollegien und Miifionsjtationen ins Leben 
tiefen. In den Klöitern führen die N. ein gemein: 
Ichaftliches Leben. Sie legen die gewöhnlichen drei 
Gelübde einfach ab, und ihre weltlichen Geſchäfte 
werden von Inienbrüdern bejorgt. Die Kleidung 
ift der ähnlich, welche die Sjejuiten tragen, wie fie 
denn auch überall die Stelle der Jeſuiten vertraten 
und ihnen die Wege zur Nüdlehr in die Länder 
bahnten, aus welden fie verwiejfen waren, Sie 
find darum in neuefter Zeit auf Grund bes Ge: 
ſehes, betreffend den Orden der Gelellihaft Jeſu, 
vom 4. Yuli 1872 und die die Ausführung diejes 
Geſetes betreffende Belanntmachung des Bundes- 
rat3 vom 20. Mai 1873 als eine ben Jeſuiten ver- 
wandte Kon rung vom Gebiete des Deutichen 
Rei ausgeldh oſſen und ihre Riederlafjungen auf: 
gelölt worden. 

Neden (Frieder. Wilh. Otto Ludw., Freiherr 
von), Statijtifer, neb. 11. Febr. 1804 zu Wendling» 
baujen in Lippe-Detmold, ftubierte die Rechte in 
Göttingen und trat in hannov, Staatöbienft. Im 
J. 1832 wurde er in die Grjte Hammer der hannov. 
allgemeinen Ständeverfammlung gewählt, und 
1834 Mititifter und Generalfelretär des Gewerbe: 
vereins für das Königreich Hannover. Doch lehnte 
er nad Aufhebung des Staatägrundgefches von 
1837 in der Kammer die Wiederannahme des Gr 
neralfefretariats ab und nahm aud) feine Ent: 
—* aus dem Staatsdienſt. N. hatte bereits 
duch die Schrift «Das Königreih Hannover, fia- 
tijtifch beichrieben » (Hannov. 1839) feinen Auf ala 
Statiftifer begründet. Im März 1841 wurde er 
Spezialdireltor bei der Berlin-Stettiner Eifenbahn 
und zwei Jahre darauf in das preuß. Minifterium 
bed Auswärtigen berufen. Von einem bannov. 
Diſtrikt wurde R. 1848 in die Deutiche National: 
verfanmlung gewählt, wo er zur Linfen gehörte. 
Nah Auflöfung des Barlaments als preuf. Mini: 
fterialrat auf Wartegeld gejeht, lebte R. ſeitdem 
erit in Frankfurt a M., dann in Wien, wo er 
12. Dez. 1857 jtarb. Er veröffentlichte nod: das 
umfafiende biltor..ftatift. Merk «Die Eiſenbahnen 
Deutichlands» (ufanımen 11 Bbe., Berl. 1843—47), 
an welches ſich «Die Gifenbabnen Frantreiche» (Berl. 
1846), ſowie das «Eifenbabnjahrbuhh» (Jabra. 1 


der zu. 


Nedende Künfte — Redouté 


u. 2, Berl, 1846—47) anſchloſſen; «Vergleichende 
Kulturitatiftit der Großmächte Guropas» (2 Bde., 


543 


nad) den Vorſchlaägen des damaligen preuß. Gene 
ralitab3-Hauptmanns von Moltfe aebildet, genau 


Berl. 1846—48), «Allgemeine vergleichende Finanz: | der frühern preuß. Landwehr des erften und zweis 


jtatiftilo (4 Bde,, Darmit. 1851—53) u. ſ. w. 

Nedende Fünfte nennt man diejenigen Künſte, 
die ih der Spradhe ala Darftellungsmittel bedienen: 
die Dichtlunſt und die Beredfamteit. (S. Kunit.) 
Redern (Wilb., Graf von), geb. 9. Dez. 1802 
in Berlin, ftubierte dajelbit die Nechte, wurde 1825 
Stanımerberr der Kronprinzeffin von Preußen und 
1828 interimiftijcher, 1832 definitiver Generalin: 
tendant der lönigl. Theater, 1844 Generalintendant 
der Hofmufil und 1861 Oberitlämmerer. Cr jtarb 
5. Nov. 1883 zu Berlin, R. tomponierte aud) eine 
Dper (sEhriftine»), Kirhenmufilwerle, Cantaten, 
Dwuverturen, Sadeltänge u. ſ. w. 

Redernber „J. unter Chorzow. 

edeteile ae orationis) nennt man bie 
von ben alten Örammatilern aufgeitellten und ges 
wöhnlih aljo asäblten Wortllaiien: Subitanti- 
vum, Adjeltivum, Bronomen, Verbum, Adver: 
bium, PBräpofition, Konjunftion, Jnterjeltion. Die 
Interjektionen, als nicht — eine beſtimmte 
Vorftellung ausdrüdende Worte, fondern Em n⸗ 
dungslaute, läßt man häufig aus dieſer Einteilung 
weg. Subſtantiv und Adjeltiv werden unter ber 
Bezeihnung Nomen zufammengeiabt, die letzten 
vier (oder mit Weglajiung der Interjeltionen drei) 
Klaſſen auch unter dem Namen Bartileln. Dieſe 
Einteilung paßt weder auf alle Sprachen, denn 
mande fennen ſolche Unterichiede nicht, noch beruht 
fie überhaupt auf weientlichen, in der Natur der 
Sprade liegenden Unterichieden, da 3. B. die Ad: 
— urfprunglich nur Caſusformen der Nomina 
ind. 
meinen, wie ein Wort im Sabe verwendet ift, 
daß dasjelbe Wort, je nachdem es 5. B. als nähere 
Beſtimmung eines Subftantivs auftritt, Adjektiv, 
als die eines mö Aoverbium fein kann, die 
Präpofitionen ebenjo oft auch als Abverbien be: 
zeichnet werden mülien u. 1. w. 

Nedgrave (Nicyard), engl. Genremaler, geb. 
30. April 1804 zu Pimlico (London), beſuchte die 
(ondoner Alademie. Bon feinen Bildern hatten 
bejondern Erfolg die Tochter eines verarmten Ebel: 
manns, der arme Schulmeijter, Olivias Rückehr 
zu ihren Eltern, die Bettern aus der Provinz u. a. 
Dit 9. Cole gründete er das Muſeum für orna: 
mentale Kunſt in Marlborough-Houſe, das jpäter 
zum Kenſington-Muſeum erweitert wurde. Mit 
jeinem Bruder Samuel R. (geft. 1876), dem 


Verfaſſer des «Dictionary of artists of the English | 


school» (2, Aufl. 1878) ſchrieb er «A century of 
painters of the English school» use). 
Redhibition (lat., Zurüdgabe) bedeutet das 
ebene u ar eines Slaufvertrags jeitens des 
Käufers dadurch, dab er den Verläufer nötigt, das 
Kaufobjelt wieder zurüdzunehmen und den Kauf: 
preis, falls ſchon bezahlt, zu eritatten. Das Recht 
bierzu hat der Käufer beim auf körperlicher Sachen 
wegen Mangelbaftigteit derjelben und er macht 
dasjelbe mit der jog. Wandlungsllage gel: 
tend (actio redhibitoria). Dasielbe beiteht auch nur 
wegen folder Mängel, die beim Kaufvertrag nicht 
fichtbar waren, aber damals —2 — beſtanden; 
beim Viehlauf iſt es nur in noch ränlterm Um: 
rang zuläjfig. 

NRedif (arab., «Nahjhub»), der Teil der tür. 
Hrmeerejerve, welcher, 1838 nad preuß. Mujter 


Jene Klaſſen bezeichnen daher nur im alle: | 
0: 


ten Aufgebots entſpricht. Demgemäß gibt es zwei 
Nedifllajien, in welden der aus der Reſerve ent: 
lafjene türt, Soldat je vier Jahre verbleibt, um 
danach jun Landſturm überzugeben, 

Nedif Paſcha, osman. General, geb. um 1827, 
erhielt 1871 das Oberlommando des nad) Jemen 
entjendeten türk, Erpeditionslorps. Nachdem er 
dieſes Gebiet unterworfen, kehrte er nad) Konitan: 
tinopel zurüd und belleidete die Stellung eines 
Adlatus des Kriegsminiſters. Bei den Greignifien 
des J. 1876 (Abjehung des Sultans Abd:ul-Ajis, 
Erhebung Murads V. auf den Thron) war R. als 
die rechte Hand Huflein Avni Paſchas ftark be- 
Per Deſſenungeachtet gelang es ihm, bald nach 
des legtern Ermordung (16. Juli 1876), fein Nach— 
folger im höchſten militärifhen Amt zu werden. 
Auch behauptete er ſich auf dem Poſten des Serias⸗ 
kers während des Hauptteils des jpätern Rufſiſchen 
ſtriegs (1877). Zu feinen damaligen Leiſtungen 
gehört die ſchuell zur Ausfü gelangende To⸗ 
talmobilifierung der osman. Armee jahr 
1877) Id darauf aber wurde er in den Sturz 
de3 Generalijfimus der türl. Hauptarmee, Abd-ul: 
fe ha, mit bineingezogen, zunächſt nach 
Lemnos und jpäter nad Nhodos verbannt, 

Reduitz, Quellſſuß der Regnik (f. d.). _ 

Redon, Stadt und Hauptort eines Arrondiſſe⸗ 
ment3 im ren Depart. \\lleset-Bilaine, an der 
Mündung des Duft in die Bilaine und am Kanal 
von Breit nad) Nantes, Station der Linien Sa: 
venay Landerneau der Orleansbahn und Rennes⸗ 
N. der Weitbahn, zählt (1881) 4690 (als Gemeinde 
6537) G. und hat einen Hafen, Schiffbau, Gerberei 


und Spebitionshandel. Bon der alten * 
ne 
rh. 


tinerabtei Noto oder Roton ſteht noch die J 
Kirche St.Sauveur aus dem 12. bis 14. Jc 
Nedoudillas (jpan., von redondo, d. i. rund) 
oder Nedondilien (Runbreime) nannte man 
früher eine bei den Spaniern und Portugieſen üb: 
liche Bersform, welche aus einer Strophe von vier, 
jeltener ſechs⸗, zumeift aber achtfilbigen Berjen be: 
ftand, unter denen der erite und vierte, ſowie ber 
zweite und dritte, aud) wohl der erjte mit dem vier- 
ten und der zweite mit dem dritten reimte. Später 
erbielten bieen Namen überhaupt alle ſechs⸗ und 
achtſilbigen Berje in der jpan. und portug. Poeſie, 
fie mochten volllommene Reime oder nur Ajjonan- 
zen haben. [Reiten. 





Redopp, Reitgang der hoben Schule, f. unter 
Nedouie (jr;., von ital, ridotto, gebildet aus 
dem lat. reductus, d. i. zurüdgezogen) heißt in der 
Befeſtigungslunſt ein Werk, das auf allen Seiten 
von gleihitarker Bruftwehr umgeben jr und nuraus: 
fpringende Wintel hat, Gewöhnlich hat die R. vier 
bis jechs Seiten. Halbredouten habeneine sront: 
linie und zwei Flanken und find in der Kehle ent: 
weder offen oder mit einer |hwädern Bruftwehr 
' (auch wohl einer Berteidigungspaliifadierung) ver: 
| jehen. (S. Feldbefeitigung, Bd. VI, S. 649*.) 
Redoute iſt der zunäcit aus Frankreich im 
16. Jahrh. nah Deutichland gelommene, jebt in 
Frantreich ungebräuhlihe Name für Mummen: 
ſchanz, Yarventanz, insbejondere für Mastenball. 
Redont: (Pierre Joſeph), Blumenmaler, geb. 
' 10, Juli 1759 zu St. Hubert in Belgien, erhielt in 
| Flansern, Holland und in Varis feine Ausbildung, 


544 


lieferte Zeichnungen zu LHeritiers «Stirpes novac» 
(Rar. 1784) und reifte mit L'Heritier nad) England, 
wo er einen Teil der Abbildungen zum «Sertum 
Anglicum» zeichnete und mit Farbendrud fihbeichäf: 
tigte. Ferner verfertigte er die Blumendarftellungen 
der «Flora Atlantica» von Desfontaincs und gi s 
nete die Bilanzen zu den Werlen von De Candolle 
und Michaux. Die «Flora borealis Americana » 
und die «Histoire des chönes de l'Amérique sep- 
tentrionale» find reich an Zeichnungen R.8. Unter 
dem Kaiferreih war er Blumenmaler der Kaiferin 
Joſephine, auf deren Beranlaffung er fein berühm: 
tes Wert «Les ciliacdes» herausgab, in acht großen 
Folianten, jeder Band mit 60 Platten (Par. 1803 
—16), Yuherdem ſchrieb er «Monographie des 
roses» (3 Bde., Bar. 1817—24), «La flore de la 
Malmaison», «La flore de Navarre» u. f.w. Man 
bat von ihm auch zahlreiche Blumenftüde in Ol: 
und Aquarellfarben. R. ftarb als Profeſſor am 
naturbiitor. Mufeum zu Paris 20. Juni 1840, 

Reb-River (d. h. Noter Fluß), rechtsfeitiger 
Nebenfluß des Miſſiſſippi, bat eine Quelle auf dem 
ſaharaähnlichen Blateau des Llano Eſtacado oder 
Etaled Blains im weitl. Teile von Teras, nahe 
der öftl. Grenze von Neumerilo, Nachdem er in 
feinem gegen Oſten gerichteten Laufe die Grenze 

wifhen dem Indian Territory im Norden und 
em Staate Terad im Süden gebildet, geht er in 
den Staat Arlanias über, biegt bei Fulton füd: 
mwärts nad) dem Staate Louifiana um, durchſtrömt 
diefen in vielen Windungen gegen Südoften und 
mündet in den Miſſiſſippi. Er iſt 1920 km lang, 
davon find 560 km für Dampfboote —*— 
Oberhalb Shreveport in Louiſiana war er früher 
durch das fog. Great Naft, einen Haufen von Bäu: 
men und Treibholz, geiperrt, In neuerer Zeit find 
dieſe durchſchnitten worden, ſodaß jekt Schiffe mel; 
rere hundert Kilometer weiter fahren können. Die 
Hauptnebenflüffe find: North: Fort und Wafhita im 
ndian Territory, Little: Kiver in Arkanſas und 
lad: River in Zouifiana auf dem linken und Bene 
und Big: Widita in Teras auf dem rechten Ufer. 

Red⸗Rivser of the North (Nördlicher Noter 
Fluß), Fluß in Nordamerifa, entfpringt aus dem 
Elbomiee im Staate Minnefota, fließt erft ſüdlich 
durch eine lange Reihe von Seen in den Diter:Tail: 
fee, dann weitlih, wendet fih dann nad Norden, 
ſcheidet Talota von Minnefota, teilt Manitoba in 
— ungleiche Teile und mündet in das Südende 

es Winnipegiees. Seine Länge beträgt 1200 km, 
Unter feinen jehr zahlreichen Rebenflüſſen find die 
—— en der Neb:Late:River,, Buffalo, 
Sand:Hill und Snake-Hill, lint3 der Cheyenne, 
Elm, Gooſe, Pembina und befonders der Aſſini— 
boin. Don diefem nördl. Strom hatte die Ader: 
bautolonie Red-River den Namen. (S. Manis 
toba.) Bol. Butler, «The great lone land, an 
account ofthe Red-River expedition 1867— 71» 
(7. Aufl., Neuyort 1875). 

Redruth, Stadt in der engl. Grafſchaft Corn: 
wall, Station der South:Devon und Weit:Corn- 
walllinie (Ereter: Benzance) der Great: Weitern: 
bahn, zählt (1881) 9335 E. und hat fehr reiche 
Kupfer: und Zinnbergwerte. 

Redruthit, |. Rupferglans. 

Redfcheb ilt der Name des jiebenten Monats 
im islamitifchen Mondjahre. In dem vorislamiti: 
fchen Kalender der Araber nahm er die dritte Stelle 








Ned: River — Rebuit 


defien Reiſen und Jehden aufhören mußten. Auch 
heute genießt er befonderes u fodaß in ihm 
geborene Anaben oft nad) im enannt werben. 
Redt., bei naturwiſſenſchaftlichen Namen Ab: 
breviatur für Ludwig Redtenbacher, geb. 1814 
zu Kirchdorf in Oberöfterreich, geft. 1876 als Direl⸗ 


| tor des t. f. zoolog. Kabinett in Wien. 


Nedtenbacher (at. Ferd.), hervorragender 
Mafcineningenieur, geb. 25. Juli 1809 zu Steyer 
in Oberöfterreih als Sohn eines dortigen Gijen: 
—— ſollte ſchon im 11. Jahre als Kaufmanns: 
ehrling eine ihm nicht zuſagende Laufbahn be— 
Bam. fepte aber zwei Jahre ſpäter feine Schul: 

ildung in Linz fort, wo er 1825 als Zeichner: 
gehilfe bei der kaiferl. Baudirektion verwendet 
wurde. Hierauf ging er nad Wien, um dort bis 
1829 an dem Rolytediniichen Inſtitut und der Uni: 
verfität Borlejungen zu hören, In den J. 1829— 
33 betleidete er an der eritgenannten Lehranftalt 
die Stelle eines Affiftenten im Fache ber Maſchinen— 
lehre. In den J. 1834—41 war er Brofefjor der 
Mathematit und des geometr. Zeichnens an ber 
| höhern Induſtrieſchule in Züri und fand hier in 
| der Majchinenbauanftalt von Eſcher⸗Wyß reichen 
Stoff für feine Studien über das Mafhinenweien, 
| dem er fortan feine Hauptthätigleit widmete. | 
7,1841 erhielt er den Ruf als Profefior des Ma: 
| Ichinenbaues an der Polytehniihen Schule zu 
Karlsruhe, welcher Anftalt er feit 1867 zugleid) als 
Direktor vorftand, Er ftarb 16. April 1863, 

R. ſchrieb: «Theorie und Bau der Turbinen 
und Ventilatoren» (Mannh. 1841; 2. Aufl. 1848), 
«Theorie und Bau der Wafjerräder» (Mannh. 
1846; 2. Aufl. 1858), «Refultate für den Mafchinen: 
bau» (Mannh. 1848; 6. Aufl., herausg. von Gras: 
bof, Heidelb. 1875), «Die caloriihe Mafchine» 
Mannh. 1852; 2. Aufl. 1853), «Prinzipien der 

echanil und des Maichinenbaues» (Mannh. 1852; 
2. Aufl. 1859), «Die Geſetze des Lolomotivbaucs » 
(Mannh. 1855), «Die Bewegungsmehanisnen» 
Wannh. 1857 —61), «Dad Dynamidenfyiten » 
Mannh. 1858), «Die anfängliden und gegen: 
wärtigen Crwärmungsjuftände der Weltlörper» 

Mannh. 1861), «Ter Majchinenbau» (3 Bde., 
annh. 1862-65). _ 

Reduit (frz., d. i. «ein abgefonderter Ort»), an 
fi foviel wie « Zufludptsort», bedeutet in der mi: 
litärifchen Sprache eine jelbitändige innere Be: 
[eiigungsanio e, mit der Aufgabe, nach Verluſt 

er äußern Umfaffung einer Schanze, eines Feſtungs⸗ 
werl3 oder einer befejtigten Ortlichleit die weitere 
Verteidigung zu übernehmen. Bei permanenten 
Befeftigungen find die R. in der Regel fteinerne, 
bombenficher eingededte, mit Schiepfcarten ver: 
ebene und zum Wohnen eingerichtete Gebäude, 
och können fie aud in Holz und mit Benupung 
von Gifen ausgeführt fein. Da das R., welches, 
um Schußfeld zu F im Innern oder in der 


Kehle eines Werks frei liegt, dem indirelten Schuſſe 
des Feindes ausgeſeßt iſt, nimmt man infolge der 
Vervolllommmung dieſer Schußart durch die ges 
zogenen Geſchütze in neuerer Zeit von ber Anlage 
eigentliher R. in Feltungswerten Abftand und ers 
ftrebt den Zweck gefidherter Unterbringung von 
Mannfhaften und Borräten durch andere Bauten, 
welche der Wirkung jener Schußart entzogen find, 
2 eftungsbau.) An ähnlihem Sinn unters 
äßt man aud) bei feldwerfen die Anlage von R., 


ein und war ein Felt: und Nubemonat, während welche hier meift die Form von Blodhäujern (f. d.) 


Reduktion — Redwitz 


tten. In befeftigten Dörfern richtet man wider: 
—— ge Gebäude, wie Schlöffer, Kirchen u. ſ. w., 
ala R, ein, 
Neduit oder aud Kafematte nennt man bei 
dem von den engl. Marine-ingenieur Reed ange: 
ebenen af er von Panzerſchiffen den ſich in der 
itte der Breitfeiten —* enden, mit ftarten Ban: 
zerplatten belegten, zur Gefhüsaufitellung beftimm: 
ten Raum. Derartige Schiffe werden Kafematt: 
ſchiffe genannt. , 

Reduktion (lat., Zurüdführung) nennt man in 
ber Chemie und metallurgijhen Hütten: 
tunde die Herftellung des Metalls aus irgend einer 
feiner Verbindungen, oder die Überführung eines 
Bu Oxyds in ein — So wird das 

lei aus der Bleiglätte und Mennige, Verbindun— 
gen von Blei mit Sauerftoff, dadurch reduziert, 

aß man dieſe mit Kohle glüht, die ſich mit dem 
Sauerftoff der Bleioryde zu —— verbindet 
und das Blei metalliſch zurüdläßt. Kupfer kann 
man aus einer Kupfervitriollöfung reduzieren, in: 
dem man Eifen in lektere ftellt, wo fich das Kupfer 
mit roter Farbe niederfchlägt, indem es durd) das 
Eifen, welches ſich ftatt ag auflöft, aus der 
Hlüfjigkeit verdrängt wird. Hauptagentien, welche 
reduzierend wirlen, > 3. B. die Glühhike (Gold: 
und Silberoryd werden ſchon dur Glühen rebu: 
ziert), der galvaniihe Strom (in der Galvano- 
technik) zur Meugung ber Rupfernieberfchläge oder 
metallifcher Üiberzüge (Berfilbern, Bergolden), das 
Lit, befonders das blaue, violette und ultra: 
violette (die Photographie beruht zum Teil auf der 
redugierenden Wirkung des Lichts), der Wajlerjtoff, 
die Kohle (in der Dietallurgie), die Fette u. ſ. w. 

Bei Münzen, Maßen, Gewichten und an: 
bern mehbaren Größen bezeichnet man mit Re: 
dbultion den Ausdrud einer nad einen Maße 
gemefjenen Größe in einem andern Maße. So rebu: 
siert man Münzen des einen Landes auf Münzen 
eines andern, ein ‚gubmab, ein Gewidt en das 
andere, Zur Erleichterung diejer im Verkehr fo 
häufig vorfommenden Rechnungen bat man Re: 
dultionstabellen für Münzen, Maße und Ge: 
wichte, für Maße wohl auch Nedultionsmepftäbe, 
Redultionszirlel u. f. w. 

In der Mathematik ift Reduktion die Ver: 
Meinerung in einem beftimmten Verhältniſſe, was 
dann aud bildlich übertragen wird, ſodaß man 
3. B. vom reduzierten Zinsfuße eines Staatspapiers, 
reduzierten Bermögenäverhältniffen u. f. m. fpricht. 

Reduktionsventil, foviel wie Dampfdrud: 
rebuzier-Ventil, 

Neduplifation (lat., —— heißt in 
ber Grammatil die vollftändige oder teilweife Wie: 
berholung von Silben zum Ausdrud beftimmter 
Bedeutungsmobdifitationen und kommt in ben ver: 
chiedenſten Sprachſtämmen vor. Die vollftändige 

« findet fi häufig zur Bezeichnung der Wieder: 
holung einer Handlung (verba iterativa), zum Aus: 
drud der Berftärtung bei adiektiviihen Worten, 
zum Ausdrud der Mehrzahl bei Subftantiven u. f.w. 
in vielen Sprachen, 3. B. in der Kaffernſprache 
hamba (gehen), hambahamba (berumlaufen), im 
300 einer Regeriprade) ilu (bitter), ilu-ilu (fehr 

itter). ji den indogerman. Spraden ift die voll: 
frändige Rt. ERS felten, 3. B. im gried). 
marmairö, d. i. mar-mar-jö (glänzen) und mar- 
maros (Marmor), dagegen beim Berbum ſehr häufig 
die teilweife R., fo iſt urfprünglid) dag Perfeltum 

Gonverjationd = Lexilon. 19, Hull. XIII. 


545 


mit folher gebildet, 3. B. griech. le-loipa (id) habe 
verlafien), Er pe-pali id ch — 9 —* 
lai-Jöt (fpr. le-löt) ich ließ, zu l&tan (lafjen); aber 
aud) in andern Berbalformen kommt diefe R. vor, 


3. B. gried). di-dö-mi (ic) gebe). Vol. Bott, «Dop: 


pelung als eins der wichtigften Vildungsmittel der 
Spradye» (Lemgo 1862). 
Redut⸗Kaleh, Stadt in — (.d.). 
Reduvia (lat.), der Nietnagel. i 
Ned Wing, Stadt in Goodhue County im 
nordamerit, Staate Minnefota, liegt am See Pe: 
pin, einer feeartigen Erweiterung des Miſſiſſippi, 
und der Chicago:, Milwaulee⸗ und St-Raul-Cilen, 
bahn, Dat (1880) 5876 €., welche Holz: und Getreide: 
—5* treiben; bier iſt die 1857 von der biſchöfl. 
ethodiftentirche gegründete Hamline-University. 
Redwitz (Oskar, Freiherr von), namhafter 
deuticher Dichter, aus einem vormals reihsunmit: 
telbaren fränt, Gefhledt, geb. 28. Juni 1823 zu 
Lichtenau bei Ansbah, kam in frühefter eine von 
nach Kaiferslautern und befuchte die Gymnaſien 
” peier und Zweibrüden, fowie das franz. Col: 
ege zu Weißenburg im Elſaß. In feinem 18. Jahre 
bezog R. die Univerfität Münden und widmete fidh 
hier und ein Semefter in Erlangen philof, und 
jurift. Studien, worauf er, 1846 al3 Rechislandidat 
in die Pfalz zurüdgefehrt, ra zwei Jahre hindurch 
inabminiftrativer und jurift. Braris auf den Staats: 
dienft vorbereitete. Während diefer Zeit vollendete 
R. fein erſtes Werk, das romantische Gedicht «Ama: 
ranth» (Mainz 1849; 36. Aufl. 1883), welches be- 
geifterte Aufnahme und rafche Verbreitung, allein 
auch prinzipielle Gegner fand, Nachdem R. 1849 
noch das letzte Staatseramen beftanden, gab er die 
jurift. Laufbahn auf, widmete fi in Bonn mittel: 
godhveutiden und Haffifchen Studien und wurde 
im Herbit 1851 ala Profeſſor der allgemeinen Lit: 
teraturgefhichte nad) Wien berufen, zog fi aber 
Jana 1852 auf das But Schellenberg bei Kaiſers— 
autern zurüd, wo er zwei Jahre verlebte, In 
diefer Zeit erfhienen «Das Märchen vom Wald: 
bädlein und Tannenbaum» a oe 5. Aufl, 
1854), «Gedichte» (Mainz 1852; 3. Aufl. 1854) und 
die Tragödie «Sieglinde» (Mainz 1854, in drei 
Aufl, erichienen). Im Herbft 1854 übernahm N. 
feine_bei Kronach gelegenen Rittergüter Schmölz 
und Theifenort zu eigener Verwaltung. Hier did): 
tete er außer dem Drama «Thomas Morus» (Main; 
1856, in 8 Aufl.), die für die Bühne beftimmten 
Schaufpiele «Bhilippine Welfer», «Der Zunft: 
meifter von Nürnberg» und «Der Doge von Vene: 
dig», von denen die beiden erften einen durch: 
j —— Erfolg hatten, der ſich, namentlich bei 
«Philippine Welferr, bis in die Gegenwart un: 
geſchwaͤcht erhalten hat. Bon dem Wahlkreiſe 
Kronach wurde N. zweimal in die bayr. Abgeord: 
netenfammer ewählt, wo er ſich der liberalen 
Partei anſchloß. Anfang der fechziger yahre vers 
faufte R. feine Güter bei Kronach und fiedelte nach 
Münden über. Den Winter verlebte er wegen 
eines afthmatifchen Leidens fpäter meift in Meran. 
m J. 1868 erſchien R. erfter Roman „Hermann 
tarf, deutiches Leben» (3 Bde. — in 4Aufl.). 
Nach vorübergehendem Au enthalt in Aſchaffenburg, 
wo er 1870/71 «Das Lied vom neuen Deutſchen 
Reich» (gegen 600 Sonette, Berl. 1871; 11, Aufl. 
1876) dichtete, ein Werk, das edelſte —— 
Begeiſterung in [höner Form ausſpricht, nahm R. 
1872 feinen dauernden Wohnfis in feiner Villa 
85 


546 


Scillerhof in Obermais bei Meran. Seine fernern 
Werte find das auf einer freien naturpbilof. Welt 
anſchauung berubende epiiche Gedicht «Ddilo» 
(Stuttg. 1878; 4. Aufl. 1883), «Ein deutſches Haus: 
buch» (1. bis 5. Aufl., Stuttg. 1883), ein epiſch⸗ 
lyriſches Gedicht, das die Freuden und den Segen 
des deutſchen Hauſes befingt, und der Roman «Haus 
Wartenberg» (Berl. 1884; 5. Aufl. 1885), eine Ber: 
berrlihung der NMutterliebe und des eiftigen Adels. 
Nee (Lougb-Ree), Binnenſee grins durch 
den Shannon gebildet, zwiſchen der rafichaft Ros⸗ 
common der —— onnaught weſtlich und den 
Grafſchaften Longford und Weitmeath der Provinz 
Leinſter öftlih, 27 km lang und bis 12 km breit; 
in ihn ergießt ſich öftlich der River⸗Inny. j 
eed (Edward james), —— —— 
geb. 20. Sept. 1830 in Sheerneß, erhielt feine Er: 
ziehung in der School of Mathematics and Naval 
Architecture in Portsmouth und wurde dann in 
dem Dodyard von Sheerneh angeltellt. Später 
übernahm er die Nebaction des « Mechanic’'s Ma- 
gazine», Sn Anerkennung feiner ausgezeichneten 
Kenntniſſe und lebhaften Seilnahme an ber Ent: 
widelung des Schiffbauweſens ernannte das In- 
stitute of Naval Architects ihn zu feinem Selre: 
tür. Im J. 1859 legte er der Admiralität eine 
Denlſchrift vor mit Vorſchlägen zur Verringerung 
der Ausdehnung, der Koften und ber Bauzeit von 
Panzerſchiffen, auf deren Grund er das Jahr dar: 
auf zum Oberkonſtrulteur der Flotte ernannt wurde. 
Der größte Teil der erjten engl. Tanierhobte wurde 
nad jeinen Plänen und unter feiner Leitung ge: 
baut. Zur Beit der abeſſin. Erpedition bej affte 
er in kürzefter Zeit eine Flotille von Dampftrans: 
portſchiffen für die oſtind. Regierung. Zerwürf— 
niſſe mit der Admiralität und eine Reihe von Un— 
glüdzfällen der engl, Flotte führte 1871 feine Ent: 
lafjung herbei. r brei Banzerjciffe der deutſchen 
Marine König Wilhelm, Deutichland und Kaiſer, 
bat R, ebenfalls die Pläne geliefert, ſowie für eine 
aroße Zahl Kriegsſchiffe für andere Nationen, Cr 
it der hervorragendite Schiffbau: ingenieur der 
Gegenwart. Seit 1874 hat er als liberales Mit: 
lied für Bembrofefhire einen Sik im Unterhaufe, 
Außer der obenerwähnten Dentichrift erfchienen 
von R. bie —— «Shipbuildiug in iron and 
steel, & practical treatise» (1868), «Our ironclad 
ships, their qualities, performances and cost» 
(1869) und «Our naval coast defenses» (1871). 
Reede oder Rhede (vom niederſächſ. reden oder 
rheden, d. h. bereiten, ausrüften) heißt ein von einer 
Biegung des Landes umſchloſſener Ankerplak nahe 
der offenen See, in der Nähe eines Hafens oder dem 
Ufer. E3 geben —— vor Anler, um einen 
günftigen Wind zum Einfegeln oder Beitimmungen 
vom Lande aus zu erwarten. Ebenſo werben dajelbit 
zu tief liegende Schiffe gelichtet oder nehmen, hier 
ausgehend, den Reft ihrer Ladung ein. Cine ges 
ſchloſſene R. ift durch das angrenzende Ufer vor den 
berrihenden Winden und hohen Seegange_ge: 
ihüpt, bei Kriegshäfen auch befeftigt; eine offene 
nicht; eine reine hat im Gegenfaß einer faulen einen 
jteinfreien Grund, während eine gute R. die Eigen: 
ſchaften der geichlofienen und reinen verbindet. 
eeder, Rheder (fr}. proprietaire oder arma- 
teur, engl. owner, ital,proprietario.del ug newer 
nennt man ben Cigentümer eine3 zum Erwer 
mitteld Seefahrt beftimmten Schiffs, ingleichen den: 
jenigen, ber ein fremdes Schiff zu dem nämlichen 


Nee — Need 


Zwedausrüftet und verwendet. Allevon ihm inner: 
balb dieje3 Gewerbes mit einem Schiffer oder Kapi⸗ 
tän, der Schiffsmannſchaft, den Pailagieren und 
Befrachtern abgejchlofienen Verträge pafien zwar 
in die allgemeiniten Umrifje des Miet: und Bers 
dingungsvertrags, werben aber al3 Handelsge— 
1 te und mit Nüdfiht auf die Bebürfnijle und 

ehielfälle des Seeverlehrs in vielen Punkten 
nad eigentümlihen Grundfäßen beurteilt. Der 
N. haftet fomohl für eigenes Verſchulden als für 
das feiner Leute, lontraltlich und außerkontraltlich, 
aber in zahlreichen ällen nur mit jeinem Schiffs⸗ 
vermögen (f. d.), beſonders aus Delilten der Dann: 
haft und aus Verträgen, die der Kr 

[b des Heimatshafens für ihn abſchließt. 
ſich das Schiff im Miteigentum ‚jo be: 
ſteht häufig eine Reederei oder Mitreederei 
(f.d.). Vgl. Ehrenberg, « Beichräntte Haf de3 
Schuldners nad See: und Hanbelörecht» Jena 
1880) ; — «Handbuch des Seerechts» (Bd. 1, 


a i 
ecderei, |. Mitreeberei und Reeder. 
wi] nennt man bei Segeln, die ein Schiff bei 
abwechſelndem, bald leichterm, bald beftigerm Winde 
zu führen genötigt üjt, eine Vorrichtung, ſie der 
Stärfe des Windes gemäß zu verkleinern. Diefe 
bejtebt darin, dab in gewiſſen Höhen quer durch 
das Segel eine Menge dünner Leinen gezogen üt, 
die das Segel gewiljermaßen in Etagen teilen. Bei 
zunehmendem Winde nun rollt man das Segel bis 
zur eriten, zweiten ober dritten Abteilung, d. h. 
dem erjten, zweiten oder dritten R. und verkleinert 
es durch Bufanmenfääree ber Leinen. Die Arbeit 
jelbft ie reefen oder ein R. einjteden, während 
man bei abnehmendem Wind in umgetehrter Ord⸗ 
nung das R. ausjtedt. Um das Reefen zu erleich— 
tern, find in neuerer Zeit das u pr und 
Dyerſche Syftem eingeführt worden, die ed ermög- 
den, chnell und zu jeder Zeit vom Ded aus einen 
beliebigen Teil des obern Segeld um die dazu eins 
gerichtete Naa (f. d.) zu rollen und erfteres dadurch 
zu verlleinern, ohne Mannſchaft hinaufzuſchicken. 
Meell (frz.), in der Wirklichkeit eriftierend, wirt: 
li vorhanden; redlich, vertrauenswert (j. Real). 
Necpfchlägereien nennt man die groben, oft 
mit Dampf getriebenen Mertitätten, wo die für die 
Seeſchiſſahrt nötigen Taue verjertigt werden. Der 
Name ftammt von dem nieberdeutichen Wort Reep 
(engl. rope), d. i. Tau, während man das Zus 
ammendreben der einzelnen Garne zu Strängen 
und diefer zu einem Tau mit dem Ausorud eſchla⸗ 
en» bezeichnet. Gine Neepfchlägerei unterſcheidet 
ae einer Seilerwertjtatt hauptjächlich dadurch, 
dab in erfterer geteerter Hanf, in letzterer aber 
weißer Hanf oder Flachs verarbeitet wird. , 
Need, Kreisſtadt im preuß. 5— 
Düfjeldorf, rechts am Rhein, 22 km eo 
Weſel gelegen, mit Mauern und Gräben verjehen, 
iſt Sik eines Amtsgerichts, hat eine kath. und eine 
evang. Kirche und zählt (1880) 3742 E., die naments 
lid) Gerberei, Tabate:, Papiers, Dachziegel⸗, Cholo⸗ 
lade: und Cichorienfabrilation, jowie Feldbau und 
Schiffahrt betreiben. Die Stadt entitand um eine 
1040 gegründete Auguftinerabtei, wurde 1598 von 
ben Spaniern umter Mendoza, 1614 von den Hols 
ländern unter Morik von Oranien, 7. Juni 1672 
und 1761 von den Franzoſen erobert und iſt auch 
wegen des füböftlich von ihr, bei vem Dorfe Meer 
oder Mehr 5. Aug. 1758 erfochtenen Siegs der 


Need — Neff . 


Alliierten unter Imhof über die Franzofen unter 
Ghevert bemerlenswert. — Der Kreis Rees zäblt 
(1880) auf 523,3 qkm 63 772 E. und hat zur Kreis⸗ 
ſtadt Weſel (f. d.). , , 
.. Stabt im preuß. Regierungsbezirk Franl- 
furt a. O., Kreis Arnswalde, links an der Ihna 
und an der pommerjdhen Grenze, Siß eines Amts⸗ 
erichts, bat rn 3215 G,, mechan. Weberei, 
Färberei und Gerberei. 

Refaktie bebeutet im Handel den Abzug, welcher 
infolge Beihädigung einer bezogenen Ware bean- 
fprucht und vom Gewicht zurüdgerechnet wird. (S. 
Fusti.) Am Eiſenbahnfrachtweſen ift R. die Ver: 
gütung, welche bei verhältnismäßig ftarfer Be: 
nubung des Transportdienftes einer Bahn von ſeiten 
eines und desjelben Befrachters diefem für jedes in 
Betracht lommende Jahr von der Bahnverwaltung 
gewährt wird, Für jeden einzelnen Frachtpoſten iſt 
zunädit der volle Tarifpreis zu entridhten, or 
dem Jahresſchluß wird aber der Gefamtbetrag na 
den ermäßigten Sähen (nad) den Säßen für ganze 
MWagenladungen) berechnet und dem Befrachter der 

ezahlte — als N. zurũderſtattet. In der 

egel ift die Gewährung einer R. nur bei ſolchen 
Bahnen üblich, welchen durch andere Bahnen oder 
durch eine Waſſerſtraße Konkurrenz gemacht wird, 
und es ijt dabei gewoͤhnlich die Einlieferung eines 
—— Minimalquantums von Gütern zum 

tansport im Laufe des betreffenden Jahres Vor: 
ausfegung. Sofern eine R. im Tarıf veröffent: 
licht und en verbindlich ift, läßt ſich wenig 
gegen bieje Begünftigung des Einlieferers größerer 
ransportmengen jagen: fie ift eben der jo viel: 
fach anderweit vorfommende Vorteil des ohnehin 
durch gröhern Geihäftsumfang bevorzugten Groß: 
laufmannd, In beiondern Fällen darf auch wohl 
ber einzelne durch nicht öffentlich befannte und 
nicht allgemein verbindlihe R. begünftigt werben; 
abgeſehen von ſolchen Einzelheiten find N, diefer 
Art demoralifierend und durchaus verwerflich; der: 
artige heimlihe N, fommen in Deutjchland felten 
oder gar nicht vor. 

Refektorinm (lat.), der gemeinſchaftliche Speifes 
ſaal in den Klöjtern, 

Referendar (lat.) heißt derjenige, welcher einem 
andern Vorträge zum Behuf der Entideidung zu 

Iten (teferieren) hat, In der neuern Geridts: 

prache bezeichnet man aber in mehrern Staaten 
damit —— im Juftiz: oder auch Verwaltungs⸗ 
‚Fade, welde zwar nicht wirkliche Mitglieder eines 
höhern Kollegiums find, aber verſchiedene Funltio: 
nen folder, zugleich als Borbereitungsjtandpuntt 
für den Eintritt in das Kollegium, auf ſich haben, 
Die Stellung ift nad Maßgabe der verſchiedenen 
Gerichtsverfaſſungen verfchieden. Im preuß. Civil: 
dienſt war das Referendariat früher die zweite 
Bildungsſtufe im Juſtizdienſt, welche von den Aus: 
tultatoren nach einer zweiten, vorzüglich auf die 
Landesgefehe gerichteten Prüfung erreicht wurde; 
allein nad) dem Gejeke vom 6. Mai 1869 find über: 
aupt nur noch zwei Prüfungen erforderlich und 
chon die Abjolvierung der erſten befähigt zum 
Referendariat. Auch in Sachſen und andern 
deutjchen Staaten üt feit 1867 die Bezeichnung 
N. an die Stelle der früher üblichen Titulaturen 
aUftuar», «Mcceffüt» u. ſ. mw. getreten. Der R. 
wird zu allen Arbeiten der Mitglieder des Rolle: 
puz der Räte unter Aufjicht des Präfidenten ge: 
aucht, doch in der Negel ohne Bejoldung und 


. 547 


ohne Votum, Bom Referendariat führt das per 
Eramen zu den Stellen der Aſſeſſoren, Kollegial: 
räte und walter an den böbern Gerichten. 
Geheime Referendarien pflegen in manden 
Staaten die Sefretäre der höchſten Staatsbehörde 
———— iht in ber Schweiz das 

.) beißt in weiz da3 vers 
faffungsmäßige Necht des Volls, über die von den 


vorberatenden, refp. gefehgebenden Behörden ent: 
worfenen ober exlafienen ehe u. |. m. durch Ab» 
hrend in Graubünden 


jtimmung zu entſcheiden. Wä t 
und den Is Landsgemeinde:Rantonen, in welchen 
jedes Gejek an offener Landsgemeinde durd Stim: 
—— angenommen verworfen wird, 
dieſes Vollsrecht althergebracht iſt, hat es in den 
— sense erſt ſeit a a — 
e Dun affung von ngang ge R 
Das ei * F iſt ein falultatives, d. h. Ge: 
ſehe und allgemeinverbindliche Bundesbeſchlüſſe 
werden nur dann dem Volle vorgelegt, wenn dies 
von 30000 Stimmberechtigten oder von 8 San: 
tonen verlangt wird. In den Stantonen heift das 
N. obligatoriſch, wenn alle Geſehe und alle Aus: 
gaben, welche eine bejtimmte, in ben einzelnen 
Kantonen verjhiedene Summe überjteigen, der 
Volksabſtimmung unterbreitet werden müflen: fo 
in Zürich, Bern Samy. Solothurn, Bajel:Land, 
Graubünden, Aargau, hurgau und in den Lands 
gemeinde:fantonen Uri, Ob: und Nidwalden, Ola: 
rus und Appenzell beider Rhoden. Falultativ heißt 
e3, wenn, wie in eigenöffiichen Dingen, Gejebe und 
Beihlüffe ohne weiteres in Kraft treten, fofern 
nicht binnen einer gemwiflen Zeit von einer be: 
ftimmten Zahl von Stimmberedtigten (Veto) oder 
von Mitgliedern der gefebgebenden Behörden die 
Volksabſtimmung verlangt wird: fo in Luzern, Zug, 
Bafel:Stadt, Schaffhauſen, St. Gallen, Teſſin, 
Waadt, Neuenburg und Genf, Wallis hat mur ein 
partielle3, auf Finanzfragen beſchränktes R, Rein 
tepräfentativ:demofratifch ift einzig noch der Kanton 
eiburg. In Zürih, Zug, Solothurn, Bafel: 
tabt und «Land, Schaffhaufen, Aargau, Thurgan, 
Waadt und Neuenburg und ebenjo in den Lands: 
gemeinde-Kantonen iſt mit dem R, die Initiative 
verbunden, d. b. das Volk hat nicht nur das Necht, 
über Gejehesvorlagen zu entiheiden, jondern es 
darf auch eine geiehli — Zahl Stimm: 
berechtigter von fih aus Geſetprojekte aufitellen, 
den Behörden zur Vorberatung und der Gefamtzahl 
der Stimmberechtigten zur Entiheidung zumeijen, 
Referent (lat.), f. Berichterſtatter. 
Neferieren (lat., fi auf etwas beziehen, be= 
richten) wird in der Rechtsſprache zunächſt von den 
Berichten (Relationen) gebraudt, welde das 
dienende Berfonal der Gerichte über die Ausführung 
erteilter Aufträge, 3. B. das Austragen von Las 
dungen, erjtattet. Bevollmächtigte nehmen zuweilen 
bei Bergleihsverhandlungen die —— Vor⸗ 
ſchläge blos ad referendum, zur Verichterſtattung, 
an, wenn fie über die Meinung des abweſenden 
Auftraggebers nit hinreihend unterrichtet zu fein 
lauben. Unter R. im jurift.-tehniidhen Sinne ver: 
eht man aber das Vortragen un tachten 
des Inhalts von Alten. (S. Bericht, Bericht: 
erftatter.) Die Referierkunit bildete im jchrift- 
lihen Verfahren einen wichtigen Teil der pral: 


tiſchen Jurisprudenz. Vgl. Martin, «Anleitung 
zum R. in R indem (2. Aufl., Heibelb. 1829). 
Neff, foviel wie Reef, 


35* 


548 


Reffye, franz. Gefhüstonftrulteur, geb. 30. Juli 
1821 zu Straßburg, geſt. im Dez. 1880 ald Gene: 
ral, wurde 1864 als Kapitän und OEBORMONBRIINITE 
des Kaifers Napoleon III. Direktor der Artillerie: 
werlftatt zu Meudon. er entitand bier das 
canon & balles, auch Mitrailleufe de Meudon ge: 
nannt, und das Canon Neffye, Hinterlaber : Feld: 

efhüh, das 1870 während der Belagerung von 

Barız in den Dienft geftellt und nad) dem Kriege die 
proviforifche Ausrüftun der ren Feldartillerie 
bildete, \ .Geſchütz, Kartätf geihns) 

Reflektor, eine an Lampen, insbeſondere auch 
an eleltriſchen Lampen angebradte Borridhtung, 
um die Lichtitrahlen zurüdzumerfen. j 

Reflexbewegungen heißen in der Phyſiologie 
foldye Bewegungen, welche durch die Erregung von 
Empfindungsnerven ohne Zuthun des Willens, 
unter Umftänden felbft ohne Bewußtfein von dem 
Vorgange, hervorgebracht werben, Sie entitehen 

0, daß auf die Reizung eines Empfindungsnerven 
urch Vermittelung gewiffer Stellen des nervöjen 
Gentralorgans (Gehirn, Rüdenmarl), die man 
deshalb Reflercentren nennt, ein Vewegun 3: 
nero in Thätigfeit geſeht und eine bejtimmte Bes 
eh wird, Belannte Beiſpiele diefer 
Art find das Niefen nad) dem Kitzeln der Nafe, das 
uften nach Reizung der Kehltopfidleimhaut, das 
ienenfpiel bei Gemütgeindrüden, das Zuden der 
Beine beim Kiheln der Fußſohle u. ſ. w. Es gibt 
eine große Anzahl von R., die weniger bekannt 
ind. So verengt ſich die Pupille, wenn Licht in 
as Auge fällt, und erweitert ſich bei Beſchattung 
des Auges; fo übt weiterhin ein Hautreiz einen be: 
fchleunigenden oder hemmenden Einfluß Pe die 
——— aus. Dahin konnen auch noch ſolche 
ewegungen gerechnet werden, die infolge von 
ſychiſchen Eindrüden entſtehen, wie das Herz— 
lopfen bei großer Aufregung, die lebhaftern Darm: 
bewegungen (Stublentleerung) bei großer Angit 
u. —* Auch Drüfenabfonderungen werden auf 
refleltorifchem Wege auögelöft, wie dad Thränen 
be3 Auges bei äußern Reizungen, die Speichel: 
fetretion bei Reizungen der Mundichleimhaut bes 
BR reflettorifhe Abjonderungen). 
Ale R. sen dag Cigentümlihe, daß fie aud) 
nad) der Aufhebung des Bervuhtieind zu Stande 
tommen (im Schlafe, in der Chloroformnartofe). 

Die Intenfität der R. hängt teils von der Inten— 
ität des einwirkenden Neizes, teild3 von der Ne: 

lererregbarteit ab, d. h. von dem Grade der 
Rei — Sa einzelnen Reflercentren, welche 
na Iter, Zemperament, individuellen Gigen: 
kin und nad) dem Einfluß einer un —D8 
wirkender Subſtanzen verſchieden iſt. Die R 
thätigfeit iſt nicht bloß erregend, ſondern fie lann 
auch lähmend fein, d. h. der durch Reflex erregte 
Bewegungsnerv bringt durd feine Thätigkeit einen 
unter gewöhnlichen Verhältniffen bejtehenden Zus 
ftand mehr oder minder zum Verſchwinden (jog. 
Neflerbemmung). Dahin gehört die Lähmung 
des Herzens und der Atembewegung durd) äußere 
oder phyfiihe Reize, das Erblafien des Angeſichts 
bei IM tigem Schmerz u. dgl, Unter krankhaften 
Einflüffen kann die ran geſchwächt oder 
gefteigert fein. So entitehen bei gewiſſen Rüden: 
markskranlheiten, bei der Vergiftung mit Strych— 
nin auf die leichtefte Berührung die heitig ten 
Krämpfe, während unter andern Zuftänden aud) 
ein ftarker Reiz keine Bewegung hervorruft, Um 


Nefiye — Reformation 


bie Lehre von den Neflervorgängen machten fidh be: 
fonders Marfhal Hall — Müller, *3* 
Sa Setihenow und Golk verdient. 

) eftez einungen, in der Srhufiologie alle 
diejenigen Erſcheinungen, welde inner des 
lebenden Körpers ohne Zuthun des Willens und 
des Bewußtjeins durch einen fog. Refler, d. 6, 
durch die Übertragung ber Erregung eines Ns 
dungänerven auf einen Bewegungs: oder en: 
nerven entftehen. Man unterjcheibet refleftoriiche 
Abfonderungen und refleltoriſche Mustelerregun: 
gen. (S. Neflerbewegungen.) 

Reflexion (von reflectere, d. i. zurüdbeugen) 
bezeichnet in der Phyſil die Zurü ng ber 
Wellenbewegung des Waflers, des Schals, des 
Lichts und der ſtrahlenden Wärme von einer oh 
geeigneten Fläche. Dieſe Zurüdwerfung geſchi 
nad) dem Geſehze, daß ein Li —* .B. von einer 
f —“ Ebene unter demſelben Winlel zurüdge 
worjen wird (Zurüdwerfungs; oder Reflerions: 
wintel), unter dem er einfällt (Ginfallawintel), 
und daß der einfallende und zurüdgemorfene Strahl 
in einer Ebene liegen, die auf der pi Ebene 
fentrecht fteht. Die Einfalld» un en 
ebene fallen alfozufammen. UmbdieR.von n 
Ka igen Körpern zu — betrachtet man die⸗ 
elben als Polyeder, welche von unendlich vielen 
Heinen Ebenen begrenzt find, 

In geiftigem Sinne ne R. bildlich die 
urüdbeugung des Geiftes in fich felbft als eine 
urüdziehung auf die nad) innen gewendeten 7 

tigfeiten einer Berlnüpfung, Bergleihung und 
arbeitung der Empfindungen und ei 
“ Gedanken und Erfenntniffen, im Gegenfab zu 
en nad) aufen gewendeten hätigfeiten des Em: 
pfindens und Anfhauens, vermöge deren wir Ein 
drüde von außen empfangen. 

Reflexionsebene und Reflexionswinkel, |. 
unter Reflerion, 

Neflegionskreis oder Spiegellreis, ein wie 
ber Sertant (f. d.) eingerichteter Vollkreis, der 
Lande und zur See bei den Winkelmeſſungen 
Höhen: und Diftanzbeitimmungen dient. 

eflegivpronomen, rüdbezügliches Fürwort; 
ein Fürwort, welches fid) auf das Subjelt des 
Sapes zurüdbegie t, 3. B. er ärgert ſich. 

Rejlexfrämpfe, krampfartige unwilllürliche 
lee gar der Musteln (Zudungen oder 

tarrfrämpfe), welde nad der eines 
Empfindungsnerven durd die im irn oder 
Nüdenmark ftattfindende Überſtrahlung diefer Rei: 
zung auf beftimmte Bewegungsnerven veranlaft 
werden, Am ausgefprodenften finden ſich R. bei 


er: | manden ſchweren atuten Rüdenmarlstranthe 


bei der Strychninvergiftung u.a. (S. Krampf. 
Reflexlähmung, ſ. unter Lä Wine 
Reform (lat.), — mgeſtaltung be 
ſtehender Einrichtungen mit Abſtellung der 
zeigenden Übelſtände. Reformer (engl, 
mers), im allgemeinen Bezeihnung für alle die, 
welche auf dem Wege der R. bejtimmte Gebiete der 
Gefehgebung fortzubilden fuchen (wie in Deutid- 
land die «Steuer: und Wirt — 18 
Ugrarier], in England die Neformer auf 
Gebiete der Üahtgefehgebung)! [laner, 
Reformati, Ordensbrüder, ſ. unter Franzis 
Reformatio in pejus, f. Redtsmittel. 
Reformation (lat.) heißt die gegen das 
tum und die mittelalterliche Kirche gerichtete 


Reformation 


Bewegung des 16. Jahrh., die von Deutfchland 
ausgegangen ift und, nachdem ſie anfangs ben 
röbten Teil von Europa ergriffen nt wenig: 
ens im gerrian. Norden eine wefentlihe Neu: 
eftaltung des Kirchenweſens herbeiführte, Der 
Hhiderftand gegen die äußere Macht der päpſtl. 
een reicht tief ins Mittelalter zurüd; er war 
o alt wie die hierarchiſchen Anſprüche Noms. Die 
unbefhräntte Gewalt, welche die Päpfte ala Gottes 
Statthalter über alle hriftl. Fürften und Völker 
beanſpruchten; die binterlifti ak mit der fie 
alle polit. Händel im Intereſſe ihrer Machterweites 
rung ausbeuteten; die ausſchließliche Jurisdiltion, 
welche fie ſich über alle Perfonen und Güter der 
Geiftlichkeit in allen Ländern beilegten; die endloſen 
Abgaben, welde die Bäple in allen Ländern er: 
boben und immerfort mebrten; der Stolz, Hochmut 
und fibermut der Geijtlihen und Mönche, verbun: 
den zum Teil mit großer Unmwifienbeit; die Aus: 
ſchweifungen, zu denen fie ber Zwang des Cölibats 
verleitete: bilde Gebrechen waren in verſchiedenen 
Berioden ber frühern Geſchichte Gegenſtand des 
Angriffs gewefen. Seit der Wegführung der Päpſte 
nad Avignon und dem großen Schiäma der Kirche 
* ſich der Verfall mit außerordentlicher Raſch— 
it ausgebreitet und drohte alle lirchliche Ordnung 
und Sitte aufzulöſen. Dieſe Mißſtände riefen die 
Konzilien zu Anfang des 15. Jahrh. hervor, iu 
Pija, Konftanz und Bafel, bie ſich außer der Ab: 
jtellung des Schismas auch bie hai der Kirche 
«an Haupt und Öliedern» zur Aufgabe gefept hatten. 
Diefe Neformverfuche, aus dem © Gobe des Klexus 
——— ſollten die Kirchenautorität 
nicht beſchrãnlen, vielmehr nur fie vom Papſt auf 
die Konzilien übertragen. Sie gingen über bie 
äußere erfoffung und Disciplin nicht hinaus und 
berübrten weder das lirchliche Dogma nod) das 
Prinzip der ganzen Kirdenautorität. Es gelang 
ben IH ften, auch die ſchon —— nuge: 
fagten Reformen größtenteil3 wieder zu vereiteln. 
gu Deutichland lieh das gefcheiterte Werk der lirch⸗ 
ichen Reform einen tiefen Stachel in den Gemütern 
zurüd, und die Beichwerben der beutichen Kirche 
gegenüber den röm, libergriffen und Mißbräuchen 
waren ein Thema, da3 unvergeffen blieb und jeit 
Ende bes 15. Jahrh. auch auf den Reichstagen mit 
neuer Lebbaftigfeit angeregt ward. Indeſſen be: 
reitete fich eine allgemeine Umgeftaltung des ganzen 
mittelalterlihen Lebens vor, Es bildete fi eine 
neue —— — an die Stelle des alten 
Lehnsweſens trat die Erſtarkung des Landesfürjten: 
tums, deſſen polit, Interefien oft mit den päpftl. 
Anfprüchen in Widerjtreit lamen; der Verfall des 
Nittertums, das Emporlommen der Zünfte in den 
Städten und die dumpfe Gärung im Bauernftande 
bedrohten die Grundlagen ber bisherigen fozialen 
Ordnung. Bugleich erichütterte die MWiederherftel: 
lung der Wiſſenſchaften, durch die eben erfundene 
Buchdruderlunſt mächtig gefördert, das monchiſche 
und lirchliche Monopol mittelalterlicher —— 
In dieſe Gärung fiel der Streit über den Ablaß, 
ben ber ? —— Martin Luther begann. 
Zu den kirchlichen Buben, welche für den Empfan 
der Abjolution aufgelegt wurden, gehörten au 
Geldjtrafen ae fromme Zmwede, die man nad) der 
Größe der Vergehungen bemaß. Dieſes eh das 
Ablapmweien einträglih und wurbe für die Päpfte 
Veranlaſſung, es als Finanzſpelulation zu ver: 
werten. Der pradtliebende und verſchwenderiſche 


549 


EAN Leo X, batte, um feinen Gelbnöten * 
elfen, 1514—16 in den nordiſchen een Ablaß 
verlündigen laſſen, deſſen Ertrag angeblich zu einem 
Kriege gegen die Türken und zur Erbauung ber 
Peterslitche in Rom beftimmt war, Diefer Ablaß 
wurde 1517 auch im Erzbistum Magdeburg durch den 
in ſolchem Geſchäft erfahrenen Dominilanermönd 

obann zul ausgeboten, der mit den Ablafzetteln 
einen förmlichen Handel trieb, Da geſchah e3, daß 
einige Bürger zu Wittenberg, als fie bei Luther zur 
Beihte lamen, die von Luther ihnen auferlegte 
Buße nicht leiften wollten, indem fie von Tegel er: 
faufte Ablaßzettel vorzeigten. Dies war der nächſte 
Anlaß zu den berühmten 95 Streitfägen (Theſen) 
über Buße und Ablaß, welche Luther 31. Oft. 1517 
an die Ihre der Schloßlirche zu Wittenberg an: 
ſchlagen ließ mit dem Erbieten, biefelben gegen 
jedermann in öffentlicher Disputation zu verteidi: 
gen. Die Streitfäge waren gegen Tezel gerichtet, 
und Luther behauptete darin, daß ber Papft nicht 
bie Strafen ber Sünden in der Ewigkeit vergeben, 
fondern nur die nach den Kirchengeleken für Sün: 
den auferlegten Büßungen (die fanonifchen Strafen) 
erlaſſen könne; daß aber die Bergebung der Sünde 
bei Gott und ber Erlaß ber ewigen Fa von bem 
Bußfertigen nicht durch Bußwerle, ſondern durch 
den Glauben an die durch Chriſti Tod Gott geleiſtete 
—— werde. Dabei — Luther 
am Schluſſe die Frage auf, warum doch der Papſt, 
wenn er die Macht Das, von der ewigen Pein zu 
befreien, dieſe —* that nicht allen Glaͤubigen und 
umſonſt zuteil werden laſſe, wie dieſes die Pflicht 
der hrijtl, Liebe unſtreitig von ihm fordere, Mit 
biefem Angriff warb nicht nur die geltende Praris 
des röm. at —— ſondern auch von 
Luther, der ſich an der Heiligen Schrift und an 
Auguftins ftrenger Lehre gebildet, der ganze Gegen: 
ſatz angebeutet, in dem ſich eine ernite und tiefe 
Frömmigkeit zu dem ganzen veräußerlichten Kirchen: 
weſen befinden mußte, Die Art, wie Nom den 
fühnen Mönd zum Schweigen zu bringen fuchte, 
fhürte nur das Feuer, Der Federkrieg, den Tezel, 
Ed und Sylvefter de Prierias gegen Luther führten, 
beftärfte diefen nur in feinem Gegenſatze gegen das 
firhlihe Sahungsweſen, und ebenſo erfo P 08 war 
die bochfahrende Art, niit welcher Kardinal Cajetan 
(1518) Luther zur Rube — bringen verſuchte. Der 
durch Miltiß vermittelie Waffenſtillſtand ward bald 
durch die Kampfesungeduld der Gegner gebrochen, 
und nun hielt ſich auch Luther nicht für gebunden. 
Die Disputation von Leipzig (Juni 1519) brachte 
den Gegenfaß auf feinen ſ * usdrud: 
Luther ſah ſich gebrängt, die Konfequenzen feiner 
Säpe zu ziehen, die Autorität des Papftes und der 
Konzilien und damit das ganze Prinzip der Slirdhen- 
autorität, auf dem ber röm. Katholizismus berubte, 
u verwerfen, Als alleinige Autorität galt ihr 
Faden nur bie Heilige Schrift. Hiermit hatte die 
N. * —— erhalten. Schon hatten ſich in 
der Schweiz die —* Ta einer verwandten 
Bewegung kundgethan (f, Reformierte Kirde), 
und bald wurden aud die benachbarten Länder 
mächtig davon ergriffen. 

Luther, feit er fih des Gegenſahes zur röm. 
Kirchenautorität völlig bewußt geworden, begann 
den Kampf gegen fie mit aller Nacht und Leiden: 
ſchaft. Er ſchrieb 1520 die berühmten Schriften 
«Un den hriftl. Adel deutfcher Nation» und «Bon 
der babylon, Gefängnis der Kirche». In der erjtern 


550 


[eek er bie — und die Reichsſtaͤnde auf, 
(bft Hand anzulegen an eine durchgreifende «Befle: 
rung des geiftlihen Standes»; in der zweiten if 
er bie wäp l. Gewalt felbft und die das Evangelium 
verduntelnden Sahungen der Kirche mit den ſchärf⸗ 
— Waffen an. Er verwarf die Gewalt des Papſtes, 
ie Verehrung der Engel, der Heiligen und ihrer 
Reliquien, die Lehre von den fieben Salramenten, 
die —— des Kelches an die Laien im 
Abendmahle und die —— der Prieſter. Des⸗ 
—— betämpfte er die fündentilgende Kraft aller 
ubwerle, wie des Faſtens, der Ehelofigleit, des 
Mönchslebens und der Kloftergelühde, das priefter: 
liche Mehopfer, die Seelenmeſſen, das Fegfeuer, 
die Lehte Ölung u. ſ. w. Bergebens bot Rom nun 
kin legten Waifen gegen ihn auf. Luther zur Seite 
and dieneue humaniſtiſche Bildung, durch Melauch⸗ 
tbon, Hutten u. f. w. vertreten, und der wieder: 
erwachte Unmille der deutihen Nation gegen die | 
röm. Kirchenpolitit und Finanzlunft, Die röm. | 
Bannbulle gab Luther mur Gelegenheit, die Dbn- ' 
macht diefer Waffe gen. Der neue Kaijer ; 
= ge * otiven gung here 
a ie eformator au i g 
—9— Worms. Dort ſtand Luther 22. April 1521, 
fid) vor Kaiſer und Reich zu verantworten. Er ver: 
weigerte ſtandhaft den Wi und ließ die Reiche: 
acht über fich ergehen. Die päpftl. Bulle verhalite 
in Deutjhland ohne Wirkung. Gegen die erſten 
Folgen der Reichsacht aber wurde Luther durd) ben 
Ku en Friedrich den Weifen von Sachſen ge: 
fhüpt, indem * dieſer nach der Wartburg bringen 
ließ. Bald verließ Luther jedoch dieſe Freiſtatt, um 
in Wittenberg das Wert der Reform fortzuſetzen. 
Schon 1523 gab er eine neue Drdnung deö Gottes⸗ 
dienftes heraus, welche bald in vielen Orten einge: 
[ee wurde. Er trat 1524 aus dem Klofter, legte 
ie Monchskutte ab und lieh die für das Schulmejen 
fo wichtig gewordene Schrift ergehen: «An bie 
Natsherren aller Städte Deutſchlands, dab fie 
chriſtl. Schulen aufrichten und halten follen.» 
%. 1525 ordinierte er zum erftenmal einen Geift: 
lihen, Rorarius, womit er die Unabhängigfeit der 
Weihe der neuen Geiftlihen von der Ordination 
durch die kath. Biſchöfe begründete. Ein zweiter 
wichtiger Schritt Luthers war, dab er es wagte, in 
demjelben Jahre zu heiraten, wodurch er die Feſſeln 
des Prieftercölibats in der neuen Kirche für Immer 
brach. In demjelben Jahre ſtarb Nurfürft Friedrich. 
Ihm folgte fein Bruder Johann, der ſich offen für 
die R. erllärte. Auf Luthers Aufforderung, ſich 
de3 Kirchenregiments anzunehmen, lieh Kur: 
fürft Johann 1527—29 eine allgemeine Kirchen: 
vifitation halten und das Kirchenwejen nad) den 
Grundfägen der R. einrichten. In ähnlicher Art 
ſchritt die R. auch in Heſſen, Braunfchweig, Lüne: 
burg, — Anhalt, ſowie in vielen Rei 
ftädten vor. Noch aber fehlte ihr ein öffentli 
Ausdrud ihrer Orundfähe, den alle Reichsſtände, 
welde die N. —— atten, anerkannt 
hätten. Sie belam ihn 1530 durch die von Melanch⸗ 
thon aufgefebte, von Luther gebilligte —— 
Konfeſſion (f. d.), welche die prot. Stände als ihr 
und ihrer Geiftlihen und Untertbanen Glaubens: 
befenntnis unterfchrieben und dem Kaijer auf dem 
Reichstage in Augsburg feierlich übergaben. Die 
Konfeffion wurde fpäter von allen Reichsſtänden, 
welche fich der deutſchen R. anfchlofien, angenommen 
und feitgehalten, daher auch die der R, anhängen: 


| walt bi nten brauchte; allein 
neue Kerftrt mi Sad * — 


en 
u 
m | langions, ber in de 


Reformation 


den Stände in den Reichsverhandlungen num als 

ader Augsburgif —— » be 

zeichnet wurden. Auch im Auslande, wo die R. Ein: 
g fand, wie in Preußen, Kurland, Livland, Fin 

d, Schweden, Norwegen und Dänemark, 

rn ger Konfeilion angenommen. 

Ein ferneres wichtige® Moment für die R. wurde 

thers überſ der Bibel die 

Sprache. Die deu Bibel erihien v 

1534 zum erften mal gebrudt. Näcit 

Bibelüberfegung hat namentlich das 

Er aufs —— = 

rechtliche Stellung der deutſchen R. 

über den 


eine unfichere. 
. die tab. Stände traten 


an 
die 
Lu 


bängenben — © hmallatben im de 
enden 

Ser hobündnis, an — ——— 

Sachſen und der Kurfürſt von R F 

fanmen, um ſich gegen jeden 

griff der Religion wegen zu fi 


hüken. Diefer Bund 
unterlag war, als der Hailer 1546 und 1547 Ge: 


88 


u Sachſen, 
er wieder, unb unter feinem 
t 25. Sept. 1555 auf dem 
ae rg der Rel ede (f. d.) 
a Acc Hau Fr on 

n 
BERLIN 2 
en m ” 
die Surisbittion der tat. Biſchöfe Br re 
ie Sonn mir ua. 

w e unter den 
R. ſelbſt heftiger Zwieſpalt erhoben. 
—— waren ſchon früher über bie 
une — — * —2 
nd ein noch heftigerer Streit 
uther& und be 
m 


und 


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r Leh 
vom freien Willen 
wirtung bei der Beleh den echten 
Lutheriſchen Theorie verlajjen zu 
wurde. Diefe Streitigleiten zu 
die Fürften die fog. — 
— — 
nderten Augsburgi on 
Apologie, den beiden Katechismen Luthers 
den von uber für den Hlonvent 
aufgejegten Artileln ala Symbolifihe 
und führten den Religiongeid ein, 
Geiſtliche eidlich ichtete, den © 
Büchern gemäß —— Die innere Entwidelung 


des reformatori rinzips wurde ge: 
gun und bie Sn jene Selen eah, 
Dreibigiährige drohte die 


ganze 
tung des religiöjen Lebens ber Gewalt 
Waffen zu überantworten. Doch ftellten die 
dingungen des Weſtfäliſchen en (1648) 
rechtliche Exiſtenz des neuen Be & feft. 
zwiichen erwuchs aber aus dem 
Geiſte eine neue — nn Lebens in 
Deutichland, aus welcher die nati Kultur des 
18. Jahrh. und eine kräftige Berjüngung des prof. 
Weſens hervorging, 

Daß die alten 

ten 


igen Gegenfähe audh in dem 
N — die 
Buchitabengläubigen und die | ung fi 


Y 


* 
FE: 


a 
Br 


neuen Kirchen nicht ru 


Neformation 


nad) wie vor belämpften,, lag an der gefchichtlichen 
Entmwidelung jelbft, welche die RN, von Anfang an 
genommen, (S. Broteftanten und Broteftan: 
tismus,) Bei dem Beitreben Luthers, ſich mög: 
lichſt an das alte, gefchichtliche Kirchentum anzu: 
fließen, war es unvermeiblih, nicht nur, daß 
mandje tiberlieferung blieb, die den allgemeinen 
teformatorifchen Prinzipien widerſprach, fondern 
auch, dab das prot. Bemußtfein felbjt vielfach in 
feinem innerften Wefen unangemefiene Formen ge: 
Heidet wurde. Diefe Widerfprücde — löfen, war 
bie ftarre, dogmatiſche Darm, welche die R. im 
zweiten Theil des 16. Jahrh. angenommen, wenig 
ge Die äußere Geſchichte der Anfänge ber 

ferner brachte es mit ſich, daß fie bei der fürftl. 
Gewalt Schuß und Unterftügung fand, wodurd 
aber auch bie freie Ausbildung der firchlichen Ber: 
failung gehemmt und dem Einfluß der weltlichen 
Autorität eine Stellung errungen wurde, die viel: 
ach ungünftig auf die Entwidelung ber beutfchen 

‚gewirkt hat. Die Vorwürfe, welche man von 
fath. Seite der NR. gemadt bat, find fehr ver: 
ſchiedenartig. Einer der häufigften ift, daß bie R. 
nur verneine und nichts Vofitives aufitelle, Schon 
die Augsburgiiche Konfeffion fpricht indefien da: 
gegen; nod) mehr die geiftige und fittliche Erwedung, 
die im 16. Jahrh. von der R. ausgegangen ift, und 
deren Wirkungen auf die Negeneration der kath. 
Kirche felbft von großer Bebeutung geweſen find, 
Ein anderer Vorwurf ift der, daß die Einheit ber 
Kirche und Chriftenheit jeit dem 16. Jahrh. zerriſſen 
worden, Man darf aber biergegen einwenden, daß 
diefe Einheit ſchon vorher durch den Zwiefpalt der 
röm. und griech. Kirche, ja daß fie aud) innerhalb 
der röm. Kirche felbit im ftrengiten Sinne nie vor: 
banden geweſen, wie bie reg die Kleber: 
gerihte, die Inquifition u. f. w. beweiſen. Cine 
alte und immer wieder von neuem gehörte Anklage 
wirft ferner der R. vor, fie habe, als eine Erhebung 

egen bie legitime Autorität des Papſtes, über: 
haupt die Autorität erjchüttert und den Geiſt polit. 

tevolution gewedt. Abgefehen davon, daß zu zeiten 
vom Papfttum gegen bie weltliche Gewalt revolu: 
tionäre Dinge behauptet und gethan, daß fehr revo- 
Iutionäre Säbe zuerit von Ye uiten, wie Lainez und 
Bellarmin, aufgeltellt wurden, fo zeugt auch jener 
Vorwurf überhaupt von einer groben Verkennung 
gerade der deutichen R. gegen weldye man vielfach 
den entgegengejehten Borwurf erhob: die Entitehung 
der beutichen R. im frühen Bunde mit den fürftl. 
Gewalten, die Einführung des landesherrlichen 
irchenregiments, ber aller weltlihen Einmiſchung 
abbolde Geijt der Reformation jelbit, ihre in dem 
gefährlichſten Momente (1525) ſchroff undgegebene 
Abneigung gegen bie polit. Revolution feien viel: 
mehr die Urfadhe geweſen, daß fich die fürftliche 
Autorität ungemein befeitigt habe. An ſich ſchon 
war durch die Abjchüttelung der päpftlichen Auto: 
zität, die Wegräumung der hierarhiichen Macht, 
bie Erwerbung der Güter und Rechte, die bisher der 
Kirche —— ‚die monarchiſche Gewalt aufer: 
ordentlich begünitigt. 

Eine weitere Klage, in bie auch mande Pro: 
teſtanten einftimmen, ift: die R. babe Deutichland 
in zwei Teile zerrifien und die Einheit der Nation 
fei damit auf immer unmöglich gemadt. Es iſt 
aber dabei vor allem zu erinnern, wie diefe Einheit 
beim Beginn der R. ſchon nicht mehr beitand. Die 
Abnigsmacht war jeit Jahrhunderten in Auflöfung 


551 


und durch die päpftl. und Kirchliche Gewalt ebenfo 
fehr befhräntt worden wie durch die fürftliche. Ein 
großer Teil bes deutfchen Bodens war von Nom 
abhängiges und beeinflußtes Kirchengut. Bier Erz⸗ 
bistümer, eine * Anzahl Bistümer, Stifter 
und Abteien bildeten einen eitfißen Stant für 
ich, deſſen Beftehen auf die Dauer die geiftige wie 
ie polit. Entwi lung Nation hemmen mußte, 
ZeM. Yurisdiktion durchkreuzte überall die des 
aiſers. Kurz, Deutihland ftand unter ber Herr: 
(daft und Ausbeutung Roms, wie die Reichsftände 
jelbft auf den NReichötagen bes 15. und 16. Jahrh. 
laut genug —* haben. Die R. Ku vielm 
— eich die polit. Wiebergeburt und Gini: 
ng tion bringen zu follen. Indem jedoch 
om dur Konzeffionen Öfterreih und Baiern von 
ber bi3 1524 ganz einmütig von der ganzen Nation 
erfaßten Bewegung trennte, war bie Spaltung da, 
und aud die religiöfe Angelegenheit, wie alles 


andere in Deutichland, ward fo auf den parti: 
tulärer Entwidelung gebrängt. Selbft naher nod) 


ätte die R. friedlich die ganze Nation erobert, ohne 
ie furdtbaren und gewaltſamen Gegenmittel, bie 
feit dem Ende des 16. Sehr, namen in Öfter: 
rei, Baiern und den geiftlichen —— im 
Bunde mit dem Nuslande zuräußern Unterbrüädung 
ber reformatorijchen Lehre angewandt worden find. 
Anbererfeit3 aber wird bei jener Anklage häufig 
ganz überfehen, wie durch die R. und zum Zeil 
tlich durch ver und die Bibelüberjegung 
e Einheit der Spradhe und Bildung des 
geſamten Deutfchland vorbereitet worden ift, bie 
vorher nie fo vorhanden war. Unfere ganze Ratio: 
nalfultur, wie fie fi im 18, Jahb. ausgebildet 
bat, ift daraus hervorgegangen. Aber nicht nur die 
kü tige Kultur ging davon aus, fondern auch die 
1 


eine geifti 


ttlid)e Erwedung, die bis ind Innerfte unjers 

ollslebens eingedrungen ift und auf die alte Kirche 
a er 

‚ Die Selbftändigleit endlich der gefamten bürger: 
lichen Gefellihaft in Europa ift wejentlih an die 
R. — Vorher ſchrieb Rom vor, wer und 
was im Staate geduldet werben ſollte, was nicht. 
Das Glauben und Denlen, das Reden und Schrei: 
ben nicht allein, fondern auch Arbeit, Lebensweiſe, 
Nahrung war von der röm. Kirche bejtimmt. Die 
Priefter und Mönche waren ber bürgerlihen Ge: 
richtsbarleit entzogen; die © —**9 über die 
Ehe lag in den Händen der Kirche. Die Scharen 
der Möndje und Nonnen und ihre trägen, reichen 
Klöfter u dem bürgerlichen Leben eine Fülle 
nationalen Reichtums und Eoftbarer Arbeitölraft. 
Die R. befreite da3 Leben von diefem Bann, gab 
die gebundenen Kräfte der Geſellſchaft zurüd, führte 
die Geiftlihen wieder auf die Grundfäße ihres 
natürlichen Berufs zurüd, hob den ——— Unter⸗ 
richt und die Schule, erfe ütterte eine Menge von 
überlieferungen, welche bloß durch Trägheit und 
Aberglauben * waren, löſte die Wiſſenſchaft 
von den zeit n priefterlicher Autorität und machte 
es möglich, die Glaubensgerichte und Keberverfol: 
ungen ae u überwinden. Daß die ſelb⸗ 
Rändige wiſſenſchaftliche Forſchung nun erft begann, 
und eine Reihe von Disciplinen, wie die Geſchichts⸗ 
forſchung, die Naturwiſſenſchaften, die Philoſophie, 
nun erft, nachdem fie von der prieſterlichen Kontrolle 
befreit waren, zu freier BE elangen konn⸗ 
ten, lag in der Natur der Sache. Höher aber als 
alles die war der innere fittlihe Lebensprozeß 


552 


anzujche agen, ben die Völker durchmachten, welche 
von der N. ergriffen worden find, 

Vol, außer den ältern Hauptwerlen von Steida: 
nus Ark vum |: d.): Woltmann, «Ge: 
fchichte der R, in Deutichland» (3 Bde., Altona 
1817); Darheinete «ef —— er deutſchen R.» 
hier ; 2. Aufl, 4 „Berl. 1831—34); 

— idiae des a  Proteftantismus» 
(2 Bde,, 2p5.1844—46) ;Rante, «Deutfche Gefhichte 
im Beitalter der R.» (5. Aufl,, 6 Bde. Lpz. 1873— 
74); Hagen, «Deutichlands litterarifche und relis 
niöfeNer ältniſſe U ———————— 
Erlangen 184144; Hagenbach, e Vorleſungen über 
die Kirchengeſchichte von der älteſten Zeit bis zum 
19. abrh.» (Bd. 3: «Gedichte der in Er 
in Deutihland und der Schweiz» 

1870); Kabnis, «Die deutfche R.» Are E * 1 
Maurenbreder, «Studien zur Geſchichte der R.» 
(Lp3. u: „dizfebe, «Geſchichte der katholischen 
RN.» (Nördl, m ultramontanen Deite, an 
—— ge batbeitandes: Yanfien, 
599 des deutſchen Volls Ti dem Ausgang —8 
ittelalterö» (8. Aufl, Freiburg i. B. 1883 fg.). 

Neformationsfeit, Feſt in der prot. Es, 
pr Gedächtnis des Anſchlagens der 95 Theſen an 

ie Schloßfirde zu Wittenberg 31. Oft. 1517 ge: 


feiert; —* in manchen Ländern als ſolches Feſt am 


. 31. Oft., in andern am Sonntag darau begangen. 


welde irgend eine Reform beabfi Hot; befonders 


Neformbill, in England üb at, eine Bill, 
aber die eine Neformierung des aments be: 


treffenden von 1830 und 1867, (9. unter Groß: | Zu 


britannien.) 

Neformierte Kirche wird im Dee zur 
luth. Kirche diejenige prot. Kirchengemeinſ alt de 
nannt, welde von Zwingli und Calvin —* 
det wurde, Dasjelbe Verlangen nad) einer 9 for: 
mation der Kirche, das im 16. Jahrh. in Deutich: 
land erwacht war und durch Luther befriedigt wurde, 
zeigte fich auch in der Schweiz, in den Niederlanden, 
in England und Frankreich. Kae den Schweizern 
traten beionders Ulrich Bwingli und Johann Ölo: 
lampabius als Führer der teformatoriichen Be: 
wegung auf, Als 1518 ber Sranzisfanermönd 
Bernh. Samſon in gleicher Art wie Tezel den Ab: 
laß in der Schweiz predigte und 1519 en Zürich 
tam, eiferte Zwingli jo —— eo gegen den Un: 
fuo "dab Samfon von dem Nate in ag gar nicht 

n die Stabt gelaſſen wurde. bit der Biichof 
vor Konftanz, Hugo von re und befien 

Vilar, Job: ‚aber, genehmigten feine Predigten 
gegen den Ablaßkram, traten ihm aber heftig ent: 
gegen, als er zu weitern Reformen vorfchritt, Ber: 
ge eng bemühte ſich ein päpftl, Nuntius, diefe zu 
unterdrüden, vergebens ſprachen warnend und 
drohend aud bie Eidgenoſſen dagegen. Feſt ent: 
ſchloſſen und durch den züricher Hat gefchükt, ver: 
folgte Zwingli den eingeichlagenen Weg und stellte 
rafcher als Luther die Mißbräuche im Gottesdienite 
ab. ert erhoben fich jedoch die Anhänger der alten 
Kirche um fo entichiedener gegen ibn, und die Tag: 
fahung von Luzern unterjagte ihm die Predigt. 
Zur Vefeitigung des Unfriedens ordnete der Nat 
von Zürich ein! eligiondg efpräd auf den 29. an. 
1523 an, in welchem jede Partei ihre Lehre vorlegen 
und durch die Bibel bewähren folle. Für dieſes 
Geſpräch ftellte Zwingli 67 Sähe auf, bie er gegen 
ben Generalvilar aber fo erfolgreich verteidigte, 
daß der Rat ihm auftrug, auf dem betretenen Wege 


Reformationsfeſt — Reformierte Kirche 


—X und den P a Kantons ein 
ches zu thun gebot, th, aber a. durch 
die von Zwingli im Juli 1528 
—— feiner Artifel, durch feine e eines 
reun eo Judã Pred wurden bie Gemüter 
mmer mehr für * Lehre gewonnen und einer 
durchgreifendern Reformation geneigter 
Man verdrängte Altäre, Taufſteine, Bilder, fi 
die Mufil aus den Kirchen. Der Rat geitattete den 
Kloiterfrauen den Austrittaus den Klöftern, mehrere 
wurde engefihe, Be ‚eine deutſ e Zaufagende 
wurde eingeführt, die 'efle abaei ji 
ſolche Neuerungen erklärten ſich die 
von Luzern, Zug und Freiburg. Auf Aich des 
Rats von Hürich jr arauf (26. DEt. — 
neues Geſpräch über die Bilder und die Meſſe ftatt. 
an Pfingsten 1524 Kr fie man die Bilder hide 
ab, ebenjo «bie bäbftiiche Meß und as 
fi lpen, ‘= ar? ER 9 — 
Ehrdienſten, die baͤbſtiſche Pfaffen un 
Meibe, der Klöfter Re —— 
wurden teils af Schu In —* in pi 
wandelt, Mit Ein Dmable 
unter beiderlei Geftalt 1 tt 1525 war in —5 
die neue Geſtaltung des re vollendet, 
Jetzt erichien der on Teil der züricher Bibelüber: 
ſehung von Leo Judä und Hafpar Großmann, die 
1531 beendigt wurbe. 
Zürich verteidigte ftandhaft und kühn die Neue 
rungen in ber Sa und in den Gebräuden 
die feinfeligen antone —— 
‚Uri, en Freiburg 
erflärten fh auch A 
die neue Lehre, und andere Glieder ber Ei 
ſchaft trafen ———— zur 
reform, das Anerbieten Cds lam es nad 
langen Berbanblungen 19. Mai 1526 zu Baben im 
Aargau zu einem Reli ligiondgefpräßh, bei 
Stolampadius für die he euerungen bas Wort 
Noch in demjelben Dane wurde in 
ng ige ginn eit eingeführt, und als 1527 
ate zu Bern die reform, artei die Majorität 
erhalten . atte, wurde auch hier zu enblicher Aus: 
gleihung der tirclichen Streitigleitenein 
geipräd — (6. Jan. 1628). Der 
war, dab nun das mächtige Bern zur —— 
völlig —— —* at a 
idgenofien ihr zugethan, ala die fa —— 
ur Werteibigung am alten Lehre ein et 
em Könige —— Kaiſer Karls V. 
eingegangen 2 zum offenen Kampf A 
Diefer — eit ge — ſchloſſen Züri 
Konſtanz einen Bund 1527) —— 
Namen Burgrecht, dem denn St. Ga 
Biel, Mülbaufen, Baſel und Scha 
beitraten. Auch im Auslande ſuchte man 
geno jen zu gewinnen; doch Stand einer 
mit eutichen 9 rotetanten Bi er, melde namen 
id $ er mit el bre —— 
li uther mi eigen 
Zwingli und die Schweizer erfü —— 
zu Marburg (1. Dit. 1529) ne u allen andern 
Stüden, aber nur in der Abendmahlslehre 
eine Verftändigung unter den — 






en ( 


und führte, da die übrigen eva Stände eine 
Verbindung mit den « alramentierern» in ber 
Schweiz verweigerten, nur eine 

ber Ehen mit dem 

herbei, der von Zürich und Bafel in das —— 


Neformierte Kirche 


aufgenommen wurde. Indeſſen mebrte ſich in der 
weiz der Stoff der Zwietracht. Die Reformierten 
boben die Tessa! mit ben fünf kath. Orten auf 
und fagte —* ven freien Kauf der Lebensmittel 
ab. ebt fielen die lath. Orte plöpli in Zürich 
ein, und bie ihnen in aller Eile entgegengeführten 
Truppen wurden 11. O8.1531 bei Kappel geſchlagen. 
wingli felbft, der bewaffnet die Fahne jeiner An: 
änger geleitet, fiel im Kampfe. 

Durch den Ausgang der Schlacht bei Kappel war 
zwar nicht dem Beſtehen, aber der Verbreitung der 
reform. Kirche in der deutihen Schweiz ein Biel 

eſeht worden; deſto mehr verbreitete fie hi in der 
ranz. Schweiz. In Neuchätel war fie (1530) durch 
Wilhelm Farel (j. d.) begründet worden; von Bern 
aus gewann fie Cingang in Genf, wo der reform. 
Kultus 1534 Öffentlich eingeführt wurde, —2 
Calvin trat hier im Aug, 1536 auf, der auf bie 
Entwidelung ber geſamten reform. Kirche den 
tiefgreifenditen Einfluß übte, Durd eine Disputa: 
tion zu Laufanne, an der neben Calvin aud) Faxel 
und Viret teilnahmen (1. Oft. 1536), wurde die 
reform, Kirche im Kanton Waadt eingeführt. Die 
ftrenge Kirchenzucht, die Calvin bandhabte, die 
eijerne Konjequenz, mit der er verfuhr, erwedten 
ihm beftige Gegner, die e3 endlich dahin brachten, 
baf er — eichluß des Rats (1538) verbannt 
wurde. Doc) ehrenvoll wieder zurüdgerufen (1541), 
erhob er Genf zum Mittelpunft der ſchweiz. Nefor: 
mation. Er jtiftete 1558 die genfer Alademie, auf 
welcher viele Prediger für das Ausland ihre theol. 
Bildung empfingen. Die caloiniftiiche Lehre ver: 

flanzte fi) auch nach Deutihland, wo die der 

delanchthonſchen Richtung treu gebliebenen Landes: 
firchen, befonders in Heſſen, der Pfalz, Anhalt und 
Bremen, allmählich mit den Schweizern in völlige 
Kirchengemeinſchaft traten. Außerdem fand die 
Galvinihe Reformation in Franfreih, England, 
Schottland, den Niederlanden, Polen und Ungarn 
Eingang. Bon England aus hat fie ih in Nord: 
amerila verbreitet, 

Ungeachtet ihrer äußern Ausbreitung bildete ſich 
aber die reform. Kirche in den verjchiedenen Ländern 
jehr verſchieden aus. Doc) läßt fich ein gemeinfamer 
Grundtypus wie in der Lehre fo in VBerfaflung und 
Kultus nicht verlennen. Gemäß dem bei allen Re: 
formierten ſcharf —— Begenfah egen alle 
Sreaturvergötterung oder gegen alle ehren unb 
Drbnungen, welche Göttlihes und Menſchliches 
vermiſchend dem alleinigen Gott und Herrn feine 
Ehre zu rauben drohten, entwidelte ſich das Kirchen: 
weſen in apoftolifcher Einfachheit und im ftrengiten 
Anſchluſſe an die Vorbilder der Heiligen Schrift, 
als des offenbaren Willens Gottes an die Menſchen. 
Daher die große Ginfachheit des reform. Gottes: 
dienſtes, von welder nur die Anglitanifche Kirche 
eine Ausnahme macht, die Abſchaffung von Bildern, 
Altären, Orgeln, Kerzen, Mebgewändern, allen 
nicht in der Schrift begründeten kirchlichen eier: 
tagen u. j. w. Auch die zugleich durch die republi- 
kaniſche Sitte und die praltiihe Energie der Re: 
formierten geforderte Erfeßung der biſchöfl. Ber: 
fafiun A Presbyterien und Synoden (wobei 
man doc der weltlichen Dbrigfeit einen groben 
Einfluß geitattete) wurde aus der Heiligen Schrift 
als Gottes Ordnung begründet. Im Dogma zeigt 
ſich die Entwidelung der reform. Kirchen am früheſten 
in der Lehre vom Heilinen Abendmahl, in welder 
man konjequenter al3 die Lutheraner mit der röm. 


553 


Lehre von ber Transſubſtantiation N .b.) brach und 
tatt eines leiblichen Genufies von Ehrifti Leib und 

[ut nur einen geiftlihen Genuß durch den Glauben 
gelten ließ, während der Mund nur bie äußern 

peilen, als Sinnbilder der überfinnlihen Güter, 
empfange, Die Unterſchiede der Zwingliſchen und 
Calvinſchen Auffafjung find in biefer Hinficht weit 
eringer, als viele Neuere annehmen. Auf den 
Reichstage zu Augsburg 1530 übergab Zwingli dem 
Kaiſer feine —2 — aber neben ihm ließen auch 
die Städte Straßburg, Konſtanz, Memmingen und 
Lindau (Confessio — ein beſonderes 
Belenntnis überreichen. Bon den ſpätern Belennt: 
nisſchriften ſind zu erwähnen die «Baſeler Konfeſ— 
fion» von 1534, die aerſte helvetiſche Konfeifion » 
(1536), zum Zmwede der Verjtändigung mit Luther 
von Bullinger, Myconius, Grynäus, Judä und 
Megander verfaßt Tıs36). die von den Stäbten 
yirıh, Bern, Bafel, Schaffhauſen, St. Gallen, 
Mülhaufen und Biel angenommen wurde; danach 
zur Abwehr erneueter Angriffe Luthers die« Züricher 
Konfeffion» von Bullinger (1549), zur Berftändigung 
der Büriher und Genfer in der Abendmahlslehre 
der « Züricher Konfens» (1549), und ald Ausdrud 
der Calvinſchen Prädejtinationslehre der « Genfer 
Konfens» (1552). Die größte — nicht 
Ds in der Schweiz, fondern aud in Deutichland, 
Polen, Ungarn und Schottland hat die von Bul: 
(inger im Namen der jchweiz. Kirchen dem Kur: 
füriten Friedrich III. von der Pfalz überreichte 
«zweite helvetiſche Konfeſſion⸗ —— erlangt. Da: 
gegen wurde die im Geijte en Ya ter Orthodorie 
von dem züricher Theologen Joh. Heinz. Heidegger 
1671 verfaßte —— in ormel» zwar 
feit 1675 allmählich von den reform. Schweizerkan— 
tonen angenommen, aber um ihres den Beitgenofjen 
ſchon unerträglich gewordenen Rigorismus willen 
bald wieder abgeichafft. Bon Katechismen erlangte 
namentlich der von Calvin verfaßte genfer (Fran: 
zoͤſiſch 1541, lateinisch 1545) großes Anſehen und 
weite Verbreitung, fam aber im 17. Jahrh. auch in 
der Schweiz ſelbſt wieder 2 Gebraud. 

Unter ſchweren Kämpfen batte ſich die Reforma— 
tion inden Niederlanden, anfangs nad) Lutherſchem, 
aber bald na Galoinjchem Typus verbreitet, den 
auch das niederländ. Glaubensbelenntnis (Con- 
fessio Belgica, 1561) trägt. Als ſich gegen die 

räbejtinationslehre Calvins namentlih durch 
Falob Arminius entichiedener Widerfprud erhob, 
raffte fich die rg DOrthodorie zum energifchen 
Kampfe gegen die Arminianer (f. d.) zuſammen. 
Die von den leptern 1610 den Ständen von Holland 
übergebene Belenntnisfchrift «Remonstrantia» (da: 
ber der Name Remonftranten) veranlaßte die Cal: 
viniften (auch Gontraremonitranten oder nad) ihrem 
gps Franz Gomarus Gomarijten genannt) ee 
Zu BRECHEN Pe: allgemeinen reform. Sy⸗ 
node zu Dordrecht, die im Mai 1619 die ehren der 
Remonftranten verwarf und die Rrengere, nuretwas 

emilderte Vorberbeitimmungslehre von neuem be: 
tätigte. Dieſes Judicium — Dordracenae 
konnte jedoch außerhalb der Niederlande nicht zur 
unbedingten Anerfennung gebracht werden. Auch 
in den Niederlanden ſelbſt erhielten fich die Remon— 
itranten als befondere Partei und ftellten 1621 ein 
durch Gpifcopius verfahtes befonderes Glaubens: 
befenntnis auf. In Frankreich hatten die reform. 
Gemeinden die ſchwerſten Kämpfe nad außen FE 
beitehen. (5. unter Hugenotten.) Anton de 


554 


Chandien, Prediger zu Paris, ftellte für fie ein Be- 
tenntnis ‚bas als «Gallicarum ecclesiarum 
eonfessio fidei» auf einer Synode zu Paris 1559 
acceptiert und von neuem auf einer Nationaliynode 


zu Larochelle 1571 als Belenntmisfchrift der franz.: | ® 


zeform. Gemeinden anertannt wurde. Stets den 
Anfeindungen der Jefuiten ausgefept, erhielten fie 


erſt durch das Edilt von Nantes 1598 Duldung im | zieh 


Staate. Die beftiaften Berfolgungen erneuerten 

— —— 
und erſt die volution 
Reformierten Freiheit des Glaubens. 

— me al 
und nad dem blutigen Regiment pan. Maria 
durch X gen worden war, bildete (7 
neben der vielfach fatholifierenden Staatslirche (I. 
Anglitaniihe Kirche) eine ftreng calvinifche 
Partei, die jog. Bresbyterianer (f. d.), welche le: 
tere in Schottland von Anfang an die Oberhand 
batten. Die engl. Presbpterianer legten ihren 
Glauben in der auf Befehl des Langen Barlaments 
verfaßten inifterfonfeffion von 1648, die 
ſchottiſchen ſchon weit früher in der von Sohn 
Knor verfahten Confessio Scotica (1560) nieder. 
Die ungar. Gemeinden erhielten die Confessio Hun- 
garica oder Czengerina 1557, 

In Deutihland, wo zuerft nur die oberbeutjchen 
Städte ſich der Zwingliſchen Lehre zugeneigt hatten, 
—— der Calvinismus erſt Gingang durch jeine 

Inion mit der Melanchthonſchen Richtung , weldhe 
anfangs in der deutich:evang. Kirche mit der Schule 
Luthers (j. Qutheraner) um die Herrſchaft rang. 
Namentlic in der Abendmahlslehre hatten ſchon 
Melandıthon und Calvin fih miteinander verftän: 
digt, und gegenüber dem immer erflufiver auftreten: 
den Luthertum waren ihre beiderfeitigen Anhänger 
auf eine Berbindung untereinander angewieſen. 
Schon Melanhthons Underungen im 10. Artikel 
ber Augsburgiichen Konfeffion, weldhe anfangs all: 
gemeine Fön Tin fanden, dienten wejentlid dem 
Zwecle, bie einſchaft mit den Schweizern zu 
ermöglichen , doch wurden feine Schüler von den 
jtrengen Lutheranern feit 1560 mit immer fteigender 
Leidenſchaft ald Kryptocalviniften (f. d.) vertekert. 
Während in Kurſachſen und anderwärts die Me: 
landıthonianer oder Philippiſten vertrieben und 
feit 1580 durch die Kontordienformel (f. d.) von der 
neuen «lutherischen Kirche» Norbdeutichlands förm⸗ 
lich ausgeſtoßen wurden, hatte in der Pfa Anbalt, 
Helen und anderwärtd das Corpus doctrinae 
P’hilippieum (1559), in welches die erweiterte Augs⸗ 
burgite e Konfefjion aufgenommen worden war, 
Iymboliiche Autorität erlangt, daher die dortigen 
, Gvangeliihen unbeſchadet Une Gemeinihaft mit 
den Schweizern mit Recht ſich als er — 
Konfeflionäverwandte betrachten durften. och 
wurde die Einführung des von Urfinns und Dle: 
vianus verfahten beidelberger Katechismus (1563) 
durch den Kurfürjten von der Pfalz, dem nachmals 
noch) eine Anzahl andere Neichsftände fich anfchlofien, 
von ben ftarren Putheranern ala Abfall zum Gal: 
vinismus verurteilt. Allmählih fand aud die 
Calviniſche Prädeftinationslehre in diefen Ländern 
Eingang, und fchon fehr frühzeitig wurde aud) die 
Drdnung des Gottesdienstes nad) Namen. Muſtern 
geregelt. So bildeten ſich neben den lutheriſchen 
eine Reihe von «beutichreformierten» Qandestirchen, 
die im Weftfälifchen Frieden (1648) als Auge: 
burgiiche Konfeffionsverwandte Anerlennung und 


Nefraihiffeur — Refrain 


d den 8 ſtons el des Kurfü 
See 
e 

wehr fanden. 3 —— — rn 

Die Ein —— Le ke: Bewußtſeins 
1 ’ 

wie Diefelbe mit ſcharfer Konfequenz allen Be: 

iehungen bin ausgeprägt wurde, bef 

mafionkeit ——— 

ma ’ 

ma ‚die 9 Perſon Chrifti die ä 


f 
indurch 


verjchiedener, einander der 
evang. Wahrheit, die nur in der Be: 
trachtung, welde die einzelnen Momente für ſich 


firiert, zu einander ausſchließenden 


begann, — — i 
evang. Ki i 


boptiert; bi Einfachheit des reform, Kul⸗ 
tu abe ein Die Ba —* nur 
in ven ’ 

der Religion in alligen ne ſuchen. 
Die ſeit 1817 in Preußen und anbern 
— era Kragen 
der prot. Grundprinzipien wie durd) die 


ige Entwidelung binlängfli 
—— 
förmliche Union ebenſo wenig ein lirchliches Be 
dürfnis wie in den anglogerman, Ländern 


und Amerilas, wo vielmehr die zu 

hreitender lirchlicher Zeriplitterung —— 

doc traten überall diefelben Gegenfäke 

orthodoren und einer freiern 

— und lonnten 
eiheit der Kirche ſich ungeſtörter 

— — ſog. itiden, 8 b. vom Dei 

u ngiger evang. ein 

Tran. hey, Soratıeid, aus Dekab BEER 


: 
; 


Stüße, iger, «Die 
s —— be manga Kirche» (2 Boe., 


genbach, u. a., «Leben 
und ausgewählte —— — 


de K 10 Bde., if. 185 

—— 
(f.d.),$. Drofophor und unter Öartengeräte, 
N refrim 


ürid; in Holland hat fie an der Äiniverktät Zeiden 
ie bauptfädhli 


; proveng. refranh, vom 
mittellat. refrangere, wiederholt die 
ftrophiihe Begrenzung eines Liebes die 


Wiederholung von Worten, Verſen ober 
Strophen. Gr entitandb i aus 
—— — * * be Sängern —* 
religiöfen Feiern o legenbeiten 
vorgefungen wurden, — es Worte, Verſe 


A 


Refraktion — Regatta - 


oder ganze Strophen im Chor wieberbolte. Daher 
tommt er meift vor in Gefängen, die in Volt ent: 
ftanden und für das Volt beftimmt find, wie in 
Kirchen⸗, Kriegs⸗, Feftliedern x. Bol. Wolf, «fiber 
die 8, Sequenzen und Leiche» (Heidelb. 1811). 

R — Strahlenbrechung. 
hthalmoſtop, ſ. * — 


R * Fernrohr. [ipie 
* — — parate( .d.). 
8 (and. lüchtlinge), * 


F in den — olgungen e3 17. 

aus Frankreich entflohenen , der reform. Ki 
teftanten oder Hugenotten (}. d)). 
onderd als König Zubwig XIV. 1 Ber: 
folgungen durch die Aufhebung * Edilts von 
Nantes einen gefehlihen Anſtrich aab und jedem 
MWiderfpenftigen der Tod in Ausſicht ſtand, eilten 
Scharen von — en der Grenze zu. Frani 
reich verlor durch dieſe Auswanderungen ſeine 
tüchtigften — * Kunſtfleiß, Bildung und 
in das eg Ausland (nad Holland, Eng: 


555 


(1878) u. a. Außerdem veröffentlichte er eine 
Neifefchilderung «La Dora, Memorie» (2. Auil., 
Zum. 1867), eine Sammlung von Auffägen : «Stori ia 

e letteratura» (Bologna 1879) uf. w. 

Regnlieu (jura regalia, d. i. königliche Nechte) 
nennt man die ber oberiten Gewalt als folder zu: 
lommenben ober vorbehaltenen Rechte. Der Name 


el, | entftand im Mittelalter innerhalb der unllaren Auf: 


[aflung, dab bie fortbeftehende rg feit 
dem Auflommen der königl. Macht mit feft be: 
ftimmten Servituten belaftet fei, deren Ertrag * 
Regenteneigentum des chers zuwachſe. 
nis de 9 Rei 


ward bie —— — re 
haupts und feiner Vertreter, den all, mn echts⸗ 
zuftand (j. Friede) zu 1 bemahren end ai 
Nechtötitel zur Erhebung von jebbru 
Bannbuben, Gerichtsabgaben, Schutz⸗ und Geleits, 
een, die Sorge für den Berlehr ala N: 
eiftung für Zölle, Vrüden-, Markt: und Städte⸗ 


gelder angeſehen, "und felbft die wadlende Einficht 
in das Weien des Staats und in die annigfaltig- 
feit der öffentfi chen ——— — geraume Jet 


der air (i. ir * 3 überall 


Borit:, Jagd: 6: und nr des 


land, Dänemark, Dentihland und bie Schweiz) 
trugen und dort mit Ya Armen aufgenommen 
— ſaͤmtliche zu er örten den | nah) 
tändenan. Im deutichen Reich waren it berdlefpen 
ud 22553 Sachſen und Heſſen, 
—*— fanden, volle bürgerliche 
Rechte mr eil eigene franz. 
bifdeten. Ganz anderer Art find jene Emi 


(F. d.), meilt a matihiice Prieſter —* und 
te —— zur Zeit der ution 

tten und in Deutfchland die Lafter, 

Sitten = —— e des franz. Hofs ver⸗ 

——— u er 1852); Höbler, «Die R.» (Gotha 

u Strider, «Zur Gef Genie te der franz. Kolo⸗ 

a Deutihlan » (im «Hilter. Taſchenbuch ⸗ 


tation (lat.), Widerlegung; Sehnseujlie 
Nega, Küftenfluß in Hinterpommern, entipri e 
imfRretie wen des preuß. Regierungsbe;i 
Köslin, berührt Schievelbein und im —— 
bezirt Stettin die Städte Labes, Regenmwalde, 
Greifenberg und Treptow und mündet nad) einem 
Laufe von 188 a in bie Oſtſee. 
Negäl, ein Heines Orgelwert, enthielt eine Ala: 
———— Blafebälge, Abſtraltur, Windladen 
und —2* Bungenftimmen. Die R. gerieten 
fpäter in Bergefienheit und nur = in demfelben 
ſtehen u —— der Orgel unter dem Na⸗ 
men Regal. Je nach ber verſchiedenen Geſtalt die: 
ſer Stimme hieß dietelbe Trichter-, ng 
fern:, Eymbel-, Apfel, Anopf:, Ha "char, 
Hlein>, * Srobregal. ‚Meift a tdoaN. trich⸗ 
Beige Auf üße, barauf eine Kugel mit Löchern. 
u er in der ital. Provinz Ca: 
= — Bezirk Nicoſia, unweit rechts 
— ne jo, hat (1881) 10032 &,, Gewinnung von 
Schwefel Steinjal; unb Givs und Weinbau. 
nl vielleicht die anti ia Biden a, 1 


chte der franz. Kolonie | doch i 


—2* ), ital. Dichter, geb. 1809 zu 

Rovan, un ch eierter Improviſator feit 
2a gar St ien. gi 3. 1860 wurde er 2% 
Kar © eſchichte in Parma, 1862 in Cagliari, 
1866 in Bologna, wo er im Febr. 1883 ftarb. nter 
feinen Dichtungen find zu nennen: «La guerra» 
(Genua 1832), «Poesie scelte » (Genua 1840), 
«Canti nazionalis (2 Bde., 1841), «Canti e Prose» 
(2 Bde., 1861— 65), das Lehrgediht «L/acqua» 


den | dem fog. Schlagſchaß 


förmig entwidelter R. Si fuchen, namentli 2 
u 


VBerg:, 
Rechts auf herren lofe Sahen. Sogar bad Münz: 
recht wurbe Lange nur wegen des Einlommens und 
gehandhabt, wenn aud) 
bei ründung des neuern Poftregals die Nüd- 
ficht auf das Gemeinwohl mitwirkie, jo brachte ſich 
n den von manden Regierungen beanfprud): 
ten onopolen (5. d.) das rein un Intereſſe 
immer wieder zur Geltung. Seit der Harern Auf⸗ 
fafiung bes —— ſuchten die Juriſten ein 
ng. richtigeres Verſtändnis über das Weſen aller dieſer 
Gerechtſame durch die Unterſcheidung zwiſchen 
böhern und niedern R. (regalia majora, minora) 
zu erzielen. Jenes find die aus dem Weſen der 
oberften Gewalt notwendig und unveräußerlich ber: 
vorgehenden Rechte, nämlich die gefebgebenbde, oberit: 
richterfiche, oberaufiehende und vollziehende Ge: 
welt, — die übrigen N. als niedere nur eine 
wirtfchaftl iche oder enge —* haben. 
Als R. in dieſem leßtern, € Sinne ſind gegen⸗ 
wärtig eigentlich nur der Poſt⸗ J—— Telegraphen⸗ 
betrieb und die ünzprägung zu betrachten, da es 
fi in diefem Falle um Etaatöbetriebe handelt, die 
aus Zwedmähigkeitsgründen monopolifiert find. 
Dagegen find die Steuermonopole, wie das Salz: 
—— das Tabalsmonopol, das Branntwein: 
monopol u. j. w. nur bejondere Formen ber Gr: 
bebungvon —— Bal. Strauch, «Über 
Uri 35* und Natur der R.» ( 1865). 
atta (ital.) hieß ten die von — 
zu 34 in Venedig von der Biayyetta aus ſtatt 


N. | dende Wettfahrt auf den die —* durchlreuzenden 


Kanälen. Gegenwärtig wird dieſer Rame tm all⸗ 
gemeine: den Wettfahrten auf dem Waſſer bei- 
gelegt. Rubderregatten zerfallen in mehrere Rennen 
ober Races, auch Matches genannt, deren jedes in 
ſich nur Boote nit glei Monnfcaitszahl ent: 
hält. Segelregatten beſtehen in der Regel aus einer 
en: an * er Boote verſchiedener Größe 
und Beiegelung, in Klaſſen eingeteilt und innerhalb 
der Stlaffen je nad) ihrer Leiſtungsfähigleit mit einer 
Beitvergütung berüdfichtigt, gleichzeitig teilnehmen. 


556 


Die meiften und bebeutenditen Negatten finden 
in England ftatt, wo allein an Preifen für € 
regatten jährlih über 200 000 Mark ausgejept 
find. Deutſchland bat jährlich ‚probe Ruderregatten 
in Frankfurt a. M., Ems (Kaiferpreis), Berlin 
(Katjerpreis), Hamburg, Breslau u. ſ. w.; Segel: 
regatten in Berlin, Hamburg, Kiel, Bremen, Nö: 
nigäberg. Wichtige Negattenpläbe im Auslande 
find für Rudern Putney (Orford und Cambridge) 
und Henley in England, Nizza und Neuilly:St.: 
James in Frankreich, Wien; für Segeln Cowes auf 
der Inſel Wight und Glasgom in En land, Nipsa, 
NArgenteuil, Havre — Oſtende in elgien. 
egel heißt jeder Satz, der eine Gleichförmigleit 
bes Geſchehens und Handelns ausdrüdt. Die N. 
untericheidet fi von Geſeß dadurch, daß fie Aus: 
nahmen geflattet, was das Gejeh nicht thut. 

Negel, Soviel wie Menftruation, 

Regel, bei naturhijtor. Namen Bezeichnung für 
Eduard von Regel (f. d.). 

Negel, güldene (der Mechanik), ift der Sak, 
daß ebenfoviel, wie durch eine Mafchine an Kraft 
gewonnen wird, an Weg oder Zeit verloren gebt, 
daß alfo nad dem Prinzip der Erhaltung ber 
Bewegungsenergie Kraft nicht aus Nichts erf 
werden lann. Man kann demnach durch) eine 
ſchine mit geringer Kraft große Lalten überwinden, 
wobei aber die Kraft einen entiprechend großen 


Weg zurüdlegen muß, während ungelehrt eine 
* Kraft erforberlid ift, wenn e3 darauf an: 
tommt, dieſelbe Laſt bei einem Heinen Weg der 


Kraft zu überwinden, 

egel (Eduard von), einer der einflußreichiten 
Deförderer des Gartenbaues, geb. 13, Aug. 1815 
zu Gotha, erhielt daſelbſt und in den botan. Sn: 
ſtituten zu Göttingen, Bonn und Berlin feine Aus: 
bildung und wurde 1842 Gärtner in dem botan, 
Garten zu Zurich, wo er den Schweizeriichen Gar: 
tenbauverein ins Leben rief und Vorlefungen an 
der Univerfität hielt. Im 9. 1855 wurde R. ala 
wiſſenſchaftlicher Direktor des faiferl, botan. Gar: 
tens nach Petersbur —— fpäter zum Ober— 
botanifer ernannt. N. machte ſich verdient um die 
Hebung und Vervolllommmung des Obitbaues in 
Rußland, begründete einen Alllimatiſationsgarten 
und ftiftete die laiſerl ruſſ. Gartenbaugejellichaft 
(1858). Was feine literarische Thätigkeit betrifft, 
jo begründete er 1843 mit Heer die ce, «Zeit: 
ſchrift für Land: und Gartenbau», 1846 die schweiz. 
Zeitſchrift für Landwirtichaft», 1852 die «Garten: 
floran, ud) gab R. mehrere torgfältig bearbeitete 
Floren Ge f&hon 1841 die «Flora onnensis», 
ipäter Floren von —— Oſtſibirien, der 
Djungarei u.a, Daneben bearbeitete er viele von 
botan. Neifenden gefammelte Pflanzen, verfahte 
nchrere Monographien und veröffentlichte eine ruf). 
Dendrologie und mehrere pflanzenphyfiol, Arbei: 
ten. Auch lieferte er ein «Allgemeines Garten: 
buch» (mit Ender, 2 Bde. Zür. 1855—68), « Die 
Kultur der Pflanzen im Zimmer», «Die Kultur 
der Grifen», «Der Obſthau im Kanton Zürich», 
s Anleitung zum ruf. Obitbau», «Ruf. Bomolo- 
nie», «Die Erdbeere» u. f. w. Mehrere feiner 
Merle find in ruf. Sprache geichrieben, 

Megel GJoh. Abert), Forihun Sreifender, geb. 
12. Dez. 1845 in Zürich, erhielt feine Gymnaſial⸗ 
bildung — urg und ſtudierte dann in Pe— 
tersburg, Wien, Göttingen und Dorpat Medizin. 
Als Kreisarzt im rufj. Turleftan angeftellt, bereifte 


l: | grenzenden Gebiete Gentralafiens ; 


ah 


| 
| 


Regel — Regen (meteorologifch) 


er 1876— 84 ununterbroden Turkeftan und bie an- 


& — er 
1876 den Karatau, 1878—80 das Alige 1880 
Ferghana, 1881—84 das Gebiet des Amu Daria; 
1884 drang er bis Merw vor. Im J. 1885 kehrte 
er na MWeteräbur zurüd, Seine gg: ra 
finden ſich meift in Petermanns «Geogr, Mitteilun: 
gen» und in E, Negels «Gartenflora», i 

Regelation nennt man, nad) Tyndall, die Gr- 
ſcheinung, welde in einer Vereinigung mehrerer 
Cisjtüde zu einem Gisblode beruht und welche alle: 
mal eintritt, wenn Gisftüde in Wafler ſchwimmend 
unter mäßigem Drud einander genäbert werben. 
Dabei erfolgt die N. nicht allein beim Gefrierpuntt, 
fondern jelbft in Wafler, defien Temperatur weit 
über dem der Eisbildung liegt. 

Regel Cof, f. unter Algebra und Coß. 

Regel de tri, f. Regula de Tri, 

Negen. Die Waflerkügelchen, weiche die Wol- 
fen bilden, werden durch ihre Kleinheit ihr Durd 
mejjer iſt mit dem Mikrojlop zu O,006— 0,1 mm 

emeflen) in der Quft ſchwebend erhalten. Mahr- 
Nein entiteht der Regen dadurch, daß fich meb- 
rere folder Kugelchen zu —* vereinigen, welche 
id nun nicht mehr ſchwebend erhalten fönnen und 
zu fallen beginnen, wobei fie durch Aufichlagen auf 
die kleinern Tröpfchen fich ftetig vergrößern, wäh: 
rend gleichzeitig ihr Abſtand waͤchſt und der Negen 
bur Ahtiger wird. Die eigentlihen Urſachen, 
welche den erften Anftoß zur Bereinigung ſchweben 
der Kügelchen zu Tropfen wet find übrigens 
noch ganz unbelannt; die — t, daß 
ganze Tage bindurd ſchwere ollen immel 
eziehen können, ohne daß es —* Regnen lommt. 
Die jährliche Regenmenge brüden die Meteorologen 
jo aus, daß fie die Höhe beftimmen, bis zu wel 
das Waſſer auf einer horizontalen Ebene während 
eines Jahres den gefallenen R. fteigen würde, 
wenn es nicht verdunftete und nicht abflöfle. Um 
diefe Höhe (jährliche — zu erhal⸗ 
ten, benußt man den Regenmeffer (f. d.). 
den Tropen fallen größere Regentropfen und mehr 
N. ala in der — —— auf den Ber: 
nen auch mehr N. als in ber Cbene, an ben 
Küſten mehr al3 im Innern der Kontinente, So 
liegen die regenreichiten Orte der Erde in Sm: 
dien; —— (im Khaſſiagebirge nörblic 
vom Gangesdelta) 12,53 m, In den Tropen pfle: 
gen die Negen in der Beit des höchſten Son: 
nenftandes einzutreten (daher Kulminations: oder 
Benithregen); am Sigquator werben aljo zwei «Re: 
enzeiten», bei den Wendefreifen nur eine ver: 
onmen. In ber Subtropenzone regnet es zur 
Zeit niedrigiten Sonnenftandes (« Winterregen », 
babei trodene ——— in gemäpkgten Breiten 
— die Regen keiner Jahreszeit. Barometrif 
epreflionen find fat ausnahmslos in ihrem Um: 
treife, beſonders an der Vorderfeite (bei uns bie 
üböftliche, bei Süd: und Weftwind) von Regen: 
ällen begleitet. Die Negentarten bringen bie 
geoar: Verteilung der Negen nn zur Anfhauung. 
n Europa find bie 06; eiten bin abfallenden 
Öebirge am reiciten an Regen Seathwaite in 
Cumberland hat jährlich 3,6 m), ebenfo die Hoch 
gebirge (Tolmezzo in den Venetianijchen 
24 m). Bon Gebirgen umrahmte Xieflän 
(Ungarn, —— Rheinthal) fin — (Ne: 
enſchattengebiete), am trodenften bie des 
Füboftl Rußland und die Wültengebiete Erde. 


REGENKARTE 








Maßstab 1:21000000 


= m m bb 06 wm _ oe ee D gmer M 


4 ” + om Kieser 
— — — — 


— — — = ——— 








Brockhaus Conversations -Lexikun. 13 Aufl. # A. Brockkaua 6: 


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Zu Artikel: Kegen. 





Yet ‚Anstalt, Leipzig 
6 
fr 


Negen (Fluß) — Negenpfeifer 


(Bier: Negenlarte von Europa.) Bol. 
nn, «Hlimatologie» — 1883), und Sprung, 
«Meteorologie» (Hamb. 1885), , 
Negen, linker Nebenfluß der Donau, in den 
Pegierungsbezirten Niederbayern und Oberpfalz, 
euch auf der Weitfeite des Böohmerwaldes als 
Schwarzer Regen bei Zwiefel aus dem Großen 
und Kleinen R., nimmt auf feinem weitern vor 
berrfchend weftnordweitl. Laufe reits den Weißen 
Negen und bei Cham die Cham auf, wendet ſich 
Fr von Nittenau füdlich, trennt fortan das 
Bayriihe Waldgebirge vom Jura und mündet 
nah einem Laufe von 165 km öſtlich von Stadt 
am Hof gegenüber von Regensburg. 
Regenbogen nennt man ein farbiges bogen: 
fürmiges Meteor, welches ſich zeigt, wenn bie in 
einer gewiſſen 89 inter dem Beobacdhtenden 
ftehende Sonne auf einen vor dem Beobadhtenden 
fallenden —*— ſcheint. Wenn die Strahlen der 
Sonne auf Regentiropfen fallen, fo erſcheinen in 
diefen ein oder zwei mit den prismatiſchen Farben 
glänzende konzentrifche Kreisbogen, deren Mittel: 
punkt von einer Geraden getroffen wird, die von 
der Sonne durch das beobachtende Auge geht. Der 
innere, lebhafter gefärbte und häufig auch nur 
allein vorhandene, etwa 42 Grad Radius haltende 
Bogen zeigt in der Richtung von innen nad außen 
die Farben Violett, Blau, Grün, Gelb, Orange, 
Not und heißt der Hauptregenbogen, während dieje 
Farben in dem etwa 51’, Grad Radius halten: 
den äußern Bogen (ne benregenbogen genannt) 
in gerade umgelehrter Richtung aut Der 
Hauptregenbogen entiteht durch folde Strahlen, 
welche im Innern der Negentropfen einmal, der 
Nebenregenbogen dagegen durch joldhe, welche da— 
felbft zweimal zurüdgeworfen worden find. R. 
* reifache Reflexion werden nur ſehr ſelten 
geſehen, da dann das Licht p ſehr geſchwächt wird. 
Der Ort, an welchem der R. am Himmel erſcheint, 
hängt von der Stellung der Sonne (bei mehr als 
42 Grad Höhe der Sonne über dem Horizont ift 
lein R. fihtbar) und der des Beobadıterd ab un 
läßt fih aus den befannten Gefehen der Brehung 
und —— des Lichts berechnen. Die pris⸗ 
matilchen — er Bogen entſtehen ähnlich wie 
bei einem — durch die 


ftrablen beim rechung der Licht: 


Sins und Austritt aus den Regen: 
tropfen. Der Himmel oberhalb des R. ift dunkler 
als innerhalb, weshalb auch die äußere Seite des 
Hauptregenbogens fhärfer begrenzt erſcheint. ne. 
in den — Tropfen der Waſſerfälle un 
Fontänen ſieht man R. und ebenſo J— Tau⸗ 
tropfen. Wenn nur einzelne Stüde des R. ſichtbar 
find, beißen fie Regen: oder Wajfergallen. 
. erzeugt vom Mondlicht (Mondregenbogen) fom: 
men jehr felten vor. Die richtige Erllärung des R, 
ftammt von Theodorich (1311) und Newton (1666). 
Negenbogen, Meifterfänger, ein Schmied aus 
Regensburg, der aber aus Liebe zur Poeſie fein 
Handwerk aufgab und fi nad) Mainz begab, um 
fi mit feinem berühmten Zeitgenofjen Srauenlob 
zu meſſen. So in einem Streitgedicht, an welchem 
al3 dritter Naumftand teilnahm und worin über 
den Borzug der Namen Frau und Weib geitritten 
wird; in einem andern, «Der a Le Würzburgn, 
ftreitet N. mit Frauenlob allein über den Vorrang 
von Mann und Frau, In einem britten gibt 
uenlob R. ein Rätſel geiftlihen Inhalts auf, 
überlebte feinen Gegner (gejt. 1318) und wid: 


557 


mete ihm und andern ältern Dichtern ein Klagelied. 
Am befannteften unter feinen Tönen ift die Brief: 
weile, in welder auch eine Menge fpäterer Nad): 
ahmungen verfaßt find; demnächſt jein langer Ton, 
dem auch jenes Klagegedicht angehört, fein bei den 
Meijterfängern ebenfalls beliebter grauer Ton u. a. 
Negenbogenhaut (de3 Augapfels), f. unter 
Yu —— — A ; ſhuf 
egenbogenpfennige, Regenbogenſchüſ— 
ſelchen (guttae — Ai alte felt. Goldmünzen 
von napf: oder ſchüſſelförmiger Geftalt, meift Hein, 
aber ziemlich did, ſchriftlos und mit eigentümlidhen 
Bildern, die wohl mit dem religiöfen Kultus der 
Kelten nina ran verfehen, Sie verdanten 
ihren Namen der Sage, daß ſie der Regenbogen 
[een lafle, da die erjten Negenbogenfchüffelcyen ins 
olge der durch Regen verurfachten Bodenabſchwem⸗ 
mungen ans Tageslicht gefonımen waren. Vol. 
3. Streber, «Über die jog. Negenbogenfchüfjeldhen» 
(2 Abteil., Münd. 1861—62). 
Regeneration (pbyfiol.), j.u.Neprodultion. 
Regenerativbrenner, ſ. unter Gasbeleuch— 
tung, Bd. VII, ©. 570. u 
Regenerativfenernng, f, unter Ciſenerzeu— 
gung, Feuerungsanlagen und Glas, 
Negenerator, bei Gasfeuerungen (ſ. unter 
ae) eine Vorrichtung zum 
orerhihen der Verbrennungsluft fowie der brenn⸗ 
baren Gaſe. — 
Regenerator (von Dr. Liebaut), ſ. unter Ge— 
heimmittel VII, ©. 659, 
Regengalle, f. unter Galle (meteorolog.). _ 
Negenmefler (Hyetomiter, Ombromẽ— 
ter, Bluviometer, Udometer), ein Inſtru— 
ment, um die Regenhöhe an einem Orte zu mefien, 
d. h. zu beitimmen, wie hod) das . den Regen 
während eines beſtimmten an Yahr, Tag, 
Stunde u. I w.) auf den Boden aelangte Waſſer 
ftehen würde, wenn basfelbe weder verdunftete 
noch in den Erdboden eindränge. Die R. beitehen, 
fofern fie nicht felbft regifteierende Inſtrumente 
find, aus einem Gefäße, welches eine ſcharf be: 
prengke Offnung von genau befanntem Querſchnitt 
yat. Der auf die Fläche dieſes Querſchnittes fallende 
Negen fammelt ſich in dem Gefäße, an dem nod) 
häufig mannigfade Einrichtungen angebracht find, 
um die Berdunftung der Niederſchläge zu verhin— 
dern oder bie angejammelte Waſſermenge leicht 
und bequem ablaften zu können, und wird dann 
vermittelit eines Meßglaſes, welches gewöhnlich 
fo eingeteilt ift, daß ein Teil desjelben ',, mm 
Negenhöhe angibt, gemeſſen. Bei felbitregi: 
ftrierendem Negenmeffer (f. unter Negi: 
BENEOBPOrGEN] tritt an die Stelle de3 Meß: 
alajes gewöhnlich die Beftimmung der Regenmenge 
dur das Gewicht berjelben oder bie er. l 
der Füllungen eines beſtimmten Heinen Gemäßes, 
welches er jeder ganzen Füllung durch Verlegung 
des Schwerpunftes umlippt und fo ein Zählwert 
in Bewegung ſeht. — 
Negenpfeifer (Charadrius) heißt eine Gattung 
der Steljvögel mit lurzem, | arfipibigene Schna⸗ 
bel, langgerihten Naſenlöchern, ſchlanlen, dunnen, 
an der Ferſe etwas verdidten Beinen mit drei 
82 chen, fpigen Flügeln, kurzem, runden 
Schwanz und meit weichem und büfter-braungelb: 
lichen Gefieder. Sie niſten im Norden in Süms 
fen und Mooren, wandern meift mit den Schnepfen 
im Winter nad) Süden, nähren fid) von Inſelten 


558 Regensburg — Negen: und Sonnenjhirmfabrifation 


und Würmern und lafjen viel, befonders häufig | Waflerleitung. Über die Donau führt nad) ber 
aber bei —— ug wa ‚ einen lauten Pfeifton | am linten Ufer liegenden Stadt am Hof (3392 €.) 
bören, der ihnen den Namen gegeben. Gier und | eine fteinerne, von Heinrich dem Stolgen 1135—46 
Steifch der R. find vortrefilich. Bei ung find be: | erbaute Brüde, weldhe 15 große Bogen hat, 347 m 
fonders betannt der fehr weit verbreitete Gold: | lang und 8 m breit i . Der Strom bildet hier zwei 
regenpfeifer (Ch. pluvialis), oben ſchwärzlich, Heine, mit Spaziergängen verfehene Inſeln, obere 
mit hellen Golofleden, von der Größe der un . und untere Wörth, die durch dieſe Brüde verbunden 
jinen, und ber etwas Heinere Morinell (Ch. mo- | werben. Bei der Stabt iſt dad Denkmal des Aftro: 
rinellus), von lihtgrauer Farbe, mit hellgefledtem, | nomen Kepler, das 1817 Dalberg errichten ließ; 
dunklem Obertopfe. eben felfigen Thalrand der Donau 10 kın unter: 
Regenöburg, die Hauptitabt des bayr. Re: | halb R. erhebt ſich die Walhalla (1. ge: 
gierungsbezitls Oberpfalz, Sitz der Kreisregierung, N. iſt eine der älteſten Städte chlands. 
eines irt3amt3 Landgerichts, er ı Bon ben Römern erbaut und Reginum genannt, 
einer Reihsbanfnebenftelle und eines Biſchofs, war fie ſchon im 2. ahrh. n, Ehr. ein Handels: 
liegt in einem weiten, fruchtbaren Thale am red: | plag. Unter den Agilolfingern wurde fie, die 
ten Ufer der Donau, wo dieſe den Regenfluß auf: | Hauptitabt Bayerns. Nach »er Entjegung biejer 
ninmt, Station der bayr. Staatsbahnlinien R.: | Dynaftie aber, unter dem unmittelbaren Schub 
Augsburg, Münden:Oberlogau und Paſſau⸗Nürn⸗ | der deutichen Könige, der Verwaltung eines Grafen 
berg und zählt (1880) 34516 E., darunter 5995 | untergeordnet, erhielt fie, gleich andern Städten, 
Proteitanten und 675 Juden. Die Stadt hat an: ; in welchen ſich anfehnliche ——— 
ſehnliche — * meiſt frumme, enge, unregelmäßige | fanden, die Benennung einer lönigl. Stadt. Be— 
Straßen, daneben auch viele Dentmäler der Pracht: | reits 739 wurde das Bistum R. durch Bonifacius 
baufunft, befonders des frühern Mittelalters. Man peRiätet, befiem Sprengel nahmal3 mehrere Drt: 
zählt 12 Tath. und 3 prot. Kirchen, außerdem 3 Hd: ſchaften in Bayern und in der Oberpfalz, zuſam⸗ 
iter, Der Dom, im got. Stil jeit 1275 aufgeführt, | men 330 qkm umfaßte. Kaiſer Friedrich I. be: 
üt ein Meifterwerk deuticher Baukunſt und Stein: | freite die Stadt aufs neue von der Botmäßigkeit, 
bildnerei —— bie Vorderſeite aus dem 15. | welcher die Herzöge von Bayern ſie unterworfen 
Jahrh.), im Innern 93 m lang, 38 m breit und bis | hatten, und erhob fie zur Freien Stabt. Im Drei: 
40 m body, teilweile mit gemalten Fenſtern aus | Big —— Kriege wurde die Stadt 1633 vom Slur: 
dem 14. und 15. Jahrh. Die bei der Reitauration fürften arimiltan von Bayern eingenommen, in 
(1834— 38) durch König Ludwig I. geftifteten Fenfter | demielben Jahre von Bernhard von Weimar wie: 
find von großer Farbenpracht. Die beiden ger: der erobert, 1634 aber wieder an die Staijerlichen 
lihen Türme wurden 1860—70 von Dombau: | verloren. Ron 1663 an war fie bis zur Auflöfung 
mceifter Denzinger audgebaut, Ferner find zu nen: | des beutichen Neich&verbandes 1806, mit einer nur 
nen St. Emmeran, St. Jalob (12. Jahrh., Schot: | zweimaligen Unterbrechung, 1713—14 und 1740— 
ten), Niedermünfter, Dominilanerfirche, die prot. | 44, der fortwährende Sih des Neichstags. Außer 
Dreieinigleitöliche, das alte große Rathaus, ein | der Stadt und dem Biſchof hatten aud der Abt 
düfteres, unregelmäßiged Gebäube, mit den Sälen, | von St. Emmeran und bie Abtiſſinnen von Ober: 
in welchen 1663—1806 der deutſche Reichstag ſich und Niebermünjter Cik und Stimme im Reichs: 
verfammelte, die königl. Villa, die — en | tage. Im J. 1803 wurden die Freie Stadt und 
Neihsabteien St. Emmeran (begründet 652), Nie: | das Bistum zu einem Fürftentum erhoben, durch 
der: und Obermünjter. Die Kirche der erjtgenannten | den — — dem Kurfürſten von 
Abtei enthaͤlt das Grab König Ludwigs des Kindes Mainz, Karl von Dalberg, als Kurerzlanzler zu: 








und des Hiftoriler3 Aventinus, Die chemaligen | geteilt und der vormalige erzbiihöfl. Stuhl zu 
Kloftergebäude dienen jeht dem Fürften von Thurn | Mainz auf die Domlirche ge N. übertragen. In— 
und Taris zum Wohnſiß, der diefelben bedeutend folge eine3 Beitrittö zum Rheinbunde ward fodann 
erweitern und *55 auch die fürſtl. Gruft- der Kurerzkanzler Dalberg 1806 ſouveräner Fürſt 
tapelle (mit der Chriftusftatue von Danneder und | und Herr von R. und erhielt den Titel FürſtPri— 
mas, Als ihn aber 1310 Napoleon zum Großber: 
308 von Frankfurt erhob, lam das Fürjtentum nebit 
er Stadt an Bayern. Ungemein litt die Stadt 
bei ber fünftägigen Schlacht in ihrer Nähe vom 
19. bis 24. April 1809. Bol. Gemeiner, «Chronit 
der Stabt und des Hodjitifts R.» (4 Bde., Regensb. 
1819); Walberborif, «R. in feiner Bergangenbeit 
und Gegenwart» (3. Aufl,, Regensb. 1876); Wei- 
ninger, «Führer durch R. und defjen nächfte Um: 
gebung» (8. Aufl., Regensb. 1886). 
Negensburger Interim, |. unter Ynterim. 
Regen: und Sonnenfchirmfabrifation, ein 
Induſtriezweig, der fi aus der rein handwerks— 
mäßig, öfterd als Nebengeſchäft der Drechsler be: 
triebenen Schirmmacherei entwidelt hat. Die mich: 
tigften Materialien, mit welchen dieſe Induſtrie 


hübſchen Glasmalereien) erbauen ließ; der fühl. 
Flũgel wird (1886) neu gebaut. Die 1862 jälulari- 
ferte Schottenlirche ift wegen ihres Portals und 
eigentümlichen Steinbilbwerts bemertenswert, Bon 
hohem Intereſſe ift die 1885 wieder —— 
Porta praetoria, das nõrdl. Thor der alten Römer: 
ſtadt. Unter den Bibliothelen find die königliche und 
vie Thurn und — 9 erwähnen. Bon Un: 
terrichtsanſtalten befipt R. ein Lyceum mit einer 
theol. und einer philoſ. Sektion, ſowie einem reich: 
haltigen phyſik. Kabinett und einer Sternwarte; 
ferner zwei bumaniftiihe Gymnafien, eine Real: 
ſchule mit einer —— onn: und Feiertagsſchule, 
eine landwirtſchaftliche Minterfchule. Bon gewerb: 
lichen Anjtalten —* nennen eine Rübenzuder:, 
eine Tabal:, eine Mafhinen: und eine Bleiftift: 
fabrif, wei der bedeutendſten Buchdrudereien 
Bayerns, Lichter: und Seifefabriten, bedeutende 
Bierbrauereien und Brennereien. _fiberdie treibt 
die Bevöllerung Schiffbau und Spebitionshandel 
mit Holz und Getreide. Seit 1875 hat R. eine 


arbeitet, ſind außer den verſchiedenen Webſtoffen 
(Seide, Wollatlas, Zanella, Baumwolltaft und 
andere Baumwollſtoffe) Holz, Horn, 36 
Stahl und Draht. In neueſter Zeit find im Mecha: 
nismus der Regen: und Sonnenschirme zahlreiche 


Negenftauf — Regenzeit 


Verbeſſerungen eingeführt worden, worunter na: 
mentlic die jog. Selbftöffner zu erwähnen find. 


Negenftanf, Marktfleden im bayr. erungs⸗ 
bezirk Dberpfalz, Bezirlsamt Stadt am Hof, links 
am Regen, 15km nörblid von Regensburg, Station 
der Linie Munchen-Regensburg-Hof der riſchen 


Staatsbahnen, Sitz eines Amtsgerichts, zählt 
(1880) 2094 E, und hat eine Schloßruine und eine 
Dampfiägemühle, (f. d.) am Harz. 
Negenftein, alte Bergfeitung bei Blankenbur 
Regent (lat.) heißt das Staatsoberhaupt, wel: 
nicht ald Beamten, wie einem Direltor oder 
PBräfidenten, fondern ald Monarchen die oberjte 
Zeitung der Staatsangelegenheiten zuftebt. In 
einem engern Sinne verfteht man unter R, einen 
Neichd: oder Landeöverweier, welcher in Berbin: 
derung des Staatsoberhauptes, wegen Minder: 
jährigteit, Gefangenschaft oder Geiſteskranlheit des: 
felben die Regierung führt. So war Bhilipp von 
Orleans ftatt de3 unmündigen Ludwig XV. R. von 
Frankreich. Georg IV. führte bis zum Tode jeines 
in Wahnſinn verfallenen Vaters, de3 Königs 
Georg III. von S. den Titel Brinzregent, 
desgleichen König ilhelm I. von Preußen wäh: 
rend der Krankheit feines Bruders Friedrich Wil: 
beim IV. Meiſt ordnet die Verfaffung ſelbſt an 
wer zur Regentſchaft berufen werden foll; der Re 
na der nad der Primogeniturordnung 
nädjftberufene, großjährige, regierungsfähige Agnat 
die Regierung; ausnahmsweiſe auch die Mutter 
oder Großmutter. yr England beitinmmt das Bar: 
lament die Rechte der Negentichaft. In neueſter 
Heit wurde der Prinz Albrecht von Preußen 21. Okt. 
1885 zum R. von Braunſchweig erwählt, um bis 
zur definitiven Erledigung der durch den am 18, Dt, 
1884 erfolgten Tod des Herzogs Wilhelm von 
—— entſtandenen Erbfolgefrage die Ne: 
gierung erzogtums zu übernehmen, 
Stegenwalde, Stadt im preuß. Regierungs— 
bezirk Stettin, Kreis Regenwalde, rechts an der 
Neza, Sit eines Amtsgerichts, zählt (1880) 3370 €. 
und hat eine landwirtſchaftliche Berſuchsſtation der 
Bonmerjhen Olonomiſchen Geſellſchaft, eine Fabrit 
für landwirtſchaftliche Maſchinen, eine Dampfwoll: 
Ipinnerei und Weberei und ein Rettungshaus. Das 
gleichnamige Rittergut hat 110 E. — Der Kreis 
Regenwalde zählt auf 1189 qkm 48763 E. ; das 
Landrat3amt befindet fich zu Labes (f. d.). 
Regenwolfe, ſ. Nimbus. , 
Regenwürmer (Lumbricida) bilden eine Fa: 
milie_der Gliederwürmer oder Anneliven (f. d.) 
und find Grbwürmer, deren Körper wurmförmig, 


559 


nad) beiden Enden zugefpist und deutlich viel- 
liederig it. Der Kor ift nicht geſchieden, ohne 
ugen, Kiefern, Fühler und Fadenbündel, und an 
den Körperringen ftehen nur wenige paarige Bor: 
en in Gruben, die auf zwei oder vier Zeilen jeder: 
eitö gereibt find. Der gemeine Regenwurm 
(Lumbricus terrestris), rot, 8—16 cm lang, mit 
80-120 durch eine Duerfurde geteilten Ringen 
und kurzen Warzen mit ſteifen Borſten in acht 
Reihen am Bauche, wählt Gänge in feuchter Gar: 
tenerbe , kommt bei nafjer Witterung morgens und 
abends heraus und lebt vorzüglih von Bflanzen: 
ftoffen. Durch Dfenruß und friſche Gerberlohe, auf 
der Oberfläche gejtreut, hält man ihn ab. Enten, 
die in den Garten getrieben werden, fen die N, 
gern. Tas befte Bertilgungsmittel ift öfteres Auf: 
leſen am Morgen und Abend, wodurch zugleich bie 
Maulwürfe ih zurüdziehen, deren vorzüglichſte 
Nahrung die R. find. Die Familie der R.ſchließt 
zablreihe Gattungen ein, wovon einige nur im 
Waſſer oder im Schlamme der Gewäſſer leben. 
Negenzeit. Der jührlide Gang der Regen: 
menge ijt ın dem verjchiebenen Zonen fehr verfchie: 
den. In den Tropen fteigt die Regenmenge mit 
den Stande der Sonne. Da bieje Regenfälle 
durch den aufiteigenden Luftitrom bedingt werden, 
werden jie beim höchſten Stande der Sonne fo 
bäufig, dab fie täglich wiederfehren und faft fo 
lange anhalten, als bie Sonne über dem Horizont 
ſich befindet, Nur nachts iſt die fallende Regen: 
menge meijt eine geringere. So dauert die R. 
mehrere Monate fort und wird von einer faft völlig 
regenlojen Zeit abgelöft. Sie umfaßt einen Breiten: 
ttel auf der Erde von größerer oder geringerer 
usbehnung in den Tropen, wo die Sonne am 
fteht, aljo eine Negion, wo feitliche Luft: 
trömungen während der Dauer der R. fehlen und 
fomit völlige Windjtille herrichen muß. (S. Kal: 
men.) Wo die Sonne zweimal im Jahre jentrecht 
ſteht, pflegen zwei N. einzutreten, fo &; B. in Java 
7° nördl. Br., Guaiana 5° nördl, : t., Panama 
8° nördl. Br. u.f.w. Die R. find meift verfchieden 
an Dauer und rüden mit der Entfernung vom 
Üquator einander näher, bis fie wiederum an den 
Wendefreijen in eine zufammenfallen (3. B. Sierra 
Leone 8° nördl, Br., Mauritius 21° füdl. Br.). 
Lokale Änderungen werden durch Berfchiedenheiten 
in den Quftitrömungen bedingt, jo 3. B. in der Ne: 
gion der Monfune, j 
Der Berlauf der R. (Angabe der Negenhöhe in 
Millimeter) an einigen Orten geht aus folgender 
Tabelle hervor: 





—— — 




















Ort Geonraphiſche Breite FH 3 H elals|: 1218 & E g| Jahr 
sjöj2l&l2|s|3 löl2 Jöläle 
Mangalore ..... 13° nörbt, 14 5| 24 60 225 1008 9541 5008 20621910 40] 3125 mm 
OH aan 30° fübf. 14011101130|130| 80| 30 50) 40 50 91150) 1000 » 
PortsLonis...... 20° jübl. 9411462991131] 80) 53] 38] 22] 38/ 11] 18] 42] 972 » 
Colombo ........ 7’ nördl. 148 834 41148 244 353 213 146 108 133 341 285 2241 » 
Mittlerer Barana. | circa 26° fübl. 157200 200 210 200 140 100 501 77117511601 1750 » 
Mabeirz. ...... 33° nördl. 11811551 75| 67! 371 30 15| 0 8| 301 6711421 744 » 
Gabar3: 2.404. 15° bis 25° nörbl.| 35 en 30| 46) 40 30 161 71 40) 20| 322 » 
! 








560 


Regeſten (lat.) find chronologiſch geordnete Ur: 
lundenverzeihniffe mit Turzer Angabe des Inhalts 
und des Ortes, wo fie aufbewahrt werben, oder des 
Schriftwerls, das fie abgedrudt mitteilt. Sie er: 
fepen den Mangel umfaſſender Sanımlungen und 
bewähren ſich dadurch als wichtiges Hilfsmittel der 
Geſchichtsforſchung. R. über die ältern deutichen 
Kaijerurfunden haben Böhmer und Chmel geliefert; 
diefelben werden jekt unter Fider3 Leitung neu be: 
arbeitet und fortgeſeßt. Herausgegeben wurden: 
von Böhmer die R. der Karolinger (Franff. a. M. 
1833; erfegt durch Th. Sichels «Acta regum et 
imperatorum Karolinorum», Bd, 2, Wien 1868, 
und E. Mühlbaderd «N. der Karolinger», uns: 
brud 1880 I von Konrad I. bis Heinri VII. 
(Kranff, a, D. 1831; bis 1198 erfeht durch K. F. 
Stumpf» Brentano, «Die Neihslanzler», Bd. 2, 
4 Abteil., Innshr. 1865— 83); von 1198 bis 
1254 (Stutta. 1849; erfeht durd die Neubearbei: 
tung von J. Sider für die J. 1198—1272, Innsbr. 
1881 fa.); von 1246 bis 1313 (Stuttg. 1844, mit 
zwei Ergänzungsheften 1849 und 1857) und von 
1314 bis 1347 (Franlf. 1839, mit drei Ergänzungs: 
beiten 1841, 1846 und 102) : — mit Benuhung 
von Böhmers Nachlaß die N. Karls IV. von A. Hu: 
ber (Innsbr. 1877); von Chmel die R. Ruprechts 
(Srantf. 1834) und Friedrichs III. (2 Bde, Wien 
1538—40). Die päpftlihen R. («Regesta ponti- 
ficum romanorum») wurden von Yalfe (bis zum 
%. 1198, Berl. 1851; in neuer Bearbeitung durch 
Cwald, Kaltenbrunner und Lömwenfeld) und von 
Potthaſt (1198—1304, 2 Bde., Verl. 1875) heraus: 
gegeben. Außerdem find noch viele R. über eins 
zelne deutſche Länder, Bistümer, Städte u. f. w. 
erichienen, über weldhe Dahlmanns «Quellentunden, 
herausgegeben von Waib, Austunft gewährt. Un: 
ter auswärtigen R. ragt Delisle, «Catalogue des 
actes de Philippe-Auguste» (Bar, 1856) hervor. 

Negge, lintsfeitiger Nebentluß der Vecht in der 
niederländ. Provinz Dveryfiel, _ j 

Reggio, ein altes Herzogtum in Ytalien, wel: 
che3 gegenwärtig einen Beltandteil der Provinz N. 
(2271,74 qkm mit [1881] 253486 €.) des König: 
reichs alien ausmacht, hatte unter den Longo: 
barden befondere Herzöge, war im 12. Jahrh. Re— 
publit, wurde im 13, Jahrh. von den Wiartgrafen 
von Cite unterworfen, lam dann nacheinander in 
die Gewalt der Correggio, Gonzaga, Visconti 
u. ſ. w., warb aber nad) der Eroberung Noms 1527 
dur Kaiſer Karl V. wieder an das Haus Eſte 
(Modena) gegeben dem es bis zur Anneltierung 
Modenas durd Sardinien (1860) verblieb, mit 
Ausnahme der Zeit von 1796 bis 1814, wo es erft 
zur Cisalpiniſchen Republit, dann al3 Depari. 
Croftolo zum damaligen Königreich Italien ge: 
hörte. Napoleon I. ernannte 1809 den General 
Dudinot (f. d.) zum Herzog von R. 

—24 die Hauptſtadt der Provinz R., zum 
Unterſchiede von R. in Calabrien, Negei onell’ 
Emilia genannt, das Regium Lepidi oder Le- 
pidum der Römer, mittellat. Regia, am Flüßchen 
Eroftolo und am Kanal Taffone, Station der Eifen: 
bahn von Barma nad) Bologna und der Schmal: 
fpurbahn R.:Ventofo, mit breiten Straßen, vielen 
ogengängen und ke Gebäuden, der Sitz 
eines Biſchofs, einer Präfeltur, eines Tribunals 
eriter tan; und einer Handels⸗ und Gewerbelam: 
mer, j Mr (1881) 19019, als ®emeinde 50759 E., 
bat ein biſchofl. Seminar, ein Lyceum, ein Mufeum 


Regeſten — Regie 


mit Naturalienfammlung des bier — Spal⸗ 
—— ———— — ein 
ymnafium, eine techni ule, eine öffentliche 
Bibliothek mit 56000 Bänden und 1066 Manu: 
flripten, ein fchönes Theater, eine Citabelle mit 
dem alten Schlofje, einen fehenswerten Dom aus 
dem 15. Jahrh., mit zahlreihen Statuen von Ele 
menti aus R., Schüler des Michel Angelo, und 
viele andere Kirchen, worunter die ſchöne nna 
della Ghiara, 1597 nad) Balbis Entwurf in der 
orm eines griech. Kreuzes mit Rue erbaut, mit 
esten von Luca Ferrari aus R., Schüler des 
uido Reni, von Tiarini aus Bologna, von Lios 
nello Epada u. a. Am Eingange zum (Municipio 
befindet fi eine Marmorbüjte des hier geborenen 
Generals Cialdini. Die Stadt hat jährlich im April 
eine Meſſe, treibt Handel mit Seide, Mein, Neis, 
Flachs, Hanfleinwand und Holz, ——— —* 
bauholz, und befist nicht he ia e Seiben- 
Hanfweberei. In. wurde Lodovico Arioſto 8. Sept. 
1474 geboren, auch ift R. die Vaterftadt bes Aftro: 
nomen Sechi. Etwa 20 km ſüdweſtlich liegen die 
Trümmer des Schloſſes Canojja (f. d.). 

Reggio, die Hauptitadt der ital. Provinz Ca: 
labria ulteriore I. (jebt Reggio di Calabria 
genannt, 3923,99 qkm und [1881] 375528 E,), das 
griech. Khedion, ſeit Auguſtus Rhegium Juli 
(j. — Im J. 410 n. Chr. belagerte die⸗ 
ſelbe Alarich, 549 eroberte fie Totilas, 918 bie 
Sarazenen, 1005 bie —— 1057 Roger Guis⸗ 
card, 1282 Peter von Aragonien; 1542, 1558 und 
1594 verheerten die Türken die panie Küfte. N. 
wurde durch das Erdbeben 1783 fajt ganz 
feitdem aber wieder neu und gut aufgeführt und 
zählt (1881) 23682 (ald Gemeinde 38740) E, Die 
Stadt ift Station der Bahnen QTaranto:R. und 
R.Villa San:Giovanni, Siß der Präfeltur, eines 
Erzbiſchofs, eines Tribunals erfter Inſtanz, eines 
Handelstribunals, einer Handels: und 
fammer, eines Gymnaſiallyceums und eines deuts 
ſchen Vizefonfulats, Der moderne ftattlihe Dom 
enthält 8* Grabdentmäler von zwei Erzbiſchofen 
der DiöcefeR. Auf der Piazza Vittorio Ennmanuele 
* ſich eine Marmorftatue der Italia von La— 
ruſſa. Eine Hauptthätigleit der Bewohner iſt die 

abrilation von Eſſenzen und wohlri 

ern, namentlich von Bergamotti und Geb von 
MWeinftein, Seidenwaren und Töpfergefdirr, 

eführt werden Dlivenöl, Flechtweiden, getrodnete 

ruchte, Seide und Wein, einge rt namentlich 
— *33 * en und yo 

egie (frz., ſpr. i Fran 

unmittelbare —— zum Zwed —— 
nußung einer Einnahmequelle, wie er Ba beim 
Tabalsmonopol ftattfindet, während Zünds 
hölzermonopol an eine Geielicaft verpachtet iſt. 
Im 18. Jahrh. nannte man R. die Verwaltung 
derjenigen indirelten Steuern, die nicht von den 
Generalpächtern (f. d.) übernommen waren 

diefem Sinne fam das Wort aud) —* Deutſch⸗ 
land, als Friedrich II. in Preußen die Äcciſe nach 
franz. Muſſer einrichtete. 

Beim Theater * man unter R. den Jube⸗ 
griff der Funktionen, die dem Reaiijens übers 
tragen werden. Diefe Funltionen find bei den vers 
ſchiedenen Theatern bald größern, 

Umfangs. Bald liegt dem Regiffeur die und 
Befehung der zu gebenden de ob, u 
derjelbe nur der Direktion die Stüde, ſowie 


.-TiTn HH s;’.m 2 2 


Regierung — Negiomontanus 561 


Veſehung vorzufcjlagen; jedenfalls aber hat er fle 
in Scene zu ſehen, wobei e3 befonders darauf anz 
tommt, daß dies im Stil und Charakter des auf: 
zuführenden Dramas geichiebt, und daß die einzel: 
nen Kräfte zu einem gemwiljen Ganzen (j. En: 
femble) vereint werben, 

Hegierung bezeichnet teils den Inbegriff der 
Staatögewalt, im Gegenſaß zu dem Volle, alio 
das Staatsoberhaupt nebjt den feinen Willen aus: 
führenden Organen, teild biefe Organe allein, ges 
trennt vom Souverän. Die lehtere Aurfaflung 
findet insbeiondere in der Republik ftatt, zumeilen 
auch in der konftitutionellen Monardjie tnfofge der 
fertig and des Monarchen und der Ber: 
antwortlichleit feiner Minifter. In Frankreich ftellte 
Thiers unter Ludwig Philipp den Sab auf: der 
König herrſcht, aber regiert nicht, d. b. er hat die 
formelle oberjte Entfcheidung, aber materiell follen 
bie Minifter regieren, weil he allein für die Hand: 
lungen der N. verantwortlich find. Indeſſen iſt 
die Unterfcheidung in der Monarchie nicht durd): 
zuführen, weil N. zum Weſen der monarchiſchen 
Gewalt gehört. In den Beziehungen nach außen 
eh die Unterfcheidung nicht ftatt; hier bedeutet 

die Verkörperung und Bertretung des Staat, 
als eines —— egen andere Staaten. an 
manden Staaten beselönet man mit N. einzelne 
Behörden, jo in Preußen die Verwaltungstollegien 
der einzelnen Bezirke, Unter Re gi erungsgewalt 
verjteht man bald bie gelamte taatsgewalt, bald 
nur den Inbegriff der Verwaltungsbefugniſſe. 

Regierwert eg die gefamte Konftruftion ber 
Regiiterzüge an einer Orgel, dur) die die einzelnen 
Stimmen zum Tönen oder Schweigen gebracht wer: 
den, Zum R. gehören daher: die Schleifen oder 
Parallelen der Windladen, die Regilteritangen, 
Wippen, pneumatiſchen Regifterhebel und die Ne: 
güterfndpfe Manubrien). Jedes Manual und Pe: 
dal beanspruchen für ihre Regiſter ein eigenes N. 

Negillo da Bordenone, |. Pordenone. 

Regillus hieß ein Heiner See öftlich von Nom, 
deſſen Name durch die nad) der Tradition in feiner 
Nähe 496 v. Chr. gelieferte Schlacht berühmt wurde, 
in welcher die Römer unter Aulus Poftumius die 
Latiner, welche den vertriebenen König Tarquiniug 
Superbus unterftügten, geichlagen und damit den 
Veftrebungen des leptern, die Rudlehr nah Nom 
zu erzwingen, ein Ziel oefeht haben follen. €3 ift 
nicht befannt, weldyer von den vorhandenen Eeen 
den Namen X. übrte. 

Negiment (frz.) ift eine jelbftändige, aus einer 
Zahl von Bataillonen, Estadrons oder Batterien 
zujammengejebte mins: Danach gibt es In— 
tanterie:, tavallerie: und Artillerieregimenter. Er: 
ftere haben meiſt 3 Bataillone; bei der Kavallerie 
abtt 38.4, 5,6 (früher ſogar 10) Estadrong; 

der Artillerie gibt e3 Feld: und Feltungs:, von 
den erftern Zub und reitende R.; doc find die ver: 
ſchiedenen Batterien in einigen Armeen auch in 
einem N. vereinigt, 3. B. in der preußiſchen, deren 
———— entweder aus 1 reitenden 
bteilung und 2 Fuß: oder nur aus 2 Fußabtei— 
lungen beftehen. Name R. kommt Ichon im 
16. Jahrh. vor, bezeichnete aber damals keinen Körs 
ger von beftimmter Stärle, jondern nur eine be: 
liebi bl von Fahnen, —8 oder Reiterei, 
wel en Befehl oder «Negiment» (daher der 
Name) eines Kriegsoberften unter Verleihung ge: 
wiſſer Rechte, 4. B. Ernennung von Offizieren, 
Eonverfationg«Legiton. 13. Aufl. XIIL 


untergeben war. Allmählich verlor ſich aber diefer 
Begriff und das N, erhielt feine beſtimmte Stärle 
und Gliederung. 
Regiment de la Calotte, ſ. Galottijten. 
Negino, einer der beiten deutichen Ghroniften 
des Mittelalters, foll zu Altrip am Rhein geboren 
fein ind. wurde 892 Abt des Klofters Prüm in der 
Eifel, Infolge der polit. Parteilämpfe 899 ver: 
trieben, begab er ſich nad} Trier, wo er 915 ftarb, 
Der Erzbiſchof Natbod bediente ſich feines Rates 
bei der Leitung feines von den Normannen wieder: 
holt heimgeſuchten, verwüfteten und verwilderten 
Sprengels; auf feinen Wunſch verfaßte N. das 
Wert «De synodalibus causis et disciplinis ec- 
elesiasticis» (berausg. von Wafferfchleben, Lpz. 
1840) und zur Neform des Kirchengeſangs fein 
Bud) «De harmonica institutiöne » raus von 
Goujfemaler, «Seriptores de Musica Medii Aevi», 
Bd. 2, Bar. 1867). Seine Chronik bis 906 war 
lange Zeit die beſte Weltgeſchichte, welche man 
*— Für die ältere Zeit eine robe Zufammen: 
ellung befannter Quellen und an ———— 
jede verwirrt und chronologiſch fehlerhaft, gewinnt 
ie an Wert, wo er jeine eigene eit erreicht und 
von Lothringen fpricht. Die Chronik wurde heraus: 
gegeben von Berk in ben «Monumenta Germaniae» 
(Bd. 1, 2p3. 1826) mit der Fortfehung bis 967, 
welche für die deutſche Geſchichte von fehr großem 
Wert ift, und vermutlich von Adalbert, dem erften 
Erzbiſchof von Magdeburg, berrührt. Cine gute 
Uberſehung der Chronik iſt von Dümmler (Berl. 
1857), der Fortfegung von Büdinger (Berl, 1858). 
Reginum, der röm. Name von Regensburg. 
Regiomontänns, eigentlich Daran Müls: 
ler, verdienter Diathematiter, geb. zu Königsberg 
in Franken 6. Yuni 1436, Bildete fd feit 1451 un: 
ter dem berühmten Mathematiler ur Arm Peur⸗ 
bach und lehrte dann mehrere ze indurch die 
Mathematik mit großem Beifall zu Wien. Sein 
Wunſch, die griech. Sprache zu lernen, bewog ihn, 
1461 mit dem Stardinal Befjarion nad) Jtalten zu 
gehen. Nach feiner Rüdkehr aus Italien lebte er 
am Hofe des ungar. Königs Matthias Corvinus, 
bis er ſich 1471 zu Nürnberg niederlieh, wo er in 
Verbindung mit Bernd. Walther ftand_und eine 
Buchdruderei anlegte, die wegen der Korreltheit 
der darin gedrudten Bücher berühmt iſt. Er wurde 
1474 von Bapft Sirtus IV. zum Biſchof von Res 
gensburg ernannt und zugleich wegen der Kalenders 
reform nad Rom berufen. Hier ftarb er 6. Juli 
1476, nad) a an der Peſt, nad) andern cr» 
mordet von den Söhnen des Georg von Trapezunt, 
die ben zyup ihres Vaters, in deſſen fiber: 
fehungen R. grobe Fehler aufgededt hatte, rächen 
wollten, N. war in Deutſchland der erfte, der jid) 
mit Eifer dem Stubium und der Berbefjerung der 
völlig vernachläſſigten Algebra widmete. Der Tri: 
gonometrie gab er höhere wifjenfchaftliche Volllom⸗ 
menbeit und führte den Gebraud der Tangenten 
ein. Auch die Mechanik verdankt ihm viel, Seine 
Schriften über Waflerlettungen, Brennſpiegel, Ge: 
wicht und andere ähnlidhe Gegenftände zeugen von 
vielumfafiender Gelehrſamleit und feltenem Scharf: 
fin, Seine aftron. Veobachtungen: «Ephemerides 
ab anno 1475—1506» (Nürnb. 1474), fortgejeht 
von Bernd, Walther, der nach N.’ Tode deſſen Pa: 
piere kaufte, und herausgegeben von Schonerus 
Nurnb. 1544), find fehr genau und erwarben ihm 
großen Ruhm, Bon feinen übrigen Schriften find 
36 


562 


die wichtigern: das «Calendarium», in lat. und 
deutfcher Ausgabe (Nürnb. um 1473), «De doetrina 
triangulorum» (Vened. 1463), «De quadratura 
eircuii» (1463), « Dialogus contra Gerhardi Cre- 
monensis in Planetarum theorias deliramenta » 
(Nürnb. 1475), «De reformatione calendarii» 
Vened. 1484), «De cometae magnitudine longi- 
tudineque» (Nürnb, 1531), «De triangulis omni- 
modis» (Nürnb. 1533), «Tabulae directionum pro- 
fectionumque in nativitatibus multum utiles» 
(Vened. 1585). Pol. Ziegler, «R., ein geijtiger 
er des Columbus» — 1874). 

Reg „Stadt in ber ſächſ. Kreishauptmann— 
ſchaft Leipzig, Amtshauptmannſchaft Borna, linls 
an der Bleibe, hat (1850) 814 E., Braunkohlenlager, 
Gemmjebau und eine Gifenwarenfabrif. Der Drt 
erhielt 1824 Stadtredt. , 

Regiſſeur, ſ. unter Regie. 

Regiſter (entitanden aus dem mittellat. Worte 
regesta) heißt im allgemeinen ein Verzeichnis, 5. B. 
der Eingaben, welde bei einer Behörde gemacht 
werden, ober ber mündlich angebrachten Sachen, 
und daher regiitrieren foviel als eintragen. 
Regiſtrator beit derjenige Kanzleibeamte, wel: 
cher das Eintragen und die Aufzeichnung der eins 
gelaufenen Sachen zu beforgen hat; Negiftrande 
iſt das angefertigte Verzeichnis der gemachten Ein: 

aben; Negiftratur die Aufzeichnung des mümb: 
ich Angebradten. Jede Regierung, jeder Magiftrat 
hat für die Regiſtratur eigens angeitellte Beamte. 
Die Negiitraturmwiffenichaft ut der Inbegriff 
—— Regeln, nach denen ein hauptſächlich aus 
gerichtlichen oder, wiſſenſchaftlichen Akten beftehen: 
de3 Archiv, fowie die Sanımlung der faufenden 
Alten zu oronen und zu erhalten iſt. Dieſelbe iſt 
eine Unterabteilung der Ardivmifjenichaft. fiber: 
fichtlichkeit,, fowie eine dem Inhalt der Alten mög: 
lichſt entfprechende Dispoſition find die hauptiäd;: 
lichten Geſichtspunlte, die hierbei den Negiftrator 
leiten müjjen. —— it Regiſter ein alphabetiſch 
eordnetes Inhaltsverzeichnis bei Büchern; das— 
Peibe kann entweder Sad: oder Wortregiiter fein. 

In der Muſil bedeutet R. foviel wie Fach oder 
Abteilung des Gleichartigen. Bei der menſchlichen 
Stimme bezeichnet man durch R. die verſchiedenen 
Lagen der Töne oder der Gattungen der Stimme. 
Die ſog. Bruſtſtimme oder dad Bruſtregiſter 
gibt die Töne (beſonders die tiefern) an, die einen 
vollen Klang haben, dem Gefühl nach aus der Tiefe 
der Bruſt hervorlommen und dem Sänger am 
leichteften werden; die andere Art, die jog. Kopf: 
ftimme oder Kopfregiſter, bringt die Höhern und 
höchſten Töne hervor, die alle nur einen zartern, 
feinern Klang haben und erſt burch viele Übungen 
Stärle gewinnen und in der Kehle zu entftehen 
ſcheinen. Die Töne der Kopfitimme entitehen durch 
teilweife Verſchließung ber Stimmrike und heißen 
namentlich bei männlichen Stimmen Faljett oder 
Fiftel; die Gefamtzahl der fo hervorgebrachten 
Töne nennt man das Yalfettregiiter. Bei der 


Drgel oder dem Harmonium nennt man R. die zu ' 


beiden Geiten der Klaviatur oder die über dem No: 
tenpuft angebrachten, mit weißen Porzellanplätt: 
en verfehenen, gewöhnlich ſchwarz policrten 
Knöpfe. Dieſelben heißen, da fie mit der Hand 
heraus an er oder eventuell hineinzufchieben find, 
auch Dianubrien. Auf dem weißen Plättchen fteht 
mit ſchwarzer Schrift der Name des R., oder, was 
dasjelbe ift, der einer Orgelftimme, Der Regiſter— 


Negis — Negiftrierapparate 


Inopf bewegt einen Mehanismus an ber Drael, 
der dazu dient, die Schleifen in den Windladen an: 
zuziehen oder en Wird der Negilterfnopf 
abgejtoßben, fo find die Windlöcher zu den Pfeifen 
durd die Schleife verdedt; der Wind lann mun 
nicht in die Pfeifen ausitrömen und diejelben kön: 
nen nicht erklingen. Wird der Reniiterfnopf ber: 
ausgezogen, fallen bie in den Schleifen befindlichen 
Löcher mit denen in der Windlade und Pfeifen: 
jtöden zuſammen; die Orgelpfeifen fönmen nun, jo: 
bald der Spieler durch Niederdrüden der Taften die 
Ventile der Windlabe öffnet, erllingen. Die R. 
bes Harmoniums find weit einfacher in der ganzen 
Unlage. (S. Bungenwerle.) 

Im ‚beißt Desike: bie Quartaföred;: 
nung, welde in zwei ober brei Mbfchnitte me: 
teilt iſt und die Lohn:, Materialien: und Natural: 
rechnung, Aufitand und Grubenberidt und das 

ntarium enthäft. 
ifter, foviel wie Rauchſchieber; an ber Pa- 
tronendrehbanl ein feſtliegendes Muttergewinde. 

Regiſterhafen, ſ. Heimatshafen. 

Regiſterton, ſ. unter Laſt. 

Regiſtrierapparate nennt man verſchieden⸗ 
artige Vorrichtungen, mittel3 deren Beobachtungs⸗ 
refultate felbitthätig zugleich mit ven Bro ng&- 

eiten verzeichnet werden und die in ſpeziellen Mu: 
ahrımgbiormen in der Phyſitl, Phyſiologie, Me: 
chanik, Balliſtik u. ſ. w Anwendung finden. 

Die meteorologiſchen Regiſtrierappa— 
rate zerfallen in zwei Klaſſen: in ſolche, nur 
alle20, 10 0der5 Dimuten eine Aufzeichnung machen, 
und in foldye, melde das betreifende meteorole,y. 
Glement fontinuierfih zur Anſchauung bringen. 
Die a ee Aufzeihnung geitaltet ih am 
einfachſten bei ber Regütrierung bes Sonnenſcheins, 
indem es bier zur Dlarkierung ber Zeit einer be— 
fondern rapie Sram bedarf. Das durd eine 
Kugellinſe erzeugte Sonnenbild wandert auf einem 
balbkreisförmig gekrümmten Bapierftreiien dabin 
und binterfäßt an den Stellen, auf denen es bei 
unbededtem Himmel zu Stande fommt, eine einge: 
brannte ze während diejenigen Zeile de3 Strei- 


fens, welde dem Laufe der Somne bei bevedtem 
Himmel entipredhen, intaft bleiben. In allen übri- 
gen Fällen der Regiftrierung bedarf man eincz 


Uhrwerls, durch welches entweder eine Bapier: 
fläche oder dergleichen regelmäßig fortbewegt wird, 
während fentrccht zu deren Bewegungsrichtung der 
betreffende meteorolog. Apparat eine der Markie— 
rung fähige Bewegung veranlaft; ober ber 
meteorolog. Apparat bewirkt die Bewegung ter 
Screibfläce, während dann das lihrwerl den 
Markierſtift gleihförmig darüber hinführt. 

Bei einigen meteorolog. Elementen, namentlich 
dem Erdmagnetismus und ber eg it 
die die Apparate in Bewegung fehende Cnergie 
cine fo geringe, bab die Aufzeihnungen nyr mit 
Hilfe des Lichtſtrahls geichehen können; in biejen 
Fällen ift man daher gegwungen, die Regütrierung 
auf photographiſchem Wege zu bemirlen. Obgleich 
dieje Methode ſehr viele Unbequemlichleiten und 
Undtände verurſacht, fo zeichnet fie fih dagegen 
durch völlige Kontinuität der erlangten Photo— 
gramme aus. Den legtern Elementen fteht der 
Wind wegen feiner großen Siraftentwidelung gegen- 
über, deshalb ift die Verzeichnnng desfelben, noch 
Drud, Geihwindigkeit und Richtung mit nur ge 
ringen Umftänden vertnüpft. Dasfelbe it, men“ 


Regiftrieren — Negnaud de Saint-Jean d'Angely 


Auch in etwas geringem Maße, beim Regen ber 
I, und iſt dejjen Regijtrierung daher auch ziem:- 
ich einfach, zumal bei deiien mehr lofalem ie 
ralter große Genauigkeit nicht erforderlich. . Ahn: 
liches gilt von der allerdings feltener pur Ausfüb: 
rung fommenden Negiftrierung der —— 
Anders —— verhält es ſich mit den Aufzei 
nungen der Zemperatur, des Luftdruds und der 
atmoiphäriichen Feuchtigkeit; troß geringerer Be: 
wegungsenergie wird bier eine große Genauigkeit 
gefordert, weshalb häufig die photographifche Me: 
thode (3. B. in England) zur Anwendung fommt. 
Die in neuerer Zeit in Deutjchland benukten Appa: 
rate beruhen meiſtens auf dem Prinzip der Wage 
und gejtatten wie die legtern, mit Ausnahme eini: 
ger älterer Konjtruftionen, eine fontinuierliche Auf: 
Ben während bei andern Apparaten (jo 5.8. 

Npitelber beichen und Schreiberſchen Meteoro: 
graphen, ſ. Ryfielbergbe) vermöge elektriſcher 
oder rein mean. Einrichtungen der Stand der 
meteorolog. Inſtrumente nur von 10 zu 10 oder 
20 zu 20 Minuten erfolgt. 

enn ein meteorologiſcher R. den gegenwärtig zu 
ftellenden Anforderungen entiprechen Di, muß er 
etwa den folgenden Bedingungen gras: 1) Der 
Apparat fol felbftändig fein und, einmal einge: 
richtet, die Grinittelung des betreffenden Elements 
ohne Au ilfenabme anderer Inſtrumente geftatten. 
2) Der Apparat foll kontinuierliche Aufzeichnungen 
be3 betreffenden meteorolog. Elements liefern, fo: 
dab das für das Studium gemifler atmojphäri: 
ſcher Phänomene wichtige Detail deutlih und in 
reiner charalteriſtiſcher Form bervortrete, 3) Die 
von dem Apparat gezeichnete Kurve foll jederzeit 
volllommen getreu den Gang bes betrefjenden Ele— 
ment zur Paritellung bringen, damit fie ohne 
jede Rebuftion in die entiprechenden Zahlenwerte 
umgefept werben könne. 4) Hoͤchſt wunſchenswert 
ijt ferner, daß die an irgend einem Orte ftattfin: 
dende Regijtrierung auf elettriihem Wege ih auch 
an andere Orte direlt übertragen läßt. Die nähere 
Beichreibung der einzelnen hierher gehörigen Appa— 
rate findet ji unter den betreffenden Stichwor— 
ten (Anemograpb, Negenmesfer, Thermo: 
graph, Wagebarograpd zxc.). 

n der Technik find derartige Apparate gleich— 
fall3 vielfah in Gebraud), } B. als Chronogra: 
phen, Dynamographen, Indikatoren, an Gasdruck— 
Sontrollapparaten, Geſchwindigleitsmeſſern, Ma: 
nontetern. (Bal. auch Zählwerte,) 

Regiſtrieren, ſ. unter Regiiter. 

Reglement (frz), im allgemeinen Dienitvor: 
ſchrift oder —— wobei die nähere 
Bezeihnung angibt, für welden Zweig. Militärifch 
verjteht man darunter vorzugäweile das Crer: 
ierreglement, welches die Vorſchriften für Auf: 
tellung, Bewegung und —— der ein— 
zelnen Truppengattungen ſowohl für die Detail: 
ausbildung als für die formierten Abteilungen bis 
zu den größern Heerförpern enthält. Die erjte Ber: 
ordnung dieſer Art erließ 1597 Morik von Dra- 
nien für die Handhabung der Pilen und Musleten. 
Neglement3 wurden nötig, als die Heere ſich nicht 
allein dur mafjen eübte Söldner, fondern auch 
durch ungeübte Nekruten ergänzten. Neben dem 
Grerzierreglement gibt es für andere militäriiche 
und bürgerliche Dienft: und Berwaltungszweige, 
3. D. den Machtdienft, die Verpflegung, das Hajjen: 
wejen, den Poſtdienſt zc., befondere Heglements. 


563 


Negletten beißen in ber Buchbruderkunft die: 
jenigen Durchſchußſtücke, welde länger al3 ein 
Quadrat (Kontordanz) find und dazu dienen, um 
die einzelnen Zeilen weiter voneinander zu trennen; 
man benubt verfchiedenartig Starke Bleiteile, je nady: 
dem man die Zeilen mehr oder weniger weit von: 
einander abſtehen lafjen will. 

Regliſe, ſ. Baite. 

‚Regnard (‘can Frangois), franz, Luſiſpiel⸗ 
dichter, neb. im Febr. 1655 zu Paris, bildete fich 
—— lich auf Reiſen und wurde bei feiner Rüd: 
ehr aus Italien (1678) von Seeräubern gelonoen, 
nad) Algier gebracht, aber losgelauft. Seine Gr: 
lebnijje erzählt er in «La Provengale», welcher 
Zitel fi auf_eine jhöne Provencalin bezieht, die 
mit ihm die Sklaverei geteilt hatte. Später benab 
i . nad Dänemark und Schweden, wo ihn 
Karl XI. zu einer Forfchungsreife nach Lappland 
ermunterte. R. unternahm die Neife in Geſell— 
Ihaft zweier Landsleute, Fercourt und Gorberon, 
und fam bis an die Hüfte des Eismeers. Hierauf 
tehrte er nah Stodholm zurüd und reifte 1683 über 
Bolen, Ungarn und Deutſchland wieder nach Baris. 
Gr lebte einesteils bier, teils auf feinem Schloſſe 
Grillon (Depart. Seine:Dife) und ftarb 4. Sept. 
1709. Bon feinen 25 dramatiſchen Arbeiten beftebt 
ein Zeil in für das Theätre Jtalien verfaßten und 
fizzierten Harlefinaden, nur zehn feiner Luftipiele 
find im höhern Stil verfaßt und haben zum Teil 
Molitres Charaktertomödien zum Vorbild. Die 
regelmäßigen «Les Mönechmes» (1705) nach Blau: 
tus, «Le lögataire universel» (1708) und «Le 
Joueur» (1696) haben ſich auf der franz. Bühne er: 
halten. Sie find reich an drolligen Figuren, fomi: 
hen Situationen und an Wis. Bon den zahl: 
reihen Ausgaben feiner gefammelten Werte find 
die vorzüglichiten die vom Ya (5 Bbe., Rouen), 
von Germain Garnier (6 Bde., Par. 1790), Ma: 
radan (4 Bde., Bar. 1790), Didot (4 Bde, Fre 
1820), Grapelet (6 Bde., Bar. 1822), Michiels 
(2 Bde., Bar. 1854), Moland (Bar. 1875). 

Negnaud de Saint:Jean d’Angely (Augufte 
Michel Marie Etienne, Graf), franz. Marſchall, geb. 
29. Juli 1794 p Paris, trat in die Kavallerie und 
wurde im Feldzuge von 1812 Offizier. Nh den 
folgenden Feldzügen leiftete er Adjutantendienite, 
namentlih beim General Gorbineau, der ſich mit 
der Neiterei in der Schlacht bei Kulm durchſchlug. 
Nach der Nüdlehr Napoleons von Elba wurde cr 
1815 als Kapitän unter bie Ordonnanzoffiziere des 
Kaiferd aufgenommen und im Gencralitabe ber 
Kaijergarde auf dem Schladhtfelde von Waterloo 
pen Major ernannt. Aus der Armeelifte nad) der 

teitauration geitrihen, organifierte er 1825 als 
Philhellene in Griechenland mit Fabvier eine Rei— 
tertruppe, lehrte jedoch 1828 nad) Frankreich zurüd 
und nahm im Generalitabe an der Erpedition bei 
Marſchalls Maifon nad Morea teil. Unter der 
Julidynaſtie ftieg N. 1831 zum Oberft und 1842 
zum Generalmajor auf. Nach der —————— 
tion von 1848 wurde er Mitglied des Kriegs— 
fomitee, nad den Junitagen Divifionzgeneral und 
nahm im April 1849 an der Belagerung von Ron: 
unter Dudinot teil. Er war 19. bi8 24. an. 1851 
Kriegsminiſter, und nad) dem Staatsſtreich wurde 
er 27. jan. 1852 zum Senator, im Mai zum Ge: 
neralinipeltor ber Stavallerie und 1854 zum Kom 
mandanten der Kaifergarbe ernannt. Im Orient 
kriege befehligte er das Nefervelorps in der Krim. 

36* 


564 


im ital. Kriege 1859 die Kaifergarbe, an beren 
Spike er auf dem Schladhtfelde von Magenta zum 
Marſchall von Frankreich ernannt wurde, Er ftarb 
2. Febr. 1870 zu Cannes, j 
egnault (Henri Victor), ausgezeichneter franz. 
Thyfiter, geb. 21. Juli 1810 zu Aachen, trat als 
Kommis in das unter dem Namen «Le Grand 
Gonde» beftehende pariier Modewarengefchäft, bes 
ſchaftigte fich in feinen Mußeſtunden wi enichaftlic 
und brachte es jet» daß er 1830 in die Polytech⸗ 
nifhe Schule aufgenommen wurde, Er verlieh 
diefelbe 1832, um im Bergbau ein Amt anzuneb: 
men, das ihn einige Sa von Paris entfernt 
ielt, und wurde dann Profeſſor zu * Als 
ſolcher zog er durch ſeine vortreffliche Abhandlung 
aus dem Gebiete der organiſchen Chemie: «L’action 
du chlore sur l’ether chlorhydrique», die vr 
merlfamteit der wiſſenſchaftlichen Welt auf ſich, 
was zur Folge hatte, daß er 1840 an Stelle Ro: 
biquet3 zum Mitglied der Alademie der Willen: 
ſchaften in der Abteilung der Chemie erwählt und 
zum Profeffor an der Polytechniſchen Schule er: 
nannt wurde, Im folgenden Jahre erhielt er einen 
Lehrſtuhl der Phyfit im nr de France, wurde 
1847 Ingenieur:en:Chef des Bergbaumwefens und 
1854 zum Direltor der Porzellanmanufaltur zu 
Store3 ernannt. In diefer Stellung’ ftarb er 
19, Jan. 1878 zu Autenil, Mit Ausnahme eines 
«Cours &lömentaire de chimie» (4 Bde,, mit Ab: 


bildungen im Tert, Bar. 1849—50, 14. Aufl. 187 1)|9 


und eines Auszuge aus diefem Werke: «Premiers 
el&ments de chimie» (Par, 1850; 6. Aufl. 1874; 
deutich von Streder: «R.-Streders kurzes Lehrbuch 
der Chemie», bearb. von Wislicenus, Bd. 1,10, Aufl, 
Braunſchw. 18815 Bd. 2, 6. Aufl,, 1876), hat R. 
feine fämtlichen Arbeiten in Spezialfamınelmwerten, 
namentlich in «Annales de chimie et de physique» 
und «Comptes rendus de l’Acad&miedes sciences» 
veröffentlicht. Die wichtigiten bilden den 21. Band 
der «Mömoires de l’Acad6mie des sciences», 
Negnault (Henri), franz. Hiftorienmaler, geb. 
zu Paris 31. Oft. 1843, trat bereit3 im Alter von 
16 Jahren mit trefflihen Zeichnungen und Illuſtra⸗ 
tionen hervor. Unter den hervorragenden Metitern 
jener Zeit hatten beſonders Lamotte und Cabanel 
auf ihn Einfluß. Sein Konfurrenzbild des Corio: 
lan, zu welchem die rön. Frauen ala Bittende ge 
fommıen find, 1863, erregte zwar vieles Intereſſe, 
doch gelang es ihm erft drei Jahre darauf, mit feis 
nem Gemälde der Thetis, welche dem Achill die 
Waffen bringt, den Rompreis zu erlangen. _ Er 
lebte nun ig Zeit in Jtalien, dann in Spa: 
nien, wo er Bildnijie und biftor. Kompofitionen 
entwarf; darunter befand fich ein Porträt des Ge: 
nerals Prim. fiber Algier nad Italien zurädge: 
kehrt, vermeilte er feit 1869 in Rom. Sein bedeu: 
tendites Werk, welches nun erftand, war eine Au: 
dith, die bei der Ausitellung in Paris feine Be: 
Bu begründete. Realiftiiche Kraft, vollendete 
Lebenswahrheit und ein gefunder Sinn für die 
Farben find feine Vorzüge. Nach Frankreich zus 
rüdgelehrt, erregte er 1870 grobes Aufichen mit 
feiner Hinrichtung zur Zeit der Maurentönige in 
Granada. N. fiel als Nationalgarbdift bei Buzanval 
19. Jan. 1871. Vgl. Gazelis, «Henri R., sa vie 
et son @urre» (Par. 1871), Tuparc gab (Par. 
1873) feine intereliante Horreipondenz heraus. : 
Reguier (Claude neu): Herzog von 
Maffa, Großrichter oder Juftizminifter des Kai: 


Negnault — Regnier (Frangois Seraphin Desmarets) 


—* Napoleon J., geb. 6. April 1736 zu Blamont 
n Lothringen, war beim Ausbruch der Franzöſiſchen 
Revolution Advolat in Nancy. Vom Bezirk dieſer 
Stadt in die Nationalverfanımlung abgeordnet, 
wirkte er, meift in den Kommiſſionen, in gemäßig: 
term Sinne. Nah dem Fluchtverfuch des Königs 
ſchidte man ihn in die Depart. des a und der 
Dealer, um bie Ruhe aufrecht zu erhalten. Nach 
der Auflöfung der Konftituierenden Berfammlung 
og er ra aufs Pand zurüd. Im J. 1795 trat er 

he das Depart. Meurtbe in den Nat der YAiten, 
wo er feine Schautelpolitif fortfehte. Im J. 1799 
wiedergewählt, unterftühte er Bonaparte in dem 
Staatsſtreich vom 18. Brumaire und wurde Mit: 
glied der Kommilfion, welche die Berfaflungss 
änderung vorbereitete. Bonaparte verlieh ihm 
25. Sept. 1802 da3 Minijterium der Juſtiz mit 
dem der Polizei unter dem Titel eines Großrich⸗ 
ters (grand-juge), Indeſſen mußte er die Bolizei 
nad Gadoudals Rei an Foude abtreten. Na: 
—* erhob ihn 29. Sept. 1809 zum Herzog von 

aſſa. Im %. 1813 übernahm R. die Graf 
dentſchaft im Gefepgcbenden Körper. Mit der 
erften Reftauration verlor R. feine Umter und ftarb 
24. Juni 1814. 

Sein Sohn, Silveftre R., früber Graf von 
Gronau, dann Herzog von Mafia, geb. 31. Dez. 
1783, war beim Tode des Baters SBräfett vom 
Depart. Dife. Weil er fi weigerte, während der 
unbert Tage in die Dienite des Haifers zu treten, 
erteilten ihm die Bourbons 1816 die Pairswürde. 
Er ftarb 20. Aug. 1851. 

Regnier (Francois Seraphin Desmarets oder, 
wie er ſchrieb, Deömarais), ald Orammatiter ge: 
ſchäht, geb. zu Paris 13. Aug. 1632, befuchte von 
1640 bis 1647 die Schule zu Nanterre und ftubierte 
dann im College Montaigu Pbilofopbie und alt: 
Haffiiche Litteratur. Schon in diejer Zeit überjegte 
er den «Frofhmäufelrieg» in franz. Berfe. Der 
Herzog von Erequi nahm ihn 1662 als Sefretär 
mit nad Nom, wo er die ital. Sprache ſich jo zu 
eigen machte, dab die Crusca eine feiner Oden für 
ein Werk des Petrarca hielt und ihn zum Mitglied 
aufnahm, Im 36. Jahre trat er, da ihm das 
Priorat von Grand: Pont übertragen war, zum 

eiftlihen Stande über, und 1670 wählte ihn die 

ranzöfifche Aladentie zum Mitglied, deren beftän: 
diger Selretär er 1684 nad) dem Tode Mezerais 
wurde. Ihm vorzüglich wurde die Herausgabe 
de3 «Dictionnaire de l’Acadömie» übertragen, 
von dem 1694 die erſte Ausgabe eridien. Wichtige 
Dienfte leiftete er der Akademie in dem Streite mit 
Fuxetiere, der ſeines «Dietionnaire» wegen von 
diefer gelehrten Korporation ausgefhloflen wurde. 
Auch ift R, Verfafier der im Namen der Atabemie 
erichienenen «Grammaire frangaise» (2 Bde., Par. 
1676). Seine «Histoire des demöles de la cour 
de France avec celle de Rome, au sujet de l’af- 
faire des Corses» (Par, 1707) ift zwar aus Drigi: 
nalalten eeihönlt, ermangelt aber des echt bijtor. 
Geiftes. Zu feinen befiern Arbeiten gehören die 
überſehungen von Cicero «De divinatione» und 
«De finibus bonorum et malorum» (Par. 1720 u. 
1721), aud die ital, Überſetzung des Anakreon 
(Par. 1693 und dann 1694, mit den Nahbildungen 
von Gorfini und Salvini), Seine Gedichte gab er 
unter dem Titel «Po6sies frangaises, latines, ita- 
liennes et espagnoles» (Bar. 1708; neue Aufl. 
1716 und 1750) heraus. R. ftarb 6. Sept. 1713, 


Negnier (Jacques Augufte Adolphe) — Negredient:Erbin 


Regnier. (Sarquen Augufte Adolphe), franz. 
Poilolog, geb. 7. Auli 1804 zu Mainz, war‘ feit 
1823 Lehrer an verſchiedenen böbern Lehranitalten 
in Frankreich, wurde dann Lehrer der beutichen 
Sprade und Literatur an der Normaljdjule .in 
Paris und 1843 —— des Grafen von Paris, 
den er nach der Februarrevolution ins Ausland 
begleitete. Seit 1853 wieder in Frankreich, wurde 
er 1855 Mitglied der Alademie der Infchriften und 
1873 Bibliothekar des Schlofjes von Fontainebleau. 
Er ftarb 21. Dft. 1884 in Fontainebleau. R. hat 
ſich um die Kenntnis der deutfhen Sprade und 
Litteratur in Srontreid ſehr verdient gemacht durch 
den «Cours complet de langue allemande» (mit 
Lebas, 7 Bde., 1830—33) und durch die fiberfeßung 
von Schillers Werken (8 Bbe., 1860—62). Andere 
ſprachwiſſenſchaftliche Werle R.s find: «Traite de 
a formation et de la composition des mots dans 
la langue grecque» (1855), «Etude sur l'idiome 
du Veda» (1855), «Etudes sur la grammaire ve- 
dique» (3 Bbe., 1857— 59). 
egnier (Mathurin), der Schöpfer der klaſſiſchen 
Eatire in Frankreich, eb, zu Chartres 1. Dez. 1573, 
entwidelte früh unter Anleitung feines Dbeims, des 
Dichters —— poetiſches Talent. Im Genuß 
eines Kanonikats von Chartres und vom Kardinal 
Franz von Joyeuſe und dem Geſandten Philippe 
de Bethune, mit denen er zweimal Rom —3 
aufs freigebigſte beichentt, führte er ungeachtet ſei⸗ 
ne3 geijtlihen Standes ein Leben des Genuſſes. 
Gr ftarb 22. Dft. 1613. Seine Satiren, 16 an der 
Bahı, — obgleich in der Form und in den Stoffen 
an Berfius und Juvenal erinnernd, doch von durch: 
aus franz. Gepräge und bieten einen Schaß glüd: 
lichſter Beobachtungen und trefiendften Wihes. Gr 
verfabte noch «Epilteln», «Glegien» und einige Hei: 
nere Gedichte. - Den erften Verſuch, ben Tert von 
R.s Werten kritifch zu fichten und die ſchwierigen 
Stellen zu erllären, machte Brojjette (Pond. 1729; 
neue Aufl. 1735); die beiten Ausgaben beforgten 
Biollet:le:Duc(Par. 1822; neue Auf, 1828 1.1852), 
Barthelemy (Bar. 1862), Courbet (Par. 1875). 
Negnitolardeputation nannte man in ber 
aten Handigen Verfafjung Ungarns einen folchen 
Ausschuß, welden der Landtag zur Ausarbeitung 
von —— entſendete. Der Name ent: 
ſprach der adeligen Verfafjung, denn nur die Abe: 
ligen und bie fönigl. Städte waren regnifol und 
als ſolche auf dem Landtag vertreten. Die N, be: 
ftand demnah aus Mitgliedern des vollen Ge⸗ 
richtshofs (Curia regia) und aus ſolchen der 
Magnaten: und. Ständetafel. Die lebtern wurden 
den vier Kreifen Ungarns und ben königl. freien 
Städten entnommen. Das Präfidium führte der 
—— oder Judex Curiae, oder ein ſonſt dazu 
rnannter. Berühmt waren die acht Deputationen 
von 1791, welche die Reform des gefamten öffent: 
lichen Lebens Ungarns —— ollten, und die 
Deputation von 1840, welche einen Kriminalcoder 
ausarbeitete, der aber nachher nicht zum Geſehß 
erhoben wurde, Erft 1878 erhielt Ungarn einen 
$triminalcoder , der fanktioniert iſt. Gegenwärtig 
beſteht die Inftitution der R. zur Ausgleihung 
auftauchender Differenzen zwiichen Ungarn, Kroa— 
tien:Slamwonien und Fiume, Zu diefem Behuf wird 
von ben Vertretungen ber betrefienden Länder 
—— Reichstag, froat.:flawoniiher Landtag, 
umaner Munizipal:Repräjentanz) eine betimmte 
Anzahl von Mitgliedern erwählt, und diefe Depu— 


565 


tationen treten unter feitgeflellten Normen mit: 
einander in schriftlichen und mündlichen Verlehr. 
fiber das Nefultat ihrer ——————— ſie 
dann an ihre eher Berichte, die eventuell zur 
Baſis legislatoriſcher Verfügungen dienen. 
Reguitz, ein linker Zufluß des Main, entiteht 
im bayr. Negierungsbezirt Mittelfranken bei Fürth 
aus der Bereinigung der Redniß und der Pegnitz, 
Nießt gegen Norden über Erlangen und Baier&dorf, 
dann im Regierung&bezirt Oberfranfen über Ford) 
beim und Bamberg und mündet 3 km unterhalb 
und nordweſtlich dieſer Stadt bei Bifchberge en m 
über dem Meere), Die Rednizß bildet ſich bei 
Georgensgmünd aus dem Bufammenfluß ber obern 
oder Schwäbijchen Rezat und der untern oder Frän- 
fiſchen Rezat. Die Schwäbiſche Rezat ent: 
Ipringt unter dem Namen Riedbach aus dem Nied, 
einer upon Wafierfläche bei Dettenheim, welche 
zugleich die Altmühl fpeijt, und wendet ſich nord: 
wärts über eng Gllingen und Pleinfeld. 
Die ftärkere Fränkiſche Nezat entjteht bei Oberdach— 
ftetten auf dem Hohen Steig, unmweit der Altmübl: 
quelle, und flieht der Altmühl parallel 60 km weit 
gegen Sübdojten über Ansbach, Lichtenau, Minds: 
bach und Spalt. Der frühere bayr. Rezatkreis 
umfabte bauptfählic das Fürftentum Ansbach, 
den vormaligen Pegniker Kreis, das untere Für: 
ftentum Bayreuth und wurde 1837 Hauptbeftand- 
teil Mittelfrantens. Die Pegniß bildet fih bei 
Gerlasreut (unweit Lindenhard) aus dem Foren— 
und dem Heiligen Brunnen zwiſchen den Städten 
Pegniß und Ereuben, in geringer Entfernung von 
dem Noten Main, und nimmt unterhalb Pegniß 
8 Minuten lang einen unterirdiihen Gang durch 
den Hohlberg, flieht in ihrem obern Laufe ſüdwärts, 
dann langjam über —— nach Weſten. Von 
ihr bat der Pegnihßorden (ſ. d.) den Namen. Bei 
Bamberg vereinigt fi) der Ludwigskanal (ſ. d.) mit 
der R. wodurd) fie ſchiffbar wird, 
Negredient:Erbin. Im Lehnrecht und Privat: 
NEBEN FED: war es lange Zeit fehr ftreitig, ob bei 
em Grlöfchen des Mannsitammes und dem Anfall 
der Succeflion an die weibliche Linie den nächſten 
Merwandten des lehten Beſihers der Vorzug ge: 
bühre, oder ob nicht vielmehr die Grbfolge an die 
früher ausgeſchloſſenen Töchter des erjten Griverbers 
Pi (regredieren) müjje, weldie daher 
Regredient-Erbinnen genannt wurden, Die wid): 
tigiten Fälle der Art in deutfchen Territorien waren 
—— 1) Als mit Heinrich Rafpe (f. d.) 1247 
er landgräfl. Mannsſtamm in Thüringen erlojch, 
nahm der Sohn feiner älteften Schweiter Jutta, 
Martaraf Heinrich von Meiben, Thüringen in Be: 
fiß; allein die Herzogin Sophie von Brabant, bie 
Tochter Ludwigs IV., des ältern Bruders Heinrid) 
Raſpes, behauptete, daß ihr Succeſſionsrecht, in 
welchem fie erit ihrem Bruder Hermann, dann 
ihrem Obeim Landgraf Heinrich Nafpe hatte nad): 
** müſſen, wieder gelte. Es kam zum Kriege 
und infolge davon zum Vergleich, in welchem der 
Sohn der Herzogin Sophie, Heinrich das Kind, 
den Teil Thüringens befam, aus welchem bie 
Landgrafſchaft Heilen entitand, 2) Als 1739 der 
lepte Graf von Hanau, Reinhard, ftarb, deſſen 
Tochter mit dem damaligen Grbprinzen Ludwig 
(VIIL) von Helen: Darmitadt verheiratet war, 
machte das Haus Heſſen-Kaſſel feine Abjtammung 
von der Gräfin Amalie Glifabetb von Hanau, ber 
Gemahlin des Landgrafen Wilhelm V., geltend 


566 


und erlangte in der That die Succefiion. 3) Ob: 
ſchon Kaiſer Karl VL., der lebte des habsburgiſchen 
Haufes, lange vor feinem Tode feinen Töchtern 
die Nachfolge in den gefamten öfterr. Erblanden 
durch die Pragmatifche Santtion zu fihern geſucht 
hatte, jo wurde in doch dieſelbe ſowohl von dem 
Kurfürſten von ern wegen ſeiner Abſtammung 
von Anna, der Tochter Kaiſer Ferdinands 1., der 
Gemahlin Herzog Albrechts V. von Bayern, jowie 
von der Kurfürjtin von Sadjien, Marie Joſephe, 
ber ig ae Kaifer Joſephs L, als Regredient: 
Erben, jtreitig gemacht. In den neuern deutjchen 
Berfaflungen ift die Sache durchaus zu Gunſten der 
nächſten Berwandtendes lepten Befigers entſchieden. 

Regrek (lat., «Nüdariff») nennt man die Auf: 
forderung zur Vertretung oder Schadloshaltung an 
denjenigen, von dem man bie Gewährleiftung für 
ein gewiſſes Necht zu verlangen hat, wenn biejes 
anderweit nicht hat behauptet oder geltend gemadıt 
werben lönnen, oder auf deſſen Veranlafiung nad): 
teilige Handlungen unternonmen wurden. Der 
R. unterſcheidet ſich alio von ber direkten Forderung 
de3 Gläubigers an den Dürgen, des Gelltonars an 
den Schuldner, de3 Indoſſatars an den Bezoge— 
nen u. ſ. w. indem er rüdwärts vom Bürgen gegen 
den Schuldner, vom Indoſſator gegen den Indoſ— 
fanten und Ausfteller, vom Käufer gegen den Ber: 
läufer und vom Mandatar gegen feinen Mandanten 

eht. Dazu iſt aber nötig, dab der Negrebnehmenbe 

Pet feine Schuld an dem erlittenen Nachteil habe, 
In Wechſelgeſchäften beweiſt er dies durd) bie Pro: 
tefturtunde, in andern Sachen muß er den Regreß— 
pflichtigen vorber aufgefordert haben, ihn bei der 
Verfolgung oder Verteidigung des fraglichen Rechts 
zu unterjftügen. Inter fpringenden Regreß 
(regressus per saltum) verfteht man im Wechlel: 
recht die Befugnis des Negredienten, ohne an bie 
Neibenfolge feiner Bormänner gebunden zu fein, 
ſich nad) freier Wahl unter leßtern denjenigen ber: 
auszuſuchen, an den er ſich halten will, 

BRegressio (lat., «Rüdtehr»), rhetorische Figur, 
foviel wie Epanodos (f. d.). 

Regreifive Methode, foviel wie Analytifche 
Methode, ſ. unter Analyſis. 

‚Regula de Tri (lat.) heißt in ber Arithmetit 
diejenige Rechnungsart, durch welche eine Größe 
gefunden wird, die einer andern Größe direlt oder 
indireft proportional ift. Wenn 7 m 3 Marf loften, 
fo foftet 1 m den fiebenten Teil fo viel, und 5 m 


fünfmat fo viel, d. i. 3 Mark x . — 2} Marl, 


Und wenn man von 80 cm breitem Zeug 5 m 
braucht, jo braucht man von 1 cm breiten Zeug 
80 mal jo viel, und von 90 cm breitem Zeug den 


neungiaften Teil fo viel, d.i. 5m x . = 44m. 


Iſt die 8* Größe mehrern Größen propor: 
tional, ſo wird ſie durch mehrfache Anwendung 
des einfachen Verfahrens berechnet (Regula 
Duinque, Regula Septemu. f.w.; Regula 
Multipler, zufanmtengeiekte Regel de Tri, f. 
Proportion). Regula Falji nennt man dieje: 
nige Methode der Auflöjung einer arithmet. Aufgabe, 
bei welcher man eine willtürlihe Größe ftatt der 
—— annimnit, dann das bei dieſer Annahme 
erauslommende Facit mit dem vergleicht, welches 
lommen ſollte, und aus dem Fehler des Facit auf 
ben Fehler der Annahme und auf deren Berichti: 


Negreß — Regulatoren 


gung ſchliebt. Diefe Methode wirb bei zufammen: 
geſeßtern —— angewendet. Re gel Cob (vom 
a 


ital. cosa, Sache, Ding) bedeutet bei ben Altern 
Arithmetifern die Algebra. 
Regula fiddi, j. Slaubensregel 


Regulares, j. Regulierte. 

Neguläre Truppen heißen Truppen mit feit 
—— Drganiiatien und fyitematiiher Aus: 
iſdung, wie fie in Europa dauernd beftehen; den 
Gegenjak zu ihnen bilden irreguläre Truppen. 

egulativ, regelnde Anordnung, Berfünung. 

Regulatören, vom lat. regulätor, d. i. Regler, 
Drbner (fr. rögulateur, gouvernateur, modera- 
teur ; engl. regulator, governor, moderator), Bor: 
richtungen {ehr verigjlebener Art, welde dazu be: 
Kimmmt find, die unvermeidlichen —————— 
im Gang der Kraft: und Arbeitsmaſchinen auszu⸗ 
gleichen. Im weiteften Sinn gehören denmach zu 
den R. ber Windfang, die Bremfe, bie Gegenge: 
wichte, die Schwungräder, fowie das Pendel und 
die Bun der Uhren, — 

Regulatoren im engern Sinn ſind die bei 
den Dampfmaſchinen gebrauchlichen Vorrichtungen, 
durch welche die Umdrehungsgeſchwindigleit der: 


ſelben troß eintretender Fa re bes Ar: 


beitöwideritandes auf nahezu gleicher . erhalten 
wird. Für diefen Zwed find faſt ausſchließlich die 
in neuerer Zeit mannigfad ausgebildeten und mo: 
bifizierten Gentrifugalregulatoren, aud 
Gentrifugalpendel oder koniſches Pendel genannt, 
in Gebrauch, welche bei verhältnigmäkiger Ein: 
fachheit hinreichende Empfindlichkeit und Energie 
befipen, um fidy leicht für verfchiebene Normalge: 
ihwindigfeiten adjuftieren zu laſſen. j 

Die bei Wafjerrädern und Waſſerſäulenmaſchinen 
annewendeten Hydrauliſchen Regulatoren 
beiteben aus einer Heinen Bumpe, welche durch den 
betreffenden Motor bewegt wirb und ihr Hubwafler 
in ein Nefervoir ausgießt. In leßzterm befindet 
fih ein Schwimmer, der mittel Stange und Hebel 
den Zufluß des Waſſers zur Maſchine reguliert. 
Zuweilen benugt man aber bei Wafjerrädern auch 
Pneumatiſche Regulatoren, die im wefent: 
lien aus einem boppeltwirlenden Blafebalg be; 
ftehen und in der Art funktionieren, daß durch die 
in Heinerer oder größerer Menge —— Luft 
eine Platte na geht ober ſenlt, mit welcher Borrid: 
tungen zum Öffnen und Schließen der Zutritts: 
Öffnungen des Motors verbunden find, 

Bei Lolomotiven beift Regulator ber 
Schieber , der dad Dampfzuleitungsrohr mehr ober 
weniger öffnet und mittelö des außen angebradten 
Regulatorhebels verſchoben wird. In der Papier: 
fabrilation bezeichnet man damit den meift aus 
einer Pumpe oder einem Schöpfrad beftehenden 
Apparat, welcher den Zufluß des Stoffs zur Papier: 
majchine derart reguliert, dab das fabrizierte Pa- 
pier Keiamäbige tärle erhält, in der Weberei 
eine Vorrichtung, mitteld deren das Zeug in dem 
Maß, wie e3 fertig gewebt wird, auf den Zeugbaum 
aufgewidelt wird, um jo die Füden des Einſchlags 
in völlig gleichen Abftänden anzuorbnnen; bei ®e: 
bläfen verjteht man unter R. einen Behälter, in 
welchem die abſatzweiſe ausgejtoßene Luft in zu: 
fammengepreßtem Zuftand verweilt, um madı und 
nad mit gleihmäßiger Geſchwindigkeit durch bus 
Windrohr auszuftrönen. 

Regulatoren nennt man ferner eine Art ſehr 
regelmäßig gehender Uhren (j. unter Uhren), und 


4 


Negulators — Reh 


endlich auch eine Bogenlichtlampe (f. unter Elel: 
triſche Lampe 9 weil hier auf irgend eine Weiſe 
ber Abſtand ber Kohlenſpißen voneinander ſelbſt⸗ 
thätig reguliert wird. ÜUber Drudregulatoren 
— F— unter Gasbeleuchtung, 

d. VII, ©. 670*. 

Regulators (Regulatoren), eine Art Volls— 
> t in den Bereinigten Staaten von Amerita, 

eft aus ben angefebenften Männern der Be: 
völfernng, welche zugleich Geſetzgeber, Richter und 
Gretutoren find, und welche bei der Beitrafung von 
Berbr höchſt fummarifch verfahren. Nament: 
lih in Arkanfas bildeten fid früher engere oder 
weitere Privatgejelliaften, welche eine Art Feme 
bildeten, um in ihren ber Hultur neu eröffneten 
Gebieten der Gejfeplofigkeit der herzuſtrömenden 
rohen und vermwilderten Bevölkerung zu fteuern. 
Bei dem gnänzlihen Mangel an einer geordneten 
Juſtij verfuhren die R. nach der Lynchjuſtiz (f. d.) 
und hingen, prügelten ober erſchoſſen die Verbrecher 
je nad) Umftänden, Auch in Teras, im Innern 
Miffouris und überhaupt in den ehemaligen Sta: 
venftaaten traten fie auf, da in den nördl. Gemein: 
wefen von Anfang an verbältniämäßig gefittetere 

uftände herrſchten. Nad dem Revolutionstriege 
übrten die Kuklux-Geſellſchaften (j. d.) im Süden 
a3 Geſchaft der R. fort. 

NRegulierfülldfen, f.u.Öfen, Bd. XII, S. 389. 

Regulierte (Reguläres) heißen in der kath. 
Kirche alle, die ſich durch ein Gelübde verpflichten, 
nad) einer gewiſſen ——— Regel zu leben, daher 
alle, bie einem Orden, Kongregation ıc. angehören. 

Regulierte Ktleriter des heiligen Herzend 
Jeſu, ſ. unter — Herz Jeſu. 

Neguliniſch (vom lat. regulus, d. i. der König), 
Beeinung t das reine, von jeder metalliihen 
Beimi ung geſchiedene Metall, 

NRegülns (lat., d. i. Meiner König) oderMetall: 
fönig nennt man reines Metall, im Gegenfak zu 
vererztem, und zwar fowohl das von Natur ge: 
biegene (3. ®. Regulus Antimonii oder Spießglan;: 
tönig), als das durch nen erhaltene. 

Regülus, das Goldhähnden. 

Negülnd (Marcus Atilius), berühmter röm. 

eldherr, aus einer Familie der plebeitichen Gens 

tilia, unterwarf als Konful 267 v. Chr. die Sal: 
fentiner in Unteritalien und bradte die Stadt 
Brundifium in die Gewalt der Römer. Während 
feines zweiten Konfulats 256 v. Chr. wurde er zu: 
aleich mit feinem Kollegen C. Manlius Bulfo zum 
Kommandanten der aus 330 Schiffen beſtehenden 
röm. Flotte ernannt, —* nach einem ruhmvollen 
Siege über die karthag. Flotte bei Elnomos an ber 
Südtüfte Siciliend nad Afrika —* um den 
Krieg in das Land der Karthager ſelbſt zu tragen. 
Nachdem die Römer Clupea und zahlreiche Heinere 
Plähe an der Nordküfte Afritas erobert hatten, 
kehrte Manlius mit einem beträdtlihen Teil des 
Heeres nach Jtalien zurüd, R. aber blieb in Afrita, 
gewann einen glänzenden Sieg über die Harthager 
in ber Nähe der Stadt Adys und eroberte außer 
vielen Heinern Städten Tunes, wo er jein * 
aufſchlug, um von da aus Karthago jelbit zu be: 
drohen. Schon baten bie Karthager um Frieden; 
da aber R. ihnen allzu harte Bedingungen ftellte, 
begannen fie, geſtüht auf ein von dem Laledämonier 
Kanthippos geführtes griech. Söldnerheer, ben 
Kampf auf3 neue, der bald eine verhängnizolle 
Wendung für die Römer nahm: fait das ganze 


567 


Heer der Römer blieb auf dem Schlachtfelde, faum 
2000 retteten na nad) Clupea, 500, darunter R. 
felbft, wurden gefangen. Fünf Jahre lang blieb R. 
in fartbag. Gefangenichaft, erit im J. 250, als die 
Karthager durch den Prokonſul Metellus eine Nies 
derlage bei Panormos erlitten hatten, wurde er 
mit einigen farthag. Abgeorbneten nah Rom ges 
fandt, um Frieden oder wenigftens die Ausmwedhie: 
lung der Gefangenen zu ermwirken; im Fall einer 
Verweigerung des Geſuchs hatte er ſich verpflic: 
tet, in die farthag. Gefangenſchaft zurüdzufehren. 
Während nun der röm. Senat geneigt war, auf die 
Bo a ber Starthager einzugehen, wirkte R. 
felbft auf das eifrigfte gegen die Annahme deriel: 
ben, ba er fie bei der damaligen Sachlage als für 
Rom nachteilig betrachtete, und kehrte, nachdem er 
ihre Verwerfung durchgefeht, feinem Berfprechen 
gemäß nad) Karthago zurüd. Dort joll er nad) 
röm. Berichten von den erbitterten Karthagern 
unter furdtbaren Mißhandlungen getötet worden 
fein; allein diefe Berichte find nicht glaubwürdig 
und ſcheinen in Rom zur Entſchuldigung der Grau: 
famleiten erdichtet worden zu fein, die von der 
Gattin und den Söhnen des NR. an gefangenen 
Karthagern verübt wurben, bis auf a e von 
Stlaven die Tribunen einfhritten. Bol. D. Jäger, 
a —* —— 1878). PM a 
u nton), ungar, Gthnograph un 

Spradtoriäer ‚ geb. 1819 zu Zircz im Behprimer 
Komitat, ftudierte in Pet die Rechte, bereifte jeit 
1839 zu ethnographiichen und linguiftifchen Studien 
Deutihland, Dänemark, Schweden und Finland, 
lebte 1842—46 unterden Finnen und ihren nächſten 
Stammverwandten,, wurbe 1849 erfter Cuſtos der 
Univerfitätsbibliothelin Peſt und ftarb hier 23. Aug. 
1858. R. veröffentlichte eine ethnoar.:geogr. Harte 
des nördl. Uralgebietes (Petersb. 1846), ſchrieb Ab: 

ndlungen über die Diungaren und deren angeb⸗ 
iche Berwandtichaft mit den Magyaren (Belt 1850, 
1851), Tſchuwaſchiſche und Tſcheremiſſiſche Stu: 
bien, bearbeitet von Joſ. Budenz, «Land und Volt 
der Wogulen», bearbeitet von B. Hunfaloy (1864). 

Neh, eine Gattung der Familie Hirſch (f. d.) 
mit ſchaufelartig erweiterten mittlern ae 
nen, die viel breiter als die feitlihen find, und fe: 
lenden Edzähnen; es find alfo nur 32 Zähne vor: 
handen. Die Thränengruben find äußerlid ſehr 
wenig bemerlbar. Das Männden hat ein rundes, 
abelig veräjteltes, raubes Geweih ohne Augen: 
proßen. Im normalen Zuftande hat jede Stange 
des ausgewachſenen Tierd nur drei Enden. Diele 
dem alten Wild angebörige Gattung hat nur eine 
Art: das gemeine R. (Capreolus capreolus Blas.). 
Das — und ſchlank gebaute Tier hat einen 
kurzen, nad) vorn ziemlich zugeſpißten Kopf; von 
den Naſenloͤchern bis zur Oberlippe reicht ein breis 
tes, nadtes Nafenfeld bid an den Jnnenrand der 
bogigen Nafenlöcher. Die Augen find verhältnis: 
maͤßig groß, die länglichrunde Bupille ſchneidet die 
Augenipalte ſchräg. Das Kinn, der vordere Teil 
des Unterfiefer3 und jederieits ein Fled an der 
Dberlippe unter den Nafenlödhern find weiß; über 
die Schnauze verläuft eine ſchwarzbraune Binde, 
Fr der Mitte der Unterlippe jeberjeit3 ein 
rauner Fled; Stirn und Schnaugenrüden dunkler 
al3 der übrige Körper. Die Sommerfärbung des 
N. ift roftrot, die Farbe des dichtern und jprös 
dern Winterpelzed braungrau. Der Gteiß und 
die hintere Seite der Echentel find weiß (in der 


568 


Meibmanndfpracde aber Spiegel»). Der Schwanz 
verlümmert unter. bem Pelz verftedt, ‚nur ein 
Heined, dicht und weich behaartes Rudiment (der 
Pinfel») ragt über dem.After hervor, ‚Die en 
haben bis zum erſten Herbft.weiße, rundliche Flecen 
auf der braunen Grundfarbe. Das N. iſt faft über 
ganz Europa und einen Teil des nördl. Afien ver: 
breitet. Es lebt rudelweiſe (in «Sprüngen» von 
drei bis zehn Stüd) am liebiten in Nieder: und 
Mittelmald mit offenen, lichten Graspläken, ber 
von Feldern bearenzt wird, es äſt Gräjer und 
Laub, nimmt gern junge Saaten an und im Winter 
vorzüglih Blätter von Brombeerjtauden, Knoſpen 
von Eichen, Pappeln, Eſpen u. f. w. und Mifteln, 
macht auch an Aufforftungen durch Verbeißen ber 
jungen Baͤumchen mannigfahen Schaden. Das 
leiſch des N. gehört zum feiniten Wildbret. Die 
elle werden raubgar zu. Deden verwendet oder 
eben, ſaͤmiſchgar verarbeitet, ein gutes Handſchuh— 
eder; das Haar dient zu Polſtern, das Geweih zu 
Zimmerſchmud und Dredslerarbeiten. Die Brunft 
des R. findet im Auguft ftatt; im Mai feht das 
Muttertier gewöhnlich zwei Junge. Das männ: 
lihe ausgewachiene R. heißt Bod, bas weibliche 
Nide (au Hille oder Gaiß); die jungen R. wer: 
ben Reblälber oder Rehkitze genannt; ber junge 
Bod, der bas erfte Gehörn auflept, heißt Spieß— 
bod, beim zweiten Gehörn Gabelbod; die junge 
Ride heist vom erſten Winter an, bis fie beſchlagen 
ih Schmalreb. (S. Tafel: Hirfche, dig. 4.) 
gl. Dombrowäli, «Das RK.» (Wien 1876). 
Nehabiam, König von Juda, ber Sohn und 
Nachfolger Salomos, regierte 975 — 958 v. Chr. 
Sein Negierungsantritt gab dem mit ber Herrihaft 
des Haufes David und des Stanımes Juda längft 
unzufriedenen Stamme Ephraim das Zeichen zum 
Aufitand, dem fich unter Jerobeams (f.d.) anhrung 
faft alle übrigen Stämme Israels anſchloſſen un 
der mit der Trennung de3 israel. Reichs in ein 
nörbliched und ein ſüdliches endigte. Nur der 
Stamm Juda, die Wiege der Davidiihen Dynaftie, 
blieb den R. treu. Das dur Groberungen im 
Südoften jenfeit des Jordan und Toten Meer: 
und ſudlich bis zum Edomitergebirge erweiterte 
Gebiet des «Reiches Juda» umfaßte auch einen 
großen Teil der Stammgebiete von Benjamin und 
Simeon, im ganzen etwa ein Vierteil des alten 
Reichs, mit der Hauptitadt Jeruſalem und bem 
Nationalheiligtum J Moria. Von der nach— 
maligen großartigen Entwidehung des nationalen 
und len Geiſtes, die ihren Mittelpunkt in 
Jeruſalem hatte, war aber zu R.s Zeit noch nichts 
zu fpürem, unter bem vielmehr phöniz. Sitte und 
heidniſcher Kultus erit recht überhand nahmen. Auch 
die polit. Macht des Reichs war gebroden. Gin 
Sirieg mit dem ägypt. König Siſak (Sefondis) 
nahm ein unglüdlicyes Ende, N dab N. die Entfuh⸗ 
rung des Tempelfhahes ſich gefallen lajjen mußte. 
— eg f. Neftitution, 
Mehau, Stabt im bayr. Negierungsbezirk Ober: 
franfen, am Perlenbade, am nördl. Fuße des 
rl ee 519m über dem Meere, Station der 
inie of Eger der Bayrifchen Staatsbahnen, Ei 
eines Bezirksamts und eines Amtsgerichts, zählt 
(1880) 3416 E. und hat Granitbrüde, Perlen: 
fiicherei, Baummoll: und Leinweberei, bedeutenden 
Vieh: und Holzbandel und mehrere Fabrilken. 
ehberger Graben, ein Graben am 894 m 
soben Rehberg im Oberharz, nördlich von An: 


Nehabeam — Rehulin won Sehmsdorf 


breasberg, welcher das Waſſer aus dem Oberteid 
den Werfen von Andreasberg zuführt; an ibm bie 
Nehberger Klippen, eine jteile Felswand, die 
ſich A, in den Graben binabjfentt. 
ehburg, Städtchen im Kreiſe —— des 
preuß. Regierungsbezirls Hannover, am Meerbach, 
zwiſchen dem Steinhudermeer und der Weſer, zählt 
(1885) 1228 E. Süudlich davon liegt, 4 km ent: 
fernt, 18 km von der Gijenbahnftation Wunstorf, 
das ſchon ſeit dem 17. Jahrh. befannte Mineral— 
bad R., welches ſich durch feine geſchüßte Lage und 
fein mildes Klima, wie durch eine muiterhaft ein: 
eridhtete Biegenmolfen:Anftalt auszeichnet und von 
Bruft: und Nerventranfen viel beiucht wird. Bol, 
Michaelis, «Bad R,» (Hannov, 1875). 

Rehde, foviel wie Reede. 

Nehden, Stadt im weitpreuß. Regierungsbezirk 
Marienwerbder, Kreis Graudenz, 20 km im SD, vor 
Graudenz, am —*— zäblt (1880) 1879 E. und 
bat eine evang. und eine kath. Pfarrlirche, die Ruine 
einer Ordensburg und bedeutende Thonlager. Die 
gleihnamige Domäne a 150 E. 

Rehzfues (Phil. Joſ. von), geiftooller deutſcher 
Schriftſteller, geb. 2. Okt. 1779 zu Tübingen, be 
fuchte das dortige prot. Seminar, war 1801 einige 
Zeit Hauslehrer in Livorno, blieb dann noch bis 
1805 in Jtalien und übernahm diplomatifche Auf: 
träge der Königin Karoline von Neapel. Seit 1803 
gab er mit Ticharner das Journal «talien» heraus, 
dem fich die «\jtal, Miscellen» und mehrere Schrif: 
ten über Stalien und Sicilien anſchloſſen. Im J. 
1807 trat er als Bibliothelar in die Dienjte des 
Kronprinzen Wilhelm (1.) von Württemberg. In 
biefe Zeit fällt feine Neife durch Frankreich und 
Spanien, als deren Frucht fein «Spanien» (4 Bde., 
Frantf. 1813) erfchien. Derjelben Zeit gehören die 
«Säödeutichen Miscellen», dad aCurop. Magazin» 
und feine Teilnahme ander Nebaction des «Morgen: 
blatt» an. Seine Teilnahme an der Befreiung 
Deutichlands bewies er durch die «even an das 
deutjche Voll» (Nürnb. 1813 u. 1814). Infolge 
davon wurde er 1814 Kreisdirektor in Bonn, 1815 
erhielt er eine Berufung zur Armee nach Frankreich 
und wirkte dann eine Zeit lang in Bonn und Köln 
in verfchiedenen Verwaltungszweigen. Im J. 1818 
wurde er bei der Liniverfität zu Bonn als Ne: 
gierungstommifjar und 1819 als außerordentlicher 
egierungsbevollmächtigter und Kurator angeitellt, 
Am %.1826 ge er den preufß. Erbabel. Im Mai 
1842 30g er fih auf fein Gut am Siebengebirge zu: 
rüd, wo er 21. Dit. 1843 ftarb, NR. veröffentlichte 
noch den Roman «Scipio Cicala» (4 Boe., 2p}. 
1832; 2, Aufl. 1840), welcher reich ift an ergreis 
——— Situationen und bedeutenden, poetiſch ge— 

achten Charalteren. Bon geringerer Bedeutung 
find feine Romane: «Die Belagerung des Caſtells 
von Gozzo, oder der lehte Ajiajjine» (2 Bde., Lps. 
1834) und «Die neue Medea» (3 Bde., Gtuttg. 
18363 2. Aufl. 1841), Aus NR.’ Nahlab erſchien: 
«Der Deutiche Orden im 15. Jahrh. Dramatijche 
Daritellungen» (Bonn 1874). 

Nehna, Stadt in Dedlenburg Schwerin, links 
an der Nadegaft, 35 km im NM, von Schwerin, 
Siß eines Amtsgerichts und einer Korftinipeltion, 
zählt (1880) 2467 E. und hat Tuchmacherei und 
eine Waltmühle, Der Ort, feit 1791 Stadt, bat 
noch die ſchöne Kirche eines 1236 hier geitifteten 
ehemaligen Nonnentlofter®. . [melsbaujen. 

Rehulin von Schmödorf( Michael), j.Grim: 


Neibahle — Reich Gottes 


Neibahle, Näumahle oder Räumer (frz. 
al&aoir, &quarrissoir, broche; engl, broach, ope- 
ning-bit, rimer), ein Werlzeug zum Erweitern ge: 
bobrter Locher und zum Glatten ber Innenflächen 
derſelben, beſtehend in einem ſich ſchwach verjüngen: 
den Stahlſtab von meiſt fünfedigem Querſchnitt, 
ber mit feinem dünnern Gnde genau in das Loch 

abt und unter Drehung und d tiefer einge: 
Fibre wird, wobei feine Kanten fchabend wirlen. 

Reibeifen (fr}. räpe, engl, grater), ein Rüden: 
gerät (gebogenes Blech mit durchſchlagenen Löchern), 
auf weldem Semmel, Brot, Zuder, Wurzeln u. ſ. w. 
Pr gerieben werden, Zur Herjtellung desſelben 

ienen Durchſchläge mit drei: oder vierfantiger 
zufpibung, flog. Stemmablen, deren gehärtete 
pipe kleine runde Löcher hervorbringt, on einen 
Zeil des Metall3 wegzunehmen, und auf der Nüd: 
eite des Blech rund um das Loch einen hoben, 
charfen, ze die Kanten des Werkzeugs in drei 
oder vier Teile zerreibenden Nand, Grat, auf: 
wirft, der bei der Benupung des R. wirlt. 3 
eiberödorf, Pfarrdorf in der ſächſ. Streis: 
hauptmannſchaft Bausen, Amtshauptmannſchaft 
Zittau, Station der ſchmalſpurigen Selundärbahn 
Zittau Markersdorf, hat (1880) 972 E,, ein Nitters 
gut mit Schloß und Garten und Bierbrauerei. 
eiöbeigienetgeng, f. unter Feuerzeug. 

Neibung oder Friktidn (frz. friction, frotte- 
ment; engl, frietion) nennt man in der Mechanik 
den Widerftand, welchen zwei Abereinander hin be: 
wegte Körper der Bewegung entgegenießen. Da 
ein Zeil der bewegenden Straft verwendet werben 
muß, dieſen Wideritand zu Aberwinden, fo bewirkt 
jede R. einen Arbeitöverluft, und es iſt Aufgabe 
der Maſchinenlehre, durch zwedmäßige Einrichtun: 
gen dieſen Berluft foviel als möglich zu verringern, 
während freilid auch andererjeits die R. von 
grobem praftiihen Nußen ift, Auf fpiegel latten 
Hläden, ohne alle R., wäre 3. B. ein Gehen der 

Nenſchen und Tiere nicht möglich. So dienen auch 
einerjeit3 die Schienen auf Eiſenbahnen dazu, die 
R. moͤglichſt zu vermindern, während doch anderer: 
en bie Lolomotive nit im Stande fein würde, 

en Zug zu bewegen, wenn fie nicht mit genügender 
N. an den Schienen baftete. Wäre dieje N. nicht 
vorhanden, fo würden ſich die Räder der Lolomo: 
tive nur auf der Stelle umdrehen, Die Gröbe der 
R. hängt ab zunädjit von der Größe des Druds, 
mit welchen die fich reibenden Flächen aufeinander 
laften dopeger innerhalb ſehr weiter Grenzen nicht 
von der Größe ber fidy berührenden Flächen), dann 
von ber Natur diejer Flächen * denn je un⸗ 
ebener, je weniger hart dieſelben ſind, um ſo größer 
iſt die R. Sehr vermindert wird die R. durch 

wiſchenbringung eines ſchlupferigen Schmiermit— 
tels, wie Öl, Wagenſchmiere oder Seife u. ſ. w. 

Bon diejer R., wo zwei Flächen aufeinander 
gan (gleitende Reibung), iſt die rollende 

eibung verſchieden: dieſe tritt auf, wenn zwei 
Körper ſich aufeinander wälzen, z. B. die Mäder 
auf der Straße und den Eiſenbahnſchienen, die 
rt ineinander greifender Näder. Gin zweites 

tittel, die R. zu vermindern, bejteht darin, daß 
man bie gleitende N. in rollende verwandelt; die 
Anwendung der Wagenräder, der Walzen zur 
Fortbewegung großer Laſten, der Friktions— 
rollen ıc, beruht darauf. Auf dem VBorhanden: 


569 


Verlnotung, des Verleilens, Vernagelns, Ber: 
ſchraubens Ciniprengeng, iſiten u. ſ. w. 
MReibungögebilde, j.u. Klaſtiſche Geſteine. 
Reibungskegel, ß unter Friktionsrad. 
NReibungskocfficient nennt man die Zahl, 
welche angibt, der wievielſte Teil vom Drud einer 
Last auf ihre Unterlage nötig iſt, um dieſe Laſt auf 
legterer zu bewegen. Da bie —* Verſchieden⸗ 
heiten in der der Oberflächen unend⸗ 
lich aroß find, iſt es nicht gg allgemein gel: 
tende genaue Werte für die R. der verjchiedenen 
Subjtanzen aufzuſtellen. 
Reibungd: oder Friftiondfuppelung, |. 
unter Kuppelung. 
Neibungsrad, |. Friktionsrad. 
Reibzündhölzchen, ſ. unter Zundhölzer. 
Reich (reguum), der Inbegriff einer großen Ans 
zahl von Dingen, die vermittelit eines allgemeinen 
Prinzips im Verhältnis der Zufammengehörigfeit 
miteinander ſtehen. Daher fpriht man von einem 
Natur:, Mineral:, Pflanzen: und Tierreich, und 
ebenfo werden rohe taaten Reiche genannt, wenn 
fie ein einge Oberhaupt an ihrer Spike 
haben, Früher verftand man unter N. vorzugs: 
weile dad Deutiche Neid). j 
eich (Phil. Erasmus), verbienter Buchhändler, 
eb. 1. De}. 1717 zu Laubach in der Wetterau, er: 
ernte den Buchhandel bei Franz Varrentrapp in 
Frankfurt a. M. und fam 1747 in die Buchhandlung 
des 1743 veritorbenen Hofrats Mor. Georg Weid: 
mann in Leipzig. Er wurde 1762 Ajlocie der im 
Verfall befind —* Handlung, die er ſehr hob und 
welche fortan die Firma «M. ©. Weidmanns Erben 
u. Neich» führte, aud war er die Seele der unı 
dieſe Zeit beginnenden reformatoriichen Zhätigkeit 
im Buchhandel, Lektere begann er danıit, daß er 
in der Ditermefie 1764 die franffurter Mejle zum 
legten mal befucht zu haben erklärte. Unterdejjen 
tte er bereit3 auf Grund eines zur leipziger u: 
ilatemefje desjelben Jahres erlaljenen Cirkulars 
einen neuen. Buchhändlerverein begründet, welcher 
1765 feine Statuten aufitellte und R. Mu feinem 
Selretär und jodann zum Borjtand wählte, Zwar 
verſuchte N., durch deſſen ernite und entichievene 
Schritte die Frankfurter Meſſe fait ganz geltürzt 
worden war, um Einheit und Ordnung in den deut: 
ſchen Buchhandel zu bringen, 1775 zur Ofterniefie 
die Begründung eines norbdeutichen Kommiſſions⸗ 
lagers, jedoch unterließ er fortdauernder und neu 
een fibeljtände halber wiederholte 
—— Die Kämpfe gegen den beſonders 
in Süddeutſchland und Oſterreich verbreiteten Nadı: 
drud und um die Anerkennung des litterarifchen 
Eigentumsrechts veranlaften ihn mehrfach, doch 
anonym, als Schriftſteller aufzutreten. Nach fei: 
nem 3. Dez. 1787 erfolgten Tode ward feine Zeil: 
baberin, die Tochter des Hofrats Weidmann, dem 
Vertrage gemäß bie alleinige Cigentümerin der 
Firma, welche ſich jest in »Weidmannſche Bud: 
bandlung» ummandelte, Vol. Buchner, «Aus dem 
Verkehr einer deutihen Buchhandlung mit ihren 
— (2. Aufl., Gieß. 1874), 
Neich Gottes bezeichnet inderaltteitamentlichen 
Prophetie die Vollendung des religiöfen und na: 
tionalen Ideals der israel. Theofratie, oder bie 
Verwirklichung der Königsherridaft Gottes auf 
Erden. Die Propheten erwarteten diefelbe von dem 


fein der gleitenden R. beruht die Wirkjamteit einer | Meſſias, dem gejalbten Könige aus Davids Ge: 
großen Zahl von Befeitigungsmitteln, 3. B. der | fchlecht, defien Kommen fie verfündigen. Jeſus 


570 


Chriſtus trat, noch bevor er ſich ala der verheißene 
Meſſias zu erfennen gab, mit der Botfchaft auf, daß 
das Reid Gottes oder (mie bafür bag erfte Evan: 
lium meiltens f&reibt) da® Himmelreid nahe ber: 
beigelommen fei. In die vollstümliche Hülle eines 
irdischen Reichs voll äußerer Macht und Herrlichkeit 
Heidet fih ihm das religiöfe Ideal einer volltom: 
men fittlihen Menfchengemeinichaft, in welcher die 
Königsherrihaft auf Erden buch allgemeine Er: 
ullung des göttlichen Willens von feiten der Men: 
hen verwirklicht werden follte. In der Borberei: 
tung dieſes Reichs mitteld der Sammlung einer 
Gemeinde von wahren Gotteslindern erkannte 
Jeſus immer ausſchließlicher feinen Lebensberuf, 
wogegen er die äußere Vollendung ber Reichsherr— 
lichteit vertrauensvoll von der göttlichen Allmacht 
erwartete. Die Urgemeinde F dieſes Reich faſt nur 
in der Zukunft geſucht, daher der Katholizismus 
und der ältere Proteſtantismus allmahlich an feine 
Stelle die Kirche fehte al3 das auf Erden gegenwär: 
tige Reich Gottes im Unterſchied von feiner himm— 
liſchen Vollendung. Neuerdings ift man oft wieder 
auf den urfprünglichen rein religiöfen Begriff dieſes 
Reiches, als der vollendeten Herrſchaft des Willens 
Gottes unter den Menfchen, zurüdgelommen. 

Neicha (Ant.), Komponiit und Muſiltheoretiker, 
geb. zu Prag 27. Febr. 1770, war dort zuerft Chor: 
Inabe an der Kreuzherrenlirche, erhielt feit dem 
16. J. Mufilunterrit von feinem Obeim in Bonn 
(kurfürftl, Mufitvireftor dafelbft), —— nach 
Hamburg, 1799 nach Paris, darauf längere Zeit 
nad Wien, bi3 er fi 1808 dauernd in Paris 
niederließ. Bebdeutenden Grfolg batte er hier nur 
als Theoretiter; als folder wurbe er 1817 an 
Mehuls Stelle Profeſſor der Kompofitionslehre am 
Konfervatorium. R. ftarb 28. Mai 1836. Von 
feinen Werten find zu nennen: «Traite de me&lodie» 
(Bar.1814; 2. Aufl, 1832), «Cours de composition 
mausicale» (Bar. 1818), «Traite de haute compo- 
sition musicale» (2 Bde. Par. 1824—26; deutſch 
von Gzerny, Wien 1834), «L’art du compositeur 
dramatique» (Par. 1833). 

Reichard (Heinr. Aug. Dttolar), Theaterfchrift: 
fteller, geb. 8. März 1751 zu Gotha, ftudierte die 
Rechte und ward Intendant des Hoftheaters zu 
Gotha, wo er 17. Dit. 1828 ftarb. Außer pocti: 
ya Arbeiten veröffentlichte er mehrere Theater: 

riften: «Theaterlalender» (Gotha 1775—1800) 
und «Theaterjournal» a» 1777—84). Bol. «MR. 
Eeine —— überarbeitet und heraus⸗ 
gegeben von H. Uhde» (Stuttg. 1877.) 

Reichardt (Chriftian Gottlieb), Kartograph, 
e 26. Juni 1758 zu Schleiz, erhielt feine erfte 

ildung vorzüglih durd feinen ältern Bruder, 

einrid Gottfried R., der ala Konreltor an der 

ürſtenſchule zu Grimma 1801 ftarb und ſich durch 
Ausgaben mehrerer griech. Schriftfteller, nament: 
lid) des Lylophron (Lpz. 1788), befannt gemacht hat. 
Nachdem R. 1777—81 & Leipzig die Rechte ftubiert 
hatte, wurde er 1782 Stadtſchreiber in Lobenftein, 
verzichtete aber, ala Zach 1798 mit Bertuch die «All: 
gemeinen geographiichen Ephemeriden» anlegte, faſt 
gänzlich auf die jurift. Praris und arbeitete einen 
Atlas des ganzen Erdkreiſes in der Gentralprojel: 
tion, d. h. in kubiſcher Form, aus. Bald darauf 
wählte ihn Bertud zum Mitredacteur der «Epbe: 
meriden», in welchem DVerhältnifie er bis 1805 
blieb. Im J. 1812 verband er ſich mit Stieler in 
Weimar zur Herausgabe des « Handatlas»; für 


Reicha — Reichardt 


Campe in Nürnberg bearbeitete er Smiths «Atlas 
der Alten Welt» neu. Außerdem find feine vorzüg- 
lichſten Arbeiten: die «Weltlarte nad Mercators 
Projektion» in vier Blättern; der im größten Maß— 
ftabe ausgeführte «Atlas der Alten Melt» in 19 Ta: 
feln, mebit einen «Thesaurus topographicus» zu 
den elf erjten Karten (Rürnb. 1824); die trefifiche 
Starte von «Gallia» zur Erlfärung der iften 
des Julius Cäfar (Lpz. 1832). R. jtarb zu n: 
- a —— 9 
eichardt (Eduard), Agrikulturchemiler, 
19. Olt. 1827 in Camburg, wurde — 
ade in — —— ——— 
pharmacentifhen und landwirt ichen Juſtitu 
daſelbſt, habilitierte ſich dann an der 
Jena und wurde 1862 außerord. 
auch außerord. Mitglied de laiſerl. 
amtes. Er ſchrieb: «Über die dem. ber 
Chinarinden» (Braunfhw. 1855), «Die Theorie ber 
nes ena 1857), «Die dem. Berbindungen der 
anorganifhen Chemie» (Erlangen 1858), «Stein- 
falzbergwert Staßfurt» (Jena 1860), «Aderbai:- 
chemie⸗ (Erlangen 1861), «Desinfeltion und besinfi- 
jierende Mittel» (Erlangen 1867; 2. Stuttg. 
1881), «Grundlagen zur Beurteilung Xrint: 
wafjers» (Yena 1869; 4. Aufl., Halle 1880). Auch 
redigiert R. feit 1873 das «Ardiv der Pharmacier, 
eichardt (Guftav), Gejangstompenift, geb. 
13. Nov. 1797 zu Schmarjow in Bommern, war 
Schüler Bernhard Kleens und lebte als Mufilichrer 
in Berlin, wo er 19. Dit. 1884 ftarb. R. lompo: 
nierte wenig, meilt Lieder, unter denen die Melo— 
bie zu Arndt3 «Mas ift des Deutſchen Vaterland» 
am populärften geworben ift. 
Reichardt (Joh. Friedr.), Komponiſt und Mufit: 
fchriftfteller, geb. zu Königsberg in Preußen 25. Nov, 
1752, trat als Violinſpieler den mit zehn Jabren 
öffentlich auf. In den J. 1769 und 1770 widmete 
er fih in Königsberg jurift. und philoſ. Studien, 
deagleichen 1771 und 1772 in Leipzig. Er ſandte 
1774 feine Dper «Le Feste galantio an ben König 
Friedrich IL, der ihm 1775 die Kapellmeifterftelle 
in Berlin verlieh. Seine Wirlfamteit ald Kom: 
ponift begann er mit dem Prolog «Il Genio della 
Russia ed il Genio della ia», ber bei dem 
Beſuche des Großfürften Paul von Rufland im 
Sommer 1776 aufgeführt wurde. Nad dem Tode 
eng d. Gr. (1786) fehte R. ſich bei Friedrich 
Wilhelm II. namentlich durch die Opern «Brennos 
und «Andromeda»s, ſowie durd eine Huldigungs- 
cantate in Gunft, bie er aber jpäter durch Hund: 
gebung revolutionärer Sympathien verſcherzte, jo: 
daß er 1794 feine Stelle verlor; 1796 wurbe er 
Salineninfpeltor in Halle. Bon bier aus bejuchte 
er oft Berlin, um feine neueften fü 
ten; fo 1797 bie zum Regierungdantritt Friedri 
Wilhelms III. tomponierte Dper «Die Geifterinfels, 
Nah Errichtung des Königreichs Weftfalen erhielt 
er die Hoflapellmeilterftelle in Kafiel, — ſie aber 
chon nach einem Jahre wieder auf. ing nun 
nfang 1809 nad) Wien, wandte ſich aber wie: 
der nad Halle und lebte, wie ‚in bem be 
nachbarten Giebidhenftein, wo er aud) 27. Juni 1814 
ftarb. R. erlangte durch feine Lieder, deren cr eine 
große Zahl fomponierte und von denen mebrere noch 
im Vollsmunde leben, eine bejondere Bedeutung; 
feine Rompofitionen von Goethes Liedern haben 
bleibenden Wert. Außerdem fomponierte er gegen 
80 Opern, Gantaten, Wonodramen :c., Dratorıen 


Reichelsheim — Reichenbach (bei Breslau) 


unb andere Kirchenſtüche, Inſtrumentalſachen ıc, 
Bon feinen durchweg wertvollen und zum Auf: 


fehen den Söhriften find zu nennen: «Stu: 
dien für F ontünftler und Mufilfreunde» (1793), 
«Muftalifches Runftmagazins (1782—91), «Liber 
bie deutiche komiſche Oper u. f. w.» (1774), «Ber: 
traute Briefe aus Paris» (1804 u. 1805), «Bertraute 
Briefe, ieben auf einer Reije nad Wien» 


(1810). Bol. —— «Johann Friedrich R.» 


(2 Bde., u 1865—68). 
Seine erite Gattin, Juliane R., geb. 1752 
u Berlin, die Tochter des Konzertmeiiters Franz 


ende, eine jebr gute Sängerin, auch Klavier: 
[pielerin und iftin, ftarb ſchon 9. Mai 1783, 
Die Tochter aus diefer Ehe, Luiſe R., wahr: 


ſcheinlich 1780 zu Berfin geboren, geſt. zu Hamburg 
17. Nov. 1826, machte fih als Geianglehrerin, 
fowie als Komponiftin von Liedern (darunter das 
voltstũmlich gewordene «Nad; Eevillar) einen Ras 
men. Außerdem ftiftete fie im Hamburg, wo fie feit 
1814 lebte, eine Singalabemie, 
‚ Reichelöheim (im Odenwald), Marttfleden 
in der i nz Starlenburg, Kreis Erbach, 
an ber Gerfprenz, zählt (1885) 1810 G. und hat 
Viehmärkte. Norböftlic über der Stadt liegt die 
Burgruine Reichenberg, der Geburtsort des Bota: 
nilers Nees von Gjenbed. Gegen 3 km norbmweft: 
lich von R, erheben ſich in wilder Berggegend bie 
Trümmer der Burg Nodenftein, von welder 
nad) der Bollöfage der wilde Jäger mit feinen 
Genoſſen nad) der 6 km öſtlicher gelegenen Burg 
* 3 ziehen ſoll, ſobald ein Krieg bevorſteht. 
eicheldheim (in ber Wetterau), Stadt in 
der beij. Brovinz Oberhefien, Kreis Friedberg, nahe 
lint3 der Horlof, zählt (1885) 820 E. und hat Zie: 
gel:, Kalt: und Ruflenfteinbrennerei. Der Drt ge: 
hörte 1416—1866 zu Naſſau. 

Reichenau (in Sachſen), Dorf in der ſächſ. 
Kreishauptmannfhaft Bauken, Amtshauptmann: 
ſchaft Zittau, Station der ſchmalſpurigen Sehundär: 
bahn Zittau⸗R.Markersdorf, gabit (1885) 5917 €, 
und hat eine evang. und eine kath. Pfarrkirche, be: 
deutende Tertilgroßinduftrie, Drleansweberei, Fa: 
brifation von Leim, fünftlihen Düngemitteln, Fär: 
bereien, eine Gasanftalt, vier Ziegeleien, zwei 
Mahl, eine Sägemühle und nahebei Bajaltbrüde 
und Braunlohlenwerte. 

Reichenau, Inſel im Zeller: oder Unterfee (f. 
Bodenjee), 6 km ſüdöſtlich von Radolfzell im 
bad, Kreiſe Konftanz gelegen, J 5 km lang, bis 
1', km breit, 4 qkm groß und hängt im Öften 
durch einen 1 km ngen Dammmweg mit dem Feft: 
lande (Eifenbahnftation R., 6 km von Konftanz) 
zufammen. Der höchſte Bunkt der fhönen , obft-, 
wein: und lornreidhen Inſel, welche in ben Pfar: 
reien Ober:, Nieder: und Mittelzell 1500 E. zählt, 
it die Hochmwarte, 440 m über dem Deere, 43 m 
über dem Sce. Ihren Namen hat R. von ber Bene: 
diftinerabtei R. (lat. Augia Dives), melde 728 
vom beil. Pirminius geftiftet und vom 9. bis in 
die Mitte des 13. Jahrh. durch die wiſſenſchaftlichen 
Leiftungen ihrer Moͤnche (Walafried Strabo, Her— 
mann Contractus, Berno u. a.), ſowie durch ihren 
Reichtum berühmt war. Lange ein freies Reichs— 
ftift, wurde die Abtei 1538 dem Hochſtift Konftanz 
einverleibt, 1799 aufgehoben und 1802 mit Baden 
vereinigt. Die Klofterkirche oder der Münfter, eine 
Pieilerbafilita aus dem 10. und 11. Yahrh., jeht 
bie Pfarrlirche von Mitteljell, enthält das Grab 


571 


Karls des Tiden und verfchiebeme Reliquien. Ebenſo 
bemerfenswert find als uralte Werte romaniicher 
Baukunit die Säulenbafilifen von Ober: und Unter: 
zell. Bol. Staiger, «Die Inſel R. mit ihrer ehe: 
maligen Reicyeabtei» (Konſtanz 1874). 

Reichenau, Weiler im Bezirk Im Boden des 
ſchweiz. Kantons Graubünden, Tient 590 m über 
dem Meere, 10 km weſtlich von Chur auf dem 
linlen Rheinufer bei der Bereinigung des Vorder: 
und Hinterrheins und an der Streuzung der Epfü: 
gen: und der Oberalpftraße, befikt zwei Brüden, 
ein altes Zollhaus, jept Wirtshaus, und ein ftatt: 
liches, von einem Rart umgebenes Schloß ber Fa: 
milie Blanta, in dem fi) am Ende des 18. Jahrh. 
eine berühmte Erziehungsanftalt befand, an welcher 
Ludwig Philipp von Orléeans, ber nadmalige König 
der Franzofen, 1793 unter dem Namen Chabaud 
franz. Sprache und Fitteratur lehrte. 

Reichenau, Hauptitadt einer böhm. Bezirks: 
hauptmannſchaft, am Fuße des Aolergebirges, 
40 km öftlid) von Königgräß, hat ein fchönes Ko: 
lowratiches Schloß mit Bibliothel und Gemälde: 
fammlung, ein Oberggmnafium und zäblt (1881) 
4702 E., welche Tuch, Baumwoll: und Leinen: 
waren fabrizieren und eine Streihgarnfpinnerei 
unterhalten, 

Neichenau, Marltileden in ber böhm. Bes 
zirlshauptmannſchaft Gablonz, an der Linie Bar: 
dubiß:Seidenberg der Sübnordbeutidhen Verbin: 
dungsbahn, hat eine Schule für Olmalerei und 
Chromolithographie, Stein: und Glasfcleifereien, 
Scnupftabalsdofenfabrifation und zählt (1880) 
2621 deutide G. : 

Reichenau, cin durch reizende Lage in den 
nördl, Voralpen und durch feine Bedeutung als 
Sommerfriſche befanntes Dorf in Niederöfterreich, 
Bezirlshauptmannſchaft Neunlirchen, bei der Sta: 
tion Bayerbad) der Semmeringbahn, ineinem ziem: 
lid, weiten Thalleſſel, der von der Schwarza durd): 
flofien und von ber — (2003 m), ſowie von 
den füdl. Borhöhen des Schneebergs gefäumt wird. 
Fruher eine Filiale ber vom Herzog Dtto bem Fröb; 
lichen (1327) geftifteten Eijtercienierabtei Neuberg 
in Steiermarf, wurde R. nad) Aufhebung der Abteı 
landesfürftl. Gut und fpäter durd feine Gifen- 
ſchmelz⸗ und Gußwerle ein wichtiger Ort der inner: 
öfterr. Eifeninduftrie. R. hat aud) eine Kaltwafler: 
beilanftalt und zählt (1880) 935 E.; das ganze 
innere Reichenauer Thal mit Prein ? t 6854 E. 

Reichenbach, Kreisitabt im preuß. Regierungs: 
bezirt Breslau, 15 km füböftlid von Schweibnib, 
am Fuße des Eulengebirges romantiſch gelegen, 
Station der Linie Franfenftein:Raudten der Preu: 
biichen Staatsbahnen, ift Siß eines Landratsamts, 
eines Amtsgerichts und einer Reichsbanknebenſtelle, 
7 vier Kirchen, ein Realgymnafiun, eine gr 

öchterfchule, eine Synagoge und zählt (1880) 7255 
meijt prot. E., hat — aumwollwaren⸗ 
und Wurſtfabrilation, eine Dampf:, drei Waſſer— 
mühlen, Spinnerei, Wagenbauereien, Kunft: und 
Gemüfegärtnereien und befuchte Getreide: und Vieh⸗ 
märkte. Gefchichtlih berühmt wurde die Stadt 
dur den Sieg Friedrichs II. über die Bjterrei: 
der unter Zaudon 16. Aug. 1762, den daſelbit 
1790 gehaltenen Kongreß (Reihenbader Kon: 
oreb) und die 27. Juli 1790 zwiſchen Oſterreich 
und Preußen abgeſchloſſene Konvention (Reichen: 
bader Konvention), jowie durd) die Verband: 
lungen, welche bier im Hauptquartier des Kaiſers 


572 


von Nußland und des Königs von Preußen, 
während bes Waffenftillftandes im Juni’ 1813, 
zwijchen den Staat3minitern dieſer Monardıen 
und den brit. Geſandten, Lord Catbcart und Charles 
Stewart, ftattfanden. Infolge derjelben wurde da: 
felbft 14. und 15. Juni 1813 ein doppelter Sub: 
——— abgeſchloſſen, der mittelbar die Ab— 
rechung der Friedensunterhandlungen in Prag 
erbeiführte, Auch Oſterreich, die vermittelnde 
lacht, Fhlof um dieſe Zeit eine eventuelle Allianz 
mit Nußland und Preußen, die 27. juli 1813 vom 
Kaifer von Oſterreich zu Prag ratıfiziert wurde. 
Seit 1816 war R. der Hauptort eines eigenen Ne: 
nierungsbezirt3, der 1821 teil3 zum liegniger, teils 
zum bresfauer Regierungsbezirk geichlagen wurde. 
ol. «Kurze Geſchichte der Stadt R.» Mleichenbach 
1874). — Der Kreis Neihenbad, der auf 
362 qkm (1880) 68474 E. zählt, iſt ein wichtiger 
Fabrildiſtrilt befonders für Baummollwaren, 
Reichenbach, Stadt im preuß. Regierung: 
bezirt Liegniß, nahe der ſächſ. Grenze, im Kreiſe und 
15 km weitlih von Görliß, an der Linie Dresden: 
Görlik der Sächſiſchen Staatsbahn , iſt Sik eines 
Amtsgerichts, hat ein evang. Schullehrerfeminar, 
eine hemifche und eine Farbenfabrik und eine land: 
wirtihaftlihe Maſchinenbaufabrik und zählt (1880) 
1854 E. In der Nähe (bei Marlersdorf) lieferten 
bie Srangoien 22, Mai 1813 den Ruſſen ein jieg: 
reiches Gefecht. i 
eichenbach, Stabt in der fädhf. Kreis: 
auptmaännſchaft Zwidau, Pr ie 
Mauen, in Bogtlande, in 401 m Meereshöhe in 
bergiger, gefunder Gegend gelegen, Station der 
Linien Yeipzig-Hof und Dresden Chemnitz-R. ber 
Sächſiſchen Staatsbahnen, bat fich in neuerer Zeit 
zu einem blühenden Fabrikort erhoben, ſodaß die 
Ginwohnerzahl, die 1834 nur 5165 betrug, Ende 
1885 bereitö auf 18406 geitiegen war. Die Stadt 
iſt Siß eines Amtsgerichts und * = Kirchen 
und eine Realſchule. pin tände ber Indu— 
Ir find Fabrifate in Kammmolle und halbwollene 
(titel, Es beftehen größere mechan. Webercien, 
Blanellfabrifen, Tiihdedenjabriten, Wolllämme: 
reien, Kammgarn- und Gtreichgarnfpinnereien, 
Dafcdinenbauereien, Färbereien und Appreturen. 
In der Nähe der Stadt überfchreitet die Sächſiſch— 
Bayriiche Stantsbahn das Thal der Gölyich (f. d.) 
auf einem großartigen Biadult, Unmittelbar daran 
ftöht das Dorf Dber:Reihenbad mit 2371 GE. 
Reichenbach, Linker Nebenfluß der Aare im 
Oberlande des ſchweiz. Kantons Bern, entipringt 
an der Großen aeg (1961 m), durchfließt in 
norböftl. Richtung das Nofenlauithal und mündet 
nad nur 12 km langem Lauf gegenüber Meiringen 
in die Yare. Da, wo er aus dem Hochthale in das 
Aarethal tritt, bildet er eine Neihe von fieben ſchö— 
nen, zufammen etwa 300 m hoben Waflerfällen. 
Reichenbach (Georg von), ausgezeichneter 
Mechaniker, geb. zu Durlach im Badiſchen 24. Aug. 
1772, beſuchte die Viilitärfchule in Mannheim, be: 
reijte 1791 —93 England und trat dann al3 Ar: 
tillerielieutenant in die bayr. Armee. Am J. 1796 
nad München verfeßt, erhielt er 1800 das Patent 
eines Hauptmanns. In München fehte R. feine 
mathe. Studien fort und grande bier 1804 in 
Verbindung nit Sof. von Upichneiver und dem 
Mechaniker Liebherr eine mechan. Anſtalt, deren 
Inſtrumente alle —— Leitungen in dieſem 
Fache zunächſt deshalb weit übertrafen, weil fie in: 


Neichenbach (bei Liegnig) — Reichenbach (Heinr. Gottlieb Ludw.) 


olge der von R. erfundenen Kreisteilmaſchine bie 
ftgeteilten "Hreile' bejaben. Im J. 1809 traten 
Upicpneider und R. mit dem Öptiler Joſ. Fraun- 
Km zu einer neuen Bereinigung zufammen, welche 
ie Heritellung vorzüglider Fernrohre bezwedte. 
Die groben altron. Fernrohre und Nefraktoren, 
worunter Fraunhofers Niejenrefraftor für die 
Sternwarte zu Torpat, brachten durd die Bor: 
trefjlichleit des in der Anftalt bereiteten Flintglaſes 
und ihrer ganzen Zufammenfehung die ausgezeich- 
netite Wirkung bervor. Gbenjo berühmt find R.s 
Ügquatoriale und Fraunhofers Heliometer. Nach— 
dem R. feine berühmten Waflerfäulenmafchinen auf 
der Linie Neihenhall, Traunftein, Roſenheim aus: 
gerader hatte, ernannte ihn König Mar Joſeph von 
yern 1811 zum Salinenrat, als welcher er jpäter 
(1817) bie größte und wirkjamfte aller Mailer: 
fäulenmajchinen, in Illſang bei Berchtesgaden, 
baute. Im J. 1820 zum Direktor des Maffer: und 
Straßenbauweiens ernannt, überließ er bald darauf 
feine gemeinjan mit Traugott Ertel me. medan. 
Werkitätte dem Genoſſen allein. Im bdemielben 
Jahre legte R. in Wien die Stüdbobrerei nach fei- 
nem Plane an. Außerdem verbeilerte er die Ge: 
wehrfabrit in Amberg, jowie die bayr, Hoböfen und 
Gifengiehereien. R. war Mitglied der Akademie 
der Willenfcha ten in Münden und ftarb 21. Mai 
1826, Eeine von Kirchmayr gefertigte Büſte iſt 
in der Walballa aufgeitellt, 

Neichenbach (Heinr. Gottlieb Ludw.), verdien: 
ter Botaniter und Zoolog, geb. 8. Jan. 1793 zu 
Leipzig als älteiter Sohn des Konreltors an der 
Thomasſchule, Johann Friedrih Jalob R. 
der 16. Oft. 1839 jtarb und insbeſondere durch da? 
von ihm bejorgte «Griech. Leriton» und das erite 
aDeutſch⸗griech. Mörterbuch» Lpz. 1818) fich einen 
Namen erwerben hat. Der jüngere R. ftudierte in 
Seipjig Medizin und Naturwiſſenſchaften und_er: 
warb 1815 in der pbilof., 1817 in der mebiz. Fa: 
tultät_bie Doltorwürde. Hierauf zum aufßerord. 
ze ernannt, folgte er 1820 einem aufe nad 

esden, wo er ben botan, Garten ſchuf, das 
Boote. Mufeum umgejtaltete und ala Profeſſor der 

aturgefhichte an der irurgiich:mediz. Akademie 
(bis zu deren Aufhebung 1862) wirkte, Auf dem 
Gebiete der Botanik begründete er ein eipenes, 
zuerft in feinem «Conspectus regni vegetabilis» 
(2p3. 1828) angedeutetes, in feiner «Flora Ger- 
manica exoursoria» und dem «Handbuch des na: 
türlihen Pflangeniyftems» (Dresd. u. 2p5. 1837) 
entwideltes Syitem der Pflanzen und fam in dem: 
felben, obgleih von andern Prinzipien ausgehend 
als Fuffieu und De Candolle, auf eine Einteilung, 
welde rein genetiihen Prinzipien folgte, Das 
ganze Pflanzenreich zerfällt nad ihm in acht Kaſſen, 
auf die Entwidelung der Organe deutlich begründet. 
R.s umfangreicite3 botan. Werk iſt die erwähnte 
beutfche Flora mit der dazugehörigen « Iconogra- 
phia florae germanicae» (Bd. 1—22, Lyp3. 1823 
—84, mit 2700 illuminierten Tafeln). 
Gebiete der Zoologie veröffentlichte er: «Regnum 
animale» (Bd. 1, Ypz. 1831—36, mit 79 Tafeln), 
«Deutichlands Fauna⸗ (2 Bde,, Lpz. 1842) und «Die 
vollitändigite Naturgefhichte des Kin: und Auslan— 
des» (Ppy. 1845 fg.). Er ftarb 17. März 1879. 
Der zweite Sohn R.s, Heinrih Guſtav A, 
eb. 3. Yan. 1824, ftubierte in Leipzig und wurbe 
Ian Vilar für die Brofeflur ber organifchen 
taturfunde an der Forſtaka 


emie zu Thartand. 


Reichenbach (Karl, Freiherr von) — Neichenberg (in Böhmen) 


Einige Zeit darauf habilitierte er fich in Leipzig, 
wo er 1855 eine außerord. Profeſſur erbielt. s 
ter folgte er einem Hufe als Proſeſſor der Botanik 
und Direktor des botan. Gartens zu Hamburg. Er 
lieferte feit 1850 die Fortiehungen zu den «Icones» 
feines Vaters, fowie Monographien über Kompofi: 
ten und Orchideen, wie vor allem die «Xenia Urchi- 
dacea» (Lpj. 1854 fg.). Für mehrere große Reife: 
werfe bearbeitete R. in den botan. Eeltionen die 
Orchideen, ebenfo für das «Gardener’s Chronicler, 

Unton Benedict R., ein Bruder Heinrich 
Gottlieb Ludwig R.s, E: 7. Juli 1807 zu Yeipzig, 
bis 1866 Lehrer der 9 aturgejchichte an der Neal: 
ſchule daſelbſt, machte fich durch eine Anzahl popu: 
lärer naturbiltor. Schriften befannt, Cr ftarb zu 
Gohlis 12, Nov. 1880. 

Reicheubach (Karl, Freiherr von), als Natur: 
foricher wie als Induſtrieller viel genannt, geb. 

. 12. Febr. 1788 zu Stuttgart, ftudierte in Tübingen. 
Seinerzeit der Napoleoniſchen Polizei denunztert, 
wurde er in der Feitung Hobenasperg einige Mo: 
nate gefangen gehalten. - Nach feiner Befreiung bes 
reifte er. die Eiſenwerle in Deutichland und Frank— 
reich, gründete zu Villingen ein Eiſenwerk und er: 
richtete zu Hauſach in Baden die erjten großen Hol: 
verloblungsöfen. Im J. 1821 verband er fi mit 
dem Altgrafen Hugo zu Salm in Wien (geit. 1836) 
zur Gründung von Eifenwerlen zu Blansko in 
Mähren, welche trefflich gediehen. Nah Ealms 
Tode z09 fih N. zurüd. Gr entdedte das Kreoſot 
und Baraffin. Die Gegend um Brünn und Blansto, 
bie er geognoftifch unterjuchte, befchrieb er in dem 

Berfe «Geolog. Mitteilungen aus Nähren» (Wien 
1834), Außerdem bat ih N. auch um die Lehre 
von den Meteoriteinen (von denen er eine ausge: 
ars Sammlung beiaß) große Verdienfte erwors 

en.. Später zog er befonders durch feine Unter: 
ſuchungen über das fog. Od (ſ. d.) die Aufmerkfam: 
feit des Publikums, zugleich aber auch die Gegner: 
ſchaft der Phyſiler auf fih. Er behandelte und 
verteidigte dieſen Gegenftand unter anderm in den 
Schriften: «Unterfuhungen über die Dynamide 
Magnetismus, Gleltricität, Wärme und Licht in 
ihren „Beziehungen zur Lebenstraft» (2 Bde., 
Braunſchw. 1850), «Odiſch⸗ magnetische. Briefe » 
(Stuttg. 1852), «Der fenfitive Menſch und fein 
Rerhaiten zum Ober (2 Bde. Stuttg. 1854), «Die 
Pflanzenwelt in ihren Beziehungen zur Senſitivi⸗ 
tät und zum Ober Wien 1858), «Aphorismen über 
Senfitivität und Dd» (Wien 1866), «Die odijche 
Lohe und einige Bewegungserfheinungen als neu 
entdedte Formen des odiihen Prinzips» (Wien 
1867). R. hatte feinen Wohnfih auf Schloß Reiien: 
berg bei Wien. Er ftarb En vaio 19. Yan. 1869, 
eichenbahh: Gofchüt (Graf Dslar von), 
beuticher Demokrat, geb. 17. jan. 1815, war 1848 
Mitglied des Vorparlaments, dann der National: 
verſammlung und bes | der 
Demokratie. Deutichlands; wegen feiner Teil: 
nahme am Rumpfparlanıent wurde er in Anllage: 
ftand verfeht und im Sept. 1851 vom breslauer 
Schwurgerichtshof zu zehniähriger Zuchthausſtrafe 
verurteilt. Er war indejien ſchon vorher nad 
Bruſſel gereiftundging, nachdem er hier ausgewiejen 
worden, im Oft. 1850 nad) London. j 

NReicheuberg, die drittgrößte Stadt des König: 
reichs Böhmen, die größte deutſche Stadt, zugleich 

größte dabrilſtadt des Landes und der Mittelpuntt 
einer der gewerbfteibigiten und bevöltertiten Gegen: 


573 


ben der Oßerzeiifäslingarüfdien Monardie, liegt 
an der(Görliker) Neille und an der (ölterr.) Süd; 
Norddeutichen ——— —— (Linie Pardubißz⸗ 
ned an welche ſich bier die Linie Zittau: 
R. der Sächſiſchen Staatsbahn anſchließt, in einem 
fruchtbaren Thal am Fuße des Jeſchlenbergs, 12km 
von der ſächſiſchen und 20 km von der preuß.: 
ſchleſ. Grenze. Die Stadt iſt Sitz eines Krels— 
gerichts und eines ſtädtiſchen Delegierten Bezirls— 
geriht®, eines die Funktionen einer kaiferl. Bezirks; 
behdrde ausübenden Stadtmagiftrates, einer k. k. 
Bezirtshauptmannfhaft für den Landbezirt und 
eines k. E, Hauptzollamts zählt (1880) 28090 G, 
und —— aus der Altstadt, er Neuſtadt und der 
Chriftianftadt. Sie hat fieben Pläge und befipt an 
fehen&werten Gebäuden: die fhon 1360 genannte, 
1884 umgebaute Stabtlirhe, welche 1885 zur Erz 
defanaftirhe erhoben wurde; die 1696 erbaute, 
1753 erweiterte und 1864 renovierte Kreuzlirche; 
die 1864—68 errichtete evang. Kirche; das Schloß 
(1582 erbaut, 1850 — das Rathaus (1599), 
das Stadttheater (1882 erbaut), dad Rubdolfver: 
forgungshaus für 200 Siehe (1869 erbaut), das 
Stephanshofpital mit 260 Betten. (1848 erbaut), 
das k. k. Gerichtögebäude und das Genoſſenſchafts⸗ 
haus der Tuchmacher ıc. Von höhern Unterrichts: 
anftalten beftehen eine Staatsgewerbeſchule (feit 
1876) mit einem dem. Laboratorium, eine (1804 
als Nealichule geitiftete, 1872 zur Staatsanftalt er: 
hobene) Mittelſchule, beitehend aus einem vollitäns 
digen Oberaymnafium und einer Unterrealichule, 
eine Webeſchule (1885 errichtet), eine Handels: 
ſchule und eine Bürgerfhule. Die Handeld: und 
Gewerbelammer wurde 1849, eine Spartafie 1854, 
eine Filiale der k. k. privilegierten Nationalbank in 
Wien 1856, eine Pfanbleihanftalt 1868 und die 
Reichenberger Bant 1872 begründet. Hauptgegen: 
ftand.der Induſtrie in der Stadt und deren Um: 
gebung (die Dörfer Nöchlis, Katharinenberg, Proſch⸗ 
wis, / Maffersdorf u. f. m.) find Tue, Schafwoll⸗ 
waren überhaupt, Teppihe und Gemiſchtwoll⸗ 
waren. Die Tugeriengung war ſchon du Anfan 


des 15. weht . in eingebürgert. Die Schaf: 
wollinduftrie hat in neuerer Zeit außerordentliche 
Fortſchritte 


emnacht, insbeſondere ſeit J. G. Berger 
1798 die eis eigentliche Fabrik erbaute (in die er 
1806 die erften Maſchinen brachte), hauptſächlich 
aber feitvem 1828 J. 8 ein ausgedehntes 
Etabliſſement errichtete, N. Liefert jährlich allein 
Tuch im Wert von 12 Mill. Fl. Die reihenberger 
Bierbrauerei und Malzfabril in Maffersdorf, ge: 
ründet 1873, erzeugt jährlich 52150 hi Bier, — 
In frübejter Zeit ehörte der Ort den Herren von 
Biberitein und vonHädern; 1622—84 befand er fi) 
mit Friedland in Befip Wallenfteins, worauf er an 
die Grafen Gallas und 1757 an die Grafen Clan: 
Gallas kam, aus welder Familie Graf Eduard 
Glam:Gallas 1838 dad Dominiun antrat. 
erftürmten 21. April 1757 die Preußen unter dem 
Prinzen von Bevern das öfterr. Lager unter Kö: 
nigsed. In dem Deutichen Kriege von 1866 war R. 
der eigentliche Ausgangspunkt der Operationen bes 
Bringen Friedrich Karl, der dafelbit 24. bis 26, Juni 
[ein Hauptquartier hatte. Vgl. Hermann, «Ges 
dichte der Stadt N.» (Bd. 1, — 1863); 
—— «NR. und Umgebung» (2 Bde, Reihen: 
rg 1872— 74); Yarifch, A urhR.unb Um: 
ebung» (Rei enberg 1882); Hübler, «Führer durch 
‚und Umgebung» Meichenberg 1383). 


574 


Reichenberg, Burg bei Badnang (f. d.). _ 
Neihenbrand, Pfarrdorf in der jädhi. reis: 
bauptmannidaft Zwidan, Amtshauptmannjhaft 
Ghemnis, 7 im BSD. von Chemnig, zählt 
(1585) 2769 €. und hat Strumpfwarenfabrilation. 
Reichenhall, Stadt im Bezirk Berchtesgaden 
des bayr. Negierungsbezirt3 Oberbayern, 15 km 
im Sübmeiten von burg, 13 km nordweitlid) 
von Berd n und 24 km füböjtlih von 
Traunftein, Station der Linie Freilaffing:R. der 
Bayriihen Staatsbahnen, liegt in 479 m Meeres: 
böbe maleriſch an der Saalach Zufluß der Salzach) 
in wiloromantifcher Gegend und ift nach drei Sei: 
ten von einem ſchoͤnen Verglrang, dem Unter&berg 
(1950 m), Lattengebirge (Dreiſeſſellopf, 1778 m), 
Müllnerhorn (1361 m), Zwieſel (1813 m) und Hoch— 
ſtaufen (1760 m), umgeben. Die Stadt, jeit dem 
großen Brand von 1834 neu aufgebaut, iſt Sik 
eines Amtsgerihts, Forſtamts, Hauptialjamts 
und Badelommiftariats und zählt (1880) 3271 E. 
Bon Bedeutung üt R. als Bereinigungspuntt für 
die vier ‚groben oberbayr. Salinen, die durch ge: 
waltige Solenfeitungen (zufammen 75 km lang) 
verbunden find. Die ältejten Urkunden von der 
Saline zu R. reichen bis ins 8. Jahrh. Wegen 
Holzmangel wurde ſchon 1618 eine lunſtreiche So: 
lenfeitung von R. nad) Traunftein angelegt, welche 
1809 nad) dem holzreichen Rojenbeim (79620 m) 
am Inn weiter geführt wurde. Durch eine ähn: 
liche Leitung iſt jeit 1816 N, mit den Saljbergwer: 
fen von Berchtedgaden (28392 m) verbunden, Ge: 
genwärtig wird der Überfluß der berchtesgadener 
Sole nady N. geleitet, während von bier aus Die 
Salinen zu Traunjtein und Roſenheim verforgt 
werden. An legter Zeit produziert man zu R. jähr: 
li etwa 230000 Gtr. Salz. R. ijt ſeit 1846 ein 
bejonders von Norddeutichland und Rußland aus 
viel beiuchter (45000 Gäſte jährlich) Kurort für 
Gebirgsluft, Solbäder und Ziegenmolfe geworden. 
Es zählt jieben Badectablifjements mit Solbädern, 
Snhalationsfälen und den vorzüglich eingerichteten 
neumatiichen Kammern. Zu den res 
unten der Umgebung zählen Salzburg, Berchtes: 
aden, der Königsſee und ra die Ramſau, 
telled und das Mauthhäusl. In der unmittel: 
baren Umgebung des Kurorts liegen die Schloß: 
ruinen Plain und Starlitein, die Schlöſſer Grutten: 
Den, Marzoll und Stauffened, fowie das ehemalige 
uguftinerflofter Et. Zeno mit uraltem roman. 
Portal und Sireuzgang. Dasjelbe ift jeht zu einem 
Mãdcheninſtitut — Val. eher «Bad 
N. und feine Umgebung» (10. Aufl., Neihenhall 
1885); ©. von Liebig, «R., fein Klima und feine 
Heilmittel» (5. Aufl., Neihenhall 1883). 
Neichenfperger (Auguft), befannt durch lunſt— 
wiſſenſchaftliche Beftrebungen und als parlamen: 
tariicher Charakter, geb. 1808 zu Koblenz, ſtudierte 
zu Bonn, Heidelberg und Berlin die Nechte. Seit 
1835 fungierte er als Aſſeſſor in Koblenz, ſeit 1841 
an dem Appellgeriht in Köln, dann wurde er 
Landesgerichtsrat in Trier, 1849 Appellations: 
gerichtsrat in Köln. Nebenher trieb N. eifrig kunſt— 
wiſſenſchaftliche Studien und unterſtühte nament— 
lid) die Sache des löͤlner Dombaues. Schon 1840 
veranlaßte er durch aEinige Worte über den Don: 
bau zu Köln» die Gründung des eriten Dombau: 
vereins in Koblenz; als 1841 der Gentraldombau: 
verein zufammentrat, wurde er deſſen Gefretär, 
ftiftete 1842 das «ftölner Domblatt» und machte 


Neihenberg (in Württemberg) — RNeichenſperger 


= nda für die Gotik als den —— deutſchen 
unititil, mas ihm eine lebhafte Polemik von der 
Schintelichen ‚Schule zuzog. Seine zablreicyen 
bierher gebörigen Arbeiten erſchienen gelammelt 
al3 «Bermifchte Schriften über chriſtl. Kunfte (Lpz 
1856). Schon vor R. in dem «Tie 
chriftl.:german. Baulunſt und ihr Verhältnis zur 
Gegenwart» (Trier 1852) feine Anfihten im Yu: 
—— entwiclelt. Ahnliche Bedeutung hatten 
ie «Fingerzeige auf dem Gebiete der chriſtl. Kunſt 
(2ps. 1855). Auf feine Anregung im preuß. Ab- 
geordnetenhaufe erfolate auch die Einfegung einer 
KHommijfion zur Erhaltung und Reitauration der 
alten Bauwerle in den preub. Landen. Seine par: 
lamentarifche Laufbahn begann R. 1848 im franl: 
furter Parlament. Gr gebörte dort anfangs zur 
jog. Gafinopartei, ſchied jedod mit andern Geg 
nern eines deutichen Hailertums fpäter aus biefer 
aus, Im erfurter Barlament ſümmte er gegen 
das Unionsprojelt. In der preuß. Boltsfammer 
vertrat er vorzugsweiſe das kath. nterefie. Dem 
Miniiter von Naumer gegenüber vereinigte er 1852 
bie fath. Abgeordneten zu einer bejondern Fral- 
tion, deren Führer er wurde. Dei dem Honflilt 
über die Militär: und Budgetfrage trat R. zwar 
für das verfaſſungsmäßige Recht der Landesver- 
tretung ein, erllärte ſich jedoch 1868 die bis: 
berige Tatil der Majorität im Berfaftungstampf 
als eine erfolglofe und unterwarf dann die Hal 
tung der Fortichrittäpartei in ber «Gin 
Nüdblid auf die legten Sejfionen des preub. Ab- 
georbnctenhaufes» (1864) einer herben Kritik, Für 
die näcite Seffion nahm er fein Mandat mehr an, 
Bei den Mahlen vom 31. Aug. 1867 wurde er ;u 
Aachen in den Neidystag des Norddeutichen Bundes 
gewählt, dann auch wieder in das preuß. Ab- 
georbnetenhaus und 1871 in den Deutichen Reichs 
‚wo er feitdem als einer der Führer der Meri: 
falen Centrumspartei nanıentlid in dem Kampfe 
gegen dad Schulaufjichtsgeieg und die Maigeiehe 
eine bedeutende Nolle fpielte. Bei den Mablen 
von 1884 zum Neichötag, in weldhem er den Wabhl- 
freiö Krefeld vertreten hatte, nahm er, mit Yüd: 
fiht auf fein hohes Alter, ein Mandat nit mehr 
an. Mit Wiß und Schärfe ſpricht er fich gegen die 
ihm unſympathiſchen Yeitrichtungen in der Streit: 
fhrift aus: «Bhrafen und Schlagwörter» (4. Aufl., 
Baderb. 1872). Bon feinen kunſtritiſchen Arbeiten 
find nod) zu nennen: «Die Kunſt, jedermanns 
Sade» (1865), «Shaljpeare, insbejondere jein 
Verhältnis zum Mittelalter und zur Gegenwart» 
(Münfter 1871), «fiber das Kunitbandwert» (1875), 
«fiber monumentale Malerei» (1876), «U. W. R. 
Bugin, der Neubegründer der hrijtl. 2 in Eng- 
nd» (1877), « Barlamentarijches über Kunft und 
Kunfthandwert» (Köln 1880), «Zur neuern Ge: 
fhichte des Dombaues in Köln» (1881). 
Neichenfperger (Peter Franz), Bruder des 
vorigen, ebenfall3 befannt durch feine parlamen- 
tariiche Wirtjamteit, geb. 28. Mai 1810 zu Koblenz 
widmete fich der Jurisprudenz und wurde 1836 
Landesgeri teaſſeſſot in Koblenz, fpäter in Elber 
feld, 1843 Landesgerichtsrat in Koblenz, 1850 Nat 
bei dem Appellationsgericht in Köln, 1859 Dber- 
tribunalgrat in Berlin. Seine publigitiide Thätig- 
feit begann er mit einer Schrift «Dffentlic- 
keit, Mündlichleit und Schwurgerichte» (Stöln 18424. 
n dem Werle über «Die Agrarfrage aus dem 
ejichtöpunfte der Nationalölonomie, der Bolitit 


Reichenſtein — Reihlin-Meldegg 


und des Recht!» (Trier 1817) behandelte er die 
Prinzipien der freien Agrarverfaſſung mit befon: 
derer Rüchſicht auf die Verhältniſſe der Rhein— 
provinz. Sodann verfaßte er 1851 im Auftrag 
des Jujtizminijters den «Entwurf eines re ge 
geießes für die Nheinprovinz», den er aud als 
Regierungskommiſſar mit Erfolg vor dem rhein. 
Landtag verteidigte. Tie Bewegung von 1848 
führte ihn erit in das beutfche Borparlament, wo 
er auf konfervativer Seite ftand, fpäter ald Ab: 
geordneten von Geldern in die preuß. National: 
veriammilung, wo er zu den ern ber Rechten 
gehörte. (Bal. feine Schrift: «Die preuß. National: 
verſammlung und bie Berfafjung vom 5. Dez», 
Berl. 18419.) Nm Parlament zu Erfurt kämpfte 
N. gegen bie Union. In dem preuß. Abgeordneten: 
baute, zu dem R. ununterbrochen vom Wahlkreis 
Geldern mit einem Mandat betraut war, ftand R. 
feinem Bruder bei der Gründung der Tat. Fral: 
tion zur Seite und nahm an ber Zeitung berfelben 

orragenden Anteil. Dbmohl er dad Mini: 
fterium Manteuffel anfangs im Intereſſe der Orb: 
nung unterjtüßt hatte, leitete er den mehr und 
mehr bervortretenden realtionären Tendenzen des⸗ 
feiben eutſchiedenen Widerjtand und ſchloß fi 
ſchon hierin den Liberalen an. Doc neigte er fi) 
ftet3 mehr der gemäßigten Richtung zu und blieb 
auch ein Anhänger des Legitimitätäpringips. Der 
Kamipf über die Militärreorganifation und der fid) 
bieran brüpfende VBerfaffungstonflitt fand ihn zwar 
auf der Seite der vereinten Liberalen, body war er 
bemüht — berbeizuführen. Als Mit: 
glied des Reichstags des Norddeutſchen Bundes 
war er einer der Mitbegründer und Führer der 
tath. Fraktion, wie er aud) in der Centrumspartei 
des preuß. Abgeordnetenhauſes zu den nanıhaftern 
Wortführern gehörte. Diefelde Stellung nahm er 
in den folgenden Reichdtagen ein. R. ſchrieb: «Er: 
lebniſſe eines alten PBarlamentarierd im Nevolu— 
tionsjahre 1848» (Berl. 1882). Vgl. «Reden ber Ge: 
brüder Auguft und Beter Franz R.»(Negensb. 1858). 

Neichenftein, Stadt im preuß. Negierungs: 
bezirt Breslau, 18 km füdlich von der Kreisſtadt 
Frankenſtein, an der öjterr. Grenze und am Fuße 
des Neichenfteiner Gebirges, it se eines Amts: 
gerichts, zählt (1880) 2173 E. und bat eine evang. 
und zwei kath. Kirchen. In dem bier gelegenen 
Verge, ever goldene Eſel⸗, befindet ih ein Arjenit: 
bergwerk mit Poch-⸗, Seih: und andern Werten, 
das ältejte be3 preuß. Staals. Urjprünglid ward 
bier auf Gold gebaut, und aus den Abbränden von 
Arjeniffublimaturen kann noch Gold gewonnen 
werden. Außerdem hat die Stadt Leimſiedereien, 
VWebereien, Ziegel: und Kallöfen und eine Zundholz⸗ 
fadrif, Das Reichenſteiner Gebirge oder 
Schleſiſche Grenzaebirge zieht auf der öſtl. 
Seite ber Orient Glab, durch den Durchbruch 
dor Neiffe_von dem nördl. Eulengebirge getrennt, 
bis zum Eüdrand von Glag hin. In demfelben 
it der 882 m hohe Jauersberg, 10 kın ſüdlich von 
N,, zu nennen und neben ihm der 958 m hohe Sei: 
— ** beide mit platten Gipfeln. Am rechten 
Ufer der Biela treten Bafaltyöhlen mit ſchöner 
Säulenbildung auf. 

Reichenweier (frj. Riguewihr), Stadt im Kreife 
Rappoltsweiler des eljaß-lothring. Bezirks Ober: 
elſaß, liegt 13 km norbweitlih von Colmar und 
zahlt (1885) 1703 meijt prot, E. Früher war R. 

er Hauptort einer ben Herzögen von Württem: 


575 


berg: Mömpelgard gebörigen Herrfchaft. Die Stadt 
nahm 1525 an dem Bauerntriege thätigen Anteil 
und hatte unter den Folgen desſelben jchwer zu 
leiden. In der Umgegend von R, wird vortreff: 
liher Wein erzeugt, 

Reicher: Kindermann (Hebmwig), namhafte 
Dpernfängerin, geb. 15. \juli_1853 in Münden 
als die Tochter des PBaritonijten Auguſt Kinder: 
mann (f. d.), fam als Chorfängerin und Ballett: 
tänzerin zur Bühne und wurde, nachdem fie feit 
1868 da3 Stonjervatorium befucht batte, am Hof: 
theater zu Karlsruhe engagiert. Bald nad Mun— 
chen zurüdgelehrt, trat fie in ben Verband des 
Gärtnerplaßtheaters und wirkte in Rollen wie 
Mademoifelle LAnge in «Mademoijelle Angot». 
Nah ihrer Berbeiratung mit dem Scaufpieler 
Emanuel Reicher (von dem fie ſich aber bald 
wieder trennte) fang fie 1876 in Bayrenth , wirkte 
1877—78 am Stadttheater zu al und 
ging dann nah Wien an die Hofoper, von wo fie 
1880 nach Leipzig engagiert wurde. Hier erwarb 
fie fi ihren Auf als Wagner: Sängerin, ber fi 
durch ihre Mitwirkung bei den Vorjtellungen des 
Neumannihen Wagner : Theaterd noch fleigerte. 
Für Herbit 1883 ala Mitglied des berliner Hof: 
theaters engagiert, ftarb fie 2. Juni 1883 zu Trieſi. 

Neichert (Karl Bogislaus), hervorragender 
Anatom, geb. 20. Dez. 1811 zu Naftenburg in Oft: 
preuben, widmete ſich in Königsberg, fodann als 
Gleve des Friedrich : Wilhelms : nftitut3 in Berlin 
dem Stubium der Medizin, habilitierte fid) daſelbſt 
1842 als Privatdocent und nahm 1843 einen Nuf 
als Profeſſor der Anatomie und vergleihenden 
Anatomie nad Torpat an. Im J. 1858 folgte er 
einem Ruf als Profeſſor der Phyſiologie nad) 
Breslau und wurde 1858 als PBrofejjor der Ana: 
tomie und vergleichenden Anatomie, Direltor bes 
anatom. Theaters und ded anatom. Mufeums nad 
Berlin berufen. Gr ſtarb dafelbit 21. De;. 1883. 

N. hat durch eine Reihe wichtiger Unterſuchungen 
und Arbeiten auf die Entwidelung der Embryolo: 
nie, Gewebelehre und Anatomie einen bedeutenden 
Einfluß ausgeübt, _ Außer zahlreihen Abhandlun: 
gen in Fachzeitſchriften ſchrieb er: «fiber die Vis— 
ceralbogen der Wirbeltiere» (Berl. 1837), «Ber: 
gleihende Entwidelungsgeihichte des Kopfes ber 
nadten Amphibien nebit den Bildungsgefepen des 
Wirbeltierkopfes im allgemeinen» (Königsb. 1838), 
«Das Entwidelungsleben im Wirbeltierreich» (Berl. 
1810), «tiber die Entwidelung de3 befruchteten 
Säugetiereied» (Berl. 1843), «Vergleichende Be: 
obachtung des Dindegewebes und der verwandten 
Gebilde» (Dorp. 1845), «Die monogene Yortpflan- 
zung» (Berl. 1852), «Der Bau des menſchlichen 
Gehirns » (%py. 1859—60). j 

Reichliu⸗Meldegg (Karl Alerander, Freiherr 
von), deutfcher Theolog und Philoſoph, geb. 
22. Jebr. 1801 zu Grafenau am Cham im Böhmer: 
wald, ftudierte in Freiburg Theologie, ehe 
und Philologie, erhielt 1822 eine Pro eſſur am 
Gymnaſium zu Freiburg und 1823 durch den Biſchof 
von Rottenburg die Prieſterweihe. Später habili— 
tierte er ſich an der Univerfität — Im 
J. 1825 ward er Supplent der Kirchenge hicte, 
1828 auferord. und 1830 ord. Brofefior der Theo: 
logie. Vom Erzbiihof von Freiburg zum Wider: 
ruf der in feiner «Gejhichte des Chriitentuns » 
(Heidelb. 1831) ausgeſprochenen Meinungen auf: 
gefordert, erflärte er, daß er an bie bei ber 


576 


Priefterweihe beſchworenen Säbe nicht mehr zu 
(auben im Stande fei. Bald darauf erfolgte fein 
ibertritt zur prot. Kirche. DR, felbit veröffentlichte 

in diefer RE das «„Sendichreiben an den 

Erzbiihof DB. Boll» (Heidelb. 1832) und «Uft 

meines Übertritts und mein Glaubensbelenntnis» 

(Heidelb. 1832). Im Juni 1832. wurde er als 

Tocent der Philoſophie nach Heidelberg verfekt, 

1839 zum außerord, und 1840 zum ord. Profefior 

ernannt. Gr ftarb in Heidelberg 15. Febr, 1877. 

Von feinen theol. Arbeiten find nody «Die Theo: 

logie des Magierd Manes» (Frantf. 1825) und 

«Theol, Abhandlungen» (Lpz. 1829) zu nennen, 

Sein philof. Hauptwerk iſt das «Vehrbud der 

Biychologie» (2 Vde., Heidelb. 1837—38). Von 

feinen fpätern pbilot. Schriften iſt zu nennen: 

«Syftem der > (Bd, 1, Wien 1870), Von 

feinen übrigen Arbeiten find nod zu erwähnen: 

«Die deutichen Boltsbücher. von Fauſt und Wagner 

mit Beziehung auf Goethes Fauft» (Stuttg..1848) 

und die Lebensbejchreibungen feiner Freunde Pau: 

[us (2 Bde., Heidelb. 1853) und Kortüm (Heidelb. 
1858). Seine ——— publizierte er unter 

den Titel »Das Leben eines ehemaligen röm. 

lath. Briefters» (Heidelb, 1874). 

Cein Sohn, Kuno, Freiherr von R., geb. 
21. Nov. 1836 zu Heidelberg, erhielt feine Bor: 
bildung auf dem Lyceum feiner Vaterftabt, bezog 
1855 die Univerfität dafelbft, wo er juriſt., biftor. 
und philof. Vorlefungen hörte, und habilitierte ſich 
1565 ebendort als Privatdocent der Philoſophie. 

Reichmann (Theod.), Baritoniit, geb. 18. März 
1849 zu Roſtod, ſeßte die in Berlin begonne: 
nen Gefangsftudien in Prag und Mailand fort 
und erfdien in Magdeburg zum erften mal auf 
der Bühne, Bon dort fam R. an das Nowadſche 
Iheater in Berlin, dann nad) Notterdanı, Köln, 
Straßburg, Hamburg, endlid 1875 an das Hof: 
iheater in Münden, Seit 1883 gehört N. der wie: 
ner Hofoper an. R. verfügt über eine ebenjo wohl: 

— wie umfangreiche und biegſame Stimme. 

eichsabſchied oder Reichsrezeß hieß im 
ehemaligen Deutſchen Reich die Urkunde, in welcher 
am Schluß des Reichstags die geſamten Beſchlüſſe 
nebſt den darauf gegebenen laiſerl. Entſchließungen 

PREMIERE wurden. Die älteften R. find ver: 
oren gegangen, die Fragmente derjelben und die 

fpätern Abſchiede feit Kaiſer Marimilian I. find 

DB. in Sentenbergs und Ohlenſchlägers Samm— 
ung (4 Bde., Frantf. 1747) abgedrudt. Für die 

ältere Zeit gewährt die Samnılung der «Teutfchen 

Neihstansatten» unter Kaiſer Wenzel dur 

J. Weizjäder (3 Bde., Manch. 1868 ig) und unter 

Haller Sigismund von D. Kerler (2Bde., Münch. 

1878 fg.) Erfab,. Der fog. jüngite (lebte) R. da: 

tiert von 1654. Da feit 1663 der Reichstag bis zu 

Ende des Deutſchen Reichs bejtändig verjammelt 

blieb, fo konnte kein weiterer N. mehr ftattfinden, 

Neihsadht,i. Acht. _ 

Reichsadel, ſ. Neihsritteridait. 

Reichsadler, ſ. Adler, 

Reichsämter, ſ. Erzämter, Reichsbeamte 
und Neihsbehörden. 

Neid: und Staatsangehörigfeit. Aus 
dem Grundprinzip, daß das Reich eine ftaatliche 
ur Se der deutſchen Staaten iſt, —— ſich, daß 
das Staatsbürgerrecht im Einzelſtaat das primäre 
Verhältnis ift und ohne weiteres das Reichsbürger— 
recht nad) fi) zieht. Wer Bürger eines zum Reich 


Reichmann — Reichsardive 


gehörenden Staats ift, bebarf.. feines beſondern 
Erwerbsaltes, um die —— — zu er: 
werben.- Man kann aber nit Reichs 
fein, ohne einem deutichen Einzelſtaat anzugehören; 
es gibt feine Naturalifation durch das un: 
mittelbar. Da die wejentlichiten polit. J en 
für alle deutſchen Staaten diefelben find, fo 
jemand gleichzeitig mehrern deutichen Staaten an- 
nehören und jeder Angehörige eines deutſchen 
Staat? lann in jedem andern. beutichen. Staate, 
in welchem. er feine Niederlaffung , die 
Aufnahme als Staatsbürger verlangen.- Der Er: 
werb und Berluft der Neichsangehörigkeit ıe 
regelt durch das Neichsgefek vom 1. \Yuli 1870, 
welches in den füddeutichen Staaten und in Elfab: 
Lothringen ebenfalls eingeführt worden iſt. Dem: 
nad) wird die Staatsangehörigleit erworben. durch 
—— Gründe (Geburt, Legitimation 
erheiratung) oder durd Verleihung, welche bei 
hen Aufnahme, bei einem Aus 
ißt. Der Verluft tritt 
ein durch die entgegengefehten Veränderungen des 
Familienftandes, ferner dur) —— durch un: 
unterbrodenen zehnjährigen Aufenthalt im Aus: 
beftimmten Fällen 


einem Deut ; 
länder Naturalifation 


lande und in gewiljen, ge epli 
durch Grpatriterung. Bol. Yaband, «Staa 
des Deutſchen Neichd» (Bd. 1, Freiburg i.Br. 1876). 
eichdanwalt, der Wertreter der Etaatd 
anmwaltichaft bei dem Neichegeridht. Bei lehterm 
wird nad) $. 143 ı des Gerichtäverfaffungsgeiches 
vom 27. Jan. 1877 die Stantsanwaltichaft durch 
einen Oberreihsanmwalt und durd einen oder 
= Sri Neihsanwälte ausgeübt. Das Recht der 
Aufſicht und Leitung fteht nad) 8.148 ı 
lich des Oberreihdanwalts und der Nei N 
dem Reichslanzler zu. Diefelben find nicht richter- 
lihe Beamte; zu diefen Amtern können 
Richteramt befähigte Beamte ernannt werde 
($. 149). Der Oberreichſsanwalt und die Reich⸗ 
anwälte werden auf Vorfhlag des Bunbesrats 
vom Kaifer ernannt, Diefelben können durch 
taiferl. Berfünung jederzeit mit Gemwä des 
dei ya Wartegeldes — in den 
tand verſeht werden ($. 150), 
—— heißt die mit einem ver⸗ 
ſehene Kugel, welche ſich auf Münzen, © 
u. ſ. w. in der Hand der Kaiſer findet und als ein 
Zeichen der Herrfchaft angel wird, Ur 
ſprung diefer Kugel [abet fi bei den Romern, 
welche durch diefelbe ihre Herrfchaft fiber die 
Melt andeuten wollten. Den Beweis dafür 
eine Münze des Kaifers Auguftus, auf welcher drei 
Kugeln vorgeftellt find, eine mit ASI., die andere 
mit AFR, und die dritte mit EVR. bezeichnet, aljo 
mit den damals befannten drei Welt Auf 
den zahllofen Munzen fpäterer röm. Haifer lommt 
dieje Kugel oft vor, teil3 mit einem Steuerruder 
oder Füllhorn, unter den Füßen des Adlers, jpäter, 
mit der Giegesgöttin (Nike) geziert, in der Hand 
der Kaiſer. Die Siegesgöttin wurde durch das 
chriſtl. Kreuz verdrängt; mit diefem ging die 
auf die römifch:deut den Kaifer über, Der 
wurde bei feierlichen Gelegenheiten dem 
von einem eigenen Beamten, dem Truchſeß, vor: 
getragen. (S. Reidhäsfleinodien.) * 
Neichsarchive enthalten die von dem ehema- 
ligen Deutihen Neiche ausgegangenen ober iR 
auf —— Urkunden und Alten. 
reichshofrätliche Negiltratur in Wien ift 1851, 


Neichsarmee — Reichsdeputation 


das früher in Mainz, dann in Frankfurt vers 
wahrte erzlanzleriiche Ardiv 1854 mit dem Ge: 
eimen Haus, Hof: und —— ERDE: 
ad Arhiv des Reichslammergerichts in Weplar 
ift unter die betreffenden Staaten verteilt. Dazu 
lommt noch das Reichstags-Direltorialarchiv zu 
Regensburg. Die Ordnung und Aufbewahrung 
ber auf das neue Deutiche Reich bezüglichen archi— 
valiihen Urkunden gefchieht unter Leitung von 
Beamten des preuß. Staatsarchivs. 
Neihdarmee. Cine R. geftaltete fih erſt in 
ben lesten Jahrhunderten des alten Deutichen 
Reichs. Als nämlich die deutſchen Reichsſtände un: 
abhängige Landesherren wurden, blieb der Kriegs: 
dienſt miht mehr eine unmittelbare Pflicht gegen das 
Reich, fondern der einzelne Reichsſtand mußte mit 
ben a bei einem Reichskriege erſcheinen. 
(S. Deutiches Heermwefen.) Auf dem Reis: 
tage zu Worms 1521 wurde die R. auf 4000 Reiter 
und 20000 Dann zu Fuß feſtgeſeht und im J. 1681 
auf 12000 Reiter und 28000 Dann zu Fuß er: 
böht. Später ge man das Reichsheer für 
einzelne Fälle auf das Doppelte, Dreifahe und 
zuletzt auf das 535 (armatura ad simplum, 
duplum, triplum u.ſ. w.). In die Deutſche Reichs⸗ 
verfaſſung vom 16. April 1871 iſt die Bezeichnung 
R. nicht aufgenommen. 
—— F an * un s S; 447 * 
e aukthaler, frühere Bezeihnung für 
den dänischen Rigädaler. 
Neihsbanner (deutiches), f. unter Banner. 
Reichsbaron, |. unter Baron. 
Reichsbeamte heißen diejenigen Beamten, die 
vom DeutihenKaiferangeftelltwerden und in einem 
Dienftverhältnis zum Kaiſer ald dem Vertreter des 
Reichs Stehen. Ihre Dienftverhältniffe find geregelt 
durch das Reichsgeſeß vom 31. März 1873. Tas: 
felbe ift aber anwendbar außerdem auf diejeni: 
gen Landesbeamten, welche den Anoronungen des 
Kaiſers Folge zu leiiten verpflichtet find, d. h. die 
Poſt⸗ und Telegraphenbeamten (außer in Bayern 
und Württemberg) und die Nilitärbeamten (außer 
in Bayern). Diefe Landesbeamten werden als 
«mittelbare Neihsbeamte» bezeihnet. Auf Ber: 
fonen de3 Soldatenftandes findet das erwähnte 
Geſeh keine Anwendung. Befugt, im Namen des 
Reichs Beamte anzuftellen, iſt nach Art. 18 der 
Reichsverfaſſung der Haijer; bei gewiflen Umtern 
at aber der Bundesrat ein Vorſchlagsrecht. Die 
litglieder der höhern Reichsbehörden, fowie dies 
jenigen R., welche nad) ihrer dienftlihen Stellung 
enjelben vorgehen oder gleihftehen, und die Non: 
fuln —— eine kaiſerl. Beitallung: dagegen 
werden die Anftellungsurtunden der übrigen R. im 
Namen des Kaifers vom Neichslanzler oder von 
den durch, denfelben ermächtigten Behörben erteilt, 
Die Ableiftung eines Dienſteides iſt er zur Ans 
ftellung im Reichsdienſt, wohl aber zur Übernahme 
eines Reichsamts erforderlih. Zur Beftellung 
einer laution find diejenigen R. verbunden, welchen 
die Berwaltung einer dem Reiche gehörigen Kaſſe 
oder eines Magazins oder die Aufbewahrung von 
Geld und geldwerten Gegenitänden obliegt. Der 
N. hat die Miicht zur Wahrnehmung des ihm über: 
tragenen Amtes, zur Treue und zum dienſtlichen 
Gehorjam und zu einem achtungswürdigen Ver: 
halten in und außer dem Amte. Zur Annahme 
von Geſchenken oder Belohnungen in Bezug auf 
das Amt bedarf der NR. der Genehmigung der 
Gouverjationd-Lerilon. 13. Hufl, XIIL 


577 


oberften Reichöbehörbe; zur Annahme von Titeln, 
Ehrenzeichen und Gefchenten von andern Regies 
rungen oder Negenten ber Genehmigung des 
Kaiſers. Der Betrieb eines Gewerbes iſt den R. 
im altiven ng Ser Ausnahme der Wabhltonfuln 
unterjagt. Die Verlegung ber Dienftpflicht ift ein 
Disciplinarvergehen; die mann ee 
teit über R. wird in erfter Inſtanz von Disciplinar: 
fammern, in zweiter und lehter Inſtanz von dem 
Disciplinarhof in Leipzig gehandhabt. nen 
Beitimmungen beftehen für die richterliden N. 
Der N. F Anſpruch auf Gehalt, der aus einem 
feſten Beſtandteil, der —— Beſoldung, und 
einem nach dem dienſtlichen Wohnſitz veränder: 
lichen, dem Wohnungsgeldzuſchuß beſteht. R., die 
einſtweilig in den Ruheſtand verſetßt find, erhalten 
als fog. Wartegeld drei Vierteile des Dienſt— 
einlommens, jedoch nidht weniger als 450 Mark 
und nicht mehr al3 9000 Mark jährlid. Die 
Penſion beträgt nad vollendetem 10, Dienft: 
jahre zwanzig Adhtzigftel, fteigt von da ab mit 
jedem Dienjtiahre um ein Achtzigitel des Dienit: 
einlommens bis zum Hödhitbetrage von drei Viertel 
desjelben. Die Witwen und Waifen —— das 
Gnadenquartal und außerdem aus der Reichslaſſe 
Witwen: und Waiſengelder, wofür den R. jährlich 
3 Bros. des Dienfteinlommens abgezogen werben. 
Über die vermögensrehtlihen Aniprühe der R. 
und ihrer Hinterbliebenen aus ihrem Dienftvers 
hältnis findet der Nechtämweg ftatt. Bol. Kann: 
gießer, «Das Recht der — Reichs beamten⸗ 
Berl. 1874); Laband, «Das Staatsrecht des Deut: 
hen Reid)» (Bd. 1, Freiburg i. Br. 1876). 
Reichsbehörden find diejenigen Behörden, die 
Geichäftedes Deutſchen Reichs führen undihre Auto: 
rität unmittelbar von ber Reichsgewalt ableiten. 
Die R. zerfallen mit Rüdjicht auf ihre jtaatörecht: 
liche —— in vier Klaſſen. Die erſte wird ge: 
bildet durch den Reichskanzler; er iſt nad) Art, 17 
der Reichsverfaſſung der einzige Beamte mit, jelb: 
ftändiger polit. Verantwortlichteit, der einzige 
«Ninijtere des Haifers im Sinne des Fonititutio: 
nellen Staatsrechts. Durch das Reichsgeſetz vom 
17. März 1878 it aber die Ernennung verantwort: 
licher Stellvertreter de3 Reichslanzlers für zuläflig 
ertlärt worden. Die zweite Klaſſe wird gebildet 
von den Verwaltungsbehörden,, welde nad) Maß— 
gabe der ihnen erteilten Jnftrultionen und dienit: 
lihen Anmweiiungen ihre Gefhäfte führen, für 
welche daher der Reichskanzler ſachlich verantwort: 
lid iſt. Die dritte Klaſſe bilden die rihterlichen 
N., für deren Entiheidungen ausſchließlich das 
eltende Recht maßgebend iſt, hinfichtlich deren da: 
“ die Berantwortlichleit des Reichslanzlers fi) 
nur darauf erjtredt, daß diefe Behörden im Stande 
find, ihre Funktionen in verfaffungsmäßiger Uns: 
abhängigkeit auszuüben. Zwiſchen den verwalten: 
den und Recht Ierehenben hörden gibt e3 endlich 
nod) eine Mittelitufe, die von einer Anzahl von 
Finanzbehörden gebildet wird, weldhe zwar unter 
der obern Leitung des Reichslanzlers jtehen, für 
einen gewiſſen Kreis von Geſchäften aber nad Art 
der rihterlihen Behörden — ſind. Über 
die einzelnen Neihsbehörben vgl. Deutſchland 
und Deutjhes Neih, Bd. V, ©. 226, 
Reichsdeputation hieß im alten Deutichen 
Reihe jeder von Kaiſer und Reich zur Erledi: 
gung gewiſſer Gefchäfte erwählte reichsſtändige 
Ausſchuß. Es waren teils innere, teild äußere 
87 


578 


gg er die man folden Kommifjionen 
Unter ben erſtern find die Viſitationen 
wei lammergerichts die bedeutendften geweien, 
deren legte 1776 erfolglos endigte; unter ven lehtern 
waren bie Neihsfriedensdeputationen von 
befonderer Bedeutung. Die berühmteite und zu: 
oleich letzte R. diefer Art war die infolge des Lund 
viller Friedens vom 9. Febr. 1801 unterm 24. Aug. 
1802 in Regensburg niedergejehte, welche die Ver: 
teilung der rang ao geiitlichen Länder und 
der Neihajtädte, überhaupt die ganze Entjchädi: 
gungsfrage 108 Übert ma * in hr 25. Febr. 1803 
vollende eihädeputationd: 
ba up j.d 
— nennt man 
den Rezeß ber Reichsdeputation vom 25. Febr. 
un womit diefe die im Lundviller Frieden feft: 
geitell —— BR luß brachte. Nach einem 
Neichstagäbe Sluh vom © .1801 war dieje außer: 
—— * ieden&deputationaus Nurmainz, 

So fen, Brandenburg, Pfalzbayern, 
50 und Deu chmeifter, Württemberg und Hellen: 
Kaſſel — = bradte unter ruf). und franz. 
Bermittelung ihr Wert x Stande. Der R. wurde 
24. März 1803 vom tage, und 27. April 
= unter einigen Borbe Iten auch vom Kaiſer 

igt. Die wichtigſten Umgeſtaltungen waren: 
Die tretung des linlen Nheinufers an —— 
die Entſchädigung der dort begüterten weltli 
Furſten teils —2 Salulariſation aller geiſtli 
Furſten und —— außer dem —* 
Erzlanzler, dem on und dem Johanniler⸗ 
orden, teils durch iatiſierung aller Freien 
Neichsftädte bis auf ſechs; die neue Territorial: 
verteilung, wobur reufen und Sannover in 
Norddeu land, Bayern, Württemberg, Baden 
u. ſ. w. in Süddeutichland i in ihren neuen Länder⸗ 
beitand gebradht wurden. Die Verfaffun hey alten 
Reichs erbielt dadurch ihren tödlichen Der 
Kaiſer verlor die weſentlichſten Stügen as Ein: 
fluſſes im Reiche; das geiftliche Fürftentum ver: 
ſchwand fait völlig; im Sturfürften: und Yürften: 
tollegium des Reichstags erbielt der Proteſtantis⸗ 
mus das fibergewicht; der Reichsadel büßte die 
Unterſtuhung ein, die er von den geiſtlichen Stif: 
tern bisher enofien. 

Neichsdörfer hiehen im ehemaligen Deutſchen 
Reiche Dörfer, die, mit VBorrechten aus alter Zeit | D 
begabt, feiner Landeshoheit unterworfen waren, 
fondern ummittelbar unter Kaiſer —* Reich ſtan⸗ 
den. Zwar gelangten fie nicht zur Vertretung auf 
dem Neihstage, aber fie hatten die gei eiftliche Ge: 
—— Die Oberaufſicht über Kirchen und 

Sale habe und niedere Gerichte, ſelbſtgewählte 

ultheiben und Richter, die in den kaiferl, Ur: 
funden als Obrigteiten bezeichnet wurben, und er: 
legten nur eine gewille Summe zu den Reichs⸗ 
ſteuern. Im 14. Jahrh. waren noch über 100 R. be: 
ſonders in Schwaben, Elſaß, —— Wetterau, 
MWeitfalen und Beulen * ve nachweisbar; 
aber ihre Zahl nahm —38 ufige verpfandun⸗ 
en und die wachſende Macht = größern Reiche: 
Mände ab. Zulest waren nur noch Alſchhauſen und 
die freien Leute auf der Leutlircher Heide in Dber: 
ſchwaben, wo es einit 39 R. gab, Holzhauſen, Alt: 
haufen, Got heim und Gennfeld in Sranten, 
Sulzbach 
übri 
ſchl = von 1303 gleidhfall3 mediatifiert wurden, 


Soden im Oberrheiniſchen Kreife das Recht in 
4 en durch den Reichödeputationshaupts | erteilen; 


Neihsdeputationshauptiglug — Reichsfürſten 


Reichsei 
—— 


Mei 
ſ. unter Marſchall. 


See Kane eines ei 80 


n und bereits 

breiteten Bereins, w 
freiwilliger Beiträge aller 
Cigarrenabſchnitte 
ten in ber Bulgä 
Fonds zu 
ze. von Henhäufe ern i 

Ungeregt wurde die Gründung 


—— Banden ur 

n Boten» 

. 1885 wei — 
wi in 5 Schande Kr — Nei 
oberfehtihule, * 5* — 
äujer errichtet und 


— 


wabach, die andere zu 
2. Mai (2. Pfin _ 180 Bas ee De 
waijenhaus e dern) 108 
1885 im * —* 400000 gen 
Meichs Dieſelben ſtehen mit 
namen De bet en ing ae aba in engem 
Seit oma be durch 257 
fund —* — —— —7— 
e — ngen Abgel biervon i 
—“* —— von der der 
Gliedſtaaten — = f 
Es einen —— Pe und 
Rei —— * von den Ein⸗ 
aaten und ihrem ganz — 
* ._ 0 ——— 
— erg eg Yan z 
— ——— — 
urch ein Nei 
folgung von dem R des Reichs - 


trolliert. (©. = Ag San und Deu 
©. 24 u 


Neid, Bd. V 
«Staatörecht des Deutichen Neichs» 8, Fre 
burg i. —— 2). 
al, i. unter Fistlal. 

feige, joviel wie Thro — alten 
— * 

riebenen Re 
D — en Sole und Dem Sei 

n 

untertban; Heihsfreibeit, foviel wie Neicheur: 
mittelbarteit. 

Neichöfürften biefen im Deutfchen Reiche feit 


dem 12. Zabrb. diejenigen —— ‚welde ein 
Reichsl ttelba und 
en a ——— 








oder einen König no | 
biichöfe ge höf 


die Inhaber der Herzo 
Marlgra —5 —— Gre 
dem 16. Jahrh. — X Tre 
nf Ep und ‚Sim | 

a und zwar 

vor 1580 —* gelangt find, de 


die anderndie neufü ERliden Zen 
—— dr 


Sabehurger m 17. Ja 17. a Bir ih dem $ 


Reichsgericht — Neihshofrat 


wurbe aber bie Zulaſſung der Fürſten zum Reichs- 

fürjtenrat von einem Beſchluß desjelben abhängig 
macht. Die nicht zugelajjenen wurden dann als 
itularreichsfürften bezeichnet. 

NReichögericht iſt die Vezeihnung des höchſten 
Gerichtshofs des Deutſchen Reichs, welcher na 
dent Gejes vom 11. April 1877 ſeinen Sitz in Leipzig 
— und am 1. Oft. 1879 an Stelle des Reichsober⸗ 

ndelögerichts (f. d.) ins Leben trat. Nach dem Ge: 
richtöverfaflungsgeiek vom 27. Yan. 1877, welches 
in $$. 125—141 vom R. handelt, wird das R. mit 
einem Präfidenten und der erforderlichen Anzahl 
von Senatepräfidenten und Räten bejeht. 
Bräfident, die Senatöpräfibenten und Räte werden 
auf Vorichlag des Bundesrats vom Kaiſer ernannt. 
Zum Mitglied des R. kann nur ernannt werben, 
wer die Fähigkeit zum Nichteramte in einem Bun: 
desſtaate erlangt und das fünfundbreißigfte Lebens: 
jahr vollendet hat. Bei dem R. werben Civil: und 

enate gebildet. Die Zahl derfelben beftimmt 
der Reichöfanzler. Die —— Narr Hilfgrichtern 
iſt unzuläflig. In bürgerlihen Rechtsftreitigleiten 
iit das R. zuftändig für Die Berhandlung und Ent: 
ſcheidung über die Nechtämittel: 1) der Nevifion 
gegen die Enburteile der Oberlandesgerichte; 2) der 
E —— gegen Entſcheidungen der Dberlandes: 
nerichte. Strafjahen ift das N. zuftändig: 
1) für die Unterfuhung und Entideidung in erfter 
und lekter Inſtanz in den Fällen des Hochverrats 
und des Landesverrats, injofern diefe Verbrechen 
gegen ben Slaifer oder das Reich gerichtet find; 2) für 
die Verhandlung und Entſcheĩdung über bie Rechts: 
mittel Nevifion gegen die Urteile der Straf: 
tammern in nz, infoweit nicht die Zu: 
ftändigfeit der Oberlandeagerichte begründet ift, und 
gegen die Urteile der Schwurgerichte. Die Senate 
des R. entiheiden in der Beſehung von fieben Mit: 
gliedern mit Einfluß des Borfipenden. Bon Mit: 
gliedern diefes Gerichtshofs werden herausgegeben : 
« Entfheidungen des R.» (in Eivilfahen und in 
Strafiahen, Lpz. 1880 fg.); von Mitgliedern der 
Reichsanwaltſchaft wird herausgegeben: «Recht: 
ſprechung de3 deutichen R. in Straffadhen » (Münd). 
1880 fa). Vol. ferner Bolze, «Die Praris des 
N. in Civilfachen» (Lpz. 1886 fg.). 

Neichögefeblatt, ſ. unter Reichsgeſehe. 

Rei etze. In dem alten Deutſchen Reiche 
wurben die R. von den Reichstagen beſchloſſen. 
Sowohl der Kaiſer (röm. Kaifer, deuticher König) 
als das Hurfürftenlollegium hatten das Recht der 
Bropofition. Yebe Bropofition wurde zuerft in dem 
Kurfüritenrat beraten, und gelangte mit deſſen 
Gutachten an den Reichsfürſtenrat, zulegt an das 
Kollegium ber Reicatäbte (j. Reihätn e). Zum 
R. aber wurde der Beſchluß der Reichsſtände erjt 
durch die faiferl. Konfirmation. 

Im jegigen Deutſchen Reiche werden die R. von 
dem Bundesrat und bem Reichsſstage gemeinfam 
beſchloſſen und von dem Kaiſer verlündet. Die 

ge gehen vom Bundesrat aus; aber auch 
der Reichſtag hat das Recht der Jnitiative. _Der 
Haifer hat als folder weber ein Recht der Sant: 
tion noch ein Veto, mit Ausnahme von Geſetzen 
über da3 Militärwefen und über erbrauchäfteuern, 
die nicht geändert werben bürfen, wenn der Slaifer 
—— * le, — 7 N. — 
enzeihnung eichslanzlers und forgt für 
den Vollzug. Die igung geichieht du 
das Reich sgeſehblatt. Die R. gehen den Landes 


ch Reichsgericht anerlannt wo 


579 


geieben vor. (S. Deutihland und Deutſches 
Neid.) Seit der Gründung de3 Norbdeutichen 
Bundes 1867 find_eine große Anzahl wichtiger 
Bundesgeſehe erlafjen worden, die bei der Grün: 
dung des Deutihen Neihs zu R. erllärt wurden; 


dh | ebenio war die Neichögejehsebung feit 1871 jehr 


fruchtbar. Die wichtigſten R. find: das Geſetz über 
die sreizügigleit vom 1.Nov. 1867, das Geſeß über 
die Berpflidhtung zum Kriegadienfte vom 9. Nov, 
1867, die Maß: und Gewidhtsordnung vom 17. Aug. 
1868, die Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 
(nebft Novellen), das Strafgefekbudy vom 31. Mai 
1870 (neue Nedactionen von 15. Mai 1871 und vom 
26. Fehr. 1876), das Gefek über den Unterftükungs: 
wohnfik vom 6. juni 1870, das Gefeß über das 
Poſtweſen vom 28. Dit. 1871, das Geſeß betreffend 
bie Ausprägung von Neihsgoldmünzen vom 4. Dez. 
1871, das Geſeß über den Ausſchluß des Ordens 
ber Geſellſchaft Jeſu von Gebiete des Deutfchen 
Reichs vom 4. Juli 1872, das Münzgefek vom 9. 
Juli 1873, das Jmpfgejeh vom 8. April 1874, das 
Neich3militärgefek vom 2. Mai 1874, das Ge eb 
über die Brefie vom 7. Mai 1874, das Gefek über 
die Beurkundung bed Berjonenitandes und die Che: 
ſchließung vom 6. Febr. 1875, das Banlgeſeß vom 
14. März 1875, die vier vorzugaweife fo genannten 
Neihsjuftizgeleke von 1877 (Gerichtäver: 
fafjungsgeieß vom 27. Jan., Civilprozekordnung 
vom 30. Jan., Strafprozehorbnung vom 1. Febr., 
Konfurdordnung von 10. Febr.), das Gejeh be: 
treffend den Wucher vom 24. Mai 1880, da3 Un: 
fallverfiherungsgejeg vom 6. Juli 1884 und die 
fog. Altiennovelle vom 18. Juli 1884. 

5 Neichögefundheitdamt, |. unter Geſund— 

eitsanıt, 

NReichsaraf, ſ. unter Graf, Bd. VII, S.266®, 

Neichöheiligtümer, zehn Reliquien, früher auf 
der Burg Karlſiein bei Brad, feit 1437 als Pfand 
nahNürnberg gebracht und bei den Reichskleinodien 
eine il di bentlihen Beiträge d 

ei „ die orbentlihen Beiträge der 
deutſchen — an Mannſchaft und Geld für 
das alte Deutſche Reich. 

Neichshofen, Stadt im Kreiſe Hagenau des 
elfaß-lotbring. Bezirls Unterelſaß, liegt an der 
Gifenbahnlinie Hagenau:Saargemünd, 43km nörd⸗ 
lid von Straßburg, hat Papierfabritation, bedeu— 
tende Eifenhütten, eine große Mafchinen: und Wag- 
gonfabrik, jehr bedeutende Holzichneidemühlen und 
zählt (1885) 3011 G. Die grangofen nennen die 
6. Aug. 1870 ftattgehabte Schlacht bei Wörth (f. d.) 
chen. Schlacht von R. 

NReichehofmarfchall, ſ. unter Marſchall. 

Reichshofrat, das direft dem Kaiſer unter: 
ftehende oberfte Gericht im frühern Deutſchen Reiche, 
welches mitdem Reichslammergericht lonturrierende 
Gerichtöbarkeit hatte. re war er nur ein 
Kollegium zur Beratung der Saden, die an ben 
Kaifer perfönlich famen. Da auch Juſtizſachen bei 
dem Hofe angenommen wurben, jo führten nament: 
li die evang. Stände feit 1502 gegen die Ent: 
—— derſelben durch den R. häufige Beſchwer⸗ 

n, erlangten aber nur, daß dieſes Kollegium eine 
beitimmte Verfaſſung befam, vorzüglich durch die 
Neichehofrat3: Ordnungen von 1559 und 1654, 
nadhdem ed im Weſtfäliſchen Frieden als zweites, 
dem Kammergericht ganz gleichitehendes oberſtes 
n war. Dasfelbe be: 
ftand aus einem Präfidenten, Bizepräfibenten und 

37* 


580 Reichs inſignien 


18 Näten. Alle wurden vom Kaiſer ernannt und 
bejoldet; wenigftens ein Teil davon follte aus dem 
Reihe genommen werden; auch mußten darunter 
ſechs evangeliihe fein. Tie Stimmen der evang. 
Neichshofräte konnten, wenn fie ſämtlich auf eine 
Meinung trafen, von den übrigen nicht überftimmt 
werben, ſodaß alſo auch hier eine fingierte Reli: 
—— eintrat. Die Räte teilten ſich in eine 

trafen: und Herrenbant und in eine gelehrte Bant, 
übrigens mit gleihen Reiten. Auch der von Kur: 
mainz ernannte Reich&vizelanzler hatte im R. Sit 
und Stimme nad dem Präfidenten. Der R. war 
nicht nur oberftes Reichsgericht, fondern auch einziges 
oberftes Regierungslollegium des Reichs, —* 
Lehnsſachen, Kriminalſachen über Unmittelbare und 
Reichsregierungsſachen allein an den R. — 
Die Appellationsprivilegien der Stände galten in 
Anfehung — auch bei dem R. Mit dem 
Tode eines Kaiſers hörte der R. auf und wurde 
vom neuenKaifer ganzneu beftellt. In der Zwiſchen⸗ 
Ps mußten die Rei j 

eitellen, welche mit dem Anfange der neuen laiſerl. 


Regierung aufhörten. Der R. hatte feinen Sih in 


der jedesmaligen trage br Kaifers, in den lebten | 


eiten alfo ji Wien. Dort befindet ſich aud das 
rchiv desſelben, welches erft 1740 von den öſterr. 
Hausfahen getrennt wurde. Ein Teil der Alten 
des R. iſt an die betreffenden deutichen Etaaten, 
auf deren Anſuchen, ausgeliefert worden, 
eichöinfignien, |. unter Infignien, 
Reichsjuſtizamt. Dasſelbe wurde zuerit 1875 
als (IV.) Abteilung des Reichslanzleramtes, feit 
1877 als felbftändige Centralverwaltungsbehörbe 
des Deutichen Heide in Berlin errichtet. Ihm 
liegt ob_die Vorbereitung der in das Gebiet der 
Rechtspflege einfhlagenden Geſehentwürfe, die ju: 
riſtiſche Prüfung und Begutachtung anderer Gefch: 
entwürfe, die Bearbeitung der Ausfübrungsbeftim: 
mungen Ir den Juſtizgeſehen und die überwachung 
der Ausführung der Reichsjuſtizgeſetze ſeitens der 
Ginzelftaaten. Von demjelben reflortieren das 
Reichsgericht und die Reihsanmwaltihaft. Bis zur 
Errichtung des Minifteriums für Elſaß Lothringen 
in Straßburg (1879) war aud) die pe amte Yultiz: 


verwaltung des Reichslandes dem N, unteritellt. 
Neichölufiggefene, j. unter Codififation 
und Reichsgeſeßtze. 


Reichöfammergericht, im ehemaligen Deut: 
ſchen Reihe neben dem Reichshofrat (}. d.) das 
höchſte Gericht, fam unter Kaiſer Marimilian I. 
1495 zu Stande. Seine Errihtung, durch welche 
das laiſerliche — — wurde, kennzeich⸗ 
net den wachſenden Anteil der Reichsſtände an der 
Ausübung der Reichsgewalt. Dasſelbe bejtand aus 
einem vom Kaiſer ernannten Kammerrichter fürftl. 
oder gräfl. Abkunft, zwei Präfidenten und einer 
bald geringem, bald größern Anzahl Beifiper, Tiefe 
waren nad) der Reformation teils fatholifch, teils 
evangeliich und wurden von den Reichsſtänden ge: 
wählt und befoldet. Sie waren ferner teil «der 
Recht gelert und gemwirdigt», teils aus der Ritter: 
haft. Tas NR. hatte feinen Siß in der erftern 
Zeit in verſchiedenen Reihsftädten, namentlich in 
Speier, jeit 1693 aber zu Wehlar. Dasfelbe follte 
«nad des Reichs und gemeinen Rechten und nad 
ehrbaren und redlihen Ordnungen und Statuten» 
entiheiden; übrigens verfuhr es nad den Reich: 
famnmtergerihtsordnungen, Es urteilte über alle 
Rechtsſachen der Neihsunmittelbaren und war zus 


vilarien Tilariatsbofgerichte | \ 
| Infolge eines Br vom 25. Yan, 1821 ward 


— Reistanzler 


leich höchſte Inftanz für die Reihsmittelbaren, 
* nur in A Aber aud war 
e3 durch die Privilegien de non a ando vers 
ſchiedener Neihsftände beſchränlt. en lonnte 
jeder Beſchwerden über verweigerte oder —— 
Nr i5 und wegen Nichtigkeit jelbft in 
ahen von den Landeägerichten an dieſes Reichs— 
gericht bringen. Die Nammergerihtsorbnungen 
von 1495, von 1548, promulgiert 1555, und von 
1613 find wichtig und maßgebend für die Entwide: 
* es —2 Civilproʒeſſes. 
eichskammergeri tBardie; Das Ardiv 

des Reichslammergerichts (. d.) ward zu 
in einem Gebäude aufbewahrt, defien Bau noch 

© MR * * eh ne f 
ellung rchivs nahm jedoch e nen g 
nah dem Aufhören des Deutſchen Sc, Sad 
dem ber Fürſt-Primas in der kurzen Zeit feiner 
Regierung einen Verſuch — zu ordnen, 
* nach der —— tſchen Bundes 
die Bundesverſammlung Werk in die Hand. 


nd. Die 


daß jedem deutichen Staate der ihm 
Teil Alten zugewiefen werden follte, 
Bundesbefchlnffe von 1845, 1846, 1847 ftellten die 
Grundjäge feit, nad welchen die inzwif 
gonnene Verteilung an die Archive der en 
deutichen Negierungen vorgenommen werben jollte. 
Die Berhältniffe von 1848 machten darin keine 
Underung. Auf Andringen der preuß. Regierung, 
welde das Gebäude geräumt wünſchte, warb 1850 
die Zahl der Arbeiter vermehrt und die Verteilung 
der Prozeßalten rüfti fortgefebt. — — 
dieſes Geichäfts erfolgte jodann 1853 die Auflöjung 
der Kommiffton. Die untrennbaren Teile bes Ars 
chivs verblieben in Wehlar unter preuß. Obhut. 
Eeit 1839 —— der Geſchichtsforſcher Paul Wigand 
der Archivlommiſſion vor, der auch ⸗Denlwurdig 
leiten, geſammelt aus dem Archiv des Reichslam⸗ 
mergerichts in Wehlar» (ent 1854) —— 
eichskammergüter, der zum Unterhalt des 
taiferl. de und andern Vebürfnifien des alten 
Deutichen Reichs beftimmte Ne nsfo 
Neichöfanzler war im ehemaligen 
| —* Fi — —— 
(Erzbiichof) von Mainz als Kur er 
wurde, In ftändiger Vertreter am faiferl. 


war der vom N. ernannte Reichsvizelanzler, 
\; d.) war. 


eine Archivlommiſſion beftellt, die Ordnung ber vor: 
bandenen Alten feitgeieht, und zugleich beftimmt, 
edene 


aud Mitglied des Reichshofrats 
Erzämter, Kanzler und Hurfürften.) 
Stumpf, «Die N,, vornehmlich des 10., 11. und 
12. Jabrh.» (3 Bde, Innsbr. 1865— 74). — Im 
neuen Deutihen Reiche ift der R. der e, vom 
Kaifer ernannte Repierungsbeamte, 

Art. 15 der Neichsverfaffung der Borfik im Bundes: 
rate und die Leitung der Geſchäfte zufteht; auch be: 
dürfen nad) Art. 17 der Neichöverfaflung die im 
Namen des Neihs vom Kaifer erlafienen 
nungen und Verfügungen zu ihrer ne der 
Gegenzeihnung des R, welcher dad Ver: 
antwortlichleit übernimmt. Der R, ift Pohkuifier 
einzige verfaflungsmäßig verantwortliche 
des Reichs; diefe Verantwortlichkeit i ‚da 
fein — ge er efeh ‚mir 
eine moralijche und politifche, nicht eine 

Der R. leitet die gefamte t, insbefondere 
die auswärtige Politik des Reichs, aber auch bie 


Neichskleinodien — Neichspoftmufeum 


Beziehungen desfelben zu ben Lanbesregierungen. 
Nach dem Gefeh, betreffend die Stellvertretung des 
R. vom 17. März 1878 kann auf Antrag des R. in 
rer der Behinderung desſelben vom Kaiſer ein 

tellvertreter allgemein _für den gejamten Um: 
fang der 4 und Dbliegenheiten des R. er: 
nannt, aud) lönnen für diejenigen einzelnen Amts: 
weige, die fich in der eigenen und unmittelbaren 
jerwaltung des Reichs befinden, die Borftände der 
dem R. untergeordneten oberjten Reichsbehörden 
mit der Stellvertretung im ganzen Umfange oder 
in einzelnen Teilen ihres Geidäftstreif es beauftragt 
werden. Doch ilt dem R. vorbehalten, jede Amts: 
handlung aud während der Dauer einer Stellver: 
tretung telbit vorzunehmen. Die Beitimmung des 


Art. 15 der Reihaverfafjung wird indes durch diefes | Bd. V 


Geſeß nicht berührt. Unter der unmittelbaren 
Leitung des R. jteht eine Behörde, welche für die 
dem N. obliegende Verwaltung und Beaufihtigung 
der durch die Reichsverfaſſung zu Gegenjtänden 
der Reihöverwaltung gewordenen Reichsangelegen⸗ 
beiten dur Präfidialerlaß vom 12, Aug. 1867 
als «Bundeslanzlerami» errichtet wurde, 1871—79 
den Namen Reihslanzleramt führte und feit 
1. an. 1880 Reihsamt des Innern heißt; der 
Chef diefer Behörde heißt Staatsfelretär de3 
nnern. (S. Deutihland und Deutſches 
eich und Neihsbehörden.) 

Im Rorddeutichen Bunde gelte derjelbe Beamte 
ben Titel «Bundestanzler»; als folder wurde dur 
Prälidialerlaß vom 14. Juli 1867 Graf Bismar 
ernannt, welder dann aud bei Gründung des 
Deutſchen Reichs die Würde als R. beibehielt. 

In ber ——— ⸗Ungariſchen Monarchie 
Park eine Zeit lang den Titel R. ber Borfigende 

es erg ig (Neih3:) Minifteriums, zu 
welchem 23, Juni 1867 Freiherr (fpäter Graf) von 
Beuſt ernannt wurde, Als derfelbe jedod 8. Nov. 
1871 von dieſer Stellung zurüdtrat, wurbe fein 
Nachfolger als Reihsminifter des Aufern, Graf 
Andrijiy, zwar gleichzeitig mit dem Präfidium im 
Reichsminiſterium betraut, ohne indes den Titel N. 
zu erhalten. Fürſt Metternich führte als öjterr. 
Premierminiſter den Titel « Staatölanzler», wie 
feinerzeit aud) in Preußen der Fürft Hardenbera. 

In Rubland ift R. fait ausſchließlich der Titel 
des Miniiters der auswärtigen Angelegenheiten, 

Neichskleinodien, f. unter Inſignien. 

Reichskollegien, |. Reidstage. 
Neichötont an f. unter Reichstage. 
Neichäfriegshäfen nennt man diejenigen deut: 
ſchen Häfen, weldye nit nur ald Sammelpuntte 
und Aufenthaltsort der nicht in auswärtigen Meeren 
.. Kriegsschiffe dienen, fondern wo leh: 
tere aud) gebaut, repariert und ausgerüftet wer: 
den, um Vegan r auf friedlihe Miffionen, wie genen 
den Feind auszulaufen. In den R. befinden ſich 
deshalb alle für dieſe Zwede nötigen Einrichtungen, 
wie Dod3, Hellinge, Werften u. f. w., und da eine 
Zeritörung derjelben durch den Feind von den be: 
denllichſten Folgen begleitet fein würde, find die N, 
durch beſonders ſtarke Befeftigungen (Torpedos) ge: 
ſichert, ſodaß wenigſtens von der Seeſeite ihre 
Eroberung oder ein Bombardement ſeitens feind— 
licher Flotten ausgeſchloſſen ſcheint. Deutſchland 
beſiht drei R., Wilhelmshaven, Kiel und Danzig. 
Don ihnen iſt eriterer der größte, Danzig der Heinjte, 
in dem wegen der geringen Wafjertiefe auch nur 
Heine Schiſſe gebaut werden können. 


581 


Reichskriegéſchatz, ſ. AN: 

Reichskriegsberfaſſung, ſ. Deutſchland 
und Deutſches Reich, Bd. V, ©. 223 fg. 

Reichslaud hieß früher alles zum Deutſchen 
Neid gebörige Gebiet; außer den eigentlichen deut: 
ſchen Ländern gehörte dazu auch Böhmen, Mähren 
und Schleſien. Seit neuejter Zeit werden dagegen 
die durch den Art. 1 des verjailler Präliminar: 
friedend vom 26. Febr. 1871 von Frankreich abge: 
tretenen und durch Öefep vom 9, Juni 1871 mit dem 
Deutſchen Neich vereinigten Gebiete Elſaß und Lo: 
thringen, in denen der Kaijer die Stantögewalt aus 
übt, als R. bezeichnet. (S. A ae 

Reichdmarine (Deutice Kriegs lotte), f. 
unter ae und Deutſches Reid, 
(osmatrifet, f. unter Natrilel, 
NReihömilitärgefe nennt man das für bad 
Deutihe Reid am 2. Mai 1874 in Ausführung des 
Artiteld 64 der Verfuflung des Deutſchen Reichs 
erlafiene Geſeßz, or durd) die Reichsgeſehe vom 
12. Febr. 1875 (Gejeg Über den Landſturm) und 
vom 15. Febr. 1875 (Kontrolle, fibungen und Dis: 
ciplinarbejtrafung der Perjonen des Beurlaubten: 
ftandes) ergänzt worben ift. Nach $. 71 der Schluß: 
beftimmungen bat der Kaiſer zu den Abjchnitten Il, 
IV und V — — zu erlaſſen, 
die am 28. Sept. 1875 ergangen find (Heerordnung 
und Wehrordnung). (S. Deutſches Heerweſen 
und Deutfhland und Deutſches Neid.) 

— ern bis 1879 der 
oberſte Gerichtshof für Handelsſachen im Deutfchen 
Neihe. Am 1. Dit. 1879, dem Tage des Inkraft— 
tretens des Gerichtsverfaſſungsgeſehes vom 27. Yan. 
1877, gingen bie bei dem R. anhängigen Sachen 
auf das Reichsgericht (ſ. d.) über. 

eich8ott, ſ. unter Ort (Münze). 

Neihöpanier, |. Banner. j 

Reichspartei (Deutſche), ſ. Freikonſer— 
vative Partei. 
rn audſchaft, j. unter Reichsſtädte. 
Neichöpfennigmeifter, im ehemaligen Deut: 
[chen Reich ein Beamter, weldyer die Reichsſteuern 
einzunehmen und zu verredjnen hatte. Seinen Na: 
men erhielt er daher, daß anfangs die Reichsſteuern 
unter ber Benennung des Gemeinen Pfennigs aus: 

ejhrieben wurden. Früher befand fi in jedem 
Rreite ein Neihspfennigeinnehmer; fpäter kamen 
fie aber ab. Nur für die ſog Kammerzieler oder 
die Suſtentationslaſſe des Reichslammergerichts 
erhielt ſich ein Reichspfennigeinnehmer als Kaſſen— 
beamter. S. 224”. 

Reichspoſt (Deutſche), ſ. unter Poſtweſen, 

Reichspoſtmuſeum iſt die Bezeichnung für 
eine im Centralpoſtgebäude (Neichspoſtamt) zu 
Berlin befindlide Sammlung von Abbildungen 
und Modellen älterer und neuerer Verkehrsmittel 
aller Zeiten und Völker, fowie von Zeichnungen 
und Modellen von neuen deutſchen Polt: und Tele: 
grapbengebäuden u. f. w. Der Grund dazu wurde 
Anfang 1874 mit ng) einer * an: und 
Modelllammer gelegt, in welche die ſeitens der 
Neihspoftverwaltung im %. 1873 auf der Wiener 
Meltausftellung ausgeftellt geweſenen Modelle von 
Perfonen: und Güterpoftwagen, Bahnpoitwagen, 
Brieffaften, Feldpoftgeräten und andern ted)- 
niichen Hilfsmitteln, ferner die amtlichen Kurs: 
tarten,, Bläne u. f. w., fowie die große Poſtwert— 
zeichenſammlung des vormaligen Generalpoſtamts 


582 


Aufnahme fanden. Im Laufe des 3. 1874 wurbe 
die —— nach Vollendung des neuen Central: 
po bãudes dorthin gebradyt und dann allmählid) 
hlreiche Erwerbungen und Schentungen zu 

nem Bof: und Telegraphenmuſeum ermeis 

tert, befien Zwed dahin geht, durch Zufammentra- 
gung und ſyſtematiſche Anordnung eines möglichft 
veihhaltigen kulturgeſchichtlichen Materials aus 
allen Zeiten die Übernicht Über die gefamte Entwide: 
lung des Verlehrsweſens mu erleichtern und ben Be: 
nn ber Reichspoſt· und 
eh ee ren Studien ein umfafiendes Hilfsmittel für 
den und bie Fortbildung ber Verkehrsein— 


Telegrapbenvermwaltung | der erften Hälfte des 14. Jahrh. 


Reichsrat — Reichsſtände 


unter dem Reiche Ranben und Sis und 
auf dem Reichsſstage hatten. Die . 
die Reihöunmittelbarleit ff. d.) teils a 
taufung von ihren Ar durch faijerl. 
Verleihung, teils durch 
eiten des Interregnums, wo a F— he ber 
ehenden Landeshoheit der Beten, me 
eg ober EL losmadıten. Dei 3 
ter ihnen fruhern Zeiten r te 
befonders ich im 
von ibn — 

lichen _— völlig frei machten, obme in bie Bei 
zum König oder feinen Beamten 


schung * —— Das Muſeum umſaßt 26 ver: | und die Rechte der öfjentlichen — die Be⸗ 
edene Abtei 


ilungen. 
Reichẽrat ift in Oſterreich⸗ Ungarn die 


ng für die parlamentarijche —— 
thaniend: in Ba ern für die erite nl 
Landtags; in Rußland für die be Behörde der 


Staatöverwaltun En: 
Reichörayontommifflon,f. unter Feſtungs⸗ 
Neichörezehi, |. Reichsabſchied. 
rg ang bieß fo 

ſchiedenen Kreiſen Deutſchlands 

feinem Grundbeſitz feinem Fürften, fon 

Kaifer und dem Reihe unmittelbar 


— | 54 
Adel, Die. hatte, zu 


mal in ben Gebieten, wo 


A der alten Nati 
— elle eben | 


ihre Unmittelbartfeit —— übte auf ihrem Ge: 
biete über ihre Untertbanen die berfömmlichen Re: 


gierungsrechte und erfreute ſich gegen Entrichtung 
Yeiteue Oaritatin Eu 


t unanfebnliden 
Aubfidie n) ae 


ritter nahmen nicht an den eiheta er — ge⸗ 
noſſen aber die übrigen R . —— er Reiche: 
itände, E3 waren ilien, a 


uleht 
zu — — 5000 en und 200000 €, be: 
taken. Ber dem S us deö Raifers war eB be: 
fonderd i ie übgebildete Aſſociation, bie fie 
[ame itter ftellten eine gefamte Körper— 
bar, die ſich in * Schwabiſchen, Fräntifchen 
und Röelnihen Areis ſchied jeder wieder 
ſich in eine Anzahl gauartiger Unterabteilun — 
(Nantone) teilte. Durch dieſe Berbi und 
lidarität gelang es, die von allen 
dringende (andesftirkl. Gewalt bie bergebradhten 
Gerechtjame und faiferl. Brivilegien zu fchüßen. 
Dod war jhon im 18. Jahrh. ihr Verfall unver: 
tennbar, der durch die neuen Staatenbildungen ge: 
fördert wurde. Die Sranzöfiihe —— er⸗ 
ſchutterte zunächſt auf dem linken —— den 
bisherigen gegen der R., und durch den Lund: 
g n Neidsdeputatio na 


viller Frieden und de haupt: 
ſchluß (1808) ward feine ganze Stellung gefährdet. 
der Heiklich hen Staaten nahm 


Die Sälularifierun 
—X Pfrunden, welche fie bisher 


der latholiſchen R. 

genoſſen hatte. Dann eröffneten Ben arö Reichs: 
jürften feit 1808 und 1804, troß daiſerl. Ab bmah⸗ 
a se e- förntlichen Heinen Krieg gegen bie 


dent fie zum Teil ſchon erlegen war, als bie 


u 
N) —S ihre Selbſtändigleit vollends auf: | 


und fie unter die landesfüritl. Hoheit ftellte. 
gl. ung von Echredenftein, « Gejchichte ber ehe: 
maligen 
— Tub. 1859). 
ſchluß, ſ. unter Reichstage. 
ko biegen im alten Deutidyen Reiche 


im allgemeinen die Städte, welde unmittelbar | 


cien N. in Schwaben, Sranten und am | 


| fteuerung für ug e und Heerfahrt, Grafi 
' rechte, Heerbann ſatzungsrecht, meilt 
richtsbarteit, „befaben. Die R. 
waren dem Reiche mehr verpflichtet; als er 
bomänen der Berpfändung unterworien, 
fie häufig dieſem gefürchteten 2 Loje unterworfen und 
gerieten damit dauernd in Xerrito 


um 


' Weltfälifchen Frieden wurbe den gg 


der in den ver⸗ 
dem —— 








unmittelbaren Städten 2 Sreiheit, jowie 5 
und —— - und Streistagen be: 
Berfaflung der R. war höchſt verichie: 
n, mehr demolratiſch oder mehr ariitofratiich, ie 
fie ihre Magütrate allein aus den 
ober aus diejen ımb den Batri ober 
tern wãhl 


air 


mut 
des Preßburger Friedens verlor am 4. 


Augsburg, und infolge der Errichtung des Abe 
bundes, 12. Juli 1806, auch Frantfurt und 

berg bie Reihsunmittelbarleit, m Am — "ai 
wurden endlich —— 

welche [re der Genfehähte fort: 


unter 
beitanden hatten, ihrer Eelbitändigfeit burd Rapo- 


: | leon beraubt. Nach den deutſchen u 


wurden Lübel, Frankfurt a. M., 
18 Sreie 


mbung a Städte (f. b.) 
und in ben Gen Bund 8. Sul 1815 
nommen. e bed Kriegs von 1366 
ward dem ib Preußen einver: 
leibt (3, Dt, 1866) die drei Hanf 
als fi e kleben Rorddeutichen 
a kan 6) beitraten. —58 Hüllmann, "Städte 
weien des Bonn 1826— 29); 
Arno, ee tn der deutichen Frei: 


ttädte» (2 Bde., Gotha 1854); derſelbe — 
8 te des Eigentums in ben beutichen Städten» 

aj. 1861); Schmoller, « Strafburgs Blüte und 
By wirtfhaftlice Hevolution. im 13. Jahrh.⸗ 
'(Straßb. 1875); Brülde, ng der 
Reichsſtaudſchaft der Stäbtes (Hamb. 1881); 


9. Keuſſen, «Die polit. Stellung der R. mit befon: 


derer Berüdfichtigung ihrer Reichsſtandſchaft unter 
— — 6 ——— 1885). 

ei äude hießen in vormaligen Deut: 
ſchen Reiche die unmittelbaren Glieder des Reichs, 
die auf den Reichstagen Sig und Stimme hatten. 
Sie waren entweder geiftlihe, zu denen bie geiſt⸗ 


Reichsſtifte — Reichstage 


lichen Rurfürften, bie iichöfe und Bifchöfe, eine 
Anzahl Prälaten, Abte, Abtiffinnen, der Hoc: und 
Deutichmeilter und ber Johannitermeifter gerechnet 
wurden, ober weltlide: die weltlichen Kurfürkten, 
Herzöge, Fürften, Landgrafen, Marlgrafen, Burg- 
raren und eine Anzahl Grafen und jogar einige 
Freiherren, weldje in dem mn ber Fürſten 
und Herren ſaßen, endlich die Reichsſtädte. Die 
vornehmiten R. waren die drei geiltlichen und bie 
übrigen weltlihen Kurfürjten. Zur Erlangung 
ber Reichsſtandſchaft war der Bejis eines reiche: 
unmittelbaren Fürftentums, einer dergleichen Graf: 
t, die Cimmwilligung bes Kaiſers, bie 
Zujtimmung des betreffenden Kollegiums erforder: 
lid. (S. Reichstage.) , 

Neichöftifte, ſJ. unter Stift. 

Rei e, |. unter Banner. 

Reihöfynode, . unter Konzil. 

Neichftadt, Städtchen im nörbl. Zeile von 
Böhmen in der Bezirlshauptmannſchaft Bohmiſch⸗ 
Leipa, am Zwittebach, der durch die —3 zur 
Ebe fließt, Station der Lolalbahn Böhmiſch⸗Leipa⸗ 
Bere zählt 2** 8 —— 
reichſtadt iſt eine dem kaiſerl. Familienfon i 
Buderfabrit, Das Schloß wurde nad dem Brande 
von 1573 im feiner jekigen Form bergeftellt, 1683 
durch den Zulius Heinrid von Sachſen⸗ 
Lauenburg erweitert und prachtvoll u 
R. mit den damit vereinigten Herrſchaften 
ter an bie Aurfürften von Bayern und nad) 
zwiſchen Öfterreich und Bayern geſchloſſenen Staats: 
vertrag vom 2. Sept. 1805 an den Erzherzog er: 
binand, Kurfürften von Salzburg und en 
Großherzog von Toscana. Die Wiener Kongreb- 
Alte vom 9. Juni 1815 ftellte den Befik von N. und 
den übrigen toscan, Gütern in Böhmen mit Aırı 
ee ber Herrſchaft Schladenwerth, für den Full, 

das Herzogtum Lucca an Toscana fallen follte, 
bem Kaiſer von Öfterreich in Ausſicht, und diefer, 
dran; L, beftimmte 16, März 1819 den Güterlom: 
pler Sohne feiner Tochter, Marie Luife, und 
de3 Raifers Napoleon, dem Prinzen Franz Joſeph 
Karl, dem der Titel eines Herzogs von R. verliehen 
wurde. Jener Hall trat mit dem Tode der Her: 
Be von Parma (Marie Luije) 18. Dez. 1847 ein. 

aber ber Herzog von R. ſchon 2. Juli 
ftorben war, fo hatte er den Befik der Herrihaften 
nicht angetreten. Mit dem Tode Kaiſer Ferdi— 
nands I. en fie in den Privatbeſiß des Kaiſers 
Franz Joſeph I. über. Im Schloß zu R. fand 
8. * 1876 eine Zuſammenlunft der Kaiſer von 
Rußland und Hfterreich ſtatt. 

Neichftadt (Napoleon Franz Joſeph Karl, Her: 
zog von), der einzige Sohn des Kaiferd Napoleon I. 
aus ber Che mit Marie Luife von Oſterreich, 
20. März 1811 zu Paris im Schloß der Tuilerien 
geboren und 9. Juni getauft, empfing bei feiner 
Geburt den Titel cines Königs von Nom. Zur 
Erzieherin erhielt er die Gräfin Montesquiow. Als 
Marie Luife bei Annäherung der verbündeten 
Heere 1. April 1814 —— verließ, wurde auch das 
daiſerl. Kind nad) Blois geführt. Vergebens ver: 
juchte Napoleon, ehe er die unbebingte Entſagungs⸗ 
alte zu Fontainebleau unterzeichnete, feinem Sohne 
die Ihronfolge zu fihern. Während der geſtürzte 
Kaifer nach Elba ging, führte man feinen Sohn 
mit der Mutter nah dem Schloß Schönbrunn bei 
Wien. Marie Luiſe erhielt durch den Bertrag von 
Sontainebleau 1814 das Herzogtum Parma, mit 


t 


583 


bem Rechte, basfelbe am ihren Sohn zu vererben. 
Als Napoleon von Elba zurüdtehrte, forderte er 
feine Familie vom Haifer Franz zurüd. Weil man 
dieſer Forderung nicht nadılamı , entwarf der Sohn 
der Gräfin Montesquiou einen Ban, nad welchem 
der junge Napoleon 19. März 1815 aus dem 
Schloſſe zu Schönbrunn nad Frankreich zur on 
werden follte. Aurz vor der X rung entdedte 
man das Unternehmen, und der Prinz; wurde nun 
in bie Hofburg a und unter bie 
Ki 


Aufficht von Serien iedoch erhielt Marie 
Luife 29. Mai 1815 nd — Nach der 
Niederlage bei Waterloo danlte ** un⸗ 
ſeines Sohnes ab, den er zugleich als Kaiſer 
apoleon II. proflamierte (22. Juni 1815), freilich 
ohne jeden Erfolg. Als Marie Luife im Frühjahr 
1816 nad Barma blieb ihr Sohn in Wien un: 
ter der Obhut feines Örofvaters, des Kaifers Fra 
der ihm die Erziehung eines öfterr. Prinzen gab, 
Infolge eines zu Baris 1817 geichlofienen Vertrags 
ber verbündeten Mächte verlor ber Prinz fein Erb: 
Dagegen wurde ihm von bem 
{ für den Todesfalldes Großherzogs Fer: 
binand III. von Toscana für die Herrſchaft Neid: 
ftadt in Böhmen zugeſichert. Zugleich verlieh ihm 
der Kaiſer den Rang unmittelbar nad) den Brinzen 
des öfterr. Haufes, das Präbdilat Zusmen und 
ein eigened Wappen (22. Juli 1818 tiend« 
wert it, daß er im öfterr. Staatäfalender a“ ben 
Vornamen Napoleon aufgeführt warb. t bem 
12. Geburtstage erhielt er ein ichöpatent, 
1828 wurde er Hauptmann, 1830 Major; 1831 er⸗ 
bielt er als Oberitlientenant ein Bataillon im Re: 
giment Gyulai. Der junge Rapoleon kannte dad 
tragische Schidfal feines Pater, wibmete bem: 
felben eine leidenſchaftliche Verehrung und brannte 
vor Sehniuht, eine rubmvolle Bahn zu betreten; 
wie er denn beſonders militäriiche Studien mit un: 
ermüdlichem Gifer betrieb. Im April 1832 zeigten 
ſich bei dem Prinzen die erften Spuren ber Zungen: 
ſchwindſucht, die fo reibende Fortichritte machte, 
daß feine Mutter laum Zeit behielt, herbeizuei 
Er jtarb in ihren Armen 22. Juli 1832 zu Schön: 
brunn, in demielben Zimmer, in welchem fein Ba: 
ter 1809 jene bentwürdigen Dekrete erließ, die das 
Schickſal Oſterreichs und des Kirchenſtaats betrafen. 
a" der faijerl. Gruft zu Wien wurde er beigefebt. 
ad) der Thronbefteigung Kaiſer Napoleons UI. 
wurde der Herzog von R. ald Napoleon II. unter 
den franz. Souveränen mitgezählt. Vgl. außer 
den Schriften von Montbel (Bar. 1833), Lecomte 
(1842), Guy ee und Saint: Felir (1856) noch 
Graf von Proleih:Diten, « Mein Verhältnis zum 
Herzog von N.» (aus feinem Nachlaß herausges 
geben, Stuttg. 1878), i 
Reichstag (Deutiher), in dem heutigen 
Deutichen Reiche der Namıe der gemeinfamen Res 
präjentation de3 deutfchen Volls in der Reichsver⸗ 
jammlung. (S. Deutfhland und Deutſches 
Reich, Bd. V, S. 226.) — 
In der Oſterreichiſch Ungariſchen Monarchie heißt 
die Vertretung Transleithaniens ebenfalls Neid: 
tag, die Gisleithaniend dagegen Neihsrat. 
eichötage hießen im alten Deutj ride 
die Berjammlungen der Reichsſtände (f. d.). Diefe 
hatten, nad) den Reichegrundgeſeten und dem Her: 
lommen, als Reihsförper mit dem Kaiſer die ne: 
meinjchaftlihe Ausübung aller Hoheitsrechte, die 
nicht an die Landesherren übergegangen waren und 


584 
mit Ausſchluß ber kaiſerl. Reſervate. Alle von der 


Entſcheidung des Kaiſers und des Reichs abhängen: | jchl 


ben Angelegenheiten lonnten nur auf dem R. ver: 
bandelt werden, der ſeit 1663 beftändig zu Regends 
burg verfammelt war. Früher erſchien der Kaiſer 
perjönlich auf den R., in fpätern Zeiten ließ er ſich 
durch jeinen Prinzipaltommiflarius, ber ein Reichs⸗ 
ürft war und einen ſtaatsrechtslundigen tommif: 
arius zur Seite hatte, vertreten, Slurmainz, als 
Neichserztanzler in Deutichland, war Direktor der 
Reichsverſammlung. Die reiheftändiichen Ge: 
—8 überreichten ihre Beglaubigungsſchreiben 
owohl dem Prinzipalkommiſſarius als dem Kur— 
fürſten von Mainz, bei welchem letztern ſich auch 
die auswärtigen Geſandten legitimierten. In Abs 
weſenheit des Reichserzlkanzlers vertrat ihn fein 
Direktorialgefandter. Alles an ben R. Gerichtete 
ging an den Kurfürſten von Mainz und wurde von 
er mainziichen Kanzlei den übrigen Kanzlijten in 
die Feder diftiert, jpäter gewöhnlich gedrudt ver: 
teilt, was die Diktatur hieß. Die Verhandlungen 
gefhaben in drei Stollegien, nämlich: 1) in dem 

urfürftenfollegium, wo Slurmainz die Stimmen 
fammelte und die lg, = an Sachſen abgab; 2) in 
dem fürjtl. Kollegium (Reihsfürftenrat), wel: 
ches fi in die weltlihe und die geiftlihe Bant 
teilte, während der prot. Biſchof von Lübed und 
der von Dänabrüd, wenn er alternierend proteftan: 
tiih war, auf einer Querbant ſaßen. Die Reichs— 
grafen hatten in diefem Kollegium keine Birilftim: 
men, fondern waren in bie wetterauijche, ſchwäb., 
fränf, und weitfäl. Grafenbant, von welden jede 
nur eine Stimme (votum curiatum) hatte, geteilt. 
So aud die Reihsprälaten oder Übte Bröpfte und 
übtilfinnen, die ſich in die [hwäb. und rhein. Bant 
teilten und zufammen nur zwei Stimmen hatten. 
Das Direktorium in dem Fürftentollegium führten 
abwechſelnd der Erzbiſchof von Salzburg und ber 
Erzherzog von Oſterreich; 3) in dem reichsſtädtiſchen 
Kollegium, welches ſich in die rhein. und ſchwäb. 
Bank teilte. Die Reichsſtadt, wo der R. gehalten 
wurde, hatte das Direktorium und jede Reichsſtadt 
eine Stimme auf dem R. 

Regelmäßig entichied die Stimmenmehrheit, nicht 
aber in Religions: und folden Sachen, welche Rechie 
ber einzelnen Reichsſtände betrafen. (S. Corpus 
catholicorum.) Jedes der brei reichsftändi: 
ſchen Kollegien faßte feine Beſchlüſſe befonders, 
Hierauf ſuchte man durd) Relation und Korrelation 
die Beſchlüſſe der Hollegien in Übereinftimmung zu 
bringen, und wenn dies nefchehen, wurde der fo zu 
Stande gebrachte VBeihluß dem Kaiſer als Reiche: 
gutachten (conclusum imperii) übergeben. Erhielt 
er durch ein laiſerl. Natifilationd: oder Beftätigungs: 
defret Gejepesfraft, jo hieß er Reichsſchluß oder 
Reihstonklufum. Den Begriff ſämtlicher Be: 
ſchluſſe eines N. nannte man Neihsabfchied (f. d.) 
oder Reichsrezeß. Der Kaiſer konnte die Rati— 

fation ganz oder teilweife verfagen, aber an dem 

nhalt nichts ändern, auch die fehlende Zuftim: 
mung eine3 ber drei Kollegien nicht ergänzen, Nach 
erfolgter Unterſchrift der Reichsbeſchlüſſe wurden 
diefelben befannt gemacht und den Reichsgerichten 
ur Cinregiftrierung und Nachachtung mitgeteilt. 
Manche ————— wurden auch durch or— 
dentliche oder außerordentliche Reichsdeputationen 
N d.) beforgt. Die Neihsverfammlung hatte das 

echt, Geſehe zu geben, aufzuheben und auszulegen, 
Krieg und Frieden zu beſchlieben, Gefandte anzu: 


Neihsthaler — Reichsvikarien 


nehmen und zu ſchicen, Bünbniffe und Verträge zu 
ießen u. |. w. In Nücficht der zu unternehmen: 
den Neichäfriege, worüber bie Berati ng durch 
ein fkaiferl. Kommiſſionsdeltet vorgeichlagen wer: 
den mußte, entſchied Mehrheit der Stimmen; aud 
die Stände, welde in einen rg Reiche: 
trieg nicht — mußten nach Maßgabe der 
Reichsmatrileln ihre Kontingente ſtellen. 
Reichsthaler, ſ. Rigsdaler, Riksdaler 
und Thaler. 
Reichsunmittelbarkeit. Mit dieſem Namen 
bezeichnete man im alten Deutſchen Reiche die 
Qualität, derjenigen Befigungen und Perſonen, 
welche leiner landesherrliden Gewalt, fondern nur 
dem Reiche felbft, wie man es nannte, ohne Mittel 
unterworfen waren. Außer ben eigentlichen Reichs: 
ftänden (f. d.), welche volle Landeshoheit beſaßen, 
erfreuten Pi noch der R. eine Menge nröberer und 
Heinerer Herrſchaften, Stifter und Kloͤſter; ferner 
bie Güter der Reichsritterſchaft (f. d.), ſowie die 
Neichadörfer (f. d.). Es gehörten weiter dahin ber 
hohe Adel, die regierenden fürftl. und gräfl. Häufer 
(aber nicht die landſäſſigen Familien, welche nur 
ben Titel der Fürften und Grafen vom Reiche hat: 
ten), die Beſiher reihdunmittelbarer Güter und die 
Beamten bed Reichs, beſonders die Mitglieder der 
—— erichte. Die R. gewährte einen privi⸗ 
egierten Gerichtsſtand. Die Auflöſung des alten 
Deutſchen Reichs machte auch der N. ein Ende. 
Neihöverfafiung (Deutiche), f. u. Deutſch— 
land und Deutſches Reid Bo, Vv‚8.22*, 
NReichöverfiherungdamt bei t die am 14. Juli 
1884 in Thatigleit getretene deutſche Reichsbehörde, 
welcher die Durchführung bes mit 1. Dit. 1885 in 
Kraft getretenen Unfallverfiherungsgefebes vom 
6. Juli 1884 und die Beauffichtigung der auf 
Grund besfelben gebildeten Berufsgenoflenfchaften 
übertragen iſt. Es Dt zum Refiort des Neid: 
amts des Innern, deſſen gefhhäftlicher Aufficht es 
unterjteht. Das R, bat feinen Siß in Berlin. Es 
bejtebt aus mindeftens drei ftändigen Mitgliedern, 
———— Vorſihenden, und aus acht nicht⸗ 
ftändigen Mitgliedern. Die ſtändigen Mitglieder 
werben auf Vorfchlag des Bundesrats vom Kaiſer 
auf Lebengzeit ernannt. Von den nichtitändigen 
Mitgliedern werben vier vom Bundesrat aus I 
ner Mitte und je zwei von ben Vorſtänden ber 
Berufsgenofjenfchaften und ben Vertretern der Ar: 
beiter — ihre Amtsdauer iſt vier Jahre. 
Das R. gibt «Amtliche Nachrichten des Neichs— 
verſicherungsamts » (Berl. 1885 fo.) heraus. (S. 
— .) 
eichöverivefer, f NReihsvilarien. 
Neichövifarien oder Reihsvermwejer (Vi- 
carii oder Provisores imperii) wurden im Deut: 
ichen Reihe beftellt, wenn der Kaifer ſtarb und noch 
tein Nachfolger desſelben als röm, König ermählt 
war, ber bie * ſofort übernahm; ferner 
wenn der Kaiſer auf längere Zeit ſich aus dem 
Reiche entfernte, während der Minderjährigleit des 
Kaiſers und im Falle, daß derſelbe durch Krankheit 
zur, Negierung unfähig wurde. Die Vilariats— 
regierung endigte mit bem Augenblide, wo der 
neue Haifer die Wahltapitulation befhworen hatte. 
Anfangs war die Ernennung der R. meilt dem 
Kaiſer überlaflen; allein ſchon in der Goldenen 
Bulle von 1356 wird es als altes Herkommen ans 
erlannt, daß der Herzog von Sachſen in den Lan: 
den fühl. Necht3 und der Pfalzgraf bei Rhein in 


Neihtum — Neid 


den ſchwãb., rhein. und fränk. Landen das Reich s— 
verweſeramt von Rechts wegen zu führen habe, 
Die rn ——— des Reichs, 
die Reichstagsgeſchäfte und die Rechtspflege am 
Kammergericht wurden von beiden gemeinſchaftlich 
beforgt; im übrigen handelte jeder in feinem Pi: 
tariatsjprengel ganz felbitändig. Gewiſſe Rechte 
des Kaiſers konnten aber die N, nicht ausüben. 
Als 1848 die Deutihe Nationalverfammlung zu 
Franlfurt die Broviforiihe Gentralgemwalt errichtete, 
welche bis zur Begründung einer Berfafiung Deutſch⸗ 
land3 die —— Gewalt ausüben ſollte, ſtellte 
man an die Spike derſelben einen Reichsverweſer, 
der 29. juni in der Perjon des Erzherzogs Johann 
ewäblt wurde, aber 1. Jan, 1850 einer provijori: 
hen Bundesfommiffion wieder Plaß machte, , 

Reichtum, im privatwirtidaftlihen Sinne, 
nennt man ein großes Vermögen, defien Cintünfte 
feinem Befiger geftatten, auch Luxusbedürfniſſe in 
ausgedehntem Maße zu befrie igen oder aber jähr: 
lih eine beträchtliche Summe überjufparen und 
al3 neue produktive Kapitalanlage zu verwenden. 
Im lestern Falle fommt der N. des einzelnen auch 
der Boltswirtichaft im ganzen zu ftatten, während 
dies ſehr zweifelhaft ift, wenn die Neichen die Ha: 

italanfanımlung außer Acht lafien und ihr, Gin: 
ommen in einem üppigen und verfchwenderifchen 
Leben verzehren. Sehr großer N. in den Händen 
weniger und daneben eine dürftige Maſſe ijt immer 
ein bedenkliher voltswirtihaftliher Zuitand, und 
wenn in einem —— auch durchſchnittlich auf 
den Kopf der ganzen Bevölkerung die gleiche Gin: 
near fommt, wie in einem andern Lande 
mit gleihmäßigerer Bermögensverteilung, fo wäre 
die Yage des lehtern doch als eine weit befriedigen: 
dere zu betrachten. Daher kann aud) der Natio: 
A ehe eines Volt3 nicht einfach nach der 
Summe der in demfelben vorhandenen Cinzelver: 
mögen beurteilt werden, fondern es ijt auch auf die 
Art der Verteilung Rüdfiht zu nehmen, Die ob: 
jeftiven Glemente des Nationalreihtums * der 
vorhandene Beſtand an unmittelbaren Gebrauchs— 
und Verbrauchsgütern und an natürlichen und 
tünjtlihen Brodultionsmitteln in Verbindung mit 
der mehr oder weniger leiltungsfäbigen und aus: 
gebildeten Arbeitskraft der Bevöllerung. 

Reid — engl. Romanſchriftſteller, geb. 
1818 im nördl. Irland, ging 1838 nad) Neuorleans 
und von dort zu ben ndianern, deren Jagd: und 
Kriegszüge am Miffouri und bis zu den Felſen— 
—— bin er fünf Jahre lang mitmachte. Beim 

usbruch des merif, Kriegs trat er 1846 in bie 
amerif, Armee und zeichnete ſich mehrfach aus, fo: 
daß er zum Hauptmann befördert wurde. Nach 
dem Frieden brachte er in Neuyorl ein he 
— welches den Ungarn in ihrem Freiheils— 
ampfe beiitehen jollte, erhielt jedoch bei feiner An: 
funft in Paris die Kunde von der volljtändigen 
Unterdrüdung der Nevolution. R. ging bierauf 
nad London, wo er die Romane «’Ihe rifle 
rangers» (1849) und «Scalp-hunters » (1850) ber: 
ausgab, in welchen er das romantijche Leben in den 
Wäldern und Prärien des Weſtens fchildert. Yon 
dem Beifall ermutigt, welchen diefe Bücher fanden, 
> er eine Reihe Grzählungen ähnlichen Inhalte 
folgen, von denen «The Quadroon » (1856), «Vic- 
cola» (1858) und die teranische Legende «The head- 
less horseman » (1866), «The child wife» (1868), 
«The Castaway» (1870), «The finger of fate» 


585 


(1872), «The death shot» (1873) u. ſ. m. zu ers 
wähnen find. Sehr beliebt machte er ſich auch als 
yugenbf riftjteller durch« The boy hunters» (1852), 
«The young voyageurs» (1853), «The young ja- 
gers» (1855), «Odd people» (1860), «Ran away to 
sea» (1861). Gr ftarb 22. Dft. 1883. 
Heid (Thomas), ſchott. P neo, geb. zu Stras 
dan in Kincardinefhire 26, April 1710, Nhudierte 
Theologie und wurde zuerit Piarrer zu New: Ma: 
har in Aberdeenſhire. Er kam 1752 al3 Profejior 
der Moralphilofophie an das King's-College zu 
Aberdeen und 1763 nad) Glasgow. Er jtarb 7. Dtt. 
1796. R. war einer der Hauptaegner von Humes 
Sfeptizismus, In feinem Werte «Inquiry into 
the human mind on the principle of common 
sense» (Lond.1763), um dejjentwillen er von Prieſt— 
ley heftige Angriffe erfuhr, ftellte er den common 
sense, «den gejunden Menihenverjtand», als Ans 
begriff einer Anzahl — von der Erfah— 
rung unabhängiger Grundmwahrbeiten auf. Außer: 
dent fchrieb er «Essays on the intellectual powers 
of man» (Gdinb. 1785) und « Essays on the active 
powers of man» (Gdinb. 1788), beide zuſammen 
unter dem Titel «Essays on the powers of the 
human mind » oft gebrudt. Seine Werte wurden 
von Dugald Stewart (4 Bde., mit Lebensbeſchrei— 
bung, Cdinb. 1804; neue Ausg. von Hamilton 
1827 u. öfter) herausgegeben. Er ijt der Urheber 
der jog. Schottiſchen Schule oder der Common- 
sense:Yehre, welche durd eine ſyſtematiſche Aus: 
bildung der empirischen Biychologie 1 große Ver: 
dienjte erworben hat, während fie auf erfenntnis: 
theoretiſchem Gebiete eine kritilloſe Aufftellung der 
dent gemeinen Bewußtſein geläufigen Grundjähe 
für die lebte Aufgabe der Beilofopbie bielt. Die: 
felbe fand jedoch a bei feinen Yandsleuten als 
auch im Ausland vielen Anklang. Unter feinen 
unmittelbaren Schülern und Anhängern ift neben 
james Beattie, James Oswald und Thomas Brown 
hauptſächlich Dugald Stewart zu nennen; fpäter 
— James Mackintoſh und namentlich Sir Wil: 
iam Hamilton (f. d.) dieje Lehre mit andern Lehren 
zu verichmelzen und zu vertiefen gefudht. (S. 
Schottiſche Aal hr Der Ellektizismus 
der deutſchen Aufklärung ſtützte fich auf dieje Lehre 
vom gefunden Menfchenveritand ; am meiſten wirfte 
in Deutihland und in Frankreich für ihre Ausbreis 
tung Pierre Prevoft. In Frankreich ſchloß fich zu 
Anfang des 19. Jahrh. die fog. Spiritualitifce 
Schule, bauptfächlich durd Maine de Biron, Jouf— 
froy und Royer-Collard vertreten, an die Schotten 
an, Vgl. Ferrier, «R. and the philosophy of 
common sense» (in deſſen «Lectures», herausg. 
von Grant und Lufbington, Bd, 2, Lond. 1866). 
Neid (Sir William), engl. Meteorolog, geb. 
1791 ala Sohn eines ſchott. Geiftlihen zu Kinglaſſie 
in Fifeſhire, wurde in der Militäralademie in 
Woolwich erzogen, trat 1809 als Lieutenant in dad 
Genielorps, diente bis 1814 mit Auszeichnung 
unter dem Herzog von Wellington in Spanien, 
machte 1815 den belg. Feldzug und bie Schlacht 
von Waterloo mit und begleitete 1816 die Erpedi: 
tion von Lord Ermouth gegen 45 Während 
des nun folgenden Friedens diente R. als Adjutant 
im Sappeurlorpe. Als 1831 die Negierungss 
ebäude in Barbadoes durch einen Drlau kart be: 
NKhädigt wurden, erhielt er den Befehl, die Mieder: 
herjtellung derjelben zu leiten, und biefer Auftrag 
war e3, der ihm Veranlaſſung zu den genialen 


586 


meteorolog. Stubien bot, deren Refultate er fieben 
Jahre fpäter in Werte « An attempt to deve- 
lop the law of storıms, by means of facts arranged 
according to place and time» (1838) niederlegte, 
welches jeinen als Naturforfcher begründete. 
Seine Ernennung zum Gouverneur der en 
—— * — en i —* 
egenheit, ſeine em n er 
diefen Gegenjtand durch neue zu ner 
die er in die zweite umgearbeitete Ausgabe feines 
Werts «Progress of the development of the law 
of storıns» (1849) aufnahm. Außerdem erwarb R. 
fih ala Gouverneur durch feine ———— Ver⸗ 
waltung 6 allgemein anerlannte 

um den 

Nach England zurüdgelehrt, wurde er 1848 Kom: 


mandant von Wootwid, 1851 Borfihender des | de la biblioth 


Eretutiofomitee der Weltausſte nachdem 
er zur Anerlennung feiner in dieſem Poft 
wieſenen Thätigleit zum Ritter gefchlagen worden 
mar, Gouverneur von Malta, die glänzte er be: 
fonders während des Krimtriegs von neuem durch 
feine mufterhafte Verwaltung Mit dem Range 
eines Generalmajors lehrte er 1856 nah England 
zurüd und ftarb in London 31. Okt. 1858, 

Meif nennt man dunne fchneeartige Deden, 
welche ſich auf feiten Körpern gebildet haben. Die 
Kondenjation der atmosphärischen Feuchtigkeit ent: 
fteht vielfach an feiten Gegenftänden und zwar da: 
ch: daß dieielben in heiterer Nacht ſich durch 
Ausftrablung jchnell abkühlen; je nachdem die 
TIemperatur über dem Gefrierpuntt oder darunter 
iteht, erſcheint dann die Ausſcheidung als Tan 
(j. d.) oder als R. Am reichlichſten bilden ſich dieje 
Kondenjationsprobufte bei rubiger Luft und auf 
rauhen Oberflächen von Körpern, welche geringe 
Wärmeleitungsfäbigkeit befipen oder mit dem Erd: 
boden mur in loderer Verbindung 3 Der R. 
wird ſich ei reichlicher bilden auf frei liegenden 
Brettern un —*—— als auf Kieswegen; rei⸗ 
cher auf loſem Kies, als auf feitem Stein; am wenig: 
iten auf polierten Degenftänden und auf Metallen, 

Reif (als Ehimud), J. Ring. 

Reif oder Reifen (fry, cercean, collier; engl. 
hoop, collar), ringförmiaea bölgernes oder eifernes 
Band zur Veieitigung der Dauben an Fällern und 
—*8 Gefahen; im Maſchinenbau der Ring um 
eine Welle; auch joviel wie Radreifen. 

Reif, der deutſche Name von Niva. 

Rei beifung, | Maturitätseramen. 

Reiff (Hat. Friede.), deutiher Philoſoph geb. 
23. Der. 1810 zu Vaihingen an der Enz in Miürt: 
tembera, ftudierte im evana. Stift zu Tübingen 
Theologie, begann als Repetent an derjelben An: 
Bet jeine philoſ. Vorleſungen und ſehte dieſelben 
eit 1840 als Docont an der Univerfität Tübingen 
fort, an welcher er 1844 zum auberord., 1855 zum 
rd, Profefior ernannt wurde, Im J. 1877 gab 
N. feine ar N auf und ftarb 5, Anti 1879 zu 
Tübingen. M. fchrieb: «Der Anfang der While: 
ſophie, mit einer Grundlegung der Gncyllopädie 
der philoſ. Wiſſenſchaften (Stuttg. 1840), «Suftem 
der Wiltensbeitimmungen oder die Grundwiiien: 
ſchaft der Philoſophie · (Tb, 1842), «Über einige 
wichtige Punkte in der Philoſophie⸗ (Tub. 1813), 
tiber die acid Dialeftit» (Tüb, 1866). 

Reiffenberg (Friedr., Baron von), Bibliograph 
und Geſchichtsforſcher, geb. 14. Nov. 1795 zu Dans, 
widmete fich zuerit der militärischen Laufbahn, ſpa 


Neif — Reiher 


ter aber litterariihen Stubien 
Vrofeffor der Litteratur in Löwen. Bon feinen 
tor. Arbeiten 
e Pordre de la toison d’or» 
cuments pour servir & Phistoire 
Namur, de Hainaut et de 


erbienite | R. Br 
oblitand der ihm anvertrauten Kolonien. | Spike 


h 


Tranq 
liquiae» (Ppz. 1860), «Bibliotheca patrum 
rum Italica» (2 i 
tiſche Ausgabe des Arnob- 
endung der von bego 
«Alexias» der Anna Komnena fur die 
te ae 

u er«Alexias» 

Neifrod, |. eg 


Ka else 


Bor. isss 
nnenen 


# 
ger 






| 






















. m 
Neigate, Stadt in ber 
Reigen nennt die newere 
bung einer Anzahl von 


denen 
aud Freitbungen bi rdıtet werben föunen, 
zu einem ——— i ————— 
















U. Spieß bat das Verdienit, den R. auf den Turm: 
 plap eingeführt und kam genifcrmaßen einer 
alten Bolksfitte, dem mitte u 
| und Sonmmertangeeigen, Dem i 
en, nei 
neuem Leben und BEE 
haben. rt «Met Qurnunter: 
richte (2. Aufl, Berl. 1881); — 
« R. und Liederreigen» (2. “a 
—— 
arı ‚I. Brogreiiion. 
ge: erg un cn, beikt die 


ftellung Tutnender in gerader oder gebogener: 
wer oder nebeneinander, im a 


m. AT Kr Stitnseißen, Ar 
eiher 

jo fang oder länger als der topf, 

mengedrüdt, ſehr ſpitig, bis unter 

zähnelten Micferrändern verjeben, die 

unbefiedert üt, die Naienlächer | 


Familie der Wabvögel, bei 

die 
ipalten nnd mit jchneidenden, nad 
der Schnabelwurzel gelegen und in eine 


yndası 


Reihergras — Reim 587 


fpige auslaufende Furche verlängert und | linten Elbufer. Er ftarb als Opfer feiner 
di —— Die ei ichen teit am Hofpitaltyphus 22. Arte 
R. haben eine hobe Statur, jehr langen ‚balten Abgejehen von jeinem Ruf als praktifcher * 
ſich in waſſerreichen Gegenden auf, find gefräßig, | gewann er einen bleibenden Namen feine 
teils Tag-, teils Nachtvögel, monogamif umd in | patbhol. und therapeutischen Schriften, worımter: 
tältern egenden Zugv ögel. In der fteben | « fiber die Ertenntnis Kur —— (5 Bde,, 
fie auf einem Beine m mit tief em Halfe, | Halle 1799—1815; neue Aufl. 1820—28), « 
8 unbeweglich da. Sie nähren ſich von Tage jodien über die x, Humenbung der pfychiſchen Kur: 
ofertieren aller Art, auch von Amphibien, be: | methode auf wert 1808; 
fonders find fie efährliche Feinde der Fifchteiche 2. Aufl. 1818). t Hofibauer gab er heraus 
und deshalb gehabt. Wenige find von bunter Fär: | «Beiträge zu ze einer de au 
bung, einige jedoch vom au den Weiß. Die Männ: | Wege» an de., Ku —— 3 mit 
chen beſihen öfters einen Schmud von ſehr ver: | über ben Bau u jemem Dlah oc zn 
längerten, im Raden oder in der Stropfgegend wur: | Nach She han wurben abe a Jen Sn 
—— ſchmalen an ick, ki ube geiucht | der «Entwurf einer 
ind. Durch ihre Schnabelhi * — * 1816) und der « en ie 
Kopf plöglidy vorjcynellen und bejonders — logie» (3 Vde. —— 1815-1 se zufanınzengeftell 
Geſicht und Augen richten, en * aefäbrlich | auch ſeine «Kleinen a a (Halle 1817) 11a) ge 
werden. Man teilt die R. in drei Gruppen: 1) in | jammelt. Steffens 
die eigentlichen ober dünnbalfigen R., die einen jehr | eine Denklichrift» (Halle 1815 
la und dünnen Hals haben, an defien unterm —— Charles Joſeph, —* 
er weit berabhängen; 2) in bie | f chall, geb. zu Antibes im Depart. 
di re eg Wi. d.): 8) in die | 1. t. 1775, wurbe in ber Revolution re 
ber, ‚el u. 800 Mafienas Adjutant, 


chen, aber einen N ch ti 
—— ——— Sina un = 34 — — ee Be Ba. 
hen find mit drei langen, vom —— herab⸗ 1808 ein Korps en — 
oehört der große ©ilberreiher (Herodias alba) * teil. R. führte das 2. Armeelorps bei Quatre⸗ 
und hie er (H. Garzetta), | bras und Waterloo, diente dann den Bourbonen 


zum Mari 
f in Ungarn häufig find und deren erhoben, v i Hape en Sea 
und edern zu loſtbaren Federbüfchen ver: vl ab Bub zu Paris 4. , 
wendet werden. Auch der graue Neiber oder — Charles Victor R., Sohndesvorigen, 
große an erg (Ardöa einerea) , welcher der 23. Juli 1815, war jeit 1860 Generaladjutant 
bäufigfte unter den and vortommenden lapoleons IIL., begleitete denjelben 1870 ins Feld 
R. üt, ehärt zu bieler Gru Er it 1m und überbra te 1. Sept. dem Könige Wilhelm a 
Far mine — ei von Sedan den Brie —— 
et der Fiihteihe. Von feinen kunft: | in we dieſer feine Since 
ioen, ftet3 auf Bäumen angelegten Neitern bilden | Reim it im —— zwei a meh⸗ 
100 Stud, welche ſich in furzen Entfernungen | rere Wörter verbindende gr: In der Poeſie 
— befinden, die jog. Meiperkände, — lals — ſelten als Binnen⸗ 
forafi ch di auf. Er it verwandt mit der Allitteration 
Jagd auf R. mit be htetn Gallen (bie eibere | I (i. % — der Aſſonanz (f. d.) und entiprang wie 
bat en era war. wur dieje dem Beitreben, die einzelnen Glieder ber 
der Sitten findet ſich in Deutſchland nur | r ij gebundenen Rede in eine äußerlich er: 
eine Art, Bergemötnlige Nadtreiher Na * lennbate engere *3 Pe zu feben. 
rabe oder Fode — europaeus), Als volllonmener o 
fich durd feine lauten, an das frädız er: | laut im Konionantiömus und Rotaliems erfüllt 
inmernben Töne, bie gedrungene It den der Reim dieien Zwed in höherm Maße als Allit: 
furzen unb biden bel und die kurzen ftäm- teration und Aſſonanz. Doc) üt er leineswegs aus 


= 


8 
ei 
I 
2 







den bet. den nden, wie man ihn auch durd)- 

* — f. me Str, * — aus —— joe 3 ee Kunit: 
—— mittel betrachten fann; Try ug re 

eine feinere umd größere Hör: 

—* ehe eh vn Feet 0. ” —X eit für di it der Sprachtlange voraus als 


Neil —— eg mn ger en —— * a * —* 
geb, 28. 263 m Mine in Ditfries Es feinfit Ohren wirft we sth 
ſuchte die Schule zu Pe und —— tem |e * en modernen. Sul 

‚wo en iſt in ber daltyli Dee Su 
Sattr erwarb, ber Seiltunbe. dem er polen. Da man an den Schluß ber —— Hälften 


ce in feinem Baterlande ala — des Pentameters ttiſcheb Wör: 
t it get, wurde er 1787 als auberord. Pro: — 2 ſo bot —* droit ungejudt eine Über: 
—* Medi in der 3. B. Rara vere- 


lle beru 1788 
die ord. Bee der überape * ber Direktion | ca —— | furta ns u 68, 138), 
des Klinikums und 1789 d fitat über: | Alfmählich erit, und zwar erft in ber dhriftlich. 
—— Im Br a er eo Profeſſor an die iniichen) * —* ſpie⸗ 


ef nee Berlin; 1813 erhielt er —— der Schlüfje ——— 
die here re der iegshofpitäler auf dem | Glieder zum feiten Prinzip erhoben. (Das ältefte 


533 


Gedicht mit N. ift ein gereimtes Alroftihon, das 
fih am Schluffe der «Instructiones» des Commo; 
dianus, eine3 dem 3. yebrb. eg 7 Dichters 
der norbafritanifchen Kirche, —— on da aus 
ging der Neim in die Poeſie der romaniſchen, tel: 
tiſchen und germanischen Völker über. Überall er: 
ſcheint er zuerft ale jtumpfer oder männlier R. Erit 
nachdem die Kunſtpoeſie fih mehr entwidelt hatte, 
wurden neben dem — R. auch klingende oder 
weibliche und gleitende oder re —— 
und die verſchiedenen Gattungen der überſchlagenden 
N. (rimes ecroisces) — 

Die Kunſtlyril des Mittelalters, zum Teil auch 
noch die der Neuzeit, gefiel ſich oft in den verwidelt: 
ften und ſchwierigſten Reimarten. Unjer Wort N. 
it das ahd. rim, das «Neihe, Reihenfolge, Zahl» 
bedeutet. Doch hat das Wort die Bedeutung «Heim 
erit unter romanifhem Einfluß angenommen, Auf 
romaniſchem Boden befam das aus dem Germa: 
nijchen entlehnte rim «Reihenfolge» (ital, rima, 
franz. riıne) ala SRERER EIGE —— Lautlom: 
plere im Berdausgang» die Bedeutung «Reim» und 
wurde mit diefem Sinne behaftet nad Deutichland 
zurüdgebradt; die Herleitung aus dem lat. rhythmus 
iſt weder lautlich noch begrifflich zu rechtfertigen. 
Das ältefte datierbare gereimte Werk der deutichen 
Literatur ift Otfrieds «Cvangelienbud» aus dem 
9. Jahrh., doch jteht nicht jeit, ob Otfried im Ge: 
braud des Neims nicht bereits ig atte, 

Bol. Poggel, «Grundzüge einer Theorie des N.» 
(Hamm 1834); Wolf, «fiber die Lais, Sequenzen 
und Leiche» (Heidelb, 1841); Wilhelm rimm, 
« Dr Geſchichte des N.» (Berl. 1852); Mafing, 
«liber Urjprung und Verbreitung des R.» (Dorp. 
1866). Die Verlegenheit ſchlechter Dichter inı Reim: 
fuchen erfand die Hilfsmittel der fog. EIMIEEIEN. 
Für Deutſche gab Hübner das «Poetiſche Handbuch» 
(Lpz. 1696 u. öfter) heraus, dem das «Allgemeine 
beutjche Reineriton» (2 Bde., Lpz. 1826) von Pere: 
grinus Syntar (Henpel) folgte. 

Reimann, ſ. Reimmann. Rüdert. 

Neimar (Freimund), Pſeudonym für Friedrich 

Meimarud (Hermann Samuel), deutſcher Ge: 
Ichrter, befonders belannt als Verfafier der «Mol: 
fenbüttelien Fragmente», geb. 22. Dez. 1694 zu 
Hamburg, ftudierte feit 1714 in Jena, Dabilitierte 
fih dann in Wittenberg, machte 1720 eine Reife 
dur Belgien und einen groben Teil Englands, 
wurde 1723 Reltor in Wismar und erhielt 1727 
die Profeſſur der hebr. Sprache an dem Gymnafium 
Ri — welche er in der Solge mit der Pro: 

ejlur der Mathematik vereinigte. Er ftarb daſelbſt 
1. März 1768, Als gründlichen Philologen zeigte 
er fih in der von Fabricius begonnenen und von 
N, vollendeten Ausgabe des Dio Caſſius. Auf 
yalofopt, nd naturwiſſenſchaftl. Gebiete veröffent: 
ichte er «D e —— ahrheiten der natür: 
lihen Religion» —— 1754; 6. Aufl. 1792 
«Betrachtungen über die Aunfttriebe der Tiere» 
— 1762; 4. Aufl. 1798) und eBernunftlehre» 
(Hamb. 1756; 5. Aufl. 1) Eine Anwendung 
der in letzterm Werke aufgeftellten Regeln gegen 
das Vofitive des Chrijtentums machte er in den 
von Leffing 1774, 1777 und 1778 herausgegebenen 
fog. «Wolfenbüttelihen Fragmenten eines Unge: 
nannten», die an Döderlein in feinen «Antifrag: 
menten» (1778) den Idarfiünnigften Gegner fanden. 
N. hatte diefe Forfchungen als Bruchftüde nur feinen 
vertrautejten Freunden mitgetheilt; doch war es 


Neimann — Neimer 


Leſſing gelungen, davon eine Abſchrift zu erhalten, 
der fie nun unter dem Borgeben, daß er fie in ber 
wolfenbüttelichen Bibliothet gefunden, herausgab 
Daß aber R. in der That Berfafler jener «Frag: 
mente» ſei, ift durch die von Gurlitt in Hamburg 
1827 gegebenen Aufihlüfle außer Zweifel geitellt. 
Das ganze Wert führt den Titel « Zub chrift für 
die vernünftigen Verehrer Gottes». Bol. Strauß, 
«R. und feine Schukichrift für die vernünftigen 
Verehrer Gottes» (2. Aufl., Bonn 1877). 

Neimchroniken, eine Gattun —— Ge: 
dichte, die weniger poetiichen als biltorifchen Wert 
baben, da fie bejtrebt find, möglichſt wirkliche Ge: 
Ichichte zu liefern. Sie beginnen mit dem — 
des 13. Jahrh., jo die um 1290 verfaßte «Livlän- 
diſche N.» (herausg. von Pfeiffer, Stuttg. 1844, und 
2. Meyer, Paderb. 1876; vpl. 5. Wadtsmuth, «fiber 
die Quellen und den Berfafier der ältern (toländ. 
R.», Mitau 1878), die » Öjterreihiihe R.» von 
Ottolar von Steier, gewöhnlich falih von Horned 
genannt (berausg. von Bez im 3, Bd, der «Scrip- 
tores rerum austriacarım»; eine kritiiche Ausgabe 
wirb von Lichtenftein vorbereitet), und die «Deutjc: 
orbenachronil» von Nikolaus von Jeroſchin, um 
1340 nad) der lateinischen Chronik des Peter von 
Duisburg bearbeitet (im Auszug berausg. in Pfeif: 
fers «Beiträgen», Stuttg. 1854; vollitändig von €. 
Streblte, Lpz. 1861, und im 1. Bd, ber «Scriptores 
rerum prussicarum), die eg de 
Ernit von Kirchberg, 1378 (gedrudt bei Wejtpbal, 
«Monumenta inedita», Bd, 4), die «Nppenzeller#i.», 
um 1400 verfaßt (berausg. von Ildefons ab Urz, 
St. Ballen 1825). Andere R. find die Holiteiniiche, 
Sandersheimer, Kölner, Soslarer, Braunjcdhweiger, 
Neußer, Cine der lepten ift die bis 1600 reichende 
Ulmer (von Georg Brauner von Augsburg, gedrudt 
in Adrians Mitteilungen»). 

Neimer (Georg Andreas), verdienter beuticher 
Buchhändler, geb. 27. Aug. 1776 zu Greifswald als 
der Sohn eines Seemanns, erlernte den Buchhan— 
del daſelbſt und übernahm im Juni 1800 mit ſehr 
beihränften Mitteln die 1750 gegründete Neal: 
ſchulbuchhandlung zu Berlin, zunächſt in Erbpacht. 
Sein Geihäft errang fih bald Achtung und Ber 
trauen, Er vermochte jelbit in den drüdenden Ver: 
bältnifjen der J. 1805—13 dieſes Vertrauen auf: 
recht zu erhalten, und gerade in jener Zeit war fein 
Haus der Vereinigungspunft und Sammelplas 
echt deutich gefinnter Männer, wie Fichte, Arndt, 
Schleiermacher, Niebubr, Cornelius und vieler an: 
dern, Obgleich verheiratet und Vater von jedhs 
Kindern, madte er doch 1813 den Feldzug mit, 
Nach dem Frieden lehrte er mit erneutem Wute in 
fein Geſchäft zurüd, das er feitbem bur * 
breitete Verbindungen mit den bedeutendſten 
lehrten feiner Zeit, fowie dur raftlofes Streben 
zu einer der erjten und geadhtetiten — 
Deutſchlands emporzuheben wußte. Sein Ber 
umfaßte bedeutende Werte aus allen Fächern bes 
Wiſſens. Außer zablreihen periodiihen is 
ſtreng wiſſenſchaftlichen Inhalts erſchienen bei R. 
die geſammelten Werle von Hippel, E. T. A. Hoff: 
mann, W, von Humboldt, 9. von Hleift, Lenz, 
Novalis, Jean Paul, F. L. Schröder, 2. Tied u. &., 
die Schlegeliche Üiberfegung des Shalipeare, Von 
den Männern der Willenfchaft, beren Werke feinem 
Verlage angebören, find unter andern zu nennen: 
die Geſchichtſchreiber Niebubr, Verb, Ranke, Var: 
hagen von Enſe und Woltmann, ber Geograph 


Neimleriton — Reims 589 


Nitter, die ren Beller, Bödh, Brandis, 
Lahmann, Meineke, die Ardäologen —— Hirt, 
tanofla, Stadelberg, die Mathematiker Crelle, 
telwein und Yacobi, die Phyſiler Dove und 
Grman, die Naturforfcher Burmeilter und Ehren: 
berg, der Ökonom Thaer, die Mediziner Gurlt, 
Su eland, Rademacher u. ſ. w., die Chemiler C. 
. Karften, ©. Karten und Roſe, die Theologen 
Schleiermacher, De Wette, die Philofophen Fichte, 
helling, Steffens, die Pädagogen Piſchon und 
Milmfen. Zur Erweiterung feines ar äft3 trug 
befonder der Anlauf der Weidmannſchen Bud): 
handlung in Leipzig bei, die er jedoch unter ihrer 
Firma getrennt fortbeiteben ließ, während er für 
das berliner Geihäft 1. Jan. 1819 die Firma 
«Weorg Reimer» annahm. Zu gleiher Zeit machte 
er ſich durch Erwerbung eines bedeutenden Grund: 
ftnds, des ehemaligen berühmten Bojeihen Gar: 
tens, auch in Leipzig anſäſſig. Teils wegen feiner 
freifinnigen Anfihten und des unverhohlenen In— 
terefles an dem Wohl und Wehe des gefamten 
deutichen Baterlandes, teil3 wegen feiner vielen 
Verbindungen und Neifen hatte er viele Verbäd): 
tigungen umd infolge deren 1819 —— 
Beſchlagnahme von Papieren, Befragungen u. dgl. 
zu erdulden. Er ftarb 26. - 1842, 

N. hinterließ fein ausgedehntes Gefchäft drei 
Söhnen. Ter ältefte Sol Karl Auguſt R,, 
geb. 26, Dit. 1801, erhielt die unter eigener Firma 
in —— e Weidmannſche Buchhand⸗ 
lung, in die er ſchon 1830 gemeinſchaftlich mit ſei— 
nem Schwager, Salomon Hirzel (f. d.), als Teil: 
nehmer eingetreten war. Dieſe Buchhandlung, eine 
ber ältejten und bedeutendften Firmen Deutſchlands, 
war um 1670 von Georg Morig Weidnann (geb. 
zu Speier, geft. 16. Aug. 1698 zu Leipzig) begrün: 
det und Behauptete ihren Ruf auch unter deflen 
gleihnamigem Sohne (geb. 23. jan. 1686 zu Leip: 
zig, geit. 3. Mai 1743 dafelbft al3 kurſächſ. Rat 
und 4 Kämmerer), nadydem fie vorher bis 1714 
von Joh. Ludw. Gleditich (geb. 24. März 1663 zu 
Eſchendorf, geit. 20. Jan. 1741), als zweitem Gatten 
ber Witwe des ältern Weidmann, und fpäter von 
Philipp Erasmus Rei (f. d.) mit unermüdeter 
Zhätigfeit und großer Einficht geleitet worden war, 
Außer dem «Mebtatalogr, der 1759 an die Meid: 
mannſche Buchhandlung fam und bis 1850 von 
derfelben verlegt wurde, und umfaflendern Wer: 
fen, wie Guthrie und Grays «Allgemeine Welt: 
aeihichten, zählte fie, als fie an R. überging, ſchon 
die Schriften vieler berühmten Schriftiteller und 
Gelehrten des 18. und des Anfangs des 19. Jabıh. 
unter ihre Verlansartitel, wie der ———— 0 
Görenz, Harleß, G. Hermann, Heyne, Lobed, Drelli, 
Schweighäufer, 5. A. Wolf, der —— 

ohannes von Müller, Schrödh, der Theologen 
Eichhorn und Schleusner, des Mathematilers Vega 
(«2ogarithmen»), der Dichter und Proſaiſten Gel: 
Iert, Gleim, Gödingf, Lavater, Leſſing, Niemeyer, 
Ramler, Sulzer, von Thümmel, Wieland, Zimmer: 
mann, Zollitofer u.a. Neu traten hinzu die Werte 
von J. Belter, Benele, Dindorf, der Brüder Grimm, 
Haupt, Arndt, Dablmann, ferner der Dichter Cha: 
miſſo, Anaftaftus Grün und Nüdert, der Theologen 
De Wette, Hagenbach, Schweizer, Hibig, der Phy— 
fiter Gauf und M, Weber, des Technilers J. Weis: 
bad) und zahlreicher anderer. Doch ging ein grober 
Zeil der feit 1830 vu übhrten und begonnenen 
Unternehmungen an Ealomon Hirzel über, als 


dieſer ih von R. trennte und 1. Yan. 1853 unter 
eigener Firma eine Verlagshandlung eröffnete, In 
demfelben Jahre jiedelte Karl Auguft R. mit der 
Firma Weidmannihe Buchhandlung nah Berlin 
über. Von größern Unternehmungen verblieben die 
«Sammlung der gried. und lat. Schriftiteller» und 


J. | die «Handbücher zum Verftändnis des Haffifchen 


Altertums » von Mommfen, Curtius u. a. im 
Weidmannfchen Berlag. R. ftarb zu Berlin 29. Juli 
1858. Jehiger Befiker der Weidmannſchen Bud): 
handlung üt jein Sohn Hans N. 

Gin re =. Georg Andreas R.s, Georg 
Ernit R., geb.25.Nov. 1804, war Beſiher der Ver: 
lagsbuchhandlung von Georg Reimer und der damit 
verbundenen Druderei in Berlin bis Ende 1883; er 
ftarb 5. Yan. 1885. Sein ältefter Sohn Ernit, der 
jeit 1876 Teilhaber de3 Geſchäfts war, wurde her 
Beſiher desſelben. 

Der dritte Sohn, Dietrich R., geb. 13. Mai 
1818, welcher 1845 eine Sortimentsbuchhandlung 
unter eigener Firma in Berlin gegründet hatte, 
übernahm Anfang 1848 ſämtliche von feinem Vater 
verlegte, zum Teil jehr bedeutende Kunſtſachen und 
Landkarten auf eigene Rechnung. Unter eritern be: 
finden fi unter anderm die Werke von Zahn über 
Pompeji, von Cornelius u. a. Der Kartenverlag 
gewann durch, die Namen Berghaus, Liechtenftern, 
Kiepert bald eine große Ausdehnung. Im J. 1868 
trat 5. Hoefer ald Teilhaber ein. Die Verlags: 
thätigfeit des Geſchaäfts iſt vorzugsweiſe kartogr. 
Werlen («Neuer Handatlas» von Kiepert, «Hiftor. 
Atlas» von Wolff), Reifewerlen («Ehina» von Freis 
berrn von Richthofen) und der Herftellung von 
Globen gewidmet. _ 

Reimlexikon, |. unter Reim. 

‚Neimmann oder Reimann (Yalob Friedr.), 
einer der erjten Begründer der Litteraturgefchichte 
in Deutichland, geb. 22. Jan. 1668 zu Gröningen 
im damaligen Gebiete von Halberitadt, betleidete, 
nachdem erjeine Studien zu Jena vollendet, mehrere 
geiftliche und Schulämter und wurde zuleßt 1717 
Superintendent in Hildesheim, wo er 1. Febr. 1743 
ftarb. Er machte zuerſt auf den Wert und Nuben 
der Gelehrtengeſchichte und Litteraturfenntnis auf: 
merljam und gab über Methode und Gehalt der 
einzelnen Werte und über die Verdienfte ihrer Ver: 
fafler ein freies Urteil ab. Unter feinen ir 
gehörigen Schriften find zu erwähnen «Verſuch einer 
Einleitung in die historiam literariam insgemein 
und derer Teutſchen infonderheit» (6 Bde. Halle 
1708—13) und die «Idea systematis antiquitatis 
literariac» ——8 1718). 

Reims oder Rheims, Arrondiſſementshaupt— 
ſtadt im franz. Depart. Marne, in der Champagne, 
142 km im ONO. von Paris, am Aisnezufluß 
Vesle, am Aisne-Marnelanal und an der Linie 
Epernay:Laon der Sranzöff en Oſtbahn, die hier 
nad Givet, Soiſſons un rdun (Batilly) ab: 

weigt, in weiter, einförmiger, von Weinhügeln un: 
ränzter bene, iſt Gib eines Erzbifhof3, eines 
Aſſiſenhofs, eines Handelägericht3, einer Handels: 
fammer, eines Generalhandelsrat3 und einer 
Filiale der Bank von Frankreich und zählt (1881) 
30356 (ald Gemeinde 93823) E. Von König ai: 
lipp II. Auguft (1173) bis auf Karl X. (29. Mai 
1825) wurden bier die franz. Monardyen gekrönt, 
mit Ausnahme Heinrichs IV., der fich in Chartres, 
Napoleon I., der ſich zu Paris, und Ludwig XVILL, 
der ſich gar nicht Frönen lich. N. hat merft breite, 


\sÜO * c 


590 


regelmäßige Straßen, vierzehn zum Teil fehr 
ihöne Bläke, im ältern Teile großartige Gebäude 
aus dem Mittelalter, ſowie mande jchöne Häuſer 
aus dem 14. bis 16. Jahrh. Unter den Kirchen 
nimmt die got. Kathedrale Notre-Dame den eriten 
Hang ein, einer ber ſchönſten Dome Frankreichs. 
Ahr Chor wurde 1212—41 von Meifter Robert 
de Coucy von R., bis gegen Ende des 13. Jahrh. 
der übrige Bau, die beiden nod 81,5 m hoben 
Türme an. der Fagabe, welde ibre Spiken 1481 
durch Brand verloren, erjt 1430 ausgeführt. Die: 
fer Bau zeichnet ſich durch Einheit dev Konzeption, 
harmoniſches Ebenmaß aller Zeile, Neihtum und 
Großartigleit feiner Skulpturen aus. An der Weit: 
fasade mit ihren drei gewaltigen Portalen und der 
oben Feniterroje (12 m im Durchmefjer) bat die 
—* Kunſt des 13. Jahrh. ihre glanzvollſte Aus: 
bildung erreiht. Tas Gebäude iſt 138,09 m lang, 
im if 30,13 m breit, im Querſchiff 49,45 m 
breit und 37,5 m hoch. Die Orgel bat 3516 Pfei: 
en und 53 Negifter. Die meiiten Glasmalereien 
tammen aus dem 13. yabrd. Bor dem mit Gold: 
blech überzogenen Hodaltar wurden die franz. 
Könige durch den Erzbiichof von R., Primas des 
Reichs, aus der heil. Ampulla (f. d.) gefalbt und 
etrönt. Betreffs des höchſt Toftbaren Kirchen— 
chates * Marguet und Dauphinot, «Tresor de la 
cath&drale de.R.» (Bar. 1867). Die 852 gegrün- 
dete ehemalige Abteilirche St.:Nemi, am Cüdende 
der Stabt, 1041 im roman. Stile begonnen, deren 
ot. Chor und Weitiacade 1162—B1, deren fühl. 
Querſchiff 1481 beendet wurde, enthält das Grab: 
mal de3 heil. Remigius. Andere bedeutende Ge: 
bäude find der erzbiichöfl. Palaſt, mit dem pradt: 
vollen Sarkophag des röm. Präfelten Yovinus 
(4. Jahrh.) aus weißem Marmor, mit Darftellung 
einer Löwenjagd, das Stadthaus, der Juftispalaft, 
das Theater und das Hötel:Dieu (früher Abtei 
St.Remi). Das Hötel-de:Bille, ein ſchönes Ge: 
bäude im Renaiffanceftil, mit Glodenturm, unter 
Ludwig XII. begonnen, aber erit 1825 beendet, 
enthält eine 60000 Bände und 1500 Manuſtripte 
zählende Bibliothek, ſowie eine Heine Gemälde: und 
Altertümerfammilung. Die kurzlich ausgebeſſerte 
dreithorige Porte de Mars (Porta Martis), ur: 
ſprünglich ein TZriumphbogen ſpätröm. Zeit, diente 
bis 1544 al3 Stadtthor, wurde ſpäter verjchättet 
und erit 1812 wieder freigeitellt. Bemerlenswert 
find aud die eherne Statue de3 bier geborenen 
Colbert, in den Anlagen am Bahnbole, die Bronze: 
itatue Ludwigs XV. auf der Place Royale, nad) 
dem Modell der in der Revolution zerftörten von 
Bigalle 1818 von Eartellier neu ausgeführt, das 
Standbild des ebenfalls hier geborenen Marſchalls 
Drouet d'Erlon, die Maiion des Muficiend aus 
dem 14. Jahrh., die in den Kreidefels gegrabenen 
Meinfeller und die Fontäne Godinot. Die 1547 
geitiftete Univerfität wurde 1793 aufgehoben. 

R. hat eine Akademie der Wifjenihaften, ein 
Lyceum, ein großes und ein Heines Priefterfeminar, 
ein Lehrerinnenfeminar und eine mebiz.:pharma: 
ceutiſche Vorſchule. RN. iit das Centrum einer jehr 
bedeutenden Zertilinduftrie; die Wollfabrifen lie: 
fern die verſchiedenartigſten Stoffe von den fein: 
ſten Shawls, Kafimiren, Merinos, Nouveautss in 
Kleider⸗, Mäntel:, Hoſen- und Weltenzeugen ſowie 
andern Neimfer Artikeln bis herab zu Flanell, 
Kamelot, Deden und Bonneteriewaren. Die im 
Arrondifjiement von R. wachſenden Champagner: 


Neimfer Evangelium — Nein 


weine gelten al3 bie vorzüglichiten und bie Stabt 
iſt eins der Hauptentrepöts für diefelben. - Außer: 
dem jind vorhanden Yabriten für Webſtühle und 
andere Manufatturutenfilien, für Baummollwaren, 
für berühmte Bistuits und Gewürztuchen, für 
Chotolade, Chemilalien, Seifen, Glas, Öl u. j. w. 
Der Handel ift ſehr bedeutend. 

N. hieß zur Zeit Gäjard Durocortum und war 
die Hauptitadt der Nemi im belg. Gallien. Zu R, 
in fpätröm. und fränf. Zeit Remi, ftarb 406 der 
Bifcof Nicafius bei einem Vandalenjturme den 
Märtyrertod. Hier taufte 496 der Biſchof Nemi- 
gius (Saint:Remi) den Frantenlönig Chlodwie. 
Nah dem Tode des lektern kam die Stadt an 
Auitrafien, bis fie_bei der Teilung des Franken 
reichs unter die Söhne Ludwigs des Frommen 
843 an Karl den Kahlen und fo an — ge 
langte. Im 9. Jahrh. bemädhtigten der Stadt 
die Grafen von Vermandois. König Ludwig IV. 
ſchenlte fie an den erzbiihöfl. Stuhl, und es führ- 
ten nun die Grzbiichöfe den Titel Grafen von R, 
bis fie durch Ludwig VII. den herzogl. Titel er: 
hielten. Zu R. wurden 813, 1049, 1119 (Erfom- 
munilation Sailer Heinrichs V. durch Bapft Ce— 
lirt 2 und 1147 flo gehalten. Am 17. Juli 
1429 ließ Jeanne d’Arc, melde damals im erz: 
biſchöfl. Balajt wohnte, den Tauphin als Karl VII. 
zu R. zum König frönen. Am 13. März 1814 ae 
wann bier Napoleon ein Gefecht gegen die Ruſſen 
unter Saint:‘Prieit, welder fiel. Während des 
Deutſch⸗Franzöſiſchen Kriegs von 1870—71 murde 
N. 4. Sept. 1870 von Truppen der Dritten deut: 
hen Armee bejegt, worauf König Wilhelm 5. Sept. 
einen Einzug in R. hielt und bis 14. Sept. bier 
fein Hauptquartier hatte. Bgl. Juſtinus, «R., la 
ville des sacres» (Bar. 1860). 

‚ Neimfer Evangelium, eine in Reims befinb- 
lihe Bergamenthandichrift mit Evangelien in jlam. 
Überjegung, beftehend aus 16 Blättern in cyrilli- 
ſcher und 31 in glagolitiiher Schrift, Teßtere mit 
der Jahrzahl 1395. Sie wurde, koftbar gebunden, 
in einem mit Edelſteinen bejegten Bande, von 
Kardinal Karl von Lothringen in Konftantinopel 
getauft, 1574 dem Dom zu Neims gejchenft, und 
fand daſelbſt als vermeintliche orient. Handfchrift 
bei der Krönung der franz. Nönige als «Text du 
sacre» (jie leijleten den Eid auf diefelbe) Ber: 
wendung. Grit Beter d. Gr., der 1717 die Hand 
EN ſah, erlannte einen Teil derjelben als cyril 
iſch und ſlawiſch. In der Revolution zu Ende des 
18. Jahr). ward fie zeritört und ihrer Koftbarkeiten 
beraubt. Die Bruchitüde befinden ſich auf der 
Stabtbibliothet in Reims. Sie wurden von Eil: 
veitre fakjimiliert und mit einer Einleitung (Prole- 
gomena historica) von Kopitar herausgegeben 
(Bar. 1843). Hiernad) ftammt die Handſchrift au 
dem 1347 gegründeten jlaw. Gmmausflojter in 
Prag, kam dann in die Hände der Huffiten und 
wurde wahrſcheinlich von diefen mit nad Konitan 
tinopel gejandt, als fie 1451 eine Gelandtichait 
mit Gejchenfen dahin an den grieh. Patriarchen 
aborbneten, Vgl. auch Hanla, «Sazavo-Emmauz- 
skoje sv. blagopovöstrovanije» (Prag 1846). 
Rein(‘ob. Juſtus), Naturforiherund Geograpb. 
eb. 27. jan. 1835 zu Nauenheim a. M. im Gros: 
5 Heſſen, wirlte als Lehrer in Frankfurt 
a. M. Reval und auf den Bermu 
begab fi 1873 im Auftrag der preuß. 


In und 
erung 
nad) Japan, um Induſtrie und Handel biejes 


Keinaud — 


Landes, insbeſondere aber das Kunſtgewerbe zu fku: 
dieren und darüber zu berichten. Rad) feiner Hüd: 
tehr wurde er zum ord. Profeſſor der Geographie 
in Marburg, 1883 in Bonn ernannt. Er veröffent: 
lichte: «Japan nad Reifen und Studien» (Bd. 1, 
Yp3. 1881; Bd. 2, 1886). 

Neinaud (Joſeph Toufjaint), ausgezeichneter 
franz. Dri it, geb. 4: Dez. 1795 zu Lambesc 
(Depart. Rhönemündungen), wibmete ſich zu Paris 
vorzugsweije dem Stubium des Arabiihen, Ber: 
ſiſchen und Zürliihen und erhielt 1824 eine An: 


te an der königl. Bibliothel. Am X. 18832 
—— er Mitglied der Alademie ———— 


und Adjunkt⸗ Konſervator der orient. Handſchriften, 
1838 Profeſſor des Arabiſchen an der Schule für 
orient. Sprachen. Im J. 1854 rüdte er zum Kon: 
fervator der orient. Handſchriften 

übernahm er die Leitun 
Spraden. Gr jtarb 13, 


persans et turcs du cabinet de Mr. le duc 
de Blacas et d’autres cabinets» (2 Bde., Par. 
1828). Diejem folgten, aufer der Ausgabe des 
alloman de Mahomet» und des «Livre de la loi 


au Sarrazin» (mit Sr. Michel, Bar. 1831), die | 


«Extraits des historiens arabes relatifs aux 
guerres des croisades» (Bar. 1829) und die «In- 
vasions des Sarrazins en France» (Par. 1836). 
Zu der von ihm mit de Slane beforgten Tertaus: 
aabe der Geographie des Abulfeda (2 Tle., Par 
1837 —48) ſchrieb R. eine ——— welche die Ge⸗ 
ſchichte der geogr. Wiſſenſchaft im Orient reſumiert. 
Ferner veröffentlichte er: «Fragments arabes et 
persans, relatifs à l’Inde» (Par, 1834), «Relation 
des voy faits par les Arabes et les Persans 
Jans PInde et & la Chine» (2 Bde., Par. 1845), 
«Du feu grögeois, des feux de la guerre et des 
o:rigines de la poudre & canon» (Par, 1844). 
Meinbek, Dorf im Kreile Stormarn der preuß. 
Provinz Schleswig:Holitein, rechts an der Bille, 
Station der Linie Wittenberge-Hamburg der Preu: 
Bilden Staatöbahnen, Siß eined Amtsgerichts, 
zäblt (1880) 1097 E, und bat ein im 16. Jahrh. 
vom Herzog Adolf von Holitein: Gottorp erbautes, 
jebt zu einem Hotel eingeri chloß, eine Kalt: 
wajlerheilanitalt und eine Dampfmahlmühle. N. iſt 
einbeliebterSommeraufenthaltsort der Hamburger. 
Reinbot von Durn, j. Durn (Reinbot von). 
Reineceind (Meiner), verdient um bie ser 
fhung der Geſchichte des Altertums, geb. 15. Mai 
Steinheim in Weſtf— 


1541 

Brofeflor ber Geſchichte an der Univerfität Frank: 
furt a. D., von dort wurde er nad) Helmftebt be: 
rufen, wo er 16. April 1595 ftarb. Berühmt ift 
jein Werl «Syntagma de i 
ehiis tribus prioribus rerum potitae sunt» (4 Bde., 
Bas. 1574—80); eine Umarbeitung und Erweite⸗ 
rung desſelben iſt «Historia Julia sive syntagma 
heroicum» (Helmft. 1594— 97). Bgl. Häberlin, 
«De R. meritis in historiam» (Helmit. 1746), 
Neiuecke (Job. Friedr.), vorzüglicher deuticher 
Schaufpieler, geb. 4. Nov. 1747 zu Helmitebt, 
fpielte pe bei herumgiehenden Truppen in Süd: 
deutſchland und der Schweiz, fam 1770 zur Seyler: 
ichen, 1778 zur Bondiniichen Gejellichaft, die er 
nad Dresden, Leipzig und Br eitete, und 
ftarb 2. Nov. 1787 zu Dresden. beſaß das Ge⸗ 


fühl das ö * dem fals | E 
Ian *52 en eg er bie Wahrheit = 


auf, und 1861 

ber Schule für orient. 
at 1867. Seinen Ruf be: 
gründete A. mit dem Merle: «Monuments arabes, 


alen, wurde 1578 | 


familiis quae in monar- 


Neinefe Vos 591 


Innigkeit feines Spiels. Nollen wie Eifer, Ddoardo 
u. ſ. mw. waren fein Triumph. Auch R.3 Gattin 
Senne; geborene Menzin, geb. 2. Dez. 1745 zu 
Heidelberg, geit. 25. Yuli 1788 zu Petersburg, war 
eine Zierde der deutichen Bühne, beſonders in Par: 
tien wie Claudia, Orjina u. ſ. w. 

Reinecke (Sarl), verdienter Komponiſt und Kla— 
vieroirtuos, geb. zu Altona 23. Juni 1824, trat 
bereit3 im elften Jahre öffentli als Klavieripieler 
auf, unternahm 1843 eine Kunſtreiſe nach open: 
bagen und erhielt vom König Chrijtian VIIL ein 
Stipendium. Er dehnte nun feine Neife nod) bis 
Stodholm aus, ging im Dft. 1843 nad) Peipjig 
und ftubierte hier drei Yahre Muſik. Am J. 1816 
unternahm er eine Aunjtreife nad Bremen und 
Hannover, und dann, im Berein mit dem Violi— 
niiten Waſielewſti, eine folde nah Danzig, Königs: 
berg u. |. w. bis Niga. Er kehrte hierauf wieder 
nad Kopenhagen zurüd, wo ihn der Hönig- zum 
Hofpianijten ernannte. Im J. 1848 wendete er 
ſich wieder nach Leipzig und 1849 nach Bremen, 
wo er zwei jahre verweilte. Im Fi 1351 ging er 
nad) Baris, dann ala Lehrer des Klavierſpiels au 
die Meiniſche Mufitihule nach Köln, in welder 
Stellung er bis 1854 wirkte. Sobann wurde er 
Mufikdireltor in Barmen und 1859 in Breslau. 

m J. 1860 übernahm er in Seipsig das Anıt eines 

apellmeijter3 der Gewandhauslonzerte und eines 
Lehrers der Kompofition und de3 höhern Klavier: 
ipiel3 am dortigen Konjervatorium. Gelegentlich 








‚ feines 25jährigen Dirigentenjubiläums am Gewand: 


hauſe (1885) wurde er von der pbilof. Fakultät der 
Univerjität Zeipzig zum Dr. phil. honoris causa 
ernannt, bald darauf erhielt er vom König von 
Sadien den Titel Brofefior. Als Alavierjpieler 
ft N. befonders im Bortrag von klaſſiſchen Ham: 
mermufitwerten ausgezeichnet. Als Komponiit ul: 
bigt er der Mendelsſohn-⸗Schumannſchen Richtung, 
und jeine Vrobuftionen zeichnen fi namentlich 
durch Feinheit der innern Anordnung und des Aus: 
baues vorteilhaft aus. Im Drud erſchienen von 
ihm gegen 190 Kompofitionen: zwei Symphonien 
und adt Ouverturen, das Dratorium « Beliazar», 
das für Männeror geſchriebene Chorwerk «Hafon 
Jarl⸗, die Närdentompofitionen «Schneewittchen», 
a Dornröschen», « Nihenbrödel» und «Die wilden 
Schwäne» nebft veridiedenen andern größern Chor: 
werfen, die Dperetten «Der vierjährige Poſtenv und 
—* a — und m. komifche 

per «Au ehls, vier Klavierlonge:te, ein 
Violin: und ein Bioloncellokonzert . habfreiche Hei: 
ı nere Klavierſachen, ein Klavierquintett und ſechs 
Trio, Sonaten für Klavier und Violoncello, viele 
ein: und mehrſtimmige Lieder u. ſ. w. Seine —— 
fuünfaltige Oper «önıg Manfred» wurde an mehrern 
Drten mit Erfolg aufgeführt. [baum. 

Neineelaude (Reneklode), ſ. u. Pflaumen: 

Neinefe Vos heit das legte jelbitändige, in 
niederdeuticher Sprache gegen Ende des 15. Jehrh. 
verfaßte epiſche Gedicht aus dem Kreiſe ber Tier: 
fage, nachdem derjelbe Stoff ſchon um 1170 durch 
Heinrich den Glicheſare (f. d.) unter dem Titel 
«Isengrines nöt» auf Grund einer franz. Dichtung 
behandelt worden war. Aus Frantreich gelangte 
der Stoff auch in die niederländ. Literatur, mo 
ein Dichter, Namens Willem, im 13. Jahr). jeinen 
‚ «Reinaert» dichtete, ein Wert, das den ep.icden 
rafter am reinjten feithält und nad) —5 
Ausführung alle übrigen bei weiten uber rifft 





| wie 


592 


(gedrudt in Grimms Nuzgabe des «Neinhartr, 
wiederholt in Willems Ausgabe des «Reinaert»), 
Beide Werte wurden fpäter durch ungenannte Ber: 
jalier überarbeitet; das deutſche um den Anfang 
es 13. Jahrh. unter dem Titel« Reinhart» (heraus. 
von Mailäth und Köffinger im «Koloczaer Coderd, 
Peſt 1818; in reinerer Geſtalt, mit wichtigen Bei: 
lagen und tiefen, die ganze Geſchichte der Gage 
durdhgründenden Unterfuhungen von v. Grimm, 
Berl. 1834), das nicderländifche gegen den — 
des 13. Jahrh., wiederum mit einem ſtarlen Bei: 
ſatze von Satire und einem binzugedichteten zweiten 
Zeile («Reinaert de Vos», herausg. von Willens, 
Gent 1836; neue ar 1850). In Deutichland 
wollte die Tierfage neben ber höfichen Di tung 
nicht recht gedeihen und wurde bald wieder auf: 
gegeben. In den Niederlanden dagegen wurde das 
alte Gedicht durch Hinric von Allmar aufs neue 
ungearbeitet und mit einer profaijchen Gloſſe ver: 
fehen. Außerdem verwandelte jich der überarbeitete 
creimte «lteinaert» in eine dem veränderten Ge: 
der entiprechende, aber dem Original ſich treu 
anfchmiegende proſaiſche Erzählung («De hystorie 
van Reinacrt de Voss, Gouda 1479; neue Ausg. 
von Martin, Paderb. 1877), die auch bald durch 
William Garton ins Engliihe überfest wurde 
(Alyer begyuneth thystorye of reynard the foxe», 
Heftwninfter 1481), und erit in den aus dieſen bei: 
den Werten geflotjenen holländ. und engl. Volls— 
büchern Verderbnis und Verſtümmelung erfuhr. 
Nun endlich He die Dichtung auc zum zweiten 
mal nad Deutichland zurüd. Hermann Barkhufen, 
Stadtſchreiber und Buchdruder zu Roſtoch, Scheint 
es gewejen zu fein, dem man den «Neinele», die 
treitlihe, auf der Bearbeitung des Hinric von Alt: 
mar berubende ide in niederdeutjche Verfe, 
N verdanken hat; nad) andern Unterfuchhungen war 
ritolaus Baumann der deutiche Bearbeiter. Diefes 
Bud) hat weite —— durch verſchiedene Litte: 
raturen und wiederholte liberarbeitung erfahren; 
aber fein Späterer mochte e3 wagen, ſich wejentlich 
von ihm zu entfernen. Es ward zuerit gedrudt zu 
Lübed («Keynke de Vos», Lũb. 1498; nur in einem 
Grenmplar auf der wolfenbütteler Bibliothek er: 
alten); dann mehrmals zu Roftod (jeit 1517), 
55 — wieder herausgegeben durch Halemann, 

ottihed, Bredow, Scheller, Scheltema, ea 
durh SHeinr. Hoffmann von Fallersleben (Brest. 
1834; 2. Aufl. 1852), Lübben (Oldenb. 1867) und 
Schröder (Lpz. 1872). In ln fand 
ber «Neinele» weite Verbreitung durch Mich. Beu— 
thers mangelhafte, aber mehr al3 zwanzigmal 
aufgelegte hochdeutiche überſehung (zuerſt Frantf. 
1544, jtet3 unter dent ganz ungehörigen Titel eines 
zweiten Teils zu Johann Paulis Buche «Schimpf 
und Ernit»), die wiederum durch Hartmann Shop: 
er in lat. Berfe gebracht (zuerft Frankf. 1567) und 
ß au den Auslande J——— wurde. Neues 
eben und erhöhte Anziehungskraft für das gegen: 
wärtige Geſchlecht gewann der «Neinele» durd die 
neubodpdeutihe Bearbeitung von Goethe (zuerit 
Berl. 1794) in Heranietern, der neuerdings die 
er Zeihnungen von Wilh. von Kaulbach 


id anſchloſſen (Münch. 1847); ferner die fiber: | und von Haas (Lpz. 18383 


fehungen von Soltau (Berl. 1803; 
Verl. 1867) und von Simrod (2. Aufl., Irantf, 
1847), letztere beiden in Versmaße des Originals, 
in kurzen iambiſchen Neimpaaren, und von Hart: 
mann (Xpz. 1864), 





Reinertrag — Reinhard (Franz Volkmar) 


NReinertrag, ſ. unter Ertrag und Ertragds 


anfſchlag. 
Reinerz, Stadt in der Grafſchaft Glatz bes 
preuk-1äle, Regierungsbezirls — 24 km 


weſtlich von der Kreisitadt Glatz, an der Weiſtrig 
und 556 m über der Oſtſee el ve 
eine3 Amtögerihts und einer > 
drei kath. und eine prot, Kirche und J 
3326 E., welche Webereien, Schubftift-, iſte 
und Bapierfabrifen, Glasfchleifereien, $ Idneide 
mühlen und Saltöfen unterhalten, d R. mit 
der Stadt durch eine Allee verbunden, iſt 
9 ggg —— Harn — 
anftalt, acht fohlenfauren allaliſchen Eiienquellen, 
großer Badeanftalt für tohlenfaure Mineral: umd 
Moorbäder, fowie Doucen, einem Pa 
einer 1885 neuerbauten Wandelbahn 
Kurplak mit Waldpromenaden. Bad N, üt inbi- 
ziert, wo man allgemein träftigend, tonifierend 
verfahren will, wo Blut und Nervenleben belebt, 
die Verdauung beiähleuniat, die —— der 
en befördert, die Nejpiration er * die 
Schleimhãute abgehärtet und latarrhali Aftet: 
tionen gelöft werden follen. ——— wer: 
= Be 16.000 a — * 1854 
etrug die Frequenz erjonen. Zeller, 
«Bad R. Geihihtlic, topographifd uf. m. 
ichildert» ( rag 1869); Drefcher, «Der Kurort 
Glatz 1878); olz, «Reinerz> (Glab 18 + Deng: 
er, «Bad N.» (Zür. 1882), baum. 
Reinetten ( enetten), f. u. Apfel, pfel: 
Neinfeld, Fleden im Kreife St der 
teuß. Provinz —— — u der 
ündung der Heildau in die Trave, Station ber 
Linie Lübed : Hamburg der Lübed : Büchener Eiſen 
4 Eip eines Amtsgerichts, zählt (1880) 1081 
un hat bedeutende Fiſch-⸗, namentlich Ha: 
Ziegelbrennerei und Getreidehandel, i 
wenige Mauerrefte find vorhanden von ber im 
12. Jahrh. geitifteten reihen Giftercienferabtei N. 
und von dem 1599 vom Herzog Johann dem 
von Holjtein:Sonderburg erbauten Schleife. R, ift 
Geburtsort des Dichters Matthias Claudius, 
Neinhard (Franz Volkmar), prot. 
Kanzelredner, geb. 12. März 1753 zu B 0 
im ehemaligen Fürftentum Sulzbach, ftudierte i 
Wittenberg, ward 1778 dafelbft —* der phil 
Fakultät, 1780 außerord. Profeſſor der Philsſor 
1782 ord. —— der Theologie, 1784 Bro: 
an der Schloß- und Univerjitätslirdie und wur 
1792 als Oberhofprediger, Kirchenrat und 
tonfiitorialaffefior nad) Dresden berufen, 
6. Sept. 1812 ftarb. R. war anfangs entichie 
Vertreter des Rationalismus, wandte ih 
jpäter der pofitiven Richtung mehr zu und verfün 
digte einen srationalen Supranaturaligmuss, bi 
fonders in feiner berühmten Ka mationspr 


0 N 2 
— 1000, ie * 9 m 
anzelredner; ſeine Predigten ſind wegen T 
gen Innehaltens der logiihen Form dheul 
a: Die vollitändige Sammlung berfelben 
umfabt 35 Bände (Sulzb. 1793—1813), dazu n 















Supplementbände von Fe ann (Meib. 1825 
\ ferner «Predigte 4 
neue Ausqg., häuslichen Erbauung» (4 be., S 13). 


., Su 
jeinen Schriften find die wichtiaiten: ü 
den Wlan, welden der Stifter der chriſtl. Nehi 
zum Beiten der Menichheit entwarf» (1. Aufl, ano: 
nym, Wittenb. u. Zerbit- 178155; BD 


Reinhard (Karl Friedr., Graf) — Reinhart 693 


«Syſtem der chriſtl. Moral» (5 Bde., Mittenb. 
1788 fg.;5. Aufl. 1815),«Geftändnifler(Sulzb. 1810; 
5. Au 1811), «Borlefungen über die Dogmatik» 
(Sufzb, 1801; 4. Aufl. 1818), «Opuscula acale- 
mican (2 Bde., Eu 1808—9). In feinem Geburts: 
orte ward R. ein Denkmal errichtet und in Dresden 
u feinem Andenten eine Stiftung Reinhards- 
tiftung) gegründet, die jährlich homilet, Preis: 
aufgaben ftellt. Val. Pölis, «NR, nad) feinem Yeben 
und Wirken ————— Bde, 2p3. 1813—15). 
Reinhard (Karl _riedr., Graf), Pair von 
Srantreih, geb. 2. Olt. 1761 zu Schorndorf in 
Württemberg, ftudierte zu Tübingen Theologie und 
Lhilologie, ing 1786 nad Verey und 1787 als 
——— nad) Bordeaur. am 3.1791 —— er ſich 
nad) Paris, wo er eine Sekretariatsſtelle im Mi— 
nijterium des Auswärtigen erhielt. Im %. 1792 
lam er als erfter Gejandtichaftsietretär nad) Yon: 
don; 1798 in gleiher Eigenſchaft - Neapel. 
Nad) dem Sturze der Gironde wurde er Abteilungs: 
chef im Minijterium des Auswärtigen, trat nad) 
dem Sturze der Schredensherrfhaft in das biplo: 
matiſche Komitee des Konvents, und wurde nad 
dem Friedensſchluſſe mit Preußen Gefandter bei 
den Hanfeftädten. Im %. 1798 ging er al3 Ge: 
fandter nad Toscana, und als das Land 1799 
von den Franzofen befegt wurde, übernahm er das 
Amt eines en ard. Nah der 
Schlacht an der Trebbia (17. bis 20. Yuni 1799 
flüchtete er zur See und erhielt zu Toulon den Ru 
nad Paris, um dafelbjt das Minifterium des Aus: 
wärtigen zu übernehmen. Aber ſchon nad) der Re: 
volution vom 18. Brumaire legte er jein Porte⸗ 
feuille nieder und ging als Gefandter in die 
Schweiz, 1802 ala Geſandter beim Niederſächſiſchen 
Kreife nad) — 1805 als franz. General: 
tonful und Reſident nad Jaſſy. Hier wurde cr 
1806 bei dem Einmarſche der ruf. Truppen ver: 
— und hielt ſich dann auf feinem Yandaute 
altenluft am Nhein auf, bis ihn Napoleon 1808 
zum Gefandten am weftfäl. Hofe zu Kaſſel und zu: 
gleih zum Grafen ernannte, Die Reftauration 
brachte dem vielgewandten Mann auf Talleyrands 
Vorſchlag die Würde eines Staatsrat3 und Hanj: 
leidireftors im Miniiterium des Auswärtigen. 
Später ſchidten ihn die Bourbons ala Gefandten 
an den Deutfchen — bis er 1829 in Nube: 
ftand treten mußte. Nach der Yulirevolution war 
er Gefandter am fähl. Hofe. Im J. 1832 abberufen, 
erhielt er die Bairgwürde,. Er jtarb in Paris 25. Dez. 
1837, In feiner jugend überfepte R. — rom. 
Dichter; auch gab er mit Conz « Epifteln» (Tüb. 
1785) heraus, Sein «Briefwecdhiel» mit Goethe er: 
ſchien fpäter (Stuttg. 1850) im Drud. 
Neinhardböbrunn, einer der reizendften und 
befuchteiten Punkte Thüringens, ift ein Luftichloß 
de3 Herzogs von Coburg:Gotha, welches 1 km von 
Friedrichroda (f. d.) am Nordfuße des Thüringer: 
waldes liegt. Das ziemlich umfangreiche Gebäude 
befindet nd, umgeben von großen Teihen, aus: 
sn iefen und berrlidyen Anlagen, in einem 
hönen Thale und enthält in feinem Innern eine 
jehenswerte Sammlung meiſt monſtröſer Geweihe 
von Wild aller Art. Als Graf Ludwig der Bärtige 
1036 ober 1039 nach Thüringen lam, waren Alten: 
berga (Aldinberc) und R. (Reginherisbrunno) die 
eriten Orte, welche er anlaufte. Zu Altenberga er: 
baute er fid eine Kemenate und eine Kapelle und 
1044 die Schauenburg (bei Friedrichroda). Sein 
Cenverfationg»2egiton. 13, Aufl. XIII. 


Sohn Ludwig der Springer begründete 1085 zu R. 
ein Benebiktinerllofter, das 1089 von Hirihau aus 
mit Abt und Möndyen bejeht und 1092 von Bapit 
Urban II. beftätigt ward. Das reichdotierte Klofter 
wurde der Mittelpunkt der Bildung für jene Gegend 
und zugleich die Begräbnisitätte der thüring. Land» 
grafen. Dasſelbe ftand in höchſter Blüte, als e8 in 
der Nacht zum 21. Sept. 1292 von dem Raubritter 
Ludwig von Hobberg in Ajche geleat wurde. Der 
Micderaufbau verurfachte zwar eine große Schul: 
denlajt, doch gelangte das Kloſter bald wieder zu 
MWohlitand. Nah dem Auäfterben der Landgrafen 
von Thüringen (1440) nahmen fidh deren Erben, 
die Hurfürften von Sadjen, desjelben an, doch 
fonnten fie nicht verhindern, dab 1525 die ſchöne 
Abtei durch eine Notte von Bürgern aus Walters— 
haufen in Verbindung mit aufftändifchen Bauern 
änzlich außgeplünbert und verwültet wurde. Die 
Herzöne von Weimar erbauten fih nun an der 
Stelle des Klofters ein Jagdhaus, welches nebit 
Zubehör nah der Achtung ob. Friedrichs des 
Mittlern 1567 bei Gelegenheit der Auseinander— 
ſehung zwischen deffen Erben (1572) bei Weimar 
verblieb. Herzog Friedrich Wilhelm I. erbaute 
1601_anftatt des Jagdhauſes ein Heines Schloß 
mit Turm, das zu gleicher Zeit auch al3 Sommer: 
refidenz dienen follte, Bon der verwitweten Fürftin 
Dorothea Marie, die mit ihrer Familie ihren 
Mohnfig zu R. nahm, wurde 1605—13 das pobe 
Haus und die Kirche hinzugefügt. Bei der Teilung 
des weimar. Gebietes (1640) fiel R. an Herzog 
Grnit den Frommen zu Gotha. Am Anfange des 
19. Jahrh. that Herzog Auguſt viel zur Verſchöne— 
rung de3 Schloſſes; auch wurde 1813 in der Nähe 
des lehtern ein Gafthof erbaut. Seinen Ruf ver: 
dankt R. jedoch erft Herzog Ernit I., welcher 1827 
—35 das Schloß durd den Baumeiſter Guftav 
Eberhardt gründlich reftaurieren und die Bart: und 
Gartenanlagen durch den Hofgärtner Gulefeld um: 
geftalten und erweitern lief. Zum Abſchluß ge: 
langte die Umgeftaltung des im got. Stile gehal: 
tenen Schloſſes unter Herzog Graf Il. Die jebige 
Kirche, Brivatlapelle des Herzogs, wurde erit 1873 
vollendet und im Aug. 1874 eingeweiht. Val. 
Möller, «Geſchichte des Kloſters N.» (Gotha 1843); 
Naude, «Die Fälſchung der älteften Reinhards— 
brunner Urkunden» (Berl. 1883), j 

Neinhardswald, Buntjandfteingebirge im 
nördl. Teile des preuß. Negierungsbezirts Kaflel, 
Kreis Hofgeismar, zwiſchen Weſer und unterer 
Diemel, ift ein ſchön bewaldetes Plateau und fteigt 
im Staufenberg bis zu 469 m an, 

Neinhart (ob. Chriitian), deuticher Land: 
fhaftämaler und Radierer, geb. zu Hof 24. Jan. 
1761, bildete ſich unter Öfer in Leipzig, Tpäter in 
der Alademie in Dresden nad niederländ, Vor: 
bildern. Mit Unterftükung des Markgrafen von 
Bayreuth ging er 1789 nach Nom, wo er jeitdem 
blieb und hauptſächlich Haderts Werte fi zum 
Mufter nahm. Mit J. W. Mechau aus Leipzig 
und A. K. Dies aus Hannover gab er die 72 Pro: 
fpelte aus Italien (Nürnb, 1799) heraus, Mit 
derielben Gründlichleit wie die Landſchaft ſtudierte 
er die Anatomie und den Charalter der Tiere. Unter 
den großen Meiftern feines Fachs nähert er fih am 
meiften Swanevelt; doc) bejtimmte jpäter das Auf: 
treten Kochs und Carſtens' eine ganz neue Richtung 
in feiner Produktion. Höchft vollendet iſt feine Zeich⸗ 
mung, und namentlich ausgezeichnet find feinefpätern 

88 


594 


Zeichnungen in Sepia, Aquarell und Gonadhe. | 
Mit F. Sidler gab er den «Almanad) aus Nom für 
Künſtler und Freunde der bildenden Kunſt und Hafli- 
ſchen Litteratur» (Lpz. 1810 und 1811) beraus, 
worin ſich „mehrere geähte Landichaften von ihm 
befinden. Die reichfte Sammlung feiner radierten 
Blätter (Landſchaften und Tiere) befaß Graf Rigal, 
wie der Statalog desfelben (Par. 1817) beweilt. 
Gins der ſchönſten und geöhten feiner Blätter, eine 

Landihaft in Sturm, dedizierte er Stiller. Zu 
jeinen vorzüglidjten Arbeiten der jpätern Zeit ge: 
bören die Malereien im Palaft Maffimi zu Nom. 
Noch fpäter führte er vier Temperabilder, An: 
fihten aus der Billa Malta, für den König von 
Bayern aus, R. ſtarb 8. Juni 1847 in Rom. Bgl. 
Baiſch, «N. und jeine reife» (Ups. 1882). 

Neinheim, Stadt in der heil. Provinz; Starten: 
burg, Kreis Dieburg, linls an der Geriprenz, da 
wo biejelbe den Ddenwaid verläht, Station der 
Linie Darmtadt:Wiebelsbad): Heubah der Heſſiſchen 
Ludwigsbahn, it Sig eines Amtögerihts, zählt 
(1880) 1663 €. und hat Viebjudt. 

Reinhold (Karl Leonhard), ein zu feiner Zeit 
ſehr einfl a er beuticher Bhilojopb, geb. 26. Olt. 
— zu Wien, trat et als Novize in das Probe: 

haus ber Sehuiten zu Gt. Anna in Wien und 
1774 in das dortige Kollegium der Barnabiten, 
in welchem er Novizenmeifter und Lehrer der Philo: 
fopbie wurde. Im Herbit 1783 entjog er fi 
—2 — Standes duch die Flucht und bes 
cab ſich über Leip pye im Mai 1784 nach Weimar. 
Schon 1785 ward R weimariſcher Nat, Wielands 
Schwiegerſohn und Mitarbeiter bei der Nebaction 
des «Deutihen Merkur, In Weimar fchrieb er, 
außer mehrern Ab ublungen religiös:moraliichen 
Inhalts, die «Briefe über die Kantſche er 
welde zuerft im «Deutihen Merkur» (1786—87) 
abgedrudt, jpäter beträ lich vermehrt (2 Bde., 
Yp3. 1790—92) erſchienen und ber Yehre Kants 
namentlich von ihrer fittlihen Seite den Singang 
in das größere litterariihe Publikum bahnten. 
wurde 1787 Brofejior in Jena, 1794 Profeſſor — 


tage zu Kiel, wo er 10. April 1823 ftarb. 
n feinen philoſ. Forf ungen find mehrere Berio: 
den zu untericheiden. In ber eriten bemühte er fidh, 


das theoretiiche Zundament der Erkenntnis, welches 
von Kant für die transſcendentalen Yeltimmungen 
der Vernunftkritif nur vorausgefeht, nicht aus: 
en ausgeſprochen war, durch eine ſynthetiſche 
Deduktion der Formen und Geſetze der intellek— 
- Thä — aus der oberſten Thatſache des 
menſchlichen Bewußtſeins feſtzuſtellen. Zu dieſem 
Behufe ſchrieb er den «Berjuc einer neuen Theorie 
des Vorftellungdvermögens» (Jena 1789; 2. zn. 
1795), zu deren Erläuterung er die «Beiträge 
Berichtigung bisheriger Mißverſtändniſſe der | 
lojophen» (2 Bbe., Jena 1790—94) und die Schrift | 
«fiber das Fundament bes philof. Willens» (Jena 
1791) folgen lieb. Den Übergang von diejer ge 
Periode zu ber zweiten bildete ein Verſuch, de 
Stanbpunkt der Fichteſchen Wiſſenſchaftslehre, in 
welcher er nunmehr die von ihm jelb angeitrebten 
5 Prinzipien der Kantſchen Zranäjcenden: | 
talpbilofophie erblidte, aber deren Verhalten zu | 
der Neligionslehre er mißbilligte, mit dem Stand: 
punkte der Jacobiſchen Gla siebre zu vermit: | 
teln. Dieje Bermittelung jprad) er aus in der Ab- 
handlung «fiber die Paradorien der neueften Phi⸗ 
loſophie⸗ (Jena 1799) und in den beiden «Send: | 





ben | verfität. 


8 


bie Deu 


Reinheim — Neinid 


—— an Lavater und an ee sfiber den 
ben an Gott» (Dem) 1799). Weiterhin neigte 

—*3 R. der in Barbilis «Logik» (1800) angebeuteten 
en zu, daß die wahre Denklehre die Realformen 
Grundes und Wejens aller Wirklichleit zu 
— Begenitanbe baben und mithin mit ber echten 
Dntologie eins fein müfle. Bon nun an bis zu 


feinem Lebensende waren alle feine n 
darauf gerichtet, in einer Analyſis der reinen Ver: 
nunftiveen die Berhältnifie der realen Moglichteit 


und der Wirklichkeit mit apodiktiicher Gewißheit u 
entwideln. Hierher gehören mehrere nu.. 

in feinen «Beiträgen zur leichtern fiberjicht des 

ſtandes der Bbiloto phie beim Anfang des 19. 

(Kiel 1801—3), feine «Grundlegung einer Sans: 


nymil für den allgemeinen Spradgebraud in den 
philoſ. Wifienichaften» (Kiel 1812) umd «Das 
a ichliche Ertenntnisvermögen aus dem Geſichts⸗ 
punkte des dur die Wörteriprache vermittelten 
Zuſammenhangs zwiſchen der Sinnlichkeit und dem 

fvermögen» (fiel 1816). Bol. »A. s Leben und 
litterariiches Wirken» (Jena 1825) von feinem 
rn y a ne einhold; Heil, «Wieland 

» 
Reinhold (Chriian Ernſt Gottlieb Jens), 
loſoph, Sohn des vorigen, geb. zu 18 KB 
1793, wurde in Stiel 1820 Lehrer an 
Schule und habilitierte ſich ‚ gleiägeitig an der Uni: 
Wenige Jahre darauf erhielt er einen 
Nuf als Profefior der Logik und Metaphyſit an die 
Univerfität zu Jena, wo er bis — — Tode 
17. Sept. 1855 als Lehrer thätig war. Bon feinen 
philoſ. Schriften find zu nennen: all- 
nemeine Dentiormenlehre» (Nena 1827), aHand 
buch der allgemeinen ** —* * A, — — 
(3 Bde., Gotha 18283—29), 
unter dem Titel —— = ji — mas 
den Hauptmomenten ihrer u ung» 
4. Aufl., 3 Bde. Jena 1854), «T 

hen ermogem un tal 


—— 


—* u. Erf. 1832—34), «Lehrbu 
n Bindologie nebit den Grundzügen 
> fo Sogil» (Yena 1835; 2. Aufl. 1839), 


ber G te be bil » 
— 


drei Abteil echtslehre, Sit: 
ee Nelisionsichret a 1837), “Spftem 


der Metaphyſik⸗ (3. Aufl., 88 1854) ıc. In feinen 
wiſſenſchaftlichen Beitrebun en ſchloß — der von 
Kant vorgezeichneten kritiſchen Richtung 


eg (Nob.), deutſcher — und 
Febr. 1805 zu Danzig, war Schüler vo 
in — ging dann nad) Düſſ —— — 
ma a hierauf in Gemeinjchaft mit — 
Malern eine Künſtlerreiſe 2. Italien. Rah 


tſ zurück wãhlte — —— 
feinem Aufenthalt, wo er 7. 
Seit 1830 ging eine ziemliche — Bilder von 


— und inniger Gemütlichfeit aus jeiner Hand 
bervor, hiſtor. und romantiſche Daritellungen, in 
Konzeption und Ausführung vortrefflich. Ju meb- 
rern Arbeiten — er ale Maler und Dichter 
ugleich, wie zuerit Umrijie nad Hol;: 
| Fpnitten von A. Dürer, . erläuterndem Tert 
und a (Berl. 18350). Später gab er mit 
Kugler das «Liederbud * deutſche Stünftler« 
Gerl. 1833 u. öfter) mit Kupfern heraus. Ein 
an erk, die «Lieder eines Malers mit Rand 
‚ zeichnungen feiner Freunde» (Düfjeld. 1838), entbält 


es a 


Reinigung — Reinkens 


31 Driginalrabierungen von R. und 30 andern be: 
rühmten düfjeldorfer Künitlern. Mit Ludw. Rich— 
ter verband fih R.zur Herausgabe von Hebels 
—— Gedi * von —F en bob 
eu ertragung lieferte, und bichtete zu Re: 
thels «Totentanz» bie Verſe. Seine «Lieder» (Berl. 
1844; 7. Aufl. 1881, mit einer Biographie R.2 
von Berth. Auerbad) befunden das reine und 
ehrliche Gemüt des Dichters, wie ihre Friſche und 
Innigleit, die Naturbilder, die fie enthalten, und 
die gemütlihen Töne aus der heitern Welt der 
Künitler ihnen zahlreiche Freunde erwarben. Auch 
gab R. ein «lluftriertes A:b+c:Buch» (Lpz. 1845; 
4. Aufl. 1876) und den «lluftrierten Jugendlalen: 
der» (2pz. 1849—52) heraus, ferner das Märchen 
«Die Wurzelprinzeifin» (2pz. 1848) und «Lieder und 
dabeln für die Jugend» (pr. 1849). : 
Reinigung (monatliche), ſ. Menitruation. 
Reinigungen galten in der ganzen alten Welt 
und noch heute bei Katholifen, Zuden und Moham⸗ 
medanern als religiöfe Pflicht. Der Urfprung der: 
felben liegt in der aller Naturreligion eigenen Ber: 
miſchung geiſtlicher und leibliher Reinheit. Als 
Reinigungsmittel hat meiſtens das Wafler gedient, 
in den heidniſchen Neligionen zugleich euer und 
Opferblut, weldes auch im Judentum angewendet 
wurde. Städte, Tempel, Pläge und andere Orte 
gg war Pflicht, ſobald fie, den Gottheiten 
Beilig, ur Handlungen der Menſchen oder durch 
unreine Tiere entweibht waren. Bon den Menfchen 
waren beionder3 diejenigen zur RN. verpflichtet, 
welche durch den Genuß gewiſſer Speifen aus der 
Tier: und Pflanzenwelt unrein geworden oder mit 
unreinen Gegenjtänden, namentlich mit Toten, in 
Berührung gelommen waren, oder ein Verbrechen 
— hatten, vor allen der Mörder, der mit 
Dpferblut und Waller entfündigt werden mußte. 
Bei den Griechen fand jährlich ein Reinigungsfeit, 
namentlich für das Heer, im bling ftatt; auch 
wurden jährlich beftimmte Neinigungsopfer für den 
Staat gebradt, indem an Berbrechern, die zum 
Tode verurteilt waren, das Urteil vollzogen wurde. 
Zu ben feierlichſten R. ver Römer gehörten bejon: 
ders die des Heeres, der Flotten und des Volls 
Suovetaurilia und Ambarvalia), Das Judentum 
te beſonders Wichtigkeit auf die R., was mit 
dem bebr. — der — oder Heiligkeit als 
Merkmals von allem, das dem Bundesgott Jahve 
zu eigen gehört, zufammenhängt. Der Genuß ge: 
wiſſer Speijen von Tieren und Pflanzen, nament: 
ich von gefallenen Tieren, von Blut, blutigen 
Fleiſch⸗ und Fettitüden, von wiederläuenden Tieren 
ohne völlig geipaltene Klauen, von Schweinen, 
Schlangen, Fiſchen ohne Schuppen u. ſ. w., von 
Speifen und Getränken, die unbebedt in einem 
Leihenzimmer gejtanden, der Aufenthalt in Häu: 
fern von Ausjägigen, der Gebraud von Kleidern 
te Ausfägigen oder von Gefäßen, in die ein uns 
reines Tier gefallen, u. ſ. w, tonnten die Unreins 
* hervorbringen und verpflichteten zur levitiſchen 
. Man teilt fie in die allgemeine und beſondere 
R. Jene erforderte ein Waſchen und Baden des 
Körpers. Für die befondere R., die ſich nad) der 
Gattung der Unreinheit richtete, war entweder nur 
ein Bad oder ein Bad und Beiprengen mit 
Waſſer, das mit der Ajche von der roten Kub ne: 
mifcht, oder ein Bab und Opfer (Reinigungs: 
opfer) erforderlich. Diefe Arten der R. bezogen 
ſich auf die durch die Berührung eines Toten, durch 


59 


ben Umgang mit einem Weibe zur Zeit ihrer monat: 
lichen Reinigung und durch Samenfluß bei Nännern 
entitandene Unreinheit. Als mit der größten Un: 
reinigleit behaftet galten Wöchnerinnen, Weiber 
während der Menitruation, Männer mit unnatür: 
lihem Samenflufie, die Ausjägigen und deren Häu: 
fer, für die daher ganz. bejondere weitläufige R. 
vorgeichrieben waren, Bricfter und Leviten waren 
vor ihren Amtsverrihtungen befondern R. durch 
Waſſer und Blut unterworfen. Das Chriftentum, 
welches die R. der Gefinnung und des Wandels 
fordert, bat den äußerlichen Reinigungsceremonien 
grundfäklich ein Ende gemadıt. 

Reinigungsdeid, j. unter Eid, 

Neinkens Joſeph Hubert), Biſchof der deut: 
föen Alttatholiten, geb. 1. Märy 1821 zu Burt 
ſcheid bei Aachen, konnte wegen Bermögensverluft 
der Eltern erſt mit 19 Sen das Gymnafium be: 
ziehen, ftudierte feit Herbſt 1844 zu Bonn, wo er 
im erſten Jahre die philoſ. Preisaufgabe über den 
Zugendbegrijf der Griechen löfte uchte vom 
Herbit 1847 bis 1848 das Prie terfeminar zu Köln 
Ih —— x 2 een zum — der 

eologie. 14 ilitierte er ſich in 
Breslau für irchengeſdichle. ward 1852 zum 
zweiten, 1853 zum erſten Domprediger, 1853 zum 
außerord., 1857 zum ord. Profefior der Theologie 
ernannt und vertrat mit Profeſſor Balber die libe⸗ 
tale Richtung. Im J. 1858 legte R. fein Amt als 
Domprediger nieder. Wegen der Schrift «Bapft 
und Bapfttum nach der Zeichnung bes heil. Bern: 
hard von Glairvaur» (Münft. 1870) verhängte der 
Fürſtbiſchof Förſter über ihn die Disciplinarunter: 
juhung; die Beröffentlidiung der Schrift «fiber 
päpftl. Unfehlbarteit» fuchte derjelbe vergebens zu 
verhindern, Nachdem N. 26. und 27. Aug. mit 
Döllinger und andern bie nürnberger Erklärung 
gegen das Vatikaniſche Konzil erlafjen hatte, ward 
er 20, Nov, 1870 ab ordine fuspendiert und den 
Studenten der Beſuch feiner Borlefungen verboten. 
Seitdem hat fi R. ganz der förderung ber alt: 
kath. Bewegung gewidmet. Dem Kampfe gegen 
die Unfehlbarkeit dienen auch ſechs Broſchüren, die 
unter dem gemeinfamen Titel «Die päpitl. Defrete 
vom 18. Juli 1870» (Münft. 1871) erfchienen. Am 
4. Juni 1873 wurde R. von den Delegierten der 
Altkatholilen des Deutfchen u in der St. Pan⸗ 
taleonstirche zu Köln zum Biſchof gewählt, am 
11. Aug. von Heylamp, Biſchof von Deventer zu 
Rotterdam, konfelriert und in Preußen (19. Sept.), 
Baben (7. Ag und Heflen (15. Dez. 1873) lan: 
desherrlich als kath. Bifchof anerlannt, worauf er 
in Bonn feinen Wohnfig nahm. Von R.’ theolo: 

iſch⸗ polemiſchen Arbeiten find zu erwähnen: «Die 

hre des heil. Cyprian von der Einheit der Kirche» 
(Würzb. 1873), «Revolution und Kirche» (Bonn 
1876), «fiber Einheit der kath. Kirche» (Würzb. 
1877), «Kniefall und Fall des Biihofs Wilh. Em. 
Bee von Ketteler» (Bonn 1877). Bon willen: 
haftlihen Schriften find zu nennen: «De Üle- 
mente presbytero Alexandrino» (Bresl, 1851), 
«Anecdota sintne scripta a Procopio Caesa- 
riensi inquiritus» (1859), «Hilarius von Boi: 
tierd» (Schaffb. 1864), «Die Einfiebler des heil. Hie: 
ronymus» (Schaffh. 1864), «Die Geſchichtsphilo⸗ 
fophie des heil. Auguitinus» (Schaffh. 1866), 
«Martin von Tours» (Bresl, 1866), «Nriftoteles 
über Aunit, befonders über Tragödie» (Wien 1870), 
aduife Henjel und ihre Lieder (1. u. 2. Aufl, 

38* 


696 


Bonn 1877), «Amalie von Laſaulx, eine Belenne— 
rin» (Bonn 1878), «Melchior von Diepenbrod» 
en 1881), «Lefling über Toleranz» (Lpz. 1883). 
einmar beißen zwei der bedeutenditen Minne: 
finger. Reinmar von Hagenau, aud Nein: 
mar der Alte genannt, von Gottfried von Straß: 
burg im «Trijtan» als die Nachtigall von Hagenau 
und als Chorführer des ganzen —— 
geprieſen, war ſeiner Herlunft nach ein Elſäſſer 
und 1210 bereits geſtorben. Er lebte und fang am 
öfterr. Hof, dichtete nur Minnelieder, und zwar in 
der durch Heinxich von Veldele eingeführten Weife, 
eichnete fich aber durch Fruchtbarkeit, Feinheit der 
ıpfindung und Formvollendung fo ruhmlich aus, 
dab jelbft der ihm perfönlich nicht freundlich ge: 
ftimmte Walther von der Vogelweide feinen Tod 
als einen großen Verlust bellagte. Von feinen Lie: 
dern iſt eine verhältnismäßig bedeutende Anzahl 
vorhanden. Vgl. E. Schmidt, «R. von Hagenau 
und Heinrih von Nugge» (Straßb. 1874); Bur: 
dah, «R. der Alte und Walther von der Vogel: 
weiden (Lpz. 1880); R. Beder, «Der altheimihihe 
Minnefang» (Halle 1882), — NReinmar von 
Zweter war von Geburt ein Nheinländer, aber 
in Siterreih aufgewachſen, verweilte fpäter gern 
bei dem Böhmenkönige und liegt nad der Über: 
lieferung der ihn fehr hoch ſchäßenden Meiiterfänger 
N Eßfeld bei — in Franken begraben. 
on ihm ſind einige hundert Sprüche vorhanden, 
die ſämtlich in — Strophenform, dem ſog. 
Frau:Ehren:Ton, in ernſter und würdiger, aber 
nüchterner und einförmiger MWeife die fittlichen, 
ftaatlihen und firdlichen Berhältniffe Deutichlands 
vom 3, bis 6. Jahrzehnt des 13. Jahrh. behandeln, 
Bol. K. Meyer, «Unterfuchungen über das Leben 
N.S von Zweter» (Baf. 1866); Willmanns, «Chro: 
nologie der Sprüdye R.s von YZweter» — ——— 
«Beitichrift», Bd. 13). Die Gedichte beider R. ſtehen 
am vollitändigten in von der Hagens « Minnefin: 
ern» (3 Bde. , Lpz. 1838), die des Ültern in kriti— 
her Bearbeitung in «Des Minnefangs Frühling» 
(3. Aufl., Lpz. 1882) von Lachmann und Haupt, 

Neinofa, Stadt und Bezirtshauptort in der 
fpan. Provinz Santander, lints am Quelllauf des 
Ebro, 847 m über dem Meere, Station der Linie 
Venta de Banos de Cerrato: Balencia-Santader der 
Nordbahn, zählt (1877) 2958 E. und hat Wein: 
und Getreidehandel. 

Neinofo (Felir Jose), ſpan. Bublizift und Dich: 
ter, geb. 20. Nov. 1772 zu Sevilla, ftudierte 12 
un auf der Univerfität feiner Baterftadt die theol. 
Wiſſenſchaften, gründete 1793 mit dem Dichter Joſé 
Maria Roldan eine Akademie der humaniſtiſchen 
Wiſſenſchaften, der die meiften bedeutenden Tichter 
jener Zeit angehörten, und wurde für fein epifches 
Gedicht «La inocencia perdida», den Sündenfall 
der eriten Menſchen behandelnd (zuerft 1801; ver: 
befierter Aborud in Dchoas «Tesoro de los poemas 
espaholes»), wie auch für andere poetiſche Arbeiten 
von diefer Akademie gekrönt. In den J. 1801—11 
war R. Pfarrer von Sta.Cruz in Sevilla. Die 
Sociedad:Fconömica in Sevilla übertrug R. 1815 
ihren Yehritubl der Humaniora, den er fünf Jahre 
belleidete, In diefer Zeit arbeitete er aud) jeinen 
«Curso filosöfico de literatura» aus. Im J. 1816 
veröffentlichte er ſein beruhmtes, öfter wieder ge: 
drudtes und von der Inquiſition verbotenes Werk 
«Exämen de los delitos de infidelidad à la patria, 
imputados & los Esples bajo la dominacion fran- 


Reinmar — Reis (Pflanze) 


cesa», woriner mutig bie befiegte Partei, die Afran- 
—————— Von 1820 —12* her + 
ei der Provinzialdeputation von a 

1827 übernahm er die Redaction der Staatszeitung. 
R. ftarb 27. April 1842, Seine lyriſchen Gedichte 
gab zum erften mal die Gefellichaft andaluf. Biblio: 
Pe einöberä (Dito von), Scheitel Gemahl 

einsber o von), eller 

von Ida von — 

Reinftallation (neulat.), Wiedereinfehung. 

Neinthaler (Karl Martin), deutiher Mufiter, 
geb. 13, Dit. 1822 zu Erfurt, wurde befonders 
durd) den großen Orgelipieler Aug. Gottfr. Ritter, 
fpätern Domorganijten in Magdeburg, und daun 
in Berlin Bund) Adolf Bernhard Marr aliſch 
ausgebildet. Das anfangs gewählte theol. Etu: 
dium gab er 1846 auf. Ein königl. Stipendium 
—— ihm einen längern Aufenthalt in Paris 
und Nom. Darauf fam er 1853 ala Gefanglebrer 
an das Lölner Konjervatorium und 1858 als ftäbdti: 
ſcher Mufildirektor und Domorganift nach Bremen, 
und leitet dort zugleich die Abonnementstonzerte, 
die Singalademie und den Domchor. Bon feinen 
Kompofitionen find zu nennen: das Oratorium 
«jephtha», die Opern «Edda» und das Kaãthchen 
von Heilbronn», eine Symphonie in D-dur, welt: 
liche und geiftliche Gefänge mit oder ohne i 
tung, darunter Gottichalls «Bismard:Hymne» für 
Soli, Chor und Orcheſter. 

Reinw., bei naturwifienichaftlihen Namen 
Abbreviatur für Kafpar Georg Karl Neinwardt 
(geb. 1773 in Lüttringhaufen, geft. 1854 als Dis 
reltor des botan. Gartens in n). 

Neinzucht, ſ. unter Sr ic 

Neid (Oryza = ift der Name einer zur Familie 
der Gramineen gehörigen Gattung. Man fennt 
nur wenige Arten, die ſämtlich in Dftindien ein: 
heimiſch —8 und die faſt alle wohl als Varietäten 
einer einzigen Art gelten können, bobe 
Gräfer jmit ziemlich breiten Blättern, fie befisen 
einblütige Ahrchen mit zwei fehr Heinen äußern 
Spelzen. Die Ührhen find zu — 
Blütenftänden vereinigt. Die Blüte > aus 
zwei zufammengedrüdten lederartigen, ft i 
gen, begrannten oder grannenloſen & und 
enthält ſechs Staubgefähe und einen 
mit zwei federigen Narben, Die t wird von 
den Speljen eng umjchlofien und mu 
hülſt werden, Der gemeine Neis (0. L. 
vgl. Tafel: Gramineen, Fig. 10) und ſeine 
arten, 1—1,3 m Dod, bat duntelgrüne, am Nande 
raube Blätter und eine zulept einfeitigüi 
Nifpe, wird jeht in allen wärmern Teilen 
in Europa jedod) faſt nur in Italien, Südfra 
und Spanien angebaut; er ift eine 
Getreidearten, da —* die Hälfte der 
vorzugsweiſe von R. lebt. Am au 
feine Kultur in Carolina, Georgien, A 
indien (Bengal, Patna, Java, Aracan), 
Japan, am älteiten in China, wo ber 
u. So v. Kr * — — 

en R. in Deutſchland anzubauen, ſin gen un⸗ 
zureichender Wärme obne günſtige Nefultate ge 
blieben. Der R., welcher als einjährig angebaut 
wird, erg einen feuchten und mehrmals über: 
ihwemmten Boden (Sumpfreis). Die el 
berbeigeführten überſchwenimungen der Neisfeld 
machen indefien foldhe Gegenden ungefund und 
haben in Europa jene bösartigen intermittierenden 


u 


Be 


Reis (AR) — Neijen (das) 


Fieber erzeugt, denen ber Fremde in mehrern Ge: 
— Dbenitaliens faum entgehen fann. Es gibt 
egrannten und grannenlofen R., —— r 
arbe der Fruchtſpelzen gelben, weißen, roten und 
chwarzen; endlich noch Bergreis, welcher weniger 
au ei braudt und minder von der Kälte 
leidet. Der Reis tommt meilt geihält und getrod: 
net in den Handel, Gr iſt leicht verdbaulih, doc 
nicht fehr nt weil er faft nur Stärfemebl 
und fehr wenig Gimeißlörper enthält. Durch Gä— 
rung des R. in Miihung mit Palmenfaft ftellt 
man den Nrakdar. Als Heilmittel braucht nıan den 
N. in der Abkochung als fchleimig, einhüllend, reiz: 
mindernd bei entzündlichen Fiebern, Brufttrantheis 
ten, Diarrhöen ꝛc. Das Neispulver (Poudre de 
riz) wird zu fosmetifchen Zweden (ald Schminle) 
angewandt. Der neuerdings oft genannte Wa f: 
uns oder Tuscarororeis gehört einer an: 
en Grasgattung an. (Vol. Zizania.) 
Rei (hiliop). 6 ter, eb. 7 Jan. 1834 
eis (Bhilipp), Phyfiter, geb. 7. Jan. zu 
Gelnhauſen, erhielt feine Bildung im Haſſelſchen 
nftitut zu Franifurt a. M. und trat 1850 in ein 
arbengeſchaͤft daſelbſt ein, fie aber daneben 
eine mathemat. und naturwiſſenſchaftlichen Stu: 
dien fort. Er wurde 1858 Lehrer am Garnierfchen 
—— in Friedrichsdorf bei Homburg; daſelbſt 
onſtruierte er 1860 das erſte, nach ihm benannte 
Telephon. R. ftarb 14. Jan. 1874. 

Reis iſt die Pluralbezeihnung für die portug. 
und brafil. Geldrechnungseinheit. Die Einzahl eikt 
Neal (nicht zu verwechſeln mit dem fpan. l, 
f.d.). Der R., urſprünglich in Kupfer ausgeprägt, 
wird in neuerer Zeit nur in Mehrfachen gemünzt; 
1000 R. heißen ein Milreis. Sept prägt Por: 
tugel in Kupfer nur noch Stüde zu 3,5, 10 und 
20 R. in Silber, ebenfalls als Scheidemünze, Stüde 
zu 50, 100, 200 und 500R., in Gold fog. Kronen 
(Eoröas) zu 10, Fünftel: und Zehnteltronen 

beziehungsweiſe 5, 2 und 1 Milreis. (S. unter 

rone und Milreis.) Die portug. Währung iſt 
eine Goldwährung; das Milreis in Gold = 4 
Mark und der Real ala "ooo des lektern (alfo eben: 
fall in Gold) = 0,14 Sr. der deutſchen Gold: 
währung. Auch die braſilianiſche Nünzwäb: 
rung a eine —— und deren Milreis3 = 
2,293 Mark. Demnach iſt der brafil, Goldreal faft 
genau die Hälfte des portugiefi en. Seit gaben 
aber ift die herrfchende brafil, Währung eine Papier: 

eldvaluta, welche ber Golbvaluta gegenüber im 

reife ſchwankt und gegen dieſe * (im Sommer 
1885) etwa 60 Proz. verliert, d. h. etwa 160 Mil: 
reis Papier find = 100 Milreis Gold. — In beiden 
Ländern bedeutet ein Co nto oder ein Conto de Reis 
1000 Milrdis oder eine Million R, 

Reis (Caldas de), ſpan. Ort, f. unter Caldas. 

Neid: i, türf,, d. i. präfidierender Gfenbi, 
ift der vom Sultan Mahmud II. in feinen legten Re: 
gierungsjahren Wen Zitel, welchen früher 
im Osmanischen Reiche die Miniſter der ausmärti: 

en Angelegenheiten führten. Das Reſſort diefer 
amten it umfafjender ala das ihrer europ. Sol: 
legen, indem außer den Verhaͤltniſſen zu ben frem: 
den Mächten auch diejenigen der Najahnationen 
ur Hoben Pforte und untereinander babin ehören. 
eitdem auch gegen Ende bes 18. Jahrh. die aus: 
wärtigen Verhaͤltniſſe in der Türkei eine überwie: 
ende Bedeutung gewonnen, wurde ber R. der ein: 
ußreichſte Pfortenbeamte und verbunfelteben Groß: 


597 


vezier (f. Vezier), ber aber unter Abd⸗ul⸗Medſchid 
fein früberes hohes Anſehen wiedergewann, 
Reifen werden zu verihiedenen Zweden unter: 
nommen, hauptſächlich zu ſolchen bes Erwerbs, 
der Entdedung und Grforfhung, der Belehrung, 
des Vergnügens, der Heilung oder Beflerung 
Kranker, ſowie aus religiöjem Eifer. Die Ent: 
widelung des R. hängt mit den Kulturftufen der 
Völker eng zufammen; das R, iſt erjt allmählich zu 
großer Bedeutung gelangt, der Beginn anderer ala 
nur faufmänniicher N, bezeichnet ſtets einen vor: 
gerädten Civiliſationsgrad. Waren bis vor kurzem 
R. für mande Zwecke * gut wie unbekannt, jo iſt 
jebt die größte Entwidelung aller genannten Reiſe— 
arten eingetreten, mit Ausnahme der religiöfen; 
Haupturfahen diefer Blüte find bie großartige 
Ausbildung der Verkehrsmittel, zunehmende per: 
fönliche Sicherheit und beſonders wachſende Mert: 
Ihäsung der R. Der Verkehr der Völter bahnt kos— 
mopolitifchen Sdeen den Weg, ſtärlt das Band der 
AZufammengebörigkeit aller Nationen; durch die heu: 
tige ununterbrodene Berührung mit allen Zonen 
der Erde wird unjer Ideenkreis erweitert, Anden 
das N. die Nationen miteinander befannt madt 
mindert e3 den Nationalbaß, ber die Völker fich 
gegenfeitig Hindernifje bereiten läht; daher rühmt 
Ad. Smith das N. als ein Förderungsmittel der 
Bollswohlfahrt. Die kaufmännischen R. teilen als 
wichtige3 Arbeitämittel des Welthandels deſſen 
eminente Bedeutung für die Bervolllommnung des 
wirtfchaftlichen Lebens; durch die allgemeine Zus 
nahme auch Heinerer faufmännifcher R. iſt manche 
taufmännijche Betriebsweife — affiziert, ſo 
find ſeitdem die großen Meſſen im Niedergange. 
Die Wertihäbung der R. für Herftellung der Ge: 
jundbeit iſt in raſcheſtem Wachstum begriffen. 
Entdedungsreifen, d. b. Reifen, welde in 
der Abfiht unternommen werben, um noch uns 
befannte Yänder aufjufinden und ungenügend be: 
fannte genauer kennen zu lernen, find oft zu gleicher 
Zeit kaufmänniſche und wiſſenſchaftliche NR. Im 
frübeften Altertum konnten der Natur der Sache 
nah willenichaftlihe N. nit wohl vorlommen, 
während zu Entdedungsfahrten im Intereſſe des 
Handels, 3. B. bei den Phöniziern, Harthagern 
und Griechen, vielfadh Veranlaſſung vorlag. Be: 
lannte Beiipiele find die (angezweifelte) Umſchiffung 
Afrikas auf Befehl des Agypt. Königs Necho, die 
R. des Hanno, des Skylax von Haryanda, des 
Pytheas von Maffilia u. ſ. w. Lebtere beide haben 
aud) ihre R. beſchrieben, Stylar unter dem Titel 
«Periplus» (d. i. Umſchiffung), was jpäter ein ge: 
wöhnlicher Titel für ähnliche griech. Neifeberichte 
wurde, Miffenfchaftliche R.kann man die vieler 
griech. Philojophen, Geſchichtſchreiber u. a, nennen, 
welche diefelben zur Erweiterung ihres Gefichtö: 
freije8 und ig Kenntniſſe unternahmen. Als 
Frucht einer ſolchen R. iſt ein großer Teil der Ge: 
ichtsbücher des Herobot zu betrachten. Ariftoteles 
benußte die Feldzüge feines groben Schülers Aleran- 
der, um im fernen Dften Erkundigungen einziehen 
und Beobadhtungen jammeln zu laſſen. Ganz 
ähnlich blieben die Verhältnifje unter den Römern. 
Man reifte, um ſich zu bilden und zu ar nicht 
mit dem Amede, ein Land wiſſenſchaftlich Bi er: 
forſchen und die Nefultate diefer Forſchung feinen 
Beitgenofien in einer Beſchreibung mitzuteilen. 
Eine eigentliche Reifebefhreibung findet ſich auch 
unter den noch erhaltenen Litteraturwerten ber 


598 


Römer nicht. Die noch vorhandenen tinerarien 
(f. d.) können Kr dazu a net werben. 

Die Abgeſchloſſenheit des Mittelalters ließ nur 
wenig Reilewerle bervortreten. Dahin gehören die 
auf Befehl des Königs Alfred unternommenen 
Erpebitionen Othars und Wulfitans und die Be: 
rihte über die Unternehmungen der Standbinavier 
nad den Färöer, Island, Grönland und Vinland 
(NRordamerita). Diefe Entbedungen ben die Erb: 
funde nur um die Kenntnis Islands und Grön: 
lands bereichert, während die Kunde jener Fahrten 
nad) der Neuen Welt das altnord. Spracgebiet 
nicht überſchritt. Dagegen hat die arab. und jüb. 
Litteratur des Mittelalters eine nicht unbebeutende 
Reifelitteratur aufzuweiſen. Die jährlichen Pilger: 
fahrten führten Mohammedaner von allen Welt: 

—— zuſammen. Mohammed. Fürſten rüſteten 
R ft Erpebitionen ja Löſung naturhijtor. Fragen 
aus, fo Harun Al-Raſchid nah ‘Jemen zur Gr: 
[eriäung des Urſprungs und der Natur des grauen 

mbra. Die Reiſewerke der Araber Ihn-Batuta, 
Ibn⸗Foslan, Albiruni, Ybn:Djobair, des Juden 

enjamin von Tudela u.a. m, find wichtige Quellen 
für die Kunde der mittelalterlihen Verhältniſſe zum 
Zeil felbft nod gegenwärtig ſchwer zugänglicher 
Länder. Von Bedeutung für die Kenntnis Dit: 
aſiens find bie R. buddhijtiicher Priefter, wie 3. B. 
des Fabian und beionders des Hiuensthiang. Pie 
erite Kenntnis Mittelajiend verſchafften und die 
Sendungen kirchlicher Botſchafter an die Nachfolger 
Dichingis-Chans; 1246 erreichte die erjte päpſtl. 
Gefandtihaft unter Biano di Carpine die Reſiden; 
des mongol. Herrſchers. Die Handelsbegünitigun: 
gen jeitend der Mongolen riefen im 14. Jahrh. 
einen geordneten liberlandvertehr bis nad) Peling 
ins Leben, über defien Weg Balducci Pegoletti, 
Hanbelsreifender eines florentiner Haufes, berichtet 
(1376). Dem Handelsgeiſte der Venetianer ver: 
danten wir vor allem die R. Marco Polos und der 
Gebrüder Zeno. Das fpätere chriſtl. Mittelalter 
bat eine Anzahl Berichte über das befonders feit 
den Kreuzzũgen von Pilgern häufig befuchte Heilige 
Land aufzuweiſen. So die Berichte Borchards, 
John Mandevilles, Felir Fabris und vieler andern 
welche zum Zeil in Feyerabends «Reyſſbuch beit 
beyligen Lands» (zuerit 1584) gefammelt wurben. 
Bol. Zobler, «Bibliotheca geographica Palaesti- 
nensis» (293.1867). Am Ausgange des Mittelalters 
treflen wir die Periode der größten Entdedungs— 
reifen, das «Zeitalter der Entdedungen», eines 
Columbus und Vasco da Gamma. 

Mit rag m (1519-22) beginnen die R. um 
die Welt. Ihnen fchließen fi die Fahrten zur 
Auffindung einer_nordweitl. Durchfahrt an, be: 
ginnend mit den Fahrten Cabots, der zuerft einen 
lürzern Weg nad) Cathai (China) und den Gewürz: 
infeln juchte (jeit 1493), dann die Nordoftfahrten, 
veranlaßt duch Herberfteins Bud über Ruß— 
land, begonnen 1553 von Engländern, fortgejeßt 
von Holländern. Im J. 1578 eröffnete Drale, aus 
der Magellansitrafe in die Südfee vordringend, 
holländ, und engl. zn ben Weg, um fpan., 
an ber Südſee gelegene Städte zu plündern. 
Den R. zur nordweitl. Durchfahrt ſchließen ſich die 
Nordpolerpebitionen (j. d.) an, der Erſchließung 
der Südſee die N. nad) den Südpolarländern. 
Vach Umfahrung des Tſchultſchiſchen Kaps drang 
Deſchnew durd die Beringsſtraße 1648 bis zum 
Anadyr vor und bewies jo die Trennung der Alten 


Neifen (das) 


von ber Neuen Welt. Vis zur zweiten Hälfte des 
17. Jahrh. waren merlantile Jwede für die Rich— 
tung der großen Entdedungsreifen beftimmend; 
das Vorkommen der Edelmetalle begrenzte das 
Feld der ſpan. Entdedungen, die Gewürzinfeln 
waren das faft ausſchließli eSiel der Bortugiejen, 
das Vorbringen der Rufien folgte der Verbreitung 
der Pelztiere, die Engländer ſuchten eine Abkürzung 
ber Seewege. An den Thaten jenes Zeitalters ber 
Entbdedungen haben ſich faft alle abenbländ. Kultur: 
völler beteiligt. u | ortugiefen unb Spanier 
folgten Engländer, Niederländer und Franzofen, 
fpäter aud Rufen. Die Deutfchen traten noch 
lange nur als Begleiter anderer Neifender auf; fo 
begleitete Tyler die Normannen nad Amerika, 
M. Behaim den Diego Cam nah Angola, wir 
finden Steller bei Bering, die Foriter bei Coot, 
Chamiſſo bei Kotzebue. 

Die wiſſenſchaftlichen Forſchungsreiſen 
nach größern Fernen und entlegenern Raͤumen der 

de, teils zur Loſung beſtimmter wiſſenſchaft⸗ 
licher Aufgaben (Beſtimmungen des Sekunden: 
pendels, Gradmeſſungen u. ſ. w.), teils zur zen 
mäßigen Erkundung der geogr., naturgefchichtlichen 
und ethnogr. Berhältniffe beitimmter Gebiete (wie 
befonder8 des Innern Afrilas und Auſtraliens, 
der Alpenmwelt), teild® zur Anknüpfung fommer: 
Pan und polit. Beziehungen mit fremden Staaten, 

ginnen allmählie un die Mitte des 17. Jahrh. 
find aber erft in neuerer Zeit zu raſcher und grob: 
artiner Entwidelung gelangt. Die meiften R. 
diefer Urt verdankt man den Engländern, für die 
vermöge ihrer Herrihaft über die Dceane, ihrer 
ausgedehnten Kolonialgebiete und ihrer Handels: 
verbindungen mit allen Staaten und Bölfern der 
Erde ſich das Forihungsbedürfnis am dringendften 
berausftellte. Bieles erfolgte bier auf Anregung 
und Koften des Staats (aud der Kolonialregie: 
rungen). Die großen Verdienſte, die fi die Fran: 
zofen um die Erdkunde erwarben, gründen fich mit 
wenigen Ausnahmen eg Unternehmungen, wel 
durch öffentliche Mittel beftritten wurden. Im 
1671 beginnt bier eine ge wiflenfchaftlicher Er: 
peditionen, von denen mehrere bedeutende Reful: 
tate geliefert haben, wie 3. B. 1735 die Conda— 
mines und Bouguers nad) dem äquatorialen Ame: 
rita, Bonapartes Erpedition nad) Ägypten, mehrere 
R. nad) der Südfee, die Erpeditionen Orbignys und 
Gaftelnaus na Südamerika, die von Botta und 
Oppert nad Afiyrien und Babplonien, die Renanz 
nad) Bhönizien, Terierd nad) Kleinafien, Wieners 
nad Südamerila und viele andere, 

ie erfte wiſſenſchaftliche R., welche ein deutſchet 

gar ausführen ließ, war die bayr. Erpedition nad 

rafilien, von Spir und Martius. Später en 
teild ganz ober zumeilt von einer deutſchen ie: 
rung ausgerüftet, teild aus Geſchenken mehrerer 
Fürjten und öffentliden Sammlungen beftritten, 
die Öfterr, Weltreije der Novara , die preuß. 
bitionen nad Agypten (Brugich, — Dftafien 
und Berfien, die —— nad) Vordafrika und 
die Nordpolfahrten. Das deutiche Kriegsjhirf Ga- 
gie machte eine Weltreife namentlih zur Ocean: 
forſchung, und die Reichsregierung unterftüßte ver: 
ſchiedene Grpeditionen nad Afrifa und zur Polar: 
forihung. Konnten fich früher die deutfchen öffent: 
lichen Unternehmungen nicht mit denen Englands, 
Frankreichs, Rußlands, der Vereinigten Staaten 
und der aujtraliihen Kolonien vergleihen, fo iſt 


Reifen (das) 


anbererjeits ſtets bie —— einzelner um 
o —* en. An der Spike der wiſſen⸗ 
chaftlichen Reifenden ſteht Alerander von Hum: 

boldt (f. d.). Unfhägbare Quellen für Geographen 
und Naturforicher, jowie für Ethnographen bilden 
3. B. die Berichte der Reiſenden in Afrifa, wie 
Hornemann, Barth, Rüppell, Nufjegger, um: 
zinger, Heuglin, Rohlfs, Nadtigal, Schweinfurth, 
Mauch, Krapf, Mohr von ber Deden, Junter, Lenz, 
Flegel, Hildebrandt, Denhardt, wibmann, Habn, 

ogge u. ſ. w.; die Werke von Baftian, Forjter 
und Chamiſſo fiber Polynefien, von Hodjitetter 
und Haaft über Neufeeland, von Prinz Mar von 
Neuwied, Martius, Pöppig, Schomburgt, Tſchudi, 
Burmeilter, Philippi, Appun, Neih, Stübel, 
Frankius, Löw, Töppen, Ihering über Amerita, 
der Gebrüder Shlagintweit, Leitners und ©to: 
liczlas über Indien und Hodafien, Baftians über 
Hinterindien, Junghuhns, Bod3 und Jagors über 
den Indiſ ‚rhhipel; dann die Werte von Lep: 
fius und Klunzinger über Üigypten, von Tobler 
über Baläftina u. |. w. Leihhardt war der größte 
Pionier der auftral. Forihung, Payer und Wey: 
prechtzãhlen zu den erſten Nordpolfahrern. Deutiche 
Namen jtehen vielfach auch an der Spihe der gen 
ruf). Reifeunternehmungen der Neuzeit, welche zu: 
meift auf den Großen Drcean (Koßebue, Krufen: 
ftern, Zütle), auf das nördl. und öftl. Afien (von 
Baer, Schrent, Middendorf, Radde u. f. w.) oder 
auf die Kaulafusländer (Abich und Radde) gerichtet 
waren. Bon ganz auferordentlicher Bedeutung 
find einzelne N. der Nordamerilaner; in wahrhaft 
grobartiger Weile läßt die — — 8 
innere ihres Kontinents erforſchen. Bahlreiche 
transtontinentale Erpeditionen wurden durch die 
canad, ke eg und durch die Vorarbeiten 
zu den Bacifichahnen hervorgerufen. Ebenfo ar: 
beiten mit großem Eifer und Erfolg die Ruſſen an 
der eg Ei eure und Sibiriens, die 
Engländer an der Indiens und Inneraſiens, die 
Aultcalier an der ihres Gröteil®. Der größte 
ſchwed. Reifende iſt Nordenjliöld, der zuerjt bie 
Alte Welt umſchiffte. 3 neueſter Zeit widmen fi 
Dänen eifrig der Erforihung Grönlands. 

Die Hauptziele der wiſſenſchaftlichen R. waren 
im 19. Jahrh. die Nordpolländer, Innerafrila (Ril- 
quellen) und nnerauftralien. Die Rorbpolerpe: 
ditionen (f. d.), die nach der Erfolglofigfeit der erſten 
Fahrten zur age nadjließen, wur: 
den in jüngfter Zeit durd die Bemühungen Auguft 
Petermanns wieder zu regftem Leben erwedt. Be: 
rühmt ift unter andern die öfterr. Erpedition unter 
Bayer und Weyprecht imRorden Sibiriens. Neuer: 
dings tritt neben den eigentlichen Polarreifen die 
Errichtung dauernderer Beobachtungsſtationen im 
Bolargebiet auf. (S. Bolarforihung.) Die 
— er Nilquellſuche, trat in ein 
neues Stadium, als die Erkfundigungen der deut: 
ſchen Miſſionare Krapf und Nebmann über ein um: 
geheueres afrik. Binnenmeer publiziert wurden und 
eine Reihe dahin nerichteter Erpeditionen ins Leben 
riefen. Durch bie Entdedungen von Burton, Spele, 
Grant, Geſſi iſt die Nilquellfrage in der Hauptjache 
entſchieden. ſyſtematiſchen Förderung der 
Afrilareiſen bildeten ſich Afrilaniſche Geſellſchaften 
in verſchiedenen europ. Ländern; diegrobartigite der: 
felben ift die von König Leopold II. von Belgien 
geitiftete internationale Afrilaniſche Afjociation, 
aus der bie Association du Congo und jpäter der 


599 


Eongoftaat hervorgingen. Nachdem Cameron und 
Stanley das Con iet enthüllt und auch Serpas 
zus quer durch frila gezogen, durch Forreſt, 
—— — u. —* — ne —* in 
einen Hauptzügen entſchleiert, du uflen, Eng: 
länder und Deutſche das Herz Inneraſiens im 
weſentlichen erforſcht worden, bilden heute neben 
den Bolarländern namentlih Neuguinea, Tibet 
und UAquatorialafrita zwiihen Binne und Congo 
die Ziele der wiſſenſchaftlichen R.; zugleich iſt die 
genauere Erforſchung der Dreane (namentlid) jei: 
tens Gnglands, der Vereinigten Staaten und 
Deutſchlands durch wiſſenſchaftliche Seereijen ener: 
giſch angegriffen worden. Die Beidichte der Ent: 
dedungsreiien behandeln: Peichel, « ichte des 
Zeitalter der Entdedungen» (2. Aufl., Stuttg. 
1877); derjelbe, «Geſchichte der Erbfunde» (2. Aufl., 
Münd. 1877); Vivien de Saint:Martin, «Histoire 
de la geographie» (Par. 1874). 

Den Entdedungsreijen reihen ſich in jüngiter Zeit 
N. an, die in fremden Erdteilen zu dem Zwecke 
unternomnten werden, um Kolonialermwerb an: 
zubahnen; jo die R. der Sendlinge der Deutid-Dit: 
afritaniichen Gejellichaft (Füblde, Peters, Pfeil) 
auf dem Feſtland gegenüber Sanjibar (jeit 1885). 

R. aus religiöjem Eifer findet man bei den 
meilten Bölfern, Sie werden meijt unternommen, 
um eine heilige Stätte aufzuſuchen (Wallfahrten), 
an der die Gläubigen Erbauung ober durch die dort 
thätige Wunderkraft Vergebung ihrer Sünden und 
Heilung von Krankheit fuchen (in neueſter Zeit 
Lourdes und Marpingen); kriegeriſche u. 
waren die zur Befreiung des Heiligen Grabes un; 
ternommenen Kreuzzüge. Die größte Ausdehnung 
folder R. findet bei den Mohammedanern ftatt 
(Bilgerlarawanen nad) Melta und Medina), Au— 
dere religiöfe R. find die der Miffionare. Dieie 
werben gegenwärtig namentlich von England Br 
plent, deutfche Miffionare beſonders aus Bajel, 

tmen, Berlin und Hermannsburg (in Hannover) 
ausgejendet. Oft find die Mijitonare zugleich) 
wiſſenſchaftliche Reiſende. N. zum Zwede des Ver: 
nügend, des Genufies fremder — — 
er ſich erſt ſehr jpät verbreitet. Schlechte Wege 
und Verkehrsmittel, ungenügende Berpflegungs: 
vorrichtungen, hohe Beiterfordernis, ſowie häufig 
Mangel perſönlicher Sicherheit vereinigten ſich, um 
lange das R. als eine Arbeit, nicht aber als Ber: 
nügen erjcheinen zu lafen. —3 18. Jahrh. 
ah man oft das, was heute ſelbſt Ziel zahlloſer R. 
iſt, z. B. die Hochgebirge, als ein Hindernis des 
R. an. Der Fortfall jener hemmenden Berbält- 
nifje hat die Bergnügungsreifen zu großartiger 
Entwidelung gebracht, ſodaß ununterbroden neue 
Br da He re game werben (Retour: 
und Wundreijebillets, Schlafwaggons; Stangen 
und andere Neijeunternehmer geben Hotelcoupons 
aus, mit Anweijung auf Zimmer, Licht, Bedie— 
nung, Mittagefien; einzelne Zeitungen eröffneten 
Reife-Abonnements, wobei die Zeitung nad) jedem 
bezeichneten Orte einer R. augefonbt wird). Es ver: 
einigt ſich oft eine Anzahl von Reifenden, um unter 
Führung eines mit den Verhältniffen eines Landes 
vertrauten Leiters eine R. dahin in Gemeinſchaft zu 
machen, Den erſten Verſuch einer ſolchen Gejell: 
ſchaftsreiſe machte Galignani in Paris; das be: 
tanntefte derartige deutihe Unternehmen iſt das 
von Stangen in Berlin (feit 1862); andere große 
Unternehmer Cook u. Son in London. Ahnlichen 


600 


Aufſchwung haben in nenefter Zeit bie R. zu by: 
gienifhen Zwecken genommen (R. nad) Bädern 
und Sommerfriichen, fowie auf der See). Gegen: 
wärtig wird die Heilträftigkeit größerer Seereilen 
fehr betont; man regte die 2. an, Schiffe befon: 
ders für Kurzwede einzurichten. Ebenſo wird die 
Heilwirkfamteit der N. in Hochgebirgen und fühl. 
Klimaten bereits ſtark benukt. Gine Folge davon 
iſt das raſche Aufblühen einer, ſelbſt das Ent: 
ftehen neuer Ortihaften in günjtigen Lagen. Die 
in der Schweiz eriltierenden gemeinichaftliden Fe— 
rienreifen armer Schüler auf Koſten milbthätiger 
Männer find jeht aud in Deutichland eingeführt. 
Gine Einrihtung_ der neueiten Zeit find gemein: 
ſchaftliche R. von Schülern unter —— Leitung 
um Zwede der Belehrung. Die größte pariſer 
rivatlehranftalt benut jolche zum Erlernen frem: 
der Spraden, indem fie eine Gejellihaft Schüler 
I a Monate nad einem fremden Yande 
chidt. Neuerdings entitand auf Anregung des 
Schiffslieutenants Biard die Societe frangaise des 
voyazes autour du monde unter Zeitung 2evaf: 
feurs, die periodische Unterrichtsreiſen um die Welt 
bervorrufen will; die Neifezeit beträgt ein Naht, die 
Zeilnahme koftet 14—23000 FIrs. es ggg er R. 
wird auch theoretiſcher Unterricht erteilt. Der leh— 
tere nimmt einen noch größern —* ein bei dem 
Schulreiſeprojelt von Woodruff (aus Indianapolis). 
Eine handelsgeograph. Geſellſchaftsreiſe um 
(zur — ————— Kenntniſſe und An: 
Inüpfung von Verbindungen) regte die Societä 
d’ esplorazione commerc. in Africa (in Mailand) 
an, eine andere derartige R. der Berliner Central: 
verein für Bas En 

Die R. haben eine bedeutende Neifelittera: 
tur ind Leben gerufen. Den Hauptteil bildet 
die Neifebeihhreibung, welche der Darjtellung des 
von einem Einzelnen Erlebten, Geſehenen und Er: 
forjchten gewidmet ift. ‘je nad) dem Zwede, wel: 
hen der Reifende verfolgt, wird aud) die Beſchrei— 
bung feiner. einen ver — Charalter tragen. 
Selbſtzweck wird die Beſchreibung, wenn die R. 
eigens unternommen wurde, um fremde Länder 
nah Topik, Natur, Bewohnern, Kultur zu er: 
forſchen, wenn fie alfo eine wiſſenſchaftliche war. 
Deutiche, Engländer, Franzofen, Nordamerikaner, 
Holländer und Rufen behaupten in der willen: 
ſchaftlichen Neifelitteratur den eriten Plaß. Die 
Menge der Neifewerte rief ſchon im 16. Jahrh. 
Sammlungen berfelben, wie von Huttich und Gry: 
näus (1532), Ramufio (1550fg.), Hatluyt (1598 fg.), 
ervor, Bei der großen Michtigleit der Neife: 
efhreibungen als Materialienfanmlungen für 
Geographie, Ethnographie, Naturgeſchichte u. f. w. 
war man von jeher bemüht, ausländische Werte 
diefer Gattung zu überjehen oder in Auszügen zus 
pänalic zu machen. Unter den neuern Samm— 
ungen folder liberfeßungen und Bearbeitungen 
find hervorzuheben: «Sammlungen der bejten und 
auafübrliciten Neilebefchreibungen» (35 Bde. Berl. 
1764—1803) ; aBibliothet der neuesten Neifebefchrei: 
bungen» 1 Bhe,, Berl. 1780—90): ©. Foriter, 
«Neue Geſchichte der Land: und Seereifen» (19Bde,, 
Hamb. 1789—1808); «Neues Magazin von merk: 
würdigen Reifebeihreibungen» (15 Bde, Berl, 
1803—39); fowie vor allen: Sprengel und Chr: 
mann, «Bibliothek der neueſten Reijebeichreibun: 
gen» (50 Bbe., Weim. 1800—14), an welde fi) 
Bertuchs «Neue Bibliothek der Reifebejchreibungen» 


frita | A 


Neifen (das) 


65 Bde., Weim. 1814—35) anschließt; ferner bie 
ibliothel der «Reife: und Länderbeihreibungen», 
herausgegeben von Widemann und Hauff (42 Bde., 
Stuttg. 1835— 54); «Bibliothek geograpbiicher N. 
und Entdedungen» (Jena, ſeit 1868). In England 
ibt die Hakluyt Society ältere Reiſewerle heraus, 
mmlungen von Auszügen aus zahlreichen Reiſe⸗ 
bejchreibungen find: Thomas, «Bilder aus Länder: 
und Böltertunde» (Lpz. 1870); Schöppner, «Haus: 
ihab der Länder: und Böltertunde» (3. Aufl., 
2 Bde., Lpz. 1876). Faſt alle geogr, Zeitfchriften 
enthalten mehr oder weniger vorwiegend Reiſe— 
beſchreibungen. Als Anleitungen und Ratjchläge 
für wiſſenſchaftliche R. find erſchienen: Sir John 
Herſchel, «The Admiralty manual of scientific 
enquiry» (1849; neu bearbeitet von R. Main); 
G. Neumayer, «Anleitung zu wiſſenſchaftlichen 
Beobadhtungen auf R.» (in Verbindung mit mehrern 
Gelehrten bearbeitet); «Hints to travellerss, ber: 
25 im Auftrage der lönigl. Geographiſchen 
Gefellihaft zu London (5. Hui, Lond. 1885); 
Kaltbrunner, «Manuel du voyageur» u. a. m. 
Anleitung zum R. in untultivierten Ländern gibt 
Galtond «Art of travel» (Lond. 1854; 3. Aufl. 
1860), fowie namentlih: Semler, «Das R. nad) 
und in Norbamerifa, den Tropenländern und der 
Wildnis» (Mism. 1884). Die königl. Geographiſche 
Geſellſchaft zu London veranftaltet Lehrkurſe zur 
usbildung angehender Reiſender. 
Neben der wiſſenſchaftlichen Reiſelitteratur bat 
fih eine andere für weitere Leſerkreiſe entmwidelt, 
die bejonders feit der großen Erleichterung des 
Verlehrs in neuerer Zeit — angewach⸗ 
ſen iſt. Es ſind dies die Berichte von R., welche 
Gebildete zu eigener Belehrung, weniger nach un: 
erforfchten, fondern nad Ländern der civilifierten 
Melt unternahmen, die durch ihre Natur, wie die 
Alpenländer, Norwegen und Ysland, durch ihre 
Vedeutung für Kumft und Altertum, wie Italien, 
Sriehenland und Kleinaſien, durch ihre hiſtor. 
Erinnerungen, wie Agypten und Paläjtina, durch 
die hohe Stufe ihrer polit. und fozialen Entwide: 
lung, wie Franfreih, England und Norbamerita, 
das Augenmerk auf fi ziehen. Auch in diefer 
Gattung bat die deutſche Pitteratur viel ur 
liche3 aufjumweifen, wie die Neijewerte von Kobl, 
Gerftäder, Ida Pfeiffer, Blafius, Nügge, M. Wag— 
ner, Willtomm, Möllhaufen , ©. Ralh. u 
vius, Rodenberg, A. Ziegler, Faucher u. |. w. 
Allmählih bat neben andern Hilfsmitteln für 
Neifezwede auch eine eigene Litteratur der Reife: 
bücer entwidelt, die einesteil3 eine Vorbereitung 
zur R. ermöglichen, andernteils I Ag der R. 
gewünschte 9 ustunft barbieten. Diefe Bücher, be: 
treffen teils ganze Länder oder anziehende Gebiete, 
wie 3. B. Niejengebirge, Harz, Thüringen, Rhein: 
land, Wasgenwald, Schwarzwald u. ſ. w., teils 
nur einzelne Bezirke oder Städte, in welchem Falle 
man fie al3 «Führer» zu bezeichnen pflegt. Da bie 
Schweiz eins der eriten Länder war, weldes bie 
Neifenden in Menge anzog, jo erihien bier eins 
der eriten Neifehandbüder, nämlich Ebels «An: 
leitung, die Schweiz zu bereijen» (4 Bde., Zür. 
1804—5), welchem zahlreiche andere folgten. Nei: 
chards «Guide des voyageurs en Europe» (fran}. 
u. deutich, Wien 1793 u. öfter) hat über ein halbes 
Jahrhundert fein Ansehen behauptet. Beſonders 
injtruftiv find die zahlreichen engl, «Handbooks 
for travellers» von Murray, und in Deutſchland 


Neifen (Stadt) — Reiskornkäfer 


die Neifehandbücher von Baedeler und Meyer. 
Wertvoll find auch die Neifehandbücher von Jahn 
(neu bearbeitet von Gräf), Grieben, Berlepſch, Hör: 
jter (über talien) Tichubi ( Schweiz), Amthor 
(Tirol), M. Bush (für den Orient), Wörl in 
Würzburg publiziert eine Serie von «Reilefüb: 
rern für Hatholitens; für Kranke find berechnet: 
Reimer, « Winterfurorte» (Berl. 1869); Ilanor, 
e Süblihe Himatifhe Kurorte» (3. Aufl., Wien 
1874). Bol. Georg, «Die Neijelitteratur Deutic 
lands» (2p3. 1872). Liber England hat Blad die 
meiiten « Guidebooks» geliefert; die beiten Führer 
durch franz. Gegenden Ghrieb Joanne. Genaue An: 
gaben über Bolt: und Dampfſchiffahrtskurſe u. dgl. 
bieten das «tursbuch» des Reichspoſtamts (Berlin), 
Hendſchels «Telegraph» (Frankf.) u. a. Zur Reife: 
literatur gehören auch die Schriften über die all- 
gemeine Reijepraris, die Kunſt, nüglich und bequem 
zu reifen, ober, wie man fie auch genannt bat, die 
Apodemil. Die älteften gingen von Ürzten aus, 
von denen wir bereit3 au& dem 16. Jahrh. eine an- 
ſehnliche Zabl (deutfche und lateinische) ge 
unter den belannteften find zu nennen: das «Neis: 
büclein von Dr. ©. Pirtorius» (1565 ſchon in 
3. Aufl.); «M. Beilleri getrewer Reisgefert» (Ulm 
1666); «Instructions and directions for farren 
travell by Howell» (Lond. 1650); «UInentbehrlicher 
dreifacher Leititern der Reiſenden⸗ (em. 1724); 
Schlözer, nn einem Neifecollegio» (Gött. 
1777); Fröhlichs «Neifetafhenbuch» (Berl). Ein 
vorzügliches Buch it A. Michelis «Neifefchulen 
(3. Aufl., Lpz. 1876), Für Tourijten nad den 
Pändern des Orients fchrieb Fraſer «Notes on in- 
dividual equipment for the East» (Lond. 1878). 
Neuerdings hat man in Deutichland, ebenfalls nach 
engl. Vorbild, auch ſog. Neifebibliothelen, 
db. i. Sammlungen von Schriften unterhaltenden 
Inhalts zur Lektüre während der Fahrt, begonnen, 
Seit 1870 eriftiert ein «Internationales Neije: 
journal für Zouriften und Kurgäfte» (Münd).). 
Mit den Neifebüchern vermehrten ſich aud die ſog. 
oft: und Neifelarten, unter denen für Deutfe, 
land befonders die von Gräf, Handtle, Liebenow 
zu empfehlen find. Die Form der Neifebeichreibung 
iſt öfterbenubt worden, ummoraliich:pädagogiichen, 
naturwifjenichaftlichen oder fatirischen Erzählungen 
al3 Gerüft zu dienen. Das belannteſte Beifpiel iſt 
der Defoeſche «Nobinfon»; neuerdings erzielte Jules 
Verne mit ſeinen fingierten naturwiſſenſchaftlichen 
Reiſebeſchreibungen große Erfolge. 

Neifen (poln. Rydzyna), Stadt im preuß. 
—— — Poſen, Kreis Frauſtadt, am 
Polniſchen Landgraben, Station (3 km vom Orte) 
der Linie Polen : Breslau der Preußiſchen Staats: 
bahnen, zählt (1880) 1270 G. und bat eine evang. 
und eine lath. Pfarrlirche, ein ehemaliges Piariſten⸗ 
tloſter. Dabei liegt das dem —*— Sullowski 
gehörige Schloß ⸗R. mit 85E., Gemäldegalerie, Bart 
und Orangerie. Stadt und Schloß wurden 1707 
von den Rufjen unter Agareff eingeäjchert. 

Neifender (im laufmänniſchen Sinne), ſ. Han: 
delßreijender. . 

Neiferoute (Ziwangspaß), j. unter Paß. 

Neifennfallverficherung, die Verſicherung 
einer Perfon negen körperliche Unfälle auf Reifen, 
befonders auf Neifen mit der Eiſenbahn. Die R. 
ift Sache der Unfallverfiherungsanftalten. (S. 
RA ESSHTIEDEENNE: vgl, Eiſenbahnun— 

älle. 


601 


Neifeunterftügung, ſ. unter Arbeitsloſig— 
keitsverſicherung. 

Reisglas,/ gleichbedeutend mit Alabaſterglas. 

Reiſig (Chriſt. Karl), namhafter klaſſiſcher Phi⸗ 
lolog, geb. 17. Nov. 1792 zu Weißenſee in This 
ringen, ftubierte in Leipzig und Göttingen, warb 
1818 Privatdocent in Jena, 1820 auferord., 1824 
ord. Profeſſor in Halle und jtarb 17. jan. 1829 in 
Venedig. Er veröffentlichte eine Ausgabe der 
«Molten» des Ariftophanes (Lpz. 1820) und des 
«Hdipus auf Kolonos» des Sophofles (Jena 1820, 
wozu «Commentationes criticae » de., 1822 
u.1823 lamen). Ritſchl gab aus A. Borlefungen 
heraus: «Reisigii emendationes in Aeschyli Pro- 
metheum» (in « Ritschelii opuscula philologica» 
Bd. 1, Lpz. 1867); Haafe mit wertvollen eigenen 
Anmerkungen R.s «Borlefungen über lat. Sprach— 
wiſſenſchafi⸗ (Lpz. 1839). 

Reiſige. Die Heere des Mittelalters waren 
feit dem 11. Jahrh. fait ausnahmslos Ritterheere, 
in denen die aus ſchwerbewaffneten Nittern und 
deren Knappen, deren jeder Ritter zwei big drei mit 
ſich führte, beitehende Kavallerie, die R., im Kampfe 


den Ausſchlag gab. 

Neidke ( ob. Jal.), ausgezeichneter Philolog 
und Orientaliſt, geb. 25. Dez. 1716 zu Zörbig bei 
Halle a. S., ftubierte in Leipzig und Veiden, erhielt 
1748 in Leipzig den Titel als Profeſſor der arab, 
Sprache und wurde 1758 Rektor der Nilolaiſchule. 
Gr ftarb 14. Aug. 1774, Außer feinen «Animad- 
versiones in Graecos auctores» (6 Bde. 1759 —66) 
find zu erwähnen: die Ausgabe der Schrift des 
Konitantinus Porphyrogenetos, «De caerimoniis» 

de., Lpz. 1751—54), des Theofrit (2 Bde., 
Wien u. 2pj. 1765—66), der griech. Redner (12 Bbe., 
2p3. 1770—75), der fämtlichen Werte des Plutarch 
12 Bde. 2pz. 1774—82), des Dionyfius von Hali: 
arnaß — de., Lpz. 1774— 77), des Maximus 
Tyrius (2 Bde. Loz. 1774 75), der «Neben» des 
Dio Chryſoſtomus (2 Bde., Lpʒz. 1784 und 1798) 
und des Libanius (4 Bde., Altenb. 1791 — 94). 
Seine liberjegung der «Neden» des Demoſthenes 
und Äſchines (5 Bde., Lemgo 1764-69) und der 
Neden im Thucydides zeichnet ſich troß des Mangels 
an Gleganz = dur große Treue und bejonders 
durch eine kräftige Sprade aus. Im Gebiete der 
arab, Litteratur, auf deren hiſtor. und äſthetiſchen 
Wert er auerlt mit hinwies, machte er ſich nament: 
lich durch die Bearbeitung der «Annales Moslemici» 
des Abulfeda (herausg. von Vogel, 5 Bde., Kopenh. 
1789—94) verdient. 

Bol. Morus, «Vita Reiskii» (er 1777); «Se: 
— Briefwechſel zwiſchen N., Moies Mendels⸗ 
ſohn und Leſſing⸗ (Berl. 1789). R.s «Selbſtbiogra⸗ 
phiev (Lpz. 1783) gab feine Gattin heraus. 

Grneitine ie R., geb. 2. April 1735 
u Kemberg, ge t. dafelbit 27. Juli 1798, war 
eit 1764 mit R. vermählt und unterjtüßte denſel— 
ben bei feinen gelehrten Arbeiten. Nad feinem 
Tode vollendete fie mehrere von ihm begonnene 
Ausgaben und bejorgte die des Dio Chryſoſtomus 
und Libanius aus feinen binterlafienen Papieren. 
Auch lieferte fie unter dem Titel «Hellas» (2 Bde., 
Mitau 1778) und in den Schriften «Zur Moral» 
(Dell. u. En 1782), fowie »Fur deutſche Schönen» 
(2p3. 1786) Überfeßungen aus griech. Scriftitellern 
und jchrieb eine «Verteidigung» ihres Mannes gegen 
die Angriffe Michaelis’ in Göttingen (Lpz. 1786). 

Neistornkäfer, ſ. unter Rornwurm, 


602 


Reidlanfen nannte man das feit dem 15. Jahrh. 
in ber Schwei —— werdende Zuſammen⸗ 
treten * Männer welche gemeinjam als Söld⸗ 
ner in den Sn Pe Staaten zu treten 
beabfidhtigten. 3 R. wurde von ben Slantonen 
öfter8, aber vergeblich verboten und hat erſt in neues 
—* eit, ſeit der Auflöjung des päpſtlichen Heeres, 

ok ich aufgehört. 

eiömelde, |. unter Chenopodium, 

Neismühle, — Vorrichtung zum Schã⸗ 
len des Reiſes, beſtehend in einem Pochwerk (Ham: 
merwerft) oder in Schälgängen, welche den in ber 
Graupenfabrilation (f. u. Grau enmüblen und 
a fabrilation) gebräuchlichen ähnlich find. 

®papier oder chineſiſches Markpapier 
F Fear de riz, engl. rice-paper), ein aus 
China ftammendes, zur Aquarellmalerei und — 
Blumenfabrilation verwendetes a alles 
Material, das in feinen, fpiralförmig abgejhälten 
Blättern von ber ſchneewe hen Wurzel von Aeschy- 
nomene paludosa oder aus dem Mark von Aralia 
yrifera gewonnen wird. Der Name N. iſt 
Tata von dem chineſ. Worte rice abgeleitet. 
Rei (Wilh.), Entdedungsreijender, eb. 13. $uni 
1838 zu Mannheim, bereitte 1858—60 die Azoren, 
Madeira und die Canarijchen Inſeln, habilitierte 
fi) 1864 De Geologie in Heidelberg, unternahm 
1866 mit 8. von Fritih und A. Stübel eine Reije 
nad) Griechenland, 1868—76 mit Stübel eine an 
wiſſenſchaftlichen Nefultaten reiche Entdedungsreiſe 
nah Südamerilfa. Seit 1877 lebt R. in Berlin, 
wurde 1880 ftellvertretender, 1885 Vorfikender der 
Geſellſchaft für Erdkunde in Berlin. R. veröffent: 
lichte geol. Arbeiten über die Inſel Balma, Santa: 
Maria, Tenerifa, Santorin, die Kaiment- Inſeln, 
ein Pradıtwert über «Das Zotenfelb von Ancon in 
Peru» (Berl. 1880 fg.) u. ſ. w. fiber feine ſüd— 
ameril. Reife berichtete er nn Vorträgen, die er in 
der Gefellihaft für Erdkunde (1877 und 1880) hielt. 

Neifblei, ſ. Graphit. 

Reifibrett oder Beihenbrett, i.u. Zeichen: 
utenfilien. [utenfilien. 

Rei er ober Ziehfeder, ſ. u. Beiden: 

Neikhafen, ein Stahlftäbchen mit an dem 
einen Ende angebogenem, jcharfem, gehärtetem Ha: 
end zum Ziehen von Linien auf metallenen Arbeits: 
tüden. 

Reiffiger (Karl Gottlieb), deutfcher Komponiſt, 
geb. 31. Jan. 1798 zu Belzig bei Wittenberg, erbielt 
den erften Unterriht von feinem Vater, welcher 
Kantor dajelbit war. Im J. 1811 fam er als 
Alumnus auf die Thomasicule e zu Leipzig und 1818 
be3og er die dortige Univerfität, trieb indes unter 
Schicht Kompofitionslehre und "widmete fi bald 
ganz der Kunft. Er verlieh 1821 Leipzig, um in 
Wien jeine Studien fortzufegen, und ging 1822 zu 
Winter nah Münden, wo er unter anderm die 
die Oper «Dido» fhrieb. Im %. 1823 fam er nad) 
Berlin, wo er vom Nönige von Preußen die Mittel 
zu einer Reife nach Frankreich und Italien erhielt, 
zugleich mit dem Nuftrage, genaue Einfidht in die 
muſilaliſchen Lehranjtalten beider Länder zu neh: 
men, R. kehrte 1826 nad) Berlin zurüd und wurde 
Yehrer an der mufifalifhen Lehranftalt. Schon 
im Nov. 1826 erhielt er einen Ruf als Muſildirek— 
tor nad) Dresden (an Marſchners Stelle), welchem 
bald die Ernennung zum Slapellmeifter folgte. Hier 
entjaltete nun R. feine Hauptthätigeit. Cr om: 
ponierte das wegen feiner Einfachheit und Innigleit 


Neislaufen — Reitbahn 


beliebt gewordene Melodram «Pelva», bann die 
Dpern «Libella⸗, «Die —— fe» und «Zuran: 
bot»; 83* bie Dper — de Foig» und 1846 bie 
Dper «Der Schiffbruch ber Medular, die fich beide 
lebhafter Anertennung zu erfreuen hatten. Ber: 
dem ſchrieb er Mufil in allen Gattungen, von wel: 
hen befonders die Trios und Lieder feinen Namen 
Vorne —— es) das — — 
mu at er mit Erfolg, wie groben 
Mefien für die kath. Hoftirche — — 
fand fein Dratorium «David» (1852) — 
nung. R. ſtarb 7. Rov. 1859 in Dresden. Er 
fomponierte mit Leichtigleit; doch feblte ihm Brigt 
nalität, befonders in Fr Ü öhern Fächern. Als 
Dirigent war er ſehr tücht 

Reikimaß ( Neikmobdel), 1. Baraltetgeißer. 

— oder Reibfpribe, ſ. Radier: 
nabel [utenfilien. 

Reikmäg el oder Reibzweden, ſ. u. Zeichen: 

Reifen ene, ſ. unter Zeigenutenfilien. 
NReiöftärke, ſ. unter © 

Reiffwolf, foviel wie Bo ſ. unter Boll: 
fpinnerei. 

Reiftzeug, f. unter Zeichenntenjilien, 

—33 „unter Zirkel. 

e, Kaufe wie Kante 

Reidvogel, —* wie Raperling (. d.). 

Neitbahn, auch Manege (frj. mantge, vom 
ital, maneggiare), ift ein zur Erlernung oder Übung 
des Reitens, — zum Abrichten ber Pferde ein: 
erihteter P an untericheibet offene, ge 

chloſſene J 8 R., lehtere auch Reithäuſer 
gen Die offenen R. haben einen vorbereiteten 

oden, doch fehlt ihnen eine Umzäunung, welde 
die Pferde in ihrer Bewegung einihränft, lehtere 


prbet ſich bei ber ge gelhlofienen meift in Form einer 
Darritre. Die bevedten R. find mit Mauern um: 
baber bei jeder 


* und mit einem Dach verſehen, 
itterung benußbar und wird bei ihrer Benusung 
die Aufmerkfamleit des Pferdes Ay 4 durch Außen: 
dinge vom Reiter abge sogen. aben in der 
Regel die Form eines Nechted3, beflen lange Seiten 
das Doppelte bis Dreifache der kurzen betragen, br 
tere werden meiit nicht über 24 bis 30 Schritt lang 
gemadt. Der Boden der R. muß horizontal fein 
unb eine weiche elaftiihe Dede haben; am Do 
beiteht lehtere aus nicht zu feinem, Sand, für be: 
dedte R. eignet je auch Lohe mit Sägefpänen. 
Bei bededten R. erhält der untere Zeil der Wan: 
dung, die ſog. Bande, eine Neigung nad) außen, 
um den Reiter vor dem Andrüden an die Bande 
durd das Pferd zu 7 ſchützen. = Dad bedarf be: 
fonderer Konftruftion, da im Innern der R. keine 
Pfeiler zuläflig find. Häufig findet fih an einer 
Wand ein Spiegel, in welchem der Reiter feine Hal: 
tung beobadhten kann. Exwunſcht iſt ein Kübljtall 
und eine Tribitne für Zuſchauer. R. bieten fomohl 
für die Ausbildung der Reiter, wie für bie Drefiur 
der Pferde ins Auge fallende Vorteile, die ſich bei 
den bededten noch durch die Unabhän igleit vn 
Witterung und Jahreszeit, ſowie die Zuläffigkeit 
des Neitens bei fünftlicher Beleuchtung fteigern. 
Doc) darf die Benukung der R. nicht zu weit and 

ebehnt werden, da jonft die jungen Reiter —— die 
—2 der Pferde, welche ihren Weg kennen 
vernachlaſſigen, die jungen $ferbefich —* nügend 
an äußere Eridjeinung en gewöhnen, überbaupt 
friiche Gänge, ſowie die Starken Gangarten bejjer 
auf langen Linien im Freien gelernt werden, 


Reiten 


‚Reiten —— ridan, mittelhochdeutſch 
Fe) wird die Xhätigleit genannt, welche ber 
Menid ausübt, indem er auf dem Rüden eines 
Tieres ſihend dieſes nötigt, ihn nach feinem (des 
Reiters) eigenen Willen fortzutragen, und vom 
Küden ber diefem Bewegung und Verhalten vor: 
ſchreibt. Wenn auch eine ganze Neihe vierfüßiger 
Tiere (außer dem Pferde der Ejel, das Maultier, 
das Kamel, der Elefant, das Nenntier, einige Arten 
des Rindviehs) und felbjt eine Bogelart (der Strauß) 
in dieſem Sinne Verwendung finden, fo hat dod 
das R. auf dem Pferde die größte Bedeutung und 
wird vorzugöweije als R. bezeichnet, weil fein Ge: 
ichöpf zu dieſem Zwecle ſich fo eignet wie das Pferd 
und diejes zugleid) das verbreitetite unter den reit: 
baren Zieren it. Die lörperlihen Eigenſchaften, 
wie nicht minder bie Gemütsart, das Temperament, 
und der Mut dieſes Tieres befähigen den Neiter des 
Pferdes zu ben höchſten und mannigfachiten Leis 
ftungen. Wenn die Reitthätigkeit in den meiſten 
Sällen * Erfüllung anderer Aufgaben (Reiſen, 
Krieg, Jagd) Hilfämittel ift, fo hat fie doch auch 
lo8gelöjt von jedem außerhalb ihrer liegenden Zıved 
um ihrer felbft willen Berechtigung und lann als 
ſolche zu einer der edelſten Künfte, der Neittunft, 
erhoben werben, deren älthetiiche Seite wejentlich auf 
der ſchönen Geſtalt des Pferdes, ihrer Harmonie 
mit der Geftalt des Menſchen und auf der Eleganz 
der Bewegungen bes erjtern beruht. Auf keinem 
Gebiete des Vollerlebens hat das R. von alters 
ber eine fo. wichtige Rolle gefpielt, ala auf dem bes 
Kriegs, ber Reiter auf dem Pferde ift ein Kampf: 
mittel, das ungeachtet aller Fortfchritte der Technil 
auch heute nody eine hervorragende Bedeutung be: 
bauptet und niemals wird verbrängt werben können. 
Ein Reiter muß e3 verfteben, bei den Bewegungen 
bes Pferdes auf demielben Si und Haltung zu 
bewahren und diejenigen Einwirkungen (Hilfen) 
auf das Pferd auszuüben, vermöge welcher dieſes 
den Willen des Reiters zu erkennen vermag und 
demjelben nachzulommen genötigt wird. Zum R. 
ift eine derartige Abrichtung (Drefiur) des Pferdes 
nötig, daß dieſes die zum Tragen bes Neiters gün- 
ftigfte Haltung, das fog. Gleihgemwicht, annimmt, 
jeine Körperkraft, namentlich diejenige feiner Glied: 
maßen, in der vorteilhafteiten Weile gebraucht und 
das Eingehen auf die Hilfen des Reiters ihm zur 
huingenben Gewohnheit wird. Cine weſentliche 
Borbedingung für den Erfolg der Drefiur liegt in der 
gehörigen Auswahl der zum R. beſtimmten Pferde 
nad) Körperbau und Temperament. Durch die Drefs 
fur wird es möglich, die Unterwerfung des Tiers 
unter den Menſchen herbeizuführen, ohne jenes 
indes zur Maſchine herabwürdigen zu wollen, fon: 
dern unter Belafjung des dem Pferde zulommenden 
Anteils der Initiative, welche der Reiter bei ſchwie⸗ 
rigen Aufgaben nur zu feinem Nachteil entbehren 
würde. 63 gibt Naturvöller von hoher Reitfertig- 
teit, die, ohne methodifche Anleitung, inſtinktiv von 
Generation zu Generation forterbt; nicht minder 
gibt es Individuen, bie ohne irgend welche Unter: 
mweifung, nur une natürlicher Begabung fich —* 
nur auf dem Pferde behaupten, ſondern dasſel 
auch zu führen und zu beherrſchen wiſſen. an 
fpriht in beiden Fällen von Naturreitern und 
Naturreiterei. Bei civilifierten Völkern wird 
das R. indes in der Regel Fa erlernt. Das 
methodiſche R. umfabt die Dreſſur des Pferdes (das 
fog. Zureiten) und die Heranbildung des Reiters 


603 


Bi —— ehörigen Grades ber Reit: 
ertigteit. Beides geichieht nur bis zu einem ge: 
willen Grade —* einheitlichen Grundſätzen, es 
treten weſentliche ne eiten nad) dem Zwed 
des R. ein. Iſt das R. Selbitzwed, fo ſpricht man 
von Schulreiterei, die nach dem Grade der 
Leiſtungen in die niedere und die pobe Säule 
zerfällt, von denen letztere fpeziell ala Reitkunſt 
bezeichnet wird, während zur Kunftreiterei oder 
Girtußreiterei außer der er Schule namıent: 
lid) eine Reihe gymnaftiiher Leiftungen gehören, 
die dem R. nur in gewiflem Grabe verwandt find, 
wie die Produktionen ftehend auf dem Pferde (der 
jog. Tanz auf dem Pferde), die Voltigierkunft und 
die Borführung in Freiheit (zur Produktion ohne 
Reiter) dreifierter Pferde. Gampagnes oder 
Soldatenreiterei ni den Kriegszwect im Auge. 
Andere Geſichtspunkte leiten wieder bei dem R. auf 
der Nennbahn und ber Jagd, der jog: Sport: 
reiterei. Weſentliche Unterfchiede, die nament: 
lid) aus der Verſchiedenheit des Sitzes hervorgehen, 
beitehen zwiſchen Herren: und Damenreiten. 
Wichtig für jeden einzelnen Zwed ift die Wahl der 
nebörigen Individualität des Reitpferdes, als 
Schul:, Campagne:, Renn⸗, Jagd⸗, Damenpferb. 
ie Dreſſur des Reitpferdes bezwedt, Dasfelbe 
in diejenige Haltung au bringen, in weldyer es dem 
Willen des Reiters widerſtandslos fid) untermirft 
und die Laſt deöjelben mit der größten Sicherheit 
und der mindeiten Beeinträdhtigung feiner —— 
Gliedmaßen zu tragen vermag. In der natürlichen 
Haltung des Pferdes find die Borberbeine ungleich 
mehr belaftet als die ohnehin jtärtern Hinterbeine. 
63 gilt nun durd) die Drefiur den Schwerpunft der 
Borband abzunehmen und en weit 
nad) hinten zu verlegen. Dies gefchieht Durch Auf: 
richten des —* urüdnehmen des Kopfes mit: 
tels der Genidbiegung, Vortreiben und Unterſchie⸗ 
ben der gebogenen hintern Gliedmaßen. Das ge: 
wöhnlihe R. begnügt ſich mit der Verlegung des 
Schwerpunktes unter den Si des Reiters, mit dem 
jog. gewöhnlichen oder natürlichen Gleich— 
gewicht. Die Schulreiterei verlegt den Schwer: 
punkt bis zwijchen die Hüften des Pferdes und er: 
zeugt jo das fünftliche Gleihgewiht. Aus den 
Sangarten des rohen Pferdes entwidelt die Reit: 
kunft die geregelten Reitgänge. Als Grund: 
gangarten unterjcheidet man Schritt, Trab, Galopp, 
Garriere oder Renngalopp und Sprung. Beim 
Schritt, der langſamſten Gangart bes Pferdes, fol: 
gen ſich die Vorder: und Hinterfühe eingeln und über 
Kreuz und derart, dab man beim Niederjeßen der: 
jelben vier Hufſchläge hört, während beim Trab 
zwei über Kreuz ftebende Füße gleichzeitig vorwärts 
geführt und niebergejeht werben, der Körper wäh: 
rend kurzer Zeit frei über der Erde vorwärts ſchwebt 
und man bei jeder Borwärtäbewegung zwei Huf: 
ſchläge hört. Man unterfcheidet kurzen, Mittel: und 
tarten oder geftedten Trab. Im Trab vermag 
3 Neitpferd große Streden in kurzer Zeit zurüd: 
ulegen. Der Galopp iſt eine Fortbewegung des 
ferdes in fortgeiegten Sprüngen. (Bgl. Galopp 
und Carriere.) Der Sprung ift ein Fortſchnellen 
des Pferdelörpers, bei welchem fich zuerit die Border: 
beine erheben, die Hinterbeine die eigentliche Wir: 
fung ausüben und zulegt wieder Fuß fallen. Ge: 
ſchieht der Sprung mit ftarler Erhebung und im 
Bogen, fo heißt er ———— e. Von den unregel⸗ 
2 Gangarten iſt beſonders der Paß, eine 


604 


ofeichzeitige Bewegung der Füße berielben Ceite, 
wobei das Pferd beitändig von einer Seite zur 
andern jchaufelt, zunennen. Der Paß, bequemer als 
Trab und gleihwohl ausgreifend, war in frübern 
m eifen beliebt und waren Pferde, welche 
Paß gingen, 19. «Bahgängern, fehr geihäkt. 

Der hoben Schu ritt 
oder da3 Baffagieren, aus dem Schultrab durch 
Verringerung der Schrittweite und gejteigerten Ab: 
ſchwung entitebend,, ſowie das auf der Stelle ähn— 
lic) ausgeführte Biaffieren oder der ftolge Tritt. Ne: 
dopp iſt der Biertempogalopp des Schulpferdes, 
bei welhem kein freier Abſchwung, fein Montent 
ftattfindet, bei welchem das Pferd fich mit allen vier 
Deinen über der Erbe befindet. Die genannten 
beiben Schulen aufder Erde. zu den Schu: 
len über der Erde gehören die fünjtlidhen Gr: 
bebungen der Vorhand und die Schuliprünge. Zu 
eritern zäblt die Levade, bei weldyer das Schul: 
pferd auf der Scharf untergezogenen Hinterband bis 
zum Gleichgewichtspunlt ſich erhebt und dann jofort 
wieder niederläht oder in einen Schuliprung über: 
geht, und die Bejade, bei welcher dasſelbe ruhig 
auf der Hinterhand jtehen bleibt. Die Schuljprünge 
find Luftfprünge und haben nicht den Zwed, 
Hindernifte zu nehmen. Dem Echulgalopp ver: 
wandte Sprünge find: Terre:ä:Terre, Mezair und 
Gourbette. Beide Borderfüße werden gleichzeitig 
een und wieder aufgeſeht, ebenfo beide Hinter: 
fühe, lehtere beim Terre:ä:Terre kurz nad) den 
Vorderfühen, beim u etwas, bei der Cour: 
bette merklich früher als die Vorderfühe, Aus der 
Levade geben hervor die Croupade, Ballotade und 
Gapriole; fie unterideiden ſich durch die Haltung 
der Hinterbeine während des Abſchwungs. Bei 
der Groupade find fie eingezogen, bei der Ballo: 
tade derart erhoben, daß die Schienbeine fait 
ſenkrecht jtehen und die Hufiohlen nach binten wei: 
jen, bei der Gapriole oder dem Hirſchſprung 
erbebt fi das Pferd fo hoch, dab ihm noc Zeit 
bleibt, die Hinterbeine auszujtreden und fo gleich— 
ſam nad) — auszufchlagen. 

Cin weſentliches Drejiurmittel, um das Pierb 
namentlich auf_kurze Wendungen vorzubereiten, 
find die jog. Seitengänge, bei welden das 
Pferd fich mit Vorder: und Hinterbeinen auf neben: 
einander liegenden Linien, dem fog. doppelten Huf: 
ſchlag, bewegt und die Fühe der einen Seite über 
die der andern Seite hinwegichreiten. Hierber ne: 
bören die Schulen: Schulterherein, Travers, Nen: 
vers und Contra:Schulterherein. Sie werden nur 
in der Bahn geritten und unterſcheiden fich je nad) 
der Kopfitellung und Biegung des Pferdelörpers 
und je nachdem die Vorhand oder die Hinterhand 
auf dem innern Hufichlag geht. Die beiden erit: 
genannten haben Kopfitellung und Biegung nad) 
der jeweiligen innern Seite ber Bahn, die bei: 
den leßtern nad) der äubern. Bei Schulterberein 
und Renvers geht die Vorhand, bei Travers und 
Contra: Sculterherein die Hinterhand auf dem 
innern Hufſchlag. Der Bohn Schule ala Wen: 
dung eigentümlich iſt die Pirouette oder ber 
Drehſchwung, eine ganze oder teilweije Drehung 
des Pferdes auf der Hinterhand mit gleichzeitig 
erhobener Vorhand. Paſſadieren ilt das Zurüd: 
legen einer kurzen Strede im kurzen Galopp mit 
daran ſich ſchließender halber Birouette und Zurüd: 


e gebören an: der fpan, 


reiten derjelben Strede in entgegengeiektem Galopp, | gepflegte Cirfusreiterei wurbe in Byzanz a 
Kompliziert find Quadrille (j. d.) und Karufjell(j.d.). | Stufe gebracht und verbreitete fich mi 334 





Reiten 


Die Dreſſur des Reitpferdes erfolgt in ber See 
ſache unter dem Reiter, lann aber die 
arbeitung an der Hand vorbereitet u 
werden. Hierher gepbrt befonders die Bearbeitung 
an der Longe oder Yeine, das — 2onelzremgree 
Die Sprünge der hoben Schule tönnen burd 
Bearbeitung zwiſchen den Bilaren, d. i. zwei Stanb- 
jäulen, zwijchen welchen das Pferd mittels der 
Zügel jo befeftigt iſt, daß ibm mur eine gemifie 
Sprungfreiheit bleibt, vorbereitet werben. (al. 
Dreifurund Trainieren.) Bezüglich des Eihes 
des Neiters unterfcheidet man den Stublfip und 
den Spaltfik. In beiden Siparten ift die Haltung 
des Oberleibes eine aufrechte, der Unterfchied li 
in der Haltung der Oberichentel, welche beim Stuhl 
fig eine mebr oder —— fhräg nach vormärts 
abwärt? gerichtete, beim vo eine faſt jenkrechte 
ift, aljo mehr der Haltung beim Steben gleihlommt. 
In beiden Fällen aber haben die Gejä ihre 
Stüpe auf dem Sattel und die Unterfchentel —* 
ſenkrecht am Pferdeleib herab. Die Hilfen 
Reiters zerfallen in ſolche mittels der Zugel, Schen⸗ 
tel, des Korpergewichts des Reiters der Sporen, 
Gerte, ſowie endlich der Stimme des Reiters, Die 
Zügelbilfen find die vornehmlichiten und wirken als 
‘Baraden oder Arrets verfammelnd, aufrichtend, 
aufbaltend und zurüdnebmend, oder fie den 
Pferde die Stellung und führen es in die 4 
die Schentelbilfen wirlen vortreibend und 
verjammelnd und finden ihre Berftärkfung durch ben 
Sporn, defien Einwirkung bis zur Strafe 
werden fann. Die Gewidtäbilfen erleichtern 
Verde die Wendungen und find bei Paraden aus 
ſcharfen Gangarten befonders wichtig. Die Gerte 
wirft anregend oder jtrafend, bei wen 
ijt fie nur Drefjurmittel. Die Stimme des 
wirkt anregend, beruhigend und jtrafend. Die ver: 
änderte Art des Sites beim Damenreiten 
die Hilfen mittel Zügel und Gerte zu den vornehm: 
lichſſten Mitteln, um auf das Pferd einzumirfen, 
Die Ausbildung im R. wird durch gym 
— Voltigierüibungen vorbereitet und er: 
gänzt. Auf dem Pferde jelbit 
Übungen zunädjit die Gewinnung des © 
(der Balance) und Erlangung eines guten und 
Sitzes. Mit der Erlernung des Sikes in den 
ichiedenen Gangarten wird der Neiter er 
zur Grteilung der Hilfen angeleitet. das 
auf der Dede ſchließt ſich dasjenige auf dem Sattel, 
anfänglich vielfach ohne Benukung der 
Das Shferb iſt anfänglich mit Trenfe, fpäter mit 
Kandare gezäumt. (S. Zäumun } Hat 
Schüler in der Neitbahn die gehörige 
langt, fo folgt das N. im freien und im 
eihihtlihes. Die —— des N. iſt jo 
alt wie die Geſchichte des Menſchen. Die alteſten 
Überlieferungen zeigen ung die Reitfertigleit bei den 
afiat. VBöltern bereits zu lriegeriſchen Zweden aus: 
gebeutet. Von da ging die Pflege des N, auf bie 
Griechen über, die dasjelbe zu einer erhoben, 
die in Athen Gegenitand befondern 
war; e8 gab eigene Bereiter, welche die Pferde 
drefjieren veritanden. Der Atbener Zenophon 
in feiner Schrift über die Neithunft Anden 
auf welcher hohen Stufe fich diefelbe damals A 
befand. Nicht zu gleicher Höhe gelangte fie. 
Nömern. Die von leptern in der Kaiferzeit 


— 


2 


3% 


t von 


Neiterei — Reitlinger 


Konftantinopel nad) dem übrigen Europa. Im Mit— 
telalter gelangte das R. zu hoher Blüte durd) das 
Nittertum und die Turniere; durch den Gebrauch der 
Lanze als Lieblingsmwaife der Nitter wurde ein ver: 
feinerte3 R. verlangt. Die Erziehung des jungen 
Adels an den Fürjtenhöfen ſchloß eine kunitgemäße 
Behandlung des R. allmählic) in fi und führte zu 
einem abgejonderten Betrieb der Reitkunt. 

Die fog. Wiedergeburt oder Renaiſſance 
der Reitkunſt oder die Begründung des modernen 
N. bat ihre Wiege in Stalien und Speziell in Neapel, 
wo im Anfang des 16. Jahrh. ein Edelmann Fede⸗ 
rico Brifo die erjte Neitatademie errichtete, die vom 
Adel fait ganz Europas bejudt wurde. Grifo 
ſchrieb aud über N. (1552). Sein berühmtefter 
Schüler iſt Pignatelli, der Erfinder ber nah ihm 
benannten Kandare, der wieder drei feiner Schüler 
zu Reitlünftlern eriten Ranges berangebildet, An: 
toine de Bluvinel, Salomon de la Broue und den 
Chevalier Saint:Antoine. Die beiden erften begrün: 
deten das Aufblüben der Reitkunſt in — reich, 
letzterer war als Reitlehrer am Hofe Jakobs I. der 
erite wirtlihe Stallmeijter in England, Pluvinel 
war Reitlehrer Ludwigs XIII., erfand die Bilaren 
und war der erfte, der ein geordnete Dreſſurſyſtem 
aufftellte. Erfchrieb: «Instruction du Roi en l’exer- 
cise de monter à cheval» (Par. 1627). In Eng: 
land war ein hoher Förderer der Reittunft Wilhelm 
C — ſpäter Herzog von Newcaſtle und Pair 
von England —— und Stallmeiſter Karls II., 
Erfinder der Bor and in den Girkel, auch fchrift: 
ftellerijch thätig. Während feiner Verbannung 
hielt er eine Reitſchule in Antwerpen. Er galt zu 
feiner Zeit als erſte Autorität im Gebiete der Reit: 
tunft. Zur höchſten Bolltommenbeit gelangte die 
Schulreiterei um die Mitte des 18. Jahrh. in jrant 
reich durch die Reitihule von Verfailles, welche ſich 
eines europäifhen Aufs_ erfreute. Die Könige 
hegten und pflegten die Neitkunft, als deren großer 
Heformator de (a Gueriniere, Stallmeifter Pub: 
wigs XV., zu nennen iſt. Gr aab dem R. in 
feiner «Ecole de cavalerie» (1733) eine wifienfchaft: 
lihe Grundlage, auf der noch heute weiter gebaut 
wird, und lehrte zuerft die Lektion «Schulter herein», 
Auf den von de la Gueriniere gelegten Grundlagen 
begann die Reitkunit aud) in Deutſchland fich willen: 
ſchaftlich zu entwideln. Hier hatten im vorigen 
— die Reitſchulen zu Coburg und Wien 
vielen Ruf. An letzterm Orte gab es eine ſpan. 
Hofreitfchule für Schulreiterei und eine Reitſchule 
für Gampagnereiterei. Durxch den ältern Ayrer, 
der feine Bildung zu Wien erhalten, wurde die Reit: 
fchule zu Göttingen berühmt und behauptete Fr 
Huf burd den jungen Ayrer bis in die neuere Zeit. 
Das erfte Haifiiche Wert über R. rührt von Hünere: 
borf, dem Stallmeijter des Kurfüriten von Heflen, 
ber: «Anleitung zu der natürlichſten und leichtejten 
Art, Pferde abzurihten» (1791). An Hünersdorfs 
Merk lehnt fich vielfach die in Preußen 1825 publi: 
zierte «Neitinftruftion für die Kavallerie» (neu be: 
arbeitet herausg. 1882). Nach Hünersdorf waren 
der obengenannte Ayrer in Göttingen und Mey: 
rother in Wien lange Zeit die berühmteften Stall: 
mteifter; des leßtern talentvolliter Schüler war 
Louis Seeger (ſchrieb 1844); aus Seegers Schule ift 
befonders Steinbrecht zu nennen. 

In Frankreih fpalteten fi, gegen Ende bes 
18, Jahrh. die Vertreter der Reitkunſt in die ala: 


605 


die Maison du Roi und bis in die neuefte Zeit durch 
die Mantge de Versailles, letstere durch die Reit: 
ſchulen zu Berfailles, Angers, St.:Germain, Sau: 
mur und jeht durch die Mandge der Kavallerieſchule 
zu Saumur vertreten. Um 1840 nu fich in Ba: 
ris durch ein befonderes Dreflur: und Reitfyftem der 
Stallmeifter Baucher (f. d.) einen Namen, fand 
indes nur einen ſehr bedingten Beifall. In der 
heutigen J iſt die Schulreiterei gegen die Cam— 
pagne⸗ und Sportreiterei ſehr in den Hintergrund 
etreten. Das Verdienſt, die Campagnereiterei zu 
joher Stufe entwidelt zu haben, gebührt der preuß. 
Kavallerie und haben — bie großen Neitergene: 
rale mes d. Gr. den Grund gelegt. Auf 
räumlichen ängen und Sicherheit im Terrain 
rubt der >... Sie hat aus der in England 
begründeten Renn: und Sagbreiterei die ihr zus 
fagenden Elemente aufgenommen. Hauptrepräfens 
tant diefer Richtung iſt dad Militärreitinjtitut in 
Hannover, Gin weientliches Förderungsmittel des 
R.indiefem Sinne bildet die zu hoher Blüte gelangte 
Pferdezucht, ebenjo wirken günftig die Nennvereine. 

Die Kunftreiterei hat fi, nachdem fie lange 
Zeit in Händen wandernder Truppen ein wenig 
angeſehenes u gebildet hatte, durch die 
ftehenden Cirluſſe der neuern Ber die bejonders 
von Paris ausgingen, zu einer hohen Stufe enıpor: 
geihmwungen; doch werden in der Gegenwart, dem 
Effelt zu Liebe und um dem verwöhnten Publitum 
itet3 neue Neizmittel zu bieten, dem eigentlichen 
Weſen derjelben ganz —— Elemente in biefelbe 
bineingezogen und eg faft zur Vorherrſchaft. 
Berühmtheiten auf dem Gebiete der neuern Kunits 
reiterei find: Oyam, Bhen, Sranconi, de Bad), 
Leijars, Euzent, TZourniaire, Baptijt Foifjet, Guerra, 
Renz, erg Garre u. ſ. w. 

Litteratur. Außer den ſchon genannten Wer: 
fen find nod) hervorzuheben: von Nadoſy, « Equis 
tationsftudium u. f. m.» (Wien 1855); Schilling 
von Ganitatt, «Neitkunft und Drefiur» (Stuttg. 
1866); von Deynbaujen, «Gang des Pferdes und 
Sik des Neiterö» (Wien 1869); von Colomb, «Sam: 
pagnereiterei und Nemontedrejlur» (Berl. 1870); 
Jähns, «Roß und Neiter in Leben und Sprade, 
Glauben und Gefchichte der Deutihen» (Lpz. 1872); 
Käjtner, «Die Keittunft in_ihrer Anwendung auf 
Campagne:, Militär: und Schulreiterei» (3. Aufl., 
Lpz. 1876); Monteton, «fiber die Reitlunft» (1. Abs 
teil. : «Anglomanie und Reitkunft», 1877; 2. Abteil.: 
«Neiterpredigtens, 1879); von Krane, «Anleitung 
zur Ausbildung der Kavallerieremonten» (2. Aufl., 
Berl. 1879); Seidler, «Die Drefiur de3 Pferdes» 
(1. Teil, 5. Aufl., Berl. 1882; 2. Teil, 2. Aufl., 
Berl. 1879); Heinze, «Pferd und Reiter oder die 
Neitkunft in ihrem ganzen Umfanges (4. Aufl., Lpz. 
1882); Blanka von Wobefer, « Neitinftruttion für 
Damen» (Berl. 1884); von Öttingen, «Über die Ge: 
ſchichte und die verfchiedenen yormen der Neitkunit» 
Berl. 1885); Steinbredt, «Das Gymnafium de3 
Pferdeso (bearbeitet von Plinzner, Potsdam 1885). 

Neiterei, ſ. Kavallerie. 

Reitgang, |. unter Reiten. 

Neitfuochen, ſ. unter Ererziertnoden. 

Neitfunft, f. unter Reiten, 

Neitlinger (Comund), —— geb. 15. Jan. 
1830 zu Peſt, ſtudierte in Wien und Heidelberg, 
war längere Zeit unter A, von Ettinghauien Aſſi⸗ 
ftent am wiener phyfit, Inftitut und redigierte viele 


bemijche und die militärifche Richtung, erftere durch | Jahre die «Natur: und Völtertunde» der wiener 


606 Reitmaus — Reizbewegungen 


auferordentl. und mehrere ‘jahre darauf ordentl. 
eier der Bhof an ber techniſchen Hochſchule 
in Wien, in welder Stellung er bis zu feinem 
3. Sept. 1882 erfolgten Tode verblieb. Seine er- 
perimentellen Arbeiten erjtreden ſich zumeiſt auf 
die Gleftricität und find in den Schriften der wiener 
Alademie der Wiſſenſchaften, ſowie in Poggendorffs 
Annalen der Phyſik veröffentlicht 1860 81). Her: 
vorzuheben find R.s vielſeitige Unterſuchung der 
Lichtenbergſchen Staubfiguren, der eleltromagneti— 
ſchen Schallerſcheinung nad Page, der flüſſigen ‚io: 
latoren, der Lichterſcheinungen in verdünnten Gas: 
räumen, wobei er als Erſter gewiſſe Abſtufungser— 
ſcheinungen entdedte, ber eleltriſchen ——— 
u.a. Seine vorzägliditen naturwiſſenſchaftlichen 
Eſſays find gefammelt in«Freie Blider (Berl. 1874). 
Neitmand, Schermaus (Hypudaeus s. Ar- 
vicola terrestris), eine Wühlmaus (f. d.) von etwa 
14 cm Länge, gelbgrau bis braungrau. Lebt — 
in Gärten und thut an den Wurzeln ber Gemüſe 
und jungen Bäume oft jehr großen Schaden. 
Neitichulen (Reitinititute), vgl. zunächſt 
unter Reiten, Geſchichtliches. In der Gegenwart 
dienen R. teild zu allgemeinen Zwecken und find 
dann entweder Privatinititute, oder fie find mit 
fürjtlihen Marftällen, beziehungsweife Univer: 
fitäten und Nitteralabemien verbunden, teils find 
fie Armeeinftitute (vgl. Militärreitfhulen). 
In Breußen wurde zuerjt 1817 eine Militärreit: 
anftalt in Berlin errichtet, weldye von 1820 ab den 
Namen «Lehrestadron» führte. Im J. 1849 entjtand 
aus diefer bie Militärreitanftalt zu Schwedt a. D., 
aus welder 1867 das jehige Militärreitinftitut 
(Band XI, ©. 724) hervorgegangen iſt. In Ofter: 
reich entitand 1809 die Equitationsſchule zu Neu: 
ftadt, 1836 das Equitationsinftitut zu Salzburg, 
1850 nad) Wien verlegt; 1860 ging aus beiden ber 
Centraltavalleriefurs hervor, welder 1875 in das 
jetzige Militärreitlehrerinftitut umgewandelt wurde. 
Frankreich bat die aus der alten R. zu Berjailles 
beroorgegangene R. zu Saumur, Beitandteil ber 
Kavallerieihule ebenda (ſ. Militärfdhulen), 


«Neuen Freien Prefler, Im * 1866 wurde er 


Rußland die Gardebereiterſchule in Petersburg, | Ei 


Italien bie Equitationsichule der Normaltavallerie: 
ſchule. In ern find bei den Negimentern 
Stallmeijter als Reitlehrer angeftellt. 

Reitſtock (fr. poupée mobile, engl. —— 
puppet), an einer Drehbank die bewegliche Dede 
mit dem zum Einſpannen längerer Arbeitsftüde 
dienenden Reitnagel. [grille. 

Reitwurm oder Rietwurm, ſ. Maulwurfs— 

Rei vindioatio (lat.), Eigentumstlage, ſ. 
Vindikation. 

Reiz (Friedx. Wolfg.), Begründer einer gram⸗ 
matiſch⸗philol. Schule in Deutſchland, geb. 2. Sept. 
1733 zu Windsheim in Franken, bildete ſich zu 
Leipzig, wurde dafelbit 1766 Privatdocent, 1772 
auberord., 1782 ord. Profeſſor der griech. und lat. 
Sprade und 1785 der Poeſie und Beredjamteit. 
Cr jtarb 2. Febr. 1790. Ganz neue Anfichten über 
das Weſen und die Behandlung der alten Spraden 
erörnete er in den Abhandlungen «De temporibus 
et modis verbi Graeci et Latini» (Lpʒ. 1766) und 
«De prosodiae Graecae accentus inclinationc» 
(berausg. von F. A. Wolf, Epz. 1791), fowie er 
durch die Schrift «Burmannum de Bentleji doctrina 
metrorum Terentianorum judicare non potuisse» | 
(Lpz. 1787) und durch feine Bearbeitung des 


«Rudens» von Plautus (2pz. 1789) auf dem Wert 
und das Studium der antiten Metrit aufmerkiom 
machte. Sein berühmtefter Schüler war Gottfried 
Hermann. Seine «Borlefungen über röm. Alter: 
tümer» (2p3. 1796) erichienen nach feinem Tode. 
— eigentümlige Hahn — 

nden Körpern eige i s 
mechaniſche (Drud), dynamiſche (Clektricität, Tem: 
— und ——— in 

eht zu werden. e für Reize emp 
Organe find die Nerven. kommt auch den 
Muskeln und andern bloß aus Protoplaſsma (der 
Musteljubitanz ähnlichem Giweißlörper) gebildeten 
Drganen die Eigenſchaft zu, durch ſchwache Reize, 
welche ihre chem. Beichaffenheit nicht durchaus um: 
ändern, in Thätigleit (momentane Formverände 
rung mit möglicher Nüdtehr_zu ihrer Ge: 
ftalt) gebracht zu werben. Hierauf wahr: 
ſcheinlich aud die R. gewiſſer & 


öffnen ſich gewiſſe Blüten im Son ‚ falten 
fi die Blätter der Mimojen, der fog. 
(Dionaea), zufammen. Unter 

niſſen kann die R. (vorzugsweiſe der ) 


oder vermindert fein. Einen hoben Grab von 
franfhaft geiteigerter R. nennt man Grethiämus 
(f.d.). (©. Heflerbewegungen) 

Sn der Batbologie t man unter R. eine 
gewiſſe Schwäche ober ndlichleit der Organe, 
infolge deren die lektern ter 
neigen; fo führt die R. der Leicht zu ent: 
zündlichen Affeftionen derjelben, die R. des 
zu Durchfall u. dgl. Solde Organe mit befonberer 
Geneigtheit zu Erkrankung pflegt man als partes 


minoris resistentiae zu nen. 

Reizbew nennt man in ber Pflamen 
get alle —— 23* die — 
olge eines irgendwie au eintre: 
ten. Sieht = von dem Gi e Lichts 
und ber Schwerfraft auf das m der Plan: 


en ab, fo en ſich zwei Formen von R. unter 
cheiden, ſolche die durch mechaniſche Berührung 
— durch — asien u eier 
werben, und foldhe, die als eine Fo 
—— zu —* = — 5* * ak 
ufigern, man bezeichnet gewöhnlich die E 
en Heise ala Stoß: und Kontaltreize im 2 
Pb u den chemiſchen Reizen. Eine der bekannte 
R. die u ber eriten Gruppe gehört, ift diejenige 
der fog. Sinnpflanze Mimosa pudica (f. b.). 
biefer Kane tritt nad erfolgter Berührung ober 
Verlegung eines der Fiede en : 
fammenklappen ber übri x 
oben, fowie ein Senten der Blattftiele ein. Rad 
einiger Zeit wird, wenn fein weiterer Re ale 
bie frühere Stellung von Blättdhen Blatt: 
ftielen wieder erreicht. 

Diefe Bewegungen werben ermöglicht L 
lenle an dem Grunbe der ſich bewegenden Zeile; 
durch den Reiz wird auf eine bi ni 
Härte Weiſe die Filtrationsfähigleit der er 
were in der einen Seite j ! 

edeutend erhöht und der hydroſtatiſche Drud in 
den Zellen vermindert. Das dabei austretende 
Waſſer gelangt in die Intercellularräume um 
pflanzt durch jeine Bewegung in biefen Räumen 


den Reiz auf weiter entfernt liegende Bartien fort. 
Da aud Waſſer —— in das über: 
tritt, fo wird dieſe Sortpflangung 

befchleunigt, ſodaß bei Fräftigem Stoße ober 


* 


ii 


Neizker — Nelognoszieren 


—52* ken A rag en3 nad * Zeit 
die — flanze die aus⸗ 
führen. Fo meirem ber fog. fleiſchfreſſenden Pflan⸗ 


jen er ebenfalls R. ftatt an den Blattorga: 
— we —2 dazu u: De m . — jener 
nzen gelangten Körper feitzubalten und zu um: 
5 (Näheres über dieſe R. f. unter Sleiic 
reſſende Pflanzen.) übrigens hängt bei den 
Bewegungen diefer Wlan en die Dauer berfelben 
von der chem. —— der reizausubenden 
—* ab, ſodaß zugleich auch chem. Reize thã⸗ 
tig ſind obwohl ie Bewegung jelbit durch Kontalt⸗ 
* eingeleitet wird. Die Bewegungen der Ranlen 
nd rantenähnlichen Blattitiele, welche 4 Um: 
fallen einer Stüße dienen, find ebenfalls als R. auf: 
zufaflen und werden ähnlich wie die Bewegungen 
von Mimosa durd) Anderungen in der Turgeszen 
ber gereizten Gewebe eingeleitet. (S. u. Rante. } 
er, Ritj KULT Herrenfdwamm 
ober Siriäting ge n in ber Sprache des Bolfs 
einige Arten der end Lactarius (f. d,), be: 
rer * AR t hmedende Art L. deliciosus 

dat are ülse, Fig. 2) und der gifti 

zn renritſch L. torminosus (j. 

Zar. —— Be Fig. 2). 
Analeptila, 


len, ſJ. —— 

von —*— Pen. genannt der 
Bater der poln. Dichtkunft, geb. um 1505 in 30: 
ramno in ber Ukraine, befuchte bie Säulen in Lem⸗ 
erg und zn; bildete ich aber vornehmlich an 
poln. "Magnaten, lebte dann als be: 

ger Gute auf dem ande, und jtarb 1568, 
verfaßte in derber, lraftvoller, oft rauber Sprache 
ſcharfe und wißige fatiriiche Gedichte «Wizerunek 
iywota czlowieka poczciwego» («Abbild des Lebens 
eines ehrlichen Mannes», Krakau 1560), « Zwier- 
zyniec» («Der Tiergarten, 1562) und Epigramme 
und poetifche Scherze «Figliki » (Kralau 1568), 
dann in m. ein anziehendes treues Spiegelbild 
jeglihen Standes —* Jeit: «Zwiereiadto» (Stra: 
lau 1568; neue Ausg., Warſch. 1829). Dem Cal: 


vinismus en ndt, überjepte er die Pſalmen, ver: 
fahte ein biblijches Drama, «Jojephs Lebens («Zy- 
wot Jozefa», Kralau 1545) und gab eine «Pos- 


* (2 Ze,, ee ‚ac; De Kal, 

efadenz (neu Heimfa 
Nefapitulation (lat.), bei den a Ana: 

tepbalniofis, eine rhetoriſche Figur, beiteht 


—* ‚dab, bei beionders bei ausführlichen Beweiien, 
Scluffe j —— * des Ganzen alle 
—— oder mals kurz, far und 


En rer —— t werden, um den 
rud der Zuhörer zu verſtärlen. 

(lat.), Beſchwerde wegen Rechts⸗ 
veriebung; Nellamant derjenige, welder refla: 


miert b. die Beichwerbe führt. Insbeſondere 
veriet nn darunter bie Zurüdforderungen um: 
tmäßig in Befip genonmener Saden. 


„guiRiiitärmefen — 
um Befreiung (frz. dispensation) oder 
Zurüditellung (frj. sursis) vom aktiven Militär: 
dienfte ober um vorzeitige Entlafjung aus demiel: 
ben. Solche Geſuche et * allen Staaten, in 

denen die allgemeine Wehrpflicht beſteht, auf Grund 
der dieſerhalb erlaſſenen mmungen durch be: 
ſondere perſönliche oder burgerliche Verhältniſſe 
begründet werden, R. find zuläffig im Deutfchen 
Neiche für einzige — Öilftofer Verwandten, 


607 


unerfeglie Verwalter großer Pachtungen, gewerbs 
licher oder fa taufıännifcher Unternehmungen, —* 
für im Auslande oder in —— ohne 
er Nachteil nit zu unterbrech echender Baus: 
bildung befindliche Militärpflichtige. Ahnliche Be 
ftimmungen gelten in Rußland, — Ungarn, 
ankreich und Italien. fiber R. entf iden im 
eutichen Reihe die Erfah: und Obererfagtommif: 
fon, beziehungsmeife für bereit im Tienite befind: 
liche — das Generallommando, in Öiter: 
reich: Ungarn die Stellungsfommifjion, die Über: 
—— —* das Sandesverteibigungs: 
Miniſterium, in —— der Reviſionsrat oder 
Staatsrat für In 
Reklame (fr3.) — lender Artilel in einer 
Zeitung, ſ. unter Annonce. 
Reto; n (lat.) heißt in der Rechtsſprache 
die Anerkennung der Identität einer Perſon oder 
Sache oder der Echtheit einer Schrift vor Gericht. 
—* den Umftänden liegt darin bald ein Seugniß, 
bald ein Geſtaͤndnis. Im erftern Falle muß daber 
die Anerfennung, wenn fie von Brivatperfonen 
ausgeht, der Negel nad) eidlich beitätigt werben, 
kei . infofern — einen andern als denjenigen, 
ihn beſtoh oder eine Sache als die ihm ent⸗ 
—— vefognogjiert; im letztern Falle jtellt da: 
egen die R., — jemand ic) zu einer ihn ver: 
Pllchtenbe n € befennt, ohne weiteres feine 
heberſchaft (Bol. Urkunde.) Zur Ber: 
bütung fpäterer Diffejfionen veranlaßt der Berech⸗ 
Sigte die Ausfteller von Urkunden, ſich im voraus 
bei Gericht, * vor Notar und Zeugen dazu zu 
belennem in welchem Falle dann die über den Bor: 
ang darunter =. ebradte Relognitionsregis 
Iratur en ein er Derleg iches Zeugnis für die Ur: 
erſcha 
iii piychol.) ift derjenige Alt des be: 
pen abenben Bewußtſeins, durch welchen die Jdentität 
e3 Inhalts — neuen mit demjenigen einer er: 
innerten Borftellung erlannt wird, Die R. tritt 
nicht nur an ſich — wichtige Bernie auf, fonbern 
—— auch in der Erzeugung aller dompli —— 
e e. die wichtige Rolle, da 
Bewußtſein ſich dabei ber Identität aller Beiland: 
_ een mit den vorher entwidelten Vorſtel⸗ 
u. Ma | —* * 
oſchein, die vom Hypothelenamt 
here —5 Abſchrift eines Eintrags in das 
pothekenbu 
* guoszieren (lat.) heißt für er 
ber etwas ey wg oder —— 
genſtand kann jein: ber Feind (taltiſches —F 
Terrain er .) oder.bas Land nad) 
feinen Mitteln (ftatiftiiches R.). "Sie Relognoszʒi — 
rung wird nur von einzelnen ieren ausgeführt 
wenn kein Feind zu erwarten iſt; ſie wird nn 
von Truppen unterftügt, wenn ein Zufammenitof 
mit dem Feind möglich. Letzterer ijt zu vermeiden, 
wenn ber Zwed anders zu erreichen ift, und nur, 
wenn er in geheimer Weife nicht gelingt, muß er 
ewaltiam durdhgejekt werben. Danad) gi ibt e3 ein 
Beimliches und gewaltfames R. Geiler wird von 
— — Heinen Patrouillen (ſ. d.) aus: 
brt. Die gröbern, ‚auf weitere Entfernung aus: 
pe Aldien (felbftändigen) Patrouillen können ſich 
ur * dung ihres Zweds auf ein Gefecht ein: 
afien. waltſamen Relognoszierungen (vor: 
wosneie Nefognosjerunge genannt) werden durch 
ruppenabteilungen von entiprechender Stärke 


608 


unternommen, indem fie den Feind überrafchend 
angreifen und ihn dadurch zur Entfaltung feiner 
Sträfte zwingen. , 

Refollekten (lat., recollecti [«gejammelte, ein: 
gezogenen] fratres), cine bei mehrern Moönchsorden 
vortommende Benennung der Kongregationen 
ftrengiter Obſervanz. 

NRelommandiert, |. unter Einſchreiben. 

Nekonvalescent (lat.), ein fih von feiner 
Srankheit wieder Erholender, Genefender; Nelon: 
——— die Geneſung. 

Rekonziliation, |. u. Abſolution (lirdl.). 

Nefreditiv, Abberufungsichreiben an einen 
Gefandten feitens feiner Negierung. 

Nekrudedcenz (lat.), dad Wiederaufbrechen 
einer Wunde; das Wiederſchlimmerwerden einer 
Sirankheit im Geneſungszuſtande. 

Rekruten (vom franz. recrue, d. i. Nachwuchs), 
die bei den Truppen neu eingeftellte Mannſchaft in 
der Zeit ihrer eriten Ausbildung. Nefrutieren 
heißt Erſaßmannſchaften aufbringen und einftellen. 
Die Retrutierung iſt in jeder Wehrverfaſſung ge: 
regelt und geſchieht durch Aushebung (f. d.), frei: 
willigen Eintritt oder Werbung, 

Neftapapiere, j. Namenpapiere, 

Rektafcenfion, f. unter Aufiteigung. 

Nektatwechfel, ſ. unter Depoͤtwechſel. 

Rektifikation (lat.) nennt man im allgemeinen 
jede Berichtigung oder Zurechtweiſung. In der 
Chemie und Tehnologie heißt R. das wieder: 
holte Deftillieren einer bereit® dejtillierten Flüffig: 
feit, um fie von beigemijchten fremdartigen Teilen 
e reinigen oder — zu machen. (S. Deſtil— 

ation, Bd. V, ©. 95.) 

In der Mathematik verfteht man unter R. die 
Angabe der Länge des Bogens einer krummen Linie 
(Terwandlung des Bogens in eine ebeuſo lange 
gerade Linie). Die höhere Analyfis lehrt die Länge 
des Bogens jeder Kurve durch die ihn begrenzenden 
Koordinaten ausdrüden. Hierbei zeigt es fid) nun, 
daß bei mancher Kurve jedes Bogenjtüd durch einen 
algebraiichen Ausdrud angegeben werden kann, wie 
3. B. bei der Barabel, während bei andern Kurven, 
3. B. dem Kreiſe und der Ellipfe, die Länge des 
Bogens nur burdh eine unendliche ug 5 (trans: 
fcendent) au&gedrüdt werden kann. Paber der 
Unterfchied zwijchen rektifitabeln und nicht rektifi: 
tabeln Kurven, 

Rektion (lat.), in ber Öranımatil das Abhängig: 
feitsverhältnis der Wörter voneinander. 

Rektitis (lat.), die Entzündung des Maftdarms 
(intestinum rectum), 

Rektocele, Maſtdarmbruch, Maftdarmvorfall. 

Rektor (lat. b. b. eigentlichen Leiter, Ordner) 
war im Römischen Reich feit der Zeit des Kaiſers 
Konftantin der Titel der den Präfelten oder /Erar: 
Sen untergeordneten Statthalter, die auch den Na: 
men Praesides führten und die einzelnen Provinzen 

u verwalten hatten. Im Kirchenrecht bezeichnet 

er Name ben orſteher eines Konvents, geiftlichen 
Kollegium oder einer Stiftung, und der Pfarrer 
heißt zuweilen Rector ecclesiae, Gegenwärtig 
werden diejenigen jo genannt, denen an den Ge: 
lehrtenſchulen, Bürgerfchulen und andern ähnlichen 
Erziehungsanjtalten die erjte Lehrerftelle und zu: 
gleich die oberjte Leitung des Ganzen übertragen 
it, In neuerer Zeit ift diefe alte Benennung viel: 
fach durch den Titel Direktor verdrängt, die dem 
R. zunächit ftehenden Lehrer führen oft das Prädikat 


Tee nn 
— — — — — — — — — — — 


Rekollekten — Relativ 


Prorektor, Konrektor, Subreltor. Auf 
den deutſchen Univerſitäten beißt der oberſte Bors 
fteher Rector magnificus, der aus ben ord. 
Profefjoren, welche den alademiſchen Senat bilden, 
halbjãhrlich oder jährlich erwählt wird und früher, 
namentlid) auf einigen Univerjitäten, hohe Vor: 
tete genoß und fürftl. Rang hatte. Der äußere 
Glanz desfelben ift aber in neuerer Zeit mehr 
und mehr gewichen, befonders feitdem in mebrern 
Staaten der jedesmalige Landesfürft diefe höchſte 
Würde mit in fid vereinigt und ein Broreltor 
die Stelle desfelben vertritt. Bei einigen deut: 
ſchen Univerfitäten (3. B. Leipzig, Königsberg 
u. . w.) führt der König, refp. der Kronprinz den 
Titel Rector magnificentissimus. 
Reftovaginälfiftel, Maſtdarmſcheidenfiſtel. 
Refuperator (vom lat. recuperare, d. i. wieder: 
erlangen), ein bei Gasöfen angebradter Luft: 
erhibungsapparat. 
Refurs heißt zuweilen foviel als Regreß (1. d.); 
erner die bei einer höhern gegen eine niedere 
erwaltung&behörde eingelegte Beichwerbe. Im 
frühern preuß. Prozeß hieß 10 aud eine Art Nic: 
tigleitsbeſchwerde, welde gegen bie Entjcheidung 
des Richters erfter Inſtanz bei dem zweiter Inſtanz 
in Fallen gegeben war, in welchen Berufung nicht 
möglid. Der Reichsjuſtizgeſetzgebung iſt er unbe: 
fannt. Auch bedient man fid des Ausdruds bei 
der Caſſation (ſ. d.): Gafjationsrefurs für pourvoi 
en cassation, 
Refufation, f. Ablehnung des Richters. 
Relais (vom frz. relaisser), Umfpannungsort 
oder Pferdewechſel, der die jchnellere Weiterbeförbe: 
rung eined Reiſenden mit gewechſelten Pferden 
fihert. Im deutichen Reichspoitgebiet tann man 
— be Hal ige riesen reg dran 
ei den Yolämtern ſich Verde bereit halten lafien. 
Relais (mechaniſches), ein nit allgemein 
—— Name für diejenigen Mechanismen, 
eren Zwed iſt, Bewegungen, welche an einem ents 
fernten Ort unter Uberwindung der auftretenden 
Widerftände auszuführen find, mit Benußung einer 
ausreichenden Arbeitäquelle in Bezug auf Nichtuna, 
Maß und Zeit fo vor Fi gehen zu lafjen, wie dies 
von einem beliebigen Standort aus vorgezeidhnet 
wird. Hierher gebören die Regulatoren, die Mecha: 
nismen zur Lenkung von Torpedos u, ſ. m. 
Nelaps, ſ. Rüdfall. 
Reläta reföro (lat.), Ich erzähle das Erzahlte 
wieder (ohne die Wahrheit zu verbürgen). 
Relation (lat.) nennt man in der Logik den 
jenigen Gefichtspunft für, bie —— der Ur: 
teile, wonach diejelben je durch die Beziehung 
&aralterifiert werden, welche zwiſchen Subjekt und 
Vrädilat behauptet werden foll. Dieſe Einteilung 
iſt die erfenntnistheoretiich wichtigfte und mehrfach 
als die allein berechtigte bingeftellt worden. In 
der durch Kant üblidy gewordenen Scultradition 
werben die Urteile nad der R. in lategoriſche, 
hypothetiſche und disjunftive eingeteilt, denen als 
Formen der Beziehung die Kategorien der Subftan: 
tialität, Raufalität und Wechſelwirkung entſprechen. 
Im allgemeinern Sinne beißt Relation jede 
Beziehung zwiſchen Dingen oder Begriffen. 
Relativ (lat.) ift dem Abfoluten (f. d.) entgegen; 
efeht und bezeichnet das nur beziebungs: oder ver: 
hältnismeife Beitimmte und Gültige, Die Erde 
it z. B. relativ groß gegen den Mond und relativ 
Hein gegen die Sonne. Relative Begriffe find 


Nelativum — Neliefdrud 


demnach Solche, die erft aus der Vergleihung eines 
Gegenftandes mit einem andern oder aus der realen 
Beziehung desfelben zu einem andern entipringen. 
Daraus ergibt ſich, daß alte die Cigenſchaften, welche 
wir den ei zuzujchreiben pilegen, namentlich 
die ſinnliche Qualität, nur relative find, welche ihre 
Relativität dann auch in ihrem Wechſel und ihrer 
Beränderlichkeit pn objektiven Ausdrud bringen. 
Nelativum (lat.) ift die Bezeihnung für Pro: 
nomina oder von ihnen abgeleitete Adverbien, welche 
Säge fo verbinden, daß der vom R. eingeleitete ala 
Nebenjak (in diefem Falle Relativſah genannt) 
empfunden wird. Die Beziehung, weldye das R 
j dem Hauptiake ausdrüdt, fann ehr verſchiedener 
rt fein: adjeltiviſche Beſtimmung eines Sapteils, 
k B. se, welche ſchwarz find, heißen Rappen», 
ft foviel wie «Schwarze Pferde heißen Rappen»; 
Drtsbeitimmung , z. B. der Ort, wo ſich die Wellen 
brechen u. ſ. w., Zeitbeftimmung, Art und Weile 
u. ſ. w. Ohne weitern Zuſaß verfteht man unter 
N. gewöhnlich die Pronomina relativa. Dieſe find 
elbit in nahe verwandten Sprachen oft verſchiedenen 
rivrungs und verjdiedener Grundbedeutung; die 
vergleichende Grammatik hat aber feitgeftellt, daß 
alle Pronomina relativa urfprünglic entweder De: 
monftrativ» oder Fragepronomina waren, m 
Deuiſchen find beide Arten vertreten; «der» in 
Eäpen wie «wohl dem, ber frei von Schuld und 
Dehle» ꝛc. iſt dasfelbe Wort wie der Artifel oder 
das hinzeigende «der» = «biefer»; «welder» lautet 
abd, we-lih, got. hvi-leiks und bedeutet «wie be: 
f Ben «was für einer»; «wer» wird bei uns 
als Fragepronomen und ald R. gebraudt (3. B. 
«wer nie jein-Brot mit Thränen ab» ıc.), 
Nelagantia, |. Erſchlaffende Mittel. 
Relegation (lat., d. i. Berweilung) war im 
röm. Rechte jeit der Raiferzeit eine leichtere Frei: 
iu bei weldher dem PVerurteilten ein ent: 
ernter Aufenthaltsort auf Zeit oder auf die gange 
Lebensdauer angewiefen ward. Bürgerlider Tod, 
wie bei dem alten Eril (f. d.) war damit nicht ver: 
bunden, vielmehr behielt der Relegierte feine Bürger: 
und Ehrenrechte. Dadurch, dab die Strafe an einem 
Drte bes Reichs zu verbüßen war, unterſcheidet fie 
fih von der in neuern Zeiten üblich geweſenen 
Landesverweiſung. (©. BEER Gegen: 
wärtig bezeichnet man mit R. hauptſaächlich die 
Megweiung eines Studierenden von der Univer: 
fität wegen gröberer 2— (S. Consilium 
abeundi.) Die geſchärfte N. mit Ehrloſigleit 
(cum infamia) ijt aus den alademiſchen Geſehen 
verſchwunden, > hat die Strafe dadurch an Härte 
zugenommen, daß die —— eines Relegierten 
au) andern Univerfitäten ſehr erichwert * 
elevant, erheblich; Relevanz, Erheblichkeit. 
Relief (d, i. Erhöhung) üft die erhaben oder ge: 
böht auf einer Fläche aufliegende Aunftarbeit. Sie 
ft Arbeit des Bildhauers wie des Modelleurs für 
die verſchiedenen Zweige der Kunftinduftrie. Man 
a er drei Arten des R., je nad) dem Grade 
der Höhung: das Flachrelief, Basrelief 
(ital. basso rilievo), wobei die Erhöhung weniger 
als die Hälfte des runden Körpers beträgt, das 
—384 Hautrelief (alto rilievo), mit mehr 
als der Hälfte der Nundung, und zwiſchen beiden 
in der Witte das Mezzorelief mit der Hälfte der 
—— Eine Nebenart übten die Ügypter, in: 
dem fie die Contouren in die Tiefe der Ylädhe ein: 
ſchnitlen, ſodaß die höchſten Punkte des R. nicht 
Eonverfationd» Lerilon, 13. Aufl, XIII. 


609 


über die der Fläche hinausragten. In eigener Art 
behandelten die Ajiyrier das Flachrelief, indem fie 
rings die Contouren fteil abfallen ließen und das 
R. nur Ka bewegten, ſodaß gewiffermaßen 


laͤche auf Fläche lag. Auch die Griechen waren 
Meilter in der Behandlung des Flachreliefs, re 
neten fü 


aber auch ebenjo im Hochrelief aus, fo 
auf den R. des Phidias am Parthenon. Die Nö. 
mer liebten vor allem das mächtig wirlende Hoch—⸗ 
telief, wogegen bie feine Kunſt der Frührenaiſſance 
wieder Vorliebe für das Flachrelief hatte, im Ge: 
genlab egen die gleichzeitige Gotik, welche in ihre 

ltäre die Figuren im Hochrelief oder Vollrand 
hinſtellte. = die fpäte Nenalffance und die Ba: 
rodzeit bedurften zu ihrer Träftigen Wirkung befons 
ders des Hochreliefs. 

Da das N. an ſich nur mit Licht und Schatten 
wirlen und nur beichräntt ſich * itive be: 
dienen fan, alſo nur beſcheidene Mittel beſiht, fo 
mußten feine Figuren Har nebeneinander oder 
hintereinander geftellt werben. Aus diefem Grunde 
it dem R. in der Hegel die Figurenfülle und die 
maleriſch freie Wirkung verfagt. selbe hat 
ftrengern Geſehen zu folgen als die Malerei. Doc) 
gibt e3 N., die beides haben, Figurenreihtum und 
malerische Wirkung, und doch ſehr ſchön und reiz: 
voll find, fo 3. ®. die Alabafterreliefs am Grabmal 
des Kaiſers Mar in Innsbruck. Die Wirkung und 
die Natürlichkeit zu erhöhen, haben denn aud) alle 
——— bis auf die Renaſſance die R. (wie 
die Skulpturen überhaupt) natürlicherweife be: 
malt, Es war lange Streit barüber, der nun zu 
Gunften der Polychromie entichieden. Die Renaif- 
fance hörte auf, ihre Skulpturen und R. zu färben, 
da fie die antilen Marmormwerte, welche in der Erde 
ihre Farben verloren hatten, ohne Farben auffand. 
Sie nahm die Farblofigfeit ala Eigentümlichleit der 

riechiſchen Kunſt, die eg ge der legten Jahr: 
Kunden find dem gefolgt, bis erft in allerjüngfter 

eit ſich ——* e u e nad) der — *** 
rung wieder erhebt. Iſt die Darſtellung des R. in 
Berug auf die Wirlung in ag mit der Malerei 
beichränft, fo dod nicht in Bezug auf die Gegen: 
ftände; innerhalb feiner Grenzen ftellt das R. figür: 
liche Scenerien, Ornamente, felbft Landſchaften dar, 
und findet Anwendung als freies Stulpturmerf oder 
in der Architeltur oder in der Kleinlunſt, ſowohl in 
Stein, Metall, Holz, Elfenbein, Wachs u. i w. 
Zu den N. gehören auch die Münzen, Medaillen, 
geſchnittenen Steine, Stempel und Siegel, 

Neliefprud (Brägedrud) heibt das Ber: 
ahren, mittels deſſen man auf der ebenen Papier: 

äche in der Preſſe erhabene Verzierungen anbringt. 
ie erften Proben des R. gaben die Bapierborten, 
wo man auf ftarfem Gold: und Silberpapier er: 
abene Mufter erzeugte. Diefe waren Hy einer 
[je vertieft eingegraben, und eine mit hartem 
Leder oder Blei umlleidete Gegenwalze drüdte beim 
Durchgehen des Papiers diefes in die Gravirun 
der Walze. Sehr bald lam man von hier aus auch 
auf die fibertragung foldher Berzierungen au 
röbere ebene Flächen, z. B. bei den ein für die 
artonnagen u. f. ıw., führte dieſelben aud) in Leber 
für Bücherdedel aus und rief daburd eine Kunſt 
wieder ins Leben, von welcher wir Ken auf den 
ernamentbänden des 16, und 17, Ja in Proben 
nden. Später bemädhtigte ſich der Buchdruck und 

r Steindrud diefer neuen Kunft, und es iſt in der 

neueften Zeit Ausgezeichnetes darin geleiftet worden, 
39 


610 


Außerdem hat man auch danach geitrebt, dieſe Kun 
nüglich iu — ie man Zandlarten un 
Stäbtepläne en relief drudte. Bauerleller in Bas 
ris = Kummer in Berlin haben darin das meifte 

elei —— Anwendung findet der R.auch Gru 
Bei pieren al3 Trodenftempel und beim Iop- 
Blindendrud, da die Blinden ftatt der Augen a 
Fingerfpiken beim Leſen benuben und deshalb greif: 
bare Buchſtaben haben müfjen. 


Nelieffopiermafchine, Reliefmanier, i. u. 


Collas: Manier. 

Religion (von dem lat. religio, das die F 
—— S vor der Gottheit bedeutet) 
jeich net im allgemeinen die lebendige NY 
es 


iehung 
—2 Selbſtbewußtſeins auf das 


ottes⸗ 


bewußtſein, welcher das thatſächliche, durch innere Sein 


Grfahrung und ötigung inne gewordene Berbält: 
nis zu Orunde liegt, in welchem der menſchliche 
Seit; zum göttlichen jteht. Lange bevor der Menſch 
ein ausdrüdliches Nachdenlen — Verhãltnis 
zu richten vermag, äußert fi die R. in dem uns 
willkürli gg [ feiner Ab 0 

—— * pie ed un —* in ihrer 

A Erg in fol) — —— 

zu dieſer Macht ein ſolche einzug 
das un ‚den Beiltand berjelben zu 
Ab ie ihm bei — Ibeeen eßten Verhalten 
zu ihr droben, von ihm abzuwenden vermag. Die 
eriten religiöfen Regungen entfpringen — aus 
dem Bewußlſein der Endlichleit und Beſchränltheit 
alles menſchlichen Lebens, werben aber zu wirkllich 
get Regungen immer erft unter ber Voraus: 
jegung, daß der Menſch die Abhilfe für die inne 
gewordenen Leben 


eit von einer 


shenimungen weder ım fich ſelbſt, 
noch in der ihn umgebenden Welt, fondern in einer 
höhern Macht fucht, bie er — perſonifi⸗ 
jiert, um ein verjönliches Verhältnis zu ihr ein: 
geben zu können. Schon auf der niederiten Stufe 
des religiöjen Bewußtſeins iſt es baber nicht ein 
einzelnes Naturweſen felbit, welches der Menſch 
verehrt, fondern eine darin nur erfcheinende höhere 
Macht. F AL und Fetiſchismus.) Die 
eiltige Macht, deren einung in ber Natur ber 
Some verebrt ibm aber als folche immer 
Bewutiein, als vn nes Leben 
—* s mit geiſtigem Gehalt erfüllt ie Götter, 
welche der Heide anbetet, find jelbft enbliche Weſen 
perjonifizierte Naturmäcte oder (höher hinau 
Kräfte des Geiſtes, menſchenähnlich vorgeſtellt und 
leineswegs frei von allerlei ſtommenheiten 
und Mängeln; aber der —— tt fie doch über 
ſich felbft und alle i Dinge hinaus 
und fteigert ihre — mmen Ti in jelben 
Maße, als fen Selbjt: und Weltbewußtjein —* 
weiter entwidelt. In tauſend Fällen, in wel 
der Naturmenſch an ein —— Eingreifen 
der Götter glaubt, erkennt eine fortgeſchrittene Gr: 
fenntnis natitrliche Vorgänge; aber das Göttliche, 
von dem man ſich abhängig fühlt, rüdt nur —— 
binauf, das —— bt jelbjt aber wird 
leineswegs ſchwächer aubt dann nicht 
mehr, daß die Gott ei — im Naturleben, 
als Einzelnes neben —— u erjcheint, 
aber man fühlt fi gedrungen, über den ganzen 
Bereid bes erichrinenben Daſeins, um die Gott: 


r fo weit zum 


* —— finden, hinauszu 2 und ben ganzen Ra: 
ir — — ur! und Beitelauf —— ag 
i bängig n: 

Derangeseifte Men fann fi) mit einer Gott: 


Nelieflopiermajhine — Religion 


beit, die jelbft nur ein relativ e 
wäre, nicht begnügen, | 


nftes Endliche 
onbern 
nee er alles enbliche, in Raum und 


ſich erit, 
it exiei 


n par feinen ichen und + 
t, und diefer : 
enden bi bin, ber arte —— 


ein lommt, liegt unbewußt 
religi In Hegungen zu Or 
F Mean Or nen 
— BIER DIE CE BE et gründet glauben in 
öhern Sein, in, das wir als end» 
Er in unferer Endlichleit ter a 
ihen begabte Weſen nur als da 
— Fi —— Weſen — ng Slechthingei 
begreifen verm o geht er 
allen ihren formen aus dem Streben ber Seibte 
behauptung des Menſchengeiſtes 
äußern Naturgewalt und au& dem —e— einer 
Weltanfhauung hervor, we enſchlichen 
——— mit der thatſã rn 
des Menſchen verlöhnt. Je nachdem nun das 
Welt: und Selbftbewuhtfein des Menſchen noch 
unmittelbar am. ———— Daſein haftet 
oder bereits geiſtigen und fittlichen 


ober | nen bat, neitaltet ru — rn 


Glaubens —— 
—— entſpricht die —— —* 
herangereiften Seh tesleben die geifti dam er et: 
wachten von ey die — 
der — an 2 a 
ei nte J 
auf —28 dritten pn la Site de3 Guten 
In der Naturreligion feht der Menſch mur ein 
finnliches Woblergeben, in der ich 
die Güter der geiftigen Aultur, in der fi N. 
vor allem die Ordnung ber fittlichen Welt und ben 


Frieden des eigenen Gewiſſens — 
Gottheit und ſeinem Verhalten zu ihr 


auf der Stufe der ſittlichen R. unterj fh 
die Gejehesreligi on und die R. ber und 
Erlöjung als Borftufe und ala Vo ufe. 


Steht auf jener der göttliche Wille dein menſchlichen 
noch äuferlid gegenüber als von * her 
offenbarende, gebietende, lohnende — 
Macht, ſo iſt auf dieſer der Gegenſatz au gehoben 
und der göttliche Geiſt im Menſchengeiſte 
wärtig, als die —* beſeelende, durchwa 

und mit ſich verjöhnende unendliche Liebe, & 
ſchichtlich betrachtet „gebört die be an, wie Denn 
den Kindheitsalter der Menfhheit an, wie 

alle Mythologie —— * Naturjymbo 

beruht und exit allmählich geiftige — in 6 
aufnimmt; das llaſſiſche —— Griechen 


und Kömer ſteht tufe der 
peifigen R., doch jo, daß —— die urſprũng 
liche Raturreligion den Hin bildet, ande⸗ 
rerjeitö das erwachende —355 ein its 
Glemente der Geichesreligion in aufnimmt, 
> —* 2 —— —*— Br ah 
ekesreligion, in der Prophetie 

binausweifend zu der Rah Leptere 


—— prinzipiell im Chriſtentum (j. d.), der volllom⸗ 
öjungsreligion, erreicht. 

"ae ae ũmliche Wert einer R. wird durch die 

— * A berjelben eritrebten Güter 

und durd) Maß beitinnmt, in welchem fie ibren 

Belennern ud Belig jener Güter zu fihern weis. 

Das allen Religionen zu Grunde de Streben 


Neligionsedift — 


nad Selbitbehauptung des Menſchengeiſtes gegen: | 
über ber Naturgewalt kann aber nur "a dem * 
erreicht werben, als der Menſch ſich als fittliche, 
durd ein fittliches Geſeß verpflichtete Berjönlichkeit 
erfennt, fittlihe Güter erjtrebt und den — 
Weltzwed in einem Reiche ſittlicher Hari findet. 
Wiederum der fittlihe Zwed des Menichen kann 
nur erreicht werden im der Abhängigleit von einer 
höhern Willensmacht, welche nicht bloß die fittliche 
Melt und die Naturwelt ala Mittel zum Zwede 
für jene georbnet bat, fondern aud) dem ſchwachen 
und fündigen Willen des Menſchen die Kraft zur 
Berwirllihung des fittlihen Weltzweds verleiht. 
Beibes iſt erjt im Ehrijtentum ber Fall, welches als 
bie volllommen fittliche Religion nicht bloß Ge: 
ſetes⸗ jondern Gnadenreligion iſt. 

Zwiſchen R. und religiöſer Vorſtellung muß 
ſorgfältig geſchieden werden. Erſtere beſteht ebenſo 
wenig aus einer beſtimmten Gattung von Hand: 
lungen af3 in einer Summe fertiger Wahrheiten, 
die man etwa (nad orthodorer Lehre) auf Autorität 
bin anzunehmen hätte oder, wie ber Nationalismus 
(1.d.) meinte, aus reiner Vernunft zu gewinnen ver: 
möchte, Sie ift vielmehr, wie beſonders Schleier: 
ma ausgeführt bat, ebenjo wenig. ein Wiflen 
als ein Thun, fondern gehört dem Gebiet «des un: 
mittelbaren Selbſtbewußtſeins⸗ oder der innern 
—— an und kommt thatſächlich immer nur 
als eine bleibende Beſtimmtheit unſers Gemüts: 
lebens zur Erſcheinung. R. iſt Sichwiſſen bes 
menſchlichen Geiſtes in ſeiner Beziehung auf den 
göttlichen Geiſt, eine unmittelbare Gewißheit des 
menſchlichen Subjelts von dem Verhältnis ſeiner 
elbſt zu Gott und ein dieſer Gewißheit entſprechen⸗ 

er innerer Antrieb, das ganze Leben zu Gott in 
Beziehung zu ſehen und mit Gott immer pölliger 
eins zu werden. Als zuſtändliche Beſtimmtheit des 
Gefühls iſt fie Frömmigleit oder Religioſität, 
als innerer, auf unmittelbarer Gewißheit ruhender 
Antrieb Glaube (ſ. d.). In erſterer Hinſicht iſt fie 
ein Innewerden und Empfinden bes Göttlichen in 
feiner —— auf und und unſers dadurch be: 
bingten Heils; in lepterer Hinſicht ein auf dieſe 
Erfahrungen des innern Lebens gegründeter Zug 
zum Unenblichen und Emwigen hin. Vermöge des 
ungertrennlihen Zufammenbangs aller geiftigen 
Funktionen untereinander geht die R. aber ebenfo 
notwendig, wie ihr thatfählier Erfahrungsgehalt 
im Gefühlsleben ſich darftellt, teils in die Grfennt: 
nis, teild ind äußere Handeln über. Die religiöfe 
enntnis ift zunächft kein objeltives, ſondern ein 
fubjektives Willen, nicht Wiffen um Gott und gött: 
lihe Wahrheiten an jib, fondern ein Willen um 
uns felbit in unferm Verhältnis zu Gott. Mit 
dem Objekt der —— Grienntnis ift daher bie 
—— des Gegenſtandes auf uns ſelbſt, auf 
unſer perſönliches Selbſtbewußtſein unmittelbar 
zugleich geſeßt, und erſt dieſe Beziehung verleiht 
dem Gegenitande das Gepräge eines religiöjen Cr: 
tenntnißobjelts. Sofern aber das religiöfe Be: 
wußtſein des einzelnen feine beftimmte Geſtalt 
immer erjt durch die gejchichtliche Gemeinschaft er: 
hält, welder der einzelne angehört, können bie 
geiligen Güter, welche die R. ben Belennern ver: 
mittelt, obwohl fie an ſich nichts Gefchichtliches 
find, doch immer nur infofern zu Gegenſtänden der 
innern ————— als ſie auf geſchichtlichem 
Wege ſich dem Bewußtſein erſchließen. Eine R. 
ohne Geſchichte und geſchichtliche Grundthatſachen, 


Religionsfreiheit 611 


in denen die Gläubigen eine göttliche Offenbarung 
anerfennen, ift eine leere Abſtraltion. Aber alle 
Vorjtellungen, welche ein Ewiges in der Weiſe 
eines räumliden und zeitlichen Geſchehens auf: 
faflen, find dennod nur bildliche oder mytholog. 
Hüllen. Daher bat noch jede R. notwendig eine 
—— erzeugt (auch die orthobor:chriftl. Dog⸗ 
matil ijt durch und durch mythologiih), anderer: 
feit3 bat fich wiederum feine irgend ausgebildete 
R. dem Anfprud auf Scheidung ihres bleibenden 
eiftigen Gehalt3 von feinen wandelbaren An- 
—J—— und Vorſtellungsformen entziehen kön: 
nen. Einem ähnlihen Läuterungsprozeiie wie das 
religiöfe Vorjtellen hat ſich auch das religiöfe Han- 
bein \yu unterwerfen, wenn e3 feiner zufälligen, 
allein\auf das fubjettive Gewiſſen geftellten Be: 
ftimmtheit entnommen und zu einem Thun von 
objettivem, allgemeingültigem, fittlihem Werte 
erhoben werben joll, 

Dal. K. Schwarz, «Das Wefen der R.» (Halle 
1847); O. Bfleiderer, «Die R. ihr Wefen und ihre 
Gejcichte» (2 Bbe., Loz. 1869); derfelbe, «Die Re: 
—— — auf geſchichtlicher Grundlage» 
(Berl. 1878; 2. Aufl. in 2 Bon., 1883 u. 1884); 
E. von Hartmann, «Das religiöfe Bewußtſein der 
Menichheit» (Berl, 1882); Herrmann, «Die Reli 
ren ‚im Berhältnis zum Weltertennen und zur 

ittlihleit» (Halle 1879); Lipfius, «Bhilojophie 
unb Religion» (Lpz. 1885). 

NReligiondedift nennt man eine bie Religion 
und ihre Ausübung im Staate betreffende — 
leitliche Verordnung. Am belannteften find fol: 
gende Neligionsebilte: 1) Das Religionsedikt 
von Mailand, in welchem 313 die Kaiſer Kon: 
ftantin und Liciniüs in Ergänzung eines frübern 
Edilts von Rom 312 für das ganze Römifche Neid, 
die Duldung aller Kulte ausfpraden. 2) Tas 
Wormſer Edikt 1521, das in den fchärfiten 
Ausdrüden gegen Luther und deſſen Anhänger die 
Reichsacht Eee 3) Das Edilt von Nantes, 
1598 von Heinrich IV. erlaffen, wodurch den Huge: 
notten völlige Freiheit, der Heli ionsübung und 
die unbebingte bürgerliche Gleichitellung mit den 
Katholiten gewährt wurde (mieber aufgehoben 
1685). 4) Das Wöllnerfche Religionsedikt, 
9. Juli 1788 von König Friedrih Wilhelm IL von 
Preußen erlaffen und von feinem Minifter Wöllner 
verfaßt, in weldyem ala —— gegen den Na: 
tionalismus ben Geiftlihen jede Abweichung von 
ben Belenntnisfchriften in Lehre und Predigt. bei 
Strafe der Amtsentſeßzung verboten wurbe (wieber 
— 1797 durch Friedrich Wilhelm III.). 

eligiondeid, j. Slaubendeid. _ 

Neligiondfreiheit herricht dort, wo nicht nur 
jebe Religionsgejellihaft von Rechts wegen öffent: 
ih Kultus üben barf, * daß der Religion wegen 
ein Unterſchied in dem Genuß und der Ausuübung 
ftaatsbürgerlicher Rechte ſtattfindet, ſondern mo 
auch eg einzelne berechtigt ift, fich jeder ihm zu: 
fagenden, oder auch gar keiner Religionsgeſellſchaft 
anzujchließen und feine — über reli: 
gioie Dinge durch Schrift und Wort zu beurkunden. 

ie fteigende Einſicht in die weſentlich verjchiedene 
Aufgabe der ftaatlichen und der religiöfen Gemein: 
ſchaft hat in neuerer Zeit die völlige Durchführun 
der R. immer unabweisbarer gemadt. Natürli 
hat fie ihre Schranfe im Staatszmwed felbft, daber 
die Obrigfeit fi) jederzeit das —5*8*— über 
die beſtehenden religiöjen Gemeinſchaften und die 

39 * 


612 


Machtvolllommenheit vorbehalten muß, die Gren: 
zen zwifchen Kirche und Staat durch ftaatliche Ge: 
jehgebung zu ordnen, die freie Bewegung ber ein: 
zelnen en ger in diejenigen Schran: 
fen zu fügen, welche die Gleichberechtigung der ver: 
Ichiedenen Belenntniſſe und die Rüdfichten auf das 
Staatswohl erfordern, und nötigenfalls ſolche Re: 
linionsgeielliaften, welche die bürgerlihen und 
fittlihen Grundlagen des modernen Staatslebend 
bedrohen, zu verbieten oder zu unterbrüden. An: 
dererjeitö hat allerdings der Staat auch ein N 
terejie daran, daß die Neligion als Grundlage der 
öjfentlihen Moral geihnpt und gepflegt werde, 
daher er ebenfo wie den libergriffen einzelner Kir: 
dien und ihrer Priefterfchaft auch der Berbreitung 
religionsfeindlicher Tendenzen zu wehren verpflichtet 
ift. Aber fo wenig der Staat felbit für eine reli- 
giöſe Meinung Partei ergreifen darf, fo wenig ift 
e3 feine Aufgabe, den religiöfen Wert dieſer oder 
jener Glaubensweife zu beurteilen. In den meilten 
Staaten Europas, welche überhaupt die Ausübung 
verichiedener Religionen geitatten, iſt diefe Erlaub: 
nis nur auf die öffentlich anerfannten —— 
gionsparteien beſchränlt 6 Konfeſſionsfreiheit) 
doch genießen in den meiſten europ. Staaten aud 
die Juden volllommene Gleichheit vor dem Gefeh, 
und in Nordamerifa gewährt der Staat allen Be: 
fennern eines einigen Gottes diefelben bürgerlichen 
und polit. Rechte, In einigen Ländern Europas, 
wie in Spanien, war bis in bie neueften Zeiten 
herab nur eine einzige Kirche zur freien Religions: 
übung berechtigt, und in verichiedenen füdamerit. 
Etaaten find nod heute alle andern Religionspar: 
teien außer der berrichenden Kirche vom Staats: 
gebiet —— Doch iſt in Spanien noch heute 
nur der lath. Kirche die öffentliche Religionsubung 
erlaubt. Weniger als R., aber in derjelben inbe: 
griffen, ift die Gewifjensfreibeit (f. d.). Der Kampf 
um Religions: und Gewiſſensfreiheit ift in der Ge: 
ſchichte aller Weltreligionen mit Blut bezeichnet, und 
* die chriſtl. Religionsgeſchichte hat (Juden: 
verfolgung, Keherprozeſſe, Inquiſition, Auto de 
At u. |. m.) Greuel dieier Art genug aufzuweiſen. 
erft die fortſchreitende Aufllärung hat die gröbften 
Auswũchſe religiöfer und kirchlicher Intoleranz be: 
feitigt. Bol. Bluntichli, —* te des Rechts der 
Mir wi Belenntnisfreiheit» (Elberf, 1867). 

‚ Religionsfriede iſt der — Name für 
eine Reihe von Berträgen ſeit der Reformations— 
eit, welde die Rechte der evang. Stände im 

eutfchen Reiche ſicher ftellten. Der erfte diefer 
Verträge it der ein Jahr nah Gründung bes 
Scmaltaldiichen Bundes dem Kaiſer Karl V. durch 
Zürlennot, Franzoſenlrieg und Mifhelligleiten mit 
dem Bapite abgenötigte Nürnberger Reli: 
giondfriede (1532), der proteftantifcherfeits 
23, juli unterzeichnet und von dem Kaifer 2. Aug. 
in Regensburg beftätigt wurde. Durch diefen 
grichen ir die Proteſtanten nichts, als was 
ie ſchon thatſächlich bejahen, und dies nicht ge: 
willer, als fie es ſchon hatten, der Kaiſer aber 
alles, was er wünfchte, nämlich die VBerficherung, 
daß er nicht angegriffen werden würde. Da Karl V. 
die — — feines Plans, die Reformation in 
Deutihland zu unterdrüden, immer wieder auf: 
ſchieben mußte, wurde der Nürnberger Friede in 
den J. 1534—45 fechömal von neuem bejtätigt, bis 
der 1544 zu Crespy mit Frankreich geſchloſſene 
Briede dem Kaiſer den Angriff auf die Broteftanten 


Religionsfriede — Neligionsgefprädhe 


unter dem Vorwand ihrer Nichtbeichidung des nad} 
Trient ——— — —— re Aufle 
nung gegen die laiſerl. Befehle ichte. 
rend die prot. Stände in Unentafın 
Vereinzelung verharrten, begann der Kaiſer ſieg⸗ 
* * Kampf —* era er 
vielleicht ausgero N, m 
Kurfü or von Sadjien Ahr entgegens 
eftellt. Auf dem —— aſſau vers 
angte Morig uneingeſchränlte Religionsfreiheit 
für die evang. Reichsſtände, Loslaſſung des N. 
— Landgrafen Abilipp von Helfen und Abs 
tellung aller Befchwerden in der zeitherigen Res 
ierung des Reichs, und der Kaiſer mußte diefe 
dingungen im Paffauer Bertrage 31. 
1552 im wefentliden annehmen. Die eigen 
Unterbandlungen begannen auf dem —— 
Augsburg, infolge deren nad) langem S tendiich 
der Augsburger Religionsfriede 26. Sept. 
1555 zu Stande fan, u desjelben follte von 


beiden Seiten kein Helge and wegen feiner Reli⸗ 
gion und Kirhengebräude angefochten werden; 


eligiongftreitigteiten follte man nur durch 
liche, ——— und friedliche Mittel und 
usgleichen; die biſchöſi. Gerichtsbarkeit wurde 


Beziehung auf den Glauben und Gottesbienft ber 
ug chen fuspendirt, die freie Auswanderung 
der Unterthanen der Religion  getatet; 
endlich follte diefer Friedftand ftets eh ı unver: 
brüdlid gehalten werden wenn fein 


au 
Mittel ein Religionsvergleich » Stande 
Nur zwei Punkte waren es, welche noch einen 


nädigen Streit veranlaften. Die Bro ten 
verlangten nämlih, daß es auch den 
Ständen freiitehen follte, zur Augsb Kon: 


eſſion zu treten; die Katboliten erllärten, 
Wi diefe infoweit —— mirden, al jeder 
Geiftlihe, der zur prot. Lehre ‚, feines 
Amts und Standes ipse jure et facto verluftig 
wäre, Dielen Punlt nannte man, weil ihn bie 
Katholilen ſich als Vorrecht bebielten, den geift- 
lihen Borbehalt (reservatum ecclesiasticam). Der 


zweite Punkt betraf die Frage, ob die evang. 
thanen der geiftli —— die Religio 
enießen jollten. Kaiſer Ferdinand 
ie von ihrem Glauben und Gottesdi nicht 
drungen, jondern bis Ai chriſtl. Verglei der 
eitigen Religion in Ruhe gelafien werben f 
Mit diefen Dehlumangen über die beiden 
Siehe mit dem —— Die 
ede mi e € 
reform. Kirche erhielt erft im Werhäli 
. d.) mit der lutheriſchen gleiche Bal. 
ante, «Zur deutichen Gelhichte, von R. bis zum 
——* rigen Siriege» (Lpz. we 
Religiondgefprahe werden in der Kirchen 
geſchichte vorzügsweiſe die von der Staatögewalt 
veranjtalteten öffentlichen theol. Disputationen 
— * zur ——— Rise 
puntte zwifchen namhaften Vertretern der ftreitens 
den Teile veranftaltet wurden. Sie waren na 
mentlid von 16. Jahrh. an ein oft, aber 
mit Erfolg verfuchtes Mittel. Unter die 
Geſpräche der Art gehört das 1529 auf 
tung des Landgrafen Philipp von Hefi 
burg gehaltene, wo die wittenberger und 
Theologen über die meiften Lehren, nur 
das Abendmahl einig wurden, und das auf 
laſſung König Ferdinands I. 1540 zu Negendburg 


Religionsphilofophie — Neligionsverbreden 


zwifchen evang. und fath. Theologen, aber ebenfalls 
vergeblich, veranftaltete Geipräd,. Über die in der 
Schweiz zwiſchen Katholilen und Reformierten 
veranftalteten R. f. Reformierte Kirche. Im 
17. Jahrh. iit befonders das von den Neformierten 


— leipziger NR. von 1631 zu erwähnen, Fe 
we 


es jedoch, wie das laſſeler von 1631, am ber 
Eng aigfeit r Theologen fcheiterte. Zu langen 
—30 eiten gab auch das Geſpräch zu Thorn 
1645 Anlaß, das König Wladiflam IV. von Polen 
veranftaltete, um Katholilen, Proteftanten und 
Reformierte in feinem Neiche zu einem friedlichen 
Bertrag zu bringen, , 
Neligionsphilofophie nennt man bie willen: 
chaftliche Erkenntnis des allgemeinen Weſens der 
Religion, ihrer piychol, Geſehe und ihrer geichicht: 
lichen Eriheinungsformen. Als ein Gegenitand 
geiſtiger Erfahrung kann die Religion ebenjo wie 
alle anderweite Erfahrung zum Objelt philoſ. Un: 
terfuhung gemacht, und teils kr ihrer Berwirf: 
lihung im menſchlichen Geiſte als frommes Selbit: 
bewußtiein, religiöje® Boritellen und —* 
Thun, teils nach dem geiſtigen Gehalt, der in ihr 
niedergelegt iſt, betrachtet werden. Die Voraus— 
feßung bierbei aber iſt die, daß bie Religion ſich 
nad Form und Inhalt als ‚wirkliches geiftiges 
Eigentum des Menichen, oder als pſychologiſch ab: 
h eitende3 Erzeugnis einer wirklichen, innermenſch⸗ 
ichen Gntwidelung begreifen laſſe, nicht aber nur 
von auben ber in den Menſchen ei hineingelegt, 
auf ſchlechthin übernatürliche il emjelben mit: 
geteilt und anvertraut ſei. Eine R, gibt es ftreng 
genommen erft dann, wenn das Bewuhtiein über 
den äußern Nutoritättglauben und die Voritellung 
von einer wunderbaren an gg ber Menſchen 
durch Gott binausgeichritten it, und man bie reli⸗ 
giöfen Glaubenzjäge nicht ald etwas Fertiges, Um 
antaftbares, ſchlechthin von oben ber Gegebenes 
verehrt, fondern im Zuſammenhange mit allen 
übrigen Griheinungsformen des religiöfen Lebens 
in im Keiprunge und Gntwidelungsgange ge: 
ſchichtlich veriteben will, Hiermit ift die Anerlen— 
nung eines Gmwigen, Allgemeinen und Göttliden, 
das —* in dem Wechſel religioſer Anſchauungen 
und Kultusformen geltend macht, fo weni nie 
Karolin. daß man vielmehr die per lichen e⸗ 
lten des 2 Lebens nur durch Zurüdgehen 
auf die in der Geſchichte waltenden (nicht aber von 
au r sus under in fie bineingelegten) und 
in ihr fi offenbarenden göttlihen Ordnungen 
richtig zu würdigen vermag. Wie das religiöfe 
Se elbit ein weientlihes Moment im geiltigen 
Leben der Menſchheit —— ſo bildei die R. 
einen weſentlichen Beſtandteil der Geiſtesphilo— 
I ie. Von ber —2*6 Theologie unter: 
* tfie I nicht oh urch ihren Gegenitand, 
als dur ihr rein philoſ. Intereſſe, indem fie die 
Griheinungen bes religiöfen Lebens nicht wie jene 
als Objelt der religiöfen Selbitertenntnis in der 
Gemeinihaft und im unmittelbaren Dienfte der 
Frommigleit, fondern rein als ein Objelt theore: 
—5 — iſſens behandelt, womit aber weder aus⸗ 
ei loſſen ift, dab das religionsphilof, Denten 
bit vom religiöfen Geiſte —— ſein 
müfje, noch dab umgelehrt die theol. Arbeit ſich der 
Form nad immer mehr der philoſ. Behandlungs: 
weile annähere. Zur allgemeinen Religionsge⸗ 
ſchichte endlich verhält fi die N, wie beren prin: 
zipieller Teil zur empirischen Ausführung. Eine 


1840) 
s taphon 


—— — — — — — — — — — —— — — — — — — — — — — — nn nn — — ——— — — — 


613 


gründliche religionsphiloſ. Bildung wird immer 
das beite Schupmittel bleiben jowohl gegen fou- 
veräne Geringihäpung der Religion im vermeint- 
lichen yereile der Aufllärung oder wiſſenſchaft⸗ 
lihen Bildung, als aud gegen ein engberziges 
itbindenwollen des religiöien Bewußtſeins an 
irgend eine zeitliche Zuftändlichkeit, im mißverftan: 
denen Intereſſe der Froͤmmigleit. 

Bermöge des eigentümlichen Weſens dieſer 
Wiſſenſchaft iſt fie felbit erft eine Frucht der neuern 
Philoſophie. Wenn freilich aud die in ihr behan- 
delten Öegenftände von alters ber die benfenden 
Geiſter beichäftigt haben, fo geſchah dies doch noch 
nicht in wirllich philoſ. Meile. Weder die pbilo: 
ſophiſch * Spelulationen der Gnoſtiler, 
noch der. jud. und chriſil. Alexandrinismus, troß 
der —— desſelben von platoniſcher Thilo: 
ſophie, N. im ſtrengen Sinne des Wortes ge: 
weſen. Noch weniger war bie mittelalterliche 
Scholaſtil, die nur die objeltive —2* des lirch⸗ 
lichen Dogmas durch ſcharfſinnige Reflexionen er: 
weiſen wollte, noch die der Scholaſtil ſehr ver⸗ 
wandte altprot. Dogmatil im Stande, ſich auf den 
— * Standpunlt zu erheben. Der erſte 
wirlliche Verſuch einer R. bie Kantſche «Reli: 
en ‚Innerhalb der Grenzen der bloßen Bernunft » 
Königsb. 1793). Diefelbe hat: e3 freilich mehr mit 
einer — — der chriſtl. Glaubenslehre auf 
die derſelben zu Grunde liegenden allgemeinen 

been, ald mit einer wirklichen Grörterung des 

ſens der Neligion und. ihrer philoſ. Gricei- _ 
nungen zu thun. Gine fpelulative —— 
der religioſen Idee hat in großartiger Weile Hege 
in feinen epodemadenden — über die 
Bhilofophie der Rel gion» (2. Aufl., 2 Bbe., Berl. 
eben, doch konnte es ihm auf feinem me: 
en rg rg ebenio wenig gelingen, 
das eigentümliche Wejen der Religion, nod ihre 
geſchichiliche Entwidelung richtig zu beftimmen, 
und namentlich feine philoſ. Konſtrultion bes 
—— leidet an dem Grundgebrechen einer 
durchgängigen — Dez religiöfen Ideen in 
metaphoftice Begrifie, rſelbe Mangel haftet 
ben meiſten neuern religionspbilof. Arbeiten ber 
Seaclihen Schule, aber auch den umfallenden 
erlen von Weihe, Schelling und Biedermann an, 
Den Grund zu einer echt piychol, und hiſtor. De: 
bandlung der R. hat Schleiermacher (j. d.) gelegt, 
welcher namentlich den Unterſchied des religiöjen 
und des philoſ. Griennens zuerjt feitgeitellt hat. 
Nah ihm und neben ihm bat aud) die Herbartſche 
und Friesſche Schule ſich um die N, verdient ge 
madıt. (Bol. Religion.) 
Religiondverbrechen. Die Zahl der früber 
noir aus lirchlichem Standpunkt angenom- 
menen R. war eine ſehr große, Cs gehörten dahin 
Gottesläjterung, Abfall vom riitl. Glauben, Ver: 
breitung von —57— Zauberei, Hererei, Mein 
eid, Kircenbiebftahl, Grab: und Leihenihändung 
u. f. w. Als das Syſtem einer Staatäreligion 
ver le wurbe und immer mehr Glaubens und 
Gewiſſensfreiheit Anerkennung fand, veränderte 
is auch der fteafrechtliche Gefichtspunft, indem 
ortan nicht mehr die Neligion oder die Gottheit 
als verleptes Objekt angejehen wurde, vielmehr die 
neue yr des Schubes des religiöfen Friedens 
maßgebend zu werben begann, Damit ſchieden die 
meijten ber erwähnten Delikte aus ber Zahl der N. 
aus und werben jeht hierher nur gerechnet: Gottes: 


614 
läfterun hell ihrer Ci von — —e— 


ten rü id ihrer Einrichtungen ebräu 
wohl auch i a. Glaubensfäge Verübung beihim: 
pfenden Unfugs in flirchen ober an —— 
Verſammlungen beſtimmten Orten Störum 
Gotteädienftes wie auch des Gräberfriedens ($. * 
des ante —— Val. Villnow im «Ge: 
rihtsfaal» (Bd. 31, Stuttg. 1879). 

ans bie‘ Mit Weber geiftlicher Orden. 

Reli * unter Dies. 

—— A de Hinterbliebenen; Hinter: 
lafienfchaft. 

Reliquiarium, Bela lter. 

—— (lat., . fiberbleibiel) —* * 
der lirchlichen us ie fiberrefte, welde d 
Chriſten von Ehriftus und andern geheiligten Ber: 
fonen, namentlid) den Märtyrern, beſaßen oder zu 
befigen meinten. Man glaubte 3. D, die Leinwand, 
in welche der Leichnam Jeſu gehüllt geweien fein 
fol, Gewänder Sefu, 3. B. den Heiligen Nod, 
Stüde vom Kreuze CHrifti von feiner Dornentrone, 
die Marterwerlzeuge u. ſ. w., und viele ._— 
(iberrefte von Maria, Bi evd und den bei —— 
Männern ber frühern riſtl. Kirche sn ben 
Schon feit Gregor d. Gr. ſchrieb man nn i 
fame Wirkungen zu, und vie feit dem 3. 
aufgelommenen gottesdienftlichen Berjam ums 
an den Gräbern der Märtyrer und Heiligen arteten 
immer mehr in abergläubijche —* 2. Ge: 
beine aus. Mit dem fteigenden Aberglauben ver: 
mehrte ſich aud) die Zahl der heiligen nochen, für 
welche die röm. Katalomben eine unerſch öpfliche | 2. 

ndgrube darboten, ind Ungeheuere. Alle Kir: 

en und Klöfter wurden mit möglichft zahlreichen 
Üiberbleibfeln der verfchiedenften Heiligen dotiert, 
und je reicher fie an dergleichen Kleinodien waren, 
deito begieriger ftrömten die andächtigen Volts: 
majjen —3 um von den heiligen Gebeinen wun⸗ 
derbare Hi a allerlei Nöten zu erbitten. Als N. 
wurde in Deutichland der Serie e Rod zu Trier 
berühmt, defien öffentlihe Ausitellung 1844 die 
deuti ‚lath. Bewegung berbeigeführt hat. Der 
Protejtantismus bat diefen Neliquiendienft von 
Anfang an ald Menfchenvergötterung verworfen, 
in der röm. und griech. Kirche fteht er aber noch) 
heute in Blüte. ( ne 

Rellmans, j. Sieben chläfer. 

Nellftab (Ludwig), an Yournaliit, Roman: 
ſchriftſteller und Theaterdichter, geb. 18. April 1799 
zu Berlin, trat 1816 als rtillerift in ben preuß. 
Militärdienft und wurde — Offizier befordert, 
verließ jedoch 1821 den Militärdienſt, um ſich aus: 
Ichließlich der Litteratur und den fhönen Kunſten zu 
widmen. Nachdem er in Frankfurt a, D., Dresden, 
Heidelberg und Bonn gelebt, Lehrte er 1823 nad) 
Berlin zurüd. Nicht wenig zum Belanntwerben fei- 
nes Namens trug feine Schrift «Henriette [Sontag], 
die fhöne Sängerin» (£pz. 1827) bei, eine ſati— 
tif gesgeſchichte, dig ihm eine mehrmonatli 
Ge —— ur J. 1826 trat R. in die 
Hedaction der « ach eitung» ein, ber er bis 
an —— Ende angehörte. aneben riänet er fi 

als Romanfdriftiteller aus. Außer «Algier 
— Paris» (3 Bde., Berl. 1830; 2. Aufl., 2 Bbde., 
Lpz. 1846) find als feine beiden $ Hauptwerfe die 
Romane «1812» (4 Bde., Lpz. 1834; 5. Aufl. 1860) 
und «Drei Jahre von Preiigen» (2. Aufl., 5 Bbe., 
1858) zu nennen. Weniger glüdlidh war 2, in fei 
nen dramatifhen Verſuchen, obfhon fein Schau: 


Neligiofen — Remagen 


| den 


— 


ine ee dem Roman ge 
i a epertoire ** 
le ide — wie z. BD. zu «Meyerbeers 
ne elbianer in Sählefien», wurden von R. verfaßt. 
Seine jämtlihen Arbeiten ftellte er in feinen «Ge: 
fammelten Schriften» (12 Bde., Lpz. 1 ——— 
» (8 Bde., 
Novellen 


ſammen, benen ſich eine «Neue 
1846—48) und «Garten und 
und Vermiſchte Schriften» (4 Bde., Lpz. 1854) an: 


en Eine neue Ausgabe der a G wre 

Säriften» ( 1860— 61) umfaßt 24 Bände; 
unter dem Ti "«Fructflüdes (2 Bbe., Berl. 1861) 
erſchien eine Sammlung von Heinern Ro und 


och kurz vor feinem Tobe, der in der 
e | Nadıt 2. 27. — —— te: be: 
gann R. die Veröd ung feiner iogra⸗ 
phie: «Aus meinem Leben⸗(SBde. Berl. 1860). 
Remagen (röm. Rigomagus), Stadt * preuß. 
Regierungsbezirt Koblenz, dicht am linlen Rhein⸗ 
ufer, Station —— Linien Köln:Bingerbrüd und R.: 
———— — Staatäbahnen, 20 km 
halb Bonn und 13 km im . von ber 
Kreißftabt er, zählt (1880) 3186 €. und ift 
in neuerer Zeit einer ber beliebteften Stations: 
und Ruhepunlte für Touriſten, namentlid für Be: 
fucher des zZ. el gemerben R. gehörte rüber 
* — Se bes nnd ug her e 
ayr. Regierung Onnenen 
wurden in und bei der Stabt viele röm. Alter: 
tümer aufgefunden, darunter ein 162 n. Chr. ge: 


feßter Meilenftein, der die Kaifer M. Aurelius und 
2. Berus als führenden 


ver nad Köln 

Heeritraße bezeichnet. Auch fand man 1857 "bei 

dem Bau der Eifenbahn einen dem Jupiter, Mars 

und Merkur gemweihten Botivaltar, den man an 
dem Aufgang zum Apollinari in den Felien 
eingemauert bat. In meuefter Heit (1874 und 

1885) wurden außerhalb der Stadt zwei röm. 

Waflerleitungen aufpebedt. Auf dem Apolli: 

narisberge, einem Thonſchieferfelſen, ber unter: 

ki der Stabt fteil aufiteigt, ſtand früber eine bem 
eil. Martinus geweihte apelle, die, 1117 vom 
Erzbiſchof von * in eine Bropftei 
* 1164 lirche genannt, ein viel⸗ 
ter Wall ort wurde. Sie ging 1807 in 
rivatbefiß der — Boiler in Köln 
ng —— —* 1836 ai —— —— u Gra: 
nz Egon von :Stamm — 
—* der die alten —— 

A — Ielbefuchte Da Apo ellinaris. 
irche, auch jeht eine vielbefu tte 
erbauen ließ. Diefelbe it ein vom — 

baumeiſter wirner größtenteild aus Tuffſtein im 

—— got. und roman. Stil au zier⸗ 

er Bau mit einem herrlichen —— 2* vier⸗ 
und zwei achtedigen Turmen, ausgezeichneten Freslo⸗ 
gemälden und einer Kryypta im Rund 

weldye das neue ander d be3 heil, Apollinaris 

und feit 1857 in einem ber alten Kirche entnom⸗ 

menen, aber renovierten Sarkop —* —* 

Heiligen enthält. Berühmt in 

ift das alte Portal bei der Blorttiche defien —* 

hafte Skulpturen zu vielen Deutungen Anlaß 

geben haben. A R dem Mege zur Kirce fi d feit 

1865; neue, hubſch aearbeitete Stationen ae, 

binauf bis zum «Slberg». Kinkel, « Der Füb: 

F durch das Ahrthal nebſt ana ber Stadt 

N.» (Bonn 1842; 2. Aufl. 1854); Braun, «Das 

Portal zu N.» (Bonn 1859). 


u 


Remak — Rembrandt 


Remak (Robert), Mediziner, — 26. Juli 
1815 in Poſen, ſtudierte in Berlin Medizin, wib: 
mete fi) unter ob. Müller und Schönlen 5* 
ftop., befonder3 entwickelungsgeſchichtlichen 
fhungen, Basen ſich 1847 als eriter jüd. 
vatdocent in Preußen an ber berliner alt 
woju e3 erft einer —* ondern Kabinettsordre Fried: 
338 fm IV. bedurfte, und wurde 1859 außer: 
ord, er efior. Er ftarb 29. Aug. 1865 in Kiffingen. 

ine Unterfuchungen über den feinern 
Dau ber erven, fowie über die Entwidelungs: 
geii ichte ber Wirbeltiere hat R. bie Hiftologie und 
—X außerordentlich gefördert; um die 
3 ebizin hat er namentlid) durch bie 
—— des galvaniſchen Stroms in der Be: 
ndlung der Nervenkrankheiten verdient gemacht. 
©. Eleltrotberapie.) Unter feinen Schriften 
ind hervorzuheben: «fiber ein jelbitändiges Darm: 
nervenfyitem» (Berl. 184 —— über 
die Entwidelung der Wirbeltiere» (2 Tle., 
1851 u. 1855), «liber methobifche — 
gelähmter Musteln» (2. Aufl., Berl. 1856), «Ga 
—— in gg und — Rustetunfiein» 


* 1858; jan FU 

a —— unter Glel: 

tromagnelismus, VI, ©. 38*, 

ruck (fr "epreuve de remarque), 
Beihnung für die erften Ab» 


bei 
us mis * 
—— — auf der Nordküſte der 

—— el Java in Hinterindien, nördlich 
von der —— —— von be 
ſchaft weſtlich von ber Reſidentſchaft Sa- 
märang, ſudlich von der Refidentfchaft Madiun und 
öjtlich von ber daft Surabäja begrenzt, iſt 

ne erob eich meift frudtbaren oden 

De Benö 


ng beträgt 

(187 tr . worunter 656 Europäer, 

15983 Chinejen, 258 Araber. Die Hauptitadt R., 

ein —** Handelsort und Siß ber ee 

be —* t unweit der See und hat 12000 €. 

eren (frz.), —— ver⸗ 

güten, —— Rembours oder Rembourſe— 

ment, re iehun —— Barauslage (im Spedi⸗ 

ti tonsgeiään), De ng einer Forderung, Bezahlung 
ein 

— (N. — oder 22 


Ryn, genannt), Dee olländ, er und 
dierer, wurbe —* u Leiden 15. Juni 1006. 
Gr war der Sohn ei Rüllers und f Gelehr: 


ter werben, hatte ei mehr Luft zur Malerei und 
trat zuerjt bei dem leibener Maler von Smwanen- 
* als Lehrling ein. Sodann ging er zu Laſtman 
mſterdam, welche Stadt er um 1631 zum blei⸗ 
—* Siß feiner künftlerifchen Thätigleit machte. 
Im J. 1634 verheiratete er ſich daſelbſt mit Sastia 
van Iylenburg, einer Ratsherrntochter von Leeu: 
warden. Nad) ihrem Tode 1642 fiel ihm bei feinen 
vielen Arbeiten noch die alleinige Bejorgung feines 
Haushalts A und es trat deshalb in feinen öfo: 
nomijchen Ver hältnifi en bald eine jolche Zerrüttung 
ein, dab er Hypothelenſchuldner wurde. Im J. 
1656 infolge elaer zweiten Ehe, kraft des Teita: 
ment3 feiner erjten rau verpflichtet, feinem un: 
mündigen Sohne ben mütterlihen "Nermögens: 
anteil auszuzahlen, wurde R. auf Betrieb des Mit: 
vormundes für injolvent erklärt, feine Habe von 
Gerichts wegen inventiert und fein Haus, fein koſt⸗ 
bares Kunſttabinett, fein Ateliervorrat zu öffent: 


615 


licher Verſteigerung gebracht. Nach dieſer Kata: 
ſtrophe arbeitete R. zwar weiter fort, lebte aber ſehr 
zurüdgezogen und jtarb 8. Dit. 1669 zu Amfterdam, 
wo man ihm 1852 ein Ehrendentmal errichtete. 

N. if —— —— Amen und ge Maler 
der holländ. an bat von ihm eine be: 
deutende Anza at = Hiftorienbildern, Porträts, 
Genreftüden, Landſchaften und Stillleben. Die 
Nahahmung ber Grideinungen, wie er fie vor 
Augen hatte, der Realismus, bildet die Grundlage 
feiner Kunſt. Doc iſt er Realiit in einem höhern 
Sinne, Mit einem Sonnenftrahl läßt er Seele und 
Gefühl aus der — beruochl Häßlichkeit, aus dem 
verlrüppeltften Elend hervorbligen und bringt 
Wärme und Leben in die ärmite, jämmerlichfte 
Wohnung hinein. Wenn ftrenger Stil, edle Auf: 
% una, großartiger Formencharakter mangeln, fo 

len doch nie bie — chende Geberde, der dewal 
tige Herzensdrang, der innige und tiefe Ausdrud. 


erl. | Bei feinen biblifchen Figuren nahm er die Tracht 


der holländ. Juden feiner Zeit und feines Wo u 
ortes zum Anhalt und Vorbild, weil er fo 
hiſtor. Wahrheit näher zu lommen alaubte, & 
———— bie Bibel nad) ſeiner Art für — ein⸗ 
fache Leute und ließ die hebr. Schriftjteller hollän⸗ 
diſch reden. Zu feinen vorzüglicdhiten und ie 
—* Gemälden N Beben: die fog. Nachtwache (ein 
—— die Tuchplombierer (in Am: 
7 m), bie Verteilung im Fempel, die anatom, 
Borlefung, Sufanne im Babe (un Haag), die dr 
milie_de3 Tobias mit dem wegfli n Engel, 
eine Heilige a (die jog. 3 — 
das Gaſtmahl in Emmaus (zu, im Louvre), 
ber rajende — (im berliner Muſeum, dort 
irrtümlich) olf von Geldern Fe 
eg 58 et (in ber dresbener ‚Galerie 
Simſons Gefangennehmung und ber Degen 3a 
tob3 (in ber Taljeler Galerie), die 
vor Chrijto (in der londoner National 
en erg en * * rem mug 
nigin von England), R.3 *3*6 
Beſiß der Herzogin von Morn 
daft (in der Sammlung des —— von Lands⸗ 
omwne zu Bowood) u. ſ. w. N. hat aud) eine Menge 
Zeichnungen binterlafjen. Meift mit der Feder ent: 
worfen, mit Bifter angetuſcht und mit Wei hal 
find dieſe (be Sicht % hit harakteriftif die 
eigentümliche tung des Meijter3 und ppante 
Belege für die erftaunliche Veweglichleit jeiner Er: 
—88 Endlich iſt R. noch weltberühmt ala 
adierer. Mit leichter, ſpielender or auöge: 
führt, haben feine — ganz die Harmonie, 
Märme, Poeſie und Wirkung feiner Bilder, Das 


ei), * 
der Ko⸗ 
ris, im 

le, Sand: 


fog. Hundertguldenblatt (E riſtus heilt Kranle), 
bie — bnahme, das große Ecce homo, 
der barmberzige Samariter, der —— Sir, 


der Nr ber Schreibmeiter Coppenol 
Landſchaft mit den drei Bäumen find $ Saurilüde 
unter feinen radierten Blättern, deren Zahl fi) 
etwa auf 350 beläuft, und von welchen die Kupfer⸗ 
ſtichtabinette zu Paris, Amſterdam, London, Dres⸗ 
den und Wien die volljtändigften Sammlungen be: 
fisen. Die Lichhaberei daran hat die Marktpreije 
beſonders jhöner und jeltener Abdrüde von % 
wiſſen Platten ins Unfinnige gefteigert, ſodaß 3. 
1867 auf einer Berfteigerung in ndon ein Ab: 
drud des Hundertguldenblattes, vom eriten Plat: 
tenzultande vor den Schraffierungen auf demNaden 
des Eſels, mit 30000 Irs. bezahlt wurde. R. 


616 


hatte zahlreiche Schüler und Nachfolger, von wel: 
hen freilich die meiſten ihm nur die äußere Manier 
ablernten. Mehrere darunter, namentlich Gerrit 
Dow, Gerbrandt van ben Gedhout Ferdinand 
Bol, Govaert Flind, Nilolaus Maes, jan Victors, 
Salomon Konind, haben jedoch einen anſehnlichen 
Rang in der Kunſigeſchichte gewonnen. R.s Bilder 
find vielfach in Kupfer geſtochen oder radiert wor: 
den, am beiten von 3. P. de Frey, Claeſſens, 3. ©. 
Schmidt, W. Unger u. a. 

Authentiihe Nachrichten über feine Lebensum: 
ftände findet man in Scheltemas « Redevoering 
over het leven van R.» (Amiterd. 1853), Vos— 
maers «R., sa vie et ses @uvres» (2, Aufl,, Haa 
1877), W. Bodes «Stubien zur Geſchichte ber hol: 
länd. Malerei» (Braunfchw. 1883). Cin Verzeicdh: 
nis feiner Gemälde gibt J. Smith im fiebenten 
Bande feines « Catalogae raisonnd» (Fond, 1836). 
R.s Radierungen wurden guet beſchrieben durch 
den franz. Kunjtmäller Gerfaint in dem «Catalogue 
de toutes les piöces qui forment l’auvre de R.» 
(Bar, 1751, nebft Supplement von Yver, Amiterd. 
1756). Dieſer Katalog diente ald Grundlage bei 
ben fpätern Verzeichnifien von Daulby (Liverp. 
1796), Vartih (2 Bde, Wien 1797), Clauſſin 
(2 Bde,, Par. 1822 und Fr und Wilfon (Lond, 
1836), die ſämtlich verſchmolzen und verarbeitet 
find in — Blancs «Oeuvre complet de R.» 
2 Bbe,, Par. 186961; 4. Aufl. 1873). Von dem 
ehtgenannten Verfaſſer erichien auch «L’auvre 
complet de R. reproduit par la phötographie » 
(Bar, 1864, 100 Blätter mit Beſchreibung und 
tommentar); zulebt wurde das « Oeuvre complet 
de R.» berausgegeben von QDutuit (1881). Bol. 
noch Wurzbach, «Nembrandt:Galerie. Cine Aus: 
wahl von 100 Gemälden R.8» (in Lichtdrud ausge: 
führt von N-Nommel u. Komp., Stuttg. 1884 fg.). 

emda, Stadt in Sachen: Weimar: Eifenad), 
Berwaltungsbezirt Weimar, im Thale der Rinne, 
äblt (1885) 1215 E. und bat ein ber Univer: 
htät Jena geböriges Rittergut, Gewinnung von 
Kalltuff zur —5— von Baditeinen, nd: 
fteinbrühe, Wollmeberei, Mahl: und Schneide: 
müblen, eine große Brauerei, eine PBappfabrit 
und zwei Fabrilen für Waldwollpräparate. R, 
beitand ſchon im 10. Jahrh. 

Nemediod, Sträflingsfolonie auf der brafil. 
Inſel Yernando:Noronbo (f. d.). 

Nemedium (oder Toleranz) nennt man bie 
Heine Abweichung der Münzen von dem geſehlichen 
Gewicht und Feingehalt, die mit Nüdficht auf die 
techniſche Schwierigkeit der Grreihung einer ab: 
foluten Genauigleit vom Gejehe jeipt ugelafien 
wird. Es iſt alſo für die einzelnen Gtüde ein 
Spielraum jun *— oben wie nach unten ge— 
währt, jedoch ſoll der Staat im ganzen feinen Ge: 
winn aus dem R. ziehen, und wenn eine große An: 
gebt von Münzen zufammen gewogen oder auf | 
hren Feingebalt geprüft würden, jo müßten ſich 
die gejeklicen Vorichriften faſt ganz genau erfüllt | 
Faber: rüber indes wurde das R. thatfächlich int | 

staliſchen nterefje ausgenußt, indem man immer | 
joweit wie möglich die untere Grenze besfelben zu 
erreichen fuchte, und Frankreich bat diefe Tendenz 
aud) in der neueiten Zeit noch nicht ganz aufgegeben, 
Bei der Prägung der beutichen Kronen und Dop: | 

— findet eine ſolche Ausnußung des N. nicht 
tatt. 
wicht und 2 Taufendftel im Feingebalt. 


Für das 


Dasfelbe beträgt 2%, Tauſendſtel im Ge: | 


Nemda — Nemonte 


goldene Fünfmarkitüd ijt ber Spielraum des Ge: 
wichts bis 4 Taufendftel erweitert, 

Nemeffe, |. ander —* 

Memich, Stadt im — a Greven: 
mader, linls an der Mofel, über Mondorf mit 
Suremburg durd eine Straßenbahn mit Dampf: 

ipsbr un nbau, Ger 
leien und Weberei. R. 5 ſchon im 10, Jahr). 

Nemigind, Erzbiichof von Reims und 
fanonifiert, unterrichtete ben Frantentönig Chlod⸗ 
wig im Ghriftentum, taufte ihn 496 und ftarb 533. 
In der «Vita Remigii», die Hinkmar im 9. Jahrh. 
{chrieb, wird zuerft die Sage von der heil, Ampulla 
— — nt. keit 852 Grabif 

in anderer R., fe i von Lyon, 
trat in bem durd ben Mönch en erregten 
Streit für diefen gegen Hinkmar von Reims auf 
und bewirkte, daß die Synode zu Balence 855 die 
zwiefache Prädeitination (ſ. d.) als orthobore Lehre 
anerlannte, Gr ftarb 875, 

Nemington:Gewehr, [- unter Handfeuer⸗ 

—— d. VIIl, ©, 7096. 

eminifeöre (lat., «Grinnere dich⸗), ber zweite 
Faftenfonntag, genannt nad) den 
der lat. Mefje: Reminiscere, Domine, i 
num tuarum (Pſalm 25, 6). 

Remiremont, Hauptort bes Arron 
R. im franz. Departement der Bogefen, an 
ber Mofel und am Fuße bes b Barmont 
(613 m), 408 m über dem Meere; ber Lir 
nien Epinal:R,, R.-St.-Maurice-Buflang und N. 
Gornimont ber Oſtbahn, befipt eine Nbterlirche aus 
dem 13. mit Krypta aus dem 11, Juleh ein Col⸗ 
l£ge, eine Bibliothel und Bauli ber‘ 
maligen, im 7. Jahrh. gegründeten Abtei, zä 

1881) 7121 (Gemeinde 8126) €; und hat —— 
einwand, Vieh und fläfe (Gerardmer chelin) 
und Fabrilen von Kattun, Muſſelin, Samt und 
Eiſenwaren, ſowie eine große Baumwollſpinnerei. 
Remis (fry., ezurüdgeitellt») , unentfchieden (im 
Schadjipiel). 
. unter Börfe. 


Biemiffe Y ) hlaf), Zurüdjendung; Nach 

emijfio * ung; 

Stra —2 —— 
onders in fieber⸗ 


Er 


(afjung einer Strafe; 
rung der Kranlkheitsſymptome, 
haften Krankheiten. 
Remittens (lat.,scil.febris),das Wedhielfieber. 
Nemittent beißt im Wechſ t der erfte Neb- 
mer der Tratte, d. i. derjenige den gezoge: 
nen Wechſel aus der Hand des usſtellers em- 
pfängt, — Im mans nennt man Remit⸗ 
tenden (jcherzbaft «Krebſe⸗) die nicht verfauften 


Bücher, die wieder an den Verleger zurü 


Nemlingen (im Mittelalter Nameningen, 
fpäter Nemblin en); DIES bar, Bee 
rungsbezirk Unterfranten, Bezirksamt 
denfeld, zählt (1880) 1345 E. und bat ein Schloß, 
Obſtbau und Notjandfteinbrüche. 
Nemo (San:), Stadt, |. San:Remo, 
Nemonftranten, ſ. Arminianer, 
Nemonftrieren (lat.), Gegenvoritellungen er» 
heben; Remonftration, Gegenvoritellun 
Nemontanten, Nofen, ſ. unter Bote (hm 
Remonte (frz.) ift die regelmäßige u 
des ne er berittenen Tru bu 
a A af 
Ausbildungsiahres fta s 
werben als Hemontep erde, fälſchlich aud als 


Nemontieren — Nemſcheid 


Remonten bezeichnet und behalten diefen Namen 
bis zu vollendeter Abrichtung und Einjtellung in 
die Truppe bei, Nach der durch bie Erfahrung ge: 
ebenen Dauer der Brauchbarteit der Dienjtpferde 
im * 10 Jahre) erhalten die Truppen: 
teile alljährlih einen entiprechenden Prozentſaß 
ihres Bferde-Sollitandes als R. geliefert im Deut: 
fchen Neich für Artillerie 11,11 Proz., Kavallerie 
10 Proz., Oſterreich- Ungarn Reitpferde 12 Broz., 
Zugpferde 10 Proz.), wofür fie (einichließlid des 
Abganges burd Tod und aubergewöhnliches Un: 
braudbarwerden) eine gleiche Anzahl älterer Pferde 
ausrangieren. «Sich remontieren» heißt auch im 
rer ichen Leben aſeinen Pferdeſtand ergänzen». 

ie außergewöhnlichen Pferdelieferungen/ wie fie 
bei plöplicher Vermehrung des Pierbeilenbet, na: 
mentlid) im Falle von Mobilmadungen ftattfinden, 
werben nicht als R., fondern als Augmentation be: 
zeichnet, In neuerer Zeit hat man ſich in den mei: 
ſten Staaten bejtrebt, durch Hebung der allgemeinen 
— (f. d.) die Dementieung Im Inlande 
icherzuitellen, In Preußen war dies bereits in ben 
amangiger Jahren gelungen, auch Rußland, Öfter: 
reich · Ungarn, England u. ſ. w. find in gleicher Lage; 
—— iſt dagegen noch heute für einen chen 

il feines Bedarfs namentlich an Reitpferben auf 
das Ausland em Uhnlich ift es in dem 
p rmen Stalien. 

Der Anlauf der Remontepferbe geſchieht in ber 
Negel durch beiondere Kommilfionen (in Preußen 
ſechs Remonte-Antaufstommiffionen, in Oſterreich⸗ 
Ungarn ſechs Remonte :Afienttommiffionen), fel: 
tener durch die Truppenteile felber. Die Auf: 
bringung der R, kann auch durd Lieferanten ge: 
fchehen. Die angelauften Nemontepferbe werben 
entweber unmittelbar den Zruppenteilen überwie: 
fen, ober. erſt in ſog. Remontebepdts unter: 
gebracht (in Preußen epifieren deren 15), Da die 
Einftellung der Pferbe in den Dienft nicht vor dem 
Alter von 4%, bis 5 Jahren ftattfinden kann, 
Pferde * lters aber oft ſchon in Gebrauch ge: 
weien, andernfalls ſehr teuer find, fo iſt es zwed⸗ 
mäßig, bie Pferde ſchon im frühern Alter für einen 
geringern Preis anzulaufen und bis zur Zuteilung 
an bie Truppen den Remontedepöts zu überweifen, 
wo fie bis zum 5. Jahre jroedmäßig, gepfleot wer: 
den, — In Wreufen jteht das ganze Nemonteweien 
unter einem Armee⸗ Remonte⸗ Inſpelteur. 

Mit der Überweiſung an die Truppen beginnt 
die Abrichtung der Remontepferde, welche den Hwed 
bat, fie vollitändig zum Gehorfam zu bringen, zu 
allen Dienftleiftungen braudbar und fo fromm 
und dreiſt Du Denen, daß fie unter allen Umftän: 
ben willig Borken leiſten. Die Ausbildung der 
Remontepferde iſt ein wichtiger Dienftzweig, ba 
ihre fpätere Brauchbarleit weſentlich von der erſten 
Schule abhängt, und findet daher unter Leitung er: 
fahrener Offiziere durch rubige, im Reiten gut aus: 
gebildete Reiter ftatt. Der Gebrauch bei der Truppe 
darf nicht zu früh erfolgen (bei der deutſchen Ka— 
vallerie meift erft nad) dem erften Jahre). 

Nemontieren (vom F r&monter, wieder auf: 
fteigen) im blumijtiiden Sinne beißt, nad dem 
Hauptilor an neu entitandenen Trieben noch ein: 
mal blühen, Diefe Eigenſchaft befipt z. B. die 
Damascener Nofe und die von ihr ausgegangenen 
Formen, von denen vor allen andern die Nemon- 
tantesRojen (Hybrides römontantes) beliebt find 
und allgemein kultiviert werden. Sene war es 


617 


wahrſcheinlich, welche ſchon im röm, Altertum ala 
Rosa Paesti bis florens befannt und bodgeihäkt 
mar. Auch eine Form der Nelfe remontiert und 
blüht bei angemeflener Behandlung im Gewäds: 
bauje jelbft noch einmal im Winter, Andere Gar: 
tenzierpflangen blühen im Herbſt, wenn man fie in 
(es natürlichen Florzeit beim Ericheinen der erften 

lüten über dem Wurzelbalfe abichneidet, 3. B. 
Galega officinalis. And gibt e3 vemontierende 
Grobeer: und Himbeerforten. 

Nemoraquenr (f., d. i. Schleppſchiff, Bugfier: 
boot), ein Schiff oder Boot, das auf Flüſſen, na: 
mentlich gegen den Strom, oder aufSee ein anderes 
ſchwer beladenes Fahrzeug zieht. (S.Bunfieren.) 

‚NRemotion (lat.), Entiermung, Entlajiung aus 
einem Amte. 

Nemonlade (Nemolade), eine Art pilanter 
Sauce aus fein zerteilten harten Giern, Broven- 
ceröl, Sarbellen,, verſchiedenen gemwiegten grünen 
Kräutern, Kapern, Senf und Eſſig. 

Nemonulind, Fleden im franz. Depart, Gard, 
Arrondiſſement Uzes, linls am Gard, über welchen 
eine fchmale Hängebrüde von 120 m aim: 
führt, Station der Linien Nimes:La Teil, R.⸗Uzes 
und R.⸗Beaucaire, zählt (1881) 1477 G, Etwa 
3 km weſtlich vom Orte befindet ſich das großartige 
Nömerwerk Pont du Gard. (S. unter Gard. 

Nemplagant (m), Stellvertreter, befonders 
der Vertreter eines Webrpflihtigen in Ableiftung 
der Dienitzeit in denjenigen Staaten, in welden 
—— perſönliche Dienſtpflicht nicht ge— 
ehßlich beſteht. 

Rems, rechtsſeitiger Nebenſſuß des Nedar in 
Württemberg, entipringt im Jagftkreife ſudweſtlich 
von Eſſingen am Norbabhang des Alhuchs, berührt 
die Städte Gmünd, Schorndorf und Waiblingen 
und mündet nad einem durchweg oſtweſtl. Laufe 
von 80 km im Nedarkreife. Norbweitlih von 
Gmünd zieht ſich der Welzheimer Wald, ſudlich von 
Schorndorf der Schurwald bin. 

emfcheid, Stadt im Kreiſe Lennep bes preuß. 
Regierungsbezirls Duſſeldorf, im ehemaligen Her: 
zogtum Berg, liegt 5 km von Lennep und 7—8 km 
von Solingen auf einer Anhöhe, Station ber Linie 
Lennep:R. der Preußiſchen Staatsbahnen, it Sik 
einer Reihsbanfnebenftelle und einer Banl, bat 
eine Realſchule, eine höhere Töchterſchule, eine 
gehiaule der Kleineifen: und —— eine 
andwerlerfortbildungsſchule, ein Waiſenhaus, ein 
Armenhaus, ein Kranlenhaus, und zählt ein ließ: 
lich der zur Bürgermeifterei gehörigen Höfe und 
Ginzelgrundftüde (isss) 84001 E. Die Stadt ijt 
Mittelpunkt der deutſchen Klein⸗ Eifen: und Stahl⸗ 
wareninduftrie; fie beihäftigt (1885) 285 Fabril⸗ 
eihäfte, 1216 Meilter, 5500 Arbeiter, 1212 
——— 379 Härtefeuer, 70 Stablhämmer 
und 235 Söleiftein. Die hier angefertigten Hand: 
werlszeuge aller Art, ferner Kaffeemüblen und 
Schlittihuhe haben Weltruf, ey Fine find in R. 
138 Feilen⸗, 43 Schlittſchuh⸗, 8 Scharnierfabrifen, 
Malzwert und Gießerei der Bergiihen Stahl: 
indie Oeef aft, 1 Seidenweberei, 1 Holz 
jchneidefabrif, 1 Ziegelei, 4 Brennereien, 4 Braue: 
reien und 2 Getreidemüblen, 1 Geifenfabrit, 
3 Gmaillierwerke, eine Geldihrant: und Rolljalou: 
wor abrik, auch bat N, einen bedeutenden Erport: 
andel in andern beutichen und fremden Fabrik: 
waren, beſonders nad) Nufland, dem Orient, Ita— 
lien, Spanien, Amerila, Afrika und Auftralien, 


618 


‚ Memter heißen bie großen Säle in mittelalter: 
lichen Burgen —— Ritterorden, beſonders 
des Deutſchen Ordens in Preußen, Wegen ihrer 
architeltoniſchen —— erühmt find drei R. im 
Drdenshaupthaufe Marienburg in Weitpreußen. 

Remuneration (lat.), Belohnung für geleitete 
Dienfte, namentlich im Gegenfag zum feften Gehalt. 

Nemus, f. unter Romulus. 

Remufat (Francois Marie Charles, Graf von), 
franz. Schriftiteller und Staatamann, geb. 14. März 
ah in * heil * —— A - gr 

eine ſchriftſtelleriſche Thätigtei gen 

u verichiedenen Zeitihriften. Eine Sammlung 

einer Artikel aus «Globe» (1827—30) waren 
betitelt «Pass et Prösent» (neu aufgelegt unter 
dem Titel «Critiques et Etndes littöraires»), und 
feine Beiträge zur «Revue des deux mondes» (1830 
— 70; in Auswahl unter dem Titel «Essais de 
philosophie», 2 Bde., Par. 1834) verfchafften ihm 
die Aufnahme in die Atademie der moralijchen und 
polit, Wiſſenſchaften, zwei 1845 von ihm heraus: 
gegebene neue Merle über «Abelard» und «La 

hilosophie en Allemagne depuis Kant jusqu’ä 


Hemter — Nenaifjance 


1811 erichien fein «Kssai surlä langue et la littera- 
ture chinoises», Für —— 1814 im Collẽge 
Mandſchu⸗ 


feine Üiberjeßung des 
penses et des peines» 
tes chinois» (3 Bde., 


egel» die Aufnahme in die Franzöfiihe Alademie. erwa 


Ym J. 1830 trat R. in die Deputiertentanmer, wo 
er fi als Ratgeber der Minüter und Bericter: 
ftatter über wichtige Gejehvoridhläge ſehr einflub- 
reich beteiligte. Nach der Februarrevolution 1848 
wurde er in Toulouſe epräfentanten ber 
Konftituierenden und Gejepgebenden Nationalver: 


fammlung gewählt, wo er ſich als nger der 
Ideen von 1789 zeigte. Nach dem Staatsſtreich vom 


2, Dez. aus Frankreich verbannt, verweilte er lange 
i von jenem Augenblid an der 
einer Stubien wurde. Er ver: 
te nacheinander «Saint- Anselme de Can- 
terbury» (1858), «L’Angleterre au XVIII® siöcle» 
(1856, wozu 1868 eine Fortiehung erſchien), «Bacon, 
sa vie, son temps, sa philosophie» (2, Aufl., Bar 
1858), «Channing, sa vie et ses euvres» (2. Aufl., 


Var. 1862) und «Histoire de la philosophie en | fi 
Angleterre depuis Bacon jusqu'à Locke» (2 Bbe., | 


Bar. 1860; 2. Aufl., Bar. 1875). Das Amneſtie 


detret von 1859 geftattete ihm die Rüdfehr nad) | an 


Varis, wo er bis ans Ende des zweiten Kaiſer⸗ 
reichs und aud) während des Deutſch⸗Franzoſiſchen 
Kriegs von 1870 und 1871 in Zurũu 
lebte, bis er in Thiers' Minifterium 2. Aug. 1871 
das PBortefeuille des Auswärtigen übernahm und 
denjelben bei feiner Politik nad) innen und außen 
kräftig unterftüßte. Er ftarb in Paris 6. Juni 1875. 

Claire Elifabeth Jeanne, Gräfin von 
N. , geborene Gravier de Vergennes, Mutter des 
vorigen, wurbe 5. Yan. 1780 zu Paris geboren. 
Sie vermäblte ſich 1796 mit dem Grafen R., wel: 
ber fpäter Kammerherr Napoleons wurde und 
unter der Reftauration verſchiedene Präfelturen be: 
Heidete. Im J. 1803 wurde fie der Kaiferin Jo: 
ſephine beigegeben und erhielt in der Folge bie 
Stellung einer Palaſtdame. Nach ihrem Tode, 
welcher 21. Dez. 1821 erfolgte, veröffentlichte der 
Sohn ihr hinterlafienes Merk «Essai sur l’cduca- 
tion des femmes» (Par, 1824). Ihre «M&moires» 
(3 Bbe., 1879) und «Lettres» (1881) wurden von 
ihrem Entel herausgegeben. 

u. (Jean Pierre Abel), berühmter Orien⸗ 
talift, geb. zu Paris 5. Sept. 1788, ftubierte Me: 
dizin und bejchäftigte fich Daneben eifrig mit dem 
Etudium der ine). und tatar. Sprache. Schon 


ezogenbeit | 5 


der — Stil der Wo 
gibt die Tafel: Renaiſſance. 
rod (f. d.) und das Rololo (j. d.) ift 
naifjancelunft, wenn auch e 

oder ar ram gejagt, Stilarten , weldye aus der R. 
fi) herleiten, aber vom wechſelnden Geihmad 
abgeändert wurden, 

In der Blütezeit der italienifchen R. en 
nıan wejentlih Frührenaifjance, bie 
Tun? Tonatello und Ghiberti am Anfang des 
15. Jahrh. beginnt und mit dem Ende bes 


pre — - (og: ———— => 
odrenaijjance, die die Hälfte 
16. Jahrh. umfaßt, das jog. Ein Die 


Fruhrenaiſſance entwidelt ſich beſ in 
und verpflanzt ſich von bier aus durch ganz 
nicht bloß als Baukunſt, ſondern auch 


* 





3% 





Renaiffancefhrift — Renault 


Dlüte der Plaftit und Malerei. Die Ho —*—— 
in Bramante, Leonardo —* 
izian und deren großen ea 


talien = wanderte mit ber Macht der neuen 
ildung und Denkweife aud die Renaifiancelun 
durch ‚ganz 3 Europa; jebod nicht En manche tiefe 
Umbildung zu erleiden, a in den Ländern, in 
welchen bie Gotit mehr "ala in Stalien das ga 
Leben durchdrungen hatte, die nachllingende Gotil 
gegen die neu eindrin enden Renai anceformen 
noch immer ihre alten Rechte zu behaupten fuchte. 
Diefe ei — —— 1— ſind * eil 
von God reizvoller Wirk er jo 
deutſchen R. ihren — — währen 
andere Ausprägung ber fog. Glifabethftil in 
land bilbete. 
I. Rugler, «Geidhichte der Baulunſt » (Bd. 4: 
«Die R. in talien» von Burdharbt und «Die R. 
in Srantreih» von Lüble Stute, 1868; Bd. 5: 
. « Gefchichte der deutſchen St.» von Burdharb t und 
Lübte, Stuttg. u: ; Hirt, «Der —*—* der 
N.» (Müunch. 1877 fe.); urdhardt, «Die Kultur 
a ‚» (3. Aufl., bejorgt von L. Geiger, 23.1877); 
‚ «Les sciences et les lettres au moyen hge 
et 7 3 ue de la renaissance» (Bar. 1877). 
Reuaiffancefchrift oder Mediäval, f. unter 
— und Eustisiarife 
vläm. Ronje, lat. —— 
* im Kaiıt Dubenaarde der belg. Pro 
em, ©) 40km au von * —— 
—— * ——— — a 
t3laın= Wen aa 
147046. —*8 ren und 
wollinduftrie 


nen 


„ Renan (6me Erneft), franz. Gelehrter 
und —— neb. 27. re 1823 zu —— 
im Depart. Nordlũſten, ward für den geiſtlichen 
Stanb beftimmt und Er te die Seminare von 
St.:Nicolad und it ber Litteratur und 
Philoſophie des end, a den beutf 
philof. Syftemen wohl vertraut ann R. 1844 
im Seminar St.:Sulpice den öhern ... Ru — 
vor allem aber das Studium der ſemit. S 

en feiner rabilalen Anſchauungen gab R. 

ol. Laufbahn auf, jhrieb 1847 eine Abpand, 
fung: «Sur les langues semitiques», fpäter — 
tert zur «Histoire générale et syst&me com ri 
des languessemitiques»(Bd.1, Par.1854; 2, uf. 
1858) und 1848: «Sur l’&tude "du grec dans l’oeci 
dent au moyen äge», welche beibe von der parifer 
Akademie gekrönt wurden. m Auftrage ber Alta: 
demie der Infchriften reiſte R. 1850 nach Jtalien, 
wo er ba3 Material fammelte zu feinem auöge: 
zeichneten Wert: «Averroes et l’Averroisme» (Par, 
1852; 2. Aufl. 1860). Nach feiner Nüdtehr wurde 
er an der eye N * — pari = 
Bibliothek angeftellt. R. ſchri 
Reihe von Aufiägen, or 1 wichtige — 
geſtellt ſind in den «Etudes d’histoire religieuse» 
(Bar. 1856), «Nouvelles &tudes d’bistoire reli- 
pieuse» (Bar. 1884) und den «Essais de morale et 
de la critique» (Ber. 1859). Auch in der —* 
«De Vori u language» (Bar. 1857) und 
den — des Buches Hiob (Par. 
des Hohen Liedes (Bar. 1860) und des 5* 
(Par. 1882) zeigte R. eine ſcharf einſchneidende 
Kritik und große Vertrautheit mit der deutſchen 

rihung. Im Auftrag ber Regierung —— 
. 1861 eine Reife 9— Syrien, deren Reiultate 


chen | in Bern, Heibelber 


619 


er befonders zur Auftellung be3 phöniz. Altertums 
in ber «Mission de Phönices Par: 1864— 74) dar: 
legte. Im J. 1862 zum Profefior des en 
am Eollöge de France beru mußte R ſus 
pendiert werben, weil bie Klerikalen gegen ihn * 
tierten. Hierauf veröffentlichte er die längft vor: 
bereitete Schrift: «Vie de Jesus» (Par, 1863, 
18. Aufl. 1888, Beuti 4. Aufl, 2yz. 1880 ition 
populaire, 28, Aufl. 1885) welche auf Grundlage 
eingehender Studien in leichter romanhafter Form, 
vom Standpunkt des philof. Radilaliamus aus mit 
Benu Ta der kritiſchen —— ber Tübinger 
Schule, aus den Ber Landes und 
Volls, aus ber igen Rultur und aus ber 
eigdel, Entwidelung des Individuums das Leben 
— konſtruieren verſucht. Infolge der Be: 
—— wandte 


des Epi — ll. ist Amtes 
fih mit vollem Eifer dem Stubium 
ber Urgefchichte des Chriftentums zu. Als Ergeb: 
nis desſelben io das ‚grobe ar ie 
des origines du ‚ Bar. 
1869—82; einzelne "Teile er ins Beute: über: 
ſeßt; Inder und Tabellen, Bar. — worin R. 
in glänzender, aber durchaus einfeitiger D ar ae 
nur das ————— Element des 
tums in den Vordergrund ſtellt. In nen 9 
Anfichten, die er in den «Dialogu 
hilosophiques» (Bar, Per a ner e: 
Ört er im w ““ 2 * — Er 
von Eomte (f. lreichen hiſtor., polit 
und —ãa8 Is gr N. au ein erh 
taftijche3 Drama «Caliban. Suite de la tem 
(Bar. 1878), eine Satire gegen den Woteriefiäes 
ber Gegenwart, und «Souvenirs d’enfance et de 
jeunesse» x. 1883, beutih von Born, Baf. 
1883). Bol. Bons, «Einen! R.» (Par. 1882). 
Renatus, FAR Nen 
Renand oil), —— deutſcher Rechts⸗ 
lehrer, ni % 14. Aug. 1820 zu Lauſanne, ftubierte 
9. Berlin und Baris, habilitierte 
fi 1842 zu Bern, en 1845 außerord. Profeflor, 
1848 ord. Br ofeffor ber Rechte in Gi eben, 1852 in 
. | Heibelberg, wo er us Mittermaierd Tode: zum 
—— des Spruch mn. ernannt wurde. 
Er ftarb 5. Juni 1884 in Heidelberg. Seine Haupt: 
werte ne ——8 des beutfchen Privatre 
„Pforzh «Lehrbüuch des deut 
echſelrechts » (Sieh. * 8. Aufl. 1868), « Das 
Recht der tiengejelihften, (2p3. 1863; 2. Au 
1875) ch bes gemeinen deu chen Civil: 
: * J Heidelb. 1867; 2. Aufl. 1873) 
unb «Das Recht der een 
Lypz. feinem Tode erſ «Das 
t ber fti 


1)., m 
en ee — * 
Außerdem ſind noch 


—— eben: «La 
civile en France» u 


e | ſchweiz. Staats: > Sectegeihictee (if 
1848), «Kriti des Entwurfs einer ſchweiz 
orbnu » (Ex en 1855), «De originibus juris 
civilis Franco-gallici» Heidelb. 1857) u. ſ. w. 
Renault —— Charles), franz. Politiker, geb. 
24. Sept. 1839 zu Alfort ei Baris, ftudierte die 
Rechte, wurde — nach dem 4. Sept. 1870 
Generalſekretär der geriie Poli —— a 
BVräfelt des Depart. Yoiret, im Novembe 
Jahres Voligeipräfelt von Paris — 
er bis Febr. 1876 bekleidete. Im %.1876 in bie 


Deputiertentammer gerählt, hielt er fich zum lin: 
ten Centrum und gchörte 1877 zum Ausschuß der 


620 Rench 


— Rent 


Achtzehn, welcher gegen das Minifterium Nochebouet | 20. Febr. 1852 wurbe bie a ke ans Dänen Be 
den ganzen 


den republilaniſchen Widerftand leiten follte. 
wurde 1878 Bräfibent des linken Gentrums, fiel bei 
ben Wahlen 1881 durch, wurde aber Febr. 1882 
von neuem gewählt, 

Nendh, —— een des Rheins in 
Baden, en Ka —— am Kniebis im —ã—ſ d, 
fließt zuerft ‚wendet fi unterhalb Ve: 
terätbal nad) 8 Air bei Oberkirch in ve Ober: 
rheiniſche Tiefebene, * Renchen und mündet 
nad) einem Laufe von 54 k 

—— Stadt im reife Baden des Groß: 
ben zogtums Baden, an der Rench und an ber Linie 
annbeim: Bafelder Badiſchen Staatsbahnen, zäblt 
en 2214 G. und hat Hanfbau und Hanfhandel, 
brilen 2— va rn 
nen und Seife, Brunnenmadherei , eine S alt. 
mit Waller und Dampfbetrieb und zwei Mahl 
müblen und Handel mit Kirſchwaſſer. 
encontre (frj.), in ber Militärfpradhe ein 
ß enſeitig unerwartetes Aufeinanderſtoßen feind— 
Ms Parteien. In bie Alafje der Überrafhungs: 
— gehörig iſt es von vielen Zufälligleiten ab: 
a3 beutihe Wort Treffen E. d,) bat 
Kin da. ar Bedeutung. 

Nendant (fri.), 1 00 EN auszahlen: 
ber Nechnungsführer, Einnehmer; Rendantur, 
Behörde, welche Gelder einnimmt und auszahlt. 

sub ron Un I bedeutet Sammelplak ber 

Truppen, auf bem fie in gebrängter Stellung 
(Henbeuous-Otellun ) zum Marich oder Ge 
jet bereit ftehen. Uneigentli , werben oft auch die 

Nafte während des Marſchierens N. en 
endsburg, Kreisftabt in ber pre. tovinz 
Scleswig-Holitein, an — ———— Eider, welche 
die Stadt in vier Armen durchfließt, an dem dort 
beginnenden Schleswig » Holiteini * Kanal, der 
um Sieler Hafen führt, und am der Linie Neumün: 
Ne. Mandrup ber reubijch en Staatöbahnen, be: 
teht aus der enggebauten Altſtadt und bem zu An: 
fang des 18. Jahrh. angelegten Neuwerk, Unter 
den Bauwerlen find hervorzuheben die 1287 er: 
baute Marienlirhe mit ſchoͤnem Altarblatt, die 
1695 erbaute Ehrift: und — die Tath. 
Kirche, das Arjenal, welches in ber Nacht vom 2. 
yon 3. Nov. 1875 teilweife nieverbrannte, das 
raindepöt, das Bontonwagenhaus, das Garni: 
as Lesen Denl: 
Baradeplag und "das Kriegerdenlmal 
für die im Deutſch Fran npöfilchen Krieg von 1870 
und 1871 Gefallenen. it Siß eines Landrats⸗ 
amts und eines Amtsgerichts, bat ein Gymnafium 
nebit gg und zählt (1880) 12776 E. 
welche Weberei, Gerberei, ranntiweinbrennerei, 
Bierbrauerei, Gärtnerei, Handel und Schiffahrt 
treiben. —R. wird zuerft unter bem Namen Reinol: 
desburg in der zweiten Hälfte des 12, Jahrh, er: 
wähnt. Nachdem die Grafen von Schaumburg 
wiederholt um den Befik des Ortes mit den Dänen 
gekämpft, ward er denſelben 1252 zugefprochen und 
teilte ſeitdem die Gejchide der Herzogtümer. Bei 
der —— 1548 wurde die Stadt 24. März von 
den Schleswig:Holfteinern unter dem Prinzen Fried: 
rich von Auguftenburg:Noer eingenommen und zu 
einem ſtarlen Waffenplake gemacht. Bei dem Ein: 
marſch der preuß.:öfterr. Truppen 8. Febr, 1851 
bejegten biejelben nur die Altitadt und das Neu: | 
wert, während die Dänen 9, Febr. das Kronwerk 
in Befchlag nabnıen. Beim Abzug ber Deutſchen 


fonslazarett, bie Strafanftalt, 
mal auf dem 


Er unternahm num felbft einen 





Gr | geben, - 


rial3, das den ——— Dar aus % 
hen Kopenha Hagen ſchafften und 13, Sept. De Stu 
ln keme olieren begannen. R. keiten an feine 
ftung mehr, doch machen die noch vorhandenen 
rle dasfelbe zu einem gegen Handitreiche gun 
maßen gelicherten Depdipl ee Der Kreis 
Nends ung äblt (1880) au 18 km 53900 E. 
Nend oder Renatus J von Anjou, genannt 
ber Gute, Titularfönig von Neavel, vafı von Pro: 
Bu geb. zu Angers 16. Yan. 1409, ber zweite 
Sohn des Herzogs Ludwig IL. aus dem —— 
Haufe Anjou und Jolanthes, der Tochter des Nö- 


ni 23 nn J. von Ara — hieß anfangs Graf 
— und wurde nach dem Tode (einen Baters 
29, pri 1417, von —— — 


Seite, dem FR und gen 

Sein älterer Bruder, Ludwi (. * „Be. 

wie L.), binterließ bei feinem Zobe, 15, Be Se 
ee und Provence nebft feinen Rechten Nechten 

Sicilien und Jerufalem feinem Bruder $ 


nna II. (f.d.), die 1485 ftarb, ebenfalls: 
Yoh —— 7 der bereits, 13, Bea um 
—— 1430 von Bar war, 
außer tch feine n Iſa⸗ 
bella, die ältefte % ter des Karl. von 
Lothringen, infolge der von * nden des Lan⸗ 
a ar 
ne w 
tum Lothringen wurde a — Ya 


von dem ausgef&lofienen — Karls L, 
* — vn —— Karls —— 
obn, belriegt und gefan 
ng. Nitterftand die 3063 — 
—* dem Kaiſer Sigismund 
1. Mai 1432 wurde er auf. 
Kies mußte er feine Söhne al 
—— — — 
ichen Ausſpru Herzog 
der aber bloß eine —— He 
ältejten Tochter des sale 
— ten Sohne des Grafen ei mi von —— 
tande brachte. .. wurden beide vom 
Haifer — vor dag — Balel be- be- 
chieden, um bier ihre Aniprüde 
bren. Das Urtei für N, gu aus 
bee vom Kaiſer mit dem Herzogtum gothringen 
elehnt — Der Graf Anton aber wandte 
ilipp von Bug, der R. vorlud und, als 
= nicht edlen, in contumaciam verurteilte, 
auch befeblen Lie, fi —— in ie. Oi Oclänznie 
zu * zu ſtellen. nr —— — 
nachher wurde er durch eine lan 
laden, den Thron von un O6 und Sicilien ine 
u nehmen; allein der Herzog a gab ih 
Ir Die Gefandiſchaft ot nun 
er Herzogin Iſabella, die Bee an nn der ge: 
angene Herzog ernannte fie r_Regentin 
njou, Provence, Neapel und icifien. 
langte 18. Dit. 1435 in Neapel an, ſah aber 
bier fofort mit der Partei, an deren Spibe Hönig 
Alfons von Aragonien ftand, in Kampf verwidelt. 
Inzwiſchen hatte R. gegen ein Löjegeld von 400000 
Goldgulden 4, Febr. 1437 feine Freiheit 


ug 1a Sile 


und landete in Neapel 9, Mai 1438. A —— 
und mehr gewann Alfons das rg 
mußte R. das Königreich feinem Gegner 


Nenegaten — Rente 


und kehrte in bie Bauen zurüd. Lothringen 
übergab er nach hergeltellter Drbnung feinem ältelten 
Sohne Johann, Zitularherzog von Galabrien. 
Seine Hauptbeihäftigungen waren Malerei, Poeſie, 
beſonders Scäferipiele, und Gartentunit. Ein 
Teil feiner poetifhen Werte wurde von Quatre: 
barbes (4 Bde., Par. 1845—46) herausgegeben, 
Er ſtarb zu Air in der Brovence 10. Juli 1480, wo 
ihm im Mai 1823 eine Marmorftatue errichtet 
wurde. l. Billeneuve de Bargemont, «Histoire 
de R. d’Anjou» (3 Bbe., Par, 1825); Renouvier, 
«Les peintres et les enlumineurs du roi R.» (Bar. 
1857); Lecoy de la Marche, «Le roi R.» (2 Bde., 
Bar. 1875) 


Renegaten (tat) db. i. Berleugner, nennt man 
befonders die vom Chriftentum zum Islam Über: 
getretenen, im weitern Sinne diejenigen, welde 
aus unlautern Motiven ihre Bartei wechſeln. 

Reuetten, f. unter Apfel, Hehe 

Renettenäther, :E| —— irnäther (f. d.) 
mit geringem Zuſaß von Balerianfäure:Sither. 

Nenforee (vom Kr renforce, d. i. verftärlt), 
die ftärkite Sorte Taftband. (5. unter Band: 
fabritation, Bd. II, ©. 426*. 

Renfrew, imMittelalterzu —* 
ſpäter Rinfrew, Grafſchaft an der Weſtküſte 
Schottlands, zählt auf 667,0 qkm (1881) 262981 E. 
Im Süden erhebt ſich Hügel» und Bergland, das 
im Mifty:Lam die Höhe von 378 m und im Eldrig: 
Hill von 487 m erreiht. Der Clyde, bier ein Fluß 
von bedeutender Breite, nimmt den Gryfam, den 
Weißen Cart und den Schwarzen Cart auf. Das 
Klima ift ſehr feucht und veränderlih, Aderbau 
und Viehzucht find für die Bebürfnifje der Bewoh: 
ner nicht ausreichend. Die Grafſchaft it reih an 
Steintohlen und bildet einen Schiffbau: und Fabrilk⸗ 
diſtrilt, in welchem beſonders Baummwollmanu: 
faltur, Seiden⸗ und Leinweberei betrieben werben, 

Die ———A⏑ am 
Weißen Cart und linls am Clyde, einem Dorfe 
ähnlich, Endſtation der Linie Paisley-R. der Glas: 
gow⸗ und Sübweltbahn, zählt 4825 E. und hat 
eine Lateinſchule, Spinnereien, Muflelinwebereien, 
Seifen: und Kerzenfabrifen und Handel. Weit bes 
deutender und eine der vollreichſten Yabritjtädte 
— iſt Paisley (f. d.). 

eng, ſoviel wie Henna, |. Allannawurzel, 
., bei naturwiflenihaftlihen Namen Ab: 
Kürzung für Johann Audolffengger ‚geb.31.Yan. 
1794 zu Yarau, ei als Arzt dafelbft 9, Dit. 1832; 
er ges: «Die Säugetiere Paraguays.» 
ent, Stabt in arabien am untern Lauf 
der Donau, bei der Einmündung des Pruth, Sta: 
tion der Cifenbahn Bender: Galap, hat 4116 E., 
einen ziemlich bedeutenden Hafen und entiprechen: 
den Handelövertehr. Durch den Bariier Vertrag 
von 1856 war R. mit einem Teil Bejlarabiens an 
die Moldau gelommen, ward aber durch den Berliner 
— (Juli 1878) an Rußland zurüdgegeben. 

N (Buie), eigentlih Guido Danielli di 
Renni, ital, Maler und Hupferäger, geb. 4. Nov. 
1575 zu Calvenzano bei Bologna ald Sohn eines 
Mufiters, trat zuerft bei Dionys Calvaert als 
Lehrling ein und arbeitete dann unter ben Garracci, 
von denen er fich jedoch 1596 trennte. Er machte 
bierauf mehrere Reifen nah Nom, wo er nad) der 
Antike ftubierte und durch Papft Baul V. und an: 
dere Gönner reihe Beihäftigun ge gm J. 
1622 nad) Neapel berufen, um daſelbſt die apelle 


021 


de3 heil, Januarius ausjumalen, wurbe er ebenfo 
wie Annibale Garracci und Domenichino von den 
neapolit. Malern, die feinen Fremden auflommen 
lafien wollten, verfolgt, fodaß er deshalb bald feine 
Arbeiten aufgab und 1624 nad Bologna zurüd: 
kehrte. Zuleßt malte er fabrilmäßig, um zur 
| Teiner Spielihulden Geld zu gewinnen, 
Er ftarb zu Bologna 18. Aug. 1642, Ein Talent 
von feltener Leichtigkeit, von vielem Gefühl für 
Schönheit der Form und Anmut der Bewegung 
(die Köpfe feiner Figuren find vielfach den berühm: 
teften Antiten, namentlich den Niobiden nachgebil: 
det), von außerordentliher Meifterfhaft in der 
breiteften wie in der eleganteften und zarteiten 
Vinfelführung, hat R. eine ſehr — Anzahl 
Werte der verſchiedenſten Art hinterlaſſen. Die 
Bilder aus feiner frühern Zeit, wie die Mabonna 
della Pietä, der gelreuzigte Heiland und der betbles 
—— Kindermord (in der Galerie von Bo: 
ogna), verraten in ber kraftvollen Auffaffungs: 
weile, in der dunkeln Scattengebung eine Ans 
näherung an die Richtung der Naturalüten, befon: 
ders des Garavaggio. Sodann verlieh R. das 
Energiſche und Jmpofante und bildete fi an defien 
Stelle, befonders nad) dem Mufter der Antite, ein 
rubigeres deal der Schönheit aus, weldes im 
einzelnen _die Grundlage trefflicher Daritellungen 
wurde, Die Geburt Ehrifti, im Chor der Kirche 
San:Martino zu Neapel, die berühmte Aurora, 
großes Dedengemälde in einem Gartenhaufe des 
Balaftes Roipigliofi zu Rom, und die 218* 
bilder des bornengelrönten Chriftus, der Mater 
bolorofa und ber reuigen Magdalena gehören diejer 
mittlern beiten Zeit des Meiſters an, in mwelder 
eine ſchöne, warme Färbung bei ihm vorherrſcht. 
Etwas jpäter nahm er einen lältern, grauen, ja 
öfters ſchwarzen Ton .an, wozu fi) zugleich eine 
gewiſſe Kälte des Gefühle, etwas Gejuchtes in den 
Stellungen und eine pruntende Bravour der Tech: 
nit gejellten, wie in den vier für den Herjog von 
Mantua gemalten (jebt zu Paris im Louvre befind; 
lichen) Bildern aus der Mythe des Hercules. Noch 
fpäter ging N. in einen feinen Silberton über, der 
jest von Liebhabern vorzüglich geihägt wird. Die 
lüdlichiten Beiſpiele dieſer Manier find die Ent: 
—— der Helena (im Louvre zu Paris), die bes 
rühmte Himmelfahrt (in der Pinalothel von Mün- 
hen) und das noch berühmtere Gemälde in der 
Galerie von Bologna: die Madonna mit dem 
Schutzheiligen diejer Stadt, il Pallione (Kirchen: 
fahne) genannt, weil es uriprünglid als ro: 
zeifionsbanner diente. Rs radierte Blätter zeigen 
eine freie und geiftreiche Nabel. Als Maler bildete 
er eine Menge von Schülern, unter weldien Si: 
mone Gantarini und Giovanni Andrea Sirani, 
fowie deſſen Tochter Eliſabetha die befanntern 
find. Noufielet, die beiden Boilly, 3. %. Frey, 
Gunego, Bolpato, Dorigny Strange, Rafael Mor: 
ben und andere haben nad) jeinen Bildern Ihöne 
Stiche ausgeführt. 

Reniform, nierenförmig. 

Rente oder Höldyen (Coregonus) ift der Name 
einer zu der Familie der Forellen oder Salmoniden 
gehörigen Füchgattung, welche fi) durch den voll⸗ 
jtändig zabnlojen Mund von den Forellen und 
durd den Beſih einer Fettflofie von den Weißfiſchen 
unterfcheidet. Die N. find Bewohner der mittel: 
europ. Seen, nähren ſich befonders von Leinen 
Kruftentieren und Infeltenlarven und find allgemein 


622 


——* attung ac ——— wegen geſchãßtzt. F 
ören die Maränen 

re, e re en oder Balden ber 

ayr. 


gr ae) öde des Thunerſees, bie 


—— ret u. ſ. w. des Neuenburger:, 
ale * —— 
Rennarbeit, die direlte Gewinnung von Gijen 


und Stahl aus vn Sen, (S. unter Eifener: 
jeugung, Bb. V, ©. 897*,) 

$ s, ee aka re 
Beſonders 


Hippobröm zu An von ben Erden 
Ar-Meidan (Pferdeplag) benannt, ben Kaiſer 
—* erus a erg d. errlich 
ausſchmudte n bier au —— 
robe Pilgerlarawane nach Meta ihre Reiſe. An 
Denfmälern bes Altertums find bier noch vor 
den: eine aus brei brongenen Schlangen gewun e 
Säule, 30 cm im Durchmeffer und 3 m hoch, die 
ehebem i —— el zu Delphi den goldenen Dreifuß 
* 
latãã dem Apollo weibten; ein Pfeiler aus 
en 3m bo und 25 m ſtarl; ein 
19m bober, auf allen vier Seiten mit Hieroglyphen 
bebedter Obelisk von Granit, der auf einem 3,5 m 
hoben, mit Relief3 und lat. und gried. Snichriften | to 
ge dhmüdten Marmorjodel rubt. Au dem Turme 
über den Schranten (cancelli), worin die Pferde 
ftanden, waren die berühmten vier bronzenen Roſſe 
aufgeftellt, die nad) ber Eroberung Konſtantinopels 
durch die Pateiner 1204 nad Venedig gefü * —— 
den, um das —— ber St. Marlkuslir 
fhmüden. Während im Abenblande die de 
ſiſchen Spiele (f. d.) ſchon im 6. Jahrh. aufbörten, 
dauerten biejelben im Bpjantini den Reiche fort 
und nahmen in Stonitantinopel neben. - dogma⸗ 
had teeitigleiten das allgemeine | e in 
em Grade in Anſpruch. Schon in * waren 
liefen Spielen Barteien (factiones) aufgetreten, 
Reg plich wahrſcheinlich ariftotratifche Renn: 
die ſich durch die Narbe ihrer Gewänder und 
ber lei rer Wagententer unterſchieden. Zuerft 
follen e8 vier geweien fein, blau, weiß, grün und 
rot; aber die Noten vereinigten fich "allmählich 
mit ben Grünen und bie Weißen mit ven Blauen, 
gr n Ronftantinopel gewannen diefe Parteien der 
ennbahn nod größere Widtigteit. Die beiden 
ftionen der Blauen und der Örünen wurben 
örmli —— Korporationen anerlannt, hatten ihre 
eig m aflung, Vorſteher und Beamte, wirtten 
bet feierlihen Aufzügen und Hoffeften mit, Kailer 
und Hof und faft alle Bürger ſchloſſen ſich der einen 
oder andern Farbe an. Unter Kaiſer Anaftafius,501, 
tame3 zum erſten male * ſchen den beiden Zaktionen 
im Hippodrom zum ampje. Es fam wiederholt 
zu Subekorunge, bi3 endlih Kaifer Yuftinian I. 
und mehrere tibelthäter von beiden Far: 
ben —* ließ. Das war das Signal zu einem 
furchtbaren Aufſtande, ber 13. Yan. 582 ausbrach 
Ds * dem eldgefchrei der rer: «Nila!» 
h. efiege!») benannt zu werben pflegt. Beide 
Bartein vereinigten ſich gegen Juftinian, ftellten 
in einem Neffen — verfiorbenen Raifers Ana: 
fa us, Hypatius mit Namen, einen Gegenfaifer 
auf, und es entbrannte ein furdtbarer traßen⸗ 
tampf, der eine Woche lang dauerte und wobei ein 
großer Teil der Stadt in Flammen aufging. Beli: 
jar jedoch ſchlug an der Spike der heruliſchen und 


Seen, die Gangfiſche und der Kilch des durch 


riechen nad) der in Seiler aus ti 


Nennarbeit — Rennes 


got. Solbtruppen ben Aufftand nieder. Hypatius 
und 19 vornehme Mitihuldige wurden 20. Jan. 
—— Seit der Eroberung Konſtantinopels 
ha feine 8 fcheint der odrom 
änz eine frühere Belimmung verloren zu 
en. Bol. Bilten, «Die Die Barıl en ber R R.» (Berl. 
1890); Adolf Schmitt, Se Ka Safland in Kon- 
ftantinopel unter Kaifer Juftinian» (Zür. 1854). 
eye n), ausgezeichneter — 
1742 zu Chudleigh in Devon 2) 
— bei der Landarmee in 
und erhielt fpäter * Stelle eines 
ers von Bengalen. J. 1781 ließ er feinen 
Atlas von Bengalen und eine bydrogr. Abhand- 
lung über ven Ganges und Brab ——— 
elben Sabre kehrte er — ern 


8 Ru 


wo er fein «"Iemoir of a map of 
1782) herausgab, Später —— er eine —— 
von Hindoſtan (1788) und das 
geography of Africa» (Lond. 1790), dem 1 6 
und 1800 —9 Fortiegungen folgten. wid: 
Wert ift «The geographical system of 
erodotus» (Tond. 1800; deutſch von uns, 
Altona 1802), worin er die Genauigkeit 
Angaben Herobots vertei —— en —— 
feiner Forſchungen waren bservations on 
phy of the plain of Troy» (2onb. 1814) 
un un fie * geographifchen «lllustrations ofthe 
the expedition of u (2ond, 1816). 
Er —— London 28. März 
Rennes, vormals Saat ber Bretagne, 
ch bes —— — Sud inigung er Nie in 
tbarer end g 
und der Bilaine, an — —— 
Ranal der Jüe und Rance und an der — 
—— Breſt), von welcher bier Seitenlinien _ 
edon, Chateaubriant und St.»Malo abge 
fowie am re ee von 12 2a 
in 54m Höhe. Die Stadt zählt (1881) 47774 (als 
Gemeinde 60974) E. y- zerfällt in bie obere und 
die untere Stabt. Jene, an einer Anhöhe auf bem 
rechten Ufer ber — iſt, nach dem großen 
Brande vom 22. bis 29 —* neu aufgebaut, 
der vorzüglichfte Teil, „mit (dönen breiten und ae 
raben Strafen, großen P ei (bie Place du Ka: 
lais ve Juſtice, einer ber ſchönſten in Frankreich) 
umd herrlichen Promenaben. Die untere Stadt, auf 
bem linten Ufer ber a. iſt öftern Überfhwem: 
de find durch vier Brüden 


mungen ausgefekt. Be 
verbunden. An ber Ile liegen bie Borftäbte St.: 
Martin und L’Evdque. Die Kathedrale St. Peter 


aus dem 18. Jahrh. iſt wegen ihres eigentüämlichen 


ortal3 und wegen ber reichen ereien (von 
Henaff und Zobe:Duval) im ern, und die 
Kirche Notre:Dame (11. und 13. Jahrh. ;; auf dem 


Hoc en Punkte der Stabt, wegen einer folotjalen 
arienftatue auf ber Turmku pel bemerlenäwert. 
Bedeutende Gebäude find der ispalaft, —— 
54 von J. Debroſſe, dem Arthitelten des pari 
Palais du —* ourg, erbaut, —— —— 
aus dem 18. ein Architelten 
Gabriel, mit ha albtrefäförmigem, Hurmafeönte 
Mittelbau, das Theater, 1835 erbaut, die Univerfis 
tät (1849—55 erbaut, mit dem Ylufeum), das 
Lyceum, ein inpofanter Bau im Stile bes 17, 
y —* der — Palaſt, —— große 
afernen ge rienal, eins der größten 
an —— dem auf einem Schloſſe bei R. ge: 
itter Duguesclin ift auf der Promenade 


— — — 


Nennesiher Motor — Reno 


Le Thabor ein Denkmal errichtet. Bor dem Juftiz: 
pala en ſich die Statuen von vier bedeuten: 
den in R. geborenen \uriften: — La —* 
lotais, Toullier und Gerbier. Die 
—* it ein Stadtthor aus dem 15. eh, R. K 
ip bes Bilde, ces Ay dos des 10. Armeelorps, 
—— und eines 
erſter Inſtanz, eines 


* 


Afifenbo 


. Lyceum, ein 

er: und ein Lehrerinnenjeminar, eine Maler:, 

Bi Mauer: und Zeichenſchule, jowie eine Aderbau- 

ſchule, eine ö Bibliothel von 45000 Bän: 

den und 220 ipten, cine elömungen I 

Stulpturen und wertvolle Handzei _ 
—5* einen botan. 

— für nun und Bun. | 


— i und der ei Handel 

namentlich mit Öse ML, Sind uf.w. 

N. im Altertum Condate (mittellat. Redones 
tort der Redones in Armorica. 


und war 

Rennesj, Motor, f, unter Caloriſche 
Maſchinen. 
Neun unter ea 


er brit. — 
uni eg 


Nirk in Scho 
— ae 


ee ee 

die ng ihm 

päter > Sur über alle Hafen: und Marine: 

er Fe Ve ng 

* ng zu bri n. Unter den 

Kanãlen, a er ausführte, it der * ſtennet⸗ und 

Avonlanal m rdig, der eine halbe Stunde 

Bernout Guben Pla fabek er 

ortöm u pu er be: 
deutende Arbeiten aus. * 


Sein wichtigſtes 
BE un nme. Bir: — 
Plymouth, Pre des Hafens. Die herrlich⸗ 
Dentm eines Hunftfinns find die von ihm 
erbaute Waterloo: und Southwarlbrüde in Lon⸗ 
don. Er batte in London eine große Anjtalt zur 
Berfertigung aller pi u der und 
mehrere derjelben verbanten ibm wei Ver: 
erungen. R. ſtarb zu London 16. Ott. 1821. 
eorgeR., Sohn bes vorigen, geb. 3. Jan. 
1791, unterjtüßte den Vater beim Bau der South: 
er‘ ynblrcide, Telb und ige ih dann 
auch durch zahlr elbftändig a —— 
Werle befannt. Bon ihm rte Entwurf 
zu den berühmten Dods in ——— er, welche 
1855nad sei gr Sa Stabtoon a 
ten ee wurden. 


30. März 1866. 
= 
— — z28 1796, 
wurbe 1831. x“ i Gröffnung der 


) defien Fleiſch un 


623 


ihm erbauten neuen Londoner Brücke zum Nitter 
geſchlagen. Er leitete die Arbeiten zur Austrod: 
— der Sumpfe in Lincoluſhire, vollendete den 

om Bater begonnenen Hafen zu Namsgate und 
richtete bie Werfte in Whitehaven ein, Gr ſtarb 


„gen t. 1874 zu London. 
2— * dem Nollenbohrer ähnliches 


ie unter a und Bohrmaſchi— 
—— oo. II, 6 
* eig Ber Heimen, ein uralter Grenz- 
eg —F —— is I” über 
ben Ram ringermaldes 
nten ſcheidet. 3 

«Der a es zi des — A Sid 
„Remtier, ae —— Ser fTandinan. 


Satung Hi 48), db.) „melde bi Ge Oele 
2 555 * * ebrüdtes,  Ngenfprofe, 
ogenes mit fhaufelförmi 
—— eine behaarte, _ — —* en 
a a a 
un en Kopf, kurzen um 
Hals, plumpe, dide Füße mit breiten, et 
en Hufen — feine hohe Statur Beim 
Saufen im aden bie Füße in ei der Deile 
Bon ihnen ift das eur —** sad (Cer- 
vus Tarandus, 'f, Taf HALT Fig. 2) an 
—F 5— ein Gegenſia ——— eis, wei en 
i en; ganzer ten an das Da: 
Ic diefed Tiers nüpft. Die arltifchen Bölter: 
Europas und Afiens begen da3 
[8 ala un teild als Lajitier —36 ae he 
Mil als unentbehr 
rungsmittel, das Fell zur Kleidung u zu 2 
deden, und taum iſt irgend ein Teil dieſes Tiers, 
ber unbenubt weggeworfen wird. Um eine Fa: 
milie zu erhalten, braucht ein Lappländer minde: 
ftens 200 Stüd R. Diefe geben Logan y 
Sommer auf bie Berge, um —A 
ſuchen, und im Winter fuchen fi e Buflu t in = 
Mäldern und nä ven ſich Kan, von den Baunt: 
flehten, der am Boden wachſenden Nenntierflecte 
(Cladonia rangiferina) und von den Ömeigen ber 
Birken und Weiden. Die raſcheſten R. jollen 15 kın 
in der Stunde durchlaufen. Die ſchönſten und 
kräftigften R. findet man in —* Lappland 
und beſonders in har. Märmere — er 
find den R. nicht angemeflen, und fchon die rm 
um Petersburg iſt für fie zu warm. Daher fon 


Merk im | man auch die nad) — — N. u 


lange am Leben —— mb er Urzeit war da: 
gegen das R. über nz, 9 itteleuropa bis zum 
Fuße der Alpen und mengen verbreitet. In Nord⸗ 
amerila iſt die Eriſtenz der arltiſchen Indianer⸗ 
ſtamme an die Herden des größern norbameri— 
taniſchen Renntiers ober Caribous gelnüpft. 
Das ſehr wohlſchmedende Fleiſch wird mit Talg 
vermengt und zu Pemmikan, einer Art von trode⸗ 
nem Wintervorrate, zubereitet. 
Nenntiermood oder - Nenntierfledte, 
Bil auesont: f. unter Cladonia, 
utiesgeit, | unter Urgeſchichte. 
u (Rhenus), Fluß im italienischen Com: 
etimento Gmilia, entfpringt im N, der Provinz 
Bla * zmilhen dem Garno * Scala und Piſtoja 
Varco delle Piaſtre, und erreicht die Ebene 
me wejtlih von Bologna, wo er unter einer 
A de von 16 Bogen bindurchgeht, aber im Herbit 
taum Waſſer bat. ‚Er nimmt linfs die Samoggia 


624 


auf und war urfprünglic der Iehte rechte Neben: 
fluß des Bo, wurde aber 1767 bei Banfilio genötigt, 
ſich füdöftlich in den Cavo Benedetti zu ergieben, 
ſodaß er jebt füdlih von den Valli di Comacdio 
als Po di Primaro felbftändig ins Adriatiiche 
Meer mündet, Cine Folge diejer Ableitung find 
erftörende UÜberſchwemmungen feiner Uferland: 
Idafen. Im Winter iſt er auf 30 km ſchiffbar. 
enouard (Anton Augultin), franz. Biblio: 
graph, geb. zu Paris 21. Sept. 1765, war zuerft 
Kaufmann, widmete fih von 1797 an dem Bud: 
handel und war in demſelben bis 1824 thätig durd) 
Herausgabe von verfchiedenen lat. und franz. Wer: 
ten, die fi durch Korrektheit u nen, ſowie 
nachher durch verfchiedene eigene Arbeiten über 
bibliogr. und typogr. Gegenftände. Er jtarb 15. Dez. 
1853 zu 6t.:Balery:fur-Somme. Die wichtigſten 
feiner Schriften find: «Annales de l’imprimerie des 
Aldes» (3, Aufl., 3 Bde., Par. 1826), «Annales de 
l’imprimerie des Estienne » (2. Aufl., Bar. 1843). 
enfe oder Rhens, f. Köni ofubt. : 

Nente (frz.) bezeichnet zuvörderſt jedes Ein— 
lommen, das aus eigenem Vermögen flieht, aber 
feine perjönliche Arbeit des Empfängers erfordert, 
aljo namentlih das Einkommen aus Grundftüden 
(Zandrente), aus vermieteten Häufern (Haußrente) 
und aus verlichenen Kapitalien (Zinsrente). In 
einem befondern wiſſenſchaftlichen Sinne nennt 
man R. den über den normalen Kapitalgewinn 
binausgehenden Grtraertrag, den ein Produzent 
vermöge einer relativen oder vollftändigen Mono: 
any ung zu erzielen im Stande iſt. So bringt 

von Natur ungewöhnlich fruchtbare oder bes 
fonders günitig ‚gelegene oden eine ſolche Vorzugs⸗ 
rente ein, die Örundrente (f. d.) im Einne Kicar: 
608. Aber aud) die Bergwerle, die Fabrilen, kurz 
alle Unternehmungen zeigen mannigfaltige Abs 
ftufungen in ihren natürlidyen Degünftigungen, und 
e3 gibt aud rein perfönlihe Vorzugsrenten, bie 
aus einer ungewöhnlichen Begabung entipringen. 
Künftlihe R. diefer Art lönnen durch Patente, ge: 
werbliche Privilegien u. dgl. erieugt werben. 

R. nennt man Terner f jiell den für immer zahl: 
baren Zins von einem Kapital, das der Renten: 
ſchuldner niemals Lan mg 0a hat. Der Släubis 
ger. erſcheint alio in dieſem Falle als Käufer einer 
ewigen R. und das Slapital bildet den Preis ber: 
—— Im ſpätern Mittelalter, als das kanoniſche 

ucherverbot dem eigentlichen ren im 
Wege ftand, erfolgten die Kapitaldarlehne an 
Grundbefiper gewöhnlih auf diefem Wege des 
Rentenlauf3, und zwar wurde die R. zur Sicher: 
ftellung des Geldgebers auf ein Grundftüd, radi- 
ziert. Eine ſolche R., die übrigens häufig nicht in 
Geld, fondern in Getreide oder andern Natural: 
lieferungen zu entridhten war, fonnte vom Schuld: 
ner dur) Rüdzahlung des Kapitals abgelöft, vom 
Gläubiger aber nicht gelündigt werden. Gegen: 
mwärtig find diefe zu Neallajten gewordenen R. faft 
völlig verihwunden ', dagegen ült für bie Staats⸗ 
ſchulden (ſ. d.) die Form der Rentenſchuld immer 
mehr zur Anwendung gebracht worden. Sehr ver: 
breitet ift aud die Ermwerbung von Renten auf 
Lebenzzeit des Empfängers (f. Leibrenten), jei es 
von fofort fälligen oder von aufgeihobenen, und 
zwar kann die Erwerbung im lehtern * ſowohl 
durch einmalige Zahlung einer gewiſſen Surıme 
als durch jährliche Beiträge bis zu einem beftimm: 


ten Zeitpunkt erfolgen, mie e3 namtentli zum 


Nenouard — Nepertorium 


Zwede der Alteröverforgung üblich zu fein pflegt. 
Geſchäfte diefer Art werden von privaten Lebens: 
verfiherungsgefellichaften und Nentenanftalten 
oder auch von jtaatlihen Anftalten (wie z. B. bie 
franz. Altersverforgungäfafle) übernommen. 

Kauf einer R. auf eine feit beftimmte Anzahl von 
bar tommt jeltener vor, (S. — 

dentenbauken, ſ. Grundrentenbanken. 

Nentenprinzip nennt man die von Rodbertus 
aufgeftellte und in neuerer Zeit namentlid von 
agrariicher Seite verteidigte Anficht, dab der land: 
wirtſcha ——— Boden ſeiner Natur nach nicht ge— 
eignet ſei, als Grundlage einer rückzahlbaren Hapi- 
talſchuld zu dienen, ſondern nur eine Rentenſchuld 
(f. Rente) ertragen könne. 

Rentenfchuld, f. unter Staatsjhuld, 

Rentenverficherung, ſ. Lebensverjide: 
rung und Yeibrenten, 

Rentier (Tier), ſ. Nenntier. 

Nentier (m: ein von Zinſen und andern 
Renten lebender privatmarn. 

Renunciation (lat), Verzichtleiftung, Ent: 
fagung auf Anſprüche oder Rechte; NRenuncias 
tionsfhreiben, die Eingabe an das Gericht, 
einem fernern Verfahren entjagen zu wollen; Ne: 
nunciationgalte, joviel wie Entjagungsurkunde, 
befonders die Philipps V. von Spanien, in der er 
als Bourbon auf die rg in Frankreich für 
fi) und feine Erben verzichtete, da nad) den im⸗ 
mungen des Utrechter Friedens die Kronen von 
Frantreich und Spanien nie vereinigt werden follten, 

Renvers, ſ. unter Reiten. \ 

NReole (La), Stadt und Hauptort eines Arron: 
diffement3 im franz. Depart. Gironde, rechts an der 
Garonne, Station der Yinie Bordeaur:Gette ver 
Südbahn, zählt (1880) 3360 (als Gemeinde 4156) 
G., hat dichte eines von den Engländern erbauten 
Schloſſes und einer im Babe): gegründeten Bene 
diktinerabtei (Regina), eine Kirche aus dem 13, 
bis 15. Jahrh. ein Stadthaus aus dem 12. bis 
14. Jahrh. ein College und Fabrilation von Hüten, 
Eifen: und Stahlwaren, Ein, Hanfleinwand, R. 
gehörte ehemals zu Bazadois, 

Neolen, f. Rigolen, I! nung. 

Repartitionsrechnung, jov. w. Gejellichafts: 

Repartitiondftenern Feb im Gegenjah zu 
den Quotitätöfteuern diejenigen direlten Steuern, 
die eine im voraus feitgeftellte Geſamtſumme auf: 
zubringen haben, welde nad) gegebenen Normen 
auf die Steuerpflichtigen verteilt wird, Hierher 
hören 3. B. in Preußen die Grundjteuer und die 
Klafjeniteuer und in Frankreich die Grundfteuer, 
die Thür: und Feniterfteuer und die Mobiliarjteuer, 

NRepcalaffociation (engl., d. i. Berein für 
Widerruf) hieß die von D’Connell (f. d.) 1830 zu 
Dublin geftiftete Berbindung, welde bie Auflöfung 
der legislativen Union Irlands mit Großbritannien 
zum Zwed hatte. Die R. verlor ſchon vor OCon⸗ 
nella Tode durch das Einfchreiten der Regierung ihre 
Bedeutung und verihwand allmählich ganz. 

Repertoire, das Berzeihnis der dramatiichen 
Stüde, die auf einer Bühne zur Vorſtellung kom: 
men und fich bleibend — erhalten; auch das 
Verzeichnis der von einem Schauſpieler oder Eänger 
vorzugsweiſe geipielten oder gefungenen Rollen. 

Repertorium (lat.) beiht. jedes zum Nadhs 
ſchlagen und leichten Auffinden geeignete Regiſter 
oder Berzeihnis, daher das Wort auch häufig als 
Titel für Zeitfchriften, welche Überſichten, Kurze 


Repetiergeſchütze — Nepräfentationsrecht 
Kritiken und Berichte über wiſſenſchaftliche Bere | 


enthalten, gebraucht wird, 

Repetiergefchge, ſ. Kartätſchgeſchütze, 

. X, S. 165fg. 

Repetiergewehre ſind ſolche Gewehre oder 
Handfeuerwaffen überhaupt, welche durch ihre Ein— 
richtung den Schutzen in den Stand ſehen, eine 
Anzahlvon Schüuſſen hintereinander abzugeben, ohne 
eines erneuten Ginlegen3 von eo. zu be: 
dürfen, Hierher gehören die Revolver: Biftolen und 
«Gewehre und die Magazingewehre. (S. Hand: 
feuerwaffen und Revolver.) 

Nepetieruhr (frz. montre A r&petition; engl, 
repeating-watch, repeater),, eine Uhr, welche die 
Stunde wiederholt, jo oft man fie dazu in Be: 
wegung fest. (S. unter Uhren.) 

epetitionszeihen, |. Wiederholung: 
zeichen. fpiegel (f. d.). 

Nepgowe (Cife von), Berfafler des Sachſen— 

Nephaim, eigentlic die Furdtbaren, Name der 
riefenbaften Urbewohner Raläftinas und der oft: 
jordaniiden Länder. Sie werden in ben Erzäh— 
lungen aus der Zeit Abrahams, da fie in Aichtrot 
Karnajim wohnten, ſowie des Mojes und des Joſua 
erwähnt, Bon ihnen ftammten Dg, König von 
Bajan, und auch Goliath, und feine riefenhaften 
Brüder heißen «Söhne des Nafa». Andere Namen 
für (oder Abteilungen der) R. find: Emim, Sam: 
ſumim, Sufim u. ß w. 

Repitz, Geſtütsvorwerk von Gradit (f. d.). 

Repli frz.) heißt in ber Militärſprache ein 
Etüppunft, auf welchen ſich vorgeſchobene oder 
ſeitwaͤrts ſtehende Truppen zu weiterm Widerſtande 
zurüchziehen können. Zu dieſen Stellungen wählt 
man Zerrainpunfte, welche jenen Küdzug erleich: 
tern und Hilfsmittel zur örtlichen Verteidigung 
darbieten. Für die ausgeſtellten Poſten find die 
Feldwachen das nächſte R., für die legtern dienen 
Unterjtüßungstrupps, in einigen Armeen Pilets 
genannt, als R. Die Aufftellung größerer Mailen, 
die zur Aufnahme zurüdgehender Truppen beftimmt 
find , werden Nepliitellungen genannt, 

Replik (lat. replica ober replicatio) heißt im 
Prozeßverfahren die Hägerifche Gegenrede auf die 
Klagbeantwortung des Vellagten, namentlich das 
Vorbringen einer neuen Thatlade feitens des Klä— 
ger3, welche die Einrede (f. d.) in ihrer Wirkung 
aufbebt. So läßt ſich einer —— die Einrede 
der — dieſer aber die R.entgegenſetzen, daß 
die Zahlung an jemand geleiſtet worden, welcher 
gen Empfang nicht berechtigt peace fei, Auf die 

. fann eine Duplik, * ieſe allenfalls noch 
eine Triplik und ſogar Quadruplik folgen. 
Ubrigens können nad 8. 251 der Deutſchen Civil: 
prozeßordnung vom 30. Jan, 1877 alle —5— 
und Verteidigungsmittel (Ginreden, Widerklagen, 
Replilen u. ſ. w.) bis zum Schluſſe derjenigen münd: 
lichen Verhandlung, auf welche das Urteil ergeht, 
geltend gemacht werden. 

Nepnin (Nikolai Waſſiljewitſch, Fürft), ruf. 
Feldmarſchall und Diplomat, geb. 2, März 1734 
u Betersburg, jtammte aus dem Geſchlechte der 

üriten von Obolenst und war der Enkel des 
pen als ruſſ. Heerführer unter Reter d. Gr. 

erühmten Feldmarſchalls Fürſten Unikita Jwa— 
nowitſch R. (geb. 1668, gel 14. Juni 1726) und 
Sohn des Füriten Waſſilii R., der als Ober: 
befehlöhaber des der Kaiferin Maria Therefia zu 
Hilfe geihidten ruf. Korps 31, Juli 1748 im 
Gonverfations » Lexilon. 13. Aufl. XIII. 


625 


Lager zu Kulmbach ſtarb. Nachdem er im Sieben: 
jährigen Kriege mit Auszeichnung gefochten, er: 
nannte * Katharina II. 1764 zum Geſandten in 
Berlin, demnächſt in Warfhau. Während des 
Kriegs mit der Türkei 1770 nahm er teil an den 
Schlachten bei Larga und Kagul, eroberte 7. Aug. 

amail und 2. Sept. Kilia Am 21. Yuli 1774 
chloß er den — von Kutſchuk-Kainardſchi. 
Im folgenden Jahre ging er als Geſandter nach 
Konſtantinopel. Auf dem Kongreß zu Teſchen be: 
wog er 1779 Sfterreich zum Frieden mit —— 
Am 18. Sept. 1789 ſchlug er die Türken am Fluſſe 
Saltiha, bradte 9. Juli 1791 vor Matſchin dem 
Großvezier eine Niederlage bei und ſchloß 9. Jan. 
1792 den Frieden von Jaſſy. Hierauf wurde er 
Seneralgouverneur der Ojftfeeprovinzen und er: 
bielt 1796 den Marfdallitab. Er ftarb zu Niga 
24. Mai 1801. 

Da fein Geichlecht mit ihm erlofch, fo lieh Kaiſer 
Alerander den Namen 1801 auf deſſen Entel, den 

ürten Nikolai Woltonftij, übergehen, der fi nun 

tifolai Nepnin:Wolkonfkij nannte, Der: 
felbe war 1778 geboren und frühzeitig in den Mitt: 
tärdienft getreten. In der Schladht bei Aufterlik 
führte er ein Garderegiment, wurde gefangen ge: 
nommen und erjt nad) dem Tilfiter Frieden wieder 
in Freiheit gefest. Im J. 1809 wurde N. General: 
major und fam als Gejandter an den weſtfäl. Hof. 
Im Feldjuge von 1812 führte er die Kavallerie 
unter Mittgenftein an der Düna und ftieg 1813 
in Generallieutenant auf. Nach der Schlacht bei 

eipzig verwaltete er als Generalgouverneur das 
Köntgreih Sachſen. Dann wohnte er dem Kongreß 
zu Wien, 1815 dem Einzuge der Verbündeten in Pa: 
ri bei, wurde 1816 Generalgouverneur von Klein: 
rußland, 1828 General der Kavallerie und trat 1835 
in den Reichsrat ein, Er ftarb im Febr. 1845, 

Neport (Börfenausdrud), f. unter Zeitlauf. 

Reporter, f. unter Berichterftatter. 

Reportgefchäft, ein Kauf, bei dem die Ware 
(meift Wertpapiere) fofort wieder an den andern 
Kontrahenten verlauft wird, aber für einen fpätern 
Zeitpunkt und deshalb zu einem andern Preiſe. 
Dasfelbe dient dazu, um Kapitalien für kurze Zeit 
zinsbar anzulegen oder um ſich umgelehrt für kurze 

eit notwendiges Kapital zu verichaffen. 

Repofition (lat.), die Wiedereinrichtung eines 
verrenften oder gebrochenen Gliedes; auch das 
Zurüdbringen eines Eingeweidebruchs. 

Reppen, Stadt im preuß. Regierungsbezirk 
Frankfurt a. O., Kreis Weſtſternberg, an der 
Eilang, Station (2km vom Orte) der Linien Frank— 
furt a. D.:Pofen und Breslau: Stettin der Breu: 
Biihen Staatsbahnen, Sit eines Amtsgerichts, 
zäblt (1885) 4316 E. und hat ein Nettungshaus, 
Wollipinnereien, Tuchmacherei, eine Kartoffeljtärke: 
fabrif und Mahl: und Schneidemühlen. 

Repphuhn (Nebbubn), f. Feldhuhn. 

Repräſentationsrecht heißt im Erbrechte das 
Gintreten in die Reihe eines bereitö verjtorbenen 
Afcendenten, alfo das gleiche Erbrecht der Entel 
u.f. w., deren Vater oder Mutter verjtorben ilt, 
mit den Geihwiltern des Berjtorbenen, und der 
Kinder verjtorbener Geſchwiſter mit den noch leben: 
den, wenn von Beerbung der Großeltern ober eines 
Bruders oder einer Schweiter die Rede iſt. Das 
deutſche Recht hielt in den frühern Zeiten fo ftreng 
an dem Gage: a\je näher der Sippe, je näher dem 
Erbe», daß es bie finder verjtorbener Kinder nicht 


40 


626 


mit den noch lebenden Kindern und ebenjo wenig 
die Kinder verjtorbener Gefchwijter mit den noch 
lebenden Gefhwiltern erben lief. Nah und nad 
aber gewann das röm. Recht in diefem Punkte das 
übergewicht. Dagegen geht im deutichen, wie im 
engl. Lehnrechte und wo ſonſt noch die Yinearerb: 
folge ſich behauptet, das N. ins Unendliche fort, 
d. 5. die entferntejten Nachlommen des nähern 
Stammes gehen den nähern Berwandten eines ent: 
jerntern Stammes vor; jo würde 3.9. der Urenlel 
eines Oheims den jüngern Oheim oder den Grob: 
oheim und deren Nachkommen ausjchliegen. Eine 
falihe Anwendung de3 R. war ed, wenn man den 
entferntern Grad nicht aus eigenem Erbredt, fon: 
dern nur im Falle der Erbfähigtfeit u. ſ. w. des durd) 
ihn Repräjentierten erben lafien wollte, wie dies 
die ältere Theorie mehrfach annahm. 

Nepräfentativfyiten bezeichnet diejenigen, den 
modernen Berfafiungen eigentümlidhen Ginridhtun: 
gen, welde in ihrem fyitematiihen Zufammen: 
bange die Berwirklichung der freien oder —*— 
Staatsideen bezwecden. Der Schwerpuntt derſelben 
liegt in einer Reihe von geſehlichen Beſchränkungen 
des Trägers der Staatsgewalt und ſeiner Organe 
bei Ausübung der wichtigſten Negierungsrechte. 
Man pflegt dieſes Syſtem allgemeiner als a konſti⸗ 
tutionelles⸗ und, je nach beſonderer Auffaſſung, 
als «Landftändiiches» oder «parlamentariſches Sy: 
ſtem⸗ zu bezeichnen. (5. Konititutionelles 
Syftem.) „je nachdem der weientlic einheitliche 
Körper ber Bollsrepräfentation felbit wieder in 
zwei Körper unterabgeteilt ift oder nicht, fpricht 
man, von einer Repräjentation nad) dem Ein oder 
HZweilammerfyftem. Beim Zweilammerfyitem fin 
den gewöhnlid) in der einen Kammer der große und 
geſchloſſene (adelige) Grundbefis und mehr oder 
minder font jog. arijtofratijche Elemente durch Ge: 
blütsreht, Amt ober — des Souveräng, 
in der andern Kammer mehr die ſog. demokra— 
tiſchen Elemente kraft der Vollswahlen ihre Ver— 
tretung. [tivfyftem. 

Repräfentativverfaffung, f. Repräjenta: 

NRepreffalien find Maßregeln zum Zmwed ber 
Miedervergeltung. Der Ausdrud bezieht ſich daher 
nicht auf den Inhalt, fondern auf das Motiv der 
Anordnungen. In einem engern Sinne verſteht 
man aber darunter ſolche Maßregeln eines Staats, 
welde an und für ſich gegen die völlerrechtlichen 
Gebräuche verſtoßen, von demjenigen Staate, gegen 
ben fie gerichtet find, aber dadurch — * 
worden find, daß er ſelbſt die Saͤhe des Völlerrechts 
verlegt hat, z. B. durch Ausſtellung von Kaper— 
briefen, Plünderung,, Geſandtenmißhandlung, 
Nechtöverweigerung u. dal. 

wife nennt man die Nehmung eines Schiffs 

oder einer Ladung im Seefriege, wenn das genom: 
mene Objekt bereitö während desfelben Kriegs ala 
aute Prije genommen war. Die Prije fällt aljo 
durd) die R. wieder dem befreundeten Staate an: 
beim; fie wird aber dem urfprünglichen Eigen: 
tüner nur dann zurüdgegeben, wenn fie nad der 
erſten Rehmung nid;t bereit3 Fondemniert und da: 
mit rechtlich fremdes Gigentum geworden war. 
Doc gehört diefer Bunft ‚zu den ftreitigiten des 
Völferredhts, obwohl er eigentlich nicht in diejes 
gehört, fondern in das Privatrecht der einzelnen 
Etaaten zu verweifen ift. 

Reprife it auch die Bezeihnung für die Wieder: 
aufnahme oder Wiederholung eines Bühnenftüds xc, 





Nepräjentativfpften — Reptilien 


Reproduktion (lat., Wiedererzeugung) nennt 
man die fortwährende —— der durch 
fortwährenden Verbrauch verloren gegan 1} 
Körperſubſtanz, welche auf Kojten der genofjenen 
Nahrung und der gentmeten Luft geihieht. Die N. 
findet indes im allgenteinen nur jo ftatt, dab ſich 
neue Subitanz zu den bereits beitehenden Geweben 
binzufügt, ſich anbildet, nicht aber jo, dab ein gãnz⸗ 
li zu Grunde gegangener törperteil neu gebildet 
wird. So reproduziert ſich, wenigſtens beim Men- 
ſchen und den höhern Tieren, ein zeritörter Ano- 
hen, ein au2geichnittener Musfel oder Nero nur 
dann, wenn der Berlujt ein geringer iſt; iſt er be: 
deutend, fo tritt an die Stelle des verloren genan- 
genen Körperteild da3 vorzugsweile aus Binde: 
—* gebildete Narbengewebe. (S. Narbe.) 
Die gänzlihe Neubildung, der Wiedererfak ver: 
lorener Körperteile, welche man zum Unteridiede 
von der R. bejier Regeneration nennt, iſt indes 
bei niedern Tieren möglid. So wächſt Salaman: 
dern, Eidechſen der abgeichnittene Schwanz wieder, 
erſchnittene —— ergänzen ſich wi voll: 
Händig. n Krankheiten fann die Anbildung von 
Körperfubjtanz entweder den Verbrauch überichrei: 
ten oder hinter ihm zurüdbleiben. Das Fettwerden 
ift 3.2. ein über den Verbrauch gefteigerter Fett: 
anſaß. In allen fieberhaften Krankheiten, bei der 
Zuderharnrubr u. f. w., verbraucht der Körper 
mehr Subftanz, als er anjegt. Sind dieſe Bor: 
gänge auf einzelne Organe beſchränlt, jo nennt 
man fie Hypertrophie (}. d.) oder Atrophie (f. d.). 
An die Regeneration fließt fi die Wiederanbei: 
lung ganz losgetrennter Körperteile an; dieje findet 
beim Menſchen nur dann ftatt, wenn der losgelöſte 
Zeil (Zähne, Knochen, losgetrennte Nafen, Ohren 
nur jo furze Zeit vom Körper getrennt war, daß 
er no Wärme und Lebensfähigleit befikt. 

Reps, |. Raps und Rips. 

Reps, Marktfleden im ungar. Komitat Groß: 
Kofelaburg (Siebenbürgen), ehemals Vorort des 
oleichnamigen Sacienfuhls, am Homorödfluffe, 
mit (1880) 2778 E. (Sadien, Rumänen und Ma: 
gyaren), hat vier Pfarrlirchen (lutheriſch, römijch- 
latholiſch, griechiſch-katholiſch und griechiich - oriens 
taliſch), ein Franzisfanerklofter, ein Bezirksgericht, 
Dbit: und Weinbau, Flahstultur und bejuchte 

abrmärfte. In der Nähe find Salzquellen mit 
einem Heilbad. Die alte Repsburg wird jeßt von 
den Bewohnern als Borratslammer benukt.  _ 

Reptitien (lat.) nennt man die niedrigite Klaſſe 
derjenigen Wirbeltiere, bei welchen eine ut 
(Amnios) und eine Hornhaut (Allantois) fi im 
Embryonalzujtande bilden, in ähnlicher Weije wie 
bei den Vögeln und Säugetieren. Diejelben atmen 
niemals durch Kiemen, aud) im unentwidelten Zu: 
ftande nidht, fondern ftet3 nur durch Lungen und 
gioen in der ganzen anatom. Strultur auffallende 

eziehungen zu den Vögeln, welche fid an dem 
Skelett namentlih dur die Eriſtenz eines ein: 
fahenGelenttopfsam Hinter —— 
tiere und Amphibien einen doppelten Gelenthöder 
befigen) und durch die Anmejenheit von Rippen 
am Halje und oft auch am Bauche unterjcheiden. 
N Berüdjichtigung der nahen Verwandtſchaft zwi 
hen R. und Amphibien hat man beide in eine 
Klajie ald Sauropjiden zufammengefaßt. Bei 
den R. find die beiden Herzbälften niemals voll: 
ftändig geſchieden; fie find kaltblütig, wie die Am: 
phibien, legen meijt Gier, einige gebären indes 








3, Waran (Monitor nilotiens ) 4. Zauneidechse (Lu 


— .. — — ” 


— es * 


pusik ( Psewlopm 





13. Ibijara (Amphisbaena alba). 7. Erzschlei 


Brockhaus’ Conversations- Lexikon. 13. . Aufl. 





LIEN. 1 


— ke 











12, Chamäleon (Chamaeleo vulgaris). 





en —— * is), 


NRNRT 


„ze (Seps chaleidira ). j 8. Fliegender Drache (Draco volans . 
Zu Artikel: Reptilien, 





u ii 
4. Lippenschildkröte (Trionyx ferox). 





* 


11, Krenzotter ( Pelias berns). 








Brockliaus’ Conversations»- Lexikon. 13, Aufl, 











TLTEN. IT 


a Zt 


u 
u 
— 


— 
yunnn — 









b. Ledéerschildkröte (Sphargis eoriacen 


— ANY f 

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AS: 
N 


ri 














2 — ⸗ a 


7 „enge (Boa constrictor ), 











7 Be (Crotalus durisaus), 9, Ringelnatter Tropidonotus natrix). 
Zu Artikel: Iteptillen. 














Republik — Repubiation 


lebendige Junge, aber ohne daß eine Verbindung 
von Mutter und Frucht jemals vorläme, 

Man teilt die heutigen R. folgendermaßen ein: 
I. Gruppe: Gepanzerte (Loricata), 1) Krofo: 
dile (ji. d., Crodilia), hierher das Nilkrokodil 
(Crocodilus vulgaris, Tafel: Reptilien], Fig. 1) 
und der Gavial (Gavialis gangeticus, Tafel I 
Fig. 2); 2) Schildkröten (f. d., Chelonia) mit 
der europ. Sumpfidildlröte (Cistado lutaria, 
Tafel II, Fig. 1), der nordamerif, Schnappidild- 
fröte (Chelidra serpentina, Tafel II, Fig. 2), der 
fonderbaren Franfenfchilbfröte ober Datamata aus 
Südamerila (Chelys üimbriata, Tafel II, Fig. 3), 
ber wohlihmedenden, aber bifigen Lippenicild: 
fröte (Trionyx ferox, Tafel I ‚ig. 4), vom ſüdl. 
Nordamerika, der Leberichilptröte (f. d., Sphargis 
coriacea, Tafel IL, Fig. 5), der Garetjailblröt 
(. » ielone imbricata, Tafel U,5 Sig, 6) 

tuppe: Shuppentragende( holidota): 
1) ale (}. d., Sauri), a. fpaltzüngige, bier: 
ber der Afrika bewohnende ®aran (Monitor nilo- 
tieus, 3* Neptilien I, Fig. 3), unſere ein: 
beimifche auneidechje (Lacerta stirpium, Tafel I, 
fig. 4); b. die Kurzzüngler, bier x ber tublofe 
S eltupofid (f. d., Pseudopus Palasii, Tafel I, 
Fig. 5), der Stinf (1.d., Seincus offieinalis, Tafel I, 
Sig. 6), bie kurzbeinige, um das Mittelmeer ver: 
breitete as (Seps chalcidica, Tafel I, 
Fig. 7); ec. die Didzüängler, mit dem fliegenden 
Drachen (f. Drade, Draco volans, Zafel I, 
Fia. 8), dem Leguan (f. d., Iguana tuberculata, 
Zafel T, Fig. 9), dem abenteuerlichen Tapayarin 
(Phrynosoma obiculare, Tafel I, ig. 10) aus 
Merilo und dem javaniſchen Faltengedo 6 Gecko— 
nen, Ptychozoon homalocephalum, Tafel I, 
Fig. m; d. die Wurmyüngler, hierher das 
Chamäleon f. d., Chamaeleo vulgaris, Zafel I, 
dig. 12); e. die Ningelehien (j. d. ‚Annulata) 
mit der Hhijara (Amphisbaena alba, Tafel I, 
—* 13). 2) Schlangen (f. d., Ophidia), mit der 

ınten Korallenſchlange (Tortrix scytale, Tafel I, 
Fig. D, „der Abgottichlange (Boa constrictor, 
Tafel (U 1 8, ſ. unter Niefenihlange), ), der 
— ingeinatier (j. d., Tropidonotus natrix, 
Zafel II, ig. 9), der giftigen Brillenſchlange (f. d., 
Naja tripudians, Tafel II, 39. 10), unjerer gelücch 
teten Streuzotter (f. d., Pelias berus, Tafel II 
Sie: 11) = * 1 Mapperichlange (v. ., Crotalus 

urissus, Tafel II, Fig. 12). 

Republik (res publica, im antifen Sinne des 
Wortes) bedeutet einen Staat mit anerkannten 
Vollsrechten (res populi). In diefem Sinne it 
auch die konititutionelle oder repräfentative Mon: 
archie eine. In der modernen Rechtsſprache aber 
wird der Name R. im Gegenjaß zu der Monardie 
nur den Vollsſtaaten zugeitanden, welde keinen 
Monardien als berechtigtes Staat3oberhaupt an 
der Spiße haben, jondern von bloßen Beauftrag» 
ten, jei es de3 ganzen Volls, jei es ber ariftolra- 
tiſchen Klaſſen rn werden (demofratifche und 
ari tofratiiche MR Na Mittelalter gab es zahl: 
reiche ari toktatife wie insbeſondere Venedig, 
Genua, die Niederlande, das poln. Reich in den 
legten Jahrhunderten, in gewifjen Sinne jelbft 
das Deutiche Reich als Ariftofratie der Fürften mit 
bem gewählten König ala Haupt. Die neuern R, 
find durchweg repräfentative Demofratien, fo ſchon 
England zur Zeit von Cromwell, fodann bie Ver: 
einigten Staaten von Amerifa, bie Schweiz, Sranl: 


627 


reich, aber aud die deutichen gegen Der 
Hauptunterfcieb ber modernen R. und der > 
Sen liegt nit mehr darin, baß die 
te der Staatsangehörigen in jener voll —— 
—8* utzt würden als in dieſer, ſondern —5* 
in der verſchiedenen Organiſation der 
rung. Dieſe iſt in der Monarchie einheitlicher, 
Det —— geordnet und immer mit höhern 
jeſtätsrechten —— jedoch nicht er 
mit — Macht ausgerü amerif, Praſi⸗ 
wur der Union und F der franzöſiſchen 
R. z. B. haben größere ————— ſelb⸗ 
mg auszuüben, ald der König von England, 
Aber die republifanijche Regierung wird nur auf 
furze Amtsdauer von wenig Naben gewählt, 
— ak — 22* iſt entweder erblich zum wo 
berufen, oder wird auf ek 9 gewählt. Die 
republifaniiche Regierung ift allezeit verantwort: 
lid, der Monarch nad den meiſten Staatäverfajs 
fungen unverantwortli Az rg Jene 
unterjcheidet fih von rigen Bürgern nur 
durch das Amt, fie gebt aus * * der Bürger 
—— und iehrt in dieſelbe zurüd, während der 
onarch über das Volt als Träger der Staatö: 
gewalt erhaben ift. Pie Mitglieder der — 
niſchen —— haben nur eine abgeleitete Ge: 
walt, die ihnen vom Bolt gen wird, 
Monard übt ein jelbitändiges Recht aus, wenn: 
leih guch er im Dienfte des Staats ift und ur: 
— —— das Recht, den Staat zu regieren, vom 
—— abgeleitet wird, Der republifanische 
Präfident wird von der herrſchenden Partei er: 
pe der Monarch fteht über den Parteien. Jener 
—— Wechſel ausgeſeßt, dieſer hat Anſpruch 
uer. 
epublikaner, Dürger in einer Republik, An: 
bänger der republifaniihen Staatsform. „ya ben ben 
—— Staaten von Amerila ie 
Gegenjag zu den Demokraten die Anhänger Pa 
bundestreuen, centraliftiihen, ſtlavereifeindlichen 
Partei, .. namentlid während des Bürger: 
kriegs und furz nachher von bedeutendem Einfluß 
war; ſeitdem ir jedoch die Neformpartei unter 
Sunner und Schurz von den R. getrennt hat, 
haben diefe an Bedeutung verloren. 
Repudiation (vomlat.repudiare, zurüdweiien, 
von ſich weifen, verwerfen, verſchmähen), in Vir: 
—— juftment (eng. readjust, wieder in 
rdnung bringen, wieder zurechtmad) tmadjen) genannt, 
in den Vereinigten Staaten von Nnerita bie 
ichtzahlung einer gültig kontrahierten Schuld 
famt Zinfen feitens eines Staat3 oder auch einer 
jurift. Perſon. Nah Be 11 der Zufäße und 
Amendement3 zu der Verfaflung ber zur dere 
Staaten von Amerita foll die Tehterliche —— 
der Vereinigten Staaten nicht ſo ausgelegt 
als erſtrede ſie ſich auf irgend einen Hechtäftreit, 
welcher gegen einen der Bereinigten Staaten von 
Bürgern ehe andern Staat3 oder von Bü — 
oder Unterthanen eines fremden Staats an 
gen oder fortgeführt wird. Nach einer Enticeibung 
des Vereinigten: Staaten -Dbergerichtö (Supreme 
court) vom März 1883 fann ein Staat, als ein 
fouveräner belangt we ohne feine Erlaubnis nicht 
—— t werden. en ut gibt es alſo 
eine q Er Mad t, einen Staat zu zwingen, 
ein — ichſt —— Verſprechen zu 
iſt ſomit geſehlich legaliſiert. 
Staaten ( (Indiana 1840, Maſſachuſetts 1840-42, 
40* : 


= 


—— 


628 


Miffiffippi 1842, Minnefota 1860, Georgia 1874, 
Virginia 1879 und Tenneſſee 1882) haben 16 der R. 
bedient, um ihre Schulden ganz oder teilweije los 
u werden. Wenn auch gefeplich nicht gejhüst, 
ind ihnen mehrfach Counties und ſtädtiſche Korpo— 
rationen gefolgt. In einigen Etaaten find Richter 
deshalb nicht wiedergewählt worden, weil fie gegen 
R. waren; in andern, 3. B. Miffouri, wurde Ge: 
walt angewendet „um die R. zu ermögliden. In 
Virginia ift die Frage der R. feit 1878 zu einer 
Staatäfrage geworden. Bei der Vollsabftimmung 
im 3. 1879 ftimmten 77070 für und 69 736 gegen 
R. Die Readjuftord (Remablatoren) erwäblten 
1880 fogar den Leiter ihrer Partei, den Demolras 
ten General William Mahone, und 18883 den Ber: 
346 der Repudiationsalie, den Demokraten H. 9. 

iddleburger, zu Bundesſenatoren. Beide ſtimmten 
jedoch im Senate mit den Republikanern. 

Repulſe-Bai, Bai an der Südlüfte der Mel: 
ville: Halbinfel im arktifhen Amerila, unter dem 
Nordpolarkreife, wurde 1712 entdedt; am ihrer 
Küſte übermwinterte 1846 Nae (im Fort Hope) und 
1864—68 Hall. 

Repulfion, |. Abſtoßung. , 

Neguena, Stadt und ——— in der 
—— rovinz Valencia, links oberhalb des Fluſſes 

agro, in fruchtbarer Gegend, an der Etrabe von 
. Madrid nad Valencia, zählt (1877) 13527 E. und 
= eine Citadelle, Seidentultur und Handel mit 

etreide, Wein, Obft und Saffian. R. hieß in mau: 
riiher Zeit Relina und kam dann an Caftilien. 

Nequdtenmeifter,f.Maitresdesrequätes. 

Nequicm (vom lat. requies, Rube) beißt in der 
röm.:fath. Kirche die Seelenmeffe zu Ehren eines 
Verftorbenen (Missa pro defunctis, Totenmeſſe) 
wegen der Anfangsworte der Liturgie « Requiem 
aeternam dona eis» («Sieb ihnen ewige Ruhe»). 
Abweichend von dem gewöhnlichen Hochamte fehlen 
darin, außer dem Credo, das Gloria und Halle: 
luja; dafür ift das berühmte Gedicht des Thomas 
von Celano über den seltuntergang und ba3 
Süngjte Geridt, «Dies irae, dies illa» (um 1250), 
eingefchaltet. Zu mufifalifcher Bedeutung gelangte 
ber gefangliche Zeil diejer Liturgie erſt in neuerer 
Zeit, als ſiatt der frühern liturgiichen Kirchenmufif 
das breitere Kirchenlonzert ausgebildet war, — 
Jomelli, Mozart, Cherubini, neuerdings dur 
Nerbi, Derliog Kiel u. a. welche mit den reichen 
Mitteln der modernen Muſil jenen Tert nad) feinen 
wechſelnden Stimmungen aufs lebhaftefte ausge: 
drüdt haben, In dem eigentliden Zeitalter der 
Kirhenmufit, im 16. und 17. Jahrh., gingen die 
Tonmeiſter achtlos an dem Requiemtert vorüber, 
weil ihre Mufit eine ftreng liturgiiche war und das 
R. darum ald Ganzes für fie feine mufitaliiche Be: 
deutung haben konnte, Dem Tert fih anſchließend, 
bejteht ein mufilaliihes N. aus fünf Säthen: Re- 
quiem mit Kyrie, Dies irae, Domine, Sanctus mit 
Benedictus, Agnus Dei mit Lux aeterna. 

Die von Brahms (f.d.)«Deutjhes Requiem» 
betitelte Kompoſition ift über frei gewählte deutſche 
hy we geſchrieben, hat daher mit dem alten R. 
nur Namen und Stimmung gemein. 

Requiescat in paoe (lat., «Er (fie) rube in 
Frieden»), häufige Inſchrift auf Grabfteinen; auch 
die Formel, mit welder in der lath. Kirche die 
Seelenmeſſe beendet wird. 

Requiſition (lat.), dad Erfucen einer ne 
en eine andere um Leiftung der Rechtshilfe (f. d.). 


Repulſe-Bai — Reſchid Paſcha 


Requiſitionsſyſtem iſt diejenige Verpflegungs⸗ 
art der Truppen, bei welcher dieſe ſich bie nötigen 
Bedurfniſſe aus der Gegend, in der fie lagern oder 
marfcieren, felbft auf gütlihen oder gewaltiamemn 
Wege verfhaffen. Es wurde ftatt der frübern aus— 
Ihließlihen Magazinverpflegung zuerit in den Res 
volutionsfriegen durch die — bei ihren Feld⸗ 
zugen im Auslande eingeführt und von Napoleon I. 
im großen organifiert, am beiten in dem Feldzuge 
von 1805. Allerdings hat dad R. für die Kriegs 
rabrung roße Vorteile, weil die Operationen, 
welche jonit an den Bereich der Magazine gebunden 
und dadurch oft gelähmt waren, freier und fchneller 
außgeführt werden können. ber den Vorteilen 

eben auch erheblihe Nachteile gegenüber. Die 

erpflegung wird babei immer ungleid fein, das 
Land leidet oft aufs ärgfte und erihöpft ſich in 
feinen Hilfsquellen. Auch demoralifiert das N. die 
Truppen und verführt fie zu Plünderung und 
andern —**8* Es iſt nur da geboten, wo die 
Schnelligkeit der Operationen und die ſonſtigen 
Verbältnifieleine andere regelmäßige Verpflegung®s 
art geftatten; die Requifitionen pa dann am 
beiten durch die Verwaltung, in weldem Falle eine 
pleigmäßlene Verteilung möglich ift; noch befier 

urd Ausschreibung von Landlieferungen, bei denen 
die einheimifhen Behörden mitzuwirken haben, 
Wenn große Truppenmaflen längere Zeit in einer 
Gegend verweilen, reihtdasR.nidtaus, Nachſchübe 
aus der Ferne müflen ihm dann zu Hilfe fommen, 

Reſchen-Scheideck, ſ. unter Scheided. 

Neſchid Paſcha (Muftafa Mehemed), berühmter 
türkt. Staatsmann, geb. 1802 zu Konſtantinopel, 
war Sefretär der zum Abſchluß des Friedens von 
Adrianopel 1829 entfendeten Pfortentommiffion 
und wurde bald nachher zum Amebji (Großreferens 
Bar) befördert. Er Schloß 1833 mit Ybrabim 
Paſcha den Frieden von Kutabia ab, der Syrien 
und Gilicien in den Händen Mehemed-Alis lieh, 
aber dody auch den Abzug der rufl. Hilftruppen 
von Hunlkiar-Iskeleſſi am Bosporus zur Folge 
ei Im J. 1837 wurde R. zum Minifter des 

lußern ernannt. Als folder erwarb er ſich großes 
Verdienſt durch den Abſchluß eines neuen Handels— 
vertrag3 mit England. Im Herbft 1838 gelang e3 
jedoch rufl. Einfluffe, ihn aus der Regierung zu ent: 
fernen, worauf er als Botichafter des Sultans nad) 
Paris und London gine. Nah dem Regierungss 
antritt des Sultans Abd⸗ul-Medſchid wurde N. zur 
Wiederübernahme feines Bortefeuille zurüdberufen, 
Er fuchte durch liberale Reform die Mächte für die 
Pforte zu gewinnen und verſchaffte diefer durch die 
Verdffentlihung des Hatti-Scherif von Gulbane 
(Nov. 1839) zahlreihe Anhänger in&uropa. Wenige 
Monate jpäter fand in London die Abſchließung 
der Duadruplenlliang ftatt, die noch im Laufe des 
%. 1840 den Vizelönig zur Nüdgabe feiner außer: 
ägypt. Befigungen nötigte. Co glänzend dieſer 
Griolg war, jah ſich doch R,, wenn aud) in der mils 
den Form einer abermaligen Miffton an das Tuis 
lerientabinet, wieber von den Geichäften entfernt. 
Allein gegen Ende 1845 mußte man das Portefeuille 
des Außern wieder in feine Hände legen, und feits 
dem verjah er ——— die wichtigſten Pforten⸗ 
ämter, die Leitung des Hußern, den Vorſitß im 
Staatsrat und das Großvezierat. Zwar gelang es 
1852 einer feindſeligen Koalition, R. beim Sultan 
derart zu verdädhtigen, daß er feiner Würden ents 
kleidet wurde, aber ſchon im Fruhjahr 1853 trat 


Neſchitza — Reſektion 


R. wieder als Miniſter des Außern in die Re— 
gierung zurüd, und es erfolgte nun eine nochmalige 
länzende Periode feiner Wirkiamteit, die ſich durch 
ie Kriegserllärung gegen Nubland durd) den Ab: 
ſchluß der Schuß » und Trugbündnifle mit England 
und Franfrei und die gemeinſchaftliche Unter: 
nehmung gegen die Krim auszeichnete. Dennoch 
ſchwand Ris Anfehen im Verlauf ber Kriegsereig: 
nifje in gleihem Maße hin, wie Englands Sinfup 
hinter der überwiegenden Kraftanitrengung Frank⸗ 
reichs ind Dunkle trat. Er wurde von feinen eigenen 
frübern Barteigenofien Aali und Fuad verdrängt. 
nad dem Abzug der franz. Truppen gelang 
e3 ben Bemühungen de3 engl. Botſchafters Ned: 
cliffe, ihn ein ein fünftes und, nad) wiedererfolgter 
Entjegung, ein ſechstes mal an die Site der Negie: 
rung zu ſiellen. R. ftarb zu Candia 7, Jan. 1858, 
— (ungar. Resiczabänya, d. i. Bergwert 
N.), Marktileden in waldiger Gebirgägegend des 
Krafis:Szörenyer Komitats in Ungarn, hat (1880) 
7915 E. Deutſche und Rumänen). Die Bergmwerte 
liefern Eifen und Kupfer; die öfterr.-ungar. Staats: 
eiſenbahngeſellſchaft befikt hier großartige Hütten: 
und Schmelzöfen, Puddelwerle, Befiemer:Stabl: 
fabrifation, Runitgießereien u, |, w. In der Nähe 
liegt das Torf Walachiſch- oder Rumäniſch— 
N AK! ae mit 1200 deutichen und rumän. €, 
eihiza (Rjeſchitza), Kreisſtadt im ruf. 
Gouvernement Witebst, am gleihnamigen Fluſſe, 
welcher fi) in den See Luban ergießt, Station der 
ae Petersburg :Warfhau, mit 10180 E. 
R. weldyes in den livländiihen Chroniten Rofiten 
genannt wird, wurde 1285 von den Deuticdhen Or: 
densrittern unter Herzog Wilhelm von Harburg zur 
Degreingung ber Letten und Litauer gegründet 
und fam 1567 an Rußland, 

Reicht, die Hauptitabt der um die Sübmeftede 
bes Kaſpiſchen Meers gelegenen perf. Provinz Gi: 
län, weitlih vom Delta und Hauptarm des Sefib: 
rud oder Kyſyl⸗Uſen und unmeit füdlich von dem 
etwa 33 km langen und 15—22 km breiten, durch 
Bo von Weiten und von Dften ber —— 

tehrungen faſt geſchloſſenen Golf von Enſeli ge: 
Iegen, it einer der blühenditen Induftrie: und Han 
delsorte Perſiens und zählt 42000 E. Der Hafen: 
lag ift der am meftl. Gingang zum Golf gelegene 
feine Ort Enfeli (Enzeli) mit 1000 — 1500 E., 
welche ———— und Schiffahrt treiben. 
Die Stadt R. hat gepflafterte Straßen, eine Wafler: 
leitung, Karawanſerais, große Bazare mit 1200 
Kaufläden , bie viele fremde Handelsleute auch aus 
— herbeiziehen. Die ind. Waren werden über 
daſenderan von Balfruſch eingeführt, die euro: 
a en mei — uf). rmenier aus Aſtrachan. 

. dt der Hauptftapelplak Perſiens für Eeibe. 
Dieſe wird hier aud in - enge erzeugt, fo: 
wie auf ungefähr ebftüblen verarbeitet. 
Außerdem ift der Safang auf Störe bedeutend, 
Ausgeführt werden Seide, Seidenftiderei auf Tuch, 
Stör, Kaviar, Neis, JZumelierarbeiten, Buchsbaum— 
und Walnufholz u. ſ. w., eingeführt Zuder, Glas: 
und Thonmwaren, Stattune, perf. Butter, Mehl, Ge: 
mürze und Wollwaren, Shanis, engl. und franz. 
Zude, —* Seidenſticherei, perf. Seidenwurm: 
Gieru.f.w. Seit den Zeiten Petersd.Gr., ber 1722 
und 1723 Gilan und Maſenderan den Perfern ent: 
riß und — lang behauptete, iſt es die Haupt: 
ſtadt von Gilän. Früher war dies Lahidſchan, 


eine Stabt von etwa 3000 E., im Süden der Mün- 


629 


dung des Sefidrub und weftlich vom Hafen Lenge⸗ 
rud. Bu R. wurden zwifchen zu und Ruß: 
land 1729 und 1732 Friedenstraftate geſchloſſen. 

Nefean (vom frz. röseau, d. i. Ne), nepartige3 
Gejtrid oder Gewebe, auch Berüdennep. 

Nefeda (Reseda L.), eine Pflanzengattung, 
welche den Typus in der Familie der Resedaceae 
bildet und durch einen vier: bis fechsteiligen Kelch, 
eine vier: bis fechsblätterige Blumenfrone mit ganz: 
randigen oder unregelmäßig zerfchligten Blüten: 
blättern und eine drei: bis vierfantige, einfächerige, 
auf dem Scheitel mit einem Loche ſich öfinende 
Kapfel haralterifiert ift. Die zwölf oder mehr Staub: 
66 ſtehen in zwei bis drei Kreiſen auf einer 
chiefen, fleiſchigen Scheibe. Die belannteſte der ziem⸗ 
lich zahlreichen Arten, welche meiſtens dem Mlittel: 
meergebiete angehören, ift die Wohlriehende R. 
(R. odorata L.). Sie ftammt aus Nordafrifa, ift 
eine einjährige Pflanze mit niederliegenden, dann 
aufgeridhteten, 25 cm hohen Üſten, abwechſelnden 
länglichen, gelegentlich dreilappigen Blättern und 

rünlichen oder grüngelben Blüten in ei: oder kegel⸗ 
Frmigen Endtrauben, die fi) während der Blüte 
verlängern, Sie wird wegen ihres köftlichen Duftes 
bei uns überall im freien Lande und in Töpfen 
erzogen und wetteifert in der Popularität mit Nofe 
und Pilie, Unter den Gartenformen der R. find 
befonders folgende zur Kultur zu empfehlen: Var. 
ameliorata, in allen Zeilen kräftiger entwidelt und 
befonders durch die rote Farbe der Staubbeutel 
ausgezeichnet; Var. pyramidalis, mit volllomme: 
nen pyramidenförmigen Blütentrauben; Var. mul- 
tiflora compacta, von niedrigem, rundbufdigent 
Wuchſe und mit langen, diden, oben abgerundeten 
Trauben; Var. eximia, mit zwar wenig anfehn: 
lihen, weißlichen Blüten, aber ausgezeichnet dur 
feinern, wiewohl kräftigen Wohlgeruch. Obſchon 
einjährig, To läht ſich doc) die N. in Töpfen meh— 
rere Jahre ne erhalten; der Stamm wird dann 
bolzig und bie Aſte lafien fich zu einer baumartigen 
Krone formen (Baunt:R.). Die zerftreut in Mittel: 
beutichland wachſende Gelbe N. (R. lutea) unter: 
ſcheidet fich durch breifpaltige Blätter, eine eiför: 
migscylindriiche, aufrechte Kapſel und glatte Sa: 
men. Die Färber-R. oder der Wau (R. luteola) 
bat fchmal:lanzettlihe Blätter und wurde früher 
ihres gelben Farbeitojjs wegen angebaut. 

——— Resedacéae), Pflanzenfamilie 
aus der Gruppe ber Dikotylebonen. Man kennt 

egen 40 Arten, bie zum größten Zeile in ben 
ittelmeerländern vorlommen, Es find meiſt 
frautartige Gewächſe mit verfchieden —— 
Blättern und zwitterigen Blüten, die gewöhnlich in 
traubenförmigen Inflorescenzen ftehen, Der Bau 
der Blüten ijt bei den einzelnen Gattungen abwei 
end, meift find vier bis ſechs Kelchblätter, ebenſo 
viel Blumenblätter, zahlreiche bypogyniich inferierte 
Staubgefäße und ein aus drei gruchtblättern be: 
ftehender Fruchtlnoten vorhanden, Die Frucht ift 
eine einfächerige, vielſamige Kapſel, die am Scheitel 
meilt eine Öffnung befikt, da bie Fruchtblätter nicht 
vollitändig miteinander verwachſen find. 

Nefektion (lat.) nennt man das Ausſchneiden 
oder Nusfägen eines erkrankten Knochenſtuds, meift 
eines Gelents, unter möglichft geringer Verwundung 
ber *8*8* Weichteile. Ende des 18. Jahrh. 
dur Wbite, Bark und Moreau begründet, hat bie 
Lehre von der R. neuerdings eine außerordentlich: 
Wichtigkeit erlangt und hauptſächlich die fonfervative 


630 


Richtung der neuern Chirurgie (f. d.) gefördert, 
indem es häufig vermittelft der R. gelingt, Erante 
Gliedmaßen brauchbar zu erhalten, die früher fidyer 
ber veritümmelnden Amputation verfallen waren. 
Namentlich bei Knochenfraß der Gelentenden, bei 
ſchweren eiterigen Gelententzündungen, nad Ber: 
mwundungen und Schußverlegungen der Gelente, bei 
trebfigen Entartungenber Knochen, bei tomplizierten 
und veralteten Berrentungen und gewiſſen Formen 
der Oelentiteifigfeit findet jet die N. ausgedehnteite 
Anwendung. Sinfichtlic ihrer Ausführung zerfällt 
jede R. in einen auögiebigen Haut: und Diuätel: 
ſchnitt, welder die Knochen unter Schonung der 
roßen Nerven und Gefäße bloßlegt, in das Ab: 
ägen oder Abmeiheln des erfrantten Knochenſtuds 
unter möglichiter Erbaltung der Knochenhaut, und 
in die jorgfältige Bereinigung der Wunde und 
Dedung derjelben durch einen antifeptiichen immo: 
bilifierenden Verband. Als Reſultat der R. wird 
entweder, wie bei der untern Grtremität, eine feite 
fnöcherne Bereinigung der beiden rejezierten Kino: 
chenenden oder, wie bei der obern Ertremität, die 
Bildung eines neuen beweglichen Gelents erjtrebt. 

Ferner bezeichnet man als Reſektion aud) das 
Herausfchneiden von Stüden eines Organs, z. B. 
eines Nerven , ded Magens, des Darms, 

Reſervage (fr;.) oder Shubpapp, f. unter 
Enlevage. , 

vatio mentalis bezeichnet bei Ber: 
transichlüfien und einjeitigen rechtlichen Erllärungen 
die Willensrichtung, wonad) die Erllärung nicht dem 
Millen des Erflärenden entjpricht, und diejer alfo 
in den von ihm gebrauchten Worten jeinen wahren 
Willen nit fundgibt, den kundgegebenen aber 
nicht hat. Niemand kann auf Grund einer Men: 
talrefervation einen ausgeiprochenen Redtsmillen 
anfechten, weil fi niemand auf jeine Lage berufen 
darf, und aud) ein unter Mentalrefervation abge: 
leiiteter Eid iſt Meineid, wie ſehr auch die jejwis 
tiihe Moraltheologie einen folden Eid zu ver: 
teidigen unternommen bat. 

Refervation (lat.) wirb im Kirchenrechte ge: 
braudt für die Rechte, welche nicht von den zu: 
ftändigen Subjelten ausgeübt werden bürfen, fon: 
dern welche der Inhaber einer höhern Regierungs 
gemalt feiner perjönlihen Ausübung vorbehalten 
hat. So hat der Bapit ſich die Bejekung gewiſſer 
geiftliher Stellen rejerviert, die Losiprehung von 
Kirchencenſuren, die wegen beftimmter Thatbejtände 
verhängt worden find, die Dispenjation von be: 
ftimmten Rechtönormen oder deren ſchon eingetre: 
tenen rechtlichen Konfequenzen u. j. w., und analog 
erütieren au biichöfliche N. 

Neferbation (engl.) beibt in den Bereinigten 
Staaten von Amerifa ein den Indianern von der 
u gewäbrleijteter (refervierter) Bezirk. 

eferbatrechte, der übliche Ausdrud zur Be: 
zeichnung derjenigen Sonderredhte, von deren Be: 
willigung die ſüddeutſchen Staaten im Jahre 1870 
ihren Eintritt in das Deutiche Reich abhängig ge: 
macht haben, welde fie ſich «rejerviert» haben. 
Dieje Rechte find in der Neihsverfafiung, in welcher 
übrigens der Name R. nicht vortommt, aufgeführt 
worden und fie find durch den, aus ihrer Natur ſich 
von jelbit ergebenden Rechtäjak, der aber im Art. 
78, Abj. 2 der Reichsverfaſſung ausdrüdlich aner: 
fannt worden üt, geihüst, dab fie nur mit Bu: 
ftimmung des berechtigten Staates abgeändert 
werden lönnen, Wie weit der Streis diefer Hechte 


Refervage 


— Reſerve 


gezogen werben ſoll, iſt in ber Litteratur beſtritten; 
insbeſondere ob man aud) das Recht Preußens auf 
die Staijertrone, die Stimmrechte der Bundesitaaten 
im Bundesrat u. dgl. mit darunter begreifen ſolle 
oder nit. Da das Wort «St,» fein techniſcher Aus: 
drud it, jo ift diefer Streit ein Wortitreit. Der 
Grundfag des Art. 78, Abi. 2 aber, auf den es 
prattiſch anlommt, findet Anwendung auf alle Vor: 
ſchriften der Reichsverfaſſung, «durd melde be: 
ſtimmte echte einzelner Bundesitaaten in deren 
Verhältnis zur Geſamtheit fejtgeftellt find». Zur 
Aufhebung oder Abänderung dieſer Rechte iſt die 
bejondere Zujtimmung des betrefienden Staates 
erforderlich", welche er durd eine Erklärung im 
Bundesrat in rechtswirlſamer Weife abgeben kann. 
Die witigften diejer R. find die Rechte Hamburgs 
und Bremens auf Freihäfen, die Gremtion Baden 
von der Bier: und Branntweinſteuer⸗ Gemeinſchaft 
die bejondern Rechte MWürttembergs Gin 
der Bier: und Branntweinfteuer, des Boft- und 
Telegraphenweſens, des Reichskriegsweſens und 
des Eiſenbahnweſens und die Eremtion ö 
von der Bier: und Branntweinfteuer inſchaft, 
von der Reichspoſt- und Telegrap ltung, 
pain are vonder Reichs⸗ 
gejekgebung über das Heimats: und Riederlafju 
wejen und über das Jmmobiliarverfiherungs 

und insbejondere feine Sonderſtellung hinſichtlich 
der Militärgejepgebung und Verwaltung und ber 
Feſtſeßzung des Militäretats. 

‚Reservatum eoolesiastioum heißt bie Be- 
ftimmung des Augsburgifchen Religionsfriedens 
von 1555, wonach tatholiiche geiftliche Neichsftände 
durch Übertritt zum Proteſtantismus ihre Benefizi 
verwirten follten. Erſt _. den MWeftfälifchen Arie: 
den wurde diejelbe Norm auf proteſtantiſche geiftliche 
— 25 h der M hrverfaſſung d 

erve in der We aſſung bie 
nach einer beſtimmten Dienſtzeit unter Vorbehalt 
der Wiedereinſtell entlaſſene Mannſchaft, 
durch welche bei ver Mobiliſierung(ſ. d.) die Truppen 
auf ——— gebracht werden; ferner eine im 
Kriegsfall neuorganiſierte Streitiraft, welche zur 
Unterftügung und Berftärlung der ind Feld ge 
rüdten Armee dient; endlid in ber Taktik der bei 
Gefehten und Schladten für deren Wedjeliälle, 
Entiheidung und Ausnutzung anfangs aus dem 
Kampf zurüdgehaltene Zeil der Streitfräfte. Das 
Reie —— iſt in den Heeren verſchieden und 
in mehrern ſeit 1867 reorganiſiert worden; alle 
ſtreben dahin, ſich zahlreiche ausgebildete R. zu 
ſchaffen, die im Kriegsfalle die Friedensrahmen aus⸗ 
zufüllen vermögen und möglichſt noch die Stämme 

u Reuformationen liefern. Refervearmeen 
And befonders von Napoleon I. für feine Kriege 
errichtet worden. In der franz. Armee heißt die 
ſchwere Kavallerie «Refervelavallerie», obgleich 
diejer Begriff mehr umfaßt. Für Gefechte und 
Schlachten iſt die allgemeine taktifde R. von 
größter Wichtigleit. Sie hat bie —— die 
lãmpfenden Truppen überall da, wo es nötig, durch 
—— zu unterſtützen, der Verteidigung an 
ſchwachen, bedrohten Stellen mehr Widerſtand, dem 
Angriff mehr Nachdrud zu geben, im Moment der 
Entſcheidung mit friſchen Kräften den Hauptſchlag 
zu führen oder ſchwankende Gefechte durch ihr Gins 
greifen herzuſtellen, die weichenden Truppen durch 
Befekung einer Stellung aufzunehmen, ihren Rüd: 
zug zu beden oder im Siege die weitere Verfolgung 


Nefervefondg — Refonanz 631 


ilden g: nach Verhältnis eine fpezielle R. In | weite ericheinen. 
frühern Zeiten gab es nur dem Namen nad) eine! Außerdemeleltriſchen R.gibtesnod ein eleltros 
R. (Nüdhalt); erft die Verhältniſſe feit den franz. | magnetifhes Reſiduum, das jedoch in der Re: 
Revolutionstriegen haben fie nötig gemadt. Na: | gel ald eremanenter Magnetismus» benannt ift und 
polcon I. war Meifter im Gebraud der R. Bei | nad) der Unterbrehung der eleftriichen Ströme in 
Feſtungen fpricht man von der fpeziellen R. eines | den Eiſenkernen der Gleltromagnete zurüdbleibt. 

derfö und ber Generalreferve eines gröbern Ab: | Das elektromagnetiſche R. läßt ih am beiten durch 
ſchnitts, beziehungsweiſe der ganzen Feſtung; ähn: | angepaßte entgegengejchte eleltriſche Ströme oder 
lich bei Feldverihanzungen von fpezieller oder | Neverfionäftröme wegſchaffen. 
innerer und General: oder äußerer R. , Resina, lat. Bezeichnung für Harz (f. Harze). 

Reſervefonds nennt man die von dem Gewinn | Refina, Stadt in der ital. Provinz Neapel, anı 
eined gewerblichen Unternehmens jäbrlid vorweg | Golf von Neapel und am weitl. Fuß des Veſuv, 
zu nehmende und zu fapitalifierende Summe. Ber | 10 km ſüdöſtlich von Neapel, mit Bortici durd) eine 
induftriellen Unternehmungen und Gijenbahnen | ununterbrohene Neibe von Häufern verbunden, 
fpriht man von einem Grneuerungsfond3, | zählt (1881) 13626, ald Gemeinde 15593 E., welche 
welcher zur Mieberberitellung verbrauchter Werk: | vorzüglichen Wein (Lacrimae Christi) bauen und 
zeuge oder abgenusten Betriebsmaterials beftimmt | Seidenipinnerei treiben. Das ſchöne Luſtſchloß Ya 
tt; bei andern Unternehmungen dient der R. be: | Favorita wird bewohnt von dem, Erchedive von 
fonder3 dazu, um ganz unerwartete Berfufte aus: | Agypten und feinem Harem; aud) viele andere herr: 
zugleichen. Nach dem neuen deutſchen Aktienrechte | liche Villen liegen am Meere. Bon bier führt der 
— jede Altiengeſellſchaft von dem jährlichen Fahrweg zum Befuv hinauf bis zur Station ber 
teingewinn mindeftens ein Zwanzigſtel als R.auf: | Seilbahn. Der Ort fteht auf einer 30 m diden 
heben, bis der legtere den zehnten Zeil ded Grund» | Aichen: und Lavaſchicht, unter weldyer Herculanum 
fapital3 erreicht hat (Handelögefepbuh, Art. | (f. d.) feit 79 n. Chr. verfchüttet liegt. 
239b, 1850, Abjah 2), und diefer gefeplihe R. darf Refinate nennt man die Berbindungen der Harz— 
nur zur Dedung der Verluite am Grundlapital, | jäuren mit Altalien. j 
nicht zur Dividendenverteilung verwendet werben. Refkript (lat.) nannte man im Römifhen Reich 


ih übernehmen. Die im Gefecht ftehenden Truppen | Ichtere bei jeder Entladung innerhalb der Schlag: 


ervoir (vom frz. reservoir, d. i. Behälter), | die Entſcheidung eines Einzelfall3 durd) den Kaiſer; 
im Maſchinenbau ein Behälter zur Aufnabme von | diefelbe hatte die Bedeutung ber authentiſchen In— 
Mailer, Zuft u. |. w. [Gejandte. | terpretation eines Gefeges. In neuerer Zeit wird 
efidenten (Minifterrefidenten), ſ. unter | mit dem Ausdrud im Gegenſah zu landesherrlichen 
Reſidenz heit Wohnort und wird fpeziell von | Verordnungen einerjeit3 und zu gerichtlichen Ent: 
demjenigen der Fürften und hoben geiftlihen Wür: | jheidungen andererjeits die Entſcheidung von Ver: 
denträger gebraudt. Im kirchlichen Hecht veriteht | waltungsfragen 0 ben Chef des Reſſorts be: 
manunter Refidenzpflicht die durch das Triden- | zeichnet; namentlich jpriht man in diefem Sinn 
tinum zulegt normierte Verpflichtung für Biichöfe, ini 
Brarrer und Kanoniter, das ihnen übertragene Amt 
perjönli zu verwalten und ſich demgemäß am 
Amtsorte oder doc jo aufzuhalten, dab fie ihre 
Amtöverwaltung regelmäßig vornehmen können. 
Um bie Kanoniter ftärter zur Beobadhtung der R. 
zu veranlaflen, dient das ®nftitut der Dijtributio- 
nen. Danad) wird ein Fonds gebildet aus Abzügen, 
welde den einzelnen Kapitelsmitgliedern von ihren 
Bezügen gemacht werden, und die Ergebniſſe der: 
felben an diejenigen Kanoniker verteilt (distribu- 
tiones, praesentiae), welche die Pflichten des Chor: 
dienftes regelmäßig erfüllt haben. 
Refidunm (elektrifches) heißt der Neft ober Rüd: 
> von Eleltricität, welcher fich kurze Zeit nad) 
neriten vollen Entladungen eines elektriſchen Kon: 
denſationsapparats (3. B. einer Leidener Flaſche, 
einer Leidener Batterie oder einer Srantlinfcen 
Zafel) mittels einzelner nachfolgender Gntladungen 
in abnehmender Stärke zeigt. Das R. fommt nur 
bei fondenfierenden Antammlungsapparaten mit 
ftarren Yiolatoren vor und rührt davon ber, daß 
die entgegengeiekten Gleftricitäten bei der Entla— 
dung den Iſolator nicht augenblidlih volljtändig 
verlaften tönnen, jondern dazu einiger Zeit be: 
bürfen, nad deren Terfluß wieder ein Zeil diejer 
Elettricitäten an die Belegungen gelangt iſt, worauf 
fie als elektriſches R. fich neuerdings entladen lajien. 
Tas N. darf man mit den nur teilweiien Ent: | Der Refonanzboden an Saiteninftrumenten, 
ladungen oder Partialentladungen nicht verwec: | wie an Alavieren, Geigen u. ſ. w., iſt duch fein 
jeln, indem das eritere nad) möglichfter Berührung | Mitihwingen von großem Einfluß auf den Klang 
des Ausladers mit den beiden Belegungen ber elek: | derjelben, und von jeiner Fra und rich: 
triichen Verſtärkungsapparate auftritt, während | tinen Bauart hängt die Güte diejer Inſtrumente 


von MinifterialsReilrip. 
Refolution (lat) wird eine politiiche, in eine 
abfchließende Formel gefahte Meinungsäußerung 
genannt, die zwar keine bindende Rechtskraft befikt, 
aber eine moralifche Autorität anipridt. Solde 
RN. werden zuweilen von einzelnen Kammern, zu: 
weilen von Partei: und Bollsverfammlungen ge: 
faßt. Auch die Beſchlüſſe von, wiſſenſchaftlichen, 
gewerblichen, politiihen, klirchlichen u. dgl. Kon: 
grefien pflegen fo genannt zu werben. 
Nefolntion (TZudjan, Todjon), unbewohnte 
Infeldesarltiihen Amerika, 2530 gkm, am djtl. Ein: 
gang der Hubjonftraße und am füdöftlichen der Fro⸗ 
bifher-Bai, vor der Süboftfpige der Meta incognita 
(Baffinsland), zwiſchen 61 und 62° nördl. Breite. 
Refolventia (lat.), ſ. Auflöfende Mittel. 
Refönanz (lat.) oder Mittönung heißt die durch 
Mitihwingung —— und nahe leid ober völliy, 
gleich geltimmter Körper erzeugte onverftärkung, 
welche oft auch mit einer Ünderung des urfprüng: 
lichen Klanges verbunden ilt. Die R. wird entweder 
durch Puftmwellen oder durd) die Schwingungen eines 
feiten elaftiichen Mittels erregt. Hobllörper aus 
Glas, Blech, Pappe u. dol., deren Luftmaſſe fo ab: 
emeſſen iſt, daß fie bei einem bejtimmten Tone ins 
Mitihrwingen gerät, nennt man nad ——— 
Nejonatoren (ſ. unter Obertöne). Dieſelben 
dienen zur Analyſe des Klanges. 


632 


beſonders ab, ba er es ift, ber durch R. den auf den 
Saiten angel chlagenen Ton verjtärkt und dur Zus 
miſchung feiner Töne zum urfprünglichen Ton auch 
deſſen Klangfarbe verändert. Man bedient ſich dazu 
gewöhnlich ganz ausgetrodneten Tannenholzes, 
das aber völlig fehlerfrei jein muß, weil die geringite 
Schabbaftigleit dem Tone des Inſtruments nad): 
teilig wird, Der Nefonanzboden wird auch Dede 
Klang⸗, 5 Schallboden, bei Geigen das Dad 
ne d’harmonie) genannt. 
efonatoren, ſ. unter Dbertöne, 

Resorbentia (sc, remedia, lat.), die Auf: 
faugung beförbernde Mittel, welche die Entfernung 
krankhafter Flüffigleiten aus den Geweben und 
jeröfen Höhlen be3 Körpers begünftigen, Zu ihnen 
zäblen die abführenden und harntreibenben Pflan— 
ientofie, die Altalien und Mlittelfalze, das Qued: 
ilber, das Jod und Kodkalium, die Kompreffion 
und Maſſage (f. d.) der erkrankten Körperteile, 
ferner die Wärme in der Form der warmen Brei: 
umfchläge, Bäder und Pflafter u. dal. 
Reischierenbe Mittel, ſ. u. Neforption, 
Neforein, C,H,(OH),, organifche Verbindung, 
die für die Heritellung künftliher Farben große 
Wichtigkeit erlangt bat. Es wurde von Hlaſiweß 
und Barth entdedt. Man erhielt es als Zerſehungs⸗ 
prodult einiger Gummibarze 4. B. Ammonial: 
gummi, Galbanım, Asa foetida) durch ſchmelzen— 
des Äßlali. Später fand man, daß durch trodene 
Deftillation des Rotholzertralts oder beſſer des dar: 
aus dargeftellten Brafilins N. in reichlicher Menge 
entitehe. Endlich wurde —— daß das R. als 
ein pre des Benzols mit Leichtigleit bar: 
geftellt werben könne, indem man Benzol mit rau: 
chender Schwefelfäure zufammenbringt und dadurch 
Benzoldijulfonfäure bildet, deren Natronfalz beim 
Scmelzen mit Üpnatron große Mengen von R. 
bildet. Es bildet weiße Aryftalle, die fih in Waſſer, 
Alkohol und Uther löfen, fühlich fchmeden, mit 
Eiſenchlorid ſich violett färben und mit dem Hybro- 
chinon und Brenzcatechin ifomer find, Mit fals 
petriger Säure und Salpeterfäure erhält man aus 
dem R. eine Anzahl purpurroter, blauer und gelber 
Barbftoffe, die jedenfalls eine arofe Zukunft haben. 
Der interefjanteite Ablömmling des R. ift aber das 
mit Hilfe von Phtalfäure (f. d.) fich bildende Fluo— 
reszein (f. d.), welches durch Behandeln mit Brom 
das prächtige Eofin oder Morgenrot bildet, das 
fabrilmäßig in großer Menge dargeftellt und in der 
Seidenfärberei als Erſaß der Gocenille und zur 
Vereitung fchöner roter Tinte angewandt wird, 
Gin ähnlicher roter, aus dem yluoreszein darge: 
ftellter Farbitoff iit das Erythrin. Somit iſt 
neben dem Anilin das R. eine Quelle verjchiedener 
pradtvoller Farben, 

Neforption (lat.) und Abforption bezeichnen 
in ber Phyfiologie die Aufnahme von tlüffigen 
oder gasförminen Subftanzen in die Säftemaſſe 
des Koͤrpers. Dan untericheidet beide voneinander 
jo, dab man unter Abforption, Ginfaugung, die 
Aufnahme der von außen jtammenden Stoffe ver: 
ſteht (alfo befonders die Aufnahme des Luftiauer: 
jtoffs in den Lungen, der Speifebeftandteile im 
Magen und Darmlanal, der Gifte u. f. w.), bin: 
gegen unter R. Wiederaufſaugung oder Wegſau— 
gung, die Wiederaufnahme folcher Stoffe ins Blut, 
welde ſchon einmal in demfelben enthalten, aber 
aus ihm in die Gewebe oder Höhlen des Körpers 
getreten waren. Dahin gehören: die Zellgewebs— 


Nejonatoren — Reipirationsapparat 


finffoteiten, bie abgenußten Beftandteile aller Ge: 
webe, die in feröjen und andern Behältern für 
vorübergehende Zwede — 
z. B. Gelenlſchmiere), endlich aber auch alle Kranl— 
eitsprodulte, z. B. ausgetretenes Blut oder Blut: 
ſerum, angeſammelter Eiter u. ſ. w. Neuerdings 
pflegt man es übrigens mit der Unterſcheidung 
beider Vorgänge nicht mehr fo genau zu nehmen 
und bringt vielfach aud) Die Aufnahme von Stoffen, 
bie dem Organismus von außen zugeführt werden, 
mit unter den Begriff der R. In die geſchloſſenen 
Blutgefäße treten — dem Blutdrucke 
entgegen, nur unter dem Ginfluffe osmotiſcher 
Strömungen. (S. Diffufion und Endos— 
mofe.) In die an ihren Enden offenen Saugadern 
(Lympbaefähe) werden bie ———— da⸗ 
gegen durch den Druck der aus den Blutgefäßen 
nachſtromenden Fluſſigleit gepreßt, oder fie werden 
eingefaugt vermöge der auf den ganzen Körper 
wirlenden Atembewegungen oder mittels befonderer 
— wie z. B. der Zotten in der 

armſchleimhaut. Die R. durch die Lympbaefähe 
fann daber nicht ftattfinden, wenn ihre Öffnungen 
verichloflen find, wie 5. B. bei den Entzündungen 
der feröfen Höhlen. 

Am ſchnellſten und volllonmenften erfolgt die R. 
im Magendarmlanal, in welchem nicht bloß eine 
gewiſſe Menge der eingeführten Nahrungsitofte, 

ondern auch ein guter Zeil der Verdauungsiefrete 
(& leim, Speichel, Magenfaft, Galle, Darmſaft), 
nachdem fe te; e 
biert wird. F erdauung.) Viel weniger voll: 
fommen it das Nejorptiongvermögen der — 
aut, welche nur nach Entfernung der Oberhaut 
üffigfeiten in erheblicherer Menge aufzunehmen 
vermag; eine ſehr intenſive Reſorptionsfähigleit 
befigt dagegen das unter der Haut gelegene Unter: 
bautzells und Fettgewebe, ein Umjtand, ber bei 
der * fublutanen Injeftion (j. d.) vielfach mit 
großem Vorteil benugt wird. Die Auffaugung und 
Entfernung krankhafter ———— aus den Ge⸗ 
weben und feröjen a en bes Körpers, melde 
eine der wichtigſten Aufgaben der Therapie dar: 
ſtellt, wird dur) die fog. reforbierenden Mit— 
tel begünftigt; u ihnen zählen die abführenden 
und barntreibenden Pflanzenjtoffe, die Alfalien 
und Mittelfalze, das Jod und feine Präparate, die 
Kompreifion und A (f. d.) der erkranlten 
Körperteile, fowie die Wärme in ber Form ber 
warmen Breiumfchläge, Bilajter und Bäper. 

Reforptionsiceterns, f. unter Gelbſucht. 

Resp., auf Difiertationen Abkürzung für Re- 
spondens, 

Respeotus parentelae, ſ. u. Barentel. 

— ſ. Ehrentage und Wechſel. 


unltionen verrichtet haben, rejor: 


Neipiration, [. Atmung 

Refipirationdapparat heißt ein zu phyſiol. 
— konſtruierter Apparat, durch welchen die 
Menge der Zufuhr des Sauerftofjs und der Abfuhr 
der Kohlenfäure und des Wafjerdampfes aus dem 
tierischen, refp. menſchlichen Körper beftimmt wer: 
den fann. an Tennt zwei, einen von Regnault 
und Neifet und einen von Pettenlofer erfundenen, 
von welchen ber lehtere ber vorzüglichere iſt. Cr 
beſteht aus einem großen Kaften aus Eiſenblech, 
in welchem der Menic oder das Tier während der 
Verſuchsdauer verweilt. Der Kajten ift mit Fen: 
ftern und Thüren verfehen und hat außerdem Öff: 
nungen für den Gin: und Austritt der Luft, Die 


Nefpirationswege — Neftauration 


Luft aus demfelben wird durch ein Buntpwerl aus: 


peiogen, das durch eine Dampfmaſchine in Thätig: | an ber 
eit gejeht it. Man mißt die aus dem Kaften ; Schüler in die kaijerl, Forſtalademie 


633 


dierte 1812—14 
trat Ä var als 
ariabrunn 


weſens zu Budweis in Böhmen, 
niverfität in Wien un 


ftrömende Luft, ermittelt die Beitanbteile der ein: | bei Wien. Im %. 1817 erhielt er eine Anitellun 


tretenden 


jowie der augjtrömenden Luft und fann als Nevierföriter in Krain; 1821 kam er als kaiferl. 


bann leicht finden, wie viel Sauerftoff von der | Waldmeijter der küſtenländiſchen Domäneninipet: 


Verſuchsperſon verbraucht und wie viel Kohlen: | tion nad) Trieft. 


—— und Waſſer von ihr geliefert worden ſind. 
dur mit Hilfe des Pettenkoferſchen R. konnten jene 
zahlreichen exalten Ernährungsverſuche am Men: 
ſchen angeſtellt werden, auf denen die modernen 
Lehren von der Ernährung des Tier- und Men— 
ſchenkörpers beruhen. (S. Ernährung.) 

Reſpirationswege, in der Anatomie diejeni— 
gen Organe, durd welche die atmofphäriiche Yuft 
hindurch in die Luftbehälter (Lungen) gezogen wird, 
(S. Zurtwege.) 

Reipirätor (vom fat. respirare, Atem holen) 
beißt ein zuerjt von dem engl. Arzt Zul, Sefiray 
1812 angegebenes Injtrument, das vor bem ge: 
öfineten Munde zur gleihmäßigen Erwärmung der 
einzuatmenden Luft getragen wird, Das Prinzip, 
nad) dem der R. fonjtruiert ift, iſt das, welches der 
caloriſchen Mafchine Ericsfons zu Grunde liegt. 
Wenn warme Luft durch ein Gitterwerk von vielen 
feinen Metallitäben ftrönt, fo gibt die Luft einen 
Zeil ihrer Wärme an da3 Metall ab, weldye beim 
Durchſtreichen von kalter Luft wieder aufgenommen 
wird. Die gut fonftruierten N. bejtehen daher aus 
mehrern Schichten feiner Netze aus Silberdraht, 
welche durch ein Geſtell zuſammengehalten und mit 
einem Stüd wollenen oder andern Gewebes über: 
zogen find. Durch Bänder wird der N. vor dem 
Munde befeftigt. Der R, foll in der kalten Jahres: 
zeit im Freien von ſolchen getragen werden, welche 
an Katarrhen leiden oder dieſe leicht befommen 
(Zuberfulöje, Emphyfematifer). Neuerdings wird 
der Nupen des R. von ſachkundiger Seite beitritten, 
weil in dem Drahtnep bejtändig ein Teil der aus: 
geatmeten Kohlenjäure zurüdgehalten und durch 
bie einzuatmende Puft der franlen Lunge wieder 
zugeführt wird. Überdies macht anhaltender Ge: 
brauch de3 N. die Schleimhaut der Luftwege nur 
nod) empfindlicher und Nadjläfjigleiten und Unacht— 
famfeiten im Gebrauch desjelben pflegen fid) dann 
doppelt zu rächen. 

efpirieren (lat), atmen, Atem holen; ſich 
wieder erholen, ausruhen; refpirabel, einatem: 
bar, zum Cinatmen dienlid) oder tauglich; refpi: 
ratorijch, auf die Atmung bezüglich; Nefpira: 
tion, das Atmen, die Atmung. , . 

Dielnten (Neipittage), ſoviel wie Reipel: 
tage, ſ. Ehrentage. 

Reſpondentia, ſ. Orokaventurfontralt. 

Reſponſorie (lat. responsorium), der Wechſel— 
geſang in der kath. und prot. Kirche zwiſchen dem 
Geiltlichen und der antwortenden Gemeinde, 

Reſponſum (lat., Antwort) nennt man die Ent: 
ſcheidung, welche von einem dazu bejtellten Nechts: 
tollegium oder irgend einer Falultät auf gejchehene 
Anfrage in ftreitigen oder doch zweifelhaften Fällen 
erteilt wird. Gegen das Ende ber röm. Nepublit 
und bis in das 3. Jahrh. n. Chr. bildeten die Re- 
sponsa prudentum ein wichtiges Mittel zur Fort: 
bildung des röm. Rechts. BR 

Meſſel (Joſeph), der Erfinder der Schifjsihraube 
(f. Bropellerihraube), geb. 29. Juni 1793 zu 
Chrubim in Böhmen, vollendete 1809-11 einen 


a nn — — 


Nah mannigfaltigen weitern 
Berfegungen wurde er zur Depontion geitellt, trat 
jebod) 1818, wo er wefentlich zur Rettung des nicht 
in Venedig ala ge Teils der öfterr. Flotte bei: 
trug, als DarinesSubintendant und nachher al3 
Marine Forftintendant wieder in Dienft. Er ftarb 
auf einer Dienitreife zu Laibah 10. Olt. 1857. 
Sein Hauptgedanfe war und blieb das Treiben der 
Seejchiffe mitteld einer der Archimedifchen Schraube 
verwandten Vorrichtung, zu welder er bereits 
1812 eine vollitändige Zeichnung entworfen hatte. 
Cein Aufenthalt in Zrieft gab die Gelegenheit, zur 
a ar ———— zu en ie desfall: 
figen Verſuche und Arbeiten füllten den Zeitraum 
von 1826 biS zum Sommer 1829, wo bie Probe— 
fabrt mit einem durch eine fechspferdige Dampf: 
majdine getriebenen, etwa 40 Perfonen enthalten: 
den Schraubenihiif mit gutem Grfolg begann, 
aber durd) einen uräigen, auf eh feit eines 
Arbeiterd beruhenden Umſtand (Losgehen eines 
Dampfrohrs) jhnell gehemmt wurde, Schon vor 
1829 hatte er daran gedacht, feine Grfindung in 
Franlkreich zu verlaufen, und es ift jo gut wie er: 
wiejen, daß ſowohl hier als in England die jpätern 
Konftrultionen von Schiffsſchrauben direlt oder 
mittelbar auf R.3 Erfindung fußten. In Wien ift 
1863 vor dem Gebäude des k. k. Polytehnitums 
ein Denkmal R.s errichtet worden, Reit: 
linger, «\jofeph R.» ey 1863); “Sofep N. und 
feine Anjprüde auf die Grfindung der Dampf: 
Ihirisichraube» in allnfere Zeit» (Bd. 7, Lpz. 1863). 

Res sevöra est verum gaudium (lat.), 
db. b. «eine ernfte Sache iſt eine wahre freude», 
fprihwörtlich gewordenes Citat aus dem 23. Briefe 
des jüngern Seneca, 

Neffort (frz.), Springfeder; Fach, das ſich durch 
den Drud einer Feder öffnet; Fach, Geſchäftskreis 
einer Behörde; refjortieren (zu einer Behörde), 
in deren Gefchäftstreis oder Zuftändigfeit gehören, 

Reſtauration (jpätlat.), die Wiederberitellung 
einer Sache in den frübern Stand, bezeichnet in der 
Politil zunädjit die Wieberherfteilung einer durch 
Revolution vertriebenen Dynaſtie. Eine folde R. 
fand ftatt in England nad) dem Tode Eromwells 
1660 durd die Zurüdjührung bes vertriebenen 
Karl II. Stuart auf den engl. Thron und in Franl: 
reich durch die Wiedereinfehung der Bourbons nadı 
dem Eturze Napoleons I., zuerft 1814, dann nad) 
der kurzen abermaligen Swiicenherrichaft Napo— 
leons, 1815. Dieſe dynaſtiſche N. war dort wie 
ve von einer REDE nn überlebter polit. 

uftände begleitet, und dad Wort erhielt jo die 
gleihe Bedeutung von Realtion (j. d.). Im all: 

emeinen pflegt man wohl bie Zeit nad) den Be— 
reiungslriegen als Rejtaurationsepode zu 
bezeichnen, weil 56 bei den europ. Kabinetten die 
Neigung fundgab, ſoweit al& möglich das Alte, 
welches durch die Sranzöfiihe Revolution und ihre 
Küdwirkungen auf die andern Länder verdrängt 
war, wieberherzuftellen und die neuen Zeitideen zu 
unterdrüden, Ihren ftaatörechtlichen Ausdrud fan) 
diefe Richtung unter anderm in Hallers (f. d.) «I. 


theoretiſch⸗ praltiſchen Kurs des Landartillerie- der Staatzwilienfchaft», 


634 


In der Kunſtſprache nennt man R. die Wieder: 
penttellung von Kunitwerten, Gebäuden, Stulp: 
turen, Gemälben u. j. w., welche durch Alter, Gin: 
fluß der Witterung oder Menſchenhände gelitten 
haben oder befchädigt find. Die Ausführung einer 
folhen R. it meiſt überaus ſchwierig, erfordert 
nicht mur große techniſche Geichidlichteit, — 
auch gründliche Kenntnis der Kunſt- und allgemei— 
nen Rulturgeididhte. Bol. Giefers, «Praktiſche Er: 
fahrungen und Ratſchläge in Betreff der Erhaltung 
und Wiederherftellung der Kirchen» (Babderb. 1869) ; 
Lucanus, «Anleitung zur Erhaltung, Reinigung 
und Wieberberitellung der Gemälde» (Halber: 
ftabt 1856). — Man dehnt die Bezeihnung RN. 
auch auf die ERWIN, fei es aud nur in 
Seigmung, untergegangener Kunſtwerke, nament: 
lid von Baumwerlen aus, welche man nur aus Be: 
fhreibungen tennt. 

Reftaurator nennt man einen flünftler, weldher 
ſich ausſchließlich mit der Wiederheritellung von 
Gemälden und andern Kunſtwerlen beſchäftigt. 

Reſtif de la Bretonne, |. Retif. 


Reititution (lat., vollitändiger Restitutio in | B 


integrum) heißt überhaupt Wiedereinfegung in ben 
vorigen Stand. Wenn durd ein nad) ftrengem 
Recht gültiges Geihäft oder nach den gewöhnlichen 
Formen des geridtlihen Verfahrens jemand einen 
unverjchuldeten Berluft zu erleiden gehabt haben 
würbe, fo fingierte bei den Hömern der Prätor 
aus Rüdfihten der Billigkeit (f. d.), baß die nad: 
teilige Handlung nicht ftattgefunden oder daß bie 
Sade noch nicht den gegenwärtigen Stand erreicht 
babe. R. erlangten zunädjt Minderjährige, wel 
nad beendigter eigentliher Tutel, aber vor dem 
25. Jahre fih in ein nadteiliges Geſchäft einge: 
lafien hatten; ferner Abweſende, diejenigen, welche 
durch Betrug oder Drohungen zu dem Geſchäft be: 
wogen worden waren, und dann überhaupt alle, 
x deren Gunſten ſonſt eine gerechte Urſache ſprach. 
ies iſt dann in das gemeine Recht übergegangen. 
Die Bedingungen der R. find ein nicht ganz unbe: 
beutender Schaden (Läſion), melden man ohne 
eigene grobe Schuld erleiden würde, und daß fie in 
der Regel binnen vier Jahren geſucht wird. R. 
tommen befonders in Prozeſſen vor, wenn Friften 
und Formen verabjäumt worden find. (Deutiche 
Givilprozehordnung, $S. 208—216, Strafprozeß: 
ordnung, 83. 44—47, 356, 382.) Die Reititu: 
tionsllage der Deutichen Givilprozekordnung 
88. 543—545) entipridt der ftrafprogefiualiichen 
Wiederaufnahme (j. d.) des Verfahrens. fiber die 
Reftitutionsgejuhe (requötes civiles) im Prozeß 
haben in Frankreich die Maitres des requetes zu 
enticheiden. Wo peinliche Beitrafungen die bürger: 
lihe Ehre auf immer entziehen, fönnen Berurteilte 
nur im Wege landesherrlicher Beanadigung durd) 
Restitutio famae ober Nehabilitation wieder in 
ben Genuß ber Ehrenrechte gelangen. 
Neftitutiondedift heißt vorzugsweiſe das 
6. März 1629 vom Kaiſer Ferdinand II. erlaflene 
Edit, wonach alle feit dem Paſſauer Bertrag 
(1552) von den Proteitanten eingezogenen mittel: 
baren Stifter und Kirhengüter den Katholiken 
zurüdgegeben, alle reihsunmittelbaren,, tro des 
Jog. geittlihen Vorbehalts ſeit dem Augsburger 
Religionsfrieden (1555) reformierten Stifter wie: 
ber mit Katholifen bejekt werden follten, während 
zugleich den tath. Reichsſtänden geitattet ward, ihre 
Interthanen zu ihrer Religion anzuhalten. 


Reftaurator — Rethel (Stadt) 


Nefume (fr;.), Zuſammenfaſſung, heit insbe— 
fonbere ber am Shluf einer ausführlihern Dar: 
ftellung gegebene lurze Überblid ihrer Hauptergeb: 
niffe und wird namentlich von der am Schluß der 
Schmwurgerihtöverhandlungen von dem Präfiben: 
ten derjelben gegebenen Zuſammenſtellung der Be: 
mweisergebnifie einer Verhandlung gebraudt. Nach 
$. 300 der Deutſchen Strafprogeporbnung vom 
1. Febr. 1877 bat ſich indes der Worfikende auf 
eine Belehrung ber Geſchworenen über die recht: 
lichen Geſichtspunkte, welde fie bei Löfung ihrer 
Aufgabe in Betracht zu ziehen haben, zu beichränten, 
ohne in eine Würdigung der Beweiſe einzugeben. 

Refurreftiondmänner, j. Auferftehungs: 
männer. 

Netabliffement einer Armee, einer Feſtung 
wird die Wicderberitellung des gefamten Materials 
in Eriegäbraudbaren Zuſtand nad beendigtem 
Feldzuge, nach überftandener en genannt, 

Retal, marottan. Pfundgewicht, ſ. Artal. 

Retardat (lat.), der Rüditand, bie Ögerte 
Geldzahlung, das verzögerte Gefcäft. Nach frübern 
ergredhten wurden Bergwerlsanteile (Sure, ſ. d.), 
auf welche von ben Beſihern (Bewerfen) die Geld: 
beiträge (Zubufßen) nicht geleiftet wurden, von der 
Bergbehörde in das R. neieht und dann fabuziert, 
d. h. für den vorigen Beſiher verloren erflärt. Rad) 
neueften Gejehen wird ein ſolcher Anteil im Wege 
ber Exelution durch Abpfändung bes Kurſcheins 
und Bertauf besjelben mittels Mobiliarveriteige: 
rung durch den ordentlichen Richter vollitredt. (S. 
Bergredt, Gewertidaft.) 

Retentionsrecht, Zurüchaltungsrecht, 
Beh die Befugnis des Befiperd von Saden, rüd: 
ichtlich welcher ein anderer eigentums: oder for: 
derungsberechtigt ift, diefelben nicht eher herauszu⸗ 
geben, bis er er eines fälligen Gegenanſpruchs, 
der ih auf die Sache felbit bezieht, befriedigt iſt. 
Die wichtigſten Fälle find das dem Bermieter wegen 
rüditändigen Mietzinſes am Mobiliar des Abmie: 
ters zuitehende R.; ferner das für ben Geſchäfts— 
führer wegen ber auf eine Sache gemaditen Ber: 
mwendungen begründete R.; ferner dad mad dem 
Deutihen Handelögefekbuh (Art. 318 fg.) dem 
Kaufmann wegen Forderungen, die ihm gegen einen 
andern Kaufmann handelsgefchäftlich zufteben, ein- 

eräumte R. an allen bemweglihen Sachen und 
rtpapieren des Schuldners, Die mit defjen Willen 
handelsgeſchäftlich in den Beſitz bes erjtern gelom: 
men find, u.f.w. Der Zurüdhaltende darf, anderä 
als der Piandgläubiger, ben Gegenitand jeines R. 
bei Berzug des Schuldners nicht eigenmädtig ver: 
taufen; aud muß er, wenn fein Schulbner » 
(ungsunfähig wird, gefehlich die Sache an die Kon- 
turäverwaltung abliefern, ohne aus deren Erlös 
vorzugsweife die Befriedigung verlangen zu dürfen. 
Kommiflionären, Spediteuren und Frachtführern 
fteht jedoch in diefer Hinfiht nad) deutſchem Han: 
delsrecht ein Pfandredt zu. Unerlaubter Erwerb 
des Beſihes der fremden Sachen begründet jelbjt 
für ben Gläubiger fein N. 

Netford, j. Gaft:Retforb. = , 

Rethel, Hauptitadt eines Arrondiſſements im 
franz. Tepart. der Arbennen, in 90 m Höbe rechts 
an der ſchiffbaren Aisne, Station der Linie Rheins: 
Givet der Franzöſiſchen Ditbahn , hat breite, fteile 
Straßen und Holjbäufer und zählt (1881) 7403 E,, 
die Kammwolle und daraus Shawls, Merinotucdye, 
Strumpfwaren, ferner Spinn: und Webmaſchinen, 


Nethel (Alfred) — Retorfion 


Nägel u. f. w. fabrizieren und bedeutenden Handel 
treiben. Bis 1789 war R., in der Gapetingerzeit 
Reteſt oder Reitejte, Hauptort einer Grafſchaft. 
Rethel (Alfred), einer der bedeutenditen Hifto: 
rienmaler neuerer Zeit, geb. in Haus Diepenbend 
bei Aachen 15. Mai 1816, begann feine künftleriiche 
Ausbildung bereit3 mit feinem 13. Lebensjahre 
unter W. Shadows Leitung auf der Alademie zu 
Düjjeldorf, wo er in kurzer Zeit zu den Meiftern 
ählte. Seine von der Schule — Auf: 
—— die weniger auf ſtreng maleriſche An— 
ordnung hielt, als ſich durch Prägnanz, ja Kühn— 
beit der Zeichnung hervorthat, führte ihn 1836 nad) 
Kesilert a.M. zu Philipp Veit. Scenen aus der 
eihichte des heil. Bonifacius hatten ihn ſchon 
vorteilhaft befannt gemadt. Bald rief ihn nadı 
feiner Baterftadt der Auftrag, den Rathausſaal 
mit Fresten aus der Gefchichte Karla d. Gr. aus: 
ufhmüden. Nachdem er ſich durch eine Reife nad) 
kr ien (1844—45) vorbereitet, begann er bie Aus: 
führung, die ihn bi3 1852 beichäftigte. Fünf große 
Gemälde, deren Kartons Gigentum ber National: 
galerie in Berlin find, fchildern die Öffnung des 
Grabes von Karl durch Kaiſer Otto ILI. im %. 1000, 
die —— ber Irmenſäule bei Paderborn 772, 
die fiegung der Saragenen durch Karl bei Cor: 
dova 778, die Eroberung von Pavia 774 und bie 
Taufe Wittelinds 785 (Jämtlih in Holz gefhnitten 
von Brendamour). E3 find Bilder von echtem 
biitor, Gepräge, großartig im Gedanken, voll 
Schwung und idealer Wahrheit in der Kompofition. 
Hierauf erfhien von ihm eine done von ſechs far: 
bigen Beihnungen, welde den Zug Hannibals über 
ie Alpen darftellen. Originell in der Erfindung, 
roß in der Auffafiung und voll Kraft in der Aus: 
[üörung, maden fie einen gewaltigen Eindrud. 
ndere Entwürfe ren meiſt der deutichen Ge: 
ſchichte an, erftreden fi) aber aud auf bibliſche 
Gegenftände, denen er ganz neue ergreifende Wir: 
fung abgewann. Ginige derfelben, ſowie verſchie— 
dene Kompofitionen zum Nibelungenlieve find in 
Holzſchnitt — iert. Dieſem künftleriihen Aus: 
drudsmittel hat R. dank feiner lernigen, an Dürer 
ebildeten Darftellungsweile, einen neuen Auf: 
chwung gegeben. Berühmt find unter andern feine 
Zotentang: Zeihnungen des Nevolutionsjahres 
1848 (mit poetiſchem Tert von Reinid, 11. Aufl., 
£pz. 1879) geworden. Urſprünglichleit der Auf: 
faſſung und energiiher Sinn für dad Monumen: 
tale geben ihm als dem genialen Realiften der 
Düſſeldorfer Schule eine Bedeutung, welde feine 
er weit überbauert. Auf einer zweiten Reife nad) 
Italien begriffen, ward R. 1852 von unheilbarer 
Geiſteskranlheit befallen. Gr verlebte die lebten 
zahre in Düffeldorf, wo er 1. Dez. 1859 ftarb, 
Ba . Müller von Königswinter, «Alfred N.» (Lpz. 
1861). R.s künſtleriſcher Nachlaß iſt in photogra: 
phiſchen Nachbildungen durch die Photographiſche 
Geſellſchaft in Berlin veröffentlicht (1877). 
ethra, auch Riedegoſt genannt, eine flaw. 
Stadt im Lande der Redarier (im heutigen Medien: 
burg⸗Strelitz) wo die Gottheit Hadegatt (f. d.) ver: 
ehrt wurde. Sie foll vier Zagereifen von Hamburg 
in einem See, ringsum von einem Hain umgeben, 
gelegen haben; ferner vom Kaiſer Dtto I. 955 ver: 
rannt und nad der Wieberberitellung 1150 von 
Heinrid dem Löwen, vollitändig zeritört worden 
Rn Die bei Prillwiß, einem Dorfe bei Neubran: 
enburg am Zollenierfee, angeblih von dem 


635 


Pfarrer Sponbol; aufgefundenen Götterbilder und 
der nahe bei diefem Orte gelegene Hügel Rethra: 
berg haben Beranlafiung geaeben, R. an bieier 
Stelle ji ſuchen; allein die Götterbilder, welche 
Maſch beihrieb (Berl. 1771), find neuern Unter: 
fuhungen von Liſch und andern zufolge offenbar 
unecht, und der Hügel hat erft jeit dem angeblichen 
Bunde den Namen Kethraberg erhalten. 

Retioentia (lat., «das Berjweigen»), rhe: 
— Figur, FApoſiopeſis. 

N tif ober Neftif de la Bretonne (Nicolas 
Come), franz. Romanjcriftiteller, geb. 22. Nov. 
1734 zu Sacy bei Aurerre, war urſprünglich Bud): 
druder und lebte feit 1755 in Paris. Seine Pro: 
duktivität war eine außerordentlich große. Durch 
derben Naturwis, Talent für Beobachtung, leb: 
bafte Schilderung fuchte er zu erſehen, was jeinen 
meiſt fehr Shlüpirigen Romanen an feinerer Aus: 
bildung und_an kunftgemäßer Form abging. Cin 
Teil jeiner Sittenſchilderungen tft zufammengeftellt 
in «Les contemporaines» (42 Bde., Par. 1780). 
Für fein Hauptwerk gilt ber «Paysan perverti» 


(4 Bbe., Bar. 1776), ein Gegenftüd zu Marivaur’ 
«Paysan parvenun, N. ftarb 3. Febr. 1806. Cine 
rle gaben Mon: 


vollitändige an feiner 
felet (1853) und Jacob (Par. 1875). _ 
Retimo, Stadt auf der Inſel Candia (f. d.). 
Retina (lat.), die Nephaut des Auges, j. unter 
Yuge, Bd. UL, ©. 197%, 
etinit, ein Erdharz, kommt vorzüglid in 
Brauntoblenlagern Be ic aber aud) in ber 
Steinkohle und im Torf gefunden. In Braunkohle 
trifft man ihn in der Gegend von Halle, zu Laubach 
am Vogelögebirge, zu Boney in Devonfhire, am 
Gape Sable in Maryland. Zu Rebnik in Böhmen 
lommt der R., obwohl felten, aud in Schieferkohle 
vor. In der Gegend von Dänabrüd bildet er eine 
Lage im Torf. Cr bildet gelbe, braune oder graue 
nicht troitalliniihe Maſſen, die bei geringem Gr: 
bigen ſchmelzen, mit Flamme brennen und dabei 
einen an Dolerit erinnernden Geruch entwideln. 
Hoͤchſt wahrſcheinlich ift der R. ein Gemenge ver: 
fchiedener Subftanzen, die zum Teil dem Baraffin 
und Dzolerit verwandt find. 
Retirade, |. Abort. 
Retirade (militäriih), |. Rüdzug. 
Retonfay, Dorf mit 370 lath. E. im deutfch: 
lothring. Landlreiſe Weh (bis 1871 zum Arrondiſſe⸗ 
ment Metz des franz. Depart. Mofelle gehörig), liegt 
10 km öftlih von Meß und war 31. Aug. und 
1. Sept. 1870 ein wichtiger Punkt in der Schlacht 
von Noifjeville (f. d.), die von den — meiſt 
Schlacht bei meidnjey genannt wird. 
etorfion (lat.) heißt die Etwiderung ber nad): 
teiligen Anordnungen des einen Staats gegen Un: 
terthanen eines andern Staats oder gegen Aus: 
länder überhaupt. Die R. iſt etwas ben Repreſſa⸗ 
lien (f. d.) Ühnfiches, nur daß bei diefen das Mert: 
mal des Bölterredhtäwidrigen — während 
die N. nur gegen erlaubte, aber ſchädliche Anord— 
nungen gebraudht wird. Wenn z. B. ein Staat 
überhaupt auswärtigen Erlenntniſſen die Voll— 
ftredung verfagt oder Ausländer in bürgerlichen 
Shuldiaden dem Arreft bloß darum, weil fie 
Ausländer find, unterwirft, oder von ins Ausland 
ehenden Hinterlafienf&haften Abſchoß (ſ. d.) erhebt, 
5 kann in andern Staaten ein gleiches Berfahren, 
wenn es aud) fonft gegen Ausländer im allgemei: 
nen nicht vorgefchrieben ift, genen die Untertyanen 


636 


diefed Staat? zur Wiebervergeltung beobachtet 
werben. Diergu bebürfen aber die Behörden be: 
fonderer Ermädtigung von feiten der höchſten 
Staatdautorität. N. find befonders zur Anwendung 

efommen, wenn ein Staat den Handel des andern 

urd Ein: und Ausfuhrverbote, hohe Zölle u. |. w. 
binderte, wo man dem Prohibitivſyſtem ein Ne: 
torſionsſyſtem entgegenjegte. Unter Privat: 
perionen iſt Die. verboten. (5. Rompenfation.) 

Netorfionszölle find Zölle, welche auf die Er— 
zeugnifle eines andern Landes gelegt werden, um 
gegen gewilje Zölle und fonftige handelspolit. Mai: 
regeln bes ge anzulämpfen und womöglid) die 
Bejeitigung derielben zu erreihen. Solde Zölle 
haben nicht immer die Bedeutung von Schubzöllen 
für das Inland, jondern es wird fidh bei der Aus- 
wahl derjelben nur darum handeln, den Gegner 
möglichit empfindlich zu treifen und demnad bie 
Hauptprodukte desielben, die im Inlande vielleicht 

ar nicht erzeugt werden, zu belaſten. Jedoch dür— 
en dieje auch wieder nicht joldye Waren fein, in 
denen das betreffende Land eine Art von Monopol 
befipt, weil fonit die Koften der Maßregel gänzlich 
von ben inländifchen Konjumenten getragen wer: 
den müßten. Ginigermaßen werben die —— 
freilich immer durch * Kampfmittel mit belaſtet 
werden und R. find daher im allgemeinen nur dann 
zu empfehlen, wenn man erwarten darf, dab fie, 
wenn auch nicht fofort, die beabfichtigte Wirkung 
hervorrufen und dadurd ihre Aufhebung möglich 
macden werden. Unter folden Vorausjegungen 
will auch Adam Smith fie ge lafjen. Oft ericei- 
nen die N. in Form von Differentialzufchlägen zu 
bereits bejtehenden Zöllen. So lönnen nad) dem 
deutſchen Zollgeieh von 1879 die Erzeugnifle folcher 
Staaten, die Deutjchland nicht als meijtbegünftigtite 
Nation behandeln, mit einem Zufchlag von 50 Proz. 
des tarifmäßigen Zolls belegt werben, 

‚Netorte da lat, retortus, umgebogen) heißt 
ein zum Gebrauch beim Deftillieren_beitimmtes, 
meiſt eiförmiges ®efäß mit engem, zur Seite geboge: 
nem Halfe, während der der X. ganz ähnliche Kolben 
einen geraden Hals hat. Dan fertigt die R., je nach 
den chem. Eigenſchaften der zu deitillierenden Fluſſig— 
leiten und Körper, aus den verſchiedenſten Mate— 
rialien, doch ſind die aus Glas die gebräuchlichſten, 
da fie zur Deſtillation aller Subftanzen gebraucht 
werden können, welde das Glas nicht angreifen, 
und die thun nur wenige, ober bei deren Deftilla: 
tion nicht eine Temperatur erforderlich ift, in der 
das Glas ſchmilzt. Haben die N. oben eine Öff: 
nung Pe Einfüllen (den Tubulus), welche fpäter 
verſchloſſen wird, jo nennt man fie tubulierte R. 
Zur fihern Stellung der R. beim Gebrauche bedient 
man fi der Retortenhalter. Die in den Schwefel: 
fäurefabrifen zur Konzentration der Säure dienen: 
ven R. find aus Platin. DieR. in den Gasfabrifen 
bejtehen aus langen, didwandigen, gufeifernen oder 
thönernen Gefäßen von ungefähr elliptifchem Quer: 
Ichnitt. Diefelben haben oben ein Rohr, durch wel: 
ches das entwidelte Gas abgeführt wird, und vorn 
eine mit einem Dedel zu verſchließende Öffnung zur 
Beſchickung. 

detorteneots, ſ. Gascoks. 

Netortengraphit it der in ben Retorten ber 
Gasfabrifen durch Jerfehung der kohlenftoffreichiten 
Dämpfe und Gafe ſich abſcheidende Koblenitoif, 
der wegen feiner fompalten ai bei An: 
fertigung galvanischer Elemente Verwendung findet, 


Netorfionzzölie — Netrograd 


Retonchieren (frz.) nennt man ſowohl das Auf: 
[siichen alter verblichener Gemälde und die erneuerte 
rauchbarmachung abgenuster Kupfer, Holz: oder 
Steinplatten, als auch das liberarbeiten eines 
neuen Bildes und bie Ichließliche libergehung der 
Platten nah dem Probedrud und vor dem Ge: 
braud. — In der Bhotographie bezeihnet man 
mit Retoudhieren das Überarbeiten der Abzüge 
in ſchwarzer Zufche, wobei Unebenheiten des Tons 
ausgeglihen, zu belle Stellen gedämpft, unklar 
erausgelonmene dagegen verichärft werden. Eine 
ejondere Art der photographiigen Netouche iſt die 
Negativretoudge. (5. KARIN, 
etouriwaren beißen in der Sprache der deut: 
ſchen Bollgefepgebung zollinländifche eugnifie 
oder Fabrilate, welche außer dem Meß: und Viartt- 
verfehr auf Beitellung, zum Kommiſſionsverlauf, 
zur Anficht, zu öffentlichen Ausjtellungen oder zun: 
vorübergehenden Gebraudh nad dem Ausland ge: 
fendet worden find und von dort zurüdtommen. 
Derartige R. können vom Cingangszoll, dem fie 
unterworfen jein würden, freigelaſſen werden, jo: 
fern fein Zweifel dawider beficht. dab biejelben 
Waren wieder eingehen, welche ausgegangen jind. 
Bol. Bereinszollgejeß vom 1. juli 1869, 5. 113. 
R. et P., bei naturhiitor. Namen Ablürzung 
für Hipolito Nuiz Lopez (geb. 1754 zu Belo: 
rada, geit. 1815 als Adjunkt am botan, Garten in 
Madrid) und Joſ ——— —— 
Retraite (frz.) heißt in der Militärſprache ber 
Nüdzug, dann aud) das Signal dazu. Auberdent 
nennt man R. das Kavallertefignal, das in Garni: 
ſonen gewöhnlid abends 9 Uhr gegeben wird, nadı 
dem kein Mann ohne Urlaub jein Quartier verlaſſen 
darf, In Heerlagern tritt nach der R., zu der meiit 
ein Kanonenſchuß, der Retraiteſchuß, das Zei: 
den gibt, volljtändige Nube ein. 
Retrakt oder Näherreht, aud Einftand, 
Abtrieb, Lofung ıc. genannt, ift im allgemei: 
nen die Befugnis jemandes, eine fremde, von ihrem 
Eigentümer an einen Dritten verlaufte Sade (in 
der Negel ein Grundjtüd) von diefem wie von 
jedem weitern Befiker gegen Erſaß de3 uriprüng: 
lien Kaufpreijes an ſich zu ziehen. Das Ketraft: 
redjt war ein eigentünlich deutſches Inſtitut, wel: 
ches die Intereſſen der Familie und anderer Kreiie, 
3. B. der Gemeindegenofjen, an der Erhaltung ihres 
Grundeigentums ſchützte. Es konnte entweder aus 
Privatwillkur (übeneinbuuft, Tejtament) oder aus 
gejeplicher Vorſchrift entipringen. Die Hauptarten 
de3 gefeplichen R. waren: 1) die Erblofung (retrac- 
tus gentilitius), welche den allernädjiten Inteſtat- 
erben des Verlaͤufers; 2) die Markloſung, melde 
den Mitbemohnern einer Gemeinde gegen auswär: 
tige Käufer zufteht; ferner 3) das — der 
N. eines Grundeigentümers hinſichtlich früher mit 
feinem Grundjtüd vereinigt geweſener Trennitüde; 
4) die ae en we ber Miteigentümer 
auch Ganerbenredht) oder der Zehn: oder Grund: 
jerren; 5) das Nächbarnrecht auf jeiten der An- 
—* eines Grundftüds. Das Retraltrecht erloſch 
in der Regel binnen Jahr und Tag. Neuere Geſetze 
haben in Ha allen deutichen Staaten den R. bis 
auf Be Reite mi Bol. Stobbe, «Hand: 
buch des deutichen Privatrecht3» (Bd. 2, 2. Aufl, 
Berl. 1883). Linien. 
Retrauchement (fr.), Verſchanzung, verſchanzte 
Retrocefſion, ſ. unter Seeverſicherung. 
Netrograd, ſ. Nüdläufig. 


R. et S. — NRettungshäufer 


R. et S., bei naturhiftor. Namen Abkürzung für 
Johann Yalob Römer (geb. 1763 in Züri, Arzt 
und Profefjor der Botanik dafelbit, geft. 1819) und 
Joſeph Auguſt Schultes (geb. 1773 in Wien, geit, 
als Profeſſor der Botanik in Landshut 1831). 

Retſchiza, Kirchdorf im Gouvernement Mos: 
fau, im Kreiſe Bronnizy, 29 km von ber Kreis— 
ftadt, mit 1695 E. und ſechs Porzellanfabriten. 
Die Umgegend ift reih an Thonerde. j 

Rettich (Raphanus), eine zur Familie der Cruci⸗ 
feren (Streuzblütler) ebörige und von verwandten 
Gattungen hauptſächlich durch die Schotenfrudht 
&arakterifierte Gattung. Lestere endet in einen 
fegele oder pfriemenförmigen Schnabel, Por 
nicht auf, it von einem weißen, marligen Gewebe 
erfüllt, welches pP en je zwei Samen eine Art 
von Scheidewand bildet, und zerfällt bei einigen 
Arten in einfamige Stüde. Die Blüten find weiß, 
gelb, rot oder violett und die Samenlappen rinni 
gefaltet. Die wichtigfte Art ift der Gartenretti 
(Raphanus sativus Z.), in Aſien einheimiſch, aber 
ſchon früh in unfere Gärten übergegangen. 
Schon Plinius rühmt die Größe der in Deutich: 
land erzogenen Nettihe. Der N. hat cine grobe 
fpindelförmige, rundliche oder lange, hartfleiſchige, 
ſcharf ſchmedende Wurzel mit dider, rauber Schale. 
Unter den zahlreihen Gartenformen untericheidet 
man je nad) der Kultur Herbft: und Winterrettiche, 
Die eritgenannten bilden den Übergang vom R. 
zum Radies; am beliebteiten ift der Wiener Mai: 
rettich. Der rotſchalige Herbitrettich zeichnet ſich 
durch einen fehr feinen, pikanten Geihmad aus, 
Unter den Winterrettichen wird der rofenrote, di: 
neſiſche mit cylindrifcher, langneihmwänzter Wurzel 
ſehr geſchätzt; namentlich die erfurter Sorten haben 
guten Auf. Cinige Sorten eignen fi vorzüglich 
gut zum Treiben, 3. B. der ftuttgarter mit runder 
und der ulmer mit ovaler, weißer Wurzel, 

Eine fhon im alten Rom beliebt geiwefene, in 
Italien entitandene Kulturform ift der Radies 
oder Monatärettich (Var. radicula) mit viel 
Hleinerer, bei den gleichfalls fehr zahlreichen Sorten 
fugeliger, platter, ovaler oder fpindelförmiger 
Wurzel von ſchwarzer, weißer, rofenroter, ſcharlach— 
roter oder auch halbweißer, halbroter Farbe. Zur 
Treiblultur werden vorzugsweije die Sorten mit 
Heinern Blättern benukt. Andere Sorten eignen 
fih mehr für den frühen, andere für den fpäten 
Anbau im freien Lande. Km übrigen unterfcheidet 
fi der Radied vom R. durch zarteres Fleiſch und 
mildern Gefhmad, Beide aber find mäßig —— 
eine geſunde, die Verdauung fördernde, Schleim 
löfende(Kettihbonbon), die Magennerven anregende 
Speije, vorzug&weife für den Frühſtückstiſch. Gine 
andere Art K. caudatus) mit jehr langen, genieh: 
baren, pifanten Schoten wird in Japan kultiviert 
und hat auch in europ. Gärten Gingang gefunden. 
Ein Sehr gefürdhtetes Aderunfraut it der Ader: 
rettich oder Hederich. Er wird 30—50 cm hoch 
und bat jteifbaarige Stengel und Blätter, einen 
aufrechten Kelch, gelbe, felten weiße Blütenblätter 
und eine harte, lederartige, aufrecht :abjtehende 
Schote, welche reif geworden in einſamige Stüde 

erfällt, Seine Ausrottung iſt, wo er einmal über: 

band genommen, jehr ſchwierig. Zu diefem Zwecke 
empfiehlt fi die von Ingermann in Koldemoos 
(Schleswig) erfundene Hederich-Fätemafchine. 

—** Julie), geborene Gley, ausgezeichnete 
deutſche Schaufpielerin, geb. 17. April 1809 zu 


637 


Hamburg, ward Tied3 Schülerin und betrat am 
22. Sept. 1825 als Margarete (« Hageftolzen ») un: 
ter allgemeinem Beifall die dresdener Hofbühne, 
für welche fie fofort engagiert wurde. Nachdem fie 
1326 in "rag, 1827 ın Hamburg gaftiert hatte, 
fpielte fie 1828 und 1829 mitgroßem Erfolgam Burg: 
theater in Wien und wurde, nachdem fie vorher 
in Dresden als Gretchen ihren Ruf als eine der 
eriten, tragiichen Liebhaberinnen begründet, aud) 
nod) in Berlin gaftiert hatte, 1830 für Wien en: 
gagiert, Hier vermäblte fie ih 1833 mit Karl R., 
Wi: mit diejem wieder nad) Dresden, kehrte aber 
nad zwei Jahren nad) Wien zurüd, um ein lebens: 
länglihes Engagement anzutreten. Nach Abgang 
Sopyie Schröders eu fie 1840 das Fach der 
Heldenmütter. Cie ftarb, feit Sept. 1865 der 
Bühne fern, 11. April 1866. Julie R. war eine 
der legten Vertreterinnen ber ibealütifchen Richtung 
in ber Schaufpieltunft. Als Darftellerin für den 
hohen Stil der Tragödie wußte fie vor allem dem 
idealen Schwunge der Schillerfchen Dramatik den 
entiprechenden Ausdrud zu geben. Neben dem Ge: 
mefjenen, Gehaltenen und Bathetifchen gelang ihr 
and das Scharfe und Bebeutfame. Außer den 
Schillerſchen und Leilingihen Dramen wandte fie 
fi auch der modernen Schaufpieldichtung zu. 

Kari R. Scauipieler, Gatte der vorigen, geb. 
3. Febr. 1805 zu Wien, betrat 1821 die Bühne des 
Hofbur theaters, das er 1824 verließ, um erft in 
Graz al3 eriter Held und Liebhaber, feit 1828 zu 
Kaſſel als arg Ludw. Löwes zu wirken; 1832 
lehrte er ana Hofburgtheater nach Wien zurüd, bes 
gleitete 1833 feine Gattin nad) Tresden und folgte 
ihr 1835 wieder nad Wien, wo er 1872 von der 
Bühne zurüdtrat und 17, Nov. 1878 ftarb. 

Nettungsapparate, die Geräte zur Menſchen— 
rettung bei Öruerägefabt n f. unter Feuerlöſch— 
wefen, Bd. VI, ©. 754°; die R. bei Seegefahr, 
f. unter Rettung3mwefen zur See, 

Nettungsboot nennt man ein Boot, welches 
dazu konitruiert ift, geftrandeten Schiffen vom Lande 
aus zu Hilfe zu kommen und deren Beſahungen zu 
retten, (S. unter Boot, Bd. IIL, ©. 324°.) 

Nettungshäufer it in Deutichland der ge: 
bräuchliche Name für diejenigen Anjtalten, welche 
e3 ſich zur Aufgabe maden, fittli ie 
Kinder zu beſſern und zu bilden. Ältere Anjtalten 
diefer Art finden fi in Nom in dem 1686 durd) 
Thom, Odescalchi geitifteten St. Michaelſpital, in 
London in der — Rob. Youngs von 1788. 
Für Deutſchland gaben den erften Anitoß zu ſolchen 
UAnftalten Fellenberg, Peſtalozzi und Joh. Falk. 
Unter Peſtalozzis Inſtituten zu Hofwyl in der deut: 
ihen Schweiz befand fih auch eine Erziehungs: 
anſtalt für arme und verwahrlofte Kinder, welche, 
—* deſſen Schüler Wehrli weiter en 
(Wehrli-:Schule), das Mufter für eine Neihe ähn: 
licher Anftalten geworden ift. In Deutichland war 
e3 zunächſt Wichern, der durd) feine 1833 bei Ham: 
burg gegründete Anjtalt, das Rauhe Haug (}. d.), 
die Idee des Nettungshaufes am umfaflendjten 
ausbildete. Durch Demeß und Bloret 1840 ge: 
ftiftet, entftand in Franfreih die Colonie agri- 
cole de jeunes dötenus zu Mettray, welche ſich 
in mehrere Töchteranftalten verzweigte, ſpäter in 
Delgien die Ecole de reforme zu Nunffeleede 
(1849), in Holland_Suringars Anftalt Neder- 
landsch Mettray, in Deutichland eine ganze Menge 
größerer und Heinerer Anjtalten, fait ſämtlich auf 


638 


dem Wege der je Vereinsthätigfeit, namentlic) 
durch die Beitalozzi-Bereine, durch die Anhänger der 
itrenggläubigen Richtung, weniger durch die freien 
lirchlichen Genofienihaften. Auch in Nordamerika 
iſt man in der Ausbildung diefer und ähnlicher 


Inftitute weit vorgeſchritten. In England jtand 


Sidney Turner mit der von ihm in Reading ge: 
gründeten Anjtalt an der Spike der gleichen Bes 
Itrebungen. Vielfach ſteht die Einrichtung der R. im 
Zufammenhang mit Beilerungs oder Erziehungs: 
vereinen, deren 1877 in Deutſchland 41 beitanden 
(17 davon in ir age Das Syitem, welches man 
in diefen Anjtalten verfolgt, beſteht hauptſächlich 
darin, daß man die finder, neben der Unterwei: 
jung in den notwendigiten Kenntniſſen und der An: 
leitung zum religiöfen Denken und Empfinden, 
auch in praltifchen Fertigkeiten, bejonders im Land: 
und Gartenbau, fowie in gewiſſen handwerlsmäßi: 
gen und andern Arbeiten fürs Haus übt, teild um 
ihnen ihr künftige Fortlommen im Leben zu er: 
leichtern, teil® weil man ſolche Beihäftigungen, 
nad) feiter Regel und unter ſtrenger Aufficht betrie: 
ben, für ein vorzüglihes Mittel zur Ausbildung 
des fittlihen Willens, der Drbnungsliebe und des 
Fleibes hält. Dabei fucht man das Verhältnis ber 
Zöglinge zu dem Vorjtehenden der Anitalt mög: 
lichſt dem Familienleben nachzubilden, teilt deshalb 
auch die Zöglinge gewöhnlid in einzelne Gruppen 
oder Familien (zu 12—20 Perionen), deren jede, 
mit einem «Hausvater» an der Spibe, eine von den 
Zöglingen felbit zu —— irtihaftsführung 
bat, —2 in Scan reich und Belgien eine mehr 
militäriſche Disciplin erjtrebt wird. Dies alles 
aber geſchieht auf unmittelbar praltiſche Art, durch 
Übung der entiprechenden Organe, Anlagen und 
Neigungen de3 jugendliden Geiſtes. Aus diefem 
Grunde —— auch die vorgeſchrittenern und 
erprobten Zöglinge zu Mitaufjehern der einzelnen 
Gruppen und zu Leitern der gemeinſchaftlichen Ar: 
beiten. Ohne Zweifel find diefe und ähnlide An: 
ftalten ein Zeitbedürfnis, zumal ſeitdem ſich überall 
die Zahl der jugendlichen Verbrecher auffällig mehrt. 
Das Deutfche Reichsſtrafgeſetzbuch geitattet (S. 56), 
Angeſchuldigte im Alter zwifchen 12 und 18 Jahren 
auch nad) erfolgter Freiſprechung einer Beilerungs: 
oder Rettungsanftalt zu überweifen und dort nad 
Ermeſſen der Verwaltungsbehörde bi3 zum voll 
endeten 20. Lebensjahre Ir Iten. Kinder unter 
12 jahren können dur ihluß der Vormund⸗ 
ſchafts m. einer Erziehungs: ober Beilerungs: 
anitalt überwiejen werden. Die volljtändigite Über: 
ſicht über die in allen Kulturſtaaten beftehenden R. 
gab der Amerikaner Wines («The state of prisons 
and child-saring institutions in the civilized 
world», Cambridge 1880). 

Nettungdmedaillen, Ehrenzeichen für die Net: 
tung eines Menſchen mit eigener Lebensgefahr, 
welche in den meilten deutfchen Staaten von dem 
Landesherrn verliehen werben. 

‚ Rettungdtvefen zur See verbantt feine Ein: 
rihtung einer Anzahl von Privatgeſellſchaften, 
weldye an den gefährlichften Küftenpunften des noͤrdl. 
und weitl. Guropa Rettungsftationen mit den 
dazugehörigen Apparaten unterhalten und bie 
Nettungsmannfhaften, aus beherzten, kräftigen 
Männern der nädjften Umgebung beitehend, aus: 
bilden und entihädigen. Die Veranlaſſung zur 
Gründung einer Gejelliaft zur Rettung Schiff: 
brüdiger war 1789 der lintergang des Schiffes 


Rettungsmedaillen — Rep (Albert de Gondy) 


Adventure nebit Bejakung an der Tynemünbung 
in England. Doch blieb bis 1823 das R. ohne 
Belang. Grit 1824 (24. März) wurde auf An: 
regung Sir William Hillarys die National Insti- 
tution for the Preservation of Life from Ship- 
wreck gegründet, aus welcher ſich 1854 die Royal 
National Life-Boat Institution for the Preser- 
vation of Life from Shipwreck bildete. Die engl. 
Gejellihaft zur Rettung Schiffbrüchiger zählte 1851 
bereitö 284 Nettungsboote mit im ganzen 31355 
geretteten Menfchenleben. 

In Frankreich wurde 1865 die Societs centrale 
de Sauvetage des naufrages gegründet, nachdem 
[gen feit 1825 Boote von Brivatgejellipaften und 
Mörſer feit 1846 im Gebraud waren. Im J. 1885 
befaß Frankreich 67 Nettungsitationen, 399 Sta: 
tionen mit Kanonen, rejp. Pfeilapparaten, mit 
denen 3400 Menjcenleben gerettet find, 

Die Deutiche Gejellihart zur Rettung Ch: 
brüdiger wurde 29. Mai 1865 in Kiel gegründet. 
Unter dem ‘Proteftorat des Deutſchen Kaiſers 
itehend, zählte die Geiellichaft 1885 44305 Mit: 
glieder mit 137843 Mark Einnahme. Es beitanden 
IHRettungsftationen, darunter 35 Doppelftationen, 
d. h. ſolche, welche mit Nettungsbooten und Ha: 
fetenapparaten ausgerüjtet find, 45 Rettungsboot: 
rg und 19 Rafetenjtationen. Gerettet wur: 

en bis 1. April 1885 bereits 1546 Berjonen. Bel: 
ien, Holland, Dänemark, Schweden und Rußland 
Folgten dem Beiipiel Deutichlands und befigen gleich: 
fall3 eine entfprechende Anzahl Rettungsitationen. 
u den Rettungsapparaten gehören haupt: 
fädhlich Rettungsboote (}. unter Boot), Rettungs: 
geihofle (f. Raketenapparate) nebjt Signal: 
und Beleudhtungsapparaten und Rettungsbojen, 
Korkjaden, Gürtel u. ſ. w. 

* Lewis, «The life-boat and its work» 
(2ond. 1874); Schumader, «Das Rettungsweien » 
(Berl, 1868); A. Wagner, «Nautiihe Blätter» 
(Dans. 1866); « Annual report of the Royal Na- 
tional Life-Boat Institution for 1885»; «Report 
of the operations of the United States Life-Saving 
Service 1880— 84»; «Bon den lüften und aus 
See» (Drgan der Deutſchen Gejellihaft zur Ret: 
bung Schiffbrũchiger, Brem. 1884— 85). 

ei lirrig Rös), Stadt in der Bezirlshaupt: 
mannſchaft Oberhollabrunn in Niederöfterreich, 
an ber Ditfeite des Manhartsbergs, Station der 
Linie Wien-Tetſchen der Öfterreihifchen Rorbweit: 
bahn, ift Sik eines Bezirksgerichts und zählt (1880) 
1285 E., die bedeutenden Weinbau treiben. Die 
Meine in der Umgebung gelten für die beiten an 
der nördl. donaufeie und find im Handel die bei 
weiten verbreitetiten. Die ausgedehnten Keller: 
geil unter der Stabt, zumeift ohne Stügen in 

5 gehauen, find eine Sehenswürdigkeit. 

Net (Albert de Gondy, Herzog von R.), Mar: 
ſchall und Pair von Franfreih, geb. 4. Nov. 1522 
N Florenz, entftammte einer alten Batricierfamilie. 

er Vater, den Handelsgejhäfte nad Lyon führ: 
ten, fam durch Katharina Medici, die jeine Ge: 
mablin zur Erzieherin ne Kinder machte, mit jei: 
ner Familie an den Hof (1547). Sein älteiter 
Sohn, Albert, brachte 1565 durch Heirat die von 
Ludwig XIV. zum Pairieherzogtum erhobene Ba: 
ronie R. im heutigen Depart. Unterloire an fich. 
Gr kämpfte gegen die Hugenotten bei St.:Denis, 
Jarnac, Moncontour, belagerte 1572 Rodelle von 
der See her und erbielt 1573 mit dem Marſchalls— 


Nep (Jean Frangois Paul de Gondy) — Retzſch 


itabe das Gouvernement Meb. Damals dominierte 
er neben der tönigin-Mutter in Frankreich. Spä— 
ter fchloß er fi Heinridh von Anjou auf der Kö— 
nigsfahrt nad Polen an, und fam abermals in 
Franlreich zur Macht, als Heinrich ſelbſt hier den 
Thron beitieg. Als Heinrid, III. ermordet war, 
jäumte R. nicht, mit Heinrid von Bourbon Frieden 
zu machen, unter dem er hochgeehrt bis an jeinen 
Tod (ju Paris 12. April 1602) lebte, s 

Re (Jean Franzois Paul de Gondy, Kardinal 
von), Teilnehmer an den Unruhen der Fronde, 
ftanımte aus derjelben Samilie, wie der vorher: 
gehende, und wurde 1614 zu Montmirail geboren. 
Sein Bater, Emmanuel de Gondy, war Ge: 
neral der eren. R. war für den geiltlichen 
Stand bejtimmt, empfand aber troß ausgezeichneter 
Begabung eine unüberwindliche Abneigung gegen 
den geijtlihen Beruf. Nachdem er fid) 1643 den 
Grad eines Doltor3 der Theologie an der Gor- 
bonne erworben, wurde er zum Koadjutor des Erz⸗ 
biichof3 von Paris, feines Dheims, ernannt. In 
diejer Stellung blieb er, was er war, ausſchweifend, 
ehrgeizig, rebelliih. Schon gegen Richelieu hatte 
er mit Soiſſons fonipiriert. Als ihn dann Ma: 
zarin aus der Gunft der Königin verdrängte, dedte 
er jeine Gefinnung mit den tırdlichen Intereſſen, 
deren Bertretung er fi mit Eifer a m. Se 
wurden Thomas Bedet und Ambrofius jeine Bor: 
bilder. Ein feuriger Redner, juchte er von der Karıs 
zel und in klerilalen Verfammlungen zu wirten, 
ohne jedoch in feinem Leben feinen heiligen Bor: 
bildern irgendwie nachzule So warb 1648 die 
Fronde (f. d.) ber rechte Turmmelplap für ihn. Gin 
geiftlicher Demagpae, beste er die Bevölferung von 
Varis gegen die Regierung, mijchte fi unter das 
Bolt und galt neben dem Prinzen von Condé (f. d.) 
al3 da3 Haupt der Bewegung. Nach der Rücklehr 
des Hofs (1650) verlieh ihm der Papſt die Kar: 
dinalswürde, die eigentlich Mazarin zu erlangen 
gehofft hatte. Weil X. der Mittelpunkt aller gegen 
ihn gerichteten Intriguen blieb, ließ Mazarin ihn 
endlich 1652 verhaften und in die Baitille bringen, 
aus welcher R. nad) 15 Monaten auf das Schloß 
zu Nantes verjeht wurde. Hier entwich er jedoch 
und lebte nun lange Jahre im Auslande, anfangs 
in Rom, fpäter in Bejancon und den Niederlanden. 
Erſt nah Mazarind Tode verjtattete ihm Lub- 
wig XIV. die Nüdfehr nah Frankreich (1662). 
Freiwillig gab er jest feine Anfprüce auf das Erz⸗ 
bistum von Paris auf und erhielt dafür die Abtei 
St.:Tenid. Im J. 1665 erhielt er Zutritt bei 
Hof, lebte aber meiſt auf feinen Befisungen, bejon: 
ders in Commercy, jtet3 umgeben von ergebenen 
Anhängern, lebendig und geiftvoll, Freund des 
Wibes und der Galanterien, liebenswürdig, ſelbſt⸗ 
gefällig und pietätlos. Sein Hauptwerk, die Me: 
a 2 diejer Jahre (am vollftändigften 
4 Dde., Bar. 1859). Mit Meilterihaft hat er die 
Greigniffe und Berfönlichleiten des Zeitalters darin 
geſchildert. Bgl. Gazier, «Les dernieres annees 
du cardinal de R., 1655— 7% (Bar. 1876) ; Chan: 
telauze, «Le cardinal RB, et Vaffaire du chapean, 
etude historique suivie des correspondances in- 
édites deR., de Mazarin etc,» (2 Bde., Bar. 1878); 
Ghiruel, «Histoire de France sous le ministöre de 
Mazarin» (3 Bbe., Par. 1882). 

Che die Baronie Reh an die Familie Gondy 
fam, gehörte biefelbe der Familie Laval, einem 
Zweige des Geſchlechts Montmorency (f. d.). Be: 


639 


rüchtigt durch feine finftern Verbrechen ift Gilles 
de Laval, Baron von Retz oder Rayz, Mar: 
ſchall von Franlreich. Derjelbe wurde um 1396 
neboren, zeichnete fich unter Karl VII. gegen die 
Engländer, namentlich bei Orleans aus, mo er an 
der Seite der Jungfrau foht, und erbielt fpäter 
den Marſchallsſtab. Durch aroben Aufwand zu 
Grunde gerichtet, zog er fich auf fein Schloß in ber 
Gegend von Nantes zurüd. Hier erhoben ſich all: 
mählich dunlle Gerüchte von unerhörten Schanb: 
thaten, die er verüben jollte, ſodaß ihn endlid) der 
Biihof von Nantes vor einer gemiſchten Kommif: 
fion zur Rechenſchaft zog. Es ergab jih, daß R. 
jeit 14 jahren mehrere hundert Kinder in fein 
Schloß gelodt und dort einer unnatürlichen Wollujt 
geopfent hatte, R. wurde endlich dem weltlichen 
rme übergeben und durch ein Urteil vom 25. Olt. 
1440 zum Feuertod verdammt. Man erwürgte ihn 
jedoch vorher und ſehte den Leichnam nur kurze Zeit 
auf dem Sceiterhaufen aus, um die Familie nicht 
zu entehren. Das lat. Manuftript über diejen 
merkvürdigen Prozeß befindet fi ‚in dem Archiv 
der Präfeltur zu Nantes. 
Retz., bei naturwiſſenſchaftlichen Ramen Ab: 
fürzung für Anders Johan Reßius. 
etzbach, ;sleden im bayr. Regierungsbezirk 


st | Uinterfranten, Bezirlsamt Karlftabt, rechts am 


Main, Station der Linie Würzburg⸗Aſchaffenburg 
der Bayrifchen Staatsbahnen, iſt ein Wallfahrts: 
ort, zählt (1880) 1073 G. und hat Weinbau. 

Nezind (Anders Adolf), berühmter ſchwed. 
Anatom und Naturforfcher, Sohn des ebenfalls 
al3 Naturforscher befannten Profeſſors Anders 
Johan R. zu Lund (geb. 1742, geit. 1821), wurde 
13. Dt. 1796 in Lund geboren und jludierte da: 
ſelbſt, fomie in Kopenhagen. 3. 1820 wurde 
er Lehrer bei der Beterinäranitalt in Stodholm, 
wo er ein anatom. Mufeum einrichtete, 1824 Pro: 
fellor der Anatomie und Phyſiologie am Haroli: 
nischen Inſtitut, fowie auch 1839 an der Afademie 
der [hönen Künfte, Er ftarb 18. April 1860. Die 
meijten feiner die Anatomie betreffenden Schriften 
erichienen in Johannes Vüller3 «Archiv». In der 
[pätern Zeit befhäftigte er fi hauptſächlich mit 

er Ethnographie. Seine Einteilung des Menſchen— 
geſchlechts nach der Form des Schädel3 in Dolidhe: 
cephalen und Brachycephalen machte ihn beſonders 
berühmt und wurde fajt überall anerkannt. R.' 
etbnograph. Schriften find gefammelt in «Svenska 
Fe nt erg elagen wer 
Sein Sohn Magnus Guftav gab davon eine Pracht⸗ 
ausgabe in deutſcher Sprache («Ethnolog. Schriften 
von Anders R.», redigiert und teilweife überfeht 
von Friſch, Stodh. und Lpz. 1864) heraus. * 
Park vor dem Karoliniſchen Inſtitut zu Stodholm 
wurde R. 1863 eine bronzene Büfte errichtet. 

Sein Sohn Magnus Guftav R., geb. 27. Dit. 
1842, feit 1877 Profeſſor der Hiftologte am Karo: 
linifchen Inſtitut, hat ſich durch feine im Verein mit 
Profefior Arelftey 1875 herausgegebenen «Studien 
in der Anatomie des Nervenjyftems und des Binde: 

ewebes⸗ einen Namen erworben. Ferner veröffent: 
ihte er «Anatomijche Unterfuchungen» (I. «Das 
Gehörorgen der Knochenfiſche⸗, Stodh. 1872) und 
«Finska Kranier» (Stodh. 1878). 

Retzſch (Moris), Zeichner, Maler und Radierer, 
geb. zu Dresden 9. Dez. 1779, ftudierte an der dor: 
tigen Kunſtalademie hauptſächlich unter Leitung de 
Profeſſors Graſſi. Vorzüglich waren e3 Gegenftände 


640 


aus dem Gebiet der romantiſchen Richtung, die er 
zur Daritellung wählte, Andere Arbeiten betreffen 
mytholog. Stoffe, 3. B. Bachus als Kind auf dem 
Panther ichlafend, Diana, ein lebensgroßes Anies 
ftüd, Amor und ode, die fih auf Wollen um— 
armen, ſämtlich Bilder, die ſich eg edle Formen 
und anmutiges Kolorit auszeichnen. Bor allem aber 
machte er ih berühmt durd feine Illuſtrationen zu 
großen Dichterwerten, fämtlich in Umriſſen, zunächſt 
zu Goethes «Fauit», beitehend in 26 radierten Blät: 
tern (1812; 2. verm. Aufl. 1834), die durch Nach— 
ſtiche auch in England und Frankreich R.s Ruf be: 
gründeten. R. wurde 1816 Mitglied der Dresdener 
Kunitatademie, 1824 Profeſſor an derjelben und 
übernahm 1822 von Cotta in Stuttgart den Auf: 
trag, Schillers Werke mit Umriſſen zu begleiten. 
Eeitdem ließ er eine Neihe radierter Blätter zu dem 
«Gang nad) dem Gijenhammer» und zu dem «flampf 
mit dem Draden», zum «Pegafus im Jode» und 
zum «Lied von der Glode» erfcheinen. Auch be: 
ann er eine «Galerie zu Shalipeares dramatiichen 
terten» (%p3.182779.). Außerdem hat er auch Bür: 
ers Balladen illujtriert und zwei Hefte «Phanta: 
ten», «Ter Kampf des Lichts und der Finjternis» 
(2p3. 1846) und mehrere einzelne Blätter heraus: 
gegeben, worunter die berühmten «Schadhipieler» 
(Lp3. 1836) das wertvollfte. Sein Cyllus von Dar: 
ftellungen des menſchlichen Lebens (ſechs radierte 
Blätter) wurde von Jameſon (Lond. 1834) heraus: 
gegeben. Gr ftarb 11. Juni 1857 zu Dresden. 
Sein Bruder Karl Heinrih R. (geb. 1777, 
geit. 1835) ijt als Landſchaſtsmaler belannt. 
Neuchlin (Herm.), Geſchichtſchreiber, geb. 
9. jan. 1810 zu Kann zer bei Stuttgart, 
—— zu Tübingen Theologie, war 1842—57 
farrer zu Birandorf bei Tübingen und lebte dann 
bis zu feinem 14. Mai 1873 erfolgten Tode als Bri: 
vatmann in Stuttgart. Unter feinen Werten find 
unennen: «Das —— in Franlreich inner: 
bat und außerhalb der Kirche» (Hamb. 1837), 
«Geihichte von Port:Royal» (2 Bde., Hamb, 
1839—44), «Pascals Leben und der Geijt feiner 
Eriften» (Stuttg. 1840), »Geſchichte taliens von 
der Gründung der regierenden Dynajtien bis zur 
Gegenwart» (4 Bde., Lpz. 1859— 74), «Lebensbilder 
jur Zeitgeihichte» (3 Bde, Nördl. 1861—62). 
Reuchlin Bo), gräciliert auh Ca n; nio ge 
nannt, einer der eriten und thätigften Beförderer 
ber alten Litteratur in Deutichland und Vorarbeiter 
der Reformation, geb. 28. Dez. 1455 zu Pforzheim, 
bejuchte die Schule zu Schlettitadt, ftudierte in 
sreiburg und Paris und wurde fpäter feines Ge: 
fangs wegen in die Kapelle de3 Markgrafen Karl 
von Baden aufgenommten, Diefer wählte ihn nad): 
ber zum Reifegefährten feines Sohnes, mit dem er 
fi 1473 zunächſt nach Paris begab. Später ging 
er 1478 nochmals nad) Frankreich, ftudierte zu Or: 
ltans die Rechte und trat 1481 zu Tübingen als 
—— der Juxisprudenz und ſchönen — — 
auf. Dann bereiſte er im Gefolge Eberhards des 
en von Württemberg mehrmals |talien, mo 
er vielfach mit den ital, Humaniiten in Berührung 
lam. Nad Eberhards Tode lebte er am Sofe des 
—— Philipp von der Pfalz, Als dieſer durch 
Berleumdungen am röm. Hofe in den Bann fiel, 
reilte R. ſelbſt nochmals nad Rom und bemwirfte 
ier durch r und beredte Verteidigung die Los— 
prechung desielben. Hierauf befleidete er 11 Jahre 
ang die Stelle eines VBorfigenden beim fhwäb, 


Neuchlin (Herm.) — Neudlin (Joh.) 


Bundesgericht. Beſonders wendete er fi eifrig 
dem Studium der bebr. Sprade zu und gab da: 
durch Anlaß zu dem berühmten Humaniftenftreit, 
welcher der deutichen Sicformation den Weg berei: 
tete, Als er den Vorſchlag des getauften Juden 
Johann Pfefferkorn, alle jüd. Bücher außer der 
bebr. Bibel zu verbrennen, entgegentrat, verfiel er 
den bitterjten Anfeindungen von feiten der Domi: 
nifaner in Köln, vor allen des Keherrichters Jalob 
van Hoogſtraten (ſ. d.), die einen langjährigen 
Streit berbeifübeten, Auf die Seite der Domini: 
faner traten die Univerfitäten Paris, Löwen, Gr: 
furt und Mainz; für N, ergriffen die aufgetlärteiten 
Männer aller Länder Vartei. Als der Kampf feine 
Spite erreicht und felbit die vermittelnden Schritte, 
welche Kaifer Marimilian beim Papſte that, obne 
Grfolg blieben, erhoben ſich Franz von Eidingen 
und Ulrih von Hutten fräftig gegen die blinden 
Giferer, dieinden »Epistolae obscurorum virorum» 
(Erotus Rubeanus) gegeielt wurden. In neue Un: 
ruhen geriet R., ald Herzog Ulrich die zum Schwä— 
biichen Bunde gehörige Stadt Neutlingen befriegte. 
Obgleich N. feine Stelle al3 Bundesrichter nieder: 
gelegt hatte, wurde er dennoch gelangen genommen. 
llein der Herzog Wilhelm von Bayern fchentte 
ihm die Freiheit wieder und ernannte ihn 1520 
au Profejlor an der Univerfität Ingolftadt, Bei 
em 1522 in Ingolftadt erfolgten Ausbruch der 
Peſt ging er nach Tübingen, erfranfte aber bald an 
der Gelbſucht, von der er vergeblich im Bade Lie- 
benzell bei Hirſchau Heilung ſuchte; er ftarb dafelbit 
30. Juni 1522. Seine ausgezeichnete Bibliothek 
hatte er feiner Vateritadt Pforzheim vermadıt. 

R. hat auf die beſſere Beftaltung des Schulweſens 
in Deutfchland namentlid) durch Anfertigung zwed⸗ 
mäßiger Clementarbüdyer jür die Erlernung der 
alten Spraden einen entſchiedenen Einfluß aus— 
geübt. In der — Grammatik begründete er 
eine eigene Ausfprade der Diphthongen, die der 
Ausſprache der Neugriehen am nächſſen jteht und 
nad ihn die Reudliniihe Ausfprade oder 
auch wegen des darin vorberrichenden Lautes des J 
der Itazismus (f.d.) genannt wird. Unter feinen 
Den Schriften find zu nennen: eine Ausgabe von 

enophons «Apologie de3 Sokrates, Agelilaus und 
Hiero» (Hagenau 1520), mehrere lat. Überfehungen 
griech. Schriftiteller, die «Micropaedia, sive gram- 
matica Graeca» (Orleans 1478); ferner «Brevi- 
loquus sive dietionarium, singulas voces Latinas 
breviter explicans» (Baſ. 1478), die «Rudimenta 
Hebraica» (Pforzh. 1506) und die Edhrift «De 
accentibus et orthographia Hebraeorum libri III» 
(Hagenau 1518). Seine Ausgabe der fieben Buß: 
vfalmen (Tüb. 1512) hält man für den eriten bebr. 
Drud in Deutihland, Die jüd. Geheimlehre be— 
handelte er in den Merfen «De arte cabbalistica 
libri Ill» (Hagenau 1517) und «De verbo mirifico» 
(Baf, 1494). Einer weiten Verbreitung erfreute ſich 
fein ſatiriſches Luftipiel «Sergius, sive capitis ca- 
put» (Pforzh. 1507), worin die Praffenberricaft in 
ihrer Blöfe gezeigt wird. Sein Leben und Wirken 
haben Gehres (Karlsr. 1815), —— (Berl. 
1830), welcher lettere auch «R.3 Augenipiegel» 
(Berl. 1836) heraus — hat, und Lamey (Bon 
1855) dargeftellt. % . 2. Geiger, «Johann R., fein 
Leben und feine Werte» (£pz. 1871); derjelbe gab 
aud «Johann R.s Briefwechiel» (Stuttg. 1875) 
heraus; Horawitz, «Zur Biographie und Korreipons 
benz Johannes R.3» (Wien 1877), 


Reudnig — Reunion 


Neudnitz, ftabtähnliches ng in ber ſächſ. 
Kreids und Amtshauptmannidaft Leipzig, ſtößt 
unmittelbar an die Djtvoritadt Leipzigs, Bat eine 
—— neue Kirche in got. Stil, eine Realſchule, 
edeutende Fabriletabliſſements, wie Maidinen: 
bauerei, Eiſengießerei, Zintgießerei, Bierbrauerei, 
Fournierſchneidewerle, Fabrilen für Nhmaſqhinen, 
ußſtahlfeilen, Lampen, Reiſeloffer, Parfumerien, 
Bruͤckenwagen, Wachstuch und Cigarren, zählt 
(1885) 19019 E. und iſt mit Leipzig durch Pferdes 
bahn verbunden. Unmittelbar mit R. pangen zu: 
fammen die Dörfer Neureubnig, Thonberg, Volt: 
marsdorf, Neufhönefeld, Anger:Crottendorf und 
Neuftadt, weldhe früher mit R. weientlich die 109. 
— (f. d.) bildeten, [von Reuentbal. 
euenthal (Neidhart von), j. Neidhart 
Neugeld, f Abftandageld und Arrha. 
Neukauf, |. unter Neuvertrag. 
Neuleaug (Franz), ausgezeichneter Techniler, 
geb. 30. Sept. 1829 zu Ejchweiler bei Aachen, ftu: 
dierte an der Bolytehniihen Schule zu Karlsruhe 
Maſchinenbaulunde, widmete fih dann 1852 — 54 
in Berlin und Bonn philof. Studien, war hierauf 
als praltiſcher ‘= enieur thätig und wurde 1856 
Brofeflor der V lsnhentunse in Zürid. Im 
%. 1864 wurde er für dasjelbe Jah und für die 
von ihm auf neue Grundlagen geitellte und zur 
bejondern Disciplin erhobene Maſchinengetriebe⸗ 
lehre oder Rinematit zum Lehrer am lönigl. Ge: 
werbe⸗Inſtitut (feit 1865 Gewerbe: Altademie) zu 
Berlin ernannt. In demfelben Jahre wurde er 
Mitglied der lönigl. tehnifhen Deputation für 
Gewerbe, in welder er für die Umgeftaltung des 
Patentweſens eifrig eintrat. Im J. 1867 fungierte 
NR. als Mitglieb der Dur der Weltausftellung zu 
Paris; 1868 erfolgte feine Ernennung zum Direktor 
der lonigl. Gewerbe:Alademie unter Erhebung zum 
Geh. Regierungsrat. Auch auf den internationalen 
Ausftellungen zu Wien (1873) und zu Philadelphia 
(1876) fungierte er als —— lied. R. belleidet 
und belleidete außer feiner Lehrthatigleit noch eine 
Reihe wichtiger Staatsämter; fo war er 3. B. bis 
1884 Mitglied des daiſerl. Patentamts wie ber 
tönigl. tin Oberprüfungstommiifion, und 
leitete als Reichslommiſſar die deutiche Beteiligung 
an den Weltausitellungen in Sydney und Mel— 
bourne 1879—81, wo beidemal die deutihe In⸗ 
duftrie ausgezeichnete vlg erntete. Won feinen 
techniſch⸗wiſſenſchaftlichen Werten find zu nennen: 
«Konjtrultionslehre für den Mafchinenbau» (im 
Berein mit Moll, Braunſchw. 1854— 62), «Kon: 
ftrultion und Berechnung der für den Maſchinen⸗ 
bau wichtigiten Federarten» (Winterthur 1857), 
«Ronftrulteur» (3. Aufl, Braunſchw. 1871) und 
fein wiſſenſchaftliches Hauptwert: «Theoretiſche 
Kinematit» (Braunſchw, 1875). Seine 1876 von 
Philadelphia aus für die «National - Zeitung» 
———— Ausſtellungsberichte, welche wegen 
er Strenge und Offenheit, mit denen er die da— 
maligen Schäden der deutſchen Induſtrie («billig 
und jchlecht — Aufſehen erregten, ſind 
unter dem Titel: «Briefe aus Philadelphia » 
Braunſchw. 1877) gefammelt erihienen; als «Er: 
innerungsblätter» von einem Teil feiner Welt: 
reifen veröffentlichte er feine lebendig gefchriebene 
Reiſe «Quer durch Indien» (Berl. 1884). 
eumont (Alfred von), geiftvoller Schrift: 
fteller,, bejonder3 verdient um die ital. Geſchichte 
und Aunft, geb. 15. Aug. 1808 zu Aachen, wo fein 
Gonverjationd-Legilon. 13. Auf. XIIL 


64 


Vater Medizinalrat und Brunnenarzt war, ftubierte 
zu Bonn und Heidelberg und ging Anfang 1820 
al3 Selretär des preuß. Gefandten von Martens 
nad) Florenz, 1832 nad Ronftantinopel, bereite 
Griechenland und die Joniſchen Infeln, und wurde 
1835 in das auswärtige Dinifterium gezogen. Sm 
3. 1836 ber Geſandtſchaft in Nom attadjiert, blieb 
er in diefem Verhältnis, teild in Nom, teils in 
ölorenz, bis 1843, wo er zum Legationsrat im Mis 
nifterium und im Kabinett Friedrich Wilhelms IV, 
ernannt ward, den er im Herbſt 1847 nad) Cber: 
italien begleitete. Bon 1849 bis 1851 war R. Ge: 
fhäftsträger bei Bapft Pius IX., erft in Gaẽta und 
Neapel, dann in Rom, worauf er den Bolten eines 
Minifterrefidenten an den Höfen von Florenz, Mo: 
dena und Barma erhielt. Während der langwie: 
rigen lekten Krankheit des Königs war er 1858—59 
deſſen Begleiter in Deutichland und Italien. Seit 
1860 lebt er, von diplomatiſchen Geſchaften zurüd: 
ezogen, teil3 in feiner neh Heimat, wo er Vor: 
(ie er des Aachener Geſchichtsvereins iſt, teils in 
talien, wiſſenſchaftlichen, meift der ital. Geſchichte 
gewidmeten Arbeiten. Unter feinen zablreiden 
Schriften find zu nennen: «Röm. Briefe von einem 
Slorentiner» (4 Bde., Lpz. 1840—44), «Die Carafa 
von Maddaloni» (2 Bde,, Berl, 1851), «Beiträge 
zur ital. Gefhichte» (6 Bde. Berl. 1853 — 57), 
«Die Jugend Hatharinas de’ Medicis (Berl. N 
«Die Gräfin von Albany» (2 Bde., Berl. 1860), 
„Beitgenofien» (Berl. 1862), «Geſchichte der Stabt 
Rom» (3 Bde. Berl. 1867—70), «Lorenzo be’ Me: 
dici il Magnifico» (2 Bde., Lpz. 1874; 2. Aufl. 
1883), «Geſchichte Zoscanad» (2 Bde., Gotha. 
1876— 77),«Biograpbiiche Dentblätter» (epa.1878), 
«Vittoria Colonna» (freiburg 1881; ital., Turin 
1883), «Aus Konig Friedrich Wilhelms IV. ge 
funden und franten Tagen» (Lpz. 1885). Unter jeis 
nem alademifhen Namen Jtatius Lemniacus 
gab er (Berl. 1872) eine libertragung von Rutilius 
«De reditu» mit Kommentar heraus. 8 ital. 
Sprache erſchienen von ihm, außer zahlreichen Beis 
trägen zum «Archivio storico italiano», «Tavole 
cronologiche e sincrone della storia fiorentina» 
(Flox. 1841), «Della Diplomazia italiana » (Flor. 
1856), «Bibliografia dei lavori pubblicati in 
Germania sulla storia d’Italia» (Berl. 1863) und 
«Saggi di storia e letteratura» (Flor. 1881). 
Neunion, vor der Franzöfifhen Revolution 
und 1814—48 Isle Bourbon, 1809-14 Iſsle 
Bonaparte genannt, füdlichfte der bei Afrika im 
Indiſchen Ocean gelegenen Mascareneninieln, eine 
der wichtigſten a. ———— unter 73° 
öſtl. 2. und 21° füdl. Br., 140 km im SW. von 
Mauritius, 560 km öftlid von Mabagaslar, bat 
ein Areal von 2512 qkm und von SD. gegen NW. 
eine elliptiiche gem mit 71 km Durchmeſſer. Die 
yald ift vullaniſchen Urſprungs, wird in genannter 
Richtung von einer Gebirgstette durchzogen und jo 
in zwei an Formation, Klıma und Produltion ver: 
schiedene Teile, das Arrondifiement im Winde im 
NO. und das unter dem Winde im SW., geteilt. 
Im MN. erheben fih auf dem 1500 m hoben Bla; 
teau, — Blaine des Caffres, die Maſſe 
des erloſchenen Vulkans Gros-Morne oder der 
Piton des Salazies, 2400 m hoch, der Morne de 
Bee, 2267 m, der drand:Benard, 2895 m od). 
n ber Mitte fteigt ald Kulminationspuntt des 
ganzen Gebirges der 3070 m hohe Piton des Neige£ 
aus terraffierten Abfällen empor und bietet dem 


41 


642 Neunionskanımern — Rẽus 

Seefahrer we cheres Signal, da bie Hüften arg Arad zweite Entwidelung3: 

von inc De Siege Ken umgehen und en zwei —2** ls der ——— Poivre 1770 
ragt ia ürze hierher verpilanjte. 

u ea tätige — J— 5 Die königl. —— 1774 bie Juſel in 


Fournaiſe 2625 m empor, einer der mädhti igten 
Bullane der Erbe, welder etwa den fünften 
der Inſel einnimmt. Gr wmecielt öiters keinen. 
Krater und bat durch Lavaſtröme jeit Jahrhun— 
derten bie Umgebungen, 44 km weit bis zur Stifte, 
in eine traurige Ode (Pays brülc) verwandelt. 
Dieſen Strich nebjt einigen Sand: und —— 
wüjten an der Hüfte — nommen, iſt der 
überaus fruchtbar. t 16 Hläfie, aber teinen 
idiffbaren, zwei — Quellen und vier Teiche. 
Gegenwärtig nimmt der Stolonialaderban 908,8 
qkın, aljo 46 Drop: der Bodenflache ein, und zwar 
den äußern Naub der Ynjel, während die reihen 
Gegenden des Innern nody ohne NHultur liegen. 
Savannen find 189,3, Gehöl; 403, ungemupt 
473,1 qkm, Das Klima iſt im allgemeinen mild 
und ge Alle Produlte, die Arabien, der Afia- 
= Archipel und das jüdl. Guropa erzeugen, ge: 
deiben aud) bier. Die Zahl der Bewohner beläuft 
jih 1882 auf 170518. Durh Orbonnany vom 
21. * * Tor - er er zu: 
ge epublif 1848 jämt 
ven freigegeben. Zur Berteidigung der Smjel 
ee bie Dr Regierung eine Garnijon und 
de Miligen. Der Handel bewegt "| —— 
En eine von 26900000 Irs. und 
Ausfuhr von 22 Mill. Frs. Es kamen 1882 —J 
229 Schiffe, es gingen ab: 234 Schiffe. Gewonnen 
wird vor alleın Zuder (1878— 79: 660000 Etr.), 
deilen Kultur feit 1818 außerorbentlih zunahm 
{Zuderpfantagen 1877: 39613 ha); Daun * 
der ſeit 1718 aus Molta hierher verpflangt wurde; 
ferner jeit 1776 eingeführt Gewürznelfen, Tabat, 
Gummi, Dliven: und Hotosöl, Zarbe: und Tijchler: 
bölzer, Mais, Maniok, Bataten u.f.w. An Eiſen⸗ 
bahnen en Tab im Betriebe 125 km, von Telegrapben 
126 km Linien mit 9 Bureaus. Das Stolonial: 
budget bezifferte End 1884 auf 4041000 Frs., die 
Kommmunalausgaben betrugen 2511000 t3., die 
Ausgaben des Mutterlandes 2370000 Fr. 
‚ Hauptort der Sue; Siß des Gouvernements 
und eines Biihois, der unter dem Erzbiſchof von 
Bordeaur jteht, iſt Saint: Denis auf der Nord: 
weitküfte, mit (1879) 32 120 E., einem Gerichtshofe, 
einem Lyceum, einem theol. Seminar, einer Biblio: 
thef, einem botan. Garten und einer allen Winden 
ausgefehten Neede. Einen bejiern Anterplas bat 
das 15 km füdlichere Saint: Paul, die erite Nie: 
derlafjung der Franzoſen auf der Yufel, mit (1879) 
26 761 E., geiltlihem College und Gijengießereien 
für die Diarine, Saint:Bierre bat 30475 
Salazie, ein neu angelegter und raich aufblühen: 
der Ort im Junern, hat 5802 E., warme Dlineral: 
quellen und bei feiner —* dage ein geſundes 
Klima für die an tropiſchen Krankheiten Leidenden. 
N. wurde nebit Mauritius 1505 von dem Bortu: 
gielen Vascarenhas entdedt und nad) ihm benannt. 
Nachdem die Franzofen jeit 1642 Koloniſations- 
on in Madagaskar gemacht, ergriff von dort 
aus Flaccourt 1649 Bejis von der Inſel im Namen 
Yudıpi 3 XIV. und naunte fie Bourbon. Cine 


Regierung 
Beſitz. Am 8. Juli 1810 nötigte 
Abercromby den Gouverneur von ——— 
zanne, zur Kapitulation, —— ſel 
erſt 1814 wieder zurüd. erde tes 
zur Pie dee R3 (en. DU: Houffie, “ie de 


la R.» (4 Bde., Bar. 1 

Aufnins bmg bie von = 
wig XIV. 1630 zu Meb, unb Bejango 
errichteten beiondern Gerichte, die nicht nur * 
ſuchten, welche Territorien vormals irgendwie ım 
ſeinen durch den eg = —— 
Frieden neu erworbenen Ländern im Berbindung 
aeitanden hatten, ſondern ihm auch bieje en 
torien förmlich zufprachen. Dies Berfahren, fü 
weldes man die Bezeichnung röumien, d. h. Bier. 
vereinigung, gebraudhte, hatte ein 
zu Mek, Roland de Ravaulr, ausgedacht. Lu 
wig XIV. ftübte jeine Anjprüce auf alle 
und Dependenzitüde, vie jemals zu dem in beiben 
Friedensvertrãgen abgetretenen gehört 
batten, auf den Wortlaut diefer Verträge. Auf 


Herridaften, Städte, Dörfer u. j.w., ma: 
——— tbrüden, Beldenz. Spon⸗ 
beim, em, M d u. ſ. w. im Laufe 


dwig XIV. 
1. Aug. 1681 durch Reunions an 5 iſſen hatte, 
ſowie auch Straßburg und Kehl lten durfte. 
Spanien verlor jogar in den ſpan. Niederlanden 
alles, wa3 bis 21. Aug. 1683 reuniert worden war. 

Reunio nöflage nennt man die Eigentums— 
Hape, welche nad) gejekwibriger Beräußerung eines 

Teils eines unteilbaren Bauerguts gegen den Er: 
werber ober einen britten a Herausgabe 
—— Teils ne wird tigt zu biejer 
Klage find der Beſiher de3 Bauergut3 und jeine 
Grben oder nad) älterm Recht aud die Gutöberr: 
ihaft. (S. Diamembration.) 

Reurecht, j. unter Reallontralte. 

Nens, Stadt (Ciudad) und Bezirlshauptort 
in ber ſpan. Brovinz Tarragona, 13 km im WRW. 
von Tarragona in Gatalonien, an der Eiſenbahn 
von Tarragona nad) Yerida, die bier nad Roda 
abzweigt, in fruchtbarer Ebene am Fuße einer Ge- 
birgäfette, 106 m über dem Meere, zerfällt in die 


franz. Nieberlajjung, 1654 entitanden, überlieh der | Sie und die Neuftabt und iſt regelmäßig angelegt, 
König 1664 an die damals gegründete Dftindifche mit breiten, ſchönen Straßen. R. bat el If Bläe, 


Kompagnie. 


Sehr bedeutend blühte R. auf unter | mebrere $ü 


n, darunter bie ihöne gotüche 


Labourdonnaye, der 1735— 146 Gouverneur der | St. TR, ein Ronnenklojter, drei Spitäler 


Neufh — Neuß (Fluß) 


und ein großes Theater. Noch 1800 ein unbe: 
deutender Fleden, ift N. jeßt die zweite ril: 
jtadt Gataloniens, zählt (1877) 27595 


643 


fchen Hüften gebräuchlichen Krabben:, Garnees 
len:, oder Öranatlörbe, weldhe man im Wat- 


. und | tenmeer mit der weiten Öffnung nad dem Lande 


bat 80 Baummollipinnereien, 5000 Webitühle, | zu, aljo dem Ebbeſtrom entgegen, befeitigt. Als 


Seibenjpinnerei und :Meberei, Leinen:, Band:, 
Leder:, Seifen:, Huts, Fäller: und bedeutende Ma: 
ſchinenfabrilen. Der Handel ijt lebhaft; die Aus: 
fuhr geichieht durch den 6,7 kın entfernten Hafenort 
Salou, Den Titel «Graf von R.» führte der 
General Brim (j. d.), der bier geboren „ 

Reuſch (franz Heinr.), namhafter fath. Theos 
log, geb. 4. Dez. 1825 zu Brilon in Weitfalen, jtu: 
dierte zu Bonn, Tübingen und Münden, wurde 
1849 zum Prieſter geweibt und war darauf einige 
yohe lang Kaplan zu St. Alban in Köln. 
J. 1854 habilitierte er ſich in der kath.:theol. ‚ya: 


kultät zu Bonn und wurde 1858 zum außerord,, 
1861 zum ord. Vrojefjor ernannt, Er übernahm 
das Fach der alttejtamentlihen Eregeie und Theo: 
logie, in welches auch jeine ältern wiſſenſchaftlichen 
Arbeiten einſchlagen. Diejelben befunden bei vielem 
Scarfjinn und großer Gelehriamleit einen ent: 
ſchieden ojienbarungsgläubigen Standpunft. Bes 
jonders zu nennen find feine Kommentare zu den 
Büchern Barud (Freiburg 1853) und Tobias 
(Freiburg 1857), das «Lehrbuch der Ginleitung in 
da3 Alte Teitament» eiburg 1859; 4. Aufl. 
1870) und «Bibel und Natur. Borlefungen über 
die mojaijche —— und ihr Verhältnis zu 
den Grgebniffen der Naturforihung» (Freiburg 
1862; 4. Aufl. 1876); im Auszuge: «Die biblifche 
Schöpfungsgeihichte» (Bonn 1877). Auch gab R. 
1866— 77 da3 bonner «Theol. Litteraturblatt» mit 
liberalstath. Tendenz heraus. Wegen jeiner Wei: 
gerung, die Beichlüfle über die päpftl. Unfehlbarleit 
anzuerfennen, wurde R. mit feinen Kollegen Hil: 
gers, Anoodt und Langen von dem Erzbiſchof Mel: 
chers in Köln 1. April 1871 mit der Suäpenfion 
ab ordine, 12, März 1872 mit der Erlommunila: 
tion belegt, nachdem ſchon Nov. 1870 den Theologie 
Studierenden der Beſuch feiner Borlejungen ver: 
boten worden war. Seit dem Beginn der altlath. 
Bewegung it R. mit Döllinger, Reinkens u. a. 
Hand in Hand gegangen. Neuerdings publizierte 
er: «Der Bro R; Galileis und die Yefuiten» (Bonn 
1379) und «Der Inder der verbotenen Bücher» 
(2 Bde., Bonn 1883 — 85). , 
Reuſe beißt im allgemeinen jede Fangvorrich— 
tung für Fiſche, welche, am Boden des Gewäſſers 
befejtigt, die Fiſche zu einer weitern Öffnung hinein: 
laßt, ſie alsdann durch bejondere Einrichtungen, 
meijtens durch trihterförmige Gänge, ſog. Ein: 
fehlungen, in weitere Kammern geleitet und ſchließ— 
Lid) in eine lekte, die Fangkammer, aus welder fie 
ſich nicht wieder hinausfinden können. Man ge: 
braucht R. ſowohl im fühen wie im fafsigen Waſſer. 
Je nach ihrer Größe und dem Material, aus dem 
ſie gefertigt ſind (Weidenruten, Neßwerk, Rohr 
u. a.) unterſcheidet man im einzelnen ſehr verſchie— 
dene, meijtens beſonders benannte Fornien von N. 
Die einfadhiten find die fat nur in — ——————— 
gebräuchlichen Korb reuſen, ſchlechthin Körbe. 
Sie beſtehen aus einem trichterförmigen Weiden: 
gie t mit vorderer weiterer Öffnung und in ber 
Regel nur einer Einlehlung. Man fängt in ihnen 
hauptſächlich Aale, Lachſe, Neunaugen (j. Tafel: 
Fiſcherei, Fig. 6) und Krebſe. Ühnlich find die 
zum ange der Hummer in der Nordjee verwen: 
deten Hummerreufen, jowie die an den deut: 


| 


einfahe Reuſe (auch Bunge, Tirommelreufe, 
Garnlorb) bezeichnet man ein zwiſchen drei kreis— 
förmigen Bügeln ausgeſpanntes Netz mit einer Off: 
nung und Ginfehlung an jedem Ende, (S. Tafel: 
gi herei, Fig. 4) Mit Heinern Geräten diefer 
Art fit man Barſche und Plöge, mit größern 
Rotaugen, Scleie, Bradien, Karauſchen und 
Hedhte. Flüge lreuſen (Garnfad, Fiihiad) find 
R. von deren Eingangsöfinung aus lange ſenkrecht 
ſtehende Negwände ausgeben, welche die Fiſche in 
ihrem Zuge aufhalten und in die Fangvorrichtung 
leiten. (©. Tafel: Fifcherei, Fig. 3.) Oft bilden 
mehrere R. mit ihren ylügelgarnen zujammen ein 
umfangreiches Syjtem, jo namentlih zum ange 
der Yale in Meeresbuchten, der Reunaugen und 
Maififche in Flußmündungen und ber Zander und 
Maränen in großen Landſeen. 

Die bedeutendjten Fänge liefern die Bundgarne 
und Fiſchzäune. Gritere bejtehen aus einem 
Syitem von Leitgarnen und Netlammern, welde, 
am Boden befejtigt, mit ihrem obern offenen Ende 
die Waflerflähe etwas überragen und die Fi 
ſchließlich in eine legte Fanglanımer geleiten, we 
einen unten flach aufliegenden Negboden hat. Letz⸗ 
terer kann ſchließlich mit den in der Fanglammer 
befindlichen Fiſchen in die Höhe gehoben werben. 
Bundgarne finden eine ausgedehnte Anwendung an 
den flahen Meerestüften ohne Ebbe und Flut; man 
fängt in ihnen namentlich Seringe. Die jog. Ton: 
naren, in denen im Mittelmeer die Thune in 
großen Maßſtabe gefangen werden, find Bundgarne 
von riefigen Dimenfionen. Fiſchzäune find im 
Waſſer aufrecht jtehende, aus Rohr oder Reiſig ge: 
flochtene Wände, welche ein oft labyrinthiſches 
Spitem von Kanälen begrenzen nnd die ji) darin 
verirrenden Fiſche ſchließlich in eine oder mehrere 
Fanglammern geleiten. Ihre grobartigite Anwen: 
dung finden diejelben bei dem berühmten Nalfang 
in den Lagunen von Comacchio (f. d.). 

Menſe, Fluß im fchweizer Kanton Neuenburg, 
fließt Durch das Val de Travers und mündet unter: 
halb Boudry in den Neuenburger See. P 

Neu, rechter Zufluß der Aare (j. d.), entitebt 
aus zwei Hauptquellen am Norbabfall des St. 
Gotthardgebirges in der en Die Realperreuß 
entipringt 2400 m über dem Meere an der Furca 
und durchfließt in nordöſil. Richtung das Urjeren: 
tbal. Bei Hospenthal vereinigt jie ſich mit der 
Gotthardreuß, welche etwa 2500 m über dem Meere 
am Lucendrogleticher entipringt und in wilden 
Sprüngen der Gotthardftraße entlang nad Kor: 
den fließt. Unweit Andermatt nimmt der Fluß 
rechts den Thalbach auf, welcher ihm die Gewäſſer 
der Ober: und Unteralp zuführt, und 1,5 km 
unterhalb Andermatt verläßt er durd die wilde 
Felsſchlucht Schöllenen fein Quellthal, um die 
untere Thaljiufe von Uri zu erreichen, Bei | 
ihenen am Ausgang der Schlucht ninımt er links 
die Gefchenenreuß auf, bei Wafen (935 m) die 
Maienreuß, bei Amiteg rechts den Kerſtelenbach 
aus dem Maderanerthal. Bon Die an wird der 
Lauf ruhiger und bei der Eritfelder Klus ver: 
läßt die R. ihr bis dahin ſchmales, jpaltenarti- 
nes Thal, um in die breite Thalebene von Alt: 
dorf hinauszutreten. Bei Attingbaufen empfängt 

41*, 








644 


fie rechts die Schädenreuß aus dem Schäden: 
thal, und mündet, im unterften Laufe lorrigiert, 
1 km weftlih von Fluelen in den Vierwaldftät: 
terjee, in welchem ihr rechts die Muota, lints 
die Engelbergeraa und die Sarneraa zugeben. 
Bei Luzern verläßt die R. als ein durchſichtig 
grüner, breiter und fciffbarer Fluß den See, 
wendet ji, nachdem fie die Heine oder Holzemme 
aus dem uns aufgenommen hat, nad) Nord: 
ojiten, dann neg orden, empfängt an der Grenze 
von Yargau, un und Zürich rechts die Lorze, 
den Abfluß des Ülgeri: und de3 Zugerſees, tritt 
dann ganz auf aargauer Gebiet über durd: 
fließt die Städthen Bremgarten und Mellingen 
und mündet endlich bei Windiſch, 2 km unterhalb 
Brugg, 1 km ſudlich der Limmatbmündung in die 
Aare. Das Gebiet der R. umfaßt 3111 qkm, 
wovon 145, alio 4Y, Proz., auf en. —— 
Ihre Länge beträgt von der Gabel der beiden Quell: 
bäde (1463 m) bis zur Mündung (333 m) 146 km, 
das Gefälle demnach 1130 m, 

Neuf, zwei fouveräne Fürftentümer Deutich: 
lands, ein Teil de3 von den alten Vögten und 
Grafen des Deutfchen Reichs beſeſſenen und da: 
von den Namen führenden Vogtlandes, lie: 
gen ziemlich in der Mitte Deutſchlands, zwiſchen 
dem Königreih Sachſen und den fädhl. Herzog: 
tümern. Die Fürftentümer werben durch den groß: 
berzogl. weimarifchen Neuftädter Kreis in zwei un: 
gleiche Zeile getrennt, haben einen Flächeninhalt 
von 1142,06 qkm und find zwischen der ältern und 
jüngern Linie des jebt fürftl. Haufes N. geteilt. 
Die Bevölkerung derjelben je fi) 1. Dez. 1880 
auf 152112 Seelen, die ſich, mit jehr geringer Aus: 
nahme, gleihwie das Füritenhaus zur evana.-luth. 
Kirche befennen. Die Befikungen des reußifchen 
Haufe3 waren früher weit umfangreicher ala jekt. 
So gehörte mehrere Jahrhunderte Finburd beinahe 
der ganze Fönigl. ſaͤchſ. vogtländiiche Kreis der 
reußiſchen Fürftenfamilie ald Stammland; durch 
Verpfändung und fpäter, 1569, durch Kauf lam 
er an Sachſen. Ferner beſaß das Haus das groß: 
berzogl. weimariiche Amt Weida, welches durch 
Kauf 1560 an Kurſachſen fiel; das preuß, Amt 
Biegenrüd, welches gegen eine Geldentihädigun 
an Thüringen gelangte; die Stadt Hof nebit 
ſechs Amtäbezirten in Bayern, bie ſchon 1375 
von den Vögten zu Weida an den Burgara: 
fen zu Nürnberg verlauft wurde; endlich auch 
das berzogi. altenb. Amt Ronneburg und die 
Herrſchaften Wildenfels und Rochsburg. Im 18. 
14. und 15. Jahrh. beſaßen die reußiſchen Wögte 
den Amtsbezirt Werdau, Aſch, Selb, die Stadt 
Nündberg, viele Schlöffer in Bayern und Sachfen, 
einen Teil von Nordhalben und die Herrichaft 
Kranichfeld. Die ehemalige Burgarafichaft Meißen 
wurde 1426 vom Kaiſer Sigiemund dem reufiichen 
Vogt von Plauen zu Lehn erteilt, ift von deiien 
Erben aber ſchon 1534 an Sachſen wieder verkauft 
worden. Die gegenwärtig beitehende Teilung des 
Landes N. in die ältere und jüngere Linie beruht 
auf dem Bertrage von 27. Aug. 1616, Die Ver: 
hältnifje des Geſamthauſes find durch Familien: 
perträge von 1668, 1681 und 1690 geordnet. 
Beide unter fih unabhängige Linien haben fich bei 
den Teilung&verträgen fowohl die Succeffion beim 
Ausjterben der einen diefer Linien, als auch das 
Miteigentum an dem zum Haus: und Ramilien: 
fideifommiß gehörigen Tomanial: und Sammer: 


Reuß (Fürftentümer) 


vermögen vorbehalten. Für die den beiden Linien 
gemeinjamen Angelegenheiten Ki ein Seniorat, 
das der ältefte regierende Fürft führt. Das Erit: 
geburtärecht in der Thronfolge ift durch den Haus: 
und Geſchlechtsvertrag vom 3., 4. und 5. Sept, 
1690 eingeführt und zugleich die an die Nadı 
geborenen u entriieuhe Make e feitgeftellt wor: 
den. Der Nebenrezek vom 13. Nov. 1668 feht für 
alle arg vo Familienglieder beider Häujer N. 
den Namen Heinrich mit den —— feit, 
wonad) die ältere Linie biß hundert (C) gt und 
dann wieder mit I anfängt, die jüngere Linie aber 
den Gritgeborenen in jedem neuen Jahrhundert 
mit I bezeichnet und dann bis zum Ende des Jahr: 
age fortzählt. Die Souveräne — den 

itel Heinrich I. u. ſ. w., ſouveräner Reuß 
(älterer oder jüngerer Linie), Graf und Herr von 
Plauen, Herr zu Greiz, Kranichfeld, Gera, Schleiz 
und Cobenjtein. Das Militär beider Fürftentümer 
bildet mit den Kontingenten von Schwarzburg: 
Rudolftadt und Sachſen⸗Altenburg das 7. thüring. 
Infanterieregiment, weldes der 8. Diviſion des 
4. preuß. Armeelorps zugewielen ift. Beide Für: 
—— haben je eine Stimme im Deutſchen 

undesrate und je einen Vertreter im Reichstage. 
Im Wappen führen beide Linien des Hauſes einen 

wen und einen goldenen Kranich. Die Landes: 
farben find Schwarz, Not, Gelb. Bol. Bode, 
«Baterlandstunde der fürftl. reußifchen Länder» 
Mordh. 1852). 

Das Land der ältern Linie des Haufes N, 
ober das Fürftentum Reuß:Greiz bejteht in dem 
Fürftentum Greiz mit der gleichnamigen Haupt: 
und Reſidenzſtadt. Es bildet fein geichloflenes 
Ganzes und ift aus den Herrfchaften Ober: und 
Untergreiz, fünf Dörfern der Pilege Reichenfels 
und der Herrichaft Burgk zufammengejeht. Das 
erlegen umfaßt 316,39 qkm und bat nad) der 

äblung vom 1. Dez. 1880 eine Bevölkerung von 
50782 Pa ausſchließlich prot. Seelen, Die Ein: 
wohner verteilen fih auf 2 Etädte, 2 Marft: 
fleden und 71 Dörfer, Die Etaatöihulden be: 
trugen (1885) 462005 Mark. Der Etat für 1885 
betrug in Einnahme und Ausgabe 725088 Mark. 
Die Bevölferung betreibt blübenden Aderbau und 
Viebzudt. Dod wird der Bedarf an Getreide 
nicht völlig gededt. Auch ift noch ein bedeutender 
Waldbeitand vorhanden, von dem bie te Dos 
manialforft ift. Sehr lebhaft ift der Induſtrie⸗ 
betrieb, namentlih in Wolle, Baumwolle und 
Leinen. Obenan ſteht die Wollmarenprobultion 
in der Stadt Greiz, wo 3500 medan. Webjtüble 
im Gange find, ſowie die Strumpfwarenmanufaftur 
in Beulenroda, Der Erport diefer Erzeugnilje er: 
ftredt ſich bis nach Amerita, Auftralien und dem 
Drient. Gine Eiſenbahn verbindet feit 1865 bie 
Stadt Greiz mit der Weſtlich- Sächſiſchen Bahn. 
Dazu kommt die 1875 eröffnete Eijen Gera 
Greiz: Plauen und die 1884 eröffnete Linie Weida- 
—— Neben der Tara eg 
rung beftanden bis 1867 Feudalftände, Dur 
Gintritt des Fürftentums in den Norbdeutichen 
Bund 1866 trat jedoch die Nötigung ein, ber libe: 
ralen Entwidelung der Gefehgebung freien Lauf 
zu lafien, Am 28. März 1867 promulgierte Hein: 
rih XXII. eine Verfaſſung, vo weldyer zwölf Ab: 
geordnete, und zwar drei vom Landeöberrun, zwei 
von den größern Grundbefißern, drei von bem 
Städten und vier von den Sandgemeinden auf 


Neuß (Fürftentümer) 


je ſechs Jahre gewählt werden. Die Juftiz wird 
von den Amtögerihten Greiz und Burgl, dem 
Landgericht in Greiz und dem gemeinfchaftlichen 
thüring. Oberlandesgericht in Jena geübt. Für 
die Verwaltung bejteht das Landratsamt in Greiz 
als Unterinftanz, während die Landesregierung 
daſelbſt die höchſte Verwaltungsſtelle bildet. 
Das Furſtentum Reuß jüngerer Linie oder 
Reub:-Gera:Schleiz:LobeniteinsEbersborf 
umfaßt 825,67 qkm mit (1880) 101330 meiit 
prot. E. Die Bevölkerung verteilt fich auf 6 Städte, 
4 Marttfleden und 163 Dörfer. Die Staatsſchuld 
betrug Mai 1885: 1353750 Mark; dazu kommt 
noch die unverzinglihe Schuld an die Reichs— 
kaſſe zur Ginlöfung des Landespapiergeldes mit 
195080 Marl. Die Ausgaben betrugen im Gtat 
der Finanzperiode 1884—86 jährlih 1321221 
Mark, die Ginnahmen die gleihe Summe. Die 
Haupt: und Refidenzftadt iſt Gera. Die Verwal: 
tung iſt zwei Landratsämtern übertragen, in Gera 
und Ebersdorf. Sie iſt feit 1863 von der Nedht3: 
flege getrennt, Es beftehen ein mit dem Groß: 
erzogtum Sadjen: Weimar gemeinſchaftliches 
Landgericht in Gera, fünf Amtsgerichte in Gera, 
Hohenleuben, Schleiz, Lobenftein und Hirfchberg. 
Als zweite Inſtan über dem Landgericht it das 
emeinfchaftliche tührin iihe DOberlandesgericht in 
ena thätig. Das öffentliche Unterrichtäwefen 
de3 Landes ift in guter Verfaſſung. Es be: 
ftehen zwei Gymnafien, in Gera und in Schleiz, 
ein Schullehrerſeminar in Schleiz mit Taub: 
ftummenanftalt, ein Nealgymnafium, eine Handels: 
ſchule, eine höhere Töchterfhule und drei Bürger: 
len in Gera. Das Vollsſchulweſen — durch 
Geſeh vom 4. Nov. 1870 geregelt. Der Bergbau 
leidet im Oberlande durch den Mangel an Eiſen— 
bahnen und Steinfohlen. Von weit größerer Be: 
deutung iſt die Salzgewinnung in der Saline Hein: 
rihshall, Der Induftrie: und Erwerbabetrieb de3 
Landes ift verhältnismäßig fehr bedeutend, Haupt: 
orte für die Induſtrie in Wolle und Baummolle 
find Gera, Schleiz, Fobenftein und Hirſchberg, für 
Eifengieherei, Maſchinenbau und SHarmonila: 
fabritation Gera, für Gerberei Tanna und Hirſch— 
berg, für Bierbrauerei Köftrig, Schleiz, Gera, 
Ebersdorf und —— ‚für Taba sfabrifation 
ebenfalld Gera, das überhaupt von Überwiegender 
Bedeutung als Handels: und Fabrikort it. Das 
Fürſtentum wird von drei Eifenbahnlinien durch— 
zogen: von ber Linie Gößnih-Gera der Sächſiſchen 
Staat&bahn, der Linie Leipzig: Eichicht der Preu: 
ßiſchen Staatsbahn und der Weimar : Geraer 
Gifenbahn. Die Lande der —* Linie ger: 
fielen bis 1848 in drei beſondere Fürſtentümer: 
1) das Fürftentum Schleiz mit der Hauptſtadt 
Schleiz, der Stadt Tanna und dem Fleden 5 ⸗ 
leuben; 2) das Fürſtentum Lobenſtein-Ebersdorf 
mit dem Hauptorte Lobenſtein und dem Markt— 
fleden Ebersdorf; 3) das Fürſtentum Gera mit den 
Städten Gera und Saalburg und dem Fleden 
Langenberg. Die Linie Gera war 1802 ausge: 
ftorben, Infolge der ſtürmiſchen Bewegungen 
feinem Lande dankte 1. Dt. 1848 ber Furt von 
Xobenftein:Eberäborf, Heinrih UXXXII. zu Gunften 
des Fürften Heinrich LXII. von Schleiz ab, fodak 
nun eine —— der drei Laͤndchen 
ſtattfand. Die Verfaſſung des Fürftentums be: 
ruht auf dem revidierten Staatsgrundgeſeß vom 
14. April 1852, auf dem Gefes vom 20. Juni 


n | und 


645 


1856 und dem neuen Wahlgeſeß vom 17. Yan. 1871; 
danach bejteht die Landesvertretung aus 16 Ab- 
—— nämlich dem Beſiher des Paragiums 
teuß:Köftrig, 3 Abgeordneten der Höchſibeſteuerten 
und 12 aus allgemeinen direlten 
gehenden Abgeordneten. 

Als Ahne des Haufes N. gilt Heinrich der 
Fromme von Weida, der gegen Ende des 11. Jahrh. 
den Grund dazu legte, sa in feinem Gebiete die 
heidniſchen Sorben mit den chriſtl. Germanen in 
Glauben, Sprade und Sitte fi einten. Sein 
Enkel, Heinrich der Neiche, erwarb fi um das 
Deutiche Reich große Berdienite als Marſchall der 
bohenftaufiihen Kaiſer Friedrih I. und Hein: 
rih VI. Wahrſcheinlich zu Ehren des Iehtern hat 
er jeinen drei Söhnen, die übrigens zuerit den 
Titel advocati oder Vögte erhielten, den einzigen, 
von dem reußiichen Haufe zum ebrenden Gedächt: 
nis feiner Ahnen bis heute feitgehaltenen Namen 

egeben. Der mittlere von diefen wurbe 1237 

rdensritter und teilte feine Lande unter feine drei 
Söhne, von denen der erſte Vogt und Herr zu 
Weida, der zweite zu Plauen, der dritte zu Gera 
wurde. Die Linie von Weida erloſch 1535, nad: 
dem Weida felbjt bereits 1427 an Friedrich den 
Streitbaren, Kurfürjten von Sadien, veräußert 
worden war. Die geraer Linie, welche ſich im Be: 
fi der Herrichaften Gera, Zobenftein, Langenberg, 
Schleiz, Saalburg und Burgf befand, erloich, nad: 
dem fie 310 Jahre beftanden hatte, 1550 mit dem 
Tode Heinrihs des Yan ern, über welchen 1547 
nad der Schlacht bei ! übfberg die Reichsacht ver: 
hängt worden war. Die Linie Plauen dagegen 
wurde die Wiege, aus der das heutige Fürſten— 
geihleht N. emporgeblüht iſt. hr Gründer, 
Heinrich der erjte Nutbene, erwarb 36 durch ſeine 
Waffenthaten gegen die Polen oder weſtl. Ruſſen 
um 1247 den ehrenden Beinamen Ruzze, Reuße 
oder Ruthene. (Val. Reſch, «Über den Urſprung 
des I: Namens R.», Gera 1874.) Die 


ablen hervor: 


Linie Blauen teilte fich 1306 in eine ältere, burg: 
räfliche, welder 1426 als Erblehn die Durggral: 
haft Meißen und die mit derjelben verbundene 
ar Würde verliehen wurde, und in eine jüngere, 
ie ſchlechthin den Namen Neuß beibehielt. Die 
burgaräfl. Linie erlofjh mit dem Tode Hein: 
richs VIL., der 1572 zu Schleiz ftarb. So blieb 
von dem alten Herrengeidleht der Vögte nur 
no das Haus Plauen jüngerer Linie oder das 
Haus N, übrig. Nah dem Tode Heinrichs des 
Friedſamen hatte fich diejes 1564 in drei Linien 
geteilt, von denen aber die mittlere ausftarb. Geit 
jener Teilung haben nun die ältere und die jüngere 
Linie des; Lan yet N. beitanden. Der Abn: 
F der ältern Linie war Heinrichs des Fried: 
amen älteſter Sohn, mit bem Beinamen Bot: 
ihafter, weil ihn Johann — ber Groß: 
mütige mit wichtigen Geſandtſchaften betraut batte, 
Diefe Linie teilte fich wiederholt, am ftärkiten im 
eriten Jahrhundert ihres Beſtehens, in Neben: 
. ab, nämlich in Ober: und Untergreiz, Burgt 
ölau. Ein geihichtlich berühmter gi 

der ältern Linie if Heinrid VI. Er war ſächſ. und 
laiſerl. Feldmarſchall, Tämpfte als folder unter 
rinz Eugen gegen die Türken und ftarb in ber 

Schlaͤcht von Zenta 1697 den Heldentod. Die 
fämtlichen Lande der ältern Linie vereinigt beſaß 
zuerft Heinrich XI. aus dem Hauje Ubergreis, 
Enkel des Feldmarſchalls. Er erhielt 1778 erblich 


646 


vom Kaiſer Joſeph ll. die reichsfürſtl. Würde. Ihm 
folgte 1800 jein Sohn Heinrid) XIIL., der 1807 
dem Nheinbund und 1815 dem Deutichen Bunde 
beitrat. Nah feinem Tode 1817 folgten nad): 
einander feine beiden Söhne Heinrich XIX. (1817 
—36) und Heinrih XX. (1836—59). Bei dem 
Tode des leßtern (8. Nov. 1859) war fein Sohn 
und Nachfolger Heinrihd XXI. (geb. 28. März 
1846) noch unmündig, weshalb die verwitwete 
Fürftin Karoline (geb. 18. März 1819, geſt. 19. Yan. 
1872), Tochter des —— Guſtav von Heſſen⸗ 
Homburg, die Regierung führte. Das preußen— 
feindliche Verhauen der Fuͤrſtin im Deutſchen Kriege 
von 1866 führte eine Oecupation des Landes durch 
Preußen berbei. t nad) dem Frieden mit leb: 
term (26. Sept. 1866) fand der Eintritt des Landes 
in den Norddeutſchen Bund ftatt. Am 28. Mär 
1867 übernahm Heinrich XXL. die Regierung felbit 
und promulgierte zugleich eine Verfaſſung. Hein: 
rich XXII. vermäbhlte ſich 8. Dit. 1872 mit ‘da, 
Tochter des Fürjten Adolf von Schaumburg-Lippe. 

‚Der Stifter des Fürftenhaufes Reuß jüngere 
Linie, Heinrich bes Friedfamen jüngiter Sohn, 
ftarb 1572. zwei Monate feinem Tode 
wurde ihm ein Sohn geboren, der den Namen Poſthu⸗ 
mus, Nachgeborener, erhielt. Dieſer gründete das 
Gymnasium illustre (Rutheneum) zu Gera, führte 
dur Aufnahme des Niederländers Ric. de Smit 
den Aufihwung der Wollgeugfabrilation berbei 
und wirkte fegensreich nad allen Seiten. Dur 
bie von feinen Söhnen 1647 und 1666 vollzogene 
Zeilung wurben die Spezialhäufer Gera, Schleiz, 
Gbersdorf und Lobenitein gebildet, die längere 
Zeit felbftändig nebeneinander beftanden, bis 
Schleiz 1848 der Erbe des Ganzen wurde. Die 
Grafen von Schleiz, Lobenftein und Ebersdorf be: 
erbten bie 1802 ausgeftorbene Linie Gera und er: 
hielten 1806 die reichsfürſtl. Würde. Der Zweig 
Ebersdorf ift berühmt —— durch bie Grün: 
dung der berrnhuter Kolonie 1733. Die Gemahlin 
Bingenborie, Erdmuthe Dorothea, war eine Schwe: 
ter Heinrichs XXIX. von Ebersdorf. Auch diefe 


Linie erlofh mit dem Tode Heinrichs LXXI.,| © 


17. Febr. 1853. Nachdem dieſer 1848 ber Herr: 
ſchaft entjagt hatte, fiel Lobenftein.Eber&borf Hein: 
rich LXII. von Schleiz zu, weldjer ſonach da3 ge: 
famte Gebiet R. jüngerer Linie nach 223jähriger 

tüdelung wieder vereinigte unb 19. juni 1854 
tarb. Ihm folgte fein Bruder Heinrich LXVIL., 
unter welchem eine Reorganifation der Bermaltung 
und des Juſtizweſens durchgeführt wurde und das 
Land 18. Aug. 1866 dem Norbdeutichen Bunde 
beitrat. Nach feinem Tode (11. Juli 1867) folgte 
fein — Heinrich XIV., geb. 28. Mai 1832 und 
vermählt 6. Febr. 1858 mit Agnes, Herzogin von 
Württemberg. Unter ihm wurben burd ein dem 
preußiſchen nachgebildetes Geſeß die Klaſſen- und 
Einfommenfteuer eingeführt, die Intereſſen der 


Schule durch das Vollsſchulgefeß von 1870 ges | 


fördert und 1871 ein neues Wahlgeſeß erlafien. 
Bon ber Linie Schleiz trennte ſich 1689 die 
Nebenlinie Köftris, die, weil indefien dus Pri— 
mogeniturredht eingeführt war, keinen Landesteil 
erhielt, wohl aber mehrere Nittergüter, außer 
BT Der nee Dopenteuben mit Reichenfels, be: 
fikt. Das —5* — Haupt der Familie führt das 
Prädilat adüurſty, die übrigen Mitglieder das Prä- 
difat «Bringe. Die Baragtatslinie R.-Köſtriß teilt 
fi zur Zeit in zwei Zweige, Nachkommen Hein: 


Neuß (Heinrih VII, Prinz) — Reuß (Eduard Wilh. Eugen) 


richs IX. und Heinrichs XXI. Ihr Haupt ift 
(1878) Heinrich IV. (geb. 26. April 1821), Befiger 
der Fideitommifje Ernitbrunn und Hagenberg in 
Niederöfterreih. Pol. Maier, «Chronik des fürftl. 
Haufes der Reußen von Plauen» (Weim. 1811); 
Limmer, «Entwurf einer urkundlichen Geſchichte 
des gejamten Bontlandes» (Gera 1825); derielbe, 
Kurze Gefchichte des Hauſes R.» (Ronneb. 1829); 
Brüdner, «Landes: und Volkskunde des Füriten: 
tums R. jüngere Linie» (2 Bde., Gera 1870). 
Reuff (Heinrih VIL., Prinz), deutſcher Staatt: 
mann und preuß. General der Kavallerie, geb. 
14. Juli 1825 als dritter Sohn des 27. Sept. 1841 
veritorbenen Prinzen Heinrih LXIIl. aus ber 
en iatslinie Reuß⸗Sch ſtriß ſtudierte in 
1548 in DaB 8. perup. lllanenregiment und 1858 
in das 8. preuß. nenregiment un 
in den diplomatiſchen Dienft Preußens. Zunädit 
im Minijterium des Auswärtigen beihäftigt, wurde 
Prinz R. ſchon 1854 als Legationsrat zur Geſandt⸗ 
ſchaft in Baris verjegt, wo er bis 1863 verblieb. 
Dana al Gefandter in Kaſſel, 1864 im gleicher 
Stellung in Münden und feit 1867 in Petersburg 
beglaubigt, wurde Prinz R. 26. April 1871 zum 
Nange eines Botſchafters des Deutiben R er: 
oben und 1873 zum Generalabjutanten des Deut: 
hen Kaiferd ernannt, nahm jebod 1876 feine 
Entlafjung aus dem Staatsdienfte, vermählte ſich 
6. Febr. 1876 mit Prinzeſſin Marie, der 20. Yan. 


ch 1849 geborenen zweiten Tochter bes Großherzog: 


Karl Alerander von Sahfen: Weimar, und wurde ın 
demjelben Jahre Mitgliede des preuß. Herren: 
baujes ernannt. Im J. 1877 während des Ruſſiſch⸗ 
Tartiſchen Kriegs war er deutſcher Botjchafter in 
Konftantinopel und verblieb bis zu den entjcheiden: 


den Sißungen des Berliner Kongrefies in biejer 
Stellung. Im Juli 1878 wurde Prinz R. Bot: 


ſchafter des Deutichen Reichs am Hofe zu Wien. 
enf (Eduard Wilb. Eugen), prot. ren 
geb. 18. Yuli 1804 zu Straßburg, widmete ſich ſeit 
1819 auf der dortigen Alademie erſt der klaſſiſchen 
Philologie, fpäter jedoch theol. Studien, die er zu 
Öttingen und Halle fortſehte und hierauf zu 
Paris mit_orientaliihen verband. Nachdem er 
1828 nad) Straßburg aurüdgelehrt war, habilitierte 
er fich 1829 ala Brivatdocent für das Fach bibliſcher 
und orient. Wifjenfchaften, wurde 1834 außerord,, 
1836 ord. Prof. dajelbit und rüdte 1838 in die 
theol. Fakultät ein. R. gehört zu den nambafteften 
prot. Theologen der Gegenwart und iſt zugleid 
einer der vorzüglichiten Vertreter deuticher Wiflen: 
ſchaft im Cab, Seine Hauptwerte find: «Be: 
ſchichte der heiligen Schriften des Neuen Zeita: 
ments» (Halle 1842; 5. Aufl. 1874), «Histoire de 
la theologie chretienne au siecle apostolique» 
(2 Bde., Straßb. 1852; 3, Aufl. 1864) und 
«Histoire du canon des Saintes-Ecritures dans 
l’eglise chretienne» (Straßb. 1863; 2. Aufl. 1864), 
in denen er die jog. Ginleitung in das Neue Teitas 
ment und bie bibliihe Theologie in einer, neuen, 
von dem hiſtor. Prinzip beberrichten Form im treff⸗ 
liher Weiſe daritellte. Als Probe eines projel: 
tierten volljtändigen franz. Bibelmerlö in einer 
neuen fiberjegung nebjt Einleitungen und Kom: 
mentar veröffentlichte er neben einigen andern 
Stüden «L’epitre aux Hebreux» (Straßb. 1861); 
das Bibelwerk felbit erſchien zu Paris 1874— 79 in 
17 Bänden. Zahlreiche Beiträge lieferte er im die 
von ihm felbft begründeten «Beiträge zu den theol. 


Reuſſen — Reuter 


Wiflenichaften» (6 Boe., Jena 1847 fg.). In Fort: 
jebung des von Breticu begründeten «Corpus 
Reformatorum » begann R. mit Guniß und Baum 


eine Herausgabe der jämtlichen Werte Galvins. 
Auberdem find von R. zu nennen: «Bibliotheca 
Novi Testamenti —— Braunſchw. 1872); 


«Reden an logie Stubierenbe» (Braunichw. 
1972; 2. —— en der heiligen 
en Teftamentö» (Braunihw.1881). 

en, foviel wie Rufen; aud vie Mit: 


glieder des fürftl. Haufes Reu 
„ſJ. Rotrußland. 
‚ Oxt in Tirol, ——— — 
einer der namha 
——— b. 7. Rov. 1810 Stavenhagen 
djwerin, mo jein Bater 9 Vürger: 


* befucht a um dland 
in — * er —— 
er 
—— zu 21 mem jurift. E Orubin wi wid- 


Feſtungsſtrafe begnabigt | in 
und zum Sommer 1838 troß aller 
Reklamationen Im medlenb. Negierumg anf ver: 
ſchiedenen Feſtungen zurüdnebalten. Nah 
feiner Auslieferung — — 

Domit bis er endlich infolge der preuß. 
ie vom 1840 feine it erhieht. Gr über: 
— hierauf das väterlihe Gut, deſſen Bewirt: 
ſchaftung er 1850 aufgeben mußte. R. 
fih bierauf als ehrer in der pommerfchen 
Stadt Treptow nieder, wojelbit er ya platt: 
deutſchen «Läufchen un Rimels» (zuerft Wis. 
1853; neue e aus) veröfjentlichte, mit denen 
er jeinen R er begründete. Rachdem er 
in Treptow od) * olterabendgedichte» (Schwer. 
1855) und die «Heis en», eine poetiſche 
en (Wism. 1855 ‚ herausgegeben, fiedelte 
ern 1856 nad) Neubrandenburg über, wo er 
feinen litterar. Arbeiten lebte. Seit 1863 hatteer fei: 
nen Wohnfik zu Eiſenach, wo er 12. Juli 1874 ftarb. 

Von R.s in wiederholten Auflagen erſchienenen 
Werten find befonders hervorzuheben: »Kein Hü- 
{un 4» » (Greifsw. 1858), eine Art Dorfgeichichte in 

en; ferner « Hanne Nüte un de Inode Pudel» 
(MWism. 1859), ebenfalls eine gelungene ilde: 
zung aus dem Leben des Landvolis; »Schurr: 
Nurr» (Wism. 1861), eine Sammlung launiger 
Erzählungen, teils in plattdeuticer , teils in hoch⸗ 
deuticher Sprade; vor allem endlich «Dile Sa: 
—— — * - ähttatent bemi — am; 

. ein vorzägli E talent bewä m 
eriten Bande («Twei * Geſchichtens, Wism. 
1860) lann die Erzählung »Ut de Franzojentids 
für eine Berle der neuern novelliftiichen Litieratur 
gelten. Den zweiten Band bilden die Schilde: 
rungen «llt mine Feftungstid» (2. Aufl., Wisn, 
1862), denen fid) als dritter bis fünfter Band der 
Roman «llt mine Stromtide (3 Bde., Wiam, 1864), 
endlich ala jechiter Band «Dördläuchting- (Wis, 
1866) anſchließen. Die neueiten Auflagen diejer 
Merle find aub in Rs —— Werten» 
(Bd. 1—13, Wism. 1863—68; dazu Bd. 14 u. 15, 
RNachgelaffene Schriften», mit einer Biographie 
R.s, Wism. 1875; herausg. von Ad. Wilbrandt; 


bieß | in Göttingen und Berlin T 


647 


Vollsausgabe in 7 Bon. Wism. 1877 fg.; 2. Aufl. 
2* —— RN — ie mit derb fati- 

has: «Die Lanabänfer, iſt (Wism. 
— = $ Nachlah veröffentlicht worden; 
ferner «Luftipiele und Bolterabendgedichte» (2 Bbe., 
2p3. 1883) und «Reuter:Religuien» (herausg. von 
Gäders, Wism. 1884). 

Unter den neuern deutihen Dichtern , welche Nie 
der plattdeutſchen Spradye bedienen, muß R. de 
beiten zur Seite geftellt werden. Während — 
Groth in der Mehrzahl feiner Gedichte weſentlich 
unter bem Ginfluffe ber modernen bochdentichen 
Bildung ſteht und Momente hochdeutſchen Kultur: 
und Geiſteslebens verarbeitet, it R. dur und 
ri — — er ſchreibt nicht bloß platt⸗ 
ſondern er denlt und fühlt auch in der 
Weile niederdeutſchen Stammes. Es gelingt 
—— ru aud) das lomiſche Genre am beiten. 

delt bier einen gewiſſen derben, trodenen 
Sumar, aber zugleich auch eine Blaftit und Srijche 

der Gej ie he unjern erſten Hu 
deren ſich R 


moriſten 


breiten, vollen Klang fü 


n dem janf: 
tern, —— olſtein. Platt ? untericheibet, 


R. und rag an 
dot Dlsan, 1875); gm 
Güftrom m ler); did, —* rn in « 
eit», «Zur ——— 


ug wen oriler, geb. 
80. — 1817 zu 55 dierte 1837—41 
heologie, habilitierte 


ſich 1843 an der Univerfität Berlin und wurde 
1853 außerorbentlicher Profeſſor in Breslau, 1855 
ordentlidyer Profeſſor in Greiftwald, 1866 wieder 
in Breslau und 1876 in Götti ‚mo er 1881 
den Titel und bie Biründe eines te8 von Burs: 
felde —— Er ſchrieb: «Gejchichte Alexanders LIL. 
und der Kirche ſeiner Zeit» (3 —* Lpꝛ. 1860 
—64), «Geidichte der religiöfen Aufflärung im 
Mittelalter» (2 Bde., Berl. 1875—77). 
Reuter (Paul; ul. Freiherr von), der Begrfinder 


des Reuterichen Telegraphenbureau zu London, geb. 
21. Juli 1821 * amı nad dem Tode feines 
Vaters in ein 


j häjt nad) Göttingen und trat 
einge 1847 als ——— in eine Buchhand⸗ 
zu Berlin. Im Frühjahr 1849 gründete er 
Mitteln eine —5 


zu Paris mit ſehr geringen 

phiſche Korreſpondenz, für die er ſich tajtlos 9 —* 
— zu eröjinen ſuchte. 1. DE. 1 

die preuß. Regierung den Teleg - von Berlin 
nad) Aachen freigegeben, wandten kg har 


und fuchte - bier aus die na 

itungen und Banlgeſchäfte —— ſeiner 

ienſte für die Vermit g von Depeſchen zu ge 
winnen. Um die Nachrichten aus London und 
ſchneller zu_erhalten, als auf dem eg Moll 
wege, richtete er eine Taubenpojt zwiihen Brüfjel 
und Machen ein. Mit ber Ausdehnung der Tele: 
araphenlinien verlegte er fein Bureau erſt na 
Bervier3, dann nad Duidvrain und 1851 na 
Yondon, von wo aus er, bis zur Legung der Nabel 
von der engl. Hüfte nad) Galais und nad) Ditende, 
die internationale Korreſpondenz durch daſelbſt er 
richtete Zweigbureaus vermittelte. Im diejelbe Zeit 
begann R. aud) Journaliſten und Geſchãftsleute mit 
tommerziellen und finanziellen Nachrichten, Marlt: 


648 


preifen u. dal. die er fih von allen Hauptpunften 
des Kontinents jenden lieh, regelmäßig und raſch 
zu verforgen. Geit Dft. 1858 gelang e3 ihm, die 
engl, Preſſe zur Annahme feines Depefchendienites 
beranzuzieben, und als jeit Dezember Denn 
Jahres jelbjt die «Times» feine Nachrichten, befon: 
ders 1859 während des Kriegs von Italien, auf: 
nahm, war das Anjehen des Reuterſchen Bureau 
auch in England begründet. R. richtete num Zweig: 
Dureaus in Amjterdam, Brüfiel, Hang, Antwerpen 
und andern wicdtigen Pläpen des Kontinents ein, 
bald aber aud Agenturen in Bombay, Kallutta, 
Karatſchi, Punto: Galle, Alerandria, Kairo, Chans 
abai, Singapore, Hongkong, Peling, desgleichen in 
verschiedenen Seepläken Afrikas, in Ganada, Nord: 
und Südamerila, Wejtindien u. |. w., — gegen⸗ 
wärtig das Nek feiner Korreſpondenz über die ganze 
Melt verzweigt üt. Der König von Hannover ver: 
lieb 1865 N. eine fpäter von Preußen anerkannte 
Konzefiion zur Legung eines Kabels von der engl. 
Küjte nad) Norderney und zur Anlage von Land: 
linien nad Bremen, Hamburg und bis an die preuß. 
Grenze. Diefe leptern bilden gegenwärtig einen Teil 
der direlten telegr. Verbindungen zwiichen England 
und Ditindien. Auch legte R. 1869 das erite jub: 
marine Kabel zwiſchen Frankreich und Nordamerita. 
N. wurde 1871 vom Herzog von Sadjen:Coburg: 
Gotha in den Freiberrenftand erhoben. ; 

Reutlingen, Hauptitadt des Schwarzwaldfrei: 
fes im Königreih Württemberg, liegt 22 km füd: 
lid von Stuttgart und 14 km oitfüdöftlich von Tü: 
bingen, am Fuße der Schwäbiſchen Alp und dem 
Flußchen Chaz in einer überaus ſchönen, frucht: 
baren, an Objt und Wein reichen Gegend, it Station 
der Linie Plochingen-Immendingen der Württem: 
bergiſchen Staatsbahnen, Sit der Kreisregierung, 
eines Oberamts, eines Anıtsgerichts, einer Reichs: 
bantnebenftellg und einer Handel3: und Gewerbe: 
tammer und zählt (1885) 17228 E,, die fich durch 
Gewerbthätigkeit auszeichnen. Der Ort befikt drei 
prot. und eine kath. Kirche, Die 1273—1343 gebaute 
got. Hauptlirche, eine der ſchönſten Württembergs, 
bat einen 74 m hoben Turm und im Haupticiif 
eine Höhe von 20 m; die drei großen Chorfeniter 
find in neuerer Zeit mit Glasmalereien gefhmüdt 
worden. Von höhern Unterrichtsanitalten bejtehen 
zu N. ein Gymnafiun, eine Oberreal: und Real: 
ſchule, eine höhere Töchterichule; dazu kommen eine 
Webichule, ein pomologisches Inſtituͤt, eine Frauen: 
arbeitfchule u. ſ. w. Hauptgegenſtand der jtäbtis 
ſchen Induſtrie it Lederfabrifation; es beſtehen 
jedoch auch Fabrilen für Leim, Tuch, Metalltuch 
und Borten, ferner Wollſpinnereien, Baumwoll— 
ipinnereien, mechan. Baummollwebereien, mebrere 
Webereien für wollenen Schubitoff, Plüſch u. dal., 
verſchiedene mechan. Werljtätten, Kunſtmühlen, 
Farbereien u, ſ. w. Die weibliche Bevoöllerung 
liefert jehr viele Stridwaren und gehälelte Arbei— 
ten. Unweit der Stadt erhebt fich der freiltehende 
Bergkegel Achalm, 705 m hoc, mit einem Aus: 
ſichtsturm und Nuinen eines Bergichlofles, das 
den Grafen von Achalm gehörte; am Abhange des 
Berges befindet jich ein königl. Hofgut mit Merino: 
ſchäferei. N. iſt Geburtsort des Nationalölonomen 
Lift (ſ. d.) dem 1863 vor dem Bahnhofe ein ehernes 
Standbild errichtet worden ijt, und des Dichters 
Herm. Kurz. Die Stadt wurde 1240 unter den 
Hohenſtaufen Reichsſtadt und verteidigte ſich erfolg: 
rei 


Reutlingen — Nevai 


Gegentönig Heinrich Naspe (1245). Ebenſo tapfer 
igte fih R. gegen Une — Sohn Cber⸗ 
ards des Greiners, in der Schlacht bei R. 14. Mai 

1377. (al. Sacobfen, «Die Schlacht bei R.», 

1882.) Kaiſer Marimilian I. befreite 1498 

Stadt von dem drüdenden Verhältnis zur Reiche: 

vogtei Ahalm und verlieh ihr als Reichsſtadt große 

Vorrechte. Herzog Ulrich von Württem — 

1519 die Stadt; aber der Shwäbiiche Bund an em 

fich ihrer an und vertrieb den Herzog. N. r die 

erite Stadt Schwabens, welde die Reformation 
einführte, und befand ſich unter denjenigen Neichs: 
ftänden, welde auf dem Neichätag zu Augsburg 

1530 die Konfeffion überreichten. rt größte Teil 

der Stadt wurde 1726 durch eine Feuersbrunſt zer: 

ftört. Durch den Reichsdeputationshauptſchluß 
fam fie 1803 an Württemberg. Vgl. « 

us R. und feine Umgebung» (MReutl. 1878); Wörl, 

aFahrer durch R. und Umgebung» (Würzb. 1885); 

«Beicpreibung des Oberamt3 RN.» (Stuttg. 1885). 

Neutmaus, foviel wie Wühlmaus, 

Reutte, Marltjleden in Tirol, 852 m über dem 
Meere unweit der bayr. Grenze, am Lech, iſt Siß 
einer Bezirlshauptmannſchaft und eines Bezirls- 
gerichts, hat eine Baummwollipinnerei und «Weberei 
und zählt (1830) 1470 E, Die jhöne Lage in einer 
tefielartigen Erweiterung des Lechthals, überra 
von hohen Gebirgen, im NR. vom Säuling (2052 ın), 
im DO. von den waldigen Blanfeebergen mit dem 
Zaurentopf, im ©. vom Thaneller (2340 m), an 
deſſen Eu ſich der Schloßberg (1000 m) mit den 
Nuinen der Weite Chrenberg anlehnt, im ®. 
vom Ajchauergebirge mit der Gernfpike (2209 m), 
macht R. zu einem beliebten Aufenthaltsort für 
Touriſten. Mit Kempten (63 km) an der Bahn 
Lindau: Münden ift R. durch eine Poltitrabe ver- 
bunden, die fi nad) Südoften über den Fernpaß 

1203 T bis ins Innthal und nah Innsbrud 
89 km) fortſetzt und früher durch die 1800 von ben 
ranzoſen zeritörte Feſte Gras und die Be: 
eftigungen hg ee aufe beberricht wurde, 

Cine Fabritraße führt nach Südweſten das 

binauf, eine andere öftlich zum berühmten Stuiben: 

fall, dem waldumjclojienen Blanjee und weiter 

nad) Partenlirchen (38 km), Nah Norden führt 
der Kniepaß nad Hohenſchwangau. \ 

Neuttwurm, joviel wie Maulwurfsgrille, 

Neuvertrag (pactum displicentiae) heißt ein 
Nebenvertrag, vermöge deſſen ſich einer 
trahenten ausbedingt, von dem Hauptvertrage wie: 
ber abgeben zu dürfen. Bei dem Haufe wirb er 
Reulauf genannt. Durch den Reufauf bebalten 
ſich bald der Käufer, bald der Verkäufer, bald aber 
aud beide das Hecht vor, nach Gefallen von dem 
gel lofienen Kauf abzugeben. Gewöhnlih wird 

abei eine gemifle Summe feitgefebt, welche der 

Abtretende dem andern bezahlen muß, ſowie es 

auch gut iſt, über die gegenfeitige nung wegen 

der gezogenen upungen, fowie über die Srift aur 

Neue etwas feitzufehen. Doch begründet die 

zu Anfang ftattgebabte Gewährung eines i 

* no ni * —— Dun re Gewä 

rende negen Innelaſſung, ber nger 

doppelte Furüd abe jener Arrha (f.d.) zum belie: 
bigen Nüdtritt berechtigt fi. 

Revaccination (lat,), die Wieberimpfung, J. 
unter Impfung. j 

Nevai (ſpr. Neewoi, Nilolaus), der willen 


gegen deren Gegner, namentlich gegen den | jchaftliche Begründer der ungar. Schriftipradhe, geb, 


Reval — Reventlow (Familie) 


24. Febr. 1752 zu Nagy: Szent: MiHös im Toron: 
taler Komitat, trat in den Biariftenorden und wirkte 
als Lehrer in verfchiedenen Städten. Im J. 1778 
ab er einen Band eigener Gedichte, fpäter die 
tie älterer ungar. Dichter heraus. Seine Haupt: 
werfe, «Antiquitates Literaturae Hungaricae » 
(1803) und «Elaboratior — Hungarica» 
— Bde. 1803—4), bilden die Grundlage der ungar. 
prachforſchung und —— —— (mit dem 
orn en). Er wurde 1802 Profeſſor der ungar. 
prache und Litteratur an der Univerſität Peſt und 
ſtarb 1. April 1807. Bol. Joſ. Bänoͤczi, «R. élete 
és munkäi» (Budapeſt 1879). 

Meyval (eitn. Tallin, lett. Danupils, ruſſ. Re- 
we, Hauptitabt des rufl. Gouvernements Gjtland, 
maleriih gelegene Hafen: und Handelsſtadt an 
einer tiefen Bucht des Finniſchen Meerbujens und 
an ber balt. Eiſenbahn, hat enge, unregelmäßige 
Straßen, alte Giebelhäujer, die nur allmählich 
einer modernen Bauart weichen, oder im got. Stil 
wieder aufgeführt werden, alte Stabtmauern und 
Mauertürme und zählt (1881) 50486 E. von über: 
—— deutſcher Bildung. Die Stadt beſteht aus 
der Unterſtadt und dem Dom, erſtere hügelig, lehz⸗ 
terer auf einer felſigen Anhöhe, welche bis 1878 in 
Bezug auf Verwaltung und Gerichtöwejen völlig 
getrennt waren. Die weit ausgedehnten, zum 
größern Zeil aus Holz gebauten Vorjtädte haben 
mebr eſtniſche und ruſſ. als deutſche Bevölterung. 
Die Unterjtabt ijt Siß ber polit., gerichtlichen un 
firdlichen — ſowie des Handels und der 
Gewerbthätigkeit. Auf dem ſtillern Domberge be: 
iger ih die Kronbehörden des Gouvernements, 

ie ritterichaftlihen und Landesbehörden, bie lirch— 
lihe Adminiftration für den Dom und das Land, 
Grit feit 1857 * R. —— Feſtung zu ſein; 
drei der höchſtgelegenen Baſtionen mit weiter Fern⸗ 
ficht find in reizende Anlagen verwandelt. An 
luth. Kirchen beſiht die Stadt drei deutſche, brei 
eſtniſche und eine ſchwediſche. Außerdem find eine 
—— und fünf griechiſche vorhanden, 
Die Dlailirche ji feit dem Brande von 1820 wieder: 
bergeitellt und hat einen 139 m hoben Turm, In 
der Nilolaitirche befindet ſich ein großer mittelalter: 
licher Altarichrein, ein Totentanz, viele Epitaphien 
und die natürliche, gegenwärtig in die Gruft ge: 
fentte Mumie des Herzogs von Croy. Die Dom: 
lirche birgt die Gräber einiger biltorifch berühmten 
Männer, Andere bemertenzwerte Bauwerke find 
das Schloß auf dem Dom, das Rathaus (mit alten 
Holzihnigwerlen), das Haus der Schwarzen Häup: 
ter (mit alten Gemälden und Koftbarleiten), das 
Haus der Großen Gilde, das neue ſchöne Haus der 
Ganutigilde, die Realſchule, das ‚Spripenhaus. 
Das Gouvernementsgymnafium, die Nitter: und 
Domſchule, die Realſchule und das ruſſ. Alerander: 
Gymnaſium find bie Diraniahen Unterrichtsanftal: 
ten R.s. Die feit 1842 beitehende Litterariihe Ge: 
jellichaft befist eine anſehnliche Bibliothel und ein 
Muſeum, das Nitertümer Eſtlands, Eng gen ne 
und ethnogr. Sammlungen und eine fehr reiche 
Petrefaltenfammlung von Tieren des filurifchen 
Syſtems enthält. Die Yabrikthätigfeit liefert Haupt: 
fählih Spiritus, Branntweın, Sirehhefe und Ta: 
eten. R.s Handel hat jeit Eröffnung der Balti: 
hen Bahn (1869) einen großen Aufihwung ge: 
nommen, ‘m. 1884 gingen 781 Schiffe, meift 
Dampfer, mit 376224 t . ein; ein Drittel 
berjelben fam unter deutſcher Flagge. Die Einfuhr 


649 


beftand vornehmlich in Baummolle, Mafchinen und 
Apparaten, Eiſen⸗ und Stablfabrifaten, Mein, 
Dlivenöl, Früdten, Salz, ern gi Kreide, Stein: 
fohlen und Gifen. SHauptartifel der Ausfuhr find 
Getreide, Spiritus, Flachs, Hede, Olluchen, Bretter, 
Knochen, Leinfaat, Häute und Boriten u. f. w. 
Nahe bei der Stadt an einem Abhange des mit zwei 
Leuchttürmen befekten Laatsberges liegt der von 
Peter d. Gr. für feine Gemahlin erbaute Balaft 
und Bart Katharinenthal mit reizenden Scat: 
tengängen und einem Seebabe, Begründer R.3 ijt 
der Tänenlönig Waldemar II., der 1219 auf einer 
ae die nad der Voltziage das Grab bes 
Giten elden Kalew bildet, an Stelle der Gpesteaune 
Lyndaniſſe eine neue Burg erbaute. Unter dem 
Schutze derfelben entitand bald auch bie Stabt, 
deren Bevöllerung von Anfang an deutſch war. 
Sie erhielt 1248 von König Erid er gennig das 
Lũbiſche Recht, trat früh Schon dem ——— bei 
gehörte ſeit 1346 zum Ordensſtaate, befannte fi 
1524 zum Luthertum, wurde nad Suflöfun de3 
Ordensſtaates 1561 ſchwediſch und 1710 ruſſiſch. 
Bgl. Bunge, «Die revaler Ratslinie und Gefhichte 
der Ratsverfafiung» (Reval 1874); Haufen, «Die 
Kirden und ehemaligen Klöjter R.E» (3. Aufl., 
Reval 1885) un ‚führer durch RN.» (Reval 1878); 
Nottbed, «Der alte Immobilienbeſiß R.3» (Reval 
_ und «Die ältern Ratsfamilien⸗ (Reval 1875); 
Amelung, «Revaler Altertümer» (Reval 1884). 

Revalentasarabica over La-Revalesciere 
von Dr. Barry, ein Geheimmittel, welches aus dem 
Mehl von Bohnen, Linfen und Erben beiteht. 
(S. unter Geheimmittel, Bd. VII, ©. 659*,) 

Neveille (mr) heißt das Signal, welches früh 
morgens zum Meden der Truppen ertönt. Mit ihm 
beginnt der Tagesdienft. In bedrohten Feſtungen 

on mit der R. Patrouillen vor die Thore, um 

R von der Sicherheit der Umgegend zu überzeugen, 
und erjt nad ihrer Nüdkehr werben die Thore für 
den gewöhnlidyen Verkehr 8* 

Mevel, Stadt im franz. Depart. Haute-Garonne, 
Arrondiſſement Villefranche de Lauragais, Station 
der Linie Caſtelnaudary-Caſtres-St.⸗ Amans ber 
Südbahn, zählt (1881) 3670(als Gemeinde 5477) E. 
und bat Fabrilation von Wollzeug und Strumpfs 
waren. Etwa 3km füdöftlich liegt das 67 ha gro 
Baflın de St.:Ferreol, der bedeutendite Wajlerbes 
bälter des Ganal du Midi, J 

Reventlow, eine von den Urfamilien ber 
ſchlesw. holſtein. Ritterſchaft, die jet in Preußen 
und Dänemark weit verbreitet iſt. — Zuerſt fommt 
Gottihalt von Revitlo in einer Urkunde von 
1223 vor. — Dariei® von R., im Dienfte des 
Grafen Gerhard d. Gr. von ag überfiel und 
erſchlug deflen Vetter, —* Adolf, in feinem Schloß 
Segeberg (Aug. 1315), welcher Vorfall von der jpä- 
tern Sageromantifhausgefchniüdt ift. Die Familie 
war fpäter fortwährend unter den höhern Beamten 
der An Bene. Landesherren ftark vertreten. 
— Detlev von. (geb. 1600, gejt. 1664) war 
beuticher Kanzler (fer chleswig Holſtein) des bän. 
Königs Chriftian IV., aud Amtmann & Haberd: 
leben und Romsdal in Norwegen. Bon feinen 
beiden Söhnen ftiftete Henning (geb. 1640, geſt. 
1705) die ältere und Konrad die jüngere Linie, 
welde beide noch fortblühen. — Die ältere Linie 
ward unter Hennings Enlel, Detlev von R. (geb. 
1712, geit. 1783), in den dän, Grafenitand 24. De}. 
1767 erhoben, 


650 


Bon ber ältern Linie durch Aboption abgezweigt 
ift die yamilie R.-Eriminil, indem ein jüngerer 
Sohn des eriten Grafen. Detlev, a. Friedrich 
von R. auf Emtendorf in Holitein (geit.1829), den 
emigrierten franz. Grafen Le Merchier de Griminil 
mit feiner Toter vermählte und deſſen beide 
Söhne fpäter aboptierte, die darauf, unter Bereini- 
gung ber Namen und Wappen, 20. Sept. 1815 in 

n. Grafenitand aufgenonmen wurden, 

Die jüngere Linie ftiftete Konrad von * 

je. 1644, geft. 1708), der 3. Juli 1673 
fen ernannt — und die Gra * = 

* ow-Sandberg im Sundewitt (He 

ge errichtete. Später ward er G 

des Königs Friedrih IV. von Dänemark. 
felbe König begünftigte nachmals bie — Ren 
rads, Gräfn Anna Sophia von A. (geb. 1 
geit. 1743), —— er ſchon 1. Juli 1712 — 

n von Schl — b, ipäter aber förmlich 
ben tete und ala Königin (4. April und 30, Mai 
a trönen lie 

Konrabs — und Erbe, Graf Chriſtian 
Detlev zu N. (geb. 1671, geft. 1738), iomman⸗ 
dierte während bes Spaniſchen Grbtolgetriege An: 
fang 1702 ein bän. — Lt Ban n als Feld⸗ 
marſchalllieutenant in öfterr. Dienfte a nahm | den 

1709 - ger ger feinen Abſchied. 
Nah der Rüdtehr nah Dänemark fungierte er 
pe = ala —— —2** *5* 

verlieh ihm ſein ig Friedrich IV 
die — 1 ene Baronie Brabe: — 5 auf 
nen (28. Dez. 1722) und die Grafſchaft Chriitiand: 
übe auf ey (25. juli 1729). ber Thron: 
efteigung des Königs Chriftian VL wurde jebod) 
Graf Ehrijtian Detlev aller feiner Amter enthoben 
und feine Schweiter, die —— Anna er, 

auf dad Gut kausholm in Yütland verwiefen. 
eveutlote (Graf riedr.) oder Neventlou, 
wie er fich felbft ſchrieb, belannt durch feine Teil 
nahme an der ſchlesw. holſtein. Bewegung 1848 
—5l, geb. 16. Yuli 1797, jtudierte in Göttingen 
die Rechte, trat erft ala Auskultant und fpäter als 
Rat in das holitein, Obergericht zu Glüdjtadt, dann 
1834 in das en zu Kiel und 
wurde einige {jahre jpäter zum Propſt des adeligen 
Klofters Preeß gewählt. 34 wurde er Mit⸗ 
glied der holſtein. a 2 
r König — VIII Offenen Brief vom 

Juli 1846 erließ, trat R. als Führer der fchlesw.: 
bolkein. Ritterſchaft gegen biefen Übergriff auf und 
ftand ſeitdem an der Spiße der —— welche 
die Selbitändigfeit der Herzogtumer Schleswig⸗ Hol⸗ 
ſtein, jedoch in Perſonalunion mit Dänemarfl, 
ſicherſtellen wollten. Als die Bewegung 1848 aus: 
brad), trat er 23. März mit Befeler u. |. w. in die 
Proviforiiche Regierung ein. R. war der Haupt: 
träger derjenigen Politik, weldye die —— 
an — Vermittelung bingab. Nachdem R. 
22, Dit. 1848 mit den übrigen Mitgliedern der 
Bemtiseigen! Regierung abgetreten, ward er nebit 

feler 20. Wär; 1849 von der deutichen Reichs⸗ 
gewalt zum Mitglied ber Statthaltericaft beitellt. 
Nach Bejelers Abdankung führte N. noch kurze Zeit 
bie Regierung allein, bis er Yand, Bolt und Heer 
an bie Kommuüflarien ber deutfchen Srofmächte und 
Dünemarls 1. Febr. 1851 übergeben mußte. Gr 
308 ſich hierauf ins Privatleben zurüd, wurde 1852 
von der dän. Negierung des Landes 3 verwiejen und 
erwarb die Güter Yiaubart und Starzebdel mit 


Neventlow (Graf Friedr.) — Revers 


Vetterzfelde (im Areiſe wo er 24. April 
1874 ftarb. Als —— Mitglied des 
preuß. Herrenhauſes nahm R. im —* libera⸗ 
len Sinne an den Verhandlungen desſelben teil. 
Sein älteiter Sohn, Graf Kurt, geb. 6. Nov. 
1834, bekleidet feit 1877 das f mt des Ba: 
tera ala Bropft des Breet. 
Reventiotw (Karl Dtto, genannt), Mnemoted;- 
niler, geb. 1817 zu Stornhebinge auf Seeland, 
nibierte in Kopenhagen Philologie, widmete ſich 
aber fpäter ganz ber mit. Auf Reifen durch 
Deutichland“ lehrte er das von ihm erfundene mne: 
motehn. Syitem. (S.u.Mnemonil.) Er fdrieb: 
sPehrbud; der Mnemotechnik⸗ (Stuttg. 1843), «Wör: 
terbucd der Mnemotechnil» (Stuttg. 1844) * 
«Leitfaden der Mnemot » (Stuttg. 1846). R 
ftarb mai April 1873 in Kempten. 
(fr3.) oder Reflektor nennt man 
is —— der dazu dient, die hi 
—— len zu ſammeln und in 
ichtungen jurüdzuwer en Eiche Doblfpiegel 
= er Metall — ſich fruher an den 
meiſten der zur —— den gro⸗ 
Stãdten eingeführten Ollaternen, bi —— 
— ————— bieben. Ziefelben 
allen Seiten verglaften Gaslaternen > 


einen 
pie 


— An den Laternen der Leuchtturme findet 
RL ya ner 2 neuern Sonenlinjen von 
nd en (vom frz. röverberer, db. iĩ zu⸗ 
— (di Br foviel wie Flammofen. 
32* ital. —— 1812 zu 

Teich, Mu —— in nd und a nad) 
Turin, wo er an ber liberalen Beitjchrift «La Con- 


cordia» mitarbeitete. Im J. 1848 lam er wieder 
nad Mailand, wo er fi) an den polit. Creignifien 
beteiligte, 308 ſich aber nad) Unterdrüdung der Re⸗ 
volution wieder nad) Piemont zurüd und lebte in 
Sufa, Turin, dann längere Zeit in Genua, bis er 
nad) den Greigniffen von 1870—71 eine Stelle im 
Minijterium des Auswärtigen = Kom erhielt. 
Seine Schriften, namentlid die Dramen («Loren- 
zino de’ Medici», Mail. 1829; «I piagnoni e gli 
arrabiati al tempo di fra Girolamo Savonarolas, 
2 Bde., Mail. 1843; «Sampiero di Bartelicas, 
Mail. 1846; «Il marchese di Bedmar», Mail. 
1847; «Drammi storici » Slor. 1860), welche 
Wedung des patriotifchen Sinnes | bejweden, zeich⸗ 
nen ſich aus durch edle Sprache und geiſtvolle 
Charalter- und Situatiousſchilderungen. Seine 
Begabung für ze: — belundet R. in 
«La cacciata d a Siena» (Mail. 
1847). Als teeii iden En nettendidhter erweiit er 
fi) in «Sdegno e affetto» (Mail. 1845), «Nuori 
sonetti» — 1846); «Persone ombren 
Genua 1862). Cine Reihe von Reiſeſtiggen ent: 

Iten die «Bozzetti alpini» (Genua 1857) und 
«Marine e paesi» (Genua 1858). 

Mevers (frz., vom lat. reversus, d. i. Nüd: 
oder Kehrſeite; engl. reverse, pile), die Nüd: oder 
Kehrjeite einer — im Gegenjag zur Vorder: 
feite oder Avers (ſ. d 

Neverd lat.) ba eine ſchriftliche Gegenver: 
p flihtung, ein Angelöbnis, dieſes oder jenes zu 
eilten oder zu unterlafien, aud) ein Berwahrungs: 
fein, eine jchriftliche Berfiderung,, dab eine jr 
wiſſe vandi ung einem andern nicht nachteilig ſei 
oder in vorlommenden Fällen nicht gegen ihn wie: 
derholt oder fonit gemißbraucht werben folle. 


Reversbriefe — Revifion 


Reveröbriefe, Reverje oder Reverjalien 
waren vordem joldye Landtagsabichiede, in denen 
die Fürjten, wenn fie außerordentliche Steuerbe: 
willigungen erlangt hatten, feierlidy anerlannten, 
——— ‚nun —— —— fordern, 

ich der n 

it wurde, Fretig Kanes ——— 
fl zu feren, jo hießen ſeitdem Neverfalien auch die 
Berfiherungen, in denen ein Fürſt beim Antritt 
jeiner Regierung und bei der Huldigung der Stände 
ſich anheiſchig madıte, die Rechte, Freiheiten und 
— —* Unterthanen nicht anzutaſten. 

rüber purden au —— —— Obrig⸗ 

monta tsherrſchaften, 
wegen behaupteter Übergriffe —— welche die 


nrevete: 
ment oder —— nt. J 

Feſtungsbau, Bd. VI, Eu 10 
Revier —— nennt man einen eine Wirt⸗ 
Wald, welcher nur einem 


eng, = einem —— Kae 
5 ur 
Redier (militärti) heißt ein Degirt, Umfrei 


irt, Umtfreis, 
Strede, Quartier. So bezeichnet 
man — ————— ben von einer Kompagnie 
in einer Kajerne oder einem Lager eingenommenen 
Raum, als R. eines vifitierenden U die 
Strede, bie er abzupatrouillieren hat, als Revier: 
tranten einen Kranlen, der im Gegenfat zu einem 
— Quartier ärztlich behandelt wird. 
evierausſchuft (im Bergbau) ift ein von der 
Sejamtheit der Dergwertäbefiper eines Bergreviers 
gewähltes Kollegium, welches die gemeinfamen Sn: 
terefien der Bergwerköbeliger zu wahren und zu 
vertreten und die Nevieranitalten zu verwalten 
bat; lestere find gemeinnüßige Einri eg und 
nlagen, wie Revierlaflen, Revierjtölln, Revier 
waflerverjorgungen; Nevierbeamte werben 
vom Revierausihuß angeitellt, in Preuben heißen 
o die vom Oberbergamt in einem Bergrevier be: 
tellten Bertreter, die auch die Bergpolizei ausüben. 
Revilla-@igedo, zum merilan, Staat Colima 
gehörige Inſelgruppe im nördl, Großen Dcean, 
zwiſchen 18 und 20° nördl. Br. und 110 und 115 
weitl.2. von Greenwich, zählt auf 800 gkın 1500 €. 
und iſt an Schildkröten und Robben reih. Die 
größte Juſel Socorro fteigt bis zu 1131 m auf. 
_Revillon (Antoine, genannt Tony), franz. 
Scriftiteller und Bolititer, geb. 29. Dez. 1832 zu 
St »Laurent:lez: n, rt. Yin, war in 
Paris Mitarbeiter an verjdiedenen Blättern und 
ſchrieb eine Anzahl Romane, wie «Le monde des 
eaux» (1860), «Les bacheliers» (1861), «I,a belle 
jeunesse de Frangois Lapalud» (1866), «Le Fan- 
bourg Saint-Germain»(1867),«Le Faubourg Saint- 
Antoine» (1870), «Les aventures d’un suicidd» 
(1872), «La separee» (1874), «Les convoitises» 
(1875), «L’exile» (1876), «La ise per- 
vertie» (1877), «Noemi» (1878), «Ises deux com- 
paguons» und «l,e besoin d’argent» (1879). Mit: 


61 


Revirement (fr3.) heißt das Ab: und Zuſchrei⸗ 
ben von Poſten zwiichen zwei fidh gegenjeitig ſchul⸗ 
denden Kaufleuten; als nautisher Ausdrud be: 
deutet R. das Umwenden eines Schiffs, 

Revifion (lat.), eigentlih nodymalige Prüfung 
oder Durchſicht, bieb im frübern Prozeßrecht ein 
Surrogat der Appellation, welches die wiederholte 
Vrüfung der Sade in derfelben Inſtanz bejwedte. 
Im heutigen deutſchen zu (Civil: und Straf: 
prozeß) iſt die N. ein Rechtsmittel, welches die 
Nahprüfung des angefochtenen Urteild nur in der 
Nedtsfrage, innerhalb der Grenzen der Revilions: 
anträge, bezwedt; es jtüßt ih darauf, daß die an: 
gegriffene Enticheibung auf einer Gefehesverlepung 
berube, d. h. eine Rechtsnorm (eine prozefiuale oder 
materiellsrechtliche) nicht oder nicht-richtig ange: 
wandt fei; die Thatfrage iſt ber Kognition des 
Revifionsgerichts entzogen; es iſt gebunden an den 
im angefochtenen Urteil feitgejtellten Thatbeitand; 
es prüft nur, ob auf denjelben das Recht in der 
richtigen Weiſe angewandt fei. Ihre Borausjehung 
der R. iſt, dab die Enticheidung auf ber Gejekes: 
verlegung berube, d. b. ohme diefelbe anders aus: 
gefallen wäre; bei gewilien prozefiualen Mängeln 
muß aber die Entſcheidung jtet3 als —— 
Geſetzesverlezung beruhend angeſehen werden, jo 

B. wenn das Gericht nicht vorſchriftsmäßig be: 
et war, oder ein auögefchlofjener oder rechtswirk⸗ 
jam abgelebnter Richter mitgewirtt bat, oder gen 
die Zultändigleitönormen gefehlt üt, im Straf— 
prozeß namentlich auch dann, wenn durch Gerichts: 
beiehluß die Verteidigung in unzuläffiger Weife be: 
—— war. Im Civilprozeß iſt aber die R. inſo— 
ern eingeſchränkt, als fie nur geſtüßt werden Tann 
auf die Verlegung eines Reichsgeſetzes oder eines 
über den Bezirt des Berufungsgerichts binaus gel: 
tenden Yandesgejehes, und daß der Bejchwerde: 

egenitand einen 1500 Mark überfteigenden Wert 
—* muß. Sm Strafprozeß fan die Staats: 
anwalticaft die R. zum Nachteil des Angellagten 
nicht gründen auf Verlegung einer zu feinen Gunjten 
gegebenen Rechtsnorm (jogen. Revifionsiumme). 

Die R. findet ftatt im Eivilprozeh gegen die 
in der Berufungsinitang erlaffenen Endurteile ber 
Dberlandesgerihte, im Strafprozeb gegen die Ur: 
teile der Landgerichte (in erjter und in der Beru: 
fungsinftanz) und der Schwurgerichte. Zuftändig 
für die Verhandlung und Entſcheidung über die R. 
it im Givilprojeh das Reichsgericht (begiebungs- 
weife bayr. oberite Landesgericht), im Strafprozeß 
find die Oberlandesgerichte zuitändig für bie X. 
gegen Urteile der Straflammern in ber Berufungs: 
inſtanz und gegen Urteile der Straflammern in 
eriter Inſtanz, J die R. ausſchließlich auf die 
Verlehung einer landesrechtlichen Norm geſtüht 
wird; das Reichsgericht für die R. gegen ſchwur⸗ 
gerichtliche Urteile und gegen die Urteile der Straf: 
fammern, joweit nicht die Oberlandesgerichte zu: 
ftändig find. Da nur mit der Rechtsfrage das Ne: 
viionsgericht befaht jein ſoll, jo fann es im Falle 
der Aufbebung des angefochtenen Urteils felbit das 
Endurteil nur alddann geben, wenn dasjelbe ohne 
weitere Beweisaufnahme, ohne weitere thatſächliche 


| Erörterung und Unterfuchung möglich it. Andern: 


go des parifer Gemeinderats feit 1881, trat er | falls iſt die Sache zur weitern Verhandlung in die 


uft desielben Jahres im zweiten 
Belleville ald Kandidat der äußerſten Zinten gegen 
Gambetta auf und wurbe bei der Stichwahl in die 
Deputiertenlammer gewählt. 


Wahlbezirk von 





untere Inſtanz zurüdzuverweifen, welche ihrer Ent: 
icheidung Dieielbe rechtliche Beurteilung zu Grunde 
zu legen bat, die das Reviſionsgericht der Auf⸗ 
bebung zu Grunde gelegt batte, 


652 
fiber bie ara der R. namentlich die Friſt der: 


—* gelten der —— Grundſaäße. Bol. 
ivilprozeßordnung für 3 Deutfche Reich, 88.507 
—529; dazu aud Ein 


—— 85.68; aiferl, 
Verordnung, betreffend die Begründung der R. in 
bürgerlichen Rechtsſtreitigleiten vom 28. Sept. 1879 
(10. April 1880); Reichsgeſeß vom 15. März 1881; 
— —2 374 388. 

Der urevision» des franz. Strafrechts entſprechen 
in der Deutſchen Strafprozeßordnung (vgl. 5 399 
—413) die übrigens weiter gehenden Beitimmungen 
über Wiederaufnahme (f. d.) eines durch rechts: 
kräftiges Urteil gefhlofienen Verfahrens. Im franz. 
Strafverfahren heißt nämlich ur&vision» Das Rechts⸗ 
mittel, wodurch bei Berurteilung zufchwerern Stra: 
fen eine Abänderung des Erkenntnifies nachgeſucht 
wird, weil ein anderer des nämlichen Verbrechens 
ſchuldig befunden iſt und beide Urteile fi nicht 
vereinigen lajien, oder ber angeblich Getötete noch 
lebt, oder Belajtungszeugen nachträglich falſcher 
Ausſagen übermiefen find, , 

In der Politik bezeichnet Revifion die Ab: 
änderung von Verträgen, sn Wr — oder 
Gefepen, die fih in manden Beitimmungen nicht 
als reg erwiefen, auf legalem Wege, burd) 
die peieblic efugten Gemwalten felbit. Hierfür 
ſchreibt die franz. Berfafjung vom 25. Febr. 1875 
are Verena er urAssemblöenatio- 
nale vereinigten Kammern (Chambre des d&putes 
und Senat) vor, nachdem vorher jede derfelben ge: 
fondert mit —— ehrheit eine Abänderung ge: 
hlofien. Während der Präfidentihait Mae-Mahons 

ollte fie nur auf feinen Vorſchlag erfolgen können. 

Deutiche Reichsverfaſſung kann im Wege der 
Geſehgebung abgeändert werden. Beränderung®: 
anträge I ran als abgelehnt, wenn fie im Bundes: 


tat 14 Stimmen gegen ſich —* Die belg. Ber: 
—2— erfordert ** ſtimmenmehrheit, die 
reußiſche zwei Abſtimmungen beider Häuſer mit 


wiſchenraum von 21 Tagen, wobei Stimmen: 
mehrheit enticheidet, die amerilaniſche verlangt da: 
gegen zwei Dritteile Stimmen in jedem der beiden 
Häufer oder der Staaten und tritt der revibierte 
Artikel nur in Kraft, wenn drei Bierteile der Staa: 
ten ſich für denfelben ausſprechen. Die neue ſchweiz;. 
Bundesverfafjung — jederzeit R., beruft bei 
Differenz zwiſchen beiden Räten oder auf Antrag 
von 50000 ftimmberedtigten ging: das 
Volt zur Abftimmung. Sofern ſich die Mehrheit 
besjelben bejahend ausipricht, find beide Räte neu 
u wählen. Die revidierte Bundesverfafjung tritt 
in Kraft, wenn fie von der Mehrheit der an der 
Abſtimmung teilnehmenden Bürger und von ber 
ne angenommen ift. Die Stimme 
der Halblantone wird als halbe gezählt, und das Gr- 
gebnis der Vollsabftimmung gilt in jedem Kanton 
als Standesftimme desfelben. Der Bund gewäbhr: 
leiftet die einzelnen Stantonalverfafiungen, wenn fie, 
neben andern Erfordernifien, R. auf Verlangen der 
abfoluten Mehrheit der Bürger zulafien, In ein: 
zelnen Berfafjungen iſt beftimmt, daß nach Ablauf 
eines beftimmten Zeitraums eine R. erfolgen foll. 
Im Zollwefen beißt Revision die amtliche 
Prüfung zoll: und tontrollpflichtiger Warenfendun: 
nen zum Anede ihrer Ablafjung in den freien Ber- 
tehr oder ihrer fonftigen Abfertigung. Diefe R. iſt 
entweder eine allgemeine oder eine fpezielle. Die 
allgemeine R. geſchieht nur nad Zahl, Zeichen, Ber: 


Nevokatorienklage — Revolution 


Öffnung. Bei ber fpeziellen Revifion, welde 
zu geihehen hat, fobald die Waren in den freien 
Verlehr treten follen, findet außerbem die Gröff: 
nu t Colli ftatt, um bie Gattung und Menge 
ber in benfelben enthaltenen Waren zu ermitteln. 
S. auch Deflaration.) — Bei der Kontrolle der 
zerbrauchsſteuern bezeichnet man mit Revifion 
bie durch amtliche Organe erfolgende örtliche Beauf: 
a Be Betriebsräume, Betriebsgerätichar: 
ten und Betriebsnorräte der in Betraht fommen: 
ben verbrauchäfteuerpflichtigen Unternehmungen. 
Im Staatsrehnungsmefen ift Revifion 
bie Prüfung der Nechnungen in Bezug auf ihre 
formelle kaltulatorifche und materielle Richtigkeit. 
In größern Staaten erfolgt diefelbe in der Regel 
durch bejondere oberfte Rechnungsreviſionsbehoͤr⸗ 
ben. (5. Oberrehnungstammer.) 
NRevofatorienflage, das Rechtsmittel, durch 
das eine verbotene Lehnsveräußerung angefochten 
wird. Gie fteht dem Lehnsherrn, fowie ben Lehns⸗ 
— zu. (S. Lehn und Lehnsweſen.) 
evolution (vom fpätlat. revolutio, Umwãl⸗ 
jung) nennt man in der phyfifchen und auch in der 
moraliihen Welt jene gs ihen, anfdeinend ben 
—— Lauf der Dinge unterbrechenden Er: 
dütterungen, in welchen das Alte zerftört und auf: 
gegeben, zugleich aber auch eine neue Lebensgeſtalt 
vorbereitet wird. Man fpricht demnach von R. in 
ber Natur überhaupt, im tieriihen Organismus, 
im Gebiete des fittlihen und des denlenden Geijtes, 
bejonders von R, im polit. und fozialen Leben der 
Völter. Unter den Ummälzungen, welche in ber 
Geſchichte der german.:roman. Völter den Namen 
von R. in jenem Sinne verdienen, find es zwei 
große Hataftrophen, die einen wahrhaften Wende: 
punlt im europ, Kulturleben bezeihnen, und an 
welche ſich mehr oder weniger die übrigen gemalt: 
famen Beränderungen des Zeitalter knüpfen. 
Diefe Ummwälzungen find die engliſchen R. (: Groß: 
britannien) im 17. und die franzöſiſchen (f. 
Frankreich) feit dem Ende des 18. Jahrh. Troß 
mander äußern Ühnlichleiten, welde dieſe beiden 
R. darbieten, waren * ihre Entſtehungsgründe, 
ihr innerer Berlauf, endlich ihre Folgen für bie 
pi Weiterentwidelung der beiden Staaten we: 
entlih verſchieden. Diele Gegenfäbe find ſehr 
ſchlagend angedeutet in Guizot3 und Dahlmanns 
Geſchichtswerlen über diefelben. Aus den ſtaats— 
rechtlichen Grundbfägen, welche durch die englische 
R. für das brit. Rei erg er wurden, ent: 
{prang bie norbamerifaniihe N. (S. Vereinigte 
taaten.) Dagegen haben alle fpätern polit. 
Ummälzungen ihr Vorbild von ber großen fran: 
zöfiihen N. von 1789 entlehnt, deren Prinzipien 
durch die Revolutionskriege über ganz Europa ver- 
breitet wurden. Dasſelbe gilt von der R. auf der 
franz. Inſel Haiti und von den Unabhängigkeits 
fämpfen der jpan. Kolonien in Merito, Gentral- 
und Sübdamerila. Als nah der Neugeftaltung 
Guropas durch die Wiener Verträge die Politik der 
Reitauration (j. d.) überall vorherrſchend wurde, 
gab die NR. in Spanien 1820 den Anjtoß zu einer 
weitverbreiteten revolutionären Bewegung, bei der 
die ſpan. Cortesverfafjung von 1812 als das zu 
erftrebende polit. Ideal galt. Ginen weſentlich 
nationalen Charalter hatte die 1821 entitandene 
riech. Erhebung, welche in einen die pr liche Be: 
iung Griechenlands von der türf, Gerrichaft 


padungsart und Gewicht der Eolli ohne deren Gr: | herbeiführenden Unabhängigleitskrieg (1821 — 28) 


Nevolutionskriege — Rex 


überging. Einen abermaligen Anftoßerbielt Europa 
durd) die franz. Yulirevolution von 1830, und ſeit⸗ 
dem wurde die revidierte franz. Charte das Muſter⸗ 
bild für die konftitutionelle Entwidelung. Während 
bisher immer die Forderungen des Lıberaliämus 
in erfter Neibe ftanden, machte bei der großen 
europ. —— von 1848, wozu die franz. 
ebruarrevolution das Signal gegeben hatte, vor: 
zugsweife das Nationalitätspringip ſich kräftig gel: 
tend. Obwohl dasjelbe für den Augenblid unter: 
lag, dauerte * ſeitdem die ‚geiitige Bewegung 
fort, welde im Berlauf eines Menſchenalters die 
nationale Wiedergeburt von Italien, Deutfchland, 
Ungarn und der Donauländer berbeiführte. 
evolutiondfriege, ſ. Franzoſiſche Revo⸗ 
lutionstriege. 

Mevolutivnstribunal wurde der Gerichtshof 
genannt, —F ſich die — eg der Revolution 
in Franlkreich als Werkzeug ihrer blutigen Bolitit 
bedienten, Das Gericht wurde im März 1793 ein: 
gerichtet und Sollte alle auf Revolution und Gegen: 
revolution bezüglihen Verbrechen, und zwar ohne 
Zuläffigteit einer Appellation rihten. Den Namen 
Tribunal revolutionnaire erhielt dad Gericht erjt 
im Olt. 1793 mit dem Prozeß der Gironde. Die 
Zerrorijten ftellten den fanatifchen Fouquier:Tin: 
ville als öffentlihen Ankläger an, der, bald alle 
Gerichtsformen verlaflend, blindlings die von 
Kobespierre durd) den Wohlfahrtsausichuß diltier: 
ten Blutbefehle ausführte. Vom 11. März 1793 
bis zum 27. juli 1794, an welchem Tage Robes— 
pierre felbft jtürzte, wurden 2774 Perjonen, dar: 
unter ein Greis von 97 und ein Anabe von 14 Jah⸗ 
ren, durch dad R. unter die Guillotine befördert. 
Definitiv aufgehoben wurde das R. durch ein Delret 
des Konvents vom 23.Mai1795. Bol. Campardon, 
«Histoire du tribunal r&volutionnairen (2 Bde., 
Bar. 1866); Berriat Eaint:Rair,‘«La justice revo- 
lutionnaire» (2, Aufl., Par. 1870). 

Nevolver (vom engl. to rerolve, umdrehen, 
baber revolver-pistol, Drebpijtole, deutich 
Drebling ._ bezeichnet eine mit einem Dreh⸗ 
medanismus verfehene und in der Regel kurze 
Handfeuerwafle (Bijtole), mittel deren fi eine 
geringe Anzahl Schüffe jehr raſch hintereinander 
abgeben laſſen. Bei ältern Konſtrultionen von R. 
it ein Syſtem mehrerer Läufe um eine gemeinfame 
Achſe drehbar, bei neuern ift die Drehbarleit auf die 
mehrere (meijt ſechs) Patronenlager enthaltende 
Zrommel befhräntt, vorwärts welcher ſich ein ein: 
ziger feititehender Yauf befindet. Das Schloß 
iſt gleichfall3 gemeinfam. (Das Nähere bezüglich 
der Konjtruftion ſ. unter Handfeuerwaifen, 
Bd. VIIL, ©. 795°, 799° , 806°, 807* und Taf. I, 
Sig. 18,19.) Die Anwendung des Revolverfyftems 
auf Gewehre ift aus mehrfachen Gründen eine be: 
ſchränlte geblieben. Für die deutfche Marine wurde 
1885 ein Nevolvergewehr angenommen, deren jedes 
mit einer bis vier Nevolverlanonen ausgerüjtete 
Schiff eins, jedes mit mehr als vier Revolverlano— 
nen zwei belommt, Während die R. anfänglich 
mehr zum Cinzelgebraud in der Hand von Offizie: 
ren und PBrivatperfonen dienten, findet man fie jekt 
in allen Heeren als Ordonnanzwafien, befonders 
bei derjenigen Gattung der Htavallerie, welche leine 
Karabiner führen, re minder auch auf der Flotte. 
Die Vorzüge der R. beftehen in ihrer Handlichleit 
und für furze Zeit großen Feuergeſchwindigleit. 
Nach Abgabe der in der Trommel enthaltenen Ba: 





653 


tronen ift aber das erneute Laden zeitraubenb, 
Bermöge ihrer —— Konſtrultion laſſen 
die R. nur eine Meine Ladung zu, ergeben geringe 
Schußweiten und gelten im allgemeinen als un: 
—— in ihren Funltionen. Bedeutung haben 
fie nur als Waffen zur Verteidigung der eigenen 
Berfon und als —— 
tz 


Revolvergeſchütz (Nevolverlanone), ſ. u. 
— 3 ũ he, Bd. X, S. 166, Abbildung 
auf Tafel: Ge 


übe II, Fig. 6; Bd. VII, 6. 801. 
evue (frj.) oder Hierfäau wird von dem 
Landesherrn oder von höhern Befehlshabern ab: 
gehalten, um fid) von dem Zuftande der Truppen 
und ihres Material®, zuweilen aud von dem Geiſt 
berjelben zu überzeugen. (S. aud Parade.) Im 
Kriege werben R. bei der erften Zuſammenziehung 
und — bei paſſenden Gelegenheiten, oft vor und 
nad Hauptſchlachten oder nad) beendigtem Kriege 
veranftaltet und dabei auch zuweilen Belohnungen, 

ahnen u. f. w. verteilt.— Revue ift befonders in 

— auch der Titel von Zeitſchriften polit., 
itterariſchen und wiſſenſchaftlichen — 3. B. 
der (von Buloz 1831 in Paris gegründeten) «Reyue 
des deux mondes», der «Revue critique», ber 
«Revue philosophique» u. f, w. 

Rewbell (jean Sraniois), Mitglied ber franz. 
Direltorialre Nerung, geb. zu Golmar 8. Dit. 1747, 
tudierte die Rechte, lieb ſich dann in feiner Vaters 
tadt als Advolat nieder und war beim Ausbrud) 
der Revolution Vorſteher — ſeiner Kor⸗ 
poration. Für den Amtsbezirk Colmar zu den 
Generalſtänden abgeordnet, —— er alle Maß⸗ 
regeln, welche zur Gründung der Republil beitrugen. 
In den Konvent trat er für Neubreifad ein. Bei 
der Berurteilung Ludwigs XVI. befand er ſich ala 
Konventsdeputierter bei der Rheinarmee. In 
yore — ging er hierauf in die Vendee. 

ad) dem Eturz Robespierres ſchloß er ſich jedoch 
den Thermiborianern an, welche ihn in den Sicher: 
beit3:, den Wohlfahrtsausſchuß und zum Bräfidium 
de3 Sonvents beförderten.. Nah der Auflöfung 
desjelben in den Rat der Alten gewählt, deflen Se: 
fretär er war, wurde er 1. Nov. 1795 Mitglied des 
Direltoriums, wo er durch feine Arbeitskraft und 
Grfahrung, aber . durd) feine Nüdfichtslofigkeit 
bervorragte. Durch den Staatsſtreich deö 18. Dru: 
maire bejeitigt, zog er ſich in feine Heimat zurüd, 
wo er 23. Nov. 1807 ftarb. 

Rewdiuſky Sawod, großer Bergwerld: und 
Nabritsort im ruſſ. Gouvernement Perm, Kreis 
Jelaterinburg, 48 km von ber Kreisftadt, mit 
9914 6, Diefe dem Fürften Demidow gehörigen 
Werte wurden 1741 angelegt; anfangs befanden 
fih bier nur Gifenhütten, jpäter wurden aud in 
großer Menge Kupfer und andere Metalle gefunden; 
auch ift R. der einzige Ort in Rußland, wo man 
Nidel antrifit, und in geringen Duantitäten wird 
aud Gold gewonnen, 

ex (lat., d. i. König) hieß der Regent des röm. 
Staats in der erften Periode, nad) der Tradition in 
den erſten britthalbhundert Jahren nad) der Bes 
ründung Roms. Das Königtum war, wie es 
cheint, nicht erblich, doch war es auch ſchwerlich ein 
jahlreich in dem Sinne, wie Niebuhr annahm. 
Nach Rubino, dem Mommien in der Hauptſache 
folgt, ward das Hönigtum nad dem Tode eines 
Königs durch die aus Senatoren gebildete Kette der 
Interregen fortgeleitet. in Interrex, nur nicht 
ber erite, bejtellte, doch fo, daß er die Juftimmung 


654 Rex regnat, sed non 


des patrieifchen Senats einholte, dem neuen ze 
Hierauf folgte, nad) Livius und Plutarch, d 
ligende Jnauguration, namentlich aud) für die * 
—— opferpriejterlihe Würde. (Cine ſolche 
ation, wie fie hernach für den Opferlönig 
—* lonnte jedoch in Wahrheit für den König, der 
— ſelbſt die Auſpizien für ſich befragte, nicht 
wohl itattfinden.) Dann wurde durd ein Geſeh, - 
der König jelbft an die Kuriatcomitien brachte (] 
curiata), ihm von der Gefamtbeit der PBatricier 
Imperium übertragen, beziehungsweiſe der —* 
ſchuldige Gehorſam anerfannt. Die königl. Ma 
volltommenbeit begriff in ſich die re 
Seldherrngewalt, die oberſtrichterliche, jo jed 
daß er von jeinen Gntiheidungen Besseleilen an 
das Volk der Batricier gen fonnte und die Be: 
fugnis zur Berufung und Leitung der Berjamm: 
lungen des Senats und Volls, bei welchem legtern 


as * ng u über Krieg und Frieden 
und über Gejehe war, die der König in Borichlag 
brachte. Inſi * der tönigl. Würde waren zwöll 


Yiftoren mit den Fasces, elfenbeinerne Si ib 
(sella curulis) ch wohl vielmebr der Thronſtuhl, 
und die purpurfarbene Toga. Nachdem, wie die 
Sage berichtet, der fiebente röm. König, Tarqui⸗ 
nius Superbus, durch Mord und Gewalt den Thron 
entehrt hatte, vertrieben ihn die Römer 509 v. Chr., 
und nun traten jtatt des R. Konſuln (f. d.) an die 
Spitze des republitaniihen Staatd. Der Name 
des R. blieb mit gewifien opferprieiterlihen Funk— 
tionen, welche man ſich —— ſcheute, in dem 
Opferkönig (Rex sacrificulus oder Rex sacrorum) 
erhalten, deiten lebenslängliches Amt ſtets patriciſch 
blieb; er * ſeine eigene Wohnung an der Via 
ſacra und war vom Kriegsdienſte befreit, durfte 
aber feine Magiftratur bekleiden. 

Rex regnat, sed non gubernat, j. Le 
roi we etne gouverne pas. 

Neybaud (Marie Rod) Louis), franz. Schrift: 
fteller, geb. zu Marjeille 15. Aug. 1799, bereiſte als 
Naufmann die Levante und Indien und lieb ſich 
1829 in Paris nieder. Gr übernahm die Leitung 
ber «Histoire scientifique et militaire de l’exp£- 
dition frangaise en Egypte» (10 Bde., 1830—36) 
und die Bearbeitung der «Voyage autour du monde» 
von Dumont d’Urville (1833) und der « Voyage 
dans les deux Ameriques» von d’Orbiguy (1836). 
Sozialwiſſenſchaftliche Studien erjchienen gejam: 


melt als «Etudes sur les reformateurs ou socia- | J 


listes modernes» (2 Bde. 1340—43; 7. Aufl. 
1364); fie trugen ibm den "NMonthyonicen Preis 
(1841) und eine Stelle in der Alademie der mora: 
liſchen und polit. Wiſſenſchaften (1850) ein. Große 
‘bopularität erwarb ihm der Roman «Jeröme Pa- 
turot à la recherche d’une position sociale», 
(3 Bde., 1843), eine fatiriihe Schilderung der 
franz. Sefellichaft unter der ‚juliregierung. Die: 
jem Noman lich er nod eine Neibe übnlider 
folgen. Im J. 1846 wurde er in die Deputierten: 
ammer gewählt, wo er jih anfangs zur Linken 
bielt. In der Konftituierenden und Gejepgebenden 
Verfammlung ſtimmte er jedoch mit der Rechten. 
Später trat er vom polit. Leben zurüd und ver: 
öffentlichte noch mehrere nationalöfonomijche Schrif: 
ten. Ne J. 1872 wurde er zum Steuereinnehner 
des zehnten pariier Arrondiſſements ernannt. Gr 
itarb 28, Oft. 1879 Fe ‘Paris, 

Seine Gattin, Madame Charles R., eigent: 
li) Henriette Gtiennette Fanny Arnaud, geb. 1802 


\ 


gubernat — Neynaud 


' zu Airx, verfahte viele Romane; hervorzu 


heben ſind 
«Deux & deux» (1837) und «L’oncle Cesar» (1850). 
Bin sit (d. —* hu, von cm der 
1. Hau von in 
me ve titadt —* — 2 
u 1) 
and aufd der übiefttüfte, ann f ae 


Tu ar —* Nee een Jaraflöi) — 


dem 
—— Arne soon * i 
———— 
ie Bro rwa 
(1880) 2567 E., außer nalen, Die tat al 


—5 — — en Teil aus 
ſchern bejtehen i i ſãmtlichet 
Behörden der Inſel: des des 
einen Amtinanns, des S des 3 
des Landphyſilus und des Von 
höbern — ——— bier jeit 1816 

ein Seminar fü J 1875 eine Unter: 
—*— — —— 

rtenſchule —— 

eine öffentiche Bi hu —— aus 
etwa 25000 Bä 


—— — 
1863 gegründete —* von 
Altertümern. Cine andere 
—— An der Spitze der 
— ein Bürgermeiſter und ein aus neun Mit: 
liedern bejtehender Stadtrat. Die 

Nast 1816 gegründete litterari 
in R. ihren Hauptfiß; auch 
geſellſchaft, jowie eine ölonomij 
die Südprovinz —— 
Handelsplaß der —— 
lichen Hafen; die ar mung 
plab nur mehrere un a Schritte 
fernt. Kar 6 km 15 der Stadt 
einer Yandzunge Bei ode ir, 
De der Sip der ——— 
—46 der Siß der e, ein 
mit einer Kirche. Auf der etwa 75 km von 

ernten, den Eingang des im Süden be: 

grengenben Yandjunge Rey hama —— 1875 
ein Feuerturm, der erjte auf der Juſel, 
Siterih berühmte Orte der weitern 

TIhingvellir, ein interefjanter und in pr uch 
Beziehungen merlwürdiger Ort, etwa 45 km i 
W., am nörbl, Ufer des Th 
wurde der Althing (Landtag) von der S 
jelben (320—1800) unter freiem Hi 
Stalholt, etwa 75 km im D., früher 
Sig einer Gelehrten — und bis 1796 
Biſchofs der | — el; —— etwa 60 
in einem T des 
ten isländ, —* —ã— —— 
neben dem Hofe iſt eine warme Quelle, 


Neynaud | ee 
goilafonh, geb. 14. Febr. 1806 1824 
als Sl, in die YolieQnide 
und erhielt 1830 eine An 
ingenieur, Nach der{ „Huleliug a6 Bapia 
ließ er den Staatsdienit, trat zu den 
nijten über und arbeitete an den 
Selte, erllärte ſich jedoch gegen 
über die Gmancipation der 
(ih mit P. Lerour —— er Te 
pedique» (1835), und als dieje Beitichrift ein 
ging, unternahmen beide 1836 die «Enceyelopedie 


nn 


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N. doch feinen 


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Ahr 


Reynier — Neyſcher 


—— ein weitläufig angelegtes, ſehr gelehrtes 
das jebodh nur teilmeije zur Ausführung lam 
= Pan einung&ausbrud derjenigen Gruppe 
unter den neuern franz. Denkern bildet, welche den 
Sozialismus mit der Kirchenlehre zu vereinigen 
— — Nah der Februarrevolution von 1848 
zus —8 des höhern —— 
— itterariſchen Studienausſchuſſes ernannt, 
legte aber dieſes Amt bald nieder. Nachdem er ins 
Brivatleben zurüdgetreten veröffentlichte er «Con- 
siderations sur l’esprit gi la Gaule» (4. Aufl, 
Bar. 1864) und fein Hauptwerk: «Terre et ciel» 
(5. Au ul, Bar. 1867). Die — des menſch⸗ 
lichen Lebens durch eine Stuf von ne 
gen bindurh und die f he % 
der Natur und Menfen an ott en die > 
gedanten diefes Buchs. R. jtarb zu Paris 28. Juni 
1863. Später erjdhienen feine «Deuvres choisies» 
(7 Bde., Bar. 1867). 
Neynier Oje Louis Ant.), nationalölonomi: 
ſcher Schriftfteller, geb. ae anne 25. Juli et 
widmete fich den Naturwi! —5 ften und aufie fich 
während der Revolution im Depart. Nievre an, wo 
er jein — rg zu einer Muftermwirtic 
machte. übertrug ihm die Oberaufficht 
über die Satin, und — Ügyp: | mal 
tens. Mebrere wid 


te di 
diefer Stellung, —* * ————— ey Due 


nation des Romains» —— 1807) und «De l’öco- 
nomie publique et morale des Egyptiens et des 
Carthaginois» (Par. 1833). Nach ranfreich 
zurüdgelebrt, diente er unter Joſeph Bonaparte als 
Kommiſſarius in Galabrien. Hierauf ward er 
Gtaatrat und Pireltor der neapolit. Bojten. Eine 
Zeit lang führte er auch die Oberaufjicht über die 
neapolit. ungen, über Straßen: und Brüdens 
sen. fowie über andere Zweige der Adminiitration. 
Nach der Neitauration kehrte N. nah Lauſanne 
zurück. Er ftarb bafelbft 17. Dez. 1824. Bon 
jeinen Schriften find noch zu — «Du feu et 
de quelques-uns de ses principaux cffets» (Par. 
1787), «De l’&conomie politique et morale des 
Celtes, des Germains, etc.» (Genf 1817), «Preecis 
d’une collection demödailles antiques», «De l’eco- 
nomie publique et morale des Arabes et des 
Juifs» (Bar. 1830). Bol. Laharpe, «Notice necro- 

— sur R.» (Lauſanne 1825). 

Repnier (Jean Louis Ebenezer, Graf), franz. 
Generallieutenant, jüngerer Bruder de3 vorigen, 
geb. 14. Jan, 1771 zu Lauſanne, trat 1792 in ben 
Seneralfab ber Arınee unter Dumouricz und ftieg 
fchon 1795 zum Brigadegeneral auf. Hierauf fam 
er als Chef des Generalftabes zur Rheinarmee unter 
Moreau und leiitete befonders auf dem Rüdzuge von 
1796 wejentlihe Dienfte. Als Divifionsgeneral 
nahm er 1798 am Zuge nach Agypten teil, Lämpfte 
in der Schlacht an den Pyramiden und brängte nad) 
dem Einzuge in Kairo Ibrahim Bei nach Syrien. 
Im Feldzuge in Syrien 1799 führte R. die Vorhut 
und entichied 20. Nov. 1800 unter Kleber den Sieg 
bei Heliopolis. Nach Bonapartes Abreiſe und Kle— 
bers Ermordung zerfiel er mit dem Obergeneral 
Menou, ie ihn 1801 verhaften und nad) Frank⸗ 
reich {cha en ließ. R. wurde auf fein Landgut im 
Depart, Nidvre verwieien, wo er zu jeiner Vertei: 
digung die Schrift «De l’Egypte aprös la bataille 
de Heliopolis» Char, 1802) verfaßte. Napoleon I. 
gab ihm 1805 = Befehl über eine Divifion, mit 
der er unter Joſeph Bonaparte das Reapolitanij che 


655 


eroberte. Dann verlor er aber 4. Juli 1806 bie 
Schlacht bei Maida und mußte Calabrien räumen. 
—* Jourdans Abgange erhielt er den Dberbefehl 
über die Armee in eapel. Im Feldzug von 1809 
zeichnete ſich R. an der Spike eines Korps bei 
Wagram aus. Später befebligte er das zweite 
Korps in Spanien, im ruf). zuge von 1812 das 
bente, meiſt aus Sachſen beitehende Armeelorps in 
Bolbynien, AL3 1813 das neugebilbete ſächſ. ii 
wieder zu ben Franzofen jtich, a. er Bun ug 
durch eine franz. Divifion verjtärtt. 
gegen Berlin beftinımten Armee ———— —— 
und 23. Au —* Großbeeren geſchlagen; ebenſo 
teilte er die e Neys bei Dennewiß 6. Sept. 
der — bei Leipzig verteidigte er, dem 
bergange der Sachſen 18. Olt., mit den Reiten 
feines Korps am 19. das Thor der ballef - 
ftabt und geriet dabei in Gefangenſchaft. 
jedod bald ausgewechielt, kehrte nad Ari 
zurüd und ftarb 27. a. 1814 onen ris. Aus 
R.s nachgelaſſen —— Erben 


— * —— 827) heraus, 
—— Maler, 
—— in hun 16. Juli 1723, 
— eines Geiſtlichen, lernte bei dem Porträt: 
udſon in London, lebte dann wieder zu 
Haufe, nn 1749 nad Rom, wo er fi drei Jahre 
lang a ‚und ließ fi 1752 - onbon nieber. 
Seine ur zeichnen fi 26 petzen 
Daritellung der Natur ala dur iheru 
elben aus. Sein Kolorit hat oft. eine — 
Ziefe und Wärme, die er von Correggio ſich 
geeignet hatte und in manden Bildern übertrieb. 
Auf R.' Vorſchlag wurden bie Kunftausitellungen 
in London eingerichtet, und einftimmig wurde er 
für die 1765 gejtiftete Maleratademie zum PBräji: 
denten erwählt. Mit Percy, Goldſmith und an: 
dern berühmten Männern gründete er 1763 einen 
litterariihen Verein, und jein Haus war ſeitdem 
der Sammelplag aller Männer, die in ber Haupt: 
jtadt durch Geift und Talent glängten. Sein ſchön⸗ 
ſtes Wert ift der Tod des Kardinals Beaufort, und 
unter feinen ibealifierten ‘Borträts zeichnet ſich ein 
Schäferfnabe aus. Gin lieblihes Gemälde iſt aud) 
jein Liebesgott, wie er der Schönheit den Gürtel 
löſt. Dod feblte es R. im Hiſtoriſchen an Yeichtig: 
feit der Kompofition und an Wahrheit in der Dar: 
jtellung. Nachdem er ein Jahr zuvor erblindet, 
ſtarb er 23. Febr. 1792. Seine « Discourses » 
(Yond. 1778; deutih, Dresd. 1781), die er als 
PBräfident der Maleralademie bielt, empfehlen Rh 
durch Gleganz de3 Stils und Reichhaltigfeit philoſ. 
und äſthetiſcher Gedanten. Seine Schriften wur: 
den von Malone (2 Bde., Lond. 1797) und Beechey 
(2 Bde., Yond. 1835) gefammelt. Bol. Farring: 
ton, «Memoirs of the life of Sir Joshua R.» (2ond, 
1809); Leslie und Taylor, «Life and times of R.» 
(2 Boe,, Zond. 1864—65); Collins, «Sir Joshua 
R. as portrait- painter; an essay» (2ond. 1873); 
ne Biographie ſchrieb auch Pulling (Zond. 1881). 
Neyfcher (Aug. Ludw.), württemb. Rechts: 
gelehrter und Abgeordneter, geb. 10. Juli 1802 zu 
Unterrieringen in Württemberg, ftubierte 1821— 
24 in Tübingen die Rechtswiſſ enſchaft, war dann 
ein Jahr Sekretär des Juſtizminiſteriums und ent 
warf bier den Plan einer volljtändiaen Sammlung 
der württemb. Gejehe. Nachdem er die Sammlung 
der württemb. Staatögrumdgeieke (3 Bde., —— 
1828—30) nebſt einer Geſchichte der württemb. 


»5 


656 


Verfaffung vollendet hatte, mwurbe er 1829 mit 
Borlefungen über deutihe und württemb. Rechts⸗ 
geſchichte an der Univerfität Tübingen beauftragt 
und 1831 zum außerord., 1837 zum ord, Brofeflor 
des beutichen und württemb, Rechts ernannt. Ge: 
meinfhaftlih mit Wilda in Halle leitete R. die 
Herausgabe ber «Zeitichrift für deutiches Recht», 
weiche 1839—61 beitand. Ferner veröffentlichte er 
unter anderm: «Das gemeine und württemb, Pri: 
vatrecht» (2. Aufl., 3 Bde., Tüb. 1846—48). 
Großes Auffehen erregte das von R. 1838 verfahte 
«Tübinger Gutachten», worin die Rechtmäßigleit 
der Bin sehe Aufhebung des hannov, Staats: 
grundgejehed von 1833 beitritten wurbe. Die Er: 
eignifie des J. 1848 braten R. in das Borparla: 
ment zu Frankfurt und ala Abgeorbneten des Be: 
irls Mergentheim in die württemb. Ständelammer., 

egen feiner Oppofition gegen dad Minijterium 
Linden: Wächter wurde er 29. * 1861 ſeiner 
Profeſſur in Tübingen enthoben und zum Regie: 
rungerat an ber Kreißregierung in Ulm ernannt. 
R. nahm darauf feinen Äbſchied aus dem Staats: 
dienft und lich ſich zuerft in Stuttgart, 1853 in 
Canitatt ald Rechtslonſulent nieder. Später war 
R. einer der Gründer des Nationalvereind. Bei 
ben Reihstagswahlen vom _. 1871 faſt ein 
ftimmig gewählt, ſchloß er fich im Deutichen Reichs⸗ 
tage an die nationalliberale Fraktion an, legte 
aber aus Rüdfiht auf feine Gefundheit 1872 fein 
Mandat nieder. Er ftarb in Ganftatt 1. April 
1880. Nad feinem Tode d® Riede nah Auf: 
zeichnungen R.3 heraus: «R., Erinnerungen aus 
alter und neuer Zeit» (Freiburg 1884). 

Rez...., Artilel, die man hier vermißt, find 
unter Rec... zu fischen, 

Rezat, l; egnipß. 

Nez-Baͤnya, ungar, Marltfleden im Pibar: 
gebirge (f. d.). [terre. 

Rez-de-ohaussde (fr;.), Erdgeſchoß, Bar: 

Nezept, f. Recept. 

Nezeptivität, ſ. Empfänglichkeit. 

Mezch (recessus, von recedöre, d. i. zurüd: 
geben oder abgeben) nennt man im allgemeinen 
das Endrefultat gepflogener Berhandlungen. ns: 
befondere bezeichnet man damit die Vereinbarung 
über ftreitige Verhältniffe zwiſchen einzelnen Fa: 
milien (Familienrezeſſe), zwiſchen einer grö- 

ern Zahl und Klafje von Einwohnern, zwiſchen 

en einzelnen Klafien einer Gemeinde, zmijchen 
Gutsherren und Eingefefienen(Dienft: und Fron— 
segeil €), zwiſchen Landesherren und Ständen ıc., 
und nennt die verglichenen Yeiltungen und Berhält: 
nifle Rezebgelder, worunter man vorzugsweiſe 
beim Bergbau das Guthaben der Gewerten an ein: 
—— Zubußen abzüglich der verteilten Aus: 

eute oder des wiedereritatteten Verlags verfteht. 
Auch gebraudt man R. häufig für Abfchied (Reiche: 
abſchiede, Recessus imperii), Endlich nennt man 
R. ein Protofoll oder einen ſchriftlichen Vertrag 
von größerm Umfang. 

Rezinatwwein, ſ. unter Griechiſche Weine. 

Rezonville, Dorf mit 478 E.im — 
Landkreiſe Meß, am Gorzebach, 16 km weſtlich 
von Met an der großen Straße nach Verdun, halb: 
wegs zwiſchen Gravelotte und Vionville gelegen, 
R. war ſowohl 16. Aug. 1870 in der Schlacht von 
Vionville-Wars:la:-Tour (ſ. d.), wie 18. Aug. in 
der Schlacht von Gravelotte-Et.:Privat (f.d.) ein 
wichtiger Punkt. In der Nacht nad) der Echlacht 


Res... — Rhabarber 


bei Gravelotte befand ſich in N. das Hauptquartier 
des Königs Wilhelm, welcher dafelbft mit dem Ge: 
neral Moltle in einem Heinen Bauerhauſe über: 
nadhtete. Von bier aus datiert das berühmte 
Siegeätelegramm Nr. 23 (Biwal bei R.) des Kö— 
nigd vom Abend des 18, Aug. und ber hiftor. Brief 
desjelben vom 19. Aug. Die Kamen bezeihnen 
die Schlacht vom 16. Aug. 6 ionville-Mars: la: 
Zour) ald «Schladht bei Rezonville», wäh: 
rend von ben Deutichen anfangs die Schladt vom 
18. Aug. (Gravelotte-Et.:Privat) als ſolche be: 
jeihnet wurde. 

. — * oder Symbol für Rhodium. 
Nha, der alte Name der Wolga. rus. 
Rhabanus Maurns, |. Hrabanus Mau: 

Rhabarber (Rhöum), eine zur Familie der 
—— — (Polygoneen) gehoͤrige, dem 
Ampfer (Rumex) naheſtehende Gattung, welche ſich 
von dem letztern durch ein aus ſechs gleichgroßen 
Abſchnitten beſtehendes Perigon, neun Staub: 
— e, drei Lopfig-[ildförmige Narben und eine 

reiflügelige —— unte —— Ihre Arten 
un ſehr jtattlihe Kräuter Mittelafiens, mit einem 
arlen, äftigen, faſt fleiihigen Wurzelftod; der 
Stengel ift aufrecht, hoch, did, oft von mehr als 
Armesitärle, und glei den Aſten in ber Knoſpe 
von großen häutigen Scheiden umbüllt. Die Blätter 
nd Fehr groß, ganı oder gelaspt und die mächtigen 
ifpen aus vielblütigen Trauben Heiner wei licer 
oder roter Trauben zjufammengefept. Die Wurzel: 
ftöde mehrerer Arten liefern ein wichtiges, toniſch 
abitringierendes Heilmittel, das in einem harzigen, 
bittern, gelbfärbenden und Rurgieren bewirtenden, 
fauer reagierenden Stoffe (Ebryfophanfäure), 
verbunden mit Gerbftoff, oralfaurem Kalt u. f. w., 
befteht und in Heinen ** in ber Wurzel ab: 
5 iſt (eigentlich Rhabarberwurzel, 
abarbärum), während bei andern Arten die ad: 
ie gig ftandteile fo jehr überwiegen, dab 
e als rein ftärtendes Mittel zu betrachten find 
(Rbapontilmwurzel, Rhaponticum). 

Als Stammpflanze derjenigen Arzneidrogue, 
welche von den Bharmalopden Turkiſcher Rha— 
barber genannt wird, gilt Rheum officinale 
Baillon, da& im öftl. und füdöftl. Tibet wächft und 
dort auch kultiviert wird. Diefe Art befist mäd: 
tige berzförmige, etwas feicht gelappte Blätter von 
über 1 m Durchmeſſer und treibt Blütenftengel von 
faft 3m Höhe. Cine andere Art, welche den echten 
ruffiichen oder moslowitifhen R. gibt, ift Rheum 
—— L., in ber Tatarei einheimiſch und ge— 
ennzeihnet durch fat 3 m hohe Stengel und ſehr 

roße, auf runden Blattftielen ftehende, fünf: bis 
Kebenfenpig: Bauhteifige Blätter. Wahrſcheinlich 
liefern zu den eingeführten Rhabarberwurzeln auch 
andere Arten einen Beitrag, wie R. Emodi im 
Himalaja, R.undulatum L.,R.compactum L.u.a. 

Wegen der in den oberirdifchen eilen enthalte: 
nen angenehmen Miſchung von Citronen- und 
Apfelfäure hat der R. auch für die Gemüfegärten 
eine gewifle Bedeutung erhalten, indem die diden, 
faftigen Blattitiele geihält und in Stüde zerjhnits 
ten zur Bereitung eines fehr angenehmen Kom: 
potts dienen. Zu diefem Zwede aber benukt man 
vorzugsweiſe mit Nüdjiht auf die Dimenfionen 
der Blattitiele gegüchtete Varietäten, wie Queen 
Victoria, Prince Albert, Magnum bonum, Lin- 
naeus u.a. Bindet man die Pflanzen in Stroh 
ein oder fept man Käſten darüber, jo werden die 


- Nhabdbomantie.— Rhapis 


Schälens. überhoben. - Größere Bedeutung haben 
barberarten für Bier: 


verjchiedene ornamentale R 
—— erlangt, befon: 
a 


gärten und landſchaftliche An 
ders die in der ine). Provinz Kanſu im Lande ber 
Tanguten einheimijhe Var. tangutica. Man er: 
zieht den R. aus Samen, den man im Frühjahr in 
leichten, frischen Boden jäet; man ifiert die jungen 
Pflaͤnzchen und ſetzt fie im ges en Frühjahr an 
den ihnen zugedachten Plap. Er läßt ich aber mit 
Leichtigkeit, hat man bereits jtarle Pflanzen, aud) 
durch Teilung des Wurzelftods vermehren. Libri: 
gens erfordert der N. zum Gedeihen einen tief: 
lodern, ſehr nahrhaften Boden. 
Rhabdomantie (arh.), das angeblihe Ver: 
mögen mander Menſchen, unter der Erde ver: 
boraene Dinge, wie befonderd Erze und Quellen, 
durch ein Derngefübl wahrzunehmen. , 
Rhachialgie Schmerz im Rüdgrat, 


Blattftiele noch um vieles e: und ift man des 


Wirbelſchmerz; Rhachiokyphöſis, Krümmung 
des Rückgrats nach hinten; Rhachiolordoſis, 
Krümmung des Rüdgrat3 nach vorn; Rhachio— 
myelophthiſe, Rüdenmartsihwindfuht: Rha— 
chioparalyſe oder Rhadhioplegie, Yähmung 
der Nüdenmarlönerven, j j 

A is (grch.), das Nüdgrat, die Wirbelſäule. 

Rhachitis, Rhachitismus (grch.), Englifche 
Krankheit (j. d.). j 

Rhadamantdys war nah arich. Mythen ein 
Eohn de3 Zeus und. der Europa, Bruder von 
Minos. Wegen eines Streites mit lepterm N 
er aus Kreta nach Dfalea in Böotien, wo er fi 
mit Altmene vermählte. Uriprünglich fcheint er 
als König auf der Inſel der N gedacht, wo 
auch nach der ältern Sage die Vermählung mit 
Altmene ſtattfand. Dann erſcheint er neben Minos 
und Halos als ftrenger, aber gerechter Richter in 
der Unterwelt, wo er nad) Ylaton die Thaten der 
aus Aſien fommenden Schatten richtet. 

Rhaga, Raga, Rai, alte Stadt in Medien, 
fpäter bedeutende Stadt des Kalifenreihs, bis es 
im 13. Jahrh. von den Mongolen zerjtört wurde. 
Ruinen davon find bei Teheran vorhanden, 

NRhagäde (grch.), Hautſchrunde, ein oberfläch— 
liches ſpaltartiges Geihwür an Haut und Schleint: 
häuten, bejonders an den Lippen und am Aiter. 

Rhammeen (Rhamneae), Pflanzenfamilie aus 
der Gruppe der Dilotylevonen, Man kennt gegen 
450 Arten, die vorzugsweife in den tropiichen oder 
fubtropiichen Gegenden wachſen. Es find Bäunte 
oder Sträuder, zum Teil mit Hetterndem Etengel. 
Tie Blätter find ungeteilt und bei vielen Arten 
lederartig; die jwitterigen Blüten Jen eine grüne 
oder gelbliche Färbung und find Hein, fie beitehen 
aus einem vier: bi3 fünflappigen Kelch, vier bis 
fünf Blumenblättern, ebenjo viel Staubgefähen 
und einem meilt dreifächerigen Fruchtknoten, der 
auf jeinem Scheitel einen Griffel mit drei Narben 
trägt. Tie Frucht it fapfelartig oder als Stein: 
frucht entwidelt, fie ijt dreis bis vierfächerig und 
enthält in jedem Jade einen Samen. 

Rhammus, Ort an der Oſtlüſte Attilas, Euböa 
negenüber, berühmt durd die Verehrung der Ne: 
meſis, von welder die Hefte zweier dor. Tempel 
fih erhalten haben, und zwar eines Heinern ältern, 
wohl ſchon im Perjerkriege zerjtörten und eines 
größern etwas jüngern. 

Rhamnus /., Yilanzengattung aus der Fa: 
milie der Rhamneen. Dan kennt gegen 60 Arten, 

Eonverfationd»Lerilon. 13. Aufl. XIIL 


657 


teild fommer:, teils immergrüne Sträucher und 
Heine Bäume, der Mehrzahl nad} in dem wärmern 
Teile der nördlichen gemäßigten Zone heimiſch. Sie 
haben abwechielnde oder genenftändige ganze Blätter 
und meiſt gelblichgrüne, Kleine, einzeln oder ge: 
büfchelt in den Blattachſen jtehende Blüten, welche 
aewöhnlid) beiderlei Geſchlechtsorgane enthalten. 
Sie beitehen aus einem kreifel: ober glodenförmigen 
Kelche mit vier: bis fünffpaltigem Saunt, vier bis 
fünf jehr Heinen Blumenblättern (fehlen nicht 
jelten), ebenjo vielen Staubgefäßen und einem 
Staubgefäße, deflen Griffel zwei bis fünf Narben 
trägt. Aus dem Fruchtknoten entwidelt fich eine 
faftige (beerenartige) oder trodene, zwei bis fünf 
Kerne enthaltende Steinfrucht. Mande Arten haben 
bornipikige Zweige, andere find unbewehrt. 

Zur eritern gehört der gemeine Kreuz: ober 
MWegedorn (R. cathartica L.), ein Großſtrauch 
oder Heiner Baum, welder in einem großen Teil 
Europas an fonnigen, felligen Hügeln, an Wald: 
rändern, in Heden u. f. w. wächſt, gegenftänbige 
und abwechielnde, eiförmige, feingejägte, abfallende 
Blätter, dornſpißige Seitenzweige und zuleht 
ſchwarze, erbjengroße Beeren befist. Aus den uns 
reifen Beeren wird unter Zufak von Alaun ein 
ſchönes Saftgrün bereitet, mit Thonerde Schütt: 

elb. Das braunrote Hernholz und namentlich die 
äufig vorlommenden Maſern erhalten durch Boli: 
tur eine prächtige Farbe, weshalb das Holz ftärte: 
rer Kreuzdornftämme von den Tiſchlern gelucht ift. 
Wegen der jparrigen Veräftelung eignet ſich das 
Kreuzdornreijig vorzüglich zu Gradierhäufern. Zu 
den unbewehrten Arten gehört der in Deutichland 
allenthalben auf feuchtem und moorigem Boden, 
in Gebüfchen und Wäldern vorlommende Faul— 
baum (R. frangula L.), auch Schießbeere und 
Bulverholz genannt, ein Mittel: und Groß: 
ſtrauch mit rutenförmigen Zweigen, abwechfelnden, 
abfallenden, längliden, ganzrandigen Blättern und 
weißlichgrunen Ammitterbiüten. aus denen ſich Bee: 
ren entwideln, welche erit grün, dann rot, zuleht 
Oman find. Die Ninde diefes Baumes iſt unter 
dem Namen Cortex Frangulae als Abführungss 
mittel offizinell, Sein Holz wurde früher jeR aus: 
ſchließlich zu Kohle für die Schiehpulverfabrilation 
verwendet und deshalb dieſer Straud) jogar im 
großen Maßſtabe angebaut. In Südeuropa gibt 
e3 Ihöne immergrüne Arten, unter denen nament: 
lid) R. Alaternus Z., ein Heiner Baum mit lorbeer: 
artigen Blättern, genannt zu werden verdient. 
Man findet ihn nicht jelten als Zieritraud) in Halt: 
bäujern kultiviert. Die reifen, getrodneten, meift 
Ihmusig:grünlichgelben Beeren von der ebenfalls 
in Südeuropa wadjenden R. infectoria L. und 
einigen andern Arten fonımen als Gelbbeeren 
oder Nvignonlörner in den Handel und werden 
in der Färberei zur Herftellung pomeranzengelber 
und grünlichgelber Farben gebraudt. Die beiten 
find die perfiichen, denen dem Werte nach die levan⸗ 
tüiden, die avignoner und ungariichen folgen. 
ammusdgrün, joviel wie Chineſiſches Grün. 

Rhampfinit, ſ. Rampſinit. 

Rhangabe (Alexander Rizos), j. Rangabe. 

Rhaphanie (grch.), die Kriebeltrantheit (ſ. d.). 

Rhapis L., ————— aus der Familie 
der Palmen. Man kennt vier Arten derſelben, welche 
im öſtl. Aſien wachſen. Es ſind niedrige Palmen 
mit fächerartig geteilten Blättern und diöciſchen Blu⸗ 
ten. Am betanntejten ift die in China einheimische 


42 


658 Rhapontikwurzel — Rhayader 


R. flabelliformis Ait., die häufig als Bierpflanze | Raetia secunda, das ſüdl. Gebirgsland Raetia 
in Gewächshäuſern kultiviert wird und ſich auch prima genannt. Durch R. führten die Römer zwei 
gut für Zimmerkultur eignet. Aus den fejten Blatt: | Hauptitraßen zur Verbindung Jtaliens mit ine 
jtielen werden Spazierftöde gemacht. (Vgl. Tafel: bedeutendſten Anfiedelung in diefem Lande, dem 
Palmen I, Fig. 2.) vindeliciihen Augufta (Augsburg). Die röm. 
NR apontifwurzel, j. unter Rhabarber. —— war frühzeitig verbreitet, daher bie ro: 
Mhapfoden nannten die alten Griechen die: | man. Töchterſprachen im heutigen Graubünden 
jenigen Sänger, welche eigene oder fremde Did): | (Engadin) und in den tiroler Thälern von Gröden 
tungen, namentlid die Gedichte Homer und ber | und Enneberg. Gegen Ende bes 5. Jahrh. famı 
älteiten Gpiter überhaupt , von Ort zu Ort zieheud, | das eigentliche R. unter Theodorichs oftgot. Herr: 
gejangartig vortrugen. Sie bildeten eine beſon- | haft; dann nahmen Bojoaren die öftlihe (bis zum 
dere, zahlreiche und geachtete Klaſſe, die erft jpäter | Lech), Alamannen die weitl. Seite des nörbl. Teils, 
in ihrem Anjehen jant, als die Homerijdhen Ge: | Longobarden den füblihen in Befik. Seit der 
fänge durch die ſchriftliche Aufzeihnung eine all: | Mitte des 6. Jahr. verftand man unter R. wenig 
gemeinere Verbreitung erlangt hatten. Den Namen | mehr als den Sprengel des Bistums Chur, der zu 
erhielten fie nicht, wie einige annahmen, von dem | Alamannien gehörte. Die nambafteften Orte des 
Stabe, den fie beim Vortrage in der Hand hatten, | eigentlihen R. waren: Glavenna (jegt Chiavenna), 
iondern von dem Charakter ihres Vortrags größerer | Curia (Chur), Magia (Maienjeld norböftlid von 
epifcher — wo fie Vers an Vers, Glied | Ragatz), Arbor Felix Arbon) und Brigantium 
an Glied ohne Unterbredungen, namentlid ohne | (Bregenz), beive am Bovenjee, Parthanum (Bar: 
ſtrophiſche oder gar dramatijche Gliederung, an: | tenfirdhen), Beldivena (Wilden bei Innsbrudh, 
einander zu reihen pflegten. Matrejum (Matrey * von Innsbruch, Bau: 
Rhapfodie beißt das von einem Rhapſoden vor: | zanum (Bozen), Maja (bei Meran), 
getragene Gedicht, befonders die einzelnen Abichnitte | (Briren) und Tridentum (Trient). Vgl. ta, 
der Homeriichen Geiänge oder bie einzelnen Bücher | «Das alte N.» (Berl. 1872), 
der Ilias und Doyfiee. * Rhätikon, der nördlichſte Aſt der Rhätiſchen 
Rhapjodiich, ſoviel wie abgeriſſen oder bruch- Alpen (. Alpen 10), erhebt ſich, vom Silvretta: 
—— fo ſpricht man z. B. von einem rhapjos | gebirge durch das Schlappinathal, das Sclappiner: 
diichen Willen u. ſ. w. j joch (2200 m) und das Gargellenthal en: 
Mhät, die oberite Stufe des Keupers mit dem | zwiſchen den TIhälern der Landquart (Prättigan) 
Bonebed (j. d.); in den Alpen wejentlih als Dad: | und der Ill (Montafon und Igau) an der 
jteintalt entwidelt. ä Grenze des ſchweiz. Kantons Graubünden, des 
Rhätieit, ſ. unter Diſthen. , el errang und bes Fürjtentums Liechtenftein und 
Rhätien, richtiger Rätien (Raetia), hieß bei | trägt in feinem 40 km langen, durchſchnittlich 
den Alten urſprünglich im engern Einne das Land | 2500 ın hohen Hauptlamm, der fih vom Schlap⸗ 
der Räter (Kaeti), das im W. durch das Adula= | pinerjod nordweitlich bis zum Ahein erjtredt, die 
gebirge (den Gotthard) von den Bewohnern de3 .- Madrisborn (2830 m), Sulzflub (2829 m), 
obern Rhoͤnethals, durch die Alpenkette weſtlich Scelaplana (2969 m) und Faltnis. Während die 
des Rheins von den Helvetiern, im D. durch Alpen: | von tiefen Tobeln durchſchnittenen Abhänge gegen 
fetten von Noricum, gejchieden war, im. bis an | das Brättigau aus grauem Schiefer, die nördlich 
den Bodenjee und die Hochebene der Bindeliter, im | zum Montafon und Mallgau auslaufenden Aſte 
S. an das Cisalpiniihe Gallien und das Gebiet | bauptfählid aus Dolomit und Schiefer der Trias 
der Beneter reichte, aljo das heutige Graubünden, | bejtehen, gehört der Hauptlanın dem Jura und 
das nördl. Tirol jamt Vorarlberg und dem bayr. | der Kreide an und feine Berge find meift breite, fteil- 
Hochgebirge und die Alpenabhänge an den lombard. | wandige, durch wenig tiefe Scharten voneinander 
Geen in üb begriff. Die mit illgrifchen und kelt. geſchiedene Halfitöde, aus deren teilweile über: 
* Splittern durchſetzten Näter, deren Namen zuerit | firnten Scheitelflädhen die höchſten Spißen als fühn- 
Polybios nennt, werden von den Alten zumeift für | geformte Felshörner auffteigen. Der einzige größere 
unmittelbare Stammverwandte der Gtrusfer ober | Gletj er der Kette ijt der Branderferner,, der das 
Rafener in Italien gehalten. Näubereien und | Hodyplateau der Scejaplana bededt und jeinen Ab 
Blutthaten der rätiihen Völkerſchaften und Gin: | fluß dem Lünerjee (1925 m über dem Meere, 1,.qkm 
fälle in Oberitalien veranlaften die Unterwerfung | groß) zuiendet. Bon den zahlreichen Päſſen des N. 
Nätiens 15 v. Chr. unter Auguftus, der zwei Heere | find, außer dem Schlappinerjody am Oftende und 
dahin abjendete. Das eine unter Tiberius drang | der befeitigten Bergſtraße über die Luzienfteig 
durd das obere Aheinthal und über den Boden: | (684 m) am Weſtende, das Et. Antönierjiod 
fee, das andere unter Trufus an der Etſch auf: | (2375 m), das Drufentbor (2350 m) und das 
wärt3 durd das ſüdl. Tirol und über den Brenner | Schweizertbor (2151 m) die befannteiten. gl. 
fiegreic vor; von beiden Feldherren wurden dann | Waltenberger , «Die R.: Kette, die Lechthaler und 
auch die felt. Bindeliter in der bayı. Hochebene bis | Vorarlberger Alpen» (Gotha 1875). 
zur Donau unterworfen; ihr Land jhlug man mit | Rhätiſche Alpen, j. u. Alpen, Bd. I, ©. 460, 
zu ber Provinz, die nun unter dem Namen R. ein: | Rhätoromanifch, ſ. Romaniic. 
erichtet wurde. N. wurde anfangs burd einen | Rhayader, Stadt in engl. Kürftentum Wales, 
Prokurator pro legato regiert; jeit Marc Aurel | Grafihaft Radnor, am obern Woe, welcher bier 
aber wurde der Offizier, welcher die nad) R. verlegte | jhöne Waflerfälle bildet (rhayadr heißt walifiich die 
neue «dritte italiſche Legion» (Concordia) führte, | Stronichnelle), von hoben Bergen umgeben, Eta: 
als laiſerl. Legat pro praetore zugleich Statthalter, | tion der Mid-Walesbahn (2lanidloes-Brednod), bat 
Seit Tiocletian, der N. der Didceje des Vilars 
von Italien zuteilte, ftand R. unter einem Bräies, 
Bindelicien aber wurde nun als eigene Provinz 





(1881) 3439 E. und Tudymanufaltur. Etwa 10 kn 
ſüdweſtlich beginnt das Hocthal des Glan (Com 
Glan), ein Slanzpuntt der Kambrian: Mountains. 





Rhazes — Nhein (Fluß) 


Rhazes, eigentid Mohammed Abubelr 
ibn Zalarja er-Razi, einer ber berühmtejten 
arab, Sirzte, geb. um 850 in Rai in der perf. ‘Bro: 
vinz Chorajan, wirkte ald Arzt an den Hojpitälern 
zu Naj und Bagdad, Später au als Lehrer und 
Yeibarzt des Kalifen Moltadev:Billah und itarb, 
lange Zeit vor feinem Tode infolge einer ihm von 
dem Fürften el:Manjur von Terahan zugefügten 
Mißhandlung des Augenlicht3 beraubt, um 923 
oder 92 n. Chr. Bon jeinen zablreihen Schriften 
über Medizin, Chemie, Ajtronomie und Bhilofo: 
pbie find noch 36 vorhanden. Sein Hauptwerf, 
welches in 30 Büchern die ganze Medizin und Chi: 
rurgie umfaßt, beißt «El-Hawi fi’l Tib», d. i. 
a Berhältnis der Medizin» (Brescia 1486, Bened. 
1500 u. öfter). Seine Abhandlung über die Boden 
und Maſern (arabiſch⸗lateiniſch herausg. von Chan: 
ning, Lond. 1766) zählt zu den widtigiten Denk— 
mälern der arab. Medizin, 

RHE,Tmiel,i. RE 

Rhen, eine hauptſächlich auf der Inſel Kreta 
verehrte griech. Göttin, nad) der dortigen Cage die 
Mutter des Zeus. Ihrem Weien nad entipricht 
fie der Heinafiat, Göttermutter Cybele und iſt da: 
ber frühzeitig in den meiiten Gegenden Grieden: 
lands mit diefer identifiziert worden. In der He: 
ſiodiſchen Theogonie erjcheint fie ala Tochter des 
Uranos und der Gäa, Schweiter des Dfeanos, 
Themis, — Phöbe, Tethys u. ſ. w., 
ſowie ihres Gemahls Kronos, aljo alä dem Götter: 
aeichlecht der Titanen angehörig. Die ipätere jog. 
Orphiſche Myſtik hat fie zur Tochter des Protogo: 
nos (bes Bean) gemadht. 

Rhea,j.Nandu. 

aan, foviel wie Chinagras. . 

Rhen —* Nea) Silvia oder Ilia heißt nad) 
ber gewöhnlichen Sage von Roms Gründung die 
Iochter des Numitor, die von ihrem Dheim Amu: 
lius, nachdem diejer jeinen Bruder des Throns 
von Albalonga beraubt hatte, dem Dienſte der 
Veſta und damit der Jungfraufchaft geweiht wurde, 
aber aus der Umarmung des Mars die Zwillinge 
Komulus und Nemus gebar. 

Rheda, Küftenflub im weitpreuß. Negierungs: 
bezirt Danzig, entipringt auf der Grenze Pom: 
merns und mündet in das Puhiger Wiel. 

NRheda (in Weitjalen), Stadt im preuf. Re: 
gierungabezirt Minden, Kreis Wiedenbrüd, links 
an der obern Ems, 25 km ſüdweſtlich von Diele: 
feld, Station der Linie Berlin-Hannover-:Köln der 
Preußiſchen Staatsbahnen, Sit eines Amtsge— 
richts, zählt (1885) 2848 E. und hat eine evang. 
und eine kath. Pfarrlirhe, das alte Stamm: und 
Reſidenzſchloß des Fürften von Bentheim-Tedien: 
burg:R., Viehzucht , namentlih Schweinezudt, Eis 
garrenfabriken, zwei Seilereien, eine Gerberei mit 
Tampfbetrieb, eine bedeutende Brennerei und 
große Wurjtfabriken. 

Rhede, ſ. Reede; Rheder, ſ. Reeder. 

Rhegium (grch. Rhegion) hieß eine Stadt auf 
der Sudſpitze Jtaliens im Lande der Bruttier, an 
der ſicil. Meerenge gelegen, von Griechen, Chalci: 
diern aus Euböa und Mefleniern angeblid 743 
v. Chr. gegründet. Durch Handel blühte fie empor 
und war zur See mädtig, bis Dionys der Üiltere 
387 v. Chr. fie nach elfmonatlider Belagerung er: 
oberte. =. gewann fie unter Dionys dem Jun— 
gern die Freiheit wieder. Die campaniſchen Sol: 
daten unter Decius, welde die Römer als Be: 





65) 


fakung gegen Pyrrhus nad R. legten, bemädhtig: 
ten ſich der Stadt 279 auf diefelbe frevelhafte Weile 
wie die Mamertiner Mefjanas, wurden aber von 
den Römern 270 unterworfen und beitraft. Seit: 
dem ftand R. unter röm. Herrſchaft, bedeutend als 
Handelsplak und in friegen, wie im_erjten 
Buniiden und dem des Augujtus gegen Sertus 
Bompejus, ein wichtiger Punkt. Jeht heißt die 
Stadt Reggio (f. d.). 

Rheiderland, Marichlane links von der untern 
Ems und am Südojtufer des Dollart, das jebine 
Amt Weener im Kreiſe Leer des preuß. Negierungs: 
bezirls Aurih; Hauptort der Landſchaft ijt der 
Heden Meener. Düfieldorf, ſ. Rheydt. 

Rheidt, Stadt im rheinpreuß. Negierungäbezirt 

mö,j. Reims, 

N (lat. Rhenus, ladiniſch Rin, frz. Rhin, 

olländ. Rhyn oder Rijn), der prädtigite Fluß 
utſchlauds, einer der anſehnlichſten Flüfje Euro: 
pas, der (einſchließlich der Heinern Krümmumgen 
und ber beiden Hauptmündungsarme) eine Strom⸗ 
bahn von 1295 km und mit Hinzurechmung der 
12200 Nebenjlüfie und Nebenbädhe, die er dem 
Ocean zuführt,, ein Stromgebiet von 224400 qkm 
umfabt, wovon auf das DeutfcheReih 113750 qkm 
entfallen, Abſtand der Quelle von der Mün: 
dung beläuft fi auf etwa 750 km. Der R. ent: 
Ipringt in dem ſchweiz. Kanton Graubünden aus 
wol 150 Gletidern, deren Abflüfie fih zu zwei 
Quellflüffen vereinigen. Vorderrhein 
ſchöpft ſein Waſſer aus drei Quellen. Die erſte 
lommt aus dem 2344 m hoch gelegenen Eee von 
Toma am Fube des 2931 m hoben Sir Mabuner: 
oder Badusftods und wird jpäter noch durch den 
Badusgletjcher verftärkt; die zweite ijt am Piz Ulv 
oder Gorneragipfel, 2771 m body; die dritte fonımt 
vom 3080 m hoben Griöpalt. Die Bereinigung 
diejer drei Quellen, von denen die zweite das Bal 
Cornera, die dritte das Gämerthal vorher dur: 
jtrömt, findet bei Tihamutt ftatt. Das vereinigte 
Waſſer nimmt fämtlihe Bäche und Niefel des Ta: 
vetiher Thals auf. Bei Medels flieht rechts zu 
ihm der aus den 2453 m body im Weiten bes Zul: 
manier im Gablinothale gelegenen Sturafee tom: 
mende Medeljerrbein; derielbe durchſtrömt das 
Mevelierthal und vereinigt fich bei Diffentis mi 
dem Vorderrhein. Bon Difienti3 an werden die 
vereinigten Arme Rhein des Oberlandes (Rin 
Surselva) genannt. Sie nehmen redht3 das Waſſer 
des Somvirer Thala und bei Ilanz den Glenner 
auf, zu welchem recht3 aus dem Petersthale der 
Valſerrhein ftößt. Sie fließen dann in öjtl. Ric: 
tung fort und verbinden ſich bei Neichenau mit dem 
von rechts kommenden Hinterrbein, der in 
2216 m Seehöhe an dem 2902 m hohen Marſchol⸗ 
born aus einem Gletſcher (Bapportgletider) 
jih ſammelt und durch das Rheinwald:, Scham: 
jer: und Domleſchathal bis Reichenau 70,3 km 
weit fließt. Dafelbft erbalten diefe vereinigten drei 
Rheinquellen den gemeinjchaftlihen Namen R., der 
nun eine Breite von 51 m bat und bereits Flöhe 
trägt. Eigentlich jhiffbar, doch auch nur für Heine 
Kähne, wird aber der R. erſt bei Chur, nachdem 
er von rechts die Pleſſur aufgenommen. Zugleich 
wendet er fich von jeht an nördlich und verläßt bald 
darauf, von der Lanquart verftärtt, Graubünden, 
macht alsdann die Grenze zwiſchen dem ſchweiz. 
Kanton St. Gallen einerſeits und Liechtenſtein und 
Vorarlberg andererſeits, welches leßtere ihm die Ill 


42* 


660 Rhein 


zufendet, und bildet mit mehrern Heinen Flüſſen 
von unterhalb ing bis Konftanz den Bodenjee 
(j. d.). Aus diefem tritt der R. zwiichen Stiegen 
und Eſchenz wieder heraus, bildet gleich darauf den 
Zeller: oder Unterfee und feht nach feinem Aus: 
tritt aus diefem mit weſtl. Hauptridtung, das 
Großherzogtum Baden von der Schweiz ſcheidend 
feinen eat nad Schaffhaufen und Baſel fort, auf 
welchen Wege er lints die Thur, Töß, Glatt und 
Mare, recht$ die Gebirgswaſſer des Shwarzwaldes, 
die Wutach, die Alb und die Wehra aufnimmt. 
Von Bafel an wendet er ſich wieder nördlich bis 
Mainz, die breite Oberrheinebene durchfließend, 
trennte bis 1871 bier zunächſt Frankreich (und zwar 
die Depart, Ober: und Niederrhein) von Deutich 
(and, trennt jeßt die Bezirke Ober: und Niederelfaß 
des deutihen Reichslandes Eljaß-Lothringen von 
Yaden, macht dann die Grenze zwiichen Baden und 
d.r bayr. Pfalz und fließt hierauf durch das Groß: 
berzogtum Heflen, deilen Brovinzen Rheinheſſen und 
Startenburg ſcheidend. Auf diefer Strede empfängt 
er lints aus dem Elfaß die Ill und zahlreihe Was: 
gaubäche, aus Rheinbayern die Lauter und Queich, 
rechts aus Baden die Wiefe oder Wieſen, die Elz, 
Kinzig, Rench, Murg, Alb, Pfinz (ſämtlich aus dem 
Schwarzwald) und den Nedar, endlich bei Mainz 
den Main, und berührt die Städte Breiſach, Kehl, 
Germersheim, Ludwigshafen, Speier, Mannheim, 
Worms und Oppenheim. , 

Dei Mainz wendet fi ber Strom 30 km weit 
weitwärts über Biebrich nah Bingen, auf der 
Grenze von Rheinheſſen und dem Rheingau in 
Raſſau (preuß. — irt Wiesbaden), und 
tritt hierauf, plöglich gegen Norden und weiterhin 
im allgemeinen gegen Nordnorbweiten gewandt, 
ganz in den preuß. Staat ein, indem er ent Hefien: 
Naftau von der Aheinprovinz Icpeibet, dann aber 
bei Horchheim, zwiſchen Oberlahnitein und Koblenz, 
in die legtere übergeht und dieſe bis an die nieder: 
länd. Grenze durchſchneidet. Auf dieſer Strede 
nimmt er links die Nahe, Mofel, Ahr und Erft, 
rechts die Wifper, Yahn, Sayn, Wied, Sieg, Wup: 
per, Ruhr, Emfcher und Lippe auf und berührt die 
Städte Baharah, Koblenz, Andernah, Bonn, 
Köln, Düfleldorf, Wefel und Emmerid. Vei Bim: 
men unterhalb Emmerich tritt der Strom in die 
niederländ, Provinz Geldern über. Hier teilt er 
fich fehr bald, bei Schenkenſchanz, in_zwei Arme, 
einen füblichen und einen nördlichen. Der füdliche, 
die Waal genannt, nimmt zwei Dritteile feines 
Gewäſſers auf, vereinigt ſich hernach zweimal mit der 
Maas (ſ. d.), flieht von Woudrichem bis Dordrecht 
al3 Mervede und dann als Alte Maas in die Nord: 
fee. Der nördl. Arm, der früher auf feinem Laufe 
nach Arnheim zu mehrere Windungen machte, fließt, 
den Namen R, behaltend, feit 1720 in einem Ka: 
nal (dem Pannerdenſchen) eine Zeit lang vorwärts 
teilt fi) aber, ehe er nad Arnheim kommt, bei 
Weitervoort, wieder in zwei Arme. Bon diefen 
geht der rechte al3 Neue Yſſel in dem Bette 
deö Kanals, den Drufus behufs der Vereinigung 
des R. mit der Alten Yſſel graben ließ, weiter 
bis Doesburg, mo er mit der lektern zufammen: 
fällt, um ſich mit diefer vereinten Waflermajle in 
die Zuiderfee zu ergießen. Der linte Arm 
ftrömt unter dem Namen R., der Waal ziemlid) 
parallel, bei Wageningen und Rhenen vorbei, nad) 
Wijt bij Durſtede, von wo an er Le beißt, und 
entjendet bier einen ſehr ſchwachen Arm, der aber 


(Fluß) 


als Hauptitrom gilt, unter dem Namen Arummer 
R. nad) Utrecht, von wo aus ein Kanal, Baart: 
ſche Rhijn, ihn mit dem Lek in Verbindung feht. 
Während num der Let von Vianen nah Schoon: 
boven fließt und oberhalb Arimpen op de Lel ſich 
mit der Maas vermiſcht, fondert ſich von den Ge: 
waͤſſern des R.s bei Utrecht abermals ein Arm ab, 
welcher die Vecht genannt wird und ſich bei Mui— 
den in die Zuiderfee ergiebt. Der übrige R., bei: 
nahe nur einem Graben nod) ähnlich, flieht von 
Utrecht über Leiden bei Rhijnsburg vorbei nad 
Katwijl:op:Rhijn, wo derfelbe noch zu Anfang des 
19. yabeb. fi) in den Sand verlor. Früher hatte 
er bei Katwijtop⸗Zee einen Ausfluß in die See. De 
neneiter Zeit hat man mit Überwindung vieler 
Schwierigkeiten die in den Sand ſich verlierenden 
Gewäſſer des N. in einem Kanal gefanımelt und 
mit Hilfe dreier Schleuſen den Ausfluß dei R.s 
wiederhergeftellt. Die höchſte Duelle des R.s liegt 
2344 m über dem Meere, Reihenau nur noch 586, 
Bafel 248, Kehl 141, Mainz 81, Bingen 76, Ho: 
blenz58, nöln 36, Weſel 15, Emmerid 10 und Bim: 
men an ber niederländ. Grenze 8,5 m, Die Breite 
des Stromd und die Beichaffenheit feines Bettes 
iſt auf dem kungen Wege, den er macht, verichieden. 
Die normale Breite it von Baiel bis zur Elzmün— 
dung auf 200 m, von da bis Meiſenheim auf 226m, 
von Yauterburg bis zur Nedarmündung auf 240 m, 
von bier bis zur heſſ. Grenze auf 300 m angenom: 
men worden. Bei Mainz ift er 576, bei Geijen: 
beim oberhalb Bingen 628, bei Aßmannshauſen 
unterhalb Bingen nur 250, bei Hoblen; 313, bei 
Untel nur 259, bei Bonn 377, bei Köln 369, bei 
— — 612, bei Düſſeldorf 478, bei Wefel 49% 
und an der niederländ. Grenze 407 m breit, Seine 
Tiefe beträgt in normalem Zuftande in der Ober: 
rheinifchen Ziefebene 1,5 —6, zwiihen Mainz und 
Köln 4—5, bei Düfjeldorf_fogar 15,7 m. Vom 
Bodenfee bis Bafel auf der Strede der Juradurch⸗ 
brüche ift fein Bett felienreih; weiter abwärts iſt 
es von vielen, zum Teil aus Sand: und Kiesbänfen 
beftchenen Anfeln durdjchnitten. An Fifchen ift 
der R. jehr reich. , 

Gine vor Be Wichtigkeit, befonders für das 
weitl. Deutid) and, hat der X. durch die Schiffahrt. 
Gr wird von Chur in Graubünden an befahren. 
Bei Bafel beginnt die bequemere Schiffbarkeit des 
Stroms, doch ift der Verlehr bis nad Kehl ganz 
unbedeutend, und es gehen dort nur Schiffe von 
320—400 Etr. Tragfähigkeit. Die größere Rhein: 
ſchiffahrt mit beladenen Schiffen hebt erit bei Speier 
an. Bon Kehl bis Maxau gehen Schiffe von 2000 
—3000 Gtr. Ladung, zwiihen Marau und Mann: 
beim Schiffe von 3000— 12000 Etr. Für die 
Schiffahrt find geräbrlie beionders die Waſſerfälle, 
vorzugsweile Rheinfälle genannt, deren er vier 
bildet. Unter ihnen tft der Nheinfall 3 km unter 
Scafihaufen, bei dem ſchweiz. Dorf und Schloß 
Laufen, der bebeutendite und durchaus nicht zu pai: 
fieren, weshalb die Ladung der Schiffe zur Adie 
durch Schaffhauſen gebracht werben muß und erit 
unterhalb der Stadt wieder eingeihifft werben 
kann. Nachdem der Strom ungefähr 375 m ober: 

alb Laufen zwiſchen ungebeuern Felſen, die zum 
eil mitten aus feinem Bette hervorragen, ein 
geengt worden ift, fchießt er dann bei immer zu: 
nehmendem Abbange in unzähligen Buchten von 
Fels zu Fels hin und ftürzt ſich endlich 27 m hoch, 
108 m breit, mit einem in der Nähe betäubenden 


Rhein 


und bei ſtiller Nacht auf 15 km.weit hörbaren Ge: 
töje in drei nebeneinander liegenden Fällen ſteil 
berab, wovon der auf der. Süidjeite , zwifchen zwei 
Feljenpfeilern, der gewaltiamite ift. Der Rheinfall 
unter Zurzadj, bei der Mündung der Wutach, wird 
verurſacht durd einen ebenfalls quer durch den 
Strom gehenden Felſendamm, in deſſen Mitte eine 
Lürde fi h befindet, durch welche bei niedrigem Waſſer 
die Schiffe ungefährdet paſſieren. Bei hohem Waſſer— 
ſtande ſteigt der Strom über die Felſen rechts und 
lint3 und wird zum wirklichen —— der dann 
alle Schiffahrt unmöglich macht. Der Rheinfall 
bei Laufenburg beſteht nur in einer Stromſchnelle, 
auf welcher leere Schiffe an Seilen durch Menſchen, 
jedoch zumeilen mit Lebensgefabr, binuntergelaflen 
werden. Gbenfalld nur eine Stromfchnelle ift der 
Nbeinfall bei Rheinfelden, der Höllenhaten genannt, 
wo der Strom durch Felien eingeengt ijt, jodaß die 
Schiffe nur mit der größten Vorfict —— 
werden können, Außerdem galt ſonſt als gefähr: 
lich für die Schiffahrt das —— bei Bingen, 
wo ſich die Berge, welche den N. einſchließen, von 
beiden Seiten jo nähern, daß man bis in den Fluß 
binein den ebemaligen Zufammenbang der gegen: 
jeitigen Felfen wahrnehmen kann. Karl d. Gr. lieh 
diejes Feljenbett zuerft für ganz Heine Schiffe fahr: 
bar maden. Kurfürſt Sigismund von Mainz er: 
weiterte es für größere, und die preuß. Negierung 
ließ feit 1834 die Durchfabrt, bei welcher man eine 
tiefe Stelle des Flußgrundes das Bingerloch nennt, 
durd Sprengen fo vergrößern, daß diefelbe, außer 
bei ſehr niedrigem Wajleritande, nunmehr gefahrlos 
it. Ebenſo galten für gefährliche Punkte das Wilde 
Gefähr bei Bacharach, wo der Strom im Thalwege 
mit fürchterlihem Gefälle des Waſſers peilden 
Felfen und Bänten eine Art Trichter bildet; die 
Bank von St. Goar, wo eine Gruppe teils ficht: 
barer,, teils verborgener Klippen einen Strudel 
bildet; der Kleine und Große Unteljtein, bei dem 
Städtchen Untel, eine Neibe Bajaltfelien, die teils 
über, teild unter dem Waſſer liegen. Die größere 
Gruppe, der Große Unteljtein genannt, ijt unter der 
franz. Herrichaft binweggeräumt; die Heinere wird 
von leeren Schiffen überfahren. 

Die Nheinübergänge bieten den Heeren wegen 
ber Größe und Schnelligkeit des Stroms, die erjt 
in neuejter Zeit durch die großartigen Gifenbahn: 
brüden von Straßburg (Kehl), Mannheim, Mainz, 
Koblenz, Köln, Hamm (bei Düfieldorf) und Wefel 
überwunden worden find, nicht unbedeutende 
Schwierigkeiten. Julius Cäfar hatte bei feinem 
Ariegöguge egen bie Gallier eine Pfahlbrüde über 
den R. errichten lafien. Im Dreibigiäbrigen Kriege 
wurde diejer Fluß wiederholt auf Schiff: oder Flop: 
brüden überfohritten; den Ort, wo es von Guftav 
Adolf oberhalb Oppenheim geſchah, bezeichnet eine 
fteinerne Säule. Mehrere Übergänge fanden in den 
Feldzügen gegen Ende des 17. und im 18. Jahrh. 
ftatt, Berühmt find befonders der des Prinzen 
von Lothringen bei Schröd 1744, noch mehr bie 
während des Revolutionsfriegs und nachher die 
Napoleons I. Beim libergange Jourdans, bei 
Urdingen und Neuwied 1795, hatten die Oſterreicher 
das rechte Rheinufer mit 411 Geichügen in 98 Bat: 
terien bejeht und die Franzofen ihnen 476 Kanonen 
und Haubihen entgegengeftllt Ein zweiter liber: 
gang Jourdans bei Neuwied 1796 war mit weniger 
Schwierigleiten verknüpft, obſchon auch diesmal 
bie Franzoſen unter dem Feuer des öfterr. Geichühes 


(Fluß) 661 


hinüberſchiffen mußten. In demſelben Jahre ging 
Moreau bei Kehl über den R., was ihm ohne große 
Verlufte dadurch gelang, daß er vier Tage zuvor bie 
Brüdenihanze bei Mannheim mit Heftigleit an: 
greifen ließ und dadurd die Aufmerkjamteit des 
Feindes von jenem Punkte ablentte. Mehr Schwie: 
rigfeiten fand Moreau 20. April 1797 beim fiber: 
gang bei Sinsheim, unterhalb Straßburg. Ober: 
wärts Sinsheim ging Moreau 1800 über den N. 
Der libergang der Verbündeten 1814 fand nur ge: 
ringen Widerjtand, obgleich die ruſſ. Brücke bei der 
Pfalz einmal vom Waſſer fort gr wurde, 

Der N, zeichnet ſich ebenfo Fehr durd) die Herr: 
lichkeit feiner Uferlandfchaften wie durch den Mein: 
und Fruchtreichtum der Pänder aus, die er durd): 
ſtrömt. Daher wird kein Strom Deutſchlands, be: 
ſonders feit der Cinführung der Dampfſchiffahrt, 
die bier mit der größten Regelmäßigfeit und Leben: 
digkeit betrieben wird, häufiger bereijt als der R. 
Sein 371,77 km langer Oberlauf oder der God: 
rhein gehört ber Sämei an, in welcher er auf der 
Strede der Juradurchbruche die erwähnten Rhein: 
fälle und Stromſchnellen bildet. _ Won Bafel bis 
Bonn reicht fein 460 km langer Mittellauf, und 
zwar heißt deſſen oberer Teil bis Bingen der Über: 
rhein. Gr durdfließt auf dieſer 333 km langen 
Strede, mitten durch die Dberrheinebene, ein 
weites Thal, auf der linten Seite von den Vogeſen 
und der Hardt, auf der rechten vom Schwarzwalde 
und dem Odenwalde mit der Bergſtraße begrenzt. 
rüber hatte er auf diefer Strede ein ftet3 verän— 
derliches Bett, von welchem Zuftande lüberſchwem— 
mungen, Berfumpfungen und Störung der Schiff— 
fahrt die Folgen waren. Die ftarten Krümmungen 
verurfadhten mangelhaften Abfluß. Diefen Üibeln 
fing man 1817 und dann 1840 an nad) dem Plan 
des bad, Ingenieurs Tulla entgegenzuarbeiten, 
geht it ibm ein geſchloſſenes Rinnſal gegeben. 

ur die Geradelegung iſt der Lauf des Stroms 
längs des Thalwegs von Baſel bis zur Pauter von 
217,6 auf 135,76 und von da zur heil. Grenze von 
138,15 auf 134,17 km, zufammen alſo um 85,47 km 
verkürzt und dadurch das durchſchnittliche Gefälle 
erheblich verftärkt worden. Die Geihmwinbdigfeit 
des Stroms ilt in 1 Sekunde bei mittlerm Wajler: 
ftande unterhalb Bafel auf 4, bei Kehl auf 3,1, bei 
Lauterburg auf 2,2, bei Mannheim auf 1,3 m be: 
rechnet. Von Mainz bis Bingen rüden die Gebirge 
nabe an den Strom, anfangs nur auf dem rechten 
Ufer, wo fie den Rheingau (f. d.) bilden. Bon 
Bingen bis Bonn reicht der untere Teil des Mittel: 
laufs oder der Mittelrhein, die 126 km lange 
herrliche Durchbruchsgegend der niederrhein. Schie: 
jernebirge, Fin ‚en —5— en — — 

s eigentlichen Schiefergebirgsdurchbruchs, re 
des Taunus, links des Sundardds, dann des Ba- 
ſaltdurchbruchs, rechts des Wefterwaldes und Sie: 
bengebirges, links der Eifel. Bei Bonn hört das 
Gebirge auf der linten Uferfeite gänzlich auf, an 
der rechten tritt e3 immer mehr zurüd. Von bier 
bis zur Nordfee fließt der 466 km lange Unterlauf 
oder der Niederrhein innerhalb einer volltom: 
menen Tiefebene. So verbindet der R., Alpenjtrom 
und Durchbruchsſtrom zugleih, das höchſte Ge: 
birg&land mit dem tiejiten Niederland Curopas, 
die Schweiz und Holland; aber feine Strede feines 
Laufs iſt befuchter als die des Mittelrheine, Von 
Bingen an verengen fi die Berge auch von ber 
linten Seite ber, und die Ufer bieten auf der Strede 


662 


bi3 Königswinter mannigfaltige Felſen⸗ und Berg: 
partien und wildromantiſche Anſichten dar. 

In merlantiler Hinſicht iſt der R. der wichtigſte 
Strom Europad, wenngleih die Donau und die 


Molga ihn an Länge und Größe weit übertreffen. | ftaaten ratifiziert hatten, 


Indem er bie vollsdichteiten und induſtriöſeſten 
Yänber des Kontinents durchfließt, in eins der be: 
fahrenften Meere der Erde, Großbritannien gegen: 
über , ausmündet, durch feine Nebenflüfle ihm das 
innere Deutichlands, Belgiens, der Niederlande 
und eines Teils von Frankreich eröffnet ift, fein 
Stromgebiet durd den Lubwigsfanal mit der Do: 
nau, durch den 350 km langen Elſaß- oder Rhönc: 
Rheinkanal (133,3 km in Deutichland) und feit 1851 
durch den 320km langen Marne-Rheinlanal (107,26 
km in Deutſchland), die beide nah Straßburg 
führen, mit Süd: und Eentralfrantreid verbunden 
wird und zahlreiche Eifenbahnen feine Ufer begleiten 
oder an ihnen auslaufen, begründet er einen Ber: 
lehr, wie fein anderer Strom des Erbteils ihn auf: 
zuweilen hat und dem derjenige der Donau und 
Wolga zujammengenommen naditehbt. Seiten: 
tanäle bes R.s in Deutichland find: der 28,2 km 
lange Häningerlanal, die auf 21,2 km fanalifierte 
AU, der 2,3 km lange Ill-Rheinlanal, der 13,3 km 
lange Golmarer Zweigkanal, der 19,6 km lange 
Breuſchkanal, der 4,5 km lange Frantenthaler Schiff: 
fahrtätanal, der 0,8 km lange Rubhrorttanal, der 
4,4 km lange Duisburgerfanal, der 4 km (ange 
Grittanal, der 3,3 km re Nheinbergerlanal, der 
4,km lange Spoylanal. Schon dieRömer juchten, 
nahdem fie ih am N. tengeieht, die Schiffahrt 
diejes Fluſſes zu regeln. Die Franten bebielten 
mit den übrigen Steuereinrihtungen der Römer 
aud die Rheinzölle, deren Erhebungsweiſe jedod) 
Lange einfad und ſchouend blieb. Vielfach gehenimt 
und erſchwert aber wurde der Verlehr, als jeit dem 
13. Jahrh. neben der Brandidakung raubluftiger 
Ritter die beutjchen Kaiſer und die geiftlichen und 
weltlihen Fürften die Nheinzölle zu einer ergiebigen 
Quelle ihrer Einnahme machten. Den Plan einer 
freien Schiffahrt auf dem X. brachte zuerſt das 
franz. Direktorium auf dem Raftatter Kongreß zur 
Sprade. Rapoleor 1. fahte die Idee wieder auf, 
und es wurbe infolge der Verhandlungen zwiichen 
ihm und bem Aurerzlanzler , als Bevollmächtigtem 
des Deutſchen Reis, 15. Aug. 1804 eine Dltroi: 
fonvention geihlojien, deren Beitimmungen mit 
dem 1. Nov. 1805 in Kraft traten. Obgleich nun 
die Schiffahrt durch dieje Konvention, wenn auch 
feinen freien, wenigſtens einen geregelten Gang er: 
bielt, blieben doch nächſt der Sperrung der Gee: 
tabrt in Holland ſehr hemmende Mibitände zurüd. 
Zwar gab Napoleon I. 31. Dit. 1810 die Rhein: 
ſchiffahrt auch in Holland frei und nad) dem Sturze 
Napoleons I. wurde im Barijer Frieden von den 
verbündeten Mächten, aljo mit Ausſchluß von 
Frankreich und Holland, bejtimmt, daß die Schiff: 
fahrt des R. von dem Punkte an, wo er ſchiffbar 
wird, bis in die See frei für alle Bölfer fein jollte. 
erg air diejer dee wurde jedoch von der 
holländ. Regierung zunädjit dadurch ein Hindernis 
in den Weg gelegt, daß diefelbe dur einen Be: 
ſchluß vom 23. Dez. 1813 die von Napoleon früher 
zugeltandene freiheit der Rheinſchiffahrt aufhob und 
unterm 24. März 1815 diejen Beſchluß wiederholte. 
Am 15. Aug. 1816 begannen zu Main; die Ber: 
banblungen der Gentraltonmijfion wegen der 
Rheinſchiffahrt. Erjt im Herbſt 1830, infolge der 


| 
| 


Rhein (Fluß) 


Trennung Belgiens, wurde bie niederländ. Ne: 
gierung geneigter zu Konzeſſionen. So kam das 
Rheinihiffahrtsreglement vom 31. März 1831 zu 
Stande, das bis zum 17. Juni 1831 alle er⸗ 
Die wichtigſten Beitim: 
mungen desjelben waren folgende: Aufhebung der 
Umſchlagsrechte in Köln und Mainz und Errich 
tung von Freihäfen längs bes Rheinufers; freie 
Schiffahrt auf dem di. bi in die See für alle Schiffe 
der Uferjtaaten des R.s, jowie des Mains, 

und anderer in den R. fallenden Flüſſe; gleich 
mäßige Berteilung des Rheinzolis; Einjekung einer 
Gentraltommiifion, die ſich alle Sabre 1. Juli zu 
Mainz verfammelt; Ernennung von vier Inſpel⸗ 
toren, jowie von Zollgerichten zur Entſcheidung 
ftreitiger Schiffahrtsangelegenbeiten in zwei rn: 
ftanzen. Die neue Ordnung trat mit dem 17. Juli 
1831 ins Leben. Schr günftig wirkten auf den 
Aufihwung der Rheinſchiffahrt aud der Deutiche 
Zollverein und der von Preußen mit den Nieder: 
landen 1837 —— chiffahrtsvertrag. 

Als der Vertrag vom 1. Sept. 1844, welcher 
Köln mit Antwerpen und dem Meere durch Gifen- 
bahnen verband, die holländ. Regierung den Ber: 
Luft jämtlicher Tranfits bejorgen ließ, geitand diejelbe 
endli auch ihrerſeits Grleichterungen zu, und es 
ward nun ein definitiver Tarif nadı den Ber: 
mefjungen vom J. 1839 feftgeftellt. Die Ermäßigung 
der Durchgangsabgaben im Zollverein (jeit 1851) 
war durd gleichzeitige — — Herabjekung 
der Nheinzölle bedingt. Die hierauf bezügliche 
fibereintunft vom 17. Mai 1851 ward bis 1864 
verlängert. Schon durch den preuß.:niederländ. 
Sciffahrtävertrag vom 3. Juni 1837 und ben zoll: 
vereinsländijch:niederländ. Vertrag vom 21. jan. 
1839 waren die beiderfeitigen Schiffe zwiſchen Po: 
bith, Krimpen und Gorlum von der Schiffsgebühr 
gänzlih und deren Ladungen unter gewifjen Be: 
dingungen und Beihränfungen vom Nheinzoll be: 
freit. Gemäß dem zollvereinsländiich -nieberländ. 
Handelsvertrag vom 31. Dez. 1851 bat Niederland 
für die Schiffe der Zollvereinsitaaten jämtliche biß: 
ber beftandene Abgaben an Rheinzoll und Schiffs: 
gebübr, fowie aud) das droit fixe für die Schiffs wege 
unterhalb Krimpen und Gorkum aufgehoben. Frant: 
reich und Baden hatten die Hollerhebung oberhalb 
ber Lauter ſchon früher ganz eingejtelit. Am 12. Dez. 
1860 wurde zu Karlsruhe eine fibereintunft der 
Rheinuferjtaaten geſchloſſen, die mit dem 1. März 
1861 ins Leben trat und weitere Zollermäßigungen 
bradıte. Trokdem waren die en auf 
der Rheinſchiffahrt lafteten, noch hoch genug. Eine 
neue Rheinſchiffahrtsalte wurbe 17. Dt. 1868 zu 
Mannheim unterzeihnet. Sie gibt die Schiffahrt 
auf dem N. unter Beobachtung gewiſſer Beftim: 
mungen und allgemeiner —— Vorſchriften 
frei. Nah Art. 4 der Verfaſſung des Deutſchen 
Reichs (1871) unterliegen auch der Flöberei: und 
Schiffahrtsbetrieb auf den mehrern Staaten ge: 
meinjamen Waflerftraßen und der Zuftand der 
legtern, fowie bie Fluß- und fonjtigen Waflerzölle 
der Beauffihtigung feitens des Neid und der Ge: 


f ung desjelben. 

inbäfen find im Deutihen Reiche: Kehl, 
Marau, —— rmersheim, Speier, 
Mannheim, Ludwigshafen, Worms, Nofengarten, 
Gernaheim, Guftavsburg, Mainz, Biebrich, Schier: 
ftein, Bingen, Oberlahnjtein, Koblenz, Köln, Neuß, 
Düfjeldorf, Hochfeld, Duisburg, Rubrort, Weiel; 


* waren im 


Nhein (Stadt) — Nheinbund 


in den Niederlanden: Arnheim, Dordrecht, Utrecht, 
Rotterdam, Nimmwegen, Tiel Bommel, Amfterdam. 
Die Mehrzahl derielben find zugleich fünftliche 
MWinterhäfen. Einen ungemeinen Aufſchwu * 
der Verkehr auf dem R. durch die Dampfſchiffahrt 
enommen. Das erjte Dampfboot fam 1817 von 
ondon aus bei un Waſſerſtande in en an. 
Darauf richtete die Nederlandiche Steamboot:Mlaat: 
fhappij regelmäßige — — wiſchen 
Rotierdam und Köln ein. Die kölniſche Dampf: 
ſchiffahrtsgeſellſchaft, welche 1. Mai 1827 ihre 
Fahrten Bi en Köln und Mainz begann, jpäter 
aber bis Straßburg und Arnheim ausdehnte, be: 
—— ſchon im erſten Jahre 18000, zehn Jahre 
päter 150000 Reiſende. Solche Erfolge riefen 
1837 die düfjeldorfer Dampfjchtfiahrtageieühoft 
bervor, welde anfangs die Stromjtrede zwiſchen 
Rotterdam und Mainz befuhr, fpäter die Fahrt bis 
Mannheim ausdehnte. Diefe Konkurrenz veran: 
laßte eine engen Bi Fahrpreife und hatte 
die Folge, daß die Zahl der von beiden Geſellſchaften 
beförderten Reiſenden fhon 1839 auf mehr denn 
800000 ftieg. Beide hir ing find feit 1853 
vereinigt und fahren nunmehr für gemeinſchaftliche 
Rechnung, ftromaufwärts aber nur bis Mannheim. 
Die — 5 chiffahrt wird teils von der 
Dampfſchiffahrtsgeſellſchaft, teils von den Gejell: 
—— zu rort, Duſſeldorf, Köln, Mainz, 
Nannheim, Ludwigehafen und Frankfurt betrieben. 
Neben diejen Unternehmungen befteht aud eine 
Seeſchiffahrt vom R. aus. Auch auf den Neben: 
flüflen des R.3 iſt die Dampfſchiffahrt im Gange, 
auf der Mofel und Maas, dem Nedar und Main, 
fomwie auf den Seen, die der A. und feine Neben: 
flüffe in der Schweiz bilden. Am 1. Yan. 1883 
N ganzen Stromgebiet bed R.s heimatäbe- 
rechtigt: 2713 iffe, darunter von Eiſen 585; 
und zwar waren Segelſchiffe 2514 (davon eijerne 
386), eilerne Da hie 199. 

Vol. außer den Reiſehandbüchern von Baedeler, 
Berlepih u. a. befonders: Kohl, «Der N.» (2 Bde., 
Lpz. 1851); Simrod, «Das malerifche und roman: 
tiihe Rheinland» (4. Aufl., Bonn 1865); Horn, 
«Der R. 85* und Sagen feiner Burgen 
u. j. w.» (2. Aufl., Wiesb. 107); Mehlis, «Der N. 
und der Strom der Kultur in Kelten: und Römer: 
zeito (Berl. 1876); derielbe, «Der R. und der Strom 
der Kultur im Mittelalter» (Berl. 1878); «Rhein: 
fahrt. Bon den Quellen des R. bis zum Meere» 

Schilderungen von Stieler, Wachenhuſen u. a. 
ujtriert von Büttner u. ſ. w., Stuttg. 1876); 
Gfell: Feld, «Der R. von den Quellen bis zum 
Meere» (Lahr 1882 fg.). 
} (in Dftpreußen), Stadt im oftpreuß. 
Regierungsbezirt Gumbinnen, Kreis me; am 
Rheinerſee, dem Nordende des Talter Wailers, 
120 m über der Ditiee, Siß eines Amtsgerichts, 
pr (1880) 2226 meift evang. E., davon 600 Ma⸗ 
uren, und bat eine Strafanftalt für Weiber, 
Dampfſchneidemuhlen, eine Kolosbaftdedenfabrit, 
eine Wagenfabrit, zwei Färbereien und Pferdezucht 
in der Umgegend. — R. verdantt feinen Urfprung 
der um 1377 gegründeten Ordensburg Eryno und 
erhielt 1726 Stabtredt. Hier fiegte 1456 der 
Deutſche Orden über das Heer des preuß. Bundes; 
1657 wurde die Stadt durch Tataren eingeäſchert. 

Rheina:Wolbed, j. unter Rheine. 

Rheinbach, Kreisitadt im preuß. Negierungs- 
bezirt Köln, Etation der Linie Bonn:Eusfirchen der 


663 


Preußiſchen Staatsbahnen, ift Sit eines Amt: 
gerichts, zählt (1885) 2126 meift kath. E. und hat 
ein Brogymnafium, Gerbereien, Steingutwaren: 
fabrifen, eine Anftalt für Nelieflarten und in der 
— *— Eiſenerzlager. — R., im frühern Mittel: 
alter Reginbach, fam 762 an die Benediktinerabtei 
Prüm, dann an die Grafen von Hochſtaden, ſchließ— 
lih an das Erzſtift Köln und erhielt um 1340 
Stabtredt. Etwa 3 km ſüdöſtlich liegen auf einem 
Bafaltberge (Tomberg) die Ruinen der 1470 zer: 
ftörten Tomburg (uriprünglic Tonaburg), 950— 
1156 Sit der Pfalzgrafen bei Rhein. — Der Kreis 
Rheinbach zählt auf 396,79 qkm (1880) 3262) 
meiſt fath. E. 

Rheinbayern, ſ. N beiprta 

Rheinberg, Stadt im Kreiſe Mörs des preuß. 
Regierungsbezirls Düfjeldorf, 1Y, km vom Rhein 
gelegen, mit dem e3 durch einen ſchiffbaren Kanal 
verbunden ift, hat eine kath. und eine evang. Kirche 
(leptere mit 1885 erbautem Turm), ein jchönes 
Rathaus (erbaut 1449) und (1885) 2800 E. welde 
hauptſächlich Aderbau, Seidenweberei und Liqueur— 
abrilation betreiben. — R., urjprünglich Berle, 
erſt jeit Anfang des 17. Jahrh. Rheinberd, dann 
Rheinberg genannt, kommt urkundlich zuerjt 1003 
vor und war eine jehr jtarfe Feſtung, welche 1705 
von den Preußen genommen und geichleift wurbe. 

Nheinberger (%of.), deutiher Muſiler, geb. 
17. März 1839 in Hadız im Fürſtentum Liechten— 
ſtein, war ſchon mit ſieben Jahren als Organiſt in 
der Pfarrklirche feines Geburtsortes thätig. Vom 
12. Jahre an war er Schüler des münchener Kon: 
jervatoriums, an welchen er feit 1855 Klavier, 
dann aud Hontrapunlt und fpäter die Kompofition 
lehrte, daneben jeit 1864 einen Dratorienverein 
leitete. Er wurde 1877 dort Hoffapellmeifter und 
als folder Dirigent der königl. Vokallapelle. N. 
iſt ein gefuchter, der klaſſiſchen Schule anhängender 
Kompofitionslehrer. Seine zahlreihen Kompoſi— 
tionen umfafien: Stüde für Hlavier, Orgel, Streidj: 
inftrumente, Lieder, Chöre, Chorballaden und an: 
dere Sähe mit Begleitung, das Urdeiterwert 
«Mallenjtein», die florentiniihe Symphonie, ein Re— 
quiem, doppeldhörige dem Papſt Yeo XIII. gewib: 
mete Mefie, Opern («Türmers Töchterlein», «Die 
fieben Naben») und fonftige Bühnenmufl. Sein 
lehtes Hauptwerk ift bie Legende «Ehriftophoruse, 
welche raſch große Verbreitung gewann. 

Rheinbiichofsheim, Marktfleden im bad. 
Kreiſe Dfienburg, Amt Kehl, 3 km öſtlich vom 
Nhein, im nördl. Teile des Hanauer Landes, zählt 
(1885) 1508 meift evang. E. und hat eine höhere 
Bürgerfhule, eine Flaſchenhulſenfabril und Anbau 
von Hanf, Tabak, Eihorien und Raps. 

Rheinbund, ein Bund deutſcher Fürften unter 
dem Proteltorat Napoleons I. Der Friede zu 
Preßburg, 26. Dez. 1805, gab den nächſten Anlaß 
zur völligen Aufldſung des Deutſchen Reichs, indem 
ufolge desjelben die mit Napoleon I. verbündeten 
jübbeutfchen Fürften von Bayern, Württemberg und 
Baden die volle CConveckneiät erhleiten, die beiden 
eritern überdies den Königstitel. Am 28. Mai 
1806 zeigte fodann der erfte deutſche Kurfürft und 


Reichkanzler dem Reichstage an, dab er den Kardi⸗ 
ı nal Sei, einen Oheim Napoleons, zu jeinem 


Koadjutor und Nachfolger ernannt habe. Endlich 
erklärten 16 beutj keiten förmlich ihre Tren: 
nung von Kaiſer und Neich: die Könige von Bayern 
\ und Württemberg, der Aurfürft-Neichtlanzler, der 


664 


“ Rheinbuind 


Kurfürft von Baden, der neue Herzog von Berg der Kurfürft:Erzlanzler den Titel als Fürft-Primas; 


rad Murat), der Landaraf von Hejlen:Darm: 
u:Ufingen, Nafjau: 


tadt, die Fürjten von Na 
Weilburg, Hohenzollern: Hedingen , 
Sigmaringen, Salm:Salm und Salm: Kyrburg, 
der Herjog von Arenberg, die Fürſten von Iſen— 


burg:Virftein und von Liechtenftein und der Graf 
von und zu der Leyen; die von Paris 12. Juli 1806 


— = 


— 


— 





datierte, aber angeblich erſt 17. Juli unterzeichnete 
Alte wurde 1. Aug. 1806 dem Reichstage mitgeteilt. 
Sie begründeten dieſe Losſagung auf die Mängel 
der deutichen Neichsverfafiung und luden auch die 
übrigen Reichsſtände ein, ihrem neuen Bunde der 
«verbündeten rbeinijchen Staaten» beizutreten. An 
demjelben Tage gab der franz. Geſandte Vader die 
Crllärung ab, daß jein Kaiſer fein Deutiches Reich 
mehr anertennen werde, worauf Naijer Franz II. 
6. Aug. feine Würde als Oberhaupt des Deutſchen 
Reichs niederlegte. Zufolge obiger Akte erhielten 


ohenzollern: 


der Kurfürft von Baden, der Landgraf von Heflen- 
Darmjtadt und ber ——— den 
en’ und Vo 


ge ogl.- Titel mit fönigl.” 
daſſau⸗Uſingen die herzogl. und der Graf von md 
zu der Leyen, Dalbergs Neffe, die fürjtl.-Würbe; 
Der franz. Staifer aber nannte ſich Proteltor des 
Bundes, Durch die Errichtung desjelben verloren 
ihre polit. Selbftän: 
— adt 
Nürnberg, die an 
Bayern, die Reichs: 
ftabt Frankfurt, die 
an ben Fürften:PBri- 
ma3, das dem Joha 
niterorden rige 
—— 

wa —— * —— 
und die Burggraf: 
ſchaft Friedberg, die 
an —— 
fam. Die 


nid, 
jtenberg, Solms, der 


Homburg, bie 
jöge von %00;5-Gor3- 
mwarem und von 


lichen Familien wur: 
den als Mediatiierte 
der Landeshobeit der 
rhein. Bundes 
unterworfen. 

Zwed des Bündnijjes 
wurde d 
des äußern und in: 
nern Friedens von 
Süddeutihland bin- 
geitellt. Dazu follte 
zwiſchen 

und den Mitgliedern 
des N. eine Allianz 
ftattfinden, fraft de: 





ren jeder Sontinen: 
taltrieg, ben einer 

der Verbündeten zu befteben habe, unmittelbar 

alle übrigen gemeinſchaftliche Sache werden 

Zur Beratihlagung über die gemeinf 

Angelegenbeiten der Verbündeten follte zu 

furt a. M. eine Bundesverjammlung in zwei Hol: 

legien jtattfinden, dem lönigliden, in dem a 

Großherzöge ihren Sitz haben follten, und 

fürjtlichen. Präfident der Verfammlung und ins: 

bejondere des lönigl. Kollegiums follte ber 

Primas fein; in dem fürftl. Kollegium aber 

der Herzog von Nafjau:llfingen den Vorfis 


eh San 


Landgraf von ® 


1 


— 


Nheinda hlen 


Nah dem jedesmaligen Tode des Fürſten Primas 
follten deſſen Nachfo F von dem Proteltor des 
Bundes-ernannt werden.“ Kein Mitglied ſollte 
anderswo als in den Staaten der-Bundesgenofien 
oder ber mit denfelben Berbündeten Dienfte nehmen, 
und jo jollte auch fein Mitglied ‚feine Souveräne: 
tät anders als zu Gunften eines Bundesgenofien 
veräußern dürfen. Die Streitigfeiten der Bundes: 
fürjten -follten auf dem Bundestage entichieden 
werben. Die Bundesverfammfung ıft jedoch nie: 
mals zufammenberufen worden. Als Souveräne: 
tätsrechte der Bundesglieder wurden aufgeführt: 
Deieboebung, oberjte Gerichtsbarkeit, hohe ‘Polizei, 
Militärkonftription und Beſteuerungsrechte. 
infolge der Stiftung des N. a Preußen 
einen ähnlichen Bund unter feinem Proteltorat aus 
den norddeutichen Fürjten zu bilden. Diefer Ent- 
wurf wurde aber durd den firieg von 1806 ver: 
nichtet, und nun breitete fih der R. weiter nad) 
Norden aus. Schon 25. Sept. 1806 trat der Kur: 
fürjt von Würzburg als Großherzog dem R. bei. 
Das Gleiche that der Kurfürft von Sachſen, nad): 
dem er fi von — etrennt und in dem 
Frieden mit Frankreich in Poſen, 11. Dez. 1806, 
den Königstitel angenommen hatte. Ihm folgten 
15. Dez. 1806 die ſaͤchſ. Herzöge und durch die 13. 
April 1807 zu Warſchau ——— Verträge 
aud die beiden Fürjten von Schwarzburg, die 
Herzöge von Anhalt, die Füriten von Lippe:Detmold 
und Schaumburg:Lippe, die Fürften von Reuß und 
der Fürſt von Walded. Tas neuerrichtete König: 
reich Weitfalen wurde durch die von dem Kaifer der 
Franzoſen 15. Nov. 1807 bejtätigte Verfaſſung 
gleichfalls zum Rheinbunditaate erllärt. Auch die 
Derzöge von Medlenburg-Strelig (18. Febr. 1808), 
von Medlenburg:Schwerin(22.März 1808) und von 
Oldenburg (14, Oft. 1808) traten bei. Der Bund 
zählte nunmehr auf 325 750 qkm über 14Y, Mill, 
E., und das Bundesheer ftieg durch diefen Zuwachs 
von den anfangs feitgeiekten 63 000 Mann auf fait 
120000 Dann, nr felbft hatte fich von den 
preuß. Groberungen bie Feſtung Erfurt vorbehalten, 
die gewiljermaßen als Bundesfejtung behandelt und 
teils mit franz., teils mit Nheinbundstruppen be- 
feht ward. Am 16. Febr. 1810 erhielt der Fürit 
Primas den Titel eines Großherzogs von Frant: 
furt. Der Proteltor des Bundes " ft vergriff ſich 
zuerſt an der Sicherheit und Unabhängigkeit ſeiner 
Bundesgenoſſen, indem er durch Dekret vom 13. 
Dez. 1810 folgende Rheinbundsfüriten der ihnen 
durd die Bundesalte zugeficherten Selbftändigteit 
beraubte: 1) ben Herzog von Oldenburg, weldem 
er fein Herzogtum a und bloß das Fürſtentum 
Lübed ließ; 2) den Herzog von Arenberg, von deſſen 
Landen ein Teil mit Frantreic, das übrige aber 
mit dem Großherzogtum Berg vereinigt wurde; 3) 
die Fürſten von Salm:Salm und Salm-Syrburg, 
deren Beſißungen gleichfall3 mit Frankreich ver: 
bunden wurden. Auch vom Großherzogtum Berg 
und dem Königreich Weſtfalen wurden bedeutende | 
Zeile zu Frankreich gezogen. Das Ganze biejer ge: | 
waltjamen Abtrennung betrug 29300 qkm mit 
über 1130000 E., ſodaß alſo dem Bunde noch 
296450 qkm und gegen 13’, Mill. E. verblieben. 
Das J. 1813 machte dent R. ein Ende. Die Herzöge 
von Wedlenburg: Schwerin und von Medlenburg: 
—— welche die legten geweſen waren, die ſich 
angeſchloſſen hatten, waren, gleich als Preußen ſich 
mit Rußland gegen Napoleon vereinigte, bie erſten, 


= Rheine 665 
welche ſich wieder losſagten. Yhnen- folgten bie 
Könige von Bayern und Württemberg. Andere 
zögerten länger, wofur z. B. der König von Sadjen 
mit dem Verluſte feines halben Königreichs büßen 
mußte. - Das Königreich Weftfalen und die Groß: 
berzogtümer Berg und Frankfurt wurden ganz auf: 
gehoben.. Die Fürften von Iſenburg und von und 
zu der Leyen unterlagen der Mediatiſation. Auch 
der Herzog von Arenberg und die Fürjten von Salm 
blieben medintifiert. 

Bol. Luchefini, «Hiſtor. Entwidelung der Ur: 
ſachen und Wirkungen des NR.» (2 Bde., Lpz. 1821 
25); Häufier, «Deutſche Geſchichte vom Tode 
Friedrichs d. Gr. bis zur Gründung des Deutſchen 
Bundes» (4. Aufl., Bd. 2. u. 3, Berl, 1869), 

‚RhHeindahlen (Dablen), Stabt im preuß. Me: 
gierungsbezirt Düffeldorf, Kreis Münden :Glad: 
bad, Station der Linie Müncen:Gladbad: Dahl: 
beim der Preußiſchen Staatsbahnen , zählt (1880) 
1710, als Bürgermeijterei_ 6072 meijt lath. E. und 
hat Flachsbau, Samt:, Seiden: und Leinweberei 
und Gerbereien, NR. wurde 1352 Stadt; hier ſchlug 
1568 Alba den Prinzen von Dranien. : 

Nheindepartementd hieben bis 1871 die bei: 
den weitlichiten Departements von Syranlreicd), 
welche durd den Frankfurter Frieden bis auf das 
Territorium von Belfort an Deutfchland kamen, 
Das Depart, Oberrhein (Haut-Rhin) entiprad) 
etwa bem- jekigen Bezirt Ober-Elſaß, das Depart. 
Niederrhein (Bas-Rhin) dem Bezirk Unter-Elſaß. 
(S. Elia.) 

heine, Stadt im preuß. Negierungsbezirt 
Müniter, Kreis Steinfurt, lints an der Ems, Sta: 
tion der Linien Soejt:Emden, Yöhne:R. und Duis— 
burg : Quatenbrüd der Preußiſchen Staatsbahnen, 
it Hauptort der Standesherrichaft Aheina:Wolbed, 
Eik eines Amtsgerichts und eines Hauptiteuer: 
amtes, zählt (1885) 5652 meilt kath. E. und hat 
ein kath. Gymnafium, eine höhere Töchterfchule, 
ein Krankenhaus, ein Waiſenhaus, drei Baumwoll: 
und eine Juteipinnerei, drei Baummollwebereien, 
eine Tabalsfabrit, eine Gifengiekerei mit Maſchi— 
nenfabrif, eine Dampfmühle, mehrere Kaltbrenne: 
reien, eine Leinweberei, eine Wolltuchmweberei, Groß: 
handel mit Kolonialwaren und Schiffahrt; 2 km 
nördlich der Stadt in der Bauerſchaft Bentlage 
mit [1885] 399 €.) befinden ſich das Schloß des 

ürften von Rheina:Wolbed und die Saline Got: 
tesgabe, welde ee 10—11000 Etr. Salz 
liefert. — R. urtundlich zuerft 838 genannt (Reine, 
Reni), lag damals im Gau Burfibant, gehörte zum 
Bistum Münfter und erhielt 1327 Stadtredt. 

Die Standesherrfihaft, das Fürjtentum 
Rheina:Wolbed, mit 556 qkm und etwa 
25000 E., größernteils zur Provinz Weitfalen, 
Heinernteil® zur Provinz Hannover anorg, war 
bis 1803 ein Teil de3 Bistums Münſter, kam 
dur den Neihsdeputationshaupticluß an das 
Haus Looz-Corswarem, wurde 1806 mediatiliert 
und dem Großherzogtum Berg, 1810 dem franz. 
Kaiferreich einverleibt, 1815 aber dem Haufe Yoo;- 
Gorswarem zurüdgegeben; als lepteres im Manns: 
ſtamme erloſch, kam es an den Grafen Lannoy— 
Glervaur; lehterer wurde 15. DE. 1840 zum Fürjten 
von Rheina:MWolbed, fpäter zum erblichen Mitglied 
des preuß. Herrenbaufes erhoben und erhielt durch 
fönigl, Kabinettsordre vom 22. Dit, 1861 das Prä: 
dilat Durchlaucht. Jehiges Haupt des Haufes iſt 
Fürſt Arthur, geb. 19. Febr. 1833. 


666 


Rheine, beribmtes Schloß im Kreife Ahr: 
weiler de3 preuß. Negierungsbezirts Koblenz, am 
linten Rheinufer, 10 km unterhalb Andernad, über 
dem Dörfchen Thal:Rheined, am Eingange zu 
dent auf die Eifel führenden Brohlthal, war ehe: 
mals Sitz des Burggrafen von R. Nach ber Zer— 
ftörung durd König Konrad III. wurde das Schloß 
von dem Erzbifchof von Köln wieder neu aufgebaut, 
1689 von den Franzofen, 1692 von Kurtöln zerftört 
und 1785 durch Feuersbrunſt verwüſtet, fodaß nur 
nod) der hohe vieredige Wartturm übrigblieb. Der 
Herr M. A. von Berhmann:Hollmeg kaufte die 
Ruine und ließ 1832 durd den Baumeifter 3. C. 
von Laſaulx ein neues Schloß im Rundbogenftil 
aufführen. Es enthält wertvolle Gemälde und an: 
dere Runftgegenftände und bietet eine prachtvolle, 
überrafhende Ausfiht auf den Nheinftrom von 
Andernach bis zum Apollinarisberg bei Remagen 
und in das Siebengebirae, 

Rheine, Städtchen im Yezirt Negro en 
bes ſchweiz. Kantons St. Gallen, liegt, 410 m über 
dem Meere, 7 km öftlih von Rorichäch auf dem 
linten Ufer des Rheins, der 4, km unterhalb des 
Drtes in den Bodenfee mündet, an der Linie Chur: 
Rorſchach-St. Gallen der Vereinigten Schweizer: 
bahnen, beſiht ein Rathaus, eine ſtattliche Simul: 
tankirche, eine Realichule , ein Waijenhaus und ein 
Epital und zählt (1880) 1707 meift reform. E., 
deren Haupterwerböquellen der Weinbau und die 
Baummwollinduftrie (Stiderei, Zwirnerei) find. Bis 
1798 war die Stadt der Sitz der eidgenöjliichen 
Landvögte des Unterrbeinthals, 1 

Rheinfälle (bei Schafihaufen, Bund, Saufen: 
burg und Rheinfelden), j. unter Rhein. 

heinfelden, Hauptſtadt des gleihnamigen 
Bezirks (113 qkm, 11227 E.) im ſchweiz. Hanton 
Aargau, liegt 264 m über dem Meere, 15 km öjts 
lih von Bafel auf dem linten Ufer des Rheins, 
der bier zwei Stromjchnellen, das Gewild und den 
Höllenhaden, bildet, an _der Bözbergbahn (Bajel: 
sruag). ‚gegenüber der Station R. der badiſchen 
Linie Baſel-Waldshut, und zählt (1880) 2243 meiſt 
lath. E., deren Haupterwerbsquellen neben Feld: 
und Weinbau die Salmenfiiherei, die Ausbeutung 
der 1", km oberhalb N. am Rhein gelegenen Sa: 
linen und die Gigarrenfabrifation find. Das alter: 
tümliche, teilweije noch von Mauern und Türmen 
umiclojjene Städtchen befigt eine große Pfarrkirche, 
ein altes Rathaus, ein Spital, ein Brogymnafium, 
mehrere vielbejuchte Kurhäuſer mit Solbädern 
und einen hübſchen öffentlihen Part auf der mit: 
ten im Rhein gelegenen, mit beiden Ufern burd) 
Brüden verbundenen Felsinſel, die früher die 
ftarte Burg Stein trug. R. ftand einjt unter den 
Grafen gleihen Namens, deren Geſchlecht 1090 
mit Berchtold, dem Sohne des Gegenkönigs Rudolf 
von Schwaben, ausjtarb, fam dann an die Zährin: 
ger, 1218 an das Reich, 1331 an Bfterreid und 
1801 durd den Frieden von Yundville an Frank— 


rei, welches R. ſamt dem übrigen Fridthal 1802 | walluf und am naſſauiſchen 


Nheined — Rheingait , 


‚ Rheinfeld, Schlob und ehemalige Feſtung am 
linten Ufer des Rheins, 115 m über deſſen Spiegel 
auf einem Felsabſatze, nahe unterhalb des Etädt: 
chens St. Goar im preuf. —— sbezirl Ko: 
blenz gelegen, wurde 1245 vom Grafen Diether III. 
von Katzenellnbogen erbaut und erlangte jehr bald 
als rhein. Zollftätte eine hohe Wichtigleit. Als 
1479 der lekte Graf von Katzenellnbogen ftarb 
erbte das Schloß defien Schwi 
graf Heinri 
Yandgrafen 


’ 


ohn, der Land⸗ 
IV. von Heſſen-Kaſſel. Durch den 
ilhelm III. wurde die Feſte bedeu- 
tend verftärlt. Doch im Erbfolgekriege zwiſchen 
eſſen Kafſel und HeſſenDarmſtadt mußte fie an 
ehteres 1626 übergeben werben und erft 1647 
wurde jie wieder von Heſſen-Kaſſel genommen. 
Sie fam 1658 an den Landgrafen Erhit, den Stif: 
ter der neuen rheinfelfiichen Linie, was mit Aur- 
heilen zu vielen Differenzen führte. Nachdem der 
Landgraf Ernit 1667 und 1688 dem Könige Lud⸗ 
wig XIV. bie Feſte im geheimen zur Übergabe an: 
geboten, ließ fie lehterer im Dez. 1692 den 
Generallieutenant Grafen Tallard mit24000MRann 
(angeblich) einfließen. Doc die Bejagung unter 
ben befi. General von Görz verteibigte ſich 1A mut: 
voll, daß Tallard 1. Yan. 1693 wieder a 

mußte. Am 1. Dez. 1758 überrumpelte da3 

Regiment St.:Germain unter dem Marquis de 
Caſtries die Feitung und hielt fie bis 1763 _befekt. 
Im Revolutionsfriege von 1794 wurde fie aus 
Unentihlofienheit de3 Generals Reſius den n: 


zojen 1. Nov. übergeben. Im Frieden zu Baiel 
von 1795 fam R. an Frankreich, und 1797 wurde 
bie Feſtung geichleift. Nachdem R. 1815 den preuf. 


einlanden einverleibt worden, kaufte es 1813 
ber damalige Prinz von Preußen (Kaiſer Wil: 
elm I.). gl Grebel, «Da3 Schloß und bie 

tung R.» (St. Goar 1844). 

Rheingau, ein 22 km langer und 10 km brei⸗ 
ter Zandftri längs des rechten Rheinufers, ebe- 
mal3 zum Gate Mainz gehörig, jebt ein Teil 
bes preuß. Regierungsbezirls Wiesbaden, wird 
durch das Rheingaugebirge, welhes nur durch 
ein kleines Thal von dem Taunusgebirge geichie: 
ben iſt, gebildet und von bem Rheinjtrom beipült. 
Der R. fängt bei dem Dorfe Niederwalluf unter: 
alb Mainz an und endigt bei Rüdesheim; Haupt: 
ort iſt Eltville (j. d.). Der R., eine der berrlichiten 
Gegenden Deutihlands, ift durd das Gebirge 
gegen bie Nord: und Oſtwinde geihügt, dagegen 
der Mittagsjonne audgefekt, jodaß die Rheins 

auer Weine die beiten ber Rheinweine find. In 
NRüdficht feines Weinbaues wird der R. in die obere 
und untere Gemarkung eingeteilt, d. b. in bie Dör- 
fer der Höhe und die Dörfer längs des Ufer. Die 
beiten Weinbergslagen find ber Gräfenberg, ver 
Rauenthaler Berg, der Marlobrunnen, ber Stein: 
berg, der Johannis: und Rübdesheimer Berg und 
Aßmannshauſen. m weitern Sinne verjtebt man 
unter Rheingauer Weinen auch die oberhalb Nieder: 
ainufer, bejonders 


der Helvetiichen Nepublit abtrat. Als Grenzfeſtung bei Hochheim (f. d.), erzeugten Weine. Außer Wein 


und Rheinübergang erlitt R., wie die andern vor: 
beröjterr. Maldjtädte, öfters harte Kriegsichidiale, 
namentlid im Dreibigjährigen Kriege, in dem es 
1632 und 1634 von den Schweden und 1638 nad) 
der Schladht bei R. (3. März) von Bernhard von 
Weimar eingenommen wurde, und im Oſterreichi⸗ 
ſchen Erbfolgetriege, in weldem die Franzofen 
1744 bie Feſtung ſchleiften. 


wird auch viel Obſt gebaut. Seit dem 11. 
war der R. auf der Landjeite mit einem Verhau 
oder — mit einer von durcheinander ge— 
ſchlungenen Bäumen gebildeten undurchdringlichen 
Hede, das Gebüd genannt, umgeben und außerdem 
durch einen breiten Graben und mehrere B 
gelsünt. Nachdem aber der Herzog Bernhard von 
Reimar 1631 es zuerjt durchbrochen und den R. 


brb. 


Nheingrafen — Rheiniſcher Städtebund 


erobert, wurde es nad und nad) abgetragen. — 
Der Kreis Rheingau des preuß. — — 
bezirls Wiesbaden eritredt ſich bis zur Mündung 
der Lahn und bat auf 552 qkm (1880) 61077 E. 
davon 16284 Evangeliſche, 44236 Katholiken und 
558 Juden; das Yandratsamt befindet jich in Ru: 
desheim. 5, 3 Bro;. des Areals find Meingärten, 
Bal. Fauſt, «Der Weinbau i im R.» (Rudesh. En 
a nn Rheingauer en (Frankf. a. 


Maßstab 1.300000 





667 


ſchnittlichen Jahresertrag von 500000 bl Wein. 
Die nambafteften Orte für weiße Weine find der 
Scharlachberg bei Büdesheim an der Nahe unweit 
Bingen, Yaubenheim, Bodenheim, Nierftein, Oppen: 
beim und Worms (Piebfrauenmild); für Rotwein 
Ober: und Nieberingelheim, Gundersheim und 
Heideöheim. Der Hauptort des fehr bedeutenden 
Weinhandel it Mainz. R. gehörte 1801 —14, 
wie Rheinbagern, zum franz. Depart, Mont: Ton: 
—— ——— 


Die Hauptftadt it Mainz. 





Karte bed Rheingaues. 


Rheingrafen nannte ſich ein Geſ Hr t, wel: 
ches zuerit im 12. Jahrh. unter den ijterialen 
biſchofs von Mainz vorlommt; ob fie mit 
den Bil und Raugrafen ( 
* oder a a mit ihnen ſich vereinigten, ift frag: 
eihögraien von Daun und Kyrburg 
in — Linien geteilt, erhielten ſie * * zum 
—ã des Reichs 8 — der Grafſchaften 
Rhei er Kirn, Oberſtein und Daun, neb 
Heirat erworbenen gefürfteten Graf: 
Salm am nörbl. Ende der Bogefen. 
rafenftein, Ruine bei Kreuznach (ſ. d.). 
8 ve = die ale, —— bevöltertite 
rovi toßberzogtum fien 
Shein {m O D. ge Gem —— und 
im N. von Heſſen⸗Raſſau geſchieden, im W. durch 
die Nabe von ber preuß. Rheinprovinz getrennt 
und im ©. von Rheinbayern begrenzt, zählt 1880 
auf 1374 qkın in 8 Städten, 12 Fleden und 169 
Dörfern 277152 €. Gtwas über bie Hälfte der 
aber üt latholiſch. Das Land iſt meift 
— r und gehört zu den am reichſten bebauten 
und am en — ſowie geſchichtlich 
intereſſanteſten Gebieten Deutſchlands. &in Haupt: 
erzeugnis der Bodenkultur i an Bein; die Provinz 
bat etwa 10000 ha Weinberge mit einem durch— 


d.) gleicher Abkunft | de 


ft | drei griftlißen Kurfüriten, der Bilde 


Die Provinz zerfällt in fünf Kreife. Gymnafien be: 
ftehen in Mainz und Worms, Reali ee zu Mainz, 
Alzei, Bingen, Oppenheim und in Verbind mit 
m Gymnafium zu Worms; — beſteht in 
Mainz ein Realgymnaſium. (Bo Karte: Rheins 
land x. U. Süplihe Hälfte, zu Artikel: Rheins 
ALL ©. 668. 
inifche Allianz, yo Bund, melden bie 
Len Mün: 
er, ber König von Schweden, die Fürjten von 
falj.Reubur ‚Lüneburg und Heſſen⸗Kaſſel 14. Aug. 
1658 zu Fran turt fhlofjen und 15. Yug. Lud⸗ 
wigXIV.beitrat; er war gegen ben Kaifer Leopold I. 
jr baber und —* dem | im Reiche 
t. Nach ur ünfterfchen Kriege 
le 1 ug —* 1667 auf. 
heiniſcher Städtebund beißt eine Bereinis 
gun deuticher Städte zum Zwede des Landfriedens 
zu Anfang 1254 — von — Dppen: 
— und Worms geſchloſſen, 
rung bes fog. Interregnums ich ic nell am nn 
bis nad Weſtfalen ausbreitete, durch ae 
Herren ſich verftärkte und yeitweife * —2 
ihrem Bereich dem Fehdeweſen ſteuerte. 
obwohl der Bund ſich nad dem Tode König Wil⸗ 
helms von Holland 1256 verpflichtete, nur einen 


668 


einmütig erwählten König anzuerkennen, blieb er 
diefem Grundſaßtze nicht treu, als faft gleichzeitig 
hard von Cornwallis und Alfons X. von Gafti: 
lien 1257 erwählt wurben, und fo verlor er durch 
feine .. Spaltung alle Bedeutun . Bol. Buffon, 
«Zur Geſchichte des großen Land iedensbundes 
—— Städte 1254» en: 1874); Weizfäder, 
«Der Rheinische Bund» (Tüb. 1879). In der Zeit 
König Wenzels traten die rhein. Städte von neuem 
zufanımen, ohne jedoch eine ſolche Rolle zu fpielen, 
wie =: itig die Hanfa und der Schwäbiſche 
Bund, br iederlage bei Worms 1388 durd 
Bialaraf uprecht II. jprengte den Bund. 
Rheinfiefel, waſſerhelle Gerölle von Quarz 
aus dem Flußbett des Rheins, 
Nheinfreife. Der Rhein gab früher dem Ober: 
rbeinifhenunddemKurr einifchen oder Nie— 
derrheiniſchen ie des Deutihen Reichs, 
ſowie 1815—24 der preuß. Provinz Niederrhein, 
die ſeitdem mit Kleve:Berg En der Rheinprovinz 
(f.d.) vereinigt ift, ferner dem bayrifchen R. den Na: 
men, ber jet Rheinpfalz (j. d.), Pfalz oder auch 
wohl Rheinbayern genannt wird, fowie dem Ober:, 
Mittel: und HH bes Großher⸗ 
ogtums Baden, die feit 1864 auf neun befondere 
erwaltungs: und Gerichtskreiſe verteilt find. Auch 
wird die Provin Rheinheſſen des Großherzog: 
tums Hefien na m benannt. 
Rheinland, j. —— 
Rhelulandiſcher Gulden, |. Gulden. | 
in:Marnefanal oder Marne-Rhein— 
fanal, f. unter Marne, 
tal (amtlich 


Nheinp ober Bayriſche 
arte Fraßer Abeintreie te einbayern), 
bayr. — am linken Rheinufer, voni 
bayr. Hauptlande getrennt, nördlich vom Groß— 
herzogtum Heſſen und dem preuß. Regierungsbezirt 
Koblenz, weſtlich von den Bezirlen Koblenz und 
Trier, ſadüch von Cljaß-Lothringen, öftlih von 
Baden begrenzt, beiteht aus Teilen der alten 
Speier:, Wormd:, Nabe:, Was: und Bliesgaue, 
beziehungsweife den nad) dem zweiten Barifer Yrie‘ 
ben von 1815 erworbenen kurpfälz. Fürftentümern 

weibrüden, Lautern und neben, dem Bistum 

peier, dem fürftl. naſſauiſchen Kirchheimbolan— 
den und zablreichen Befigungen verjchiedener (mehr 
als 40) reihsunmittelbarer Ritter und Herren, wie 
Sidingen, Yeiningen Hanau Lichtenberg, Falten: 
ftein u. f. w., umfaßt in 12 Bezirfsämtern, 30 
Amtsgerichten, 711 Gemeinden mit 1909 Ort: 
ihaften auf 5928 qkm in 144563 Hausbaltun- 
en (1880) 677281 E., wovon 369024 Prote: 
tanten, 293399 Sutholiten, 11998 Söraeliten, 
I Karton auf Karte: Bayern, Bd. II, ©. 618, 
und Karte: Eljaß:Lothringenund Bayrijche 
Pfalz, Bd, VI, ©. 77. 

Bon der Bevölterung find faft 54 Proz. in Land: 
und Forſtwirtſchaft, vorzugsweiie in Mein:, Ader: 
und Gartenbau, 34 Proz. in Induftrie, Handel 
und Verkehr beihäftigt. Die Gewerbthätigfeit 
üt in Stadt und Land ungemein rege und viel: 
— Von der Bodenrläche find 45'% Bros. 
(der und Garten, 38 Proz. Waldung, 9 Proz. 
Wiefen, 2 Proz. Weiden und 1%, Proz. Weinberge, 
welde die vortrefflichſten Trauben (j. Pfälzer 
Weine) liefern. Der Hauptiluß des Negierungs: 
bezirks iſt der an, der die on Örenzlinie bildet 


und Base Heine Nebenflüle aufnimmt. Faſt 
parallel dem Rhein in einer Entfernung von 30km 


Rheinkiefel — Rheinprovinz 


zieht von Süden nah. Norben durch bie ganze Rial; 
ein Ausläufer der — die — mit Höben 
bis zu 700 m, Daran jchließt ih der raube, aber 
an Mineralien, insbefondere Koblen und Sal; 
reihe Weſtrich. Die Aheinebene bietet bei jebr 
mildem Klima Getreide, Obit, Tabak, Flachs in 
jeltener Fülle und Güte. Die bedeutendften Stäbte 
der Pfalz find Kaiferslautern, Speier (Negierungs: 
und Bischofsfis) und Ludwigshafen. Val. Kolb, 
«Statijt.:topogr. Schilderung von R.» (2 Bbe,, 
Speier 1831—35); Niehl, «Die Piäßer» (Stuttg. 
1857); Beder, «Die Pfalz und die Viälzer» (2py. 
1858); «Bavaria, Landes: und Völterfunde der 
bayr. Rheinpfalz · (Münd. 1867); Mehlis, «Fahr: 
ten durch die Pralz» (Augsb, 1877); Voigtländer, 
«Pfalzführer» (4. Aufl., Kreuznach 1882). 
Rheinprovinz, auh Rheinland, feltener 
Nheinpreußen genannt, die weitlichite und volts: 
dichtejte Provinz des preuß. Staats, hatte nach der 
Zählung von 1880 auf einer Fläche von 26 987,7 qkm 
4074000 E,, während fih die Bevölferungszahl 
1843 auf 2679508, 1819 noch auf 1870908 belief. 
Die Bewohner find der Abjtammung na jet nur 
a nur in den Kreiſen Eupen, Malmedy 
und Montjoie gibt es einige Taufend franzöfiie 
iprechende Wallonen. Dem Religionsbefenntnis 
nach zäblte die N. 1880: 1076355 evangeliiche, 


„| 2944150 romiſch⸗ latholiſche, 7869 fonftige Ehriften 


und 43694 Juden. Im N, grenzt die R. an bie 
Niederlande, im D. an Weitfalen, Helfen: Nafjau, 
Rheinheſſen und Nheinbayern, im S. und SW, an 
Deutich:Lothringen, im W. an Luremburg, Belgien 
und die Niederlande. Die Hauptmafle der —** 
liegt im Weſten, der bei weitem kleinere Teil im 
Oſten des Rheins. Auf der linlsrhein. Seite um: 
johließt die Provinz das oldenburg. Fürftentum 
Birkenfeld, auf der rechtsrheiniſchen bildet der reis 
Werlar eine Ertlave; im übrigen ift fie ein ge: 
ichlojienes Gebiet. Noch zur Zeit des Luneviller 
Friedens (1801), der alle weitrhein. Gebiete Deutic- 
lands an Frankreich brachte, lagen im Umfang der 
jebigen R. gegen 100 reichsunmittelbare Territo: 
rien, Diejelben famen 1815 durch Beichlu des 
Wiener Hongrefies an Preußen, deſſen Beliktum 
bier durch den zweiten Pariſer Frieden noch etwas 
vergrößert wurde. Die Provinz umfaßt die jeit 
1609 mit Preußen vereinigten Herzogtümter Kleve 
und Geldern, das Fürſtentum Mörs (feit 1702), 
ferner die Herzogtümer Jülih und Berg nebit 
andern ehemals kurpfälz. Bejikungen, das vor: 
malige Erzbistum Trier, das Ober: und das Nie: 
deritift des Erzbistums Köln, Teile des Erzitifts 
Mainz, der Herzogtümer Lothringen, Luremburg 
und Limburg, 4 Fürſtentümer, 13 Grafihaften, 
3 Burgarafibaften, 38 Herrichaften, 7 reichäun- 
mittelbare Abteien, die 3 ebemaligen freien Reichs: 
ftädte Köln, Naben und Meslar, mehrere freie 
Reichsdörfer und ritterfchaftliche Gebiete. - Nach 
übernahme der Nheinlande teilte die preuß. Negie- 
rung dieſelben in die zwei Provinzen: Jülich: 
Kleve:Berg mit den Negierungsbezirten Kleve, 
Düfjeldorf und Köln, und Niederrhein mit den 
Regierungsbezirken Koblenz, Trier und Aachen 
Doch ſchon 1821 wurden die Negierungsbesirte 
Kleve und Düſſeldorf in einen zujammengezogen, 
und 1824 verjchmolzen die beiden Provinzen in die 
eine R. Nur im preuß, Titel erfcheint noch ein 
«Großherzogtum Niederrhein», ein unbiftor. Gebilde 
mit verfebltem Namen. Dem damaligen Beitande 








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14 





trdtalt. briprig Zu den Artikeln: Nhoinprovinz Wertfalen u.s.w. 


Rheinprovinz 


der R. wurde dann 1834 noch das coburgifche Fürs 
ftentum Lichtenberg (f. d.), das den jegigen Kreis 
St. Wendel bildet, und 1866 das ehemals hefien: 
bomburgiihe Oberamt Meifenheim, jetzt Kreis 
Meifenbeim, binnugefüet. Hierzu zwei Karten: 
Rheinland, Weitfalen, Heffen:Naffau 
(preuß. Brovinzen) und Großherzogtum Heſ— 
fen (I. Nörblide Hälfte. II. Süpli Satite). 
Der phyſiſchen — * nach gehört der 
Teil der Provinz, welcher nördlich einer Linie von 
Bonn über Düren nach Aachen liegt, dem flachen 
oder nur Schwach gewellten Tieflande, der ſüdlich 
davon gelegene Zeil dem niederrhein. Schiefer: 
ebirge an. Rechts des Rheins wird fie von Aus: 
äufern des Mefterwaldes, wozu das Siebengebirge 
gehört, und von Abzweigungen der weitfäl. Ge: 
birge, linls des Rheins von dem Saarbrüder 
Steintohlengebirge, dem waldigen Hundsrüd mit 
dem Soons, Binger:, dar: und Hochwald, von 
der rauhen und öden vullanischen Eifel, dem Hohen 
Benn und einem Seitenzweig der Ardennen erfüllt. 
Alle diefe linksrhein. Gebirge bilden teils wald: 
reiche, teild lahle und moorige, now von 
450— 600 m Meereshöhe, die vielfach von tiefen, 
landſchaftlich en lußthälern zerrifien find und 
in diefen meiſt fteile Abfälle eigen. Die einzelnen 
Bergkuppen, obſchon von bemerfenöwerter See: 
gabe, treten deshalb nicht überall auffällig hervor. 
u erwähnen find der Simmerer Kopf 1. m), 
der Dppeler Kopf (642 m) und der Lühelioon im 
Soonwald, der Idarkopf (737 m), die Zweifteine 
(781 m) und das Steingerüttel (784 m) im dar: 
wald, der Walderbestopf (818 m) im Hochwald, 
die ar Acht (760 m), der Schauerberg (663 m), 
der telberg (674 m) und der Grrensberg (691 m) 
auf der Eifel und die Botrande (695 m) auf dem 
Hohen Venn. Der Rhein, Hauptiluß der Provinz 
und Lebensaber bes Handels und Verlehrs, durch: 
fließt diefelbe auf einer Strede von 332 km und 
nimmt im ihrem Gebiet auf, rechts; die Sayn, 
Wied, ER den Strunderbad) (bei Mülheim), die 
Wupper, Itter, Düfiel, Anger, Ruhr, Emſcher 
und Lippe; lints: die Nahe, Moſel mit der Saar, 
Sauer, Kyll, Liefer und Alf, den Brohlbach, die 
Nette, Ahr und Erft. Dazu fommen die dem 
Maasgebiet angehörigen Flüſſe Warge, Geule, 
Noer, Schwalm und Niers. An Landieen ift die 
RN. arm, Im Kreife Kempen bei Kaldenlirchen und 
im Kreiſe Geldern gibt es einige größere Teiche und 


| Wefel 


669 


ungünjtigeres Klima als Dftpreußen. Die Regen: 
menge jhwanlt von 589 mm in Köln bis 781 mm 
in Kleve; das enllavierte Birkenfeld hat 878 mm 
mittlere Regenmenge. 

Die Hauptbef af ung ber fleißigen und intellis 
genten Rheinländer iſt Induſtrie, Handel und Ber: 
ehr. Aderbau und Viehzucht treten hier im ganzen 
mehr zurüd. Bei der Berufszählung von 1882 
wurden unter der Bevölferung 1723367 Erwerbs: 
thätige und 2385136 Angehörige ohne Hauptberuf 
ermittelt, und von jenen eritern waren nurdo se Proz. 
in ber Bodennuhung und Tierzucht, dagegen 42,89 
in Induſtrie und Gewerbe, und 8,54 in Handel und 
Vertehr beihäftigt, während 7,98 in aber 
Dienftleiftungen und 4,65 Proz. im Heer: und Ver: 
waltungsbdiente und in den freien Berufen erwerbs: 
thätig waren. Die Landwirtſchaft jtühte ſich ganz 
überwiegend auf den Klein: und mittlern Betrieb, 
wie denn aud der Grundbeſih pe mehr als in 
andern Provinzen Preußens geteilt ift. Die Boden: 
bei&affenheit der Provinz ift ſehr verſchieden. 
Weizenboden findet fid) in allen ebenern Gegenden, 
mit Ausnahme der fandigen und kiefigen Kreife 
Kleve und Kempen. Den beften Boden hat bie 
Nheinebene des Kreiſes Bonn und der füdl. Teil 
des Kreiſes erg Im allgemeinen iſt als der 
fruchtbarſte Teil des Iachlandee das fog. Jülicher 
Land («des Heiligen Rom. Reichs Kornlammer ») 
zu ie nen, —* ſich über die Kreiſe ülich, 
Glad 33 Grevenbroich, Bergheim, den Norden 
des Kreiſes Düren und einige angrenzende Kreiſe 
erſtredt. Reich iſt die N. au an Hol, ieſenwachs 
und vorzüglich an Wein, der am Rhein, an der 
Mofel und Saar, an der Ahr und Nahe gebaut 
wird und nebſt Obſt aller Art einen Hauptgegens 
ftand der Ausfuhr bildet. Der Weinbau (ſ. Rhein: 
weine) wird übrigens in weit größerm Umfange 
an ber u als am Rheine betrieben. Von der 
Geſamtfläche der Provinz waren 1883: 46,3 Proz. 
Ader: und Gartenland, 7,7 MWiefen, 9,7 Weiden, 
Hutungen, Ed: und Unland, 0,19 (13 171,ı ha) 
Weinberge, 30,7 Foriten und Holzungen, 1,3 Haus 
und Hofräume und 3,8 Proz. Wegeland, Gewäfler 
u. ſ. w. Die Waldungen, vielfah Niederwald und 
Eichenſchälwald, bejtehen zu 79,1 Proz. aus Laub: 
holz und liefern u. a. anjehnlide Mengen Gerb: 
rinde, für welche in Trier, St. Goar, Boppard, 
und andern Blägen größere Märkte abge: 
balten werden. Die Viehzucht ift nur jür Rindvieh 


auf der vulkaniſchen Eifel neben mehrern Heinern | bedeutend; die nicht umfängliche Pferdezucht beför: 


Kraterieen (f. Maare) den berühmten Laacheriee. 
(S. Yaadı.) 
Saar : Koblentanal (63,5 km), der Duisburger 
Rbeintanal (4,5km), der Nubrorter Kanal (0,skın), 
der Spoytanal famt dem jog. Alten Rhein zwiſchen 
Scentenihanz und Griethaufen, zur Verbindung 
Kleves mit dem Rhein bejtimmt (9,4 km), der 
Rheinberger Kanal (3,5 km), der Erftlanal, der die 
Erft von ihrer Mündung bei GT nepeuien auf: 
wärts big Neuß ſchiffbar macht (4 km), und der 
fehr kurze Nordlanal. Das Klima ift auf den Hod): 
ebenen raub, in den Flußthälern und der Tiefebene 
aber aufierordentlich mild, ſodaß bier mancherorten 
die Flora Oberitaliens pebeibt: Kleve, Boppard, 
Krefeld, Trier, Köln baben Yahrestemperatur: 
mittel von 9 bis 10,2° C. und das Monatsmittel 
fintt bier niemals unter Null. Das nebel: und 


fchneereihe Hohe Venn, die Eifel und Teile des ; Alaun, vornehmlich aber Glauberfalz und 





dert das Yandgeitüt zu Widerath im reife Greven: 


Von Kanälen find zu nennen der broich mit 65 Landbeſchälern, aber nur 29 Ded: 


jtationen. Die nduftrie und der Gewerbefleiß, in 
welchen die R. allen andern Provinzen ‘Preußens 
Ä —— und welche zu den entwideltiten im Deuts 
ſchen Reiche gehören, jtügen fi auf unermeßliche 
Steinloblenlager und andere mineraliiche Schätze. 
Die Mittelpuntte des Steinlohlenbergbaues liegen 
an der Ruhr und an der Saar (hier überwiegend 
 fistalifcher Betrieb), ſchwächere Betriebsftätten bei 
| Aachen und Eſchweiler (Inde- und Wurmrevier). 
| Brauntohlen werden bei Brühl im Kreiſe Köln ab: 
‚ gebaut. Der Erzbergbau fördert die verſchiedenſten 
| Mineralien: Eiſenerz, Blei:, Galmei:, Zink: und 
Aupfererze, Kupferlies, Quedjilbererz, Mangan: 
‚ erz, Schwetelties, Alaunerz u. ſ. w. Der Salinen: 
‚ betrieb liefert Kochſalz, Ichwefeliaure —25 — 
chwefel⸗ 


Hundsrüd haben dagegen im ganzen faſt ein noch ſaures Kali. Zum Teil großartigen Umfangs find 


670 


bie Steinbrühe von Dachſchiefer, Gips, Traß und 
Tuffitein, Yavamühlitein, Sanditein und all. 
Pfeifen⸗ und Zöpferthongruben liefern vorzüg: 
liches Material für eine bochentwidelte leramiſche 
Induſtrie (Mettlah). Die Glasindujtrie (Saar: 
— Stolberg) zählt zu den leiltungsfäbig: 
jten. Einen Ss wie Umfang bat die Hütten: 
induftrie und Kia — Eifenwerle find 
zu Duisburg, Düffeldorf, Eſſen, Dberhauſen, Köln, 
Deus, Gichweiler, Neunkirchen, bei Trier, zu Dil: 
lingen, Stolberg u. |. w.; hervorragend find ferner: 
Kleineiſen- und Stablwareninduitrie (Solingen, 
Remiceid, Lennep), Nähnadelfabrilation (Aachen, 
Burtjgeid), Mejfingwareninduftrie (Aachen, Stol: 
berg), Drabt: und Drabtfeilinduftrie, Maichinen: 
bau, Heritellung von Lolomotiven, Dampftefieln, 
Eiſenbahnſchienen, Panzerplatten, Kanonen, Schub: 
waffen und der Schifibau. Demnächſt find die 
Erzeugnifje der Tertilinduftrie berübmt, jo die 
aadener und burticheider Tuche und Budjkinz, die 
MWollzeuge von Düren, Elberfeld, Gupen, Yennep, 
Kettwig, Werden u, f. w,, die Seidenwaren von 
Krefeld und Elberfeld, die halbjeidenen, Eamt: 
und gemifchten Waren von Giberfeld, Barmen, 
Mülheim a. Nh., Rheydt, Vierfen, D.:Gladbadı 
u.f. w., die Bandwaren, Lißen, Kordeln und Stoff: 
Inöpfe von Elberfeld und Barmen, die Baummoll: 
waren aus dem Wupperthale, wo aud die Tür: 
tifchrotfärberei ihren Hauptſiß hat, die Leinenwaren 
der Kreiſe Münden: Glabbah, Grevenbroid und 
Neuß u.f.w. Auch die Gerberei und Pederinduftrie 
(Malmedy, St. Vith), die Bapierinduitrie (reis 
Jülich, Düren), die dem. Großinduſtrie, die Spreng: 
itoff: und Farbenfabrifation (Köln, Duisburg, bei 
Aachen, im Rubrtbale, im Saargebiete),dieSchaum: 
weinfabrifation (Koblenz), die Zuder: und Tabat: 
fabritation, die Bierbrauerei und andere Gewerbe: 
zweige weilen eine hohe Entwidelung auf. Abae: 
ehen von dem Kleinbetriebe in den bürgerlichen 
Gewerben und einer fehr umfänglichen Hausindu: 
ftrie in der Tertil: und Rleineifeninduftrie beherricht 
der Großbetrieb den gefamten Gewerbfleiß. Bei 
einer jo großartigen und vieljeitigen Induſtrie mit 
ihrem mächtigen Erport haben auch Handel und Ver: 
fehr eine entfprechende Entwidelung erlangt. Die 
Städte Köln, Koblenz, Duisburg, Düſſeldorf, 
Aachen, Ruhrort, Weſel und andere find hervor: 
ragende Handelspläßze. Die bereitö erwähnten 
Waſſerſtraßen (zufammen über 1200 km), ein wohl: 
ausgebildetes Ne von Kunſtſtraßen (1880: 6535 km 
Provinzialhauffeen und mehrere taufend Silo: 
meter Kreis: und Gemeindechauſſeen), ſowie (1885) 
2933 km Gifenbabnen (108,7 m auf 1 qkm, d. i. 
die höchſte Cifenbabnausjtattungsziffer unter allen 
Provinzen Preußens) bilden einen Neichtum an 
Verlehrswegen, wie er in folder Fülle in keiner 
andern preuß. Provinz angetroffen wird, Abge: 
jehen von dem Güterverkehr führt die Lage der 
Provinz an mehrern europ. Verkehrsjtraßen und 
namentlih aud der Neichtum an landicaftlichen 
Schönheiten in den maleriſchen Flußthälern mit 
ihren Burgen auf den Nebenhügeln und den zadi: 
nen Feljen, fowie die beilfräftigen Mineralquellen 
und Bäder, deren Wäfler in alle Welt verfandt 
werden, einen großen Fremdenverkehr in die R. 
In abminiftrativer Hinficht ift die R. in die fünf 
Negierungsbezirfe Koblenz mit 13, Düfjeldorf mit 
21, Köln mit 11, Trier mit 13 und Aachen mit 11 
landrätlihen reifen eingeteilt und befikt 140 


Rheinprovinz 


Städte und 3150 Landgemeinden. Sitz des Ober⸗ 
präfidenten, des Brovinzialihultollegiums und 
des Medizinallollegiums ift Koblenz. Für die 
Neihstagswahlen beitehen 35 Wabltreife. m 
Herrenhauſe it die Provinz dur 33 Mitglieder 
(davon 8 erblidye und 17 auf Bräfentation berufene) 
vertreten; in das Abgeordnetenhaus wählt fie 62 
Abgeordnete. Die evang. Kirchenangelegenbeiten 
verwaltet dad Konfiftorium zu Koblenz (zugleich 
für Hohenzollern). Für die röm.-tath. Kirche beitebt 
das Erzbistum Köln mit den S 


Trier und Münſter, von 7 Dela: 
nate bes Negierungäbe;irtö elborf refiortieren. 
In Bonn ift der Sik des altfath. Bilhofs. Mili 


tärifh gehört der Hauptteil der Provinz zum 
8. Armeelorp (Generallommando in Stoblenz, 
Kommando der 15. Divifion in Köln, der 16. Di: 
vifion in Trier), der Oſten und Nordoſten des 
Regierungsbezirtd Düfjeldorf (Hauptteil, ohne die 
Kreife Kempen, Neuß, Grevenbroih und lad: 
bad) dagegen zum 7, Armeelorps (Kommando 
der 14. Divifion in Düſſeldorf) und der Kreis 
Weplar zum 11. Armeelorps. er Heine bil: 


det den Bezirk des Oberla Köln, mit 
Ausfhluß des Stadt: und eiſes Eſſen, der 
Kreiſe Rees, Duisburg und im a. Ab., 


weldie zum Oberlandeögericht ſowie bes 
Kreites Wetzlar, des Kreifes Neuwied, des größten 
Teils des Kreiſes Altentirchen und eines Teils des 
Kreifes Koblenz, melde zu Frankfurt a. M. ge 
BR von nidhtpreuß. Gebieten gehört das olden⸗ 
urg. Fürjtentum Birkenfeld zu Köln. 1 

beitehen zu Aachen, Bonn, Duisburg, el- 
dorf, Elberfeld, Eſſen, Kleve, Koblenz, Köln, Reu: 
wied, Saarbrüden und Trier. Das Preußiice 
Sanbredt gilt nur in den Kreiſen Rees, Duis— 
burg, Mülheim a. d. R. und Ejien (Stadt und 
Land); das gemeine deutihe Recht gilt i 
rheinischen, lints der Sieg ge 


Negierungsbezirts Koblenz (ehemali des 
Juſlizſenats Ghrenbreititein); die übrige i 
it franz. Nechtögebiet. Gewerbegerichte en in 


11, Handelstammern in 20 Gtäbten. _ 

des Berg: und Hüttenweiens unterjteht die R., aus: 
ſchließlich der Areife Rees, Eſſen, Duisburg, Elber⸗ 
feld und eines Teils des Kreiſes Düſſeldorf, welche 
zu Dortmund gehören, dem Oberbergamte zu Bonn, 
deſſen Bezirk zugleich einen Teil von Weſtfalen, den 
Regierungsbezirk Wiesbaden, Hohenzollern, ſowie 
Waldech und Pyrmont umfaßt; die Verwaltung der 
fisfaliihen Gruben und Hütten führen die königl. 
Bergwerlsdirektion zu Saarbrüden, neun Berg: 
inipeftionen und eine Bergfaktorei. Die Provinz 
als Hommunalverband bejikt noch die ftändifce 
Verfaſſung; die Brovinzialftände beitehen aus 80 
Mitgliedern (Ritterihaft, Städte und Bauern je 
25 Stimmen, außerdem 5 Biriljtimmen); der Bros 
vinzialrat und der Yandesdireltor haben ihren Eik 
u Düfjeldorf. Das geiftige Leben jteht auf einer 
er Stufe; die — für Kunſt, Wiſſen⸗ 
ſchaft, allgemeine und jpezielle Bildungsjwede zäh— 
len zu den beiten Deutſchlands. An Hochſchulen 
bejtehen die 1818 geitiftete königl. Friedrich-Wil— 
belms:Univerfität zu Bonn und mit ibr in Ver: 
bindung, aber unter dem landwirtſchaftlichen Mi— 
nifter ſſehend, die Landwirtſchaftliche Akademie zu 
Roppelsdorf bei Bonn, ferner die lönigl. Rhei— 
nich: Weftfälifche techniſche Hochſchule zu Aachen 
und die königl. Kunſtalademie zu Düffeldorf. Reiche 


Rhein-Rhönekanal — Rheinweine 671 


Schähze bergen bie Provinzialmuſeen zu Bonn und | beitrug. Derſelbe ſtarb bier 3, Aug. 1802 und 
Trier, ſowie die Landesbibliothek zu Düfleldorf. | wurde in den nach jeinem Blan im Bart ausge: 
Die Provinz hat 28 Gymmafien, 15 Proaymma: | führten Grabgewölbe beigefeht. Nun ging der Be: 
fien, 12 Realgymnafien, 12 Realprogymmafien, | fis an den Bringen Ferdinand, den dritten Bruder 
3 Oberrealſchulen, 5 Realidulen, 6 höhere Bürger: | Friedrichs II., nad deſſen Tode 1813 an defien 
ichulen, 15 Lehrer: und 2 Vehrerinnen:Seminare, | Sohn, den Prinzen Auguft, über. Seit deſſen Ab: 
1 königl. Präparandenanftalt, 70 Mittelihulen, | leben 1843 gehört die Stabt —— und Part 
4316 öffentlihe Bollsihulen, 1 Blinden: und | der fönigl. Verwaltung an. ol. Hoppe, «Chronil 
8 Taubjtummens?ebranitalten, 2 Zandwirtichafts:, | von R.» (Neuruppin 1847); Schulz, «R., eine 
3 Aderbau:, 1 Wiejenbau:, 8 Obftbaufdhulen, | Wanderung durch Schloß und Umgebung» (Neu: 
1 Pomologiſches Inſtitut, 2 Mollereiſchulen, 200 ruppin 1879). 

ländliche Fortbildungs⸗ und Winterſchulen, 3 Ge: nenne: 1. Qubwigshafen. 
— 2 Handelsſchulen, 3 höhere Webe: Rheinftein, Schloß der Prinzen Alexander und 





ihulen, 2 Berg: und 3 Bergvorihulen,, 1 Hütten: | Georg von Preußen, im Kreiſe St. Goar des Re: 
idule, 1 308 chule für Metallinduftrie, 1 Fach- | gierumgsbezirt3 Koblenz, am linken Ufer und 80 m 
ſchule für Kleineiſen-⸗ und Stahlinduftrie, 1 Eiſen- über dem Spiegel des Rheins, unweit unterhalb 





bahnſchule, 6 Hunjtbandwert: und Zeichenſchulen, 
3 Korbflechtſchulen, 13 Induſtrieſchulen u. ſ. w. und 
zahlreiche gewerbliche Fortbildungsichulen, 1 Heb: 
ammenlebranftalt, 1 Unteroffizierjchule, 1 Krieges 
fchule und 1 Kadettenanftalt. Das Wappen der 
Provinz iſt der preuß. Adler, auf deſſen Bruft ſich 
ein gekrontes grünes Schild mit einen ſchrägrech— 
ten filbernen Flüßchen befindet. Die Provinzials 
farben find Grün: Weiß. 
Litteratur. Veröffentlihungen des Tönigl. 
GStatift. Bureaus; Hoder, «Die Großinduſtrie Rhein: 
lands und Weitfalens » (2p3. 1867), A. Haßlacher, 
«a Pitteratur über das nduftriegebiet an der Saar» 
(Saarbr. 1879), «Dffizieller Aatalog der Gewerbe: 
ausjtellung in Düffeldorf» (Duſſeld. 1880); Foriche: 
piepe, «Adreßbuch der Berg: und Hüttenwerfe, 
Majchinenfabrifen u. ſ. w. im niederrbein.:weitfäl. 
Anduftriegebiet» (Mülh. a. d. R. 1880); MWegeler, 
«Beiträge zur Spezialgeihidhte der Nheinlande» 
(Kobl. 1880); Bid, «Materialien zur rhein. Pro: 
vinzialgeſchichte » (Bonn 1883). 30. Olt. jedes Jahres findet hier nah alter 
ein-Rhönekanal oder Nhöne: Rhein: | Stiftung ein großes Kinderfeſt ftatt. In Bezug 
tanal, f. unter Ahöne. ‚auf Durchführung der Renovation und des Neu: 
Rheinfänre, ſ. unter Rhabarber. | baues (nad) Plänen des Baumeijters von Yafaulr) 
Rheinsberg, Heine, freundliche Stadt des Rup- iſt N. eine der ſchönſten Burgen des Rheins, Dies 
piner Kreijes im preuß. Regierungsbezirt Pots- | jelbe_ enthält nicht unbedeutende Sammlungen. 
danı, 74 km im RRW. von Berlin, 22 km im N. | (©. Tafel: Burgen, ig. 10.) 
von der Hreisitabt — rg und 9 km von der | Rheinwaldgebirge, ſ. Adula. 
medlenb. Grenze, am ſüdl. Ende des dem Havel: |  Rheintweine beiken im allgemeinen die ſämt— 
zufluß Rhin tributären Grinerit: oder Rheins: | lien im Flufgebiete des Nheins erbauten Weine; 
bergerjees gelegen, ijt Siß eines Amtsgerichts, im fpeziellen unterfcheidet man diejelben wieder 
bat ein Schloß mit Park, eine Steingutfabrif und nad) Charakter und Sulturregionen in: Rheins 
(1885) 2250 E., die fi meiit von Aderbau und gauer (welche gern das Vorrecht in Anſpruch neb: 
Viehzucht nähren. — Der Ort ging 1685 als erledig- men, die eigentlichen R. zu ſein), Mofel: (Saar: 
tes Lehn der Familie Lohow an den Kurfürſten und Nahe:), Ahr: (Unterrhein:), Bergiträßer, 
Friedrich Wilhelm über. Diejer ſchenlte R. dem Rheinheſſiſche und Pfälzer Weine. Das ges 
General Du Hamel, der es noch in bemielben yabre ſamte Gebiet des N. (die Bergftraße ausgeſchloſſen) 
1685 an den Hofrat von Beville für 12400 Thlr. umfabt ein Areal von 30000 ha mit einem durd) 
verlaufte, Am 16. März 1734 kaufte Nönig Fried: | Ichnittlichen Jahresertrag von 1400000 hl. Darin 
rid Wilhelm I. das Gut R., gab es zum Reſidenz- | find inbegriffen die edeliten und kojtbarften Sorten 
ort dem Kronprinzen, dem nachmaligen König | der Welt, wie nit minder die allergewöhnlichſten 
Friedrich II., und fuchte dem Städtchen (das 1739 Verbrauchsweine. Die beiten R. erzeugt der Rhein: 
nur 709 E. zäblte) durch mandyerlei Begünitigungen | gau, mit Hochheim, dann folgen im Nange die Hoc: 
aufzubelfen. Der Kronprinz ließ das alte Schloß | gewächſe ver Pfalz und Rheinheſſens. Die Mehrzahl 
durd) den Baron von Knobelsdorf volljtändig um: | der N. ift weiß; nur wenige Lagen produzieren Rot: 
bauen, Bart, Gärten und Gewähshäujer anlegen, | weine. Ihr Charakter ijt ein eigentümlicher, ſcharf 
durd) den Baron von Reiſewiß eine lange berühmt | begrenzter. Vor allen zeichnen ſich die R. aus durd) 
geweiene Borzellanfabrif errichten und verhalf dem ihr Bouquet, welches ſich bei andern nirgends findet, 
Städthen durd feinen Hofhalt zu Moblitand. | jodann dur eine eigentümlich hervorftechende 
Friedrich IL. ſchenlte N. 1744 feinem Bruder Hein: Säure, welde ihren diätetiichen Wert, ihren nadı: 
rich, der e3 1753, dauernd aber erit nad) dem | baltigen Gefhmad und ihre Haltbarkeit bedingt. Sie 
Friedensſchluß von 1763, zu feiner Nefidenz er: |; gehören ſämtlich zu den, nach franz. Kunſtausdruch, 
wählte und gleichfalls viel zur Aufnahme des Ortes | trodenen Weinen, ohne dabei förperlos zu fein; im 


Bingen, Aßmannshauſen gegenüber, iſt urfprüng: 
ih die Burg Voigtsberg (aud Faitsberg 
oder Vautsberg), die zuerjt 1279 genannt, vom 
Rheiniſchen Städtebund als —* zerjtört 
und von Philipp von Hohenfels neu aufgebaut und 
den Nittern von Walded zur Verwaltung übergeben 
wurde. König Rudolf I. erlieh 1282 von hier aus 
fein Strafgericht über die Naubritter von Reichen: 
ftein, Sooned, Heimberg, Rheinberg im Wisperthal 
u.j.w. Später wurde die Burg eine Bollftätte 
ber erzbiichöfl. Kämmerei in Mainz. Prinz Fried: 
rich von Preußen taufte die Ruine Voigtsberg oder 
Alt:Rheinjtein, von dem Freiherrn von Eyß 
und ließ 1825—29 unter möglidfter Benutzung 
de3 alten Gemäuers das jegige Schloß Neu: 
Nheinjtein im mittelalterlihen Stil aufführen 
und einrihten und nahm bier feinen gemöhn: 
lihen Wohnfis. Nach dem Tode de3 Prinzen 
(1863), der in der Burglapelle beigejett wurde, 
erhielten das Schloß dejien beide Söhne. Am 





672 


Gegenteil find eingelne Lagen, h 
der Nörperhaftigteit ihres Yrodu t3 halber berufen. 
Die R. bieten ein unerreihtes Mujter deiien, was 
Wein fein foll, Begabt mit nur geringer alloho— 
lifher Stärke, dennoch dauernd haltbar durch ihre 
Reinheit, find die R. zur Belebung der abgefpannten 
Nerven, zur Kräftigung der Lebensthätigkeit vor: 
aus geeignet. Wenige Weine gewinnen wie die 

. bis über hundert Jahre hinaus an Güte und 
Kraft. Sie werden nicht fett, bleiben aud) ftets Har, 
vertragen, ohne umzuſchlagen, den Transport in 
alle tlimate und find ſehr ſchwer zu verfälichen. 

Nheinzabern, Marktileden im bayr, Regie: 
rungebezirt Pfalz, Bezirtsanıt Germersheim, am 
Erlenbach, Station der Linie Germersheim: Wörth 
———— 
1860 fath. E. und hat Tabatsbau, VBierbrauerei 
und Malzjabrilation, 

Rheneia, Inſel bei Delos (j. d.). 

Nheus oder Nenfe, ſ. unter Königsſtuhl. 

Rheochord oder au Rheokord, j. unter 
Nheoftate. 

heometer (Strommeffer), ſ. unter Gal: 
vanometer und Gefhwindigleitsmeijung. 

NHcomotor (Stromerzeuger oderStromerreger) 
nennt man jede Quelle eines eleltriſchen Stroms, 

. B. die Volta: Elemente und Volta : Batterie, die 
Dynamo- und magnetocleltriihen Maſchinen, die 
Ihermoelemente und Thermoletten u. dgl. m. 

Rheoftop, i. Salvanoftlop. , 

Rheoitate oder Stromregulatoren dienen 
dazu, eleltriſche Ströme auf lonſtanter Stärle zu 
erhalten, eleltriſche Stromjtärlen miteinander zu 
vergleichen oder elektr. Leitungswibderftände zu mei: 
fen. Im weſentlichen fommt es te darauf an, 
gemeſſene Leitungswiberftände (bejtimmte Draht: 
längen) schnell und bequem in den eleftrijdhen 
Etrom ein: oder ausſchalten zu lönnen. Dies ge: 
ſchieht beim R. nach ‚jalobi (1841) und Wheatjtone 
(1843) mittels ifolierender Echraubencylinder, an 
welchen ſich der Widerftand der aufgewundenen 
Drähte leicht verändern läßt. Dasjelbe erfolgt an 
der «Widerftandsfäule» Kifenlohrs (1852) 
mittels kurzer und dider Metallbrüden, welde ver: 
ſchiedene, gemejlene Widerftandsrollen raſch ein: 
und ausicalten. Am Stöpfelrheoitat von Sie: 
mens bewirlt man die Einſchaltung der gemefjenen 
Trahtwiderftände durch Herausziehen von Metall— 
ftöpfeln, dagegen die Ausichaltung der Widerjtands: 
rollen dur Einſteden der Metalljtöpfel zwischen 
SSEINOGRBNER welche mit den Drabtrollen leitend 
verbunden find, Yu den R. gehört aud) das zu 
feinern Widerftandsmeflungen dienende Rhed— 
choxd oder die Widerftandsbant von Poggen— 
dorjf (1841), wobei zwei parallel nebeneinander 

ejpannte Metalljaiten mittels eines veridiebbaren 
Metallftegs (Schlitten) miteinander leidend ver: 
bunden werden. Durch Verſchiebung des Schlittens 
laſſen fi —— Längen jener beiden Drähte 
nad) Belieben begrenzen, mithin beliebige Wider: 
ftände in den eleftriichen Strom einjdalten oder 
aus demfelben wegſchaffen. 

Nhetoren (erh), d, } Nedner, dann auch Lehrer 
ber Beredfamteit, Am früheften entwidelte ſich die 
Redekunit in Sicilien durch Korar, Tifias und den 
Sophiften Gorgias von Leontini, der 427 nad 
Athen kam und dort, wo die Beredſamleit jchon 
vorher praltiſch zu hoher Ausbildung gelangt war 
und eben damals in Perikles einen gewaltigen Ber: 











Nyeinzabern — Nhetoren 
D. in der- Pfalz, | treter-bejefien hatte, den Anſtoß zur Pflege der Rede⸗ 


funft durch die Sopbiften gab. 

Der erſte ſchulmäßige attiſche Redner, der- feine 
Kunſt auch lehrte, war Antiphon, während die 
Reden des Andotides nicht viel Kunſt verraten. Das 
gegen zeigt fich Lyſias als durchgebildeter Nebner, 
als Meifter des [lichten Stils. Lyſias trat nur ein 
mal felbit auf und ſchrieb nur Reden für andere, 
Ebenfo verfaßte Iſolrates, der vollendete Meiiter 
und Lehrer der ſchulmaßigen attiichen Beredſamleit, 
außer Neden, die bloß zur ſchriftlichen Verbreitung 
beftimmt waren, nur Reden für andere, und auch 
fein Schüler Iſaos war hauptſächlich als Verfafier 
von Neden für andere thätig. Des Iſäos Schü: 
ler Demoſthenes dagegen vereinigte in ſich nicht 
nur alle Vorzüge der kunftmäbigen Beredfamteit, 
iondern verwandte diejelbe aud vor Bolläver: 
fammlung und Geridt als der unübertroffene 


' größte Redner des Altertums. Neben und un: 


mittelbar nah ihm wirkten Hichines, Hypereides, 
Lykurg und Dinarchus, welcher als lehter in den 
jog. Kanon der zehn attiſchen Redner aufgenommen 
worden iſt. Bon den aus der Praxis hervorgegan: 


' genen kurzen Yehrbüchern der Rhetorik ift noch das 


wahricheinlich von Anarimenes von Lampſalos ver: 
faßte erhalten. Gleichzeitig mit Demofthenes ſchuf 
dann Arijtoteles eine wiffenichaftliche Rhetorik, auf 
welde nachher zahllofe andere Lehrbücher folgter, 
In der Zeit der Nahblüte der griech. Kultur ent: 
widelte fich dann die aſianiſche Beredſamleit, als 
deren Gründer oder Hauptvertreter Hegefiad von 
Magnefia in der zweiten Hälfte des 3. Jahrh. 
v. Chr. gilt. Er wollte zu dem ſchlichtern Stil 
des Lyſias zurüdtchren,, aber dieſe Einfachheit war 
nur eine gefuchte, gelünftelte; zudem mit ſchwũu⸗ 
ftigen Wendungen geipidt, jchlug fie ins Ge 
jenteil um und artete vollends jpäter in R. wie 
Aſchylos aus Knidos und Hihines aus Milet in 
leeren Redeſchwulſt aus. Dagegen brad) ji Aus: 
gang des 2. Jahrh. durch Apollonios und Molon 
aus Alabanda eine beilere Richtung Bahn, welche, 
weil jene auf der Inſel Rhodos Ichrten, von dieſer 
Inſel ihren Namen erhielt. Um diefelbe Zeit er⸗ 
hielt auch die Nhetorit ihre ſchulmähige Gejtalt, 
namentlid durch Hermagoras, worauf eine lange 
Reihe von R. wie Apollodoros von Pergamon, 
Theodoros von Gadara, Dionylios von Yalilarnaf, 
Cäcilius von Kale Alte in Sicilien, Demetrios, 
Theon, Hermogenes von Tarſos, Apfines, Apbtbo: 
nios, Menander u. a, in Lehrbücern, einzelnen 
Abhandlungen, Beifpieljammlungen u. f. mw. die 
Nhetorit ausbildeten und fortpflanzten. Den R., 
welche mehr nur ſchulmäßig ihre Kunit (ehrten und 
ausübten, traten die fog. neuen Sophiſten zur Seite, 
welche von der —— Redefunjt vor dem 
größern Publitum in öffentlichen Vorträgen ſowie 
auch litterariih Gebraud madten. Ihre Blüte 
fällt ins 2, Jahrh. n. Chr., aber der Ichte bedeu⸗ 
tende Sophiſt Synefios gehörte erft dem Ausgange 
des 4. und dem Beginn des 5. Jahrh. an und auch 
er hatte bis tief in die byzantiniiche Zeit hinab 
Nachfolger. Die attiichen Redner haben nament: 
(ih Better (4 Bde., Oxford 1822 fg. und 5 Bde, 
Berl. 1828 fg.), Dobfon (16 Bde., Lond. 1828), 
Baiter und Sauppe (9 Tle,, Zür. 1838—50) u 

Müller (2 Bde., Bar. 1846—58) herausgegeben. 
Vol. Blaß, « Die attiihe Beredfamleit» (4 Te, 
1868— 80); derjelbe «Die griech. Beredfamleit von 
AUlerander bis Auguftuse (Berl, 1865). Die 


Rhetorit — Nheumatismus 


Schriften der griech Rhetoren hat am vollftändig: 
ften Walz (9 Bde., Stuttg. 1832—36) und nad) ihm 
Spengel (Lpz. 1853—56) gefammelt, . 
Die römische Berebfamleit war weitaus bie 
längite Zeit der Republik über keine tunitmäßige. 
Zwar veröffentlichte ſchon Appius Claudius eine 
280 v. Chr. gehaltene Rebe, und dasfelbe that dann 
Cato (geit. 149 v, Ehr.), ber auch ſchon eine An: 
eig Ui ben Redner niederſchrieb, mit den meiſten 
einer Reden, aber nur um der weitern praltiſchen 
irtung halber. Andere veröffentlichten in ber erſten 
Jule de3 2, Yahrh. Neden, wie Rt B. ber ältere 

cipio Africanus; fpäter thaten dies die meiften, 
er — zu praltiſchen Zwecken, bald aber 
auch als Proben ihrer Kunſt. Der erſte tunftmäßige 
Redner war Servius Sulpicius Galba (Konſul 
144 v. Chr.); ein hervorragendes Mufter der Bered: 
famteit war ber jüngere ®rachus. Nach ihm waren 
die ee Redner um ben an des 1. Jahrh. 
v. Chr. Marcus Antonius > ul 99) und Yucius 
Craſſus (Konful 95 v. Chr.). Hortenfius ließ fich 
uch R. zum afianishen Stil verleiten, Cicero 
dagegen folgte in feinen Reden und rhetorijchen 
Schrijten der vermittelnden rhodiihen Schule, an: 
bere Zeitgenofien, wie Brutus und Cornificius, 
Pollio, Caſar, verfolgten eine noch ftrengere Rich— 
tung auf bie erften alten Attifer zu: die meiften 
wählten den ſchlichten Stil des Lyſias. Aſinius 
Vollio, der mit Meſſala noch in die Kaijerzeit 
bineinreidhte, ftellte den ſchweren und ftrengen 
Stil des Thucydides am höchſten. , 

Nah dem Beginn der Kaijerzeit trat die ſchul—⸗ 
mäßige Rhetorik in den Vordergrund. Erhalten find 
Proben der Rhetorik der erften Kaiſerzeit aus dem 
Gebiete ber gerichtlichen und beratenden Schulreden 
in einem teilweije erhaltenen Werte des ältern Se: 
neca, bazu namentlid) in dem geijtvollen Dialog 
bed Tacitus einfidhtige Grörterungen über bie 
Gründe des Verfalls der Beredſamleit und in der 
«Institutio oratoria» des Quintilian ein bedeuten; 
be3 rhetoriiches Hauptwerk über Ahetorit,. Duin: 
tilian wie Tacitus weiſen noch auf die guten klaſ— 
ſiſchen Mufter Hin, nad) ihnen verfällt die röm. 
Rhetorik in eine efpreiste ardhaifierende Richtung, 
wie fie —2 in Briefen von Fronto hervor— 
tritt, Aus ſpäterer Zeit find, abgeſehen von den 
zum Teil bedeutendes Talent und feurige Begeilte: 
rung verratenden Leitungen hriftl. Autoren und 
außer der «Apologia» und der «Florida» des Apu: 
lejus fait nur noch Panegyrifer zu nennen, welche, 

leid dem einzigen nod aus dem 2. Jahrh. er: 
baten Panegyricus von dem jüngern Plinius, 

auptſächlich die Kaifer preifen. Der Hauptfiß dies 
fer gelünftelten Rhetorik war jekt Gallien. Die 
Fragmente der röm. Redner hat Dieyer (Zür. 1832) 
game, die jpätern Rhetoren Galen (Lpz. 1863). 

gl. Weitermann, «Seigichte der Beredfamtleit in 
Griechenland und Rom» (Lpz. 1833—35); Ber: 
ger und Eucheval, «Histoire de l’&loquence la- 
tine jusqu’& Ciceron» (2 Bde., Par. 1872). 

NhHetorif — heißt die Theorie der Rede— 
funft im weiteſten Sinne, indem fie die allgemeinen 
Kegeln des proſaiſchen Stils nad) den verſchiedenen 
Zweden der Darftellung vorträgt. Diefe Negeln 
eritreden nd daher nicht bloß auf die Abfafjung 
eigentlicher Reden, fondern auch auf die der hiftor. 
Werte, der Abhandlungen und Lehrbücher, der Ge: 
Ipräde und ber Briefe, fodaß die R. in biefem 
Einne von ben Bedingungen jebes zwedmäßigen 

Couverfationd «Lerilon. 13, Aufl. XIII. 


673 


profaifchen Vortrags, fol ie vom Periodenbau, 
von den Rebefiguren und überhaupt von allem hans 
belt, was zur Schönheit und Kraft des Ausdruds 
— An engerer Bedeutung umfaßt die R. die 
rundfäge, nad) denen eigentliche Reden zu ver: 
fertigen find, und begreift al3 die drei weſentlichen 
Bemelt die Lehre von der Erfindung ber darzus 
tellenden Gebanten (inventio), von " Aus Anord⸗ 
nung (dispositio) und von dem Ausdrude derſelben 
oder dem Stil (elocutio), Die Alten fügten noch 
zwei Teile hinzu, nämlich das Gedächtnis und die 
Beftitulation (memoria und actio), die jedoch nur 
die mündliche Beredſamkeit betreffen, Ariftoteles 
di die Wifienfhaft der R. im engern Sinne ge: 
haffen und die jpätern griech. und röm. Nhetoren 
(f. d.) haben diejelbe mit Scharffinn nad allen 
Seiten hin zu erörtern geſucht. Eine Zufammen: 
ftellung aus den Alten enthalten Wiebeburgs «Prae- 
cepta rhetorica e libris Aristotelis» (Braunjhw. 
1786) und Gierigs «Praeceptanonnulla et exempla 
bene dicendi e probatissimis Latinis auctoribus» 
(2p3. 1792). Außer den mit großem Nutzen bei den 
Unterridyte lange Zeit gebrauchten «Initia rheto- 
rica» von %. A, Ernefti, welche deilen «Initia doc- 
trinae solidioris» (neue Ausg., Lpz. 1796) beiges 
geben und häufig auch bejonders gedrudt wurs 
den, find zu erwähnen: bie Lehrbücher von a 
Scott, Hide Schmeiſſer, Fallmann («Praktiſche 
R.», 3. Aufl., Hannov. 1835); Volkmann, »Herma⸗ 
goras» (Stett. 1865) und «N. der G 
mer» (2, vermehrte Aufl., Lpz. 1885); Wadernagel, 
«Boetit, R. und Stilijtil» (Halle 1873), und Ger: 
lady, «Theorie der R. und Stiliftitr (Deliau 1877). 
etren biefen in Sparta die (mie es ſcheint 
vier) Grundgeſehe des ———— die dieſer bei feiner 
Neformarbeit als unmittelbare Eingebungen des 
Apolliniichen Orakels aus —“ 38* hatte. 
Rhöum, Pflanzengattung,ſ. Rhabarber. 
Rheumatiſches Fieber Febris rheumatica), 
——* Fieber, welches die jog. Erlältungskrank— 
heiten, in&befondere die Katarrhe der Schleimhäute 
fowie die rheumat. Gelenk: und Mustelafjeltionen 
begleitet. Berlauf und Intenfität des rheumat. Fie⸗ 
bers hängen weſentlich von der Art und Ausbrei- 
tung der betreffenden Krankheit ab. (S. Grtäl: 
tung, Gelentrheumatismus, Katarrh.) 
umatismus (gr. von Rheuma, Fluß), 
Gliederreißen, nennt man eine Reihe von 
Krankheiten, deren auffallendftes Symptom von 
einer Stelle zur andern wandernde Schmerzen find, 
die fidh fteigern, wenn ber befallene Körperteil ges 
braudt wird, alfo die Gebrauchsfähigleit desjelben 
beeinträchtigen. Die Schmerzen treten meijt ohne 
auffallende anatom, Veränderungen auf in ben 
Selenten, den Musteln, den Sehnenſcheiden, der 
em und man untericheidet banadı einen Gelent., 
Mustelrheumatiömus u. f. w. Es kommen die 
verſchiedenſten Grade des R. vor, leihte Schmerzen 
in dem einen oder dem andern Gelenk, an einer 
Heinen Hautjtelle, ohne daß der Organismus felbit 
weſentlig beeinträchtigt iſt, bis zu ſolchen Graden, 
daß der Patient ſchwer krank erſheint. Man unter: 
— erner einen aluten und einen chroniſchen 
Der lehttere iſt ausgezeichnet durch ſeine ſehr 
lange Dauer und die Fieberloſigleit, während der 
akute AR. entweder raid) ablaufende oder mit Fieber 
verbundene Fälle umfaßt. Als Urſachen des R. 
bezeichnet man in be namentlid) 


en und Nö: 


einjeitige Abkühlungen (dur Zug) und häufige 
43 


674 


Durdnäfjungen (Arbeiten im Waſſer, feuchte Wo): 
nungen). über die aluten und chronischen rheuma: 


Rheumatiimusfetietn — Rhipsalis 


Mhigolen iſt ein bei der Raffination des Petra: 
leums erhaltener flüfjiger Kohlenwaſſerſtoff, der 


tiihen Afjeltionen der Gelenke und deren De: | einen Hauptbeitandteil des Petroleumäthers aus: 


handlung j. Gelentrheumatismus. 

Der Mustelrheumatismus gibt ih durch 
reibende oder ziebende Schmerzen im Verlaufe der 
Musteln und Mustelbinden, ſowie durch eine ge: 
wijje Steifigfeit und Schwerbeweglichleit des be: 
trojienen Bliedes zu erfennen; dabei pjlegt fich die 
Haut über den ſchmerzenden Stellen normal zu ver: 
halten. Kälte und Feuchtigkeit jowie Bewegungen 
vermehren gewöhnlih die Schmerzen, während 
trodene Wärme und Nube mohlthuend wirlen. 
Die rheumatiichen Musteljchmerzen find entweder 
vage, von einer Stelle zur andern ziehende oder 
auf beitimmte Musteln und Musfelgruppen be: 
ſchränlt. Lieblingsſtellen des eg 
jind die Muskeln und Aponeurofen des Schäbels 
(jog. rheumatiſcher Kopffchmerz), die Schul: 
termusteln, fowie die Hals: und Nadenmusteln 
(fog. fteifer Hals), die Bruft: und Zwiſchen— 
rippenmustfeln (cbeumatijher Bruftfhmerz), 
die tiefern Nüden: und Lendenmusfeln (jog.Heren: 
ſchuß) u. a. Meift iſt der Mustelrheumatismus 
ein alutes Leiden, welches nad kurzem Beſtehen 
wieder verſchwindet, es fommen aber auch chro— 
niſche Fälle vor, welche infolge anhaltender Un— 
thätigleit zum Schwund der Viusteln (zur rbeu: 
matiſchen Lähmung) führen. Die Behandlung 
de3 Mustelrheumatismus beſteht in aluten Fällen 
in kräftigen Hautreizen (Senfteigen, Ginreibungen, 
Anwendung des induzierten eleftriihen Stroms), 
in Danıpfbädern und methodiſchem Maſſieren (Sne: 
ten und Streihen der ſchmerzhaften Muskeln); 
gegen hroniihen. werden warme Bäder (ruffiiche, 
röm.-iriihe Bäder, Teplißg, Wiesbaden, Aachen 
u. ſ. w.) empfohlen. Recidive werben am ficheriten 
dur eine allmäbliche Abhärtung der Haut ver: 
mitteljt falter Wafchungen, Abreibungen und Bäder 
verbütet. (S. Abhärtung.) 

an j.u.Geheimmittel. 

Rheydt (Nheidt), Fabrilſtadt im rheinpreuß, 
Negierungäbezirk Duſſeldorf, im Kreife und 4 km 
füdlih von Gladbach, mit dem es durch Pferdebahn 
verbunden it, an der Niers, Station der Yinien 
Aachen-Neuß, Gladbad: Stolberg und Krefeld: R. 
ber Preußiihen Staatsbahnen, zählte 1816 nur 
3668, 1885 dagegen 22591 meijt prot. E, und hat 
* evang. und eine lath. Pfarrkirche, eine Neal: 
Aule und ein evang. Lehrerfeminar, Baumwoll: 
jpinnerei, Seiden-, Baumwoll: und Halbjeiden: 
fabrilation , Färberei , Eiſengießerei, Fabrikation 
von Maſchinen und Asphaltdachpappe und litho: 
graphijche Anjtalten. Zur Stadt gehören die Orte 
Beneiden, Bonnenbroich, Heyden und Morr. 

RHianos, griech. Dichter, um 240 v. Chr., aus 
Bene auf Kreta gebürtig, war anfangs Shave, cr: 
hielt aber fpäter feine Freilaſſung und eine Auf: 
ſeherſtelle an einer Paläjtra, Seinen Dichterruhm 
verdanfterbejonders einer Reihe von Epen, weniger 
einer «Serallea» in 14 Büchern, ala namentlich den 


eMtejieniata» in 6 Büchern, «Thejlalifar, «Adaila» | 


und «Gliakao. Außer Fragmenten aus feinen Epen 





ı madıt, ein jpezifiiches Gewicht von O,s2 bis O,ss be: 


ſiht, bei 40—50° fiedet und mitunter zur lofalen 
Anajthefie bei hirurgiichen Operationen, ſowie zu 
Gis: und Stälteerzeugungszweden Anwendung fins 
det. Außerdem benußt man es als Ertraftiondmittel 
für Öl, Harze, Kautſchuk u. ſ. w. In den Bereinig: 
ten Staaten führt das R. auch den Namen Sher- 
wood-Vil. 

Rhin, rehtsjeitiger Nebenfluß der untern Havel, 
entfließt dem See von Rheinsberg bei der Statt 
dieje3 Namens, wird bei der Einmundung des Lin: 
dower Fliehes auf 80 km ſchiffbar, durchfließt den 
Nuppinerjee und, größtenteil3 Tanaliftert, das 
80 km lange und bis 17 km breite Rhinluch, 
welches dur Friedrih Wilhelm I. und Friedrich 
d. Gr. urbar gemacht worben ift, und mündet, nad) 
einem Laufe von 105 km, —— er den See 
von Gülpe verlaſſen hat. re! eur Kanal 
—— — m. ber — nr ei —5 

urg und fördert den Torf der faſt unerſchöpflichen 
Lager des Prag pa nad FA, 

— e (grch.), Naſenſchmerz; Rhineu— 
rynter, Naſenerweiterer, ein Inſtrument zur 
Tamponade der Naſenhöhle; Rhinitis, die Ent— 
zündung der Naſe. 

Rhinautacden —— eine Unter: 
familie der Scrophularineen (ſ. d.). 

Rhingulph (Barde), ſ. Kretſchmann (Karl 
Friedr). 

Rhinus of Galloway, ſchott. Halbinſel, ge: 
hört DE Grafihaft Wigton (f. d. und Gallowad. 

Rhinobleunsrrhöe (grch.), Naſenſchleimfluß, 
chroniſcher Schnupfen; Rhinocarcinom, Naſen⸗ 

Rhinoceros, — Nashorn. [trebs, 

Rhinolalie oder Rhinophonie, das Spre: 
hen durch die Nafe, näfelnder Stimmellang. 

Rhinoplaftif, die operative Bildung einer 
neuen Naſe (ſ. unter Plaſtiſche Chirurgie); 
Rhinorrhagie, Najenbluten; Nhinorrha: 
pbie, Naſennaht; Rhinorr höe, Najenichleim: 
lub, Schnupfen; Rhinoſtlerom, harte tuollige 
Geſchwulſt der Naje; Rhinojköp, Naſenſpie— 
gel; Nhinojkopie, die Unterfuhung de3 Ras 
jenradhenraums, 

Rhinow, Stadt im preuß. Negierungsbezirt 
Potsdam, Kreis Weithavelland, linf3 am kanalı: 
ſierten untern Rhin, zählt (1885) 1309 E. und bat 
Aderbau, Viehzucht, Zorfgewinnung und eine 
Dampfjägemüble. Das Rittergut R. hat 90 E. 

Mhinthonika hießen nach dem Dichter Rhinthon 
aus Tarent dramat. Dichtungen, in denen tragiſche 
Stoffe in karilierter, poſſenhafter Weiſe dargeftelit 
wurden (daher auch Hilarotragödien genannt). 

Rhion, j. Phaſis. ‚ 

Rhiouw-oder Nioum: undLingga:Ardis 
pel, eine offiziell den Namen R. und Zubehör (R. 
en Onderhoorigheden) führende Nejidentichait ber 
niederländ. Belipungen in Hinterindien, 6514 qkin 
groß, mit (1379) 79000 E. (SS. Lingga:‘ynieln.) 

Ehipaei montes, in der Vorjtellung der 


gibt es nod) einige —— von ihm, die in der Alten Gebirge im Norden der bewohnten Erde. 


griech. Anthologie enthalten ſind. Auch veran— 
ſtaltete er eine im Altertum geſchähte Recenſion 
der Homerijchen Gedichte, 


Saal (Bonn 1831) heraus, 


— Eine Sammlung und | 
Erflärung der noch vorhandenen Bruchitüde gab | 
ter entbehren, dafür Dedblätthen befiben, deren 


Rhipsälis Gaertn., zu den Kakteen gehörige 
Gattung vielgeitaltiger, halbparafitiiher Sträucher 
mit bald cylindriichen, bald blattartig flachen, ort 
gegliederten Hiten, welche der eigentlichen Blät: 


Nhizocarpeen — Rhodan 675 


Achſeln ſehr Heine, meift rofenartig ausgebreitete | eerggre! ser; nannte man früher eine Pilz⸗ 
Blüten, fpäter beerenartige Früchte von der Größe | gattung, die Diycelien verichiedener Pilze aus der 
einer Stadelbeere tragen. Diefe Gattung, bei | Gruppe der Hymenomyceten umfabte. Die eigen: 
welcher nur der Habitus interejlant it, wird in den | tümliche Form diefer Mycelien, die teild wie Wur: 
Gärten durch eine —— Anzahl von Arten re: | zeln ausſahen, teils die Geſtalt weißer häutiger 
präjentiert, durch R. squamulosa, funalis u. a, | Überzüge hatten, gab Anlak zur Aufitellung einer 
mit cylindriicen, R. salicornioides, saglionis u. a. | befondern Gattung. Für mande Formen ift allers 
mit cylindrifhegegliederten, R. crispata, ramu- | dings auch heute noch nicht der zugehörige Milz bes 
losa u. a. mit blattartig verbreiterten Uſten, und | kannt, doch find auch diefe natürlich nicht als jelb: 
endlih durch R. paradoxa (f. Tafel: Kaktus- | jtändige Pilzarten zu betrachten. Am befannteiten 

ewächſe, Fig.12), bei der jedes Ajtglied mit drei | jind die wurzelartigen Nhizomorpbenitränge de3 
Flügeln beſeßt it, die mit denen des vorbergeben: | Hallimajch (Agaricus melleus, ſ. Tafel: Eßbare 
den Gliedes abwechieln. [®d. VI, 6.583°). | Pilze, Fig. 5), der an Nadelhölzern eine al3 Erd» 

Rhizocarpeen, Abteilung der Farn (f. d., krebs (j. d.) befannte Krankheit verurſacht. 

- Rhizootonia DC. (Wurzeltöter), Pilsgattung Trap. rn L., — — aus der Fa⸗ 

aus der Familie der Pyrenomyceten. Es ſind milie der Rhizophoreen. an kennt nur wenige 
ſchmarotzende Pilze, die auf verſchiedenen Kultur: 
gewãchſen vorlommen. Bon den meijten find zwar 
die Perithecien zur Zeit noch nicht befannt, doc) 
fann man fie trokdem mit Recht zur Familie der 
Pyrenomyceten jtellen. Shre Moycelien haben in 
der Negel eine violette oder braunrote Färbung und 
bilden jaierige oder häutige Üiberzüge von 
ihnen befallenen Wurzeln. Meift wird die ganze 
Oberfläche der lehtern davon bededt und die Wur— 
zeln fterben allmäblih ab. Durch die Einwirkung 
dieſer Schmarogerpilze fönnen ganz beträchtliche 
Diengen von Pflanzen getötet werden, da die Ver: 
breitung derfelben im Boden von Murzel zu Wur: 
zel eine ſehr fchnelle und ausgiebige ilt. 

Die widkgiten Arten find der Wurzeltöter 
der Quzerne (R. medicaginis DC.) und der jog. 
Safrantod (R.crocorum DC). Das Mycelium 
des eritern bildet anfangs ein fpinngewebeartiges 
Sajergefledht von weiber Farbe, weldhes aud) unter 
dem Namen Schneejhimm el beſchrieben wurde, 
und zeigt ih in diefem Zuftande an der untern 
Partie des Stengels; jpäter werden die ganzen 
Wurzeln der Luzerne von einer violett gefärbten 
Pilzhaut überzogen. An einzelnen Stellen diejes 
—— entſtehen dichtere Hyphengeflechte von 
dunllerer Farbe, die als Sklerotien zu betrachten 
find, Auf dieſen Sklerotien entwideln ſich dann 
beim Verfaulen der Wurzeln die Perithecien und 
Conidienfruktifikationen. Derſelbe Pilz kommt 
außer auf Luzerne au) noch auf den Wurzeln von 
Rotklee, Möhren, Zuder: und Runfelrüben, auf den 
Stnollen der Kartoffel und verjhiedenen andern 
Bilanzen vor und ftimmt im wejentlichen auch mit 

i. crocorum überein; die letztere Art it ſchon lange 
Zeit als verderbliher Schmaroger auf den Zwiebel: 
tnollen des Safran befannt und hat bejonders in 
Sudfrankreich bedeutenden Schaden in den Safran: 
pilanzungen angerichtet. | 

Auf den Knollen der Kartoffeln kommt außer der 
obengenannten Art noch eine andere vor, R. Solani 
Kühn, welde die jog. Bodentrantheit der Kar: 
toffeln erzeugt. Der Entwidelungsgang dieſes leh: 
tern Pilzes ijt nod) wenig befannt. Die Sirantheit 
ijt nicht gerade ſchaͤdlich für die Kartoffeln, fondern 
bedingt nur ein mißfarbiges Ausjehen der Knollen, \ erjt 1 2 
da auf ber Dberflähe braunrote Puſteln von ge: waſſerſtoffſäure entſpricht. Mit Metallen vereint 
ringem Durchmefjer auftreten, Dieſe Pufteln find | es ſich zu Salzen, mit Alkoholradikalen zu Athern. 
nicht3 anderes als die Stlerotien des Pilzes, die | Nhodanfalze finden ſich — im normalen 


Arten, die ſämtlich in den Tropengegenden vorlom⸗ 
men. Es find Bäume von eigentümlihem Wuchs, 
deren Stämme und Üſte zahlreiche Quftwurzeln ent: 
wideln, welde abwärts bis in den Boden hinein 
wachſen, weshalb ein jolder Baum mit feiner meiit 
breitäftigen Krone auf einem förmlichen Gerüjte 
von palıfjadenäbnlichen Trägern ruht. Die im 
tropiichen Amerifa am häufig ten vorlommende Art 
it dee Mangle: oder Mangrovebaum (R. 
Mangle L.), auch Liter oder Leuchterbaum ge: 
nannt, Derjelbe wird bis 15 m od, bat immer: 
grüne, verfehrt:eiförmige, bis 15 cm lange Blätter, 
paarweiſe geitellte agieihünbige Blüten mit vier: 
teiligem, gelbem Kelche, vier weißen Blumenbfät: 
tern, 8—12 Staubgefäßen und trägt längliche, ein: 
jamige, nicht auffpringende Früchte mit lederartiger 
Schale. Die 5—8 cm dide braungelbe Rinde wird 
zum erben verwendet und kommt unter dem Na: 
men Mangroverinde (Cortex Mangles) in den 
Handel. Die Manglebäume bilden an den Küſten 
des Meers und an den Ufern der großen Ströme, 
in tieffchlammigen und fortwährenden überſchwem⸗ 
mungen ausgejekten Niederungen dichte, fait un- 
durchdringliche Wälder (Mangrovewälder), welche 
nur dadurch einigermaßen — ſind, daß die 
netzförmig ausgebreiteten Wurzeln der Bäume über 
den Wafjerjpiegel hervorragen und auf dieje Weije 
einen Stükpunft zum überklettern bieten. 

Nhizophoreen (Rhizophoreae), Pflanzenfa: 
milie aus der Gruppe der Tifotyledonen. Man 
tennt gegen 50 Arten, welde ausſchließlich den 
Tropengegenden angehören. Es find Bäume oder 
Sträuder mit lederartigen, meilt ganzrandigen 
Blättern und zwitterigen, gewöhnlich ziemlich gro: 
ben Blüten. Mehrere R. befonders die Arten der 
Gattung Rhizophora (j. d.), leben an Meereslüſten 
und an den Ufern großer Slüfe im Wajler oder tie: 
fen Schlamm, Sie entwideln zahlreiche Quftwurs 
zeln, auf denen ſich vielverzweigte Stämme erheben, 

Rhizopöda (lat.), Wurzelfüßer. 

NHodAn, CNS, Thiocyan oder Schwefel: 
cyan it ein chem. Radikal, weldes dem Cyan, 
dem Chlor, dem Brom ähnlich iſt. Im freien Zus 
ftande ijt es nicht belfannt, Mit Waſſerſtoff bildet 
e3 Rhodanmaiferftofffäure, die der Cyan: 


— — — — — — nn — — — — nn nn nn — 


aus dicht verſlochtenen Hyphen beſtehen. Conidien- | Speichel, Die löslichen Rhodanverbindungen haben 
formen und Perithecien find bisjetzt nicht belannt. die Eigenſchaft, Eiſenoxydſalzen ſelbſt in der größten 
Rhizoiden, ſ. unter Musci, Bd. XII, S. 5°. Verdünnung eine blutrote Färbung zu erteilen, jos 
Rhizom, f. Wurzel, daß namentlich Rhodanwaſſerſtoff als das empfind⸗ 
Rhizoma Chinas, ſ. Chinawurzel. | (ichite Neagens auf Eifenoryd gilt. 
43* 


676 


Rhodänus, lat. Name des Rhöne, 

Rhodanwafleritofffäure, ſ. u. Cyan(Ver— 
bindungen 3) und Rhodan. 

Rhode: FTeland (ipr. -Ciländ), einer der 13 ur: 
iprünglichen und von den jegigen 38 der Heinfte der 
Vereinigten Staaten von Amerila, zwiichen 41° 18’ 
und 42° 1’nördl, Br. und 71° 8’ und 71°53' weſtl. L. 
im N. und O. von Maſſachuſetts, im S. vom At: 
lantifhen Drean, im W. von Connecticut begrenzt, 
zäblt auf 3237 qkm Areal (1880) 276531 E., 
worunter 6597 Farbige, 27 Ehinefen und 67 In— 
dianer, gegen 217353 im %. 1870, 174620 im J. 
1860, 69122 im . 1800 und 68825 im J. 1790, 
Die Narraganfettbai teilt den Staat in zwei un: 
gleide Zeile; der weitl. Teil iſt der größere, Der 

taat hat eine zerriffene und hügelige Bodenober: 
—— und feine Erhebungen von Bedeutung. Die 

ochſten Buntte find Mount:Hope, nabe Briftol, die 
Moonfodethügel im N. und Hoplinshügel in der 
Mitte. Die Hauptilüffe find: der Pamtuder und 
Pawturet, welche fich in die Narraganfettbai er: 
iehen, und der Bawcatud, welcher in den Long: 

sland:Sound fließt. Die Narraganfettbai enthält 
verfhiedene Inſeln, von denen Aquidned oder 
Rhode Island, Canonicut und Prudence die wid: 
tigiten find, Bloch⸗Island, 16 kın ſüdlich und am 
wejtl, Eingang der ai, gehört zu. Das Klima 
ift mild und aleihförmig. Der Staat hat (1881) 
336 km Eiſenbahnſchienen. Newport, Brovidence, 
Briftol und Warren find Einfubhrhäfen. Der Boden, 
außer an den Hüften und auf den Inſeln, wo er 
fruchtbar iſt, ift durchweg fandig und wenig ergie: 
big und eignet ſich im allgemeinen mehr für Vieh: 
ucht als zum Aderbau. Das Yand it wegen feiner 

indviehs und Schafzucht, feiner Milhwirtichaft 
und Lieferung ausgezeichneter Butter und Käſe be: 
rühmt, Mais, Roggen, Hafer, Gerfte, Kartoffeln 
werden zum innern Bedarf, außerdem Hanf, Flache, 
in großer Menge Heu, Obſt und Hücengewädie 
gewonnen. Manufaltur: und Fabritweien ftehen 
auf einer —* Stufe; hauptſächlich werden Baum: 
woll: und Wollwaren fabriziert. Die Staats— 
einnahmen (1881) beliefen ſich auf 837328, die 
Ausgaben auf 751460, die Staatsichuld (1884) 
auf 1372000 Doll. Es gibt 61 Nationalbanfen 
mit einem Kapital von über 20 Mill. Doll,, 
39 Spar: und 21 Staatäbanten. Im ſchulpflich— 
tigen Alter (65—15 2.) waren 52273. Bon diefen 
befuchten die öffentlihen Schulen 33504, kath. 
Schulen 4817; 12279 befuchten gar leine Schulen. 
Die 1764 gegründete Brown: Univerfity zu Provi: 
bence ift die Haupt:Erziehungsanitalt des Staats. 
Sie hat einen Fonds von über 600000 Doll., fünf 
Gollegegebäude und eine Bibliothet von 40000 
Bänden. Sieben tägliche und 26 wöchentliche Zei: 
tungen erſcheinen im Staate. Bon den religiöjen 
Genoſſenſchaften find die Katholiken, die Baptiſten, 
Epiitopalen und Kongregationalijten die ftärkiten, 
Die General: Affembiy beſteht aus einem Senate 
von 37 und einem Repräfentantenhaufe von 72 Mit: 
gliedern. Gingeborene männliche Bürger der Ber: 
einigten Staaten, weldye zwei Jahre im Staate 
und ſechs Monate in den Town oder der Stadt ge: 
— und eine Steuer von mindeſtens einem 
Dollar bezahlt haben, ſind ſtimmberechtigt. Natu— 
ralifierte Bürger dagegen müſſen liegendes Eigen: 
tum im Werte von 134 Doll. befiken, um ftimm: 
berechtigt zu fein. Der Gouverneur, VBizegouver: 
ner, Staatäfetretär, Staatöfhagmeijter und Ge: 


Rhodanus — Rhodochroſit 


neralanwalt werben jährlid) erwählt. Der Staat 
bat zwei Hauptitädte: Newport (j. d.) und Provi: 
dence (f. d.). Außer diefen find von Bedeutung: 
Pamwtudet 19030, Woonfodet 16050, Lincoln 
13765 und Warwid 12164 E. Noger Williams 
gründete 1636 Providence; 1638 ließen ſich Mit 
lieder der puritaniihen Sutcinjon: Party auf der 

njel X Er welde fie Isle of Rhodes (ipäter 

—— | nannten, nieder. Im J. 1663 be: 
willigte Karl II. einen Freibrief. Im J. 1776 
rüdten bie Engländer unter Clinton in R. ein und 
bielten mebrere Jahre lang Newport beſeßt. Am 
29. Mai 1790 wurde R. als leßter der 13 urfprüng- 
lihen Staaten in die organifierte Union aufges 
nommen, Bol. Munro, «Picturesque Rho 
Island» (Providence 1882), 

Nhoden, Stadt im Füritentum Waldeck, Kreis 
der Twifte, 12km nördlich von Aroljen, zählt (1885) 
1447 6. und bat ein Schloß mit fürjtl, Erbbegräbs 
nis und zwei Ziegeleien und Baditeinbrennereien, 
von denen die eine auch Thonöfen liefert. 
NHodeoretin, ſ. Convolvulin, 

Rhodez, Stadt in Südfrankreich, f. Rode. 
Rhodiiche Kunft nennt man eine zur Zeit der 
Nachblüte der griech. Kunft vom 3. bis 1. Jahrh. 
v. Chr. auf der Inſel Rhodos hervortretende Kunſt⸗ 
ſchule. Diefelbe hatte mit der nefamten damaligen 
—— Kunſt die im Laufe der Jahrhunderte erwor⸗ 
ene techniſche Meiſterſchaft und die Richtung auf 
den Ausdruchleidenſchaftlicher Gemutsbewegungen, 
auf das Pathetiſche, gemein. Sie verband dieſe 
Richtung mit einer gewiſſen Vorliebe für das Ro: 
lofjale und hielt fi zwar einerfeits dem Realismus 
der Bergamenifhen Kunft ferner, eignete ſich aber 
anbererjeit3 doch auch nicht den auf die höchſten 
Ideale gerichteten Geift der Kunſt Athens an, 

Die Rhodiſche Kunſtſchule ging von Schülern des 
Lyſippos aus, der felbit aud für die Inſel den 
Sonnengott auf feinem Viergeſpann gearbeitet 
2. zunächit von Ghares, der den berühmten 

oloß (1. d. ſchuf, außer welchem noch hundert 
andere auf der \jnfel waren. Gin etwas fpäter 
lebender rhodifcher Künftler, Ariitonidas, bildete 
einen reuigen Atbamas. Tas widtigfte Wert der 
Rhodiſchen Kunft ift der Paofoon (f. d.). 

odifer Holz, f. Roſenholz. 
Rhodiſeröl (Rofenholzöl),f.u.Rofenbol 
Rhodiferritter, foviel wie Johanniterritter, j. 
unter Johanniterorden und Rhodus. 

NRhodium (dem. Zeihen Rh; Atomgewicht 
=104), ein Metall, weldyes 1803 Wollajton in den 

latinerzen entdedte, wurde bit jegt nur als 5** 

ulver dargeſtellt, welches im Sauerſtoſſgebläſe in 
ge ya ge Geſtalt erhalten werden kann. 
Es ift graumeiß, metallglänzend, fpröde und von 
12,2 ſpezifiſ Gewicht, dabei in allen Säuren, 
auch in Königswaſſer unlöslich, nur in Legierung 
mit Platin und einigen andern Metallen wird es 
von Abigmage: mit rer Tas N. foll in 
fehr geringer Menge, dem Stable zugefeht, dieien 
härter machen als das beite Wooh, auch zu ſchwar⸗ 

n Vorzellanfarben angewendet werden können. 

oc) ift e8 feiner Seltenheit wegen bis jeht nicht 
techniſch benußt worden, , i 

hodius, Flußchen der Troas im alten Gebiete 
der Dardaner, der auf dem zum Ida gehörigen 
Kotylos entipringt und zwiichen Abydos und Dars 
danos in den Hellespont eeht. 

Rhodochroſit, joviel wie Manganſpat. 


Rhododendron — Rhodus 


Rhododendron L., eine zur Familie der 
Gricaceen gehörige Pilanzengattung, welche lauter 
immergrüne, durch jchön gebildete, oft prächtig ge— 
färbte, an der Spibe vorjähriger Aſte in Buſcheln 
ftehende Blumen ausgezeichnete Sträucher —— 
Alle gehören den höhern Regionen der Hochgebirge 
Europas, Aſiens und Nordamerilas an. Sie haben 
lederartige, ganzrandige, am Rande oft umgeſchla— 

ene Blätter, ibre Blumen aber einen fehr Heinen, 
— Kelch, eine ſchwach trichterförmige oder 
lodige Krone mit Hnfipaltigem, oft ſchwach zwei: 
ippigem Saum, fünf bis zehn auf dem Vlüten: 
boden —— oder der Röhre der Krone anhän— 
aende, abwärts geneigte Staubgefähe und einen 
Stempel mit fadenförmigem, aufiteigendem Griffel 
und jheibenförmiger Narbe, Frucht eine meilt fünf: 
fächerige, fünfllappige Kapfel mit feinen, pfriem: 
lien Samen. In den europ. ne fommen zwei 
Arten vor (vorzugäweije auf Kallboden), R. hir- 
sutum L. (j. Tafel: Alpenpflanzen, Fig. 11) 
und ferrugineum Z., beide Alpenrojen und Al: 
menraufd(b. i. —— genannt, Erſtere be: 
fipt borjtig:gewimperte, beiderſeits grüne, die zweite 
aber kahle und glänzend-grüne, unten bid mit roſt⸗ 
farbigen Schülferihuppen bededte Blätter. Beide 
Arten find aud für die Gärten verwendbar, lafien 
ſich jedoch nur in fühlen Lagen erhalten. Auch darf 
man fie nicht von ihren natürlihen Standorten in 
die Gärten einführen wollen, da fie meiftens nicht 
fortwadien, jondern fie müflen aus Samen und 
Fade aus Ablegern erzogen werden. Die be: 
deutendite der für die Kultur im freien Lande ge: 
— Arten iſt R, maximum Z., in Rordame— 
rita von Canada bis Carolina einheimiih und bier 
in feuchten Wäldern häufig, ein Heiner Baum von 
6—7 m Höhe, mit jehr diden, lederartig=derben, 
großen, länglicd) » elliptiihen, unten blafien, oft 
etwas roftiarbigen Blättern und dichten Dolden: 
trauben, großer glodiger, blaßrofenroter, im Grunde 
oft weiber Blume im Mai und Juni, Der obere 
Abſchnitt der Korolle iit innen gel ‚ purpurn oder 
grün punltiert. Durch Kreuzung dieſer Art mit 
andern, 3. B. R. ponticum, arboreum, Cataw- 
biense, And zahlreiche, prächtige Blendlinge ent: 
ftanden, welche in den Gärten die jept wenig mehr 
tultivierte Art vertreten, Für die Gewächshäuſer 
bat der Siftim:Himalaja eine große Menge der 
prädtigiten Arten geliefert, welche auch ihrerjeits 
ein ganzes von Heer Spielarten und Blenblingen 
erzeugt eben. — 

Rbodonit, ein triflines Mineral, welches in fei: 
nen feltenen Arpfallgefalten eine Annäherung an 
diejenigen des Augits zeigt, aber gewöhnlich mur in 
derben Mailen, in lörnigen bis dichten Agaregaten 
auftritt, von dunlelroienroter bis rötlichgrauer 

arbe, Bla Tanz, der Härte 5—5,5 und bem ſpezi⸗ 

ſchen Gewicht 3,5— 3,6. Chemiſch ift es vormwie: 
gend das den eigentlichen Gliedern der Augitgruppe 
ganz analog Fkonftituierte Manganorydulfilicat 

nSi0,, bejtebend aus 45,85 Kiefeljäure und 54,15 
Proz. Manganorpbul, von welchem aber oft Heine 
Anteile durd Kalt oder Magnefin oder Eifenorydul 
vertreten werben. Salziäure greift das Mineral 
nicht an. Es findet fi in großen Maſſen, welche 
zu ſchönen Vaſen und andern amenten ver: 
arbeitet werden, in ber Dean von Katharinen⸗ 
burg im Ural (bei Mälaja Sebelnilöwaia), aud 
bei San:Marcel in Piemont, lin bei Kpilip- 
ſtad in Schweden, Kapnil. Künftlih fann man 


677 


dasſelbe durch — — — von Mangan: 
fuperoryd und Kiefeljäure darftellen. 

— hodöpe, jebt Despoto Planina, bis 
2300 m hohes, waldreihes Gebirge in Thrazien, 
welches zwijchen den Flüſſen Hebros und Neitos fo 
fih lagert, daß der Hauptzug den lektern in fü 
füdöftl. Richtung begleitet, ohne indejjen den Saum 
des Meeres zu erreichen, 

era der 166. Aiteroid, f. u. Planeten. 

NRhodophyceen und Nhodofpermeen, f. 
a air dorf im bayr. Regierungsbezirk 

odt, Pfarrdorf im bayr. Negierungsbezir 

Pfalz, AR Aue Landau, am Ditfub der Hardt, 
-r (1880) 1424 evang. E. und hat Sandftein 

rühe und Weinbau. 

Mhodus, Inſel im füböftl, Teil des Ugäiſchen 
Meers, 22 km von der ſudweſtl. Küfte Kleinaſiens, 
jeßt zum türl. Bilajet Dichefairi:Bahri: Sefid ge: 
börig, ift 60 km lang, 22 km breit und 1360 qkm 

* und wird von Gebirgen durchzogen, deren 
ſter, von den Alten Atabyrion genannter Gipfel 
134) m erreiht. Die free hiſtor. Bevölkerung 
war phöniziſch; von den Vhöniziern find auch die 
drei Städte Lindos, Jalyfos und Kameiros begrün: 
det, die gegen 900 dv. Chr. durch doriſche Einwande⸗ 
rer aus Argolis helleniiiert wurden und mit Hali: 
farnafjo®, Knidos und Kos einen Bundesverein, die 
fogen. doriſche Herapolis, bildeten, fpäter auch 
einige Kolonien, wie Gela in Sicilien, gründeten. 
Die Macht der Inſel wurde mefentlih gehoben 
durd) die 408 v. Chr. von ben drei Städten gemein: 
fam au&geführte Gründung einer neuen der Inſel 
ſelbſt glei namigen Hauptitabt auf der Norbdojt: 
ipige der Inſel. Während Aleranders Regierung 
Band die Inſel unter macedon. Herridaft, machte 
ih aber (323 v. Chr.) nad feinem Tode unab: 
* ig und ſchwang ſich bald zu einer See⸗ und 

m eriten Ranges auf; ihre Geegeich: 

Dung alt in allen Gewäſſern des Nittelländi: 
—* eeres und wurde ſpäter von den Römern 
— auch Wiſſenſchaft und bildende Kunſt 
Koloß) Baer in hober Blüte. Den Römern be 
währte ſich R. während ibrer eriten Kämpfe im 
griech. Drient feit 200 v. Chr. als treue Bundes: 

enoſſin und erhielt sum Lohn dafür 189 v. Chr. 

cien und den ſüdl. Teil Kariens; dieſen groben 

Befig mußten die Nhobier zwar ſchon 167 v. Chr. 
wieder aufgeben, aber fie behielten bie füdlichite 
Halbinfel Kariens, welche nun den Namen des 
rhodiſchen Peräa führte. Die Inſel Fan nomi: 
nell ihre Selbitändigfeit bis auf Kaiſer Diocletian, 
wo fie zum Mittelpuntt einer eigenen ‘Provinz, der 
fog. Injelprovinz — insularum) gemacht 
wurde. Später teilte R. das Schidfal des Byzan: 
tiniſchen Reichs, wurde 1309 endlich durch 
Stobanniterorden (ſ. d.) befeht, deſſen Mitglieder 
daher au den Namen Rh odiferritter befamen. 
Der Orden verlieh aber die Inſel 1522 und ver: 
taufchte fie mit Malta, weil er fich gegen die furcht⸗ 
baren Angriffe des osmaniſchen Sultans Soliman 
des Großen nicht länger zu halten vermochte. R 
ift jeht Siß eines Paſchas und eines griech. Erz⸗ 
biihofs, hat 28000 E. wovon 21000 Griedhen, 
6000 Zürlen und 1000 Juden, und befindet ſich in 
einem fehr vernadjläffigten Zuftande. Der Ertrag 
an Dliven, Feigen und Sübfrüchten it Bi An 


durch den 


bie Rebe behauptet den alten Ruhm. Die Inſel 
mwurbe oft von Erdbeben, befonders fehr ftarl am 
23. April 1863, heimgeſucht. - 


678 


meiltend Griechen, liegt noch N 
Stelle. Sie ift amphitheatral erbaut, bat zwei 
Häfen und bietet den Anblid des traurigiten Ber: 
falls, Die Feſtungswerle liegen in Ruinen, bes: 
gleichen feit bem Erbbeben von 1863 die Johannis: 
iathedrale der Rhodiſer, welche in eine Moſchee 
umgewandelt war. An bie Zeit der Orbengritter 
erinnern noch die pittoresfe Nitterjtraße, jowie die 
verſchiedenen Grofprioreien. Sonſt ijt nur noch 
Lindos an ber Oſtküſte de erwähnen, jekt von 
Sichern bewohnt. Val. Rob, «Reifen nad Kos, 
Halitarnafjos, R. und der Anfel Cypern» (Halle 
1852); Guerin, «Voyage dans l’ile de Rhodes» 
(Bar. 1856); Berg, «Die Inſel R.» (2 Bde., Braun: 
ſchweig 1861); Biliotti und Gottret, «L’ile de 
Rhodes» (Gompiegne 1882). j 

Nhombus (grch.), ein Parallelogramm mit 
ſchiefen Winkeln und gleihen Seiten, Ahomboid 
eins mit ſchiefen Winkeln und ungleihen Seiten: 
vaaren, oder ein Viered, bejtehend aus zwei ver: 
ſchiedenen gleichſchenleligen Dreieden, welde die 
Yafıs gemein haben. , 

NRHonchus (grch.), Rafieln, Schleimrafieln, das: 
jenige Geräuſch, weldhes man vermittelit der Aus: 
tultation bei Schleimanfanmlungen in den Zungen 
und Luftwegen vernimmt._ — 

Rhöne (der, in der Schweiz gewöhnlich bie, 
frz. Le Rhöne, lat. Rhodänus), nädjit der Loire 
ver größte Strom Frankreichs, entipringt im 
ſchweiz. Kanton Wallis mit einer warmen Uuelle, 
dem Rotten, 2040 m über dem Meere an der Waien: 
wand, und einer falten, dem Abfluß des Rhöne— 
gletſchers, 1777 m über dem Meere am Fuße der 
Furka und durdjfließt, nad) der Vereinigung beider 
Quellbäche bei dem Berghotel Gletſch (1761 m), in 
mweitfübweftl. Richtung das 120 km lange, an ber 
Sohle bis 3 km breite, zwifchen den Benninifchen 
und den Berner Alpen eingefentte Längenthal des 
Wallis, defien Seitenthäler ihm eine Menge aus 
engen Felspforten hervorftürzender Gletſcherbäche 
aujenden: rechts die Mafla, Yonza, Dala, Litne, 
Sionne, Morge ıc., links die Binna, Saltine, Bifp, 
den Turtmannbach, die Ravifance, die Borgne und 
die Dranfe. Bei der Mündung der lektern unweit 
Martigny (460 m) tritt der R. nah NW. umbie: 
gend in das Duerthal des untern Wallis und flieht, 
nachdem er bei St.-Maurice ben * orte 
du R. zwiſchen der Dent du Midi und der Dent de 
Morcles durchbrochen, als Grenzfluß zwiſchen 
Wallis und Waadt durch eine ſumpfige Thalebene, 
in welcher er links die Vieze aus dem Val d'Illiez, 
rechts die Grande Eau aus den Ormonts aufnimmt, 
dem Genferſee zu, in den er nad) 162 km langem 
Lauf 375 m über dem Meere bei Bouveret durd) 
ein Delta einmündet. Bei Genf verläßt er als 
Harer blauer Strom den See und fchlängelt ſich 
ſuüdweſtlich Durch das Molaffehügelland des Kantons 
Genf, bis ihn der breit vorgelagerte Bergwall des 
Jura une feinen Weg quer durd) das Gebirge 
zu ſuchen. Zunädjt durabricht der Strom, 5 
dem er 16 km fübmwejtlid; von Genf, 336 m über 
bem Meere auf franz. Gebiet übergetreten, bie 
Felsſchlucht des Fort de Lecluſe zwiichen dem Mont: 
Credoz und dem Mont:Buadhe und 4 km weſtlich 
von derjelben, bei der Mündung ber Balferine, die 
Perte du Rhöne, in deren Schlund der N. vor 
ber Erweiterung feines Vettes durch neuere Spren: 


ie an ber alten 


— — — — — — — — — — — — — — — — — — — 


Rhombus — Nhöne 
Die Hauptſtadt Rhodus, mit 10000 E., ſchwand; dann fließt er 


in breitem fieigen Bett, 
zahlreihe Werder umf&ließend, längs der alten 
Grenze von Franlreih und —— an Seyſſel 
und a vorbei nad) ©. und SW., wendet ſich 
bei St.:&enir d’Aofte (235 m) ſcharf nah NW. 
und tritt, nachdem er die weitl. Vorſtufen des Jura 
durchſchnitten, bei Bort:-Lagnieu in die Tertiärebene 
der Brefle, die er zuerſt in ſüdweſtl., dann in weitl. 
Richtung durdjitrömt. 
‚ Bei Lyon (161 m) wird der N. durch die rechts 
einmünbende Sadne nad ©. abgelenkt und behält 
diefe Hauptrihtung in feinem Laufe über Bienne 
(150 m), Balence, Montelimar (97 m), Beaucaire 
und Tarascon, Avignon (12 m) und Arles bis zur 
Mündung in den Golf du Lion bei. Rechts von 
den Bergen bed Lyonnais und der Gevennen, [ints 
von den * Vorſtufen der Weſtal den Ge⸗ 
birgen der Droͤme und Aigues ein eihloffen, öffnet 
fich das untere Rhönethal erft bei Pont St.-Eaprit, 
35 km ſüdlich von Montelimar, und bei Avignon 
erweitert es fid) zu einer breiten Tiefebene , in wel: 
der der bis dahin reibende und tiefe Strom zwi: 
ſchen niedrigen Ufern in einem durch Gefhiebe und 
Sand verfladhten Bett langſam dahinſchleicht. Bei 
Arles (3 m) beginnt das Delta: nah SEW. fließt 
der Grand R., der ſechs Siebentel des Waſſers 
abführt und feine Hauptmündungen , bie Dit: und 
die Rouftanmündung zwiſchen dem Golf du Fos 
und den Yagunen des Vieur⸗Rhoͤne durch Schlamm: 
ablagerung immer weiter in dad Meer hinaus: 
ſchiebt, nah SW, der Petit: Nhöne, von dem ſich 
(ints der fanalifierte Rhöne:vit abzweigt. Zahl: 
reihe verfumpfte oder verjandete Lagunen und 
Teiche und tote Flußläufe fowohl in der zwifchen 
beiden Hauptarmen gelegenen Inſel Camargue 
(f. d.), wie in ber Crau (f. d.) öltlih und in ber 
Ebene von Aigues:Mortes mweitlic von derfelben, 
beweifen, daß der Strom häufig fein Bett wechjelt. 
Das Gtromgebiet bes R. umfaßt 97800 qkm, 
wovon 7700 auf die Schweiz fallen. Seine wichtig: 
ften Nebenflüffe unterhalb des Genferfees fi 
rechts die Valjerine, der Ain, die Saöne mit dem 
Doubs, die Ardeche und der Gard, links die Arve, 
ber Fier, ber Guier3, die Iſere mit dem Arc und 
dem Drac, die Dröme und die Durance. Außer 
zahlreihen Sumpfieen und Zeihen in der Breſſe 
und einzelnen kleinen Seen in den Gebieten des 
Guiers und des Doubs befist das Rhönebeden drei 
größere Seen, den Genferfee (578 qkm), den Lac 
d’Annecy (28 qkm) und den Lac de Bourget 
(75 qkm). Die Stromlänge beträgt 810 km, wo: 
von 260 auf die Schweiz (72 auf den Genferice) 
fallen. Somohl die Breite, wie das Gefälle find 
jehr verſchieden. In der Berte du R. ift der Strom 
nur 25 m, bei Balence 670 m, bei Arles 1600 m 
breit. Das Gefälle, durchſchnittlich 222 m per 
Kilometer, beträgt von Gletſch bis zum Genferiee 
8,6 Promille, von Zyon bis Arles 0,55 Bromille, von 
Arles bis zur NündunglaumO,0 Promille. Obm 
die Sayflahrt im untern Teile dur Sandbänte, 
im obern durch die ſtarle Strömung erſchwert wird, 
ift doch der R. bis Seyſſel hinauf fiffbar und 
wird | — von Dampfern, wie von Segelbooten, 
in der Tiefebene bis Beaucaire hinauf ſogar von 
Seeſchiffen befahren. Die wichtigſten Schiffahrtss 
Tanäle find im untern Laufe der Kanal von Beau: 
caire nad Aigues:Mortes, der Kanal von Arles 
nad Bouc und der Kanal St.Louis vom Turme 


gungen bei tiefem Waſſerſtand vollitändig ver: | St.Louis öftlidh zum Golf du Fos. Mit dem 


Rhonen — Ahöngebirge 


Rhein ift das Nhönegebiet durd den Rhöne— 
Rheinkanal verbunden, der von ber Saöne jur 
führt, mit der Loire dur den Canal du 
entre (Chalon:fur:Saöne:Digoing), mit der 
Seine durch den Canal deBourgogne, der von 
der Sadne zur Yonne gebt. Die andern Kanäle die: 
nen teild wie der Derivationsfanal der Perte du 
R. der Induſtrie, teild wie die Kanäle im Wallis 
ber Entijumpfung bes Uferlandes und der Korrek— 
tion des Stroms, der durch feine Hochwaſſer nicht 
felten große Verwüſtungen verurfadt. 

Nah dem R. find zwei Departements im füböfll. 
Frankreich benannt: 

Das Rhöne: Departement, welches aus dem 
öftlihen oder eigentlichen Lyonnais und aus Beau: 
jolais gebildet wurde, zählt auf 2790,39 qkm (1881) 
741470 E. alſo 265 auf 1 qkm. Es iſt das volfs: 
dichteſte Departement von ganz Südfrantreih und 
eins der vollädichteiten im ganzen Staate. Das: 
felbe zerfällt in die Arrondifjements Lyon und Ville: 
frande, zufammen mit 29 Kantonen und 264 Ges 
meinden und bat zur Hauptjtadt —* (f.b.). Das 
Bergland von Lyonnais, weldes aud) in das 
Depart. Loire gg erfüllt den größten Teil 
bed Departements. Die Höhen, die bier im Mont: 
Zarare 1004 m —— en einen ſteinigen, un⸗ 

ruchtbaren Boden; die Vertiefungen und engen 
Flußthäler Fieg die üppigſte Vegetation mit Gar: 
tenlultur. Die Hauptflüfie And der R. unddieSaöne 
mit zahlreihen Zuflüflen, nur wege Gemwäfler 
gehören dem Gebiet der Loire an. In den R. führt 
an der Südgrenze ber Kanal von Givors in dem 
Thale des Gier. Das Klima ift mild und gefund, 
Faft alle Pflanzenprodulte —— edeihen 
bier trefilic, namentlih Maulbeerbäunte, die zum 
Behuf der Seidenkultur in umabfehbaren Pflan: 
jungen gezogen werden, ferner die feinften Obft: 
arten —— Weine. Die dichten Waldungen 
des Gebirges iefern vortreffliches Tannenholz, 
und ganze Wälder von Kaſtanien die beliebten 
Maronen von Lyon. Stark wird der Anbau von 
Futterkräutern betrieben. Rindvieh und Pferde 
werben nur wenige, deſto mehr Eſel, Schafe und 
gie en gezogen. Die Flüſſe liefern viel Fiſche. 

* bedeutend find die Schäße des Mineralreichs, 
befonders in Steintohle, Kupfer, Eifen, Blei, Zint, 
Marmor, Porphyr, Granit. Die Induſtrie, deren 
Mittelpunlt Lyon, umfaßt . alle Artitel des 
franz. Gewerbfleihes. Dbenan ftehen die Seiden: 
fabriten, die wichtigſten Frankreichs; ausgezeichnet 
find aud) die Baummwoll:, Farbe: und Eifenwaren. 
Zarare (f. d.) ift der Mittelpunkt einer ausgebrei: 
teten Muffelinmanufaltur und das Dorf Cours 
(mit 3879 [Gemeinde | €.) gilt al3 Centrum 

ür die Fabrilation der Beaujolaisleinwand. Ebenſo 
edeutend ift der Handel mit eigenen Natur: und 
Kunfterzeugnifien, 

Das Depart. Nhönemündungen (Bouches 
du Rhöne), aus dem ſüdweſtl., auch das Mhöne: 
delta umfaſſenden Teile der Provence gebildet, im 
N. durch die Durance vom Depart. Bauclufe ge: 
trennt, im D. von Depart. Bar, im S. vom Mittel: 
meer (mit einer Küftenentwidelung von 160 km), 
im W. vom Depart. Gard begrenzt, zählte 1881 
auf 5104,87 qkm 589028 E., — in die drei 
NMrrondiiiements Marjeille, Air und Arles mit 
27 Kantonen und 109 Gemeinden und bat zur 
Sauptjtabt Dtarjeille (f. d.). Ein Dritteil bes De: 
partement3 iſt Bergland, gebildet von niedrigen 


679 


Alpenausläufern. Der Doden beiteht überwiegend 
aus Steppen und Heiden, Sand: und Steinfläden; 
nur in den von Flußſchlamm gebüngten oder durch 
tünftlihe Bewäflerung in Kulturland verwandelten 
Landjtrihen ift er fruchtbar. Das Klima iſt im all: 
gemeinen heiter und mild und, außer in den Sumpf: 
gegenden, troden und gejund; der Scewind mildert 
die Hitze. Selbit lalter Nordwind, Mijtral genannt, 
und Reif find nicht felten und den Pflanzunaen 
jüdeurop. Feldfrüchte Shädlih. Die Hauptprobufte 


find Mein und Ol, außerdem Gemüſe, Objt, beſon— 


ders Pilaumen, Granatäpfel, Mandeln, Feigen, 
enllogien, Kapern und Färberröte. Die Berge und 
Hügel find mit Kräutern bededt, und an den Ufern 
der Strandjeen jammelt man altaliiche Bilanzen 
zur Bereitung von Soda. Berühmt find die Weine 
von Caſſis und Giotat, das Ol von Air. Die 
Seidenkultur iſt fehr bedeutend. Die Seefiſcherei 
iſt ſehr einträ —* und liefert Thunfiſche, Sardellen, 
Anchovis u. J. w.; in den Etangs fängt man mit: 
tel3 großer Fiſchzaune (bourdigues) auch Meeräiche 
rel Cop alus), aus deren Rogen die beliebte 

otargo (boutargue), eine Art Kaviar, bereitet 
wird. Das Mineralreich liefert nur Steinkoblen, 
Kalt, Gips, Marmor und Schleifſteine; aus den 
Gtangs gewinnt man Seeſalz. Obſt- Öl: und 
Weinbau find Hauptzweige der phyfiihen Kultur; 
die Induſtrie liefert Zuch, Wollgeuge und Baum: 
wollwaren, Weineffig, Seife, Pottajche, dem. 
Produkte, Leder, Korallenarbeiten, Papier, Eifer: 
waren und Schiffe Anſehnlich ift der Handel, 
defien Mittelpunft Marfeille bildet. 

et (Hohe), ſ. ger Rhonen. 

Rhoͤneweine heißen bie franz. Weine, melde 
an beiden Ufern des Rhöne, in Yyonnais und Lan: 
gueboc auf dem rechten, in Dauphind und Provence 
auf dem linten, gebaut werden. Sie —53 ſich 
durch Feuer, zum Teil durch große Feinheit und 
angenehme Fülle aus. Die vorzüglidften roten 
R. find: Hermitage, Cöte rotie, Verinay, Mercu: 
rol, Erojes, Gervant, Zavel, Chusclan, Cante: 
Derarize, Clo8 de&t.:Batrice, Gornas. Von weihen 

. find & nennen: Hermitage, Condrieu, St. 
Veray, St.:Jean; von Liqueurweinen: Beaume, 
Roquevaire, Barbantanne u. f. w. 

NRhöngebirge oder die Rhön, ein Gebirge, das 
ben norbweitl. Zeil bes bayr. Regierungsbezirts 
Unterfranten und den füdl. Teil des — — 

titentums Eiſenach erfüllt und ſich bis in das 

ldaiſche (namentlich in den preuß. Kreis Gers: 
eld) und Meiningenſche eritredt. Bon der Werra 
und obern Fulda, der Sinn und Fränliſchen Saale 
begrenzt, im Norden durch die Werra vom Thü— 
ringerwalbe getrennt, im Suden buch bie Jul: 
daiihen Höhen mit dem Spefiart in Verbindun 
oefept, beiteht das Gebirge meift aus wunderli 
geitalteten Trachyt-⸗, Bhonolith: und Bajaltkuppen 
und Kegeln. Die bis 630 m Höhe reihende Grund: 
mafie der Triadformation (Buntjandftein und 
Mufceltalt) enthält eine Menge erloichener Bul: 
fane und Moore und zerfällt in drei Abſchnitte: 
die füblihe, die Hohe Rhön und bie Vorderröhn. 
Die füdlihe Nhön licgt zwiſchen der obern Sinn 
und der Fraͤnliſchen Saale, zwiſchen den Badeorten 
Brüdenau und Kiſſingen und befteht aus flachkegel: 
förmigen Bergmafien, unter benen der 930 m hohe 
Kreuzberg, füdlih von Biihofsheim, die be: 
deutendite und dadurch merkwürdig ilt, dab von 
ihr aus das Chriftentum über das Frantenland 


680 Rbhopaliſch 


verbreitet wurde, nachdem der heil. Kilian 668 das 
Kreuz auf ihrem kahlen Gipfel sg rg 
Geit 1582 Ind ein fteinernes Dentmal daſelbſt 
Dura Jahre ſpäter wurde ftatt der Slapelle und 
des Mohnbaufes der S 20 m unter 
dem Gipfel, die gegenwärtige Kirche und das Kloſter 
erbaut, ein heruhmter, vielbeſuchter Wallfahrtsort. 
Im NE, erbebt fih die Oſterburg, ein Berg mit 
gewaltigen Yavamaljen und den Nuinen ber gleich: 
namigen Burg. Gegen SW. erheben ſich die bis 
819 m hoben Schwarzen Berge mit jehr breitem 
Nüden und einzelnen Bajalten. Die Hohe Rhön 
beginnt im N, der Sinn, im W. vom Kreugberge, 
und g gegen NND. zur Quelle der Fulda und 
Uliter bis nah Tann und Kaltennordheim. Gie 
bildet einen fehr zerllüfteten, lahlen, öden und 
feliigen Rüden mit einzelnen Kegelbergen und gro: 
— Mooren. Auf preuß. Gebiet erhebt ſich bei der 
uldaquelle die 931 m bobe Abtsroder Höbe, 
die 876 m hohe Pferdekuppe und die 950 m 
bobe Waſſerkuppe und im ſüdl. Teile das 930 m 
re Dammersfeld, mit herrlichen Wiejen und 
edeutenden Ninderberden. Die VBorderrhön 
umaibt die Hohe Nhön mit 250—400 m hohen 
Flächen, über welche ſich viele ijolierte Berglegel 
noch 300 m erheben. Sie ijt reicher bebaut, haͤu— 
figer bewaldet, überbaupt mannigfaltiger geitaltet 
als die Hobe Abön; 15 km öjtlid) von Fulda erhebt 
* er ein 826 m hober Rhonolit rüden, die 
Dilfeburg oder Milzeburg, aud Heufuder 
oder Totenlade genannt, ein langgeitredter 
Nüden mit fteilem Abſturz und der Wallfahrts⸗ 
tapelle des heil. Gangolph. Südweſtlich davon, an 
der Quelle der Haun, liegt die merfwürdige Stein: 
wand oder TIeufelswand (646 m abiofuter 
Höhe), eine gewaltig jertrümmerte Phonolithen: 
maſſe, und im NM,, auf 451 m hohem Felſen, das 
Sdioß Bieberſtein, "ehemals Sommerrefidenz des 
Fürjten von Fulda. In der nördl. Vorderrhön, 
zwiſchen den Thälern “der Felda und Ulſter, die 
lint3 in die Werra fließen, erheben ſich die Zahl: 
reihen Bajaltkegel, der ganz mit Laubwald bededte 
Bayerberg bei Lengsfeld 706 m, der Dietrichsberg 
669 m u.a. Nacı ND. gegen das Werratbal am 
weitejten ir bildet die Vorderrbön das 
Henneberger Bergland mit dem Geba 750 m 
und dem Bleßberg 645 m body, beide im Herzogtum 
Meiningen. Bol. Barth, «Tas N.» (Fulda 1871); 
Schneider, «ührer durch die Nhön» (2 luft MWürzb. 
1880); a? „Die Rhön (2. Aufl. ‚Würzb. 1882). 
Nova ich (acc). ), ——— thopaliide 
Verſe, ſolche, in denen jedes folgende Wort eine 
. a. at als das unmittelbar vorhergehende. 
.. — (grch.), Malerei für Kleintram, 

f. en le 


— Roswitha. 

NRHotazismus (arch.) nennt man in der Sprach— 
wiſſenſchaft den in den verſchiedenſten Sprachge— 
bieten, z. B. in griech. Dialekten, im Lateiniſchen 
und im Deutſchen vorliegenden libergang vom 
tönenden s (z)inr, 3. B. unſer wären (neben ge- 
wesen) aus urgernran, wezum. 

Rhuddlan, Stadt im engl. Fürftentbum Wales, 
Grafſchaft Flint, rehts am untern Clwyd, Sta: 
tion der Linte Rbyl: Denbigh⸗Corwen der London 
and Northweſternbahn, bat 1233 E., einen klei— 
nen Hafen und Bleigruben. Hier unterwarfen ſich 

1284 die — Geſchlechtshäupter dem engl. 
König Eduard L 


— Rhyndacus 


Rhus L. ——— eine Dee Familie der 


Terebinthaceen gehörige I an an. 
ten und Fubtropifchen En ** Erd 
heimiſche Gehölzgattung mit abwechſelnden 
weder — oder —— Blättern 
Heinen, unjdeinbaren Blüten in rtigen 
Nifpen und mit Heinen trodenen, m 
einfamigen Gteinfrüdten. Von bdiejer ng 
finden ih in unjern Gärten und Barkanlagen 
mehrere jhöne Sträucher oder Heine 
baufigften folgende: R. typhina Z., 
Eſſigbaum, aud Hirfchlolben genannt, Teil die 
ftarten, jungen Zweige dicht mit wei, —— 
Haaren 108 * in u ine das fl 
junger, noch nicht gefeg ge 
Ihm ahni ich, aber in allen Teil en Hg 
Goriaria L., der Gerber: Sumad. Seine zu 
Pulver zerffeinerten Zweige und 344 ſind unter 
dem Namen Schmad i im Handel und werden zum 
Gerben der Häute, wie aud zum Schwarzfärben 
benußt. R. glabra L. bat eine um vieles 
elegantere u Auch als ber —— —— 
ee — —— iei —25 —— > 
Frankreich und von bier in eing 
ihre Blätter find länger und * und 
chen fiederſpaltig oder ſelbſt BE ae 
dunkelgrün, unten graulichweiß 
ſchönſten Zierſträucher ift die in —— und im 
Drient einheimiihe R. Cotinus ZI, 
rüden:Sumad, mit einfadhen, —— 
elliptiſchen, ſteifen, glänzend: bellgrünen Blättern, 
Seinen Hauptichmud erhält diefer Baum, wenn 
in den lodern Nifpen der uniheinbaren Blüten 
viele derjelben, weil unfruchtbar, abfallen und ibre 
Stiele zu langen, röhrigen oder platten Haaren ſich 
verlängern und jufammen große Perüden ähnliche 
Ballen bilden. rüber in Gärten und Parka 
häufig, doch wegen der Giftigkeit aller feiner Teile 
meilten® unterdrüdt * 9* da —— 
der Giftſuma xicodendron L., ein 

In pen Nordamerifa Sinbeimifcher, — ie 

dem Boden liegender Straud. iftig iR 

auch dergegenden Hinter Deutfehlande ernprubnhe 
Sirnisbaum, R. vernix Z., aus —— 

RHHafolith, ältere Bezeichnung fürden Sanidin 
oder glafigen Feldſpat. [öfint (j. d. 

Rh I, Seebad in der walifif 

Rhynchoo a, Brüdehjen oder auch 
Tuatara, iſt ber ae. einer nur aus einer Gat⸗ 
tung und Art beftehenden Ordnung der —— 
Die Brüdechſe (Hatteria punctata) hat bilontave 
Wirbel, ein mit dem Schädel unbeweglid verbun: 
denes Auadratbein und über jede —— 
eine knocherne Brüde, Die Lungen haben ein groß⸗ 
mafchiges Gewebe, wie bei Amphibien; Vega 
organe fehlen und in jedem Zwiſchenli 
1 ein einzelner Ant a breiter dee ähnlich wie 
ei den Nagetieren, Die Brüdec ft grünlich 
(mars mit großen, gelben Fleden, 

Fuß lang und bewohnt Neufee 
Heine Inſelchen in der Näbe der Neöntü, 
rend fie auf dem Hauptlande te 
ſcheint; rg verſchiedene Punlte a. Sram 
fation ftebt fie unter ben Reptilien 
(nf Inüpft aber an foffile dormen en 
pedon, "Rhy nchosaurus) u. —* — 

2 

yudäcnd, 


Ei 3 ai, 
ND. Kfeinafiens, ei“ st eig = ar 


—— am 


namentlid 


Nhynns of Gallowah — Rhythmus 


—— Myfien und Bithynien unterhalb bes 
(ympus vorüber, durch den See Artynia (iebt 
von Abullonia) und dann mit dem Maceitus (jebt 
Sufurlutichai) vereint in bie —— flieht. 
Rhynus of Galloway, |. unter Wigton. 
Mhyolith (auch Liparit oderQuarztrahyt), 
ein in einigen Gegenden weit verbreitetes, zur 
Trachytgruppe geböriges Gruptivgejtein der Ter: 
tiärformation, welches nad) feiner petrographiichen 
Beihaffenheit ein fpäteres Hquivalent der den 
frübern Perioden angebörigen Quarz: oder Felfit- 
porphyre darſtellt. In der Regel zeigt es in einer 
weißlichen, — oder hellroͤtlichen Grund⸗ 
maſſe Kriſtalle von Quarz und Sanidin (glaſigem 
Drthollasfeldipat) ausgeſchieden, wozu ei auch 
noch Plagioklasleiſten, dunkle Gtimmerblättchen, 
Hornblendefäulen und Augitkörner gejellen fönnen. 
Bisweilen iſt der Quarz nur milroftopiich fichtbar, 
bisweilen fehlt er ganz, wobei aber das Gejtein 
dennoch feinen charakteriftiich oben Kieieljäure: 
Re bewahrt. In manden R. finden ſich reich: 
iche mitroffopiiche Aggregate von Tridymit. Die 
vielfach nicht fompalt, jondern porös ausgebildete 
oder Trümmer und Neiter von Hornftein und 
Jaſpis enthaltende Grundmaſſe iſt unter dem Mikro: 
top ſehr verichiedenartig zufammengefept und 
truiert, nur ſehr jelten ganz kryſtalliniſch-körnig, 
meijt jpielt mitrofelfitiiche, —I oder glaſige 
Subſtanz darin eine weſentliche Rolle, und jphäro: 
lithiſche Bildungen befihen eine außerordentliche 
Verbreitung; ausgezeichnete Fluktuationsftruktur 
iſt ſehr häufig, die ſich vielfach auch dem bloßen 
Auge in einer lamellaren Beſchaffenheit ausſpricht. 
Die —— pflegen reichlich Glaseinſchlüſſe, 
keine Fluſſig *8* uſſe zu enthalten. Wie in 
der Gruppe der gi yre fommen aud) hier Varie: 
täten vor, welche gar feine ausgejchiedenen Ge: 
mengteile in der Grundmaſſe aufweilen, In chem. 
Hinſicht find die R. noch kiejeljäurereichere Öejteine, 
als die Altern Granite und Quarzporpbhyre, indem 
ber Kiefelfäuregehalt 75— 77 Proz. beträgt, aud) 
waltet, im Gegenjaß zu lebtern, bier das Natron 
über das Kali vor. Reich an R. find die Inſel Is— 
land, das ungar.fiebenbürg. Gebirge, die Hügel: 
gruppe der Guganeen, bie Lipariſchen und Ponti⸗ 
niſchen Inſeln, das Rhodopegebir e der Balkan— 
balbinfel, das armen. Hochland, Neufeeland, Merito, 
insbejondere der Weiten von Nordamerita, mo 
rbhyolithiiche Ergüfie fih in großer Mächtigteit ver: 
breiten, In engiter Vesiehung zum Rt. jtehen die 
meiiten Opiidiane und Berlite, gewiſſe Bimsſteine 
und Pechſteine, welche nur bejondere Eritarrungs: 
mobifilationen desfelben Gejteinsmagmas find. 
Rhypia (grch.) oder Rupia, Schmutz- ober 
Bortenflechte, chroniſche Hautfrantheit, bei welcher 
die Haut mit diden, feiten, rot: oder dunfelbraunen 
Borken und Kruften bededt it. Behandlung: Auf: 
weichen der Borlen mit Öl, wieberholtes Betupfen 
mit Höllenftein. Mitunter ift die N. ein Symptom 
der Syphilis, und dann muß diefe zunächſt ener: 
giih behandelt werden, 
gpegrapbie (grch), «Schmuhmalerei», ſ. 
ebe 


(ar) beyeißnet jede abgemef 
th. eichnet jede abgemeſſene 
oder taltmäßige Beie Borzüiglih wirb ber 


gung. 

Ausdrud R. von dem * beſtimmten Ton: und 
Mafverhältnifien geregelten Gang in der Muſil 
und Boefie gebraudt, wo die R. einer Erregung 
ber le entivrechen, indem fie, bald ſchwebend, 


681 


bald * dahineilend oder hüpfend, bald ge— 
halten und feierlich würdevoll, bald kühn und ftür: 
miſch, bald wieder weich dahinſchmelzend, ebenjo 
verjchiedene innere Bewegungen ausdrüden. R. in 
der Muſik als der figurierte Zeitwechſel aufein: 
ander folgender Töne iſt mit dem N. in der Poeſie 
als dem figurierten Zeitwechiel aufeinander folgen: 
der Worte nur verwandt. Der R, in der Muſit 
beiteht in dem Wechfel von Beitteilen vielfältiner 
Länge und Hürze innerhalb eines gleihmänig 
wiederlehrenden Beitmaßes, welches der Talt (j. d.) 
genannt wird. Zum R. in der Poeſie gehört eritlich 
die Gruppierung der langen und kurzen Silben in 
Betracht ine Heitlänge oder Quantität und zwei 
tens der Accent oder die verichiedene Betonung der 
Silben. Man bemerkt nämlich außer der längern 
oder fürzern Zeitdauer der Silben, nach welder fie 
in lange, kurze und mittelzeitige eingeteilt werden, 
noch eine andere Gigentümlichleit der Sprachen, 
vermöge deren gewiſſe Wörter oder Silben durch 
ftärfern Drud der Stimme vor andern hervor: 
gehoben werden, So find die beiden Silben in 
«Heirat» an Zeitgehalt einander gleich, aber ver: 
ſchieden in Hinfiht auf die Tonftärte. Die Silbe, 
welcher die Hebung zukommt, nennt man gewöhn: 
lich Arfis (bezeichnet durch“), die, auf welche die 
Sentung fällt, Theis, die Hebung der Stimme 
felbft aber Ittus. (S. Arſis und Theſis.) Auch 
wo kein Wechſel von ai und kurzen Silben 
ftattfindet, wie 3. B. in dem ſpondeiſchen Herameter, 
fann durch die bloße Arhıs und Theis Mannig: 
faltigeit des Ganges und der Bewegung bervor: 
gebracht werden. So find Hebung und Senkung 
die eigentliche Seele des R. Iſt die Thefis der 
Arfis an Zeitgehalt glei, fo entiteht das gleiche: 
Ungleichheit der Theſis oder Arſis aber gibt die 
ungleihen Rh — Silben, die als 
Arhs und Then in Verbindung fteben, geben die 
rhythm. Reihe, die, je nachdem Arfis oder Theſis 
vorangeht, eine auf: oder abſteigende iſt, und deren 
mehrere einen Vers bilden. Die Glieder eines Ber: 
ſes oder einer —— — heißen Füße (pedes). 

Diefe find folgende (1. auch die einzelnen Artitel): 
1) zweifilbige Füße: Pyrrhichius (vu), Jambus 
u_), Trobäus (—), Spondeus (— ——); 2) drei- 
ilbige: Tribrahys („w), Molojius (— — —), 
Bachius (— — vw), Balim: oder Antibachius 
(u — —), Ereticuß ober Amphimacer (—v—), Ana: 
äft (vu), Amphibrachys (vv), Daltylus 
C vu); 8) vierfilbige: Difpondeus (— — — —), 

ipprrbichius oder Proceleusmaticud („oo v), 
Choriambus (— u), Antijpaft ( M 
Ditrochaus (— u — u), Diiambus (+ —v—), 
—— Joniler (lonicus a majori) (— — vu), 
teigender — onieus a minori) («v — —), 
die vier Arten der Epitrite, in denen zu drei 
Pängen eine Kürze fih gefellt, und die vier Päo- 
nen, die aus drei Kurzen und einer Länge be- 
fteben, Leicht läßt ſich die Anzahl diejer Fuͤße im 

ortſchreiten zu fünf: und ſechsſil RD durch Kom⸗ 


— — *8 


ination noch weiter vermehren. 
als Taltſchritte zu einem rhythmiſchen Ganzen ver: 
bunden werben grient der Vers NR d.). Bu be: 
merten ift bierbei, man benjelben entweder 
Fuß für Zub oder fo abteilen kann, daß je zwei 
oder auch wohl drei Süße zufammengenonmen 
werben. Das erfte gibt die Monopodie, das 
zweite die Dipodie, das letzte die Tripodie. 
So wird 3. B. der anapältiiche Vers von den Alten 


ndem bie Füße 


682 


dipodiſch, von ben Neuern gewöhnlich ——— 
gemeſſen. Im Versganzen vereinigt ſich der 
ralter der einzelnen Füße zu einem Geiamtauedrud, 
welcher den darin vorberrichenden Fühen entiprict. 
So 5. B. tragen daltyliſche Versmaße den hüpfen: 
den und forteilenden, ſpondeiſche ben jchweren und 
ichleppenden, anapäfti he den aufgeregten und * 
ſpannten Gharatter an ſich. Im Anſchluß an das 
erhaltene « Endeiridion» des Griechen Hephäſtion 
und die Schriften der lat. Grammatiter Terentia: 
nus, Marius Victorinus, Priscan u. a. * 
in neuerer Zeit Gottfr. Hermann, 5 m Bo, 
J. A. Apel L ödh, Weitphal, Rokba u. a. bie 
Gefehe der WAbnthmenbitbung der Alten eftsuftellen 
verfudt. (©. Areteit) 
(lat.), das Borkentier. 
Ni tft der Name des japan. Wegmaßes. Das 

Ni wird in 36 Tſchu (zu 60 Keng zu 60 Schalu) 
eteilt und a 12911 engl. —8985,17 m. 
Anden f febt der Vertrag zwiſchen Japan und Preu: 
San. 1861 das Ri auf 3910 m oder 
ards feſt. 


ben vom 24, 


4275 erol. 
offizielle Ablürzung für den nordameril. 
Staat —53* land. 
Riala-Bei, die dritte Rangſtufe in der türk. 
Marine, entfpricht dem Kontreadmiral in der 
deutfchen, engl. und franz. Marine. 

Rianzares, Herzog von, f. unter Maria 


C 
— mittellat. Castrum Minci, Stabt 
in der fpan. Prov — rechts am Mino, an 
der Mündung des Nvia in denfelben, Station der 
Eiſenbahn Orenſe Vigo, zäblt (1877) 4247 E, und 
baut .. A er Weikwein. 
(ob. Karl Dtto), engen 

[og und ya er, geb. 23. Zuli 1827 zu Erfurt, wo 
jein Bater, Ernſt Sriedrich R. (geb. 9. März 1783 
zu Wilsleben im —— 1832—43 Ge: 
neralfuperintendent von Schlefien, 1843 —48 Wirll. 
Oberlonſiſtorialrat im Minifterium des Kultus und 
öffentlichen Unterrichts, — 6. Juni 1860 in Ber: 
lin), damals Konfiitorial: und Ehulrat war — 
bielt feine Gymnafialbildung zu Breslau und 
lin und widmete —* Berlin und Bonn befon: 
ders unter Leitung Ritſchls philol. Studien. Er 
unternahm im Herbit 1852 eine wiſſenſchaftliche 
Reife nach Ftalien ns war bierauf als Mitglied 
des von Bödh geleiteten Seminars für Gelehrten: 
ſchulen in Berlin thätie, bis er im Herbft 1854 zum 
zweiten ordentlichen Lehrer am Gymnafium zu El: 
berfeld gewählt wurde. Im J. 1856 wurde er 
auberord. Profeſſor an % Univerfität und dem 
obern Gymnafium in Bern, wo er 1859 eine orb. 
Profeſſur und die Direktion des von ihm gegrün: 
deten pbilol. Seminars erhielt. Dftern 1862 ging 
er als Profeſſor an die Univerfität nad) Baſel, an 
weldyer er ebenfalls ein philol. Seminar ei nzurich: 
= batte. Im Herbit 1862 folgte er einem Huf an 
bie Univerfität Kiel, 1872 nad) Heidelberg; Ditern 
1877 trat er an Ritichle Stelle in Leipzig. R.s 
wifjenfhaftlihe Hauptwerle find die Sammlung 
der «Scenicae Romanorum poesis fragmenta» 
(2 Bbe., Lpz. 1852 —55; 2. Aufl. 1871—73); dazu 
«Die röm. Tragödie im Zeitalter der Republik» 
(2p3. 1875); ferner die große kritiſche Ausgabe des 
Tirgil mit «Prolegomena critica» und «Appendix 
Vergiliana» (5 Bde., Lpz. 1859—68). Hieran 
ſchließen ſich eine Heinere Ausgabe des Ichtgenann: 
ten Dichters (Lpz. 1867), Bearbeitungen des Au: 


Rhytina — Ribeiro 


venal (Lpz. 1859) und ber Horaziihen Epifteln 
(Berl. 1869), «Der echte und ber der unehte Juvenal» 
Berl. 1865), «Friedrich Wilhelm Ritihl» Bde. 
!p3. gl. 26h. 108 8 Beitrag zur antiten 
w.» 

4 or Zul), Lehrer des röm. 
Ned, geb. 2. Mai 1798 zu Bremerlehe (Han: 
nover) ſudierie in Göttingen und Berlin —— 
wiflenfchaft, —— —— wert in Gö 


röm. Recht, wurde 1822 außero —— A 
des Sprucdtollegiums dajelbit, 1893 orb. und 
1832 ord. Profeſſor. Er jtarb Öttingen 13. April 


G 
1874. Seine einzige größere Säit ift: ‚nur Lehre 
von ben Soreoiigionene Ött. 1831 
Nibble, Fluß in den en . Graficafte ort 
und Lancaſter, in auf —— tte 
(Pennine Chain) und mündet nach einem e von 
100 km unterhalb Breiton in die Iriſche See, ein 
breite Aſtuarium zwiſchen ber tecambe: Bai 
und der Qiverpool-Bai bildend. Bis Preſton auf: 
wãrts lönnen Leine Seeſchiffe gelangen. 
Rib en (cnal.), ſ. Bandmänner. 
Nibe oder Ripen, Hau titabt eines Amts und 
Stifte in — Yatland, an gi eg ve 
aue, 6km von ber Nordfee Bone 
der nad Verfandung der — 1856 bei 
VYdre Bjerum angelegte, 2m tiefe und 950 m —— 
Kanal den ehr vermittelt, m. Zweig 
—* — — mit der tüjchen Eifenbahn F 
— des Stiftamtmanns und Bi⸗ 
järe. De t eine im Anfang des 12. Jahr). 
m —— exbaute Kathedrale ‚die en⸗ 
rche) mit hohem Turm, eine Latei 
dit 2 und DA —— — E., 
ben, viele —— 
re Sea as Bruns ibertöi) liefern 
und mit diejen Fabrilaten, ſowie mit Rindvieh und 
Pferden Hande unterhalten. N. ift eine der äl- 
te en Stähle Dänemarts und war einif — 
Es * einen guten Den, ef K rd 
ld = ee er — — —— — —— 
im von weden 
und von dem nur noch der von Gräben nn 
Grund übrig — * der — a König 
Erih Edmund, ber auf ber riber Geridhtäftätte 
Hwidding, nahe im Süben der Stadt, 1137 er: 
morbet ward; König Chriſtoph der Bayer der bier 
1252 getrönt wurde und 1259 ftarb; der = Borna. 
tor Tauſen u.a. In ihr wurden mehr 
—— gehalten (1441 und 1542). In R. 1 file 
Große Kurfürſt von Brandenburg 21. ger 
166 ein Berteidigungsbündbnis mit dem dbän. K 
Friedrich II. — Das Amt Nibe Ki. (1880) a 
3153,3 qkm 73257 &. — Stift Ribe zählt auf 
Bee un 176 ee und zerfällt in die timter 
e und Ringkj 
beira, Stadt auf 9* ortug. Inſel Sao⸗ 
* ber Kapverdiſchen Inſeln, iſt Siß eines 
Biſchofs, hat einen durch ein Fort verteidigten 
Hafen und zahlreihe Auinen. R. war bis 1750 
Siß des Generalgouverneurs diefer Inſeln und 
ehemals ein bedeutender Handels gr b. 
Nibeira-Grande, Stadt auf der Norblüfte der 
portug. Azoreninfel San: Miguel, zählt Babe 
9339 E. un bat einen Hafen und warme Bü 
NRibeiro (Thomaz Antonio R. —— 
Dichter, geb. 1. ul 1831 in de a in 
ber Beira alta, ftubierte in che: die Rechte, 
widmete fi) dann der abvolatoriichen Praxis, war 


Nibemont — Ricardo 


als Deputierter parlamentariich thätig und be 
Heidete nad) und nach die verfchiedenartigiten hoben 
und höchſten abminiftrativen Bolten. Epäter lieh 
er fih in Portugiefifch: Indien nieder und ward, 
nad) Portugal zurüdgelehrt, zum Minijter der Ko: 
lonialangelegenheiten ernannt (1878). Bon feinen 
Werten find hervorzuheben zwei Sammlungen Iy: 
riiher Gedichte: «Sons que passam» (Porto 1854) 
und «Vesperas» (Porto 1858), das — Ge: 
dicht «Jaime» (Lifjab. 1861; 6. Aufl. 1880) und 
das erzählende Gedicht «A delfina do mal» (Liſſab. 
1868 u. 1881), und unter feinen Proſawerken einige 
lebendige Schilderungen feiner Reifen «Do Tejo 
a0 Mandovi» und «Entre palmeiras» (Lifjab. 1864). 

Nibemont, mittellat. Ribodimons, Stadt im 
franz. Depart. Aiöne, Arrondifjement St.-Ouentin, 
lints an ber obern Dife, Station ber Lolalbahn 
St.: DuentinGuife, zählt (1831) 3195 €. und hat 
MWollipinnerei und Weberei. 

Nibera, Stadt in ber ital. Provinz Girgenti 
anf Sicilien, Bezirk Bivona, lint3 vom Fluſſe Cal: 
tabellota, zählt (1881) 8081 E. und hat Wein: und 
Dlivenbau, R. erhielt feinen jpan. Namen 1633 
durch die . des Herzogs von Alcala. 

Nibera (Car. Juſepe de), genannt Spagno: 
letto, Waler, geb. 12. an. 1588 in Jativa (jebt 
San:selipe) bei Valencia, machte feine Studien 

uerft in Oberitalien nad Gorreggio und ben gro: 
en venet. Meijtern, ſodann in Rom unter Cara: 
vaggio. Nach dem Tode des lektern begab er ſich 
nad) Neapel, gewann bier die Gunft des Vizeldnigs 
Bedro, Herzogs von Offuña, und ftarb als Mitglied 
der Alademie von San:Luca 1656 daſelbſt. R. ge: 
bört zu den tüchtigſten Meiitern der ital, Natura: 
liſten. Ginige Werte feiner erften Zeit verraten 
glüdliches Anſchließen an Correggio; In feinen fpä- 
tern Arbeiten folgte er vorzugsweiſe der Richtung 
des Caravaggio, indem er, ohne Rüdfidht auf Bes 
deutung und Inhalt des Gegenftandes, bie Natur 
mit bewundernswürbiger Geſchiclichleit nachahmt 
und durch kräftige Licht: und Schattenwirtung ber: 
vorhebt. In feinen geihichtlihen Bildern behan: 
delt er mit Vorliebe Hinri — —— 
Martern und dergleichen gräßliche enſtände. 
Außerdem finden ſich von i fe g Bruftbilder 
von Anachoreten, Propheten, Philoſophen. Aud) 
hat man von feiner Hand etliche 20 radierte Blät: 
ter, welche mit leichter, geift: und geihmadvoller 
Nadel behandelt find, 

Riberac, Hauptitabt eines Arrondifjements im 
franz. Depart. Dordogne, lints unweit der Dronne, 
Station der Linie Perigueur:R. der Orleansbahn, 
zählt (1881) 2010 (Gemeinde 3856) E. und hat eine 
reformierte Kirche, Weinbau, Gerberei, — 

inwand 


Branntweinbrennerei, Fabrifation von 
und Wollmaren, jowie Bieb: und Getreidehandel. 
Ribes, eine Gattung ſtrauchartiger Gewaͤchſe, 
nad) der die Familie der Ribefiaceen benannt ift. 
Ihre über die ganze Erde zeritreuten Arten haben 
abwechſelnde, geitielte, ae Blätter mit 
gelerbten Lappen und adielitändige, einzeln oder 
zu dreien auf gemeinichaftlihem Stiele jtehende 
oder zu bdreien aneinander gereihte Blüten mit 
einem unterftändigen Fruchtinoten, einem fünf: 
teiligen Kelche, fünf meilt grünliden Blumen: 
blättern und zwei bis vier Griffeln; fie entwideln 
fich mit oder nad} den Blättern. Die Frucht iſt eine 
vom vertrodneten Kelche gefrönte, mehrſamige, 
von Fruchtbrei erfüllte Beere. Die Ribesarten zer: 


683 


fallen in jtachelige und unbewehrte. Zu den erftern 
gehört der Stadhelbeerftraud, von dem meh: 
rere Arten ald bie Grundformen unzähliger in den 
Gärten angepflanzter Sorten Srmähnung verbie: 
nen, nämlich R. Uva crispa, urjprünglid in Stan: 
dinavien einheimiſch und in Deuticland verwilbert; 
von ihm ftammten die glattfrüchtigen Stachelbeer⸗ 
forten. Die raubfrüdhtigen Sorten gegen gehören 
dem auf den Alpen wild wachſenden R. Grossularia 
an, während bie rotfrüdtigen ihren Urfprun 

wahrjcdeinlich dem R. reclinatum verbanten, wel: 
ches am Südabhange des Thfringerwalbes in 
wilden Zuftande gefunden worben fein joll. Aus 
dieſen Grundformen find weit über 1000 Sorten 
hervorgegangen, welche in Form, Größe und Farbe 
mehr oder weniger voneinander abweichen, Man 
vermehrt die Stacdhelbeeren durch Ausſaat, meiſt 
nad) gegenfeitiger Befruchtung, wenn man ſich der 


undanlbaren Mühe unterziehen will, neue Sorten 
zu erlangen; doch aud durch Ableger und Sted— 
linge. Die wichtigſte der unbewehrten Nibesarten 


ift der Johannisbeerjtraud (i. d.). 
Ribefiaczen, Unterfamilieder Sarifrageenlf.d.). 
Nibiers, Stabt im franz. Depart. Hautes:Alpes, 

Arrondifjement Gap, rechts am Buech, hat (1881) 

1091 €., Seidenipinnerei und Tuchfabrilen. 
nich Stadt in Medienburg- Schwerin, am 

Nibniger Binnenfee (Saaler Bobden), der bier die 

Rednig aufnimmt, 26 km nordöftlih von Roftod, 

Sig eined Amtägerichts, ge (1885) 4356 EC. 

und hat ein Realpro mnaftum, Schiffahrt, Schiff: 

bau, Fifcherei, Söhne, eine Gadanitalt und 
eine fſägemühle. Das 1324 get Et. 

Glaren:Ronnentlofter R. ift feit der Reformation 

eine Berforgungsanitalt für en aus der 

Ritter: und Landſchaft und hat 64 E. R. kam 

1317 an Medlenburg. 

Ribniger Bodden, f. unter Bodden. 
Nibot (Alerandre Felir Joſeph), franz. Nedts- 
elehrter und Politiker, geb. 7. Febr. 1842 zu St.⸗ 

Dmer (Depart. Pas⸗de⸗Calais), ftubierte Juris⸗ 

prudenz in Baris und wurde Abvolat, unter Du: 

faure 1875 Direktor der Kriminalſachen im Juftiz: 
minifterium, dann Generalfelretär und Staatsrat 

im außerorbentlihen Dienft. Im J. 1877 trat er 

in den Advolatenitand zurüd. Er gehörte zum 

Komitee für den legalen Widerſtand gegen die Ur: 

beber des Staatsſtreichs vom 16. Mai 1877 und 

wurde 1878 in bie Deputiertenlammer gewählt. 

Er nahm feinen Sig im linten Centrum und zeich⸗ 

nete ſich durch feinen gemäßigten Liberalismus und 

eine fcharfe Beredſamleit aus. Im J. 1881 wurde 

fein Mandat erneuert. , 
Ricardo (David), hervorragender engl. Natio: 

nalölonom, geb. 19. April 1772, ftammte von einer 

aus Holland nah England übergefiebelten, ur: 
ſprunglich portug. israel. Familie. ‚Sein Bater 
war ein neddee: londoner Bantier, mit bem 
ſich aber der Sohn durch feinen fibertritt zum Chri⸗ 
jtentun entzweite. Es un m jedoch, faſt obne 
eigenes Vermögen, ſich dur eihid und Recht⸗ 
ſchaffenheit zu einem der eriten Banliers empor; 
zuarbeiten. Im J. 1819 wurde er zum Mitglied 
des Unterhaufes gewählt, in welder Stellung er 
feiner beitimmten Partei angehörte, aber um jo 
wirkiamer auf die Einführung weiſer Sparjamtleit 

im Sinanzwejen und freier Konkurrenz in der gan: 

zen Vollswirtſchaft hinſteuerte. Er jtarb 11. Sept. 

1823 au Gatcomb-Gaftle in Gloucefterjhire. Seine 


684 Nicafoli 


wichtigſten Schriften find: «The high price of 
bullion a proof of the depreciation of banknotes» 
Lond. 1810), worin er bie Sopbiftit über die Ver: 
ältnijie der enal. Bank vollitändig widerlegte; «On 
the influence of a low price of corn on the pro- 
fits of stock» (Pond. 1815), worin er bie von Mal: 
thus und Met vorgetragenen Naturgefehe ber 
Grundrente weiter entwidelte und zur Verteidigung 
ber freien Korneinfuhr bemukte; «Proposals for an | 
economical and secure currency » (1816), in wel: | 
cher Schrift er die befte Methode nefchildert, um die 
fuspendierte Barzablung der Bank wiederherzu— 
jtellen , und die fpäter Peel in der Praxis benußte; 
«Principles of political economy and taxation » 
(2ond. 1812; deutich von Baumitark, Lpz. 1837; | 
2. Aufl., Lpz. 1877); R.s foftematisches Haupt: | 
wert: «On the funding system» (1820), worin ftatt 
bes leichtfertinen Schuldenmachens direfte Belaftung 
der Steuerpflichtigen empfohlen wird. Gine Ge: 
ſamtausgabe feiner Werte veranftaltete McEulloc) 
(Lond. 1816). N. erforichte die wirtichaftlihen Gr: 
ſcheinungen mit Hilfe eines gewiſſermaßen matbem. 
Scharffinnes und einer großen Abitraftionätraft 
und es gelang ibm dadurch, in vielen Buntten bie 
tiefern Zuſammenhänge des vollswirtichaftlichen 
Prozeſſes Har zu legen. Jedoch find feine Theorien | 
teineswegs ohne weiteres auf die Wirklichkeit anzu: | 
wenden, da fie nur unter gewifien einfachen ab: | 
ftraften Qorausjegungen gelten, die in ber rei: 
hen Mannigfaltigkeit des wirklichen wirtichaftlichen 
Lebens nie genau zutreffen. fiber feine Theorie | 
bes Arbeitslohnes ſ. Lohn ejeb (ebernes). Bu; 
Ehren R.s führt der Lehrſtuhl der polit. Ökonomie | 
an der londoner Univerfität ben Namen «Ricardo», 
Nicaföli (Bettino, Baron), bedeutender ital. 
Staatsmann, geb. zu Florenz 9. März 1809, trat 
zuerft 1847 politiich hervor. Er richtete im Verein 
mit mebrern Gefinnungdgenofien im März 1847 
pe Denlſchriften an die toscan. Regierung, in 
nen er fonititutionelle Einxichtungen und ein libe- 
rales Preßgeſeß empfahl. Die Ereigniffe zwangen 
den Großherzog Leopold al&bald zu biefen guge: 
ftändnilien; das von R. gemeinfam mit Salvag: 
noli und Lambruschini gegründete Blatt «La Pa- 
tria» vertrat nad aufen die nationale Unabhängig: 
feit, nach innen den Konftitutionaliämus, Im $' 
1847 erfolgte feine Ernennung zum Gonfaloniere 
(Bürgermeiiter) von Florenz, welches Amt er im 
folgenden Sabre nieberlegte. Im J. 1848 wurbe 
R. in das toscan. Parlament gewählt, unterlag 
aber bei der zweiten Wahl, Als nad der Schlacht 
von Novara die Zurüdberufung des Grofherzogs 
beichlojien wurde, trat er in die Regierungslom: 
miſſion ein, in der Hoffnung, die Invaſion ber 
Dfterreicher zu vermeiden und ben Fortbeſtand der 
Verfaſſung von 1848 zu fihern. Da der Großber: 
309 in beiden Beziehungen fein Wort nicht bielt, 
j00 fh R. vom Hofe zurüd und widmete fich wie: 
er landwirtſchaftlichen Beſtrebungen, indem er 
namentlid auf feinen neu angelauften Gütern in 
ben Maremmen Berbefierungen einführte. Nach 
einigen Jahren trat er an die Spike der nationalen 
Partei in Toscana und war 1857 einer der Haupt: 
eründer der Gefellihaft, welche die «Biblioteca 
civile dell’ Italiano» herauägab, Bald nachdem der 
Großherzog, um den von R. und deſſen Gefinnungs: 
genoſſen gewünſchten Anſchluß an Piemont nicht ge: 
nehmigen zu mäljn, am 27. April 1859 das Land 
verlaften hatte, übernahm. in ber durch den ſardin. 








| wä 


— Nicci 


Kommiſſar Buoncompagni gebildeten provijoriichen 
Verwaltung das Minijterium des Innern, und in 
diefer Stellung trug er wejentlich zur Bereinigung 
de3 Landes mit Piemont, fowie zu dem ital. 
Einigungswerke überhaupt bei. 

Als infolge des Friedens von Nillafranca ber 
fardin. Kommiſſar feine Gewalt niederlegte, trat 
R. an die Spike der Regierung. Nachdem das von 
ihm berufene Barlament die Abjehung der lotbring. 
Dynajftie und die Wereinigung Toscanas mit Car: 
dinien beſchloſſen hatte, fibte er vom 29. Sept. 
1859 an die Regierungsgewalt im Namen des Kö— 
nig&undproflamierte einitweilendasfardin. Statut. 
Endlich erfolgte 22. März 1860 die förmliche An- 
nerion, und ein königl, Dekret ernannte ihn zum 
Generalgouverneur Toscana, weldyes Amt er bis 
um März 1861 in ausgezeichneter Weiſe verfah. 
In das vergrößerte fardin. Parlament, das 2. April 
1860 zufammentrat, ward er von drei Wablbezirten 
gemäßlt. Auch in das erfte ital. Barlament, wel: 
ches ſich im Febr. 1861 verfanmelte, wählte ibn 
feine Baterftadt. Nach dem Tode des Grafen Ga: 
vour wurde N. 12. Juni 1861 die Leitung des 
neuen Kabinett3 übertragen, in welchem er jelbit das 
Portefeuille des Auswärtigen, dann interimiſtiſch 
dasjenige des Kriegs, ſowie jpäter noch das Te: 
partement de3 Innern verwalten mußte. Er be 


zeichnete als fein Programm die Borslabeun der 
Gavourichen Politik, aber es wollte ihm nicht ge: 


lingen, die ſich ibm von allen Seiten entgegen: 
—— Schwierigfeiten zu überwinden. Er trat 
eshalb 3. März 1862 zurüd. In den folgenden 
Jahren nahm R. ale Vertreter von Florenz fort: 

rend einen bedeutenden Anteil an den Kammer: 
verbandlungen. Bei Berinn des Kriegs gegen 
Ofterreih im Frühjahr 1866 übernahm er an La 
Marmoras Stelle die Leitung der Geſchäfte mit 
dem Portefeuille des Innern, bis zum Cintritt 
Visconti:Venoftat auch das des Außern, erfüllte 
die von Italien in dem Bündnis mit Preußen ein: 
gegangenen Verpflihtungen und bemühte ſich, den 
‚srieden jo ebrenvoll als möglid für Italien zu 
maden. Nah Abſchluß desielben ſuchte er bie 
innere Verwaltung de3 Königreichs durch decen— 
tralifterende .. eln zu verbeiiern, den bedräng: 
ten Finanzen aufzubelfen und die Beziehungen zur 
Rirde dur volljtändige Trennung derjelben vom 
Staate pi regeln. Doch wußte jih N. keine kom— 
palte Mehrheit im Parlament zu ſchaffen. Ms 
vollends der von fernen Kollegen Erialoja und 
Borgatti vorgelegte Gejehentwurf bezüglich ber 
Liquidation des Kirchenvermögens Widerftand ber: 
vorrief, löfte er zwar im Febr. 1867 das Barla- 
ment auf, ſah fi aber aus eich genötigt, jene Mi- 
nifter zu entlaflen. Bald nah Zufanımentritt des 
neuen Parlaments fah er ſich veranlaßt, abermals 
einem Nabinett Rattazzi zu weichen (April 1867). 
R. genof in den fpätern Lebensjahren einer immer 
fteinenden Achtung in der Abgeorbnetenlammer. 


IR. jtarb 23. Dft. 1880 auf feinem Schloſſe Brolio 


bei Siena. Bol. Paſſerini, « Genealogia e storia 
della Famiglia R.» (Flor. 1861). 

Nicei (Scipione de’), ein durch feine Beteiligung 
an ben tirhfichen Reformverſuchen in Toscana be: 
lannter Prälat, geb. 7. Jan. 1741 zu Florenz, 
wurde Aubitor bei der päpftl. Nuntiatur in los 
renz, dann Generalvifar des Erzbiſchofs Incontri 
1780 Biſchof von Piltoja und Brote. &r {chloß 
fih an den Großherzog Leopold I. an, als dieſer 


Riccia — Richard I. (König von England) 685 


daran ging, die Kirche in feinem Lande von vielen | Aich., bei naturwilienihaftlihen Namen Ab: 
und großen Mängeln, welche namentli in Dis: | fürzung für Louis Claude Marie Kihard 
ciplin und Unterrichtsweſen ſich gay gi bat: | x . 1794 zu Verjailles, Profeſſor der Botanik in 
a ari 
R 





ten, zu reinigen. Der Eifer, mit dem R. vorging, 8, geſt. 1821 daselbft). 

wedte ihm eine Menge Feinde; der Bruch mit ichard J., ——— rz, König von England, 
Non war entſchieden, als er 1786 eine beruhmt 1189—99, der Sohn König Heinrichs II. (f. d.) 
gewordene Didcejaniynode hielt, welche die janje: | aus dem Haufe Plantagenet (f. d.), wurde 1157 
niſtiſchen und gallitaniihen Streitigkeiten wieder — Gleich feinen Brüdern bekämpfte er auf 
ins Leben rief, eine völlige Unigejtaltung des Klo: | Anjtiften feiner Mutter, Gleonore von Poitou, 
fterwefens anitrebte, die Autorität des Heiligen | wiederholt feinen Vater und beftieg nad) deſſen 
Stuhls auf das geringfte Maß zu beihränten jr te. | Tode den Thron, 6. Yuli 1189. Aus Drang nad 
Gine 1787 nad) Florenz berufene Generalſynode Abenteuern und Heldenthaten rüftete ih R. fo: 
wies jede Kirdenreform zurüd, und in Piltoja | aleich zu einem Kreuzzug nach Paläſtina. Weil der 
Lrahen wiederholt Aufitände gegen die Neuerungen | Schatz, den fein Bater zu gleichem Zwede nejam: 
R.s aus, worauf R. 1791 er jeinen Biſchofsſih melt und hinterlafien, nicht genügte, ſuchte er feine 
werzichtete. Die Bulle Auctorem fidei von 1794 | Mittel durch die unerhörteften Grprefjungen zu ver: 
verwarf die —— der Synode von Piſtoja. ſtärklen. Nach Übereinkunft mit König Philipp IL 
M. lebte in Florenz, Ipäter auf dem Lande und ftarb | Huguft von Frankreich ftellten beide Fürſten ein 
27. Jan. 1810. Seine Dentwürdigleiten («Me- 
miorie de Scipione de’ R,», herausg. von Gelli, 
2 Bde., Flor. 1865) waren lange vor ihrer Belannt: 
machung benukt worden von Potter, «Vie de Sci- 
yione de R.» (Brüfj. 1825; deutſch, Stuttg. 1827). 

Riccia, Stadt in der ital. Provinz und im Be: 
zirk Campobaſſo, zählt (1881) 8296 G. und hat ein 
ra. Kollegium und eine Schwefelquelle, 

Ricciarelli (Dan.), ſ. Bolterra (Dan, da). 

Riccio, f. Rizzio. 

Niccoboni (Lodovico), der Reformator des ital. 
Theaters, geb. 1677 zu Modena, übernahm 1699 
die Leitung einer Schauſpielergeſellſchaft und erhob 
in Venedig und in den Städten der Lombardei das 
Theater auf eine höhere Stufe, indem er dasſelbe 
nach franz. Muſter umbildete, den Arlecchino von 
der Bühne entfernte und hervorragende Dramen, 
zum Teil Bearbeitungen franz. Stüde, aufführen 
ließ. Da feine Beitrebungen den Beifall des Pu— 
blitums nicht fanden, ging er 1716 nad) Paris, wo 
er ein ital, Theater im SHötel de Bourgogne er: 
richtete und allgemeinen Beifall erntete. Im J. 
1729 ging er nad) Parma zurüd und ftarb dafelbit 
5. Dez. 1753. Außer jahlreihen dramatischen Ent: 
würfen jchrieb er: «Histoire du theätre italien» 
(2 Bde., Bar. 1727), «L’art du theätre» (Par, 
1750; deutih von Schröder, Hamb, 1828). 

Anton Francesco, genannt Lelio, Cohn 
des vorigen, geb. 1707 zu Mantua, ging mit feinen 
Eltern nad) Paris, wo er auf dem ital, Theater 
auitrat, mehrere Yuftipiele für dasſelbe jchrieb und u 
1772 ftarb. Seine Gattin, Marie Jeanne La: | andere von den Arabern verlaſſene Plähe. Hier: 
boras de Mezitres, geb. 1714 in Paris, zeich: | auf wurde Konrad von Montferrat allgemein als 
nete fi) auf der Bühne durch feelenvolles Spielaus, : König von Jerufalem anertannt, aber kurz darauf 
verfaßte fpäter mehrere Romane in engl. Gefhmad | 28. April 1192 von Aſſaſſinen zu Tyrus ermordet. 
und ftarb zu Paris 6. Dez. 1792. ihre «Deuvres» | N. verlieh jept dem Grafen Heinrich von der Chanı: 
find mein edrudt worden ß Bde. Neuchätel pagne die Krone und gab dagegen dem Guido von 
1781; 6 Bde., Bar. 1818 u.|.w.); einzelnes daraus | Luſignan die Iniel Cypern. Der franz. König Phi: 
bat C. ©. Heyne (Lpz. 1781) überfept. lipp verbreitete nunmehr das Gerücht, R. habe 

Riceroäre (b. h. aufjuchen) ift in der Mufit der | Montferrat ermorden laſſen, und rüjtete fi, die 
ältere ital. Name für künjtliche Fugen; er wurde | Staaten des Nebenbublers anzugreifen. 
bejonders im 17. Jahrh. für nftrumentalfugen | Diele Nachrichten beſtimmten R. zur eiligiten 
der Drganiften gebraucht, weil dieje am meilten | Rüdtehr; er jchiffte fich 8. Oft. 1192 zu Ptolemais 
darauf ausgingen, das ‚jugenthema im Verlauf | nad Korſu ein. Weil er nicht wagen konnte, den 
des Stüds in allen Winteln zu «Juden». Weg durd Frankreich zu nehmen, gedachte er durd) 

Niceys (Les), mittellat. Rictiacus, Stadt im | Jtalien und Deutihland, ais Pilger verkleidet, zu 
franz. Depart. Aube,Arrondifjement Barzfur:Seine, | reifen. Indes wurde er zufällig an die Küjte bei 
zerfällt in die drei Mohnpläge Haut:Niceys, Riceys: | Aquileja geworfen und mußte nun durch das Ger 
Haute:Riveund Bas:Niceys, liegt am Laignes, einen | biet des Herzogs Leopold VI. von Oſterreich gehen, 
Se en Zufluß der Seine, zählt (1881) 2725 €. | den er zu Btolemais gröblich beihimpft hatte, Der 
und hat Weinbau, Gerberei und Zuchfabrilation. | Herzog ließ R. 20. Dez. 1192 in der Nähe von Wien 





ftattlich gerüftetes Kreuzbeer auf. N. ſchiffte fich 
7. Aug. 1190 zu Marfeille ein und landete 23. Sept, 
bei Neffina, wo einige Tage vorher fein Bundes: 
genoſſe ſchon eingetroffen. Der vorgerüdten ab: 
reszeit wegen gedachten beide auf Sicilien au über: 
wintern; auch wurden fie von dem König Tancred 
gut aufgenommen. Doc bald entitand durch R.s 
UÜbermut Hader unter den drei Hönigen. Während 
— 30. März 1191 nach Ptolemais überiepte, 
blieb R. zu Meffina bis zur Ankunft feiner Braut, 
der Prinzeffin Berengaria von Navarra, die er mit 
nad Paläftina nehmen wollte. Endlich verließ er 
Sicifien 10. April mit 150 großen Schiffen und 
53 Galeeren, mußte aber eines heftigen Sturm 
wegen erſt zu Candia, dann zu Rhodus anlegen. 
Einige feiner Schiffe wurden nad Eypern verſchla⸗ 
gen, die der dortige Fürft, Jſaak Komnenus plün: 
dern und anzünden ließ. R. erſchien 6. Diai mit 
feiner ganzen Nacht vor Cypern, eroberte die Infel 
und bemächtigte fi der Schäße und der Perfon 
des age achdem er ſich mit feiner Braut ver: 
mäblt, ging er wieder zur See und lief 8. Juni im 
Hafen von Ptolemais ein. R. wollte nun Guido 
von *6 Philipp aber den Markgrafen Kon: 
rad von Montferrat auf den Thron von Jeruſalem 
fepen, und darüber fpaltete ſich das ganze Kreuzheer 
in zwei feindlihe Parteien. Nachdem Ptolemais 
12. Juli 1191 gela en, Bedre Philipp nah Frant: 
rei zurüd, Nun fehte R. den Kreuzzug fort, er: 
foht über Saladdin bei Aſſur einen glänzenden 
Sieg 7. —* und beſeßte Joppe, Aslalon und 


— —— ——— — ——— ——— ———— —— — — — 


686 


aufheben und nach der Felſenburg Dürrenſtein 
bringen. Kaiſer Heinrich Vl. erzwang jedoch von 
Leopold gegen das Verſprechen von 60000 Mart 
die Auslieferung des Gefangenen, den er erſt in 
Mainz, nachher in Worms und auf dem Schloß 
Trifels länger als ein Jahr in engem Gewahrſam 
hielt, Vergebens verwendeten ſich für R. die engl. 
Neichsftände und der Papſt Cölejtin III. Im April 
1193 ließ der Kaiſer den Gefangenen nad Speier 
bringen und Hagte ihn vor ben dort verjammelten 
Neihsfüriten der Grmorbung Montferrat3, der 
Verbindung mit Tancred und ber Deihimpfung 
ber deutfchen Nation an. Es lam endlich zu einem 
Vertrag, nah welchem R. nenen ein Löſegeld von 
150.000 gen jei 
Freiheit erhalten follte. Auch nahm er jein Reich 
vom Kaifer zu Lehn. Nah manden Zwiſchenfällen, 
welche beſonders durch die Verbindung R.s mit 
feinem Schwager Heinrihd dem Lowen veranlaht 
waren, erhielt er 4. Febr. 1194 zu Mainz die Frei— 
beit wieder. Daß ihn fein treuer Blondel (}. d.) 
— babe, er der Sage an. Nach vierjähriger 
Abweſenheit landete R. 13. März 1194 im Hafen 
zu Sandwid. In England war unterbes der Hanz- 
er und Statthalter R.s, Biihof Wilhelm Long: 
Kamp von Gly, durch die Großen vertrieben wor: 
den. R.s Bruder, Johann ohne Land, hatte jich 
der Reichsverweſerſchaft bemächtigt und ſuchte fie 
u behalten. Aber das engl. Bolt erklärte ſich für 
hr und Johann unterwarf ſich und erhielt Ber: 
veibung un ließ R. ſich 17. April 1194 zu Win: 
heiter zum zweiten mal krönen und ſetzte dann nad) 
Franlkreich über, wo er einen mehrjährigen blutigen 
Krieg gegen Philipp IL. Auguit führte, bis endlich 
der !bapit die beiden Könige 13. jan. 1199 zu einem 
fünfjährigen Waffenitillitand vermochte. Doc) jollte 
N. feine Laufbahn in Frankreich beichlieen. Der 
Vicomte Vidomar von Limoges, ein Bajall R.s, 
—— einen Schatz gefunden, von dem er ſeinem 

husherrn den dritten Teil auslieferte. R. aber 
verlangte dad > und befagerte den Vicomte in 
feinem Schloß Chalus bei Yimoges. Bei einer Ne: 
fognoszierung der Mauern wurde er von dem Pfeil 
eines _feindlihen Schüsen, Bertrand Gordon, 
28. März 1199 an der Schulter tödlich verwundet. 
N. jtarb 6. April 1199. Die Nitterpoefte umgab 
R. mit einem Zauber, den die geſchichtliche Geſtalt 
mit ihrer Zügelloſigleit und Gewaltſamleit feines: 
wegs befist. Den Beinamen Löwenherz hat N. einer 
Nomanze zu danken, nad welder er dem Sohne 
de3 Kaiſers im Wettlampfe den Sinnbaden mit 
einem Fauſtſchlag zertrünmert und dann einen 
negen ihn losgelajienen hungerigen Yöwen zerriſſen 
haben ſoll. Auf dem engl. Thron folgte ihm jein 
Yruder, Johann ohne Fand (f. d.). Vgl. James, 
«llistory of R. I,» (2. Aufl., 2 Bde., Lond. 1855); 
«Chronicles and memorials of R. I.» (berauäg. 
von Stubbs, 2 Bde., Pond. 1864—65); Apton, 
«Life and times of R. I.» (Pond. 1874), 

Richard IL., König von England, 1377-99, 
der Enlel Edwards Ill. und der Sohn Gduards, 
des Schwarzen Prinzen, wurde 7. Yan. 1367 zu 
Bordeaux geboren und folgte im Alter von 11 3. 
dem Großvater auf dem Throne. Während feiner 
Minderjährigkeit führten feine fönigl. Oheime, die 
Herzöge von Lancaſter, York und Gloceſter, die 
Staatögewalt, In den erften Negierungsiahren 
festen die Prinzen den Krieg gegen Frankreich leb: 
baft, aber nuhlos fort. Ties und die Verjchwen: 


Mart neben andern Bedingungen feine | 


Richard II. (König von England) 


dung des Hof3 veranlaften 1380 bie Einführuna 
einer Kopfiteuer, welche das Volk äußerſt brüdte. 
Unter den wilden — eines ehema 
ligen Prieſters, John Bell, rottete ſich ein Heer von 
100000 Bauern zufammen und 530g, von dem 
Schmied Wat Tyler und einem ug ‘ad 
Strom angeführt, ſengend und den und bie 
tönigl. Beamten mordend, im Lande herum. Der 
junge König ging den Aufrührern in Perjon ent: 
gegen, bejänftigte fie erft durch Freibriefe und lieh 

nn die Häupter verbaften. Als die Ruhe ber: 
geitellt war, wuhte jedoch der Adel Maßregeln 
durchzuſeßen, welche das Joch des niebern Volls 
nur noch drüdender machten. R.genoß eine ſchlechte 
Erziehung, bejab wenig Fähigfeit und verfiel in die 
gröbjten Ausjhweifungen. Um fi) der Bevor: 
mundung jeiner Obeime, namentlich des 3 
von Gloceſter, zuentziehen, warf er fih einem Günit: 
ling, Robert Bere, Grafen von Orford, in die Arme, 
den er aud) zum Herzog von Irland ernannte. Die 
Lords verbanden ſich mit Glocefter zum Sturz der 
Sünftlingsberrjchaft, entjegten ——— ben flan; 
ler de la Bole und ernannten mit Hilfe bes Barla- 
ments 1358 einen Ausſchuß von 14 Perjonen, der 
unter Leitung Gloceſters ein Jahr hindurch bie 
hoͤchſte Gewalt ausüben follte, R. verſuchte zwer 
mit Robert Bere, fi zu wiberjegen; aber Glo— 
cefter und die Grafen von Arundel und Warmwid 
en mit an: er ‚in ber wi von Lon⸗ 
von und zwangen den König zur Nachgiebigkeit. 
Schon im folgenden Jahre aber benukte y. bie Un- 
einigfeit ber Großen, ftieß deren Einrihtungen um 
und erflärte, daß er die Regierung in Berjon über- 
nommen. Gr ftürzte fi in Schulden und übte be 
—— an der Stadt London ſchamloſe Erprei: 
ungen, Des Kriegs mübe, ſchloß er 1396 einen 
Bjährigen Waffenjtillitand mit Franfreiid. Da 
feine Gemahlin, Anna von Böhmen, Tochter Kaifer 
Karls IV., geitorben, verlobte er fich zur Befeftigung 
des Friedens mit Iſabelle, der elfjährigen Tochter 
Karla VL von } anfreih. Der Seryn von Glo: 
On. benugte diejen Schritt des Königs, um ben: 
felben beim Bolte verächtlich, fich felbit aber popu: 
lär zu machen. R. wagte endlich, den Herzog nebit 
den Grafen Arundel, Warwid u. a. zu verhaften. 
Jener wurde hingerichtet, diefer zur Verbannung 
verurteilt, Glocejter aber nad) Calais geſchafft, wo 
man ibn 1397 im Gefängnis mit Betten eritidte. 
Zugleid) ließ der König durch ein ergebenes Barla: 
ment den nme der Vierzehner für immer auf: 
heben, verbannte den Derzog von Norfolf und jeı: 
nen Better Hereford, den Sohn John Gaunts von 
Zancafter, nad) Frankreich und entzog lekterm das 
Erbe des Vaters. Dieje Gewaltthat empörte Boit 
und Große aufs äußerite. In folder Lage beging R. 
die Unvorjichtigleit, mit einem Heere nad) | rend 
zu zieben, um dajelbjt die Ermordung eines andern 
Vetter, des Grafen Roger Mortimer von Marc, 
zu rächen, Unterdeſſen landete Hereford 4. Yulı 
1399 mit geringem Gefolge in der Grafihaft Yort, 
zog die Grafen Northumberland und Weitmoreland 
an ih und ftand bald an der Spike eines 60009 
Mann jtarten Heeres. Zu ſpät kehrte R. nach Ena- 
land zurüd, wo er fid) von allen jeinen Anhängern 
verlajjen ſah. In der Natlofigleit überlieferte er 
ſich ſelbſt im Auguft feinem Feinde, der ihn erſt nach 
Slint:Gajtle, dann aber, 1. Eept., in den Tow:r 
zu London brachte. Das Parlament zwang ibn, 
29. Sept. eine Entjagungsalte zu unterzeichnen, 


Nihard III. (König von England) — Richard (deutſcher König) 


Während Hereford als Heinrich IV. (f. d,) ohne 
MWiderjtand den Thron ujurpierte, wurde R. nach 
den Schloß Bomfret in der Grafihaft Dort ge: 
bradt. Ohne Nachkommen zu —— ſtarb 
er bier 14. Febr. 1400 durch Nahrungsentziebung. 
Vol. inyghton, «Historia vitae etregni Ricardi 11.» 
(herausg. von Hearne, Orf. 1729), 

Richard ILL. oder der Budelige, König von 
England, 1483—85, geb. 2. Of. 1452 zu 
Fotheringay-Eajtle, war der jüngite Sohn des Her: 

ogs Richard von Vork, der 1460 bei Watefield 

lieb. Nachdem jein älteiter Bruber ala Eduard IV. 
(f. d.) den Thron an ſich geriffen, wurde er zum 
Herzog von Gloceiter erhoben. Wiewohl mip: 
geitaltet, bejaß er doch grobe Fähigkeiten und einen 
entſchloſſenen, liſtigen, ebrgeizigen Charalter. In 
den Kämpfen feines Haufes mit den Lancaſtriern 
bewies er wi Mut und gegen Eduard IV. Treue 
und Grgebenbeit. Dagegen beichulbigte man ihn 
ber Teilnahme an der Ermordung des abgeſetzten 
Heinrih VI., wie er auch dur ein Gewebe von 
Intriguen zur Hinrichtung ſeines Bruders, bes 
Herzogs von Elarence, beigetragen haben ſoll. Nach 
dem Tode Eduards IV,, 9. April 1483, übernahm 
N. für deffen zwölfjährigen Sohn, Eduard V., die 
Negentichaft. Er ließ denjelben zwar zum König 
ausrufen, jtrebte aber jelbjt nach der Krone. Mit 
Hilfe des Herzogs von Budingham entriß er der 
Königin: Witwe Ta und deren Bruder, dem 
Grafen Rivers, ihre Söhne, den jungen König und 
den neuniäbrigen Herzog Nihard von York. Wäh— 
rend ihm der Staatsrat den Titel Proteftor bei: 
legen mußte, fperrte er die beiden Prinzen in den 
Zower, Niverd aber wurbe ohne Prozeß enthauptet, 
Hierauf lieb R. das Gerücht verbreiten, dab die 
Söhne Eduards IV. unehelih wären, weil derjelbe 
ſchon heimlich vermählt geweien, als er die Königin 
Glifabeth gebeiratet. Da aber in dieſem alle die 
Kinder des bingerichteten Clarence ibm auf dem 
Thron vorangingen, jo behauptete er ferner 7 feine 
Mutter, die noch lebte, babe ihre ältern Söhne, 
Eduard IV. und Glarence, im Ehebruch empfangen, 
und nur er allein fei der (egitime Nachkonme feines 
Vaters. Budingbam wußte das londoner Volt zu 
bearbeiten, R. die Krone anzubieten; 6. Juli 1483 
erfolgte zu Yondon die Krönung R.s und bald dar: 
auf die Ermordung der Söhne Eduards IV., bie, 
wie erzählt wird, im Schlafe mit Betten erjtidt und 
unter einer Treppe des Tower begraben wurden, 
wo man ihre Gebeine 1674 zufällig entdedte. Der 
habgierige Herzog von Budingham fühlte fich jedoch 
durch Verweigerung des ihm veriprochenen Erbes 
des Grafen Hereford fo beleidigt, dab er insgeheim 
mit den Anbängern des Haufes Lancaſter, nanıent: 
lich mit dein in Frankreich verweilenden Grafen von 
Richmond zum Sturze R.s in Verbindung trat. 
Indeſſen erfuhr der Ujurpator den Anichlag, den 
Budingbam mit dem Kopf bezahlen mußte, Ric: 
mond rüjtete nun ein Heer und landete 6. Hug. 1485 
zu Milford:Haven in Sübmwaled. Bei Bosworth 
fam e8 22. Aug. zum Zufantmenitoß mit R. Ehe 
aber das Treffen begann, ging Lord Stanley mit 
7000 Mann zu Richmond über. R. drang todes— 
mutig in ben feindlichen Haufen ein, fand jedoch im 
Gewühl feinen Tod. Der Leichnam R.s wurde in 
der Hlofterfirche zu Leicejter begraben, Mit diefem 
Kampfe ſchloſſen die Ariege der beiden Rofen, und 
das Haus der Blantagenet verlor den Thron, dem 
nun der Tubor Richmond als Heinrich VII. beitien. 


687 


Shalipeare hat R. zum Helden einer berühmten 
Tragödie gemacht. Vgl. Horace Walpole, «Historic 
doubts on the life and reign of king R. ILL.» (Lond. 
1768); Jeſſe, «Memoirs of R. III.» (Lond. 1861). 

Richard IV., ſ. Warbed (Berlin). 

Richard, SrafvonCornmwallisundvon 
Poitou, deuticher König während des fog. Inter— 
regnums, 1257— 72, aus dem Haufe Plantagenst 
und jüngerer Cohn des Königs von England, So: 

nn ohne Land, wurde 1209 geboren. _ In feiner 
jugend befebligte er mit Grfolg das Heer feines 

ruders, König Heinrichs III. von England, in 
— Im J. 1236 nahm er das Kreuz, ſchiffte 
ih, gegen den Willen des Papſtes Gregor IX., 
der darin nur eine Unterjtühung berg II. fah, 
1240 nad Ptolemais ein, vermodte aber nichts 
von Bedeutung auszurichten. Über Sicilien, wo 
er in einer Zuſammenlunft mit Kaiſer Friedrich I1. 
dieſen vergeblich mit dem ft zu verföhnen fuchte, 
tehrte er 1242 nad) London zurüd und kämpfte nun 
wieder fü feinen Bruder Heinrich gegen bie Fran: 
zofen, ſah ſich jebod von diefem feiner franz. Do: 
mänen beraubt, ja an der freiheit bedroht. 
%. 1243 beiratete R. Sanda von Provence. Ala 
nad) dem Tode Konrads IV. kein deutſcher Fürft die 
deutſche Kaiſerkrone übernehmen wollte, der Papit 
Alerander IV, aber die Wahl de3 jungen Konradin 
verbot, wählten 13. Yan. 1257 der vo von 
Köln, aud) im Namen des mainzers, und die rheini: 
ſchen Pialzgrafen den reihen R. zum deutjchen 
König, 7 rt Trier, Böhmen, Sachſen u. |. m. 
1. April Alfons X. (ſ. d.) von Eaitilien als Gegen: 
fönig aufitellten, der jedoch nie nad Deutſchland 
fam. R. war vom Papite begünftigt und wurde 
17. Mai 1257 mit feiner Gemahlin zu Aachen feier: 
lich gefrönt. Nachdem er das Rheinland bis 
Weißenburg hinauf durchzogen, ging er 1258 nadı 
London zurüd, um feinen Bruder aus den Händen 
der engl. Barone zu befreien. Sodann erſchien er 
1260 mit reihen Schäben abermals in —— 
wo er jedoch wieder nur im Rheinland Anerkennung 
and, Im J. 1262 belehnte er während feiner 
ritten Anweſenheit in Deutichland Ottolar von 
Böhmen mit Oſterreich und Steiermark, zugleich 
bejtätigte er die Privilegien mehrerer Neicattäbte 
und vermehrte den Reichsſchaß zu Aachen mit 
Krone, Scepter, Reichsapfel und fojtbaren Gewän: 
dern. Die Unruhen in England riefen ihn 12614 
wieder in fein Geburtsland, wo er bei der Nieder: 
[age der königl. Truppen zu Lewes 14. Mai durch 
Simon von Montfort gefangen wurde. Erſt nad) 
14 Monaten erhielt er die Freiheit zurüd. R. er: 
ſchien 1268 noch einmal in Deutichland, hielt 1269 
einen Neichätag zu Worms, den Trier, Mainz und 
noch andere Fürſten befuchten, und erlich zwed: 
mãßige Gejehe rüdjichtlih des Landfriebens und 
der Rheinſchiffahrt. Da er Witwer geworden, ver: 
mäblte er ſich 16. uni 1269 mit ee Sr 
fenburg und nahm diefe mit nr England. Die 
Ermordung feines Sohnes Heinri — die Söhne 
Montforts 1271 trübte feine lehten Tage. Er ſtarb 
2, April 1272 und wurde in der von ihm geftifteten 
Abtei Hayles beigefegt. R. war ein durch hohe 
Eigenihaften ausgezeichneter Charakter und zu fei- 
ner Zeit der reichte Fuͤrſt der Chriftenheit. Dot. 
Gundling, «Geihichte und Thaten Kaifer R.s« 
Yan 1719); Gebauer, «Leben und denkwürdige 

baten gm N.3, erwählten röm. Hailerö» (Lpz. 
1744); Lorenz, «Deutiche Gefdichte im 18, und 


688 


14. Sabrh.» (Bd. 1, Wien 1863); Buflon, «Die 
Toppelwahl von 1257» (Münfter 1866). 

Richard L. Ohnefurcht, Graf der Norman: 
die, geb. 932, war beim Tode feines Vaters Wil: 
beim I. Langſchwert 342 im Gemwahrfam König 
Ludwigs IV. von Frankreich, dem er durd einen 
Getreuen entführt ward. Gr fpielte in den Käm— 
pien, welche zu jeiner Zeit den fibergang der franz. 
Krone von den Karolingern auf die Capetinger be: 
gleiteten, eine hervorragende Rolle und ſtarb 20.Nov. 
996. Ihm folgte fein Sohn N. IL. der Gute (bid 
1026) und diefem feine Söhne R. III. (bis 1028) 
und Robert Il. der Teufel (f. d.). 

Nichard von St.⸗Vietor, Scholaftifer des 
12. Jahrh. aus Schottlaud gebürtig, erft Subprior, 
dann Abt der Auguftinerabtei von &t.-BVictor in 
Paris, get. 1173, juchte die Scholaftit des Ariſto— 
teles wieder zurüdzuführen zur rationellen, vernunft: 
gemäßen Erhärtung des firdlich gegebenen Glau: 
bens und zugleich mit der Myſtik zu verbinden, über 
die er zuerjt eine wiſſenſchaftliche Theorie gegeben 
bat. Ceine Werte, deren wichtigſte «De trinitate» 
und «De statu interioris hominis» find, wurden 
zuerjt herausgegeben zu Paris 1528, am beiten zu 
Nouen 1650, Bol. Engelhard, «R. und Kuys: 
broed» (Erlangen 1838); Helfferih, «Die riftl. 
Moftit» (Gotha 1842); Haulih, «Die Lehren des 
Hugo und R, von &t.:Bictorn (Yrag 1864). 

Riohardia Knth., eine Gattung von Sumpf: 
fräutern, welche fih von Calla fait nur dadurd 
unterſcheidet, daß bei ihr der Blütenfolben in feiner 
ganzen Yänge mit Blüten (deren obere männlid) 
bebedt ijt, während er bei Calla oben bloß Staub: 
gefäße, viel weiter unten folde mit weiblichen 
Blüten untermiſcht trägt. R. aethiopica Anth., 
Linnés Calla aethiopica, ift eine vorzugsweife für 
die Kultur in Mohnituben beliebte Bilane, welche 
nicht felten eine Höhe von 1 m erreicht und mit 
ihren großen, glänzend grünen, pfeilförmigen Blät: 
tern und ihren blendendweihen Blütenſcheiden eine 
höchſt angenehme Erfcheinung ift. In fandige 
Schlammerde und in hohe Töpfe gepflanzt und 
fortwährend, folange fie fräftig vegetiert, durch 
Unterfeßer getränft und auf dem ihr einmal ein: 
geräumten Make unverändert belaffen, blüht fie 
im Stubenfeniter fortwährend. Man vermehrt fie 
durch Wurzeliprofien, Cine fehr hübſche Art iſt 
auch R. hastata mit hellgelber, innen ſchwarz— 
gefledter Blütenicheide, 

Nichardfon (James), 2 — geb. 
zu Bolton in Lincolnſhire 3. Nov. 1809, unternahm 
1345 über Tunis und Tripolis eine Reiſe mitten 
durd) die Sahara nad) Ghadanıd3 und Ghat, wo er 
intereflante Nachrichten über die Tuaregs fammelte, 
und traf nach neunmonatlicher höchſt beichwerlicher 
Wanderung über Fezzan wieder ın Tripolis ein. 
Nachdem er in «Travels in the Great Desert of 
Sahara» (2 Bde., Lond. 1849) eine Beſchreibung 
dieſer Erpebition veröffentlicht, gelang es ihm, die 
Unterftügung der brit. Regierung zu einer umfaffen: 
bern Erpedition nad) dem Sudan und dem Tjadfee 
zu —— auf der ihn Barth (f. d.) und Overweg 
(1. d.) begleiteten. Im März 1850 brach er von 
Zripolis auf, fam zum zweiten mal nad Ghat und 
war der erite Europäer, der die fteinige Hochebene 
Hammada durdyjog. Von bier aus fehte er jeinen 
eg nad Air (Asben) und Bornu fort und war 
ſchon nicht weit vom Tjad, ala er 4. März 1851 zu 
Ungurutua, einem Dorfe ſechs Tagereijen von Kula, 


Nihard I. (Graf der Normandie) — Richelieu (Fluß) 


den Beichwerben der Reife erlag. Seine Reife: 
notizen und Tagebüdjer wurden von Bayle Et. 
John herausgegeben: «Narrative of a mission to 
Central-Africa» (2 Bde., Lond. 1853) und «Travels 
in Marocco» (2 Bde,, Lond. 1859). 

Nichardfon (Samuel), einer der berübmteften 
engl. Romandichter, geb. 1689, der Sohn eines 
Tifdilers in der Örafichaft Derby, erlernte die Bud 
druderei. on einem Buchhändler aufgefordert, 
Mufterbriefe für das gewöhnliche Leben abzufafien, 
fam er auf den Gebanten, diefe Briefe durch eine 
Erzählung und eingewebte moraliihe Lehren zu 
verbinden. So entitand 1740 jein moraliicher Ro— 
man «Pamela», welcher ungemeinen Beifall fand. 
Bald hatte R. fo viel erworben, daß er DE eine 
— Druderei errichten klonnte. Bon ſeinen 
nachfolgenden beiden Romanen «Clarissa Harlowe» 
(8 Bbde., Lond. 1749) und «Sir Charles Grandison» 
(6 Bde., Lond. 1753-—54; deutſch, 7 Tie., 2p3.1780) 
ift der erfte der ausgezeichnetfte. R. beſaß das Tas 
(ent der Charalter: und Sittenjchilderung in hohem 
Grade; am beiten gelangen ihm Frauencharaftere. 
Die ermüdende Länge feiner Nomane hat fie jept in 
Vergeſſenheit gebradt. R. ftarb 4. Juli 1761. 
Seine Werke erſchienen in 20 Bänden (Lond. 1783), 
in 19 Bänden (£ond. 1811) und öfter. Cbhriftian 
F. Weiße ftellte eine «Tugendlehre» aus benfelben 
jufammen. Bol. Mrs. Barbauld, «Correspondence 
of Samuel R.» (6 Bde., Lond. 1804); Schmidt, «R., 
Roufjeau und Goether (Jena 1875). 

Nihardfon (Sir John), berühmter arktifcher 
Neifender, geb. 5.Nov. 1787 5 Dumfries in Schott: 
—— erte in Glasgow Medizin und trat 1807 
ald Wundarzt in die brit. Marine. In den J. 
1819—22 und 1825—27 begleitete er Jranflin auf 
deſſen Erpebitionen zur Auffuchung einer nordweſtl. 
Durdfahrt, von welchen er reihe naturbiitor. 
Sammlungen und Beobadhtungen zurüdbradte, die 
er in ber «Fauna Boreali-Americana» (4 Bde., 
Lond. 1829—37) niederlegte. Er warb 1838 zum 
Oberarzt bei der Flotte, 1840 zum, Inſpeltor des 
Marinehofjpitald ernannt und erhielt 1846 bie 
Nitterwürde. Zur Aufſuchung Franklins unters 
nahm er 1848— 49 eine zwar vergeblidye, aber in Be: 
ya wifjenfchaftlihe Ausbeute erfolgreiche Reife 
in Booten nad) dem Madenziefluß und zu Lande nad 
Kap Krufenftern und Wollaftonland, Er berichtete 
über diefelbe in «Boat voyage through Rupert’s 
Land along the central arctic coasts in search of 
Sir J. Franklin» (2 Bde., Fond, 1851). Außerdem 

chrieb er: «The Tolar region» (Lond. 1861). Im 
. 1857 wurde R. in den Ruheſtand verfekt und 
arb zu Grasmere 5. Juni 1865. Vogl. M'Ilraith, 
«Life of Sir John R.» (Lond. 1868). 

NRichelien, Stadt im franz. Depart. Indreet⸗ 
Loire, Arrondiffement Ehinon, lint3 an der Amable, 
Station ber Linie Ligre:Niviere-R, der Staatsbah⸗ 
nen, zählt (1881) 2423 G., hat eine Zuderfabrif und 
Handel mit Getreide, Wein, Branntwein und NRuf- 
öl. In einem der Familie Du Pleſſis gehörigen 
Schlofje zu N. wurde Kardinal Richelieu geboren, 
welder das Dorf verichönerte, zur Stadt erhob und 
ein prädtiges Schloß baute, welches während der 
ige evolution faft vollitändig jeritört wurde, 

. war unter ben Bourbonen Sık eines Herzogs 
tums ER ei nn 5 (uh 

elieu, Chambly oder St.:John, F 
in ber Provinz Quebec der Dominion of Canada, 
entfpringt im Champlainfee(f.d.) und fließt nördlich 


Richelieu (Armand Jean du Plejjis, Herzog von) 


in den Lorenzſtrom. Er iſt für die, Schiffahrt 
zwiſchen dem Lorenzitrom und dem Hudion von 
grober Wichtigkeit. Bei feiner Mündung liegt die 
tadt Sorel, die Hauptjtadt von Richelieu County 
in der Provinz Quebec, . 
eig para (Armand Jean du Pleſſis Herzog 
von), Kardinal, der größte Staatsmann de3 alten 
Frankreich, geb. 5. Sept. 1585 auf Schloß Richelieu 
in Boitou, ward bei jeinem ſchwachen Körper und 
reisbaren Naturell zur Kirche beitimmt, erbielt noch 
vor dem kanoniſchen Alter die biichöfl. Weihe, er: 
warb na von der Sorbonne den Doltorhut und ge: 
langte Dez. 1608 in das Bistum Lucon, auf das 
er von der Familie ber die Erpeftanz überlommten 
hatte. Schon Diet zeigte er das —— dem er 
fpäter treu blieb: katholifch:eifrige, aber nicht fana⸗ 
tische Geſinnung, den Geift der Politik, der feit 
Heinrich IV. in Frankreich heimisch geworden war. 
Die Königin: Witwe, Maria Medici, berief ihn in 
das von ihrem Günftling Eoncini gebildete Minis 
terium. In deffen Sturz 1617 verwidelt, begab 
ih R. erſt nach Lucon, dann nad) Avignon. Hier: 
auf zog ihn die Königin, die vor der übermütigen 
u. in die Provinz hatte flüchten ri 
an fich heran, jö EN #0 durch feine Bemühungen 
mit ihrem Sobn, önig Ludwig XIIL, aus und lam 
fo mit R. zugleich wieder zu Einfluß. _ Zum Kardi— 
nal erhoben, trat R. in das Kabinett La Vieuvilles, 
Deſſen Sturz, Aug. 1624, brachte ihn an die Spike 
der Regierung. Katholizismus und nationale 
Wohlfahrt zu vereinigen, darin ging nun fein Stre: 
ben auf: Staat und Kirche wollte er danach refor: 
mieren. Gr wäre ber Reorganijator Frankreichs 
——— hätten ihn nicht die drängenden Gefahren 
es Reichs dahin getrieben, zunädjit die äußern und 
innern Feinde der Romandie zu belämpfen, 
Alles kam darauf an, Frankreich aus der Um: 
Hammerung Spaniens zu befreien. R. zögerte 
nicht, die prot. Gegner biefer Macht bafür auf: 
urufen: Karl I. von England gab er die Schwefter 
feines Königs, Henriette, zur Gemahlin; er unter: 
ftüßte die Holländer und Graubündener. Dagegen 
erhoben fich 1625 die innern Gegner, die Streng: 
latholiſchen und die Hugenotten. Aber gegen dieſe 
leiſteten ihm jet England und Holland felbit Bei: 
ftand; geichlagen, mußten fie um Frieden bitten, 
den er ihnen gewährte. Hierauf, von ber lath. 
Strömung überwältigt, verjtand er fich zu dem Frie⸗ 
den mit Spanien in Barcelona, 10. Mai 1626, 
Die Folge war eine neue Gärung in Frankreich. 
Mieder ftanden hugenottifche und kath. Ariftofraten 
egen den Minifter zufammen: Gafton von Drldang, 
de Königs Bruder, Conde, der nr Ornano, 
Henri de Talleyrand, Graf von Chalais, Ludwigs 
naher Vertrauter, die beiden Vendömes, natürliche 
Söhne Heinrichs IV., waren die Häupter. R. ließ 
fi nicht fchreden: Chalais büßte mit dem Kopfe, 
Drnano fam im Gefängnis um, die Vendömes 
wurden feftgenommen, Cine Notabelnverfanm- 
lung gab R. neue Autorität. Und als nun der 
Krieg mit Rochelle wieder ausbrach, führte die Be: 
lagerung und ——— von den Engländern 
unterjtügten Stadt, von R. ſelbſt geleitet, zum erſten 
toben Triumph des Kardinals. Am 1. Nov. 1628 
bie t er mit dem König feinen feierlihen Einzug. 
tun wandte er fid) gegen die Spanier, 3m V er 
1629 überfchritt er die Alpen, befreite Cajale, rie 
die ital. Oppofition gegen bie fpan. Herrſchaft ins 
Leben und ſchlug dann die Refte der Hugenotten im 
Eonverjations- Lexiton. 13. Aufl. XIII. 


689 


————— zu Boden, Die religiöfe Frei: 
heit ließ er ihnen, aber um ihre poll Nutonomie 
war e3 geihehen. Im J. 1630 überfchritt R. aufs 
neue die Alpen, nahm Pinerolo, die Pforte der 
Algen. und bald ganz Savoyen in Belib. 

‚Schon damals war R. mit Guftav Adolf in Ber: 
bindung. Während jener in den Alpen kämpfte, 
landete diefer in Pommern und fein Bordringen in 
Deutichland war die beite Hilfe für die franz. Waf⸗ 
fen. Aber der Bund mit dem Keher ward den 
Kardinal von den ftreng katholiſch Gefinnten übel 

edeutet, und fo fand N von neuem eine große 

ppofition gegen ihn zufammen An der Spibe 
ftand diesmal die Königin-Dutter jelbft, ihr zur 
Seite die Herzogin Cheoreufe, die Brüder Narillac, 
die lothring. aktion; die Spanier hatten wieder 
die Hand im Spiel. Schon glaubte man allgemein 
an den Sturz des Kardinals, als Maria Medici ihm 
am 11. Nov. 1630 vor ihrem Sohn ihre Ungnade 
bezeugte. Aber Ludwig ließ fih von dem Miniſter 
nicht losreißen. Gr desavouierte die eigene Mut: 
ter, für deren Leben nun diejer «Tag der Betroge: 
nen» (journee des dupes) zur Kataftrophe wurde, 
und gab die Verhaftung der Marillacs zu. Als 
dann Maria Medici den Herzog von Orleans zu ſich 

inüberzog, mußten beide weichen; Maria floh zu 
ihren Freunden, den Spaniern in den Niederlanden. 
Eben diefe unterftügten im nächſten Jahre den Gou: 
verneur von Languedoc, Heinrich ‘I. von Wont: 
morency, als er im Einverftändnis mit dem Herzog 
von Lothringen und Orleans na egen den Minilter 
erhob. R. lieh jebt den Ma de Marillac hin: 
rihten; Montmorency wurde bejiegt und enthaup: 
tet * Olt. 1632), Orleans nur durch ſeine Her: 
funft geidhüßt. ar Guſtav Adolf3 Auftreten R. 
willtommen gewefen, fo war ber Tod des bereits 
lbermädtigen für R.3 Politik kein geringeres 
Glück; denn erft jet war feine Hilfe den deutichen 
— unentbehrlich. Indem er 1633 das 

eilbronner Bündnis warm unterjtügte, ließ er Lo: 
thringen erobern, Montbeliard und eine Reihe von 
Burgen und Neicheftädten im Elſaß beſetzen. 

‚Die Niederlage der Proteftanten bei Nördlingen 
trieb ihn in diefer Richtung weiter, Seit Ende 
1634 lämpften die Franzofen auf beiden Seiten des 
Oberrheins. Vergebens beten die Spanier R.s 
innere Feinde auf. Der Kardinal trennte ben Her: 
zog von Orleans von feiner Mutter, die nicht wieder 

urüdfehren durfte, während er dem Herzog eine 
— aber ſeinen Vertrauten Puy— 

aurens im Gefängnis umbringen ließ. Im Mai 
1635 brach ber offene Krieg mit Spanien aus: an 
den nieberländifhen Grenzen, in Trier, am Ober: 
thein, wo Bernhard von Weimar in franz. Dienfte 
trat, in Graubünden und Oberitalien, dann aud) 
mit — Erfolg je See. Zu Lande aller: 
dings erlitten die franz. Waffen zuerſt Berlufte. Die 
Siege Bernhards aber um Breiſach, mehr fait nod) 
defien Tod, der feine Truppen unter franz. Führung 
brachte, gaben R. die herrſchende Stellung am Ober: 


rhein. Im J. 1640 gewann er Cafale und un 
urüd. 
eht trug er den Zwiſt in die en der Öegner 


elbjt: den Aufitand Gataloniens und Portugals 

chürte er gegen die ſpan. Regierung, mit der ſchot— 

tiſch⸗engl. Oppofition fnüpfte er gegen Karls I. Re: 

gierung Verbindungen an. Freilich wurden bis 

zulegt R.S äußere Triumphe durd) Smperwogen 

von innen her durdhlreuzt, So der Aufjtand des 
4 


an; Savoyen, das verloren gegangen, 
glei 


6x 


Grafen von Soijjons, ber mit Hilfe der Spanier von 

n aus den Kardinal jtürzen wollte, aber jelbit 
im fampfe umlam. Noch leichter wurde es ihm, 
den Verſuch des Marquis von Cing: Mars und des 
jüngern de Thou zu erjtiden, die ihn aus bem Ber: 
trauen des Königs verdrängen wollten: fie mußten 


auf dem Schaffott fterben. Aller Feinde Meilter, | S 


gehoben durch neue Siege , die feine Generale vom 
Niederrhein durch Thüringen bis nah Franlen 
hinein führten, erlag R. einem gichtiſchen Leiden, 
da3 den immer ſchwächlichen Körper bereits längit 
gelähmt hatte, 4. Dez. 1642, 

Außer jeinen religiöfen Schriften wird er für den 
Verfafler der «Histoire de la mèêre et du fils» 
(2 Bbe., Amfterd, 1730) gehalten, deren Urheber: 
ſchaft ihm von andern bejtritten wird. Petitot gab 
unter R.3 Augen geſchriebene und von ihm revi: 
dierte «M&moires» heraus, die von 1692 bis 1635 
reichen und in den «M&moires relatifs à P’histoire 
de France» (Bd. 7u.8, Bar. 1823) abgebrudt find. 
Auch das «Testament politique du cardinal de R.» 
(2Bde., 1764) iftautbentiich; desgleichen das «Jour- 
nal du cardinal de R., qu’ila fait durant le grand 
orage de la cour» (2 Bde., Amiterd. 1664). Seine 
«Lettres, instructions diplomatiques etc.», von 
Avenel gefammelt (8 Bde., Bar. 1853—77) find 
in den «Documents in&dits de ’histoire de France» 
enthalten. Bgl, die Biographien R.s von Leclerc 
(9. Aufl., 5 ., Amiterd. 1753), Martinean 
(3 Bde., Par. 1866) und Zopin (8. Aufl., Par. 
1877); ferner Hauſſay, «Le cardinal de Berulle etle 
carılinal de R.» (Bar. 1875); d'Avenal, «Richelieu 
ct la monarchie absolu» (Bd, 1—2, Par. 1884). 

Nichelien (Louis Francois Armand du Pleſſis, 
Herzog von), Marſchall von Frankreich, ein Urneffe 
des Hardinals und der Sohn von Armand Jean de 
Vignerot, wurde 13. März 1696 geboren, 1710 an 
den Hof gebracht und bereit 1711, um eine gegen⸗ 
jeitige Neigung zwifchen ihm und der Herzogin von 
Bourbon zu durchlreuzen, mit Anna Katharina de 
Noailles verheiratet. Da dies nicht verfing, ſchicte 
Ludwig ihn unter Obhut eines geiftlihen Inſtruk— 
teurs in die Baftille. Nach einer Gefangenſchaft 
von 14 Monaten trat er in die Armee und wohnte 
dem Feldzug von 1712 als Adjutant des Marihalle 
Yillars bei. Mit Ludwigs XIV. Tode kehrte N. 
an den Hof zurüd. Durd) eines feiner vielen ga: 
Ianten Abenteuer in ein Duell mit dem Grafen 
Gace verwidelt, ward er von diefem verwundet und 
mußte mit demjelben 1716 abermals einige Mo: 
nate in die Baftille wandern, Seine Teilnahme 
an der Verſchwörung des Prinzen Gellamare führte 
ihn 28, März 1719 zum dritten mal ins Gefängnis; 
nad ſechs Monaten befreiten ihn die FYürbitten ſei— 
ner Freunde und Freundinnen, befonders der Tod: 
tr des Herzogs von Orleéans jelbft, der Herzogin 
von Valois, die R. in der Haft Geſellſchaft leiitete. 
Im J. 1725 wurde R. als Gejandter nad Wien 
aeididt, wo er 13. Mai 1727 die Friedenaprälimi: 
narien unterzeichnete. Im poln. Grbfolgelriege 
Timpfte er unter dem Marſchall Berwid am Rhein. 
Geit 1716 Witwer, — er 1734 die Prinzeſſin 
von Guiſe; in demſelben Jahre tötete er den Grafen 
von Liren im Duell. Nachdem er 1738 Marcchal: 
de:Camp geworden, erfolgte bald darauf feine Gr: 
nennung zum Generallieutenant des Königs in 
Languedoc, in welcher Eigenſchaft er den Hof zur 
BRAUN ber Verfolgung gegen die Proteſtanten 
bewoa. Der König erhob ihn 1744 zum erjten 


Nihelien (Marſchall) — Richelieu (neuerer Staatsmann) 


' Rammerberrn, kurz daranf zum Generallieutenant, 


! 
1 


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Als folcher fämpfte er mit Auszeichnung 1745 bei 
Fontenoi. Im Dez. 1746 mußte er an ben Hof 
nad Dresden geben, wo er für den Dauphin um 
die Hand der Prinzeſſin Marie yoiepke warb. 
Nach feiner Rüdtehr erhielt er den Befehl, an der 
S des gejtorbenen Marſchalls Boufflerd Genua 
gegen die Angriffe der Öfterreicher zu idigen. 
Die Heldenmütigkeit, womit er dieſe Nepublit vom 
Feinde befreite, trug ihm 1748 den Marfdalläftab 
ein. Im J. 1755 verlieh ihm der König das Gou⸗ 
vernement Guyenne und Gascogne. Im J. 1756 
eroberte er Bort:Mahon. Hierauf wurde R. ala 
Günftling der Pompadour mit dem Dberbefehl in 
Deutſchland betraut, wo er den von Eumber: 
(and 8. Sept. 1757 zur Konvention von Klojter 
Seven zwang, geriet aber dadurch in —— bei 


de; = wurde —— ey r, 
in der Folge au Dubarry, jelbit 
unabläffig in bem ©trubel ber höfiicpen Striguen, 


Abenteuer und Lajter umbergeworfen, ein ber 
parlamentarifhen und jeder po itation, 
dem König bis and Ende eng verbunden. Dieje 


Gunſt verlor er, al3 mit Ludwig XVI. der Geift der 
Neform und beiiern Sitte einfehrte. diefer Zeit 
verheiratete ſich R. zum dritten mal. Er flarb 


8. Aug. 1788._ Bon jeiner zweiten Gemahlin hin⸗ 
terließ er den von Fronfac und eine Tochter, 
bie fich mit dem Grafen Egmont vermäblte. Sou⸗ 
lavie gab heraus «Memoires du mar&chal de R.» 
(10 Die. Par. 1794; deutſch von Heb, 9 Bde. 
ena 1790 — 1800), die nur teilweile echt find, 
Bol. Faur, « Vie privee du maröchal de R.» 
(3 Dde., Bar. 1790; deutſch, 3 Bde., Hamb. 1791). 


NRichelien (Armand du Pleſſis, von), 
Staatsmann der Reſtaurationsepoche, des 
Marſchalls und Sohn des Herzogs von Fronfac, 


geb. zu Paris 25. Sept. 1766, wanderte 1789 nad 
Rußland aus, wo ihn die Kaijerin Katharina IL. wohl 
aufnahm. Hier trat er in Kriegsdienfte, wohnte 
unter Sumworow dem Feldzuge von 1790 gegen die 
Zürten bei und ftieg zum Generalmajor, fpäter zum 
Generallieutenant, 3 3. 1792 ging er als Agent 
der Bourbons an bie Höfe von Wien und Berlin und 
balf 1798 im Cmigrantenbeere Balenciennes be⸗ 
lagern. Der Kaiſer Alerander I. ernannte ihn 1803 
zum Generalgouverneur von Odeſſa. Nach der 
eriten Reftauration begab ſich R. —— ch. 
Dan ernannte ihn zum Pair und eriten Ram: 
merberrn des Königs, und im Sept. 1815 über: 
trug ihm Ludwig XVIII. die Bildung eines neuen 
Kabinett3, in welchem er mit dem Grafen Deca⸗ 
u das Staatöruder führte. Im }, 1818 ging 

. al& franz. Gefandter auf den Kongreß nad 
Aachen, wo er eine weitere Herabfeßung ber Kriegs⸗ 
fteuer, Verlängerung des Zabhlungstermins und 
den Abmarſch der fremden Truppen aus Frant: 
reich zu Stande brachte. Am 15. Nov. unterzeich 
nete er die Alte, Durch welche Frankreich in die Hei 
lige Allianz der europ. Mächte aufgenommen wurde. 
Nach feiner Rückehr ſchlug fih R. gänzlich auf die 
Eeite der Ultras, Der König ſah ih daher genö- 
tigt, ihn fallen zu laffen und Decazes die Bildung 
eines neuen Kabinetts a übertragen. Als im Febr. 
1820 Decazes von den Ultras gejtürzt wurde, nabm 
vudwig XVIIL feine Zufludt zu R., der als Pra— 
ſident an die Spihe eines aus gemäßigten Royali- 
iten bejtehenden Kabinetts trat. R. zog aber die 
Führer der äußerjten Rechten, Villele und Corbiere, 


Richerus — Nihmond 


zur Unterftäßung berbei_ und brachte bie Beichrän: 
en ber —— 
es geiehes, die ng reßfreiheit 
und andere ——— zu Ce ide ben We 
zur Abichaffung der Charte bahnten. Denn 
vermochte er ben Ultras nicht zu genügen und 
mußte im Dez. 1821 das Staatsruder Billdle fiber: 
laſſen. R. ftarb kinderlos zu Paris 17. Mai 1822, 
Sein Name und Titel gingen auf feinen Neffen, 
rg rancois Ha — — 
milhac, Herzog von R. (geb, 19, ’ 
geit. % Ssebr. 1879), über. re , 

Niherus, ein Gefchichtichreiber des Mittel: 
alter3, geb. um die Mitte des 10. Jahrh., war der 
Sohn Rodulfs, eines vertrauten Rats des franz. 
Königs Ludwig IV. Nach dem J. 966 trat N. in 
das Benediftinerklofter von St. Nemigius bei 
Reims, wo er ben Unterricht bes berühmten Ger: 
bert genoß, ber fpäter ald Sylveſter II. den päpftl. 
Stubl beftieg. Bon Iekterm, als derjelbe Erzbiihof 
von Reims war, erhielt R. den Auftrag zur Ab: 
faffung der Geſchichte Frankreichs, welde er von 
der —— III. (888) bis 995 führte, und 
wegen ber jebung Gerberts (998) unvollendet 
ließ, obgleich kurze Notizen bis 998 reihen. Er er: 
jtrebte eine Darftellung nah dem Vorbilbe ber 
alten Römer, was ihm freilich nur ſehr mangel: 
haft gelang. R. ift für die wichtige Zeit bes fiber: 
gangs der Herrfhaft auf die Gapetinger unjere 
Hauptquelle. Im Mittelalter wenig befannt, hat 
fich fein Merk nur in feinem Autogr in Banı: 
berg erhalten, wo es erſt 1839 von Berk entbedt 
und in den «Monumenta Germaniae historica» 
(Bd. 3), fowie aud in einer Heinern Ausgabe 
(Hannov, 1839; 2. Aufl. von Waiß, 1877) heraus: 
gegeben wurde; Ausgaben mit fn Uberſehung 
beſorgten Guadet (Bar, 1845) und Poinſignon 
(Bar. 1856), eine deutſche bertragung Diten: 
Saden (Berl. 1854). 

Richmond Nur Nitihmönnd), Marltitadt in 
der engl. Grafihaft Surrey, 2,5 km weitlid von 
London, am rechten Ufer der von einer Stein: 
brüde überfpannten Themje und an der Eifenbahn 
** gelegen, das Tivoli Londons und im Som: 
mer ftart von ber —— Welt der Haupt: 
ſtadt befucht, hat eine theol. Schule der Methodiften, 
ein Theater, ein gut ausgeftattetes Obfervatorium, 
ein litterarifch = wiſſenſchaftliches Sr er eine 
Hauptlirde mit Grabdentmälern berühmter Nän: 
ner und einen von Karl I. angelegten, 912 ha großen 
tönigl. Bart, der dem Publikum geöffnet ift. Be: 
rühmt it bejonders bie ſog. Terraſſe neben ber in 
den Park führenden Straße, mit überraichender 
—— einer der ſchönſten in England. Der Ort 
war bis in die neuere Zeit nur ein Dorf, das ur: 
—— Sheen Dieb unter Eduard I. an bie 
Krone kam und wo Heinrich V. den alten Lönigl. 
Palaſt neu ausbauen ließ. Den Namen R. erhielt 
es erit von Heinrich VU. Der Balajt war jeit 
dem 14. Jahrh. feite Nefidenz und, nachdem er 
1500 wieder neu errichtet worden, lange Zeit der 
Vieblingsaufenthalt der engl. Könige. In ihm 
aa einjt Kaiſer Karl V. und ftarb die Königin 
Glijabeth 1603, König Heinridy VIL 1509; jekt iſt 
nur noch wenig davon zu fehen. Dagegen befinden 
jih im Park zwei Gartenpaläfte, die Große Loge 
und die Steinloge. DieStadt zählt (1881) 19066 €,, 
die ihren Unterhalt vom Gartenbau und von den 
zahlreidhen Gäften aus London ziehen, 


691 


Richmond, Municipalitabt und Parlaments: 
borough im North: Niding der engl. Grafſchaft 
ort, 65 km norbweftli von der Stadt ort, am 
Swale und der Eiſenbahn, inromantifcherlim ebung 
gelegen, hat (1881) 4502 E., Eiſen- und Meffing- 
ieberei, teberei Gerberei und Papierfabri- 
ation und wählt ein Mitglied in Parlament. Der 
Ort gibt der Familie Lennox den Herzogätitel und iſt 
merkwürdig wegen der großartigen rümmer einer 
von Alan dem Roten, Örafen von R. Neffen Wil: 
helms de3 Groberers, erbauten Feſte und ber — 
digen Ruine eines 1158 geſtifteten Mönchskloſters. 
Richmond, Stadt und Hauptſtadt von Wayne 
County im nordamerif. Staate Indiana, am Eaſt⸗ 
ze des MWbitewaterflufies , bat (1880) 12742 E., 
it gut gebaut, hat ausgezeichnete Waſſerlraft und 
infolge defien viele Fabrifen, insbefondere für 
landwirtihaftlidye Geräte, Heinere Dampfmaſchi— 
nen und Möbel. In den großen Schlachthäuſern 
werben jährlich über 30000 Schweine geihladhtet. 
R. hat 20 Kirchen, 1 öffentliche Bibliothek, 1 Col: 
lege, Academy, das Carlham:Gollege mit 20 Leh⸗ 
tern und 300 Studenten, 2 Theater. 
Richmond, Cinfuhrhafen und Hauptitadt det 
norbanıerif, Staats Virginia, links am St, james: 
fluß und an und um deſſen Sällen, 208 km von ber 
Mündung des Flufies in die Chejapeafebai, iſt 
durch vier Brüden mit Mancheſter und durch eine 
mit Belle: sle verbunden, in ſchöner, geſunder 
Lage, rege ig Sue gut gebaut. Im J. 1737 
vom Dberjten Wm. Byrd angelegt, wurde fie 
1742 inlorporiert, 1779 Hauptitabt des Staats 
und war von 1861 bis 1865 Eauptftabt der fon: 
föberierten Staaten; fie zäblte 1800 erit 5737, 
1860 ſchon 37958 und 1880 bereit3 63600 E., 
worunter 1274 Deutſche und 27832 Farbige. In⸗ 
folge der günjtigen zuge (Fahrzeuge von 4 m Tief: 
gang können fi der Stadt nähern) iſt die Schiff⸗ 
—— beträchtlich, ebenfo der Handel mit Kohlen, 
Gijen: und Kupfererzen, weldye oberhalb der Stabt 
ausgebeutet werben, ferner mit Getreide, Mehl, 
Hanf, Tabak u. f.w. Die Waflertraft des St. 
—— unterjtügt viele Fabrilanlagen. R. bat 
Mühlen, Eifenwerte, Tabalsfabriten zc., 55 Kir: 
hen (1 deutich:evangelifche und 2 Tutheriiche). Fer: 
ner find zu R. das Nıchmond:College, das Virginia: 
Mebdical:Eollege u. ſ. w. In der =. der Stadt 
befindet fih das Virginia-Military-Inſtitut, bie 
Baibington: und Lee-Univerfity und die Univerfity 
of Virginia. Die bebeutenditen öffentlichen Ge: 
bäude jind: das Kapitol mit einem Standbbilde 
Waſhingtons von Houbon, einer Büfte Lafayettes 
und (im Stapitolparf) dem Waſhington-Monument 
von Th. Crawforb, weldes von den Statuen ber: 
vorragenber Virginianer (Lewis, Henry, Maſon, 
% — Marſhall und Nelſon) umgeben wird, das 
Zollhaus, die Tabalsbörſe, das Arſenal, das theol. 
Baptiſtenſeminar x. Vgl. «The Advantages of R.» 
(Richmond 1882); Brod, «R. as a manufacturing 
and trading centre» (Richmond 1880). J 
Nichmoud, eine der älteſten engl. Adelsfami— 
lien. König Jakob I. verlieh 1623 die Würde 
eines Herzogs von N. feinem Better, Lodowid 
Stuart, Herjog von Lennox und Grafen von 
Darnley, der aber ſchon im Febr. 1624 ftarb. 
Deſſen Neffe, james, ward zwar 1641 von Karl 1. 
zu derjelben Würde erhoben, aber biejer Seiten: 
jweig des or Stuart in männlicher Linie erloſch 
1672, worauf Karl IL. die Titel eines Herzogs 
44* 


692 


von R. und Pennor, Grafen von March und Darn: 
ley auf feinen natürlichen * Charles über: 
trug, den ihm 1670 Louiſe Rende de Quérouaille, 
jet ‚1673 Herzogin von Portsmouth, geboren Hall. | 

Beil fie am engl. Hofe der Politik Ludwigs XIV. 
von Frankreich großen Vorſchub leiltete, erhielt fie | 
von demielben 1684 das Pairieherzogtum Aubigny 
mit dem Nechte, basjelbe zu vererben. Ihr Sohn 
ftarb 27, Mai 1723. , 

Defien Entel, Charles, dritter Herzog von 
N. und Lennor, geb. 22. Febr. 1785, focht im 
Siebenjährigen Kriege, ging 1765 als Botidafter 
nah Frankreih und ward 1766 Staatsſekretär. 
Er jpielte in den polit. Kämpfen feiner Zeit eine 
bedeutende Rolle, wurde zuleßt Feldmarſchall und 
ftarb 29. Dez. 1806. , 

Im folgte als vierter 82 fein Neffe Char: 
leö Zennor, geb. 1764, der ald Gouverneur von 
Canada 28. Aug. 1819 an den Folgen eines von 
einem tollen Fuchle erhaltenen Viſſes zu Montreal 
—— Durch feine Ehe mit der Erbtochter der Gor: 

on ging ein großer Teil der Befikungen biefer 
amilie 1836 an feinen Sohn über, der fid) daher 

orbon:Lennor nannte, , 

Charles Gordon:Lennor, in Schottland 
Herzog von Lennor, in Frankreich Herzog 
von Aubigny, in England Herzog von R., 
brit. Staatämann, geb. 3. Aug. 1791, führte i 
feiner Jugend den Zitel Graf von Vlard). 
wohnte als Offizier im brit. pen den Yeldzügen 
auf der Pyrenaiſchen * bei und wurde Ab: 
jutant bes Herzogs von Wellington. Nach der 
Schlacht bei Waterloo jhidte ihn —— mit 
Depeſchen an den Prinz:Regenten, bei welcher Ge: 
legenheit er zum Major —— Bald darauf 
wurde er Oberſtlieutenant. Nach dem Tode feines 
Vaters nahm er 1819 al3 Herzog von R. im Ober: 
baufe Sih und ſchloß fi den gemäßigten Tories 
an. Von Nov. 1830 bis Mai 1834 war er Gene: 
ralpoftmeifter. Als Peel 1846 die Beendet. 
maßregeln beantragte, belämpfte er diejelben als 
einer der leidenichaftlichiten Vertreter der Grund: 
ariftofratie, Er ftarb zu London 21. Dt. 1860. 

barles Henry Borbon:Lennor, ſechſter 
Herzog von R., der ältefte Sohn des vorigen, 
geb. 27. Febr. 1818, ftubierte in Oxford, trat dann 
in die Armee und war 1842—54 Adjutant bei 
Wellington und bei deſſen Nachfolger, dem Gene: 
raliffimus Lord Hardinge. Im Juli 1841 wurde 
er von ben Slonfervativen zum Barlamentsmitglied 
für ER DRG erwählt, welchen Diſtrikt er bis 
um Tode feines Vaters vertrat. Unter vem Mini: 
terium Derby erhielt er im März 1859 das Amt 
des Präfidenten der Armenkommiſſion, weldes er 
jedoch ſchon im Juni beim one des Dlinifteriums 
aufgeben mußte. Im Tory:Habinett vom 8. März 
1867 übernahm er den Borfik im Handeldamt. In 
dem zweiten, Febr. 1874 gebildeten Minifterium 
Disraeli wurde er Präfident des Staatärat3, ein 
Poſten, den er bis zum Sturz des Minifteriums im 
April 1880 behauptete und aud) bei der Bildung des 
Minifteriums Salisbury im Juni 1885 von neuem 
übernahm. Obgleich kein hervorragender Staat: 
mann und Redner, zeichnet R. ſich durch die Feitig: 
keit feines gefunden Menfhenverftandes aus, durch 
dejien Geltendmachung er öfters die Ausführung 
ertremer Mafregeln verhinderte, Am 13. Jan. 1876 
wurde feinen übrigen Titeln der eines Herzogs von 
Gordon und Grafen von Kinrara hinzugefügt. 


Nichmont — Richter (juriſtiſch) 


Nichmont (Herzog von), Abenteurer, der ſich 
für Ludwig XVII. (f. ausgab. 
Nichter heißen nah einem den Hebräern mit 
den Phöniziern gemeinfamen Spradgebraud die 
israel. Vollsführer oder Negenten, welde in ber 
Zeit vor König Saul durd) ihre perfönlihe Tüch— 
tigkeit an bie Spike eined oder mehrerer Stämme 
geltellt wurden und teils auf Zeit, teils lebenslänglich 
ihre Macht behaupteten. Meilt waren es Kriegs: 
belden, die entweder freiwillig auftraten oder ers 
wählt wurden, um bie Philiftäer, Rananiter, Mi: 
bianiter und andere feindlihe Stämme abzuwehren 
oder zu züchtigen. Die Tauer der fog. Rider: 
periode läßt Na — (1500—1100v. Chr.) 
berechnen. — Bud der Richter heißt die alt: 
teſtamentliche Schrift, in welder die Thaten der 
R. freilih nur fragmentarifh und meilt in dem 
dichterifchen Gewande der Volläfage erzählt wer: 
den. Das Bud) ift ebenfo wie die vier eriten Büs 
her Moſes und das Buch Yofua durch jehr ver: 
Eisen fiberarbeitungen bindurdgegangen; der 
bſchnitt Kap. 1 und 2 fcheint ebenjo wie manches 
auch in der folgenden — demſelben größern 
Werke angehört zu haben, welches die Grundlage 
des Tentateuch gebildet hat, während einzelnes 
von einem naderilifhen judäiſchen Tiberarbeiter 
berrührt. Kap. 3—16, der Hauptteil de3 Buchs, 
welder die Gedichten der R. von Dthniel bis 
Simſon jdildert, bildet ein —— 
Ganzes, welches nach wenigſtens drei alten Quellen 
entitanden ift und neben vielem, was lediglich der 
Vollsſage angehört, manche echt geſchichtliche Er: 
innerungen, wie 3. B. die Geihidhten von Gideon 
und feinem Sohne Abimelech bewahrt. Cin Spä— 
terer fügte dem Hauptbuche noch zwei Anhänge, 
Kap. 17—21, — aus ber erſten Hälfte 
bes 8, Jahrh., ſowie ala dritten Anhang das 
gegenwärtige Buch Ruth (f. d.) hinzu. Zu den äl: 
tejten Beitandteilen gehört das Lied der Deborab. 
Das Buch der N. ıft in neuerer Zeit von Seil 
(2. Aufl., Lpz. 1874) und von Bertbeau (2. Aufl., 
en 1884) fommentiert worden. { 
ichter ist der Träger eines Amts, weldhes in der 
Ausübung der Staatlichen Gerichtsbarkeit (j. d.) bes 
ie Der R. ift nur an die Geſetze gebunden, jeine 
— ————— ungsgeſeß für das 
Deutſche Reich (8. 6—11) durch bejondere Gara.ı: 
tien —— er wird auf Lebenszeit ernannt, 
bezieht in ſeiner een Eigenschaft feites Gebalt 
mit Ausihluß von Gebühren, fann wider feinen 
Willen nur kraft richterlicher Entſcheidung und nur 
aus den geſetzlichen Gründen und unter ben geich: 
lihen Formen dauernd oder zeitweife feines Amts 
entjet oder an eine andere Stelle oder in Nube: 
ftand verfeht werden (nicht —— iſt dadurch die 
fraft Geſehes eintretende vorläufige Amtsent⸗ 
—* wegen feiner vermögensrechtlihen An: 
prüche aus dem Dienftverhältnis darf der Rechts⸗ 
weg nicht ausgeſchloſſen werben. (Dieje Beitim: 
mungen gelten nur für Beamtenrichter, nicht für 
Handeläridhter, Schöffen und —— die 
Befähigung iſt reichsgeſetlich nur zum Teil (hin: 
ſichtlich der juriſt. Vorbildung: Ablegung von zwei 
Prüfungen, Vorbereitungszeit, 8. 2; oder ordents 
liche öffentliche Brofeflur an einer deutſchen Uni: 
verfität, $. 4; vgl. 88. 3 und 5: wer in einem Bun: 
desitaat die Be äbigung zum Richteramt erlangt 
bat, lann zu jedem Richteramt im Deutichen Reich 
beftellt werben; Mitglied des Reichsgerichts lann 


EEE 


Nichter (Adrian Ludw.) — Richter (Eugen) 


nur fein, wer das 35. Lebensjahr vollendet, $. 127) 
geregelt und bemißt 49 im übrigen nad) Landes⸗ 
recht. (Bol. Gericht und Bean ie: 
fung, Gerichtsbarkeit; f.aud Hilfsrichter.) 
Richter (Adrian Ludw.), vorzüglicer deuticher 
Maler, geb. zu Dresden 28. Sept. 1803, erhielt 
den — fünftleriihen Unterricht durch feinen 
Pater Karl Auguft R., einen geihidten Kupfer: 
fteher im landihaftlihen Fade. Der Sohn follte 
ebenfalls Beer werben, erhob fih aber 
bald Pe künftleriihen Selbftändigfeit, beftärkt und 
angelodt durch Vorbilder Chodowieckis und geför: 
dert durch die Landſchaftsmaler Dahl und Fried: 
rich. Bon einer 1820 mit dem Fürften Nariſchlin 
unternommenen Neife durch Frantreih im Som: 
mer 1821 nad) Dreöben zurüdgelehrt, erhielt er 
durch den dortigen — rnold die Mittel 
zu mehrjährigem Aufenthalt in Italien, wo er fi 
1823—26 unter bem Einfluß Jo. Ant. Kochs und 
R Schnorrs ausbildete und bereits 1824 mit einem 
ilde des Waßmann Erfolg hatte, Sein nächſtes 
Ziel wurde die bedeutendere Belebung der Land: 
Imaft durch die menschliche Geftalt. Aus dieſer 
a ing eine innige Berfchmelzung von Genre 
und Lan (ha —— Großenteils ſind die Gegen⸗ 
ſtände dem ital. Naturleben entnommen; manche 
gehören aber auch dem deutſchen Leben an. R. war 
1828 nad) Meißen übergefiedelt, um als Lehrer 
an der mit der Borzellanmanufaltur verbundenen 
Zeichenſchule zu wirken; feit 1836 lebte er dauernd 
in Dresden und widmete fid) neben der Thätigfeit 
als Lehrer der Landſchaftsmalerei an ber Kunft: 
alabemie mit zunehmender Vorliebe der bildlichen 
Bearbeitung der poetiihen Nationallitteratur der 
tſchen. Einigen frübern Nadierungen, wie 
Nübezahl und Genoveva, — zunächit viele fehr 
anſprechende Blätter zum «Dlalertichen und roman: 
ti utichland», denen ſich Holzſ 
tionen für eine Reihe voltstümlicher Dichtungen, 
Märden, Legenden u. ſ. w. anſchloſſen. Mit dieſer 
Thätigkeit erreichte R. erſt feine eigentliche hohe 
Beitimmung als gemütvoller Scilverer idylliicher 
Scenen aus dem Bolteleben. Dabei hat er das 
grobe Verdienft, den Holzfchnitt nach dem Vorbilde 
rers auf feine urjprüngliche Einfachheit zurüd: 
geführt zu haben. Es entitanden: 1833 Bilder zu 
den «Deutjchen Voltsbüchern» von Marbach, 1840 
zu Dullers «Geſchichte des deutfchen Volle», 1841 
zum aLandprediger von Watlefield», 1842 zu 
Muſäus' «Volksmärcheny und zu Nierig' «Kalen— 
ber», 1844 und 18416 zu ben «Studenten: und 
Boltäliedern»; ferner zahlreiche Kompofitionen zu 
Reinids Schriften, den Jugendblättern des G. 
Wigandſchen Verlags, Scherers Kinderliedern, den 
Märchen von Keil, dem Robinjon, zur «Schwar: 
e Tante», zu Horn «Spinnitube» u. a,; 1852 
a3 «ftindberleben» (6. Aufl. 1868), 1853 das illu: 
ftrierte 25 aMärhenbuh», 1851 —55 
eBeichauliches und Erbauliches» und das «Goethe: 
Album», 1855 «Chriftenfreude», 1856 dad Vater: 
Unſer, 1857 die Bilder zu Schillers «Glode», 1858 
—61 bie vier Hefte a Furs Haus», 1860 «Der 
gute Hirt», 1861 der «Sonntag», 1862 « C3 war 
einmal», 1864 der «Neue Strauß», 1866 « Unſer 
täglich Brote ‚1869 «Gefammelteö», 1874 ein leb: 
tes Heft «Bilder und Vignetten». Im %. 1877 
legte R. feine Profeſſur nieder. R. ftarb in Lofd)- 
ws bei Dresden 19. Juni 1884. Vgl, Hoff, «Adrian 
Ludwig R.» (Dresd. 1877) und N. Selbftbiograr 


nittilluftra: 


693 


bie: oQebenserinnerungen eines deutſchen Malers», 
eraudg. von ann alu Gr Wise 2p3.1885). 
Nichter 4 milius Ludw.), ausgezeichneter Leb- 
rer des Kirchenrechts, geb. 15, Febr. 18U8 zu Stol⸗ 
pen in Sadjen, ſtudierte in Leipzig und ließ fich 
1831 daſelbſt als Advolat nieder, wo er gleichzeitig 
mit Vorlefungen über das Kirchenrecht ie alade: 
miſche Laufbahn betrat. Seinen wiſſenſchaftlichen 
Auf begründete R. mit dem «Corpus juris cano- 
nici» (2 Bde., Lpz. 1833—39) und mit «Beiträge 
zur Kenntnis der Quellen des kanoniſchen Rechts» 
(2p3. 1834). Im J. 1835 zum außerord. —2— 
ernannt, wurde er 1838 in Marburg ord. Vrofeſſor 
bes Kirchenrechts und Civilprozeſſes, 1846 Pro: 
fellor des Kirchenrecht? an der Univerfität und 
gg im Kultusninifterium in Berlin. 
lus dem ftreife feiner Schüler gingen die meiften 
neuern ag (die jog. berliner Kano⸗ 
niftenichule)bhervor. Als Mitglied des Evangeliſchen 
Dberfirchenrats (feit 1850) und Oberlonfijtorialrat 
(feit 1852), dann al3 Geh. Oberregierungsrat und 
vortragender Rat im Minifterium nahm er an der 
lirchlichen 5*9 Preußens maßgebenden 
Anteil. Er ſtarb 8, Mai 1864 zu Berlin. Von 
R.s wiſſenſchaftlichen Leiftungen find ag bervor: 
zubeben: das «Lehrbuch des evang. und fath. Kir: 
chenrechts» (Ppz. 1841; 8. Aufl., neu bearbeitet von 
Dove und Kahl, 1878 fg.), durch weldes das 
evang. Kirchenrecht zuerft eine fihere Grundlage 
gewonnen hat, ferner «Die evang. Kirchenordnun— 
gen des 16. Jabrb.» (Bd. 1 u. 2, Weim. 1846), 
«Gefchichte der evang. Kirchenverfafiung» (Berl. 
1851), eine in Gemeinschaft mit Schulte bearbei: 
tete Ausgabe der «Canones et decreta concilii 
Tridentini» (Lpz. 1853), mit einem aus den Be: 
ſchlüſſen der fog. Congregatio coneilii gezogenen 
Apparat. Die von. 1836 begründeten «ritiſchen 
Jahrbücher für deutiche Rehtswiffenichaft» wurden 
von Schneider bis 1848 fortaefeht. Vol. Hinſchius, 
«dur Erinnerung an N.» (Weim. 1865). 

Richter Friedr. Eduard), Komponiſt und 
Mußilſchriftſteller, geb. zu Großſchönau bei Zittau 
24, Olt. 1808, bezog 1831 die Univerfität zu Leipzig, 
um Theologie zu ftudieren, und widmete fich jpäter 
dafelbjt unter Leitung Weinligs, Ipäter Mendels: 
johns und Hauptmanns mufifaliichen Studien. 

ei Begründung des Konfervatoriums 1843 wurde 
er Lehrer der Kompofition, 1852 zugleih Organijt 
an ber ste fpäter an der Nilolailirche 
und 1868 bis zu feinem am 9. April 1879 erfolg: 
ten Tode Kantor an der Thomasſchule und Mufit: 
direftor an den Hauptlicchen Leipzigs. R.s Nom: 
poſitionen gehören faft alle dem Gebiet ber geift: 
lihen Mufit an (Pialmen, Motetten und Kirchen: 
lieder teils mit Orchefter, teils für Chöre, ferner 
eine große Mefie und ein Oratorium, «Chriftus 
der Grlöjer»), baben fi aber wenig verbreitet. 
Mehr Beifall fanden feine theoretiihen Arbeiten 
aLe * der Harmonie» (15. Aufl., Lpz. 1882), 
Lehrbuch des einfachen und doppelten Kontra: 
punft3» (5. Aufl., Lpz. 1884; Supplement bearbei: 
tet von Alfred Nichter, Lpz. 1884), «Lehrbuch der 
Fuge» (4. Aufl., 2pz. 1880). j 

ter (Gugen), wer wien Politiker, geb. 
30, Juli 1838 zu Düffeldorf, ftudierte Jurispruden; 
und Staatswiljenichaften zu Bonn, Heidelberg und 
Berlin, trat dann ind Verwaltungsfach ein, war 
1859 — 64 an der Vezirköregierung zu Düfeldorf 
als Regierumgäreferendar und 1864 ebenda als 


694 
—— ſeſſor hung er und gu im Juli 
desjelben x fter ber 


der Bei * 
— von 28 nicht 
— —* R oh dem —— — u 
—* dauernden Wohnfis in Berlin, um ſich 
vo a gegen rg und parlanıen —— 
—— zu wi re begann er als 
Vertreter des Kreiſes Bora en 1867 im Koniti: 
tuierenden No — he wurde 
er von dem Fürftentum ass Rudolſtadt 
und 1874 vom Kreiſe Hagen in —* Deutf 
Reichstag gewählt, dem er jeitdem ununterbro 
angehörte. Auch im preuf. Abgeorbnetenhaufe, in 
das er zuerft 1869 — reife Königäberg in der 
Neumart gewählt wurde, vertrat er jeit 1874 ben 
Wahlkreis Hagen. Als Mitglied der Fortichritts: 
partei wußte er ſich bald * den Eifer, den er der 
polit. Agitation widmete, ſowie durch ſeine publi 
ziſtiſchen Beziehungen zur Tagesprefi fie einen größern 
— chern und, na die ältern angefebe: 
nern den oder freiwilligen Rüd: 
tritt aus der Fraktion ausgeſchieden, die tei: 
leitung endlid ganz in feine Hände zu nehmen. 
Als Bertreter eines ertremen divibualisnms be: 
lämpfte er auf das entichiedenfte alle Beftrebungen, 
—* auf eine Stärkung der Sfientlichen Gewalt 
egenüber der freien tonturreng der Brivatinterejien 
a polit. und wirtf&haftlihem Gebiete gerichtet 
waren. So trat er namentlich lebhaft genen bie 
Berftaatlicyung der preuß. Privatbahnen, gegen alle 
Belhränlungen der Gewerbe: und Handels: 
freipeit und gegen die ganze fozinle Rejormgejeh: 
gebun des Sriten Bıamard ein. Nur in dem 
Kampfe die lath. Hierarchie hatte er anfangs 
die von dem Miniſterium F ge alt durch die Maigefep: 
gebung geltend gemachten Rechte der Staats — 
unterjtüst, ſchloß ſich jedoch fpäter auch auf di 
Gebiete den Gegnern der Regierung an. Dice 
rein ——*— grundfärliche Oppoſition und die da⸗ 
durd) bedingte Wafjenbrüderfchaft mit allen parti: 
Iulariftiichen und antinationalen Elementen , fowie 
die Irofie Form des polit. Kampfes, der füch aud) 
gegen alle abweichenden Anfichten Innerhalb der 
liberalen Partei richtete, rief allmählich unter den 
eigenen Fraltionsgenofien N.8 Widerſpruch bervor, 
der bei parlamentarifchen Abjtimmungen wieder olt 
um offenen Ausdrud fam. Verſchärft wurde die: 
ber el enfak noch dadurd), dab N. 1885 ein eigenes 
Blatt, die «Freiſinnige Zeitung», gründete und durch 
die darin vertretenen Anjchauun en, namentlid) be: 
züglid) der Sozialreform, vielfady in offenen Wider: 
joruch gegen die übrigen Blätter feiner Partei trat, 
Als parlamentarischer Redner zeichnet fi N. durd) 
Gewandtheit und Schlagfertigleit aus. Bon feinen 
publiziſtiſchen Schriften find zu nennen: «Das 
preuß. Staatsihuldenwefen und die preuf. Staats: 
papiere» (Bresl. 1869), «Tas neue Gejeh, betref: 
fend die Konfolidation der: preuß. Staatsanleihen» 
(Brest. 1870), «Praltiſche Anleitung zur Gründung 
und Einrichtung von ionfumvereinen» (Berl. 1867). 
Richter (Guitav), Hiltorien: und Borträtmaler, 
geb. zu Berlin 31. Aug. 1823, befuchte die berliner 
Alademie und das Atelier von Holbein, jpäter in 
Laris 1844—46 das von Yon Cogniet, und ließ 
fih dann in Berlin nieder, Er befudhte Kom, dann 
wiederholt Frantreih und alien, 
ten, 1873 die Krim. Zu feinen berühmteften ws 
len gebö rt; Crwedung der Tochter des Jairus, 


1861 Sayp: | Hof entfernten Dorie, gewirkt, u 


Nichter (Guftav) — Richter (Job. Paul Friedr.) 


malt 1856 * in Berlin) und 
gemalt für das Mar in 
gu ptgebiet 


Münden. Hau 
ſchiedener das Porträt, und er 
fuchteiten Malern dieſes von ihm mit Meifterichaft 


vertretenen Fa Anfı in dem Geijte der 
Düfieldorfer ie fh N „gino er le 
a ee ae 
eine feltene Cleganz des Vortrags im und 
eine glängende it, N, war wen der 
Alademien zu Berlin, und M Gr 
ftarb 3. Ap * in Berlin. i 
chter ie. Arzt 
> ne er 14. Mai 
1838 al 
Bet “ bergen ie 


nahme ” — ander in se 
———— —— 
ſtelleriſche tigleit belannt cht. 

hören —— — —— 


der wiſſenſchaftlichen und ihrer 


Anwendung im Staats; 


ed Grundriß der innern 
Künt» & Ba, 2 2 ‚ion uk = das «Or: 
ganon ber » (2p5. 1850), in wel: 
dyem er die —— ng auf —— 


naturgemãße Grundlagen — * 
den Naturwiſſenſchaften ein — uchte. 

ſeinen zahlreichen andern ten fi — 
heben: eine «Flora von — 

tritiſche Geſamtausgabe von ve- 
——— CEpʒ. 1839), ·Uber jugen 

—— 1844 —*— ſchwed. nationale und 

mediz. OGymnajtit» (D Lpz. 1845), «Blut: 


Ai 


sun und en ah (Bist u u. 2pj. 

Aufl, 1854) u. br De — 
AR N. wieder ie ed En 
gab feine darauf 
1865) heraus. Hufen o Basen er: ne 
neitaf A -.- 
(Dresd, «Da ee 
(2 Boe., F ae, «Die in Ihre Gierjährie Kreie- 
vereine des Königreichs 
gen Wirkfamteit» (Lp3. a eier 
Moltenturen» (Lpz. 1872). ud) führte e 1800 
in Verbindung mit Winter die 
Schmidts «Mediz. Jahrbücdern». 


Nichter (Joh. Paul Friede.) au Sue» 
Ba — der großte heut 

u MWunfiedel im VBayreu iſchen 21. Mä 
ac der Sohn des — ertius und iten, 


welcher 1765 Pfarrer zu Kodik, ———— 
Schwarzenbach wurde und bier 1779 ftarb. ad 
dem der junge R. dad Gymmaftum zu Hof 
Jahre lang befucht, bezog er 1780 bie 
Yeipzig, um Theologie zu ftudieren, 
jedody vorzugsweiſe und —9 —— 
ſchönen Litteratur. ofigleit nötigte ihn, 
1784 Leipzig zu Mn = Im zu 
"are in den dürftigften Berhältnifien 

utter zu begeben, Nadidem er 1787—89 als 
Hauslehrer in Töpen, einem — von 

er 


1790— 94 die Kinder te 
zenbach. Inzwiſchen war er ſchon * Schrift⸗ 


Richter (Joh. Paul Friedr.) 


fteller aufgetreten. Seine eriten, anonym erichie: 


nenen, mehr fatirif als bumbeiti —— 

ten, die « rönländ, je (2 Bde. 

89) und die «Auswahl aus bes Zeu ji ge 

ze (Sera 1789) fanden nur weni ach | 
ur K. Ph. Morig, dem er 1792 die Sander: 


feines erften Romans «Die unſichtbare 
(2 Bbe., Berl. 1793; 2. Aufl. 1821) mit der B te 
um Unterbringung bei einem Buchbändler nor 
ſchidt hatte, wurde ihm zuerjt die Ausficht au 
—— Anerlennung und ein ſorgeufreieres 
eröffnet. Nachdem er fein Lehrerverhältnis in 
Schwarzenbad aufgegeben, lebte er wieder in Hof, 
von a. de Zeit auch in Ba reuth bei einem 
ze 8 erſchienen jet na der folgende 
von ihn: «Hesperus» (4 ‚ Berl. 1794; 
2. Aufl. 1798; 3. Aufl. 1819), Biographifee Be 
en unter ber Gehirnfchale einer Riefin» 
1796), «Leben deö Quintus Firlein» (Bayr. 
1796; 2, Aufl. 1801), nn. ruht: und 
Dornenftüde ober Eheitand, Tod und Hochzeit des 
Armenadvolaten Siebenläs> (4 Bde., Berl. — 
97; 2. Aufl. 1818), «Der Jubelſenior⸗ 
und «Das SKampaner Thal» (Grf. 1798). “ Sein 
ee ben gefeiertiten in Deutich: 
land. ald er, n dem Tode feiner Mutter, im 
—— 1797 ne pzig überfiebelte. Schon im 
—* die Liebe zu Herder 
ee ee im Frühjahr 1800 * 
Berlin vertaufchte, wo * Karoline 
anmutige, geilt: und gemtituolle Dodueitbeie 
Tochter des Geh. Tribunalsrats Mayer, lennen 
lernte, 2, wen wel 
einingen 8 
* (Berl. 1800— = rn Bear: 
ge herausg. von * "Sievers Wolfenb. 1878). 
In dieſem Noman und in den « legeljahren » 
Set Tub. 18045) erreichte R, jeinen fchrift: 
felleriihen = — N u er 1803 von 
Meini nahm er 1804 
feinen b —ã— ——— Der Her: 
n eleben Wehr in Uns batte ibm ben 
itel al3 Legationsrat gegeben. Bon dem Füriten: 
Primas erhielt er 1808 einen Jahr, ngehelt von 1000 
—— ausgelegt. Seit dem Tode ſeines ein- 
offnungsvollen u. 1821, begann er 
al 3 zu ggg und ftarb 14. Nov. 1825. 
König Lubwig I. von Bayern ließ ihm 1841 auf —— 
Gymnaſiumsplatz zu rg ein von Schwa 
thaler entworfenes Standbild errichten. 


Bon R.s humoriftifhen Dichtungen find nod) zu 


en: «Das heimliche Klagelied der jehigen 
rem. 1801), «Dr. Habenbergers Babe: 
‚ Heibelb. 1809; 2. Aufl., 8 Bbe,, 
Brest, 1823, er von D. Sievers, 2pz. 1879), 
«Des predigers Schmelze Reife nah Fläb» 
(Züb, 1809), Sehen Fibeld» (Nürnb. Du, «Der 
Komet, oder Nikolaus Marggrafv (3 Bde., Verl. 
180-2). Sein erftes —— Bet pbilof. 
rg war die Vorſchule der Uſthetil⸗ (3 Vde. 
ıb. 1804; 3. Aufl., QTüb, 1814). Dem f&hlof 
hi an Debana oder Grsichungslchee Braunſchw. 
1807; —— — Nachlaß verm. Aufl., 
Etutta. 1 vol. D. Hayier, «Ebeliteine and 
Jean Gauls — ER 1879). u Rüdficht 
auf Seitereignifie (rich er ba vn Deu digt» 
(Heibelb. 1808), « land. 
(Tüb. 1809), «Mars und 300 öbus’ —— 
im J. 1814» (Tüb, 1814) und «Bolit. Faſtenvre⸗ 


er fi) im Mai 1801 vermäblte dar, 
ier vollendete er feinen | f 


ſel 3 


695 


digten» (Stuttg. und Tũb. 1817), in denen er in 
einer Weife ftrafte, tröftete und erhob. © Die Samm 

Werle», welde er — 
ereitete, umfaßt 65 Bände 
wer) Dan ie fommen nod) 


i E. 
—— —e — en: 


anlf. 
1845), «R.8 Briefwechfel mit Ak Freu Ghr. 
Ditto» (4 Bbe., er 29-33), « Briefwediel 
zwiſchen Ku. Voß = Jean Raul cherausg. 
von Ab oß, Heibelb. — Jean Pauls 
Briefe 4 eine Augendfre unbdin» (herausg. von 
. dr. Täglihöbed, Brandenb. 1858), «Briefe von 
arlotte * Kalb . can Pauls (berauag. von 
Nerrlich «Dentkwüurdigkleiten aus 
dem Leben *3 Kane von E, Förfter, 4 Bbe., 
wovon 3 nur Briefe enthalten, Munch. 1863). Eine 
vollitändige Ausgabe feiner "Werte mit einer Bio: 
ey von Gottichall erſchien in 60 Teilen (Berl. 
1879), eine Auswahl in 7 Bänden (Berl, 1879). 
R.s ſchriftſtelleriſche —* in fo reich und viel: 
feitig, daß es fehr hung ein Gejamturteil 
über dieſelbe abzugeben. Sacden er in feinen 
—* Schriften eine nur auf Einzelnes und Nahes 
ende, doch nirgends verlehende Satire geübt, 
* er ſich ſchnell auf die höhere Stufe bes Hu 
mors, welder alle Einzelheiten und Zufälligteiten 
von dem Standpuntte einer umfafie rund: 
idee aus betrachtet. Jedoch jpricht er diefe Grund: 
idee nicht felbft aus, ſondern ftellt die berjelben 
nicht entſprechenden gleiten und Zuftände fo 
daß daraus ihre Unzulänglichleit der dee 
elbit 9 egenüber hervorgeht. Wenige Dichter haben 
Liebe 2 undichaft in jo * Weiſe ve 
Do * 


ung ſeiner Sanitlichen 
8* —— Tode vo 
1826—38 u. 
* Nachklãn 
b. 1832), 
Pe —— 


licht. beſaß er wen an für fünftl 
em, und in biefer Hinficht kann leins feiner 

e als ya gelten. Gin eriftif 
Beweis dafür ift au, dab er nie im Stande war, 
jeine Roefie in feſte metriiche Form Dun Hier: 
mit hängt zufammen ber übertri Gebraud * 

den er von —* erg re . in rg 

Gelebhriamteit macht, —— in 
wendung von Bilbern, wo der 30 ſich nicht felten 
auf Untojten des Ge fühls ge gl macht und die 
—A— des Dichters der Haren und feſten 
—— —— — im zus teht. 
Es find aber dieſe -y dem ganzen Neid): 
tum von Trefflichleiten N. fo eng verbunden, 
daß, wer an einzelnen Schönheiten feiner Shöpfun: 
en ſich wahrhaft erfreuen will, aud den nanzen 
„Jean Baul hinnehmen muß, mit dem Abel feiner 
efinnung, mit feiner nn Liebe und Milde 

und feinem erhabenen Born, mit feiner tragischen 
Wehmut und feinem fcherzenden Spotte, mit jeinem 
Wis und feiner —— ichen Komit, mit dem 
uber feiner Sprade und mit deren Cigenttim- 
—— em mit feinen Jrrtümern und Schwä- 
% erfuh, dur Tiberfehungen dem 
—ã— das Verſtandnis feiner Werte zu eröff: 
nen, mußte bei einer jo ei mar nn terischen 
—— ſcheitern. zur tie: 
ern Einfiht in das Weſen 38* riftſtellers 
ewährt das von ihm ſelbſt begonnene, dann aus 
Bei inen Papieren, Briefen und mündliche chen fiber: 
eg von Chr. Otto und E, Förfter fort: 
te Wert «Wahrheit aus Jean Pauls Leben» 
n., Bresl. 1826-33). Außerdem vol. Spa: 


zier, «R, in feinen legten Tagen» (Brest. 1826); 


696 


Döring, «Leben und Charakteriftit N.3» (2 Bde,, 
Weim. 1826); Spazier, «jean Paul Friedrich R. 
ein biographiſcher Kommentar zu deſſen Merten» 
(5 Bde. ; Lp3. 1833); Kunz (Funk), »Jean Baul 
Nriedrih N.» (Schleufingen 1839); Pland, «Jean 
Bauls Dichtung im Lichte unferer nationalen Ent: 
widelung» (Berl. 1867); «Jean Bauls Leben, Geiſt 
aus feinen Werten» («Bibliothet beuticher Klaſſi⸗ 
fer», Freiburg i. Br. 1868); Nerrlich, «Jean Paul 
und feine Zeitgenofien» (Berl. 1876), 

Nichter (Joſ.), öfterr. Satirifer und Drama: 
tifer des 18. Sabrh., geb. 16. März 1748 zu Wien, 
geſt. dafelbit als Privatgelebrter 16. Juni 1813. 
Gr gab unter dem Pieudonym Obermayer die 
«Gipeldauer Briefe» heraus und —* ſich der 
orthodoxen Partei durch feine Schriftſtellerei un- 
bequem. Zu ſeinen zahlreichen, der Vergeſſenheit 
anheimgefallenen Dramen gehoͤren: «Der Fall» 
(Wien 1776), «Die Feldmühle» (Wien 1777) und 
«Die lächerlichen Projeltanten» (Wien 1811). 

Richterswyl, jtattliher Marltfleden im Bezirk 
Horgen des Schweiz. Kantons Hürich, liegt 410 m 
über dem Meere, 22 kın füdöjtlih von Zürich auf 
dem linfen Ufer des Züricherfees, an der Norboft: 
babnlinie Zürih-Glarus und der Dampferlinie des 
Züricherfees und zählt (1880) 3826 meijt reform, E. 
deren Haupterwerböquellen neben Ader-, Objt: und 
Meinbau die Seidenzwirnerei, die Baummollipin- 
nerei und die PBarketterie find. Obwohl feit der 
Eröffnung, ber Bergbahn Wädenswyl⸗-Einſiedeln 
der einjt ſehr lebhafte Pilgerverlehr von R. ab: 
genommen bat, iſt es dod dank feiner fchönen 
geihüsten Lage an einer breiten, von anmutigen 
Höhenzügen umſchloſſenen Bucht und feinem regen 
Gewerbfleiß immer mod) einer der belebtejten Ver: 
fehrsplähe des obern Züricherfces, 

Nichthofen, eine im gräjl., freiberrl. und 
abeligen Stande blühende ſchleſ. Adelsfamilie, 
weldye urfprünglih Schulke hieß, aus Bernau un: 
weit Berlin ftammt und fi im 16. Jahrh. lati- 
nifiert PBrätorius nannte. Paulus Brätorius 
(geb. 1521, acit. 1565), kailerl, und brandenb. Rat, 
adoptierte 1562 den Samuel Schmidt (Fabriciuß), 
welder den Namen Prätorius annahnı und 1605 
ald Bürgermeilter von Frankfurt a, D. ſtarb. 
Defien Entel Jobann Prätorius (geb, 1611, 
geſt. 1664) erhielt 1661 den böhm, Nitterftand mit 
dem Beinamen von Richthofen. Der Freiberren: 
ftand kam 1735, 1741 und 1846 an die noch blühen: 
den Linien, der preuß. Grafenftand nad) dem Nechte 
der Erjtgeburt an den Kohlhöher Zweig 1846, 

Den freiberrl. Linien diefer Familie gehören an: 

Karl Freiberr von R., geb. 30. Mai 1811 
zu Damsdorf bei Etriegau, wandte fich germa— 
niftiichen Studien zu, bereijte zu diefem Zwed 1834 
Friesland, war 1842—60 Profeſſor an der Uni: 
verfität Berlin, wo er über deutichrechtliche Ma: 
terien, Handels: und Wechjelrecht las, 1849 Mit: 
olied des Erfurter Parlaments, jpäter Mitglied 
des preuß. Abgeorbnetenbaufes und lebt feit 1860 
teils in Berlin, teils auf feinen Gütern in Ecken 
zumeift in Damsdorf. Er fchrieb «Altfrieſ. Nechts: 
quellen» (Berl, 1840), «Altfrief. Wörterbuch» (Gött. 
1840), allnterfuchungen über frief, Rechtsgeſchichte; 
(2 Bde., Berl, 1880—82), und war Mitarbeiter an 
den Leges der «Monumenta Germaniae historica» 
(«Lex Frisionum» im 3. Th., Sannov, 1863); 
außerdem veröffentlichte er: «Zur lex Saxonum» 
(Berl. 1868), «fiber die fingulären Erbrechte an 


Nichter (Joſ.) — Richthofen 


ſchleſ. Rittergütern» (Berl. 1844), und mit Fries: 
Die engl. Armenpflege» (Berl. 1863). Währ:nd 
—— Augenleidens unterſtützte ihn vielfach in 
einen Arbeiten fein Sohn Karl Freiherr von 
R., geb. 8. Dft. 1842, Regierungsrat zu Erfurt, 
der mit feinem Vater gemeinfchaftlich die «lseges 
Saxonum»(«MonumentaGermaniae legum»,Bd.5, 
Hannov. 1875) und allein die «Lex Thuringorum» 
Hannov.), fowie den «Kölner Schiedsſpruch von 
angeblih 1169» («Forihungen zur deutſchen Ge: 
Ihichter, Bd. 8) herausgab. j 
Emil Freiherr von R., geb. 11. Juni 1840 
u Trebnis, erhielt * Erziehung in Militſch, wo 
fein Vater Ludwig R. (geb. 1770, geft. 1850), 
Verfafier des «Handbuhs für Landräte» (Breäl. 
1833), Landrat war, und auf dem Gymnaftum zu 
Ols, von dem er 16jährig zur Univerfität abging, 
wurde 1833 Aſſeſſor, 1838 ntendanturrat, in 
welcher Stellung er ein Werl, «Die Medizinal- 
einrichtungen. des m Heerd» (2 Bde., Bresl. 
1836 —37), ſowie eine «Geſchichte des Haushalts der 
Kriegäheere» (2 Bde., Berl. 1840) verfaßte. Im 
J. 1840 an die Oberre_hnungslanımer, 1843 als 
Geh. Kriegsrat in das Kriegsminifterium verjest, 
trat R. 1846 in die diplomatiſche Carriere über, 
erbielt zuerft das neugegründete Berufs-General⸗ 
fonfulat in Jaſſy, wurde 1847 daneben polit. 
Agent für die Donaufürftentümer, 1848 nad Berlin 
berufen und mit der Organifierung und Leitung 
des Preßbureau im Staatsminifterium beauftragt, 
1849 Generalfonful für Portugal und Spanien, 
1851 Minijterrefident in Merito, mit welchem 
Lande er am 10. Juli 1855 den Handels: und 
Schiffahrtsvertrag des Zollvereins abſchloß und 
über dejien damalige Lage fein Bud «Die äußern 
und innern polit. Sufände ber ee Merito» 
Der. 1000) ufſchluß gibt. N. wurde 1856 preuß. 
Mitglied der europ. Kommiſſion für die Reorgani— 
fation der Donaufürftentümer und 1859—67 Ge: 
fandter bei den Großberzögen Medlenburgs und 
den Hanfeftädten. Im 3 1867 wurde R. von 
Hamburg als preuß. Gelandter nah Stodholm 
verfeht, wurde dort 1868 Gefandter des Nord: 
deutihen Bundes, 1871 des Deutihen Reichs, 
nahm 1874 feinen Abſchied und lebt jeitdem in 
Baden:Baden. Gr it der Berfafier der 1884 cr: 
ſchienenen Familiengefchichte (f. weiter unten), 
Ferdinand Freiherr von R., geb. 5. Mai 
1833 zu Karlsruhe in Schlefien, ftudierte von 1850 
an in Breslau und Berlin, promovierte 1856 mit 
einer Arbeit «De metaphyro», führte in demfelben 
Jahre eine geolog. Aufnahme des füdöftl, Tirol aus, 
deren Refultate er in feinem Wert: «Geognoft. Be: 
fhreibung der Umgegend von Predazzo u. ſ. m.» 
(Gotha 1860) nieverlegte, und beteiligte fih von 
Ende 1856 bis Anfang 1860 an den Arbeiten der 
t, k. neolog. Reichsanſialt in Wien, wobei er mit 
von Hauer bie erg von Nordtirol, Rorarl: 
berg, Siebenbürgen fowie des nordöjtl. Ungarn 
ausführte. Mit dem Hang eines Legationgfelretärs 
begleitete R. als Geolog die preuß. Erpedition nad) 
Japan, China und Siam, trennte fi in S 
von berjelben und befuchte Java, bie Philippinen, 
Hinterindien, Hierauf ging er nad Californien 
und Nevada, begab fi) 1868 von bort birelt nad 
Shanghai und widmete fi, durch vier Jahre der 
Erforſchung von China und eines Teils von japan. 
Ende 1872 nad mehr als zwölfiähriger Abwefen: 
beit nad Guropa zurüdgelehrt, begann R. in 


NRichtmaß — Nicimer 


Berlin die Ausarbeitung der Reſultate feiner ums | 
fafienden Reifen. Geit 1873 befleidete R. die 
Stellung eines Präfidenten der Geſellſchaft für 
Gröfunde in Berlin und nahm mefentlichen Anteil 
an der vom König Leopold II. von Belgien ein: 
eleiteten Drganifierung der Afrikaforſchungen. 
Em %. 1875 zum _orb, rofefior für Geographie 
in Bonn ernannt, fiebelte er. 1879 von Berlin dort: 
bin über, folgte aber 1883 einem Rufe an die Uni: 
verfität Leipzig. Von feinen Arbeiten find neben 
ablreihen Aufſähen in geoton: und geogr. Beit: 
\örüten zu nennen: «Die Kalllager von Vorarl: 
erg und Norbtivol» (Jahrbuch der k. k. geolog. 
Reihsanftalt», 1859, 1861), «Studien aus den 
ungar,fiebenbürg. Trachytgebirgen» (ebend. 1860), 
«The Comstock lode» (San: Francisco 1865), 
ePrinciples of the natural system of volcanic 
rocks» (San-srancisco 1867), «Die Metallprodut: 
tion Galiforniens» (Gotha 1865), «Letters to the 
Shanghai chamber of commerce» Eheretg 
1869— 72), «China, Ergebniſſe eigener Reiſen und 
darauf gegründeter Studien» (Bd. 1, Berl. 1877; 
Bd. 2,1882; Bd. 4, 1883), «Nufgaben und Me: 
thoden der heutigen Geographie» (Ypz. 1853). 
Sein Bruder Karl Freiherr von R., geb. 
31. Jan. 1832, widmete ſich dem Forſtfach, wandte 
fi aber 1856 der kath. Theologie zu, wurde 
Bfarrer in Hobenfriedeberg, 1872 gegen feinen 
Wunſch Kanonitus am Dom zu Breslau. Die 
tategorifche Aufforderung, fih den vatifanijchen 
Delreten vom 18. Juli 1870 zu unterwerfen, ver: 
anlaßte ihn im Mai 1873 zu einer öffentlichen Gr: 
Härung gegen diejelben , welche feine fofortige Ab: 
fepung und Grlommunilation zur Folge hatte. 
Am dr 1875 trat R. in Leipzig zur luth. Kirche 
fiber. Bald darauf am 7. März 1876 ftarb er in: 
folge ſchwerer Brandwunden. Geine religiöfen 
Kämpfe find gefchildert in der von feiner Mutter 
herausgegebenen Biographie: «Karl reiberr von 
R.» (Lpz. 1877), Bol. aGeſchichte der Familie 
Prätorius von R.» (Magdeb. 1884). 
Nichtmaf, foviel wie Eichmaß. 
Richtmünzen nennt man ſolche Münzen, bie 
ein art ausprägen und genau jultieren läßt, da: 
mit die münzberedtigten Landſtände ihre Münze 
danad) einrichten Tönnen. So findet ſich 3. B. auf 
einer _berartigen Münze, die König Heinrich III. 
von Frankreich 1578 prägen ließ, als Randichrift | 
aufdem Revers bemerkt: «Constitutae rei numariae 
exemplum», und aufeiner andern: «Probati nu- 
—— bu 
tichacht (Bergbau), ein faigerer, d. h. lot: 
rechter Schacht im Gegenjab zu flachen oder tonn: 
lägigen Schächten. 
tichtfcheit (frz. rögle, röglet; engl. rule, | 
straight-edge), ein gerades Lineal, deſſen fich die 
Maurer, Tifchler u. |. w. zur Herftellung volltom: | 
men horizontaler Flächen bedienen, indem fie die 
Kante an verſchiedenen Stellen und in verichiedener 
Richtung aufjegen. Das doppelte Richtſcheit 
bejteht aus zwei genau gleichen Linealen oder 
aud aus zwei quadratiihen Bretten, jedes mit 
einem quadratiichen Loch in der Mitte, bie, auf 
eine gerade, vierlantige Stange geſchoben, ſich 
auf berfelben in größerer ober geringerer Entfer: 
nung voneinander verſchieben lafjen, wobei bie | 
untern ſchmalen der € , 
man * längs der Stange gibt, in der gleichen 
Ebene liegen müflen. 





ächen in jeder Stellung, en | 


697 


Nichtftäbchen find dünne, eiferne Stäbchen 
zum Ausiteden der Richtung auf der Brujtwehr 
eines gebedt jtehenden Gefchüges. 

Nicdhtfteig, d. h. Steig oder Weg des Gerichts, 
der Name für mittelalterliche Rechtsbücher, welche 
das Prozehverfahren barftellen. Val. Homeyer, 
«Der Richtiteig des Yandredhts» (Berl. 1857), 

ichtung (militärifch) heißt bei der Aufftellung 
und Bewegung eined Truppenlörpers bie Linie, 
welde für diefe maßgebend it. Ein Zruppenlörper 
iſt in fich gerichtet, wenn feine Front eine gerade 
Yinie bildet und die hintern Ölieder, bezw, in der 
Kolonne die bintern Abteilungen fid auf die vor: 
dern deden. Die R. kann auf einen der Flügel oder 
auf die Mitte eines Truppenkörpers genommen 
werden. Das Ginnehmen einer gerichteten Auf: 
itellung wird erleihtert, wenn man zunächſt die 
Führer der Abteilungen (als Points) in die beab: 
fichtigte J nimmt. Dieſe ſind es 
auch, welche für die Erhaltung der N. während ber 
Bewegung forgen. Bei größern ——— 
(Regimentern, Brigaden) muß eine beſtimmte Ab— 
teilung als R. angebend —— werben (Nid): 
tungsbataillon, :E3tadron, Batterie). Bei Gefechts— 
bewegungen kann die R. nur im allgemeinen inne: 
gehalten werben. 

‚Richtung bei einem Gefhüß ober Gemebr it 
die der Entfernung und Lage des Ziels entfprechende 
Stellung der Seelenadhfe des Rohre. Man unter: 
ſcheidet ar Höhen: und Seitenrichtung; durch 
eritere erſtrebt man die gehörige Schußweite, bezw. 
Geitaltung der Flugbahn, durch letztere wird bie 
feitliche Lage der Geſchoßbahn zum Ziel geregelt. 
Zum Nehmen der Höhen: und Seitenrihtung findet 
ih an den meijten ach po der Aufſaß (i. d.) 
und das Horn, an den Gewehren Bifier und Korn, 
Als Mittel zum Nehmen der an dient 
bei Geſchühen außerdem der Quadrant (f. d.), bei 
den neuern Ginrichtungen auch der Gradbogen, für 
die Seitenrichtung das Richtlot. Die Lafetten (. d.) 
baben zum Nehmen der Höhenrihtung bie Nicht: 
maschinen; die Seitenrichtung feitzuhalten und zu 
verändern dient bei der Rahmlafette der Rahmen, 
bei der Belagerungslafette die Rihtvorrichtung. 

Nichtungswinkel, der Winkel der Seelenachſe 
eines gerichteten Gefchügrobr& zum Horizont, gleich: 
bedeutend mit Glevationswintel. j 

Nicimer, ein von Seite des Vaters aus ſuevi— 
ſchem Königsgefchlechte in Spanien und von Seite 
der Mutter von dem weitgot. . Wallia abjtam: 
mender, unter Aötius geſchulter weltröm.Heerführer, 
vermochte längere Zeit das Weftrömijche Neid an 
der Spike der deutſchen Söldner durd vorge: 
ihobene Schattenkaifer zu beherrſchen. Fuür den 
rn Arverner Flavius Avitus, welder (455) 
dad Kaifertum dur den Beiftand bes weitgot. 
Könige Theodorich IL. erlangt hatte, führte er zwar 
auf Sicilien und namentli auf Corſica ſiegreich 
den Krieg gegen die Vandalen, beraubte ihn aber 
bald darauf der Herrſchaft (456). Zum Nachfolger 
desſelben ließ er den ihm befreundeten Majorianus 
457) zu; diefen ihm allzu jelbitändigen Herrider 
türzte er aber fhon 461. Er jehte num den Lybius 
Severus auf den Thron, in dejien Namen er nad) 
Willlür ſchaltete, aber aud 464 ein alaniiches 
Heer bei Bergamo vernichtete. Nach dem Tode 
(465) desſelben führte er als Patricius (ein Nang, 
ben er ie 457 hatte) die Regierung einige Zeit 
allein. Die Angriffe der Bandalen führten darauf 


698 


u einem Bünbniffe beider röm. Reiche, infolge 
befen im April 467 PBrocopius Anthemins, ein 
Schmwiegerfohn des verftorbenen ojtröm. Kaifers 
rcianus, Einverftändnis des oftröm. 
Kaiſers Leo T. und R.8 zum weitröm. Kaiſer einge: 
* wurde. ** neue Kaiſer vermäblte zugleich 
eine Tochter an R. Ein gemeinihaftliher Zug 
en die Bandalen mi ide rel — — 
ie Weſtgoten ganz Südfrankreich eroberten, brach d 
—— die —S ermadhfene Jeindf ft R.s 
Er feinen —— in offenen Krieg aus, 
r mit eg br nd Blünderung Roms und 
ses, nthemius endigte (11. Juli 
m worauf Olybrius, pm Schwiegerfohn Balen: 
tinians IIL, dur R. zum Kaifer eingefeht wurde. 
Beide aber, ſowohl der neue Kaiſer ala R. ſtarben 
an der Veit noch im Herbft desſelben Sabre 
Ricinus L., zur Familie der Wolfsmilch— 
gewãchſe gehörig, wahrſcheinlich nur in einer ein- 
jigen Species (R. communis Z.) mit mehrern For: 
men beitehend, in feiner Urheimat (Indien) aus: 
dauernd und felbft baumartig, bei uns nur ein: 
jährig und wegen feines ungemein raſchen Wachs⸗ 
tums und feiner baumartigen Form Wunder: 
baum genannt. Er hat einen grauduftigen Stamm 
und große ſchildförmige Blätter mit zwei roten 
Prüfen oben am Bat iele, und ift getrennten Ge: 
ſchlechts. Ungewöhnlich find die zahlreichen, ver: 
äjtelten Staubgefähe der männlichen Blüte. Die 
dreifnopfige, weichſtachelige Frucht enthält drei 
Holen braunmarmorierte Samen, welde 
Holzbod (Ixodes ricinus) ahnlich jehen. Sie ent: 
halten ein heftig purgierendes Ol. In den Gärten 
tft der R. eine der gg en Decorationspflanzen 
für den Gartenrajen, muß aber im Warmbeete 
erjogen und darf erjt dann ausgepflanzt — 
wenn leine Froöſte mehr zu fürchten find. Sprach— 
forſchende Botaniter haben dargethan, ba er 
«Kürbis» vor Konad’ Hütte (Jonas 4,6), den = 
Wurm ftadh, daß er verdorrte, dieſer wunderbaum 
kikajon) geweſen, der in der That genen Ver: 
ekungen je — iſt. (©. Tafel: Öl: und 


——— 

Sa ricini, engl. Castor-Oil, 
ein didflüffiges, fettes ÖL, welches durch Ausprefien 
der Samen von Ricinus communis in Dftindien 
und andern Ländern gewonnen wird. Es findet 
medizinisch Verwendung als Purgiermittel, jowie 
techniſch ala Erfakmittel des Dlivenöls in der Tür: 
fiichrotfärberei, zur Seifenfabritation. Es beiteht 
aus verschiedenen Glyzeriden, unter denen das ber 
Ricinölfäure vorwiegt. 

Nice, das weibliche ausgewachſene Reh. 
Ridert (Heinr.), deuticher Volitiler, geb. 1833 
u Danzig, befuhte 1852—56 die Univerfitäten 
Vreslau und Berlin und übernahm 1858 die Ne: 
daction der «Danziger HYeitung», deren Miteigen: 
tünter er wurde. an: J. 1870 wurde er von dem 
banziger Wabltreiie in das Abgeordnetenhaus, 
1874 in den Neichdtag gewählt und gehört feitdem 
beiden Körperfchaften ununterbrochen an. Seit 
1884 vertritt er im Reichstag den Wahllreis Meit: 
ee Als Mitglied der nationalliberalen 
Sartei trat er im Parlament zuerjt (namentlich in 
— der Militär: und Marineverwaltung) viel: 
ach für die Forderungen der Negierung ein, fchlof 
fih aber jpäter, nachdem er als eifriger Vertreter 
unbedingter Boll: und Handelsfreibeit durch die 


MWirtfhaftspolitit des Fürften Bismarch in die | (8 Blatt), « 


Rieinus — Ridinger 


Dppofition gebrä u den und 
demnãchſt der Deu Deut freiñ —— in 
rein polit. * ee der 

neuen Pro in bie 


wurde R. 1876 in König i. 
zum erſten in San 


* — 


— geb. 10.2 Bye) 0 1 Betr, 2 
ris, welche Feen 
fh burc | durch | 


fis (f. Ex —— Bon Rs 


2 
& 
g 


h 


iu 


i 
Bi 


nennen: «Traitö pratique des — 

585 Eee. de Phöpiai 

des veneriens» (Par. 1841 —66, mit 66 Tai.), 

«Lettres sur la syphilis» (3. Aufl., Bar. 1863), 

«Legons sur le — von Four: 

nier, Bar. 1858; 2. Au 

N: S ie —* tterat uns Run 

e Spradye, Litteraturun 
und Dichter, geb. 18.00. jr m 
gg — — —— 
— —— —— ce 

dem | gierte und als Berle Be 

er aud) auf den Reichs Sagen un ji 181 = 

Si der Zweiten Kammer 

eorbneter war eine entſchieden frei 


b verfhiedene Sammlu 
— Geſammelt, 3 Bde —*— 


— 


—— —— es Bi. ae 
ch verfuchte er 
—— idee Bon .n. — 4 


* 


Deutſche überjegten Romanen 
«Das Gewiſſen, oder Ge 

«Der Trabant», KR 

«Bater und Sohn, « 


- ſ. w. Eine — von — 
omanen —— 
Ridende (cu (es — — 
verum “ 

——— Dan. Citat aus Eee 
Es [rifhe Maſchinen 
gibeiteer (Job, Otte) Deruhmier — 

15. Sehr. 1695 in Ulm, war hu . 


eb. Kunſt 
Pändler. und wurde 1747 Direltor ber 

u Augsburg, — er 10. m. 1767 = 
heilte mit großer Wahrheit die 


Lebensweiſe wilder Tiere dar. Seine Bilder, —* 


2 


in Zeichnungen und Radieru ent: 
Ind [eine gonbfenften fnb wild und letz 
und feine Yan 

den dargeitellten Tierarten Minder 


lüdlih war er im ber 

—— und zahmer — 
mälde von ihm find ſehr ſelten; deſto 

ſeine Zeichnungen, die er großer 
und mit Gejdmad — Ziemlich 


find auch R.s radierte Blätter 


unter denen die — 
nach ihrer Natur, Gef — 
«Betrachtungen ber —— Fer 


Niehbein — NRiebmüller 


(40 Ban), «Fabeln aus dem Reiche der Tiere» 
us Blatt), die von Hunden gehepten l 

iere (28 Blatt) und das «Paradies» (12 Blatt) 
als die vorzäglichiten gelten. Alte Abdrüde find 
felten und zum Teil hoch im Preife; eine neue Aus: 
gabe erſchien 1817 — andigh. Bal. ne⸗ 
mann, «Leben und Wirten R.3» (%p3. 1856). 

Riechbein (Siebbein, Os ethmoideum s. 


eribrosum), ein —— eigentumlich geſtalte⸗ 
ter, zwiſchen —* lhöhle, Naſenhöhle und den 
beiben ugenhöhlen gelegener en, wel 
er in naher Beziehung zu dem Geruchsorgan ſteht. 
unterſcheidet an ihm die nach der del⸗ 

höhle zu ſehende ſiebartig durchlöcherte Sieb— 


platte (Lamina eribrosa), durch deren feine Off⸗ 
nungen die Geruchanerven aus der Schädelhöhle 
zue Nafenihleimhaut treten, die fentredhte 
Blatte, welde den obern Teil der knöchernen 
Naſenſcheidewand bildet, und die beiden aus dünn: 
wandigen Knochenzellen beitehenden Seitenteile 
oder Labyrin iM die in ihren Hohlräumen von 
der Naſenſchleimhaut 38 eidet werden und die 
Endaus breitungen der Riechnerven enthalten. Nach 
den Augenhohlen zu werben die Labyrinthe durch die 
beiden dünnen Bapierplatten (Laminae pa- 
pyraceae), nad) der Najenböhle au durch bie obere 
und untere Raienmufcdel (Concha ethmoida- 
lis superior et inferior) begrenzt. (S. Nafe.) 


Ri „ſJ. unter Gerud. 
Riechfalze (salia odorata) nennt man Salze, 
welche entweder mit Riechſtoffen geträntt find oder 


durch ihre Vermiſchung ftarkriechende und flüchtige 
Stoffe entwideln, deren Dämpfe man bei Gr: 
g, Obnmadt und Schwächezuſtänden in 
die Naſe einziehen läßt. Am belanntejten find das 
engliiche Riechfalz, beftebend aus 1 Zeil loh⸗ 
lenjaurem Kali und 3 Zeilen tohlenfaurem Ammo: 
niaf, mit fpirituöfem Salmialgeift Übergofien, und 
das als Parfum dienende weiße oder Flüdhtige 
Suse), ehe! ‚ fein gepulvertes, mit 
LZavendelöl beträufeltes tohlenfaures Ammonial. 
Nied oder Moor, ſ. unter Bruch (geogr.). 
‚Ried, früher Hauptitadt des Sinnkreifes, jebt 
einer Bezirtshauptmannjcaft in Dfterreih ob ber 
Enns, Station der Linien Neumarkt :Simbad) und 
Steinah: Schärding der Öfterreihiihen Staats: 
bahnen, ift Sit eines Kreisgerichts, hat ein Ober: 
gymnaſium und eine Burgerſchule und zählt (1880) 
4544 E. Der Drt, der früber befeftigt war und erſt 
20. Nov. 1857 vom Marktfleden zur Stadt erhoben 
murde, treibt einen lebhaften Handel mit Landes: 
robuften und hat eine Fabrik für landwirtſchaft— 
ice Majchinen, eine Geſpinſtfabril und Aunftmüh: 
len. In R. wurde zwiſchen Ofterreidh und Bayern 
8. DE. 1813 ein Vertrag abgefchloiien, zufolge 
u legtereö den Verbündeten beitrat. 
iedblatt, gewöhnlich Nietblatt, auh Ried— 
tamm genannt, in der Weberei joviel wie Kamm 
(f. d., vol. aud) Blattbinder). 

Nicdel (Aug.), deutiher Maler in Rom, geb. 
27. Dez. 1799 in Bayreuth, begann feine künſtleriſche 
Laufbahn 1818 J der münchener Alademie und 
ging 1828 nach Rom, wo er ſeitdem dauernd blieb. 
Er machte die menſchliche Figur, von dem Zauber 
des Sonnenlichts umſpielt, zum faſt ausſchließ— 
lichen Gegenſtand feiner Darſtellungen, welche ge: 
fällig, aber nicht ohne Süßlichkeit ſind. Zu ſeinen 
berübmtejten Bildern gehören: die neapolit. Mutter 
am Meeresſtrande, geltodhen von Sagert; Sakun— 


agbbaren | kö 


699 


tala, geſtochen von Wagner, wiederholt für bie 
nigl. Galerie in Stuttgart; die neapolit. Slider. 
familie (Pinalothel in Münden), geitoden von 
Lüderig. In der Neuen Pinatothel zu Münden be: 
nden fidh ferner feine Judith, eine dämoniſche 
rauen lt, dann das Porträt der ſchönen 
ittoria aus Albano und andere Albanerinnen. 
Badende Mädchen am jonnendurdfchienenen Ufer 
find öfter von ihm gemalt worden; befannt ift der 
Stich einer ſolchen Scene von Allais. Eine Medea 


: | famı ebenfalls in die Galerie zu Stuttgart. Am 


zauberhafteften in der Lichtwirlung zeigt ſich das 
Knieftüd einer Albanerin, von S eis in Tuſch⸗ 
manier geitochen. Verſchiedene Bilder lieferte er 
für den Haifer von Rußland und für die Königin 
von England, viele lamen nach Amerila. R. ftarb 
8. Aug. 1883 als Profefjor an der Alademie von 
San⸗Luca in Rom. 

Riedel (Karl), Mufiter, geb. 6. Dit. 1827 zu 
Gronenberg bei Elberfeld, beſuchte bie Gewerbe: 
fchule zu Hagen und wibmete fid 1843—48 der 
Seibenfärberei in Krefeld und Züri. Hierauf 
wanbte er ſich Studium der Diufil zu, zunächſt 
unter Leitung Karl Wilhelms in Krefeld, dann 
1849—52 auf dem leipziger Konſervatorium. In 
Leipzig wurde R. bald ein geſuchter Muſiklehrer 
und gründete bier den Riedel:Berein, deſſen 
Thätigkeit fih namentlih auf die Pflege großer 
Merle der Hirchenmufit t unb welcher unter 
R.s Leitung ut uf erlangte. Die Zahl 
der aktiven Mitglieder diefes Vereins beträgt gegen 
400. Außerdem ift R. Vorfipender des Allgemei: 
nen Deutichen Mufitvereind und als ſolcher Ver: 
anftalter der TZonkünftlerverfammlungen. R. hat 
eine Anzahl Männerhöre publiziert und fid) durch 
Chorbearbeitungen älterer Werte der Kirchenmuſik 
verdient gemacht. Im J. 1868 wurde er vom 
Herzog von Altenburg zum Brofefior der Mufit, 
10. Nov. 1883 bei —* eit des Putherjubi: 
läums von ber —— niverſitaͤt zum Ehren⸗ 
doltor der bilofon ie ernannt. , 

Riedenburg, Marttfleden im bayr. Regierungs: 
bezirt Oberpfalz, Bezirlsamt Beilngries, rechts an 
der Altmühl, Si eines Amtsgerichts It (1880) 
1430 fath. E. und hat ein Bergſchlo m Thal 
der Altmübl liegen die Burgruinen Tachenſtein, 
Nabenftein, Randegg und Prunn, fowie bie fehr 
aroße Stalaltitenhöhle Schuler Lo ch mit vielen 
ir und Gängen. 5 — F— der Hohen⸗ 

aufenzeit Hauptort einer Gra 

Biebgräfer oder Rietgräjer Wihen die Arten 
der zur Familie der Cyperaceen gehörenden Gattung 
Carex (f:d.). Im weitern Sinne werden auch alle 
Cyperaceen (j. b) unter diefem Namıen verjtanden. 

Riedfamm, ‚Riebblatt. _ 

Richlingen, Oberamtsſtadt im württemb. 
Donaufreis, lint3 an der Donau, 536 m über dem 
Meere, Station der Linie Ulm: Sigmaringen der 
Württembergifhen Staatsbahnen, Si eines Amts: 

erichts, zählt (1885) 2262 meiſt kath. E. und hat 
Sabritation von Wollwaren und Gifengarnartitel. 
$t., um 900 Hruodiniga, gehörte bis 1805 zu 
Bfterreih. Etwa 6 km öſtlich von der Stadt er: 
hebt ſich der Buſſen (f. d.). 

Nicdmäller (Franz Xaver von), Landſchafts- 
maler, geb. 22. Jan. 1529 in Konjtanz, begann 
feine Künitlerlaufbahn 1856 in Karlsruhe unter 
Schirmer und lieh fich jpäter in Stuttgart nieder. 
Die Motive feiner Bilder entnahm er meiſt den 


700 


Bayriihen Alpen und bem 
dem madte er fü 
tannt, von denen die meijten nad) England gingen. 
Zwölf Koblenzeihnungen von der Inſel Mainau 
befinden ſich im Belig der Großberzogin von Baden. 


Niefftahl (Ludw. Friedr, Wilh.), Genre: und | 


—— geb. 15. Aug. 1827 zu Neuftrelig 
in Medlenburg, nahe 1842—46 die, berliner 
Nlademie. Seit 1850 erjchienen von ihm eine Reihe 
Landſchaften, welde meiſt Motive aus Rügen und 
Meitfalen behandelten. Sein Begräbnis am Säntis 
eigt ihn auf dem ——— — Land⸗ 
haft und Genremalerei. Vorzüglich iſt es das 

aſſeyer Thal, dem er ſeitdem gern ſeine Motive 
ur Landſchaft wie zum Genre entlehnte. So ent— 
Hand: Prozeſſion im Bafleyer Thal, Begräbnis in 
einer tiroler Dorfgaſſe, Feldandacht paſſeyer Hirten 
(für die Nationalgalerie in Berlin, defien Alademie 
ihn ei Mitglied ernannte), Hochzeitäzug in Tirol, 
vor der Taufe (aus dem Appenzell), Brozeffion von 
tiroler Sapuzinern im Chor ibrer Kirche. Gleich: 
falls in die berliner Nationalgalerie fam fein 1869 
gemaltes Bild: Allerfeelentag im Bregenzerwald. 
Tas J. 1870 brachte er in Nom zu, wo das be: 
deutendfte Gemälde R.s entitand: das Pantheon 
des Agrippa, belebt von reiher Staffage, die das 
röm, Vollsleben in Naturwahrbeit dharakterifiert 
(dresdener Galerie). Von bier aus nahm R. einen 
Ruf nad Karlsruhe ala Profefior an der dortigen 
Kunſtſchule an, deren Direktion er feit 1876 leitete. 
In neuerer Zeit entitanden die Gemälde: Trauer: 
verfammlung in der Gebirgskapelle (Galerie in 
Karlärube), das Begräbnis im Hochgebirge (Mies: 
badener Galerie), dad Anatomijche Theater in Bo: 
logna (Dresden), die Glaubensboten in den Rhä— 
tiichen Alpen, der brirener Kreuzgang (1885). Im 
J. 1878 legte R. feine Stellung nieder und iſt feit: 
dem in München thätig. 

Riege —— ſ. unter Darren. 

Riege heißt eine unter einem Vorturner ſtehende 
Abteilung Turnender. 

Riegel (frz. barre, verrou, bene; engl, bolt, 
bar), in verſchiedener Bedeutung ein längeres oder 
fürzereö Querftüd, befonder& ein Holz oder Gijen 
zwilden zwei Kloben zum Verſchluß einer Thür 
oder einer Ähnlichen Öffnung; auch derjenige Be: 
ftandteil eines ——— durch deſſen Verfchie: 
bung bis zum teilweiſen Eintritt in ein Schließblech 
bas yebalten der Thür bewirkt wird, 

Riegelwand, fov. w. Fachwand, ſ. Fachwerk. 

aa (Franz Ladislaus, geeidene von), Führer 
der czech. Nationalpartei, geb. 10. Dez. 1818 zu 
Semil im böhm. Kreije Gitihin als Sohn eines 
wohlhabenden Muhlenbeſihers, befuchte Die Gymna— 
fien zu Gitihin und Prag und widmete fih dann 
in Prag dem Studium der Rechte. Durd) die Gr: 
eignifle des J. 1848 eröffnete fih für R. ein Feld 
polit. Tpätigteit. Er gehörte in Prag zu den thätig: 
ſten Mitgliedern des Nationalausichufies und be: 
teiligte jih an ben Ginleitungen zum Slawen: 
tongreß. Nach der Katajtrophe vom —— 1848 
wurde er in ſieben Bezirlen als Abgeordneter zum 
öſterr. Reichstag gewählt, in welchem er als Haupt: 
redner der flaw. Partei großen Einfluß ausübte. 
AS die Reitaurationspolitit des Minifteriums 
Schwarzenberg aud die Hoffnungen der Slawen 
vernichtete, trat N. in der legten Sikungsperiode 
de3 Reichstags (zu Aremfier) auf die Seite der 
Linken. Später veröffentlichte er in czech. Epradhe 


Riefſtahl — Niego y Nuiüez 


warzwald. Außer: | die Schriften « fiber innmaterielle Güter und deren 
dur Kobhlenzeihnungen be: | Bedeutung für die Rationalölonomier (Prag 1850) 


und «Die Induftrie und der Fortfchritt ihrer Bro: 
duftion in ihrer Einwirkung auf die Wohlfab 
und Freiheit des Volls⸗ (Prag 1860). Im J. 1859 
begründete er mit Stober den «Slovnik nauöny», 
eine böhm. Nationalencyllopäbie, von deren un: 
mittelbarer Leitung er jedoch nad einigen Jahren 
zurüdtrat, Im —— lebte er in Nizza, von wo 
aus er zahlreiche Aufſätße für den «Nord» in Brüſſel 
fchrieb, die unter dem Titel«Les Slaves d’Autriche» 
(Par. 1860) gefammelt eridhienen. Ferner ift 
auch ein Werk «Böhmen, Land und Boll» (Prag 
1863) in czech. Sprache bemerlenswert. Nach den: 
Grideinen des Ditoberdiploms trat er mit jeinem 
Schwiegervater Palacky ofien an die Spige der 
rationalen Partei. Unter feinem Einfluſſe kamen 
bie Wahlen für ben böhm. Landtag vom 26. Febr. 
1861 zu Stande, auf weldhem er eine ungewöhn: 
lihe Thätigkeit entfaltete. Am 16. April erfolgt: 
feine Wahl zum Beifiker des Landesausſchuſſes, in 
welcher Stellung er audh bei den jpätern Neumablen 
verblieb. Als Deputierter zum öjterr. Reichsrate 
ftellte er ein_föberaliftiihes (von ihm felbit als 
«anticentraliftiich» bezeichnete) Brogramnı auf. 
ALS bei der zweiten Sejfion die Gzechen ausblieben. 
notifizierte dies N, in einer motivierten Zufchrir: 
(25. Juni 1863) an das Präfidium, Im J. 1865 
unterzeichnete er mit die Deflaration des böbm. 
Staat3redht3 und der czech. nationalen Forderung. 
Bon 1863 bis 1879 blieben die czeh. Abgeordneten, 
in «Baifivitätspolitit» verharrend, dem Reichs 
rat, fowie dem böhm. Yandtag fern, bis R., von 
den Jungezechen gebrängt und in der Erkenntnie 
der Fruchtlofigfeit der Abftinenz, zuerft mit feinen 
Senofjen in den böhm. Sandtag und nad) der liber 
nahme der Geihäfte durch Taaffe aub im den 
Reichsrat eintrat, um dort als einer der Führer der 
Majorität und als Stübe ber Regierung zu wirken. 
Bemerkenswert iſt noch jein 1877 an Iwan Akia- 
kow gerichtete Sendſchreiben über die Kultur: 
mijfion der Slawen. Im uni 1881, bei Ginweibung 
des czech. Theaters in Prag, erbielt N. den Orden 
der Eifernen Krone zweiter Klaſſe, womit die Er: 
hebung in den Freiherrenſtand verbunden ift. 
Niegerdburg, Burg bei Feldbach) (ſ. d.). 
Nicgo y Nunez (Rafael del), jpan. General, 
geb, 24. Dit, 1785 zu Dviedo, lämpfte feit 1808 
gegen Napoleon und befand fich eine Zeit lang ala 
Sefangener in Frankreich. Als infolge der Miß— 
regierung Ferbinands VLI. im Heere revolutionäre 
Bewegungen entitanden, ſchloß ſich R. ala O:berft: 
lieutenant in dem in Cadiz fteberden Regiment 
Afturien diefer Richtung an und rief 1. Yan. 1820 
die Cortesverfaflung von 1812 aus. Mehrere 
Truppentorps folgten dem Beijpiel. Nachdem der 
König die Konftitution von 1812 anerlannt hatte, 
wurde N. zum Generallapitän von Aragonien er: 
nannt, aber diefer Stelle nad kurzer Zeit wieder 
entboben. Bald nachber zum Deputierten bei ben 
Gortes erwählt, erihien er im Febr. 1822 in 
Madrid, wo ihn die Cortesverfammlung zum Prä: 
ſidenten wählte, Beim Cinrüden der Franzoſen in 
Spanien 1823 wurde er von Ferdinand VII. zum 
zweiten Befehlshaber de3 Heeres unter Ballefteros 
ernannt. Als Balleiteros die Kapitulation mit den 
Franzosen abgeſchloſſen, trat A. nicht bei. Bon den 
Franzoſen gedrängt, mußte er Malaga räumen unb 
begab fih nach Jaen. Dann beſchloß er, fidh nad 


Niehl — Riemenſchneider 


Catalonien zu Mina zu begeben. Kaum hatte er 
aber die Sierra Morena erreicht, als Bauern ihn 
ertannten und den Franzojen überlieferten, bie 
ihn 21. Sept. an die Span. Behörden abgaben. 
Cr wurde 7, Nov. 1823 in Madrid hingerichtet. 
Vol. Miguel del Niego, «Memoirs of the life of 
R. and his family» (Yond, 1824); Nard und Piral, 
«Vida militar e politica de R.» (Madr. 1844). 
Nicht (Wilh. Heinr.), geiltvoller kulturbijtor. 


Scriftiteller, geb. 6. Mai 1823 zu Biebrich, ftudierte 
auf den Univerfitäten zu Marburg, Tübingen, 
Bhilofophie und Ge: 


Bonn und Gießen Theologie 
ihichte, dann wandte er Nie wieder nad Gießen, 
um fich hier vorzugsweiſe dem Stubium der Kultur: 
und Kunſtgeſchichte zu widmen. Er ging 1845 ala 
Mitredacteur der «Dberpoftamtzzeitung» nad) 
Frankfurt, von wo er 1847 nad) Karldruhe über: 
tedelte, Hier beteiligte er fi an der «Karläruber 
Zeitung» und gab mit Chrijt den «Bad. Landtags: 
boten» heraus. Im %. 1848 begründete er zu 
Miesbaden die «Naffauifhe Zeitung», die er fait 
drei Jahre redigierte. a 1851 folgte er einem 
Nufe an die «Allgemeine Zeitung» nad) Augsburg, 
wo er die von ihm ſchon feit Jahren verfolgten 
Einzelftudien über VBollazuftände verarbeitete, Er 
veröffentlichte hierauf zunächſt «Die bürgerliche 
Gejellichaft» (Stuttg. 1851; 8. Aufl. 1885), dann 
«Land und Leute» (Stutta. 1853; 8. Aufl. 1883), 
die « Familie» (Stuttg. 1855; 9. Aufl, 1882) und 
«Manderbuch» (2. Aufl. 1869), welche vier Werte 
uſammen die «Naturgeihichte des Volt» bilden. 
Inzwiſchen war R. im Spätherbft 1853 vom König 
Marimilian II. von Bayern zum Profeſſor an der 
Univerfität München berufen worden. Derjelben 
Richtung feiner Studien gehören von feinen fpätern 
Arbeiten an die «Kulturhiſtor. Novellen» (Stuttg. 
1856; 3. Aufl. 1866), «Gedichten aus alter Zeit» 
(2 Bde., 1862—64), «Neues Novellenbuch» (1867; 
3. Aufl. 1873), welche vier Bände in mehrern Gin: 
zelausgaben und in zwei Gejamtausgaben (Stuttg. 
1370 und 1879) erfchienen find, die «stulturjtudien 
aus drei Jahrhunderten» (2 Bde., Stuttg. 1859; 
4. Aufl. 1873), endli «Die Pfälzer» (2, Aufl., 
Stuttg. 1852), eine im Auftrage des Königs Mari: 
milian verfaßte ethnogr. Skizze. Seit 1859 ftand 
N. aud an der Spike der von König Marimilian 
angeregten «Bavaria», einer eingehenden geogr.: 
ethnogr. Schilderung des bayr. Etaat3, die 1867 
in vier Bänden zur Vollendung gelangte. Als 
Früchte feiner muſilaliſchen Studien veröffentlichte 
er: «»Hausmufil» (Stuttg. 1855; 2. Aufl. 1859) und 
zweite Folge «Neue Lieder für das Haus» (Lpz. 
1877), eine Sammlung für fein eigenes Haus lfom: 
ponierter Lieder, inäbejondere aber die vortreff: 
lichen «Mufilaliihen Eharalterlöpfer (Bd. 1, Stuttg. 
1852; 6. Aufl, 1879; Bd. 2, 1860; 5. Aufl. 1878; 
Bd.3, 1878; 2. Aufl. 1882), eine Reihe lunſthiſtor. 
Stizzen, welde durch die Tendenz zufanımengehalten 
iſt, die Gefchichte der Mufit in ihrer Verbindung 
mit der allgemeinen Kulturgeſchichte zu zeigen, Bon 
R.3 übrigen Schriften find zu nennen: «Die deutſche 
Arbeit» (3. Aufl, Stuttg. 1884), «Freie Vorträge» 
(1. —— 1873; 2. Sammlung 1885), «Aus 
der Ede» (7 Novellen, 2. Aufl., Cpz. 1874) und 
«An Feierabend» (6 Novellen, Stuitg.; 2. Aufl. 
1881). Seit 1862 ijt er Mitglied der münchener 
Alademie. Von 1870 bid 1880 redigierte N. das 
von F. von Raumer begründete «Siker. Taſchen⸗ 


701 


Deutſchlands gehaltenen Vorträge haben ſich bejon: 
derer Teilnahme zu erfreuen. Im J. 1885 wurde 
R. unter Beibehaltung feiner Rrofei ur, zum Di: 
reltor de3 bayr. Nationalmujeums und zum Gene: 
ralfonfervator der Kunftdenlmäler und Altertümer 
Ba ich — —— 

ehm uard Karl Aug.), Theolog, geb. 
20. Dez. 1830 zu Diersburg be Öffenbur in Ba 
den, ftudierte in Heidelberg und Halle und wurde 
1854 Garnifonsprediger in Mannheim. Er habilis 
tierte 2 1858 zu Dee wurde 1861 aufer: 
ordentliher Profeſſor dafelbft und folgte 1862 
einem Ruf nad Halle, wo er 1866 ordentlicher 
Profeſſor wurde. Er fhrieb: «Die Geſehgebung 
Moſis im Lande Moab» (Gotha 1854), «Der Lehr— 
begriff des Hebräerbriefär (2 Bde., Yudwigsburg 
1858—59; neue Ausgabe in einem Band, Bafel 
1867), «Die meſſianiſche Weisfagung» (Gotha 1875; 
2, Aufl. 1885); aud) beforgte er die zweite Auflage 
von Dr. «Palmen» (4 Bde., Gotha 1867— 
71), gab das «Handwörterbud) des biblifchen Alter: 
tum» (2 Bde., Lpz. 1884) heraus und ift feit 1865 
Mitherausgeber der «Theol. Studien und Kritiken. 

Niem, in der Seemannsſprache foviel wie 
Nuder, während unter Ruder, vom Seemann nur 
das Steuerruder verftanden wird, 

Niemann (Georg Friedr. Bernhard), ang 
matifer, geb. 17. Sept. 1826 zu Brejelenz bei 
Dannenberg in Hannover, jtudierte in Göttingen 
und Berlin und wurde 1854 Privatdocent, 1857 
außerord. und 1859 _ord. Profeffor der Mathe: 
matik an der Univerfität zu Göttingen. Er ftarb 
20. Juli 1866 zu Selasca am Lago: Maggiore, 
wohin er zur Herftellung feiner Gefundheit N be: 
geben hatte, In feinem kurzen Leben hat R. auf 
den Gebiete der Funltionentheorie durch Abhand— 
lungen und Borlejungen —— erdienſte 
ſich erworben. Seine un ten mathem. Werte 
und willenichaftlihen Nahlaß» gab H. Weber 
un 1876) heraus, 

iemen (frz courroie, laniöre; engl. thong, 
strap), ein * verſchiedenen Zweden dienender 
langer, ſchmaler Lederſtreifen. fiber gewebte 
Maſchinenriemen f. unter Gurte. Bei Kraft: 
übertragungen für die Jwede der Stleinmedaniter, 
an Holzprehbänten, Nähmaschinen u. ſ. m, finden 
öfterö gedrebte Riemen Anwendung. 

Riemenfuß, ſ. unter Fuß (Längenmaß). 

Riemeunſcheibe (irz. poulie, engl. pulley), eine 
auf der Peripherie glatt abgedrehte Scheibe, um 
welche zur Übertragung ihrer Bewegung auf eine 
andere R. ein Riemen gefhlungen wird. (S. unter 
Transmiffionen und Triebwerke.) 

Niemenfchneider (Tilman), Bildhauer, geb. 
um 1460 in Oſterode im Harz, lebte meijtens im 
ea wo er 1520 Bürgermeifter wurde, aber 
diefe Stellung vier Fahre fpäter wegen feiner Neis 
gung zur Reformation aufgeben mußte. Cr jtarb 
1531 in Würzburg. Seine zahlreichen Werte haben 
ein eigentümlich Fifa realijtiihes Gepräge, echt 
nationalen Charakter und manche Berwandtidaft 
mit dem Geifte der Türeriden Kunſt. Cr arbeitete 
ſowohl in Stein als in Holz, meiltens für Franken. 
Sein grobartigftes Wert iſt das Epitaphium a 
Heinrich IL. und deſſen Gemahlin Kunigunde im 
bamberger Dom (1513), ſehr bedeutend ferner 
mehrere Grabilulpturen im Dom zu Würzburg. 
An der Marienlirche dajelbit rühren die beiden aus: 


buch» (Lp3.). Die alljährlich von ihm in vielen Orten | gezeichneten Figuren der erjten Eltern (1493) von 


702 Niementriebwerfe 


ihm ber, in Rimpar dag Monument E rb3 
von , bie Beweinung des toten Heilands 
u Heidin > (1508) u. ſ. w. Die Holzjtulpturen 
Ind ebenfalls intereflant; ” —————— iſt da⸗ 
von Verſchiedenes verſtreut. Das Vorzug —* dar⸗ 
under, eine allegorifche Gruppe ber Jugend und des 

Alters * die Ar gen Kunitiammlung in Wien. 
al [. 8. Bed und Werfe des hauers 

»(2p3. * Eine mit Reprodultionen der beſten 
—— R.s ae —— von 
in Kiſſingen iſt in Vorberei 

Niementr Adern unter — 
nen unb Triebwerke. 

Niemer (Frievr. Wilh.), verbienter deuti 
Enge und Pitterarhijtorifer, geb. zu Gla ab 
19. April 1774, Schüler von Wolf, wurde 1801 
Grzieher in der Familie W. von Humbolbt3 und 
begleitete a om 1802 nad) Italien. In Gefellichaft 
Fernows nad) Deutſchland zurüdgelehrt, wurde er 
1803 in Weimar mit Goethe befannt und von die: 
jem zum Lehrer feines Sohnes erwählt. Nadı 
neunläbrigem Aufenthalt in Goethes Haufe erhielt 
er eine Profeſſur am Gymnafium und die Stelle 
al3 Bibliothelar zu Weimar, legte aber 1820 erftere 
Stelle nieder. %. 1838 wurbe er zum Ober: 
bibliothetar ernannt, ug Stelle er dann bis an 


feinen ie, 19,/20. "De. 1845 befleivete. Sein 
aGriech.deutſches Hanbworierbuch· (2 Bbe., Jena 
1802—4; 2. Aufl. 1824) war für feine Zeit nicht 


ohne Berdienft. Unter dem Namen Silvio Ro: 
mano ließ er «Blumen und Blätter» (2 Bde., Lyj. 
1816—19), unter feinem eigenen Namen «Gedichte» 
(2 Bbe., Jena 1826) * meiſt ———— 
jtüde, für die Rein glüdliches Talen 
hat ſich durch ſeine Teilnahme an der —— 
Werke Goet —— in der Ausgabe letzter Hand und in 
der 1836 und 1837 eridienenen Prachtausgabe in 
zwei Bänden, durch die Herausgabe des «Brief: 
wechſel zwifchen Goethe und re (6 Bde. Berl. 
1 g), der «Briefe von und an Goethe» (2 3 
1846) und endlich durch feine « Mitteilungen üi 
Goelhe⸗ (2 Bde., Berl. 1841) verdient gem emadht. 
Rienek (Rin ed), Stadt im bayr, Kegierungs: 
bezirt Unterfranfen, — Lohr 
der Sinn, am Ditfuße des peflart, Station der 
Linie Eim:Gemünden der —— Staatsbah⸗ 


nen, * (1880) 1333 kath. €. und hat ein Schloß 
un — R. war ehemals Siß eines Grafen⸗ 
geſchle 


ienzi oder Cola di Rienzo — h. — 
des Laurentius 8 ein Römer, ber — 
die Mitte des 14. Jahrh. du den FÜ 


rechts an 





Wiederherftellung einer röm. Nepublit auf 
tratiier Grundlage einen Namen gemadt bat. 
Gr war der Sohn eines Schentwirt3 und einer 





MWaflerträgerin, um die ———— 
Heiuris VII. (1312) geboren, und wu ıhte fi, mit 
Geiſt, Phantafie und Beredfamteit begabt, von 
früher Jugend an Kenntniſſe zu erwerben, welche 
über jeinen Stand wie über die damalige Bildung 
in Rom gu inausgingen. Gr gehörte zu den 
wenigen von Haflii N tteratur einen 
Bart Bram und antike Inſchriften entzifferten. 
anne * begann er Pläne zu entwerfen, 
* dem Berfalle Noms, den er namentlich i dem 
Ginfluffe bes übermütigen und ftet3 uneinigen 
oben Adels auf die gen Dinge in ber papft: 
ofen Stadt zufchrieb, ein Ziel zu ſehen. —* 
1343 von dem volie ala Abgeordneter der Honfu 





ugs Kaiſer 


— Niepenhaujen 


der Zünfte zu Papft Clemens VI. nad Avignon 
ejandt, um diejen zur Rüdtehr nad) Rom aufzu: 
5 ebern, gewann er die Gunit des Bapftes, der ibn 
er totar der apoftoliihen Kammer ernannte. 
zus feiner zen veritärkte N. —— ſeinen 
Anhang, aber erſt 20. Mai 1347 begann die merk: 
würdige —— die in wenigen Tagen die 
zu —— der Herrſchaft der Barone ein 
Ende madıte, R. ald Bolt n an die Spibe der 
Verwaltung jtellte, ben Gejeken wieder Geltung 
verſchaffte, Drdmung und Sicherheit in Stabt und 
Umgebung zurüdführte. Clemens VL — 
R.s Thätigleit, indem er ihn neben feinem geiſt 
lihen Bifar zum Reltor der Stabt An ihres Ge 
biets beitellte. Doc die Erfolge verwirrten feinen 
Geiſt, ſodaß er fih in ausichweifende Projekte ein- 
ließ, welche die Wiederberjtellung von Roms alter 
Weltherricaft zum Zwed hatten. So begann ber 
Konflilt mit dem Heiligen Stuhl und dem Adel. 
Aud das Volk entfrem te ih R, durch Don 
Gewaltthätigfeiten und Bedrudungen. Zu 
Jan, 1348 entjtand ein Tumult, infolge deſſen der 
Zribun aus Nom entflob. Sängere Beit vernabm: 
man nichts von ihm, während er in den wilbeiten 
Berggegenden der Abruzzen bei den jog. Fraticellen, 
den mit dem PBapittum verfeindeten Gm era des 
Franzislanerordens, Aufnahme fand, 
langte er nad) Prag, wo er auf Befehl Ber 
verhaftet, dann nad) Avignon ausgeli m wurde. 
Hier machte man ibm wegen Ketzerei 
und bielt ibn im päpſtl. Palaſt in Sascha. 
Anardie Homs brachte endlich den neuen Bari 
Junocenz VI. pr ——— Be Beer 
mannes jur igung s zu L 
R. wurbe dem Stardinal d'Albornoj 


ben, 
als biejer die Erpedition zur —— ung der 
— ———— im Ki at u Am 


1. Aug. 1354 zog R. als Senator in Rom ein. 
Aber eine Reihe von Mihgriffen wie von fiber: 
griffen in der Berwaltung veranlabte ſchon 8. Dit. 
einen Bollsaufitand, dem —— als Köhler verkleidet, 
zu —— uchte, aber zum Kapi⸗ 


am YAufga 
tol zum Opfer fiel. 


Seine Leiche wurde auf dem 


Blake vor dem Augujtus: Maujoleum verbrannt. 
Val. Papencordt, «Cola di NR. und feine * 
Hamb. 1841); Glegorobius —— 
Rom im Mit »(Bd.6); Reumont, — 
der Stadt Rom» (Bd. 2); jeller, «Les tribuns et 
' les rövolutions en Italie» Bar. 1874); Du Ger: 
«Histoire de R.» (Yımoges 1875). Ni 


Scicjale find mehrfach) dichterifhh behandelt 
* 2 —36* * —— von * 
irner eſſig) und Pirazzi als Tragödie; 
—— hat ſie % Dper bearbeitet. 
epenhanfen (any und “jobannes), 
drüber, die Söhne des Univerfitätstug ferit 
Ernſt Ludwig (pe 1765, er 28., 1840 
zu Göttingen, der * — durch feine Stihe von 
Hogarths Sittenjhilderungen —— ft. Fran 
wurde zu Göttingen 1786, — 1789 ebende 
ſelbſt geboren. Als Wild iſchbein 17% nad 
Göttingen kam, um ſich mit Heyne wegen ber de: 
—— des Homer nad antiken —— 
beſprechen, führte die Bearbeitung der hierzu 
—— Kupferplatten zu he — ** 
ter, und ein, an welche 
fih Air das engfte = (ofien. Sndeijen Akte balı 
Garftens eine ftärfere Anziehungskraft auf ihr Ta- 
[ent aus, Beide gaben 1805 die Groberung ven 


mor 


Nies — Rieſa 


Troja nad) Goethes Abhandlung über bie Gemälde 
des Bolygnot in der Lesche zu Delphi in Umriffen 
beraus, nn befuchten fie 1804 die Alademie zu 
Kafiel und 1805 die zu Dresden, Begleitung 
Tieds traten fie 1807 eine Reife nad Italien an 
und wählten nun Rom zu ihrem Aufenthalte, wo 
jie feitdem lebten, bis Franz R. 3. Jan. 1831 ftarb, 
nachdem er noch — Katholizismus übergetreten 
war. Schon in Dresden hatten ſich beide Brüder 
von antiken Darftellungen zu romantifchen und reli- 
giöfen gewendet; in Rom gehörten fie von Anfang 
an zu ben bebeutendern Malern der neuromans 
tiſchen Schule, wendeten ſich aber ſchließlich dem 
hiſtor. Fache zu. Vornehmlich ſuchten fie ſich aber 
nach R u Muftern zu bilden, wie dies ihr 

to Igemälbe, die Berllärung Rafael3, beweilt. 
vi den Guelfenordenzfaal in Hannover malten 

ie das Ölgemälde: wie Heinrich der Löwe Friebrich 
beim —— aus ber Peterslirche gegen ben 
—— nfall der Römer ſchüht. Ebenſo 

emeinfchaftlid) arbeiteten fie «Leben und Tod der 

il. Genoveva» in 14 radierten Blättern (Frantf. 
1806), aGeſchichte der Malerei in Stalien» (3 Hefte, 
Etuttg. u. Tüb. 1824), mit 24 Umriffen nad) den 
ital. Meiftern von Berugino, und die « Peintures 
de Polygnote dans la Lesch& de Delphe, etc.» in 
16 Blättern (Rom 1826). ug | bes Bruders Tobe 
ließ Johannes eine Folge Kompofitionen aus 
Nafaels Leben in 14 Blättern («Vita di Rafaello», 
Nom 1834; deutſche Ausg., Gött. 1835) erſcheinen. 
Außerdem lieferte er mehrere große G e: Ra: 
faels Tod (1836), Marimilian I. bittet in Kufitein 
den Herzog Erid von Braunfhweig für die Ge: 
fangenen (UBET); ber Untergang der Cenci, Amor 
lehrt zwei hen lejen u. a. m. Er ftarb 17. Sept. 
1860 zu Rom. _ 

Nies (dad) heißt das Beden eines uralten See: 
grundes zwiſchen dem Fränkischen und Schwäbiſchen 
Jura, ber ——** er Wörnig im bayr. Regie: 
rungsbezirt Sch nördlich der Donau, zwiſchen 
der württemb. Landes: und der mittel . Kreis: 
grenze, eine äußerſt fruchtbare Ebene, in der die 
gewerbreichen Städte Nördlingen und Öttingen und 
eine grobe Zahl betriebjamer Dörfer liegen. Die 
weiten Flaͤchen, auf denen große Rindvieh: und 
Sänfezudt — wird, find waldlos, die um: 
Jäumenden Hügel haben Buchen: und Radelwälber, 
Die Einwohner haben ſich in Sitte und Tracht viel: 
fach ihre Eigenart bewahrt, die Männer zum langen 
ſchwarzen Bardhentrod ben breijpisigen Schaufel: 
but, die — die Atlasfappe mit dem goldge— 
jtidten Bödele und dem weißen Spikenrade, in 
bellern oder dunflern Farben der Kleider den Ka— 
tholiten oder Broteftanten fennzeichnend , die hier 
in mandem Dorfe eine Kirche gemeinfam zum 
wechſelnden Gottesdienjte benuken und eine vor: 
wiegend ſchwäbiſche, aber vielfach mit fränkiichen 
Tönen durchwebte Mundart ſprechen. Melchior 
Meyr dl d.) bat in feinen «Erzäblungen aus dem 
Ries» feine Heimat und ihre Bewohner voll Wahr: 
beit und Leben geſchildert. 

‚Nies (frz. rame de papier, engl. ream of paper), 
bis 1877 in Europa ein allgemeines PBapiermaß, 
enthaltend 20 Bud, der zehnte Teil eines Ballens 
von 5000 Bogen Drudpapier und 4800 Bogen 
Schreibpapier. eht wird in Deutfchland nad) dem 
Neuried zu 10 Buch zu 10 Heften zu 10 Bogen ge: 
padt und verlauft; das Neuried hat demnady 1000 
Bogen. (5. unter Papier, Bd. XII, ©. 673"); 


703 


vgl. Ballen und Bud.) Neuerbings pflegt man 
im Grofjohandel nur die Bogenzahl zu bezeichnen. 
Nies oder Rieſe (dam). bekannt durch fein 
Rechenbuch, geb. um 1489 zu Staffelſtein bei Bam⸗ 
berg, lebte als Bergbeamter und —*— 
Annaberg im fächl. Erzgebirge und ftarb dafelbit 
30. März 1569. Er verfahte bie eriten metho: 
difchen Anweiſungen zur praktiichen Rechenlunſt in 
Deutſchland: ein Heinered Werk, unter dem Titel 
aRechenung auff der linihen» (zuerft Erf. 1522, 
vielleicht ſchon 1518), und ein größeres: aRechenung 
nad der lenge) auff der Linihen und Feders in vier 
—— (zuerft Erf. 1525); ferner «Ein gerech⸗ 
net Büchlein, auff den ur Eimer vnd Prundt: 
gms (2p3. 1536). Seine Bücher wurden bis 
itte de3 17. Jahrh. oft wieder aufgelegt und ftan: 
ben in foldem Anſehen, daß der Ausdrud ana 
Adam un als —— —— — 
die Richtigleit von Rechenexempeln diente. — Auch 
no = Te et und 
atobR. aßten arithmet. Schriften. 
Nies d.), Rlaviervirtuos und Komponift, 
geb. 29. Nov. 1784 zu Bonn ala der Sohn des 
dortigen Stonzertmeilters Franz R. (geb. 1755, geil 
1846), wibmete ſich zuerjt dem Violin- und Biolon: 
cellipiel, ——— dem Klavierſpiel. Er 
hatte 1801 in Münden bei Winter Kompoſitions⸗ 
unterridht, ging hierauf nah Wien, wo er unter 
Beethovens Augen vier Jahre hindurch dem Kla— 
vierfpiel und der Kompojition oblag. F . 1805 
war er in Paris, machte bis 1812 Kunitreijen und 
wandte fi 1813 nad) London, wo er eine vorteil: 
bafte Stellung erlangte. Im J. 1824 fehrte er 
nah Deutſchland zurüd und ließ ſich zu Godesberg 
bei Bonn auf feiner Beſihung nieder, 30g aber als 
Komponift und Dirigent vielgeichäftig hin und ber: 
1829 nad Frankfurt a, M., 1831 nad London, 
1832 nad) talien, 1834 nad) Aachen als ſtädtiſcher 
Mufitdirettor, endlich 1837 wieder nad) Yrankfurt, 
wo er 14. Yan. 1838 ftarb. Zu Aachen und an: 
derswo dirigierte er mehrmals Muſikfeſte, wobei er 
neue Dratorien («Der Sieg des Glaubens» 1834, 
aDie Anbetung der Könige» 1837) aufführte; auch 
mehrere Opern («Die Näuberbraut» 1829, «Lila» 
1831) erfhienenvon ihm. Seine Stompofitionen find 
meiftinftrumentafer Ratur; den größten Erfolg hatte 
er mit den für Klavier geichriebenen Stüden. 
Niefa, Stabt in der königl. fächf. Kreishaupt: 
mannſchaft Dresden, Amtshauptmannſchaft Oro: 
ßenhain, liegt am linfen Ufer der Elbe, 18 km 
nordweitlich von Meiben und 7 km von ber preuß. 
Grenze, Station der Linien Leipzig-R.:Dresden, 
R.⸗ ———— und Elſterwerda⸗Noſſen der Sächſiſchen 
Staatsbahnen, iſt Siß eines Amtsgerichts, hat eine 
Schifferſchule, eine gewerbliche Fortbildungsſchule, 
ein Johanniter- und ein ftäbtiiches Krankenhaus 
und Ki It (1885) 7400 G. Die Schiffahrt ift na: 
mentlich für den Handel mit Guano, Holz, Scie: 
fer, Roheiſen, Kohlen und Getreide ſehr bedeutend ; 
auch it R. Stapelplag von Petroleum, Heringen 
und andern Mafjenartifeln. Unter den Fabrik— 
etablifjements find hervorzuheben eine Dampf: 
jchneidemühle, eine Ölfabrit, das früher gräfl. Ein: 
fiedeliche Eiſenwerk (ſeit 1872 Aktiengeiellidaft), 
eine Dampf: Darmorjchleiferei, zwei Wagenfabriten, 
mehrere Grabjteinfabriten und zwei Stublfabriten 
mit Dampfbetrieb, Erwähnenswert ift die Eijen: 
bahnbrüde über die Elbe, 1876—78 erbaut, nad: 
dem die frühere 22. Febr. 1876 durch Hochflut zerftört 


704 


worden war. R., früher Rifau und —* er⸗ 
hielt 1623 Stadtrechte. lſatz der Fiale. 

Nieſe, in der Architeltur der pyramidale Auf— 

Rieſe (Adam), ſ. Ries Adam). 

Rieſelfelder, ſ. unter Städtereinigung. 

Niefelung Erritation proprement dite), ein 
Dewäjlerungsfyftem. (S. Bewäſſerung.) 

Niefen nennt man \ndividuen, welde das ge: 
wöhnliche Körpermaß überfchreiten. Nach den ſorg— 
fältigen Unterfuchungen von Yanger («Denliriften 
der wiener Alademie⸗, Bd, 31, 1869) iſt der Rieſen— 
wuchs nur eine Fortſehung des normalen Aufbaues 
des Leibes, die vorzugsweiſe vom 10, bis 20. Jahre 
eintritt und —— Mißverhältniſſe erzeugt, daß 
u dieſer Zeit einzelne Körperteile ihr Wachstum 
bon großenteils eingeftellt haben, während andere 
weiter wadjen, Man kann nad) Yanger unter den 
N. eine ſchlanke und eine unteriehte Form unter: 
ſcheiden. Das Verhältnis zwifchen Ober: und 
Untertörper iſt nicht geitört; dagegen haben alle R. 
einen relativ Heinen Schädel und Hirn, fehr grobe 
Kiefer, Heine Stirn und Augengegend, aufgewulitete 
Lippen und Nafenflügel, fehr breite Schultern, Bruft 
und Hüften und —* tnismäßig ſchwache Mustu: 
latur. Bis jehtt iſt fein N, befannt geworden, der 
über 2,5 m Länge gchabt hätte. 

Neben diefen außergewöhnlich großen Menſchen 
teben die NR, in den Mythen und Sagen aller 
zöller. In der ind. Mythologie erſcheinen fie im 
Kampf mit den Göttern und werden durch den 
Blitz befiegt. Die Juden erzählten von Nepbilim, 
ra Titanen, die aus einer Vermiſchung 
er Söhne der Glohim mit den Töchtern der Men: 
ſchen hervorgegangen ſeien. Die griech. Mytbo: 
logie perfonifisierte gewaltige Naturkräfte in den 
riefigen Oiganten, Titanen, Cyllopen, in Agäon, 
Antäus u.a., welde dann im Kampfe mit den 
weltordnenden und welterhaltenden Göttern dar: 
geitellt wurden. Auch die Finnen, Slawen und 
Kelten willen viel von R. zu erzählen; bedeutjam 
ericheinen fie ferner in der german, — 
und vorzugsweiſe in der nordiſchen. Dieſe laͤßt 
aus dem ſchmelzenden Eiſe des Chaos einen R. 
Ymir (den Rauſchenden, Toſenden) hervorgehen, 
welchem die übrigen R. entſtammen. Ihn ſelbſt 
erſchlagen ſpäter die Götter Odin, Vili, Ve und 
ſchaſſen aus feinem Leibe die Welt: aus feinem 
Blut das Meer und die Gewäfler, aus feinem 
Sleiich die Erde, aus jeinen Knochen die Berge, 
aus jeinem Schädel den Himmel, aus jeinem Hirn 
die Wollen und aus feinen Haaren die Bäume, 
Die große Flut überlebt ein einziger N. (Bergelmir); 
feine Nachkommen beiten Yöten (altnord, iötunn, 
—— eoten oder eten, von itan, althochd. 
ezzan, ejjen), d. i. die Gefräßigen; Zurfen (altnord, 
thurs, angelſächſ. thyrs, althochd. turs, von thaurs- 

Jan, duriten), d. i. die Durftigen; in angelſächſ. 
Eprade auch ent (Pl. eutas), wovon uns noch der 
Ausdrud «enteriich» für ungeheuerlich, wunderlic, 
geblieben ift, und in niederdeuticher Sprache Hüne 
(1. d.). As Wohnung war den NR. Zötunheim 
oder Utgard, der Hüjtenrand der vom MWeltnicer 
umgebenen Erde angewieſen. Sie bedeuten im 
allgemeinen die elementaren Gewalten in der Na: 
tur, leben deshalb bald im Kampfe mit den Göt: 
tern, bald aud) in friedlichem Verkehr und erfheinen 
nad) der körperlichen Seite ihres Mefens nicht bloß 
durch Größe, fondern auch zuweilen durch Glieder: 
zahl, durch mehrere Köpfe, Arme und Hände aus: 





Niefe — Riefengebirge 


ezeichnet, nad) der geiftigen-Seite aber gewöhnlich 
—ee übermütig, gierig, zornig und dumm. 
Den u enfaß zu ihnen bilden die 
Zwerge. Nah dem Untergang des Heibentums 
vetteten fidh die Trümmer der auf fie bezüglichen 
Mythen in das Märchen und die Sage. 
Riefengeftalten erhielten fidy in den Dichtungen des 
Mittelalters, wie j. B. in ——— der 
noch ſpat Nabelais (f. d.)- den Bohnen für feinen 
ſatiriſchen ———— in Deutſchland Si 
Ede und Fafolt. l. außer den deutichen 
logien von Grimm, W. Müller und Simrod: 
hold, «Die N. des german. Mythus» (Wien 1858). 

Rtiefenbetten, |. Dolmen, 

Rieſenburg, Stadt im weitpreuß. Negierungs- 
bezirt Marienwerber, Kreis Nofenberg, linls an 
der Liebe, Station derMarienbur Niawiaer Gijen; 
Be Sit eines Anitsgerichts, zählt (1885) 4285 €. 
un bat zwei evang. und eine kath. Kirche, ob: 
ruinen, ein Realprogymnafium, ein Rettu 
und eine von Friedrich Wilhelm I. a 
Waſſerleitung. R. ift feit 1276 Stadt u 
bis 1523 Sih der Biſchöfe von Bomefanien. 

Niefendamm, f. Giant’s Causeway. 

Nie er. foviel wie Megatherium. 

Niefenfifcher, ſ. unter Eisv ogel, > 

NRiefengebirge we Krkonoäsk& hory, d. 
Halsträgergebirge) heißt der mittlere und 
Zeil der Subeten (f. * 8 iſt das 
birge des nördl. Deutichland, das jedoch die 
linie nicht exreicht. Es eritredt ih, 37 km 
und 22 km breit, in einer lettenartigen Linie zwi: 
ſchen Böhmen und ode von den Quellen des 
Queis durch die fchlej. Kreife Löwenberg, Hirſch⸗ 
berg und Landshut gegen Ditfübolten bis zum Ur: 
fprung des Bober in der Gegend der böhm. Stadt 
Schaplar. Der Hauptlamm des Gebirges t 
durd einen Einfhnitt, welcher von der 1ak . zur 
böhm. Seite geht und auf —— die — ieben⸗ 
gründe bildet, in zwei Flügel, einen nordweſtlichen 
und einen füdöjtlichen. Jeder diefer Flügel befteht 
— aus pn — glei * Käm: 
men, die zwiichen fich große mulden —— 
einſchließen. Der Deren diefer Flächen ein 
— —— a — — 
elbſt ganze Waſſerbehältniſſe die mehrern 
giaien, . B. der Elbe ' upe, bem 

ober und Queis, den {trjprung geben, ober 
waſſer bilden, wie der über den Brüden: 
dorf und Seidorf 1176 und 1123 m gelegene 
Große und Kleine ger von denen jener 7 
und 5—23 m tief, dieſer 220 m lang, 150m 
und 2—7m ti — Die Ber —* und 
ränder dagegen beſtehen aus n und 
tahlen Granitblöden. Der sun i 


£ 


Laubholz aller Gattungen. er an den 

Abhängen findet ſich Nadelholz, in ben Re 

mei, a * u nur we 
wergliefer An ‚fort. 
al wird bi8 1036 m Höhe erbaut. — 


Waldſtrecden wechſeln mit ag 
Wieien ab, welche lehtere die au 

ftreut wohnenden iebzüchter zur 
nuben, Die Wohnungen berjelben, ne 


u 
#85 


: 


ftällen, Mildhtammern, Heuböden u. f. w. 
Bauden, und find teils Winterbauben, die tas 
nze Jahr bewohnt werben und zur X 
erbergung und Bewirtung der n dienen, 
teil3 Sonmerbauden, bon den in 


Rieſenklee — Niefentöpfe 


den Alpen —— nur während der Weidezeit 
im Sommer bewohnt find, Unter jenen ift die 
maifive ‚Große Wiejenbaude, 1423 m über dem 
Meere, auf der Weißen Wieſe, am Urſprung des 
Weißwaſſers oder der jungen Elbe, die höchſte 
menſchliche Wohnung in Norddeutſchland. 

Die intereſſanteſten Höhenpunkte ſind auf dem 
nordweitl. Flügel: der Keifträger, bis 1350 m 
hoch, mit einer_weiten Ausfiht über das Iſer— 
gebirge, die Paufib und große Teile von Schlefien 
und Böhmen, und öſtlich davon die beiden Schnee: 
gruben, zwei durch eine Felswand geichiedene, 
250—315 m tiefe Felsabgrunde; da3 Große oder 
Hohe Rad, 1515 m hoch, mit einer Ausficht, welche 
der der Schneeloppe nichts nachgibt; die Gro 
Sturmhaube, 1482 m hoch, und der Mädelftein, 
1375 m hoch; auf dem fühöltl. Teile des Gebirges 
die Hleine Sturmbaube, 1416 m hoch, mit ſchöner 
Ausficht über die Siebengründe in die .- Se: 
filde hinaus; das Kleine Nad und der Teufels: 
oder Mittagsftein; weiter oftwärts der Seifenberg, 
bei weldem die 1611 m hohe Nicjen: oder 
Schneekoppe (ſ. d.), ber bööfte Buntt des R,, 
liegt. In geolog. Hinficht treten bei dem. die Fels: 
arten des Urgebirges in jehr anjehnlihen Mafien 
auf. Granit, Gneis und Glimmerſchiefer bilden die 
Kämme, Übergangs: und Flökgebirgsarten lagern 
id) jenen Urfeldarten an den Abhängen in den 

u. en und Senkungen in großer Mannig: 
faltigfeit auf, und Bafalt, jowie die Kohlenforma: 
tion haben überall eine jebr große — 

Val. Willkomm, «Handbuch für Reiſende durch 
das KR.» (4. Aufl. von Herloßi *5* 1853); Moſch, 
«Wanderungen durch das Rieſen- und Iſergebirge⸗ 
(umgearbeitet von Kubner, Warmbr. 1864) ; Letzner, 
«Wegweiſer durch das NR.» (Lpz. 1876); Müller, 
«Führer durch das N.» (9. Aufl., Berl. 1883); 
Ebert, «Das R.» (9. Aufl., Berl. 1834). 

Rieſenklee, f. unter Melilotus. 

Riefentrager, ſ. unter Kratzer. 

Rieſenkuckuck, f. unter Kudud. 

Rieſen-Landſchildkröten (Testudo elephan- 
topus, elephantina etc.) find Tiere von riefiger 
Größe und über 100 kg Gewicht und haben eine 
merkwürdige geogr. Verbreitung. Sie finden fid 
nur auf Meinen Inſeln, wo Ihe Geſchlecht ſich 
— durch Raubtiere und Menſchen waͤhrend 
Jahrtauſende hatte entwideln können. Solde In— 
ſeln find die Galapagos, die Heine Aldabra-⸗Inſel, 
nordnordweftlid von Madagaskar, und einige der 
Mascarenen. Seit diefe Inſeln von Menschen be: 
ſucht werden, find die N. ftark im Nüdgang be: 
Eier, ja jtellenweife, abgeiehen von einigen ge: 

egten Grenplaren, Icon ausgeſtorben. 

iefenmufchel (Tridacna gigas) wird eine um 
bie Molutten vorlonimende Muſchel genannt, deren 
blätterige, mit welligen Rippen und Edjuppen be: 
febte Schalen bis zu 1,5 m lang und mehrere Gent: 
ner ſchwer werden. Tas Tier hat zwei fehr_ge: 
—* Schließmusleln, einen nur kleinen Fuß 
und ein kurzes, dides, aus der Muſchel iger 
‚ragendes Fajerbündel (Byssus), mittels deilen es 
fih im Grunde an Steine und Felſen andeftet. 
Dlan findet die Schalen häufig in Kirchen als 
Weihleſſel, daher auch der franz. Name b£nitier. 
Aus den diden Schalen machten die Bewohner der 
fteinlofen Südfee-Jnfeln früher ihre Urte und Beile. 

Riefenfalamander, Rieſ —— (Crypto- 
branchus japonicus, Tafel: Qurde I, Fig. 5), 

Konverjations«Leriton. 13, Aufl. XIII. 


705 


> man einen von Siebold in Binnenwäffern von 
apan entdedten plumpen, bäßlihen Molch be: 
—— der bis 1,5 m Länge erreicht und jeßt in 
mebhrern Eremplaren in europ. Tiergärten gehalten 
wird, Der Kopf ift ſehr breit, der große Rachen 
mit einer Doppelreihe feiner Zähne bewaffnet, die 
Augen fehr Hein, die Fühe plump, vorn mit vier, 
—— mit fünf breiten Beben, der Schwanz lang, 
räftig, jeitlic) abgeplattet und mit didem Haut: 
faum zur Floſſe geitaltet. Die ſchmußig grau: 
braune, lare Haut ift mit Warzen beiekt. Das 
Tier iſt äußerft träge, ſchnappt aber lebhaft nad) 
ſich bewegender Beute. Bon bejonderm Intereſſe 
ft dab das Skelett demjenigen des foffilen, in 

ningen aufgefundenen, ebenfalls riefigen Sala: 
manbers (Andrias Scheuchzeri, f, Homo dilu- 
vii testis), weldes von Scheuchzer für ein 
menſchliches gehalten wurde, jehr ähnlich iſt. 

Niefenfchlangen heißen die groben, jelten über 
6 m Yänge erreichenden Arten aus der grielofen 
Ramilie der Stummelfüher, die hauptfächlich zwei 
Gattungen angehören, den ſüdamerik. Boas und 
den Shlingern (Python) der Alten Welt. Bei 
beiden iſt der Kopf verlängert:eiförmig, das Maul 
weit, mit ftarlen Hafenzähnen auf den Kiefern und 
Saumenbeinen bewalinet, der Zwijchentiefer zahn⸗ 
[08, der Körper zujammengebrüdt, mit kurzen 
Greifſchwanz daſehen und unterſeits mit unpaari⸗ 
gen Schildern beſeßzt. Zu den Seiten des Afters 
treten aus einem Baar Keiner Gruben zwei hornige 
Spitzen hervor, welde nidht3 weiter als unvoll: 
endet gebliebene ftummelförmige Hinterfühe find, 
deren Knochen im Fleiſche verftedt bleiben. Die 
N. find weit pe: als andere Schlangen, befiben 
roße Muskelkraft und töten ihre Beute durch Um: 
chlingung. Übrigens jind fie phlegmatisch, gefallen 
ſich in träger Ruhe, und nur Hunger fcheint fie zu 
größerer Energie zu bringen, E 

Die gemeine Niejenihlanae, Königs: 
oder Abgottsſchlange (Boa Constrictor, Tafel: 
Reptilien I, Fia. 7), welche im tropiichen Ame: 
rifa ſehr häufig iſt und oft in Menagerien gezeigt 
wird, ijt gewöhnlich) 3 m (ang und erreicht höchſtens 
die Länge von 4m. Niemals gebt fie in das Waſſer 
und kann in der Gefangenicdhaft minbeitens ſechs 
bis acht Monate ohne Nahrung beftehen. Größer 
it die Anaconda: Riefenfhlange (Python 
murina), inBrafilien Cucuriuba genannt, welche 
in den wailerreihen Gegenden Südameritas fehr 
häufig lebt und ebenfall3 bei uns in Menagerien 
gezeigt wird. Sie fann eine Größe bis zu 7 m ers 
reihen, und würde ſonach ziemlich die größte aller 
jeht lebenden Schlangen * Denn nur noch 
einige zur verwandten Gattung Pythonſchlange 
(Python) gehörende Schlangenarten auf den ind, 
Inſeln und im ſüdl. Afrita erlangen zuweilen die 
Größe von 6 m. Bon den Pythonſchlangen wird 
die Tiger: Python (Python Tigris) und die 
zweijtreifige Python (Python bivittatus) 
aufig in Europa jur Schau geftellt. In Auftra: 
ien jind die R. vertreten durch die pradtvolle, 
gelb und ſchwarz gezeichnete, bis m lange Rau: 
tenſchlange (Morelia argus), 
Dielen: eufelrochen, ſ. Meerdrache. 
Rieſentöpfe nennt man bis zu 10 oder mehr 
Meter tiefe, brunnen- oder keſſelartige kreisrunde 
Löcher, die durch kreiſelnde Bewegung von Wafler: 
fällen, Stromfchnellen und Gletſcherbächen vermits 
telit harter Gerölle in den feften Gejteinsgrund 


45 


706 Nieshänge — Rich 


eingebohrt werben. Auf ihrer Innenwandung find | milie. Im J. 1839 begann er die Arbeiten zu zwei 
nicht jelten fpiralige, der allmäblichen Einbobrung | Gicbelfeldern und mebrern Statuen für das dres: 
entiprechende Furchen wahrzunehmen. (Gletider: | dener Theater in Sandftein und nad Beendigung 
garten von Luzern, in zahlreichen Thälern der Hoch- derfelben die Modelle für das Giebelfeld des neuen 
gebirge, in Norwegen u. f. w.) Opernhaufes zu Berlin. Auch eine Heine, 90 cm 

Nieshänge, Krüde oder Aufbängelreu; | hohe Statue der Geres in Marmor gehört in jene 
(ft. ferlet, engl. peel), in der Papierfabritation | Zeit. Im J. 1845 fhuf R. in Marmor die lebens: 
ein Werkzeug in Form eines langftieligen T: för: | große Öruppe der Bietä, eine Maria am Leichnam 
migen Holzes, deſſen man jich beim Aufhängen der er Iniend, für die Friedenslirche in Potsdam. 
Papierbogen zum Trodnen bedient. Ä Thaers 2 m hohe Statue in Bronze wurde 1850 

Niefi, Stadt in der ital. Provinz Caltanifietta, | in Leipzig und 1853 Leſſings VBronzeftatue in 
Bezirk Terranova di Sicilia, zählt (1881) 12008 E. | Braunjchweig enthüllt, ein Werk, weldyes vermöge 
un 2 Schwefelgruben, Wein: und Ofivenbau. | feiner glüdlihen Behandlung des Zeitloftüms zu 

Nieffer (Gabriel), Bolitifer und Schriftiteller, | den gelungenften Broduften des Healismus in der 
geb. 2. April 1806 in Hanıburg, von iörael. Ab: Plaſtit zählt. Cine Reihe deforativer Arbeiten in 
funft, ftudierte in Heidelberg und Stiel die Nechte djtein am neuen Mujeum in Dresden, Künit: 
und wurde 1836 vom Senat in Hamburg zum | lerftatuen und Reliefs folgten und wurden in Ge: 
Notariat zugelaflen. Als Schriftiteller wirkte er | meinjchaft mit Hähnel ausgeführt. Aud bei der 
eifrig für die Gleichberechtigung feiner Glaubens: | Kolofalgruppe Goethe und Schiller für Weimar 
genoſſen durd die geitiheit «Der Jude, perio: | (1857 vollendet) iſt das Zeitloſtüm beibehalten und 
diiche Blätter für Heligions: und Gewifiensfreibeit» | die Aufgabe mit ſchlagender Sicherheit gelöft. Eine 
(Altona 1832—35), die «Jüd. Briefer (2.Hfte., Berl. | Bildfäule für Karl Maria von Weber, neben 
1810 u. 1842) und viele Heinere Schriften. Im J. dem Theater in Dresden, wurde 1860 enthüllt. 
1848 wurde er von dem Herzogtum ——— Dann erhielt R. den Auftrag, das Luther-Denlmal 
das Deutſche Parlament gewäblt, wo er zum Mit: | für Worms zu arbeiten. Die Anordnung des Gan: 
alied des Berfaflungsansfdhufies und zweimal zum | zen, welches den Reformator von den Standbildern 
Vizepräfidenten gewählt wurde. . Schloß fid) | jeiner geiitigen Vorgänger umgeben zeigt, iſt durch 
zuerft dem rechten Centrum, nad) dem franffurter | ein Holzſchnittblatt befannt. N. war nur vergönnt, 
Septemberaufftande dem linken Gentrun an, war | die Statuen Luthers und Wicliffes noch mit eigener 
dann Mitglied der Erblaiferpartei nnd gehörte aud | Hand im Entwurf au vollenden; in jener bat er 
u der Deputation, welche dem König von Preußen | ohne Frage die charaltervollſte plaſtiſche Darſtellung 
ie deutiche Kaiferlrone anbot. m J. 1860 wurde Luthers gegeben. Er ſtarb 21. Febr. 1861 zu Dresden. 
er als Hat in das hamburger Dbergericht gewählt | Nach jeinem Tode wurde die Vollendung des 
und ftarb 22, April_1863. Isler veröffentlichte | Werks in die Hände feiner Schüler Dondorf und 
R.s «Gefammelte Echriften» (4 Bde., Frantf. Kieh gelegt. Für die Walballa hat R. die Büften 
a.M. 1867—68) und eine Biographie R.3 (2. Aufl., | Luthers und des Kurfürſten Auguft U. von Sad): 
dranff. a. M. 1871). ı fen ausgeführt, fowie viele andere Bülten und 

Nietberg (in Weftfalen), Stadt im preuf. | Neliefvorträts. VBelannt durch Abgüfje find die 
gg Minden, Kreis Wiedenbrüd, | Heliefs des Chriftengeld, der vier_Tageszeiten, 
26 im SSW. von Bielefeld, an der Obern | Amoretten auf Banthern u. |. w. Sein Dentmal 
Ems, Sig eines Amtsgerichts, zählt (1885) 1866 E. | auf der Brühlſchen Terraffe in Dresden wurde 
und hat eine kath. und eine evang. ae ein | 21. Febr. 1876 enthüllt. Bol. Oppermann, «Ernf: 
kath. ——— Aderbau und Viehzucht. R. R.» (Lpz. 1863; 2. Aufl. 1873; Separatabdrud 





war ehemals Sa einer Grafſchaft. der «jugenderinnerungen R.&», Lpz. 1881). 
Rietblatt, ſ. Riedblatt. Nietwurm, ſ. Maulwurfsgrille. 
en ſ. Riedgräfer. Rien (Zohan Ernft), ſchwed. Sprachforſcher, geb. 
Nieth, das gemeine Schilfrohr, f. unter Rohr. | zu arlahamn 6. Sept. 1815, ftudierte in Qund und 
Nieti, f. Reate, wirkte dafelbft feit 1840 eine Zeitlang als alabe: 


Rietfchel (Ernft Friedt. Aug.), bervorragender | miicher Lehrer. Im J. 1848 nahm er die Priefter: 
Bildhauer, geb. 15. Dez. 1804 in Pulenik in der | weibe und erhielt 1851 die Pfarrei Tugelsjö in 
ſächſ. Lauſitz, befuchte feit 1820 die Kunftalademie | Schonen. Er jtarb in Kopenhagen 16. Juli 1868. 
zu Dresden. Schon nad) einigen Jahren führte er | Seine Ausgaben mittelalterliher Handſchriften, ge: 
einen Auftrag des oräfl. Einfiedelihen Gifenwerts | fammelt in den «Scriptores Suecici medii acvi 
Lauchhammer aus: eine etwa 2 m hohe Statue | cultum culturamque respicientes» (3 Bbe., Lund 
de3 Neptun für den Marktbrunnen zu Nordhauſen, 1842—51), genügen nicht den Anforderungen der 
die in Eiſen gegoffen wurde. R. ging 1826 nad) | neuern Philologie. Sein ſchwed. Dialeltierilon 
Berlin zu Raud. Nachdem er diefen bei der Boll: | aber: «Ordbok öfver Svenska allmogespräket » 
endung mehrerer Arbeiten geholfen, wanderte er | (Lund 1862—67) ift von dauerndem Wert. 

1830 über die Alpen, mußte aber fhon 1831 zu: | Wiek (Aul.), deutfcher Muſiker, geb. zu Berlin 
rüdfehren, um’ein großes Monument für den Hönig | 28. Tez. 1812 als Sohn eines Mitglieds der bor- 
Friedrich Auguft I. von Sachſen zu beginnen. Das | tigen königl. Kapelle, des Bratſchiſten J. Fr. Ries, 
Hilfsmodell zu diefer Statue führte er in Berlin | widmete fich frühzeitig dem Violoncellipiel unter 
aus, die übrigen Arbeiten in Dresden, wohin er | Romberg und Ganz und erhielt {bon mit 16 J. 
1832 als Brofejior berufen wurde. Diejer Arbeit cine Anhtellung im Orchefter des Königftädtiichen 
folgte das Giebelfeld am Augufteum (Univerfitäts: Theaters. Auf feine Mufilbildung hatte Mendels- 
ebiiude) in Yeipzig, fowie 1835 für die Aula des: ſohn-Bartholdy großen Einfluß. Im J. 1834 berief 
jelben ein —— von zwölf großen Reliefs, die ihn Mendelsſohn nah Düſſeldorf, um neben dieſem 
Kulturgeſchichte des Menfchen darftellend, ferner , als Muſildirettor am Stadttheater zu wirlen. Als 
die Marmorbüften von Gliedern der königl. Fa- Mendelsſohn bald darauf feine Stelle niederlegtz, 


Nieu:Fien — Niga 


führte R. die Mufikdireltion des Theaters allein, 
bis er 1835 ftädtiicher Mufifdireltor in Düfjeldorf 
wurde, Diefed Amt bekleidete er 12 Jahre hin: 
dur, morauf er 1847 einem Nufe nad Leipzig 
folgte. Hier war er teild gleichzeitig, teild nad: 
einander ald tapellmeifter am Stadttheater, Diri: 
gent der Singalademie und als Lehrer am Son: 
jervatorium und Kapellmeiſter am Gewandhaus 
thätig und leiftete in der leßtern Stellung durch 
fein Dirigentengeichid Bedeutendes. An Neiffigers 
Stelle ging er dann 1860 als Hoflapellmeijter nad) 
Dresden, wo er 1874 den Titel Generalmufitdirel: 
tor erhielt und 12. Sept. 1877 ftarb,. Seine Kom— 
pofitionen umfaflen Opern («Der Korjar», «Jery 
und Bätely», «Georg Neumark»), Symphonien, 
Duverturen, Sadyen für Männerdor, einitimmige 
Lieder, Klavier: und Violoncellſachen u. |. w. Auch 
it N. vielverdient um die Herausgabe der Werte 
von Bad, Mozart, Beethoven, Mendelsſohn u. a. 

Niensfien, ſ. Liu-kiu. 

Nieug, Stadt im franz. Depart. Haute-Garonne, 
Arrondiſſement Muret, an der Arize, nahe deren 
Mündung in die Garonne, gehörte ehemals zum 
Zouloufain, war 1317— 1790 Biihofsfik, zählt 
(1881) 1999 E. und hat eine got. Kathedrale. 

Niez (mittellat. Regii), Stadt im franz. Depart. 
Bafles: Alpes, Arrondiffement Digne, am Coloftre, 
feit dem 5. Jahrh. Bil af, at (1881) 2140 
(al Gemeinde 2381) E., Weinbau, Gerberei, 
Töpferei, Hut: und Ölfabriten. 

Nif oder er' Rif, ein Gebirge, weldes von 
der Gibraltarftraße nad) Südoften in Maroklo 
hinein der Hüfte folgt, gegen melde ein ſchmaler 
ebener Streifen frei bleibt. Der Name bebeutet 
reg wre Der gegen 350 km [ange und 52 km 
breite Gebirgszug, welcher ſich im Mittel zu 600 m, 
in einzelnen Gipfeln zu 1000 bis 1300 m erhebt, iſt 
die weftl. Fortiegung der Gebirge Algeriens und 
bildet ein wildes, jchluchtenreiches, ſchwer zugäng- 
liches Bergland, defien nörblichiten Teil in der fog. 
Sierra Bullones der 911 m hohe Dſchebl-Zatut und 
im Süden von Tetuan der 2345 m hohe Anna, fo: 
wie andere 1950 m Höhe überfteigende Gipfel bil: 
den. Die Rifprovinz zerfällt in das Amalat:Rif 
und in das Amalat:Tetauan, gemöhnlic Tetuan 
genannt, und iſt von raft una — kriege⸗ 
riſchen Berberſtämmen bewohnt, welche in ben 
Thälern und Heinen Ebenen viel Getreide gewin— 
nen und Bieh züchten, ſich aber von jeher nament: 
lih durch Seeräuberei auszeichneten und —— 
den Namen der Rifpiraten erhielten. Prinz Adal 
bert (f. d.) von Preußen hatte 1856, als er mit 
ber Dampfforvette Danzig eine (ibungsfahrt im 
Mittelmeer machte, beim ftap Tres Forcas einen 
Kampf mit dieſer Küftenbevölferung zu beſtehen. 

Riff heißt eine lange und fchmale Bank in der 
Gee, die man, je nad) der Beichaffenheit ihres Bo— 
den®, ein Sand:, Stein- oder Felfenriff 
nennt. Korallenriffe find von einer dicht zu: 
jammenbängenden Maſſe von Korallenftöden ge: 
bildete Bänke. (S. Korallen.) Meift laufen die 
Bänke der Küſte parallel und heißen da, wo ſie ſich quer 
vor die Mündung eines Hafens lagern, Barren. 

Riffelkamm oder Niffel (frz. gröge, dröge; 
engl. rippling-comb, ripple), ein ade ftehender 
eijerner Kamm, zwijchen delien ftumpfen Zähnen 
der Flachs durchgezogen wird, um ihn von den 
Samenlapieln zu befreien. 8 unter Flachs- 


* 


ſpinnerei, Vd. V1,6©. 


707 


Niffelwalzen (fr. cylindre canneld, engl. fu- 
ted roller), mit Zängsfurden verjehene Stahl:, 
reip. Hartgußwalzen, welche an Spinnmafdinen, 
an den Krempelmajchinen für Baumwolle, nament: 
lid) aber in der Meblfabrilation Anwendung finden. 

Nifffteine, lolale koralline Gebilde von jehr ge: 
ringer Husbehnung, (S. Korallenbauten.) 

ifle (engl. rifle, fpr. Reif'l), foviel wie gezo— 
ened Gewehr oder Büchſe. To rifle heißt eine 
Waffe mit Zügen verjehen (im ältern Deutid und 
Skandinaviſchen erijfeln»). Rifled-gun ijt ge 
jogened Gewehr oder Geſchüß. Rifle-man iſt 
gleichbedeutend mit Scharfihüß. 
iga (lettiih Rihge, ejtnifch — Haupt⸗ 
ſtadt des ruſſ. Gouvernements Livland, nächſt 
Petersburg die wichtigſte ruſſ. Seehandelsſtadt an 
der Oſtſee, liegt 15 km von dem Rigaſchen Meer: 
bufen entjernt am rechten Ufer der Düna, über 
welche eine loßbrüde und eine 1871—72 erbaute 
Gifenbahnbrüde führt, Die Mündung des Stroms 
wird von der Feſtung Dünamünde (ſ. d.) verteidigt, 
in deren Nähe der 1872 erbaute Hafendamm iſt, 
welder den Bolderaahafen gegen den Wellenfchlag 
fhüst. Diefer ift dur die Bolderaa:Gifenbabn 
mit R. verbunden. Ihm ſchließt ſich ein abichlieh: 
barer Hafen für fiberwinterung von Schiffen an 
und neben biefem ift ein Sleepdock mit einer 
Maſchinenfabrik. Etwa 10 km unterhalb der Stadt 
am rechten Ufer der Düna beim Ausfluß des Stint: 
fees in diefelbe befindet fich ein zweiter wohlaus— 
gebauter Hafen, Mühlgraben genannt. Gine Zweig: 
bahn der R.:Dünaburger Eifenbahn verbindet ihn 
mit R. und dem Innern Rußlands. Indeſſen 
eben auch eine große Anzahl Schiffe bis zur Stadt 
——— Außer den genannten Zweigbahnen gehen 
von N. noch Eifenbahnen nach Dünaburg, Mitau 
und Tuckum. Früher war NR. mit Waͤllen und 
Baftionen verjehen, welche 1857—63 abgetragen 
wurden. Auch die an der Nordjeite der Gtabt be: 
legen geweſene Citabelle ift aufgehoben und ihre 
Feſtungswerle find planiert. Die eigentliche Stadt 
wird von drei Vorſtädten umgeben, der Mitauer, 
jenfeit der Düna, ber Petersburger und der 
Moskauer. Die beiden lebten find von der Stabt 
getrennt burch den mit Gartenanlagen umpflanzten 
und mehrfach überbrüdten anal, in weldhen man 
den ehemaligen ftädtiichen Feſtungsgraben um: 
gewandelt hat. Die bemerfenswerteiten Gebäude 
iind in der Stadt: der Dom, welcher neuerdings 
die größte Orgel mit 124 klingenden Stimmen und 
174 Regiſtern, erbaut von der Firma €. F. Waller 
u, Comp. in Ludwigsburg bei Stuttgart erhalten 
hat, die Beterstirche mit einem 140 m hoben Turm, 
das Rathaus, das demielben am Marftplak gegen: 
über liegende Shwarzhäupterhaus, das vom Heer: 
meijter Wolter von Wlettenberg 1515 erbaute, 
fpäter mehrmals rejtaurierte Schloß, in weldem 
der Gouverneur von Livland und mehrere Gou: 
vernementsbehörden ihren Sik haben; auf, dem 
Plaßtze vor demfelben ftebt eine Granitfäule mit der 
bronzenen Statue der Siegesgöttin, welde von 
der Kaufmannſchaft zum Andenken an die glüdlich 
beendigten Kriege von 1812 big 1814 errichtet wor: 
den ift, ferner das Nitterhaus des livländ. Adels, 
die beiden Gildenhäufer, das St. Georgenhofpital, 
die Börie, das am Düna:Ufer belegene Zollbaus, 
das große ber Krone gehörende Pachaus zur Auf: 
bewahrung unverzollter Waren, die Gasanitait 
und das 1861 nad dem Plane von 2. Bohnſtedt 


45* 


708 


erbaute, feit dem Brande vom 14. Juni 1882 nur 
noch in feinen äußern Mauern daftehende Stadt; 
theater, bis zu deſſen Wiederherftellung ein aus 
Holz erbautes Interimstheater errichtet iſt; in 
der —— Vorſtadt: das Polytechnilum, 
das Stadtgymnaſium, das ruſſ. Alerander:- Gym: 
naſium, das ruſſ. Lomonoſſow-Gyninaſium (eine 
hohere Tochterſchule), die Blindenheilanſtalt, die 
evang. Gerirudlirche, die gried.sorthodore Kathe⸗ 
drale, bie Mineralwafleranitalt, das Nilolai⸗ 
Armenhaus, das ſtädtiſche Kranlenhaus, die 
Irrenanſtalt Rothenburg, das große Kriegshoſpital 
in der Nähe der Noten Düna u. f. w.; in der Mos⸗ 
tauer Boritadt: der —** der RDunaburger 
Eiſenbahn, die Ambaren, die Synagoge, die Jeſus— 
tirhe, die Sadownilowſche Armenanitalt, das 
Waſſerwerk u. ſ. w. In der Mitauer Vorſtadt üt 
das neuerbaute Seemannshaus, unmittelbar am 
Ufer der Düna belegen, hervorragend. Seit der 
1878 ftattgehabten Einführung der allgemeinen ruſſ. 
Städteordnung fit die Kommunalverwaltung auf 
die von und aus allen jteuerzahlenden Einwohnern 
ewählten 72 Stabtverordneten und deren Aus: 
hub, das Stadtamt, unter dem Präfidium eines 
Stadthaupts — und dem ſeit 1226 
beſtehenden Rat, welcher bis dahin unter Beteili— 
gung der Bürgerſchaft durch die beiden ſtädtiſchen 
Gilden auch die ganze ſtädtiſche Verwaltung führte, 
En bis zur Keorganifation auch der Juſtizver⸗ 
aſſung in den Dffesuraningen nur bie Juſtiz⸗ 
pflene und einige untergeorbnete Verwaltungs: 
zweige geblieben, j 
Die Stadt hat (Ende 1881) 169329 €, (ein: 
ſchließlich der Garniſon von 6700 Mann), von 
welchen 104633 evangelifch:proteftantiich, 24000 
griechiſch orthodox, 10095 romiſch⸗katholiſch und 
20113 Juden find. Nach der Nationalität find 
66 775 Deutiche, 49974 Letten, 31976 Rufjen und 
3197 Polen. Kirchen gibt es acht lutheriiche, dar: 
unter eine von Holz, eine reformierte, eine angli: 
laniſche, eine latholiſche, zehn griehiich:orthodore, 
ein Bethaus der Naskolniten, eine Hapelle der 
Baptiften und drei Synagogen, An böbern Lehr: 


Nigaer Meerbufen — Nigas 


— 1884: 62114796 Rubel und die Einfuhr 32615446 
' Rubel. Schiffe gehen jährlich gegen 3000 ein und 
aus. Die Intereflen des Handeld werben von 
einem von und aus ber Börienfaufmannf er: 
| ———— vertreten. An 
anlagen find hervorzuheben: een, 
12 erden, en inenfabrifen und Eiſen⸗ 
giebereien, 7 Sprit: und Liqueurfabrilen, 6 Dach⸗ 
1 Norklabriten” 4 Somieröt 
orktabrifen, en, 
und MWagenfchmierfabriten, 4 Drabt: und Drabt: 
nägelfabriten, 4 Lederfabrilen, 4 Wollwarenfabri: 
— Baumwollwarenfabrilen, 3 Sei 


; —— 2 —— 1 i 
yence: und Porzellan: und 1 Waggonf 
Gegründet wurde NR. am Zufammenflufe des 


+ Fr . mit der 2 1201 von = livländ. 

iſcho ert von Appeldern, er Domberr 

| Bremen, nahdem das Land Ar zuerſt 

deutſchen Kau —— aus Bremen belannt gewor⸗ 
ben war. Derſelbe ſtiftete hier 1202 den lwländ. 
Orden der Schwertbrüber (f. d.), ber 1237 mit dem 

\ Orden der Deutſchen Nitter vereinigt wurbe, wel: 
chem Stadt und Land längere Zeit gps mit 

dem rigafhen Erzbiſchof bis 1 angehörten. 


Vach dem * vom 28. Nov. 1561 
er und dem lebten Heermeifter von 
Gotthard Kettler, leiltete diejer 5. März 1562 
enen Reiche den Lehnseid als —— Kur⸗ 

* —* — — u Bo —* aber erſt 
na eitsjahren unter poln, haft. 

Im %. 1621 eroberte Guftav — — 8 

1700 wurde fie unter Auguſt I. von ben Sachſen 

belagert, aber 18. yuli 1701 durd) Karl XII. ent» 

ſeßt. Nah Karla XII. Niederlage bei Bultama er: 
ab fie fi) on bar Belagerung 4. Juli 1710 
en Ruffen. . Helms, « r > 

(2. Aufl., Riga 1881); Geuter, «Neuer 

me R.» (Riga 2 Bufen der ONf J 

gaer Meerbuſen, Buſen ee, an 

Kuſten der rufj. Gouvernements Livland, Sturland 

' und Gitland, nimmt die Düna auf, iſt fa 

Klippen, nicht fo falzig wie die Oftfee, und 








und Unterrichtsanftalten beiteben: die baltiidhe | herleichter zu. — 


Hochſchule mit 800 Studierenden, 
ein griechiſch orthodores geiſtliches Seminar, fünf 
Gymnaſien, eine Navigationsſchule und eine höhere 
Toͤchterſchule. Auch bat R. eine Stabtbibliotbhet 
von 60000 Bänden mit zahlreihen Inkunabeln, 
eine feit 1803 beſtehende Bürgergeiellihaft zur 
Berbreitung nüplicher Kenntniſſe und Einrihtungen, 
eine Bibelgejellihaft,, eine lettiich:litterariiche Ge: 
ſellſchaft, die Geſellſchaft für Gefchichte und Alter: 
tumstunde der Ditjeeprovinzen, den Techniſchen 
Verein, den Naturforihenden Rerein mit einem 
Naturalienlabinett, den Gewerbeverein. Aus: 

edehnte Promenaden und Gartenanlagen um die 

tadt, der Wöhrmannjche Part und der jog. kaiſer— 
lihe Garten jind beſuchte Spaziergänge. Etwa 
7 km entfernt befinden fich die umfaljenden Krons— 
anftalten von Alerandershöhe (Errenhaus, 
Krantenhaus, Verpilegungsanitalt u. f. w.). 

N. betreibt einen lebhaften — 
hauptſächlich mit Flachs, Hanf, Leinſaat, Hanfſaat, 
Getreide und Holz. Die haupftſächlichſten Einfuhr: 
artitel find Salz, Heringe, Steintohlen, Soda, 
Wein, rohe Baumwolle, Gijen, Kajjee, Harz und 
Korlholz, außerdem nod Manufaltur: und Yabrit: 
waren verfchiedenjter Art. Die Ausfuhr betrug 


ige 


Rigas — 3— grie triot und 
heitsdichter, geb. in Veleſtino (dem alten )in 
Theſſalien um 1753, fabte, durch den der 
——— Revolution angeregt, ben Plan, Grie⸗ 

enland von dem Joch der Türken zu befreien, Er 
rechnete bierbei auf die Mitwirkung Bonapartes, 
welche ihm auch durch Bernadotte, den franz. Ges 

' fandten in Wien, zugefichert worden war. = 
1796 verlieh N. die Dienſte des Hoſpodars der 
Waladei, Michael Sutjos, wandte ſich nah Wien 
und begab fih, um in Venedig mit Bonaparte 
perjönlich zu verhandeln, 1797 nad Trieft. Hier 


wurde er aber verhaftet und nad Wien 
' 1798 mit mehrern Gefährten an ben türf, 
ag von Belgrad ausgeliefert und tet. 


R. lann nicht nur als Begründer der jpätern He⸗ 
‚ tärie (f. d.) angejeben werden, fondern bat | 
durch jeine patriotiichen Gejänge das griech. Bol 
wach gerufen. Namentlicd find zu erwähnen feine 
Nahahmung der Marfeillaife (wdzürz, naidıs rar 
"Eiirvwv»), ferner der K efang «Ds nöri, 
rahınzapan, der Eid: «ID Baarked toD xöonoun, 
und der Päan «?’ —— xal Aucın, 

jeiner Lieber ehifh und deutich in 


nden fid) fi 
Schotts und Mebolds »«Tajhenbud für Freunde 








Nigaud 
ber Geſchichte des griech. Volls⸗ (Heibelb, 1824), 
aud) — Ks einer Polyglotte ber 
europ. Poefie» (2p3. 1846). Vgl. tt, «fiber R.’ 


Leben und Schriften» (Heibelb, 1825). 
Nigaud (Hyacinthe), franz. Porträtmaler, geb. 
20, Zuli 1659 zu Perpignan, ging 1681 nad) Paris, 


— Nigi 709 


Mährend diefer Beit Tieferte er viele einzelne Volal⸗ 
fompofitionen, fowie die Dpern «L’incontro inas- 
pettato» und «ll Demogorgone, ossia il filosofo 
confuso»; 1788—92 war er lapellmeifter des Kur: 
fürften von Mainz, und in diefer Stellung kompo— 
nierte er die Opern «Antigono», «Armida», «Al- 


wo er im Fache der Porträtmalerei zuerft 1710 als | cide al bivio» und eine Mefje zur Krönung Kaiſer 


Lehrer, dann 1733 als Direltor ber Alabemie bis 
an feinen 27. Dez. 1743 erfolgten Tod viel beichäf: 
tigt und body berühmt war. Dan befikt von ihm 
über 200 hiſtor. Porträts, die von Gdelind, Dre: 
vet, Audran u. a. geftochen wurden. Die Porträts 
R.s find —* das bewußt Repräfentierende ber 
Haltung und das pomphaft Frappierende des Ko: 
ftüms befonder3 charakteriſtiſch für feine Zeit. 
bielt viel auf Wärme und Glanz bes Kolorits und 
bie jaubere, Neißige Behandlung erftredt ſich auf 
alle Zeile feiner Bilder. Ei 
Niganlt (Raoul Georges Adolphe), Mitglied 
ber franz. Commune, geb. 16. Sept. 1846 zu Ya- 
ris, wurde nach ber Hevolution vom 4. Sept. 1870 
bei der parifer Polizeipräfeltur angeftellt, trat aber 
ſchon 31. Dft. wegen Streitigfeiten mit ber Regie: 
rung wieder aus. Nad dem Aufitand ber parıier 
Commune (18. März 1871) wurde er von biejer 
zum Civildelegierten ber — — dann 
zum alleinigen Polizeipräfelten, endlich 27. April 
zum Profurator der Commune ernannt. Als fol: 
2. ordnete er die Erſchießung der Geiſeln und die 
erbrennung der Tuilerien.und anderer Gebäube 
an, wurde aber bei den Kämpfen im Innern von 
Bari 24. Mai von der verjailler Armee ge: 
er ro genommen und fofort erichoflen. 


igault de Genouilly (Charles), Marine: 


minijter unter bem zweiten Slaiferreich, eb. 12. April 


Leopolds II. nr Friedrih Wilhelm IL. berief 
ihn 1792 nad Berlin. Hier fchrieb er die Oper 
«Enea nel Lazio», die dem Könige fo gefiel, dab 
ibn derfelbe 1793 zu feinem Kapellmeijter (an 
Alefiandris Stelle) ernannte. Zu den in Berlin 
entitandenen Opern gehören feine bebeutenbften: 
«ll trionfo d’Arianna», «Atalanta e Meleagro», 
«Armida» (in einer neuen Bearbeitung), «Tigrane», 
aLa Gerusalemme liberata» und «La selva incan- 
tata», die fih auch überfeht auf deutichen Theatern 
verbreiteten. Gr ftarb infolge einer Steinopera- 
tion 19. Aug. 1812. R.s Etil bejteht aus einer 
Miihung von ital, und deutſchen Glementen; er iſt 
Mozart verwandt, von weldem er auch viel an: 
genommen hat, Gewandtheit und Gefälligleit ver: 
einigen fih in feinen Werten mit Gründlicteit 
und Solibität der Ausführung; die Enfembleftüde 
feiner Opern (Terzetten, Quartetten u. f. m.) find 
proben meiſterhaft. Sehr vorzüglih find aud 
eine Singübungen, 

Nigi (der, bei den Ummohnern bie), Bergſtod 
ber Schwyzer Alpen ga [pen, 22) an der Grenze 
ber fchweiz. Kantone Schwyz und Luzern, erftredt 
fi zwifchen dem Viermaldttätterfer. dem Buger: 
und Lomerzerfee in Geitalt eines unregelmäßigen 
14 km langen, 6—7 km breiten Vieredd vom 
lüßnachter Arm des Vierwaldftätterfees ſudöſtlich 
bis zur Muota und befteht in feinem weſtl. Teile, 


1807 zu Rochefort, wurde 1848 zum Linienſchiffs- dem der Kulm (1800 m), der Doſſen (1681 m), der 
fapitän, 1854 zum Sontreadmiral ernannt und | Rotitod (1664 m), die Scheided (1648 m) u. |. w. 
nad) der Krim gejchidt, wo er fich mit Auszeihnung | angehören, aus Nagelfluh und Molaſſeſandſtein, 
an der Belagerung von Sewaſtopol beteiligte. Im im öftlichen, in welchen die Hochfluh (1702 m) und 

. 1856 trat er an die Spie der Flottenſtation im ; der Vipnauerjtod (1448 m) auffteigen, aus Kallſtein 

ndochineſiſchen Meere und kooperierte im nächſten der Kreideformation. Am —— Rande der 

ahre mit ben Engländern bei der Einnahme von Alpen inſelartig zwiſchen ben Niederungen dreier 
Kanton. Im J. 1858 zum Vizeadmiral ernannt, ' Seebeden aufragend, bietet der R. eine der ſchön— 
erhielt er 1862 das Kommando des Übungsge: | ten Rundfichten der Schweiz. Von feinem höchſten 
ſchwaders im Mittelmeere, 1864 den Rang eine? | Gipfel, dem Kulm, überblidt man elf Seen, das 
Admirals. Im an. 1866 wurde R. das Marine: | Schweiz. Hügelland bis zum Jura, die Vogeſen, den 
minifterium übertragen, welches er auch im Kabi— ‚ Schwarzwald, bie * des Höhgaues und die 
nett Ollivier vom Jan. 1870 behielt. N. war es Alpen von Sentis im NO. bis zum Wildhorn und 
u li, der beim Ausbruch des TDeutich: | er im SW. Der größte Durchmeſſer der 

ranzöfiichen Kriegs von 1870 und 1871 die Erpe: | age von der Döle # d.) im Jura bi® zum 
dition der franz. Flotte gegen die Nordlüjten Bußen bei Biberach beträgt 320 km. Bon Goldau 
Deutihlands befuͤrworlete. Sein Portefeuille ver: und Lowerz im N., Gerſau und Wäggis im ©., 
lor R. erit mit dem Eturze des Kaiſerreichs (4. Sept. | Greppen und Küßnacht im W. wird der R. leicht 
1870). Cr jtarb zu Paris 4. Mai 1873, Er ver: | auf guten Reit: und Fußwegen in brei bis vier 
öffentlichte die vierte Ausgabe des « Routier des Stunden beitiegen; der größte Teil des ſehr leb— 


Antilles» von Chaudeprat (2 Bde., Par. 1852). 
Nighini (Vincenzo), ital, Operntomponijt und 
Geſangsmeiſter, geb. zu Bologna 22. Jan. 1756, 
ftudierte beim Pater Martini Nontrapunft , jowie 
in der Schule des Bernachi die Geſangskunſt. Im 
Alter von 19%. trat er als Tenorijt beim Theater 
j Parma auf. Bon 1776 an war er drei jahre 
ang bei der ital. Oper in Prag engagiert, wo er 
an auerit als Komponift auftrat, unter andern 
mit « 
(den Grundzügen nad dasfelbe Sujet wie Mozarts 
«Don Sjuanr), Von Prag ging R. nad Wien, wo 
er bei Hofe Gejangunterricht erteilte und die Wufil: 
direktion von Joſephs II. ital. Overntheater führte, 


on Giovanni, ossia il convitato di pietra» | 


| haften Zourijtenverlehr& wird jedoch durch die 
1868— 75 erbauten Rigibahnen vermittelt, Die 

ı Bipnau:Rigibabn 1868—72 von Riggenbach, 
Näff und Zichofte erftellt, eine Zahnradbahn mit 
‚6,8 bis 25, Keane 20,4 Proz. Steigung, 
'T km lang, jchlängelt fih am Südabfall des R. 
‘ über Rigi-altbad (1441 m) und Staffel (1594 m) 
un Kulm hinauf. Als hervorragender Kunſtbau 
iefer Linie ift die elegante Blechbaltenbrüde über 

‚ das Schnurtobel zu erwähnen, welche 85 m lang 
ı mit 25 Proz. Steigung einen Bogen von 200 in 
| Nadiusbeicreibt. DivArth-Rigibahn, 11,rkm 
lang, 1875 eröffnet, zerfällt in die Thalbahn Neth: 

| Dberarth und in die Zahnradbahn Oberarth Kulm, 


710 


die am Norbabfall des N. über Golbau und Rigi— 
Ktöfterli (1317 m) zum Staffel herauffteigt, wo ie 
ſich mit ber prägen vereinigt. Ihre 
Steigung beträat auf der Thalftrede 2,36 Pros., 
auf der an durchſchnittlich 13, im Maximum 
20 Proz. Die Scheidecklinie, die höchſte Bahn 
Europas, 6°, km lang, mit durchſchniitlicher Stei⸗ 

ung von 2,5 Proz., zweigt beim Haltbad von der 

zißnaulinie ab und zieht fıch öftlih in Windungen 
um die Spiken des Nigitammes zur Rigi:Scheided. 

Seit der Heritellung diefer Bahnen hat der Tou: 
riitenverlchr auf dem N. außerordentlich zugenom: 

sen. Während vor hundert fahren der X. fait nur 
in jeiner unmittelbaren Umgebung befaunt war und 
noch 1815 eine Schirmhütte auf dem Kulm Raum 
genug für die fpärlichen Befucher bot, wird jeht 
der R. jährlich von 6O— 70000 Touriften und Hlur: 
aditen beiucht. An der Stelle des erjten 1816 er: 
bauten Wirtshäuschens trägt nun der Kulm zwei 
große palajtartige Gafthöfe; 2 km unterhalb jteht 
am weitl. Bergrand das große ra Rigi⸗ 
Stafjel, wo alle Rigiwege ———— en, ſüdlich 
davon der berühmte Luft: und Mollenkurort Rigi— 
Kaltbad mit einer Felienquelle von 5° C. unweit 
des Hänzeli (1454 m), da3 die ſchönſte Ausficht auf 
den Vierwalditätterfee gewährt; auf dem nad D. 
ſich eritredenden Grat ftehen an der Linie Kaltbad— 
Scheided die Kurhäuſer Kigi-Firit und Rigi-Schei— 
ded (erdine Eifenquelle). An der Arth-Kulmbahn 
liegt in einem bergumſchloſſenen grünen Thälchen 
das Dörfchen Rigi:Klöfterli mit der Wallfahrts: 
tapelle Dlaria zum Schnee, einem Lleinen Kapuziner: 
Hofter und mehrern Gafthäufern. Val. Nütimeyer, 
»Der R. Berg, Thal und Eee» (Bat. 1877); Bor: 
mann, «Aus den Fremdenbüchern von Nigisftulm» 
(Bern 1883); Banoramen von H. Keller, neu be: 
arbeitet von X. Imfeld (Zür. 1878), G. Meyer 
(Zür. 1879), R. Stierlin (Luzern 1883), 

Nigibahnen, j. unter Rigi. 

Nigolen (vom franz. rigole, Rinne), fälſchlich 
auch Kajolen genannt, eine Loderung des Bo: 
dena bis zu einer Tiefe von 60 cm für neu anzu: 
legende Gärten, inabefondere Gemüje: und Obit: 
närten, wie für Weinberge. In diefen wird fie mit 
dem Spaten, auf dem Felde dagegen mittels des 
Unterarund: oder Rigolpflug® ausgeführt. Durch 
eine ſolche Tiefloderung joll —— der Abzug 
des überflüffigen und ftauenden Waſſers geſichert, 
ſondern auch die Erſchließung ungleich reicherer, 
den Kulturgewächſen zugänglicher Nährſtoffmengen 
herbeigeführt werden. Da dieſe Manipulation 
teinen geringen Aufwand erfordert, jo begnügt 
man hd oft Damit, den Boden nur 30 cm tief aus: 
—5** und die Sohle der Gräben bis zu obiger 

iefe bloß aufzulodern, 

Rigorismns (lat.) heit überhaupt eine ftrenge, 
unbeugjame, in der Anwendung einer Borjchrift 
oder eines Geſetzes auf die Individualität des ein: 
zelnen Falls keine Rüdjicht nehmende Denkart und 
Handlungsweiſe. Daher nennt man .namentlid) 
rigoriftiihde Moral eine ſolche, welche das 
Thun und Handeln in die Grenzen jtrenger Vor: 
ſchriften einichließt und fittlihe Gebote auch bei ges 
ringfügigen Fällen geltend madıt. Den Gegenjaß 
bildet die lare Moral der Patitudinarier (j. d.). 

Nigsdaler (Reichsſthaler, bis 1854 Rigs— 
bankdaler, Neihsbantthaler) hieß in Dänemark 
die Geldeinheit der bis zur Ginführung des gegen— 
mwärtigen, den ſtandinav. Staaten gemeinjamen 





Nigibahnen — Riley 


Goldmünzfußes (der Kronenwährung 1875) gel: 
tenden ke Der R. wurde in 6 Mart 
zu 16 Scdilling eingeteilt und im Gewicht von 
14,467 g, bei einer Geindeit von 875 Taujenditel 
geprägt Der Umtaufch der Geldftüde diejer frübern 
dän. Währung gegen diejenigen der jegigen erfolgte 
zum Sabe von 1R. = 2 flandbinav. Kronen, zu 
welchem aud auf R. lautende Berbindlichteiten im 
neuen Gelde zu erfüllen find. (Bal. Krone.) 
Nigveda, ſ. unter Beda. 

Nijder (Neiter), niederländ. Silbermünze, 1. 
unter Dufaten. 

‚ Rijefa (jerb. für Sub), fpeziell Name de3 wid; 
tigiten Fluſſes von Montenegro, der Ernojeviita: 
R. — ungemein fiſchreich iſt und bis zum Marlt⸗ 
fleden Rijela befahren werden fann, (5. Mon— 
tenegro.) — Der Marttfleden Rijeka ift da- 
durch merfwürdig, dab dort 1492 die erfte jerb. 
Druderei errichtet wurde. Das bei. in Ruinen 
liegende Schloß Dbod war im 15. und 16. Jahrh. 
Reſidenz montenegrinifcher Herrſcher und jpäter der 
montenegriniſchen Nenegaten, bis dieje in der mon: 
tenegriniſchen Bartholomäusnaht (Ghriftabend 
1702) vernichtet wurden. — Rijefa ift auch der 
jerbofroat. Name für Fiume (f. d.). 
Nijfsdaalder (Reihsthaler), frühere nieder: 
länd. Eilbermünze zu 2, Fl. = 4,55 deutiche 
Reichsmarl. 

Rikoſchettſchuft (vom franz. ricochet, Sprung, 
bprall), eigentli eine Schußart, bei der das 
Geſchoß, bevor es das Ziel erreicht, mehrere 
Sprünge madıt, alſo foviel wie Rollſchuß (f. d.). 
Der Kitojhettihuß im engern Sinne ge 
hört dem — — an und geht von einer 
Aufſtellung aus, welde in der Verlängerung einer 
einzelnen Yinie eines Feſtungswerls genommen 
wird und den Zwed bat, diejelbe der Länge nad) 
zu beftreihen. Der R., welder auf den Vorſchlag 
des franz. Marſchalls Bauban zuerit 1697 bei der 
Belagerung von Ath angewandt wurde, iſt eine 
bejonders erfolgreihe Schußart, da er das Biel in 
jeiner länaiten Ausdehnung faßt und die Ausficht, 
mehrere Odjelte hintereinander zu treffen, gemwäbrt, 
weshalb es eine beiondere Aufgabe der Fortifis 
fation bildet, dem Angreifer durch die Lage und 
Einrihtung der Feſtungslinien einen wirffamen R. 
unmöglich zu machen. Das beliebteſte Geſchoß zum 
N. iſt die Granate. Bei den Granaten der gezoge: 
nen Geihüse mit Berlufftonzzündern iſt ein eigent: 
liher R. nicht mehr möglid, da bieje Geſchoſſe 
beim eriten Aufichlage Erepieren, doch wendet man 
den Ausdrud wohl noch an, wenn überhaupt eine 
Seitungslinie der Yänge nach beftrihen wird. Ge— 
bräuchlicher ift hierfür der Name Enfilierſchuß. (S. 
Feſtungslbrieg.) 
Nifsdaler (Reichſthaler) oder Riksdaler 
Rilsmynt Geichsthaler Reichsgeld) hieß 
in Schweden die Geldeinheit der bis zur Einfüh— 
rung des gegenwärtigen, den ſtandinav. Staaten 
gemeinfamen Goldmünzfuhes (der Kronenwährung 
1875) geltenden Silberwährung. Der R. wurde 
in 100 Dre eingeteilt und im Gewicht von 8,502 g, 
bei einer Feinheit von 750 Taufenditel geprägt. Der 
Umtauſch der Geldftüde dieſer frübern ſchwed. 
Mährung gegen diejenigen der jekigen erfolgte zum 
Sate von IX. = 1 jlandinav. Krone, zu welchem 
aud auf R. lautende Verbindlidhleiten im neuer 
Gelde zu erfüllen find. (S. Krone.) 

Nilcy (ort), ſ. Hort Riley. 


Nile — Rindart 


Nille (mittellat. Risela), linlsſeitiger Neben: 
Nluß der Seine in der Normandie, entipringt im 
franz. Depart. Orne in den Monts d'Amain, tritt 
unterhalb Laigle in das Depart. Cure, nimmt 
unterhalb Beaumont:le:Royer links die Charen- 
tonne (Carentona) auf, berührt noch die Städte 
Brionne und Pont d'Audemer und fällt nad) einem 
Laufe von 148 km in die Seinemündung. 

eg ‚ Ril, au Ryl, im Altertum 
Skomios, Bergfnoten im ſudweſtl. Bulgarien, 
an ber Grenze von Dftrumelien und Macedonien, 
ſeht das Rho —— (Despoto Dagh) mit dem 
Balkan in Verbindung, iſt reich mit Nadelholz be— 
waldet, ſteigt bis zu 2750 m auf und entſendet nad) 
N. den Isker, nad D. die Marika, nad ©. die 
Meſta (türf. Karafu), Am Südweltfuße des R. 
liegt das Dorf Rilo Selo, 16 km davon öſtlicher 
das Rilokloſter, 1180 m über den Meere, ge: 
gründet von Joan Rilstij (get. 946), welches einen 
wichtigen Stüßpunft der litterariſchen und natio— 
nalen Wiebergeburt der Bulgaren bildete. 

Rima:Szombath, Hauptort des ungar. Ho: 
mitats Gömör (f. d.). = 

Rimeffe (Nemejje, auch Anſchaffung) beikt 
in der Handelsſprache die liberjendung von Geld 
oder Wechſeln, namentlich aber die Sendung von 
Wechſeln an Dayunospalı, u auf Rechnung, 
oder zum Verlauf. Daher heißt remittieren ſo— 
viel al3 Wechſel überfenden. ; 

Nimini (als Ariminum von den Umbriern ge: 
gründet), Hauptitadt eines Bezirls der ital. Bro: 
vinz Forli, zwiſchen Marecchia (Ariminus) und 
Mula Aprusa), einit ander Wündung der Marecchia 
in das Moriatifche Meer, jeht 700 m vom Meere, 
u dem ein Kanal führt, an der Eiſenbahn von Bo: 

a nad) Otranto, Sik eines Biſchofs (jeit 260), 
zäblt re 11044, als Gemeinde 37673 E. und 
iſt bejonders feiner röm. Altertümer wegen be: 
rühmt. Am Ihore San:Ginliano führt die ſchön 
verzierte Brüde über die Marechia, 72 m lang, 
4,5 m breit, mit fünf Bogen, welde unter Auguſtus 
und Tiberius an dem Orte, wo fic) die beiden ton: 
fularftraßen, Via Flaminia und Aemilia, vereinig: 
ten, aus dem jchönften weißen Marmor der Apenni: 
nen erbaut wurde. Sie ijt unftreitig das am beiten 
erhaltene Dentmal diefer Art aus dem ganzen Al: 
tertum. Vor dem Römtihen Thore ftebt ein zu 
Ehren de3 Augujtuserrichteter, 14m hoher Triumph⸗ 
bogen. Die Domlirde San:Krancesco (Tempio 
dei Malateita), auf den Ruinen eines Tempels des 
Eaitor und Pollux, im 14. Jahrh. im ital.:got. 
Etil erbaut, wurde 1447—5u durch Sigismondo 
Bandolfo Malateita nad) Leo Pattijta Aldertis 
Entwürfen im Stil der Frührenaiſſance prachtvoll 
erneut; im Innern die Grabmäler Sigismondos 
und feiner Gemahlin Iſotta. Auf der Piazza 
Cavour befindet ſich die eberne Statue des Papites 
Raul V. und auf dem Julius: GCäfarplake, dem 
alten Forum, ein 2m hohes Piedeital, von welchem 
berab Eäjar jein Heer nad) dem libergange über 
den Rubicon angeredet haben foll. Außerdem ver: 
dienen Erwähnung die reiche (öffentliche) 1617 ge 
gründete Bibliothef Gambalumga von 23000 Bän- 
den, der Palazzo Nufjo, in welchem die von Dante 
bejungene Francesca da Nimini (f.d.) von ihrem 
Gatten getötet wurde, der Palazzo del Comune mit 
Heiner Gemäldejanmlung, die von Bianchi gegrün: 
dete Sammlung von Inschriften und andern Alter: 
tümern und das 1857 erbaute Theater, Gute See: 


711 


bäder mit Logierhaãuſern find 1 km’von der Stadt 
entfernt und mit diefer durch Tramway verbun: 
den. R. bat ein Gymnaſium, einen Hafen mit 
Leuchtturm, Fijcherei, Schwefelgewinnung, Seiben: 
weberei und Handel. — R., den Umbriern durch die 
nalliihen Senonen entrifjen, feit 269 v. Chr. röm. 
Kolonie und ſtarle Feſtung gegen die cisalpinifchen 
Gallier, war unter dem Erarchat eine der fünf See: 
bafen: und Freiftäbte (Pentapolis maritima); 359 
wurde bier ein Konzil gehalten, welches den Aria: 
nismus verurteilte; 1503 wurde es von den Ma— 
latejta, die feit 1200 R. regierten, an die Benetia: 
ner verlauft, welde die Stadt 1528 an den Kirchen⸗ 
ftaat verloren, der jeit der Pipinſchen Schenkung 
von 756 Anrechte auf N. beſaß. In der Zeit von 
1797 bis 1814 gehörte die Stadt zur Cisalpiniſchen 
Republik, beziehungsweije zum Depart. Rubicone 
des Königreichs Italien. Im J. 1860 lam fie mit 
der ganzen Romagna an das geeinte Italien. Val. 
Tonini, «Storia Riminese» (2 Bde., Rimini 1860). 

Rimini (Francesca da), Tochter de3 Guido da 
Lolenta, Herrn von Ravenna, wurbe zur Bei: 
legung der Streitigleiten zwiichen den Geichlechtern 
‚ Polenta und Malateita mit dem häßlichen und 
graufamen Lanciotto Malatejta, Herrn von Rimini, 
vermählt, welcher fie wegen ihrer Neigung zu ſei⸗ 
nem Stiefbruber Paolo 1289 nebit dieſem ermor: 
dete. Dante bat in feiner «Divina commedia» 
(«Inferno», 5. Geiang) das Ende der Francesca 
bejungen, Silvio Bellico und Paul Heyie haben 
den Stoff dramatiſch behandelt. 

Rimnif-Sarat, Stadt in Rumänien, am Fluſſe 
ı Rimnit, Station der Pinie Roman:Strajova der Nu: 
mänijchen —— Siß der gleichnamigen 
Prafeltur und eines Landesgerichts, zählt 7000 E. 

Rimuik-Valcea, Stadt in Numänien, an der 
Aluta, Sit der gleihnamigen Präfektur und eines 
Landesgerichts, jowie eines art Biſchofs, hat 
ein großes theol. Sentinar und zählt 6500 E. Un: 
weit R. ilt ein Salzbergwerk (Ofna) und das 











Schwefelbad Galimanefti. meszely, 
impel, ungar. Flüſſigkeitsmaß, j. Fel 
Ninaldi (Rinaldo), Bildhauer, geb. zu Padua 


13, April 1793, ftudierte zuerſt bei Matteini im 
Benedig und ging dann nah Kom, wo er unter 
Ganovas Führung deſſen bedeutenditer Nachfolger 
wurde. Indeſſen hielt er fi in Nebendingen, wie 
Draperie u. f. w., an freiere, mehr maleriſche Ge: 
fihtSpunkte. Geine Stoffe find meiſt der Antike 
entnommen, wie Anbrolles mit, feinem Löwen, 
Melpomene, Kephalos und Prokris, Heimkehr des 
Ddyfieus. N. ftarb 28. Juli 1873 in ont. 
inaldo Rinaldini, berähmter Räuberroman, 
ſ. unter Bulpius (Chrütian Auguft). 
‚ —— ſ. Kink.— 
Rindart (Martin), geiſtlicher Liederdichter, geb. 
23. April 1586 zu Eilenburg in Sadjen, ftudierte 
' 1601 zu Leipzig Theologie, wurde 1611 Diafonus 
in Giöleben, 1613 Poöta laureatus, 1617 Ardji: 
diakonus zu Eilenburg, wo er während ber ſchweren 
| Heimſuchungen feines Ortes durch die Peſt (1637), 
Hungersnot (1638) und ſchwed. Cinquartierung 
eine ſegensreiche Ihätigleit entfaltete und 8. Dez. 
1649 ftarb, Er fchrieb die «Geiſtliche Comödia», 
«Der Eißlebiſche Ritter» (Eisleben 1613) und den 
«Müngerihen Bauerntrieg» (Lpz. 1625). Seine 
geiſtlichen Lieder finden ſich in feinen Erbauungs: 
| Ichriften: «Meißniſche Thränenjant» (Lpz. 1637), 
«Lieblihe, geiſtliche und himmliſche Brautmefler 


712 


Lpz. 1642), Jeſu Herh: Büchlein in geiftlihen 
den» (2p3. 1636 u. 1663), darin ber Choral 
«Nun danket alle Gott», 
Nind, ſ. Rindviehzudt. e 
Rinde nennt man im gewöhnlichen Leben die 
peripberifch liegenden Gewebeſchichten der Holzge: 
wächle, In der Botanik bezeichnet man ala R. alle 
diejenigen Gewebe, welche bei mittel3 Cambiums 
in die Dide wachſenden Stämmen und Wurzeln 
außerhalb des Cambiumringes liegen. (S. Cam: 
bium,) Die R. läßt fi in vielen Fällen leicht ab: 
ſchälen, ba die Gabiumzellen, welde fie vom Holz: 
förper abgrenzen, zarte Wandungen haben und des: 
balb leicht zerreißen. Ihrem anatom. Bau nad) 
kann die R. aus den verjchiebenartigiten Gewebe: 
eleinenten beſtehen; nad außen iſt fie jtet3 von dem 
Hautgewebe, Epidermis oder Periderm, umgeben, 
auf diejes folgen daun mehrere Lagen parenchyma⸗ 
tiiher Zellen, das fog. Rindenparenchym oder die 
primäre Ninde, die häufig Stränge von Baltzellen 
oder andere zur Feſtigung dienende Glemente ent: 
balten. Weiter nad innen liegt das Bhlocm (f. d.), 
welches bi3 zum Cambium reicht und gleichfall3 aus 
—A Zellformen zuſammengeſeßt iſt. Ebenſo 
wie Phloẽm nur eine topographiſche Bezeichnung, 
fo iſt auch die R., zu welcher es gehört, nur ein Be: 
girl der ſich auf die Lagerung der Gewebe bezieht. 
urch die Thätigkeit de Cambiums nimmt die R. 
an Durchmefier fortwährend zu, boch werben bafür 
in den meijten Fällen die äußern Partien durch 
wiederholte Beridermbildungen (j. Periderm) als 
Borke abgemworfen. 
Nindenbrand, Baumfrankbeit, f. u. Baum. 
Nindenfpannung nennt man in der Botani 
bieienigen Spannungserfheinungen, die in der 
Ninde auftreten und meift durch Didenwahstumder 
Stämme hervorgerufen werden, (Val. Gewebe: 
fpannung.) Da die Ninde aus Geweben zufam: 
mengefept ift, welche diefen Spannungen ungleidhen 
Widerſtand entgegenjchen, fo werden infolge deſſen 
in den äußern Partien häufig Riſſe, Zertlüftun: 
gen u, dgl. oder auch bloß ſtarke Dehnungen er: 
zeugt, wodurch es fommt, dab die Ninde bald eine 
platte, bald eine riſſige Oberfläche zeigt. Früher 
nahm man an, daß die R. von großer Bedeutung 
für die Bildung dir Jahresringe fei, indem im Früh: 
jahr _die tangentialen Spannungen am geringiten, 
im Sommer und Herbit dagegen am größten fein 
müßten und fomit dem Didenwahstum im Frühjahr 
ein one Widerſtand als fpäter entgegengejeht 
würde. Gin folder Einfluß auf die Ausbildun 
der Gemwebeelemente des Aylemlörpers ijt jeboc 
nad neuern Unterfuchungen nicht vorhanden. Die 
Schwankungen inder N. während einer Begetationg: 
periode find zu —* um derartige Verände— 
rungen hervorrufen zu lönnen; auch findet ſich die 
größte Spannung durchaus nicht immer im Som: 
mer oder Herbit, jondern oft auch im Frühjahr. 
NRindenfubftanz (9 raue Sub 
birns, |. unter Gehirn, Bd, VII, ©. 661°. 
Rinderhäute. Die im Handel vorlommenben 
Ochſen⸗ und Kuhhãute find meiſt überfeeiicher Her: 
kunft (fog. Wildhäute), werden einfad) getrodnet 


nd zumeit ou Sohlenlebee qeagrbt währen De | dere Solo adfe $.» (Halle 1871: 2, Muf, 1677) 
ie „8 “ Is HUN. 


und zumeiit zu Sohlenleder gegerbt, währen 


Häute von europäiihem, im Stalle aufgewadyfenem | Gerla 


._ 
aa — ——— 


| 


jtanz) des Ge: | 


Rind — Rindfleiſch 


arbeitet werben. Die meiften Wildhäute tommen 
aus Sübamerila, befonders den La: Plata:Staaten 
(La: Plata:Häute), wo man fie unterſcheidet 
in Saladero3 (Häute von halbwildem Pam- 
svieh, das an beitimmten Orten [Saladeros] zu: 
ammengetrieben und geihladhtet wird), Matado— 
res nm „leifchervieh in den Städten) und Cam: 
pos (von joldem aus Cinzelhöfen). Hauptausfubr: 
bafen ift Buenos:Ayres; dann folgen Montevideo 
und Rio⸗Grande. Leichtere Ware liefern Brafilien, 
Weſtindien, Merito. R. erportieren auch Auftralien 
und das Kapland; in Europa Ungarn, Rußland, 
die Türkei u.a. Cine befondere Art R. find die 
oſtind. — (ſ. d.). Hauptmärkte für La-Plata— 
Häute find Antwerpen, Haͤvre, Liverpool, Ham⸗ 
burg für Kipfe London. ; 
inderpeft, auch Löferbürre oder ud 
feuche genannt, iſt die gefährlichſte, verheerendſte 
tontagiöje Krankheit, welde dem Rindvieh eigen: 
tumlich, aber auf alle Wiederläuer übertragbar ift. 
Heftiges, —* und dadurch Borges jchweres 
Allgemeinleiden und eigentümlihe Entzundungs⸗ 
zuftände der Schleimhäute der Verbauungs: und 
der Atmungswerkzeuge (unterdrüdtes Wiederkäuen; 
erit Verftopfung, dann Durdfall; Speicheln und 
Geifern aus dem Maule, weil Bläschen und Ero— 
fionen oder Geihmwüre auf der Lippenſchleimhaut 
und am Zahnfleisch jich befinden, wunde vom Epithel 
entblößte rote Stellen Fr in der Scheide der Kübe; 
Ihränen der Augen, Najenausfluß, Huften, At: 
mungsbeſchleunigung) charalteriſieren die R., deren 
Verlauf ein ſehr rajcher, meiſtens töblicher iſt. Als 
Brutherde diejer furchtbaren Seuche gelten die 
Steppenländer des öftl. Europa bis nad Aſien 
binein, und die dort heimiſche podolifche Rindvieb: 
raſſe Scheint beſonders dafür disponiert zu jein; 
wie denn auch erwieſenermaßen bie Einfuhr von 
Steppenvieh das Kontagium nah Weiten trägt. 
Heilmittel der R. gibt es nit. Als Vorbeugungs: 
mittel baben fi bier und da Näucerungen ber 
Ställe mit Chlor, Anwendung von Garboljäure 
und anderer Desinfektionsitoffe bewährt. Der 
Verbreitung der Seuche fan nur begegnet werden 
durch ftrenge Abjperrung mittels Kordons, Desin: 
fijierung der Transportmittel, ſowie aller Produlte 
von Wiederläuern und Anwendung der Keule oder 
Zötung. Das jofortige Töten der angejtedten und 
verbädhtigen Tiere ijt das ficherjte, jogar das ein: 
ige Mittel, um ungeheuern Gejamtverluiten vor: 
zubeugen. Das Reichsviehſeuchengeſeß vom 7. April 
1869 und die über die Anwendung der Maßregeln 
Anleitung gebende, revidierte Jnftrultion vom 
9. Juni 1873 treten in Kraft, wenn in Deutſch— 
land die R. ausbricht. Lebende und tote Zwiichen: 
träger aller Art verbreiten das durch Milrototten 
repräjentierte — ——— ſehr leicht. Am ſtärl—⸗ 
ſten trat in —— bie R. 1866 auf, wo ſie auch 
am weiteſten weſtlich vordrang. Im J. 1877 trat 
die R. abermals in Deutſchland auf, wurde jedoch 
durch energiſche Maßregeln auf Grund des Geſehes 
vom 7. April 1869 raſch unterdrüdt. Über bie R. 
Ir zahlreihe Monographien vorbandenvon Jeſſen, 
Urichs, Unterberger, Hedmejer, Yorinjer, Mulder, 
üntber u. ſ. w. Bol. insbefon: 


«Mapregeln zur Verhütung der R.» 


Vieh, die gewöhnlich nicht in den Handel kommen, (2, Huf, Ser 1875). 


fondern unmittelbar vom Schlädhter an den Gerber 
gelangen, auch zu Riemen: und Cattlerleder ver: 


| 


Nindfleifch (Georg Eduard), nambafter pathol, 
Anatom, geb. zu ftöthen 15. Dez. 1836, ftudierte 








RINDVIE 





9. Kopf de 







Bo 
U, g «c bu 
——— 

— 





3. Kuh der Shorthorn - Rasse, 10. Kopf dı 


Brockhaus’ Conversations- Lexikon. 13, Aufl. 


\ETRASSEN. 


‚„igäuer Stiers. 


6. Stier der schottischen hornlosen Rasse. 





Zu Artikel: Rindvieh. 




















Nindviebzucht 713 


Medizin zu Heidelberg, Halle und Berlin, wo er 
fih nach vollendetem Studium unter Virchow pa: 
thol.:anatom. Arbeiten widmete. Am %. 1861 
wurde er Affiitent Heidenhbaims zu Breslau und 
babilitierte fich augleidy für das sach der pathol. 
Anatomie. Noch 1861 als pathol. Brofeltor nad) 
Zürich berufen, wurde er bald daſelbſt zum außer: 
ord. Profeſſor diejer Disciplin ernannt. Im Herbit 
1865 folgte er einem Rufe als ord. Profeſſor nad) 
Bonn, wo unter feiner Yeitung das Pathologiſche 
Inſtitut reorganifiert wurde, und im Winter 1873 
nahm er eine Berufung nah Würzburg an, N. 
bat jich durd) eine Reihe monographiicher Arbeiten 
über Skrofulofe, Tuberkulofe, Eiterbildung u. f. w. 
befannt gemacht. Schon vor der —— des 
Zuberfelpilzes lehrte er die Tuherkuloſe als eine dur 
ein fpezifiiches Gift in ihren Eriheinungen modifi— 
zierte Entzündung betrachten und fie nebit der Sy: 
nf dem Typbus u. ſ. w. aus der Geicdhmulit: 
ehre ausſcheiden. In der Hiltologie des Blutes 
lehrte er die Entitehung der kernlofen und der fern: 
baltigen Blutkörperchen kennen, Gr ſchrieb ferner: 
«Lehrbuch der pathol. Gewebelehre⸗ (5. Aufl., Lpz. 
1878), «Glemente der Pathologie» (Lpz. 1883). 
Rindviehzucht it in Guropa der wichtigſte 
Zeil der Iandwirtihaftlihen Viehzucht, denn das 
Nindvieh liefert kräftige Zugtiere, gibt unter allen 
Vieharten den vermendbarften Dünger und gewährt 
durch Fleiſch, Häute (f. Rinderhäute), Milch ıc. 
mannigfaltigen und großen Nuben. Wenn auch un: 
ter befondern Berhältnifjen andere Zweige der Tier: 
rodultion, z. B. die Schafzucht, einen höhern 
einertrag abwerfen, jo können fie doch nie die 
allgemeine Wichtigkeit erlangen wie die N. über 
den Urjprung und das Vaterland des zahmen Nin: 
des find nur Hypotheien vorhanden, Es gehört in 
die Klafje der Zweibufer, Ordnung der Wieder: 
fäuer. In höchſter Ausbildung findet man es in 
grasreichen, mehr feuchten als trodenen Gegenden, 
beionders in feuchtivarmen Bergthälern und Fluß: 
niederungen,. Es ijt ausgewachſen im dritten bis 
fünften Sabre und kann ein Alter von 20 und 
mehr Yahren erreihen. Im eriten Sabre beißt 
das Tier Kalb, dann, che es das erfte Junge ge: 
bradt, das weiblihe Rind, Starke, Kalbin 
ober Ferfe, das männliche zuerjt Jung, Stier, 
wenn mannbar Bulle, Farr oder Fajel. Ein 
weibliches Tier, welches gefalbt hat, beißt Kuh, 
ein männliches verfchnittenes Ochſe. Die neuern 
orihungen führen auf Grundlage der Schäbdel: 
ildungen die Nafien des Nindes auf drei Stamm: 
raſſen zurüd. Diefe find: 1) das Urrind (Bos 
rimigenius); 2) das breitjtirnige Nind (Bos 
ontosus); 8) das Spare Rind (Bos 
brachyceros). Auf Grund von Schädelmejjungen 
bat Mildens NY d.) noch eine vierte Raſſe, das 
turztöpfige Rind (Bosbrachycephalus), fröiert. 
Die vorhandenen Ninderrafien verteilen ſich unter 
die Urrafien folgendermaßen: zur eriten gehören 
biegrauen Kinder Diteuropas (f. Tafel: Rind— 
viehraſſen, ig. 1, Kuh der podoliſchen Nafie), 
bie niederländ. Raſſen (Fig.5, holländ. Hub; Fig. 8, 
ger des Stieres; Fig. 9, Kopf der Kuh), die nie: 
derdeutſchen Landidläge und wahrſcheinlich auch 
bie meiiten franz. und engl.Raflen(Fig. 3, Shorthorn: 
tub; Sig. 6, Stier der ſchott. hornloſen Nafie); zur 
—— das Fledvieh der Alpenländer (Fig. 2, 
ener Kuh) und die daraus gebildeten mitteleurop. 
Schläge; zurdrittendas®raunvieh der Alpen mit 


urd | 


feinen Derivaten (Fig. 4, ſchwyzer Stier ; Fig. 7, Nopf 
einer — Kub; Fig. 10, eines algäuer Stiers). 

Aus den Hauptraſſen entwidelten ſich zahlreiche 
Schläge und Spielarten, deren Abjtammung und 
Herkunft öfters ſchwer zu fonftatieren ift. Den ört: 
lihen Berhältnifien entiprehend find einerfeits 
allenthalben bejondere Landſchläge entitanden; 
während anbererfeits dur die Züchtungskunſt 
Kulturrafien gebildet find, welche meiſtens nad) 
einer Richtung der Nukung Hervorragendes leijten 
4.0. die Shorthorng in England als Fleiichtiere). 

Die meilten beftehenden Rindviehſchläge find aus 
einer Raſſenvermiſchung entitanden; daher ihre jo 
auffallend verfchiedene Färbung und Bildung. 
Kann manimallgemeinen annehmen, daß ſich überall 
aus dem vorhandenen Landvieh durch zwedmäßige 
ee der Zuchttiere und gute Pilege der für 
die Verhältnifie pafiendfte und nubbarjte Rindvieh: 
ſchlag mittels Inzucht oder Wahlzucht erziehen 
lafie, To iſt es doch bisher nicht gelungen, die drei 
Eigenihaften, durch melde, neben der Dünger: 
erzeugung, die Nuhbarleit des Rindviehes haupt: 
fählich bedingt wird, nämlich Milchergiebigleit, 
Maitfähigleit und Tauglichkeit zum Zuge, in hödı: 
ſtem Grabe in einer Raſſe zu vereinigen. Eine be: 
friedigende Vereinigung it indeilen denkbar, jedod) 
nur bei Schlägen mittlerer Größe, bie ſich ſchon 
ziemlich weit von der Urra LEHREN haben. Rafien 
jener Art, die eine ſolche Bereinigung bieten, haben 
für den Landwirt in gewöhnlichen Verbältnijien 
einen befonders hohen Wert. 

Der Bulle wird mit dreiviertel bis anderthalb 
ai feines Alters, die junge a mit zwei 
Jahren reif zur Fortpflanzung. Die Aufzucht der 
jungen Tiere erforbert Aufmerkiamteit, weil man 
bäufig wegen des Mildgewinns das Kalb entweder 
gleich nad) feiner Geburt von der Mutter hinweg: 
nimmt und mit einem genau beitinnmten Quantum 
abgemoltener Mil nährt, oder es nur vier bis 
ſechs Mochen faugen läßt. — 

Die Ernährung des Rindviehs geſchieht im Win: 
ter in dem Gtalle, entweder mit Trodenfutter 
allein oder mit Zufak von zerſchnittenen Wurzeln 
und Knollen, fowie Abfällen von tedhniichen Ge: 
werben, Als Aus werben Getreidejchrot, 
Kleie, Olkuchen u. f. w. verabreiht. Man füttert 
falt oder warm, lehteres, indem ein Teil ber 
Auttermaterialien gebrübt, gekocht oder durch 
Selbfterhikung par gemadt wird, Kaltes reines 
Wafler genügt als Getränt; durch Erwärmung und 
Zuſatz von Mehl, Öltuchen u. f. w. wirkt die Tränle 
vorteilhafter auf die Milherzeugung. Im Som: 
mer nährt fih das Nindvich mit Gräfern und 
Kräutern entweder auf der Weide oder erhält fie 
abgemäht im Stalle vorgelegt. Das Iehtere Der: 
fahren, die fog. Stallfütterung, 2 den Bor: 
zug, daß von dem beſtimmten Grünfutter nichts 
umlommt, fondern alles zur Verfütterung ver: 
wendet und es dadurch möglidh wird, mit einer ge: 
ringen Fläche eine ziemliche enge Vieh zu er: 
halten; daß ferner nur bei ihr fämtlicher Miſt ohne 
Verluſt geiammelt, zwedmäßig zufanmengebalten 
und u Willkür verwendet werden fanı, Ta: 
gegen hat, wo e3 nahrhafte, nicht —— be⸗ 
nuhende Weiden, wie in den Alpen: und Marſch— 
ländern, gibt, oder wo Boden und Klima den An— 
bau des) äbefutters nicht begünftigen, wo das Land 
feinen hoben Preis bat, der Weidegang den Bor: 
zug. Bei lehterm bleibt das Vieh entweder, wo das 


714 Rinforzando — Ring 


Klima es erlaubt, Tag und Naht auf der Weide, ! Aörperteile als Hennzeihen von Gelübden oder 
oder ed wird früh aus: und abends eingetrieben, Verpflichtungen eelsst, welden Gebrauch auch bie 

Der Geldertrag der R. iſt bei genauer Bercd): Kirche aufnahm, n die Bauge in frübeiter 
nung ber Fütterungs- und Abwartungstojten nur | Zeit in Bertretung des Geldes ald Kaufpreis der 
dann bedeutend genug, dieſe zu tragen, jobald fie Braut dienten, jo erichienen doch auch on da: 
tationell geleitet wird und in richtigen Berbält: | mald daneben bie Fingerringe al3 Symbol der 
niffen fich befindet. Wenn man den Dünger in An: | Bermäblung, und die Kirche beiligte auch dieſe 
ichlag bringt, jo u ge ſich jederzeit Vorteil bei der | ebenfowohl röm. als german. Sitte, indem fie, 
—3* umal wenn der Landwirt nicht mehr | während zuvor der Verlobungsring bindend und 
Bieh hält, als zu feiner Gutsflädhe in paflender | Hauptſache geweien war, jest die Trauringe, 
Proportion fteht. Vol. Babit, «Anleitung zur R.» | mit Nüdjiht auf 1 Mof. 38, ı8 und 2 Moſ. 35, &, 
(berausg. von A. Thaer, 4. Aufl., Stuttg. 1880); | durd den Briefter weihen und an den vierten Fin 
Wildens, «Die Ninderraffen Mitteleuropas» (Wien | ger ber linfen Hand fteden ließ, weil nad alter, 
1876); derjelbe, « Naturgefchichte der Haustiere» | jhon aus röm. Zeit ftammender Überlieferung von 
(Dresd. 1880); Kühn, «Ernährung des Rindviehs⸗ diefem Finger eine Ader gerade nad) dem Herzen 
(8. Aufl., Dresd. 1882); Fürftenberg und Rohde, | geben follte. Dem Boten, der jemand vor den 
«Die R. nah ihrem jehigen rationellen Stand: | ürften lud, diente deſſen mitgegebener Ring , dem 


puntte» (3. Aufl., 2 Bde., Berl. 1885). niemand die Folge verweigern durfte, zur Beglan- 
Rinforzando (ital., jtärter werdend), abge: | bigung, und fdeidende Freunde teilten einen R. 
kürzt rf., in der Muſit foviel wie forzando, oder eine Münze, um einjt die aneinanderpafienden 


Rinfranoo (ital.), Erftattung der Auslagen. | Hälften ala Wahrzeichen zu gebraudgen. Die Kirche 
Ning. Der R. oder Reif findet ſich faft * zählt den R. zu den Inſignien der Biſchöfe, als 
alle Zeiten und Länder, in kreisrunder oder jpiral: | Symbol ihrer der Che zu vergleichenden Verbin: 
förmiger Geftalt, je nad) der herridenden Sitte | bung mit der Kirche. it A. und Stab wird bie 
als Schmuditüd verſchiedener Glieder, der Arme, | nveftitur (f. d.) vollzogen. Der Fiſcherring (i. d.) 
Beine, Sußjeben, des Haljes, des Kopf, ber Nafe, | iit ein jeit dem 13. Jahrh. gebräuchliches pärftl. 
am gewoͤhnlichſten ber Ohren und der Finger, dann Siegel. Eine der Symbolif des Trau: und Biichofs- 
aber aud) zu anderm und häufig zu ſymboliſchem rings verwandte Handlung übte der Doge von Be- 
Gebraudy wie auch als Amulete verwendet. Bei — er jährlich einen R. ins Meer warf. 
den Morgenländern (Agyptern, Hebräern, Baby: | Wing nennt man in der Botanik ſehr vericie: 
loniern, Aſſyrern und Bere) waren R. jeit äl- dene Gebilde. Am häufigſten wird diefe Bezeich- 
nung für die ftark verdidten Bellen der Farnfporans 
gien gebraucht. Diefelben liegen gewöhnlih in | 
einer Reihe an ber Oberfläche der Sporangien und 
| 


tejter Zeit allgemein üblich, aud für die Männer 
felbjt Ohrringe. In den Homeriſchen Gedichten 
findet fi) von Fingerringen noch feine Spur, jedod) 
bat Schliemann unter den reihen Schmudja 
in den uralten Gräbern von Myfenä aud R. aus 
Gold und Bronze, fowie mit Intaglioarbeit ge- 
Denen Ohrringe waren bei den Griechen nur für 
ie Frauen im Gebraud. R. mit nefchnittenen 
Steinen aus jehr früher Zeit hat 2. Palma di 
Gesnola auf Cypern gefunden. Den Römern, 
welche den Gebraud der R. von den Gabinern 
ober Etruslern berleiteten, dienten fie Jahrhun— 
derte hindurch vorzugsweiſe nur zum Siegeln und 
zu einem Unterſcheidungszeichen ber Stände. Bis 
Habrian, ber e3 jedem freigeborenen Bürger ein: 
räumte, war nämlich das Recht, goldene R. zu 
teagen, auf die Senatämitgliever, höhern Magi— 
itratöperfonen und Ritter beihräntt. Juftinian 
ährte es aud) den Freigelafjenen. Es entwidelte 
Rh bei den Römern in den R. ein großer Lupus, 


bewirken durch die Hygroflopicität ihrer Wandungen 
ein Aufreißen der reifen Sporangien. Se nad der 
Lage des R. unterfcheidet man vertitalen R. (annu- 
lus verticalis), querverlaufenden R. (annulus trans- 
versalis) u.ſ. w. (Bol. ge rn und die dazugebö- 
rige Tafel, Fig.8,D Er.) Außerdem bezeichnet 
man als R. die manjdettenartigen häutigen Ge: 
bilde an den Stielen vieler Pilze aus der Gruppe 
der Hymenonigceten, wie z. B. beim Champignon, 
Fliegenſchwamm n. a. (Bol. Tafel: Eßbare 
Pilze, din 4, 8; Giftige Pilze, Fig. 3.) 

Ring (Bar), beliebter Romanſchriftſteller, geb. 
4. Aug. 1817 in ug rin Sbezirt Oppein), 
itubierte in Breslau und Berlin Medizin und lieb 
ih 1841 als praktiiher Arzt in Gleiwik wieder, 
widmete ſich aber bald der ſchriftſtelleriſchen Thätig- 
keit, nachdem er bereits 1840 einen Band Gedichte 
beſonders durch die geſchnittenen Steine, Gemmen | mit Noris Fränkel herausgegeben hatte. R. wandte 
und Ganteen an denſ . Bräute erhielten zur | ih nah Breslau, und fchrieb feinen erften, bei- 
Berlobung von dem Bräutigam einen R. gefhentt ; | fällig aufgenommenen Roman «Breslau und Ber: 
Trauernde legten die R. ab. lin» (2 Bde., Brest. 1849), ein Zeitbild aus der 

Bei den Germanen waren R. aus Bronze ober | Märzrevolution, ferner die hiſtor. Romane «Tie 
Gold, Eeinere aud aus Bernftein und Knochen, | Kinder Gottes» (Bresl. 1851) und "Der Große 
als Schmudftäde für Finger (vingerlin), Ohren | Kurfürft und der Schöppenmeifter> (Berl, 1851). 
(örgolt, Örrine) und Bruft (über welde fie an | Im J. 1850 fiedelte er nach Berlin über. Beion: 
Schnüre gereiht herabhingen), namentlich aber für | deres Aufjehen erregten feine Romane «Werirrt 
Kopf (und fpäter für den Helm), Hals, Beine und | und erlöft» (Gotha 1855) und «john Milton und 
befonber3 für Arme (lektere vier Gattungen unter | jeine Zeit» (Frankf. 1857). Später erſchienen die 
dem Namen bouc, Bauge, zufammengefaßt) feit | Romane «Das verlorene Geſchlechto (1867), «Fürkt 
den Ürzeiten im Gebraug. (S. unter Armbän: | und Mufiferr (1869), «Götter und Göhen» (1870), 
der.) Einen eilernen R. (annulus, Singereing) «Die Seelenfreunde» (1871), ·Unfehlbar⸗ (1873), 
trugen zu des Tacitus Zeit kattiſche Krieger als | «Der große Krady» (1874), «Die Lügner» (1878), 
Mertmal ungelöften Gelübdes, bis fie dur Tö: | «Goldene Ketten» (1881), «Berliner Kinders (1883) 
tung eines Feindes ſich Davon ledigten. Auch bis |u.f.w. R.S eigentliches Gebiet iſt ber Zeitromcr, 
ins Mittelalter hinein wurden R. um verſchiedene feine Stärke die Sittenſchilderung. 


. 
ee 








— —80 — 


Ningamfel — Ninghend 


Ringamfel, f. unter Droffel. 

Ringbinme,f. Anacyclus, 

NRingdeich, j. unter Deich. 

Ringdroffel, ſ. unter Droſſel. 

— (Gold- und Silberringel), ſ. unter 
Flitter. 

Ringelblume, Pflanze, ſ. Calendula. 

Mingelechſen (Annulata s. Amphisbacnoidea) 
beißt eine Unterordnung der Echſen (ſ. d.), die 
durch unterirdische Lebensweiſe, den Aufentbalt in 
Ameifenbauen eine Neihe von NRüdbildumgen er: 
fahren bat; jo haben die wenigen (etwa 20), 
Spanien, Airifa und Südamerifa, intl. Weitindien 
bewohnenden Arten die Ertremitäten bis auf rudi⸗ 
mentäre Borderfühe oder häufiger ganz verloren, 
ihre Augen find von Haut überdedt und der Körper 
iſt ſchlangenförmig geworden; dic A. fönnen vor: 


und rüdwärts glei gut kriechen und fi) im die | 
Erde einwühlen. Die Haut bat feine Schuppen, 


gewinnt aber durch Ningfurden, die durch Over: 
furchen verbunden find, ein getäfeltes Anfeben. 
Eine häufige Art it Jbijara (Amphisbaena alba, 
Zajel: Reptilien 1, Fig. 13), 50 em lang, braun 
und unregelmäßig gelb gerinaelt, aus Brajilien. 
Ringelgedicht, |. Rondeau. 
Ringelnatter, j. unter Nattern. 
erg enge eine Operation am Weinftod, 
beitcht darin, dab man dicht unter den unteriten 
Trauben mittels eines ſcharfen Meflers oder eines 
eigens bierfür fonitruierten Wertzeugs (Ringel: 
zange) unter Schomung des jumgen Holzes aus 
der Rinde einen nur 2 mm breiten Ring aushebt. 
Dieſe Bunde bewirkt , daß den über ihr — 
Trauben ein geringeres Maß von Saft zugeführt 
und dieſer vollkommener und ſchneller verarbeitet, 
in Zucer, Weinſäure, Eitronenjäure, ſaͤure, 
Onanthäther u. ſ. w. umgewandelt wird. Hier: 
durch wird zunächſt das Fehlſchlagen der Beeren 
(dad Härigwerben) verhütet und eine vollfonıme- 
nere Entwidelung der Frucht und eine um 14 Tage 
frühere Neife herbeigeführt. Tiefer Schnitt muß 
ausgeführt werden, wenn die Blüten im Begriff 
find , die Heine Hülle in Form eines Mutzchens ab: 
ftoßen. Die fchmale, ringförmige Wunde ift in 
Fat bis ſechs Wochen wieder vernarbt. Auch bei 
Obſtbãumen iſt der R. von Grfolg, wird aber mei: 
ſtens durch Einſchnürung mittels eines Draht: 
ringes ericht. Auch bei frautartigen Gewächſen 
bewirkt der R. eine raſchere und volltommenere 
Ausbildung der Samen. [Inoten. 
Ringelipiche (an Obitbäumen), f.n. Frudt: 
Ningelipinner (Bombyx neustria, Tafel: 
Schädliche Inſekten, Fig.4, Schmetterling) 
heißt ein gelb: bis rotbrauner Spinner von 35 bis 
45 mm Flügelbreite, mit einer duntlern, bellge: 
Jänmten Querbinde auf den Vorberflügeln. Das 
Weibchen befeftigt im Juli feine zahlreichen (gegen 
400) Gier (Fig. 4*) ringweije nebeneinander nelegt 
um bie jährigen Triebe der Obit: und anderer Yaub- 
bäume, Anfang Mai trieben die dünnbehnarten, 
blänlihen Raupen (Fig. 4") aus, die einen weißen 
Rüdenjtreifen und neben diefem braune, gelb und 
ſchwarz eingefaßte Längälinien haben; fie find jchr 
fräßig umd daher jehr ſchädlich, bfeiben bis zur 
him Häutung geiellicaftäweiie beieinander und 
überjpinnen gemeiniam ihre Frefſtelle. Ta die 
meilten Gier während des Winters von den Meiien 
aufgefrefien werben, vertilgt man den Neft am 
beiten im März; was überfehen wurde, verrät ſich 


wiſſen, 


715 


als Raupe bald nach dem Auskriechen und müfjen 
die Geſpinſte ausgeichnitten und verbrannt werden. 

Ningeltaube (Columba palumbus) heißt die 
größte, 43 cm lange, europ. Taube; fie ift blau: 
grau, mit weißen — weißem Fleck an 
jeder Halsſeite und auf dem Schwanz. Die R. 
niſtet bis nach Standinavien auf Bäumen, beſon— 
ders gern in Radelholzwäldern, und wird bisweilen 
durch Vertilgung von Fichtenſamen namentlich den 
Ausſaaten ſchaͤdlich. 

Ringelwüchſe, ſ. unter Fruchtknoten. 
Ningelwühler (Coeciliae) iſt ber Name einer 
jehr merfwürdigen Lurdgruppe mit wurmförmi: 
gem, geftredtem Körper, enditändigem Mund und 
After, ohne Ertremitäten und Schwanz, mit ring: 
weile in Faltenwũlſte gelegter Haut mit eingelager: 
ten Knochenſchüppchen und nur gering entwidelten 
Augen. Die merkwürdigen Tiere, über deren Ent: 
a und Lebensweife wir nur noch wenig 

eben in ben Tropen der Alten und Neuen 
Welt unterirdisch nad Art der Negenwürmer und 
ernäbren ſich von Inſelten, Aſſeln n. dgl. Einer 
der häufigſten R. (Siphonops annulatus, Tafel: 
Lurche l, Fig. 1) ift blaugrau mit weißen Ringeln 
und bewohnt das tropiiche Amerifa. 

Ringelwürmer, |. Anneliden. 

NRingelzange, f. unter Gartengeräte, 

Ningen, eine bei den alten Griechen jorgfältig 
gepflegte und in ihren großen Feitipielen eingeführte 

ymnaſtiſche Hauptübung, wurde in Deutichland 
bon im Mittelalter —— getrieben. Bal. 
Waſſmannsdorff, «Die Ringkunſt des deutſchen 
Mittelalters, mit 119 Ningerpaaren von Albrecht 
Dürer» (Lpz. 1870); «Die Ringerkunit des Fabian 
von Auerswald 1539, erneuert von G. A. Schmidt» 
(2pz3. 1869). Die neuere Turntunft hat das N, als 
wertvolle Übungsart aufgenommen, und auf Turn: 
feften begegnet man baber dem R. ala einer belicb: 
ten Wettübung. Bal. Birmann, »Anleitung zum 
Ringen» (Aarau 1870). Eine bejondere Art des 
R. iſt das in ber Schweiz übliche und neuerdings 
auch auf deutfi ME ——— 
ge ur wel F inger —— u vr 
gerichtete Schwingboien tragen, an denen ſie ſich 
beim Beginn de3 Kampfes zu faſſen haben, daher 
derjelbe auch Hoſenlupf genannt wird. Bol. 
N. Schärer, «Anleitung zum Schwingen und Rin— 
gen» (2. Aufl., Bern 1883). , 

Ringerife, norweg. Landſchaft, eine fruchtbare 
Ebene nordweſtlich und öftlih von dem Vinnenſee 
Zyrifiord. — Die Rogtei Ringerike in Bus: 
terubs: Amt zählt (1875) anf 1678 qkm 13218 E. 

NRingerpferde (ringe Pferde) nannte man bie 
ſchlechtet berittenen leichten Neiter, welche bie 
Nitter außer den ſchwer gemappneten Knappen (I. 
Reijige) ins Feld begleiteten und welche im Ge: 
fecht jelbitandig verwendet wurden. Kaiſer Karl V. 
bildete aus dieſen R. bejondere Kompagnien für 
den leichten Dienit, melde ſpäter wegen ibrer 
ſchwarzen Bruftbarniihe ſchwarze Heiter nnd 
vom Anjange des 17, Jahrb. an, wo der Rame 
N. außer Gebraud fam, Karabiniere oder Arke— 
bufiere genannt wurden. [(der Haustiere). 
Ringflechte, ſ. unter Hautlranfheiten 
Ringgoldgruppe, ſ. unter Fidſchi-Inſeln. 
Stinabemb bieb ein bemdartiger, aus ver: 
nieteten Drabtringen zufammengeiekter Panzer 
mit kurzen Armeln, der vom 11. bis zu Ende des 
15. Jahrh. über einem ledernen oder geiteppten 


716 


Wams in Deutſchland und fpäter auch in Frank— 
reich (Gamboison genannt) getragen wurde. Schon 
vorber hatte man Schuppen: und Hlettenpanger ge: 
tragen, und nad; der 1306 zu Nürnberg erfolgten 
Erfindung des Drabtziehens wurden R. allgemeiner 
gebräuhlih. In Jtalien wurden die R, als Bri: 
gantinen bezeichnet. 
Ringkette, ſ. unter Kette. — 
Ningkjöbing, Hauptſtadt bes Nin —— 
amtes am Ringkjöbingfijord im weſtl. Jütland, 
Station ber Linie Lundersfov:Barde-Langaa der 
Dünifhen Staatsbahnen, zäblt (1880) 2035 €. 
Handel, Induſtrie und Schiffahrt find unbebeu: 
tend. Das Amt Ringkiöbing zählt auf 4555,83 
qkın (1880) 87406 €. 
Ringfnorpel, j. unter Kehlkopf. 
Ningfugel, ſ. Armillaripbäre 
Ringmafchine, Soviel wie Wringmafdine, 
Ningofen (frj. four annulaire, engl, aunular 
furnace), im allgemeinen jeder Dfen, bei weldem 
die Kontinuität des Betriebes durch —** 
Anordnung der Brennräume erreicht wird. Na: 
mentlich findet das Syitem der R. Anwendung bei 
Hall: und Gementöfen, jowie bei Brennöfen für 
Thonwaren aller Art, insbeſondere bei Ziegelöfen. 
(©. unter Thbonwarenfabrilation.) 
Ningpilz, ſ. Butterpilz. 
Ningrennen, ſ. unter Karuſſell. 
Ringrohr, f. unter Armitrongfanone, 
Ningipindel oder Niagarafpindel (fr. 
eontinue, * ring-spindle), an den Waterma⸗ 
ſchinen für Baummolle und für Streihgarn ( |: 
unter Baummollinbuftrie und unter Woll: 
—————— eine verbeſſerte Spindel, aus einem 
Metallring mit didem Rand beſtehend, auf dem eine 
im Kreis herumlaufende Oje als Fadenführer dient. 
Ningfted, altes Städtchen im Sord:Amt auf 
ber dän. Inſel Seeland, Station der Linie open: 
hagen:Koriör der Seeländiſchen Eifenbahnen, zählt 
(1580) 2127 E, In der aus dem 11. Jahrh. ſtam⸗ 
menden Benediltinerlirche find die —— der 
drei Könige Waldemar und anderer Fürſten. 
Ningtwaldt (Bartholomäus), deutſcher Dichter 
bes 16. Jahrh., neb. 1530 zu Frankfurt a. O., 
wurde 1567 Prediger zu Langfeld bei Sonnen: 
burg in ber Neumark und ftarb zwiſchen 1598 und 
1600. Seine größern didaltiſchen Gedichte fanden 
bei feinen Beitgenofjen großen Beifall. Die wid) 
tigften find «Die lautere Wahrheit, barinnen an: 
gezeiget, wie, fih ein Weltliher und Geijtlicher 
Kriegsmann in jeinem Beruf verhalten fol» (Erf. 
1585 u. ſeht oft), «Chriftl. Warnung des trewen 
Edart3» (Frantf. a. D. 1588 u. öfter) und das 
Speculum mundi» (Franlf. 1580 u. öfter), lehteres 
-in dramatiihes Sittengemälde. Die Erfindung 
in dieſen Poeſien iſt unbedeutend, das Ginzelne 
aber lebendig ausgeführt. Dabei beruht alles auf 
gejunder Anſchauung und wird von einer tüchtigen 
Geſinnung —— R.s geiſtliche Lieder find meiſt 
in bie evang. Geſangbücher übergegangen. Sie find 
1581—86 in drei Sammlungen erſchienen. Bol. 
Hoffmann von Fallersieben, « Bartholomäus N. 
und Benjamin Schmolfe» (Bresl. 1833); wieder 
abgedrudt in deſſen «Spenden zur deutichen Litte: 
raturgejchichte» (Bd, 2, Lpz. 1844). 
Ringworm (engl.), ſcherende ilechte (Herpes 


tonsurans), eine durch Pilzwucherung bebingte | und fonjtituierte fih unter der Präfidenti ) 
r (Haustiere). | Generals Juan Joſe de Flores al3 unabhängige 
Ringwurm, ſ. unter Hautfrantheiten (der | Nepublit GC 


Hautlrankheit. (S. u. Herpes.) 


Ringkelte — Niobamba 


Nink (Joh. Chriftian Heinr.), beutfdher Orgel: 
fpieler Sn — — geb. 18. Febr. 1770 zu 

gersburg im Herzogtum Gotha, zeigte frühzeitig 
mufilaliihes Talent und machte feine Stubien 
unter bem Organiften Kittel in Erfurt. Im J. 1790 
wurde er Organift in Gießen, 1805 Stabtorganiit, 
Kantor und Mufidireltor in Darmftabt, wo er 
1813 Hoforganift und 1817 wirklicher Kammer: 
mufifus wurde. Gr ftarb dafelbit 7. Aug. 1846. 
R. hat eine grobe Anzahl Fugen, Präludien, va: 
riierte Choräle, fibungsftüde u. ſ. w. geſchrieben, 
auch einige wertvolle kirchliche Gantaten. Die vor: 
züglichiten feiner Werte find feine «Drgelvoripiele» 
ag 1806), fein «Choralfreund, oder Studien 

r das Choralipiel» (2 De 1832), endlich 
feine Choralbücder. Als ieler zeichnete er 
fich durch Klarheit, treffliche Regiſtrierung und edle, 
dabei doch fehr populäre — des änfern: 
ment3 aus, was auch von feinen Kompofitionen 
gilt, die in den betreffenden reifen noch immer 
als Mufter angeichen werben. 

Rinmannd Grün, Kobaltzinloryb, f. unter 
Kobalt(:Berbindungen d). 

Rinnleiften, ſ. Karnies, 

Rinteln, Kreisftabt im preuß. Regierung&bezirf 
Kaſſel, pw Hauptitabt der kurheſſ. Grafichaft 
Schaumburg, an der Weier, melde bier bie Erter 
aufnimmt, und an der Linie Elze-Lohne ber Breu- 
hiden Staatöbahnen, in bergiger Gegend gelegen, 
ft Sik eines Landratsamt und eines Amtsgerichts 
und zählt zen 4334 meijt prot. E. Die früber 
befeftigte Stadt iſt ziemlich gut gebaut, hat gerade 
Straßen, befipt zwei Kirchen, darunter die aus dem 
13. Jahrh. ftanımende, in neuefter Zeit vollitändia 
reitaurierte Nitolaikirche, und ein Schloß, welches 
jebt ala rg ee bient. Die von dem 

riten und Grafen Ernft III. zu Holitein und 

— 1619 zu Stadthagen geſtiftete und 
1621 nach R. verlegte Univerſität wurde 10. 2 
1809 vom Könige von Weftfalen aufgehoben. An 
Stelle derfelben wurde unter der kurheſſ. Regierung 
1815 ein Gymnaſium begründet. Die Bevölterung 
treibt a ah SEE 

ndel, Steinhauerei, Getreidehandel und Schiff: 
abrt. In der Rähe der Stadt, auf einem boben 

lien, am rechten Ufer der Mefer, iegen das ver: 
allene er Schaumburg und die Aren&burg. 
Lehtere befindet nah im Befis des Fü von 
Büdeburg. — Der Kreis Rinteln zählt (1880) 
auf 452 qkm 39554 meijt prot. E. 

io (Ipon. und port.), Bf 

Rio, Stadt auf Elba (j. d.). 

Mio (Julian Sanz del), ſpan. Gelehrter, f. 
Sanz del Rio (Julian), 

Nis, japan. Goldmünze, f. Kobang. 

Rio:Atrato, Fluß in Columbia, ſ. Atrato, 

Niobamba, Gajabamba, Hauptitadt ber 

rovinz GChimborazo der ſudamerik. Republil 

uador, 35 km ſüdöſtlich vom Chimborazo, 
2650 m über dem Meere, hat 16000 E., viele 
Kirchen und Klöfter, fowie ftarte Induſtrie in wol: 
lenen Deden und Sadleinwand. Bis 1797, wo 
fie durch ein Erdbeben zerftört wurbe, lag bie 
Stadt 5 km von ihrer Jebioen Stelle entfernt. 
Auf dem Kongrek zu R. (Mai 1830) fagte ich die 
Landidaft Quito von der Republit Co — = 


cuador. 


Rio Branco — Nio de Janeiro 717 


Rio Branco, Fluß in der brafil. Provinz 
— f. Barima (Kio). 
R 


Von den öffentlichen Gebäuden find erwähnens: 
wert: die Kathedrale Igreja do Garmo, die Yareja 


chico, Alanje, Hafen bed zum Staat Pa: | da Gloria, bas Kloſter Säo: Antonio, das Vene: 


nama gehörigen Departements Chiriqui (f. d.). 
Rio Euarto, ſ. Concepcion bel Rio 
Guarto. 
Rio da Badräo, alter Name des .. (j.d). 
Rio de Janeiro, die Haupt: und Nefiden;- 
ftabt des Kaiſerreichs Brafilien, liegt unweit des 
Eingangs in die große, inſelreiche Bai gleichen 
Namens, an deren weitl. Ufer, und bildet mit ihrer 
nädjten Umgebung einen unabhängigen Verwal: 
tungsbezirt (municipio neutro) von 1394 qkm 
mit (1883) 435568 E., wovon 32103 Sklaven. 
Der Eingang der Bai, die von den eriten fie be: 
fuchenden europ. Sciffahrern für die Mündung 
eines großen Stroms gehalten und Januarfluß be: 
nannt wurde, wird durd) das Fort Sta.: Cruz 
am Djtufer verteidigt. Am Weſtufer liegt das 
ort São-João und zwiichen beiden das Fort 
age auf einer Feljeninfel, Tiefer im Innern 
ber Bai befinden ſich nod auf Heinen —* 
das Fort Villegaignon und die Kapelle Noſſa 
Senhora da boa Viagem, wo ſich die Seefahrer 
[rates Glüd auf die Neife erbaten. Auch bie 
iht am Feſtlande neben der Stadt liegende 
Schlangeninfel (Ilha das cobras) enthält einige 
Befeitigungen. Diefelbe ift aber befonders wid: 
tig durch ihr feit 1861 vollendetes Trodendod, 
in dem Schiffe von beträdtlihem Tonnengebalt 
ber Reparatur unterzogen werden können. Die 
Stadt iſt von zahlreichen, mit üppiger Vegetation 
bededten Hügeln, an deren Lehnen ſehr viele reis 
ki zen er liegen, umgeben. Die eigents 
iche oder alte Stadt, auf einer Halbinfel gebaut, 
* ſchmale, mit Granitwürfeln gepflafterte Stra: 
en, viele jolide, zwei Stodwert hohe Häufer mit 
— ſteilen Treppen. Die Wohnungen der Vor⸗ 
ftädte find durchſchnittlich freundlicher, und befons 
ders zeichnet fich die vr Süden längs des gleich: 
namigen Meerbufens ſich erftredende Borftadt Bo: 
tafogo aus. N. zählt (1883) 350000 E., darunter 
viele Fremde, teild Europäer, befonders Portus 
giefen und Staliener, teild Amerilaner aus ans 
dern Ländern des weitl. Feitlandes. Unter den 13 
öffentlihen Plägen der Stadt ift der bedeutendſte 
der Campo de Sta.:Anna, fpäter Praga de accla- 
macäo (weil bier Pedro 1. zum Kaiſer ausgerufen 
murde) oder Ehrenfeld (Campo de honra) genannt, 
jeßt zu einem prachtvollen Part umgewandelt. 
Andere Pläge find der Konftitutionsplap (Plaza 
de constituigäo, früher Largo do rocio), mit ber 
1862 aufgeftellten Reiterjtatue des Haiferd Dom 
Bedro 1., und ber Largo be —— de 
Paula mit der Dronjehaine de3 Joſe Bonifacio de 
Andrada Silva. N, ift Sik des Oberjuftiztribu: 
nal3, eines Appellationstribunals, eines Handels: 
erichts, eines Biſchoſs, hat 72 Kirchen und Bet: 
äujer, worunter je ein Bethaus der engl., ber 
deutſch evang. und der presbyterianiſchen Gemein: 
ben, 7 Klöjter, eine mediz. Fakultät, eine Fakultät 
ber Philoſophie (Kolleg Pedro LI.), eine polytech⸗ 
niſche Schule, eine Kriegsihule, eine Marineichule, 
eine Bergihule, zwei Gymnajien, eine Handels: 
ſchule, eine Zaubitummen: und eine Blindenanitalt, 
eine Alademie der jhönen Künfte, ein Muſilkonſer— 
vatorium und eine Gewerbeidhule, viele Biblio: 
thefen, eine Sternwarte, ein Rationalınufeum und 
einen botan. Garten, 








diftinerklojter, das Zollhaus (Alfandega), die neue 
Börfe, das Marinearjenal, das Zeughaus, die Na: 
tionalbibliothef, das Iheater Säo: Pedro d'Alcan⸗ 
tara, das große Spital Mifericordbia, das Irren— 
Ipital Dom Pedro II., das Spital der portug. 
Hilfsgeſellſchaft, die nationale Buchdruderei, das 
Miniſterium des Innern, das des Ackerbaues, ver: 
ſchiedene neue Schulgebäude u. ſ. w. Der laiſerl. 
Palaſt in der Stadt, ehemals Reſidenz der porlug. 
Vizelönige, iſt ein altes, ſchlechtes Gebäude; hin: 
gegen iſt die gewöhnliche Winterrefidenz der kaiſerl. 
Familie Boa⸗Viſta, in dem Kirchſpiel Säo-Chriito: 
vio nahe bei R., ein zwar einfacher, aber hübjcher 
Bau in herrlicher Umgebung. Gin interejlantes 


— = 
—— — 
—— — 
HI EEE 


7 


ATLARTZOCHAN 
— — 





Topographiſche Lage von Mio be Janeiro, 


Baubentmal bildet die zum Teil auf zwei über: 
einander gebauten Säulenartaden von 9 km Länge 
verlaufende Waſſerleitung, die um die Mitte des 
17. Jahrh. vom Gouverneur Alvarenga begonnen 
und 1723 vollendet, fpäter aber nody mehrere mal 
wefentli verändert und erit 1829 ganz fertig 
wurde. Cine großartige, über 80 km lange Wajler: 
leitung wurde in neuejter Zeit vollendet. Die ganze 
Stadt ift mit Pferdebahnen bis in die entlegenften 
Vorftädte durchzogen. Cine Zahnradbahn führt 
nad) den 712 m hohen Corcovado, wo man frijdhe 
Luft und eine pradptvolle Fernſicht genießt. Die 
Stadt ift ferner mit einem Syitem von Abzugs— 

räben verſehen und dadurch iſt dem Gelben Fieber 
ehr bedeutend Einhalt gethan. Der — — 
Großhandel der braſil. Hauptſtadt iſt vorzüglidy in 
Händen von engl., franz., deutſchen und portug. 
Kaufleuten. Von R. führt die Dom:Pedro:Bahn 
ind Innere, eine Zmweigbahn verbindet R. mit 
Säo: Paulo, ein anderer Zweig iſt die Yeopoldina: 
bahn. Die er Ausfuhr beiteht hHauptiädh: 
li) aus Kaffee, Zuder, etwas Baumwolle, Tabal 


118 


und Diamanten. Die Einfuhr umfaßt un und | Deean. 
0 


nordamerif. Manufalturen, Eiſen, Steinlohlen, 
Salz, trodenes Fleiſch, Weizenmehl ‚ Butter, Spi: 
rituojen u. ſ. w. Der lebhajte Küftenhan — 
der Hauptſtadt vorzüglich Lebensmittel (Bohnen, 
Mais, Reis u. |. w.), ferner Kaffee und Zuder für 
den Grport zu und verfieht mehrere Provinzen mit 
ausländiihen Marktwaren. Die nad) der Südjce 
und Ditindien beftimmten Schiffe nehmen oft im 
Hafen von. Waſſer, Lebensmittel und am ein. 

Die Provinz Nio de Janeiro zählt, ohne 
das Municipio Neutro der Hauptitabt, (1883) auf 
68982 qkın 988831 E., wovon 258238 Sklaven. 
Ihre Hauptftabt ift Nictheroy am öjtl. Ufer der 
Bai, gerade ber Stadt R. gegenüber gelegen , ein 
bedeutender Ort mit 16000 E., welde meiſt in R. 
befhäftigt find. Bon Nictheroy führt eine Eijen: 
babn nad Nova⸗Friburgo. Gemüfe werben in der 
nächſten Umgebung maſſenhaft erzeugt. Die Pro: 
vinz ift gebirgig und a Die Haupt: 
gebirgägige find die der Küfte parallel laufende 
Serra do Mar und die Serra da Mantiqueira, 
Hauptitrom ift der Rio Parahyba do Sul (f. d.), 
an deſſen unterm Berlaufe am Südufer die auf: 
blühende Stabt Campos (f. d.) liegt. Das Klima 
der Provin zeigt ſich an der Küfte heiß, wenn 
auch durch die Seewinde gemildert, in ber Serra 
angenehm, gefund und auferorbentlich fruchtbar. 
Die wichtigsten Erzeugnifie des Landes find Kaffee, 
Auder, von denen befonders erjterer in großartigen 
Plantagen kultiviert wird. Aus den Wäldern wer: 
ben kojtbare Nußhölzer gezogen. 

Rio Doce, Fluß in Brafilien, entipringt am 
Dftabhang der Serra bo Espinhago in ber Provinz 
Minas-Geraes, durchfließt ben ganzen SD. diefer 
Provinz, in welchem er links die nl re 
Säo:Antonio und Urupuca, rechts den Manhusufiu 
aufnimmt, durchbricht die Serra dos 
wobei er in die Provinz Espirito⸗Santo tritt, bildet 
bei Porto de Souza bedeutende Waflerfälle und 
mündet nad) 593 km Lauflänge in den Atlantifchen 
Drean. Bor ber Mündung liegt eine aroße Barre. 

Rio Dulce, Flub in der Argentiniihen Ne: 
publik, entfpringt al3 Rio Tali in mehrern Quell: 
armen am Dftabhang ber Serra de la Frontera 
und am Weftabhang der Serra Tucuman im ©. 
ber Being Salte, durchſtrömt in vorherrſchend 
ſudſudöſtl. Richtung die Provinzen Tucuman und 
Santiago del Eſtero, wobei er die gleichnamigen 
Hauptitäbte derſelben berührt, und mündet nad) 
einem Laufe von 590 km in die Laguna de [08 Po— 
rongos (d. h. Sumpf der wilden Eitronenbäume) 
als Saladillo; lektern Namen nimmt er Ib 
an, weil er = feinem untern Laufe durch die Salz: 
wüjte das uriprünglich fühe Waſſer (daher Rio 
Dulce) reichlich mit Sa gefättigt bat. 

Rio Grande (Grand Niver), Fluß in den 
Vereinigten Staaten, j. Colorado. 

Rio Grande, brafil. Fluß, f. Araguap. 

Rio Grande, in feinem untern Laufe Mota— 
era, Fluß in der mittelamerit. Republit Guate- 
mala, mündet nad) einem Laufe von 370 km in den 
Golf von Honduras des Karaibiſchen Meeres. 

Rio Grande, Fluß in Senegambien, entipringt 
nordiweitlich der Stadt Labe in Futa Djallon, zwi⸗ 
ſchen Mont:Bellat und Mont-Bolima, bat einen 
vorherrſchend weſtl. Lauf von 500 km, von denen 
100 km j&iffbar, und mündet in mehrern Armen 


gegenüber den Biſſagos-Inſeln in den Atlantiichen | gedeihen. 


Aimores, 





Nio Doce — Rio Grande do Sul 


Lints am füblichjiten Mundungsarm liegt 
die franı- Befisung Biſſasma, auf einer Inſel vor 
dem Delta des Stroms ba3 portug. Fort * 

Rio Grande de Belmoute, auch Jequitin- 
bonba, Fluß in Brafilien, entipringt in der Pro— 
vinz Minas-Geraes, auf dem nordweitl. Abhang 
der Serra do Eapinhago, ummweit des Drtes Serro, 
etwa 35 km füdlih von der Stadt Diamantina, 
nimmt rechts den Rio Araſſuahy auf, tritt unter 
balb Säo:Sebaitiäo do Salto Grande in die Pro— 
vinz Bahia und mündet nah einem Laufe von 
740 km bei Belmonte in den Atlantiihen Ocean. 
Stromfchnellen und Waflerfälle erſchweren bie 
Schiffahrt auf dem R. 

io Grande dei Norte, Fluß in deu Bereinig- 
ten Staaten, j. Norte. 

Rio Grande de Santiago, Fluh im merif. 
Staate Jalisco, in feinem obern Laufe bi3 zur Ein: 
münbung in ben Zago de Ch RiodeLerma 
(f. Lerma, Rio de), verläßt den See Chapala mit 
einem Waflerfall, nimmt recht3 den Nio Verde und 
eher andere Rebenjlüffe auf, durchbricht die 
Küftenlette des merit. Hochplateaus in einer Reihe 
Schöner flaäfaden und mündetnah816 km Lauflänae 
30 km nordweitlih von San:Blas in den Großen 
Dean. Die ftarfe Strömung des Fluſſes erſchwert 
die Schiffahrt ſelbſt auf defien tu Unterlauf. 

Niv Grande bo Norte, braſil. Küftenprovins 
an ber Nordoſtede des ganzen Reichs , nördlich und 
öftlich vom Atlantiiden Ocean weitlich von der 

—— ſudlich von den Provinzen Bernam: 
buco und Parahyba begrenzt, zählt auf 57485 qkm 
269 051 E., darunter (1884) 7209 Sklaven. Im 
D. des Landes erhebt fi die Serra Borborema, 
weldhe nad D. nur unbedeutende Küftenflüffe ent- 
ſendet, darunter den Nio Grande do Norte. Der 
Weiten ber Provinz wirb von den kurzen fetten der 
nah Gearä hinüberreihenden Serra do Apody und 
auf der Grenze von Parahyba von der Serra Ba: 
jehu durchzogen, und in füdnörbl. Richtung von dem 
nur für Boote fahrbaren Rio Apody und dem aus 
Parahyba kommenden Rio das Piranhas (Rio 
Aſſu) durchſtrösmt. Bis auf die fandige und wenig 
rer ag Ay Küftenebene ift die Provi 

ügelig. 3 filima iſt fehr heiß, aber gefund. 
Die Küfte it durch Niffe und Sandbänle faft un: 
zugänglid. Hauptprodufte find Baummolle und 
Zuder; aud wird viel Rindvieh ausg 

den überfeeifhen Handel it außer dem Hafen der 
auptitadt Natal (f. d.) nur noch der Heine von 
o ſſoro (Barra do Moflord) an der Mündung 
des Rio Apody geöffnet. 

Rio Grande do Sul, füdlihfte Provinz Bra- 
filiens, offiziell Sã o Pedro do Rio Grande do 
Sul, bat auf 236553 qkm eine Bevöllerung von 
568703 Seelen, wovon (1884) 60136 Sklaven und 
69000 Städtebewohner ind, neben über 30 000 ader: 
banenden deutichen Roloniften. Die Provinz grenzt 
im ©. an die Republit Uruguay, im D. an den At: 
lantiſchen Ocean, im N. an die braiil. Brovin; 
Santa:Catharina und it im W. durch den Uruguay 
von der Provinz Corrientes der Argentinifhen Ke- 
publif getrennt; nad) ihren Bodenverhältniften und 
ihrem Klima fann fie in drei Zonen eingeteilt wer- 
den. Die nördliche von der Grenze der Brovin; 
Sta.:Gatharina bis zum Nio Vardo ift gebirgin, 
größtenteils mit Urwald bededt, mit beiten, oit 
weiten TIbälern, in Denen noch intertropifche Fruchte 
Die zweite Zone vom Rio Bardo bis 


Nivja (Landihaft) — Rioja (Francisco de) 


zum Parallel von der Hafenjtadt Rio Grande do 
Surf ijt offen, die Hügeljüge find niedriger, die Wäl: 
der von Weideland unterbrodgen; das Klima zeigt 
ſich bier geſund und angenehm und geltattet der jub: 
tropischen Begetation volljte Entwidelung. Die 
dritte Zone endlich nimmt den fühl. Teil der Pro: 
vinz ein und befteht faft nur aus wellenförmigem 
Weideland, da3 den Charakter der Pampa trägt, 
und auf dem eine ſchwunghafte Pferde: und Rind: 
viehzucht getrieben wird. Die Küfte der Vrovinz 
iſt meift flach und fandig und bat faſt nur jchlechte 
und gefährliche Anterpläße. Eigentümlich find die 
großen Strandieen, befonders die 10837 qkm große 
Yagoa dos Patos (Entenfee), an deren Nordende 
die Hauptſtadt ber Provinz liegt, und die mit der 
3634 qkm großen Lagoa Mirim (Stleiner See), die 


fich bis zur Nepublit Uruguay ausbehnt, in Berbin: 
dung Steht. Ihre Zuflüfie find bejonders der vom 


nördl. Ende des Lagoa dos Patos einmündende 
Hauptfluß Jacuhh, mit jeinem nördlichen bis San: 
Leopoldo jchifjbaren Zufluffe Rio Sinos und der 
Gamaquä oder Camacuam; ihr Abjluß der Rio 
Grande do Sul, der bei der gleichnamigen Hafen: 
ftadt die Paguna verläßt und ſich nad einem Laufe 
von 12,4 km in das Meer ergieht. Die Tempera: 
tur ijt etwa die der Norbtüfte Afrikas. Die bg ⸗ 
niſſe der —— in erſter Reihe die der ieh. 
zucht, Pferde und Maultiere werben alljährlich zu 
vielen Zaufenden zum Verkaufe nad dem groben 
Martte von Sorocaba in der nörbl. Provinz; Sans 
Paulo getrieben. Außerdem werben Hundert: 
taufende von Rindern für den Erport geichlachtet. 
Man falzt das Fleiſch ein und trodnet es an der 
Luft (Xarque und Carne secca) und treibt damit 
nad) den nördl. Häfen des Reichs Handel, Die 
Waldprodulte find koſtbare Holzarten und Para: 
guaythee. Die Aderbauerzeugniſſe find Mais, Reis, 
Bohnen, etwas Lein, Weizen, Roggen, Gerſte, aud) 
Zuderrohr und Kaffee in freilich unfihern Ernten. 
Eiſen, Kupfer, Zint und Gold (Wäſchereien bei 

Gasapana) finden fich in nicht unbebeutender Menge; 
ferner Amethyſte und Bergfryftalle, Halbedeliteine, 
beſonders Achate und Jaſpis, tommen ma jiem: 
licher Menge zum Grport. Im fübl, Zeile der 
Provinz find bedeutende Kohlenlager. 

„ Die Hauptitadt ber Provinz und eine Hafenftabt 
it Porto-Alegre (j. d.). Wichtiger ala dieſes ift 
die am Ausfluſſe der Lagoa dos Patos gelegene 
Hafenjtadt Rio Grande oder Säo-Pedro mit 
gegen 19000 E., worunter viele Deutſche. rg Yan 
iſt der Siß eines Appellationstribunals, eines Han: 
delsgericht®, eines deutichen Konſulats (Amtsbezirk 
der ſüdöſtl. Zeil der Provinz), eines bedeutenden 
überjeeiihen Handelsverlehrs und bietet zer 
von 4,5 m Tiefgang nod) einen fihern Hafen. Die 
Ginfuhr befteht in Mehl, Salz, Steinlohlen, Bein, 
Epirituofen, Baumwollwaren und Schuhwerk, die 
Ausfuhr in Häuten, Haar, Wolle, Tabak, Maniot: 
mebl, Fett, Yerba mate und gebörrtem Fleiih. R. 
it Station des Norddeutſchen Lloyd und der Ham: 
burg: Sübamerilanifhen Dampficiffahrt. Die Im: 
gegend der Stadt bietet eine troftlofe Sandfläche. 

In feinem Teile Brafiliend hat die deutiche Kto: 
lontjation mehr Fortichritte gemacht wie in diejer 
Provinz, Hauptniederlafiung iſt die etwa 43kmvon 
Porto:Alegre entfernte Kolonie San:Leopoldo, 
nit einer wohlhabenden, Aderbau und Induſtrie 
treibenden Bevöllerung von 1500 E, Bol. Mulball, 
«ltio Grande do Sul and its German colonies » 


719 


(2ond. 1873); Lange, «Sübbrafilien» (Berl. 1882); 
«Die deutichen Kolonien der Provinz R.» (2p3.1881). 

Risja, getreide: und weinreihe altcaitil. Land: 
Schaft in der jpan. Provinz Fogrono, rechts längs 
de3 Ebro, benannt nad dem Flüßchen Rio Dia, 
welches auf dem Norbabhange der Sierra be la 
Demanda entipringt und ſich unterhalb Gaja la 
Reina mit dem Tiron vereinigt. 

‚ Rioja (Va), eine der weitl, Provinzen der Argen: 
tiniſchen Republik in Südamerika, zwiihen 27% 
und 32° jüdl. Br. und 65 und 70° weſtl. 2. (von 
Greenwid), 89685 qkm groß mit (1882) 87.000 E., 
ift im W. zum Teil gut bewäflert, wo ſich die Sierra 
ven zu 6024 m erhebt, im O. und ©. unfrudht: 

re — und Sandebene, faſt ganz ohne Waſſer 
und Wald. Der Hauptfluß iſt der Bermejo (im 
Oberlaufe Rio Jague); er durchfließt das lange und 
ſchmale Thal zwiichen Sierra de Guandacol und 
Sierra de Vinchina, das ftellenweife jehr fruchtbar 
und ergiebig an Weizen ift. Das trodene Klima 
zeigt große Differenzen zwijchen Sommer und Win: 
ter. Regen fällt fait nur vom Dezember bis März; 
die ſchönſte Jahreszeit ift ber Winter (Juli bis Ende 
September), in welchem fich aber der Schnee auf 
den Bergen nit hält. Furchtbar find im Sommer 
die erjtidend heißen Nordwinde mit ihren falzigen 
Staubmwolten. Indes gilt da3 Klima für geſund. 
Bewãſſerung macht den Boden fehr fruchtbar. Das 
Gebirge ift rei an Erzen, auch an Gold und Sil: 
ber, die Yagerftätten find aber ſchwer zugänglich. 
Die Bewohner, meiſt Mifchlinge, find teils Ader: 
bauer in den Thälern, teil unter einheimifchen 
Häuptlingen lebende Viebzücdhter; den beiten Teil 
bilden die Indianer der Anden. Bortrefflich jind 
ber gewonnene Weizen, der Wein und die Orangen. 
Das Land zerfällt in fieben Departements. Die 
Hauptitadt Pa Rioja, in 507 m Höhe, liegt am 
Weitrande der großen Ebene, an der Sierra Velasco 
und zählt (1869) 4489 E. Sie wurde 1591 gegrün: 
det und iſt gänzlich verfallen. 

Ridja (Francisco de), fpan. Lyrifer, um 1600 
zu Sevilla geboren, ftudierte anfangs die Rechte: 
wiſſenſchaft, dann Theologie, erhielt durd) den Mi: 
nifter Dlivarez eine Präbende am Domtapitel von 
Sevilla, wurde Neihshiftoriograph, Inquiſitor zu 
Sevilla und endlich Inquiſitor des oberſten Tribu: 
nal3 de3 heiligen Officiums. Infolge des Sturzes 
feines Gönners geriet er in Kerlerhaft, wurde je: 
doch, nachdem feine Unschuld erwiejen, befreit und 
zum Direltor der königl. Bibliothel und Nepräfen: 
tanten ber Geiftlichfeit von Sevilla zu Madrid er: 
nannt, wo er 1659 ſtarb. R. bildete ſich, gleich dem 
ihm geiltesverwandten Herrera, nad) den klaſſiſchen 
und ital. Muſtern, vorzüglid nach Horaz und Ge: 
neca und bielt ir in Stil und Sprade rein von 
den Verirrungen feiner Zeitgenofien. Seine «Sil- 
vas», Bilder des Landlebens, find befonders voll 
Anmut und Naturwahrheit. Das _berühmtefte der 
ihm zugefchriebenen Gedichte, Die «Dde an die Ani: 
nen \jtalicas» (Stadt bei Sevilla), vereinigt tiefes 
elegiiches Gefühl mit kräftigem  Gedantenflug. 
Neuerdings iſt jedoch von dem Pitterarhiltoriter 
Aureliano Fernandez Guerra y Orbe nachgewieſen 
worden, daß nicht R., fondern der Licentiat Rodri— 
que Garo der Berfaffer dieſer Ode («Memorias 

e la Academia» 1870) ift. Lope de Bega bat R. 
in einer feiner ſchönſten Epijteln gefeiert. Seine 
Gedichte erſchienen erſt ſpät gefammelt mit denen 
anderer andalufifcher Dichter in der «Coleccion» des 


120 


Don Ramon Fernandez (Bd. 18, Madr. 1797) und 
felbitändig von E, Alberto de la Barrera y Leirado 
(«Poesiasde Francisco deR.», Madr. 1867) heraus: 
egeben. Einige Inedita enthalten die von dem; 
Pelben Gelehrten veröffentlichten «Adiciones ä las 
Poesias de Francisco de R.» (Sevilla 1872). Auf: 
genommen wurden R.s Dichtungen aud) in die «Bi- 
blioteca de autores espaüoles» (Bd. 32, Madr. 
1854). Das poetische Sendſchreiben «La epistola 
moral a Fabio» ijt nad) A de Caſtro («La epistola 
morala FabionoesdeR.», Cadir 1875) nit von H, 
Niolen, ſ. Rigolen. 
Riom (mittellat. Rigomagus), Hauptſtadt eines 
Arrondijiements im franz. Depart. Puy:de:-Döme, 
ehemals des Herzogtums Auvergne, Station ber 
Yinie Et.:Germain des Foſſes-Nimes der Paris: 
Lyon:Mittelmeerbahn, 13 km nörblid von Gler: 
mont, auf einem Heinen, von der Ambene umfloj: 
fenen Berge reizend gelegen, it Sig eines Appella- 
tlonsbofs für vier Departentents, eines Aſſiſenhofs 
ſowie einer Aderbaulammer. Der hübſchgebaute 
Ort hat breite, mit Fontanen gezierte Straßen, 
aber durch feine aus Lavageſtein von Volvic auf: 
geführten Häufer ein duſteres Anjehen. Bemerlens: 
werte Gebäude find: die —— 1382 vom 
erſten Herzog von Auvergne erbaut und zu Ende 
des 15. Sabı . reitauriert, ein fchöner got. Bau mit 
Glasmalereien; die Kirde St.:Aimable, eine Wi: 
fung aller Bauftile des 12. bis 18, Jahrh. mit ele: 
ganter Kuppel; die Kirche Notre: Dame du Mar: 
thuret, erneuert im 15. Jahrh. N. erhält fein 
Waſſer durch einen Aquäduct von VBolvic her und 
bat ihöne Promenaden — darunter eine mit der 
Denlſaͤule bes Generals Deſaix. Der alte herzogl. 
Palaſt it jebt, ganz erneuert, YJuitizpalaft. Ein 
achtediger Uhrturm ftammt aus dem 15. Jahrh., 
gewährt eine reizende Ausficht über die Yımagne 
und in das Auvergner Gebirge, Die Stadt hat 
ein College, eine öffentliche Bibliothek, ein Muſeum 
mit 200 Gemälden, ein Theater, ein Gentralgefäng: 
nis, ein Gentralzudthaus für Männer, ein Irren— 
haus und ein Hoipital. Sie zählt (1881) 8552 E. 
(Gemeinde 10304), die Prof, Strobhüte, Yein: 
wand, Niemzeug, Meſſer, Branntwein, Ol und Kar: 
tojfelmehl fabrizieren und viele Gerbereien, auch 
roße Schneidemühlen, Hanfwebereien und Woll: 
pinnereien eh ae Bebeutend iſt der Handel 
mit Getreide, Mehl, Wein, Nuböl, Apritoien, Dlar: 
melade, Macs, Hanf, Flach, Yeder, Leinwand und 
Vieh. NR. war zur Zeit Gregors von Tours im 
6. Jahrh. noch ein Dorf und wurde durch König 
Johann 1360 Hauptitadt des für feinen Sohn Jo— 
hann von Berri errichteten Herzogtums Auvergne. 
Etwa 5 km norbmeitlid von WR. liegt das Dorf 
Chätelguyon, ein Badeort mit 1600 E. 
Nion oder Rhion, Fluß in Koldis, ſ. Phaſis. 
‚Rio Negro, auch Parana-pirung, größter 
lint3feitiger Nebenfluß des Amazonenſtroms, ent: 
pringt al3 Rio Guainia etwa unter 2°’nörbl, Br. 
m Territorium San: Martin der Nepublit Colum— 
bia, tritt nach Venezuela über, verändert * ſeine 
bisher öſtliche in ſudl. Richtung, nimmt links den 
ſüdlichen Bifurlationsarm des Orinoco (ſ. d.), den 
Caſiquiare auf, erreicht unterhalb der Ortſchaft 
Sta.:Nofa de Amanadona die brafil. Provinz Ama: 
zonas, bildet vom brafil. Sort Marabitanas bis zur 
Cinmündung des auf der Cordillera Oriental Co: 
lumbiens entfpringenden Rio Uaupes die Grenze 
gegen Columbien nimmt hierauf öjtliche, weiterhin 


it 


Niolen — Rio Bolta 


füdöftl, Richtung an, empfängt linls oberhalb Roca 
do Comercio den Parima (f. d.) oder Rio Branco 
und mündet 2 kın breit unterhalb der Stadt Ma: 
naͤos (Barra do Rio Negro) nad einem Laufe von 
2150 km in den Amazonenftrom, mit welchem er 
lange vor feiner Einmündung in diefen durch rechts 
abgehende Waflerläufe (Urarira, Hinini, Jauamaby 
u. |. m.) mittelbar in Verbindung ftebt. 

ionero in Volture, Stabt in ber ital. Pro: 
ding Votenza, Bezirt Melt, füdöftlih vom Monte: 
Qulture, hat (1881) 11689 E. und ift der beftaebaute 
Drt der Bafılicata, litt aber 1851 durch Erdbeben. 

Rios (Don oje Amador de lo), ſpan. Geſchicht⸗ 
jchreiber, geb. 1. Mai 1818 in Baena als Sobn 
eines ausgezeichneten Bildhauers, empfing feine 
willenfhaftlihe Ausbildung in Sevilla, aründete 
mit feinem freunde, dem Dichter Juan Joſe Bueno, 
ein litterariiches Journal «El Cisne» und veröffent: 
lichte mit diefen: zuſammen aud einen Band Ge: 
dichte (Sevilla 1841). Um diejelbe Zeit gab er eine 
nit Anmerkungen und Zuſähen bereicherte fiber: 
feßung des Spanien betreffenden Teils der Littera: 
turgeihidhte Sismondis (2 Bde., Sevilla 1841— 
42) und eine topogr.:artiltiihe Beichreibung Se: 
villas («Sevilla pintoresca», Sevilla 1844) heraus. 
Im Anfange der vierziger Jahre begab fich R. nad 
Madrid, wo er Profellor der allgemeinen und jpan. 
Litteratur an der Univerfität und jpäter Mitglied 
der ſpan. Akademie wurde, Gr veröfientlichte ſeit⸗ 
dem «Toledo pintoresca» (Madr. 1845), «Estudios 
sobre los Judios de Espana» (Madr, 1848) und 
eine Ausgabe der Werte des Marquis von San: 
tillana (Madr. 1852). Sein Hauptwert ift aber die 
«Historia critica de la literatura espahola» (Bd, 
1—7, bis zum Ende des 15. Jahrh. Madr. 1861— 
67T). N. bekundet in demfelben eine gründliche 
Kenntnis der Litteratur feines Vaterlandes, jowie 
der Yeiltungen des Auslandes, namentlich der deut: 
[hen Forſcher. Bon N.’ übrigen Arbeiten ift die 
ausführlie «Historia de la villa y corte de Ma- 
drid» (4 Bde., Madr. 1861 — 64) bervorzubeben. 
N, ftarb 17. Febr, 1878 in Sevilla. 

Nio Säao: Francisco, Fluß in Brafilien, f. 
Säo: Francisco, 

net, j. unter Lingga:Ynieln. 

Nio Tinto (Minas de), Bergwerksort in der 
fpan. Provinz Huelva, im ©. der Sierra de Ara: 
cena, des weitl. Teils der Sierra Morena, 543 m 
über dem Meere, Endpuntt der Gifenbahn Huelvas 
R., unmeit recht3 vom obern Rio Tinto, der fi) 
kurz vor der Mündung des Odiel mit diefem ver: 
ie bat (1877) 4963 E. und Kupferminen. 

io Vermejo, rechtsſeitiger Nebenfluß des 
Paraguay in der fübamerif. Republik — 
entipringt im W. des Depart. Tarija der Republit 
Bolivia in mehrern Quellarmen, nimmt in der 
argentin. Provinz Salta redht3 den Rio de Can: 
anno (Rio Grande de Jujuy), feinen größten 
ebenfluß (445 km lang) auf, bildet von Paſo del 
— an die Grenze zwiſchen den Territorien del 
ermejo (nördlich) und del Gran Chaco (ſudlich) 
und mündet nad einem vorwiegend füdöftl. Laufe 
von 1224 km etwa 50 km norbnordöftlid von der 
Vereinigung des Paraguay mit dem Parand. 

Rio Volta oder Umu, im obern Laufe Adire, 
Fluß in Nord- oder Oberguinea, entſpringt im 
Lande Sarem am Südabhang des Saragagebirges, 
fließt zuerſt füdöftlih bis in der Nähe der großen 
Handelsjtadt Selgha oder Saraca im Weiche 


Ripatranfone — Rippen 


Aſchanti, wendet ſich hierauf in dieſem Lande füb- 
li, durdjftrömt zulegt brit. Gebiet und mündet au 
der Grenze der Gold: und ber Stlaventüjte dur 
die Lagune von Adda in die Bai von Benin des 
Golfs von Guinea. Zur Degengelt fahren Dampf: 
boote den Strom aufwärts bis Selgha. 
ipatranfone, mittellat. Ripa Transonis 
Stadt in der ital. Provinz Ascoli-Piceno, —— 
Fermo, 8 km von ber Küſte des Adriatiſchen Dice: 
res, it Biſchofsſiß und hat (1881) 6185 E., eine 
übidhe Kathedrale Santo:Gregorio und einen Pa: 
aft des Podeltä aus dem 12. Jahrh. 
Ripen, f. Ribe. — 
Ripiöno (ital.), voll, ausgefüllt; Ripieno— 
ftimmen, die Inſtrument- und Gingftimmen, 
nen entweber nur im Tutti mitwirlen oder zur 
—— und Berftärtung der Soloftimme dienen. 
ipley, Stabt in der engl. ee Derby 
mit Derby durch Eiſenbahn verbunden, ” It (1881) 
6081 E. und hat Koblengruben und Gifenhütten. 
Nipley (George), nordamerif, Schriftteller, geb. 
3. Eept. 1802 zu Greenfield im Staate alle: 
uſetts bein das Harvard: College und die 
ambribge Divinity School, wurde dann Paſtor 
einer Unitariergemeinbe zu Bolton und ging 1831 
nad Europa, um beſonders Philofophie zu ſtudie⸗ 
ren. Im J. 1835 lam er wieder nad Bofton, 
machte Propaganda für deutiche und franz. 5 ilo⸗ 
ſophie und überfegte in Verbindung mit Dr. Hedge 
mehrere Werte, welche unter dem Titel «Specimens 
of foreign standard literature» (14 Bbe., 1838— 
42) erjhienen. Im %. 1839 veröffentlichte er: 
«Discourses on the philosophy of religion», welche 
von Profeſſor Andrews Norton in Cambridge in 
dem Pamphlete «The latest form of Infidelity» 
deftig angegriffen und von ihm in «Letters to An- 
rews Norton on the latest form of infidelity» in 
berjelben Weiſe beantwortet wurde. Im J. 1849 
wurde er litterarifcher Rebacteur der «New-York 
Tribune», ſchrieb au I «Harper’s Monthly», 
veröffentlichte 1852 in Verbindung mit Bayard 
Zaylor «Handbook of literature and fine arts», 
gab 1859—76 in Verbindung mit Charles Dana 
«The American Cyclopaedia» (Neuyorf) heraus 
und ftarb 4. Juli 1880 in Neuyork. 

‚Ripoll, Stadt in der Key Provinz Gerona, in 
einem Pyrendenthal, an der Einmündung des Ri: 
gart in den Ter, 676 m über bem Meere, Station 
der Eijenbahn Granoller3:San: Juan de las Aba⸗ 
deſas, hat (1877) 2680 G., eine Gewehrfabrit, 
Nagelichmieden, Baummollfpinnerei —— und 
Baumwollweberei und Steintohlenla er. R. ent: 
ftand um die mittelalterlihe Abtei Rivipullo -und 
wurbe 1873 von Karliſten unter Saballs vermültet. 

NRipon, mittellat, —— (Ripum), Stadt und 
(em litan.) —— in ber engl. Graſſchaft York, 
eftribing, an der Mündung des Stell in ben Ure, 
Station der Linie Leeds-North Allerton-Stodton 
der North:Eafternbahn, zählt (1881) 7390 E. und 
t eine ſchöne, 1331—1494 erbaute Domlirche, 
ollmeberei und einen Wollmarlt, Etwa 5 km 
von der Stabt liegt die dem Marquis of Ripon ge: 
börige Befigung Studley:Royal mit der Ruine 
er im 12, Sehrb. gegründeten Fountaind: 
Abbey, ber größten —— Englands. 
Nipon (Frederid John Robinſon, Viscount Go; 
derich, Graf von), brit. Staatsmann, ber jüngere 
Sohn Lord Granihams, wurde 1. Nov. 1782 ge: 
boren. Nachdem er feine Studien zu Harrow und 
.‚Gonverjationd-Legifon. 13. Aufl, XIIL 


721 


Cambridge vollendet, trat er feit 1804 als Sefretär 
Lord Hardwides, des damaligen Statthalters von 
Irland, in die polit. Laufbahn ein. Im J. 1806 
erhielt er einen Sig im Unterhaufe und begleitete 
1807 den Grafen Bembrote als — ur 
fetretär nah Wien, Im J. 1809 erregte er Auf: 
merlſamkeit im Barlamente, indem er die kräftige 
Fortſetzung des Kriegs in Spanien empfahl. Caſtle⸗ 
reagb, damals Kriegs: und Kolonialmmilter, ftellte 
ihn nun als Unterftaatäfetretär an und verjchaffte 
ihm im folgenden Jahre das Amt des Marinefchab: 
meiſters, das er 1812 mit der Vizepräſidentſchaft 
de3 Handelsamts vertauſchte. In diefer Eigenſchaft 
feste er 1815 im Parlamente eine Getreidebill Durch, 
die im Intereſſe der großen Grunbbefiker die Ein- 
fuhr des ausländischen Weizens befhränfte. Dieſes 
Geſeh rief große Erbitterung und unter anderm zu 
London mehrere Aufftände hervor, wobei R.s 
Haus angegriffen und feine Gemäldefammlung zer: 
ftört wurde, Indeſſen gehörte er ſchon damals zu 
den gemäßigten Tories, war von den liberalen 
Ideen der Zeit berührt und ſchloß fich nad) Caftle: 
reaghs Tode vollftändig den Grundſaßen Cannings 
an. Als lepterer 1822 Minifter des Auswärtigen 
wurde, ftieg R. zum Kanzler der Schaplammter. 
Bei Cannings Erhebung zum Premierminifter im 
April 1827 wurde er Staatsſekretär für die Ko: 
lonien; zugleich gab ihm der König ben von feinen 
Urältervater, dem Herzog von Kent (ſ. Grey), ge 
führten Titel eines Viscount Goderih von Nocton. 
Nach Cannings Tode beauftragte ihn Georg IV. im 
Aug. 1827 mit der Bildung eines neuen Kabinetts. 
Allein von den Torles — bat er den König 
14. Dez. 1827 um Entlaſſung, die er auch einige 
Wochen fpäter erhielt. In Lord Greys Miniſterium 
von 1830 übernahm Goderih nochmals das Kolo: 
nialamt und wurde 1833 zum Grafen von R. und 
Seheimfiegelbewahrer erhoben. Aber ſchon 29. Mai 
1834 ſchied N. zugleich mit Stanley, Graham und 
Rihmond aus dem Minifterium, weil er mit feinen 
Kollegen rüdfichtlich der jog. Appropriationsklaufel 
zerfallen war. Bon diefer Zeit an näherte er ſich 
wieder den Toried, und trat, als diefe 1841 von 
neuem ans Ruder lamen, als Präfident des Hans 
delsamts in das Minifterium Peel. Von 1843 bis 
1846 hatte er den Vorfik des ind. Amts und zog 
fih dann von ber öffentlichen Laufbahn zurüd, auf 
der er fich weniger durch polit. Begabung als durd) 
Verföhnlichleit des Charakters und guten Willen 
bervorgethban hatte, Er ftarb auf feiner Villa zu 
Butney:Heath 28, Yan. 1859, c 
Nipon (George Fred. Sam. Nob., Marquis 
von), Sohn des vorigen, ſ. u. Grey (Gefchledt). 
Rippen (Costae) nennt man bie ſchmalen platt: 
gedrüdten Anochen, welche zufammen mit der Wir: 
belfäule und dem Bruftbein dag Inöcerne Gerüſt 
de3 Bruftlorbes (thorax) bilden, Es find deren 
beim Menſchen auf jeder Seite zwölf, welche fi 
binten mit ihren Gelentenden an die zwölf Bruft: 
wirbel anfeken und dann bogenförmig nad) vorn 
verlaufen, wo bie fieben oberften, die fog. wahren 
Rippen (von oben nad unten zu an * zu⸗ 
nehmend), durch Knorpelſtüde (die Rippentnor— 
‚a und Bänder mit dem Bruftbein in Verbin: 
ung treten, während von ben fünf untern (dem 
ſog. —— Rippen), die wieder nach und 
nad) Urzer werben, die drei erften durch ihre Knor— 
pel ſich untereinander und mit der fiebenten wahren 
N. verbinden, die zwei unterften aber, bie kürzeften, 


46 


122 
rıit ihrem vorbern Ende volllommen freiltehen 


und deshalb die beweglichiten find. Auf diefe Art | dem 


und indem ber zwifchen ihnen befindliche fchmale 
Naum mit den —— ausgefüllt 
iſt, bilden die N. eine allfeitig chloſſene Stapfel 
als Schuß für die Brufteing und ald Ver: 
mittler der Atmungsbewegungen, indem bie R. 
u. Hal3:, Arm: und Nüdennmöteln beraufs, 
durch Bauchmuskeln und Zwerchfell wieder hera 
gezogen werben und auf diefe Art durch Grhebung 
und Senkung ihrer Mitteljtüde abwechſelnd die 
en le erweitern und v 
Alter findet man die Nippentnorpel, bejonders die 
obern, häufig verlnochert und dann die Bewegumgen 
bes Brujttaftens erſchwert. Nach innen find die N. 
von einer alatten jeröjen Haut, ——— 
überzogen, das die äußere Lamelle bes Br 
(j. Bruft) bildet und ber leichtern Ausdehmung und 
Bewegung der Lungen dient. Nur die Wirbeltiere 
befisen N. , und bier findet man große Verſchieden— 
beit im Tierreihe. Schon bei den Fischen find N. 
in beträchtlicher Menge vorhanden; noch weit höher 
fteigert ſich diejelbe bei den Amphibien, von denen 
mande Schlangen gegen 300 R. auf jeder Seite 
befigen. Auch bei den Vögeln und Säugetieren 
indet man ſowohl die Zahl derjelben überhaupt, 
al3 die der wahren und falihen R. voneinander 
und vom menſchlichen Organismus abweichend, 
Von Krankheiten And die W., wie andere 
Knochen, dem Bruch, der Verrenkung, der Ber: 
jtörung durch Knochenftaß n. 2 ausgeſegt; * 
fönuen fie durch andere Umſtände, na 
durh Wirbeljäulentrümmungen ober Bruftfellver: 
wachſungen und durch unpaſſende Belleidung, be: 
ſonders zu feſtes Schnüren, eine abnorme Geſtalt 
erhalten. 9 —— verurſachen heftigen 
Schmerz beim Atmen, heilen aber bei ruhigem 
Berhalten (Bettlage, zwedmäßigem Verband bes 
Bruſittorbs) meiſt ziemlich ſchnell; gefährlich werden 
fie nur dann, wenn bie ſpihen das 
— — un h — ae 
verlehen. Eine äufig ie 
Brujt: oder Rippen —— —— (Pleu- 
ritis), weldye bei ungeeignctem Verhalten leicht zu 
chroniſchen Yıngentrantheiten führt. (S. Brut: 
fellentzündung.) 
NR fell, foviel wie Bruſtfell. — Rippen: 
fellentzündung, ſ. Bruftfellentzünduna. 
Nippenquallen, f. unter Afalephen. 
Ripperda (Joh. Wilb., Baron), ein polit. Aben- 
teurer, geb. in der holländ, Provinz Groningen 
1680, wurde 1715 von den Generalitaaten zur Ab- 
iliekung eines Handelävertrags nad) Spanien 
seihidt und zum Oberften ernannt. Gr erlangte 
die Gunit Philipps V. und wurde von dem fpan. 
Hofe 1725 nad) Wien gefandbt. Hier brachte er den 
Vertrag von Larenburg zu Stande und wurde ba: 
Tür zum Herzog von N. und Granden dritter Klaſſe 
ernannt, fowie zum Gtaatsfelretär der auswär: 
tigen Angelegenheiten befördert. Auch übertrug 
ibm bald nachher der König das Kriegs, Marine: 
und Finanzweſen. Dod) ſchon in Ylaı 1726 wurde 
er feiner Würden entjept und als Gefangener in 
das Schloß Segovia gebracht. Na zwei Jahren 
fand er indes i 
England, wo er bis 1730 blieb. Hierauf lam er 


wieder nad dem Haag und begab jich Ende 1731 | 
nad) Maroffo. Er gewann dajelbft bald Einfluß, 
dewoa den dortigen Herricher zur Belagerung der | 


Im höhern | bat ein muiterhaftes Hurgebäube ımb 





bren und dad Qungengemwebe | ft 


tittel zu entlommen und ging nad) | 


Rippenfell — Riquet de Caraman 


rn Are 
um niebispaſes 

engen, einfamen Wolftlyale, 623 m fiber 
gelegen, ift eins der belanntellen Kniebi 


ger 


licjleiten, mit Wafler:, Ga3- mb Fi 
bädern und Siegenmolfenanftalt. 


H 


re 8 or Th; betannt. am 
17. Jahrh. i Gengenbad) das jeßige 
Badehaus erbauen, und R. ift jebt dns erfie und 
befuchtejte aller Aniebisbäder. “Die drei Onuellen find 
eifenhaltige Kallſãue und fommen im üben 
firen Beitandteilen den len von St. 
Schwalbad und Pyrmont geid. Die 
PVerjendung erreicht jeht etwa 800000 
Auch wird das Salz fünfilich als 
Digeftinpaftillen unter dem Ramen Wi Ib3- 
auer Baitillen verkauft. 

Nips oder Reps (Dom engl. rib, db. i. Migpe), 


dichter, keinwandartig gemebter Stofj 
Ausſehen, gan; oder teilweiſe —— 
ober Seide, öfters mit weilener fette 


| 


: | und baumwollenem Einſchlag, auch mit Kette aus 
Baummolle 


der Strei und aus 
— — 
weiſe aus einfachen Häben unb aus zwei⸗ ober brei- 
ſãdigem Zwirn ober auch aus me * 
Inn Oben de — 
aus viel feinerm einfachen Garn, u Tuch dac 


Rettenfäben im Gewebe als j 
rippen marfieren; ſeltener ſind es die 
welche in dieſer Weiſe 
und Schußrips 
auch u 


ſchnittener Samt, in wel: 
(j. unter Samt) bide 
HJüben eingefchoffen werden. Pie 
Verwendung finden die verſchiedenen Arten von R. 
zu Damenkleivern, wollener R. aud zu Möbelbe- 
zügen, Bortidren und Garbinen. 
ipuarien, ſoviel wie Niebderlotheingen, i. 


| unter Lothringen. 


—2** Fraufen, J unter Franken. 
Gefepbud) dar — 

eſeßbuch der Rpuariſchen en, 1 
und 534 abgefaht und fpäter, zufept unter Daao- 
bert, mehrfach umgeändert und ergänzt. 

Nignet de Earaman, eine a fran;. 
Adelsfamilie, deren Stifter, Pierre Paul 
geit. 1680 zu Tonloufe, auf jeine often den Kana 
von Languedoc oder Canal du Midi erbaute. Lud 
wig XIV. verfich ihm 1666 den Titel eines Baron 
von Bonrepos und gab ihm ben Kanal in Lehn 


pos 
Erſt feit 1724 begann der Kanal für die Familie 


einträglih zu werben. — Sein zweiter Sohn, 
Bierre Paul de R. geb. 1646, zeichnete fi als 
General im Spaniichen Erbfolgelriege aus, erwark 
durch Kauf die Grafihaft Caraman (in der Gegend 
von Toulouſe) and jtarb 1730. Ihn beerbte jein 
"Meffe, Victor Pierre Fraucois N., Marquis de 
Caraman, ber 1760 als Generallieutenant farb 
und den Sohn Victor Maurice N., Graf von 


Rifalit — Riftie 


Garaman, Generallieutenant, geb. 1727 „get. 1 —— 
zum — —* Derſelbe heiratete 
PBrinzefion Ghimay aus dem * 
Littard B’lface und interfief aus diefer Che drei 
Söhme: 1) Victor Louis Charles, Maraniß, 
feit 1827 Herzog — —582* 
Derſelbe ſchloß ſich wã ee 

ration: an, kehrte * Bourbons A 
—— zurüd, ward 1815 Pair, —— in 
Fe feit ar in Bien und ———— 

r Sohn ſchon vorher ins 
Enlel und Succeſſor, Victor m 
—— „Herzog von Caraman, 
geb. 181 mit einer Tochter des 
von Gin — als philoſ. 
beſondere durd) die « Histoire. des röv 
la philosophie en France» (3 Bde. Bar. 1 1845— 
48), 1868, 2) Maurice Gabriel: Joieos | Um 
NR.,. Graf von Caraman, geb. 7. 1765, 
u 


man a 3 mütter: 


feinem Tode (1837) nur drei Töchter. 
cois Sofens Bbilippe R., Grafvon Cara: 
1824 als Erbe En 
lißerfeis den Titel eines imay(.d.). 
(vom ital. risalto, — oder 


g Gebäudes mehr Man zu geben. 
A der ober an den Seiten des 
Gebäubes angebracht werden. Die zwiſchen den R. 
befin e beißen agen und 
follen: fte jene fein. Wird der Vor: 
Iprung fe ſo heit er Flügel; geht er 
ur ‚fo beißt er Borbau. 
ifäno, das röm. "Rhizinium , fpäter R 


nium, Stadt in Dalmatien shauptmann: 
ſcha —— an der ——— der Bochhe 
di „die vor dem men von Gattaro 
"Stadt benannt Beten (Sinus Rhizoni- 


ift Siß eines t8 und zählt 
(san) 1217, als Gemeinde 3942 G,, welche 
fcberet und er mit "Monteneg 


123 


Kr —— Arbeits: 
ammens 


in natürlicher Größe, und 


geleaten Gegenlänben, nie Gebäuben 


ua, — eine Anſi —— aus; man m 
e, Aufriſſe (Border: umd "Seitenanfihten) 


Purcfännitte obe oder Brofile anfertigen. 
s-, t tdie Gegen 
Saiten enriß beißt Bee due — 


rin 


her 
Dr der 90 
), der eg — Teil bes Me 


— en Beute — u © ter, 


— 
ig. ehtgenann 

ganz der Theologie = 
iert hatte. ‚1635 
bat my. er 


N ren 
en 


— er 
nachdem er vor 
Botanik und — 1— 


wurde er ger zu 


eri mn zum Teil mit weltlichen 

zuſammen in verjchi Sammlungen, wies. B. 

«Musa Teutonica» (Hamb. 1634) br Site (inc Sur 

— (Hamb. 1638), «Himmlifche —— 
641—42) ’ « Baifion ten » 


Sandadı 
— —* « Sabbathiiche S „— 1651); 


«Neuer ** —5* (Züneb, 1652) u. |. m. 
eben und eine mi Sahne Sie Tracht —— —* * Daneben [8 dramatiicher ter * 
en. | große Linker 


nem. Tuch mit 
Die —3* iſt ſehr alt. 


— ek 
nei 220 v, — ten - von an den 


—— 


ehe, Dar ei R scher — d 
——— 
te (il) it hi gleichbedeutend mit 


i3 und En in vollswirtſchaft⸗ 

hen —— auf die re des Mißlingens einer 

mit der Abfiht auf Gewinn ins Wer eu 

leit einer bezogen. —* 
ſicherungsweſen verſteht man unter N. 

fi Ar 52* deſſen aſſelurierten Wert, 

’ er:R 
Sie ſ.Bl — und die Tafel, Fig. 31. 
* Hirſe. 
Ni A nn zeichnen) nennt man die geo: 


einem Out einem Gebäude, einer Na: 
ſchine, einem Gerät ie Mei Pe 


—— der ne iden Gröfe, oft —— 


doch iſt nur einiges da⸗ 
von n ben Beitereign en nahm er in 
—— mn Shit - tAchtiger Gefinmung 
bernd ae gkeit wie z. B. in «Das friede 


wünſchende (Rürnb. 1647; neue Aufl. 

0. O. 1806) und «Das Friebe Deutſch⸗ 

—* — 1653), ande sd von Schletterer 
u * 

y ge N. und feine Zeit» (Sale 


1872); — N.s —— ngen», herausg von 
Tittmann und Göhe (Cpz. 1885). 

Riftie(ipr „-itich, Joman),ferb. —— 
1831 * ujewaß, ſtudierte —* 
— bie —— 
n 
adminiftrativen Dienft ein. 


— — 
daß die li ER mi ber 


e 
der De 
Selretär der 


— > 


— 


an 860 
Muratrang. in —— 
46* 


724 


ernannt, übernagm er fhon 1861 die Gefandt: 
haft felbft. Nach der wg des Fürften 

ihael Obrenowitih (29. Mai 1868) wurde . 
von der Oejehgebenden Berfammlung neben Blas: 
nawap und Gawrilowitſch, 20. Juli 1868 in bie 
Regentichaft gewählt, welches Amt er bis zur Groß: 
jährigfeit des Fürften (1872) belleidete. In diefem 
Zeitraume arbeitete R. die Borlage einer neuen, 
auf den Prinzipien olit, Freiheit beruhenden Kon: 
ftitution aus, wide von der Slkupſchtina ange: 
nommen wurde. rübjahr 1873, nad dem 
Tode des —— asnawaßz, ward N. zum 
— ren ernannt und entwidelte eine 
große T arigt feit in den Vorbereitungen, welche die 
nationale * Serbiens erfüllen ſollten. R. 
war offener Anhänger Rußlands und überzeugt, 
dab Serbien nur mit Hilfe diefer Großmacht zum 
vorgeftedten Ziele gelangen könne, Die Ge . 

— Marxinowitſchs ſuchte Dagegen das Heile 

— in Wien un — Als In Sommer 1873 
Fürft Milan einen Beſuch in Wien und Konftanti: 
nopel abftattete und dort einen glänzenden Empfan 
fand, wurde es Marinowitſch leicht, R.3 Macht un 
Einfluß zu brechen. Die Folge davon war, daß 
R.s Kabinett 22. Olt. 1873 ſeine Demiſſion eins 
reichte. Im J. 1876 wurde R. mit der Bildung 
eines neuen Minifteriums betraut und leitete er: 
pie die ferb. Bolitit in dem Unabhängigleits- 
friege pegen die Türkei. Am 19. Dt. 1880 trat er 
von feinem Amte zurüd, (S. Serbien.) 

Riftori ——— ital. Schauſ ielerin, 

29. Jan. 1822 zu Cividale im Geil betrat | 
früh. die Bühne und fpielte mit ifalli in gr ibn | 
Mädcenrollen im Luftipiel, ging aber zur 
Tragödie über. re et mit dem jungen Mar: 
quis Capranica del Grillo ra unterbrad) eine 
Weile ihre dramatiihe Laufbahn, doch bald fepte 
je diefelbe wieder fort und fpielte nicht mur au 
en bedeutenditen ital. Bühnen, fondern a 
Paris (wohin fie öfter zurüdtehr rte und au 
ber Sprache fpielte), London, Berlin, trat 1857 

n Spanien, 1860 in Holland, 1861 in Rußland 
—F zeigte fh 1864 in Konftantinopel, drei Jahre 
fpäter i in Nord: und Südamerila, 1873 in London 
und Manchefter. Darauf wandte fie ſich nad} Auſtra⸗ 
lien, ſpäter nad) Deutſchland und Schweden. Ihre 
beften Rollen waren die Hauptrollen in Be 
·Francesca da Niminin, «Pia dei Tolomei», «Mac: 
beth», «Maria Stuarto. Das Talent der R. war 
ftark und umfangreich. An beften gelang ihr die 
Darftellung von Leidenfchaften, die heftiges Auf: 
und Ausbraufen zulafen. Sie "wußte u imponie: 
ren und zu blenden, aber noch mehr rührte und er: 
griff fie. Ihre Herzensergießungen, ihre feelen: 
vollen, innigen Töne, feurigen Ge erden, ächzenden 
Klänge, irren Blide ohnmächtig erfterbenden Seuf: 
zer waren von höchſter Naturwahrbeit, 

Riſtoruo (ital.) heißt befonders bei der Trans: 
port:(See:)Berfiderung der Nüdtritt des Verficher: 
ten vom Verfierungsvertrage. Derjelbe erfolgt 
tegelmäßi gegen Einbuße gewifler Prozente an der 
Prämie (fon. Niftornogebühr) und it im Zweifel 
nur dann zuläffig, wenn der verficherte Gegenftand 
gar nicht der Gefahr ausgeſetzt wurde, inäbefondere 
wenn das ganze Unternehmen aufgegeben wird, 

Risum teneätis, amici? (lat.), « Würbet 
Ihr Euch des Ladens erwehren, Freunde ?», Citat 
aus Doray, «Ars poetica» (3. 5). 

Rite (lat.), in feierlicher, förmlicher Weife, 


Riſtori — Ritſchl (Friedr. 


wilh.) 
Nitgen (Hugo Joſ. Maria von) jter 
Arhitet ei in Stabtberge bei ah in Mi 
alen 3, 1811, ftubierte in Gießen drei 
edizin taturwifienicaften, wandte fü 
——— der Architeltur zu, welche er unter 2 
55* in Darmſtadt, dann unter Hittorff 
Duban in —* aris und zulept unter oem er 
Klenze in Münden ftudierte. Im J 1834 babili- 
tierte er fih in Gießen als Docent des Baufadhz, 
wurde 1837 zum Nepetenten, gr um außerord. 
und 1843 zum ord. Mrofeffor de rchiteltur ers 
nannt, Im J. 1854 wurde ihm ve —— als 
Baurat und großherzogl. ſächſ. Hofbaurat 
— let —— — 1874 bi — 
e für Architeltur un enieurwi an dl 
von der Univerfität Gießen getrennt 
öhere te Ki e Schule in Darmftabt verl 
en, wurde R, die ana für Beuys * 
übertragen, Als praftifcher — fer bat fi 
insbefondere au * — bes P 
kannt — Sieben — u eh we 
äufer —* fillen nd Weimar, Ei 
ig. An firelichen A ee Me 
teil3 neu ausführte, teils reftaurierte find he —— 
nen: die Reſtauration der Friedhof stirche in Gie⸗ 
n, der Bau der Stadtlirche in + der Kapelle 
a Auauhobotplät in Berlin, der Etad in 
fig u. f.w. R.s bervorragendfte Arbeit ift je⸗ 
= die Wiederheritellung der Wartburg (feit 1847). 
Außerdem wurden von R. nod) eine — An⸗ 
len ea S lö 5 ne 
o Ludwigsed und Eifen f) 
—— 
eihlingen, Burg G 
ih war R. jr tu 


und Burg a ejenfe 
Be Gere 


Kulmba 
Schloß 
Auch ſchriftſielleri 
biete thätig und hat ſich als Mitbe 

maniſchen Mufeums in Nürnb 


l Mitglied des — — e 


verdient gema 


Ritornell der. ritornello, Wi olungs 
* in einem muſilaliſchen Stüde e 
cher während des Paufierens der Solo 


* dem begleitenden ng efpielt = - 
—— * —* —— ker Oder ober Dr 
onzertierende Inſtrumentali age ge⸗ 
endet hat, ‚ meiftens Note um Biel 
weshalb er au den Namen N. "erhalten bat, 
diefer beftimmten —* wurde das R. zuerſt in 
Arie des 17. Jahr ee Es 
jenigen Gedanken des Stüds, welche dazu 
ind, durch ftarten Vortrag und öftere —— 
dem ganzen Saß Geſtalt und Abrundung 

In der ital, Poeſie verfteht man ar IA tors 
nel en Heine, meiſt lolale dreizeilige Vollslieder 
der Gebirgabewohn * die — 
benußt werden. 
willlurlich, der J iſt a 
fürzefte, 9 erg die — 
unter fünf Füßen haben. 
höchſt einfach, wie es der Vortra 


ten deutſche a gelangt Di 
— in ee una * 


R W 1, 00.6 ar 
— der Ser Bi), di be geb. 6. 


1806 zu Großvargula in nt, 
u en *—— —— 
A af 1829 m Särift 
F em er ebendaſe 
— ine San 


«Schedae criticae» —— 


NUT (Albrecht) — Nitter (Heinr.) 


auch habilitiert hatte, erfolgte 1832 feine Ernennung 
zum außerord. Profeſſor und im Jahre darauf Ion 
— nach Breslau, wo ihm zugleich die Mit- 
direltion des philol, Seminars übertragen und er 
1834 zum ord, een befördert wurde. Im J. 
1839 wurde er al3 Profeſſor der llaſſiſchen Littera: 
tur und der Beredſamleit, ſowie als Mitdireltor des 
pbilol, Seminard nad Bonn berufen. Außerdem 
erhielt bier feine amtliche Thätigleit 1854 duxch 
feine Ernennung zum D —— durch die 
ihm übertragene Direltion des alademiſchen Kunft: 
mufeums und des Nheiniihen Mufeums vater: 
ländischer Altertümer, endlich durch die Erwählung 
zum PBräfidenten des Vereins von Altertumzsfreun: 
den im Rheinlande eine bedeutende Ermeiterung. 
Im J. 1865 folgte er einem Nufe an die Univer: 
fıtät Yeipzig, wo er mit demfelben glänzenden Er: 
folge wie in Bonn durch Vorlefungen, Leitung ber 
Übungen bes philol. Seminars und einer pbilol, 
Privatgeiellichaft bis zu feinem 9. Nov. 1876 er: 
folgten Tode wirlte, Heugniß dafür legen unter 
anderm bie von ihm unter dem Titel «Acta socie- 
tatis philologiae Lipsiensis» (6 Bde., Lpʒ. 1872— 
76) veröffentlichten Arbeiten feiner Schüler ab, 
eine Sammlung, welder eine frühere von feinen 
Schülern zur Feier feiner Zdjährigen Lehrthätigleit 
in Bonn veranitaltete («Symbola philologorum 
Bonnensium in honorem Frideriei Ritschelii 
eollecta», 2pz. 1864—67) würdig zur Geite fteht. 
R.s Hauptwerk iſt die mit den reichften Mitteln 
ausgeführte kritiiche Bearbeitung des Plautus, mit 
oe Prolegomenen über Kritik, Gramma- 
tif, Proſodie und Metrit des Plautus, die jedoch 
unvollendet geblieben ift (Bd. 1—3, Bonn u. Lp 
1848—54; 9 Komödien enthaltend; vom 1. Seh 
de3 2, Bandes ift 1871 eine 2. wefentlich umge: 
ftaltete Auflage erfchienen), durch welche dem kriti— 
ſchen Stubium ber altröm. Poeſie eine fefte Grund: 
lage gegeben worden iſt. Unter den verfchiedenen 
Vorarbeiten dazu nehmen die «Parerga Plautina et 
Terentiana » gen. 1845) den eriten Rang ein. 
Seine zahlreihen auf Plautus bezügliden Pro: 
vamme und Heinern Auffähe find im 2. Bande 
einer « Stleinen pbilol. Schriften» (2p5. 1868) ge: 
ſammelt. Gin weiteres Hauptverdienſt R.s befteht 
in der durch ihn zuerft angebahnten methodifchen 
Benutzung und Verwertung der Infchriften für bie 
lat. Sprachgeſchichte. Einen fichern Grund für der: 
artige Forihungen legte er in den «Priscae latini- 
tatis monumenta epigraphicar (Berl, 1862), einem 
Prachtwerle, in welchem auf mehr als 100 litho- 
grapbierten Tafeln in größtem Folio die getreueften 
Facſimiles der Inſchriften aus der voraugufteiichen 
Zeit enthalten und deren Benußung durch eine 
Cinleitung ſowie reichhaltige mdices_ erleichtert 
find. Die an diefes Wert eh anſchließenden Hei: 
nern Arbeiten enthält der 4. Band der «ftleinen 
ilol. en (Lp3. 1878). Andere Arbeiten 
‚3 Üiber das griech. und röm. Altertum find im 
1. und 3, Bande der « flleinen e- Schriften » 
(ps. 1867 u. 1877) vereinigt; Bd. 5 (2py. 1879) 
enthält «VBermifchtes». Auch war er Herausgeber 
bes «Mbeinifhen Mufeums für Philologie» (von 
1841 an bi zu feinem Ende, anfangs im Verein 
mit 3.6. Welder, dann mit A. Klette). Vgl. Lucian 
Müller, «Friedrich R.» (Berl, 1877), und namentlich 
Nibbed, «Fr. W. Ritſchlo (2Bde., p3.1879u. 1881), 
Nitſchl (Albrecht), einflußreiher evang. Theo: 
log, Vetter des vorigen, geb, 25. März 1822 zu 


725 


Berlin als So des nachherigen evang. Bifchofs 
Georg Karl Benjamin R. Goch, 1. Nov, 1783, 
peft. 18. Juni 1858), der 182854 —— * 
intendent von Pommern war und nad) feiner 
Emeritierung als Ehrenmitglied des Evangeliſchen 
Oberlirchenrats wieder zu Berlin lebte, R. Hhubierte 
zu Bonn, Halle, Heidelberg und Tübingen, babili: 
tierte fich 1846 in Bonn, wo er 1852 auferord,, 
1859 ord, Profefjor wurde, und folgte 1864 einem 
Rufe an bie Univerfität Göttingen, R. wurde 1874 
—* Konſiſtorialrat, 1878 zum außerordentlichen 

itgliede des hannov.Landeslonſiſtoriums ernannt. 
Im Sinne der Baurſchen Schule iſt die ae 
«Das Evangelium Marcions und das kanonif 
Gvangelium des Lulas» (Tüb, 1846) gehalten. In 
feiner «Entftehung ber altlath. Kirche» (Bonn 1850) 
verſuchte N. herft eine von Baur mehrfach abwei: 
ende un ung der Gedichte der alten Kirche 
zu begründen und gelangte in der zweiten völlig 
umgearbeiteten Ausgabe desjelben Werts (Bonn 
1857) zu einem Burögrefenen Oegenfabe u ber 
Methode und den Refultaten der Tübinger Schule. 
Seine fpätern Arbeiten führten ihn auf das dogma- 
tiiche Gebiet, Na dem Programm «De ira Dei» 
Bonn 1859) und einer Neihe von Abhandlungen 
n den e\jahrbüchern für deutiche Theologie» (1857 
—68) über die Lehre von Gott und bie Verjöh: 
nungslehre veröffentlichte er fein umfangreiches 
Merk über «Die hriftl., Lehre von ber Nechtferti: 
gung und der gg (3 Bde. Bonn 1870— 
74; 2. Aufl, 1852—83). Außerdem erfchienen von 
ihm der «allnterricht in der chriftl, Religion» (Bonn 
1875; 2. Aufl, 1881), «Schleiermachers Neben über 
die Religion und ihre Nachwirkungen in der evang. 
Kirche Deutichlands» (Bonn 1874), «Theologie und 
Metaphufil» (Bonn 1881) und «Gefhichte des Pie- 
tiämus» (bisher 2 Bde., Bonn 1880 u. 1884). N. it 
der Begründer einer eigenen, an mehrern deutfchen 
Univerlitäten verbreiteten Theologenfchule, welche 
beansprucht, die echte Erbin Luthers m fein und 
ugleih den alten Streit zwijchen Glauben und 

—5— durch vollſtändige Trennung der bei- 
derjeitigen Gebiete get zu haben, 

Nitichling, |. ! —98* 

Nitter, Sid foviel wie Saibling. 

Nitter und Rittertum, |. Nitterw .r 

Nitter (Heinr.), deuticher Philoſoph, geb. 
21, Nov. 1791 in exbſt, jtubierte zu Da: öt: 
tingen und Berlin Xheologte und Philofopbie. Im 
%. 1815 führte ihn das Aufgebot der Freiwilligen 
nad Paris, Im J. 1817 habilitierte er ſich zu 
Berlin, wo er 1824 eine auferord. Profeſſur er- 
hielt. Im J. 1833 folgte er einem Ruf nad Kiel, 
1837 einem jolden nad Göttingen, wo er bis zu 
einem Tode 3. Febr. 1869 wirkte. Die bedeutend: 
ten wien fänl 17 Arbeiten R.s betreffen. die 
Geſchichte der Philoſophie. Seine Unterfuhungen 
über bie Lehre des Empedolles (in Wolfs «Litteras 
riichen Analeften», 1820), feine «Gefchichte der ion. 
Bhilofopbier (Berl; 1821) umd die «Geſchichte der 
— bilojopbie» (Hamb. 1826) wurden 
ebenjo wie die «Bemerkungen über die Philoſophie 
der megarifchen Schule» in dem «Rheiniichen Du: 
ku (2. Jahrg.) als Zeugnis einer durch das Bei: 
piel Schleiermachers gebildeten gründlichen Art 
der Unterjuchung anerlannt. Sein Hauptwerl auf 
—*8 Gebiet it die allgemeine «Geſchichte ber 
Philofophie» (12 Bde, Hamb. 1829-53; 2. Aufl., 
Bd. 1—4, 1836—38), welche die Geſchichte diejer 


726 Nitter (Henry) — 


Wiſſenſchaft bis auf Kant herabführt. Derfelben 
reihen ſich an der «Berfud zur Berftändigung über 


die neuejte deutſche Philojophie feit Rant» (2. * ſch 
en 


Braunſchw. 1853) und «Die qriſtl. Philoſo 
nad ihrem Begriſff, ihren äußern Be 

und ihrer Ge Gedichte 5 bis auf die neueften Zeiten» 
ß 2 Bde., Gött. 1858—59). Die Reihe von R.s 
yftematiichen Darftellungen einzelner Gebiete und 
Lehren ber Philoſophie beginnt mit den «Bor: 
enge um Be in bie Logil» (Berl. —— 


Ritter (Karl) 


ut 
* Aufl 1 3) je 2 16 Mieten Srbeiten folgte das nee 


ausführliche ber die Erfenntnis Gottes in 
der Welt» (Hamb. 1836), die Abhanblung —— 
das Böfe» (Bet 1839), «Kleine philoſ. 

( [ 1839—40), « Syjtem 


. Bara: 
dora» (Pp3. u. oe r ber das an ey 8 
olgen» D. Peipers, Go 
allen —— 
von den herrſchenden 
dung und ns aus er site. —— 
tn rwachien. 
a * Genremaler, 
26. ER 1516 —* Tin rg — 
eine Studien in rg unter Gr 
—e wo ihm drei⸗ 
Studium x bereits ein Ontelier der Meilter: 
egeben wurde. Die 


einer Daritellun —— —— —— 
— ft eg 2 Roche 


d tol her Si —* 8 * Bun 
—* me gebiren zu. Daten von engl. 
TER en (1839); der Aufichneider 
(1841); tatsantrag in ber Normandie 


(1842), ae 1844 fein in * Galerie Ravene S 


— Bali tg © tbilb: ber ertrumlene | Teilen 


Da größte ana Bil: 
= 3 Er Wilddieb (1847). Ferner malte er: In: 
ne auf der —* vor dem Prairienbrand; die 

de bes Sohnes, und der Seelabett 
di trunfenen Matrojen —* im Wallrajj: 
Mufeum zu Köln, vielleicht feine gedieg Bei: 
ftung. Au bat er eine Menge Heinerer Werte, 
—— Zeichnungen für JUuſtrationen —* 
Zu — gehören die zu den ausgewählten 
Camp —* —— —— a. 

ampbaufen zu mu un 

;. 1856). be cr 21. Dez. 1858. 


(Karl), der ee Ben der neuern | wiflenf 


Zeit, >. 7. Aug. a 7 zu inburg, were 
nad dem früben es Waters jeine erjte Er: 
ziehung zu —— —E ſich — auf 
der Univerfität zu Halle zum Pädagogen aus und 
trat 1798 zu a a.M. als Erzieher in das 
Vethmann : Hollmegidhe Haus. Hier lernte er 1807 
Humbolbt —— Gr gar feine Zöglinge auf 
Br ige —— Genf, beſuchte mit Yon die 

yen, yen, Frankreich und Stalien und 
bel ee — 1814—19 zu Göttingen auf, um 
die Schäbe der Bibliothek zu benugen. Im J. 1819 










= an * S— 
Koloſſe von ** 


in den «Mona 


Igemm - * 
legt. Aus fi 
—— — — 
edungen» (Berl. 1861), aAber · Algemeine Erdlunde⸗ 


—— 


[7 WR ww CO WE WE 1 


— m vn u TE 





Ritter (Mori) — Nitterorden 127 


(Berl. 1862) und —* «Guropa» (Berl, 1863) von 
Daniel berau 3. 1865 wurde ihm 
ud g ein Denkmal errichtet. Seinem Un; 
nlen find ee die Karl: — un | 
zu Berlin (feit 1860) und die zu ze 0 
—— ide mit dem Buck. bie nde Ye 


von Reiſen ober wiſſenſchaftlichen 
Aebeiken zu Fordern. 


Bol. die Biographien R.s von er 
Halle 1864; 2. auf 1875) und x (Lond 
fowie Macthes Bee — 


Ritter (Morib), — —— 16. an, 1840 


ung Karl R 1» Kreisordnu 
ee au von 41 men un 6% b 


Be mt 
nben; us — ” über 
— 


Staaten ſehr verſchieden entwidelte —— in 2* 
per man on 


nat en 2 foweit bie eihe: 

nt 38 

Be ten, -% reußen hatten 

bie Befiper irilftimmen auf den 8: 
— waren anf den — en vertreten 
liefern noch als alter und befefligter 

Srundbefi ‚einen wejentlichen ng der er: 

wählten eder Herren ; die neue 


t. 
—— u Bayard 





nahmen dieſe 


oder geift r legten jene 
r en an, 
BER — 


a ie Mimden. ab, beugten 
RN tecbanf (Mdeliac Bant — unter eine ber vier gr ae 
hen 5 dem „ die Abtei» | Ti in, Benedilt und Franz, oder entwar⸗ 
lung, wo bie ihren nahmen; in e u - und Statuten 
ber niebere Adel, zum außer dem wandel 
der Grafen: und bant, f gegen bie — zur 7* 


3 in ale — ————————— 


—— kn hub Ar voten er. 


übrigens Teit 
dem Mittelalter in —— deutſchen 


— itter und die Tempelherren. Sie 


en 


Hagen Eine ii —— 
Auffi jeden Orden ein 

G ſter, Meiſter oder dem 
eine Art von t aus Rittern 
der Nitterrat 


— u “ Alles 


Geiſtliche vertrat ri rior ober Propft 
ein 9 
Bei ihren fromm-aBcetiicen und humanitären 
zeken waren Dice Wi. ————— 
voll idealen und bemütiger 
ln ee ber eriäten Slätn Ds mitt 
vermehrt ibr Grundbefih —* kn allen 
eine erftaumliche m. 
a en 
An und 
die ee des ee 





SR. waren der Johanniter cn u Sn a 
waren en, Die Deut, 


728 


ugleich bie älteften. Unter ben gelftlichen Orden 
{päteen Urf rungs find Die 1204 geitifteten Schwert: 
brüder in Livland und die von Alcantara und Ca— 
latraua in Spanien hervorzuheben. In letzterm 
Lande waren namentlid die Kämpfe gegen bie 
Mauren ber Entitehung geiftlier R. günitig. 
er ——— ——— * er 
möndi auf fih nahmen, gelten ber 
en Drben ber heil. Maria von ber Lilie in 
panien und der 1080 geftiftete Orden vom Löwen 
in Frankreich. Eine grobe Anzahl jept erloſchener 
weltlicher Drden verfolgte fittlihe Awede, wie ber 
Drden Sanlt Ghriftopbs, ber auf eapgteit ge: 
richtet war, ber rein adcetifche Totenlopforben des 
Herzogs Silvius Nimrod von Württemberg u. ſ. w. 
Andere Orden biefer Art hatten, befonders gegen 
Ende des Mittelalters, mehr das Anſehen von Ge: 
fellichaften und Bereinen. Länger en ſich, 
wenn auch in toten Formen erſtarrt, bie von Für: 
ften beſonders feit der Mitte des 13. Yahrb. ge: 
ftifteten Orden, ald zum großen Teil mit den In— 
terefien_ ber Dynaltie verbunden. Viele weltliche 
Drden führten fonderbare Namen. So 3.2. bie 
Damen von ber Art, einer der älteften Damen: 
orden, 1150 in Sm eftiftet; ber Drden vom 
zunehmenden Mond in Neapel; der Orden von ber 
alten Hade in Liegnik, 1290 begründet; bie Orden 
vom Stiefel, in Venedig 1332, und von der Schuppe, 
1417 in Spanien entitanden; die Damen vom Strid, 
1498 in Frankreich, ber Drden bes Zopfs (ber Lode), 
1385 in Ofterreich geltiftet, die Ritter mit ben Hör: 
nern, von dem Luchs, 1410 in Sübdeutichland 
u. ſ. w. Aus den geiltlichen und weltlihen R. ent: 
widelten fi, zum Zeil dur) Ummandlung biefer 
Nitterverbindungen, die modernen Orben (f. d.) zur 
Auszeihnung und Belohnung bürgerliher oder 
militärischer Berdienfte. Bol. Berrot, «Collection 
historique des ordres de chevalerie» (Par. * 
Biedenfeld, « by und Berfafjung aller geijt: 
lien und weltlichen R.» (2 Bde., Weim. 1841). 
Nitterorden des Heiligen Geiftes, |. Hei: 
liger-Geiſt-Orden. 
itterpferde (Lehnspferde) nannte man im 
Mittelalter, als die Ritterſchaft des Deutſchen 
Reichs und bie Vaſallen vermöge der Lehnsver— 
faſſung gehalten waren, dem JH: regen ober, 
als Lehnsleute eines Hei Svafallen, diefem Heer: 


folge zu leiften, die von ihnen zu ftellende Kriegs: 
mannf aft, welche damals nur in Berittenen be: 
ftand. Als in der Folge die Einrichtung des Kriegs⸗ 


weſens ſich änderte, wurde dieſe Obliegenheit der 
Lehnsleute pepen die Lehnsherren beibehalten, aber 
in eine Gel — verwandelt, welche ben ein- 
geführten Namen behielt. In Sachſen wurden 
auch die Donativgelder der Nitterichaft nach dem 
Verhältnis der R. ausgeſchrieben. Mit der Er: 
—* ſtehender Heere fielen die R. fort, doch 
wurde die Verpflichtung abgelöft. In Brandenbur 
waren von alters ber 4000 R. zu ſtellen, bo 
fonnte diefe Zahl feit dem Ende des 15. Sabrh. 
niemals zufammengebradht werben; Joachim I. ver: 
fügte 1523 nur über 523, und die Mufterungen von 
1568 und 1588 ergaben nur 1141, refp, 1732 R. 
Witterpocfie nennt man im allgemeinen bie 
poet. Schöpfungen des Mittelalters, infofern darin 
der Geiſt des Rittertums zum Ausdrud gelangt. 
Nitterfchaft bildete ſich beim Untergang als 
polit, Stand aus, indem diejenigen, welche fi) dem 
ritterlihen Kriegsdienſte gewidmet hatten, aud) 


Ritterorden bes Heiligen Geiftes — Nitterwefen 


ohne bie Nitterwürbe *x haben, inſofern 
ihnen der gleichzeitig entſtandene niedere Adel zu⸗ 
tam, bie R. eines Landes vorſtellten. Die R. wurde 
nun ein befonderer Geburtöftand, wie der Bürger: 
und Bauernftand, ſodaß IK ber hohe Abel, die 
eigentlien Fürften, von ihr ausſchieden. Im all: 
— iſt ſonach niederer Adel und R. glei 
edeutend. Wenn man von lekterer ſpricht, ſo 
aßt man aber den Abel eines Landes in feinen be: 
ondern forporativen Beziehungen als Befiker der 
Nittergüter u. f. w. auf. Vorzüglich von dieſer 
** Seite betrachtet, hat ſich die R. in dem beut: 
fen Staaten felbit bi3 auf die neuefte Zeit noch 
erhalten; nur kommt bann ber Begriff berielben 
bald in einer engern, bald in einer weitern Bedeu: 
tung vor, indem man in jener nur die adeligen 
Nittergutöbefiger, in biefer auch bie bürgerli 
unter der R. begreift. Zur Beit des ehemaligen 
Deutſchen Reichs wurde biefelbe (Reichsritterſchaft) 
in die reichsunmittelbare und die mittelbare oder 
landfäffige eingeteilt. Die R. eines Landes oder 
einer Brovinz iſt häufig in einer Korporation ver: 
eint und genießt dann deren Rechte, wodurch be: 
[onbers früher ihre Stellung auf ben Landtagen 
ehr einflußreich wurde, Dft hatten auch und haben 
um Teil noch jebt die R. ihre eigenen Nechte, bie 
* Ritterrechte, —* 3. B. das bremer, das 
livländer Ritterrecht u. ſ. w. früher hielten auch 
die einzelnen R., gleich der Reichsritterſchaft, be— 
ſondere Rittertage oder Verſammlungen, auf 
denen man über Standes: und Korporationsange 
legenheiten beratſchlagte. Außerdem finden ſich bei 
biefen N. aud) eigene Stiftungen und Anftalten 
fonftiger Art. In den Staaten, wo an bie Stelle 
der alten Lanbftände die wirkliche Repräfentativ: 
verfaflung getreten ift, hat natürlich die R. ihre 
olit. Bedeutung verloren, Vgl. Roth von Schreden: 
ein, «Geichichte ber ehemaligen freien Reichäritter: 
ideln (2 Bbe., Tüb. 1871). 
itterfi lag, f. unter Rittermefen, 
Nitteröhausd (Friedr. Emil), beliebter lyriſ 
Dichter, geb. 3. April 1834 zu Barmen, befuchte 
die Realſchule dafelbft, widmete fih dann dem 
Kaufmannsftand und machte längere Reiſen in 
—— England, Holland, Frantreid, Belgien 
und der Schweiz. Im J. 1849 trat er mit ver: 
ſchiedenen Beitgebihten im bie Öffentlichkeit, die 
Beifall fanden. Geit 1852 war R, Mitarbeiter an 
ie «Deutfhem Mufeum», dem «Bremer Sonn: 
tagsblatt» und andern Blättern. Er vertritt eine 
ride, leben3freubige Weltanfhauung und frei 
finnige Grundfäge auf religiöfem und polit. Ge: 
biet. Seine «Gedichte» (Elberf. 1854; 7. Aufl, 
Bresl. 1883) fanden allgemein günftige Aufna me, 
ebenfo bie «Freimaureriſchen Dichtungen» (2. Aufl, 
1883), die «Neuen Gedichte» (5. Aufl,, Lp 
1885), «Dem ger] (29. Aufl., Barm. 1878), 
Ai Oberſchleſien· (Barm. 1880), « Für die Not: 
leivenden am Rhein» (Barm, 1882), «Am Rhein 
und beim Wein» 6 Aufl., Lpz. 1885). R. Wohn: 
fig iſt ſeine Vaterſtadt Barmen, wo er als General; 
agent verſchiedener Aſſeluranzgeſellſchaften lebt. 
Nitterfporn Plane, ' Delphinium. 
Nittertage, f. unter Ritterſchaft. 
Ritterivefen bezeichnet den Inbegriff der da- 
rakteriſtiſchen Eigenſchaften und Erſcheinungen bes 
mittelalterlichen Kriegerſtandes. Obgleich in Deutſch⸗ 
land jeder freie Mann ebenſo berechtigt als ver⸗ 
pflichtet zur Fuhrung der Waffen war, fo bildeten 


. Nitterwefen 


dennoch ſchon in ben älteften Beiten, von benen 
man Kunde hat, bie Gefo Gate einen beſonders 
hervorragenden Kern im Vollsheer, und ihre Mit: 
glieder: erhielten von den Gefolgäheeren eine Aus: 
rüftung, zu welcher ſchon damals das Pferd als 
weſentliches Stü gehörte, Später, in den ger: 
manifchen, auf ben Trümmern de3 Römerreich3 er: 
richteten Monardien, gelangte das Gefolgewefen, 
in Verbindung mit dem Benefizialmefen oder ber 
Verleihung von Grundbefis gegen bie Verpflichtung 
perjönliher und einem frein Mann zuftändiger 
Dienftleiftung, zu fo bedeutender — — daß 
es allmählid) Fomohi das Untertbanenverhältnis 
als den Heerbann tal oil verzehrte. Denn bie 
noch fortbeitehende Verpflichtung u. perfönliden 
Kriegsdienſt, welche zugleich die Ausrü ng und 
Berproviantierung auf eigene Koften in ſich ſchloß, 
ward für die Mehrzahl der minder begüterten 
Freien fo drüdend, daß fie ed vorzogen, ald Da: 
allen in ein abhängiges Verhältnis zu einem rei: 
bern Freien zu treten, der dann als Senior für 
diejenigen, welche mit in den Strieg zogen, die Aus⸗ 
rüjtung übernahm und von ben aheimbleibenden 
zum Entgelt eine Abgabe erhob. Nur wo fie durch 
ſtädtiſche oder, wie in Friesland, durch ftärtere 
ländlihe Gemeindeverbände geſchüht wurden, er: 
bielten Pa Tee Leute in größerer Anzahl. So zer: 
fiel die Bevöllerung allmählich in zwei Klaſſen: 
eine, bie mit ber ellen um und dem Glanz der 
Kriegszüge aud) die Freiheiten und Ehrenrechle be: 
bauptete und fteigerte, welche von alters her mit 
dem Waffenrecht verbunden waren, und eine an- 
dere, die, in frieblicher Beſchäftigung daheimblei: 
bend, ſowohl an Ehren und Freiheiten einbüßte, 
als auch mit Abgaben und Dienften belaftet wurde. 
Die Glieder jener Klafie —— im allgemeinen, 
ohne Unterſchied der Abkunft und des Standes, fo: 
bald fie ins Feld zogen, milites oder armigeri 
(Kriegsleute, Waflenführende), im engern Sinn 
aber nannte man milites diejenigen, welde zu 
* dienten, und beſonders die freigeborenen 
nsmannen unter ihnen. Je mehr ſich nun ber 
Kriegsdienft (militia) in einen Ritterbienit * 
ftaltete, deſto höher ſtieg auch das Anſehen und die 
wirlfiche Bedeutung derjenigen, bie, durch größern 
eigenen oder lehnmäßigen Grunbbefip dazu be: 
fähigt, das ——— als milites im engern 
Sinn, als riter (Reiter) ober ritter berufsmäßig 
übten, und dem allgemeinen Zug des Mittelalters 
nadhgebend, geftaltete fi die Gefamtheit biefer 
Ritter immer mehr zu einem ordo, einer ben —* 
nungen ähnlichen und als Stand ſich abſondernden 
Genoſſenſchaft. Doch war dieſer Stand zunäch 
noch kein abgeſchloſſener, ſondern jeder frei un 
ehelich geborene Mann konnte, wenn er bie kriege⸗ 
riſche Lebensart ala Beruf ergriff, zum Ritter wer: 
ben; ja felbft den Minifterialen des Reichs und den 
weltlichen wie geiftlihen Herren, obſchon fie ihrer 
Herkunft nad ehr äufig nicht freie Leute waren, 
ftand ber Eintritt offen, weil je zu dem Anſehen, 
welches die Minifterialität verlieh, auch das Recht 
der Waffenfähigleit beſaßen. Entichiedener aber 
bildete die Sonderftellung der Ritter fih aus, je 
mehr e8 Gewohnheitsrecht wurbe, ſolche Leben, von 
denen ber Reichsdienſt zu Pferde geleiftet werben 
mußte, aud nur an Nachlommen von Männern zu 
ben, bie diefe Bedingung ſchon erfüllt hatten, 
ur Senna nbigen Ausbildung gediehen dieſe Ber: 
Itwiffe befonderd durch die Kreugzüge, wo alle 


129 


—— und roman. Volker zuſammentrafen, bie 
liter aber, Die ben Stern der Heere bildeten, ſich als 
ein durch befondere Eigentumlichleiten unb Rechte 
zuſammenhängendes und gleichgeſtelltes, über alle 
abenbländifchen Reiche aus ehehmte Adelsvolt im 
Gegenios zu ben übrigen Ständen fühlen lernten. 
ie Formen des N. erhielten ihre jeltere, in den 
—**— für das ganze Abendland geltende 
usprägung unter vorwiegendem Einfluß der franz. 
Nitterihaft. So geftaltete fih namentlich das hoͤ— 
Ihe, den Gipfelpuntt bes Rittertums charalteri⸗ 
terende Leben mit feiner eigentümlichen Litteratur, 
einer Auffaflung der Liebe und feinem Frauen: 
ienft, feinen bejondern Anfichten über die Ehre 
und einen dadurch bedingten Kreis — er 
Pflichten, ſeinen Familieneinrichtungen und ſeinen 
Feſten. Hauptgrundlage dieſes ausgebildeten Rit— 
tertums waren bie funitmäßige Führung der Waf— 
fen und ein chriſtlicher, Io durch die beſondern 
Standesbegriffe eigentümlich bedingter Lebenswan⸗ 
del. Zu den wichtigſten Waffen — die Brünne, 
die vom 11. bis 13. Jahrh. in einem Panzerhemd 
beitand, und der oder daz harnasch oder der hals- 
berc, auch diu halsberge (eigentlid) albere, alles 
bergend) genannt, beftehend aus einem Neß von 
Heinen, ineinander genieteten eifernen Ringen, wel: 
ches, in eine Kappe, Urmel und Hofen auslaufend, 
den ganzen Körper, mit Ausnahme des Geſichts 
und der Fuße, bededte. Unter ber Kappe ward ein 
fhühendes Politer (daz härsenier), über berfelben 
ein Helm oder Eiſenhut getragen, Brünnen oder 
Panzer aus eilernen Platten und eben ſolche Rü: 
ftungen für Pferde, wie fie gewöhnlich in gene: 
bäufern zu ſehen find, famen erft nad) den Sing: 
panzern in allgemeinen Gebraud. fiber den Pan: 
kr og man einen — bunten und koſtbaren 
affenrod, Gegen Schläge und Stiche fchügte der 
Schild. Zum Angriff aber diente der Speer und 
ein großes, mit beiden Händen zu ſchwingendes 
Schwert, deſſen Griff mit der Duerftange das ge: 
peiligte, aud zur Ablegung von Eiden benußte 
reuzesſymbol bildete. elegenbeit, bie erworbene 
Meifterfhaft im Gebraud aller Waffen und über: 
baupt alle höfiſchen Tugenden öffentlich zu zeigen 
und bewundern zu laflen, boten bie zahlreich be: 
ſuchten und mit allem Glanz des berrigenben 
Standes ——— Turniere, welche zwar in 
gerader, niemals unterbrochener Linie von den ur: 
alten Kampfipielen perRammen aber erft im 12. 
Jahrh. ihre eigentum de ritterliche Geftalterbielten. 
m ſolchen Anfprüden genügen = können, b: 
durfte e3 einer ftandes: und berufsmäßigen Gr: 
jidung und Bildung. Das Kindesalter fiel ledig: 
ich unter die Pflege der Frauen, ber Knabe (daz 
junkherrelin, der garzün) dagegen warb bis an 
as 14. oder 18. Jahr entweder außer bem elter: 
lichen Haufe bei einem andern Ritter oder doc) zu: 
leih mit andern Alterögenofjen unter einem be: 
Ionern Zuchtmeijter und nicht unter unmittelbarer 
eitung des Vaters erzogen , zu Lörperlichen Übun: . 
gen angehalten, auch wohl in Dicht: und Sanges: 
unft, !e tener in den Glementen der Willenichaft 
unterrichtet. Dann trat der ** in den Stand 
der Edellnechte, Knappen oder Junker (armigeri, 
famuli) und verharrte darin entweder als Dienft: 
mann irgend eines andern Ritter oder erhielt nach 
eg rag Probezeit wirklich die Ritter: 
würde. Lebtere konnte zwar jeder Ritter erteilen, 
gewöhnlich aber wurde de von einem angejehenen 


innerten, je — 
Berlichingen, an ſeine jrübere tiefe Bedeutung. | lid) 


730 


Herrn unter genau beſtimmten feierlichen Formen 
verliehen. Zum feierlihen Ritterſchlage (der 
swertleite, wertnahme), weldhe ver uralten 
Wehrhaftmachung entſprach und gleich dieſer aud) 
Unmündigen bie Rechte der Mundigleit gab, ges 

tte eine PBorbereitung durch otteädienftliche 

bungen, Beihhte und Anbörung Meile, ein 
Gelübde der Treue gegen Kirche und Kaiſer, der 
Adıtung gegen Frauen, des Schubes von Witwen, 
Baifen und Bedrängten und geziemenden chriſt⸗ 
lien und ritterlihen Lebenswandels, ferner bie 
Umgürtung mit bem wertriemen (cingulum 
militare), als dem untericheidenden Keunzeichen 
des Nitterd, und ein Schlag, der zugleich an bie 
Leiden Chrifti und die daraus hergeleiteten Pflich⸗ 
ten mahnen und ber lebte jein jollte, den ber Ritter 
dulden dürfe. Wer ritterlihen Namens fih un: 
würdig gemacht hatte, konnte unter entſprechenden 
feierlichen Formen diejer Würde wieder entlleidet 
werben. Auch die Töchter der Ritter wurden gern 


Nittmeifter — Riva 






* jeht * Sriola als Abel 
wurde und fo bem : 
Bauernitandb n ——— 
—— ittergüter) bie 
eines rechten Yehns oder 

die Freiheit von Steuern 
jog. Ritterpferbes 
einige andere 

entitand die Nitterf 
tertum iR nichts 











Bürger: 











ft ll. 


außer dem elterlihen Haufe, bei dem Lehnäheren | bene 


oder in einem Kloſter erzogen und im Leſen und 
Schreiben unterridtet; wie denn bei Erbſchaften 
die Gebet: und Bialmbücder ihnen zufielen und 
Dichtlunſt und Muft von ihnen gepflegt wurde. 
Im allgemeinen jedoch richtete ſich ihre Erziehung 
auf bie — ns DR für den Nupen bes 
ujes. Zur Zeit des höfichen Lebens wurden 
n und Jungfrauen in Deutjchland nicht mehr 
d ftreng auf vn ee in der Burg ein: 
deſchränit, ſondern bewegten ſich häufiger in Näns 
nergefelljcha vor, Den den eye ftrengen, 
rüfen zumeilen abweichenden 
Gtifette. Bol. Weinhold, « Die beutjchen Frauen 
in dem Mittelalter» (Wien 1851). 
In folder aus weltlichen und geiftlihen Elemen: 
ten gemifchten innungsmäßigen Ausbildung, die 
in ben Nitterorden fogar eine vorwiegend g 








der vor der 

wert ein von 83,15 q 

‚Der Fleden Nigebüttel: 
und Graben 


Richtung ‚traten bieRitter mit dem 13. gründetes Karrenſeebad 
als — Ban auch rechtlich über die * 


bar freien Leute, bildeten ritterliche Geſ 
deren Gliedern ihr Nang dann (ten 


wenn —— - er. een en 4 

beruf trieben, verlan r 

nahme in ihren Kreis rittermäßi Geburt, a 

Abſta von ritterlichen und Grob: | OR 

eltern, und begannen demgemäß auch, ftatt der bis- | i 
willtürlicen,, feite forterbende Abzeichen auf 
ilden und Helmen, db. i. Wappen, zu führen, 


die auch in das Giegel gejeht wurden. 
Stürmen deö 14. und 15. Jahrh. erlojch in be: 
ſchleunigtem Gange mit der feinen höfiſchen Bil: 


unter den | be 


dung aud) der über das Rittertum gebreitete poe: | Thonwaren, fo 


—* Glanz. Nur in wenigen Landſtrichen, wie 
>». 
ebene Bedingungen beitimmt, nod eine Nach— 
lüte. Im allgemeinen verfiel es rohern Genüflen, 
wũſter Fehde und Wegelagerung (Nanbritter), 


in Preußen, trieb es, durch örtliche, hiftorisch | Wallfahrts 


und nur einzelne hervorragende Berfönlidhleiten er: | am See 


in fpäterer Zeit, wie Göß von 


Der Ritteritand jedoch, mit dem bie Mimiülteria- 
fen nun gänzlich verſchmolzen, bewahrte nicht allein 
ſeine ſchon erlangten Vorrechte, ſondern wußte ſie 
auch noch zu erweitern, obſchon ſeine eigentlichen 
—— und Leiſtungen mit der veränderten Krieg⸗ 
führung aufbörten. Er ſchloß ſich genen die andern 
Stände vollitändig ab, erreichte für jeine Mitglie- 
ber die volltommene Unveräußerlichleit des Range, | 









en A rn 
ji der Sweheen vom 


im Norboften nn Monte-Brione, 36ım 


Rivarol — Nivoli (Dorf) 731 


über ——— mit zwei dei anf der Rorb: und 
ur einen jhönen —* über das 
Thal und aft den. den ga See. Nur 4 km ſudweſt⸗ 
lid) bildet der Ponale Turz vor feinem Austritt aus 


dem Ledrothal in den See einen berühmten Waſſer⸗ 
er Die neue Kunſtſtraße, eine der Fühnften und | jeitigen 


obartigften, welche, anden lawänden des weit. 
a ee © 
ewien (über ngende en) anit 
Durch das Ledrothal mit Brescia in Berbindung 
fegt , bietet bie re —* — Nach Kor 
den führt von. —— ———— 
tiſche —— o und an die Poſtſtraße 
von —— nach — nad) Often eine Etraße 
zur Station Mori der Bahn Inns brud· Verona 
Nivarol (Antoine, Graf), franz. Eugen, 
geb. 26. Juni 1758 zu Bagnoßs in 


ging er nad) ‚wo er a. den vor: 

neömfen Eirteln —— Ge ... 
Grafentitel tn —*— un u rt ft: 

fteller trat er zuerjt mit 

Gedichts «Les jardins» ara) er; — das auch 

feine Parodie «Le chou et le navet» 

Sein «Discours sur l’universalit& de la rd 

frangaise» (1784) wurde von —— zu an | Die 


er die «Vie politigue de Lafayette» (1792) fdhrieb, 
i in Ber: 
Gern na Benbug, Enden n@ 
feinen S ——— 
tragung der « Hölle» 

der. TERS) Zt khe Ga 


1862). Bo —— "Notes sur ru (a. 189 


Lescure, «R. et la sociöte 
revolution et T’&migration» Fr 

Ein jüngerer Bruber R.E, laude François, 
Bicomtebe3 be R., geb. 6. Juni 1762, geit. 6. 'Yumi 
1848, war Infanteri ‚ alö bie Revolution 


ausbrach, und hat ſich in der militärifchen La 
bahn jowie ud —— als Schriftſteller durch esse | 
de ’homme» (1782), das Gedicht 
ee a abe in ben «Veu- 
vres littsraires» (4 Bde., Bar. 1799) gefammelte 
Arbeiten hervorge 
Nivarolo Eanadefe, Stadt in ber ital. — 
vinz und im Bezirk Turin, rechts am Drco, 
tion ber Lokalbahn Settimo a Be 
It (1881) 3866 (Gemeinde 7268) E. und hat 
ummollinbu 
Nivarolo igute, Dekan: We" — — * 
vinz und im Bezirt Genua, 
bevölterten Thal des igurifcen %p Bann, * 
an ber meiſt waſſerloſen, 2, Du iten aber treibenden 
Polcevera, Station iſenbahn Mailand: 


Gaftwirt war. Gr wurbe olbat und und 


2 und 


Genua, zählt (1881) 6625 (Gemeinde .8882) E. 
und bat prächtige Billen genuefer Batricier. 
ad (Herzog von), j. —* (Angel be). 
Rive:de-Bier, Stadt im Depart. Loire, 
Arrondifiement St. tienne, am Gier, einem rechts: 
uß des Rhöne, und am Beginn des 
Giertanals, weldyer bier jein Reſervoir hat und von 
R. nad) Givors am Rhöne führt, Station der Linie 
St.»Gtienne:?yon der Paris⸗ yon: Mittelmeerbahn, 
(1881) 16816. ‚Steintoblengrnben, Maſchinen⸗ 
/ —— Glashütten und Seidenindujtrie, 
n im franz. Depart. Size, Arron: 
biflemen t-Marcellin, an der Sure a 
gu: ein 42 m hoher Piabult von 16 Bogen 
tation der Linien Zyom: Grenoble und R.: > 
Rambert ber Paris:Lyon:Mittelmeerbabn, zählt 
(1881) 1669 (Gemeinde 2975) E. und hat Seiden⸗ 
Seinweberei, Stahl: und —— 
Rivefaltes, ee: im franz. P 
Qrientales, Arrondiſſement Perpignan, am Aply, 
Station der Linie Narbonne⸗ Berpignan : Rortbou 


der Gübba It (1881) 6980 E. produziert 
einen Be an and —— 
brennereien, Ölmüblen und 


Riviera heißt der mal, ER 
—5 beit, a Seren 
ia bin Ai und ws Kultur, Begetation 
ng erufict auszeichnet. Genua macht 


wiichen der Riviera bi Bonente 
—— we ler —— diLevante 
oder dem voſtl. Ufer. Ru Be, welde 
an ber eine ber ji und in: 
terefianteften der man mit Namen 
R., während die fühn an Em Dee 
längs der Hüfte von Marieille über ig DA 
nua führt, bie n Genua 


Cornichebahn heißt. 
an folgt biefe Linie der Riviera bi Levante 
fchliefst ſich bei Spezia ans toscan. Sahpigfen on. em. 


Ni 

ton TE, — wech Br he neun Val 

Leventina), vom Teſſin bewäfjert, von der 

bahn durchzogen, von Biasca bis Bellinzona (}. * 

moi Wioiere (Serie Sauren) fan b 

x un 

hg ee * — — 
n, 

—— an der Spitze einer ng von De: 


portierten 1878 ben Aufitand ber Wilben in Neu- 
calevonien, überrumpelte 2. April 1882 bie Sy 
Hanoi in Tongting, fiel aber 19. Mai 1888 bei 
einem Ausfall aus Ar Plag, welden bie Anna: 
miten eingeſchloſſen hielten. '& ſchrieb viele No: 
vellen und Romane, in denen fi) ein träftiges Ta: 
—— bet. fowie Theaterjtüde und hiltor. Ab: 


all. Dorfi 3 ei ital. Sube bs Verona, Be: 
irl ee de3 Monte-Baldo 
A Ctich ge — iuſi, durch 
ae = "jenfeitigen Ufer der bie große 
Straße von Trient nad) Rerona führt, wurbe dent: 
wurdig durch bie ug acht am = und 15. Yan. 
1797 wiſchen den iterreihern und Franzojen. 
MWurmfer war in Mantua "eingejchlofien, und die 
Bfterreicher hatten bereits fruchtloſe Entfahver: 
cht. Alvinczy jammelte im an. 1797 
beträchtliche Streitfrätte in Tirol, Tieb ein Korps 
unter Provera durch das Vicentinifche gegen 
Mantua vorrüden und Berona angreiien. Bei X. 
ftand ein franz. Beobadıtungstorps unter Noubert, 


132 


Bonapartes Hauptmacht bei Berona und Legnago. 
Am — ſehten ſich Die Oſterreicher in Bewegung 
und griffen am 12. Joubert an, ber ſich in ber 
Stellung bei La⸗Corona den Tag über behauptete 
und erjt nach Umgehung feines linken Flügels . 
N. zurüdging. Bonaparte ließ Augereau zurü 
und brad) 13. Jan, abends mit Maſſena (22000 
Mann) nah R. auf, wo er, den Truppen voraus: 
eilend, in der Nacht anlam und den Befehl zum 
Angriff auf die getrennten Streitlräfte bed Feindes 
gab. Diefer ging am 14. von allen Seiten gegen 
die Stellung von R. vor, und die Schlacht begann. 
Joubert nahm die Höhen, auch das wichtige San: 
Marco und drang gegen bie öfterr. Hauptmacht im 
Thal von Gaprino vor, wo es zu beftigem Kampf 
fam. Sein linter Flügel wurde geihlagen; doch 
ftellte Mafjena das Sefecht ber und warf den Feind 
bis zum Monte-Baldo zurüd. Unterdefien war 
eine öfter. Kolonne durch das Etſchthal gedrungen, 
fing an, fi auf der Hochebene vor R. zu entwideln, 
und gefährdete ben — rechten Flügel, während 
ber linfe mit Umgehung bedroht war. Aber Bo: 
naparte ließ diefe durch fünf Bataillone aufhalten 
und warf mit andern Truppen Jouberts nebit ber 
Nefervelavallerie jene Kolonne zurüd. Hierau 
ſchlug Joubert die von neuem vorrüdenden Dfter: 
reicher im Centrum völlig in die Flucht. Die Um: 
aehungstolonne (Divifion Lufignan), gegen welde 
"Bonaparte perfönlich Artillerie vorführte. wurde 
an den Gardaſee gedrängt und mußte ſich dort er: 
geben. Alvinczy felbjt wurde bis in die Stellung 
von Corona zurüdgebrängt, und am 15. von ‘ou: 
bert nach Tirol zurüdgefchlagen, während Bona: 
parte mit der Divifion Maflena nad Mantua zu: 
rüdfehrte. Die Franzofen machten über 20000 
Gefangene und eroberten 46 Kanonen. Maflenas 
(j. d.) Verbienfte in diefer Schlacht lohnte Napoleon 
1807 durch den Titel eines Herzogs von R. Schon 
vorher hatten bei R, zwei größere Gefechte ſtatige— 
funden; 6. Aug. 1796 ftürmte Maflena die öfterr. 
Etellung, welde 17. Aug: vom oͤſterr. General 
Davidowich wieder genommen, aber 20. Aug. be: 
reits wieder aufgegeben wurde. 

Rivdli (mittellat, Rivollum), Stadt in der ital. 
Provinz und im Bezirk Turin, Station der ſchmal—⸗ 
add ir Lolalbahn Zurin:R., zählt (1881) 6339 €. 
und bat Woll:, Leins und Seidenzeugmweberei, 
Maccaronifabritation und ein königl. Schloß, eins 
der beiten Werte Juvaras. 

Rivdli, Herzog von, ſ. Maffena, 

Nivnlariaccen, f. unter Algen. 

Nizdorf, Dorf im SSD. in unmittelbarer Nähe 
von Berlin gelegen, zum Kreiſe Teltow des Negie: 
rungsbezirls Potsdam gehörig, beftand bis 1874 
aus Böhmisch: R, und Deutfch:N. Das erftere, von 

riedri ilhelm I. gegründet, iſt eine Kolonie 
öhm. 9 — welche mit ihrem Prediger 
Auguſtin Schuß 1737 auf den ihr angewieſenen 
Koloniftenftellen fich niederliehen. Deutſch⸗R., wel: 
des 1360 Richardsdorf, 1435 Riegenstorp hieß, 
gehörte früher dem Johanniterorden. Patron iſi 
jeht der Magiftrat von Berlin. R. ift durch zwei 
Pferdebahnen und durch die Berliner Stadt: und 
Ringbahn mit Berlin verbunden, it Siß eines 
Amtsgerichts, zählt (1885) 23173 meift prot. E. 
und bat drei Brauereien, eine Mälzerei, mehrere 
Mollwaren: und Gummimwaren:, ſowie Pinoleum: 
—7— mehrere Großtiſchlereien und ſtarle Klein: 

uſtrie. 


Rivoli (Stadt) — Rizzio 


Nixheim, Dorf in Kreiſe Nülhaufen des elſaß⸗ 
lothring. Bezirks Oberelſaß, liegt 6 km öſtlich von 
Mulhauſen an der Eiſenbahnlinie Straßburg:Bafel 
und zählt (1885) 3139 meift fath. E. und hat große 
Papier: und Tapetenfabrilen. j 

ug = Paſcha (Haflan) oder Riſa nes a, 
türt, Rriegäminifter, geb. um 1810 zu Konftantino: 
pel, wurde auf Befehl bes Sultans Mahmud II. 
im Serail erzogen und Nie durch die Gunſt bes 
Sultans raſch zum Mitglied des Staatsrats empor. 
Seit 1839 Paſcha, wurde er 1843 zum Sriegs- 
minifter ernannt und erwarb ſich ala Volker durd 
energifhe Durhführung der Neorganifation bes 
osman. Heers große Berdienfte. Nachdem er 1880 
abgejept worden war, übernahm er 10. Jan, 1851 
das Kriegsminiſterium wieder, ohne jedoch den ge: 
begten Erwartungen zu entiprehen. Später war 
er noch mehrmals auf kurze Zeit Kriegsminiſter, feit 
1868 Miniſter ohne Bortefeuille, 1873— 74 Marine: 
minifter, 1875 wieder auf kurze F Kriegsminiſter. 
Gr ſtarb 24. Nov. 1877 in Konſtantinopel. 

Nizch, Jrizeh, im Altertum Rhizüs, F 
— J. Rhizaeon, Hafenſtadt im türf. Bi— 

ajet und Sandſchak Trapezunt, an der Sudoſtküſte 


fl des Kay Meers, 65 km öſtlich von Trape: 


zunt, hat 4000 G., Leinweberei, Fabrifation von 
Rupfermaren und Handel. Die Vegetation ber 
Umgebung des prachtvoll gelegenen Orts _ift eine 
üppige. N busnt Zeit war R. Biihofsfis. 
1308: erulos (Yalowatis), ge. Staat>: 
mann und Dichter, geb. 1778 zu Honftantinopel, 
aus einer Yanariotenfamilie, gelangte zu hoben 
Stellungen im Dienfte der Hofpodare der Moldau, 
— auch der Walachei. Der Ausbruch der griech. 
Revolution in den Donaufürſtentümern im Febr. 
1821 endigte indeſſen hier feine polit. Laufbahn, Im 
J. 1823 reifte er nad) Genf, wo er 1826 über die neu: 
griech. Litteratur Vorträge in TR Sta bielt, 
die daſelbſt 1827 unter dem Titel «Cours de littöra- 
ture grecque moderne» (deutijch von Müller, Mainz 
1827; neugricdh., Athen 1872) erfchienen. Im J. 
1828 wandte er ih mit Kapodiftrias nad Griechen: 
land, wurde zum außerordentlien Kommiflar der 
Gylladen und 1829 zum erften Sefretär der Natio- 
nalverfammlung von Argos ernannt. Mai 
1832 wurde er Minifter des Kultus, 1833 Nomardı 
der Cylladen, 1834 Minifter des königl. Haufes 
und der auswärtigen Angelegenheiten, und balb 
nachher un er auch das Minifterium des Aultus 
und öffentlichen Unterrichts wieder. R. wurbe 1837 
biefer Amter enthoben, bis er 1841 abermals auf 
einige Beit ald Staatsfelretär de3 Auswärtigen 
und des Kultus ind Minifterium trat. Gr ftarb 
als Gejandter in Konftantinopel im Dez. 1850. 

N. veröffentlichte, außer zwei Trauerfpielen «’Ao- 
raola» (Wien 1813; Lpz. 1823) und «lloruScm» 
(Wien 1814), einige Gefänge eines fatirifchen Ge⸗ 
dicht3 auf die *anarioten unter dem Zitel aKovsxa; 
Spray» (Wien 1816, Athen 1842). In einem 
Luftpiel aKopaxısıma» (Stonftantinopel 1813) 
* er dad Syſtem des Korais (ſ. d.), die neu: 
griech. Sprache zu fchreiben, lächerlih. Auch fchrieb 
er «Fragmentshistor.sur les &venements militaires 
relatifs & l’invasion d’Ypsilantis en Moldarvie» 
—85 1822) und «Ilistoiremoderne de la Gröce 

Genf 1828; beutich von Eiſenbach, Lpz. 1830). 

Nizzio (David), Vertrauter der — Konigin 
Maria Stuart, geb. zu Boncalieri in Piemont, hatte 
dem Erzbiſchof von Zurin als Setretär gedient, bis 


Rjäſan — Nobbenfelle 


er in derſelben Stellung dem Grafen von Morella 
der als Gefandter des Herjogd von Savoyen nad) 
Schottland ging, folgte. Ein guter Mufiter, des 
Sranzöfiien wie des inlienifeen mächtig, ig; 
er von Maria Stuart 1564 eine Stelle in ihrer 
Haustapelle, fpäter erhob fie ihn zu ihrem Sefretär 
für franz. Ausfertigungen, Ein Liebesverhältnis 
getan ihm und feiner. Herrin hat nicht beitanden. 

er Günftling war, obwohl nod jung, unſchön, 
orämlich und abjtoßend, aber immer braudbar und 
dienftfertig. Als vertrautefter Kabinettsſelretär ſah 
er die Königin fo oft er wollte, und fpeilte an ihrer 
Tafel. Er felbit Er wejentlich die Heirat Darn⸗ 
leys mit Maria befördert ; aber aus dem Vertrauen 
der Königin hatte ihn diefer nicht entfernt, ja Darn⸗ 
ley ſchob ihm die Schuld daran zu, da fi Maria 
feinem Streben nad) Teilung der Krongewalt be: 
barrlid widerfehte. So beihloß Darnley, den 
Abenteurer zu bejeitigen, und ſeßte fich mit den 
prot, Lords, welche die kath. Politit Rs verab:- 
ſcheuten, in Verbindung. Am 9. März 1566, als 
die Königin mit der Gräfin Argyle, En Hof: 
leuten und R. in Holyroodhoufe zu Abend fpeiite, 
drangen die Verſchworenen bewaffnet in dasgimmer 
ein, Über die Schultern der Königin hinweg ver: 
wundeten fie R., der fich zu ihr geflüchtet hatte, und 
fchleppten ihn zur Treppe hinaus, wo er mehr als 
50 Wunden erlag. 

Niäfan oder Räfan, ein 42 098,3 qkm großes, 
von (1882) 1713581 €. bevölfertes Gouvernement 
beö europ. Rußland, weldes das alte Fürftentum 
gleichen Namens begreift, wird von den Gouverne: 
ments. Mostau, Wladimir, Tambow und Tula be: 
grenit und Fr eine von den fruchtbarſten und in 
limatifcher Hinficht mildeften Brovinzen des Reichs, 
Der ** ift die Ola, an der die wichtigften 
Städte: R., Spast und Kaſſimow, liegen. Rind: 
vich: und Pferdezucht, auch Schaf: und —** 
werden ſtart betrieben, und die Stutereien find im 
ganzen Reiche berühmt. Von Mineralien hat man 
beſonders Sumpfeifen, Bitriol und Schwefel. An 
der Spipe der Induſtrie fteht die Baummoll: 
fabrifation (81 Proz.), außerdem gibt es viele Tuch⸗, 
Leder:, Stahl: und Eifenwarenfabriten und Glas: 
bhütten. Der Landmann ift bier ebenfalls gewerb: 
thätiger als in vielen andern ruſſ. Gouvernements. 
Der Handel, durd die ſchiffbare Dfa, die in die 
Wolga mündet, und durch nhauficen begünftigt, 
hat feinen Sih befonders in R. und Kaffimorm, mo 
außer den Nuffen auch viele Tataren daran teil: 
nehmen. . Seit 1866 jteht das Gouvernement durch 
die Noslau:Koslower Bahn mit dem ruff. Eifen: 
bahnnehe in Verbindung. 

ie Hauptſtadt Rjaſan, am Einfluß des Ly⸗ 
bed in den Trubeich, unfern der Ola, an ben Eifen: 
bahnen Moslau:R. und R.Koslow, ift eine regel: 
mäßig angelegte, Shöne Stadt mit gutgepflafterten 
Straßen, gefälligen Häufern und Gärten. Sie ift 
©it eines Erzbiſchofs, hat ein geiitliches Seminar, 
ein Gymnafium, eine Adelsſchule, acht andere 
Schulen, ein Mäbhengumnafium, eine Filiale der 
Reihebant und 30420 Be E. Am rechten Ufer 
ber Dla rest km * der Stadt das große 
Dorf Alt:Rjäfan (xuſſ. Staraja-Rjäsan), im 
Kreife Spast, früher eine bedeutende Stadt, von 
ber — eine große Citadelle vorhanden iſt. 

Riafhſk, Kreisſtadt im ruf. Gouvernement 
Nidfan, an dem fteilen und hohen Ufer der Chupta 
und an dem Vereinigungsvunlt der Rijälan: Kos: 


733 


lower Gifenbahnlinie mit der R.:Morfchanfter und 
der R.:-Wjasmaer Bahn, mit (1882) 4344 E,, weldye 
Handel mit Rohprodulten treiben, 

Riufanfos \ > ber rauchende Fall), berühmter 
norweg. Waflerfall, von 245 m ſenkrechter Höhe, 
gebildet vom Maan:Elf, liegt in Telemarlen, Amt 
Bratöberg, weftlid vom Gauſta-Fjeld. 

Noanue, franz. Arrondifiementshauptitabt im 
Depart. Loire, lint3 an der Loire, über welche eine 
jteinerne, 191 m lange Brüde führt, am Anfang 
des Kanals Lateral, der zunächſt abwärts nad) Dis 
goin führt, Station der Linien Paris-Revers⸗Lyon 
(Ligne du Bourbonnaig), R.:Baraysle:Monial und 
R.St. Etienne-Lyon der Barid:Lyon:-Mittelmeer: 
bahn, 80 km nordweſtlich von Lyon, ift gut gebaut, 
Sih eines Handelstribunals, hat ein College, zahl: 
reihe gallosröm, Altertümer, wie — 
Sarlophage u. ſ. w., und zählt (1881) 25425 6. 
Die Stadt liegt in einem Steinlohlenbeden, bat 
anſehnliche Baummwollipinnereien, welche 1200 Ar: 
beiter — Fürbersien, Gerkeselen, Danense, 
und Hutfabrifen, Webereien von Baummollitoifen 
und treibt Tranfithandel mit Steinlohlen, Getreide, 
Wein, Mehl, Bretternu. f.w. R.,da8Rodumna 
oder Roidomna ber Römer, zu Cäfars Zeit 
Stadt der Segufianer, mittellat, Rohenna im 
Pagus Rodonensis, war unter den Balois Seig— 
neurie, unter ben Bourbonen Herzogtum. _ 

Roanoke, Fluß in den nordbamerif. Staaten 
Virginia und Nordcarolina, wird durch den Dan 
und den Stauntonfluß, welde auf den Alleghanies 
in Birgina —— und ſich bei Clarlesville ver⸗ 
einigen, gebildet und fließt ſudöſtlich in den Albe- 
marle Sound, nahe bei Plymouth in Nordcarolina. 
Der eigentliche R. ift 400 km, mit dem Staunton 
720 km lang und bis Weldon (200 km) —38 

Roatan, die größte der Bay-Inſeln (f. d.). 

Nobben, |. Sceehunde. , 

Robbenfelfe. n den Handel kommen die Felle 
von mindeftens 20 Robbenarten, gi unterfcheidet 
man in der er nr nur zwei Arten: Haar: 
Seehunde (engl. Hear Seals), mit ftraff anliegen: 
dem fürzern Oberhaar, und Wels: oder Biber: 
Seehunde (Fur Seals), welche unter dem Ober: 

aar sg eine fehr feine, ge gr Grundwolle 

aben. Yu leßtern gehören der Seebär zwiſchen 
Kamtjchatla und Alasta, die Ohrenrobbe in der 
Südfee und noch einige Robbenarten in den ſudl. 
Gewäflern. Die Felle werden auf der Zleifchfeite 
mit Kalt gebeizt, bis die tiejfihenden Oberhaare ge: 
lodert find und abgeihabt werden lönnen, während 
die Unterhaare haften bleiben, Dieſe werden nun 
meift dunfel:taftanienbraun gefärbt, und die fo dem 
ſchönſten braunen Samt gleihenden Felle finden 
Verwendung zu allerhand feiner Belleidung (dem 
fog. Bibermügen u. * Die Alasla⸗Company 
bringt an rohen Fellen ſolcher Art — 150000 
Stüd nad) London im Werte von 9 Mill, Mark. 

Der Sauptfeng der Haarfeehunde findet auf Neu: 
fundland, Neuſchottland und Labrador ftatt, wo fie, 
auf den Eisbergen lagernd, aus dem Bolarmeer 
herbeigetrieben werden. Die Felle lommen nad) 
der Brauchbarkeit fortiert in den Handel, werden 

u größerm Teil zu Leder verarbeitet und geben ein 
Veh gutes Schubhleder (aus et Fellen 
werden die feinſten Damenſchuhe gemacht), oder, 
wie der gemeine Seehund, mit dem Haar zpenerbt 
und zum Teil gefärbt und dienen fofern Militär⸗ 
und Sattlergweden, zu Koffern, Torniftern u. dgl, 


734 


Nobbia (della), Name einer florentin. Hünjtier: 
familie, bie ſich vorzüglih berfihmt machte durch 
Vildwerfe aus gebranntem 
farbiger. Glaſur und von jo vortreffliher Arbeit, 
daß jte neben. Marmor: und Erzitulpturen Geltun x Iiker 
erlangten. Der Erfinder diejer eigenen ne ne 
war Yuca della N. (1399 —1482). 
er auch ald Marmorbilbner —5*— en 
tanzende Kunſtler im jlorentiner Rationalnınfeum) 
und Gr gieher * ür im Dom zu —— in 
hohem Anſehen. Zum Thon als Material zu greifen, 
mochte ihn der milde X onheitszug, der ihm —— 
und welcher ſich in den weichem Stoff gut 
neben läßt, veranfafit haben. Doc, war Si Sitte, 
Bauwerle durch gebrannte und farbige Thonreliefs 
zu — ſo in Italien eingebürgert, daß 
die —* Biel a re Auffalliges "Neu 
it nur die weiße lafur, welde R. feinen Ne: 
lieſs gab. ——— zeigt er ſich in der ung 
der Jarben im Verhältnis zu jeimen Zeitgenoſſen 
jebr mafvoll, begnügt ſich bei den Fr änzen, 
welche die 9 Nelierbilder einrahbmen mit wenigen 
(blauen, gelben) Tönen. Bon Luca jelbft Per: nur 
einige Terracotten (Gappella. de Bazzi bei Santa- 
Groce, Kapellen in San: Miniato, im Dom u. a.) 
befannt. —— zinnglaſierter "Terracotten, ge: 
wöhnlich Robbien benannt, kam eigentli 
durd feinen Neffen Andrea (1437— 1528) in 
größern Aufſchwung. Gleichzeitig wurde nody die 
Hompofition, anfanglich auch nur 
einfahe Gruppen, Wappen umfaflend, 
erweitert, ganze Altarwerte und aufbrunnen — 
Terracotta errichtet. Bon Andrea ftamnten die Me: 
daillons am Findelhaufe 555 mehrere Al⸗ 
täre in Areygo u. ſ. w. Auch Andreas Söhne Gio⸗ 
vanni, Luca ımd Girolamo trieben die gleiche 
Kunſt, dur Girolamo wurde fie nach Franlreich 
gebradtt; Girolamo ftarb 1566 in 


und feinen Brüdern lebte ſich undertjähriger 
Blüte die Robbia⸗Technik aus nter ben jpätern 
Nobbia: Arbeiten genießt der farbige Fries am 


Hoipital in Prato, die fieben Werle der Barm- 
herzigleit daritellend, den größten Ruhm. Bol. 
Gavalucci und Molinier, : es della R., leur vie 
et leur @uvre» (Par. 1884 

Nöbel, Stabtin DiedlenlurgS chwerin, aneiner 
weitlichen Bucht der Mürik, Si eines Amtsgerichts, 
zäblt (1880) 3532 E., bat zwei anſehnliche Kirchen 
und Handel mit Getreide und Fettvieh und ift mit 
Waren durch Dampfidiifahrt verbunden. 

Röber (Friedr,), befannt als Verfaſſer von 
Iramen, geb. in Elberfeld 19, a 1819, trat da⸗ 
ſelbſt 1834 in das Bantaei von ber Hepdt: 
Kerſten und Söhne als Lehrli ing; feit 1872 ijt er 
zZeilhaber der Firma. er veröfientlichte die mit 
Beifall aufgenommenen Dramen: «Kaiſer Hein: 
rich IV.», aTriftan und Yiolde», «Appius Claudius» 
(« Dramatiiche Werte», ‚db. 1, Elberf. 1851), von 
denen er «Trijtan und Iſolde » 1845 umgearbeitet 
herausgab, ferner « Raller Friedrich IL.» und «So: 
vhonisbe» (1862); 1878 gab er «Pyriiche und epiſche 
Hedichten, 1881 «Das Märchen von König Droffel: 
bart, ein Dranın» und den Noman «Darionetten» 
mit eingefügten Märchen in dramatifher Form 

Aufl. 1884), 1386 «Pitteratur und Kunft im 
——— heran, Auch fchrieb er den Tert 
zu Reinedes Oper «König Manfred», Seine bei: 
den Eöhne ‚Ernit und Fri 
Hiſtoriemnaler befannt gemacht. 


Thon, mit weißer oder |. 


donnen, —— —* 


R. haben ſich als 


Robbia — Robert II. (Graf der Normandie) 


der Sohn 

—— heran > behauptete —— 
Masern auf ben 
* — ee 
SB), einge vereinigte, ala ein Dein Sm Heinrich 
itarb,, mit der 


ch erit | gewinnen, ı 


uk, mit ihın | David I 





die räube älle der 
en 


förmlicher Kriege beionders dann annahmen, wenn 
Fan ge anfreich beichäftigt war, 
ja Ir Heinrich IV. von England Roberts III. 
alob 1. (f. d.), melden der Vater aus vor 
den Naditellun es Herzogs von 1405 
nad) Frankreich —* und ein Sturm om 
Küfte trieb, — * ne der Prinz erlangte 
feine Freibeit erit wieder, 
Robert Guiöcard j. Guiscarb, 
red wor Graf Normandie 
Robert IL, der Normandie, genannt ber 
Teufel, war Safety Yidurbe I.(. d,) = 
5* Grafen IL aus e mit 
udith, einer Tochter von 
der a Fan Gr folgte 1028 
der IIE. in der den er 
—* er ‚Die erſten er mit 
werfung feiner rebelli . _XZapfer 
- — er mit den 


und verwegen, 
eroberte ihre feſten 


ftigen zu unte 
und zeritörte diefelben.. a 


Untber Bifdof von Bapeug mupie Ha ibn an 


Robert (Herzog von Parma) — Robert (Louis Leopold) 


Gnade ergeben. Nachdem ſich R. fein eigenes Ge: 
biet unterworfen , trieb ihn der ritterliche — 
drang zu auswärtigen Unterne ungen. Gr fü 
feinen Obeim, den Grafen Balduin IV. von 5 n 
dern, welchen "der eigene Sohn vertrieben hatte, in 
ieine Staaten zurüd. Auch leiftete er dem Könige 
Heinrich J. von Frankreich gegen defjen Mutter 
Konſtantia, welde ihren zweiten Sohn auf ben 
Thron erheben wollte, wirffamen Beiltand. Der 
König gab ihm zur Belohnun bie Landſchaft Berin, 
welches Geſchent fpäter zu heftigen Kämpfen zwi: 
Iden den —— — und der je Dad Fe 
Gegen den Herzog Alain vom der Bretagne 
tämpfte R. in mehrern ER fügen. Im J. 1034 


rüftete er *8 zur Unterjtühung feiner beiden Neffen, 
Alfred unb Ebuarb, e ber König Kanut von 
Dänemark von der engl. bronfolge ausgeſchloſſen 


— wo er mit der einen 

* oll, dem zufolge die beis 
ben Prinzen das Ah auf die Hälfte von England 
—— * der derbe Sande ine3 er empfand er 


nd u 
—— 


Su Er wurbe jedoch mit feiner Flotte nad) der 


gegen — ne ver⸗ 
ae heile * — beſchloß er d b 


— — Er reiſte mit m 
2 —— me 


Pracht durch lien 
im —— Jahre na 
weh * = wo aus er na 
Auf der — farb er 
plö — Juli 1035 zu Nicka, wie man ver: 
— tet vom feinen Dienern. Sein ein 
atürlicher, mit Herlotte oder — einer 
—— aus Falaiſe ber Grabe cn 
Wilhelm, belannt als eher 
folgte „ıbm unter ber Vormundſchaft u. 
r n der Normandie. Die ae idah * Kraft 
Härte R.3 at ar Anlaß zu feinem 
Seine Heldenthaten and bie 
n ben Stoff zu romantiſchen 


Deinamen 

Werte ber 

Erzählungen. 1496 erſchien zu Baris ein 

zen: «La vie du terrible R. le Diable — 
fut aprẽes Phomme de Dieus, der zahlreit 

abmungenfand, aberburdans unhiſtoriſch i dr 


———— Sgibes Tert zu ber Dper Weyer: ſc 


bert der Teufel» (1831) zu Grunde, 
Nobert (Karl Yubwig Maria), Herzog von 
Varma, Sohn Herzogftaris IV. ‚geb. 9, %uli 1848, 
folgte feinem Bater 27. März 1854 unter Vor: 
mundſchaft feiner Mutter, der Herzogin Luife, 
Tochter des Herzogs von Perri, wurde aber durd) 
bie Revolution 7. Juni 1859 vertrieben. N. wohnte 
dann in Nom, fpäter auf Schloß Wartegg im 
ſchweizer Kanton St Gallen, - vermäbite ſich 
1869 mit Maria Bin, Tohter bes Königs Ferdi: 
nand IL. von Sicilien, geb. 2. Aug. 1849, geft. 
29. Sept. 1882, und 15. Dft. 1834 mit Maria 
Antonia, Tochter des Prinzen Miguel von Bor: 
u se unter Parma.) * 
Bert (Emmerich), Schauipieler, geb. 21. Mai 
1817. au Veit, nahm dramatiihen Unterricht bei 
Lewins Bu debütierte im Sept. 1865 in Bürid). 
Am 1. Mai 1866 wurde er am Hoftheater in Stutt- 
gart, zwei Jahre jpäter am Hoftheater in Berlin 
engagiert, da3 er aber teot; eines lebenslänglichen 
Kontralts verlieh, um 1872 Laubes an das 
wiener Stabttbenter dolge | zu leilten. Geit 1873 
iſt N. Iebenslänglich mit Dekret angeftelltes Mit: 
alied des wiener Burgtheaters. 9.3 Leiltungen 


das er untern 


135 


verraten ibeale Begeifterung, ‚eigen einen feurigen 
Schwung und innige Hingabe an das Darzuitel: 
lende, Sein reiches Repertoire weiß auf: Hanılet, 
Nomen, Egmont, Mortimer de erdinand, Earlos, 
Feb, Siier, Narc Anton, Tailo u. a. 
rt (Eruft Friedr. Ludw.), geb. in Berlin 
ae * 1778, ftammte aus einer jüd, Familie, 
über den Namen Pevin führte, und war 
er be ber berühmten —* — 5— 
Varnhagen von Enſe. R. war kurze Zeit Kauf 
nt und 2 — gen feinen Studien und 
machte weite — 
er ee 2 a ollanb und Frankrei 
lebte abwechſelnd in Berlin, Dresden, Kar > 
und Stuttgart, wo er 1814 furze Zeit der ruf. 
Gefandtichaft attachiert war. Im 5.1831 flüchtete 
er vor der Cholera von Berlin na Baden:Baden, 
wo er 5. ‘Juli 1832 am Nervenfieber ftarb. 

R.8 Talent war nie zur vollen Entwidelung ge: 
langt. Am bebeutenbften zeigt es fich in feinen 
jetiräig igrammatiichen Arbeiten. Von Wärme 

und formellem K 


unfigeichid zeu 
nd feine ei ämpfe ber Zeit» (Stutta. 1816). Anker 


feinen Dramen fteht das bürgerliche —— 
«Die Macht der Verhältniſſe⸗ er; 1819) obenan 
Außerdem find zu erwähnen: «Die Sul: 
ben» (2p3. 1806), bas — « Die nie 
ephthas » —— — «Gaffius und Pha 
* ei e Komödie» Fre 1835). 
de Gniblnge, Luſtſpiele und Gebichte 
= rn finb ften und Zajchenbücern 
jerftreut, die Gedichte et in zwei Bänden (Mannh. 
1838) erfdienen. 

Robert (Louis Leopold), ausgezeichneter ‚Franz. 
Maler, geb 13. Mai 1794 zu La⸗Chaur⸗de⸗Fonds 
im Stanton Neuenburg in der Schweiz, bildete ſich 
in Baris unter David zum Maler aus und gi 
1818 nad Rom. En erjte bervorragendere 
war eine Corinna auf dem 
Vorgebirge von Mifemm. Doch unzufrieden mit 
Min 16) ee r für. bie Art feines Talents 

te, kraßte er die Figur aus und jehte an 

— Stelle einen neapol. —— — Das Bild 
fand 1822 in Paris günftige Aufnahme. Räuber: 
enen, ellungen von Zandleuten der röm. 
Gampagna ober der Umgegend von Neapel be 
ſchaftigten ibn, bis er ben Gedanken faßte, die vier 
abhreszeiten und die vier Hauptvoltsitämme Sta: 
iens in Bildern zu dharalterifieren. Die Rücklehr 
von der Wallfahrt zur Madonna dei Arco follte 
Neapel und den Frühling, Die Ernte in den Ponti: 


niſchen Sümpfen Nom und den Sommer vorftellen, 


Als Sinnbild für Florenz und den Herbit wählte er 
die Meinleje in Toscana, ald dasjenige für Bene: 
dig und für ben Winter den Karneval, Bon diefer 
Bilderfolge vollendete N, * das Feſt der Ma— 

donna dell' Arco (1827), jeht im Louvre zu Baris, 

die Schnitter (1830), jekt ebenfall® im Louvre, be— 

fannt dur Mercurjs Stih, und die Fiſcher der 
Lagunen (1839, welche an die Stelle der venet. 
Karnevalſcene traten. In einem Anfall von 
Schwermut endete er auf gewaltiame Weife fein 
Leben zu Benedig 20. März 1835. Mit tiefem Ge— 
fühl für Naivetät und Wahrheit, für den Reiz in- 
dividueller Schönheit und angeborener Anmut be: 
gabt, bat R. das ital. Landvolt, wo ſich dieſe 
Eisenfhaften noch am reiniten vorfinden, meilters 
baft geſchildert. 3. Prevoſt bat feine wichtiaften 
Bilder in Mezzotintomanier geſtochen. Bol. Feuillet 


736 


de Condes, «R., 5a vie, ges euvres, 5a corres- 
pondance» (Par.1848; deutihvonZoller, Hannov. 
1863), Clement, «R. d’aprös sa correspondance 
inedite» (Par. 1874). 

Robert⸗Fleury Joſeph Nicolas), franz. Hilto: 
rienmaler, geb. in Köln 8. Aug. 1797, war in 
Paris Schüler von Le Gros, Girodet und 9. Vernet 
und ging dann nach Italien, wo er einen reichen 
Borrat bedeutender Stoffe und Studien —— 
welche er ſeit 1826 in Paris zu großen Geſchichts⸗ 
bildern verarbeitete. In ihnen ſpricht ſich eine eb: 
ae dramatiſche Auffaflung, kräftiger Farben: 

inn und ſcharfe Charatteriftif aus. Fu ‚8 ber: 
vorragenditen Werten gehört Taſſo im Kloiter 
San: (1827), Benvenuto Gellini, Karl V. 
in Ean: * die Subenperfolgung (1855), das 
Religionsgeſpräch von Poiſſy, Einzug der Kreuz: 
fahrer in Edefla, die Bermählung Kaiſer Napo: 
leons III. Bielleicht fein bedeutendites Bild ift die 
Verurteilung von Jane Shore und deren Be: 
fhimpfung dur den londoner Straßenpöbel (ge: 
malt 1850); großartig, obwohl etwas ceremoniög, 
er die Darftellungen im großen Saale des Han: 
elsgerichts in Paris. R. hat ſich auch als Bildnis: 
maler Beifall erworben. 

Sein Sohn, Antoine R., geb. 1. Sept. 1837 
in Paris, bei Delaroche gebildet, hat ebenfalls als 
Hiftorienmaler einen Namen. Im J. 1861 erregte 
er zuerft rl eine Scene auß der polnischen Revo; 
lution Aufiehen, es folgten die Eroberung von 
barlotte Corday, die Danaiden u. a. 

Roberthin (Nob.), Dichter des 17. Jahrh., 
wurde 3. März 1600 zu Saalfeld in Preußen ges 
boren und ftarb 7. April 1648 als kurbrandenb. 
Rat und Oberſelretär bei der Regierung zu Königs: 
berg. Unter dem anagrammatifch zen Dichter: 
namen Berintbo war er mit Simon Dad und 
Heinrich Albert einer der bebeutendern Dichter, 
peide bie von Opiß angegebene neue Kichtung der 
deutichen Poefie in Preußen einheimiſch madten. 
Seine wenigen geiftlihen und weltlihen Lieder, 
welche faft —— eine ernſte, je büftere Färbung 
an fi tragen, find enthalten in Alberts «Arien 


Korinth, 


etliher, teil3 geiftliher, teils meltlicher Lieder» | « 


(8 Zle., Königsb. 1638—50) und von 9. Ofterley 
in bem 12. Bande der » Altpreuß. Monatsſchrift⸗ 
und in Kürfchners « Deutfcher Nationallitteratur », 
Band 19, gefammelt worden. 

Roberté (Davib), — Landſchafts⸗ 
und Architelturmaler, geb, 24. Oft. 1796 zu Stod⸗ 
bridge bei Edinburgh, befuchte die ſchoti. Kunft- 
fhule in Edinburgh und ward 1822 al3 Delora: 
tionsmaler im Trury:Pane: Theater in London 
angeftellt. Ein Ausflug nah Frankreich gab zu 
einer Anficht der Kathedrale von Rouen Veran: 
aflung, mit der er in der Nusftellung der londoner 
Alademie 1826 bervortrat, und der 1827 die Kirche 
St.:Germain in Amiens folgte. Hierauf unter: 
nahm er eine mehrjährige Keife nah Epanien 
Afrila und dem Orient, auf der er das aterial 
zu feinen folgenden Arbeiten fammelte, Die 1835 
—39 gelieferten Darftellungen fpan. und ägypt. 
Bauwerle in den Landſchaflsalmanachen erregten 
bereits in hohem Grade das Intereſſe des Publi- 
lums. Hierauf erfdyienen die «Sketches in the 
Holy Land, Syria, Idumea, Arabia, Egypt, and 
Nubia» (4 Bde., Lond. 1842—48), ein Pradhtwert 
von 246 Blättern, Im Auftrage der Königin 
Victoria malte R. die Eröffnung der Weltinduftrie: 


Robert-Fleury — Nobertfon (Thomas William) 


—— 1851 und für feinen Gönner Lord 
Vorthwid den Auszug der Israeliten aus Agypten. 
Bon feinen andern Arbeiten find die Ruinen von 
Karnal, der Sonnentempel in Baalbel, die Scenen 
aus Spanien und Marolfo, ein großes panorami: 
ſches Gemälde von Rom und die reizenden Illuſtra⸗ 
tionen zu Bulwers «Pilgrims of the Rhine» - 
nennen. Seit 1841 war er lönigl. Alademiler. 
ftarb in London 25. Nov. 1864. Bol. Ballantine, 
«The Life of David R.» (Edinb. 1866). 

Roberts (Frederid Sleigb), brit. General, geb. 
80, Sept. 1832 in Irland, diente —— in Sn 
dien, zeichnete fi) 1857 bei der Belagerung von 
Delhi aus, nahm als Quartiermeifter der bengali: 
hen Brigade unter Napier am Feldzuge in Abeffi: 
nien 1867—68 teil und in derfelben Stellung 1871 
— 72 an dem Feldzuge gegen die Lufchai. Im J. 
1878 führte er im afghaniſchen Kriege als Oberſt 
die durch das Nurumthal über den Peiwarpaß vor: 
rüdende Kolonne, wurde zum Generalmajor be: 
förbert und erhielt den Oberbefehl, befekte im Dt. 
1879 Kabul und führte unter * ſchwierigen Ber: 
hältniſſen mit einer Heinen Schar altgedienter Kern: 
truppen den kühnen Marſch von Kabul nad) Ran: 
—* vom 11. bis zum 31. Aug. 1880 aus. N. 
Klug 1. Sept. Ejub Chan vor — und ent⸗ 
eßte dieſe Stadt, worauf der Krieg bald fein Ende 
erreichte. Im März 1881 wurde R. Gouverneur 
der Kolonie Natal und brit. Kommifjar in Tranz: 
vaal, wurde zum Baronet ernannt, kehrte jedoch, 
da der Friebe mit ber Boers bereit3 21. März ge: 
ſchloſſen worden, bald nad Indien zurüd und 
übernahm den Befehl über die Truppen in ber 
ee ft Madras. Im Juli 1885 wurde 

. zum Dberbefehlähaber der Truppen bes ind. 
Reihe ernannt. 

Robertfon (James Burton), ultramontaner 
engl. Schriftiteller, geb. 15. Nov. 1800 in London, 

fing feine Erziehung in dem tath.St.:Cbmund’s; 

College und trat 1825 in den Aboolatenftand. Als 
Schriftiteller trat er zuerft mit Üiberfegungen von 
Be Schlegel « Borlefungen über die Philos 
ze der Geichichte» (1835) und von Möblers 

ymbolif» (1843) auf. Im J. 1855 wurde er 
um Profeſſor der neuern Geſchichte und einige 

ahre Pe zum a der engl. Zitteratur an 
der fath, Univerfität in Dublin ernannt. Hier ver: 
öffentlichte er: «Lectures on various subjects of 
ancient and modern — (1858), das epiſche 
Gedicht «The prophet Enoch» (1860), «Lectures 
on Spain in the 18'%® century» (1864), «Life, 
writings and times of Chateaubriand» (1866), 
«Life, writings and times of Edmund Burke» 
(1868), und eine Überfegung von Hergenrötbers 
« Anti- Janus» (1870), ftarb 14, Febr. 1877, 
{ Robertfon (Thomas William), engl. Drama: 
tifer, geb. 9. Jan. 1829 zu Spalding in Lincoln 
bire, zog ald Mitglied einer von feinem Vater ges 
eiteten Schaufpielertruppe bis 1860 in den engl. 
Provinzen umber, ohne E* befondere Talente 
für die Bühne zu entwideln. 3. 1860 lam er 
nad London und errang fi 1865 einen durch⸗ 
[Blagenden —* mit dem ne «Society», 

in 


a3 dann Yadıe ang ein Lieb es Publilums 
blieb. Rai nacheinander erfhienen nun mit 
wachſendem Beifall die Luft: und Scaufpicle 


«Ours» (1866), «Caste» (1867), «Play» (1868), 
«School » (1869), und «M. P. » (1870), Eharalter: 
finde, die, ohne fich dur erhebliche Originalität 


Nobertfon (William) — Robespierre 


auszuzeichnen, doch ber großen Maſſe ähnlicher 
Produktionen in kunſt- und bühnengeredhter Be: 
—— ‚wie in Dialog und Haltung, weit über: 
en waren und Hunderte von Aufführungen er: 
lebten. R. ftarb 3. Febr. 1871. 
Robertfon (William), engl. Tee, 
eb. 19. Sept. 1721 zu Borthwid in Schottland, 
ubierte zu Edinburgh Theologie. Nachdem er, 
22 %. alt, eine Bredigerftelle erhalten hatte, ge: 
warn er großen Beifall ald Kanzlerredner, wurde 
nad) Edinburgh verſetzt und erlangte bald ala Mit: 

lied der oberiten presbyterianiſ den Kirchenbehörbe 

Schottland bedeutenden Einfluß; er wurbe ber 

—— ber gemäßigten Partei. Mebr noch aber 
eichnete er ſich auf dem Felde der Geſchichte aus. 
nparteilichleit und Umficht, feine und treffende 
Sharalteriftit de3 moralifchen und polit. Zuftandes 
der Nationen, gediegene und kräftige Sprade 
weiſen ihm einen ehrenvollen Plaß unter den Hi: 
orifern ber neuern Zeit an. 
otland during the reigns of Queen Mary and 
King James VI.» (2 Bde., Lond. 1759; deutſch, 
6 Bde.Lpz. 1829) ift fein vorzüglichites Werk und 
veranlaßte feine Anftellung ala Rrimipal der Uni: 
verfität zu Edinburgh und feine Ernennung zum 
Hiftoriographen von Schottland. Es folgte 1796 
die «History of the 7 of the Emperor 
Charles V.» (3 Bde.; neue Ausgabe mit Auläpen 
von Prescott 1856; deutſch von Remer, 3 Bde., 
Braunfhw. 1792—94), welde ebenfalls mit Bei: 
fall aufgenommen wurde. Seine 1777 eridienene 
«History of America » (dbeutic von J. F. Schiller, 
8 Bde., 1798—1801) erhöhte nody feinen Ruf; 
weniger bebeutenb ift feine «Historical disquisition 
concerning the knowledge which the ancients 
had of India» (Lond. 1791), Er ftarb 11. Juni 
1793. Bol. Dugald Stewart, «Account of the life 
of William R.» (Edinb. 1801). 
Nobertfonfche Saugpumpe, f. u. Bagger. 
Robefon-Kanal, Meeresarm, welder ben nord: 
weltlibhiten Teil von Grönland, Hall:Land, von 
dem weitlic davon gelegenen Grant: Land trennt 
und das arltiiche — füdlih durch den 
Kennedy: Kanal, das Hanebeden und den Smith: 
Sund mit der Baffınsbai in Verbindung feht. Der 
N. wurde 1861 von Hayes entdedt und zuerft 1871 
von Hall und Beileld durchfahren; lehtere über; 
winterten im Thant:Gobd-:Harbour auf der Dftfeite 
des R. und Hall ftarb bier 8. Nov. 1871, 
‚Robespierre (Marimilien Marie Yfidore), 
eine ber hervorragenditen Beriönlichkeiten der Frans 
zöffchen Revolution, wurde 6. Mai 1758 zu Arras 
eboren. Seine Familie befaß den Adelstitel und 
& nach dem Falle der Stuart3 aus Yrland nad) 
rankreich gelommen fein. Großvater und Vater 
waren Abvolaten. Lehterer verließ feine Familie 
und ftarb in den Vereinigten Staaten. R. erhielt 
eine Freiftelle im College Louis-le-Grand zu Paris, 
wo er durch Fortichritte im Studium ber Alten jo: 
wie durch Verfchlofjenheit des Charalters auffiel. 
Nach vollendetem ar — tehrte er nad) Arras 
zurüd und trat dafelbft nit ohne Erfolg als Ad: 
volat auf, Sm diefer Zeit löſte er mehrere Preis: 
aufgaben und wurde Präfident der Alademie zu 
Arras. Leidenihaftlih den been der Zeit huls 
digend, bot er 1789 alles auf, um feine Wahl als 
Abgeordneter ber Reichsſtände durchzuſetzen. Gleich 
in den erften Verhandlungen der Nationalverfanmt: 
lung trat er radilal auf, erfuhr aber nur wenig 
Eonverjationd«Legiton. 13, Kufl, XIII, 


Seine «History of 


737 


Berüdfihtigung. Um fo mehr wußte er in Klubs 
und Zeitungen zu wirlen. Seit der Flucht Luds 
wigs XVI. (20. Juni 1791) fonnte R. als das 
Haupt der fanatiſchen Partei gelten. Am 23. Juni 
1791 forderte er in ber Berfammlung, daß bie 
fönigl. Familie den Formen des —— 
Rechts, und zwar der König als öffentlicher Bes 
amter, bie anlegen als einfache Bürgerin, unter: 
mworfen würde. Die Verfammlung wies diefe Ans 
träge zurüd, aber die Radilalen überjchütteten ihn 
mit Beifall, Um den Einfluß ber bisherigen 
Stimmführer zu breden, hatte er die Maßregel 
unterftügt, nach welder die Mitglieder der Honfti 
tuierenden nicht Teilnehmer der Gefehgebenden 
Verfammlung fein durften. Nah dem Schluſſe 
der Seffion (30. Sept. 1791) trat er das Amt eines 
öffentlihen Antlägerd am Kriminalhofe zu Paris 
an, legte es aber (don im April 1792 wieder nie: 
der. Die größte Thätigfeit entwidelte er dagegen 
bei den Jalobinern, wo er den Einfluß der Giron: 
diften untergrub. Er erllärte fih damals gegen 
ben Krieg und beobachtete bei den Ereigniſſen vom 
20. Juni und 12. Aug. Zurüdhaltung. Kaum 
war jedod bie Kataftrophe zu Gunften der Com: 
mune entfchieben, fo bemädhigte er fich auf dem 
—— e ber Leitung; bei den Wahlen zum Nas 
tionallonvent ging R. unter dem Drud der Sep: 
tembermorde al3 erfter aus der Wahlurne hervor. 

Im Konvent ftellte R. den Antrag auf fofortige 
Hinrihtung bed Königs. Der Prozeb und Tod 
Ludwigs war für ihn ein wachſender Triumph und 
die Vorjtufe zum Sturz der Gironde ſelbſt. Da: 
mals jhon war R. im —* mit Danton, der 
vom Ausſchuß ausgeſchloſſen wurde. Am Ende 
des J. 1793 ſuchte Danion einzulenken, im Gegen: 
ieh zu ber um Hebert geicharten Faltion, die an 

ajerei und Vermworfenheit alle hinter fi) lieh. 
Desmoulins unterftüste mit ie: auch R., 
der im Auguft mit den Hebertiften ihn majorifiert 
hatte, fchien fi damals ihm zu fügen. Aber in: 
dem die Hebertiften in Stadt, Armee, dann aud) 
im Konvent und Wohlfahrtsausfhuß dominierten, 
wandte ſich R. in Berleugnung Dantons diefen zu 
25. Dez. 1793). In dem Kampf um Leben und 

errichaft, ber ſich prae den Parteien nun er: 
bob, erhielt R. im Febr. 1794 in Saint:{uft, der aus 
Flandern zurüdtehrte, einen hingebenden Bundes: 
genoſſen, defien Energie ihn mit ſich fortriß. Bu: 
nächſt wurben it die Hebertiften auf das Blut: 
erüft gefchidt (März 1794), dann Desmoulins, 
— — nach vergeblichen Beſprechungen 
der zuleßt in Be Hinbrüten verfuntene Dan: 
ton h. April), die Witwen Hebert3 und Desmou— 
lins u. a. et erft ward der Wohlfahrtsausſchuß 
das undefchräntte Werkzeug R.s, der Minifterrat 
durch 12 Fang Kommijjarien erfeßt. So —** 
denn R. freie Bahn, um ſeinen Rouſſeauſchen 
Dpea heat u verwirflicen, den Staat ber Men- 
henliebe, der Freiheit und Gleichheit, der das 
Paradies der Naturreligion wiederberftellen follte. 

Den eriten Schritt that er im Mai 1794, indem 
er auf einen parlamentariihen Bericht das Dafein 
Gottes für das franz. Volt zum Gefep erheben 
ließ. Zugleich wurde auf den 20. Prairial (8. Juni 
1794) eine Feltfeier geboten, die den neuen Ault 
de3 «hödjften Weſens⸗ *—* und R. Gelegen⸗ 
Pi geben follte, fi) dem Volke in der Majeftät 
einer Stellung zu zeigen. An biefem Tage erfchten 
er auf einer vor den Zuilerien errichteten Eftrade, 

47 


138 


in blauem rad und Ranlinghoſe, einen Blumen: | 
jtrauß in der Hand, hinter ji die Mitglieder des | 
Konvents, bielt zu Ghren i des höchſten Weſens eine 
Rede und verbrannte eine Figurenaruppe, welche den 
Ggoismus, die Zwietracht, den Atheismus und den 
Ehrgeiz darftellte, und über der ſich die Statne ber | 
Weisheit erhob. An der Spitze des flonvents 208 | 
er hierauf nad) dem Marsfelde, wo Volksſpiele an: 
geordnet waren, und bielt bier abermals eine An: 
rebe, bie mit einer furchtbaren Drobung gegen die | 
ütberrefte der Partei Dantons ſchloß, denn hinter 
einem Meere von Dlut lag ihm das ; Barabies, das 
er herbeiführen wolite. Echon 10. uni trug Cou— 
tbon im Slonvent auf eine Heorganijation des Re: 
volutionstribunals an, woburd die geſetzlichen For: 
men vollends bejeitigt "werden jollten, und ber ein: 
geichlichterte Konvent nahm aud diefes Gefep ohne 
Distuffton an. Eeit dem März 1793 waren durd) | 
das Nevolutionstribunal 577 Köpfe gefallen; jeht 
wurden in ſechs Moden 1366 Menſchen hingerichtet. | 
Endlich aber rafiten ih gerade die Genofjen feiner | 
Thaten, die ſich ſchon jelbit bedroht fahen, im Son: 
vent gegen R, auf, in der Hoffmumg, die Menge mit 
fidy fortzugichen. In dieſer Lage "bemädjtigte ſich 
R.s Niedergeichlagenbeit und Unfcherheit , die mit 
Wutausbrühen abwechſelte. Er beſuchte nicht mehr 
den Wohlfahrtsausihuß und ſchwieg im Konvent. 
Sechs Wochen waren bereits in_diefem Zuftande 
veritrichen, als er ſich zu einem Schlage au 
Er rief Saint: $uft vog einer Sendun 
Nordarmee zurüd 
(26. Juli 1794) in der Berfammlung ein Komplott, 
das auf die Spaltung bes Romvents binarbeite, 
Als Urheber diejes Komplotts bezeichnete er einige 
Mitglieder der Ausſchüſſe, deren Ausſtoßung er 
forderte. Ein bedeutungsvolles Schweigen folgte 
diefer Rede. Als aber Lecointre den Drud der: 
jelben beantragte, verlangte man zuvor die Prü: 
fing des Antrags durch die Ausſchüſſe, was R. in 
den beftigften Zorn verſeßte. Er begab ich abends 
zu den Jalobinern, wo man ihn mit Enthufins: 
mus empfing und eine Erhebung für den nädjjten 
Tag beſchloß und vorbereitete. Bon beiden Seiten 
wurden nun in der Nacht die Anitalten für den 
Kampf getroffen. Saint-Juſt beitien am Morgen 
des 9. Thermidor (27. Juli) die Nednerbühne, 
wurde aber jogleid) von Tallien umd Billaud unter: 
broden. —— erzählte die Vorgänge bei den 
Jalobinern, forderte den Konvent zum Widerſtand 
zuf und beantragte die Verhaftung —— des 
Oberbefehlshabers der Nationalgar ., vor 
Wut ſchãumend, wollte hierauf die Nebnerbühne 
behaupten; allein man empfing ihn mit bem Rufe: 
«Nieder mit bem | Tyrannen!» Zallien zudte einen 
Dolch gegen den Diktator und fehrie, dab er den 
neuen Crommell niederjtoßen würde, wenn ber 
Konvent nicht den Mut haben ſollte, denſelben an: 
sutiagen, In dem Getümmel trugen zwei unbe: 
fannte Di talieder aus der Bergpartei auf die An: 
lage 9.8 an, was von allen Seiten unterftüht 
wurde. N. wendete fich bald an den «Perg», bald 
nn die «Ebenen, um gehört zu werben; aber alle In: 
jtrengungen blieben vergebens, Mährend er vor 
Wut und Erihöpfung zufammenianl, defrctierte | 
der Konvent feine, Couthons und Saint: Juſts Ber: | 
beitung, Auf Verlangen erlitt auch R. der „Jüngere, 
t Bruder des Diltators, dasſelbe Schidſal. In— 
deffen wagten Die Huiifiers nicht, das Dekret zu 
vollziehen, bis die Geächteten durch die Deputier: | 





gebe 
der 
und denunzierte 8. 7 ———— 


Robespierre 


| ten ſelbſt von den Bänlen herab an die Barre ge— 
trieben wurden. R. verließ unter den Worten: 
«Die ift verloren, die Mörder fiegen», den 
Saal ährend fi der Konvent trennte , führte 
| man ®. erft in den Sicherheitsausſchuß, dann nach 
dem Luxembourg. Hier entzog ibn ein M — 
| garbift feinen Wäctern und geleitete ihn im 
nad dem Stadthauſe, wo jeine ebenfalls * 
Zufall befreiten Schichalsgenoſſen Je By m 
troffen waren, Unterdeſſen —582* 
meinderat die Einwohner von is zu Den Ballen 
gerufen, und große Scharen jammelten ſich in der 
Gegend des Stadfhaufes, um gegen ben Konvent 
zu ziehen. Bei dieſer — der Konvent 
eine Reihe kühner Maßregeln, die den ent: 
| Ihieden. Man erklärte ie "verhaftet enen 
Deputierten und die Häupter der aufrübreriichen 
Gemeinde außer dem Gejeh, entienbete Deputierte 
| an die Seltionen und tee Barras den Ober: 
befehl über bie bewaffnete Macht. Noch ſaß R., 
baue, ala Barrus bei Tngesnsbrud) ge Sabt 
use rra gegen ihn 
vorrũdte und die Haufen der Aufrührer ausein⸗ 
anbertrieb ober gar an ſich zog. N. verlor gänz: 
lich die Fafjung und verſuchte ih durch einen Pı: 
ſtolenſchuß zu töten, der jebod mur feine Kinnlade 
serri Der Stonvent&deputierte erte Bourdon, ber 
ge Zeit fpäter in den Saal drang und fämt: 
tie $ Anweiende verhaftete, fand den Oiltakor i im 
Blute jhwimmend. R. wurde in den x 
ausſchuß geſchafft, wo —F ein Tiſch zum Lager 
diente, Am Morgen des dur Thermibor (28. u. 
ſchaffte man ihn nad ber Eonciergerie, von 
aus er ald Geädhteter gegen 6 Uhr an Br 
vom Hohn und Nacejubel der Menge begleitet, zum 


Scafott gefahren wurde. Bon feinen 21 rten 
legte er zulegt dad Haupt unter das Fa 

Gh abeit und Gra 3 
und ame am jeine Foeale, maßlofe eit 
und ajfe Simplizität waren in * einen: 
grotesken n Die 
authentiques Maximilien BR.» (2 Bhe., Bar. 


1830) enthalten nichts mehr, als was der Mani- 
tour» jener } zeit mitteilt, und find fompiliert von 
Charles Reybaud. Saponnera gub die «Deuvres 
choisies» N.3 heraus (3 Bde, Far. r. 1840), die aber 
ſehr umollftän Dr fpäter Bermorel die «Deurres» 
(%ar. 1866). * Tiſſot, «Histoire de R.» (2 Bde. 
War. 1844); Lewes, Life of R.» (Pond. 1852); 
Samel, «Histoire de R.» (3 Bde., Par. 1866 1; 
Gottichall, «Marimilian R.» (im efteuen Bluta 


Bd. 2, Lpy. 1875); Hericaut, gr ——— 8 
thermidor»: aR. et le comit& de salut public» 
(2. Kt Kar. 1877) 


Auguftin Bon DoſepheR der Jungere, bes 
vorigen Bruder, geb. zu Arras 21. San. 1763, war 
ebenfalls Adosfat zu Arras und wurde zu Karis 
in den Konvent gewählt, wo er mit Gifer das h 
was jein Bruber wünjchte, Als letzterer 9. T 
| enge —— erklärte F ſich ebenſo ſchuldig als 

fein Bruder und mußte, feinem Wunſche gemäß, 
in das Haftdefret eingeichloffen werben. Als bie 
Konventötruppen gegen Morgen des 10. Thermi⸗ 
dor in den Saal bes Stabthanjes drangen, jprang 
er durch ein Fenſter auf die Straße und brach ein 
! Bein. Noch denfelben Tag ftarb er mit den übrigen 
unter ber Guillotine. 
Marxie Marguerite Charlotte R., die 
Schweſter der vorigen, geb. 21. San. 1760, erhielt 





Robilant — Robinjon (Edward) 


von Napoleon I. eine Heine Benfion, die ihr auch 
die Bourbonen ließen. Laponneraye veröffentlichte 
unter ihrem Namen Memoiren über ihre Brüder 
(sM&moires de Charlotte R. sur ses deux fröres»), 
die in «Mö&moires de tous» (Bd. 4) enthalten find. 
Sie jtarb zu Paris 1. Aug. 1834. , 

Nobillant (Carlo Felice Nicolis, Graf), ital. 
Diplomat und Staatdmann, geb. 1826 zu Turin, 
trat früh zur Armee und verlor in ver Schlacht von 
Novara feine linte Hand; den Feldzug von 1866 
machte er als Dberftlieutenant im Generalftab mit. 
Später wurde er Direltor ber Kriegsalademie, 
dann Präfelt von Ravenna, 1871 Gejandter, 1876 
Botſchafter am wiener Hofe. Bei der Bildung des 
ital. Minifteriums Depretis 29. Juni 1885 wurde 
er zum Minifter des Außern ernannt, 

obin Hood, ein engl. Vollsheld, war ber 

Sage nad) ein gewiller Robert, Graf von Hunting: 
don, wie dies auch jeine angebliche Grabichrift be: 
fagt, die ſich im Kloſterhofe zu Kirllees in Yorkibire 
befunden haben foll, und nad) der jein Tod 24. Dez. 
1247 erfolgt wäre. Andere Quellen, wie fie in 
den älteiten Sagen fi finden, wiſſen nidt3 von 
der abeligen. Herkunft Robin Hoods, fondern be: 
zeichnen ihn ſtets als Yeoman und ald Geädhteten, 
Outlaw, Neuere Schriftiteller find geneigt, ihn 
überhaupt als eine mptbilche Perfönlichleit zu be: 
trachten, in der fi der Hab der Angelſachſen gegen 
bie normann, Eroberer verkörperte. Dieſe Auf: 
fafiung liegt auch dem Charalter Robin Hood3 in 
Walter Scottö «Ivanhoe» zu Grunde. Der ge: 
wöhnlihen Annahme zufolge lebte er zur Zeit 
Richards I. (gegen 1200), während andere Angaben 
ihn in bie ug | Ehuards II. (1327 fg.) ver: 
ſehen. Bon Hifter. utoritäten thut feiner zuerſt 
Forduns ſchott. * Erwähnung, die zwiſchen 
1377 und 1382 geichrieben wurde. Der Lieblings: 
aufenthalt Robin Hoods war der Wald von Sher: 
wood in Nottinghamihire, wo er mit feinen Ge: 
noſſen, Klein: Johann, Friar Tud u. a., baute 
und ſich ebenfo jehr durch Milde und Großmut 
gegen das unterbrüdte Volt ala durch unerbittliche 
Feindſchaft gegen die tyrannifhen Feubalherren 
auszeichnete. Die älteiten Balladen über ihn da: 
tieren aus ber Zeit Cduards III.; gefanmelt wur: 
ben fie zuerjt von Wynlin de Morde in der jest 
äußerft jeltenen «Lytel Geste of Robin Hood» 
(Zond. 1495). Bollitändige Ausgaben der Robin: 
Hood⸗Balladen wurden von Ritſon (Lond. 1795) 
und Gutd (2 Bde., Lond. 1847) bejorgt. Cine 
deutſche Bearbeitung berjelben in Auswahl hat 
Anajtafius Grün Ep 1864) geliefert. 

Robinie (Robinia) oder Alazie, Namen einer 
Canbholigattungaus der Snmilie ber Bapilionaeen, 
aus Nordamerika ftammende Bäume und Sträu: 
der mit —— —— Blättern, ſtacheligen 
ober borſtigen Nebenblättern, weißen ober roten, 
oft wohlriehenden Zwitterblüten (Schmetterling3: 
blüten) in überhängenden Trauben. Die glatten, 
ſchwärzlichen Hülfenfrüchte mit ſ bis acht nie: 
renförmigen, braunen Samen reifen zu Ende Df: 
tober. Die am bäufigften in Deutichland ange: 
pflanzte und volllommen heimisch gewordene Art 
it Die weiße oder gemeine Robinie, auch ge: 
meine ober falfde Akazie genannt, Robinia 
Pseud-Acacia L., weldye unter Heinrih IV. um 
1600 von Jean Robin zuerjt in Paris aus Samen 
gezogen worden fein foll. Jetzt ift fie durch ganz 
Mittelenropa bis in das jüdl, Spanien verbreitet. 


139 


Sm 18. Jahrh. verfuchte man vielfach den fehr 
raſch wachſenden Baum in Deutichland als Wald: 
baum zu erziehen, um dem drohenden Holzmangel 
abzubelfen; 1796—1803 erichien deshalb jogar eine 
befondere Zeitſchrift: aUnechter Alazienbaums, von 
5: C. Medicus. Der Anbau im großen bewährte 
ſich indeſſen nicht, weil die Alazie zu — 
iſt, der Dornenreichtum des jungen Holzes die uf 
arbeitung erjchwert, überdies —— in 
Deutſchland wenigſtens oft erfrieren, auch leidet 
der Baum von Schnee: und Windbruch. Wegen 
ihrer weithin verlaufenden Wurzeln, welche nad 
dem Abhieb des Stammes reichlih Wurzelloden 
treiben, und weil fie mit magerm Sandboden für: 
lieb nimmt, eignet fih die R. zur Befejtigung des 
Flugfandes an Fluß⸗ und Baduern in Sandgegen: 
den, von Bahndämmen u. dgl. Häufig wird fie des: 
halb namentlich in Ungarn angebaut. Ihrer Dor: 
nen wegen, und weil fie Schnitt verträgt, ift fie 
ein gutes Hedenholz. Das gelblidhe Holz ıft Schwer 
und hart, fefter als Ei aa, ſehr zähe und ela⸗ 
ſtiſch, dauerhaft, brennträftig, aber ſchwerſpaltig, 
nimmt eine ſchöne Politur an; ſehr geeignet für 
Erd: und Waſſerbauten, Schiffbau (Schiffsnägel), 
Mafhinenbau, Tifchlerarbeiten u. f. w. Zahlreiche 
Varietäten werben außer der Stammform in Bär: 
ten angebaut, fo die R. aurea mit goldgelben Blät: 
tern, erispa mit gefräufelten ieberblättern, iner- 
mis (Rugelalazie), eine bornenloje Abart ohne Blü- 
tenbildung, namentlid ala Schmud für öffentliche 
Pläge und in Allen beliebt. Die rote Alazie, 
R. hisplda L. der Gärten ift nur ftraucdhartig, er: 
ſcheint aber bei und auch als Baum mit jhöner 
Krone, da man fie auf die gemeine R. verebelt. 
Eine dritte Art, R. glutinosa Sims, ein fchöner 
Baum mit Hebrigen, ſtachelloſen Zweigen und 
bouquetarti ppierten Blütentrauben, wird 
ebenfalls nicht Alten ze Bierde kultiviert. yn den 
Dtferprovingen Rußlands wird der Erbjenbaunt, 
Caragana (Robinia) arborescens L., allgemein 
| unter «Alazie» verjtanden. 
NRNobinſon (Edward), verdient um bie Geographie 
von Raläftina, geb. 10. April 1794 zu Seutbingten 
in Eonnecticut, beſuchte das Hamilton:Eollege im 
Staate Neuyork, an welchem er nad einiger Zeit 
Lehrer der Mathematik und des Griechiſchen wurde, 
und ftubierte dann feit 1821 zu Andover in Mafja- 
Ahufett3 Theologie, Zwei gehre fpäter wurde er 
Lehrer am dortigen theol. Seminar, R. ging 1826 
er Europa, um fih zunächſt in Paris, dann in 
Halle und Berlin bibliſch-orient. Studien zu widmen. 
In Halle vermäblte er fi mit der unter dem Na: 
men Talvj befannten Schriftitellerin. Im J. 1830 
tehrte er nad) Andover zurüd, wo er Profeſſor und 
Bibliothelar wurde und die Zeitſchrift «The Biblical 
Repository» begründete. Seit 1833 lebte N. in 
Bolton, bi3 er 1837 als Profefior der Theologie 
an das Seminar nad; Neuyork überfiedelte. Im 
. 1838 durdwanderte er Slgypten, die Sinai: 
albinfel und Paläftina und fchrte 1840 nad) 
Neuyork zurüd, Die Ergebniſſe dieſer Neife legte 
er in den »Biblical researches in Palestine and the 
adjacent countries» (3 Bde., Lond. u. Bojton 1841; 
3. Aufl, 1867; deutſch, 3 Bde., Halle 1841—42) 
nieder. Im Sommer 1852 unternahm N, eine neuc 
Reiſe durch Paläſtina, deren Frucht die «Later 
biblical researches» (Yond. 1856; deutſch, Bert. 
1857) waren. R. jtarb 27. Jan. 1863 zu Neuyorl. 
Nach feinem Tode erjchien die «Bhyfifche Geographie 
47* 


749 


des Heiligen Landes» (Lpz. 1865). Viele andere 
Beiträge zur Geographie von ——— darunter 
die «Neuen Unterſuchungen über bie Topographie 
Serufalemd» (deutich, Salle 1847), finden fi 

der von ihm begründeten «Bibliotheca sacra» ( * 
york 1843 fg.). 

Robinfon (Therefe Albertine Luife), geborene 
von Yalob, unter dem — Talv j ie 
Anfangebuchftaben ihres Auhennanena) Sei annt, 
die Gattin des vorigen, geb. 26. an. 1797 zu Halle, 
wo ihr Vater, Ludwig Heinrih von Jalob (j. d.), 
damals Profeſſor war. Im J. 1806 kam fie mit 
demjelben nah Charlow, 1810 nad Petersburg, 
1816 wieder nad) Halle. Belannt wurde fie na: 
mentlich —** ihre er der «Boltslieder 
der Serben» de., Halle 1825—2%6; 3. Aufl., 
Pp}. — a fie 1828 den Rrofeflor No: 
—* on (. d.) gebe RN folgte fie demfelben 1830 

Amerila. 1840 Erg ihr »Verſuch 
en geſchichtli harakterifti der Vollslieder 
germanischer Nationen mit einer Überficht der Lieder 
aufereurop. VBölterichaften» (Ip a Schrift 
«Die Unechtheit der Lieder Offiange (Lpz.), 1847 
«Die Koloniſation von Neuengland» er .), auch 
veröffentlichte fie «Historical view of the slavic 
languages» (Neuyorf 1850; deutich von Brühl, Lpz. 
1852), und mehrere rgählungen. ie ftarb in Ham: 
burg 13. April 1870, Nad ihrem Tode erſchienen 
«Sejammelte Novellen» (2 Bde. Lpz. 1874). 

Robinfon(rederid John), ſ. 'Ripon (Biscount 
Goderich, Graf von). 

Robinfon(Sir Thomas), Cord Granthan, engl. 
— ter, ſ. unter Grey (Geſchlecht). 

Nobinfon rufoe, ber Held eines Romans 
be3 Engländers Defoe (f. d.). Dieſer Roman er: 
Kae unter dem Titel «The life and ——* 

ventures of R.» (Fond. 1719) und wurde übera 
mit dem lebhafteften Beifall aufgenommen. Der 
Stoff war der Geihichte eines ſchott. Matrofen, 
Alerander Sellirk, entnommen, der fein Schiff ver; 
lafjen und länger als vier Jahre auf der Inſel 
Juan Fernandez allein —— hatte und dort 
1709 von einem landenden engl. Schiff aufgefunden 
wurde; die runs feiner Schidjale brachte zuerſt 
Eteeles Zeitichrift «The Englishman» (1712). 

Noch 1719 wurde Defoes Roman in das Franzo— 
ſiſche überſetzt; die erfte deutſche Überfehung erfälen 
1720 und erlebte fogleich im eriten Bm drei Auf: 
lagen. Bald folgten zahllofe Nahahmungen. Bon 
1722 bi3 1750 erfchienen in Deutjhland nicht we— 
niger ald 40 verſchiedene Robinjone und Robin: 
—— bald nad verſchiedenen Ländern und 

rovinzen — ruſſiſche, pfalziſche, ſchleſiſche, 
leipziger u. RK bald nad) verjchiedenen Gewerbs— 
* (der medizin, R. der Buchhändler-Robinſon 

nl f.) benannt, fiberfichten und Auszüge gibt 
Halens «PBibliothel der Nobinjone» (5 Bde., Berl. 
1805). Unter den deutihen Robinfonaden J— 
die —— und poeſiereichſte die »«Inſel Fels 
fenburg», welde Johann Gottlieb Schnabel unter 
dem P eudonym Sifander(4 Bde., Nordh.1731—43) 
veröffentlichte und welche von Tied (‘ resi. 1827) 
wieder herausgegeben wurde, Cine ganz neue Wens 
dung kam bejonders durch Rouffeau in die Geſchichte 
der Robinfonaden. Indem Nouffeau in feinem 
«Emile» auf die Urgeihihte der menichlichen Erfin: 
dungen, welche im Robinſon liege, mit begeifterten 
Worten hinwies, hob er die pädagogiihe Wichtig: 
leit hervor, die dem Roman innewohne, Aus diefer 


Robinfon (Therefe Albertine Luiſe) — Rocca di Papa 


Anregung — f.d.) ·Robinſon ber 
iii mi dan 2 Te., Hamb. e — Bar 
eichzeitig mit Campe umt Mepe 

—— eine Bearbeitung in demſelben 
line p ger —— aber auch 
nicht 4— fa 44 —E ch und "darum von 
minderer itfamteit Neuerdings ift man run 
wieder auf die einfache —— me 


des Originals zurüdge — tmüller (Oil 
burgb. 1869). [. Bettner Yiobinfen und bie 
— Ar 1 — 
—*2 8* u) ji —— 
—W ( 
amerit, Brüden 1 = is — —— 


— in Thüringen, befuchte die : Volstehmide 
chule zu Berlin, fam 1831 nad) den 
Staaten und ließ id als —— bei Bi 
in Bennfylvania nie Zen — er 
hauptſächlich mit ee enbau und 
von Drabtjeilen. . 1844 baute ent 
feil-: Hänge: Aquäduft tn Ar: au 
Pittöburg, 1852 —55 Bingen ab 
Niagara K db.) und ie eo — 
über den Mapa in — RS 
am le —— Bee “ ey x 
iver:Brüde zwi euyo * 
(S. Brüde.) Er ſiarb 20 20. Juli 1869 
der Gaft:River: Brüde wurde Sa — 
Waſhington A. R. — —— geſchicter Weile —— 
gelepe ı und glüdlich beendet. 
—— Dorf, ſ. unter Mans eldi 
Roborantia (sc, remedia, lat.), ftä 
Arzneimittel, 
oboten (von dem flaw. robota, b. i. Arbeit) 
53 in jlaw. (hei, namentlich aud in den 
w * en Öjterreid: Ungarn 3* 
nannt. D ſind in neuerer Zeit in et 
Un .. egen Entiehä — aufgehoben worden. 
a al er ‚Tintoretto, 
„Neen 6 —* N irge an der 
te von Bortuga m ‚von — 
die weſtlichſte von — unter —* 
nördl. Br. und rn 31’ weitl. 2. von Greenwid, —* 
einen Leuchttu 
Noca | ut), Präfident der Argentinif 
publik, geb. im Juli 1843 zu —— wu —* 
General und 1879 Kriegsminiſter. Am 13. uli 
1880 ward er zum Brälibenten ber ga 
vo Jahre gewählt und trat am 12, Dit. - 
(S. Ar —— e Konföderation.) 
ocaille ), Seen, — der 
Mände mit Mu in Steinen * w. 
Nocailfefluß nennt man in der —— 
malerei ein Smelmitel at die einzubrennenden 
Ben. Es iſt ein Gemiſch von feingepulvertem 
var; und Bleioryd. 
Rocamadour, Dorf im franz. Depanl; de 
Arrondiffement Gourbon, in einer 120 
vom Alzou (Fenolle) —— 
tion (4 km vom Orte) der 
Touloufe der — ale (1 —— €. 
und dat eine vielbefuchte, 2 —— 
wc „ gr Br ar —35 * 
teilen Felſen, deſſen Gipfel eine Bur 
er von Mifjionären bewohnt — 
Roccabrung, Gemeinde, ſJ. yon ——— 
Nocca di a, Stadt in ber 
und im Bezirk 


Krater von Camps an weh fang as 


Roccella — Rochechouart 


MWaldungen, 807 m über bem Meere, ift ein be: 
liebter Sommeraufenthalt der Römer und zählt 
18831) 8063 E. Südlich erhebt fi) der Monte: 
avo. (S. unter Albano,) 
Rooocella DC., Flechtengattung aus ber 
Gruppe ber Straudfledten. Man tennt gegen 
un rten, die fi) in wärmern Gegenden bejon: 
ers an gelfen in ber Nähe der Meerestüften finden. 
Der Thallus derfelben ift cylindrifch und wenig ver: 
Ber Die Apothecien —* dunlelbraun oder 
chwarz. Einige Arten dieſer — — beſonders 
R. tinctoria DC., die [o9- Drfeille oder Ladmus— 
flechte (vgl. Tafel: Farbepflanzen, Fig. 5), wer: 
den zur Derfelung von Farbitoffen benugt. (Bol. 
Drfeille und Lakmus.) 
oecella:onica, Stadt in ber ital, Provinz 
Reggio di Calabria, Bezirt Gerace, auf einem in 
das Joniſche Meer vorfpringenden Felſen, Station 
ber Eiſenbahn Tarent:Reggio, zählt (1881) 6777 G. 
und bat eine Reebe, Seideninduftrie, Korallenfiiche: 
zei, Weinbau, R. ift ein Fürftentum ber Caraffa. 
Nochambeau (Jean Baptiite Donatien de Vi: 
meur, Graf), Marichall von rare geb. 1. Juli 
1725, begann 1742 feine militärifche Laufbahn im 
Sfterreihiichen Erbfolgetriege, war ala gar 1756 
bei der Erpedition gegen Minorca und nahm als 
Marechal de-Camp am Siebenjährigen Kriege teil. 
Im J. 1769 erhielt er als Majorgeneral den Befehl 
über die Infanterie im Elſaß. Sm %. 1780 zum 
Generallieutenant erhoben, führteer ein 6000 Mann 
ftartes Hilfslorp3 den für ihre Unabhängigfeit fäm: 
pfenden Nordamerifanern zu. R. landete 10. Aug. 
zu Rhode⸗Island und hielt fich dort gegen den engl. 
General Glinton; nad Ankunft einer franz. Flotte 
unter Grafje vereinigte er fih im Aug. 1781 mit 
Mafbington. Beide drangen raſch —9 Virginien 
vor und ſchloſſen die 7000 Mann ſtarke brit. Armee 
unter Gornwalli3 in Yorltown zu Yande ein, wäh: 
rend bie franz. Flotte ein Gleiches zu Wafler that. 
Schon 24. Dit. jah fi die brit. Armee zur Kapi: 
tulation genötigt. Nach dem Frieden übertrug 
ihm der König die Gouvernementd von Artois 
und Picardie und fhidte ihn 1788 zur Herftellung 
ber Ordnung nad) dem Elia. Als nad) dem Aus: 
bruch der Revolution der Krieg beginnen follte, 
erbielt er den Befehl über die Nordarmee und 
mit Ludner 28. De. 1791 den Marſchallsſtab, 
verlor aber noch vor Eröffnung der Feindſeligkeiten 
das Vertrauen ber revolutionären Partei und legte 
15. Juni 1792 jein Kommando nieder. Er zog ſich 
auf fein Landgut R. bei Vendöme zurüd, wurde 
dort verhaftet, vor das Nevolutionstribunal ge: 
ftellt, aber durch den Sturz ber Schredenäherrfdhaft 
erettet. Bonaparte bejtätigte ihm nad) der Thron: 
eiteigung ben Titel eined Marſchalls. R. ftarb 
10. Mai 1807 im Schlob R. De Lancival gab R.s 
«M&moires» (2 Bde., Par. 1809) heraus. 
Donatien Marie ofen e be Bimeur, 
BicomtebdeNR., franz. General, des vorigen Sohn, 
geb. 7. April 1750 zu Schloß N. bei Bendöme, 
wohnte als Oberft ber Erpedition nad) Norbamerita 
unter feinem Bater bei. Er wurde 1791 General: 
Lieutenant und erhielt im Juli 1792 das Kommando 
in ben weftind. Kolonien, Er landete auf Santo: 
Domingo, untermarf die empörten Neger und er: 
fbien Anfang 1793 auf Martinique, wo er bie 
Gngländer vertrieb. Außerdem befreite er Guabe: 
loupe und Ste.-Lucie. Im J. 1794 wurde er jedoch 
im Fort Royal von ben Engländern eingejchlofien 


741 


und 22. März zur Kapitulation gegen freien Abzug 
genötigt. R, kehrte 1796 nah Santo:Domingo 
zurüd, konnte aber ben dortigen Aufitand nicht 
überwältigen. Im J. 1800 wohnte er dem Feldzuge 
in Italien bei und wurbe zum Divifiondgeneral 
ernannt. Hierauf übernahm er ein Kommando in 
ber Erpebition, welche Ende 1801 zur Unterwerfung 
von Santo:Tomingo unter dem Oberbefehl Leclercs 
abging, und trat im Nov. 1803 an befien Stelle, 
Das Gelbe Fieber hatte jedoch feine Streitkräfte fo 
geſchwächt, dab er ſchon 30.Nov. mit den Schwarzen 
eine Kapitulation ſchloß und fi dann dem brit. 
Admiral ergab. Er wurde nad Jamaica, 1804 nad) 
England gebradt, aber erft 1811 We grnighun 

m 3.1813 gab ihm Napoleon den Befehl über eine 
viſion in Yauriftons Korps, an beren Spihe er 
18. Dit. in ber Schladt bei Leipzig fiel. 

Nochau (Auguſt Ludw. von), Hiſtoriler und Pu« 
bliziſt, geb. 20. Aug. 1810 zu Wolfenbüttel, ſtudierte 
in Göttingen die Rechte und wurde wegen feiner 
Zeilnahme am fog. Frankfurter Attentat 1833 zu 
20 Jahren Zuchthaus verurteilt, entfloh aber nad 
Paris. Im J. 1848 lehrte er nad Deutichland 
urüd und wirkte al3 Journalift ununterbrochen I 

ie nationale Einigung Deutſchlands. Er lebte jeit 
1851 in Heidelberg, wo er 15. Dit. 1873 ftarb. R. 
ſchrieb; «Jtalien. Wanderbucd» (2 Bde. Lpz. 1852), 
«Die Moriscos in Spanien» (en 1853), «Grund: 
läe der Realpolitil» (2 Bde., Stuttg. 1853—69), 
«Geihichte Frankreichs vom Sturze Napoleons 
bi3 zur eg des Kaiſertums⸗ * Bde., 
Lpz. 1858), —— es deutſchen Landes und 
Volles» (2 Bde., Berl. 1870—72). 

Nochdale, Marktitadt und Barlamentsborougb 
in der engl, Grafichaft Yancafter, 17 km im NND. 
von Mancheſter, am Irwellzufluß Roh und am 
Kanalvon Rochdale, der den Galder mit Halifar 
verbindet und ſich an den Bridgewaterlanal an: 
ſchließt, Station ber Ditlinie (Manchefter:Goole) 
der Lancaſhire- und Yorkſhire-Eiſenbahn, die bier 
nah Oldham abzmweigt, bat allmählidy die Orte 
Spotland, Gaitleton und Warbleworth in fi auf: 
genonmen, ſodaß ſich die Cinwohnerzahl 1881 auf 
68865 belief. Die Stadt ift ein Sauptfi ber engl. 
Baunmwollweberei, hat aber aud; Spinnereien, Fa: 
brifen für Hüte, Mafcinen, Gifen: und Meffing: 
waren, in der Nähe Eteinbrüche, fowie zehn Kohlen⸗ 
— Drei Banken befördern den lebhaften Ver— 

ehr der Stadt. Zu R. befinden ſich mehrere Koo— 
——— die ein hervorragendes Bei— 
piel von dem Grfolge friedliher Selbſthilfe der 
arbeitenden Klaſſen durch Bildung von Ajlociationen 

ewähren. Die Genoſſenſchaft der Bionier3 von N. 

Society of Equitable — begann 1844 mit 

28 Mitgliedern und einem muhſam beſchafften Ka: 

gel von 28 Pd. St. und zählte bald mehrere 
aufend Mitglieder. _ 

Nochebaron (Louis Marie Victor de), Herzog 
von Aumont (j. d.). 

Noche:Bernard (La), Stadt im Tram Depart. 
Morbihan, Arrondifjement Vannes, lints an ber 
Vilaine, über welde bier eine Hängebrüde führt, 
12 km von der Mündung des Fluſſes in den Atlan: 
tiihen Dcean, zählt (1881) 1307 €. und hat ein 
Ihönes Schloß, einen Hafen, Schiffbau, Hohofen 
und Eiſenhammerwerle. 

Nochechonart, Stabt und Hauptort eines Ar: 
rondifjemients im franz. Depart. Haute-Vienne, 
rechts an der Örenne, einem linksſeitigen Zufluß 


742 


der Vienne, Station der Linie Saillat-Buſſiere— 
Galant der Orltansbahn, zählt (18831) 1878 (Ge: 
meinbe 4284) E. unb hat Kaolingruben, Eiſenwerle, 
Porzellan⸗, Glas: und Garnfabritation, Leinweberei 
und ein Schloß aus dem 15. Jahrh. 
Mochefort, zum Unterſchiede von andern Ort: 
[haften dieſes Namens Rocdefort:fur: Mer 
enannt, Hauptitabt eines Arrondiffements im 
anz. Depart. Charente-nferieure, rechts an ber 
Gharente, 15 km von deren Mündung in ben 
Atlantiihen Dcean, 35 km im SSD. von La: 
Rochelle gelegen und durch vier Baftionen ſowie 
mehrere —* an ber Flußmüundung gededt, iſt 
Kriegshafen zweiter Klaſſe, zugleich Handelshafen, 
Sißtz einer ey Zeig einer Handels⸗ und Ader: 
baufammer, Station ber Yinien Nantes-Goutras 
und Nigrefeuille:R. der Staatsbahnen, und zählt 
(18831) 21608 (Gemeinde 27854) E. Die regel: 
mäßig gebaute tabt, mit breiten, ſich rechtwinlelig 
fhneidenden Straßen, bat in der Mitte die große 
und ſchöne Place dD’Armes oder Place Colbert mit 
Ulmenalleen und monumentaler \ontäne. Bor 
dem Stadthauſe liegt der Jardin public, weiterhin 
der bebeutende botan. Garten. R. hat eine Navi— 
—— fürdie Ktiegsmarine undeine hydrogr. 
chule zweiter Klaſſe für die Hanbeläflotte, ein 
Seminar für Marinelehrer, da3 Marinemwaijen: 
us, eine Unterrichtsanftalt für Schiffsärzte, ein 
ommunal:Gollöge, eine Zeichen: und Arditeften: 
ſchule, eine Stadt: und eine Vlarinebibliothet von 
12000 Bänden, ein naturhiftor. Kabinett und ein 
Dlarinemufeum, das alles umfaßt, was auf See: 
dienſt Bezug hat. Ferner beſlehen ein Aderbau: 
verein, ein Theater, ein Civil:, ein Militär: und 
ein außerhalb der Stadt gelegenes großartiges 
Marinehoipital, das 1783—88 für 5 Mill, Livres 
erbaut wurbe. Es umfaßt einen Kompler von 
neun Gebäuden mit einer Bibliothet von 6000 
Bänden, einem anatom. Theater, einer Sammlung 
chirurgiſcher Inſtrumente, einem phyſil. Kabinett 
und einem chem. Laboratorium, und einen 13 000qm 
umfaflenden , mit Bäumen bepflanzten Borplab. 
Grofartig ift das Marinearienal, das auch bedeu: 
tende Sciffswerfte, eine 380 m lange Seilerbahn, 
das ältejte Gebäude der Stadt, fünf Hoböfen, 
Schmieden mit einem 17000 kg ſchweren Hammer, 
eine Waflenfammlung, die Bäderei und Troden: 
dods enthält. Die Stadt hat zwei Häfen. Der 
—— iſt 2 km lang und Fr Ebbezeit 7 m 
tief, aljo tief genug, um Krienäichiffe flott zu er: 
balten. Der Handelähafen (la Cabane-Carree), in 
welchen beladene Fahrzeuge von 600 t bis an die 
Kais fahren können, iſt 1868 durch zwei Bafjins 
erweitert worben. Der Eingang zum Hafen wird 
durd ein Thorboot (bateau-porte) gejperrt. R. iſt 
Siß eines deutſchen Konfulats. Die Hauptgegen: 
ftände des Handels find Wein, Branntwein, Salz, 
Getreide, Mebl, Steintohlen, ar an Pferde, 
Schlachtvieh, Salzfiſche und Kolonialwaren. Die 
Induſtrie beſchäftigt ſich hauptſächlich mit Schiff: 
bau, Fabrilation von Seilerwaren, Segeltuch und 
anderer Leinwand, mit Deſtillation, Seefiſch— 
falzerei, Fabrilation von Gilig, Juder, Hand: 
ſchuhen, Chronometern und Häfen in Form bes 
hollaͤndiſchen. R., vor 1666 ein bloße Fort 
(mittellat. Rupes fortis), wurde unter Ludwig XIV. 
auf Colberts Nat zu einer regelmäßig befeitigten 
Seeftabt gemadjt. Am 11. April 1809 fand bier 
ein für die Franzofen verluftreihes Geetreffen 


| 


| 
| 


! 


| N 


Nocdefort — Nochefoucauld (Stadt) 


gegen die ben Hafen blodierenden Engländer ftatt. 
Geihichtlihe Bedeutung erhielt es beſonders, in- 
dem Napoleon I. ſich hier nad) der Niederlage bei 
Waterloo einſchiffte, aber auf der Reede 15. Juli 
1815 von den Engländern gefangen genommen 
wurde. Die Inſaſſen bes Bagno von R. wurden 
1852 nad Cayenne geſchafft. 

Rochefort (Victor Henri), Graf von R.Lucay, 
franz. Journalift, Zhenterbichter und Bolititer, 
geboren 29. Juli 1832 in Paris, begann bier 
mebiz. Stubien, mußte aber diefelben bei dem 
Zobe feines Vaters aufgeben und eine Anftellung 
als Hilfsſchreiber in der parijer Stadtverwaltung 
annehmen (1851). Die Vernahläffigung feiner 
Amtspflihten hatte 1859 feinen Abicdhied zur 
Folge. Er wurde nun Mitarbeiter am «Charivari», 
ihrieb auch Baubevilles und Dramen und trat 
beim «Figaro» ein, für welchen er Stadtgeſchichten 
verfaßte. Auf minifteriellen Befehl aus der Redac⸗ 
tion des «Figaro» entlafien, gründete er 1868 ein 
Wochenblatt «La Lanterne», das reikenden Abjas 
zu N. perfiflierte darin die Regierung, dic 

inifter, ben Senat, den Gejebgebenden Körper 
u. j. w. und verfolgte das zweite Kaijerreich mit 
unbarmberzigen Nabelftichen. Dieſe Thätigteit ver: 
urſachte ihm Berurteilungen zu Geld: und Ge: 
fängnisftrafen, die ihn veranlapten, fich nach Bel: 
gien zu flüchten. Bei den allgemeinen Wahlen 1869 
wurde R. vom eriten pariter Wahlbezirk in den 
Gejehgebenden Körper gewählt, durfte jodann nad 
Baris — und nahm in der Kammer 
feinen Sit neben Raspail. Er gründete ein neues 
ournal «Marseillaise», worin er die kaiferliche 

milie aufs beftigfte angriff, und forderte bei der 
Tötung bes Redacteurd Noir durch den Prinzen 
Peter Bonaparte in feinem Blatt und in der 
Hammer geradezu zum Aufjtand auf, daher er im 
Yan. 1870 mit Zuftimmung der Kammern in An- 
tagezuftand verjept und zu ſechsmonatlicher Ge 
fängnisitrafe verurteilt wurde. tur; bes 
zweiten Kaiſerreichs am 4. Sept. befreite ihm aus 
jeiner Haft und madte ihn als Minifter ohne 
Bortefeuille zum Mitgliede der Regierung der natio- 
nalen ®erteidigung und zum Berauffeher des 
Barritadenbaues im Innern der Hauptitadt. Na 
dem 18. März 1871 war er Hanptmitarbeiter des 
ournal® «Le mot d’ordre» und Mitglied des 
oblfahrtsausfhufles der zweiten parijer Com⸗ 
mune. Mitte Mai, ald er das Ende ber Commune, 
welche er aus allen Kräften befördert hatte, heran: 
nahen ſah, floh er aus Paris, wurde in Meaut von 
den Preußen angehalten, nah Berjailles aus: 
geliefert und vom u y wlan zur Deportation 
verurteilt. Im J. 173 nach Rumen in Neucalebonien 
deportiert, flüchtete er ſich auf ein engl. Schiff und 
lam nad) London Infolge der Amneſtie von 1880 
lehrte er 12. Juli nad Paris zurüd und eröffnete 
fofort in jeinem Journal «Intransigeant» einen 
unverjöhnlihen Kampf gegen Gambetta und deſſen 
Opportunismus, ſowie gegen die jpätern Regierun: 
gen, befonders gegen bie neue Kolonialpolitit. Vom 
Seinebepartemient in die Deputiertentammer ge: 
wählt, ſchloß er ſich bier der äußeriten Linken an, 
erllärte aber, als ber von dieſer eingebrachte Am: 
neftieantrag am 6, Febr. 1886 von der Verſammlung 
— wurde, ſeinen Austritt aus der Kammer. 
ochefoncauld (2a), Stadt im franz. Depart. 
Charente, Arrondiffement Angouleme, rechts an 
der Tardouere oder Tardoire, einem linksſeitigen 


Rochefoucauld (Geſchlecht) — Rocheſter (in England) 


743 


Zuſluß der Charente, Station der Linie Angou: | zumal wo er einen ober zwei dolchförmige Stacheln 
löme:2imoge3 der OQrleansbahn, zählt (1881) 2332 | trägt und in allen Nichtungen umherpeitſchend 


(Gemeinde 2802) €. und bat ein College, Vieh: | empfindlide und ſchwer heilende 


bandel, Gerberei, Leinwand: und 
Das im 9. Jah 


unden bei: 


Garnbleiden. | zubringen vermag, wie es bei dem Stechrochen, 
ch. gegründete prädtige Schloß | (Trygon) und dem Adlerrochen (Myliobatis) der 


(Rupes Foucaudi) des Geſchlechts Larodyefoucauld | Fall iſt; die mit breitem Schwanze und faft runder 


(j.d.), wel 


nad dem Ort feinen Namen führt, | Körperſcheibe verjehenen, ſchon feit alten Zeiten 


wurde zur Zeit König Franz’ I. von Fontant teils | befannten Zitterrodhen (Torpedo), weldhe zu 


weije im Nenaifi U ausgebaut. 

Ro —— ſ. Larochefoucauld. 

Nochejacquelein, ſ. Laroche jacquelein. 

Rochelle (La), ſ. La⸗Rochelle. 

elleſalz, Synonym für Kalium:Natrium: 
tartrat, f. unter Weinfäure. 

Röcheln (Stertor), eigentinnlihes, oft weithin 
vernehmliches raſſelndes Geräuih, welches bei 
Bruſt en dann entſteht, wenn der in den Puns 
gen und Luftröhrenäften angelammelte Schleim 
nicht durch Huften entfernt wirb und fo der ein- 
und auätretenben Luft hindernd entgegentritt. Bei 
Sterbenden, bei benen das R. zu den gewöhnlichen 
Grideinungen gehört, wird es durch die eintretende 
Lungenlähmung bedingt. (S. Qungenödem.) 

emaure, Stabt im franz. Depart. Ar: 

deche, Arrondifiement Privas, rechts am Nhöne, 
Station der Linie Livron-Alais der Paris-Lyon— 
Nittelmeerbahn, zählt (1881) 580 (Gemeinde 1144) 
E. und bat eine Schlofiruine und Seidenhanbel. 
Etwa 2 km weſtlich erhebt ſich ber 508 m hohe aus: 
ebrannte Bultan Chenavari mit dem aus 

—— en Band —* nenn ’ 

chen idae), eine Familie von Knorpel: 
fiihen von eigentünulicher Fe aus ber Ib» 
teilung der Duermäuler oder Plagioftomen, find 
—— durch platte, rhombiſche oder ovale 
Geſtalt, oben befindliche Augen und Stirnlöcher, 
großes, nebſt den Raſenlöchern unten befindliches, 
quer zn Maul mit verfdiedenartigen gun 
nen, jhuppenlofe, den Körper meift in weiten Her: 
—— umgebende, ſelten ganz glatte, fon: 
dern mit fleinen rauhen Hödern oder mit Dornen 
bejegte Hant und die breiten Bruſtfloſſen, welde 
ben Kopf einfaflen. Leßterer Charakter dient vor: 
zugsweije zum Unterjdiede von den Haien, mit 
welhen die R. durch mande libergangsformen 
vertettet find. Die R. find nur Bewohner bes 
Meer und größerer Ströne, wo fie fi an dem 
jandigen oder jchlammigen Boden aufhalten, in 
tropischen Breiten jehr artenreich, leben von Fiſchen, 
Kruftern und Weichtieren, ſchwimmen in jchiefer, 
gegen ben Horizont geneigter Stellung burd un: 
dulierende Bewegungen ber Bruſtfloſſen, belauern 
ihre Beute, rubig auf dem Boden von Untiefen 
liegend, und bieten nur ein grobes, bloß von den 
ärmern —— — genoſſenes Fleiſch. 
Mit Ausnahme der Gattung Rohen (Raja) 
im ftrengen Sinne, zu welder ber Keulen: 
rohen (Kaja clavata, Tafel: Fiſche J, Fig. 5) 
gehört, deren pergamentartige, jladhe, vieredige 
und an ben Eden in Spipen verlängerte Eier unter 
dem Ramen Seemäufe belannt find und nad 
dem Ausjhlüpfen der Jungen häufig an das Land 
geipült werben, gebären alle andern hierher gehöris 
gen Fiſche Iebendige Junge. Manche R. erreichen 
eine erjtaunliche Größe und fpielen die Nolle ge: 
fährliher und jehr gefräßiger Raubfiihe, denn ſie 
erreichen öfters eine Größe von 1,5 bis 3m. Man 
unterjheidet bie eigentlihen N. mit bünnem 
Schwanze, der al3 nicht verächtliche Waffe dient, 


\ beiden Seiten der Kopficheibe ein elektriiches Organ 
| beſihen, das galvaniihe Entlabungen bemirten 
lkann, weldje aber in Beziehung auf Deftigteit nicht 
| entfernt mit den Schlägen de3 Zitteraals zu ver: 
leihen find; die gewaltig großen, nur in ſüdl. 
eeren vorlommenden Hor nrochen oder Meer: 
teufel (Cephaloptera) mit in lange Lappen aus: 
gezogenen Kopffloſſen, und die durch ihre ſchlanke 
Geſtalt den Üibergang zu den Haififchen bildenden 
SHairoden (Hhinobates) und Sägefiſche 
—— bei welchen der Stirnlnorpel zu einer 
angen, beiderſeits mit queren Zähnen beſehten 
Platte ausgezogen iſt. 
Roches (Kol oder Cul des) heißt urſprunglich 
ein 920 m über dem Meere, 2 km fübweitlich von 
£ocle (j. d.) im ſchweiz. Kanton Reuenbur ge: 
legener,, etwa 30 m tiefer Felstrichter, in weldyem 
der Bied, ein rechter Zufluß bed Doubs (f. d.), 
vier unterirbiiche, ſtufenweiſe übereinander gebaute 
Mühlwerte treibt. Seit dem Bau der Straßen von 
Locle nad) Les Brenet3 und Morteau ijt jedoch der 
Name auf den Jurapaß der Roche fendue über: 
tragen worden, der mit mehrern Zunneln ben 
elöriegel zwiſchen Locke und dem Thale de3 

oubs durchbricht. Die jetzige Poſtſtraße durch 
den Col, 1858—71 erbaut, tritt unweit des Fels: 
trichters in einen 90 m langen Tunnel und ver: 
proeigt ſich * hinter demſelben, an der Grenze 
es Kantons Neuenburg und des franz. —* 
Doubs, um rechts durch zwei weitere Tunnel das 
neuenburgiſche Uhrmacherdorf Les Brenet3, ober: 

(b des malerijhen Doubsſees (Lac des Brenet?), 
int den franz. Marftjleden Morteau zu erreichen. 

Etwas ſüdlich von dem Straßendurdbrucd liegt 
der große Tunnel der 1884 eröffneten, 13 km lan: 
gen Eijenbahn Locle:Morteau(:Bejancon), deren 

tation Eol des R. neben dem Trichter der unter: 
irdiſchen Mühlen liegt. 

Nochäfter, Sechafen, Barlament3borougb und 
als Biihofafik Eity in der engl. Grafſchaft Kent, 
45 km im DSD. von London, rechts am Medway, 
über welchen eine eiferne und eine aus dem 
13. Jahrh. ftanımende Steinbrüde von 11 Bogen 
und 137 m Länge zur Voritadt Strood (Station 
der Rordkentlinie der South:Eafternbahn) [abet 
it durch eine Häuferreihe mit Chatham (f. d.) ver: 
bunden, Station ber London:Chatham:Dover: 
Eifenbahn, und hat, obidon gut — viel 
Altertumliches und in der Nahbarihaft noch Reſte 
aus der röm. und bän. Zeit. Die von Biſchof 
Gundulph 1077 gegründete, nach einer Feuers: 
brunft 1130 von Heinrich II. wiederhergeitellte, 
1789 faft ganz umgeftaltete und bis 1840 renovierte 
Kathedrale St.:Andrem iſt nur ee. ihres Alters 
merhvürdig. Von der ehemals jtattlichen Burg 
auf einer Anhöhe am Flub bat ſich nur der große 
Zurm von 21 m im Geviert und 52 m Höhe er: 
halten. Das Fort Pitt iſt jeht ein Militärhofpital, 
das Fort Clarence ein Militärirrenhaus. R. hat 
eine Sateinfchule, eine mathematiiche Freiſchule, ein 
1687 erbaute: Stadthaus, it Siß eines deutichen 


744 


Vizelonfulats für R. Sheerneß und Faverſham, und 
sähe (1881) 21590 E. Der lebhafte Handel üft, wie 
aud andere Erwerbszweige, von ben lotten: und 
Militäretabliffements zu Cbathamı abhängig. 5 kın 
abwärts liegen bei Upnor:Gaftle die großartigen 
Dodyards oder Schiffswerfte; die 190 ha ein: 
nehmenden Baſſins find das bedeutendfte See 
Arfenal Englands. Zur Ordnung bes ftarfen 
Auiternfangs findet jährlih ein aus dem Orts⸗ 
magiltrat gewähltes Admiralitätsgericht ſtatt. 
N. ıft das röm. Durobrivae ber Cantii, das angel: 
ſächſ. Hrofesceaster. Durch König Ethelred von 
ent wurde es nad deſſen Taufe 597 zum Biichofs: 
ſih (Rofla, Rovacestria) beftimmt und 604 bazu 
geweiht. Im J. 1215 warb es von den Baronen 
und dann von König Johann erobert, 1254 durch 
Simon von Montfort. Grit unter Heinrid II, 
erhielt es Stadtrecht und ſeitdem von verſchiedenen 
Konigen bedeutende Privilegien, 

Nochifter, Stadt in Olmſted County im norb: 
amerif. Staate Dlinnejota, liegt auf beiden Seiten 
des Zumbro:River, an der Winona: und St.:Baul: 
eifenbahn, 80 km vom Miſſiſſippi, bat (1880) 
5103 E., ein ſchönes Gerichtägebäube, mehrere 
Mühlen, Eifengiebereien und Maſchinenwerlſtätte 
und eine —— Halle, ſowie bedeutenden Ge— 
treidehandel. 

Roch eſter, Stadt und —— in Monroe 
County im norbamerif. Staate Reuyorl, liegt an 
beiden Ufern des Genefeeflufies am Griefanal und 
an mehreren Gifenbahnen, 11 km von ber Mun— 
dung des Genefee in den Yale Ontario. R. wurde 
1812 gegründet, 1817 als Dorf, 1834 als Stadt 
inforporiert und zählte 1880 fchon 89366 E. Das 
Stadthaus, das Gerihtägebäude, die Free Aca- 
demy, Power’s Commercial Fireproof Building 
> zu ben fchönften Gebäuden ber Stadt. 

er Genejee bildet auf feinem Wege durch bie 
Stadt drei Waflerfälle von 29,8 und 25 m; unter: 
balb des lebten iſt der Fluß für Seeſchiffe ſchiffbar. 
Die Fälle geben eine bedeutende Wajjerkraft, welche 
für die Induftrie von giobem Werte iſt; 1880 gab 
es 18 Mühlen, 51 Schuhe und Stiefelfabriten, 
32 Gijengiepereien und Mafchinenwerljtätten und 
35 Tabalsfabriten. Die University of Rochester 
got eine Bibliothel von 13000 Bänden; außerdem 

at R. ein theol. (Baptüten:) Seminar mit deut: 
ſchem Departement, ein Athenäum mit einer Biblio: 
thel von 18000 Bänden, die Law Library mit 
10000 Bänden und eine andere öffentliche Biblio: 
thet, 2 Hofpitäler für 500 Patienten, 4 Waifen: 
häuſer, verſchiedene andere Wohlthätigkeitsinftitute, 
eine ftäbtiihe Taubftummenanitalt, eine Beſſe— 
rungsanftalt, ein Countyzuhthaus, Armenhaus 
und Irrenanſtalt. Der Kirchhof Mount: Hope iſt 
einer der älteften und ſchönſten ber Vereinigten 
Staaten. Bemerlenswert iſt die Kunſtgärtnerei, 
bie ‚größte ber Welt, weldhe 1400 ha Land hat und 
jährlich für mehr als 1 Mill. Doll. Blumen, Ge: 
müfe u. ſ. w. liefert, 

Mocheſter (John Wilmot, .u von), engl. 
Satiriler und zugleich einer der zügellojeften Wüſt⸗ 
linge am Hofe Karls II., wurde 10. April 1647 
geboren und erhielt feine Bildung am Wabham- 
College. Nachdem er Magister artium geworben, 
burchreifte er Italien und Frankreich und zeichnete 
fih zur See durch Tapferkeit aus, Gr jtarb 
26. Juli 1680. Kurz vor feinem Tode ließ er ſich 
nod vom Biſchof Burnet von Salisbury belehren; 


Nohefter (in Minnefota) — Rodlig (in Sadjen) 


ber Biſchof gab felbft eine Schrift über diefe Be 
tehrung heraus, Seine Gedichte (Lond. 1681; am 
vollitändigiten 1756) find leicht hingeworfen und, 
außer jeinen Satiren, meiſt wertlos. Einen merl: 
würdigen Gegenſatz gegen fein Leben und feine Ge: 
dichte bilden jeine Briefe, in denen er ſich als * 
licher Gatte und Vater zeigt. Bol. Burnet, «Life 
and death of John Earl of R.» (Pond. 1681). 

Roche-fur:Yon, ſ. La-Roche-ſur-Yon. 

Nochette, ſ. Raoul-Rochette. 

Mochẽtum (neulat., ital. rocchetto, frz. 
rochet, vom beutichen od) heißt das von feiner 
weiber Leinwand gefertigte, mit Spitzen bejeste 
Chorhemd, weldes Pier und Chorberren 
ber kath. Kirche als Amtslleidung tragen. j 

Nochholz * Ludw.), namhafter Germaniſt 
und Sagenforſcher, geb. 3. März 1809 zu Ansbach, 
widmete fid in Münden dem Studium der Juris: 
prudenz,, wurde jpäter in eine polit. Unterfuhung 
verwidelt, ſodaß er in die Schweiz flüdtete, wo er 
zuerft zu Hofwyl, dann am Gymnaſium zu Biel 
ala Die fungierte, und feit 1836 an der Kantons— 
ſchule zu Aarau die Profeſſur für deutihe Sprache 
und Litteratur bekleidete. Im %. 1866 quiesziert, 
lebt R. feitdem als Koniervator der röm. Niter: 
tumsfammlung zu Aarau. Von feinen Arbeiten 
find zu nennen: «Gidgenöfliihe Lieberhronik» (Bern 
1835), «Der neue reidant» (Aarau 1838), «Trage 
munt» (Ehling. 1852), de gg aus dem 
Yargau» (2 Bde., Aarau 1856), «Alamanniiches 
Kinderlied und Kinderſpiel⸗ (Lpz. 1857), «Natur: 
mythen; neue Schweizerjagen» (Tpz. 1862), «Deut: 
ſcher Glaube und Braud im Spiegel_der .- 
nischen Vorzeit» (2 Bde, , Berl. 1867), «Drei Gau: 
göttinnen» (%p5. 1870), aLiederfibel; Bildungsitufen 
der Kindheit» (3, Aufl., Stuttg. 1872), «Deutjche 
Volls: und Heldenbücers (ELpz. 1875), «Die 
Schweizerlegende vom Bruder Klaus von Flüe⸗ 
(Aarau 1875), «Nargauer Weistümer» (Aarau 
1876), «Tell und Geßler in Sage und Geſchichte⸗ 
(Heilbr. 1877), «Die aargauer Gepler in Urkunden» 
Heilbr. 1877). Seit 1860 gibt R. die Jahres: 

hrift der Hiſtoriſchen Gejelliaft de3 Kantons 
Aargau, «Argovias, heraus, , 
ochlitz, Stadt in der ſächſ. Kreishauptmann: 
[haft Leipzig, liegt in fehr anmutiger Gegend an 
der Zwidauer Mulde, über die bier eine jteinerne 
Brüde und eine eijerne Eijenbahnbrüde führt, Sta: 
tion der_Linien R.:PBenig und Glaudau : Wur: 
zen ber Sächſiſchen Staatzbahnen, ilt Sip einer 
Amtshauptmannihaft und eines Amtsgerichts, hat 
eine Realſchule, eine Handelsſchule und eine (and: 
wirtſchaftliche Winterjchule und zählt (1885) 5954 
meijt prot. E. Der Ort ift feit dem großen Brande 
von 1802 gut und regelmäßig aufgebaut. Unter 
ben beiden Kirchen tt die 1864 und 1884 re 
ftaurierte Aunigundenlirche (1016 begründet, aber 
1416 in got. Stil neu aufgeführt) von architeltoni⸗ 
ſchem Intereſſe. Bol. die Schriften von Stieplis 
(2p3. 1829) und Zind (Rochliß 1864), Außerdem 
iſt bemerlenswert das Schloß mit zwei hoben, 
vieredigen Türmen (bereit3 1109 erbaut und bie 
Rodliger Jupen benannt), die früher ald Staats: 
efängnis dienten. R. hat Kammgarnwebereien, 
andelamüblen, —5*——— von Leder, Leber: 
waren, Wagen und Cigarren. In früherer Zeit 
bfühte in R, die Zeineninduftrie, Im « Silberthal » 
wurde Bergbau auf Silber getrieben, Die Stadt R. 
ijt ſorbenwend. Urſprungs. Im 5%. 1143 verlieh 


u 


Nohlig (in Böhmen) — Rod (der heilige) 


Kinig Konrad II. die Grafihaft R. dem Marl: 
graien Konrad von Meiben, und bei der Teilung 
er Sande unter befien Söhne (1156) — ſie 
an den dritten Sohn, den Grafen Dedo von der 
Lauſiß. Nah dem Ausſterben dieſes Geſchlechts 
9* Grafſchaft R. dem Reiche anheim, worauf 
te im Anfange des 13. Jahr. an Dietrich den Be: 
drängten von Meißen verliehen ward. Seit dem 
14. Jabrh. war die Stadt R. wiederholt eibgedinge 
und Si verwitweter Marlgräfinnen und Kur: 
füritinnen. Vol. Bode, «Chronik der Stadt N.» 
(Rochlig 1867), Im Süden der Stadt, am linken 
Ufer der Mulde, erhebt ſich iſoliert der Rochlitzer 
Berg oder Rochliher, Wald bis zu 350,6 m 
a a deſſen Gipfel jeit 1860 das turmartige 
Friedrich « Auguit: Denkmal (mit ſchoner Fernficht) 
ziert. Am öjtl. Abfalle find Schon feit Jahrhunder— 
ten großartige Borphyrtuff:Brüche (wegen der Für: 
bung aud roter Sanditein genannt) im Betrieb, 
ochlitz, Marktort in der böbm. Bezirlshaupt⸗ 
mannſchaſt Startenbadı, beiteht aus den Kataitral: 
gemeinden Nieder:Nodhlik (2610 E.), Dber:Rodlig 
(2960 E.), Franzenthal, Grenzdorf Kaltenberg, 
Sahlenbach und Siehdihfür, liegt am Saum des 
Nieiengebirgs, ift Sig eines Bezirlsgerichts und 
zählt (150) 7611 E. deuticher Nationalität, die 
etwas Aderbau betreiben und fieben mechan. Baum: 
wollwebefabriten unterhalten. 

Mochlitz [Orb belannt als Erzähler und 
mufiftheoretiicher Schriftiteller, geb. zu Leipzig 
12. Febr, 1769, bejuchte die dortige Thomasſchule 
und jtudierte dann Theologie und Kantſche Philo— 
—*— Ohne ein beſtimmtes Amt zu ſuchen, blieb er 
in ſeiner Vaterſtadt, wo er ſich ganz der littera: 
riſchen und muſilaliſch-⸗kritiſchen Thätigfeit widmete. 
Bom Großherzog von Sachſen-Weimar wurde er 
zum Hofrat ernannt. Er ftarb zu Leipzig 16. Dez. 
1842. Seine «Zeichnungen von Menſchen nac 
Geſchichte und —— Gamb. 1794), die 
«Charaltere intereſſanter Menſchen in moraliſchen 
Erzählungen dargeitellt» (4 Bde., Züllichau 1799 
—1809) und die «Dentmale gludlicher Stunden» 
(2 Bde., Züllihau 1810-11) wurden mit Beifall 
aufgenommen. Noch gelungenere Arbeiten waren 
Ki aftleinen Romane und ge 3 Bde, 

üllihau 1807) und die «Neuen Erzählungen» 
2 Bde., Züllihau 1816). Cine «Auswahl des 

eiten aus R. jämtlihen Schriften» lieferte der 
Berfafier felbit (6 Bde., Züllidau 1821-22), und 
eine ** Sammlung iſt die «Für ruhige Stun: 
den» (6 Bbe., 2pj. 1828). Um, die mufifalifche 
Kritik bat N. fih große Verdienſte erworben, 
namentlih in der ‚von ihm gegründeten «All: 
gemeinen muſilaliſchen Zeitung», welde er 1798 
— 1818 redigierte. Die vorzüglihiten feiner auf 
Tontunft und Tonkunſtler bezüglihen Abhand: 
lungen und Mitteilungen ftellte er in der Samm: 
lung «Für freunde ber Tonkunft» (2, Auft., 4 Bde,, 
en 1830—32) zuſammen. 
ochow (Gujtav Adolf Rochus von), preuß. 
Staatsmann, geb. 1. Dit. 1792 zu Nennbauien bei 
Rathenow, ftudierte zu Heidelberg und Göttingen 
die Rechte, machte bie eldzüge gegen Napoleon 
mit und ward zum Dinner befördert. Nah dem 
Frieden ging er auf feine Güter und nahm feit 
1822 in Berlin an den provinzialftändiichen Ber: 
faliungsarbeiten teil. Jin J. 1823 ward er Mit: 
lied der Staatsjhuldenverwaltung, fam bald 
rauf als vortragender Rat in das Minifterium 


7415 


des Innern und wurde 1826 zum Geh. Regierungs⸗ 
rat, 1831 zum Präfidenten der Regierung zu Merie: 
burg ernannt, Im J. 1834 erhielt er dad Minis 
terium des Innern und ber Polizei, weldiem 

efjort 1837 aud) bie gewerblichen Yngelegenbeiten 
untergeorbnet wurden. Aus diefer Stellung ſchied 
er 1842, jedoch dauerte feine Thätigkeit noch als 
Mitglied des Staatsrats fort, deflen Präfident er 
1843 wurde. Er ftarb 11. Sept. 1847 zu Dar 
Während feiner ahtjährigen Berwaltung verfolgte 
N. entihieden konfervative Grundfäge und hat ſich 
um bie verjchiedenen ihm anvertrauten Teile der 
Staatöverwaltung anerkannte Berdienfte erworben. 

Theodor Heinrih Rohus von R., preuß. 
General und Diplomat, Bruder des vorigen, geb. 
21. April 1794 zu Nennbaufen, trat in das preuß. 
Heer und machte den Feldzug von 1815 mit. Im 
3. 1835 ging er zur diplomatischen Laufbahn über, 
war erit Gejandter in der Schweiz und Württem: 
berg, feit 1845 in Petersburg, wo er, nachdem 
er 1849 bis zum Generallieutenant avanciert, 
19. April 1854 ſtarb. Kelchner und K. Mendels: 
fohn:Bartholdy veröffentlichten mg: des lonigl. 
preuß. Generals und Geſandten Theodor Hein: 
rich Rochus von R. an einen Staatöbeanten» 
(Franff, a. M. 1874), 

Friedrich Eberhard von R. gus der Redahn⸗ 
ſchen Linie des Hauſes, geb. 11. Dit. 1734, geſt. 
16. Mai 1805, bat ſich in der Geſchichte der Pä— 
dagogil einen geachteten Namen erworben. Geine 
«Pitterariiche — mit feinen Freunden» 
gab. F. Jonas (Berl. 1885) heraus, j 

Nochsburg, Biarrdorf in der jächf. Kreishaupt: 
mannfcaft Leipzig, Amtshauptmannſchaft Rochlig, 
lintö an der Zwidauer Mulde, Station der Yinte 
Glauchau-Wurzen der Sächſiſchen Staatsbahnen, 
Hauptort der gleichnamigen Lehnsherrſchaft des 
Grafen von Schonburg⸗Hinterglauchau, mit altem 
Schloß des lehtern auf Nor bervortretendem 
Bergvoriprung ‚lint3 der Mulde, zählt_(1880) 
560 E. und hat ein Rittergut, Obitbau, eine Stamm: 
ihäferei und Handſchuh- und Pappenfabrilation. 

Rochus, Heiliger der kath. Kirche, ein Franzofe, 
aus Montpellier gebürtig,, zeichnete ſich namentlich 
durd die aufopfernde Shlege von Beitkranten in 
Italien aus. Bon einer feiner Reifen zurüd: 
fehrend, wurde er an einem Orte, ber früber feiner 
Familie eigen gehört, aus Irrtum ins *** 

eworfen, in dem er 1327 ftarb. Die Wunder, die 
Ni bei jeinem Tode ereignet haben follen, begrün: 
deten feine Berfehung unter die Heiligen. 

BeanBneng: „unter Bingen. , 

Nod (der heilige), eine von den angeblichen 
Reliquien Ehrifti, findet ich in mehrern Eremplaren, 
3. B. Argenteuil, San-Jago di Gompoftella, Trier 
und anderwärt3, entweder aus leinenem oder aus 
wollenem Stoff und zwar ohne ie (mit Rüd: 
nat auf Evangelium Ih. 19,25) gefertigt. Am 
befanntejten iſt in neuerer Zeit der im Dom zu 
Trier aufbewahrte R. Chrifti geworden, en 
Herkunft es eine Reihe von Sagen gibt: Die o 

ielle Kirchenlegende Triers läßt die Kaiferin Helena, 
die Mutter Konſtantins, mit dem Kreuze Jeſu in 
Baläftina aud) feinen ungenähten R. auffinden und 
aus alter Anhänglickeit an Trier dem Biſchof 
Agrotius dajelbit em andern Reliquien ſchenlen. 
Dagegen fpricht ſich eine, wie es fcheint, Ältere aus 
der Zeit der Kreuzzüge ftammende Legende in fol: 
gender Weije aus, Den grauen R. (fo wird er bier 


746 


genannt), den Maria aus der Wolle eines Lammes 
geiponnen und bie heil. Helena auf bem Ölberge 
gewirft, bat Chriſtus bei der Kreuzigung getragen. 
Dann fam er in die Hände eines Juden, wurde 
jedod von dieſem, weil die Blutflede ſich nicht aus⸗ 
waſchen ließen, ins Meer geworfen und von einem 
Walfiſch verfhlungen. ——— war ODrendel 
oder Arendel, der Sohn chriſtl. Königs Eygel 
in Trier, na — gezogen, um die Königin 
von Serufalem, d ie fhöne Frau Breyde, zu ge 
winnen, erlitt unterwegs Schiffbruch und rettete 
ſich an eine Hüfte, wo er als Knecht Dienfte bei 
einem Fiſcher nahm. Beide — fingen jenen 
ad und fanden in dem Bauche desſelben den 
grauen R. Drendel erfaufte diefen von dem Fiſcher 
um 30 Fl. und a in ihm zum Heiligen Grabe, 
wo er ſich durch Waffenthaten gegen bie Heiben 
bald fo hervorthat, daß ihn u Breybe zum 
König von Jeru alem erhob. Als Toldher empfing 
er von einem Engel die Aufforderung, feinem von 
Heiden belagerten Bater in Trier Hi je zu bringen, 
Er und Breyde führten dies glüdlid aus. Allein 
da indejien die Ungläubigen das Heilige Grab 
erobert hatten, jo beichleunigte Drendel feine Rüd: 
lehr und lie auf Befehl eines Engels den grauen 
N. in Trier zurüd, der nun in einen fteinernen 
Sara verſchloſſen wurde. — im 12. Jahrh. 
erwähnt, wurde ber heilige ge u Trier ſchon 1512 
pr Verchr ung ausaeitellt io ab Luther in den 
härfiten Borten gegen das «fchändliche, ——— 
Narrenipiel» eiferte. Am belannteſten und folgen: 
reihiten wurbe die durch Biſchof Arnoldi nad 
langer Unterbrechung 1844 verfügte Ausitellung 
des R. indem fie nicht nur eine lebhafte litterariſche 
Kontroverfe, fondern auch die Entitehung des 
Deutihlatholizismus (j. d.) hervorrief. —— 
den Rettungsverſuchen kath. Säriftiteller, Ar 
Marz, «Geichichte des heiligen N. in der Dom irde 
u Trier» (Trier 1844), bewieſen Gildemeiſter und 
ybel in ihren Shriften «Der heilige N. zu Trier 
und die zwanzig andern heiligen ungenäbten Röde» 
(Düfield. 1844) und «Die Advolaten des trierer R.» 
(Düjjeld. 1815) die Unechtheit der Neliquie. 
Nod (Rud), in den arab. Märchen ein fabel: 
bafter Vogel von ungeheuerer Größe und Stärle, 
odfall, Heine unbewohnte Felſeninſel im 
Atlantiſchen Ocean, gegen 400 km weſtlich von ben 
Hebriden, bie Prutitätte zahllojer Seevögel. 
Nöckel (Louiſabeth), Schaujpielerin, geb.30. Dit. 
1842 zu Weimar, Tochter des an dem dresdener | 
Aufitand von 1849 beteiligten Kapellmeiſters Karl 
Auguſt R., betrat ſchon als Kind die Bühne und 
begann ihre theatraliiche Laufbahn uni 1858 auf | 
der Hofbü Di ihrer Baterjtadt, der fie dann bis | 
1863 ala Mi 


Burgtheater in Wien; nn 13 ipielte fie zu Beters: | 


burg und unternahm darau verichiedene Bajtfpiele, | | gg 


zum J. 1876 trat fie in den Verband des ham: 
burger Thaliatheaters, wandte ſich 1877 nad) San: 
Francisco und kehrte 1879 nad Wien zurüd, wo 
fie wieder Mitalied des Buratbeaters wurde, 
Naturwahrheit und Gefühlstiefe zeichnen ihr Spiel 
aus. Während fie früher jentimentale und tragische 
Viebhaberinnen gab, wandte fie fi fpäter ben 
Heldinnen und Ealondamen zu. Cine der vor: 
züglichiten ibrer frühern Leiltungen war Nend in 
Halms «Wildfeuern. Im J. 1869 verheiratete fie 
fi mit Heinridy Matthes. 


talied angehörte, Hierauf war fie am | Lincolneifenbahn und 
Hoftheater in Schwerin „engagiert, feit 1866 am ) Hafen ift breit und fief, und 


| Jährlich werben —* —2 — 


Rock (Vogel) — Rock-Niver 


Nocken oder Woden, ver 
—S uf melden Ds orrätige Spinns 
erne Stab, a das v 
material gebunden wird, 


Rockford, Stadt und Hauptort von Winne- 
bago County im norbamerif, Stante liegt 
auf beiden Seiten des Nod:Rwer, an 
Gijenbahnlinien und 147 km von 
Chicago. J. 1835 zäblte 
1870 11 ‚1880 13129 und dr 
Korn * darunter — —* Deutſche N. 
ehr breite Straßen, 

ele ſchöne ö ie da3 Conuty Uourt 
* und Vrivatgebãude, eine ——— 


rioatfchufen 
— e ‚eins der beiten bes 
ER —— Bellen 


—— —— Emerſt 
nach Inbien fenbet, bie up die a 


Landes, en 
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ür Verſch 

Sabriten, Sie ee von G 

Blemmipeilfabert Vrei große — 
mwollfabrit, drei 

neu u. — Sta 14 Kirchen 


nee, 1 Sociäule m — 
riv atfchulen, das von 


trollierte St. Au 
- u ——— 


liegt die 4 km lange 
—— ine al — 
esarſenal, eine en eudıs 
ten, Ya — wen, > 
—— ge 
* im nordamerit. Staate at en 
der Weſtſeite ber Tr 
ae 
bejonders 
| mit Kaltitein und Kalt, welche —— 
e R der 1900 Arbeiter beii treis 
— ie Einwohner „Salben: Stiefel: 
und Wagenfabrifati 1850 die Stadt 
Gait:Thomaston. 
Lake, ein jhöner See in Nodland 


Nocklaud⸗ 
acer 


County im Er 
es PR Nebenfl 
o * 
entſpringt in Fond du auf be NÜRIRBBL GA 


vom Hubionfluß 


Nods — Nody: Mountains 


747 


Staate Wisconfin, fließt durch den Horiconfee und, | 36. Breitengrabe an ben Namen R. führt, trägt 


nachdem er ben Weft: dork aufgenommen bat, du 

den See Kofhlonong, tritt dann mit fü L Lauf⸗ 
in den Staat Slinots, wendet fich ſudweſtlich und 
fließt 3 km unterhalb Rock-Jsland (f. d.) in den 
Milfiffippi. Seine Länge beträgt 528 km. Er ift 
er - iaifiter., liefert aber bedeutende Waflerfraft. 


4 (Srudtbonbons), f. unter Ganditen. | ben 
Body. ntaind oder Felſengebirge iſt 


der gemeinjame Rame der auf ihrer weiten Er: 
ftredung ſehr ee es aa 66 Gebirgs: 
züge Nordamerilas, welche Wyoming, 
IMeitcolorado und Dftutah Großenteis erfüllen, im 
Diten aud den Ebenen jteil aufjteigen und im 
Weiten nad) dem Zafellande des großen Bedens 
etwas fanfter —— Auf dieſem Raume, zwi: 
ſchen dem 37. bis 41. Breiten: und dem 104. bis 
108. Längengrabe erhebt fich dieje kompalteſte Hoch: 
gebirgsmaſſe der Bereinigten Staaten. Als Duell: 
nebiet der drei großen Stromfyfteme, des Rio 
Grande, Colorado und Arkanjas, bildet fie die 
Grenze wiſchen der großen Gentralebene im Dften 
und ben durch die norbamerif. Seealpen vom 
Stillen Meere getrennten Plateau und Stufen: 
reg im Weiten (Arizona, Obercalifornien, 
tab, Revaba, Oregon Waihington und ritifch: 
238 und fo zugleich eine mertwürbige Land⸗, 
fier:, Klima:, Vegetationd: und Böllericheide 
auf = , meilt noch völlig öden Räumen. 
Die R. beiteben aus Barallelfetten, die größere oder 
Heinere Rlateaufläen und Hochthäler einichließen, 
ichiden nad) veridiedenen Richtungen Geitentetten 
aus, haben Gipfelerhebungen bis über 4000 m und 
zahlreiche, aber meiſt ſchwieri ne ober doch nur erſt 
nad) Durchwanderung von Wülteneienzu erreicdende 
Bärle, ſodaß fie eine mächtige Bertehräfchrante 
wifchen den reihen Kul turgegenden — iſſiſſippi⸗ 
dens und der Südjeelüfte bilden. Sie bergen 
unerihöpflihe Schäge an Gold und Silber, —— 
iſen, Blei, Quecſſilber, Kohlen und Salj. D 
gleich nicht mit = Namen R. bezeichnet — 
zu —— nee als been füblichter Zeil 
die Gorbilleren von Neumerito und üdl. Colo⸗ 
rado, die, durch die Gebirgälüde - use von 
dem Gebirgsiy em Merilos entſchieden getrennt, 
bis zu dem Quellgebiete des Rio Grande del Norte 
und dem Durhbruchäthal des obern Arkanjas, oder 
etwa bis 38°, ° nördl. Br. ziehen. In Neumerito 
umſchließen fie auf einer Bafis von 600—2000 m 
—— das fteppenartige Langenthal des Großen 
es (Rio Grande bei Norte), das größte 
ber un Welt, in zwei gegen Norden gerichteten 
Haupteetten. Die öltlihe oder Sierra de Co: 
mandes erhebt fi im Cerro⸗Oscaro 3195 m, fällt 
oftwärts zum Hodthal bes —— und zu un⸗ 
geheuern, von —S u —— a 
durdf ittenen n en ⸗ 
n08) Non deren äu ee een Ser 
de Teras 3 und das gegen Nordoften bis zur Ber: 
u bes ne und Mifjouri reihende, 
300—400 m hohe Diartgebirge bilden. Die 
vielnamige Weitlette, die jog. Eordilleravon 
Neumerilo, bie in der Höhe zwiſchen 2400 und 
3700 m varitert, jen entt ne weitwärts zu bem 
Würjtenplateau von ra o und Arizona. Im 
Etaate Colorado jehen fidh beide Ketten norbwärts 
ort. Die weitliche jendet die bis 4432 m hohen 
ncompabgre: Mountains gegen Norbweiten zum 
Grand : River, die öftlihe, welche bereits vom 


eine Anzahl ——— e (Spaniſh Beats ge: 
nannt) und fendet oltwärts das 2185 m hohe 
er mei aus. Jenſeit des —— 
des Arkanjas beginnt mit 39° nördl. Br. die mert 
würdige Region der Parks. Die öftliche, gie 
Kette zieht nordwärts bi3 41° nördl, Br. und trägt 
* oder Pikes Peal (4333 m), den Mount: 
Lincoln (4305 m) und ben Bighorn oder Longs 
Peak (4313 m). Ihr parallel zieht die Weittette, 
welche niedriger und weniger betannt ift. Beide 
jtehen —* Querketten mit einander in Ber: 
bindung. Zwiſchen diefen Haupt: und Nebentetten 
dehnen ſich ſchöne Hodhthäler hin, melde den Na: 
men Parts führen, mertwürdi —— die ſog. 
Monument: Region, eine Ü aufredt: 

ftehender maleriſcher und phantafıi ſcher Felien. 

m Norden biefer —— im Wyoming⸗ 

erritorium, — ebirge eine mehr un 
mehr diagonaie Richtung og Nordmweiten an. 
Die Hauptlette (Green:Kiver: Mountain?) 

ieht fich bis zu dem 2500m hoch gelegenen South: 
Beh ß (42° 24’ nörbl. Br., 91° 46’ well. 2.). 

Bon biefem Paſſe an "fe b dann das Haupt: 
gebirge unter dem Namen Windriver-Mouns 
— — —— Nord⸗ 
weiten, ein 127 km langer und 48 km breiter Ge: 
birgaftod mit dem 4136 m hoben 
Beat. Diefer merkwürdige Gebirgsjtod ift zugleich 
eine Hauptwafjerfcheide. An ihm entipringen auf 
ber einen Seite der Windriver des Mifjouri, auf 
der andern der Green River des Colorado und der 
Snate:River oder Lewis⸗South⸗Forl des Columbia⸗ 
ſtromes. Gegen Nordnordweſten zweigt ſich, im 

daho⸗-Territorium, vom Windflußgebirge das 

—— :Rivergebirge ab, und gegen Süden läuft 

Utah: ‚Territorium das impanogos⸗ oder 
Wobfatichgebirge aus —— zwei Hoch⸗ 
flächen, das ausgedehnte Beden obern Colo⸗ 
rabo (Green: River) im Diten und das Great-Baffın, 
das Grohe Bafjin des Salzſees, jcheibet. ci 
Nordweiten aber zieht vom Windflußgebirge 
Hauptmafie der R. durd das Territorium Mon: 
tana, deſſen MWeitgrenze die parallel ftreichenden 
Bitter: Root:Mountains bilden. Unter dem 
49. Breitengrade treten die R. auf dad Gebiet von 
Britiſch-Amerila über. Das Gebirge ift bier an: 
fangs nur 2000 — 2500 m body, mut zahlreichen 
Sie. zerllüfteten Bergma en un jadigen 
Kämmen, erreicht aber —* 51° 50’ und 52° 30 
nördl. Br. feine bedeutenditen Döben, indem bier 
auf der weitl. Kette zunädhft in ber Quellgegend des 
Saslatſchewan der Mount: Forbes 3830 m, ihm 
öftlich gegenüber der Mount: Murdiion 4126 m 
und 70—100 km weiter im Rordweſten ber Mount: 
Hooler 5105 m und der Mount: Brown 5000 m 
oder nod höher auffteigen follen. Zwiſchen ben 
beiden lehtern Schneegipfeln liegt in 2200 m See: 
höhe die höchſt mertwürdige u —— ihre gran⸗ 
dioſe Bergſcenerie berühmte —— 
Athapasca-Portage, ein —— 
wilden Gebirges wiſchen ee 
und Firmen, mit einem Heinen runden Eee Tr 
mitteed: Bund: Bowle), ber fein Wafler u 
Weiten zum Columbia, gegen Oſten in das Gebiet 
des Madenzie ſendet. G3 iſt die Athapasca Bor: 
tage die gewöhnliche u age der Traders der Hud: 
fonsbai : Kompagnie den Berfchr mit Bei 
Columbia. Meiter norbwärts, beſonders jenfeit 


réemonts 


748 


bes 55. Breitengrabes, fenkt ſich das Gebirge zu 
einem vielfach durchbrochenen Mittelgebirge, über: 
ſchreitet —— in den Chippewayan⸗Mountains in 
der mittlern Kammhöhe nicht 1220 m und gegen 
das Eismeer bin faum 650 m. Der eigentliche 
Entdeder und der erfte wifienichaftliche Erforſcher 
ber R. ber amerif, General Fremont (1842 und 
1844). Mit dem Erwerbe Galiforniens (1848) trat 
die Notwenbdigleit der Überichreitung des Gebirges 
durch eine Gijenbahn zur Verbindung bes Atlan-: 
tiſchen mit dem Stillen Dcean immer mehr hervor. 
(S. Bacific:Eifenbahn.) 

Nococo, ſ. Rotloto, 

Rocou oder Roucou, ſoviel wie Orlean. 

Rocourt (Rocour, Raucourt)h, fram. 
Fleden bei Sedan im Depart. Ardennes, mit be: 
deutenden Fabrilen von Schnallen, Sporen, Pferde⸗ 
gebiſſen, wurde denkwürdig durch den 11. Olt. 1746 
vom Marſchall von Sachſen erfochtenen Sieg ber 
Franzoſen über die Öjterreicher. 

Nocroy, Arrondiliementshauptftabt im franz. 
Depart. Ardennes, —— Ta militärische 
Bedeutung, auf einer rings vom Arbennenwald um: 
gebenen Hochfläche, unweit der belg. Grenze und der 
Maas, 23km nordweſtlich von Mezieres gelegen, bat 
eine — und (1881) 2977 E. M wurde 
im 16. Jahrh. von Franz I. angelegt und befeftigt, 
1643 von den Spaniern belagert, aber durch den 
von den Franzofen unter dem Prinzen Ludwig von 
Conde, damals nod) Herzog von Engbien, 19. Mai 
unweit R. über die Spanier unter Don Francisco 
de Melos erfochtenen Sieg entſeßt. Im J. 1815 
wurde R. vom Prinzen Auguft von Breußen durch 
Kapitulation, im Deutſch⸗ Franzöſiſchen Ariege von 
1870 und 1871 am 5. jan. 1871 von deutichen Trup: 
pen nad fünftündiger Beſchießung durd Hand: 
jtreich genommen und 6. an. beſeßt. Vgl. Lepine, 
ellistoire de R.» (Nancy 1860). 

Nod, die engl. Rute, foviel wie Perch. 

Rod (xuſſ.), Geihleht, wozu nad ruſſ. Recht 
ſowohl die maͤnnliche Linie als auch die weibliche 

ehört. Rodowoje imenije, ein Erbgut, bei deſſen 
zeräußerung dem R. ein Nüdtaufsrecht zuſteht. 

Noda, Stadt in —— Weſtkreis, 
in waldiger Gegend an der Roda, einem rechts— 
feitigen Nebenflub der Saale, Station der Weimar: 
Geraer Eiſenbahn, Sik des Landratsamts für den 
Weitlreis und eines Amtsgerichts, zählt (1885) mit 
der Vorjtadt Alofterroda 3454 E. und hat ein 1663 
neu erbautes Schloß (jebt Sik der Behörden), eine 
arg Sr Sadjien:Altenburg und Reuß 
beider inien, eine \diotenanftalt, eine Klofter: 
ruine, Sandftein: und Kallſteinbrüche, eine Streid) 
—— Wollhäkelei und Handſchuhnäherei, 
eine Orgelbauanftalt, Fabrilation von Maſchinen, 
Wurft und Konditorwaren, Biegeleien und Han: 
del mit Nutz. und Brennholz fowie mit Gegen: 
jtänden ber autiſchlerei. 

Rodach, rechtsſeitiger Nebenfluß ber Ih, ent: 
ſpringt im SW. von Hildburghaufen, berührt Ro: 
dad) in Sadjjen: Coburg, Ummerjtadt in Sachen: 
Meiningen, Sehlah im bayr. Negierung&bezirt 
Oberfranken und mündet bei Kaltenbrunn ebenda. 

Rodach, rechtzeitiger Nebenfluß des Mains im 
bayr. Negierungsbezirt Oberfranten, entfpringt im 
SW. von Rodacherbrunn am Rennſteig in Reuß 
jüngere Linie, nimmt rechts die Haßlach und 


Steinach, linls die Wilde Rodach auf und mündet | Adler, «R., der 


dem Titel «Das Kapital- (Berl. ER 
| jat, «R.8 jozialötonomifche Anfichten» (Jena 1882); 


Rococo — Nodbertus 


Die R. bildet die Grenze zwifhen dem Thüringer: 
= Ak, ze zwiſch Tharing 


Nodach, Stadt im Herzogtum Coburg (f. d.). 
odbertuß (.Yob. ———8 
ölonom und Polititer, geb. 12. . 1805 zu 
Greifswald, erhielt feine Gymmnafialbildung in 
Medlenburgiih: sriedland und ftudierte in Göttin: 
gen und Berlin die Rechte. Sodann arbeitete er 
als Auskultator am Land: und Stadtgericht zu 
Alt:Brandenburg, ging 1829 ald Neferendar zum 
Dberlandesgeriht nad Breslau und 1830 zur Res 
ierung nad Oppeln. Im J. 1832 trat R. aus dem 
taat&dienjte, lebte einige Jahre in Dresden und 
Heidelberg, tehrte 1834 zunädjit gel das mütterlicye 
Gut Bejerik zurüd, kaufte 1835 aber das im pom- 
merſchen Kreiſe Demmin gelegene Gut Jagetzow 
und fiedelte 1836 dorthin über. Im Mai 1848 
wurde R. vom Kreiſe Uſedom-Wollin in die — 
Nationalverſammlung gewählt, wo er der Stiftet 
und Führer des linken Centrums wurde. Bei der 
Bildung des Minijteriums Auerswald: Hanfemann 
(25. Juni 1848) übernahm R. das Portefeuille des 
Kultus, legte dasjelbe aber fhon nad) 14 Tagen 
nieder und bemühte jih num, innerhalb der preuf. 
Nationalverfammlung die deutiche in Frankfurt zu 
unterjtügen, bis erjtere im November aufgelöit 
wurde. Bei den Kammerwahlen im Jan. 1849 
wurde X. von Berlin in die Zweite Kammer gewählt 
und brachte 13. April den Antrag auf Anerlennung 
der von der frankjurter Berfammlung beichlofienen 
Neichöverfaflung ein, welder von der Kammer 
21. April angenommen wurde, worauf 27. April 
die Auflöfung derfelben erfolgte. Nah Oftrogie: 
rung des Kla ——— vertrat R. das Prinzip 
der Wahlenthaltung ſeitens der Demokratie. Als 
Laſſalle 1862 ſeine Arheiteragitation begann, for— 
derte er R. zur Mitwirkung auf; dieſer lehnte jedoch 
ab, weil er die joziale Frage nicht als eine politiiche, 
fondern al? eine rein wirtfchaftlice behandelt willen 
wollte, und veröffentlichte einen darauf bezüglicen 
«Diienen Brief an das Komitee des deutichen Ar: 
beitervereins» (Lpz. 1863). Während der Konflikt: 
eit betannte ſich R. zur Politik des Minijteriums 
ismard und verteidigte in der Preſſe namentlich 
die Armecreorganijation. Er jtarb 6. Dez. 1875 
auf feinem Gute Jagebow. 
iſt der bedeutendite Bertreter des lonſervativen 
Sozialismus, der durch fozialpolit. Reformen einem 
gewaltjamen Umfturz vorbeugen will. Als Theo: 
retiler zeichnete er fich durch Tiefe der Auffafjung und 
eine an Ricardo (j. d.) erinnernde Abitraktionstraft 
aus. Bon R.s Schriften find zu nennen: «Zur Er: 
lenntnis unferer ftantemirticaftlichen Zuftänder 
Neubrandenb. 1842), «Die preub. Geldkrifis» (An: 
am 1845), «Soziale Briefe an von Kirdymann» 
(3 Hefte, Berl. 1850 —51; das 2.u.3, neu herausg. 
unter dem Titel «Zur Yeleuhtung ber fozialen 
ge», Berl. 1875), «Die Handelstrifen und die 
ppotbefennot der Grundbefiher» (Berl. 1858), 
«sur Grllärung und Abhilfe der heutigen Kredit: 
not des Grumdbefipes» (2 Bde., Jena 1869), «Der 
Normalarbeitätag» (Berl. 1871). Die Herausgabe 
jeines Nadjlafjes haben A. Wagner und Th. —* 
unternommen, und es iſt daraus bisher namentlich 
der vierte Brief an von Kirchmann ig 
8 2 


Begründer des wiſſenſchaftlichen 


nad einem Laufe von 53 km unterhalb Zeuln. | Sozialismus» (Cpj. 1881). 


r. 


Rödby — Röder (Fluß) 


Rödby, Stadt auf Laaland (f, d.). 

Node (Chriftian Bernh.), Hiftortenmaler und 
Kupferſtecher, geb. zu Berlin 1725, ging 1750 ala 
Schüler Vanloos md Paris, fpäter nad) talien, 
wo er ſich teil3 in Nom, teild in Venedig zwei 
Jahre aufbielt. In Italien malte er Alerander, 
welcher weinend ben Yeichnam des Darius mit feis 
nem Vurpurmantel bededt. Nach der Nüdlehr aus 
Stalien veranlahte ihn der Tod feines Vaters 1756 
zu zwei groben allegoriichen Gemälden, welde er 
nebjt einem Altarblatte der Marienkirche zu Berlin 
fchentte. ÜÄhnliche Geſchenle erbielten von ihm 
andere Kirchen, namentlid die Garniſonlirche. Die 
Zahl feiner Arbeiten beläuft fi) auf circa 300; die 
meilten derfelben find von ihm felbft in Kupfer 
radiert worden, fo aud die —— Maslen 
nach Schlüter. Mit beſonderer Liebe malte er die 
merlwürdigſten Epochen aus ber brandenb. Ge: 
ag Auch aus Gehners «oyllen» hat er einige 
5 öne Stüde gemalt und zu allen Fabeln Gellerts 

lätter radiert. Er gehört der ältern Schule feiner 
Zeit an, ohne —— Bedeutung in Anſpruch 

u nehmen. Er ſtarb als Direktor der. berliner 

kademie der bildenden Künſte 24. Juni 1797, 

Sein Bruder, Johann Heinrih R., geb. 
1727, geft. 1759, hat mehrere Blätter, unter andern 
zu Rabeners Satiren, radiert. 

Node (Pierre), bedeutender Virtuos auf ber 
Violine, geb. zu Borbeaur 26. Febr. 1774, von 
deutſcher Abkunft, begab fi 1787 nad) Paris, wo 
Biotti ihn unterrichtete und er 1790 ala Führer ber 
weiten Violine bei dem Orcheſter des Theaters 

eybeau angeftellt wurde. Hierauf unternahm er 
1796 feine erjte Kunftreife, wurde dann Profefior 
der Violine am Konfervatorium und Soloviolinift 
in ber Hauslapelle des Erſten Konſuls Bonaparte, 
Vorteilhafte Anträge des ruff. Hofs beftimmten ihn 
1803, mit Boieldieu fih in Peteröburg niederzus 
lafien. In diefe Zeit fällt der Höhepunkt feiner 
künftlerifchen Leiftungen. Fünf Jahre blieb er ba: 
jetoß worauf-er nad) Frankreich zurüdkehrte und 
n. Borbeaur 27. Nov. 1830 ftarb. Unter feinen 
Biolinlompofitionen find befonders berühmt die 
12 Konzerte, welde von allen Biolinmeiftern ge: 
pieltwerden. Die mit Baillot und Kreuber gemein: 
am verfaßte große Violinſchule des parijer Kon- 
ervatoriums ijt ebenfalls ein mujterhaftes Werk, 

Nödelheim, Stadt im preuß. Negierungsbegiet 
und im Landlreis Wiesbaden, an der Nidda, 5 km 
nordweſtlich von Frankfurt a. M., Station der Linie 
Sranffurt:Homburg der Preußiſchen Staatsbahnen 
und der R.»Gronberger Eifenbahn, zäblt (1885) 
4264 E. und hat eine * und eine fatb. Pfarr⸗ 
lirche, eine Realſchule ein Schloß mit Part, Villen 
tanlfurter Bürger, Ziegeleien und Fabrifen von 

\ inen rauben und Chemitalien, 

deifee, farrdorf im bayr. Regierungsbesirt 
Unterfranten, Bezirksamt Kipingen, in (1885) 
800 E, und bat Weinbau neben Dbitbau und 
Viehzucht. Nahebei auf einer weitlih vorfprin: 
got Höhe des Steigerwaldes erhebt ih Schloß 
hwamberg over Shwanberg. 

Rodenberg, Stadt im preuf. Regierun —* 
Kaſſel, Kreis Nuteln, an der Kaſpaue sollen n 
nördl. Ausläufern des Büdeberg und des Deilter, 
I eines Amtsgerichts, zählt (1880) 1720. Die 

i 


749 


N. war einſt Siß der Grafen von Schaumburg, von 
deren Schloß noch Ruinen vorhanden find. 
NRodenberg (Julius, ae ulius 
Levy), deuticher Dichter und Schriftiteller,, geb. 
26. Juni 1831 zu Nodenberg in der damals kurbefl, 
—* Schaumburg, befuchte die höhere Bürger: 
Ichule zu Hannover, dann das Gymnafium zu Nins 
teln und widmete fidh feit 1851 zu Heidelberg, Göt: 
tingen, Marburg und Berlin rechtswiſſenſchaft⸗ 
lihen Studien, Nachdem er fich 1856 zu Marburg 
mit der Differtation «Bon der Regredienterbſchaft 
abeliger Töchter» die jurift. Doltorwäürde erworben, 
entjagte er der jurift. Laufbahn, um fich der Litte: 
ratur zuzuwenden. Inzwiſchen hatte ſich N. bereits 
mehrfach als Dichter verfucht und mit —* ſei⸗ 
ner poetiſchen Arbeiten Beifall gefunden. Zu dieſen 
ehören «liegender Sommer» (Lp3. 1854), die epi⸗ 
hen Dichtungen «Dornröschen» (Brem. 1852), 
«König Haralds Totenfeier» (Marb. 1853; 3. Aufl, 
1856), dad Gedicht «Der Majeftäten Rheinwein und 
Felſenbier —— (Hannov. 1853; 3, Aufl, 
1854); ferner «Lieder» (Hannov, 1853 u. öfter), die 
fpäter vermehrt als «Gedichten (Berl.1863; 5. Aufl. 
1880) erſchienen. Hierzu famen noch «Dramatiiche 
dylien» (Hafj. 1858), einige Opernterte und der 
iedercpllus «Fürs Mutterherz» (Berl. 1866). Mit 
feiner erjten Proſaſchrift, dem «Pariſer Bilder: 
bud» (Braunſchw. 1856), weldem bie «Slleine Wans 
derchronite (Hannov. 1858; 2. Aufl, 1866) folgte, 
betrat R. ein Litteratu eld, für welches er ein 
eigentümliches Talent belundet. In der Zeit von 
1856 bis 1862 führte er ein Wanderleben, durch⸗ 
ftreifte England led, Irland und Schottland, 
lebte auf den Kormannif en Infeln, auf den Eis 
landen Nordfrieslands, an den jchweiz. oder den 
ital Seen. Seine Erlebniffe und Eindrüde teilte 
er in einer Reihe anmutiger und gewandter Schil- 
derungen mit. Zu diefen — «Ein Herbſt in 
Wales» (Hannov. 1857), «Alltagsleben in London» 
Der. 1859), «Die Snfel der Dein (2. Aufl., 
erl. 1863), «Berihollene Jnfeln» (Berl, 1861), 
«Stillfeben auf Sylt» (Berl. 1861; 3. Aufl. 1876), 
«Tie Harfe von Grin» Lpz. 1861), «Tag und Nacht 
in London» (Berl. 1862; 4. Aufl. 1865), «Dieffeit 
und jenfeit der Alpen» (Berl. 1865), «Die Mpyrte 
von Killarney» (Berl. 1867), «Paris bei Sonnen: 
fchein und Zampenlicht» (1.und2.Aufl., Lpz. 1867). 
63 folgten: «Studienreifen in England» (Epz. 1872), 
«In deutichen Landen» (Lpz. 1873), «Wiener Som: 
mertage» (2pz. 1874), «Ferien in England» (Berl, 
1876), «Belgien und die Belgier» (Berl. 1884), «Bil: 
der aus dem Berliner Leben» (Berl. 1885). Bon 
Romanen veröffentlichte er: «Die Straßenjängerin 
von London» (zuerſt in dem von ihm begründeten 
«Deutſchen Magazin» von 1861, dann Berl. 1868), 
«Die neue Sündflut» (Berl, 1865), «Bon Gottes 
Gnaden» (Berl. 1870) und «Die Grandidiers» 
a: u. Lpz. 1878; 2, Aufl. 1881). Seit 1863 
at fi R. dauernd in Berlin niedergelafjen, wo er 
1867— 74 in Gemeinschaft mit Dohm die er 
ſche Zeitfchrift «Der Salon» redigierte und 1874 bie 
Deutſche Rundſchaus begründete, 
Rodeneck, Burg bei Muhlbach (ſ. d.) in Tirol, 
Rodeuſtein, j. unter Reichelsheim. 
Röder (Größe Röder), linksſeitiget Nebens 
fluß der Schwarzen Elſter, eniſpringt zwiſchen Puls⸗ 


ge Saline, in der gutes Kochſalz gewonnen | nik und dem Sibyllenſtein in der Amtshauptmann⸗ 


wird, liefert gleichzeitig die Sole für die im bena 
barten —— — (f.d.) verabreichten Are 


ihaft Kamenz der ſächſ. Kreishaupimannſchaft 
* tritt oberhalb Radeberg in die Kreis: 


750 


bauptmannfhaft Dresden, nimmt rechts die Kleine 
Roder, linls bei Nadeburg die Prommiß auf, ent: 
fendet Unis den Landgraben weiter abwärts — 
Elſter, tritt unterhalb Grödig in den preuß. 
gierungsbezirt Merjeburg und münbet nad) 82 km 
— zwiſchen Elſterwerda und Liebenwerda. 
Röder (Karl David Aug.), Rechtsphiloſoph, 
geb. 23. Juni 1806 zu Darmitadt, jtubierte in Göt: 
tingen und Heidelberg die Rechte, trat 1827 zu 
Dermftadt i in den Staatödienft und habilitierte ſich 


1830 in Gießen. Infolge feiner S —* ran 
züge der Politik des Nechts» (Bd. 1, t. 1837) 
wurden ihm bie weitern rehtäpbilof. Bor ungen 


unterfagt, worauf fi R. 1839 zu Heidelberg habili- 
tierte; 1842 wurde er bier zum außerord. Brofeflor 
ernannt. In ben «Grundzügen des Naturredts 
no. nn gran ber (Heidelb. 1846; 2.Aufl., 
—* 860—63) verfuchte er, ſämtliche wefentů de 
Menſchenrechte als die eigentliche Grundlage der 
ganzen Rechtswiſſenſchaft jo vollitändig als möglich 
darzuitellen und zu begründen. Gegen die bejtehende 

Strafrechtäpflege fämpfte er in den Schriften «Zur 
Rechtsbegrundung der en e» (Heidelb. 
1846), «Die —* erung de — weſens 
mitiels der nei to ie 1856 u. 
8* im — des td» ( 


863) und 
aBejlerungsftrafe und ee als 


Nectsforderung» (Lpz. 1864). R.nahm 1848 am ganz! 


frantfurter Borparlament ei er —* Schrif⸗ 
ten ſind noch orzuheben: «Kritiſche Beiträge 
zur Geſehgebung über die außereheliche Geſ lets: 
nemeinjchaft» (Darmſt. 1837), «Grundgebanfen und 
Bedeutung des röm. und german. Hedhtö» (Lpz. 
1855), «Berfude der Berichtigung von Ulpiani 
fragmenta» (Bött. 1856) und «Die Kriegsknecht—⸗ 
Kr unſerer Zeit und bie Wehrverfaflung der Zu: 
tunft» in Gotta «Deutſcher Vierteljahrsſchrifto 
(1868). R. ftarb 20. Dez. 1879 zu Heidelberg. 
Roederer (Pierre Louis, gt 3. franz. Pu: 
blizift und Staatämann, 1B. Der 
1754, ftudierte zu Meß un ne die echte 
und faufte 1780 eine Stelle ala a ge in 
feiner Vaterſtadt. Nachdem er in mehrern Schrif: 
ten für die Ideen der polit. Reformen gewirkt hatte, 
wählte ihn die Stadt Meß in die Nationalver: 
ammlung, wo er Mitglied des Jalobinerllubs war. 
serner befleidete er jeit November 1791 die Stelle 
eines Generalanwalts im Seinedepartement. Der 
Nat, den er 10. Aug. 1792 der königl. Familie gab, 
fih in die Nationa verfammlung zu begeben, ent: 
zweite ihn mit den Jalobinern. Erſt nad dem 
9, Thermidor trat er wieder mehr hervor. Im J. 
1796 in das Inſtitut gewählt und zum Profefior 
der polit. Öfonomie ernannt, wirkte er in der Preſſe 
für die Einführung des Koniulats, Napoleon be: 
tief ihn in den Staatsrat, übertrug ihm die Orga: 
nijation der Bräfefturen und —— die Leitung des 
Unterrichtsweſens. Im J. 1806 ſchidte ihn Na: 
poleon I. an den König Joſeph nach Neapel, deſſen 
Sinanzminifter und Zwiicenhändlererwurbe; 1809 
erhob ihn Rapoleon zum Grafen des Kaiferreiche. | | 
Sn Dez. 1810 übernahn: R. das Amt eines Staat3: | 
— beim Großherzog von Berg, gegen Ende 
. 1813 aing er als außerordent der Kom: 
MR des Nailers nach Straßburg. Während der 
Hundert Tage arbeitete er an der joltsbewaffnung 
in Burgund und Bretagne und erhielt einen Sit | 
in ber Pairskammer, wo er fih nad) der Schlacht | 
von Waterloo zu Gunften Napoleons II. aus: 


| aufgeführt, eine der fchönften 


Nöder (Karl David Aug.) — Rodez 


ſprach. Mit der zweiten Reftauration verſchwand 
er vom öffentliden Schauplag. R. ſchrieb in der 
Reftaurationgzeit « M&moires pour servir & V’'his- 
toire de Louis XII et de Frangois I» (2 Bde., Bar. 
1825); nad) der Julirevolution erregte feine Edrif! 
«Esprit de la rövolution de 1789, et sur les 
&vönements du 20 Juin et du 10 Aoüt» Aufieben. 
Ludwig Philipp, deflen Politik er publ ee pur un: 

— gab ihm 1832 die Bairswü 
R. ftarb 17. Dez. 1835. Eine Gefamtausg 
R.s gan (8 Bde., Bar. 1853—59) ———— 
ſein Sohn reg Marie, Baron R 

Moderich, ſpan. Rodrigo, legter König der 

Weſtgoten in Spanien, Entel des 672 geft. Königs 
Neceswinth, wurde 710 von der Reichsverſa —— 

egen ben König Witiza (feit 701) erwählt, 

er im Gegeniaß zu dem biöherigen —— der 
Weitgoten bie Krone erblid maden wollte. 


ber — ger fo ift auch der R.s — 


—— t, daß gleich nad der Erhebung, 

Angriff Mauren Nordafritas unter ber Jaßrung 
Muſas ftatthatte und daß diefer vom ee des 
geitürzten Königs, Oppas, Erzbiihof von Sevilla, 
und den Söhnen beafelben begünitigt warb. A 
- fi den Mauren 711 am Gundalete oder bei 

res be la u. en — 

—— —— x. 
och ſoll er nach al 
an for eieht — Sue 
= feit dem 12, 
un daraus, er —— oder —— der 
Grafen Julian von Cẽuta, Gewalt am: 
ach * "Deshalb dann dieſer die Mauren gerufen; 
fiebentägi en Kämpfen fei R. verſchwunden, 
Eu als Einfiedler in ildniſſen feine Schuld 
büßen. (. Guerra , «Caida y ruina del imp 
isigotico » (Mabdr, 1883) ; Zailhan, «Chroniqgue 
rimee des derniers rois de Tolöde» (Bar. 1885). 

Nöderlandbetrieb, |. unter Wal feldbau. 

—— Marktfledden in der fä naar 
bauptmannidaft Zwidau, ver Gola, 8 
Auerbach, an beiden Ufern ber — 425 m nk 
dem Meere, Station der Pinie 
ve. der Sädfüichen Staats —— 
4323 E. und hat drei Ritterguter ein‘ 

—* —— — En Sabeit von ne 
ap en, zwei bebeut — 
waren, bedeutende Haus induſtrie für Be 

fation, ‚Nafchinenitiderei, drei Ge 

Dampfich Nußbrennereien, em. 
Bleibe und ———— mit Da 
Kartonfabrikation und bedeutenden Vertrieb vor 

Norbhäufer Branntwein. 

Modez, ehemals auch Rhodez, Hauptftabt des 
franz. Depart. Aveyron und ber frühern Graffcheit 
Rouergue im Öftlihiten Zeil von Guyenne, aui 
einem vom Aveyron AA freisförmig umflofienen 
Hügel, in 550 m höhe, Station ber Yinie 
Gapdenac:R. der Orleansbahn und ber Lime 
Latour: Millau:R. der Sübbahn vielfah oe 
wunbene und fer wer en üftere Etrafen 
und eine große Anzahl hölzerner Häufer, deren 
eriter Stod in die Straße hervo pringt. Dod; 
find auch regelmäßige und große Bläge und jchöne 
Boulevard3 vorhanden. Das bedeutendite Ge 
bäude iſt die Kathedrale Notre-Dame, 1277—1 San 


t. Kirhen Ein: 
frantreiche, mit 80 m hoben Glodenturm, deiien 


Kuppel eine koloſſale Marienftatue krönt. "Andere 


Nödiger — Rodoſto 


bemerkenswerte Gebäude find der — Bolak 
aus dem 17. Jahrh., das Lyceum — 3 Je: 
juitentollegium) mit au&gezeichneter elle im 
Nenaiffanceftil und das Hötel D’Armagnac. Auf 
der Place de la Cite erhebt ſich die Bronzeftatue 
von Monjeigneur Affre, Erzbiſchof von Paris, ein 
Werk von Barre. R. zählt (1881) 10911 (ala Ges 
meinde 15333) E. und iſt Siß eines Suffragan⸗ 
biichof8 der Erzdiöceje Albi, eines Handelägericht3, 
einer Manufakturen: und Aderbaulammer und hat 
ein Lyceum, ein großes und ein Heines Prieiters 
jeminar, ein 2ebrerjeminar, eine Taubſtummen⸗ 
lehranſtalt, einen Lehrſtuhl für Aderbau, eine öffent: 
lie Bibliothef von 16000 Bänden und ein natur: 
biltor. Mufeum. Ferner befteht ein Theater, eine 
Korrektionsanftalt und eine Yrrenanftalt. Die 
Stabt unterhält Fabrilen in Spiellarten, Wachs⸗ 
terzen, Tuch, Wolldeden, Serges und Tricots für 
das Militär, Hüten, Lederhandſchuhen, Mefier: 
ſchmied⸗ und Duincailleriewaren ſowie auch Loh⸗, 
Weiß⸗ und Sämifchgerbereien, ereien, Bapier: 
möühblen und Brauereien, 2ebbaft ift Handel 
mit diejen Fabriten, mit Maultieren, en und 
anderm Vieh, mit grauer Leinwand, Wolle, Käfen 
(fromages du Cantal) und andern Landesprodulten. 
R., ber Hauptort Segodunum ber galliſchen Ruteni, 
in ber jpätröm. Kaiſerzeit head u unb Civitas 
Rutenorum, hataus dem Altertum nod ein Druiden; 
dentmal und Reſte eines röm. Amphitheater und 
Aquãädukts. Im Mittelalter hieß es Rutena (aud) 
ltuthenis, Rutenica, Rutina) ala Hauptort des 
Pagus Rutenicus und der jpätern Grafihaft Ro: 
vergue oder Rouergue (Comitatus Rodensis), bie 


1271 mit der Krone, 1313 mit ber Grafichaft 
Armagnac vereinigt, 1526 von Heinrich III. von 


Navarra erheiratet unb 1589 von Heinrid IV. ben 
Kronländern einverleibt wurde. 

Röbiger( ), verbienter deutſcher Drientalift, 
geb. 13. Oft. 1801 — ufen in Thüringen ; 
gebildet auf dem Waiſen fium unb ber 
Univerfität Halle, wurbe R. 1828 Privatdocent an 
der theol. Facultät, 1830 außerorb., 1835 ord. Pro: 
feſſor der orient. Sprachen in Halle, 1860 in Berlin, 
1864 Mitglied der dortigen Akademie ber Wijlen: 
haften. Er ftarb 15. Juni 1874 in Berlin. Außer 
einer Reihe von Aufjähen in ber aHalleſchen Allge: 
meinen Litteraturzeitung» (feit 1827), in der «Zeit: 
fchrift für die Aunde bes Morgenlanbs» (jeit 1837; 
namentlih über neuſyr. Sprade und kurdiſche 
Studien) und in der agJeitſchrift ber Deutſchen 
Morgenläãndiſchen Gejellihaft» (jeit 1847) find von 
feinen Arbeiten zu nennen «De origine et indole 
Arabicae librorum V. T. historicorum interpre- 
tatione» (Halle 1829); die Ausgabe der Fabeln Lot: 
mans (Halle 1830; 2. Aufl. 1839); for. Chreito: 
mathie (Halle 1838; 2. Aufl. 1868); «VBerfud über 
bie himjaritiihen Schriftmonumente» (Halle 1841), 
eine Überfegung von Mellfteds «Reiſe in Arabien» 
(2 Bde., Halle 1842). Außerdem führte er nach Ge: 
fenius’ Tode den « Thesaurus linguae hebraicae» 
zu Ende und beforgte die jpätern Auflagen von 
deiien «Hebr. Grammatik», 

Rodman, nordamerif, Artillerieoffij;ier der Ge: 
genwart, befannt durch verjchiebene Grfindun en 
auf dem Gebiet ber Artillerietechnil. Dahin gebö: 
ren ein verbefiertes Berfahren des Guſſes von 
eilernen Gejhügrohren, die Konſtrultion eines nach 
NR. benannten Apparats zum Mefjen bes Gasdruds 
in Geihügrobren, ſowie die Anwendung grob: 


751 


törnigen Pulvers für gefteigerte Geſchüßladungen. 
(S. Geihüs und Schießpulver.) 

Rodna, ein wichtiger Gebirgspaß aus bem 
Thale der großen Szamos in Siebenbürgen nad 
der Moldau, Am anne desſelben liegen bie 
Ortſchaften Neu: und Alt:Robna, beide von 
Rumänen bewohnt. In der Nähe find ergiebige 
Blei: und Eijenbergwerfe ſowie warme Quellen. 
Alt:Rodna war in der erften Hälfte des 13. Jahrh. 
eine blühende deutſche Stadt, die 1241 von ben 
Mongolen erobert und — wurde. 

Noduch (George Brydges), berühinter brit. 
Seeheld, geb. 19. Febr. 1718, wurde 1742 zum 
Kapitän und 1759 zum Kontreabmiral befördert 
und befebligte im legtern Jahre die Unternehmung 

egen Havre de Gräce, welches er im Angefiht der 

5 Flotte bombardierte. Im J. 1762 eroberte 
er Martinique, 1763 wurde er Gouverneur des 
Invalidenhoſpitals zu Greenwich und ſtieg 1771 
um Vizeadmiral auf. Im J. 1779 erhielt er den 

berbefehl der weſtind. ylotte, eroberte Yan. 1780 
eine bedeutende Anzahl ſpan. Transportichiffe und 
ſchlug die ſpan. Flotte unter Langara, Hierdurch 
verfaffte er dem bedrängten Gibraltar Lebens: 
mittel und Kriegsbedürfniſſe. Im Mai 1780 lie: 
ferte er der franz. Slotte unter dem Befehl des 
Grafen Guiche auf der Höhe von Martinique drei 
unentſchieden gebliebene Gefechte. Sein Unterneh: 
men im Dez. 1780 gegen die * St. : Bincent 
mißlang; bafür eroberte er im Febr. 1781 bie In⸗ 
feln St.:Euftade, St.-Martin und Saba. Auf die: 
jen Si Tolgte die fibergabe der holländ. Kolonien 
Efiequibo, Demerara und Berbice ſowie ber Infel 
St.» Barthelemy. Sein glänzenditer Sieg war 
jedoch der vom 12. April 1782 über die franz. flotte 
unter bem Grafen Grafle auf der Höhe zwiſchen 
Dominica und ben Iles des Saintes mitteld Durd; 
bredden3 der feinblihen Schlachtlinie. Die Fran: 
zofen verloren fünf Linienſchiffe, darunter das Ab: 
miralſchiff Bille:de: Paris, und Graſſe felbit wurde 
gefangen. Für diefen Sieg, welder Jamaica ret: 
tete, ernannte ihn der König zum Peer; das Bar- 
lament aber gewährte ihm eine Tebenslängliche 
Benfion von 2000 Pd. St. R. ftarb 21. Mai 1792. 
Bol. Mundy, «Life and correspondence of R.» 
(2 Bde., Lond. 1830). j 

Nodomontade, Aufihneiberei, Großprablerei, 
abgeleitet von Nodomonte, dem Namen eines 
beidnifchen Helden in Artoftos «Rafender Roland». 

Rodoſto (türk. Telir Dagh), Stadt in dem bier 
nad Numelien übergreifenden türt. Bilajet Balyt 
—* Sitz eines Muleſſarif, auf der europ. Seite 
und im Hintergrunde der nordweſtl. Einbiegung 
des Marmarameers, gleich weit vom fübl, Aus: 
gang des Bosporus und dem nordöſtlichen der 

ardanellenmeerenge gelegen, hat einen guten, 
gegen MWeft:, Nord: und Nordoitwinde gededten 
Anlerplab und, um feiner Lage willen, namentlich 
auch als Adrianopel nächſt fituierter Küjtenpuntt 
des Marmarameers, eine große dommerzielle wir 
ftrategiihe Bedeutung. Infolge des Ruffiich-Tür- 
liſchen Kriegs von 1877 und 1878 fehr herabge: 
lommen, und unmittelbar nad) demfelben nur we 
nig mehr als 4000 G. zählend, hat fi der Ort 
danach raſch erholt. Derfelbe ijt durch einen rege!: 
mäßigen Dampfichiffahrtsdienit (Fahrzeit ſechs 
Stunden) mit Konjtantinopel verbunden, N. war 
im Altertum die ion, Kolonie Bijanthe und hich 
jpäter Rhädeſtos und Rhädeſton. 


152 
Rodri uch: bie öftlichfte der Mascarenhas: 
infeln. (©. Diego Rodriguez.) 


Nochud (niohn Arthur), hervorragendes engl. 
PVarlamentsmitglied, Enlel des ausgezeichneten 
Arztes John R. in Birmingham, geb. 1802 zu 
Madras in Oftindien, verlebte feine Jugend in 
Canada und bildete jih dann in England zum 
Rechtsgelehrten aus. Zugleich beteiligte er ſich 
lebhaft an den polit. und fozialen Bewegungen der 
Zeit und erwarb ſich bei der Vollspartei ein ſolches 
Anfehen, dab er 1832 von der Stadt Bath in das 
erite reformierte Barlament gewählt wurde. Er 
ſchloß ſich hier namentlich Hume, Leader und Mo: 
lesworth an und gründete mit lekterm die «West- 
minster Review» als litterariſches Organ ber Ra: 
dikalen. Den W und Tories gleich verhaßt, 
verlor R. bei den Wahlen von 1837 feinen Parla— 
mentsſih, wurde aber im ‘an. 1838 als Agent der 
Ganadier vor beiden Häufern des Parlaments ge: 
Bart: und erlangte 1841 zum zweiten mal den Siß 
ür Bath, den er 1847 abermals verlor. _Erft im 
Mai 1849 erhielt er das Mandat für Sheffield. 
In feiner «History of the Whig ministry of 1830» 
(2 Bde, Lond. 1852) kritifierte er die feit 20 Jahren 
mit kurzen Unterbrehungen am Ruder ftehende 
Partei mit nachſichtsloſer Strenge. Eine hervor: 
tagende Rolle fpielte er während des Krimlriegs, 
indem er im ‘jan. 1855 die Niederfehung eines 
Komitee zur Unterfuchung der Lage des brit. Heers 
vor ——— beantragte, was die Sprengung 
des Miniſteriums Aberdeen und die Berufung 
Palmerſtons an die er. der Regierung zur Folge 
hatte. Vald wandte er ſich jedoch wieder von Pal: 
merjton ab, näherte fih fogar den Tories und ge: 
örte zu den wenigen Liberalen, die für die toryis 
tiihe Reformbill von 1859 jtimmten. Gegen das 

tinifterium Ruſſell-Gladſtone nahm er fofort eine 
unfreundlide Haltung an. Im J. 1868 verlor er 
Pen Sig für Sheffield, erlangte benjelben aber 
ei den Neuwahlen von 1874 nod) einmal wieder. 
Er machte ſich in der Folge bemerklich durch feine 
leidenſchaftliche arteinahme für die Türkei und 
für die von dem Minifterium Veaconsfield befolgte 
imperialijtiiche Politit. Im J. 1878 wurde er 
zum Mitglied des Staatärat3 ernannt und ftarb 
50. Nov. 1879, 

Roer oder Ruhr Ua eng Nebenfluß der 
Maas im preuß. Neglerungs ezirt Aachen, entſteht 
686 m hoch bei Sourbrod auf dem Hohen Ben, 
Ikm im NND. von Malmedy, fließt mit vielen 
Krümmungen über Montjoie, Nideggen (170 m 
bod), Düren (128 m) und Julich (74 m), erreicht 
in 25 m Seehöhe da3 niederländ, Gebiet und mün: 
det 30 m breit nad) einem Laufe von 112 km mit 
den Serpentinen von 207 km, von denen 96 (mit 
ben Windungen 185 km) zu Hreufen gehören, bei 
ber Stabt Roermond (f. b, on ihrem Urfprung 
bis Nideggen durchſtroͤmt fie ein enges Thal mit 
ftartem Gefäll; bei Kreuzau, etwas oberhalb Düren, 
tritt fie in die Ebene und fließt in einem breiten, 
wieſenreichen, unterhalb Jülich funpfigen Thal, in 
welchem fie ſich mehrfach verzweigt. Sie iit nicht 
ſchiffbar, tritt häufig über ihre flachen Ufer und 
ſpeiſt viele abgeleitete Kanäle, welde, wie fie ſelbſt 
und ihre Suflüffe (rechts die Urft mit der Oleff, die 
Elle oder Ellenbach, lints die Inde und die Worm 
oder Wurm), zahlreihe Mühl: und Hammermwerte 
treiben. Auch eignet fih ihr Waſſer vortrefflich 
zum Färben und Bleichen. Nach der R. wurde 


Nodriguez — Roeskilde 


unter Napoleon I. das Roer⸗Departement bes 
nannt, deilen Hauptitadbt Nahen war, 

NRoermond, frz. Nuremonde, Bezirkäftadt 
der niederländ. Provinz Limburg, früher zu Öfter: 
reihiih: Geldern gehörig, an der Maas und an 
der Mündung der Noer (If. d.), 45 km im NND. 
von Maitriht an der niederländ. Staatsbahn: 
linie Maftriht: Venlo, fowie an ber belg. Pinie 
Antwerpen⸗ Vlodrop gel en und durch eine ſchöne 
Steinbrüde mit der orttabt ‚St. Jalob verbun: 
den, irlsgerichts und feit 1561 
eines Biſchofs. Die Stadt ift geräumig gebaut 
und hat an Stelle ihrer ehemaligen fekun &mwerfe 

übjche Promenaden erhalten, Von ihren 
eiten und Anjtalten find zu erwähnen die tath, 
Münfterirhe, ein ausgezeichnetes Gebäube aus 
dem 13. Jahrh., die St. Chriftoffel: oder Barodhies 
x e — — —— Br Trug —— Su 
unjtvoll geichnisten Bei en, 
gebäude (früher biihöfl. Palaft), das Urfulinerin: 
nenklofter der «Schweftern zur Liebe» mit einem 
Penfionat, das biihöfl. Kollegium, ein gehe Se 
minar und eine höhere Burgerſchule. Die Stadt 
zählt 10900 E., bat bedeutende inbujtrielle 
—— —— Woll⸗ — 
abriten und Färbereien, eine gro 
ten für feine Bildhauerei in —— Holz 
und eine gro abrik feuerfeiter —— 
R. entitand aus einem 1290 vom Grafen Otto III. 
von Geldern ummanerten Dorf und wurbe als 
ftung mehrmals erobert, jo 1572 durch den 
ringen run I. von Dranien, 1632 vom 
ringen Friedrich Heinrih, 1637 von ben Spa- 
niern, 1702 von den Alliierten, 27. Juni 1758 von 
dem Erbprinzen Karl Wilhelm von Braunf 8 
gegen die Sranzofen, 1792 durch fehtere und 6. März 
1793 vom Herzog Friedrih von Braunschweig: 
nad) dem fiegreichen Gefecht (4. März) bei dem 6 km 
im Norden, an der Mündung ber Schwalm gelege⸗ 
nen — ——— —— rn 
errihaft war N. die Haup 
a aas (Meuse inferieure) und das Bistum 
mit dem von Lüttich vereinigt. 

Roeskilde (d. i. Roes Quelle), deutſch Roſchild 
und (wie bei Klopſtoch Rothſchild genannt, Stadt 
auf der bän. Sinjel Seeland, an dem Roestilde: 
fiord, dem öjtl, Arm des ilefiords, im Amt und 
31 km von Kovenhagen, an ber &i 
KopenhagenKorför, die hier nah Masnedfund und 
Kallundborg abzweigt, beiteht aus einer ei 
Seuptikraße, * einen Hafen, fhöne Quellen, 
Gelehrtenſchule und ein 19, März 1699 
Fräuleinftift und zählt (1880) 5893 E. Die Stadt 
wurde 970 oder 980 vom König 
aus Holz, erit 1084 aus Stein erbaut und war 
Mittelalter die erfte Stabt in ganz 
27 Kirchen und Klöftern und angeblid) 100000 €. 
Bis 1443 war e3 ©ib der Könige und vom 11, bis 
ins 16. Jahrh. Siß des Erybitcofs, une 

und 


iſt Siß eines 
Bi 


blühen Kopenhagens fant die Stadt, Veit 
Beuer (1282, 1443 und 1529) verwüfteten fie, 

eit der Reformation hörte fie 7 der 
Mittelpunkt des Landes zu fein. Als ein 

DE BEST edel 
Dreifaltigteitsti 0, e, 

—— te Dom in Dänemark, erbaut von Knud 
dem Heiligen (1047—84), eine N des 
braunfchweiger und rapeburger ers, ben 
Gräbern von mehr ala 30 Königen und Königinnen, 


fowie vieler Adeligen und Gelehrten (3. B. des 


Roeule — Noger I. (König von Sicilien) 753 
von dem R. ber Barbe. Das Legen der Eier nennt 
man bei den Fiſchen Laichen (f. d.) 


Saro Grammaticus, der hier Bropft war und 1204 

6b), mit vielen prachtvollen Monumenten. In 
em am 26. Febr. (8. März) 1658 auf Grundlage 
des Toftruper Vertrags vom 18, (28.) Febr. ge: 
ſchloſſenen Roeskilder Frieden zwildhen Däne: 
mark und Schweden trat erftered Schönen, Hal: 
land, Blelinge, Vohus, Drontheim, Bornholm 
ab, Schweden verfprad) pingegen alle Groberungen 
zurüdzugeben und erhielt Berreiung vom Sund— 
zoll. zu. Geſeh vom 28. Mai 1831 wurde N. 
um Eh er Provinzialftändeverfammlung ber 
än. Inſeln beftimmt. 

Noenlg, Stadt im Bezirk Soignies der belg. 
Provinz Hennegau, an ber Linie Houdeng:Soignies 
ber —* Staalsbahnen, mit einem ſchoͤnen alten 
Schloß der Herzöge von Croy, bedeutendem Kohlen: 
bau und 2744 6. , ——* . d.). 

Rofla (Rofna), in Graubünden ſoviel wie 

Mogaſen (poln. Rogosno), Stadt im preuß. 
Regierungsbezirk Poſen, Kreis Obornik, links an 

Welna oder Kleinen Warthe, da wo ſich in die: 
felbe die Kleine Welna durch einen ſchmalen See er: 
ießt, Station der Linie Poſen-Stolpmünde ber 
Sreubifchen Staatöbahnen, Siß eines Amtsgerichts 
und eined Warendepöts der Reihöbant, zählt (1885) 
4977 €., darunter 1500 Bolen, und hat eine evang,, 
eine altluth. und eine kath. Kirche, zwei Synagogen, 
ein Gymnafium, eine höhere Töhterfchule, eine 
ar arandenanftalt, Fiſcherei, Ziegelei und eine 
upferwarenfabrit. Im J. 1295 überfiel und er: 
fhlug bier Markgraf Otto IV. von Brandenburg 
den Bolenherzog Przemiſlaw II. 

Rogäte (lat. «betet»), der fünfte Sonntag nad) 
Dftern, genannt nad) dem Anfangsworte des Evan: 
geliums von der rechten Betkunjt (Joh. 16, 25). 

Rogatio (lat. «rage»), Geſehesvorſchlag; 
Strafantrag des Anklägers. 

Nogationen, foviel wie Bittgänge, 

NRogatſchew, Kireisftadt im ruf. Gouverne: 
ment Mohilew, am redjten Ufer des Dnjepr und 
an ber mosfau:warfhauer Straße, mit 4437 E,, 
ift Stapelplap für den Verlehr auf dem Dnijepr, 
doch treibt die Stadt auch Handel mit Bauholz und 
MWaldproduften, als Teer, Beh und Terpentin. 

Rogen oder Roogen nennt man die Gier der 
Knochenfiſche und Störe, Rogner die Meibchen, 
melde von den Heinen, runden und weichen Giern 
oft eritaunlicye Mengen in ihren Gierjtöden tragen. 
So hat ein Hering 30—40000, ein Karpfen an 
300.000, ein Stör, Habeljau und andere Millionen 
von Giern. Sie haben eine große Lebens: und 
Widerſtandskraft. Nach in Echottland angeitellten 
Verſuchen waren Gier gewifler Lachſe, im Spät: 
herbſt aufbewahrt, * 20 Wochen noch unver: 
dorben und entwidelungsfähig. N den Feſtungs⸗ 
gräben Dftindiens erfheinen bald nad) dem Ein: 
tritt des Regenwaſſers, was die vorher ganz aus: 

etrodneten Gräben wieder füllt, zahllofe Brut: 
ide, bie in Eier eingefchloffen an fünf Monate 
unter dem _völlig erhärteten Schlamme zugebradht 
haben müſſen. N ed gehen Fiſcheier von Enten 
und andern Waljervögeln unverdaut und ber 
Lebenskraft nicht beraubt wieder ab, wodurch die 
Verbreitung gewiſſer Fiſche fehr unterftügt wird. 
N. des Störs und des Haufen wird eingefalgen 
und unter bem Namen Kaviar (f. d.) in den Handel 
ebradt. Der Genuß des R. mander Fiihe foll 
— ſein, und bei uns gilt dies hauptſächlich 
Conberſatiensa⸗ Lexilon. 13. Aufl, XIIL 


NRogenftein, ſ. unter Kaltftein. 
Roger J., Großgraf von Sicilien und Calabrien, 
eb. 1031, war der füngfte unter den zwölf tapfern 
öhnen de3 Normannen Tancred von Hauteville, 
bie aus der Normandie um die Mitte des 11. Jahrh. 
als Soldkrieger nad Unteritalien zogen, wo fie 
durch ihre Eroberungen den Grund zu dem nad): 
maligen u beider Sicilien legten, R. er: 
oberte 1061 Meifina, 1072 fiel Palermo in feine 
Hand, und durch die Einnahme von Agrigent 1087 
ward die Eroberung ber Inſel vollendet. Auch 
entriß N. den Sarajenen Malta 1090. Wegen Ca: 
labriens, da3 er feinem Bruder Hobert Guiscard 
atte unterwerfen —* geriet er mit dieſem in 
treit, indem derſelbe die Hälfte davon, die er 
1062 RR. verſprochen, ihm vorenthielt; doch ver- 
jöhnten ſich die Brüder bald wieder, und nad) Ros 
rts Tode 1085 unterjtühte R. deſſen Söhne in 
ber Behauptung Apuliens. In Sicilien reorgani: 
ierte N, die hriftl. Kirche, ſodaß die röm, Kultus: 
orm an bie Stelle der —X — trat; doch be⸗ 
ielten einige Städte, z. B. Palermo und Meſſina, 
griech. Biſchöfe und griech. Gottesdienſt. Den Sa: 
razenen ließ er volllonimene —— 
Von dem Papſt Urban II. erhielt er durch die Bulle 
vom 5. Juli 1098 die Zuſage, daß kein Legat ohne 
[eine Zuſtimmung entjandt werben folle und ihm 
elbft die Rechte eines ſolchen zuſtehen follten. R. 
—* 22. Juni 1101 zu Mileto, feinem gewöhnlichen 
obnfig in Calabrien, s 
oger II., König von Sicilien 1101—54, bes 
vorigen Sohn, war erft fünf Jahre alt, als fein 
Bater ftarb. Anfangs führte feine Deuter Adel: 
heid (Adelasia), eine Tochter des Markgrafen Bo: 
nifacius I. von Wontferrat, die Regentſchaft, machte 
R iebod fo verhaht, daß fie ſih genötigt Jah, den 
ringen Robert von Burgund zu ihrem Eidam zu 
maden und ihn zum Bormund und Statthalter zu 
ernennen. Nachdem R. als Graf von Sicilien und 
Herzog von Galabrien die Negierung felbit über: 
nommen, bewies er fich ftaatstkug, ühn und tapfer. 
Er unterwarf die aufjäfigen Barone, ordnete die 
Finanzen und beförberte den Wohlftand Sicilieng, 
deſſen Handel mit Genua, Pifa u. f. w. bamals 
aufblühte. Nach dem unbeerbten Ableben feines 
Vetter! Wilhelm, Nobert Guiscards Entel, wurde 
er 1127 in Apulien und Calabrien als Herzog an: 
erlannt. Zum Dank für die Unterftügung, welche 
er dem Gegenpapft Anaflet II. gewährte, ließ biefer 
durch feinen Legaten in Palermo 25. Tez. 1130 R. 
zum König von Sicilien falben und krönen. Tro 
wiederholter Aufftände der Barone und objchon fi 
ber röm.sdeutfche Kaiſer Lothar und der —— 
Kaiſer Emanuel gem ihn verbanden und Bapit 
Innocenz II. den Bann über ihn ausſprach, wußte 
er fich doch zu behaupten, Nahdem er den Papſt 
nnocenz, der felbjt ein Heer gegen ihn führte, bei 
alluz30 befiegt und gefangen hatte, wurde er 
25. Juli 1189 aud) von diefem al3 König anerlannt 
und für ſich und feine Erben mit Apulien, Galabrien 
und Capua belehnt. Neapel wurde 1189, die Graf: 
ſchaften in den Abruzzen biß 1142 unterworfen. 
Da er in Sicilien fein Recht als geborener Legat 
des apoftolifchen Stuhls (f. Roger I.) mit Nad;: 
drud behauptete, den Klöftern einen Teil ihrer 
Schätze entjog, fo verwidelte ihn dies mit dem 
Papit in neue Streitigkeiten, melde erſt 1144 
48 


754 Noger IH. (König von Sicilien) — Roggen 


beigelegt wurden. Während feiner legten Jahre | Bon feinen ſehr jeltenen Gemälden befigt bie laiſerl 
führte A. mehrere ruhmvolle Kriege gegen den by: | Galerie zu Wien zwei; in Berlin befindet fich eine 
zant. Railer Gmanuel und gegen die arab. Dynaftien | Kreugesabnahme vom J. 1488. Das Bedeutendite 
an der Kite Afrilas, wo er an verſchiedenen Bunt: | von feiner Hand befigt indes Spanien. 
ten feiten Fuß faßte. Gr ftarb in Palermo 26. Febr. | Rogers (Samuel), engl. Dichter, geb. 30. Yuli 
1154, und ihm fuccebierten fein a. MWilhelm.I. | 1763 zu Newington:Öreen in Middlejer, der Sohn 
der Böfe (1154—66) und fein Entel Wilhelm IL. | eines reichen Bantiers in London, defien Geichäit 
der Gute (1166—89), mit dem der legitime Manns: | er nad) Vollendung feiner Univerfitätzftudien ſelbſ 
itamm der normann. Dynaitie erloſch. Bon feiner | übernahm, trat zuerit 1786 mit der «Ode to super- 
dritten Gemahlin, Beatrir, einer geborenen Gräfin | stition and other poems» als Dichter auf. Im J. 
von Nethel, hinterließ R. eine Tochter, Conftantia | 1792 gab er die «Pleasures of memory» beraus, 
(i. d.), die durd) ihre Bermählung mit Kaifer Hein: | die feinen Auf als Dichter begründeten, 1812 bie 
rich VI. den Thron Siciliens an das Haus der «Voyage of Columbus, a fragment», 1814 die did: 
Hobenftaufen brachte, nicht ohne Kampf mit Tan: texiſche Grzäblung «Jacqueline», 1819 « Human 
cred von Lecce, dem unebelihen Sohne ihres ſchon life» umd endlich 1822 «Italy», ein befcpreibendes 
1049 geftorbenen älteften Bruders Roger. Gedicht. R. zeichnet u durch Fräftige Gr: 

Roger IIL., König von Sicilien, Sohn und | findungsgabe oder lebhafte Einbilbungstraft, afs 
1191 Mitkönig Tancreds von Lecce, 1193 gekrönt, | durd) feinen Gefhmad und Aumut aus. Sein be- 
ſtarb ſchon 1194. Seine Witwe Itene (f. d.), eine | liebtejtes Gedicht it «Pleasures of memory», fein 
byzant. Kaifertochter, wurde nach der Groberung | beftes «ltaly», das trefiliche Schilderungen ital 
Siciliens durch Heinrich VI. feinem Bruder Philipp Landſchaft und Sitten enthält. R. pe in London 
von Schwaben zur Ehe beſtimmt. . 118 1855. Nadı jeinem Tode gab Sharpe 

Roger (Guftave Hippolyte), franz. Tenorift, | «Recollections of Samuel R.» (Lond. 1859) heraus. 
geb. zu St.;Denis bei Paris 17. Dep. 1815, war | Seine Were find mehrmals gefammelt erfchienen. 
erit im Bureau eines Notars thätig, trat aber) Rogerwiek, f. Baltijhport. 
1836 ins parifer Konfervatorium ein und machte, Woggen (Secäle), in vielen Gegenden vorzugs 
Gejangsftudien bei Martin und Morin. Im 3. | weile Korn genannt, eine zur lie ber Gräjcr 
1838 machte er in ber Overa:Comique ald Georges | gehörende Betreidegattung mitzu 

dichten Ahren, melde aus 


in Halevys «Dlip» feinen eriten theatraliſchen Ber: zweiblütiger 
5* fort. i felten breiblütigen Ährchen beſtehen, deren Kelch 


ſuch, wurde fofort engagiert und fang nun auf b 
ſpelzen pfriemlih und deren Blüten mit embilän- 
diger Granne verjehen, und zwar die zwei untern 
fisend find. Im nördl. Europa ift der gemeine 
Roggen (S. cereale L., f. Tafel: Getreide: 
arten, ig. 13), deſſen Vaterland unbelannt it, 
mit zur grudtgeit rundlich⸗ vierſeitiger ihre umd 
zäbher Spindel, die geichägtefte ——— weil 
er in ben fältern Gegenden, wo jeded anbere Ge: 
treide mebr gefährdet ift (bis 70° nördl. Br. und 
1500 m Weereshöhe in den Alpen), ſicherer reift, 
35 ben air Sb 7 u macht —* 
elbſt in ſolchem no wo n nicht 
mehr gebaut werben lann. Auch, fiefert er mehr 
und vorzügligeres Stroh ald Weizen, Hafer und 
Gerfte. Im einem Klima, wo der Wintermeisen 
nod) zeitigt, gnebeibt der R. jedod immerhin am 
ſchen Oper — beſonders als George | beiten und gibt daſelbſt den höchſten Ertrag. Der 
Brown. Bol. die nad feinem Zode erfhienenen | Winterroggen wird im Herbſt gefüet, der 
jelbitbiographiichen Aufzeichnungen «Lecomet d’un | Sommerroggen im Frühjahr; der Anbau des 
tenor» (Par. 1880). j eritern ift ausgedehnter und lohnender. Der N. it 
Roger van der Wenden, auch Rogier de höchſt wahrjcheinlich Durch die Slawen nad Europa 
la Bafture, Maler der altmiederländ. Schule, | gebracht worden, Griechen und Römer kannten ibn 
geb. zu Zournay um 1400, geft. in Brüjjel 16. junt | nicht. Bon dem R. werden nur wenige Barietäten 
1464, wurde 1426 in feiner Baterftadt Schüler bes | gezogen, welche ſich ſämtlich auch als wenig be 
Robert Campin und erlangte 1482 als Meijter Mändig unter veränderten Anbauverhältniffen er: 
Aufnahme in der bortigen Malerzeche. Wie fo | weifen: ald Winterfrudt der Staudenroggen, 
viele feiner Landsleute dürfte er aus ber Thätigkeit | der ſich ungewöhnlich ftark beftodt, das rbeir. 
des Miniaturiften zu jener des Tafelmaler3 über: | Klebkörn mit dunklem Samen und der Johan— 
gegangen fein, was fein Stil deutlich verrät. R. | nisroggen, der im Sommer gejäet, mehrere 
war fein Schüler jan van Eyds, die Eigentüm: | Schnitte Grünfutter vor ber Hörnerernte gibt. Wi: 
lichleiten und Fortichritte dieſes aeformatore bat Sommerfrucht find befonders geihäßt das Mär;: 
feine mehr altertünliche Weife nicht. Um 1430 korn, und der rönrifche Roggen. Der R. ver 
kanı R. nach Brüffel, wo er für die Stadt die Alle: | trägt leichten, fandigen Boden, gedeiht jedoch am 
orien der Juftitia malte. Im J. 1449 entitand beiten auf milden, kalfhaltigem Lehm, lehmigem 
ein bedeutendes Wert für das Spital in Beaune, | Sand und fandigem Lehm, wogegen ſehr bindiger, 
das \jüngfte Gericht. Damals hielt er fi) einige | naſſer und mooriger Boden demielben nicht zuſagt. 
eit in Jtalien auf, wie die Madonna in Frank: | Die Ernte des Winterroggens fällt für Mitteleuropa 
urt (Städeliches Inſtitut) mit dem Wappen der | in die Mitte des Juli, diejenige des Sommerrog: 
Medici bejtätigt, 1455 lebte er wieder zu Brüſſel. gens um mehrere Wochen jpäter. Der Ertrag 


diejer Bühne zehn Jahre hindurch mit großem Gr: 
folg. Dann ging er, nachdem er mit Jenny Lind 
auch in England gejungen, zur Großen Oper über. 
Seit 1850 befuchte er mehrmals Deutſchland umd 
erregte auch bier, ebenjo wie in Brüffel und Wien, 

roßes Aufiehen. Zulegt mußte man freilich eine 

bnahme feiner Stimmmittel wahrnehmen, und 
jeine Leiſtungen berubten hauptſächlich nur auf 
einer meifterhaften und binreißenden Darftellung. 
Obgleich ihm 1859 der rechte Arm amputiert wer: 
den mußte, verjuchte er doch nad) dem Berluft fei: 
ner Stimme, 1868 auf der Bühne ber Borte Saint: 
Martin ald Schaufpieler zu wirken, Der Verſuch 
mißlang. Geitdem fungierte N. als Profeſſor der 
Gejangsfunft am_Konfervatorium in Parts und 
ftarb dafelbjt 12. Sept. 1879. R. war in der lomi: 


— — — — —— — — — — — — — — 
= 


Noggendbah — Rogniat 


beläuft fih pro Heltar auf 6—40 hl à 68— 78 kg 
Körner und auf 4—8000 kg Stroh, Der Wert 
der Noggenlörner beruht zunächſt auf ihrer befon: 
dern Qualifitation zu dem allgemeinen Nahrungs: 
mittel, dem Brote. Iſt auch das Roggenmehl we: 
niger weiß und fein, als dasjenige vom Weizen, 
fo iſt es doc gefund und vermöge feines etwas 
gröbern Gehalts an Proteinftoffen fräftiger als 
lehteres. Nächiidem dient der R. zur Branntwein: 
brennerei und zur Fütterung. Sein Stroh ijt das 
geſchãtteſte aller Halmfrüchte, weil das längite und 
itärlite; e3 dient weniger als Futter, benn zur 
Einjtreu, fodann zum Dad: und Feimendeden, zur 
Anfertigung von Strobjeilen, Matten, Flaſchen⸗ 
muffen u. $. m. und ift in diefer Hinſicht Ichwer zu 
erjegen. Bon ben den R. heimſuchenden Pflanzen: 
frantheiten find namentlich zu nennen: dad Mutter: 
forn (f. d.) und der Roſt (I. d.). 

Roggenbadh (Franz, Freiherr von), deutſcher 
Deere. 8 . 23. März 1825 zu Mannheim, 
itubierte in Heidelberg und Berlin die Rechte und 
wandte fi 1848 dem polit. Leben zu. Als Selre: 
tär im Reihsminifterium des Außern gewann er die 
Anficht, dab nur umter Preußens rung das 
deutiche Verfaflungswert erfolgreich begründet wer: 
den lönne und dat mit Öfterreich, nad) defjen Aus: 
ſcheiden aus dem engern Bunbe der deutſchen Stan: 
ten, fünftignur ein Allianzverhältnis beftehen dürfte. 
Nach Ausbruch der bad. Revolution übernahm R. 
Ende Mai 1849 nebit bem —— Miniſter von 
Meyſenbug eine Miſſion nach Berlin in Sachen der 
preuß. Intervention. Nach der Reſtauration in Ba: 
den verlieh R. den bad. Staatsdienſt und brachte bie 
nädjten Jahre auf Reifen in Frankreich und Eng: 
land zu. Als Ende 1859 in Baden bie Konlordats⸗ 
angelegenbeit zur —— lam, bezeichnete er 
die Abſchließung des Konkordals von ſeilen ber Re— 
gierung als eine Verleßzung ber Verfaſſung und 
trug nicht weni * bei, daß ſich die Kammern 
und die öffentli einung gegen die Konvention 
ertlärten. Am 1. Mai 1861 übernahm er das bad. 
Minifterium des Auswärtigen nebit dem des groß: 
berzogl. Haufe. An diejer Stellung verſuchte 
er, entgegen den Beſtrebungen Öfterreich3 und der 
deutſchen Königreiche, die nationale Entwidelung 
Deutichlands unter der Hegemonie Preußens zur 
Geltung zu bringen und nahm als Ausgangspunlt 
für dieſe Politik ein entſchiedenes Eintreten für 
die in Kurheſſen und Schleswig: Holftein verlehten 
Rechte. Als die in Preußen zur Förderung der 
nationalen Sade eingeihlagene Richtung N. vor 
die Alternative jtellte, entweder im Einklang mit 
den bisher von ihm ausgeſprochenen Grundſätzen 
Preußen zu befämpfen, oder im Widerſpruch 
mit diefen Preußens Borgeben zu billigen, nahm 
er im Dft. 1865 feine Entlafjung. Im Bollparla: 
ment 1869—70 und im Deutihen Reichstage von 
1871 bis 1873 vertrat er den bad. Wahltreis Lör⸗ 
rach : Müllheim als Mitglied der Deutſchen Neichs: 
partei, und unternahm im J. 1871 im Auftrage 
des Reichslanzlers die Organijation der Reichs— 
univerfität Straßburg. 

Noggenbolle, 


‚I. unter Anoblaud. | 


| 


er 
Noggenbrand, j.u. Brand des Getreides, | 


Roggendurg, Pfarrdorf im bayr. Regierungs: 
bezirt Schwaben, Bezirksamt Neu-Ulm, wwiſchen 
und Günz, zwei rechtsieitigen Nebenflülien 

er 


onau, 534 m über dem Meere, zählt (1830) | Geniegeneral und 


755 


ziehungs- und Beſſerungsanſtalt. N. war bi3 1803 
eine reih3unmittelbare Brämonftratenferabtei. 
Roggentrefpe, j. unter Treipe, 
Herrn el, nennt man bisweilen 
die Manihili⸗Inſeln (j. d.) im fühl. Großen Ocean, 
NRoggeveldberge, Gebirge im füdl. Afrika, 
der ſubweſtl. Teil der dritten, höchſten Terraſſe des 
brit. Kaplandes, zieht von NW. nah SO., erhebt 
fi im Komsberg bis zu 1615 m und geht öftlich 
von diejem Gipfel in die Nieumeveldberge über. 
Norböftlid von den R. erftredt fi die Divi— 
fion —— mit Onder-Roggeveld und 
Achter-Roggeveld, ſüdweſtlich un —— die 
Diviſionen —** und Worceſter mit der Bolle⸗ 
veld: farroo und dem Kleinen Roggeveld, 
Nogier, Maler, |. Roger van der Weyden. 
Nogier (Karl), bein. Staatsmann, geb. in St.: 
Quentin (Frankreich) 12. Aug. 1800, fam im 12, 
Jahre nad Lüttich und widmete fich nad) vollende: 
ten Rechtöftubien der oppofitionellen Journaliftif, 
Gleich nad Ausbruch der belg. Revolution von 
1830 ging er an der Spitze eines Haufens bewaff⸗ 
nee Seimiiger nad Brüfjel und beteiligte fi 
am Aufftand und den Septemberlämpfen. Als 
eins der drei Mitglieder der 24. Sept. im Rathaus 
zu Brüffel eingefepten Berwaltungstommiffion, die 
ſich tags darauf als Proviſoriſche Regierung prolla⸗ 
mierte und bis zum Febr. 1831 bie belg, Ange: 
— leitete, hat N. durch Beſonnenheit, 
Mäbigung und —— ſich den Ruf eines 
ber Hauptbegründer ber | %: Monarchie erworben. 
Nachdem er kurze Zeit die Stelle eines Adjutanten 
des Negenten und eines Bolizeindminiftrators be: 
Heidet, wurde er im Juni 1831 Gouverneur von 
Antwerpen und 20. Oft. 1832 Minifter des Junern, 
was er bi3 zum 4. Aug. 1834 blieb. Im Sept. 
1834 übernahm er zum zweiten mal das Gouverne: 
ment von Antwerpen und verfah dasjelbe bis zum 
18. April 1840, wo er als Minijter der öffentlichen 
Arbeiten und des Unterrichts in das liberale Ka— 
binett trat. Nach der Auflöfung diefer Verwaltung 
1841 beſchränlte ſich R.s Thätigkeit auf die Zweite 
Kammer, Gr bewies ſich bier als talentvoller 
Chef der Dppofition, welche der liberalen Regierung 
die Bahn brach, die endlich 12. Aug. 1847 and Au: 
der trat und bei der R. das Miniſterium des Sn: 
nern übernahm. An dem Ruhm diefer Verwaltung, 
die den Sturm des J. 1848 von Belgien abgelentt 
und bie innere Entwidelung des Landes nad) allen 
Seiten gefördert bat, fann R. nebft Frere:DOrban 
den bedeutenditen Anteil anfprechen. Sein Nüd: 
tritt erfolgte im Herbit 1852. m Nov. 1857 trat 
er mit Freͤre abermald an die Spike der liberalen 
Regierung, welche Stellung er zuerjt als Minifter 
des Innern und vom Dft. 1861 ab ala Minijter 
des Außern behauptete, Am 3. Jan. 1868 trat er 
zurüd und beſchränkte ſich ſeitdem auf feine parla: 
mentarische Thätigleit. Cr ftarb 27. Juni 1885. 
Rogliauo, Stadt in der ital. Provinz und im 
Bezirk Eofenza, reht3 am Savuto (Sabatus der 
Alten), an Stelle der altröm. Station Ad flurium 
Sabatum, zählt (1881) 3098 (als Gemeinde 5235) 
G., hat Weinbau, Ehuhmacherei und Handel mit 
Vieh, Würften, Schinfen und Häuten, und iſt Ge: 
burt3crt des Juriſten Gianvincenzo Gravina, 
Nogner, ſ. unter Nogen. 
Rognint (Sofept Bicomte de), berühmter franz. 
ilitärfhriftiteller, geb. 1767 zu 


1380 fath. G. und bat ein Schloß und eine Er: | Vienne (Depart, Iſere) trat nach Ausbruch der 
48* 


156 


lorps, zeichnete ſich 1800 unter Moreau und 1807 
bei der Belagerung von Danzig, fowie fpäterhin 
bei verfhiedenen Belagerungen in Epanien aus, 
die er zum Zeit leitete, ging 1813 als Komman: 
deur de3 Genied nad) Deutjchland, wo er unter 
andern die Befeftigungen von Dresden ausführen 
lieh. Bon Napolcon nad) der Schlacht von Leipzig 
wegen zu früher Sprengung der Gliterbrüde ge: 
tadelt, trat er aus dem Dienit, übernahm aber nad) 
Napoleons Rüdtehr 1815 dad Kommando des Ge: 
nie in Belgien, Unter Ludwig XVILL wurde er 
Inſpelteur des Genies, unter Ludwig Philipp 
air und ftarb zu Paris 1840, Außer zahlreichen 
Fachſchrijten ift von R. beſonders zu erwähnen: 
«Considerations sur l’art de guerre » (Par. 1816; 
2. Aufl. 1817; deutih: «Betrachtungen über die 
Kriegslunſto, Berl. 1822 u. Stuttg. 1823). Diefes 
Werk wurde von Napoleon wegen darin enthaltener 
Beurteilung feiner Operationen in feinem «Ma- 
nuscrit venu de St.-Helöne» fritifiert und vom 
Oberſt Marbot in feinen « Remarques critiques 
etc.» (Par. 1820) in einzelnen Punkten getadelt. 
an, Stadt im franz. Depart. Morbihan, 
Arrondiſſement Ploẽrmel, rechts am lanalijierten 
Duft (anal von Breit nad) Nantes), hat (1881) 
517 E. und eine Schloßruine. Nach diefem Ort 
führt das Geſchlecht Roban (f. d.) feinen Namen. 
ohan, franz. Geſchlecht, das von den alten 
Herzögen von Bretagne abitammt und feinen Na: 
nen von dem Städtchen Rohan im Depart. Mor: 
bihan empfangen hat. Als Stammvater gilt Gue— 
tbenoc, ein jüngerer Sohn des Haujes Bretagne, 
ber um 1021 bie — Porrhoẽt und die Vize: 
rafſchaft Rennes als Apanage erhielt. Sein Nach— 
omme, Jean, wurde 1100 zum Bicomte von R. 
erhoben, Derfelbe heiratete in erjter Ehe die Erbin 
von Leon, in — Jeanne von Evreur, durch 
welche er der Schwager Philipps von Valois und 
der Könige von Aragon und Navarra wurde. Aus 
ber eriten Che Jeans ging die ältere Linie hervor, 
die 1540 mit zwei Zadiern erloſch, von denen bie 
eine das Erbe an die Linie R-Gie, die andere an 
die Linie R⸗Guemenẽe brachte. 

Die Linie R.:Guemene ift der Nachlommen— 
ſchaft Jeans aus zweiter Ehe entſproſſen. Diejelbe 
trägt ihren Namen von einem Städtchen im Des 
part, Morbihan, das 1570 zum Fürftentun erhoben 
wurde, Eämtlihe R. fpätern Urfprungs ftammen 
von der Linie Gutmend ab, die in neuerer Zeit auch 
nad Oſterreich überfiedelte und daſelbſt feit 1808 
fürftl. Rang erhalten hat. — Louis von R.⸗Gue⸗ 
mend wurde feiner Verdienfte wegen 1588 zum 
Herzog von Montbazon, 1595 zum Bair erhoben, 
— Deſſen Sohn, Hercule, Herzog von Mont: 
—X führte, gleich feinem Bater, unter Hein: 
rich IV. die Waffen gegen bie kath. Ligue, war bei 
Hofe jehr angejehen und ftarb 1654. Seine Tod): 
ter war bie durch Geiſt, Schönheit und polit. Ein: 
fluß berühmte Herzogin von Chevreuſe. — Ein 
Entel von Hercule, der Chevalier Louis von R., 
geb. 1635, fahte mit einem Abenteurer, Latreau: 
nıont, den Plan, den Holländern für Geld Quille: 
bocuf auszuliefern. Ludwig XIV. erfuhr durch 
Karl II. von England das Vorhaben und ließ den 
Schuldigen 1674 zu Baris öffentlich enthaupten. — 
Der legte männliche Sprößling der Hauptlinie R.: 
Gucmene war der öjterr. Feldmarſchalllieutenant 
Victor, Prinz von R.:Öuemene, Herzog von 


Nohan (Stadt) — Rohan (Geſchlecht) 


Nevolution in die Armee und dann in das Genie: | Montbazon und Bouillon, 


eb. 20. Juli 1766, 
welder 10. Dez. 1846 kinderlos ftarb. Gr adop⸗ 
tierte die Söhne eines jüngern Zweigs der Linie 
R.:Gucmend, die R.:Rodefort, ſodaß ihm nad) ſei⸗ 
nem Ableben al3 Haupt des vereinigten Haufes R.; 
Guemene der ältefte Rochefort folgte: Camill, 
Herzog von Bouillon und von Montbazon, Fürft 
von Guemené, Rochefort und Montauban, geb. 
19. Dez. 1800, feit 1861 erblicher Reichsrat; er hat 
feinen Wohnfig zu Prag, Wien und Sichrow. 
Tie aus den Gudmend hervor —*— Linie 
R.Gie ſtiftete der berühmte — R. von Gie. 
Derſelbe war u ne tanz’ I. und fpielte unter 
König Ludwig XII. eine bedeutende Rolle. Sein 
Sohn gleihen Namens blieb 1525 in der Schlacht 
bei Bavia. — Rene l., der Entel de3 Marſchalls, 
fiel 28. Dit. 1552 bei Mep. Gr war mit \iabella 
von Albret, der Großtante König Heinrichs IV., 
vermählt, modurd die R. dem Thron von Navarra 
nabe lamen. — Sein Sohn, Rene II. heiratete 
1557 die durch ihre Kenntniſſe und Koelien bes 
rühmte Catherine von Parthenay, Erbin des Hau: 
ſes Soubife. Dieſelbe hielt die Belagerung von 
La⸗Rochelle mit großer Standhaftigteit aus und starb 
1631 im Gefängnis zu Niort. Aus ihrer Ehe mit 
René entiprangen der Herzog Henri von Rohan 
(f. er zu deſſen Guniten Heinrich IV. 1603 die 
Grafſchaft R. in ein Bairie-Herzogtum verwandelte, 
und Benjamin, Prinz von Eoubife (f. d.). Beide 
Brüder, befonbers der eritere, galten unter Lud: 
wigs XIII. Regierung als die Häupter der Huge: 
notten und waren bie Helden ihres Geſchlechts. 
Eriterer war feit 1605 mit Narguerite de BE: 
thune, der Tochter Gullys, verheiratet. Diefelbe 
begleitete ihren Gemahl auf den Seldzügen der Hu: 
enotten, verteidigte 1625 fogar Cajtres mit hohen 
ut und ftarb zu Paris 1660. Aus ihrer Che mit 
Henri — ter, die Brinzefiin Mar: 
guerite von. R., die fi) nad dem Tode des Ba: 
ters mit dem Sprößling eines alten ap Haufes, 
Henri von — —— Dieſelbe brachte als 
Erbtochter ihrem Gemahl die großen Beſihungen 
ihres Hauſes zu, legte ihm aber auch die Pflicht 
auf, ihr Haus unter dem Ramen ra ot fort: 
zuführen, Gegen diefe Vererbung proteltierte jedoch 
ihre Mutter, die Herzogin: Witwe. Marguerite von 
ethune hatte nämlich, es Vorgeben nad, 1630 
u Paris, während fi ihr Gemahl zu Venedig be: 
and, einen rchtmäbigen Sohn, Namens Tancrede, 
geboren, deſſen Dafein fie verheimlihte, aus Furcht, 
er Kardinal Richelien möchte ben Knaben auf: 
greifen und im KHatholizitmus erziehen. Der Her: 
zog fam 1634 nad Paris, jah feinen Sohn und 
willigte ein, daß ihn die Mutter auf einem Schloß 
in der Normandie verftedte, Hier wurde Tancrede 
auf Veranftaltung feiner Schweſter Marguerite, 
melde die einzige Erbin bleiben wollte, geraubt 
und endlich nad) Leiden zu einem Krämer gebracht. 
Die Herzogin: Witwe ers fpäter das Schidfal 
ihres Sohns, forderte denjelben auf gerichtlichen 
ege zurüd und brachte ihn 1645 nad) Paris, wo 
er alle Ehre feiner vermeintlihen Ablunft genoß. 
Zwiſchen Mutter und Tochter begann ne vor 
dem Varlament ein langer Prozeß, der jedod un: 
entidieden blieb, weil Tancrede, in die Unruhen 
ber Fronde geftoßen, 1. Febr. 1649 bei Vincennes 
fiel. Er modıte ein natürlicher Sohn jeiner Mut: 
ter fein. gl. Griffer, «Histoire de Tancrede 
de R.» (Leid. 1767). 


Nohan (Henri, Herzog von) — Rohan-Guémené 


Zu Sunften der Linie R.:Soubi Se, bie 1787 
mit dem Marfchall Charles von Soubife (f. d.) er: 
loſch, wurde 1714 von Aubwig XIV. die Herrſchaft 
Frontenay in ein Bairie-Herzogtum Rohan:Rohan 
verwandelt. — Das gegenwärtige Haupt ber da⸗ 
milte R.:Chabot it Charles de R.:Chabot, 
Herzog von R., Prinz von Leon, geb. zu zu. 
1. Des. 1844, ift feit Febr. 1876 Mitglied der franz. 
Deputiertenfammer fürMorbiban, wo er der äußer: 
ften legitimiftiih-tlerifalen Rechten angehört, 
Roban (Henri, Herzog von), berühmter Huge: 
nottenfübrer in den zen — XIII. 
von Frankreich, geb. 25. Aug. 1579 auf dem Schloſſe 
Blain, kam im Alter von 16 9. an den Hof Hein: 
richs IV. Später befuchte R. die Höfe Italiens, 
Deutſchlands, der Niederlande und Grofbritan: 
niens. Im J. 1603 erhob ihn der König zum Her: 
30g von R., 1605 vermählte fih N. mit Margue: 
rite, der Tochter Sullys. (S. Rohan, Geſchlecht.) 
Als Generaloberit der Schweizer war er im Be: 
griff, in den deutichen Krieg zu ziehen, als Hein: 
rich IV. ermordet und R. fortan gezwungen wurde, 
die Waffen für —— Glauben gegen die eigene 
Regierung zu führen. Doch mußte er ſich unter— 
werfen, als der Prinz Condé (ſ. d.) feinen Frie— 
ben madte. Im %. 1617 kämpfte er gegen bie 
Spanier in, Memont; heimgelehrt, trat er zu 
Maria Medici in Beziehung und riet felbjt noch 
al3 der Hof die prot. Landichaft Bearn refatboli: 
fierte, auf der großen Verſammlung Rn La⸗Rochelle 
1620 tlicher Ausgleichung. Als jedoch der 
Krieg beſchloſſen, griff er mit feinem Bruder Sou: 
bife (f. d.) zu den Waffen, befeitigte die Plätze in 
Guyenne und verteidigte Montauban mit großer 
Gnergie. Wiewohl fein Bruder in Poitou unter: 
lag und viele Große abfielen, ſehte er doch ben 
Kampf fort, und zwang endlich den König zur Be: 
hätigung des Edilts von Nantes im Frieden von 
1623. Über die Treulofigfeit des Hofs empört, 
entjchieb er ſich 1625 abermals für den Arieg, den 
der Vertrag von 1626 beendigte. Indeſſen mußte 
er bald ſehen, daß Richelieu zu einem Hauptichlag 
‚rüftete, Nachdem er fich u einer Berfanmlung 
u Nimes den Oberbefehl hatte übertragen lafien, 
alle er ein Korps von 6000 Mann, an befien 
Spite er fih den beiden Armeen unter Mont: 
morency und Conde entgegenitellte, während x 
lieu felbit das prot. Vollwert La:Rochelle (ſ. d.) 
belagerte. Es war R. unmöglich, aus Languedoc 
zum ir von La⸗Rochelle vorzudringen; er ver: 
chanzte ſich endlich in den Cevennen und der Land: 
Schaft Bivarais. Nach der libergabe von La⸗Rochelle 
trat er in Unterhandlungen mit Spanien, England 
und den prot. Fürften Deutſchlands. Gegen ſechs 
Korps, die mehr als 50000 Dann zählten, wußte 
er ſich —— zu verteidigen. Seine Aus: 
dauer führte endlich zu dem Frieden von Alais 
vom 27. uni 1629, in welchem er fi zwar unters 
warf, aber dod feinen Glaubensbrüdern freie Res 
ligionsübung fidherte. f 
Hierauf zog er fih nad Venedig zurüd, wo er 
feine «M&moires sur les choses advenues en France 
depuis la mort de Henri IV jusqu’& la paix au 
mois de juin 1629» jchrieb. Die Benetianer —* 
ten ihm 1631 zu ihrem General; doch hinderte ihn 
der Friede an neuen Thaten. Gr begab ſich hier: 
auf nad) Babua und verfahte den « Parfait capi- 
taine» (Par. 1636 u. öfter), in weldem er die 
Kriegslunſt Gäjard auf die neuere Zeit anmwendete, 


757 


Ein anderes militärtheoretifhes Wert von ihm 
war ber «Trait& de la corruption de la milice 
ancienne et des moyens de la remettre dans son 
splendeur», Damals unterhandelte er durch den 
Patriarchen Cyrillus mit der Piorte um die Ab: 
tretung der Inſel Cypern, wo er in einem rien 
Etaat alle verfolgten Proteftanten zuſammenfaſſen 
wollte, Ludwig XIII. fuchte das Talent R.s aus: 
ubeuten, indem er ihn 1632 zur Vertreibung der 
panier und Oſterreicher als Geſandten, wie als 
General aller ſchweiz. Truppen im Dienfte Frank⸗ 
reichs nach Graubünden ſchickte. Aber erſt nachdem 
er noch einmal nach Venedig hatte entweichen 
müfjen, vertraute ihm Richelien 1635 ein größeres 
Korps an. Er marſchierte nach dem Elſaß, vertrich 
dort den Herzog von Lothringen, näherte ſich Baſel 
und erſchien plögli in Graubünden. MWiederbolt 
ſchlug er im Beltlin die Kailerlihen und Spanier 
und drang 1636 fogar ind Mailändifche ein. Weil 
jedoch der Hof die Truppen nicht zurüdrief, began: 
nen die Graubündener jelbit Feindfeligleiten, ſodaß 
R. im März 1637 eigenmädtig einen Vertrag 
ſchloß. Der Hof rief ibn nunmehr mit veritellter 
Freundlichkeit zurüd, zumal da ihm bie Spanier 
eheime Anträge, ſeboch vergebens machten. R. 
Fand zunächſt in Genf Zuflucht, ging Jan. 1638 
aber an ben Rhein, in bas Lager feines Freundes, 
des Herzog Bernhard von Weimar. Hier empfing 
er an ber Spike des Regiments in ber Schlacht bei 
Rheinfelden 28. Febr. 1638 eine Schwere Wunde, 
die 13. April feinen Tob nad) fi zog. Man be: 
orub ihn in der Kirche St..Pierre zu Genf, wo ihm 
ein Denkmal errichtet wurde. Bon feinen Schriften 
find noch zu nennen: «Les intérèts des priuces » 
(Köln 1660), « Trait du gouvernement des treize 
cantons» (Par. 1644), «Discours politiques» (Par. 
1693), «M&moires et lettres sur la guerre de la 
Valteline» (3 Bde., Genf 1785). Vgl. Fauvelet du 
Toc, «Histoire du duc Henri de R.» (War. 1667). 
Nohan:-Bucmene (Louis Rene Edouard, Prinz 
von), Kardinal und Erzbiſchof von Straßburg, geb. 
25. Sept. 1734, wurde ſchon zeitig Koadjutor jeines 
Oheims, des Biſchofs von Straßburg, und 1761 bei 
geringfügigiten litterariichen Verdienſten Mitglied 
der Alademie, Im J. 1772 ging er als Gejandter 
nad Wien, erregte aber dur) feine Ausſchweifun— 
gen und Nüdjihtslofigleiten das Miiallen der 
Kaiferin; 1774 zurüdberufen, ward er 1777 Groß: 
almofenier, 1778 Kardinal, 1779 Biihor von 
Straßburg und 1782 trat er in Babern mit der 
Gräfin Lamothe (f. d.) in Verbindung. Als feine 
Maitrefie wußte diefe R. für, nd aus zunußen und 
verwidelte ihn fo 1785 in die Halsbandgeſchichte, 
welche auch für ihn verhängnisvoll wurde. Gr 
wurde 15. Aug., als er in vollem Ornat die Meſſe 
zur Himmelfahrt Mariä beginnen wollte, im Schloß 
u Berjailles verhaftet und in die Baſtille geſeßt. 
Das Parlament, das die Unterſuchung der Hals: 
bandgeſchichte führte, betrachtete ihn nicht ald Ver: 
bredyer, fondern als Betrogenen und ſprach ihn 
31. Mai 1786 zum Verdruß des Hofs von jeder 
Strafe frei. R. verlor indeſſen feine Mürde als 
Almofenier und wurde erſt in eine Abtei in ber 
Auvergne, nachher in fein Bistum verwieſen. Der 
Klerus des Amts Hayenau fhidte ihn 1789 in die 
Generalftände. Nur, ungern entſchloß er ſich zur 
Leiftung des ——— Eides und kehrte noch 
vor Schluß der * in den Elſaß zurüd. Hier: 
auf erllärte er, dab es gegen fein Gemifien fei, die 


758 


Robarbeit — Rohlfs (Friedr. Gerhard) 


Eivilfonftitution des Klerus in feinem Sprengel | u. ſ. w., dienen meift nur zu Bädern. Das Wafier 


ven, J. 1791 erhob man gegen ibn 
bie Anllage, dab er F tontrerevolutionãten An: 
So e unterftüße. on fd fid) det 
chland gelegenen u e ſeines Bistums zurhd 
und legte 1801 feine Würde als Erzbiſchof gänzlid) 
nieder, Er ftarb zu Ettenheim 16. Febr. 1803. 
Noharbeit heißt die Arbeit des Önitenmanns, 
wenn es gilt, den Silbergehalt armer Silbererze, 
die wenig ober gar fein Kupfer oder Blei enthalten, 
zu —— Bu dieſem Zwed werden bietelben, 
wenn rc an und für fih nicht fchon Schwefelfies 
‚unter Bufhlag v von folhem über Schacht: 
Be en, wobei als Produlte arme ab: 
en und ein filberreicherer Rohſtein 
—5 — wel rn mit Bleiergen oder Blei: 
en ver —— und entſilbert wird. 
— Stadt im djtl. Galizien, in hügeliger 
am Lipabache, der zum jeftr ‚ge t, iſt 
einer Bezirkshauptmannidaft und eines Be: 
: Ban und zählt 5101 E. (darunter die Hälfte 
— die meiſt Aderbau und Handel treiben. 


einzu 


äbe find Gipäwerle. Schloß und Gut ge: 
ört dem ae Lubomirfti. 

NRohban heiht diejenige vauweiſe, bei welcher 
namentlich ußern der Gebäude das verwendete, 
meift eble Material unverpubt He en wird ur 
daher in feiner natürlichen Beſcha er und F 
pr Geltung lonımt. Der —* —— —* 

u (reine Arbeit) verlangt Die forgfal tigſte Kon: 
ne und ardhiteltonij Durhbilbung i in aud: 
gewählten, daber tojtipieligerm Material und wird 
vorzuggweiie für Monumentalbauten in Anwen: 
dung gebradıt; doc) guch für Privatbauten verläßt 
man den vuhbau mehr und mehr, der zwar billiger 
iſt, Kan —— Unterhaltungstolten erfordert. 

eg fen (frz. fer era, engl. erude kon, pig- 
An oviel wie Gußeijen, (©. unter Eijen und 
Eifengieherei.) 
‚unter Ertragsanſchlag. 


lb in die in | löfend und 


| wirft dur 


feine Koblenfäure belebend, durch feinen 
Gifenge 


t tonifierend, durch —— Salze ir 
eröffnend. "Der jährliche Verſand be: 
trägt 1100000 1. Bel. Schüler, «Der Kurort 
Bet Sanerbrun in ——— ya 1 
bei naturwifienf —————— 
Jo hann — — 


fürzung 
untershaufen,, geft. 


1767 zu 
”" Stopife (Beiebr, Gerbarb) 
vo ” 
De 86v —— 
‚ trat in 
len. {m 3 1800 gi 


I 
Bi 


* 
ẽ 


855—60 als 


1 
—— in * mit, 
durchreifte, als M 
Br 1862 
je Tafılet. Auf 
er jchwer verwundet, aber 
er Geryville in Algerien erreichen 
1863 reifte er von Zange 
nad) Tuat, welche Da 
orden ber bis 


bis in 

Nhadames und 
—— trat aber na 

865 feine dritte Rei 
er Er du - 
erreichte den 
abwärts bis * 
Rabba und ging 
Guinealũſte. Im 
Erpedition der 5 
Tripolis aus die — 
fen an den Sultan von B 
mit Überbringung derjelben Guftav 
a alle Video ı ae Dafe des 

er u 

Anımon nad Haypten auf Wege er die 
Depreffion des Bodens Wi vom rg 


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ertrag, 
66 ohjett, f. unter Futter. plateau en Begleitet von 3 
NRohitfhand, eine Divijion der Lieutenantgon: | und Aſcherſon, leitete er 1873 umb 1 1874 im 

verneurichaft der Nordweitprovingen des brit.:ind. | trag bes Chedive eine die 
Reichs und umfaßt 30574 qkm mit einer Bevölte: | Wuſte; —— rei .d er — 
rung von (1872) 5436314 E, (darunter 4183595 | Im $. 187 jun — — 

us und 1251670 Mohammedaner). nischen Seielihaft‘ in Deutfchland und mit Unter: 

Rohitſch (law. Rogatec), Marktfleden und Be: | jtüpung des Reichs eine neue no — in 
zirlsort mit (1880) 765 E. in der Bezirkäbaupt: | Begleitung Steders zog er von nad) der 
mannfhaft Pettau des öfterr. Herzogtums Steier: | Daje Sokna, dann über Dſchalo nad der zunor 
mark, 15 km im Süboiten von der Gijenbahn: | von feinem Europäer beſuchten ——— 
ftation Poltſchach der Linie Wien-Trieſt, unweit | verhinderte die feindliche —— 
der kroai. Grenze am Fuße des 882 m hoben, durd) | tigte weitere an und R. mußte 
feine berrliche Ausſicht —— Kegelberges daher nach der Küſte 5 1880 
Donati, in einem engen Thale gelegen, bat ein rachte er dem Kö 
Schloß, Burgruinen und Siileifjteinbrüche. Nur | ein Schreiben bes zur Rail, in Samen 1884 
4 km weitli davon liegt Nobitid » Sauer: | wurde er zum deutfchen 
brunn, ein berühmter, vielbeſuchter Kurort mit 


einem fchönen Brunnentempel, einem Hurfaal 
1000 Berfonen, zwei groben Babe: und ftattlichen 
——— einer hydropathiſchen Anftalt, Wan: 
delbahn, herrlichen ‘Fromenaben und einem 
Grafen Atems, dem Förderer des Babes, errich⸗ 
teten Dentmal. Die vorhandenen Quellen find 
Glauberjalz:Säuerlinge, dergleichen ich aud) noch 
andere in weiterer Umgebung finden. Die Tempel: 
und Styriaquelle haben 8,2° R. und werben aus: 
ſchließlich zum Trinken und zum Berjenden benußt; 
die übrigen Quellen: der Wald:, Gottharbe:, Fer: 
dinande:, Joſephs-, Pat: und Johannisbruͤnnen 


= 


* — 2q er ir ee, — 
and zu 
Reifen lebte a 1870 in ®eimar. 


eine von Ben 
— 


unter anderm: «Reiſe dur 


dem | Brem. 1869), «m 


ie 
fen in Abef inien» (Brem. 1869), 
in Afrika» —— — Be 
Alerandria » — Brem. —* 
Aufenthalt in arollo» 1, One bung 
Airita» (2 Bde., Lpz. 1874— 75), «Drei 
der Eibofehen Wire» (af. 187), «Beiträge 
Entdedung und Griorichung ” 
«Neue Beiträge zur Entvedung und 


Hi 


Nohlfs (Heinr.) — Rohrbach 


Afritas» (Rafl. user, aKufra. Neife von Tripolis 
- der Dafe Kufra» (Lpz. 1881), «Meine Miſſion 

Ubeffinien» (2p3. 1883). 

bifs Ber 2 ee ‚bed vorigen, medi 
Schriftſteller ni 1827 zu Begeiad, 
ftubierte in Göttingen lin, Prag, Mürzburg | R 
und Paris Dedlin nahm ala ‘ iitärarzt an den 
—— holſtein. Ariegen 1848 —50 teil, praftizierte 


als Arzt zuerſt in Begefad, fpäter in Bremen, 

5: aber 1874 auf und 3 ala Deines 
— ———— Öttingen, 1881 nad) Wies⸗ 
ER u won: 


«über — —— 
rer 19, Dar 
—— — —— 
8 Aufl., iR 186),.6 = it 
4 — Gene at ut Ad 
Bruder * ruder grundet — das « D Archiv für 
Geſchichte der Meduin und mediz. Geographie», 
* er feit 1881 allein herausgibt. 
—* f. unter Futter. 
ich Br ng Schilfrohr oder 
“ss wie —— ches der Weberei verſteht 
— a Ag 
Stäbe zum Niedblatt vereinigt werden. Aupeidem 


—— R. in der Technit im allgemeinen einen 
en — —— * den Lauf 


— die cylindriſche 
ur u 

—ã 47 * — 

—— Er mob ei *. 


—— 
* etwa angenommen wird von 
Öberer Weite und von 21* Materie ber: 
geteilt iſt F bie Nö 
Spanij e3) ift die ——— für 
bie ih Triebe oder Stämme einiger 
von Arundo (f, d.) und von ech db.) und * 
von denſelben —— Material. Man unter: 
Dr ierbei dad eigentlihe Stuhlrohr, band: 
ie Streifen von 2 bis 6 mm Breite (aus ber 
—* ichen Oberhaut und den unter dieſer ey he 
lichen ah Stammteilen beſtehend und meijt zu 
Geflehten für Stühle dienend), und das haupti ta: 
lih zu Korbmadperarbeiten verwendete Peddig⸗ 
rohr, dem Innern des Stamms (Mark oder SBebbig) 
entnonmene Stäbchen oder Drähte von 1 bis 10 mm 
Durdmefjer. Das meijte R. tommt über Holland 
von den Südfee:Injeln und den Molukten, das 
feinite er von ber Inſel Borneo, von wo es 
ugerichtet, d. h. fauber geſchält, in der Mitte zu: 
—— und meiſt zu 100 Stüd in Bün el 
gebunden, in drei Sorten, ald rohes, gerei: 
nigtehunb geiänit nittenesRobr, inden ndel 
der erften Sorte find die ring: 
Be örmigen, in größerer re geringerer Entfernung 
voneinander abftehenden Knoten noch ſichtbar; bei 
der zweiten find fie durch Abſchaben oder Aſchleifen 
mittels beſonderer — bejeitigt. Die dritte 
Eorte kommt entweder in Streifen (öfter durch 
Schwefeln gebleiht) als Seſſelrohr, oder ge: 
zen als Korjettrobr, oder in den bünnften, 
nurartigen Stäbchen ala 
rohr (für die Bwede ber Putmacherei) in den 
Handel. Außerdem unterfcheidet man männliches 
Rohr (bolländ. Handrotting), die didern Schöß- 
linge mit nahe beieinander jtehenden Knoten und 


uß: oder Schnur: | 


759 


bräunlicher Oberhaut, die meift zu Spazierſtöden 
verwendet werden, und weiblides Rohr (Bind- 
rotting), die dünnern Stäbe mit weit auseinander: 
ftehenden Knoten und gelblider Oberhaut, welche 
— zu Flechtwerk verarbeitet werben. Gutes 
muß eine möglihit geſchloſſene glajige Ober: 
(ir aben, bie beim Biegen nicht ſpringen darf. 
x bie bereits genannten Zwede findet das 
durch Hobeln und Ziehen bearbeitete R. ausgedehnte 
Berwendung an Stelle des Fiſchbeins in der Schirm: 
—— auch m Meberlämmen und als Erſat 
von Hanfjeilen, Ipeziell zur Herftellung bes Tau: 
werls au ine]. Schiffen. 
Rohr iſt der Fe für einige hohe, an feuchten 
oder fumpfigen Stellen wachſende Grasarten, beren 


de Be — I doch jehr hart und Fiefel: 


Mitteleuropa wächſt an Ufern 
Teiche, auf nafien Wief * 
und in gi 35* überall ſehr 8 
das gemeine S urn  Zeidrodr, i 
Antentlee ober hragmites communis 
Trin.), da3 auf ber Al des Halms eine große, 


viekäftige, rotbraune oder gelblihe, durch lange, fei: 
denartige Haare filber * de trägt, und bei 
dem bie mei Kelchſpe er mehrblütigen ührchen 
ir ungleid und kürzer "als die ſtets unbegrannten 
ie — — N nad ber. —— — 
aren befebt, we nad der B i i⸗ 
tend verlängern und dann zwiſchen den Blüten 


—— a gb bis 5,10 m = en Halme 
werben —— Wände und — zu 
Weberladchen i in? Höhen, zu Schattendeden, 
zur Feuerung und aud zur Streu für das Vieh ver: 
wendet. Die Blätter eignen 8 nur ganz jung 
zum Futter. Die füß-feifenartig ſchmedenden Wur: 
zelausläufer wurden fonft in_der Heillunde an: 
gewendet, (Betreff anderer Sorten von R. ſ. un: 
abe (ob Srichr ee Theol 
r (Jo edr.), aufgellärter Theolog un 
Kanzelredner, geb. Sau 1777 zu Roßbad) bei 
Naumburg, bejudte Schulpforta, jtudierte in Leip⸗ 
jig, wurbe 1802 Hilfslehrer in Piorta, 1804 Pfarrer 
— Oſtrau bei Zeig und folgte 1820 einem Rufe 
imar, wo er 15. \juni 1848 als Bizepräfi: 
dent de& Obertonfiftoriums, Oberhofprediger und 
Generalfuperintendent ftarb. Seine lirchliche An: 
fiht hat R. befonders in den «Briefen über den 
aus (Zeig 1813) und in den « Grund: 
und Glaubensfägen der evang.sprot,. Sirche » 
(3. Aufl., Neuft. a. d. D. 1843) ausgeführt, ſowie 
u der von ihn heraus —** einchrift, die 
inander unter den Titeln gi edigerlitterature 
8 de., Zeit 1810— 14), «Neue Predigerlitteratur» 
ß Zeiß 1816—17) und «Reueſte Prediger⸗ 
itteratur » (2 Bde., er 1818—19) erſchien und 
nn als eftrith ——— — » (Neuft. 
d. D.) fortgefeht wurde. Auch er mit 
Ehleiermacper und ——— das « wi von 
Feſt⸗, Gelegenheitd: und ande * u und 
Heinen Amtöreden » (6 *6 —— R23286) 
und das «Magazin für Hriitl . Prediger» (Hannov. 
1828 fg.) heraus. R.s «Hiftor.: ges; Beichrei: 
bung des jüd. Panbes zur a. Sen u» (Zeig 1816) 
bat wiederholte Auflagen e 
Rohranu, Marttfleden bei Brud an ber Leithe, 
—— als Geburtsort of. Haydns 
—— ach, deutſche Kolonie im zuff. Gouverne: 
ment Cherfon, Kreis Odeſſa, am Wege von Nilo: 
lajew A MWosneienst, 81 km von Deſſa und 


760 


50 km von Rilolajem, mit 1700 —— 
luth. E. Die Kolonie wurde 1809 von ſchwä 
Auswanderern gegründet und enthält hebt 81 Die 

Nohr en, |. unter Brunnen. 

No — unter Dede. 

Nohrdommeln (Botaurus) bilden eine Gat— 
tung aus ber Familie ber Reiber (f. d.) und find 
nächtliche Vögel mit eritaunlid ftarfer Stimme. 
Sie haben einen etwas, fürzern und didern Hals 
als die eigentlichen Reiher, weldyer feitlich mit 
proben —— und breiten, vorn übereinander zu 
egenden federn, hinten aber nur mit Flaum be: 
tleidet ift, etwas fürzern Schnabel, niedrigere Beine 
und fait bis zum Ferſengelenl befiederte Unter: 
ſchenlel. Zu ihnen gehört die gemeine Rohr: 
bommel(B. stellaris), die daS gemäßigte Curopa 
und Ajien bewohnt, Sie bält —9* in großen Moo— 
ren, an ben I eg der Pandfeen und in den mit 
bobem Schilfrohre bededten Sumpfen auf, iſt egen 
90 cm lang , obenber rojtgelb mit ſchwarzen 
fleden, unterjeits bläfier und ſchwarz — 
von den Mundwinleln verläuft ein —— 
Streifen nach den Seiten des Halſes. Durch ihr 
lautes, fernem Ochſengebrull ähnliches Geſchrei 
jagt fie dem Furchtiamen bes Nachts ſelbſt Grauſen 
ein, Die ebenfalls in Deutihland vorlommende 
Heine Nobrdommtel (B. minutus) iſt nur 45 cm 
lang. Beide Arten zeichnen ſich durch die ſeltſamen 
Stellungen aus, in_welden fie ftundenlang be: 
barren. Sie nähren fi von Fiſchen, Fröfchen und 
andern Waflertieren. 

Röhre —— & unter Euſtachio und 
unter Gehör, Bd. V 674° 

Nöhren (fra. en — conduit; engl. tube, 
pipe, spout). In der Technif verftebt man unter 
Röhre (wofür öfters auch Rohr gebraudt wird) 
einen Hohlcylinder von meift kreisförmigem Quer: 
jchnitt, der zur Leitung von Flüffigleiten oder Gafen 
unter Dru dient; auch redjnet man bierzu bie ab: 
weichenden Formen der Nobrleitungen mit frums 
men oder gebrochenen Mittellinien (Anieröbren, 
T:Nöbhren), ſowie diejenigen mit ungleichem 
Querſchnitt Kenelitupen). As Material für R. 
dienen meift Metalle, nämlich Gußeiſen, Schmiede: 
eiien, Stahl, Neffing, Kupfer, Blei, Zinn; ferner 
die natürlichen und fünftlichen Steine, wie Granit, 
Sandftein, Thon, Porzellan, Glas ıc.; außerdem 
Holz und Asphalt. fider N. aus Kautichuf, Gutta⸗ 
percha, Leder und Hanfgewebe ſ. ent 

Die "größte Wichtigfeit haben die gußeiſernen 
N., welche leicht herzuftellen, wohlteil und gegen 
Temperatur: und Blüigeitseinmirtungen wider: 
ſtandsfähi Dur ber Heritellung und Verwen— 
dung dert en f. unter Gifengieherei und 
Gifengußmwaren, Für Gas: und Waflerleitun: 
gen (Strabenleitungen) verfieht man dieje R. der 
orößern Haltbarkeit wegen innen und außen mit 
einem Teeranitrich; in Fällen, wo ihre Innenflächen, 
wie bei der Verwendung. in dem, Fabrilen, durch 
Säuren u. ſ. w. angegriffen werden, erhalten die: 
jelben einen Cmailüberzug. Biel aröhere Feſtigleit 
als die gußeiſernen beſihen die ſchmiedeeiſernen 
Röhren (j. Schmiedeeiſenröhren), welche 
deshalb in verhältnismäßig geringerer Wanbditärke 
und von geringerm Gewicht Pergeltellt werden kön: 
nen und zugleidy den Vorteil haben, ſich biegen zu 
lafien. D Diele R. welche namentlich zur Yeitung von 
Wafler, Gas oder Dampf unter hohem Drud dienen, 
beiteben entweder aus gebogenen Blechtafeln, deren 


Robrbrunnen — Röhren (techniſch) 


Verbindung dur 

oder en t, ober ee ana en einem 

Stüd gewalzt oder gezogen. 

deu tigteit zu — a nen » ihnen —— 
ch. Die a —— ie die ſchmiede⸗ 

eifernen N, * ten * lommen 

bei beſonders bo 


reſſen und — r 
el en und X en Dur ſſen —— 
(1.8) len spe ) — 
aſſen uch oe alla eine —— zu u 
—— und be höhere —— nicht 
werden (verbrennen) = 
teiten größere Wide 
(samen euere 
eignen fie 19 —** Au — ren 


abgebogene Seiten noen. 

wendung a nur Bier Wreißent nn 
röbren ) und Binnröhren \ * werden 
ebenfalls gepreßt oder — * —— 

x 


Diegfamleit wegen vorzugswei 
an nr Ben Brut — tungen et. "Binnröhren 
egen für n eeign 
arte —— Be ur Sin —— 
Fe 0 3 hun die —— unempfindlich fein Pe 
er ren *5 natarli em Stein (Höblun: 
Hanf 6: vieredigem äu ir s — 
e er u 


“en He fen dw nur 
andwirtichaftli 

—* Stein 36 u Shameiie: 
röhren, 

male geformt und un —— ( — on⸗ 
öhren.) Zur Vermeidung der eit 
werden dieſelben erfrdetihenjall emailliert ober 
fafiert und —— uter —— 

* Druck aus, Sie * en 


ei Kanalifationd: und ee 
a hd Hd > owie für Saunele, Die 


aus feuerfeitem Bunte au 
Glasröhren werden durch Dia 2. —* 
halten und lommen *8 —— 

gegen Säuren u. ſ. w., ſowie i 


wegen in Laboratorien und u 
zur Anwendung. pür ähnliche It Sin ichag man 
\ih der Porzellanröhren, denen zwar bie 
——— abgeht, die aber dafür den Vorzug 
größerer Feuerbeftändigkeit —— 
werden aus harzreichen Nadelhölzern durch 
bohren der Stämme, durch faßähnli —— 
oder durch Falzen und Nageln von Brettern (als 
dann mit vieredigem Querſchnitt) erhalten und 
fommen bei Wailerleitungen, Pumpen zc. vor; fie 
find leicht berzuftellen, vertragen aber feinen 
Drud und find ber Fäulnis unterworfen. 
pbaltröhren werben durch Aufwideln nit #6, 
pbalt geträntten Papiers auf ein bünnes 
rohr und Zwiſchenlagen von Asphalt 
Sie eignen fich befonders zu Leitungen, 
— ——— —— —— 
ochſtens funf Atmo ren ausge 
Herſtellung einer Roprieitung find ge 
wöhnlich mehrere R. miteinander zu verbinden. 
Gine derartige Verbindung muß einfad) in ber Kon: 
ftruftion, möglichit dicht und feit und dabei einiger: 


Hi 


maßen beweglich fein, um Längen: und 
Nidtungsan erungen na zu lönnen, erfor: 
derlidenfalls aud) ein lei —— ber R 





Nöhren (Geißlerſche) — Rohrpoſt 761 


** orm und Art der Verbindung werden 
urch das Material ber R., durch ben 3 ber 
Leitung und duch die Natur der zu leitenden Fluſ⸗ 


—— u. ſ. w. bedingt, (Über die Dichtung fejter 
ohrleitungen und insbefondere der Dampfröhren 
f. unter Dampfleitung.) Sn einfachfter Weiſe 
verbindet man zwei R. durch Ineinanderſchieben 
berfelben, wobei das eine Nohrende koniſch erwei: 
tert, das andere verjüngt ift; die Befeſtigung ne: 
ſchieht durch Löten oder Nieten. Bei längern Lei: 
tungen wendet man diefe Verbindungsart nur für 
ſchwache ſchmiedeeiſerne Dahröhren und für Blei: 
röhren an, bei kurzen Leitungen dagegen für genietete 
ſchmiedeeiſerne N. von gröberm Durchmeſſer und 
betrãchtlicher Wandſtärke. Die am häufigsten ange: 
wendeten Verbindungen find die mittels Muffe 
und die mittels Flanſch (f. d.), welche mit man: 
cherlei Abweichungen in Honftrultion und Anorb: 
nung ausgeführt werden und von denen die erjtere 
meift für gegofiene, aber auch für die fchmiebe: 
eifernen gezogenen, für Thon: und Borzellanröhren, 
die leptern meift für genietete, gezogene und geptehte 
N. in Betracht fommt. Die Muffenverbindung 
ur den Vorzug gröberer Beweglichkeit in der 
hienrichtung, ſowie ſenkrecht zu dieſer; doch iſt bei 
gubeifernen R. die Lölung fehr ſchwierig, wie auch 
das Auswechſeln einzelner N, mit Umitändlichkeit 
verfnüpft it, Für unterirbiihe Leitungen von lan: 
ger Dauer, für Gasröhren (Zimmerleltungen) ıc. 
üt diefe Verbindung ausſchließlich in Gebraud). 
hren (Geiler be), ſ. Geißlerſche 
öhren. runnen. 
Nöhrenabtenfung (hydrauliſche), ſ. unter 
Röhrenaſter, ſ. unter Chrysanthemum, 
Röhrenbewäſſerung, ſ. u. Bewäſſerung. 
Röhrenbrücke. Bei Anwendung von Blech— 
trägern für ganz große Spannweiten, wie jolche in 
der eriten Zeit des Baues eiferner Brüden vorkam, 
bat man die zu beiden Seiten der Durdfahrt auf: 
geitellten hohen Blehwänbe oben und unten durch 
gemeinfame, auf die ganze Breite der Brüde durch— 
gehende Gürtungen verbunden und fo die Form 
einer rechtedigen Röhre erzielt, durch deren Hohl: 
raum die Gijenbabnzüge verkehren. Die gröhten 
Brüden diefer Art find: die Britaniabrüde über die 
Venaiftrabe bei Bangor, vier Öffnungen, größte 
Spannweite 140,21 m; die Conwaybrüde über die 
Bucht bei Conway, eine Öfinung 121,92 m (j. Ta: 


fel: Brüden I, ig. 4 u. 5); die Victoriabrüde 


über den Lorenzitrom bei Dlontreal in Canada, 
24 Öffnungen, größte Spannweite 100,6 m, Diefe 
großartigften Bauwerle * Art und ihrer Zeit 
wurden auf Grund von Verſuchen und Arbeiten 
von R. Stephenſon, Clark, Fairbairn und Hodg— 
linſon errichtet und bilden einen wichtigen Hart: 
ftein in der Entwidelungsgefhichte der Technil. 
Seht find die N. durd die zwedmäßigern Fach— 
wertöbrüden überholt. (S. unter Brüden.) 

Nöhrendephlegmator, ſ. unter Dephleg— 
mieren, 

‚Nöhrenherzen (Leptocardia) nennt man bie 
niederjte Wirbeltiergruppe , zu denen bloß der Am: 
pbiorus (f. d. und Zafel: Fiſche l, Fig. 1, Am- 
phioxus lanceolatus, das Lanzeitfiſchchen) gehört. 

Nöhrenfeffel (frz. chaudiere tubulaire, engl. 
tubular boiler), j. unter Dampftefiel. 
Nöhrenlibelle, f. unter Theodolit. 
Möhrenpilz, |. Boletus. [röhren, 
NRöhprenpreife, j.u. Bleiröhren und Drain: 


enberbindung, ſ. unter Röhren, 
„ Röhrenwürmer, ſ. unter Anneliden. Zu 
ihnen gehören bie Kultröbrennürmer (Serpula), 
die in einer Kaltichale haufen, und in zahlreichen 
Arten, von denen viele, wie 8. contortuplicata (ſ. 
Zafel: Aquarium, Fig. 12) fehr häufig find, in 
allen Meeren vorkommen. 

Nohrkolben, ſ. Teichkolben. 

Nohrlättcheudecke, ſ. unter Dede, 

Rohrleitung, ſ. unter Röhren. 

Rohrpalme, ſ. Calamus. 

Rohrpoft Hneumati ſche Poſt, poste pneu- 
matique, Bern despatch) ijt die Bezeichnung 
für die in den Großitädten Europas getroffene Gin: 
richtung, Briefe und Telegramme in unterirbijchen 
Röhren (pueumatic tubes) unter Benuhung de3 
Luftdrucks und des annähernd Tuftleeren Raums 
von einer Sation (Nohrpoftamt) zur andern zu 
befördern. (©. PBneumatifd.) Papin, Meds 
hurit, Gazalet und 2, Clarke find die erften geweſen, 
welche, allerdings ohne Erfolg, verfucht haben, den 
Gedanken praktisch zu verwerten, Nammel in Lon: 
bon (1862) verbefjerte die Patetbeförberung durch 
—— weſentlich, und es bildete ſich in dem: 
ſelben Jahre in England die Pneumatic despatch 
Company unter dem Borfig bed Herzogs von 
Budingham. Zuerſt wurde die 600 m lange Linie 
zwiſchen der Nortdwelterneilenbahn und dem Bolt: 
amt in Eanıden Toron in London —— ver⸗ 
bunden. Die Stelle der —* und Kompreſſions⸗ 
pumpe vertrat ein hohles Rad (pneumatic ejector), 
das 3 m Durchmeſſer hatte und 2—300 Umdrehuns 
gen in der Minute machte. Die Luft im Tunnel 
1 sub weit) wurde geleert, der Ei mit kleinen 

aggons auf den Schienen in Bewegung gefeht 
und dann —— Luft vor biefen ug 
bracht, ſodaß die Heinen Waggons durch den Luft: 
brud nad der andern Station getrieben wurden, 
Doch bewährte fih das Syftem nit vollftändig, 
weil sadireihe Vetriebsitörungen vorlamen, Die 
Pneumatic despatch Rammels ging daher 1874 
wieder ein; man erjehte die Einxichtung durd) an: 
dere Maſchinen, die im wejentlihen dem in Paris, 
Wien und Berlin — Syſtem des * 

enieurs von Felbinger in Wien entſprechen. Außer 
London beſihen Mancheſter, Liverpool, Birmingham 
und andere größere Städte Englands pneumat. Des 
förderung. Paris erhielt 1867 feine Poste pneu- 
matique; diejelbe beſaß 1884 140 km Ausdehnung 
mit 92 Stadttelegraphenftationen; 1834 wurden 
10 Dill. Sendungen damit befördert, Wien hat 
jeit 1875 die von gelbingeriche „im Betrieb, 

In Berlin wurde die auf Stephans \jnitiative 
erbaute R. am 1. Dez. 1876 dem Betrieb über: 
a Diefelbe beſaß anfangs 26 km Röhren: 
eitungen mit 15 Stationen; gegenwärtig (1885) 
find 52,12 km Röhren mit 31 KRohrpoftämtern und 
8 Mafchinenftationen vorhanden. Der Rohrpoit: 
verkehr hat fih von 94495 Sendungen im De;. 
1876 auf 2552814 Geudungen 1884 gefteigert. 
Die 1834 veränderte Anlage befteht aus vier ſich 
veräjtelnden Hauptzweigen von Röhren, die nad) den 
vier Himmelsrichtungen ausgehen, ſodaß alle Sen: 
dungen, bie von einem Hauptzweige zum andern 
geleitet werden follen, die Centraljtation berühren 
müjen. Die Nöhren (1 m tief unter dem Straßen⸗ 
pflaiter) haben 65 mm Weite: die Büchien für Aufs 


Nöhrenquallen, f. unter Alalepben. 
— ſ. Boletus. vs 
r 


162 


nahme ber Senbungen find 15 cm lang und raffen 
etwa 20 Briefe, Karten oder Telegramme. Di 
—— der Züge (10—12 Büdhfen) beträgt 
1000 m in der Minute. Zur Erzeugung ber Luft: 
verbihtung und Luftverbüinnung dienen acht Ma— 
—— deren jebe mit zwei Dampfleſſeln 
zwei Dam: pfmai chinen von je 30, 20 und 12 
ierteträften — iſt. Die hnelſte Aushän: 
igung einer Sendung an ben Adreſſaten lann in 
inuten erfolgen, bie längjte dauert eine Stunde. 

— * hr Er Boprpoftc e innerhalb Berlins 


obrpoftfarten 25 Bf. Die 
Erin ieh m. jur —5—8 —— 
me von außer nach den —— 


ämtern benußt, von wo fie beſchleunigt 

tdi merken lönnen. 
Ken befe — de 
nde3, au a tes Ge: 
je N. haben eine 
nge, zu einem Nüfiel ——3 nauze und 
*8 ſich infolge der verlängerten Hinterbeine 


be der | & 
erg De * arg Gemeine —X 
(M. m las "Safel: Inieltenfreifer, Fig. 2) 
it 25 cm fang, w — 11 cm auf den Schwanz 


und 2 auf den Nüfjel 
arbe und Ruder fine a 
r un 


lommen, von rotgrauer 
aus Kerbtieren beftehende 

beißen, lahlen Bergen 
fri Ir herum. 


hei (Calamoherpinae) heißt eine 
Gruppe der echten Sänger, deren 78 Arten auf die 
Alte Welt beihräntt und bier in den nörbl, 
Gegenden häufiger find, Sie haben einen teil: 
Ps Shman,, —* Nägel und ein graulich⸗ 
raunes bi grünlihes Gefieder. Es find geidhidte 
Hletterer, die einfam im Schilfe wohnen, ſich von 
Dhe ei nähren lunſtreiche Nefter bauen und oft 
ehr eigentüml (ide, die Stimmen anderer Tiere, 
öſche, Grillen u. f. w. nachahmende Gefänge 
han ben. In ben kältern Gegenden find es Zugvögel. 
chwingel, Grasart, f. unter Festuca, 
Bose erling, mehrere Arten der Rohrfänger. 
odfe de, Grege oder Grezſeide, bie vom 
u abgehafvelten Seidenfäden. (S. u. Geibe.) 
Mohſtähl (frz. acier brut, engl. rough steel), 
biejenigen Stahlſorten, welche direkt, burch Gemen: 
tieren, Bubdeln oder Beflemern erhalten Ben 
im Gegenfag zum raffinierten Stahl, ber 
durch Zuſammenſchweißen oder Zuſammenſchmeljen 
von fortierten Robjtahljtüden gewonnen wird. (S. 
unter Gifenerzeugung.) ſchaften. 
ftoffgenofjenfchaften, ſ. u Genof — 
Nohtaf, diſtrilt der Dinifion Hiſſar der 
tenantgouverneurfchaft Pendſchab Briti fh 
Indi ifchen Reichs, 4721 qkm arof, mit (1872) 
536959 €. Die Sauptftabt &. zählt 14153 €. 
Nohwand, ein Teen der Name für bie 
lörnig:derben Mafien des Minerals Anterit. 
Rojas (Aguftin de R.: gegen fpan. 
Scäriftiteller und Scaufpieler, geb. um 1577 zu 
Madrid, trat 16jährig in Kriegädienfte, verblieb 
echs Jahre unter den Truppen hilipps U. in 
antreich, war eine Zeit lang in Ya:Rochelle ge: 
* en und lehrte von da unter vielen Drangſalen 
Spanien zurüd. Hier ward er Schauſpieler 
fchrieb 1602 eine «lInterhaltende Neifer (« Viage 
entretenido», Madr. 1603 u. * zuleßt 1793) 
und 1611 ein anderes vuch «El Buen Republico» 
(Salamanca 1611). In der «Unterhaltenden Reife» 


Röhrrüfler — Rojas: Horrilla 


erzählt N. feine gr und Erfahrungen, teilt 
viele Einzelheiten über das damalige Theatermweien 
mit und ſlicht 36 poetiſche und 4 ar we aLoas» 
aus feiner —* ein. Scarron hat R zu 
feinem —— comique» entlehnt = 2 Leſage 
hat man e Begebenheit aus dem «Viage 
en rt der Sch des 
o de), einer der ö 
yan. — —— — 


ledo, dichtete 
als — — bee t3miflenf 
1492 und 1499, 15 des Earl ide 
stina» (2—14u. 20—21 der 
gab diejelben mit ſamt dem erften 


und Mebina del Gampo anonym —— 
«Calisto y Melibes, Comedia⸗ 


—— webe —— 
niale en * 


— 


x neue —— Alte 


id uns 
ermedie 


1595 durd) bie antıwerpener Au 
Die —— gab in i 
—— von — u 


it — 
iche Baſis. bei enthält i in iö bie — zur 
«Comedia novelesca» und den daraus Dev 
Ken re «Mantel: und 
profaifchen «Entremeses», 
dem niedern Boltsleben mit dra her Derbbeit 
ſchildern. Bis zum Erſcheinen des «Don Duipote» 
war fie das gelefenfte und einflußreichite Ipan. 
Bud), das wie der Roman des Cervantes und ber 
Amadis eine ganze Pitteratur von etichungen, 
Üiberarbeitungen, Nahahmungen und fiberfegun: 
en erzeugt hat. Eine der neueften Ausgaben findet 
6 in der «Biblioteca de autores —— 
ae 3,1846). Eine gute beutfche Überfek 
orgte E von Bülow Lpz. 10. eine —— 
Germond de Lavigne (Bar. 1 
Rojad:Fore nciöco de), einer ber be: 
rühmteften dramatiſchen Dichter der Spanier, geb 
4. Dit. 1607 zu Toledo. Bon feinen Lebensum: 
ftänden weiß man nur, daß er Ritter des Ordens 
von Santiago war und meift in Mabrid lebte. Er 
Kr Bein au — im Komiſchen wie im * 
rühmtelten find ſeine Stüde: «Del 
74 — ninguno 6 Garcia del 
«Donde hay agravios no hay zelos», «Entre bobes 
anda el juego» (alle brei in Dchoas «Tesoro del 
teatro l», Bar. 1838), «Los bamdos de Ve” 
rona» und bas Buftfpiel «Don Diego de nocher, 
Bon feinen Dramen erichienen 24 geſammelte in 
zwei Quartbänden (Madr. 1640, 1645 u. 1680); 
30 gab Mefonero Romano heraus, im 54. Band 
der «Biblioteca de autores espaholes» (18611. 
R.s Arbeiten find in Kompofition und Stil jo un: 
glei, dab man glauben follte, fie rühren von zwei 
verjdiedenen Dichtern ber. In ben gelungenften 
ift er voll Feuer, Kraft und Präsifion und bezaubert 
durd) allen Reiz der Sprache, während er in — 
nicht nur dem verdorbenen Geſchmad ſeiner 


Rojolen — Noland 165 


huldigt, fondern auch bombaftiiich, hohl und fogar 
Ichleppend wird. In rantreih wurden Etüde 
des R. von Rotron, Ecarron und Th. Corneille 
benupt und nadgebildet. Gute deutſche Überjehun: 
g ber beiten von R.s Dramen finden ſich in 

ım3 »Span. Dramen» (Bd. 3 u. 4, Berl. 1814). 
olen, |. Rigolen. 

Noketnitz, Dorf in der mähr. Bezirläbaupt: 
mannjchaft Brerau mit (1880) 851 E., nady wel: 
dem ri das Gefecht vom 15. Juli 1866 benannt 
———— 

o (Karl, 9 von), ber n: 
ber ber beutichen pathol..anatom.-ärztlihen Schule, 
geb. 19. Febr. 1804 zu Stöniggräs in Böhmen, be: 
Juchte erit das Gymnafium zu Leitmeris, dann das 
feiner Geburtäjtadt und widmete fid) hierauf zu 
Prag und Wien den mebiz. Wiſſenſchaften. Rad): 
dem er 1828 zu Wien promoviert, wurde er erit 
zweiter, dann erfter Aififtent an der bortigen pathol.: 
anatom. Anftalt (de fog. Wiener ig > &), 
hierauf 1884 auferorb. und 1844 orb. eſſor 
der pathol. Anatomie. Seit 1834 verwaltete N. 
auch die mit jener Brofefiur verbundenen Gtellun: 
gen des Proſeltors des großen wiener Kranten: 
baufes und des —— Anatomen für ſaͤmt⸗ 
liche in Wien amtlichen Leichenoͤffnung zu 
unterwerfenden Fälle von — ften Todes: 
arten. Das unermeßliche Material, alt 
auf diefe Weile zu Gebote ftand (man ſchlaͤgt die 
Zahl der von ihm felbit oder unter jeiner Hufficht 
bewerlitelligten Seltionen auf 60000 an), verwer: 
tete er, einzelne ‘ourmalaufjäge abgerechnet, jedoch 
nicht eher, als bis er, in dem Bewußtiein, das Ge: 
iet der pathol, Anatomie zu beherridyen, 
ein berühmtes rg bon pathol. Anatomie» 
(3 Bde., Wien 1842—46) herauägeben konnte, wel: 
ches auf Beranitaltung der Sydenham Geſellſchaft 
ind Engliſche (Lond. 1845-50) itbertragen und 
185561 in dritter Auflage gamy neu bearbeitet 
worden ift. Wie feine Heinern Arbeiten und feine 
mp beſuchten Borträge und praltiſchen Kurfe, 

ichnet ſich aud) jenes Hauptwerk durd eine 
nũchterne, fireng aegenitändliche —— und 
exalte, Har und ſcharf nach einer zum Teil felbft ge: 
fchaffenen Terminologie beihreibende PDarftellung 
aus. Zugleich bietet es einen —— Reich 
tum von Faällen, aus deren Zuſammenſtellung und 
Aneinanderreihung ſich die einzelnen Krantheite: 
prozefie in ihrem normalen oder anomalen Berlaufe 
auf das deutlichite und anichaulichfte erliären, Auf 
dem von ihm gelegten Grunde wurde teild burd) 
feine Freunde Stova, Schub u. a., teils a 
und ber lehtern Schüler Engel, Jakſch, ta, 
Dppolzer, Hanıernit, Dittrich u. j. w. das Gebäude 
der neuern beutichen Diagnoftil, der phyſtol. Pa: 
thologie und Therapie aufgerichtet und der Ruf 
ber Wiener ober Wien: Prager Schule gegründet. 
N. trat 16. Juli 1875 in den Ruheſtand, veröffent: 
lichte noch «Die Defekte der Sceidewände bes 
Herzens (Wien 1875) und jtarb 23. Juli 1878 in 
Wien. Bol. « Rolitanjty» (Wien 1874). 
NRokihan en), Stadt in der Bezirks: 
a 
inie Furth: Brag der mifchen , von 
der bier die Gommerzialbahn nad Alle u ab: 
8 


zweigt, Sig eined Bezirlsgerichts, zäblt (1880) 
4927 6. flaw. unge, die ſich meijt mit Feldarbeit 


befajien, eine — eine Lederfabrit und 
zwei Branereien. Drt beftand ſchon am An- 


fang des 11. Jahrh. und gehörte damals den Bi: 
ſchof von Brag. Später an die lönigl. Kammer 
gelangt, wurde er 1509 vom König Wilabiflam 11. 
wieder dem prager Tompropft und Kapitel als 
Eigentum zuertannt und 1575 lönigl. Etabt. 
köfo iſt die Bezeihnung des vom zweiten 
Jahrzehnt des 18. 338 bis zum Ende des Sieben 
jährigen Kriegs herrſchenden Kunſtſtils. Die ety: 
molog. Ableitung des wunderlichen Wortes, das 
war in Frankreich entitanden, jeht aber nur noch 
in Deutichland gebräuchlich iſt, ſußt auf Roc, Ro- 
eaille, Fels, Grottenwert; die Franzoſen ſprechen 
von genre und * rocailleux, haben aber neuer⸗ 
dings mehr den Ausdruck «Style de Louis XV. 
an die Stelle geieht. Da das N. aus dem Barod: 
ftil entfprungen und mit biefem nod) aufs engite 
verwandt ift, werden bie Bezeichnungen des Barod 
(f. d.) und X. noch oft Durdeinander geworfen; ber 
Swinger in Dresden 5. B. wird ebenjo oft ein Ro: 
tolo: wie ein Barodwerk genannt. m allgemeinen 
it daran feilzuhalten, dab fi das R. aus dem 
Barod herausbildete, als der fteife Bomp des Zeit: 
alter Ludwigs XIV. in die ee auf das Be: 
—— Trauliche, Zierliche, niedlich Clegante der 
innesweiſe des Beitalters der Regentichaft Lud⸗ 
wigs XV. überging; der Rolokoftil it daher wejen: 
lich ein Stil der architeltoniſchen Innendeloration 


R. | und des Kunſtgewerbes in Geräten, Gefäßen, M 


bein, Geihmeiden. DBerain, Dppenord, Meifion: 
nier, Lerour find die erften Träger biejer Wand: 
lung; von Frankreich verbreitete ſich der neue Stil 
raſch über ganz Europa. Weil die Zeit eine krank— 
bafte, raffiniert üppige, innerlich frivole war, 
geben die Formen in das Ausſchweifende, Weich 
liche, Berichnörtelte; und diefe Neigung zum Meid): 
lihen wurde begünftigt durch die weichlichen Dar: 
ftellungsmateriale, welde man jet gern verwen: 
dete, namentlicp durdy bie Vorliebe für ben Stud 
und die neu erfundene Porzellanmaſſe, yo die 
Möbeltiichlerei und die Goldſchmiedelunſt traten 
unter deren Gejehe. Die wahre dee des N. ült, 
nach Semper , daß das Rahmenwert zum Orgamis: 
mus wird und alle andern Formen der Baufunft zu 
erſehen beginnt; der Rahmen umſchließt die Füllung 
pilanzenhaft, umrantt fie gleihjam wie ein orga: 
mich Belebtes, Löit ſich in lauter flüffige, vegetabi⸗ 
liſche, der feiten Ryythmit wiberftreitende Elemente 
auf, die Luft und Üippigfeit der ſich vollitändig frei 
und felbftändig aufipielenden Berzierung über: 
wuchert alle jtrultiven Forderungen. Erft die itei: 
gende Aufllärungsbildung und die durch die Ent 

ng von Pompeji und Herculanum neu er: 
wachte Altertumsbegeülterung macht dieſen zier 
lichen, aber natur: und kunjtwidrigen Tändeleien 
ein Ende und jept am die Stelle des R. den ſog. 
Zopfitil, d. h. die zwar reinere, aber noch einicitig 
enge und formentahle Nachahmung der Antite, 
die dann in den wiebergeborenen Hellenismus eines 
Garitens, Thorwaldjen und Schintel übergeht. Der 
vollendetite Maler der Rotokozeit, Watteau (f. d.), 
fteht am Beginn derielben; Boucher üt deren Schluß. 
(5. Tafel: Bauftile XI.) 

Roland, der gnefeiertite unter den Helden der 
Karolingiihen Eage, den Paladinen Karls d. Or., 
defien biftor. Erüitenz jedody nur auf der Erwäh— 
nung bei Eginhard beruht, dab unter den Edeln, 
welhe in den Pyrenäcn bei einem Angriff der 
Vaskoner auf die Nahbut des 778 aus Spanien 
zurüdtebrenden Kaijers Karl den Tod fanden, aud) 


764 Noland be 


ein Hruodlandus, Britanniei limitis praefectus, 
pgwelen fei. Bielleicht iſt biefe Erwähnung felbft, 
end nicht in allen Hanbidriften der «Vita Ca- 
roli Magni» findet, gar erft aus ber Sage in bie 
Geſchichte bineingelommen. Nah der Sage war 
der ſtarle, tapfere, fromme R. ein Neiie Karls, 
der Sohn feiner Schweiter Bertha und Milons von 
Anglant, Unter ben einzelnen Sagen von feinen 
Abenteuern ift die berühmteite die, bie den Inhalt 
be3 vorzugsweile fog. Rolandsliedes bildet. 
Sie handelt von feinem Tode, wie er, auf feines 
Gtiefvaters, des verräteriihen Ganelon von Dlainz 
falſchen Rat von Slarl als Hüter Spaniens zurüd: 
gelaſſen, durch die ungeheuere Übermacht des heib: 
Ken ir Ar oder Mobrenfönigs Marfilie 
bei Roncesvals (Noncevaur) angegriffen ward und 
nad langem, furdtbarem Kampfe mit Dlivier und 
den andern Franken untergeht, nachdem er fein 
berrlihes Schwert Durendal_ oder Durendart, ba: 
mit e3 nicht in der Heiden Hände lomme, zu zer: 
brechen vergeblich geitrebt und den Hilferuf wi 
feinem Horn Dlifant hat ertönen lafjen, ber, jedoe 
zu fpät, bis zu Karls Ohren dringt. Frühzeitig 
wurde dieſe Sage bei den Franzoſen der Gegen: 
ſtand a er Lieder, vor dem Beginn ber 
Schlacht bei Haltingd (1066) fang Zaillefer vor 
Wilhelms normann, Heer ein Lied von R. Golde 
Lieder find die Grundlage der Erzählung in ber im 
11. und 12. Jahrh. von ars ebenen verfaßten 
fog. Chronit Zurpind (1. d.), und nach ihnen, nicht, 
wie man früher meinte, nad) der legtern, bichtete 
im 11. Jahrh. ein Sänger das zufammenbhängende 
franz. Vollsepos, die «Chauson de R.» ober «ade 
Roncevaux», das zuerjt von Francois Michel (Par. 
1837) und Benin Bar. 1850), am beften aber von 
Gautier (Par. 1871 u. öfter) und Th. Müller 
(Gött. 1863; 2. Aufl. 1878) herausgegeben worden 
it. Das alte Gedicht wurde im 12. und 13. Jahr. 
mehrfach umgearbeitet und erweitert; einen ſchon 
jüngern Text hat Bourdillon (Par. 1841), die ver: 
jchiedenen Redactionen derjelben Förjter (Heilbr. 
1883) herausgegeben. ; , 

Nah dem alten franz. Gedicht fahte bereits um 
1131 der Pfaffe Konrad, im Dienjte Heinrichs des 
Stolzen, fein deutiches Gedicht, das «Ruolandes 
liet», ab (mit einer belebrenden Ginleitung über 
die Sage herausg. von Wilh. Grimm, Gött. 1838; 
neuerdings von Bartjch, Lpz. 1874), welches zwei: 
mal, zunädjit von einem niederrhein. Dichter Ende 
des 12. Jahrh. (Bartich, «fiber Karlmeinet», Nürnb. 
1861), und dann in der eriten Hälfte des 13. Jahrh. 
von einem öjterr, Dichter, dem Strider (berausg. 
von Bartſch, Quedlinb. 1857), umgearbeitet wurde. 
Aus franz. Quelle entiprangen aud) das lat. Ge: 
dicht und das uns in Bruchitüden enthaltene alt: 
engl. Gedicht, die beide bei Michel abgedrudt find; 
ferner die isländ. «Karlamagnus-Saga+ (herausg. 
von Unger), aus welder die im 15. Jahrh. ver: 
faßte, ſonſt Chriſtern Peterfen beigelegte dän. 
Arönike om Keyſer Karl Magnus» hervorging; 
endlich die altniederländ. Gedichte, von denen nur 
DBrudjtüde (derausg. von Borman?) auf uns ge: 
tommen find. Die ital. Bearbeitung des Softegno 
di Zanobi, eines Florentiners im 14. Jahrh., «La 
Spagna», beruht nicht unmittelbar auf lauter franz. 
Quellen, fondern auf in Italien verfaßten ältern 
Gedichten in einer eigenen Miſchſprache. Die fpan. 
Nomanzen von R. gründen fi nit, wie man 
früher annahm, auf jelbitändiges Fortleben der 


la Platiere 


Sage in Spanien, fonbern find auch auf franz. 
Traditionen zurüdzufü ren, bie allerbing3 älter 
find als die erhaltenen franz. Gebi Shrer Abs 
fafjung nad) reichen fie nit über das 13. Jahrh. 
hinauf; fie find gedrudt bei Wolf und don, 

. u : 


«Primavera de Komances» (Berl. 1856) 
gedrängt aber wurden alle mittelalterlichen Be— 
arbeitungen durch den Rubm, welchen ſich die zum 
Zeil aud älterer fiberlieferung folgenden, noch 
mehr aber wirllich erfundenen und ausgefchmüdten 
ital, Heldengedichte des 15. und 16. Jahrh. er: 
warben, die von R.s Kampfes- und Liebesaben: 
teuern in ihrer eigenen, dem echten Charalter der 
Sage leineswegs entipredhenden Weiſe erzäblten, 
wie «Morgante mazgiore» von 2. Bulci, «Orlando 
inamorato» von Bojardo und das berühmteite 
unter allen, «Orlando furioso» von Ariofto. Bal. 
Schmidt, sliber bie ital. Heldengedidhte aus dem 
Sagentreije Karls d. Gr.» (Verl. 1820). , 
oland de la Platiere (Jean Marie), franz. 
— und Staatsmann, geb. 18. Febr. 1734 
zu Thizy bei Billefrande, war beim Ausbruche der 
Revolution Generalinfpeltor der Manufalturen 
und Fabrifen in Lyon. Diefe Stadt ſchickte ihn 
im Febr. 1791 zur Vertretung ber gewerblichen 
— in bie Konſtituierende Verſammlung. 
ier trat er in Verbindung mit den republilaniſch 
gefinnten Abgeordneten, fiedelte im Dezember 
nah Paris über und erhielt in dem Girondiſten 
minifterium vom März 1792 das Portefeuille bes 
nnern. Als der König die Unterzeihnung bes 
efretö verweigerte, nach welchem die Föberierten 
in der Nähe von Paris ein Lager bilden follten, 
fchrieb er dem König 10. Juni einen Ich: radifalen 
Brief, weldyer feine Entlajjung nad) ſich zog. Nach 
dem Umſturze Throns Aug.) wurde er fo: 
gleich wieder in fein Minijterium eingefegt. Als 
en der Gironde ftellte er ſich jedoch dem 
Naditalismus der Jakobiner entgegen und wurde 
von der Bergpartei im Konvent aufs beftigfte an: 
gefeindet. Bei dem Sturze ber Girondiften wurde 
31, Mai 1793 auch feine Verhaftung defretiert. 
R. fand Gelegenheit zu entlommen ftürzte fich aber 
auf die Nahricht von der Hinrichtung feiner Frau 
15. Nov. 1793 unmeit Rouen in fein eigenes 
Schwert. Unter feinen Schriften, induftriellen 
und polit. Smbaltz , iſt das «Dictionnaire des ma- 
nufactures et desarts qui en d&pendent» (3 Bde.) zu 
erwähnen, das er ir Pandoudes «Encyclopedie 
möthodique» ſchrieb. 

Seine Gattin, Manon Jeanne R., geb. zu 
Paris 17. März 1754, Tochter des Kupferitechers 
Phlipon, eine Frau von Geiſt und Energie, ver: 
heiratete fi 1779 mit R. Durd das Studium 
de3 röm. und griech. Altertums für republilaniiche 
Ideen gewonnen, fühlte fie jih von der Revolution 
mädhtig ergriffen. Als R, die Stelle des Minijters 
erhalten, ftand fie ihm mit unermüdlichem Eifer in 
den Geihäften ei. Nach der Flucht ihres Gemahls 
führte fie im Intereſſe der Kontrerevolution mit 
den geflüchteten Girondilten einen Briefwechſel, 
weshalb man fie einlerlerte. Sie verſchmãhte die 
ihr gebotenen Mittel zur Flucht, ſchrieb im Ge: 
fängnifje ihre Memoiren und benahm fi vor ihren 
brutalen Richtern mit Unerſchrodenheit. Mutig 
legte fie 8. Nov. 1793 ihr Haupt unter die Guillo- 
tine, In ihren «M&moires» (2 Bde,, War. 1820; 
neue Ausg., Par. 1864) find aud ihre übrigen 
Schriften enthalten. Ihre aLettres, en partie 


Rolandsbrefhe — Rollenhagen 


insditess gab neuerdings Dauban (2 Bde., Par. 
2 heraus, der auch die «Etude sur Madame 
R.» (Bar, 1864) veröffentlichte. j 

Rolandöbreiche, Gebirgsſcharte in den Pyre: 
nden, f. unter Bareges. 

Nolandded, zu Oberwinter gehöriger Weiler 
im Kreis Ahrweiler des preuß. Kegierungsbezirts 
Koblenz, am linken Ufer des Rheins, Station der 
Linie Köln: Bingerbrüd ber Vreubifchen Staats: 
bahnen, befteht fait nur aus Villen und hat (1880) 
60 E. Dabei befinden fich auf einem 153 m hoben 
Bajaltberg ein 1848 gebauter got. Ausfihtsturm 
und, als einziger liberreft der ehemaligen Burg 
Nolandse ‚ ein Fenfterbogen mit prachtvoller 
Ausfiht auf das Siebengebirge. Etwas unterhalb 
liegt im 4 die Inſel Nonnenwerth (j. d.), und 
lin am in das Dorf Rolandawerth mit 
Weinbau und 460 E. 

Rolandslied, f. unter Roland. 

Nolandepforte, ſ. unter Noncesvalles. 

Nolandsfäulen oder Rulands-, aud Nut: 
landsfäulen nennt man koloſſale, aus Holz 
oder Stein meilt roh geformte Bildfäulen, welche 
auf den Marlt: oder Bauptpläpen vieler Orticaf: 
ten Norddeutichlands, vorzugsweiſe aber Nieder: 
ſachſens und der Marl Brandenburg jtanden und 
Br Teil noch Stehen (wie 3. B. in Brandenburg, 

temen, Halle, aa pen en, Perleberg). Die: 
felben ftellen in der Regel einen gerüſteten oder man: 
teltragenden, baarhäuptigen, ein blofes Schwert 
in der Hand haltenden Dann dar, den die Trabi: 
tion al3 den Noland der Harld:Sage zu deuten 
pflegt. Uriprung, Name, Geſchichte und Bedeu: 
tung diefer Bilder ift noch nicht hinreichend auf: 

eflärt; nur fo viel fteht feit, daß fie ala Zeichen 
er Gerichtsjtätten dienten. Nachrichten über die- 
felben finden ſich nur fpärlich erft feit dem 14. Jahrh. 
und faft immer in —— mit den Kampfen 

x ſtädtiſche Rechte und Privilegien, unter denen 
elbitändige Verwaltung und eigene Gerichtäbarteit 
als die höchſten galten. Nicht felten erſcheinen in 
dieſen Zeiten die N. ald Symbole ſtädtiſcher Frei: 
> und Selbitändigfeit, werden als ſolche in die 

echjelfälle des Kampfes gezogen und, je nachdem 
1a dieſe — die Stadt geſtalten, bald umgeworfen, 

ald wieder aufgerichtet. Vol. Stappenbed (in 
eMärkiiche Forihungen», Bd. 4, Berl. 1847) und 
Söpl, «Die Nulands:Säule» (Lpz. 1861), 
olandöwerth, ſ. Rolandsed. 

Rollaffe, Soviel wie Rollihwanzaffe. 

Nollanfas, Schlantaffe, f. Hulman, 

Rollaſſel, j. unter Aſſeln— 

Rollatlas, ein schwerer Atlas (Seibenftoff), fo 
genannt, weil er ſich an ben Enden von jelbftaufrollt. 

Rolbiei, das in Form von aufgerollten Ri atten 
in den Handel lommende Blei. (©. unter Bled.) 

Rollbrücken lommen in Feftungen ftatt Zug: 
brüden vor. Bei denfelben ift ein Teil der Brüden: 
bahn auf Nollen beweglich und kann vor und zurüds 
8— werden. Gegengewichte am hintern Ende 

3 beweglichen Teils der Brückenbahn halten letz— 
tern während ver Bewegung im Gleichgewicht, 

Rolle, im allgemeinen eine runde Scheibe, welche 
um ihren Mittelpuntt beweglich iſt; auch ſoviel wie 
Mange. tiber Rolle in der Diedanik f. Frit: 
nr unter Friltionsrad und Fla— 

enzug. 

Rolle in der Scaufpielfunft heißt überhaupt 
ber Anteil an einer darzuftellenden Handlung, ins» 


765 


befonbere das zufammengerollte Heft, auf welchem 
als fchriftlicher Auszug aus dem ganzen Stüde 
da3 enthalten ift, was der Künftler vorzutragen 
hat. In diefem Auszug find auch die lepten Worte 
des Vorheriprechenden (die ſog. Stihworte) mit 
angeführt, damit der Dariteller zur rechten Zeit 
mit jeinen Worten einfällt, ‚ 
Rolle, Hauptitadt des gleichnamigen Bezirks 
43 qkm, 6056 €.) des fehweiz. Kantons Waadt, 
iegt 380 m über dem Meere, 11 km norböftlid 
von Nyon auf dem rechten Ufer des Genferfees 
an der Bahnlinie Laufanne:Genf, befikt ein altes 
Schloß, welches jeht als Schul: und Stadthaus 
dient, und zählt — 1688 meiſt reform. E. 
deren Haupterwerbsquelle der Weinbau (Lacöte) 
und der Broduftenhandel find. R. ift der Geburts: 
ort des befannten Staatsmannes Frederic Ceſar 
Laharpe, deflen Dentmal auf einer Heinen tünft: 
lichen Juſel dicht am Ufer des Sees fteht. Der 
ſchönſte Punkt der Umgebung ift das 3 km nord: 
öftlih von dem Städtchen gelegene Signal be 
ougy (712 m), das eine prächtige Ausficht über 
das wein: und lornreiche, mit Schlöffern und Villen 
überfäete Gelände von Lacöte, den Genferfee und 
die Gebirge Savoyens bietet. : j 
Nolte (oh. Heinr.), deuticher Kirchenlomponift, 
eb. zu Quedlinburg 23. Dez. 1718, trat (don in 
einem 13, Jahre als Komponift auf und wurde 
im 14. Drganijt an der Peterslirche zu Magdeburg. 
Im 3.1736 bezog er die Univerlität Leipzig, wo 
er die Rechte ftudierte, Erit in Berlin, on er 
fih na —— Studienzeit — wandte fö 
N. ausfchließend der Mufit zu. Er wurde lönigl. 
Kammermuſilus, erhielt 1752 die Stelle feines 
Vaters in Magdeburg und ftarb daſelbſt 29, Dez. 
1785. R. fehte eine ganze Neihe geiltliher Orato— 
rien, unter denen «Der Tod Abeld» und «Abraham 
auf Moriar großen Ruf erlangten, die aud), wie 
feine vielen vierftimmigen Motetten, durch einen 
leihtverftändlihen Ausdrud und melodiöje Hal: 
tung fich auszeichnen, aber an tiefer Kunft und er: 
ebener Darftellung mit den beften Oratorien und 
irhenftüden fi nit meſſen können. 
Rollen (der Füchfe), f. unter Brunft. 
Rollenbohrer, f. unter Bohrer und Bohr: 
maschinen, Bd. II,S.261®. j 
Rollenhagen (Georg), ausgezeichneter didak— 
tifcher Dichter de3 16. Jahrh., geb. 22. April 1642 
zu Bernau in der Mark Brandenburg, beſuchte die 
Schulen zu Prenzlau, Mansfeld und Magdeburg, 
itudierte feit 1560 Theologie in Wittenberg und 
übernahm 1563 das Rektorat der Johannisſchule 
zu Halberftadt nebjt der Verpflichtung zu predigen. 
Doch) ſchon 1565 gab er dies Amt wieder auf und 
tehrte als Hofmeijter eines jungen Halberjtädters 
nad Wittenberg zurüd, wo er 1566 die Vorlefun: 
gen des Mediziners Veit Drtel von Winsheim über 
die «Batrahomyomadyia» (j. d.) hörte, durch welche 
die Zuhörer angeregt wurden, das Gedicht wett: 
eifernd in lat., jan und deuticher Sprache zu bes 
arbeiten. Aus folhem Beginnen, welches der Pro: 
fellor freudig förderte und durch Anleitung zur 
Einflechtung politiiher, auf, die Gegenwart bezüg: 
liher Nuhanwendungen in eine beitimmte Richtung 
leitete, entfprang N.S viel fpäter gebrudtes Haupt: 
wert. Nachdem er dann 1567 die Magifterwürde 
erworben, ward er noch in demjelben \jabre Pro: 
teitor ber Domfchule zu Magdeburg, 1573 Bredi- 
ger zu St. Nitolai und 1575 Reltor der Domfchule, 


166 


Er ftarb nach 42jähriger Amtsführung, gefeiert 
ala Päbagoa wie ald Vrediger, 13. Vlai_ 1609. 
Seine Teilnahme an den Zeitereignifjen befunden 
fein «Hinfender Bote» und eos welde bie 
neichichtlichen Begebenheiten der J. 1588 und 1589 
in Neimen berichten. Vielleicht it au von ihm 
verfaßt eine durch xraltiſchen Sinn ausgezeichnete 
Sammlung von 54 proſaiſchen Fabeln, unter dem 
Titel «Alte neue Jeitung von der Welt Laufs 
(0.D. 1592). Endlich gab er aud) 1595 jein Haupt: 
wert, den ſchon in Wittenberg —— «Froſch⸗ 
melden. oder der Fröjc und Mäufe wunderbare 


Hoffhaltunge⸗ ans Licht, doc) wieder feinen Namen | ( 


unter der Bezeichnung «Marcus Hüpifinghols von 
Meuſebach, der en Fröſch Borfinger und Cal: 
meuſer im alten al nwigf» mit ſolchem Grfolge 
verbergend, daß troß der großen Berühmtheit, die 
das Buch fofort erlangte, fee gi den 
Verfaſſer nicht fannte und a y cheinlich erft Mor: 
bof ihn nachwies. Der «Froihmeusler», welcher 
der ——— nur den Rahmen der 
Handlung, dem ⸗Reinele⸗ die fatirisch:didaktifche 
Anwendung der Tierfabel und feinen wage Stoff 
in bunter Mannigfaltigkeit teils den klaſſiſchen, 
teils neuern Schriftitellern, teil$ auch ber deutjchen 
Voltsüberlieferung entnimmt, ift ein nicht bloß auf 
die allgemeinen moralifhen, fondern aud) auf die 
polit. Berhältnifje der Zeit Bezug nehmendes Vehr: 
gedicht. Das Werk blieb ein Lieblingsbud durch 
das ganze 17. Jahrh. und wurde jo in neuerer 
Zeit wiederholt überarbeitet (erfte Ausgabe Magdeb. 
1595; Bearbeitungen: durch R. Benedir, Weſel 
1841; das erſte Buch durch Stengel, Köln 1796; 
auszüglih durch Lappe, Stralf. 1816; re 
Schwab, Tüb. 1819, und Gödele in «Deutfche Dich: 
ter des 16, abrh.» (Bd. 8—9, Lpʒ. 1876), 

Auh Gabriel R. ein Sr org R.s, ber 
22. März 1583 —— wurde, ſeit 1602 in Leipzig 
und Leiden die Nechte ftudierte und vermutlich vor 
1623 ftarb, bat ſich als Schriftiteller een 
und iſt häufig mit dem Bater verwechielt worden. 
Gr gab heraus: «Bier ng Indianiſcher Reyſen 
durch die Lufft, Waller, Land, Helle, ... 
vnd den Himmel» (Magdeb. 1603 u. öfter); ferner 
einen Band lat. Gedichte: «Jurenilias (Magbdeb. 
1606), und endlih, durch Buchſtabenderſehung 
feinen Namen veritedend in Angelius Lohrbere 
Liga, eine ihrerzeit ſehr beliebte Stomöbie: «Aman- 
te3 amentes; Gin ſehr anmuthigs Spiel von der 
Blinden Liebe oder von der Ocielege (Magdeb. | 
1614), wie auch der Vater fhon durd mehr als | 
20 Jahre die Schullomödie eifrig gepflegt und | 
mehrere Stüde w diefen Zwed bearbeitet hatte. 
Vol. Lütde, «Leben des heard, R.» (2 Hite., Berl, | 
1851647); Gadert, «Gabriel N.» (er. 1885). | 

Nollett (Herm.), deutih:öfterr. Dichter und 
Kunftichriftiteller, geb. 20, Aug. 1819 zu Baden bei 
Wien, ftudierte von 1833 bis 1844 au der wiener 
Univerfität Philoſophie und Raturwiſſenſchaften. | 
Im J. 1842 eridien feine erfte Gedichtiammlung 
sYicderlränge» (Wien), 1845 ging er nad) Deutich: 
land und gab feine inzwijchen entjtandenen freiheit: 
lichen Gedichte unter dem Titel «Frühlingsboten 
aus Dfterreich» (Jena 1845) heraus, die N.s Na: 
nen in Deutſchland weit verbreiteten, ihm aber 
die Nüdlehr nad) Oſterreich verichlofien. Im näd: 
Nr Jahre erſchien fein ⸗ Wanderbuch eines wiener 
Toeten» (Franff. 1846), hierauf «Friſche Lieder» 
(Ilm 1817), das bürgerliche Traueripiel «Cine 


Rollett — Nollo 


Schweiterr und „Ein Waldmärden aus 

Zeit» (Lpz. 1847). Die ng von 1848 

er in feinen «Slampfliedern» (%pz. 1848) und —* 
dann ein Wanderleben in Deutſchland und 
—— führen, während deſſen ſeine dramau 
j * er a Die —— a 
Vünzer» und «jlamingo« (2pz. erichienen. 
In der Schwei bichtete er bie blung 

(ep 1858) und lieh jeine«Heldenbilder 


Gallen 1854) erſcheinen. Bald ward 
om die Nüdt “ die Heimat ee Km N. 
erſchienen noch der Ghaſelenchyllus 
Wien 1869), «Dellamationẽsgedichte⸗ (Bad, 
und « Erzäblende Dichtungen» (2pz. 1 
dem Gebiete der Kunftgeiii 
«Die drei Meifter —— tif, Antonio, Gio- 
vanni und Luigi Biclere ien 1874), die Abtei: 
lung «Gfyptil» in der « — der 
Künfte» (Stuttg. 1875) und Wert « 
—— 
ollin ‚franz. 

ris 30, Jan. 1661, erhielt 1683 eine Sofeflur 
Goflöge du Vleſſis, wurbe — 
löge de nce, belleivete während 
und 1695 die Stelle eines Reltors ber 
und entfaltete als Voriteher des de Beau: 
vais feit 1699 eine erfolgreiche In 
Unterfuhungen gegen die Janſeniſten 
trat er von jeinem Amte zurüd, bis er 1720 m 
die Stelle eines Neltord der Univerfität 
Gr jtarb 14. Sept. 1741. Bei der 
Ko I —* ui man nit 
alien ie alle e Sugenb 

de batte feine «Hlistoire ancienne 


5) 


Ki 


ne —— Carthaginois, etc.» (13 Bde. 

es Egyptiens, des Cart no 

Par. 1730 38; Gas. *— we — 

toire romaine» t. - 
Actium 


1740), welche mur bis nd die Sdiacht 
geht und in i — rung weniger 
cheint, wurde von jeinem 
«Histoire des empereurs romaius 
Jusqu’& Constantin» (12 Bbe,, Bar. 1750 
efept, und diefer fand wieder in bem 
Yebeau einen —E— Seine gen 
wurden von Guizot (30 Bde., Bar. 1820 
(a8) und von Letronne (30 Vde,, Par. 
ausgegeben. Bon R.s übrigen Werfen ijt noch zu 
nen: «Traite des ötudes» (4 Bde,, Bar. 1726 
Nolljalonfien, Ik unter Jalouften, 
Nollfalander, foviel wie Mange. 
Rollkorb, ſ. unter Sappe. 
Nollfran, ſ. unter Hebeapparate. 
Nolliaden, f. unter Jaloufien, 
Nollmeifing, biinnere Sorten 
zufanmengerollt verfauft werben. ( .u.B 
& — —— j.u. Gebirn, Bd. Vl, 
D. 
Mollo (Hrolf, frz. Raouh, ein 
ae — 
Ginfältigen von Fra e r 
Landſtriches in der weſtl. Normandie ab, e 
von den neuen Anjieblern ihren Namen 
R., der dem Könige dafür den Lehnseid 
ließ ſich ‚pigteich taufen und nahm als 
Namen Robert an, Gijela, eine Tochter 
er Nine —— E Ss — 
ann wieder unter ſeine Genoſſen 
andererſeits auch noch weiter nad Ojten über 
Seine und nad Weiten in die Bretagne um 


i 


ii 


8 
et 








Braasf: 


Rollſchacht — Nom (Stadt) 


griff. Für Frankreich hatte die Feſtſezung der Nors 
mannen das Gute, daß fie mun ihrerſeits dabei 
interefftert waren, weitere Blünderungszüge und 
Anfiedelungsverjucdhe ifrer Landsleute fernzubal: 
ten. R. ftarb 931 und ibm folgte ein Sohn aus 
früherer Che, Wilhelm I. noidier j 
Nollſchacht, ein vertitaler Kanal in Gruben: 
banen zum Herabjtürzen der Crje. , 
Roliſchuß ift eine früher bei Gefhügen beliebt 
gemwefene Schubart, bei welcher das Geſchoß mit 
flacher Glevation abgeſchoſſen, unter —— nie⸗ 
driger werdenden Sprungen, auf dem Erdboden 
oder einer Waſſerflãche fi —— Ein Tref⸗ 
fen fonnte nur erwartet werben, ſobald bie Höhe 
der Sprünge die des Ziels nicht übertraf und ber 
den eben und feft war. Bei den glatten Kanonen 
wandte man ben R. meift auf — Entfernungen 
an, doch blieb fein Effelt bei der Abhängigleit vom 
Zerrain jehr zweifelhaft. Bei dem länglidhen Ge: 
ſchoſſe der gezogenen Gefchüge ift der R. ge un: 
swedmäßig und bei Granaten mit Perluſſions— 
zündern ganz unanwendbar, daher jept überall aufs 
gegeben. 4 se chuß.) Dem R. ähnlich ift 


ver Riloſ 

Nolihwanzaffen oder Sapajus (Cebus) ift 
der Name eines aus etwa 18 Arten beitehende 
Affengeſchlechts ne Südamerifa von Cofta:Rica 


= 


bis uay bewohnt; die R. find von mittlerer 
Größe, n einen vollitändig, aud an ber 
Schwanzſpihe behaarten Widelihwanz Da fie 


fehr in der Farbe variieren, find die Arten, die man 
aus ihnen gemadt hat, fehr unſicher. Die ge: 
meinfte Art ijt der Kapuzinerafie (f. d., Tafel: 
Affen der Neuen Belt, Fig. 3). 
Loff (Friedr.), Tierarzt, geb. 19. Mai 1830 
u Badersl bei Halberſtadt, ftubierte auf der 
Tierarzneiſchule zu Berlin und wurde dann Kreis: 
tierarzt in Weitfalen, fpäter in ber Provinz Sad) 
jen. Im J. 1862 wurde er Repetitor an ber Tier: 
arzneiſchule zu Berlin, 1866 außerorb. Brofejlor 
in Halle, 1876 Regierungsrat und Mitglied des 
Reichsgeſundheitsamts zu Berlin; 1878 wurde er 
PDireltor der Tierarzneiſchule. Er ftarb 22. Dez. 
1885 in Berlin. Gr veröffentlichte: «Die Lungen: 
ſeuche-Impfung⸗ (Berl. 1868), «Die Beurteilungs: 
Lehre des Pferdes und der Zugodyien» (Halle 1870), 
«Die Ninderpeit» (2. Aufl,, Halle 1877), «Der Milz: 
brand, feine Entjtehung und Belämpfung» (Berl, 
1883); «Tierärztliche Gutachten, Berichte und Pro: 
tofolle» (Berl. 1884). 

Rom, Compartimento in Italien, zwiſchen ben 
Provinzen Örofjeto, Perugia, Aquila und Caferta, 
jowie dem Tyrrheniichen Vicere gelegen, 11917 qkm 
groß, mit (1884) 926732 G., unfoß den feit 1860 
noch verbliebenen Neft des Kirchenſtaates, der erft 
1870 an Stalien fam. vn tadt it Nom (f. d.). 

Rom (Roma), von den Alten die Stadt (Urbs) 
oder die ewige Stadt (Urbs aeterna) genannt, einit 
Si der weltlihen, dann der geijtlihen Weltberr: 
ihaft und Hauptitabt des Kirchenſtaats, feit 1871 
de3 Königreichs Italien, liegt in ber Ebene von 
Latium, an dem bier etwa 60—100 m breiten Ziber, 
26 km von dejjen Mündung bei Ditia (ſ. d.). Das 
latiniſche Gebiet ift, infolge feiner vullaniſchen 
Gntjtehung und der Einwirkung der Wailerläufe, 
rei an mäßig erhobenen, durch tief eingeſchnittene 
Ihäler voneinander getrennten Hügeln: fieben 
ſolche, am linfen Flußufer gelegen, pflegen ſchon 
im Altertum als eigentlihe Stätte der « Sieben: 


767 


bügeljtadt» (Urbs septicollis) zufanımen genannt 
zu werden, Es find: Capitolinus (49 m), Pala: 
tinus (52 m), Aventinus (46 m), Cälius (60 m), 
G3quilinug (60 m), Viminalis (56 m), Duirinalis 
(60 m). Die vier erjten erheben ſich ifoliert von: 
einander, geſchieden durch tiefe, in der Urzeit fum: 
pfge Ibäler: zwiſchen apitol und Balatin das 
elabrum, zwiihen Palatin und Aventin das 
Thal des zn irtus (Vallis Murciae), a 
Palatin, Kapitol und Esquilin das Thal Fo- 
rum Romanum, Nach dem Fluffe zu, dem Zube 
de3 Palatin und bes Kapitols vorgelagert, üt das 
Forum Boarium; nördlih vom Slapitol die aus: 
gedehntere Fläche des Marsfeldes (Campus Mar- 
tius) zwiſchen Ziber und Duirinal (und Pincius). 
Die drei leßtgenannten ber fieben Hügel (Quirinal, 
Biminal, Göquilin) laufen zungenförmig von einer 
Bobenerhebung aus, welche nad) Diten allmählich 
verläuft. Die Höhen am rechten Ufer (Vaticanus 
60 m, Janiculum 85 m) gehörten —— nicht 
zur Stadt, wurden aber ſchon in repub —* 
eit befiedelt und in der Kaiſerzeit förmlich der 
tabt einverleibt. 
Das antike Rom 
A. Gründung. Königdzeit. fiber die An: 
fänge der Stadt R. herrſchie ſchon im Altertum, 
als die biltor. Behandlung der röm, Urgefchichte 
begann, völliges Dunkel. Die zahlreichen, zum Teil 
durch —— Entſtellung getrübten Sagen wi: 
derſprechen ſich jo hãu ß daß aus ihnen mit Sicher⸗ 
heit nur weniges geſchloſſen werden kann. Dazu 
Er einerfeit3 die Anknupfung ber Uranfänge 
‚3 an ben Balatinijchen Hügel. Auf ihn foll Ro: 
mulus (f. d.) am 21. April 753 v. Chr., dem Tage 
de3 Feſtes der Palilien, die ältefte Stadt (Roma 
quadrata) gegründet, fie mit einer Mauer umzogen 
und mehrere { empel, unter andern ben des Jupiter 
Stator, erbaut haben. Zweitens ift in ber röm. 
Überlieferung das Dewu ir» lebendig geblieben, 
daß diefer älteften latini Jen Anfiedelung_eine 
zweite ſabiniſche auf dem Uuirinal an die Seite 
2. iſt, —— mit ihr rivaliſierend, dann 
ich ihr vereinigend. Dieſe Vereinigung wi bie 
Sage jhon unter dem erjten König erfolgen (Raub 
der Sabinerinnen): der Kapitoliniſche Hügel bildet 
dann bie gemeinfame Burg (arx) der latinisch-fabi- 
nifhen Stadt und trägt außerdem da3 Heiligtum 
bes Jupiter Feretrius, fowie das Aſyl. Die Tiefe 
ſüdöſtlich vom Sapitol dient als gemeinſamer 
Marit (Forum Romanum), Mas ſonſt über Tem: 
pelgründungen und Stabterweiterungen aus ber 
Hönigszeit berichtet wird, beruht meift nicht einntal 
auf uralter Tradition, fondern auf fpäter gelehrter 
Zurehtmahung. Tullus Hoftilius foll den Cälius, 
der angeblih nad) einem etrustiihen Heerführer 
Gäles Vibenna benannt ift, zur Stadt gezogen 
und die Bewohner de3 von ihm zeritörten Alba 
longa dort angefiedelt haben. Dem Ancus Mar: 
cius wird die Vebauung des Aventin zugefchrieben; 
den drei lehten Königen großartige Bauten, zugleich 
die einzigen aus vorrepublilaniſcher Zeit, von denen 
noch Reſte erhalten find. Tarquinius Vriscus ſoi 
das bis dahin teilweiſe ſumpfige Thal des Forum 
| Romanum, Velabrum und Forum Boarium troden 
gelegt haben dur) den Vau der Cloaca maxima, 
eines 2,15 bis 4 m breiten, über 3 m heben brei: 
ah gewölbten Abzugslanald aus Tuffquadern, 
ſſen Hauptjtrang, etwa 800 m lang, noch heute 
funftioniert, Targuinius begann auch den Bau 


768 


be3 Jupitertempels auf der Nordweſtſpihe des Ka: 
pitols, deſſen Eubftrultionen zum Teil noch jebt im 
Garten des Palaftes Caffarelli vorhanden find. 
Sein Nachfolger, Servius Tullius, baute am Fuße 
des Kapitols das Quellhaus (Tullianum) und Ge: 
fängni$ (Carcer Mamertinus); dasfelbe befteht aus 
zwei unterirdiichen Räumen übereinander, deren 
oberer eine gewölbte Tede bat, während die des 
untern in hoöchſt altertümlicher Weile durch über: 
tragende Steinidichten gebildet wird. Der Carcer 
wird häufig erwähnt, in ihm endete Yugurtha, 
wurden die Häupter der Catilinariſchen Verſchwö— 
rung hingerichtet, bie * Legende nennt ihn als 
Gefaͤngnis der Apofte Petrus und Paulus (jeht 
Kirche San⸗Pietro in Carcere). Eder ar 
‚ Vor allem aber wird dem Servius die einheit: 
liche Seleligung ber Eiebenhügelitadt zugeſchrie⸗ 
ben. Die lunſtlich abgefchrofiten Hügelabhänge tra: 
> eine Mauer aus Tuffquadern. Der Lauf der 
Mauer * großenteils ſeſt; fie begann ſüdweſt⸗ 
lich vom Kapitol am Fluß, Kapitol 
und den Quirinal (Reſte bei Piazza Magnanapoli, 
wohlerhaltenes lleines Thor mit Bogenwölbung; 
ferner unter dem königl. Palazzo del Quirinale) 
und bog ſodann (etwa beim jegigen Finanzmini: 
fterium) nad Süden um. Hier, wo bie drei oben 
erwähnten Hügel rn n die Ebene verlaufen, 
genügte eine einfache Mauer nicht; an ihre Stelle 
tritt ein etwa 20 (oben 13) m ftarter, an einzelnen 
Etellen —* bis zur Höhe von 10 m erhaltener 
Wall nebit Graben (Rejte namentlich beim Bahn: 
of, in ber ehemaligen Billa Negroni), in einer 
änge von 1300 m bis gegen Sta.Maria maggiore 
fich eritredend. Der Lauf der Befeftigung über den 
Cälius it unſicher; weiter am Südrande des 
Aventin findet ſich der Iapolantehe Reit der Mauer 
(eine 15 m od, in Vigna Maccarani). Dem 
eitrande bes Aventin folgend, erreichte fie ſodann 
unterhalb der Kirdye Sta.- Sabina wieder den Fluß. 
Die Mauer —* 37 Thore, welche nur zum Teil 
mit Namen befannt find; die wichtigiten Darunter 
find: Porta Carmentalis an der Südede des Ha: 
pitol3, Porta Collina am Nordende, Porta Vi- 
minalis in ber Mitte, Porta Esquilina am Süd: 
ende des Walles, Porta Capena zwifchen Cälius 
und Aventin, Porta Trigemina zwiſchen Aventin 
und Fluß. Die Mauer hat eine Länge von 7—8 km 
und unichlichteinen Flaͤchenraum von gegen 300 ha, 
Das Stadtgebiet war geteilt in vier Regionen: 
Palatina, Suburana, Esquilina, Collina, Auf das 
rechte Tiberufer erftredte fi die Stadt noch nicht, 
obwohl ein Teil des Gebiet3 ſchon den Etrustern 
abgenommen war; die einzige Verbindung bildete 
die Pfahlbrüde Ir sublicius), vom Forum Boa- 
rium aus den N uß überipannenb, welche in Fällen 
ber Gefahr ſchleunig unterbroden werden fonnte. 
Unter Servius foll aud der Tempel der Diana 
auf dem Aventin (bei Sta. Prisca), das gemein 
fame Heiligtum der verbündeten latinifchen Städte, 
unter denen R. nunmehr die Euprematie gewon⸗ 
nen hatte, erbaut worden fein. Dem Tarquinius 
Euperbus ſchreibt die Tradition die Vollendung 
der von feinen Vorgängern begonnenen Bauten, 
namentlich des Jupitertempels und der Mauer, zu, 
B. Die Stadt in der republilaniiden 
eit. Aus (der eriten Zeit nach Vertreibung der 
nige (510 v. Chr.) verzeichnet die Stadtchronik 
bie Grundung einer 75 von Tempeln; die 
wichtigſten unter ihnen fin bie am Forum ges 


Nom (Stadt) 


| Tegenen des Saturn (497) und des Caftor (484). 
‘ Der Cinnahme der Stadt durch die Gallier (390) 


folgte eine gründliche Zerftörung und ein haftiger 
Wiederaufbau. Unter den in nädjiter Zeit geweib: 
ten Tempeln find zu nennen der der Juno Mloneta 
auf der Arx (an Stelle des zerftörten Haufes des 
M. Manlius Gapitolinus, gegründet 384 v. Chr.) 
und der Concordia, gegründet zum Andenken an 
die Beilegung de3 Etreites zwifhen Batriciern 
und Blebejern (366 v. Chr.), Gegen Ende des 
4. Ya — ſodann die großartigen Nuß— 
bauten; der Cenſor Appius Claudius (312 v. Chr.) 
baute die erfte fefte Landſtraße (Via Appia; aus 
ber Porta Capena heraus, durd die Pontiniſchen 
Sümpfe - Ganpanien, zunächſt bi3 Capua) und 
führte die erite Waflerleitung (Aqua Appia, j. u., 
©. 771) in die Stadt. Die zweite Balierleitung 
(Anio vetus) ließen die Cenforen M. Curius Den: 
tatu3 und 2, Bapirius Curjor aus der Kriegsbeute 
des Pyrrhus (272) erbauen. Der Cenſor Flaminius 
legte 220 die nad) Norden führende Via Flaminia 
an, und erbaute im Maräfelde den nad ihm be: 
nannten Cirlus. Die Stadt beginnt ſich merklich 
über den Mauerring de3 Servius auszudehnen; 
Vorftädte entitehen am Fluß vor der Porta Trige- 
mina, wo unterhalb des Aventin dad Emporium 
angelegt wurde (etwa 250 v. Chr.) und im Mars: 
felde beim Circus Flaminjus. 

Seit dem 2. Jahrh. beginnen ſodann infolge der 
Berührungen mit Griehenland und dem Ürient 
—— Bauten. Um das alte Forum, deſſen 

aum unzureichend geworden war, zu erweitern, 
errichtete Cato der Ültere 185 v. Chr. die erfte öffent: 
lie Halle (Basilica rel; e3 folgt ſchon 180 
eine zweite (Basilica Aemilia), ge 170 die Ba- 
silica Sempronia, 122 die Basilica Opimja, lm 
150 wird bie erfte fteinerne Brüde (Pons Aemilius 
ebt Vonte rotto) über den Fluß erbaut und dur 

iefe feite Verbindung eine raſche Entwidelung der 
Vorftadt am rechten Tiberufer bepüinjtigt. Cine 
weite Kommunilation wurde geidhaffen durch die 
eiden, die Inſel überfchreitenden Brüden: Pons 
Fabricius, 62 v. Chr., Pons Cestius (von der Infel 
vo Zraftevewe) wenig ſpãter. Sulla, der an der 
volljtändigen Durchführung feiner Baupläne durch 
den Tod verhindert wurde, erneuerte prachtvoll den 
in ben Marianiſchen —— zerſtörten Tem⸗ 
el des Jupiter Capitolinus, plante auch vielleicht 
ie Anlage eines großen Gebäudes in der Einſatte— 
lung des Kapitolinifchen Hügel3 zwiſchen Tempel: 
höhe und Arx, welches al3 Archiv und Gefchäits: 
ofal für die verſchiedenen Zweige der Etaatäver: 
waltung dienen follte. Dasſelbe (Tabularium) 
wurde one ausgeführt von dem Konful des J. 
78 v. Chr., Q. Lutatius Catulus, und ift dad bes 
deutendite erhaltene Dlonument des Brofanbaues 
der republilanifhen Epoche. Das Tabularium ift 
ein Hallenbau, im Grundriß ein Trapez von etwa 
‘0 x 44 m aus Tuff: und a rg ern; nad 
dem Forum zu öffnete ſich eine Halle, deren dor. 
—— aſen und Kapitäle von Travertin 
atten; ein zweites Stodwerk mit ion. Halle bar: 
über ift voraugzufegen, aber nicht erhalten. ‘m 
Mittelalter diente das Tabularium als ftäbtif 
Salzmagazin; Michel Angelo gente darauf den \ 
lazzo del Senatore (1538). Pompejus erbaute 57 
v. Chr. ein prachtvolles Theater, das erite fteinerne 
in R., nebit daranſtoßendem Borticus von 100 Säu⸗ 
len (Hecatostylum) im Margfelde (unbedeutende 











—— — — 





b. Kolosseum vom Esquilin aus. 


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9. Grab der Cäc ilia Metella. 











4. Rundtempel am Tiber (Sta.-Maria del Sole). 


Brockhaus’ Conversations- Lexikon. 13. Aufl, 


. Forum Romannı 


arcel!us- Theater. 


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7. Porta — und Grab des Eurysaces. 
J — Zu Artikel: Rom (Stadt). 


Insmauer. 








Nom (Stadt) 


Reſte unter — Pio). Außerdem ſind an 
Reiten aus ber republilaniſchen Zeit noch zu nennen: 
ber Heine Tempel am Ponte rotto (jegt Sta.-Maria 
Egiziaca), ein zierlicher ion. Pieuboperipteros; fer: 
ner zwei Gräber, das ber Ecipionen, an ber Via 
Appia (innerhalb der Aureliangmauern), 1780 ent: 
bedt, ein einfacher halb unterirdifher Bau, deſſen 
Hauptzierbe, der bor. Sartophag des 2. Cornelius 
Scipio Barbatus (Konſul 298 v. ae jeht im Batis 
tan it; und das Grab des C. Publicius Bibulus (aus 
dem 7. yahrb. ber Stadt), am Fuße des Kapitols 
im Marsfelde, aber außerhalb der Serviusmauer. 

C. Baugeihihte der Stadt in der frühern 
KRaiferzeit. Gäfard große Pläne für Erweite— 
rung und Berfhönerung der Stadt wurben — 
ſeinen Tod unterbrochen. et er nahm fie au 
und führte fie in großartigem Maßſtabe durch. Die 
Hineinziehung des Maräfeldes, welches durd ihn 
und Agrippa mit Prachtgebäuden gefüllt wurde, 
vergrößerte bie Stadt um nahezu ein Drittel ihres 
Areald. Von der durchgreifenden Umwandlung 
der Bauphyfiognomie R.s gibt das befannte Wort 
des Kaiſers Zeugnis: «eine Ziegelftabt habe er vor: 
gefunden, eine Marmorſtadt laſſe er zurüd», Zur 
Crläuterung diefes oft mißverftandenen Ausdrucks 
ift zu bemerken, daß in der republitaniihen Zeit 
das Material für Monumentalbauten —— die 
ben röm. Hügeln ſelbſt entnommenen vultanischen 
Steinſorten waren: ber rötliche oder gelbliche bröde: 
lige Tuff (tofus), der —— lonſiſtentere Pe: 

erin (Lapis Gabinus oder Albanus); in den leßien 

abrhunderten vor Chrifti beginnt man fid des 
hönen, namentlid) bei Tivoli (daher Lapis Tibur- 
tinus, Travertin) vortommenden febimentären Hal: 
fe3 zu bedienen, Für den Privatbau fanden nad) 
Angabe der Alten meift ungebrannte (Luft) Ziegel 
Verwendung; Reſte in dieſem Material find nicht 
erhalten. Die Ausbildung des Baues mit gebrann: 
ten Biegeln, in welcher Technik eö die Nömer zu 
höchſter Bolllommenheit gebracht hatten, fällt —— 
ſächlich in die erſten Jahrhunderte der. Kaiſerzeit. 
Eeit dem 2. Jahrh. v. Chr. beginnt aud) die Ein: 
fuhr fremder Marmorforten, namentlich aus Grie: 

enfand, dem Drient und Afrita. Die häufigiten 

orten find: der gelbe numidijche en antıco), 
der rote latonifche (Rosso antico), der weiße, grün 
gewellte euböijche (Cipollino), der grüne, ſchwarz 
und weißgefledte (Verde antico) aus Thefialien 
u. ſ. w. Unter Auguftus wurden auch die Brüche 
be3 carrariihen Marmors (bei Luna) eröffnet. Die 
Marmorforten fanden, abgeſehen von den ardjitel: 
toniſchen Stüden, Eäulen, Geſimſen u. f. w., ihre 
Hauptverwendung als MWandbelag; Bauten ganz 
aus Marmorquadern find auch in ber Kaiferzeit 
eine gun bie man 8 nur bei Entfaltung 
höchſter baulicher Pracht geitattet. 

Seit nahezu zwei Jahrhunderten batte NR. feinen 
auswärtigen Feind vor feinen Mauern gefehen; 
bie Servianische Befeftigung, deren Nayon die Vor— 
ftädte auf allen Seiten überfchritten hatten, begann 
in Verfall zu geraten, Auguftus ftellte fie nicht wies 
der ber, fondern machte die Hauptitadt des Neiches 
zu einer offenen. Die Mauer wurde an vielen 
Stellen überbaut, auf dem —— Wall ein 
öffentlider Spaziergang angelegt, das große Be: 
ge eld außerhalb desfelben eingezogen und in 

xt3 und Villen verwandelt. Für die nad) allen 
Seiten gewachſene Stadt genügte auch bie alte Ein: 
teilung in vier Bezirke nicht mehr; Auguftus teilte 

Converfationd=Leriton. 13, Aufl. XIIL 


769 


fie in vierzehn Regionen, die wieber in Gaffen 

(vie) zerfielen. ie Magistri vieorum hatten 

alrale und arg — Auch eine 
er 


— ſchuf aiſer in ben cohortes vigi- 
um (für je zwei Regionen eine), Die Haifer der 
hufifch:claubit 


tung und Verfhönerung der Stadt durch Monu— 
mentalbauten fort. Für die — — der Pri⸗ 
vatbauten war epochemachend der große Neroniſche 
Brand (17. bis 25. Juli 64 n. Chr.), welcher ans 
geblid) drei Negionen ganz, fieben großenteils vers 
zehrte. Der Hauptherb waren die alten Stadtteile 
vom Forum Boarium bi3 zur Subura, doch wurde 
auch das Marsfeld ftark in Mitleidenichaft gezogen. 
Der Kaiſer betrieb ſodenn den Wiederaufbau nad 
einem regelmäßigen Plane mit Eifer, doc) hatten 
feine Na 5 — noch lange mit dem Ausbau zu 
thun. Veſpaſian ließ die Etadt vermeſſen, vielleicht 
aud) einen Plan derjelben anfertigen, Ihr Um— 
fang wird von Plinius auf 13200 Schritt, d. i. 
etwa 18 km angegeben. fiber die Einwohnerzahl 
fehlen beftimmte Angaben, die neuern zwifchen 
800000 und 2 Mill. ſchwankenden Berechnungen 
beruhen durchweg auf unfichern Prämiſſen. 

. Die Ruinen Noms aus ber frühern 
Kaiſerzeit. Das Folgende it eine topographiſch 
geordnete Überſicht der hauptſächlichſſen Monus 
mente der Periode von Auguftus bis zum Außs 
gang ber Antonine, weldyer bei weitem die bedeu— 
an bt der erhaltenen Bauwerke angehören. Zu 
Grunde gelegt ift dabei de3 Auguftus Ginteilung 
in 14 Regionen (Bezirke); die Nanıen ber Bezirke 
ftanımen übrigens aus fpäterer Zeit. (Vol. den 
Karton mit Plan: Roma Urbs auf der Karte: 
Das Römifhe Reich in feiner größten 
Ausdehnung unter Traian, ©. 794.) 

a Das Centrum der Stabt. Regio VII, 
Forum Romanum, (S. Abbildungen auf Tafel: 
Daß alte Rom, 35 1u.2; vol. Karton: Fo- 
rumRomanum auf der Harte: Da 8 BEE 
Reich ꝛc.) NegioIV.TemplumPacis, Nufden 
Kapitol (j. d.) nimmt das alte Nationalbeiligtum, 
der Tempel des Jupiter (Tempel bes Jupiter 
Gapitolinus, Abbildungauf Tafel: Bauftile III, 
Fig. 4), die füdweftliche, der Tempel der Juno Mo: 
neta die norböftliche Spike ein. An dem nad) Süd: 
often herabführenden Burgwege (Clivus Capito- 
linus) liegt, zu Häupten des Marktes, der Saturn: 
tempel von Munatius Plancus (44 v. Chr.) um— 

ebaut, fpäter, ungewiß wann, durch Brand zer: 
hör, dann eilfertig und unfchön rejtauriert. Won 
ieſem Bau find noch acht unfannelierte Granit: 
jäulen nebjt Gebält übrig. Die Front des Tabu: 
lariums, das in republikaniſcher Zeit mit feiner 
Doppelballe den imponierenden Profpelt des Fo— 
rums bildete, wurde teilweife verdedt durch den 
en Neubau de3 Honlordientempels unter 
iherius, von dem jeht nur noch die Fundamente 
und Brudjftüde namentlich de3 vollendet Schönen 
Kranzgefimfes übrig find. Zwiſchen Saturn» und 
Kontordientempel, die Front gleich —— nach 
Südoften, wurde ſpäter noch der Tempel bes Divus 
Beipafianus hineingefeht; ein Lorinthiiher Bau 
mit Borballe von feh3 Eäulen, von denen noch 
drei famt Gebält ftehen. Der Clivus —— 
geht, im Thal des Forums angelangt. über in die 
Sacra via, die große an der Sudweſtſeite des Fo⸗ 
rums entlan hrende Prozeſſionsſtraße. ie 
paffierte zuerft den Triumphbogen des Tiberius, 
49 


ya Dynaftie fuhren in der Erweites 


770 


Rom (Stadt) 


16 n, Chr. errichtet wegen der Siege des Kaiſers 100 röm. Fuß (29,5 m) hoch, deren ſpiral umlau— 


über die Germanen, jeht bis auf die Fundamente 
zerftört. Rechts hatte fie ſodann die Basilica Julia 
(gegenüber jenfeit de3 Yorums die Curia, das 
Gebäude für die Senatöverfammlungen, jet Kirche 
St.:Adrians und die Pafılifa Amilia), fodann 
den Gaitortempel, 6 n. Chr. von Tiberius pracht⸗ 
voll erneuert, von deſſen Bau nod drei Säulen 
nebft Gebälf von trefflicher Arbeit ftehen. Gegen: 
über lag der Tempel des vergötterten Gäjar (Divus 
Julius), zerftört bi auf die Fundamente, Bon 
dem berühmten Nundtempel der Bejta find nur un: 
ſcheinbare Nefte übrig, der an ihn anſtoßende pradıt: 
volle Palaſt der Beitalinnen mit großem Säulenhoj 
(Atrium Vestae) ift 1883—84 — Die 
Sacra via paſſiert ſodann den 120 v. Sr. errichte⸗ 
ten Ehrenbogen der Fabier (Fornix Fabianus), 
welcher als Südoftgrenze des Forums galt, und ſteigt 
den in älteſter Zeit ſteilen, durch die Kaiſerbauten 
immer mehr eingeebneten Hügelrücken hinan, wel: 
cher vom Palatin nad) dem Esquilin herübergeht 
(Velia). Linker Hand liegt hier der Tempel des 
vergötterten Kaiſerpaares Antoninus Pius und 
Fauſtina, deſſen Vorhalle aus 10 Eipollinjäulen 
nebſt einem bedeutenden Teil der Cella wohl erhal⸗ 
ten iſt (jegt Kirche San-Lorenzo in Miranda), Den 
höchſten Punkt der Sacra via und ber Belia be: 
zeichnet der Triumphbogen des Titus, errichtet zum 
Undenten an die Niederwerfung de3 jüd. Aufitan: 
des, mit ichönen, den Triumph über Jeruſalem bar: 
jtellenden Marmorreliefs. Oſtlich davon lag der 
tolojjale, von Hadrian erbaute Doppeltempel ber 
Venus und Roma; die Scheidewand beider Gellen 
mit den Niſchen für die groben Götterbilder iſt im 
Garten de3 Klofters Sta. zrancesca Romana erhal: 
ten, die ſonſtige höchſt prachtvolle Architeltur bis 
auf geringe Reſte zerſiört, von der den Tempelhof 
umgebenden Halle von 200 Granitjäulen nur bie 
Subftruftionen und einzelne Schäfte geblieben. 
Die pradtvollen Fora der Kaiſer füllten den 
ganzen Raum zwiſchen dem alten yorum und dem 
Unirinal; die allen gemeinfame Form war bie 
eines von Säulenhallen umaebenen Hofes, in defien 
Mitte ein Tempel der Schubgottbeit des Forums 
jtand, Es find in der Folge von Siiden nad) Ror: 
den: der Pla um den von Beipalian gegründeten 
Friedenstempel (Templum Pacis); das Forum bes 
Nerva (Forum transitorium), lang und ſchmal, 
mit einem erft 1611 durch Baul V. zerjtörten Mi: 
nervatempel_am Oſtende (Reite der Umfafiungs: 
mauer mit Säulen und plaftiihdem Schmud, bie 
fog. Eolonnacce in Bia della Groce bianca); das 
Forum des Auguftus mit dem Tempel des 
rächenden Mars (Mars Ultor), 2 v, Chr. geweiht 
(erhalten ein Teil der Gella des Tempels, drei Säu: 
len der Seitenhalle, Stüd der Umfafjungsmauer 
mit einem Cingangsthor, dem fog. Arco dei Pan- 
tani; Abbildung auf Tafel: Das alte Rom, 
819.3); das Forum des Trajan, das prädtigite 
von allen, zu defien Anlage ein Zeil des Quirinali: 
ihen Hügeld 100 Fuß tief abgetragen werden 
mußte. Dasjelbe war von quabratifcher Sem mit 
zwei balbkreisförmigen Apfiden an ber Dft: und 
Weſtſeite, von denen bie erite (nach den Quirinal 
zu) nod wohl erhalten iſt. Nördlich) an das Forum 
ſtieß die Bafılifa Ulpia, jenfeit derjelben lag ein 
von Hadrian dem Trajan gemweihter Tempel und 
cine große Bibliothet; zwiichen Tempel und Baſi— 
lifa endlich dienoch heute ftehende Trajansfäule, 


——— — — 


fende Reliefs bie Thaten de3 Kaiſers im Dacier— 
friege verherrlichen. (S. die Abbildung auf Tafel: 
Bauftile IV, Fig. 4) Oftlih von ben Kaifer: 
fora, in der Niederung zwifchen den Spiben be3 
Diminal und Esquilin, lag ein dicht bewohnter 
Stadtteil, die Subura, genannt als Stelle mehrerer 
—— Häufer (3. B. (og das Vaterhaus Cä- 
fars bier), noch häufiger aber des Kleinverkehrs 
und [hmusiger Gewerbe. 

Negio X. Palatium, Der Palatin (f. d.), in re 
publifaniicher Zeit mit Brivathäufern bedvedt, wurde 
von —*— us zu feinem Wohnſiß erwählt. Reſte 
des er altes en ih auf der Sübhälfte des 
Hũgels, unter Billa Mills. Ferner erbaute Auau- 
tus auf dem Palatin einen yehatigen Tempel des 
Apollo nebſt einer griech. und lat. Bibliothel. Ti- 
berius war auf dem Balatin geboren; für das 
Haus feiner Mutter Pivia hält man wohl mit Recht 
ein mitten zwiſchen den laiferpaläften erhaltenes llei⸗ 
nes, jedoch mit vorzüglid hönen Ü —— 
Ihmüdtes Privathaus; des Tiberius eigener Balaft 
nimmt die Nordſeite des Balatin, nach dem Kapito! 

u, ein. Caligula erweiterte diejen und beabfichtigte 
ogar, Palatin und Kapitol Ye einen Prachtbau 
u vereinigen. Die Flaviſchen Kaiſer jtellten die Ber: 
indung zwiichen ben Raläften des Auguftus einer: 
feitö, des Tiberius und Caligula andererjeits ber, 
indent fie einen prächtigen, in feinen Ruinen noch 
großartigen Palaſt (Domus Flavia) errichteten, 

Negio XI. Circus Maximus, Das Thal zwi: 
ſchen Balatin und Aventin diente ſchon in ältefter 
Zeit zu Scauftellungen und 4 
verlegt die Sage den Raub der inerinnen. Der 
Eirtus wurde allmählih größer und prächtiger 
ausgebaut, Gäjar verjah ihn mit fteinernen Sihen. 
Zu Blinius’ = fonnte er 260000, fpäter jogar 
385000 Zuſchauer fallen. Seine Mauern find 
bi3 auf wenige Nefte am Süboftende verfhmwunden. 
Das Thal zwiſchen Palatin und Kapitol wurde 
von zwei fehr elebten Straßen, dem Vicus Tus- 
eus und Vicus Jugarius, durchzogen; beide münde: 
ten nad) dem Fluß zu auf bad Velabrum und 
Forum Boarium, Auf legterm fteht der fälſchlich 
al3 Veſtatempel benannte Heine Rundtempel 
(Abbildung auf ie Das alte Rom, Fig. 4), 
jeht Sta. Maria del Sole; ein zweiter Rundtenipri 
in der Nähe, dem Hercules invictus geweiht, wurde 
Ende bes 15. Jahrh. zerftört; Reſte eines dritten 
Tempels find in die Kirche Sta.Maria in Cosme: 
din verbaut, Nörblid vom Forum Boarium [ax 
der Gemüfemarlt (Forum holitorium), auf wel: 
em mehrere Tempel, unter andern der Spes und 
der Yuno Sofpita, lagen (Hefte unter der Kirch: 
SanMicola in Carcere). 

b, Der Süden der Stadt. Negio XIII. 
Aventinus, Der Aventin (j. d.), ſchon jeit alten 
a Eis einer zahlreichen Bevölkerung, in der 

aiferzeit reich an vornehmen Brivathäuiern, iſt in 
moderner Zeit ganz verödet, aud von Ausgrabuns 
gen am wenigſten berührt, ſodaß keine bedeutenden 
Bauten aus der zu beiprechenden Epoche auf jeiner 
Höhe zu nennen find. Am Fluß unterhalb des Hu⸗ 
—— bei Sta.Sabina und Sta.Maria 

el Priorato lag der Marmorhafen (noch jetzt la 
Marmorata), woſelbſt noch in neueſter Zeit große 
Maſſen rohen und bearbeiteten Marmors, zum Teil 
ſeltene und wertvolle Sorten, gefunden werden. 
Menig meiter flußabwärts lag das Emporium 


Nom (Stadt) 


11 


und die Horrea, große Hafen: und Magazinanlagen. } lid für arme Leute (fog. Brunnengräber, Pu- 


Die dort audgeladenen Waren (Wein, Körner: 


ticuli). Auguſtus, der innerhalb der Dauer eine 


früchte, Fiichlonferven u. ſ. w.) kamen großenteil® | große Markthalle (Macellum Liviae) anlegte, be: 


in großen Thongefähen (Amphoren) an; aus Scher: 
ben folder ala wertlos bejeitigter Gmballagen iſt 
am Tiber ein 35 m hoher Scherbenberg (Monte⸗ 
Zeitaccio) aufgebäuft. 

Regio XII. Piscina publica (benannt nadı 

dem öfjentlihen Badeteih, der unweit des Cirfus 
elegen haben muß) enthält aus der frühern Kai— 

—* keine neunenswerten Monumente; über die 

Garacalla : Thermen f. weiter unten, ©. 773”, 

Regio I. PortaCapena wird durchzogen von 
der mit Grabmonumenten rei _geihmüdten Via 
Appia, an deren Anfang linfer Hand der Doppel: 
tempel des Honos und der Birtus, gebaut von M. 
Claudius Marcellus nad) der Eroberung von Ey: 
ratus (208 v. Chr.), rejtauriert von Veſpaſian (feine 
Neite). Wo die Straße ſüdlich aus der Stadt tritt, 
jteht der Bogen des Drujus, 8 v. Chr. errichtet. 
MWeiter hinaus, am Bache Almo (jet Acquataccio), 
lag ein berühmter Tempel des Mars. 

Negio II. Caelimontium enthält an ihrem 
Weſtende die große Kaſerne eines Teiles der röm. 
Garniſon (Castra peregrina, unweit der —— 
für einen antilen Tempel, des Faunus, gehaltenen 
Kirche Sto.Stefano rotondo); nördlich Davon, bei 
San:Giovannie Paolo, bedeutende Subitruftionen, 

öhnlich für die des Templum divi Claudii ge: 
alten. Die Negion wurde ihrer ganzen Länge nad) 
durchzogen von der älteften, unterirdiſchen Waſſer— 
en Krug Appia); ferner von der neroniſchen 
ac —* ber Aqua Claudia (f. unten), die das 
3 * ber legtern bis zum Palatin weiter führte 
(Reſte in vorzüglichjtem Ziegelbau, namentlich zwi: 
jchen Lateran und Sto.-Stefano rotondo, jowie im 
Thale ey Eälius und Balatin). 

c. Die Hügel. Regio III. Isis et Serapis 
(benannt nach einem Heiligtum dieſer ägypt. Gott: 
beiten, da3 unweit Sti.:Quattro Coronati lag). 
An der Grenze biefer und der Regio IV liegt 
eins der audgezeichnetften Baumwerle R.3, das 
Amphitheatrum Flavium, gewöhnlich KRolofieum 
genannt nach der nordwe ih davon aufgeftellten, 
über 36 m hohen Ktoloflalitatue des Nero, von der 
die Baſis nod erhalten ift. (S. den Artitel Koloſ⸗ 
ſeum und Abbildung auf Tafel: Das alte Nom, 
Fiq. 6 u. 6.) Weitlidh von Kolojjeum finden ſich 
Reſte eines monumentalen Springbrunnens (Meta 
sudans), Das Koloſſeum war erbaut auf einem 
Teile des Areals, welches das «Goldene Haus» 
Nero? eingenommen hatte; einen andern Teil des 
felben, auf dem Abhange des Esquilin, überbaute 
Titus mit feinen Thermen, Die Reſte der leptern 
jind_namentlich merfwürdig durch ihre Dekoration 
in Stud und Farben, welde, im Anfang des 
16. Jahrh. entdedt, von den Künftlern der Nenaij: 
fance vielfach ftudiert und nachgeahmt wurden. 
Auch mehrere ausgezeihnete Kunſtwerle, wie die 
Gruppe des Laoloon, find bier oder in der Nähe ge: 
funden, Nördlich von den Titusthermen liegen die 
Zrajandthermen, faft ganz zerſtört; öſtlich ein wohl: 
erhaltenes großes Wafferrefervoir mit neun Ab: 
teilungen (Le sette sale); nordweſtlich der von 
Auguſtus errichtete Porticus Liviae, 

Regio V. Esquiliae. (Vgl. den Art. Esqui— 
fin.) Innerhalb der Serviusgmauer erjtredte ſich 
in republitaniicher Zeit ein ſtark bewohntes Duar: 
tier auferbalb große Begräbnispläge, nament: 


| 





jeitigte dies Gräberfeld, an deſſen Gtelle nun 
Billen und Gärten traten. Hier lagen die Horti 
Lamiani, Pallantiani, Tauriani u. a., nament: 
lich aber diejenigen de3 Mäcenas, zu welden, 
wie man anninımt, ein merkwürdiges Kleines thea— 
terähnliches Gebäude mit Wandgemälden, 1877 
unweit Sta.:Daria Maggiore entdedt, gehörte (ſog. 
Auditorium Maecenatis). Begunſtigt wurde bie 
Anlage von Gärten dur den Waflerreihtum; bie 
beiden ältern auf dem Esquilin münbenden Lei: 
tungen, Aqua Marcia (144 v, Chr. vom Prätor 
Marcius Ner aus dem Sabinergebirge 61 Minlien 
weit herbeigeführt) und Tepula —— 125 v. Chr. 
etwa 12 Miglien weit aus dem Albanergebirge) wur: 
den von Agrippa 33 v. Chr. —— und durch 
eine dritte rar Julia, ähnlichen Laufes wie die 
Tepula) verjtärtt. Bedeutende Nefte ihrer Leitung 
find erhalten, ein monumentaler Straßenübergang 
(über die Via Tiburtina) von Aurelian ala Porta 
Tiburtina * Porta San⸗Lorenzo) in —— 
—— unten). Als monumentale Fontäne am 
Ende dieſer Leitung wird mit Wahrſcheinlichleit die 
Trofei di Mario benannte Ruine (bei St.:Eufebio) 
angejehen, deren plajtiihe Berzierungen (Waffen: 
trophäen) jetzt die Baluftrade des Kapitolsplahes 
fhmüden, Claudius führte eine Doppelleitung 
(Aqua Claudia und Anio nova), beide im Sabiner: 
gebirge unweit Subiaco gefaßt, in die Stabt; bie 

eiden übereinander liegenden Kanäle endigten ba, 
wo bie Via Labicana und Praenestina ſich von: 
einander fheiden; der monumentale Straßenüber: 
gang, aus zwei koloflalen Bogendurchläſſen be: 
jtehend, ift Später gleihfall3 von Aurelian in feine 
Mauer eingebaut; jeßt Porta Maggiore (j. Ab: 
bildung auf Tafel: Das alte Nom, Fig. 7). Als 
Thermenanlage (Nymphäunm) wird aud an 
die zwiſchen Porta vn. und Porta San⸗Lo⸗ 
renzo ziemlich in ber Mitte liegende Nuine (früher 
Tempel der Minerva Medica genannt), ein Zehned 
von 50 m Umfang, wegen feiner Gewölbetonitruf: 
tion techniſch intereffant. Süblih von Porta 
Maggiore liegt bad Amphitheatrum Castrense, 
abgejehen vom Stolofjeum das einzige Amphitheater 
Roms, ein Ziegelbau aus dem 1.und2. Jahrh., ſpä⸗ 
ter in die Dauer Aurelians eingebaut. 

Regio VI. Alta Semita, benannt nach einer 
—— über den Nüden des Quirinal bin: 
laufenden Straße, die ſich auferhalb der Stadt als 
Via Nomentana nad dem Sabinergebirge zu fort: 
fegt. An der rechten Sübdjeite der Alta Semita [ag ber 
bochberühmte von Auguftus prachtvoll wiederherge: 
jtellte Tempel des Quirinus (wahrſcheinlich bei der 
Kirche St,-Andrea a Monte Cavallo), links ihm ge: 
genüber ein häufig ermähnter Tempel ber Flora ; let: 
term benachbart die Gärten des Geſchichtſchreibers 
Salluft, in welden ein gewöhnlih ala Circus 
Sallustii bezeichnetes Thal noch bi3 vor kurzem be: 
deutende Ruinen aufwies. ALS in der Nähe an der 
Straße liegend werden noch drei Tempel der For: 
tuna und einer der Venus Ergcina genannt, Mei: 
ter außerhalb, ſuüdlich von der Via Nomentana, lient 
das große von Tiberius für die faijerl. Leibwache 
(etwa 10000 Mann jtark) angelegte Kaſernement 
(Castra praetoria), Die Umfaflungsmauern, glei): 
fall3 von Nurelian in feine Befeſtigung hineinge— 
zogen, ftehen noch zum großen Teil, 

49* 


772 


e. Die Neuftadt im Marsfelbe (vol. den 
Art. Marsfeld), Die Abhänge des Quirinal und 
des Pincius (auf lehterm namentlich viele berühmte 
Gärten, fo de3 Lucullus, des Rompeius, der Meſſa— 
lina; daher ber alte Name collis hortorum) be: 
grenzen das nad) dem Fluſſe zu ſich ausdehnende 
Marsfeld. Mitten durdichnitten wird dasfelbe von 
der Via Flaminia (in der Stadt Via lata genannt; 
der jekige Corſo); rechts (öftlich) von diefer liegt die 

Regio VII. Via Jata, arm an ficher zu benen: 
nenden öffentlihen Gebäuden, Bon Norden nad) 
Süden durchzieht fie die Aqua Virgo, von Agrippa 
19 v. Chr. 14 Miglien weit aus der Camıpagna vor 
Foıta San:Lorenzo behufs Verſorgung jeiner Ther: 
men herbeigeführt. Die Aqua Virgo it bie einzige 
Leitung, welde niemals ganz außer Thãtigleit ge: 
wefen tft; feit dem 16. Jahrh. mehrmals forgfältig 
bergeftellt, fpeift fie den berübmnteften Vlonumental: 
&runnen R.s, die Fontana Trevi, Wo die Leitung 
die Via lata überichritt (bei Piazza Sciarra), ſtand 
ein Bogen des Claudius; weiter nördlich, bei Pa: 
lazzo Fiano, ein Triumphbogen des Marc Aurel 
(Arco di Vortogallo genannt), 1662 demoliert, die 
ſchönen Reliefs jest im Nonfervatorenpalait. 

Regio IX, Circus Flaminius, umfaßt bie 
bauptiädlichiten Anlagen des Auguſtus; imNorden 
jein Maufoleum, ein tolofjaler Hundbau, am Portal 
mit zwei Obelisken, deren einer jebt — Piazza bi 
Sta.:Maria Mapaiore, der andere au — di 
Monte-Cavallo ſteht. Einen dritten errichtete Au: 
guitus als Sonnenzeiger (gnomon) unweit der Ara 

acis (bei San:Lorenzo in Lucina); derfelbe ift jeht 
auf Piazza di Monte:Citorio wieder aufgerichtet. 
Marcus Aurelius erridtete zum Andenten an 
den Marlomannentrieg die Säule (f. Tafel: Bau: 
ſtihe IV, Fig. 2), welche der u iazza Co: 

onna den Namen gegeben Se Weſtlich davon 
liegt der von Hadrian gegründete Tempel des Nep: 
tun (jept Börfe auf Piazza di Pietra), weiter die 
Agrippatbermen mit dem Bantheon (j.d. und Ab: 
bildung auf Tafel: Bauftile ILL, Fig. 5, und IV, 
ie. 3 u. 6); die weitlich davon liegenden Thermen 
des Nero find im 17. Jahrh. beim Bau de3 Palazzo 
Giuftiniani großenteils zerftört. Weiter weſtlich 
lag das Stadium des Domitian, heute Piazza Na: 
vona, noch durch feine Form an die alte Beitimmung 
erinnernd; benachbart ein Gebäude für muſilaliſche 
Aufführungen (Odeum), Am Südende des mo: 
dernen Corſo lagen die Septa, ein gewaltiger ur: 
ſprünglich für die Bollsabftimmungen, inder Kaiſer— 
seit aud) für Spiele benuhter Hallenbau; nahe dabei 
a3 Diribitorium, ein ungeheuerer Saal, pt Eon; 
derung der Stimmtäfeldien und Sehe ung des 
MWahlreiultat3 dienend, Im ſüdweſtl. Teile der 
Region lagen befonders viele Schaugebäude: der 
Cireus Flaminius felbit (Reite in Palazzo Mattei 
und deffen Nähe), das Theatrum Pompei (f. oben), 
das Theatrum Balbi, erbaut von Cornelius Balbus 
23 v. Chr. (Nefte bei Palazzo Cenci), nebjt großem 
anftofenden Säulengang (Crypta Balbi), endlid 
da3 von Augujtus unter dem Namen feines Neffen 
Marcellus im J. 13 v. Chr. dedizierten Theaters 
(Abbildung auf Tafel: Das alte Rom, Fig. 8), 
von dem nod) ein großer Teil der Außenfront (zwei 
Etodwerte mit dor. und ion. Halbjäulen) an 
— Montanara ſteht (im Innern der Palazzo 

rſini, jeht Savelli). Zwiſchen Marcellustheater 
und Circus Flaminius liegt der Porticus Octaviae, 
von Auguſtus im Namen feiner Schweiter an Stelle 


Rom (Stadt) 


eines ältern Porticus Metelli erbaut, mit zwei 
prächtigen QTempeln des Jupiter und ber 

(die Eingangshalle mit acht forinth, Säulen 
großenteils erhalten, bei St.:Angelo in Pescheria) 


FE 


an * anſtoßend der Porticus Philippi, erbaut von 
2. Marcius Philippus, dem Sti des Au: 
auftus, mit einem durch feine aus Griechenland 


raubten Statuen berühmten Tempel des 
Muſarum. Andere Tempel, häufig als 
dem Circus Flaminius erwähnt , wie der des Apollo, 
der Bellona (in leterm fanden oft Senatsfigungen 
ftatt), find fpurlos verſchwunden. 

d. Die Tiberinjel und der Stadtteil 
rechts vom Fluſſe bilden die Negio XIV 
(Trans Tiberim). Die Inſel wurde nad einer 
Peſt im J. 292 v. Chr. dem Uslulgp geweib 
Gott ein Tempel erbaut und zur erung an 
das Schiff, welches die heilige —— aus Epi- 
dauros gebradht hatte, den Su tionen der 
nördl. und füdl. Snfelipibe die Form eines Schiffs: 
vorder: reip. Hinterteild gegeben —— Garten 

J. Daß Rom ſich 


von San⸗Bartolommeo all’ Iſola to 
fteinernen 
3 d 
Nero 


H 


e 
in ber republifaniichen Zeit mit drei 
Brüden bebolfen, ift oben bemerkt; dieſer 
blieb auch in der erften Kaiferzeit, obwohl der 

—— ſtromaufwärts Fi nte 
(Pons Milvius) war. Ob von Caligula oder 
eine neue _fteinerne Brüde erbaut fei, deren Refte 
man bei Sto.-Spirito in Saffia ſieht it ungemib. 
Menig ftromaufwärts aber erbaute Ha rian, als 
Übergang zu feinem Maufoleum, den Pons Aelius 
(jegt Ponte St.» Angelo). Das Maufoleum 
war erbaut in den Gärten der Domitier; 
davon find Nefte eines Cirlus entdedt. Auch weiter 


hinauf nad dem Vatikaniſchen Hügel debnten 
große Gärten aus, unter denen am 
ie des Caligula find, Diefer Kaiſer erbaute 


einen Circus, welcher unter Nero eine Stätte 
Martyriums der eriten verfolgten Chriſten war. 
Das Grab des Apoſtels Petrus gibt die Tradition 
als an diefem Cirlus gelegen: über —* ſich 
eit dem 4. Jahrh. die vornehmſte Kirche 
n der Mitte des Cirkus (auf der Spina) ftand der 
1586 auf den Petersplaß verjepte Obelist (25 m 
hoch), der einzige, welcher im ganzen Mittelalter 
nicht —— —5— um und —— 
atte, wie ſchon erwähnt, bereits in itanifcher 
eit der Anbau begonnen, in ber Kaif it ein 
tar, namentlid) von den niedern Vol be: 
wohntes Quartier, in dem weder hans 
noch hervorragende Brofanbauten fi) fanden. Ge 
nannt wird unter anderm die von Auguflus gebaute 
Naumachie (elliptifches Baſſin für von 
—— 1800 Fuß lang 1200 Fuß breit (9 
bei San:Cofimato und San⸗Frauceseo a 
Zur Verforgung der Region mit —* baute Au⸗ 
* die Aqua Alsietina, 22 Migl ‚aus 
em Sce von Martignano; ——— das 
Waſſer derſelben nicht befon gelunb war, 
Trajan die nach ihm genannte Aqua aus 
dem See von Bracciano auf die Höhe des Janicu- 
lum (55 Miglien lang); diejelbe iſt nad) Re 
Kit, Stubahwärts, 1, Bat Yard 
eit. Flu rts vor Po 
Gärten des Cäfar, welche er in Be 
dem rönt. Volk ſchenlte. 


Gräberftraßen. Die Landfiraben se 
ber Stadt —— mellenweit —* en 
Eeiten von Grabmonumenten umgeben, da bei ben 


Nom (Stadt) 


Nömern bie Anlage großer geſchloſſener Kirchhöfe 
in moderner Weile nicht Mb war... Die berühm: 
tefte und_glängendfte Gräberftraße war bie Via 
Appia. Das Grab ber Scipionen ift ſchon er: 
wähnt; am befannteften unter allen ift das folofjale 
Nundgrab der Cäcilia Metella, Schwieger: 
tochter de3 Triumvirn Crafius, weldyes jet von 
feinen mit Bulranien geſchmüdten Fries Capo di 
Bove heißt. _(S. Abbildung auf Tafel: Das 
alte Rom, Fig. 9.) Viele andere, zum Teil vor: 
nehmern Geſchlechtern angehörige Denkmäler haben 
die 1851—53 unter Leitung des Architelten Canina 
me Ausgrabungen zu Tage gefördert. Un 

er Via Labicana und Praenestina, innerhalb 
Porta Maggiore, finden fi unter anderm die Mo: 
numente der Arruntier (1782 autgegraben) und 
Gtatilier (1875 gefunden); unmittelbar am Thore 
das wunderliche Denkmal eincs reichen Bäders, 
M. Bergilius Guryfaces, in Form eines Beulen, 
übereinander geſchichteter Getreidemaße; außerhalb 
des Thores das Grab der heiligen Helena, Mutter 
Konftantins d, Gr. (jebt Torre Paaltare). Diele 
Gräber liegen aud) vor der Porta Nomentana und 
Salaria, mo. unter anderm die Begräbnispläße für 
einen großen Teil der röm. Garniton (Brätorianer 
u. f. w.) ſich befanden. An der Via Nomentana, 
eine Miglie von der Stadt, liegt das Grabmal der 
Konitantia, Tochter des Honftantin, deren Borpbyr: 
farfopbag jcht die Sala a croce greca des Va: 
tilan [hmüdt. Auf dem rechten Tiberufer an der 
Via Aurelia find namentlich zahlreiche Kolumbarien 
(f. d.) gefunden worden, darunter einige mit inter: 
ejianter Deloration erhalten, An der Porta Ostien- 
sis liegt die 37 m bobe Pyramide des C. Ceſtius, 
etwa 12 v. Chr. errichtet. 

E. Die Bauten der jpätern Kaiſer. Der 
Schnelle Niedergang, dem das röm, Neid nach dem 
Ausgang der Antoninen, unter den Gewaltberr: 
fchern des 3, Jahrh. anheimfällt, bleibt auch nicht 
ohne Einfluß auf die Baugeihichte der Hauptjtadt. 
Zwar Septimius Severus mit jeinen Söhnen Cara; 
cala und Geta rejtaurierte mit Eifer, wenn auch 
baftig und ohne Geihmad, ältere Baumerle: fo 
dad Pantheon, den Portilus_ der Octavia, ben 
Tempel des Beipafian u.a. ferner erbaute Ee: 
verus auf dem PBalatin einen prachtvollen Palaſt, 
deſſen füblichen der Via Appia zugewandten Bro: 

pelt das Septizonium bildete, ein aus (mindeftene) 

rei Säufenhallen übereinander beftehender Prunk 
bau. Dasjelbe wurde unter Sirtus V. (1585—90) 
eingerifien ; erhalten find dagegen nod) der —**8 
bogen, welcher zum Andenlen an die Siege des Se: 
verus über die Werther, Araber und Adiabener 203 
n. Chr. auf dem Forum erbaut ijt, und eine auf dem 
Forum Boarium von den Kaufleuten und Mallern 
dieſes Marktes ihm errichtete Chrenpforte (Arcus 
Argentariorum). Auch ftammt aus diefer Zeit der 
in Marmor gegrabene lan der ganzen Stadt, von 
dem hinter der Kirche San:Cosma e Damiano über 
500 Fragmente (jept meift im Museo Capitolino) 
aufgefunden find, ohne jeboch eine fihere Zufam: 
menſetzung des Ganzen zu ermöglichen. Unter den 
Bauten de3 Caracalla nehmen die kolofialen 
Thermen, welde er zwiidhen dem Abhange des 
Aventin und der Via Appia errichten ließ, die erfte 
Stelle ein. Die gefamte von Porticus umgebene 
Anlage mißt 330 m im Quadrat, der Mittelbau 
das eigentlihe Bad, für 1600 Benuker zugleich 
ausreichend, it 220 m lang, 114 m breit, Eine 


713 


Menge trefflicher Kunftwerke ſchmudte das Gebäude 
43 der Farneßſche Stier, Hercules, Sera), befien 

rchiteltur im Detail ſchon die überladenen und 
verwilderten are ber Berfallzeit aufweift, (Ab: 
bildungen auf Tafel: Bauftile IV, Fig. 1, und 
Zafel: Dasalte Rom, Sig: 10.) 

Von den Bauten der folgenden Kaiſer bes 
8. Sabre, den wahnfinninen Prachtanlagen des 
Glagabal, den Thermen, Waflerleitungen und Ba: 
filifen des Nlerander Severus, den Bäbern be 
Decius find feine oder nur Eee Nefte vorhan« 
den, Der Ehrenbogen des Gallienus (262 n. Chr.) 
auf dem Esquilin (bei der wir San:Bito unmweit 
Sta.-Maria Maggiore) ift unbedeutend, Bezeich— 
nend aber für den Wandel der Beiten ift, daß ber 
kraftvolle Aurelian (270—275) e8 für nötig erad: 
tete, Rom, nachdem es drei Jahrhunderte eine offene 
Stadt geweien war, aufs neue zu befeſtigen. Die 
von ihm erbaute Mauer (Aureliansmauer, Ab: 
bildung auf Tafel: Das alte Nom, Fig. 11), 
aus Ziegeln, im Durchſchnitt circa 15 m hoch, ift in 
Abftänden von 25—80 m durch Türme verftärkt, 
bat nad) der Innenſeite einen gewölbten Wehrgang 
und wird von 14 —* durchbrochen. Sie be: 
ginnt am Fluß nörblih vom Dlaufoleum des Au: 
guftus, läuft am nörbl. Nande des Pincius und 

uirinal entlang bis —— er, wel: 
ches als großes Fort der Aa inforporiert 
wird, folgt dann füdlicher dem 3 der Waſſer⸗ 
leitungen, mehrmals Straßenübergänge derſelben 
als Thote benuhend (Porta San:Lorenzo, Borta 
Magpiore, f. Abbildung, Fig. 7), umſchließt 
den Cälius und die Eübfpise des Aventin, um 
dann weiter nad Süben abbiegend unterhalb bes 
Enporium umd des Monte-Tejtaccio den Tiber 
wieder zu erreichen. Auch der Fluß ſelbſt erhielt 
eine Mauer, aber minder ftark und mit wen per 
Türmen; endlih wurde auch der trantstiberinifche 
Stadtteil in die Befeftigung mit einbegriffen. Die 
Mauer, vollendet von Aurelians Nachfolger Pro: 
bu3, fpäter von Honorius ausgebeſſert, it zum 
größten Teil nod wohl erhalten, da fie ein un: 
entbebrliches Bollwerk der Stadt felbit in ae 
ben bildete, in denen ber bewohnte Rayon fie bei 
weitem nicht ausfüllte, 

Eine lehte Epoche des Aufihwungs für Nom be- 
zeichnen bie Regierungen des Diocletianund Konſtan⸗ 
tin. Außer einer großen Zahl von Reftaurations:- 
bauten verbanten Telambe tonumente ihre Ent: 
ftehung ber Epoche von 300618330: Die Thermen 
des Diocletian, auf dem Duirinal und Viminal, 
305 bediziert, bie größten Roms, für 3000 Befucher 
u gleicher deit ausreichend. Ihr Hauptfaal iſt 
eht zur Kirche Sta.:Maria degli Angeli umgebaut, 
in den Nebenräumen des über 1700 m im Umfang 
mefienden Gebäudes befindet fidh ein Kartäufer: 
lloſter 63 Kaſerne), eine Menge von Wohlthälig— 
feitsanjtalten, Schulen, die Rundlirche San:Ber: 
narbo alle Terme u. ſ. w. Bon den Thermen ber 
Helena, zwiſchen Porta Maggiore und Sta.Croce 
in Geruſalemme, find nur unbedeutende Nefte übrig. 
Konftantind Thermen auf dem Quirinal, rei 
an vorzüglichen Kumftwerken, find großenteils im 
17. Sabırb, beim Bau des Palaftes Nofpigliofi zer: 
—* vom Giebel der Eingangshalle ſtammen viel: 
eicht die großen Gebälfftüde, die man heute im 
arten Eolonna ſieht. Das bedeutendfte noch er: 

altene Denkmal Konftanting i der Zriumpb: 

ogen, welden Eenat und Bolt ihm im J. 812, 


774 


nad der‘ Defiegung des Marentius, unmweit bes 
Rolofieums errichteten. (Abbildung auf Tafel: Baus 
ftile IV, Fig. 5.) Derfelbe ift geihmüdt mit Re 
lief3, die großenteild von einem ältern Bogen (ded 
Irajan) entnommen find. An den Gegner des Kon: 
ftantin, Marentius, erinnert noch ber Cirkus, den 
er im Namen feines frühverjtorbenen Sohnes Ro— 
mulus bedizierte, an der Via Appia unmeit des 
Grabes der Cäcilia Metella: die beiterhaltene 
Cirtusanlage aus dem Altertum. Demfelben Divus 
Romulus geweiht ift der Heine Nundtempel an ber 
Sacra via (gewöhnlich fälſchlich Penatentempel ge: 
nannt), der jekt einen Zeil der Kirche San⸗Cosma 
e Damiano bildet. Weiter an der heiligen Straße, 
nad) der Belia zu, begann Marentius eine Bafilila, 
deren Dimenfionen alle bisher eriftierenden über: 
trafen. Nad feinem Sturje wurde der Bau von 
Konftantin, mit einigen Anderungen im Grund: 
plane, zu Ende geführt, Roch ftehen die drei Bogen 
de3 rechten Seitenichifies, in ihren Maßen und ihrer 
Konftrultion ein Gegenitand eifrigen Studiums für 
die Arditelten der Kenaijjance, und unter anderm 
Vorbild für den Bau von St.: Peter. Bon ben 
15 m hohen Säulen, welche die Mittelpfeiler defo: 
rierten, üjt bie einzige erhaltene jekt bei Sta.Maria 
Maggiore aufgeitelit. Aus ftilitiichen Gründen 
ſeht man in die Honjtantinifche Beit den og. Janus 
quadrifrons auf den Forum Boarium, einen qua: 
dratiihen Bau mit vier Durchgangätboren. 

Gin wichtiges Dokument aus der Konſtantiniſchen 
Zeit ijt die in zwei Bearbeitungen auf uns gelom: 
mene ſtatiſtiſche Beſchreibung der 14 Regionen («Cu- 
riosum urbis Romae»), Diejed gibt unter anderm 
an, dab Rom damals hatte: 28 Bibliotheten, 
8 Brhden, 10 Bafıliten, 11 Thermen, 19 Waflerlei: 
tungen, 423 Straßen (vici), 1790 Raläfte (domus), 
46602 Mietwohnungen (insulac), 856 Badeftuben 
(balinea), 1352 Etraßenbrunnen (lacus) u. f. w. 
Doch troß bes Glanzes und der Größe, den aud) 
diefe Zahlen noch ertennen lafjen, beginnt nach Kon: 
ftantin der Niedergang der Stadt immer ſchneller 
und unaufhaltfamer; von einſchneidender Wichtig: 
leit Ever namentlich die Berlegung der Nefidenz 
nad Byzanz (Konftantinopel) im J. 330. Zwar 
haben auch jpätere Kaiſer noch mandes für die Ber: 
ſchönerung der Stadt gethan; Gonitantius ftellte 
im J. 857 ben größten aller Obelisten im Circus 
Maximus auf (jeit 1588 auf Piazza di San:Gio: 
vanni in Zaterano); Balentinian erbaute eine ftei: 
nerne Tiberbrüde ——— an der Stelle des 
jchigen Ponte Siſto; er zuſammen mit Valens 
und Gratian reſtaurierte die alte Infelbrüde des 
Geitius. Von Theodofius wird die Erbauung einer 
großen Säulenhalle (Porticus maximae) an ber 
antiten Via triumphalis, und eines Triumphbogens 
am Enbe berfelben (bei San:Geljo ai Bandi, zer: 
ftört erft Mitte des 15. Jahrh.) erwähnt; derfelbe 
baute aud) eine neue Brüde am Aventin, weiter 
ftromabwärt3 als alle biöherigen. Doch mußte er 
ſchon ein gefepliches Verbot gegen die Zeritörung 
öffentliher Gebäude erlaflen (391). Daß Honorius 
die Aureliansmauer reitaurierte (405), ift bereits 
erwähnt; kurz darauf wurde Rom zum eriten mal 
feit 800 Jahren von Feinden eingenommen (Alarich 
410). Aus dem 5. und 6. Jahrh. hören wir fait 
nur von Berftörungen burd) Barbaren, denen au 
Iheoderidy& Verordnungen feinen Einhalt zu thun 
im Stande waren, und von Wegführung der nod) ac: 
biiebenen Kojtbarfeiten zum Schmuck der oftröm, 


Rom (Stadt) 


Hauptitadt; die wenigen hen Neubauten 
harakterifieren fihals trauri idwerl oder Raub 
von ältern Monumenten. Als das lebte diefer Art 
nennt man gemöhnlid; die auf dem Forum Roma- 
num von dem Grarden Smaragdus zu Ehren des 
Kaifers Pholas errichtete Säule (608 n.Chr.). Auf 
und über den Trümmern der Dentmäler antiter 
Größe erhebt ſich eine neue Stabt, das chriſtl. Rom. 
Die Litteratur über dad antite Rom beginnt 
mit dem Wieberaufleben der Haffifhen Studien 
(FlaviusBlondus, «Roma instaurata», etwa 1470; 
omponius Latus, «Deromanae urbis vetastaten, 
auerit 1510; Andreas Fulvius, «Antiquitates urbis 
tomae», 1527), nimmt in der Mitte des 16. Jahrh 
einen erheblichen Aufihwung (Barth. Marlianı, 
«Antiquae urbis Romae topo; hia», 1534, 
1544; 2. Faunus, «Antichitä della cittadi Roma», 
1548; ©. Fabrictus, «Roma», 1550), welcher im 
folgenden, troß einzelner beadhtungswerter Yei- 
tungen, im allgemeinen leine Yortiegung fand 
(Y. Boilfarb, «Urbis Romae topographia», 1597; 
U. Donatus, «Roma vetus ac recens», 1638; Fa: 
miano Nardini, «Roma antica», 1666). Aus dem 
18. Jahrh. find zu nennen: Yicoroni, « Vestigie e 
raritädi Roma» (1744); Benuti,«Descrizionetopo- 
grafica» (1763); vor allem aber die Bilberwerle 
Piraneſis («AntichitäRomanes, Rom 1756; 
29 Bde., Fol., Par. 1836); «Campo M 
1762). Epochemachend find ſodann die jeit Anfang 
diejed Jahrhunderts (zuerft unter Feat 


angeftellten methodifhen Ausgrabungen; die 
ein ganz neued Fundament für bie 
topogr. Forſchung geſchaffen iſt. Bon ae 
hörigen Werten feien t: Pla 


nt: F- 
Gerhard und Röftell, «Beſchreibung der Stabt Rom» 
(6 Bde,, Stuttg. 1830— 42); Beder, «Hanbbud 
der röm, Altertümer» (Bd. 1, Lpʒ. 1843); Ganina, 


alndicazionetop ca di Roma antica»(4. Aufl, 
Rom 1850); derjelbe, +Edifizij di Roma antica» 
(6 Bde., Fol., Rom 1818—56): Jordan, «Zope: 


graphie der Stadt Rom im Altertum » (B». 1, 
teil. 1 u. 2, Berl. 1871—85)._Aln weitere Kreiſe 
wenden fich befonder8 Reber, «Die Ruinen Roms 
und der Gampagna» (3, Aufl., Lpz. 1879); Ziegler, 
·Illuſtrationen zur Topographie des alten Rom» 
(Stutt . 1875); Baedeler, «Mittelitalien und 9.» 
(7. Aufl., 2p3. 1883). 

ll. Das päpftlide Rom. 

Nach dem Untergange des Weſtrömiſchen Reid: 
lam R. unter bie Herrſchaft der Dftgoten. hr 
großer König Theoderich ſorgte für die Erhaltung 
und MWiederherftellung der zufammenjhwindenden 
Stadt, wie der röm. Einridtungen und Gefebe. 
Sechsmal wurde fie fodann im Kriege der Boten 
und Byzantiner eingenommen, doch ‚von Beliiar 
fowohl, als aud) von Totila und von Narſes ac: 
ſchont. Der Haijer * erließ hierauf Geies: 
zu Gunften R.s, doch ſank die Stadt immer tiefer 
u einer Vrovinzialitadt herab. Kaiſerl. Duces, 

uterbefehlöhaber des Exarchen in Ravenna, re 
gierten fie, noch im verödeten Cäfarenpalaft mob: 
nend. Im Lateran wohnten die Biichöfe R.s, bald 
Herren und einzige Wohlthäter der Stadt, bald 
aud deren Gebieter. äbhrend diefer byzantin. 
Zeit, als die Yongobarben im größten Teil Atos 


ch liens berrichten (570 bis um 750), trugen ber: 


ſchwenimungen, Hungersnot und Peſt zum Berfall 
R.s bei; aud die Räubereien einiger Kaiſer, wie 
663 Konſtans' II., und der dhriftl. Eifer, der die 


Nom (Stadt) 


Merte des Altertums vernichtete ober für Nirchen 
verbrauchte, wirkten zerftörend. Durch die Schenkung 
ipins (754) entitand der Kirdhenjtaat, welchen 
{ld. Gr., der Grneuerer des Römiſchen Reichs 
(vom Papſt Leo III. 800 im St. Peter ieh), 
betätigte, Der Papit ward Landeöherr in Rom. 
Leo IV. befeftigte um 850 den Batitan, fo entftand 
bie Civitas Leonina. (S. Leoniniſche Stadt.) 
Aber gleich mit der Papſtherrſchaft begannen bie end» 
lofen * der Römer wider dad Dominium tem- 
porale und gegen das beutjche Kailertum, ſodann 
die Parteilämpfe bes Adels und Volls, wodurch 
die alten Monumente hier zu —— und Türmen 
benugt, dort zerftört wurden. e Orabe der 
ftörung war die, welche 1084 im Kampfe zwiſ 
Gregor VIL. und Heinrid IV. ftattfand, indem 
Robert Buiscard (f. d.) einen Teil des Marsfeldes 
und der alten fübl, Stabt vermüftete. Im J. 1143 
ftellte das röm. Bolt den Senat wieder her: fo 
entftand die röm. Republil, deren Parlamente auf 
ben Trümmern des Kapitols bei Maria in 
Araceli tagten. Die Parteitämpfe dauerten fort: 
N. füllte fi mit Türmen des Adels, r viele 
ließ der große Senator Brancaleone degli Anbald 
1257 niederreißen. Noch heute dauern folche mittel: 
alterlihe Türme in Rom fort: die Torre belle 
Milizie auf dem Quirinal (Turm des Nero ge: 
nannt), die Torre de’ Conti, der Turm der Cres⸗ 
centier (irrig Caſa di Rienzo, auch Haus des Pila⸗ 
tu3 genannt), Türme ber Golonna, Anguillara, 
Anibaldi, Gapocci, die Burg der Saveller auf dem 
Aventin u. ſ. w. Dod find diefe mittelalterlichen 
Monumente leider durd den gewaltiamen Umbau 
der Stadt mit dem Untergange bedroht; manche 
Zürme und Paläfte in Trajtevere find bereits ab: 
getragen, Guelfen und Ghibellinen zerrifien R. in 
der Hohenftaufenzeit. Als dann das PBapfttun nad) 
Avignon flüchtete, blieb die Stadt ein veröbeter 
Zrümmerhaufen. Bergebens ſuchte der geniale Cola 
di Nienzo (. d., 1347—54) fie wieder zum Haupt 
ber Belt zu erheben. Zwar kehrte das Bapfttum 
unter Öregor XL (1377) * zurüd, bald 
braden die Berwirrungen bed — Schisma 
herein, und auch die roͤm. Republik auf dem fa: 
pitol wurde von Bonifacius IX. (1398) abgeſchafft. 
Der Papſt beherrichte nun die in Schutt und 
Sumpf pur Stadt, wo neben den Monu— 
menten des Altertums auch die Kirchen meiſt in 
Nuinen lagen. Es erllärt fih, wie durch die un: 
geheuere Maſſe von Schutt die Scheidung der alten 
Hügel ſich mehr ausglih, und neue Erhöhungen, 
wie Monte:Citorio, Monte-Giordano, ſich bildeten 
und ber alte me oft 10 m tief zu liegen fan, 
Als Martin V. nad) ag chisma 1420 
nah R. zurüdlehrte, fand er die Stadt menjchen: 
leer und öde; das Forum Romanum war zum 
— r Rinder ze. (Gampo vaccino). 
Eugen IV. (1431—47) begann fodann die Wieder: 
berjtellung R.3, das ſich als eine neue Stadt der 
Renaiflance langjam zu erheben anfing. Ihm folgte 
darin Nifolaus V. (1447—55), der den Bau des 
Vatilan begann, Pius IL, der die Zerftörung alter 
Dentmäler ftreng verpönte, Paul II., ber [eins 
um Bau des venetian. Balaftes, wie im 16. Jahrh. 
aul III. zum Farnefeiben, Steine aus dem Co: 
loſſeum brechen ließ. Wichtig war das Ende des 
15. und ber —** des 16. Jabrb. unter Sir: 
tu3 IV., Alerander VI., Julius II. und Leo X., wo 
duch Bramante, die beiden Sangallo, Balthafar 


775 


ng fi eine neue große röm. Baulunft nad 
dem Mufter der Alten bildete, wo bie ital. Kunſt 
durd) —— der mit Caſtiglione den Entwurf zu 
planmäßiger Ausgrabung der alten Stadt machte, 
und Michel Angelo auf ihren Gipfel gelangte, wo 
die ganıc Chriftenheit zu ben ungebeuern Summen 
für den Neubau der Peterslirche beifteuerte. Diefe 
Bam Kunft: und Fitteraturepodhe des päpit: 
ihen R. ſchloß ſchon 1527 durch den fchredlidhen 
Sacco di Roma , die Erftürmung und Plünderung 
der wieder heidniſch, üppio und reich gewordenen 
Stadt durd die Armee Karla V. Sie erlitt große 
Einbuße an Vermögen, doch ihre Bauwerle wur: 
den geſchont; fie a te damals 85000 €. 

Nach Clemens VII., welcher Karl V. nicht in R., 
fondern in Bologna gekrönt hatte (24. Febr. 1530, 
die legte Kaiſerkrönung), forgten für die Verſchö— 
nerung und Erweiterung R.s Paul III. Bius IV., 
Gregor XIII. und Sirtus V. Diefer Bapft (1585 
—90) war ber Erneuerer R.3. Er geritörte zwar 
antile Monumente, wie dad Septijonium, richtete 
aber den Dbelisten des St.:'Beter wieder auf 
und bebedte Rom mit Bauten. In dieſen trat ſchon 
unter ihm (in den Merten des Fontana) die Ber: 
ſchlechterung des Geſchmads hervor, die fi noch 
mehr in jenen des Maderno, 1557—1629 (Facade 
von St. Peter), endlich im 3 hrh. in denen des 
Borromini zeigte. Urban VII. war e3, ber die 
Porticus des Pantheon, an der Bernini die Gloden; 
türme anbaute, ber vergoldeten 450000 Bid. 
ſchweren Erzbedachung beraubte, um daraus den 
Baldadjin in der Peterslirche fertigen und Kanonen 
gießen * laſſen. Wie viel jedoch an den Werlen 
diefer Barodepodhe auszufeken iſt, fo läßt ſich den: 
felben Großartigleit und Neichtum der Erfindung 
nicht abfprechen, am wenigften dem Bernini, von 
bem aud) die Scala regia und bie Kolonnaden des 
Petersplatzes errichtet wurden. Unter den Päpſten 
de3 18. Jahrh. waren Benebilt XIV., der das Ho: 
lofjeum vor weiterer Beſchädi ng fiberte, indem 
er feine Arena der Paſſion Chr widmete, Cle⸗ 
mens XIV., durch die von ihm angelegten Runft: 
fammlungen (Mufeum Bio:Elementinum), und 
Pius VI. thätig. Die Herrihaft der Franzojen 
entführte aus R. eine Menge Gemälde und Statuen, 
aber unter Napoleon wurde aud für die Aus: 
grabungen des Forum Trajani, einzelner Teile des 
Forum Romanum, ber Arena des Koloffeum und 
für die Erhaltung der Reſte viel gethan. Aud) 
ie VII. nad) feiner Rüdtehr und fein Freund 

njalvi erwarben fi in diejer Hinſicht großes 
Verdienſt. Unter Gregor XVI. war die Heritellung 
der Porta maggiore, wobei das Grab des M. Vir— 

ilius Guryfaces entdedt ward, danlenswert. Unter 
Bius IX., dem legten weltlihen Herrn Roms (1846 
— 70), wurde der Fußboden der Bafilita Julia aut: 
gearaben; am Elivus Capitolinu, am tin, 

ventin, auf dem Esquilin, am Pantheon, in 
Traftevere u. |. w. folgten ergiebige Ausgrabungen 
raſch aufeinander. Ebenfo ward die Bia Appia bis 
Bovillä und ein anjehnlicher Teil des alten Ditia 
wie de3 benachbarten Borto und das Marmorlager 
de3 Emporium am Aventin aufgededt. Faſt jäntt: 
liche Kirchen wurden unter Bius IX. erneuert, aber 
auch durd) Malereien entitellt (Sant':Agnefe, Sta.: 
Maria in Traitevere, Sta.:Maria fopra Minerva), 
manche Katakomben aufgegraben und durch den 

roben chriſtl. Antiquar De Roſſi illuftriert; Stra: 
E; wurden verbeflert, Thore erneuert, neue Pläbe 


716 
ange iana Maftai, Piazza 
Kane I zur ftaferne eingeri 
fe er ai geforgt, — —* von r — 
nen erhielt. empfing die ital. Regierung 
20. Sept. 1870 die Stadt R. immer ſchon im fiber: 
a ae ar et 1 Sinti 
asp . erbielt durch bie u 
des Batifanifchen Gebiets und bie unter Uran vr 
und Innocenj X. erfolgte Einſchließung des Ja: 
niculum (probe Baftionen von Porta Portefe bis 
Cavalleggieri) einen weitern Umfang als das alte 
und zwar gegen 23 km. Der ganze Raum ift feit 
a V. in 14 ungleiche Bezirke (rioni) eingeteilt: 
1) Rione de’ Monti im Sübojten; 2) Trevi in Nord⸗ 
often; 3) Colonna und 4) Campo Dlarzo im Nor: 
ben; 5) Bonte, 6) Parione, 7) Regola, weitlid 
gegen bie iegung des Tiber; hinter diefen 8) Sant’: 
Euſtachio, 9) Pigna; gegen bie eg 10)Sant': 
Angelo; am Gapitolin und um den Palatin 
11) Gampitelli; der Sudweſten um den Aventin 
12) Nipa; auf dem rechten Ufer 13) Traftevere (Jani⸗ 
culum) und 14) Borgo (Borken ‚Aber nur etwa 
ein Drittel des Raums ift von jtäbtiichen Gebäuden 
beſehßt, die auf bem linken Ufer befonders die Fläche 
des alten Marsfelves und Circus Flaminius, den 
Gapitolin, den Raum zwiſchen Palatin und Dub, 
den fübweltl. Teil des Mons Pincius, den weitl, und 
fübl, des Quirinal und bie a0 zwifchen diefem 
und dem Biminal und Esquilin bi zum Forum bin 
einnehmen; in bem fübl. und öftl. Zeile lagen bis 
1871 die Gebäude zerjtreut zwiſchen weiten Wein: 
gärten, durch melde Straßen führten. Auf dem 
teten Ufer verbindet eine lange Straße, die un: 
gara, von der Porta Settimiana aus, das, wie in 
der röm. Kaiſerzeit, fo noch jekt von niederm Bolt 
bewohnte Traftevere mit dem Borgo, bem Vatila⸗ 
nifchen Gebiet. Der Brüden, des Ponte rotto von 
1598 mit der neuen Settenbrüde, feit 1885 ‚ab: 
getragen, ber zwei aprtelbehden, des Ponte Sifto, 
1475 von GSirtus IV. erbaut, und Ponte Sant’: 
Angelo ift ſchon oben gedacht. Dazu kam 1866 
die Kettenbrüde wifhen San:Giovanni be’ Fio- 
rentini und bem aft Salviati. Das nörbl, 
Thor R.s ift die Porta del Popolo (neben ber 
alten Porta Flaminia) mit ben durch einen Obe— 
list gezierten Plag, von welchem drei Haupt: 
ftraßen: die Ripetta am Tiber, der 1500 m lange 
Corſo und die Via del Babuino auslaufen; im 
Diten ftebt die von Pius IX. vollendete Porta 
Pia, zwiichen der alten Salaria und Nomentana, 
die Pori⸗ San-Lorenzo (Tiburtina) und Porta 
maggiore (Porta Praenestina); im Süben befinden 
fi) die Borta San:Biovanni beim Lateran (neben 
der alten Asinaria), Borta San:Sebaftiano (Porta 
Appia), Porta San: Paolo (Porta Ostiensis); im 
ten bie Porta Porteſe (Portuensis), die von 
—— IX. neugebaute Porta San-Pancrazio (Porta 
urelia) und am Vatilan bie nad Civitavecchia 
führende Porta Cavalleggieri. Hauptitraßen find 
außer den genannten die Bia belle quattro Fontane, 
die fiber den Quirinal auf Sta.: Maria maggiore 
zugeht, bie Giulia von Ponte Siſto gegen bie 
Engelöbrüde zu, die Via Condotti mit ihrer langen 
Portickung zur Engeläbrüde hin. Von Plähen find | 
ervorzubeben, außer der Piazza del Popolo, die 
Navona, nädft dem Pla vor St. Peter der größte, 
mit einem Obelisk geziert und nod) unter Pius IX. 
neu und ſchön epflaitert da ber Krautmarkt von 
dort auf den Campo bi 


in), das prätos 
‚ für Beleud: 
e 


Siori verlegt wurde; bie 


Ro Stabt) 


Piazza del Monte-Cavallo mit einem Obelisl und 
ben berühmten Koloſſen ber Diosfuren, bie Piazza 
Colonna mit der Antoninudfäule, bie des Bantheo 
mit einem Obelist; "ber Spaniihe Blas; von wel: 
chem bie große Treppe nad Zrinitä de’ Monti 
ß rt; bie Flaya bi Termini bei —— 
en und ber Platz des Kapitols. Waſſer- 
tungen hat R. vier: die Aqua Vergine, erneuert 
1450, welche den ſchönſten aller Springbrunnen, 
die Fontana bi Trevi, bildet; die Aqua Felice. 
von Sirtus V. errichtet, mit dem mißlungenen 
Waflerkaftell auf bem Zermini; bie Aqua 
Baola Pauls V. mit der Fontana Faolina aut 
ber Höhe des Janiculum und ben beiven Fontänen 
auf dem Peteröplap; die berrlie Agua Marcia 
endlih warb noch unter Pius IX. bergeftellt. In 
der Menge von den Brunnen R.3 zeihnen ſich aus 
die mit Bildhauerarbeit reichgezierten auf der Ra: 
vona, dem — und Spaniſchen Platze. 
fowie die Heine anmutige Fontana delle Tartarugh⸗ 


u) Pie Mattei. 
ce n zählt man 364. Das Wunderwerl ber 
Welt ift San: Pietro in Vaticano. Auf ber Mär- 
terftätte des Apoftels, über feinem Grabe, hatten 
onftantin und Helena bie fünfſchiffige Bafılıla er: 
baut. Sie dauerte nah mandyen Ausbeſſerungen 
und Aufägen fort, bis im 15. Jahrh. Nitolaus V. 
nad Rojellinis Plan ihren Neubau durch Anlegung 
ber Tribüne begann. Seine kühnes Projekt grin 
dann erjt Julius II. prattiih auf und Bramante 
entwarf den neuen Plan. Am 18. April 1506 wurbe 
der Grundftein gelegt. Nach Bramantes Tode 1514 
festen den Bau fort: Rafael bis 1520, Peruzzi bis 
1536, Michel Angelo 1546—64, deilen lan 
(Grundform bes 8 ech. a u von Paul IL. für 
unabänderlich erflärt wurde; in den Formen Michel 
Angelo warb wenigitens bie Kuppel unter Sir: 
tus V. aufgeführt. Doh Paul V. beſchloß bie 
Kirche in der lat. Kreuzform zu vollenden, und Carlo 
Maderno baute bie ſchwerfällige, 117 m breite, 
50 m hohe Fagade mit ber * en Vorhalle 
und ber Loggia, wo der neugewählte jt vor den 
Augen des Bolts gekrönt und der Ofte egen Urbi 
et Örbi erteilt wird. Unter Alexander VIL. wur: 
den die großen Säulengänge, unter Bius VL (1776 
—84) die Satrijtei errichtet. Die Einweihung ber 
Kirche geſchah 18. Nov. 1626. Ihr Bau kojtete 
46 Mill. Scudi, ihre Erhaltung erfordert eine jähr: 
liche Ausgabe von 30000 Scudi. Die ganze 
des Innern beträgt 187 m, das Querſchiff 137 m, 
die Höhe des Mittelſchiffs 45 m, die der Kuppel von 
innen 117 m; mit der Spike des Kreuzes erbebt 
fich diefe von außen 150 m ho. Den Hauptaltar, 
an dem nur der Papſt Hochamt balten darf, dedt 
das 28,5 m hohe, 186000 Pfd. ſchwere eberne Ta: 
bernakel Berninis. Unter den Bildwerlen ermäh- 
nen wir bie alte Bronzeftatue des Apoftels Petrus, 
das Relief Algarbis, darftellend die Vertreibung 
Attilas, die Pietd von Michel Angelo, die Gras 
mäler Bauls LII., Urbans VILL., Clemens’ XIII. 
Pius’ VI. (von Ganova), Pius' VIL (von Tibor: 
waldſen), Da VIII. und Gregors XVI. (von Ze: 
nerani). Die Refte vieler päpitl. Grabmäler und 
andere Monumente aus dem alten St. Peter be: 
wahren die unterirdiihen —— Grotten. 
Den 273 m langen, 226 m breiten Blaß vor ber 
Veterstirhe mit dem von Sirtus V. errichteten 
Dbelist und zwei Springbrunnen fafjen dreifache 
Säulengänge von Bernini ein, 


Nom (Stabt) 


Die erite ber ficben Hauptlirhen ber Stadt, die 
Biſchofs- oder Pfarrlirche des Bapftes, omnium 
urbis et orbis ecclesiarum mater et caput, iſt Die 
—358** ‚fo genannt von dem altröm. Ge: 
ſchlecht der lautii terani, deren Balait feit Nero 
faijerlih geworben war. Konftantin ſchenlte einen 
Zeil bavon, die Domus Fauftae, bem Biſchof Sil- 
veiter, und feitbem war der Vatilan päpftlihe Re: 
fidenz. Die Kirche hieß Bafılifa Conftantiniana, 
auch Aurea, und war dem Salvator geweiht. Sie 
ftürzte 896 ein. Sergius LIT. baute fie neu zwiſchen 
904— 910 und weihte fie auch dem Täufer Johannes, 
baber fie San Giovanni in Yaterano heißt; 1308 
und wieder 1361 brannte fie ab; feit dem 15. Jahrh. 
ward fie erneuert und reich geichmüdt, aber feit 
1650 im Innern durch Borromini barod unge: 
ftaltet. Unter Clemens XII. erbaute Aleſſandro 
Galilei die ee 1734 und bie ſchöne Kapelle 
Corfini. Unter Leo XII. begann man den hintern 
Zeil ber Bafılifa durch prächtige Neubauten zu er: 
weitern. Die berühmten Mojaiten der Tribüne 
von Jalobus Torriti find foviel als möglich getreu 
auf die neue, weit vorgejhobene Tribüne über: 
tragen worden. Der Neubau bedingte freilich den 
Berluft mander altertümlihen Erinnerungen, Der 
Hauptaltar mit ben Tabernatel Urbans V. gehört 
wie einige Monumente nod der ältern Ride an 
aus ber viele Reſte jept im Klojterhofe —* Ne: 
ben ber Kirche befindet fih das angeblich von 
Konftantin herrührende, von Leo III. neuerbaute 
achtedige Battifterio, wo fonft am Dfterfonnabend 
der Papſt taufte und noch jept übergetretene Un: 

läubige getauft werden, Jeder Bapjt nahm na 
feiner Krönung feierlich Defik vom Lateran (i 

>ossesso); nur Leo XIII. hat das nicht gethan, 

ba er bie freiwillige Gefangenſchaft feines ent 
thronten Vorgängers im Vatilan fortjegte. Bor 
ber Kirche fteht der pöchjte Dbelist N.2. Vor der 

orta San:Baolo liegt die dritte Hauptbafilila 

.s: San: Paolo fuori le Mura, fo alt wie bie 
St. Peterstirhe und einft größer und prächtiger 
als je, ber Legende nad) über dem Grabe des 

ulus von Konjtantin erbaut, dann von ben 
aijern Valentinian II. Theodofius und Arcadius 
[gt 8336 neu gebaut, Dieje berühmte Theodofiani: 
he Baſilila brannte 1823 ab. Seither ward fie 
neu aufgebaut, außen unfhön, im Innern der herr: 
lichſte Raum, von pradtvollem Marmor ftrablend; 
80 Säulen aus Simplongranit tragen das Mittel: 
ſchiff. Pius IX. weihte den Neubau 10. Dez. 1854: 
vollendet wurden 1877 bie Mofaiten ber dagabe 
und die Borballe vor dieſer ift im Entitehen, Aus 
ber alten Kirche erhielten fih bie Moſailen ber 
Tribünevom 5. Jahrh. und einige Denkmäler. Dem 
13. Jahrh. gehört der ſchöne Klofterhof an. 

‚Bon andern, meilt mit Runitwerlen erfüllten 
Kirchen find hervorzuheben: Sta.:Maria del Bopolo 
mit Freslen von Pinturichio und der Kapelle 
Chigi mit Mofaiten nach Rafaels Zeihnung; Sta.: 
Trinitä dei Monti mit der Kreugabnahme von Da: 
niele da Bolterra; Sant':Agoftino mit dem Prophe⸗ 
ten 8W* von Rafael; Sta.:Maria bella Race mit 
ben Sibylien Rafacls; San:Luigi de’ Francefi mit 
nam hg aus der Legende ber _beil. 
Eäcilia ;Sant':Andrea della Ballemitdenvier Evan: 
gelitten Domenidinos; Sta.: Maria ad Martyres 
ober bella Notonda (dad Pantheon), wo ur 
und andere Künftler begraben find, wo Confalvis 
Monument (von Thorwaldjen) fteht und der erite 


‚| fano rotondo, aus dem 5. Jahrh.; 


717 


König Italiens, Victor Emanuel, . 17. Jan. 1878 
feierlich beigefeßt ward; Sta.-Maria fopra Mi: 
nerva, bie einzige bebeutende röm. "Kirche im Spiß⸗ 
bogenftil mit der Statue Ehrijti von Michel Angelo, 
dem Hodaltar, unter bem bie Reſte ber heil. Statha: 
rina von Siena ruhen, dem Grabmal bes Singelico 
da Fiefole und denen Leos X., Glemens’ VIL., 
Bau IV., Benebifts XIII. Auf bem Stapitol 
teht Sta.Maria in Araceli, mit Freslen von Pin: 
turichio und dem Grabe Papſt Honorius' IV.; am 
Forum die mit alten Mofaiten geihmüdten Kirchen 
San:Coama e Tamiano, Sta.:israncesca Romana, 
San:Zeoboro; —— gegen den Tiber bin San: 
Giorgio in Belabro, eine der ältejten Diatonien 
R.s, und Sta.Maria in Cosmedin, auf Reiten des 
Templum urbis von Hadrian I. erbaut. Bon bohem 
Alter find auf dem Aventin die Schöne Baſilika Sta. 
Sabina aus dem 5. Jahrh., jüdöjtlih San: Saba 
mit 14 antilen Säulen, und Sta.:Balbina ; füdlic) 
vom Gälius, von Leo III. 800 gegründet, Ean: 
Nereo e Achilleo, vor der Porta Appia die Kata: 
tombenlirde San-Sebaſtiano; auf dem Gälius: 
San:Gregorio, wo Öregor I. fein Haus in ein 
Venediltinerkloſter ger umgeſchaffen 
hatte, von Gregor II. neu erbaut; San: Giovanni 
e Paolo mit einem Paffionijtentlofter, Eanto:Ste: 
Eanti quattro 
Goronati, in 7. Jahrh. erbaut, erneuert im 12. und 
17. Jahrh.; in ihrer Nähe bie berühmte {yon von 
Hieronymus 392 erwähnte Bafilita San⸗Clemente, 
am An — bed 12. Jahrh. über der alten Kirche 
erbaut, welche bei der Verwuſtung der Stadt durd) 
Nob. Öuiscard verfhüttet ward. Diefe Unterlirche 
mit ihren merlwürdigen Wandmalereien wurde jeit 
1858 wieder ausgegraben. Im 16, Jahrh. gan; 
mobdernifiert ift die im 8. und 12, Jahrh. erneuerte 
Kirche Sta.-Croce in Gerufalemme, deren Grün: 
dung ber Kaiſerin Helena zugej&rieben wird. 
Auf dem Esquilin liegen: San: Pietro in Bincoli, 
fo genannt von den dort aufbewahrten Stetten Petri, 
im 5. Jahr. von bes Kaiſers Balentinian III. Ge: 
mahlin Eudoria gegründet, erneuert von Sirtus IV. 
und Julius LI., deſſen Dentmal (von Michel An: 
elo) mit ber berühmten Figur des Mojes dort 
he t; San:Martino ai Monti, aud San:Silveftro 
e Martino, aus dem 6. Jahrh. modernijiert im 17., 
mit Landidaften von asp. Bouffin; Sta.⸗Praſſede 
mit alten Mofailen und der Kapelle Colonna oder 
San:Zeno aus der Zeit Paidhalis’ I. (817—824). 
Noch altertümlicher iſt Sta.-Bubenziana am —* 
lin, welche als die älteſte Bird R.s gilt, mit Mo: 
jaifen aus dem 4. Jahrh. Cine der, berrlicjiten 
Bafıliken ift die weltberühmte Sta.:Maria maggiore, 
im 4. Jahrh. gegründet, im 5. erneuert, in der Mitte 
des 12. umgeändert und vor Ende des 16. ſehr mo: 
dernifiert, mit 42 ion. Marmorjäulen, mit Mo: 
faiten de3 5. und 13. Jahrh., den Kapellen Sir: 
tus’ V. und Pauls V., der von Pius IX. erbauten 
Krypta, worin er jelbit betend in Marmor dargeſtellt 
ift, und mit vielen Denlmälern. Auf dem Viminal 
fteht Sta.:Maria degli Angeli, von Michel Angelo 
aus dem Prachtſaal der Diocletiand:Thermen 1561 
zur Kirche umgewandelt, 170 m lang, 100 m breit, 
29 m hoch, mit 16 mächtigen antiten Säulen aus 
Granit. Vor Porta Pia liegt die angeblid von 
Konftantin über dem Grabe der Heiligen erbaute, 
im 7. Jahrh. von Honorius I. neugebaute und mit 
Mofailen r Kirche Sant’: Agneſe, deren 
Schiff 16 antike korinth. Säulen tragen; neben ihr 


718 


Rom (Stadt) 


Eta. er u Rundbau, Maufoleum einer | wähnen wir nur Rafaels Transfiguration und Ma- 
n 


Tochter ins; vor Porta San:Lorengo die 
Kirdhe San:2orengo fuori le Dura, von Konftantin 
über dem Grabe des Heiligen erbaut, erneuert und 
seihmüdt im 6. und 8. Jahrh., im 13. von Hono: 
rius LIL, mit alten Mojaiten, 22 antiten ion. Säu: 
ien im Hauptichifi und 12 korintbiihen im ältern 
Hinterteil der Kirche; Pius IX. fdimüidte fie neu 
mit Malereien, lieh die alte Natalombentirhe aus: 
graben und legte bancben ben Campo santo R.s 
an. Jenſeit der Paulslirche liegt die Abtei _alle 
tre Fontane mit drei Kirchen, deren größte, 
Vincenzo ed Anaftafio, aus dem 7. Jahrh. ftanımt. 
Auf der Inſel liegt San:Bartolommeo, von Kaiſer 
Otto III. erbaut und dem heil. Adalbert gewidmet; 
in Traftevere die berühmte Bafılila Sta. : Maria, 
der Sage nad) ſchon 340 gebaut, im 12. Jahrh. von 
Innocenʒ IL. neu aufgeführt, mit vielen Altertümern 
und 22 antilen Säulen; Sta,-Cecilia, auf der Stelle 
des Haufes der Heiligen erbaut, erneuert und mit 
Mofailen verjehen von Paſchalis I. im 9. Yahrh.; 
auf dem Janiculum: San-Wietro in Montorio, aus 
dem 15. Jahrh. mit Gemälden von Sebaftiano del 
Piombo und andern, ehemals mit Nafaels Trans: 
fiquration; Sant:Onofrio mit Tafjod Grab und 
einem ihm neuerbing® errichteten geſchmadloſen 
Monument. Bon den Bläsen vor ben beiden lekt: 
genannten Kirchen hat man die ſchönſten Ausfichten 
über R. Einer der einentümlichiten Beſtandteile 
des chriſtlichen R. find die unterirdiichen Gömeterien 
oder Katalomben (f. d.), die fich im Umkreis von 
3—5 km nad) vielen Richtungen binziehen. 

Unter den Baläften R.s wie der ganzen Welt 
nimmt der Batilan die erjte Stelle ein. Den 
alten Balajt, der t abwechſelnd mit bem Late: 
raniſchen, feit Beendigung bes Schisma 14120 pe: 
wohnlich die Reſidenz der bed war, beſchloß 
Nitolaus V. zu erneuern; fein Plan wurde von 
Alerander VI. und deſſen Radjfolgern weiter geführt 
und nod unter Bius VII. ein neuer Teil (Braccio 
ruovo) hinzugefügt. : bie Girtinijche 
Kapelle, unter Sirtus IV. 1473 von Baccio Bon: 
telli als Hoftapelle gebaut, wo zumal in der heiligen 
Woche die Mufiten von Balejtrina, Alleori u. a. 
aufgeführt werden; bie Malereien an den Wänden 
von Signorelli, Botticelli und Berugino aus Eir- 
tus’ Zeit werden überftrahlt durch Michel Angelos 
Freslen an der Dede (Genefi2, Propheten, Sibyllen) 
und an ber Hinterwand (das Nüngite Gericht). 
Auch in der Rauliniihen Kapelle (erbaut unter 
Baul II. von Ean:Gallo) find Fresken Michel 
Angelos und in der von Nikolaus V. erbauten 
Haustapelle San:2orenzo ſolche von Fiefole. Die 
Loggien, die um den innern Hof (Corte di Damafo) 
führenden, unter Pius IX. mit Fenſtern geſchloſſenen 
Artaden, begonnen unter Julius Il. von Bramante, 
mwurben unter Leo X. von Rafael beendet, nad) bei: 


ſen Zeichnungen die Arabesten und Bilder in den | ter Urban 


bonna di Foligno. Die meilten Antiten find auf: 
geheilt im Belvedere, einer Billa nnocenz’ VII, 
ie dann Julius II. mit dem Batilan verband. 
ier finden ſich bie weltbelannten Sammlungen: 
leria lapidaria mit mehr als 3000 Inſch ’ 
Mufeo Chiaramonti (von Pius VII. angelegt), 
Mufeo Pio⸗Clementino, die er —— * 


der Welt, nach Clemens XI ius VI. ge: 
nannt; ferner find zu nennen: die Galerie de’ Can: 
belabri, dad Mujeo oriano, eine Sammlung 
etrust. Altertümer ſdurch Gregor XVI. 1837 au: 
gelegt), Tor de’ Benti mit ägypt. Altertümern und 
iardino della Bigna mit dem 3 m antiten 
Pinienapfel. Vatilan befindet ſich auch das 
von Sirtus V. gebaute prachtvolle Lolal der Biblio: 
thet mit nr 23000 Handſchriften. N 
eigentlichen der waren Nilolaus V. und Sir: 
tus IV.; fpätere Bäpfte vermehrten fie; in fie fam 
auch bie heidelberger Bibliothet (Palatina), der 
Raub des Dreikigjährigen Ar 2 Daneben die 
elf Zimmer des von Sirtus V. 
Archivs, deſſen Benukung erft Leo XIU. erlaubt 
F Eine Sammlung gebrudter Bucher, unter 
eo XII. durch bie tunftbiitor. Bibliothet des Grafen 
L. Eicognara und durch die Bibliothel des Carbi: 
nals Angelo Mai vermehrt, befindet ih in dem 
von Alerander VI. gebauten Teil h 
Appartamento Borgia. Am fübl. Ende der von 
Yulius II. auf der weitl. Seite angelegten, 306 m 
langen Galerie it da8 von Benebilt XIV. 1756 be: 
gründete Chriſtliche Muſeum. In einem. Neben: 
zimmer fieht man die Aldobrandiniſche Hochzeit 
(i. d.); in a ngen die 1, bie 
Nafaels —E Leo X. in den Niederlanden 
ür die Sirtinifche Kapelle wirlen lich. Endlich 
nd die Audiengzimmer Sala regia und ducale und 
ie Gärten des Batilan zu erwähnen. Ein langer 


ee verbindet ſchon jeitbem 14. Yahrh. 
en Batitan mit der Engeläburg. Dies Maufoleum 
Hadrians war fhon im 10, Jahrh. und 
Staatsgefängnis Ns, Erſt 1379 zerftörten es die 
Römer jo ganz, dab nur der Kern deö 60 m im 
Durchmeſſer —— Rundbaues übrigblieb. 
Dann wurde es als Feſtung unter Bonifaz IX. und 
Alerander VI erneuert; die groben Außenwerte lich 
Urban VIIL anlegen, Benedilt XIV. die Bronze: 
ftatue de3 Engels von B. Verichafielt auf der Spike 
aufitellen. er zweite große Reſidenzpalaſt des 
hy pr war bis 1870 der Balaz;o Quirinale (oder 
bi Dionte Cavallo); Gregor XIII. begann ihn 1574 
—— Flaminio Bonzio); die folgeuden Bäpite 
auten baran weiter bis zu Clemens XU. & bat 
* Gemälde und Bildwerle, darunter Thor: 
waldſens Alerandberzug, eine Loggia, worauf der 
neugewählte Papft verfündet wurde, wenn bas 
Conclave bier ſtattgehabt hatte, und einen un: 
III. angelegten jhönen Garten. Am 


13 eriten Kuppeln bes zweiten Stodwerls von Gio: | 31. Dez. 1870 309 der König Victor Emanuel bei 


vannt da Udine, Giulio Romano, Penni u. a. al 
fresco gemalt find. Aus ihnen tritt man in bie 
Feſtſale Leos X, die nach dem Meifter, deſſen gött- 
liche Kunft fie feit 1511 fhmüdte, die Stanzen 
(Zimmer) Rafael3 genannt werden; das erite (wo 
die Disputa, der zu. die Schule von Athen) 
beißt Stanza della 

den Hauptgemälden: Stanza bi 
cendio, Sala di Gonitantino. 





I 


feinem eriten Beſuche Roms in diefen Balaft ein, 
welcher die lonigl. Neben it. Der dritte 
noch nad) 1870 dem ft gebliebene kg br der 
Sateran, die ältefte Wohnung der röm. Biſchöfe 
(izle), neugebaut durch Girtus V. von 

omenico Fontana 1586. Er enthält eine Gemälde: 


egnatura, die drei andern nad) | galerie, da3 unter Gregor XVI. begründete Antiten: 

Eliodoro, dell’ Yn: | mufeum und ein unter Pius IX. angelegtes Chrift 
Bon den Meifter: | liches Mufeum mit ——A Inſchriften⸗ 
werken der vatikaniſchen Gemäldeſammlung er- ſammlung. Vom alten a 


‚ welcher bis zum 


'..mwrn m m „arr 27. 


Nom (Stadt) 779 


avignoniſchen Eril Refidenz der Häpfte * iſt nur 
die im 18. Jahrh. gebaute Hauslapelle f 
(Capella sancta sanctorum) erhalten; ierher ver: 
legte Sirtus V. die Scala fanta, die Treppe, auf 
der einft Chriftus zu Pilatus gegangen fein foll. 

Auf dem Kapitol (Gampidoglio) befand ich i im 
Mittelalter der Sik des Genatord der röm. Re: 
publit und ihrer Behörden, und es befindet ſich noch 
im Palazzo Senatorio der Sik des röm, Muni- 
cipiums. Michel Angelo legte die Aufgänge zum 
Sapitol an und ftellte 1538 die Neiterftatue des 
Marc Aurel auf, welche bisher am Lateran ge 
ftanden hatte. Gr baute die Doppeltreppe vor 
dem —* nach feinen Zeichnungen ent: 
ftanden der Palaft Konfervatoren und ber des 
Mufeum mit der berühmten kapitoliniihen Antilen⸗ 
Sammlung, begründet ſchon unter Girtus IV., von 
—* — —* —* — 
* i alazzo Caffarelli, we ie 

da egierung durch die Bemühungen ihres Ge: 
Fandten Bunfenals 
—8 zum Sitz der den ie inNom, Die 
ihönften Palälte R.s find der Palago della Can: 
cellarin von —— > der 30 Farneje 


Serngallo mb Micel Angelo, mit nr 


* Der älteite ———— iſt der von 
Paul II. erbaute 


Regierung. l lã x H 
— von Päpiten der e ben ide Ya ie wie 
man aus ka, —— erraten fann. Aus⸗ 

Kenet une der große . — 


‚mit berü 
pe die aus der * Br 
—* ala Di Dligiati) ausgefägten Fresten; 
Braschi mit herrlichem Treppenbau. An der Ede 
desſ befindet ſich das unter dem Namen - 


quino befannte — der Gruppe des Menela 
und Patroklos. u obe Gemäldefammlu 
entbalten die onna, am. 


jpigliofi, worin bie Aurora von Guido; Barbe: 
rin mit Ra‘ Fornarina, dem von Kietro da 
Gortona gemalten Saal und einer Bibliothet; 
fodann Palazzo Sciarra; Torlonia mit neuern 
Shulpturen: an der gel Settimiana befindet 
fi) eine andere, wa robartige Sammlung 
antiter Skulpturen mb in desjelben dürften; 
Spada, darin die Statue des Pompejus, an ber 
Cäjar ermordet worden fein fol; Palazzo Mattei, 
Maſſimi, einsehen (fonft Imperiali), der von Na: 
fael gebau kin od idoni wo bie Fragmente der 
—e— Faſten); de 
hriſtine von Schweden ftarb, mit reicher 
—* lde⸗ und Stulpturenfammlung, 
Si iothel und Gärten, feit —*2** —— 
* Lincei; der Vvalago ibliothet, 
n weicher 3 Bindelmann angeftelt I, verkauft 
worben tft; der Ba dalconieri, der ehemals die 
reihe —— ung des Kardinals Feld, ent: 
x t; der Balaft Chigi mit einer an Manujkripten 
Bibliothel; Palazzo Caetani⸗Sermoneta; 
e beiden Palãſte Orſini (auf Monte Giordano und 
in gm Reiten des Marcellustheatere). 

Unter den reizenden Villen, die in den verlaj: 
fenen —* der Stadt und ihrer nachſten Umgebung 
erbaut ſind, iſt die gegenwärtig dem Fürjten Tor: 
lonia gehörende Villa Albani, von Aleſſandro Al: 
bani, den Gönner Windelmanns, angelegt, nörd⸗ 
lich von Porta Salara, wegen ihrer Lage, ihres 


—5 


te | deutendfte, 


ntum erworben hat; erdient | Dv 


alaft Corfini, wo die: 


Gartens und ber reihen Antilenjamntlung bie bes 
Nicht weit von derfelben, vor Porta 
Via, fieht man die glänzende neue Billa Torlonia, 
Vor Poria del Popolo liegt die unter Paul V. vom 
Cardinal Boxgheſe angelegte Villa Borgheſe, mit 
großem, vielheſuchtem Garten; auf den Gärten 
Salluftö die * Ludoviſi, früher Eigentum bes 
Fürften Piombino, 1885 an eine Baugefellichaft 
un odaß die Stadt R. um biejes weltbe- 
u Ar einod für immer gebradht wird; auf 
Pincio die Villa Medici mit (hönem Ra: 
in J welchem die en, Maleralademie ihren 
Sis hat; auf dem Palatin in den Trümmern ® 
Kaiferpaläfte die le Smith, früher Mills, 
genwärtig Nonnentlofter, —* die von Saul 
— en Bärten, erjt entum 
Napoleons dann nad) deilen * von der 
ital. Regierung —* * auf dem Cãlius die 
ſchöne Billa Mattei, die Billa er (onft Giu: 
ftiniani) mit Freslen von Koh, Beit, Schnorr und 
erbed; am Monte-Mario die Lilln Madama 
von a von —— der Gattin Ottavio 
rneſes, j0 —— nn im bes Kö: 
— von Neapel und fe —— illa Do⸗ 
Fran i ee a he mit 
—*— die An an — Neapel 
— Villa Farneſina am T ſtino 
en i gebaut, von — mit Freslen 
üdt, und jeht durch bie Überreguli ibres 
Sartens beraubt; weſtlich von ihr die von v 
Romano gebaute und — illa Lante, von 
er ren * N. zählte 1870 (f ber 
ur; vor 
Anneltierung) über 221000 E., darunter etwa 


Balaft u. uben, deren eigentliche Suarier feit 2 


chunderten * nr am T 
Kr mit gängli ng man 1885 
begonnen bat. Seit > IV. und bejonbers 
feit Leo X. fand eine progrefiive Einwanderung 
von Stalienern in R. jtatt, von Toscanern, Qom: 
barden, Romagnolen, Marbigianern, au 
olitanern. e Kolonien der den nicht ital, 
ration find nicht Kt, iſtliche Perſonen 
zählte man (1870) 7490, darunter 83 Karbinäle, 
35 Biihöfe, mehr ala 3000 Monche, etwa 2300 
Nonnen, die übrigen Weltgeiftliche; "Klöfter geb 
es 160; die Generafate der meiiten geiftlichen 
den find in R. In 19 Hofpitälern (unter ihnen 
find ii anjehnlichiten San:Salvatore am Lateran, 
Se Giacomo in Augufta, Sta.-Marin della Gon- 
ione, Sta.:Galla, San:Ball icano, Eta.-Trinitä 
— und das berühmte Sto.-Spirito für 
3000 Kranke mit Irren- und Findelhaus) werben 
jährlid) etwa 20000 Arante verpflegt, in 25 Armen: 
bäufern 4400 = onen, darunter find Ean: Michele, 
Maria degli Angeli, Tata Giovanni und viele 
Kinderaſyle. Unter den Unterrichtsanſtalten ftand 
obenan das Archiginnaſio della ‚die Unis 
verfität, gegründet von Bonifacius VIII. 1308, or: 
ganiftert- von Leo X, gen 1830 in Spe iatichulen 
teilt, mit etwa 900 & tubenten ; daB ‚ollegi 
omanum, die Schule der —— mit der — 
Sant’ ‚onagio und dem Museum erianum ; 
das Collegium de propaganda fide (j. Bropa: 
ganda); das — ungariſche Kollegium Gre⸗ 
gors Xii. eine —— alt für Geiſtliche; 
das englifche, ſchottiſche, 3— ame rie⸗ 
chiſche und zahlreiche andere N tionaltollegien: im 
ganzen 20 geiltliche und 12 meltfiche Kollegien. 


780 


Unter ben Akademien find bie vorzüglichiten 
bie röm. Maleralademie San:?uca mit großer Ge: 
a Se bie an). Maleralademie in der 
Villa Medici; die dichteriſche Accademia degli Ar: 
cabi; bie naturhiſtoriſche be’ Lincei, geftiftet 1608, 
nad) 1870 dei nuovi Lincei genannt und als päpfil. 
Alademie von ber Llönigl. der Lincei getrennt; 
die Accademia di Archeologia und das von Teil: 
nehmern aller Nationen unterftügte Archäologiſche 
Inſtitut, von deutſchen Gelehrten 1829 geitiftet, 
jept deutſche Reichsanſtalt. Die größten öffentlichen 
Bibliothelen find die Caſanatenſe der Dominitaner 
in Sta. Maria fopra Minerva (120000 Bände), die 
Angelica der Augujtiner in Sant:Agojtino (87.000 
Bände), bie Alerandrina in der Sapienza, die Dal: 
licelliana in der Chiefa nuova. Yabriten gibt es 
in Leder, Seide und Wolle; ferner werben verfertigt 

chöne Gold: und Silberarbeiten (der berühmteite 
uwelier war ee Berlen, Moſaiken, 
Namen. Der Handel iſt unbeträchtlich. Der 
Hafenplatz, Ripa grande, iſt nur für Meine Gee: 
fahrzeuge geeignet; zum Anlegen der Schiffe, die 
von den obern Tibergegenden kommen, dient die 
Nipetta. Das _geichärtliche Leben konzentriert- fic 
an der Piazza Colonna. Die Theater find Apollo 
oder Tordinona, Argentina, bella Balle, Pace, 
Metaſtaſio und andere. Vlarionettentheater und 
Vollstheater an mehrern Orten, dad Sommertheater 
im Maufoleum de3 Auguſtus (Correa genannt). 
Für das öffentliche Leben waren im päpftlihen R. 
weltberühmt die Kirchenfeite, namentlid) zu Weib: 
nachten und Ditern ——— Elan des St. 
eter, Girandola u. ſ. w.), das Pfingſifeſt mit der | 
geniprechung von der Loge des Lateran, die große | 
Prozeſſion des Corpus Domini ꝛc. Der Karneval | 
dauert fort, verfiel jedoch feit 1859; das Lotto auf 
Piazza Navona dauert fort, Täglich vor Sonnen: 
—— hält die elegante röm. Welt ihre Corſo— 
fahrt. Unter den Spaziergängen ift der bejuchteite 
der mit Büjten berühmter Italiener geihmüdte 
Pincio, ber mit der unter ge liegenden Billa 
Borgheſe verbunden werden foll, Unter Napoleon 1. 
ward der Garten bei San:&regorio auf dem Cölius 
angelegt, unter Pius IX. die neue Anlage bei San: 
zn in Diontorio. Liber das päpftlihe R. vgl. 

» Papencordt, «Gejchichte der Stadt R.» (1857); 
Gregorovius, «Bejdichte der Stadt R. im Mittel: 
alter» (3. Aufl., 8 Bde., Stuttg. 1875—81); der: 
jelbe, «Die Grabdenlmäler der Päpite» (2. Aufl,, 
Lpz. 1881); von Reumont, «Gefchichte der Stadt 
N.» (4 Bde. Berl. 1867—70), j 

ll. Das italieniſche Rom feit 1870, Gier— 
zu eine Karte: Rom und Umgegend.) _ 

Die Stadt R. gelangte durch die Ereigniſſe von 
1870 an einen fo beitimmten Abſchnitt ihrer Ge: 
ſchichte, dab von ihm für fie eine neue Ara datiert, 
Auf das unermeßliche Ereignis des Untergangs des 
Dominium Temporale und Verwandlung R.s in 
die Hauptitadt des einigen Stalien hatten Heit 1859 
mit logischer Konſequen; bingeführt: die Macht 
der Nationalibee, die Fehler Napoleons ILL. und 
Pius’ IX., das Vandnis Staliens mit Preußen im 
Kriege von 1866, endlid) der Sturz des Tea Kaiſer⸗ 
tums durch die Siege Deutſchlande. Seit dem 
Tage von Mentana (3. Nov. 1867), mo bie Bean 
en die päpitl. Gewalt über N. wicder befeitigt 

atten, benuhten bie Jeſuiten diefe Pauſe der Ne: 
jtauration zur ——— ihres lange vorbereiteten 
Handſtreichs. Unter dem Schuß der erneuten franz. 


Rom”(Stabt) 


Decupation wurde bad Konjil (f. b.) inR. gehalten, 
weldes 18. Juli 1870 das Dogma der Unfeblbarteit 
des Papſtes dekretierte. Einen Tag jpäter erfolgte 
bie Kriegserflärung Napoleons III. an Deutichland. 
Aber die Schläge, welde Frankreich niederwarfen, 
machten aud dad Papittum zerfallen. Da bie 
franz. Truppen aus dem Kirchenſtaat abgerufen 
worden waren, zog eine ital. Armee unter Cadorna 
in denſelben Septemberta en gegen R., in denen 
die deutjchen Armeen vor Baris rüdten. Die ital. 
Nation verlangte R.; die ital, Regierung erklärte, 
daß die Vefehung der Stadt notwendig fei, um 
Stalien und das Papfttum vor der Revolution zu 
ihüpen, Nur um die Thatjadhe der Gewalt zu 
beweiien, ließ der Papſt die Stabt verteidigen, 
worin der General Kanzler 6000 Dann gg 
Die Stapitulation erfolgte in wenig Stunden. Durd 
die Breiche an der Porta Pia zogen die Jtalicner 
20. Sept. in das mit Tricoloren beflaggte R. und 
beſehten die Stadt mit Ausnahme des Batikanijchen 
Viertels. So erloih nad taufendjährigem Be 
ſtehen die weltliche Herrichaft des Bapittums. Ca— 
dorna ward Kommandant von R., La Marmora 
Eivilgouverneur, - Am 2; Dft.-1870 votierten bie 
Römer auf dem Kapitol die Bereinigung der Statt 
mit Ytalien. Don 167548 eingejhriebenen Wät- 
lern ftimmten 135 2%, von dieſen 133681 mit Ya. 
Am 8. Nov. bemädhtigte fih die ital. Regierung 
des Quirinal3, als künftiger Nejidenz des Königs; 
9. Dez. wurde dem ital, Parlament der Gejegent 
wurf über die Verlegung des Regierungsſihes von 
Florenz nach R. vorgelegt, und 23. Dez. von dieſem 
mit der Beitimmung, daß fie binnen 6 Monaten 
jtattfinden folle, mit 192 gegen 18 Stimmen an: 
genommen, , j 

Infolge der verheerenden Tiberüberihwenmung 

(29. Dez.) lam Victor Emanuel 31. Dez. nah R., 
nahm im Quirinal Wohnung, unterzeichnete bier 
die Annahme des Plebiszits der Nömer und verlieh 
1. Jan. 1871 R. wieder. Am 23. 309 der Stronprinz 
Humbert mit feiner Gemahlin feitlich in A, und den 
Quirinal ein. Die dringendite Aufgabe der Regie 
rung Staliens war e3, der kath. Welt barzutbun, 
daß durd die Verwandlung R.3 in die Hauptitadt 
Italiens die geiftlihe Unabhängigkeit des Bapites 
nicht beihjädigt werde. Cie erlieb 13. Mai 1871 
das Geſeß der Garantien, weldes Pius IX. ver 
warf. Unterdes rüjtete man bie liberfiedelung der 
Regierung von Florenz. Nloftergebäude wurden 
in Haft zu Lolalen für Minijterien eingerichtet. 
Uralte Klöjter, wie San:Silveltro in Capite, das 
der ig im Marsfelde, die Minerva, Santi— 
Apoftoli u. a., bauteman, one dab man die Mönde 
vertrieb, teilweile aus. Die Curia Innocenziana 
wurde zur Parlamentshalle, der Palaſt Madama 
bisher bie Bolt) zum Senatshaus verwandelt. 
Im 1. Juli fiedelten die Miniſterien über; 2. Juli 
hielt Victor Emanuel feinen feierlihen Cinzug, 
bezog den Quirinal, verlieh aber N. bereits in der 
Nacht vom 3. zum 4. Juli. Nach und nad ſchickten 
alle Mächte, die — anerlennend, ihre Ge 
ſandten nach R. Am 27. Nov. 1871 eröffnete der 
König bier das ital. Parlament. 

Während fi) die ital. Regierung in R. bleibend 
einrichtete, der Staatsrat, die Mintjterien, die Ver 
waltungs: und Gericht&höfe hier ihren Sig nahmen, 
erllärte fich der Bapit als ein Gefangener im Ba: 
titan, den er feityer nicht mehr verließ. Gr ftellte 
feine öffentlichen Funktionen im St. Peter und 


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ei Bnstitut, 6 Pal.diVenszia, W Pal Farnese, 1 Fal.d Caneelleria. K-Unirerstia della Sapienen, 1 Collegtum Korn eoum | 
= D Forum Trayanı , FE Farıom Augurtse. Y Bandıca Masentiu | Genstant ) G ums Flavıa (Pamıdınnı N. Ars tonatantını | 


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Rom (Stadt) 731 


andern Bafılilen ein; er wieberbolte den Dann | und rellamierte in feiner Ofter-Encyclica bie Rechte 
gegen die Räuber R.s und des Kirchenſtaats, er auf das verlorene Dominium Temporale, aber 
proteftierte der ie a gegen die Aufhebung der | nicht mehr in der heftigen Sprache Pius’ IX. 
Köiter, die Einziehung der geiftlihen Güter, die | Die Jahre 1870—81 enthalten die ewig benl: 
Enführung der Givilche u. ſ. w. Alle Mächte | würdige Geſchichte der begonnenen Verwandlung 
Europas anerlannten R. als Hauptftadt Italiens, R.8 aus der geiltlichen zur weltliden Hauptſtadt. 
und dielath. Welt überzeugte fich, daß die geiftliche | Tiefe Aufgabe der Transformation, ohne das vor: 
Unabhängigkeit de3 Papſtes dem Garantiegejeh ge: | bandene Große und Gute zu a ift mehr 
mäß in nichts beichränft jei. Das große ‘Problem | als ſchwierig. Nachdem durch die Breſche bei 
freilich der Ausföhnung diefer feindlichen Gegenfäge, | Porta Pia die politiſche und bürgerliche Freiheit 
die fortan in R. nebeneinander beftchen follen , des | eingezogen war, begann fie auch auf den Trümmern 
unnationalen, feiner polit. Macht enttleideten Bapft: | des ! — — ein neues Leben zu er— 
tums und des nationalen a zu löfen, | zeugen. Eine ſtarke Ginwanderung von Italienern 
bleibt der Zukunft überlaſſen. ie Nömer I aus allen Provinzen fand ftatt, wie zur Zeit 
traten mit Enthuſiasmus in ben neuen gu tand | Leos X. Der jährlihe Zuwachs ift 5600, ſodaß 
ein; die Oemeindewahlen im Aug. 1872 fielen troß | im J. 1881 R. 300467 und 1884 324649 E. —— 
der Anſtrengung ber klerilalen Partei ſämtlich na— a. Spekulationen lichen aläbald eine 
tionalaus. Als nun Bictor Emanuel (.d.)9. Jan. | Neihe von Banken entftehen, die fchnell unter: 
1878 im Quirinal ftarb, legte die Stadt R. durd) gingen (unter ihnen aud die Atalo:Germanica). 
eine wahrhaft erhebende Trauer das Zeugnis ab, | Viele Fallimente erfolgten. Die Regierung ordnete 
daß fie nicht mehr dem Yapfte, fondern der ital. | mit Einſicht die PVerhältniffe der alten päpitl. 
Nationangehöre. Die Repräjentanten aller Städte | Banten Monte di Pietä, Santo:Spirito und Banca 
und Trovinzen, mehr al& 170000 herbeigelonmene | Romana. An die Spike der Stadtverwaltung trat 
Italiener gaben am Sarge Victor Emanuels noch: | ſtatt de3 Senators und der drei Konfervatoren 
mals das Votum ihrer Einigkeit ab, während die | (lehter Senator R.s war der Marchefe Cavaletti) 
Vertreter fremder Mächte bie wärmfte Eympatbie | der Eindaco di Noma; dazu fam ber Präfelt von 
Europas betundeten. Unter ihnen befiegelte die | R. und der röm. Provinz. (Als folcher machte ſich 
Anweſenheit de3 deutichen Kronprinzen den Bund | Gabda verdient; als erite Sindaci wirkten Doria, 
zwiigen dem neuen Deutichland und dem neuen | Benturi, Pianciani, Ruspoli und der junge Herzog 
Italien. Durch eine Adreſſe verlangte N. von der | Zorlonia). An die Armenpflege, das Schulweien, 
ehentaligen Hauptſtadt Piemonts als 38 Opfer | die ediliziſchen Verhältniſſe wurde mit Eifer eine 
des Patriotismus den Verzicht auf die Beftattung | ordnende, neubelebende Hand gelegt. Im erften 
de3 Königs in der Superga bei Zurin, und der | Enthufiaamus dehnte man manche Projekle zu weit 
tote Victor Emanuel wurde im Pantheon de3 | aus. Dur Planierung, welde die an den öſtl. 
Agrippa beftattet. Sein Cohn Umberto beſchwor Stadtmauern liegende, bisher von Ruinen undWein: 
die Verfafjung und empfing den Eid der Vertreter | bergen bededte ——— R.s nn: bat, 
der Nation in der feierlihen Yarlamentsfigung | ftedte man neue Quartiere ab. Solche follten ent: 
19. Yan. Nur der greife Pius IX., obwol iu tehen auf dem Esquilin, Biminal und Cölius, am 
den Zod feines großen, ihm perfönlich jtet3 fymı: | Monte:-Teftaccio und in den Prati di Nerone. Es 
patbil en Feindes erfhüttert, proteftierte gegen die | wurben biöher — ——— Esquiliniſche Vier: 
Thron eſteigung feines Nachfolgers; dann raffte tel bei Sta.: Maria Maggiore und San-Giovanni 
ein feltianes Verhängnis auch ihn plöglich dahın. | Laterano, ein Teil des Biminals * den —5 
Der letzte Papſt, welcher R. als König beherricht | und Caſtro Pretorio mit Villenbauten. Die Via 
und alle feine Vorgänger an Regierungsjahren über: | Nazionale, deren Anlage noch aus der Zeit Pius' IX. 
troffen hatte, ftarb 29 Tage nad) dem Tode des | ftanımt, von den Thermen Diocletians bis aut 
eriten Königs des neuen Italien im Batican 7. Febr. * za bi Venezia gerichtet und von da, durch die 
Im St. Veter, wo Pius IX. in den lekten jieben | } ——— von alten Gebäuden, bis zu dem Pa: 
Jahren ſich nicht mehr gezeigt hatte, ward er num | la330 della Gancelleria fortgeführt, foll jenes Neu: 
auf der Zotenbabre zum Fuͤßluß drei Tage lang | rom mit dem Centrum des alten verbinden. Cie 
ausgeftellt und von allen Klaſſen des röm. Bolts | ijt im Vorfchreiten begriffen. Der größte, doch 
— würdige Teilnahme geehrt. a uien | arditeltoniih unſchöne Neubau iſt der Palaſt des 
in der Sirtina im St. VBeter, wo ein jeder tote Papft | Finanzminifteriums an der Dia di Porta Pia (jeht 
provijoriich verfenkt wird, fanden bei verfchlofjenen | Venti Ecttembre genannt); wie bei allen neuen 
Thüren ftatt. Mit Pius IX. endete die lange | Gebäuden R.s hat nur das Nüßlichkeitsprinzip 
Epoche des polit. Papfitums. Das Conclave von | feinen Charalter beftimmt. Beleuchtung, Kana: 
62 Karbdinälen, das volljtändigfte aller bisherigen, | lifierung und Pflafterung der Stadt werden eifrig 
wurde troß der Bemühungen ber Jefuiten und Ins | gefördert. Für Neubauten in Rom gewährte die 
tranfigenten in R. gehalten und 18, Schr. im Va: | ital. Regierung 1883 cine Unterftühung von 
tifan_durdh den Conclavemarſchall Fürft Chigi ge: | 50 Mill, Ir3.; ein anderes Gejeh von 1833 be: 
——— bei volllommener Ruhe und Freiheit unter | zwect die Melioration des Bodens der Umgegend 
en Schuß der ital. Negierung. Schon 20. Febr. | R.s. Zwei Pferdebahnen führen vom Bahnhof 
ging daraus der neue Papft Leo XII. hervor, ehe: | zum Lateranplag und zur Piazza Venezia, eine 
mals Kardinal Gioachino Pecci. Der erfte Kapit, andere führt von R. zur Kirche San:PBaolo fuori 
der unter den neuen Berhältnifien den heil. Stuhl | le Mura. Befeitigte Schanzen auf den —— 
beſtieg, ohne die Krone des weltlichen Fürjtentums | von R. find in der Anlage. Die erſte Sorge der 
zu tragen, ohne Gebieter Roms zu fein, zeigte als: | ital. Regierung war die Regulierung de3 Laufs 
ald, daß er der gemähigten Tartei ſich zuneigte. | des Tiber (f. dd, infolge der Üüberſchwemmung im 
Ganz Italien begrüßte —— mit Beiftimmung. | Dez. 1870. Die lühnen Pläne Garibaldis, den 
Gr blieb zwar im Batilan verfchloffen, wie Pius 1X., | Fluß von R. abzuleiten, find gefallen; zunächtt foll 


fein Bett gereinigt und erweitert werben, ‘Jim | 
April 1878 wurden die Reſte der Subliciichen 
Brüde mit Dynamit geiprengt; der Garten ber 
Farneſing fällt diefer Flußregulierung leider zum | 
Dpfer. Der Ponte Eijto ward erweitert (1878), 
aber feines -monumentalen Charakters beraubt. 
An der Nipetta entftand eine neue eilerne Brüde. | 
Zu den Eiſenbahnen von It. nad Florenz, Neapel, 
Frascati und Arezzo lam 1878 noch die nad) 
Fiumicino. 
Rühmlich it der, Fortſchritt des Unterridt3. 
Bis 1870 gab es in R. nur geiſtliche Schulen. 
Am 16. Dez. 1870 wurde die erſte ſtädtiſche Knaben⸗ 
ſchule und die erſte Mädchenſchule eröffnet. Im 
J. 1883 gab es 350 Kommunalſchulen (Klaſſen) mit 
350 Lehrern und 14153 Schülern, ferner533 Privat: 
ſchulen mit 551 Lehrern und 13775 Schülern. Die 
erite höhere Töchterfchule gründete die Dichterin 





Erminia Zus Fufinato, Gymnaſien, techniſche 
Inſtitute, wie das Leonardo da Vinci genannte, 
Ingenieurſchulen ſind neu entſtanden. Das be— 
rühmte Hoſpiz San-Michele ward mit neuen 
Schulen der Handwerke und Kunftgewerbe aus: 
geitattet, Die röm. Univerfität ward umgeformt, 
ihre theof. Fakultät aufgehoben, die andern Fa: 
kultäten find erweitert; bie medizinische zählt ſechs 
Llinilen. dem — Palaſt der vertriebenen 
Jeſuiten (Collegio Romano) ward das Liceo Ennio 
Quirino Visconti, dad Muſeo d’ Iſtruzione e 
d’ Ebucazione eingerichtet; ebendafelbit das Mufeo 
Breiltorico und Mufeo Kircheriano neu georbnet 
und erweitert, und feit 1875 durch den Unterrichts: 
minilter Bongbi auch die große Bibliothek Vittorio 
Gmmanuele gebildet (fürerjt aus 360000 Bänden 
der ng 48 Klojterbibliotheten R.s); in dem: 
felben Lolal haben die Ftalieniihe geographiiche 
Gejellichaft und das Meteorologiiche Gentralamt 
ihren Sitz. Dur eine Galerie iſt ſie mit ber 
Vibliothet der Minerva verbunden. Die 1602 ge: 
gründete, von Pius IX. 1847 erneuerte natur: 
biltor. Accademia de’ Lincei, deren Mitglied 
Galilei geweſen ift, befindet ſich jebt im Palaſt 
Gorfini und ward durch ihren frühern Präfidenten 
Sella (jeiger Präfident Francesco Brioschi) um 
die zweite Klaffe (biltor. und moraliihe MWifjen: 
haften) vermehrt. Im ehemaligen Srauenkloiter 
Sta.:Maria in Canıpo Marzio nahm das röm, 
Staatdardiv feinen Siß: gebildet aus den Alten 
der päpitl. Verwaltung, foweit fie in den Bereich 
der ital, en hau famen, und aus den Archiven 
der aufpebo enen Klöſter. Seit 1877 entftand eine 
Kommiſſion der vaterländishen Gefchichte, welde 
ein periodiſches Journal, das «Archivio storico 
romano», berausgibt und andere Bublifationen 
von Chroniten und Urkunden zur Geſchichte R.s 
veripridt. Das hier am meijten gepflegte Gebiet 
der Studien war ſtets die Ardäologie: jeit 1875 
wurde die Direzione generale archeologica für 
Italien in R. eingejcht, unter der Leitung des 
durch feine Ausgrabungen in Pompeji berühmten 
Senators Giufeppe Fiorelli. (Vorher hatte ber 
verdiente Pietro Roſa allein die Aufficht der röm. | 
Altertümer.) Somohl die Erdarbeiten in den neuen | 
Uuartieren, al3 fyitematiiche Ausgrabungen (Ba: | 
latin, Forum Romanum, Thermen Garacallas, | 


Nom (Stadt) 


im onjervatorenpalait (ehentaliger Hof) vereinigt. 
Gin anderes Mujeum in der Nähe des Botanijdyen 
Gartens ift beſtimmt, die bei der Regulierung des 
Tiber gefundenen Altertümer aufzunehmen, ein 
drittes, bei den Thermen des Diocletian, ijt (1886) 
im Eniſtehen begriffen. Seit 1870 find die wid: 
tigiten Ausgrabungen in R. bie unter Noja be: 
gonnenen der Ruinen der Kaijerpaläfte und des 
Forums, wo die Bafılifa Julia, der Vicus Tuscus, 
der Arcus Fabianus, der Locus Vestae und andere 
Ortlichkeiten ganz freigelegt worden find. Die von 
demjelben begonnene Wiederaufdbedung der Arena 
des Kolojjeums bat fein ur Rejultat gehabt. 
Deren das Deutiche arhäologische Inſtitut fein 
aBollettino archeologico» —— gibt auch 
ſeit 1872 die Commiſſione Archeologica des röm. 
Municipiums ein folches heraus. Die Sorge für 
die ge Altertümer, deren Präfident Giam- 
battijta de Roffi unter dem Papſt war und noch ijt 
Katalomben u. ſ. w., Fortführung des großen 
rfö «Itoma sotterranea»), bat einen Stillftand 
erlitten. Doc ſeßt diejer berühmte Gelehrte das 
«Bollettino di archeologia cristiana» fort. Auch 
in andern Wifjenichaften wird die geiteigerte Thätig- 
feit der Univerfität und der Alademie de’ Lincei, 
wie der Zufammenfluß von Talenten aus ben Bro- 
vinzen nad) R. ohne Frage von Wirkung fein. Die 
Tagesprefie nahm ſeit 1870 einen bemerllihen 
Auf ung. Außer dem amtlichen Organ der Regie: 
rung («Gazzetta ufficiale del Regno d’Italia») ent: 
fand eine Menge von Zeitungen, wie «Popolo Ro- 
mano»,« gna», aOpinione⸗, « Riforma»,«Bersa- 
gliere» —— «Libertä», «Stampa», die de: 
molratilche «Capitale», «Diritto», die engl. «Italian 
Times» , die franz. «Italie», die Wipblätter «Fan- 
fulla» und «Capitan Fracassa» x. Bon den ebe: 
maligen Zeitungen des päpitlihen R. hat ſich nur 
erhalten der «Osservatore Romano», bie jeſuitiſche 
«Voce della Veritä» und das eingegangene franz. 
«Journal de Rome», während das große 
ber Sen die «Civilta Cattolica», nad Floren; 
übergeliedelt it. Nach turiner Muſter ift jet 1871 
auch ein Circolo filologico eingerichtet werben; 
ferner ein internationaler —— und ein 
röm. Iſtituto di belle arti, mit Kunſtausſtellungen, 
feit 1832 in dem neuen Palazzo delle belle arti. 
Geiſtliche Schulen und Lehranftalten, wie Prieiter: 
feminare beitehen übrigens in R. ungehindert fort, 
und nad) der Aufhebung der Sapienza als päpitl. 
Univerfität bat im Vatikan felbit eine höhere Lehr: 
—— den ** ae de * ar —* 
ogiſchen auch andere en —— en 
find viele andere, zum Teil ee Alademien 
und Gefellichaften päpftl. Uriprungs beitehen ge: 
blieben, fo für bildende Künfte die Accademia Ro: 
mana di San Quca, die ver zn ione Artiftica 
dei Virtuofi al Pantheon, für hu bie Accademia 
flarmonica, für Archäologie bie Tepe Acca: 
demia romana bi Arceologia, die Societä bei 
cultori bella —— — für Litteratur 
die Accademia Tiberina, degli Arcadi, die Acca— 
demia pontificia dell’ immacolata Goncezione, die 
Accademia eccleſiaſtica, die Accademia teologica 
und die Accademia liturgica. Andere litterariiche 
und wiſſenſchaftliche Inſtitute, die zum Teil von 


Tantheon, das noch von DVisconti als päpftl. | der Negierung unterftügt werden, die Accademia 
Direkltor der Altertümer ausgegrabene Emporium, | dei Lincei, die Societä univerjale dei Quiriti, die 


Ditia u. ſ. w.) haben viele Antiten an das Licht | Accademia medica, die Accademia romana 


ali 


gebracht. Diefe find meift zu einem neuen Mufeum | ingegneri ed ardhitetti di Roma, die Societä 


Rom und Nömijches Neich 783 


romana di Storia patria, die Societä geografica 
italiana zc.; unter den Kunſtinſtituten find hervor: 
zuheben die Accademia Reale di Sta, Cecilia und 
die Societä degli amatori e cultori delle belle arti, 
welche jährliche Ausstellungen veranftaltet. End— 
lich verdienen unter den fremden Akademien Gr: 
wähnung die Accademia nazionale di Francia, 
die —F Arhäologiihe Schule, das laiſerl. 
deutjhe Archäologiſche Inſtitut, die jpan. Ale: 
demie der ſchönen Künſte und die Ajjociazione arti: 
jtica internagionale. Zu_ den alten Theatern ge: 
fellten fih Quirino, Roſſini, Manzoni, Coftanzi 
und Alhambra. Außerdem wird jeht noch in der 
Dia Nazionale das Teatro dramatico nazionale ge: 
baut für ital. Stüde, Im Unterbau des antiken 
Maufjoleum — iſt das Anfiteatro Umberto I. 
bergen tet. Da das Garantien ga nk 
ihen Macht entkleideten Papſt die Stellung eines 
Souveräns gefichert hat, jo übt er dieſe in dem 
vatikaniſchen Bezirk ungeltört aus, Es ift ihm auch 
ein eigenes PBoft: und Telegraphenweſen geblieben. 
Beim Heiligen * ſind —33 vor die kath. 
Mächte Spanien, Oſterreich, Franfreih und Por: 
tugal durch Botſchafter vertreten, während zu: 
gleich dieſelben Mächte ihre beim * Italiens 
im Quirinal ng Botſchafter halten. Diefe 
doppelte Vertretung bei zwei einander an 
fouveränen Gewalten in R. eine jonberbare 
Spaltung in der dortigen diplomatiichen Welt er: 
eugt, und dieſe febt ich auch in der röm. Gefell: 
(halt fort, weldye in er ſich meift ausſchließende 
—— die kllerilale und die italieniſche, ge: 
rennt i 
A —* ſind die —— Den II sn 
er Umgeitaltung R.s. Der ausichließlich geilt 
Charakter der Stabt ift, die Monumente ber de 


’ 


abgerechnet, ſchon jet verſchwunden. Meder pomp: 
bafte Kirchenfejte, noch Brozeffionen üben me 
ihre alte Anziehungskraft aus; der Papſft bleibt 


n 
unſichtbar, gleich den Kardinãlen. Die zahlloſen 
Mönde find bis auf Die wenigen, dem Ausjterben 

eweihten Reſte verſchwunden, denn alle Klöſter 

1.3 erliegen dem Gefeb des Staats, der dieſe In— 
ftitute des Mittelalters aufgehoben hat. Es iſt zu 
rühmen, dab die Regierung dabei mit Schonung 
verfahren iſt. Die Kultusfreibeit hat ſchon jeit 
1870 alatholifche Selten und Gemeinden nah R. ge: 
zogen, wo fie Kapellen und Kirchen einrichteten und 
bauten (amerif. Hirde und die Waldenſerlirche in 
in der Dia Nazionale und mehrere andere). So 
mächtig zeigte jich der Drud der neuern Beit, dab 
der Papſt im Febr. 1872 eine öffentliche Diskuſſion 
röm. Prieſter mit waldenſiſchen Getitlichen über 
die berühmte Frage: «Db Betrus jemals in R. 
wars, gejtattete. Wohlthätig wirkte bereits bie 
Freiheit nicht allein auf den Bürgerftand, in wel: 
chem ſich der Geilt der Afjociation und des Vereins: 
lebens zu regen beginnt, fondern aud) auf die röm. 
Ariſtokratie. Bisher in ruhmlojem Mußiggang 
dahinfebend, nimmt fie jest an den Pflichten des 
Staatsbürgers, in den Kammern, dem Stadt: und 
Provinzialrat, thätigen Anteil, wenige Nepoten- 
familien abgerednet, welche jih noch entjernt 
baften (Rofpiglioi, Barberini, Naftımo, Altieri, 
Salviati, Aldobrandini, Mattei). Das Vermögen 
und bie geiitige Kraft R.s durch Erſchaffung eines 
arbeitſamen Burgerſtandes zu mehren, kann frei: 
lich nur die Aufgabe langer Zeit fein, jo gut wie 
die Bebauung der von der Malaria erfüllten öden 


Campagna. Die Induſtrie hat in R. ſeit ber 
Annerion große Veränderung erlitten; einige 
Zweige, wie die Gijeninduftrie, find gefunten, 
andere haben große Fortichritte gemadt, wie 
namentlich alle, welche durch die vielen Neubauten 
unterjtügt werden. R. ift feine reihe Stadt. Ein: 
nahmen und Ausgaben derjelben beliefen fi 1883 
auf 37807 920 Lire; unter den Einnahmen bezifferte 
ſich der Ertrag der Berbrauchsiteuer auf 8 Mill. Pire. 
Litteratur: Gairoli, « Disegno di legge per 
concorso dello stato nelle spese edilizie e di am- 
pliamento della capitale del Regno»; Simonelli, 
«Relazione parlamentare (15. Giugno 1883) sulla 
— governativa per il prestito di 150 milioni 
i Lire da contrarsi dal Municipio di Roma per 
l’esecuzione del piano regolatore» ; Tommafi-Eru: 
deli, aMemorie diverse sulle cause della malaria 
e sui mezzi preservativi, publicate negli atti dell’ 
accademia dei Lincei»; Giordano, «Cennisullecon- 
dizioni economiche di Roma e del suo territorio» 
(Flor. 1871); Manzi, «Igiene rurale degli antichi 
Romani in relazione al bonificamento dell’ agro 
romano» (Rom 1885); berfelbe, »La viticoltura e 
l’enologia presso i Romani» (Nom 1883); Cllena, 
«Delle industrie della provincia di Roma» (Annali 
di Statistica, Serie 3*, vol. II, 1882); Demard)i, 
«] prodotti minerali della provincia di Roma» 
(ebenda); «Monografia della cittä di Roma e della 
Campagna romana» (2 Bde., Rom 1881); Sella 
«Relazione parlamentare 24 Gennaio 1881 sul 
progetto di legge relativo al Concorso dello stato 
nelle opere edilizie e di ampliamento della Ca- 
pitale del Regno»; Bompiani, «Relazione al Con- 
siglio Comunale sul piano regolatore e di am- 
pliamento della cittä di Roma» (Rom 1882); Bac: 
carini, Berti, Genala ıc., «Progetti di legge e rela- 
zioni diverse per la sistemazione del Tevere e il 
bonificamento dell’ agro romano. Atti parlamen- 
tari 1876— 85.» Unter ben neueften Reife: und 
Handbuchern über R. find hervorzuheben: Baebeler, 
«Mittelitalien und NR.» (7. Aufl., Lpz. 1883), Gfell: 
Fels, «N. und die Campagna» (3. Aufl., 2p3. 1833). 
Rom und Römiſches Reich (eſchichtlich; 
über Verfaſſungsverhältniſſe, Kriegsweſen, Ge: 
richtsweſen zc. |. unter Römiſche Altertümer). 
. Rom unter den Hönigen. Die aus dem 
Altertum überlieferte Geſchichte Roms weiß die 
Entjtehung de3 röm. Staats mit Jahr und Tag 
u bejtimmen, wobei freilich das erftere verſchieden 
erechnet wird, und feht die Gründung der Stadt 
jelbjt in Verbindung mit einer weit ausbolenden 
Vorgeſchichte. Sie läßt Rom 21. April, nad) 
Varros Berechnung im 3. Jahre der 6. Olympiade 
= 753 v. Chr., von den Zwillingsbrüdern Ro: 
mulus und Remus gegründet werden, jebt dabei 
Kom in Verbindung mit Alba Longa, eine Stadt 
im Albanergebirge, dieſe wieder mit Yavinium und 
lehteres jelbit mit Troja, indem fie Lavinium her: 
vorgehen läht aus einer Verſchmelzung trojaniicher 
Einwanderer unter Äneas mit den Ureimmohnern 
Latiums, den fog. Aborigines. (S. Lateiner.) 
Diefer ganze Kreis von Erzählungen ift aber nicht 
nur in nd rein ſagenhaften Clementen, jondern 
auch da, wo er die Form geſchichtlicher Thatſachen 
annimmt, zu verwerien. Gr ijt in der uns vorlies 
genden Yallung das Werk ſchriftſtelleriſcher Erfin- 
dung und Kompoſition. Auch die neuere Derfanng 
über röm. Gefchichte fucht jedoch über Rom jelbit 
binauszugehen und feine Entitehung aus den 


784 


Berhältnifien Latiums zu begreifen, aber in ganz 
anderer Weile. Sie juht vor allem die röm. Natio: 
nalität feftzuftellen. Die Bevölterung Noms er: 
iheint aus drei Stämmen iufammengeie t, den 
(latiniichen) Ramnes, den Tities und Luceres. 
Wenn man daraus, daß der Name der Tities von 
dem Sabiner Titus Tatius abgeleitet wird, viel: 
leicht nicht mit Unrecht gefolgert hat, dab der Sage, 
wonach Nom aus einer Vereinigung latiniicher und 
ſabiniſcher Elemente hervorgegangen ift, nicht aller 
Grund abzufprechen fei, fo hat die neuere Sprad): 
forihung erwielen, dab Latiner und Sabiner eng 
verwandte Zweige derielben italiihen Bölkerfamilie 
waren. (S. Italiſche Böllter und Spraden.) 
Es wäre alfo aud unter dieſer Boraustekung die 
römiſche Nationalität nicht als eine gemiſchte an: 
zuſehen. In Wahrbeit aber hat jedenfalls die latei: 
niiche Bevölkerung in Nom bei weitem das Über: 
gewicht gehabt, wie ſich ichon daraus ergibt, daß 
vie Sprache Roms die lateinijche war. m den 
dritten Stamme, den Luceres, wollten früber 
manche Gtruster erlennen. Derjelbe it aber höchſt 
wahrſcheinlich ebenfall3 für lateinisch zu halten, 
wenn auch unzweiielhaft ſchon früh Clemente etrus: 
liſcher Kultur in Nom eingedrungen find, 

Die ftaatlihen Borausiekungen Noms find dem: 
nad) diejenigen, weldye überhaupt in Latium um 
die Zeit des 8. Jahrh. v. Chr. vorhanden waren, 
d. der Gau als beſtehend aus einem Verein von 
Ge chlechtern (geutes), die ſelbſt wieder aus einer 
— Familien beitehen, geleitet von einem polit. 
Dberhaupte, wohnend in einem offenen Toorfe im 
Schuße einer Sure (arx, capitolium), neben an: 
dern Gauen, mit denen zufammen er einen Gau: 
bund mit einem gemeinichaftlihen Vorort bildet. 
Indem nun mit dem Gau der Namnes, 22 km 
oberhalb der Tibermündung, fi der der Tities 
und fpäter der der Luceres verband, vergrößerte 
fich die ummauerte Stadt, bie Roma quadrata, auf 
dein Palatium, demjenigen der dort befindlichen 
Hügel, welder der Burg, dem Kapitolium, ſüdöſtlich 
gegenüber lag, durch weitere Niederlajlungen auf 
den umliegenden Hügeln und den dazwischen lie: 
genden Thälern, Der Grund diefer Zunahme der 
Bevölkerung an einem weder gefunden, noch befon: 
ders fruchtbaren Orte wird wohl mit Recht in der 
Lage am Tiber gefucht, indem der Mangel eines 
natürlichen Hafens an der Mündung die Schiſſer 
veranlakte, bis zum nächſten ſichern Orte ftrom: 
aufwärts zu fahren, und biejer einerfeit3 zum 
Etapelplag für bie Srensaine Latiums, für 
Ellaven: und BViehbandel, andererfeit3 zum Ein: 
taufsplag für fremde Waren wurde, 

„Die fo entjtehende und_entitandene Stadt läßt 
bie Tradition zuerſt von Königen regiert werben, 
deren fie, Nomulus eingefchloffen, fieben aufzählt, 
mit einer Regierungszeit von — 240—244 
Jahren. Allein weder die Eiebenzahl diefer Kö: 
nige, noch die 240 Jahre ihres Regiments, noch die 
Regierungszeit der einzelnen, n0d endlich die Ver: 
teilung beftinmter einzelner Greigniffe und Ein: 
rihtungen unter die verſchiedenen Herrfchernamen 
tönnen al3 biftorifh gelten, nur mag der fort: 
Ihritt, der in der Entwidclung Noms allmählich 
unter den Königen gemacht wurde, im ganzen 
ziemlich richtig gezeichnet fein. Es heben fih, wenn 
man die einzelnen Königsgeſchichten miteinander 
vergleicht, ſofort die drei erften und die drei lehten 
ols zufanmengehörige Gruppen heraus, während 


Nom und Römiſches Reich 


ber vierte König den libergang bildet. Jene erfte 
Gruppe repräfentiert den im Innern noch durch 
nichts gejtörten Staat der Patricier, d. h. ders 
enigen Geſchlechter, aus denen die ſich vereinigen⸗ 
den Gaue beftanden, und die Feſtſtellung der ein: 
fachſten Elemente der polit. Verfaſſung, wie fie 
über und neben dem Geſchlechterſtaat aus dem Zu: 
fammentreten mehrerer unter ſich nicht verwandter 
Gaue hervorgingen. Tie polit. Cinrichtungen 
dieſes Gejchlechteritaat3 repräientiert Romulus, 
die falralen Anjtitutionen Numa, die erften An: 
fänge der Bergrökerung und Abrundung des Ge 
biets und damit aud den immer größern ort: 
ſchritt von der Gauverfaſſung zu dem ftädtiichen 
und ftaatlihen Weſen ftellen in der Hauptiade 
wohl rihtig, wenn au im einzelnen unbiftoriich, 
die Berichte von den Siriegen des Romulus und 
Tullus Hoitilius mit den nächſten jabiniihen, lati— 
niichen und etruriichen Nachbar dar. Daß unter 
diefen Kämpfen einzelne einen ernitern Charalter 
hatten und mit völliger Einverleibung unterwor: 
fener Gebiete endigten, zeigt die wohl als hiſtoriſch 
anzuerfennende Zerftörung Albas und die Ber: 
pilanzung albaniſcher Geſchlechter nad Rom; da: 
gegen fönnen die Kämpfe mit Beil und andern 
Nachbarſtädten für diefe Zeit nur als nadhbarliche 
Neibereien betrachtet werden. Die Gedichte vom 
Haub der Sabinerinnen ift vollends nur ein My: 
thus. Der vierte König, Ancus Marcius, vereinigt 
in fih die Eigenihaften des Numa, als defien 
Tochterſohn er bezeichnet wird, mit denen des Ro: 
mulus, Ihm wird die Gewinnung des ganzen Ge 
biet3 von Rom bi? an den Ausfluß des Tiber und 
infolge davon die Anlage der Kolonie Dftia zuge: 
ichrieben, vor allem aber foll Ancus Marcius die 
in glüdlihen Kriegen mit den übrigen Gauen und 
Städten Latiums gefangenen Ginwobner nad 
Rom verpflanzt haben. Dadurch ward die aufer 
den patriciihen Bollbürgern in Rom befindliche, 
teils aus Clienten (f. Elientel), teild aus zuges 
wanderten und nad Nom verpflanzten Satinern 
beitehende Bevöllerung ſtark vermehrt. 

Die zweite Periode der Königszeit beginnt 
da, wo die Plebs (f. d.) zu einem Faltor der Ent: 
widelung wird, Man lann diefe zweite Periode 
al3 die der Tarquiniſchen Könige bezeihnen. Auch 
je ift in ber Überlieferung no fagenbaft auge: 
hmüdt, läßt aber doch noch weientlide Züge ers 
tennen. Die Sage läßt die Targuinier von Etrurien 
nah Nom kommen; dies ift erfunden unter der Vor: 
ausfesung, Nom hätte die Elemente höherer Bildung 
in den erſten Jahrhunderten vorzugsweije von ben 
Gtrusfern entlehnt. Die kritiſche Forſchung zeigt 
aber, daß dies nicht der Fall ift, und daß die meiſten 
eben Kulturelemente, namentlich die Buchſtaben— 
chrift und einige Anfänge der bildenden Kunſt, viels 
nr von den Griechen Unteritaliens und Siciliens 
nad) Latium und Non kamen. Es war dies eine Folge 
davon, daß die Tarquinier, bie am wahrſcheinlich— 
ften als ein latiniſches Geſchlecht anzuſehen find, 
nicht bloß Rom in Latium eine hervorragende, ja 
zuletzt bie erfte Stelle verſchafften, ſondern e3 auch 
in ben bamal3 von Griechen, Kartbagern und 
Gtrusfern betriebenen Verlehr des Mittelmeer: 
bineinzogen und insbeſondere eine lebhafte Berbins 
dung mit Cumä und andern Griedenftädten Unters 
italiens und Siciliens, ja fogar mit Maifilia, dem 
Fen Marſeille, herſtellten. Die Sage untere 
cheidet zwei Tarquinier ald Bater und Sohn, ſchiebt 


Rom und Römifches Rei 


aber zwiichen beiden den Servius Tullius ein mit 
einer Regierungszeit von 44 Jahren, was eine — 
nol. Unmöglichkeit iſt. Dagegen wird wohl zu glau: 
ben jein, daß das Haus ber Tarquinier in mehr als 
einer Oeneration herrſchte, während fi nicht mehr 
erfennen läßt, wie fi) dazu die Figur des Servius 
Zullius verhält. An den Namen bes Servius 
Inüpfen fich die wichtigſten Thatſachen diefer zweis 
ten Periode. Schon Tarquinius Priscus, wird 
erzählt, hatte im Sinne, die Plebejer, die bis jeht 
auberhalb des Geſchlechterſtaats geitanden und nur 
Laſten, nicht auch polit, Rechte gehabt, in den Ver: 
band des Staats —** iehen. Er konnte aber, 
gehemmt durch priefterlihen Einſpruch, nur eine 
Anzahl von plebejiihen Familien gerade fo viele, 
als e3 patricifche gab, in die bisherige Einteilung 
ber Bürgerfhaft aufnehmen und zu Nitterfchaft, 
Senat und Priefterwürden gelangen laſſen. Grit 
bad Verbienjt des Servius Tullius war ed, bie 
Plebs zwar nicht gleichberechtigt mit den Patriciern 
zu maden, aber doch den ganzen Stand in den 
Verband des Staats hineinzuziehen und ihm da: 
durch, daß man wichtige bürgerliche Rechte auf die 
Anfäjfigleit und den Kriegsdienit bafierte, ſolche zu 
verſchaffen, fie aus Nichtbürgern zu Halbbürgern 
zu machen. Auch wurde dem Servius da3 groß: 
artige Werf der Ummallung fämtlicher Teile der 
Stadt mit einem Umfang von etwa 8 km zuge: 
Ihrieben, ein Werk, von dem fich bis heute bedeu— 
tende Reite erhalten haben. Endlich erſcheint unter 
Servius Tullius Nom in einer bedeutenden Stel: 
lung innerhalb de3 Latinifchen Bundes. Unter ihm 
ward in Nom auf den Aventin ein Bundesheilig: 
tum errichtet. In diefen Verhältniſſen tritt in der 
Tradition der zweite Tarquinius, der den Beinamen 
Euperbus erhielt, als derjenige König auf, der die 
bisherige Entwidelung auf die Spipe treibt. Er 
beendigt die ftädtiichen Anlagen, die feine Vor: 
gänger — vor allem den lapitoliniſchen 
empel. Unter ihm erſcheint das Gebiet und die 
Macht Roms auf einem Höhepunlte und Nom iſt 
das Haupt Patiums, Er Infipft weitgreifende Ber: 
bindungen mit den Nachbarſtaaten an, aber durd) 
ibn ftürzt auch das Königtum — dem 
äußern Anlaß nad wegen des Übermuts ſeiner 
Söhne und des Attentat3 auf Lucretia, in Wahr: 
beit durch feine Stellung zu den Geſchlechtern. 
Sein Sturz war nicht einiad, wie es in der Tra⸗ 
dition gejchildert wird, ein Sieg der Volfsfreibeit, 
fondern erfolgte wohl mehr im Intereſſe der se 
tricier, die ji von der Königsgewalt in Kg De: 
deutung a wer faben und nun, da dieſe 
Gewalt durd) Kriegsdienfte und Fronen auch die 
Plebejer bedrüdte, die Unzufriedenheit diejer be: 
nusten, den unpopulären König zu ſtürzen. Das 
Jahr der Vertreibung des Tarquinius und damit 
ber Abſchaffung des Königtums ift nad) der tradi⸗ 
tionellen Chronologie das J. 510 v. Chr. 

II Rom als Republik. Nach Vertreibung 
ber Könige trat an die Stelle der lebenslänglichen 
Gewalt eine jährlich wechjelnde und unter zwei 
Männer geteilte, ein imperium annuum et duplex. 
Dei diefer Beichräntung der oberjten Gewalt ward 
das Prinzip der Kollegialität dem der Zeitbefchrän: 
fung in der Weife an die Seite gefeht, daß jeder 
ber beiden Beamten die gleiche volle Macht hatte, 
zugleich aber jeder beichränft war durch das Veto 

3 andern. Im übrigen handelte e8 ſich darum, 
bem Kompromiß zwijchen Batriciern und Plebejern, 

Gonverfationd» Lerilon, 13. Aufl, XIII, 


185 


durch welches die Revolution zu Stande gelommen 
war, bei der Verteilung der öffentlichen Rechte unter 
die beiden Stände Ausdrud zu geben. Den Löwen: 
anteil erhielten die Patricier. Allerdings ging die 

olit, Bedeutung ber patriciichen Vollsverſamm⸗ 
ung ber Curiatcomitien in ber Hauptſache auf die 
—— — Centuriatcomitien über. Cs 
wurde ferner allen —— den Plebejern wie den 
Batriciern, die Provolation, d. h. das Recht der 
Appellation an das Bolt in Kapitalſachen erteilt 
durch ein Gejeh des Balerius Boplicola, die röm. 
Habead: Corpus: Alte, Endli wurde der unter 
Zarquinius Superbus jehr zuſammengeſchmolzene 
Senat, al3 man ihn wieder auf die Höhe von 
300 Mitgliedern brachte, wohl mit aus Plebejern 
sraängt. Allein die Batricier nahmen für fi den 
A * der Magiſtratur und der Prieftertümer 
und behielten ſich, wie es fcheint, beſondere korpo⸗ 
rative Rechte innerhalb des Senats vor. Das 
Stimmrecht in den Centuriatcomitien war zu ihren 
Gunften organifiert, und felbft das Provolations: 
geieh konnten fie vorübergehend fufpenbieren durch 
die Ginfeßung der Diktatur al3 zn Heritel: 
lung der einheitlihen Obergewalt. 

Diefe ungleihe Verteilung, in Verbindung mit 
den fozialen Verhältnifien, führte bald zu einem 
Kampfe zwiſchen den beiden Ständen, der über ein 
yehrhun ert dauerte, Die treibenden Motive in 
diefem Kampfe waren auf feiten der Patricier ein: 
beitliher Natur: Behauptung ber regierenden Ge: 
walt im Staate; auf feiten der Plebejer waren fie 
—— hrer Maſſe nach waren die 
Plebejer anfällige Bürger mittlern Vermögens; es 
hob ſich aber eine nicht ganz unbedeutende Anzahl 
reicher Familien aus ihnen ab. Nun beſtanden die 
allgemeinen —— am Anfang der Republit, 
mit und ohne Schuld der Patricier, in der Meife, 
daß zwar jene reihen Plebejer ſich oben erhielten, 
aber die mittlern, von Kriegsdienſt und Steuern 
unverhältnigmäßig in Anfprud genommen, vom 
Kapital der reihern Batricier und Plebeſer ab: 
bängig wurden, ja ſehr an, in Schuldknechtſchaft 

erieten, olonomiſch aljo — wurden. 
gleicher Zeit > die Kolonijation, weil der 
Gebiet3umfang eher zurüdging al3 zunahm, und 
wenn ja neues Land gewonnen wurde, jo machten 
e3 die Patricier zum ager publicus, jur Staats: 
bomäne, deren Pacht fie als ihr Vorrecht betrach⸗ 
teten, das vo noch mit den plebejiichen Sena⸗ 
toren zu teilen wäre. Der art aber, ber einen 
bedeutenden Bolten in den öffentlichen Einnahmen 
bilden follte, wurde nicht regelmäßig eingezogen, 
fodaß die hauptſächlich auf den Plebejern laftende 
Grunbditeuer, welche im Bedürfnisfall ausgejchrie: 
ben wurde, öfter erhoben werden mußte, als jonit 
nötig geweien wäre. In diefen ölonomiſchen Din: 
gen nun waren bie Inlereſſen ber reichen Plebejer 
von denen der —— nicht verſchieden. Dagegen 
ſuchten erſtere den Patriciern den Alleinbeſihß der 
Aniter zu entreißen, was wiederum für Die ärmern 
Plebejer gleichgültiger war. Offenbar hätten die 
Patricier dieſe Teilung der Intereſſen benuten 
fönnen, um die Plebs ſelbſt zu ſpalten, aber ihr 
ftarres Beſtreben, bie privilegierte Stellung nad) 
allen Seiten hin —— vereinigte immer 
wieder die ganze Plebs gegen fie. 

Tas am weiteiten treibende, geradezu revolur 
tionäre Glement in diefem Kampfe war das der ſo⸗ 
jialen Intereſſen, und die traditionelle Chronologie 


60 


786 


läßt denn auch den erften Ausbruch desfelben, den 
Auszug der Plebs auf den Heiligen Der, ſchon im 
J. 494, alfo ſchon 15 Jahre nad der Vertreibung 
der Könige, aus Anlak diefer ftattfinden. Das 
Ergebnis diefer Revolution war neben momentaner 
ötonomijcher Grleihterung das Bollstribunat (f. 
Tribun und Tribunat), als eine den Blebejern 
eigentümlihe Magiltratur, und die Organijation 
der Plebs als eines eigenen polit. Standes, wäh 
rend wohl um biefelbe Zeit eine neue Ginteilung 
des ganzen Gebiets jtatt wie bisher in 4 ſtädtiſche 
Tribus, an die das angrenzende Land angeſchloſſen 
war, in 4 ftäbtijche und 16 ländliche Tribus vorge: 
nommen wurbe, wozu gleich oder bald nachher ein 
91. und mit ber Beit noch weitere Tribus kamen. 
Indeſſen wurde dadurch, daß die Plebs nunmehr 
ein Organ und eine Organiſation batte, die Heftig: 
feit des weitern Kampfes zunächſt nur wenig ge: 
mildert: die freilich fanenhaft ausgefhmüdte Ge: 
ſchichte von Goriolan (491) und von Sp. Gaffius 
(486), die Ermordung des Tribunen Genucius 
(473), der fiberfall des Kapitols durd eine Schar 
Berbannter (460) zeigen dies zur Genüge. Der 
erite pofitive Erfolg des Tribunats war dad Zwölf: 
tafelgefeb. Ein Jahrzehnt lang fämpfte nach der 
Tradition der Tribun Terentilius Arſa darum, 
indem er zuerit 462 den Vorichlag einbradte, es 
folle ein für beibe Teile, Patricier und Plebejer, 
gleihmäßig geltendes Landrecht ſchriftlich abaefaht 
werden. J. 451 durch eine befondere Magi: 
ftratur von zehn Männern, bie an bie Stelle der 
Konfuln traten, und denen gegenüber man aud) 
das Tribunat aufhob, in Angriff genommen, wurde 
dieſes röm. Staatögrundgejek 450 fertig und in 
12 Zofeln publiziert. Im folgenden Jahre aber 
wurben bie Decemvirn, die den Verſuch machten, 
fi) widerrechtlih im Amte zu behaupten, nach ber 
Tradition durch eine zweite Gecefjion der Plebs 
befeitigt, das Konſulat mit feinem Gegenftäd, bem 
Tribunat, wiederbergeftellt und mittel® der va: 
leriſch horaziſchen Gelee die Nechte der Tribunen 
und ber Plebs gefeſtigt und erweitert. Bon da an 
war der Kampf rubiger und geordneter; an die 
Stelle ſtürmiſcher Schlachten trat jept eine regel: 
rechte Belagerung der Feſtung, welche die Borrechte 
der Batricier bildeten, bis endlich im Laufe von 
150 Jahren diejelbe erobert wurde. Nacheinander 
werden gewonnen : 445 die Ehegemeinſchaft zwiſchen 
Batriciern und Blebejern durch das canulejtiche Ge: 
ſeß, in bemjelben Jahre die Konzeſſion, daß jtatt 
der Konſuln auferordentlicherweife auch Militär: 
tribumen mit lonfulariicher Gewalt newählt werden 
tönnten aus beiden Ständen, 421 der Zutritt der 
‘lebejer zur Duäftur, 368 oder 367 durch ein 
liciniſch⸗ fertifches öeſeß zu einem der hoͤhern 
Prieſterklollegien. Endlich gehen 367, wie es heißt 
nad elfjährigem harten Kampfe, die andern ent: 
ſcheidungsvollen liciniſch-ſextiſchen Geſetze durch 
mit folgenden Artileln: Es ſoll wenigſtens der eine 
Konſul ein Plebejer ſein; lein Gutsbeſiher ſoll mehr 
als 500 Morgen Staatsdomänen pachten können; 
die Gutsbeſiher ſollen nicht bloß mit Sklaven, fon: 
dern auch mit einer verhältnismäßigen Anzabl 
freier Arbeiter ihre Güter beitellen; es follen mit 
Beziehung auf die Vergangenheit den Schuldnern 
die bereits gezahlten Zinjen vom Kapital abgezogen 
und für die Bezahlung des Reites billige Früten 
aewährt werden. Damit waren die wejentliden 
polit, und ölonomiichen Forderungen der Plebs 


Nom und Römiſches Neich 


miteinander durchgebracht; ver Reſt folgte vollends 
ohne große Mühe, In den %. 339 unb 337 er: 
halten die Plebejer Zutritt zu Cenfur und Prätur, 
und im 5%. 300 dur da3 ogulniiche Geſeß, wie 
ſchon früher 28 der Oralelbewahrer (Decem- 
viri sacris faciundis), zu ben zwei andern zu: 
glei politifch wichtigen — dem Au⸗ 
purat und Bontifilat. Endlich wurde, nahdem 
lange jchon frühere Gefehe den Beſchlüſſen der Plebs 
in ihren Beriammlungen nad Tribus eine be- 
dingte Gültigkeit für das Geſamtvoll beigelegt 
batten, um das J. 287 v. —* durch ein Geſch 
feſtgeſtellt, daß dieſelben unbedingte Geſetzeskraft 
haben ſollten. So lonnte von einem ſtändiſchen 
Zwieſpalt nicht mehr die Rede fein. _ 
, Unterdefien war ber Gang ber äußern Ereigniiie 
in diefer erften Beriode der Nepublil ein nicht 
minder bewegter geweien, indem nach drei Seiten, 
gegen Patiner, Etruöter, Nguer und Boläfer, Ronı 
mit aller Macht ih zu wehren hatte. In Latium 
batte die Nepublif eine oberberrlidye Stellung von 
den Hönigen ber überlommen, konnte dieje aber 
t nicht im ihrem vollen Umfange behaupten, 
ondern mußte fih bequemen, auf den Stanbpuntt 
eines gleichen Bünbnifjes fich zu ftellen, freilich im- 
mer nod) jo, daß Rom allein alien übrigen Latinern 
gleih war. Sonach enthielt denn der neue Bundes⸗ 
vertrag, den 493 der Konſul Spurius Caffius 
ſchloß. die Beftimmung, daß in gemeinfamen Krie 
en aller Gewinn an Land und Beute zu gleichen 
ilen unter Rom und die übrigen Latiner geteilt 
werben folle. Bei diefem Verhältnis bfieb es auch 
338 bildete der ca: 


für lange Beit; denn bis fiſche 
Vertrag, bem 486 bie Herniter, bie Bewohner 
der VBorberge des Sabinerlandes, beigetreten wa: 


ten, bie Grundlage ber Stellung Roms zu Latium. 
Die Berfuche der Patiner, ſich günjtiger zu ftellen, 
enbi Giegen der Nömer, und für 

inzelne Zatinerftäbte, wie Tusculum, mit ber Ein: 
verleibung in ben röm. Staat (381). 

In Etrurien ftand Rom cin Städtebund gegen: 
über, deſſen nädhjtgelegener Zeil, mit dem es am 
bäufigiten zu thun hatte, die Stadt Teji war. Gr: 
öffnet wurde ber Kampf mit Etrurien durch den 
Krieg gegen den König Worfena von Clufium, ber, 
nach der Tradition, um die Zarquinier wieder ein: 
zuſehen, wabrideinlid die Shwädhe Roms nad) 
dem Sturze der Tarquinier benugend, Nom angrifi, 
die Stadt zur Übergabe zwang und, was in der 
Tradition vielfadh verbedt wird, fogar zu einem de: 
möütigenden Vertrag mit Gebiet3abtretung brachte. 
Nur kann dieſer Bertrag nicht lange in Gültigkeit 
geweien jein; denn bald findet man die Römer 
wieder im Befik ihres frühern Gebiet? und von 
da an bauptiählic im Kampfe mit Beil. Nah 
beinahe bundertjährigem Etreite, in deſſen crite 
Zeit (479—477) die Aufopferung der Fabier beim 
Zanden Eremera fällt, wird Beji erobert (396). 

ie Nömer faßten damit feiten Sub in Etrurien 
ſelbſt und um die Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. find 
fie im Beſih von ganz Südetrurien bi3 zum Gimi- 
niſchen Waldgebirge. Damit ift der Kampf aui 
biejer Seite zu einem vorläufigen Abſchluß gebradt. 
milden die etruriichen Kämpfe binein fällt ber 

berfall Roms durch die Gallier (390). Dies war 
jedoch nur ein vorübergehender, wenn auch gewal: 
tiger Sturn, der um jo weniger bleibenden Gin: 
flüß auf die Machtſtellung der Kömer übte, als cr 
die Gtruäfer ebenſo kart traf, 


Nom und Römifches Reich 


Unbedeutender an Macht, aber bartnädiger und 
ausdauernder al3 die Gtrusfer war die britte 
Gruppe von feindlichen Nachbarn, die Aquer und 
Boläter, von denen bie erjtern die Rorboftgrenze 
Latiums, die leßtern die Berge üblich vom Albaner: 
gebirge inne hatten. Immer und immer lehren 
dieſe Striegsgefchichten bei Livius wieder, und wenn 
auch nicht die Hälfte davon biftorifch ift, fo erfennt 
man doch baraus, welche Mühe es den vereinigten 
Römern und Latinern koſtete, diefer Heinen Völker: 
ſchaften Herr zu werben. Ums J. 380 waren bie 
Nömer mit Hilfe der Herniler, deren Bünbnis 
wegen ihrer Sage zwiſchen Hquern und Volskern 
boppelt wertvoll war, definitiv Sieger und konnten 
durch Anlegung von Kolonien feiten Fuß faflen. 
Als fie dann auch noch im Land der Sabiner, wie 
es ſcheint, ohne befondere Mühe Eingang gefunden, 
befand fih von Eäre in Gtrurien bis hinab zum 
Liris an Grenze von Gampanien und vom 
Meere bis ins Herz von Mittelitalien binein alles 
unter röm, Botmäßigfeit, und der röm. Name war 
in ganz Stalien, ja bereit3 über das Meer hinüber 
aus bei den Griechen befannt. Die Eroberungen 
bi3 387 wurben in vier, die bis 358 in zwei weitere 
neue Bezirke oder Tribus gefaßt. 

Die zweite Periode der Republik, die Zeit 
von ber Beendigung des Kampfes der Stände bis zu 
den grachiichen Unruhen, charakterifiert ſich durch 
die Herrihaft der Nobilität. Gefehlich berrichte 
ion allerdings kein nennenswerter polit. Unter: 
ſchied mehr zwifchen ben Bürgern; allein die Vors 
züge, welche Vermögen, Geburt und die von Ge: 
netation zu Generation fortgepflanzte polit. Braris 
den patriciichen und vornehmen plebejiihen Fami⸗ 
lien gaben, zeigten fi nad wie vor wirkiam. 
Nur erweiterte ſich jekt ber Geburtäabel zu einem 
Beamtenabel, das Batricint ur patriciſch⸗ plebeji⸗ 
ſchen Nobilität. Bald genug No ; fich hinter einer 
verhältnismäßig Heinen Zahl reicher plebejifcher 
Familien, mit welchen bie Batricier ihr bisheriges 
Monopol auf die Amter teilen mußten, der Kreis, 
und nur felten gelang e3 einem, ber diefem ſtreis 
nicht angehörte, ihn zu durchbrechen und als neuer 
Menich» (homo novus) ſich in die hertſchende Klaſſe 
einzuführen. Wie jebe Ariftofratie, jo hatte auch 
Diele römische ihren Schwerpunft nicht in ber Ma: 
giftratur, fondern im einer Ratsverſammlung, 
ım Senat, und indem nun in dieſer zweiten Periode 
diefe centrale Stellung de3 Senats al3 ber eigent: 
lihen Regieruugsbehörbe ſich vollendete, änderte 
ſich notwendig die Bedeutung der Magiftratur, des 
Tribunat3 und der Vollsverfammlung. Die Mas 

iftratur wurde dadurch in soanifhen Zuſammen⸗ 

ang mit dem Senat gebracht, daß man im Anfang 
dieſes Zeitraums feſtſetzte, es ſollten die Lüden des 
Senats ordentlicherweiſe aus den geweſenen höhern 
Beamten ergänzt werden. Dadurch hatten auch die 
fungierenden Beamten weniger Intereſſe, ſich von 
der Autorität einer Behörde zu emancipieren, in 
die fie nad) Beendigung ihres Amtsjahrs eins oder 
znrüdtraten, und wenn jie ja eine Gmancipation 
verfuchten, fo erhielt diefe bei der einjährigen 
Dauer des Amts wenig Bedeutung gegenüber einer 
bleibenden Behörde, die alle polit. Kapazitäten in 
ſich Schloß, Nicht minder wichtig aber war e3, daß 
e3 dem Senat gelang, das Vollstribunat aus der 
revolutionären Stellung, die in feinem Urfprung 
und feinen Weſen lag, in ben organiihen Zus 
fammenbang des Staats, im den regelmäßigen 


187 


Gang der Amterſtaffel bineinzuziehen und es nicht 
nur dem Senat gegenüber zum Schweigen zu brin: 
gen, fondern fogar zu einem Organ der Regierung 
zu maden, das fi wegen feiner eigentümlichen 
Stellung ald Widerpart des Konſulats erforder: 
lichenfalls gegen a Magiftrate verwen: 
ben ließ. Als Konfequenz diejer Stellung des Tri- 
bumatö aber ergab ſich, daB aud die Volläver: 
fammlung, befonders die unter der Leitung der 
Tribunen ftehenden Tributcomitien für die herr: 
ſchende Ariftolratie ganz ungefährlich wurden. So 
4 es unter der Leitung des Senats in der innern 
NW itik diefer Zeit — zu. Die einzige um⸗ 
faſſende Verfaſſungsänderung, die dieſer Periode, 
und zwar wahrſcheinlich dem J. 241, zugewieſen 
werben ann, bie jog. Neform der Genturiatcomi: 
tien, hatte jo wenig Bebeutung, dab nicht einmal 
feftiteht, ob jie eine fonjerwative oder bemofratifche 
Mapregel war. Die Tüchtigleit dieſer Ariftofratie, 
die noch über die Hälfte diejer Beriode hinaus ihre 
Stellung nicht ala Sinefure faßte, erklärt eö aber 
auch, weshalb das röm. Bolt ſich babei berubigte, 
jeine Geſchicke in deren Händen zu willen. 
So ruhig die innere Geihichte Noms in biefer 
Beit verlief, fo bewegt war die äußere: es voll 
ich in ihrem Berlauf bie —— Noms zur allei⸗ 
nigen Großmacht im Syſtem der Mittelmeerſtaaten. 
Das erfte Stabium dieſer Entwidelung bilden die 
Kämpfe mit den Latinern, Samniten, Gtrusfern 
und Galliern. Die Latiner empörten ſich 343 gegen 
Rom, wurden aber nad) dre Jäbrigem rieg in der 
Schladt bei Trifanum von dem Konful T. Man: 
lius Imperioſus gänzlich befiegt. Es erfolgte die 
Auflöfung des latiniſchen Bundes. Man belieh 
dem größten Teil der unterworfenen Städte in 
ihren Angelegenheiten zwar noch bie Autonomie, 
aber alle wurden untereinander itoliert, bie meijten 
wurden in die röm. Bürgeraemeinichaft teild mit, 
teils ohne Stimmrecht aufgenommen und nur ein: 
zelne durften als bejondere, aber doch abhängige 
Staaten fortbeftehen.. Antium und Terracina 
wurden röm. Bürgerlolonien. Diefes ftraffere An: 
ziehen der Zügel gegenüber Latium war um fo wid): 
tiger, als zu gleiher Zeit Rom dazu fam, über La: 
tium hinaus in Campanien feſten Fuß zu fallen. 
Dort hatte das Bergvolt der Samniten, deren Siße 
in ben heutigen Abruzzen lagen, das gene Kuſten⸗ 
land, die griech. wie die campaniſchen Städte, unter 
feine Botmäßigkeit gebracht. Streitigleiten, welche 
die in Campanien befindlichen Samniten mit denen 
in den Bergen unterhielten, veranlaßten die Römer 
einzufchreiten und zu helfen. Sie halfen aber jo 
gründlich, daß fie bereitö um 330 eine Reihe bedeu: 
tender campaniſcher Städte, darunter Capua und 
Gumä, ihrem Machtgebiet einverleibt hatten. Die: 
fer — einem ſo te Stamm 
wie die Samniten führte zu weitern Zufammen: 
jtößen, und es entwidelte ſich nun jene Folge von 
Kämpfen, die man als den zweiten und dritten 
Samnitenfrieg bezeichnet, und deren Gegenitand 
unädjt Gampanien war, dann das famnitijche 
toland, in dritter Ziniedas hinter Diefem liegende 
Apulien mit feinen griech. Städten. Gleich beim 
fog. zweiten Samnitenfriege (326 — 304), deſſen 
bervorragendfte Begebenheit die Gefangennahme 
eines rönt. Heers bei den Caudinijchen Päſſen war 
(321), kamen jämtlide drei Gebiete nacheinander 
in Frage, zudem Umbrer, Gtruster, quer. Sogar 
die Herniter verbanden fi mit den Sammniten, 


50* 


788 


aber bie Römer blieben Sieger unb behaupteten 
Canıpanien und Apulien. Schon hier beginnt jenes 
meifterhafte Syftem der Römer, die eroberten Land⸗ 
ftriche durch Militärftraßen zu fihern und an diefen 
entlang Kolonien als Feitu anzulegen, fei es 
als Latinifhe Kolonien mit Römern un Catinern 
oder als reine röm. Bürgerfolonien. Die erite 
diefer Straßen war bie 312 von dem Cenſor Appius 
Claudius von Rom nad) Capua angelegte fog. Bia 
Appia. Darauf [eigen die Straßen von Rom den 
Tiber entlang dem Adriatiichen Meer zu, fpäter die 
Dieminiide enannt, und die von Rom durch das 

arferland —— fpäter fog. Valexiſche. Aber 
nod) während der Anlage dieſer Straßen und Ho: 
lonien F— 298 nochmals die ganze mittelitaliſche 
Koalition los und 309 fogar die Gallier von be 
Vo:Ebene ald Bundesgenofien herbei. Allein bie 
Schlacht bei Sentinum in Umbrien 295 brach bie 
Macht der Koalition. Ein Glied derjelben um das 
andere fiel ab, und 290 war ber Krieg zum Bors 
teile Roms entichieben. Das Refultat war die teils 
unmittelbare, teils mittelbare Herrſchaft über ganz 
Ytittelitalien, 

Mit der Feftießung in Apulien, wo die Kolonie 
Benufia 291) allein 20000 Koloniften erhielt, war 
Rom bis dit vor Tarent gerüdt, Der Übermut 
der Tarentiner rief je J ben Ausbruch des 
Kampfes hervor, zu deſſen Führung die Tarentiner, 
unfähig mit eigenen Kräften ſich zu halten, den 
Söldnerführer Pyrrhus von Epirus berbeiriefen, 
Der Erfolg des Kriegs mit Pyrrhus, mit dem wies 
derum die Samniter, Lucaner, Bruttier fich ver: 
banden, war nad anfänglihen Niederlagen der 
Römer bei Herallea in Lucanien (280) und A3- 
culum in Apulien (279) fchließlih ein für Rom 
— Nach dem Siege des Manius Curius 

eniatus bei Benevent (275) verläßt Pyrrhus Ita⸗ 
lien, und 272 wird Tarent erobert. Im Verlauf 
der nächſten ſechs Jahre wird Rom Herrin von ganz 
Unteritalien, und damit ift ganz Italien im bama: 
ligen Sinne, d. h. von den nördl. Abhängen des 
Apennin bis zur Meerenge von Meſſina, unter der 
röm. Republit vereinigt. Die einzelnen italiſchen 
Städte und Landfhaften find teils förmliche Teile 
ber Republit, wie die Bürgerftäbte und Kolonien, 
teild abhängige Bundesgenofien, unter denen wie: 
der Rechtsunterſchiede gleihen und ungleichen 
Bundniſſes beitanden. , 

So ftand Rom 266 an der Sübipie ber Halb: 
infel unmittelbar —— gegenüber, der Beherr⸗ 
ſcherin Siciliend und ber erften damaligen See: 
macht im Mittelländifchen Meer, mit welcher bie 
röm. Republit feither immer Frieden und Freund: 
fchaft gehabt hatte und eben noch gegen * 
und Tarent verbindet geweſen war. Von den 
Mamertinern, einer campaniihen Sölbnerbande, 
die fi in Meffina feſtgeſetzt, zu Hilfe gerufen, tha: 
ten bie Römer 264 den entiheidenden Schritt über 
bie Meerenge. Nach 23jährigen Kriege (264-241), 
der auf Sicilien, auf dem Meere und in Afrika 
fvielte, und in wel die Römer fi zu einer 
Seemadt erhoben (j. Puniſche BregN); 
Ihließlih der Sieg des Lutatius Catulus bei den 
Agatiſchen Inſeln den karthag. Anteil der Inſel 
Sieilien in die Hände der Römer. Damit fam ein 
ganz neues Clement in die röm. Reichöverfaflung, 
nämlich das der Brovinzialverwaltung. Sodann 
benußten die Römer 238 die ze Karthagos 
durch feine Söldner, um ihm auch Sardinien und 


Rom und Römifches Reich 


Corfica zu entreißen. Ya Jogat an ber Dftküfte bes 
Adriatiihen Meerd wußte Rom in den Kämpfen 
egen die illyrifche Königin Teuta, 228, und ben 
ormund ihres Sohnes, Demetrius von Pharus, 
219, feine neuerrungene Seeftellung zu erproben. 
Um biefelbe Zeit fing die Republit an, aud in der 
Po:Cbene die dortigen Gallier diesfeit und jenfeit 
bes Bo, die Bojer und Inſubrer heimzufuhen, und 
bereit fonnte fie, nah harten und gefährlichen 
Kämpfen, hoffen, bis zu ben Alpen fi 
und jedenfalld die Po⸗Grenze dur die Kolonien 
Eremona und Biacenza zu halten, als fie gerade an 
biejer Stelle durch Hannibal überrafht wurde. 
Der Krieg mit Hannibal oder der Zweite Bunifche 
Krieg, eingeleitet durch die Groberung Sagunts 
von ſeiten Hannibald 219, und von 218 an nach⸗ 
einander in Italien, Spanien, Sicilien, Afrila ge- 
führt, wo der Kampf 202 mit dem zen 
bei Jama endigte, iſt der Höhepuntt der Bedraͤng⸗ 
niffe ber röm. Republit, aber auch ihrer Größe. 
Der Erhebung aus ber Lage, in die Rom durch die 
Schlacht bei Gannä (216) gebradht war, fteht an 
olit. und moraliſcher Bedeutung keine andere Zeit 
er röm. Geſchichte gleich. 

Der materielle Gewinn beitand in ber Erwerbung 
Spaniens und bes cisalpinifhen Galliens (Ober: 
italiens), der politifche in der bleibenden Inferioris 
tät Karthagos und der Erhebung Roms zur erften 
Großmacht im Bereiche des Mittelmeers. Es war 
est, da die Hüfte des transalpiniihen Galliens, 
die den libergang von Italien nach Spanien fidherte, 
in ben Händen von Bundesgenofjen Roms, der 
Maſſalioten, ſich befand, der ganze Weften des 
Mittelländifchen Meers ein, wenn auch nicht durch⸗ 
aus unterthäniges, fo doch die lichteit 
Roms anertennendes geichloffenes Länderſyſtem. 
Der Dften da egen fand fi) noch geteilt unter die 
Diadocenreice acebonien, vondem Griechenla 
abhängig war, Syrien, da3 über ganz Vorderaſien 
berrichte, und Aghpten. Die Unterwerfung dieſer 
durchweg unter dem Einfluß bellenijtiicher Bildung 
ftehenden Welt war die Aufgabe, die Rom im 
2. Jahr). v. Chr. Löfte oder wenigitens vorbereitete. 
Macedonien wurde nad) ben Kriegen mit König 
Philipp V. 200—197 (Scladt bei Rynoste 
phalä) und Perſeus, Philipps Sohn, 171— 168 
N chlacht bei Pybna) noch in dieſer Beriode bem 

ömijchen Reiche als Provinz einverleibt, ebenjo 
Griehenlandb unter dem Namen Adaja nad) der 
Eroberung Korinth durh Mummius (146), nach⸗ 
dem e3 196 von Duinctius Flaminius für frei er: 
Härt worden war, aber dieſe Freiheit nur in innerer 
Berrijienheit verbracht hatte. Syrien mußte infolge 
des Kriegs mit Antiohus III. (192—1%0), der ın 
Griechenland begonnen, nad) Ajien hinü 
wurde und mit ber Schlacht, bei Magnefin 10 
endigte, Kleinafien an röm. Bafallen abtreten, blieb 
jedoch in feinem eigentlien Gebiet noch unabs 
bängig. Agypten endlich wußte fi zwar neutral 
n halten, verzichtete aber damit auf eine jelbitän- 
ige Politik gegenüber Rom. Wenn in demſelben 
Jahre mit der Zerftörung Korinths (146) aud Kar: 

ago von P. Scipio Umilianus nah vierjährigem 
Kampfe erobert und zeritört und fein Gebiet zur 
röm. Provinz gemacht wurde, jo war die nur eine 
Vervollitändigung des weitl, Machtſyſtems und 
vollendete nur einen vorher faltiſch vorhandenen 
Zuſtand. So tritt Rom in den nachſten Zeitraum, 
der mit ben grachiichen Unruhen beginnt, als 





Nom und Römiſches Neich 789 


Herrin der civilifierten Welt ein, mit einem bunten, | veröbet, während bie Bevöllerung ber Hauptftabt 
fonderbar gemifchten Gefolge von Unterthanen, | an unzufriedenen Glementen zunahm. Bumchft 
Bundesgenofien und Bajallen, auf Italien fid) gelang e3 der Ariftolratie no, durch peluniären 
ftügend, aber aud) dies noch nicht als einiges Land | nfluß, durch Stimmenfauf den moralifhen zu 
beherrſchend, und an der Spike von diefem Stonglo: | erfegen, was um fo leichter war, als die Provinzen, 
merat von Völtern und Ländern, immer noch mit | die der Magiftrat nad Ablauf feines hauptftädti: 
der alten republitanifchen Verfaſſung, regiert von | ſchen Amt3jahres erhielt, die Koſten herbeiſchaffen 
einer ſtädtiſchen, aus einigen hundert Samilien bes | mußten. Einmal gewöhnt, die Teilnahme an der 
ftehenden Ariftofratie, Die Aufgabe war nunmehr | Tollsverfammlung ald Erwerbszwei — 
die, aus dem allem ein einheitliches Reich zu bilden. | konnte gb die Maſſe erinnern, daß fie, «die fou: 
Aber dazu beſaß die Nobilität politifch überhaupt | veräne Bürgerichaft», auch auf andere Meile zu 
nicht die Fähigkeit und moraliih jekt aud nicht | ihrem Anteil am Staatsvermögen kommen könne, 
mebr die Kraft. Ein eigentümliher Kontraſt zu | und da in der Berfafiung felbit mit dem Tribunat 
den Grfolgen Roms gegenüber den öftl. Reichen und | ein Drgan gegeben war, das zur Geltendmachung 
Karthago und ein bedenkliche Zeichen für die fer: | folder Aniprüche dienen konnte, fo kam ed nur auf 
nere Regierungsfäbigfeit der Ariftofratie war der | Männer an, die ben Mut beſaßen, jenes Drgan in 
Krieg in Spanien am Schluß dieſer Periode. Im | feiner alten oppofitionellen oder gar revolutionären 
Weiten, bei den Lufitaniern, deren Haupt Viriathus | Bedeutung aufzurichten. 
war, im Norden bei den Galläciern, vor allem im | Dieje Männer fanden ſich innerhalb der Arifto: 
Gentrum der Halbinfel, bei den Geltiberiern, be: | kratie felbjt in zwei Brüdern, Sprößlingen einer 
gegnete Rom jahrzehntelang einem Wibderftande, | der eriten Familien der plebejiſchen Nobilität, den 
den es nad) den FAR en Opfern und nad) Kämpfen, | beiden Gracchen, Tiberius und Gajus. Unter den 
in welden es jelbit Wortbruch nicht verſchmäht Leges Semproniae, wie bie von den Gracchen bean: 
atte, — nur durch ſeinen beſten Feldherrn, tragten und zum größten Teil auch durchgebrachten 
cipio Amilianus, brechen konnte. er letzte Geſetze heißen, find in erſter Linie die Acdergeſetze 
Waffenplatz, das celtiberiſche Numantia, wurde 133 | zu nennen, ber eigentliche Stern der Pläne beider 
nad) langmwieriger Belagerung erobert. Brüder. Dazu famen dann andere, wie das Gejeh 

Die dritte Periode der Republil, von ben | über die Gerichte, welches bieje in Die Hände ber 
Grachen bis auf Cäfar, kann in den innern und | Mittelllaffe, der von da an als bejonderer fozialer 
äußern Verhältnifien ala bie Zeit des fibergangs | Stand Eonftituierten Nitter gab, und das Geſeh 
zur Monarchie bezeichnet werden. Ten Ausgangs: | über Ablafiung von Getreide zu wohlfeilern Pa 

unkt derdahinzielenden Bewegung bilden wieder die | an die ärmern Bürger. Namentlich letzteres Geſet 
Torialen Verhältnijfe. Von der Beilegung des war von dem jüngern Bruder hauptſächlich einge: 
Kampfes der Stände an bis zum Anfang de3 bracht, um die Vollsverſammlung auf feiner Seite 
2. Jahrh. o. Chr. hatte unter der röm. Bürgerſchaft m haben. Die Adergeiepe bezwedten die Auftei: 
und in den Städten Italiens überhaupt eine ges | lung der Staatsbomänen in Stalien und in ben 
wifie — Harmonie beſtanden. Neben einer Provinzen an die ärmere Plebs. Wo, wie in Ita— 
reihen Ariftofratie beſtand ein zahlreicher bäuer- lien faſt durchweg, die bisherigen Pächter außer 
liher Mittelitand, und die daneben etwa vorhan- Befig geleht werden mußten, llte, obgleich der 
dene ärmere Bevöllerung fonnte bei der ſyſtematiſch Staat rechtlich feine Verpflichtung hatte, billige 
betriebenen Kolonijation in den verſchiedenſten ——— geleiſtet werden. Dennoch waren, 
Gegenden Italiens ausreichend verſorgt werben. | wie die Beſihverhältniſſe an den Staatsdomänen 
Nach der Unterwerfung von ganz Jtalien aber hörte | fich feit Jahrhunderten geftaltet hatten, von ber 
bie Kolonijation auf. Es gab zwar ausgedehnte | Arijtofratie nicht unerhebliche Opfer zu bringen, die 
Staatsdomänen, die rechtlich jeden Augenblid zur | freilich nicht in Betracht fommen konnten bei der 
Kolonifation verwandt werden konnten, aber diefe | Größe des Zwed3: Herftellung einer gefunden itas 
waren im Befit der Ariftotratie, die den Artikel der | liſchen Bauernfchaft an der Stelle eines hauptſtädti⸗ 
fertifc-licinifchen Gefepe, der ein Maß von 500 | fhen Proletariat® und befiere Fürforge für die 
Morgen für die Occupation der Staatäländereien | Provinzen. Die Nobilität wollte indes diefe Opfer 
vorſchrieb, längit vergefien hatte und ihren Befik | nicht bringen. Es kam zu Gemwaltmaßregeln und 
außer diefen, wenigſtens —— als Pachtgüter | beide Brüder fielen als Opfer ihrer Neformpläne 
eltenden Domänen noch dur Ha (133 und 121). Der von ihnen gegebene Anſtoß 
N wirkte aber unaufhaltfam fort, und von da an bis 
auf Cäfar treibt das polit. Leben Roms in den 
Kämpfen der Optimaten oder Nobiles und der Po: 
pularen, d. h. Demokraten. 

Zu diefen Elementen, die den Staat aufregten, 
fam noch ein anderes fehr wichtiges hinzu: das 
Berlangen der italifhen Bundesgenoffen nad dem 
vollen Bürgerredht. Die Dligardie vermeigerte 
dies und fonnte ſich dabei auf die Gngberzigfeit ber 
niedern Bürgerichaft von Rom ftügen, und fo fchei: 
terten nicht bloß die auf Ausdehnung des Bürger: 
recht3 gehenden Beitrebungen von C. Gracchus, 
jondern aud der Antrag des der Arijtofratie nach 
Geburt und Gefinnung angehörenden, aber ungleich 
feinen oligardijchen Standesgenofien das Bedürf: 
nis tief: und weitgehender Neformen erfennenden 
Vollstribuns M. Livius Drufus, man ſolle allen 


h Kauf arrondierte. 

nsbeſondere wog in der näditen Umgebung von 
Rom dieſer Großgrundbeſiß frühzeitig vor. Mit 
bem rüdjihtslos durch Sklaven bewirtfchafteten 
Großgrund 4 Br! der auswärtigen Getreide: 
zufubr konnte der mittlere und Heine, noch durch 
Kriegädienit in ame genommene Bauer nicht 
fonturrieren, und als freier Feldarbeiter im Tage: 
lohn konnte er nicht, als Handwerker wollte er 
nit anfommen. So wurde er befig: und arbeits: 
[08 in die Hauptitadt zurüdgeworfen, Die Arifto: 
fratie andererjeit3, die nunmehr über eine halbe 
Welt zu gebieten hatte, lernte mit griech. Kultur 
en griech orient. Lurus und die Lafter der ba: 
maligen belleniichen Welt kennen. Stalien wurde 
fo, vollends als an Stelle des Getreidebaues die 
im Großbetrieb mit Stlaven einträglichere Weide: 
wirtichaft um fich griff, immer mehr entvölfert und 


790 


italifchen Bundbesgenofien das Bürgerrecht geben: 
er wurbe ermordet. Die Folge war ber Abfall ber 
Bunbesgenofien: und ber nun ausbrechende fog. 
Marfifhe oder Bundesgenofientrieg (91—88), ber 
Rom an den Hand des Berderbens bradıte enbigte 
troß ber Siege Sullas doch damit, daß allen Jta- 
lifern, mit jehr wenigen Ausnahmen, das volle 
— — bewilligt wurde, wobei jehoqh im Be⸗ 
«jtalien» das Po⸗Land immer noch nicht ent: 
ten war. Die Gefege, durch welche dies ei. 
waren das zunädhjit die arg Frraigenin berüdfi 
tigende des Lucius Julius Cäfar vom a... 
und das auf die übrigen bezüglide der Tribunen 
som und Bapirius von 89, Anfolge diefer 

fee und ber bamit verbundenen völligen In— 
forporation ber Städte in das Romiſche Neid bil: 
dete fi, wenn aud noch nicht vollitändig durchge⸗ 
fahrt der Begriff eines Gemeindemweiens innerhalb 

Reiche allmählich mehr aus, der des einzelnen 
Municiptums als einer ber allgemeinen respublica 
untergeorbnieten Gemeinde, 

Dieſem Schritt zur Einheit bes Reichs zur Seite 
ging eine entſchieden monarchiſche Tendenz in ben 
innern Barteilämpfen, die damals Rom zerrifien 
und durch die Namen der Führer Sulla und Marius 
bezeichnet find. a ben Kriegen, mwelde bie Ne: 
publit am Schlufje des 2. yahrh. in Afrifa und 
Gallien zu führen hatte, war der Staat durch die 
Unfähigleit ber aus ben herrichenden Familien 
ftammenden Heerführer in die gefährlichite und be: 
mütigendfte Lage gelommen, und beidemal war e3 
ein Dann aus dem Bolte, Gajus Marius, der, von 
der Vollsverſammlung an die Spihe der Heere be: 
rufen, die Sicherheit und Ehre des Staats wieder: 
—28 Es geſchah dies aber, indem in zwei 

unlten das bisherige Syſtem durchbrochen wurde: 
einmal war Marius, entgegen den geieblichen Be: 
ftimmungen, im Kriege mit den Gimbern und Teu: 
tonen fünf Fahre bintereinander (104 — 100) zum 
Konful ernannt worden und brachte e8 86 fogar 
um fiebenten Konfulat, und ſodann hatte er ange: 
—— bie Heere, ftatt wie bisher aus ben ver: 
möglihern Bürgern, aus allen röm. Bürgern ohne 
Unterfchied und zufolge deſſen größtenteild aus 
den ärmern Bürgern, mit alleiniger Berüdfichtigung 
der körperlichen Tüchtigleit zu refrutieren und ba: 
durch Zegionen zu ſchaffen, die nur an ihren Fahnen⸗ 
eid und die Berfon des Heerführers fich nebunden 
glaubten. Allein Marius konnte die hierdurch ge— 
wonnene polit. Stellung nicht behaupten, und zu 
gleicher Zeit fand die Oligarchie an Sulla einen — 
rer, der militärilch dem Marius mindeſtens gleich: 
lam und politiſch ihm weit überlegen war. Die 
Eiferſucht und Feindſchaft, die zwijdhen beiden 
Männern beitand, feit Sulla dur; die Gefangen: 
nahme des Jugurtha einen Teil von den Erfolgen 
des Marius weggenommen hatte, gelangte zum 
offenen Ausbruch, als die Nobilität 88 dem Sulla 
das Konfulat und den Oberbefehl für den bevor: 
ftehenden Krieg mit bem pontiihen König Mithri: 
bates übertrug. Marius wollte ihm den Oberbefehl 
durch den Tribun Publius Sulpicius Nufus mit: 
tels Vollsbeſchluſſes entreißen; allein Sulla fehrte 
mit feinem Heere nad) Rom zurüd, warf die Demo: 
raten nieder, ädhtete ihre Führer, vor allen den 
Marius, und zog dann erft gegen Mithridates nad 
Griehenland und Afien, wo er 84 Frieden ſchloß. 

In Rom batte ſich indefjen die marianifche Bar: 
tei wieder fiegreicdh erhoben. 2, Cornelius Cinna 


Rom und Römiſches Reich 


rief 87 den Marius zurüd, und in bem eroberten 
Rom wurde tbar tet. Doch ftarb Marius 
86 während feines fiebenten Konſulats, und Cinna 
wurde 84 nod) vor Sulla& Nüdtehr getötet. Sulla 
landete 83 bei Brundifium, befiegte ben jungen 
Marius bei Sacriportus, andere marianiſche ⸗ 
teile in Etrurien und vor Rom und zog 9 Ende 
82 al3 Sieger in Rom ein. Hier ließ A pen 
dem Titel eines Diltators auf unbeftimmte Zeit 


monardifhe Gewalt übertragen, ging mit ben 
ausgebehnteften Broftriptionen ge bee demofra: 
tiſche Bartei vor, verteilte feine Soldaten als Ko: 


loniften in Italien, beihräntte das Bollötribunat 
und führte mittels einer Reihe von Geſehen eine 
oligarchiſche Realtion durch. Nachdem er bies 
alles ind Wert geiekt, legte er 79 die Diktatur nie: 
der und ftarb 78 ala PBrivatmann in Buteoli, 

63 war dies der lehte Sieg der Ariltofratie, und 
fie tonnte besjelben in ben ao von ba bis 
auf Gälar nicht froh werben. et Berfud des 
Lepibus im %. 78, die fullaniihe Verfaſſung ge: 
waltfam zu jtürgen, jcheiterte zwar, aber ſchon ım 
— beſeitigten Pompeſus und Lucius Aurelius 

tta auf geiehlihem Wege zwei Hauptpunlte der 
fullaniichen Berfaſſung, indem fie dem von Sulla 
mundtot gemachten Tribumat jeine alte Macht 
wiedergaben und die von Sulla wieder ausſchließ⸗ 
lih Senatoren vorbehaltenen Stellen in den Ge: 
fhmworenentollegien unter Senat, Ritter und Ärar: 
tribunen verteilten, In Spanien fehte der Maria: 
ner Sertoriud 82—72 den Bürgerlrieg fort, und 
ehe noch dort bie Ruhe bergeftellt war, brach 73 in 
Unteritalien die Empörung einer ungeheuern Menge 
von Sklaven unter Spartacus aus und enthüllte 
das ganze Elend, das die Stlavenwirtihaft für 
gan) Italien wie für die Sklaven felbjt mit ſich 

rate. Crafius und Pompejus [ölugen 71 den 
Stlavenaufftand nieder, aber bie Mängel ber 
oligarchiſchen Verwaltung, die ſich in der Möglich: 
feit und der langen Dauer diefes Aufitandes gezeigt, 
traten bald darauf ebenfo grell wieder bervor. 
Nur mit den größten Anftrengungen und nach Aus: 
ftattung des Pompejus mit fibermäßiger Gewalt 
durch das gabinifche Beleg 67 konnte die Republit 
ber Seeränber Herr werben, nachdem man fie jahre: 
lana ihr Unweſen batte treiben und zu einer förm: 
lihen Macht anwachſen laffen. Nicht minder zeigte 
ſich 63 in der Berfchwörung des Gatilina , in m 
Vereitelung der Höhepunlt der polit. Laufbahn 
Gicero® lag, diefelbe Unfähigkeit der bamaligen 
Einrichtungen und leitenden Berfonen, den Staat 
im geordneten Gang zu erhalten und mit den ver: 
faflungsmäßigen Witten zu regieren. 

Ganz diejelbe Richtung auf völlige Diskrebitic: 
rung, der bejtehenden Regierung nahmen die aus: 
wärtigen Verhältniffe. Zwar beitanden bier bie 
eriten bedveutendern Greignifie in der Ermwerbung 
von zwei neuen Brovinzen, Aſien, d. h. Kleinafien, 
im $. 129, und dem füdlichen fog. Rarbonenfiichen 
Gallien, 125—1%0. Die erfte Erwerbung gelangte 
an Rom dur das Teftament des lehten Königs 
von Bergamum, Attalus (geft. 133), mußte aber 
noch 131—129 dem Prätendenten Ariftonicus ent: 
riffen werben. Galliens Groberung wurde zuerit 
durd einen Freund des jüngern Grachus, M. 
Fulvius, in Angriff genommen und mehr egen 
als mit dem Willen der Nobilität gewonnen. Die 
118 angelegte Bürgerkolonie Narbo Martius (Nar: 
bonne) follte die neue Provinz fihern und cab 


Mom und Nömiſches Reid 791 


biefer zugleich den Namen. So war nunmehr von 
den Säulen Hercules bis nad) Kleinafien hin 
bie ganze Nordlüfte des Mittelmeers ohne Unter: 
—— feſtes röm. Eigentum. In derſelben * 
aber, wo der Bau des Reichs einen gewiſſen Ab: 
ichluß erreicht hatte, zeigte derjelbe bereits allent: 
alben Riffe. Der Krieg mit dem numidiſchen 
önige Jugurtha, 112— 106, und ber Cimbern: 
und Zeutonenfturm, 113—101, erichütterten Regie: 
rung und Staat aufs tiefite, weil in ihnen alle 
Schäben bes herrſchenden Regiments, die Korrup⸗ 
tion der Beamten, die Unfähigleit der gewöhnlichen 
Magiftrate als Felbherren, die Mängel bes jähr: 
lichen —* im Kommando ſich bloßlegten. 
Na und Sulla den Jugurtha, Marius 
in Gallien bei Aquã Sertiä die Teutonen (102), 
er und Lutatius Catulus auf den Raudiſchen Fel⸗ 
dern im cisalpinischen Gallien (101) die Cim— 
bern befiegt hatte, brady unmittelbar nad) dem 
Bundesgenoflenkriege und neben dem Bürgerfriege 
zwifchen Marius und Sulla der Krieg mit dem 
pontifhen Könige Mithridates aus. Allerdings 
mußte die Republik in brei Stabien (87—84; 83— 
81; 74—63) auch diejen Feind zu übermwältigen, 
allein nur dadurch, daß man den Dberbefehl für 
mehrere Jahre in Eine Hand legte. Dies geichah 
bei Marius, bei Sulla und Pompejus. Lebterer 
mwurbe mit einer Macht audgeitattet, wie fie lein 
Heerführer vor ihm gehabt hatte, indem ihm Lee 
Gefehe, nad) dem — von 67 das maniliſche 
von 66, den Ober 
ganzen Oſten übertrugen, mit biäfretionärer Ge: 
walt über die Länder, in denen er Krieg führte, 

Die Stellung der Barteien in Rom aber war, 
ala Bompejus Bope und nod) im Befige diejer 
Gewalt aus dem Driente zurüdtehrte, eine ſolche, 
daß die Lodung, die außerorbentlihe Gewalt zu 
einer bleibenden ordentlichen werben zu lafjen, nahe 
genug lag. Den wenigen, die man als aufrich— 
tige Vertreter der Senatöregierung anfehen kann, 
fehlte, wie Cicero und dem jüngern Cato, entwe 
Konſequenz und Haltung oder politiiches Geſchid 
und Geift. Die bemotratijche Bartei aber ftand 
von Anfang an viel mehr im Dienjte hervorragen: 
der Berfjönlichleiten als in dem republitanifcher 
Ideen und bewies ji in den Händen des Tribu: 
nat3 als ein williges Werkzeug für jeben, der die 
herrichende Partei ftürzen wollte. Bompejus, ohne 
tiefer gehende Pläne gegen die Verfafjung, beab: 
ſichtigte zunächſt nur die Fortführung der biäher 
behaupteten glänzenden Rolle, Allein die Optima: 
ten wollten ihn nit in der Ausnahmeſiellung 
laſſen, und die demolratiiche Partei huldigte be: 
reit3 einem andern, Ilügern und gewaltigern 
Haupte, dem Gajus Julius Cäfar. Diefer ftand 
als Pompejus aus dem Driente zurüdfehrte, nad) 
der tung Spaniens, die er von der Prätur 
aus geführt, an ber Schwelle des Konſulats. Bu 
den Augenblid indefien entſpann ſich zwiſchen ihm 
und Pompejus noch kein Streit, ſondern vielmehr 
ein Bündnis. Als nämlich die oligarchiſche Mehr: 
beit de3 Senat3 Miene madıte, den Pompejus da: 
durd) zu bemütigen,, da fie feine Anordnungen im 
Orient nachträglich für ungültig erllärte, nahm 
Pompejus zu Cäjars Hilfe feine Zuflucht und lieh 
ſich mit diejem und dem reichſten Manne Roms, 
mit Erafjus, in einen Bund ein, der nicht im Alter: 
tum, aber von neuern Autoren früher mehrfach, 
als wäre er eine förmliche Behörde geweſen, Trium: 


efehl zu Wafjer und zu Land im | d 


virat genannt worden ift, während er in Wirklich⸗ 
keit eher gewiljermaßen eine Verfhwörung war. 
Die Vereinigung ging dahin, daß durd) das Volt, 
defien Stinme äjar beherrſchte, die Gewalt und 
Vorteile der Regierung unter jene drei Männer 
verteilt würden, jedoch mit möglicher Beibehal: 
tung der Form der bisherigen Verfaſſung. Pom: 
pejus erlangte die Betätigung feiner Anordnungen 
im Orient; —— Konſulat füt 59 und dann 
da3 diesfeitige und das transalpiniiche Gallien 
auf fünf Jahre; Craſſus vorerft einfach die Stellung 
eines dritten im Bunde der Mächtigen. Zum Lohne 
für die bei diefer Transaktion geleifteten Dienjie 
bewilligte man unter anderm bem Tribunen Clo— 
dius feinen Feind Cicero als Opfer, ber dann unter 
der Beihuldigung, aus Anlaß der Catilinariichen 
Verſchwörung röm. Bürger ohne Urteil und Recht 
getötet zu haben, in die Verbannung (58) gehen 
mußte. Rad Ablauf feines Konfulats ging Säjar 
in feine Provinz, um von ihr aus dem Römifchen 
Reiche und der Eivilifation das nörbl. Gallien, ſich 
aber eine Stellung und Macht zu ——— die es 
= erlaubte, das entiheidende Wort zu ſprechen. 

ompejus und Craſſus blieben in Rom, der erite 
in unfiderm Schwanten, ob er mit den Optimaten 
gegen Cäjar Front machen oder mit Cäſar den 

ptimaten gegenüber Stand halten jollte. 

Der Bund wurde 56 zu Lucca erneuert und für 
Bompejus und Erafjus ein zweites Konfulat (55), 
außerdem für erjtern Spanien auf-fünf Jahre mit 
em Recht, es von Rom aus zu verwalten, für 
Crafjus Syrien als Goldquelle ausgemacht. Cäfar 
bagegen erhielt bie Berfängerung feiner galliſchen 
Statthalterfhaft um weitere fünf Jahre und die 

ufiherung eines zweiten Ronfulats nad) deren 

aufe. Während biefer zweiten Friſt löfte ſich 
jedoch ber Bund auf. Craſſus fiel 53 im Kampfe 
egen bie Parther. Pompejus machte Frieden mit 
er Senatspartei und brad) 50 ojjen mit Cäfar, 
indem er den Senat an biefen die Anforderung 


der | ftellen ließ, feine Statthalterjhaft vor dem garan: 


tierten Beitpunkte nieberzulegen. Cäfar, ftatt auf 
bie —— be3 Senats fein Kommando 
niederjulegen, überichritt 49 den Rubico, der bie 
Grenze jeiner cisalpinifchen Provinz gegen Ftalien 
bildete, und bejekte raſch Mittelitalien, während 
Bompejus mit allem, wa3 zur Republit hielt, nadı 
Griechenland ſich flüchtete. Dagegen ging Eäjar 
nad Rom, verließ aber die Stadt bald wieder, um 
Spanien und das wichtige Maffilia ben Pompe— 
janern zu entreißen. In feiner Abweſenheit zum 
Diktator ernannt, kehrte er auf kurze Zeit nadı 
Nom zurüd und fehte dann, nachdem er ſich für das 
olgende Jahr zum Konful hatte wählen laffen, An: 
ang 48 nad Griechenland über. Hier ward bei 

* 48 de —— Ma sefölogen. 

er egte Bompejus Uchtete ma oypten, 
warb aber bei feiner Ankunft daſelbſt ermordet. 
Cäfar nahm von Alerandria Beſi, ‚ordnete die 
Verhältniffe de Drient3, beſiegte den König 
Pharnaces von Vontus und fehrte 47 nad Nom 
zurüd, wo ihm inzwijchen aufs neue die Dittatur 
auf ein Jahr und auberbem die tribuniziichen 
Rechte auf Lebenszeit übertragen worben waren. 
Ende des jahres 47 ging er nad) Afrika hinüber 
und ſchlug in ber Schlacht von Thapfus 46 die dort 
fi) fanımelnden Bompejaner nieder, worauf ihm 
in Rom die Diltatur auf 10 Jahre ernzuert wurde. 
Dann wendete er ih nad) Spanien und vernichtete 


792 


dort in der Schlacht von Munda bie Refte der 
Pompejaner. Nach feiner Nüdlehr nad Rom er: 
ielt er den Titel und die Gewalt, weldye die wahre 
zeichnung der neuen von ihm errichteten Don; 
archie bildete, indem er zum Imperator in ber 
Weiſe ernannt warb, baß biefer Titel, allen übris 
gen Titeln vorgejeht, als Anhalt den Vollbegriff 
der Befehlsgewalt haben follte. fibrigend murde 
die Diktatur wiederum mit außerordentlicher Voll: 
macht dem Gälar nod im J. 44 auf Lebenzzeit 
übertragen. Dieſe offene Aufrihtung der Mon: 
archie neben dem Verdachte, auch noch den Königs» 
namen zu erftreben, veranlahte jedoch eine Ver: 
fhwörung, an deren Spike Brutus und Caſſius 
ftanden, unter deren Dolchen Cäfar mitten in den 
umfafiendften Plänen zu einer Neorganifation des 
u März 44 fiel. j 
Allein _die Republit wurde bierburd nicht ges 
rettet. Die Verſchworenen und ihre Freunde, zu 
welchen auch Cicero gehörte, waren unfähig bie 
Lage zu beherrſchen. Indem fie Cäfars vertrautejte 
Anhänger, Antonius und Lepidus, am Leben 
ließen, vollbradhten fie ihr Mordwerk nur halb, 
Sie ließen fid) fofort von Antonius überliften und 
begingen den weitern Fehler, daß fie meinten, in 
dem von Cäfar als Erben eingefeßten Großneffen 
des Ermorbeten, dem damals 18jährigen Dctavian, 
ein Werkzeug gegen Antonius zu haben, Aller: 
dings lieb fi Octavian, um eine polit. Stellung 
zu erhalten und gegen Antonius aufzulommen 
vom Eenat gegen diejen verwenden, lämpfte au 
egen ihn bei Mutina; aber bald änderte er die 
Richtung, verband fi mit dem nad Gallien ge: 
flüchteten Antonius und Lepidus gegen die Repu: 
blitaner, um dann ſchließlich auch dieje zu bejeis 
tigen. Auf einer Flußinſel bei Bologna wurde im 
Nov. 43 der Bund zwiſchen den dreien u fünf 
Jahre een diesmal unter dem förmlichen, 
nachträglich von der röm. ———— be⸗ 
jtätigten Titel eines Triumvirats zur Neugeftaltun 
des Staats. Unter den VBerabredungen befand fi 
auch die umfajlender Proflriptionen, denen 300 
Senatoren und 2000 Nitter zum Opfer gefallen 
fein follen, darunter als bervorragenditer Cicero, 
Im Herbit 42 wurden bei Philippi in Macedonien 
Brutus und Caffius befiegt und damit die Nepu: 
blit für immer vernichtet. _ Es war zwar noch ein 
Sohn des Pompejus, Sertus Pompejus, als 
Prätendent vorhanden, aber nicht ala Verteidiger 
der Nepublit, fondern al3 Räder feines Baters 
und notgebrungen in Waffen ftehend zur eigenen 
Erhaltung. Die Triumvirn teilten nun das Reich 
von neuem. Antonius ging in den Dften, Dctas 
vian, der Herr des größten Teild des Meftens, 
blieb in italien. Octavian hatte zwar bier in dem 
Peruſiniſchen Kriege (41) mit Fulvia, der Gemahlin 
de3 Antonius, und deſſen Bruder Lucius zu 
fümpfen, entlebigte fi, aber derjelben und wußte 
aud in dem Brundifiniichen Vertrage Mißhellig— 
feiten, die mit Antonius entjtanden waren, auds 
zugleihen, jowie ben zur See mächtigen Sertus 
Bompejus mitteld des Vergleihs von Milenum 
89 zur Einftellung der Yeindjeligleiten zu bringen. 
Das Triumvirat wurde von 37 ab auf weitere 
Ian. Jahre erneuert, Pompejus, der 38 die Waffen 
wieder ergriffen, wurde 36 bei Mylä und Nau: 
lohus von Oetavians Feldherrn Agrippa beficgt 
und Lepidus bejeitigt, während Antonius mit den 
Varthern zu fämpfen hatte und in ben Armen der 


Rom und Römiſches Neich 


ägypt. Königin Kleopatra von orient. Deſpoten- 
berridaft träumte, Allein nun wurde das Band 
zwijchen Octavian und Antonius, das durch bie 
Che des Antonius mit Octavia hatte befiegelt mer: 
den follen, jugleic mit dieſer Che zerrifien (32) 
und abermals in Griechenland der Entſcheidungs⸗ 
fampf geliefert. Am 2. Sept. 31 fiegte Octavian 
in ber Seeſchlacht bei Actium durch Agrippas Feld: 
berrntalent über Antonius und Kleopatra, und 
war, nachdem biefe beiden ſich bei Octavians An- 
kunft in ihrem Zufluchtsorte Agypten getötet (30), 
unbeftrittener Herr des Römiihen Reichs. 

‚Il. Rom unter ven Kailern. Hatte Cäjar 
bie neue Monarchie, das Imperium Eines Mannes, 
der Side nad) geihaffen, jo war Octavian ber 
eigentlihe Organijator ber neuen Schöpfung. 
Er war fein genialer Staatgmann mie Cäjar, 
aber ein Vermaltungstalent und Menicentenner 
eriten Ranges und vorzugsweiſe geihidt, das 
Mögliche und Erreihbare —— Den noch 
immer verhaßten Namen der Alleinherrſchaft ver: 
mied er und wählte ftatt defien ben ſchon in repu- 
blilaniſcher Zeit ald Bezeihnung der hervorragenb: 
ften Bürger vorlommenden eine princeps, wo— 
durh er fich einfach ald ben Eriten im Staat 
bezeichnete. Er legte fogar 27 v, Chr. die von ihm 
bisher geführte außerorbentlihe Gewalt nieder. 
Dod übernahm er jofort wieder mit einer bie ges 
wöhnlichen Grenzen weit überichreitenden prolon: 
fulariihen Gewalt die Regierung über alle Bro: 
vinzen, in welden Heere ftanden, und den Dber: 
befehl über bie * Militärmacht des Reichs, 
während ihm durch den Senat 27 der Ehrenname 
Auguftus verliehen wurde. Außerdem beſaß er 
ihon feit 36 die Rechte der Tribunen und über: 
nahm ebenfall3 in umfafiendfter Bedeutung 23 bie 
lebenslänglidje tribuniziihe Gewalt und im J. 12 
nad) Lepidus' Tode das DOberpontifitat. Beſonders 
bedeutungsvoll war neben dem Imperium die tri- 
buniziihe Gewalt, die ihm perjönlide Unverlet: 
lichkeit und den Schein einer konititutionellen Stel: 
lung zu Senat und Boll gab. Während aber 
einerjeit3 Auguftus, wie nun fein gei&ichtlich ges 
wordener Name lautet, bie kaijerl. Vollgewalt feit: 
ftellen wollte, war andererfeits fein ängitlidhes Be 
treben, das äußere Gerüjte ber republifaniichen 

nftitutionen zu erhalten. Als wichtig erichien 
ibm vor allem der Senat. Während Gälar biejen 
berabgedrüdt hatte, bob ihn Auguftus wieder, in: 
dem er die Verwaltung der Provinzen mit ihm 
teilte (27 v. Chr.), ibm eine eigene Staats laſſe ge: 
ftattete, ihm eine ſcheinbar felbjtändige Stellung 
bei der Befepung der Magiftrate zuteilte und ihn 
äußerlich in aller Würbe beließ. Die Vollsver— 
fammlung dagegen ließ er zwar beſtehen, allein fie 
fpielt fhon bei ihm eine durchaus untergeorbnete 
Nolle, Daneben war die Heritellung einer georb: 
neten Verwaltung, die Durhführung einer allge: 
meinen —— und einer geordneten 
Bevoͤllerungsaufnahme, die Regelung bes inanz- 
und Steuerweſens u. dgl. für die Konfolidierung 
der Monarchie wie für die Wohlfahrt des Reichs 
von höchſter Bedeutung, und es erhielten fich bis 
Diocletian die Grundzüge der Augufteiichen Ber: 
faſſung und Verwaltung. Gegenüber den vericie: 
denen nationalen Beitandteilen des unermeßlich 
gewordenen Reichs hielt Auguſtus die Politik feit, 
dab die röm.:italiiche Nationalität, gehoben durch 
hellen. Bildungselemente, die Grundlage in dem 


Nom und Römisches Reich 193 


Völtergemifch des Reichs bilden folle, die dem 
Ganzen Halt und Feftigteit gäbe. Die günftigen 
Berhältnifje nad außen, die mur gegen das Ende 
feines Lebens durd den furdtbaren dalmatinifch: 
pannonijchen Aufitand 6—9 n. Chr. und die Ver: 
nichtung der Rheinarmee des Varus 9 n. Chr. 
einen böjen Stoß erfuhren, und die lange Dauer 
feiner Regierung dienten, verbunden mit feiner 
perfönlihen Mäßigung, dazu, die von ihm ge: 
ſchaffene Ordnung der Dinge zu einer dauernden 
u maden. Die neue Regierung trug ſchon ent: 

* den Charalter einer Militärmonarchie. 

enn zu ihren wichtigſten Einrichtungen gehörte die 
Errichtung eines jtehenden Heerd, während nad) 
republifaniicher Berfaiung die Heere nad jedem 
Feldzug aufgelöft wurden. Indeſſen bie Verteilung 
dieſes Heers an ben Grenzen des Reichs und die 
Dienfte, welche die in Rom liegenden Truppen, 
vor allem die von Auguftus geſchaffene Polizei: 
und Feuerwahmannfcaften, der Sicherheit der 
Stadt leiſteten, ließen unter ihm jenen_militäri: 
ſchen Charalter nicht, jesleih allzu jchroff hervor: 
treten, Im Gegenteil war die Augufteifhe Regie: 
rung für die Ausbildung einer röm. Kunſt und 
Poeſie die fruchtbarſte, wozu neben den in dem 
innern Entwidelungsgange des röm. Kulturlebens 
liegenden Momenten nicht wenig beitrug, daß dem 
Auguftus diefelben Männer, die ihm im Felde und 
im Hate fo große Dienſte gethan, Agrippa und 
Mäcenas, aud bei feinen Verihönerungsplänen 
und feiner Förderung bes litterariidhen Lebens 
eifrigft zur Seite ftanden. 

Diefem glänzenden Cingange der Monardie, die 
aber an einer ftaatsrechtlihen Unfiherheit und dem 
Mangel einer Thronfolgeordnung krankte, vde 
14—37 n. Chr. der Stiefſohn des Auguſtus, Tibe— 
rius, von Livia ihm in die Che mitgebracht, von 
Auguſtus aber nur notgedrungen zum Nachfolger 
befigniert, weil fein anderes Glied der Familie 
RT da war, das ihm vorgezogen werden konnte. 
Auf dem Namen des Tiberius laftet der Nuf eines | 
Herrſchers, der alle Later eines Dejpoten bejefien | 
babe, wiewohl für die Verwaltung des Reichs im 
großen die Regierung des Tiberius ſich ſehr günftig 
darſtellt. Die im Anfange ſeiner Regierung aus— 
gebrochenen Militäraufitände in Pannonien und 
am Rhein wurden unterdrüdt, die Niederlage des 
Barus durch Germanicus gerät. Die Provinzen | 
erfreuten fih der Fürſorge des Kaiſers, die Ver: 
waltung rim einen vortrefflihen Gang. Aber 
auf Rom jelbjt und auf allem, was zur bejjern 
Geſellſchaft in Rom gehörte, laftete ſchwer der 
Drud des Deipotismus. Seit dem J. 23 309 der 
Kaifer, auf den Rat des Ritters Sejan, des Be: 
fehlshabers der Garde, diefe 10000 Mann Starte 
Zruppe, bie bisher bei den Bürgern in und um 
Non in Quartier gelegen, in einem_ befeftigten 
Zager in Rom felbit zutammen und ſchuf dadurch 
zunädjt ein Werkzeug für den Deſpotismus, aber 
aud) eine Gefahr für den Herricher felbft. Mehr 
als einmal haben dieje Brätorianer, deren Befehls— 

ber aus einem militäriichen Kommandeur mitt: 

ern Ranges thatſächlich bald zur zweiten Perjon 
nad dem Kaijer wurde, über den Thron verfügt. 
Eine weit jhlimmere Neuerung Tiberius wurde 
es, daß nicht nur der zegrin de3 Majeſtätsver⸗ 
brechens, der früber auf die Majeftät des röm. 
Volls bezogen worden mar, nunmehr auf die Per: 
fon des Imperators überging, jondern aud) ber | 


Begriff besjelben sel Neden und unbedeutende 
Handlungen ausgedehnt ward, und hiermit das 
Denungieren von Majeftätsverbreden ein förm: 
liches und ſehr einträglidies Gewerbe wurde. Da: 
gegen mar diejenige Ünderung der Verfaſſung, 
urch welche ſchon im J. 14 die Magiftratswahlen 
der Vollsverſammlung entzogen und dem Senat 
übergeben wurden, kein Nachteil, Die Regierungen 
ber Nachfolger Tiberius’ Galigula oder, wie fein 
eigentliher Name war, Gajus, 37—41, Claudius, 
41—54, und Nero, 54—68, mweilen weder im 
Innern noch im Außern durdhgreiiende Verände⸗ 
rungen oder hervorragende Ereigniſſe auf, nur daß 
unter Claudius Mauretanien einverleibt wurde 
und bie Unterwerfung Britanniens begann, Da: 
gegen find ihre Negierungen durch den Vernich— 
tungafrieg bezeichnet, den dieſe Fürſten, jeder eine 
bejondere Spezies von Defpot, gegen die rönt, 
Ariftofratie führten. Seiner dieſer drei ftarb eines 
natürlihen Todes, Nero, mit dem zugleid das 
— anblihe Haus ausitarb, entleibte ſich 
elbſt, al3 nicht nur die —* Provinzen, ſondern 
auch Rom ſich gegen ihn erhoben. 
on ben vier Prätendenten, die nun nadein: 
ander in Rom und den Provinzen auftraten, fielen 
Galba durch Otho, Otho durch Bitellius, Vitellius 
durch Veſpaſians Feldherrn noch im Laufe des J. 
69. Dagegen gelang es dem Flavius Veſpaſianus, 
der weber mit der Familie der Cäſaren zuſammen— 
bing, noch aud) nur einer ariſtokratiſchen, fondern 
einer Nitterfamilie angehörte, nicht nur ſich felbit 
auf dem Throne zu erhalten, ſondern auch durch 
eine ſparſame und tuchtige Verwaltung das Reich 
aus der finanziellen Unordnung zu erheben, in die 
e3 die vorhergehenden Kaifer geftürzt; nicht minder 
wichtig war, da er bie beiten Glemente aus den 
Landjtädten Italiens und aus den Provinzen in 
den Senat zog und damit friiches Blut in den 
oberften Stand bes Reichs bradte. In dem auf: 
ftändifhen Judäa, mit defien Bänbigung er eben 
beauftragt war, als ihn die Lage de3 Reichs zum 
Kaijer erhob, erreichte im J. 70 durd die von 
einem Sohne Titus erzielte Eroberung Jeruſalems 
er Krieg fein Ende, und aud am Niederrhein 
wurde ber Verſuch einiger Häuptlinge der nördl. 
Provinzen, insbefondere des Batavers Civilis, ſich 
von Nom loszureißen, nad) harten Kämpfen gan 
lid) niedergeichlagen. Dies alles macht feine Regie: 
rung viel wichtiger, als die ſchon wegen ihrer Kuͤrze 
weniger fruchtbare feines Sohnes Titus, 79—S1, 
deſſen milde und liebenswürdige Berfönlichkeit ihm 
einen glänzendern Namen in der Geſchichte ver: 
ſchafft hat. Der dritte und lekte flav. Kaiſer, Do: 
mitian, ift wieder eine der finfterften Deipoten: 
geitalten unter den Cäfaren, um fo mehr, als er 
neben dem Drude, den er auf Rom legte, in den 
Kämpfen mit den Daciern (36—I1) die Würde des 
Reicht auch nach außen preisgab. In Britannien 
allerdings wurbe durch Agricola die Ehre der röm. 
Waffen aufrecht erhalten, Domitian fiel durch 
eine Verſchwörung feiner Gemahlin Tomitia und 
einiger feiner Horbeamten (96), und da mit ihm 
das Geſchlecht der Flavier erloſch, ernannte nun 
der Senat nad) freier Wahl einen Nachfolger, und 
zwar den hochbejahrten Coccejus Nerva, einen an: 
rg Senator, a , j 
Mit Nerva beginnt diejenige Periode der Kai: 
—5* welche Gibbon die —W— Zeit des 
enſchengeſchlechto » nennt, Eine Reihe von fünf 


794 
tüdhtigen — * jet ein Ya wege —— die 
Alte t beherrſ eine 

Friedens, nur fen unterbroden — 
geführte Ariege an ben 

welde die Kaiſer zugleich dem neben F rn 
den wefentlichiten Faltor —* Verfaſſung, dem Se⸗ 
— Tagen alles dies find Umftände, wie fie faum 


her gedach t werden können. Auf Nerva folgte 
eg 98 Trajan, unter dem (98—117) da3 Reich jei: 


nen größten Umfang erreichte. (Hierzu eine Karte: 
Das Nömifhe Reich in feiner A ba Aid Fe 
Ausdehnun avian hatte 


unter Aã 
Ugypten zum eiche gefänt, Glaubius Mauretanien, 
und damit war dad Mittelmeerjyitem v1, ge 
ſchloſſen worden; aber das eigentümliche Wer 
Kaiſerzeit war die Groberung von Be * 
* von Cãſar —— Gallien hatte 
in ai die Provinzialverfafiung gegeben und 
die Alpenländer zuoefi t, gegen Deu Fa Tibe⸗ 
rius ſchließlich die —— feſtgeſtellt 2 
von Claudius gewonnene Britannien gas Arm 
nörbl, Syftem. Mit den unter ya ed uftus erober 
Provinzen Rhätien, Vindelicien ee 
nonien und fien war das Heid) nad ‚nach h Norden 
und Nordoften bedeutend erweitert, im orboften 
bi3 zur Donau. Trajan war es nun, der die Donau 
und nad) dem Vorgang ber Flavier den Rhein über: 
ſchritt und mit ber Provinz Dacien einen Teil des 
heutigen Oftungarn, Siebenbürgen, die Moldau 
und Walahei gemann, Im Dften madhte er Ar: 
menien er Provinz, überjchritt den Euphrat, de: 
mütigte Parther und gewann Mefopotamien. 
Allein ſchon fein Nachfolger Hadrian, 117—138, 
machte den Euphrat wieder zur Örenze, forgte aber 
bagege en mit fcharfem Blid und nachhaltiger Kraft 
für die innere Wohlfahrt der Provinzen. Wie 
nd unter Trajan mit Tacitu3 und dem jüngern 
Ninius bie Litteratur ihre lepten glänzenden Blu— 
ten trieb, fo unter Habrian die Kunſt. Außerdem 


bildete fich unter ihm und feinem Nachfolger, — d 


milden Antoninus Pius, 138—161, der Verw 
tungsmechanismus und bie Technik des rom Fri 
vatrechts vollends bis ins Detail aus. Unter 
ausgezeihneten, auf Antoninus folgenden Marc 
un 161—180, ber bis 172 den Lucius Verus 
itauguftus "hatte, enbigte die glüdliche und 
riebliche Beit. Seuden, die das R Reich rten, 
die Kriege gegen die Barther im Often, die Marko: 
mannen und Quaden im Norboften waren die Bor: 
boten der innern und Außern Nöte, die nun in im: 
mer gehäuftem Maße das Neich heimſuchten. 
Marc Aureld Sohn und een Gommobus, 
180-192, Ientte wieder in die Tomitiang 
ein, fiel aber auch wie diefer, vun ei eine Verſchwö⸗ 
rung. Nachdem ber ihm folgende trefflihe Bertinar 
ſchon im März 193 durch die Brätorianer ermordet 
war, erlaufte Didius Julianus von dieſen Truppen 
bie Herridjaft durch — Geld. Allein nach 
laum drei Monaten wurde dieſer beim Anrüden 
de3 von den Legionen in Pannonien zum Kaifer 
ernannten Septimius Severus, ber naher auch 
die Gegenlaifer Peſcennius Niger 194 und Glau: 
dius Albinus 197 überwand, getötet. Mit Sep: 
timius Severus fam wieder (bi8 211) ein fräftiger 
Kaifer auf den Thron, der freilid) die Prätorianer 
nur auflöfte, um eine neue, bedeutend vermehrte, 
aus ben tüdhtigjten Glementen der Legionen aus: 
—*5 aber bald ebenſo gefährliche Garde zu 
chaffen. Indeſſen iſt ſeine Herrſchaft und die 


Rom und Römiſches Reich 


ſeiner ge Nachfolger, unter denen 212 Ca: 
racalla alle freien —— bes Reichs zu röm. 
Bürgern machte, zugleich audy die Zeit der klaſſi— 
ſchen Juriſten, eines Ulpian, Paulus, Papinian 
und Modeftinus. Bon feinen —— wurde Gh 
212 durch feinen Bruder, ben begabten, aber 
m 66 Garacalla, getötet, biefer felbft 217 
diefer wieder 218 durch ben in alle 
Lafter de3 Orients — Elagabal geſtũrʒt. 
Elagabal ſelbſt aber u feinem Better ©e: 
verus Alerander weichen. Die Regierung bes lep- 


—— t und iſt 
* bemerlenswert en von ihm 
te Toleranz gegen die Chri den rn 
nn —— unter ge —* Greignis 
ein an ber je Parther 
226 n. Chr ale der Saſſa⸗ 
niden g t — die ſoglei feindfelige 
Haltung — 
Nach net Ermordung 235 auf ei 
Feldzug bei Mainz brach eine ee hole en für 


den röm. Staat an, in der balb vom Senat, bald 
von den Legionen ‚aufgeitellte Kaifer raſch aufein- 
anberfolgten, und in ber bie innern Provinzen burd) 
die Kämpfe der Gegenlaiſer untereinander und mit 
der Reichsgewalt, die an ben Grenzen —— 
durch die rchlbaren Einfälle der Barbaren Ber: 
wüftıng und Elend erfuhren, bie röm. Macht aber 
-- äußerite geihwächt wurbe. Das Elend ſtei⸗ 
En burd) bie *— ung der in 

Bieler otzeit durch die R gierung in ihrem 
—— verſchlechterlen Silbermünze. 

lexanders Nachfolger, Nariminus, 235—238, tra: 
ten in Afrila 238 Gorbianus I. und II. auf, die dem 
numidiſchen Statthalter anterlagen. ienus und 
Balbinus, die der Senat nunmehr ‚wurden, 
nachdem Mariminus im Mai 238 vor "Aguileja 
durch fein Heer gefallen war rung — von den 
Brätorianern erſchlagen. IL, 
en jie er ‚tötete 244 —* genannt der 
Araber, nbeur der de. Unter u 
pus wurde 248 das 1000jäh * Jubilã 

gefeiert. Er regierte nur bis 249, wo die Legio 
nen in Möfien gegen ibn ben Macrinus — Kaijer 
audriefen und, ala benielben der tapfere Decius, 
der von Philippus geiendet war, befiegt hatte, 
biejen jelbft zur Annahme der Kaiſerwürde zwangen. 
Decius —* te den Philipp bei Verona, fiel aber 
nachher im November 251 gegen die Goten, die in 


Möften —— waren, a —— verraten von 
Gallus cher als m. mit oten ſchimpf⸗ 
lichen Srieden ſchloß. Unter i = drang vom 


ber eine furchtbare Peſt in das a bie 15 
wütete. Gallus ward 253 durd) Amilianus, di 

254 durch Balerianus verbrängt, ber feinen S 
Ballienus zum Mitlaifer ernannte, fe bit ab aber 260 
von ben Perfern, die unter Sapor I. in Syrien 
vordrangen, gefangen wurde. Die Goten vermülte: 
ten von Südrubland ber Kleinafien, die Inſeln des 
Ardipelagus und die Hüften Gri nds. Ala⸗ 
mannen drangen durch Helvetien bis über Mailand 
in Italien vor. Yranten durchz Gallien und 
erreichten Tarraco in Spanien u allen 
Provinzen erhoben ſich Kaiſer (die * —— 0 
rannen) 258—274, unter denen namentlid) in 

lien it, b und nad ihm Tetricus, in Syrien 
Odenathus, der den Berjern wehrte, und dem in 
der Herrfchaft über 


almyra feine Gemahlin Je: 
nobia rn zu erwä nen fi 


nd, Endlich, nahen 


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DAS RÖMISCHE REICH IN SEINER GRÖSSTEN | 

















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7", JEET) ROMANUM. 
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Brocklimus' Comversations - Lexikon 193. Auf! PA. Brockhaus son 
ed by Google 


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-\USDEHNUNG UNTER TRAJAN. (98-117 N. CHR.) 


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Anpes Powninae, A.6.- Alp Graiae, | 
„- Alp. Cottiae, A.M.- Alp.Maritimae, | vasıs Thebar 


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Nom und Römisches Neid) 


Gallienus 268 ermordet worben war, begann ber 
tüchtige Claudius II., 268—270, der die Boten 269 
bei Naifjus total ſchlug, die innere Ordnung wie: 
derherzuftellen. Sein vollendete mit Kraft 
und Strenge Aurelianus, 270— 275, der die Mar: 
fomannen und Alamannen aus Stalien, bie Goten, 
denen er Dagegen bie Provinz Dacien einräumte, 
dauernd aus Möften herausſchlug, in Gallien der 
Herrſchaft des Tetricus, in Palmyra, das er 273 
zeritörte, der Herrihaft der Benobia ein Gnde 
madte unb mit der Beflerung der aeg er en 
Münzzuftände energifch begann. Rom, das bei der 
drohenden Zeitlage nit mehr — genug war, 
erhielt von ihm jeßt eine vollſtändige neue Um: 
mauerung. Auch fein erjt nad) halbjähriger Zöge⸗ 
rung im Sept. 275 vom Senat ernannter Rad: 
folger,, der greife Tacitus, der ſchon im April 276 
ermordet wurbe, war ein tüchtiger Kaiſer, und 
Probus, ber de3 Tacitus Bruder Florianus nad) 
——— Regierung ftürzte, 276—282, einer 
der ausgezeichnetiten. Siegreid fiber die Germanen 


und andere Feinde, die das Reich bedrohten, und | dem 


für defien innere Wohlfahrt bedacht; mehrfach mit 
Erfolg bemüht, Barbaren in demfelben anzufiedeln 
und zu romanifieren, wurbe er endlich bei einer 
jähen Meuterei von den Soldaten erichlagen. gm 
folgte Carus, der im Kriege gegen die Perſer Ende 
283, und diefem fein Sohn umerianus, der im 
Sept. 284 auf dem Rückmarſche aus dem Wege 
geräumt wurde. Sein anderer Sohn, Carinus, 
ber die Regierung des Weitens führte, wurde im 
Sommer 285 nad) einer Schladht bei Margus durch 
einen feiner eigenen Offiziere getötet, ala der 284 
von des Carus Heer er Kaiſer audgerufene 
Diocletianus gegen ihn fämpfte. Diocletianus er: 
nannte 286 den Marimianus zum Mitauguftus, 
und 293 teilten beide mit Galerius und Gonitan: 
tius en „die fie unter dem Titel von Cäfaren 
zu Gebilfen in der Verwaltung bed Reichs an: 
nahmen, dieje3 in vier Hauptmaflen. Die Ger: 
manen wurden aus ben Grenzprovinzen vertrieben, 
Britannien, wo erſt Garaufius, dann Allectus den 
Purpur angenommen, durch Gonftantius wieder 
unterworfen, und durch Galerius 297 die Grenzen 
gegen die Perſer bis über den obern Tigris hinaus: 
geſchoben. Nom hörte jekt auf, Mittelpuntt der Ne: 
gierung Pr. In der Staatäverfafiung ſchwand 
— immer nod erhaltene Schein der Re: 
publif, und auch ben Formen nad) wurde alle Ge: 
walt in dem Oberkaiſer konzentriert. Nachdem 
beide Augufti die Herrichaft 305 niedergelegt hat: 
ten, nahmen Eonftantius im Welten und Galerius 
im Dften die faiferl, Würde an. Der erftere ftarb 
ſchon 306 und fein Sohn Ronftantin, nachher der 
Große genannt, folgte ihm als Gäfar. PValerius 
Severus wurde jest von Galerius zum Auguftus 
des Weitens erhoben ; inRom aber warf ſich Maren⸗ 
er auch wieder fein Bater Marimianus, 
im Oft. 306 zum Auguftus auf. Gegen biefe fedh: 
tend fand Severus 307 den Untergang; an feiner 
Stelle erhob Galerius zum Auguftus den Licinius; 
308 aber nahmen (im Diten) fein Neffe Nariminus 
Daza und Konitantin diefelbe Würde an, Na 
Marimiand (310) und des Galerius Tode (311 
fiel 312 Marentius im Kampfe gegen Konitantin, 
und 313 Mariminus im Kriege gegen Licinius. 
Mit dem lektern lämpfte Konftantin 314; in einem 
weiten Kriege 323 wurde Licinius befiegt, ge: 
angen, dann 324 getötet. 


| 195 
Konftantin war nun Aleinhernf er, 324—337. 
Als folder verlegte er 330 die Nefidenz nach By: 


zanz, das nach ihm Konftantinopel genannt wurde, 
und führte die von Diocletian —— neue 
Reichsordnung noch mehr im Detail durch. Die 
Monardie jollte jekt eine völlig abjolute fein. Die 
—— des Monarchen wurde durch ein orient. 
ofceremoniell dem unmittelbaren Verkehr mit den 
Unterthanen möglihft entrüdt. Die Eivil: und 
Militärverwaltung wurden volllommen getrennt. 
Das Reichsgebiet war jekt in 120 Provinzen ge: 
teilt, diefe wieder zu 14 Diöcejen, die Didcefen zu 
4 Bräfelturen gruppiert und das Ganze burd) eine 
bureaukratiſche Hierarchie regiert. Bon der höch⸗ 
ften Spige herab ging ein — nach Rangklaſſen 
eordneter, beſoldeter und betitelter Beamtenſtaat. 
em entſprechend wurde die Verwaltung ſelbſt, 
deren treibendes Motiv jeht weſentlich die Finanz— 
wirtſchaft war, in eine Stufenleiter von Geſchäfts⸗ 
ebieten mit georbnetem Inſtanzenzug gebradit. 
Sinti der religiöfen Berhältniffe war fchon in 
ift von Mailand 818 vollitändige Toleranz 
gewährt, dann aber, nachdem Konftantin den Pi: 
cinius Aberwunden, das Ehrijtentum auf der Grund: 
lage der Religionsfreiheit thatfächlich mehrfach be: 
vorzugt, doch noch nicht zur Staatäreligion gemadht, 
wie denn Konftantin felbft ſich erit ganz kurz vor 
feinem Tode taufen ließ. Nach Konftantins Tode 
teilten feine drei Söhne Konftantin, Conftantius 
und Conſtans das Rei als Augufti unter ſich, 
nachdem die Neffen ihres Vaters, die dieſer eben: 
Ku bedacht hatte, bejeitigt waren. Der erftere 
el bei Aquileja in einem Kriege gegen Conftans 
340, biejer aber wurde von ben Leuten bes Mag— 
nentius, der 350 in Gallien als Kaijer auftrat, ge: 
tötet. Conftantius II. nötigte nach Abſchluß eines 
Verjerkrieg3 den in Illyrien zum Kaifer ausgerus 
enen Betranio zur Niederlegung de3 Purpurs und 
chlug 351 bei Murfa den Magnentius, der ſich 
853 zu Lyon ſelbſt tötete. Conitantius, num allei: 
nigerAuguftus, machte da3 Chriftentum zur Staat3: 
religion und ftarb 361 auf dem Zuge gegen feinen 
Vetter, Julianus, der, als Cäfar, in Gallien feit 
355 ſehr glüdlich gegen die Alamannen und Fran: 
ten gefochten hatte und bort 360 von ben Legionen 
— Kaiſer des Weſtens erhoben worden war. 
urch Julianus, der 363 auf dem Zuge gegen die 
Perſer fiel, wurde das Chriftentum wieder zurüd: 
edrängt, aber nur vorübergehend, indem fein von 
* Truppen ernannter Nachfolger Jovianus das⸗ 
felbe wieder in feine herrſchende Stellung einführte. 
Da diefer jhon im Febr. 364 ftarb, folgte Balen: 
tinianus I., der feinem Bruder Valens ald Mit: 
taifer den Oſten anvertraute, Er felbft regierte bis 
8375 ftreng und hart, aber in der Kirchenpolitit ſehr 
tolerant, und mehrfad zum Nupen des Reiche, 
egen deſſen Feinde in Britannien, am Rhein, an 
ber Donau und in Afrika er teild perſönlich, teils 
dur feinen Feldheren Theodofius fiegreih mar. 
Nach ſeinem auf dem Zuge gegen die Duaden 375 
erfolgten Tode folgten ım Weſten feine beiven 
Söhne, der von ihm ſchon 367 zum Auguftus er: 
hobene Gratianus und der vierjäbrige Valentinia⸗ 
nus II. Im Oſten hatte Balens einen Gegenlaiſer, 
den Procopius, 366 beſiegt und mit den Perſern 
und den Weſtgoten Krieg geführt. Die letztern 
flohen 376 vor dem Andrange der Hunnen auf 
tönt, Gebiet; bald aber entitand mit den Auf: 
genommenen Krieg, in weldem Valens in der 


796 


Unglüdeihlaht bei Abrianopel 9. Aug. 378 fiel. 
Gratianus, ein tüchtiger Negent, der 378 die Ala: 
mannen geichlagen hatte, erhob 379 den Spanier 
Theodoſius, des vorher erwähnten Feldherrn Sobn, | 
zum Kaiſer des Oſtens, unterlag aber 383 dem | 


Nöm — Nomagna 


verus die Herrfchait verlieh, nad) deſſen Ableben 
— erſt 467 der Thron wieder mit dem oftröm. 
ntbemius befept wurde. Auch diefen ftürzte er 
472; er ſelbſt ftarb in demſelben Jahre an der Reit, 
und fur; nad) ihm der neue von ihm erhobene Hai: 
jer Olybrius. Der Nachfolger des lektern, Gin: 
cerius, mußte —* 474 dem Julius Nepos und 
goten (382) zum Frieden genötigt hatte, anerlennen diefer 475 dem Nomulus Auguftulus weichen, den 
wubte, dann aber, als er aud dem Valentinian jein Vater, der röm. Feldherr Dreites, einfchte. 
Jalien raubte, 383 überwand und binrichten ließ. | Gegen fie führte der Rugier Ddoaler fein aus ger: 
Dasielbe Los traf dur ihn 394 den Eugenius, | man. Söldnern beitehendes Heer; Oreſtes wurde 
welchen der Frante Arbogaft nach Balentinians 11. | gefangen und_bingerichtet, Romulus Auguftulus 
Grmordung 392 zum Kaiſer des Weltens gemacht | entiagte im Sept. 476 Ravenna der Kaifer- 
hatte. Aber ſchon 17, Yan. 395 ftarb Theodofius, | würde, So endete das weitröm. Kaiſertum. Odoa 
nachdem er vorher unter jeine beiden Söhne Ar: | fer aber regierte Italien als deuticher König und als 
cadius und Honorius das Reich geteilt hatte. | Batricius der Römer, bis auch er 493 dem Ditgoten- 
Theodoſius erhob das lath. Chrijtentum ausdrüd: könig Theoderich unterlag. Im mittlern Gallien be 
lid zur Gtaatsrcligion, indem er die noch fort: | jtand ein Reſt der röm. Herridaft unter Syagrius 





von den brit. Legionen als Kaiſer audgerufenen 
Marimus, den Theodoſius, der indefien die Weit: 


neiehte Ausübung des heidniſchen Kultus als Maje— 
ſtätsverbrechen erklärte, 


bis 486, wo ihn der Srante Chlodwig zertrümmerte. 
Litteratur. Bol. zur Königszeit und Nepublit 


Arcadius erbielt das Dftrömiiche oder Byzan- außer den Werten — (. d.): Schwenler, 


(f. d.), das fich unter mannigfadhen 


tiniiche Dei 
a zur Mitte des 15. Nabrb. erbielt. 


Schidſalen 


«Nöm. Geihhichte» (2. Aufl., 3 Bde. Tüb. 1867— 


72; fortgeführt von Glafon, Bd. 4 u.5, Berl. u. 


Honorius, 395—423, wurde in dem Weitrömiichen | Halle 1873— 76); Mommien, «Röm. Geicichte» 


Reiche Kaiſer. Er beberrichte aljo bier \jtalien mit | (Bd. 1—3, 


den weitl. Allyricum und Afrila, Gallien, Britan: 
nien und Spanien und hatte als Reſidenz erit 
Mailand, dann 403 Navenna. Unter Honorius 
führte der Vandale Stiliho, der den Meitgoten 
Alarich 396 in Griechenland, 403 in Italien ſchlug, 








Berl. 1854—56; 6. Aufl. 1874— 75); 
Peter, « Geſchichte Noms» (4. Aufl., 3 Bde., Halle 
1581); Ihne, «Nöm. Gedichte» (5 Bde., Lpz. 1868 
— 79); Montesquieu, «Considerations sur les 
causes de la grandeur et de la döcadence des 
Romains» (Par 1734); Drumann, ⸗Geſchichte 


405 den Nadagais mit feinen großenteild got. | Roms in feinem libergang von ber republilaniſchen 


Scharen bei Florenz vernichtete, die Regierung mit 
großer Krajt, bis er 408 ermordet wurde, Italien 
wurde nun von Alarich, der 24. Aug. 410 


Kon | 


zur monarchiſchen ———— (6 Bde., Konigsb. 
1834—14). Zur Staijerzeit: Höd, «Nöm. Geſchichte 
vom Berfall der Nepublit bis zur Bollendung der 


eroberte, verheert, Epanien ging 409 teilweife an | Monarchie unter Konjtantin» (Bd. 1—3, Braunſchw. 


bie VBandalen und Sueven, die mit den Alanen jeit 
406 Gallien durdzogen hatten, verloren. Im Nor: 
den von Gallien wurde die röm. Herrſchaft durch 
die Franken, im Oſten durd die Alamannen und 
Yurgundionen beihränft; im Süden entitand 418 
das Neid) der Weitgoten, das fi) ſpäter auch über 
Epanien ausdehnte. Britannien wurde von Ho: 
norius aufgegeben, der 423 kinderlos ftarb. Der 
Dberhofnotar Johannes, der ſich jekt der Herrichaft 
bemädhtigte, verlor fie 425 an Balentinian Ul., 
Sohn von Honorius’ Schweiter Placidia und des 
Generald und (421) verftorbenen Mitlaijers Con: 
— den der oſtröm. Kaiſer Theodoſius II. ein: 
ehte und dem feine Mutter bis zu ihrem Tode 
450 zur Seite ſtand. Afrila ging jeit 429 an die 
Bandalen verloren. Gegen die Hunnen unter At: 
tila beitanden die Nömer unter dem genialen feld: 
herrn Aetius in Verbindung mit den SBeftgoten 451 
die Schlacht auf den Catalauniſchen Feldern fieg: 
reich; auch ein gewaltiger hunniſcher Ginfall in 
Italien (452) wurde am Padus und den Apenninen 
durch Adtiusglüdlich abgewehrt. Balentinian wurde 
nachdem er 454 ben Aötius, durch den noch einmal 
das Anjehen der röm. Macht fidh erbob, getötet 


u, Gött. 1841—50); Gibbon, «History of the de- 
cline and fall of the Roman empire» (4 Bde., 
Lond. 1782 fg.; deutich von Sporidil, 4. Aufl., 
12 Bde., Lpy. 1862—63); Merivale, « History uf 
the Komans under the empires (4. Aufl., 7 Bde., 
Lond. 1862 fg.; deutih, 4 Bde., Lpz. 1866— 72). 
von Wietersbeim, «Geſchichte ver Völterwanderung* 
(4 Bde,, Lpz. 1859—64; 2. Aufl., bearb. von Dahn, 
2 Bde., Lpz. 1880—81); Herkberg, « Geſchichte 
des Romiſchen Kaiſerreichs » (Berl, 1881); Duruy, 
«Histoire des Romains depuis les temps les plus 
recules jusqu’A l’invasion des Barbaress (2. Auil., 
7 Bbe,, Bar. 1875 — 84); H. Schiller, « Geihichte 
ber röm. Kaiſerzeit⸗ (2 Bde. Gotha 1883); Momme: 
fen, «Rom. Geſchichte⸗ (Bd, 5, Berl. 1885). 
dm (Nomö), nörblichite deutiche Nordſee-Inſel, 
m nordfriej. Injelgruppe und zum Kreife Tondern 
er preuß. Provinz Schleswig: Holftein gehörig. 
5 km weitlih vom Feſtlande, durch das Liſter Tier 
von der Nordſpiße Sylts getrennt, 13 km lang, 
bis 4 km breit, zum größten Zeil vom Flugſand 
ber an der Meitieite fich erbebenden Dünen bededt, 
gr (1880) 1130 dänijch fpredhende E., hat Schiff: 
* rt und Seebäder und iſt mit Ballum an der 


galt, 455 durch Petronius Marimus ermordet. ſchleswiger Weftküfte dur Segelſchiffahrt verbun 


alentinians Witwe, Eudoria, von diefem zur Ver: 
mählung geswungen, rief noch in demjelben Jahre 


aus Rache die Bandalen nad Italien, die nun | 
unter Geijerih Nom im Sommer plünderten. | 


| den 


. Hauptort iſt Kirteby mit Nebenzollamt. 
Roem., bei naturmwifienihaftlihen Namen Ab- 
fürzung für Friedrid Adolf Römer (if. d.). 
omagna (mittellat. Romania, Romandiola), 


Maximus war im Vollsaufruhr ermordet worden, einſt der Hauptbeitandteil des buzant. Grardats 
Den Avitus, der im Aug. 455 in Gallien den Pur: | von Ravenna (f. Exarch), ipäter der norböftlichite 
pur nahm, ftürzte der german. Patricius Ricimer | Zeil des Kirchenftants, vom Adriatiichen Meere im 
456, ebenſo 461 den Majorianus, den er jelbit 457 | D., vom Po im N., von Modena im NW., vom 
zum Kaiſer gemacht, worauf er dem Lybius Se: | Apennin im SW. und im ©. von einer Linie 


Nomagnofi — Roman 


begrenzt, bie von biefem Gebirge dem ftrategifch wich: 
tigen Küjtenpafie Cattolica (7 km im NW. von Be: 
faro) entlang läuft, umfaßt die zur Emilia gehöri: 
gen ital. Provinzen Ferrara, Bologna, Ravenna 
und Forli und zählte 31. Dez. 1876 auf 1000,23 
qkm 1172717 E bie man Romagno len nennt. 

NRomagnofi (Giandomenico), ital. Philoſoph, 

eb. 13. Dez. 1761 zu Salfo Maggiore bei Biacenza, 
ubierte die Nechte zu Parma, ward 1793 Prätor 
von Trient, dann unter der franz. Herrfchaft Gene: 
raljetretär im Yuftizminifterium, ſpäter Profeſſor 
der Redte in Parma, Mailand und Pavia, 1824 
in Korfu, wo er 8. uni 1835 ftarb. In feinem 
Werte «Genesi del diritto penale» (3 Bde., Mail. 
1791; 4. Aufl., Slor. 1832; deutſch von Luden, 
2 Bde., Jena 1833—34) gründete er das Öffentliche 
Strafrecht auf das Syſtem der indirekten Berteidi: 

ung, das er mit großer Schärfe entwidelte., Die: 

er Theorie dient auch die «lntroduzione allo stu- 
dio del diritto pubblico» (2 Bde., Parma 1805). 
Später bearbeitete er im Geiſte des Condillacſchen 
Eenfualismus die Erlenntnislehre, Moralpbilofo: 
phie und Geſchichte der ‚Bbilof ovhie in den Schrif⸗ 
ten: «Elementi di filosofia» (Mail. 1821), «Che 
cosa & la mente sana?» (1827), «Della suprema 
economja dell’ umano sapere in relazione alla 
mente sana» (1828), «L’antica morale filosofia» 
(1832) u. a. m. Cine Gefamtausgabe feiner Werte 
iſt — Mailand erſchienen («Opere», 19 Bde., 1832 
; «Opere postume», 5 Bde., 1835—36), 

Roma locuta (est), oausa finita 58 
«Rom (d. h. die röm. Kurie ober der Papſt) hat 
—— die Sache iſt zu Ende», ſprichwoͤrtliche 

edensart, welche auf Auguftinus’ «Sermo», 131, 
Nr. 10, zurüdzuführen iſt; meijt wird jedoch citiert: 
«Roma locuta, res judicata», «Rom hat gefpro: 
chen, die Sache iſt entichieben». 

Roman, im Mittelalter in Frankreich Bezeich: 
nung derjenigen epiſchen, metriihen Gedichte (mit 
Ausnahme der älteften Chansons de geste), weiche 
nicht in der lateiniſchen, fondern in der Vollsſprache 
(der lingua romana) gejchrieben waren. Als Be: 
zeichnung für ein Epos in Bro wurde das Mort 
R. gebräudlih, nachdem der überſetzer der franz. 
— —— Amadis von Gallien, das Buch 
einen R. genannt hatte. Wenn das Koltsepos in 
poetiſcher Form auf der Sage berubt und die ein: 
fachern —— des heroiſchen Zeitalters 
in einem großen Ereignis und in typiſchen Helden⸗ 
geſtalten gen an fo verlangt die — 
verſtãndiger, aber auch proſaiſcher entwidelte Gi: 
viliſation, ſowie die Innerlichleit der Empfindung 
und der Gedanlenreichtum des Geiſtes eine realere 
Weiſe der Darſtellung; intereſſante Situationen, 
abenteuerliche Ereigniſſe, eigentümliche Charaltere, 
wie das Leben dem Dichter bietet oder wie er ſie 

ndet, und die 53* ſeiner Betrachtung treten 
an die Stelle bes Vihihus. Wie wir unfere Erlebs 
nifje und dad, was um uns geſchieht, von unfern 
Handlungen unterjcheiden, von dem, was wir abficht: 
lich erjtreben und verrichten, fo iſt das Epos bie 
Voeſie des Erlebniſſes oder der Begebenheit, das 
Drama bie Boefie ber That. Und fo liebt auch der 
R. nicht jo ſehr aktive als vielmehr bildſame Cha: 
raltere, die ſich durch mandjerlei Umftände hindurch— 
bewegen und vieles erfahren, was ihnen ungefucht 
zufällt. Der R. erftrebt wie das iihe Epos 


797 


pſychol. Problem, eine einzelne anziehende Begebens 
heit entwidelt. Im Unterſchied von ben großen 
geſchichtlichen Ereigniſſen des Heldengelangs wählt 
lid) der R. das Privatleben, die Boefie des Gemüts, 
den Kampf ded Herzens mit der Welt. So ent: 
ſtand er nad) dem Untergang der gried). Freiheit in 
der beginnenden chriſtl. Ura als eine Blüte ber 
alerandrinishen Kultur: das Sichfinden, die Tren: 
nungen , bie abenteuerlichen Schidjale und die end» 
lihe Miedervereinigung eines liebenden Paares 
war das Thema, das unter andern von Achilles 
Tatios und Heliodorfinnig und reigend variiert wird, 

Auf das BVolls: und Kunſtepos des Mittelalters 
folgte dann in der anhebenden bürgerlichen Kultur 
zur Neformationgzeit wiederum der R. zunädjit als 
proſaiſcher Nachläufer der verfifizierten Nitterbichs 
tung: rauen werben von Rieſen geraubt, von Jaus 
berern entführt, von den Rittern wieder befreit; der 
Leichtſinn wie die Treue in der Liebe, die feine Sitte 
wird gefchildert, einer fucht den andern an ſeltſamen 
Erfindungen, an wunderbaren Dingen zu überbieten, 
Tagegen entwidelt fich ſeit Menoza im 16. Jahrh. 
in Spanien der picaresfe R. der in der Geſchichte 
eines Schelms, Wildfangs, Landſtreichers, welcher 
ſich durch verſchiedenſte Lebensverhältniſſe bin: 
bewegt, ein reales Lebensbild desſelben zeichnet: 
der deutſche Simplicius Simpliciſſimus, der Gil 
Blas von Lefage haben fid daran angeſchloſſen, 
ebenfo die abenteuerlichen Reifen, dieRobinjonaden, 
Ein fatirifch-grotestes Gemälde des Übergangs aus 
dem Mittelalter in die neuere Zeit gab Rabelais in 
«Gargantua und Bantagruel»; eine Satire auf die 
PVhantaftereien der Nitterbücher wollte Cervantes 
ſchreiben, und fein Genie brachte ein herrliches Kunſt⸗ 
wert in feinem humoriftiihen NR. «Don Quirote» 
bervor, welder der eingebildeten Welt des Idea⸗ 
liften die reale Wirklichleit gegenüberftellt, das Edle 
und Rührende mit dem Lächerlichen in den Charal: 
teren und Greigniffen felbft ineinander verſchmilzt. 
Madame de Scudery in Frankreich, Lohenftein in 
Deutichland u. a. wandten fi der Haupt: und 
Staatsaltion zu, um innerhalb berjelben ihre Lie: 
besgefhichten abzufpinnen, während bie Engländer 
im 18. Jahrb, wieder das eigene Leben abipiegeln 
und auf die Charalterzeihnung den Nachdrud legen, 
wie Richardſon im Familienroman, während Fiel⸗ 
u. unfterbliher «Tom Jones» uns aus der Stu: 
benluft ins freie führt, und Sterne wie Goldjmith 
in ihren Ich Romanen die Lyrik des Herzens, neben 
den fomiihen Figuren und Greignifjen in fubjet: 
tivem Humor in Scene ſehen. In neuerer Zeit hat 
auf diefem Gebiet neben den Senfationsromanen 
der Frauen befonders Didens Meifterhaftes gelei- 
jtet, während in Deutihland nad Hippels Bor: 
gang der humoriftiiche R. in jean Paul, Immer—⸗ 
mann, Friß Reuter feine beiten Dichter fand, 

An Nichardſon Inüpfte J. J. Roufjeau an, als 
er die jchöne Seele wie das pantheiitiiche Natur: 
gefühl und die Alpenherrlihkeit in die Litteratur 
einführte und in feiner «Nouvelle Heloise» zugleid) 
den R. zum Träger ber widhtigiten Fragen des 
menſchlichen Lebens und ihrer Beantwortung machte, 
Was er zu doltrinär begonnen, das vollendete 
Goethe mit dichterischer Meifterichaft im «Werther» 
und «Wilhelm Vleiftern. . Wenn jolhe Werte dem 
Geſchichtforſcher und Geſchichtsfreunde für die Ers 
fenntnis des Geijtes und der Sitte eines Zeitalters 


ein Weltbild und er lölt eine Gewiſſensfrage der | von ähnlicher Wichtigkeit find wie das Vollsepos, jo 


Menſchheit, während die Novelle cin beſonderes eröffnete Walter 


cott in England den hiſtoriſchen 


798 


N., welcher dann von Runftwert iſt, wenn er eine 
frei erfundene ANNE finniger und ſpannender 
Urt in eine Periode der Bergangenbeit verlegt, und 
die Atmojphäre derielben in den Charakteren und 
ihrer Umgebung, auch in den treu geſchilderten Ge: 
bräuden und Außendingen wiedergibt. Große 
geihichtliche Perjonen und Greignijje mögen be: 
dingend in das Geſchid der Nomandelben eingreifen, 
dürfen aber nicht die Hauptſache fein und mit aller: 
band abenteuerlihem Flitterſtaat behangen werben, 
fonit entjtehen unfünftlerische und unhiſtor. Zwitter⸗ 
dinge. Cooper und Wajhington Irving in Ame- 
rila, Manzoni in Stulien, Bictor Hugo und Dumas 

in Frankreich, Bilivald Alerid und Freytag in 
Deutſchland find auf Scott3 Bahn vorangeidritten, 
während der jociale R., derdie Probleme des eigenen 
Lebens und die Spiegelung der eigenen Zeit fich 
zur Aufgabe ftellt, durch George Sand, Eugen Sue, 
Balzac, Zola u. a, in Frankreich, durch Gußlow, 
Freytag, Spielbagen, Heyfe u. a. in Deutſchland 
auf mannichfache Weile in den Borbergrund des 
litterariichen Intereſſes gejtellt ward. 

Vol. Dunlop, «History of fiction» (Lond. 1843; 
deutich von Liebrecht, Berl. 1851); Wolff, «Allge: 
meine Geſchichte des N.» (Jena 1841); Kreyßig, 
« Vorleſungen über den deutſchen R. der Gegen: 
wart» (Berl. 1869); Vobertag, « Geſchichte des R. 
und der ihm verwandten Dichtungsgattungen in 
Deutſchlando (Bd. 1—2, Brest. 1877—84); Spiel: 
bagen, « Beiträge zur Theorie und Technik des R. » 
(2p3. 1883) ; Carriere, «Die Poeſie. Iht Weien und 
ihre Formen mit Örundzügen der vergleichenden 
gitteraturgejchichte» (3. Auft., Lpz. 1884). 

Roman:Gement (Nömijher Cement), ſ. 
unter Gement, 

Nomancero nennt man eine —— von 
Romanzen (f. d.), ein Romanzenbuch, wie ſolche in 
Spanien feit Dlitte des 16. Set, an das Licht 
traten. Die erite und urfprüngliche Art der Be: 
fanntmadjung ber —— war die in fliegenden 
Blättern. Datierte Einzeldrucke aus den J. 1525, 
1537 u, ſ. w. haben ſich erhalten. Eine Heine An: 
zahl von Romanzen wurde jchon in die «Cancione- 
ros» des Conſtantina und Gaitillo (1511 u. öfter) 
zuſammengefaßt. Das erjte eigentliche Nomanzen: 
buch aber war der «Cancionero de romances» 
(Antwerp., ohne Jahr, 2. Aufl. 1550 u. öfter), dem 
die «Silva de romances» (2 Bde., Saragoſſa 1550 
u. öfter) folgte. Andere Nomanzenfammlungen 
veranitaltete Fuentes (1550), Sepulveda (1551), 
Zimoneda (1573), Linares (1573), Padilla (1583 
und in neuer Aufl., Mabdr. 1880), Lucas Rodriguez 
(Alcala 1585 u. Madr. — u. a., welche jedoch 
hauptſächlich aus Romanzen beſtehen, die von ihren 
Herausgebern verfaßt wurden. Den Verſuch, ein 
Romanzenbuch aus allen Quellen zuſammenzuſtellen, 
bildet der «l'lor de varios romances», deſſen neun 
Teile 1589—97 einzeln an verſchiedenen Orten er: 
ſchienen. Aus demjelben wurde, mit wenigen Ab: 
änderungen, bie erjte Ausgabe des « Romancero 
general» (MNadr. 1600), die umfajjendfte Samm: 
lung diejer Art, zufammengeftellt, welcher die von 
1602, 1604 und 1614 folgten. Schon vorher hatte 
Miguel de Madrigal eine «Segunda parte» (VBalla: 
dolid 1605) berauägegeben. Kleinere Sammlungen 
find der «Jardin de amadores» von Juan de la 
Puente (1611), die «Primavera y tor» des Pebro 
Arias Perez (1626 u. Öfter) und viele andere. 
Spezialſammlungen wurden aud, um dem Kriegs— 


Noman:Gement — Romaniſch 


ichmad der Zeit zu genügen, aus den allgemeinen 
omanzenbüdern zujammengeitellt, wie 3. B. die 
«Floresta de romances de los doce pares de Fran- 
cia» von Tortajada (Alcala 1608 u. öfter) und ber 
«Romancero del Cid» von Yuan de Escobar (zuerit 
Lijlab. 1605 u. 1612, dann Alcala 1612 u. öfter). 


Die «Romanceros espirituales» von Lope de Beya 
(Madr. 1635) und oje de Valdiviello (Madt. 1643 


und neu Madr. 1880) haben, ald von einem einzigen 
Kunftdichter herrührend, mit den eigentlichen Ko- 
manzenbüchern nichts al3 den Namen gemein. Tas 
Intereſſe für die altipan. vollstümlidhen Romanzen- 
dichtungen erwachte erit wieder gegen Ende des 
18. Jahrh. Bieles in dieſer Rihtung geſchah be: 
fonder3 in Deutihland. Hier folgte auf Grimm: 
«Silva de romances» (Wien 1815) ping mit fei: 
nem «Romancero castellano» (Lpʒ. 1817; 2. Aufl., 
2 Bde., 1844; mit einem dritten Teile: Rosa de 
romances», von Ferd. Bol, 1846), ob. Müller 
mit einem «Romancero del Cid» (Fran . 1828), 
Keller mit ebenfolhem (Stuttg. 1840). fiber: 
Irpungen ins Deutiche erihienen von Herder, Die;, 
Musi, Geibel, Heyſe, Duttenhofer, Eitner u. f. w. 
Die vortrefflichjte Sammlung je ob wurde in Spa: 
nien felbft von Duran im «Romancero general» 
(5Bde., Mabr. 1828—32) veranitaltet, deſſen zweite 
Ausgabe (2 Bde., Madr. 1849—51; Bb. 10 u. 16 
der «Biblioteca de autores espaüoles») als ein 
gas neues Werk zu betrachten ift. Cine kritiice 

usgabe ber ältejten und echteften Roma ift die 
«Primavera y flor de romances», welche fund 
Hofmann (2 Bde,, Berl. 1856) veröffentlichten. 
Bol. F. Wolf, «fiber die Nomanzenpoefie der Spa- 


nier» (Wien 1847), ein Auffab, welcher, ermeitert 
und berichtigt, aufgenommen warb in die «Studien 
zur Geſchichte der ſpan. und portug. Nati , 


ratur» (Berl. 1859). 
‚ Romanche, rechtsſeitiger Nebenfluß bes Dra: 
im franz. Depart. Jitre, entipringt im Depart. 
Haute3: Alpes, Arrondijiement Briancon, in den 
Gletſchern nördlich vom Mont Belvour, durchfließt 
das Yändchen Diſans und mündet nach einem Laufe 
 omansche-Thorins, Ort im franz. Depa 
omanecche:Thorind, Ort im. franz. tt. 
Saöne:et:Loire, Arrondijjement Mäcon, 3 km recht⸗ 
von der Sadne, Station der Baris-Lyon:Mittel- 
meerbahn, zählt (1881) 2526 E., hat eine Mangan: 
rube und liefert gute Burgunderweine, darunter 
ejonders Moulin:d:Bent und Thorins, 

NRomänen, |. Rumänen. 

Romania hieß während der venet. He in 
Morea der öjtl. Teil dieſer Halbinfel mit der Haupt: 
ftabt Napoli di Romania. 

Romänien, |. Rumänien. 

Nomanifch heißt vorzugsweiſe basjenige Idiom 
der Romaniſchen Spraden (f. d.), welches in pe 
ringer Ausdehnun nt . in Zeilen 

riau 


Graubündens, in Tirol und in geſprochen 
wird. Da ſchon in altdeutſcher Zeit der bünd- 
niſche Teil unter dem Namen Ch befannt 


war, jo nennt man jene Sprade vielfach auch 
Churwelſch. Die Bezeihnung Rhätoroma: 
niſch, weldher man öfters bei deutichen Forſchern 
begegnet, iſt nicht vollstümlich. Im Lande jelbit 

eißt die Spradhe Romontjd (lat. romanice) oder 

adin, Man unteriheibet in Graubünden zwei 
Hauptdialekte: das wirkliche Rumonſch (Romantic) 
ober Churwelſch, und das Yabin. Das eritere wird 
in den Thälern des obern Rheins im Gebiete dei 


Nomanifhe Spraden — Romaniſcher Stil 


Grauen und Gotteshausbundes gelprodjen und 
jpaltet fih in die Unterdialelte: R. ob dem Wald, 
A. unter dem Wald und Be ** Das Ladin 
gehört dem obern Junthal dem Engadin an 
und zerfällt in das * — *. Unter⸗ 
engadiniſche, wozu noch die Mundart des Münſter⸗ 
thals kommt. DE} Dialelt - een teht 
zwifchen dem Churwelſchen Ladinifhen. Die 
rhätischen Dialekt ee — derpondbergafche, ber 
—— und der Enneberger haben manches Eigen⸗ 
» den von Friaul erkannte zuerſt J. Aroli 
als rhätifche Mundart. Zur Zeit ber Hoßenitaufen 
—— ndten noch romaniſch; ſeitdem iſt das 
ee in = ——— riffen, in 
Sales wir weife ch —— — 
Sm Engadin, n Tr und Friaul ken 
lienifde ein; angsmundarten be 
gegen n das iſche und Beetle 5 
raubünden zählt man noch 40000 R nn 
Zirol (Öröbener, Enneberger, 
gegen 11.000, in iau[ 464.000 ih pre 
Eine ei milde itteratur — FR. nicht, — 


eu te Dialelten —— undert 
Bücher gebrudt 


8 erſte —825* edrudte di (in 
Pabin) war eine fiberfehung des mus d 
Bifrun von 1552. Neuerbings wurde er aus 


Hand tb eben. Aus 
= 16 Aabıh. eigen r. ae fowie * 
matiſche Kompofitionen e — Das meiſte * 
—8* und didaltiſchen Grammatilen 


Gonrabi (Zür. rg Sur en a, 
ak 
da ns (Drthogra — Sur 100), 


Cariſch Chur 1852) und Pre = 
ältern Arbeiten über rhätoroman. Spr: —* 
von Andeer: «fiber Urſprung und Geſchichte ber 
roman. Sprache» (Ehur 1862); Mitterrußner, «Die 
reg te in Zirolo (Briren — 
I; ebt durch J. Ascolis Darftellu 
er rhätoromen. Dialekte im «A 
—— italiano» (I, 1873) und b 
gr «Rhätoroman. Grammatif» Heilbr. 
Deiträge zur Kunde des tirolerifhen Ro: 
mantfeh lieferten neller, «Die roman. Volls⸗ 
mundarten in Tirol» ug N Alton, «Die 
ladin. Idiome ( );_ Gartner, «Die 
arödener Mundart» (Ein 180) oe rhätoroman. 
Yitteratur beſchrieb F. Rauſch, ae —— 
— * —— Pr —* sich 
ine aphie derjelben, foweit fie in 
feinen Befip fid ben m, Relte 6. Lötuer («Ros 
maniſche Studien», Bd 
RomanifcheSprad — — 
den, welche ſich in dem der röm. Herrſchaft unter: 
worfenen & lien, Gallien, Hifpanien, einem Teile 
Nhätiens und dem durch Trajan auf etwa 150 
Jahre römiſch gewordenen Dacien nicht ſowohl aus 
der Sprache der gebildeten Römer, den Latein der 
Schrift und ber höhern Umgangsiphären, fondern 
aus dem nebenhergehenben Voltelatein, der fog. 
Lingua Romana rustica, — latten, in ber Aus: 
iprade, im Wortgebra in der ügung von 
jenent gebildeten Latein mc un prachmeiie 
entwidelten. Diefer Sprachweiſe bediente ſich zus 
nächſt in Latium, fodann in immer wachſenden 
Kreiſen allınählic) in ganz Italien Bauer wie ge: 
meiner Städter und be = — auch die 9— 
ihnen ausgehobene gro e von Kriegern, i 
deren Gefolge fie Stalien Fer hen und 7 fiber 


— 


799 


die eroberten Provinzen verbreitete. (Pol. Jung, 
«Dieroman, Sondiceit ten des röm. Reichs», Innsbr. 
1881; Budinſzky, «Die Ausbreitung der latein. 
Sprache», Berl, 1881.) an den Provinzen ent: 
widelten fich aus dem Kot slatein unter dem Zu: 
ammenftoß mit den nieder: ben nen Böllern, wie 
en us —* hen Völkerſchaften, Stel: 
Iberern, Daten und Geten, in einem im Detail 
ab nicht völlig —— Brozefie die roman. 
Idiome, die feit dem 9. Jahrh. naheinander in 
—e— — hervortreten. Im weſentlichen 
—— jener roh ein innerer, nicht von ber Berüb: 
Bun rönufchen mit den ‚Siomen der roman, 
ler und ihrer Beherrſcher bedingter, beruhend 
- träger Artilulation der röm. Laute und dem 
Bequemlichkeit und rg ausgehenden 
pradjfinn * —— che Kultur hinlebender 
a das Keltiſche, Germanifche, ie 
Arabifhe u. f. w. hat hauptfähli nur den Wort: 
fhaß der roman. Sprachen, weniger ihre Laute und 
| SemBitbung beeinhußt. Ihre Spaltung ift bis 
—— —— der Romaniſierung ber Voͤller des lat. 
Spraditammes zurüdzudatieren (vgl. Gröber in 
Woͤlfflins * 5 für lat. —8 1884; 
uch Schuchardt, olalismus des ulgärlateins », 
1865— 68), Im Kerne zu der Lingua Latina, 
welche ala eine bö ‚als die Sprache 
ber Kirche, Schule, Kar und der Wiſſenſchaft 
daneben fortlebte, erhielten die neugebildeten Spra⸗ 
chen des Volls und * tãglichen Verlehrs den Na⸗ 
men Lingua eine Bezeichnungsweiſe, der 
auch me m. Bolfe entjtandene und daher auch 
in der bes Volls — ——— 
wie — und Romanze, ihren Namen verbanten, 
Als felbftändige a in denen ss wieber 
ungemein zahlreiche, zum Teil fehr marlierte Dia: 
fette finden, betrachtet man fech3, bie ital., fpan., 
ar 2 ‚ provencal,, franz. und dacoromanifche 
rumän. oder waladı.) Sprache, Das fog. Roma: 
nische (f. d,) in Graubünden wird von Diez in feinen 
beiden klaſſiſchen Hauptwerten über die roman. 
ee «Örammatit der roman. Spraden« 
(3 Bde., Bonn 1836—43 ; dritte Bearbeitung, 3Bde., 
1870-72; leßte Ausg. 1882) und « olog. 
Mörterbud) der roman. Spracden» (Bonn 1853; 
legte Ausg. von U. Scheler, 1878), wegen feiner 
geringen litterarifchen Kultur und Verbreitung nicht 
als befondere roman. Sprache betrachtet, wohl aber 
von J. Azcoli und den Neuern. Yhrer Erforichung 
widmet fi) die von Diez begründete roman. Bhilo: 
logie, * gegenwärtig hervorragende Vertreter und 
ala e Lehrer au in meiſten roman, 
Sändern befon ers auch in Franfreich und Italien 
zählt. {ber die Entwidelung der einzelnen roman. 
Spraden aus bem Lateinischen ift nad Die an 
mweitverzweigte, auf Laut, Form, Wortihaß, S 
tar, Dialekte u. ſ. w. bezüg liche Titteratur ne: 
n, bie am u. in den Bıbliographien des «jahr: 
ee für roman. Sprade und Litteratur» (1859 — 
75) und ber « Zeitihrift für roman. — 
rausg. von Gröber (1877 fg.) überblidt wird 
ine ä ‚nliche Beitfchrift befikt ee in der 
«Romania» (1872 fg.), und beſaß Italien in dem 
«Giornale di filologia romanza» (1878 fg.). Außer: 
dem beſtehen ſolche Feitichriften für ein gene roman, 
Spraden in Deutihland und im Au 
Romanifcher Stil heißt inder sunft, — 
der Architeltur, eine im 11. und 12, Jahrh. ent: 
widelte Darftellungsmeiie, welche altröm: und neue 


800 


Glemente verbindet. Wenn der byzant. Stil von 
den Nundbauten — und durch die Kuppel 
über der Mitte des gleichſchenkeligen, griech. Kreu— 
zes fich kennzeichnet, jo ward das Schema des Grund: 
riſſes das nad dem Eingang bin verlängerte lat. 
Kreuz, und das Mittelichiff bewahrte die Längen: 
richtung der altchriftl. Baſilifa, die Symmetrie 
zweier redıt3 und lints geleitenden Seitenſchiffe von 

alber Höhe und Breite. Die Façade ward durch 
einen oder durch zwei Türme gebildet, ein Turm 
oder eine Kuppel erbob fi über ber Mitte des 
Kreuzes, der Chor ward häufig erhöht und unter 
ihm eine Krypta angelegt; an die Stelle der flachen 
Dede trat allmäblid das Tonnen: oder Kreuzge— 
wölbe, als deſſen Träger Pfeiler für ſich allein oder 
im Wechjel mit Säulen im Innern dajtehen. Noch 
wiegt die Maſſe vor, fie iſt gegliedert, aber noch 
nicht wie in der Gotik in lauter vertifal aufitrebende 
Teile aufgelöft, und ftatt des Spißbogens bildet der 
Stundbogen die Gewölbe, wie die Bekrönung der 
Vortale und Feniter. Am reichiten und mannid): 
faltiaften ward der roman. Bauftil in Deutichland 
und Frankreich ausgebildet. In Italien ermangelt 
er der Türme und hält fi eng an die Bafıliten: 
form, wie in Piſa, Prato, Zara, In England 
trägt er ein Pages Gepräge. (Bol. 
Bauftile, Bd. II, ©. 606 und Tafel: Bau: 
ftile, VIL) In der Blaftit und Malerei mifchen 
ſich die antifen Elemente mit der neuern Empfin: 
dung, dem frifchen Naturdrang; jene find fteif und 
jtarr geworden, dieje äußern fich heftig und derb; 
erit nad und nad) durddringt das neue Gefühl 
die überlieferten Formen, oder mäßigt ſich der Aus: 
drud zur Schönheit. 

NRomanismus (lat.) und Romaniften nennt 
man die Pflege und Pfleger des röm. Rechts im 
Gegenſahze zu denjenigen Nechtelebrern, die fid) dem 
Studium des deutſchen Rechts bingeben (Germa: 
nilten); Romaniſten beißen ferner die Kenner der 
roman. Spraden und Literaturen. 

Romans, ital. Dialer, f. Giulio Romano, 

Romano (Gnotrio), Pſeudonym des Dichters 
Gioſue Garducci (f. d.) 

‚Romano bi Yombarbia, Drt in der ital, Bro: 
vinz Bergamo, Bezirk Treviglio, lints vom Fluſſe 
Eerio, Station der Eijenbahn Mailand : Berona, 
zählt (1881) 4963 E., ift mit Mauern und Gräben 
umgeben und hat ein altes Schloß, Seidenfpinnerei 
und Getreidehandel. 

Nomanod, Name mehrerer byzant. Kaiſer: 

Romanos J. Lelagenos, feit dem 27. April 
919 Schwiegervater des jungen Kaiſers Konftan: 
tin VII. Borpbyrogennetos, wurde 17. Dez. 920 
Mitregent des lektern und verdrängte für lange 
Jahre feinen Schwiegerſohn von der Regierung, 
bis er ſelbſt 16. 2 944 durch feine eigenen Söhne 
geftürzt wurde. R. ftarb 948 in einem Klofter auf 
der Bropontisinfel Brote, 

RomanoslI., Sohn des Kaiſers onftantin VII. 
Forpbprogennetoß, dem er 9. Nov. 959 auf bem 

—* folgte; unter ie eroberte Nilepbhoros 
Pholas die von Arabern * Inſel Kreta (961) 
wieder für das byzant. Reich. R. ſtarb ſchon 
15. März 963, angeblich durch das Gift feiner durch 
ihre Er. berühmten Gattin Theophano 
(Mutter des Baſilios IL), 

Nomanos Il. Argbyros, zuerft Patricius, 
dann mit 60, J. 19. Nov. 1028 mit des Kaiſers 
Konftantin VIII. älterer Tochter ZoE vermählt, 


Romanismus — Romanow 


wurde, als ſein Schwiegervater zwei Tage ſpäter 
itarb, felbit Kaifer; er ftarb 11. April 1034. 
Romanos IV. Diogenes, Eohn des buzant. 
Generals Konftantin Diogenes, wurde von ber 
RKaiferin. Mutter Eudolia Makrembolitiſſa nad) Ent: 
per Dosen Zeige lotts gegen ihre Herrſchaft nicht 
allein begnadigt, fondern fogar zu ihrem Gemabl 
erhoben. In Konftantinopel durch die Eiferiucht 
des Schwager der Naiferin, Johannes Dulas, 
ſchwer bedroht, führte R. anfangs den Krieg gegen 
die Seldſchulen auf der Dftgrenze, verlor aber 1071 
die Schladt bei Mantzitert und fiel in Gefangen: 
haft. Bon dem Sultan Alp-Arslan unter billigen 
—— wieder freigelaſſen, erfuhr R., daß 
Dulas in Konſtantinopel die Kaiſerin entthront und 
ihren Sohn erfter Che, Michael VII. Dutas, auf 
den Thron erhoben hatte. In dem wider die neuen 
Machthaber eröffneten Ariege wurde R. geichlagen 
und zur Abdanlung genötigt, dann gebl und 
ftarb wenige Tage nachher Olt. 1071) 
Romänow, das Haus, weldes in Rußland 
1613— 1730 in männlicher und jebt in ber weib⸗ 
lihen Nachkommenſchaft herrſcht, ein altes berühm: 
te8 Bojarengeſchlecht, deilen Abnberr Andrei, mit 
dem Beinamen Hobyla (die Etute), 1341 angeblich 
aus Preußen nad) Moslau fam, mo er in bie 
Dienite de3 Großfürften Simeon des Stolzen trat. 
Der Sohn Andreis, Febor, genannt Rofe fa (die 
Kape), ftand unter Demetrius Donftoi und Wafs 
filji 1L. in hohem —— und hatte fünf Söhne, 
von denen, außer den R. die familien Suchowo— 
Kobylin, ws w und Scheremetew abjtammen. 
Sein Entel, Sadarii wanowitih Koſchlin, Bojar 
des Groffürften Wafjili LIE. (1425—62), hinterließ 
zwei * Jakow —— einen berühms 
ten Feldherrn, defien Nahlommen ſich —— 
Jalowlew, und Jurij, deſſen Nachtommen * 
arjin⸗Jurjew nannten, und deſſen Sohn, der 
Bojar Roman Jurjewitſch, 1543 ſtarb. Durch bie 
Heirat der jüngern Tochter des legtern, Anaftafia 
Romanomna, mit dem Zaren Jwan Waſſil— 
jewitſch II. 1547 und ihres Bruders Nikita Ros 
manowitſch mit Eudokia Alerandrowna, einer 
geborenen Fürftin von Susdal, bie ihren Urſprung 
von dem Grobfürften Andrei Jaroſlawitſch, des 
Alerander Newſtij Bruder, ableitete, nelangte die 
Familie in unmittelbare Berbindung mit bem Herts 
icherhaufe Aurik (f. d.). Da nad Jwans IL. Tote 
unter feinen Nachfolgern, jeinem Sohne Feodor L., 
dem Ufurpator Boris Godunow und den vier fal« 
fen Dimitri, die Angelegenheiten Rublands (f. d.) 
in die größte Verwirrung gerieten, die durch Polen 
und Schweden, welde um den Veſiß des Landes 
ftritten, vermehrt wurde, fo erhoben die geütlichen 
und weltlichen Herren und die Boten ber Städte 
den 17jährigen Füngling rd u rein itſch 
R., den Sohn des Metropoliten Philaret von Ros 
tow, 21. Febr. 1613 einmütig auf den Thron. 
ilaret, der von Godunow gezwungen in den geijts 
lihen Stand getreten war, erhielt die Würde eines 
Vatriarden von Mostau und unterftügte feinen 
Sohn in der Regierung bis zu feinem Tode 1. Dit. 
1634. Midail, ein wohlwollender Fürft, defien 
Hauptftreben darauf gerichtet war, die bem Lande 
durch den Bürgerkrieg geihlagenen Wunden zu 
heilen, ftarb 12. Juli 1645, ; — 
Ihm folgte ſein Sohn aus zweiter Ehe, Alerei 
Michailowitſch, der die Polen und Schweden 
mit abwechſelndem Glüde betämpfte, aber noch 


Nomanow:Borifoglebst — Romanze 


größern Ruhm als Negent und Gefehgeber ſich er: 
warb. Er ftarb 29. Jan. (8. Febr.) 1676. Bon feis 
ner —— aria JIhiniſchna Miloſlawſtij 
hinterließ er zwei Söhne: Feodor III, (f. d.) Alereje: 
witſch, der 27. April 1682 ohne Erben ftarb, und 
Swan (f. d.) Alerejewitich. N are hatte mit fiber: 

ehung feines vollbürtigen Bruders, Iwan, feinem 
Salbbruder Peter I. die Thronfolge bejtimmt, 
Allein die herrſchſüchtige Schweiter Iwans, die 
Barewna Sophia, erhob Iwan zugleich mit dem 
nod) unmündigen Peter auf den Thron der Zaren. 
Eie felbit war Negentin und wollte ſich auf, den 
Thron fhwingen, aber ihre Pläne wurden vereitelt. 
Swan z0g fi —— und Peter J. wurde 
1689 Alleinherrſcher. Auf Beter d. Gr. folgte 1725 


Die Gemahlin Katharina 1. (f. d.); auf diefe 1727 | der 


eters Entel, Beter II. (f. d.), der lehte vom Manns: 
—— R. weldyer 29. Yan. (9. Febr.) 1730 ſtarb. 
un folgte zuerft Iwans weiblihe Nachkommen: 
ſchaft von feiner Gemahlin Prastowia Feodoro wna 
Eoltitow, und zwar wand zweite Tochter Anna 
(f. d.) Jwanowna (1730—40), hierauf deren un: 
mündiger Schweiterentel Jwan IV. (f. d.). Als 
legterer 1741 gejtürzt worden war, beitieg Peters 
d. Gr. und Katharinas I, Tochter, Elifabeth (ſ. d.) 
Petrowna, den Thron, welchen fie bei ihrem Tode 
nn Beter UI. (f. d.), dem Sohne ihrer 1728 ge: 
orbenen Schweſter Anna Petrowna, hinterließ. 
Seitdem regiert in Rußland das Haus Holftein: 
Gottorp oder Dldenburg:R., zu welchem außer 
Peter III., der fhon im Jahre feiner Thronbefteis 
gung ermordet wurde, die Kaiſer Paul I., 1796— 
1801, Alerander J., 1801— 25, Nilolaus I., 1825 
—55, Alerander II. 1855—81 und Alerander III. 
—— gl. —— «Genealog.:hronol. 
eichichte des Haufes N.» (2p3. 1805); Dolgorufij, 
«Notice sur les principales familles de la Russie» 
(Brüff. 1848); Friedeburg, «Rossijskij Zarstwenny 
Dom Romanowych» (Beteräb. 18583 fa.). 
Romano —— —8 im ruſſ. 
Gouvernement Jaroſlawl, an beiden hohen Ufern 
der Wolga, mit (1883) 5302 E., age Fabri⸗ 
ten, namentlich für Leinwand und Seide, und be: 
deutendem Handel mit Getreide und Fiahs 
Nomaus, Stadt im franz. Depart. Dröme, 
Arrondifiement Balence, rechts an der Yitre, Sta: 
tion der Linie Valence:Grenoble:Chambery der 
Paris : yon: Mittelmeerbahn, zählt (1881) 11381 
(Gemeinde 13806) E. und hat die höne roman. 
Kirche St.»Barnard (nur der Chor gotiih), den 
Reſt der rer Abtei Romanis, um welde 
gegen 900 die Ortichaft entitand, ein Handelstribu: 
nal, ein College, Seidenlultur Melonenzuct, Seis 
deninduftrie, Fabrilation von Nußol und Gerberei. 
Etwa 12 km nordweitlic bei Tain wächſt an einem 
hohen Hügel der echte Wein L'Ermitage. R. war 
im 16. Jahrh. ein Blak der Hugenotten. 
Nomandhorn, Fleden im Bezirk Arbon des 
fchweiz. Kantons Thurgau, liegt 410 m über dem 
eere, 13 km nordweitlid von a ne (f. d.) 
auf einer Halbinjel am linten Ufer des Bodenjees, 
befist einen geräumigen Hafen mit Horn: und 
Lagerhäufern, einige Karin, mehrere Gafthöfe 
"und ein Seebad und zählt (1880) 367 
E., deren Haupterwerbsquellen Feld: und Objtbau, 
Fifcherei und Handel, Eiſengießerei, Baummoll: 
und Leinwandinduftrie und die Fabrilation von 
Londenfierter Mil find. Als Knotenpunkt der 
Linien Winterthur: Konftanz:R. und Winterthur 
Eonverfationd-Lerikon. 13. Aufl, XIIL 


meift reform. 


801 


R.⸗NRorſchach der Norboftbahn, und der Dampfer: 
linien jo ebrihshafen und R.:Lindau hat R. 
nächſt Rorihad den lebhafteften Touriſten- und 
Handelöverlehr (Getreide: und Spebitionshandel) 
auf dem ſchweiz. Ufer des Bodenſees. 
omantif. Mit dieſem Begriff pflegt man im 

allgemeinen das Weſen des Mittelalters im Gegen: 
fag zum Weſen des Altertums und der neuern Zeit 
zu bezeichnen. Der Name tommt daher, daß in den 
eriten Jahrhunderten des Mittelalters bie ildung 
vorwiegend von den roman. Böllern getragen 
wurde. Die treibende Kraft des Mittelalter3 war 
die neue Religion des Chriſtentums mit ihrer tie: 
I Gemütsinnerlichteit. Im Gegenfas zu dem 
eiten Gleichgewicht von Seele und Körper, weldyes 
Grundzug des Altertum ift und die Kunft 
Alten fo zwingend anfhaulid und plaftifch macht, 
wirb die geſamte Stimmung num geiftiger, inner: 
licher, rg lyriſcher, aber aud wunder: 
füchtiger und phantaftiicher. G3 ift die Befreiun 
und Entfeflelung des Gemutslebens, aber zuglei 
befien einjeitige Überhebung und verderbliche Sos 
biftil, und erft die neuere Zeit, welche mit dem 
Beitalter ber Renaiffance (f. d. b. h. der Rücklehr 
pa Altertum, und mit der lirchlichen Reformation, 
x h. mit der Qäuterung des mittelalterlihen Ras 
tholizismus, beginnt, befeitigte dieſe Auswüchſe, 
ohne deren weſenhaften und unvergänglichen Kern 
—— Aus —* —5*x— Bedeutung 
des Wortes R. find mehrfache Nebenbebeutungen 
entſprungen. an nennt z. B. da bene, 
Ahnungsvolle, Abenteuerliche, Wunderbare, Phan— 
taſtiſche romantiſch, Ipeicht von romantiſchen Ge: 
enden, von romantiihen Empfindungen und Er: 
ebniffen. Eine neue Bedeutung erhielt dad Wort, 
ala fih am Anfang bes 19. Jahrh. einige jüngere 
Dieter und Kritiler, A. W. und Fr. Schlegel, 
Novalis, Ludw. Tied, Wadenroder, unter den 
Namen ber romantifhen Schule zujammen: 
fchloffen und mit diefem Ausdrud bezeichnen woll: 
ten, daß fie dad Weſen der Kunft und Poeſie im 
Wunderbaren und Phantaftifhen und bemgemä 
in der Bevorzugung und Nahahmung bes Mittel: 
alterlihen und auch des Drientalifeen ſuchten. 
Vol. Hettner, «Die romantiſche Schule in ihrem 
innern Zuſammenhang mit Goethe und Schiller» 
(Braunfhw. 1850); Haym, «Die romantifche 
Schule» (Berl. 1870). Ebenfo nannte fid) in Frank⸗ 
reich) eine neue Geſchmadsrichtung, die fi nicht 
länger in die ftarren Feſſeln des alten Alaffiziamus 
von Eorneille und Racine bannen lafjen wollte, 
fondern freiere Formen erjtrebte, R. oder roman: 
tische Schule. F Huber, «Die romantiſche Poeſie 
in Frankreich⸗ 1832); Gautier, «Histoire du 
romantisme» (Bar. 1874). 

Nomauus, Hapit, folgte im Herbft 897 dem 
ermordeten Stephan VI., ftarb aber ſchon nad) 
"n —— — F 

omanze, Bezeichnung für lyriſche oder epiſche 
Gedichte, be entweder eigentliche Vollslieder oder 
im Boltstone gehalten find. Schon der Name 
deutet died an, denn romance, romanzo, Roman 
Ier ſowohl die roman. Vollsſprachen zum Unter: 
chied von der lat. Schriftſprache, als aud) alles in 
diefen Vulgärſprachen Werfahte, und da die Volks⸗ 
lieder und vollämäßigen Gedichte den Probulten 
der Kunitpoefie vorausgingen, jo hießen jene vor: 
ugsweiſe romances, zum Unierſchied von den lat. 
dihten. Noch hat im Spanifhen, woraus 
51 


802 


zunächſt der Name und Begriff diefer Dichtungs: 
gattung hervorgegangen, romance dieſe dreifache 
Bedeutung, die urfprüngliche von Bulgäripradhe, 
die von lyriſch-epiſchen Gedichten im Vollston und 
die von der in ſolchen Gedichten üblichſten Versart, 
den acht: und ſechsſilbigen Werfen mit trochäiſchem 
Nhythnius (versos de redondilla mayor y menor) 
und mit durchgehender Ajjonanz in den gleichen 
Zeilen. Die zweite Bedeutung iſt die allgemeinjte 
geworden und in andere Spraden, namentlich 
auch in die deutiche übergegangen. Demnad) ver: 
jteht man unter N. entweder jene lyriſch-epiſchen 
Vollslieder oder vollsmaßigen Gedichte der Spa 
nier oder ihnen nachgebildete, wenn nicht in der 
Form, doc in Geiſt und Ton ähnliche Gedichte 
in andern Spraden, beſonders in ber deutſchen. 
Der Grunddaralter ber jpaniichen R. ilt der des 
epiichen Boltsliedes, mit nationaler Färbung, aljo 
möglidite Objektivität bei allem Ergriffenfein von 
dem zu —— oder zu Schildernden, drama⸗ 
tiſch⸗ lebendige, gedrängte, ja fprungbafte Dar: 
itellung und naive Einfachheit, jedoch mit der natio: 
nalen Nuancierung der ſudl. Leidenfchaftlichkeit 
und Sinnlichleit. ben älteften ſpaniſchen R. 
war das Epijche vorherrſchend. Sie befangen zu: 
erſt die Großthaten und merkwürdigen Ereigniile 
im wirklichen und nationalen Leben, wie bie R. 
von Eid, wenn fie auch durd bie Tradition mit 
jegenbeften Zügen und mythiihen Perſonen ver: 
chmolzen wurden, und dieje nennt man mit 
Recht die REEL von denen man jebod) jene 
Gattung biftorijcher N., die nad den Chroniken 
von Sepulveda, Alonjo de Fuentes und andern 
Gelehrten gemacht wurden, wohl untericheiden muß. 
Dann drangen aber auch, wohl durch wanbernde 
Sänger, bie Heldenjagen ihrer rn jenfeit der 
Pyrenäen zu den Spaniern und famen als R. in 
den Bollsmund mit nationaler Färbung, wie die 
von Karl d. Gr. und jeinen Paladinen, die man 
gewöhnlich die Nitterromangen nennt. Als 
endlich nad) der Eroberung Granabas die chriſtl. 
Spanier mit den Mauren in dauernde friedliche 
Verbindung traten, wurde es üblid), verliebte Aben- 
teuer und galante Feſte im maurifchen Koftüm aud 
in R. zu befingen, und dieje, von den hiftoriichen 
aus den Striegen mit den Mauren wohl zu unter: 
fcheidenden nennt man — die mauriſchen 
oder moresten R. Schon die letztern waren Pro: 
dukte der ſpan. Aunftdichter, die ſich gefielen, Selbit: 
erlebtes oder auch Neinerbichtetes unter biejer 
Masle und in diefen Vollsweiſen zu befingen. 
Gbenfo gehören die Shäferromanzen ber unit: 
poefie an, und gegen Ende des 16. und zu Anfang 
des 17. Jahrh. wurde die Romanzenform zu allem 
Nöglien gebraudt und die R. von ihrem objeftiv: 
epiſchen Grunde auf das Feld bes ganz Subjeltiv: 
Lyriſchen verpflanzt. Über. die ſpan. Romanzen: 
poefie vgl. 5. Wolf, «Studien zur Geſchichte der 
ſpan. und portug. Nationallitteratur» (Berl. 1859). 
Seit ber Mitte des 16. yeah, begann man aud 
eigene Sammlungen von R. (f. Romancero) an: 
zulegen, bie früher nur bu rung fiberliefe- 
tung ober durd fliegende Blätter fortgepflanzt 
wurden. Ins Deutiche wurden nicht nur viele diefer 
ſpaniſchen R. überjeht, wie von Diez, Regis, Gei: 
bel, Schad u. a., fondern auch, bejonders feit Her: 
der, Nachbildungen diejer Di ttung *2 
liebt. So ſind als Roma ichter beruhmt: Stol⸗ 
berg, Schiller, Goethe, Tiech, die beiden Schlegel, 


Romanzow — Romberg 


Schwab, Ubland, Rüdert, Chamiffo, Zeblik, Per 
nau u.a. Bon der Nomanze untericheidet ſich die 
Ballade (ſ. d.). Bei den Franzoſen heißt romance 
eine rein [yriiche Gattung von Liebesliedern, nur 
in ber altfranz. Literatur finden ji voltämäßig- 
epiihe Lieder, die dem Charakter und Tone nad 
wahre R. find. Bei den Engländern heißen roman- 
ces größere Rittergedichte und Nomane, 

Romanzomw, ruſſ. General, ſ. Rumjanzom, 

NRomberg (Andr.), deutiher Komponiſt und 
Violinipieler, wurde 27, April 1767 zu VBechte im 
Niederitift Münfter geboren. Sein Bater, Geb: 
barb Heinrid R. Mufibirettor zu Münfter und 

irtuos auf der Klarinette, und deſſen Bruder, 
Anton R., Birtuos auf dem Fagott, bildeten nebit 
ihren flindern eine berühmte flün tlerfamilie, welche 
noch 1792 in Bonn gemeinjam wirkte. Andreas 
und fein Better Bernhard, der berühmte Biolon: 
cellijt, Antons Sohn, wurden nad) mehrern Kunit: 
reifen 1790 Mitglieder der kurlölnifchen Hoflapelle 

u Bonn und gingen, ald nad der Flucht des Kur; 
ürften die Kapelle fi auflölte, 1793 nah Ham: 
burg. Nachdem fie 1795—97 Italien bereift hatten, 
ing Bernhard 1799 nach England, Spanien und 
Bortugal. m J. 1800 waren fie in Baris, wo fie 
emeinjchaftlich die Oper «Don Mendoze» für ; 

u fehten. Seit 1801_batte Andreas feinen blei⸗ 
benden Aufenthalt in Hamburg, bis er 1815 an 
Spohrs Stelle al Muſildireltor nad Gotha ging, 
wo er 10. Nov. 1821 ftarb. In feinen en: 
talftüäden, befonders in ben Symphonien, Duar- 
tetten und Duintetten, voll der reinften Melodie 
und gründlichiten Harmonie, näherte er ih Haydn. 
Noch aröhern Beifall fanden feine Kompofitionen 
Schillerſcher Gedichte, 3.®. dber«@lode», der «Madıt 
des ne x, mit Begleitung des Orcheſters. 
Weniger glüdlid) war er in der Oper. 

Bernhard R. Better des vorigen, ein berühm- 
ter Virtuos auf dem Bioloncell, war zu 2 
im Niederſtift Münfter 11. Nov. 1770 geboren, 
wurbe 1801 Profefior des Bio am fon: 
jervatorium zu Paris, ging aber 1803 nad Hams 
burg und fam 1805 in die königf. Kapelle zu Berlin, 
wo er mit Unterbrehungen bis 1819 wirkte, zulegt 
als Hoffapellmeifter. Nah Spontinis Anftellung 
in Berlin nahm er feine ſſung und privati⸗ 
—— in er . * er — 
un ernahm. tar . . u Hamburg. 
Allgemein ——— man fe vollenbetes Biolon: 
ceilfpiel und feine Kompofitionen für diefes Inſtru⸗ 
ment find von bleibender Bedeutung. 

Romberg (Mor. Heinr.), ausgezeichneter Arzt 
und Patholog, geb. von israel, Gitern 17% in 
Meiningen, erbielt feine wiſſenſchaftliche Vorbil⸗ 
dung auf dem Gymnaſium zum Grauen Kloſter in 
Berlin, ftudierte daſelbſt bis 1817 Medizin und 
ging dann zur weitern Ausbildung. auf Reifen, 
namentli nad) Wien. Nachdem A, ih 1828 zu 
Berlin als Privatdocent babilitiert hatte, —F er 
neben ſeinen theoretiſchen Vorleſungen über Patho⸗ 
logie und Therapie Vorträge über propädeutiſche 
Klinit, wurde 1838 außerord. Profeſſor und leitete 
von 1840 ab die Univerfitätspoliflinif; bald darauf 
erfolgte feine Ernennung zum ord. Profefior der 
fpeziellen Pathologie un apie. R. jtarb zu 

ls Slöritieer Hot te R. zunädjit feiner V 

E teller folgte A. zun einer Vor⸗ 
liebe, bie Borgänge des kranken Organismus auf 
Phyfiolog. Bat zu erflären, ſowie durdh fiber: 


Nome — Noemer (Herm.) 


tragungen engl. Werle die Phyſiologie und Patho— 
logie des Nervenſyſtems darzujtellen. Er war au 
diefem Gebiete als Arzt und Lehrer jchon eine 
Autorität, ehe noch fein «Lehrbuch der Nerven: 
frankheiten» (Bd. 1, Berl. 1840; 3. Aufl, 1857) 
erſchien, welches, jowohl für die Phyfiologie ala 
für die allgemeine und fpezielle Pathologie babn: 
brediend, außerordentlihe Epoche madte. Mit 
demjelben eröfinete N. in vollendeter Yyorm und 
Darftellung eigentlich die Wiſſenſchaft der Patho: 
logie der Nervenkrankheiten in Deutichland, er: 
mweiterte die Grundlagen einer ſcharfen Diagnofe 
und vereinfachte und präzilierte die Therapie. 
Bon R.s felbjtändigen Werten find noch zu nennen: 
«Bemerkungen über bie aſiat. Cholera» (Berl. 1832), 
«Bericht über die Cholera: Epidemie im J. 1837» 
(Berl. 1837), «Neuralgiae nervi quinti specimen» 
(Berl. 1840), «De paralysi respiratoria Commen- 
tatio» (Berl, 1845); ferner feine Ausgabe von 
« Albertini opuscula», jeine Überjeßung von Bell, 
Phyſiol. und pathol. Unterfjuhungen de3 Nerven: 
iyitemös» (2. Aufl., Berl. 1836), und von Marihall, 
« Unterfuchungen des Gehirns im Wahnſinn und 
in der Wafleriheur (Berl. 1819). , 

Rome, Hauptitadt von Floyd County im nord» 

amerit. & 
Re und des Doftenaula, melde bier den 
Cooſafluß bilden, an mehrern Eiſenbahnen, hat 
(1880) 3877 E., ein Walzwerk, eine Nagelfabrit, 
Gifengiebereien, Mafchinenmwerkitätte ‚drei Banfen, 
zwei Colleges und zwei Hochſchulen. 

Rome, Hauptitadt von Dneida County im nord: 
amerit. Staate Neuyort, liegt am Mohaml:River, 
an ber Bereinigung ded Erie: und des Blad:River: 
Kanals, an verjchiedenen Eifenbahnen, hat (1880) 
12194 E., breite Straßen, mehrere öffentlide und 
Privatparf3, 15 Kirden, 10 öffentlihe Schulen, 
eine Free Academy, eine Öffentliche Bibliothek, brei 
National:, eine Staat: ET Sparbanfen, eine 
Zaubitummenanftalt, zwei Walz: und Puddelwerle, 
eine Strumpffabrif, Maſchinenwerlſtätte u. ſ. w. 

Nomen, j. Romny. 

Nömer (riedr. von), württemb, Staatömann, 

eb. 4. Juni 1794 zu Erlenbrechtsweiler auf der 

(b, trat in das theol. Stift & Tübingen ein, das 
er im Jan. 1814 verließ, um die militärifhe Lauf: 
bahn einzufhlagen. Nach dem Frieden nahm er 
feinen Abſchied und ftudierte zu Tübingen die Rechte. 
Im J. 1819 erhielt er eine Auditeurſielle in Stutt: 

tt und 1830 wurde er zum Kriegsrat befördert. 

eit 1830 wandte er ſich der polit. Laufbahn zu. 
Ba Wahlbezirk Geihlingen in die Kammer gemäßlt, 
chloß er ſich 1833 der liberalen Oppofition an. 
Nah Auflöfung der Kammer wurbe er in feinem 
Bezirk wieder erwählt und vertaufchte, da ihm die 
Regierung für feine parlamentarische Thätigkeit 
ben Urlaub verweigerte, den Staat&dienit mit der 
Advolatur. Als 1838 die liberale Dppofition auf 
die Wiedererwählung verzichtete, trat au R. zu: 
rüd. Der Umſchwung bei den Neuwahlen von 1845 
führte ihm wieber in bie Kammer, wo er als Führer 
ber — die —— der Regierung ge 
ſchict befämpfte. Rach dem Ausbruche der Februar: 
revolution 1848 übernahm R. das Vortefeuille der 
Juſtiz in dem Minifterium vom 9, Mai, deſſen 
Haupt er ua tbatfächli wurde. Als Mitglied 
des Ausidu es wohnte er dem Vorparlament in 
Frankfurt bei, trat aud als Abgeoroneter in die 
utſche Nationalverfammlung, wo er fich gegen 


taate Georgia, am Zufammenfluß des | 28 


803 


da3 preuß. Grblaifertum und für ein Direltorium 


f| erflärte. Nach liberfiedelung des Rumpfparlaments 


nad) Stuttgart trat R. aus der Verfammlung und 
ließ dieje, da gütliche Aufforderung vergeblich war, 
18, Juni durd Militär iprengen. Die Auflöfung 
des Miniſteriums, das fi über den Beitritt zum 
Dreilönigsbündnis nicht einigen konnte, führte im 
DE. 1819 auch R.s Entlafiung herbei. Seitdem be: 
ſchränkte erjeinepolit, Wirlſamleit auf die Kammer, 
in die er jtet3 gewählt wurde und als deren Präfis 
bent er jeit 1851 fungierte, R. ſtarb 11. März 1864. 
Römer (Robert), namhafter Rechtslehrer, Sohn 
des vorigen, geb. 1. Mai 1823 zu Stuttgart, ftus 
dierte zu Tübingen und Heidelberg die Rechte, 
wurde 1846 Advokat in Stuttgart und habilitierte 
fi) 1852 zu Tübingen, wo er 1856 eine auferord,, 
1857 eine orb. tofeffur erhielt. Seine Vor: 
lefungen eritredten fich ſeitdem vorzugämeife auf 
röm. Redt und württemb. Privatrecht. Im Jan, 
1864 wurde R. in die Zweite Sammer gewählt, wo 
er der nationalliberalen Partei angehörte. Er 
wurde 1871 Rat am Reichsoberhandelsgericht zu 
—52 und war 1871—76 Mitglied des Deutſchen 
Reichstags. Bei Errihtung des Deutſchen Reichs: 
gericht jog ih R. nad Stuttgart zurüd, wo er 
. Oft. 1879 ftarb. Seinen wiſſenſchaftlichen Ruf 
begründete R. mit den Schriften: «Die Beweislaft 
binfichtlich bes Irrtums nach gemeinem Civilrecht 
und Vrozeh» (Stuttg. 1852) und «Das ——— 
des klägeriſchen Rechts nad der Einleitung des 
Prozeſſes in jeinem Verhältnis zum Gndurteil» 
(Stuttg. 1852). Außerbem find hervorzuheben: 
«Die bedingte Novation nad) dem röm. und heuti⸗ 
gen gemeinen Redt» ee 1863), «Die Leiltung 
an — nach dem röm. und gemeinen 
Recht» (Tüb, 1866), «Die Verfafjung des Nord» 
beutichen Bundes und die jüddeutiche, insbeſondere 
bie württemb, freiheit» (1. bis 3. Aufl, Tüb, 1867), 
«Grundzüge des württenb, Erbrecht» (Tüb. 1872), 
«Das württemb. rg aa (£p3. 1876). , 
NRoemer (Friedr. Adolf), Geolog, geb. in 
Hildesheim 14. April 1809, ftudierte in Göttingen 
und Berlin Rechtswiſſenſchaft, war dann Amts: 
aſſeſſor, hierauf Bergrat und 1862— 67 Vorftand 
der a iger in Clausthal, wo er 25. Nov. 1869 
itarb. Bon feinen wiſſenſchaftlichen Arbeiten find 
rvor Men : Die Verfteinerungen des norbbeut: 
hen Dolithengebirges» (Hannov. 1836), «Die Ber: 
fteinerungen de3 norddeutſchen Streidegebirges», 
(Hannov. 1840), «Die Berfteinerungen des Harzges 
birgeö» (Hannov. 1843), «Beiträge zur geol. Kennt: 
nis des nordweſtl. Saragebir e3» (5 Abteil., Kaſſel 
1850—66). Diefe Werte find ſämtlich noch heute 
Hauptquellen für die Kenntnis der Gebirgabil: 
dungen bes norbweitl, Deutſchlands. R. ilt ber 
Begründer der wertvollen Mineralienfammlung der 
Bergakademie in Clausthal; feine Schüler errich— 
teten ihm 1882 ein Denlmal in Clausthal, 
Noemer (Herm.), Bruder des vorigen, Politiler 
und un geb. in Hildezheim 4. Jan. 1816, 
ftubierte in Göttingen und Heibelberg Rechtswiſſen⸗ 
Schaft und Naturwiſſenſchaften und war injeiner Bas 
terftabt bis 1852 al3 Stadtgerichtäaflefior, 1852—83 
als Mitglied des Magijtrats (Senator) thätig. Cr 
war 1852 m. der hannov. Kammer, feit 1867 
de3 Deutjchen Reichstags, in welchem er der natio⸗ 
nalliberalen Fraktion angehört. Um Hildesheim 
bat er fi namentlih durd Gründung des dorti⸗ 
gen Muſeums fehr verdient gemadt. Als Geolog 
61* 


804 


—* er im Auftrage der Regierung die geol. 

nterfuchungen der ſuͤdl. Hälfte Hannovers (1845 

a0) aus, deren Ergebnis die in fieben —* * 

cher «Beol. Karte von Hannover » ilt. 

— ieb er * Verhältniffe der Stadt 
—— 


Bruder ber vorigen, Geolog, 
8* in Hildesheim 4. Yan. 1818, dierte in Göt: 
ngen * Heidelberg echtswi enſchaft, dann 
erlin Naturwi Ele, unternahm 1845 
In eine wiſſenſchaftliche Neife nah den Ber: 
einigten Staaten, habilitierte fich in Bonn und 
wurde 1855 ord, Vrofeflori in Breslau. Bon feinen 
zahlreichen wiſſenſchaftlichen Arbeiten find hervor: 
- ben: «Das rhein. ni enger e» (Hannov. 
1844), «Texas mit befonderer Nüdjiht auf die 
bentiche Kubanberun » (Bonn 1849), «Die Kreide: 
bildung von Zerade ( onn 1852), « oLothase geo- 
ostica» (mit Bronn, 3. Aufl., 8 Bde, u. Arlos, 
tuttg. 1852 —54), «Die filuriide Fauna des weitl. 
Tenefjee» (Brest. 1860), «Die foliile Fauna der 
ſiluriſchen Diluvialgeſ iebe von Sademip » (Breäl. 
1081) —— von Oberſchleſien⸗ (Breäl. 1870), 
alaeozoica » Sr. 1880), 
Stämerbeb, unter Tüffer 
Epiftel St. auli an die Römer) 
* zu den wichtigſten riften des Neuen 
—— Der Brief enthält die vollitändigfte 
und gereiftefte Darlegung des eigentümlich pauli⸗ 
nifchen — * man bis auf die 
neueſten Zeiten herab vie 126 der Meinung ge: 
* iſt, die Briefform ſei lediglich Einlleidung 
der eigentliche Zwed des Schreibens die Ent: 
widelung der pauliniihen Theologie —— 
Dennoch iſt irn ein ** rief, der ſeine 
Veranlaſſung der beabſichtigten Reiſe des Apoſtels 
nach Rom verdanlt und dem Zwede dient, einer 
zum großen Teile aus geborenen Heiden, aber un: 
abhängig von Paulus entitandenen, unter dem 
eijtigen Einſluß des —— ſtehenden 
— ſein —— nahe u bringen yo 
ſich —* er Ges Aufnahme in Rom zu bes 
reiten. Obwohl Baulns das Voll der Römer zu 
den Heidenvöllern zählt, dem er ebenfo wie re: 
den und Barbaren das Evangelium zu predigen 
verpflichtet fei, wendet er ſich doch bei allen feinen 
Argumentationen an jüdiich gebildete Leer und 
ſucht feine —— ogie vor dem jũdiſchen Bewußtſein 
u rechtfertigen. Der Brief —6 zunächſt für 
das religiöfe Bewußtfein des Judentums das pau: 
linif — Ssangdhum von dem in bem Tode Chrifti 
offen arten neuen Heilsweg, die «Rechtfertigung » 
aus Glauben allein durch die Gnade, im Gegenjaß 
zu der jüdifchen Rechtfertigung aus den Merten des 
Gefehes, indem er zeigt, dab bie — ebenſo 
weni wie die Heiden durch eigene Ge Teheserfüllung 
das Wohlgefallen Gottes zu verdienen vermögen, 
vielmehr durch ſelbſtverſchuldete «Ungerechtig eit» 
dem göttlihen Zorne verfallen find trog aller Bor: 
un die fie vor den Juden voraushaben, Danadı 
—— er das en der Gerechtigkeit aus Glauben, 
de durd C F Sühntod gleicherweiſe für 
Heiden wie für Juden ermöglicht iſt, weiſt deren 
altteftamentlihe Begründung im Glauben Abra- 
hams nad), begründet die —— Hoffnung, 
daß die im Giauben Gerechtfertigten auch von dem 
tie Gottes werden errettet werden, und erläutert 
odann die rein objektive Übertragung von Gerech⸗ 
tigleit und Leben von dem Einen Chriftus auf die 


ildes: ſei 


Roemer (Ferd.) — Römerzlige 


Vielen durch die Parallele mit der objeltiven fiber: 
tragung von Sünde und Tod von bem Einen Adam 
auf alle feine Nachkommen. 26 Rttlide Benukte 
Paulus jein Evangelium für das ſittl mußt- 
ein des Judentums, indem er zeigt, daß bie 
Ki von dem Gefeh, feine ie eit zum Sündigen 
ei, wie — 3 die Gläubigen in der er mit 
Chriſtus au eimnisvolle Beife in Todes⸗ und 
Lebensgemein [ae getreten, ber eg den fleiſch⸗ 
nie — ſolange er unter dem Geſetze ftebt, 
errihenden Sünde gejtorben und zu einem neuen 
eben im Geifte Chrijti erwedt find, in welchem * 
die —— Forderungen des ehe3 erfüllen und 
vonje dem Berbantmungsfpruche bed Gefepeß befreit 
find. Ein dritter Teil richtet ſich —— 2 
enge Eiger ni R————— 8 
jeig n wie die äu eibli 
in Bundesvolfe noch fein — auf bie ihre 


Bande enthaltenen ——— heißungen * 
Gott vielmehr binfichtlich efonen, welche er 
begnabigen oder verwerf Gem ei e, unbedingte Frei⸗ 


eithabe. Gleihwohl habe Gott dur biejeitieilige 
—— —5* nur das Geſeß feiner Heils⸗ 
ordnung offenbar machen wollen, daß das aus 
reier Gnade komme und nicht aus der Igen 
erdienft; die Verheibungen Gottes aber 
dereinſt auch an dem gefa zunien —* noch in Er⸗ 
—— gehen, da die der Heiden nur 
wede diene, zrael —* olge zu 
FR ann —— 1 Seh zu Weide —F 
uß ma ttli ahnungen, we 
die b — — tniſſe der röm. 
anlaft find, perfönliche Mitteilungen und b Grabe, 
Der Brief ift zweifellos echt, nur. über bie 
gehörigleit der zwei Schlußla jitel oder d 
ner Teile derfelben zum urfprünglichen 
gran. Die Abfafiungszeit fält ins F 50. 
der überreihen Litieratur über den Brief 
mögen nur einige der neueften Arbeiten derjelben 
hervorgehoben ein: die Kommentare von 
Godet und Lip a. (in ber « Broteftantenbibel), 
ferner die Schrift von Mangold, «Der R. und feine 
—— — — 1884). 
erife, norweg. ‚in zwei ne 
teien geteilt, die den öftl. Teil nd bus: Amt 
bilden und (1875) 60292 E. auf 3859 qkm 
Nömermonate nannte man im frühern ts 
den Reiche die von den Ständen an den Kaifer zu 
eichslriegen und andern —— Nu Auss 
gaben bewilligte Steuer. Sie hat zu 
zügen bes Mittelalters nur infofern po "gr 
als die Summe, die jeder Reichsſtand ber 
Matritel von 1521 monatlich als Sold für die 
Kriegäleute zahlen follte, die er zum Nömerzuge zu 
ftellen gehabt * a zu Grunde —— 
wurde. fam in die 


Romeröhan fens Aug enz, — unter 
samt . 

ömerftadt, Stadt im w ie 
der Linie Kriegsdorf:R. ber slchlöen 


Gentralbahn, Sig einer 

und * a irlsgerichts, mit ha 5105 

ſchen E. edeutender Leinweberei. R. 

als each 1350 erftmals u 
Römerzinszahl, f.u. IJndiltionency * 
Nömerzüge nannte man bie üge ber 

deutſchen Könige nach Italien — —* nn 

Papſte die Kaiterlrönung zu 

ital. Bafallen ſich huldigen zu en * Wi 


Rometta — Römifche Altertümer 


war zur Heeresfolge verpflichtet, und nachdem noch 
Parimilian und Karl V. auf rund diefer allge: 
mein anerfannten pflihtung Bewilligungen 
von den Ständen erlangt hatten, biente ber 1521 
angenommene Maßſtab fpäter für andere Steuern 
(j.Römermonate). Zulept wurde Friedrich IV. 
1452 in Rom gekrönt; Marimilian I. nahm zuerft, 
ohne vom Papft gekrönt zu fein, ben Zitel als 
röm, Raijer an; Karl V. iſt ber lepte Kaiſer, ber 
von Bapfte gelrönt warb (1530), aber nicht in 
Nom, jondern in Bologna. 

Nometta, ehemals Rametta, Stadt in ber 
ital. Provinz und im Bezirt Meffina, in Sicilien, 
auf fteil abfallendem Berge, 1783 durch Erbbeben 
faft ganz zeritört, zählt (1881) 1240 (ald Gemeinde 
4116) E. und hat Handel mit Wein, Öl und Seide. 

Nomford, Stadt in der engl. Grafſchaft Gfier, 
Station der Linie London »Colcefter :Norwid: 
Gromer der Great:Gafternbahn, zählt (1881) 
6861 E. und hat eine berühmte Brauerei und Fabri: 
fation von landwirtichaftlichen Geräten, 

Nöomhild, Stadt in der fruchtbaren Herrichaft 
gleihen Namens, jet zum Herzogtum Sadjen: 
Meiningen gehörig, gab einer fädıt Linie, die von 

ft3 des Frommen Sohn, Heinrich, 1681 ge: 
gründet wurde und mit ihm 1710 ausftarb, ben 
Namen Sahfen:Römbhild. Der Drt liegt an 
der Spring (Zufluß der Fränlifchen Saale), 25 km 
füdfüdöftlih von Meiningen, iſt Siß eines Amts: 
erichts und zählt (1885) 1650 E., welche eine 
ampfbrauerei und eine Schubfabril unterhalten 
und bedeutende Biehmärkte abhalten. Außer einem 
Schloß (aus dem 15. Jahrb.,feit 1881 Kriegerwaiſen⸗ 
baus) befipt R. eine ſchöne got, Kirche mit einem 
prachtvollen Sarlophage von P. Viſcher. Bei R. 
u > bie ——————— Gleichberge. 
omilly (Sir Samuel), ausgezeichneter brit. 
Rechtsgelehrter und Parlamentsredner, ſtammte 
aus einer franz. Emigrantenfamilie und wurde 
1. März 1757 zu London geboren. Er widmete 16 
dem Rechtsſtudium, trat jeit 1783 ala Sachwalter 
auf und erwarb fi) große Prarid, Mirabeau ver: 
anlaßte ihn 1789, eine Dentichrift über die Formen 
und Geihäftsordnung des brit. Parlaments auf: 
zufegen, die gedrudt wurde und großes Aufieben 
madte. Im %. 1806 erbielt R. von dem Minifte: 
rium Fox⸗Grenville das Amt des Generalfistals 
(Solieitor general) nebft dem Nittertitel. Zugleich 
verichaffte man ihn einen Sig im Unterhaufe, wo 
er im Intereſſe der Whigs eine Hare Beredjamteit 
entfaltete. Die — des Miniſteriums Gren⸗ 
ville 1807 brachte auch R. um fein Amt, worauf 
er fi im Unterhaufe der Oppofition beigefellte. 
Bei den erg wi von 1818 wurde N. 
Zr Vertreter von Weſtminſter gewählt. Aus 
Melancholie machte er feinem Leben 2. Nov. 1818 
ein Ende. Seine Schrift «Observations on the 
criminal law of England» (London 1810) bat 
auf die fpätern Reformen des engl. Kriminalrechts 
roßen Einfluß gehabt. Gine Auswahl jeiner Hafji: 
(den Reden wurde von Peters (2 Bde., Yond, 1820), 
ie eMemoirs» von feinen Söhnen herausgegeben 
(3 Bbe., Lond. 1810). j 
ohn R., älteiter Sohn des vorigen, geb. 1802, 
* ierte auf der Univerſität Cambridge und betrat 
nn die jurift. Laufbahn. Im J. 1832 wurde er 
ür Bridport ins Parlament gewählt und erbielt 
päter den Rang eined Queen’s Counsel. Das 
Miniſterium Ruſſell ernannte ihn 1848 zum General: 


805 


—* 1850 zum Generalanwalt und 1851 zum 
mte eine3 Master oftherolls. Als folder machte 
er fih namentlich um die Veröffentlichung ber alten 
engl. Staatäurfunden verdient. Am 19. Des. 1865 
ward er ald Lorb R. von Barry in die Beerage 
erhoben. R. —— London 24. % 1874. 

Romillyefur-Andelle, Ort im franz. Depart. 
Eure, Arrondijiement Les Andelys, Station ber 
Linie Pont:de:l'Arde:Giford der Eurebahn, hat 
1380 E., ein Hupfer:, Mefjings und Zintwert und 
Drahtzieherei. 

Romilly⸗ſur⸗Seine, Stadt im franz. Depart. 
Aube, Arrondiſſement Nogent⸗-ſur⸗Seine, unweit 
lints ber Seine, ba mo lehtere aus ber nordweſtl. 
in ſüdweſtl. Richtung übergeht, Station der Linien 
Paris: Troyes:Belfort, Chäteau : Thierry: N. und 
Epernay:R. der Ditbahn, zählt (1881) 5070 (Ges 
meinde 5283) E. und bat ſtarke —— — 
kation von Mußen und Nadeln und Eiſengießerei. 

Nömifche Altertümer. Bon ben eriten An: 
fängen des röm. Staats an findet man das öffent: 

ice Leben nd bewegen mitteld des Zuſammen⸗ 
wirfen® ber drei Faltoren einer Befehlägemalt, 
einer beratenden Behörde und der Vollsgemeinde 
als ber Gefamtheit fämtliher Bürger. An ber 
Drganifation und dem Verhältnis dieſer drei Fal: 
toren zueinander es ſich ſowohl die in jeder 
eriode bleibenden YZuftände als die geſchichtliche 
twidelung daritellen. In der erften Periode des 
röm. Staats findet ſich die Ausübung der Befehls— 
ewalt in der Hand eines mit * timmung des 
olles beſtellten Königs (ſ. Rer), der, wie der 
ausvater in der —— den Staat ſchirmi und 
eherrſcht, oberſter Richter, oberſter Kriegshert und 
oberſter Prieſter iſt. Nur unterſcheidel ſich ſeine 
Stellung von der des Hausvaters dadurch, daß ſie 
nicht einem Naturgrund ruht, während fie da: 
für durch das funftvolle Syftem der Fortleitung der 
Aufpizien, durch die Interreges und die Jnaugu: 
ration die religiöfe Weihe erhält. Die Bollgewalt 
oder das imperium des Königs bringt es mit fich, 
daß neben im fein jelbftändiger Beamter fteht: 
wer außer ihm politifche oder friegerifche Funltio— 
nen übt, ijt von ibm damit beauftragt und ihm 
untergeorbnet. Neben ihm fteht als beratende, von 
ihm ausgewählte und zu berufende Behörde ein 
enat von 300 Mitgliedern —— ber das Volt 
bildenden Geſchlechter, welchen er König, durch 
die Sitte, aber nicht durch das Recht gebunden, bei 
allen wichtigen Mabregeln zu Rate ieh und deſſen 
Mitglieder bei der richterlihen Thätigleit des 
Königs von diefem beigeaogen werben können. Der 
dritte Faktor, das Boll, Be aus den erwadhfe: 
nen männlihen Angehörigen derjenigen Geſchlech— 
ter, bie zur Bildung des Staates — —— 
find, den Batriciern (f. d.). Diele ind in drei Tri: 
bu3 (f. d.) oder Gauftänme gegliedert, Ramnes, 
Tities und Luceres, jede Tribus in 10 Rurien (ſ. d.) 
jede Kurie in 100 Gentes (ſ. d.) oder Geſchlechter, 
—* Geſchlecht in 10 Familien, eine Einteilung, 
ie möglichſt die verwandtſchaftliche Grundlage be: 
rüdjichtigt, bei der aber die Zahl der Geſchlechter 
und vollends die der Familien und Häufer faft nur 
von ſchematiſcher Bedeutung, nicht von wirklichem 
Beltand fein lonnte. So gegliedert tritt das Volt 
zuſammen zu einer VBerfammlung, die den König 
waͤhlt oder vielmehr ihre Zuftimmung zu der Wahl 
durch den nterrer gibt, die vom König gegebenen 
neuen Geſehe genehmigt und über Krieg und Frieden 


806 


beſchließt, aber in dem allen nicht mit eigener 
—25 — ſondern von dem ſie berufenden König 
0 befragt, dab fie nur mit Ja oder Nein zu ant: 
worten hat. Neben dieſer Bürgerfchaft jteben noch, 
abgeſehen von den als Sache betrachteten Stlaven, 
die Clienten (j. Clientel) oder Hörigen, perfön: 
lid) freie Hinterjaflen ihrer patriciihen Batrone, 
oder mit Gewerbebetrieb beichäftigt, ihrem Ur— 
fprung nach vielleicht zum Teil die unterworfenen 
—— Bewohner. Politiſche Rechte hatten die— 
elben wohl nicht; ihr Verhältnis zu ihren Patro— 
nen (j. d.) war ein erbliches und galt als heili 
Als aber dann viele zugewanderte oder beftegte 
Latiner in den Staat hereinfamen, bildete fi ein 
78 bald ſehr jtarter Bevölterungsteil, die een 
Y .d.), ber gegenüber die Patricier ih als a 
hlofienes Ganze hetrachteten, als allein — 4 
hlendes Volt, als populus im erflufiven Sinne. 
dachdem —* ber Sage ſchon der erſte Tarquinier 
einen Verſuch gemacht hatte, dieſe zwei Teile 
nu verſchmelzen, eö aber nur zu einer Vermehrung 
er Geſchlechter durch eine Anzahl plebejiiher Fa: 
milien (minores gentes gegenüber den majores) 
gebracht hatte, ſchuf Servius Tullius eine Gefamts 
voltägemeinde, welde Batricier und Plebejer um: 
43 Er teilte als Grundlage der Verwaltung, 
b. der Aushebung und Beiteuerung, Stadt: und 
Landgebiet in vier lolale Tribus oder Teile, die 
mit den patriciichen Tribus nur den Namen "Tri: 
bus gemein hatten, ließ in diefen alle darin an: 
fäffigen Patricier und Plebejer mit ihrem Ber: 
mögen einfchreiben und teilte dann weiter auf 
Grund der jo gewonnenen Bevöllerungsliſte die 
gejamte Bevölterung auf Grund des Cenjus (f. d.) 
nad) dem Bermögen in jünf Alafien, nad) denen 
Ka die militärisch: polit. Pflichten und Rechte ab: 


Römiſche Altertümer 


ſchon unter den lehten Königen ri angewandt 
war, jondern zunädit nur in — 
und adminiſtrativen Bedeutu kenn wird 
wohl mit Grund is bildet fie 
aber die Grundlage der republitanif nBefafung. 
In der zweiten Periode der röm. Hei 
—— die eg der o = 
erung, da 83 imperium id wechſelt 
und je zwei Prätoren oder Konfuln, welch legterer 
Name nad) Einfehung einer bejondern Prätur der 
ftebende wird, diefel en, von benen jeder 
gleiche Macht und Nr — Lars; dem 
Kollegen bat. Außerdem * 
lichen Fu on abgelöft und le 
dern Oberprieſter (pontiſex maximus), teils einem 
fog. rex sacrorum oder sacrificulus 
Auch befteht anfängli 
anderer jelbftändiger Magiitrat, — 
die einzigen ſtehenden Beamten, die als 
—— e Gehilfen des Königs und 
erg ee den Konjuln untergeordnet. 
— wierigen Verhältniiien die i⸗ 
tät der höchſten Gewalt au m 
Einſehung eines vom Honf 
tors, in dem dann, aber —* auf Monate, 
die Gewalt wieder ver igt war. a 
als Gebilfen und Stellvertreter *— 


von ihm ernannten magister dem 
zweiten Puniſchen Kriege wurde wer die Diltatur 
nicht mehr in Anwendung gebradıt, ſondern es trat 
im legten Jahrhundert der Republif an ihre Stelle 


n in feiner Nechtägülti —— 
Karte Treiig) Hea e Mi 


ultimum, durd welches Fan —— 
Vollmacht gegeben wird mit ber at 
consules, ne quid respublica detrimenti capiat, 


tufen follten. Die Klaffen wurden zugleich Heeres: | Außer durch die Diktatur wurde das Kontur ai 

abteilungen, die ihre je nah dem Vermögen pe ſtes Amt der Republil nur in 

fchwerere oder leihtere Ruſtung ſelbſt ir beſchaffen ſchichtlich gegebenen Fällen —* en 

batten. Die Vermögensanſätze der Hlaffen find in | viri legibus scribundis (451—449) die tribuni 

Geldſummen überliefert zu 100.000, 75000, 50000, | militum consulari Dotestae (445), Deren @infepung 

25.000, 11.000 (nad) Dionys 12 500) Afen, waren | durd) den Kampf der Stände motiviert war, 

aber urfprünglich i in Landbeſih geihäht den Mor: | Eine Ünderung in der —— der Der Magi- 

gen zu 5000 Afien gerechnet, das einheitliche Bauer: — trat zunächit ein durch ‚befonderer 

gut zu 20 Morgen. Alle, welche weniger b * —— Beamten mit — 

als den geringſten Satz, bildeten die M So wurden infolge der Einfü 3 
Proletarier, der capite censi (f, d.), d. b. der nach als des Magijtratd der g —— 

* Kopf pfjäht Geſchaͤßten. Jede Klafie war in eine —— we dilen zuerft als Gebilfen 

gewiſſe Anzahl Centurien (}. d.) abgeteilt: die erjte dann jeit 471 und * mehr 

in 80, die zweite, dritte und vierte in je 20, die elbfändigere ne, — auge, 

fünftei in 80 während aus den Proletariern wohl 7 trat an die Stelle 

erft fpäter eine Genturie gebildet wurde. Zu dieien Wahl —— 


170 oder 171 Centurien famen 18 Rittercenturien 
und zwei Genturien Zimmerleute (fabri) und ebenjo 
viele Spielleute (cornicines und liticines oder 
tubieines) hinzu, ſodaß die Geſamtzahl fih auf 
192 oder 193 belief. Mit Rüdfiht auf den mili: 
—— Zwed der Einteilung wurden in den ein⸗ 
zelnen Klaſſen die ältern und Jüngern Bürger, über 
und unter 45 Jahren, von einander ge dieden, 
und nur bie Ichtern hatten die pa it, ins Feld 
u ziehen. In den nach dieſer rganifation zu⸗ 
— — Vollsverſammlungen, Comitia 
centuriata (j. Comitien), wurde nad Gentu: 
rien und Klaſſen abaeftimmt, ſodaß die Befikenden 
weit das Übergewicht hatten. Die nichtanſaſſigen 
Gewerbetreibenden famen dabei zu kurz, injofern 
mur der Grundbefik dem Cenſus zu Grunde gelegt 
wurde. Daß die fernianifche Organijarion nicht 


Deren —— ie Konſuln —7 
Volt, was dieſelben zu sg machte. vo 
Üinderung i in der © 

443 (oder nach Mommſen nl ein, wo ce 
führung des auch den 
julartribunats die Gef teber (census) 
und der Wahl in den * vom 
Konjulat abgelöft und zwei 


G een en —5*— Eher — an: 
eblich 5Sjährig, dann 1%, war. 

Beife wurde nad) ben Licinifeben Nogationen 

die Rehtöpflege vom Konfulat getrennt und einem 

bejondern, zunädjt patricif * —— 

als niedriger ſtehendem Ko 

Stellvertreter der Konſuln. De be ash: 

nung der Gejchäfte trat um 242 ein zweiter Prätor 
von 


nzu, bald darauf (227), 
—X und Sardinien A Bun 


Römiſche Altertümer 


Provinzen 2 weitere, 197 wurden es 6, durch Sulla 
8, durch Cäfar erft 10, dann 14, endlich 16, 

Mit der wachſenden Zahl der Provinzen und ber 
Bermehrung der Geſchäfte waren gleihmwohl die 
Stellen nicht entiprehend vermehrt worden, fon: 
bern man ar dadurch, dab die Prätoren erſt 
nad ihrem Amtsjahre zuerit in bie überfeeiichen 
Bezirke als Statthalter und Heerführer geſchidt 
wurden. Die Zahl der Quäftoren war ſchon 421 
verboppelt worden, indem zwei in ber Stadt und 
zwei al3 Begleiter der Konfuln im Felde notwenbi 
waren; 267 wurden e3 8, durch Sulla 20, dureh 
Gäfar 40, Die Üdilen, unter deren Geſchäften die 
Ausrichtung der Öffentlihen Spiele eine immer 

rößere und für die Beamten fehr koftipielige Rolle 
pielte, wurden 366 um zwei vermehrt, indem zu 
den zwei plebejijchen zwei patricifche (aediles caru- 
les) binzulamen, deren Stellen übrigens fofort ab: 
wechſelungsweiſe aud den Blebejern ugänglid 
murden, wie von nun auch die plebejiichen 
Adilen immer mehr ala Markt: und — 
Magiſtrate des Geſamtvolls werden. Auch alle 
übrigen Üimter wurden im Laufe des —— der 
Stände den Plebejern eröffnet, 421 die Quäftur, 
367 das Konfulat und wohl auch die Diktatur, 339 
die Cenſur, 337 die Brätur. Gemeinjam war allen 
dieſen Magijtraten die Wahl durchs Voll, der Cha: 
ralter ala Ehrenamt (honor), aljo ohne Beloldung, 
beſchränlte Dauer, Kollegialität, Unabfekbarkeit 
vor Ablauf des Amtsjahres, Berantwortlichleit 
gegenüber dem Volt er Ablauf, gemeinfan ferner 
das Recht, Aufpizien zu halten, Verordnungen zu 
erlaflen für einzelne Fälle und für die ga uer 
ihres Amtsjahres (jus edicendi), das Bolt zu be: 
rufen, um ihm Mitteilungen zu machen (jus con- 
eionem habendi), endlidy allen Duäftoren das 
Net, Bürger zu verhaften und Geldftrafen anzu: 
fegen. Außere Würde (amplitudo, majestas) tommt 
ihrer m im hoben Grabe zu. Zur vollen 
Drganifation der Magiftratur lam dann aud) eine 
beitimmte Stufenfolge in der Belleivung derfelben 
und eine —— Bon der Duäftor ging die 
mterftaffel durch Adilität und Prätur zum Kon: 
fulat. Der nievere Beamte mußte bei Konkurrenz: 
fällen dem höhern weichen, war aber im übrigen 
in pn Sphäre unabhängig. Einen Inſtanzenzug 
gab es nit. Die Zeit des miswech els war zu⸗ 
erſt vielfach ſchwanlend. Vom J. 223 bis 154 war 
der 15. März, von 153 ab der 1. Jan. 
ahl nad fo beichränfte und jährlich 
gijtratur war mit einem geordneten 
—— Verwaltung nur dadurch moͤglich, daß 
teils die Offentlichleit des polit. Lebens eine Schule 
für die Kandidaten abgab, teils neben den wechſeln⸗ 
den Beamten bleibende, untergeorbnete und beiol: 
dete Beamten (scribae) ſtanden, welche den mecha⸗ 
niſchen Zeil der Geſchäfte beforgten. Wo aber für 


weitere, mäßig wiederlehrende oder außer: 
orbentli ichäfte, zu denen Berantwortung und 
höherer Stand gehörte, die gewöhnlichen Magiſtrate 


nicht ausreichten, hatte man jüngere Yeute aus ben 
öhern Ständen für die nicdern und regelmäßigen 
zten berjelben, außerordentliche Nonımiffionen für 
bie wichtigern und vorübergehenden. 

In einen eigentümlihen Verhältnis zur Magi: 
ftratur ftanden die Boltötribunen. Diefe Zribunen 
(1. d.), urjprünglich eingejegt zum Schuß der Ple— 
bejer gegen die Magiitrate, hielten ihre Stellung 
bis zum Ausgang des Kampfes der Stände feit, 


807 


aber nad) ber Beilegung besielben wurden fie 
faktifch in den Organiämus der Magiftratur hinein: 
gezogen und befamen analoge Befugniſſe. Seit den 
Grachen nahmen fie jedoch wieder mehr ihre alte 
Stellung ein und benußten nun bie erweiterten Be: 
fugnifje, die fie mittlerweile gewonnen, neben den 
Brivilegien, die ihnen ihre uriprüngliche Bedeutung 
ab, um ihre Oppofition gegen die Nobilität um 
o erfolgreicher zu machen. 

Derjenige Faktor der Berfaflung, ber unter den 
Königen nur eine beratende Stellung hatte, der 
Senat, wurde unter der Nepublik der Mittelpunft 
des Staatölebens und der Träger des oligarchiſchen 
Syſtems. Der Grund, weshalb diefe Behörde, 
deren normale Mitgliederzahl Sulla von 300 viel: 
leicht auf 600 erhöbte, eine foldhe Stellung gewin: 
nen konnte, lag in ihrer Eigenſchaft als einer 
ftehenden gegenüber den wechielnden Beamten und 
in ihrer 6 es indem fie zuerſt vor: 
berricdhend, dann etwa bald nad der Mitte des 
4. Jahrh. v. Chr. gefehlich aus gewefenen Beamten 
zufammengejeht war, unter denen dann die Patti: 
cier noch eine befondere Gruppe mit gewiſſen Son: 
derredhten gebildet zu haben jcheinen. Der Prozeß, 
ber den Schwerpunftt der Negierung von der Ma— 
giſtratur in den Senat verlegte, vollzog fich jchon 
während ber Beriode des Ständelampfes, und es 
erſcheint um die Mitte der Nepublit die Kompetenz 
des Senats ala des höchſten Negierungs: und Ver: 
——— dahin feſtgeſtellt, daß er bie Lei: 
tung aller auswärtigen Angelegenheiten bat, die 
Brovinzialverwaltung und die Berteilungder Amts⸗ 
jprengel unter die Beantten gleichen Ranges über: 
wacht; daß er ferner als höchſte Finanzbehörde die 
Verfügung über die Staat3domänen wie die Kon— 
trolle über die laufenden Ausgaben und Einnahmen 
führt und für die meiften Zweige der Verwalten 
die Summten beftinnmt, daß er weiter binfidtli 
der Staatäreligion eine Art Dberauffiht darüber 
in Aniprud nimmt, daß die für die Wohlfahrt des 
Staats nötigen Geremonien vorgenommen werben; 
namentlid) ftehen au) die von Fremden ober Ein: 
—— ausgeübten fremden Kulte unter ſeiner 

beraufſicht. Hinſichtlich feiner Stellung zur Ge: 
jehgebung übt der Senat den vor das Volk fom: 
menden Geſetzen gegenüber eine vorgängige und 
nachträgliche Kontrolle, dispenfiert von Geſehtzen, 
und bis 287 entbehren die Beſchlüſſe der Plebs der 
Gefehestraft, wenn fie nicht vorher die Zuftimmung 
de3 Senats gefunden hatten. Endlich richterlich 
thätig iſt er in politiſch hohwichtigen Ariminalfällen. 

Der dritte Faltor, das Bolt, übte feine Rechte 
während der _Republit_ in ziemlich Tomplizierter 
Weile aus. Der Begriff der vollberedtigten Bür: 
gerichaft ging von den patriciſchen Kurien auf die 
die ganze Bürgerichaft in ſich fließende Centurien: 
verfammlung über, welde nunmehr die Wahl der 
Denn Beamten, die gefebgebenden Alte und, in: 
ofern ber Provokation nunmehr immer ftattgegeben 
werben mußte, aud) die höchſte Kapitalgerichtäbar: 
feit ausübte. Daneben blieben aber die Euriat: 
comitien beftehen als beſchließende Altbürgeridhaft 
in Saden der patriciihen Geſchlechter und mit 
dem Hecht, die von den Genturien gewählten Be: 
amten mittels eines Schlubalts, der jog. lex cu- 
riata de imperio, zu bejtätigen, beziehungsweiſe 
fie in ihr Amt einzuweiien, was übrigens bald zur 
leeren Förmlichkeit wurbe. Zu bdiefen zwei Arten 
von Comitien fam aber nod) eine dritte, die der 


808 


Tribus. Zuerſt nämlich fanden nad) Tribus ge: 
liederte Sonberver lungen ber Blebejer, ledig: 
ich für deren Angelegenheiten ftatt. nad aber 
feit dem Decemvirat gab es . olche Verſamm⸗ 

des Geſamtvolls, das ſich in dieſen, den 


Lungen 
Tributcomitien, ohne Abftufung des Nermögens | Ge 


nach den lolalen Diſtrilten (Tribus) gliederte. Au 
dieſem Zwed war Stadt und Land nun gleihmähig 
in ſolche Tribus eingeteilt, indem das Landgebiet 
feit 495, ſtatt ben vier ftädtifchen Tribus ange: 
ſchloſſen zu fein, neben diefen zuerjt in 16, un: 
mittelbar darauf aber bald nachher in 17, und mit 
bem Anwachſen des Gebietes in noch mehr eigene 
Tribus zerfällt, In den nur uneigentlid comitia 
tributa genannten Berjammlungen der Pleb3 prä: 
fidierten die Tribunen, in den Tribusverfamm: 
lungen de3 Gefamtvoll3, den comitia tributa im 
vollen Sinne, patriciihe Magiftrate, an erſtern 
wurden die plebejiihen Tribunen und Adilen, in 
legtern die curuliichen Üldilen, die Duäftoren und 
niebern Magiitrate gewählt. Im übrigen hatten 
die Beſchluſſe dieſer lehtern natürlich ſtets redht3: 
verbindlihe Kraft für das Gefamtvoll, die der 
Zribusverfammlungen ber Plebs, die plebiscita, 
erlangten eine unbedinate Gültigkeit für den ganzen 
Staat erft am Ende des Ständbelampfes 287v.Chr., 
wenngleich fie ſchon längit von größter Bedeutung 
waren. Geitdem überwogen in der Gefebgebung 
vollend3 die beiderlei Tribusverfammlungen immer 
mebr über die Genturiatcomitien, Um bie zwei 
tonkurrierenden Berfammlungen ber Gefamtbür: 
gerſchaft, die Genturiat: und Zributcomitien, beren 
Nebeneinanderbeftehen eben nur in den geſchichtlich 
gewordenen Berhältniffen feine Rechtfertigung fin 
den konnte, in eine gewiſſe äußere und innere Har: 
monie zu bringen, wurde wohl 241 bie Genturien: 
ordnung fo umgeftaltet, daß man fie in die lotale 
Zribuseinteilung hineinarbeitete, die Tribus aljo, 
deren unterdeſſen durch die Gebietvermehrungen 
35 geworden, num bei beiben Arten der Boden ji 
bie polit. Gliederung, die Genturie ein Teil der 
Zribus wurde. Von den Comitien als abjtimmen: 
ben Berfammlungen, in denen nad) wie vor ber 
Vorfigende allein die Jnitiative, das Bolt nur Ja 
oder Nein zu = hatte, find die Concionen zu 
unterfcheiden, Berfammlungen ohne Beichlup: 
faflung, zu welchen der Magiltrat oder Tribun das 
Volt zum Zwed von Mitteilungen oder zur Debatte 
über die in den Gomitien zur Abſtimmung lommen⸗ 
den Gegenftände beruft. 
Zum Organismus der republilaniſchen Staats: 
verfafiung fanı im Lauf der Zeit «die Verwaltung 
taliens und der —— ». Die erſtere beruhte 
is Kom Bundesgenofienfrieg auf der Grundlage, 
daß die Bürgerlolonien und die einverleibten Ges 
meinden ober Municipien (f. d.) als Teile Roms 
galten, ihre Angehörigen alfo röm. Bürger oder 
Halbbürger waren, in ber Heimatgemeinde aber 
nur eine größere oder geringere abminijtrative 
Selbjtändigfeit hatten, während bie_latinijchen 
Kolonien und die meilten übrigen Städte und 
Bölterfhaften eine Stellung erhielten, die ihnen 
auf Grund eines mehr oder weniger günftigen 
Bundesverhältnifjes die Souveränetät nad) außen 
abnahm, nad innen aber in möglichit großem 
Maße ließ. Zugleich follte bie — der 
Rechtsverhältniſſe unter dieſen Bundesgenoſſen ihre 
Zer —— ihre Anbänglichleit an Rom 


ebendig erhalten. Nach dem Bundesgenofientrieg 


Römiſche Altertünter 


wurde vom J. 89 v.Chr. ab in ganz Italien eine ein- 
beitfihe Municipalverfafiung Gurknefühtt. we 
die Berbältnifle_ber einzelnen Städte auf Grun 
lage des Begriffs einer Gemeinde innerhalb des 
Staat3 mit möglichft weitgehender Autonomie der 
meinden in innern Angelegenheiten regelte. 

Die Provinzialverwaltung regelte fich vn Fa 
Fuße der Unterthanenſchaft. In der Behandlung 
der Provinzen waren bie leitenden Prinzipien bie, 
baß bie Provinzen Landgüter des röm. Volks, d. b. 
ein Beiteuerungsobjekt jeien, und daß bie Verwal: 
tung diefer Steuerquelle fo einfach als mö lich jein 
müjle, um mit den beſtehenden republifantichen 
Magiftraten geführt werden zu können. Zu biefem 
Zwecke wurbe aud) bier ben einzelnen Gemein 

in ben Provinzen, bie ebenfalld ganz verſchiedene 
Rehtsverhältnifie hatten, in ihrer innern Verwal: 
tung jo viel Autonomie gelafien, als fich mit ihrer 
Einträglicleit und der Sicherheit des röm. Staats 
vertrug. Die Dberaufficht darüber ſowie das Kom: 
mando über die in der Provinz ftehenden Truppen 
und die oberrichterlide Gewalt ftand einem von 
Rom geſchickten Statthalter, in früherer Zeit einem 
fungierenden Prätor, fpäter einem gewejenen Kon: 
ful oder Prätor zu — Ablauf ſeines eigent⸗ 
lichen Amtsjahrs Brofonfu und Broprätor bi 
neben fi) einen von ihm ausgewählten Legaten 
Gebilfen und Stellvertreter und einen Quäjtor ala 
Kafienbeamten, eventuell auch als Stellvertreter, 
daneben noch einen militärischen und bürgerlichen 
Stab (cohors praetoria) und eine Anzahl Sub: 
alternen hatte, Der vorherrſchend finanzielle Cha: 
ralter diejer Verwaltung und die polit. und mora= 
lifche Korruption ber Ariftofratie führte dahin, daß 
die Provinzen eher Landgüter der Beamten als bes 
röm, Volls waren, und die kurze Zeit des Genuſſes 
veranlaßte die Statthalter zur ſchonungsloſeſten 
Ausbeutung ibrer Stellung. 

‚Die cäfarifch-augufteiide Monardie befeitigte 
die bisherigen Faltoren der Berfaflung nit, fons 
dern baute fich nur neben und über ihnen auf. Auch 
iebt noch iſt es theoretiich das Volt, weldes das 
Imperium vergibt, aber nur, wie in ber Rönigs- 
zeit, einem einzigen auf Lebenszeit als Vollgewalt 
neben den Teilgewalten, die den bisher beftebenben 
Magitraten, Konfuln, Prätoren u. f. w. bleiben. 
In der Braris gibt freilich das Volt zum Teil unter 
Auguftus, zum größern Teil erſt unter den in cm 
ben Kaifern feine wäblenbe und gefehgebertiche 
Gewalt an Jmperator und Senat ab. Der Senat, 
ber zur Beit der Bürgerfriege auf über 1000 Mits 

lieder geftiegen, von Auguſtus auf 600 zurüdge: 

ührt worden war und jpäter eher unter diefe Zahl 
herabſank, als fie überfchritt, bleibt zum Teil regie: 
rende Behörde, bebält einen Teil der Provinzen, 
bat feine eigenen Kaſſen und feine eigenen Beamten 
und wenigitens das Recht, Nupfermünzen prägen 
zu lafien, erhält dazu einen Hauptteil der Kriminals 
gerichtsbarleit und durch Tiberius an Stelle der 
Comitien die Wahl der Magijtrate, infoweit diefe 
nicht an den Kaiſer überging, ja mit gewijien Ein: 
ſchränkungen aud das Recht zur Ernennung bes 
Kaiſers. Zum Teil tritt er in feine uriprüngli 

beratende Stellung zurüd und wird faltiih ab: 
hängig vom Willen der Kaiſer, doch behält er in 
jedem Fall eine bedeutende Stellung als technifche 
Vermaltungsbehörbe,, indem er nad wie vor bie 
polit, Kapazitäten in ſich vereinigt. Zugleich wird 
er als höchſter Reichsadel konftituiert. Neben diejen 


Römiſche Altertümer 


Giberbleibjeln der Repubfit ift aber alle reale Macht 
auch über den Senat in der Hand des Imperators. 
Diefer hat den Teil des Reichs in unmittelbarer 
Verwaltung, in welhem Militär fteht unter Lega⸗ 
ten, die nur ihm —— it alleiniger Kriegs 
berr, bat in Rom ein * laiſerl. Präfekten, 
—5 in militäriſcher und bürgerlicher Beziehung 
die Hauptſtadt in feiner Gewalt halten (praefecti 
praetorio, urbi, vigilum , rung, Seine Ber: 
ordnungen erſehen allmählid die ſonſtigen geich: 
ebenden Faltoren, und es bildet ſich in jun und 
erwaltung ein nftanzenzug auf feine Perſon zu. 
Im Laufe des 3. Jahrh. abjorbiert die kaiſerl. Ge: 
walt die republilaniſchen Faltoren, deren Lebens: 
fraft ohnedies nur jo lange währen konnte, ale 
national:röm. Elemente den Wittelpunft des Staats 
bildeten, und die deshalb für die röm, Welt des 4. 
und der folgenden Jahrhunderte mit ihrem Völfer: 
emiſch mur noch eine Antiquität waren. In der 
iocletianiich : fonjtantiniihen Verfaſſung iſt ber 
Kaiſer dad von Bott gejandte —— eb, das 
Bolt eine Maſſe von Unterthanen. Der Senat in 
Nom und Konftantinopel wird zu, einem haupt: 
idtiichen Gemeinderat, und nur die Selbitändig: 
eit des Privatrechts der Unterthanen unterjcheidet 
diefe Monardie von der eines orient, Sultans. 
Der Kreislauf aber, den die röm. Staatsverfafiung 
vom Königtum, bis pr konſtantiniſchen Monardie 
gemacht, jteht in polit. und moralijcher Beziehung 
einzig in der Weltgefhichte da und entrollt in 
feinem Fortſchritt von der Gauverfafjung bis aur 
Konitituierung eines MWeltreihs ein Bild polit. 


Entwidelungsphafen, das glei großartig iſt in- 


feinem Inhalt wie in feinem Umfang. 

Mit der polit. Verfaſſung ftehen im engiten a 
fammenbang das Kriegsweſen, das ——— 
die Einrichtungen der Staatsreligion und die Ge— 
richtsverfaſſung oder die Gegenftände der Kriegs-, 
Finanz:, ———— und Gerichtäaltertümer. 

Das römische Kriegsweſen rubte von Haus 
aus auf der Mehrpfl 
Laſt. r einfachite ſelbſtändige Heerlörper war 
bie Legion (ſ. d.), im patriciihen Staat beftehend 
aus 1000 Dann Fußvolt und 100 Reitern von 
jedem der drei Gaujtämme; nach Bedürfnis konnte 
der einen Legion von 3000 Mann eine zweite bei: 
gerügt werben. Die fervianische Verfaſſung regelte 

as Heerweien auf der Baſis des Grundbefikes. 
Die Vermögenden waren die am vollitändigiten ge: 
rüjteten. Die drei erften Klaſſen ftanden, jo jedoch, 
daß jede niedere Klaſſe etwas weniger volljtändig 
gerüjtet war, in der Bhalanr, die erite als prin- 
cipes, die zweite nach den Angaben der Alten als 
hastati, obwohl dieſer Rame «Speerträger» nament: 
lich alle in der Phalanr Stehenden bezeichnet, die 
dritte als triarii. Nach den Reformen, die nament: 
lich von Camillus begonnen worden fein follen, 
beitand die Legion zur Zeit des Polybius aus vier 
MWaffengattungen , 1200 hastati, ebenfo viel prin- 
eipes, 600 triarii und 1200 velites, von denen bie 
tern drei aus ben obern Klaſſen genommen, aber 
unter ſich ſelbſt seh mehr nad) dem Genus, fon: 
bern dem Alter nad) verihieden waren. Alle drei 
waren geiämähig en ER nur hatten zu 


icht als gemeiner bürgerlicher 


des Volybius Zeit nur noch die triarii die Stoß: 
lanze (hasta), die beiden vordern Glieder führten 


das pilum, eine Wurflanze. Die velites waren 
leicht bewaffnet. Das ſchwer bewaffnete Fußvolk 


einer Legion zerfiel in 30 manipuli, von denen 


809 


jeder aus zwei centuriae unter bem Kommando 
zweier Genturionen gebildet war. Die 300 equites 
zerhielen in 10 turmae. Die Legion ftand regel: 
mäßig in brei Treffen, von denen das erjte die 
hastati, das zweite die prineipes, das britte die 
triarii formierten. Der Befehl wechſelte unter 
ſechs tribuni militum, von denen jeder zwei Mo— 
nate bindurd die ganze Segion fonımanbdierte ; ihre 
Ernennung ftand urfprünglich den Konfuln, fpäter 
dem Bolt zu. Nur die Bürger der fünf Klaſſen 
dienten in der Legion; die geiebliche Dienitzeit 
reichte vom 17. bis zum vollendeten 45. Lebens: 
jahre und verpflichtete zu 16, höchſtens 20 Feld» 
zügen. Außerdem lieferten die socii ein ungefähr 
feich großes oder vielmehr etwas größeres Truppen: 
ontingent, Gie bildeten einen Teil des fombinier: 
ten röm. Heers, in welchem fie in der Schlacht die 
Stellung auf den Flügeln einnahmen. Feſt ge: 
regelt war auf ſolchen Grundlagen die Ordnung 
für das Lager, den Marfch und die Schladht. Bis 
zum J. 406 dienten die Bürger auf un Koſten; 
von da an zahlte der Staat Sold. Seit Marius 
hörte der Cenſus auf, Orundlage der Militärver: 
faſſung zu fein; die beſſern Klaſſen zogen ſich von 
Dienft zurüd, der für die Armern eine Erwerbs: 
quelle wurde, Das Bürgerbeer, deſſen Legionen 
auch in Organifation und Bewaffnung wejentlich 
ungeftaltet wurden (f. Kohorte und Legion), 
ward zum Söldnerheer, das dem zahlenden Feld: 
errn zu Gebote ftand und, unbelümmert um bie 
nterefien des Vaterlandes, nur Beute und —*— 
im Auge hatte. Mit der Monarchie verwandelte 
ſich die Armee in ein ſtehendes Heer, das im Frie⸗ 
den zufammenblieb und dem Kaiſer als Ympera: 
tor den Eid ) wur, Bu den Legionen traten bier 
feiter geregelt die Hilfstruppen, befonders die Garde 
— cohortes) und die übrige Garniſon der 
Hauptitadt, ſowie die Seemadht mit ihren Haupt: 
jtationen zu Ravenna und Miſenum. j 
fiber den röm. Staatshaushalt hat man kein 
fo reiches Material wie für das atheniſche Finanz: 
weſen. Gottesdienft, Staatöbauten und feit dem 
Bejentiichen Krieg (406 v. Chr.) der Sold für die 
Fubtruppen bildeten neben den Berwaltungstojten 
die Hauptpoften des Etats der Ausgaben der Ne: 
publit. Die früheſten Einnahmen ergaben ſich aus 
den Staatsdomänen (ager publicus) und einer 
auberordentlicherweije erhobenen VBermögensfteuer 
tributum), die nad glüdlichen Kriegen oder bei 
tonjt — Stand der Kaſſe zurüdgezablt 
wurde, Später boten die eroberten Provinzen 
reihe Hilfgquellen, weshalb 167 das tributum 
zwar nicht geſehlich aufgehoben, aber thatſächlich 
nicht mehr eingetrieben wurde. Faſt der ganze 
Bedarf wurde nun den Provinzen aufgebürdet, in 
denen die Domänen, zur Viehweide bejtimmtes 
Land (pascua) und Bergwerle zur Verpachtung 
famen (Staatspächter, publicani), und aud von 
der Benukung des im Beſiß gelajienen Eigentums 
direlte Steuern erhoben wurden. Danchen bejtan: 
den als indirefte Steuern die Zölle für Ein; und 
Ausfuhr (portoria), feit 357 v. Chr. eine Steuer 
auf Freilafungen und manderlei außerordentliche 
Einnahmen. Unter Auguſtus lam eine Erbſchafts— 
ftener, eine Steuer auf jeden Hauffontralt und 
eine höhere auf gelaufte Sklaven dazu. 
Die firhlihe Verfaiiung (jus divioum), 


durch Numa georbnet, bat jich am längiten — 55— 


Die Staatsreligion mit ihrer Prieſterſchaft und 


810 


ihrem Kult war durch Grundbeſitz und Domänen, 
wennſchon biefe im Eigentum ber Gemeinde blieben, 
finanziell fichergeftellt. Der geſamte Kultus ftand 
unter der Dberaufficht des collegium pontificum, 
unter denen zunädit die Prieſter der ein Inen 
Gottheiten (Aamines) und die veitalifhen Jung— 
frauen ftanden. Die religiöfe Seite ber völler: 
rechtlichen ig * war Sache des Kollegiums 
der 20 Fetia Vährend die Bedeutung biefer 
allmählich zurüdtritt, blieb das Kollegium der 
Augurn, welche den Willen ber Gottheit aus ge: 
willen Beichen zu erfennen hatten, um jo bedeut: 
famer und angejebener. Endlich war ein wichtiges 
und einflußreiches Kollegium das der Bewahrer 
der Sibylliniſchen Bücher, während die gering ans 
geiehenen etruät. Cingemeide| wer, haruspices, 
nicht unter die priefterlihen Behörden gehörten. 

m Gerihtsmwejen unterihieb man judicia 
privata (Civilprozefie) * judieia publica (Sri« 
minalprozefie). In den lehtern entſchied das in 
den Gomitien verfammmelte Volt bis zur en 
ftebender Gerichtähöfe (quaestiones —— 
pe durch einzelne Geſehe für bejtimmt sn 

jeht wurden. Die Civilprozefje wurden zuerjt 

den fog. legis actiones be Indelt, Proze 
formen, welche in he —— eierlichen Wort⸗ 
ormeln und ſymboliſchen Handlungen ——* 
ter nad) dem Formularprozeß, db. h. fo, da 
agiftrat dem von ihm zu beftellenden Richter 
feine Aufgabe formulierte. Die Richter, melde 
nad dem von dem Magijtrat mitgeteilten Rechts⸗ 

—— zu entſcheiden hatten, waren teils Ge— 

worene (judices), welche erſt aus den Sena— 
—— ſeit Gracchus aus den Rittern, dann aus 
Senaloren und Rittern, endlich aus Senatoren, 
Nittern und Srartribunen edle mwurben, teilg 
arbitri, welche die Parteien felbjt wählten, teil 
recu ratores, wohl hauptiädjlic) in Streitigkeiten 
mit Fremden (äbnlich wie die arbitri unter ge 
mung der Parteien, = ftet3 in der Mehrzahl be 
ftellt wurden) teild Decemvirn, ein Gerichtäbof, 
insbefondere für Freibeitsprogefie, teil der Gen: 
tumviralgerichtöhof (f. Centumviri), na: 
mentlich —— ſſe zugewi en waren. 
R uellen waren Geſehe, unter welchen in der 
Republit die Zwölftafelgefehe die Haupturfunde 
bildeten, die Edilte der Magiftrate, Senatäbe: 
chluſſe und die Autorität * echts verſtändigen. 

n ber Kaiſerzeit löſte ſich die Ausbildung des 

echts von der polit. Verfaſſung ab und wurde 
eine Technil, die ihren Standpunft in fich felbit 
batte und im Privatrecht noch jebt die Grundlage 
der Jurisprudenz bildet. (S. Romiſches Nedt.) 

Da Altertimern des öffentlichen Lebens fteben 
die Brivataltertümer zur Seite. Der Stoff 
derfelben ift die unendliche Mannicfaltigleit der 
Eitten und Einrichtungen des häuslichen und ge: 
felligen Lebens, ihre wiſſenſchaftliche —5* aber, 
das ſcheinbar ufa lige dieſe⸗ Stoffs au beftimmte 
tulturgeihichtlihe Gefihtspunfte zurüdzuführen, 
die gemeinfame nationale und fittlidy:geiftige Grund: 
lage, die teild mit der Sitte ber übrigen indoseurop. 

Bölter im Ginklang fteht, teils dem einzelnen Volle 
— und ſodann die Entwidelung und 
Aus: und mbildung der älteften Zuftände und 
Gewohnheiten darzulegen. Cine volljtändige innere 
GEnheit befteht unter den einzelnen Einrichtungen 
nicht, wohl aber gliedern fie ſich in gewiſſe Grup: 
pen: 1) Familie und Haus, Die Familie, beruhend 


Römisches Bad — Römische Litteratur 


a 
m 
* 


der Monogamie, bildet 
fides und redilidee — 


— Ra nd 
we ih a 

ee) (gens) * melden 6 16 mitbem t 
(8 der ® tte 

— —— 


örtern. 2) Das dee Leben mit feinen 
ng 38* —— nach Gef fe und 6x. 
rung, 
bolung, — Bäder 

altung. 3) Das wirt 

werbe unb 
gefellige Leben, a oeleligen Bergnügungen 


ah 
onvivien mit ai 
a. die Tei — 
und Theatern. 9% 
—— * An Beicenden 


rung des in allen A a — 
Be 
ationen die urfp P 
sr die Annahme dem erlitt. 
—— hen Beder und —— 
« Handbuch der röm. iltertümer» (8.1 2p;. 
184367); Lange, «Rom. Alte » 0 Bir. 
Berl. 186371; . Aufl. 1 ); 


der | Koner, «Das Leben vr 4. Aufl., Ben, 


a 
«Handbuch der röm. — 

recht» von Mommſen, 2. Aufl.,: —— Es 
1876—77; «Röm. Sta » von 
BB 1er 

von 

Domaszewäli, 1884; Bd. 3, bei on Siem 
1885); Mabvig, —— und des 
—— 
m. » > 
Karlowa, «Nöm.Recht Bach te» (Bd.1: «Staats. 


re t und Recht 
—* et —— 


er rn 
Swefen, j. unter Römische 
— 
Rö er Fiimmel, f. unter Cuminum. 
zu. a; Kurie 


de 5 ift Sn —* Rom kam, 
un 
vergingen doch y ‚, bis bei den 


Nömern eine ie —— entſtand. 


Ne — 
i 


b d 0 
Sr un dc ——— 
geiehes laxı. Es gab ferner Elemente 
—— —— in * — EEE 

n en bei Hochzeiten und 
lich Bein b ‚den Selen, Satiren (f. Kb), 

en gemi 

= —— — — 
Es gab auch eine eigen 
für, den Saturniſchen Vers — 
aden, in einer beſtimmten 


“ 


Römiſche Litteratur 


und Sentungen beftehenden Rhythmus hatte. Doch 
ift davon nichts ſchriftlich firiert worden, und dieſe 
Elemente treten für die Litteraturgeſchichte erſt ind 
Sicht, als fie nach dem Eintritt einer höhern, von 
anderer Seite herfommenden — ſelbſt 
auch veredelt wurden. Als ſchriftlich firierte Sprach⸗ 
dentmäler vor dem Auftreten einer Litteratur fennt 
man nur und größtenteils nur aus geringen Rejten 
religiöfe Formeln und Lieder, wie die der Arva— 
lifchen Brüder (ſ. d.) und der Salier (ſ. d.), Geſetze, 
vor allen das Grundgefek der Zwölf Tafeln, die 
von dem oberſten Prieitertollegium, ven Bontifices, 
aeführte Lifte der jährlihen Beamten nebit der 
Stadtchronit (annales maximi), Privatdhroniten 
der vornehmen Häufer, deren Inhalt zu einem 
guten Teil in die jpätere Geſchichtſchreibung über: 
ging, endlich zum Zeil kunſtmäßig abgefaßte Grab: 
ſchriften, von denen einige, die zu den wichtigſten 
und berühmteſten Reiten des Altertums gehören und 
deren ältefte bis an den Anfang des 3. Jahrh. v. 
Chr. —* eht, im Grabe der Scipionen bei der 
Appiihen Straße wieder aufgefunden worden find. 
Um diefelbe Zeit findet fi auch die erſte Regung 
einer litterariſchen Thätigteit, beitehend in der Ver: 
öffentlicjung einer polit. Rede und, wie e8 fcheint, 
einer Sprudfammlung in Berfen, ausgehend von 
dem in Die innere und äußere Bolitit Roms tief ein: 
greifenden Appius Claudius Cäcus, Cenjor 8312 v. 
Chr. Doch gaben derartige PVeröffentlihungen 
wenig Anbaltäpuntte je eine weitere Ausbildung; 
eine ſolche fam vielmehr, wie alle Elemente höherer 
Bildung, den Römern unter grieh. Einfluß zu. 
Im J. 240 v. Chr. brachte ein tarentinischer Kriegs: 
gefangener, fpäter Freigelafiener, Livius Androni- 
cus, ein aus dem Griechiſchen übertragenes Schau: 
fpiel in Rom zur Aufführung und eröffnete fo die 
Aufführung von sieh Aieıläben Dramen in Rom, 
während er mit — Überſeßung der Odyſſee ein 
be er lieferte, das dem geiftigen Horizont 
wejentlich erweitern mußte. Man beginnt deshalb 
mit Livius Andbronicus die Geichichte der röm. Lit: 
teratur, die nun in drei Hauptperioden verläuft, 
der vorllaifiihen oder altertümlichen, bis Cicero, 
der Haffiichen von Cicero bis zum Tode Auguftus’, 
der nachklaffiichen der Haiferzeit nad Auguſtus. 
In der erften Beriode war bes Livius Andro: 
nicus nächſter Nachfolger Nävius, der jeit 285 
Stüde auf die Bühne brachte. Er fultivierte Tra: 
gödie und Luftipiel teils mit griechiſchen, teils mit 
röm. Stoffen, und im hohen Alter auch noch das 
Epos im nationalen Saturnifhen Vers und mit 
nationaler polit. Tendenz. Nad ihm aber wandelte 
die Dichtung zunãächſt ausschließlich grich. Bahnen. 
Plautus (254— 184) ift der fruchtbarfte Vertreter 
der fabula palliata, d. h. des der neuern attifchen 
Komödie entnommenen, von ihm aber allerdin 
dem röm. Gejhmad mit viel Geift und ger er 
Herrſchaft über die Sprache angepaßten Luſtſpiels. 
Ennius (239—169) führte im Epos mit beſtem Er: 
folge den griech. daktyliichen Herameter durch, und 
bürgerte, joweit dies bei dem röm. Geſchmad mög: 
lid war, das griech. Traueripiel ein, in welchem 
leptern er dann in jeinem Neffen Pacuvius (ge 
boren um 220, geitorben um 130) und nad 
diefem in Accius (170 bis um 90) Nachfolger 
fand, während mit größerm Erfolge beim Rublitum 
das griech. Luftipiel von Cäcilius Statius (geit. 
um 166) und vor allem von Terentius (185159) 
mit dem Beitreben weiter gebildet wurde, auch feinere 


811 


Ohren zu befriedigen, ala bie Komödie des Plautus 
vorausjehte, jedoch ohne defien geniale Kraft. Der 
Herridaft der ariech. Richtung treten aber gegen 
das Ende diefer Periode wieder nationale Elemente 
egenüber in Afranius (geb. um 150 v. Cbhr.), dem 
Vertreter der fabula togata oder des Luftipiels mit 
röm. Stoff, und in Lucilius (geft. um 103), der die 
Satire als eine Gattung handhabte, bie ſich an die 
altnationale Satire oder Miſchlingspoeſie anlehnte, 
in der er aber, wie nad ihm bejonder8 Horaz, eine 
poetijche Kritik der Zeiterfheinungen ausübte. Im 
diejelbe Zeit wurbe auch die volftümliche Atellane 
in verfeinerter Form auf die Bühne gebracht. In 
der Profa ift die einzige bedeutendere Erſcheinung 
diefer Periode bie Gelhichtichreibung, deren Be: 
gine Fabius Victor um die Zeit des zweiten 
unifchen Kriegs wurde. Aber die trodene kunft: 
loje Art der hronitartig fchreibenden Annaliften iſt 
nur aus den Grwähnungen der fpätern befannt, 
deren künftlerifche Darstellung die ältern Vorgänger 
bald vergefien ließ. Nur der ältere Cato nimmt 
mit feinen «llrfprungsgeihichten» (origines) Noms 
und anderer italiicher Städte eine bedeutendere 
Stellung ein. Außerdem find in der Proſa dieſer 
Zeit noch zu erwähnen Anfänge der Grammatif, 
der Jurisprudenz, und Darttellung praftifcher 
Fächer, wie 3. B. der Landwirtſchaft in einer Art 
Gnc Hopädie des für den praktiſchen Gebraud 
Wiſſenswerten dur Cato. Cine wichtige Rolle in 
einer allmählihen Hebung der Brofa iſt auch der 
polit. Beredſamleit zuzuteilen; doch lann darüber, 
abgefehen von vereinzelten Notizen, nur nad ber 
Macht und dem Glanz geurteilt werden, den bie: 
felbe fofort in der nächkten Periode entwidelt. 
In der zweiten Periode, der Haffiichen Zeit 
oder dem Goldenen Zeitalter ber röm. Litte: 
ratur, gebt der Höhepuntt der Proſa durd; Cicero 
dem der Poeſie durch PVirgil und Horaz voran. 
Was die Brofa diefer Zeit, befonders die Ciceros, 
zur Haffiichen, muftergültigenmacht, iſt gleichmäßige 
Korrektheit, die Vermeidung des Ungewöhnlichen, 
wobei der Maßſtab die gebildete Umgangsfprade 
war; ferner die Nüdficht auf den rhetoriihen 
Wohllaut, die Klarheit der Darftellung, die bei 
Gicero freilich öfters zu —— — 
feit wird, dann namentlich der abgerundete, wohl⸗ 
gemefiene Veriodenbau. Die alle andern Gattungen 
überragende Fünftlerifche Beredſamleit, theoretiich 
nad den Griechen bearbeitet in ben —— 
Schriften Ciceros, neben u hauptſãchlich vertreten 
dnnrch Hortenfius, weiterhin und in eigentümlicher 
Art dur Eäfar, nab der lat. Proja überhaupt 
einen rhetorifchen Charakter. Die Zahl der in den 
Kreis der Darftellung gezogenen Fächer ehr eine 
— Bereiberungbar die Philo opbie, 
deren Sprade den Römern gef * zu haben 
wiederum ein Verdienſt Ciceros iſt. Die Geſchicht⸗ 
ſchreibung, im republilaniſchen Teile dieſes Zeit: 
raums vertreten —— Salluſt, Cornelius 
Nepos, Pomponius Atticus, nebenbei auch durch 
Cicero, wurde nun erſt eine Kunſt, die zum Zeil im 
polit. Snterefie der Gegenwart ar in * orm 
aber ganz beſonders von ber Beredſamleit heein— 
flußtwurde. Diebiftor. und grammatiſche Forſchung, 
ſowie das praktiſche Fach des Landbaues fanden 
einen fleißigen und um die Altertumer Noms 
verdienten Vertreter in M. Terentius Barro. End» 
lich erfuhr durch den geiſtigen Verkehr in der gebildeten 
Gefellihaft Roms der Briefitileinehohe Ausbildung, 


812 Römiſche 


wie ſie durch Ciceros Briefwechſel dolumentiert 
wird. Gegenüber dieſem Reichtum von Erſchei⸗ 
nungen tritt die gleichzeitige Poeſie verhältnis: 
mäßıg zurüd, Das Drama hat nur in einer unter: 
geordneten Gattung Neues aufzuweiien, nämlich im 
Mimus, der moraliierenden Charakterpofje mit 
Tanz, vertreten durch Yaberius und Syrus. Lyrit 
und Epos aber haben je einen bedeutenden Ber: 
treter, jene den Gatullus, anmutig als Dichter der 
Liebe und des frohen Genufies und dabei voll traft 
in ber polit. Eyrik, diefes den Lucretius, der in 
feinem Lehrgedicht « Uher das * der Dinge» 
der Dolmetiher epilureiſchen Philoſophie ift. 2 
Der Ruhm der Klaſſizitat aber in Epos und Lyrif, 
begründet auf unbedingter ya der Gejehe 
—— tkunſt, gebührt der auguſteiſchen Periode. 
ie neue Richtung, theoretiſch vertreten von Horaz 
in feiner «Ars poetica», bildete ein höchſt wichtiges 
Element in dem geiſtigen Yeben diefer Zeit. Rein 
litterariih bat fie in der Uneis Virgils und den 
Dpen des Horaz ber lat. Sprache neben der rheto: 
riichen Kraft a = Blüte beigegeben. Sodann 
hat fie die griech. Mythologie vollends ganz im 
röm, Bemuktiein eingebürgert. Zugleich war fie 
von hoher Bedeutung für die neue Monarchie, der 
fie ohne Servilismus buldigte und mit ‚ibrer Hul: 
—* einen Glanz für alle Zeiten verlieh, ja für 
deren befte, röm.:nationale Zwede fie in den patrio- 
tiihen Stellen der Aneis und Horaziiher Dden 
eine jhänbare Bundesgenoffin war. Hinſichtlich 
des poetiſchen Gehalts bleiben Xirgil und Horaz 
freilich hinter den hochſten Anforderungen der unit: 
gattung zurüd, die ſie vertreten; allein es ijt ein 
unrichtiger Gefichtspuntt, fie bloß an Homer und 
Pindar au meſſen, ftatt an der Welt, in der, und an 
dem Volk, unter dem fie ſchrieben. Zugeben muß 
man jedoch, daß in der \jndividualität beider Dichter 
das rejleftierende Clement eine größere Rolle fpielt 
als das naturwüchlige. Im reinen Epos ſiehen 
neben Virgil nur Namen, keine uns erhaltenen 
Dichtungen. In der Lyrit finden fih neben Horaz 
die Glegiter Tıbullus und Propertius, jener mit 
tieferm Gefühl, diefer mit alerandrinifcher Kunſt⸗ 
maßigleit und größerer Friſche und Leidenſchaftlich⸗ 
keit dichtend. Virgil und Horaz waren aber auch 
Mufter in andern Gattungen, Birgil in der dem 
Theotrit nachgebildeten Jdylle, Horaz in der nun: 
mebr im modernen Sinn gefaßten Satire durch die 
—58* dem Archilochus nachgebildeten Epoden 
und die ruhiger gehaltenen, nicht aus tiefer, fitt: 
licyer Entrüftung, fondern aus der ironifchen Laune 
des Weltmanns hervorgegangenen Sermonen. 


Beide bilden ferner das Lehrgedicht aus, Virgil | Da 


durch die « Georgica», Horaz durd) die « Ars pot 
tica», Aud wird man die a Epifteln» des Horaz 
mit ihrer moralifchen Neflerion dem bidaktifchen 
Genre zurechnen können. Mit befonderer Vorliebe 
wählt Dvid die Form des belehrenden Gedichts, der 
feine aus dent leichten gejelligen Leben, der Mytho: | 
logie und dem röm, Kultus wie aus den eigenen 
Ehidjalen genomenen Stoffe mit anmutiger Leich 
tigleit der Verfifitation und Diltion bearbeitete, 
Im Drama dagegen iſt die augufteiiche Zeit unpro: 
dultiv. In der Profa bildet den Slanzpunkt die | 
Geichichtichreibung, vertreten durch Pivius, Die 
Beredſamteit dagegen fühlt Schon jeht den nachtei: 
ligen Einfluß, den die Vefchräntung des öffentlichen 
Lebens notwendighaben mußte; fie verlordas wahre 
Pathos, wurde Cache der Schule und fand ihre Be: 


Litteratur 
thätigung Lund noch vor ben —— Andererſeits 


chaft * pe = fteifche Zeit tft in 
en g, und die a | 
biefer Dirt nb vertreten in ber Brammatil 
und A — durch Hyginus und Ber: 
rius Flaecus, in der Jurisprudenz dur An 
Labeo und Atejus Gapito, Häupter zweier entgegen: 
gefepter Schulen, in der Geographie durd) Agrippa, 
Die dritte Beriode zerfällt — Se: 
balt nad} ungleiche Teile: das joy. Silberne Zeit: 
alter von Tiberius bis Trajan, und das von 
da an abwärtd. Die Literatur des Silbernen 
Beitalters iſt noch reich an materiellem Gehalt 
ar —— Schoͤnheit, * ſie —* au = 
er einer überfeinerten und durch grelle 
—* eit. Die Beredſamleit wird Dellama 
tion, die Kunſt wird Manier, unter der ſelbſt die 
Korrektheit leidet, die Energie der Gefin wird 
zum leeren Pathos, der litterariiche Ejjet Selb 
zwed, Bei erniten Geiftern, denen es um die Sa 
zu thun ift, wie bei Tacitus, fucht fi die Indigna: 
tion Formen der Daritellung, die vom natürlichen 
Ausdrud fi entfernen. Ein Gewinn ift es troß 
der dadurch etwas gefährdeten Reinheit der urbanen 
Sprade, daß nunmehr mg bloß aus den italifchen 
Landjtädten, fondern auch aus den romanifterten 
rovinzen litterariihe Kräfte nach Nom ftrömen, 
Gattungen nad verteilt ſich die litterariiche 
Ihätigfeit ungefähr gleich auf Profa und Poeſie. 
In der Geſchichtſchreibung vertritt, wenn man nur 
das Erhaltene berüdjichtigt, Vellejus Baterculus 
unter Tiberius die allgemeine Gefhichte, die er in 
kurzer —5* ibt, Tacitus unter dierva und 
Trajan die Zeitgeichichte, beziehungsweiſe die Ge⸗ 
ſchichte der jungſten B enheit vom bödjten 
———— aus, derſelbe Tacitus in feinem »Agri- 
cola» die Biographie, VBalerius unter 
Tiberius) die hiſtor. Anekootenjanmlung. der 
Beredſamkeit bat man in dem PBaneguricus bes 
jüngern arm auf Trajan ein für diefe Periode 
ültiges Beispiel. Die Rhetorik vertreten der 


multer 

ältere Seneca, Duintilian und Tacitus (im « Dia- 
logus»), die Philofophie und den Bri „ber 
Sohn des Rhetors, —* der jungere Plinius. Die 
Fachwiſſenſ —— werden eifrig gepflegt, verlieren 
aber, je ſpezieller fie in das Fach ei ‚um jo 
mebr an Intereſſe für die allgemeine 

hichte. Die Poefie wird, mit Ausnahme der 


ie feine bedeutenden Namen mehr aufweiit, aufs 
mannichfachſte bearbeitet. Ri Srame das 
Nennenswertefte die Tragödien bes j 
Seneca, mit Stoffen aus der griech. 
s Epos wird vertreten von Silius alie 
Lucan, Valcrius Flaccus, Statins teils mit 
römifchen,, teils mit roischen Stoffen, die Satire 
von Perſius unter Nero, von Invenalis unter Tra- 
jan, in eigentümlicer Weife aber in einem wohl 
dem 1. Jahrh. angehörigen Noman, den «Satirae» 
des Petronius, das Epigramm burd) 
die poetifche Fabel dur Phadrus (unter Tiberius 

Der zweite Teil diefer Periode, das jog, Eherne 

Heitalter, bildet wiederum zwei Heinere Gru 
die des 2, und 3. und die des 4, Jabrh. Die 
eriten zeichnen fih aus durch eine ungemeine 
tigfeit der litterariichen Namen, 


‘der 2 
Hadrians an zeigte na Een 


ausgeſprochene Vorlie Son *— 
neuern 
man im —— 


9 


die eben damals in der 4 
Nachblute erlebte, währen 


Romiſche Mythologie — Römiſches Recht 


Schreiben das Latein vernachläſſigte. Soweit aber 
das Latein noch lunſtmäßig geſchrieben wurde, ge 
Shah dies abermals mit unter dem Ginfluß Ha— 
drians, in einer Weife, die jede Produltivität ab: 
ſchnitt. Es bildete fich nämlich eine gefuchte, 
manierierte Borliebe für das altertümliche, vor: 
eiceronianiiche Latein, das nun aber, in die gewöhn⸗ 
liche Sprade der Zeit unvermittelt hineingezogen, 
der ganzen Schreibart ein mofaitartiges Ausſehen 
gab. Das Haupt diefer Schule von Schriftitellern 
war der aus Afrifa gebürtige Rhetor Fronto, * 
des Kaiſers Marc Aurel. Ein geiſtvollerer Ber: 
treter der Litteratur dieſer Zeit iſt Apulejus, eben: 
falls Afrikaner, deſſen —————— in denen 
das Maͤrchen von Eros und Pigche den Lichtpunlt 
bildet, ein für die allgemeine geiftige wie litterariſche 
Richtung jener Zeit ſehr hezeichnender Roman iſt. 
—— ——— trägt völlig geiſt⸗ 
[03 in feinen «Noctes Atticae» der Srontonianer 
Aulus Gellius zufammen und kann nur in einer 
folchen Periode unter den Bertretern der Literatur 
mitgezählt werden. Am grelliten jtidht gegen den 
alänzenden Abſchluß, den die vorige Periode in der 
Geſchichtſchreibung mit Tacitus gefunden, die Dürf- 
tigteit ab, welde in diefem Fade nun eintritt. 
Außer den trodenen, rein ftofflihen, ganz kunitlos 
angeordneten Kaiferbiographien des Suetonius, 
der übrigens auch als untverfeller Gelehrter immer 
noch einer der wertvolliter Autoren dieſer dürftigen 
I ift, lann nur ein Abriß der röm, Gefhichte von 
lorus, ber in den Anfang diejer Zeit fällt, genannt 
werben. Die Kaijerbiograpbien des Marius 
Marimus, die einen seien ert gehabt haben 
müjjen, find verloren. Nah Schreibart und Gehalt 
find am Ende des 2. und am Anfang des 3. Jahrh. 
die bedeutendften Griheinungen bie Jurijten und 
die chriſtl. Schriftiteller; jene vertreten durch die 
fog. Haffiichen Juriſten Gajus, Papinian, Ulpian, 
Paulus, diefe durch den Apologeten Minucius Felif 
und die Afrilaner Zertullian und Eyprian. 

Im 4. und 5. Jahrh. zeigt ih nod zum Schluß 
in Vroſa wie in Poeſie ein gewiſſer Aufjhwung, 
nicht hervorgebracht durch erneuerte wirkliche Pro: 


dultivität, fonderndurd a we au 
i 


der beſſern ältern Litteratur. Dieſe findet ſich unter 
den Vertretern der Geſchichtſchreibung zwar nicht 
bei den ſtil⸗ und geiſtloſen Verfaſſern der Kaiſer⸗ 
biographien von Hadrian bis Carinus («Scriptores 
historiae Augustae»), dagegen einigermaßen bei 
Eutropius, in den unter dem Namen des Aurelius 
Victor überlieferten Schriften und dem ftofflichen 
Wert nah bei Ammianus Marcellinus, endlich 
weniger beim Redner Symmadus als beim an 
lichen Schriftiteller Lactantius, und bei den Did: 
tern des 4. Jahrh. Aufonius und Claubianus, Im 
5. Jahrh. find die bervorragendften Erſcheinungen 
einerjeits die Rhetoren der galliihen Schule, ein 
Gumenius und Sidonius Apollinaris, andererfeitd 
die Kirhenväter Hieronymus und Auguftinus, 
Männer, deren — er gerry iſchen 
Ubertreibungen und Auswüchſen nicht unterſchaͤht 
werden darf, da fie ſich mitten unter dem gänzlichen 
Verfall der Volle ſprache erhielt. j 

Den glänzenden Abſchluß der alten lat. Litteratur 
und zugleich den Übergang zum Mittelalter bildet 
Boctius mit feiner fpradhli und moraliſch er 
ftehenden «Consolatio philosophiae», Der gleich: 
A Gaffiodor ift immer noch mehr durch feine 

iftor. und polit., als durch feine fpätern encyllopäd, 


813 


Schriften von Bedeutung. Ebenfo hat der letzte 
Name der röm. Litteraturgefchichte, der Spanier 
Iſidorus (7. Jahrh.), mit feinem etymolog. Sams 
melwert «Origines» nur ftoffliches Intereſſe. 

Bon Bearbeitungen der röm. Litteraturgefchichte 
find zu nennen: Bähr, «Geſchichte der röm, Yitte: 
ratur» (4. Aufl,,2 Bde., Karlör, 1868—60); Bern: 
hardy, «Grundriß der röm. Litteratur» (5. Aufl,, 
Braunſchw. 1872); Munt, «Gedichte der röm. 
Fitteratur» (2, Aufl, von Sey ert, 2 Bde., Berl. 
1875— 77) ; Teuffel, «Gefchichteder röm. Litteratur» 
(4. Aufl, bearb. von Schwabe, 1882), (ion. 

Bömiide —— ſ. Römiſche Reli: 

Römiſches Recht. Wenn die im Roͤmerreich 
entſtandenen Gefepe und Ordnungen noch gegen⸗ 
wärtig entweder unmittelbare Verwendung finden 
oder wenigftens die Grundlage für die neuere 
nn abaeben, fo ift dies teild aus dem 
Gin ul, den bie \ eltherrfchaft jenes außerordent⸗ 
lichen Volls auf die gefammte europ. Kulturent: 
widelung übte, teild aus der Kraft und Bedeutung 
de3 röm. Rechts felbit zu erflären. Mit ihrer Be: 
gabung, das Zulömmliche —* großen Geſichts⸗ 

unlten zu beſtimmen und ———— durchzuführen, 
haben die Römer unter allen Nationen des Alter: 
tums nicht allein die Rechtsidee in ihrem Geſehe am 
—— verwirklicht, fondern auch in der 
wiſſenſchaftlichen Feititellung der Begriffe und in der 
Kunft der Rechtsanwendung wahrhaft Muftergül: 
tiges — ſodaß ihre Arbeit die Rechtsbildung 
bis auf die neueſte Zeit zu befruchten vermochte. 
ag min ber röm. Geſamtſtaat allmählich um 
den Kern des bis zur —— feſten Gemein⸗ 
weſens am Tiber ji) anlegte, jo entwidelte ſich auch 
fein Recht um den Mittelpunkt des ftrengen Jus 
eivile oder des Gefehes der röm. Stadtbürgerfchaft, 
welches in den Zwölf Tafeln (f. Zwölftafel: 

eſe % deögleihen in einer Reihenfolge von Ges 
Fehen rVollsverfammlungen(f. Gomitien) und 
in verfchiedenen Senatustonfulten feinen bes 
timmten Ausdrud, durch eine feitftehende Gewohn: 
eit feine Erflärung und Er änzung —— hatte. 

ür die öffentlichen Zuſtände blieb das Jus civile 
no in fpäterer Zeit ausfchließende Duelle, 
während die bejondern privatrechtlichen Sabungen 
der verbündeten und unterworfenen Nationen als 
Jus gentium zur Anerlennung rg und bie 
entiprehenden Beſtimmungen des Bürgerrecht3 
nad) den Anforderungen des erweiterten Berlehrs 
vielfach umbildeten und vervollftändigten. Anftatt 
der — hierzu befugten ge pe ebung 
unterzog ſich aber hauptſächlich die Magiltratur 
dem Gefchäft diefer Umgeftaltung. Seitdem in 
den Bollsverfammlungen die polit. Bewegung den 
Sinn für untergeordnete Reformen zurüdgedrängt 
ae tonnte nur die jtellvertretende Thätigleit der 

rätoren, Adilen und PBrovinzialftatthalter mit 
Umgebungen des Jus civile, zu we den ihre Bot: 
{haften (Kdicta) Atem pa n, bem veränderten 
Rechtsbewußtſein (f. Billigleit) Befriedigung 
verſchaffen, und das anfangs nur nebenher und 
veritoblen geübte Verordnungsrecht der oberrichters 
lien Behörden wurde bald als Verjüngungss 
mittel und Urfprung eines eigentümlichen Jus ho- 
norarium förmlich anerlannt, Das Emporkommen 
der taiferl. Gewalt enttleidete die Vollsverſamm⸗ 
lung nicht fofort ihrer Machtvolllommenheit in 
Hinſicht y ebgebung, wie denn gleich unter 
den eriten Kaifern befonders mehrere Leges Juliae 


814 


das Straf: und Prozeßrecht vermehrten. Indeſſen 
ward nicht allein jeit diejer Zeit die Befugnis des 
Senats zu gemeingültigen Erlaſſen erweitert, fon: 
dern aud) der Grund zu jener alles überwuchernden 
DOberberrlichleit gelegt, die das Verordnungsredt, 
von vornherein unter Mitwirkung des Senats, ſpä— 
ter ohne dieſe, für den Regenten in Anſpruch nahm 
und nah allmäblihem Grliegen der Gomitien die 
Geſeßgebung thatſächlich an den Kaiſer brachte. 
Den republilaniſchen Erinnerungen trugen jedoch 
die Kaifer noch längere Zeit injofern Nechnung, als 
fie ihre Rechte (Constitutiones, Placita prineipum) 
nicht als leges, fondern nur in der Form von Bot: 
ſchaften oberjter Magiſtrate ( Edicta), Generalver: 
ordnungen an Behörden (Mandata), oberrichter: 
lidien Entſcheidungen (Decreta) oder Rechtsbe— 
lehrungen an Einzelne (Rescripta) veröffentlichten. 
Gerade innerhalb diejes Üübergangsſtadiums war 
aber die wiſſenſchaftliche Fortbildung des Rechts, 
namentlich des Privatrechts, Gegenitand der er: 
giebigiten Bemühungen von hochgeachteten Recht: 
nelehrten geworden, und die Vedeutung, welche 
ihren Outachten (Responsa) bei Gericht beigelegt 
werben jollte, findet ſich durch eigene kaiſerl. Erlaſſe 
beitimmt und feitgeitellt. Won diefen —— 
macht diejenige Codiſilation Gebraud, durch welche 
Juſtinian (j. d.) die unzulängliden Konjtitutionen: 
ſammlungen feiner ag erjehte, und die man 
als Corpus juris eivilis (f, d.) bezeichnet. Mit ihr 
erlangt das noch in Betracht lommende röm. Rechts⸗ 
material feinen Abſchluß, denn die weitere Geſetz- 
gebung hat ebenio, wie die vorher von weitgot. und 
burgund,. Königen verfaßte Zuſammenſtellung 
(das Breviarium Alaricianum und die Lex Ro- 
mana Burgundionum), nur geſchichtliches Gewicht. 
Einen wie bedeutenden lern von wertvollen und 


nadhhaltenden Beitimmungen, und weldes Vor: 


bild einer ſcharfſinnigen, unbeugiam folgerichtigen 
a ur das röm, Recht aud) zu bieten vermag, 
jo fonnte doch nur die gelehrte Boreingenommen: 
beit allen feinen Teilen die Eigenſchaft eines voll: 
fommenen, jeber Zeit und Nation gerecht werdenden 
Gejepes beilegen. Der wiſſenſchaftlich und praltiſch 

eihärfte Blid erkennt darin immer nur ein Ge: 
— das bei aller Vortrefflichleit die Be: 
giebung auf fo mande binfällige, zum Ausleben 
ejtimmte Zuftände nicht verleugnet. Was nament: 
lid) den Wert des im Corpus juris uns begegnenden 
Rechts anlangt, fo iſt derfelbe im Staatsrecht, das 
die altertümliche Herabjekung der geringern (affen 
auf das ganze Voll überträgt, ſehr gering, im 
Privatrecht dagegen foweit nicht die Stlaverei und 
die unwürdige Auffallung bes kindlichen und ehe: 
weiblichen Verhältnifjes Einfluß üben, ein hoher; 
das gerichtliche Verfahren ift bei aller ‘Feinheit eng 
und gebunden, dad Strafrecht kalt barbariſch. Jener 
verſchiedenartige Inhalt wird uns der Hauptfadhe 
nad) in einem ‚pareant von Bruchjitüden aus rechts: 
gelehrten Schriften mitgeteilt, die in eine höchſt 
mangelbafte Überfidht gebracht find. Was neben 
diejer, die Pandelten (ſ. d.) bildenden Sammlung 
zu dem Codifilationswerle gehört, will entweder 
nur bie erſte Uberſicht über das Rechtsſyſtem ver: 
mitteln, wie die Inſtitutionen (f. d.), oder das Hlaj: 
ſiſche Recht durch legislative Nachträge in oft un: 
fertiger Weife ergänzen und wie der 
Coder und die Novellen (f. d.). Vol. Schweppe, 
«Röm. Rechtsgeſchichte (3. Aufl, Gött. 1832); 
Puchta, «Eurfus der Inftitutionen» (9. Aufl., be: 


Nomiſches Necht 


forgt von Krüger, 2 Bde. Lpz, 1881); Iherirg, 
«Geiit des röm, Hecht» (4. Aufl, 3 Ile, Yp3. 
1885); Walter, «Geſchichte des röm,. Rechts⸗ 
(3. Aufl., 2 Bde., Bonn 1860); Nivier, «Intro- 
duction historique au droit romain» (Brüfj. 1872). 
Nach dem Untergange des Weitrömiichen Reichs 
waren die Anzeichen für den Fortbejtand des darin 
gültig gewejenen Geſehes ungünftig. Wenn aud) 
die unterworfenen Römer in den von Germanen 
eroberten Ländern ihr Vollsrecht beibehielten und 
manche ihrer öffentlichen Einrichtungen den Ver: 
fafjungen der neuen Staaten übereigneten, jo trat 
doch die german. Redtsbildung jabrhundertelang 
in den Vordergrund. Grit ibr jprödes Verhalten 
n eine wifienichaftliche Weiterentwidelung, ver: 

lieb den während des 12. Jahrh. in Italien wieder 
in den Vordergrund tretenden Juſtinianiſchen 
Nehtsbüchern ein unbeftreitbares fibergewicht, das 
der Ginfluß der neuentitandenen Univerjitäten auch 
in Deutſchland, wiewohl nicht ohne Kampf, zur An: 
erlennung bradte. Dem prattiihen Sinne ſchien 
der Cintritt in die Erbichaft eines fein ausgebildeten 
Rechtsſyſtems weit zuträgli als die mühjame 
Fortführung der vollstümlichen Anläufe zu einem 
den rajchen Kulturfortſchritten angemeſſenen Rede, 
und der Traum einer Fortjegung des röm. Kailer: 


reichs durd die beutichen Könige lieb das röm, 
Geſeh — — —— riſtenheit nn 
wabrenden en trachten. 

deilen fand man body bald, dab es mande 


neuere Berbältniffe nicht anwendbar ſei. Nicht 
minder ſtand die Geridhtäverfafjung feiner vollitän- 
digen Anertenmung geraume Zeit im Wege. Die 
Aufnahme des röm. Rechts iſt daher in den ver: 
f&hiedenen ändern weder nleichzeitig noch in dem: 
felben Umfange erfolgt. In Stalien und im ſüdl. 
Frankreich faßte es zuerit feite Wurzel, weniger und 
Ipäter im nördl, Frankreich (den pays du droit cou- 
tumier), wo man e3, wie gegenwärtig nad dem 
Code civil, nicht als eigentliches Gefeg, ſondern 
nur al3 eine Autorität für allgemeine natu t: 
lie Grundjäge (raison 6erite) anerfannte. In 
England wurde es in den bürgerlichen und welt: 
liden Gerihtshöfen nie, in Schottland nur. be 
Ihränft angenommen; aber die geiſtlichen Gerichte 
baben es ſtets als wahre geiehliche Regel befolgt. 
Es gilt daher für alle an diefe Gerichte gewiejenen 
Sadıen, jowie in den Admiralitätsgerichten, weil 
biefe großenteils Fremdengerichte find, jedoch in 
beiden mit jehr bedeutenden Mobififationen. 

n Deutichland legte man dem röm. Rechte ge- 
ſebliche Kraft bei, was aud) in ehemaligen Reichs: 
gelegen, 3. B. der ge und 

ndesgeſetzen beitätigt ift. Vgl. Stobbe,«Gejchichte 
; Hrantlin, « Beiträge zur ichte 
ception des röm, Rechts in —— (Hannov. 
1863); Schmidt, «Die Neception röm. Rechts 
in Deutihland» (Roftod 1868); Stölgel, «Die Ent: 
widelung des gelehrten Richtertums in —— 
Territorien» (Stuttg. 1872); Moddermann, «Die 
Reception des röm. Redht3» (Jena 1875). Doc 
ftehen überall nicht nur die einheimischen Gejehe 
voran, indem das röm. Recht bloß in Ermange: 
lung derjelben als ſubſidiariſches Necht zur Anwen: 
bung fommt, fondern jeine Gültigkeit fällt auch 
bei allen eigentümlid romiſchen, in Deuti 
land nit vorhandenen Inſtituten, und ebenjo 
umgelebrt bei allen erft im neuern Guropa auss 


Nömifhes Neid — Römiſche Religion 


gebildeten Nechtöverhältnifien, 3. B. Lehen, Brimo: 
enituren, Berg:, ehielrecht u. j. w., jowie bei 
Fragen des Staats: und Völferrehts. Immerhin 
enthält aber jelbjt die neuere Gejehgebung der 
einzelnen deutſchen und auch der andern europ. 
Staaten, namentlid) in ihrem auf das Privatrecht 
fich beziehenden Beitandteilen, viel altrömiices, 
wennſchon den veränderten Kulturverhältniſſen 
angepabtes Net. Die Prinzipien beöfelben lie: 
gen It manden neugeidafenen Inſtitutionen 
u Grunde, und ſein Geiſt lebt nicht bloß in dem 
Fort. was ihm nad: und aus ihm weiter ges 
bildet ift, fondern er bringt ſich auch in ber willen: 
ſchaftlichen und legislativen —— Ko gegen: 
wärtigen —* pe Geltung. Dieje Stel: 
lung des röm. Rechts in Deutſchland wurde zu Ans 
fang des 19. Jahrh. von entgegengefehten Seiten 
angefodhten. Der einen erfhien die ſchwanlende 
Herrichaft eines fremden, nur dem gelehrten Stu: 
dium erſchloſſenen Rechts als ein Anachronismus, 
welcher das Berlangen nach allgemein zugänglichen, 
durchweg aus ben neuern ——— rvorge⸗ 
angenen Geſetzen hinreichend begrü nberer: 
—* hatte der hiſtor. Forſchungseifer, welcher den 
wahren Inhalt der rom. Rechtsbeſtimmungen ent⸗ 
widelte und in leicht begreiflicher Vorliebe für die 
erlangten Ergebniſſe ben nicht immer abfidhtslofen 
ee - Praltiler entge nt, eine 
gleiche Klarftellung der deutfchrechtlichen Elemente 
bes Gemeinen Rechts (f. d.) und dem beftigften 
Kampf um deren legislativ:polit. Berechtigung ent: 
— Ihren Ausgang nahm die Bewegung von 
hibauts —* —— an eines > 
gemeinen bürgerli , wogegen 
vigng (1814) unferer Zeit en Beruf ur Gejeb: 
gebung abfprad. Nach mancher fcharfen Erörte⸗ 
rung zwiſchen Romaniften und Germaniften jcheint 
fich gegenwärtig die Überzeugung Bahn zu brechen, 
dab nicht in dem enfab, fondern in dem Zu: 
fammengeben der beiberieitigen Beitrebungen das 
Gedeihen der fernern Rechtsentwidelung begründet 
iſt. Durch die Wieberauffindung des urfprünglichen 
Sinnes vieler röm, Beitimmungen wird deren ge: 


treten dadurch mit den einheimischen Sapungen in 
die gleiche Neihe, ohne daß ſich dieje dem befruchten: 
den Einfluß entziehen follen, der durch die Kraft 
des Gedankens bem röm. te bewahrt bleibt. 
Bol. Ihering, «Bedeutung des röm. Rechts für die 
moderne Welt» (Lpz. ee Noltemeier, « Deutſche 
Rechtszuſtände und Grun linien für Rechts⸗ und 
Gerihtseinbeit in Deutichland» (Lpz. 1869); Stein, 
«Gegenwart und Zukunft der Rechts- und Staats 
wilenihelt Deutſchlands⸗ (Stuttg. 1876). 

iſches Reich, |. Rom und Hs le 
210, — —— Römiſches Reich hieß 
Deutſchland unter den römiſch⸗deutſchen Kaiſern. 
u. Kaifer und Reeig.) F 

RNõmi — Die Religion der Römer, 
wie ſie in der Litteratur der klaſſiſchen und nach— 
tlaſſiſchen Zeit überliefert iſt, erſcheint als eine 
Kopie der griechiſchen. Allein hinter und unter 
dieſer am meiſten in die Augen —— Form 
liegt eine anders geartete nationale Religion, die 
teils aus den —— des Kultus, teils aus den 
ſchriftlichen Zeugniſſen der ältern Seit, teils aus 
den Mitteilungen der röm, Antiquare, wie Barro 
und ben ihr antiquarifhes Willen größtenteils 
direlt oder inbirelt aus ihm f&höpfender Schriften 


ſchichtliches Bedingtjein —— und ſie ſ. 
Bf 


815 


röm. Grammatifer und criftl, Kirchenlehrer, wie 
des Auguftin, zu erfennen it. Dieſes Neligions: 
fyftem zeigt ſich als analog den Religionsvorftel: 
lungen der verwandten Italiſchen Völler (ſ. d.), 
weiterhin aber zwar als der gemeinfamen inbos 
europ. Wurzel entiproffen, jedoch infolge der 
größern Nüchternheit und geringern geiftigen Pros 
dultivität der Italiker ziemlich weit abjtehend fo: 
wohl von der ind. als der griech. Neligton. Auch 
die Nömer verehrten die auf fie einwirkenden 
Naturmäcte, Jupiter als den Himmelsvater und 
fein weibliches Gegenbild uno, die himmliſche 
Mutter und Mondgöttin, den Janus, einen Gott 
des himmlischen Lichts, der die Thore des Himmels 
morgens öfinet und abends ſchließt, den Gott 
jeden Anfangs, und fein —— Gegenbild 
Diana, die als himmliſche Macht Mondgöttin iſt, 
wie Juno, den Mars als Sonnengott, in der mo— 
raliſchen Welt als Kriegsgott, die Göttin der 
—— Mater Matuta; ferner die Götter 
der Saaten und ihres Ertrags, Saturnus und 
Conſus, bie der Blumen und Früchte, Flora und 
Venus, Bertumnus und Pomona , die Götter von 
2> ‚und Wald, Faunus und Silvanus, wie die 

Öttinnen der Mutter Erde und ihres Segens, 
Ops, Zellus, Terra, Fauna, Bona Dea, Maja, 
die Göttin der Viehweiden und Herden, Pales, den 
Gott des Waſſers und der See, Neptunus, und 
bie Gottheiten der Duellen und Flüfie, den Gott 
des Feuers, Vulcanus, und Veſta, die Göttin bes 
heiligen Opfers und Herbfeuers das, wie es in 
jedem Haufe für jede Sausgenoflenichaft entzündet 
wird, jo inmitten der Stadt für den Staat ewig 
Nammend erhalten wird. Neben ihr werben bann 
ebenfall3 im Haufe, wie in ber Stadt, die Benaten, 
die Götter der Vorräte, die Zaren, die Schußgötter 
der Familien, Häufer, Stadtteile, der Stadt und 
des Staatö, wie ber Felder, ja auch auf der See, 
und die Genien der einzelnen Menſchen namentlich 
des Hauäherrn, wie des Haufes und Staats, ver: 
ehrt, während die Geftorbenen ald Manen eine 
Stelle im Kultus haben. Neben diefen Göttern, 
in denen bie allgemeinften Beziehungen des Men: 
hen zur Natur und zu fich jelbit ihren Ausbrud 
—— gibt ed num aber ein weit ausgedehntes und 
einem Prinzip nah ins Unendliche ausdehns 
bares Syſtem von Göttern, beftehend nicht aus 
erjönliden menſchenähnlich —— eſen, 
ondern aus Begriffen, Abſtrakltionen von allen 
möglihen pbyfiihen und moraliiden Mächten, 
Einflüſſen, Thätigfeiten, Gefühlen, Eigenſchaften, 
fur; von allem, was das Leben eines nüchternen 
Aderbauvolt3 bewegt. So gibt e3 Götter ber 
Natureriheinungen, der Saaten, re in 
allen Stadien der Entwidelung, bes Glüds und 
Unglüd3, der Geſundheit und Krankheit, der Angit 
und der Freude, Geburts: und Todesgötter für 
jeden einzelnen Moment von der Empfängnis an, 
Götter und Göttinnen ber Ehre, des Verſtandes, 
der Keuſchheit u. ſ. w., darunter, wohl infolge 
rübzeitiger Jdentififation mit Athena am leben: 
igften, ja neben Jupiter und Juno zu einer der 
größten Göttinnen erhoben: Minerva, die Göttin 
des Verſtandes. Bon den Stalifern jelbft nämlich 
find ihre Götter lange nicht zu fo lebendigen, in: 
bividuellen PBerjönlichleiten ausgebildet wie bie 
—— ſodaß es eben deshalb leicht war, in 
—* vagen Umrißzeihnungen die lonkreten Ge: 
ftalten des griech. Götterhimmels einzupafien. Zu 


816 


plaftiicher Geftaltung ihrer Götter find die Italiler 
nur durd griech. Einfluß über Eicilien und Unter: 
italien oder durch die Etruster gelangt, während fie 
felbft urfprünglich diefelben nur unter Symbolen, 
in Steinen, Lanzen, gewillen Tieren ꝛc. verehrten. 
Das Gefühl, das der Menſch dieien Göttern 
—— bat, iſt das des Gebundenſeins (religio) 
urch fie in jedem Moment des Lebens. Mit ängft: 
licher Gewiſſenhaftigleit wird daher dafür geforgt, 
daß ihnen das Gebübrende genau geleiftet wird. 
Cine fahverfiändige Priefterihaft, deren Mittel: 
punlt bie Sin bilden, forgt dafür, daß die 
Götter nach Begriffen und Namen in ber richtigen 
Drdnung angerufen werben, daß man weiß, wel: 
dien Begriff man_in jeder Lage des Lebens zu 
Hilfe rufen muß. Diefe Prieſterſchaft beftimmt die 
Eühnmittel in Unglüdsfällen, fie ordnet die Tage 
des Jahres nach ihrer religiöfen Beziehung, indem 
fie den Kalender ſchafft, der nicht bloß den Wechſel 
der Mondphafen anzeigt, fondern auch die Feittage 
und Werktage ſcheidet und angibt, an welchem 
Tage weldem Gotte dieſes und jenes Opfer ge: 
bradyt werden foll, an weldem Recht geſprochen 
werden darf, an welchem auch Vollsverſammlungen 
ftattfinden dürfen, welder Tag günftig und welcher 
ungünftig fei., Aus dem Fluge der Vögel, den 
Himmelserjheinungen und anderm beftimmt die 
Auguraldisciplin den Willen der Götter hinficht: 
lic) defien, was der Menſch unternehmen will, und 
dieie Disciplin wäre geeignet geweien, das ganze 
dfjentlihe und Privatleben in hemmender Weile 
zu beherrſchen, wenn nicht die Subtilität der Kenn: 
—* und die rationaliſtiſche, ja juriſt. Auslegung 
es Verbältnifies des Menſchen zu den Göttern 
erlaubt hätte, dab man fie ſah oder überſah. In 
der Familie und im Staate ift ein feinen Grund: 
formen nad einfadher, aber mit ängitliher Sorg: 
falt zu beobachtender und in Außerlichleiten auf: 
gehender Kult (sacra privata und publica) ein: 
gerichtet, deſſen — und richtige Beſorgun 
unter der Aufſicht der Pontifices ſteht, und ber ib 
auch neben allen Beränderungen, die mit den relis 
niöjen Vorftellungen der Nömer vorgingen, in 
Übung erbielt, wenn auch die, die ihn übten, feinen 
Einn nit mebr verftanden. Diefe Veränderungen 
begannen freilich jehr früh. Nicht erft im 2. Jahrh. 
v. Ehr., jondern ſchon unter den Tarquiniern be: 
gannen griech. Boritellungen, griech. Götter und 
griech. Ault mit Bilderdienit Eingang zu finden. 
In vollftem Maße aber und mit weitgehender Auf: 
opferung des Eigenen wurde die einheimische Reli: 
gion nad der griechiichen umgeformt im 2. und 
1. Jahrh. v. Chr., im Zuſammenhang mit dem all: 
gemeinen Hellenifierungsprogeß, dem die Römer 
in jener Periode fi unterwarfen. Jupiter und 
eus, Juno und Hera, Minerva und Athena, 
iana und Artemis, Neptunus und Poſeidon, 
Vercurius und Hermes, Vulcanus und Hepbäftos, 
Geres und Demeter (wie Proferpina und Perſe— 
phone), Mars und Ares, Venus und Aphrodite, 
Sol und Helios, Luna und Selene, Aurora und 
Eos, Camenen und Mufen, Amor und Eros, Bic: 
toria und Nile, Tyche und Fortuna u. f. ı., werden 
nun identifiziert; andere werden unter ihrem 
eigenen mehr oder weniger latinifierten Namen, 
jedoch vielfad unter Einfügung einheimiſcher my: 
thiſcher Boritellungen übernommen, wie Apollon 
(Apollo), Astlepios (Üsculapius), Balchos (Bac⸗ 
chus, biefer neben jeiner Jdentifizierung mit Liber 


Römifher Salat — Römiſche Sprache 


in dem Göttervereine Ceres, Liber und Libera), 
Heralles (Hercules). (S. Griechiſche Mytho— 
logie.) Selbſt der offizielle Ault nahm von früh 
an neben feinem den alten Gere: 
monien viele geiedifhen, ja felbft von Haus aus 
— ent. Kulte auf, fürdie inden Decem- 
viri (früher Duoviri, hufept Quindecimviri) sacris 
faciundis ein eigenes Kollegium beſtand, wenn fie 
nit, wie die Bac ien, fitten: und ſtaats⸗ 
gefährlich dienen, foda die Kilo der Römer in 
der Haiferzeit ein wirres Gemisch aller polytheift, 
Götter und Kulte bildete. Die über die ganze röm. 
Welt zerftreuten Infchriften diefer Zeit bieten ein 
anſchauliches Bild diefer Zuftän 
mübte fih zwar, aud) auf religiöfem die 
nationalen Elemente zu erhalten und in den Vor: 
dergrund zu ftellen, aber dem unaufhaltfamen Gang 
der Vollermiſchung ‚gegenüber ohne Erfolg. i 
Vol. Hartung, «Die Religion der Nömer» (Er: 
langen 1836); Preller, «Röm. Wythologier (2. Aufl., 
Berl. 1865; 3. Aufl., von Jordan, 2 Bde., 1881 
* Marquardt in Beder-Marquardts «Hand: 
bud) der röm. Altertümer» (Bd. 4, 1856 


nal 


umgearbeitet in Monmfen: Marquardts «Hand: 
such der röm. Altertümers, Bd. 6, 1878; 
2. Aufl., beforgt von Wiffowa, Lpz. 1835); Freuner, 
«Heftia:Beita. Ein Cyllus ie 

Forfhungen» (Tüb, 1868); N AL} zur 
vergleichenden Mythologie» (Bd. 1: »Apollon und 
Mars», 2p3.1873; Bd.2: «Jumo und ‚18%); 
Boiffier, «La religion romaine d' aux 


Antonins» (2 Bde., Par. 1874). 
Römifcher Salat, ſ. unter Gartenfalat. 
Nömifche Säule, ſ. u Säulenordbnung. 
Nömifche Sprache. Die Sprace der Römer 
war das Lateinische, d. h. 


welcher zur Zeit, wo die hütor, liberlie be: 


ginnt, — han dem Tiber, den a 

gen um eere begrenzten iſchen Ebene 

geiveschen wurde. Dieſe Sprade bildet mit dem 
mbrifchen, dem Osliſchen (d. b. der 6 der 

ſamnitiſchen Stämme) und den fabe Dia: 

letten ben —— Hmeig der 

Spradfamilie. (S. Italiihe Bölter und 

Spraden.) Durd Gründung von Kolonien und 

Einverleibung italiiher Städte und 

in den röm. Staat verbreitete fidh die röm. 


allmäblid über ganz Stalien. Das ü 
derjelben über die andern und 
der Halbinfel wurde durd) die in ber fullanifchen 


t nde Bü tserteilung an alle 
Er ‚mo Ortung —— 
unicipa ganz 
definiti tigt. Doch dauerte es min⸗ 
Behr gt, oc nad min 


1 


—— — nung m völlig 
ſchen S zum 

— — 

€ * * 77 ’ 
—— den Zuſammenbruch AA 
,  Geldihte > röm. Sprache hat man vor 

n ber 
allem zwifchen der vollstünl und der litteras 
rifchen Entwidelung zu —— Für die gi 
tere pflegt man vier Perioden 29 
35333 
— —— 


Römiſche Sprade-. 


bis auf Gicero;-8) die Haffische, bad-«golbene Zeit: 
alter» der Sprache, bis zur Zeit bes. Kaiſers Zibe: 
rius; 4) die nachklaſſiſche. Für die Kenntnis der 
eriten Periode it man auf einige in fpätern 
Quellen aufbewabhrte Bruchftüde alter liturgifcher 
Geſänge der Salier und der Arvalifchen Brüder 
(i. d.), Geiehesformeln (Reſte der Zwölf Tafeln) 
und eine größere Zabl wertvoller Inſchriften an: 
gewielen; die ältefte der lehtern, in neuejter Zeit 
auf dem Quirinal-gefunden, ftammt aus dem Ende 
de3 4. vorchriſtl. Jahrhunderts. Die Sprade 
wurde jchon in diefer Periode funftmäßig behan— 
delt, doc fann der Unterfchied gegenüber der Ver: 
lehrsſprache des gemeinen Mannes nur ein gering: 
fügiger gewefen fein. Dieſer Unterfchied waͤchſt in 
tr zweiten Periode, Es beginnt das gelehrte 
Studium der Sprade. Das Beltreben der Dichter, 
anitatt de3 aus uralten Zeiten überlommenen Sa: 
turniichen Verſes (f. db.) die Gefege der griech. 
Metrit auf die lat. Sprache anzuwenden, veran: 
laßte fie, beftimmte Normen für die Spradhformen, 
namentlich binfichtlih der Enbfilben, die in der 
Vollsſprache manderlei —— und Kür⸗ 
zungen erlitten hatten, aufzuſtellen. Beſonders 
wichtig und in der Hauptſache für alle Folgezeit 
mahgebend waren hierbei die Vorfchriften des En: 
nius, durch welche der Gegenfak zwiſchen der laut: 
lichen Geſtaltung der Vollsſprache und der Littera; 
turſprache zu einer nicht mehr zu befeitigenden 
und immer größer werbenden Kluft vertieft. wurde, 
In der dritten Periode wurde bie Unbeſtimmt— 
beit und das Schwanten der frühern Schriftiteller, 
da3 feinen Grund vornehmlidy in dem no * 
ganz vollzogenen Losreißen von der naiven Sprach— 
entwidelung hatte, bis auf wenige Reſte befeitigt; 
viele Wörter und Wendungen der Vollsſprache 
wurden verpönt.. In diefer Richtung wirkten be: 
fonder3 Cicero und Gäfar. Der Hauptrepräientant 
der jo entitandenen klaſſiſchen Sprachform ijt unter 
den Brofaifern Cicero, unter den Dichtern Horaz; 
die Römer jelbft betrachteten freilich nicht Horaz 
fondern Virgil als ihren Haffifchiten Dichter, doch 
mar dieſes Urteil mehr durch die nationale Gitel: 
leit, welcher ber Inhalt der »Nneiss fchmeichelte, 
als durch eine unbefangene Vergleichung des did): 
teriichen und ſprachlichen Könnens beſtimmt. Die 
vierte Periode läßt fich wieder mehrfach gliedern. 
Zunädjt die Zeit von Tiberius bis zum Aus ange 
Hadrians (138 n. Chr.), die fog. filberne Lati— 
nität. In der Haffifchen Zeit waren es nur wenige, 
welche die muftergültige Form repräjentierten, die 
Klaffizität war Monopol einzelner ae ren 
Geilter. Jeht wurde fie Gemeingut der Gebildeten 
und ed gehörte zur höhern Bildung, daß man ſich 
die muftergültige Sprachform aneignete. Hervor— 
ragende Geiſter konnten nun aber ihre Befriedigung 
nicht darin finden, das Überlieferte ſtlaviſch nad: 
zuabmen. Die Negel wurde von ihnen als Feſſel 
empfunden und durchbrochen. So fam eine neue 
Spradform auf, als deren Hauptrepräfentant Ta: 
citus daſteht. Die Zeit von Antoninus Pius bis 
zum Tode bes Commodus (192 n. Chr.) heißt die 
ardhaifierende Periode. In ihr lam das Be: 
itreben auf, in die vorklaſſiſche Zeit zurüdgugreifen 
und in ziemlich gefhmadlofer Weiſe allerlei alter: 
tümlihe Wörter und MWendungen zu gebrauchen; 
Cicero wurde iept: für einen Berderber des guten 
Alten erklärt, iefer Tendenz buldigte ſchon Ha: 
drian, ihre Hauptvertreter find Gellius und Fronto. 
Gonverjationd» Lerifon. 13. Aufl. XIIL 


817 


Nah Commobus wurde dann auf den fpradlichen 
Ausdrud Überhaupt keine Sorgfalt mehr verwandt, 
man legte auf (höne Form und guten Stil keinerlei 
Wert mehr, Schriftſprache und Volksſprache flofien 
in eine rohe Maffe zufammen. — Als die Spradie 
der Kirche und ber Ser überhaupt der 
Gelehrten, zum Teil aud als die Sprache ber 
Diplomatie, behauptete ſich das Latein war aud 
im Mittelalter mit vielen german., felt. und ro: 
man. Glementen verjebt, das fog. Mittellatein) 
bi3 in die Neuzeit. i j 

Hat man in der Geſchichte der  litterarifchen 
Sprade ein Auffteigen und ein Abfteigen, Bervoll: 
fommnung und Berfall zu unterfdeiden, jo muß 
dieſer Geſichtspunkt für die Geſchichte der Voltzs 
ſprache (sermo-vulgaris, plebejus, rusticus) ganz 
beifeite gelafjen werden. Die Sprache des gemei: 
nen Mannes ging, nachdem fi die Schriitipradhe 
von ihr getrennt hatte, ihren eigenen Entwide: 
lungsweg. Eie ijt in ihrer altertümlichen Form 
wenigſtens einigermaßen befannt aus den erhal: 
tenen Inſchriften, die viele vollstümliche Spräch— 
ormen bieten, und aus den Werten des Vitruvius 
unter Auauftus) und Petronius (unter Nero), 
Schriftſteller, die an ber Erclufivität des höhern 
Stils keinen Gefhmad fanden und in Bezug Fr 
Slerion der Worte, Syntar und Wortſchaß fi 
dem Gebraud) der Alltagsſprache enger anſchloſſen. 

Mit der Ausbreitung der röm. 81430 über 
die Mittelmeerländer war die —— zur Aus: 
dehnung des lat. Sprachgebiet3 über Italien hinaus 
gegeben. Am wenigiten konnte das Latein in den 
öftl. Provinzen Fuß fallen; nur in Dacien drang 
e3 dauernd in das Volk ein und wurbe die gemöhn: 
liche Verlehrsſprache. Im Weiten gewann die 
Sprache feſten Boden in Hijpanien und Lufitanien, 
in Gallien, in der füböftl. Schweiz und einigen 
Zeilen von Tirol. Es find das die Länder, in 
denen auch noch jeht Latein geiprodhen wird; man 
nennt diefe neuere Entwidelung der Sprade «ro: 
manifd». (S. Romaniſche en) Auch 
in Britannien, in einigen Teilen des heutigen 
Deutſchland und Sſterreich und in Nordafrika 
ſehte ſich die lat. Sprache feſt, und es hätten ſich 
auch hier roman. Dialelte entwidelt, wenn nicht 
neue Eroberer das röm. Element verdrängt hätten. 

Den Hauptanſtoß zur grammatiſchen Behand— 
[ung der lat. Sprache gab ein arieh. Grammatiker 
und Philoſoph, Krates, der 159 v. Chr. nadı Rom 
lam und philof, Vorträge hielt. Der erite Römer, 
der auf dem Gebiet der lat. Sprachwiſſenſchaft Be: 
deutendes leijtete, ift Barro (116—27 v. “rn und 
es iſt eine eigentümliche — daß ſich die 
bervorragenditen Staatsmänner (Caͤſar, Cicero) 
und ſelbſt mehrere Kaiſer eifrig den grammatiſchen 
Studien und Tagesfragen zuwandten. Die röm. 
Sprachforſchung ſchloß ſich ziemlich ſtlaviſch an die 
griech. Vorbilder an; fie hat ſich, fo achtungswert 
auch einzelne Leiftungen ericheinen, um die willen: 
ſchaftliche Aufhellung der Geſchichte der lat. Spradye 
dod) nur injofern verdient gemacht, al3 fie in ihren 
Werlen ein umfangreiches Material aufipeicherte. 
Wefentliche Fortihritte machte die lat. Grammatit 
erit im 19. Jahrh., und es wetteiferten in dieſem 
in der Bearbeitung derfelben zwei Gelehrtengrup: 
pen, die Haffiihen Philologen und die Lin m 
(vergleihenden Spradforfder). jene (Ritichl, 
Sahmann, Th. Mommien, Bücheler u. a.) erwar: 
ben ſich bejonders um die kritiiche Bearbeitung der 


62 


818 


Spraddentmäler und Yeititellung ber fprachge: 
ſchichtlichen Eingelerfcheinungen des —— 
Verdienſte, dieſe Bopp, Pott, Schleicher, Curtius, 
Corſſen, Ascoli u. a.) vorzugsweiſe um bas ent: 
widelungsgeidichtliche — um die ftel: 
lung des urfädlihen Ba , buch welches bie 
eine Erſcheinung mit ber — und alle unterein⸗ 
ander verfnüpft find. Umfafiendere —— * 
— Be lieferten im 19. Job 
Neue, Neifig, Eorfien («A 
—— —— und onung ber fat. 
Spradie», 2 Bbe., 2. Aufl., Epg. 1868 u. 1870 unb 
Raf. Kühner («Ausführliche Grammatil der lat. 
Sprache 2 Bbe., Hannon, 1877 u. 1879). Dem 
beutigen Stande ber Forſchung entfpricht a 7: 
ma in Mtders «4 — —— 
in n «ha fi: 
ſchen u Be re (Bd. 2 1885). 
— iſches Bad, |. —— — 
es 
en Tat 8 day on), f. 
Gefäiiteforiher, 751 m 1m Safe 
bejudhte das —— Biel, =. ſich 
feit 179 erſt zu Marburg theol., dann zu Göt⸗ 
tingen orient, Studien, 
Vreisſchriften «Abulfedae Arabiae descriptio 
(Bött. 1803) und «Caucasiarum en gm. 
tium Straboniana descriptio» (2pj. 1 
öffentfiht, warb er 1804 als auferorb. Beofchor 
nad) Marburg berufen, wo er 1805 bie orb. Pro: 
feſſur der Berebfamteit "und ber griech. Sprache er: 
hielt. Die polit. Umwandlungen in Heſſen veran: 
laßten ihn 1810 me eines Rufs nad 
Charkow, doch er bier ſchon 1814 feine Ent: 
lafjung. Nadı feiner Rüdlehr nad Deutichland er: 
—* er 1815 die Profeſſur der Geſchichte in Mar: 
urg, von wo er 1820 als Hütoriograph und Stants- 
archivdireltor nach Kaſſel überjiebeite. m J. 1828 
erfolgte feine Erhebung in den Adelſtand und 1829 
bie Ernennung zum Direltor ber Bibliothek und 


des Mufeums, welches Amt für lektere Anftalt er | 


jedoch 1881 wieder aufgab. 
zu Kaſſel. R.s Hauptwerk ift die « Gefhichte von 
Heflen» (10 Bde. Hamb. u. Gotha 1820—58). Die 
von ihm herausgegebene «Correspondance inedite 
de Henri IV, roi de France, avec Maurice-le- 
Savant, Landgrave de Hesse, accompagnöe de 
notes et cclaircissements historiques» (Bar. 1840) 


Er farb 21. Jan. 1859 


iſt eine Bereierung der Duellen für die Geſchichte 
jener Beit; ebenfo fein « Briefwe ** u Leib: 
niz und dem — nft von Rheinfels» 


(2 Bde, Franff. 1 

Rommey ( Oremdionnen) bei den Angel: 
ſachſen Rumensea, Stadt in der engl. Grafſchaft 
Kent, früher einer der Cinque Ports (f. d.), jeht 
2 km vom Pas:de:Calais, zählt (1881) 2772 E. 
und bat eine anjehnliche Kirche aus dem 12. Jahrh. 

Die Romney Marſh iſt durch Drainage in 
ergiebiges Wieſenland — und zählt auf 
250 qkm 5960 E. 

Nommy oder Romen, Kreisftabt im —* 
Gouvernement Poltawa, an der Einmundung de 
Romna in die Sula, Station der Gifenba Wilnn- 
N., mit (1881) 12312 E., welde Fabriten für 
Nafchinen landwirtichaftliher & ättäpaften und 
Lederwaren unterhalten und Gemüje und Tabat 
Se find die Jahrmärkte von R. 


’‚ıh 


achdem er bie beiben | 


| ber Rähe liegt Brondlands, einſt Landſitz 


Römiſch-iriſches Dad — Romulus 


— (deutih Nemund), altes maleriſches 


Lauſanne 

ß, einſt Reſidenz ber —— er von 
R., feit 1586 Eig der freiburgiihen Amtmänner, 
eine got. Kirche und zwei Nlöjter und zählt 1880) 
1876 —— meiſt kath. Koneſſion und franz. 
deren Haupterwerbäquele neben Aderbau Dies 
dulteuhandel —— eVieh⸗ und Pierbemärtte) iſt. 

Romo — er ge 


ee. rg 
—— —* Station der Linie dr 


ve 6 
—F — viois der Dicancbab bn, zäblt (1881) 
6633 (als Gemeinde €. und bat ein Handels: 
tribunal, ein College, 


fat. Romorantiuum , ern im 
Srafibaft Bois (Blaisois, Pagus 

Hier warb im Mai 1560 das Evilt von R. gegen 
——— —7 im W. 
und R. an den Atlantijdpen Orca, im RO, mb 


D. an im, in ©. an 
und in SB. a a es umfaft 
14709 qkm mit (1875) 117220 €. Das ei 
R. iſt ein jhöne: Bebirgsthal, von dem 60 km lan: 
gen RaumaEff durchſtrömt und von fleilen 
ge 1556 m, Zrofbtin:- 
berne 1832 m), vu BD open T oben teen: 
dal:Fiord, einen Teil des Molbe-Fiorb , 
Romfeh, Mumicipalborougb in ber engl. 
ſchaft Hampjbire, lints am Anton ober 
Teſte, Station (4 km vom Drf) ber Linie Biſhop⸗ 
ftote-Saliäbury der london bu San er ar 
zählt (1881) 4201 GE. und hat Sadleinwend: und 
Sergefabrifation, eine Bapiermähle und en 
baudel. Bon der ſchon in angeliähf. Zeit be 
jtehenden Abtei Numefige (Rumesia) R noch Die 
Klofterliche in normann, Stile vorbanden. In 
von 
Lord Balmeriton. flenfer. 
NRommald, der Heilige, f. unter Camalbu: 
Romulus war nad ber röm. e Roms 
Gründer und eriter König, der Sohn der Gil: 
via, einer Tochter ded Königs Numitor von Alba: 
longa, die von ihrem Obeim Amulius, der —2 
Valer der Herrſchaft beraubt hatte, — 
emacht worden war, damit fie feine Nachlommen: 
" aft erhalte, hen ge aber die Zwillinge R. 
und Remus. Das Gefäß weldem bieje auf 
des Amulius Befehl den Üellen de 3 Tiber über: 
ben wurden, trieb der Fluß an >. Ufer am 
—— Berne. Hier ſaugte eine Wolfin die 
aben; ein Spedt, dem Mars wie jene beilia 
und ein der Veſta beiliger Vogel, trug ihnen 
andere Rahrung binzu,. Der Hirt Fauſtulus 
fie auf und jein Weib Acca Larentia wurde i 
Pflegemutter. — — lamen fie in Streit 
— d — Nä ge Pa itor geſchl F 
ngen und a äu mitor 
—ãA eilte mit R. — Da offenbarte Ach 
* Zwillinge Abkunft. Sie erſchlugen nun mit 
hren Gefährten den Amulius, und Rumitor er: 
hielt die Herrſchaft wieder. Die ünglinge aber 
ehrten an ben Tiber zurüd, um an ihm eine Stabt 


m m ww — —— — — — — — — — — — 


Romulus Auguſtulus — Roncesvalles 819 


zu gründen. fiber den Ort, wo fie gegründet, nad) 
wem jie benannt werben und wer über fie bereichen 
follte, entitand Streit. Remus ſah vom — 
aus bei den Aufpicien ſechs Geier, N. zwölf Geier 
vom Balatin aus. Dies entſchied für legtern. Als 
darauf Remus die armjelige Wehr, mit der R. 
feine Stadt umgeben, verjpottend überiprang,, er 
ſchlug * n dieſer im Born, Ein Aſyl am Satır: 
nijchen Berge, der nachher ber Gapitolinifche hieß, 
führte der Stadt in heimatlofen Flüchtlingen neue 
Bürger zu; aber e3 fehlte an Weibern. Dieje 
raubten auf des N. Geheiß en un: ben lat, und 
fabin. Gäjten, die zu den zur Fei Eonjualien 
veranjtalteten Spie en —— — Darüber 
erhoben erjt die Latiner von Antemnä, Cänina 
und Gruftumerium Krieg, wurben aber von R. ges 
Ichlagen. Gefährlider war der Krieg mit den 
binern, die Be. Titus Tatius dur der Tarpeja 
Berrat rR ag u. Bm on bemädh 
—— —* * in a Menke * 
wurde durch der Sa — wi n 
lich beendet. Die palatiniſche Stadt des bes A und und 
—* quirinaliſche Tatius mit gemeinſamer 
Burg ſollten fortan einen Staat unter beiden 
Konigen bilden. Aber 


von Yaurentern erfi N. als alleiniger 
Herricher die polit. und militärif Verfaſſung 
Staats feſtſtellte und denſelben benachbarten 
Etruslern wie u Latinern gegenüber zu Anfehen 
brachte, Nad) la ——— wurde R., als er 


auf Marafelbe (a (an den Nonen de3 Ouinetili) 
das Voll mufterte, von der Erbe entrüdt und fuhr 
wie —* Roſſen feines * Mars zum Hinmel. 


ch einer Erzählung, die das Wunderbare be: 
tigen will, hätten i n die Senatoren getötet und 
2* Gr „Er jchR ien bald dem Julius Bro: | b 
n verfünben, er werbe ala 


duxch i 
Sort rim — fein Volt walten. 
im ganzen 37 Jahre lang — der heutigen 
hen 753—716 
ber kri —— — iſt dieſe 
* ung von R. das Werk griech. oder griechiſch 
gebildeter röm. San Ban: welche nur zum Teil 
alle liche Mythen benubten. R., von Roma 
eine etymol * Perſonifilation des Ur⸗ 
—— = —* Nom, feine —*8 abgeſehen von 
der aus einheimiſchen My then lompilierten Erzãh⸗ 
Iveg von feiner en! und einzelnen andern Bes 
ftandteilen ähnlichen Urfp ‚nur eine ze 
machung der fpätern viel verfeblten ie 
—* von ber eriten Bildung und älteften 
fafjung bes röm, Staats, die auf feiner voßtioen 
tiberlieferung berubt. (S. Rom und Römifhes 
Neid.) Über b bie mythiſchen Glemente in der 
Sage von R.’ Geburt vgl. Breuner, «Heitia-Veita» 
(Zub. 1864) und Schwarz, «Der Urfprung ber 
Stamm: und Gründungsfage Roms» (Jena 1878). 
Romulus ſtulus, der lebte Kaiſer des 
MWeitrömifchen ng (475—476 n. Chr.), führte 
(um 460 n. Chr. geboren) den Namen Romulus 
20. feinem Großvater mütterlicerjeit3, dem röm. 
Comes Romulus aus Bötovio (jegt Pettau) in 
Dberpannonien. Sein Bater Dreftes, des Tatullus 
Sohn, ftammte aus dem Savegebiet in Pannonien 
und war —e—— Attilas. Nachmals in 
weitröm. Dienſten thãtig, war er durch den Kaiſer 
Nepos (feit dem 23. Juni 474) zum 
hoben worden. Mit Sitte und 
reichen deutichen Krieger im röm, sprabe er un 


— wurde bald darauf | Des 


vertraut, ergriff er bie Gelegenheit, als Kaiſer 
Nepos die ihm läftigen und gefährlichen erman, 
Zen aus Jtalien nach dem ſüdl. Gallien ver: 
Ion wollte, als Führer dieſer Aalen: auf * 
arſche von Rom nach dem Norden, ſich 
pören und unter Erllarung der Abfepung des * 
gegen deſſen Reſidenz Radenna zu ziehen. — 
verließ (28. Aug. 475) Ravenna und jog ſich nach 
Dalmatien zurüd, Dreſtes aber erhob 31. Dft. 475 
einen jugendlihen Sohn Romulus — Auguſtus. 
un forderten aber die deutſchen —— von 
dem Kaiſer ein Drittel des italiſchen Bodens als 
Grundbeſihß für ſich. Als Dreſtes die ann 
nicht bemilligte, erhob ſich aus der Mitte der Söld⸗ 
nerein beuticher Gemeinfreier, der rugiſche —* 
—* —— Führer, none en 
ren nn er m uzug 
aus Pannonien und E sun den Krie a 
mer 476, jeht von feinen Striegern ala König pro» 
Hamiert (23. Aug. 476). Odoater trieb den Oreftes 
in der Ebene nörblid vom —* — ſich her, ſchloß 


ihn in Pavia * * ur —* e Stadt, on 
dann den fliehenden Drejtes gefangen und li 
n Jahres bi 


bei Trans 2 28, Bin, desſel 
es Oreſtes Bruder, Paulus, pri dann in > 
Schlacht bei — vor —83* — 4, Sept. 476 
lagen und getötet. —— Romulus 
eſidenz Navenna, — fen te ihm ein 
gehalt von 6000 Gold jtüden (etwa 72000 
und verwies ihn nach einer alten Billa des Lucullus 
in Campanien am Golf von Mifenum bei Neapel. 
Als dann in der zweiten Hälfte des J. 477 Odoaler 
mit dem byzant. Kaiſer Jeno um Anerkennung ber 
neuen Ordnung der Dinge in ien verhandelte, 
* Romulus noch einmal ſeinen Namen dazu 
rgeben und den Senat in feinem angeblichen 
Auftrage mit der Inſtrultion diefer ——— 
betrauen. Spottname Auguſtulus für Augu: 
ſtus kam eg nad) dem Sturze feiner Herr: 
ſcha * ir in Gebrauch. 
öngebir 
—— 8 wi der Vou. Orladiſchen Inſeln: 
South-Ronaldfha, die ſüdöſtlichſte der Orla— 
—* —2* zählt auf 47 qkm etwa 1600 E, iſt 
bar und dat mehrere aute teens: a or tb , 
—— ba, die norböftlichite Inſel de 
bat auf 10 qkm etwa 400 E. 
einen Leuchtturm. 
NRönafzek, Dorf im ungar. Komitat Marmaros 
mit 1507 E., Deutiche, Ungarn und Rumänen, ift 
Sig eines tönigl. Saljamtes und — wegen 
ſeiner ergiebigen Steinſalzber 
Noucaglig, ein Dorf öſtlich 8 Piacenza 
Nure; hier pflegten die deutſchen Kaiſer des des Sit: 
telalter3, wenn fie ihren —— machten, nach 
über hreitung rr sn eine grobe —— 
abzuhalten, um ſich zu Be ne ob alle Pflich⸗ 
tigen dem Aufgebot Dolge geleiftet hätten. Auch 
Kaijer 5 Sn I. hielt hier 1158 einen Reichdtag, 
deſſen e gegen bie eigenmãchtige Ausübung 
der Re te von feiten ber lomı: 
tädte Ei) richteten. 


gr = 

ncesballed (frz. Roncevaur, lat. Roseida 
vallis), Heiner Ort im ipan. Navarra, 37 km nord⸗ 
öftlich von Pamplona, auf der Straße nach St.-ean 
Pied de Bort, mit kaum . —* —— mit dem * 
einer Villa einem be Kloſter, fü 
ſeinen Namen nach der von A Bergen —— 
ſenen Thalebene, in welcher die Nachhut des Heeres 


62* 


t Öruppe, 
und am Dennis Head 


lien oder Hoheitsr 


820 


Rarls d. Gr. von ben Basten 778 geichlagen wurbe, 
wobei Roland feinen Tod gefunden haben foll. Die 
erit im Beitalter der Kreuzzüge ausgebildete Sage 
läßt die Franken von den Arabern beſiegt werben. 
Die Schladht von R. fpielt in dem Sagentreiie 
Karla d. Gr. und feiner Paladine eine glänzende 
Rolle und iſt der Gegenſtand verjchiedener Dich: 
tungen geworden. (6. Roland.) In bemfelben 
Thale ward 812 Karla * König Ludwig, durch 
Adalrich von Vaconin überfallen, der hierbei erſchla⸗ 
pen wurde. Aus dem Thale führt die Rolands— 
pforte(verjchieden von der weit öftlichern Rolands⸗ 
breiche, die nad) dem Mont: Perdu an der Grenze 
ron Aragonien führt) durch den 1100 m hoben 
Yuerto (Paß) Val Carlos und Puerto von Ibañeta, 
15 km nordwärt3 zu dem fpan. Grenzborfe Bal 
Carlos oder Luzalde, 12 km von St.:,jean Pied 
de Port. Im April und Mai 1793 fanden in diefer 
Gegend zwifchen den Franzofen und Spaniern Ge: 
fechte ftatt und 25. Juli 1813 drängte Marſchall 
Soult bier die Engländer und Spanter aus ihrer 
feften Stellung. , , 

NRoneiglione, Stabt in ber ital, Provinz Rom, 
Bezirk Titerbo, im SD. des Lago bi Vico, lint3 am 
Ricano und an der Grenze der Campagna di Roma, 
417 m über dem Meere, zählt (1881) 5769 E. und 
bat einen röm. Triumphbogen, auf der Piazza eine 
Fontäne von Vignola, Fabrikation von Eifen: 
waren, Bapiermühlen und eine Burgruine, Nabe 
bei R. liegt der Palazzo Gaprarola, das Meifterwert 
Vignolas, der ihn für den Kardinal Alerander Far: 
* den Neffen des Papftes Paul III. aufführte. 
X. war einft Hauptort einer Here — 

NRonco, im Altertum Bedesis, Fluß im ital, 
Eompartimento Emilia, in derRomagna, entipringt 
auf dem norböftl. Abhang des Etrusfiichen Apennin 
in der Provinz Florenz, durchfließt die Provinz 
Forli, vereinigt ſich füdlih von Ravenna mit dem 
Wontone und mündet ald Fiumi Uniti in das 
Adriatiſche Meer. 

Rouda, Stadt (Ciudad) und Bezirlsbauptort 
von (1877) 19181 E. in der ſpan. Provinz —— 
liegt auf einem fteilen, von mehr als 200 m tiefen 
S — dem . de Ronda, ungebenen Fels— 
rüden der Sierrade Ronda, unweit links vom 
Buße Gudiäro. fiber die 90 m breite Schlucht, 
durch welche ſich der Guadalvin in einem Falle 
ftürzt, führt eine antife und eine neuere Brüde nad) 
der jenjeit gelegenen Borftadt. Das Bild der Stadt, 
von unten gejehen, ift einzig in der Welt. R. hat 
mehrere Kirchen, einen großen Stierlampfplaß, eine 
elegante Alameda, die eins der herrlichſten Gebirgs: 
panoramen der Melt bietet. Die Luft iſt äußert 
ge und im Sommer kühl, weshalb es als 

ommeraufenthalt gefucht ift. Die gewerbtbätige 
Bevölterung unterhält befonders Tuch: und Woll: 
fabrifen, Waffenfhmieden, Mefierfabritation, Ger: 
bereien und Ölpreffereien. Berühmt it die Stadt 
durd ihre üpfel und Birnen und die großartigen 
Stiergefechte, welche alljährlih im Mai während 
des adhttägigen Marktes von R., der bedeutenditen 
Meſſe Spaniens, ftattfinden. R.iituralt(dbas Arunda 
der Römer). Zu Beiten der Mauren gehörte e3 
pr let Schedüna, war fpäter Hauptfeltung 

es Reihes Granada und wurde von den Spa: 
niern 1485 erobert und riftianifiert. Die Sierra 
de Ronda und Sierra Bermeja wurden durch die 
legten Kämpfe zwiſchen Spaniern und Moriscos 
(1501) eröffnet. 


Nonciglione — Rönne 


Röndane, Gebirgsgruppe im norw. Chriftians: 
Amt, füdöftlih von Dovrefjeld, norböftlid von 
Jotunfjeld, bis 2110 m hoch. 

‚Ronde (frz.) heißt im Wachdienft die zur Nacht: 
zeit von einem Offizier mit einiger Mannſchaft aus: 

eführte Vifitierung der Wachen und Poſten in einer 
arniſon oder im Lager. ns der Vifitierteupp 
an fi wird R. genannt. Die Boften rufen die R. 
bei ihrer Annäherung an, die Wade tritt ins Ge: 
wehr, der Rondeoffizier gibt dem Wachhabenden als 
ennungszeihen die Parole und fest, wenn er 
alles in Ordnung befunden, die N. fort. 

NRondenn (frj.)oder Ringelgedicht nennt man 
eine Art Iyriiher Gedichte, die dem Sonett oder 
Triolett verwandt find, aber gewöhnlich aus 13 zehn: 
filbigen Verfen beftehen, deren neunter und drei: 
das erite Wort oder die Hälfte des erften 

erjes ala Refrain wiederholen. E3 fommen darin 
acht männliche und fünf weibliche Heime vor, oder 
fieben männliche und ſechs weibliche. Das N. iſt 
eine franz. Erfindung. 

In der Mufik verfteht man unter Rondeau 
oder Rondo den Satz eines Konzerts, Duartetts, 
einer Symphonie oder Sonate, in welchem ein 
Hauptthema nach mehrern Abwechi elungen der Mo: 
dulation ala Refrain wiedertehrt, 

Rondeboffe, ſ. Boife, 

Rondo, ſ. Rondeau. 

Ronge (Johs.) einer der Begründer des Deutic; 
ldatholizismus, geb. 16. Dit. 1813 zu Bifchofswalde 
in Schlefien, bezog 1836 die Univerfität Breslau, 
trat 1839 in das dortige Priefterfeminar ein und 
übernahm 1841 eine Stelle als Kaplan zu Grottlau. 
Wegen eines Auffakes«Ron und das bres lauer Dom: 
tapitel» in den «Sächſ. Baterlandsblättern» von 
1842 ward R. des Amtes entſeßt und begab ſich als 
Lehrer nad) dem Hüttenwerl Laurahütte, In Anlaf 
ber trierer Nodfabrt ſchrieb er 1. Dit. 1844 den 
Brief an den Biſchof Arnoldi, wodurd er mit dem 
Auftreten Ezerftis (f. d.) in Schneidemühl den An: 

oß zur Entitehung des Deutſchlkatholizismus gab. 

(8 erfter Pfarrer der 1845 gegründeten deutſch— 
age Gemeinde in Breslau unternahm er 
mehrfache Reifen, befonders nah Süddeutihland, 
und erzielte durch feine vollstümliche Beredfamteit 
vorübergehend große Erfolge. In den J. 1847 und 
1848 nahm er wie die ie ührer der Deutſch⸗ 
tatholiten lebhaften Anteil an den polit. Kämpfen, 
war Mitglied des Borparlament3, mußte dann, 
1849 infolge eines offenen Briefe an Friedrich 
Wilhelm IV. ftedbrieflih verfolgt, nad London 
flüchten, wo er für die Fröbelſchen Ideen Propa: 
ganda machte. Nach feiner Amneſtie lehrte er 1861 
unächſt nad Breslau zurüd, fievelte dann — 

rankfurt a. M. über und ſuchte von hier aus dur 
— Brofhüren und Vortragsreiſen für die 

ildung vonfog. «Reformvereinen» zu wirken, durch 
bie er den innerlich und äußerlich zurüdgegangenen 
Deutſchkatholizismus neu zu beleben hoffte. Seit 
1873 wohnt R. in Darmıftadt mit der Herausgabe 
der «Neuen religiöfen Neform» beſchäftigt. 

Nönne, Hauptitadtder Infel Bornholm(i.d.). 

Rönne (Ludwig von), ausgezeichneter Nurift und 
Nublizift, geb. 18, Oft. 1804, Aubierte in Bonn und 
Berlin die Rechte, wurde im April 1825 Auslul⸗ 
tator bei dem Kammergericht in Berlin, 1827 Re: 
—— am Oberlandesgericht in Breslau, 1828 

fiefior beim Kammergericht. Noch in demfelben 
Jahre erfolgte feine Ernennung zum Lands und 


Nonneburg — Ronſard 


Stadtrichter in Münfterberg, und im April 1832 
die Berufung zum Direktor des damaligen Land: 
und Stadtgerihts in Hirfchberg, unter gleichzeitiger 
Ernennung zum Kreisjuſtizrat des hirſchberger 
—— Nach vierjähriger Wirkjamteit daſelbſt trat 
er als Rat beim Oberlandesgericht zu Breslau ein, 
wurde 1841 als Hilfsarbeiter an das Kammergericht 
berufen, 1843 Nat an diefem Gerichtöhofe, bald 
darauf auch Rat am kurmärk. ham, 
Im J. 1849 wählte ihn der Wahlkreis Hirſchberg⸗ 
Schönau (Schlefien) in die Erjte Kammer, Gr ge 
börte in dieſer der konjtitutionellen Partei (linkes 
Gentrum) an und nahm bis 1852 regen Anteil an 
der Berfaflungsrevifion fowie an ber Beratung der 
neuen organiſchen —8 Schon früher hatte R. 
feine ſchriftſtelleriſche Thätigleit mit der Neubenr: 
beitung des Kleinſchen «Syjtem des preuß. Land: 
recht3» (2. Aufl., Halle 1835—36) begonnen. Zu 
derjelben Zeit faßte er mit andern preuß. Suriften 
(Wenpel, Ko, Gräff, Simon) die Idee zu den «Er: 
gänzungen und Grläuterungen der preuß. Rechts: 
bücher» (Bresl. 1847 fg.; 6. Aufl, 4 Bde. 1874— 
78) und war aud) bei der Ausführung dieſes großen 
Werks, dejien Bearbeitung nah dem Tode ber 
übrigen Mitarbeiter auf ihn allein über ind, aufs 
eifrigfte thätig. Diefem Unternehmen Ye oß fih 
das Merk «Die aetafung und Verwaltung des 
preuß. Staats» * . 1843—66) an, eine ſyſte⸗ 
matijche Quellendarftellung der ——ãA über 
das Öffentliche Recht, zu der R. den Plan in Ber: 
bindung mit 9. Simon entwarf, Nachdem er ferner 
eine «Bearbeitung der preuß. Verfaſſungsurkunde 
vom 31. \jan. 1850» (2. Aufl., Berl, 1852) ver: 
öffentlicht, erfchienen von ihm fommentierende Aus: 
gaben ber Gemeinde-, Kreis:, Bezirls⸗ und Provin: 
—— (Brandenb. 1851), bes Muhlenablö— 
ungsgefekes vom 11. März 1850 (Brandenb, 1850) 
und des hrebneiches (Bresl. 1851), wie auch (im 
Verein mit Lette) der «ftommentar über die preuß. 
Landestulturgejeßgebung» (3 Bde. Berl. 1853—54). 
Hierauf folgte fein Hauptwerk in diefer Richtung, 
«Das Staatsreht der preuß. Monarchie» (2-Bde., 
Lpz. 1856—63; 4. Aufl., Bd. 1—4, 1881—84), 
welches zum erften mal das gefamte Öffentliche Necht 
Preußens umfaßt und ih durch vollitändige Vor: 
führung der Materialien, ſcharfſinnige Erörterung 
der zweifelhaften Fragen und vollendete Daritellung 
auszeichnet. Im Herbſt 1858 trat R. für den Wahl: 
treis Weithavelland ins Abgeordnetenhaus, legte 
jedoch dieſes Mandat wegen gebäufter Veruße: 
geichäfte nicder, nachdem er im Juni 1859 zum 
Vizepräfidenten des Appellationägericht3 in Glogau 
ernannt worden war. Seit 1861 vertrat er den 
Wahlkreis Glogau:Lüben im Abgeordnetenhaufe, 
wo er fi) wieder ber großen liberalen Bartei unter 
Grabow anſchloß. Bun (1868—69) vertrat er 
den Wahlfreis Sieg: Mülheim: Wipperfürth, und 
feit 1870 die Stadt Köln im Abgeorbnetenhaufe, 
von welcher lektern er feitdem ftet3 bis zum J. 1881 
wiedergewählt wurde. Hieraufzog er fih von der par: 
lamentarijhen Fähigkeit zurüd. Wiederholt auch 
zum Mitgliede des Deutſchen Neihstags gewählt, 
bat er in or die Wahlbezirle Samter, Birn- 
baum:Dbornil, besiehungameile Sagan:Sprottau 
vertreten, und bier, wie im preuß. Abgeordneten: 
baufe, der nationalliberalen Partei angehört. Be: 
reits 1. Nov, 1868 hatte er aus Veranlafjung von 
Differenzen mit dem damaligen Chef der preuß. 
Zuftizverwaltung (bem Grafen zur Lippe) feinen 


821 


Abſchied aus dem preuß. Staalsdienſte genommen. 
N ber Folge veröffentlichte er fein Wert über «Das 

erfaffungärecht des Deutfchen Reich» (Lpz. 1872; 
2. Aufl. unter dem Titel: «Das Staatäredht dei 
Deutſchen Reichs», 3 Bde., Lpz. 1876—77), das 
bie erſte ſyſtematiſche wiſſenſchaftliche Darſtellung 
des geſamten öffentlichen Rechts des Deutſchen 
Reichs enthält. 

Sein ältefter Bruber, Wilhelm Albrecht von 
R. trat in ruff. Militärdienfte, kämpfte in den Be: 
freiungsfriegen und 30g ſich 1857 als ruf]. General: 
lieutenant nad) Bonn zurüd, wo er 1863 jtarb. Ein 
anderer Bruder, Friedrih Ludwig von R., 
ge 1797 zu Glüdjtabt, wohnte in der Engliſch— 

eutichen Legion dem Feldzuge von 1815 bei, war 
fpäter Bräfident des königl. Handeläamts in Berlin, 
dann preuß. Geſandter zu Wafhington, endlich Mit: 
glied des preuß. Abgeordnetenhaufes. Er ftarb 
zu Berlin 6. April 1865, Sein Sohn, Julius 
von R. veröffentlichte die interefjante Biographie 
(Berl. 1867) des Vaters, 

—— die zweite Stadt des Herzog- 
tums Sadjen Altenburg, liegt 22 km ſüdweſtlich 
von Altenburg in fhöner und fruchtbarer Gegend, 
Station der Linie Gößnik:Gera der Sä flchen 
er ift Sig eines Amtsgerichts, hat ein 
altes © oß (dem Amtsgericht eingeräumt), eine 
Ihöne Pfarrlirche und zählt (1885) 5658 (mit dem 
unmittelbar anſtoßenden Dorf Friedrichsheide 6273) 
E., welde Streihgarnfpinnerei, Wolltämmerei, 

tberei, namentlich aber Woll: und Halbwollftofi:, 

omwie Cigarrenfabrifation treiben. Nabe bei der 
Stadt Tiegt das Bab R., eine iodhaltige Eifenquelle, 
die neuerdings viel befucht wird, Das Bad iſt von 
jehr freundlichen Anlagen umgeben. Die Herrichaft 
N. gehörte vormals den Vögten von Weida, fiel 
aber 1400 als erlebigtes Sehn an die Landgrafen 
von Thtringen und Markgrafen von Meißen. Die 
Stadt fam 1517 (1527 auch die Herrfchaft) an die 
Herren von Wildenfeld, von denen fie durd Kauf 
1584 an die Herzöge Friedrich Milhelm I. und 
Johann von Sadien gelangte. 

j —— vielbeſuchter Kurort in Schweben, 
in Bletinge:Län, feit 1883 Stadt, on gelegen an 
der Ronneby⸗A, zählt (1884) 1912 E. Das Wafler 
der Kuranftalt, welche feit 1873 Eigentum einer 
Privatgefellihaft iſt, ift eins der ftärtiten bis jeht 
befannten Eiſenwäſſer. j j 

Ronfard (Pierre be), der Fürft der Dichter in 
feiner Beit genannt, wurde auf dem Schlofie La: 
poifionniere in Bendömois 10. oder 11. Sept. 1524 
geboren, war anfangs Page im Dienfte des Her: 
j008 von Orleans und Jatobs V. von Schottland, 

egleitete jpäter Lazarus de Baif zum Reichs: 
tage nad) Speier und ben Kapitän Lany auf einer 
biplomatiihen Sendung nad Piemont und ſtu— 
dierte, 1541 des Gehörs beraubt, bis 1548 in_ Ge: 
meinſchaft mit J. U. de Baif, Remy Belleau, Mu: 
ret u. a. im College Coqueret unter Jean Daurat 
und Adrien Turnebe. Mit ihnen, Jodelle und J. 
du Bellay bewirkte er die große litterarifche Revo— 
Iution, welde nad) dem Vorgange Italiens die ab: 
ftrafte Nahahmung der Alten zum Kunftprinzip 
in Frankreich machte. Die antite Rhetorik, der 
Schwung der griedh. und röm. Dichterſprache, die 
poetijchen Formen, Stoffe und Motive des Alter: 
tums, felbit griech. und röm. Wortbildung wurden 
von R. und feiner Schule nachgeahmt, und daneben 
die ital. Dichter der Renaiſſance nachgebildet. 


822 
machte das Gonett, bie Hymne, die Dbe in Frank: 


id populär und glaubte in feinem unvollendeten | 1835 


«La Franciade» feinem Baterlande das fe . 
lende nationale Epo3 zu ſchenlen. Bei feinen 
zeiten wurde er wenige Dichter geehrt. Die 
vier letzten Balois, Elifa et von England und 

Stuart zeichneten ihn aus, reiche Beicente, 
übertriebene Auszeihnungen von allen Seiten und 
noch im Tode (er ftarb 27. Dez. 1585) wurden ihm 
far auf deutſ und engl. Univerſitäten er: 

ärte man feine Werke. Er bereitete Malberbes 
orm vor, bie feine eigenen —— in 
tigere *8 lentte. Die erſten Ausgaben 


feiner Werte ‚ Bar. 1560 u. 1567) wurben 
von ihm 6 12, Bon den fpätern Aus: 
gaben find zu erwähnen; die von Glaube Binet 
10 0.8 ‚ Par. 1587), von Galland (11 Bde., 


604—17), die mit einem Kommentar ver- 
Ki von Richelet (2 Bde., Par. 1623) und bie 
lee, von Blandemain (8 de., Bar. 1857 — 
). R.s «Oeuvres inddites» bat Golletet (Bar. 
1584), «Oeuvres choisies» Sainte-Beuve (Bar, 
1828) und Nodl (2 Bde., Bar. 1862) herausgegeben. 
Bl. Scheffler, «Essai 'sur R. et sa reforme litte- 
er ( esd. 1874); Chalandon, «Essai sur la 
vie et les euvres de R.» (Bar. 1875). 

Ronsdorf, Stadt im Kreiſe Lennep des preuß. 
Regierungsbezirld Düffeldorf, im niederrhein. 
Schiefergebirge, an ber Linie Barmen: Wipperfürth 
ber Ber en —— hat drei Kirchen, 
eine Reltoratſchule, ein Armen: und Krantenhaus 
und eine Voltsbant und zählt (1885) 10500 meift 
prot. G., — ſich hauptſächlich mit der Anferti— 

von Hut:, Einfaß: und Beſatzbändern be: 

(08 tigen, außerdem ein Kupfermalzwert, eine 

iftfabrit, jeh3 Hammerwerle, eine Dampf: 

* chneiderei, Ma —— Gifengieherei und 

rbereien unterhalten. R , wurde 1737 von Glias 

er gegründet, — r hier die Zionsgemeinde 
ſtiftete, und 1745 tabt erhoben. 

Nonsdorfer ekte,i. EllerianifheSelte. 

Noufe, belg. Stadt, |. Renair. 

Noob (arab,., Succus inspissatus), Didjaft, ein 
bis zur ustonfiteng eingebidter Seuhtfait. 

ood, ſchott. — ſ. Fall. 

Ropgen, |. 

NRoon (Al ER Gmil, Graf von), preuß. 
—— narſcha und —— geb. 
80. April 1803 zu —— bei Kolberg in 
Pommern, wurde in Alt-Damm bei Stettin und 
ſeit 1816 im Kadettenhauſe I Kulm, von 1818 ab 
im Rabettenhaufe zu Berlin erzogen und = 
9. Jan. 1821 als Selondelieutenant in das 14. 
anterieregiment ein. R. beſuchte 1825—27 ie 

(gemeine Kriegsichule, wurde 1826 in das 15. ie 
fanterieregiment verſetzt und Dt. 1828 ala 
zum berliner Kadettenhaufe fommanbdiert. Au Ber 
anlafjung feines Lehrers K. Ritter, der damals 
Studiendireltor des Kadettenlorps war, verfaßte 
N. ein Lehrbud der Erdfunde, das ald «Grundzüge 

der Erd⸗, Bölter: und Staatenkunde» erichien (Berl. 
1833; 3. Aufl., 3 Bde. 1817-55). Ein Leitfaben 
für Schüler: ;eßinfangsgrtiube der Erd, Völler: und 
ERBE: (Berl, 1834; 12. Aufl. 1868), ſchloß 
ſich an. R. kehrte 1832 zum Regiment nach Wins 
den zurüd, von wo ihn im November General 
Müftling, welcher das während der franz. Belage: 
rung von Antwerpen aufgeftellte —— 
lorps befehligte, in fein Hauptquartier berief. 


Nonsdorf — Roon 


wurde ſodann zum Topographiſchen Bureau und 
Generafitab lommandiert, im welchen er 
30. März 1836 ala — verfept mwurbe. Be: 
reits 1835 waren an der Allgemeinen Kriege: 
ſchule Vorlefungen über Geographie und Zattitüber- 
tragen worben; 1836 trat er auch ald Eramimator 
bei der Ober: Rilitäreraminations-Nommühon in 
Thãtigleit. Damals fchrieb er: ge Län: 
derbeichreibung von Europa» (Berl. 1837), —— 
den 11. Band der «Handbibliothel⸗ bildet, 
— er eine Mon ie: « iſche * 
inſel. Vom Standpunkt des Mutar⸗ l. 
1839), von der aber nur die erſte Abteilung er 
ſchienen iſt. Im 1 1842 lam = ol6 Rajer zum 
Generalftabe des eelorps, wurde jedoch ſchon 
1843 nad) Berlin zurüdverfekt, um —— 
gen wieder aufzunehmen. Seit 1844 
dem Prinzen Friedrich Karl Unterricht in ber Geo. 
graphie und Taltit, begleitete denjelben 1846 auch 
nad Bonn zur Univerfität Towie fpäter auf Reifen. 
m März 1848 kehrte N. in den Großen General: 
ab zurüd und wurde im Mai zum Generalitabe 
des 8, Armeeforps verjeht und im Auguf zum Chef 
von Si re —— nahm —— 
von Hirſchfeld an zuge in Baden tei 
und wurde, nachdem er im Sept. 1850 zum Oberſt⸗ 
fieutenant befördert worden, 26. >. Komman: 


beur des 83. 33. QnfanterieregimentS, zu aan 2, 
— in Kö 6 185 ‚mo e 

. 1851 F —— 
ommanbeur ber 2. —— See 
ftieg Dft kucaf Run mein und wurbe Rov. 
1858 — der 14. Diviſion in Düffeldorf. 


Die Erfahrungen, weldje er in dieſen verfchie: 
Mir Stellungen —*5 — den Mobil⸗ 
machungen von I 1 u geiammelt, 
Fa re Segen ateien für ee den 
aflung für eine Ber: 
e ee eher derieiben 


von 1859 beitätigte R.s Bahrnejm 
neue, weshalb er 2. Sept. 1859 nad 
rufen wurde, um im Siriegäminijterium Borih 
zur Reorganifation der Armiee zu bearbeiten; 
nächft begleitete er den Vrinz-Negenten mach "Bred: 
fau und wurde dann Mitglied zweier Hommiffio- 
nen, welche unter Borfis des Grafen Wrangel und 
bes — Regenten in Berlin über die Organiſa⸗ 
tion rmee berieten. Noch in bemielben | 
5. Der, wurde R. zum Kriegäminifter und 16, April 
1861 auch zum Marineminiiter ernannt. Die grobe 
Aufgabe, dem — in Waffen» - den nn 
itverhältni entiprechen e Behrverfafiung 
zu verleihen, Da R. den pn ten bes * 
mäß mit Beharrlichteit und Gnergie 
Schwierigkeiten und mehrjährigen — 
der Majorität des Abgeordnetenhauſes durchge⸗ 
hrt. Die Würdigung feines ſpäter jelbft von 
en polit. Gegnern anerlannten, charalterfeſten 
und wahrhaft jtaatämännifchen Rerhaltens i in jener 
Beit gehört der Geihichte an. Als Anerkennung 
feiner hohen Berdienfte legte der König fchon Mär 
1864 bem —— zu Poſen den Namen Fort 
Noon bei, Er Ba ei ibm September desſelben 
Jahres eine Miffion nad) dem Lager von Chalons 
und dem Krieashafen Cherbourg Obertrogen, Nok: 


Noos — Nopceyke 


dem R. 8. Juni 1866 zum General der Infanterie 
ernannt worben war, nahm er im Großen Haupt: 
quartierdes Königs amböhm. Feldzuge teil. Der Kö: 
nig verlieh ihm den Schwarzen Ablerorben, und ald 
| — irre ————— ne 
g gelangte, ergriff das eordnnetenhau 
ür den um der Neo * * ſo vielfach 
befämpften ſtriegsminiſter ſelbſt die Initiative. Im 
Mai 1869 wurde R. zum Vorſitzenden des Bundes: 
rats für ben Deutichen —— und im Auguſt 
desſelben Jahres zum ter des Bundeslanz⸗ 
lers ernannt. Roc glãnzender als 1866 bewährte 
fih N.3 gewaltige Organifationstalent bei der 
oserllärung ntreih8 im Juli 1870, Er 
hatte dem Rorbdeutihen Bunde die Mittel ge: 
ſchaffen, um dem füberfall völlig gewappnet ent: 
gegentreten zu können; die fchnelle Mobilmahung 


und die außerordentliche Schlagfertigfeit des nord: 
Deutihen Bundesheeres waren v sweiſe fein 
Merl. Der Kaiſer Wi erhob ibn am Tage 


des feierlichen Truppeneinzugs in Berlin (16. Juni 


1871) in den erbliden ®rafenitand und verlieh } der T 


ihm ſpäter einen Teil ber 15. Juni vom Reid: 
tage genehmigten Nationaldotation. Nachdem das 
Marinemifterrum, als zum Geichäftäfreife ber 
Reichsverwaltung gehörig, dem Reichslanzler un: 
tergeorbnet war, wurde R. 31. Dez. 1871 diefes 
Portefeuilled enthoben. Zu Neujahr 1873 wurde 
N. zum Generalfeldmarſchall und preuß. Minifter: 
präfidenten ernannt, bald darauf in Herrenhaus 
berufen; Sept. 1873 erhielt Fort Nr. 3 (Mundols⸗ 
beim) zu Straßburg den Namen Fort Roon und 
9, Nov. 1873 genehmigte der König auf R.3 wie: 
berholtes Geſuch deſſen Entbindung von den Stel: 
lungen als Minifterpräfibent und Kriegdminifter. 
Seitdem lebte R. auf feinen Gütern, zuerit in Neu: 
bof bei Coburg, dann in Erobnig bei Reichenbach 
in Schlefien. Das Tojährige Dienftiubiläum des 
Kaifers führte R. 1877 nochmals nad) Berlin, wo⸗ 
= er auch im Anfang Febr. 1879 zurüdtehrte, 

ort jeßte ein Lungenſchlag 23. Febr. feinem Leben 
einer 26. Febr. in ber berliner 
Garniſonkirche abgehaltenen Trauerfeierlichkeit 
wurde die Leiche nad dem Familiengute Crobnitz 
übergeführt und bort 27. Febr. im Erbbegräbnis 
beigeiebt. Schon als Knabe von entichiedenem 
Charakter, hat ſich in R. bei hoher geiltiger Be: 
— ein feſter männlicher Sinn zu jtarfer Wil: 
endfraft und feltener Energie entwidelt, bie fein 
Auftreten zuweilen ſchroff ericheinen ließen, wäh: 
rend ihm in hohem wahre Menſchenfreund⸗ 
lichkeit und reiches Wohlwollen zu eigen waren. 

n den Berhandlungen des Landtags und bes 
Neichdtagd wurde er bald mit dem parlamentari: 
ſchen Weſen in hohem Grade vertraut und ein treff⸗ 
licher Redner. 

Roos (job. Heinr.), berühmter Landſchafts— 
und Tiermaler, geb. zu Dtterndorf in ber Pfalz 
27. Dt. 1631, der Sohn eines armen Malers, 
fam im neunten Jahre nad) Amiterdam, wo er 
bei dem Hiltorienmaler Julien du Jardin und nad): 
ber bei Barent Graat und Adrian de Bye lernte. 
Obſchon er in ber Folge auch Porträts malte, ſo 
arbeitete er doch am liebſten Landſchaften, ſtaffiert 
mit Tieren, beſonders Ziegen, Schafen und Kühen. 
Treffliche, naturwahre Zeichnung und intereſſante 
Gruppierung dieſer Tiere, verbunden mit kräftigem 
Kolorit, ſowie gejdjidte Aufanmenftellung machen 
ihn zu einem ber vorzüglidjiten Tiermaler. Auch 


* 


ein Ziel. Nach 


823 


hat er einiges in Kupfer geäßt. Gr ließ fi 1657 
in Frankfurt nieder, wo er namentlih durdy Bor: 
trät3 großed Vermögen erwarb, verlor aber beim 
Brande von 1685 (3. Okt.) fein Leben. Seine Bilder 
finden fich im den meiften Galerien, 

Sein Bruder, Theodor R., geb. zu Weiel 
1638, lernte ebenfalls bei Adrian de Bye und er: 
bielt, nachdem er an den Hof zu Kaſſel berufen 
worden war, faft von allen Döfen Deutſchlands 
Aufträge. Geine 1667 in Kupfer geäpte Folge 
von ſechs Meinen Biehftüden iſt befonders ihrer 
Seltenheit yo berühn. Gr ftarb 1698. 

Don pob. einrichs vier Söhnen zeichnete ſich 
als Maler aus Bhilipp Peter R., geb. 1657 zu 
Frankfurt, der, weil er in Tivoli lebte, auch R of a 
di Tivoli genannt wurde, Gr ftarb zu Rom 
1705 in großem Glend. Seine Werte find mei: 
ftens —— e Landſchaften mit Tier⸗ 
herden, die ndblung iſt jedoch etwas fluchtig. 

Auch fein Bruder Johann Melchior R., geb. 
1659, hat viel gezeichnet und ahmte den Vater in 
iermalerei nady. Er ſtarb 1731 in Frankfurt. 
300. Heinrichs Entel, Joſe ph R., nachmals 
Galeriedireftor zu Wien, geb. 1728, geit. 1805, 
malte, zeichnete und radierte in ber Manier feines 
Großvaters, 

Noofenbaal, Stadt in der niederländ. Brovinz 
Nordbrabant, Station ber Linien N.:Bliffingen, 
R.:Moerdyf, R.Esſchen und R.-Breba der Nieder: 
lãndiſchen Staatsbahnen, zählt 9300 E., hat eine 
ihöne kath. und eine prot. Kirche und bebeutende 
Kübenzuderfabriten. 

Roothaan (auh Rotbaan,Rootban, Rot: 
tenbaan, Johann Philipp van), Sefuitengeneral, 
geb. 23. Nov. 1785 zu Amijterdam, 195. 
alt nad Rußland, trat 18. Juni 1804 ald Novize 
in den Jeſuitenorden, lehrte dann im Kollegium 
zu Dünaburg Grammatif und Rhetorik, ftubierte 
in Bolock Theologie, erhielt 1812 die Prieſterweihe 
und ward Yfarrer in Orſzan. Als die Jeluiten 
aus Rußland vertrieben wurden ging NR. zunädit 
nad) Brieg im ſchweiz. Kanton Wallis, ward dann 
1823 Lehrer an dem Sollegium bes Franz von 
Paula in Turin, 1829 Bilarprovinzial von Jta: 
(ten und 9. Juli 1829 General des Jeſnitenordens. 
Unter feiner gewandten Leitung wurben adjt neue 
Provinzen errichtet: zwei in Italien (Turin und 
Venedig), zwei in Frankreich (Lyon und Toulouie), 
eine in Öjterreich (ohne Galizien), eine in Belgien, 
eine in Holland, eine in Maryland in den Ber: 
einigten Staaten. Als fih der Rücſchlag gegen 
bie Thätigleit bed Ordens geltend machte und 
1846—47 in ber Schweiz u. ſ. w., ja in Nom — 
eine Reaktion gegen den Einfluß der Jeſuiten Fund: 

ab, ſuchte R. durch Geſchmeidigleit und Zurüid: 
bltung diefe kritiſche Zeit Rn überwinden. Der 

ieg der Neftaurationspolitit auf dem Feſtlande 
brachte befiere Zeiten für den Orden; R. ſah den: 
felben faft überall neuen Einfluß gewinnen. Gr 
ftarb 8. Mai 1853 zu Ron. 

Noots' Blower, ein von dem Namen des Er: 
finder8 und dem engl. Wort blower, d. i. Gebläje, 
benanntes Hapfelgebläfe (f. unter Gebläje), wel: 
ches beſonders beim Cupolofenbetrieb (j. unter 
Eifengieferei) Verwendung findet, 

Roviſcher Keffel, f. unter Dampfkeſſel. 

Nopcyẽe (Ropezyce), Stadt im weitl. — 
Station der Linie Kralau-Lemberg der Karl-Lud— 
wigsbahn, Sitz einer Bezirkshauptmannſchaft und 


824 


eined Bezirlsgerichts, zählt (1881) 3676 E. poln, 
Zunge, darunter mehr als die Hälfte Israeliten, 
und bat ſehr bedeutende Pferdemärlte. 

Noepell (Richard), Hiftorifer, geb. 4. Nov, 
1308 zu Danzig, ftudierte in Halle und Berlin, 
babilitierte fidh 1834 in Halle für Geidichte, wurde 
1841 zum außberord. Profeflor in Breslau, 1854 
zum ord. Profeſſor ernannt, Gr war 1850 Mit: 
alied des Erfurter Parlaments, 1861 —63 und 
1868—77 des preuf. Abgeordnetenhaufes 1867 
bes fonitituierenden Reichſtags, wo er ſich ber 
nationalliberalen Bartei anſchloß. N. ſchrieb «Be: 
chichte Volens» (Bd. 1, Hamb. 1840), «Die orient. 
Frage in ihrer nef&bichtlihen Gntwidelung 1774— 
1830» (Bresl. 1854), «Polen um die Mitte des 
18, wen (Gotha 1876). 

Noquefort, Dorf von 771 E. im franz. Depart. 
des Aveyron, Arrondijiement St.:Affrique, mit 
enger Straße, über welcher fich zwei mächtige Fels: 
malen IeR berühren, und hinter welder ſich die 
riefige Wand bes Pic Gombalou erhebt. An zwei 
in da& innere des Felſens führenden Gängen be: 
finden Vich 23 natürlibe und 11 audgeiprengte 
Grotten, in denen eine lonitante Temperatur von 
10°’ R. berrf t, und worin die berühmten Roques 
fort:Käje agern, deren Produktion einen Um: 
jak von 8 Mill, Ars. veranlaßt. Diefelben werden 
aus der Mil der Schafe von ber Larzacrafie bes 
reitet, welche auf den öden Kallhochflächen der ſog. 
Gauffes meiden. 

Noquemanre, Stabt im — Gard, 
Arrondiſſement Uzes, rechts am Rhoͤne, Station 
der Linie Nimes-te Teil der Paris⸗ hon nitei 
meerbahn, zäblt (1881) 2151, als Gemeinde 28606. 
und hat einen geräumigen Flußhafen, Maulbeer: 
baum: und Dlivenzucht und Weinbau, Hier ftarb 
Papſt Clemens V. 20. April 1314. 

Noqueplan Koſeph Etienne Camille), franz. 
Maler, geb. 18. Febr. 1802 zu Mallemort (Depart. 
der ‚Nhönemündungen) bildete fih in Paris vor: 
‚tel ih nad dem engl. Maler Bonington und er: 
angte daſelbſt unter Gros ſchnell bedeutendes An: 
ſehen. Unftreitia Manierift, war er es jedod in 
eigentümlicher Weiſe und lieferte Proben eines 
vieljeitigen Talents: Konverjationsftüde, biftor. 
Genrefcenen, Landſchaften, Marinen, Stillleben 
von brillanter, meilterbafter Husführun. Don 
— Bildern find beſonders berühmt: Rouſſeau 
auf dem Kirſchbaum mit den Mädchen Graffenried 
und Galley (in halb lebensgrofen Figuren), der 
Altertumler, der verliebte Yöwe, der Seeitranb an 
der Hüfte der Normandie (im Louvre). N. ſtarb 
15. Dit. 1855 in Paris. 

Moqueplan (Youis Nictor Neftor), franz. 
Shriftiteller, geb. 1804 zu Mallemort (Depart. der 
Rhönemündungen), war nad der Neftauration 
Mitarbeiter an verfehiedenen Zeitungen , befonders 
am «Figaro», und wurde dann Chefredacteur des 
—— (attes. Später leitete er mebrere parifer 
Theater, die Varidtes (jeit 1840), die Oper (feit 
1847), die Komiſche Oper (feit 1857), das Chätelet 
(jeit 1859). Don ihm find zu erwähnen «Nourelles 
à la main» (anonym erjchienen) und zwei Schriften 
voll Laune und Pbantafie: aRegain de la vie pari- 
sienne» (1853) und «Les coulisses de l’Op6ra» 
(1855). Er jtarb 24. April 1870 zu Paris, 

Noguetas, Salinendorf bei Almeria (f. b.). 

Moquette (Otto), deutiher Dichter, geb. 19. April 
1824 zu Krotoſchin, widmete ſich zu Heidelberg, 


Noepell—— Rogquevaire 


Berlin und a iloſ. geſchichtlichen und fit- 
terarif En em er von 1858 bis 
1856 als —5 der 


anſtalt m Dresden gewirkt; ‘wurde er 1862 Lehrer 
ber Geſchichte der allgemeinen Litteratur an ber 
Kriegsalademie zu Berlitt trat aber-1867 als Do: 
cent an der Gewerbealademie zu Berlin ein. 
3. 1869 wurde er als ord. Profefjor der Sitteratur 
und Gedichte an das Polgtehnilum nad Darm: 
—* berufen, in welcher Wirkjamfeit er ge 
lieben, Im Zufammenhang mit (einer 
und alademiſchen Stellung erichienen feine litterar: 
iſtor. Arbeiten: «Leben und Dichten J. 
ünthere» (Stuttg. 1860), «Gefchichte der gen 


Litteratur» (2 Bde,, Stutt 0% 1862—63; 8. 
1878 unter dem Titel «Geicichte ber beutfchen 
Dichtung») und reiche er; Ein Leben 
(Franff. a. M. 1883), Seinen Ruf als Di be: 
gründeteR. mit «Waldmeilters Brautfah tuttg. 
1851; 56. Aufl. 1885), * en 

in welchem er ben beitern — 

feiert. Dieſem folgte: —*— Stutt, | 


ns — —— 

owie die epiſchen Poeſien «Der Tag von Jalobe 

her 1852; ie I en —— 

Stuttg, 1854; 2. Aufl. une genügen 

war nicht allen ih ‚reihe bie Kritif an 

iefe Dichtgattung macht, enthalten aber verſchie 

——* eBatusgehilde und Löhliche Gene 
In «Hans Heide —— 1855; 3, Aufl. 

IB findet fich diefelbe liebenswürdige Naivetät, 


welde «Waldmeifterd Brautfahrt» — 
Einem andern Gebiet der Dich gehört 
man «Heinrich Fall» (3 Bde, r TBB: 2. Aufl. 
— 1879) an. Dieſem fo gten «Erzäblungen« 

antf. a. M. 1859), «Neue öhlungene (Sratie. 
N 52), «Sufanne» (Stuttg. 1864), «Yuginslande» 


Stutta. 1867), —— und 5 Bbe., 


raun dw. 1871, 1875), «Der —— 
Berl, 1879) und «Die onen —— 
2, Aufl. Berl, 1882). 
dem Erfcheinen feines be — en == 


[olub an dasſelbe «Nebentrang zu 

\ berner Hochzeit» (5. Aufl., en 1880. Se 
ramat, Arbeiten ftellte er ala «D 

tungen» zufammen (Bd. 1, Stuttg. 1 — 
ang * * rg», aSebaſtian⸗ 


uchör; Bd, Stuttg. 1876: «Der im 
aufe», «der y mann — 
Schlanger). In dramatifcher Form 


Dihtung «Gevatter Tod» (Stu 1873 
ee veröffentlichte 5 isch. ae 
ſtabierbuch der Lei — (Berl. 1878), die ee 


rafteriftiich und pſych 
mell bedeutendite —* nr 
aIm Haufe der — 


1878 
ebildeten Kunſtſtil des Verla en 
n. Glegien und Monologe» tung 18 De 
Erzählung «Inga Ge 
«Neues Novellenbucdh» (Brest, 

Noquedaire, —— 
part. Rhoͤnemundungen elle 
22 km im DND. von Marfeille pr 
Station der Linie Yubagne-Baldonne der 
Pyon:Mittelmeerbahn, In einer mit 
bededten Landſchaft, hat eine Gips 
mübhlen und —— 

1700, als Gemeinde E., welche 
Weinbau (jährlich) 150011 Wein) unb ftarten 


te im, 


* 


Nöraas — Rofa 


mit Roſinen (jährlih 85000 kg), Feigen, Oli— 


ven, Kapern, Mandeln, Nüflen, aud mit Seife, | 


Dlivenöl , Wolle und-Seide treiben. 

Nörand, gewöhnlih aber Röros geichrieben, 
* Bergitadt im norweg.- Amt Süddrontheim , Bogtei 
Guldalen, 161 km füdjüdöjtlid von Drontheim, 
zu beiden Seiten der Hitter-Clv, die bier in die 
gegen W. dem Glommen zufließende Haa:Elv fällt, 
liegt 627 m über dem Meere, in einem engen Thal, 
und ijt umgeben von hohen, ftet3 mit Schnee be: 
dedten Gebirgen, ſodaß die Sonne nur an den 
längiten Sommertagen auf einige Stunden den 
Grund des Thals zu erreichen vermag. Die fehr 
raube Gegend läßt kein Getreide mehr reifen, und 
felbjt ein kräftiger Baummwuchs fehlt. Einſchließ— 
lich des zu R.- gehörigen großen (fait 2750 qkm) 
Kirchſpiels (das höchſte in Norwegen) beläuft ſich 
die Bevölkerung auf (1875) 3538 Seelen. Dieſelbe 
bejteht teild aus Lappen, die hier mit ihren Nenn: 
tieren — teils aus Bergwerksbeamten 
und Arbeitern. R. iſt berühmt wegen feiner Kupfer: 
aruben, welche 1644 entdedt wurden und 1646 die 
Anlage des Ortes veranlaßten. Es find dies Die 
Storvartögrube auf dem Berge Stor-Vola, jebt 
ziemlich erihöpft, und die Kongensgrube, die we: 
gen des feiten Geiteins (Chloritichiefer) feiner Ber: 
zimmerung bebürfen. Das fehr reichhaltige Erz 
wird in drei Schmelzhütten verfhmolzen, und die 
jährliche Ausbeute beläuft ſich etwa auf 1800 Schiffs: 
pfund Garkupfer. Neben Kupfer findet ſich aud ein 
reihes Chromerz, das in dem Werke Yeeren bei 
Drontheim veredelt wird, Der Ort R,, aus zwei 
Hauptitraßen mit hölzernen Häufern beftehend, mit 
(1875) 1635 G., hat eine ſchoͤne, 1780—89 erbaute 
Kirche, zwei Schulen und mehrere Wohlthätigkeits— 
anftalten. An einem der Hauptwege zwiichen Kri— 
jtiania und Drontheim belegen und in neuelter Zeit 
durch eine gute Landſtraße mit der ſchwed. Land: 
ſchaft Herjeädalen in Verbindung gelebt, treibt R. 
ſtarlen Binnenbandel, der durch die Staatsbahn von 
Eidövold über R. nad Drontheim befördert wird. 

Rorarli, in der altröm, Legion die nur mit 
MWurfipeer und Schleuder bewafineten Bürger der 
unterjten VBermögenstlaflen, welche als Plänkler 


den Kampf eröffneten und fih beim Handgemenge | 


binter die Linie zurüdzogen. An ihre Stelle traten 
fpäter die Velites, 

Rorate (lat.), in der fath. Kirche der während 
der Adventszeit gegen Tagesanbrud gehaltene 
Gottesdienit, nad dem dabei üblichen Belang aus 

ef. 45, 8; auch Bezeichnung des vierten Adventd: 

onntags und des ihm vorangehenden Mittwochs. 

Röros, |. Nörans, 

NRorſchach, jtädtiich gebauter jtattliher Markt: 
fleden, Hauptort de3 gleichnamigen Bezirts 
(48 qkm, 12611 GE.) im ſchweiz. Kanton St. Gallen, 
liegt 410 m über dem Deere am linten Ufer des 
Bodenjees, 13 km füdöftlih von Romanshorn 
y b.), 17km weſtſüdweſtlich von Lindau (j. d.), 

fit eine ſchöne alte an und eine neue prot, 
Kirche, ein palajtartiges Kornhaus, ein großes 

auf, Holle und Lagerhaus, mehrere Gaithöfe, 
Seebäder und röm.:iriiche Bäder und zählt (1880) 
4368 meijt fath. E. Ausgangspunft der Dampfer: 
linien R.:Lindau:Bregenz und R.Friedrichshafen, 
Knotenpunkt der Gifenbahnlinien R.:Chur, R.: 
St. Ballen:Zürih, R.⸗Romanshorn⸗ a ra 
—* ber Bergbahn R.:Heiden, hat R. den größten 

ertehr von allen Hafenorten bes Bodenjeed, Be: 


825 


ſonders wichtig iſt fein Getreide: und —————— 
del. In neuerer Zeit wird es auch als Bade⸗, Mollen⸗ 
und Lufliutoti diei defucht. Am Abhang des füd- 
li) von dem Orte aufſteigenden Rorſchacherberges, 
der eine prächtige Ausſicht über die reizende mit 
Villen, Schlöſſern und Ruinen überſäete Um: 
ebung, den ganzen Bodenſee und die Gebirge des 
Vorarlbergs und Graubündens gewährt, liegen 
das alte Kloſter Mariaberg (jekt Seminar) mit 
ſchöner Kirche und Kreuzgang und das Rorſchacher 
oder St. Annaſchloß, einjt Sik der Edeln von R. 
Ros, ſ. Waräger. 
Roſa, ital. Kupferſtecher und Maler, ſ. Ba— 
dalocchio (Siſto). 
Roſa (Pietro), ital. Archäolog, geb. um 1815 
in Rom, begann feine Laufbahn als Architelt im 
Dienſte des Fürſten Borgheſe, und war unter Ga: 
ninas Leitung thätig bei den von der päpitl. Regie: 
rung in den vierziger jahren veranitalteten Aus: 
grabungen. Durch die Greignifie des J. 1848 
dieſer tellung verluſtig gegangen, beſchäftigte er 
ſich mit der Erforſchung der antifen Reite in der 
töm. Campagna, welde er auf einer Karte größten 
Maßſtabes aufnahm. %. 1861 übertrug ibm 
Napoleon III. bie Leitung der Ausgrabungen der 
Kaiferpaläfte des Palatins. Nach Errichtung des 
Königreichs Jtalien wurde er zum Leiter der Aus: 
grabungen in Nom, namentlid de3 Forums, er: 
nannt, für welche er bis 1874 thätig war. R. ift 
Senator des Königreichs Italien und Genera 
infpeftor der Mujeen. PBubliziert hat er außer 
einigen Auflägen in den «Aunali» und dem «Bulle- 
tino dell’ Instituto archeologico» nur einen Be: 
richt «Sulle scoperte archeologiche della eittà e 
provincia di Roma» (Rom 1873); fein Hauptwerk, 
die «Carta topografica dei dintorni di Roma», ijt 
noch nicht erihienen. Die «Guida del Palatino» 
(von Bisconti und Lanciani, Rom 1873) fußt meiſt 
auf R.s Forihungen und Aufnahmen, , 
ofa (Salvator), genannt Salvatoriello 
berühmter ital. Maler und Hupferäper, zugleich 
ein ausgezeichneter fatirischer Dichter und Ton 
tünftler, geb. 20. Juni 1615 zu Renella im König- 
reich Neapel, wurde in einem Kloiter für den geilt: 
lihen Stand erzogen, wibmete ſich aber bald der 
Malerei, und zwar ohne Anleitung, als einer der 
reinften Autodibalten, melde die Kunſtgeſchichte 
fennt. Achtzehn Fahre alt, durchſtreifte er 3* 
Apulien und Calabrien und ſoll ſogar eine Zeit 
lang unter den Räubern gelebt haben. Seit 1534 
lebte er in Rom, und von da an war ſein Ruf ge: 
fihert. Am liebften ftellte er grauenvolle Wildniſſe 
dar, die er durch Schäfer:, Räuber:, Soldaten: und 
Banditengruppen charalteriſtiſch und ae end bes 
lebte. Da er in Rom befonders in ben beiden Ge: 
mälden: die Vergänglichkeit des menſchlichen Lebens 
und die Göttin des Glüds, wie fie ihre Gaben an 
Unwürdige verteilt, feinem Wis und feiner fatiri: 
[902 Laune zu freien Lauf gelaſſen hatte, mußte er 
ie Stadt verlajien. Er wendete ſich bierauf nad 
Florenz, wo er fich die Gunſt des Herzogs erwarb; 
doch kehrte er nachmals nach Nom zurüd. Er ftarb 
dafelbit 15. März 1673 und erhielt ein Denkmal in 
der Kartauje (Sta.:Maria degli Angeli in den 
Diocletiand:Thermen.. 
N.3 Stil ift im allgemeinen nad den neapolis 
taniſchen Naturaliften gebildet, befonders nad) Ris 
bera nd Salcone; aber es (ebt in feinen Bildern 
das eigenjte, kühnte Feuer der Erfindung und bei 


allem Realiamus doch ein gewiſſes ebles Maß. 
Das Dedeutendite, was er geihhaffen, it wohl die 
roße Schlacht im Louvre und die Verſchwörung 
3 Gatilina im Palaſt Pitti zu ve ein mãch⸗ 
tiges, büfteres ralterbild, Doch beruht fein 
Ruhm hauptſächlich auf feinen phantaftifchen, du 
tung und e ergreifenden Landſchaf⸗ 


taff 
ten. Faſt jeltener als, feine Gemälße find feine | Pe 


gen In feinen fpätern Jahren äpte er in 
er, und bie 86 Blätter, welche von ihm ber: 
rühren, gehören zu den vorzüiglichiten Arbeiten der 
ital. Maler und find in guten Abdrüden ziemlich 
elten. Auch hat man von ihm ſechs Satiren (neue 
usg., Slor. 1770), beren eine, «Die Dichtkunft», 
von Fiorillo mit einer Biographie des Künſtlers 
* 1785) re eben wurde. Sein n 
rieb fein Zeitgenoſſe Baldinucci (neue Ausg., 
Bened. 1830), dann Gantü (Mail. 1844). Das 
Bud) der Lady Morgan («Life and times of Sal- 
vator R.», deutih, 3 Bde., Dresd. 1824—26) iſt 

eine dichteriiche Erfindung. 
Nofa Bonhenr, franz. Malerin, ſ. Bonbeur. 
Nofaccen (Rosaccae), Pflangengattung aus der 
Gruppe der Dilotyledonen. Sie umfaßt über 1000 
Arten, die über die ganze Erde verbreitet find. Die 
Familien der Chrofobalaneen, Ampgdaleen, Bo: 
maceen, Sanguisorbeen, welche Früher gewöhnlich 
als eigene Familien aufgeführt wurden, werben 
neuerdings mit den R. vereinigt und ala Unter: 
amilien derielben betrachtet. * ihrem Habitus 
die einzelnen Abteilungen ſehr verſchieden, ihre 


ten find regelmäßig und zwitterig; fie haben in 


der Regel einen fünflappigen, freien oder mit dem | D 
Fruchtlnoten verwachſenen Kelch, mwelder einen | R 


teller: oder krugförmigen Blütenboden bildet, an 


defien Rande die gewöhnlich in der Fünfzahl vor: | pelplak diefer 


en Blumenblätter firen. Die Staubgefäße 
nd fehr zahlreich und find ebenfalls auf dem Rande 
des Blütenbodens inferiert. Die \ 
ftehen im Grunde des Kelches und fin eg 
—— —— jedes beſiht einen Griffe 
ie Frucht ift fehr verſchieden ausgebildet. Zu den 
R. gehören zahlreiche ala Kulturgewächſe und Bier: 
Manzen wichtige Arten, wie die Objtbäume und 
‚Sträucher aus den Abteilungen der Amygdaleen 
und Pomaceen, die Erdbeeren, Himbeeren, Brom: 
beeren u. ſ. w., die zahlreichen Rofenarten (f.Rofe), 
fowie die Gattung Spiraea u, a. 

Rofa di Tivoli, Maler, f. unter Roos. 

Rofah, Dorf bei Aurengabad (ſ. d.). 

Nofalie, die Heilige, die Schukpatronin von 
Palermo, foll_eine normann. Prinzeifin gewefen 
und = dem Monte: Bellegrino bei Palermo im 
befhaulichen Feben im 12. Jahrh. geitorben fein. 
Als man dafelbit 1664 zur Zeit einer furdhtbaren 
Beftnot ihre Gebeine —— zu haben meinte 
und die Seuche ſofort nachließ, wurde ſie = 
gta von Palermo erllärt, wo jährlich 
im Juli ihr Seit, bei dem man ehemals ihr Bild 
auf einem großen Gerüft in Prozeſſion herumtrug, 
nlänzend begangen wird. Auf dem Monte: Belle: 
grino iſt ihr eine Kapelle geweiht. 

Nofalie heißt in der Muſik die mehrmalige 
Miederbolung eines Motivs auf verichiedenen Tor: 
kufen: geſchieht jolches in übertriebener Weije, fo 

zeichnet man die A. ald «Schufterfled», 

Nofamunde (Nofimund), Tochter des Gepiden: 
fönigs Kunimund, wurde nach dem Untergang ihres 
Volles und dem Tode ihres Vaters, durch deſſen 


Ötblätter | 4946 


Rofa Bonheur — Roſas 


fiberwinder, ben jungen i oin, 
genötigt, ihm die ihen, 566 oder 567 
n. Chr. 3a Mlbom he —— 
—* oe aus bem —* 
ng, bei einem Gaſtmahl ihres 
ters zu teinten, ließ fie durch 
nen Waffen Soldaten 


faures 


Rofario, * und i in der 
a — 
m ‚am 

300 km oberhalb ber Mündung den 
La⸗Plata, auf einem 17 —— ſteil 
abfallenden Plateau, w 1730 
wuchs durch den Handel raſch empor, 
In 42200 €. zählte, darunter 


1 


| 
: 


ee 
& 
ir 


onders Franzofen und 
eutſchen Vizetonfulats für die ganze 

beutfihen — 
eutfchen 

Du rg —— 2 — die 
an n, die von Cordova führt, 

und bie 60 km e R. Candelaria. 

Noſario de Cuͤcuta, |. Cücuta, 
Noſas, Stadt von onen) 3219 €. in 


3 
€ 


8 
F 


IH 


Provinz Gerona ( 

am nördl. Ufer des Golfs von einem guten 
Hafen und Jr van einer und bem 
auf fteilem Fels —— de la Trinidad. 

a De 
Argentintihen 

u Buenos: res, erſchien 1 erſten mal auf 
is polit. en der Shihe eined Milizens 


regimentö zur nn aus 
eg — — 

rat er a e 
Haupt der Föderaliſten ĩim ampf 


Rosc. — Roscius 


auf und wurbe Dez. 1829 zum Gouverneur von 
Buenos-Ayres und hiermit zum Haupt der Ne: 


publik erwählt. Im März 1835 abermals auf 
fünf abe um Gouverneur und Generallapitän 
erwäbhlt 


er fi geitweilig eine außerordentliche 
Gewalt übertragen und erhielt nn. die Ma t 
eined Diltatord der Republit. Unter denfelben 
Bedingungen immer wieder in feinem Poſten be: 
ftätigt, führte er die Regierung bis 1852, wobei er 
= nnern für das materielle e Gedeiben des Pandes 
ich forgte. Nach außen bin war es befonders 

Don Zr Arana , der Miniſter des Außern, wel: 
die zähe und fchlaue Politik R.’ vortrefflid in 

gr Depeſchen geltend zu machen verftand. 
Nachdem fi R. 12. Sept. 1849 von neuem mit 
unumjdhränfter Gewalt hatte befleiden — 
miſchte er ſich neben England, Frankreich und Bra: 
fifien in die Wirren der übrigen La-Plata-Staaten. 
Unter mehrjährigen Kriegen wuchs ibm, troß man: 


her Siege, bie durch feine deſpoti de —— Kunft, Li 


erftarkte Oppoſitionspartei immer me 
ns An und 3. —— 1852 wurbe er in der Schlacht 
eros durch die Truppen Brafiliens, 


527 


Rof * ie ausgezeichneter Rationalölo: 
nom, — ft. t. 1817 zu Hannover, erhielt feine 
Borbi dung Fe dem Gymnafium feiner Bateritadt 
ner ftubierte 1885— 89 zu Göttingen und Berlin. 

—n er fih 1840 zu Göttingen habilitiert, 
wurde er 1843 zum außerorb., 1844 zum orb. Bro 
felfor ernannt. Im J. 1848° folgte er einem Kufe 
nad) Seipsig, wo er feitdem mit vielem Grfolg 
wirkte. Seine Borlefungen eritreden ſich auf To: 
fitit, Nationalölonomie, Wi ee Haan 


wefen, Statiftif und Geidi en 
idjaften. In eg: mean om NR. als 
der nambaftefte Bertreter der bifter. Mettobe der 
Nationalötonomie zu —— ben 


geht dahin, den Staat und un die Volls⸗ 
wirtfchaft als eime Seite des Voltzlebens aufzu: 
fafien, unb e3 war be ftet3 —— Aufmerl⸗ 

feit auf bie zwiichen der 

oltemirticaft ei eits und Im — der 
itteratur, Sitte u. |. w. andererfeits ge: 
richtet. Den Kein biefer Richtung *— —2* 
ktorbifiertation «De historieae d 

in sophistas maiores vestigiis» (Gatt 18 1838), 


* — —* Don Joſe Urquiza, des Leiters rn ſchãzbare Buch über das «Leben, Wert 
be pofition in —— g 6 gen. N. floh | und Zeitalter des Thucydides» (Gött. 1842) folgte. 
uenos » Ayres und * ſich hier auf den ei auageführt hat er diefe dem «Grund: 
= Ari⸗egsdampfer Locuft. Da: ögenR.,in riß zu Vorlefungen über fer Gtaatäwirtihaft» 


Ländereien und Vieh beſtehend, nr durch die von 
Urguija zu ——— * provif ie 


Hegierung lonfisziert arb auf feinem Landſi 
bei Swatblingunmeit‘ — * —S 
Kosc., bei naturwiſſenſchaftlichen Ramen Ab⸗ 


fürzung Billiam Roscoe, geb. 1753 in 
Liverpo . 1831 dafelbit (Botaniter). 
NRoscel (auch Roscelin, Rozelin, Pr 


celin), hans und Theolog, geboren wah 

ti —— die Mitte des 11. Jahrh. im nördl. Srant- 
rei 
Zours und Locmenad) (bei Banne in der 83 ) 
und wurde dann Kanonikus in Compiegne. 

Ichrt, —5—*— und — —* Kerr 

aud nicht der S ‚fo doch der einflußreicjite 
Bertreter er Joa „Rominaliem, —— die All⸗ 
gemeinb — des Verſtandes 
ſind und in db haben. Unerichroden 
wanbte er feine lot Er ſchauung auf die lirchliche 
Lehre von der Dreieinigleit an und verfiel jo dem 
fog. Tritheismus. Heftig belämpft ganz befonders 
von Anfelm von Ganterbury, aber auch von feinem 
ehemaligen Schüler Abalard, der eine vermittelnde 
Richtung einfhlug, wurde er 1092 auf dem Konzil 
zu Soiffons zum Widerruf feines Tritheiamus 
zwungen, mußte fein Kanonilat niederlegen fiedelte 
uunddit nad England über, —— aber wieder nach 
Frankreich zurüd, wo er jiem lich verichollen ſtarb. 
Seine Lehren ſcheint er nur mundlich vorgetragen 
zu haben, wenigitens gibt e3 von ihm außer einem 
zuerft von Schneller (1849) herausgegebenen Briefe 
— Abãlard leine Schriften. 

(Bergbau), Bezeihnung für ftärferes 
Gefällt iegenden Waffers auch Benennung für 
gröberes Korn ber 3 e F Gegenſatz zu zäh, 
jJ. 2 —— Zãhhã 

Röfche oder Rüti —* iſt ein Stollen 
mit umgelehrtem Gefälle, —* Einleiten von Auf: 
ſchlagswaſſern in bie Grube dienend, oder ein tum: 
nelartiger Gebirgsdurchſtich für Dafi erleitungen, 
endlich au ala Abzugsröſche zur Abführung 
ber benußten Aufihlagswafler. 


ierte in Soiſſons und Reims, lehrte in | han 


(Gött. 1843), jodann in einer Reihe gründlider 
und —— Unterſuchungen über einzelne Ge: 
er welche feit 1843 teil3 in verichiedenen 
chzeitſchtiften, ſowie den «Denkihriften» der 
CH Gefellihaft ber Wiſſenſchafien, * 
auch als ſelbſtändige Schriften erſchienen ſind. 
Unter beujelben find befonders —— 
ellmrifje zur Naturlehre der Staatöformen» ( 
—48), «Seihicht te der engl. Vollswir Gaftslehre 
im 16. > 17. Jahrh.» (Lpz. 1851) ber Korn: 
bel und Teuerun Ben (3. Hufl. — 
1852), «Kolonien, —— und Auswan 
derung» (3. Aufl., mit Beitrag von Jannaſch, Lpz 
* — a a * ven ge 
ichtli Stanbpunlte» u z. 
ee er an ber Gren;: 
(heibe De u % und 17. en . 1862). Boll. 
ftändig und in wiflenf dem ufanmenhange 
legte — Anſichten nieder im feinem Haupt: 
werte, dem auf vier Bände berechneten «Syftem 
der Boll swirtſchaft⸗ (Bd. 1, Stuttg. 1654; 17. Aufl. 
1884; Bd. 2, 1869; 11. Aufl, 1885; Bd. 3, 1881; 
4. Aufl. 1 gr Hierzu kommt die Im Auftrag der 
münchener Akademie verfaßte «Geſchichte der Na: 
tionalöfonomit in Daten zig = 1870). 

n Better R.3, Albre ug. 
1836. u Dttenfen bei Ham —* 1858 eine 
wiflenfähe chaftliche Reife ins füdl. tafrita an, wurde 
aber 19. März 1860 zu Hiſonguny, einem Dorfe 
unweit des Nyaſſa, von den Cingeborenen er: 
mordet. Er hatte eine wertvolle Unterfuhung über 
Claudius Ptolemäus und die Handelsſtraßen in 
Gentralafrita» (Gotha 1857) veröffentlicht. 

Noscius (Quintus R. Gallus), einer der größ: 
ten Schaufpieler des alten Rom, der nad) feinem 
Beinamen «Comddbus» zu fchlieben , vorzugsweife 
in Komödien aufgetreten zu jein ſcheint, war ein 
Beitgenofie des Cicero, der mit ihm efreundet war 
und in einem Prozeſſe in einer noch erhaltenen Nede 
für ihn plaidierte. Er ftarb u ngeläbr 61 v. Chr. 
Seine von Cicero hochgeprieſene Meifterichaft wurde 
fprihmwörtli und noch heute wird ausgezeichneten 


828 


Schaufpielern fein Name beigelegt. Bol. Nibbed, 
«Die röm, Tragödie» (Ups. 1875). 

Roscoe (Henry Enfield), engl. Chemiter, geb. 
7. Jan. 1833 in London, Nach Bollendung jeiner 
Studien in England beteiligte er ſich 1854 in Heidel: 
berg an den Unterfuchungen von Bunſen über die 
chem. Wirkungen des Lichts, welche er auch jpäter in 
England fortiegte. Als Profeſſor an Dwen’s:Col: 
lege in Mancheſter feit 1857 führte er eine Neibe 
wertvoller Unterfuchungen, unter andern über das 
Vanadium und Wolfram, aus. Um den * | 
Schaftlihen und technischen Unterricht in England 
* ſich R. große Verdienſte erworben, wofür er den 
Hang eines Nitters (1884) erbielt. Sein fait in 
alle Sprachen fiberjehtes «Kurzes Lehrbuch der Che: 
mie» (deutich von Schorlemmer, 7. Aufl.,Braunfchw. 
1882) bat aud) in Deutichland allgemeine Verbrei— 
tung gefunden; fein in Gemeinfchaft mit Brofefior 
Schorlemmer gleichzeitig deutich und engliſch heraus: 
genebenes «Ausführlies Lehrbuch der Chemien 
(3 Bde., VBraunjchw. 1877—84) AR ſich durch 
Klarheit der Darſtellung und Vielſeitigleit aus. 

Roscoe (William), ausgezeichneter engl. Schrift: | 
fteller, geb. zu Liverpool 8, März 1753, fam als 
Schreiber zu einem Nechtsgelehrten in Yiverpool, 
welcher ihn ſpäter al$ Teilhaber annahm, Als die 
Abſchaffung des Stlavenhandels durd Clarljon in 
Anregung gebracht wurde, fuchte R. 1788 durch jein 
Gedicht «The wrongs of Africa» und andere Schrif: 
ten die Teilnahme des größern Publikums anzu: 
regen. Später gab NR. fein Anwaltsgeſchäft auf 
und wurde Bankier in Liverpool, machte aber 1816 
Bankrott und ftarb 27. Juni 1831. Die erjte und 
zugleich reifite Frucht feiner hiſtor. Studien iſt: 
«he life of Lorenzo de’ Medici» (2 Bde,, Liverp. 
1796; deutſch von Spielbagen, 3. Aufl., Lpz. 1874). 
Sein zweites hiſtor. Werk it «The life and ponti- 
ticate of Leo X.» (4 Bde,, Liverp. 1805; deutſch 
von Ölafer, mit Anmerkungen von Henle, 3 Bde,, 
Lpz. 1806; ital. von Boſſi, 12 Bde., Mail. 1816), 
ebenfalls durch forgfältige Forſchung ausgezeichnet. 
Gine Sammlung feiner «llistorical works» erſchien 
in Heidelberg (8 Bde,, 1828). Wal. jeines Sohnes 
Henry «Life of William R.» (2 Bde., Lond. 1833). 

Roscoff, Hafenftadt im franz. Depart. Finistere, 
Arrondiſſement Morlair, am Kanal La ande, 
Station der Linie Morlair: N, der Wejtbahn, zählt 
(1881) 1284 (Gemeinde 4564) E. und hat lebhaften 
Handel, namentlich mit den in der Umgebung ge: 
zogenen Gemüfen. R. gehörte im Mittelalter zur 
Vizegrafſchaft Yeon (Pagus Leonensis). 

Rodcommon, Grafichaft der irischen Provinz 
Connaugbt, zählte 1881 auf 2369 qkm nur no 
131755 E. gegen 253591 im J. 1841. Die Ober: 
fläche ijt im allgemeinen eine wellenförmige Ebene. 
Nur an der Nordarenze gegen Sligo erreichen die 
BraulieveMountains eine Höhe von 418 m, Die 
Bewäſſerung it jehr reihlih, das Klima feucht. 
Der Hauptfluß Shannon, der ſich zu den Seen Allen, 
Garrid, Boderg und Nee erweitert und mit Ichterm | 
die Ditgrenze der Grafſchaft bildet, iſt (wie auch eine 
Strede weit der Sud, welcher die Süd: und Weit: 
grenze Rs bildet) ſchiffbar und durch feinen Neid): 
tum an Fiſchen und als Abjakweg wichtig, bringt 
aber aud) oft durch ausgedehnte überſchwemmungen 
großen Schaden. Wo JEURAGE Moden, it der: 
jelbe ziemlich gut angebaut. Die fetten Weiden 
unteritüpen die Zucht von langbörnigen Nindern 
und beſonders von langwolligen Schafen. An der 


a | — 


gel an Holz brennt man allgemein Torf.» 


Eteinto 
ftein, ſowie Pfeifenthon gewonnen. Bei dem 


* 







in großer Ausdehnung betriebene 
hat ſehr abgenommen. Durch die dei 
Shannon begünftigt und von den ihn kreuzen: 
den Linien der Midland ee burd- 
zogen, führt N. Dei rohe Wolle, Hormvich, 
Scmeine und Pötelileif aus, — — 
ſtadt Roscommon, urſprünglich Ros Cho- 
main, ein alter, elend — Bor mitten 
im Lande, Station der Linie Athlo der 
Midland Great:Wefternbabn,, iſt fehr 
gelommen und zählt (1881) 2800 E. Der Ort 
ein 1268 erbautes feites Schloß, ebemals 

der Grafen von R., die Ruine eines 

tloſters mit dem Marmorbentmal des 
D’Connor von Gonnaugbt, eine 

ein Krankenhaus, ein Gelöngnis und eine bemer- 
kenswerte anglifan. Kirche. Das 
Boyle, Station der Linie Mullingar» 
Sligo der Midland Great:Beiternbabn, 
ihönen See Key und am Flühchen Boyle 






Kom: 































zählt 2777 E., die Leimweberei, Butter: un 

handel treiben, und it bemerlenswert der be- 
nachbarten got. Abteiruine Boyle:Abbey, einer 
der jchönften Jrlands, im Park des 

Kingſton, am Ufer des Lou auf deſſen 


gen Inſeln noch andere Ruinen liegen. IR 
Nosdcren, Stadt in der irichen Provinz Mun- 
ſter, Grafichaft Tipponm: Station ber Yimien 
Ballybropby :Limerid und R.:Barionstown-Por- 
tumna der Great:Southern an MR 
Biſchofsſiz, zählt (1881) 3165 E. und hat 
weinbrennerei, Kloſter und Schloßruinen. 
Noje a die typiiche Gattung ber 
der Rojaceen F d.) mit mehrern in 
einbeimifchen Arten. ze 
Die Hundsrofe, auch Hedenrofe ober: ae 
dorn (R. canina Z.), wächſt in Europa um 
nördlichen Ajien gemein in ‚Gebüjchen, a 
Wegen und auf Engeln und fommt in x 
änderungen vor, zu denen von vielen Botanifer 
auch die in Gärten gezogene weibe Nofe gerec 
wird. Ihren Namen Fehielt fie de il fr 
die Wurzelrinde als beſonders 
pa —— galt. ee os 
efonders die Rojengallweipe 
jtechen in die Zweige + — um ihr 
hineinzulegen; dadurch entſtehen große, ru 
gleichſam bemooſte Auswüchſe, 


apfel, Roſenſchwamm ie a el 
Bedeguar nannte und au inte 
killen gelegt für ſchlafmachend D 


oje (R. rubiginosa Z.), in Gebüfchen am # 
wegen nicht jelten, zeichnet ſich de 
oſſenen Wein oder an Rei erinn 
En Geruch aus, den die geriebenen Blätter aus: 
hauchen. Leptere haben nach außengerichtete Zähn 
und die Frucht iſt gelbrot und Fugelr 
Simtrofe (R. cinnamomen L.), utj 
Art, welche verwildert iſt und in Heden und 
nen mit balb oder ganz gefüllten Blumen 
fonımt. Sie bat zimtbraune Stämme u 
und infolge der filjigen U ‚der Blä 
Bibernellro 





grauliches Anſehen. Die 
pimpinellifolia DC.), bie typ 
Nojengruppe, bei der die jungen & 


Roſe (botaniſch) 


ſteifen Borſten beſetzt ſind, zwiſchen denen einzelne 
Stacheln ſtehen. Die aus fünf bis neun rundlichen, 
einfady oder doppelt gejägten Fiederblättchen be: 
ftehenden Blätter gleihen denen des Bibernell 
(Sanguisorba officinalis), Diefe Art ift an ſonni⸗ 
gen Hügeln und in Heden gemein, ift aber in den 
Gärten durch einige hübſche Spielarten vertreten. 
Die Stammältern der Gartenrofen find über die 
ganze nördl. Halbtugel, vorzugsweiſe in der wär: 
mern gemäßigten Zone derfelben , verbreitet, Bon 
den von ihnen autgegangenen Formen waren meb: 
rere ſchon im Altertum hochgeſchäht, vor allen 
andern die Gentifolie (f. d.). 

liberrafchende Mannigfaltigkeit, Frische der Far: 
ben, veizende Fülle, zarte und reine Umriſſe der 
Blumen und faft geometriihe Regelmäßigkeit in 
der Anordnung der Betalen zeichnen die Franzö— 

iſche Rofe (R. gallica L.) mit ihren — 2* — 
arietäten aus. Sie iſt gan hart und gedeiht bei 
ganz geringer Pflege. Weil die Blütenblätter früher 
jur Bereitung des Roſeneſſigs verwendet, aud) 
wohl in Zucker eingelegt wurden, nennt man fie 
Eſſig- oder Zuderroje. Die Damadcener 
Roſe (R. damascena Mill.) kam ſchon im grauen 
Altertum aus Syrien nad Unteritalien, von wo fie 
fih jpäter nordwärts ausbreitete. Sie ift ohne 
Zweifel die berühmte R. von Päftum, weldhe von 
den lat. Didhtern viel befungen wurde. Sie blühte 
ſchon in altröm. Zeit mehrmals im Jahre (Rosa 
Paesti bis florens), Im Mittelalter wurde fie aufs 
neue aus Damascus in- Europa eingeführt und 
fpäter wiederholt. Ihre Barietäten find durch 
hübiche Laubfärbung, fowie durch gefällige Mo: 
dellierung der Blumen und reines, bald feuriges, 
bald zartes Kolorit ausgezeihnet. Die weiße 
oje (R. alba Z.), in ihrer Urform wahrſcheinlich 
in Transkaukaſien zu Haufe, und die R. canıpana 
des Plinius, wurde fpäter infolge der Kreuzung der 
Gentifolie und der Damascener R. der Ausgangs: 
puntt einer größern Anzahl von Blendlingsformen. 
Ihr Hauptverdienft. beiteht in der wunderbaren 
Schönheit der Blume, welche im fchneeigften Weiß 
erglänzen oder von den zartejten Nuancen des Not 
angehaudht find. Die Kapuzinerrofe (R. lutea 
Mill.) foll aus der afiatiihen Türkei jtamımen und 
ift etwas Hetternden Wuchjes, weshalb fie früher 
Häufig zur Bekleidung von Mauern, Lauben u, ſ. w. 
enubt wurde, Sie befist weinduftiges Yaub und 
meiſt dee oder ſtrahlend ponceaurote (Var. puni- 
cea) Blumen, Die Shwefelroie (R. sulphurea 
Ait.) mit gelben Blumen ijt an ihrem bellen, etwas 
blaugrünen Laube leicht zu erkennen. Die fchönfte 
ihrer Varietäten ift Persian yellow mit kugeligen, 
tiefgelben Blunten, die aber bei regneriicher Witte: 
rung oder bei fehr trodener Luft nicht immer zur 
vollftommenen Entwidelung gelangen. 

Die Kriechroſe (R. arvensis Scop.), in Süd: 
europa zu Haufe, mit auf dem Boden hintriechen: 
den oder Eletternden ftart bewebhrten Stengeln, 

hre ſchönere Form, die Ayrfbireroje, mit 

alb oder ganz gefüllten weißen oder hellroten 
arietäten, wird in den Gärten benukt, um Stein: 
partien damit zu überziehen oder durch Dfulieren 
auf hohe Stämme ber Hundsrofe jog. Trauerrojen 
zu bilden. Ihr ähnlih und zu dem lehtgedachten 
Zwede fehr häufig benußt j die Brairierofe 
R. rubifolia R. Br.), welde aus Nordamerila 
tammıt, viele Barietäten erzeugt hat und ſich mit 
reihen Doldentrauben dichtgefüllter, meijt zart: 


829 


rojiger Blumen fhmüdt. Ihre Blätter gleichen den 
Brombeerblättern. ai 

Die Ehinarofe(R. chinensis Jacq.) ftanınıt aus 
rg und wurde von dort aud in Dftindien einge: 
führt, wo fie ſich einbürgerte (woher die gewöhnlid e 
Bezeihnung R. indica). Sie beſiht meift ſchwache 
Gifte und Zweige und aus fünf oder drei völlig un: 
behaarten Blättchen zuſammengeſette Blaͤtter. 
Aus ihr entftanden zum Teil FE in ihrer ur: 
Iprünglichen Heimat während einer langen Kultur: 
periode mehrere Abarten, welche fpäter in Curopa 
eingeführt wurden. Die blumiftifch wichtigften find 
folgende: Die Bengalrofe (Monatsrofe, R.sem- 
perflorens Curt.), mit dem ziemlich zahlreichen Be: 
itande von Barietäten den ganzen Sommer und 
Herbit hindurch in ununterbrodhener Folge und fehr 
reihlih blühend, hinter einem fonnigen Fenſter 
jelbft im Winter, Die Theerofe (R. fragrans 
Red.), in den blumiftiih entwideltften Spielarten 
die Krone der Rofen, ausgezeichnet Durch reine und 
Umrifje der Blumen, große, ftoffreihe Beta: 
eu, eigentümlichen, milden Wohlgerud) und zartes, 
doc) ftet3 friiches Kolorit, in welchem die — 
Tinten, abgeſehen von der Kapuziner- und ber 
Schwefelrofe, häufiger als in den übrigen Gruppen 
der R. auftreten, und endlich durd die Grazie, mit 
welder die Blumen von den ſchlanken Zweigen 
getragen werden. Man kennt gegen 200 Varie— 
täten. Die Bourbonrofe (R. borbonica Hort.), 
wahrſcheinlich ein Blendling aus der China: und 
der Damascener R., gegenwärtig mit mehr als 
300 Barietäten, ift reich an eigentümlihen Echön: 
heiten und von der Mitte de3 Sommers bis in den 
fpäten Herbft hinein geringe Pflege durch den reich: 
jten Flor lohnend. Die Zweige, gewöhnlich furz 
und dider als die der Thee: und der Bengalrofe, 
tragen nur je eine Blume, Die Blütenfarben find 
von wunderbarer Reinheit und durchlaufen die 
ganze Stala vom zarteiten Weiß bis zur dunfeljten 
roten Nuance. Die Blütenblätter find groß und 
glatt und die Paubblätter glänzend. DieNoijette: 
tofe (R. Noisetteana Red.), eine Blendlingsform 
aus R. chinensis und der zwar ſchönen, aber gegen 
unfern Winter empfindliben Moſchusroſe (R. 
moschata Mill.), in Nordamerila erzogen und 
1817 nad) Paris gekommen, getennzeichnet durch 
einen eirunden Fruͤchtbecher und durdy die zu mäch— 
tigen, dichten Büfcheln gefammelten, etwas Heinen 
Blumen. Aus * ſind gegen 100 Varietäten ber: 
vorgenangen, welche erft nad) dem großen Sommer: 
Nojenflor zu blühen beginnen. Die Remontante:, 
d. b. aus den Sonmertrieben blühende R., ijt eine 
mehr ala 500 Barietäten umfaflende Gruppe von 
Blendlingen au3 der Damascener und ber China: 
roſe, welche vorzugsweife in Frantreid) aus Samen 
erzogen werben. Die erjten R. diefer Gruppe be: 
zeichnete man als Herbtrofen, da fie im Herbit zum 
zweiten male blühten. Der Ausgangspunft aller 
Varietäten war die 1812 erjogene Rose du Roi. 
Ihre Nachkommenſchaft ijt im botanischen Charakter 
die Shwantendfte, im blumiſtiſchen Sinne die wid): 
tigfte und zeichnet ſich durch reichen ger, gefällige 
Blütenformen, prächtige Farben und durch lange 
Florzeit (Juni bis in den Spätherbft) aus. 

Man pflegt die R., fomweit fie im Freien auss 
dauern, ehr Ai die Herbitrofen, aljo die Ne: 
montante:, Bourbon: und Noifetterofen, durd) 
Olulieren a die Hundsrofe ald Stammerojen 
(nieder, mittel: und hochſtämmig), alle aber aud) 


330 


in Bujchform dur Stedlinge oder Ableger oder 
Veredelung auf den Wurzelbals zu erziehen. Leb: 
tere ilt in mander Beziehung die vorteilhaftejte 
und läßt ſich beſſer im Schnitt behandeln. Auch 
find ſolche N. leichter gegen Froſt zu ſchühen, indem 
man nur nötig bat, den Wurzelhals mit einer 
Schaufel voll Erbe zu beveden, während man die 
Stammrojen zur dede niederbiegen, fie bier be: 
fejtigen und bie ganze Krone mit Erde, Laub oder 
Fichtenreiſig bededen, im Fruhjahre wieder auf: 
richten und anbinden muß. Mande in Buſchform 
gehaltene N., 3.3. die Eentifolie, werden durch Ab 
leger vermehrt. Die empfindlihern R., zumal die 
Theeroſe, eignen fi) wejentlid nur zur Kultur in 
Zösfen, erfordern eine luftige, jonnige Lage und 
müflen im Orangeriehaufe oder in einem fonjtigen 
froitjichern, hellen Naume überwintert werden. 
Bal. Nietner, «Die R., ihre Geſchichte, Arten, 
Aultur 2.» (Berl. 1882); Weſſelhöft, «Der Roſen⸗ 
freund» (Weim. 1866); aus der periodijchen Gar: 
tenbaulitteratur ift die «Deutiche Nofenzeitung», 
redigiert von G. Mep in Zwidau, hervorzuheben. 
ofe, Rotlauf ober a (Erysipelas, 
St-Anthony’s fire der Engländer) heißt eine inten: 
five infeltiöfe Entzündung der äu Haut, bei 
welder die Haut in weiter — —————— 
und gerötet iſt. Häufig bilden ſich dabei große 
Blaſen auf der Haut, jelten —— in dieſelbe, 
die dann leicht zu Brand der Haut führen. Immer 
find bei der R. die benachbarten Lymphdrülen pe 
ſchwollen und jchmerzbaft. Die R, lann an allen 
Nörperftellen auftreten nach Verlegungen der Haut 
mit gleicheitiger Ginimpfung des jpezinichen Kranl⸗ 
beitsjtoffs, durch Eintritt von jauchigem 
in die Lympbgefäße, bei Byämie, Typhus; na 
neuern Unterfudungen wird auch die AR, dur 
Heinfte milroftopiihe Organismen aus der Klaſſe 
der Vacterien hervorgerufen, welche durch Heine 
Verlegungen, Hautichrunden u. dgl. in die Lympb: 
gefäße der Haut eindringen und ſich von hier aus 
weiter in der Säftemajje des Körpers verbreiten. 
Die häupgiie dorm der R., die Gefichtärofe, 
welche nur das Geficht ergreift, befällt meift jün: 
gere Leute, und zwar mebr rauen als Männer 
und wird häufiger im Srühiaht und Herbft als in 
den übrigen Jahreszeiten beobachtet. Nah einem 
allgemeinen Unwobhljein von mehrern Stunden 
oder Tagen, oder auch ohne ſolche Vorläufer der 
Krankheit, wird die Haut des Geſichts unter mehr 
oder minder beftigem Fieber warn, —5* und 
ſchmerzhaft, dann gerötet, und endlich heben ſich 
Blaſen (Blafenrofe) ab. Das Geficht iſt dabei 
meijt jehr entitellt, die Augenlider fo geſchwollen, 
daß die Augen nicht geöffnet werden lönnen. Am 
dritten oder vierten Tage gewöhnlid nimmt die 
Nöte und Spannung der Haut des Geſichts ab, 
wobei die Oberhaut ibren Glanz verliert und fic) 
abſchuppt, während die Entzündung auf den be: 
haarten Kopf, die Geiten des Haljes, die Obren 
weiter ſchreitet. Weiter breitet ſich die Entzündung 
in der Wegel nicht aus. In jeltenen Fällen wan: 
dert fie jedoch jtetig fort von Stelle zu Stelle 
(Wanderrofe), ſodaß die Krantheit Wochen, 
jelbft Monate anhält. Nach der Geſichtsroſe fallen 
die Haare aus, doch erneuern fie ſich in der Negel 
ſehr ſchnell. Bisweilen geſellen ſich zum Notlauf 
Entzündungen innerer Organe (Hirnbäute, Pungen, 
Brujtfell), doch ift im allgemeinen die N. als eine 
gutartige Krankheit zu bezeichnen. Bei der Behand: 


undjelret | N 


Noje (mediziniih) — Roſe (Gelehrtenfamilie) 


N t tlich bie und 
Garbolöl, Tb Bepinieln mit Kollodium u. f. m. 


icht; daneben j peinlichſte Reini: 
=. Desinfeltion — — Wunden 


d Geſchwure und belã das 
ie * paar antipyreti — Bine (6. Ye 
ber.) Das fog. Beiprehen der Rofe bat 
balb oft ſcheindaren Erfolg, weil die R. in der 


nur wenige Tage anhält. Die Wundroje 


b- | sipelas traumaticum), melde in und 
ſchlecht ventilierten Krontenbhufeen ſich Teicht zu 


rear Dperationgwunden ‚wird am 


"oe (Mailindifd ), Rrantbeit, . 9 fa» 
© ’ +" = 
Ro 4 Shliffform der C „ bet: 
fteinidleiferei, Bd. V, 6. 1. 

Nofe, die goldene, |. Goldene Rofe, 

———— * —— und der roten) 
wir ‚30 Jabre dauernde Nampf 
der Häufer York und Lancaiter um ben Thron 


von —— —— die — 
vote DL. 016 ——— Kampf 
—— Ghuarb IV — Hauie 


FE 


——— 
e 
Als der Held der werben. i nn 
er —* bee . —* > 
njou, emablin Heinrichs ro 
britannien, Geidichte.) —— ne 
le von ho, ſ. unter Anastatica umb 
Moſe (Adolf), ein jonjt unbelannter Dichter des 
16. Jahrh., ſchrieb den lomiſchen und 
Roman «&teltönig. Eine wu —— 
lung, wie nämlich die Monarchie 
über bie vierfüßige Thier geändert; das Nönigreid 
vmbgejallen und die Krone auff einen Ejel geraten 
u. f. w. durch Adolf R. von das 
ß — * in Drud Das 
iſt eine erweiterte Bearbeitung 
(«Gtliche —— aus dem Cſopo 
e 


wie der Verfaſſer in der Vorrede jagt, einem 
Gntwurfe von Wolib. S ® ‚ein 
Wert ähnlicher Tendenz en: «Der Ganß⸗ 
tönig» (Strafb. 1607), geſchrieben 

Moſe iſt der Name einer 
familie, welche ſich ſchon Generationen 
durch befonders um bie ie und 
Gebiete große Berdienjte erworben bat. Valentin 


R. der Ültere, geb. 16. Aug. 1736 zu 
gel, 28. April 1771 ala ie und 
Medizinaltollegiums in war ein 
Zum und —— der 
Freund Marggraffs, un 

ih ter iR 


tungen belannt. Un 










un 
zuerſt die 


Nojeau — Roſen (Geſchlecht) 


leichtflüſſige Metalllegierung bar, die nad) ihm 
Roſeſches ———— heißt. 

Balentin R., ber Jüngere, der Sohn des 
vorigen, geb. 30. Dit. 1762 in Berlin, übernahm 
1792 die väterlihe Apothefe und jtarb eben: 
falls als Aflejlor des Obermedisinallollegiums zu 
Berlin 9. Aug. 1807. Auch von ihm hat man viele 
einzelne Arbeiten in ben dem. feiner 
von ihm die Methode ber 


Zeit. Namentlich . 
—* allalihalti durch falpeterhaltige 


zu zerlegen, welche gewöhnlich Maproth 
zu ieben wird. ondere Verdienſte erwarb 
er ſich um bie Auffindung bed Arſenils bei Arjenit: 
v ; feine Methode ift erft in neuerer Zeit 
Khaftlide Bufbung ber Yipothefer und bat Abfafluma 

8 pothefer ei Abfafjung 
der preuß. 2% * de verdient. 


Heinri bes [etern, geb. 6. Aug. 
1795 in Berlin, erlernte in Danzig ucs Hitau bie 


Seit 1832 Mit: 
enſchaften, ftarb er 
tüdtigften S 


find 
und zu genauerer Kenntnis einer Menge von 
rn ann de —— 
;” Chemie» (Berl. 1829; 
— rg Eirade, 3 ie, Bar 33 

- &. Bruder des x 28. Mä 
R, i 

kn Bann te Sal We Dapnae 
Be a sel 5 
ll3 das 3. 1821 bei Bergelius in Stodholm 


jammlung der Univerfität in Berlin, 1826 außerorb. 
und 1839 ord. Profefior ver Mineralogie, Schon 
1834 erfolgte feine Aufnahme in bie Akademie. 
Seit 1856 führte er auch die Direktion des mineralog. 
Mujeums der Liniverfität. Gr ftarb in Berlin 
15. Juli 1873. Außer vielen einzelnen mineralog., 
trgitallograpbiichen und petrographiſchen Abhand; 
lungen in Budgeitjöprüften unter benen beſonders 
die bereits in Gilberts «Annalen der Bhyfit» 1823 
erichienene «fiber den Feldipat, Albit, Labrador 
und Ano bervorzubeben, veröffentlichte er die 
als erites Lehrbuch —— «@lemente ber 
Aryftallographie» (3. Aufl., herausg. von Sabebed, 
Berl. 1873), den Bericht über mineralog.s 
geognoft. Teil der von ihm 1829 mit A. von 
Humboldt und Ehrenberg gemachten «Deife nad 
dem Ural, dem Altai und dem Slaipiihen Meer» 
(2.Bbe., Berl. 1837—42), die Abhandlung «fiber das 
Kryſtalliſationsſyſtem des Duarzes» (Berl. 1846) 
«Das tryſtallo⸗chem. Mineralj » (2p3. 1852) 
und die «Beihreibung und Einteilung der Meteo: 
riten» (Berl. 1863), Bon den beiden Söhnen Guſtav 
R.3 hat ſich der ältere, Balentin R., geb. 8. Jan. 
1829 zu Berlin, eriter Bibliothelar an der königl, 
Bibliothek, durch Arbeiten über Arijtoteles, Vitruv 


831 


und die alten Ärzte, der jüngere, Edmund R., geb. 
10. Olt. 1836, feit 1867 ord. Profeſſor der Chirurs 
gie zu Zürich, jeit 1881 Direltor der ** Station 
im Kranlenhaus Bethanien zu Berlin, durch zahl: 
reihe hirurg. Schriften, auch ophthalmolog. (Far: 
benblinbheit), einen geachteten Namen erworben. 

Rofeau, Hauptitadt von Dominica (f. d.). 

Rojebery (Arhibald Philipp Primrofe, Graf 
von), engl. Staatsmann, Sohn Lord Dalmenys 
und einer Tochter de vierten Grafen Stanbope, 
geb. 1847 in London, folgte, nachdem er in Eton 
und Orforb feine Erziehung erhalten und feinen 
Bater jhon früh verloren hatte, im J. 1868 feinem 
Großvater in der Peerswürde. Sein erjtes öffent: 
liches Auftreten fand bei der Eröffnung des Barla- 
ments von 1871 ftatt, bei welcher Gelegenheit er 
von Gladſtone auserjehen wurde, die Adrefle an 
die Krone im Oberhauſe zu befürworten. 3 
1878 wurde er zum Reltor der Univerfität Aberdeen, 
1880 zum Reltor der Univerfität Gbinburgb ge 
wählt. Nachdem er jeit der Bildung des Mini: 
ſteriums Gladſtone im April 1880 an den Debatten 
im Oberhauſe immer hervorragendern Anteil ge: 
nommen, erhielt R, im Aug. 1881 das Unterftaats: 
fefretariat des Innern, das er bis zum Sommer 
1883 verwaltete, Während ber Seſſion von 1884 
brachte er Vorjchläge zu einer Reform des Ober: 
baufes vor die Lords, Im Febr. 1886 trat er als 
Staatzjefretär des Auswärtigen in das von Glad⸗ 
ftone neugebildete Kabinett. Seit 1878 ijt er mit 
Hannah, der einzigen Tochter des Barons Meyer 
von Rothſchild, verheiratet. ü 

Rofegger (Betri Hettenfeier), beliebter öfterr, 


| Shriftiteller, geb. 31. Zuli 1843 zu Alpel bei Strieg: 


lad) in Steiermarf, erlernte zu Kathrein am Hauen: 
ftein das Schneiderbanbwert, beſuchte dann die 


. |] Alademie für Handel und Induſtrie in Gray und 


veröffentlichte bier ein Bändchen Gedichte in fteiri- 
cher Mundart, «Zither und Hadbrett» (Graz 1870; 


ns | 2. Aufl. 1874). Dann folgten ebenfalld in dieſer 


Mundart «Tannenbarz und Fichtennadeln⸗ (Graz 
1870) und «Sittenbilder aus dem fteirischen Ober: 
lande» (Graz 1870), «Geſchichten aus Steiermarl» 
(Beit 1871) und zahlreiche andere Erzählungen aus 
dem Vollsleben feiner Heimat. Im J. 1876 be: 
gründete er die Monatsſchrift «Heimgarten». Seine 
«Ausgewählten Schriften» erihienen in 80 Liefe: 
rungen (Wien 1881—83), Seit 1877 wohnt R. im 
Sommer zu Krieglach, im Winter zu Oraz. 
Nofelith, ein jeltenes Mineral, das ſich nur fpär: 
[ih auf einigen Gruben bei Schneeberg findet; die 
ſehr Heinen, wahrſcheinlich tritlinen Kryſtällchen 
find zu dunlelroſenroten Fugeligen Aggregaten grup⸗ 
piert. Chemiſch iſt es waſerhaltiger, arſenſaurer 
Kalk und Kobaltoxydul mit etwas ent: 
jprechend der Formel R,[AsO,], + 2 H,O. 
Rofellini (Sppolito), ital, Orientalift, geb, 1800 
in Bifa, wurde 1824 Brofefjor der orient. Sprachen 
dafelbit, bereifte 1828—30 Agypten, wurde 1839 
Profeſſor der Arhäologie und Horb 4. Juni 1843 
in Piſa. Sein Hauptwerk ift: «I monumenti dell’ 
Egitto e della Nubia» p Bde., Piſa 1832 fg.). 
Nofen. Das Gejchlecht der Herren, Freiherren 
und Grafen von R., welches in Deutſchland, Schwe: 
den, Frankreich und namentlich Rußland weit ver: 
breitet iſt ſtammt urfprüngli aus Böhmen, iſt 
aber deutſcher Ablunft. 
Konrad, Graf R. Marihal de France, geb. 
1628 auf dem Edelſihe Hlein:Roop in Yivland, trat 


832 


1644 in ein fhmed: Reiterregiment und erſchoß 
1650 im Duell feinen Kapitän, wofür er zum Tode 
verurteilt wurde, 


dienjte, avancierte jchnell und wurde bei der Be: 
lagerung von Gambray 1677 zum Marechal:de: 
Gamp ernannt, Als foldher entichied er den Sieg 
bei St.: Denis 1678. Im J. 1681 trat R. zur kath, 
Neligion Über, wurde in den franz. Grafenſtand 
erhoben und erhielt 1688 das Kommando über alle 
franz. Truppen, die nad) Irland beitimmt waren, 
um dem König Jakob IL. wieder zum engl. Thron 
zu verhelfen. N. drang in Irland fiegreidh vor, 
ward aber 1690 durch Lauzun erjebt. Im J. 1703 
zum Marichall von Frankreich ernannt, nahın er 
1705 feinen Abſchied und ftarb auf jeinem Schloſſe 
Vollweiler im Elſaß 3. Aug. 1715. 

Guſtav Friedr., Graf R., aus dem Haufe 
Sonorm in Gjtland, geb. 6. Juni 1688 in Keval, 
ging 1709 nah der Schladt bei Pultawa mit 
Marl XII. über den Dnjepr und fam mit ihm 1713 
nad Bender. Gr verteidigte mit 300 Mann den 
König im Dorfe Warnika bei Bender gegen 3000 
Zürfen, mußte fih aber mit dem König endlich ge: 
fangen geben und begleitete Karl XII. auf der Flucht 
nad) Straliund. Im J. 1715 nahm R. an der Ver: 
teidigung von Gtraliund und Uſedom teil, wo er 
20, Si 1715 dem König das Leben rettete, indem 
er ihm fein Pferd gab. NR. begab ſich darauf nad 
Schweden und wurde 1717 Gouverneur von Karls: 
frona und 1731 in den fchwed, Freiherrenjtand er: 
gr Im %. 1739 zum Reichsrat —*— ‚var 

. bi3 1742 Präfident der Ruſtungskommiſſion, 
trieb 1743 die unruhigen Dalelarlier aus Stod: 
bolm, ward darauf fommandierender Feldherrn in 
Schonen, 1747 Generalgouverneur von Finland 
und 21. Nov, 1751 in den ſchwed. Grafenitand ex: 
hoben. Gr ftarb 17, uni 1769 in Stodholm, 

Gregor Wladimirowitfh, Baron N, 
rufl. General, geb. 1781 in Gjtland, machte 1805 
den öjterr.:rulf. Feldzug gegen Napoleon mit und 
erhielt nad) der Schlacht bei Aufterlik den goldenen 
Degen für Tapferteit. In dem preußiſch-ruͤſſ. Feld— 
auge geaen Napoleon 1806 und 1807 zeichnete fich 
. bejonders in den Schlachten bei Altenkirchen, 
Allenftein und Bergfrieden aus und avancierte zum 
Dberft. Im finländ, Kriege gegen Schweden kom: 
manbierte R. die Avantgarde bei Helfing und befehte 
am 13. März 1809 die Alandsinfeln, wofür er zum 
Generalmajor ernannt wurde, m Befreiungs: 
triege zeichnete R. ſich befonders in der Schlacht bei 
Vorodino aus und nahm 1813 an den Schlachten 
bei Füßen, ar ae Dresden und bei Kulm hervor: 
ragenden Anteil, wofür er zum Generallieutenant 
avancierte. Im. J. 1826 wurde er General der 
Infantexie und Befehlshaber des litauiſchen In— 
fanterielorps, machte 1831 den Krieg gegen Polen 
unter Diebitih:Sabaltanftij und Paskewitſch mit 
und nötigte den poln. General Nomarino mit jei: 
nem — Korps nach Oſterreich zu flüchten und 
dort die Waffen niederzulegen. a 3. 1832 wurde 
N. zum Kommandeur aller ruſſ. Regimenter im 
Kaufafus ernannt. Hier führte er den Krieg in 
Dagheſtan peoen Kaſi-Mulla mit großer Energie, 
Ichlug denſelben im Okt. 1832 auf3 Haupt und nahm 
feine Hau tfeſte Gimry mit Sturn. Im J. 1837 
nahm R. ſeinen Abſchied und wurde zum Senator 
und Mitglied des Reichsrats in Petersburg ernannt. 
Er jtarb 24, Aug. 1841 in Moslau, 


N. rettete ſich durch die Flucht, 
trat 1651 als gemeiner Soldat in franz. Militär: | 


Rofen (Friedr. Aug.) — Hofen (Georg) 


Karl Georg Bilb., Baron R;, ruf. Dichter, 
ı geb. 16. Dez. 1800 in Reval. Nachdem er e3 bi zum 
Rittmeifter bei den Hufaren gebracht hatte, nahm er 
jeinen Abſchied. Im J. 1830 verfaßte er das lyriſch⸗ 
| epiihe Gedicht: «Die Geburt Jwans des Schrea— 
lihen». Bon feinen Dramen ijt «Nußland und 
Bathory» (1834) das bedeutendite; außerdem fchrieb 
er «Basnıanow» (1836), «Die Belagerung von 
Pilow» (1837) und die Trauerfpiele: «Welimer, der 
legte Nönig der Bandalen» (1833) und «Die Tochter 
Johanns ILL.» (1839), weldes lehtere Stüd er jelbit 
ins Deutfche überjeste (Petersb. 1841). Berühmt 
wurde R. indeſſen nur dur den Tert zu Glinkas 
nationaler Oper: «Schisn sa zara» („Leben für den 
Zaren»), welde Oper 1836 zum erjten male in 
Betersburg gegeben wurde. Im J. 1842 veröffent: 
lichte R. im «Syn Otetschestwa» («Sohn des Bater: 
lands») interefjante Reiſebriefe aus Nom, ferner 
feine «Bilder aus Algier und der Fremdenlegion», 
die er ebenfalls felbft ins Deutiche überfegte, R. 
ſtarb zu Petersburg 6. März 1860, 
AndreaſsHerm. Heinr., Baron R., Schrift: 
fteller, geb. 3. Nov. 1800 auf dem Grbgute Mehn— 
tad in Eſtland, wurde wegen Beteiligung am Milis 
täraufitand vom 14, De}. 1825 zu zehnjäbriger 
Zwangsarbeit und darauffolgender lebenslänglicyer 
Anfiedelung in Sibirien verurteilt. (Vgl. feine 
interefjanten «Beiträge zur Geſchichte des peter: 
burger Mititäraufitandes vom 14. (25.) Dez. 1825. 
Aus den Memoiren eines ruſſ. Delabriften». Lpz. 
1869; 2. Aufl. 1874; rufi., Yp3. 1870.) Infolge 
eines Beinbruchs wurde W. 1836 p% fur in den 
Kaulaſus geidhidt und 1856 aus Anlaß der Krönung 
Kaiſer Aleranders II. begnadigt und in jeine Adels: 
und Vermögenärechte wieder eingefept. R. fiebelte 
nad Wilnina im Gouvernement Charkow fiber, mo 
er 1861 Sciedärichter wurde, Er veröffentlichte 
nod «Die ſechs Decennien meines Lebens» (Riga 
1877) und «Skizzen zu einer Familiengeſchichte der 
——— und Grafen von St.» (Beteräb, 1876). 
. ftarb 19. April 1884 zu Wilnina. 
Rofen (Friedr. Aug.), verdienter Orientalift, geb. 
2. Sept. 1805 in Hannover, ſtudierte in Seipgig und 
Berlin, wo er die«Radices Sanseritae» (Ber 





„1827) 
ericheinen ließ. Er war nad Paris gegangen, um 
unterSacyfeine Studien der orient. Sprachen fortzu: 
ſehen, als er den Ruf als Brofefior der orient. Litte⸗ 
ratur an der londoner Univerfität erhielt. In on: 
bon bearbeitete er das ältejte der no) vorhandenen 
arab. Lehrbücher der Algebra von Mohammed:ben: 
Muſa (Lond. 1831). Im J. 1831 gab er feine 
Stellung als Profeſſor auf, unterjog jich der He: 
vifion des fanätrit: bengaliihen Wörterbuch von 
Haughton (Pond. 1835). das man faſt als feine 
eigene Arbeit anfehen lann, und arbeitete für das 
Britiſche Mufeum den Katalog der jyr. Nanuffripte, 
ber erit nady_jeinem Tode (Lond. 1839) erichien. 
R. jtarb 12. Sept. 1837. Der von ihm vollendete 
Zeil der Bearbeitung des Rigveda wurde von ber 
Aſiatiſchen Gefellihaft veröffentlicht unter dem 
Titel: «Rigveda Sanhita, liber primus, sanscrite 
et latine» (Lond. 1838), welches Wert für das Stu: 
dium der altind. Litteratur epochemachend wirtte. 

Rofen (Georg), DOrientalift und Geſchichtſchrei— 
ber, Bruber des vorigen, geb. 24. Sept. 1820 zu 
Detmold, widmete ſich zu Berlin und Leipzig orient. 
Studien, als deren erjte Frucht bie «Rudimenta 
Persica» (Berl. 1843) erſchienen. Noch in dem⸗ 
jelben Jahre wurde er von ber berliner Alademie 


Rofen (Julius) — Roſenbuſch 


behufs linguiſtiſch- ethnogr. Unterfuhungen nad 
dem Rautafuz gejandt, von wo er unter anderm 
die Abhandlung «über die Sprade der Lazen» 
(Lenigo 1844) und eine «Dffetiihe Grammatik» 
(Lemgo 1846) einſchidte. Er kehrte 1844 nad) Kon: 
ftantinopel zurüd, wo er als Dragoman bei der 
preuß. Geſandtſchaft wirkte, bis er 1852 als preuß. 
Konful nad Jeruſalem ging. Nah 15jährigen 
Aufenthalt in Yalältina wurde R. 1867 als Gene: 
rallonjul nach Belgrad berufen; 1875 wurde er in 
Disponibilität geftellt und lebt ſeitdem in Detmold. 
Es erſchienen von ihm die Üiberfepungen de3 «Buchs 
des Sudan», einer Reifebefhreibung in Nigritien 
Epz. 1847), des «Mesnewi des Dichelal ed⸗din 
Humi» (Lpz. 1849) und des « Tuti:nameh», einer 
orient. Märhenfanmlung (2 Bode., Lpz. 1857), je 
ner «Das Haram Scherif zu Jeruſalem und fein 
Verhältnis zu dem jüd. Tempel» (Gotha 1865), 
« Geihichte der Türken vom Siege der Reform bis 
er parijer Traftat» (2 Bde, Lpz. 1867), «Die 

allanhaidulen» (zum Zeil aus dem Bulgarifchen 
überjeht, Lpz. 1877), «Bulgar. Vollsdichtungen, ge: 
fammelt und ins Deutiche übertragen» Gr 1879). 

Nofen (Yulius), Pſeudonym für Nilolaus 
Duffel, Luftipieldidhter, geb. 8. Dit. 1833 zu 
Prag, ftudierte dajelbit, wandte ſich aber bald ganz 
der Bühnenfchriftftellerei zu. Sein erftes Sim men 
«Honvenienz und Liebe», wurde 1859 in Ödenburg 
aufgeführt, Er war 1860—67 in Prag Beamter 
bei der Polizei, nahm dann feinen Abſchied und 
wurde am Garltbeater in Wien erft Selretär, dann 
Regiſſeur und Dramaturg; feit 1874 lebt er in 
Wien. Bon feinen Luftfpielen find die belannte: 
ften: «Ein Schubgeijt», «D diefe Männer», «Das 
Schwert des Damolles», «Des Nähten Haus: 

reund», «Schwere Zeiten» u. ſ. w. Seine «Ge: 
ammelten bramatiihen Werte» erfchienen in Ber: 
fin (Bd. 1—18, 1870—80). 

Nofenäpfel, j. unter Apfel, Apfelbaum. 

Nojenau (ungar. Rozsuyö, jpr. Roſchnjö), 
Bergitabt im ungar. Komitat Gömör, am Sajo: 
fluß, Station der LinieBanreve-Dobfina der Ungar. 
Staatöbahnen, mit 4738 E. (Ungarn, Elowalen 
und Deutiche), ift Siß eines kath. Biſchofs und 
eines evang.=luth, Superintendenten, bat eine fa: 
tholiſche theol. Lehranſtalt, zwei Gymnafien , meh: 
rere Klöjter und lebhafte Hleininduftrie. Die ur: 
Hirn, von Deutichen angelegte und bewohnte 

tadt erhielt ihre ſtädtiſchen Privilegien bereits 
1291. Der Ort war bis Mitte des 18. ya): noch 
vorwiegend deutſch; jeht iſt das Deutfchtum hier in 
Minorität und der ehedem ergiebige Bergbau ver: 
fallen. Bol. Schwider, «Die Bauten in Ungarn 
und Siebenbürgen» (Wien und Teſchen 1881). 

Nofenberg, Bajalttegel in der jo0- Bohmiſchen 
Schweiz, bei Tetſchen, 616 m über dem Meere, mit 
Ausfihtäturm. 

Nofenberg (in Oberihlefien), —* 
Kreisſtadt im preuß. Regierungsbezirk Oppeln, an 
den Quellen der Stober, Station der Linie Kreuz 
burg: Tarnowitz der Preußifchen Staatsbahnen, 
Sitz des Landratsamt und eines Amtsgericht, 
mit großer Gefangenanftalt, zählt (1886) 8567 
meijt fath. E., und bat zwei fath. und eine evang. 
Kirche, Sowie zwei Feldlirhen, welche ala Wall: 
fabrtätivchen ftark bejucht werden, ein lath. Zeh: 
rerieminar nebit Präparandenanftalt, Ziegeleien, 
Bau: und Nupholzverlauf, zwei Brauereien, bedeu: 
tende Viehmärlte und in der Umgegend ergiebige 

Eonverfationd» Lexilon. 13, Aufl, XIIT. 


Eifenerzlager, Knochenmehl- und Stärkefabrilen, 
fowie Brennereien. — Der Kreis Rofenberg 
zählt auf 899 qkm 46843 E. 
ofenberg (in Weitpreußen), Kreisitadt im 

reuß. Regierungsbezirt Marienwerder, Station 
er Marienburg: Mlamtaer Cifenbahn, Sib des 
Landratsamt? und eines Amtägerichts, zählt 
(1880) 3044 E. und hat eine Dampfichneidemüßle, 
Gerbereien und mittelalterlihe Stadtmauern, — 
Der Kreis Nofenberg zählt auf 1039 qkm 
650343 E., darunter 6000 ae 
Rofenberg (Roimberk), Stadt in der Bezirls— 
erg —— im ſudl. Böhmen, mit 
1880) 1468 deutſchen E., die meift Feldwiriſchaft 
und Holzhandel treiben. R. ift ient ein Familien: 
— der Grafen von Buquoy⸗-Longue⸗ 
val. Der Jalobinerturm bes alten Schloffes ſtammt 
von Vol von Rofenberg, der die Burg 1246 erbaute, 
Er iſt ber Stammvater des einft mächtigen und in 
die late von Böhmen bedeutjam eingreifenden 
Geſchlechtes der Herren von Rofenberg. 
‚Rofenberg, Marltfleden im ungar, Komitat 
Liptau, an der Wang, Station der Kaſchau-Oder⸗ 
berger Eifenbahn, mit 8247 E., meift Slowalen. 
In der Nähe ein Sauerbrunnen und Narmorbrüde, 

Rules (Bertha von), ſ. Weiße Frau. 

NRofenbiut (Hans), auh Roſener und ber 
Schnepperer genannt, Rotihmied zu Nürnberg, 
blühte ald Dichter etwa 1430—60. Bon feinem 
Leben weiß man mit u. nur, baß er 1427 
im Huffitenkrieg an ber — Schlacht bei 
Mies und fpäter 1459 an Treffen von Hem⸗ 
pad) teilnahm. R. ift glüdlich in Erzählungen und 
Schwänten, friih und fröhlich in den Weingrüßen 
und Weinfegen (aLobreden des lommenden und 
ſcheidenden Zechers auf den Wein», in Haupt3 und 


Hoffmanns «Altdeutſchen Blättern», Bd. 1, Lpz. 
1836); gewandt in Briameln, in deitgevichten, 
volls⸗ 


nnig und tüchtig, und feine Preislieder auf bie 
terftadt ſtehen über jenen auf die Fürften. 
Außerdem Inüpfen fih an feinen Namen die Ans 
fänge des weltlihen Dramas in Deutihland, bie 
älteiten mit einem Berfafjernamen erpallenen Sal 
nachtsſpiele. Alles, was über die einzelnen Did 
tungen R.3 bis jept ermittelt wurde, iſt zuſammen⸗ 
eitellt und nebjt den —S—— der geöbte 
eil feiner übrigen Gedichte vollftändig abgedrudt 
in Kellers «Faftnachtäfpielen aus dem 15. Yahrh.» 
(3 Bde., Stuttg. 1853). . 
— en, ſ. unter Bunzen. 
Noſenbuſch (Karl Ho nambafter 
r 


Ki nüdtern, aber doch wahrbeitälieben 
i 


— 5— geb. zu Einbed in Hannover 24. Juni 
1836, habilitierte fi) 1869 zu Freiburg in Baden, 
wurde darauf ala außerord. Eoleihor für Betro: 
graphie und gejhäftsführendes Mitglied der Kom: 
miflion für die geolog. Landesunterfuhung von 
Elfaß: Lothringen 1873 a Ba eg berufen, 
1878 zum ord. Brofeflor für Mineralogie und Geo: 
logie in Heidelberg ernannt, Seine erfte Schrift 
bezieht fich auf den Nephelinit vom Kabenbudel im 
Odenwald. Außer Heinern A fügen —** 
er:«Mitrojtopiihe Phyſiograp * — ⸗ 

g. 2. Aufl. 
1885), Mikroſtopiſche Abofiograp ie der maffigen 
Gefteine» (Stuttg. m «Die Steiger Schiefer 
und ihre Kontaltzone an den Granititen von Barr: 
Andlau und Hohmwald» (Bd. 1, Heft 2 der «Abs 
bandlungen zur geolog. Speziallarte von Elfaß: 

53 


wichtigen Mineralien» ¶ 


834 


Lothringen», ein für dad Berftändnis des Metamor: 
phismus wichtiges umfangreiches Werk). JmBerein 
mit E. Klein und Benede führte er von 1879 bis 
1884 die Nedaction des «Neuen Jahrbuchs für Mi: 
neralogie, Geologie und Paläontologie». R. hat 
fi vor allem der er Geſteinslunde zu: 
gewandt und hier ſowohl durch Einführung erafter 
diagnoftifcher, insbeſondere optiſcher Methoden für 
die Grfennung der mineraliſchen Gemengteile, als 
aud dur die Deutung der Strufturverhältniile 
der Gefteine, fowie bezüglich der Hlaffifitation der 
Felsarten große Verdienſie erworben. 
—— ſ. Roſenblut. 
Moſenfeſt, ein ländliches Feſt, hauptſächlich in 
Frankteich und bier bis auf die Zeiten von Lud— 
wig XIU. zurüdgeführt, Es wird gemeiniglih am 
8. Juni (St. Medardus, Zeit der Nofenblüte) be: 
gangen und zwar in Berbindung mit dem Feſt der 
Roſenkönigin (des Nojenmäddens Iſ. d.]). 
—— Cynips 8. Rhodites rosae, 
Tafel: Infelten IV, Fig. 3), eine Heine, Schwarze 
rotbeinige Gallweipe, die im Mai und Juni bu 
ie Stich an den Rojenfträudern die baarigen 
edeguare, Roſen⸗ oder Schlafäpfelerzeugt, Gallen, 
in denen fih Nachkommenſchaft entwidelt. 
Rofengarten, zum Unterſchied von Laurin ober 
dem Kleinen Rojengarten auch ber Große 
Nofengarten genannt, mäbert fi) durd bie 
Fabel ſowohl als äußere Daritellung mehr als 
irgend ein anderes dem burgundiidy:got. Sagentreije 
zugehöriges Gedicht dem Nibelungenliede. Bon 
feinem derjelben find Ih viele, wenn aud) im Inhalt 
fich ziemlich nahe ftehende, doch in der Zorm viel: 
fady untereinander abweichende Necenfionen erhal: 
ten. Alter als aus dem 14., höchſtens dem Ende 
des 13. Jahrh. ijt feine derfelben. Gleichwohl reicht 
der epiſche Inhalt in feinen Anfängen ins hohe Al: 
tertum zurüd und ruht auf mythiſchem Hinter: 
grunde, indem der eigentlihe Kern ber Sage ein 
zum Zeil verbunfelter Donarmythus fit. Die 
Grundlage ber Lieder iſt eine einfache. Kriemhild 
befikt zu Worms am Rhein, wo ihr Vater, König 
Gibich, herrſcht, einen prächtigen, Vorgfältig gebeg: 
ten u. (fo nannte man im Mittelalter be: 
flanzte Sammlungspläpe, die zu volkstümlicher 
Seftestuft, zu Mais und Sommerfpielen bejtimmt 
waren). | Helden, unter dieſen Gibich ſelbſt, 
ſeine beiden Söhne und Siegfried von Niederlanden, 
der um Kriemhild wirbt, jind Wächter des Gar: 
tens; übermütig wirb jedem, ber ihn zu betreten 
und damit zum Kampfe ſich zu ftellen wagt, Trop 
geboten. Gibich iſt bereit, von bem Könige, ber 
mit einer gleihen Anzahl von Helden im R. er: 
ſcheint unb die Oberhand behält, fein Reich als 
Zehn zu nehmen; jedem der Sieger aber foll zum 
Lohn ein Roſenkranz und ein Kuß von Siriembild 
erteilt werden. Dietrih_von Bern, durch Meijter 
Hildebrand ermutigt, entſchließt fich, die zugefendete 
„iufforberumg anzunehmen. Da der zwölfte Held 
feblt, fo jchlägt Hildebrand feinen fern in einem 
lofter lebenden Bruber Ilſan vor. Gin zu dahin 
wird unternommen, und ber greife Moönch, in wel: 
dem die alte Streitluft head erzwingt von ſei⸗ 
nem Abt bie Erlaubnis, an der Fahrt nach Worms 
teilzunehmen, wohin jept Dietrich aufbrict. Der 
Kampf im R. beginnt, und in vorausbellimmter 
Ordnung treten die Helden nacheinander im Zwei⸗ 
tampf auf. Der Gieg fällt den Helden Dietrichs 
zu. Die Sieger empfangen den verheißenen Lohn. 


Nojener — Rofenholz 


Kriemehild ift gebemütigt, und Gibich muß fein 
Neich zu Lehn nehmen: Seit dem Abdrud in von 
der Hagens und Primiſſers «Helbenbudh» (f. d.) 
und W. Grimms kritiſcher Ausgabe «Der Rofen: 
garten» (Gött. 1836) find mehrere weitere Terte 
befannt gemacht durch Grimm felbit in den «Ab- 
bandlungen» der berliner Alademie 1859, von 
Bartſch in Pieifferd «Germania» (Bd. 4), von 
Müllenboff in ber — 28— für —— Alter⸗ 
tum» (Bd. 12). Bol. Philipp, « Zum Rt.» (Halle 
1879), worin Abbrud zweier Texte, über die Sage 
Uhlands Aufiag in Pfeifierd «Germania» (Bd. 6). 

Rof ef (Carpodacus) beißt ein au3 nur 


wenigen (18) Arten beitehende3 Genus der Finten, 
da3 im männlichen rg ein teilmeife pracht⸗ 
voll rot gefärbtes Gefieder bat. N. bewohnen den 


Diten Europas, den Norden Aſiens bis nad) Central: 
indien und Norbamerifa bis Merilo. Die häufigite 
Art ift der Karmingimpel (C. erythrinus), 16 cın 
lang, mit farminrotem und bräunlicem , teilweije 
rot überflogenem Gefieder: findet ſich in Sibirien 
und —— Galizien und Livland. 

Noſenheim, hübſche Stadt im bayr. Regie: 
ru rt Oberbayern, am linlen Ufer des Inn 
nabe unterhalb der Eimmün’ der Mangfall 
us des gr en F 

—— 

R.-Holztirchen der Bayriſchen Staatsbahnen, am 
Fuße der Alpen in 447 m Seehöhe gelegen, ült der 
Sik eines —— und eines Amtsgerichts, 
und zählt (1880) 8397 meiſt lath. E. Der Ort bat 
eine bedeutende Saline, Die Sole wird aus der 
Reichenhall» Traunfteiner Leitung bei Siegsdorf 
bergeleitet. Als Kurort it R. weniger bedeutend, 
Mit der Sole benugt man eine geringhaltige, Hy: 
drotbion entwidelnde Stahlquefle. Auch g 
man bier Ziegenmolten. R. foll im 10. Jahrh. 
durd Handelsleute entjitanden fein, war 1234 im 
Befip der Grafen von Wafjerburg und famı 1247 
an die Herzöge von Bayern. . Ditterih, «N, 
in Oberbayern» (Münd. ir 

Nofenheim, deutihe Kolonie im Gouverne- 
ment Samara, Kreis Nowyi-Uſen, 211 km nord« 
weſtlich von der Kreisftabt, an der Bereſowla, mit 
1540 Die in 138 Höfen wohnenden Kolonijten 
find fämtlich luth. Konfeſſion. Die Kolonie befist 
eine luth. Stirche und eine deutiche Schule. 

Nofenholz (Liguum Rhodii) heißt ein im Hans 
bel vorlommendes, angenehm rojenartig riechende3 
Holz, weldyes aus dünnen, walzig: Inotigen, auch 
geigaltenen, ziemlich ſchweren, feiten und dichten 

tüden beiteht, die außen von ber rijjigen grauen 
Ninde bededt, nad) innen gelblid, in der Mitte oft 
fogar rötlich find, gewürzhaſt-bitterlich fchmeden 
und gerieben einen angenehmen rojenäbnlichen Ge 
ruch verbreiten. Dieſes Holz flommt von den Ca: 
nariſchen Inſeln und jtammt von zwei dafelbit 
wachſenden aufrechten, ftrau ——— — 
rigen Windenarten, nämlich der ſtrauch- oder beſen⸗ 
artigen Winde (Convolvulus scoparius L.) und der 
blütenreihen Winde (C. floridus Z,), von denen 
ar die Wurzel und zum Teil audy das Stamm: 
holz genommen wird, doch iſt lehteres etwas ſchlech⸗ 
ter. Aus ihm foll aud) ein ftarfriechendes äthert: 
ſches ST, das Nofenhbolzöl, deftilliert werden, 
da3 zu Salben, Einreibungen, Barfumerien, Räus 
cherungen u. ß w. und ſehr häufig zur Verfaälſchung 
be3 echten Rojenöls benupt wird; in der Regel aber 
iſt dieſes Nofenholzöl oder Rhodiſeröl ein Kunſt⸗ 


Rofenkäfer — Nojenkreuzer 


prodult. Außer diefem canarifhem N. lommt auch 
noch das amerikaniſche Roſenholz häufig im 
Handel vor, welches von der auf Jamaica wachen: 
den baljamreihen Amyris — balsami- 
fera 2.) herſtammt und ebenfalls ein ätherifches, 
bem ur. ganz Ähnliches Öl liefert. Das 
cypriihe R. liefert der orient. Sebeftenenbaum, 
Cordia Myxa 2. (f. Cordia), Außerdem werben 
noch mehrere andere Pflanzen angegeben, deren 
olz alö R. in den Handel kommt; doch find bie 
tammpflanzen meift nicht mit Sicherheit befannt. 
Moſenkäfer (Cetoniidae) heißt eine aus 120 Cat: 
tungen und über 1000 Arten beſtehende Familie 
ber Blatthornläfer (j. d.), die über die ganze Erde, 
mit Ausnahme der kälteften Gegenden, verbreitet, 
aber in den Tropen der Alten Welt am ftärkjten 
entwidelt üt. Die Jlügeldeden, welche das hintere 
Körperende nicht bededen, bleiben meift beim Flug, 
ber oft fehr fenell it, geichlofen. Die Nady 
—— meiſt lebhaft metalliſch glänzenden 
äfer, von denen in Afrila einige eine anſehnliche 
Größe erreihen, leben von Biumenblättern, Saft 
ber Zaubbäume, manche in Afrila von Mit: die 
22— Larven leben von faulem Holz 
und verweſenden Pflangenftoffen, manche finden 
fi ungejchädigt in —— der roten Ameiſen. 
ofen ohl, Pilanzenart, ſ. Brassica. 
NMoſeunkranz heißt ın der kath. Kirche die Schnur 
mit einer Anzahl Kügeldhen von verfdiedener 
Gröbe, welde zur Abzählung von Gebeten dienen, 
Wenn auch, wie angegeben wird, die Benebiltiner: 
mönde ſchon im 6. Jahrh. ee Gebete nad) einer 
Neibe Kügelhen, die an eine —* gefaßt waren, 
verrichtet haben ſollen, ſo iſt doch der — N. 
exit von Dominicus de Ouzman, dem Stifter des 
Dominilanerordens, in der erften Hälfte bes 
13. Jahrh. eingeführt worden, Derfelbe befteht 
aus 15mal zehn Heinen Kugeln, denen jedesmal 
eine größere folgt; bei den leinern wird ein Ave- 
Maria, bei den größern ein Vaterunfer gebetet. Es 
bildeten ſich zahlreiche Roſen kranzbruͤderſchaf— 
ten, und zum Gedaͤchtnis des 7, Dit. 1571 bei Le: 
anto über die Türlen erfochtenen Siegs ſtiftete 
apı Öregor XIII. 1573 das Roſenkranzfeſt, 
weldye3 am erjten Sonntage des Oltober überall, 
wo eine Kirche und ein Altar der Mariä ſich fände, 
efeiert werben jollte, 
üirken, 5. Aug. 1716 bei Peterwardein, * Cle⸗ 
mens XL. das Feſt zu einem allgemeinen Feſt der 
panaen Kirche. — Auch die afiat, Völker von der 
amaifchen Religion und die Mohammedaner be: 
bienen fi) einer mit Kugeln verfehenen Schmir zur 
Abzählung ihrer Gebete. Die Schnur der Moham: 
mebaner hat 99 Kügelchen, die fie beim Gebete nadı 
und nad) berablafien,, ne fie bie im Sloran 
————— aften Gottes ausſprechen. 
Bei ihnen find die Kugelchen gewöhnlich aus hei: 
liger Erde von Mella oder Medina geformt. 
- Mofenfranz (ob. Karl mes ‚nambafter 
Philoſoph der Hegelihen Schule und Pitterarbifto: 
rifer, geb. 23. April 1805 Au Magdeburg, —— 
u Berlin, Halle und Heidelberg und * ilitierte 
“ 1828 m Halle, wo er 1831 eine auferord, Bro: 
fejlur erhielt. Im %.1833 folgte er einem Ruf als 
ord. . an die Univerfität Königsberg, wo: 
bin er auch, nachdem er feit Juli 1848 als vor: 
tragender Hat im Minifterium zu Berlin thäti 
gewejen war, im Jan. 1849 zurüdlchrte. Er jtar 
14. Juni 1879 in Königäberg. 


Nah dem Siege über die | T 


835 


N. entwidelte litterariſch eine große Bielfeitig- 
feit und Gewandtbeit, indem er die Öedanten des 
—— Syſtems in alle Gebiete der Geſchichte 
und des Lebens einzuführen ſuchte. Hervorzuheben 
De von feinen Schriften: «Geſchichte der deutſchen 

Boejie im Mittelalter» (Halle 1830), « Handbud) 
einer allgemeinen Geſchichte der Poelie» (3 Bde., 
Halle 1852—33), « Encytlopäbie ber theol. Willen: 
fhaften» (Halle 1831; 2. Aufl. 1846), «Kritiſche 
Erläuterungen des Hegelihen Syſtems » (Königsb. 
1840), «Studien» (5 Bde. Berl. 1839—44). Ferner 
erſchien die « Piychologie, oder Wiflenihaft vom 
fubjettiven Geijt » — 1837; 3. Aufl. 1863), 
«Goethe und feine Werte» (Königsb. 1847; 2. Aufl. 
1856), «Die Pädagogik ald Syftem» (Sönigeb. 
1848), « Aſthetil des Hählichen» (Königsb. 1853), 
aDie Voefie und ihre —3 Konigsb. 1855), 
aWiſſenſchaft der logiſchen dee» (2 Bde., Königsb. 
1858—59) , welches Werl er in ber Schrift « Gpile: 

omena» (Königsb. 1862) gegen die Angriffe von 

ichelet und Laſſalle verteidigte; «Diderot3 Leben 
und Merle» (2 Bde., Op. 1866), «Neue Studien » 
ß Doe., 2pz. 13576-77). Mit F. W. Schubert be: 
orgte N, eine Ausgabe von Kants Werlen (12 Bbe., 
2p3. 1838—40), deren lepter Band eine von ihm 
Be « Gefchichte der Kantſchen Philoſophie⸗ 
enthält. Als Supplement zu 3 «Werten» gab 
er «Hegels Lebens (Berl. 1844) heraus. Auch ver: 
öffentlichte er: «Aus einem Tagebuch. — 
Herbſt 1833 bis Frühjahr 1846» (Lpz. 1854) un 
«Bon Magdeburg nady Königsberg» (Berl. 1873). 

Nofenfreuzer bieken die Mitglieder einer an: 
—— geheimen Geſellſchaft, deren Daſein zu 

n ang bes 17. Jahrh. unerwartet durch eine Menge 
fonderbarer —— befannt wurde. Als Zwed 
des ** undes wurde angegeben eine all: 
gemeine Berbejlerung der Kirche und die Gründung 
einer dauernden ——— der Staaten und der 
Einzelnen, Stifter der Brüderſchaft — ein ge: 
wiſſer Chriftian Roſenlreuz geweſen fein, ber im 
14. Jahrh. gelebt, einen großen Teil feines Lebens 


unter den Brahmanen, in den Pyramiden Ugyp— 
tens und im Orient zugebradht und dort feine Weis: 
Der ganze 


ie und Kunſt erlernt haben follte, Der, 
und war aber nichts als eine lange Zeit mit gro: 
ßem Geſchick durchgeführte Filtion bes württemb. 
beologen Johann Balentin Andreä (f. d.), ber 
damit wohl ebenfo fehr die Geheimnisträmerei und 
Aldimifterei feiner Zeit verfpotten, als auch unter 
diefer abenteuerliben Hülle die gen ber Zeit: 
enofien auf die Mißſtaͤnde des herrſchenden Kir: 
enweſens binlenten und die Abhilfe derfelben an: 
bahnen wollte, Cine Orbenzftiftung bat Andreä 
nie beabfihtigt; aber Mißverftändnis und Luft an 
Beheimbündelei rief infolge feiner Echriften, unter 
denen die « Fama fraternitatis R. C,» (1614) die 
erporragenbfte war, mirllihe Verſuche zu Dr: 
engjtiftungen Val und gab den Anftoß zu ben 
nachmaligen rofenfreuzeriihen Schwärmereien und 
Drdensverbindungen, bie fi über Europa aus 
breiteten und ir] als höherer Grad mit der Frei: 
maurerei in Verbindung gebracht wurden. Ihre 
Devije war ein Andreastreuz über einer mit Vor: 
nen umgebenen Roſe, mit ber Umfchrift: Crux 
Christi Corona Christianorum, Bol. Buhle, «fiber 
Urfprung und Schidjale de3 Ordens ber N.» 
Gött. 1803); Guhrauer, «Bemerlungen über Ver: 
afler, Sinn und Zwed ber Fama fraternitatis» 
(in Niedners «Beitjchrift für hiſtoriſche Theologie», 
63* 2 


836 ' 


1852); Sierle, «Schwärmer und Schwinbler bes 
18. Jahrh.» ( 1874) 
—* enlau igletfcher, einer ber belfannteften 
wer — im Oberlande des Kantons 
udlich vom Hasli am Fuße der Wetterhörner 
2 ſenlt fih von feinem Firnbeden, 
etterfeflel, als llarer ftart rundeter Eisſtrom 
iihen den Felswãnden bes — und des 
Site ihorns ee bis zum R.: Hubel (1792 m) 
inab, wo er fid) in zwei Zungen teilt, deren Ab: 
üffe Dem Rei ea f. —W Die Länge des 
eit 1860 gewichenen Gletſchers beträgt 
von der * immi (3182 m), welche ben Wetter: 
—* vom ——— ſcheidet, bis zum Roien: 
laui⸗Hubel 4, km, die Breite 1-2 km, Das Ro: 
fenlauibab, welches 1330 m über dem Meere, 6 km 
—2 von ago * Nadelwald und 
lpweiden umgeben cher gegenüber auf 
a linten Ufer des ai 8 Ibae wird als 
vie 


erg ne t. Mit Meirin: 
gen und Grinde den Saumweg 
über die Gro en Ein be: 


licher Glet ührt Babe fiber d 
er — * Urbachthat und Fon 


nnertlirdhen an ber Grimfel er (S. Tafel: 
ist cher und — 5.) 

Rofenmädchen ( ) heißt in Franlreich 

das ju ——6 ches in gewiſſen Dörfern 

die als Er de3 urn ren aus: 

— — Sage nach hatte 


e 
Bere edarbus loch. "um 645) den Gedanlen, 
{ume der MWollufts als a für die Tugend 
ber Keuſ Weit, zu — indem er in ſeiner 


imat au Salency bei 2. on (Depart. 
Ei), ine jä age reid von 25 Livres feftete 
nad dem Urteil —— 


* olten Banner bes nes fi als das R 
endhaftefte bewieſen —*X u⸗ 
la emp Dhna Diefes Yu * einen Roſenlranj. 
der 8 Braud wurde 5 Frankreich aud an andern 
Orten —— und gegenwärtig noch im 
m. —— bei Ba 
A Borg), prot. Theolog und 
Ran, e —— —* 18, Dez. 1736 zu Ummerſtädt 
Kann haufenfchen, ftubierte in Altdorf, wurde 


1767 in Hi haufen, 1768 in Heßberg, 1772 zu 
Königsberg in nten Prediger, 1773 Profeſſor 
der Theologie in Erlangen, 1783 in Gießen, 1785 


ftor an der Thomas irche, Euperintendent und 
eig der Theologie in Leipzig, wo er 14. März 
1815 jtarb. In —— wurde er Begründer einer 
— Liturgie; auch machte er ſich vielfach 
das Schulweſen verdient. Als Prediger war 
Du : Mufter einer edeln Popularität. Bon feinen 
zahlreihen Schriften find zu > erwähnen: So ehe 
a Abendandadhten» (7. Aufl., den Minen) 
trahtungen über die vorne breiten be 
3 


Religion auf alle Tage des | ee (4 

1801) und « — Beicht: und Kommunion: 

buch» (12, Aufl., — on), «Scholia in Novum 
‚von feinem Sohn 


Testamentum» (6. Aufl 

E. $. 8. Rojenmüller, ehe 1815—31), « Historia 
interpretationis librorum sacrorum in ecclesia 
christiana» 6 Boe., Lpz. 1795—1814). 

Ernft Fr edrich Karl R. ai, ber äl: 
tete a be3 vorigen, geb. su Seh berg bei Hild⸗ 
burghauſen 10, Dez. 1768, ftudierte zu Yeipzig und 
wurde, nachdem er ſich 1792 an der Univerjität 
Habilitiert, 1795 außerord. und 1813 ord. Profeſſor 


Roſenlauigletſcher — Rofenöl 


der morgenländ, Litteratur. Er ftarb 17. Sept. 
1835. Sein Hauptwerk find die »Scholia in Vetus 
Testamentum» (11 Bde,, Lpz. 1788— 1835; Auszug 
daraus in 5 Bon. , 23. 1828—35). Außerdem 
find zu erwähnen: «Handbuch für die Pitteratur der 
bibliſchen Kritit und Gregefe» (4 Bde, Gött. 1797 
— 1800), «Das alte und neue Morgenland, oder 
—— ber Heiligen Schrift» (6 Bde., Lyʒz. 
1818—20), « Handbuch der bibliichen Altertums: 
kunden (4 Bde, Lpz. 1823— 31), die nad) Sacy ge: 
arbeiteten «Institutiones ad fundamenta linguae 
Arabicae» (Lpʒ. 1818) und die «Analecta Arabica» 
(2 Bbe., 2pz. 1825— 26). 

Johann Chriftian R., Anatom, der Bruber 
des vorigen, geb. zu Hefberg 1771, "tudierte in 
Leipzig und Erlangen und wurde 1794 Brofeltor 
am anatom. Theater in Leipzig; 1800 erhielt er 
eine auferord., 1804 die ord, tofeflur der Ana» 
tomie und Chirurgie, Er ftarb 29. Febr. 1820, 
Seinen Ruf begründete er burch die mit Yenflanım 
berausgegebenen « Beiträge zur Sergliederun > 
funjt» (2 Bde. 2p3. 1800), «Chirurgifch:anatom. 
bildungen fürfirzte und Flundärzte» (3 Bde., Ban: 
1804—12) und « Handbudy ber Anatomie» (£pı. 
1808; 6. Aufl., von €, H. Weber, ?p3. 1840). 

Ro enmüllerpöple, |. unter Muggen orf. 

Rofenoble (Noble à la rose, Rosatus nobilis) 
beißt eine engl.Goldmünge, welche König Eduard ILL. 
1343 —77 prägen lich. n Namen führt die 
Münze von der Nofe, die = beiden Seiten ber: 
jelben ericeint, und von ihrem Feingebalt. Der 
Avers zeigt ein Schiff an deſſen Seite die Rofe ans 
gehracht üt; im Schiffe fiht der König mit Schwert 
und appenidild. er Revers “2 ” bie acht⸗ 
blätterige Roſe und die Legende: ut Tran- 
siens Per Medium Illorum Ibat, die —35 jedenfalls 
auf Eduards Zwiftigleiten mit dem röm. le 
bezieht. Der Gehalt der Münze ift dur 
23 Karat 10 Gr. fein und e3 gehen reihlih 30 Stüd 
auf die Mark Gold. Der Wert ift 19—20 deutſche 
Reichsmark. Die dunkle Ilmfchrift des —— 
verbunden mit der Seltenheit dieſer R., bat fie bei 
dem Bolläglauben zu Anuletten gemacht, welche 
gegen alle Zauberei ſichern, vorzüglich aber alles 

nglüd zur See abwenden follen. Unter > 
Königen wurden den R. ähnliche Goldmünzen 
ſchlagen, unter denen fid) die S iffänoble 5 Sein. 
rihs VII. auszeichnen. Sie führen im Avers das 
Schiff, aber ohne Roſe, im Nevers ein Lilientreu 
mit derjelben dunfeln Legende und find um ein 
Karat geringer, auch leichter, jobaß der Wert wenig 
über 15 deutiche Reichsmark beträgt. Bon dem: 
felben Gepräge gibt es aud) halbe und Viertelnobles, 

Nofendl, ätherifches DI, weldes in den Blüten 
der Rofen, namentlid in den Gentifolien aan 
ift und durch Deftillation derfelben mit Wa 
wonnen wird. Die Fabrifation wird 
am Südabhange des Ballans, in der U 
von Keſanlyk, betrieben. 

Rofenernte werden daſelb jab ih 800—83000 * 

Ol gewonnen, bei einer Aus von durch 

lid 1 kg Öl von 3000 kg Rofenblättern. 

Ba bis vor kurzem, dab nur das Klima dei 
rients geeignet fei, der Rofe genügenden —* 

erteilen, um techmſch verwertbar zu —— 

jedoch nicht fo. Die in nörblihern 

wachſenen Roſen find nicht allein ebenjo eh 

reich wie die des Orients, ſondern übertr ri > 

felben nicht allein in der Menge, fondern a 


äh: 


Nofenorden — Rofer 


Beinbeit bes Prodults. Seit 1884 wird. von der 
ipziger Fabrit von Schimmel u. Ko., die dadur 
Schöpfer eines neuen Induſtriezweiges geworben 
iſt, Rojenöl in großem Maßitabe pargeltell, welches 
burd die Feinheit feines Geruchs türkiichen 
weit überlegen iſt. Dies ift en Zeil darauf zurüd: 
uführen, ar ker türfif ſelten in ine Ser 
ondern meilt mit indiſchem Geraniumöl verfälſcht 
in den Handel lommt. 

Nofenorden, vom Kaifer Pedro I. von Bra: 
lien am 17. Oft. 1829 geftiftet, zerfällt in Grob: 
reuze, Kommandeure, Offiziere und Ritter. Die 

Detoration beſteht in einem weihemaillierten ſechs⸗ 
fpigigen Stern, defien Mintel mit goldenen —— 
len und Roſen ausgefüllt ſind. Das Band iſt roſa 
mit weißen Streifen. 

Noſenorden, Ritterorden von Santa: 
Roſa, vom Präfidenten der Republil Honduras 
am 18. Sept. 1868 geftiftet, zerfällt in Großlreuze, 
Grofoffiziere, Kommandeure, Offiziere und Ritter, 
deren Deloration in einem weiß emaillierten Kreuz 
beiteht, auf welchem ein runder Schild mit dem 
Wahliprud: Dios, Honor, Patria, umgeben von 
Lorbeer» und Cichenzweigen, ruht. Das Band ift 
rot, mit einem blau:weiß:blauen Streifen belegt. 

Rofenpapa ei (Psittacula rosicollis, Tafel: 
Papageien, Fig. 7) it der Name eines 17 cm 
langen ig nen (f. d.) des füdweftlichen 
Afrikas, defien Gefieder hauptſächlich lebhaft gras: 
grün it, am Schwanz und an den Flügeln blau 
und an ber Kehle und den Baden zart rofenrot wird. 
* m. 5— — —* — 

nnes, Nizza in vorzüglicher Feinheit hergeſtellt, 
indem Frifche Rofenblätter zwiichen mit feinem Fett 
beftrihene Glastafeln gefchichtet werden, wobei der 

njtende Duft vom Fett aufgenommen wird. 

Fett wird entweder direft zu Pomaden ver: 

arbeitet oder mit feinem Weingeift maceriert, um 
die fog. Ertraits zu erhalten. 

fenpint (Hans), deutfher Dichter des 15. 

abrb.,f. Rojenblut. a 

— nennt man einige Gallen, die 

an Roſenſtöden durch den Stich gewiſſer ar 

welpen (f. d.) hervorgerufen werden. (©. Rofe.) 

ofenfonntag, der Sonntag Yätare, weil ba 

bie Goldene Rofe (f. d.) vom Papſt geweiht wird. 

No rz. acierä larose, engl. rosesteel), 
eine Sorte Puddel⸗ oder Cementſtahl mit eigentüm: 
Das konzentrijche farbige Ringe zeigendem Bruch. 

ofen ar (Pastor roseus bei t ein jchöner 
Bogel Aſiens und Oſteuropas, der in manden 
3 en, wohl befonder& den Schwärmen der Heu: 
reden, bie fein Lieblingsfutter ausmachen, fol: 
gend, aud in Deutſchland ſich und oft zahlreich 
zeigt Der R. iſt von Staargröße, mit einer Haube 
auf dem Kopfe, der wie Hals, Flügel und Schwanz 
chwarz mit metalliihent Schimmer ift; das übrige 

eder ift wie der Schnabel rojenrot. Die bei 
uns gelegentlih auftauchenden N. geiellen gs gern 
zu Ze nahen Verwandten, den gemeinen Staaren. 

enftein, ſ. Nojfette, 

No ein, tl Landhaus bei Cannftatt (f. d.). 

Nofenitield Grün oder Bargummanga: 
nat, f. unter Daryum (:Berbindungen). 

Rofenthal, Stadt im preuß. Negierungsbezirt 
Kaſſel, Kreis gen in einem rauben Thale 
des Burgwaldes, an der Bentreff, 272 m über dem 
Meere, Sit eines Amtögerichts, zählt (1880) 1103 E. 
und hat Nagelichmiederei. 


837 


Mofenthal, Fabrildorf in ber böhm. Bezirks: 


&b | hauptmannſchaft Reichenberg, ander Lauſiher Neifle, 


mit Streihgarn: und Baummollfpinnerei, Woll: 
und Baummollweberei, Tuchwalle, Biegelbrennerei 
""rofenthal (Mor), Bhofiolog, geb. 16, Juli 

ofenthal (Iſidor), Phyfiolog, geb. 16. Juli 
1836 zu FAN im preuß. Rn Ne 
Bromberg, von israel. Abkunft, befuchte das Gym: 
nafium zu Bromberg und bie Univerfität zu Berlin, 
wo er Medizin und Naturwifienichaften ftubierte, 
wurde Dftern 1859 Ajfiftent am Phyſiologiſchen 
Inftitut daſelbſt, habilitierte fich 1862 ala Privat: 
docent ebendort, wurbe 1867 außerord. — 
p Berlin und wirkt feit 1872 als ord. Profeſſor 

. yſiologie und Befundheitspflege zu Erlangen. 
Er ſchrieb außer verihiedenen Abbanbfungen in 
wiſſenſchaftlichen Beitihriften: «Glektricitätslehre 
für Mediziner» (Berl. 1862; 2. Aufl. 1869), «Die 
Atembewegungen und ihre Beziehungen zum Ner- 
vus vagus» (Berl. 1852), «jur Senntnis ber 
MWärmeregulierung bei den warmblütigen Tieren» 
—— en 1872), «Ziele und Ausſichten der Geſund⸗ 

eitpfleger (Erlangen 1875), «Bemerktungen über 
die Thätigleit der automatifhen Nervencentra, 
befonder8 über die Atembewegungen» (Erlangen 
1875), «Allgemeine Phyfiologie ber Nusteln und 
Nerven» (Lpj. 1877). N, ift Nedacteur des «Central: 
blattesfür ——— —— 1863fg.) 
und der deutſchen Ausgabe der «Internationalen 
wiſſenſchaftlichen Bibliothek» (em. 1873 fg. 
ofentuch oder Shmintläppdhen, 
Bezetten. 5 

NRofenwaſſer iſt eine Löfung von Roſendl in 
Waſſer, die bei der Deftillation des Nofenöls als 
Nebenprodult gewonnen wird, Das offizinelle N. 
—— Rosae), welches nach der Deutſchen Phar—⸗ 
malopde von 1872 noch durch Deſtillation von 
2 Teilen frijhen oder 3 Teilen eingefalzenen Roſen⸗ 
blättern auf 10 Teile Deitillat bereitet wurbe, wird 
jept (nach der Pharmatopde von 1882) einfach durch 
Scütteln von 4 Tropfen Nofenöl in 1000 g lau: 
warmen Waflers bergeitellt, 

Nofenwidler, f. unter Blattwidler, 

Rofentwurz, . unter Sedum. 

Nofedl, f. unter Rofenöl, 

Nofeöla (lat.), Hautausihlag, bei welchem 
linfengroße umfchriebene rote Fleden in der Haut 
entitehen, bie unter dem —— erblaſſen und 
nach wenigen Stunden oder Tagen und meiſt a. 
Abſchuppung wieder verfchwinden. Solde Roſeo— 
len entiteben häufig mus mechan. oder diem. 
Schaädlichleiten (dur die Sonnenhike, übermäßi: 
ges Schwiben, durch Einreibung mit Örauer Salbe, 
durd die äbenden Borftenhaare mander Raupen 
und Pflanzen, nach dem innern Genuß von Kopaiva⸗ 
baljam, Kubeben u. dgl.), begleiten aber auch nicht 
felten als ſymptomatiſche Affeltion  fieberhaite 
Magendarmlatarrhe, den Typhus, die Syphilis 
und andere nfeltionstrankheiten, Cine bejondere 
Behandlung erheifcht die R. nicht, da fie meift mit 
der Befeitigung der Grundurfade oder der vorhans 
denen innern Krankheit von jelbjt verſchwindet. 

Nofer (Wilh.), Chirurg, geb. zu Stuttgart 
26. März 1817, wurde 1841 Yrioatborent der Chi: 
rurgie in Tübingen und verband fih mit Wunder: 
lih zur Herausgabe des «Archivs für poolioion- 
Heilkunde, Nahdem R. wenige Jahre die Stelle 
eines Hofpitalmundarztes zu Reutlingen innege: 
habt hatte, wurde er als Profeſſor der Chirurgie 


. unter 





838 


nach Marburg berufen. Er übte als Forfcher und 
Lehrer großen Einfluß auf die Entwidelung der Chi: 
rurgie. Außer zahlreichern tleinern Abhandlungen 
ſchrieb er «Handbuch der anatom, Chirurgie» (Tüb, 
1845; 8. Aufl. 1883) und « Chirurgifch:anatom. 
Vademecrum» (Stuttg. 1847; 6. Aufl. 1880). 

Rose reooup6e, f. u. Nojette (Ebelitein). 

Nojeihed Mietall, eine —— beſtehend 
aus 1 Teil Zinn, 1 Teil Blei und 2 Teilen Wis: 
mut, welche ſchon bei 94° C. fchmiljt. 

Rofette, auh Roje, Roſen- oder Rauten— 
ftein, nennt man einen Edelſtein, namentlich einen 
Tiamant (f. d.), wenn er jo geſchliffen ift, daß ſich 
über der ebenen Grundfläche zwei Reihen triangus 
lärer Facetten erheben, von denen die ſechs ober: 
ften, die Sternfacetten genannt, in eine Spibe zus 
fammenlaufen und fomit eine Pyramide bilden, 
Gekrönte R. haben 6 Stern: und 18 Querfacetten, 
die bei der Brabanter Rose fladyer liegen. Die 
Roserecoup6e dat 12 Stern: und 24 Quer: 
facetten. Stüdrojetten heißen Heine R., wovon 
100—160 auf ein Karat gehen. Brioletäö gleichen 
zwei mit ber Grundfläche aneinander geſeßten R. 

Nofette (fe), ein oft vorlommendes Ornament 
in Relief oder Malerei, welches, die Form einer 
alleinftehenden , eg Bern Blume 
(Nofe) mit radial — lättern hat, , 

ofette, arab. Rajchid, das alte Bolbitine, 
Stadt in —— int$ an der Mündung bes 
weitl, Hauptarms des Nils, hat eine fchöne Yage, 
zahlreiche Mofcheen und durch die fie umgebenden 
Gärten ein fehr beiteres Anfehen. Die Stabt, mit 
Damanhür und Alerandria durch Eifenbahn ver: 
bunden, zählte früher, bevor ihr Handel durch den 
Mahmudiehlanal nad Nlerandria gezogen war, 
40 000 E., 1832 nur nod) 16666, worunter viele 
Griehen und Kopten, welde einige Induſtrie in 
Weberei und Ölfabrilen Schiffbauerei und Handel 
mit Reis betreiben. Bei dem Fort St.:Qulien, 
7,5 km im NNRW. von R., wurde 1799 die berühmte 
dreifpradhige Inſchrift gefunden, die für die Entziffe: 
rung der Hieroglyphen fo —— % ie 
ift eine Stele von ſchwarzem Bafalt und jept im 
Britiihen Mufeum zu London, 

Nofettenfupfer, gebaases Kupfer, Gar: 
fupfer, gen enprobuft der Rupfergewinnung 
ift ein durch andere Metalle und namentlid) dur 
Kupferorybul noch verunreinigtes Kupfer, welches 
durch reduzierendes Echmelzen in hanımergares 
Kupfer zu verwandeln ijt, 

Rofetti (Ronftantin), das langjährige Haupt der 
ultraliberalen Partei in Rumänien, geb. 1816, 
mußte 1848 als Hauptbeteiligter an der damaligen 
Revolution flüchten und lebte mit feinem Freund 
Bratianu mehrere Jahre in Paris. In fein Vater⸗ 
land zurüdgelehrt, gründete R. das demofratifche 
Organ «Romanul», weldyes er bis zu feinem Tode 
redigierte. R. war mehrmals Minifter und Nam: 
merpräfident, wirkte aber hauptſächlich als journa: 
liſtiſcher Agitator. Er ftarb 19. April 1885. 

Rosheim, Stadt im Kreiſe Molsheim im elfaß: 
lothring. Bezirke Untereljaß, 25 km fübweftli von 
Straßburg, an der Linie Jabern: Schlettitadt der 
Elia Sothringifcen GEifenbahnen, Sit eines Amts: 
gerichts, zählt (1880) 3602 meiit kath. Einwohner 
und hat eine der ſchoͤnſten und beiterhaltenen ir: 
hen der roman. Zeit, die St. Peter und Pauls: 
firhe, aus der Mitte des 12. Jahrh. ftammend, 
1860 ftilgemäß reftauriert. R, war beutjche Reichs: 


Rose recoupee — Rofinen 


ftadt und gehörte dem Bunde der zehn Laiferf. 
Städte an. Im J. 1132 wurde e3 durch Herzog 
Friedrich von Schwaben verheert, 1214 von den 
Lothringern eingenommen und geplündert. Durd 
die Armagnalen hatte R. viel zu leiden (1444); 
im Dreibigjäbrigen Kriege (1622) nahmen bie 
Iruppen des Grafen von Mansfeld die Stadt ein. 
Rosiöre, j. Roſenmädchen. 
Rofieren, roſa färben, 
Nofiered:aug-Salined, Stadt im franz. De: 
part, Meurtheset:Mofelle, Arrondifiement Nancy, 
lint3 an der Meurthe, Station der Linie Paris: 
Deutſch⸗Avricourt der Dftbahn, zählt (1881) 23% E. 
und hat Gipsbrüdhe, Woll: und Baummollipin: 
nerei, Tuchfabrikation und verlafiene Salinen. 
NRofierfalz, in der Türkiihrotfärberei Bezeich: 
nung N das Binnfalz oder Zinndlorär. 
ofifloren nannte man früher die Gruppe von 
Planzenfamilien, die jegt zur Familie ber Rofaceen 
(j. d.) vereinigt werben. 
Rofinen (Passulae majores) find die getrod: 
neten Weinbeeren wärmerer Gegenden. Entweder 
find fie an der Sonne getrodnet oder auch im Ofen 
edörrt; jene fchmeden fehr ſüß, diefe aber etwas 
NAuerlic, Man unterjdeidet zunächſt große R. oder 
GCibeben und Heine R. oder Korinthen. Die großen 
Nofinen ftammen von großbeerigen Weinjorten 
mit runden oder länglidhen Beeren und werben wie: 
der je nad dem Lande benannt, in welchem fie 
wachſen: framönfde, calabrefiiche, ſpaniſche, levan⸗ 
tiſche große R., welche zuſammen als die vorzäg: 
lichſten Roſinenſorten gelten. Unter den ſpaniſchen 
werden wieder beſonders bie Muslatroſinen, bie 
Sonnenroſinen (am Stode in der Sonnenhitze ge: 
trodnet), bie Blumenrofinen, Malagarofinen und 
Leriasrofinen geihäst. Die beiten fiſchen R. 
fommen aus Languedoc und der Provence, 3. B. 
die Jubis, Piccardrofinen u.f. w. Unter den ita- 
lieniſchen R. find die calabrefifhen wegen ihres 
ihönen Fleiſches und lieblihen Geſchmads 
und fommen an Füben gereiht in großen Ma 
in den Handel. Die Rofinenforten von längli 
Beeren werden hauptiählid Cibeben genannt 
und wieder in viele Sorten unterſchieden, mie 
ſmyrnaiſche, bamascener und Pideibeben. Am be 
rühmteiten find die honigfüßen fpan. Bidcibeben 
oder Bidrofinen, welde, nachdem die Trauben 
abgef&hnitten worden, in eine aus Weinrebenajche 
bereitete LZauge getaucht und dann in ber Sonne an 
freier Luft getrodnet werden follen. Bei dieſem 
Berfabren fpringen die Beeren häufig auf, der Saft 
gerinnt an der Luft und die Trauben gleichen dann 
einer mitteld Zuder, zufanımenbängenden Mafle. 
DiedamascenerCibeben oder. oder Raiſins 
de Damas, welhe aus der Levante und einigen 
Gegenden de3 jüdlichften Europa kommen 
fänglihrund, plattgedrüdt, runzelig, von braun 
gelber Farbe, oft ohne Samenkerne und werden 
aewöhnlid in Schadteln zu 15—60 Pfd. in den 
Handel gebracht. Unter allen R. werben diefe am 
häufigften al3 Zufat zu Bruftthee in den Apothelen 
verwendet. Eine etiwa3 kleinere Eorte große R. 
ohne Kern findunterdem Namen Sultanarofinen 
befannt und kommen hauptfählid von Smyrna zu 
uns, Die in ganzen plattgedrädten Trauben in den 
— fommenden, meiſt in S teln gelegten 
eſten Roſinenſorten, welche als ert allgemein 
beliebt find, heißen Traubenroſinen. Die 
Heinen (fernlofen) Rofinen oder Korinthen 


NRofini — Rosmini Serbati 


Passulae minores), welde von einer Abart 
g. Weinrebe bauptjächic auf den —— Inſeln 
und in Griechenland gewonnen we ben ihren 
Namen von der Stadt Korinth. Der ojinen: 
wein, der aus R. und Wein durch Gärung be: 
reitet wird, war ſchon den Alten unter dem Namen 
Vinum passum t und ein Lieblingägetränt 
ber Nömerinnen. Jetzt braudt man die großen 
— ur Fabrilation —— 


uslat: und Canarienweins (Canarienſects), ins 
bein man —— Wein mit dag en: 
gen von der, verſchiedenen Gewürzen und 
ätherijchen dien verjeht und — Hefe in —— 
bringt. rilation dieſer ſog. Fagonweine 
wird in * und i —* Deutſchland an mehrern 


Rofini (onann), ia ital. Dichter und Roman: 
u —— uni 1776 zu Luci ri * 
— die Se m» —* 2 — 1804 

. Litteratur wurde Vermãhlun 
Raiiers Napoleon I. mit Dr Luiſe (1810) ung da 
er die Dichtung « Nozze di Giove et di Latona», 
Hiſtor. —— von ihm find: «La signora di 
— Ar Piſa 1829; deutich von Lehmann, 
E ie trozzi, storia del secolo 
x » a (a Ehe. „Piſa 1833; deutfch von Reumont, 
2p5. 1835) und «Il conte Ugolino della Gherar- 
desca ed i Ghibellini» (Mail, 1848), Seine 
bramatij Arbeiten find unbedeutend. Seine 
«Storia della pittura italiana» (Pifa 1838 fg.; 
2. Aufl., 7 Bde., Piſa 1848—52) hat nur wegen 
ihres reihen Kupferſtichatlas . R. ftarb 
iſa. Bol. Boxolini, «Vita ed 
opere di Giorann; R.» * 1855). 

—* Georg Guſt.), m ie pr ‚hai . Theo: 

geb. 30. ang. 1814 zu Preß bierte in 

Wa⸗ und Wien Theologie, ii 1 Docent an 

der evang. Lehranftalt zu Wien und übernahm hier 

1847 die Bertretung altteftamentlichen Lehr⸗ 
lanzel; 1850 wurbe er zum ord. Profeſſor ernannt, 
1864 in den öfterr. Unterrichtörat beru 


. Sei 
ol, Sta ft ört N. der ieden 
— Er ſchrieb: een 
Itertümer in (Wien 1857), Sim: 
un gm au d Bedeu: 


des Teu 
— —— — —* —J2— Ar 
— er⸗ 


880). 
‚ ia tiiche Selte d 
—————— it, | asto sr ten. — 
— her Beben * —— —— 
im Fichtelgebirge, mündet auf der bahr 


öhm. 

im. One, Kreisftadt im ruf. Gouvernement 
Smolensk, auf dem li ber Diter, Station 
der Gifenbahn Drel-Witebst, mit (1882) 9053 G. 
die lebhaften Sanbel mit Getreide, Flachs Hanf 


und Tabal treiben. 

Nösler (Hiobert), d. Julius mebifeib, 
Se titeller, ya 6. ver ud, u Köthen, wid: 
—* zunãchſt Handel, 1, gin 1861 na 

und trat 4 in die Reda «Mitt 
nd Vollszeitung», bie er von 1864 bis 1866 
—5 ‚Bon 1867 bis 1870 lebte er teils 


teils in Höfen, wurde 1870 Redacteur 
— in Bielefeld und 1872 
—————— Zeitung» in Königẽ 


edacteur 
Er 


839 


farb 18. Mai 1881 in Königsberg. R. ſchrieb zahl: 
reiche Nomane, wie 3. B. «Ehre» (4 Boe,, dien 
1862), «Ein Weg zum Throne» —E 1862), 
«Mittel und Zwede⸗ (Anklam 1863; 3, Aufl. unter 
dem Titel « Pater Bernhard, Eine Hof- und Se: 
ntenge eihichter, 2 Bde., Zerbit 1871), «Fürs 
Vaterland» (2 Boe., Jena 1866). Bu feinen 
geſchichtlichen Arbeiten gehören «Theodor Körner. 
Gin deutſches Lebenzbild» (Anklam 1862), Zwanzig 
et —5 — 1848 68 (2Bde. ep. 1869; 
Aufl. 1870), «Deutihlands Verteidi un alampf 
—* ankreich» (3. Aufl., Bielef. 1872), «Gugenie, 
die Erkaiferin der Franzofen» (Bielef. 1870). 2y: 
riihe Gedichte veröffentlichte er in den Samm: 
ungen «Wilde Beilhen» (Lpz. 1859), «Eyanen» 
ufl., Anllam 1862), eh 8 deutiche Lieder » 
—— 1869), «Totentrãnze⸗ (Anklam 1661). 
Rosmarin (Rosmarinus officinalis L.), zur 
Genie der Lippenblütler gehriger, immergrüner 
albftraubh von 1',—2 m Höhe und die einzige 
Art jeiner Gattung, in den Mittelmeerländern ein: 
heimiſch, wo er im dürrften, der heißen Sonne aus: 
ejekten, faft alles andere 9 Hanzenleben aus: 
— Boden vorkommt = oft ſchon an 
dhönen zutage feine blafblauen Blüten ber: 
vorbringt. Er ift durch ganz Europa befannt und 
oft empfindlich in Töpfen unter: 
erbit aus dem Lande in Töpfe 
ep ge und in einem froftfihern, trodenen und 
ellen Kaum überwintert. Die lederartigen, linien: 
—— am Rande umgerollten, oben * 
unkelgrünen, unten graufilzigen Blätter rie 
ſtart gewürzhaft und —— — viel ätheriſche 
Hl und in dieſem vielen frei darſtellbaren Pier no 
Im Mittelalter galt diefe Pflanze für peitwidrig, 
weshalb noch jept bei Begräbnifjen auf dem Lande 
die Leidtragenden Rosmarinftengel in den Händen 
tragen. Man hat von diefem Straude zwei Spiel: 
arten, eine mit gold» und eine mit filberbunten 
Blättern. Das Kraut wird in der Küche beim Ein: 
pöfeln, beim Marinieren der Fide u. f. w. als 
Gewürz benugt. Man erzieht den N. leichter aus 
Stedlingen alö aus Samen. 
Nodmarin (wilder), f. unter Ledum. 
Nodmini (Carlo de’), ital. Schriftiteller, Re 
29, DE. 1758 in Roveredo, veröffentlichte eine Reihe 
von —— u berä * —— aus alter 
und neuer Zeit: des Ovid rrara 1789; 
2. Aufl., Mail. 1821), — retti (1799), 
des Seneca (Roveredo 1798) und die «Memorie 
sulla vita e sugli studj di Clemente Baroni Ca- 
valcabo » (Roveredo 1798), Später jun : «Vita 
e disciplina di Guarino Veronese, e de’ suoi dis- 
cepoli» (3 Bde. Breäcia 1805). Im J. 1808 lieb 
er ſich in Mailand nieber, wo er das Leben bes 
Francesco Filelfo (8 Bde,, Mail, 1808) und das 
des berühmten Generals ian | Jacopo Ag 
2 Bde., Mail. 1815) ericheinen RYy ein grö 
ert ilt die « Storia di Milano» (4 Be, 
1820), weldye aber nur bis 1535 reicht. (Die 
fehung berjelben bis 1740 ift Ir gebli 
Er ftarb zu Mailand 9. Juni 182 
Nosmini Serbati ( —— ital. Philoſoph, 
geb. 25.März 1797 zu Roveredo, ſtudierte zu Trient 
und Padua, trat 1821 in den” geiftlichen Stand, 
wuchs Weltgeiftlißer 4 u Roveredo, zog ſich fpäter 
Strefa am Lago: Maggiore zurüid, wo er einen 
bilof. Freunde um fich ſammelte und 1. Juli 
1808 Hart. An den Platonismus anknüpfend, 


wird al3 gegen 
ae ober im 


it 


en) 


den Senfualismus fowie das Steptiiche im Hriti- 
ismus befämpfend, bildete er einen reli a pi —* 

— aus, durch welchen er ſi 

um Teil hervorragende Anhänger ech "late 

Er zahlreichen und fehr in die Breite gehenden 

Shriften find die bebeutendften: «Nuovo sag > 
sull origine delle idee» (Rom 1830; 5. Aufl., 
rin 1855), «Il rinnovamento della filosofia in Ita. 
lias (2Bbe., Turin 1836; 2. Aufl. 1840), «Filosofia 
del diritto » (2 Bbde., Turin ee Nah 
feinem Tode erfchienen noch «Opere postume» 
(5 Bde, Turin 1859—74). Val. Tommajeo, «An- 
tonio R.» (Turin 1855): Pilla, «Kant e Rosmini» 
(Zurin 1869); Cafara, «ll sistema filosofico Ros- 
miniano » (en. 1874): — ae und 
feine Schule» (Wien 1884) 

Nosny (Leon de), nambafter franz. Drientalift 
und Ethnograph, geb. 5. Aug. 1837 zu 2008 (im 
Nordbepartement), wurde jchon in feinem 15, Jahre 
Schüler des Sinologen Stanijlas — und er: 

ielt 1868 an der Spezialichule für lebende orient, 

prachen in Paris bie Srofeihur der japan. Sprache 
und Litteratur. R. ftiftete 1859 die Societ& orien- 
tale et americaine, die jpäter in eine Socidts 
d’Ethnographie umgewandelt wurde, begründete 
mebrere Gefell aften und Zeitichri ften und rief 
die internationalen Kongreſſe ber ——— ins 
Leben. In der neuern Zeit wandte er ſich auch den 
noch rät Pag Terten Mittelamerilas zu. Unter 
feinen —— ſind hervor — «aVocabulaire 
chinois-cor&en-aino» 1861). udes asiatiques» 
(1864), «Apersu de la langue cordenne» (1864), 
«Dictionnaire des signes id6ographiques de la 
Chine» (1867), «De l’origine du langage» (1869), 
«Trait& de l’Cducation des vers & soie au Japon» 
(aus dem Japaneſiſchen, 1871), «Anthologie ja- 
—— (1871), «Archives —— hiques de 

'Orient et de I’ Ämeriques (187 * löments de 


la grammaire japonaise» (1873), ammar of 
the chinese language» (Yond. lee ai-kau-ki» 
(aus dem Yapanefiihen, 1875), «Interpretation 


des anciens textes Mayas» (1875), «Essai sur le 
döchiffrement de l’&criture hieratique de VAmé- 
rique centrale» (1876), «Les documents &crits 
de l’antiquits americaine» (1880), die Herausgabe 
des — — «Codex Cortesianus» (1883). 
Rosny⸗ſous Bois, Dorf im franz. Depart. 
Seine, 6 km öftlid von Paris, Station der Linie 
Raris: Petit: Croir der Öftbahn und ber Pariſer 
Gürtelbahn, mit 1300 E. und einem zur nordöſtl. 
Linie ber Vefeftigung von Paris gehörigen, 1842 
erbauten gms — liegt der Mont-⸗Avron . d.). 
Rofoglio (vom ital. rosolare, d. i. lochen, 
röften), — ofjöli genannt, ber Name verſchie⸗ 
dener aus Italien kommender Liqueure, die aus 
Drangenblüten, Drangenfrüchten und Gewürzen be: 
reitet und in Schilfumflochtenen Slafchen befonders 
von Trieft, Udine, Venedig, Turin, Bologna und 
Neapel aus zur Verfendung kommen. Bisweilen 
wird aud) der Marasquino als N. bezeichnet. 
Ruin fäure, GCorallin, Aurin, Tropäo: 
lin, Bäonin, Phenol rot, Serichorot, ein 
fchöner roter Farbftoff, der auf ee Meife 
aus der Garboljäure oder dent Phenol ſich dar: 
ftellen läßt. Nach der von Kolbe und R. Schmidt 
angegebenen Methode werden 3 Teile Carboljäure 
mit 2 Teilen — Dralfäure und 4 Teilen 
fonzentrierter Cchwejeljäure fünf Stunden lang 
nuf einer Temperatur von 140 bis 150° C. erhalten 


Rosny — Roß (Stadt) 


5 * Bott in —— 
— en, wobei ae 


—* rün 
— nn = 
fowfly, indem man äure mit 


len — u ——— ae 


den im Wa 

mwäflerte lie * 

—* em — ſich ie 
man die Temperatur auf es —J * un 

die Maſſe 24 Stunden la Märme oder 


fo lange, bis die Gasentw ran ſchwa 
worden iſt und eine Probe ze. — * Bun 
dunfel gefärbten, bidli 

wird dann in eine reichliche —— von ut Di ge: 
sofer und — mit Waſſer ausgelocht, wor: 


ber Farbſtoff als grüne, ſpröde metal 
——— — 
erreiben ein ulver, m 
m in Altobol, wird aber von Alta: 
ien ſchön rot. Aus der alloholiſ ung läßt 
ich die N. in nabelförmigen len —— 
ie ſich aber in Allohol mit 
man bezeichnet eig diefes Bräparat als ge * 
niet äure von in roten 
Rotloljäureo er Bäonin wel 
indem das Gelbe mit wä erigem —— 
140 100 erbipt wird, iht man N. mit 
Anilin und etwas Eijigfäure — it on 
reinem Anilin auf 180° C., 
——— —* aa 
en Farbito e nee dee 
bindung, fondern ein Gemenge Kör: 
er. I ac den Unterfuchun —— be: 


ee be oe maſſe na sm 0 

Pſeudo-Roſo —** O,, metalli 
* Kryſtalle, die im durchge — 
unlelroſenrote, im —— Licht eine 
voll metallgrüne Farbe zeigen; diefe N. ir von 
aus Auchfin t dargeftellten, mit ber fie iſomer 
verſchieden. Ferner lommt darin eine andere 


# 


Hin 


rote R. vor, bie in en ——— en mit 
blauem F}lä enihimmeru artem lanz auftritt. 
Beide R. löfen fich in A mean 


den aberin Altalien an ade 
wurde noch ein dritter ——— in vi 
förmigen era hs — — a 
Jar Mi gu ——— * le 
rbentöne zwi nrot um 
kin zu erzeugen — benupt fie ferner zur Dar: 
ellung von 


. 


dfarben und in ber 

brilation. Leider befiken bie Farben 

Die früher behauptete 

wendung der N. wegen angebli 
fih als unbegründet —— ne 
wendung bat die. in der analytifchen 
ee bei acidimetriihen und alfa 

perationen gefunden, Verſeht man eine 
oder faure Fluſſigleit mit einer fo 






einer —— — - es —* dadurch 

nicht gefärbt e —— 

überſchuß von Alkali eine — — 

auf, und umgekehrt tritt momentane Entfärbung 

ein, er eine dur N. rofa te che 

Flüffigleit durch Eine gerabe überfättigt if. 
— ea 14 —— ge bug in 

geogr. Namen, namentlich 


Stadt in der en hh Gra 
fing * Wye, ———— Bi —3 — 


Roß (Stadt) — No (Lubm.) 


Glouceſter und ge | ber Great: 
—— zählt (1881) 3724 E. und hat lebhaften 
Handel mit Getreide, Obſt und Malz. 

Rofß (Rew Roß), urſprünglich Rosmictrein, 
Stadt in der iriſchen Ri Leinfter, Grafſchaft 
Berford, lints am Barrow, der bis hierher zur 
ey für Seeſchiffe von 800 t ſchiffbar ift, zählt 
1881) 6630 E. und bat einen Hafen, unter: 
hält Gerbereien, Brauereien und bedeutende Korn: 
und Fiſchmärlte. j , 

Rof (Sir John), brit. Seefahrer, geb. 24. Juni 
1777 in Schottland, trat ſchon 1786 in den Marine: 
dient. In dem Kriege gegen Frankreich zeichnete 
er fg durch Mut und feemänniiche Tüchtigkeit aus 
und ſchwang fich bis zum Kommandeur auf. Als 
Poſtlapitän erhielt er 1818 den Befehl über die zur 
GEntdedung einer nordweſtl. Durdfahrt ausge: 
rhiteten Schiffe Jfabella und Alerander, mußte je: 
doch noch in demfelben Jahre unverrihteter Sache 
—— Durch die Erfolge Parrys angeregt, 

ewog er 1829 feine Freunde zur Abfertigung einer 
neuen Erpedition, verbrachte vier Winter unter 
außerordentlihen Mübicligleiten im Eiſe des Art: 
tiſchen Meers und traf, nad) Entdedung des mag« 
netiſchen Pols und der Halbinfel Boothia = elir, 
im Oft, 1833 wieder in England ein. Er beidrieb 
dieje Reife in dem Werle « Narrative of a second 
voyage in search ofa North-West passage» (Lond. 
1834 ; deutſch von Beder und em il, 2Bde.,2p3., 
1845). (S.Nordpol:Erpeditionen.) Später 
wurde er zum engl. Konſul in Stoddolm ernannt 
von wo er im Sonmer 1846 die fühne Reife na 
England in einem Heinen Boote in Begleitung nur 
eines einzigen Matrojen unternahm. Alsdann bot 
er jeine Dienſte — Aufiuhung Franklins an und 
machte fich 23. Mai 1850 mit dem Schiffe Peliz und 
dem Lichter Mary auf den Weg. Cr gelangte im 
September nad dem Wellingtontanal, überwinterte 
in der Aififtancebai, bie er erft im Aug. 1851 wieber 
verlaſſen konnte, und fehrte, da er feine Möglid: 
leit ſah, den Wellingtonfanal hinaufzulommen, 
25. Sept. 1851 nad) der Weſtkuſte von Schottland 
jurüd, Während feiner Abweienheit war er zum 
Kontreadmiral aufgerüdt. Gr jtarb 30. Aug. 1856. 
Bon feinen Schriften find noch zu erwähnen: «A 
treatise on navigation by steam» (2. Aufl., Lond. 
1837) und « Rear admiral Sir John Franklin, a 
narrative» (Pond. 1855). 

Rok (Sir James Clark), Neffe des vorigen und 
ala Reijender nicht minder berühmt, geb. 15. April 
1800 zu Balſorrah in der iriſchen Grafſchaft Gal: 
way, widmete ſich aleihfall® von Jugend auf dem 
Geeleben und begleitete feinen Obeim auf deſſen 
— Nordpolfahrt 1829, zu deren wiſſenſchaft— 
ichen Ergebniſſen er das meilte beitrug. Nach der 
Rüdtehr 1834 zum Boftlapitän ernannt, unternahm 
er 29. Sept. 1839 mit den Schiffen Grebus und 
Terror eine Erpedition nah dem Südpol, welde 
vorzüglich der Beobachtung des Erdmagnetismus 
gewidmet war. Auf derſelben entdedte er 11. Jan, 
1841 unter 70° 47’ ſudl. Br. und 172° 36’ öſtl. 2. 
das füdlichite befannte Land, das er im Namen der 
Königin Victoria in Befig nahm. Am 2. Febr. 
brang er nach mannigfahen Gntdedungen bis zu 
78° 10’ fübl, Br., dem ſudlichſten Punlte, der je: 
mals erreicht wurbe, vor, mußte aber des Eiſes 
wegen zurüdtehren und fam 4, April wieder in Tas: 
manien an. {m lekten Viertel des J. 1841 fegelte 
bie Erpebition über Neufeeland von neuem nach den 


841 


Sübdpolarländern ab, um bie bort begonnenen 
magnetijhen und geogr. Unterfuchungen wieder 
aufzunehmen, traf aber auf eine große Eisſchranke, 
fodaß fie nicht jo weit vorbringen konnte, als im 
vergangenen Sommer. Obſchon R. 9700 km weiter 
oftwärts fuhr als das Jahr vorher, waren doch alle 
Bemühungen, zum magnetischen Kole I gelangen, 
vergebens. Eo fegelte er nad den Falllandsinſeln 
— von wo er 17. Dez. 1842 zu einer dritten 
——— nad) dem Sudpol auslief, welche 
nur zu der Überzeugung führte, daß hinter der 
mädtigen Eisſchranke, die N, 1841 entdedt hatte, 
ſich ein großes Feſtland befinde, welches vom 3770 m 
hoben Erebusvulfan unter 167° öjtl. 2. fi) 3300 
km ojtwärts erftrede, * daß es im Süben nur 
einen magnetischen Bol gebe. Hierauf trat N. die 
Hüdreife nad England an, wo er 4, Sept. 1813 
— * und 1814 die Ritterwürde erhielt. Cr 
legte die Nefultate feiner Forfhungen in den Ge: 
bieten des Erdmagnetismus und der Geographie 
in dem Werte «Voyage of discovery and research 
in the Southern and Antarctic Seas» (2 Bde., 
Lond. 1846; deuti von Seybt, Lpz. 1847) nieder. 
R. erhielt 1848 das Kommando ber zur Aufſuchung 
dranklins beitimmten Schiffe Enterprife_ und In: 
veitigator. Er überwinterte im Leopoldshafen und 
organifierte im Frühling 1849 mehrere Schlitten: 
partien, deren wwichtigfte unter feiner perfönlichen 
Zeitung die nördl. und weſtl. Geftabe von North: 
Somerjet bis 72° 38’ nörbl. Br. burchforfchte. Na 
bem er mit je erihöpften Leuten zu den Schif⸗ 
fen zurüdgelebhrt, wollte er nun no Welling⸗ 
tontanal unterſuchen, lonnte aber erſt Ende Augu 
aus dem Eiſe herauslommen und mußte dann 
feinen Weg heimwärts ſuchen. Am 27. Sept. 1849 
erreichten die Schiffe unbeſchädigt die Orkneyinſeln. 
R. ftieg 1. Dez. 1856 zum Hontreabmiral auf und 
ftarb zu Aylesbury 3. April 1862. 
dw.), verbienter Philolog und Alter: 
tumsforſcher, geb. 22. Juli 1806 auf dein Gute Alte: 
foppel im Kirchſpiel Bornhöved in Holitein rn 
in —— und —— begab ſich 1832 


Pi 
s 


nad Griechenland, wo er 1833 das Amt eines Kon: 
ervators der Antiquitäten im Peloponnes, 1834 

3 eines Eüertonnpatare mit dem MWohnfik in 
Athen, und nachdem er dieſe Stellung 1836 aufge: 
geben hatte, 1837 die orb. ee ber Ardäologie 
an der Univerfität zu Athen erhielt. Im J. 1813 
nahm er feine Entlaffung, machte nod mehrere 
Reifen nad) den griech. Inſeln und Aleinafien und 
folgte 1845 einem Nufe als Profeſſor der Ardäo: 
logie an die Univerfität Halle. Wegen anhalten: 
ber körperlicher Leiden machte er 6. Aug. 1859 
feinem Leben freiwillig ein Ende, R. bat durch 
feine Schriften höchſt ſchäßbare Beiträge zur Kennt— 
nis fowol des alten Hellas, ald auch der modernen 
Zuftände Griehenlands geliefert. Dahin gehören: 
«Die Atropolis von Athen nad ben neuelten 
Ausgrabungen. Erſte Abteilung: Der Tempel der 
Nite Apteros» (mit Schaubert und Hanfen, Berl. 
1839), «Reifen auf den griech. Inſeln des Agäiſchen 
Meers» (4 Bde., —— Halle 1840-52), a Rei⸗ 
fen und Reiſerouten in Griechenland» (Bb. 1, Berl. 
1841) und «Griech. Königsreifen» (2 Bde., Halle 
1848). Bon feinen archäol. und erigen hiſchen 
Arbeiten find hervorzuheben: aHandbuch der Archäo: 
logie ber Aunjt» (in neugriech. Sprache, Vd. 1, 
Athen 1841), «Inscriptiones graecae ineditae » 
(Heft 1, Nauplia 1834; Heft 2, Atben 1812; Heft 3, 


842. 


Berl. 1845), «Die Demen von Attifa nad W 
ſchriften » (Halle 1846), «Das Theſeion und 
Tempel des Ares zu Athen» (Halle 1852), «Arcänl. 
Aufjäpe» (2 Bde., Lpz. 1855—61), Dal. Keil im 
Vorwort zum jweiten Bande von R.' «Archäol. 
Auffägen» (Lpz. 1861), Jahn im Vorwort zu R.’ 
«Grinnerungen und Mitteilungen aus Griechen: 
— Berl, 1863). 
und Gromarty, urfprünglid zwei ges 
— Grafſchaften im nördl. Schottland, die jeht 
vereinigt find. Diejelbe zählt auf 8159,7 qkm (1881) 
78539 E. Roß, wozu aud) die nördl. Inſelgruppe 
der Hebriden (1. g gehört, nimmt ben bei weiten 
ößern Teil des ebietes ein, 853 nur die 
albinſel Bladc⸗⸗Isle im Oſten, "die Sand fhaft Coy⸗ 
S ber äußeriten Nordmweftküfte und mehrere 
—— liegende Entlaven. Die Oſtkuſte, 
befichen aus dem Diſtrilt Blad:Fsle oder der 
Halbiniel, die zwiſchen bem Beauley: und Inver: 
neß⸗ Firth Tiegt, und aus Eaſter⸗Roß ober der Halb: 
intel, die ſich any dem Cromarty: und Dornod): 
buien von A tmeh: Hirt bis Tarbet:Neb und Tain 
eritredt, ift verhältnismäßig flad) und fruchtbar. 
äh äuferjt zerfpaltene Weftlüfte mit ihren tief eins 
ſchneidenden Buchten und Fiorden, fowie das Bin- 
nenland ijt ein wildes Gebirgsland, weniger ro: 
mantiſch al3 raub und düifter, voll f&hro er Berg: 
rüden, enger Thäler und reich an Seen. Am eu, 
Bıoom fteigt der Ben:Derag zu 1115 m hoch au 
der 1043 m hohe Ben: Wywis ift der näch höchite, 
den größten Teil des Jahres mit Schnee bededte 
* der nördl. Hochlande. Die Bewäſſerun as des 
Landes iſt reichlich. Während der ſchmale Saum 
an der Dftlüfte trefflih angebaut iſt und reiche 
Ernten an Getreide und andern Feldfrüchten liefert, 
finden fich im Gebirgälande nur in manden Fluß: 
thälern artoffel:, Hafer: und — — 
beitändi ig Weiden in gr Ausdehnung, ſodaß 
wie im Often der Aderbau, jo bier bie ie zucht, 
bejonders die Schaf:, Rinder: und Zie enzucht, die 
—* Aftigung der meijt noch keltiſch vedenden 
andbevölferung bildet. In den Städten herr — 
dagegen einige 5 und das angeljä 
ment. In Roß ilt die Hauptftadt Tain, im —* 
alter Tane — am Dornochbuſen, Station der 
Linie Keith: Wid er Hochlandbahn mit 1742 E., 
Cijengieherei, Oarnfpinnerei und 2ederfabritation: 
in —— Cromarty, im Mittelalter Crum- 
bachty, ſudlich am Gingange des nad) ihr benannten 
Bufens, mit 1352 E., einem Hafen, 
Schiff stau⸗ und Se eltuchfabritation, Si 5 und 
Ma again ur Ai Fiſche, Salz und Rau 
Donovan:Nio ſſa genannt), irifcher 
Anitator, \ „ODonoan een) 

Rofamei fe (Formica herculeana, Tafel: In: 
fetten IV, Fig. 14), die größte europ. Ameife 
(Männchen 10-12, Weibchen 16—18, Arbeiter 
7—l4mım ro ſchwarz, mit Ausnahme bräunlicher 
Teile an Bruft und Beinen; —* nicht ſehr voll: 
reichen Baue finden ſich in tran! en Waldbäunten. 

Roffano, ig in der ital. Provinz 
Eofenza, 5 km von der Küjte des Golf3 von Ta: 
ranto, am Nordabhange des Silagebirges, Station 
ber Cifenba n rn er Siß eines Erz: 
biſchofs, zählt (1881) 18141 C und bat 14 Kirchen, 
ein Kaſtell, ein Seminar, einen Hafen, Dliventultur 
und in ber Nähe Aabaiter: und Marmorbrüce. N, 
mittellat. Rhusianum, aud) Rossanum ge 
börte von 6. bis 11. Jahrh. zum Byzantinifhen 


ifewerften, 


No und Eromarty — Roßbach (preuß. Dorf) 


Reich und iſt =. —* 1684 ne men — 


Hier wurde der 

Noſtba im 
der preuß. zoving Sachſen, zwilcdhen, 
und Merfeburg geleo en, iſt 
Schlacht, we — 5. Nov. Proben 
vereinigten Truppe en unter 


I 


in 


ſowie der fen fensarme une em 
von A — Prag —— 
Friedrich hatte ſeine — 
Derzog — ee in ber 
tung 
und konnte der unter ——— urn dem pie 
von Sadjien : Hildburghaufen vereinigten 
von 43000 Mann und 109 Gef 
22000 Mann und 72 Geihüpen 


Ai 


Zuglei rüdte der Herzog * — nad) der 
twaffnung bes Gumberland mit 
ie 30000 Mann en an Kama 
er vor, während der Hab: 
dit Berlin brandihapte, — der von 
Leipzig aus zur um: 
fehrte. Soubife und —— von 
BERN Be 
eldung fe 
Leipzig — ar Ki ——— 
2 war. > En 
2*— t 5* über 
die Saa ae fich auf den herchbare Silung dm 
ri, einjtweilen —— —— 
Mes en. 
ort mit um 
Dem Lager ber 
— a ben BER m in ber Sronte zu be 
auf, um en 
ſchaftigen oder von — — Das 
—— —** die linte —— es 
mi rechts ab, um bie Flante 
zu nt an und ihn im Rüden anzugreifen, Der 
* ab erſt um 2 Uhr ben 


bruch bes 5 und. 


* Ungeſehen von den 
die 
feinen See 


li mit der ganzen 
ben. Schortauer Hügeln weg und rechtet 
* geln weg ze zu ur 


ul 


terie und Artillerie folgten, 
der rechte 


— — mi 


1 Set v Kpei =: —* 
avallerie, faßte ſie in * 
einander und zur 
— — ax 
nterjlüßung en 
und vermehrte nur_ bie Ber 
batte ber König auf dem 
Uhr na ide 
welche die —— — die in 
Treffen marſchierte, — 
preußiſche einſ wenkte und 
Staffeln, fieben Bataillone unter 
ber Spi ‚zum Angriff et 
aufmarſchieren, 
floh, nachdem has feier faum ‚eine Bier 
gedauert hatte. Da brach Seiblig, der 
vallerie bei Neihartswerben geiannmelt 
die ungeordnete Mafie ein, —— alles 


—— 
ne en Die ehe Dat 








Roßbach (böhm. Stadt) — Roßdorf 


Ausnahme weniger Regimenter, welche Widerftand 
leiſteten, ſchon vorher die Flucht ergriffen. Der 
preuß. Verluſt betrug 3 Offiziere, 162 Mann tot, 
376 verwundet; die Verbündeten verloren 1700 
Zote. Der Gewinn des Tages beftand in 72 Has 
nonen, 22 Fahnen und Standarten und 7000 Ge: 
fangenen (einfhließlih von 2000 Berwundeten), 
worunter 8 Generale und 300 Offiziere; was aber 
diefen Sieg für Friedrich —— machte als dieſe 
Beute, war die Behauptung Sachſens. Die Bauern 
von Reichartswerben errichteten auf der Stelle, wo 
der Sieg ſtattfand, eine Säule; ein anderes Denkmal 
lich 1792 Bring Louis von Preußen und die Eben: 
ſchen, fpäter Göcingſchen Hufarenoffiziere auf: 
richten, Als Napoleon I. nad der Schlacht bei 





843 


1582 m über dem Meere. Nach S. fteil abfallend 
dacht fi der Bergitod nah N. allmählid zur 
Ebene des Baazerboden ab. Weſtlich ſchiebt er den 
Nufiberg gegen den Zugerfee vor, öjtlich den Kaiſer— 
ftod (1417 m) gegen. den Sigerifee. Aus ſüdſüdöſt— 
lich fallenden Nagelfluhbänten, Thon: und Mergel—⸗ 
ſchichten bejtehend, ijt der R. wegen feiner häufigen 
Bergrutſche berüchtigt, von denen derjenige von 

Goldau (f. d.) am 6. Sept. 1806 der größte it. 
Nokbrunn, bayr. Dorf im Regierungsbezirk 
Unterfranten, 12km weftlich von Würzburg, wurde 
nambaft durch das Gefecht am 26. Juli 1866, in 
welchem die preuß. Divifion geb in ben Dlorgen: 
ftunden die bayr. Brigade Bijot vom us erg 
ner 


und Heßner und die Brigade Haufer vom 


a ren me — 4 Kilometer. 
Tas Scqhlachtſeld von Roßbach. 

Schlachtfeld bei R. befuchte, umarmte er | veririeb, wobei das \nfanterieregiment Nr. 36 
—2 und he nad) — en, ine ſehr ſtarle Verluſte erlitt. Dann fam es noch zu 
neue Dentfäule ließ nad der Schlacht Fi zeiriig leichten Gefechten um R. und den öjtlid davon ge: 
das Bülowfhe Korps aufrihten, Friedrih Wil: | legenen Himmelreihwald, wobei Teile der preuß. 


beim IV. aber ein würdiges Dentmal, zu welchem 
am 100jährigen Gedädhtnistage (5. Nov. 1857) der 
Grundftein gelegt worden ift. Sturm, «Die 
Schlacht bei R.» reset 1857); von der Golp, 
«R. und Yena» (Berl. 1883). . “ 

—— Narktfleden in der bohm. Bezirks: 
bauptmannidaft Aſch, unweit der fächl. Grenze, 
tt Si eines deuticöfterreich. Orenzzollamts, nit 
Woll⸗, Baunmwoll: und Seidenwarenfabriten, 
Dampffärbereien und (1880) 4633 E. 

Nofberg, Bergftod der Schwyzer Alpen (f. 
Alpen, 22) an der Seeng der ſchweiz. Kantone 
Schwyz und Zug, erhebt fich dem Rigi gegenüber 
nöröli vom Goldauerthal und dem Lomerzerjee 
mit dem Gnippen und bem Wildfpik zu 1567 und 


Diviſion Beyer ——— Der Verluſt betrug bei⸗ 
rbery, urſprungli osalithri, 
Hafenſiadt in der iriſchen Prov. Munfter, Grafſchaft 
Cork, am Atlantijchen Ocean, ift (tath.) Biicojäht 
Nokdorf, Fleden im fahlen:meining. Kreile 
Meiningen, im Amte Wafungen am Roſabach ge: 
legen, mit Pfarrkirche, zwei en und Barf, 
wird fhon im 8. Jahrh. urkundli gem und 
gehörte zur Graficaft —— . wurde ge: 
Ichichtlich nambaft im Deutichen Kriege, in welchem 
4. Juli 1866 zwiſchen Preußen und Bayern ein 
beftiges Gefecht um den füdlih davon gelegenen 
Nebelberg jtattfand, an welches ein Dentma auf 
dem Kirchhoſe von R. erinnert. 


844 


Moſſe (William Barfonz, 2. von), Aſtronom, 
eb. 17. Juni 1800 zu Port, gs anfangs Lord 
rmantomn, bis er nad) dem Tode feines Vaters, 

1841, den iriſchen Grafentitel erbte. Er — 1818 

bie Univerſität Dublin, 1819 das Magdalenen: 

College in Oxford, trat 1821 ins Unter 

wurde 1831 Lordlieutenant von King's County, 

1834 Oberſt der Miliz. Im Febr. 1845 wurde er 

zum Nepräjentativpeer für Irland erwählt. Gr 

richtete 1826 auf jeinem Landſiß Birr:Gaftle bei 

Parjonstown ein Obfervatorium ein, für weldes 

er die Inſtrumente unter feiner perfönlichen Leitung 

verfertigen ließ. Die Konftruftion der Nefleltoren 
gelang ihm dergeftalt, daß, nachdem er einen Ob: 
jeltivjpiegel von 90 cın im Durchmeſſer bergeftellt, 
er mit einem Koſtenaufwand von 12000 Bid, Et. 
ein Riefenteleflop begann und (1845) vollendete, 
deſſen Objeltivſpiegel die außerordentliche Dimen: 
fion eines Durchmeſſers von 1,3m und 16 m Brenn: 

weite erreichte und jich durch eine ungemein * 

Lichtſtärle —— Dieſes Inſtrument wurde 

von R. nament 14 re gar hen Nebelfleden 

bejtimmt, die in der That die wichtigften Refultate 
lieferte, und über bie er von Zeit zu Zeit in den 

«Philosophical transactions» berichtete. Auch 

machte ſich R. —— Bemühungen zur Linde: 

rung des in feinem Vaterlande herrſchenden Elends 
verdient, über welchen Gegenjtand er jeine «Letters 
on the state of Ireland» (Lond. 1847) veröfient: 
lichte. Doch nimmt er hierbei einen ftreng arifto: 


Noſſe — 


us und 


tratiihen Standpunkt ein und trat in «A few words 
on the relation of landlord and tenant in Ireland» 
(Lond. 1866) mit großem Eifer gegen die Theorien 
Brights auf. Geit 1362 war er Kanzler der Uni: 
verjität Dublin. R. ftarb infolge der Operation 
einer Kniegeſchwulſt 31. Dit. 1867 zu Birr: Gaftle 
Parfonstown) in der irifchen a, Leinſter. 
eine Würden ſowie der Beſiß feines Obſervato— 
riums gingen an feinen ältejten Sohn, Lawrence 
Barjons, Graf von R. (geb. 17. Nov. 1840), 
über, der durch junge Ajtronomen das Gebiet der 
—— u. ſ. w. weiter erforſchen läßt. 
Räöſffel, Kreisſtadt im oſtpreuß. Regierungsbe— 
zirk Konigsberg, an der obern Zaine oder Eifer, 
Sitz eines Amtẽgerichts, zählt (1885) 3572 E und 
bat eine ſchon deforierte (gotiiche) lath. und eine 
evang. Kirche, lehtere in ber 1240 erbauten Ordens: 
burg, ein königl. Gymmafium, eine Provinzial: 
Zaubjtummenanftalt , bedeutende Rindviehzuͤcht, 
Habrikation von Nobrlämmen zur Leinweberei, 
eine landwirtichaftlihe Mafchinenfabril und Ziege: 
leien. Gtwa 5 km füdöjtlich liegt der ———— 
ort Heiligelinde mit prächtig delorierter lath. 
Kirche. — Der Kreis Nöffel zählt auf 852 qkm 
650458 meiſt kath, E. —“ 
Nöffelfprung, der Sprung des Nöſſels 
(Springere) auf dem Schachbrett, welcher darin 
eſteht, daß die Figur zwei Felder geradeaus geht 
und dann auf das nächte Feid zur rechten oder 
linken Seite gejtellt wird. Röffelfprungauf: 
gabe heißt die Aufgabe, von * einem Felde 
des Schachhrettes beginnend im Röſſelſprung 
ſämtliche Felder einmal zu berühren. Es ih dies | 
eine Aufgabe der Analyſis der Lage. Die älteften | 
(in alten Schachhandſchriften) erhaltenen Beifpiefe | 
diejer Aufgabe, die Schon den Arabern nicht fremd | 
geblieben war, ftammen aus dem Anfange des 
16. Jahrh. Eine allgemeine Beachtung und wiflen: 
Ihaftliche Behandlung wurde dem N. feit Mitte des | 


den ganzen Umfreis erotifcher 


Roffetti 


18, Sabrh. zuteil, na der Mathematiker Euler 
eine analytiſche Arbeit über das fog. «Probleme 
du cavalier» der berliner Alademie vorgelegt hatte, 
Seitdem find in a und Mo en 
viele Ausführungen Problems 
worden, darunter die Anweifung von (1773) 
und Warnsdorf (1823) zur «e en und allge: 
meinjten Löfung» des R., fowie bie Unterſuchungen 
von Wenzelides über geſchloſſene, fymmetriſche und 
leihjummige Nöffeliprungsbahnen in der « Deut: 
Kahl Yenidaflie Behanbtung auf Guns 
und ftreng wiſſen i ung au 
der mat em. Analyjis bat der R. in dem Werke 
bes rufj. Mathematiters Major von Jãniſch («Traite 
des —— 7 N — ue au 
jeu des öchecs», Petersb. 1 abren, deiien 
zweiter Band fidh ausichliehlich mit dem R. beichäf. 
tigt. Der R. wird zu einer Art Nätjel verwandt, 
wobei es gilt, ein Gebicht —— nach ſeinen 
Wörtern, Silben oder Buchitaben in der Weije des 
R. über die Felder des Schachbretts verteilt ill, 
wieder zufammenzuftellen. 

Roſſetti (Gabriele), ital, Dichter, geb. 1. März 
1783 zu Baſto im Neapolitaniichen, erhielt eine 
Anjtellung im Mufeum zu Neapel war jeit 
1820 der eigentliche Dichter der ital. Revofution. 
Gr entfloh 1821 nad Malta und ging von da 1893 
nad) London, wo er Profeſſor der ital. Sprache und 
Litteratur wurde und 26. April 1854 jtarb, Seine 
Gedichte, vielfa — hat Carducci geſammelt 
—— a ie di ‚ dlor. 1861). 

ußerdem veröffentlichte er: «La Commedis 


di Dante Alighieri con comento analitico» (29be,, 
Lond. 1826 fa.), «Dello spirito au e che 
rodusse la riforma » 1832), «Il mistero 


Lond. 

ell’ amor platonico N "medio evo» (5 Bde. 

Lond. 1840), «La Beatrice di Dante» % — 
Noffett Sony Gabriele), engl. Künftler 


Dichter, Sohn des vorigen, se 12. Mai ze. 
London, erhielt eine fünftleriiche Ausbildung, als 
deren Frucht er viele Jahre hindurch bejonders 
—— zu —— — = 
ierber gehören feine Jlluftrationen zu 
Gediihten (1857), zu den Märchen feiner als 
ftellerin befannten Schweiter Ehriftine R. (geb. 
zu London im De. 1830), «Goblin market» (1 
«The prince's progress» (1866), «Sing-Song, a 
nursery rhyme » (1872) u.a. 
Geſchniad ſchloß N. ſich 
fog. prärafgelitiſchen Schule an. Die Gen 
welche er ſelbſt in diefem Sinne ausführte, wurben 
in weitern Kreiſen erſt durd) eine nach feinem Tode 
— a as 
ultat ſeiner littera 
Werl «Early Italian — Alcama 
to Dante» (1861; 2. Aufl. unter dem Titel «Dante 
and his circle», 1874) und fpäter die «Translation 
of Dante’s Vita Nuova» (1866). Au batte 
er Anteil an A. Gilhrifts «Life of W Blake» 
1863). Dem größern Publilum wurbe R. durd 
eine mit vielem Beifall aufgenommenen « Poems» 
(Lond, 1870) bekannt, bie rafı 


erlebten. Was fie befonders —— a 


plaftiihe Schönheit der Form, die Kraft und Me: 
lodie der Sprade, ie dichterifche ber 
Empfindung und ein mit — 
verbundener Drang zu my — 

ebenſo großer Vorliebe als Kuhnheit 


Rofhaargewebe — Roffi (PBellegrino, Graf) 


vor feinem Tode eridien ein fernerer Band « Bal- 
lads and Sonnets» (1881). Er ftarb 9. April 1882 
in Birdington unweit Margate. Vgl. Caine, «Re- 
collections of D. G. R.» (1882), und W. Sharp, 
«D.G.R. A record and a study» (1882). 

Noßthaargewebe. Die Haare aus den Schweis 
fen und Mähnen der Pferde werden zu brei Arten 
von Geweben benubt, nämlich zu Haarfiebböden, 
zu Stuhlzeug und zu dem unter dem Namen Erino: 
line (f. d.) befannten Stoff. Die zu verarbeitenden 
Haare werden zunächſt mit warmem Seifenwafler 
gewaschen, öfters auch gefärbt. Haarfiebböden 
w:rden nur aus Haaren, und zwar entweder lein: 
wandartig_(einfadhe Stebböden), oder „gelöpert 
(doppelte Siebböden) gewebt; der zur Berfertigun 
derjelben dienende — — () 
ift dem Leinenwebſtuhl (f. unter Weberei) ähn: 
ih. Das Stuhlzjeug, aud Möbelzeug oder 
Haartud genannt, welches zum Überziehen von 
Möbeln gebraudt wird, muß eine gröhere Länge 
als die der Roßhaare erhalten, weshalb bei dem: 
felben die Kette aus Leinen: oder Baumwollzwirn 
bergeftellt wird, während der Einichlag aus Rob: 
haaren befteht, welche einzeln nebeneinander in die 
Kette gelegt werden. 

‚Rohbirt (Nonrad Sean), ausgezeichneter Ju⸗ 
riſt, geb. 26. Aug. 1793 zu Bamberg dierte zu 
Landshut und Erlangen die Rechte, beluste bierauf 
Göttingen und ftand feit 1812 eine Zeit lang im 
bayr. Gerichts⸗ und ——————— m Y 
1817 wurde er Profefior in Erlangen, 1818 ord. 
Profefjor in Heidelberg, wo er ſeitdem, bis er 1870 
in den Rubeitand trat, wirkte und 5. yunt 1873 
ſtarb. R. war der erfte (1821), welcher der philof. 
Richtung des Strafrechts die pofitive und hiftorifche 
gegenüberftellte. Hierher gehören die «Beiträge 
um röm, Recht und zum röm.:deutichen Strafredht» 
2 Bde., Heidelb. 1820—24), das «Lehrbuch bes 
Kriminalrechts⸗ —— rg! «Entwidelung der 
Grundfäge des Strafredht3» Heidelb. 1828) und 
Geſchichte und Syſtem des deutſchen Strafredt3» 
(3 Bde., Stuttg. 1838-39). Auf_dem Gebiet des 
rön. Rechts veröffentlichte er: «Tas teftamenta: 
riiche Erbrecht bei den Römern» (2 Bbde., Heidelb, 
1840), »Cinleitung in das Erbrecht und Darſtellung 
des ganzen nteftaterbrehts» (Landsh. 1831), «Tie 
Lehre von den Bermäcdtnifien» (2 Bde, Heibelb. 
1835). Auf dem Gebiet des lanoniihen Rechts 
erfchienen von ihm ·Geſchichte des Rechts im Mittel: 
alter» (Bd. 1, Mainz 1846), «Kirchenrecht der Ka— 
tholilen und Vrote anten» (3. Aufl., Heidelb. 1858), 
“«Kanonifches Reht» (Schafib. 1857), «Manuale 
latinitatis juris canonici» (Heidelb. 1862), «Ency: 
Hopädie des Kirhenrecht3» (Heidelb. 1862), «Kir: 
chenrechts (Heidelb. 1862; neue Aufl. 1869), «En: 
cytlopädie des Kirchenxechts⸗ (Heidelb. 1865). Das 
Givilrecht betreiien: «Das gemeine deutiche Civil: 
recht» (3 Bde. Heibelb. 1840—41), «Daritellung 
des franz. und bad. Civilredht3» (Bd. 1 u. 5, Hei: 
belb. 1842), Grundriß des franz. und bad, Civil: 
rechts» (Heidelb. 1851), «Dogmengeidichte des Gi: 
vilrecht3» (Heidelb. 1853). 

R.S jüngerer Bruder, Eugen R., geb. 10. Nov. 
1795, feit 1833 Brofeflor und Direktor der Entbin: 
dun er ng u Erlangen, bat ſich durch mehrere 
Merle über Geburtäbilfe einen Namen erworben. 
Er ftarb 13. Juli 1872. j 

Roffi (Erneito), ital. Schaufpieler und Schau: 
fpieldichter, geb. 1829 zu Livorno, ſchloß in 


815 


feinem 15. Lebensjahre zu Piſa einer Schaufpielers 
—*6 an und trat 1846 in Genua in Liebs 
haberrollen auf. Später wurde er ein Schüler bes 
Schaufpielers Modena, fpielte 1847 in Mailand, 
1852 in Turin und unternahm vielfach erfolgreiche 
Aunftreifen ins Ausland, R.s Hauptrollen find 
Othello, Hamlet, Eid, Fauft, Ludwig XI. (in De: 
lavignes —— Trauerſpiel). Unter feinen 
dramatifden ichtungen find —— das 
S ei «Ad£le», für die Riſtori gefchrieben, 
und bie Luftfpiele «Les hydnes» und «La pritre 
d’un soldat». 

‚ Roffi (Giovanni Battifta de), hervorragender 
ital. Archãolog, geb. 23. * 1822 zu Rom, erhielt 
jeine Bildung auf dem Collegio Romano. Der ges 
lehrte Jeſuit Mari leitete ihm auf das archäol. 
Studium, namentlih auf das Gebiet der hriftl. 
Altertümer. Bon epochemachender Bedeutung find 
R.s Entdedungen in den röm. Statalonıben gewor: 
den. Die —— Feiner Arbeiten hat er in zwei 
großen Werten niederzulegen begonnen, den «In- 
scriptiones christianse urbis Romae septimo 
saeculo antiquiores» (Bd. 1, Rom 1857 — 61) und 
«Roma sotteranea cristiana» (Bd, 1—3, Nom 
1861-77). Das ausfalieblid Arbeiten von ihm 
enthaltende «Bullettino di archeologia cristiana» 
berichtet über neue Entdedungen; end pad N, ein 
Bra rt über die Mofaiten und Marmorfuß: 
böden in den röm. Kirchen («Musaici cristiani e 
saggi di pavimenti delle chiese di Roma anteriori 
al secolo XV», hromo:lithographifcdh) heraus. Auf 
dem Gebiet der Haffiihen Altertumswifienfhaft 
find feine Arbeiten, namentlid für röm. Cpigras 
phil und Topographie bebeutend. Er publizierte: 
«Piante icon che e prospettiche di Roma an- 
teriori al secolo XVI» eh. 1 nebit Atlas, 1879); 
für das von der berliner Alabemie herausgegebene 
«Corpus Inscriptionum Latinarum» bearbeitete er 
in Gemeinfhaft mit Henzen und Bormann den 
6. Teil („Inscriptiones urbis Romae», Bd. 1—3, 
1876—85), R. ift Präfident der Pontificia Acca- 
demia d’Archeologia zu Rom, auswärtiges Mits 
alied der berliner Alademie der Wiſſenſchaften, 
———— des Deutſchen Ardäol. 
Inſtituts in Rom und Mitglied des Franzöfiichen 
Inſtituts. Ein ag ar Verzeichnis, feiner 
zahlreichen Heinern Schriften findet fih in dem 
»Albo dei sottoscrittori» (1882). 

Roffi (Bellegrino, Graf), ital, Staatsmann, 
geb. 13. Juli 1787 zu Carrara im Modenefifchen, 
widmete ſich zu Bologna dem Rechtsſtudium und 
übernahm dafelbft, nachdem er einige Zeit Advolat 
gemwefen, 1812 die Profefjur des Strafrechts. Nach 
dem Sturze der Napoleonifhen Herrſchaft verlieh 
er Ve wandte fi erit nad England, 1816 
nah Genf, wo er 1819 die Brofefjur des römischen 
und des Strafrechts an ber Akademie erhielt. Sm 
%. 1820 wurde er in den Großen Rath ber Republit 
gewählt und 1830 von Genf fogar zur Tagfakung 
abgeſchidt. Im —5 — ſiedelte er nach Frankreich 
über, wo ihm die Regierung 1834 den Lehrſtuhl ber 
polit. Ölonomie am College de France, bald darauf 
die Brofefjur des Tonftitutionellen Rechts an ber 
parifer Rechtsſchule verlieh. Er veröffentlichte einen 
«Trait& de droit penal» (3 Bbe., Par. 1829; 
3. Aufl., 2 Bde., Par. 1863), «Cours de droit con- 
stitutionnel» (Par. 1836) und «Cours d’&conomie 

litique» (Bar, 1840—54; 4. Aufl. 1865). Im 
& 1839 zum Bairernannt, legte R. feine Brofefiuren 


846 


nieber, trat 1840 in den Staatörat und wurde 1845 
von Ludwig Philipp als franz. Gejandter nad) 
Nom geihidt, wo er die Gunft Pius’ IX. erlangte. 
Nach der Februarrevolution von 1848 wandte ſich 
R. nad) Carrara, kehrte aber infolge des Cinrüdens 
der Öfterreiher nad) Rom zurüd. Pius IX. über: 
trug ibn hierauf die Bildung eines Miniſteriums, 
das 17. Sept. 1848 zufammentrat und in dem R. 
das Innere, zugleich proviſoriſch die Polizei und 
die Finanzen übernahm. Cr fuchte die Finanzen 
u ordnen, die Anardie zu unterdrüden und zog 
hä dadurch die Feindſchaft ber radilalen Fanatiler 
u. Am 15.Nov. 1848 wollte R. die Deputierten: 
Kammer im Balaft der Cancellaria eröffnen, wurde 
aber auf der Freitreppe des Palaſtes durd einen 
Dolchſtoß ermordet; fein Tod war das Signal zum 
Ausbruch der Revolution. Wal. Garnier, «Notice 
sur la vie et les travaux de R.» (Par. 1849). 
Moſſi (Gräfin), ausgezeichnete deutſche Sängerin, 
ſ. Sontag (Henriette). , 
Noffieny (lit. Rosejnej, in deutſchen Chronilen 
Roffigen, Ruſchigen, häufig auch Raſſeyne), Kreis: 
ftadt im ruſſ. Gouvernement Kowno, an dem Fluß— 
chen Roffienta, mit (1883) 11109 E., hauptſächlich 
Juden, und nicht unbebeutendem Tranſithandel 
über Jurburg, Tauroggen nad Preußen. R. ift 
eine der älteiten Stäbte des Landes und war einjt 
die Refidenz des Fürftentums Samogitien, 
Noffini — 5— Antonio), der bedeutendſte 
ital, Opernlomponiſt des 19. Jahrh., wurde 
29. Febr. 1792.3u Peſaro in den Marlen geboren, 
daher «ber Schwan von Pefaro» genannt). Sein 
Bater war Stadttrompeter bafelbft, feine Mutter, 
Tochter eines dortigen Bäders, beſaß ein hübiches 
Gefangstalent. Als 1798 der Vater revolutionärer 
Gelinnungen wegen. ind Gefängnis kam, 308 die 
Mutter mit dem Knaben nad) Sn wo fie am 
Zeatro:Civico ald Brimabonna buſſa Engagement 
fand, In Bologna, wo na der Vater nach feiner 
Freilaſſung eintraf, erhielt der junge R. frühzeitig 
Klavierunterricht, fpäter brei Jahre hindurch Un: 
terricht im Gefang und Generalbaß bei dem Geit: 
lihen Angelo Teſei. Bon 1804—1807 arbeitete er 
für fi, begleitete aud feine Eltern auf deren 
Nunjtausflügen in die Romagna, wobei er, wäh: 
rend die Mutter fang und der Vater Horn blies, 
als Gorrepetitor und Accompagnateur, fowie als 
komiſcher Sänger (Buffo) fungierte, und trat dann 
1807 zu Bologna in die Mufitihule Liceo-Commu: 
nale. Hier ftubierte er unter Pater Stanislao 
Mattei Kontrapunlt_und machte Kompofitions: 
verſuche. Seiner eriten 1810 lomponierten und 
in Benedig mit Erfolg gegebenen Oper «La cam- 
biale di matrimonio » ließ er in den nächſten Jah: 
ten eine ganze Neihe folgen, von denen 1813 die 
Dpern «Tancredi» und «L’Italiana in Algeri», die 
er für Venedig komponiert hatte, ihn ſchnell be: 
rühmt machten. R. nahm 1815 ein Engagement 
für Neapel als Muſildireltor und Kompofitcur 
beim Impreſario Barbajo an. Im Febr. 1816 
ging zu Nom das Meijteritäd feiner Jugend, der 
heitere «Barbiere di Seviglia», mit großem Applaus 
über die Bühne. Hieran reihten ſich 1816 noch die 
hubſche Buffooper «La Gazzetta» und der präd): 
tige «Otello», beide für Neapel geihhrieben. Sn: 
zwiſchen war aud) die Oper «La Cenerentola» (für 
Rom) fertig geworden, bie Anfang 1817 gegeben 
wurde und der in —— Jahre «La gazza 
ladra» (in Mailand) und «Armida» (in Neapel) 


Noffi (Gräfin) — Roſſini 


folgten. Alle dieſe Werke machten viel Glück. Im 
J. 1818 erfdhienen «Adelaida di Borgogna» (Jiom), 
«Mos? in Egitto» (Neapel), «Adina, o il califfo di 
Bagdad» (für Liſſabon) und »Ricciardo e Zoraile» 
(Neapel); Hierauf 1819 «La donna del lago» 
(Neapel) und «Ermione»; dann 1820 «Bianca e 
Faliero» (Mailand) und «Maometto secondo» 
mung endli 1821 «Matilda di Shabran» 
om) und «Zelmira» (Neapel). 

Anfolge der Revolution von 1821 verlieh der 
Impreſario Barbajo auf einige Zeit Neapel umd 
wandte fih mit feinen beiten Sträften nah Wien, 
wo auch R. Ende 1821 anlangte. Auf dem Wege 
dahin hatte er fi mit Barbajad Primadonna ia: 
bella Golbrand (geit. 1845) verheiratet. * Wien 
wurden R. und feine Werle vom Publikum mit 

roßen Enthuſiasmus aufgenommen, und feine 
Dyern machten einen um fo allgemeinern Eindrud, 
weil fie durch Barbajas Truppe in der vollendetiten 
Weiſe ausgeführt wurden. In Benedig brachte er 
1823 «Semiramide» zur Aufführung, die nur eine 
laue Aufnahme fand, was ıhn beitimmte, fortan 
nichts mehr für Italien zu fomponieren. Nov. 
1823 ging er über Paris nach London, wo er mit 
Konzerten und Opern viel Geld gewann, führte 
darauf die Direktion ber ital. Oper in Paris an: 
berthalb Jahre ohne Erfolg, brachte auch während 
diefer Zeit nur die Gelegenheit3oper «Il viaggio a 
Reims» (1825 zur rg par X.) als neues 
Merk zur Aufführung. erhielt fodann dei 
Titel als erfter Kompofiteur bed Königs und In- 
specteur du chant en France und widmete feine 
Thätigteit fortan der Großen (franz.) Oper. Dies 
bewirkte bei ihm eine ähnliche Umwandlung, mie 
früher bei feinem Landsmann Piccinni, dem Ri: 
valen Glucks, indem er mehr ala bisher auf das 
Dramatiſch⸗Charalteriſtiſche fehen, feine Melodien 
ſchlichter und weniger üppig in den Fiorituren bal- 
ten, die Orcheſter- und Chorkräfte zu größerer Be: 
beutfamleit verwenden mußte u. |. m. BZunädjit 
eftaltete er in dieſer Weiſe zwei feiner ältern 

pern, «Maometto secondo» und «Mos& in 
Egitto», die 1826 und 1827 mit Erfolg über bie 
Bühne gingen. Dann erft unternahm er die Nom: 
pofition eines original-franz. Librettos, des «Comte 
Ory», melde reizende Dper mit großem Beifall 
1828 gegeben wurde. Hierauf folgte «Guillaume 
Tells, neben dem «Varbier von Sevilla» fein beftes 
Werk, aber auch der Schlußftein feiner Thätigleit 
als Opernkomponiſt. R. bejaß die Überwindung, 
im Alter von noch nicht 40 %. fih mit den bis da: 
bin errungenen Lorbeeren zu begnügen, und mit 
dem Werte zu enden, das er wohl ſchwerlich über: 
boten hätte. Später trat er nur noch mit einem 
«Stabat mater» und verichiedenen lleinern Kompo 
fitionen vor das Publikum. Na der Aufführung 
de3 «Tell» lebte er meijt in Bologna, ging 1843 
nad Florenz, 1855 aber nieder nady Paris, wo er 
14. Nov. 1868 auf feinem Landfige zu Paſſy ftarb. 

N. verlich der ital. Oper friihes Leben. Gr 
pn neue Formen, gab das frühere einfache (Secco-) 

ecitativ auf und ſeßte dafür durchkomponierte re 
citativifche Scenen, was dann von Spätern bis jur 
mobernen Gejtalt ber Oper weiter gebildet murde. 
Seinen unmittelbaren Borgängern gegenüber zeigte 
er fi blühender und geiftreiher in ber Melovit 
und Harmonif, glänzender und üppiger in ber Dr: 
cheſtrierung, jowie kräftiger und pointenreicher in 
der Rhythnit, erreichte aber nicht immer die ftilvolle 


Roffig — Roßleben 


Cinheit der beften ältern Werke diefes Fachs und 
verdarb fi die dauernde Wirkung. feiner Mufit 
nicht felten durch Trivialitäten, Seine Stärle und 
der Hauptreiz feiner Mufik liegt in den Melodien; 
mit diefen bezauberte er feine Heitgenofien und übt 
im «Tell» und «Barbier von Sevilla» noch I auf 
unfern Bühnen diefelbe Wirkung aus. Bal, Zano— 
lini, «Biografia di R.» (Bologna 1875). 

NRoffig, Markt in der Bezirlshauptmannſchaft 
Brünn in Mähren, an einem Seitenflügel (Strelip- 
Zbeſchau) der Oſterreichiſch-Ungariſchen Staats: 
eijenbahn, mit (1880) 2203 jlaw. E., bebeutendem 
Steintohlenbergbau, einer Zuders und Spiritus: 
fabrit und einem Schloß auf einem vorſpringenden 
Hügel, ein Bau aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrh., 
jebt im Befis des nduftriellen Baron Hirſch 

Rofkäfer (Geotrupes stercorarius) oder Miſt⸗ 
täfer beißen die groben, oben ſchwarzen, auf der 
untern behaarten Seite ftablblauen und meijt mit 
ihmaropenden Milben bejepten Käfer aus ber 
Hamikie der Vlatthorntäfer (j. d.), die befonders 
im Pferde: und Kuhmiſt, aber auch in Pilzen leben 
und abends laut jchnurrend_umberfliegen. Die 
Weibchen graben unter dem Mijte tiefe Löcher in 
die Erde, bis 1,5 m, legen ein Ei hinein und füllen 
dann das Loc) zur Nahrung der Zarve mit Mit aus, 

Nofkaftanie (Aesculus) ift der Name einer 
ee aus der 7. Klafie, 2. Ordnung, 
des Linneihen Syitems, welche die Familie ber 
SHippofaftaneen bildet. Sie —— Blu⸗ 
ten in aufrechten, ſtraußähnlichen Riſpen 
oder —— fünflappigen Kelch, fünf oder 
vier langgeftielte, ungleiche Kronenblätter, ſechs 
bis acht, meiſt fieben freie Staubgefähe, dreifäche— 
rigen Fruttnoten mit fabenförmigem Grifiel. 
Die Frucht üt eine große breiflappig auffpringende, 
grün ober grünlichbraun, weile ober glatte 
Kapfel, welche ein bis drei große, durch gegen: 
jeitigen Drud meift fantig abgeplattete Samen mit 
brauner Schale und weiblichen Nabelfled enthält, 
bie ben ehbaren Früchten der Goellaftanie (Castanea 
vesca Gärtn.) ähneln. Die Blätter find groß, 
gegenftändig, langgeſtielt, gefingert: zufammenge: 
jebt. Man unterſcheidet hauptſächlich zwei Unter: 
geitungen: die ehten Noßlaftanien (Aesculus 

. oder Hippocastanum Zourn.), mit Hebrigen 
Knofjpen und fünf ungleihen Aronenblättern und 
ſtacheliger Frucht; die Pavien (Pavia Boerh.), 
mit nichtflebrigen Anofpen, vier Kronenblättern 
und meift ftachellofen eye Die befanntefte 
Art ift die gemeine Roßkaſtanie (A. Hippo- 
castanum L.), ein bis 20 m hoch werbender Baum. 
Rach Deutichland, und zwar nah Wien, brachte 
bie erſten ————— oder Früchte der 
Sefandte des Kaiſers Marimilien Il. in Tibet, 
Afghaniſtan und Berfien, von Ungnad, 1576. Der 
Kaiſer fchentte fie dem Naturforscher Elufius, wel: 
her fie anpflanzte und fpäter Früchte zur Meiter: 
verbreitung verichenkte, In er tauchte die R. 
1569 zuerjt auf, in Frankreich (über Konftantinopel) 
1615, in England 1629. Geitdem hat fich diefer 
beliebte Baum faft über ganı Europa verbreitet, 
agepfant namentlid) in ‚Gärten und Allen, 

doch aud bier und da im Walde, befonders in 
—*5 da die ſtärlereichen Samen eine gute 
Aſung für Rot:, Dammwild und Wildſchweine ab: 
geben. Die Türken füttern die Pferde damit, wo: 
ber wohl der Name R. ftanımt. Die R. verlangt 
einen lodern, humusreichen Boden und gebeiht 


bedher: | b 


847 
no gut in ber Gegend von — *—— ſowie 
in den ſüdl. Alpen in Höhen bis 1200 m. Sie 
blüht im Mai oder Juni, Fruchtreife im September 
oder Dftober, Die Ninde ber R. entbält einen 
eigentümlichen Stoff, As culin, defien Löfung bei 
durdfallendem Licht farblos oder gelblich, bei re: 
Hleftiertem blau ausfieht, Die an Stärfemehl 
reichen Samen würden eine der Kartoffel ähuli 
Speije geben, wenn fie nicht einen auf billige Weife 
nicht zu entfernenden Bitterftoff enthielten. e 
nahe verwandte rotblübende Roßlaſtanie (A. 
carnea Willd., rubicunda Lodd.) wird häufig ala 
Bierbaum angepflangt unterfcheidet fich befonders 
durd rote Blüten und etwas geringern Wuchs; 
ihre Herkunft ift unbelannt,; wahrſcheinlich ift fie 
ein Blendling von A. Hippocastanum und Pavia 
rubra.. Bon den Bavien, welche aus Nordamerika 
ftammen, finden ſich als ———— in Europa 
—3 die gelbblübende (P. lutea 
angenh., flava Mocench.) und die rotblübende 
(P. rubra Poir.). Beibe erreichen nicht die Größe 
der gemeinen R. Ein — Blütenftraud; mit 
wei 2 Blumen in langen, ſchmalen, bichten 
Sträußen ift die langtraubige oder ſtrauchige 
ch: (P. macrostachya Mehr., parviflora Walt.), 
er A Ei — stem ar — m 
ohen Straud, in unjern Oärten w ie höher; 
die Blüten er einen: erft im Juli, 

Roßla, Piarrdorf und Hauptort der Grafihaft 
Stolberg-Rofkla im preuß. Regierungsbezirt Merſe⸗ 

urg, Kreis ——— rechts an der Helme, in 
der Goldenen Aue, zwiſchen den füdl. Ausläufern 
des Harzes und dem Kyffhäuſer, Station der Linie 

alle:Rorbhaufen:Rafiel der Preufifchen Staats: 
ahnen, Sih eines Amtsgerichts, mit 1873 erbauter 
fchöner got. Kirche und Reſi —A des re 
von Stolberg:Rohla, zählt (1885) 2643 G, und hat 
Enanarienvögelzudht und eine Zuderfabrif, 

Noflan, Stadt im anhalt. Kreife Zerbit, rechts 
an ber Elbe, über welche bier eine alte und eine 
Gifenbahnbrüde führt, und au der Mündung der 
Noplau (Rofiel), Station der Linien Magdeburg: 
Berbft Leipzig und Wittenberg :Afchersleben der 
Preußiſchen Staatsbahnen, Siß eines Amtöge: 
richts, zählt (1885) 6561 E. und hat eine Eiſen— 

ießerei mit Mafchinenbauanftalt, eine Werft für 
Dampfidiffe und eine folde für Clblähne, Fa— 
brifen für Strobpapier, Drabtgewebe, Strontian, 
Steinen Siegellad und Citronenfäure, eine chem. 
Fabrik, Biege eien, eine Dampfſchneidemühle und 
Danıpfiägemüblen. 

Nofleben, großes Pfarrborf im Kreiſe Quer— 
furt des preuß. Regierungsbezirls Merfeburg, am 
linfen Ufer der Unjtrut, 17 km im SW. der Stabt 
Querfurt gelegen, zählt (1880) 2259 E, und ift vor: 
5* elannt durch ſeine Gelehrtenſchule (auch 
Kloſter Roßleben genannt), welche in Bezug 
auf Stiftung und Einrichtung den Fürftenfchulen 
ähnlich ift. Das als Auguitinerhorberrenkloiter 
vom Örafen Ludwig von Wippra und deſſen Ge- 
mablin Mathilde begründete und 27, April 1142 
vom Papit Snnocenz I. rigen und vor 1263 
in ein Cijtercienfernonnenllojter verwandelte Stift 
war früher eine der reichiten geiſtlichen Stiftungen 
Thüringens, wurde aber 1540 fälularifiert und 
vom Scirmvogt Heine. von Wißleben auf Wendel: 
ftein (geb. 1509, geit. 1561) zu einer Unterrihts- 
und Grziehungsanjtalt für ſtudierende Jünglinge be: 
ſtimmt. Der Einrichtung diente die Fürftenfchule zu 


848 


einen als Borbild. Die Eröffnung der Schule 
erfo gie 1554 mit 18 Knaben unter dem Reltor 
Yiaak Fauft aus Wittenberg. ya Dreikigjährigen | A 
Kriege wurde das Klofter wiederholt geplündert, 
fodab 1639 die Schule geigiefien werden mußie. 
Grit 1675 erfolgte die Wiedereröffnung derſelben 
durch den Rektor Andreas Stier aus der Ma 
Brandenburg. Allein fhon 2. April 1686 legte 
eine jeuer&brunft das Klofter mit der [hönen Kirche 
und der Bibliothek in Aſche. Nach langen Streitige 
teiten mit der furfädhl. en g und der Familie 
Wipleben, welde das Admintjtrationsrecht bes 
hauptete, wurde die Schule feit 1730 in ihrer jebi- 
pen Sejtalt neu aufgebaut und 1742 eröfinet. Es 
ftehen 30 Freiftellen, von denen 6 der Erbabmi- 
hola 6 die Wolmirftädt - Blauen: 
—* Rothenhofiſche, 10 die 
des Haufe Wipleben vergibt. 


nültrator als 

öfifhe, 6 die 

erbeniche Linie 
Das Necht * erblichen Ndminijtration unter Übers 
aufſicht des Staats fteht den männlihen Defcen: 
denten be3 Stifters der wo. u. Die Zahl der 
Schuler (mit Einfluß dat Item) bewegt 
fi) zeigen 100 und 125. —— «Geſchichte 
* Kloſterſchule R.» (Halle 1 

Bf (Roslin), —* I in ber ne 

Grafſchaft Edinburgh, am nörbl. Est, zählt 520 E 
und hat eine 1446 erbaute, mit "verfepwenderifcher 
Pracht auspeitattete he Kirhe (R.:Chapel) 
— Schloß — 


bei naturwi —J — Namen 
Abttrzung für Emil Abolf Ropmähler (f.b.). 
Ropmalve, | f. unter Malva, 


Nokmann (eitelm), Kunft Huioriler geb. 
29. Mai 1832 zu Seejen in Braun — ſtudierte 
1851—54 zu Jena, Tübingen und Göttin —— 
logie und Geſchichte. Er habilitierte * 

Göttingen und war 1860—69 Erzieher des Prinzen 
Bernhard von Sadjjen: Meiningen, mit welchem er 
1868—69 Italien bereijte. ge lebte er in 
Wolfenbüttel, wurde 1872 Brofefior der Kunſt— 


—— und Setretär an ber großherzogl. Kunit: | Befe 


ule zu Weimar und begleitete 1872—73 den 8* 
Nie von — auf einer Drientreiſe. 
1873 wurde N. —— Rat in m 

Oeneraldirection der —* —— für 
Kunſt und Wiſſenſchaft zu Dresden. Er entwarf 
die Pläne für die Lünftlerifhe Ausihmüdung des 
Hoftheaters in Dresden und der Albrehtabur zu 
Meißen. N. ftarb 6. Febr. 1885 zu Dresden. 
feinen Schriften find zu nennen: «Bon Geftabe * 
Kyllopen und Eirenen» (Lpz. 1869), «Cine proteſt. 
Diterandadt in St. Peter zu Rom» (2. Aufl. 
Oldenb. 1872), «Die lünftleriiche — 
der Albrechts urg u Meibens» (Dresd. 1878). 

Nokm pie (Emil Adolf), deutſcher Natur: 
forſcher und Vollsſchriftſteller, geb. 3. Mär = 
in Keipiiß, gie zwar 1825—27 in 
Theologie, beichäftigte ſich aber hauptjächlid * 
—— tlichen Privatſtudien. Nach 
1827—80 als Lehrer in dem Städtchen Weida in 
Sachſen Weimar zugebradht, übernahm er die Bro: 
feflur der Raturgeidichte an ber königl. ſächſ. Ata: 

mie für “en und Landwirte in Tharandb bei 
Treiben, . 1848 mwurbe er für den Wahl: 
bezirt Birna in die Deutfche Nationalverfammlung 
ewählt, wo er ber linten Seite angehörte. Wegen 

r Teilnahme an den — lüſſen des Rumpf: 
parlament3 zu Stut er ih des H 
verrat3 angellagt, wurbe aber freigeſprochen. Im 


re | im Arbeiteritande 


ig | bezitt 


Roſſlyn — Roßtrappe 


März 1850 warb er jedoch durch Quieszierung 
2. Tin Amte entfernt, nachdem er jchon jeit 
1849 fuspendiert aeıwefen. Seitdem lebte R. 
eine, wo er 1850 an die Spike der Deutid- 
it en trat und unabläffig durch Wort und 
rift für —— der Vollsbildung, namentlich 
thätig war. Im m. 1853 unter: 
nahm er eine naturwiffenfdpaftliche eife durd das 
füdöftl. Spanien, über die er in a 
aus Spanien» (2 Bde. Lpz. 1854) berichtete. 
jtarb 8. April 1867 zu Peipzi zig. 

Als Naturforſcher bat ih R. vorzugsweiſe um 
das Fach der Land»: und Süßmwaflerwei 
wiflenidhaftliches Verdienſt erworben. Sein Haupt: 
wert iit die «lonograpbie der europ. Land: und 
Süßwaliermallustens (Bd. 1-3, 2p3. u. Drei, 

835—59, mit größtenteild von "ihm felbft litho⸗ 
—— Tafeln). In weiteſten Kreiſen i * 
ein Name als Volksſchriftſteller belannt. Wie 
laum irgendein anderer hat er durch za jun 
—— Werle und namentlich durch 
gabe ber ; jrift « Heimat » zur —— na⸗ 
Kenntniſſe bei 


turwiflen getragen. 

N „eine durch Pferdelraft betriebene 
Mühle, ähn ih "dem Göpel (f. d.). 

Rosso ‚ antiler blut: oder braunroter 
Marmor mit ſchwarzen Sehen und Adern, ver: 
wandt dem Giallo antico (j. d.). Große Brüde 
von Rosso antico und Verde antico entdedte 1%1 
ein Bildhauer — Tenedos und im Peloponnes 
nachdem Fundgruben dieſer beiden —æ— Ser Mar 
morarten ‚feit dem Altertum völlig nni waren, 
Er lommt auch in Hansen vor (vgl. Marmor). 

* li, ſ. Roſoglio. 

el, — —— für einen 


vn ber elgewinnung&methode, 
* * in der — — —— fand. 
ein aus der — 
Entwi — Beton — ** 


Gene 3 Mbzeid —— 


2 — von einem vergoldeten 

mond oberhalb einer —— vergoldeten 
herabwallend, an einer Stange dem Inhaber voraus 
getragen ober vor feinem gelte aufgepflanzt wurde 
und zu — Ehren berechtigte. Den — 
een echs, Perg Be Bi —— — 

oder ein R. zu. Sulian Ma 
Fe te ne 


Per 


eigentümli ihen ab, 
—— (ide nur in gewiſſen * turen en 
von einem R. unferm Brigabdier 
— der Paſcha von —* unſerm General⸗ 
tenant (Ferik) und der Paſcha von drei R 
u General a — enäprickt, 
niten Felfenpartien 
des Harzes, unmeit 88* ———— 
agbeburg, Kreis 
Brooin dien, 7 km — von Scale 
burg gelegen, befteht in einer Granitllippe des 
5 —* als Vorſprung, 200 m über dem 
MWajierfpiegel der Bode und 401 m über dem 
Meer, auß der Felſenwand heraustritt, auf der 
bögjten Spipe eine Breite von faſt 2 m hat und 
eine herrliche Ausſicht in das tiefe Bodethal 
währt. Der Rame foll von der oben auf der 
platte deutlich erfennbaren Hufipur eines Rieſen 
erde berrühren, die vom Roſſe der jhönen Bruns 
(diß ftammen foll, welde, vom König Bodo ver 
olgt, hier in den obefluß Sinabiprang. Gegenüber, 





Roßwein — Roft (im Baumejen) 


auf dem rechten Ufer, ragt ber fog. Heren: 
tanzplaß, eine fteile Felswand, 264 m über die 
Bode (465 m über dem Meer) empor und gewährt 
eine noch ſchönere Ausficht ala die R. in die wilden 
Felfenllüfte, auf das Brodengebirge und die reich— 
bebaute Ebene Magdeburgs. Bon diefem Plape 
führen Stufen an der Bergwand herab zu bem 
Gafthofe Waldkater und von biefem ein Weg zu 
dem am Ausgange des Bodethals gelegenen Babe: 


orte Hubertäbrunnen, wo bereits jeit 1549 eine | 


reiche Solquelle bekannt ijt. Am Fuße der R. liegt 
das Dorf Thale (f. d.), bis wohin von Wegeleben 
ab eine — der Linie Halle⸗Vienenburg der 
Preußiſchen Staatsbahnen führt. 

Roftwein, Stadt in ber ſächſ. Kreishauptmann⸗ 
ſchaft Leipzig, Amtshauptmannſchaft Döbeln, rechts 
an ber Freiberger Mulde, Station der Linien Leip⸗ 
zig: Döbeln: Dresden und Chemnig:R. der Säd: 
jüchen Staatöbahnen, Sitz eines Amtsgerichts, 
Eu (1885) 6443 E. und bat eine Müller: und 

üblenbaufhule, Wollfpinnereien, Tudfabriten, 
Strumpfwirkereien, Särbereien, Gerbereien, a: 
brifen für Cigarren, Metallwaren, Wolfram, Pa: 
tentachien, Filzwaren, Fußboden: und Pferbededen, 
eine Präg: und Graveuranftalt, eine Glasſchleife— 
rei, ſowie im ſüdlich nahebei gele enen Dorfe Böh: 
rigen eine bedeutende Wolwarenfabrit 

Roßwerk, joviel wie Göpel. 

Mo ſt nennt man die aus der Verbindung ber 
unedeln Metalle mit dem Sauerftoff, der Kohlen: 
äure und ber Keuchtigfeit der - Sir tesa 

erbindungen. Bejonders wirb die Bezeichnung 
Roft auf das — —— angewandt, welches 
ſich als Überzug auf der —— feuchter Luft 
ausge ſehter eiſerner Gegenſtände bildet. Schub 
* en das Verroſten —* ein Überzug von Teer, 

Farbe ıc., oder da, wo folder nicht anzubringen 
ift, er Kerne Ihm möglichit trodener Yuft. 

Roft heißt eine durch die Roſtpilze hervorgerufene 
Krankheit des Getreide und anderer Kultur: 
pflanzen, welche fi durch Erſcheinung pulveriger 
Häufchen, Fleden oder Streifen von gelbroter bis 
ihmwarjbrauner Farbe an ber Oberflähe grüner 
Pflanzenteile (Blätter, Stengel, Spelzen u. ſ. w.) 
zu erlennen gibt und ein Siechen der Pflanze, ein 
Abjterben der befallenen Teile, zuweilen auch das 
Gingehen der ganzen Pflanze herbeifübrt. Die 
Rojtpilze (Uredineen) haben einen eigentümlichen 
Entmwidelungsgang, indem die meijten einem Gene: 
rationsmedhtel unterliegen. Diejenigen, welche den 
R. des Getreided verurfadhen, zeigen nad) den 
Unterjuhungen und Grperimenten von Tulasne, 
de Bary, Kühn u. a. [orgenbe Entwidelungsweife. 
Die im Spätfommer oder Herbit gebildeten Winter: 
(Teleuto:)Sporen keimen im nädjten Frübiahr 
und entwideln ein fog. Promycelium, welches 
Sporidien (Sporen zweiter Ordnung) erzeugt. 
Gleich nad) ihrer Reife feimen dieſe, und In * 
—— Keimſchläuche dringen in eine beſtimmte 

—— ein, deren Oberhaut ſie gewaltſam 
durchbohren, und erzeugen bier ein Mycelium, wel: 
ches ein becher: oder jhüfjelförmiges, die Oberhaut 
der Pflanze durchbrechendes Fruchtlager hervor: 
bringt, das in perlſchnurförmige Reihen geordnete 
Sporen bildet. Dieſe ſchon längſt bei verſchiedenen 
Bilanzen beobadhteten roftgelben Fruchtlager waren 
bisher für eine eigene Pilzgattung gehalten und 
Aecidium (Bederroft) genannt worden. Die 
Hteidienfporen feimen jofort wieder; ihre Keim: 

Convberſations· Lexilon. 13, Aufl. XIII. 


849 


ſchläuche bringen durch bie Spaltoöffnungen ber 
Oberhaut in eine beſtimmte Rährpflanze ein, die 
aber ſtets einer ganz andern Art angehört, als die 
von den Acidien bemohnte. In der neuen Nähr— 
pflange erzeugen fie eine andere Fruktifiklationsform, 
die Uredo: sorm, welche Sporen hervorbringt 
und, bie Oberhaut durchbrechend, jene pulverigen 
Häufchen, Sieden und Streifen bildet, welche ala 
der eigentliche R. betrachtet wurben und noch be: 
trachtet werden. Ihre raſch reifenden Sporen 
feimen wieder und erzeugen, indem ihre Heim: 
ſchläuche durch die Spaltöffnungen in Pflanzen 
derſelben Art eindringen, neue Urebohaufen, Die 
Urebojporen vermehren daher den R. während des 
Sommers bei najjer Witterung in rapider Weife. 
Im Spätiommer ober Herbit bringen biefelben 
Brutlager, welche bisher — ebildet 
aben, die braungefärbten und geſtielten Winter: 
oder Zeleutojporen hervor, die unter bem Namen 
Puccinia al3 eigene Pilzgattung bejchrieben 
worden find und den Entwidelungsgang für das 
laufende Jahr abſchließen. 
Bei den Getreidearten lommen drei verſchiedene 


orr re ———— 
minis), deſſen Hlcidien ſich auf den Blättern des 
auerborns (Berberis 


je ie entwideln (Aeci- 
dium berberidis) und deſſen — (Uredo 
linearis) roftgelbe Streifen an ben Blättern ber 
Getreide: (namentlih Weizen:) Arten und verfchie: 
bener Gräfer veranlaßt, welche ſich ſchließlich (nach 
Bildung der Winter: oder Buccinieniporen) ſchwarz⸗ 
braun färben; 2) der Fledenroſt (Puccinia stra- 
minis), deſſen Slcidien fi auf den Aiperifoliaceen 
(Anchusa officinalis, Lycopsis arvensis) finden, 
und deſſen Uredoform (Uredo Rubigo vera) Häuf: 
hen bildet; 3) der Kronenroft (Puccinia coro- 
nata), deſſen Ücidienform die Blätter zweier ver: 
breiteter Straudharten, des Kreuzzdorns (Rhamnus 
cathartica) und des Faulbaums (Rhamnus Fran- 
gula) bewohnt, und defien Ureboform an Blättern 
und Speljen des Hafer und verfchiedener Gräſer 
roftrote Fledde und Striche hervorbringt. Auch bei 
FE Hülfenfrüdten, namentlih auf ber 
Puffbohne (Vieia Faba) und ben eigentlichen Bob: 
nen, kommt R. vor, welder von verjchiebenen 
Arten der Uredineengattung Uromyces veranlaft 
wird. Gine Hlcidienform ift big jekt bloß auf den 
Bohnen beobadhtet worden (Aecidium phaseolo- 
rum), bie Uredoform (Uredo leguminosorum) da: 
gegen bei den verſchiedenartigſten Hülfenfrüchten 
und Schmetterlingsblütlern (Buffbohnen, Widen, 
Klee u.a.). Auch auf Dbitbäumen und felbit Nadel: 
bölgern jhmarogen gewiſſe Roftpilze. rl ‚Kühn, 
«Die Krankheiten der Aulturgewädfen( erl. 1858); 
Frank, «frantheiten der —— Bresl. 1880). 
Roft im Bauweſen (Grundbau) iſt ein aus Holz 
konſtruiertes fünftliches Fundament, das entweder 
zur Vergrößerung der Grundfläche eines Gebäudes 
und gleihmäßigen Laftverteilung auf den Bau: 
ge. (Schwellroſt) oder dazu dient, die Laft eines 
auwerks durch weiche Gröfchichten oder Wafjer 
bindurd auf den tiefer liegenden feiten Grund zu 
übertragen (Pfablroft). Der Schmwellroft beiteht 
demzufolge aus einem Syftem ſich freuzender Duer: 
und Zangichwellen, deren Zwiichenräume bisweilen 
ausgemauert und bie mit Bohlung überbedt wer: 
ben; der Pfahlroſt dagegen aus einer Anzahl 
von reihenweiſe mitteld Rammen (f. d.) in ben 
Boden eingetriebenen Pfählen, die auf ihren Köpfen 
54 


Roftformen vor: 


850 


a Fu ftes Schwellwert tragen, welches aut 

Aufnahm ag ein —— dient. Die untern Pfahl: 
enden ee zuge * bei ſteinigem Grun 

aber mit eiſernen 2 n verſehen. Grundbebin: 
gime bei allen Roſien, die —— durch die 
illigere und dauerhaftere Betonfundierung faſt 
aanz verdrangt worden find, iſt die Verlegung aller 
ölzer nur unter den tiefiten fierjpiegel, damit 

e der Fäulnis nicht unterliegen. 

Der Moft bei Feuerungsanlagen ift bie 
Br Br Unterlage, A welde das Brenn: 
material behufs vollitändiger Verbrennung auf: 
—— wird, —— die Luft von unten zum 

rennmaterial elangen und ber unverbrenn iche 

€ 


——— derſe die Aiche, bindurdfallen ur 
muß ber Durchbr ehungen Den die ſich nad 
unten —— und deren Größe ſich nach der Be 


ſchaffenheit des Brennmaterials —* äbrend 
Holz eigentlich feines R. bedarf , müflen bei tein: 
lohlen die Zwiſchenraͤume äulammen etwa ein 
Drittel bis ein Viertel der Gejamtoberflädhe be: 
tragen und einzeln etwa 5—10 mm breit fein. Der 
Form nad unterjheidet man Planroſte, bie ent: 
weder aus dem Ganzen beitehen, wie bei Heinen 
uerungen, ober aus einzelnen Noftitäben ge: 
ildet find, wie die N. der ———— 
und TIreppenrofte nder: Zangen), welde 
eine treppenförmige ſchiefe Ebene bi "und der 
Quft bejiern Zutritt — affen. Ferner hat man 
feſte = bewegliche R., zu wel legtern bie 
Schüttelrofte und die rotierenden Nofte gehören 
und die eine befjere Aufloderung des mit badender 
Schlade verbrennenden Materials —— (©. 
Tafel: De an Fig. 1—5; vgl. 
aud Tafel: Dampfte ei ® er 
2 (weißer), Pilz, ſ. ae — 
Noit (Alerander), deutjcher Dramatiker, geb. 
22. März 1816 zu Weimar, ftudierte zu Jena die 
Rechte * ſchrieb hier fein erſtes Drama «Kaiſer 
Rudolf in Worms», welches auf dem weimariſchen 
Theater einen glänzenden olg erzielte. Als auch 
fein zweites Stüd «Landgra J— mit der ge⸗ 
biſſenen Wange» mit Beifall aufgenommen ward, 
verlieh R. 1848 den Staatsdienit, um fich der Did: 
tung zu widmen. Gr jtarb 15. Mai 1875. Seine 
von vaterländiihem Sinn und Scillerfchem Pathos 
getragenen «Dramatiihen Dichtungen» (6 Lfgn., 
Weimar 1867—68) enthalten außer den ſchon er: 
wähnten: «Qubwi be Giferne oder das —— 
mädchen aus der Ruhl. Romantiſches Vollsſcha 
ſpiels, «Das Regiment Madlo» (an den «Wa —F 
jtein» ſich anlehnend), «Berthold Schwarz oder die 
deutſchen Erfinder» (eine Parallele milden, den 
Erfindungen de3 Schießpulvers und der Bud: 
druderkunit), «Der Held des Nordens. Große ro: 
— per mit Ballett». 
Roſt (oh. Chriftoph), deutſcher Dichter, geb. 
7. April 1717 zu Leipzig, ftudierte in Leip Pig | die 
Rechte und die fchönen Riff ſſenſchaften und ging 
1742 nad) Berlin, wo er feine üppigen «Schäfer: 
erzäblungen» (vermehrte Aufl,, Dresd, 1744 u. 
öfter) herausgab. Bald wieder nad Leipzig zurüd: 
—— ließ er ſein Schäferſpiel «Der verſtedte 
ammel oder die gelernte Liebe», welches Schöne: 
mann auf die Bühne bradıte, und ein fatirijch: 
erließ Gedicht in fünf Büchern: «Das Vorfpiel» 
en: worin er feinen ehemaligen Lehrer Gott: 
lächerlich machte. Hierauf arbeitete er eine 
han lang in Berlin an der Haude: und Spener: 


Roft (Pilz) — Röften 


ſchen polit. Zeitung und wurbe 1744 Seftetär „> 
Bibliothefar des Grafen Brühl in Dresden. Al 
ſolcher gab er 1754 eine ebene ſatiriſche Epiftel: 
«Der Teufel an Herrn Glottiheb)», heraus, die 
viel dazu beitru „Gnträns streichen An: 
sine zu verni tem, Im 3. 1760 wurde er Ober: 
euerfetretär zu Dresden und ftarb dajelbit 1765. 
Seine «Bermithten Gedichte» (herause. —— 
und Dyk, Lpz. 1) enthalten auch jeine berüdh 
tigte Dichtung «Die jhöne Naht», ein H 
gedicht, die u 1754 yo fein Voͤrwiſſen 
eribienen war, 

Noft (Reinhold), namhafter Drientalift, geb. 
2, Febr. 1822 zu Eijenberg, —* 1842—46 zu 
Jena, begab fi 1847 - Stubium der füd- 
ind, Sprache nad England, wo er 1851 Lector der 
orient. Spradhen am Miftionsjeminar zu Ganter, 
bury wurde, in welcher Stellung er noch — 2 
Daneben wurde er nad einer ey mn 
teit als Sefretär an der Roy lan 
London, 1869 Dberbibliothelar un 
licher Berichterftatter über * 
gelegenheiten am Indiſchen Amt 
wichtigſten Arbeiten ſind: die ala. © se 
Wilſons «Select works» (5 Bbde., Lond. 1859—65) 
und Hobgions «Miscellaneous essays» (Lond. 
1880), außerdem: «Miscellaneous papers rela- 
u Indo-China» (2 Bde., Lond. 1886). 

oft (Valentin — — verbienter 

Schulmann und Pbilo 6. Ott. 1790 zu 
—— im Gothai iz "inbierte in Sena 

beologie und Philologie, wurde 1814 Kollabora- 
a — 

er Zeit in die höhern Lehrerſte 

er 1842 das Direltorat mit dem Titel eines —— 
ſchulrats erhielt. Er * 6. Olt. 1862 als Geh. 
Oberſchulrat zu Go N. bat fi —— —— 
feine grammatifalif en und lexilal. Arb 
die griech. Sprade ein bleibendes —— 
worben. Seine Hauptwerle find bi e «Orieh. 
Grammatif» (Gött. 1816; 7. Aufl. 1856), der fi 
eine «Anleitung zum Üiberjeken aus dem Deut: 
ſchen ins Griehiichen mit Wüftemann, ZI 1, 
11. Aufl., Gött. 1876; TI. 2, 4. Aufl. 1861) fowie 
fpäter eine «Griech. Schulgrammatit» (2. Aufl., 
Gott. 1859) an ih: ferner das «Örieh.Deutjcht 
Wörterbuch» (4. — Bde. Braun: 
ſchweig 1871) und “= «Deutf Be rter: 
buch» (10. Aufl., 2 Bde., Gött. 1874). Außerdem 
veranftaltete R. "eine neue Ausgabe von Duncans 
«Novum lexicon Graecums ({pz. 1831—33) und 
leitete die von ihm mit Jacobs 1825 begründete 
gotbaiice «Bibliotheca Von =: neuen 

earbeitung von Baflows «Bried,« beutf 
Wörterbuch» lieferte er ben enge Band ( 
1841); für das von 1 Behanbling 
fortgeführte We beiten er fü Sun 
der Partikeln vor, — er ſeit 1842 bie 
re für land, an deren 
Gründung er einen weſentlichen Fat — 

Rostaf., bei —— — 
Abkürzung für yejeph 8 *8 von ——— 
finski, geb. * 

oftbeize, | a ph —— gr u 
induftrie, Bd. V 
Roitbirne, f. unter Bas Birnbaum. 
a itter, |. Aſſamar. 
Nöften. Darunter verfteht man das 
eines Körpers bei Luftzutritt, entweber um 


in kW , Ze un man" 


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Severin 
NE aa en 


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Röftflammofen — Roftod 


a orydieren oder um aus bemjelben Subjtanzen in 
ampf: oder Gasform durd) —— der Luft 
und der Wärme zu verflüchtigen, welche durch 
lestere allein nicht ausgetrieben werden würden. 
—* Subftanzen find Schwefel, Arſenik, Wr 
und bisweilen Chlor. Cine Röftung, bei welder 
Schmelzung ftattfindet, wird Verihladung, 
Abtreibung oder Kupellation genannt, Bei 
der metallurgifhen Gewinnung, bed Kupfers, des 
Silbers und anderer Metalle fpielt das N. eine 

roße Rolle, ebenfo auch in der dem. Großinduftrie. 

a3 Verfahren, Subftanzen zu röften, bejteht darin, 
fie in zerfleinertem Zuftande in Galcinieröfen oder 
unter der Muffel eines Probierofens zu erhiken. 
R. ift auch eine Bereitungsweife des Flachſes und 
Hanfes (ſ. unter Flachs BIENEN): 

Nö ammofen [U —— ‚X,5.677°, 

Roſtflecke, ſoviel wie Phyllerium, ſ. unter 
Filzkrankheit der Blätter. 

Roftgaard (Frederik), dän. Staatsmann und 
Säriftiteller, geb. 30. Aug. 1671 zu Krogerup, 
wurde 1700 Geb. Archivar, 1719 Juftitiarius, 1721 
ae der dän. Kanzlei, aber 1725 wegen Be: 
techlichleit abgefeht, fpäter wieder Amtmann. 
Gr jtarb 25. April 1745. Sein Hauptverdienit ift 
fein «Dän. Lerifon», das zwar Manujffript ge: 
blieben, aber die Grundlage vieler jpätern dän, 
Ieritographijchen Werte geworden ilt. 

N — ſ. unter Dertrin. 

Roftiilaw (Raftislam), auch Roſtitz (Raftis) 
enannt, jlaw. Fürft von Mähren, das fon unter 
feinem Vorgänger in einem Bafallenverhältnis zu 
König —2* dem Deutſchen ſtand. R. wurde 
von dieſem ſelbſt 846 auf den Thron erhoben, ſuchte 
fi dann aber frei zu madhen und namentlich auch 
den Einfluß der deutſchen Geiftlichfeit auf jein Land 
zu bejeitigen. Zu diefem Zwede wendete er ſich 863 
nad Konitantinopel, und Kaiſer Michael jandte 
ihm die gelehrten Brüder Konjtantin (Eyrillus) 
und Methodius, welche das Evangelium in ſlaw. 
Sprache predigten und aud über Mähren hinaus 
einen großen Anhang fanden. Neue Kämpfe mit 
Ludwig wurden fiegreich beftanden; doch ward R. 
870 in einem Zwiſt mit feinem Neffen Swatopluk, 
von Nitra, von diefem gefangen genommen und an 
eine Feinde ausgeliefert. Gefeſſelt nach Regens: 
urg geichafft, warb er bier zum Tode verurteilt, 
chließlich aber auf Anordnung des Königs nur des 

ns beraubt und in ein Klofter gebracht. 

oſtock, die größte Stadt Medlenburgs, liegt 

an der Warnom, welche ſich hier haffartig erweitert, 
für Seeſchiffe von 4 m Tiefgang fahrbar wird und 
13 km nördlicher bei dem der Stadt gehörigen 
Fleden Warnemünde in die Dftfce gebt, if tation 
der Linie R.:Bükow der Medlenburger Friedrid)- 
Srangbabn, der Bahnen Wismar: R. und Neuftrelik: 
arnemünbe, beiteht aus einer innern Stabt und 
ausgedehnten Vorjtädten, welde feit 1860 im ©. 
und W, jenfeit der in Bromenaden umgemwandelten 
Feltungswälle erwadien find, zählt (1885) 39374 
meijt prot. E. Die Binnenjtadt, auf der Dft: und 
Nordfeite von der Warnow umfloflen, zerfällt 
in Alt: und Neuftadt; jene birgt feit dem großen 
Brande von 1677 außer den Kirchen nur noch lärg: 
liche Refte der Vorzeit, diefe Dagegen zeigt mit an 
ſehnlichen Gebäuden und vielen zum Teil ardi- 
teftoniich —— len ganz den 
Charakter der norddeutihen Hanfeltadt. R. bat 
vier Kirchen, Die Petrilirche dient durch ihren 


81 


127 m hohen Turm den Oſtſeeſchiffern als Land: 
marle; bei berjelben befindet ſich das Denkmal 
oachim Slüter®, des eriten evang. Predigers der 
Stadt. Die Nitolaikirche ift bemerlenswert wegen 
ihres gotiſchen Schnitzaltars aus dem 15. und eines 
Crucifixes aus dem 13. Jahrh.; die Marienkirche, 
eine ſchöne Kreuzlirhe, in ihrer jegigen Gejtalt 
hau tiächlich dem 14. yahıh. entjtammend, zeichnet 
ich durch außergewöhnliche Höhe ihres Mittel: und 
Querſchiffes und eine aftron. Uhr aus, Unter den 
Plähtzen find der Neue Markt mit dem fiebentürmi: 
gen Rathaufe und der Blücherplas mit Blüchers 
tandbild von Schabow die, bedeutendften. „An 
legterm liegt das ſchlichte Palais, das 1270 geitiftete 
— Ciſtercienſerinnen⸗, jeßt evang. Jungfrauen⸗ 
loſter zum heiligen Kreuz, und das 1867—69 in 
norddeutſchem Badſtein-Renaiſſanceſtil erbaute 
Univerſitätsgebäude. Hervorzuheben find noch das 
ide arte 1879—81 errichtet, daa Dentmal des 
Ari en Dr. Paul Pogge an der Wall: 
promenade, 19. Sept. 1885 enthüllt, und das 
anatom.:phyfiol. Inſtitut vor dem ftattlihen Krö— 
peliner Thor. R.s Hafen, den dän. Inſeln gegen: 
über liegend, gewährt den Schiffen fait jtet3 — 
Einfahrt; in ihn laufen jährlich 700-800 Schiffe. 
Direkte Dampferverbindung bejteht mit Nyköping 
auf Faliter, Lübed und Stralfund. Die Hauptein: 
fuhrartitel find Kohlen, Bauholz, Betroleum, Eifen, 
Kolonialwaren und Heringe, die Ausfuhr dagegen, 
ge befonders Getreide, bat ſehr an Bedeutung 
verloren, Die Handeläflotte der Stadt zählt (1885) 
311 Schiffe. Der Betrieb der bedeutenden Werfte 
für den Bau hölzerner und eiferner Schiffe iſt ſehr 
hurldgegongen. Die Induſtrie ift ziemlich beträcht: 
ich; es beftehen Brauereien, Brennereien, Gerbe: 
reien, Mafchinenbauereien und Tabaksfabriken. 
N. it Sik des medlenb.: [hmwerin. Konfiftoriums, 
des Engern Ausſchuſſes der Ritter: und Landſchaft, 
eines Amts, Land: und Oberlandesgeriht3 und 
beist ein Gymnaſium, ein Nealgymnafium, eine 
höhere Bürgerihule, Navigationsichule und Ge: 
werbeichule, eine ftädtiiche Kunftiammlung und ein 
Muſeum für roftoder Altertümer, 

Die Univerjität Nojtod wurde 1419 von 
den Herzögen Johann II. und Albrecht V. in Ge: 
meinjchaft mit_ber Stadt geftiftet und ift nad 
Heidelberg und Leipzig die ältefte der deutſchen Hoch⸗ 
—— on 1437 bis 1443 ſiedelte fie wegen des 
über R. vom Bafeler Konzil verhängten Interdilts 
nad Greifswald über und gab fo Veranlaſſung zur 
Stiftung der dortigen Univerfität. yore Blütezeit 
fällt in das Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrh. 
Mißhelligleiten zwiichen Herzog Friedrich und der 
Stadt R. bewirkten 1760 die Verlegung des herzogl. 
Anteild nah Butzow, während der jtädtiiche in R. 
verblieb. Die Wiedervereinigung beider erfolgte 
1789, doch gab die Stadt ihr Kompatronat erſt 
1827 auf. Kanzler der Univerfität iſt ala Rechts— 
nachfolger der ſchweriner Biſchöfe der Großherzog 
von Medlenburg: Schwerin. Die Zahl der Studies 
renden belief fich im Winterfemeiter 1885/86 auf 
319. Die an feltenen Schäßen reiche Univerfitätä« 
bibliothet 3* etwa 140000 Bände. 

Gin wendifches, heidniſches R. am Dftufer der 
Warnow wurde 1161 von den Dänen zerftört, 
Um 1170 wurde e3 von dem chrijtl. Obotriten: 
fürſten Pribiflav — — und gleichzeitig 
auf den Hügeln am linlen Warnowufer ein deutſcher 
Drt, die jegige Altjtadt, gegründet, dem Heinrich 

54* 


852 


Burwy I. 1218 Stabtgerechtigleit verlieh. Seit 
der Landesteilung von 1237 war die raſch ange: 
wachſene Stadt Hauptitadbt und Mefidenz der 
«Herren von R.», deren lehter 1301 dän. Über: 
obeit anerfennen mußte. R. lam 1323 am Medlen: 
urg und blieb ſeit 1695 bei der Linie — 
Schwerin. Die Stadt war Mitglied der Hanſa faſt 
von deren Erbluühen bis 1630 und ſtand unter den 
Dftfeeftädten an Macht nur hinter Lübed zurüd. 
Seit dem Ende des 15. yabrb. war die Stadt mit 
den Landesherren in ftändigem Streite, der definitiv 
erit 1788 durch einen Erbvergleid mit dem Herzog 
Friedrich Franz beigelegt wurde. Auch danad) be: 
faß die Stadt noch eine Menge polit. Vorrechte. 
Sie hatte eigene Nieder: und Obergericdhtäbarteit, 
eine ig! ausgedehnte —— und un⸗ 
— 5 olizeigewalt, freie innere Verwaltu 
mit der Befugnis, Auflagen für ſtädtiſche Bebürf: 
niffe zu veranftalten, Munzrecht und eigene Handels: 
flagge (blau:weiß-rot), aud das Stapelrecht für 
Ausfuhr zur See. Die Neugeftaltung Deutihlands 
griff und greift hier befhräntend ein. In der ftän- 
diihen Verfaſſung Medlenburgs bildet N. einen 
—— Stand; einer der drei Bürgermeiſter iſt 
Mitglied des Direltoriums auf den Landtagen, fo: 
wie des Engern (permanenten) Ausſchuſſes ber 
Stände, Der Grundbefik der Stadt iſt ſehr aus: 
gedehnt und bildet mit einigen benachbarten Ritter: 
—— Roſtocker Diſtrilt (270 qkm mit 40000E.). 
azu gehört auch der Flecen Warnemünde mit 
2000 E., der Vorhafen R.s für Schiffe bis 4,5 m 
Tiefgang, mit einem beſuchten Seebade. Vgl. Nein: 
hold, «Chronik der Stadt N.» (Roit. 1836); Krabbe, 
«Die Univerfität MR.» (2 Bde., Noft. 1854); Herrlich, 
«Geſchichte der Stadt N, bis 1300» (Noft. 1873); 
«Neuer Führer durch N.» (Roſt. 1882). 
Nöftofen, ſ. unter Cifenerzeugung. 
Noftoptfchin, im Ruſſiſchen auch Naftop: 
tihin (Fedor Waſſiljewitſch, Graf), General: 
gouverneur von Moslau in dem Ariegsjahre von 
1812, geb. 23. März 1765 im Gouvernement Drel 
aus einer alten ruf). gemilie, war Page bei der 
Kaiferin Katharina II. und trat frühzeitig ala 
Lieutenant in die faiferl. Garde, machte dann 
Reifen in das Ausland und befuchte 1786—87 die 
Univerfität Göttingen. Beim Kaiſer Paul wußte 
er fich fo beliebt zu machen, daß er kurz nacheinander 
1796 zum General, Oberhofmarſchall, General: 
poſtdireltor und Minifter des Hubern und 1799 
zum ruf. Reichsgrafen ernannt wurde. Als er fich 
edoch gegen das Bündnis mit Frankreich erklärte, 
het er im Yan. 1801 in Ungnade und mußte den 
Hof verlaflen, Unter Alerander I. trat er 1810 
wieder in Dienft und erbielt im Mai 1812 den 
Poſten eines Generalgouverneur3 von Moskau 
(1. d.). Ob er die Verbrennung der Stadt plan— 
mäßig angeordnet habe, it lange Zeit eine Streit: 
frage geweſen: er jelbit leugnete dies beſtimmt in 
feiner «Verit@ sur l'incendie de Moscou» (Bar. 
1823), während die bald darauf erichienene Gegen: 
fchrift von Surrugues «Lettres sur l’incendie de 
Moscou» (Par. 1823) R.s Beteiligung nachzu— 
weiſen fuchte. Indes bleibt gewiß, daß er die Fort: 
——— der Feuerſpritzen, die han er der 
militäriic) organiſierten Feuerwehr und das Öffnen 
der Gefängniffe befohlen, auch Anftalten zur Ver: 
nichtung der in Moskau befindlichen Magazine ge: 
troffen hatte, dab er ferner fein Landhaus bei 
Mostau im Walde von Sololnili anjteden ließ 


— — ⸗ ⸗⸗ —ñ e GBß———G — — ú —ñ— — — — —— —— — — — —— — — — — — — —— —————————— 
n 


Röſtofen — Roftow 


und daß er, da fein Beiipiel ſchnelle —525— 
fand, immerhin als derjenige — iſt, der 
den * —** — o —— 
Feuersbrunſt gelegt hat. er jpäter ſelbſt 
zugeftanden, daß er ben Plan des B 

fen und durch Franz e au 
Im Y 1814 legte er jein nieder, 

den Kaiſer Alerander —— Kongreß nah Wien, 
fiel aber bald darauf in de und lebte feitbem 
viel auf Reifen. Er befuchte 1817 Karlsbad und 


ging dann . Paris, wo er 
zn und — 5 wi - = 
erfaflerin von ungen für P 

10. Febr. wit an —— Entel des Grafen von 
Stgur vermählte. Im 5.1825 kehrte er in fein 
Vaterland zurüd, ftarb aber bereits 12, .1826 
zu Mostau. Seine (unvollftändig) 

Schriften in ruf. und franz. Sprade, worunter 


zmwei Puftipiele, Bemerkungen auf einer Reife durs 
Deutſchland und die wisinen «M&moires, &crits 
en dix minutes», gab 1853 Smirbin in Beteräburg 
— Val. Varnhagen von Gnje, « gi 
eiten des eigenen Lebens» (Bb. 9, Et. 1859); 
Schnitzler, «Rostoptchine et K » 
1863); A. de Sögur, «Vie du comte 
Gouverneur de Mouscou en 181%» (Bar. 1872). 
Seine Schwiegertodhter, die Gräfin Ewbolia 
Petromna R., geborene Suihlow, bat 
als Dichterin einen ebrenvollen in 
ruf. Litteratur erworben. Sie wurde 4. Jan. 1812 
zu Moslau geboren und ftarb dajelbft 15. Dez. 
1858. Cine Gefamtau ihrer Gedichte, von 
Befthl uns ee Sprache kubjrlänen, eriöien 
und edle Sprade au nen, 

etersburg 1855—59 in vier Bänden (2. 
pi. 1857—60), Weniger bebeutenb t 
Romane: «Am Ufer» (feteräb, 1857) und «Die 
glüdlihe Frau» (Petersb. 1858). 

Roftorf, Pieudonym für Karl Gottlob Andreas 
von Hardenberg (f. d., Bd. VII, ©. 841°). 
—* “ —— im —— ie 
ment Saroflaw, an dem niedrigen 
des Roſtowſchen Sees (Nero) und an der Eifen- 
bahn Moslau⸗Jaroſlaw gelegen —* Stadt 


13 


Er 


de3 nordöftl. Rußland, die, von ge⸗ 
gründet, in der Chronik Neſtors unter dem Namen 
Rostow weliki, d. b. das R., ſchon im J. 862 
erwähnt wirb und am re A 10. . ein 
eigenes Fürftentum bildete, das in 

von dem fiemwichen Groffürften ftand, Im. 1474 
fam das Fürſtentum R. dur Kauf an IL, 


wurde 1692 zur Jaroſlawſchen 
ihlagen, 1708 dem Gouvernement 
verleibt und 1777 zur Kreisſtadt bes Gouverne- 
ment3 Jaroſlaw gemadht. R.zäblt (1883) 12454 €, 
eine Mädchenſchule, einen öffen 
fädtiföe Ban Lich Ieberiten, Bier und Met: 
brauerei, Branntweinbrennerei u. ſ. m. 
iſt R. durch die Fabrikation feiner 
die einen großen Abſaß in Kiew, und 
auf der Niſhnij⸗Rowgorodſchen Meile haben. 
feinen großen Jahrmarkt ift R, einer ber wichtig: 
ften Handelapunfte Rußlands. 

Roftow, —* im ruſſ. 
Jelaterinoſlaw, auf dem 
der Mündung bes in benfe 


Temernit, 9 km vom Ai ae 16 —— 


den Bahnlinien Roslow:R., Aurst:Ajow und R.: 


Roftpapier — Rotblindheit 


Wladikawkas, mit (1881) 70669 E., fünf Kirchen, 
einer Synagoge, —— neuen Prachtbauten 
und verſchiedenen großen Bazaren. Die Stadt be— 
ſtand zu Anfang des 19. Jahrh. noch aus wenigen 
Bretterbuden, bat ſich aber jetzt zu einem der erſten 
Getreidehäfen Rußlands emporgefhmwungen, jeit 
fleißige Aderbauer in den innern Gouvernements 
und an der faufaj. Linie angejiedelt wurden, die 
ihre Produkte in R. zu Markt bringen. R. iſt jebt 
der Ausfubrbafen für die Produkte des Landes der 
Doniſchen Kofalen, der Gouvernements \Jelaterino: 
ſlaw, Woroneih und Saratow. R. ſteht mit 
Odeſſa und Konſtantinopel in Dampferverbindung. 

Noſtpapier oder Nadelpapier, ein mit 
nie re gefärbtes Papier aus Zeug, dem 
man feineö Granitpulver beigemengt hat und das 
mit Leim ohne Alaun geleimt ift, zum Einwideln 
feiner Stahlwaren (Nähnadeln zc.) dienend, die e8 

egen Roſt ſchüßt. Auch nennt man R. feineres 
andpapier und Schmirgelpapier. Ferner führt 
diefen Namen das zum Verpaden gröberer Stahl: 
waren verwendete, aus alten Schifistauen ber: 
geitellte Papier, weil e3 durch feinen Teergehalt 
den Zutritt der Feuchtigteit erſchwert. 
oftpilze, j. Uredineen. 

Noftra hie im alten Rom die Nebnerbühne auf 
dem Forum, von welcher herab die öffentl. Neden 
an das Bolt gehalten wurden. Den Namen erbielt 
fie nad) den an ihr angebrachten Schnäbeln (rostra) 
derjenigen Kriegsſchiffe, welche die Römer bei der 
Eroberung von Latium den Antiaten 338 v. Chr. 
abgenommen hatten. 

oftral, ſ. Raitral. 
öftftadel, ſ. unter Kupfer, Bd. X, S. 676%, 

Röſtſtärke, foviel wie Dertein (i.d.)., 

Nodwitha (genauer Hröthsuith, entiprechend 
dem althochdeutſchen Hruodsuind), oder in latini: 
fierter Jorm Hrotsvitha, berühmte niederſächſ. 
Dichterin des 10. Jahrh., war geboren um 935, 
trat mit etwa 23 Jahren in das Benebiltinerklojter 
Gandersheim (im Braunichmweigiihen, nörblid 
von Göttingen) und ftarb dajelbit nad 968 (viel: 
leicht erſt nad 1002). In dieſer bevorzugten 
————————— des ſächſ. Herzogs- und Königs: 

uſes, welche durch lange Zeit nur von Äbtiſſinnen 
fürftl. Herkunft regiert wurde, bewegte fie ſich in 
der feiniten und fenntnisreichiten Geſellſchaft ihrer 
Zeit und vollendete ihre theol. und litterariiche 

dung unter Zeitung der Nonnen Nillarde und 
der ga Abtiffin Gerberge IL., einer Tochter 
Herzog Heinrichs von Bayern und Entelin Köni 
Heinrichs 1. Ihre lat. Dichtungen, die fait fämtli 
in einer innern Beziehung zur Geſchichte des Kloſters 
ftehen, gehören zu den ſchäßbarſten Dentmälern des 
10, Jahrh. Es find acht teils in leoniniichen Hera: 
metern, teild aud in Dijtihen um 960 nieder: 

eichriebene Legenden; ſechs Dramen, in einer nad) 

Sitte der Zeit mit Neimllängen durchſetzten Brofa; 
eine auf Bitten Ottos II. polen 965 und 968 in 
Herametern abgefabte Geſchichte Ottos J.; endlich 
ein Gedidt in Herametern, weldes die Gründung 
von Gandersheim und die ältere Geſchichte des 
Ottoniſchen Haufes behandelt. Bon den Legenden 
den Dramen und der Hälfte des Gedichts au 
Dtto I. hat u. alte Handſchrift erhalten (jet 
in Münden ndlih), aus welcher die Merle 
durch Konrad Geltes herausgegeben wurden(Nürnb, 
1501, mit wohl fälihlid dem A. Dürer zugeichrie: | 
benen Holzſchnitten). Schurzfleiſch bejorgte einen ı 


853 


zweiten Abdrud der Werke der R. (Wittenb. 1707) 
und fpäter 8. A. Barad eine kritiihe Gefamt: 
ausgabe derſelben (Rürnb. 1858). Die Dramen 
allein wurden herausgegeben von Magnin mit 
franz. Überfeßung und trefflicher Einleitung (Par. 
1845) und von Bendiren (Lübed 1858). Das Ge- 
dicht auf Dtto I. und das nur in einer Abichrift 
des 15. Jahrh. erhaltene Gedicht von der Grün: 
dung Gandersheims find am bejten herausgegeben 
durch Perk in den «Monumenta Germaniae histo- 
rica» = 6). Eine deutiche Üiberfeßung des Dra: 
mas «Abraham» verfuchte ſchon 1503 Adam Wer: 
ner von Themar, und Bendiren lieferte eine deutſche 
Überfegung der drei Dramen «Gallicanus, Dul: 
citius und Rallimakhus» (Altona 1850). Vgl. noch 
die Abhandlungen von Hoffmann und ®. He tag 
(Brest. 1839), Dorer (Aarau 1857) und bejonders 
von Köpfe, «Hrotiuit von Ganderöheim» (Berl. 
1869), worin auch Aſchbachs («R. und Eeltis», Wien 
1867) Anfıht,, daß die Werte R.3 eine dälſchung 
von Celtes jeien, widerlegt iſt. 

Not it diejenige Farbe in dem durch ein Glas: 
prisma gebildeten Sonnenfpeltrum, deren Strab: 
len unter allen Lichtitrahlen am {hä ften ge: 
brochen werben. Die Länge feiner Wellen ift rößer 
als die der übrigen farbigen —— die Anzahl 
der von ihm in einer Selunde voübrachten Schwin: 
gungen ift dagegen die Heinfte, ungefähr 500 Bil: 

ionen in einer Sekunde. (Vol. Farbe und Far: 
benlehre.) 

In den polit. Bewegungen von 1848 bezeichnete 
man mit dem Bräditat rot, der Farbe des Blutes, 
ben äußerſten Radikalismus. Man fprad feitdem 
zuerſt in Frankreich, dann auch anderwärts von Ro: 
ten, Roten Republifanern und der Roten Republif. 

Rota, ein roter Kapwein (j. d.). 

Rotafrottenr, Würgelwerloder Würgel: 
maſchine, eine VBorfpinnmafcine, in welder dem 
Faden durh rollende Bewegung eine vorüber: 
gehende Drehung erteilt wird. (©. unter Baunt: 
wollindujtrie und Wolljpinnerei.) 

Rotal, marollan. Bfundgewidt, ſ. Artal. 

Rotangpaime, Palmengattung, |. Calamus, 

Rota Romana, j. Kurie(Römiidhe). _ 

Notation (fr. rotation, engl. rotation), die 
drehende Bewegung eines Körpers um eine Achſe, 
welche derart vor ſich get daß jeder Punkt des 
Körpers eine Kreisbahn eichreibt, deren Mittels 
punkt in ber Achjenrichtung liegt. 

Rotation (landwirticaftl.), ſ. Fruchtfolge. 

Rotation oder Achſendrehung der Ge: 
ſchofſe, j. unter Flugbahn, Bd. VI, ©. 926°. 

Rotationdmaichine, j. u. Schnellpreſſe. 

Rotationspumpe (frj. Pesspe rotative, engl. 
rotary pump), Bumpen, welche mittelö rotierender 
tolbenartiger Körper oder mittels zweier in einem 
Gehäufe (Kapſel) ee Ram Slüf: 
figleiten heben. (S. unter Bumpen. 

Notationsſtück, kurzes, gezogenes Stüd am 
hintern Zeile der im übrigen glatten Seele eines 
age ai neuerdings bei ——— durch 

von Dreyſe (ſ. d.) mit Erfolg angewandt. 

Notationszünder, ſoviel wie a. Drehung 
eined beweglichen Teils tempierbarer Zeitzünder, 
(S. unter Zünder. : 
eg Deere 

ssenge, iſche, ſ. be. 

Rotbleierz, j. Bereiit. , 
Rotblindheit, f. unter yarbenblindbeit. 


854 


Notbruch, diejenige Cigenihaft des in — 
ringem Grade ſchwefelhaltigen Eiſens, der zufolge 
dasfelbe, obwohl in der Weißglühhite ſchmiedbar, 
bei der Bearbeitung in der Rotglühhike ſpröde 
(radio), im falten Zuftand Dagegen biegfam ift. 

Notbrüftchen, ſ. Rotkehlchen. 

Rotbuche, ſ. unter Buche. — 

Notdoru nennt man die rotblühenden Varie— 
tãten des gemeinen Dorns (Crataegus Oxyacantha 
L., |. unter Crataegus), welche mit dem Gold: 
regen (Cytisus Laburnum) und einigen Fliederfor: 
men (Syringa Rothomagensis Ren. und persica L.) 
————— im —* die ſchönſte Zierde der 
Garten bilden. Beſonders geihäßt find die Varie: 
täten mit rofenartig dicht gefüllten Blumen, zumal 
Var. coccines plena mit dunfellarmoifinroten, 
ſcharlachrot nuancierten Blüten. Cine jtraud): oder 
baumartig gezogene, gutentwidelte Pflanze diejer 
Varietät ift, wenn die Zweige unter der Pait der 
Blumen graziös niederhängen, von befonderer 
Wirkung. Man vermehrt den R. durch Bfropfen 
auf den gemeinen Dorn. 

Rotdroffel, j. unter Drofie.. . 

Note Erde, Fabritweiler bei Forſt (j. d.) in der 
preuß. Rheinprovinz; auch Bezeihnung für Weit: 

Note Grüse, ſ. unter Örüpe. [falen. 

Rotes Kreuz, Bereine vom roten Kreuz, ſ. u. 
Srauenvereine, a 

Rotes Meer over Arabiſcher Meerbujen, 
Bahr-el-Ahmar oder Bahr: el:Hidihas 
der Araber, Sinus arabicus ber Alten, der 
nordmweitlidite Arm des Indiſchen Dceans, etwa 
495000 qkm groß, beginnt unter 12'/,° nördl. Br, 
mit der Straße von Bab:el:Mandeb und zieht fich 
2300 km lang zwiſchen Arabien und Afrita bis 30° 
nördl. Br. gegen NW. Die 110 km breite Landenge 
von Suez (f. d.) trennt e8 von dem Mittellän: 
diſchen Meere. Bon dem 29 km breiten, aber durch 
die Inſel Perim und die Siebenbrüder-Inſeln be: 
engten Gingana nimmt feine Breite bis 16° nördl. 
Br., wo fie 355 km mißt, raſch zu, während fie von 
da gegen Norden fehr allmählich abnimmt, bis es 
von der Sinaihalbinfel in zwei ſchmale Arme, den 
öftlihern Golf von Alaba (Sinus Aelanites) und 
den weitlihern Golf von Sue; (Sinus Heroopolites, 
das Schilfmeer der Bibel, arab. Bahr⸗ei⸗-⸗Kul— 
jum) getrennt wird. Sein Boden bildet ein ge: 
—— Längenthal, deſſen beide Seiten bis zu 
einer bedeutenden Entfernung von den Ufern derart 
von Korallen ausgefüllt find, daß fie zwei Ketten 
von Bänten und Klippen bilden, die ſich 
parallel längs der Küſten des und jo das 
Meer in drei parallele Längsabſchnitte teilen, von 
denen ber mittlere ber breitejte und tiefite ijt, die 
beiden jeitlihen zwei feichtere, für die Küftenichiff: 
fahrt benußte Kanäle bilden. Am beträchtlichſten 
wird ber ſudl. Zeil de3 Roten Meers, von 17° 
nördl. Br. an, durd die Korallenbauten verengt. 
Die a beträgt 444, die größte 
1800 m. Inſeln hat das Rote Meer faft nur in 
jeinen feichtern feitlihen Partien. Die bemerkens: 
werteften find von Norden nad Süden Dichobäl 
mit Leuchtturm und Telegraphenitation, der vul: 

ic Sebergib — dem Golf von 

Berenice gegenüber, der Dahlal-Archipel bei Mai: 
fäua, die Sarfäninjeln, Kamaran ie) ber 
thätige Vulkan Dichebl:Zair, die Harniſchin el und 
dad von den Engländern beſeßte Perim. SFlüfie 
nimmt es nicht auf, nur periodiſche Negenbädhe; 


Rotbruch — Roter Schnee 


jeine Hüften find öde Felfen oder fandiger Strand, 
hinter dem 1300— 2300 m hohe zn. auffteigen, 
doc hat es einzelne gute Häfen, wie Sue, —2 
Sualin, Maſſaua auf afrilan, Yambosel-Babr, 
Dihidda, Lohaͤja und Molla auf arab. Seite. Zwi⸗ 
ſchen 16 und 12° nörbl, Br. find die Inieln ſowie 
die Berge an beiden Küjten vullaniſchet Natur. 
Das jehr reine, durdfichtige Waller des Meeres 
2 eine intenfiv blaue Farbe, die über den Korallen: 
änten ins Grünliche übergeht, und ift jalziger als 
dad Waſſer anderer Meere, da der Salzgehalt 
4 Proz. vom Gewiht ausmacht. Es repräjentiert 
ein natürlides großartiges Salzwerf, und die Ufer 
find mit Salzintruftationen bededt. Se 
Küjtenwafler erjheinen bei tiefem Stand ber Sonne 
gelbrot, wonad dies Meer vielleicht feinen Namen 
bat. Überdies tritt die aus geraben rötlihen Fü- 
den beitehende Alge Trichodermum erythraeum 
Ehrenb. jo maſſenhaft auf, dab fie oft die obern 
Schichten des Waſſers erfüllt und als jchleimige, 
blutrote Maſſe zur Ebbezeit am Ufer einen breiten 
roten Saum bildet. Die Temperatur des Meers 
it eine jehr hohe, in dem mittlern Teile zwijchen 
14 und 24° nörbl. Br. beträgt die Wärme des 
Wajiers jelbitin den Wintermonaten jelten weniger 
als 26° C., im März und April jteigt fie auf 29°, 
im Mai bisweilen auf 32°, die größte Wärme aber 
beobachtet man im September, wo die Temperatur 
des Meeres und der Luft bisweilen die Blutwärme 
überfteigt (bis 41° C. wurden beobachtet) und die 
Boitdampfer zur Umkehr zwingt. Die 2,8 m jähr- 
lich betragende Verdunſtung bei fait fehlendem Er- 
ja durch Regen (nur in der Neujahrswoche regnet 
es viel) oder Flüſſe bedingt lebhafte Strömungen 
in der Straße von Bab:el:Mandeb, wo das Waſſer 
an der Oberfläche ein:, in ber Tiefe ausjtrömt. 
Die Schwierigleiten, welde die Korallenrifie der 
Segelichiffabrt bieten, werden noch dadurch erhöht 
daß, während im füdl. Teile des Noten Meers vom 
Oltober bis Mai Südoft:, vom Juni bis Septem: 
ber Nordweitwind berridt, im nördl, Teile von 
Suez bi8 Dſchidda meiſt das ganze Jahr hindurch 
Nordwind weht, ſodaß ſich das Note Meer haupt: 
ſächlich nur für Dampfſchiffe eignet. Diejer vom 
Mai bis Dftober berrichende Nordwind drüdt das 
Waſſer ftarl nah Süden, ſodaß es am Norbende 
des Meers etwas tiefer ftehen fann als am Süd: 
ende; und zu joldher Differenz trägt auch die Ber: 
dunjtung bei. Der Handeläverlehr auf dem Meere 
war im Altertum und Mittelalter von Bedeutung; 
e3 bildete einen der älteſten Handelswege von 
Indien nad Ägypten und den Küftenländern bes 
Wittelmeers überhaupt. Seit der Entbedung des 
Seewegs um Afrifa nad Indien, Infolge deren 
der ganze Welthandel eine veränderte Richtung 
nahm, geriet diejer Handelaweg nad und nad in 
Vergelienbeit. Erſt ald durch Mehemed⸗Alis Be 
Itrebungen &gypten ben Europäern wieber er: 
ſchloſſen ward und der indobrit. Tranfit: und Bolt 
verfehr zwischen Sue; und Indien auflam, traten 
das Note Meer und feine Küftenländer aus jahr: 
bundertelanger Vergelienbeit aufs neue hervor, 
und jeit Eröffnung des Suezlanald wirb es von 
vielen nad Indien bejtimmten Dampfern durd- 
fahren, Bol. Klunzinger, «Bilder aus Oberägypten, 
der Wüjte und dem Noten Meere» (Stuttg. 1877). 
Rote Raffe, ſ. Ameritaniſche Rajje,. 
Note Rübe, j. unter Beta. 
Roter Schnee, j. unter Blutregem. 


Notes Totliegendeg — Roth (Juftus Ludw. Adolf) 


Notes Totliegendes, joviel wie Rotliegenbes. 
Roteifenerz nennt man die faferigen, dichten 
oder ocherigen Varietäten des Eifenoryds, von 
blutroter, bräunlidhroter, oft in das tahlgraue 
verlaufender Farbe. Das R., das ſich namentlich) 
auf Gängen und Lagern in ältern Sormationen 
findet, gehört zu den wichtigſten Eifenerzen, und 
ein bedeutender Teil der Eijenproduftion beruht 
auf jeinem Bortommen. 
ötel ober Rotjtein (crayon rouge, rubrica 
fabrilis) ift ein aus Thon und rotem Gifenodher in: 
nig gemengter Mineraltörper, derb, jchieferig, von 
erdigem Bruch, bräunlichrot, blutrot und ftarl ab: 
färbend. Man findet den R. im Thonſchiefer, 3.2. 
bei —— in Thüringen, bei Thalitter in Hefien, 
bei Nürnberg, Tirol, Schlejien, Salzburg, Böhmen 
u. ſ. w. Aus R. werden die feinern, in Wapier ober 
Holz gefaßten Rotftifte zum Zeichnen und Schrei: 
ben, wie die gröbern der Tiſchler, Steinmehen und 
Zimmerleute gefertigt. Die erjtern werben indeſſen 
jet weit befjer fünftlich aus geſchlemmtem R., ber 
mit Gummi, Seife zu einem Zeige angemacht und 
dann in Formen gepreßt und getrodnet wurde, her: 
geitellt. Die seen Sorten davon enthalten ge: 
wöhnlich etwas Zinnober als Färbemittel, 
Nöteln (Rubeöla epidemica) nennt man eine 
akute, meift epidemifch auftretende Infeltionskranlk⸗ 
eit, welche vorahgen Kinder befällt, mit Maſern 
6 d.) gewiſſe Ahnlichleiten hat, ohne mit ihnen 
identiich zu fein, ſich durch oberflädhlide, linſen⸗ 
bis —— flache oder wenig erhabene rote 
leden charalteriſiert, die beim Fingerdrud ver: 
hwinden, aber bald wieder erſchheinen, und mit 
leichtem Fieber, Rahen: und Bindehautlatarrh 
verbunden iſt. Die R. ftellen eine gutartige Affel: 
tion dar, welche ftet3 in wenigen Tagen abläuft und 
mit volltonmener Genefung endigt. Ein den R. 
ähnlicher Hautausfhlag entiteht nad) äußern Rei: 
jungen ber — —— Inſeltenſtiche, Ver⸗ 
tennung), ſowie im Verlauf des Typhus, des Cho: 
leratyphoids und der Pyämie, (S.Rojeola.) , 
Noten... in Zufammenjesungen, bejonders in 
Eigennamen, die man —* vermißt, Rothen. 
Rotenburg, Kreisſtadt im preuß. Negierungs: 
bezirf Kafjel, an der Fulda, 40 km im SSD. von 
zu! gelegen, Station der Linie Kafjel: Dieten: 
borf der Preußifchen Staatsbahnen, Sitz eines 
Amtsgerichts und eines Landratsamts, hat das 
Refidenzihloß der 1834 im Mannsitamm erloſche⸗ 
nen Linie Heſſen⸗Rheinfels-Rotenburg und zählt 
1880) 8186 €., die Gerberei und Landwirtichaft 
etreiben. Der Ort befikt zwei evang. und eine 
kath. u eine Sumagoge und eine höhere 
Bürgerihule. — Der Kreis Rotenburg zählt 
(1880) auf 555 qkm 30848 meiſt prot. €, 
Rotenburg (an der Wümme), Fleden und 
Kreishauptort im preuß. Negierungsbezirt Stade, 
am Einfluß der Rodau und Wiebau in die Wümme, 
Station der Linie Hamburg⸗Köln der Preußiſchen 
Staatöbahnen, Sis eines Amtsgerichts, zählt 
1) 2228 E. und bat eine Pfarrliche, Holz 
chneiderei und Zündholzfabrilation, Cigarrenfabri⸗ 
lation. — Der Kreis Rotenburg zählt auf 
1445 qkm (1885) 19277 €, 
Notenburger Quart, S. unter Helfen: 
Rheinfels:Rotenbura. 
otfärberei. Zur Erzeugung von roten Far: 
bentönen auf Garnen und Geweben dient eine 
Reihe von verichiebenen Farbſtoſſen: Cochenille, 


855 
Rum, Alizarin, Orlean, Braſilienholz und nas 
mentlich verjchiedene Teerfarbitofie, n, Eofin 


u. a. von denen bie letztern wegen ihrer Farben: 
intenfität die erjtern mehr und mehr verbrängen. 
Wolle und Seide find vorzugsweife geeignet, mit 
Zeerfarbitoffen gefärbt zu werden, weil fie dieſelben 
ohne Dazwiſchenkunft eines andern Hilfsmittels 
direlt annehmen, während Baumwolle einer Zu: 
bereitung —* Beizen bedarf. Einer der mic: 
tigiten Zweige der R. ift die Türkifhrotfärberei. 

Rotfäule nennt man in der Botanik eine Fäul⸗ 
niserſcheinung, die meijt an Nadelhölzern auftritt 
und durch Einwirkung eines Pilzes aus der Grupve 
ber Hymenompceten, Trametes radici ‚be: 
— wird. (Näheres f. unter Trametes.) 

otfeder (Leuciscus erythrophthalmus), einer 
der gemeinften Weißfiſche in allen fühen Gewäflern 
Deutihlands, wird bis 30 cm lang und hat alle 
Floſſen rot; das Fleifch ift wenig ſchmadhaft. 
ch, joviel wie Huchen. 

Notgerberei, foviel wie Soßgerberei. 

Rotgiekerei (frz. fonderie de cuivre rouge, 
us. brass foundry), foviel wie Tombatgießerei. 
(©. unter Netallguß.) 

Notgrünblindheit, ſ.u Farbenblindheit. 

Rotgültigerz, ſ. unter Silber. 

NRotguf, ſoviel wie Tombat (ſ. d., vol. auch 


Metall u.) 
Rot t be) u. j.w., ſ. Rot u. ſ. w. 
Roth, Stadt im bayr. Regierungsbezirt Mittel: 


festen, Be — an der Mündung 
er Roth in die Rednitz, Station der Linie Münden: 
pn olftadt:Bamberg:Hof der Bayriſchen Staat3: 

eu Sitz eines Amtögerihts, zählt (1880) 
2872 G und hat ein Säloh aus dem 14. Jahrh., 
Derfenben. Yabrifation von Bronze, leoniſchem 

raht, Bleitiften und echten und unechten Gold: 
und Silbertrefien. Im gebe vor R. fand 24. Juni 
1460 ein Friedensſchluß ftatt zwiſchen Markgraf 
Albrecht Adilles und Herzog Ludwig dem Reichen 
von Bayern-Landöhut. 

‚Roth, bei naturwiflen ze en Namen Be: 
zeichnung für Albrecht Wilhelm Roth, geb. 
1757 zu Dötlingen in Oldenburg, get. 1834 als 
Arzt zu Begefad (Botaniter). 

oth (Juſtus Ludw. Adolf), bedeutender Geo: 
gnoſt und —— ‚geb. zu Hamburg 15. Sept. 
1818, bejuchte die Univerfitäten von Berlin und 
Tübingen, wo er bem Studium der Naturmillen: 
ſchaften oblag, und ließ fich fpäter in Berlin nieder, 
wo er 1867 zum Mitglied der Akademie der Wien: 
haften und zum Profeſſor an der Univerfität er: 
nannt wurde. Längere wiflenihaftlihe Reifen 
führte er früher nad) — „Italien und Nor: 
wegen aus. Seine erite größere Schrift betrifit 
«Die Kun im Mineralrei) und deren Einfluß 
auf die Abfonderungsgeftalten der Gefteine» (Lpz. 
1844). Später veröfemihte er die wertvolle Mo: 
nographie «Der Veſuv und die Umgegend von 
Neapel» (Berl. 1857), ferner wichtige Unter: 
[udungen die zumeift in den Abhandlungen der 
erliner Alademie dienen und die ſich auf die 
vullaniſche Eifel, auf die Lehre vom Metamorphis— 
mus, die Bildung des Serpentins, die Geognofie 
des niederſchleſ. Gebirges ni w. beziehen. Daneben 
aber hat fih R. namentlih um die Petrograpbie 
die größten Verdienjte erworben, Inden er von Jet 
zu Zeit die in immer reihliherm Maße angebe ten 
chem. Analyſen der Gefteine jammelte, tabellariich 


856 


bearbeitete und mit fritiichen Bemerkungen und Er: 
läuterungen verjah («Die Gejteinsanalyien», Berl, 
1861; «Beiträge zur Betrograpbie der plutonischen 
Geiteiner, Berl. 1869, 1873, 1879, 1884). Zabl: 


ter Weife Kritit ausüben, hat er in der «Zeitichrift 
ber Deutſchen * Gejellichaft» publiziert. Bon 
feiner «Chem. und Allgemeinen Geologie» beban- 
delt Bd. 1 (Berl. 1879) die geognoftiich wichtigſten 
Mineralien und ihre Veränderungen, von Bd. 2, 
welder ſich auf die Gruptivgejteine bezieht, find bie 
1. und 2. Abteil, (1883 und 1885) erſchienen. j 

Roth (Paul Aud. von), Juriſt, geb. 11. Juli 
1820 in Nürnberg, ftudierte in München die Rechte, 
habilitierte fich 1848 in München als Brivatdocent, 
wurde 1850 als außerord. Profeſſor nah Marbura 
1853 als ord. Profeſſor des deutichen Rechts na 
Roftod, 1857 nach Kiel und 1863 nah Münden 
berufen, wo er 1866 auch zum Oberbibliothefar der 
Univerfitätsbibliothet bejtellt wurbe. Im J. 1874 
wurde er vom Bundesrat des Deutſchen Reichs zum 
Mitglied der Kommiſſion zur Entwerfung eines 
deutichen Civilgeſeßbuchs ernannt, und nimmt jeit 
1881 ftändig an ben in Berlin ftattfindenden 
Sikungen berjelben teil. Bon feinen Schriften 
ind zu nennen: «fiber bie ger ver Lex 

ajuvariorum» (Munch. 1848), xGeſchichte bes 
DBenefizialmejend» (Erlangen 1850), « Feubalität 
und Untertbanenverband» (Wein. 1863), «Bayr. 
Civilreht» (3 Bde., Tüb. 1870— 75), «Deutiches 
Privatredht» (Bd. 1 und 2, Tüb. 1880 fg.)., 

Roth (Rud. von), deuticher Drientalift, geb. 
3. April 1821 zu Stuttgart, madte feine Studien 
u Tübingen, Paris und London und habilitierte 
hi 1845 zu Tübingen, Im J. 1848 erhielt er eine 
außerord. Profefjur dafelbft und 1856 die ord Pro: 
feſſur der orient. Spraden. Daneben wirkte er 
feit 1856 auch als Oberbibliotbelar der Univerfität. 
Im J. 1873 wurde er geabelt. R. iſt der Haupt: 


begründer der vediihen Studien in Deutichland. Er | lo 


veröffentlichte: «Zur Litteratur und Geſchichte des 
Beda» (Stuttg. 1846), die Ausgaben von Jaslas 
«Nirukta» (Gött. 1852) und des «Atharva:Vedan 
(mit Wbitney, Berl. 1856 fg.). In diefen Arbeiten 
befundet R. das Streben, das Verftändnis der 
älteften Terte von der ausſchließlichen Autorität 
der ind. Kommentatoren unabhängig zu maden 
und nad_allgemeinen philol. Grundfäken feftzu: 
ftellen. Sein eigentliches Hauptwerk iſt jedoch das 
große «Sanztrit:Wörterbucdh» (Bd. 1—7, Petersb, 
1553— 75), welches er gemeinschaftlich mit Böhtlingt 
bearbeitete. Ferner find zu nennen: «Abhandlung 
über den Atharva:Beda» (Tüb. 1856), «liber den 
Mythus von den fünf Menfchengeichlehtern» (Tüb. 
1860), «liber die VBorftellung vom Scidial in der 
ind. Spruchweisheit» (Tüb. 1866), «Der Atharva- 
veda in Kajchmir» (Tüb. 1875), «Über Magna 31» 
(Tüb. 1876), jowie mehrere wichtige Abhandlungen 
in der «Beitichrift der Deutichen morgenländiichen 
Geſellſchafty. Auch iſt R. der Verfaſſet des Haupt: 
datalogs der Fönigl. Univerfitätsbibliothek zu Tü— 
bingen (Bd. 1: «Ind. Handidriften», Tüb. 1865), 
ſowie der Herausgeber der «llrkunden zur Geſchichte 
der Univerfität Tübingen» (Tüb. 1877). 

Roth (Wilh. Aug.), Be geb. 19. Juni 
1833 zu Lübben in der Niederlaufik, ftubierte 1851 
—55 Medizin auf dem Friedrich-⸗Wilhelms⸗Inſtitut 
in Berlin, wurde 1857 Aſſiſtenzarzt, 1861 Stabs: 
arzt im Friedrich: Wilhelms : Inftitut, 1867 Ober: 


—* Arbeiten, welche vielfach in erwünid: | f 


Berfafjung» (Wittenb. 1837) hervor, 


Roth (Paul Rud. von) — Rothe 
ftab3arzt und Lehrer an der Kriegsakademie und 


1870 eneralarıt und Korpsarzt des 12. (königl.- 
ſächſ.) Armeelorps zu Dresden. Seit 1873 bekleidet 
er aud den Lehrituhl für_Gefundheitspflege am 
igl. Polytehnitum zu Dresden und leitet zu: 
lei die miltärärticen gertstbungsturie- ‚NR. 
lt & namentlih um die Geſundheitspflege, ins: 
ejondere um den Militärjanitätsdienft weientliche 
Berdienite erworben. Unter feinen Schriften find 
orzubeben: «Militärärztlihe Studien» (2 Bbe., 

erl. 1867—68), « Grundriß phyſiol. Anato⸗ 
mie für ag werten ge (2. Aufl, 
Berl. 1872), « Handbuch ilitär —— 
pflege» ß de. Berl. 1872—77, mit Lex). Auch 
ibt er jeit 1872 den «Jahresbericht über die Lei- 

ngen und Fortichritte auf dem Gebiet bes Mili- 
tärjanitätsmweiens» heraus, 

Mötha, Stadt in der ſächſ. Kreishauptmann— 
ſchaft Leipzig, Amtshbauptmannihaft Borna, rechte 
an der P * unweit ber Station Böhlen der Linie 
Leipzig: Hof der Sähfiihen Staatsbahnen, zählt 

1885) 2228 €. und hat Kürfchnerei, Gerberei und 
iege eien. Belannt ijt die von Frieſenſche Gärt: 
nerlehranftalt mit umfangreihen Gärten. Das 
Bieige Schloß war während der Völferjchlacht bei 
pzig im Oft. 1813 Hauptquartier der verbünde: 
ten Monarchen und des Fürjten Schwarzenberg. 

Nothaan, ſ. Roothaan, 

Rothanrgebirge oder Rotlagergebirge, 
na . und N, jteil abfallender grüden im 
ſüdl. Teil des preuß. Regierungsbezirt3 Arns 
eritredt 8 von den Quellen der Sieg, Lahn u 
Eder zuerjt nordwärts bis zum Härdler (680 m), 
dann ojtwärts zwiſchen der Lenne und Eder bis zum 
ir Ajtenberg (830 m). 

othäute, joviel wie Indianer (j. unter Ame⸗ 
tilaniihe Rajie). 
Rothe (Rother, Rothes) u.i.w., ſ. Rote u. ſ. w. 
Rothe (Richard), ausgezeichneter deutſcher Theo 

g, geb. 28. Yan. 1799 zu Pofen, ftudierte zu 
Heidelberg und Berlin, gehörte 1820—22 dem 
wittenberger Predigerfeminar an und wurde 1833 
Prediger bei ber preuß. Geſandtſchaft zu Rom, 1828 
Profejjor am Predigerieminar zu Wittenberg, 1832 
zweiter Direktor desfelben und bald nachher aud 
Ephorus; 1837 ging er als ord. Profeſſor und 
Direktor eines neu zu begründenden Pred I: 
nars nad) Heidelberg, wurde Djtern 1849 Profeſſor 
und evang. Univerjitätsprediger zu Bonn, kehrte 
jedoch 1854 nad} Heidelberg zurüd, wo er zum Geh. 
Kirchenrat, 1861 zum außerorbentlihen Mitglied 
de3 Oberlirchenrat3 ernannt wurde. Er ftarb da: 
jelbft 20. Aug. 1867. Seine theol. Richtung pflegte 
er jelbit ala ————— zu bezeichnen, doch 
unterſcheidet er ſich von dem gewoͤhnlichen Supra: 
na ismus weſentlich durch die wiſſenſchaftli 
—— enheit und Energie feines Dentens, Durd 
feine Itnisbeftimmung des Hiftorijchen und deẽ 
Idealen im Chriftentum und deren Konfequenzen 
war er ber fog. Vermittelungstheologie zugewandt. 

edod wies er energiſch auf den Unterichied von 

eligion und Dogmatil hin, und forderte eine Re 
form der evang. Kirche und Theologie im Cinklana 
mit der Kulturentwidelung unjers eitalters. Als 
Schriftiteller trat R. zuerſt mit dem «Neuen Beriub 
einer Auslegung der Bauliniihen Stelle Röm. 


5,12—21» (Wittenb. 1836) und dem lirchenhiſio 


t 
und ihr 


Wert «Die Anfänge der qriſil. Ki ‘ 
ein Haupt: 


Nothenburg — Rotbenfels 


werk iſt feine «Theol. Ethil» (3 Bde. Wittend. 
1845—48). Die zweite, völlig neue Bearbeitung 
ift unvollendet & lieben; doch hat Holkmann die 
fehlenden drei Bände aus der eriten Auflage und 
aus R.3 nahgelafienen Papieren ergänzt (5 Bde., 
Wittenb. 1869— 71). Naͤchſt diefem find noch die 
trefflihe Schrift «Zur Dogmatit» (Gotha1863) und 
viele Abhandlungen, alademiſche Schriften, öffent: 
liche Vorträge, Reden und —— zu erwähnen. 
Aus feinem Nachlaß find feine VBorlefungen über 
«Dogmatik» (herausg. von Schenkel, 2 Bde., Heidelb. 
1870—71) und « Kirdengeihichte» (herausg. von 
Weingarten, 2 Bde., Heidelb, 1875), «Theol. Ency: 
Hopädie» (herausg. von Ruppelius, Pittenb. 1880); 
ferner «Geſchichte der Predigt» (herausg. von Trüm: 
pelmann, Brem. 1881), Predigten (herausg. von 
Schenkel und Bleet, 3 Bde., Elberf. 1868—69; 
eine Nachleſe, Hamb. 1872), Erbauliches («Stille 
Stunden», Wittenb. 1872), «Entwürfe zu den Abend: 
andadıten über die Bajtoralbriefe und andere Baito: 
ralterte» (herausg. von Palmie, 2 Bde., Wittenb, 
1876—77, «Der erjte Brief Johannis praltiſch er: 
Hlärt» (herausg. von Müblhäufier, Wittenb. 1878), 
«Gejammelte Vorträge und Abhandlungen aus fei: 
nen letzten Lebensjahren» (herausg. von Nippold, 
Elberf. 1886) veröffentliht. Eine ne R.s 
ſchrieb fein Schüler Nippold: «Richard R. Ein 
Khrijtl. Lebensbild» (2 Bde. Witten. 1873— 74). 

Rothenburg (an der Oder), Stadt im preuf. 
Regierungsbezirk Liegnik, Kreis Grünberg, 4 km 
linf3 von der Ober, Station der Linien Guben: 
Bentichen und Breslau: Stettin der Preußifchen 
Staatsbahnen, zählt (1885) 624 E. und hat an 
ber Ober jhöne Eichenwaldungen, ferner Tuch— 
fabrilation und eine Wollwäfcheret. 

Nothenburg (an der Saale), Pfarrdorf im 
Saaltreife des preuß. Regierungsbezirls Merfe: 
burg, rechts an der Saale, in tief eingejchnittenem 
Selena berielben, 7 km im SS®W. von Gönnern, 
zäblt (1880) 1200 E. und hat eine königl. Domäne 
mit Spirituwäfabrif, ein Kupfer- und Walzwerk, 
Schiffahrt und in der ey eine Maſchinenfabrik 
«Prinz Karlshütte», Rotſandſteinbrüche und ein 
Koblenbergwert. 

Rothenburg (in der Oberlaufik), Kreisftabt 
im preuß. Regierungsbezirk Liegniß, links unweit 
der Lauſitzer Neilie, Sit des Yandratsamts und 
eines Amtsgerichts, zählt (1880) 1255 E, und bat 
een undein Nittergutmit Schloß, 
Baumichule und Ananaszuht. — Der Kreis Ro: 
tbenburg zäblt auf 1126 qkm 51237 €. 

Rothenburg ob der Tauber, unmittelbare 
Stadt ım bayr. Regierungsbezirk Mittelfranten, 
30 km im WNW. von Ansbach, unweit der 
württemb. * in romantiſcher Lage auf einem 
Berge, 377 m über dem Meere, zählt (1880) 6504 
meiſt evang. E., ijt der Hauptort ded Verwaltungs: 
bezirts R., jowie Sik de3 Bezirlsamts und eines 
Amtsgeriht3 und hat ein Progymmafium, eine 
Nealihule, ein Waiſenhaus und ein Hoſpital. 
Der Ort ift eine der älteften Städte in Franten 
und gem namentlich durch feine vielen Kirch: 
und Mauertürme einen interefianten Anblid. Er 
bat fieben Kirchen, eine vollftändige Lateinſchule, 
eine Bibliothel und ein jchönes Rathaus. Unter 
den Kirchen zeichnet fich befonders aus die Haupt: 
firhe zu St. Jakob, 1373—76 im Spibbogenitil 
erbaut, im 15. Jahrh. vergrößert und neuerdings 
von Heideloff rejtauriert, mit guten Gemälden von 


857 


| Hercen (1466), A. Dürer und Wohlgemuth, jehr 
—— Glasmalereien, alten treflihen Bild: 
fhnikereien am Hodaltar und vielen Grabbent: 
mälern. Ferner it bemerlenswert die 1475 be; 
— 1709 reſtaurierte St. Wolfgangs— 
the mit Altargemälde und die Kirche zu St. 
Johann. Eine im 15. Jahrh. von einem Mond 
angelegte Waflerkunft führt dur ein Drudwert 
das Waller aus der Tauber auf den Berg nad) 
einem 30 m hohen Turm in einen großen fupfernen 
Keſſel, von wo e3 ſich in verſchiedene Brunnen ver: 
teilt. Die Bevölkerung treibt Ader: und Weinbau. 
Außerdem beſtehen —* für Kinderwagen und 
Spielwaren, ſowie für landwirtſchaftliche Maſchi— 
nen, Gips⸗ Walt: und Bulvermüblen. 

. ericheint ſchon 942 ala Stadt und früher noch 
als Sit der Grafen von R. Nach dem Ausiterben 
derjelben, 1108, ſchenlte Kailer Heinrih V. bie 
Stadt feinem Neffen Konrad III. von Schwaben 
Gohenſtaufen, deiien Sohn Friedrich ſich Herzog 
von R. nannte). Nach deſſen Tode 1168 —F 
Kaiſer Friedrich J. Franken an den Biſchof von 
Bamberg, erhob aber R. 1172 — freien Reichs⸗ 
pott, die 1274 und noch 1662 bedeutende Privi: 
egien erhielt. Als folhe fam fie mit ihrem feit 
1430 etwa 330 qkm großen Gebiet 1803 an Bayern, 
welches 1810 einen Teil desjelben an Württemberg 
abtrat. Durch ihre Lage und ihre Werke war bie 
Stadt vielen Belagerungen ausgeſetzt. Sie wurde 
erobert 1406 vom ‚Duzgoteien edrich VI. von 
Nürnberg, 1552 vom Markgrafen Albreht, dann 
wieberholentlih im Dreihigjährigen Kriege bald 
von den Schweden, bald von den Kaiferliden, zu: 
lest 1645 von den ‚ramgofen, 1703 von ben Reicb- 
truppen. Im Siebenjährigen Kriege forcierte der 

reuß. Huſarenkornett Stürzebedher mit einem 

rompeter und 25 Mann durd einige Piſtolen— 
jgafie ein Thor und prefte ber Stabt, die einft 

illy widerjtanden, 40.000 FI. ab, führte auch zwei 
Ratsherren als Geijeln mit. Dagegen trieben 1800 
die Rothenburger ein franz. Sietr 3, das die 
Stadt brandſchatzen wollte, mit Mijtgabeln hinaus. 
Bol. Benfen, «Beichreibung und en te der 
Stadt R.» (Erlangen 1856); Merz, «R. in alter 
und neuer Zeit» (2, Aufl., Ansb. 1881); Klein, «R. 
ob der Zauber» (Rothenb. 1881). 

id Ruine bei Htelbra (j. d.). 

Rothenfelde, Dorf im preuß. — —— 
Ddnabrüd, Kreis Melle, mit 420 E., Solbad, 
zwei Gradierhäufern, einem evang. und einem kath. 
Kinderhofpital. Vol. Kanzler, «Solbad N. bei 
Deanabrüd» (Dänabr. 1881). 

Rothenfeld (in Bayern), Stadt im bayr. Re: 
gierungsbezirfUlnterfranten, Bezirlsamt Lohr, rechts 
am Main, am Ditfuße des Speflart, Station 
Linie Lohr: Wertheim der Bayrifhen Staatsbahnen, 
—— (1880) 954 E. und hat ein Schloß des Fürſten 

öwenftein:Wertheim:Rojenberg, Sandſteinbrüche 
und Faßbinderei. ’ 

NRothenfel® (in Baden), Pfarrdorf im bad. 
Kreife Baden, Amt Raftatt, rechts an der M 
am Cingang zum Murgthal des Schwarzwaldes, 
Station der Linie Raftatt: Gernsbad (Murgtbal: 
bahn) der Badiihen Staatsbahnen, zählt (1880) 
1564 E. und hat eine Mineralquelle ( iſabethen⸗ 
quelle), einen Chlornatrium-Säuerling von 20° C. 
mit Babeanitalt, eine Steinhauerei, Herftellung von 
Glaswaren und Holzhandel. Nahebei, em Sufe 

de3 Schanzenberges, liegt ein früher marlgräfl. 


858 


Edlö mit Muſterlandwirtſchaft, jeht im Beſih 
des Fürften von Lippe. j 

Nother (König) iſt der Held einer deutſchen 
Dichtung des 12. Jahrh., die den Namen, aber 
aud nicht mehr, von dem longobard. König Hothari 
entlehnt hat und dem Kreiſe ber Spielmanns: 
dichtungen angehört und die Brautfahrt des Helden 
nad dem Orient —— R., in Bare (Bari in 
Apulien) berrihend, jenbet Fra feiner Nannen 
nad Konftantinopel, um die Königstochter Herlind 
zu werben. Die Boten werden gefangen genom: 
men, und R. machte 19 jelbit mit einem Heer auf, 
um fie zu befreien. Unter dem Namen Dietrid) gibt 
er fich als einen von R. Vertriebenen aus und weiß 
die Huld und Liebe der Königstochter zu gewinnen, 
die er auch glüdlich in die Heimat entführt. Ein 
Spielmann des Königs aber bringt fie durch Liſt 
wieder nad) Konftantinopel, wohin jih nun R. aufs 
neue aufmacht und anlommt, als fie mit einem 
Heiden vermäblt werden ſoll. Erlannt und zum 
Tobe verurteilt, wird er von feinen im Hinterhalt 
verborgenen Mannen befreit, und der König willigt 
endlich in Herlinds —— mit ibm. Der 
ae: am Niederrhein zu Haufe, lebte um 1150 
in Bayern und hat mancherlei bayr. Beziehungen 
eingeflodhten. Denfelben Sto el die auf deut: 
ſcher Quelle rubende altnord. Thidrelsfaga von 
einem König ——— Das Gedicht iſt nach von 
der Hagen (1811) und Maßmann (1837) am beiten 
von 9. Rüdert (Lpz. 1872 und von K. von Bahder 
(Halle 1884) herausgegeben. Wal. Edzarbi in der 
«Germania» (Bd. 18 u. 20): * 

Rother (Chriftian von), preuß. —— 
geb. 14. Nov. 1778 zu Ruppersdorf bei Strehlen 
in Schlefien, Pan 1797 eine Anftellung im Staats: 
dient beim Polizeifah und fam 1806 als Kaltula- 
tor zur Kriegs- und Domänenlammer. Nad dem 
Tilfter Frieden (1807) war er in Warſchau im 
Bureau des Yuftizminifters Grafen Lubieniti thä: 
tip. Von bier begab er 19 1810 nad) Königsberg. 

ne treffliche Schrift über Kafienverwaltung bahnte 
ihm den Wiedereintritt in den preuß. Staatsbdienft. 

wurbe 1810 ala —— unter dem Mi: 
nifter Hardenberg angeitellt, 1815 Spezialbevoll: 
mädhtigter bei der Verteilung der Kriegsentſchä⸗ 
digung, welde Frankreich zu —* hatte, 1820 Chef 
der Seehandlung, 1831 Direktor der lönigl. Bank, 
bald darauf Bräfident der Staatsſchuldenverwal⸗ 
tung und 1836 Geb. Staatöminijter, welche Stellen 
er bis 1848 beleibete, Zu feinem 50jährigen Dienit: 
jubiläum erhielt er den Schwarzen Adlerorden und 
damit für ſich den Adel, nachdem jeine Rinder be: 
reitö 1837 nobilitiert worden waren. R. leitete 
das ganze Finanzweſen des Staats und ſchuf meb: 
tere der woblthätigften Einrichtungen, wie die 
Staatsfhuldentilgungstommiifion, die Kreditan: 
talt für Grundbefiger , viele Fabrilen und Kunft: 
tragen u. ſ. m. Auch ftiftete er den Verein für fitt: 
lid verwahrlofte Kinder und errichtete die ſog. 
Rother:Stiftung, durch welche aus den Be: 
trägen verfallener Seehandlungs : Prämienjdeine 
unverforgte Töchter verftorbener. Staatädiener 
alu und Geldunterjtüpung erhalten. Im 
Srühjahr 1848 ſchied er aus dem Staatsdienft und 
x fih auf jein Gut Nogau bei Parchwiß in 
aus wa wo — F Frage 1849 nr hichaſt 

otherham, Stadt in der engl. Gra 
York, Weſtriding, rechts am Don, an der Ginmün: 
dung des Rother in denſelben, Station der Linie 


Rother — Rothorn 


Smwindon: Junction: Doncafter der Midlandbahn, 
zählt (1881) 34782 E, und hat eine —— 
ein Seminar der Independenten, Eiſen⸗ und tahl: 
fabriten, gern Mafdinenbaumwerfftätten 
und in der Nähe Koblen: und Eiſ 

Notherhithe, Stadtteil von London, in ber 
Grafſchaft —— rechts an der e und an 
der Einmündung des Grand: Surreylanala in bie: 
ſelbe, oberhalb Dan: zählt (1881) 36010 E. 
meift Matrojen un —— und hat 
die großartigen Surrey⸗ mmercial:Dod3, welde 
140 ha bededen, Schiffäwerfte und den 25 ha gro⸗ 
ben Southwart: Bart, Mit Wapping, dem füdlih 
von den London⸗Dods linls an ber fe 
nen Stadtteil, iſt R. 83km unterhalb London 
durh den 1825 —43 erbauten Themjetunnel 
verbunden, weldher aus zwei nebeneinander laufen: 
den gemauerten Bogengängen von je 4,2 m Breite, 
4,3 m Höhe und 396 m Länge beitebt, keit 1865 ber 
— re eu. ehört und 
wärtig etwa 40 Züge derjelben t al paffieren 

Rotherth af (Vörös Torony), ein Felſen⸗ 
paß im hermannftädter Komitat Siebenbü 
—* aus dieſem Lande durch deſſen ſudl. 
gebirge, welches hier von der Aluta durchbrochen 
wird, nach der Walachei auf der befahrenſten Straße 
zwiichen beiden Ländern, ift nad) einem rot bemal- 
ten Feljentaftell benannt und bat eine *— Kon: 
tumazanitalt und ein eur mt. Am 
gang lag im Altertum Cajtra Trajana, weshalb 
der Paß ım Mittelalter auch ee genannt 
wurde. Hiſtoriſch merfwürbig iſt derielbe durch bie 
Niederlage der Türken gegen bie u unter 
Hunyad 1442, ſowie des Kafchas von endria 
gegen diefelben unter Stephan von Thalegd 1493, 
ur bie —— — 20. Juni 1821, 
durd den Ginmarich der erften ruf. Truppen aus 
der Waladei nah Siebenbürgen im Jan. 1849, 
ſowie durch die Bejekung von jeiten der 
unter Bem von Ende März bis Mitte April 1 
Der Bau einer Eifenbahnlinie durch diefen Paß it 
ſchon längft projeltiert, aber noch nicht a 

Nothefay, Hauptitabt der ſchott. © 
Bute, an der Norboftlülte der Inſel Bute, t 
etwa 8300 E. und hat einen vorzüglichen Hafen, 
Heringsfiiherei, Schiffbau und Baummollweberei. 
Megen feines milden Klimas ift R. ein beliebter 
Badeort der Glasgower, 

Nothiere (La), ſ. La:Rothitre, 

Notholz, Babiaholz, f. A 
ſteins zablrei be nie — In —5* 

eins zahlreiche Gipfel der n. 
nischen oder Bee Alpen kroͤnt das Zinalrotborn 
oder Moming (4223 m), eine fühn geformte Gneit: 
— den vergletſcherten Namm, 
id von Zermatt das Nilolaithal vom Val de Zinal 
(f. Annivierg) ſcheidet öftlich von Zermatt 


erbeben fi das Oberrothorn E 3418, das 
rothorn zu 3106m, Den Berner —3 
R. (3300 m) der Blümlisalp (j. d.), das 
Rothorn (2351 m) oberhalb Brienz und das 

wyler Rothorn (2053 m) über dem erjee. In 
den Rhätiſchen oder Graubändner Der 
wiihen dem Arofathal und Lenzerheide 


roſarothorn (2985 m) und das Parpaner Rot: 


born (2901 m) auf; im Br erhebt 
ein R. ober als Schröden = 7m unb in e 
Leoganger Steinbergen ber ler Alpen ein 


anderes zu 2600 m, 


| 


Rothſchild — Rothftein 


Nothſchild, Stadt, foviel wie Roeslilde. 

Nothſchild, das hervorragendite und ange: 
fehenfte Bankhaus der neuern Zeit, wurde von 
ayer Anſelm R. gegründet. Derielbe war 
1743 zu Frankfurt a. M. geboren. Schon im elften 
ahre verwaiſt, befuchte er die Religionsſchule zu 
ürth, übte fih dann einige Jahre in feiner Vater: 
tabt im Handlungsfadhe und trat als Gehilfe in 
ein Bantiergefchäft zu Hannover ein. Nach einigen 
Jahren kehrte er nad Frankfurt zurüd und fing mit 
einem Heinen Vermögen ein eigenes Geihäft an. 
In kurzer Zeit erwarb er dur Fachkenntnis, uners 
müdlide Thätigkeit und die vielfach erprobte Ge: 
diegenbeit feines Charakters das Vertrauen anfehn: 
liher Häufer. Von Jahr zu Jahr nahmen fein 
Kredit und Vermögen zu. Von weientlidem Ein: 
fluß für den Aufſchwung jeiner Handlung war da3 
Geihäftsverhältnis, in welches er zu dem dama— 
Ligen en von Heſſen-Kaſſel, heit 1803 Kur: 
fürjten Wilhelm I., trat. Dieſer hatte in R. einen 
ebenfo zuverläffigen als brauchbaren Mann erlannt 
und ihm 1801 den Titel eines Hofagenten, ſpäter 
Dberhofagenten, beigelegt. Als Kurheſſen 1806 
von den franz. Truppen occupiert worden, der Kur: 
gr au3 dem Lande flüchten mußte und fih nad 
öhmen begab, vertraute derjelbe fein ganzes Ver: 
mögen ber Obhut und Verwahrung R.s an. Nur 
mit großer perjönliher Gefahr für ſich und feine 
herangewachſenen Söhne vermodte R. dieſe Schäbe 
vor dem Angriff der franz. Bolizei, weldye bis zur 
Hausjuhung fchritt, zu retten. Im nämliden J. 
1806 wurde Karl von Dalberg, Fürft Primas des 
Rheinifhen Bundes, Beſiher von Frankfurt, der 
nun gleichfalls jeine Geneigtheit und Anerkennung 
N. zumendete. Als Großherzog verlieh er den 
Sraeliten von Frankfurt die volle bürgerliche und 
polit. Rechtögleich eit und ernannte Ju 1812) 
RN. zum Mitglied des Br ra es dama: 
ligen Departements Frankfurt. R. ftarb 19. Sept. 
1812 und hinterließ gi n Rinder, darunter fünf 

Söhne, welche dejien Bankgeſchäfte übernahmen, 
Diefe Söhne waren: 1) Anfelm Mayer, Frei: 
err von R. geb. 12. uni 1773, Chef des Stamm: 
aufes (M.A. von Rothſchild u. Söhne) zu Franl: 
urt, geit. 6. Dez. 1855 kinderlos. 2) Salomon 
Mayer, Freiherr von R., geb. 9. Sept. 1774, 
Chef de3 Banlkhauſes ©. M. von Rothſchild in 
Wien, hatte feinen Wohnſiß abwechſelnd in Wien, 
Paris und Frankfurt und — in u 27. Juli 
1855. Sein einziger Sohn, Freiherr Anjelm 
Salomon von R. geb. 29. Yan. 1803, übernahm 
nad) des Vaters Tode die Leitung des wiener Banl: 
hauſes. Derfelbe war Mitglied des ölterr. Herren: 
hauſes und ftarb zu Oberböbling bei Wien 27. Juli 
1874. Nach jeinem Tode übernahm fein Sohn, 
Bun Albert von R. (geb. 29. Oft. 1344), die 
eitung de3 wiener Bankhauſes. Ein älterer Bru: 
der des lehtern, Baron Ferdinand von R. 
(geb. 17. Dez. 1839), lebt in London al3 Privat: 
mann und bejchäftigt ſich Ichriftitelleriih. Er hat 
auch eine Novelle: «Broni» (Lpz. 1878), ericheinen 
laſſen, und ließ fi in England naturalilieren, 
worauf er Mitglied des engl. Barlament3 für 
Aylesbury wurde, 3) Nathan Mayer von R., 
geb. 16. Sept. 1777, errichtete 1798 eine Handlung 
in Mancheſter, welche er fünf Jahre fpäter unter 
der Firma N. M. Rothſchild nad) London verlegte. 
Er ftarb 28. Juli 1836 in Franlfurt, worauf feine 
Söhne, deren ältejter, Lionel Nathan von R., 


859 


geb. 22. Nov. 1808, geit. 3. Juni 1879, Mitglied 
des engl. ger lade war, das londoner Bant: 

u3 unter der Firma N. M. Rothidild u. Söhne 
ortführten. Der Sohn Lionel Nathans, Lord Na: 
thaniel von R., geb. 8. Nov. 1840, wurde im 
N 1885 zum Beer erhoben. 4) Freiherr Karl 
MayervonR., geb. 24. April 1788, wurde Chef 
de3 nehaufes in Neapel und ftarb daſelbſt 
10. März 1855. 5) Bene Jakob (Damen) von 
R., geb. 15. Mai 1792, jeit 1812 Chef des Haufes 
Gebrüder von R. in Paris. Derfelbe ſtarb zu 
er 15. Nov. 1868, indem er die Leitung des 

eihäfts feinem Sohne, dem Baron Alfons von 
R. (geb. 1. Febr. 1827) hinterließ. Seine Gemah— 
lin, —** Dann“ on R., eine Tochter Salo: 
mon R.s, hat fi urch hohe Geiſtesgaben und 
ungewöhnlichen Wohlthätigkeitsſinn ausgezeichnet. 
Das frankfurter Bankhaus (M. A. von —— 
u. Söhne) wird ſeit dem Ableben des Freiherrn 
Anſelm Mayer von R. von den beiden Söhnen 
Karl Mayer von R.s, den Freiherren Mayer 
Karlvon. (geb. 5. Aug. 1820) und Wilhelm 
Karlvon R. (von eriterm ala Chef), geleitet. Der 
eritgenannte wurde von Frankfurt a. M. in den 
Konitituierenden und in den ordentlichen Reiche: 
tag de3 Norddeutſchen Bundes gewählt und dann 
als lebenslängliches Mitglied des preuß. Herren: 
hauſes berufen. 

Mit lie er bielten die Brüder R. 
das Gebot unverbrüdliher Eintradht und Gemein: 
ichaftlichleit in allen Geſchäften, das ihnen der 
jterbende Vater ans Herz gelegt hatte. Die Treue 
und Uneigennüsigleit, welde fie gegen den Kur: 
fürften von Heſſen bewieſen, fiherte dem Haufe 
R. deſſen Empfehlungen, beſonders auf dem Wie: 
ner Kongreß. Raſch mehrten fich feit 1813 bie 
Verbindungen des Haufes mit den europ. Finanz: 
verwaltungen, ſodaß es feitdem durd zahlreiche 
große Geld: und Kreditoperationen auf die Stufe 

eführt wurde, die e3 jekt in den Kommerz: und 

inanzangelegenbeiten einnimmt. Aud für Be: 
gründung —— — vollswirtſchaftlicher Un: 
ternehmungen haben die Banlhäuſer R. viel ge: 
than. Bol. «Das Haus R. Seine Geihidhte und 
feine Gefhäfte» (2 Bde. Prag 1857). 

Rothichönberger Stollen, großer fislaliſcher 
Stollen im freiberger Bergrevier im Königreich 
Sadjen, der längfte unterirdiihe Bau der Welt, 
mit den Seitenflügeln bereits über 50 km lang, bis 
250 m Teufe einbringend. Der Bau de3 Haupt: 
traft3 dauerte von 1844 bis 1877, die Gefamttoften 
beliefen fi auf 7186697 Marl; einige Ken 
betriebe find nod) im Gange. (©. unter Freiberg 
und Halöbrüde.) 

Rothftein (Hugo), geb. 28. Aug. 1810 zu Er: 
furt, geit. 23. März 1865 ebendajelbft, war der erite 
Dirigent der 1851 neu organifierten Eentralturn: 
anftalt in Berlin. Sein Beitreben ging dahin, das 
deutihe Turnen durch die von ihm eigentümlic) 
erweiterte und begründete Gymnaftit des Schweden 
Ling (f. d.), zu deren Stubium er 1845 vom preuß. 
Kriegsminiſter eigens nah Schweden entiendet 
worden war, zu verdrängen und eine preuß. Staatö: 
turnmethobe herauszubilden. NR. geriet deshalb 
mit ben Bertretern der deutichen Turnmethode in 
heftigen Kampf, welder ſchließlich mit der Ent: 
laffung R.3 1863 endigte. R.s Hauptwerk it: 
«Die Gymnaftit nah dem Syitem des ſchwed. 
Gymnaſiaſten P. H. Ling» (5 Bde., Berl. 1847—59). 


860 


Rothuhn — Rotrou 


Mothuhn (Perdix rufa, Tafel: Hühner: | leute jeit lange die Unterlage bes von ihnen bebau- 


vögel, 
nendes, ſeht Ichmadhaftes Rebhuhn, das fait um 
die Hälfte größer ald das gemeine iſt, mit rotem 
Schnabel und Beinen, oben rotgrau bis roftrot, an 
der Seite mit etwas verlängerten, hellgrauen federn 
mit bell: und dunfelbraunroten Querbinden, bie 
Kehle ift weiß mit ſchwarzer Einfaſſung. 
othwälſch, ſ. Rotwelſch. 
Notierbutterfah und Rotierender Butter: 
Ineter (von Lefeldt), |. unter Butter und Butter: 
bereitung. ..,. [Peeben. 
Notieren (lat.), fih um feine eigene Achſe 
Rotierende Mafchine (von Cor), j. unter 
Dampfmafdine, Bd. IV, ©. 823. 
Notkarpfen, joviel wie Rotfeder. 
Notkehichen oder Rotbrüfthen (Sylvia 
rubecula), ein Zur Gattung Sänger — ge⸗ 
hörender, überall belannter und beliebter Vogel, 
der oberſeits olivenbraun und an Kehle und Bruſt 
gelbrot Zip it. Er bewohnt gan) Guropa und 
einen Teil des weſtl. Afien und ift bei und Zug: 
vogel, der offene Zaubholzwälder oder dichte, die 
Wieſen und Anpflanzungen umgebende Gebüiche 
zu feinem Aufenthaltsort wählt. Bon Tempera: 
ment ift er beiter und lebhaft und erlangt, wo er 
{dont wird, große Zutraulichkeit; gegen andere 
leine Vögel aber ift er unverträglih. Zur Nahrung 
dienen ihm Inſelten (beionders liegen) und Beeren. 
Der Geſang des Männdens iſt angenehm und dauert 
vom März bis in den Sommer; außerdem laſſen 
beide Geſchlechter zu anderer Zeit ein Zwitſchern 
bören, das von jenem Gejang jehr verſchieden iſt. 
Das Weibchen legt in das völlig gededte, fait am 
Boden jtehende Neit fünf bis fieben jtrobgelbe, bell: 
braun punttierte Gier. Im Spätjommer werden 
die R. häufig in — efangen, an welche 
man Fliederbeeren als Codipeite hängt. (Abbildung 
auf Tafel: Singvögell.) 
ottohle ift eine bei mäßiger Temperatur ber: 
eitellte, von zu verflüchtigenden Beitandteilen nicht 
reie Holztohle, fie befigt einenhoben Grab von Ent: 
flammbarteit und wurde deshalb von Biolette zur 
Fabrikation des Schießpulvers empfohlen. 
Rotkupfererz oder Cuprit, eins der vorzüg: 
lichſten Aupfererze, Ergitallifiert ausgezeichnet in 
den Formen de3 regulären Syſtems, namentlich 
dem Oltaöder, Heraöder und Rhombendodelaẽder, 
findet ſich auch in derben undeingejprengten Maſſen, 
ſowie als Pieudomorphoje nah gediegen Au fer: 
das Mineral ijt cochenillrot, biäweilen ins Blei: 
gem gehend, von metallartigem Diamantglanz, 
er Härte 3,5—4, dem ſpezifiſchen Gewicht von etwa 6. 
m reinſten Zuftande iſt es Rupferorydul Cu,O, 
ö8lich in Ammoniak, in Salzläure und Galpeter: 
jäure, gr auf der Kohle vor dem Yötrohr nach 
ruhigem Schmelzen ein Aupferlorn. Schöne Vor: 
fommnifje finden fi 3. B. zu Rheinbreitbach am 
Siebengebirge, in Cornwall, im Banat, zu Chefiy 
bei Lyon, im Ural. Dur Aufnahme von Koblen: 
fäure, Sauerftoff und Wafjer wandelt fi das R. 
in raferigen grünen Maladit um. Nur eine Barie: 
tät de3 R. iſt Die Kupferblüte (Challotrichit), welche 
zarte farminrote haarförmige Nädelchen darftellt, 
die zu Büjcheln und Neben verwoben find. 
otlagergebirge, ſ. Rotbaargebirge. 
Rotlauf, ſ. Rote Krankheit). 
Rotliegended, aud wohl Rot:Tot:Liegen: 
tes, nannten urjprünglich die mansfelder Berg: 


ig. 4) beißt ein Sübwefteuropa bewoh: | ten Kupferſchief 


erflöpes, welche fein Erz mehr ent: 
ält, für fie aljo tot iſt, das Liegende bildet und 
olglih auch älter ift und zugleich eine rote Fär— 
bung befist. Diefe bergmännijche Benennung ift 
dann benupt worben, um jene gejamte Schichten: 
ruppe zu bezeichnen, welche die Kupferichiefer: und 
echſteinformation unterteuft und als untere Dyas 
aufgefaßt werden muß. Das R., welches charal⸗ 
teriſtiſch nur in Deutichland vorlommt und an 
vielen Stellen die Steintohlenformation unmittel- 
bar bededt, beiteht vorberrihend aus mächtigen 
Schichten von grobem Konglomerat, dejien eijen 
reiches, tbonig:jandiges Bindemittel ihm ftet3 eine 
rötliche oder braunrote ren verleiht. In ihm 


treten Thonjteine, Borpbyre und Melapbyre, ſowie 
Sandſtein, Kalkitein und geringe Hoblenlager auf. 
Es fommen in diejer Formation außer Reſten aus: 
geitorbener jalamanderähnlicher Tiere faft nur ſolche 
von Pandpflanzen vor; die meijten rühren von Co: 
niferen, baumförmigen Farn und Gquifetaceen 
ber. Die verkiejelten Farnſtämme des R. pfleate 
man Starfteine und Madenfteine zu nennen. Schr 
Ihön kommen dieſe bei Chemnik in Sachſen und 
bei Neupala in Böhmen vor, jehr groß, aber nicht 
fo ſchön, am Kyffhäuſer. Sie wurden früber häufig 
zu Shmud verwendet. 

Nötling, ſ.Rotſchwänzchen. 

Rotmäntel, joviel wie Sereflaner. 

Notnidelfied, eins der mwidtigiten Erze zur 
Darftellung des Nidels, kryſtalliſiert höchſt jelten 
in flachen beragonalen Pyramiden, bildet meift 
ipröbe derbe Maſſen von leicht kupferroter Farbe 
(daber der Trivialname Kupfernidel), die aber bald 
arau und ſchwarz anlaufen; Härte=5,5; ſpezifi⸗ 
ihes Gewicht = 74— 7,7. Chemiſch ift das Cr; 
Einfach Arjennidel, NiAs, beitehend aus 43,9 Nidel 
und 56,1 u: . Arjen, von welchen oft gewifie Men: 

” eng — Be — R. 

ndet fi ufig (3. B. zu Freiberg, Schneebera, 
Annaberg, ag er Nichelsdorf , Bieber, 
Sangerhaujen, Saalfeld, Andreasberg u. f. w.), 
doc nirgends in befonders großer Menge. 

Nötolo oder Rottel, ein Handelsgewicht in 
Nordafrika, der Türkei, Süditalien und Sicilien 
(in den brei leptern Gebieten obne geießliche Gel: 
tung), von verſchiedener Schwere und meift ber 
hundertſte Teil des Cantäre, (9. Kantär.) 

Notonda, j. Rotunde. 

Motrou (can de), einer der geadhtetiten Dra: 
matiter rantreich3 vor und neben Pierre Corneille, 
geb. 21. Aug. 1609 zu Dreur (Depart. Eure-et:Loir), 
mar bajelbjt Richter und Prüfungstommifjar und 
ftarb 28. Juni 1650 zu Dreur. Schon mit 19 Jab: 
ten erzielte R, mit zwei Dramen auf der Bübne 
Erfolg, was den Kardinal Ridelieu veranlaßte, ibn 
in feinen Lujtipielrat aufzunehmen; Gorneille, der 
ihn mit dem Namen «Vater» ehrte und mit dem R. 
in neiblojem Freundesverkehr ftand, verduntelte ihn 
bald auf der Bühne, und gewährte R. mit feinen 
eigenen Stüden Mujter, deren Befolgung R.s ſpä— 
tern Dramen zum Borteil gereichte. ſchrieb 
16 Tragilomödien, 13 Komödien und 6 Tragödien 
nee 301. unter legtern dem Euripides nachge 

ildete Stüde, ſowie «Venceslas» (1647), über: 
arbeitet 1759 von Marmontel und dem Spaniichen 
bes Francisco de Rojas (f. d.) nadhgebildet, und 
«Cosrods» (1649), die beiten unter jeinen Dramen. 
In den übrigen Stüden folgte R. den Spanier, 


Rotruffiiher Dialett — Rott (Karl Matthias) 


fomwie Plautus und Seneca. Sprade und Situa: 
tionen find decenter al3 bei feinen Vorgängern. 
Erft 1820 erjchien eine Sammlung der «Deuvres 
de R.» (5 Bbe., Bar.), beforgt von Biollet le Duc; 
neuerbingd wurben «Venceslas» und «Saint-Ge- 
nest» wieder gebrudt in «Chefsd’euvrestragiques» 
(Bd. 1, Bar. 1873), in «Rotrou, Theätre choisi», 
von Hemon(1883) , in «Theätre choisi de Rotrou», 
von 2. de Ronchaud (Bd. 2, 1882). Val. Guizot, 
«Corneille et son temps» (Par. 1852); Jay, 
«Essai sur les euvres dramatiques de Jean de R.» 
(Bar. 1869); Berfon, «Histoire du veritable Saint- 
Genest»; «Histoire du Venceslas» (Par. 1882). 

Roteuffifcher Dialekt, f. u. Kleineuffen, 

Rotrukland, Rot:-Reufen, ruſſ. Cerwönnaja 
Rus, poln. Czerwona Rus (woraus ber beutiche 
Name überjeht ift), bezeichnete in älterer Zeit den 
öftl. Teil des heutigen Galizien (um San, Dnieftr 
und Bug) mit einem Teil des Königreichs Polen 
(um Chelm). Unter eg Herrſchaft zerfiel es in 
die Wojwodſchaften Bel; und Rus; die einzelnen 
Landſchaften der legternwaren: Lemberg, Przemysl, 
Sanok, Halicz, Chelm. Der Name rührt von ber 
ehemaligen Stabt Gerven (jüdlih von Chelm, an 
der Huczwa) ber; das Adjeltivum Tervonnyj rufl. 
bedeutet «purpurrot» (vol. poln. czerwien, rote 
Farbe), daber die fiberjekung. 

Rotfalz ist aus Holzeſſig dargeftelltes eſſigſaures 
Natron, das durch anhängende Reſte von tecrigen 
Beitandteilen eine m. Farbe befigt; e3 iſt ein 
Zwiſchenprodult bei ber Darjtellung der Gifigfäure. 

Rotfämifchleder, rotgefärbtes ſämiſchgares 
Schaf: ober Ziegenleder, zum liberzug von Futte— 
ralen dienend. 

Nötfcher (Heine. Iheod.), Dramaturg, geb. 
20. Sept. 1803 zu Mittenwalde, widmete ſich zu Ber: 
lin und Leipzig philol. und philof, Studien, habi— 
litierte fh dann in Berlin und folgte nah Ber: 
öffentlichung feiner erſten Er wiſſenſchaftlichen 

rbeit, «Ariſtophanes und ſein Zeitalter» (Berl. 
1827), einem Rufe als Gymnaſialprofeſſor nach 
Bromberg. In dem Beſtreben, der dramatiſchen 
Kunſt als etifer | zu werben, jchrieb er 
Ne «Abhandlungen zur Philoſophie der Kunft» 

5 Bbde., Berl. 1837—47) und —** faſt gleichzeitig 
in der «funjt der dramatifchen Darftellung» (3 Bde., 
Berl. 1841—46; 2. Aufl. 1864) den erften Verſuch, 
die Schaufpieltunit der wiſſenſchaftlichen Darftellung 
ji unterwerfen und in ihrer Zotalität zu begreifen, 

m der Bühne durch thätiges Eingreifen nußlich zu 
werben, fiedelte R. nad} Berlin über, wo ihm durch 
den Miniſter Eichhorn und Tied die Ausarbeitung 
des Plans zur Errihtung eines Staatsinftituts für 
die Ausbildung dramatischer Künftler übertragen 
wurde, deſſen Durchführung jedoch infolge der Er: 
eignifje von 1848 ſcheiterte. Einen Teil feiner kri⸗ 
tiſchen Berichte, die er für die «Spenerfhe Zeitung» 
ſchrieb, ftellte er in den «Dramaturgiihen Skizzen 
und Krititen» (Berl. —39 zuſammen, denen 
ſpãter «Dramaturgishe Abhandlungen und Kritilen⸗ 
(2p3. 1859) anſchloſſen. Seit dem Wechſel der In: 
tendanz (1851) 308 ſich R. von jeder direkten Einwir: 
tung auf die fönigl. Bühne zurüd und ftarb 9. April 
1871 zu Berlin, Bon feinen Schriften find noch 
zu nennen: «Das Schaufpielwefen» (Berl. 1843), 
«fiber Byrons Manfred» (Berl. 1844), «Seydel: 
manns Leben und Wirken» (Berl. 1845), die von 
ihm herausgegebenen * rbücher für dramatiſche 

unſt und Literatur» (Berl, 1848), «Shalſpeare in 


861 


feinen höchſten Charaktergebilden» (Dresb. 1864), 
«Dramaturgiihe und äfthetiihe Abhandlungen » 
(2 Sammlungen, eng 1864 u. 1867), «Drama: 
turgiſche Probleme» (Dresd. 1865), «Entwidelung 
dramatifcher Charaltere aus Leſſings, Schillers 
und Goethes Werken» (Hannov. 1869). i 

Rotſchwauz, Nachtſchmetterling, ſ. unter 
Budenipinner. 

2 wanz, ſ. Steinbrojiel. 
Notſchwänzchen oder Rötling (Ruticilla) 
ift der Name einer — von Vögeln aus ber 

amilie der Sänger (Sylvia), melde ajchgraue 
—— roſtroten Schwanz und dünne, mit 
einer einfachen ungetrennten Schiene bebedte Läufe 
haben. Bon ihnen ift bei und das Garten: 
ZILADERIGER (R. — Abbildung 
auf Zafel: Singvöge - und dad Hausrot: 
ſchwänzchen (R. Tithys) ſehr Häufn. welde 
zwar beide Zugvögel find und den Winter im 
Süden verbringen, aber dennod das Zutrauen zu 
ben Menſchen der nörbl, Gegenden nicht verlieren 
und fi daher in Baumgärten und Heden in ber 
Nähe der Dörfer und Städte anfiedeln. Sie find 
ſehr lebhaft, finden Vergnügen an unabläffigen 
Bewegungen, wobei fie mit dem Schwanze ſchla⸗ 
gen, und fliegen leiht und ſchnell. Ihre Nahrun 
eitebt aus Inſekten, befonders liegen. Balt 
nad) ihrer Ankunft um die Mitte bes April laſſen 
fie ihre angenehm pfeifende oder mehr zwitſchernde 
Loditimme ertönen und fingen dann viel. Das 
Weibchen des Hausrotſchwänzchens leat fünf bis 
fieben blaugrüne, das des Gartenrotſchwänzchens 
ebenfo viel weiße Eier, und in günftigen Sommern 
werben zwei Bruten erzogen. Bon dem Gartenrot: 
ſchwänzchen ift das Männden obenher braun, an 
Zügel und Kehle ſchwarz, an ber Stirn rein weiß, 
an ber Oberbruft roftgelb und an dem Bürzel und 
den Schwanzfedern (mit Ausnahme der beiden mit: 
teljten) rojtrot, dad Weibchen mehr rötlich: aid: 
grau, an der Bruft weihlich mit Roftgelb. Das 
Männden des Hausrotſchwänzchens ift unterfeits 
san ſchwarz, das Weibchen aſchgrau. 

otfpichglan erz, oder Antimonblende, 
ein in dünnen nadel: und —— wahr⸗ 
ſcheinlich monoklinen Geſtalten kryſtalliſierendes 
Erz, welches meiſt kirſchrote diamantglänzende 
elförmige Aggregate bildet; es iſt ſchwach 
durchſcheinend, hat nur die Härte 1 bis 1,5, das 
ſpezifiſche Gewicht 4,5 und liefert bei der Analyfe 
75 Bra Antimon, 20 Schwefel, 5 Sauerftoff, wes⸗ 
jet es al3 eine Verbindung von 2 Molekülen 

mwefelantimon und 1 Moletül Antimonoryd 
28b,8. 48b.0.) betradtet wird. n Sal 
äure löft es fich unter Entwidelung von Schwefel: 
waflerftoff. Fundorte im Braͤunsdorf in Sachſen, 
Przibram in Böhmen, Pernel bei Böfing in Ungarn, 
Allemont im Dauphine. 

Notftein, ſ. Rötel. , 

Rott (Karl Matthias), eigentlih Koh, Schau: 
fpieler, geb. 23. Febr. 1807 zu Wien, wurde 1819 
Sängerfnabe beim Hofoperntheater, 1824 Cellift 
am preßburger Theater. Er ging dann nad 
Trieft und Graz, kehrte hierauf nad Wien zurüd 
und gehörte nun dem jofephitäbter Theater bis 
1836 an. Nachdem er im Burgtheater gaftiert 
batte, fpielte er meift auf ungar. Bühnen und wurde 
1847 für das Theater an der Wien engogiert, dem 
er mit Bee Unterbredung bis zu feinem 10. Febr. 
1876 erfolgten Tode angehörte. R. veritand es 


862 


wie ern Künftler zu inbivibualifieren, und jein 
Viehbändler, fein Meineibbauer, —— EKreu⸗ 
zelireiber») u. ſ. w. waren lebensvolle Figuren 
von unübertroffener Wirkjanafeit. 

Nott (Moris), eigentlihb Rofenberg, Schau: 
fpieler, geb. 14. De. 1793 zu Prag, muhte Kauf: 
mann werden, wandte ſich aber dann der Bühne zu. 
Er betrat zum erften mal im uni 1817 auf dem 
—A— Theater in Wien als Karl Moor 

ie Bühne, nahm darauf ein Engagement als erſter 
ze r in Kaſchau an und wandte ſich 1818 nad) 
Lemberg, von da nad Brünn und Linz. In den J. 
1821—29 gehörte er dem Palffyſchen Theater in 
Wien, und 1829—32 dem Theater in Leipzig an 
und wurde im lehtgenannten Jahre Mitglied der 
berliner Hofbühne, der er bis zu feinem Abſchied 
vom Theater (Dez. 1855) angehörte. R. ftarb 
11. März 1857 zu Berlin. Gr war impojant in 
feinen Mitteln, voll Kraft, reich an Phantafie, 
von mimijcher Vollendung und rhetoriicher Genia: 
lität. Bon feinen Rollen find befonders hervor: 
zen: En nel Macbeth, Göß, Tell, Kreon, 

tgon, Graf Steinhaufen (4Geheimer Agent») ıc. 
Bol. —** zwifchen dem Künſtler und Schau: 
fpieler Morig R. und einer Dame» (1882). 

Rottange, ſ. unter Algen, . 

Rotte heiben die in der Funbamentafaufefung 
der Infanterie und Kavallerie gintereinanbes ſte⸗ 
henden Leute, beziehungsweiſe Pferde. Früher in 
den tieſen Maſſen war die R. oft ſeht ſtark: in der 

riech. Phalanx 4—16, in der röm. Legion gewöhn⸗ 
ih 8S—10 Mann, in den Gevierthaufen des Mittel⸗ 
alters bis 20 und mehr. Mit der Berbreitung- der 
Feuerwaffen wurde die Gliederzahl geringer und 
dadurch auch die R.ſchwächer, bis fie AR 3—2 Mann 
für Infanterie und 2 Mann für Kavallerie lam— 
an einigen Armeen bildet man beim Reihenmarſch 
in Rechts: oder Linlsum) Doppelrotten, indem 
die geraden oder ungeraden Nummern durch die 
ganze Kolonne neben ihre Vorderleute treten. Die 

ewonnenen Abftände erleichtern dann das Aus: 
reiten. Blinde Rotte it eine ſolche, bei der im 
bintern Gliede der Mann fehlt. 

Notte bezeichnet im Turnen die Zufammengebö: 
rigleit der gleichjahligen Glieder der in ein Orb: 
nungsverbältnis zueinander getretenen Reiben; 
daher kann erſt dann von R. die Nede fein, wenn 
mindeſtens zwei Reihen aufeinander Bezug nehmen, 

Rotteck (Karl von), deutſcher Geſchichtſchreiber 
und liberaler Politiler, geb. 18. Juli 1775 zu 
Freiburg i. Br., beſuchte das Gymnaſium und ſtu— 
dierte auf der Univerſität daſelbſt. Hierauf wurde 
er Aſſeſſor beim Stadtmagiſtrat und 1798 ord. 
Profefior der Gefchichte an der Univerfität; 1818 
vertauichte er den Lehrſtuhl der Geichichte mit dem 
des Naturrechts und der Staatswiſſenſchaft. Sei: 
ner kräftigen Vorftellung «Für die Erhaltung der 
Univerfität Freiburg» (Freiburg 1818) verdantte 
* großen Teil dieſe Anſtalt ihre Fortdauer. Die 

niverſität wählte ihn daher, als die Verfaſſung 
Badens 1819 ins Leben trat, zu ihrem Abgeordneten 
in die Erſte Kammer. Er wurde 1831 zum Abge: 
orbneten in die Zweite Hammer ae R, erwarb 
fi in diefer Stellung raſch den Ruf eines freifin: 
nigen und gemandten Nebners für polit. Reformen. 
Die damalige Reaktion veranlaßte Dit. 1832 die 
Verſehung R.s und Welders in den Ruheſtand mit 
Penſidn, unterdrüdte die von ibm gegründete Zeit— 
ſchrift «Der Freifinnige», verbot ihm die Leitung 


Rott (Morig) — Rottenburg 


ber «Allgemeinen polit. Annalen» und verfagte bie 
Beitätigung feiner Wahl als B iiter von 
Freiburg. Er ftarb 26. Nov. 1840. In mi 
wurde ihm 1848 ein Monument errichtet, na 
der Revolution befeitigt, 1862 aber wieder auf: 
geftellt worden ift. Eine weite menu unter 
en Ständen des beutii Volls erhielt feine 
27: {päter fortafeht von Gteger und Dermeß, 25 
: ortgejekt von er i 
iUufteierte Wollsausgabe, 11 Bbe., Braunjcw. 
1866—67) und der Auszug daraus, die «A eine 
Weltgeſchichte⸗ —— Stuttg.1830—34 ; 7. Aufl, 
beforgt von Zimmermann, 6 ‚ 1860—61). 
Außerdem find von feinen Schriften zu —— 
Bilderſaal für alle Stände» (3 3 
Stuttg. 1828), «Lehrbuch des Vernunftrechts und 
ber Stnatömitienichaften? (2 Bbe., Stuttg. 1829— 
30), «Sammlung Heiner Schriften, meiſt hiſtor. und 
olit. Inhalts» (3 Bde., Stuttg. 1829—30), «Lehr: 
ud der ölonomiſchen Politi» (Stuttg. 1835), 


«Geogr.:ftatift. und hiſtor. Schi der Pyre⸗ 
näifchen Halbinfel» (Rarlar. 1839; 2. Aufl. 1842). 
Gemeinihaftlic mit Welder begann er das «Staat: 


Leriton» (15 Bde., Altona 1834—44; 3. Aufl, von 
Welder bearbeitet, 14 Bde., Lpz. 1856 — 66). 

Unter den Söhnen R.3 iſt Karl von R., geb. 
1812, durch feine Teilnahme an der bad. Revolution 
an — — ee —— —— —* 
in Freiburg, ſchloß ſi elbe der republikaniſchen 
Partei an, —— ſich an der offenburger Ver— 
fammlung und überbrachte als Abgeordneter der: 
ala dem Minifterium die dort beichlofienen or: 

erungen (13. Mai 1849). Als Erjaßmann in den 
Landesausfhuß —— übernahm er nach Ein: 
ehung der revolutionären Regierung die Stadt: 
ireftion in Freiburg, faß fpäter in der Konſtituie 
renden Verſammlung und Hüchtete nad Ende des 
Aufitandes mit feinen Meinungsgenofien ind Aus: 
land. Seit 1856 amneftiert, lebt er wieder in Baden. 

Gin anderer Sohn, Hermann von R., aeb. 
25. Aug. 1815, geft. 12. Juli 1845 zu Freiburg als 
Privatdocent der ** ophie, gab außer einer ;sort- 
ebung von der «Allgemeinen Gejchichte» feine! 

aters (2 Bde., Pforzh. 1841—43) noch eine Bil: 
dergalerie» zu legterer (1841 fg.), «Poetiiche Ber: 
fuhe» (Freiburg 1838) und die völlerrechtlich 
Unterſuchung über «Das Recht der Einmiſchung ın 
bie innern Angelegenheiten eines fremden Staats⸗ 
(Freiburg 1845) heraus. 

Rottel, j. Rotolo. 

Nötteln, Ruine bei Lörrach (j. d.). 

Notten, Fin, f. unter Plotze. 

Rotten, joviel wie Nölten (des Flachſes). 

Ro erg ar f.Borougb. 

Rottenburg, Marktjleden und Hauptort des 
gleihnamigen Verwaltungsbezirks im bayr. Regie: 
rungabezirt Niederbayern, 22 km im NW. von 
Landshut, an der Großen Laber, ift Sit eines Be— 
irlsamts und eines Amtsgerichts, hat eine kath. 

farrlirche, ein Rathaus und ein Krankenhaus und 
zäblt (1880) 1025 E. Das 1632 von den Schweden 
ra Bergſchloß war der Sitz der Grafen von 

ohning und R., deren Befik 1185 an den Dtto 
von Bayern fiel. Am 21. April 1809 beitand bier 
bie Nachhut der Öfterreicher unter Felbmarj 
Hiller ein Gefecht mit den Franzoſen. 

Rottenburg, Stadt und Hauptort des gleich 
namigen Oberamts im württemb, Schwarzwald: 
freife, am linlen Ufer des Nedar und an ber Linie 


Rottenfener — Rotterdam 


Plohingen Rottweil: Billingen ber Württembergi: 
ſchen Staateifenbahnen, 11 km oberhalb Tübingen, 
Sitz des kath. Landesbiſchofs, zählt (1880) mit der 
am rechten Flußufer gelegenen ehemals jelbftän: 
zn Stadt Ehingen (die nicht zu verwechſeln 
mit der gleichnamigen Oberamtsſtadt an der Do: 
nau) 7136 meijt kath. E. R. bat ein 1216 von ben 
Grafen von Hobenberg erbaute Schloß, jeht Lan: 
beögefängnis, Domlapitel, Priefterjeminar in dem 
ehemaligen Rarmeliterflofter, mtögeriht, eine 
Latein: und eine Realjhule, ein großes Mädchen: 
erziehungsinftitut und ein reiches Hofpital. Unter 
ben Kirchen er bemerlenswert der Dom zu St. 
Martin im jpätgot. Stil — ——— die 
Ehinger Kirche zu St. Moriß, früher zugleich 
Stiftslirche eines im 12. Jahrh. errichteten, 1806 
aufgehobenen Chorberrenitifts, die Sülden: und die 
Wesgenthallirche, lektere eine bedeutende Wall: 
—— e. Das 1623 errichtete und 1773 auf: 
ehobene Jeſuitenkollegium ift jent biſchöfl. Reſi⸗ 
enz. Die Einwohner treiben Ader:, Hopfen-, 
Obſt⸗ und Weinbau, außerdem Bierbrauerei, Ger: 
berei, Zeinwandmweberei, Striderei und Färberei. 
Auch hat R. Maſchinenfabriken, bedeutende Kunit: 
mühlen und nad Nürnberg den größten Hopfen: 
markt Suddeutſchlands. R. fteht auf der Stelle 
ber jehr bedeutenden röm. Niederlaffung Sumelo- 
cenna, von welcher eine Menge interefjanter Über: 
refte ans Licht gebracht worden find, namentlich 
eine großartige Waflerleitung, Steindentmäler, 
Münzen u. ſ. w. Nah der Tradition ſoll R. ehe: 
mal3 Landskron gebeißen und 1122 durch Erdbeben 
gehört, von den Grafen von Hohenberg und den 
erren von Ehingen wieder aufgebaut worden fein. 
Die meijten Orte des Oberamis gehörten zu der 
Grafihait Hohenberg, die 1381 von — 
tauft wurde und 1805 durch den Preßburger Frie⸗ 
den an Württemberg fiel. Auf dem 3 km ent: 
ernten Berge Alt:Nottenburg wurde 1872 ein 
usfichtäturm erbaut, der eine bedeutende Fernficht 
— Unter dem Bistum R. verſteht man die 
ath. Kirhe Württemberg; dasſelbe gehört zur 
Dberrheinijchen Kirchenprovinz und fteht unter dem 
Grzsüichor von Freiburg i. B. 
ottenfeuer, |. Hedenfeuer. 
Nottenhaan, j. Roothaan. 
Rottenhammer (Joh.), einer ber beiten deut: 
hen Maler, welche im 16, Jahrh. unter ital. Ein: 
ufje gebildet wurden und wirkten. Im J. 1564 zu 
üncen geboren, fam R. 1582 zu Donauer auf 
ſechs Jahre in die Lehre, ging dann nad) Venedig 
und ward ein Schüler Tintorettos, R. malte viele 
Bilder in Venedig, meift in Meinem Format; jpäter 
wandte er fih auf einige Zeit nah Rom und lie: 
erte dann aud) seen, Daupjaglih Kirchenbilder. 
i feiner Nüdtehr nad Deutichland wohnte er zu: 
erit in Münden, dann in Augsburg. R. hab fin 
Augsburg 1623. Obgleich er ftet3 den Einfluß der 
venet. Schule in feinen Werten erkennen lieb, zeigte 
er doch viel eigentümlichen Sinn für Schönheit und 
Anmut und wußte mit Geift zu fomponieren. Der 
Wert feiner Bilder iſt jedoch jehr verfchieden. Zu 
feinen beiten gehören die für Kaifer Rudolf II. gemal: 
ten, worunter ſich auch ſehr reiche mytholog. Dar: 
ellungen befinden; fie find jest im Belvedere zu 
Bien. In der müncener Pinakothek befindet ſich 
eine Erſcheinung der Madonna vor dem heil. Au: 
guftinus und eine Enthauptung der heil. Katharina, 


863 


fowie in den Kirchen von Augsburg. Tas Louvre 
fipt in R.s Tod des Adonis ein an Tintorettos 
Richtung erinnerndes Gemälde. 
ottenmansn, Stabt in ber Bezirlshauptmann⸗ 
haft Liezen in Oberfteiermarf, an der alten Salz— 
raße, nahe dem Ennäthal, in einer durch Natur: 
hönheiten ausgezeichneten Gegend, iſt Station der 
Linie St. Valentin» Tarvi8 der Öfterreihischen 
Staat3bahnen und Sik eines Bezirkögerichts und 
zählt (1881) 1707 E., die ſich teild mit ſtädtiſchen 
Gewerben befafien, teils bei den großen, Eifen: 
werfen in der Umgebung und in der Bleiweißfabrit 
—— find. R. iſt wahrſcheinlich die röm. 
Ei gang rigen Montana, Die Stadtpfarr: 
irche, ein Bau aus dem 15. Jabrh., war bie Stifts: 
lirche des 1785 aufgehobenen regulierten Ehorberren: 
ſtifts; das Schloß war das alte Stiftögebäude, 
Rotterdam, die zweite Stadt und der bebeu: 
tendite Hafen: und Seeplak im Königreich der Nie: 
derlande, zur Provinz Südholland gehörig, hat 
bie Geitalt eines Dreieds, deſſen Grundlinie ſich 
füdöftlih an die Maas lehnt, und zählt (1884) 
169477 €. (1815 nur 52000). Die innere Stadt 
(Binnenstad) wird —* die Hohe Straße (Hoog- 
straat) von der äußern (Buitenstad), an der Maas 
gelegenen, geſchieden. Die innere Stadt bat viele 
enge Safjen und bejteht fat ganz aus Bürger: 
bäufern. Die äußere Stadt hingegen enthält pradt: 
volle ——— denen ſich die ng 
in geräumigen Anlandeplägen unmittelbar nahen, 
ſodaß fie mit Leichtigkeit ein: und ausladen Fönnen. 
Die ſieben, die Stadt durchkreuzenden Hauptlanäle, 
an welden bieje —— ich befinden, bilden 
eine Zierde derſelben, beſonders der ſchön mit 
Bäumen bepflanzte Kai an der Maas (de Boom- 
pjes). Bedeutende Dods und Warenhäufer find 
a dem linken Maadufer, in unmittelbarem An: 
chluß an die Eifenbahn und mittels einer feiten 
rüde mit der Stadt verbunden. Auf dem er 
Marttplag erhebt ſich das eherne Stanbbi 
Erasmus. Die vorzügliditen Gebäude find bie 
Börfe (deren Halle 1867 mit einer enormen Glas: 
fuppel überdadht wurde), das Gebäude des Yacht: 
Hubs, das Mufeum Boymans ſdeſſen Galerie durch 
einen Brand im Febr. 1864 fehr wertvolle Bilder 
verlor), dad Rathaus, die St.:Laurenzlirche mit den 
Gräbern mehrerer niederländ, Seehelden, da3 neue 
Theater und das Gymnafium Gradmianum. Außer 
diefen gibt es bier bolländ.», franz.» und fchott.: 
reform., engl.»biihöfl., prot., lath., alttath., 
deutjch:evang. und israel. Kirchen und Gottes: 
Dauer. Das Nieuwe-Werk mit dem Park und dem 
armordentmal des Dichters Tollens, we die 
Alte und Neue Plantage (Anpflanzung) an ber 
Maas bilden ſchöne paper änge. Hervorzuheben 
nd noch: das ſtädtiſche in und die Bibliothek, 
as Ethnographiſche Mujeum, die Taubftummen: 
anftalt nah Ammonſcher ehe verſchiedene 
Wiſſionsgeſellſchaften, drei Realſchulen, ein Sn 
ii für Matrofen der Kriegsmarine, die Gefell: 
aft für Naturtunde (Bataafsch Genootschap), 
mit reihen Sammlungen, das Lejelabinett, Die 
Mufitihule und das Departement der Naatihappii 
tot nut van 'tAlgemeen. Seit 1858 hat die Stadt 
auch einen soolog. Garten, der jedoch mehr in bot. 
Dumm und ald Gartenanlage bemerkenswert ift. 
iſt der natürliche Seehafen und Seeftapelpla 
des ganzen Rhein: und Maasgebietes. Schon frü 


andere Gemälde in der dortigen Metropolitankirche | war die Stadt der Hauptfis des hollaändiſchen 


864 


pn mit ee ge und Schottland. Seitetwa 
1850 haben Handel und Berlehr einen ungewöhn: 
lichen Aufihwung genommen, ſowohl jeewärts als 
auch befonder3 mit Deutichland, — infolge 

der erleichterten Rheinſchiffahrt, der ſtets a Hin 

renden Dampfihitfverbindungen und ber Eiſen— 
babnen. Bon R. führt die Niederländiiche Staats: 
bahn über Breda nad Deutſchland und Belgien, 
die Niederländiihe Rheinbahn nad Utrecht, die 
Bahn der Holländiichen Eiſenbahngeſellſchaft "nad 
Amfterdam. Cine Eijenbahnbrüde über die Maas, 
eine andere über den neugegrabenen Koningshaven 
und ein Viadult durd die Stadt ftellt die Berbin: 
dung diefer verſchiedenen Bahnen ber —— ein 
neuer Kanal ohne Schleuſen durch oet van 

Holland der S ee einen neuen Weg eröffnet. 


= > 


— 


Re PER 
— — * 


* 
= 


> 
SE ee - 
Fa — 


Maßstab 1: 200.000. md —— 





Rotti — Nottmann 


Städten erhielt fie —* Sik und Stimme in ben 
Staaten von Holland. Seitdem war ihr Wohl⸗ 
itand faft beitändig im Steigen. Selbit in bem 
Zeitraume 1795—1812 litt R. —— 
weit weniger als * S Vereinigten 
Provinzen, und nad) iſſen von 1830 er: 
weiterte fih ihr —5* der omit ihr Wohl 
insbefondere auf Koften Antwerpend. Die Bor: 
ftädte wurden nad Anlage eines neuen Kanals 
(de nieuwe Singel), der fih vom öftl. bis zum 
weitl. Ende ber Stadt eritredt, zur eigentlichen 
Stadt (de Polderstad) gezogen und durch neue 
Straßen und Pläpe mit derjelben zu einem großen 
Ganzen verſchmolzen. Bal. —— van Rijie: 
wit, «De oude "Toiterdamsche Schouwbourg » 
(Rotterb. 1882). 


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Topographiiche Lage bon Rotterdam. 


Zu R. beftehen anſehnliche Schiffswerite mit den 
verſchiedenen dazugehörigen gewerblichen Etabliſſe⸗ 
ments, bedeutende Zuderraffinerien und Brannt: 


Inſeln, zur 
"Binterindien 
gebörig, von ** Inſel durch die Straße von 


Notti, eine der Heinen Sunda— 
nieberländ, Nefidentihaft Timor in 


weinbrennereien, Zabatsfabriten, zahlreiche Wind: | Rotti getrennt, iſt 985 qkm groß. Auf R. befindet 
müblen und die großartige Mai inenfabrit und | fi ein Civilbeamter der niederländ. Regierung; 
Eiſengießerei Fijenoord. Nah Deutſchland fendet R. im übri er; za die Inſel 16 Heinen Häuptlingen, 
Eiſenerze, Getreide, Kolonialwaren aller Art und | welde errlichleit ber niederländ, Regie 
empfängt dafür Mein, Gifen, Kohlen, Tücher u.j.w. | rung Sie Die ben. 

Au) der überfeeiiche Vertehr mit Oft: und Welt: | Rottlera tinotoria Rorb., ein in Oftindien 


inbien —— England, Rußland und den nn 
beutichen Seehäfen iſt in eligem Zunehmen be: 
riffen. Den Namen führt die Stadt nad dem 
Heinen Fluß Rotte, der hier mitteld einer Schleuie | g 
in die y aas fällt. ger erhielt R. 1340. Bis 
gegen Ende des 16. Jahrh. hatte die Stadt jo bedeu: 
tend an Umfang gewonnen, daß fie wiederholt er: 
weitert werden mußte. Franz von Brederode nahm 
fie 1480 ein und verteidigte fie eine Zeit lang mann: 
haft gegen den Erzherzog Marimilian, Node fie 
1563 großenteild abgebrannt war, wurde jie 1572 
von den Spaniern durch Verrat eingenommen und 
geplündert. Als die erjte unter den ſog. Heinen 


und im trop. Afrika einheimi — Baum aus der 
milie * Euphorbigceen. wird gegen 6m 

u A t übelriechende, dreifamige — 
te, die mit rötlichen Drüſen aren über: 

ee * Dieſe letztern lommen unter dem Namen 
Kamala (j. d.) als Bandwurmmittel in den Handel. 
Nottmannu Aa einer der — 
vs den Landichaftsmalern der Neuzeit, geb. 

Yan. 1798 zu Handſchuchsheim unweit 

—* wurde zuerſt zur Aquarellmalerei —— 
und entwickelte ſich, ohne alademiſchen Unterricht, 
meiſt durch Studien nach bedeutenden Werten und 
der Natur. Seit 1822 in Münden wohnhaft, machte 


Nottmeifter 


er bald Aufiehen durch feine Anfichten aus dem 
bayr. Gebirge. Es zeigte ſich ſchon in diefen Bil: 
dern das Beitreben nad) ideeller großartig:ftiliftifcher 
Auffaffung der Landfhaft. In Form und Farbe 
ber ten die Maſſen vor, während das Einzelne 

3 Naturlebens mehr nur angedeutet war, Im 
J. 1826 beine N. Italien. Dem König Ludwi 
durch eine Anfıht von Palermo empfohlen, erhielt 
er nad) feiner Rüdtehr den Auftrag, die Arkaden 
des Hofgartena mit 28 ital. Sandfcaften in Fresko 
u fhmüden, Die Ausführun erfolgte 1830— 33. 

a3 Vorzüglicjfte an diefen Bildern, deren Kartons 
das Mufeum zu Darmftadt beſißt, iſt die einfache, 
abgeſchloſſene Kompoſition, die Schlichtheit der 
Darſtellung und die Schönfeit der Linie, R. hat 
diefelben Gemälde felbit in SA wiederholt. Im J. 
1834 und 1835 bereifte er Griechenland, um bort 
die Studien für eine zweite Reihe von Freslen zu 
ammeln. Doch Fahre er diefelben nicht in Freslo, 
ondern teils enkauſtiſch, teild nad) der Knierimfchen 

tethode (Balſamwachsmalerei) auf Cementtafeln 
aus, zum Ginlafien ın die Wände, Dieſe Land: 
ſchaften bilden in der Neuen Pinatothet in Münden 
den Schmud eines eigenen Saals. Auch diefe 
griech. Anfihten find voll malerifcher Efielte und 

eben durch frappante Licht: und Lufterfcheinungen, 

urch eine genaue Schilderung der Tageszeit und 
der Witterung eine ganze Skala von ergreifenden 
und entzüdenden Stimmungen wieder, R. ftarb 
turz nad Vollendung diefer Bilder, 7. Juli 1850. 
Die Künitler ſehten ihm ein einfaches Denkmal auf 
der ſog. Nottmannshöhe am Starnbergerfee. 

Sein jüngerer Bruder, Leopold R, geb. 2. Dit. 
1812 in Heidelberg, geft.26. März 1881 in München, 
war ebenfall3 ein geihäster Landſchaftsmaler, ob: 
wohl in ganz verjdiedener Richtung, indem er mehr 
der lolalen Wirklichkeit folgt. Von ihm find die 
«Drnamente aus den vorzüglichften Bauwerken 
Vündend» (Heft 1-3, Münd). 1845—46). Ferner 
gab er mit ©. Pekoldt und C. Herwegen heraus: 
«Das Herzogtum SalzburgundfeineAngrenzungen», 
und machte ſich durch die Neftauration der Bilder 
feines Bruders — verdient. 

Rottmeiſter hieß im 16. Jahrh. der erfahrenſte 
und zuverlaſſigſte Krieger einer aus zehn und mehr 
Mann bejtehenden Rotte; er wurde von der Manns 
ſchaft gewählt, führte über fie die Aufjicht, übte fie 
in den Waffen und verjah ſomit den Dienft der 
heutigen Unteroffiziere, ; 

Rottweil, Stadt im Schwarzwaldlreife des 
Königreih3 Württemberg, liegt auf einer ziemlich 
fteilen Anhöhe am linfen Ufer des obern Nedar 
und an der Linie Blodingen : Villingen der Würt: 
tembergiiiien Staatsbahn, die hier nad) Immen⸗ 
dingen abzweigt, zählt (1885) 6052 meilt fath. E. 
und bat ein ſchoͤnes Kaufhaus, ein pradtvoll im 
Renaiſſanceſtil renoviertes Rathaus, ein anfehn: 
lies Hofpital mit Kranlenhaus, ein fath. Gym⸗ 
naſium, eine Realanitalt, ein niederes kath. Konvilt, 
eine gewerbliche Zortbildungsfhule und eine höhere 
Töchlerſchule. Unter den Kirchen find —— 
die herrliche Stadtpfarrlirche zum heiligen Kreuz, 
die Gynnaſiumskirche mit einem ſehenswerten got. 
Zurme (Kapellenturm) und die Heine, aber ſchön 
gelegene Lorenzlirde auf dem alten Gottesader, 
wo fih die vom Kirchenrat Durſch zuſammen— 
hr Sammlung älterer deuticher Holzitulp: 
turen befindet. N. ift Eit eines Dberamt3, Yand-, 
Schwur⸗ und Amtägerichts, ſowie einer Handels: 

Eonverjationd » Leritom. 13. Aufl. XIIL 


865 


lammer. Sein Getreidemarlt gehört zu ben be 
deutendften Württembergs, Außerdem befteht eine 
namhafte Baummollmanufaltur , eine Mafchinen: 
wertftätte für Lolomotiven, hydrauliſche Maſchi— 
nen, fowie eine bedeutende Bulverfabrik und eine 
Orcheſtrionfabrik. In der Nähe liegt, gleichfalls am 
Nedar, die Saline Wilhelmshall und das 
Pfarrdorf Altſtadt, deifen 840 Bewohner zur Bür⸗ 
gerfchaft zählen. Die Höhe zwifchen lehterm Orte 
und dem Thale der Prim heißt Hochmauern. Hier 
wy einft eine röm. Niederlaffung, wahrſcheinlich 
as alte Brigobanne. In ihren Trümmern wurde 
von dem Archäologiſchen Vereine R.s außer einer 
Menge wertvoller Altertünter, die in der neuerbaus: 
ten Gewerbehalle aufbewahrt werden, auch jene 
in weitern reifen belannte Mofait aufgefunden, 
welche in ihrem mittlern Hauptbilde ben * 
Sänger Orpheus, in den nur bruchſtückweiſe erha 
tenen Seitenbildern Darftellungen von Tierhehen 
(venationes), Wagenrennen und Gladiatoren: 
lämpfen zeigt. Das ganze Schöne Werk hat man in 
die erwähnte Lorenzlirhe verfeht, N. war einit 
eine freie Reichsſtadt und Siß eines kaiſerl. Hof: 
gerichts, welchem ein Erbhofrichter mit (zuleht) acht 
Schöffen (Affefioren) vorstand. Der Sprengel diefes 
Gerichts umfaßte urfprünglid ohne Zweifel das 
ganze Neich, wurde aber durd Immunitäten und 
Privilegia de non evocando allmählich Iehe be: 
ſchränkt. Noch mehr verminderte fich feine Bebeu: 
tung durch die Errichtung des Reichskammergerichts 
und Reichshofrats (an welche beide von der rott: 
weiler Hurie appelliert werben fonnte), durch das 
faltiſche Austreten der Schweiz aus dem deutichen 
Reichsverbande (1499), duͤrch die veränderte Auf: 
faffung de3 Begriffs der Landeshoheit feit dem 
Weitfälifchen Frieden und endlich durd) den Mangel 
an tüchtigen rechtögelehrten Beiſihern. Als das 
Deutfche Steich felbft in Trümmter ging, war biefes 
Gericht nur nod ein Schatten. Noch jebt erinnert 
ein fteinerner Stuhl des Hofrichters, umgeben von 
uralten Linden, im Garten der Realſchule an den 
Drt, wo das kaiſerl. Hofgericht einft jeine öffent: 
lihen Sigungen hielt. Vol. Rudgaber, «Geſchichte 
der Stadt N.» (3 Bde., Rottw. 1835). 
Rotulus (lat), Bündel von Alten und gericht: 
lichen Verhandlungen; Zeugen:Rotul, die unter 
gerichtlicher Autorität aus den Alten gefertigte Zus 
fammenftellung der Jeugenausfagen; rotulieren 
beißt eine ſolche Jufammenftellung anfertigen, dann 
überhaupt das Aufzeichnen der einzelnen Altenftüde 
eines Altenbündels oder Fascilels. ; 
Rotumah, brit. Anfel im Großen Ocean, im 
SD. Melaneſiens, zwiſchen den Ellice Inſeln (nörd: 
lich) und den Fidſchi⸗Inſeln (ſüdlich), rings von 
Korallenriffen ungeben und hafenlos, zeigt vulfa: 
nischen Urſprung, ift mit bewaldeten Hügeln be: 
dedt und fruchtbar an Kolospalmen. Die Inſel 
zählt auf 36 qkm (1871) 2680 E. malaiifcher Ab: 
ftammung und zum Chriftentum belehrt, Der 
Hauptort Fangwot und die andern hzahlreichen 
Dörfer weifen hübſche und reinliche Häufer auf. 
RN. wurde 1791 von dem Engländer Edwards ent: 
dedt und Grenville genannt, laut Erlaß der 
Königin vom 30, Dez. 1880 der brit. Kolonie Fidichi 
einverleibt und am 13. Mai 1881 durch den Gou: 
verneur der Fidichi:sinfeln übernommen, 
Notunde oder Rotonda (ital.), eigentlich; jedes 
nah außen oder innen kreisförmige, mit einer 
Kuppel oder einem Zeltdach überdedte Gebäude 
65 


— Rotunde 


= 


866 
oder. ein dergleichen —— beſondern 
heißen N. einige beftimmte berübmte Bauwerle, wie 


—— er Rom, die Villa Capra zu Bicenza 
ber Sale, wie die N. im berliner Muſeum, 
oh Hans Reltaus: ellungsgebäude u. |. w 
Notwelich oder Rotwälid a: ſoviel 
ala Bettler, und wälsch, rtige Sprade) 
beißt das Gauner: —* — Deutſchlands. 
In Spanien heißt die Diebsſprache Germania, in 
Srantreich Argot, in Stolien Gergo, in in England 
Cant, in Böhmen Hantyrka. In den flandinav. | 
Vändern tommt als F antesprog außer der Jigeumer: 
—— ⏑20——— (Sköier- 
sproget) vor. den fi) beſonders aus bem | 
Hebraiſchen Nusdräde, 
verftümmelter Form, vor. Das N. heißt auch Je— 
niide Sprade ober (bei den Gaunern jelbit) 
stodemer Loſchen, d. Huger Leute Sprade. 
&3 wurde in Deutichland fon zu ben Zeiten | 
Karls V. befonders von den Gorbenbrübern (ald 
Bettler herumſtreichende Soldaten) geintochen, und 
man bat bereits von 1528 und vom nãchſten Jahre 
darauf ein beibemal zu Wittenberg erichienenes | 
Bud: «Bon der falichen Betler bueberey, mit 
Vorrebe von M. Luther. Vnd hinden an ein Roth: 
welſch Vorabularius». Zur Zeit des Preibigiährt: 
gen Kriegs fiand es in voller Blüte, wovon die 
u Gefihten Bhilanders von is 
legen. Noch heute verdient das in feinem altüber: 
lieferten Urftode ih ziemlich gleichgebliebene N. - 
Aufmertiamteit von Bolizei: und Striminalbehö 
den, und diefem praltiichen Interefie bat man u 
bie beiten Aufſchluſſe zu danten. Val. außer Botts 
Gharatterijtit der Gauneripradden in deſſen «3% 
geunern» (Bd. 2, Ginleitung) und den Schriften 
von Orolman ( 199), Biſchofj (1922), Train (1833), 
beſonders: Thiele, « Die jüd. Gauner in Deutſch⸗ 
land, ihre Eigentämlichfeiten und ihre Sprache⸗ 
(2. Aufl., 2 Bbe., Berl. 1848); Rochliß, «Das 
Weien und Treiben der Gauner, Diebe und Be: 
trüger —— (2p3. 1846); Ave Lallemant, 
«Das deutſche Gaunertum⸗ (4 vbe. Lpz. 1858 — 
62), Wagner, «Die Litteratur der Gauner: und 
Geheinfpraden» (Tresd, 1861); Bionbelli, «Studii 
sulle lingue furbesche » (Mail. 1876); Michel, 
«Etudes de philologie comparee sur largot et 
sur les idiomes analogues parles en Europe et 
en Asie» ( * einen! Sundt, «Beretning om 
Fante-eller ftrugerfolfet i Norge» (2. uf, 
Kriſtiania — äh «Tatere 09 Natmands: 
foll i Danmark» (Ropenb. 1872). 
—— Jagdbe zeichnung fir HirfcheunbRehe. 
Rötz, Stadt im bayrı. Ne —— Ober⸗ 
vjolz, Bezirksamt MWaldmünden, rechts am ber 
—— en —— Abhang des pfãlzer 
Waldes, dem Dicere, zählt (1880) 
1254 6, nr hat Satan und Leinwandbanbel, 
Notzinferz, Name für das ald Mineral in der 
Ratur vorlommmende Zinforyd ZnO; es bilbet meijt | 
derbe Maſſen und groblörnige Aggregate, bie bemt | 
beragonalen Syftem angehören; die Härte it 4—4,5, | 
das jpezifüche Gewicht etwa 5,5; die blutrote und | 
byacıntprote Farbe des dx$ biamantg nden Mine: | 
rals wirb —— Beimengung en ——— 
ee An den Hauptfun 
—— das ñ. 


Sparta in — 
in —— von Hranflinit, un oft mit einem 


Auftug einer weißen erbigen Subitany vor, Bi unb 
i 


elundar aus ihm gebildetes Lohlenfaures Zimt 


wenm auch oft in aan) 


Rotwelid — Roubair 


Ropirantpeit ik eine mur dem Pferde, Ciel 
und Maultier eigentümliche, — — 
ilbare —— — auf i ur 
nde, Schafe und Ziegen übertragen werben 
' und nur durch Anitedung erzeugt und aa — 
—— wird. Das —— it ein Spaltpilz 
ilus mallei), welcher unmittelbar ober durch 
—— von — — bie Weiterver 
breitung der N. ermöglicht. Ban u 
Inngenzog 





nterjcheibet 
Najen: und ber einen, ben Haut: 
Be Seite; beide frank: 
batten Prozeſſe gehören zmeimander. Der Rajen- 
und Lungenroß tt gelennzeichnet durch meift ein- 
jeitigen , nıikfarbigen , oft Bintigen Stu, 
—* — den — — * Borken eintrodnet; 
3 ache und Tiefe frefiende, mit 
roten, jp 2 —— Rändern unb gelbem 
Sefhmwirägrund veriehene Geſchwure, bie —— 
förmige Narben zurüdiafien; durch einfeiti 
| ichwollene, barte, wie mit dem Unte y— 
ı wadjieme Heblgangsprüfe; durch it 
und Huften; beides bevingt Durch Die in den Zungen 
der franten Gimbufer ſich vorſndenden Ro, Iuber: 
tein, Knoten, Schwielen. Sicher it bie Diaanoie 
auf R. nicht in allen Fällen ‚su jtellen; am ficherfien 
geihieht eö, wenn man einen jungen Hunb mit 
tafcnausfluß u de3 verbädtigen Ginhujers 





ab: j impft, worauf der —** in ee 


ertrankt und verendet. ſich noch feme der viel- 
rd verſuchten Seilmetheben als zureichend 
t bewährt bat, fo i# ed motmenbin, bie 
breitung ber Krankheit burd Anitedung 
u verhüten, weshalb ber W. 
Fort zu töten, gejunbe aber vor der Berührung 
joldhen und den bei ihnen benukten 
und Gtällen zu büten find; ——— müflen 
beäinfiziert werben. Qi. u... 
viehſeuchengeſehes vom 1868 unb bie 
ver zu dieſem gehörenden Juſtrultion 
Der überträgt fi auch auf den Menſchen und 
iR dann —— ahrlich, weshalb bei der > 
ung roßiger Pierbe be ondere Sorafalt nötie 
Die. Br allen Staaten ben Gemährsmängeln 
zugezäblt. Vgl. Erbt, «Pie Aokoyälzafie u. J. m.» 
(2p;. 1868); : Siedamgrogfn, « Lanbmwirt: 
Schaftliche Tierheiltunde» (9. ul Berl. 1838). 
Roubaizg, ſchne, — 
franz. Nord » Departement , Arrondiſſement Zill 
8 km im NO, von Lille, Station der Linie 
- Lin eine Rordbahn und am La⸗ 
ana ehr bedeutenber Fabritort 
Benöfterung in neuerer Zeit nufersrveniikd ym 
nommen bat, indem fi beren Zahl im J. 1806 
auf 8724, 1834 bereits auf 18187, 1851 auf 34.638, 
1881 auf 79100 (Gemeinde 91 757) beiief. Die 
Stadt hat eine , —— 
mer, einen Generalgewerberat, eine Filiale der 
Bank von Frankreich, Zeichenfchulen, eine Mut: 
und eine —— ein — ein Indu 
ſtriemuſeum, ein n Theater un d ſchöne Promenaden 
(jardin public). Man zãhlt TOBol: ı und 12 Baum 
‚ wollipinnereien, eritere mit 370 ——— und 
| von 300 Fabrilen liefern 250 Woll⸗ 
und Leinenfloffe, 50 fub accefjoriiher Art. eg 
| Hauptgegenftände der Fabrikation iind faconnierte 
Delkan — un anbere Miebshofie, Ntoneetie 
$ 
| ab ung erden ertes 


— — 
| — ——— Außerdem gibt e3 


I 


am mn — — — — — — —— nd ——— — 


Roucou — Nouen 


Fabrifen für Kammwolle, Hüte, Zwirn, Webjtühle 
und Weberinitrumente ſowie Seidenjpinnereien, 
Färbereien, Gerbereien, Deijtillationen, Zuder: 
fiedereien und Brauereien. Der große Umſaß der 
—— Roubaixartikel (insbejondere 
Woll⸗, Baumwoll⸗ und Seidenſtoſffe), jaährlich über 
200 Mill. Fr3., macht die Stadt zugleich zu einem 
lebhaften Handel3ort. Der Roubairlanal be: 
ginnt am Kanal La:Bafle:Deule bei Marquette 
(3 km unterhalb Lille), folgt dem Thal der Marcq, 
gebt über Wasquehal und R. ins Thal des Ibe: 
zufluffes Göpierre und tritt dann auf das Gebiet 
von Belgien, wo er in die Schelde ausläuft. Der: 
felbe hat eine Länge von 27 km und gebt 2816 m 
weit unterirdiſch fort. 

Roneon, ſ. Rocou. 

Nouen, Hauptſtadt der vormaligen Normandie, 
jetzt des franz. Depart. Niederſeine, am rechten Ufer 
der Seine, an ber Franzoöſiſchen Nordbahn (Linie 
Amien3:R.) und an der bahn (Linie Paris; 
Havre), außerdem Ausgangspunkt einer Lolalbahn 
nad Petit-Duevilly, 140 km nordweſtlich von Pa: 
ris, in_einer_von Anhöhen begrenzten Gbene ge: 
legen, ift der Siß eines Erzbiſchofs, eines prot. und 
eines israel. Konfiftoriums, des Generallomman: 
dos de3 3. Armeelorps, eines Appellationshofs für 
— Departements, eines Aſſiſenhofs, eines Hans 
elögeriht3, einer Inſtanz von a Friedens: 
gerichten, einer Handeld: und einer Aderbaulanı: 
mer, eines Gewerberats, einer Filiale der Bant 
von Frankreich, fowie auch Münzitätte, und zählt 
(1881) 98541 (Gemeinde 105906) GE. Bon den 
Vorftädten liegt die bedeutemöfte, der induſtriöſe 
Faubourg St..Sever, von wo die Gijenbahn über 
Gaen au | Cherbourg ausgeht, auf dem linten Ufer 
der Seine, über welche ſeit 1836 eine Hängebrüde 
und eine 1810—19 erbaute Steinbrüde (Pont de 
pierre) führen. R. bietet in reizender landſchaft⸗ 
liher Umgebung einen impofanten Anblid dar 
und überragt fait alle franz. Brovinzialitäbte an 
chrwürdiger Altertümlichleit, prächtigen Baudenl⸗ 
mälern und bijtor. Grinnerungen. Seit 1860 iſt 
die Stadt fehr verjchönert; fie bat jebt breite, 
gerade, luftige Straßen, jowie 25 Kirchen, von 
denen nur 14 zum Gottesdienft benußt werben, 

Die Kathedrale Notre-Tame, eins der mäch— 
tigiten gotiihen Gebäude ber Normandie, im we: 
fentlihen 1212— 80 audgeführt, hat eine len 
de3 16, Jahrh. von George d’Amboije, Erzbi ho 
von Rouen und Minijter Ludwigs XIL aufge: 
führte I reiche Be, zu deren Seiten ſich die 
75 m hohe Tour St.:Romain und die 77 m hohe 
Zour de Beurre (1485— 1507 erbaut) erheben. 
Der eiferne Turm (von 1822) über der Vierung 
iſt 148 m hoch ; das Innere der Kathedrale iſt 136 m 
lang, 32,3 m (im Querſchiff 51,6 m) breit und 28 m 
hoch; hier find die engl. Stönige Richard I. Löwen: 
berz und Bann IL, ferner die beiden erften Her: 
zöge der Normandie Rollo und Wilhelm Sanglchnert 
beitattet; ——— find die Grabmäler des Kar⸗ 
dinals George d’Amborje und feines Neffen, 1518 
—25 von Roland Lerour im Renaiflancejtil ausge: 
führt, fowie das dem Jean Eoufin und Jean Goujon 
zugeichriebene des Herzogs Ludwig von Br&ze, Ge: 
mahls der Diana von Poitiers, der Geliebten bes 
franz. Königs Heinrichs IL An Reinheit des Stils 
und Korreitheit der Konſtrultion wird die Kathe— 


drale noch überboten durch die 18318—39 im Chor | Aderbauf 


und Areuzſchiff, Ausgang des 15. Jahrh. auch im 





867 


Langſchiff und Turm vollendete Kirche der ehemals 
berühmten, ſchon im 6. Jahrh. gegründeten Benes 
biltinerabtei St. Quen. Der 87 m hohe Zurm über 
der Vierung, mit der «Strone ber Normandie» auf 
der Spipe, tft ein Meifterftüd von Grazie und Ma; 
jeität; die Weitfagabe mit den beiben 86 m oben 
Zürmen ijt modern. Sehenswert find ferner bie 
ade St.:Maclou mit ſchoͤnen Skulpturen und bie 
Kirche St,:Gervais des ehemaligen Klojters gleichen 
Namens, in weldem Wilhelm der Eroberer 1087 
ftarb, Die Kirche St.:Maclou aus dem 15. Jahrh. 
befigt ein reiches en mit prächtig geſchnih⸗ 
ten Holztüren, deren Reliefs Jean Goujon zuge: 
ichrieben werben; St.:Godard aus dem 16, Jahrh. 


bat ſehenswerte © [de und im Chor Wand: 
gemälde von Le Henaff; St.: Patrice ijt berühmt 
ladgemälde aus dem 16. 


wegen feiner fchönen 
und 17, ch. Ferner find hervorzuheben ber 
—— ultizpalaft de bad Parlament dir 
ormanbie [Gour_de T' vier] 1493 — 99 im 
reichiten fpätgot. Stil von Roger Ango und Ro: 
land Lerour begonnen und im Laufe des 16, Jahrh. 
vollendet), mit ber 49 m langen und 16 m 
Salle des reur3 oder Salle des Bas Perbus, 
das Stadthaus, das Zollgebäude (von 1838), bie 
Börfe (au dem 18. Jahrh.), das Neue Mujeum, 
am Jardin Golferino, mit der jtäbtiichen Gemälde: 
—— das Hötel de Bourgtheroulde vom Ende 
es 15. Jahrh., das Altertums mufeum in bem ebe: 
maligen Dlarienllofter und die Zour de la Groſſe 
ne e, 1389 erbaut und mit bem ehemaligen 
tabthaufe (aus dem 16. Jahrh.) verbun 
Turm ber Jeanne d'Arc iſt der Neit eines 1204 
von Philipp II. Auguft erbauten feiten es 
i 


ber Turm, in welchen die Jeanne d'Arc wi 
gefangen (ob, wurde 1809 ab — u den 
ulendſten Plãhen gehört Itmarft, auf 


welchem bie Jungfrau von Orleans 30, Mai 1431 
verbrannt wurde. Bon Statuen find zu nennen: 
die des hier geborenen PB. Corneille (von David 
d’Angers) am Pont de Pierre der Inſel Lacroir; 
in den Anlagen beim Duai de la Bourſe, dem 
Cours Boieldieu, ein Bronzeitandbild des Stompo: 
nijten Boieldieu, vom jüngern Dantan; auf der 
Bus St.:Sever ein Dentmal für den Abbe de la 
alle, den Stifter der Schulbruderſchaft, von dal 
guitre (1875); das Reiterbild Napoleons I. auf 
Stabthausplage ift 1865 aus bei Aufterlip erbeu: 
tetem Ranonenmetall gegofien, neben Neuen 
Muſeum erhebt ſich das Denlmal für den Dichter 
Bouilhet, ein Werk Guillaumes. Außerben zieren 
die Stadt 38 Fontänen, darunter die Fontäne 
Ste.:Marie, mit Statue der Stadt, von Falguiere 
(1879); auch die Boulevards und fhöne Prome— 
naden (der 1300 m lange Grand Cours mit vier 
prächtigen Alleen) gereihen zur Zierde. R. hat 
vier Bahnhöfe, fünf große Kajernen, drei Theater 
und einen Tirkus. Gegen 4 km öſtlich von. liegt 
150 m über dem Meere die im Stil bes 13. Jahrh. 
erbaute und im Innern prächtig ausgeſchmüdte 
Wallfahrtslirche Notre:Dame-de:Bon:Secours. 

An wiſſenſchaftlichen Jnftituten befipt die Stadt 
eine theol. Fakultät, ein großes und ein Heines 
geiftliches inar, eine mediz. und pharmaceu: 
tiihe Vorſchule, ein Lyceum, eine Selundärichule 
für Wiffenfhaften und Litteratur, ein Lehrerfemi: 
nar, EM rographiſche, eine Gewerbes und eine 

erbauſchule; ferner einen botan. Garten, eine 
Zaubftummenlehranftalt, eine Bibliothel (111000 
55* 


8068 Nouennerie — Nouget de PJsle 
Dände und 2960 Handidriften), eine Gemälde: ! 1449 fam fie wieder an Frankreich. Als ein Haupt: 


galerie, ein Mufeum für Altertümer, ein teramifches | ji der Hugenotten fpielte N. auch in —— 
Muſeum (jeit 1864), ein naturhiſtor. Muſeum, ein kriegen des 16. Jahrh. eine wichtige Rolle, 
induftrielles Mufeum, eine Alademie der Wijien: |; die Aufhebung des Edikts von Nantes (1685), 
Ichaften, Yitteratur und lünite, eine Akademie der ; infolge bie gemwerbthätigen Proteſtanten 
Maler: und Zeichenkunſt. Auch befinden ſich hier | maſſenhaft auswanderten, fant die Ginwohnerzahl 
ein großeh Hellengefängnis und Zuchthaus, ein | von 80000 auf 20000 herab. Im Deutf n⸗ 
Blindenhoſpital, zwei Irrenanſtalten u. ſ. w. R. zöſiſchen Kriege von 1870 und 1871 wurde M. 
it das beventendfte Centrum der Baummwollipin: | 5. Dez. 1870 von den Preußen unter von Göben 
nerei und Weberei, und für die Nouennerie ge: | befekt, die es erſt 22. Juli 1871 wieder räumten, 
nannten Zeuge, wie Halitos, Indiennes, Bonne— ouennerie, f. unter Rouen. 
teries, Deden und Wäſche. Mit dem Ylads ind | Rouergue, Srafichaft, f. unter Rodez. 
hauptſachlich die Yandarbeiter ringsum beſchaftigt. Rouergue (Caufies de), f. unter Cauſſes. 
Der Wert fämtliher Nouenneriewaren, deren | Rouee (frz., d. i. Geräderte) nannte der Herzog 
Fabrikation ſich an die Stadt nüpft, wird jährlich | Philipp von Orleans, der während der Minder: 
auf BO Mill, Frs. geihäht. Auch hat R. Fabriten | jährigteit Ludwigs XV. von Franlreih die Ne: 
für Danıpf: und andere Mafchinen, für Handwerk: gentſchaft — die Genoſſen feiner Ausſchwei⸗ 
zeuge, eine ſehr große, 1860 als Forges et lami- | fungen. rielbe wollte damit bezeihnen, daß 
noirs rouennais eröffnete Anftalt, mit Hoböfen, | dieje feine Freunde zu nicht? taugten, ala gerädert 
Hammer: und Walzwerten, zwei Schmelzwerte, | zu werden, Die berüchtigtten R. waren der Graf 
mehrere Fabrilen für Chemilalien, Färbereiartitel, | von Noce, der Marquis de Lafare, der Chevalier 
Glas, für Apfelzuder und Apfelgelees, für Seifen, | von Simiane, der Herzog von Brancas und der 
Stearin, Öl, Zuder u, ſ. w. Dazu fommen Bär: | Marquis von Broglio. Auch die Frauen von 
bereien, Bleihen, Gerbereien, Mehl: und Schneide: Mouchy und von Eabran, die Herzogin von Gevres, 
mühlen, Salzraifinerien, Schiffswerfte u. |. w, R. | oft fogar des Negenten Tochter, die Herzogin von 
wird als Seejtadt betrachtet, da feit Vollendung | Berri, wohnten den — Orgien im Palais⸗ 
der den Fluß einfaſſenden Deiche die Schiffahrt Royal bei, Im gewöhnlichen Leben nennt man 
vom Deere her für Schiffe von 5, m Tiefgang mit | Roué denienigen, welhem ein ausichweifendes 
1700 t Laſt eine leichte geworben it. Gemwaltige | Leben, befonders Verführung der Frauen, zur Ge: 
Dod-Entrepöts find aufgeführtan dem 16 ha großen | wohnheit und gungen geworden ift. 
Seehafen, deſſen Kais 2125 m Länge haben, fowie | Rouge (Emanuel, Bicomte de), Ugyptolog, geb. 
dem 11,5 ha mefjenden Flußhafen mit 1403 m Hais; | 11. April 1811 zu Paris, widmete fid) der Juris: 
9 Schwimmende Dampflrane und etwa 50 felt: benz, lebte aber nad} 1830 auf feinen Gütern in 
ftehende Arane find in Thätigfeit. Der Hafen ift | Anjou, bis er 1849 Konfervator am Agyptiihen 
#8 km vom Deere entfernt, die Seine hier 230 m | Mufeum in Paris wurde. Gr erhielt 1854 eine 
breit und 6,2 m tief, Es gehen pu⸗ etwa 3000 Anſtellung im Departement des Innern und des 
Schiffe ſtromauf und ebenio viele ſtromab, zufam: öffentlichen Unterrichts im Staatsrat, wurde zuleht 
men mit einem Transport von 600000 t. R. be: | Profeflor der Archäologie beim College de France 
fint Schiffe von 9000 t Gehalt, Die Einfuhr um: | und ftarb 31. Dez. 1872 auf feinem Schlofje Bois: 
faßt hauptſächlich Steintohlen und Eiſen aus Eng: | Dauphin, Seine auf das ägypt. Altertum bezüg: 
land; Darmor, OL und trodene Früchte aus Sta | lichen Arbeiten finden fi in der «Revue archeo- 
lien; Blei und Wolle aus Spanien; Zink und Käfe | logique» und in den Memoiren des Ynitituts, 
aus den Niederlanden; Holz und Zint aus Ham: | Bouge et noir (frz., Not und dwarz), auch 
nover u.f. mw. Die Ausfuhr umfabt Häute und | Trente et quarante genannt, ein Glüdsipiel, das 
Selle, Wolle, Talg, gulatbren, Weizen, Früchte, | mit ſechs vollitändigen Mbiftipielen, aljo 312 Kar: 
Oliämereien, Harz, Yuder, Dlivenöl, Yeins und | ten, neipielt wird und in welchem eine unbefchräntte 
Balmöl, Bau: und Tiichlerhols, Hanf, Lein, Wolle, Anzahl Bointeure gegen einen Banlier febt. Der 
Krapp, Baufteine, Gips, Erdarten, Schwefel, | Spieltifc it in zwei Felder geteilt, ein rotes und 
Kohle, Gſen, Stahl, Kupfer, Blei, Zinn, Zink, | ein ſchwärzes, auf welhe die Pointeure ſeten. 
Seeſalz, chem. Produlte, Färbemittel, Wein, —— die Karten gehörig emiſcht find, nimmt 
Branntwein, Cider und Boird, Töpfer: und Glas: | der Bantier fo viele, als er bequem in der Hand 
waren, Seife, Gewebe von Wolle, Baumwolle, | halten kann, und legt dann einzeln fo viel arten 
Flachs, Hanf u. ſ. w. Die Stadt ift Siß eines | offen auf den Tiſch, bis die Summe der Augen der 
deutichen Vizekonſuls. Karten 30 überfehritten und 40 nod) nicht erreicht 
R., das röm, Rotomagus oder Ratumagus, | hat. Dabei gelten die Figuren 10, die andern fo: 
war in der fpätern Kaiferzeit Hauptitadbt von | viel als fie Augen haben, das As nad) Bedürfnis 
Gallia Lugdunensis secunda im Lande ber Bello: | 1oder11. Die 10 gelegtefteibe gilt für das ſchwat 
calles. Die Stadt wurde 260 Biſchofsſiß und | Feld; hierauf legt der Bantier in derjelben Weite 
bieß im Mittelalter Rothomagus, auch Rodomnm. | eine Reihe für die andere — Die Reihe, in 
Im J. 8341 ſamt der Abtei StiOuen von den Nor: welcher die wenigſten Augen find gewinnt; find beide 
mannen erobert und zeritört, um 896 von deren | Reihen gleichwertig, fo iſt das Spiel unentichieden. 
Sührer Rolf (feit 912 ni Beiden 1.) befeftigt, ouget de l'Jole (Claude Joſeph), ter 


— — 


war R. feitdem gewöhnlich Reſidenz der Herzöge | und Komponiſt der Marſeillaiſe (f. d.), geb. 10. tai 
und als Feſtung oft Kriegs hauplap. m}. 1204 | 1760 zu Lons-le:Saunier, war Jngenieuroffizier 
bemädhtigte ſich aylipe I. Auguft der Stadt; die | in Straßburg, als er 1792 die Marfeillaife ſchrieb, 
im Jan. 1419 nad) mehr als fehsmonatlicer Be: lampfte fpäter in der Vendee und wurde bei Qui⸗ 
lagerung durch Heinrich V. von England erobert | beron verwundet. ‘Später 30g er fi) ins Privat: 
wurde, Seitdem war fie im Beſitz der Engländer, | leben zurüd, erhielt 1830 von Yudwig —2* eine 
welche hier 1431 die Jeanne d’Arc verurteilten; | Penſion und ftarb 27. Juni 1836 in Choify-le:Roi 


Rouher — Noulette 


bei Barid, Gr komponierte noch «Hymne dithy- 
rambique sur la conjuration de Robespierre et 
la revolution du 9 thermidor» (1794), «Chant des 


vengeances» (1798), «Chant du combat» (1800) | berabgelafienem 





869 


icheidet man hauptſächlich: 1) bas gewöhnliche 
Schnur:Rouleau, een an en Ge 
des Nouleauftabes zwifchen zwei Blechſcheiben, bei 
N., eine Schnur in —— 

a 


und einige Romanzen und Lieder. Auch verfaßte — Fans zu regen in welcher 
y z 


er mehrere DOpernterte («L'école des meres», 
«Macbeth»), Sein 
wurde 23, Juli 1882 enthüllt. 

Nouher (Gugiöne), hervorragender franz. Staats⸗ 
mann, geb. 30, Nov. 1814 in Riom (Depart. Buy: 
de: Döme), wurde nad Vollendung feiner jurilt. 
Studien zu Paris Advolat in feiner Vaterftadt 
(1836) und machte fich bier durch einige polit. Bro: 
zelle einen Namen, Im J. 1848 zum Repräſen— 
tanten jeines Departements in die Nonftituterende 
Nationalverfammlung gewählt und 1849 aud in 
die Legislative abgeordnet, folgte er 30. Olt. 1849 
Ddilon Barrot als Yuftizminijter, wobei er zugleic) 
Präfident des Kabinett wurde, und wirfte eifrigit 
für die in der Botſchaft des Prinz-Präſidenten an 
getündigte fonfervative Bolitit, Doch erfolgte ſchon 
26. Dit. 1851 jein Nüdtritt, Nach dem Staats: 
ftreih vom 2. Dez. 1851 übernahm er wiederum 
das Juſtizminiſterium, trat aber, weil er dem Kon: 
fisfationödelret gegen bie Güter der Familie Or: 
leans vergeblich Rd widerſeht hatte, ſchon 22, Jan. 
1852 von feinem Bolten zurüd und wurde zum 
Bizepräfidenten des Staatsratd und Vorſihenden 
bes Departements für Gefehgebung ernannt, Am 
3. Febr. 1855 ernannte ihn der Kaiſer zum Han: 
beläminifter, wobei ihm zugleich das Portefeuille 
des Aderbaus und der öffentlichen Arbeiten unter: 
ftellt wurde; als folder ſchloß er im Sinne des 
Napoleoniichen Freibandelsiyitens den berühmten 
Handelsvertrag mit England (23. Jan. 1860), 
welchem jolche auf gleicher Grundlage mit Belgien, 
alien und Deutichland nachfolgten. Nach Billaults 

ode als Staatöminifter berufen (18. Oft. 1863), 
ftand N. fait fünf Sabre lang an der Epike der 
franz. Regierung und hatte * Napoleon III. den 
bedeutendſten Einſluß, weshalb man ihn den «Vize: 
taifer» zu nennen pflegte. Nach den allgemeinen 
Wahlen im Mai 1869 und nad) der Interpellation 
der 116, welche minijterielle Verantwortlichleit ver: 
langten, nahm er feine Entlaſſung und überließ 
feinem Gegner Emile Ollivier das Minifteriun, 
Ter Kaiſer ernannte hierauf R. zum Präfidenten 
be3 Senats, bei dejjen lekter Sibung (4. en N. 

räfidierte. Nach der Erklärung der Republil ver: 

ich er year und begab je nah England, 
wurde dann im die Nationalverfammlung und 
fpäter in die Deputiertenlammer gewählt, in wel: 
er er ſich al3 den unermüdlichen Verteidiger des 
VBonapartismus zeigte. KürdieSaheNapoleonslV. 
war er jehr thätig und leijtete der Erlaiſerin Eugenie 
feinen Beiftand. Gr ftarb 3. Febr. 1834 in Paris, 

Rouille (Koftbeize), j. unter Eiſen und Eijen: 
indujtrie, Bd. V, S. 850, 

Ronlade, in der Selangsfunft ein rollenber 
Läufer, mit welchem die Melodie ausgeihmüdt wird, 

Moulade, pitante kalte Speije aus Fleiſch (Ge: 
flügel oder Fiſch, von Knochen, refp. Gräten befreit), 
das mit Gewürzen und Kräutern beitreut, feit zu: 
fammengerollt und in einer ſtark gewürzten, etwas 
jäuerlihen Brühe weich gedämpft wird, worauf 
man die R. preßt und die Brühe zu Gelee einkocht. 

Nouleau, vom fr. rouleau, d. i. Rolle, Walze, 
Nollvorhang (frz. store, engl. rolling window- 
curtain), Nach der Aufzugsvorrichtung unter: 


ufwideln des rfolgt, aufgerollt wird und da3 


Denkmal in Choijysle:Roi | Aufziehen des lehtern durch Zug an der Schnur er: 


folgt, während das Feithalten in jeder beliebigen 
Lage durch Anhängen der Schnur an einem Knopf 
oder durch Schnurhalter (Klemmen) bewirkt wird; 
2) das Rouleau mit Gegengewichten, wobei 
am untern Ende der Schnur ein dem Gewicht des 
R. entipredhendes Gegengewicht aus Blei, Eiſen 
oder Meſſing angebracht iſt und zum Herabziehen 
des R. eine am Ende desjelben befindlide Quaite 
dient; 3) das Nouleau mit Schnur obne 
Ende, welde oben und unten über Rollen ftraif 
geipannt ijt, eine Anordnung, bei welder, da bie 
Bewegung nur durd Neibung beim Sug entitcht, 
die Schnüre bald verbraudit werden und aud) die 
Ausdehnung berjelben leiht Etörungen bervor: 
bringt, weshalb öfters ftatt ihrer eine dünne Slette 
zur Anwendung kommt; 4) dad Federroulean 
zum ——— Hinaufziehen durch die Ktaft 
einer an einer Seite der Welle befindlichen Spiral: 
feder, welch legtere durch eine am Feniterjtod an: 
geihraubte Blechbuchſe gededt iſt. Damit das R. 
in jeder Lage feſt Steht, it ein Sperrrad mit Halen 
angebracht, der dur Zug an der Schnur aus: 
ehoben wird, Zur Führung dienen beiderjeitig 
dnüre, längs deren das R. fi mit Hilfe von 
Dien bewegt. Man hat aud) eine komplizierte Non: 
itrultion angewendet, welde at Syiteme von 
ſtraff geipannten Schnüren erfordert. Das cine 
Schnurſyſtem dient zum Drehen der Welle, reip. 
Aufrollen des R., das zweite zum Heben und Sen: 
fen der Welle ſamt R., um nad Belieben oben 
und unten Licht eintreten zu lafien, oder das en: 
fter ganz durch das N. zu verbeden. 
Noulers, belg. Stadt, f. Rouffelaere. 
Ronlette (frz.) üt ein Hazardipiel (f. Glüds— 
fpiele), welches nicht, wie Die Ben derartigen 
Spiele, mit Karten, ſondern lediglich vermittelit 
eines eigenen Apparats (auch R. genannt) zur Ent: 
ſcheidung gebracht wird. Dieſer beitcht_in einer 
langen, mit grünem Tuch überzogenen Tafel, in 
deren Mitte ſich eine kreisförmige Vertiefung be: 
findet, in welcher eine um ihren Mittelpuntt dreh: 
bare Echeibe in Bewegung gelebt werden kann. 
Um dieje Scheibe läuft ein nad) außen anfteigender 
Kand, welder einer roulierenden Kugel zur Bahn 
dient, Die drehbare Scheibe hat an ihrem Un: 
fange 37 oder 38 gleichgroße numerierte und durch 
Wände fternförmig untereinander geſchiedene dä⸗ 
cher, die groß genug find, um, die ausroliende 
Kugel, wenn fie von dem geneigten Nande ber: 
unterfällt, aufzunehmen. Die Fächer * ahwech⸗ 
ſelnd von roter und ſchwarzet Farbe und mit 
Zahlen von 1—36 (edoch gewöhnlich nicht nach 
der Reihe, ſondern nach einem gewiſſen, bei den 
verſchiedenen R. verſchiedenen Syſtem ſpringend) 
bezeichnet. Hat das N. 37 Fächer, fo iſt das letzte 
Fach durd) O (Zero) eg t e3 jedoch 38 Für 
er, fo ijt noch ein anderes Fach durch 00 (Double 
z6ro) bezeichnet. Alle diefe Bezeichnungen nad 
Farben und Ziffern find zu beiden Seiten de3 eigent: 
lichen N. auf der grünen Tafel wieder aufgetragen, 
bier aber durd Linien in gewiſſe Abteilungen 
cebracht, welche gewijle Farben und Nummern— 


870 


Roulez — Nouſſeau (Jean Jacques) 


tombinationen (Chancen) zuſammenfaſſen. Davon | nung lautende Verurteilung (7. April 1712) zuzog. 


unterfcheibet man ſechs: einerfeit3 Rouge (rote Fel: 
der), Impair (ungerade) und Impasse oder Manque 
—— unter 18); andererſeits Noir (ſchwarz), 
air (gerade) und Passe (darüber, über 18), Das 
Epiel hält, wie bei den übrigen Hazardipielen, ein 
Bankier, der vor dem R. feinen Siß hat; für die 
Bointeurs find die Be auf der Tafel zum Be: 
fegen eingerichtet. Sind die Einfähe erfolgt, fo 
wird die Scheibe vom Bankier oder Croupier raid) 
in Bewegung gelebt, die Kugel aber in entgegen: 
gelehter Richtung auf ihrem Rande herumaerollt, 
enn die Be 
die Augel das Beitreben 
rollen, und Nummer und Chance des Fachs, in 
welches fie ſchließlich fällt, enticheidet das Spiel. 
Sobald die Kugel aefallen ift, fagt der Bantier die 
Nummer fowie die Chance an und hat dann die 
auf den gewinnenden Feldern ftehenden Säße aus: 
zuzablen,, während er alle übrigen einzieht. Rouge 


und Noir, Pair und Impair, Manque und Passe 
werben einfach bezahlt, Zero, Double zero und 


eine einzelne Nummer dagegen 36fah. Wer meh: 
rere Nummern (2, 8, 4, 6 ala Gruppe) zugleich be: 
fest hatte, er t den Betrag des Quotienten, wel: 
Ken die Divifion durch die Zahl der befegten Num: 
mern in 36 gibt (5. B. 3 Nummern mit 10 Fr. 
befegt = 120 Fr3.). Liegt die Kugel in dem mit 
0 oder 00 bezeichneten Rache, fo zieht der Bantier 
alte Einfäge ein, mit Ausnahme der von entipre: 
chender Farbe und Ehance (Rouge, Impair und 
Impasse bei Zero; Noir, Pair und Passe bei 
Double zero), mwelde von den Spielern zurüd: 
esogen werden können, und der auf O, reip. 00 
60 gemachten, welche gewinnen. Wird mit ein— 
achem Zero geſpielt, jo iſt der Vorteil für die 
Yan geringer als bei dopveltem Zero, übrigens 
beiteht die —— des Spiels in einer genauen 
Kenntnis der Befegungsarten. R. war früber in 
den großen rhein. Bädern Baden :Baden, Wies: 
baden, Homburg u. a. das hauptſächlichſte Spiel 
bei den dortigen Spielbanten , bis dieje auf Grund 
de3 Gefehed vom 1. Yuli 1868 geiälofen wurden. 

Roule (yofenh Immanuel hislain), hervor: 
ragender belg. Altertumsforicher, geb. zu Nivelles 
(Brovinz Brabant) 6. Febr. 1806, madhte feine 
Studien in Löwen, Heidelberg, Berlin und Göt: 
fingen und war 1831— 73 Proeſſor der Philologie 
in Gent, nebenbei (1863—73) Kurator der Uni: 
verfität dafelbit. Er ftarb in Gent 16. März 1878. 
Die Zahl feiner meiit mythologiihen Arbeiten 
(vorzüglich atademifche Abhandlungen) it jehr 
groß. Sein berühmteftes Wert ift «Choix de 
vases peints du Musée d’antiquites de Leide 
publies et comments» (Gent 1854). 

Round Heaäs, ſ. Rundlöpfe. 

Ronffean (Jean Baptiite), franz. Dichter, geb. 
16. April 1670 zu Paris, war der Sohn eines 
Schuhmaders, erhielt eine gelehrte Erziehung, 
machte fidh frühzeitig ala Dichter befannt und be: 

leitete den franz. Gefandten Bonrepeau 1688 ala 
ge nad) Dänemarl, fpäter den Marſchall Tallard 
als Sekretär nad) London. Nach Paris zurüdges 
fehrt, erhielt R. eine Anitellung im Finanzfache, 
tam aber n eg Zeit in Verdacht, der Ber: 
faſſer einer Anzahl Couplet3 gegen angejehene 
Perſonen zu fein, deren Verfaſſerſchaft er durch be: 
jtohene Zeugen vergeblid dem Geometer Saurin 
zuſchreiben ließ, was ihm eine auf ewige Verban— 


ung langjamer geworben, erhält | 
in eins ber ücher zu | ! 
| Sram. Runftrichter 


Genötigt, zuerit nad) der Schweiz ausjumandern, 
wo er an dem ven Gefandten, Grafen du Luc, 
einen Gönner fand, begleitete er dann den Prinzen 
Eugen nah Wien, das er aber fhon nad drei 
Sahren wieder verlafien mußte, und ging hierauf 
nad Brüfiel, wo er mit Voltaire in einen Streit 
— Später lebte er eine Zeit lang in England, 
ehrte 1740 nad) Brüfiel zurüd und ftarb 17. März 
1741 zu Genette bei Brüfel Er ſchrieb vier Bücdyer 
‚zwei Bücher « Epitres en vers» und « Alle- 
gories», drei Bucher Gpigramme, 19 Gantaten 
und Gelegenheitsgedichte, ſowie vier Luftipiele und 
wei Opern, bie a —— eintrugen. 
ben R. lange als den erſten 
Lyriler der Nation gepriejen, bis i 
tiſche Schule von ſeiner Höhe 
war er unftreitig der feiner 
Zeit, zwar oft ohne iſche Wärme, doch von 
— 8* und von —* 
rhythmiſ en obllaut. um - 
ramm bat er Hervorſtechendes gr Die voll: 
Rändigfte Ausgabe (mit einem 
Ipondenz) beforgte Amar (5 Bde. , Bar. 1820 
Rouffean (Sean ques), neben Boltaire der 
einflußreichite Edhri ber Franzoſen im 18. 
Jahrh., geb. 28. Juni 1712 zu Genf, Sohn eines 
— aus alter angeſehener Familie, die ſich 
infolge der Aufhebung des Silts von Nantes aus 
Frankreich nad) der Schweiz geflüchtet, wuchs ohne 
gründlichen Unterriht auf und wurde bei einem 
Graveur in die Lehre gethan. Cr hatte aber von 
vielem Romanlefen den Kopf voll abenteuerlicher 
een, ſodaß er, 15 J. alt, feinem Lehrherrn entlief 
und eine Zeit lang in Savoyen umberirrte, bis ihn 
ein fath. Yandpfarrer nad Annecy an Frau von 
Warens empfahl, die Mutterftelle bei ihm vertrat 
und ihn nah Zurin in die Katechumenenanſtalt 
ſchidte. Nach jeinem fibertritt zum Kat us 
aus dieſem ihm unleidlichen Aufenthalt t, 
wurde er erſt Latai, hierauf Seminarift, dann Mu: 
ſillehrer, nachher Steuerſchreiber und verlebte bier: 
auf einige Jahre (1737—39) in der Nähe gay 
bery auf dem Landgute Les Charmettes bei Frau 
von Warens, die mun feine Geliebte wurde. 
der Folge war er zunächſt Hauslchrer in Lyon, 
nachher Privatjefretär des franz. Gefanbten in 
Venedig, hierauf Theaterdichter und Komponiſt in 
Bari, dann wieder Brivatjetretär bei Herrn von 
ncueil und dejien Schwiegermutter, Madame 
pin, die ihn gemeinſchaftlich al3 eine Art Mit: 
arbeiter bei ihren litterarijchen Dilettantenbeidäf: 
tigungen annahmen. Als die Akademie in Dijon 
bie Breisfrage jtellte: ob die Ausbildung der Künfte 
unb Wifenicaften mehr zur Berjhlimmer oder 
ur Berbeflerung der Sitten beitrage, jchrieb R. die 
handlung «Discours sur les arts et les sciences» 
(1750). Obſchon er fich für die erfte Meinung aus: 
—* batte ielt er body den Preis und er: 
angte Berühmtheit. Sein Umgang erjtredte ſich 
hauptſächlich auf ben Cirlel der Frau von Epinay 
(f. d.), zu welchem Grimm, Diderot, d’Ulembert 
gehörten; auch ftand er im Briefwechſel mit Boltaire, 
Abbe Raynal, langer, Abbe Prevoft u.a. In 
diefe Zeit fällt feine Oper «Le devin du villager, 
die großen Beifall fand. Bei diejer Gelegenheit 
erho I zwijchen den ital. und franz. Mufilfreunden 
ein heftiger Streit, in welden ſich R. heineinmiſchte, 
und feine «T,ettre sur la musique frangaise» (1759), 


die roman: 


Nouſſeau fTheodore) . 


worin er ben Franzofen alle Ay Ar eines muſi⸗ 
laliſchen rs und, wegen enſchaften ihrer 
Eprade, i Mögliäleit e einer Tonkunſt > 
bradte = mädtige Wirkung bervor, 
1754 unternahm er eine Reife nad) Genf, * 
reform. Kirche zurüd und widmete dem Großen 
Hat von Genf Leine anel weite — Preieſchrift: 
«Discours sur l’inegalites (1754 
Nach feiner Rüdtehr lieh ihm — von Epinay 
in dem Garten ihres Landhauſes La Chevrette un: 
weit St.Denis, dicht am Walde von Montmorency, 
—— dem Namen ge fo —— ze ik 
Häuschen einrichten, welches er im ing 
- mit feiner Wi erin, Thereſe Levaſſeur, 
Denn. — 1758 verlieh R. plöplid) die Ein⸗ 
ei mit feiner Gönnerin, mit Grimm, Di» 
ht Boten —— Montmorency. Hier be: 
d ein mitten in einem aroßen, 
Da ge Häuschen 
und das en in bem —— 


von Luxemburg zı chloßpark v 334 
morency. — Zeit en R. feine «Lettre 
ä — sur les spectacles» (1758), die, weil 


— darin die Schauſpiele für ſchadlich erflärte, ihn 
vollends verfeindete. Dann folgte 
— be Beate angefangene Roman «La nou- 
—* Hẽloise⸗ der en: Aufichen 
‚ ebenfo wie der «Contrat social» (1762), 

iin er die Lehre — der —— Gleich⸗ 
beit aller Menſchen und der Souveränetät des 
Boltes verlündiate. Ein anderes H — R.s, 
der 43 pädagogische Noman «Emile» (1762), 
batte m zahlreiche Drangiale zur Folge. Das 

Bud wurde von dem parijer Gorfament | für gottloß 
erlärt (9. Juni 1762) und im Hofe des iz⸗ 

palaſtes zerriſſen und verbrannt; der Verfaſſer jelbit 
eutging dem Öefängniffe nur dur) die Flucht. In 
feiner ebenfalls als go ottlofer Neuerer 
verurteilt, flüchtete ſich R. ins 
chaͤtel, nach Motiers⸗Travers, und lampfte von hier 
aus gegen ſeine Verfolger («Lettre & 1 archevöque 
de Paris», « ee 
Später gen er fogar einen nee in en 

land ſuchen, fam aber ——— 
wo er 1770 in Schwermut verfiel, Er er Fi Zuli 
1778, wie einige behaupten, eines freiwilligen | (2 
Zobeh, an der Nubeftätte, welche ihm — u 
— anne hen muy ey rn rügen 
n a o 

—e— tt, Am 11. Dit. 1794 wurden * 
Gebeine von da weggeholt und im Ba 
Varis beigeicht, jedoch, gleich denen Toltaireß. 
Mai 1814 von den tönigl. Münzdireltor Buymorin 
und deſſen gleichnamigem Better bei Nacht heimlich 
eutiernt und in eine Kallgrube — einem wäften 
Selbe vor der Barritre de worfen. 

Die Schriften R.s find nid ı nad) 
äfthe moraliſchen oder philof. Werte zu wär: 
digen, in indung mit dee gefamten 
Aultur bed 18. Jahrh. zu beurteilen. Sie find der 
YAusdrud einer 
im Guten ——— 


—— m ee 

politiſch i in der chen 
evolution, mora an Dibogoaiid im lan: 
— zur 


— Pſy⸗ 
erflärt ſich die — s als eine —— 
gegen u Verberbtbeit einer Aultur 
zeligiöfe, ſittliche = *8* Baſis. Es war r 
unendliche Liebe Menfchheit, die ihn die Kul- 
tur verfluchen I he ek fein Irrtum war, nicht in dem 


GG | ef Brei 


Hürftentum Neu: 


etwas flä 


871 


durd Kultur wieder zur Natur zurüdgelehrten 
Menſchen, fondern in 100, Re Nat ultand des 
Wilden fein Ideal zu feben. smile» , den 
Goethe das Naturevangelium &, = Grziehung nannte, 
wirkte vorzugämeije mit, die Idee einer allgemeinen 
Menschheit und Dumaner Bildung zur Anerkennung 
— bringen, verführte indeſſen gar viele zu dem 
iR lädherlichen Beginnen, nicht bejtimmte, pofitive 
Menichen, ſondern ein Abitractum, einen allgemei: 
nen Menſchen, der nur Menſch jein follte, durch 
Erziehung rvorzubringen. Ns zahlreiche Briefe 
8 mit bewußter Kunſt geſchrieben und für die 
ichte nicht nur ſeines eigenen Lebens, ſondern 
* eitalters wichtig. Seine«Confessions» (deutich 
von gg 4 Boe., Berl. 1786—90, und von L. 
8*8 Hdburah. 1870), die erit, nad) feinem 
chienen, haben viele Anklagen gegen R. 

begründet und wüflen i in ben Stunden bes bitteriten 
efchrieben fein, ſodaß man fie nicht ohne 

r den Verfaſſer lejen kann. 

Rs —* find in zahlreichen Ausgaben ver: 
She. ee en en A Du —* 
Genf mit Rupferftichen 
nad) Morenu) und von Sebaftian Mercier, Abbe 
Brizard und de LAulnay (39 Bde., Par. 1788— 
93) find als die beiten zu nennen die Ausgaben von 
Betitnin (22 Bde., Par. 1819—20, mit Nupfern 
nad) Deienne u. a. ) und Nuffet-Rathay (26 Vde., 
—— EL, mit der «Histoire de la vie et des 
— Jean-JacquesR. »,3. Aufl., Bar. 1827). 
N eutiche wurden überfegt die «Sämtlicen 
erfe» von K. 5. Cramer (11 Bde. Berl, 1786— 99) 
und —— Merle» von "Bleid, Theodor 
Hell u. a. (20 Bochn., 2p3. —— Reuerdings 
erſchien die von * herausgegebene «Corres- 
—— inedite de Jean-Jacques R. avec Mars- 
ichel Ray» (Par. 1858), die von Stredeifen: 


Moulton veröffentlichten «Deurres et correspon- 


dance inedite de — R.» (Bar. 1861) 
und die von Janſen herausgegebenen «Fragmeuts 
inedits» Bela 


882). 
Bal. erg «R.3 Leben und Werte» (3 be. 
2pz. 1863— 74); Moreau, «Jean-Jacques R. et le 
siecle philosophe» (Bar. 1870); Saint:Marc Gi: 


aa «Jean-Jacques R., sa vie et ses ouvrages» 

** „gehn Morley, «Jean-Jacques 

1873); Desnoiresterres, «Voltaire et 

- —*& » (Bd. 2: « Voltaire et Jean- 

Jacques R.», Bar. 1874); — a Jean⸗ 

Jacques R.» (im « «Neuen Blutarde, 5, Eu. 
1877); Ritter, «La famille de Jean-Jacques 


Documents insditss (Genf 1878); Gehrig, io «Jean. 
Jacques R.» (Neuwied 1879); Bee «R.3 Re: 
— Epz. 1883); fen, «R. als 


obore), La 8 
— 


— der 
n ung 
eines Gefühl! und Stimmu ments 
en: Gehalt und Bebeutung zu .. — 
Sierin ift er einer der Hauptvertreter — 
sage intime, Dabeigenügen ihm die unſcheinbarſten 
Motive der morbiranz. Ebene. Seine fpätern 
Werle ftehen den frübern indes nad), il er ben 
großen * einer lunſtleriſchen, wem auch zuweilen 
—538 Totalauffaffung mit kleinlicherer 
Detailiſtik vertauſchte. Im J 


1867 erwarb er auf 
der Weltausftellung u - 


goldene Medaille; 


872 


fein berübmteftes Bild ift ber Wald von Fontaine: 
bleau im Lurembourg, das er 1855 vollendete. Cr 
ftarb 22. De). 1867 in Barbizon bei Fontainebleau. 

Nounffelaere (frz. Noulers), Stabt in ber 

belg. Provinz Weftflandern, am Mandelbach (Neben: 
fluß der Lys) und an ber Ran beiden Gifenbahn 
Brügge:Courtray, die hier nad Ypern abzweigt, 
32 km füblid) von Brügge, mit 17814 C., Baum: 
woll: und Wollzeugfabriten und großem Leinwand: 
markt, R. wird Icon in einem Diplom Ludwigs 
des Frommen 822 genannt. Hier fiegten 13. Juli 
1794 die Franzoſen unter Pichegru und Macdonald 
über die Öfterreicher unter Glerfagt. 

Nonffed (Les), Gemeinde im franz. Depart. 
ura, Arrondiffement St.:Glaude, im Yurage: 
irge, an ber Straße — zählt (1881) 

2545 E. und bat Sperrforts, Uhrmacherei und 
Handel mit Vieh und Häfe (Gruydres). Nordöſtlich 
fließt die Orbe aus dem Lac des Rouſſes. i 
ouſſet (Camille Felix Michel), franz. Geſchicht⸗ 
fchreiber, geb. 15. Febr. 1821 zu Baris, wurde 1841 
Lehrer am Lyceum Saint:Fouts, 1843 Profeſſor der 
Geſchichte in Grenoble, war 1845—63 am College 
Bourbon, 1864—76 Hiltoriograph des Kriegsmini⸗ 
fteriums, Gr fehrieb: «Precis d’histoire de la re- 
volution frangaise» (1849), allistoire de Louvois» 
(4 Bbe., 1861—63; 6. Aufl., 1879), fein Hauptwerf, 
von der Franzöfifchen Akademie mit dem Gobert— 
ſchen Preis gelrönt; «Les volontaires de 1791— 94» 
(1870; 4. Aufl. 1882), ala grande armce de 1813» 
(1871), «Histoire de la guerre de Crimee» (2 Bde., 
1877), «La conquöäte d’Alger» (1879). Im J. 1871 
wurde er indie Aranzöfiiche Alademie aufgenommen. 

Rouffillon, eine ebentalige Grafſchaft und Pro: 

vinz Franfreihs, im N. von Yanguedoc, im D. vont 
Mittelmeer, im S. von den Pyrenäen, im W. von 
der Grafichaft Foir begrenzt, entipridht im ganzen 
dem jebigen Depart, Djtpyrenäen (ſ. Pyrenäen) 
mit der Hauptjtadt Berpignan (j. d.). In den älte: 
ften Zeiten war das Land von den Sarbones be: 
wohnt und hatte zur Hauptitadt Nuscino am Fluffe 
Tetis, die 859 von den Normannen zerjtört wurde 
und deren Stelle jeht La-Tour de R, oder Caitel: 
Nofello am Tet, 5 km öjtlidy von Perpignan, ein: 
nimmt. Bon den Nömern, unter denen das Land 
zu Gallia Narbonensis gehörte, tanı e3 im 5. Jahrh. 
an die Wetgoten, 720 an die Sarazenen Spaniens, 
759 dur Pipin den Kurzen an die Franken. Geit 
Karl d. Gr. wurde bas Land unter dem Namen de? 
Nofilionenfischen oder Glenenfiichen Gaues (nach der 
Stadt Glena, dem jehigen Gine) durch Grafen ver: 
waltet, die fi unter Harl dem — unab⸗ 
hängig machten. Der erſte dieſer erblichen Grafen 
war Suntax II. (904— 915); der letzte derſelben, 
der finderloje Gerard IL, vermachte fein Yand 1172 
(nicht 1178) an den König Alfons II. von Aragonien. 
Nun blieb die Srafica N. bei Aragonien, aber 
unter franz. Oberlehnsherrſchaft, auf welche erſt 
Ludwig IX. 1258 verzichtete, Yobann II. von Ara: 

onien verjehte N. nebit der anſtoßenden Grafſchaft 
Serbagne 1462 an Ludwig XI., und erſt Karl VIII. 
gab es 1493 an Ferdinand II. von Aragonien zu: 
rüd. Seitdem blieb die Grafſchaft R. bei Spanien, 
bis fie 1642 von Ludwig XIII. erobert wurde; aber 
erit durch den Pyrenäiſchen Frieden 1659 wurde fie 
nebjt der Grafichaft Conflans (mit der Hauptitadt 
erg © und der Stadt Prades) und dem noͤrdl. 
Zeile der Srafihaft Cerdagne (mit der Hauptitadt 
Mont:Louis am obern Tet) definitiv an Frankreich 


Nouffelaere — Roveredo 


abgetreten. — Rou HERE Gemeinde mit (1881) 
1478 €. und altem Schloß im franz. Depart. Iſere, 
Arrondifjement Bienne, linls vom Supöne. in alter 
Beit Hauptort einer Grafſchaft, ift bemerfentwert 
wegen de3 bier vom König Harl IX. 4. Aug. 1561 
gegen die Hugenotten erlafjenen Edilts, welches 1568 
wieder aufgehoben wurde. 

Mouſtan, franz. Diplomat, geb. 1836 in La 
Ciotat (Rhönemändungen), trat früh in die diplo: 
matiſche Carriere und vertrat im Drient die Inter: 
eſſen Frankreichs mit Energie und Erfolg. Ende 
1874 wurde R. Generaltonful in Zunis, mo er den 
frany. — DIBEMBRE! Bun UA FERNEN Dur Beben 
Geltung bradıte; x Minifterrefidenten ernannt, 
war er am Abſchluß des Vertrags vom 12. Mai 
1881 hervorragend beteiligt. (S. Tunis.) Ende 
debr. 1882 wurde R. Gefandter in Wafbington. 

Nout (engl. fpr. Raut), d. 5. eigentlich Rotte, 

zufammengelaufene Pöbelichar, feit dem Anfang 
de3 18. Jahrh. Bezeichnung für eine zahlreiche 
Abendgeſellſchaft, Aſſemblee der vornehmen Weit. 
f —— urz.), durch libung erlangte Kunſt⸗ 
ertigleit. u 

Rouvier (Maurice), franz. Politiker, geb. zu 
Air (Depart. der Ahönemündungen) 17. April 1842, 
war unter dem zweiten Kaiſerreich, welches er in 
ben Dppofitionsblättern lebhaft befämpfte, Adv: 
fat in Marjeille. Im %. 1871 in die Deputierten- 
lammer gewählt, hielt er fich zur äußeriten Linken. 
In den F 1876, 1877 und 1881 — 
beteiligte er fih mit viel Sadlenntni3 an den De: 
batten über den Handel und die Finanzen. Als 
Gambetta 14. Nov. 1881 das Bräfidium des Mini: 
fteriums übernahm, erhielt R. das Portefeuille des 
Handel3. Gr trat mit Gambetta von dieſem Poſten 
zurüd (26. Jan, 1882), um denſelben unter Ferry 
an Stelle Heriffons von neuem zu übernehmen 
Ya Dit. 1834 bis 30. März 1885). Seine Gattin 
at unter dem Pieudonym Claude Bignon eine An: 
zahl Romane geichrieben, 

Novegno, ſ. Rovigno. 
Noveredo (Rovereto, beutih auh Rofreith, 
Stadt in Südtirol, an der Linie Rufitein:Avio der 
Oſterreichiſchen Südbahn und zu beiden Seiten des 
Leno, der in der Näbe links in die Etſch mündet, in 
bem fruchtbaren und reigenden Lägerthale (Val 
Lagarina), it Siß einer Bezirlshauptmannfcaft, 
eine3 Bezirlögerichts und einer Handels: und Ge- 
werbelammer. Die Stadt zählt zwar nur 8864 E. 
1880), bat aber viele zer Gebäude, beionders 
höne Kirchen, ein Theater, eine 1845 eröffnete, 
4500 m lange fteinerne Wafjerleitung und ein Berg: 
fajtell; ferner ein Obergymnafium, eine Oberreal: 
ſchule, eine Lehrerbildungsanftalt, ein Engliſches 
dräuleinjtift mit Mädchenſchule und Erziehungs: 
anftalt, ein Franzislaner- und ein Kapuzinerklojter, 
eine Accademia degli Agiati (der Bedächtigen), die 
1750 von Laura Saibanti gegründet wurde, und 
eine Wohlthätigleitsanftak mit Stadtlrantenhaus. 
Die Bewohner zeichnen fih durch Bildung und 
Gewerbthätigleit aus. NR. it ein Hauptiik der 
Geideninduftrie und des Seidenhandels, bat zahl: 
Be Ds n ober Seidenhaſpeleien, Filatorien 
oder Seidenzwirnereien, ferner Leder: und Bapier: 
fabriten. Außerdem treibt R. lebhaften Handel mit 
Sidfrüdhten, Sumad), Getreide, Schinten, Würiten 
u.f.w. Von 1413 bis 1510 ftand die Stadt unter 
venet. Herrihaft, von da an kam fie zu Oſterreich 
und Tirol. Geſchichtlich denlwuürdig wurde N. im 


Novergue — Norburgh 


ital, ug Bonapartes durch das Gefecht zwi: 
hen rc und einem ae des Wurmſerſchen 
orps, 3. und 4. Sept. 1796, in welchem die Oſter⸗ 
reicher unterlagen und 5000 Mann und 25flanonen 


verloren. In der Nähe iſt die große Tabatsfabrif | hab 


in Sacco (2166 E.), und jenleit der Etich liegt 
e ſchen Maulbeerbäumen und Weingärten Iſera 
672 G.), belannt durch den beiten Tirolerwein, den 
dunlelroten fühen Iſerawein. Bei dem nahen Dorfe 
Marco (752 E.) befindet ſich ein großes Steinmeer 
(Slavini von Marco), das durch Feljenblöde eines 
883 ftattgefundenen gewaltigen Bergfturzes eines 
benachbarten Mergelfelſens entitanden ift, 
Rovergue, Grafſchaft, |. unter Rodez. 
NRovigno (einjt Arupenum, auch Rubinum, im 
Volte Rovegno), Etadt mit eigenem Etatut an 
der Südweſtfüſte von Sftrien, an der Pinie R.- 
Ganfanaro der Öfterreidhiichen Staatebahnen, zählt 
(1881) 9522 E., iſt Siß eines Hafen: und See: 
fanitätgamt3 und der Handels- und Gewerbe: 
fammer für ditrien, bat eine ſehenswerte Dom: 
kirche, eine der Schußbeiligen Eufemia von Calce: 
donien gemweibte Stirdhe, deren Turm, der Campanile 
von Venedig nadgebilbet, das Erzbild der Schub: 
beiligen als Windfahne auf feiner Spihe trägt, 
eine Haupt: und Unterrealſchule, ein Kollegiat: 
fapitel und ein Franzislanerkloſter — Häfen mit 
Werften und ftarlem —— edeutende Sar⸗ 
dellenfiſcherei, Taumanufaltur, Holzhandel, Mein: 
und Olivenhau. Die Rovigneſer find als ausge: 
eichnete Piloten befannt. Sie werden für ur: 
Ävrüngliche Kelten gehalten, bie ſich mit ben röm. 
Kolontiten nicht vermengt haben, und fprechen einen 
eigentümlichen welichen Diafelt, 
Movigo (mittellat. Rodigium), Hauptitabt der 
gleichnamigen ital, Provinz (1686,2qkm und [1881] 
218574 GE.) und eines Diſtrilts, Anotenpunft der 
Bahnen — — und Doſſobuono⸗Legnago⸗ 
Adria, am Kanal Adigetto, einem 1124 durch 
Dammbruch entſtandenen Arm der Etſch, in freund: 
liher Ebene, mit alten Mauern, Türmen und Ba: 
—— umgeben und einem verfallenen Kaſtell aus 
m 10. Jahrh. verſehen, iſt der Siß der Präfeltur, 
eines Handelsgerichts, eines Collegiatlapitels und 
einer Handels: und Gewerbefammer und zählt 
1881) 7125 E. (Gemeinde 11311). Sie hat einen 
chönen Dom, die Kirche Madonna del Soccorfo von 
1594, ein Bau de3 Francesco Bamberlano, mit 
—— hei Glodenturn von 1655— 
1784, ein ftattliches Aſſiſengebäude von 1873, ein 
Dentmal Bictor Emanuels, von Monteverbe 1881 
errichtet, ein Gymmafium, ein biſchöfl. Seminar, 
eine Alademie der Willenichaften und Künfte, im 
Palazzo Comunale, eine Bibliothek von 80000 Bän: 
ben und eine Gemäldejammlung, re Theater, Fa: 
brifen, befonbers in Leder, und lebhaften Handel. 
Nach ihr erhielt der franz. General Savary (f. d.) 
den Titel eines Herzogs von? NR. gehörte im 
12. yahrh zu Adria, ım 14. und 15. Sabr. zu 
Ferrara, kam 1484 an Benedig und bildete ſeitdem 
den Hauptort der Bolefine di Rovigo. Am 
10. Juli 1866 jprengten die Oſterreicher kurz vor 
ihrem Abzug die Mauern und Wälle in die Luft. 
Rowdies (engl.:amerit., jpr. Raudihs, im Sin: 
gular Rowdy, von to row, d. h. lärmen) nennt 
man in den Vereinigten Staaten von Amerila die 
zahlreihen Gauner, Händelſucher, Spieler und 


- 


873 


um fo gefährlicher ift, als fie keineswegs ausſchließ⸗ 

lich aus dem niedern Bolte, fon auch aus ber 

groben Mafje derer hervorgeht, bie irgendeinen 

moraliſchen oder ölonomishen Schiffbruch erlitten 
aben. Ggl. aud Loafexs.) 

Note (Nicolas), engl. Dramatifer, geb. 1673 
- Berford in Bedfordibire, entjagte im 25. Jahre 

er — Laufbahn, um ſich ausſchließlich der Dicht⸗ 
funit zu widmen, In demſelben Jahre trat er mit 
feinem erjten Trauerfpiele auf: «The ambitious 
stepmother», das großen Erfolg hatte. Im J. 
1702 folgte «Tamerlane», deſſen polit. Beziehungen 
auf Wilhelm III. (Tamerlan) und ug XIV. 
(Bajazet) viel Anklang fanden, Am folgenden 
Sabre fam «The fair penitent», eins feiner beften 
Trauerjpiele, auf die Bühne, umd in den nächſten 
Jahren folgten noch «Jane Shore», «Lady Jane 
Gray», «The royal convert» und einige andere, 
Sein Dichterruhm verschaffte ihm unter Anna und 
Georg I. mehrere einträgliche ümter, unter andern 
aud) das eines Poet laureate, Gr jtarb 6. Dez. 
1718 und wurde in der Weitminfterabtei begraben, 
N. war ein Nahabmer des franz. Trauerjpiels, 
obwol er auch Shalipeare eifrig ftudierte, von deſſen 
Werten er die erite brauchbare Ausgabe (7 Bde., 
Lond. 1709) lieferte, Außerdem ſchrieb er Gedichte 
(2 Bde,), die wenig Wert haben, und eine geſchähte 
Üiberjeßung von Lucans «Pharsalia» (Pond, Ktch 

Rowleh Regis, Stadt in der engl. Grafſchaft 
Stafford, zählt (1831) 27385 E. und hat Cijen: 
bütten, Giebereien, Anlerſchmieden, Heritellung von 
Gewehrläufen und lanbwirtichaftlihen Geräten, 

Notono, Kreisftabt in ruf. Gouvernement Vol: 
—* 193 km von Schitomir, Station der Eiſen— 

ahn Brejt:Litowst-Stafjatin, mit 9034 E., welche 
Handel mit Getreide, Bauholz und Vieh treiben. 

Rowſa, eine der fchott. Orladiſchen Inſeln, nörd: 
lich von Bomona oder Mainland, ijt gebirgig und 
zählt auf 20 qkm 1249 G., welche lebhafte Fiſcherei 
und flelpgewinnung betreiben. 

Rogane, jeit 327 v. Chr. Gemahlin Aleranders 
d. Gr,, die durch große Schönheit ausgezeichnete 
Tochter des baltriihen Füriten Oryartes, gebar 
nad) Aleranders Tode im Sommer 323 v. Chr. zu 
Babylon einen Sohn, der von den Diadochen zu: 
ſammen mit Aridäos, Aleranders Halbbruder, als 
Thronerbe anerlannt wurde, Als Antipater 
Reichsverweſer geworden war, nahm er 320 N. 
nebjt ihrem Kinde und Aridäos mit ſich nad Ma— 
cedonien. Hier ward N. fpäter (311 v, Chr.) auf 
Befehl von Antipaters Sohne, Kafjander, der bie 
Herrihaft über Macedonien an ſich gerifien hatte, 
zu Ampbipolis mit ihrem Rinde ermordet. Gin be: 
rühmtes Gemälde von Asdtion ftellte die Hochzeit 
Aleranders mit R. dar, und zu den ſchönſten Gr: 
zeugniffen der modernen Kunſt * ein Freslo⸗ 

emälde von Sodoma in der Billa Farneſina zu 
Nom, welches dieje ebenfalls darſtellt. 

Roxb.,beinaturwifienschaftlichen Bezeichnungen 
Abkürzung für Roxburgh (William), geb. 1759 zu 
Underwood in Schottland, Tireltor des botan. 
Gartens in Kalkutta, geit 1815 zu Edinburgh. 

Noxburgh, en eviotdale genannt, eine 
Grafſchaft im jndl. Schottland, hat ein Areal von 
1734 qkın und zählt (1881) 53445 E. „Das Land 
iſt vorherrſchend bergig, beionders im Süden, wo 
die Cheviotberge die Waflericheide des Tivced und 


Derumitreifer in den größern Städten (befonders | deſſen rechten Nebenflufies Teviot gegen das Gebiet 


in Hafenjtädten), eine Klaſſe der Gejelliaft, die | des Tyne in Northumberland und des Liddel (eines 


* Roxen — Royer-Collard 


Aebendluſſet bes in den Solwaybuſen gehenden Eat) 

en, im Eheviot 490 m aufiteigen und in weiten 
weigungen fi in das Innere des Landes er 

nn Das Klima iſt raub, aber geſund. Das 

ren enthält teils Heiden, großenteils aber aud) 

— Weiden. Die niedrigern Gegenden im N., am 

d und Teviot, haben fruchtbaren Boden. Ges 


treide, jetzt ſelbſt Meizen, Kartoffeln, Rüben und | M 


Dbft werden hinreichend gewonnen, und mehrere 
roße Baumjchulen verfehen ganz Schottland und 
ordengland mit Pfropfreiſern. Dod geht die 

Viehzucht, die Zucht von Rindern und —— 

weit dem Aderbau vor. Daneben beſchaͤftigt die 

Snduftrie, namentlich die Voll: und Strumpfwaren: 

manufaltur, viele Einwohner. Der Boden wird 
durchſucht nad barten une Eh Haren Kie⸗ 
eln zur Berfertigung von allerlei Schmudſachen. 

a aus der Ölanztohle gefertigten T&ön facettierten 
Edmuditeine fommen unter dem Namen 

Schwarzen Diamanten in den Handel. Die roman: 

tiichen Thäler des Tweed und Teviot und ihrer m 

m find der Hafitf 

e und Sagen. 


an Reiten tlö erli 


Boden Be die ſchott. 
iſt das Land — 
rt Pradt und war als 
= — Border) in ge hrhunderten oft 
verheerender Kriege. —— 
Fe es En Iter Scott bichterif licht 
worden. Die Hauptftabt ber Grafi fi ed: 
burgb (f. d.). Unweit ber Vereinigung des Te: 
viot mit dem Tweed liegt der Fleden merburg), 
babe: Hauptitabt, Station der Linien Be 
oswells und N.» Jedburgh der Nordbritifchen 
u mit 1053 E. und den Trümmern ber in den 
ſchott. en berühmten Burg 
— — aftle. 
** ſchwed. Binnenſee in der Provinz Oſter⸗ 
götland, öftlih vom —— 32,4 m über dem 
8* 97 yo oroß. Im R ‚ münden bie Stängän 
und Spartän, lehtere aus dem Sommen fonımend, 
eritere bur den Kindalanal bis ins nörbl. Smäd: 


land fanalifiert. R. gehört zum Waſſerſyſtem des | nad) 


Motalasftröm und wirb vom Götafanal berührt. 
Nogslanen oder Roralanen, ein mä tiges 
farmatısches Volt (in dem heutigen fübl. Nukland 
— vom Aſowſchen Meere ge 2 - 
—— ein Zweig der 
Du 1% kriegerilde, d er deläi — ——— 
Reitervoll ericheint i in der Geſchichte ſchon Pr Beit 
bes Mi tes d. —* und — 69n. Fo 
einen Wanderungen die möſiſche Donaugrenze ber 
ömer; die R. erde — im 11. Jahrh. von den 
erw 


(altfranz. Form für Roi, König), die von | feiner 


den . Legitimi en dem Grafen von Chamborb 
(j. d.) beigelegte Bezeichnung als * -(f. d.). 
Roy 
ya ir. «töniglign), 2 — ——— 
rz., alöniglich »), Name eines gro 
ften (vom franz. roi, d. i. König), lönig⸗ 
lid Gefinnte, Anhänger des — * nennen 
In in Frankreich feit der —— von 1789 
dic A a und Bertreter des Haufes Bourbon, 
im & re den Republitanern und Bona⸗ 
— Die unterſcheiden fich jeit der a 
ution von 1830 wieber in — — 
der ältern, und in Orlsanijten, Anhä der F 
en vouibous uch in andern na 
ch bie polit. Parteien diefer Bezeichnung (3. B. 
in Spanien) bedient und zwar in dem bejchränl: 


un), Stifter des Brahmafanadic | ä — 


tern Sinne, daß man die Bertreter des Bönial. 
Abiolutismus R. nannte. 
Royal-Zcamington-Spa, j. Zeamington. 
Society, eine — Geſellſchaft in 
— ſ. —— * ey 
Royan, Stadt im franz. Depart. te⸗In 
ferieure, Arrondiſſement 8 rechts an 
ümdung ber Gironde in ben Utlantifchen — 
Station der Lolalbahn Bons:R. (Chemin de fer de 
la Seudre), zäblt (1881) 4490 (Gemeinde 5445) €, 
bat einen Heinen Hafen, fehr bejuchte Seebäber. 
Schiffbau und Sardeilenfiicherei und it mit Bor- 
beaur durch Dampficiifahrt verbunden. R., im 
Altertum das Novioregum ber ‚im 15. 
Jahrh. eine Baronie, war unter ben 
ein Bopat, Babe la gg — 
Noyat, vt im franz. Depart. 
Elerment, an der Tirtaine, 


der —— der Linie Brives:Glermont der Orltans 


bahn , bat warme Quellen und PBapiermühlen und 
zählt 1220 €. 

Noye, Stabt im franz. Depatrt. Eomme, Ur 
rondifjement Montbdibier, rechts am Aure Station 
der Linien Compiegne R. und St. Juſt en Chauſſee 
un der Nordbabn, zählt 11881) 3485 Gemeinde 
4028) E. und bat Wollipinnerei, Fabritation von 
Boll: und Baumwollzeugen, Müten und Rüben- 
zuder, ſowie bebeutenden Getreidehandel. R., mit- 
tellat. Roia, gehörte uriprünglicdy zur ft 

nbois, fpäter zur Bicarbıe. 

Nioyen, foniel wie Eichen (f. d.). 

Royer:-Eollard 


oyer: berühmter fran;. 
Philoſoph und Staatsmann, geb. 21. Juni 1763 
zu Sompuiß in der Champagne, mar vor Ausbruch 
ber Revolution Advolat am Barlament zu Bariz. 
Er ſchloß fi mit Vegeiiterung der Bewegung an 
und gelangte als tüchtiger Vollsredner nach Er- 
—— der Baſtille in den Gemeinderat. ch 
der Flucht des Königs ſchied N. wegen ſeiner ge- 
mäßigten Richtung aus dem Gemeinderat, und 
Sturze des Throns (10. Aug. 1792) ver: 
ließ er Paris = blieb die Schredengzeit hindurch 
‚den —— ‚verborgen. Im Mai 1797 trat R. in 
Fünfhundert, aus bem er aber zufolge 
—533 vom 18. Fructidor ausgeſtoßen 
J. 1811 wurde er zum Profeflor der 
Boilof, .. der Faculte des Lettres ernannt, 
welches Amt er nad) zwei ren — = 
Seine Borträge übten großen Gi een 
altung ber franz. Bhifofopbi us —— = 


ualismus vertrat er bie 
— 1. nad = — Aus 
WIE. Seine Grunben: 


ber Borlefung « fiber die 
und bie Grün 


auch wir ein 
nie fi Wahmehmun 


Heinern philoſ. man im 
Überjeßung von Ss Werten (6 Bbe., Bar. 18%). 
— der zweiten Reſtauration wurde er Bräfident 
mmiſſion für ben —— Unterricht 
—— egierungsmitglied. Zugleich trat 
Abgeorbneter in die Kammer, —* er 
—— Syſtem vertei 
== —— aa — an die 
ammer gebradt, nahm er als NRegieru 
feine Entlafjung und ſich affen der —e— 
an. m J. 1820 bildete er die parlamentarijck 


Noy:Mutla — Ruben 


Hraktion der Doctrinaires. Seit 1828 Kammer— 
präfident, überreichte er 2. März 1830 Karl X. bie 


221 Deputierten. Später trat er nur felten öffent: 
Lid) hervor und jtarb 4. Sept. 1845 auf feiner Be- 
fikung teauvieur bei Et.:Nignan. Val. die 
Biographien R.3 von Barante (neue Ausgabe, 
2 Bde., Bar. 1878) und Philippe (Bar. 1857); 
Vingtain, «Vie publique de R.» (Lyon 1858). 
09 Mutla, Hafen in Oftindien, j. Canning. 
vg ren Maritfieden in der Bezirtähauptmann: 
ſchaft Ay w in Ditgalizien, mit (1880) 4542 E., 
meiſt Ruthenen, bat ein Schloß, ein altes arme: 
Titerlofter und ein Kloſter für Barmberzige Schwe: 
ftern, die eine Schule für Mädchen halten. . 

Rozier (Pilätre de), ſ. Bilätre de Rozier. 

Rozloch, Kuranitalt, f. unter Alpnach. 

Ro (Rojnov), Markt in der Bezirtöhaupt: 
mannidaft Walachiſch Meſeritſch im öftl. Mähren, 
Siß eined Bezirlögerichts, mit (1880) 3007 flaw. E., 
hat eine vielbefuchte Dioltenturanftalt. Die ſchöne 


Lage an ber Beiva und am Fube des Rabhoät, fo: 
wie der lanbichaftliche Reiz . eiguen 
den Drt inäbefondere zum Kurort. Der Berg Ra: 


dot (Radhoſcht, Rod ol) trug auf feinem mit 
Moos und Alpenfräutern bededten Scheitel in vor: 
chriſtl. Zeit die Bildfäule des gleichnamigen flaw. 
Gottes, von weldem Stiebowaly in der «Sacra 
Moravise historia» eine Abbildung lieferte. 

Rozfa (Sändor), ungar, Räuberhauptmann, 
geb. 16. Juli 1813 zu Sjegedin, als Sohn eines 
Näubers, war ſchon in jüngern Jahren gefürchteter 
Hauptmann einer Bande; doch a er fi durch 
Großmut gegen Arme aus. ährend der ungar. 
Kevolution diente er als um eines Freilorps 
gegen bie Serben. Cr wurde 1856 verhaftet, zum 
Tode verurteilt, aber zu lebenslänglihem Kerler 
Dei und acht Jahren amneftiert. Hier: 
auf fammelte er jofort wieder eine Bande in der 
Alfölder Puſzta, mit welder er 1868 fogar einen 
Eiſenbahnzug überfiel. Endlich gelang es dem 
königl. Kommifjar Grafen Gedeon Raday, ihn in 
Pi * nu — Bo > - 

einen zablreihen Genoſſen zu lebensläng 
Kerler verurteilt wurde. Er büßte feine Strafe in 
ber Landesſtrafanſtalt zu Sjamos:lljvar ab, wo er 
22. Rov. 1878 ſtarb. 

R ‚ Kreisitadt im Gouvernement Twer, an 
beiden Ufern der Wolga, 148 km oberhalb Twer, 
mit dem es durd Da ahrt verbunden iüft, 
Station der Eifenbahn chlowo⸗R. mit 26482 
E., 12 Kirchen und Sciffäwerften, tt ein Sta⸗ 

Iplag für die Wolgafdi re, haupiſächlich für 

lachs, Hanf, Getreide und hat mehrere Anjtalten 
zur Berarbeitung des zlacies. } 

Deu, dem. 5 oder Symbol für Ruthenium, 

Nuaha, Fluß ſ. —28* 

re Snfel am öftl. Eingang ber Foveaur: 
raße (j. d.). 

NRuärowa, Name des Congo (f. d.). 

Nubbio, ital. Gewicht = 8—9 kg; ferner 

Gruätmeh = 294 16 1, und Flächenmaß = 184,46 a, 
„ſJ. Rüben, 

Rubeoula (lat.), Rotlehlchen. 

Rubefacientia (sc. remedia, lat.), hatt: 
rötende Mittel. x 

Rubel. Als in Rußland das bis ins 14. Jahrh. 
abliche B mehr und mehr zurüdtrat und man 
für größere Zahlungen ſich einer Art Silberbarren 


€ 


gt angeblid von ihm verfaßte Adrefie der }f 


875 


bediente, hieb man von denfelben fo viel ab, ala 
zur Zeiltung oder Ausgleihung einer Zahlung er: 
orderlid war. Diefes Abhauen, rufi. rubit, gab 
der Benennung rub oder rubl das Gutitehen, wor: 
aus das heutige Wort R. hervorgegangen iſt, wel: 
ches die Ginheit des ruf). Geldwejens bezeichnet. 
In den Chronifen tommt dasſelbe — erſten mal 
1321 vor; das Gewicht des R. betrug damals 
22 Solotnit (= 937g). Der jetige Silberrnbel, 
eingeteilt in 100 Kopelen (oder 10 Griwen), iſt eine 
Piünze von faft genau 18 g feinem Silber = 3 Matt 
24 Bf. jebige deutſche Währung. Es werben gegen: 
wärtig als Silbercourant oder fog. Bantmünze 
Etüde zu 1, ’4 und 74, R. geprägt, ferner als Eil: 
berjheidemünze, nur die Hälfte bes Nennwertes 
vom Gourantgelbe wert, Stüde zu 15, 10 und 
5 Kopelen, dann in Gold Halbimperialen zu 5 R. in 
Gold und fog. mperialdulaten zu 3N. in Gold, 
endlih in Bronze Gtüde zu 5, 3, 2, 1, %, und 
Y, Kopele. Die Golbmünze wird von der Krone 
und den Krebitanftalten um 3 * böber als die 
——— (db. i. * —— nr 
au und angenommen, der imperial zu 
5R. 15 Kopelen Eilber. Das faft einzige Eirtu: 
lationamittel Rußlands iſt aber feit ‘jahren cin 
Etaatöpapiergeld, die ſog. Reichslreditbillette welche 
Zwangsumlauf haben und in Stüden zu 100, 50, 
25, 10,5, 3und 1R. bejtehen. Sie Jollten dem 
Silbercourantgelde gleich cirkulieren, ftehen aber 
egen dieſes bedeutend in Berluft; am 3. Mai 1878 
En diejer Berluft 707% Proz. (100 R. Silber = 
17074 R. Bapiergeld), inden gleichzeitig das Pa— 
piergeld gegen Goldrubelwährung 76 Proz. verlor, 
da der Halbimperial 8 N. 80 Kopelen Papiergeld 
foftete. Der geprägte Eilberrubel ift im Verkehr 
ir = mehr fichtbar. j 
ubellit, j. unter Turmalin. 
Ruben iſt der Name eines israel. Stammes, 
deſſen Gebiet im Gebirge Gilead lag. In den 
rübeften Zeiten ſcheint er fehr mächtig geweſen zu 
ein, bis er durch blutige Kämpfe geſchwaͤcht wurde. 
Die hebr. Stammfage leitet feinen Namen von 
dem ältejten Sohne Nr und ber Lea ab. 
Nuben (Chrütian), Hiftorienmaler, geb.30.Nov. 
1805 in Trier, er ielt feine erſte lunſileriſche Bil- 
dung feit 1823 in Düfjelborf unter Cornelius. Die: 
fem Meifter folgte er nad; Dünen, wo er zunädjit 
mehrere Kartons für bie Glasfenſter des Doms 
von Regensburg fertigte. t lieferte er die 
—* für die Glasbilder der Kirche in der 
abt Au und einen Bilderkreis für das Schloß 
Hohenſchwangau. Erft nad) Vollendung biefer Ar: 
beit konnte er fih mit Muße der Ölmalerei hin: 
geben, und es entitand nun eine Reihe ſehr gemüt: 
voller und anf 17 ‚von benen 
—— ae wer aus dem 358 
orzuheben find. Später ging er zur e 
über und malte den Columbns Im ftoment mo 
er Amerita entdedte (im Beiip des Grafen Noftit 
in Brag; F Stahr, «Chriſtian R.s Columbus im 
Augenblid der Entdedung der Neuen Welt», DI: 
denb. 1844). Um bie Reorganijation der prager 
Aladentie, an bie er 1841 berufen ward, hat R. be 
deutende Verbienite. Seine produltive Thätigfeit 
nahmen bier hauptjählid Entwürfe für die Wand: 
älde ım Belvedere aus der Geſchichte Böhmens 
in Anfprud. Außerdem malte er dem Fürſten 
Salm mit einigen Schülern einen Prachtſaal aus 
und lieferte der Kirche in Turnau drei Altargemälbe. 





| 


Nüben — Rubens 


* 
it 1852 wirlte R. als Direltor der Alademie zu 


Bien. Er ftarb 8. Juli 1875 daſelbſt. 

Sein Sohn, Franz R., geb. 1843 in Prag, war 
zuerſt in Wien als Siktoriermaler thätig. Bau 
gemälde von ihm find: die fhöne Meluſine (1867), 
die beiden Leonoren und Torquato Taſſo im Gar: 
ten zu Belriguardo, Hofleben des Papſtes Leo X., 
Tillys Rüdzug nach t Schlacht am Lechfeld und 
Turnier. Später ließ ſich R. in Venedig nieder. 
Am bäufigiten fchildert er Genrefcenen aus ben 
glänzenden Tagen ber in "er be Typen aus 
dem modernen Vollsleben Benedigs. 

Nüben nennt man die fleifchigen Wurzeln ver: 
fchiedener Arten von Pflanzen aus der Gattung 
Beta, Brassica, Daucus, welche als Futter für das 
Vieh, fowie zum Zwed der Zudergewinnung große 
Bedeutung im Landiwirtichaftäbetriebe befipen. An: 
gebaut werden namentlih die Runlelrüben, Beta 
vulgaris L, fowie deren Barietät, die Zuderrüben, 
die Koblrüben, Brassica Napus rapifera DC., die 
MWaflerrüben, Brassica rapa rapifera Mizg. und 
die Mohrrübe, Daucus carota L. Die Runtel: und 
Buderrüben lieben einen frifchen, tiefgründigen, 
kräftigen Boden, während bie Mobrrüben gegen 
Trodenbeit weniger empfindlich find und die Hohl: 
und bie Waflerrüben überhaupt geringere Boden: 
** machen, lehtere —R im Herbſt noch 
in die Stoppel geſäet werben. Nunfel: und Mohr: 
rüben ver — eine beſonders ſorgſame Pflege 
während bes Wachstums, namentlich Reinbaltung 
von Unkraut, Die Erträge belaufen ſich bei den 
Nunlelrüben auf 30—60000 KB, bei den Zuder: 
rüben auf 20—30000 kg, bei den Hohlrüben auf 
25—35000 kg, bei den Waſſerrüben auf 20— 
50000 kg und bei den Mobrrüben auf 30— 70000 
kg pro Seltar. * Fühling, «Der prakliſche 
Nübenbauer» (3. Aufl., Bonn 1877); Knauer, 
«Der Nübenbau» (5. Aufl., Berl. 1882). 

Nübendarre, f. unter Darren. 

Nübenmelaffe, NRübenzuder, f.u. Juder. 

NRübenrapß, ſ. unter Raps und Nübjen und 
Brassica, 

Nubens (Peter Paul), der berühmtefte nieder: 
länd, Maler, geb. 28. Juni 1577 zu Siegen (im 
Naflauiihen), Sohn eines antwerpener Schöffen, 
der fi) infolge des Kampfs zwiſchen den Nieder: 
ländern und Spaniern mit feiner Familie nad 
Deutichland geflüchtet, wurde bis zu feinem 10. Jahre 
in Köln erzogen und beendigte feine gelehrten Schul: 
Studien in Antwerpen, Cr lam zuerjt als Page zu 
der Gräfin Lalain. Da ihm aber dieje Stellung 
nicht behagte, fo willigte feine Mutter in fein Ver: 
langen, fi der Malerei zu widmen, worin er A. 
van Noort und D. van Veen iu Lehrern hatte. N. 
wurde 1598 von der Lulasgilde zu Antwerpen als 
Meijter aufgenommen und begab ſich 1600 zur 
Bollendung feiner künftleriihen Studien nach ta: 
lien, Er trat alabald als Hofmaler in die Dienite 
des Herzog3 von Mantua, Vincenzo Gonzaga, der 
ihm jedoch geftattete, 1601 eine Reije nad) Mom zu 
maden, wo er die beiten Bilder feiner erften Zeit 
ausführte: die_heil. Helena am Fuße des Kreuzes, 
für die Kirche Sta.:Croce in Gerujalemme; die Mit: 
teltafel eines Triptychons, welches die Mönche 
jenes Kloſters für 5000 Scudi nach Petersburg 
verlauften, Im Auftrag Kaiſer Rudolfs IL. fer: 


jurüd, wo er jebod die Mutter bereits verfiorben 
vorfand. Gr wurde nun Hofmaler bes Erzherzog: 
Albert, Generalgouverncurs der Niederlande, und 
deſſen Nachfolgerin der Infantin Iſabella, deren 
Förderung er ſich bereit3 in Italien erfreut hatte, 
und nahm zu Antwerpen feinen Wohnſih. Zugleich 
verheiratete er ſich mit ber Tochter des Ratsſekre 
tärd, Iſabella Brant, deren Schwefter mit jeinem 
älteiten Bruder Philipp verlobt war, und baute ſich 
ein ftattlihes Haus im ital. Stil. Mehrere Werte, 
die er in Antwerpen für dortige Kirchen anfertigte, 
wie bie Aufrichtung des Areuzes und bie noch be: 
rübmtere Kreuzabnahme, verbreiteten feinen Ruf 
in jolhem Maße, da —* Maria von Medici, Kö: 
nigin: Witwe von Frankreih, die Ausmalung der 
großen Galerie des von ihr errichteten Luremboura⸗ 
palaftes zu Paris, welche die merlwürdigſten Be— 
gebenheiten ihres eigenen Lebens enthalten follte, 
übertrug. Der Hünftler kam 1621 .. Paris, 
malte ſogleich die Skizzen dazu und brachte ſchon 
vier Yan nachher die fertigen Malereien an den 
Drt ihrer Beftimmung. Im J. 1628 von der In: 
fantin al3 Vermittler zum Einleiten der Friedens: 
unterhandlungen mit England nah Epanien ge: 
fandt, gewann R. das Vertrauen des Königs und 
des Depp: von Dlivarez, am 1629 mit dem Titel 
eines Gelretärd bes königl, Geheimen Rats von 
Madrid nad Brüffel zurüd und ging noch in dem: 
felben Jahre nad) London, wo er den Frieden zwi: 
ichen Philipp IV. und Karl I. glüdfih zum Ab: 

luß brachte. An beiden Königahöfen reich be: 
ſchenlt und von beiden Fürften zum Ritter erboben, 
tehrte er nach Bruſſel zurüd und verliebte fich bier 
nah dem Tode feiner 


Frau (1626) in ein laum 
16jähriges Mädchen, Helena Forman, die er 1650 
heiratete, Da die bedeutenditen Fürften Europas 
on mit Aufträgen verfahen und Werke von feiner 
and haben wollten, fo umgab er ſich mit einer 
roßen Zahl von Schülern. In den meiſten Fällen 
ertigte er felbjt nur noch die Slizzen und überlich 
die Ausführung im großen feinen Gebilfen. Seit 
1635 mußte er überdies wegen häufiger Gichtan— 
fälle der eigenen Ausführung größerer Arbeiten 
gan entjagen, und malte daher nur noch Stajielci: 
ilder, meiſtens Landſchaften. Ebenjo zog er ſich 
von allen oͤffentlichen Geſchäften zurüd und lebte 
bald in der Stadt, bald auf feinem jchönen Land: 
fig Steen. Er jtarb 30. Mai 1640 und wurde in 
der St. Jalobslirche zu Antwerpen mit füritl. Ge: 
pränge beftattet. Den Bertauf feines Kunitlabi- 
nett hatte er felbft im Zeitament angeordnet; 
ausgenommen war nur ein Bild, das jog. Belzchen, 
das er feiner Frau ſchenlte, weil es wahrſcheinlid 
fie ſelbſt vorjtellt, wie fie nadt, einen Pelz um die 
Schultern, aus dem Babe Heigl. Im Aug. 1840 
wurde fein nad) dem Modell W. Geefs in Er ge 
oſſenes Standbild in Antwerpen feierlich enthüllt. 
Im 29, Juni 1877 wurde zu Düſſeldorf und zu 
Siegen feine 300jährige Geburtstagsfeier feitlih 
begangen; im Aug. 1877 fanden gleichfalls als 
3oDjähriges Nubens: Jubiläum große Feierlichkeiten 
zu Antwerpen ſtatt. 

Gegenüber bem u feiner Zeit in der nieberlär). 
Malerei berrihenden manteritiichen Gejchmade 
und vertraut mit den Rejultaten der ital. Funk: 
leijtungen, vornehmlich der venet. Schule, fuchte er 


tigte er in Dlantua Kopien nad) Gorreggio. Die | fich der Natur und Wahrheit zu nähern. Aber in 
Nachricht von der Erkrankung feiner Mutter führte | einem Jahrhundert lebend, wo_geiuchter Wi und 
ibn im Herbjt 1608 von Nom aus nad Antwerpen | raffinierte Sinnlichkeit an die Stelle de3 einfachen 


Nubens 


Sinnes und feinen ** getreten waren, bildete 
er ſich einen Stil, in welchem Hoheit und Gemein: 
beit, Natur und Konvention, Schein und Wahrheit, 
ital, und vläm. Weſen originell, aber höchſt zwed⸗ 
mähig, wirkungsvoll und eigentümlid) ſich mitein: 
ander verbanden. Viele feiner Ideen find wirllich 
erhaben; die maleriihe Anordnung iſt vortrefflich. 
Seine Kopfe haben Charalter und feine Geſtalten 
den Ausdrud einer lebendig bewegten Seele, Do 
kann man ihm vorwerfen, daß er bei feinent Drang 
zu dramatiicher Auffaffung den Ausdrud heftiger 
Aifelte oft übertrieben und die feinerm Affelte der 
Seele, die fanftern Gemütsftimmungen felten mit 
Glüd wiedergegeben hat. Seine Körperbildungen 
find nicht Schön , feine Männer zu jehr mit Knochen 
und Musteln überladen, feine Weiber zu fleiichig. 
Trop der unleugbaren Mängel feines Kolorits f 
doc) der Glanz desfelben mit Stärke und Harmonie 
verbunden. Dabei haben jeine Tinten etwas außer: 
ordentlich Saftiges, Durchfichtiges und Friſches an 
fi. Dies ift der Probierjtein feiner Technit, und 
man begreift, wie Guido Reni, als er das erfte 
Vild von R. jah, verwundert ausrief; «Diefer Ma: 
fer miicht Blut unter feine Farben.» Dur‘ lange 
Erfahrung und (ibung hatte R. in feiner Hand ß 
viel iechniſche Sicherheit gewonnen daß er die Far: 
ben wenig oder gar nicht vertrieb, fondern fie, aufs 
Tuch gefebt, rein ftehen ließ. Die außerordentliche 
Leichtigteit und Geſchwindigleit, mit derer arbeitete, 
gibt darum auch den größten feiner von ihm allein 
ausgeführten Kompofitionen das Anſehen, als 
wenn fie mit einem mal auf die Fläche hingegofien 
wären. R. hat unter allen Malern am * her⸗ 
vorgebracht, an 2—3000 Bilder (darunter Hunderte 
von Stüden von 3 m und mehr Timenfion), die in 
alle Länder und faft alle Städte Belgiens verteilt 
find. Antwerpen befist in feinem Dom die Kreuz: 
abnahme, die für das Meifterwert von N. gilt, die 
Aufrihtung des Kreuzes, als Seitenjtüd, und auf 
dem Hochaltar die prächtige Himmelfahrt der Hei: 
ligen Jungfrau; in St. Jalob, über dem Grabe 
von R., eins feiner berühmteften Bilder, eine Ma- 
donna mit Heiligen, und viele andere in den ver: 
fchiedenen Kirchen. Im Mufeum zu Antwerpen 
befinden fi) 23 feiner Werte, darunter der vom 
Kreuz abgenommene Grlöfer (le Christ à la paille) 
und Ehriltus am Kreuze zwifchen den Schädhern. 
Die mündpener Pinatothet allein befikt 95 Stüde, 
dabei Hauptwerke, wie der Sturz der Verdammten 
und das Jüngfte Gericht; die Ermitage in Peterd: 
burg 54, die wiener Galerie 43, die parifer 41, die 
madrider 30, die Dresdener 27, Iſt es aud) That: 
ſache, dab N. eigenhändig die größten Altarbilder 
in 14—16 Tagen vollendete, jo —* doch von den 
auf feinen Namen gehenden Gemälden verhältnis: 
mäßig nur ein Heiner Teil von ihm allein ber. 
Unter der großen Yngabl feiner Schüler find 
Anton van Dyd, J. Jordaens, Th. van —5*— 
die ausgezeichnetſten. Während diefe und noch viele 
andere Meifter, von denen noch C. de Grayer, U. 
van Diepenbeel, E. Shut, M. Pepyn, E. Quelli: 
nus zu nennen find, die Art und Weiſe, wie R. Ges 
genftände aus der Bibel und Legende, der alten 
und neuen Geſchichte, allegoriihe Darftellungen 
und Borträts behandelte, mit mehr oder weniger 
Erfolg geltend machten, fo erlitten auch die übrigen 
ächer der Malerei unmittelbar oder mittelbar von 
m beftimmenden Einfluß. Bilder, wie der Liebes: 
garten (in Dresden) und ähnliche vornehme Ge: 


€77 


eigener Geift von fpan. 


fellichaftsfcenen, die ein 
* mischt mit niederländ. 


Urbanitöt =-* 


Ungenien, A, wirtten anregend auf 
die BD = ‚mverfationsftüden, welche 
Vorgän “en der höhern Stände in 
größter & Fierlichteit fchildern, auf 
Gonzales \ Aetſcher u. |. w. Durch feine 


wie uerntanz (im Louvre), wurde fei: 
ch nem —5X Teniers und einer * An⸗ 


firmen Künftler, namentlih den Bam: 
occiadenmalern, der Weg Eng net, In ber 
Landſchaft folgten feinem Schüler Wildens der 
robartigen Auffafjung und pilanten Effeltgebung 
Dupdmans und . van Artois. Ein anderer Schü: 
er, Lulas van Uden, war ein treuer und trefflicher 
Darfteller der heimiſchen Natur, der Vorläufer von 
Everdingen, Ruisdael und Waterloo. Als Tier: 
und SJagdenmaler endlich traten feine üler 
DE Snyders, J. Fyt, P. und ©. de Bos in feine 
Fußſtapfen, welden ſich wieder die beiden Weenir 
in ihren großen Bildern anſchloſſen. So geftaltete 
N. die Malerlunſt feines Baterlandes in allen Gat: 
tungen um und wurde der Stifter der_ blühenden 
Schule von Brabant, die ihren Hauptfih in Ant: 
werpen hatte. (S. Nieberländifhe RKunft.) 
Diefe Schule war nicht bloß fruchtbar an trefflichen 
Malern, fondern aud) an ey Kupferſtechern, 
*5 R. gebrauchte, um feine Werte zu allgemei- 
ner Kenntnis zu bringen. Die bei jeinen Lebzeiten 
eſtochenen (dönen (ätter find gr na ** 
Bildern Fir — ſondern nad ſorgfältig be— 
endigten Zeichnungen oder in DI gemachten Gri⸗ 
ſaillen mit der Angabe der Wirkung und Haltung, 
welche der Kupferftidy erreichen follte. sm Gegen: 
faß zu_feinen Vorgängern lehrte R. die Kupfer: 
ftecher fich ihres Grabftichelö zu einer neuen Arbeit 
zu bedienen, welche die Mannigfaltigleit der Far: 
bentöne, den unmerllihen Übergang vom Schat⸗ 
ten zum ** ‚die Farbenſtimmung, die Beſchaffen⸗ 
beit der verjchiedenen Gegenftände, kurz alle, was 
ahrheit und Harmonie in ein Gemälde hinein: 
bringen hilft, wiedergab, Die volllommenften Stiche 
lieferten der berühmte L. Vorſtermann, die Gebrü: 
der B. und S. van Bolawert, P. Pontius, P. de 
ode. NR. felbft hat ſechs Blätter radiert, und die 
Zahl der nah feinen Kompofitionen geſtochenen 
lätter Shägt man auf 12—1500. Gleich andern 
großen Malern war R. auch Architelt. Außer ſei— 
nem Wohnhauſe zu Antwerpen, in der jebt nad) 
ihm benannten Straße, wurden aud die Hirche 
St.:Charles und das ae sr der ‚jefuiten da: 
ſelbſt nad) feinen Riſſen gebaut. Auch veröffent: 
lite er ein architeltoniſches Muſterbuch, das die 
wichtigften Baläftevon Genuaim Grund: und Aufriß 
enthält, mit dem Titel: «Palazzi antichidiGenova» 
(2 Bde,, Antwerp. 1622, mit 139 Kupfertafeln). 
Wichtige Nachrichten über die Familien: und 
Lebensverhältnifje des Künftlers gaben: su fen 
van den Brink, Ardivar im Haag; E. Gachet, 
aLettres inedites de R.» (Brüff. 1840); Gachard, 
«Particularitös et documents inedits sur R.» 
(VBrüff. 1842); W. Noel Sainsbury, «Original un- 
published papers illustrative of the life of R.» 
(Fond, 1859). Unter den zahlreichen Mono sonen 
find zu erwähnen: Waagen, «fiber Peter au t.», 
in Raumers «Hiftor. Taſchenbuch » (1833); A. von 
Haflelt, «Histoire de R.» (Brüfl. 1840); A. Mi: 
diel3, «R. et l’&cole d’Anvers» (Rar. 1854; 4. Aufl, 
1877); Kintel, «Peter Raul R.» (Baf. 1874); 


878 Nubeolen 


Gachard, « Histoire politique et diplomatique de 
Pierre Paul R.» (Brüfl. 1877); Göler von Ra: 
venaburg, «NR. unb die Antile» (Jena 1882), 
Verzeichniſſe von R. Werlen und der danach ge⸗ 
ſtochenen Blätter lieferten: F. Baſan, « Catalogue 
des estampes gravees — R.» (Bar. 1767); 
3. Smith, im zweiten Zeile jeined «Catalogue 
raisonne of the works of tlıe most eminent 
Dutch, Flemish and French painters» (Pond. 
1830); A. van Haflelt, in der angeführten Bio: 
srapbie, — Micjiels, «Catalogue des tableaux 
et dessins de R.» (Bar. 1854). Bal. außerbem 
«Nubenöbriefe, — und erläutert von Ad, 


Rojenberge ( 881). 
Rub en oil ie —— —E den 
ery ‚ein zu den iben zu 
rechnender Störper, welcher in der Krappmwurzel (i. 
Krapp) vorlommt und durch eim Ferment in 
Ali rd und Zu 


ut, 
al hebt ber 


Riejengebir: 
ge3, u [d nedendes, 2 fe ran 
to boldartiges Weſen, über wel Sagen um: 
een) bie zuerit von Joh. Prätorius (« — 

benzalii Silesii», 3 Tle. —65, 
und 328 etymologicus ober üben Bahr 
1672) gelammelt find. Einige —— hat Mu⸗ 


ſaͤus in den «Volksmärchen der Deutichen » t. 
Auch dramatiſch wurben die Sagen von R. mehr: 
fach ndeit, unter andern von Fouquée und 


m i —* 

„Pflamengattung aus der Familie 
der —— Man tennt gegen 30 Arte — in 
den Mittelmeerländern, in dem waͤrmern 
Südafrifa und Güdnmerila vorlommen. Es 3 find | 9 
trautartige Pflanzen mit holzigen Stengeln. Die 
Blätter ftehen in meiſt vierglieverigen Wirteln und 
find ebenjo wie die —— bei vielen Arten mit 
ſtarren Haaren be wichtigſte Art — m 


ta des , bie jog. 
tinctorum, (Bol. Tafel: ; ———— ig. 
ſowie die Artilel Krapp und Faͤrb a? 

Nubinesen (Rubiacöae), eine der artenreichiten | N 
Pflanzenfamilien aus der Gruppe der Dilotyle: 
donen. Man kennt über 4000 Arten, bie — 
teils in den Tropengegenden wachſen, doch auch 
den gemäßigten Zonen eine ge iemliche Berbrei 9 
beſihen. Es find Bäume, 
artige Gewächſe, zum — mit kletternden oder 
niederliegenden Sienge In. Sie * fämtlic 
opponiert oder in Berteln ftehende Blättern, die 


er oder fraut: 


— Rubini 


Rubico, ein Heiner lub, ber in das Adriatiſche 
Meer mündet und in der lebten Zeit der rom. Ne 
publik bort die erg eng dem Gisalpiniichen 
Gallien und Jtalien bildete, ift hiſtoriſch berühmt 
dadurch, dab Julius — indem er ihn, die 
Grenze ſeiner Provinz und Italiens, mit der 
13. Legion im Jan. 49 v. Chr. überichritt, den 
Bürgerkrieg eröffnete. Der Fluß iſt der heutige 
Fiumicino, nur baß vie beutige Urgone 
oder Rugone, der in ſeinem untern Laufe den Na- 
men Bisciatello führt, im Altertunt, wo er in zwei 
Armen fih ins Meer ergoß, zugleich den obern 
Lauf des R. —— wahrenb er jest ſein Baier 
in nur einem Laufe unmittelbar vor der 18 
nördlich von Rimini gelegenen Mündung des Yin- 
micino in en ergieht. Für ein anberes, eimas 
jüdlicher mü des Flübchen, die Luſa, entfcich 
1756 ber päpfıl \hof durd ein Detret. — 
Rubikon überihreiten heißt örtlich in in 
Beziehung auf das Wagnis Cäjars —— als: 
in einer verhänguisvollen Sadıe den Schritt thun, 
- feine Rüdtehr und fein Aufgeben des Unter: 

u —* ©. Alea —— 

um ‚a 
von Bunſen entdedtes Detall, melden In der Ratur 
zwar weit verbreitet, doch ftet3 nur in mim: 


it e3 bem Kalium —*4 ana. ae 63 ſchmilzt ſchon 
ww. 38° und verdampft 
m 


rere, 
Goelfteine von roter Farbe. 
elbe Sub: 
— echter 
lifher Rubi Derielbe 2 
orientalifher Rubin genannt. uf 
unter allen am gefchästejten, hat feine Stelle zr⸗ 
nä dem Diamante ten und fteht daher hoch im 
Preiſe. Der Ballasrubin iſt ein blafroter Spi- 
nell und der Nubinfpinell ein hodroter Spinell: 
beide find gleichfalls ſehr geihäst. Was man jonft 


games ngen angehören 
—— an ee as 
3 und die iarmoiſinroie A 


—— bohmiſchen, ade —* —— —— 
. nannte, iſt nichts — — 
og. brafilianifche N. iſt ein Da la == 
ben rot geworbener Act auch Ame 
thyſte gelten im Handel nicht ſelten echte 9. 
itierte R, denen * die Härte fehlt, werben 


aus Kryitallglas und Golbpurpur bereitet. (3. 
unter Gdelftein:\Jmitationen.) 
NR — t Gold oder Kupfer rot oe 


färbtes (Sı - Glas und Go Dpuzpur) ) 
ierender 


ungeteilt und bei vielen Arten auch ganzrandi find. Das mit Bupferolätt pan unter Zuſaß reduzi 

Die Blüten find zwitterig und von regelmäßigen eftellte R. —* auch — bin. 
Bau, fie beftchen aus einem mit mehr oder weniger | Rubinglimmer, Barietät - Goethit (j. d.). 
beutlihem Rande verfehenen Kelche, der mit dem — (Giovanni Battifta), ital. Tenorift, geb. 
Fruchtknoten verwachien üt, einer verwachſen-blät-⸗ 7. April 1795 zu Romano bei Bergamo, betrat 


terigen, meilt_trichter: oder radförmigen Blumen: 
frone, deren Saum gewöhnlich vier: oder fünfteilig 
it, ebenfo viel Staubgefäßen ald Blumentronen: 
zipfel und einem in der Regel zweifächerigen Frucht: 
Inoten. Die Frucht ift bei den einzelnen Gattungen 
verſchieden ausgebildet, bei den einen als Beere 
oder Gteinfrucht, bei andern als Stapfel. Zu den 
R. gehören viele — Induſtrie⸗ oder offizinelle 
* wi Gewãchſe, wie z. B. die Stamm⸗ 
pflanjen ber Thinarinde, des Krappfarbſtoffes, der 
J die Brehmurz (Cep (Cep eis) u. a. 
— ri 

eill, eine t te Barietät des 

—* Spinell (f. d 


| 
erzähl inc mi em, ae ng 
meh 
ubin beißen 
N. bezeichnet 
Ilen 
chſt nad) dem 
Imi 


ihon mit 12 J. die Bühne in einer. 
ng dann als Choriſt = B .. das 
— nach — — Pavia, 1815 
—** aug er in De 


= —— un ja für Neapel engagierit, 
wo Noʒʒari gänftigen Einfluß ; feine 
widelung gewann. R. blieb bei Barbaja bis 
5%. 1831 und bejaß bereitd den Ruf eines ausge 
zeichneten Sängers, als er ſich Ser wieder nadı 
Paris wandte, wo er an lienifchen 
inem Grfolg wirkte. Auch ließ er nd 
elnd in London en ——— —— 
wa er 
Stalien zurüd rüd und lebte fortu 


mit 
ab 


um, 


Zeit mit * 


Rübinst — Rubus 


uf jeiner Befisung in der Nähe feiner Ba 
m Beſihe ri anjehnlihen Bermögens. R. 
März 1 R. war eimer der größten * 
—— dem an Biegſamleit und Geläufig⸗ 
teit der Stimme, fowie an Schmelz des Vortrags 
der Fiorituren laum eim anderer gleich⸗ 
Pi Ben een — —* war jedoch 
ii —— gt als die 
Gattin, Glar 1704 zu Chomel (in Stalien Gomelli), 
Ga me a are 
Sängerin, parijer 
Stonfervatorium unter Garat und Gerard erhalten 
De Sie erntete jeit 1818 in Jtalien vielen Bei: 
und verheiratete ſich 1819 mit R. Im J. 1831 
trat fie in London zum legten mal auf; e jtarb 


(30.) a. 1829 —* Wychwotineß in vVoiß — 
* — frü u | mit 
Eitern ee Moslau und ieit hier erli von feiner 


dem Gejeig öjentiih auf und N SE 
ö ich auf un na 

gehe wo er 1, Jahre blieb, u madte dann 
feine erite größere Slunitreie (England, bie Nieder: 


Iande, Deutihland, Schwed w.), bie fait 

be — — en u. ſ. —— 33 
— oslau 

feiner Mutter * A ee pr 


—— wo er Par A noch Kompofitionsjtudien 
te, auch öfters bei Hof ſpielte. Hierauf ging 
1. 1846 1846 nad Wien, mo er ſich bauptiächlich mit 
6 von Unterrigt beigäftigte, ebenjo einige 
erg in unb wandte ſich 1 Ru 
insbefondere nah Be Peteröburg zurüd. Dur 
in Spiel ‚ ernannte ihn hier bie Großs 
et 
gewann er ittel u 
SAube, vorzugsweife der Kompofition zu wid: 
men. 1854 unternabn er olt Reifen 
— —— * ge = England, 1873 
n ien na — um ſeine 
Arbeiten belannt zu machen. R. wurde 1859 Fa 
gent und Leiter der von ihm gegründeten Ruſſiſchen 
Muſilgeſellſchaft und des Konſervatoriums. Als 
lavie er nimmt R. einen Plaß unter ben 
Birtuofen erjten Ranges ein, Als Komponift zäble 
er zu den begabteften der jüngern Generation. 
bat von ihm die ruſſ. Opern « Dimitri Donstoi», 
« Die fibir. Jäger», « Die Naher, «Der Dämon», 
* die deutſchen Opern «Die Kinder —* Heide», 
er («Lalla Roofh»), der», 
», allnter Räubern» und — Papagei⸗ 
die frangöftiche «Nero»; ferner die Dratorien «Das 
— Paradies», «Turmbau zu Babel» und 
Sulamith», Symphonien («Dcean» und vier 
5 Duverturen, Streichquartette , ein Oftett, 
Stlaviertrios, Konzerte und Sonaten für Klavier, 
Salon: und —— —— für Klavier, ein: und 
mebrftimmige 
R.s jüngerer Ber Nikolaus N., geb. 2 
(14.) Juni I 1835 zu MRostau, bildete fich unter Gebel 
m unter Debn und Kullat in Berlin zu 
ihen Stlavierjpieler. Gr wirkte in 
bes bortigen Konfervatoriums | d 


un Ye 
55 l, ſ. B6l * BU Bar. Rübſen. 


won 


iche. — Seine | M 


| (Him 


879 


Nubricelle, das Mebgebetbüchlein der Katho- 
lifen, fo benannt vom roten Drud vieler Bud): 
jtaben darin. 

Rubrik, f. unter Rubrum. 

NR ‚im Mittelalter bie —— 
welche die roten Einfaſſungslinien, Titel, Über: 
ſchriften in Büchern ſchrieben, bejon any aud die 
aler der roten Initialen in den eriten Druden. 
Nubenm (lat., adas Rote», nad der frühern 
Gewohnheit, Titel und {berfohriften mit roter 
De zu ſchteibe n), burze In be als Über: 
chrift, namentlich bei Atenftden; ubrif, fiber: 
jchrift der einzelnen Abteilungen eines Schriftjtüds, 
dann die Abteilung felbft (auch im weitern Sinne); 
rubrizieren: etwas behufs der Abteilung mit 

un verjeben, nach Rubrilen orbnen. 

N „ſ. Raps und Rübſen. 

— Rſamecheetung aus der —— * 
Roſaceen, ausgezeichnet —— —— cht, wel 
ge einer "großen — Ange I 

„unter ſich ener, car —— dimigen 

— ng 3 nen eingefügter Stein: 

ftet3 zmwitterigen Blüten find 
aus einem * ur N debefogn en Blütenadhje 


—— deſſen Ab⸗ 
teilungen nach ir Bü entweder zu * 
gen oder aufgerichtet einen, aus fünf 
nagelten, meift weißen, felten rofen= bis an 
roten Blumenblättern zahlreichen, famt den Blu: 
menblättern bem Steldrand eingefügten Staub: 
pefäben und vielen Heinen, an ber erwähnten Ber: 
ngerung des Blütenbodens ftehenden Stempeln 
mit kurzem Griffel zufanmmengejeht. Die zahl: 
reihen, vorzüglich abe die nördl. Halblugel ver: 
breiteten Arten find der Mehrzahl nah Sträucher 
mit een (Brombeeren) ober — 
eren) Stämmen und AÄſten. Doch gi 
aud krautige Arten. Dahin gehören R. saxatilis 
Fa mit breizäbligen —— und roten, ſauern, 
aus wenigen großen, ungleichen Beeren zufammen: 
geiebten Srüdten. welcher auf fteinigem Boden in 
gmwälbern vorlommt; der vorzugsweife in der 
kalten Bone wachiende R.Chamaemorus 2. (Schell: 
beere), mit berzjörmig: fünflappigen Blättern und 
gelben Bit Bar R.arcticus L. (Mamurabeere), 
Br breizäblig s handteiligen Blättern und roten 
Beeren, deren Früchte —— die Mamure) in 
Zucer —— in Norwegen und 
and ein ſehr beliebtes ı = velitates Defiert 
ilben. Zu den unbewehrten, ter: Arten ges 
bört außer der Himbeere (R. idaeus, }. Himbeer: 
ſtrauch) befonders ein beliebter Zierftraud aus 
Norbamerifa: R. odoratus L. mit ganzen, band: 
— Blättern und großen purpurroten Blu— 
men. Die Brombeerarten (f. Brombeere) find 
überaus —— Pflanzen und ſehr geneigt, 
Baſtarde zu bilden. Daher iſt es bei ihnen gr 
jhwer, die Arten genau zu fondern, 25 
lommt, daß manche Botaniker, welche genei ef, 
jede Form für eine Art zu halten, eine u 
zahl von Arten unterſcheiden, während inne nur 
eine einzige (R. fruticosus) "annahm. Die —* 
hin — * * ſich zur rg un 
ri en. In neuerer n 
— ae * an ud gr: 


jrten in De 
trefflichen den, wog — vor allen andern 


gerühmt Dorcheſter, Killatinny und Rew:Rodhelle, 


880 


baben jedoch im ganzen weniger Anklang gefunden 
als in England, Vie Stammart diefer Kultur: 
Brombeeren ift R. villosus Ait., ein in Nordame: 
rila einheimifcher Straud von träftigem und 
rafhem Wachſtum. Bol. Fode, «Synopsis rubo- 
rum Germaniae» (Brem. 1877). 

Nucellai (Giovanni), ital. Dichter, Vetter des 
Rapftes Leo X., geb. zu Florenz 20, Dit. 1475, 
wurde von Clemens VII. zum Gouverneur der 
Engelsburg ernannt und ftarb 1526. Sein Gedicht 
über die Bienenzuct, «Le api» (0.D. 1539 u. öfter; 
Parma 1797), in reimlofen Verſen (versi sciolti), 
die zu ben eiſten der ital. Litteratur gehören, iſt 
eine Nachahmung von Virgils «Georgicar und als 
— ausgezeichnet durch Zartheit, Wohlklang 
und Leichtigkeit der Verſe. R.3 Trauerſpiele «Ros- 
munda» (Siena 1525 und Padua 1728) und «Oreste» 
(Rom 1726) find Guripides nachgeahmt. Cine Aus: 
gabe feiner Werle erjchien zu Padua 1772, 

Sein Bater, Bernardo R., geb. zu Florenz 
1449, geit. daſelbſt 7. Dit. 1514, & wager Lorenzos 
de’ Medici, eins der hervorragen de Mitglieder 
der ren Alademie und Gejandter der flo: 
rentiniihen Republit bei Ferdinand, König von 
Neapel, und Karl VIIL. von Franlreih, war ein 

ründlicher Kenner des Altertums. Durch Gelehr: 
amleit ausgezeichnet ift beſonders feine Topogra: 
phie des alten Rom («De urbe Roma»), Berühmt 
waren feine mit Kunftwerlen reich geihmüdten 
Gärten (Orti Oricellari), wo er auch 1494 die Pla; 
toniſche Alademie aufnahm und wo 1522 das Kom: 
lott gegen den Kardinal Giulio de’ Medici ge: 
hımiebet wurde, das der Alademie ein Ende madıte. 

Nuchbirke, ſ. unter Birke, 

NRüchel (Ernſt Wilh. Friedr. von), preuß. Ge: 
neral der \infanterie, geb. zu Ziezenow im Kreiſe 
Belgard 21. Juli 1754, trat 1771 in die Armee 
und nahm am Bayrischen —— als Adju⸗ 
tant des Generals von Knobelsdorff teil, worauf 
ihn Friedrich d. Gr. in feine Umgebung zog. R. 
war im Feldzuge von 1792 im befl Der tquar: 
tier, nahm an der Nheincampagne teil, zulept als 
Generalmajor und Brigadelommandeur, und zeid): 
nete in namentlidh bei Frankenthal 2. Jan. und 
bei Staiferslautern 18,20. Sept. 1794 aus, Hierauf 
wurde R. Inſpelteur der Militär-Bildungsanftalten. 
Im J. 1806 führte R. eine Heeresabteilung aus 
Yannover nah Thüringen, wurde bei Jena ver: 
wundet, verlor Inter der Niederlage de3 preuß. 
Heeres völlig das Vertrauen König Friedrich Wil: 
helms III. und nahm nach dem Frieden den wei van 
Er lebte fortan auf — Gute Haſelau und ſtarb 
14. jan. 1823. De la Motte Jouque veröffentlichte 
(Berl, 1828) jeine Lebensbeſchreibung. Vgl. «Aus 
R.s Nadlab» in «Jahrbücher für die deutſche Armee 
und Marine» (Berl, 1878). 

Ragara, f. Anthoxanthum. 
Nüdbürgfchaft, ſ. unter Bürgſchaft. 
Rückdeich, ſ. unter Deiche. 

Nude (Heinrid) von), ſ. Heinrich von Nude. 

Rücken (dorsum), diehintere Wand des Numpfes, 
erjtredt fi vom untern Nande des Nadens (f. d.) 
bis zur Lendengegend und wird hauptſächlich von 
der Wirbeljäule und den über und neben ihr gele: 
genen Weichteilen gebildet. In feiner Mittellinie 
verläuft eine ſcharf ausgeſprochene Furche, in welcher 
das Ruůdgrat (j. d.) ſichtbar iſt und welche beider: 
feitö von einem breiten mustulöfen Wuljt, den 
langen Stredmusteln de3 R. begrenzt wird, Die 


Nucelai — Rückenmark 


mächtige Rüdenmustulatur liegt in fünf Schichten 
übereinander und dient teild zum Aufredthalten, 
Streden und Drehen der Wirbeljäule, teils zum 
Heben und Senten der Rippen, jowie zur Bewegung 
der Schulter und des Oberarms. 
. NRüdenmark(medulla spinalis) nennt man den: 
jenigen Teil des nervöfen Gentralorgans, welcher 
ſich im knöchernen Kanal der Wirbeljäule befindet. 
Es ift ein walzenförmiger, von hinten nad) vorn 
etwas platt gedrüdter Strang, der von Hinterhaupt: 
loche bis in die Lendenwirbe * nach oben mit 
dem Gehirn zufammenhängt und beim Etwachſenen 
35—40 cm lang und 8—10 mm did it. (©. bie 
Zafel: DieNerven des Menſchen, Fig.1,4—8.) 
Zwei tiefe Spalten, eine vordere und eine hintere, 
teilen das R. in zwei feitlihe ſymmetriſche Hälften, 
die nur durch einen dünnen queren Etreifen, die 
Konmiflur, zufammenhängen. ‘jede Seitenhälſte 
dat einen aus einem vordern und bintern —— 
eſtehenden grauen Kern, der von weißer Subttanz 
umgeben ift, und beiderlei Subftanzen erftreden fidı 
in diefer Anordnung durch die Länge des R. Die 
weiße Subſtanz einer jeden — rfällt in 
drei Stränge, in einen vordern, einen ſeitlichen und 
einen hintern Strang. In der Kommiſſuür liegt 
—— graue, vorn weiße Subſtanz, welche die Ver: 
indung wilden beiden Hälften des R. beritellen, 
und zwiſchen beiden findet ſich ein feiner, mıt Epithel 
ausgelleideter Kanal (Gentralfanal). Das R. üt, 
wie das Gehirn, in drei Häute gehüllt: die weide 
Nüdenmarlehaut (pia mater spinalis), welche dem 
N. allenthalben innig anliegt, die Spinnwebenhaut 
5 inalis), eine my t feine, durd): 
heinende Membran, welche das R.als weite ſchlaffe 
Hülle umgibt, und die harte Küdenmartehaut 
(dura mater spinalis), welde im Wirbeltanal einen 
ziemlich frei hängenden Sad bildet, der das N. auf: 
nimmt. Die Zwifchenräume zwiſchen dem R. und 
den Häuten find mit einer wäſſerigen Flüffigkeit 
(liquor cerebro-spinalis) erfüllt. Die Verbindung 
— R. und Gehirn bildet das noch in der 
hä Er liegende verlängerte Mark (medulla 
oblongata), das zwar aud) eine vordere und hintere 
Spalte, aber nicht die graue und weihe Kommifiur 
bejigt und den lebenswichtigſten Abihnitt des ganzen 
Nervencentralapparats daritellt, (©. Gebirn.) 
Bom R, entipringen 31 Rüdenmarlönerven: 
paare (nervi spinales), und zwar jeder Nerv auf 
einer Seite des R. mit zwei Wurzeln, einer ftärtern 
bintern (mit den Empfindungs:) und einer I hwächern 
vordern (mit den Bewegungsnerven). Die hintern 
Wurzeln bilden durch Einlagerung zahlreicher Rer: 
venzellen einen Nerventnoten (Zpinalganglion), 
mischen fih dann mit ben Nerven ber vordern Wur: 
eln und verlafien hierauf gemeinfam in den Zwi: 
Ihenwirbellöchern en Wirbelfanal. An den o 
Zeilen des R. gehen fie ziemlich rechtwintelig vom 
R. ab, nad) unten aber unter einem ſpihen Wintel, 
und endlich löſt 2 das. in einzelne Nervenftränge 
auf (fog. Pferdeſchweif, cauda eanina, Sie. 1,0). 
Wo die Nerven für Arme und Beine entipringen, 
hat das R. durch Vermehrung der Ganglienzellen 
Anſchwellungen, diejog. Halsanſchwellung (Fig. 1,4) 
und die Lendenanſchwellung (Fig. I, 6). Man teilt 
die31 Nüdenmarlönerven in8 Halsnerven, 12 Brujt: 
nerven, 5 Lendennerven, 6 Arcuzbeinnerven und 1 
(felten 2) Steißbeinnerven. Seinem feinern Bau 
nad) irn das R. abgejehen von der weichen 
Nerventittjubftang (Neuroglia), aus zablloien 


Rücdenmarkspautentzündumg =" Nüdert (Friedr.) 


feinften vielfach verſchlungenen Nervenfafern und 
Nervenzellen oder Ganglien (ſ. d.), und zwar ver: 
laufen die Nervenfajern nicht bloß quer, von einer 
Seite zur andern (in der Kommillur), fondern auch 
der nanzen Länge nad) aufwärts bis in das Gehirn, 
odab das R. die Verbindung zwiſchen Gehirn und 
en vom R. mit Nerven Ei ten Körperteilen 
je Die vordern und feitlihen Stränge des 
. vermitteln die motorische, die hintern Stränge 
die fenfible Leitung zwiſchen Gehirn: und Nüden: 
marlenerven, ‚Weiterhin enthält das R. eine Reibe 
antomatiich wirlender Nervencentren für Herz: und 
Atmungsthäligkeit und ähnliche Neflerbewegungen 
(i. d.), die meilt durch die Bermittelung der grauen 
Rückenmarksſubſtanz zu Stande fomnem, 

Die Krankheiten des R., welde infolge ber 
eſchühten Yage des lektern im ino hernen d nagrais 
anal verhältnismäßig ſelten find, zerfallen in ſolche 

der Nüdenmartshäute und ihrer Umgebung und in 
die des R. jelbit. Die Rüdenmarlshautent: 
—— ng (Meningitis spinalis) entſteht nad) Ber: 
ebungen und Entzündungen der Wirbellnochen im 
Berlauf allgemeiner Tuberkulofe oder tritt epide: 
mijch als Genidtrampf (f. d.) auf und führt —— 
zu erhöhter Reizbarleit des R., die ſich in heftigen 
Schmerzen, erhöhter Neflererregbarkeit und Kräm- 
pfen ausſpricht, jpäter zuausgebreiteten Bewegungs: 
und Empfindungslähmungen, Die Waſſerſucht 
des N. (Hydrorrhachis), welde entweder angeboren 
iſt oder im Verlauf chroniſcher Entzündungen ent: 
fteht führt dur Drud zu Schwund des N. und ift 
gleichfalls von doppeljeitigen —— 
en begleitet. Bon den Erlranlungen des R. ſelbſt 
And die —** des Marks (Myelitis) und die 
Nüdenmartsihwindfudt (f. d.), ſowie die jog. 
Spinalirritation, die Iranthaft erhöhte Em: 
pfindlichleit des N. (f. unter Nüdenfhmerzen) 
am häufigften. Verlehungen und Quetſchungen des 
R. infolge von Bruch oder Verrenkung der Wirbel: 
fäule haben meijt unbeilbare Lähmungen der Glied; 
maßen, ber Numpf:, Blafen: und Darmmustulatur, 
bisweilen aud) dur) Unterbrediung der Atmungs: 
thätigkeit plößlichen Tod zur Folge, Bol, Erb, 
«Krankheiten des R.» (2. Aufl., Lpz. 1878). 
Rürkenmarköhautentzündung, Rücken— 
marköfranfheiten, R denmarkönerven, f. 
unter Nüdenmarf, 
NRüdenmarktöfhwindfucht, Nüdenmarls: 
darre (Tabes dorsualis, fr}. Ataxie locomotrice 
progressive), die bäufigite Rückenmarkslranlheit, 
beruht auf einer von unten nach oben fortjchreiten: 
den atrophiihen Entartung der hintern Rüden: 
— *— und der hintern —— welche 
ſich durch allmählich entſtehende Verminderung des 
Zajt: und eigen und durch fortichreitende 
Lähmung der untern, ſpäter aud) der obern Grtre: 
mitäten charakterijiert und vorwiegend bei jüngern 
Männern, feltener bei Frauen —— wird. 
Als Urſachen der Krankheit werden geſchlechtliche 
Ausſchweifungen und Erſchöpfungen, Syphilis, 
ſowie ſtarle Erlältungen bei durhnäßtem Körper 
und erbliche Dispoſition angegeben. Das erſte auf⸗ 
fallende Symptom der R. iſt das Fehlen der ſog. 
Koordination, des zu einer beabſichtigten Be— 
wegung notwendigen normalen Zuſammenwirkens 
der einzelnen Musteln, wodurch eine nie 
Unficherheit (Atarie) des Ganges, namentlich ein ſehr 
charalteriſtiſches Schleudern der Beine entiteht; im 
weitern Verlauf gefellen fid) ausgebreitete Anäſthe— 
Eonverfationd-Lefiton. 13. Aufl. XI. 


881 


fin, Nervenſchmetzen/ Impolenz Erſchwerung der 
Harn: und Stuhlentleerung Seh⸗ und en 
ſelbſt Erblindung hinzu. Der Verlauf der Kranl: 
beit ift immer ein ronifcher, oft über yahrzebnte 
ausgedehnter. Als Heilmittel dienen warmeBäder, 
namentlich Babeluren in Nehme, Gaftein und Wild: 
bad und die örtliche Anwendung der Glektricität, 
namentlid) des fonitanten Stroms, Bol. Virchow, 
«fiber das Nüdenmarl» (Berl, 1870); Leyden, 
«Klinik der Nüdenmartstrantheiten» (2 Bde, Berl. 
1874— 75); Erb, «Strantheiten des Nüdenmarls» 
(2. Aufl,, %p3: 1878). 
Rückenſchmerzen beruben entweder auf Mus: 
lelrheumatismus (1. Rheumatisnrus), oder auf 
entzündlichen Borgängen im Rippentel (j. Bruft: 
fellentzündung), in den Wirbeln und ihren 
Gelenken, oder auf einer krankhaft erhöhten Empfind: 
licheit de3 Rudenmarks, die man als Spinal: 
irritation oder Spinalneuralgie zu beyeid: 
nen pflegt. Diefelbe gibt fich durdy große Empfind: 
lichteit der Wirbelgegend, durch Unruhe, Mudig— 
kn und Schmerzen in den Beinen, bu 
auch durch Harndrang oder tranthafte Harnverhal: 
tung, durch Stublveritopfung, große Neizbarleit der 
Genitalien und mannichfache andere ee 
tome (Herzllopfen, Kongeſtionen, Schlafloſigleit, 
trübe und — — Stimmung u. dgl.) zu 
erfennen und beruht bald auf Blutüberfüllung des 
Wirbeltanals, bald auf Blutarmut und allgemei: 
ner ee le en . Deshalb begünftigen eine 
einfeitige geijtige Beichäftigung, vorwiegend fihende 
ebenswelſe, anhaltende Gemrüt3aufregungen, ges 
fhlechtlihe Ausfhweifungen und törperliche Über: 
anftrengungen jedweder Art ganz bejonders die 
Entitehung diefer fenfiblen Rudenmarksreizung, die 
namtentlid) unter den höhern Klaſſen ein weit ver: - 
breitete, oft recht hartnädiges Übel iſt. Die Be: 
handlung befteht in leichten Hautreizen, milder Diät, 
Sorge für offenen Leib, zwedmäßiger Körperbewe: 
ung und regelmäßigen lalten Abreibungen; in 
—22 ällen leiſtet die ſachlundige Anwendung 
des eleltriſchen Stroms gute Dienſte. 
Rückenſchwimmer (Notonectidae) heißt eine 
Familie der Waſſerwanzen, die beim Schwimmen 
den flachen Bauch nad) oben, den dachfoͤrmig ge: 
wölbten, von den lügeldeden vollftändig umfaßten 
Rüden nad unten wenden und mit ihren langen, 
ruderförmigen Hinterbeinen zugleich die Schwimm⸗ 
bemegung ausführen. Mande Arten em: 
findlih und find der Fiſchbrut fehr ſchädliche, ge— 
räßige Räuber, 
Nüdert(friedr.), hervorragender deutſcher Dich: 
ter, geb. 16. Mai 1788 zu Schweinfurt, erhielt feine 
VBorbildung auf dem dortigen Gymnaſium und be: 
fuchte dann die Univerjitäten zu Würzburg und 
Heidelberg, wo er fi) mit jurift. und philol. Stu: 
dien beſchaͤftigte. NH 3. 1811 trat er als Docent 
zu Jena auf, verließ jedoch bald Jena, privatifierte 
an verjchiedenen Orten und wandte ſich endlich nad) 
Stuttgart, wo er 1816—17 an der Redaltion des 
«Morgenblatt» teilnahm. Den größten Teil des 
3.1818 brachte er in Nom zu, wo er unter andern 
dem ital. alle Aufmerkfamteit widmete. 
Nach jeiner Rüdtehr lebte er in Coburg. Im J. 
1826 wurde er Profefior der orient. Sprachen an 
der Univerfität zu Crlangen, und 1841 ging er als 
Geh. Regierungsrat und Profeſſor nad Berlin. 
Dod) jchon im Sommer 1849 eagte er feiner ala: 
demischen Thätigleit und nahm feinen Wohnfik auf 


66 


882 


feinem Gut Neufes bei Coburg, wo-er jeitdem poe: 
tiihen Arbeiten und orientalijch: wifienichaftlichen 
Beitrebungen oblag, bis er 31. Jan. 1866 ftarb. 

A.s Stellung in der deutfchen Literatur iſt eine 
eigenartige und ganz felbtändige. Seine dichterifche 
Yaufbahn begann er unter dem Namen Freimund 
Kaimar mit den «Deutihen Gebiten» (Heibelb. 
1814), welde unter anderm bie ⸗»Geharniſchten 
Sonette» enthielten. Als zweiter Band ſchloß ſich 
diefer Sammlung an der «franz der Zeit» (Stuttg. 
1817), dem er feinen wirklichen Namen voranjehte, 
nachdem er vorher unter dem angenommenen 

«Napoleon, eine polit, Komödie in drei Gtüden» 
(Stuttg. 1816) hatte erſcheinen laſſen. Diejen 
folgte die Gedihtiammlung «Ditliche Rojen» (Lpz. 
1822). Geine zeritreuten Gedichte erſchienen als 
«Sefanrmelte Gedichte» (6 Bde. Erlangen 1851 
— 38; 3 Bor, Franti, 1843) und im einer Auswahl 
(22. Aufl., drantf. 1886). Früchte feiner orient. 
Studien waren die Überfehungen von Hariris «Da: 
famen» unter dem Titel «Die Berwandlungen des 
Abu Seid» (2 Bde., Stuttg. 18%), von der ind. 
Erzählung «Nal und Damajanti» (Franlf. 1828), 
«Amrilfats, der Dichter und König» (Stuttg. 1813) 
und «Hamafa, oder die älteiten arab, Volkslieder» 
(2 Bbe., Stutta. 1816). Gigene Dichtungen R.s, 
die ebenfalls auf den Orient binweiien, find: «Mor: 
genländ. Sagen und Geſchichten (2 Vde., Stuttg. 
1837), « Erbauliches und Beſchauliches aus dem 
Morgenland » (2 Bde, Berl. 1836 — 38), «Ro: 
ſtem und Subrab, eine heldengeſchichte⸗ (Erlangen 
1838), « Brahmanijche Grzäblungen» (Lpz. 1839). 
Tiefen reihten fid an das ann Sehr ebicht ex 
Weisheit de3 Brahmanen» (6 B Br = 1836 — 
39) und das «Leben Jeſus (St er u. Fi. 1839), 
eine Art von Gvangelienharmonie. Später famen 
nod) mehrere Dramen hinzu, wie «Saul und Ing 
vide» (Erlangen 1843), «Herodes der Großer J 
Stuttg. 1844), «Sailer Heinrich IV.» (2Bde., vor 
1814) und « Griftofero Colombo» (2 Bde., Frankf. 
1845). Seine Ichte Gabe waren «Gin ubend 
Kampflieder für Schleswig :Holitein von F—r» 
(1. u. 2, Aufl., Lyj. 1863 u. 1864). Rach dem Tode 
des Dichters erfhienen aus feinem Nachlaß «Lieder 
und Sprüde» (Franlf. 1866) und « Aus Friedrich 
R.s Nadylaf; » (Ypy. —— uns Wert enthält 
libertragungen des Theo „Bögel» des Ari: 
—— und der Ende des Slalidafa, dieje 
in 2, Aufl. 1885; ferner Slindertotenlieder» (Aranff. 
1872; neue Ausg. unter dem Titel «Leid und Liebe, 
Franff, 1881), und bie Tiberfehumg von Saadis 
Boftan (Lpʒ. — Pertſch gab R.s trefflichen 
Auszug aus dem «Sieben: Meer» in den «Wiener 
Jahrbüchern⸗ neu heraus unter dem Titel «Gram: 
matik, Poetik und Rhetorik der Perſer⸗ (Gotha 
1874). Cine Gefanitausgabe der poetiichen Werte 
R.s (in 12 Bdu.) erichien zu Frankfurt a. M, 1868 
— neue (Titel: Ausg. 1881—82, 

hit unftreitig zu den begabteiten Dichtern des 

— en Volls. Seine hervorragenden Eigenſchaf⸗ 
ten find eine ungemeine Gebanfenfülle und außer: 
ordentliche Sprachgewalt. Faſt alle lyriſchen Did: 
tungsartenfind ven ihm mit tiefer Ginficht in das We: 
fen jeder yorm geübt worden; fo ber griech. Hendela⸗ 
fyllabus, der altnorbijch allitterierende Vers, das 
altbeutice Neimpaar und die Nibelungenftrophe, 
das deutſche Boilslied, die zarten und üppigen | 
Ghaſelen des Drients, die —ã gefetteten Ter: | 


-Rüdert (Heinr.) — Rüdert (Leop. Immanuel) 


” 


Em ag Ihwärmen keine Ritornelle, Sicilianen 
Bierzeilen und Dittichen umber. Dft if! es mehr 
—— EEE her Arch des Ge 
a 

Am Höditen fiehen R.s «Liebesfrübling 


—S 12. Fraulf. 1883; — 

ohne eine Vradhtausg. mit Bei 

von niste Saul Schulhe und Abo: — 

ten — 

ten zeiten⸗ un 

«Die jter ende —— fpätern 

fien m die Neflerion und te Ton, bie 
das Guomiſche 


13 die bedeutendſte unter keinen Dibaltiehen $oc. 


A 

fien zeigt ih «Die Weisheit des B », eine 
umfangreiche —— eine Fülle 
tiefinniger Gedan viele iten im 
einzelnen bietet, aber fein eigentlihes Ganges 
bildet. Seine Dramen find — * — 
farblos und genügen feiner Anforderung 

an das Drama zu machen berechtigt iſt. —X üben 


feger orient. Dichtungen bleibt nu ‚unübertroffen. 

Gr bekundet bier, wie überhaupt in allen feinen 
— — t Sprade, 
die i chen fucht und für die formelle Fort: 
er der deutichen Sprade von nachhaltiger: 
Sinflus geweien ill. 

Bal. — «N. und —* un: (Franfi. 
1867); A. biographiſches 
Denkmal» Franif. 1868); —— über 
N. und Aritifche und Studien» (2 Bde. 

Opz. 1873); ·Nachgelaſſene te R.3 unb neue 
Beiträge zu beflen Leben —— iften» (Bien 
1877); Kühner, «Dichter, Ba 
DR ae aid vn Saat 
tenburg r u R.s 
1808; ; Borberger, «Rüdert-Studiene (Gotha 1873). 


et (Heinr.), deuticher Geſchichtſchreiber und 
Sitteraturhiriter ältejter Sohn vorigen, geb, 
14. Febr. 1823 zu Coburg, widmete fich zu Gr: 


langen, ®onn un Berlin philol. und 0y” 
Studien, er ſich 1845 zu Jena für Gr 
ichichte und ie, und wurbe Oftern 
1852 auberorb. ee ſor der ‚euticen Wltertum:- 
tunde in Breslau, wo er bis zu feinem Tote, 
11. Sept. 1875, wirfte. R.3 beveutendfte bitor. 
Arbeiten find: «Annalen der deutjcden —— 
(3 Bbe., Lpz. 1850; 2. Aufl. 1861), «Geichichte des 
Mittelalters» (Etuttg. 1853) und «Slulturgeichichte 
des deutichen Volls in der Zeit des fihergangs aus 
| dem Heidentum in das Chriltentum» (d.1u?, 
| Ypy. 1859 — 54). Auf dem Gebiet der ältern dent 
ſchen Litteratur veröffentlichte er außer vielen Bei 
trägen zu Raumers «Hiſtor. Tajhenbud» und au 
bern Beitihriiten Ausgaben vom «Leben des beil. 
Ludwig, Yandgrafen von Thüringen» (&pz. 1850, 
vom « jeifchen Gaſto (Quedlinb. 1851), vom «Me: 
vienleben des Bruders Philipp vom Kartäuferorder» 
(Quedlinb. 1853) und vom «Lohengrin» (Quedlinb. 
1857). Unvollenbet blieb feine «Geichichte der new: 
hoch deutſchen Schrijtipracher (Bd.1u.2, Lpʒ. 1875). 
Bol. A. Sohr und r —— eHeintid R, 
(3 Br. a 187 hg D. 
— rn prot. 
| Theolog, — 1797 zu Sroßhennersdorf bei Herrn: 


sinen, das Sonett im Harnijd) und im fpan. Gafa, | But, ftudierte im Leipzig, übernahm 1319 das 





Rückfall — Rückverſicherung 


Diafonat in feinem Geburtsorte und wurde 1825 
zum Subreftor, 1840 zum Konreltor 
nafium An. t. Im J. 

als ord. Mneofejlor der The der Theologie nach Jena berufen. 
Später erhielt er den Titel eines Geh. Kirchenrats. 
N. ſtarb zu 9. April 1871. 

Sein tbent. Syitem, weldes. bejonders die Gin: 
flüfle von Kant, Fichte und Schleiermacher auf der 
einen, der Brü —— auf der andern Seite 
verrät, ch in völliger Freibeit von dogmatiſcher 

ndenbeit die Grundthatſachen des fittlichen 
— zu ermitteln und aus dieſen die Not⸗ 
wendigfeit der Erlöfung als fittliche —— 
—* —5 — gg durch die urbild, 
Bolllommenbeit des der Herrichaft des Guten 
In —F Welt unbedi —— a und Ster: 
bens Jeſu Ehrifti In dan nen Scrif: 
ten find ——— = —— zum 
er rer u 2. Aufl., 458 ih 
alaterbrief (Lpz. ‚ Epbejerbri = 
— = beiden a), Se en (2 Be 
); ferner feine «Theologie» (2 Ze. 3 
—5*5 —— — — yſtems; 
«Das Abendmahl. Sein Weſen und ſeine G dichie 
in der alten Kirche» (£p3. 1856), «Ein Büchlein von 
der firdie» (Jena 1857), «Der Rationalismus » 
(£pz. 1859). Außerdem hat er «Slleine Auffäge für 
chriſil. Belehrung und Erbauung der Gebildeten im 
Voller eig! 1861) herausgegeben. 

Rückfall beißt im —— die Wiederholun 
—— * nd un Ting Verbrechens na 
eg Fi Beitrafung bes Ver 8 we⸗ 

en ber 
rn her mar inzelitanten erfannten 
den. ziemlich allgemein als einen rt ber 
* hey un —** jenpu 
ihn jed Di bftabl, Heblerei 
und ee fehlt = noch an einer völlig 
genügenden ade Sftatıjtif und gehört die Frage, 
wie am beiten der Nüdjälligleit zu begegnen fei, 
zu den jchwierigiten jtrafred) Kern Broblemen, 
ober Necidiv (lat) nennt man die 
Wiederkehr der Erfcheinungen einer Krankheit, nad): 
dem diefelbe wirklich oder jheinbar ſchon befeitigt 
war. Außer ben wirklichen Nüdfällen 4. B. wenn 
ein Kräpfranfer nach feiner Heilung durch das An: 
legen feiner nicht gereinigten Kleider ſich wieder 
aufs neue mit = ilben anftedt) gehören hierher 
die viel häufig älle, wo eine Kranlheit durch 
ſchubweiſes —2 des Prozeſſes Verſchlim⸗ 
merungen erleidet, wie dies häufig bei der Tuber: 
tuloſe, er Rrebstranheit — den Geiſtes⸗ 
frankheiten ftattfindet. it die Wiedertehr. ber Krank⸗ 
erg im Weſen ber betreffenden Kranlheit 
egrändet, fo jpricht man von einem Relaps (Fie: 
berrelaps); am hau often kommen derartige Nüdfälle 
beim bösartigen Nüdfallsfieber zur Beobachtung. 
(S. Febris recurrens.) 
————— f. Febris recurrens. 
rat (Spina dorsi), im engern Sinne bie 
in = ittellinie des Nüdens fühlbaren Spiben der 
Dornfortiäge der Wirbellnochen, im var Sinne 
ud ———— mit Mirbelfäue ( 
Pe atöverfrümmung, |. * Wurbel— 
ule. 


* rattiere, ſ. Wirbeltiere, 
auf. Es lann dem A einer hr 
—* oder unbew 
auferlegt werden, 


dung des R. 


liebe gebaut und jartere 


— 


durch welche der Aſſe 





a nad) ei tn Zeit | 


dem Verkäufer wieder zu verlaufen, wodurch der 
legtere ein ade t erlangt, fiber bie 
Frage, in welcher Zeit das 
wenn feine Zeit für den R. ausgemacht iſt, ſowie 
über die Bererblichleit desjelben ſchwanlen die Mei- 
nungen der Juriſten wie die Borfchriften ber —— 
gebungen. Jedenfalls begründet aber die Vera 

im —— nur eine obligatoriſche 
Berpflich —— Käufers, nicht ein late 
Recht des Verkäufers und "Rüdtaufsber 

(S. ein. und — 


Ferner! — — an ya ku der AR der 
direft an der Brüftung des Orgelchors, aljo abge: 


-fondert von dem Hauptwerke, aufg ellt und von 
der eigentlichen Orgel durch den ubboden bes 


Orgelchors erheblich getrennt er N. ragt 
direlt in die Kirche hinein, präfentiert ſich yunächit 
und heißt deshalb auch Bruftwerf; es liegt demnach 
direlt im Rüden des Organiſten (daher der Name). 
Im 16., 17. und 18, Sabrh. wurden R. mit Vor: 

egüter hineingefeht. Bei 
u ——— findet man das R. nicht mehr. 

—e— j. unter Zeitkauf. 

Rüd lag beit in ber Gleftricitätefehre das 
plöpfihe Zurüdtchren eines durch Influe * 
triſchen Lellers in den uneleftriijhen Zuftand, 
dem der influengierende eleltrijche Körper rafch Ser 
laden wird, Auch beim Blis fommt ein elektrifcher 
N, nor, und zwar dann, wenn bie elektriiche Sn: 
ewitterwolte dadurch verichwindet, 


sch er in Menſchen und Tieren auftritt, be: 
wirkt Nervenerfhütterungen, welde, wie beim 
direften Blin, fo heftig fein tönnen, daß ſie den Tod 
jener Organismen nach ſich ziehen. 

Rückfiener, Rüdzoll nennt man bie Grs 
— eines Zolles oder einer Verbrauchsſteuer, 


‚wenn fie erfolgt, weil der zoll: oder fteuerpflichtige 


Gegenftand nicht in den inländifdhen Verbrauch 
übergeht, fondern in das Ausland ausgeführt wird 
( Grportbonififation), oder ſoweit e3 ſich um 
Hegenſtände handelt, die in erfter Linie menschliche 
Genußmittel find, weil diefelben Verwendung zu 
— oder techniſchen Zweden finden. 
ückſtoft, ſ. Reaktion (medan.). 
— nennt man die Verſicherung, 
uradeur ſelber wieder gegen 
ahr Verſicherung 
en Verſicherungs 


die von ihm übernommene 
nimmt, Die R. findet ſich bei a 


branchen und bezwedt in der = el eine Verteilung 


des Nifitos, indem der erite Aſſeluradeur fich von 
den verichiedenen Müdverficieren fo viel Quoten 
derfelben abnehmen läßt, als er nad) rationellen 
Aſſeluranzprinzipien nicht felber behalten darf; die 
Aüdverficherer erhalten dafür die entf echenden 
Quoten von den Präntien abzüglich einer roten, 
welche der Hau ——— ur feine größere Mühe 
krnabenal. wird auch nicht jelten das ganze 
ififo in R. gegeben, häufig gegen eine niebrigere 
Prämie, fodah der NRüdverjicherte die —— 
eig —— Meiſtens haben die Verſi 
jetzt laufende Kontralte mit mehrern Ru * 
ſicherern, kraft deren lehtere an or rRiſilo in der: 
elben Höhe beteiligt werden, wie derHau —— ver 
teiligt bleibt. Die R, wird teild’von Legen 
—— — * teils von den Haup * 
derungsgejelli haften wechjeljeitig betrieben, Vol. 
—— «Die (Hamb. und 2py. 1885). 
56* 


dlaufsrecht verjähre, - 


K\sÜO)OVJVIE 


Nüdmwirkende Feftigkeit — Ruder 


u AEWERENGE Feſtigkeit, ſ. Drudfeſtig— ——— widmete ſich 1823 zu Paris noch befonders 


Nüdwirkun, imcgen.) |. f. Realtion. 
Nüdzoll, f. Rüdite 
Nüdzug "ei t —9 —* Gene einde weidhende 
Bewegung von Truppen, welche durch ungünftige 
rei iiche oder taltiſche Berhältnifl e bedingt wi 
lann bei richtiger Leitung Drdnung aus: 


ftere Lage 
ringen, indem: man — er warmen 
nähert oder eine * Feindes Linien be 
Bintenteng e (ercentrifher Nüdzug) —— 
ird er zur Aunöh ung (dann Retirade genannt), 
fo lann er zur völligen Vernichtung führen. Schwie: 
rig und meift mit großen Berluiten verbunden ijt 
der R. nad) einem verlorenen Gefecht; er I Fe 
am beiten fucceffiv, indem ein Teil zuerit abzteht und 
in neuer Stellung den noch fämpfenden, der ihm 


geführt werben, ja zuweilen in vortei 


folgt, aufnimmt. Jeder R. muß durch eine Arritre: | Hop 


* gededt werden. Berühmt iſt im Altertum 
e N. Xenophons 401 v. Chr., in neuerer Zeit 
nun N. aus —“ 1796, 
nda, Dorf mit — ** ut im preuß. Regie: 

nungsbejitD peln, ei Jab abe, ‚Station der Linie 

Breslau:Ddwiecim der —— chen Staatsbahnen, 
zäblt (1880) 7480 —* latholiſche und überwiegend 
olnisch ſprechende E. und Eine große Ziegelei 
ar Minler⸗ und —— egel, ein gräfl. Balle: 
remſches Eifenhüttenwert Bert ” En ein Zinl: 
wert Harlahütte und ſechs Steinfoblenzehen, Zu 
N. gehören die Kolonien Glüdauf, Karlstolonie 
und Rudahammer. 

Nudber (Dlov), ſchwed. Vol — — Au 23. 
Eept. 1630 zu Wefteräs, fam ſchon frühzeitig in 
Auf durch die A der Iymp atif en a 
die er in ent befondern on rıft (1653 —— te. 
Doch wurde ihm die Ehre diefer Entdedung von 
Thom. ar ftreitig gemadht. Später trat er 
u Upfala als Lehrer der Botanil auf, legte einen 
otan, Garten an und wurde hernach Profeſſor der 
Anatomie und Kurator der Univerfität, Er unter: 
nahm ein Fe Herbarium mit ag enge ber 


uni Teil er * a unter bem Titel «Campi 
‚lysiio, roßen Feuersbrunſt zu Upfa 
1702 —— indeffe en die Stöde zu beiden Teilen 


ört, Dasfelbe Schidfal traf den vierten Teil 
feines 6 berühmten Werls «Atland eller Manheim, 
Atlantica siveManheim, vera Japheti posterorum 
sedes et patria» (Bd. 1-3, Upjala 1675— 1702). 
N diefem ſchwediſch und lateinisch —3 
erle, voll genialer, aber ung lädherliher Hypo: 
theſen, "pehauptet ber nerjailer, ur Platos Allan; 
ti$ fein anderes Land als Schweden fei und dab 
bier die Götterlehre und er der ältejten Bölfer 
ihren Urſprung hätten. NR. war aud) einer der be; 
deutenditen Mechaniter S wedens und erwarb ch 
um die —— * Ipfala große Verdienſte. 
Er ftarb 17. Sept. 1 
ein Sohn, Das: von R., geb. 15. März 
1660, folgte ihm als Profeſſor an er Univerfität 
und beforgte anfangs die «Campi Elysii», gab aber 
er naturhiltor. Studien, wovon feine «Vögel des 
lordend» einen trefilichen Beweis geben, auf, um 
ich ganz feiner «Lapponia illustrata » zu widmen, 
N. wurde 1719 in den Abdelaftand erhoben, 1739 
un und jtarb 23. März 1740, 
udelbach ( Andreas Gottlob). luth. Iheolog, 
acb. 30. Ecpt. 1792 zu Kopenhagen, ftudierte da: 


——— Studien und vereinigte ſich 
zur Belampfung der «Neologie in allen Richtungen⸗ 
mit —— mit dem er indeſſen ——— zerñel, 
Pie Herausgabe «Theologift Maanedsjtrift» 

13 Bde., 1825—28), Im J. 1829 folgte R, einem 

uf ala "Konfiftorialrat un "Superintendent nad 
Glauchau im Königreich —— wo er in ſcharfert 
Weiſe —— aut —— eine Reihe 
dogmatiſch⸗ polemiſ Schriften von orthoborer 
Richtung verfaßte. Gi Thätigteit entiwidelte 
er in der mit Queride herausgegebenen « ii 


fü: die gefamte luth. Theologie und fi on 
einen Predigten veröffentlichte er mehrere m: 
lungen, wie «Der Herr lommıt» * Bde. 1833 
— 34), «Biblif * eg (2 Bde. 340— 
44), «Kirchenipiegel» (2 —* — 1845), 
«Kitchenpoftille über > gelien» (2 Boe., 


enh. 1852—54), X im Eu: 1845 in: 
ee der —— Wirren fein Amt nieder und 
re nad Dänemark zurüd, wo er 2 J 

Kopenhagen an der Univerfität einige Seit Iheo 
Vorlefungen hielt, dann aber ‚1 ne d Mar 
Stagelfe zurüdzog und bier 3, 

Nudelöburg, eine im Kreiſe —— 

reuß. Regierun bezirls Merſe en! * 
en auf ſteiler Felswand am rechten Ufer der Saale 
182 m über dem Meere gelegene Ruine, Die Aus: 
— in die Güldene Aue bis Freiburg an der Un: 
trut und in das Eaalthal ift eine der ihönften im 
öftl. Thüringen. Bor der Burg haben die deutfchen 
Etudentenlorps den 1870—71 gefallenen * 
ſtudenten ein Denlmal errichtet. lich vo 


R. liegt gleichfalls an der Saale bie mon — 
mit zwei noch erhaltenen roman. 

war Zehn der — Meißen, air) —** 
lich zuerſt 829 als «Rothe — unweit Koſens er: 
wähnt und ericheint im_11. Jahrh. ala N. und 
Ruteleibispargl. F—— ürger 

1348 das Raubſchloß, defien Ruine jebt im Ben 


der Familie Schönberg iſt. Hier dichtele um 
ranz Kugler fein Lied «An ber zu u 
trande ſtehen Burgen ftolz und luh 
Rudelſtadt, —— im du — 
bezirt Liegnitz, Kreis Boltenhain, am 
1880) 1481 E und bat ein Sclo ein mit —* 
ab verbundenes bedeutendes werk und 
eine Steinlohlengrube. -.— liegt die Neu 
Adlerhütte für Silber, Kupfer und Blei. 
d. Gr. erhob den Drt 1757 jur freien 
unter glei Snditiger Abänderung des 
mens Hubelsdorf in ben gegenwärti 
' a ins Alec gehört vor an 
er Peene in die Dftfee, ge e Greife- 
wald des preuß. Re ierungsbeite Stralfund, i 


1 


Lotſenſtation und zählt Die Inſel wurde 
durd die Eturmflut —* = bis 13. Nov. 1872 


dem Untergang nahe gebradt. Hier 
24. Juni (4. ° Sul) 1630 Guſtav II, Adolf und a: 
öffnete damit feinen Feldzug in Deu 
Ruder, aud Riemen oder Neem 

(engl. oar und skull, frz. avirom und rame), ijt ein 
Hebelwerljeug zur Fortbewegungdes 
Menihentraft. Es beiteht aus —— 
Stange, deren oberes Ende mit dem Griff, das um 
tere mit einer fchau — Verbreiterung 
Blatt, verjehen ift. Auf zwei Siebentel feiner Zäng: 


vom Griff aus befindet fü ſich fein —*5*** in 
Dollen oder der — an dieſer Stelle üt 


28 


u 2 


Nuderfühler — Rudhart 


zum Schuß gegen Durchſcheuern mit einem band: 
breiten Lederſtreifen befchlagen und zum Schuß ge: 
gen Hinausgleiten mit einem Lederknopf verjehen. 
Handhabt der Nuderer nur ein einziges Ruder, ſo 
beißt dies jtet3 Kiemen; derfelbe ijt 3,67 m * 
Handhabt er gleichzeitig zwei Ruder, ſo werden dieſe 
Doppelruder oder Skulls genannt; das Skull 
ift 2,81 m lang. Dem entſprechend unterſcheidet 
man Niem: und Stullboote. Die Niemgabel oder 
Dollen befindet fich entweder auf ber Bordwand 
(daher Dollens oder Inriggerboote), oder auf Aus: 
legern (daher Ausleger: oder Dutriggerboote). Die 
heutigen Rennboote find fait ausſchließlich Aus: 
legerboote. Huber ift in der Sprache des Seemannd 
und des Seglers die Bezeichnung für den Steuer: 
apparat des Schiffes; der Ausdrud Steuer in dieſem 
Sinne iſt nit gebräuchlich. 

Ruderfühler (Steganopodes), eine gut haral: 
terifierte Ordnung der Vögel mit verichieden geital: 
tetem Schnabel, Heinem Kopfe, geitredtem Körper, 
mäßigen Flügeln mit ſpihen, bisweilen fehr langen 
Schwingen, mit bis an den Lauf befiederten Beinen; 
alle Zehen liegen in einer Ebene und find durch eine 
aemeinfame, vollitändige Shwimmbaut verbunden. 
Die 61 Arten, die man in eine Anzahl von Gat— 
tungen und Familien verteilt bat, find zum Teil 
tosmopolitiich, zum Teil auf die Tropen beſchränkt. 
Zu den R. gebören die Pelilane, der Tölpel, der 
Eormoran, der Fregattuogel und der Tropikvogel. 
Alle legen wenig, höchſtens zwei, Eier, find Neithoder 
und ernähren ſich faſt ausſchließlich von Fiſchen. 

NAuderpinue, ſ. Pinne. 

Müdersdorf, Dorf in Kreiſe Niederbarnim des 
preuß. Regierungsbezirls Potsdam, 30 km im O. 
von Berlin, Station der Linie Fredersdorf-R. der 
Vreußiſchen Staatsbahnen, zählt (1880) 2024 €. 
Dabei liegt die felbitändige Gemeinde Rüders— 
dorfer Kalkberge mit 2179 E. Die Hlalkberge 
felbjt ziehen fich zwiichen dem Stleinen Krienſee und 
der Kolonie Alte Grund als ein 3,7 km langer 
Höhenrüden bin, auf weldem der Arnimäberg 
77,2 m, der Echulzenberg 75,3 m, der Glodenberg 
64,6 m und der Sirienberg 56,5 m Höhe haben. 
Dieſe tiolierte Maſſe von Gejtein bes Buntjand: 
jteins und Mujcheltalts iſt im 13. Jahrh. von den 
damaligen Lehninhabern, den Giftercienfermöndhen 
bes Kloſters Zinna, benukt worden; 1549 wurden 
die Brüche kurfürſtlich; 1769 wurde in R. ein Berg: 
amt gegründet, Seit 1855 hat Berlin durch über— 
laſſung des ihr gehörenden Bruches und ihrer zu 
N. belenenen Ländereien an den Fiskus ein Sedhitel, 
ber Fislus fünf Sechſtel des Neinertrags bei Aus: 
beutung des Lagers auf gemeinjchaftlice Rechnung. 
Durch unterirdiiche Kanäle wurde die Förderung 
wejentlich erleichtert. Mit der Spree jteben die 
Brühe dur das ſchiffbar gemachte Mübhlenflieh 
und den Kallgraben in Verbindung. Byl. Ed, «R. 
und Umgegend» (Berl. 1872), 

Anderfport it ber Betrieb des Ruderns als 
geſundheitsfördernde Leibesübung, erg her 
Berüdjchtigung bygienifcher und tehnifcher Grund: 
fähe ausgeübt. Die Vervolllommmung des Nuber: 
materials hat dem R. thatfächlich die Cigenichaften 
einer den ganzen Hlörper fräftigenden Übung ver: 
lieben; feit Erfindung des Gleitfikes arbeiten nicht 
mehr nur Hände, Arme und Dberlörper, fondern 
in gleicher Weije auch Unterleib, Beine und Füße 
bes Nudererd. Heimat des N. ift England, Geit 
1880 hat derjelbe auch in Deutichland einen groß: 


885 


artigen Aufihwung genommen, ſodaß Mitte 1885 
dem «Deutichen Nuderverbande» bereits 7 Negatta- 
und 90 Rubervereine mit 2650 Mitgliebern ange: 
hörten; Ehrenpreife, geftiftet vom Kaifer und vom 
Unterrl töminijterium zufegattagweden, beförbern 
die Ausbreitung des R. England befist etwa 250, 
anfreic 60 größere Rubervereine. gl. Grum: 
acher, «Rudern und Trainieren» (Wien 1880); 
«Maflerfport, Fachzeitfchrift für Rudern und Ge: 
— 1883 fg.). . 
Rüdesheim, Kreisftadt des Nheingaufreifes im 
* —————— Wiesbaden, am Fuße des 
iederwaldes und dicht am Rhein, oſtnordöſtlich 
Bingen und Bingerbrüd gegenüber gelegen, mit 
bem e3 zum Anſchluß an die —— durch eine 
Dampffähre in Verbindung fteht, Station der 
Linie Frankfurt: Weplar der reußiſchen Staats⸗ 
bahnen, Sig eines Landratsamts und eines Amts: 
geriete zählt ia Frag meiſt Fr E., hat einen 
tünftlihen Winterhafen, fehr lebhaften Stroms 
und Eifenbahnverfehr und ift befonders durch das 
ausgezeichnete Prodult feiner Weinberge berühmt, 
die einen durch Fülle, Bouquet und Feuer aufge: 
eihneten Rheinwein (Rüdesheimer), einen der 
eiten des Rheingau (}. d.) liefern. Der befte Wein 
wachſt bier auf den Tallſchieferfelſen und vermitters 
ter Graumade bes Nieberwaldes. Die Weinpflan: 
zungen nehmen 204,35 ha ein und geben jährlich 
ungefähr 7800 hl, Die beiten Lagen find ber 
Nüdesheimer Berg ftromabwärts, Nübesheimer 
Hinterhaus, Rottland, Biſchofsberg und Engerweg 
unmittelbar hinter ber Stabt. Der Nüdesheis 
mer Berg, die fühl, Abdachung des Nieberwaldes 
zwifchen der Stadt und der 1210 erbauten und 
1689 von ben Franzofen zeritörten Burg Ehrenfels, 
wo ber Rhein feine weſil. Richtung in eine nörb: 
liche verwandelt, um das Schiefergebirge zu durch: 
brechen, iſt die großartigfte Weinberganlage im 
Rheingau und enthält an 100 ha. Nach dem Gipfel 
des Berges, dem fog.Niedermwalbd (f. d.) mit dem 
Nationaldentmal, führt von R. eine —— 
Weinbau und Weinhandel bilden die Hauptbeſchäf—⸗ 
tigung ber Bevölkerung; auch find drei bedeutende 
Schaumweinfabriken vorhanden. Urkundli wird 
N. ſchon 864 erwähnt. Es war Siß bes edeljten 
thein. Geſchlechts «von Rudesheim», das 1668 mit 
den «Brömjern» auzftarb. Vgl. Schmelzeis, «N. im 
a (Rüdesh. 1881). 
Nubhart (Yanaz von), bayr. Staatsmann, 
eb. 11. Te 1790 zu Beihmain in Oberfranten, 
tubierte in Landshut die Rechte, wurde 1811 an 
die Univerfität Würzburg für Gefhichte, Gefeb: 
ebung und Völkerrecht und als Mitglied des 
prudpfollegiums der Juriſtenfalultät berufen. 
Nachdem R. durch feine « Gejchichte der Landftände 
in Bayern» (2 Bde., Heibelb. 1816; 2. Aufl., 
Münd. 1819) die Aufmerkjamteit der Negierung 
erregt, erfolgte feine Ernennung al3 Rat des Ge: 
neralfigtalats_zu Münden. Zwei Jahre fpäter 
ward er Minifterialrat im Departement der Finan⸗ 
zen, Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften, 
1823 Direltor der Finanzlammer bei der Regierung 
in Bayreuth und 1826 in gleicher Eigenſchaft nad 
Regensburg verfekt. In dieſer Zeit vollendete er 
fein Wert «tiber den Zuftand Bayerns» (3 Bde., 
Erlangen 1826—27). Seit 1825 wurde er von den 
Städten in Franten wiederholt zum Abgeorbneten 
in die Ständeverfammlung gewählt. Im J. 1832 
perjönlich geadelt, ging er als Generallommillar 


886 


und —— nad) Paſſau; 1836 wurde 
er zum bayr. Staatörat, ar zum "Minifter des 


nnern und Gonfeilpräfidenten des Königs von’ 


and ernannt; er nahm *8* ſchon nad 
einem Sabre Ie feine Entlafjung. 
Mai 
Sein jüngerer Bruber, Georg Thomas R,, 
eb. 27. März 1792 zu Weißmain, dierte bie 
echte zu Erlangen und Landshut, wurde 1827 
Brofefior am Lyceum zu Bamberg, 1847 zum Bro: 
eſſor der bichte e zu Münden und 1855 zum 
ireltor des —3 ernannt, wo ihm die 
Leitung der Kommiſſion zur Herausgabe der bayr. 
und eng Geichichtäquellen dan Er ftarb 
Ken Münden 10. Dez. 1860. en einen hiſtor. 
—— find zu erwähnen: mas Morud» 
b. 1828) und «Slitefte Pr ehe Bayerns» 
hey 1841). Bon den « Regesta rerum boica- 
rum» bearbeitete er Bd. 13 (Manch. 1854). 
üdiger (Fedor Waſſiljewitſch, Graf), ruſſ. Ge: 
neral der Kavallerie, geb. 1784 zu Mitau, zeichnete 
id als Kommandeur bes Grodnoer Huſarenre 
iment3 1812 namentlich in der Schladht von Po: 
Kost aus, wurbe fhwer verwundet und ftieg zum 
Generalmajor auf. In den J. 1613 und 1814 nahm 
er faſt an allen Gefechten bes erg 
Korps in Deutichland und Frankreich teil. Im 
Jan. 1826 wurde R. Generallieutenant und 1828 
mit der 3, Hufarenbivifion zur Teilnahme an bem 
Türfentrieg berufen. Als Vorhut des Rudſewitſch— 
fhen Korps rüdte R. rafh von ber Donau bis 
Küftendiche, nahm dieſe Feitung 24. Juni, bejtand 
ein hihiges Gef t bei genibafar und bejehe Kos: 
ludſchi. Er wurde dann in den Rüden der türf. 
Armee entiendet, bemädhtigte ſich Esli-Stambuls, 
— ug. ein türt. Korps bei joteſch wurde 
aber dann zum Küdzug —— Als die ruſſ. 
Hauptmacht —— die Donau abzog, blieb R. mit 
ſeiner Abtheilung in Baſardſchil — und erhielt 
im Fruhiahr 1829 den Befehl über das 7, Infan⸗ 
terielorps. R. ſchlug 18. Juli ein türk, Detache: 
ment bei Kjupriloi, eroberte Burgas und Segen 
und trug zum Siege bei Selimno 12. Aug. 


meiſte bei. Noch wichtigere Dienite ie, er = Walfiſchemb 


poln. Feldzug von 1881. Nachdem er den in Bo: 
bolien eingefallenen Dwernicti durch den Sieg bei 
Boromel über die öfterr. Ar rüdte er 
in das Königreich Polen ein te 19 * den 
Generalen Turno und Yantomfti bei Lifobyli eine 
—— bei, ging 7. Aug. bei Jozefow fiber die 
Meichfel, vernichtete i in einer Reihe blutiger Gefechte 
die Korps von Nozycli und Kaminſti und zog 
27.Sept. in fralau ein. Seine erfolgreichen Opera: 
tionen wurden durch die Ernennung zum General 
der Kavallerie und Chef des 3. Infanterielorps be: 
lohnt. Im 3. 1835 befebligte er das ruf). Lager | 9 
bei Kaliſch, und 1846 bejekte er zum zweiten mal 
Kralau. Im Olt. 1847 erhob ihn Kaiſer Nitolaus 
in den Grafenſtand. In dem ungar. Feldzug von 
1849 nahm R. an * Kämpfen bei Raipen und 
Debregzin teil, verfolgte dann Görgei auf dem 
Mege nad) Arad un loß mit diefem 13. Aug. 
die —— von Bilagos. R. kehrte nad) Po: 
len zurüd, legte jedoch im Sept. 1850 das Kom— 
mando des 3. Korps nieder und wurde zum Mit: 
lied des Reichsrats ernannt. Er lebte —— — 
— ward aber im März 1854 nach Wa 
ihau berufen, um dort Basfewitih als — 
neur zu vertreten. Im April 1666 beriefihn Aleran: 


ftarb zu Trieſt 


ka 


Rüdiger — Rudiſten 


der II. vom Dberbefehl des Gatbe: und Grenabier: 
u: 9 Lund gt, rl3bad 23. juni 1856 
üdiger von Bechlaren, eine ber fcöniten 
Gejtalten des Ribelungenliedes, in welcher das ect 
Meni gg zu herrlicher Etſcheinung lommt. Mart- 
prof 3. ‚im Dienite des gr Esel von — 
and ſtehend, wurde von dieſem nach W 
2 um für ihn um Kriemhilds Hand zu —— 
Er geleitet riembild in ihre neue Heimat, empfängt 
bann die von ihr —— Burgunder gaſtlich 
auf ſeiner —— erlobt dem jungſten derſelben 
2 vd —— und zieht mit ihnen an Etzels 
ausge —— hält er 
A —— Fr ee aber, nachdem bie meiiten 
Heunen gefallen, von Sirientbild an feinen Eid 
erinnert, ihr Leid rãchen zu wollen, und muß nun 
das Schwert egen feine Reue sieben. Er fällt 
famt feinen Mannen im Zweilampf; er und Ger: 
not töbten 129 gegenfeitig. Bgl. Muth, «Der My⸗ 
thus des Marlarafen R.» (Wien 1877). 

Rudigier —— — ‚geb: 6. April 1811 
zu Barthenen (Vorar erhielt 1835 die Bricfter: 
weihe und wurde 1852 Biſchof von Linz. Er war 
einer der eifrigften Borlänpfer der diterr. Klerifalen 
und hat I] namentlid) befannt gemacht durch feinen 
Hirtenbrief vom 7, Sept. 1868, in weldyem er die 
eriten tonfefiionellen Geſe Öflerreiche mit großer 
Heftigfeit angel weöhalb er wegen Störung ber 
Öffentlichen re von dem Schiwurgericht zu 14 
Zagen Gefängnis verurteilt wurde; doch er 
der Kaifer die Strafe auf dem Gnadenwege. Sm 
Vatikaniſchen Konzil war R. ein Gegner ber Infalli⸗ 
bilität, unterwarf fih aber bann den Konzils: 
u = = üffen, Er ftarb 29. Nov. 1884 in Linz. 

ndimentäre aue heißen bei fait allen 
Tieren vorfommende Organe, welde entweder 
ſich nicht vollftändig ausgebilbet baben oder von 
einer frühern Entwidelung zurüdgejunten und all: 


mãhlich unbraudbar Fuge find. — — 
terſuchungen haben x brt, daß ſolche 
mentlich diejenigen der erften Art, einen 


für die Abſtammung des Typus neben, bei —— 
fie vorlommen. So finden wir in ben Kiefern ber 
ryonen Zahnteime, welche niemals zur 
Entwidelung kommen, fondern fpäter durch Se 
iſchbeinbarten erſetzt werden. Da nun die übrigen 
Jaltiere, wie Delphine, Bottwale u. f. w., Zähne: 
in den Kiefern tragen, jo ſchließt man aus diejem 
Vorkommen von rubimentären Zähnen bei ben 
Embryonen der Walfiiche mit Recht , daß diefe von 
Voreltern abitammen, die Zähne bejapen. Ebenio 
fließt man aus den mangelhaft oder faum aus- 
gebildeten Augen der Höhlentiere, dab deren Vor⸗ 
en volltommene Augen bejaßen, bie fpäter in⸗ 
e des Nichtaebrauchs beim Aufenthalt i in dunleln 
—5* rüdgebildet wurden. Sehr häufig bleiben 
bei ausgebildeten Tieren Rubimente von Organen 
urüd, welche im Jugend: oder Larvenzuftand voll: 
h tänbig entwidelt waren, während bei andern ge- 


eile, wie Stadeln, Beine u. ſ. w., im Lauf 
der Entiidelung zwar angelegt oder a 


—* 
aber nicht ausgebildet werden, obgleich 
bei benadhbarten Arten vollftändig jur Erf =. 


wiſſe 


tommen. Das Studium der rudimentären Organ: 
ze deshalb für die Betrachtung der Entwidelung 
ner tämme fehr wichtig. 
imente (lat.), Em Anfähe (eines Orgens 
Anfangegründe. 


‚ f. unter Hippuritentalt. 





Nudkjösing — Nudelf IL -(deutfeher Kaifer) 


Nudkjöbing, Stabt auf Yangeland (ij. d 
—— — in Serbien deſſen Cafe 


N, 
Epihe Sturak (Sturac) 1104 m beträgt. Das Ge: 
birge zu dem reife den Namen, nein ben füb- 
U. Zeil der madija einninrmt, auf 1558,5 
km (1884) 59 180 E. zählt und zur Hauptitadt 


—— bat. 

if L., deuticher * 1273— 91, geb. 
1. Rai 1218, war der älteite Sohn —— V. 
Grafen von Habsbur. (j. d.) umd Landgrafen vom 
Gliaß. Rad deſſen (1239) erſchien er wieder: 
bolt und nod) 1245 am Hofe Friedrichs II. in Ita⸗ 
lien; aud) geleitete er 1267 Konrabin bis Verona. 
Seine Bejigungen wußte er in wiederholten Fehden 
ſowie durd) Beerbung des legten Grafen von Sy: 
burg und durch feine Bermählung mit Gertrube 
(Auna), der Tochter des Grafen 
So — und nach bedeutend zu erweitern. 
Der Ruf 


1257 die Landleute von Uri, ihn zur en 
innern Zwifte zu berufen, und führte zu Bünb- 
niſſen den Bürgern von Straßburg et 
—* und eine? Erbſtreits am bie Graf⸗ 
burg in biutige Fehden verwidelt, aus denen er 
— hervoroi * 

— 

rien, . 
Kb Hilfe die Stadt Bajel und deren Bifchof, 


. Auch mit dem Abt von : 


welche die R. augetbane patriciiche Partei der Stern: | 


träger vertrieben hatten, zu betriegen. Er hatte 
indes nach Ablauf eines dreijährigen Waftenftill- 
ftaubes 1273 den Krieg gegen Baſel erneuert und be: 
lagerte die Stadt, alsihm der Burggraf Friedrich von 
u un Nachricht von feiner 29. oder 30. Sept. 
u Frankfurt erfolgten Erwählung zum deutſchen 
önig fiberbradhte. Sogleich unterwarf ſich die 
Stadt Bafel und nahın die Vertriebenen wieder 
auf; R. aber na 
Krönung empfing. Der Bapft Gregor X., welcher 
ur_Heritellung georbneter Zuftände und in der 
rn auf einen Kreuzzug eifrig die Königswahl 
betrieben hatte, begfinftigte und unterjtüste ihn; den 
Vialggrafen Ludwig und den Herzog Albert von 
Sachſen gewann er durch Berheiratung mit feinen 
Töchtern. Hierauf zog er gegen König Ottolar II. 
von Böhmen und Herzog Heinrid von Bayern, Die 
beide troß wicderholter Aufforderungen ihm bie 
Huldigung verfagten, ins Feld, brachte zunächſt 
Heinrich auf feine Seite und nöthigte Ottolar, um 
Frieden zu bitten. Demfelben zufolge mußte Otto: 
far Öfterreih, Steiermarl, Kärnten und frain 
herausgeben, wurbe dagegen der Adıt entledigt und 
mit Bohmen und Mähren belchnt, Nov. 1276. In 
einem Kriege verlor Dttolar jebod) in der 
Schlacht auf dem Marcfelde 26. Aug. 1278 das 
Leben. Bon den Ländern des Böhmenkönigs gab 
N. defien Sohne Wenzel Böhmen und Mähren zu: 
rüd, nahm aber Oſterreich, Steiermark und rain 
mit Bewilligung der Kurfürjten für fein eigenes 
Haus in Belik und nte damit 27. Dez. 1282 
—— —*— Albrecht 1. G. d.) und Rudolf, welcher 
estere ſchon 1290 ftarb und einen Sohn, Johannes 
Parricida, hinterließ. Kärnten erhielt jpäter der 
Graf Meinharb von Tirol 
Auf leichtere Weife wurde R. von feinem Gegen: 
Tönig Alfons X. von Gaftilien befreit, indem der 
Bapit ihn durch Bedrohung mit dem Bann zwang, 
ber beutichen Krone zu entfagen, R. richtete fein 


Burdard von | Die U 
iner Zapferleit und Gerechtigleit bewog 


it Kyburg wurde er mit dem Biſchof von Strap: 


Aachen, wo er B. Dit. die 





887 


Bemühen darauf, durch Zurüdnahme der Güter 
und Gerechtſame bes. Reichs die kaijerl. Macht 
wieber:zu flärten, und durch Herftellung des Land: 
friedens die Gefeklofigkeit zu befeitigen. Er lich 
allein in Thüringen 66 Naubfchlöffer zeritören. 
Den Hurküriten fiherte er ihre Rechte ‚ unternahm 
auch nichts Wichtines ohne deren Zuftimmung , die 
er ſich mittels der Willebriefe, weldde nachher von 
feinen Radhfolgern beibehalten wurden, erteilen lich. 
Den Grafen von Savoyen, der mehrere deutiche 
Reihslehen in der Sch fd) zugeeignet, zwang 
er mit Maffen zur Nüdgabe derielben; den 
Fe von Sedburgund, eh in uno 
auf vie Hilfe Yran er Lehns t gegen das 
Deutice Neident ieben wollte, ſowie andere wider: 
ipenftigeReichsvalallen nötigte er zur Unterwerfung. 

e Unruhen in Böhmen, wo der Markgraf Dito 
von Brandenburg fein Mündel, den König Wenzel, 
gefangen hielt und ſich der Herrſchaft bemädhtigen 
wollte, endigte N. mit iung des böhm. Königs 
und Vermählung desſe mit feiner Tochter. 
Rad) bem Tode feiner erften Gemahlin (geft. 1281) 
vermäblte N. ſich 1284 mit Clifabeth (Agnes), 
Tochter des Herjogs Hugo IV. von Burgund, Gr 
ftarb zu Germersheim 15. Juli 1291 und wurde 
u Speier begraben. Unermudet thätig, einfach in 

itte und Lebensweije, berablaflend genen jeder: 
mann, großmütig und gerecht, ein fter von 
Zapferleit, war er redlich bemüht, das Deutiche 
Reich aus jeiner gm Herrüttung aufzurichten. 
Seine Erfolge find a — zu überfhäten,, wie 

we 


der große Anhang zeiat, weldyen der gegen R. auf: 
tretende faliche Friedrich H. — uch gelang 
es nach dem Tode ſeines achfolger beitimmten 


Sohnes Rudolf nicht, für dem allein übriggeblie: 
benen Albrecht die Stimmen zu gewinnen und i 
eine feitere Thronfolge zu begründen, Vielmehr 
wurde Abolf von Naſſau gewählt, RE 

. Böhner, «Die Regeſten des Kaiſerreichs 
1246 — 1313» (Stuttg. 184); Kopp, « Gefdichte 
der eidgemöffiihen Bünde» (Buh 1—5: «Höni 
N. und feine Zeite, Lpz. 1847; vollendet von Bul: 
fon, Berf. 1871); Alf. Huber, «R. vor feiner Thron: 
beiteigung» (im «Almanad) der laijerl. Alademier, 
Wien 1873); Loren;, «Deutſche Geſchichte im 13. 
und 14. Jahrh.» (Bd. 2, Wien 1867); Hirn, «N. 
von Habäburg» (Wien 1874). 

Rudolf IL., deuticher staijer 1576— 1612, Sohn 
Kaifer Marimilians IL, geb, 18. Juli 1552, am 
ſpan. Hofe von Jeſuiten erzogen, ward, nachdem er 
ihon 1572 die ungar. und 1575 die böhm. Krone 
nebjt dem Titel eines röm. Königs erhalten hatte, 
nad) feines Vaters Tode 12. Dit. 1576 zum Kaiſer 
gewählt. Während der Zwiit zwiſchen den Reli: 

ionsparteien im Neid) ſich immer tiefer grub, lebte 

. weltabgewandt und thatenicheu viele Jahre auf 
den Hradſchin zu Prag. Seine Liebhaberei war, 
in feinen Sammlungen, unter jeinen kojtbaren Ge: 
mälden, Kupferſtichen, Handſchriften und Büchern, 
in feiner Ruſtlammer und feinen naturhiſtor. Mufeen 
umberzugehen oder mit Aitrologen und Aldimijten 
die Geheimniiie der Zulunft und der Welt zu ent: 
rätieln. Auf den Neichätagen 1582, 1594, wo er 

rfönli zu Regensburg erſchien, und 1608 ver: 

uchte er, gegen die Türken die Hilfe der Stände zu 
gen, namentlich feit 1593 wurbe durch ganz 

ngarn mit der größten Erbitterung und wachen: 
dem Unglüd der driftl. Waflen gegen die Tür: 
ten gefämpft. Der lath. Reaktion ließ er in den 


888 


Erblanden wieim Reich freie Bahn. Hier lam es denn 
* — — —— im —— 
eg zur Du er Gegenreforma⸗ 
tion in ben latholiſch —— Stiftern und 
Furſtentümern, zu den fath. Triumphen Mar’ I. 
von Bayern bis zur Vergewaltigung ber prot. 
Reichsſta ——— zu ben Kammergerichtö: 
prozefien, die alle gegen die Brotejtanten entichieden 
wurden, während in ben öſterr. Yanden bie Erz 
berzöge Marimilian, Ferdinand und Matthias un 
R.s böhmiſcher Nat ftet3 ungeicheuter bie prot. 
Glemente unterbrüdten. Gegen Ende der Regierung 
aber trat eine Wandlung ein. Indem fich die prot. 
Stände zur Union ———— die katho⸗ 
liſchen dagegen die Liga bildeten, gerieten die Erz⸗ 
berzöge, vor allem Rs eigener Bruder Matthias, 
mit dem kinderlojen Kaijer in Zwiſt. Im J.1 
rüdte Matthias gegen R. ins Feld: geftügt auf den 
prot. Abel der Erblande, troßte er dem Bruder die 
Grhebung zum Gubernator in Oſterreich und 
Mähren, wie zum König von Ungarn ab. Hier: 
durd ward aud R. dazu getrieben, die prot. Ariſto— 
kratie für fich zu gewinnen. Im J. 1609 v. er 
auf dem Landtage zu Prag den Najejtätsbrie ‚wel: 
erden Evangeliichen Böhmensalle Freiheit verhieß. 
Auch von ben Reichsſtänden ſah fih R jekt wett: 
eifernd ummorben: beiden Gehör gebend, fuchte er 
fich über ihnen zu behaupten, zumal da eine ver: 
mittelnde Partei, geführt von Sadıfen, ihn darin 
zu beftärten fuchte. Einen Moment ſchien erzu trium: 
phiren: Matthias leijtete Abbitte im Sept. 1610; 
ein neuer kath. Realtionsverſuch R.s aber brachte 
feinen Bruder im März 1611 auf3 neue ins Land; 
während er jubelnd empfangen und in Brag —— 
wurde, ſah R. den Boden unter ſeinen üben ſchwin⸗ 
den. Er ftarb 20. jan. 1612. Vgl. Gindely, «R. II. 
und feine Zeit» (2 Bde., Prag 1363—65). 
Rudolf L., König von Burgund, war urjprüng: 
lid) ein Graf am \jura, welcher bei dem Zerfall des 
Karolingiihen Reichs nad der Abſeßung Kaifer 
Karls III. des Diden 889 zum König bes trans: 
juranifhen Burgund oder Hochburgunds ausge: 
rufen warb und unter ſich namentlich bie Meit: 
ſchweiz und bie Franche-Comteé vereinigte. Seiner 
Ausbreitung nah dem Elſaß bin trat Kaifer Ar: 
nulf entgegen, ber ihm feine Oberberrlichteit auf: 
zwang. Diejer konnte Burgund (j. d.) auch unter 
ben ——— Königen (R.8 Sohn Rudolf IL. 
912—937, Konrad bis 993, Rudolf III. bis 1032) 
niemals fi volljtändig entziehen, bis es nad) dem 
Tode des leßten Königs vom Kaiſer Konrad II. 
on mit dem Deutſchen Reich vereinigt ward. 
udolf, Erzherzog und Kronprinz von Bfter: 
reih:Ungarn, geb. 21. Aug. 1858 als einziger Sohn 
des Kaiſers Franz Joſeph und der Kaiſerin Elifa- 
beth, genoß einen gründlichen und vielſeitigen Un— 
terricht, wurde 24. juni 1877 mündig erlärt und 
trat 23, Juli 1878 beim 36. Infanterteregiment in 
den aktiven Kriegsdienft, avancierte im Sept. 1880 
zum Generalmajor und gleichzeitig zum Kontre— 
abmiral, Am 6. April 1881 zum Kommandanten 
der 18, Infanteriebrigade in Prag ernannt, rüdte 
er 1883 zum Feldmarſchalllieutenant und Vize: 
abmiral vor und übernahm die 25. Truppendivifion 
in Wien. R. it Chef des 2. Artillerie: und eines 
Ulanenregiments und außerdem eine3 preuß., bay. 
und eines ruf. Regiments. Ein ausgezeichneter 
Kenner der Drnithologie, eifriger Foriher in Na: 
turwiljenichaften, ftand er jahrelang in intimem 


Nudolf I. (König von Huround er Nubolf-pon-Schwaben 


—— und wiſſenſchaftlichen Verlehr mit dem 
ithologen Brehm, ebenſo mit Homeyer. Ein 


Ergebnis ſeiner Studien und Zanderuggen ift ba3 


Wert «fünfzehn Tage auf der Donau» (Rien 1881; 
2. Aufl. 1885), ausgezeichnet burd die Plaſtik der 
Naturfhilderungen; dann folgte «Eine Drientreiie» 
(Wien 1884). Auf feine Anregung und unter fei- 
ner Mitwirkung erſcheint das groß angelegte Wert 
«Die Oſterreichiſch⸗ Ungariſche Ronarchie in Wort 
und Bild» (Wien 1886 fg.) Eeit 10. Mai 1881 
iſt R. Nr der Prinzeſſin Stephanie von Belgien 
vermäblt. 

Rudolf von Ems oder Hohenems in Bor: 
arlberg, Dienitmann ber Grafen von Montfort, 
war einer der nambafteiten deutſchen Epiler bes 
13. Jahrh., ein der franz. und lat. Sprache hım- 


608 | diger und in ben Werten der gleichzeitigen deutſchen 


Dichter bewanderter Mann, der namentlih an 
Gottfried von Straßburg gejchult und fo eine ge: 
wandte Fertigkeit des Ausdruds erreicht hatte. 
Unter feinen erhaltenen Werten ift bas ältefte und 
zugleich das vorzüglichfte «Der gute Gerhard», eine 
—— — der felbjtzufriedenen Werkbeilig- 
9— —— thäti A — —— 

erzensgũute gegenüberfte rausg. von Haupt, 
Lpz. 1810; überjekt von Simtod, 2. Aufl., Stut 
1864); vol. dazu Simrod, « Der gute Gerhard u 
die banlbaren Toten» (Bonn 1856). Darauf folgt, 

edichtet zwiichen 1220 und 1223, «Barlaam und 
Sofaphats (j. d.) (herausg. von Köple, Königsb. 
1818; von Ffeifer, Lpz. 1843); ferner « Wilhelm 
von Orlens» (vor 1241). Lehteres Gedicht iſt noch 
ungedrudt; eine ablürzende gereimte Umarbeitung 
des 15. Jahrh. erichien 1491 zu Augsburg. In dem 
auf zehn Bücher und etiwa 50000 Verſe angelegten, 
aber vielleiht vom Dichter ſelbſt unvollendet ge: 
lafienen « Alerander» geht R., unter Anwendung 
einer gewiſſen biper. Kritik, teild auf Vollſtändig 
feit, teils auf hiſtor. Glaubwürdigkeit aus und 
legt deshalb neben der «Historia de preliis» den 
Gurtius zu Grunde. (Nur ſechs Bücher haben ſich 
in einer einzigen Handſchrift erhalten und find nod 
ungedrudt; vol. Bingerle, «Die Quellen zum Aleran: 
der des R.», Bresl. 1885.) Demjelben mebr bütor. 
als poetiſchen Beftreben gehört endlich auch die im 
Auftrage König Konrads IV. nad Anleitung der 
Bibel und der « llistoria scholastica» des Petrus 
Comeſtor zwiihen 1250 und 1254 begonnene und 
bis auf Salomos Tod geführte «Weltchronit», vor 
deren Bollendung N. in Italien ftarb. Sie warb 
nah R.3 Tode durd mehrere ſchwache liberarbei: 
tungen und Fortießungen verunftaltet und in diefer 
torrumpierten Gejtalt herausgegeben durch Schutze 
unter dem Titel «Die er Bücher des Alten 
Tejtamentd» (2 Bde., Hamb. 1779— 81). Bol. Bil: 
mar, «Die zwei Recenjionen und die Handſchriften 
familien der Welthronit R.3 von Ems» (Marb, 
1839). Ob R, auch Lieder gebichtet habe, iſt uns 
betannt; die unter dem Namen Rudolfs des 
Schreibers erhaltenen Lieder werden dem N. mit 
Unrecht zugeichrieben. In jeinen erzäblenden Ge 
dichten aber bat er dem Geichmad feiner Zeit: 
genoſſen fo jehr entiprodyen, dab fie zum Teil in 
zahlreichen Hanbfchriften erhalten find. 

Rudolf von Schwaben, Gegentönig des Slai: 
fers Heinrich IV. (f. d.), Graf von Rheinfelden, er: 
bielt 1057 das erledigte Herzogtum Schwaben von 
der Kaiſerin Agnes, der Mutter Heinrichs IV., und 
wurde mit deren Tochter Mathilde vermählt, die 


Nudolfiniſche Tafeln — Rudolſtadt 


aber ſchon 1060 ftarb. Auf bes Königs Geite trug 
R. weientlih bei zu dem Siege an der Unftrut 
13. Juni 1075 über die Sachen, Indeſſen nad) 
dem Belanntwerden des Bannipruch® Gregors VIL. 
ſchloß auch N. fih an die Unzufriedenen an und 
fehte, im Verein mit den Herzögen Welf von Bayern 
und Berthold von Kärnten, auf ber Fürſtenver— 
fanmlung zu Tribur 16. Dft. 1076 den Beſchluß 
durd, dab Heinrich, wenn er nicht binnen Jahres: 
friit vom Bann losgeſprochen würbe, ber Krone 
verluftig gehe. Obwohl Heinrich IV. fich in Canoſſa 
die Abfolution erwarb, ließen die en fi) ba: 
dur nicht abhalten, in Anmwefenbeit der päpftl. 
Legaten zu Forchheim 15. Dar 1077 den erton 
R., unter der Bedingung, daß die Biihofswahlen 
frei feien, die Königswürde aber in keinem Fall 
erblich fein folle, zum König zu wählen, worauf er 
a Mainz 26. März gelrönt wurde. —* Gregor 
eſtätigte nach langem Zaudern die Wahl R.s; doch 
fand Heinrich IV. nach feiner Rüdkehr aus Italien 
ſo viel Anhang, daß R. ſich zurüchziehen mußte. 
Heinrich ließ nun auf einem Fürftengericht zu Ulm 
die pi R., Welf und Berthold nah alamann. 
Recht als tajeftätäverbredyer ächten. Bei Mellrich: 
ftadt 7. Aug. 1078 fam es zur Schladht mit zweifel: 
baftem Ausgang; Heinrich erneuerte, en). ga er 
das von R. jejiene Herzogtum Schwaben feinem 
Schwiegerfohn Friedrich von Hobenftaufen ver: 
lichen hatte, bald darauf den Kampf. Gr unterlag 
in den Schlachten bei Fladenheim 27. Jan. 1080 
und an der Gliter unweit Merfeburg 15. Oft. 1080; 
doch wurde R. in der lehtern jo gefährlich ver: 
wundet, dab er an demjelben Tage ſtarb. Den 
Berluft der rechten Hand, welde ihm abgehauen 
war, betrachtete man als Strafe des Treubruds; 
daß aber ka von Bonillon ihn verwundet 
yabe, iſt eine erit ſpät auftauchende Sage. Man be: 
zrub ihm in der Domlirche zu Dlerfeburg, wo fein 
Srabmal ar ſehen iſt und feine gedörrte Hand 
wfbewahrt wird, Bol. Grund, «Die Wahl Rudolfs 
yon Rheinfelden zum Gegenlönig» (Lpz. 1870). 

Rudolfinische Tafeln heißen die zur — 
ung des Laufs der Geſtirne von Tycho de Brahe 
ſ. d.) begonnenen und dem Kaiſer Rudolf II. zu 
shren fo genannten Tabellen, welde nachher von 
tepler nad) Brahes Beobachtungen, aber nad) eige: 
ıer Theorie ausgearbeitet wurden. Gie erſchienen 
n lat. Spradje (Ulm je) 

Nudolfsheim, jübmeitl. Vorort von Wien, zur 
zezirlshauptmannſchaft und zum Kommiflariats: 
ezirt Sechshaus gehörig, hängt mit den Vororten 
rünfhaus und Sechshaus ‚lanmen und zählt 
1881) 29915 €. Der Name ijt neu und zu Ehren 
es Kronprinzen Rudolf gegeben. 

Nudolföwerth (vormals Neuftadtl, ſſaw. No- 
omesto), Stadt im öjtl. Teile des öjterr. Herzog: 
ims Krain, an der Krainerfhen Gurk, einem 
echtsſeitigen Nebenfluß der Save, deſſen Thal öft- 
ch von dem größtenteils bewaldeten Uskolengebirge 
ejäumt wird, weldes die Grenze zwiihen Krain 
nd Kroatien bildet, it Sik einer, Bezirlshaupt⸗ 
tannjchaft und eines Bezirksgerihts, bat ein 
staatsrealgymnafium und gilt ah 2066 E., 
reift ſlowen. Zunge. ‚Die Stadtpfarrlirche (Stolle: 
iatlirche der von Kaiſer Marimilian L 1509 ge: 
ifteten Vropftei) enthält wertvolle Gemälde und 
‚ne große Zahl von Grabdentmälern. 

Nudolphi (Karl Asmund), Pbyfiolog, geb. 
4. Juni 1771 zu Stodholm, beiudte das Gym: 


889 


nafium in Straljund, ftubierte von 1790 an Mes 
pain Greifswald, 1794 in Jena, ging ham nad 
erlin und wurde 1797 Profefior in Öreifäwald, 
Um Erfahrungen über Tierarzneifunde zu ſammeln, 
bereite er im Auftrag der ſchwed. Regierung 1801 
—3 einen großen Teil des Kontinents und ließ 
dann die « Bemerkungen aus der Naturgefchichte, 
Medizin und Tierarzneifunde u. f. mw.» (2 Bde., 
Berl. 1804—5) erſcheinen. Im 3. 1808 wurde er 
ord, Profeſſor der Medizin in Greifswald, 1810 
al3 Profeſſor der Anatomie nah Berlin berufen, 
wo er ein anatom. und zootom. Mufeum begrün: 
dete. Man verdankt ibm viele phyſiol. Entdedun: 
gen und die wiſſenſchaftlichſten — — über 
Gingeweidewürmer, Gr ſtarb 29, Nov, 1832, 
Seine Hauptwerte find die «Entozoorum sive ver- 
mium intestinalium historia naturalis» (3 Bde., 
Amjterd, 1808—10), die er fpäter im Auszuge als 
«Entozoorum synopsis» (Berl. 1819) ericheinen 
ließ, und fein unvollendet gebliebener « Grundriß 
ber Bhyfiologie» (3 Bde., Berl. 1823—28). 
Rudolſtadt, die Haupt: und Nejidenzitadt des 
rg Schwarzburg:Rudoljtadt, 30 km jüd: 
ih von Weimar in einer der ſchönſten Gegenden 
Thüringens, an der Saale und der Saalbahn an: 
mutig zwiſchen freundlichen Bergen gelegen, zäblt 
(1885) 9249 E. Der Drt iſt Siß ber —— Re⸗ 
gierungsbehörden des Landes, eines Landgerichts 
und eines Amtsgerichts. Unter den vier Kirchen 
find die 1636 nmeuerbaute und 1879 vollftändig 
reftaurierte Stadtkirche und die 1874 erbaute fath. 
Kirche hervorzuheben. Auf einem Berge über der 
Stadt erhebt fih das füritl. Reſidenzſchloß, die 
Heidedäburg, mit einer Gemäldefammlung,, der 
rürftl. Handbibliothek, einem reichhaltigen geheimen 
Ardiv, einer Sammlung von Gipsabgüſſen antiker 
Statuen und Bülten und prachtvollen Sälen (be: 
ſonders der Große Saal mit Wandölgemälden von 
Dietrich und Freskodeckengemälden von Deifinger). 
Ein zweites Schloß, die Ludwigsburg, wurde 1742 
von dem Prinzen und —— Furſten Ludwig 
Günther II. erbaut und längere Zeit bewohnt, 
Gegenwärtig dient dasjelbe zur Wohnung des 
eriten Miniſters, während fid in einem andern 
Teile das namentlih an Mineralien und Kondy: 
lien veihhaltige Naturalientabinett, eine Zeichen: 
ſchule, eine Menage für das Militär und ein 
Möbelmagazin befinden. Andere anjehnliche Ges 
bäude find: das Negierungsgebäude, worin bie 
65000 Bände ſtarke fürftl, Bibliothek aufgeftellt üft, 
das Rathaus, das Boftgebäude, das Gebäude des 
1664 gegründeten, mit einer Realſchule verbun: 
denen Gymnafiums und das Schullehrerſeminar. 
Außerdem hat R. zwei et eine-höhere 
——— e, eine Armenſchule, ein Waiſenhaus, 
ein Militärlazarett, eine Yandes: Heil: und Pflege— 
anftalt und das Kurhaus Rudolsbad mit pradıt: 
vollen Bädern und großem Park und ein Theater. 
Der ſtadtiſche Gewerbfleiß erftredt ſich beionders auf 
Porzellan⸗ und Karbenfabrilation, Glodengieberei, 
Bierbrauerei, Obit: und Gartenbau. Auch beftebt 
bier eine große em. Fabrik, eine Chololadenfabrit 
und eine Fabrik von Patentiteinbaufaften, Gold: 
leiitenfabrit, Bianofortefabrit. In der Nähe der 
Stadt liegen das anipruchstoje Denkmal des hier 
1864 verjtorbenen Profeſſors Sigismund und im 
nahen Haine das marmorne Denkmal des Fürſten 
Ludwig Friedrich II., dann die Dörfer Kirchhaſel 
mit Gijenbabnbalteitation, Kumbach mit fürit. 


8% 


—— Woh mit Porzellanfabril. 
— —— * etwas abſeits 
—— mit A und Dentmal des Ar 
er Be a ee: er öffnet ſich 


—— — in welchem 


es unter der Botmäßigteit * fränt. Könige ftand. 
Später ging es in die Hände der deutſchen Kaifer 
über und kam hierauf an die Grafen von Orla 
— die ſeit 1227 ausdrũd lich ug von R. 
t werden. Bon diejen empfing N. feine 
Orten Gtaluten, welche von dem Grafen zu Schwar;: 
ri in beren Beſit es in der erjten Hälfte des 
Kat gelangte, unter andern von Günther 
III. 1404, beitätigt — Der 1710 in den 
rſtenſtand erhobene Graf dwig Friebrid 1. 
* ſeine Nachfolger, u er — 5* Fried⸗ 
rich II., ſorgten Ver F die Verihönerung und 
J— KETTE 
udo t orf Keilhau 
m Marttileden Schwarza mit 876 €. 
a uralte Stäbtdhen ei mit 504 €. 
— —— En 


(2Bde., Rudolit. 1862— | Zienb 


——— durch » (Aud olft. 1882). 

ken ort Sriebr. ), angejehener Lehrer des 
röm. Rechts, geb. 21. März 1808 zu Mehringen 
im Hannoverj n, ftubierte in Göttingen, habili— 
tierte fi 1825 in Berlin für bad rormanijtiiche 
Fach, wurde 1829 außerord., 1833 ord. Profeſſor, 
1852 zum Geb. Juſtizrat ernannt und 1860 im die 
Alademie der Wiſſenſchaften aufgenommen. Seine 
Borlefungen erftredten ſich auf Geſchichte Juſtitu⸗ 
tionen und Pandelten des röm. Rechts. feinen 
wiſſenſchaftlichen Arbeiten folgte R. der von Sa: 
vigny begründeten biftor. tung. Er == zu 
Berlin 14. Febr. 1873. ‚Seine Hauptwerte find: 
“Tas Net der Bormundbihaft» (3 Bde., Berl. 


erfte beurtundete | Holland 


Nudorff — Nuffini 
und Bart, und Volkſtedt (fürn ber 


(1881) 
er 


1835, und ihrer Tochter, ber e: Könige Hortenje vo. 
‚ von Bartofini (1846), fowie ein 
ee ee ; 
ein i 
fiegt Schloß Ma en . b.). j 
Rufakh, Stadt im Kreiſe Gebmweiler des efiaf 


lothring. Bezirls Dberelioh, 16 km lih von 
Colmar, an der Linie Straßburg-Bafel der Eljaf 
L Eiſenbahnen, am ug zahl: 


(1885) 3487 meiit lath. E., it Sis 
erichts, einer anbınirticjaftlichen Spike cs 
— Verſuchs ſtation und bat eine 
Kfarrliche aus . 13. Jabıh. R. war che 
mal3 der Hauptort des jon. vbern oder Nufader 
Mundates, beftehend aus den Herrihaften #,, Sul; 
und & isheim, welches 655 durch) König u. 
in istum von Straßburg geſchentt wurde unt 
ad Franzöfifgen Revolution Ir Am rg Befik: 
ieb. einem Hügel vor der Stadt lag da 
alte, angeblih von Dagobert I. 
ung, 1278 von Biſchof Conrad 
ui im 14. Jahrh. mit der Stabt R. durch 
und Beichtigungen verbunden, jebt ganz mem wie: 


vn 
Ir, Zierarjt, geb. 2. i 1880 in 
— ſtudierte in Tübingen Medizin und seit 
1840 ın Berlin, Wien, Baris und et EL bie Tier 
beiltunbe. Nachdem er Norbdeutichland, 
Ungarn und Frankreich bereift, ward 1854 
Qehrer der Zoologie wıd Tierarzneitunde in Hober 
heim, 1869 Direktor der Tierarzneiihule in Stut: 
gart und trat 1877 in den Tr Er tar 
9, DE. 1885 in Stuttaart. R. bat viele Inſtru 
in den tierärztlichen Gebraug —8 
Unter ſeinen Werlen find 


1833— 85), «Gromatifche Inſtitutionens in der - den Bau und 


ihm mit Ylume und Yahmann beiorgten Au 
der Schriften der röm. Feldmefler (2 Bve., wi 
1848— 52) und die «Nöm. Hechtsgeichichten (2 Boe., 
Berl. 1857—59). Biele Abhandlungen R.s find in 
der von ihm mit Savigny und Cichhorn heraus: 
gebenen «Beitichrift für 8228 Rechtswiſſen⸗ 
—— (1842—50), dem NRhein. Ruſeum für Fri 
», der zum —A—— geleiteten « 

jr für Redtsgetäict it 1861) und den 

enlihriften» der er iner Alabemie enthalten. 
Teilweiſe hat er die Ergebmifie feiner Forfgungen | na 
auch in den von ihm bejorgten neuern Ausgaben 
von Werken Savignys und Puchtas niedergelegt. 
Bon feinen jpäte — * find noch zu nennen 
die Monographien «fiber den Urjprung und die Be: 
ſümmung der lex Dei» (Berl, 1869), «fiber die 
Laudation der Murbia» (Berl. 1869) und die Bio: 
graphie «Friedr. Karl von Savigny» (Berl. 1863). 

dra heißt in der — ind. Mythologie der 

Beherrſcher der Maruts oder Sturmgoͤtter, welche 
legtern ebenfalls Rudras re werden. Er gilt 
als ein zerjtörender, zugleich aber heilender Gott. 
Später wird er mit Eiva v. 14 ) identifiziert. Seine 
Gattin Rubrani tritt nur wenig hervor. 

Nueda (Lope de), ſ. Lope de Rueda. 

Aueif (mittellat. Rioilum), Etadt im fran;. 
Depart. Seineet:Dije, Arrondiffement Berjailles, 
unweit lints der Seine, Station der 26. Aug. 1837 


tungen des Körpers 

Haustiere» (3. Aufl., Stuttg. 1870), 5* 
in ſeinen R rben und Gangarten» (Raven 
burg 1873), Ra e ———— —* des —* 
— ———— und ——— —— ten 
Haustiere» (Stuttg. 1875), «Die Raſſen des * 


de3» (Stuttg. 1877), «Das Uußere des Pferd 
und feine Fe fer» (Stuttg. 1885). 

ec (mitte m ), Stabt und Arrox 
biffementshauptort im 


nz. Depart. 

rechts der C —— —— der A 
Drie dans Tours: Borbeaur der Drl d 
der Linie Niort:R. ber ſiſchen Staa bar 


324* E. und —* eine 
e und Handel mit Trüfieln, Sarı 
pin eten, Geflügel, Käfe und Wein, 
Ruffini (Giovanni i Domenico), ital.:engl. Tr 
Lititer und Schriftiteller im Sept. 1807 ı 
Genua, mo er an ber Unfverfität Surisprubdeng fi 
dierte und 1830 im die abvolatorische Paufbahn a: 
trat. Infolge feiner Teilnahme an der carbow 
ng der nächſten Jahre mufte « 
1833 Jtalien —* und nahn eit 1836 je 
Au ve E über, Im — ———— er 18% 
nad) Kari e er 
tr jurüäd, wurbe in das jarbim, mn ge 
nn und ging zu —— 1849 als farbin. & 
ter nad) Baris, entjagte diefem Poſien nad de 


eröffneten Linie Baris:St.:Germain der Weltbahn, | —5— von Novara und nahm feinen Aufentbel 


Rufidſchi 


wieder in England, Seit 1852 veröffentlichte R. 
in engl. Sprache die Romane: «Lorenzo Benoni», 
«Doctor Antonio», «The Paragreens», «Laviniar, 
«Vincenzo», «A quiet hook in the Jura» und «Car- 
lino», die beifällig aufgenommen wurden. Seit 
1875 lebte R. in dem Städtchen Taggia an ber 
Riviera di Ponente, wo er 3. Nov. 1881 ftarb, 

Rufidfehi, Fluß, ſ. Lufid ſchi. 

Nufinus, ein romaniſierter Gallier, aus Eluſa 
in Aquitanien gebürtig, war unter Theodoſius 
d. Or. zuerſt Magister officiorum, ſeit 392 Prafelt 
bes Orients, und wurde von den Kaiſer vor feinem 
Tode (17. Yan. 395) feinem Sobne Arcadius (f. d.) 
als leitender Staatsmann der Ditrömiichen Reiche: 
hälfte beigegeben. Er veranlafte im Frühling 395 
durd falihe Behandlung der Weitgoten die Er: 
hebung berfelben unter König Alarich. Als aber 
der weitröm. Feldherr Stilicdho den Ditrömern gegen 
die Boten zu Hilfe ziehen wollte, wies ihn R. aus 
Eiferſucht zurüd, Stilicho — trat jedoch mit 
den Feinden des R. in Verbindung. Bei einer 
Heerſchau (27. Nov. 395) vor Konſtantinopel wurde 
N. durch Gainas, den Befehlshaber der in oftrönt. 
Dienften ftehenden Goten, ermordet und der Kam: 
merberr Eutropius trat an feine Stelle. Die Folge 
diefes ntriguenipiel war die Verheerung Grie: 
chenlands 395—396 durch Alarich. 

Nufinus (Toranus, Turranius oderTy: 
rannıus), — nee von Aquileja, geb, 
um 340, trat dafelbft in ein Kloſter, ſiedelte aber 
um 372 nad) dem Morgenlande über, wo er zunädjit 
längere Zeit in Slgypten verweilte, dann um 378 
nad) Jeruſalem überfiedelte und bier am Ölberg 
ein Stlofter —3* Seine Begeiſterung für Ori⸗ 
genes brachte ihn in einen Streit mit ſeinem in 
Bethlehem wohnenden Jugendfreund Hieronymus, 
ſodaß er 397 das Morgenland verlieh und nad) 
fürzerm Aufenthalt in Rom 399 nad Aquileja 
zurüdtehrte. Bor den Einfällen der Goten flüchtete 
er fi 408 nad) Sicilien und ftarb bier 410. Die 
Bedeutung R.S liegt darin, daß er die theol. Litte: 
ratur des griech. Morgenlandes dem latein. Abend: 
land durch eine Reihe von Üiberjeungen vermit: 
telte. So überfegte er die Werte bes Drigenes, 
allerdings in freier Weife, indem er deſſen kirchlich 
anjtößige Außerungen wegließ oder milderte, fer: 
ner die Kirchengefdichte des Eujebius, die er zu: 
glei bis Iheodofius d. Gr. fortführte. Endlich) 
wird ihm außer andern lberjegungen, 3. B. von 
Schriften des Bafılius, Gregor von Nazianz u. a., 
auch eine vielfach gedrudte und benußte « Historia 
monachorum» zugefhrieben. Seine Werte find 
ee von de la Barre (Par. 1580) und 
Ballarlı (Verona 1775). Vgl. Ebert, «Geſchichte 
der hriitl.:lat, Pitteratur» (Lpz. 1874). 

ufu, auch Bangani, Fluß im deutſchen 
Schutzgebiet der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft, ent: 
ſteht aus mehrern Quellarmen auf dem Südab: 
hange des Gebirgsſtockes en in ber 
Landſchaft Dſchagga, fließt zuerft ſüdlich, erweitert 
fh im W. des Yanddhens Pare jeenartig, wendet 
ſich hierauf jüdöftlih, trennt die deutſchen Schuß: 
länder Ujambara (nördlich) und Ujagua (füdlid) 
und mündet bei der dem Sultanat Zanzibar ange: 
börigen Stadt Bangani im NW. der Date Ban: 
jibar nad) einem Laufe von etwa 500 km in ben 
ndiichen Ocean. In feinem Unterlauf ift der R. 
hiffbar, weiter aufwärts wird die Fahrbarkeit des 
Ulnfjes durch Waſſerfälle behindert. 


| sum urbis 


— Ruge 891 
Rufus 8, verfaßte 869 n. Chr. einen kurzen 
unddürftigen Abriß (breviarium)derröm.Gefchichte. 


Wohl weil man eine Beicreibung Noms in Hand: 
ſchriften hinter diefem Breviarium fand, gab man 
ihr den SertusNufus zum Berfafler. In Wahr: 
heit geht dieſelbe auf eine offizielle um 315 verfaßte 
Stadtbefchreibung zurüd, führte den Titel «Curio- 
u bis Romae regionum XIV cum breria- 
riis» (zujammenfajienden Anhängen) und war nad) 
357 verfaßt, alfo jünger als die ähnliche, aus der: 
felben Quelle ftammende « Notitia», die zwifchen 
334 und 357 geſchrieben ijt. Das «Curiosum » 
wurde im 15. Jahrh. durch Zufäge aus Schrift: 
ſtellern und namentlich auch einer großen Inſchrift 
mit er Inhalt ftark vermehrt und indem ihm 
das Ausjehen einer einem Römer P. Bictor bei: 
—— antiken Schrift gegeben wurde, gefälſcht. 

ud) hat das «Curiosum» dann Jahrhunderte bin: 
durch in diejer entitellten Geftalt den verderblichiten 
Einfluß auf die röm. Topographie ausgeübt. Erſt 
im 19, Fr Y ift der Sachverhalt Hargelegt wor: 
ben, l. Preller, «Die Regionen der Stadt 
Rom» (jena 1846); Jordan, «Topographie der 
Stadt Rom» (2 Bde, unvollendet, Berl. 1871 fa.). 

Rug, eine zu den Garolinen (ſ. d.) gehörige Injel. 

Nuga (Lucius Yıilius), ſ. unter Fcilius. 

Rugard, der hödjite Berg der Inſel Rügen, 
j. unter Bergen (auf R ). 

Rugby (ipr. Nögbi), Marltſtadt in ber engl. 
Grafihaft Warwid, il einer Anhöhe linls am 
Upper-Avon, mit (1881) 9890 E. Station der 
Linien London: R.»Birmingham, R.Leamington, 
R.Tamworth⸗Stafford und R.:Stamford der Lon: 
bon und Nortbweiternbahn und der Linie Yeicefter: 
R. der Midlandbahn, ift großenteil3 altertümlic) 
gebaut und befigt die eyrwürdige St.⸗Andreaslirche 
ein litterarifches Juſtitut, eine Zaubftummenanftalt 
und eine berühmte Lateinſchule, weldhe 1567 von 
ben londoner Gewürzbhändler Lawrence Sheriff ge: 
gründet wurde. Die Anjtalt bat 400 Schüler und 
eine Jahreseinnahme von 5000 Pfd. St. und iſt 
eine der drei beveutendften höhern Schulen Eng: 
lands. Dabei liegt Bilton:Houfe mit ſchönem 
Garten, einft Wohnſih Addifons, deſſen Lieblings- 
promenade nod) jest Addifond-Walt genannt wird, 

Ruge (Arnold), orragender philoſ. und 
polit. Schriftfteller, geb. 18. Sept. 1803 in Bergen 
auf der Inſel Rügen, ftudierte in Halle, Jena und 

eidelberg Philologie und Philofophie. Wegen 

eteiligung an dem fog. Yünglingsbunde, welcher 
die Einheit Deutfchlands unter Preußen anftrebte, 
erhielt er eine fünfjährige Haft auf der Feftung 
Kolberg. Hierauf wurde er Pehrer am Pädagonium 
in Halle, habilitierte ſich 1831 bei der dortigen Uni: 
verfität mit feiner « Platonifchen Kjthetil » und be: 
ründete 1838 mit Chtermeyer die (in Leipzig cr: 
Pheinenden) «Halleihen Jahrbücher für deutiche 
Kunft und Wifjenfhaft », welche in Hegelicher Zen: 
benz das bedeutenbite litterarifch:Tritiiche und philoſ. 
Organ der Zeit wurden. Infolge von Cenſurſchwie⸗ 
rigleiten begab ſich R. 1840 nad) Dresden und ver: 
wandelte die «Hallejchen Yahrbüchere in «Deutiche 
Jahrbücher» (ohne die Namen ber Herausgeber), 
deren polit. und religiöje Tendenz jebt eine radi: 
falere wurde. Im Ri 1843 erfolgte die Unter: 
drüdung der «Jahrbũcher⸗ dur die ſächſ. Regie: 
rung. R. wandte ſich nun nad) Paris. In «Zwei 
e in Baris» (2 Bde., 1845) ſpricht er ſich über 

eine Stellung zum Sozialismus ausführlich aus. 


* 


892 

%. 1846 begann er bie Herausgabe feiner «Ge: 
Den Se ed » (10 au ed 1846— 
48), bie unter a aud) ben 1839 — 
gegebenen «Novelliften» enthalten. J war 
R. nad) Zürich übergeficdelt und —3 De 
bel bei dem Litterariichen Comptoir buchhändleriſch 
beteiligt. Als der Deutiche Bund dieſe ver: 
bot, lehrte R. nach Leipzig zurüd und gründete 
dort 1847 das Verlagsbureau, welche Firma 1851 
von ber —* Regierung ebenfalls verboten wurde. 
Bei der gung von 1848 beteiligte ſich R. im 
demokratifhen Sinne. Für Breslau zum Parla- 
ment in este gewählt, a er bier die 
äußerte Linte. Im Juli begab er fi nach Berlin 
und leitete dort die «Reform», als das Organ ber 
Linten der berliner Nationalve —— Die 
Maßregeln vom 5. Nov. 1848 hatten jedoch die 
Unterbrüdung der «Reform» und die Verweiſung 
ihrer Redactaure zur Folge. Nachdem er fi in 

Yeipzig, Frankfurt, Karlsruhe und Paris auf gr 
ten, begab er fi 1849 nad London und bildete 
bier mit Ledru:Nollin, Mazzini, Daracz und Bra: 
tiano das « Europäiiche demofratifche Komitee für 
die Solidarität der Partei ohne Unterſchied der 
Voller⸗. Später zog er fih aus dem Gentrallomitee 
zurüd, Geit 1850 lebte R. in Brighton als «visi- 
ting tutor» an verſchiedenen Schulen. —* der 
nationalen Umgeſtaltung der deutſchen Verhältniſſe 
im > 1866 und 1870 Ipradı fh R. —— 
vielſach für das neue Deut Reich aus und be: 
zog feit Febr. 1878 vom Deutſchen Neich einen 
Ghrenfold von jährlid 3000 Marl. Er ftarb 31. De;. 
1880 in Brighton. 

‚Bon feinen Schriften find noch zu nennen: «Por: 
tiihe Bilder» (2 Bde., Lpz. 1847 u. 1848), « Polit. 
Bilder» (2 Bde. ?pz. 1847 u. 1848), «Nevolutions: 
novellen» (2 Tle., Lpʒ. 1850), die Überjehung von 
Budles «Geſchichte der Civilifation» (5. Aufl. 
5 Bbe., Lpz. 1875), feine Memoiren unter dem Tite 
«Aus frü Beit» (4 Bde, Berl. 1862-67), 
«Acht Reden über Neligion » (Berl. 1869), «Lord 
Balmerftons Leben, frei nad) Sir Henry Bulmwer 
Lotton» (Berl. 1872), «Wanderbud, 1825—73, ge: 
didhtet von Arnold R.» (Ausgabe für Nordamerita, 
Lpj. 1874). Auch veröfientlichte er eine deutiche 
tiberfeßung —— — 3. Aufl. Lpz. 1867). 
Bol. Nerrlich, «Arnold ⸗ —— und Tage⸗ 
buchblätter» (Bd. 1: 1825—47, Berl. 1886). 

Nüge bedeutete im Mittelalter die pflihtmäßige 
Anzeige begangener Verbrechen durch Zeugen (testes 
synodales) in den geijtlihen (Nügezeugen), durch 
die Schöffen und Bauermeifter in den verichiedenen 
weltlichen Gerichten, fodann die fo angezeigten Ver: 
brechen felbft. Auch bezeichnete man als R. nur 

eringere, mit bloß bürgerlichen, nicht peinlichen 

tajen u belegen eben, zu deren Aburtei: 
lung felbjt unter der Herren t des fchriftlichen und 
beimlihen Verfahrens in vielen deutichen Ländern, 
3. B. Hannover, Württemberg, Sachſen, fich Liber: 
reite der alten Gemeindegerichte in periodiſch ftatt: 
findenden Rügegerichten erhalten hatten. Jetzt 
nennt man — meiſt nur Injurienprozeſſe; 
doch ſpricht man auch von Forftrügen. 

Nugeley, Stadt inderengl.Grafichaft Stafjord, 
rechts am Trent und am Great⸗Trunklanal, Station 
der Linien Rugby: Tammwortb:Stafiord und Dubdley: 
Port:R. der Yondon: und Northweiternbahn, zählt 
(1881) 4249 E, und bat Hut: und Filzfabriten, 
darbenmühlen, Gifenwerte und Koblengruben, 


Nüge — Rügen 


Nugen, f. Rupier, 

Nügen, die größte unter Deutſchlands Infeln, 
in der Dftiee gelegen, von dem Feitlande, mit dem 
ie wahrſcheinlich einft zufammenbing, durch be: 
Rügeniden Bodden und den nur 2,46 kım brei- 
ten Steelafund getrennt, bildet nebjt einigen Heinen 
Gilanden den zum Regierungsbezirl Stralfund ber 
preuß. Provinz Bommern gehörigen, T nad 
der Hauptitadt Bergen benannten Kreis Rügen, 
der 1880 auf 967,2 qkm 46115 €. zäblte, darumter 
169 Katholiken und 14 Juden. Die Infei zeichnet 
ſich durch ihre außerordentlich zerriſſeneẽ Geſtalt aus. 
Auf allen Seiten it das Meer tief eingedrungen 
und bildet eine Menge größerer und Heinerer Bin: 
nenwaſſer, Wiele und Bodden (f. d.) genannt. 
Durch diete find auf allen Seiten Halbinfeln ent: 
ftanden, die zum Teil durch gan [hmale Landengen 
(wie Schaabe zwiichen Jasmund und Wittom) mit: 
einander oder mit dem Stern ber Inſel mie 
Schmale Heide) jelbjt zufammenhängen. ftredt 
fich gegen N. die Halbınjel Wittow mit dem Bor: 
gebirge Arktona (f. d.), gegen NO. Jasmund, 
gegen SD. Mönkgut. Im RW. liegt die jchmale, 
18 km lange Fiiherinjel Hiddenfee ober Hid- 
denſöe, welche erjt 1308 durd) eine Sturmflut von 
R. getrennt wurde und bei deren Rordſpiße, dem 
Dornbufch, 1864 mehrere Seegefehhte wiſchen 
Preußen und Dänen vorfielen; etwas füdöftlicher 
die breitere Infel Ummanz. N. ift rei an gro- 
tesfen und romantifchen Gegenden, Es ift im ®. 
eben, erhebt ih im Innern, und die Norboftfüften 
beftehen meilt aus ſchroſſen, fteifen Kreidemänden. 
Die bedeutendfte Anhöhe im Innern, das «Nuge des 
Yandes», ift der Nugard (102 m), auf welchem bis 
1316 eine ftarfe Burg, Nefidenz der Fürften von 
itand, und von welchem man das ganze Land: und 
—— von Arkona bis Stralſund und Gre 
wald wie einer Landkarte unter ſich ſeht. Die 
Krone R.s iſt die Halbinſel Jasmund, ein Heine 
Hochland von 15 km Länge und 11 km Breite mit 
den höchſten und maleriichiten Bunkten der Inſel 
Dieſelbe bejteht im NO. aus Kreibegebirgen und 
fällt mit mehr oder weniger fteilen nden und 
Vorgebirgen zur See ab. Unter lebtern zeichnet 
ih aus die Große Stubbenlammer, db. b. 
jteinerne Treppe (vom flaw, stopien, Stufe, und 
kamien, Fels), ein ſenkrecht abgeihnittener Kreide 


fels, deſſen höchjter Punkt 128,«m der Kö: 
nigsſtuhl beißt, weil daſelbſt Karl XIL 8, Aug. 
1715 einem Seetreffen zwiichen den Schweden und 


Dänen zuſah. Man hat von bier eine in Deutid 
land einzige Ausſicht in die Shauerliche Tiefe und 
auf die weite unbegrenzte Dftfee. feit einer 
Schlucht, zu welder 600 eingegrabene Stufen hinab: 
führen, hegt weiter oftwärts die Kleine Stub: 
benlammer, nidt jo hoch, aber fait noch fteiler. 
Diefen öftl, Teil von Jasmund bededt die Stub: 
nik oder Stubbenik, ein großer Buchenwald, mit 
vielen alten Grabmälern (Steinliften). Hier liegt, 
auch unweit weitlid von der Stubbenfantmer, der 
Hertbafee, von der finitern Lage zwiſchen bewal: 
deten Höben auch der Schwarze See, gewöhnli 
aber der Borgjee, d. h. Burgſee genannt, ein 
länglides Dval von 150 m im längiten Durd- 
meſſer, in der Mitte 16 m tief, im Grumbe mit 
Baumſtämmen, ten, verwejenden Blättern und 
Moorerfüllt, Nahe weitlich davon ftebt die Heribas» 
burg, der höchſte Punkt der Infel, 154 m über 3 
Dieer emiporragend, Dan hat in der Stubnis ben 


Augendas 


heiligen Hain vermutet, in welchem, nad Tacitus, 
Hertta oder Nerthus (f. d.) ig wurde, ar 
ie 


die 
albinfel Zudar im ©. ift fehr fruchtbar. 
Insel bat nur Heine Bäche, dagegen mehrere Seen. 


Der Boden iſt, Er Sandſtriche und einige Torf: 


moore abgerechnet, jebr ergiebig und liefert viel Ge: 
treide und Raps, namentlich auf Wittow, der Korn: 
tanımer R.3. Sehr wichtig iſt auch die Viehzucht, 
die eine —— Pferderaſſe und kerniges 
Schlachtvieh liefert, ſo— 

wie die Fiſcherei, na— 


893 


war, und die bereit3 im 17. Sahıh. nad Sadjen 
und Medlenburg überfiedelte. Nach dem Dreißig- 
jährigen Kriege war R. eine Zeit lang im Befike 
des ſchwed. Generald Wrangel, dann der Grafen 
de la Gardie, von denen fie der Fürit Putbus er: 
warb. Val. Boll, «Die Inſel R.» (Schwer. 1858); 
Graſſo, «Topographifchitatift. Handbuch von Neu: 
vorpommern und der Inſel NR.» (Stralj. 1859); 


Barthold, «Geſchichte von R.und Pommern» (5 Bde., 











mentlih der Herings⸗ 








fang. Schöne Eichen⸗ und 
Bucdenwaldungen find = 
vorhanden, jedody nicht EA 
ausreichend fürden Holz: IF 

bedarf. Die Bewohner, = 
ein fleißiger, ——— Bon 

















und biederer Menſchen— 
ſchlag, find gute Schiſfer, 
Yotjen und Fiſcher. Die IE 
Bevöllerung der Halb: 
infel Möntgut (Mönd: 
au), die pr tdemflojter 
Eldena gehörte, unters [EE 

ſcheidet fi von der übri: · 
genin Sprade, Kleidung IE 
und altertümlidhen Ges IR 

bräuden. Die Haupt: [f 

und Kreisitadt it Ber: F3 
gen (f. d.)._ Die zweite | £ 
Stadt ift en (}. d.). [ia 
FSleden find Putbus(j.d.) 

und Sagard (f. d.), Be: 
merlens werte örfer 
find Altenkirchen (f. d.) 


auf Wittom und das er N 
Ficherdorf Sapnik au — 
Jasmund, ſudlich von [Et 
Stubbenlammer, mitẽ 


250 E. und ſtarlbeſuch⸗ 
ten Seebädern. Wegen 
ihrer Naturjhönbeiten, |} 
welde, die großartigen fk 
Felspartien an der Tee 
abgerechnet, mehr idyllis 
ſchen als erhabenen bas I} 
ralter haben, jowie wes 
en der Ceebäder iſt bie 
nie ati das Ziel ff 
vieler Reiſenden. Bon 
Bergen nad Stralfund 
führt eine im Sommer | 
1883 eröjinete 29 km 
lange Eiſenbahn. 

R. war im Altertum 
von Germanen, dann von Slawen bewohnt und 
wurde 1168 vom Nönig Waldemar I. von Däne: 
mart erobert, der die Einwohner zum Chriftentum 
belehrte. Cingeborene Füriten führten die Regie: 
rung unter bän. Lehnäberrlichleit. Nach dem Tode 
des lebten derfelben, Wißlafs ILL, wurde die Inſel 
1325 mit Pommern vereinigt und fam 1648 an 
Schweden, wurde 1715 von Preußen und Dänen 
beieht, lam aber 1720 wieder an Schweden. Als 
ein Beltandteil von Schwediſch-⸗ Pommern wurde 

e 1815 an Preußen abgetreten, Die —— 
omund gehörte früher der Familie von Jasmund 
oder Yagmund, deren Etammfig das Gut Spiler 





Mil 


Mill 























Die Infel Rügen. 
amb. 1839—45); Fabricius, «Urkunden zur Ge: 


chichte des Fürftentums R.» (4 Bde., Berl. 1841 
—69); Fod, «Rügenfd: ponimerſche Gedichte » 
6 Bde, sm 1861— 72); Edwin Müller, «Die Infel 
Sagendad (Gen; 3 Philipp), einer der berüß 
org Philipp), einer der m: 
teften Beutfchen Schlachtenmaler, geb. zu Augsburg 
27. Nov. 1666, der Sohn eines Uhrmachers, ftu: 
dierte befonders die kriegeriihen Darftellungen nad) 
Bourguignon, Lenibte, Tempeſta u.a. Nachdem er 
einige Zeit in Wien gelebt, reiite er 1692 nad) Be: 
nedig und nad) Nom, von wo er 1695 nad) Augs⸗ 
burg zurüdtehrte. Hier ftarb er 10, Aug. 1742, 


894 


N. malte, zeichnete und radierte jehr viel. Seine 
Zeichnung iſt korrekt, feine Kompoſition feurig und 
eijtreich und fein Kolorit zuweilen ausgezeichnet. 
In den Stellungen ber Pferde war er unerſchöpf⸗ 
lid. Auch bat man von ihm Blätter in jchwarzer 
Kunſt, bie ichr eihäst find. Seine Gemälde, na: 
mentlich Scladten und Belagerumgen, und feine 
unzüchtigen Zeichnungen find fehr zeritreut; unter 
feinen radierten Blättern zeichnet jid) ganz vorzüg: 
lich eine folge von ſechs Blättern aus, welche die 
Belagerung von Augsburg voritellen, der er felbit 
beiwohnte (1703). Gr wurde 1710 der erfte Direl: 
tor der augsburger Alademie. — Seine Söhne, 
Georg Philipp R. geit. 1774, Chriſtian R., 
eit. 1781 und Sereimias Gottlob R. find eben: 
alls als Kupferſtecher, befonderd in Aquatinta 
oder getuſchter Manier, belannt. j 
Johann Porenz R., der Urentel Georg Phi— 
lipps, geb. 1775, geit. als Profeſſor der Kunſtſchule 
und Direltor der Zeichenſchule in Augsburg 19. Dez. 
18526, belannt durd feine Bataillenitüde, Scenen 
aus der neuern Kriegsgeſchichte, in Tuſchmanier. 
Johann Moriß R., der Sohn des vorigen, 
geb. zu Augsburg 29. März 1802, bildete fich unter 
Yeitung des Tiermalers Albr. Adam und unter 
Quaglio feit 1815 für die Genremalerei aus. Im 
J. 1821 begleitete er Langsdorff als Zeichner und 
Maler auf dejien Reife ins Innere Brafilien3, wo 
er, von Langsdorff getrennt, bis 1825 blieb. Nach 
der Nüdtehr begann er die Herausgabe feines gro: 
ben Werts, der « Maleriichen Neifen in Brafilien » 
(Bar. 1827—35), und begab fi, um diefelbe felbft 
zu überwachen, 1826 nad Paris. Während der 
3. 1827—29 hielt er ſich in Italien auf und unter: 
nahm 1831 eine neue Neife nach Südamerifa, das 
er nad) allen Richtungen bis 1846 durchwanderte. 
Über 3000 meift aber unfertige Studien, beitehend 
in Bleiftiftzeichnungen, Aquarellen und Olſtizzen, 
find das Ergebnis diefer 15jährigen Reiie. Der 
bayr. Staat faufte diefe Sammlung für eine Leib: 
rente, die er dem Kunſtler zahlte. Auf Beranlafiung 
Humboldts malte er auch für den König von PBreus 
ben zwei größere Folgen transatlantiſcher Darftel- 
lungen. „pie das Marimilianeum follte er die Ent: 
dedung Amerilas malen, wa3 aber mißlang. R. 
lebte zu Münden, fpäter zu Weilheim, wo er 
29. Mai 1858 jtarb. 
Nügener Bodden, ſ. unter Bodden. 
NRügenwalde, Stadt im preuß. Negierungs: 
bezirt Köslin (Bommern), 18 km nordweſtlich von 
der Kreisſtadt Schlawe, rechts an der Wipper , die 
2 kın unterhalb, nachdem fie links no) die Grabow 
aufgenommen, in bie Oſtſee mündet, Station der 
Linie Zolibrüd: NR. der Preußiſchen Staatsbahnen, 
it Siß eines Amtsgericht3, einer Reichsbankneben— 
jtelle und eines Hauptzollamts, hat ein Schloß, 
eine Irrenanſtalt und (1850) 5442 E., die Segel: 
tuchfabrilation, Yeinweberei, Fiicherei ſowie Ree— 
derei und lebhaften Handel mit friſchen und ge— 
räucherten Aalen, Lachſen und Gänſebrüſten 
(Rugenwalder Spidgänſen), Leinwand, Getreide, 
Holz u. ſ. w. betreiben. Der Hafen Rugenwal— 
dermünde mit Seebad liegt linls an der Mün— 
dung der Wipper, ward _1772 wieberhergeitellt, 
nachdem er zur Zeit des Dreibigjährigen Krieges 
unbraudbar gemacht worden, und neuerdings er: 
weitert. R. tam 1273 vorübergehend an Branden: 
burg, gebörte dann um 1300 zu Polen, fiel aber 
bald an Bommtern und war jeit 1365 Hanſeſtadt. 


Nügener Bodden — Ruhl 


Nugier oder Rugen, ein zur got. Gruppe or- 
böriges german. Bolt, wahrſcheinlich im älteiter 
Zeit in der Gegend der Obermündungen und aui 
der Inſel Rügen. Die Ulmerugi, d. b. die Holm: 
oder Inſelrugier der got. Stammijage, verichen 
en, —— auf Fi —— 
weg. Rogaland. it esten Jahrzehnten dei 
2. Jahrh. n. Chr. den Goten nad dem füdf. Aui- 
land folgend, dann wieder jeit 374 von den Hm- 
nen weitwärts geichoben, erſcheinen fie zu Attilas 
Zeit und nad dem Zerfall des Humnenreichs als 
mädhtiged Boll an der mittlern Donau auf der 
Linie von dem jebinen Linz bis Wien und dem 
Marchfeld, großenteild auch in Roricum, wo ſie 
unter mancherlei Kampfen fih behaupteten, bis 
Odoaler (j. d.), der neue deutiche König von Ita 
lien, jelbit ein Mann rugiſcher Ablunft, ibren 
König Fava (487) der Herrichait beraubte und 
aud das Voll aus jeinem Sike trieb. folge 
dejien verließen fie das Land, welches nad; ibnen 
nod) eine Zeit lang Rugiland genannt und zumädyit 
von den Longobarden in Beſiß genommen wurde, 
und ein Zeil derjelben verlor fih allmählich umter 
Stiren, lern und Pongobarben, ein anderer 
aber zog 489 mit den Ditgoten gegen Ddoaler nad 
Stalien, wo er dann neben den Goten als ein ob- 
geſondertes Volk lebte und endlich mit jemen zu: 
glei von den Byzantinern befiegt wurde. 

—— (in der Muſih), ſ. Fermate. 

Muheſtand, die Stellung eines Beamten, wel 
der aus dem Dienft entlafien, aber im Genuß eine: 
Penſion (ſ. d.) iſt. 

Nuheftörung, die Störung der öffentlichen 
Nude und Ordnung, in der Form, daß über den 
eek ei Kreis des Thäterd oder gewiſſe Ber: 
onen hinaus ungebührliderweife rubejtörender 
Lärm (durh Mafchinen, lautes Singen, Halten 
eines lärmenden Hundes, übermäßiges Klavier: 
fpiel u. a.) erregt wird. Das Neihsitrafgeiehbud, 
S. 360, Nr. 11, Seht darauf Geldftrafe bis zu 
150 Mark oder Haft. . 

Nuheftrom nennt man die zeitweilige Unter: 
bredung des die Telegraphenleitung dauernd durd: 
fließenden elettrifhen Stroms. (S. unter Arbeits: 
ftrom und Telegrapbie, techniſch.) 

ee (in der Mufil), ſ. Fer mate. 

Rudi (Joh. Ehrijtian), Bildhauer und Maker, 
geb. zu Kaſſel 15. Dez. 1764, bildete fich bei Rab, 
1787 bei Pajou in Karis und dann in Stalien. 
Nach feiner Rückehr wurden ihm alle Stu en 
im Schloſſe Wilhelmshöhe übertragen, bie er trefi- 
lid ausführte. Im J. 1808 ernannte ihn König 
Hieronymus zum Hofbildhauer. Nach der Reſtan— 
ration des kurfürftl. Haufes wirkte N. vorzüglich 
als Profeſſor an der Alademie und arbeitete viel: 
Büften (Heynes, Blumenbabs, Heerens u. f. m.) 
und zahlreihe Dentmäler. Außerdem lieferte 9. 
—— radierte Umriſſe zu Dffian, Bürgers «Lenore, 
Luthers Leben u. f. w. Er ftarb 29. Sept. 1842. 

Ludwig Sigismund R., Sohn des vorigen, 
= zu Kaſſel 1794, empfing feine Kunjtbilbung in 

resden, Münden und Italien und wurde fpäter 
um ®Direltor ber Kunittammlungen von Kaſſel, 
— endlich auch der kurfürſtl. Bibliothek zu Bit: 
helmshöhe ernannt. Seine zum Teil ſehr poetiſch 
—— und finnig ausgeführten Gemälde ae: 

ören meijt bem biftor. Genre an. Auf einer Reiſe 
nad Italien mit jeinem Bruder zeichnete er unter 
anderm einen Karton, welcher die Gefchichte Rome 


Ruhla — Ruhmkorffſcher Induktor 


in gen Weiſe darftellt. Andere u 
Bilder find die Benetia und die In jpä 
terer Zeit erihien von ihm ein aber 5 3 m SE 
Ghiarosruro, der Triumph bed Amor, we 
vielen Beifall fand. Auch biblifche Sadıen malte 
er, fowie es auch von feiner Hand vo che Um: 
ville zu u Shalipeare gibt. Geſchrieben hat er «ber 
uffaffung der — in der Pferdebildung 

ae Blaftit» (Sta 

Julius Eugen Me — ere Bruder des 
vorigen, geb, zu Kaſſel 1796, ft, nahm als 
Freiwilliger am Berreiungstri £ — und —*— 
dann die rg unter | Leitung und 
Die Frucht eines ee Auf: 


auf Neiien. 
enthalts in \talien waren feine «Denkmäler ber 
Baufunft in; » (KHafl. u. Darmſt. 1821), eine 


vortreffliche Sammlung maleriiher und bennod 
ſehr genauer —— Im J. 1824 Land: 
bLaumeüter in Hanau, 1831 2 m kurfüritl. Hofbau: 
direltor ernannt, — er das prächtige Stände: 
haus in Kaſſel; aud) entwarf er die Pläne zu einem 
neuen Schloff e, einer u . Hanau, eines Sur: 
sebäubes für Raubeim u. Auferbem leitete 
er die Wieberberitellung Er Bilhelm&höhe und 
1846 wurde ibm bie Generalbaubireltion der kur⸗ 
bei. Stantseifenbahnen übertragen. Seine «Ardi: 


teftonifchen Entwürfe» (Kaſſ. 1839 fg.) enthalten 


eine ellung feiner Bauten. Auch gab er bie 
Gebãude des Mittelalters zu Gelnhauſen⸗ (Franlf. 
1839) in 24 malerischen Anfichten Heraus. 


Ton Kg man im —— Teile he 
rıngerwaldes, 15 km im von nad, 
Station ber Aublaer —— (Linie Bahasa) 
zieht ſich in einem fehr engen Thale 5 km weit h bin 
und wird durch das * — in zwei 
Hälften , eine fachlen » weimarifde (Amtsgericht 
Sa) und eine jadhfen-gothaifche —— 
Thal) geteilt, von denen die erjtere (1885) 2145, 
die [eßtere 2683 €. t. Der im Sommer fehr 
ſtark von Touriften befuchte Drt hat ein Bad, eine 
großberzogl. Forſtverwaltung und bejaß früher er 
berühmte Königſche Forſtinſtitut, welches nad 
Gifenach) verlegt worden ijt. Weit befannt ift N. 
durd feinen eigentümlichen Gewerbfleiß, der ſich 
namentlich auf Anfertigung von Tabalspfeifen von 
Holz und Meerihaum, Pfeifenlöpfen, Pfeifen: 
beſchlãgen u. dal, fowie Metallwaren: und Four: 
nier gun abrifen erfiredt. Der —— 
von ———— "aller a reg ſich, ab 
von —— im jährli Durdi — auf 
etwa 6 Mill, Mat, Zu R. — = 10 Seien 
unechte pre entbedt. Bol. Aler. Ziegler, 
«N. und jeine Umgebung» (4. Aufl., Dresd. 1876). 
„.Rubland, Etadt im preuß. Ar 
nik, Kreis Hoyerswerda, in der Oberlauſiß, 
ie 3 an der Schwarzen Gliter, Station der Linien 
Franffurt a. O.:Großenhain Mittenberg- Koblfurt 
und R.:Lauchbammer der_ Preuß. Gtnntöhahnen, 
‚äblt (1885) 1877 E., ijt Sik eines Amtsgerichts, 
yat Fabrilation von Gement und it Handelaplag 
ur Rindvieh der oftbeutichen a erungseufien. 
üble von Lilienftern ug), 
oreuß. Generallieutenant u 133 ‚en. 
‚u Berlin 16. April 1780, wohnte dem Ze 
son 1806 als Generalftiabsof im m Yes 
** Hohenlohe bei. dem Frieden von 
ilſit trat er in —— Dienſt und —— = 
Diajor Gouverneur des Bringen Bernhard 
Sachlen: Weimar. Cr verfaßte in Weimar die Be 


895 


richte eines Augenzeugen von bem 
er redigierte die Zeitſchrift Am [2 
808-9 u. Beim. 1810) 10) und gab feine tr 
aGeneralkarte von Sadjjen» (Dresd. 1808) —— 
Hierauf begleitete er den zu. Bernhard in dem 
gelbauge, den dieſer 1809 = itän im fächf. 
ienjt gegen Oſterreich machte, und den R. in feiner 
«Reife mit der Armee im %. 1809» (3 Bde., Rudolit. 
1809—11) beichrieb, trennte fih_aber im Herbft 
1811 von dem Srinzen und begab ſich auf jein Gut 
Zaubegaft bei Pillnik in Sachſen, 1813 trat R. in 
Breslau als Freiwilliger in das Lüpomfce e Korps, 
übernahm jedoch bald im Hauptquartier der (ale 
Armee die Gejhäfte des Bureauchef3. Die Dispo 
fition zum Gefechte von Hainau rührt von ihm ber. 
Nach der Schlacht in Leipzig zum Generallommiſſar 
der deutſchen Bewaffnung unter Stein ernannt, 
organifierte er die Kontingente der Rheinbunds: 
ftaaten mit Ausnahme Bayerns und Württem: 
bergs, und erbielt aud beim Wiederausbrude des 
Kriegs 1815 den Auftrag, bei —— der 
rhein. weſtfãl. Landwehren mitzuwirlen. Nach dem 
Frieden wurde er 1816 in Berlin als Oberſt dem 
Großen Generalſtab zugeteilt, deſſen Chef er, 1820 
zum Generalmajor ernannt, 1822 ward, Aud 
leitete er nad) Grolmans Austritt ein Jahr lang 
interimiftifch ein Departement des Kriegsminiite- 
riums. Seit 1816 war er ber erfte Nedacteur des 
«Preußiſchen Militärwochenblatt», ferner Bräfes der 
Stubiendireftion der Allgemeinen Kriegsſchule und 
feit 1826 — Direltor der Ober-Militärſtudien— 
—— sm 3. 1835 zum Generallieutenant 
dert, dert, wurde er 1837 Direktor der Allgemeinen 
—e und 1844 Generalinfpelteur des Mili: 
tär :Grjiehungs:= und — sweſens. Gr ſtarb 
1. Juli 1847 zu l. »R. von Lilien: 
ſtern. Ein biograp 3 Berl. 1874). 
Ruhmkorff (Heinr. Daniel), Mechaniler, geb. 
zu Hannover 1803, fam 1819 nad Paris, wo er 
eine mechan. Weritatt ründete. Gr baute 1844 
die erſte gute thermo⸗eleftriſche Batterie und 
nn den pr Hit Indultor (ſ. d.). R. 
— ——— u Paris. 
— r Juduktor (Ruhmkorff— 
* pparat), ein von Heint. Dan. — 
(ſ. d.) 1861 erjunbener Jdultionsappatat 
welchem der ſehr dunne Draht der Spule für die 
Volta » Induktion sen lang genommen und fo ge: 
widelt wird, daß die Windungen voneinander 
durd Seide und Firnis aufs beſte iſoliert find, 
Der Hauptitrom der innern, mit diden Dräbten 
ummundenen Spule it mit” einem felbitthätigen 
Stromunterbreder, mit einem Kondenſator aus 
mit Staniol belegtem Seidentaft und mit einem 
Stromwechsler (Kommutator)verjehen. Der Ruhm⸗ 
torfffche Apparat wird ebenſo in äußerit groben 
(Riefenindultoren) wie in fehr Heiner Form (Mig-: 
noninduftoren) angefertigt, und verwandelt ſchwach 
geipannte eleftriiche Ströme in hochgeſpannte der: 
art, daß elektriiche Andultionsfunten im unter: 
brodhenen Indultionsdrabt auftreten, und über: 
haupt mittel3 desfelben die Identität zwiſchen 
—— und Reibungseleltricität im —— 
chen nachgewieſen wird. Der Ruhmlorſſſche Ap⸗ 
parat lann alle Wirkungen eines hochgeſpannten 
eleltriſchen Stroms zeigen; er dient befonders zum 
Anzünden von Ga3, von Sprengjhüfien mittels 
des efektrifchen Funtens, ferner für eleftriiche Licht: 
verjuche mittels der Geißlerſchen Nöhren x. 


and 
arb 


896 Ruhnlken 


Ruhnken (Dav.), — der aufge; ichnetiten 
Humaniften des 18. Jahrh., geb. 2. an. 1723 
wahrſcheinlich zu Winters agen beiStolpi in Hinter: 
pyommern, Deluchte das Friedrichslollegium zu 
Königebera und ftudierte in Wittenberg und Leiden. 
Er wurde 1757 Yeltor der griech. Sprache in Yeiden 
und erhielt 1761 die Projefiur der Beredſamleit, 
Geſchichte und Altertümer, die er bis an jeinen 
Zod, 14. Mai 1798, belleidete. N. verband mit 
einer Fülle von Gelehrjamteit geiundes Urteil und 
groben Scharſſinn. eine nad) den beiten röm, 
Muftern gebildete Yatinität ijt rein und torrelt, 
Bes Daritellung Har, Unter feinen jahfreihen 

Schriften find zu erwähnen: «Epistolae criticae » 
(2 Xle,, Leid. 1749—D1; neue Aufl., 2py. 1827); 
die Bearbeitung von Zimius «Lexicon vocum 
Platonicarum» (Leid. 1754; 2. Aufl. 1789; ver: 
mehrte Aufl. von Koch, Lpz. 1839); der Homerifche 
«Iiymnus in Cererem» (Leid, 1780; 3, Aufl. 1808; 
neuer Aldrud, Lpz. 1827); ferner die Ausgaben 
des Rutilius Fupus (Leid. 1768; neue Aufl., 2ps. 
1831 u. 1841), Vellejus Raterculus (2 Bde,, "Leid. 
1779; neue Aufl., Lpz. 1830) und der «Opera» des 
Muret (4 Bde,, Leid. 1789). Außerdem vollendete 
er die von Alberti begonnene Aus abe des Hey: 
chius (2 Bde., Leid. 1746—66). Ein Mufter bio: 
grapbiider Zarheltung iit fein «Elogium Tiberii 

lemsterhusii» (Leid. 1768; neue Aufl. 1789 u. 
öfter). Nach feinem Tode erſchienen die «Opuscula 
oratoria, philologica, critican (Leid. 1797 u. 1807) 
die fpäter durch Derimaıa (2 Bde., Leid. 1823) 
und Friedemann (2 Bde,, Braunfdhw, 1828) ver: 
vollftändigt wurden ; ferner «Ruhnkenii, Valcke- 
narii et aliorum ad J. A. Ernesti epistolae» (2p3. 
1812); «Ruhnkenii et Valckenarii epistolae mu- 
tuaen (Bliefjingen 1832), «Ruhnkenii epistolae ad 
diversos» (Bliefingen 1834). Ebenfo wurden aus 
Kollegienhejten veröffentlicht feine «Lectiones aca- 
demicae in antiquitates Romanas» (22 Hefte, Jena 
1818—35), die «Dictata in Terentii como edias» 
(Bonn 1835), die «Dictata in Suetonium» (Leid. 
1+28), die «Dictata in Ovidii heroidas » Epz 
1831). Vogl. Wyttenbach, «Vita Ruhnkenii» (oe, 
1799; neue Aujl., Lpz. 1822 u. Freiberg 1846); 
Rink, «F. Hemfterhuis und David N.» (Hönigsb, 
1801); Luc, Müller, »Geſchichte der Hajfiihen bi: 
lologie in den Niederlanden » (2p3. 1869), 

uhr, im Mittelalter Rura, der wichtigite vechte 
Nebenfluß des Nheins im preuf. Etaat, entipringt 
im Kreile Brilon des weitfäl. Negierungsbesi irks 
Arnsberg, auf dem Plateau und 2,5 km nördlic) 
von Winterberg, 664 m hoch an der Nordjeite des 
Nubrtopfs, flieht im eriten Teile ihres Laufs 
bis Olsberg nord: und i in vielen Hrümmungen nord: 
weitwärts über Meſchede (260 m), Arnsberg (182 m), 
dann in weitl. Hauptrichtung mit beträdhtlichen 
Windungen über Herdede (103 m), Witten, Blan: 
lenſtein, Hattingen (68. m), Steele, erden, Kettwig 
und Mülheim (36 m), wo fie in die Nheinebene tritt, 
und mündet 21 m hoc bei Nubrort (f. d.), von wo 
der 2 km lange Nubrlanal (Duisburger Kanal) nad) 
Duisburg führt, Der Fluß hat eine Länge von 
235,16 km, ein Flußgebiet von 1700 qkm, wird über 
30 m breit und iſt im untern Paufe 7 5 kın weit big 
Witten mittel® 11 Schleufen für Jule von 
höchſtens 3400 Etrn. ſahrbar. Tod wird die 
Schiffahrt ‚öfters dureh) niedrigen Wafleritand unter: 
brochen. Die N, nimmt auf rechts, bei Nebeint, 
die Möhne oder Möne; lint3 die Neger, Elpe, Valme, 


— Nuhr 

Henne, Wenne, Röhre mit der Sorpe nic Dönee nit 
— of, die Heiner, ; r ai * — 
ange Lenne ere en m 

der Weftfeite des Kablen u , flieht in 
Windungen gegen —* Altena und 


—** * FR —— 
ie Bigge, Elfe N 

Ennepe auf und wird Such ihr wie ihrer 
bedeutendes Gefälle einem — 
Eiſenwerlen nußbar. Bon bis Mülheim 
durchſchneidet die R. eins der a 

ſten und wichtigſten Steintoblenlager — rtob: 
—— — * du 


ii 


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nicht allein i in — — —— 

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ie Lager diffbarer Ber — — mit — — 

ſtehen. Auch * = = 

Gegenden dar. — 

das vg Sr ner Mess): Natorp, eo 

“lu (Sierlo eh n 5 J 
uhr, eit ebenfl Maas 

ven —— Aachen, f. Roer. 

ſsenterie it der 


weren | nfeltionstran t (j. d.), welche infofern 
kei nit der Cote ht, * e wie dieſe 
die Einführung eines in den 
—53 —— der unge in —* 
unentwideltem Zuſſande in den 
franter findet; ferner als fie ihren Giß 


lanal bat, € iſch auftreten und — 
wie die cho era, durch — 

ebracht werden fann. Bei Dipbtbertitieen eur. 
= des ——— son dns = 
ün ana rifjen, wobei fie un 
Faferfto Teig — ze — 
und abgeſtoßen wird 


leihten Berdauum Gen © 
Du un Ei 3. 
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bſchneiden an 


nehmen die Stublentleerungen an 

30 in 24 Stunden) zu, die Leibf 

beftiger, e3 tritt äuberjt ep Stube un und * 

ters auch —— —— > 

mer nur-gerin engen —— —— 

— nat le lotige Maffen, jondern ein 

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ME felbjt reines Blut, Zu 

gefellt fi Fieber, höch r Entlrä 
men er — In leichten 


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heinungen nad) vier bis ad) * in 
(wen nehmen die Schmerzen 
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von Darmſchleimhaut ab, und 
S en de3 —“ der — 5 
in ſchweren Fällen Genef nn 
doch die Zeritörungen des Dar 4 —— 


Schleimhaut er * ndeN 
Darm, wodu tu 


e verengt 
bituelle * 
atigen Folgen — — 






Geſ * welche ſelb 

het lönnen, nn leichten 

ie Störungen im Darm leicht au * 
immer eine * andauernde Erſe 
Bei leichtern Graden ber R. ri 


N {al 
eit Diten und ya, Ba 


Rudrlirfhe — Ruiz 


genießen; warme —— * auf den Leib und 
örtliche Blutentziehungen am After erleichtern die 
Schmerzen. Bei den höhern Graden wendet man 
—— und ſtopfende Mittel(Opium) an. 
*8* von denen der eigentlichen N. aber 
chiedene Erjcheinungen können auch bei dhroni: 
(dem Darmlatarrh auftreten ——— iſche 
uhr). Da ſich der Keim der N, in den Ausleerun: 
n vorfindet, jo müjlen diefe zur —— von 
nſtedung, wie bei der Cholera, durch Carbolſaure 
oder Sublimatlöfung jorgfältig desinfiziert wer: 
den. Wäfche, Nachtſtühle und Klyftierfpriken, deren 
fih Nubrtrante bedienen, dürfen von Gefunden 
unter feiner Bedingung gebraucht werden, 
Ruhrkirſche, foviel wie Korneliuslirſche. 
R biengebirge, eine bis zu 200 m Höhe 
* erhebende Berglandichaft imweftfäl. Regierungs⸗ 
jirt Arnsberg und im rheinpreuß. ge 
bezirt Düfieldorf, zu beiden Seiten der Nuhr und 
öitlich vom Niederrhein, nördlich bis zum mſcher 
und teilweife über dieſen Fluß hinaus bis im die 
er von Redlinghaufen, im Oſten bis Unna, 
füdlih bis in die Nähe von Elberfeld: Barmen 
reichend, ift nächſt Oberfchlefien das reichfte Stein: 
tohlenlager des Deutihen Reichs. Der Flächen: 
inhalt des N. beträgt über 1000 qkm; der hödjjte 
Zeil desfelben ift das Arbei (f. u 
Nuhrkraut, Bollaname vonGnaphalium(f.b.). 
Rührmichnichtan, Pflanze, f. u, Impatiens, 
Nuhrort, Stadt im Kreiſe Mülheim a. d. Ruhr 
im preuß. Regierungsbezirt Düfjeldorf, an der 
Mündung der Nuhr in den Rhein, Station der 
Linien R.: Wanne, Oberhaufen:R, und R.»Dort: 
mund der Breufiihen Staatsbahnen, it Sit eines 
Amtsgerichts, hat ein Nealgymnafiun, zählt (1880) 
9130 meijt prot. E. und gehört zu den betriebſam⸗ 
ften Orten am Rhein. R. ift der Hauptfib des 
Handels mit Steintohlen, die von hier durch eine 
anfehnliche Flotte von Schleppdampfern rheinauf: 
und abwärts bis Straßburg und nad) Holland ge: 
brt werben. Den ſchönen Hafen, den größten 
ußbafen Europas, 7,5 km lang, umgeben zu 
iden Seiten Kohlenmagazine, Niederlageplähe, 
Shiffswerfte und Aranen und fhmüdt feit 1847 
ein Dentmal des weitfäl. Oberpräfidenten von 
Binde, des Förderers der Nubriciffahrt, Den 
Güterverkehr mit dem linten Nheinufer vermitteln 
—— Hebetürme, in welchen die Eifenbahnwaggons 
ur bydrauliiche Kraft auf das zum Überſeßen 
beftimmte Schiff hinabgelafien oder von demfelben 
beraufbeförbert werben. Ganz in der Nähe von N. 
ind bedeutende Eifenhüttenwerle, Vaol. «Geſchichte 
ber Stadt N.» (Nubrort 1882). 
Nuhrrinde, die Wurzelrinde von Simaruba 
»fficinalis DC., eine nicht mehr offizinelle Drogue. 
Muhft, das plöpliche Steigen und Fallen des 
Waſſerſpiegels des Bodenfees ohne fichtliche äußere 
Urſache, eine noch nicht aufgellärte Erfcheinun 
Nuisdael oder Ru ysdael(ipr.Neusdahl, Jal. 
san), berühmter holländ. Landihaftsmaler, wurde 
'twa um 1625 in Harlem geboren und ftarb ebens 
yafelbit 12. März 1682, Er trat 1648 in die Maler: 
Be feiner Baterftadt, wurde in Amfterdam 1659 
ürger, verarmte aber gänzlich gegen Ende feines 
?eben3. Sein Hauptftudium war die Natur. Doc 
yab ihm auch fein Bater Iſaak Unterricht. Bauer: 
Kufer, öde Hügel, einfame Binfenteiche, verfallene 
ürme feiner nächſten heimiſchen Umge be⸗ 
chaftigten in der erſten Zeit feinen Pinſel; ſpqter 
Converſationa⸗ Lexitoen. 13. Aufl, XIII. 


897 


wählte er ausgedehntere ia in ber Unge end 
feiner Baterftadt, wie Winterlandfdaften, Dörfer 
an beſchatteten Kanälen u. dol.; fodann folgten 
Gebirgsgegenden mit fhäumend zwifchen Felſen 
rabjtürzenden Gemwäflern umd andere —— 
ormen der nordiſchen Natur, die auf Reifen des 
aler3 in Deutichland und in der Schweiz hin: 
weifen; zulegt malte er auch Strandanft und 
Seejtürme, porn und Naturtreue, die feine 
eriten Werte auszeichnen, find auch feinen jpätern 
Landfhaftsbildern eigen; aber ein tieferes Eins 
dringen in Natur und Kunſt laßt hier eine poetiſche 
Stimmung binzutommen, ber fid) mandmal, ob: 
wohl felten, etwas Allegorisches beimifcht,, wie in 
dem berühmten Sllofter der dresdener Galerie und 
in dem ebendafelbft befindlichen Hichhof; die Aus: 
MAbrung ift ungemein fleißig, teilweife fogar troden. 
Der Farbenton geht manchmal ins Bräunliche, iſt 
jedoh durchweg von gen nlicher Kraft und 
treffliher Totalwirkung. Die älde diejes Mei: 
fter& find fehr zahlreih. Wie manche andere be: 
deutende Landichaftsmaler lieh ſich R. bei feinen 
Staffagen von andern Künftlern unterftügen, unter 
welchen beſonders U. van de Velde, Ph. und P. 
Wouwernan, C. Berhem, J. Lingelbach zu nen: 
nen find. Die Mufeen in Paris, Dresden, Wien, 
Münden und Kaſſel fowie die enal. und bolländ, 
rivatgalerien befipen von dem Meijter die herr: 
lichten Werte. J. Ph. Lebas, J. de Boiſſieu, N. 
Blooteling, Weisbrod, Masquelier u. a. Fin 
nad) feinen Gemälden geſtochen. Selten find Zei: 
nungen R.s. Auch hat man von ihm einige radierte 
Blätter, Bol. P. van der Willigen, «Les artistes 
de Harlem» (Harl. 1870); «Eaux-fortes de Jacob 
R. reproduites par Armand-Durand» (Par. 1878), 
Nuisdael(Salomon van), ausgezeichneter Yand: 
—— en zu Harlem um 1605, geit. da: 
elbit geoen Ende 1670. Er ericeint 1623 bereits 
in der dortigen Lulasgilde. Seine Raturauffafiung 
ift realiftiih; er wählte meift die von Kanälen 
durdhzogenen Gefilde Hollands als Motiv und er: 
reicht durch die - ärbung ſchöne loloriſtiſche 
Wirkung. Sn feinen Seeftüden erinnert er an die 
Weife van Goyens und verwandter Meilter. 
Nuiter (Reiter), niederländ, Silbermünze, ſ. 
unter Ducaton. . 
Nuiz (Juan), Erzpriefter zu Hita (Arciprefte de 
gie), wie er gewöhnlich genannt wird, altipan. 
ichter, geb. vermutlich ee. blübhte um die 
Mitte des 14, Jahrh. leumdung oder Zügel: 
lofigteit feiner Sitten zogen ihm, während er im 
Fleden Hita bei Guadalarara das Erzpriefteramt 
ausübte, von feiten feines Kirchenfuͤrſten lang: 
wierige Haft zu. Während derfelben, im Gefäng: 
nis von Toledo, verfaßte er 1343 feine «Poesiasn, 
In diefen erzählte R. feine perfönlichen Erlebnifie 
und Erfahrungen, Liebesabenteuer aller Art, gibt 
denfelben | a fombolifch:allegoriiche Bedeu: 
tung, untermifcht fie mit freierfundenen Abenteuern 
und würzt die dan miteinander verknüpften 


Handlungen durd Ginfügung zahlreicher Apologen 
Steihmi, Uſopiſcher Fabeln und ie Shmud. 
üde. An dem gegen 7000 Verſe zäblenden Ge: 


Ki te find die eigentlich erzählenden epifhen Par: 
ie in 14filbigen vierzeiligen Sieraubinerätaphen 
geichrieben; die lyriſchen Einlagen, in turen 6 und 
8 Silblern, von 4 und 7 Silblern unterbrochen, 
zeichnen fich o fehr vor allen frühern und gleich— 
zeitigen ſpan. Dichtungen aus, daß man die «Poesias» 
67 


898 


des Erzprieſters ein wahres Muſterbuch altipan. 
Rhythmik nennen lann. Herausgegeben wurden 
dieſelben zum erſten mal von Sanchez im vierten 
Bande feiner «Coleccion de poesias castellanos 
anteriores al siglo XV» (Madr. 1790), wieder ab: 
nedrudt von Ochoa (Bar. 1842) und neu aufge: 
legt unter Wicdereinfügung einiger früber unter: 
drüdter Stellen von Janer im 57. Bande ber 
« Biblioteca de autores espaholes» (Madr, 1864). 

Rule Britannia (b. b. berrihe, Pritannia), 
engl. Nationallied, wurde von Thomſon, dem 
Tichter der «\fahreszeiten», als ein Teil des Sing: 
ſpiels «Alfred» geichrieben, von Thomas Arne 
(i. d.) in Muſik gejeht und 1738 mit dem genann: 
ten Sinafpiel in Yondon aufgeführt, entftand alio 
fait gleichzeitig mit «God save the King» (f. d.). 
Durd Sprache und Muſik eignet e3 fich weniger, 
als das legtere, für den gewöhnlichen Tagesge— 
brauch, wird aber bei bejondern Gelegenheiten, 
namentlich in Kriegszeiten, ftet3 unter großem 
Gntbufiasmus vorgetragen. Während «God save 
the Kings ſich mit verschiedenen Terten in ber gan: 
zen Welt verbreitet bat, ijt Arnes Melodie ein aus: 
Ihließlich engl. Seelied geblieben. 

Rulhiere oder Rulbitres (Claude Carloman 
de), franz. Hiltorifer, geb. 1735 zu Bondy bei Paris, 
war, nachdem er zehn Jahre unter den Gensdarmes 
der königl. ‘"arde gedient und darauf Adjutant des 
Marſchalls Richelieu geweien, Sekretär des franz. 
Geſandten Breteuil am petersburger Hofe, beſuchte 
dann in Begleitung des Geſandten die Höfe zu 
Wien, Dresden, Berlin und Warſchau, folgte hier: 
auf dem Marjchall Richelieu in defien Gouvernement 
von Guyenne und begann nun feine litterarijche 
Laufbahn mit der «Epitre sur les disputes», welche 
Voltaire der Aufnahme in fein philoſ. Wörterbuch 
würdigte. Seine zuerſt abſchriftlich verbreitete Ge: 
fchichte der ruf). Thronrevolution von 1762 (gedrudt 
1797) erregte allgemeines Aufſehen. RN. Fand in 
Monſieur, dem fpätern Ludwig XVIII., einen Gön: 
ner, der ihn zu jeinem Sekretär machte und fpäter 
zur Stelle eines &crivain politique beim auswär: 
tigen Dinijterium beförderte. er aRapport sur 
l'etat des protestants» zog ihm viele Anfeindungen 
zu, zu deren Abwehr er Ei «Eclaircissements his- 
toriques sur les causes de la r&vocation de l’edit 
de Nantes» (2 Bde., Par. 1788) ericheinen lieb. 
Norarbeiten zu feiner «Histoire de l’anarchie de 
Pologucetdud&membrement de cetter&publique», 
weldye nad) jeinem Tode von Daunou unvollendet 
berausgegeben wurde (4 Bde., Par. 1807; neue 
Ausg., 3 Bde., Bar. 1863), veranlaften ihn 1776 
zu einer Reife nach Polen. Er ftarb 30. Jan. 1791. 
R., der ſich auch ald Dichter, 3. ®. in feinen «Les 
jeux de main», verfucht batte, war 1787 als Mit: 
glied der Franzöſiſchen Alademie aufgenommen 
worden, Die beite Ausgabe feiner «Deuvres com- 
plötes» erjchien zu Paris 1819 (6 Bde.). 

Nulman Merdwin, Myſtiker, einer der fog. 
Gottesfreunde de3 14. Jahrb., geb. 1307 zu Strar 
burg, gab 1347 feinen bisherigen Beruf als Kauf: 
mann auf, um abgeſchieden von der Welt, unter 
dem Einfluß des als Nitolaus von Bafel befannten 
«Gottesfreundes aus dem Oberlander, wie auch 
mit Tauler befreundet, in myſtiſcher Beſchaulichkeit 
dem Dienſte Gottes zu leben. Im J. 1366 kaufte 
er das grüne Wört, eine Inſel in ber Ill bei Straß: 
burg, und richtete das alte Hlofter daſelbſt zu einem 
Aſyl für Gottesfreunde ein, die hier nad) einer be: 


> 


Rule Britannia — Rumänen 


ftimmten Negel lebten. Cr jtarb 18. Juli X 
Seine bedeutendite Schrift it das «Bud von da 
neun Selien», herausgegeben von Schmidt (X 
1859) und in alter bolländ. Überjegung von Ber 
jum Waalkes (Leeuwarden 1882). Bal. Schmik, 
«Nitolaus von Bajel» (Wien 1866); Jundt, «Ls 
amis de Dieu» (Bar, 1879). 

Num oder Taffia nennt man den durch C 
rung der Sirupe und Melajien, d. b. der bei va 
Daritellung de3 Nohrjuders in den Slolonien f: 
ergebenden unkryſtalliſierbaren Rüditände, um 
durd Deitillation gewonnenen Branntmein. 4: 
den Melafien der Nübenzuderfabrifen läßt nd is 
folge des VBorhandenjeins von widrig ſchmedender 
Aujelöfen kein R. gewinnen. Seine rötlihe Ar 
bung verdanlt der R. joweit er nicht künitlih > 
färbt ift, der Aufnahme von färbenden Behur» 
teilen und dem Hol; der Verſandfäſſer, fein eiser 
tümliches Arom einem beiondern Nebenprodutt dx 
Gärung, weldes den Fufelölen analog iſt. 
abmt daber den R. in England und Deutiglan 
beionders in Berlin, Magdeburg u. f. w., vielins 
nad), indem man fujelfreien Spiritus durch gebren> 
ten Zuder färbt und ihm durch einen Zujag je 
Arom ertheilt. In der neuern Zeit bat man aim 
den, daß der Butteräther und der Ameijenätber da: 
Rumarom am beiten nahahmen. Man ftellt dade 
diefe Äther im groben unter dem Namen Rum 
äther dar und bereitet fünjtlichen AR., indem mer 
entfujelten Getreide: oder Kartoffeljpiritus m 
etwas Gjjig: und Butteräther, Zimt: und Ruktint 
tur (Tinctura fuliginis) verjeßt. Der echte R. ir 
beiter Qualität lommt aus Jamaica und ander 
weitind. Kolonien; er enthält etwa 48 Proz. Allede 

um, eine zu den innern Hebriden gebörz 
Inſel, zur ſchott. Grafſchaft Argyle gerechnet, jür..: 
von der größern Inſel Skye, ſehr gebirgig, boliar- 
und wenig angebaut, erhebt ſich im Scour Guilic: 
zu einer Höhe von 813 m und zählt etwa 600 €, 
welde —— Schafzucht betreiben. 

Numa, Marktileden im Komitate Syrmien ü 
Kroatien:Slawonien, Station der Yinie Indie 
trowib der Ungariichen Staatsbahnen, Sik air: 
Bezirksgerichts, zählt 8541 ſerb. und deutice €, 
hat ergiebigen Getreide: und Weinbau, vorzägihr 
Pferdezucht und befebte Jahrmärkte. 

Rumänen oder Nomänen (Rumani uab Fr 
mani) nennen fid) jelbjt die Bewohner Numäni:;, 
Beſſarabiens und eines Teils der Bulowina, S— 
benbürgen®, Ungarns und der Balkangegend 
Ter Name Walache, der ihnen von den rem 
beigelegt wird, ift ihnen ebenio fremd wie etwa‘ 
Italienern der Name Weljde. Sie zählen — 
über I Mill und find Abkommen Der röm, Ke 
niſten, die Trajan im 2. nachchriſil. Jabth. zes 
Dacien brachte. Wie weit fie mit den uripriz. 
lihen Ginwohnern, den Daciern, fi vermr:: 
—— läßt ſich nicht mehr feſtſtellen. Manche Se 

räuche der rumän. Bauern erinnern an den 
Urjprung; die maleriihe Tracht, namentiich x 
Bäuerinnen, iſt ähnlich der italienischen in der 3; 
magna, Der rumän. Hirte, gleih dem Cam 
narden, lleidet jih no in jenen mit der Raubier 
nad außen gefehrten Schafpelz, dDurd) den aud > 
den alten Höntern die lanuviniihe Juno ibn: 
einheimijhen Uriprung ſymboliſſerte. Die be 
tige höhere Geſellſchaft hat durchgängig ihre Gı>: 
bung im Auslande, in Frankreich und Deutichlan 
genofien unb überall ocident. Sitte eingeſütl 


Numänien 8% 


fiber die Gefchichte und Litteratur der Rumänen f. | und Mais, nächſidem Vieh, tierifche Produlte und 
Moldau, Aumänien,RumäniigeSprade | Holz. In die Donauhäfen liefen 1884 ein 20478 
und Litteratur, Waladhei. Verwandt mit | Schiffe mit 3711143 t und aus 20650 Schiffe mit 
den R. find die Maledo:Maladen oder Zin: | 3678849, Unterftügt wird der Handel durch bie 
zaren, welde über Niederalbanien, Theflalien, | Nationalbank in Butareft mit ihren Sufturfalen in 
Weitmacedonien und das griech. Feſtland zerftreut | Galas, Braila, Jaſſy und Krajowa, viele Bodens 
find und deren Sprache nur dialeltiſch von der der | Freditanftalten und ein Nes von Eiſenbahnen, defien 
eigentlichen R. verſchieden iſt. Vgl. Slavici, «Die | Nupen jedoch durch den Mangel an guten Landitras 
Numänen» (Wien 1881). ben beeinträchtigt wird. Im Betrieb waren Mitte 
. Numänien oder Nomänien, ein 1859 aus | 1885 an Gijenbahnen 1458 km, im Bau 807 km 
ber Vereinigung der Dloldau und Walachei als | und fonzeffioniert 224 km, Die Hauptlinie führt 
ein ber Pforte —— Fürſtentum ent: | von Sbcani bei Suczawa über Roman, Galaßtz, 
ftandenes, jeit 1878 von der Türkei —— Braila, Bulareſt, Krajowa nach Virciorova bei 
lönigreich an der untern Donau, grenzt im W. an | Driowa. Die Länge der Telegraphenlinien belief 
Öfterreih: Ungarn, im N. an Rußland, im S. an | fich 1885 auf 5211 km, j : 
Yulgarien, im D. an das Schwarze Meer und Nuß: | Der rumän. Staat ift eine konftitutionelle erbliche 
land, und umfaßt, nachdem 1878 der rumän. An: | Monardie (Rönigtum) mit Zweilammerfyitem 
teil an Bellarabien (8180 qkm mit 136600 €.) | und birefter Wahl. Die Berfaliung datiert vom 
an Rußland abgetreten, dagegen die Dobrudicha | 12. Juli (80. Juni) 1866 und ijt revidiert 1884. 
(13210 qkm mit 110000 GE.) mit R. vereinigt | Der Ihron des Königs (rumän. Domnu oder Rege) 
wurde, 129947 qkm mit 5376000 E., darunter iſt erbli nach dem Gritgeburtsrecht in der männ: 
über 300000 Juden, über 100000 Bulgaren, 35000 | lichen 9 eg ve t des Königs Karl von 
Magyaren, 30000 Deutiche, Griechen und Armenier | Hohenzollern. Derielbe betennt ſich zur röm.:tath. 
und einige taufend Türlen und Tataren; die übri: | Kirche; aber feine Nachfolger müſſen der griech. 
gen find Rumänen (ſ. d.). Das Land fällt von den | orient. Kirche angehören. Die Großjährigleit des 
Zransiylvaniichen Alpen (ſ. Karpaten), welche | Königs tritt mit dem vollendeten 18, Lebensjahre 
es von Oſterreich· Ungarn trennen, nad Süd und Dit | ein. Die Volksvertretung befteht nad) der revidiers 
raſch zum Hügelland und zur Tiefebene der Donau | ten Verfafjung aus einem Senat von 120 Mitglies 
ab, welde als Fortiegung des groben ſüdruſſ. Tief: | dern und einer Deputiertenlammer von 183 Mit- 
und Eteppenlandes zu betrachten iſt. Der Haupt: | gliedern. Die Staatsverwaltung zerfällt in bie 
jtrom des Landes iſt die Donau, welche vom Eifer: | (acht) Departements de3 Innern, der Juſtiz, des 
nen Thor an bid zur Dobrudſcha die Sübgrenze | Kultus und Unterrichts, der Finanzen, des Kriegs, 
bildet und viele Flüſſe aufnimmt, von denen der Dit | des Aderbaues und Handels, ber Öffentlichen Ar: 
(Aluta), Sereth und Pruth die wictigften find; | beiten und des Uußern. An der Spihe jedes Des 
ehterer bildet die Ditgrenze gegen Nusland, (Bol. | partements fteht ein verantwortliher Miniiter, 
Harte: Balltanhalbinjel, Bd. IL, S. 399.) unter ihm ein Direltor, dann Seltionschefs u. |. w. 
Das Klima ii rauher, als die füdl. Lage bes | Die Stontrolle über die Verwaltungsrechnungen 
anded vermutben laſſen follte; die Winter find | führt ein oberiter Rechnungshof. Im Minijterium 
treng und langdauernd, die Sommer heiß und oft | der Finanzen find alle Kaſſen zu einer Generallaſſe 
roden. Der Boden ijt überaus fruchtbar. Liber | vereinigt. Für die Verwaltung der Eifenbahnen, 
wei Drittel der Bevölterung ernährt fi) von Ader: | des Tabak: und Salzmonopols (Reineinnahme im 
au und Viehzucht. Es find etwa 6 Mill. Heltaren N 1885: 20 Mill. Reich&marf) und des Boftweiens 
ultiviert; das bebaute Yand beiteht aus Feldern, | find befondere Generaldirektionen,. Das Finanz: 
Beinbergen und Gärten, während das unbebaute | reglement iſt dem franzöfiichen nacdhgebildet. Die 
u Weiden dient. Gebaut werden hauptſächlich Urmee beiteht nad) den Organiſationsgeſeßen vom 
Beizen, Mais, Roggen, Gerjte, Hafer, Wein, Hül: | 11. Juni 1868 bi3 1883 aus 1) der altıven Armee, 
mfrüchte und Gemüfe; ferner Raps, Hanf, Flachs zufammengefegt aus a. bem jtehenden Heere mit 
nd Tabak. An Waldungen, namentlich Eichen: | der Reſerve, auf dem Friedensfuß 1249 Offiziere, 
ıäldern, ijt das Land reich. Auch die Viehzucht ift | 31627 Mann, 5558 Pferde und 312 Kanonen; 
:beutend. Der Boden enthält verjchiedene Erze, | b. dem Territorialheere mit feiner Reſerve, an 
une daß diefelben ausgebeutet würden. Der Berg: | 130000 Dann in 32 Infanterie: (Dorobantzen;) 
| 
! 


ru befchräntt ſich auf Steinfalz, von dem die Aus: | und 12 Ravallerie:(Kalaraschi-)regimentern; 2) der 
ufer der Starpaten einen großen Reichtum be: | Miliz mit 32 Anfanterieregimentern, fowie 1 Ba: 
sen, und Petroleum, das namentlich bei Bufeo, | taillon und 2 Schwadronen in der Dobrubiche ; 
lojeſti und Balau durch gegrabene Brunnen von | 3) dem Landſturm (glöte), Jeder taugliche Ru: 
—120 m Tiefe gewonnen wird. Das Steinjalz | mäne it perfönlich wilitärpflictig. Der Dienft iſt 
irft dem Staate einen jährlichen Reinertrag von | im ftehenden Heere dreijährig, im Territorialbeere 
Dill, Frs. (Lei) ab, Nicht unbedeutend ift auch vier: und fünfjährig. Nah Ablauf diefer Dienftzeit 
2 Zahl der Viineralquellen. Außer den gewöhn: | bleibt man in der Neferve bis zum 30,, in der Miliz 
hen Handwertern hat R. noch wenig Induſtrie; bis zum 36., im Landfturm aber bi3 zum 46. Jahre. 
find nur einige Papier-, Zuder: und Tucfabri: | Außerdem aber gibt es Freiwillige und aus ber 
ı und Glashütten vorhanden. Auf dem flachen | Neferve Wiedereintretende, Es beitehen eine Mi: 
nDde iſt die Hausindufirie ſtark vertreten, in eini- litärwafienfabrit, 3 Militärfhulen, 14 Militär: 
ı Gebirgdorten bat die Königin Werkitätten für | hofpitäler; die Hauptjtadt Yulareft wird durch 
ebereien und Stidereien ins Leben gerufen; fonft | einen Gürtel ftarter, zum Teil mit Panzertürmen 
nur die Mühleninduftrie bedeutend, Der Wert | verjehener Forts zu einem großen Waffenplak um: 
: Einfubr betrug 1884 294986000, bie Ausfuhr | gewandelt. Das Staatögebiet ift in 4 Armeelorps: 
r 184 116000 * Der bei weitem wichtigſte bezirke und 1 Diviſionsbezirk (Dobrudſcha) eingeteilt 

as Getreide, beſonders Weizen | und jeder Korpsbezirk ſoll an Feldtruppen ein aus 

67* 


portartifel iſt 





dem ftehenben Heere und Territorialtruppen zuſam⸗ 
mengefehtes Armeelorps von 28000 Dann (bie 
Dobrudſcha 12000 Mann) bei der Mobilmahung 
aufftellen, doch fehlen gegenwärtig nod 4 Yäger: 
bataillone, 2 Kavallerieregimenter und einige Ge: 
nietruppen; außerbem fol im Kriege eine irn 
dige Kavalleriedivifion von 4 Regimentern formiert 
werben. Die etatsmähige Kriegsſtärle der Feld: 
armee beträgt 150000 Mann mit 336 Geſchutzen. 
Auch eine Heine Marine ift gebildet, welche aus 
4 Aviſos, 3 Kanonenbooten, 1 Schulidiff, 1 Tor: 
pebofahrzeug, 2 Torpebobooten und 10 Schalup: 
pen mit einer Bemannung von 60 F ieren, In: 
enieuren u. ſ. w. und 700 Mann be tebt s 
In kirchlicher Beziebung bat das Land 6 Bis: 
tümer und 2 Metropolitanjtüble,. Für die Bildung 
ber Weltprieiter find 9 Seminarien vorhanden. 
Noch immer beftehen viele Klöfter, von unwifjenden 
Mönden und Nonnen bevöltert, deren Zahl jedoch 
Hetig abnimmt, Für die Katholilen befteht jeit 1882 
ein Erzbistum in Bulareit. Der bisher bejtandene 
Unterſchied in der bürgerlien und polit, Berech— 
tigung der verſchiedenen Honfeffionen des Landes 
ift durch den Berliner Vertrag vom 13. Juli 1878 
befeitigt. An Schulen befist das Land (1885) 2830 
Elementar:, 6 Real:, 5 Handels, 12 höhere Töchter: 
ſchulen, 19 Untergymnafien, 7 Lyceen, 8 Schulleh⸗ 
rerfeminare und 2 Univerfitäten; ferner 2 Maler: 
ſchulen und 2 Mufittonfervatorien, beide mangel- 
aft. Der Unterricht ift überall unentgeltlih. Eine 
fabemie der Wiſſenſchaften wurde 1866, einegeopt. 
Geſellſchaft 1873 begründet. Für die Juſtiz be: 
ftebt ein Cafitionse), vier Appellhöfe, in jedem 
Diſtrilt ein Tribunal (Gericht&hof eriter Inſtanz) 
und mehrere Bagatellgeridhte. Für Kriminal: und 
Preßſachen ift die Jury eingeführt. Das Berfabren 
ift in allen Snjtanzen mündlihunbdöffentlid. Civil: 
und Kriminalrecht nebft ——— — wurden 
unter Fürft Cuſa meiſt nach dem Code Napoléon 
codifiziert und auf das ganze Land ausgedehnt. 
Hinſichtlich der polit. Adminiſtration ift R. jekt in 
32 Dijtrilte geteilt, die Diftrifte in 163 Berirke, 
Bon den 3070 Gemeinden find 72 ftädbtifh. Dem 
Diftrift fteht ein Präfelt, dem Bezirk ein Unter: 
yeäett vor. Hauptitabt des Landes, Nefidenz des 
önigs, Sikder Kammern, Centralbehörden u.f.w. 
it Bukareſt (f. d.). Unter dem Minifterium des 
Innern fteht ein Statiftiiches Bureau, die Staats: 
druderei und das Medizinalwefen. An öffentlichen 
Krankenanitalten hat das Land 70 Spitäler, 5 Sr: 
renanftalten, 2 Gebär: und 2 Finbelhäufer, Die 
Staatseinnahmen beliefen fi nah dem Bubget 
für 188586 auf 130033720 Fra.; in gleicher 
Höhedie Staatsausgaben. Davon kamen 28 Mill. 
auf das Kriegsminifierium, gegen 13 Mill, auf Kul⸗ 
tus und Unterricht, 4Mill. auf öffentliche Arbeiten, 
ungerechnet die Gifenbahnannuitäten. Die gefamte 
Staatsſchuld 1, April 1885 betrug 745318668 
Frs., wovon etwa die Hälfte Eiſenbahnbauſchul—⸗ 
ben, In R. wird nad) Lei gerechnet (1 Leu— 1Frank 
= 0,50 Marl). Das Wappen R.3 hat ein ſchwarz 
und weiß quadriertes Mittelichild wegen bes Haufes 
Hohenzollern, dem die Königsfamilie angehört; das 
erite blaue Feld des Hauptichildes zeigt einen ge: 
fronten goldenen Adler, welder im Schnabel ein 
ſilbernes Kreuz, in den Klauen Schwert und Scepter 
trägt (Waladei), im zweiten roten Felde befindet 
ſich ein ſchwarzer Stierfopf mit goldenen Hörnern, 
zwiichen welchen ein goldener Stern fteht, in der 


Numänien 


linten Oberede iſt eingolbener Halbmond (Moldau); 
im dritten roten Felde waͤchſt aus einer Königskrone 
ein doppelſchwaͤnziger goldener Löwe halb air 
ber wild n feinen Pranlen einen goldenen Stern 
vor fü im vi elde jind zwei 
unten den Stöpfen gegeneinander gelehrte 
Delphine. Scildhalter find zwei Löwen, w 
auf einer goldenen Arabesfenverzierung fteben, um 
welche ſich ein blaue Band mit der Deviie «Nihi) 
sine Be Ban Die Landesfarben find 


It; im vierten blauen 


u,gelb, 

rot; bie Flagge iſt blau ‚gelb, rot vertifal geitreift. 
63 beftehen zwei 
1% d.), geitiftet 1877, und Arone von R. (f. unter 

ronenorden S), geftiftet 22. Mai 1881. 
Henle, «R., Land und Bolt» (2py. 1877); Beaure 
und Mathorel, «La Roumanie» (Bar. 1878). 

Geſchichte. fiber die frühere Geſchichte ber 
Donaufürftentümer j. Moldau und Waladei. 
i chichte R.3 beginnt mit der Bereinigung der 
entümer am 5. Febr. (24. Jan.) 1859. 
An diefem Tage wurde Dberft Cufa (f. d.), der 
fieben Tage früher zum Fürften der Moldau er: 
* worden war, auch in der Walachei —— 
Dadurch lam vorerft eine Berfonalunion zu Stande, 
weldye im —* 1862 Ar, Berfhmeljung der 
beiden Berwaltungen in eine Realunion verwandelt 
und als foldhe von allen garantierenden Mächten 
bei Gelegenheit der Thronbefteigung des Fürſten 
Karl I. von Hohenzollern 1866 definitiv anerlannt 
wurde. u Johann I., wie Oberft Eufa feit 
einer Thronbefteigung fih nannte, erwies fich feiner 

ufgabe ala nicht ——— gewachſen. Dieſe 
Aufgabe war allerdings eine ſchwierige, vielleicht 


Orden: der Stern von Rumänien 





auf dem vorgefhriebenen eine unlösbare. 
Es hatte nämlic der Pariſer Vertrag von 1856 
„- Fr arifer Konvention von 1858 dem Lande 
eine No 


itution nad) belg. Mufter a welde 
nun Fürjt Cuſa einbürgern follte. Dem ftellten ſich 
al&bald die größten Schwierigleiten —— Das 
Grundübel war der vorläufige Mangel der ent: 
—— zu Clemente. In R. gab es nur 
eine höhere Klaſſe (Bojaren, ein jeht aufgehobener 
Amtsadel) und die bebürfnislofen Bauern. Der 
dritte Stand, das eigentlihe Bürgertum, war nod 
nicht vorhanden, — und Gewerbe wurden 
meiſt von Fremden getrieben, eine Induſtrie gab es 
nicht. Demnach fehlte in R. das wählende Element, 
und die Kammer war nie Ausbrud de3 Lande, 
63 fielen unter Cuſas Regierung, die fieben Jahre 
und zwei Monate dauerte, über 20 Minijterien, und 
bie Sauer jedes einzelnen war im Durchſchnitt auf 
vier Monate befhräntt. So konnte feine einzige 
Mafregel in Ruhe gedeihen und Wurzel faflen. 
Gine zweite Aufgabe, welche Fürft Cuſa zu löfen 
hatte, war bie adminiftrative Bollziehung der Union 
wifchen ber Moldau und Waladei. Diefe 

ben denfelben Urfprung, benfelben Boltaftamm, 
diefelbe Sprade, diejelben Sitten. Jedes beſaß 
aber eine verfhiedene Verwaltung. e —* 
Konvention hatte deren Verſchmelzung in den 
Art. 27—37 eine Übergangsbehörde, die Central⸗ 
tommiffion, beftellt, we ie gemeinfamen Geiche 
beraten und den Kammern vorlegen follte. Aber 
es lam ah dazu. An en 1862 defretierte der 
Fürft plötzlich die Union, hob die Centralfommiffion 
auf, veriäniet beide Kammern in eine, bildete ein 
einziges Minifterium und verlegte die Haupt: und 
Hefidengftabt des Landes nad) Bulareft, wohin nun 
alles lonzentriert wurde, 


Numänien 


Die nachſte wichtige Maßregel Cuſas war bie im 
Einvernehmen mit der Kammer 5. Jan. 1864 fanl: 
tionierte Sätularifierung der Ktloftergüter, wodurch 
bie jährlihen Einkünfte des Staats um ein Bedeu: 
tendes wuchſen. Allein nun wurbe der Beitand der 
Miliz erhöht, eine Unzahl Stellen kreiert, für welche 
noch fein Bedürfnis vorhanden, und fo die Staats: 
tafle mit Anforderungen überladen, die fie nicht be: 
friedigen konnte, Als nun Männer aller Parteien 
eine Koalition bildeten, deren legtes Biel dahin 
pin. ben Fürften zur Abdanklung zu zwingen, ent: 
chloß ng uja zum Staatsſtreich vom 14. (2.) Mai 
1864. Die Kammer warb aufgelöft, das Wahl: 
geieh ber Pariſer Konvention abgeändert, * 
meines Wahlrecht, Senat und Staatsrat eingeführt 
und einer Vollsabſtimmung (Plebiszit) zur Aner: 
fennung unterbreitet. Cogalniceanu führte als 
Minifterpräfident biefen Plan mit Eifer burd. 
Das Blebiszit hatte natürlich den gewunſchten Er« 
folg. Es begann nun das perfönliche n 
unter dem Scheine des ——— Ein 
Kommunalgeſeß und die Aufhebung der Robotpflicht 
waren bie erſten Schritte des Fürſten. Nach dem 
Grfofi des Staatsſtreichs lannte indes das Minifte: 
rium feine Grenzen mehr in Hinficht der Ausgaben, 
Zunädjft mußte der neue Staatsapparat bedacht 
werden, ein Koftipieliger Senat und Gtaatärat, 
dann die Ginridhtung ber Departementäräte, Ge: 
neraliynode der Priefter u. f. w. Der Staatsrat 
arbeitete ſogleich ein einheitliches Civil, Kriminal: 
und Handelsgejekbudp famt ben Brogehordnun en 
aus, und ein allgemeines Unterrichtsgeſetz ſchloß 
fih an, Alles dies wurde in anderthalb Jahren 
verfertigt, gebilligt und promulgiert. Aber die ver: 
bältnismäßig ungeheuern Mittel, die in fo Kurzer 
Zeit beihafft werben follten, ließen fih nicht auf: 
treiben. Dazu kam eine teilweiſe Hungersnot in 
der Moldau, ſodaß die Ausfuhr ber Cerealien 
unterblieb, der Handel ftodte, die Mauteinkünfte 
unter die Hälfte berabfanten. Im Febr. 1866 hatte 
das Land, ungerechnet die — bli⸗ 

ationen, 400 Mill. Piaſter oder 120 Mill. Mark 

chulden, und dabei waren alle Kaſſen inſolvent. 
Nun verbanden ſich alle Parteien zum Sturz Cuſas. 
Nahdem die Palaſtwache gewonnen, drang man in 
der Nacht vom 22. zum 23. (10,/11.) Febr. in des 
Fürſten Schlafzinnmer und forderte ihn zur Unter: 
zeihnung der Abdankung auf, die er auch ſogleich 
— Cine Triumviratregentſchaft, als provijo: 
riſche Regierung, bekräftigte aufs neue die traditio— 
nellen Wünſche der Rumaͤnen: Union und fremder 
Bulk und lieh, nahdem die Wahl des ee von 
landern nicht angenonimen worden, durch allge⸗ 
meine Abjtimmung ben Prinzen Karl von Hohen: 
ollern zum Fürjten R.s erwählen. Das Plebiszit 
fand 20. (8.) April 1866 ftatt; ber Prinz wurde in 
beiden Yürjtentümern fat einjtimmig gewählt und 
fofort von ber proviforishen Negierung als Carol. 
zum Fürften von R. prollamiert, 

‚Die Reife des Süriten Karl durdy das öfterr. Ge: 
biet hindurch war wegen ber bevorjtehenden Arien: 
erllärung an Preußen nicht ohne Gefahr. Mit 
einem ſchweizer Baß verſehen, unter einem andern 
Namen, burdeilte er Öiterreih und Ungarn und 
fam unerwartet am 20. (8.) Mai in Turnu:Severin 
an. Der Empfang bajelbit, wie auf dem Wege 
nad) Bulareft und in der Hauptitadt ſelbſt, wo er 
am 22.(10.) Mai feinen feierlihen Einzug bielt, war 
ein begeilterter. Die provijorifhe Regierung trat 


egiment - 


Hi 


fofort ab, bad Minifterium gelte Ieine Entlaffu 
ein und Lascat Catargiu, bie Präfidentihaft um! 
das Innere übernehmend, bilbete ein neues Kabi: 
nett, in welchem Joan Bratianu bad Finanz 
mintfterium erhielt. Aber bie Lage bes Landes war 
äußerft ſchwierig. Die Kaſſen ſtanden leer, eine 
Mißernte und Hungersnot war in Ausfiht, im 
nnern mütete die Cholera, an ber Örenze brohte 
n turk. Armeelorps, bie neue Regierung war von 
feiner Großmacht anerlannt, vielmehr mit einem 
energiihen Proteſt der Konferenz begrüßt worben. 
Der Furſt mobilifierte die Armee A jer: 
rütteten Zuftandes, um den von Ruſtſchuk unter 
Dmer Paſcha drohenden Türlen nötigentall3 Wi: 
derſtand zu leiften, begab ſich perfönlih in das 
Lager und bereifte befonderd die Moldau, wo ſich 
feparatiftifche Umtriebe geltend machten. Nach Ans 
nahme ber Verfaſſung am 12. Juli (30. Juni) 
mwurbe am 28, (16.) Juli bas Minilterium entlaffen, 
und in bem neuernannten übernahm Joan Ghita 
(Fürft von Samos) ben Borfis und Fürjt G. Stirbey 
da3 Außere. E3 begannen nun Unterhandlungen 
mit der Pforte, bie, ba fie günjtig verliefen, bie 
Reife des Fürften nah Konftantinopel und die Ans 
—— des Geſchehenen ſeitens der Pforte und 
der Großmaächte zur Folge hatte. Im November 
erreichten die Liberalen, ſog. Roten, in Verbindung 
mit andern unzufriedenen Elementen bei ben Wahlen 
ji ben neuen Kammern bie Majorität, ſodaß Joan 
ratianu mit ber Bildung eines Minifternums 
beauftragt wurde. Er begann fofort mit rabilalen 
Reformen, regelte das fo verworrene Münzweien 
und führte das Decimaliyftem ein. Die gegen die 
den ergriffenen Maßregeln, die in Europa große 
l — eit hervorriefen, nötigten Bratianu 
indeſſen zum Rüdtritt; aber ſchon im Nov. 1867 
trat er wieber an die Spike des Kabinettd. Die 
Neuwahlen gaben dem Miniſterium eine entfchies 
bene Majorität, ſodaß eine wichtige Gifenbahn: 
fonzeflion an das Konfortium Gtrousberg zu 
Stande fommen konnte. Am 16. Nov. 1868 wid 
Bratianu dem wegen ber bulgar. Bewegung aus: 
ebrodhenen Mißtrauen und ermöglichte jo befiere 
Beziehungen zur Türlei. Die Liberalen blieben 
FA zwar längere Beit von der Negierung ausge: 
chloſſen, aber ſtark genug, um es zu feiner fonfer: 
vativen Majorität in der Kammer kommen zu laſſen 
und jedes folgende Miniſterium zur Unthätigleit zu 
baingen. Diejelde Kammer, welde Bratianu als 
intjter nicht unterjtügen wollte, wählte ihn doch 
zu ihrem PBräfidenten, So konnte ſowohl das Wit: 
nijterium Cogalniceanu (Nov. 1868 bis April 1870) 
wie das folgende Minijterium Coſtaki Epureano 
(April bis Dez. 1870) keine einzige der wünſchens— 
werten Reformen burdführen, zumal innerhalb des 
Miniſteriums ſtets große Uneinigleit_ und infolge 
deſſen Pal ie Portefeuillewechſel herrſchte. 
Durch perſönliche Beſuche, welche der Für 
—— 1869) dem Kaiſer von Rußland in der Krim 
und fpäter dem Kaiſer von Oſterreich abitattete, 
bejlerten ſich die Beziehungen zu beiden Mächten 
weientlid. Seine im Nov. 1869 ftattgehabte Ver: 
mählung mit der Prinzeifin Eliſabeth von Wied 
trug viel zur Befejtigung der jungen Dynaftie in 
Numänien bei, 
Als der Deutfch:Franzöfifche Krieg von 1870 und 
1871 ausbrach, glaubten die Roten, bie franz. Sym:: 
atbien, die im Lande vorwalteten, benuben zu 
önnen, und organifierten im Aug. 1870 zu Plojeſti 


er ublilaniſchen Aufftand, ber jedoch ohne 
Su be gedämpft wurbe, Sion im Dezember nahm 
Eoitafi jeine Dimilfion. Das neue Kabinett wurbe 
unter dem ae Joan Ghilas gebildet, Die bru⸗ 
tale, vom Miniftertum geduldete Unterbrechung des 
deutichen Friedengieftes in Yulareit (22. März; 1871), 
bie emergiiche Intervention des deutichen General: 
toniuls von Nabowit und ein Befehl des Fürften | R 
F den Rüdtritt Ghilas zur Folge, Da lehle⸗ 
— gegenüber zu ſchwach war, hatte 
Art Be Kriegsminifter direlt militäri ches 

zeiten befohlen und berief dann bie frühere 
Scar Catargi, Nic, Golesco und Haralambi 
ei ke Syn haft, um zu erflären, daß er 
nen bie Regierung wieder übergebe, wenn bie 
ammern ihm nicht ein ſtarles regierungafähiges 
Minifterium bezeichneten. Angefichts Sejabe | [& 
brachte Catargi, beſonders von den Konſervativen 

mt, ein Kabinett zu Stande welches fo: 
he, Pen ausjchrieb und die Majorität er: 
ielt. Noch brohte der Streit mit Strouäberg 
(1. d.), der weder feinen Verpflichtungen gegen 
die Regierung noch ut. egen bie Inhaber von 
——— tionen — für ve ya Ge: 
abren zu —* Die nor Au itige Mäßigung 
Minifteriums und 2*2 Vermitte⸗ 
lungen hoben indes auch > e auf. Eine neue 
Konvention wurde mit einem berliner Konfortium 
De Hanfemann, Bleichröder) ald Bertreter der 
ktienbefiger — dieſes nahm auf eigene 
Rechnung eine neue Prioritätsanleihe auf, die 
Eiſenbahnlinie wurde bis Verciorova zu Ende ge: 
het, Die Finanzen des Landes beflerten ſich unter 
aurogenis vorzüglidyer Leitung; zur Tilgung der 
übernommenen ſchwebenden Schuld wurde die jog. 
Domänialanleibe im Lande felbit aufgenommen, 
jur En der 18. Mill, Frs. jäbrlicher Zinſen⸗ 
garantie für die Strousbergſche Eiſenbahn, Zabat: 
monopol, Branntmweinlicenz und Stempeliteuer ein: 
geführt. General Florescu wirkte für die Ber: 
mebrung und Verbeilerung der Armee; eine neue 
Drganijation wurde burdgefeht und ein neues 
Mautgeſetz, mit proteltioniſtiſchem Bolliyitem, 
führte zur Anbahnung von Handelötonventionen 
mit den europ. Staaten; 1875 wurde unter Boe- 
rescus Leitung der Verhandlungen und Andraͤſſys 
Begünftigung eine ſolche mit Öfterreich-UIngarn ab: 
eſchloſſen, 1876 mit Rußland. Nach dem Eintritt 
lajorescus ind Minijterium begann eine ſyſtema⸗ 
tiihe Ausbreitung und Hebung, des Vollsſchul⸗ 
weſens und die Einführung von Realſchulen wurde 
verfudt. Allein inzwiſchen hatte die —— 

Oppoſition, verftärkt durch die Koalition mit Yo 
Ghika und Cogalniceanu und durch von Boerescu 
und Demeter Ghila veranlaßte Spaltungen inner: 
halb der konjervativen Partei jelbit das Land auf: 
geregt, und bei den Senatäwahlen im Frühjahr 

1876 blieb dag Minifterium in der Minorität. 

Nach fünfjäbrigem Peſtand trat nun das Kabinett 
Lascar Catargi zurüd, weſentlich auch wegen feiner 
grundſãßzlich paſſiven Haltung in den beginnenden 
orient. Berwidelungen, während ruf. Einfluß und 
auch der Fürſt felbit ein aktives Vorgehen R.s 
wünfhten. Das Koalitionsminifterium Bratianu 
Cogalniceanu, in der Majorität aus radilalen Ele: 
menten, lam April 1876 zur Regierung, ſchaffte fi) 
eine entiprechende Kammer und begann die radikale 
Reubeiehung aller Staatsämter. Alle Mitglieder 
des geweſenen Lonjervativen Minifteriums wurben 


Rumãnien 


on ber Kammer (Herbfi 1876) unter Nullage oe 
hei, die —— ſelbſt aber, nad) laum beendeter 
orunterfudung, im Jan. 1878 als baltlos und 
* Zeitumftänden nicht mehr entſprechend zurüd: 
— rn 1876 begab ſich Joan Bratianu 
riten — Zivabia, um chts 
sa dro ob = — Verwidelungen die jntereiien 
erzuftellen. Die Zürfei hatte ingroifchen 

eine dr alt für das ganze Reich erlatien, in 
44 als — Provi —— 

—— 


alle der Auf 
biefer ——— 
nicht Fe anzueı 


je) A som Kegierung, worin * Durchzugs⸗ 
verhaltniſſe geregelt un , außerdem die gegenwär: 
tige territoriale Integrität R.s tiert wurden. 
Nah dem fibergang der 5 —* die Do⸗ 
nau mobilifierte R. feine Armee, ſtellte fie am 
Donau:Ufer zwiſchen Kalafat = B- immicea auf 
Fed niit und Minifterium ( *4 —e— 
ervativen) drangen darauf, zur Tei am 
— neben Rußland zugezogen zu werben. Ende 
ehnte eine rufj. Note dieje Teilnahme ab, 
N .. 18. 5 (6) — 1877 Zn re Karl 


vom ruf. 
de er der orsiere 


laus eine — 
Ar Lage vor Plewna ihm mit ——— Armee au 


t Dies 
übertrug dem Serften Hari Du8 Oberfommenbe 


Yım de nude dm R en Sem, ie um. 
Armee in überra 

trug weſentlich ga il Plewnas bei und nahm 

Rahowa und Widdin ein. Rußland trat trog 


ber Konvention vom April 1877 mit der For: 
pr der Retroceſſion bes befiarab. Teil von 
N. hervor, der gegenüber das iiterium eine 
mentarifhe Demonftration veranlafte. Zu 
Friedenzpräliminarien von San⸗ ano 
wurde R. .. augelaijen und jein Verhältnis zu 
—— ward überhaupt ein ſehr geſpanntes. 
Auch aus dem im Juli 1878 ſtattfindenden 
— Kongreß a ee “u — Un: 
prüdhen unbefrie or. ielt zwar 
die Dobrubiha, und Ir Unabbängigteit, von 
den rumän, mmern f don 21. a 1877 pro: 
Hamiert, wurde anerfannt, aber ar Anerlennung 
an bie zwei Bedi gen der Retroceifion Beil: 
arabiens an gen und ber polit. Emancipation 
der Yuden (d. b. der —— aller Kon: 
feifionen überhaupt) gelnüpft. Die beiden Bebin- 
ng wurden errallt und R. wurde infolge defien 
1878 al3 unabhängig anerkannt. Am 26.(14.) Mär; 
1881 proflamierten beide Kammern die Erbeb 
R.s J Königreich und Fürſt Karl wurde 2. (10. 
Mai 1881 ala ng er Unter der Berwaltung 
—* — * R. in —— 
iehung For m 
—* find weſentlich ſſert, das Eifenbabnnes 
Fi * ganz Sch aatlicht, wg Einkünfte des Königs 
m —— ngeiner bedeutenden Krondomäne 
Der Kredit R.s iſt — 
= er — von 12 auf 6 Pros. 
eutichland, England und Ytalien een — 
verträ ge abge aſſung wurde 


loſſen worden, die 
in liberalem man dem 


nne abgeändert, ohne 





Rumäniſche Sprade und Litteratur 


Anbange Rofettis, der allgemeines Stimmrecht 
wollte, nachgeneben bätte, und infolge der Neijen 
des Königs nad) Berlin und Wien und der Zuſam— 
menlunft Bratianus mit Bismard in Gaſtein 
Sommer 1883) ift R. der mitteleurop. — —— 
iga beigetreten, ſodaß die Beidhlüffe der Laudoner 
Konferenz, weiche Oſterreich in der Donaufrage im 
Vorteil lieben, ſuspendiert worden find. Seit An: 
{one 1886 wird rüjtig an den Feſtungswerken von 
ufareft unter Leitung bed Generals Brialmont ge: 
arbeitet, und jämtlihe Mächte ſchidten zur Erpro: 
bungber neuen Ranzertürme ere nach Bulareſt. 
Bol. Mitileneü, «Collectiune de tratatale si 
conventiunile Romaniei cu puterile straine de le 
anul 1368 pana in dilele nostre» (Butareit 1874); 
Mite Kremnitz, «Rumän, Skizzen» (Bukareſt 1877). 
Rumänifiche Sprache uud Litteratur. Die 
rumän. (walachiſche und moldauiſche) Eprade ijt 
aus dem Latein entiprojien und unterdeflen Töchter: 
ſprachen der italienifhen amnädıjiten verwandt. Sie 
Be a ne von allen Rumã⸗ 
nen nördlich der Donau geiprodgen, dagegen im Si: 
ben, um den Ballan und den Pindus, in mannigfadher 
dialeftiiher Abweichung ald macedoniid:rumäniich, 
ebenjo abweichend in einigen Orten in Iſtrien. Das 
Röltergemifch, welches bis ins 10. Jahrh. durch das 
alte Dacien zog, hat bedeutend auf die rumän. 
Eprade eingemirkt; wohl die Hälfte ihrer Beitand: 
teile iſt zwar lateinisch geblieben, die Wurzeln des 
andern Zeild aber muß man im Slawiſchen, Alba: 
neſiſchen, Griechiſchen, Ungarifchen, Türliſchen, zum 
geringen Teil im Deutſchen, vielleicht auch im Da— 
ciſchen ſuchen. Das Humänifche war noch nicht 
gefeſtigt, al3 die fremden Stoffe es zu durchdringen 
begannen, und jo wurde manches Fremde, namtent: 
lich da3 Slawiſche, unvermittelt aufgenommen. 
Doch ift das Rumäniiche zweifellos eine echt roma⸗ 
niſche Sprache geblieben. An einem guten Wörter: 
buch des Rumaniſchen mangelt es noch immer. 
Sowohl das alte ofener Lexilon (1825), als der 
«Dictionariul limbei romane» der bulareſter Alta: 
bemie (1873) find einfeitig in erzwungener Patiniät; 
befier iſt das «Glossariu» derjelben Alademie. 
Bahnbrechend auch fürdie KenntnisdesRumänishen 
in Deutihland war fir. Diez‘ a Grammatik der 
roman. Sprachen» (4, Aufl., 3 Bde., Bonn 1876— 
271 l. auch Milloſich, «Die ſſlaw. Elemente im 
Rumäniihens (Wien 1861); die Einleitung zu 
Schotts «Walahiihem Märdenbuh» (Stuttg. 
1845); Cionca, »Praktiſche Grammatik der romän. 
E pradjer (3. Aufl., Bulareit 1855). , 
Von einer rumän. Pitteratur lann man erjt im 
17. Jahrh. reden. Das erite rumän. Bud war 
1577 in Kronſtadt (Siebenbürgen) gedrudt, der 
«Bjalter des Corefir; um 1580 erihien ebenfalls in 
stronftadt die erjte rumän, Bibelüberfegung, das 
« Batrevangelium», Doch war bis fajt zur Mitte 
des 17. Jabrh. die jlaw. Spradhe in den Kirchen ge: 
bräuchlich, und erft die en Vaſilie Lupu in der 
Moldau und Matthei Ballarab in der Walachei 
führten die rumän. Eprade in Kirche und Staat 
ein. Aus berfelben und der nachfolgenden Feit 
find unter andern auch die in jchöner, marfiger 
Sprade verfabten rumän. Chronifen von Ureti 
(Ende des 16. Jahrh.) und Miron Goftin (geit. 
1692), ſowie bie Schriften des Metropoliten Do: 
fithei (aeit. 1690) und des Fürſten Dimitrie Cante: 
nıir (1673— 1723). Mber Fürſt Dimitrie Cantemir 
bezeichnet zugleich den Abſchluß der rumän. Kultur⸗ 


903 


bewegung. Cr war mit Jar Reter d. Gr, verbün: 
det, als derfelbe 1711 gegen die Türkei vordrang. 
Die Hohe Pforte, um ſolchen Gefahren für die Zu: 
dunft vorzubeugen, ließ von nun an, mit Verlegung 
der alten Kapitulationen, die Fürjten nicht mehr im 
Lande wählen, fondern ſchidte fie meiſt ſelbſi aus 
Konftantinopel und erftidte bamit jede nationale 
Regung. Vornehmlid waren e8 Griechen aus dent 
—— die ſich die Furſtenſtühle der Moldau und 
alachei erfauften. Das Griechiſche wurde die 
Sprade ber Gebildeten und erit im 19. Jahrh. er: 
wachte von neuem ein nationaler Geijt im Volte, 
wozu fiebenbürg. Numänen, die in die Waladei 
einwanderten, den erſten Keim legten. Lazar (1822) 
war der erjte Yehrer in diejer Richtung, ihm folgte 
Laurianu, Joan Majorescu (Bater); in der Moldau 
Aſſali. Unteritüpt wurden ihre Beitrebungen durch 
Dee: und ſprachliche Schriften der Siebenbürger 
ticul, Petru Major, Gipariu, durch die Chronit 
von Eincai u. ſ. w. In der Waladyei wurden 
unter den Einheimischen beliade, Bolintineanu und 
Balcesu Vorlampſer der litterariichen Bewegung, 
in der Moldau Alerandri, Konitantin Negruzzi 
(Vater) und Michael Gogalniceanu. Die natürliche 
Folge diefer mannichfachen Regungen war ein leb— 
bafter litterarijher und polit. Aufſchwung, der um 
1820 begann. , Unter den namhaften rumän. 
Shriftftellern der Gegenwart iſt in eriter Reihe 
noch immer Alerandri zu nennen. Seine lyriſchen 
Gedichte und jeine Sammlungen rumän. Bolflieder 
(deutſch von W. von Kotzebue, Berl. 1857) find das 
Beite, was die poect. Litteratur Rumäniens aufwei: 
en lann. —— unter ben jüngern Dichtern 
ift Eminescu. Biel Neuere von Alerandri und 
Eminescu ift deutſch überjeht von Carmen Sylva 
(Königin Elijabeth von Rumänien) und Mite Krem: 
nik («Rumän. Dihtungen», 2. Aufl., Lpz. 1883). 
Schöne Sprache und gediegene hiltor.:ardjäol. 
Kenntnifjezeigt Odobescu. Vieles zur Geſchichte und 
vergleihenden Sprachforſchung ſchreibt Hasdeu. 
Den alten überwundenen Standpunlt der Philo— 
logie vertraten der gelehrte Kanonilus Cipariu 
(rumän. Grammatik, Analelten u. ſ. w.), Laurianu 
und Marim Alademiſches Wörterbud) und Glojs 
farium»). Boltsichriftiteller im beiten Sinne find 
Greanga und Slavici. Die belannteite ruman. 
Schrütitellerin, Dora d'Iſtria (f. d.), ſchrieb meijt 
in franz. Sprade; doch erſcheint eine rumän. Über: 
ſehung ihrer Werfe (Bd. 1—3, Bulareft 1876— 78), 
Als polit. Schriftiteller und Zeitungsredacteure find 
Barik («Gazetta Transilvaniei») und der radilale 
C. A. Rofetti («Romanul») zu nennen. Im Kampfe 
gegen die Nahahmung bloß äußerer Formen der 
weitländ, Kultur, namentlich des franz. Weſens, 
entitand in der neueiten rumän. Zitteratur die Iri: 
tiihe Richtung, geleitet von Titus Majorescu (cd 
namentlich deſſen «Critice», Bulareſt 1874), welche 
im energiichen Widerftand gegen die eingeriſſene 
Verflahung, auf Naturwahrheit, wiſſenſchaſtliche 
Strenge und organiſche Ausbildung des geiſtigen 
Lebens aus dem eigenen Vollsweſen felbit dringt. 
In Jaſſy bildete ſich auf diejer Örundlage ein litte: 
rariih:polit. Verein, deſſen Degen bie Zeitihriit 
«Convorbiri Literare», unter Nebaction von J. 
Negruzzi (Sohn), wurde. Die Convorbiri drangen 
zuerit auf Reinheit der Sprache, durch Theorie und 
Beijpiel, und jesten aud die immer allgemeiner 
gewordene phonetiih:logiihe Schreibart des Rus 
mäniichen feit. Manche liberjegungen ins Rumäs 


904 
i 8 ber be ‚und 6 
—— den —— rede er’ 4 * 


urch fie veranlaßt, fo aFauſte, a Wallenſteins Tod», 
«Die Räuber», “D esco⸗, «Rabale und Liebe», 
«Macbeth», «Dibello», viele Gedichte von Goethe, 
Heine, Lenau, Victor Hugo, Lamartine u. ſ. w. Be: 
merlenswert ift in neueiter Zeit auch die beginnende 
zamne . Thätigleit mit Herausgabe guter rumän. 
it Qulsäger (Bopescu und Coma in Her: 
mannſtadt, Creanga in Jaſſy, Manliu in Bulareit). 
Auch auf dramat, Gebiet lieferten Alerandri und 
Garagiali in neueiter Zeit gute Werte. Vgl. Krem: 
nig, «Rumän. Slizzen⸗ (Bulgreſt 1877). 
Rumänife-Oratige, Dorf bei veutſch⸗ Dra⸗ 
wiha (f. d.). — Rumänifh-Szäfzta, Dorf bei 
Deutih:Szäfzta (f. d.). 
Numäther, |. unter Rum. i 
Numburg, Stadt und Hauptort bes gleich— 
namigen Bezirls bes een Böhmen an ber 
ſachſ. Grenze, Station der Linien Batov:R.:Ebers: 
bach und R.⸗Schludenau⸗Nixdorf der Bohmiſchen 
Vordbahn, zählt (1880) 10142 G., 8 ber Siß einer 
Bezirlshauptmannſchaft und eines Bezirfägerichts, 
bat eine Bürgerfchule, drei Vollsſchulen, eine evang. 
Privatſchule mit Öffentlichleitsredht, eine kath. un 
eine prot. Kirche, ſowie ein tapuzinerklofter, eine 
Fach⸗ und Zeichenſchule und ein Verforgungshaus. 
ie Stadt ift berühmt durd ihre Weberei und 
Horndrechslerei. Es werden daſelbſt Leinen, Woll: 
und Baummollwaren, dann Tiſch⸗ und Bettbeden 
erzeugt, —— ſämtlich mit den Horndrechsler⸗ 
waren anſehnliche Exportartilel abgeben. 
Numelien, Numilien, türk. Rumili, b. h. 
Roms Land, iſt ein ſehr verfchieden befiniertergeogr. 
Begriff. Im ausgedehntern Sinne verjtanden die 
Zürfen von jeber unter ihm die Gefamtheit ber 
europ. Befisungen des Sultans, indes mit Aus: 
ſchluß der Moldau, Walachei, Serbiens, Bosniens 
und der Herzegowina. Es umfahte mithin, nad 
türt, Spradgebraud, R., außer den osman. Bro: 
vinzen im Süden des Vallan, auch Bulgarien und 
erſtreckte na vom Geſtade des Schwarzen und 
Agäiſchen Meers bis er Adriatiihen und zur 
rieh. Grenze Im Vollsmunde dagegen ift im 
Irient R. der Gegenfak von Anaboli oder Anato: 
lien und bedeutet rue europ. Seite oder 
Hälfte des türf, Reichs. Indes wurde der Ausbrud 
aud im engern Sinne aufgefabt und angewendet 
innerhalb der vielfahem Wechſel unterworfenen 
türk, PBrovinzialeinteilung, indem um 1836 nad 
Unterwerfung Hochalbaniens durch Reichid:Paicha 
aus —— one und dem wejtl. Macedonien 
ein Gjalet mit Toli Monajtir als Hauptitadt gebil: 
det und ihm der Name Numili erteilt wurde, Im 
Anſchluß an dieje Reminiſzenz führte das britte 
tür, Armeekorps, dejjen Hauptquartier ſich zu Mo: 
naftir befindet, den Beinanten Numili Orduſſu (ru: 
melifche Drdu). Im entichiedenften Gegenfag hierzu 
Mg bie abendländ, Geograpben unter R. die 
öftl. Hälfte der Lande im Süden des Vallan, aljo 
im befondern das alte Thrazien, indes mit Aus: 
Schluß der europ. Geftade ber beiden Meerengen und 
des Marmarameers. (S. auch Dftrumelien.) 
Nümelin a? denticher Statiſtiker und 
—— geb. 26. März 1815 in Ravensburg in 
Wuͤrttemberg, ſtudierte 1832 —36 in Tübingen 
Theologie, bekleidete dann mehrere Hilfslehrerſtellen 


und wurde 1845 Rektor der lat. Schule zu Nür: | deutich, Weim. 1800—5). 


Numänifh-Drawiga — Rumford 


Parlament gewählt, wo er ofort ber erbfaiferl. 
Partei 2 Bei fi s oelung be3 Barla- 
. fein Mandat nieber 


ment3 nad) —— legte 
und wurde dann Gymnaſialprofeſſor in Heilbronn, 
fam 1850 als Referent für die humaniſtiſche Ab 
teilung in den Studienrat nad Stuttgart, 1852 als 
Nat in das Aultusminijterium, und wurbe 1856 
Staatsrat und Departementächef des Kirchen: unb 
Schulweſens. In diefer Stellung war er für He 
bung des Volksſchulweſens und Beilegung des 
Konflikts der württemb. Regierung mit der Kurie 
mit Erfolg thätig⸗ Da eine mit der leztern abge 
ihlofiene Konvention von der württemb. Zweiten 
Kammer verworfen wurbe, nahm R. 1861 _ feine 
Entlafjung, übernahm die Stelle eines Votſtand⸗ 
des ftattjt.stopogr. Bureau und habilitierte fidh 1867 
als Docent für Statiftil und Philoſophie an der 
Univerfität Tübingen, zu beren Kanzler er 1870 er 
nannt wurde. R. jchrieb: «Die Aufgabe ber Bolls 
Neal: und Gelehrtenfhulen» (Heilbr. 1845) «Shal: 
jene: Studien» (Stuttg. 1866; 2, Aufl. 1874), «We: 

en und Aufiäpe» (2 Bde, Tüb, 1875—81). Auf 
batte er wejentlihen Anteil an dem geogr. :ftatift. 
Werk «Das Königreid Württemberg» (Stuttg. 
1863), jowie an defien neuer Bearbeitung (Stu 
1884) und redigierte eine Zeit lang die «Württemb, 
Jahrbücher für Statiftit und Landesktunder, 

— — mer: fon, Graf ), Bio 

umford (Benj. Thompfon, Graf von), 

filer und Bbilanthrop, geb. 26. März 1753 u 
burn in Maſſachuſetts, ward ſchon 1770 Lehrer an 
ber Akademie zu Rumford, einem Orte in Nem: 
Hampibire, der jept Concord heißt. Während bes 
Freiheitskriegs ab er fih genötigt, zu ben län: 
dern nach Bolton zu entfliehen, für die er die Wafı 
fen ergriff. Als die Engländer 1776 Bofton räum: 
ten, überbrachte er diefe Nachricht nad London. 
Hier gab man ihm eine Anjtellung im Ariegämini- 
ſterium, die er jedoch nad einigen Jahren nieder: 
legte, Er kehrte nah Nordamerita zurüd_ und 
errichtete ein Heines Reiterlorps, an deſſen Spise 
er als Oberſt tapfer fämpfte. Nah dem Frieden 
von 1783 wendete IHR. nah Münden und wurde 
bier die Seele einer Reihe von gemeinnügigen Maß: 
regeln. So betrieb er die Bejeitigung der Bettelei, 
die Gründung von Manufalturen für Arme und 
Brotloje, die Einführung der Kartoffeln und ber 
Sparöfen. Belonders aber madte er ſich eimen 
Namen dur die Crfindung einer ölonomiſchen 
Suppe(nahibmRumfordiheSuppe genannt), 
die aus Knochen, Blut und andern nahrhaften bil: 
ligen Stoffen bergeitellt wird. Der Kurfürjt erbob 
ihn zum Grafen von R. und verlieh ibm auch den 
Grad eines Generallieutenantse, Im J. 1799 ging 
er nach England zurüd. Der königl. Societät der 
Willenihaften, deren Vigepräfident er war, fehte 
er bedeutende Summen zur Belohnung nühlicher 
Grfindungen aus. Die 1800 unter dem Namen 
Royal-nititution zu London gegründete Lehranitalt 
für techniihe Gewerbe fam zum Teil unter feiner 
Mitwirkung zu Stande. Zwei Jahre fpäter fiebelte 
er nad Frankreich über und wohnte auf feiner Be 
fisung zu Auteuil, wo er 22, Aug. 1814 ftarb, R, 
binterließ «M&moires sur la chaleur» (Par, 1809), 
«Recherches sur la chaleur» (1804—13) und 
«Essais politiques, &conomiques et philoso- 
phiques» (4 Bde., Genf 1799—1806; uriprüngali 
Ellis veranftaltete eine 


tingen. Hier wurde er 1818 in das Frankfurter | Sejamtausgabe feiner Werke (5 Bbe., Yond. 1876). 


Rumina — Rumormeifter 


— und die mechan. Wärmetheorie⸗ 


Rumina wurde von den Römern als eine Göttin 
verehrt, welche dafür forgte, daß Tiere und Men: 
ſchen vᷣlilch zum Säugen —* Kinder hätten. Das 
ber wurde fie in Die Sage von Romulus und Nemus 
in der Art verwebt, dab es hieß, die Zwillinge jeien 
da an das Land getrieben, wo ein der R. geweihter 
eigenbaum ftand, unter welchem fie bann von ber 
ölfin geläugt wurden. Später follte dann biejer 
Ruminaliihe Feigenbaum durch ein Wunder bes 
Augurs Attus Navius auf das Comitium verfegt 
worden fein. : 

Ruminantia (fat.), Wieberläuer. 

Rumjanzomw, richtiger Numjanzew, rufl. 
Adelsgeſchlecht: 

Alerander yuereuitig R., geb. 1684, ge: 
wann als era im Preobraſchenslijſchen Regi⸗ 
ment die Gunſt Peters d. Gr., begleitete denſelben 
nad Dänemark und Holland, 1722 auch nach Ber: 
fien, ward 1728 General der Armee in Berfien, 
1736 Statthalter in Kleinrußland und ſchlug als 
per 1738 die Türken bei Krementſchug. Er gin, 

ann als Gefandter nach Konitantinopel, ichlo 
1743 zu Abo den Frieden mit Schweden ab, wofür 
er in ben Grafenitand erhoben wurde, und ftarb 
15. Mai 1749 in Moslau, 

Eein Sohn Graf Peter Alerandrowitid 
R., mit Beinamen Sabunajftij (b. i. der 
die Donau überſchritt), geb. 1725, war einer ber 
vorzüglichiten rujj. Feldherrn. Schon im Sieben: 
jährigen Striege fommandierte er in ber Schlacht 
bei Kunersdorf 1759 das Gentrum und nahm 1761 
die Feſtung Kolberg ein. Im J. 1769 wurde er 
Dberbefehlähaber im Kriege ge en die Türfen, er: 
fodht glänzende Siege am F le Larga und am 
flagul, wofür er rg Feldmarſchall ernannt wurde, 
überjcritt 1771 die Donau und nötigte die Piorte 
pn Abſchluß des Friedens von Kutſchuk-Kainar— 
ſchi 21. Juli 1774. Cr ftarb 19. Dez. 1796 und 
it im Petſchoörſtijſchen Kloſter in Kiew begraben. 
Denkmäler wurden ihm errichtet in Zarsloje:Sielo 
— Marmorobelist) und in Petersburg (ein Obe— 
ist von ſchwarzem Granit, 25 m body). Seine 
Biographie ſchrieb Tſchitſchagow (Petersb. 1849). 

Des Iehtern Sohn, Graf Nilolaj Petro: 
witich R., geb. 1754, war 1779— 96 ruf). Ge: 
landter in Sranfjurt a. M., darauf 1802—7 Han: 
belömimijter. Er wurde darauf Miniſter des Aus: 
wärtigen, begleitete 1808 den Kaiſer nad Crfurt, 
ging 1809 nad) Paris zu Verhandlungen mit Na: 
poleon und ſchloß noch in demjelben Jahre (17.Sept.) 
mit Schweden den Frieden von Friderilshamn ab, 
kraft dejjen Finland an Rußland fam. R. wurde 
infolge davon zum Reichslanzler ernannt, legte aber 
1812, als der Bruch mit frankreich eintrat, fein 
Amt nieder und widmete ſich hinfort der Förderung 
der Wijjenihaften. Er rüjtete 1815 auf eigene 
Roiten das Schiff Rurik aus, das unter Otto von 
ſtohebue eine Reife um die Welt nrachte, ſammelte 
und gab in Drud verichiedene Materialien zur ruſſ. 
Geſchichte, widmete feine Bibliothek, fein Münz: 
und Mineralienlabinett der öffentlichen Benukung, 
woraus das Rumjanzowſche Mujeum gebildet 
wurde, bas 1861 nad) Moskau verlegt und durch 
Hbnograph. ——— und anderes vermehrt 
wurde. R. ſtarb 15. Jan. 1826. 

Mit feinem jüngern Bruber, GrafSergij Be: 
tromwitich R., der einige Zeit Geſandter in Berlin 


905 


war und 6. Fehr. 1838 in Mostau ftarb, erlofc bie 
gräfliche Linie ber Familie, 

Rummel (Rommel), mehrere Dinge peimamen 
ohne Auswahl, häufig in ——— atalogen; 
im Piquet mehrere Karten von gleicher Farbe. 

Rummel, im untern — Wad-el-Kebir, 
im Altertum Ampsaga, Fluß in der algeriſchen 
Provinz Conſtantine, entſteht im SW. ber Stadt 
Conſtantine aus der Bereini 9 mehrerer Gebirgs⸗ 
bäche, fließt zuerſt in norböflf. lichtung, dann zwi⸗ 
fhen bem —— und dem Numidiſchen Ges 
birge nördlich, dann weſtlich, hierauf, den Djebel 
Auat durchbrechend, abermals nördlich und mündet 
—— von den ſieben Kaps (Seba Rus) in das 
Mittelländiſche Meer. 

Nummelpiquet, ſ. Piquetſpiel. 

Nummelsburg (bei Berlin), zum Guts— 
bezirk Boxhagen gehörige Kolonie im Kreiſe Nieders 
barnim des preuß. Negierungsbezirts Potsdam, 
5 km öſtlich von Berlin, am Rummelsburger See, 
einer recht3feitigen Ausbuchtung der Spree, Stas 
tion ber Linien Berlin-Breslau und Berlin-Schneis 
bemübl:Nönigsberg der Preubiichen Staatsbahnen, 
zäblt (1880) 1600 E,, hat eine evang. PBfarrlirche, 
ein großes Waiſenhaus der Stabt Berlin von 1859, 
eine Pump⸗ und Niltrieranftalt der Berliner Wafiers 
werte und Brotbäderei, 

Rummelsburg (in Pommern), Kreisftadt 
im preuß. Regierungsbegirt Köslin, an der Stied⸗ 
nis, Station der Yinie Pofen : Stolpmünde der 
Preußiſchen Staatäbahnen, Sik des Yandratds 
amts und eines Amtsgerichts, Böll! (1880) 5304 €, 
und bat Wollipinnereien und Zucfabriten. — 
Der Kreis Rummelsburg zählt auf 1147 qkm 
34 788 überwiegend evang. E. j 

Numohr (Karl Friedr. Ludw. Felir von), viel: 
feitiger Schriftiteller, geb. 6, Jan. 1785 unweit 
Dresden, ftudierte zu Göttingen und lebte fpäter in 
Dresden, wo er mit Tied befreundet war, in Ita— 
lien (vgl. feine «Drei Neifen nad Stalien», Lpz. 
1832), in topenbagen, wo er tönigl. Hammerberr 
war, und in Lübech. Im J. 1842 kaufte er ſich in 
Lübed ein eigenes Haus, wo er feine Bibliothek, 
Kunſtſachen und reihen Kupferitihfammlungen auf: 
jtellte, Gr ftarb in Dresden 25. Juli 1813. Gein 
Hauptwerf «tal. Forſchungeny (3 Bde., Berl. 1827 
— 31) behandelt gründlih und gediegen die Ge: 
ſchichte der Entjtehung und Ausbildung der neuern 
Malerei. Bon feinen andern kunſthiſtor. Schritten 
find zu erwähnen: «Geſchichte der Lönigl. Kupfer: 
— zu Kopenhagen» (Lpz. 1835), «Dans 
Holbein der Jüngere in feinem Verhältnis zum 
deutfchen Formfchnittwefen» (Lpz. 1836), «dur Ges 
ſchichte und Theorie der Formſchneidekunſt (ps. 
1837). Seinen «Deutihen Denkwürdigkeiten» 
S Bde., Berl. 1831), einem in Memoirenform ges 

leibeten Romane, ließ er «Novellen» (2 Bde.,Münd). 

1833—35) folgen, Früher ſchon gab er heraus 
«tal. Novellen von hiltor. ntereiier Hamb. 1823), 
und nicht ohne Humor iſt jein Gedicht «Stynalope: 
komachias, der Hunde-Fuchſen-Streit (Tüb. 1835). 
Als ein Mann von Beijt zeigte er fich auch in feiner 
«Schule der Höflichleit» (2Bde,, Stuttg. 1834—35). 
Seine Hunftiammlungen wurben 1816 in Dresden 
verjteigert. Bol. Schulz, «R., fein Leben und feine 
Schriften» Su 1844). ö 

Rumonfch, ſ. Romaniſch. 

Rumormeiſter ib zur Zeit der Landsknechte 
ein zum Negimentäftabe gehöriger, dem «Huren: 


906 


mwaibel» zugeorbneter Dffizier, ber biefen im Qa- 
per, namentlid aber auf dem Zuge und während 
ed Treffens in der Leitung des ſehr zahlreichen 
bienftbaren — — der«Huren und Buben» 
unterftühte. y der Hegel ernannt: man bierzu 
einen alten, frienderfahrenen Ariener, ber zum 
Naffendienfte nicht mehr völlig geeignet war. 

Numpelmetten, f. Finftermetten. 

Aumpenheim, Kirchdorf in der beit, Provinz 
Etartenburg, Kreis Offenbach, am linten Main: 
ufer, mit (1880) 807 €. und einem im Stil Zub: 
wigs XIV. erbauten Schloß mit großen ſchönen 
Parkanlagen (Friedrihsanlage), ben Landgrafen 
von a einer Seitenlinie des 
ehemaligen kurfüritl. j > Haufes, *5 Im. 
1866 wurde R., das früher zum Kurfürftentum 
Heſſen gehörte, von Preußen an das Großherzog: 
tum Helien abgetreten, 


Rumpf (Stamm, Truncus), die nur wenig 
gegliederte Hauptmaſſe des menſchlichen Körpers, 
an welcher der Kopf, jowie die vier Ertremitäten 


(Arme und Beine) gewiflermaßen nur wie Anhänge 
angebradt find. an teilt den R. in vier Haupt: 
abteilungen: in ben Hals (f. d.), welder gleichſam 
den Stiel des Kopfes bildet, in ben Überleib oder 
die Bruft (f. d.) mit der geräumigen Bruſthöhle, 
in den Unterleib oder Bauch (f. d.) mit der Baudı: 
ohle, welche von ber Bruithöhle durch das Zwerd): 
— wird, ſowie in das Beden (f. d.) mit 
denböhle, welche lektere eine unmittelbare 
ortfegung der Bauchhöhle ift. Die fefte fnöcherne 
rundlage des ganzen R. ift die am Rüden (f. d.) 
fidh herabziehenbe, in einen Hals-, Bruft:, Bauch—⸗ 
und Bedenteil gerfallende Wirbelfäule (f. b.), welche 
ben Kanal für das Rüdenmart (f. d.) enthält und 
eine fhlangenförmige Krümmung befigt. An bie 
12 Brujtwirbel legen ſich die 24 Rippen (f. d.) an, 
vereinigen fi nach vorn mit dem Bruftbein und 
bilden jo den knöchernen Bruftfaften, welcher bie 
Brufthöhle mit ihren eg Drganen in 
ch ſchließt. Der unterjte Teil der Wirbeljäule, bas 
reuzbein, bildet mit den beiden Bedenlnochen einen 
feft zufammengefügten ftarfen Anodyenring, an 
welchem bie beiden unterjten Gliedmaßen befeftigt 
* S. Bein.) Die beiden obern Grtremitäten 
eben durch die Schulterblätter und Schlüfjelbeine 
mit dem R. in leicht beweglicher Verbindung. Die 
zahlreichen kräftigen Rumpfmus keln dienen teils 
zur Bewegung der Wirbeljäule (Rüdenmusteln), 
teild der Berengerung der Baudhhöhle (Baudy: und 
Tarmmusleln), teild der Atmung (Bruftmusteln 
und Swerdfell); andere dienen dazu, die obern oder 
bie untern Gliedmaßen gegen ben R. zu bewegen. 
(©. Tafel: Stelettdes Menſ ii 
fparlament bich der Reit des Unter: 
baufes des 1640 einberufenen engl. Parlaments; 
auch der Reit der Deutichen Nationalverfammlung, 
welder 6. bi3 18, Juni 1849 in Stuttgart tagte, 
Rumph, bei naturbijtor. Namen Bezeichnung 
ür Georg Eberbard Rumph, geb. 1637 in 
anau, geit. 1702 ala bolländ, Unterftatthalter auf 
Amboina, fchrieb ein «Herbarium amboinense » 
und «Plinius indicus», 
‚ Runcorn, Stadt in ber engl. Grafſchaft Chefter, 
linl3 am Merſey, in welchen bier der Bridgemater: 
fanal mündet, Sinotenpunft des Cheibire:Bahn: 
nebes, zählt (1881) 15133 E. und bat Schifisbau, 
Gijengiehereien, Koblengruben u. ſ. w. R. bie in 
angelfädit Beit Rumcofa. 


Numpelmetten — Rundreifebillets 


Nundbaum (im Berabau);, bie Melle bes Bır-- 

haſpels. (S. unter Bergbau, Bd. II, ©. 806 
undbogen (in der Bautunft), f. u. Bogen. 

Nundbrenner (Argandbbrenner), f. unter 
Argandihe Lampen, Gasbeleudtuns, 
Bd. VII, ©.570®, und Lampen. 

Ruudeifen, Schiniebeeijen in Stangenform mit 
freisförmigem Querſchnitt. [maidinen. 

Nundemafchine, j.u. Blehbbearbeitung:: 

Nundherd, ſ. unter Wetallurgie. 

Rundherum : Syftem (von Dampfpflügen), '. 
unter Dampf:Bodentultur. 

Nundieren (von Edeliteinen), f. unter Edel: 
feinihleiferei, Bd. V, ©. 754. 

Rundifte, techniicher Ausdrud der Edelſtein— 
fchleiferei (ſ. d., Bo. . 750). 

Aunbtöpfe (Roundheads), in England Partei: 
name der Gegner der Hochlirche; beſonders Spott 
name der Buritaner wegen ihres rund gejchnittenen 


fhaares. 
u beliebtes Turngerät, beftehend ar: 
einer an einer Achſe an die Saaldecke auf gten 
ober auf einer Säule befeitigten Drebidyeibe, ar 
welcher Seile mit Handgriffen gehängt werben, bir 
pr Laufen und Schwingen im Kreiie herum 
ienen. [faffend = 81,21 
Nundlet, engl. Flüffigleitsmab, 18 Gallonen 
Nundmänler (Cyclostomi), ſ. unter Fiſche, 
Bd. VI, ©. 841°, j 
Rundreifebillets nennt man die auf größern 
beutichen Stationen zu ermäßigten Preifen au: 
gegebenen Eiſenbahnbillets, welche zu zablreichen 
von den Eilenbahndireltionen jelbit bejtimmten 
brten auf den vorzugsweiſe vom Zu: 
riftenverlehr gefuchten Linien berechtigen. Die 
Runbreije fließt an berjelben Station ab, avi 
welcher fie begonnen; body bleibt es ber Wahl des 
Reifenden überlafien, die Reife in der im Billet an 
ae ober —— Richtung zurüdzulegen. 
e R. werden von Mai bis September ausgegeben 
bie Gultigleitsdauer iſt 30 Tage; fie berechtigen zur 
Fahrt mit allen fahrplanmäßigen Zr inſoweit 
* die betreffende Wagenklaſſe führen. Freigepäd 
wird nur auf einzelnen Linien gewährt. 
Kombinierbare Rundreiiebillets gelas— 
feit 1884 für beitimmte Eiſenbahn- reir. 
ampfichiffitreden bed Gebiete® bes Berein: 
Deutier Eijenbahnverwaltungen (umfaſſend die 
deutſchen, öſterr. ungar. und einen größern Zeil dr 
belg., niederländ,. und rumän. Bahnen) zur Veran: 
gabung, und zwar für alle drei Klafien. Diefelber 
werden nad) einem von den Eijenbabnvermwaltungen 
en von dem Reifenden durd 
Coupons jelbjt zufammengeftellt. Dieje für die ix 
treffenden Streden geltenden Coupons werden mi! 
laujender Rummer in Buchform zujammengebefict 
Die ganze Fahrt muß eine oder mehrere in ji 
geihlojiene und zufammenhängende Rundreiſen 
von zujammen mindejtend 600 bilden, wobei 
jebod die Ausgangsſtation vor der Rollenbuma 
der Neife nicht wieder berührt werben darf. Bil 
let3 zur Hin» und Rückfahrt über die aleichen & 
nien werben nicht abgegeben, wohl aber können 
einzelne Etellen doppelt befabren werben; bed 
dürfen foldye doppelt befahrene Etreden (Hin: un’ 
Nüdfahrt zuſammengerechnet) nicht über ein Viertel 
der Entfernung der ganzen Nundreife ausmachen, 
e3 jei denn, daß die verbleibende wirklide Rum 
reife immer nod 600 km umfaht. Die Ausganz- 


Nundſchild — 


ation det Munbreife muß aud bie Enditation 
erjelben fein; ebenſo müſſen die Coupons eines 
Billets eine ununterbrochene Reihe darjtellen. Die 
R. haben eine Gültigleitsdauer von 35 aufeinander 
folgenden Tagen; fte find perjönlid und unüber: 
tragbar und müjlen auf der Außenfeite des Um: 
ſchlags vom Reijenden mit feiner Namensunter: 
joriftverjehen werden; fie berechtigen zur Benugung 
aller foprplanmäßigen Züge mit entiprechender 
Magenklafle; Fahrtunterbrehung kann auf allen 
Coupon: und Aufenthaltsitationen ohne weitere 
Hörmlickeit ftattfinden. Mit Ausnahme des zu: 
läifigen Handgepäd3 wird Freigepäd nicht gewährt. 
Tiefe fombinterten R., für die eine Preisermaͤßi⸗ 
m. von durdichnittlid etwa 25 Proz. ftattfindet, 
wurden anfangs nur vom 1. Mai bis 30. Sept. 
auägegeben; feit Herbit 1885 findet ihre Beraus: 
gabung aber während des ganzen Jahres ftatt. 
Rundichild, ein Schild von zirtelrunder Form, 
wie es bejonderd im Mittelalter von den Rittern 
zu Pierde geführt wurde. Bei den Spaniern war 
das N. and noch in jpäterer Zeit, namentlich bei 
nächtlichen ——— gebrauchlich. 
Ruudſchit⸗Singh, richtiger Randſchit— 
Singh, Herrſcher der Silhs im Pendſchab (Oft: 
indien), geb. 2. Nov. 1780 als Sohn des Maha— 
Singh, dem er ſchon im 12. Jahre in der Herrſchaft 
über einen der Mifule oder Diftritte der Sikhs 
unter der Vormundſchaft feiner Mutter folgte. 
Diejelbe vergiftete er in feinem 17. Jahre, um un: 
abhängig regieren zu lönnen. Mittel eines bedeu⸗ 
tenden und feines Cinflujjes in den be 
nachbarten, ihm von feinem Vater überlommenen 
Dütrikten, gelang es ihm bald, feine Herrſchaft be: 
trächtlic) zu erweitern, Dem Afghanenſchah Siman 
geleitete Dienite verichafiten ihm die Belehrung 
mit Labore. Außerdem machte er fi mehrere 
Serdare feines eigenen Volls zinsbar und nahm 
dann fogar den Mgbanen felbit einige Pläge am 
weitl. Indusufer ab. Nach dem Vertrag zu Am: 
ritſir, 25. April 1809, welder den Setledid als 
Grenze zwij feinem und dem engl. Gebiet feit: 
feste, war fein ganzes Streben auf Eroberungen 
im Pendihab und in Afghaniſtan gerichtet. Gr 
organifierte deshalb fein Heer nah dem Muſter 
der engl. ind, Sipahis, unterwarf in wenigen Jah⸗ 
ren fait alle Mijule im Bendihab und nahm 1813 
Uttot durch Verrat und 1818 Nultan mit Sturm; 
1819 fiel Kaſchmir in feine Hände. Nun nahm er 
ben Titel eines Maharadſcha (d. i. Großlönig) im 
Vendſchab an, und engagierte 1822 zwei Offiziere 
des Rapoleoniſchen Heerd, Allard und Ventura, 
die mit einigen andern Europäern fein Heer völlig 
auf europ. Fuß bradten. So wurde e3 R. mög: 
li, ſich zum Alleinderriher im ganzen Pendſchab 
ju machen und auch im Weiten des Indus auszu: 
reiten, wo er 1829 den Afghanen die Provinz 
Veſchawer abnahbm. Während diefer Zeit war der 
Löwe bes Pendichab», wie er fich gern nennen ließ, 
‚nr vtelfadye Berührung mit den Engländern gelom: 
men. Beide Teile beobadıteten jih mißtrauiſch; 
da e3 aber in beider Intereſſe Ing, ſich vorderhand 
u fchonen, fo fam es nie zum Kriege. In den 
esten Jahren feines Lebens bejchräntten ich R.3 
Internehmungen auf Händel mit den Afgbanen, 
velhe ihm Peſchawer zu einem höchſt unſichern 
Befig madıten. R. trat noch 1838 mit den Eng: 
ändern in Unterhandlungen zum Abſchluß eines 
Pimdnifies, ftarb aber jhon 27. Juni 1839. Eein 


907 


einziger männlicher Sprof, Charral:Singb, warfaft 
— (©. Siths.) maſchine. 
Rundſchnurmaſchine, ſ. unter Kloͤppel— 
Mundſchrift iſt entitanden aus der Anwendung 
breitipigiger Federn für die runden Formen der 
lat. Schrift: 


Ofumdscheift 


In Italien war bie R. fhon im 15. Jahrh. ge: 
bräudlid, im 16. in den verſchiedenſten Abarten 
allgemeine Gebrauchsſchrift. In Frantreich traten 
die eriten reinen Rundſchriftformen Ende des 
15. Jahrh. auf und hießen &criture financidre, 
fpäter&criture ronde, die gegen Ende be3 16. Jahrh. 
entitanbenen nad rechts geneigten &criture batärde, 
In Frantreid wurde die R. jeither am meilten ge: 
pflegt, Spanien bebiente ſich ihrer ebenfalls feit 

16. Jahrh. mit Vorliebe, In Deutichland ift 
die R. in neueiter Zeit durch Soenneden N großer 

ein 


Nundwürmer 


Bedeutung gelangt, indem er ihr ein au ade 
eometriſche Formen geftüßtes leichtfaßliches Lehr: 
Item zu Grunde legte und die Federn für die Her: 
ellung der R. wejentlich nerbejferte. (S. die Figur.) 





Bol. «Opera di Frate Vespasiano» (Vened, 1554); 
Gagneur, «La technographie» (Par. 1599); Soen; 
neden, «Die R.» (100, Aufl., Bonn 1879). 
Nundtartfche, f. unter Schild, 
NRundwürmer (Nematelmia s, Nemathel- 
mindes) nennt man eine große Klaſſe der Würmer, 
weldye ſich durch einen meijt brehrunden Körper, 
der häufig zu grober Länge ausgezogen iſt, und ben 
Mangel an Gliederung von den Gliederwürmern, 
durch eine derbe Haut und die Geftaltung von den 
PBlattwfirmern unterfcheidet. Die R. haben keinen 
abgejekten Kopf, weder geſonderte Atemorgane 
noch Kreislauf, feine Fußſtummel oder Boriten: 
bündel und ftehen, hinſichtlich ihrer innern Organi- 
ation, auf ſehr niederer Stufe. Doc find die Ge: 
—— meiſt getrennt und die Männchen häufig 
den Weibchen AR unähnlih. Viele von ihnen 
leben als Schmaroger in andern Tieren bald nur 
eitweiſe, bald während ihres ganzen Lebens. Eie 
nden fi häufig im Meere, wie im Sühwafler, in 
modernen Pflanzen: und Zieritoffen, in lebenden 
Pflanzen und Tieren. Die Eifig:, Kleifter:_ und 
Getreideälchen (f. unter Aaltierhen), die Spul: 
und Peitihenwürnter (j. die betreffenden Artikel), 
der Guincawurm (j. unter Fadenwürmer), bie 
Trichinen (j.d.) und Waflertälber (f. d.) gehören 
diefer außerordentlich zahlreichen Klaſſe an. 


908 


Nuneberg (Johan Lubwig), ſchwed, Dichter, 
eb. 5. Febr. 1804 zu Yalobftad in Finland, ftu- 
ierte zu Abo, wurde 1830 Docent ber Beredfam: 
keit zu Helingfors, 1837 Leltor der lat, Sprache 
am G er zu Borgä, 1842 Lektor der griech. 
Sprade dafelbit. Obgleid) kein geborener Schwede, 
bat doch R. feine Dichtungen ſchwediſch geſchrieben; 
er gehört zu den beliebteiten web. Tichtern ber 
neuern Dei. Gine innige Belanntſchaft mit der 
griech. llaſſiſchen Litteratur —— ſich bei ihm 
mit einer tiefen und lebendigen afteliung er 
Fon. Natur und finn, altväteriihen Sitten. Außer 
einen in ben «Dikter» (3 Bde,, Helfingf. 1830 — 
33) gefammelten Heinern Poefien find zu nennen: 
—— Gelſingf. 1832) und «Hanna» 
Helfingf. 1836 u. öfter), zwei Idyllen; ferner bie 
romantiich:moderne Grzäblung aus Rußland «Na- 
deschda» (Borgä 1841), die % Ile, «Julgvällen» 
(Borgä 1841), der Romanzencyllus «Kung Fjalar» 
—2* 1844), welcher bie alte nordiſche Sagenwelt 
ebandelt; am meijten verbreitet und beliebt find 
die Balladen «Fänrik Stäls Sägner» (1, Tl., Borgä 
1848; 2. Th., Helfingf. 1860), Scenen und —— 
tere aus dem Kriege 1808 ſchildernd; ferner 
«Smärre Berättelser» (Helfingf. 1854) Kan ejr, 
Quitipiel (1862), und «Kungarne pä Salamis» 
(Heljingf. 1863), eine Tragödie in antiker Form, 
Von 1832 bis 1836 war er Nebacteur des «Hel- 
singfors Morgonblad», Die meijten Werte R.s 
find ins Deutiche übertragen worden. NR. wurde 


und brachte 14 ‚jahre gelähmt zu, bis er 6. Mai 
1877 in Borgä jtarb. Cin chernes Standbild, das 
Werkſeines Sohnes Walter R. eines hervorragen— 
ben Bildhauers (geb. 29. Dez. 1838), ward 1885 zu 
Helfingfors enthüllt. Bol. Peſchier, «Johan Lud⸗ 
wig N.» (Stuttg. 1881). 
unen heißen die Alteften Schriftzeichen ber 
Germanen. Ihre Geftalt verrät deutlich, daß fie 
aus dem latein, Alpbabete und zwar aus dem Ka— 
pitalalphabete der ältejten Kaiſerzeit gebildet find, 
Man untericheidet zwei Arten R. ein fängeres und 
ein kürzeres Alphabet; beide heißen nad) den An: 
fangsrunen «Jutbarts. Jenes, das ältere, beſteht 
aus 24 Buchſtaben (f, u, P [thl,a,r,k,g, w;h,n, 
i,j, eu, p, z, 5; t,b, e,m, I, ng, o, d) und war bis 
zur Mitte des 7. Jahrh. in Gebrauch; diejes, das 
jüngere, beitand aus 16 N, und findet ih nur in 
Standinavien bei Inſchriften der legten Jahrhun— 
derte vor Cinführung des Chriftentums, Lehteres 
wurde jpäter bis auf 27 Buchitaben erweitert und 
bat ji bis zum Ausgang des Nittelalters erhalten, 
Das ältere Alphabet beſaßen alle germanifchen 
Stämme; die Südgermanen, Engländer, Standi: 
navier. Die Inſchriften, welche in ihm geichrieben, 
find für die Gefchichte der german. Spraden von 
ungemeiner Wichtigkeit. Vom 5. Jahrh. an wurden 
die R. durch das latein. Alphabet verdrängt, zuerit 
bei den Südgermanen, dann bei den Engländern, 
zuleht bei den nordiihen Völkern. Schon Ulfilas 
(f. d.) ſchuf fich bei feiner fiberfeßung der Bibel ein 
neues Alphabet mit Hilfe der griech. Buchſtaben. 
Den einzelnen Zeichen des Futharl hatte man 
Namen gegeben, die teıld aus der Miytbologie, teils 
aus dem Yeben genonmmen waren; fo hießen im 
angelſächſ. Nunenalphabet f: feoh = Vieh, Neid: 
tum; 0:68 = der Gott; t: Tir = der Siriegägott; 
1: lagu = das Meer u. dgl. Dieje Deutung hängt 
jedenfalls mit Geheimzeichen einer frühern Periode 


ee einer ie 1a Jahn 1863 vom Schlage getrofien | H 


Nuneberg — Runen 


zufammen, ben notae impressae des Tacitus («Ger- 
mania», Slap. 10), bie in Stäbchen eingeript mur: 
ben und zur —— dienten, in einge: 
weihte Prieſter aus — — folder 
bingeworfenen Stäbdhen mweisiagten. Hierber 
ftammt auch der Name R., d. i. Geheimzeicen. 
Als Lehrer dieſer Kunft nennen bie Eddalieder 
Odhin, den oberfien Gott. Wie diefe Geheimzeicen 
eweſen find, läßt fi nicht ſagen; jedenfalls baten 
e mit den R. der erhaltenen Inſchriften nichts zu 
thun. Aus ihnen wurde je nicht nur gemei:: 
fagt, fondern fie Pi auch al3 Zauberzeihen, um 
mit ihrer Hilfe Ungfüd abzuwehren. — 
nen R. ber jpätern Zeit wurden in der fri 
Beriode befonders in Buchenſtäbchen eingerigt und 
biefe als Briefe oder Mitteilungen gefandt. Hier: 
aus ift unfer Wort Buchſtabe entftanden. Ferner 
—— man die R. zu kürzern Juſchriften ai 
ol; und Metall, im Norden aud, aber aud aus: 
ſchließlich hier zu Denk: und Grabjteinen. Cben- 
falls nur in Skandinavien wurden fie vor Ein: 
führung des lat. Alphabets mit Feder und Tinte 
auf Pergament gefchrieben, befonders zur Aufzeid- 
nung ber Vollsgeſehe, wovon wir noch jeht das 
ganze ſchoniſche Gefek in Aunenidieis de igen. 
Die ältefte befannte Runenin ng \ ftand auf 
einem 1734 bei Gallehuus unweit Mögeltondern 
in Schleswig gefundenen, fpäter aber aus der 
fönigl. Kunftlammer in Ko nbagen — 
und von den Dieben eingeſchmolzenen goldenen 
orn. Sie ſtammte waährſcheinlich aus den 
4. Jahrh. und iſt für das Verſtändnis der Runen 
ſchrift und der älteſten german. Sprache ſehr frucht 
bar geworden. ‚Älter vielleicht noch iſt eine Heine 
nſchrift auf einem Schildbudel aus dem Nordet 
taruper Moor, fowie überhaupt die Dentmäler, 
die in Niederdeutichland und Dänemark gefunden 
—— und dem 3. bis 6. Jahrh. zugeteilt werden. 
uneninſchriften wurden im Norden bereits ſeit 
dem 16. Jahrh. geſammelt, aber zum Behuf ihrer 
Deutung verſchiedene, meiſt ſehr abenteuerlide 
Syſteme —— deshalb haben die ältern 
Werle über R. nur noch Bedeutung durch das auf- 
gefto [te Material, Was darin für Theorie und 
Fichte braudybar war, hat Brynjulfien in feinen 
«Periculum runologicum» (Kopenh. 1823) zu: 
fammengeftellt und Yiliegren in feiner «Runalära» 
(Stodh. 1832) durch Rachträge und durch Berichte 
über den Inhalt der Inschriften ergänzt. Strema 
unterſcheidend zwiſchen den verſchiedenen Arten von 
Nunenichriften und auf hiſtor. Wege vorwärts 
dringend, gab der Runenlehre zuerjt eine fichere 
at. ide Grundlage Wilh. Grimm («fiber 
beutiche R.», Gött. 1821; «Zur Litteratur der R.», 
Mien 1828). Seitdem ward fie gefördert durch bie 
Arbeiten des Ysländers Finn Maanufen, der Eng 
länder Kemble und Stepbens, ber Dänen Worſaae, 
Thorfen und 2. Wimmer (aRuneftriftens Oprindelie 
og Udvikling i Norden», Kopenh. 1874), ferner 
durch einen Aufſaß Mund in den «Dlonatäberid- 
ten» der berliner Akademie gen und bie Scrüt 
von Piliencron und Mühlenboff (Halle 1852), der 
fich zwei Unterfuhungen über das got. Alphabet 
Andfichen, die eine von Kirchhoff (Berl. 1851; 
neue Aufl. 1854), die andere von Bader (184). 
Über den Gebrauch der R. ſchrieb Olfen die trefi 
liche Abhandlung «Runerne i den oldislandife Lite 
ratur» (Kopenb. 1883). Um die Kenntnis der in 
Deutſchland gefundenen R. haben ſich befo: ders 


Nunga — Rupert von Deuß 


bemüht Franz Dietrich durch mehrere Abhandlun: 
gen in den marburger Brogranımen und in Haupts 
«Zeitichrift für deutſches Altertum» (Bd. 13), fowie 
in Bfeiffers «Germania» (Bd. 10), und von flan: 
dinav. Seite Bugge, Gislafon, Jeſſen und L. 
Wimmer, l. auch Burg, «Die ältern norbis 
fen Nuneninjchriften» (Berl. 1885). 

Runga (Dar: Runga), Negerrei und Ba: 
fallenftaat Wadais in Gentralafrila, im mittlern 
Eudan, zwiſchen den Ländern Wadai im N. und 
Tar: Banda im S., von dem aus Dar: or lom: 
menden Auladebbe, einem großen rechtsfeitigen 
Nebenfluß des Schari, von D. nah W. durdhftrömt 
und von zahlreichen Auflajien desſelben bewäflert, 
ift fehr fruchtbar. Die mohammed. Bewohner des 
Landes treiben Viehzucht und führen viel Elfenbein 
aus, N. wurde zuerjt 1873 durch eine Forſchungs— 
reiſe Nachtigals bekannt, 

Runge (Dito Philipp), deutſcher Maler, geb. 
1776 zu Wolgaft, fam, zum Haufmann beftimmt, 
1796 nad Hamburg, wurde aber diefem Beruf un: 
treu, fodaß er 1799 fid) nad) der Alademie zu Ko: 
penhagen wandte, wo er unter Abildgaards Lei: 
tung bis 1801 ftudierte, Dann ging er nad) Dres: 
den, und bier fanden befonders feine Zeihnungen 
ropen Beifall, Seine Daritellung der vier Tages⸗, 
‚sahres: und Yebenszeiten wurde von Goethe für 
n Labyrinth dunkler Beziehungen erllärt, Er 
eigt —— im vollen Lichte der myſtiſch roman: 
iſchen Richtung feiner Zeit, Im %. 1804 begab 
ih R. nad) Hamburg zurüd, mo er 2. Dez. 1810 
tarb. Zum «Difiano ferit er acht grobe Kom: 
ojitionen, außerdem Bignetten, Zeichnungen zu 
Buchdedeln u. f. w. Große Fertigleit bejaß er 
yarin, Bilder mit der Schere aus Papier zu ſchnei— 
ven. Es eridhienen davon «VBorlageblätter für die 
Jugend» 1309. Als Schriftfteller trat er auf mit 
iner Farbenlehre unter dem Titel «Farbenkugel» 
Hamb. 1810). Seine binterlaffenen Schriften 
nannigfaltigen Inhalts erſchienen fpäter in zwei 
Bänden (Hamb, 1840-41). 

Dtto Siegmund R., Sohn des vorigen, neb. 
‚0. April 1806 in Hamburg, zeigte vorwiegendes 
Talent für die —— und bildete ſich in 
erſelben unter Matthäis Leitung in Dresden aus, 
3on 1824 bis 1826 arbeitete er in Berlin, dann 
* Zeit in Münden, endlich in Rom unter Thor: 
yaldjen. Aus feiner röm. Zeit zeichnete fid die 
zruppe der Fiſcherin aus. Am J. 1829 kehrte er 
ac Deutſchland zurüd und ließ ji in Hamburg 
icder, wo er viele Büften hervorragender Männer 
rtigte. Im J. 1838 ging er nad Petersburg, 
arb aber bereit3 16. März 1839. Sieben grobe 
Jagrelief3, die Entftehung, rg 9 und Bil: 
ung des Menſchengeſchlechts durch die Bötter vor: 
ellend, gehören zu den lebten und beften Werten, 
ie er für den reg ung 2* t ausführte. 

Runkel, Stadt_im preuß. Regierungsbezirk 
Biegbaden, Kreis Dberlahn, lints an der Lahn, 
station ber Linie Koblenz:Gießen der Breußiichen 
taatsbahnen, Sih eines Amtsgerichts, zählt 
.880) 1140 meift evang. E. und hat Anbau von 
orzüglichem Rotwein, rechts der Zahn zahlreiche 
ifenerzgruben und Kalkfteinbrühe. Das ältere, 
534 durch die Spanier zerftörte Bergſchloß ift 
uine, da3 1642 angebaute neuere Schloß, vor: 
‚ala Refidenz der Fürften von Wied:R., it jebt 
mtö- und Gerittgebäune. a R. fällt der 
‚odenftein, ein Marmorfelfen, fteil zur Lahn ab, 


909 


Die Stadt ift Hauptort der Herrfchaft Wicd:R. des 
Fürften von Wied Neuwied. 
uufelrübe (Beta yulgaris), ‚Beta, 

Runfelrübenzuderfabrifation, |. Zuder⸗ 
fabrilation, 

Runkelftein, alte Burgruine, norböftlih von 
Bozen, am Eingang in das Sarnthal, 442 m hoch, 
berühmt wegen der um 1400 entftandenen Fresfo: 
gemälde in drei Sälen, mit Bildern aus « Trijtan 
und Iſoldey. Dem Berfall nahe, wurde N. vom 
Gröberzog Johann Salvator gefauft und dem * 
Franz Joſeph überlaſſen, der es jeht herſtellen läßt. 
Vol. Schönherr, «Das Schloß R. bei Bozen» 
Innsbr. 1874) und „Fresten:Cytlus des Schloffes 
R., gezeichnet und lithographiert von Yon. Seelos, 
erllärt von Ian. Vinc, Zingerle, herausgegeben 
von dem Ferdinandeum in Innsbruch (1857). 

Nun (ſchwed. Rund, eſtniſch Ruchnosaar, 
lettiih Rohni-sahl), Heine Inſel im Rigaifchen Meer: 
bufen, zum ruf. Gouvernement Livland gehörig, 
mit einem Leuchtturm, einer Reede und 330 G,, 
Ablömmlinge von Schweden, die im 13, Jahrh. a 
die bisher unbewohnte Inſel verſchlagen wurden. 

Nunzelu (rugae) heiben die durch Alter oder 
Krankheit erworbenen Falten der äußern Haut und 
ber Schleimhäute, Die R. der äußern Haut können 
willlũrlich hervorgebracht werden ——— 
ziehen der unter der Haut gelegenen Musteln und 
rei fi) dauernd, wenn die Kontraltion der 
Musteln oft und anhaltend geſchieht (forgenvolles 
Ausfehen). Die Haut runzelt ſich aud), wenn das 
Fett unter ihr verſchwindet, ſodaß fie weiter ift, als 
der Hörperteil, welchen fie überzieht (Ausdrud des 
Alters). Iſt die Haut längere Zeit ſtark geipannt 

ewejen (3. B. die Bauchhaut in der Schwanger: 
haft, bei der era und läßt dieſe 
Spannung fchnell nad, fo faltet fi die Haut 
gleihfalls. Die R. der Schleimhäute (des Magens) 
entitehen dann, wenn bei chroniſchem Katarrh dies 
felben anſchwellen und fo eine größere Ausdehnung 
erlangen als die unterliegenden Formhäute. Das 
zwedmäßigfte Mittel gegen R. befteht in regelmäßigen 
Waſchungen mit faltem Waſſer. 

notger, ein loͤlniſcher Beiftliher bes 10. Jahrh., 
beſchrieb das Leben des großen Erzbischofs Bruno 1. 
von Köln, deſſen Schüler er war, Die auch für 
die deutſche Reichsgeſchichte wichtige Biographie ift 
von Verb in «Monumenta Germaniae historica, 
Scriptores» (Bd. 4) herausgegeben und von Jas⸗ 
mund (Berl, 1851) ins Deutihe überfeht. Bol, 
Dierauer in Büdingers «Unterfuhhungen zur mitt: 
lern Geſchichtes (Bd. 2, Lpʒ. 1871). 

Nuotfinfalmi (ihwed. Swenstfund), Meer: 
enge an der Süblüfte Finlands, fübweftlih von 
Fredritshamn, ift durch zwei Eeeſchlachten zwiſchen 
den Schweden und Ruſſen, 1789 und 1790, bes 
lannt; in der erften fiegten die Ruſſen, in der zweis 
ten die Schweden. 3 

Nupel, lub in Belgien, |. Dyle._ 

Nupelmonde, Marttileden im Bezirk St. 
Nicolas der belg. Provinz Dftflandern, an ber 
Mündung der Rupel in die Schelde, hat bedeu: 
tende Leinwand: und Segelfabrilation, Fiſcherei 
und Schiffbau und 3250 E. R. ift ber rts⸗ 
ort des Geographen Gerhard Mercator. 

Nupert von Deut (Nupertus Tuitenſis), 
Moftiler des 12. Jahrh., geb. um 1180, war zuetſt 
Moͤnch in Lüttih, dann in Siegburg, 1120 Abt 
des Klofterd Deub, und ftarb 4. Mai 1185. Als 


910 


ungemein fruchtbarer Schriftjteller vertrat er gegen: 
fiber der Scholaftit die Myitit und befonders das 
Etudium der Heiligen Schrift, zu deren wahrer 
Grienntnis vor allem die allegoriſche Auslegung 
führe. Er ſchrieb Kommentare zu den meilten 
bibliihen Schriften; außerdem einen originellen 
«Commentarias de operibus sanctae Trinitatis», 
«De divinis ofhiciis» (eine Erklärung des kath. Kul: 
tus), «De voluntate deiv, Die Werte N.3 wurden | 
zuerit in Kölm (1577), zulept in Venedig (4 Bde,, | 
1751) herausgegeben, E 

. Ruperto-Carolina (in neuerer Zeit Ru- 
perto-Carola), der Name ber Univerfität Hei: 
delberg (f. d.) al ihrem Stifter, dem Kurfürften 
Ruprecht I. von der Pfalz (1386), und ihrem Res 
organiiator, dem Aurfürften Karl Friedrich von Ba: 
den (jeit 1802). j 

Nupert:River, Fluß in der brit. Dominion of 
Canada in Nordamerifa, ijt ein Ausfluß des Yale 
Miſtaſſini, fließt weitlich und ergiebt ſich nad) einem 
Lauf von etwa 480 km in die St.-Jamesbai, 
einen Buien der Hudſonsbai. 

Nupertöland wurde früher das Küfienland um 
die Hudſonsbai genannt, 

Rupertus (Hrodbbert, Robert oder Ruprecht) 
der Heilige, Apoſtel der Bayern genannt, gegen 
die Mitte des 7. Jahrh. aus dem merovingiihen 
stönigsgeichledht geboren, war zunächſt Biſchof 
von Worms und tr dann einem Hufe des Her: 


3093 Theodo II. nad Bayern, wo er eifrig für die 
Ausbreitung de3 Chriſtentums wirkte. Won bier 
aus ſehte er der Donau entlang fein Apojtelamt 
fort und gründete endlich das Bistum zu Salzburg, 
wo er angeblich 27. März 717 ftarb und begraben 
wurde. Der Erzbiihof von Salzburg, Graf - I 
jtiftete i,m zu EChren 1701 den Nupertusorden 
zum Schuhe des lath. Glaubens, der 1802 einging. 

Ruphia, bedeutenditer Nebenfluß des Alpheus 
im Peloponnes, der Ladon der Alten, entſpringt 
in den nördl. Gebirgen Arkadiens. Nach der Ver— 
einigung nimmt der Hauptſtrom jekt den Namen 
R. an und mündet in den Goif von Arladien. 

NRupia, die Borlenflechte, ſ. Ahypia, 

Rupie (vom Sanskritworte rüpya, Silber), 
engl, Rupce, iſt der Name einer oftind., ſowohl in 
Gold als in Silber ausgeprägten Münze von fehr 
veridhiedenen Beinamen, Gattungen und Werten. 
Im allgemeinen rechnete man früher 1 Goldrupie 
oder Mohur = 16 Eilberrupien de3 nämlichen 
Staates oder Plahes. Nachdem England, die Nie: 
deriande und Portugal Beſihungen in Oftindien 
eriangt hatten, prägten auch diefe Staaten für die 
betreffenden Kolonien R. aus; jetzt geihieht das 
nur nod) von jeiten Englands in Kaltutta, Bombay 
und Madras, und das betreffende Mlünzjtüd ift bie 
jog. Oſtindiſche Kompagnie-Rupie (Company’s Ru- 
pee), welche die geſehliche Nechnungs: und Geld: 
einheit des brit, Oftindien iſt, in Silber ausge: 
münzt wird und ein Stüd von 165 engl. Troygrän 
oder 10,698 g fein Silber it, welches an Wert | 
= 1 deutihe Mark 2’, Tf. 


auch in 4 Quartos (Quarters, Viertel) zu 100 Reas 
oder Need, Es werden Silberftüde zu 1, 2,Y, und 
Kompagnie⸗-Rupie, in Gold Mohurs zu 15 R., 
ferner Etüde zu 5, 10 und 30 R. geprägt. Bon 
den ältern Nupienjorten des brit. Oftindien war 
vorzüglich die in DBengalen noch bisweilen in Ned): 


f- Tiefe R. wird im | 
16 Annas zu 12 Pies oder Pice geteilt, in Bombay | 


Ruperto-Carolina — Rüppell 


von: Wichtigkeit, deren 100 — 106,62 (faft 106°, 
Kompagnie-Rupien find, wofür man geſetzlich ım 
thatſächlich rund 100 Silberrupien = 106%, Im 
pagnie:Nupien, oder 15 Sicca:Rupie = 16 Kr 
pagnie:Rupienrehnet; außerdem hatte maneinebic; 
iveelle Gourant:Rupie, deren 116 = 100 Sic 
Aupien gerechnet wurden. Größere Summen 
rechnet man nad) Lacs (au Sanzäfrit lakscha) ; 
100000 R. und Erore over Hurons zu 100 ico 
ober 10 Mill. R. 

Rupitae, ſ. Campitae, 

Rupp (Julius), einer der Begründer und fit 
rer der Freien Gemeinden (ſ. d.), geb. 13. Aa, 
1809 zu en i. Pr., ftudierte Dafelbit Thee 
logie und Pbilojopbie und bejuchte dancad de: 
wittenberger ‘Predigerjeminar. Später habilitiem: 
er ſich in Königsberg für Pbilojopbie und Yitteratur- 
geſchichte, wirkte jeit 1835.ald Oberlebrer am at 
jtädtiihen Gymnafium und wurde 1842 Diviior- 
prebiger. Seine ofiene Grflärung gegen das im. 
Athanafianiiche Symbolum führte im Sept. 185 
feine Amtsentieung herbei, worauf er und ic 
Freunde 19. * 1846 bie noch exiſtierende irc: 

rot. Gemeinde in Königsberg bildeten, weld 

ald mit den ebenfalls zum Austritt aus der Rinde 
getriebenen «prot. Freunden» der Provinz Satier 
in nähere Verbindung trat. Die Sache der pır 
Hreibeit und der freiprot. Gemeinden vertrat 8. x 
mehrfachen Publikationen, z. B. «Der Spmkxl 
jwang und die prot. Gewillend: und Lehrfreihe 
(Königsb. 1843) , «Bon der Freiheit. Gin Znzw! 
für das Goangelium vom Standpunkte des vre 
Diiidententums» (2 Tle. Lpz. 1856), «Das Selten. 
weſen und die Freie Gemeinde» (Königsb. 18. 
Auberden arbeitete er an dem «Chriftl. Boltzblen 
(Königsb, 1844) mit und gab mit Gleihachnnzr 
«Die freie evang. Kirche» (Altenb. 1847), 1556 
die «flönigäberger Sonntagspoit» und 186T—Ü 
die «Religiöſe Neform», das Gentralotgan ix 
Freien Gemeinden Teutihlands, beraus. Aut 
wiſſenſchaftlich hat ſich R. dur feine Monograstı 
über «Sregor3 von Nyſſa Leben und Meinungen 
(£p3. 1834), fowie durch die Schrift «jmmanz 
Kant, fiber den Charalter feiner Ebilojopbie un) 
das Verhältnis derjelben zur Gegenwart» (Könic). 
1857) befannt gemacht. Eudlich hat er audy wieder 
holt am polit. Leben fich beteiligt und 1848, 182 
und 1863 Königsberg im preuß. Abaeordnetenburt 
vertreten, wo er zur Yortichrittspartei gehört. 
N. ftarb 11. Auli 1884 zu — 

Rupp., bei naturhiſter. Ramen Abkürzung fir 
Heinrih Bernhard Ruppius (Florüt), ce. 
1689 in Gießen, geit. 1719 in Jena. 

Ruepp., bei naturwifienihaftligen Namen %: 
rg für Wilhelm Peter Eduard Simon A 


pell (f. d.). - 
Müppell (Milh. Veter Eduard Eimon), Nu: 
der und Naturforicher,» geb. 20. Nov. 179 = 
Frankfurt a. M., unternahm 1817 von Sale 
aus eine Neife nad Ügypten und der Halbiniel de 
Sinai, über die er in den afundgruben des Orient» 
(Bd. 5, Wien 1818) berichtete. Hierauf bereitee 
er fih 1818— 21 erjt zu Genua unter Zach, dar 
zu Pavia dur aftron. und naturwiflenicaftlis: 
Studien zu einer größern Entdedungsreife mcı 
Afrika vor. Er durchwanderte 1822—27 Rubir, 
Sennaar, Kordofan und Arabien, um beren geoer. 
ethnogt. und naturbifter. Etforſchung er fi dr: 


nungen vorlommende Sicca: oder Halfııtta:Rupie | dienite erwarb, Außer den »Reiſen in 


Ruppertsberg — Ruprecht 


Kordofan und dem Peträiſchen Arabien» (Frankf. 
1829) veröffentlichte er aud) einen «Atlas zur Reife 
im nördl, Afrikas» (Abteil. 1, —* 20 Hefte, 
Franlf. 1826— 31). Nachdem jih R. im Sommer 
1829 nad) Leiden und im Fruhjahr 1830 nad) Paris 
begeben, ſchiffte er Tich zu einer zweiten Entdedungs: 
reiſe Ende des Jahres zu Livorno wieder nad 
Agypten ein und erreichte im Febr. 1833 Gondar 
in Abeijinien. Im J. 1834 kehrte er nach Europa 
zurüd und ließ hierauf «Neue Wirbeltiere zur 
Fauna Abejliniens gehörig» (13 Hefte, Aranlf. 
1835—40), die gehaltreice «Neije nad) Abeſſinien⸗ 
(2 Boe., rankt, 1838—40) -und Syſtematiſche 
liberjicht der Vögel Nord: und Dftafrilas» (Franff. 
1845) erjcheinen. Alle Naturgegenftände, welche 
R. auf jeinen Reifen fammelte, übergab er dem 
Sentenbergihen Mujeum zu, Franlfurt, Ebenio 
legte er, wie früher 1828 eine Sammlung von 
Münzen und ägypt, Altertümern, jo 1834 eine 
wertvolle Sammlung äthiop. Handihriften auf 
der Stadtbibliothef zu Frankfurt nieber. Gr ſtarb 
11. Dez. 1884 in Frankfurt. 

Auppertöberg, Biarrborf im bayr. Regie: 
rungsbezirt Bfalz, Bezirlsamt Neuftabt a. d. Hardt, 
3kın im NND. von Neuftadt, zählt (1880) 857 
tath. E. und baut guten Wein. 

Muppiu hieß eine Herrſchaft in ber Darf Bran: 
denburg, welde aus_drei Teilen: dem Lande 
Ruppin im engern Sinne, dem Lande Wuſter— 
baujen und dem Lande Granſee beitand. Diejelbe 
oehörte feit dem 13. Jahrh. den Grafen von Lindow 
und wird deshalb in Urkunden auch öfters als 
Grafſchaft Ruppin bezeichnet. Lebtere Ve: 
nennung wurbe jedod erjt gegen Ende des 16. 
Jahrh. offiziell, nachdem 1524 die Grafen von Lin: 
dom ausgeitorben und deren Beſißtum an die Nur: 
fürjten von Brandenburg gefallen war. le LI. 
ſcheint fi in feinem Lönigl. und kurfürſtl. Titel zu: 
erit Graf von R. genannt zu haben, und bieles 
Prädilat wurde auch 1817 bei erneuerter Felt: 
jtellung de3 königl. Titels —— Die Graf: 
ſchaft nebſt einem Teile des ehemaligen Landes 
Löwenberg bildet den heutigen Kreis Ruppin 
im Negierungsbezirt Potsdam der Provinz Bran: 
denburg. Derfelbe bat ein Areal von 1770, qkm 
und zählt (1880) 76.604 €. 

Die Hreisitadt Neuruppin liegt 60 km norb: 
weitli von Berlin am weitl. Ufer de3 langgeitreds 
ten Rhinjee. Sie ilt Station der Baulinenaue: 
Neuruppiner Eiſenbahn, Sik eine! Landrats— 
amts, eine3 Land:, Schwur: und Amtsgerichts und 
zählt (1885) 14587 E., welche Wollipinnereien, 
Zudfabrilen, Stärkefabriken, Eifengiebereien und 
Majchinenbauanftalten unterhalten. Die Stadt 
bat breite Straßen und Schöne Pläse, ein Denkmal 
Friedrich Wilhelms IL., ein Denkmal für die in den 
“riegen 1864— 71 Gefallenen, ein Denkmal des 
bier geborenen Baumteijterd Schinkel, 28, Olt. 1883 
enthüllt, ein Gymnaſium mit bedeutendem Muſeum, 
ein Schullehrerſeminar mit Präparandenichule, 
eine höhere Töchterichule und ein Kohanniter: 
tranleuhaus. Neuruppin erhielt 1256 Stadtrechte 
und brannte 1787 fajt ganz ab. — Nur 5 km ent: 
fernt anı Nordende des Sees liegt die Stadt Alt: 
ruppin mit 2168 €. 

Nuppiner anal, ſ. unter Havel, 

Ruppius (Dtto), Romanſchriftſteller, geb. 
6. Febr. 1819 zu Glauchau, war Buchhändler und 
widmete fich jpäter ganz der Schriftitellerei. In 


91 


Berlin bildete er 1845 einen Vollsſchriftenverein 
und gab 1848 eine «Bürger: und —— 
heraus. Wegen eines Artilels in leßterer wur 
er zur Feſtungshaft verurteilt, der er durch Flucht 
nach Amerifa entging. Im J. 1861 kehrte er nad) 
Deutſchland zurüd, ließ fih in Berlin nieder und 
jtarb 25. Jan. 1864. Unter jeinen Nomanen find 
zu nennen: «Der Pedlar» (2. Aufl., Berl. 1862), 
«Tas Vermächtnis de3 Bedlard» (Berl. 1859), 
«Geld und Geijt» (2. Aufl., Verl. 1863) u. f. w. 
Seine gejammelten Werke erſchienen in ſechs Väns 
den (Berl; 1873— 75). 

ERupr., bei naturwiflenihaftliden Nanten Ads 
fürzung für Franz Rupredt, geb. 1814 in Prag, 
geit. ala Euftos des Herbariums in Petersburg 1870, 

Ruprecht (Knecht), ſ. Knecht Nupredt. 

Ruprecht, genannt tlemm (d.h. wie es ſcheint, 
fparfam, geizig), Kurfürft von der Pal; und 
1400—10 deuticher Gegenlönig Wenzels (f.d.), ber 
älteite Sohn des Kurfuͤrſten Ruprecht II. von ber 
Pialz, war geb. 1352 und folgte 1398 feinen Vater in 
der Kurwürde und erwarb ſich als Regent der Pfalz 
einen guten Namen. Als Wenzel durd die Kurs 
fürften von Mainz, Köln, Trier und Pfalz zu Ober: 
labnftein 20. Aug. 1400 feiner Mürde enticht 
worden, wurde R. von benjelben fogleich auf dem 
Königftubl bei Renſe zum König erwählt. Doc 
viele Reichsſtände erfannten ihn nicht an, Auch die 
Krönungsitadt Aachen verweigerte ihm den Einlaß, 
ſodaß er ſich 6. Yan. 1401 zu Köln krönen lajien 
mußte. Da Bonijaz IX. jeine Wahl betrieben 
hatte, um Hilfe gegen Galeazzo Visconti von Mai— 
land zu erhalten, zog R. 1401 gegen dieſen, wurde 
aber am Gardaſee geihlagen und mußte 1402 un: 
verrichteter Sache und ohne die Kaiſerkrone nad 
Deutichland — Obſchon jeßt Menzel 
durch ſeinen Bruder Sigismund abermals gefangen 
gehalten wurde, vermochte R. doch nicht, feiner 
Würde allgemeine Geltung zu verſchaffen. Ohne 
Erfolg befhidte er aud) das 1409 zur Löſung des 
Schisma nah Piſa berufene Kirchenlonzil. R. 
ftarb 18, Mai 1410 zu Oppenheim und wurde, wie 
aud feine Gemahlin Eliſabeth, Tochter de3 Burg: 
graten Friedrich IV. von Nürnberg, in Heidelberg 

egraben. ol. Chmel, «Regesta chronologica- 
diplomatica Ruperti regis Romanorum» (Franli. 
1831); Höfler, «R. von der Pfalz» (freiburg 1861); 
Donnemüller, «Der Nömerzug R.s von der Pfalz» 
(Rudoliswert 1881); «Deutihe Reihstagsalten 
unter König R.», herausgegeben von Weizjäder 
(8b. 1, Gotha 1882), _ Es 

Nuprecht (Prinz), dritter Sohn des Kurfürſten 
Friedrich V. von der Pfalz und der Elijabeth von 
England, geb. 1619 zu Prag, focht im Dreißig— 
jährigen Ariege gegen die Kaiſerlichen, mußte aber 
1633 —42 in Kriegdgefangenihaft verweilen und 
wandte ſich dann nad) England zu feinem Oheim 
Karl I. In dem Bürgerfriege befehligte er bie 
fönigl, Reiterei,. Nach der Niederlage von Raſeby 
1645, wo er den linten Flugel befehligte, ſchloß er 
ih in Brijtol ein, übergab dasjelbe jedoch an 
Fairfar, den General des Parlamentsheers. Karl J. 
entjehte ihn deshalb feines Kommandos. Nach der 
Hinrihtung des Königs übernahm er den Befehl 
über einen Teil der Flotte, welcher den Stuarts 
treu blieb, führte einen Raubfrie gegen die Eng: 
länder. und rettete fih 1654 nad) Frankreich. Nach 
der Rejtauration kehrte R. nad England zurüd, 
trat, von Karl II. mit Gunſt und Würden überhäuft, 


912 


in den Geheimen Rat und befehligte 1666 mit 
Dont in der Schlacht 'von vier Tagen, 1673 
als jelbftändiger Admiral bei Weſtkoppel und am 
Terel, die en ngl- «franz. Flotte gegen die Holländer, 
N. itarb ala Gouverneur von Windſor zu London 
29. Nov. 1682. Der Prinz beihäftigte fi eifrig 
mit den Naturwiſſenſchaften, beſonders Phyſil und 
Chemie. Ferner beteiligte er ſich lebhaft bei der 
Etijtung der Hubfonsbai:flompagnie 1670. Dal. 
Marburton, «Prince R.» (3 Bde., Lond. 1848— 
49); Trestow, «Leben des Prinzen R. von ber 
Pialze (2. Au fl., Berl. 1857); ren «Pfalz 
graf Rupert der Cavalier» (Mind. 185 

Ruptür (lat.), die Zerreißung von Rn erteilen 
oder Organen, erfolgt entweder durch äußere Ge: 
walteinwirlungen (gewaltfame oder trau: 
matiihe Nuptur), oder infolge Frankhafter 
Zerturveränderungen, wie der Verſchwärung, Er: 
weichung, des Braudes ıc. (freiwillige oder 
fpontane Ruptur). Die R. innerer —— 
tiger Organe nimmt * einen tödlichen Verlau 

Nuremonde, ſ. Noermond, 

Nurif (ruff. Rjurik), ein Waräger (f. d.), fann 
als der Gründer des Huffiihen Reichs betrachtet 
werden, indem nad dem ruſſ. Annaliften Nejtor 
bie Siawen von Nowgorod mit ihren Nahbarn 
ruſſ. Waräger, welche höchſt wahrſcheinlich wie die 
er „jlandinan, Urſprungs waren, berbei: 
tiefen und R, mit feinen Brüdern Sineus und 
Truwor freiwillig Beſih von diejen Gegenden neb: 
men ließen, Um 862 in eh jene drei Heerführer 
mit garen Gefolge die Newa hinauf, gelangten 
durch den Ladogafee bis zum Ilmenſee "und unter: 
warfen fi) das Land von Nomwgorod bis zur Düna 
und Wolga, wobei fie die Slawen und Finnen, die 
ehemaligen Herren diefer Gegenden, zu Dienft "und 
Zribut verpflichteten. Nach dem Tode feiner Brü: 
der regierte R. allein in Nomwgorod, während an 
dere Waräger unter Aslold und Dir, eine Unter: 
nehmung J en — aufgebend, ſich am 
Dnjepr feſtſezten und dort einen neuen Staat, 
Kiew, gründeten, R. felbft ftarb 879; bei feinem 
Gefhleht blieb indeſſen jabrhundertelang die 
Herrihaft über Rußland, bis 1598 mit Jwans 
Waſſilewitſch des Sähredlichen | Baden Eohne 
Fedor der regierende Stamm ee ©. Ruß— 
land, „Geididte.) Doch gibt es Ya jekt vicle 
fürſil. Familien (Ruriler, rufl. Rjurilowitſche ge: 
nannt) in Rußland, welche ihr er in diref: 
ter Linie auf I. zu urüdi führen, (S. K 

ne k(ruſſ.! hurt, Waſſilij Nortiflawitfd), 


ruf. Fürft, regierte um 1159 in Owrutf ‚nabnı 
1167 am Feldzu gegen bie Polowzer tei " wurde 
1170 vom Gropfürften nah Nowgorod berufen, 


aber ſchon in demfelben Jagre wegen Ermordung 
des Pofjabnit (d. i. Vürgermeifter) Shiroflam wie: 
ber von dort vertrieben. Nach dem Tode Swato: 
laws ward R. 1195 5 ade von Kiew, führte von 
1202 an erfolglofe Kämpfe zur Eroberung des 
Landes Halitſch, die ihm mehrmals zeitweilig den 
Ihron loſteten, und ftarb 1215. Bon ihm ſtammt 
das ruſſ. Fürſtenhaus der Wjafemstij a 

Rurki (Roorli),auh Narli, Stadtim Diſtrilt 
Eaharunpur der Divifion Mirat der brit.:ind, 
Lieutenantgouverneurichaft ber Nordweitprovinzen, 
liegt auf einer der hödjiten Stellen des Duab (f. en 
Bergen dem —— ges und der Dſchamung, weshal 

— 2 — Ganges anal an G. vorbeigeführt wurde, 
ber er mittels rrigationstanälen j 


- 


ajt das ganze, 


Ruptur — Ruscus 


uab gut zu bewäflern —* 

Duab bewä im Stande iſt. R. 

(1872) 10778 E.; bier ift das nad) feinem 

der Thomafon: Co wa genannte Inſtitut zur 

— engl. und eingeborener Civi eure, 

‚eine der Zubuai-Infeln (f. b.). 

Ru richtiger Nus (fpr. ‚ ein von er 

Barägern zu den Oſtruſſen 

urfprüng lid der Staatenbund, der & im 9. Se 

im heutigen Südrußland mit Kiew an der 

entwidelte. Der Name ging im 11. Jahrh. aus 

auf you en und Galizien über, (S. Notruf: 

land 13 nad) Aufbören der T 

Botau die Zrodition iews ——— 


— 


der Name R., der ſich inzwi zu 

Ko eltiobezeihnung ber ru m. mme 

— *—353 er 
mit la ung, Russia, u 

rm, Rossia, in ru 


6. i * 5 
see se pe. — a * 
nung Rußlands iſt Ude und of 


8: 
af 


nung Kb —— Länder Sc Leine, au aud 
man je e Län 

— —— —— 

und dem —— vr. Bela 


Nuſa, Kreisitadt im 


fau, an der Ru von Mostar 
mit "(1882) 5376 15 bat © km mei von ost 
und Weberei und ie andel mit 


Rufalfen, Ruffallten (ruf, ‚Slam. 
Waſſernymphen, in Geftalt nadter Di mit 
grünen Haaren, die in den h Ge 
wäflern, jebt vorzügli im —— in der 
Donau wohnen, ſich manchmal aber auch im bie 
Wälder begeben, dort unvorfichtige Perſonen beran- 
ode und Ban zn - In. Der Mythus bat 
—— einen nr Nufalien, 

8 in jenen wie aud in Nordungarn, 
Rumänzen und 34 nland am 
und Pfingftmontag —— in ber 
Woche - — Ruſalkawoche) von alters 
ber ge geie feiert wird, Befo wird — 

tag r lehtern die —— Nacht — u 
x racht, und zum Morgen > 

(umen” belränzt an den Fluß, je fie 


eg oder Tau waſchen, u 


Ba. —— —* hen — Ih. 
üfche (vom frz. ruche), 


beliebte —— mit di —— 
aufrecht ſtehenden Falten. En je 
* ung f. unter Falten le Bine 


—— las a. 
flanzengattun 
der —— "Man — die in 
den Mediterrangegenden v 


fennt n 
——— 
niedrige — —— die ſich durch 


ö i ‚ 
Se Ste bi Alten che Senne bee 


ein —— ng —— 

Staubgefäße, die weib Kin Bee 
topfiger Harte. Die 

—— Beere. Die — 

Mauſedorn oder bie Sus — 
leatus Z.), ein fehr a 

eiförmigen, ftehenden Blattz gen, ——— 
Blüten auf = — 18 len al * 
europ. Strauch wird n Bi 
rc in Töpfen) kultiviert. 

rüber offizine 


wiberlic:jüßen, (arfen Geſchmad. 







— er | 


Ruſe-Fracht — 


Nufe: Feacht, im Seefrachtverlehr die für ein 

Schiff in Einer Eumme bedungene Fracht, int Ge: 

enjaß zu der nad) Tonnen, Stüdzahl, Kubilraum 
edungenen Fradıt. 

Rusellae, im Altertum eine der zwölf Bundes: 
ftädte Etruriens, öftlich vom Lacus Prelius, rechts 
vorm untern Umbro, dem heutigen Ombrone, auf 
einem Felien, an der von Rom ausgehenden Via 
Clodia, wurde 302 v. Chr. von den Nömern zur 
Kolonie erhoben. Der Ort, mittellat, Rosellae, 
auch Rosellum oder Rossellum, war bis 1138 Sib 
eines Bistums, welches in diefem Sabre 2 
Groſſeto verlegt wurde, und veröbete erit na 
1287 gänzlich. Faſt unverfehrt erhalten find die 
ftellenweile 6—9 m arm Ningmauern ber alten 
Tusteritadt an der Oftfeite der abgeichrofiten Höhe. 
Diefe Mauern beftehen teils aus horizontalen 
Schichten, teild aus jehr unregelmäßig polygonalen 
Travertinblöden von 2 bis 2,5 m Höhe und 2 bis 
4 m Länge, welche ohne Mörtel und nur roh zuges 
hauen übereinander gelagert find, wobei die Lüden 
durch Heine Steine ausgefüllt werden. Auf der 
Burghöhe finden fih außerdem Gewölbe und Bogen, 
en Tempelruinen aus fpäterer, röm. Zeit. 

ielleiht Son vom antifen R. aus wurden die 
Bapni di Rofelle (f. unter Groffeto) gegrün: 
det, wo 1822 röm, Mofailfubböden und marmorne 
Löwen ausgegraben wurden. 

Nuſh (Benjamin), namhafte: amerif, Arzt, geb. 
24. De. 1745 in Lyberry bei Philadelphia, jtudierte 
in Edinburgh Medizin, praktizierte dann dort als 
Arzt und wurde 1769 Profejjor der Chemie am Me: 
dical College in Philadelphia. Beim Beginn ber 
Bewegung für die Unabhängigleit Amerilas von 
England wurde er Mitglied des Kongreſſes und war 
als folder einer der Unterzeichner der Unabhängig: 
teit3erlärung; im April 1777 wurde er General: 
arzt, 1791 Wrofefjor der Medizin an ber Univerfis 
tät zu Philadelphia, 1799 *— Schapmeilter des 
Manzamis der Vereinigten Staaten und ſtarb 
19, April 1813 zu Philadelphia. Bon feinen Wer: 
ten find hervorzuheben: «Medical inquiries and 
observations» (5 Bde. Philad. 1789— 98; 3. Aufl, 
4 Boe., 1809; deutich von Michaelis, Lpz. 1792— 
1800), «An account on the bilious remittent 
yellow fever» —2 1794; deutſch von Authen⸗ 
rieth und Hopfengärtner, QTüb. 1796), «Diseases 
of the mind» (Bhilad. 1812; 5. Aufl. 1835; deutſch 
nad) ber 2, Aufl. von eg 2p3. 1825). 

Rihard R., ameril, Staatsmann, Sohn bed 
vorigen, geb. 29. Aug. 1780 in Bhiladelpbia, jtu: 
dierte dafelbit die Rechtswiſſenſchaft, wurde 1811 
Generalftaatsanwalt für Bennfylvanien, bald dar; 
auf Scastontrolleur der Vereinigten Staaten, 
1814 Generalitaatdanwalt der Vereinigten Staa: 
ten, 1817 unter der Präfidentichaft Monroes, bis 

zur Rüdlehr John Duincy Adams’ aus England, 
Staatöjelretär, und dann bis 1825 Gejandter der 
Vereinigten Staaten in England, als welder er 
1818 mit Lord Gaftlereagb den wichtigen Vertrag 
über die diſchereifrage abihloß, durch welchen zu: 
gleich die nordweſtl. Grenze der Vereinigten Staa: 
ten gegen das engl. Gebiet reguliert wurde, Nm 
3; 1825 wurde er unter ber räfidentfchaft John 

uincy Adams’ Schapfelretär; 1836 ging er nad) 
England, um die Anjprüche derBereinigten Staaten 
auf das denjelben von James Smithfon ausgeſetzte 
2egat zur Gründung der Smithsonian Institution 
(f. d.) bei dem oberiten Kanzleigerichtshofe in Lon⸗ 

Eonverfationd» Leriton,. 18. Aufl, XIIL 


Ruß (der) 913 


don zur Geltung zu bringen, und Tehrte 1838 mit 
dem gefamten Vermächtnis wi Binjen nad Ame 
rifa zurüd. Im J. 1847 wurde R. unter Polls 
Bräfidentihaft Gelandter in Paris; 1849 kehrte er 
nad) Amerita zurüd, lebte ſeitdem, von der öffent: 
lichen Bolitit zurüdgezogen, den Wiſſenſchaften und 
ftarb 80. Juli 1859 in Shiladel hia. Er veröffents 
lite: «Memoranda of a residence at the court 
of St.-James» (1833), welhem Werte er 1845 
einen zweiten Band «Comprising incidents, offi- 
cial and personal, from 1819 to 1825» folgen 
ließ; eine 3. Ausgabe erſchien unter dem Titel 
«The court of London from 1819 to 1825» (her: 
ausg. von feinem Neffen, Lond. u. Philad. 1873); 
«Washington in domestic life» Philad. 1857). 
Auch gab er 1815 eine Sammlung der Geſetze ber 
Vereinigten Staaten heraus, 

Nuskin Bon), ervorragenber engl. Kunſt⸗ 
trititer, geb. im Zebr. 1819 zu London, ſtudierte zu 
Drford. Seine erfte litterarifche Arbeit war eine 
Flugſchrift pe Verteidigung Turner und ber 
neuen engl. Malerjchule, die er 1843 in erweiterter 
Geftalt unter dem Titel «Modern painters» her: 
ausgab, Um Materialien zur Fortfehung dieſes 
Werts, von dem er 1846 einen zweiten Band 
druden ließ, zu fammeln, ging R. eg Italien, 
wo ein längerer Aufenthalt in — ihn zu den 
«Seven lamps of architecture» (Lond. 1849) und 
den «Stones of Venice» (3 Bde., Lond. 1851—53) 

eifterte, Seit 1851 trat er mit Briefen an bie 
«Times» über den kungen auf, die auf 
das jüngere Malergejhleht Englands groben Ein: 
fluß übten. Gin dritter und vierter Band jeiner 
«Modern painters» erſchien 1856, ein fünfter 1860. 

ür die Arundel:Society ſchrieb er eine Abhand⸗ 

ung über «Giotto and his works», ‘m J. 1867 
ernannte die Univerfität Cambridge ihn zum Rede 
Lecturer, 1869 wurde er Profeſſor der_jchönen 
Künfte in Orford. Bon feinen fpätern Schriften 
find zu erwähnen: «Lectures on art, delivered at 
Oxford» (1870), «Aratra Pentelici, Lectures on 
the elements of sculpture» gt «Ariadne 
Florentina» (1874), «Val d’Arno» (1875), «The 
storm-cloud of the 19!" century» (1884). Außer: 
dem veröffentlichte er eine Anzahl origineller, aber 
meift er fehr baroder a über mational: 
ötonomifche Gegenftände. Dahin gehören die Ab: 
bandlungen «Unto this last» (1862), «Time and 
tide, by wear and tyne» (1867), «Munera pulveris» 
(1872) und bie Zeitfchrift «Fors Clavigeran (feit 
1871). Er veranftaltete eine Gefamtausgabe feiner 
Shriften in 11 Bänden (Lond. 1871— 74). Seit 
dem Sommer 1885 veröffentlit er in jwanglofen 
Lieferungen feine Selbftbiograpbie. 

Rusma, ein bei Drientalen und Juden ge: 
bräuchliches Enthaarungsmittel, aus neun Teilen 
Kalk und einem TeilOperment beftehend, welche mit 
etwas Waſſer e einem Teig eingerührt werden; 
wird aud in der Gerberei zum Enthaaren fehr 
dünner Felle angewendet. 

Nuß ift aus der Flamme von verbrennenden 
—— chen Stoffen abgeſchiedener höchſt fein ver: 
teilter Kohlenſtoff. Beim Verbrennen von lohlen⸗ 
ftoffreihen Rörpern, wie Harzen, Fetten, Terpen: 
tinöl, Petroleum, Benzol, Naphthalin u. f. w., er: 

(t man R., welcher meientlich aus Koblenftoff be: 
teht. Diefes Produtt ift der Kienruß; er iſt dun: 
el, tiefihwarz und wegen der Unzerftörbarleit der 
Farbe eine der wichtigſten Dedfarben. Der robe 

68 


914 Ruß (Drt) — Rüſſel 


Kienruß enthält aber noch mandherlei Beltandteile, | | ae. 1885), «Die Brieftaube (Ma de 
die ihn zur gewiſſen Anwendung unbraudbar ma: | «ie fremdländifchen Stubenvögel» (Bb. 
den; man reini igt ihn deshalb, indem man ibn in | nerfrejier», —— 1879; Bd. 3: « — 
qubeifernen G Umdern ausylüht. Der feinjte N. iſt 1881; Bo. 4: «Vehrbud der Etubenvog 
der 2 — der unter anderm auch zur Dar— —5 — und Zucht», 1886), «Der Welle 
ftellung der Tu ſche benugt wird. Der Ruß wird da, ufl., Magdeb. 1886), «Die fpredhen 
wo grobe Nadelwälder vorhanden find, auf eigenen 
Nuhbütten gebrannt, gejammelt, in Gebinden und (Magdeb. 1884). Gin allgemeineres A Aue be 
Rußbütten verfandt, und zur Yabrilation der | handeln die Schriften — 
Druderihwärze, fowie von Farbern und Siegellad: | (2. Aufl., 2 Bde., Berl. 1868 — — 5* 
Freunde⸗ (2. Aufl., "Berl. 1879), «Dur Feld um 
Dale (2. Hull, &pg, 1875). eyfatur und Rultır 
bilder» (Breäl 1868), «Deutihe Heimatäbilder 
(Berl. 18572). Seit 1872 gibt R. die ornitholegiüc« 
Beitihrift «Die gefiederte Welt» (Magbeb.) umd ſeit 
1876 die «fi» (Magpeb ), Zeilſchrift für alle m 
turwilienihaftlihen Yiebhabereien, heraus. 
Nu (Melchior), ſchweizer. Geiichtöicreike, 
eb. in —— ftudierte in Baſel, nahm an den 
—— riegen (1476— 77) teil und me dann 
GStadtichreiber in Luzern. Im J. 148 — 
feine Luzerner Chronik zu ſchreiben, wege u 
ſchichte der ganzen öjtl. Schweiz (bis 1412) in m 
Bereich zieht und fich durch unbefangene Aritil ens- 
zeichnet, Sie wurde herausgegeben von Schnehet 
F 1834). Vol. von Liebenan, «Ritter Melchior 
ftebt aus teerigen Stojfen, die aus dem Rauch Hr von ee Bernoulli, «Die Luzerner Chroni‘ 
—— —— er tann wegen finen nt | Dt Melchior R. — 1572). — 
zündlichkeit leicht Beranlaſſung zu ornſteinbrãn⸗ er [) wie Alugbrand, 
R. Brand des Öetreides. 
Ruffe — Name der Stadt une! G.2.. 
Nuffe ofeph von), Reiſender und 
Salzburg, 


den 
5 (@. Aufl., "Magdeb. 1886), «Das Hubs 


fabrifanten verwendet, 

Der aus den Schorniteinen entweichende ſchwarze 
Nauch ift R., welcher meift durch Abkühlung der 
Flamme des Prennmaterials, mitunter auch durch 
mangelnden Luftzutritt entiteht. Zu feiner Beiei: 
tigung find zahlloie Vorkehrungen empfohlen wor: 

den, durch deren Verwendung die Beieitigung des 
—*x* bei gröhern Feuerungen, bei Dampfleſſeln 
ud der zu erreichen ut, während brejelben 
bei * Bi zablreihern lleinen Hausfeuerungen bis: 
lang wenig Grfolge aufzuweiſen haben. 

Glanzruß nennt man eine feite, glänzende, 
ſchwarze aterie, weldye fi in den Com teinen 
in der Nähe der Feuerungen häufig an den Wan: 
dungen abjeht. Er entiteht in grober Menge a 
Verwendung bitwminöjer Brennmaterialien 


den werben. [gen bleibender 
2 tterruß iftein leiter, im Schormein bän: 
Ruf (in Ditpreußen), Marltjleden im oft: 
preußb. Regierung&bezirt Gumbinnen, Sireiß Heyde: 
trug, an der Hub, dem nördl. Mündungsarın der 
Diemel, da wo ſich derjelbe in die Atmat, Warruß 
und Sfirwit teilt, mitten in den Moor: und Schlid⸗ 
bildungen des nur wenig über den höchſten Waſſer⸗ 
fpiegel des mans Haffs fi A Fairen er u; bei eins 
tretenden Stauminden Nemel: 
delta, Sit eines Amtsgerichts a einer Nei 
banfnebenitelle, zählt (1880) 2124 E. und t 
Dampfidi hr nad Memel und Tilfit, Flöberci, 
Lachs- und Neunaugenfilcherei, Damp chneide⸗ 
müblen, große Holzniederlagen der Memele t flauf: 
leute und lebhaften Handel mit dem in Be Um: 
gebung —— Heu und Gemüfe nach 


u a ih 
art Friedt. Dito), namhafter Ornitholog 
und sin titeller,, geb. zu Baldenburg in ber 
preuß. Provinz Weftpreußen 14. San. 1833, war 
erſt Pharmaceut und widmete ih dann an ber 
Univerfität zu Berlin, feinem ftändigen Wohnorte, 
dem Studium der Naturwi enſchaften. R. iſt ein 
tüchtiger Beobachter des Bogellebens und bat 
lange Zeit für den Vogelichuß und die Pflege der 
Stubenvögel in der erfolgreichſten Weile gemwirlt; 
die Züchtung ber frendländif en Stubenvögel üt 
[en — ich durch feine Thätigleit in ganz 
land, — Ungarn, der Schweiz, in 


Ir 


tanift, 8. t. 1802 zu 
ih au ie —— zu Scyemmig (Ungar:) 
dem ar ve ehe trat 1825 in ölterr. Stant:- 
bienjt. Nachdem er 1827 — 2 die nu ent: 
Bergvermalters in Böditein bei 
ing er als Chef einer Erpebition, —— 
fi zur —— Unterſuchung —— 
ber ausgeruſtet hatte, nad 
1836 —38 nicht nur diefes — — auch Xu 
beiuhie eu bi ein — und 

uchte er noch bie Sinai 

839 die Rüdreije nach — 
an ee 1 me er, — er —— 
adminiſtrator un zu in 
lizien, bi3 er 1850 mit Titel 2 
rats die Direltion ber Berg: und Forſtalademie zu 

und die Stellung eines Berg-, Forft- um 
erg in Riederungarn übertragen erbielt. 
Im J. 1863 wurde R. in ben öfterr. Kitteritand 
erh er ftarb 20. Juni 1863 zu Echemris 
N. hat fich als Kenner und Förderer der abe 
und Mineralogie wie der Berg: und Hü 

vielfache Verdienfte erworben. Gein 

üt der Bericht über feine «Reifen in Europa, Ahen, 
Afrika, unternommten in den J. 1835 —41» (7 Bir, 
Gtuttg. 1841—50, mit Atlas. 

Kussel, bei naturwilienichaftliden Kamen für 
Saiten —— und nenerdings auch in Frank: | Patrick Nufi el, geb. 1726 in London, Arzt is 
reich & und England weit verbreitet. Er jelbit Biete | et geit. 1805 in Zondon. 
zuerft eine Anzahl Papageien, Bradıtfinten, Weber: ffel (proboscis) nennt man zwar im allze 
vögel = fogar mande Kerbtierfreſſer (mie den | mei — das —— Organ, das ſich am der 
chineſ. —— u. a. m.). Bon nad Schrif- vordern Fläche des Gefichts mancher Tiere — 
ten, welche ſich durch Gemeinverſtändlichteit, An: | und meiſt durch Berlängerung ber bteile oder 
ichaufichteit umd 9— idte Behandlung des Stoffe | der Nafe entitebt; jedoch bat das Wort noch wirt 
Gelber find zu nenucn: «Handbud für Vogel: | Nebenbebeutungen. So finden wir bei manche 


h 


ir: 





Liebhaber» (Bd. 1,3. Aufl., Magdeb. 1886; Bd. 2, | Würmern (Nais proboscidea, Balanoglossus x.) 
ufl. 1881), «Der Canarienvogel» (5 alle einfache Berlängerungen des Bordertörpers über 





3 


Nufelä — Nufell (Familie) 


die Mundoͤſſnung binaus als R. bezeichnet, wäh: 
rend bei vielen Schneden, Würmern u, f. w. der 
N. eine ausſtülpbare Bildung der Mundorgane 
darftellt, welche bald an der Spike bewaffnet ift, 
bald nicht, und zum Saugen, Berwunden und 
Schluchen dient. Bei manden Strubelwürmern 
eher it das ausftülpbare Drgan ganz unab: 
ängig und nur zum Verwunden beftimmt. Beiden 
faugenden Inſellen geht der N. aus einer Umbildun 
der uriprünglic fauenden Mundteile hervor un 
wird in ben Stechrüſſel, Schöpfrüffel und 
Rollräüſſel unterſchieden. Dereritere, ber ſich z. B. 
bei Wanzen, Stehmüden, Stechfliegen findet, beſteht 
aus ber zur Röhre verwandelten Unterlippe und 
enthält mehrere Stechboriten, die verwandelte Kie: 
fer find, wozu mandmal nod die borftenförmige 
Zunge fommt. Der Schöpfrüfiel, wie bei der ge: 
meinen Stubenfliege, beiteht aus ber verlängerten, 


gleichſam zweillappige Saugfläde, welche aus den 
umgeftalteten Pippentaftern entitanden iſt; Stech— 
boriten aber fehlen. Enblid der Rollrüſſel, welcher 
fich bei den Schmetterlingen findet und in der Rube 
unter dem Kopfe fpiralig zufammengerollt liegt, 
wird hervorgebracht durch die beiden fehr verlänger: 
ten Unterkiefer, welche zwei parallel nebeneinander 
verlaufende Röhren bilden und auf dem Rüden 
noch eine Zängenleifte tragen, die fich mit der ent: 
gegengefehten mittels milroflopiicher Hälchen ver: 
bindet und hiermit eine dritte Nöhre darftellt, ſodaß 
der Kollrüfiel auf dem Querfchnitt drei Nöbren 
zeigt. Bei Milben und parafitiihen Kruftentieren 
wird der N. cbenfalld3 aus umgewandelten Mund: 
organen gebildet. Bei den Rüffeltäfern ba; 
gegen iſt e3 der ganze Vorderkopf, welcher den ſo⸗ 
enannten R. bildet, an bejien Enbe bie ſehr 
[einen — 5 ſtehen. Bei den Wirbeltieren, 
welche mit einem R. verſehen ſind, iſt der R. eine 
Berlängerung der Naſe, welche innerlich die Ein: 
richtung des Niehorgans zeigt. Unter den Rep: 
tilien bat die Rüffelichildfröte (Chelys) einen 
iemlid langen und dünnen R. Diefes Organ dient 
bier teil3 ala Atmungs: und Geruchsorgan, teils 
u andern Zmweden, wie bei bem Schweine, wo es 
urz und vorn jcheibenförmig abgeſtußt iſt, zum 
Mühlen, bei dem Maulwurf, wo es fehr beweglich 
it, als fehr empfindliches Tajtorgan und als jehr 
feines, die Beute auffpürendes Niehorgan. Bei 
der Nüfielrobbe haben nur die Männ eine 
zum R. verlängerte Nafe; aud der Rüjfelbär 
und der Nohrrüßler befigen ähnliche R. Der 
Tapir befikt einen zwar kurzen, aber fehr bemey: 
lichen R. Die größte Ausbildung aber erlangt die: 
jed Organ bei dem Elefanten. Der R. ieigt re 
eine febr große — — und Geididlichkeit. 
Nah Cuvier enthält Glefantenrüfiel 40000 
nad) allen Richtungen verbreitete Mustelbündel, 
Ein beweglicer Knorpel fließt das hintere Ende, 
wo bie mit Knochen umgebene Nafenhöble beginnt, 
und verhindert als Klappe das Überftrömen des 
eingejogenen Waſſers in die hintere Nafenhöhle 
und in die Luftwege. Man unterfceidet gegen: 
wärtig die Clefanten und die denſelben verwand:- 
ten vorweltlichen Formen, wie 3. B. die Mafto: 
donten als bejondere Gruppe unter dem Namen 
der Rüfjeltiere (f. d.). 

Ruſſelä, Etruskerſtadt, ſ. Rusellae. 

Nüffelbär, ſ. Coati. 

Nũ efegel, f. unter Egel. 


I und fleiſchigen Unterlippe und endet in eine | 75 


915 


NRüffeltäfer (Rhynchophora) it die Benennung 
einer außerordentli groben und wegen ber bedeu: 
tenden Schaͤdlichkeit bierher gehörigen Käfer 
wichtigen Gruppe aus der Unterordnung der mit 
viergliederigen Tarjen Verſehenen (Tetramera), bie 
fih durch den in einen rüfjelförmigen Schnabel 
verlängerten Borberteil des Kopfes auszeichnet, an 
deſſen vorderm Ende erſt die jehr Heinen kauenden 
Munbteile fteben, Der in der Mitte die bald 
einfachen, bald geikelförmigen, aus einem Stiel 
und gegliebertem Endftüd beitehenden Fühler ftehen. 
Die Larven haben einen undeutlihen Kopf, weder 
Beine noch Augen und leben in Früdten, inofpen 
oder im Holzlörper der —— Der ſog. Ruſſel 
dient bier teils zum Anbohren der —— 
in welche die Eier gelegt werden, teils zum Benagen 
der Blätter, Rinden, Knoſpen und Samen. Die 
einheimiſchen ſind gewöhnlich von unbedeutender 
ärbung und meiſt klein; dennoch hat ſich unter 
ihnen durch Zerſtörung der Getreidevorräte der 
ſchwarze Kornläfer oder Kornwurm (f. d ſchon 
manchmal furdtbar gemacht. Der Erbſenläfer 
(Bruchus Pisi) und der gemeine Samenlãfer (Bru- 
chus granarius) werden häufig den Grbfen und 
Bohnen ſehr verderblid. Der Apfelrüffeltäfer 
—— Pomorum) zerjtört die Blütenfno: 
pen ber Slpfel: und Birnbäume. Die Mabe des 
z— (Balaninus Nucum) verzehrt die 

amenlerne der Hafelnüffe. Die Larve bes Pflau: 
menrüffeltäfers (Magdalis Pruni) zernagt im 

bjahr die jungen Triebe der Pflaumens und 
irihbäume. Der große Kiefernrüjfelläfer 
(H lobius Pini) und der weißpunfttige Rüffel: 
äfer (Pissodes notatus) werden dem Nabelbolze 
äußerft verderblih. Der Weinftodrüffelläfer 
oder Nebenftecher (Rhynchites alni, Tafel: Inſek— 
ten I, fig. 20) legt feine Eier in bie Augen und 
Blattlnofpen des Weinftod3 und verdirbt, zumal 
im jüdl. Europa, in manden \jahren die rag: 
fäbigleit vieler taufend Neben, Wegen feiner 
Schönheit berühmt ijt der fog. Brillantläfer 
(Curculio imperialis) aus Brafilien. 

Nuffell, eine alte engl. Familie, die aus der 
Normandie ftammen und mit Wilhelm dem Eroberer 
nad) England gelommen fein fol. 3% ältejtes be: 
fanntes Mitglied it Sir Ralph de R., ber 1221 
Gouverneur von Corfe:Caftle war. Ihre Bedeu: 
tung erhielt die Familie erft burh John R., der 
unter Heintich VIII. zum Großadmiral, Baron 
(1539) und Geheimfiegelbewahrer emporftieg und 
mit_ großen Beſihungen aus den eingejogenen 
Kloftergütern, namentlih mit Woburn-Abbey, ber 
ſchenlt wurde. Während der Minderjährigkeit 
Eduards VI. jaß er im Regentihaftsrat, erhielt 
1550 den Titel eines Grafen von Bedford und 


wußte ſich troß ————— auch bei der 
Königin Maria fo beliebt zu machen, da ibn 
nah Spanien fandte, um ihren verlobten Gatten, 


— 7 II., nad England zu geleiten. Er ſtarb 
14. Dlärz 1555 


Billlam R., der Sohn des fünften Grafen von 
Bedford, berühmt als Haupt der Dpppf on und 
polit. Märtyrer unter König Karl Il., wurde 
29. Sept. 1639 geboren und trat im Alter von 
22 J. ing Unterhaus, wo er die Politik des Cabal: 
minijteriums und die papijtiichen Tendenzen des 
Herzogs von Vorl belämpfte. Er ließ ſich in das 
vom Herzog von Monmouth (f. b.) angeftiftete 
Rye-house-plot verwideln und wurde, wiewohl es 


58* 


916 


erwielen war, 5. er wenigſtens nicht die geringſte 

Abſicht auf das Leben Karls II. gehegt, 

—— — aller Formen zum To 

und 21. Juli 1683 hingerichtet. Pag! Lord Bi 

Aufjell, «Life of William, Lord R.» (4. Aufl, 

Lond. 1853). Als nad der Revolution von 1688 

Wilhelm III. auf den engl. Thron gelangte, wurde 

das Urteil widerrufen und der Vater des Hin: 
erichteten erhielt (11. Mai 1694) die Würbe eines 

. de 098 von Bedford, 

in Vetter Williams, Edward R., aeb. 1651, 

—— ſich als brit. Admiral durch den Sieg über 

ie franz. Flotte bei La Hogue aus, ward 1697 zum 

Grafen von Orford erhoben und ftarb 1727. 

John R., vierter derjog von Bedford, geb. 
1710, ein durch die Angriffe des Junius befannter 
Staatämann, unterhandelte 1762 als Botſchafter 
im Paris auf Antrieb Butes den Frieden , wodurch 
Friedrich d. Or. preisgegeben und die meiften wäh: 

rend des Siebenjährigen Kriegs gemachten Erobes 
a an Frankreih zurüderftattet wurden, Cr 
arb 15. Jan, 1771. Seine von Lord Kohn Ruſſell 
erausgegebene «Correspondence» (3 Bde., Lond, 
1842—146) enthält mande Aufſchluſſe über die Ges 
ſchichte jener Zeit. 

Francis R., fiebenter Herzog von Bedford, 
eb, 13, Mai 1788, bis zum Tode feines Vaters 
1839) al Marquis von Taviitod befannt, war 
als eifriger Fra Mr die Intereifen feiner Bartei 
thätig. Größere Verdienfte erwarb er ſich durd) bie 

—— eines rationellen Aderbauſyſtems auf 
feinen weitläufigen Gütern. Er ftarb 14, Mai 
1861 und hatte feinen einzigen Sohn, Wil: 
liam R., geb. 1. Juli 1809, zum Nachfolger. Der: 
elbe war 1832—41 Parlamentsmitglied für Tavis 
od, wurde aber fpäter gemütäfrant und lebte er 
em, unverbeiratet, in tiefiter Zurückgezogenheit 
bis zu feinem im Mai 1872 erfolgten Tode, 

Als neunter Herzog folgte fein Vetter, Fran: 
cis Charles Haftings R., geb. 16. Dft. 1819, 

Ruffell (John, Graf), *——— brit. 
Staatsmann, geb. 18. Aug. 1792, belannter unter 
dem Namen Lord John R., den er als dritter 
Sohn de3 1839 geftorbenen Herzogs von Bedford 
führte, Er wurde in der Weſtminſterſchule er: 
zogen, ftubierte auf der Univerfität Edinburgh und 
trat Ihon 1813 ins Unterhaus, wo er fi den 
Whigs beigefellte. Im Febr. 1820 trug er auf 
Unterbrüdung des Wahlrechts der verrotteten 
leden an. In der Seffton von 1821 gelang es 
ihm, einen der verrufeniten diefer Fleden, Gram— 
pound, von der Wahlrolle reden zu laffen. Un: 
ermüdlich brachte er dann von Seffion zu Seffion, 
troß des Widerſtandes der Tories, die Frage der 
dm Bei. 16 m immer wieber —* Sprache. 


verurteilt 


m Febr. 1828 wußte er die Miniſter zur Auf— 
ebung der Teft: und Korporationsalte zu bewegen 
und hatte die Genugthuung, im —— ve re 
die Katholilenemancipation durdführen zu ſehen. 
zu Anfang 1850 jepte er den auf das Schidfal des 

orglabinetts einflußreichen Vorſchlag durch, den 
ggenen Manufaktur: und Hanbelsftäbten, wie Leeds, 
Mandeiter, Birmingham, das Wahlrecht zu vers 
leihen, Als die Tories im Nov. 1830 dem Minis 
fterium Grey Plaß machten, erbielt R. die Stelle 
des Kriegszahlmeiſters und bald darauf einen Sik 
im Kabinett. Im Auftrage feiner Amtsgenoſſen 
brachte er dann im März 1831 bie berühmte 
Reformbill vor das Unterhaus, an deren endlichem 


ob mit | ha 


Ruſſell (John, Graf) 


Siege niemand einen größern perſönlichen Anteil 


tte als er. 
Nah dem Rüdtritt der Wighs im Nov. 184 
übernahm R. bei Wiedereröffnung des Parlaments 
im ebr. 1835 die Leitung der zur Oppoſition ver: 
einigten Wighs und Nadilalen und veranlaßte 
durch feine geihidte Tatil bei der Durchführung 
ber fog. un klagen aa fhon im April die 
Zoried wieder zur Amtöniederlegung. i ber 
Bildung des _neuen Minifteriums Melbourne er: 
bielt R. das Staatsjelretariat des \\nnern, weldes 
er 1839 mit dem der Kolonien vertaufchte. Als 
die bewegende Seele des Kabinetts nahm er wejent: 
fi nteil an ber Städtereform, der irländ, 
Zebhntbill, der neuen eig re der Dr: 
Ban des öffentliben Unterrichts und ber 
erbefferung ber Nechtäpflege. Als die gegen bie 
Korngefehe — Oppoſition, ſowie andere 
innere und äußere Schwierigleiten im Aug. 1841 
den Sturz des Wighminifteriums i en, 
unterftügte R., zum Abgeordneten der City von 
London —— nun das konſervative Miniſterium 
Peel in den Fragen, welche die Freiheit des Han: 
dela, die Verbefferung des Lofes der arbeitenden 
Klafien und die Aufrechthaltung der Rube im Jr: 
land betrafen, Dagegen erllärte er fich im Fehr. 
1844 entfchieden er die von der Regierung be: 
folgte —— — itik in Bezug auf Irland, und 
als die —— der —— durch Peel 
bie Auflöſung der altlonſervativen Partei und, im 
uni 1846 Nüdtritt Peels berbeiführte, 
ng ed ihm eine Wbhigverwaltung a Sta 
u bringen, im welder er felbit die Stelle ds 
Bremierminifters übernahm. Seine ſchwierigſte 
und nur teilweife gelöjte Aufgabe war die Milde: 
rung der fhredlichen Hungerönot in Itland, 1846 
—47; dagegen erwarb er ſich unleugbare Berbdienfte 
durch die Meiterentwidelung des Freihandels 
mittels der Ausdehnung der ifreform, ſowie 
duxch bie Abſchaffung der Schiffahrtsgeſetze. 

e —— gegen oa: 
auswärtige Bolitit laut wurde, und die wachſende 
DOppofition der Broteltioniften machten indeflen 

on feit 1850 die Stellung des Minifteriums 
wierig. R. benupte daher eine im Febr. 1851 
erlittene, an fid) unbedeutende Niederlage, feinen 
Rüdtritt zu nehmen, kehrte jedoch, da es den Io 
ries nicht gelang ein neues Kabinett zu bilden, bald 
wieder an die Zeitung ber 38 zurüd, Ber: 
ngnisvoll wurde — iniſterium erſt die 
pofition Lord Palmerſtons, den er im Dez. 181 
wegen feined eigenmädtigen Gebarens hatte ent; 
laflen müflen und der nun, im Febr. 1852, feinen 
frübern Kollegen den Sturz bereitete. Ein Torry- 
minifterium unter Graf Derby folgte; R. trat 
wieber an bie ern ve DOppofition im Unterhauie. 
Die neuen Wahlen im Sonmer 1852 bewieien m: 
bi dab auf eine Rüdlehr zu der Brotektioniften 
politif mid zu sechnen ei, und ba Graf 
leih in erjten wichtigen age, der Feik 
Pet des Budgets (17. Dez.), in der Dinorität 
lieb, bildete nach feinem Rüdtritt Lord Aberdeen 
ein Roalitionsminifterium, in welches auch R. er 
als —— für das Auswärtige, dann als 
—— Staatsrats und als miniſterieller 
eiter des Unterhauſes, eintrat. Da er die von 
Noebud beantragte Unterſuchung über die Lage der 
brit. Armee in der Krim nicht befämpfen zu Lönnen 
glaubte, fo fchied er im Jan. 1855 aus dem 


Ruſſell (Zohn Scott) — Nufel (William Homarb) 


Kabinett, was bie Sprengung desſelben und bie 
nerufung Belmerlion an da3 Staatsruber berbeis 
führte. R. lich nd bewegen, unter ber neuen Ber: 
waltung die Stellung des Rolonialminifters ein- 
zunehmen, und ging balb darauf nad Wien als 
Bevollmädtigter Englands bei den bort eingelei- 
teten Friedensverhandlungen. Sein nadhgiebiges 
Auftreten erregte aber im engl. Publilum folden 
Unwillen, daß er gleich nad) feiner Rudkehr das 
Minifterium verlafien mußte. Von nun an bewies 
er Fin als der beftigfte Gegner Palmerſtons, zu 
deſſen Sturz im Fehr. 1858 er nicht wenig beitrug. 
Trotzdem wußten bie gegenfeitigen Freunde un 
Barteigenofien eine Ber|ö — den beiden 
Rebenbuhlern zu bewirken, und ala im Juni 1859 
Balmeriton abermals Premierminijter ward, er: 
ſchien auch R. wieder als Minifter des Auswärtigen 
an feiner Seite. Um die Mifverhältnifie zu ver: 
meiden, welche aus ber Rebeneinanderftellung beider 
im Unterhauſe entjtanden, willigte er indes ein, 
ins Oberhaus übertreten, und wurde 27. Juli 1861 
mit dem Titel Graf R. von — again re 
— erhoben. Als Leiter der auswärtigen 
Politik wußte er übrigens feine weſentlichen Gr: 
folge zu erringen, Nach Palmerſtons Tod trat R. 
19. Dit. 1865 wieder an die Spipe der Regierung, 
und feine erfte Maßregel war nun die Vorlage einer 
Neformbill, die aber ihres gemäßigten Charakters 
ungeadtet im Unterbaufe ſogleich auf_beftigen 
Widerſpruch ftieh. Nach langwierigen Debatten 
blieb fhliehlih das Minijterium 18. Juni 1866 in 
der Minorität, nahm feine Entla ung und machte 
einem Dinifterium Derby: Diöraclı Plap. 

R.s offizielle Laufbahn erreichte mit diefer Nieder: 
lage ein Ende, Er ſtarb 28. Mai 1878 in feinem 
Landhauſe Pembroke:Lodge bei Richmond. Da 
fein ältefter Sohn, John R., Biscount Am: 
berley (geb. 1842), bereits 9. San. 1876 geitorben 
Te et fein Entel, John Francis Stans 
ley R., Viscount Amber ey (geb. 1866), 
ber Erbe feiner Titel, Als Parlamentsrebner 
zeichnete fih N. weniger durch Schwung, als durch 
eine ſcharfe Dialektit und Alarheit der Darſtellun 
aus. Als Scriftiteller machte er ſich belannt dur 
einen «Essay on the history of the English go- 
vernment and constitution» (Pond. 1821; neue 
Aufl. 1865; deutſch von Kriß, Lpz. 1825, und von 
Lanz, Freiburg 1872) und noch unvollendete «Me- 
moirs of the affairs of Europe, from the peace 
»f Utrecht to the present time» (3 Bde., Lond, 
1824— 32). Ferner bat er Thomas Moores Briefe 
ınd Tagebüher (8 Bde., Lond. 1853—56) und 
Life and times of C. J. Fox» (4 Bde., Lond. 
1859—66) herausgegeben. Minder bedeutend find 
‘The establishment of the Turks in Europe» 
Pond, 1827) und «The causes of the French re- 
rolution» (Yond.1832). Auch fchrieb er ein Trauer: 
piel «Don Carlos» (Lond. 1823), das aber auf der 
Rühne feinen Erfolg hatte. Seinen lebten Lebens; 
abren gehören an: «Letters on the state of Ire- 
and» (1869), «Selections from the speeches of 
sarl Russell 1817—41 and from despatches 
.859—65» (2 Bde., 1870), «The foreign policy of 
öngland, 1570—1870» (1871), aRise and progress 
'f the Christian religion in the West of Europe» 
1873) und die autobiographifchen «Recollections 
‚nd suggestions, 1813—73» (Yond. 1875; beutich, 
Jalle 1876). Bol. Althaus, «Graf John R.» (im 
. Bande des «Neuen Plutarch», Lpz. 1879). 


917 


Ruffell Kohn Scott), berühmter Marine⸗In⸗ 
genieur, % . 1808 an den Ufern bes Clyde, pro 
movierte ſchon im Alter von 16 J. an der Univer 
fität —— und vertrat 1888 nach dem Tode 
Eir John ealies befien Stelle als Lehrer ber J 
—— — an der Univerſität Edinburgh. 
eine Hauptbeihäftigung waren jedoch die ma— 
them. Wiſſenſchaften und namentlich bie Mechanilk. 
od in Edinburgh wurden unter feiner Leitung 
einige Heine Dampfer für Fluß: und Kanalidiff- 
fahrt konftruiert; aud erfand er einen San 
wagen für gewöhnlidhe Chaufleen, der eine Zeit 
lang mit Erfolg die Fahrt zwiichen Baisley und 
Glasgow madte. Bald darauf übernahm er das 
probe Etabliſſement des —— Caird 
in Glasgow, an deſſen Spihe er bis zu feiner fiber: 
fiedelung nad) London 1844 blieb, und aus dem 
bie eriten großen Dampfpaletichiffe für die Wet: 
indiihe Royal:Mail:Company hervorgingen. Spä: 
ter trat er mit einer neuen Theorie für den Schiff: 
bau auf, die er dad Wellenfyftem nannte, Dass 
elbe berubte auf der von ihm gemachten Bemer: 
9, daß yes die nach allgemeinem Dafürhalten 
am beiten geformten Sie bei fchneller Fahrt 
mächtige Waſſerberge vor ihrem Bug anhäufen, 
und daß biefe Widerftand leijtende Maſſe in uns 
gleichem Verhältnis mit ber gg Schnel⸗ 
ioleit wächſt. R. verwarf deshalb bie bisher ges 
brãuchlichen Formen des Bugs und erſehte fie durch 
neue Linien, deren Aufgabe es war, zuerſt die 
Waſſerteile fortzufchieben, ihnen anfänglidh eine 
fpnellere, dann aber eine langfamere —* 
geben, bis fie in dem Augenblicke zur Ruhe 
ommen, wo der breiteſte des er 
fie pafjiert. Seine Unterfudungen über dieſen 
Gegenjtand legte er bereits 1835 der Britiſh-Aſſo— 
ciation vor. In demfelben Jahre lief das erſte nad 
feiner Theorie erbaute Dampfſchiff, die Wave, vom 
Stapel, welches volljtändig feinen Erwartungen 
entiprad und dem mehrere anbere folgten. 
rößten Triumph feierte R. durch den Bau bes 
reat:Gaftern, der nad) feinen Angaben ftattfand 
und an dem er in Gemeinichaft mit Brunel 1854 
—58 arbeitete. Im 5%. 1851 fungierte er ala 
Selretär ber jr usführung ber erften Welt: 
induftrieausftellung ernannten Kommiſſion. Seine 
Ideen über Schiffbaulunſt hat er in «The modern 
system of naval architecture for commerce and 
war» — 1864) niedergelegt. Außerdem erſchien 
von ibm «Systematic and technical education for 
the English people» (Lond. 1869), N. ſtarb 
10. Juni 1882 zu London. 

Nuffel (Dodo William Leopold, Lord), f. 
Amptbill. Er ftarb 25. Aug. 1884 in Potsdam. 
Die Leiche wurde nad) England gebradt und dort 
3. Sept. in ber Familiengruft zu Chenies in 
Budinghamfbire beigejebt. 

Ruffel (William Howard), namhafter engl. 
Journalift, geb. 28. März 1821 bei Dublin, begann 
1839 feine jurijt. Studien im Trinity:College ba: 
felbit, fah fi aber bald durch —— Unglüd3: 
fälle gezwungen, für feinen eigenen Unterhalt zu 
forgen. Er wurde Journaliſt und erhielt endlich 
(1847) eine dauernde Anjtellung bei der londoner 
«Times», Beim Ausbruch des Orientkriegs erhielt 
N. im Febr, 1854 den Auftrag, der engl. Armee 
nad; dem Bosporus zu folgen und über die Be: 
mwegungen und Operationen derſelben Bericht zu 

‚erftatten. Seine Krim⸗Korreſpondenz gab er 


918 Nüffelmaus — Ruſſiſch-Deutſch-Franzöſiſcher 


ammelt - —— of the Crimean war» 

2 Bbe,, . 1855—56; beutih von Se bt, 
5 Ausg,, ——— — Im Auftrage 
«Times» ging er nun nad Moskau, um —— 
Alexanders II. beizuwohnen, machte bierauf einen 
Ausflug nad) Sübrußland und ———— und 
bielt dann in England öͤffentliche V e über 
den rufi. Krieg, die das Material zu — « _ 
expedition to the Crimea» (Lond. 1857) 
neuen, vermehrten Ausgabe feines frühern 
lieferten. Im 3. 1858 führte ihn der Aufitand der 
Seapoys nad) — wo er im Hauptquartier 
* Clydes — ldzug mitmachte. Nach 
* - jurüdge ehrt, egründete er die — * 

Gazette» —* ließ unter dem Titel «M 

—— ndia» (2 Bde., Lond. 1860) eine intereſ⸗ 


ante Schilderung des uf —— cheinen. Im 
r 1861 gina er ala orrefponbent 
imes nad) Amerila. 8* erichte über bie 

— des ne riefen jedoch im Norden 

eine fol or, dab er Amerifa 


ar, N —— mußte, worauf er in «My 
orth and South» (2 Bde., Lond. 1862) 
eine ziemlich ungünftige Darjtellung der dortigen 
Itnifie gab. Im Hauptquartier Benedels 
wobnte er 1866 bem m in Böhmen und 
Mähren bei. Den Deutih:sranzöfifhen Krieg von 
1870— 71 machte er als Korreſpondent der «Times» 
im Gefolge des Kronprinzen mit. Geine Korre— 
fpondenzen fammelte er unter dem Titel: «My 
during the last great war» (Lond. 1873; in 
deut] ge von Schlefinger, Lpz. 1874). 
Marc m 1876 begleitete er ben Rri ringen von 
—— er Rei —— bie er in dem 
“The Prince of Wales’s tour in 
* beſchrieb. Eine Tour durch Nord⸗ 
amerila in Begleitung des Serzogs von Suther⸗ 
land fchilderte R. in «Hesperothen: notes from 
the West» (2 Bbe., 1882). 
elmaus, fi wie Bifamfpismaus, 
elpapagei, j. unter Kaladu. 
elöheim, den in der hefl. Provinz 
Gtartenburg, am linten Mainufer und an der Linie 
&ienbahn, mi a. M. der Heſſiſchen Ludwi 
n, mit (1880) 2625 E., welche Nähmaſchi 
orien: und Rotosmattenfabriten — 
R. war früher Feſtung; die Werte und das 
wurden 1689 von den Franzoſen zeritört. 
eltiere (Proboscidea) 
ber Säugetiere mit vollftändig verwachſenen, mit 
—— Daten beſehten Sage einer in einen — 
zuſſel ausgezogenen Naſe, ohne Edzähne, aber mit 
ſehr verlängertem, einzelnem Schneidezahn jeber: 
ſeits im Zwiſchen⸗ felten auch im Unterkiefer. Die 
plumpen, meilt gemaltigen Tiere find in ber Ge: 
— auf einige wenige Arten —— (j. d. 
ſchränlt, von denen der afrikaniſche (Kleph 
africanus, ſ. Tafel: Ruſſeltiere, ig. 1) ‚größere | Ch 
Ohren hat wie der indiſche (E. indicus, dig. 2 2), 
auch wilder und viel weniger zähmbar it. Die 
fowohl die lebenden wie foffilen, 
ſehr gut durd die Kaufläche ihrer 
Badzähne; diefe beitehen aus einer Anzahl ur: 
ſprunglich getrennter, fpäter durch Cementmaſſe 
vereinigter Lamellen, die bei Euelephas Ihmal 
und ‚nlemmengeüdt, (hierzu E. indicus, Fig. 4, 
da3 Mammut maus 7, € ‚ Badzähne Fig. ba 


——— 
Bade: | 9— 


und5b,undE. antiquus g.7, aus dem Pliocen und 
Poſtpliocen Europas), bei Loxodon aber rauten— 


eißt eine Orbnung | K 


Krieg von 1812 bis 1815 


förmig g —* E. africanus, Fig. 3, E. meriö» 
nalis aus dem europ. liocen und bei E 
8, aus dem obern Miocen von Je 

Bien) find. ajtobon,, ein den echten Glefania 
onit A ähnliches Geihleht aus dem Miocen un 


planten, 


liocen Europas, Aſſens und M, gigu 
teus) aus dem — Boltpliocen Am ——— 
ich dadurch, daß ſeine zahlreichern ern Badener 
einen Gruppe Trilophoden (M. gigantes 


dig. 9) drei, in der andern, Tetralophodon (N 
aeverensis, Fig. 10) vier und bei Pentalophoda 
M. sivalensis, ig. 10), wenigſtens ber hinter 
ıf Baar warzenförmi iger Höder befist. Das lan« 
eit rätfelhafte Dinotherium giganteum (j. }, 
5434 — ört Kurs all 3 zu den #. 
uffia, ber id, ſ. unter Blaneter 
Nuffinen, — ——— uthener 
Ruſſiſch⸗Amerika hieß früher da 8 Territorien 
Alasta (f. d.) der Vereinigten ——— von Am 
rila, das die Ruſſen feit 1799 Tolonifierten ww 


1801 in bie a ten Staaten verlauften. 
nl Auer ſche Rompagnie, cx 
m in Peter&burg gegründete Altien ellicei 
— Ausũb rn der ® bes Se in —* «Amer: 
* ;: u vn | 
mit er A in Mostlau, 
Tomöt, hasst: alutst, Adan und — 52 


Sie ward 1865 aufgeloſt. Bol. Tichmenew, «Ge 
e; 5 der 3*3 —* 1863). 
—— if der durch ben Berlin 
age nordöſtliche Teil von Armenier 
6.3.86 d., Od. I, ©. 918”); er umfaht die beiden Ge 
8 Batum und Kars mit zujammm 
25 820 26820 — und (1880) 176282 €, 
Rulfid-Dentie-Zranzöiger Krieg s 
u e ra vs 
1812 bis 1815. I. a uifliger 5 Deldzug ver 
—* Die un \ Kauferreit 
—2* Frieden von Wien (14. a. —* 
—— ni HÖ Be En t. Nur England, das 
nabbare, m bie tion in ihrem —— 
gegen —— König, Napoleon: 1 
ruber, au. nod) zu beit 
ſchien die Zufanmentunft der beiden Herrfder ir 
rt 1808 ein dauernded Bündnis gefichert zu 
r n. Aber ſchon 1809 fing bafielbe an, fih a 
odern. —— hatte ſein Hiljslorps gegen 
reich nicht rechtzeitig erſcheinen lafien, Napoleon w 
onvention nicht ratifiziert, durch meldhe er W% 
verpflichtete, Polen niemals wieberberzuitelen 
Dies erwürinis trat 1810 eutijieden beruor. 3% 
—— von Holland, einem Teile von Bay 
Weitfalen, anderer deutjcher Gebiete, wie = 
idee remen, —— und Lũbeck, wodurch de 
Grenje des franz. Rei ehe bis an ie Dftiee vorgeri 
wurde, vor allem die Vertreibung des Herzogs Par 
Eher Ser ıburg, welche den Kaiſer Alerander S 
urgiſchen 
he rg ande re. 
Handelstarif, welden Napoleon Ar ein eo: Losiom 
von —— em —* die Hauptpunfte, = 
nad) vergeblicyen Unterhandlungen, während melde 
beide Staaten rüfteten, 1812 zum K führten. 
Napoleon hatte außer feinem Naiferreich über > 
Kräfte Italiens, der Nheinbundftaaten und de 
Grofberzogthums Warſchau zu verfügen; Brei 
und Öfterreih wurden genötigt, ihm Hilfätrups> 
zu ftellen, auch redinete er auf die Mitwirkm 


Schwedens und der Worte. Aber jenes Ihlob ma 


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lefant (Elephas africanus)., 


‚ Afrikanischer E 














11. Mastodon arverensis, dritter Milchzahn 
des linken Oberkiefers. 








9. Mastodon giganteus, 
zweiter echter Back- 
zahn, 


10. Mastodon sivalensis, hinterster 
Backzalın des Oberkiefers, 






bb. Elephas primigenius, Backzahn 
von der Seite. 


8. Elephas planifrons, 
Backzahn. 





— ** 
3. Elephas africanus, Backzahn. ba. Elephas primigenins, Backzahn 
Kaufläche. 








12. Dinotherium giganteum, restauriert, 
Zu Artikel: Rüsseltiere, 


Ruſſiſch⸗Deutſch-Franzöſiſcher Krieg von 1812 bis 1815 


Vertrag mit Rußland, und — ſeit 1808 in 
erneutem Kriege mit dieſer Macht, ſchloß 1812 
Ftieden, als die franz. Armeen gerade im Begriff 
anden, den Niemen a überfchreiten. Dadurd 
wurden das in Finland ftehbende Korps und ber 
en Teil der ruſſ. Moldauarmee verfügbar, 
ußland Hatte anfangs dem Vorrüden der feind: 
lichen Heeregmafien fogleich entgegentreten wollen, 
polit, Nüdfihhten, namentlih da3 Bündnis Oſter⸗ 
reichs mit Frankreich, hinderten dies, und der An: 
riff follte abgewartet werden. General von Phull 
eate dem Kaiſer einen Operationsplan für die 
Verteidigung des Reichs vor, Auch der preuß. 
General von dem Kneſebed hatte dasfelbe ins: 
geheim gethan; in der Grundidee fiimmten beide 
überein: entiheidenden Schlahten auszuweichen 
und den Feind in das innere bes Landes zu loden, 
bis Mangel an Verpflegung und die Strenge des 
nordiſchen Winters feine Widerftandatraft gebrodhen 
haben würden. Nur darin wichen beide vonein: 
ander ab, dab Phull, überzeugt, Navoleon werde 
auf age sa | marjieren dieje Straße deden 
wollte, während Anefebed richtig erlannte, daß die 
Straße nad) Moskau die feindlihe Operationsfinie 
bilden würde. Doc ift diefer Plan, wie Wr er: 
wieſen, feineswegs mit Abſicht und Vewußtſein 
verfolgt worden, jondern die ruſſ. Armee ziemlich 
planlos und infolge der Bewegungen des Gegners 
jurüdgewidhen, 
Die ruff. Streitfräfte waren folgendermaßen auf: 
eitellt: erfte Weftarmee, 112000 Dann unter 
arclay de Tolly, Hauptquartier Wilna, I des 


Niemen bis Grodno; zweite Weſtarmee 37000 Mann | 


unter Bagration bei Slonim; Reiervearmee, 
28000 Mann unter Tormafjow bei Fust; zur Ber: 
teidigung der Weftgrenzeüberhaupt: 250 Bataillone, 
252 Shwadronen, 30 Koſalenregimenter, 187000 
Dann und 938 Geſchuge. Bon der eriten Armee 
war das Korps von MWittgenftein auf dem rediten 
Flugel und das von Eſſen zur Tedung von Niga 
abgeiondert. Unter Platow ftanden 16 Koſalen⸗ 
regimenter als fliegendes Korps in Grodno. Außer: 
dem befanden fi 30000 Dann unter Steinheil in 
Finland, die zum Wittgenfteinichen Korps rüdten, 
Neierven unter Miloradomwitih und Ertel wurden 
gebildet, und Ende September ftieß_die Donau: 
armee, 53000 Mann, biäher unter Kutuſow, der 
aber da3 Dberlommando der Hauptarmee über: 
nahm, zu Tormafjow. Das zum Einmarſch in 
Rußland bejtimmte Heer Napoleons beftand aus 
dem Garde:, 10 Armee: und 4 Kavalleriekorps, 
zufammen 460000 Mann. Nahrüdende Truppen, 
welche erſt im Laufe des Feldzugs die Grenze über: 
fhritten, erhöhten die Stärke auf 600 Bataillone, 
530 Schwadronen, 640000 Mann mit 1372 Ge: 
ſchühen. Die Verteilung war folgende: Große Ar: 
mee, 232000 Mann unter Napoleon, am Niemen 
bei Kowno, Armee des PVizefönigd von Stalien, 
72000 Mann, weiter rüdwärts bei Kalwary, Ar: 
mee des Königs von Weitfalen, 89000 Mann, im 
Anmarſch auf Grodno; linker Flügel: das 10. Armee: 
forp3, 32000 Dann, wobei 20000 Preußen, unter 
Macdonald bei Tilfit; rechter Flügel: das öſterr. 
Hilfskorps, 34000 Dann, unter Schwarzenberg bei 
Ejedleß. Napoleons Kriegsplan war: mit jeiner 
Hauptmafie die Rufen zur Schlacht zu zwingen, 
nach dem Siege raſch auf Moslau vorzudringen 
und hier den Frieden vorzujchreiben. Man hat ihm 
mit Unreht den Vorwurf gemacht, für die Ber: 


919 


pflegung nicht ausreichend Sorge getragen zu has 
ben: im Gegenteil hat er niemals vorher fo groß: 
artige Anftalten durd) Magazine, Anordnung der 
Nachfuhr u. f. w. getroffen; aber diefe wurde bald 
unmöglic), und die Armee, welche nicht zu Requiſi— 
tionen jchreiten ſollte und Nr dazu geprungen war, 
litt ſchon in Bolen empfindlich Mangel, 

Am 24. uni begann der Über ang der franz, 
Truppen über den Niemen. Ohne erheblichen Mider: 
ftand zu finden, rüdte man am 28. in Wilna ein. 
Murat mit einem Teile der Kavallerie und drei 
Divifionen folgte der eriten ruff.. Weſtarmee auf 
—— Rüdzuge nach der Düna; Davouſt brach gegen 

inst auf, um Bagration, den der König von 
Weitfalen in der Front beihäftigen follte, von der 
erften ruf. MWeftarmee abzujchneiden. Diele gin 


'in das Lager von Driſſa zurüd, aber die Mänge 


besjelben, jomwie die Gefahr, ganz von der zweiten 
Armee getrennt zu werden, bewogen die Ruſſen, 
iene haltlofe Stellung zu verlafien und die Ber: 
einigung mit Bagration hei —— ſuchen. 
Napoleon verweilte drei Wochen in Wilna, um 
Citauen zu ordanſieren und den vormarfch des 
Königs von Weitfalen abzuwarten. Dieſer hatte 
Bagration aber nur ſchwach gedrängt, fodaß der: 
felbe, troß anfänglicher Erfolge Davoufts, ber Ver: 
nichtung entging und auf einem Ummege Smolenät 
erreichte. Napoleon ſehte 16. Juli die Hauptarmec 


' wieder in Vewegung, das 2. Korps (Dudinot) wurde 


gegen Wittgenftein entjendet und im Augult durch 
das 6. Korps (Gouvion Saint:Cyr, Bayern) ver: 
—— das 7. (Reynier, wobei die Sachſen) war feit 
nen Juli nad dem rechten Flügel abgerüdt, 
um Schwarzenberg abzulöfen, den der Kailer zur 
Großen Armee heranzog. Der Vorſtoß Tormaſſows 
gegen die Sachſen, von denen er eine Brigade 
27. Juli bei Kobryn zur Kapitulation zwang, bewog 
ben öfterr. Feldherrn jedoch, fi mit Reynier zu 
vereinigen. Auf dem linken el rüdte Macs 
donald nad) mehrern Gefechten zur Belagerung von 
Riga vor. Die Große Armee konnte die Ruſſen 
auch bei Witebst nicht zur rt dieje 
mwichen auf Smolenät zurüd, wo ſich die beiden 
een endlich vereinigten. Im franz. Heere 

mar der Mangel immer größer geworben; Napoleon 
ließ daher, um ben Truppen Erholung zu gönnen, 
Kantonnierungen beziehen. Aber jdon Anfang 
Auguft begann er bie Operationen wieder und ver: 
fammelte bis 14. Aug. die Hauptarmee weſtlich 
Smolenst, Am 14. wie eine rufl. Diviſion bei 
Krasnoi die Angriffe der gefamten Rejervelavallerie 
Murat3 ab. Smolensk wurde von ben Ruſſen 
17. Aug. hartnädig verteidigt und nur nad) großem 
Berkufte von den Franzoſen bejeht, nachdem es in 
der Nacht geräumt worden war. Hlutige Gefechte 
fanden 19. Aug. bei Gedeonowo und am Gtragan 
tatt; die Nuften fehten ihren Rüchzug auf der 

ostauer Straße fort. Napoleon folgte. 

Nun trat Kutuſow an Barclays Stelle und be: 
ſchloß, zurRettungder Hauptitadteine Schlacht anzu: 
nehmen. g einer durch Schanzen verftärkten Stel: 
lung bei Borodino, den rechten Flügel an die Mos— 
tıva (f. d.) gelebnt, erwartete er, 104000 Mann mit 
640 Geſchuhen ftark, den Feind, dermit 123000Mann 
und 587 Geſchützen 7. Sept. die Schlacht begann. 
Bon beiden Eeiten wurde mit der größten Tapfer: 
teit gelämpft ; der befchräntte Raum, auf welchem 
fi die Heere 11 Stunden jchlugen, machte die 
Schlacht zu einer der blutigſten. Der Berluft 


920 


betrug beiberfeit3 nahe an 40000 Mann. Kutuſow 
ab.feinen Zwed verfehlt, trat in ber Nacht ben 
üdzug an und gab fau preis, wo bie Fran⸗ 
zoſen 14. Sept. einrüdten und Yapolen fein Haupt: 
uartier in der alten burg, dem Kreml, nahm. 
ie erwarteten Friedensanträge blieben Indeljen 
aus, —— in der Stadt mehrten ſich 
von Tag zu bis ſich die Flammen, wie es der 
Gouverneur —E unzweifelhaft auf eigene 
Verantwortung angeordnet, über ganz Moskau er: 
goſſen und Napoleon zum Xerlafien der Hauptitabt 
enötigt wurde. Endlich, nachdem er vergeblich 
** angeboten und vier koſtbare ver: 
loren hatte, mußte der Nüdzug angetreten werden. 
Kutuſow hatte eine Flankenitellung ſüdlich genom: 
men und dem König Murat, ber gegen ihn ftand, 
ein glüdlices Gefecht geliefert, als er eldung 
vom Aufbruch der Franzofen erhielt und nun bie 
Nüdzugslinie nad Kaluga verlegte. Durch das 
reiten von MaloJaroslaweh (24. Oft.) wurde Nas 
poleon wieder auf die verheerte ſmolensler Straße 
832* wo feine Truppen zwar noch in ben Ge: 
techten, befonder® ruhmwoll bei Wiasma 3. Nov., 
ihre Waffenehre behaupteten, aber durch Mangel, 
ftarle Verlufte, ftrengen Froft und einreibende Un: 
ordnung, als fie aud bei Smolenst nicht die ge: 
bofite Raſt jenen, in — Elend gerieten, das 
nah dem Vernichtung drohenden Übergang über 
die Berefiun, 26. bis 28. Nov., zu völliger Auflöfung 
des Heeres führte, 
Bei den Seitentorps hatte fih wenig Wichtiges 
ereignet; num wurde aud ihr Nüdzug —— 
Macdonald, mit den Preußen, dieſe nun unter York, 
bob bie Belagerung von Riga auf und ging über 
den Niemen. Dudinot, ber gegen Wittgenftein zwei⸗ 
mal bei Polozk, zulekt 18. Aug. durch Gouvion 
Saint:Eyr verjtärft, gelämpft und fid dann mit 
dem 9. Korps, friihen Truppen unter Victor, hinter 
der Ula — hatte, ſicherte die von ber heran: 
iehenden Moldauarmee unter Tfchitichagow be: 
rohte Hüdzugslinie Napoleons. Schwarzenberg, 
welder, mit den Sachſen vereinigt, Tormafiow 
durch das Treffen von Gorodeczna 12. Aug. hinter 
ben Styr geworfen und dann Waffenruhe gehabt 
hatte, 308 ji} vor der 50000 Mann ſiarken Moldau: 
armee zurüd. Die Ruſſen teilten — bier: Saden 
blieb gegen bie we rg und Sachſen ftehen und 
löjte feine —— de, dieſe von der Großen Armee 
u trennen; Ichitſchagow marſchierte gegen bie 
erefina, um Verbindung mit Wittgenjtein zu ſuchen 
und die Franzoſen von der Nüdzugslinie abzu: 
chneiden. Aber jene Verbindung glüdte nicht. 
Ihitihagew, der ſchon Boriſſow bejept hatte, 
wurde durch Dubdinot geworfen, und fo gelang e3 
der 3. rmee, wenn auch unter ben entſehlich— 
ften Umſtänden, über die Berefina ( d.) zu ent 
lommen; nur eine Divifion wurde gefangen, wäh: 
rend Victor den libergang dedte. Am 3, Ser erließ 
Napoleon fein 20, Bulletin, das die ganze Wahr: 
beit enthüllte. Dann übergab er den Heereäbefehl 
an Murat und eilte nad Paris voraus. Am 
14. Dez. überfchritten bie lehten Trümmer der dam. 
Armee den Niemen. Die Ruffen bezogen bei Wilna 
Kantonnierungen. | dem Nüdzuge des 10. Korps 


war Vorl außer Verbindung mit ben Franzoſen 
— und ſchloß 80. Dez. mit Diebitf „ 
ittgen 


— Generalguartiermeifter, in der Mühle 
von Poſcherun (Boicheran) die ſog. Konvention 
von Zauroggen, wonach das preuß. Korps, vor: 


| 
| 


NRuſſiſch-Deutſch⸗Franzöſiſcher Krieg von 1812 bis 1815 


behaltlih der Genehmigung des Königs „ neutral 
bleiben ſollte. Die Bereichen und Sachfen 
ſich nach ihren Grenzen zurüd. So endete ber Selbe 


su von 1812, 
Der Krieg in Deutfhland und Franlı 
rei, auch Deutſcher De Ta ROSINEN ge 
nannt. A. Der Krieg in Deutihland von 1813. 
Das mutige Berfahren Yorls, vom Könige anfangs 
nicht gebi it, gab in Preußen, wo der Hab gegen 
bie frenıde ——— lebendigſten war, den 
Anſtoß zur großartigen Erhebung für die Befreiung 
beö Baterlandes. Der König hatte fich, weil Berlin 
nod von den Franzoſen bejegt war, von Potsdam 
nad) Breslau begeben und erließ den Aufruf vom 
3. Febr. 1813 an fein Boll. Zaujende aus allen 
Ständen eilten in höchſter Begeilterung zu ben 
Waffen; bie größten Opfer wurben bereitwillig dem 
Baterlande gebracht. Noch war der Feind nicht 
enannt, den e3 galt, aber darüber waltete tein 
weifel mehr. Unterdefien hatte ſich das ruſſ. Heer, 
zu weldem fi Kaiſer Alerander perſönlich begeben, 
wieder in Bewegunng geiest, dagegen das fran- 
Klar, in drei Divijionen neu formiert, die Weich 
el verlafien. König Murat hatte den Dberbefehl 
an den VBizelönig von Stalien übergeben und war 
nad Neapel abgereift. Eugen führte das franz. 
Heer, da er die Überlinie nicht halten konnte, —— 
die Elbe und nahm fein Hauptquartier in Mag: 
deburg. Am 16. März, nachdem jchon 27. Febr. zu 
Kalifh mit Rußland ein Bünbnik geſchloſſen war, 
erfolgte Preußens Kriegeerllärung gegen Frant: 
reih. Das preuß. Heer war bi auf 33000 Mann 
berabgelommen. Durch Schamborit3 Syftem jeit 
1810 (f. Krümper), wonad fortwährend Mann: 
ſchaften ausgebildet und danach beurlaubt wurden, 
war e3 aber möglid, jogleih 13 neue Infanterie 
regimenter aufjujtellen. Dazu kamen die freiwilli- 
= äger, gegen 10000, und bie Landwehr, letere 
urch die Verordnung vom 17. März ins Leben 
gerufen, nad ihrer Vollendung 149 Bataillone, 
113 Schwabronen, zufanmen 120000 Mann. Dod 
waren dieſe Rüftungen beim Ausbrud des Kriegs 
nod nicht beendigt. Nur etwa 50000 Dann waren 
ſchlagfertig, davon 25000 unter Blücher in Schle 
fien, 15000 unter Vorkin der Mark und 10000 Mann 
unter Bülow in ber Mark und Pommern. Am 
18. März befegte ein ruff. Streiflorps unter Tetten: 
born Hainburg. In Norddeutſchland gärte es über: 
all, und um diefen Geift zu unterbrüden, marſchierte 
ein franz. Korps von 3000 Mann unter Motand 
von Bremen gegen —— wurde aber bier 
2. April von Dörnberg und Tſchernitſchew ange: 
griflen und genötigt, die Waffen zu ftreden. Die 
lücherihe Armee, durch 15000 Ruſſen unter 
Winsingerode verftärlt, war Ende März in Sachſen 
eingerüdt und hatte bei Dresden, das Tavouit 
nah Sprengung der Clbbrüde räumte, die Elbe 
überichritten, während Wittgenftein und York mit 
27000 Mann gegen Magdeburg operierten. Um 
das VBordringen in Sadjen zu hemmen, unternahm 
ber Bizelönig von Italien aus Magdeburg einer 
Borftoh in der Nihtung auf Berlin, wurbe jedod 
durch das Treffen bei Viödern 5. April zur Umkehr 
gezwungen. Die Hauptarmee der Rufien ftand nod 
zurüd. Die von den Franzojen bejehten preuf. 
und poln. age wurden eingeſchloſſen. 
Unterdefien hatte Napoleon in nkrei 
gro rtigften Rüftungen betrieben, mehrere Alters 
lafien der Konſtription vorausgenommen und ein 


Nuſſiſch-Deutſch-Franzöſiſcher Krieg von 1812 bis 1815 


Heer nad Deutſchland neführt, welches dem ber 
Berbündeten an Zahl — war. Ende April 
vereinigte er ſich an der Saale mit dem Bizelönig, 
nun 120000 Dann ftark, während die Verbündeten 
90000 zur Stelle hatten. Den Oberbefehl hatte, 
nachdem Kutufow geitorben, Wittgenftein erhalten. 
Troh der Minderzahl beichlofien die Verbündeten 
rtrauen auf ihre überlegene Kavallerie den 
Angriff; aber die Schlacht bei Broßgörihen unweit 
Lüpen (if. d.), 2. Mai, wie ruhmvoll auch beftanden, 
hatte ben ri Ama der Glbe zur Folge. Na: 
poleon entjandte Davouft zur Wiedereinnahme von 
Hamburg, die 31. Mai ſiattfand, und Ney gegen 
Berlin, während er jelbft mit der Hauptimadt dem 
Feinde folgte. Schon 8. Mai war er wieber Herr 
der Elbe, dan Dresden geräumt, Torgau von —— 
mann geöffnet und die Belagerung von Wittenberg 
aufgehoben worden war. Der König von Sachſen, 
ber jidy beim Einmarſch der VBerbiindeten nad Bra 
zurüdgezogen batte, mußte zurüdfehren und ie 
enger an Napoleon anſchließen. Aber der Fall von 
Thorn hatte 17000 Ruſſen unter Barclay de Tolly 
verfügbar gemacht, durch welche und 10000 Preußen 
veritärkt die Berbündeten hinter der Spree bei 
a er Aufitellung genommen hatten. Napoleon 
309 daher Rey, vor weldem Bülow auf Berlin 
zurüdgewidhen war, an fi. ort, ihm entgegen: 
geichidt, um feine Kerbindung mit der Hauptarmee 
zu bindern, beitand zwar 19. Mai ein fiegreiches 
Gefecht bei Königswartba, wurde aber, als Na: 
oleon bei Bausen 20. Mai angriff, zurüdgezogen. 
tey erſchien am zweiten Tage ber Schlacht von 
Bauhen (j. d.), 21. Mai, gerade zu rechter Zeit, um 
diefe durch einen Angriff gegen den rechten Flügel 
zu entiheiden. Die Verbündeten brachen den Kanıpf 
indejjen noch eu ab und zogen fih in guter 
Ordnung nad Schleſien zurüd. Der Mangel an 
Kavallerie bei den Franzoſen binderte die volle 
Ausnußung des Siegs, obgleich Kaiſer Napoleon 
ſelbſt die Verfolgung leitete, wobei an ſeiner Seite 
bei Marlersdorf Duroc fiel. Am 26. Mai überfiel 
Blücyer bei Hainau die franz. Vorhut unter Maiſon 
und brachte ihr viel Verluſt bei, worauf der weitere 
Rüdzug ungejtört bis hinter die Kaßbach fortgejeht 
werden konnte. Dubinot war von Baupen aus ge: 
en Berlin entjendet, aber 4. Juni bei Ludau ge: 
lagen worden, an demjelben Tage, wo die krieg: 
hrenden Mächte unter öfterr. Vermittelung den 
jienftillitand von Pläsmwip oder Poiſchwitß ß loſ⸗ 
fen. Dieſer war beiden Teilen höchſt erwünſcht; 
er mußte aud) Oſterreich zur Entſcheidung bringen. 
Anfangs nur bis zum 26. Juli bejtimmt, wurde er 
fpäter bis zum 16. Aug. verlängert; eine Demarla: 
tionslinie trennte die gegenfeitigen Stellungen. 
Die dreilorps, die unter fühnen Parteigängern im 
Rüden der Franzoſen ſchwärmten, jollten bis zum 
12. Juni über bie Elbe zurüdtehren. Lühow, ber, 
ohne Nachricht gelafien, ſich verjpätete, wurde bei 
Kipen 17. juni verräteriich überfallen und feine 
Reiterei grobenteils niedergemadt. 

‚Ein Kongreß trat zu Prag zufammen, hatte jedoch 
keinen Erfolg. Schweden ſchloß ſich der Allianz an 
England verpflichtete ſich zu Subjidien, Öfterrei 
erllärte 12. Aug. Frankreich den Sirieg, mit welchem 

id) dagegen Dänemark, weil es mit dem Verluſte 

orwegen® bedroht war, verbündet hatte, Von 
beiden Seiten waren die umfaſſendſten Rüjtungen 
geſchehen. Die Verbündeten ftellten drei Arnıeen 
auf: die Hauptarmee, 220000 Mann Bjterreicher, 


921 


Ruſſen (Wittgenftein), Breußen (Garben und das 
2. Korps, Kleiit), unter Schwarzenberg in Böhmen; 
die Schlefiihe Armee, 99000 Mann, zwei rufl. 
(Zangeron, Saden) und das preuß. 1. Korps (Yort), 
unter Blucher in Sclefien, und die Norbarmıee, 
114000 Mann Schweden, — (Winpingerode), 
Preußen (3. und 4. Korps, Bülow, Tauenzien) 
unter dem Aronpringen von Schweden bei Berlin; 
dieſer untergeordnet Das genen Hamburg aufgeitellte 
Korps von Wallmoben, 24000 Mann, Außerdem 
ftanden 24000 Öfterreicher den Bayern unter Wrede 
am Inn, 50000 Dann dem von Napoleon früher 
on nad Italien geiöidten Vizefönig gegenüber; 
eritärkungen aus Ofterreich und Rußland waren in 
Anmarſch. Im ganzen ift die Stärke ber verbün: 
beten Armee auf 493000 Mann mit 1388 Geſchußen 
—— Napoleons Streitkräfte betrugen elwa 
440000 Dann mit 1200 Geſchußen: in Sachſen 
und Sclefien 336 000 Mann; an der Niederelbe (Da: 
vouft) 20000 Mann; an der Donau 25000 Mann; 
in Jtalien unter dem Vizelönig 45000 Mann; außer: 
dem Bejabungen in den Elb:, Oder: und Weichſel⸗ 
feitungen. Der zu Trachenberg entworfene Kriegs⸗ 
plan der Verbündeten war: die Armee, gegen welche 
Napoleon fid wenden würde, follte den Kampfe 
ausweichen, während die andern Armeen beranrüden 
und gegen Slante und Verbindungen des Gegners 
operieren follten. Tadurd überließ man diejem 
freilich die Jnitiative, 

Napoleon hatte die Elbe zur Baſis, Dresden 
zum Sauptftüppuntte, Dudinot mit brei Armees 
torps follte gegen Berlin operieren, Davouft von 
Hamburg und Girard von Magdeburg aus ihn 
unterftügen. Die feindlihe Hauptarmee wurde nur 
beobadıtet. Napoleon maridierte mit den Garden 
nad Schleſien, wo Ney gegen Blücher ftand, der 
bereits 17. Aug. die Feindieligfeiten eröffnet hatte. 
Blüher wurde vom Kaiſer bis über die Kaßba 
— als aber Napoleon auf die Me 

ung von dem Vorrücken der Großen Armee über 
das Erzgebirge einen Teil des Heerd nad Sachſen 
hurüdfübrte undMacbonald zurüdlieh, griff Blücher 
26. Aug. dieſen an, flug in enticheidend an ber 
Kabhzbach (f. b.) und vertrieb die Trümmer feines 
Heers aus Schleſien. Oudinot war unterdefien 
zwar in bie Mark eingedrungen, aber 23. Aug. bei 
Grofbeeren 1.d) durch Bülow geſchlagen worden. 
Der Angri auptarmee ber Verbündeten auf 
Dresden (j. d.) 26. Aug. ſchlug indefien fehl. Dieſe 
Armee erlitt am 27. dort eine Niederlage und wäre 
auf ihrem Nüdzuge über das Gebirge vielleicht vers 
* worden, wenn das Korps von Vandamme, 
welches ihr denſelben abſchneiden ſollte, nicht bei 
Kulm 29. und 30. Aug. in der Fronte aufgehalten 
und, durch von Nollendorf im Rüden angegriffen, 
feloft aufgerieben worden wäre. Bandamme wurde 
gefangen. Girard, der von Magdeburg Dudinot 
unterjtügen follte, war ſchon 27. Aug. in dem mör: 
berifhen Treffen bei Hageläberg durch Hirſchfeld 
geſchlagen worden. Ein erneuter Verſuch auf Berlin 
unter Ney wurde durch die entſcheidende Niederlage 
bei Dennewib, 6. Sept,, wieberum bejonders durch 
Bülow vereitelt. Nun trat eine längere Pauſe in 
den Operationen ein, während we F die Ber: 
bündeten das Cintreffen der ruſſ. Reſervearmee 
unter Bennigien erwarteten und Napoleon fi ver 
gebens bemühte, entweder Blücher oder die Grobe 
Armee zu einer Schlaht zu bewegen. Als Ben: 
nigien hinter der Schleſiſchen Armee unbemerlt nad) 


922 


Böhmen gelangt war, wandte fih Blücher durch 
einen fehr geihidt verbedten Marich rechts und 
erzwang durch das Treffen bei Wartenburg 3. Dit., 
das vorzüglich Port leitete, gegen das Bertrandſche 
Korps den Elbübergang. Auc die Nordarmee über: 
ſchritt 4. und 5. Dit. diefen Fluß und die Haupt: 
armee marjdierte linls ab über das Erzgebirge. 
J Rüden der Franzoſen ftreiften ſchon einzelne 
orps: fo Thielmann, jept in ruſſ. Dienjten, Ticher: 
nitſchew, welcher 1. Dit. dem Königreich Bag we 
ein Ende madte, und Mensdorf. Napoleon hatte 
Murat, der aus Neapel bei ihm eingetroffen war, 
mit einem Teile de3 Heers entiendet, um den Marich 
der Hauptarmee der Berbündeten aufzuhalten, er 
felbft verließ Dresden 7. Dt. mit den übrigen 
Etreitlräften. Noch hoffte er die Schlefiihe Armee 
—— aber dieſe wich hinter die Saale zurüd, 
nn unternahm er eine Demonitration gegen 
Berlin bis Düben, lehrte jedoch ſchnell um und traf 
bei Leipzig ein, bis wohin Murat mit feiner Armee 
vor der Hauptarmee der Berbündeten zurüdgewichen 
war. Cine rg —— hatte 
zu dem Reitergefecht bei Liebertwoltwig 14. Dt. 
gerühet. Am 16. Dit. begannen die S ua und 
efechte bei Leipzig. Die Hauptarmee der Berbün: 
deten fämpfte unentichieden bei Wachau; Blücher 
fiegte bei Mödern über Marmont. 17. Dit. 
verjäumte Napoleon den Nüdzug, während die 
Nordarmee und Bennigfen eintrafen. Der 18. Dit., 
an welchem auf einem engern Kreiſe gelämpft 
wurde, brachte die Entſcheidung, und der Nüdzug 
am 19. wurde zur allgemeinen Niederlage und 
Flucht. (S. unter Leipzig.) 

Die Schlacht von a ag Deutihland, 
Bayern hatte ſich ſchon 8. Dit. im Bertrage von 
Ried Oſterreich angeſchloſſen; der ganze Rheinbund 
föfte ih auf; die vertriebenen Fürften lehrten in 
ihre Yänber 
wurde als firiegägefangener nad Berlin geführt. 
Eine energiſche Verfolgung des Sieges bätte dem 
Kriege vielleicht Schon jept ein Ende gemadt; aber 
die Verbündeten glaubten, Napoleon werde bei Er: 
furt noch eine Schlacht annehmen, und folgten ihm 
vorſichtig. Diejer ia jedoch feinen Nüdzug ohne 
Aufenthalt fort und ſchlug die Dayern (unter Wrede) 
und Öfterreicher, weldhe ibm denſelben verjperren 
wollten, bei Hanau (f. d.) 30. Dt. Ungefähr 
70000 Mann mit 120 Geihügen brachte er über 
den Rhein zurüd, deſſen rechtes Ufer mın ganz von 
den Franzofen gejäubert wurde. Die Garnijonen 
in diegfeitigen Feſtungen (zuerft Gouvion Saint:Eyr 
mit 24000 Mann in Dresden) muhten nad und 
nach fapitulieren. Während die Hauptarmee und 
die Schlefiihe Armee an den Rhein rüdten und 
bort, um Zeit zur weitern Nüftung zu gewinnen 
tantonnierten, wurde von der Nordarmee, die fi 
gegen Hamburg und die Dänen wandte, das preuß. 
3. Korps (Bülow) zur Befreiung Hollands entien: 
det und das 4, unter Tauenzien zur Belagerung der 
Feftungen zurüdgelafien. Dänemark mußte nad) 
der Niederlage von Seheſtedt, 10. Dez., den Frieden 
zu Sliel 14. Jan. 1814 ſchließen und Norwegen gegen 
Echwebiih-Bommern abtreten. 

B. Der — in Frankreich von1814. 
Die Verbündeten hatten über 1 Mill. Streiter auf: 
geboten, benen Napoleon ungefähr 480000 Mann 
entgegenzufeßen hatte. Nach dem Operationsplan 
jollte die verbündete Hauptarmee durch die Schweiz 
in Frankreich einrüden, die Richtung auf Paris 


zurüd; der König von Sachſen aber | R 


Ruſſiſch-Deutſch-Franzöſiſcher Ktieg von 1812 bis 1815 


nehmen unb ein Korps unter Bubna gegen Lyon 
entienden, um fpäter Verbindung mit Wellington 
zu fuchen, der nad der Schlacht bei Bittoria die 
Bidaſſoa überjhritten hatte und in Frankreich ein- 
ebrungen war. Die Echlefiihe Armee follte vom 
ittelrhein ber norrüden und fih Mitte Januat 
mit jener zwij Seine und Marne vereinigen, 
um gemeinichaftlih gegen Paris zu operieren. 
Seit dem 21. Dez. 1813 geihab der Rheinüber: 
gang der Hauptarmee bei Bafel, in der Reujahrs 
nacht 1814 der Blüchers bei Haub und Manndein, 
Marmont und Macdonald, welche am Mittel: und 
Niederrhein die Grenze bejeht gebalten, zogen ſich 
urüd, auch Mortier mit den franz. Garden, nad: 


em er bei Barsfur:Aube, 24. Jan., einen 
Teil der Hauptarmee ber Verbündeten gefochten. 
Napoleon hatte gegen 60000 Mann bei ond: 


fur: Marne — en und ji 25. Jan. 
dorthin begeben, um zunädft Blücher anzugreifen. 
Gr erlangte zwar 29. Yan. bei Brienne einigen 
Vorteil; aber Blücher, aus der Hauptarmee ver: 
ftärft, fchlug ihn 1. Fehr, bei La⸗Rothiere, worauf 
Napoleon nad Troyes zurüdgi Die Berbünde 
ten trennten fi num, audy der Verpflegung wegen. 
Blüder wandte fi genen die Marne lous 
wurde genommen und der Marſch längs ber ne 
auf Parid angetreten, während Schwarzenberg 
gleichzeitig langs der Seine vorgehen jollte. Aber 
diefer verzögerte feinen Vormarſch, und fo konnte 
fih Napoleon, der bereits feinem Gefandbten auf 
dem mittlerweile zu Chätillon (f. d.) zufammen: 
etretenen riebentlongreß carte blanche gegeben 
hate, mit ganzer Macht auf die in getrennten 
olonnen marſchierende Schleſiſche Armee werfen. 
Hier entwidelte er wieder feine raftlofe Thätig 
keit und alte Meiſterſchaft als Feldherr. Am 10, 
erbrüdte er bei Chammpeaubert das Aljufewice 
orp8 und trennte dadurd die Verbindung, der 
übrigen; 11. ce ſchlug er Saden bei Montmirail 
und drängte diefen, der von York aufgenommen 
wurde, am 12. bei Chäteau » Thi über die 
Marne. Dann wandte er fi gegen die Kolonne, 
bei welcher fih Blucher befand, und nötigte - 
diefen 14, Febr. bei Etoges zum Rüdzuge na 
Chalons, wo fi) die Korps ber Schleftf Armee 
am 17. nad) einem Berlufte von 14000 Wann und 
30 Geihügen wieder vereinigten. Jeßt wandte ih 
Napoleon gegen die Hauptarmee ber Verbündeten, 
welde unter Gefechten mit Dudinot und Victor 
langſam vorgerhdt war, f —————— 17. Febt. 
bei Nangis, den Kronprinzen von Württemberg am 
18, bei Montereau und zwang fie ebenfalls zum 
Rüdzuge. Derjelbe wurde auf Troyes unternom- 
men, um wieder mit Blüdyer Verbindung Im ſuchen. 
Die gewonnenen Erfolge verblendeten Napoleon, 
ſodaß er ſeine —— zu ke range fteigerte. 
Aber die Verbündeten ſchloſſen 1. Mär; eine engere 
Allianz zu Chaumont (f. d.), nachdem Blũcher Son 
wieder die Offenſive ergriffen und daburd) den En 
folg des ganzen Feldzugs gerettet hatte. Blücyer 
war 21. ebr., um feine Verbindung mit Cchwar: 
enberg zu fihern, bis Mery gelommen; aber fein 
Alan, ſich wieder von lehterm zu trennen und dburd 
die aus den Niederlanden heranziehenden Korps 
von Bülow und Winkingerode veritärlt, von neuem 
auf Paris zu marſchieren, hatte Genehmigung er: 
halten. So hatte er Marmont und Mortier jchon 
27. Febr. wieder über die Marne gedrängt, lich 
aber von deren Verfolgung ab, ald er Napoleons 


Nuffifh-Deutfh- Franzöfiiher Krieg von-1812 bis 1815 


Anmarſch erfuhr, und wid diefem über bie Aisne 
aus, um fid) mit Bülow und zur erode zu 
vereinigen. Dieſe hatten 2. Mä oions ge: 
nommen und ftießen am 4. zu Blucher. Napoleon 
warf zwar am 7. Saden bei Craonne zurüd, wurde 
jebod 9. und 10. März bei Laon von Blücher ge: 
ſchlagen. Wiederum ließ er Marmont und Mortier 
gegen biefen ſtehen und warf fi) abermals auf bie 
Marſchlinie der Hauptarmee , welche nad) dem Ge: 
fechte bei Bar:fur-Aube, 27. Febr., ungefähr wieder 
fo weit wie vier Wochen vorher vorgerüdt war. 
Unterweg3 zerjprengte er bei Reims 13. Mär; das 
Korps des rufi. Generald Saint: Prieft, wurde 
aber in der Schlacht bei Arci3: fur: Mube am 20. 
von Schwarzenberg zurüdgeichlanen und faßte num 
den Plan, die rüdwärtigen Verbindungen ber 
feindlichen Heere na dem Nhein zu unterbrechen, 
um deren Bordringen aufzuhalten. Eine Erhebung 
des Bolt zum Rationallriege, die er bi mit 
ſchwachem Erfolge zu bewirten gefucht, follte ihn 
unterftügen;; aud) hoffte er auf Augereau im Süden 
welder Bubna anfangs bebrängt hatte, ſoda 

diefem ein Korps (Biandi) der Hauptarmee zur 


Unterft idt worden war, Die Berbün: 
deten leben hd uk we aufge: 
fangener Brief an die Kaijerin hatte Napoleons 
lan enthüllt. Sie ſandten ihm nur 5000 Pferde 
unter Wintzingerode nad), der ihn einige Tage ge: 
ſchidt täufchte, und fepten ihren Mari} auf 8 
eig Bei La: Fire: ans eigen = in 
ie Marfhälle Napoleons geihlagen u 

t von Paris (ſ. d.), 30. März, zwang bie 
—— — *43 Napoleon eilte her⸗ 
au jpät. In Fontainebleau jam 
fi zwar die Trümmer jeineß Heer; allein 
hatte ihn bereitd 2. A febt. 


ber 
Die 


‚und jo verzichtete er am 11. auf ben Thron. 
Ihm blieb nur der Raifertitel, die Inſel Elba und 
eine Jahresrente von 2 Mill, Fri. In Italien 
batte fi zwar der Vizelönig troß der Berbindung 
Murats mit behauptet, aber Lyon war 
von Bubna und Bordeaur von ington beicht 
worden, der noch 10. April Soults feites Lager 
bei Touloufe —— Ein Waffenſtillſtand wurde 
geſchloſſen, und Lu XVII. z0g 4. Mai als 
König in Baris ein. Der Friede wurde 30. Mai 
—— nachdem die verbündeten Heere ſchon 
den üdmarfd nad) dem Rhein — hatien. 
Davouſt räumte Hamburg erſt 29. Mai. 

C. Der Feldzug in den Niederlanden und 
Frankreich von 1815. Während ber Kongreß 
von Wien das Staatenjyftem von Europa orbnete, 
büßte in Frankreich die neue Negierumg fo raſch das 
Vertrauen der Bevölkerung ein, dab are 
barauf bauend, die Wiedergewinnung feines Throns 
unternahm. chiffte ſich Ende Febr. 1815 mit 
einem Bataillon der Alten Garde, das ihm nad) 
Elba gefolgt war, heimlich ein, landete 1. März 
bei Antibe3 und 20. März, nahdem die ihm 
—— ruppen, auch Marſchall Rey, 

ihm übergegangen, in Paris ein. Seine Frie— 

ensanträge bei den verbündbeten Monarden ſchei— 
terten jedoch. Dieſe ſprachen vielmehr die Acht 
über ibn aus und ftellten ſogleich eine enal.-nieder: 
länd, Armee von 100000 Dann unter Wellington 
und eine preußiihe von 150000 Mann unter 
Blucher in den Niederlanden gegen ihn auf, wäh: 
send die Streitkräfte aller eurov. Staaten in Be: 


l che 
rmont zuerit, jagten ji von ihm | Krieg 


923 


wegung gefeßt wurden. So Napoleons Ret: 
tung nur in einem raſchen, entſcheidenden Schlage 
vor deren Bereinigung. Diesmal hatte ih Murat 
wieder mit ihm verbunden, aber diejer wurde von 
ben Dfterreihern 2. und 3. Mai bei Tolentino, 16. 
am Garigliano gefhlagen und mußte aus Neapel 
fliehen. Napoleon begab ſich nad) Abhaltung des 
Maifeldes zur Armee, weldie 140000 Dann ſtark 
an der Nordgrenze verfammelt war, griff 15. Juni 
löglih Bluchers Vorhut unter Zieten bei Char: 
eroi an und warf fie zurüd. Seine Abſicht war, 
zwiichen die beiden feindlihen Heere einzubringen 
und fie einzeln zu ſchlagen. Blücher vereinigte von 
feiner Armee drei Korps (Bieten, Pirch, Thiel: 
mann, das vierte unter Bülow war noch zurüd) in 
ber ſchon früher erwählten Stellung bei Ligny 
(ale wurde — dat me * uni 
eſchlagen, welcher gleichzeitig Durch Ney die Eng: 
länder bei Quatte : Bros angreifen und feithalten 
ließ. Napoleon übertrug Grouchy zu jpät die Ver: 
folgung und gi mit feiner tg auf ber 
Straße nad) Bruſſel gegen Wellington vor. Diejer 
—* vor dem Walde von Soignies eine vorteil: 
te Stellung bei Waterloo fi d.) genommen und 
erwartete die Schlacht. Napoleon griff ihn 18. Juni 
an; aber alle feine Anftren ungen fcheiterten, und 
gegen Abend, als die Kräfte beiberjeit3 erihöpft 
waren, eridien Blucher, das friſche Bulowſche 
Korps voran, in der rechten Flanfe und im Rüden 
ber Franzoſen, und enticied den Sieg. Ohne Res 
ferven, bie er end im vr. Moment verwandt 
atte, dachte Napoleon ji pät an den Nüdzug, ber 
zur allgemeinen Flucht wurde. Cine beifpiel: 
108 energiihe Verfolgung, burd) my «mit 
dem letzten Haud von Wann und Rob» geleitet, 
machte die Niederlage zugleich BR: Enticheidung des 
iegs. Weder Grouchys aeichidter Rüdzug nad) 
dem glüdlihen Gefechte bei Wapre 18. Juni genen 
Thielmann, noch der liberfall von Berfailles 
1. Juli, wo zwei preuß. Hufarenregimenter durch 
Erelmans aufgerieben wurden, nod Rapps und 
Sudet3 Widerjtand am Oberrhein und im Süben 
tonnten den Ausgang ändern. Napoleon hatte 
fhon 22. Juni dem Throne entfagt und fi nad 
Nocefort begeben, um fih nad Amerika einzu: 
ſchiffen. Dies gelang ihm aber nicht und er ergab 
fi) den Engländern, worauf er ala Striendgefanges 
ner nad) St.: Helena gebracht wurde, Yaris, wo 
Davouſt befehligte, kapitulierte 3. Juli; die franz. 
Armee ging hinter die Yoire zurüd. Am 7. rüdten 
die Verbündeten in Paris ein; am 9. hielt Lud: 
wig XVIIL jeinen Einzug. Der Zweite Pariſer 
Friede wurde 20. Nov. geichlojien. So endigte der 
gewaltige Kampf, welcher ganz Europa erfdüttert 
batte und Napoleons I. Herrichaft fowie Frankreichs 
tibergewicht vernichtete. 
Aus der reichhaltigen Litteratur über dieſen 
Krieg find hervorzuheben: Chambray, «Histoire 
de l’expe&dition de Russie» (3 Vde., Par. 1824); 
Buturlin, «Histoire militaire de Ja campagne de 
Russie en 1812» (2 Bde., Par. 1824); Séegur, 
«Histoire de Napol&on et de la grande armée 
pendant 1812» (2 Bde., Par, 1824 u. öfter); Jain, 
« Manuscrit de 1812» (2 Bbe., Bar. 1836); Dani: 
lewiti, «Geſchichte des vaterländijchen Kriegs von 
1812» (deutſch von Goldhammer, 4 Bde., Niga 
1840); Herzog Eugen von Württemberg, « Grinne: 
rungen» (Brest, 1846); Bernbardi, « zer 
feiten aus dem Leben des kaiſerl. ruf. Generals 


924 


Ruſſiſch-Deutſche Legion — Ruſſiſches Heerweſen 


von Toll» (2. Aufl., 4 Dbe., Lpz. 1806); Bogba: | trag blieb die Ruſſiſch-Deutſche — unter Befehl 
von 


nowitſch, « Gefchichte des Feldzug im J. 1812» 
(deutid von ee 3 Bde, £yj. 1863); 
Plotho, «Der Strieg in Deutfchland und Frankreich 
1813 und 1814» (3 Bde., Berl. 1817); von Geyd: 
lig, « Tagebuch des Vorkichen Armeetorps im J. 
1812» (2 Bde., Berl. 1823); — «History 
of the campaign of 1813 and 1814» (2 Bde., Lond. 
1830); (Müftling), er Kriegsgeſchichte von 1813 
und 1814» (2 Bde., 

gen über die großen Operationen und Schladten 
von 1813 und 1814» (Berl. 1825); Norving, 


«Histoire de la campagne de 1813» (2 Bde., Par. 
1834); Damik (von Grolman), « Geihichte des | nien 


Feldzugs von 1814 im öftl. und nördl. Frankreich⸗ 
(4 Bde., Berl. 1842); Beißle, «Geſchichte des rull. 
Striegs im I. 1812» (2. Aufl., Berl. 1862); der: 
jelbe, «Gejdichte der deutſchen Freiheitsfriege » 
(4. Aufl., von Paul Goldihmidt, 2 Bde. Bremen 
1831—83); derſelbe, « Geſchichte des J. 1815» 
(2 Bbe., Berl. 1865); Damik (von Orolman), 
«Geſchichte des Feldzugs von 1815 in den Nieder: 
landen und Frankreich⸗ (2 Bde., Berl. 1837); 
©iborne, «History of the war in France and 
Delgium in 1815 » (2 Bde., Lond. 1844); Charras, 
«Histoire de la campagne de 1815. Waterloo » 
(2 Bde., Brüfl. 1858; 5. Aufl., Lpz. 1867; deutich, 
Dresd. 1858) und «Histoire de la guerre de 1813 
en Allemagne » (2p3. 1866; beutich, Di 1867); 
Königer, «Der Krieg von 1815 und bie Verträge 
von Wien und Paris» (2pz. 1865); Brandt, « Aus 
dem Leben des Generald der Infanterie Heinrich 
von Brandt» (Berl. 1868); Chesney, « Waterloo: 
Borlefungen» (2. Aufl., engl., franz. und deutich, 
Lond. u. Berl. 1869); von Frangois, « Geidhichte 
ber preuß. VBefreiungstriege» (Berl. 1873); Onden, 
«Dfterreih und Preußen im Befreiungätriege» 
(2 Bde., Berl. 1876—79) ; von Ollech, « Geſchichte 
des Feldzugs von 1815» ‚dert 1876). 
Rufſiſch⸗Deutſche Legion. Auf Anregung 
des aus feinem Lande vertriebenen 5* ter 
von Dldenburg ey Kaijer Alerander I. 
von Rußland 1811 den Oberſt von Arentsſchild, 
bei dem bevoritehenden Kriege gegen Frankreich 
aus deutſchen Glementen ein beſonderes Truppen: 
torp& zu errichten, welches bei günjtigem Verlaufe 
des Selbzuge der Sammelpunft der franzoſen— 
feindlichen Glemente Deutſchlands werben follte. 
Die RufiiiheDeutice Legion beitand aus 8 Batail: 
Ionen Infanterie, 1 Kompagnie Jäger, 2 Hularen: 
regimentern und 2 reitenden Batterien mit zufam: 
men 9379 Mann Solletat; doch konnten im Juni 
1813 erft 5000 Mann aus Rußland nad dem 
Striegsihauplag abgehen. Die Mannihaft war 
auf Kriegsdauer geworben, ftand unter preuß. 
Kriegsgeſeß und war nad) preuß. Reglement aus: 
gebildet; das Korps war ein felbitändiges Hilfs: 
torp3 im ruf. Dienfte. Am 6. Zuli übernahm 
England durch den Vertrag von Peterswaldau Die 
Verpflegung der Nufiiich:Deutfchen Legion und er: 
warb dadurh das Necht, deren Verwendung zu 
beſtimmen; ®enerallieutenant von Wallmoden 
übernahm den Befehl und führte diejelbe der Nord: 
armee zu. Die Ruffiich: Deutiche Yegion focht an 
der Niederelbe, namentlih im Xrefien an ber 
Göhrde und bei Seheftedt. Mitte März 1814 über: 
ſchritt die Legion den Rhein und kämpfte dann in 
Slandern. Durch zu Paris 2, Juni 1814 zwifchen 
Rußland, England und Preußen gefchlofienen Ver— 


rl. 1824) und «Betradtun: | 


ihres bisherigen Generalitabschefs, Dberit 
laufewig, unter dem Namen «Deutiche Legion» 
ortbeftehen und mwurbe unmittelbar nad Napo- 
eons Landung in den Berband des preuß. Heeres 
als 30. und 31. Infanterieregiment, 8. Ulanen: 
regiment, 18. und 19. reitende Batterie (jebt in den 
brandenb, und shein. Seldartillerie : Regimentern) 
übernommen. Bgl. von Quiſtorp, «Die Ruſſiſch⸗ 
Deutiche Legion » (Berl. 1860). 
urkiöc Adel, i. Dienitleute. , 
Auffiiche® Amerika, ſ. Ruſſiſch-Amerika. 
‚Ruffiihes Armenien, |. Rufliih: Arme: 
% i li. Dampfbad. 
Ru f ed Bad (Nuffifhes Dampfbad), 
Ruſſiſche Eſſe, ſ. unter Schornftein. 
Ruſſiſches Beerweſen. Die Grundlage ber 
jebigen rujl. Heeresverfaſſung bildet die Organiia: 
tion Peters d. Gr. Tiefer fand beim Antritt der 
Regierung ein Heer von 200000 Dann vor, wel: 
des aus 60000 Dann aruſſ. Ordnung», 60000 Ro 
faten und 80000 Dann «ausländiier Ordnung» 
beitand, aber fehr_unzuverläffig und_mangelbart 
ausgebildet war. Die Truppen ruſſ. Ordnung be: 
ftanden aus Fußvoll (darunter 22 Regimenter 
Strälzen zu je 1000 Mann) und Reiterei (Bojaren: 
föhne mit Gefolge, einige berittene Strälzentegi: 
menter, tatar. Hilfätruppen), das Fuhrweſen wurde 
von den Dörfern geitellt. Die Strälzen thaten im 
"er nur —— wohnten in beſondern 
orſtädten, erhielten Sold und Ländereien vom 
Staate und beſaßen große Vorrechte (Abgabenftei 
it u. ſ. w.), fie durften Handel treiben und waren 
aſt ohne militäriihe Ausbildung. Im Kriege 
übhrte jedes Negiment 8 leichte Gehüge mit, 
Einige Negimenter Stadtkoſalen (nad ruſſ. Städten 
geflüchtete Kofaken) gehörten ebenfalls zum Auf: 
volte rujj. Ordnung. Die Regimenter ausländi: 
ſcher Drbnung beitanden aus Deutichen, Polen und 
Litauern unter deutichen, franz. und ſchott. Difi: 
ieren, darunter viele Abenteurer; 1682 fand 
eter I. 25 berittene und — —— aus: 
ländiicher Ordnung vor. Die Koſalen (doniſche 
und Heinruffiiche) waren lehnspflichtig, doch war 
auf ihre Dienjte rt innmer mit Sicherheit zu red 
nen. Zar Peter I. (f. d.) ſchuf aus feinen Potjesch- 
oyje (Spielgejährten) die Stänme ber Leibgarde: 
regimenter Yreobrajhenst und Siemenowst und 
reorganijierte das Heer 1699 nad feiner Heimtebr 
von der nad) Wejteuropa unternommenen Reife. Er 
- die Strälzen auf und ließ im Nov. 1699 zum 
eritenmal Relruten ausheben (1 Mann von 25 bis 
30 Höfen); bie —— war allgemein, und erit 
Katharina II. befreite den Adel von derjelben. 
Sehr raſch wurden 29 Infanterie: und 2 Dragoner: 
regimenter nad weſteurop. Muſter aufgeitellt, 
beren Offiziere meiltens Ausländer waren. Diejes 
Heer ſchlug fid) 1700 bei Narwa ſchlecht, doch ließ 
fi) der Zar durch dieſen Mißerfolg nicht beirren, 
bob Mannſchaft aus, errichtete 10 neue Dragoner: 
regimenter und eine Artillerie von 300 Geſchützen, 
fowie eine Gewehrfabrit bei Mostau und hatte 
1712 don 42 Feld: und 43 Garnijonregimenter 
Infanterie, 33 Havallerieregimenter, 1 Bombar: 
dier⸗ und GRanonierfompagnien, nebit einem Stabe 
von ingenieur: und Artillerie-Offizieren. Die In: 
fanterie und Tragoner führten Regimentsgeſchüte, 
und bei dem Artillerieregiment befand ſich eine Ri: 
neurkompagnie. Die reguläre Armee war 210000 


Nuffifches Heerwefen 


Mann ftark, wozu im Kriege nod) 100000 Rofalen 
lamen. Bis zu Katharina II. wurde die Organi: 
fation nicht wefentlich verändert (Bermebrung bes 
Generalftabs, Umwandlung von 3 Dragonerregi: 
mentern in Kürajfiere, Errichtung von 4 Hufarens 
und 20 berittenen Landmiliz: Regimentern in ber 
Ulraine); die Dienftjeit betrug 25 Fahre. Peter III. 
batte in der kurzen Beit feiner Regierung Belleidung 
und Reglements nad) preuß. Mufter eingeführt. 
Raijerin — II. reorganiſierte das Heer, 
ſobald ſie zur Regierung gelangt war. Sie ver— 
mehrte den Generalitab, ——— ein Jaͤgerlorps 
und die Chevaliergarde, teilte die Truppen in Ter— 
ritorialdivifionen, ftellte bei der Infanterie und 
Kavallerie Brigaden (je 2 Regimenter) — 
löſte die kleinruſſ. Koſalen auf und ſiedelte einen 
Teil derſelben im Kaukaſus und am Schwarzen 
Meere an. Im J. 1796 waren vorhanden: 3 Garde⸗, 
12 Grenadier: (zu 5 Bataillonen) und 55 Muste: 
tierregimenter (ju 2 Bataillonen), 10 Jägerkorps 
(zu 4 Bataillonen), 20 jelbftändige Infanterie: und 
3 Yägerbataillone; 5 Küraifier:, 16 Karabinier:, 
1 Örenadier: (Regiment Kriegsorden, defien Chef 
jeht der Teutiche Kaiſer Wilhelm I. iſt), 11 Dra: 
goner:, 2 Hufaren:, 4 Näger: und 11 Ulanenregi: 
menter von 6 bis 10 (Örenadiere und Dragoner) 
Schwadronen; 5 Artillerieregimenter zu 10 Kom: 
anien (je 10—12 Gefhüße), außerdem bei jedem 
en 4 leichte Geſchüße; 37 berittene Ko: 
fatenregimenter. Unter Kaiſer Paul I. und Aleran: 
der I. wurde die Organifation mehrfach geändert. 
pm ‘3. 1812 waren vorhanden: 6 Garderegimenter 
zus Bataillonen), 1 pe eng 164 In: 
fanterieregimenter (zu 3 Bataillonen), 3 Grenadier: 
Lehrbataillone; 6 Regimenter Garbelavallerie, 
2 Ejotnien Gardekoſalen, 8 Nlüraffier:, 36 Drago: 
ner, 11 Hufaren:, 5 Ulanenregimenter; 6 Garde: 
und 153 Armee:Artillerielompagnien (zu 12 Ge: 
[h0ben), 6 Eappeurbataillone und eine große Zahl 
rittener Kofalenregimenter. Man nahm 1812 
drei Ausbebungen vor (jedesmal 40 Netruten auf 
1000 «Nevifionsfeelen») und errichtete 18 Neferve: 
ke und 8 Neferve:Stavalleriedivifionen, bot 
6. Juli die Reichswehr (Opoltschenie) auf (270000 
Mann Infanterie und 50000 Mann Kavallerie) 
und dachte fchon damals daran, die Armee anzu: 
fiedeln. (Bol. Militärlolonien.) Kaifer Nito: 
laus I. fand 1 Garde:, 1 Grenadier;, 7 Infanterie⸗, 
1 litauifches, 1 faulaf. Korps (zu je 3 Infanterie⸗, 
1 Kavalleriedivifion, 1 Echügenbataillon, 1 Ar: 
tilleriebivifion, das (itauifche etwaö ſtärler), 5 Re: 
eg er die poln. Armee und pr 
tändige Heeresabteilungen in Finland, Orenburg 
und Sibirien vor und änderte zunächſt ir a an 
ber beftehenden Organifation. Nach der Beendigung 
be3 türf. und poln. Arieges, welche außerordent: 
liche Menſchenopfer gelojtet hatten, wurde die 
Dienftzeit auf 20, fpäter auf 15 Jahre re 
ber Dienjt im Heere befreite von der Leibeigenſchaft. 
3. 1833 wurde das Kriegsminiſterium errichtet, 
in weldem ber — eine Abteilung bildet. 
Dem Generaljtabe wurde das Topographenlorps 
unterjtellt und den Stäben der Korps und PDivis 
onen anna Fran ——— zugeteilt. Aus 
n 180000 Dann Peters d. Gr. waren bei Beginn 


des Krimlriegs 1151319 reguläre und 245850 | I 


irreguläre Truppen geworben. Obgleich fich diefe 
Macht im Verlaufe des Kriegs noch fteigerte, fonnte 
fie land vor bem Ilnterliegen nicht bewahren, 


925 


weil fie nicht auf zwedentfprechenden Grundlagen 
beruhte. Nach Ende des Krimkriegs fuchte man die 
Ihrofiften Mängel zu befeitigen und von 1862 ab 
die Armee zu reorganifieren; dann übte der Deutich: 
—— Krieg von 1870 und 1871 feinen Ein: 

uß aus und brachte der rufj. Armee eine neue 
Periode der Reorganifation, die bei dem Gintreten 
in den Krieg mit der Türkei im Frühjahr 1877 noch 
nicht vollftändig durdgeführt war. Durch das Ge: 
ſetz vom 13. en: 1874 ift die Wehrpflicht der 
—— maännlichen Bevölkerung ohne Unterſchied 
er Stände eingeführt und die Stellvertretung und 
der Loslauf abgeſchafft. Das Gefep gilt für das 
ganze Reich und das önigreidh Polen, hatte aber 
5 für Finland (feit 1881 eingeführt), die Ko: 
atengebiete und die Völlerſchaften mehrerer afiat. 
Gebiete feine Kraft. 

Die bewaffnete Macht beftcht aus den ftehen: 
den Truppen und der Reihswehr (Opoltschenie). 
Die ftehenden Truppen zerfallen in die Sand: und 
Seemacht. Die ftehende Landmacht gliedert ſich in 
die Armee, die dur die jährlichen Aushebungen 
ergänzt wird, in die Nejerve, die beurlaubt iſt 
und zur Ergänzung der Truppen auf den Kriegs⸗ 
fuß dient, in 


ie Rofalentruppen und in die aus 
Fremdvoltern 


ebildeten Truppen. Die Zahl 
der auszuhebenden Mannfchaften wird alljähr: 
ih durch Gefep beitimmt. Die Lofung entfche. 
det über ben Gintritt in bie Armee; Perfonen 
von gewifler Bildung lofen nicht und können als 
Freiwillige dienen. Die Dienftpflicht beginnt am 
1. Jan. nad) Zurüdlegung des 20. Lebensjahres. 
Die Dienftzeit in der — Armee dauert 
15 Jahre, davon 6 Jahre aktiv, 9 Jahre in der Re: 
ferve; doch iſt der Kriegsminiſter berechtigt, vor 
Ablauf der ſechsjährigen altiven Dienſtzeit Be— 
—— eintreten zu laſſen, während auch Ur: 
laubgerteilung bis zu — Dauer innerhalb 
der —* geſtattet iſt. Die Truppen in Zur: 
teftan, in Semipalatinst, Transbailalten und Dit: 
ß irien pe nur eine 10jährige Dienftzeit zu er: 
üllen-und zwar 7 Jahre altiv, 3 Jahre in der Re: 
ferve. Die Freigeloften und die Leute, weldye ihrer 
Dienftpflicht genügt haben, zählen als NRatniti 
—— bis zum 40. ga re zur Reichswehr. 
ieje zerfällt in zwei Aufgebote, deren erites die 
vier ang en —RX umfaßt und zur Bildung 
von Reichswehrabteilungen, ſowie zur Ergänzung 
der Refervetruppen verwandt wird, Don ber al: 
tiven Dienftpfligt find die einzigen arbeitsfähigen 
Grnäbrer ihrer Familie u. f. w. befreit; fie werden 
nad dem Grade ihrer Unentbehrlichleit in drei 
Gruppen geteilt und nur für den Fall berange: 
zogen, daß lörperlich taugliche Geſtellungspflichtige 
nicht genügend vorhanden find, Die Geiſtlichen 
aller ri Belenntnifje find von der Dienftpflicht 
re befreit; Urzte, Apotheter und Tierärzte, 
bie das 203 zum Dienfte bejtimmt, — 15 Jahre 
zur Referve. ungen Leuten mit Bildung werden 
weſentliche Erleichterungen für Ableiftungder Dienft: 
pflicht gewährt, denn fie fönnen Er Dienfteintritt 
um Zeil bis zum 28, Lebensjahre vertagen und 
rauhen nur eine kurze aktive Dienſtzeit durch— 
zumachen, fo —— welche eine Univerſitãt oder 
eine — e höhere Lehranſtalt erfolgreich be: 
ucht haben, nur 6 Monate; diejenigen, melde 
6 Klaſſen der Gymnafien oder Realſchulen durd: 
t, nut 1 gr 6 Monate; diejenigen, welde 
en Kurfus der Lehranftalten dritter Ordnung 


926 Ruſſiſches 


durchgemacht haben, nur 3 Jahre, und diejenigen, 
welche ein ne. über die Kenntniſſe beibringen, 
welche in der Vollsſchule oder in einer Lehranſtalt 
vierter Ordnung erworben werden, nur 4 Jahre. 
Sind die betreffenden Webrpflichtigen freiwillig ein: 
getreten, fo verfürzt fich ihre aktive Dienftzeit auf 
beziehungsmeife 3 Monate, 6 Monate und 2 Jahre, 
während fie 9 jahre zur Reſerve gehören; im 
Herbſt 1885 traten „R: neue Beitimmungen in 
Kraft, nad welden für die bisher begünitigten 
Klaſſen die altive Dienftzeit mindeftens 1 Jahr 
beträgt, Zum freiwilligen Gintritt find Dienfttaug- 
liche von mindeſtens 17 Jahren bereditigt, welche 
die Erlaubnis ihrer Eltern und einige dulbildung 
nachweiſen. Im %. 1875 waren zur Ergänzung 
der bamals 775000 Mann Starten Armee 150000 
Dann, 1876 waren für bie ftärler gewordene Armee 
180000 Mann und 1877 ſchon 195000 Dann Er: 
jap erforderlih. Für 1878 ift das Nekrutenlon: 
tingent auf 218 000 Mann und in neuejter Zeit auf 
230000 Mann feitgejegt worden. i 
Das gefamte . mit Ausnahme bes doniſchen 
Landes iſt in 14 Militärbezirke (f. d.) eingeteilt; 
das Etabsquartier des Militärbezirls des Küjten: 
landes ijt 1885 nad Chabaromla am Amur verlegt 
worden. Die er gr ftehen 
unter dem Striegäminijterium, das die Befehle un: 
mittelbar vom Kaifer empfängt. Die regulären 
Truppen zerfallen in Feld⸗, Referve:, Erſahz, 
Solal:, Lehr: und Hilfätruppen. Für die Feld: 
truppen, bie früher, mit Ausnahme der Garden, 
nur in Divifionen gegliedert waren, iſt durch Ber: 
ordnung vom 11. Aug. 1874 der Armeelorps:Ber: 
band eingeführt und allmählich ziemlich allgemein 
eingerichtet worden. Gegenwärtig beftehen 19 Ar: 
meelorps, nämlich das Gardekorps (Stab Peters: 
burg), dad Grenadierlorps (Mostau) und 17 Ar: 
meelorps (1. Petersburg, 2. Wilna, 3. Riga, 
4, Minsl, 5, und 6. Warihau, 7. Eemaftopol, 
8. Defia, 9. Drel, 10. Chaxtow, 11. Schitomir, 
12. Stiew, 13. Mostau, 14. Lublin, 15. Kaſan, 1. 
und 2, faule gl es Tiflis. 2 Armeetorps zählt 
poei bis drei Infanteriediviſionen, eine (beim Garde: 
orps 2) Kavalleriedivijion (fehlt beim Grenadier: 
torps) nebit der erforderlichen Artillerie u. ſ. w. 
Die im Kaulajus jtehenden Truppen bilden bie 
taulaf, Armee, und einige Infanteriediviſionen be: 
finden ſich in feinem Armeelorpsverbande. Die In⸗ 
fanterie zählt 48 Divifionen und 12 Schügenbriga: 
den mit zulanımen 824 (einſchließlich 8 felbitändigen 
finn. Schüßenbataillonen) Bataillonen, von denen 
3 Garde:, 3 Grenadier:, 35 Armee: Infanterie: 
divifionen, 1 Garde: und 5 Armee: Schükenbriga: 
den in Guropa, 1 Örenadier:, 6 Armee: \nfanterie: 
divifionen, 1 Schüpenbrigade im Kaukaſus und 
5 Schügenbrigaben in Afien (2 im Satafpigebiet, 
Lin Zurlejtan, 2 in Dftfibirien) ftehen. Die am 
8. Aug. 1875 reorganifierte Kavallerie * in 
—* aus 2 Garde⸗, 14 Armee⸗Kavallerie⸗, 1 Don⸗ 
Koſalendiviſion und im Kaulaſus aus 1kaulaſ. 
Kavallerie- und 2 kaulaſ. Koſalendiviſionen, alſo aus 
20 Diviſionen. Die Gardelavallerie beſteht aus 
4 Küraffier:, 1 Grenabier:, 1 Dragoner:, 2Huſaren⸗ 
und 2 Ulanenregimentern, mebit 2 NRegimentern 
vom doniſchen Heere und 1 Echwadron vom Ural: 
beer. Die Armee:Havalleriedivifionen beftehen aus 
je 3 Dragoner: und 1 Kofafenreniment (vom Don 
oder Ural), die laulaſiſche aus 4 Dragonerregimen: 
tern, die laufaf, Koſalendiviſionen aus Negimen: 


Heerweſen 


tern vom Kuban oder Terel. Alle im Divihond 
verbande ftehenden Koſalen find ihrer Ausbildung 
nad) reguläre ftavallerie, zählen jedoch zu ben irre: 
gulären Truppen. Die fahrende Feldartillerie zählt 
48 Brigaden (3 Garde, 4 Grenadier:, 41 Armee: 
brigaben), die den Infanteriediviſionen beigegeben 
find; jede Brigade hat ſechs Batterien, im der 
2: drei 9:pfündige und drei 4-pfündige, mur 
4 Brigaden von ben 7 im Kaukaſus haben drei 
9:pfündige, zwei 4:pfündige und eine Gebirgi 
batterie, Außerdem find 1 turfeftan. Brigade von 7, 
1 weſtſibiriſche und 1 oftfibiriiche von je 4 Batterien 
vorhanden, Die-reitende Artillerie ift den fa 
valleriedivifionen feit eingefügt, jebe ber legten 
bat zwei reitende oder Koſalenbatterien, nur bie 
6 Garbebatterien bilden 1 Gardebrigade. Aufer: 
dem ſteht in Turleſtan und Dftfibirien je 1 reitende 
Gebirgäbatterie. Seit 1885 beftehen im fübl. Ruf: 
land 3 Gebirg&batterien, welche vorläufig m He: 
ferve-Artilleriebrigaden zugeteilt find. Die Jr 
genieurtruppen beitehen nad) der iſation vom 
16. San. 1877 aus 17 (1 Gardes, 1 Gremabier:, 
13 Armee, 2 fautafiihe) Sappeurbataillonen, 
8 Vontonierhalbbataillonen, 1 turfeftan. € 
balbbataillon, 1 weitjibir. und 1 oitfibir. Sap 
peur: und 1 kaulaf. Bontonierfompagnie, 1 Luft: 
ſchifferabteilung, 5 Eifenbahnbataillonen, die in 
6 Sappeurbrigaden (5 europäiihe und 1 faule 
fifche) gegliedert find. Außerdem beitehen im An: 
ihlujie an dieſe Brigaden — 
(6 Feld⸗, 2 Belagerungs⸗ und 16 rapbenpart) 
in ſchwachen Friedensitämmen, Der Zruppentrain 
ift auf die einzelnen Negimenter u. f. m. verteilt 
und befipt riedensftämme; ins beſondere find beider 
Artillerie 48 fliegende Artilleriepart3, 9 Schüpen: 
und flavalleries fliegende Parkabteilungen und 16 
beweglihe Artillericparts vorbanden, Für die 
Füllung der Truppentrains forgen die Abteilungen 
des erit bei einer Mobilmahung nad) Bedarf auf: 
zuftellenden Intendanturtrains. Alle Infanterie⸗ 
tegimenter und Schüßenbrigaden des ftehenden 
Heeres zählen 4 Bataillone, die Kavallerieregimen: 
ter 6 (Kürajfiere 4) Schwabronen, die fahrenden 
Batterien 4, die reitenden 6 beipannte Geſchute. 
An Refervetruppen, bie zur unmittelbaren 
Unterftügung ber Feldtruppen oder zur Bermen- 
dung als Bejakungd- und Etappentruppen beftinmt 
find, beiteben im Frieden 109 Refervecadrebatail: 
lone, nämlich 1 Garde:, 96 Armee:, 6 laulaſiſche 
und 6 für die in Afien ftehenden Truppen bejtimmie 
Bataillone , ferner 5 Rejerve:Artilleriebrigaden (j 
je 6 Batterien), 2 felbftändige, der Arti von 
Dünaburg zugeteilte Nejervebatterien und 5 Ir 
ferve:-Ausfallbatterien in den poln. Feſtungen. Die 
Erſatztruppen befiben ebenfalld Friedens 
Für die Infanterie find 164 Bataillondjtämme, 
von denen 58 verjtärkt find und zum Lofaldienite 
Derangejogen werden, —— für die Kaval⸗ 
erie 56 Stämme, für die Seldartillerie je 2 Bat: 
terien der 5 Nejervebrigaden (1 Zug jeder Batterie 
ür reitende Artillerie) und die beiden felbitändigen 
Refervebatterien zu Dünaburg, und für die Genit- 
truppen 5 Sappeurfompagnien. Die Lolaltrur: 
pen find zur aktiven —— im Kaulaſu⸗ 
und in Aſien, zur Ergänzung der Reſerve- und Cr: 
faptruppen oder lediglich zu lolalen Zweden be: 
jtimmt. Gie beitehen aus 29 Linienbataillonen (17 
turteftanifche, 8 weitfibirifche, 4 oftfibirifche), 42 Pr 
taillonen Seltungsartillerie und 16 Kompagnien 


Ruſſiſches Heerweſen 


dieſer Maffe, 4 Torpederlompagnien, 9 Lolalbatail⸗ 
lonen (6 in Europa, 3 im Kaulaſus), 226 Yolaltom: 
mandos (105 in Europa, 55 im Kaulaſus und 66 
in Ajien) und 6 Abteilungen Armeegendarmerie. 
Zehrtruppen finddie Offizier-Schießſchule, die Of: 
fizier-tavalleriejhule, die Artillerieoffizier:Schieb- 
fchule und die galvaniſche Lehrfompagnie. Hilfs: 
truppen find die Stompagnie der Palaftgrena: 
diere, die Polalartillerie: und nieurlomman⸗ 
dos, die Hoſpitallommandos, die Arbeiterbrigade 
in Kertſch und 13 Militär:Befferungstompagnien. 
Die Zahl der aufzuftellenden Abteilungen der 
Rei Mi wird jedesmal vom Kaiſer bejtimnıt ; 
feitgeitellt ijt nur die Stärle einer Infanterie-Dru— 
ſhine und einer Ravallerie-Sjotnie. i 
Die irregulären Truppen umfaſſen bie flo: 
falen:Woijstos (Heere) und die aus fremden Böl; 
tern gebildeten Abteilungen. Der Groffürft:Thron: 
folger ijt Ataman ( ) aller Ko eere, an 
der Spiße ber einzelnen Woiſslos jteht daher nur 
ein Stellvertreter Malasny: Ataman). Das Don: 
Koſalenheer hat untern 29. April (11. Mai) 1875 
ein neues Webrverpflihtungsreglement erhalten, 
das dann mit einzelnen Abänderungen aud) für die 
übrigen Koſalenheere eingeführt wurde. Die Wehr: 
Wiichtigleit jedes Koſaklen olme Unterſchied bes 
Standes ijt im neuen Reglement gewahrt; ein 
Loskauf von diejer Berpflichtung und eine Stellver: 
tretung ift nicht gejtattet. Der ſtand bes Don: 
De te .. ‚bie Woiſslo⸗ 
oltihenie (Reihswehr). re it im Frieden 
und Krieg zur Erfüllung der Wehrpflicht beitimmt, 
Iehtere wird nur beſondern Umjtänben im 
Kriege einberufen. Die Dienſtklaſſe 
3 Gruppen, in bie «norbereitende», w 
er die Hojalen eine vorlä Ausbilbung s 
ten, im bie «altiven Dienjte verpflichtete », 
* — Woi —— — * 
« Rejervegruppe », en Grjag im Striege lei⸗ 
iten und zu bejonbern Kriegsformationen verwen; 
det werben fol. Die Dienjtzeit beginnt mit dem 
18. Lebensjahre; von ber Geſamldienſtzeit von 
20 Jahren lonımen 3 auf bie «vorbereitende», 12 
auf die azum Felddienſt verpflichtete» und 5 auf die 
Nejervelategorier. Die Koſalen erfüllen ihre 
Dienftpflicht mit Ausrüftung und auf ei 
ke 
un e ähn ergün en ich ber 
aktiven Dientzeit wie Die reguläre Armee. Das Don: 
beer jtellt im Frieden 17 Negimenter, von denen 
2 Regimenter (in Stärfe von je 2 Schwadronen) der 
Gardelavallerie, 11 Regimenter 36 Sſotnien ben Ka⸗ 
valleriedivijionen als integrierende Beitandteile zu: 
gewiejen find, und 4 Negimenter eine eigene Divifion 
bilden; ferner eine Öardebatterie zu 4 Gejchügen und 
7 reitende Batterien zu 6 Gefhüsen, weldye gleichfalls 
der regulären Armee organijch einverleibt find. 
Beurlaubt find und werben nur im Kriegäfalle auf: 
geitellt 30 Neiterregimenter , 30 felbftändige Sſot— 
nien und 8 reitende Batterien zu 6 Geihüsen (dar: 
unter 1 Grfaßbatterie), In dem kaulaſ. Kofalen: 
beere, das aus den Kuban- und Teref-Slojaten 
gebildet wird, find 2 laufaf. Kojalendivifionen im 
ſtändigen Dienfte. Das Kubanbeer ftellt überhaupt 
im Frieden 10, im Kriege 30 Neiterregimenter zu 
6 Sſotnien, eine Siofalendivifion in Warjhau, eine 
Lebrlofalendivifion und Schwabronen zum Gonvoi 
de3 Kaiſers, ſodann eine reitende Arti i 
zu 5 reitenden Batterien (im Frieden zu 4, im 


[l: | auf 38052 


927 


Kriege zu 8 Geſchützen), ferner im Frieden 2, im 
Kriege 6 Fußbataillone (Plastuny), Das Terel: 
beer jtellt im Frieden 4 berittene Regimenter zu 
6 Sjotnien und 2 Batterien, im Kriege 12 Neiter« 
regimenter und 2 Schwadronen zum Convoi des 
Kaiſers, nebit 2 Batterien zu je 6 Geſchützen. Das 
aſtrachaniſche Woiſslo hat ım Frieden 1, im Kriege 
2 Reiterregimenter zu 4 Sfotnien; das orenburger 
im Frieden 6 Negimenter zu 6 Sfotnien und eine 
reitende Artilleriebrigade zu 3 Batterien, im Kriege 
18 Negimenter & 6 Sfotnien, 8 reitende Batterien 
zu 6 Geſchühen und 1 reitende Griaßbatterie zu 
4 Seihügen: das uralifche im Frieden 2'/,, im 
Kriege 7’/, Neiterregimenter, mit 17 beziehungs- 
weife 47 Sfotnien; das fibiriiche im Frieden 3, im 
Kriege 9 Neiterregimenter zu 6 Siotnien; das ſse⸗ 
mirjätfchenstijche im Frieden 1, im Ariege 3 Reiter: 
regimenter zu 4 Sjotnien; das ſabailaliſche im 
Frieden 1, im Kriege 3 Reiterregimenter, im Fries 
den 2, im Kriege 6 Fußbataillone und 1 reitende Ars 
tilleriebrigade zu 2 Batterien; dad Amur:MWoijsto 
im Frieden 2 berittene und 2 Fußifotnien, im Striege 
1 Reiterregiment (6 Sjotnien) und 1 taillon, 

Von den aus Fremdvöllern gebildeten Trups 
pen beſtehen das dageſtaniſche und kutaisſche irregus 
läre Neiterregiment I je 6 Sfotnien, bie georgiſche 
(grufinif de) Sußdrufbine zu 4 Sfotnien, die guriſche 
dub:Sfotnie, die Miligen von Dageſtan (10 Sfot: 
nien), vom Auban (1 Giotnie), vom (11 
Siotnien), des ardiſchen Bezirk! (3 Sfotnien), die 
berittenen Sfotnien von Irkutsl und Arasnojarat, 
die Ufjuri-Sjotnien und bie Divifion der Krim: 
tataren (2 Schmabronen, im —— 1 Regiment). 

Die Ariegsftärte der regulären Armee if 
iere, 1728196 Mann (darunter 
78393 Nidhtftreitbare), 222936 Pferbe und 3596 
Gejhüge zu berechnen. Dazu kommen noch an 
Kofjalentruppen 3356 Difiziere, 141969 nn 
(darunter 13422 Nichtſtreitbare), 138036 
und 212 Gefüge, an jonjtigen irregulären Trup⸗ 

n 143 Dffiziere, 6188 Mann (darunter 136 Nicht: 

reitbare) und 5382 Pferde. Die Gefamtlriegä: 
ftärle de3 ruſſ. Heeres beträgt demnach ohne die 
Reichswehr, bei welcher vorläufig nur ein Heiner 
Teil der Dffizierftellen mit geeigneten Kräften bes 
fegt werden lönnte, 1917904 Mann, 366 354 Pferde 
und 3808 Gefhüge (ohne die Ausfallgefchüge und 
Feſtungsgeſchühe). Während des leßten Türen: 
tie 3 erreichte die ruf. Armee am 1. Juli 1878 
die höchſte Stärle mit 1831617 Mann und 383890 
Pferden, wobei der achte Teil des erften Aufgebots 
ber Reichswehr bereits in die Reſervetruppen hatte 
eingeſtellt werden müſſen. u find Infanterie 
und Savallerie mit dem Gewehr, Karabiner und 
alenaeneh: nad Berdan (gejogener Hinter: 
lader). Die Feldartillerie führt 4: und 9: Pfünder 
(8,00 und 10,67 cm):Gejdhüge von Bronze, Stahl: 

ronze und Gußſtahl. Für die Feitungs: und Be: 
lagerung3artillerie beitehen 6, 8, 9, 10: und 11: 
Zöller aus Eifen, Bronze und Oußftahl. 

Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht hat 
auch auf die Entwidelung der Militärlebran: 
ftalten Einfluß geübt. Es find Borbereitungs: 
anſtalten, muttlere Lehranftalten, höhere Lehran- 
ftalten und Spezialunteroffizierihulen zu unter: 
ſcheiden. Fur Vorbereitung für die Junterfchulen 
dienen 8 Militär: Progymnafien mit 1700 Stellen, 
die Glementarunterriht erteilen; zur Vorbereitung 
für die Kriegsſchulen beitehen 18 Militärgymnafien 


928 


ge Realſchulen) mit_6560 Stellen. Die 17 
unlerſchulen bilden zu Fähnrichen die Infanterie 
und Slornett3 der Kavallerie aus und Haben 4750 
Etellen, davon 3730 für Infanterie, 480 für Ka— 
vallerie und 540 für Koſalen. Bon Sriegsihulen 
Ku Infanterie beitehen drei, die Baul:, die Kon: 
tantin: (in Petersburg), die Alexander Kriegsſchule 
(in Mostau), jede zu 300 Jünglingen, die zum Offi- 
zier ausgebildet werden. Die Kavallerieoffiziere 
—— aus der Nilolaus Kavallerieſchule in Peters: 
urg hervor, die 200 Zöglinge enthält, die Artil- 
lerie: Offiziere aus der Midael:Artilleries und die 
„ngenieuroffiziere aus der Nilolaus ingenieur: 
Thule, die reip. 160 und 126 „pöglinge zählen. Bon 
Kabdettentorps beitehen das Pagenlorps, das zum 
Dienit in der Garde vorbereitet, und das finn. Ka— 
dettenforp3 mit je 120 Zöglingen. Die Militär: 
Juriſtenſchule und die Garde:Bereiterfchule gehören 
u den mittlern Anftalten, zu den höhern dagegen 
Ind zu rechnen die Nitolaus:Generalftabsatademie, 
ie Dichael:Artillerie-Aladenıie, die Nikolaus: in: 
jenieurafademie, die militäriich:jurift. und die mis 
itäriſch⸗mediz. Alademie, welche lehtere gegen 1000 
—— zählt, Von Spezial-Unteroffizierſchulen 
ind zu nennen: die techniſche und pyrotechniſche 
Schule in Petersburg, die Büchſenmacherſchulen 
bei den Gewehrfabriten zu Tula und Iſchewsk, die 
Feldſcherſchulen zu Petersburg, Kiew und Mostau. 
2 ejtungenbefist Rubland: Kronſtadt, Swea— 
borg, Dünaburg, Diinamünde, Bobruist, Warihau, 
Nowogeorgiewst, Breft:Litowat, Jwangorod, Kiew, 
Nitolajew, Bender, Kertſch und Alerandropol; zu 
dieſen ind durch den Berliner Vertrag von 13. Juli 
1878 nod) Ardahan und Kars getreten. Außer die: 
fen eigentliden Feſtungen beitehen nod einige 
Eijenbahniperrforts an der Weitgrenze, fowie meh 
tere Befeftigungen in den afiat. 
Wladitawlas, Sudumtale, Aſchabad, Petro— 
Alerandrowst Samarland, Zichemtent, Miernoje, 
Zurgai, Kontantinowat und Wladiwoſtok, fowie 
eine große Zahl befejtigter Boften längs der ine: 
fiihen Grenze, 
An der Spibe der gefamten Marine fteht der 
Großadmiral Groffürjt Alerei Alerandrowitic). 


eſihungen, 3. 


Die Berwaltungsbehörde bildet das Marinemini: 
—— Die Flotte zerfällt in die baltiſche ar 

ie Flotte des Schwarzen Meers, die Flotille des 
Kajpiihen Meers, die Flotille des Aralfees und 
bie fibir. Flotille. Die Zufammenfehung der einzel: 
nen Flotten zeigen folgende Tabellen; 


lotten« Banzer- Undere Trans: Tor⸗ Segel: 


abteil Pi ” 

— Bin. It — Yale — wre 
Baltiihe Flotte. 32 39 69 9 8 
Flotte d. Schwar⸗ 

zen Meerd ... 7 27 9 16 — 
Kaipiflotille ... — 12 > u: 
Aralflotille .... — 6 — — — 
Sibir. Flotille. — 38 3 6 — 
Summa 39 92 135 117 8 
Flottenabteilungen Geſchuͤhe Pferdelraft Tonnengehalt 
Baltiſche Fotte.. 695 34862 205471 
Flotte des Schwar⸗ 
zen Meers .... 166 12080 70015 
Kaipiflotille ..... 26 845 4935 
Aralflotille ..... 13 227 759 
Sibiriſche Flotile 42 1347 4464 
Summa 942 48851 285644 


Ruſſiſche Hornmuſik 


Außerdem find noch 7 große Dampfer der frei: 
willigen Flotte vorhanden, welche im Kriege als 
Kreuzer verwendet werden, im Frieden ' 
Handelözweden und ala Transporticiife (von Eü 
rußland nad den Amurgebieten u. f. m.) dienen, 

Es befanden fid) 1885 im Dienſt der Marine: 
115 Abmirale und Generale, 1450 Seeoffiiere, 
450 —— 180 Offiziere der Marineartillerie, 
120 Marineingenieure, 500 Darinemedaniter, 
30 Hafenbauingenieure, 200 Marinebeamie, 500 
Givilbeamte mit Dffisiergrang, zuſammen 3545 

jiere, ferner 25600 Unteroffistere, Matroien, 
Werftarbeiter u,f.w. Die Marine beiteht aus den 
aktiven Kommandos, der Flottenreierve und der 
Seewehr. Zur Ergänzung der attiven Kommandos 
dienen die zur Erfüllun der Militärpflict in den 
jur Ergänzung der SHotte beftimmten Ortſchaf⸗ 
ten einberufenen Mannſchaften, ferner durd ihre 
Handwerte oder Gewerbe geeignete Perſonen aus 
allen Zeilen des Neid. Die Gefamtdienitzeit bes 
trägt 10 Jahre, davon 7 aktiv und 3 in der Res 
ferve. Die — wird gebildet aus der geſam⸗ 
ten nicht zu den altiven Kommandos und zur Flot⸗ 
tenrejerve gehörigen waffenfähigen Vevölterung 


der der Flotte überwiejenen Diſtrikte vom Cinbe: 
—— ter (20 Jahre) bis einſchließlich des 
n3jahres. Im Falle die Flottenreferve er: 


40. Le 
höpft oder unzureichend ift, kann fie durch die vier 
—* u Alterötlafien, d. b. diejenigen Perſonen, 
welche bei den vier legten Einberufungen der See: 
wehr — wurden, verſtärlt werden, Das 


Fro onal der Flotte beſteht aus den Lehranſial⸗ 
ten, Schulen und Equipagen. Zu den Lebranitalten 
und Schulen gehören in Petersburg: die Marines 


[üule, bie Schule für Matrofentinder in Kronſtadt: 
ie ge Marine:Alademie, die Lehrequipage, 
die Schreiberfchule, die Feldſcherſchule; in Ritolajem: 
die Mari lade e, die Handwerterichule, die 
eldſcherſchule; in Baku: die Feldſcherſchule. Die 
uipagen (= Datrofenabteilungen) dienen zur Be: 
mannung ber Sriegäfahrzeuge, Es beiteben bie 
Garde:Equipage in Petersburg, die erite bis 
bente Flottenequipage in Kronftadt, die achte in 
teröburg, die revaliche Flottenhalbequipage in Ne: 
val, die finländ. Flottentompagnie in Helfingfors, 
bie archangeliche in Ardangelst; die erite und zweite 
ge des Schwarzen Meers in Nitolajem, die 
laſpiſche Equipage in Baku, die Equipagen des Aral; 
fees in Ratalınd „bie fibir. Cquipage in Wladimo: 
of. Die Kriegöflagge iſt weiß, von Ed zu Ed 
urch das blaue Andreastreuz geteilt. Für das 
ge t 1885 waren * das Landheer 200542549 
ubel und für die Marine 35501185 Rubel, zu⸗ 
fammen 236043734 Rubel, von der veranidlag: 
ten Gefamteinnahme de3 Staates von 866294997 
Nubel, beftimmt worden; doch befinden ſich unter 
ben ger für das Landheer ausgemworfenen a 
nur die Ausgaben für die reguläre Armee mit Aus: 
chluß der finnifchen Schügen. Für die i ären 
ruppen und die Koſalen befteht eine bejondere 
u ee AIR, eine eigentümliche Ruf 
u ornmufif, eine eigentümliche Nuſi 
mit Jagdhoͤrnern, deren jebes — Ton ſpielt. 
Sie wurde 1751 von dem Czechen Johann Anton 
Mareſch (geb. 1719 in Chotiebor, geit. 30. Mai 
ia in ** u 2. * dem Grafen 
uſhew a ifer na eröburg gelommen 
war, geſchaffen, indem berfelbe auf Beranlaflung 
be3 dortigen Theaterdireltors Naryſchlin die damals 





Ruſſiſche Kirche 


noch jehr primitiven ruf. Jagdhörner verbefierte 
und jo einrichtete, daß jedes eben nur einen be: 
ftimmten Ton fpielte. Die ganze Hornmufit un: 
faßte 54 ganze und halbe Töne, vom Contra:A bis 
zum dreimal geftrihenen A. ‘jeder Ton war zwei: 
mal beiekt, dab alfo für ein volles Orcheſter 
91 Yagdbörner und 36 bis 40 Mufiter nötig waren. 
Tas betreffende Horn war von ftartem Mejling: 
blech, hatte die Form eines langgezogenen, nad) 
oben immer dünner werdenden, am oberjten Ende 
trummgebogenen Eylinders. Die tiefften Hörner 
waren bis Ha 2m a die höchſten, bei bevor: 
zugten Kapellen oft von Silber, etwa 30 bis 40 cm, 
ie erite Hoftapelle folder Art unter Direktion 
von zum. ward 1757 von der Kaiſerin Glijabeth 
errichtet. Durch Verbefierungen der ruf. Horn: 
mufit machten ſich verdient die Kapellmeiiter Lau, 
Earti, Dementjewitfh. Ihre rg 9 erreichte 
dDiejelbe unter Paul I. Auch unter Alerander I. 
ward fie noch pevfleat, bis fie Schließlich durdy Er: 
ndung der Metallinftrumente mit Klappen ziem: 
ih in den Hintergrund 2** wurde. Noch 
1833—34 konzertierte eine Geſellſchaft ruſſ. Muſiler 
unter dem Kapellmeiſter Kolzow an verſchiedenen 
Orten Deutſchlands und Frankreichs auf Hörnern 
und fand namentlich durch die vorgetragenen ruſſ. 
Volkslieder viel Beifall. 

Auch außerhalb Rußlands ſind die ruſſ. Hörner 
hier und da eingeführt worden, insbeſondere 1829 
durch den Oberberghauptmann von Herder bei dem 
Bergmuſillkorps in Freiberg in Sachſen, wo fie bei 
beſonders feierlichen Gelegenheiten, namentlid) bei 
Begräbnifien , geblafen werden. Die ruſſ. Hörner 
(oft aud) als Lubenbe eichnet) eignen ſich, da jedes 
Inſtrument nur Ginen Ton hat, nur für getragene 
Eaden in langiamem Tempo, machen bier aber 
einen . ſt ee, Gindrud, 

Ruffifche Kirche. Die Chriftianifierung Ruß: 
lands erfolgte von Konftantinopel aus nad, ver: 
einzelten Betehrungen im 9. Jahrh. durch die Taufe 
ber Groffürftin Olga (955) und ihres Enlels Wla⸗ 
dimir (988). In der Hauptitadt Kiew wurde ein 
Metropolit unter der Gerichtäbarteit des griech. 
Patriarchen von Konſtantinopel eingejeht, und das 
ganze Kirchenweſen auf griech. orient. Fuß einge: 
richtet. Die fpäter eintretende Qoderung des Ber: 
bande3 mit Konftantinopel hatte nur politische, 
feine kirdhlihen oder dogmatifhen Gründe, Die 
Verlegung des Metropolitanjikes erſt nah Wladi— 
nie (1299), fpäter nad) Mostau (1328) bereitete 
die — 3 der ruſſ. Kirche vor, welche 
durch Iwan II. (Yan. 1589) ein eigenes Patriar⸗ 
hat erhielt und bald nachher (1593) die Anerken: 
nung der vier orient. Patriarchen erlangte. Der 
polit. Einfluß des mostauer Patriarchen, welcher 
in Verbindung mit dem ariftotratiihen Stände: 
weien felbit die Macht des Zaren bedrohte, wurde 
unter Feodor IL. durch Vernichtung der Ariſto— 
fratie ren ‚aber erit unter Beter I. vollitän: 
big gebrochen. Diefer ließ den 1702 zur Erledigung 
getommenen Batriardenjtuhl zuerit 20 Jahre lang 
unbefeht und bejeitigte dann das Patriarchat gänz: 
ee (1721). Die hochſte Leitung der geiſtlichen An: 
gelegenheiten wurde dem fog. Heiligen birigieren: 
den Synod, die firhlihe Oberherrlichleit des 
Batriarchen auf den jedesmaligen Zaren übertragen 
(Cäjareopapismus). Vollends feiner Selbitändig: 
feit entlleidet ward der llerilale Organismus Ruk: 
lands unter Katharina 1I., indem der Staat da 

Gonverfations:Xegilon. 13. Auf. XIIL 


929 


— Kirchengut und die Bildung wie Anſtellung 
r Geiſtlichen ſelbſt übernahm. Alerander I. ſtrebte 
zwar, der geiſtig verlommenen Entwidelung der 
Kirche und der Geiftlihen einigen ——— zu 
— mußte aber aus polit. Rüdfihten enge 

renzen fteden. Die Erziehung der Geiſtlichen 
ward jodann unter Nikolaus durd) jtrengere Kon: 

ntration der Bildungsanftalten nod)_genauer 
ontrolliert, während aud) der Heilige . in 
feinen Befugnifien noch mehr eingeengt, dagegen 
für den Arotel tismus mit allen dentbaren polit. 
und fonftigen Mitteln gewirkt wurde. 

Zroß der traditionellen Stabilität de3 Dogmas 
und der kajtenartigen Abjonderung bes Prieiter: 
ftande3 von der Nation wurde dennod) keine völlige 
tirchliche Uniformität erreiht. Vielmehr hat von 
Anfang an dad Seltenwejen in der rufl. Kirche 
üppig gewuchert; und zwar find e3 zumeiit Abwei: 
dungen in Bezug auf Liturgie und Kultus, oft 
recht Heinliher Natur, die diefe Selten hervorges 
rufen haben. Einzig die Duchoborzen (d. ) Licht⸗ 
bringer), welche wohl infolge der Beruhrungen 
Rußlands mit Wefteuropa feit der Mitte des vori: 
gen —8 entſtanden find, verwerfen in ſchwär— 
meriſch⸗ mıyftifcher Weife einzelne Stüde des Dog: 
mas oder deuten fie doc um und haben fid) zugleich 
mit fozialen Oppofitiongelementen verbunden. Am 
wichtigsten und zahlreichften iſt die Partei der 
Starowerzen (Altgläubigen), vom Bolte mit dem 
Namen Raitolniki (j. d.) belegt; fie ſagten ſich be: 
reit3 1666 infolge der vom Patriarchen Nikon vor: 
genommenen Veränderungen in Berfaffung und 
Liturgie von der —— los, wurden von 
Peter I. als lirchliches Oppoſitionselement blutig 
verfolgt, doch nicht vertilgt, ſondern von Aleran: 
der I., jelbit von Nikolaus anerfannt. Die verſchie— 
denen ſektiereriſchen Barteien, die nur in der Nicht: 
anerfennung der rufl. Staatslirche zufammenftins 
men, follen gegenwärtig im ganzen etwa 10 Mill. 
Anhänger zählen. Einigen Grfab für diefe noch 
immer im .—. begriffene Einbußeder Staats: 
tirhe hat diefelbe durch die jeit 1839 im großarti- 
gen Maßitabe betriebene Nujlifigierung der gried).: 
unierten * in den ehemaligen poln. Provinzen 
gewonnen. Aber auch auf der kath. Kirche Polens 
und den — in den Oſtſeeprovinzen laſtet 
die Herrſchaft der Staatslirche mit erdrüdender 
Schwere; Übertritte zur ruſſ. Kirche werden mit 
allen Mitteln begünftigt, wogegen der Übertritt 
pr Katholizismus oder Proteftantismus verboten, 

ie ruſſ. Erziehung aller aus gemiſchten Shen ge: 
borenen Kinder gelepti vorgeichrieben it. Nach 
innen gewährt die ruii. a das Bild einer 
ebenſo feſt geichlofienen Hierarchie wie die römifch: 
datholiſche. Das Dogma ift das griedhifch : oriehta: 
ide; aud die Hultusformen, find den Griechen 
entlehnt, aber mit großer Borliebe für Entfaltung 
äußern Prunf3 weiter ausgebildet, befonders Bil: 
ber und Gejang vorzüglich gepflegt. e Liturgie, 
die wie bei den Griechen der eigentlihe Schwer: 
zu des lirchlichen Lebens it, trägt einen jymbo: 
iſch⸗dramati — Charakter. Die Pflanzjtätten 
tirchlicher Gelehrfamteit find noch immer die Alö: 
fter, aus denen die (cölibatäre) höhere fog. ſchwarze 
Geiſtlichkeit ausſchließlich rei Für die 
Ausbildung des niedern, verheirateten, jog. weißen 
Klerus (Popen), der früher meift roh, unwiſſend 
und verachtet war, ijt erft in dem letzten Jahr— 
zehnten notdürftig geiorgt worden. Die ziemlich) 


69 


930 


unbedeutende ältere Litteratur der ruſſ. Kirche bewegt 
ſich entweder auf dem Gebiete der praktifchen Theo: 
logie, bejonders der Liturgik, oder bient der Be— 
lehrung und Erbauung des Volls. Neuerdings 
dagegen hat ſich eine reiche apologetiich : polemiiche 
Litteratur entwidelt, mit der Tendenz, die ruſſ. 
stirde als die rechte Mitte zwiſchen Proteſtantis— 
mus und Katholizismus und zugleich al3 die allein 
wahre apoftoliich:fath. Kirche darzuftellen. Eine 
theol. Wiſſenſchaft im deutihen Sinne des Wortes 
gibt es nicht. Der äußere Organismus der rufl. 
Kirche it gegenwärtig folgender: ala oberjte Be— 
hörde fungiert der Heilige Synod, an deſſen Spiße 
der Metropolit von Nowgorod fteht ; feine Beiſiher 
find die vom Zaren ernannten Metropoliten und 
Erzbiſchöfe. Fernere Mitglieder find: ein weltlicher 
Grjpriejter und ein vom deren ernannter General: 
profurator mit dem Rechte des abfoluten Beto. 
Ginem Ausfhuß dieſes Synods iſt die Adminiſtra— 
tion der Seminare zu Petersburg, Moslau, Kiew 
und Kaſan übergeben. Die Welt: und Klofter: 
geitlichen (weiße und Schwarze Geijtlichteit) hängen 
unmittelbar von den Metropoliten, Biihöfen und 
Suffraganbiihöfen ab. Der erzbiſchöfl. Titel einis 
ger Metropoliten beruht auf kaiſerl. Verleihung. 

Vol.: Stourdza, «Consid6rations sur la doctrine 
et l’esprit de l'eglise orthodoxe» (Weim. 1816; 
deutich von Kohebue, 1817); Murawiew, « Briefe 
über den Gottesdienft der morgenländ. Kirche» 
(deutſch von Muralt, Lpz. 1838) und « Leridion der 
morgenländ. Stiche» (Lpz. 1838); Wimmer, «Die 
griech. Kirche in Rußland» (Dresd. 1848); Boif: 
ſard, «L’eglise de la Russie» (2 Bde,, Bar. 1866 
—67); Hepworth Diron, «Free Russia» (2 Bde., 
Lond. 1870); Bhilaret, «Geſchichte der Kirche Ruß: 
lands» (aus dem Ruſſiſchen von Blumenthal, 
Frantf. a. M. 1872); Bafarow, «Die rufj.:ortho: 
ba (Stuttg. 1873). 

Ruffifche Litteratur. Die Anfänge ber litte: 
rariſchen Kultur der Ruſſen fallen mit der Grün: 
dung des Reichs durch die Waräger (f. d.) und der 
Cinführung de3 Ghriftentums durch MWlabimir 
d. Or. zufammen, Durch Ichtere3 wurbe ber Ver: 
fehr mit Konftantinopel ein häufigerer; Gelehrte 
aus Griechenland zogen ein; die ebenfall3 aus 
Griechenland übertragene, bald aber eigentümlich 
ausgebildete Arditeftur, Skulptur und Malerei 
tamen beim Bau der neuen dprijtl. Kirchen in Kiew 
zur Anwendung; aud wurde die erfte Schule ge: 

ründet. Der Einfluß der Waräger auf das rufl. 
Leben ift bis jekt noch wenig aufgellärt, aud 
iſt noch nicht genau befannt, mwelder Nationali: 
tät fie angehörten; doc verſchmolzen die An: 
tömmlinge mit den Eingefefjenen fo, daß die Entel 
Rurils ſchon flaw. Namen haben. Als infolge der 
Ginführung der altjlam. Kirchenbücdher die aliſſaw. 
Kirchenſprache auch bei den Rufien zur Schrift: 
Iprade in ber kirchlichen Litteratur wurde, lebte 
die eigentliche ruſſ. Sprache im Munde bes Bolts, 
in Dentmälern der Geſeßgebung und überhaupt 
des Rechts, zum Teil in der Geſchichtſchreibung 
und endlich in einigen poetifhen Werten fort. Cs 
verfteht ſich von felbft, daß die heutigen Volkslieder 
nur mit jpätern Anderungen in der Sprache, zum 
Zeil aud im Inhalt, auf uns gelommen find. Bon 


biejen gg sel zerfällt die Geſchichte der ruſſ. 


Litteratur in Hauptperioden: 1) die ältere, bis 


Ruſſiſche Litteratur 


Zatareneinfall und die barauf folgende Eroberung 
des jübmeltl. Rußland von Litauen (tm 14. Yahrb.), 
jowie fpäter die Bereinigung dieſes litauiſch⸗ruſſ. 

ürftentums mit Polen auch eine Spaltung in der 

ultur und Sitteratur hervor, wobei fi) die urs 
iprüngliche Verſchiedenheit der Bolkscharaktere und 
Mundarten zu zwei Zweigen 1) dem großruffifchen 
im Norden und 2) dem Heinruffifhen im Güben, 
differenzierte, Die eigentlich ** hiſtor. ber⸗ 
lieferung ſehte ſich in der zweiten Periode bei den 
Großruſſen, in Nowgorod und Mostau, fort und 
eine neue Xereinigung der heiden nationalen Ele 
mente erfolgte erit in ber Mitte des 17. Jahrh., 
als fid) das jüdl, Rußland mit dem Mostauiichen 
Reiche verband. 

Die erſte liewſche Zeit ftellt eine fehr bewegte 
geiftige Thätigkeit dar, welche in verfchiedenen Zwei: 
gen der Litteratur bemerkenswerte Grzeugnifie ber: 
vorbrachte. Aus Jaroſlaws Zeit, um 1020, 
ſtammt die wichtige, 1738 von Tatiſchtſchew auf: 
aefundene « Prawda russkaja» (f, d.). In diefelbe 
ren: gehört Neftor (f. d.), der Bater der ruii. 

eſchichte, und eine ziemlich reiche Annaliftik, die ın 
den Ländern des damaligen Rußland (Nomgorod, 
eg Twer, —— er m.) Se 
wurde, ferner eine Reihe von ft: 
ftellern, wie Theodofius Hilarion, Fer von Tu: 
tom u. a., einige Anfänge ber weltliden Littera⸗ 
tur, wie das «Slovo Danila Zatoönika» («Die 
Nede Daniel3 des PVerbannten»), die «Lehre» des 
Fürſten Wladimir Monomach, die bemerfenswerte 
aWallfahrt⸗ des Abtes Daniel nad Jeruſalem im 
= ———— —— das rg? epiſche 

icht aIgors reszu ie ow zer⸗ 
(aus dem Ende des 12. Lahr .), welches Sraft, 
Kühnheit und Anmut der Gebanfen und der 
Sprade in fi} vereinigt. Während der Tataren- 
einfälle fand das Schrifttum. in den Klöſtern eime 
Zufluht, und diefem Umftand verdankt man bas 
tiewfche «Paterikon» Simons, Biſchofs von Susdal 
(geft. 1226), die Schriften der Metropoliten Eyrill 
(geit. 1281) und Cyprian (geft. 1406) und eine 
lange Reihe von Chronilen, die bis in das 17. Jahrh. 
binabreihen. Auch ftammen aus alter Zeit zabl: 
reiche Vollslieder, die durch die altilam. bre 
und phantaftiiche Geitaltung einen — 
Reiz haben. Den Mittelpunlt des Sagenkreiſes 
in ihnen bildet der Fürſt Wladimir mit feinen Nit: 
tern in ähnlicher Weife wie in den nfreiien 
von Karl d. Gr. und feinen PBaladinen und dem 
König Artus und feinen Rittern. Die erfte Samm⸗ 
lung altruſſ. Epen gab nad) einer Handſchrift des 
18. Jahrh. Jalubowitſch (1504), dann volljtändi- 
ger K. Kalajdowitſch (1818) heraus, neuefte Aus: 
gabe 1878; dann folgte eine joldhe nad) dem Bolts- 
munde von Kirjejewitij (berausg. von Bezbonom, 
10 Bbe., Most. 1860-—-77),, endlich die bedeutend: 
ften von Rybnilow (4 Bde., Beteröb. 186165) 
und Hilferding («Die epifchen Lieder von Dnega», 
Petersb. 1873). Val. ferner Rambaub, «La Russie 
Epique» Cyan. 1876); Raliton, «Songs ofthe Rus- 
sıan people» (Lond. 1872). Die beiten Geige 
gen über das altrufj. Epos find von A, Welle 
owſtij, Jagic, Bußlajem, —— 

Die zweite Periode iſt gegenüber der erſten die 
Zeit des Verfalld. Das tatar. Joch, die polit. Be— 
drängnifje, Die Entfernung von Europa begünftigten 


zum Einfall der Tataren; 2) die mittlere, bis zu Pe: | teineswegd eine freie Entwidelung der Litteratur; 
ter d. Gr., und 3) die neuere. Außerdem brachte der | die lehtere behielt den alten kirchlichen Charatter, 


————|———r- ng re et 


Ruſſiſche Litteratur 


doch verlor fie bie polit. Motive, welche ſich ſo 
alänzend im Igorliede ausgedrüdt hatten. Die 
Bereinigung der oftrufl. Länder unter Scepter 
der Fürjten, fpäter der Zaren von Dioslau brachte 
auch eine centralifierende Tendenz in der Litteratur 
mit fih; fo hörte die alte Annaliftit, welche ſich 
immer in ben verſchiedenen Ländern Rußlands 
fortfekte, nach und nad auf, um mit der erklufiv 
mosfauijchen offiziellen zu verfchmelgen; die Orts: 
heiligen werden in Moslau fanoniliert, um all: 
gemein:rufl. Heilige zu werben, und die Legenden 
vereinigen fih.in ein allgemein:rufl. Legendenbuch; 
die altrufl. geſchichtliche, belehrende und legen: 
dariſche Litteratur liefert das Material zu dem 
encytlopäd. Werte des Metropoliten Malarius. 
Seit der Befreiung Rußlands von der Mongolen: 
herrſchaft unter Iwan 1. 1478 nahm die ruſſ. Litte— 
ratur neuen —— wenn auch die Fort— 
ſchritte nur langſam erfolgten. Iwan IV. Waſſil⸗ 
jewitſch, 1533—84, war ſelbſt Schriftiteller, und 
1553 wurde bie erfte ruf. Buchdruderei in Moslau 
errichtet. Zu rechter Bedeutiamleit gelangten indes 
diefe Beitrebungen erft, nachdem durch Michael 
Romanow, 1613—45, der polit. Beitand bes 
Staats befeftigt war und num die Städte und der 
Handel zu erblüben anfıngen, worauf auch viele 
Deutiche ih nad) Rußland wendeten. Alerej Mi: 
chajlowitſch ließ 1649 eine wichtige Sammlung der 
ruf. Geſehe in Drud erfdeinen, und bald darauf 
erfolgte die Gründung der Alademie zu Mostau, 
in welcher bereit3 Grammatik, Rhetorik, Poetik, 
Dialettit, Philofophie und Theologie gelehrt wur: 
den. Bon diefer Zeit an bis zu Anfang bes 
18. Jahrh. machte fih aber infolge des Verkehrs 
mit den Bolen und der Herrfchaft der lektern im 
füdl, Rußland die weitl. Scholaftit in der rufl. 
Litteratur immer mehr geltend, Schriftfteller die: 
jer Periode find ber ſchon erwähnte Metropolit 
Malarius (geft. 1563), welcher auch die angeblich 
ſchon vor Eyprian begonnene «Stepennaja kniga» 
(berausg. von Müller, Most. 1775) ausarbeiten 
ließ; Afanaffij Nikitin, der feine Reife nad) Oft: 
indien (1470), und Trifon Storobeinilow, ber feine 
Wallfahrt nach Jeruſalem beſchrieb; Fürft Andrej 
Kurbftij (1580), ein polit, und litterarifcher Geg⸗ 
ner Iwans des Schredlidhen; die lirchlichen Schrift: 
fteller , wie ber ascetiſche Nil Sorſtij, Kyrill Bje- 
loſerſtij, der intolerante Joſif Wolockij, der Metro: 
polit Daniel, in deſſen Bredigten ſich fehr viele 
intereflante Züge des rufl. Lebens bes 16. Jahrh. 
befinden; ferner der Möndh Palizyn (1624), Ver: 
faſſer einer Gefchichte der Belagerung des Klofters 
Troiza von ben Polen im Anfang des 17. Jahrh., 
und ber Diak Kotofchichin (1680), ein Emigrant, 
der eine höchft wichtige Schilderung des Ruſſiſchen 
Reichs im 17. Jahrh. Hinterließ; Iwan Schufce: 
rin, der Biograph ded Patriarchen Nilon (1681); 
Andrej Lyslow in Smolensk, Berfafler ber «Sky: 
thiſchen Gefdhichter (1692; herausg. 1776); der Mi: 
nifter des Zaren Alexej Michajlowitſch, Matwejew 
(ermordet 1682), der fih um rufl. Vildung und 
Sprade ſehr verdient machte; ferner ald Beför: 
derer der Litteratur der Fürſt Honftantin von 
Ditrog und der Patriarch Nikon, deſſen Verbeile: 
rung der Kirchenbüder eine gro vollstümliche 
veligiöfe Bewegung (den Rastkol) hervorrief. Ga 

abgefondert war a das Leben und au 

die Litteratur Südrußlands in der zweiten Periode. 
Die Herrihaft Polens und die Intoleranz der kath. 


931 


Kirche brachten die Unterdrüdung ber orthodoren 
Kleinruffen mit fich, und die Folge davon war eine 
energiihe Reaktion des nationalruſſ. Elements, 
welche fich einerfeit3 im Ktofalenaufitande, anderer: 
ſeits in der Belebung ber Litteratur, und nament: 
(id in der Begründung der kirchlichen Schule (die 
Alademie zu Kiew) und in der orthodoxen Bolemit 
gegen die Katholilen ausdrüdt. Die berühmteften 

tamen dieſer Litteratur find: der kiewſche Metro: 
polit Peter Mogila, Galjatowſtij, Baranowitich, 
Laur. Zizanij (eine law, Grammatik), Archiman— 
drit Innocenz Gifel (die jlam.:rufj. Geſchichte von 
den alten Zeiten bis zum Zaren Alerei) u. ſ. w. 
Und da die — Tradition in Moslau und 
in Kiew ganz dieſelbe war und die Bebürfnifje der 
großruſſ. Kirche den Beiftand theol. Gelehrfamteit 
(bei der kirchlihen Reform Nikons und Peters) nös 
tig machten, jo leilteten — die ſüdruſſ., kiew— 
idjen Theologen diejen Beiltand, und von diefer 
Zeit an hat 9 die ſüdl. Schule große Verdienſte 
um die ruſſ. Bildung erworben. (S. Klein: 
ruffifche Litteratur.) 

‚Der Schöpfer der gegenwärtigen rufl. National: 
bildung wurde Peter d. Gr., mit welchem daher 
auch die neue Periode der rufl. Litteratur beginnt, 
ehareich die eriten Beitrebungen und Anfänge der 
Reform ſchon zu Ende des er angedeutet wer⸗ 
den können. Deter d. Gr. erhob nicht nur die ruf. 
Sprade pm allgemeinen Geihäfts: und Schrift: 
ſprache, ſondern auf feinen Befehl wurden auch 
viele deutfche, franz. und holländ, Schriften in dies 
felbe überſeßt. Da er aber nur das unmittelbare 
Bedürfnis feines Volls vor Augen hatte und auch 
die = feinen Antrieb arbeitenden Schriftiteller 
und fiberfeger nicht ſowohl die Sprache zu bilden 
als vielmehr dem ruf. Volle nußbare Mitteilungen 

u machen bezwedten, fo bildete die damalige Schrift: 
Inne zuweilen ein buntes Gemifh von Altſlawi— 

chem und Gemeinruffiihem, und bei der Eilfertig: 
feit der fiberfekungen wurden fremde, technifche 
und wifenfchaftlihe Wörter und Redensarten auf: 
genommen. Den Keimen einer nationalen Litte: 
ratur felbft, die Fit vorfand, widmete er wenig 
Beahtung und Pflege. Um 1704 entwarf er die 
Grundzüge der gegenwärtigen ruf. Drudſchrift, 
indem er den fchwerfälligen cyrilliſchen Buchftaben 
mehr Rundung gab. Nach feinen Angaben wurden 
zu Amfterbam die ruf. Lettern gegoſſen, mit mel: 
chen man 1703 in ber geiftlihen Druderei zu Mos: 
fau die erften ruf. Zeitungen drudte. Schon 

über hatte er dem Buchdruder Teffing zu Amiter: 

am ein Privilegium auf 15 Jahre für ruff. Werte 
erteilt. Dafelbit wurden namentlich bis 1710 meh: 
rere ruf. Werke, meilt liberjeßungen, von dem 
aus Weißrußland gebürtigen amfterdamer Baftor 
Kopijewitfch (geft. 1701) gedrudt. In Petersburg 
wurde eine Druderei eingerichtet und bier 1708 
das erite Buch aedrudt. Vorzügliche Sorgfalt 
wendete Peter d. Gr. auf Einrihtung neuer Lehr: 
inftitute und Schulen verfchiedener Art. Durd 
den Anlauf eines anatom. und zoolog. Habinetts 
in Holland legte er den Grund Pr» peteräburger 
Mufeum. Nah einem von Leibniz entworfenen 
Plane gründete er 8. Febr. 1724 die Akademie der 
Wiſſenſchaften zu Petersburg, die aber erft nad) 
jeinem Tode 1725 von der Kaiferin Katharina 1. 
eröffnet und der zur Ausbildung künftiger Lehrer 
ein Gymnaſium beigefügt wurde, welches bis 1762 
den Namen Univerktät führte, Die vorzüglichften 


69* 


932 Ruffiiche 


Ehhriftiteller diefer Zeit waren: der Metropolit 
von Kojtow, der heil. Demetrius (1651— 1709), 
der neben zahlreihen andern Werten im altruil. 
Stile (gefammelt zu Mostau, 5 Bde., 1849—56) 
die «Legenden der Heiligen» (4 Bde. , Kiew 1711— 
16; Most, 1856) und eine «Bibliidhe Geichichte» 
(Most, 1784 u, 1847) verfahte; der Metropolit 
von Riälan, Stephan Jaworſtij (1658—1722), be: 


tannt durd) feinen «Brunditein des Glaubens» | 


Petersb. 1728; neue Aufl., 3 Bde., 1843) und Pre: 
digten; der Erzbiihof von Nowgorod, Theophan 
Prokopowitſch (1681 — 1736), Peters d. Gr. treuer 
Gehilfe, ein geiftreicher Gelehrter, doch zugleid) 
auch großer polit. Intriguant, der gegen 60 theol. 
und hiſtor. Werte hinterließ; Fedor Polilarpow 
(geit. 1730), der Hompilator des «Lexikon trechja- 


zyCnij» oder Thefaurus der ſlaw., gried. und lat. | 


Sprade (Most. 1701); Leontij Magnizlij (geit. 
1739), der ruſſ. Mathematiker; Iwan Poſſoſchlow, 
ein merkwürdiger Autodidalt, der in feinen Dent: 
fchriiten an Beter d. Gr. und deſſen Miniſter (ber: 
ausg. von Pogodin, 2 Bde, Most, 1842 u. 1863; 
vol. Brüdner, «JIwan Rojiojhlow», Lpz. 1878) 
und andern neu entdedten Schriften zuerſt national: 
ölonomiihe Fragen behandelte; der Mönch Nito: 
dem Sellius (aeit. 1746), ein geborener Deuticher, 
der viel für ruſſ. Geichichte fanımelte, und Waſſilij 
Tatiſchtſchew (1686—1750), der eine «Geichichte 
Nublande» (4 Bde., Petersb. 1769— 84) ſchrieb. 
Als Dichter ift bejonders Fuürſt Antioch Hantemir 
(1708—44), Sohn des nad) Rußland emigrierten 
Hoipodaren der Moldau, Berfafler von «Satiren» 
(1762) und eigentlid der erjte ruf. Schriftiteller 
europ, Charakter, zu nennen, Die Geiche ber 
ruſſ. Metrit ftellte Tredjalowjtij (1703 — 69) auf. 
Bal. Pekarſtij, «Die Wiſſenſchaft und die Litteratur 
jur Zeit Peters d. Gr.» (2 Bde., Petersb. 1862). 
So hatte Peter die Saat eines neuen Lebens 
ausgeftreut; aber es war auch hiermit ein Zwie: 
fpalt zwijchen dem urfprünglih Nationalen und 
dem Fremdländiſchen in die rufj. Litteratur ge 
fommen, ſodaß diele verfchiedenen Glemente noch 
langer Zeit bedurften, ehe fie fich zu einem organi: 
ſchen Ganzen geitalteten, Dieje Entwidelung der 
ruſſ. Litteratur begann erft unter Eliſabeth und 
Katharina II. Glifabeth fah in Kunft und Willen: 
ſchaft eine Zierde ihres glänzenden Hofs; fie ftiftete 
1755 die Univerfität Moslau und 1758 die Alade: 
mie der Hünjte,. Hatharina fahte die Pläne Beters 1. 
bewußtvoll auf. Täglich mehrten ſich die Bildungs: 
anjtalten; durch das ganze Land eritanden Volls— 
fhulen und aud ein Seminar für —R 
nebſt Normalſchule. Die Alademie der Wiſſen— 
ſchaften erhob ſich sun Mitglieder wie Pallas, 
Gmelin, Güldenftedt, Lomonoſſow, Rumowſtij, 
Yepedin und Oſerezlowſtij zu hoher Blüte; die Ala: 
demie der Hünjte wurde erweitert, 1772 das Berg: 
werlsinftitut und 1783 die Aladentie zur Bervoll: 
fommnung der Spradie und Geſchichte geftiftet. 
Allgemeiner fing man an, dem Auslande nadızu: 
eifern, ja es wurde der Ginfluß desfelben bei dem 
für gerftige Genüfle empfänglihen Teile des Adels 
und Beamtenitandes jo groß, das Kaifer Paul 
eine LZandesiperre gebot. Den Anfang diefer neuen 
Beriode bezeichnen die Beitrebungen Yomonofjows 
(1. d.), der zuerſt zwiichen dem Altſlawiſchen und 
Ruſſiſchen eine feite Grenze zog, das libergewidht 
ber großrufl. Sprache befeftigte und in der Poeſie 
on der Stelle des den Polen entlehnten fyllabifchen 


Litteratur 


— ————— —* einführte, aber indem er 
die Sapbildung in lat. Formen einzujmwängen 
| verfuchte, ihr — chranken anlegte. Un: 
ter feinen Nachfolgern ift ala Dichter Sumarolow 
(f. d), 1718— 77, zu erwähnen, der alle Arten der 
oejie umfaßte, das größte Verdienſt aber um das 

‚ Drama fid) erwarb. Obgleich ſich ſchon im An: 
ı fange des 17. Jahrh. rohe Anfänge ruf. dramati 
ſcher Kunft in den Darftellungen biblifcher Geidid: 
‚ ten finden, welde von ben tiewer Studenten wäh 
rend der Feriengeit aufgeführt wurden, und aud 
ı der Mönch Simeon von Polozt (1628—80) Tra- 


‚ men ſchrieb, bie zu Feodors III. Zeit erft im Kle- 
| fter, dann am Sole gegeben wurden, jo war doch 
' Sumarofow ber erfte, der ein regelmäßiges ruf. 


| Zrauerjpiel lieferte. Zwar wurde ſchon vor ihm 
das erfte nichtgeiitlihe Drama, eine Überſetzung 
von Molitres «Arzt wider Willen», von der Ja: 
rewna Sophia Alerejewna mit ihren Hoffräulein 
aufgeführt; allein ein eigentlih ruſſ. Theater be 
ftand erſt feit 1756, nachdem Fedor Wollow die 
Privatbühne, melde er in Jarojlam errichtet, in 
die Reſidenz verfegt hatte, wo Sumarokows Stüde 
die eriten waren, welche zur Aufführung lamen 
Durch die Vorliebe der Kailerin Katharina 1. für 
das Drama ftieg dasfelbe fchnell in der Liebe dei 
Volle. Nah Sumarolow behauptet Knjafhnin 
re als Dramatiter die nädfte Stelle; 
jein Stil ift gebildeter als der feines Vorgängers, 
doch wird er oft ſchwulſtig und froftig. Denis von 
Wiſin (1745—92) machte ſich verdient um das 
Luſiſpiel; fein «Nedorosl», ein Luftipiel in Prosa, 
voll echter Komik und treu feine Zeit darſtellend, 
dat nod) jeht Wert. Bon Cheraſtow, 1733—1807, 
ind, außer Tragödien, Dden und Epijteln, zwei 
große eriihe Gedichte über die Eroberung Safan: 
und über Wladimir d, Gr. vorhanden, aber alles, 
wie bei feinen Borgängern, in einem unnatürlichen, 
pfeubollaffiihen Stil. Seinerzeit galt er für den 
größten epiihen Dichter Nublands, gegenwärtig 
aber ift er vergeſſen. Oſerow (1770— 1816) gebört 
der Zeit nad) der folgenden, in Hinfidht der Sprache 
aber diefer Periode an: er ſchrieb Trauerjpiele in 
Alerandrinern, 3. B. «Fingalo und «Ödip», Sein 
Stil iſt weder rein noch Ihön, aber der Ausdrud 
oft fräftig, die Daritellung der Leidenfchaften 
wahr; einige Scenen find in der That tragifch und 
einige Charaktere gut pe und fiher durch 
i 


eführt. Fürft Iwan jlowitſch Tolgorulü 
1764—1823) hie philoſ. Oden und Epifteln, 
die fich durch tiefes Gefühl und Natürlichleit aus: 


zeichnen; Neledinftij- Meleztii (1751— 1829) Ro: 
manzen und Lieder, die den beften Erzeugnijien 
der Art augegäblt werben. Bobromw (gejt. 1810) 
ſchrieb eine Menge — Oden und ein be: 
ſchreibendes Gedicht «Cherionida», das ein Chaos 
mit einzelnen ig ren Tichterfunten ift. Betrom 
1736—99), ein Dichter, an been und ftarlen 

ildern ſehr rei, in der Sprache aber rauh, be: 
fang in feinen Dden die Siege der ie atba: 
rina, und feine Helden waren PBotemfin und Rum; 
janzow. Auch überſetzte er die «Uneis» in Aleranı 
rinern, An Bogdanowitfh, dem Berfailer des 
Gedicht «Piycher, und dem Fabeldichter Chem: 
nizer ijt Naivetät und Grazie zu rühmen. In der 
legten Hälfte diefer Periode trat der geniale, oris‘ 
ginelle Derſhawin (f. d.) auf, der erite ſelbſtaändige 
ruf. Dieter. Er bejang den Ruhm ruf. Waffen‘ 
unter Katharina II., wie Lomonoſſow und Petrom,' 


| 


Ruſſiſche Litteratur 


doch mit dem Unterfchiebe, daß dieſe nur Lobredner 
waren, Derſhawin aber Freiheit Gedankens 
zeigte. Kapniſt ſteht Derſhawin an Kühnheit der 
Gedanken und Flug der Phantaſie nach, übertrifft 
ihn aber an Gemüt und Reinheit der Sprache. 
Die ruff. Profa des 18, Jahrh. entwidelte ſich 
allmählih aus der kirchlichen Bücerjprade, an: 
[aneb mit ftarler Beimiſchung des Kirchenjlawi: 
hen, das aber ipäter, namentlich durch den genia- 
n Lomonoffow mehr ins Gleichgewicht mit der 
lebendigen ruſſ. Sprache gebracht wurde, je nach— 
dem ie der Inhalt der Litteratur ſelbſt mehr dem 
Leben der Gejellihaft näherte. Schon bald nad) 
kg Zode konnte die lebendige Sproße 
ihren Platz in der Litteratur einnehmen, wie d I. 
in den Schriften Nowitows, von Wiſins, Nabdi: 
—— u.a, Nicht x Ausbildung erhielt 
ie Proſa auch durch die geiſtlichen Reden, in denen 
jedoch oft eine bombaftifche Rhetorik den mindern 
Gedantengehalt vertreten mußte. Neben dem Me: 
tropoliten von Moslau, Platon, zeichneten ſich 
Anaftafjij Bratanowſtij (L761—1806) und ber Erz: 
prieiter in Kiew, Lewanda (1736—1814), durd 
Straft und Freimütigleit vorteilhaft aus. Um bie 
Geſchichte machten fih verdient Schtiherbatow 
(1733— 9%), der eine «Ruſſ. Geſchichtey (15 Bde., 
Vetersb. 1771—91) lieferte, in der man aber 
tiefere Forſchung vermißt, Boltin —— durch 
feine ſchähbaren Kritilen der älteſten Geſchichte 
Rußlands, Golikow (geſt. 1801) durch ſeine Mate— 
rialienſammlung zur Geſchichte Peters d. Gr. 
(30 Bde., Most. 1770- 9) und Katharina II. 
a? durch ihre «Memoiren zur ruſſ. Geſchichte⸗ 
(2. Aufl., 6 Bde., Petersb. 1801; unter Beibilfe 
von Gelehrten verfabt und tendenziös im autofra: 
tiſchen Sinne). —— eide erbienfte durch 
Herausgabe vieler handſchriftlicher Geſchichtswerke 
erwarb jich der Alademiler Gerhard Friedr. Müller 
aus Weitialen (1705—83), der auch die erjte ruſſ. 
litterariiche Zeitung zu Petersburg 1755 begrün: 
bete, welchem Beilpiel bald mehrere folgten. Zur 
Belebung des Buchhandels und Sinnes für Litte: 
ratur, ſowie auch des ag Studiums trug vor: 
aüglich Nomilow (f. * ei, doch fand er als 7 
eiſt Verfolgungen. Ühnlich erging es A. Radi— 
chtſchew, der in feiner «Neije von Petersburg nad) 
tostau» (1790) die Leibeigenfchaft verurteilte; er 
wurde dafür nah Sibirien verbannt, aber von 
Kaiſer Paul freigelaffen. Michail Nikititih Mu: 
rawiew (1757— 1807) jchrieb einige Abhandlungen 
über ruf. Geſchichte und Moral. Noch iſt bier das 
vergleihende Wörterbuch der rufi. Sprache (Petersb. 
1787—89) zu nennen, das für das Studium der ruſſ. 
Eprade und für die Schriftiteller Nupen brachte. 
Gine neue Epoche der ruff. Litteratur fällt in bie 
Zeit Kaifer Aleranders J., der, wenigitens in der 
eritern Zeit feiner Regierung, in der Aufklärung 
des Volls die höchſte Muoblfahrt erfennend, mit 
Enthufiasmus die Bahn der Bildung und bes 
Fortſchritts betrat. Die Zahl der Univerfitäten 
tieg auf fieben; zur gründlichern Ausbildung der 
Geiſtlichen wurden vier theol, Akademien nebit 
36 Seminarien gegründet; es entjtanden Gouver: 
nement3: und Kreisichulen; für die morgenländ. 
Spraden wurde ein befonderer ng in Peters— 
burg errichtet. Die Orchrten ereine mehrten 
ſich, die Alademie der Wiſſenſchaften und die für 
Sprache und Geſchichte erhielten eine zwedmäßigere 
Geſtaltung. Mit Eifer förderten des Kaiſers Ab: 


933 


fihten die Minifter Rumjanzow und Speranffij. 
Die Hauptitrömungen der Litteratur diefer Zeit 
find: die abjtraft fentimentale Richtung, aus dem 
18. Jahrh. vererbt, deren Hauptvertreter Karam— 
fin war; dann bie —— e Romantik nach 
deutſchen und engl. Muſtern, beſonders bei Shu— 
kowſtij, welche etwas ſpäter in die liberale Roman: 
tif mit einem vollstümlichen Anftrid in die Ju: 
endpoefie Puſchlins und jeine Schule überging. 
er gefeiertite Schriftiteller diefer Zeit war Na: 
ramſin (f. d.), dem es gelang, die Feſſeln des Pſeu— 
dollafjizismus zu löjen, in die fie Lomonoſſow pe: 
lagen und aus benen fie Derſhawin zuerjt zu be: 
freien verjucht hatte, Er verbannte den Schwulit, 
den äußern Flitter aus der Poefie und Heidete 
dieje, indem er fie zu ihrer wahren Quelle, den 
einfachen menichlichen (doc) aber zu fentimentalen) 
Empfindungen zurückführte, in die leichte Sprache 
de3 täglichen Lebens. Hierdurch wies er der Litte— 
ratur ihre Stellung innerhalb des Voltslebens an. 
Seine «Geihihte des Ruſſiſchen Reichs» wurde 
von dem ganzen des Lejens fundigen Rußland ge: 
lejen; fie iſt die erfte wiſſenſchaftliche überſicht der 
ruſſ. Geſchichte (bis zu un des 17. Jahrh.), 
aber nicht frei von der Tendenz, den Abſolutismus 
zu verherrlichen. Seine litterariſche Rform wurde 
durch Dmitriew und Batjuſchlow gefördert, wäh— 
rend Schiſchlow im Sinne des alten Lomo— 
noſſowſchen Stils entgegentrat. In der Poeſie 
von Shukowſtij gelangt die mit Karamſin begon: 
nene Beriode zum Abihluf, Nach den Genannten 
find als derjelben Periode angebörig zu erwähnen, 
als Proſailer: der Geſchichtsforſcher Emwgenij Vol: 
—— (1767—1837), Metropolit von Kiew, 
erfafier de3 von Strahl deutich bearbeiteten «Ge: 
lehrten Rußland» (Em 1828), und der theol. 
Säriltäeller Philaret Drosdow, zuleht Metropolit 
von Moskau; als Dichter: Koslow (geit. 1840), ein 
Nahahmer Byrons, deiien «Braut von Abydos» 
er überjegte; Krjulowſtoj (1781—1811), Verfaſſer 
bes Trauerjpiels «Pofharjkij»; iin (1773—1822), 
welcher bürgerlihe Dramen im Ifflandſchen Stil 
ſchrieb; die Satirifer Wojejkow (1778—1839) und 
Milonow (1792—1821); Chmelmnizkij (f. d.); der 
Hürft Alerander Schachowſkoj, einer der beiten fo- 
miſchen Dichter Rußlands, an Fruchtbarkeit Kohebue 
vergleichbar und Verfaſſer vieler Luſtſpiele und 
Opern; der originelle Fabeldichter Krylow (f. d.); 
der «Partiſan von 1812» Dawydow; Ismailow 
(1779—1831); Glinka und der als Lieder: und 
Glegiendichter, aber auch al3 Kritiler (im vſeudo— 
klaſſiſchen Sinne) beadhtenswerte Merſlijakow. Gnje: 
ditich brachte durch feine liberfeßung der Ilias 
zuerjt den Hexameter zur — Gribojedow 
und Fürſt Wjaſemſtij ſowohl dieſer als der 
folgenden ———— Periode zuzuzählen. Bol. 
Pypin, «Die gejellichaftliche Bewegung in Rußland 
unter lerander I.» (2. Aufl., Petersb. 1885). 
Die Periode der rufl. Litteratur, welche mit 
Puſchkin anfing, iſt dadurch dharalterifiert, daß 
das Nationalruſſiſche endlich völlig die Herrſchaft 
über die fremden Elemente gewann und dieſe abſor— 
bierte. Während die Regierungspolitik des Kaiſers 
Nitolaus die Entwidelung des ſpezifiſch ruf). Ele— 
ments begünftigte und eine offizielle Vollstümlich— 
feit (bei einem leibeigenen Volke!) proflamierte, 
war e3 Puſchlins (j. d.) Genius, der in der Litte— 
ratur dem Volksgeiſte mächtige Geltung verſchaffte. 
Seine Gedichte fpiegelten das ruf. Leben und 


934 


— der Freude, dem Schmerz, dem Ruhm, der 
andäliebe und dem Humor ihren Ausdrud. 
Als Buf - Genofien und Nachfolger find zu 
nennen: nftij, Baron Delwig, Jaſylow, 
——* —— und Po olinftii. Nur 
volle Ci — leuchtete die glänzende und verheißungs⸗ 
cheinung Lermontows (j. d.), der ſowohl 
in —* wie in Verſen Unvergleichliches iſtete, 
aber wie Puſchlin, Gribojedow und der gemütvolle 
DEE RI EER BEINE in feiner Laufbahn einem 
feindlichen Gejhid erlag. Das Drama brad) jeht 
vollftändig mit den Traditionen des ig Klaſſi⸗ 
zismus und wählte ſich Shalſpeare zum Vorbilde. 
Auch bier eröffnete Puſchlin die Bahn mit feinem 
—* Godunowo; nach feinem Beiſpiel — 
ten Polewoj, Rutolnit, Chomjatow, Baron Rojen 
und Gedeonow den Stoff ihrer Dramen hauptjäd): 
lich der ruſſ. Gedichte. Große Aufmerkjamfeit 
wendete man, wie in allen flaw. Ländern, ben 
Bollsfagen und Bolksliedern zu , mit deren Samm: 
lung fih damals Kafdin, ini. Mata: 
row, Sadharom, —— * Kirjejewftij be: 
ichäftigten. Die neue Richtung der ruf. Litteratur 
ck fi) beſonders auch A den hiſtor. Schrif: 
Hier verdient Beachtung die ·Geſchichte Rub: 
lonbes (im Sinne der erwähnten offiziellen Volls— 
tümlichleit) von dem peter&burger ———— Uſtrja⸗ 
low, die zum Kompendium für die ruſſ. Unter: 
richtSanftalten beftimmt wurde und Großrußland 
als den Mittelpuntt darftellt, nach dem Kleinruß: 
land, Rotreußen, Litauen u. ſ. w. burd ihre ge: 
(dichtfihe Entwidelung notwendig bingeführt wer: 
müßten. Ein nambafter Hiftoriler ift Pogodin 
(f. d.), der fih beionders um die Sichtung der 
ältern Geſchichte Rußlands verdient gemacht hat 
und einer der erjten Vertreter des Slawophilen: 
tums in ber rufl. Litteratur war. Polewoj begann 
eine fehr umfafjende Geſchichte des ruſſ. Volls, 
Bantyſch⸗Kamenſtij (1788—1850) und Marlewitid) 
Bone 60) ſchrieben die Gefchichte Kleinrußlands, 
ronewflij (1784—1835) die der Donifchen Koja: 
fen, Slowzow (1767— 1843) die von Sibirien, 
Buturlin ne die Zeiten ber falſchen Deme: 
trien, ij Berg verfaßte einige Monographien 
über "rufl. Zaren, ber Generallieutenant Midyaj: 
lowſtij⸗ Dantlewitij mehrere tücdhtige, doch für Ruf: 
land parteiiih abgefaßte Werte über die ruf. 
Kriege. Bon den in ziemlich großer Zahl auf: 
a Geſchichtsforſchern mögen noch D. Ja— 
ytow (1775—1845), die Archäologen Berednilow 
(703 1865), Korkunow (1805 58) und Strojew 
(geit. 187 *— Petersburg, die Profeſſoren One: 
girem in Mostau und Iwaniſchew in Kiew, der 
Direltor des mostauer Staatsardivs Fürft Michail 
Obolenſtij, und für das Fach der Genealogie Rt 
Peter Dolgorutow genannt werden. Die lebh 
teite (Kemegung gab ſich jedoch auf dem bisher ver: 
nadjläfjigten Gebiete des Nomans kund. Bulgarin 
(f. d.) hat, fo wenig aud) feine Erzählungen vom 
aftbeti en Standpunkte aus genügen, doch das 
Berdienit, zuerft Schilderungen aus dem vollen 
Leben gewagt zu haben. Pawlow (geft. 1864) 
zeigte fich in feinen Novellen als gewandten Zeich— 
ner bes Individuellen und tiefen Menfchentenner; 
Sagoſtin und Lafhetihnitow jchrieben hiſtor. No: 
mane in Walter Scottiher Manier. Ciner der 
ausgezeichnetiten Erzähler war Beitufhew-Marlin: 
ftij (f. d.); Kalafchnitow —* intereſſante Bilder des 
ſibir. Lebens geliefert: Uſchakows «Kirgis Kajſako 


Ruſſiſche Litteratur 


enthält anziehende Sittenſchilderungen. Der Seit 
Sollohub (f. d.) daralterifierte in trefflihen N 
vellen die höhere petersburger Gefellichaft. = 
Dpojewflii, Konit. Maſſalſtij (1809— a); 
lowſtij (1800—58), Helena Hahn, 

jew (1815-42), Rutolnit und er rd Er 
ebenfall3 dur cch ihre erg und Sittengemälde 
bemerllih. Ginen ni Einfluß auf die 
rufl. Litteratur Hatten Di lungen, a a u 
fübrufj. Bollsleben m Se Gr und welde durch © 
gorij itta (f. d.) raſch populär mwurben. In 
diefem Genre verfuchte ſich zuerft Gogol (f. * 
doch machten ihn fein genialer Humor und 


Sinn für da3 wirkliche Leben , welche in — 
—— der — Zuftände ands be: 
funden, febr bald ber neuen 


zum Hauptführer 
realiftifchen Schule, die in ee Zeit die art 

five Herrſchaft erlangt bat; feine f 
Darftellungen fozialer Gebredhen (die Komödie 
«Der Nevifor», und andere dramatiſche Stüde; 
der Roman «Tote Seelen», eine Reihe mertwür: 
diger Novellen) machten auf das ruſſ. Publikum 
einen —— Eindruck, der durch den von den: 
genialen Kritiker Bielinftij bazu gelieferten Rom: 
mentar noch erhöht wurde. Einige Jahre fpäter 
erſchienen au die Romane von Herzen und Do: 
ftojewitij, welche diefer realiftiichen ie zum 
völligen Giege verhalfen. Die Ereignifie von 1848 
machten indes auf die R ar einen fo jtarten 
Eindrud, daß fie aud) in eine Revolution 
—— und dieſe rein ——— und abſtralte 
wegung für * ind * Fe 

Kreuzzug gegen die Ticken un 

ftarb, Herzen mußte und Fofljemfti 1 En 
nad Sibirien; Gogol f ‚und in ber rufi. 
Pitteratur trat eine völlige tagnation ein, bie 
nur durd die trefflidhen Erzählungen Turgenews, 
Gontſcharows, Grigoromitihs und Drujbinins 
unterbrodhen wurde, welche zwar biefelbe tung, 
aber in mafvollerer und vorfihtigerer Weile ver: 
olgten, und denen fi Sergej Alſalows « jami: 
iendronif» (1856), die Romane ber geijtreichen 

Eugenie Tur und andere — 
it ber Thronbeſteigung Alexanders II. ent: 
widelte fih aud auf litterariſchem Gebiet wieder 
ein friicheres Leben; die Genfur zeigte eine auf: 
fallende Milde, es "durften Gegenftände beipro: 
hen und Fragen erörtert werben, früber 
zu den verbotenen gehörten, und bie reſſe be: 
gann fid) nad allen Seiten hin mit einer bisher 
unerhörten Freiheit zu bewegen. Dies waren die 
moraliſchen Fol * bes Krimkriegs. Es entſtand 
eine eigene «Enthüllu ——— die es ſich zur 
Dutgebe ftellte „ie ikbräude der Berwaltung, 
die ommen beit des Beamtentums, bie Schwa: 
en und bedrüdte Lage bes Volks bloß; egen, In 
litterariſcher Hinfiht war es eine ftarte realiſtiſch 
fatirifche Richtung, die im Anſchluß ax Bose gan; 
felbftändig und fir die innern Zuftände der nufi. 
Geſellſchaft höchſt charakteriftiih war. Den An: 
fang madte Saltylow mit feinen «Provinzial: 
ftiggen» (1856) und einer Menge anderer Arbeiten, 
die in gan Rußland das größte Aufſehen erregten 
und den Zon angaben, obgleich bisher niemand 
diefen beißenden jatirifhen Wis und feine tiefe 
moraliijhe Grundlage erreihen konnte. Zu die: 
fer neuern Schule zählt auch Piſſemſtij, defien 
«Tauſend Seelen» (Hetersb. 1858) ein bedeutendes 
Talent verraten, A jedoch in feinen fpätern Werten 


Ruſſiſche Litteratur 


erner die Rovelliften Slepzow, Kotorew, Bomja: 
* (geft. 1863), Nilolaus und Gljeb u penſtij 
u. v. a. in deren Erzeugniſſen man häufig mit 
— ——————— Treue und Genauigkeit wieder: 
leben — aus dem geſellſchaftlichen und 

ollslebe „während indeſſen das -. 
nenbe — —* oft fehlte und freili 


Ungeheuerlichen und Verzerrten ausartete; 


fehlen er weil die Urſache mancher kran a. 
und trübfeligen Erſcheinungen diefes gg ner 
in den beſtehenden —— und im * 


eſellſchaftlicher Freiheit lag. Wſewolod Kre⸗ 
Hop und M. Stebnizlij — eigent⸗ 
Leslow) beſchenlten da auf) . 
nd * Erzählungen im Genre —* 
teres de Paris», in denen ſich ein Ar Ren 18: 
* mit einer tonſervativ pol ange ng 

nüpft. Cine befondere Stellung nimmt ber 
——— Luſtſpieldichter Oſtrowſtij ein. Auch 
die Poeſie * von eiſte des Realismus 
durchdrung der namentlich in ben Dichtungen 
Netenflows — Nilitins (1826—61) hervortritt; 
Ausnahmen bildeten die anthologiſchen Gedichte 
von Maikow und Schtſcherbina und die poetiihen 
Arbeiten von Tiutſchew und Mei (geft. 22) 

—— ſcheint der Beifall, ben die durch i —— 
Stil ausgezeichneten Dichtungen des Grafen Alerej 
Tolſtoj gefunden haben, den Anfang einer Reaktion 
ub nen. beutend ald Romanſchriftſteller 
ind der ſchon erwähnte Doftojewitii, deſſen Haupt: 
—— in dieſe Periode fällt, und Graf Lew Tol: 
Bit es Krieg und Frieden», «Anna Karenina», Heine 
en). Rn ie beleunteften Krititer diefer Zeit 
mare Zihern hewftij, —— Piſſarew. 
In andern Fächern fand die erhöhte geiſtige 
—— — —— in der vermehrten 
hl deri ac Sprade inenden periobijchen 
Shriftenund Kar 85 dete die Cenſur immer 
ein großes Hindernis der litterariſchen Produktion 
und befonders in den letzten Jahrzehnten wird die 
Verbreitung liberaler Ideen und der fie vertreten: 
den Bücher eifrig verhindert. Das Berbrennen 
mißliebiger Bücher und die Unterbrüdung von 
Zeitſchriften (wie «Golos», «Otetestvenuyja Za- 
reg u.a.) vermindert die litterariiche Statiftit 
In der Behandlung der Geſchichte trat das 
—5—— Element immer mehr in den Vorder— 
grund. Tſchitſcherin ſuchte in feinem Werte über 
die ruf. Landgemeinde —— die Ehe Ent: 
ftehung dieſes Inſtituts zu verfolger gen: oftomaroım 
9. d —E die Sitten⸗ und oltsgefhichte des 
Mein. und großruſſ. Volls; Schtihebalitij bearbei- 
tete einige intereljante Cpiioden, aus der ruſſ. 
Geſchichte des 17. und 18, Be Solowjew 
Ye 1879) Les * gründli rbeit über ruji. 
eihichte bis zur Negierung der Kaiſerin el 

rina * (Bd. 1— 29, 1857— 78) fort. Baron V 

det Korit ſchrieb eine gute Biographie Speranfliis 
(1861), Bondanomitih gediegene Werte über die 
zul «franz. Kriege 1812—14, über Alerander I. 
Bde.) und den Strimkrieg (4 Bde.); weitere Hi: 
horiter find: Sabelin (der beite Kenner der alten Sit: 
tengefhichte), Slowajitij, N. und A. Bopow, Tra: 
tſchewſtij, Karnowitſch (aejt.1885) u. a., und außer: 
dem find noch die Memoiren Derſhawins, Bolotomws, 
Chrapomwiztiis, Dmitriews, Engelhardts, BWigelsic. 
zu erwähnen, die zwar aus einer frühern Zeit ftanı: 
men, aber erft jet veröffentlichte werden konnten, 
Viel intereffantes Material findet fi in den zwei 


935 


—— Zeitſchriften «Ruf. Ardiv» und «Ruſſ. Alter: 
tum» (starina) und im «Sbornik» der Hiftorifchen 
Geſellſchaft, befonders über die Gefchichte des 18. bis 
19. Jahr). Die ſlawophile Partei hat ihre eigene «na: 
tionale» ütor, :polit, Theorie und befondere hiſtor. 
Sähriftiteller, deren wichtigſte die Gebrüder Kirje— 
jewſtij, 4. —— Konſt. und Iwan Alſakow 
(geft. 8. Febr. 1886), Yurij Samarin, W. Lamanftij 
find. Um dem Mangel an einheimifchen Schriften 
über allgemeine Geſchichte abzuhelfen, erſchienen 
faſt alle bedeutenden Hiſtoriler des Auslandes, 
Gibbon, loſſer, Guizot, Tocqueville Macau: 
- ‚re, Yudle, Mommien, Spybel, Taine, in 
fiberfegung. (inen namhaften Platz nehmen 
F jeher in der ruſſ. Litteratur die Reiſebeſchrei⸗ 
bungen ein, durch welche ſie auch zuerſt im weitern 
Kreiſe beiannt geworden iſt. Seit Kraſcheninni— 
lows faſt in alle europ. Sprachen überfehter «Be: 
ſchreibung von Kamtſchattas und Lepechins «Reiſe 
durch das Ruſſiſche Reich⸗ ſinden wir eine lange 
und — e Reihe ſolcher Werte, von 
denen nur die Weltumfegelungen Krufeniterns, 
Liſſjanſtijs, Golownins, Bellingshaufens, Safa: 
rews und Lattes, die Gefangen haft Solowning 
in Japan, die "Expeditionen S rytſchews und 
Mrangells nad) dem nörbf. —— die Reiſen 
Timkowſtijs und Kowalewſtis nad China, MN. 
Muramjews, Peter Tſchichatſchews, Karelins nad) 
Gentralafien, nr na dem Sande der Kirgis: 
tofafen, Norows, urawjews, —— 
Kowalewftij⸗ nad) 4 Den ettns nad nad 

talien, Botlins nad —— laton T 

chews nach Kleinaſien und den —— von 
Südamerila genannt werden mögen. Hiera 
die en gl in neuefter Zeit Gontſcharows Be: 

— er Geſandſcha Bee — —— 

utjatin 18532 - 65) na EN Kane 
pittoreste Reife um die AR vor 
mows Streifzüge am nen Meere und in Sibi- 
rien, die wiſſenſchaftli ditionen von Maack 
und Narimomitic na dent mur, Semenow und 
Menjulow nad dem cn Butakow und 
Sewerzow nad) dem Aral, Walichanow nad Kaſch— 
gar, Chanytow nad) Berfien, Brzewaljtijs mert: 
würdige Reife nad) der Mongolei und Gentratafien, 
welche zum Zeil eine reihe Ausbeute für Geo: 
graphie und Böllertunde ergeben haben. 

Am mwenigiten ausgebildet ift in Rußland die 
wiljenihaftlihe Sprade. Die philoſ. Studien 
er ſich hier hauptſächlich an die neuen deutichen 

bilojophen angelehnt; ihnen widmeten fid) Golu⸗ 
binftij (1797 — 1854), Wellanftij (1774— 1847), 
Sidonflij, Kebrow, Katlow u. a.; Gogoztij ſchrieb 
ein «BHilof. @eriton» (2 Bde., Riem 1859 —61), 
Nowiztij eine «liberficht der philof. und religiöfen 
Ideen des Altertums» (4 Bde., Kiew 1860 - 61); 
in den legten Jahren erjchienen bie bemerlenswer: 
ten felbjtändigen Arbeiten von M, Troizlij, fowie 
aud die Überjehun 2 zahlreicher philof. Merte, wie 
von Kant, Hegel, Trendelenburg, Lohe, Schopen: 
— Hartmann, ‚Spencer, Yewis, A. Comte, 

aineu.a. Bon einem Fortichritt der Theologie 
(j. ge Kirche) kann da wohl nicht die 
Nede fein, wo jede jelbjtändige Reflerion über die 
Slaubenslehre und jede freie Auslegung verboten 
ift; doch bildete die kirchliche Litteratur bisher, 
wenigſtens quantitativ, einen ig igen Beftand: 
teil der ruſſ. Gitteratur, ünter den zahlreichen 
Kanzelrednern find der Erzbiſchof von Cherſon, 


936 


Innolentij Borifow(1800— 57), derMetropolitvon 
Vetersburg, Grigorii er (1784— 1860), die 
Briefter Baſhanow, Rodion Butjatin und befonders 
Vhilaret, der Metropolit von Moslau, hervor: 
ubeben; die Gefchichte der rufj. Kirche bearbeiteten 
ie Grjbiichöfe von Charlow, Philaret und Malarij 
Bulgakow, der aud eine «Drtbodor:bogmatifche 
Theologie» (5 Bde., Petersb. 1852—56) berans: 
ab, ferner Golubinfkij (1880). Den größten An: 
fang fanden die theol. Schriften eines Yaien, 
Andrei Murawjew, in den fünfziger Jahren bie 
» Theol. Schriften» des Siowophilen Chomjalow 
(Prag 1867), und in der leßten Zeit erregen bie 
religiös -etbiichen und die religiös -Jozialen Schrif: 
ten des Schon erwähnten Romanſchriftſtellers Graf 
Lew Tolſtoj das gröhte Aufſehen; doch dürfen fie 
freilich in Rußland nicht gedrudt werden, und cir: 
kulieren dort nur in Handſchriften und Lithogra: 
pbien (deutich erſchien davon « Worin bejteht mein 
Glaube ?» Lpz. 1885), Gine Litteratur der Nechte: 
wifjenihaft beginnt erft im 19. Jahrh. Grund: 
legend find die rechtsgeſchichtlichen Forſchungen von 
Ralkowiecki (1820—21) und der deutihen Ewers 
(1826) und Pruß (1829). Darauf arbeiteten weiter 
Newolin (« Encyllopädie der Nechtäfunde», 1841), 
Moroictin, Kawelin, Kalatſchow, Ttichiticherin, 
M. Komwalewjtij (vergleichende — 32 
Gradowſtij —— im Privatrecht D. 
Meyer, Pobjedonoſzew: im Strafrecht Barſchow, 
Spafjowitih u. a. Über Staatswirticaft ſchrie⸗ 
ben Wernadftij, ber are den Freihandel be 
fürwortete, Gorlow, Bunge und E. Lamanſtij; 
über Statiftit Arjieniem (1789— 1865), Trois 
nizlij, Buſchen und Befobrafow, Als Naturfor: 
fher find Nilolai Turtihaninow (1796 — 1863), 
Malſimowitſch, Setihenow, Omfjanifow, Keßler, 
Annenkow, Metſchnikow, als Geologen und Mine 
talogen Sotolow ——— Kutorga (1808 - 
61), Schtſchurowſtij, Kolhſcharow, Inoſtranzew, 
Dolutſchajew u. a., als Mathematiker Simonow 
(1785 1865), Lobatichemitij (1793—1856) , Pere: 
woſchtſchilow, Ditrogradffii (1801—61), Tſcheby⸗ 
fhew, Bunjafowftij, Samwitjch zu nennen. Der 
Chirurg Nitolaj Pirogomw bat eine europ. Berühmt: 
Det erlangt. Um bie Drientalijtit erwarben fich 
Bitichurin (1772—1847), Grigorjew, Saweljew, 
Berefin, Weljaminow:Sernow, Waffıliew, Chwol: 
fon, Harlavy , Baron Roſen, Ylminjkij Berdienfte; 
um bie Archäologie und Arhäographie Sreſnew— 
, Ski, Gorslij, Nemoitrujew, der Biſchof horphbe 
rius Uſpenſlij, W. Staſſow, Kotljarewſtij, W. 

Grigorowitſch, Bodjanſtij, Graf Alexej Umwarow. 
Als Sprachforſcher zeichneten ſich Woltolom (1781 
— 1864), Bawjtij (1787—1863), Biljarjlij (gt 
1867), Bußlajew, Sresnewilij, J. Orot aus. Die 
Yitteraturgefchichte Rußlands wurde fleißig bear: 
beitet; doch reicht Schewyrews «Geſchichte der ruſſ. 
Litteratur» (4. Bde., Most. 1858—60) nicht über 
die ältere Periode hinaus; neuern Anforderungen 
entiprechen Karaulows «Skizzen zur Geſchichte der 
ruf. Yitteratur» (Bd. 1, Feodoſia 1865), Porfi- 
riews Geſchichte (bis zum Ende des 18. Jahrh.), 
Galachows «Geſchichte der alten und neuen ruſſ. 
gitteratur» (2 Bde., Petersb. 1863—67), Wichtige 
Beiträge zu derjelben lieferten Bußlajew in feinem 
sHiltor. Abriß der ruſſ. BVoltslitteratur» (2 Bde., 
Petersb. 1860), Pelarikij in feiner «Wiſſenſchaft 
und Litteratur in Nufland unter Peter d. Gr.» 
2 Bde,, Petersb. 1862), Viljarjtij, der Erzbiſchof 


Nuffifhe Marine — Ruſſiſches Recht 


Bhilaret in feiner efiberfiht der ruf. geiſtlichen 
Litteratur» (2 Bde —— 1859 61), Grot, 
Zihonrawow, A. Weile omftij, Pypin, * noch 
die bibliogr. Arbeiten von Undolſtij, Meſhow, 
Neuftrojew, Gennadi und Sjoblo, Karatajew, Gu— 
berti u. a. fommen. 

Bol. Koenig, «Litterariiche Bilder aus Rußland⸗ 
(Stuttg. 1837); Jordan, «Geſchichte der ruſſ. Litte 
ratur» (2p3. 1846); Bypin und Spafonid, «Geſchichte 
ber ſlaw. Pitteraturen» (Petersb. 1865; 2. Aufl., 
Bd. 1u.2, 1879—80; lektere deutich von T. Pech, 
Lpz. 1880—84; der dritte Band der zweiten Auf: 
lage foll die großruſſ. Litteratur enthalten); Gour: 
riere, «Histoire de la litterature contemporaine 
en Russie» (Bar. 1875); 8. Haller, «Geichichte ber 
ruſſ. Litteraturo (Riga u. Dorpat 1882); A. Rein: 
boldt, «Gejchichte der rufj. Litteratur» (Lpz. 1885). 

Nuffifde Marine, ſ. unter Ruſſiſches 
Heerweien, ©. 928, 

Nuffifches Necht. In der älteften Zeit beitand 
in Rußland ein ben german. und ſtandinav. Volts: 
rechten ähnliches Gemobnbeitäreht, wenn aud 
weniger ausgebildet. Es ift gejammelt in der 
aPrawda russkaja» (f, d.), dem «ruf. Hecht», 
Wichtig für die Kenntnis des —— Rechts ſind 
die, jedoch nur in Chronilen erhaltenen Verträge 
mit den Griechen (911 und 944), ferner die Ber: 
träge rufl. Fürjten und Städte mit dem «gemeinen 
Kaufmann» auf Gotbland, mit Riga und mit den 
Ordensmeiſtern, ben Bilhöfen und den Städten 
Livlands von 1195 an, deren Driginalurfunden im 
*16 Archiv erhalten find. (Bgl. Napieritn, 
«Ruſſ.-livländ. Urkunden», Petersb. 1868.) Mit 
der Ginführung des Chriftentums beginnt der Ein— 
fluß des röm. und des fanonijchen Rechts, doch hat 
das röm, Nedht in Rußland niemals den Einfluß 
ausgeübt wie im Weiten Guropas: es war nie als 
Ganzes rezipiert, Geltung erlangten nur einzelne 
Beltimmungen, die in ruſſ. Geſetzbücher überaingen. 
Der Ginfluß des lanoniſchen Rechts auf das Fami— 
lien: und Erbrecht war umfafiender, doch wurde der: 
felbe durch Peter d, Gr. wejentlich beſchränkt. Mas: 
gebend auch für die Nechtsentwidelung waren die 
durd die Geijtlichleit vermittelten und allmählich 
um fi greifenden byzant. Staatd: und Yebenz- 
anſchauungen. Im Verein mit dem Ginfluß der 
Zataren, jeit der Unterjohung Rußlands in der 
Mitte des 13. Jahrh., trennten jene Rußland von 
Weſteuropa und brachten es in eine von lekterm 
abgewandte Geiſtesrichtung. Die Unterjochung durd 
die Zataren brachte weientliche Veränderungen mit 
fich: der Großfürjt ift nicht mehr der erjte unter den 
Fürſten, fondern der Bevollmächtiate des Chans, 
die Fürjten herrſchen weder nad eigenem Recht 
noch nach dem Willen des Volts, fondern kraft 
Ernennung durd den Chan. Das Volt vollends 
bat nichtö mehr mitzuiprechen: die Bolläverjamm: 
lungen (wecze, v&te) hören auf. Der Chan ijt der 
abjolute Herr Rußlands, er wird Zar genannt, mit 
dem Xitel der byzant. Kaifer: feine Macht iſt unbe: 
ſchränkt, fein Wille eriebt Geſeß und Net. Inter 
jeiner Oberboheit und der Willfür feiner Beamten 
fonzentriert fi in dem ihm unterworfenen Rußland 
alle Macht in den Händen der Fürjten, von Gejet 
und Recht ijt wenig die Nede. Nur in Nowgorod 
und Pleſtau, wohin die Mongolen nicht gedrungen, 
behält das Volk das Übergewicht: bier bleibt der 
Fürſt der vom Volle berufene riedensbewahrer 
und die Voltsberrfchaft bildet fih im mehr oder 


Ruſſiſches Recht 


weniger * Formen aus. Aus dieſen beiden 
Städten allein haben ſich Geſehe erhalten, in denen 
die bamalige Organijation und das beitehende Recht 
authentiich und direft bezeugt werden: die a 
flauer Gewohnheiten» und das als Bruchſtüd erhal: 
tene «Nomwgoroder Statut», Als charalteriſtiſch ma 

erwähnt werben, daß in biejen Stadtrechten zuer 

die Todesftrafe als gejeplich feititebend vorlommt. 

Die von den Zatarendanen verwirllichte Idee 

eines deſpotiſch regierten Einheitsſtaats wurde von 
den Großfürſten von Moskau acceptiert, Anfangs 
gefügige Werkzeuge der Diongolen , vernichteten Nie 
mit deren Hilfe die Macht der Fürften, wobei 
fie von der Geiltlichleit, welche fih des Scukes 
der Mongolen erfreute, gegen Volt und Surfen 
unterjtügt wurden. Echliehlih, als das Mongolen: 
reich zerfiel, traten fie jelbjt an die Stelle des Chang: 
der Großfürſt von Moslau wurde jo unumjcränfter 
Gebieter Rußlands und nabm Stellung und Titel 
eines Zaren an. Die unumſchränkte zariſche Gewalt 
erhielt die religiöfe Meibe, indem man fie als von 
Byzanz überlommen betrachtete. Nowgorod und 
Pleſtau wurden nicht nur unterworfen, fondern 
gebrochen, jedes Sonderredht, jedes jelbjtändige Necht 
ward vernichtet. Geſeß iſt einzig und allein ber 
Mille des Zaren. Das nterefie des Fislus üt der 
Maßſtab für das Geſeß, wo das in Frage kommt, 
wird alle nach dem Ermeſſen des Zaren und ber 
Beamten durch Ulkaſe geregelt. Was den Fiskus 
nicht unmittelbar — darüber gibt es keine 
Ulafe. Ein Gewohnheitsrecht ward nicht anerlannt. 
Es beſteht auch fein nadhweisbarer Zujanımenhang 
—— dem alten Gewohnheitsrecht und ben Ge: 
eben des mostowiidhen Zartums. Es entwidelte 
fih unter anderm ein ausgebildetes Dienft: und 
Grbgüterredht mit zahlreichen jubtilen Beitimmuns 
gen u. dol., allein es fehlte Rechtsbeſtändigleit und 
Rechtsſicherheit. Unter dem Großfürſten Iwan III. 
wurde das erjte allgemeine Gejekbucd) für ganz Ruß: 
land abgefaht, der Sudebnik, Gerichtsbuch (1497). 
68 iſt überraichend kurz, jtellt nur die allgemeinen 
Grundiäbe feit zur Handhabung ber Juſtiz und 
Heritellung der Sicherheit und Ordnung. Bar 
Iwan IV,, der Schredliche, lieh e3 vervolljtändigen 
(1550) und war auch thätig in kirchlicher Gejeb: 
gebung (Stoglaw, Sundertfapitel), Bon nın an 
wird der Einfluß des fanoniihen und röm. Nechts 
fehr merklich, Unter dem Haren Alerei Michailo: 
witich fam es zu einer Godifizierung des Ukaſen— 
rechts in dem Geſeßbuch (Uloshenie) von 1649. 
Verhältnismäßig umfangreich, iſt das Geſeß doch 
einjeitig und lüdenhaft, da es das Gewohnheitsrecht 
nicht berüdfichtigt. Zur Vervollitändigung find ein: 
elne Beitimmungen des röm. Rechts und des litauis 
chen Statuts herbeigezogen. 

Die Tatarenherrichaft hatte die Echeidung von 
Dit: und Weſtrußland zur Folge. Die ojtrufi. Für— 
ftentümer gingen im moskowiſchen Zartum auf, die 
weit: (Hein:, weiß:, rot:) ruffiichen im Groffüriten: 
tum Yitauen, 
Einfluß. Die Kultur war bier älter, das Recht ent: 
widelter, da& Mongolenjoch pn dieje Fürſten— 
tümer fajt nur geitreift, ſodaß es bier nicht zur 
Vernichtung des Gewohnheitärehhts fam. Tas ge: 
famte Recht, nicht nur die Grlajje der Regierung 
wurden hier codifiziert unter dem Titel «Litanijches 
Etatutv. (5. Litauiſches Redt.) 

Tas in den Uloshenie von 1649 zujammen: 
geitellte Recht Liegt noch heute dem Privatrecht 


Mit lekterm lamen fie unter poln,. 


937 


und manden Beflimmungen bes Strafrechts zu 
Grunde. Wenn auch Peters db. Gr, gewaltige Ne: 
formen dringend eine Erneuerung der Geſeßgebung 
forderten, fo verging doch das 18. Jahrh., ohne eine 
ſolche exreicht zu haben, Peter errichtete eine Geſekes⸗ 
tommiffion nach der andern, allein dieſe nahmen 
andere Angelegenheiten in Anſpruch, ſodaß die Ar: 
beit er sin blieb. Ebenſo ging es unter feinen 
Nachfolgern. Unter der Haijerin Eliſabeth wurde 
die Todesitrafe indirelt aufgehoben (Ulaſe von 1753 
und 1754), indem bis auf weiteres ihre Anwendung 
ausgeſeht wurde; jtatt ihrer trat der polit. Tod ein, 
Auch die grobartigen Pläne und Projekte der Kaijerin 
Katharina II. führten nicht zum Ziele, wenn jie 
auch nicht ganz rejultatlos blieben. Sie erließ eine 
Inſtruktion zur Abfaſſung eines neuen Gejerbuchs, 
berief zur Abfafjung eines ſolchen Depntierte der 
Behörden und Stände der einzelnen Gouvernements 
(1767), aber ſchon im näditen jahre ward die all: 
gemeine Verſammlung der Kommiſſion und 1774 
die lebte — wen geſchloſſen. Doc find 
während der Negierung der Kaijerin Katharina Il. 
wichtige und umfangreiche Gejege erlafien worden. 
Kaijer Alerander 1. errichtete die zehnte Geſetzes— 
tommiſſion 1804, welche bis 1825 beitand. Auch deren 
Arbeiten blieben refultatlos, Kaiſer Nitolaus bildete 
aus dieſer Kommiſſion die Zweite Abteilung der 
taiferl. Kanzlei und stellte Speranflij anderen Spibe. 
Nun wurde, beginnend mit dem Uloshenie von 
1649, eine Sammlung aller ſeitdem erlafienen Ulaſe 
in hiſtor. Reihenfolge veranitaltet. Man unterſchei— 
det zwei folder hijtor. Gejekiammlungen. Die erite 
enthält das Uloshenie und die feitvem bis zum 
12. Dez. 1825 erlafienen Gejepe, Verordnungen, 
Verträge in 48 Bänden (Petersb. 1830). Die zweite 
beginnt mit dem Manifeit über die Thronbefteigung 
des Kaiſers Nikolaus und umfabt die Erlaſſe der 
Kaiſer Nilolaus und Alerander II. (1825—81) in 
55 Zeilen, von welchen viele 2—3 Bände enthal: 
ten (61928 Nummern). Aus den bis 1832 erlajie: 
nen Gejegen wurde eine jyitemat. Bujammenitel: 
lung der noch geltenden Bejtinimungen angefertigt, 
der Swod Sakonow, das Geiehbuch, wörtlich: 
Zufanmenftellung der Gejepe. Am 1. Jan. 1833 
publiziert, trat diefes Gejepbudy mit dem 1. Jan, 
1835 in Kraft als alleiniges Gejeßbud), foweit nicht 
Provinzialrechte entgegenitanden. Durch den Swod 
iſt das geltende Hecht Nriert worden, und ein feiter 
Ausgangspunkt für die Fortentwidelung gegeben. 
Tod gibter nur eine ſyſtematiſche Zufammenftellung 
des Ulaſenrechts; er lennt fein Gewohnheitsrecht 
und jpricht ſolchem jede Geltung ab. Dem Geieh: 
buch feblt die Einheit, es fehlen feite Grundſätze, es 
iſt fafuijtiich und lüdenhaft. Die zweite Ausgabe 
erichien 1842, die dritte 1857, beide in 15 Bänden, 
Am 3. 1876 erſchien die vierte Ausgabe, jedoch) 
nicht vollitändig, weil an der völligen Umarbei: 
tung einzelner Zeile gearbeitet wird. Einer fol: 
dien Umarbeitung ward zuerit das Strafrecht 
unterzogen. Am J. 1846 eridien dasjelbe als 
igftematiiche fiberarbeitung (Uloshenije), doch ent: 
bielt es nur eine fajuiitiihe Vermehrung der Ar: 
titel. In der zweiten Auflage von 1857 war es 
auf 2304 Artifel gebracht. In der dritten Auflage 
von 1866 find die Polizeiübertretungen meiſt aus: 
geſchieden und im Friedensrichterſtrafgeſeß von 
1864 zuiammengefaßt. Gegenwärtig wird an einem 
neuen Straigejesbud auf moderner Grund— 
lage gearbeitet, 


938 


Unter ber Regierung Raifer Aleranbers II. wurben 
bie Reformen durch befondere — Geiebe 
—— AT erfolgte die Aufhebung ber 

da 

Banner ift die Juſtizreform. Die Geridts:, Stra 
prozeh: und Eivilprozeßordnungen vom 20. Non. 
1864 haben die Trennung ber Juftiz von ber Ber: 
waltung angebahnt, das Schwurgericht eingeführt | r 
und durch Annahme ber Grundfäge der Offentlich— 
feit, Münblichleit und der freien Beweiswürbigun 
die Handhabung ber Juſtiz gegen früher weſentli 
gefördert. An der Abfaſſung einer neuen Handels: 
und Wechſelordnung, einer Hypothelenorbnung, 
gen —— des Privatrechts wird ſchon lange 

tbeitet; von allen dieſen Gejegen iſt nur bie 
Be felordnung vollendet, aber no t bur 

rat gegangen. Rad ähnlichen rundfähen 
wie das allgemeine Gefe Ir bud wurde ein Militär: 
geiehbud 1839 a rt im %. 1859 wurbe eine 
zweite Ausgabe verö ni tun feit 1868 erfcheint 
eine dritte —— Im J. 1840 wurde zur Be: 
förderung größerer Einheit zwifchen Großrußland 
und den w * Gouvernements das Litauiſche Sta- 
tut aufgehoben und das ruſſ. Privatrecht und der 

Civilprozeß in den weſtl. ;ouvernements einge: 
führt. Für die Dftfeeprovingen iſt ein beſonderes 
Geſeßbuch ruſſiſch und deutich abgefaht worden. 
Band 1 und 2 enthalten die Behördenverfaflung 
* das Ständerecht (1845), Band 3 das Privat: 

t (1864), Band 4 und 5 follen ben Civil: und 
minalpro —* enthalten. Das Kirchenrecht iſt 

in den Swod Sakonow nicht aufgenommen. Das 
ee e en it enthalten in ber Kormezaja 
Neuerdings find daraus die Cano- 

sc * ir worden als Kniga prawil (1839 und 
8 vom Staat erlaflene —— iſt 

— enthalten im geiſtlichen Reglement 

eters d. Gr. von 1721 und im Statut der geift: 
li 2535 des Kaiſers Nilolaus von 1841. 

— ſ. Rußland. 


Das Ruſſiſche gehört zu | (4.2. 


der — tl. Abteilung der flam. Sprad): 
amilie, feine näditen Verwandten find daher 
nnerhalb diefer das Bulgarifche, Fiir arg 
und Sloweniihe (die füdjlam. Spraden); 
Ken ächliches unterſcheidendes Merkmal des Auf: 

chen dieſem gegenüber ift die Tautrupne oro, m 
wo jene ra, r&, olo, wo jene la 


u ie 
füdjlaw, grad, ruf. gorod, Stadt; fer, 
ruji. bereg; ‚ mlad, ju ng, t win mlöko, 
Milch, ru . moloko. Tas : amte Ruffifch zer: 
fällt in drei Hauptdialektgruppen: 1) Kleinruf: 
ſiſch; die Nordgrenze bildet eine Linie von Bialy: 
ftot nad) Pinst, von da bis an die Mündu — 
Pripet in den Dnjepr, weiter bis Molin ( 
vernement Tichernigom), von da über Arne 
bis Woronefh; weiter nach Diten erftreden ſich noch 
größere und Heinere Spradyinjeln —— das 
Land der tſchernomoriſchen Koſalen zwiſchen Don— 
mündung und Kuban); die Weſtgrenze wird ge: 
bildet dur eine Linie von Bialyftot nad) \jaro: 
law in Galizien, von da nad) Sandez; die "Süd: 
grenze ungefähr durd) die Linie Sande, Unghvar, 
Nagy: Szigeth, Ezernowis, Chotin, von da im gan: 
zen und großen durch den Dinjeftr. Der polit. Ein: 
teilung ig | ehören aljo zum kleinruſſ. Sprad): 
gebiet in Rußland hauptſächlich die Gouverne: 
ments Grodno (jum Ave Minsk (zum Teil), Vol: 
bynien, Podolien, Sherjon, Kiew, Tſchernigow, 


Die wichtigſte Reform nädhjft | Oft 


ben | ®ilna, 


Auffifches Reich — Ruffiihe Sprade 


Poltawa, Yelaterinoflam, Ehartow, Woronefh; der 
öftl. und Tüdl. Zeil ftarl mit Großrufien vermildt, 
Nie eſe —— — — urien; in 
fterreih-Ungarn: d 
ein —— Ne fl Harte den a oben 
angegebenen Grenzen ie 
—7 en bie Bezeichnung Ruthenen. 2 Weiß⸗ 
Weſt⸗ und Nordweſt — eg 
J— Mick von Bialyftot über en ge 
———— nad) Luzhn; die R „die 
Linie Luzyn· Wjasma; die Den dur die 
von ** bis die atlang bie Pine 20; die Sad 
vn. en i von da 
Linie Bialyftot, Bus Beisru'; 
ſiſche de alt ey in die Gouvernement3 ®rodno, 
Witebät t, Mobilem, Minzt. 
3) Großruffiid; fällt im das gelamte von den 
bezeidhneten Grenzen nördlich und öftlich Tiegende 
Gebiet. (Dal. —— itteilungen», Bd. 24 
1878, Die Hauptitä —*— Ruſſen⸗.) Un: 
terfeibenbefpradliche ledesflleinruffiichen 
find h gegenüber großrufl. g, 3. B. horod, Stadt, 
gro ai, gorod, i gegenü er grokruf. &, 8». bilyj, 
oßruff. bölyj. Das fi nimmt 
me eine Witteiftelung — ud und 
—— ein, — ſich aber mehr dem let 
bruffiiden, namentlich dem 
—— — —— die ruji. Schrüftiprade 
Ba ı Jeit der Entftehung der Litteratur im 11. * 
man in Rußland in dem aus B 
rlommenen sienflamii (Altbulgariſch, Alt: 
ſloweniſch), aufweldesvon Anfa Rational: 
ſprache —5* bis dieſe a ich, ganz burd- 
mn re gi Ian 18. Jahrh., in der Orferahır zur 
ngte; doch bat auch Pe —28— die ruſſ 
ragen Bee —— w. 
vor a te hiſtor. ae die it 
dem —— Ihe der Sprache nicht paft, bei 
behalten, fie entipricht daher der wirklichen * 
ſprache fowenig, wie die franzoſiſche oder engliſche 
geichrieben wirb moe «meined» , geſprochen 
maj6). Bon ben zahlreihen grammatiſchen Wer: 
m über das ——— d. h. die großrufſ. Schrift: 
ſprache, ſeien als wichtigere genannt: Buchmager, 
—— der ruſſ. Sprade» (Frag Ku 
Gretf&,«Grammaire raisonnde de la] 
traduite du Russe par Reiff» (Beter3b. 1828-29). 
Boitolow, «Russkaja grammatika» (in vielen Aufl., 
12. Aufl., —— sr). Eine dem heutigen 
Stande der ide | entfpredhende große Sram: 
matik de3 Ru ehlt. Die ine ve ber 
Sprade Sehnde 8 En aim, «Istori® 
matika russkago jazyka» (4. Aufl., Most. 1875) 
Als Hilfsmittel zum praftiihen Erlernen der 
Sprache find 78* Bymazal, «Rufj.Gram: 
matif, zunächſt für den nterridte (Brünn 
1880): «Praltiſcher Leitfaden zum Er: 
lernen der ruf. Sprache» (9. Aufl, Reval 185); 
Manftein, «Handbuch ber ruſſ. Sprade» (Ep. 
1884; namentlich für die Ausſprache) ie größ- 
ten Wörterbücher find: das der peteräburger Ata- 
demie («Slovar cerkovno-slavjanskago i russkago 
jazyka», 2. Ausg., 4 Bde., Petersb. 1867 —68); 
Dahl (Tal), «To kovyj slovar Zivago velikoruss- 
kago jazyka» (4Bde., Most. 1863—66; 2. Ausg, 
Petersb. 1879 fg.). Bon leritalifchen Hilfsnuitteln 
für — 5* e find die beiten: Bawlomwiti, Ruſſiſch 
beutfches Wörterbuch» (2. Aufl., Riga 1879), «Roll 
ftändiges deutidh:rufl. Wörterbuch (2. Aufl, Kin: 


Nuffiiher Stid — Ruſſiſch-Turleſtan 


1867); einere Lerifa find: Schmidt, «Bollftändi- 

e3 rufl..deutihes und deutſch⸗ruſſ. Wörterbuch» 
0. Aufl., 2 Bde., “ . 1873); Lenſtroem, «Rufl.: 
deutſches und deutih:rujl. Wörterbuch, (Mitau 
1871 fg.). (S. aud) Kleinruffen.) 

Rufif er Stich, ſchmale durchbrochene Quer: 
ftreifen in Geweben, weldye durch verichiedene Arten 
der Fäbenverkreuzung hervorgebracht. werden und 
beſonders ald Verzierung baummollener Gardinen: 
und Kleiderjtoffe, wie Mull, Jaconnet, dienen. 

Ruſſiſch⸗Frauzöſiſch⸗Deutſcher Krieg von 
1812 bi 1815, KAnIDDentigsnten: 
Ballen Kriegvon 1812 bi3 1815. 

uffifch » Öfterreihifch- Türkifcher Krieg 
von 1788 bis 1791, |. unter Rußland (Ge: 
ſchichte) und Osmaniſches Reid (Geihiete). 

Ruffifch-Schwedifcher Krieg von 1 
bis 1790, f. unter Finniſche Kriege und 
Guſtav IIL (König von Schweden). 

uffifch: Turkeftan oder Weit: Turteftan 

zum Unterjdied von dem zum Chinefiichen Rei 

ehörigen Ditturleftan, die nordmeitlih von dem 

estern gelegene Landergruppe in Mittelafien, welche 
zum Ruſſiſchen Reid) gehört und das ruſſ. General: 

ouvernement Zurfeitan bildet. Sie iſt begrenzt 
im N. von den rufi.scentralafiat. Gebieten Zur: 
gaj, Almolinzt und Semipalatinät, im D. von ber 
chineſ. Dfungarei, im ED. und ©. von Kaſchgar 
(Ditturteitan), Pamir, der Bucharei und Chimwa, 
im ®. vom Uralfee, und umfaßt die Provinzen 
Semi u und —— ſowie das weſtl. 
Iligebiet, die Bezirle Serafſchan, Ferhgana und 
Amu:Darja, mit zufammen 1070521 qkm und 
3216000 55 beſtehen zum größten Teil aus 
Kirgifen (1'/, Mill.), dann Sarten (690000), Us- 
beten, Tadiils u. a.; Ruſſen gibt e3 in R. 59283 
(ohne Militär). Der SD. des Generalgouverne: 
ments ijt durchzogen von Gebirgen, dem Alatau, 
dem Thianfhan und feinen weitl. Berzweigungen, 
die zum Zeil den Charalter von Hochalpen haben; 
der NO. iſt Flachland, größtenteild Steppe oder 
fogar Sandwüuſte. Hauptitröme find der Syr:Darja 
und Amu:Darja, weldhe in den Araljee münden, 
ferner der Ili, der in den Balchaſchſee mündet. Die 
Flüſſe Serafihan, Earyfu und Tſchu, zum Gebiet 
des Syr:Darja gehörig, erreichen nicht den Haupt: 
ftrom, fondern verlieren fih im Sande, Außer den 
genannten zwei Seen find noch zu erwähnen der 
Siiytekul, der Alastul und Kara:kul. Das Klima 
zeichnet ſich durch Trodenbeit aus und durch ſcharfe 
libergänge von Tag und Nacht, ſowie der Jahres: 
zeiten. Die Sommerbhibe dauert drei bis fünf Mo: 
nate und erreicht eine Höhe von 35° R. im Schatten 
und 45—50° in der Sonne, Gegen 55 ige: des 
Grund und Bodens find ganz er ne (Berge 
und Sand). Der Aderbau beſchränkt fih nur auf 
Dafen längs der Flüffe, und wird vorwiegend mit: 
tel3 fünjtlicher —— betrieben, indem das 
Waſſer aus den Flüſſen durch Kanäle (Aryken) 
auf die Felder geleitet wird. Außerdem wird Baum— 
wolle gebaut und Seidenzucht getrieben. Wälder 
find ſpäͤrlich und faſt nur ım NO. des Landes ver: 
treten. Bedeutend ift die Viehzucht, befonders von 
Schafen, nit nur bei den Nomaden, fondern auch 
bei der eh aften Bevölkerung. Der Bergbau wird 
noch nicht betrieben, obgleich das Land reich ift an 
edeln Metallen, Kupfer, Eijen, Salz, Steinfoblen, 
Petroleum u. f. w. Sehr entwidelt ijt der Handel 
mit Rußland und mit China; er liegt in den Hän— 


939 


den von Ruſſen und Sarten und konzentriert fid) 
namentlid in den Städten, bejonders in Taſchkend, 
das aud das adminiftrative Gentrum des General: 
gouvernements it. Bon den Hauptpoftwegen aus 
Taſchlend ins Europäifche Rußland geht der eine 
über Orenburg, der andere über Wernoje, Semi: 
palatinsk und Omst, 

Außer den merkantilen Vorteilen ift R. für Rub: 
land a dadurd) wichtig, daß es ihm die 
breiteite Operationabafis zum Vorbringen in Gen: 
tralafien bietet. Diefe Bolitit befolgt Rußland 
ſchon feit anderthalb Kahrhunderten. Der Erpedi: 
tion des Generals Belewitſch, der 1717 in Chiwa 
gefangen und hingerichtet wurde, folgten zahlreiche 
andere, bis 1819 Murawjew vom Kaſpiſchen Meere 
bis zum Araljee vordrang. Seit der volljtändigen 
Unterwerfung ber Kirgiſenhorden wurden dann, 
bejonders 1833 —40, forgfältige Nefognoszierungen 
von den Drenburgiihen Steppen aus nad) dent 
Araljee und dem Syr:PDarja unternommen, an 
dejien Mündung General Obrutſchew die Forts 
Aralst und Nowo:Petrowal erbaute. General 
Perowflij, Gouverneur von Drenburg, zeritörte 
1850 mehrere Fort3 am Gyr:Daria, wo 1853 
Kontreadmiral Butalom das widtige ge Be: 
rowftij_anlegte. Die fortwährenden Raubzüge 
in3 rufj. Gebiet und die Unterbredung der Ber: 
bindungslinie der Rufen von Orenburg nad Süd: 
are hatten dieſe bewogen, ſich am Norbufer 

es Syr:Darja feitzujegen. Seit 1864 fahen fie 
fich genötigt, weiter an diefem Fluſſe vorzugehen. 
Sie bemädtigten fi der Städte Turleſtan und 
Aulieta, ftellten die Verbindung zwiſchen beiden 
ber und nahmen bie Städte Tſchemlend, Nijasbeg 
und Tihinas. Das eingenommene Land, die Nord: 
hälfte des Chanats Choland, wurde durch Ulas 
vom 12, (a0. Bein. 1865 nebft bem frühern ruji. 
Gebiet vom Araljee bis zum Zifit:kul als Gou: 
vernement Zurkeitan dem Generalgouvernement 
Drenburg einverleibt. Da jedoch ber Chan von 
Khokand die neue ruf]. Provinz angriff, fo rüdten 
die Ruſſen gegen Taſchlend, welches fie 28. Juni 
1865 einnahmen, jedoch 23. Sept. wieber räumten, 
indem fie das «Chanat Tafchtenb» für einen unab: 
hängigen Staat unter dem Schuge Rußlands er: 
lärten. Hiergegen trat aber ber Emir von Bolhara 
auf. General Romanomftij Wi deshalb aber: 
mals die Offenfive, nahm 14. Mai 1866 die Feite 
Nau, ihlug den Feind 20. Mai bei Irdſchar am 
Eyr:Darja (52 km im Weſtnordweſten von Khod— 
hend) und nahm ſchließlich 5. er Khodſchend 
mit Sturm, womit Rußland in Beſitz vom weſtl. 
Kholand und von dem ganzen Beden bes Gyr: 
Darja, fowie von der direften Straße nad) Kaſch— 
ar und Jarkand in Zurfan fam. Hierauf wurde 
Sichtend durd Proklamation vom 29. Aug. für 
eine tuſſ. Stadt erflärt. Endlid nahm man 14.Dtt. 
Uratübe, 18. auch Dſchiſak, den lekten Stüßpunlt 
de3 Emirs von Bolhara, ein und bejekte das ganze 
Gebiet zwiichen dem Syr und ber Asferahlette, 
das wegen feines Neichtums an Pebensmitteln und 
andern Hilfsquellen für die Behauptung des nörd: 
lihern Gebiets notwendig war, Nachdem bereits 
Ende Nov. 1866 der Krieg aufgehört, ſchloß man 

rieden mit dem Emir von Bolhara. Als im An: 
chluß an immer erneute Nevolutionen in dem nod) 
frei und unabhängig gebliebenen öftl. Teile des 
Chanats Kholand die Einwohner desjelben 1875 
einen großen Religions- und Rafjentrieg gegen die 


940 


Auffen unternahmen und in das ruſſ. Gouverne: 
ment Turkeſtan einfielen, führte dies zur Unter: 
werfung von ganz Kholtand; unter dem Namen 
Ferghanagebiet wurde der nun auch eroberte Reit 
dem Gouvernement Turleſtan einverleibt (2. März 
1876). Das Gebiet von Kuldſcha oder das Ili— 
Gebiet kam 1871 dazu, body wurde der größte Zeil 
desjelben (etwa 60000 qkm) mit der Stadt Kuldſcha 
ſelbſt 1881 wieder an China zurüdgegeben und Ruß⸗ 
land behielt nur den weſtlichſten Zeil (11288 qkm 
mit 70000 E.). Bol. Berholdt, «Turfeitan» (Lpz. 
1874); «Umſchau im ruf. Zurfeftan» gem 1877); 
Fedtichento , «Reife in Turleitan» (ruſſ., Petersb. 
1875), Schuyler, «Turkestan. Notes of a journey 
in Russian urkestan, Khokand, Bukhara and 
Kuldja» (2 Bde., Lond. 1876); Koftento, «Turke- 
stans N kraj» («Das Turleſtaniſche Land», 3 Bde., 
Petersb. 1880; militärifch:itatiftiich). 
Ruffifch: Türkifcher Krieg von 1328 und 
1829. Dei dem Regierungsantritt des Kaiſers 
Nikolaus hatten die Beziehungen Rußlands zu der 
Pforte wieder einen drohenden Charakter ange: 
nommen, Beide Mächte beichuldigten ſich gegen: 
feitig, die Beftimmungen des Friedens von Butareit 
verlept zu —* 3 lam nun zwar ein neuer 
Vertrag zu Aljerman 6. Dit. 1826 zu Stande, der 
die Intereſſen Rußlands aufs neue fihern follte, 
allein die Ausführung desjelben feitens ber Pforte 
war fo wenig wahrjdeinlih, daß Rußland ſchon 
Truppen an den Örenzen zu fonzentrieren begann 
und nun auch die griech. Angelegenheit zu feinen 
Zweden benuste. Es ſchloß 6. Yuli 1827 mit 
England und Frankreich einen Vertrag ab, zur Her: 
ftellung eines felbftändigen grieh. Staats. Auf 
die Meigerung der Pforte, in dieſem Sinne zu han: 
deln, fam es zu der Seeſchlacht bei Navarino, wo: 
bei die osman. Flotte von der vereinigten engliſch— 
franzöfiich : ruffilchen vernichtet wurde. Außerdem 
war die Biorte durch die eben erfolgte Vernichtung 
ber er ige ſehr geſchwächt, und batte eigent: 
lih auch fein Landheer. Diejen Moment bielt 
Nupland für geeignet, mit ber Nriegserllärung vor: 
ugehen. Sie erfolgte 28. April 1828 und die 
riegeriihen Operationen begannen gleichzeitig an 
zwei Orten, auf der Balfanhalbinjel und in Ajien. 
Die für die Baltanhalbinjel beftimmte Armee 
war in einer Stärke von 178000 Dann in Bejjara: 
bien zwijchen Pruth und Dnnjeftr konzentriert, und 
überjchritt am_7. Mai unter dem Feldmarſchall 
an: Wittgenitein den Pruth. Sie bejehte die 
oldau und Walahei, ging am 8, Juni bei Satu: 
nowo (une Iſaltſchi über die Donau, belagerte 
bie Feſtung Braila, die am 17. Juli kapitulierte 
und worauf fih dann aud die andern feiten Pläbe 
der Dobru ia ergaben. Wittgenjtein war in: 
—— auf Baſardſchil vorgerüdt. General Roth 
lodierte die — Siliſtria und Giurgewo, 
und General Geismar hatte den äußerſten rechten 


ginge! zu deden und die Feitungen Nitopolis und | 
iddin zu beobachten. Der Hauptangriffspuntt | rung von Giurgewo und Silijtria. 


follte urſprünglich Varna fein, wohin aud Graf 
Sudtelen jhon am 14. Juli mit der Avantgarde 
gelangte und von der Belapung beftig angegriffen 
wurde. Gin anderes Detachement wurde nad) 
Prawady geſandt, doch ging das Hauptheer jchlich: 
lich gegen Schumla vor, wo ih Huſſein Paſcha in 
einem — Lager konzentriert hatte, Nach 
Leinen Plänkeleien tam es bei Jenibazar zu einem 
Gefecht, bei dem ſich die Türken zurüdzogen, Zu 





Ruſſiſch-Türkiſcher Krieg von 1828 und 1829 


einer volltändigen Einſchließung von Schumla er: 
wieſen ſich die rufj. Streitkräfte als zu ſchwach; fie 
ſchlugen mehrere Ausfälle fiegreich zurüd, mußten 
ſich aber ſchließlich durch Mangel und Krankheit ge: 
mungen wieder auf year fowie weiterhin jur 
elagerungsarmee bei Siliſtria zurüdziehen. Bor 
Barna war Ende Juli der Admiral Greigh mit der 
ruſſ. Flotte — und ſchiffte Truppen unter 
dem eral Menſchilow aus. Bon Schumla kam 
der Kaiſer felbft mit einem Regiment und lie; 
nun nad \nipizierung der Truppen, die gegen 
0 Mann betrugen, die Belagerung beginnen. 
Bei einem Ausfall der Türken am 21. Aug. ward 
Menſchikow ſchwer verwundet, und an feiner Stelle 
erhielt General Woronzow das Kommando. Zur 
Entjegung Barnas rüdten Mebemed Selim Paſcha 
aus Adrianopel und Omer Brione aus Schumla 
beran. Lebterer wurbe 20, Sept. vom Prinzen 
von Württemberg bei Kurtepe angegriffen und nad 
erbittertem Kampf von beiden Seiten — 
worfen. Varna ergab ſich 10. Dit. und wurde 
am Tage darauf von den Ruſſen Di: Bei 
Siliftria und Giurgemo wurden die Belagerer 
durd häufige Ausfälle beläftigt. Am erjtern Orte 
—— die Ende Oktober gefallenen Regen die ruſſ. 
randeen, und Fürſt Tſcherbatow ſah ſich genötigt, 
10.Nov. die Belagerung ganz aufzuheben. General 
Geismar wurde 18, Aug. vom Paſcha von Widdin 
mit 20000 Mann angegriffen und auf Krajoma 
jurüdgeworfen, fchlug aber am 27. Sept. den Feind 
wieder und machte große Beute. Auf dem afiat. 
Kriegsihauplak u die Ruſſen mit 40000 Mann 
unter Paslewitſch vor; er erjtürmte 5. Juli Kart. 
a a ging von Tiflis aus gegen Poti vor, 
das ſich am 27. Juli ergab. Es folgte darauf bie 
Kapitulation von Achallalati. Am 21. Aug. ſchlug 


| Bastewitic zwei Paſchas am Kur und nahm darauf 
Achalzich ein; e3 ergaben ſich ferner Aitur, Bajazeı, 
| Djadin und Zopra:fale und Paskewitſch bejos 


ſchon im Dftober die Winterquartiere, Bevor Gene 
ral Menſchikow nad) Barna fam, war er im Mai 
bej Anapa en und hatte die Stadt genommen. 

Die Stellung der Rufen auf dem europ. Krieg? 
ihauplage war eine günftige nicht zu nennen; bei 
nur einiger Energie der Türen hätten jene in die 
gefährlichite Lage fommen können. Der Sultan 
hatte aud wirklich die Abjiht, während des Win: 
ter3 den Ruſſen alle Groberungen zu entreiben. 
Varna jollte unter allen Umjtänden genommen 
werden, weshalb Tſchapon Dglu mit 12 000 Dann 
nach Aidos gejandt wurde, wo ſich auch andere 
Truppen lonzentrierten. Die Befakungen der 
Feitungen an der Donau und in Aſien wurden ver: 
ſtärkt. Die ruf. Armee hatte, außer der Abteilung 
bei Varna, während des Winter durch Nrant 
beiten und erichwerte Zufuhr fehr gelitten. Aud 
ging während diejer Zeit der Oberbefehl vom Für: 
ſten Wittgenjtein auf den Feldmarſchall Diebirie 
über, Schon im Mai begann wieder die Belage 
Anı 27. Febt. 
hatte der Kontreadmiral Kumany zur See Sifebolu 
angegriffen und eingenommen. Im Mai erfodt 
die türf, Flotte bei Grelli einen Sieg über vier ruf. 
Schiffe. Am 10. Mai brach Diebitfch auf, gina 
nad einem bartnädigen Gefecht bei Silijtria über 
die Donau, ſchloß dieje Feitung vollends ein un) 
fiherte zugleich die Berbindungslinien mit Varna 
und Prawady. Das von den Ruſſen befeftigte 


Prawady wurde von Reihid Paſcha belagert, der 


Ruſſiſch⸗Türkiſcher Krieg von 1853 — Nuffifh:Türkifcher Krieg von 1877 


ſich aber beim Heranrüden Diebitſchs mit 40000 
Mann auf Kulewtſcha zurüidzog. Zu einer Ent: 
—— lacht am es am 11. Juni bei Matara, 
ie den Zürlen eine ſchwere Niederlage brachte und 
fie auf Schumla zurüdwarf, Am 30, juni ergab 
ſich Siliftria. Diebitſch bereitete nun den Übergang 
über den Balkan vor, ließ General Roth am nie: 
dern und Nüdiger am obern Kamtſchil genen das 
Dorf Röpritöi vorgehen, denen Pahlen folgte, wäh 
rend Kraſſowſti den Großvezier in Schumla feit 
halten ſollte. Der Erfolg war überall günftig und 
die Ruſſen hatten ſchon die Höhe des Balltan über: 
ſchtitten, als Ibrahim und Mohammed Paſcha 
21. Juni dem Poſten von Köprildi zu Hilfe lamen; 
er war aber ſchon in Feindeshand. Ihre Abteilung 
wurde fpäter von Rüdiger geihlagen (25. Juli), 
der Aidos mit Sturm nahm. Tſchermetew nahm 
am 2. Aug. Jamboli ein, Nun ging Diebitſch mit 
der Hauptarmee gegen Abdrianopel vor, ſchlug 
12. Aug. das Korps des Seraslier bei Slimno 
und ftand am 19. Hug. vor Adrianopel, dad am 
folgenden Tage kapitulierte, Für diefen glänzen: 
den Grfolg erhielt Diebitic den Beinamen Sabal: 
fanftij (d. i. der den Ballan überſchritt). Unter: 
dejien hatten die rujj. Truppen an der Tonau einen 
Heinen Krieg mit den türt. Streiftorps zu führen, 
welche aus dem Lager von Nitopolis ausbraden. 
Deshalb erftürmte der Oberſt Gowarow 25. Juli 
diefes — ſah ſich aber 14. Aug. in Turna ſelbſt 
von den Tarken eingeſchloſſen, wobei ihn nur die 
fchnelle Hilfe Kifjelews rettete. Kurz darauf er: 
oberten die Türken Rahowa und ftellten dadurch 
die Verbindung zwiſchen Nitopolis und Widdin wie: 
der ber. Bon Wibdin aus machte der Paſcha von 
Skutari einen Ausfall in die Kleine Waladei, 
tonnte aber General Geismar niht3 anhaben. In 
Aſien ſchlug Paskewitſch 30. Juni den Seraätier 
unweit Kainli, fowie 2. Juli Hagli Paſcha bei 
Millidufe, eroberte Erzerum, flug 24. Aug. den 
Paſcha von Trapezunt bei Gumuſch-Chane und 
nahm lehtered ein. i 
as rafche Vorſchreiten ber Ruſſen in Ajien 
flößte in Konftantinopel Schreden ein. Dazu 
drohte ein Aufitand des Reſtes der Janitſcharen. 
Ter Sultan wurde daher den Mahnungen der Diplo: 
matie zu Friedensverhandlungen gewogener, Am 
energiichiten wirkte der preuß. Militärbevollmäd): 
tigte Müffling, der in einer außerordentlihen Frie: 
densmilfion nad) Konftantinopel gefandt war. Es 
tam 24. Sept. 1829 der Friede von Adrianopel 
zu Stande, wonad) die Pforte in Afien einige Grenz: 
ebiete abzutreten, in der Walachei einige Forts zu 
hleifen, 10 Mill. Dutaten Kriegstoften zu zahlen 
und fid) den Beichlüfien der Vertragemächte über 
Griechenland zu fügen hatte. 

Litteratur: Iwanitſchew, «Geſchichte des rufl.s 
türt, Kriegs» (Imenau 1829); von Wipleben, 
«Geichichte des Feldzugs von 1828 und 1829» 
(Magdeb. 1829 u. 1831); «Der Feldzug im %. 
1828 und 1829 in Europa, Aſien und dem Hau: 
tafus» (xuſſiſch, 2 Bde., Vetersb. 1830); Uſcha— 
low, «Geſchichte der Feldzüge in der aſiat. Türkei 
1828 und 18290 (ruſſiſch, 2. Aufl., Warſchau 1843; 
deutſch von Lämmlein, Lpz. 1838); Yuljanowitich, 
«Beichreibung des türk, Kriegs in den %. 1828 
und 1829» (ruffiih, 4 Bde., Petersb. 1844—48); 
von Moltke, «Der rufi.stürt. Feldzug in ber 
europäifchen Türkei 1828 und 1829» (Berl. 1845; 
2. Aufl., Berl. 1877), 


= 


941 


rg Dan er Krieg von 1853 bis 
1856, |. Drientlrieg. 

ir Di cher Krieg von 1877 und 
1878. Als nad) Unterdrüdung des Aufftandes 
der Rajah in der Herzegowina, Bosnien und Bul: 
garien die türl. Heere im Begriff waren, in Mon: 
tenegro und Serbien einzurüden, nachdem fie die 
ferb. Armee aus dem Felde geichlagen hatten, er: 
zwang Rußland durch Ultimatum vom 30. Dit. 
1876 einen Waffenftillftand 2* den friegfüh: 
renden Mächten und ermöglichte dadurch das ge: 
meinfame Handeln der europ. Mächte zum Schube 
der Najah. Auf Vorſchlag Englands trat eine 
Konferenz der Großmädte in Konftantinopel zu: 
fammen, welde in der eriten Sihung, 23. Dez., auf 
Grundvorhergegangener Berhandlungen der Pforte 
folgende Forderungen ftellte: Friedensſchluß mit 
Serbien ohne Gebietöveränderungen und mit Mon: 
tenegro unter Abtretung einiger türk, Grenzbezirfe 
geringen Umfangs; Einführung einer beflern in: 
nern Verwaltung in Bulgarien unter riftlidhen, 
von den Großmädhten beitätigten Gouverneuren; 
—— der Ausführung der innern Refor— 
men burd) eine internationale Kommiſſion, welder 
ein internationales Polizeilorps direkt unterftellt 
wird; Bereinigung der — mit Bosnien 
und Einführung der für Bulgarien beſchloſſenen 
VBerwaltungsreform auch in diefer Provinz. Ruß: 
land gab den Beichlüffen der Konferenz durch die 
bereit3 13.Nov. 1876 befohlene Mobilmadyung von 
ſechs Armeelorps in den ————— Kiew, 
Charkow und Ddefla noch beſondern Nachdrud und 
brachte außerdem einen Zeil der Truppen in Haus 
tafien und im Militärbezirt Moslau auf Kriegs: 
ſtärle. Bier Armeelorps (8., 9., 11. und 12.) bil: 
deten die aktive Armee, zufammen 180000 Mann 
intlufive Stäbe und Berwaltung, und fammelten 
fih in Beflarabien, zwei Armeelorps (7. und 10.) 
wurden zum Schuhe der Hüften des Schwarzen 
Meers beſtimmt. Vier im Diſtrilt Moskau mobis 
lifierte Divifionen bildeten eine jofort verfügbare 
Referve der Dperationgarmee, drei laulaſ. Diviſio⸗ 
nen wurden zum Ginmarfch nad Armenien bereit 
— Die Pforte lehnte die Forderungen der 

onferenz ab und begründete dies dadurch, dab 
diefelben bereit3 dur die Rechtsſicherheit, weldye 
die ad hoc eingeführte Verfaſſung des Osmaniſchen 
Reichs allen Unterthanen gewäbrleifte, erfüllt jeien, 
worauf die Konferenz einen Zeil derjelben fallen 
ließ. Aber aud) jetzt noch blieb die Pforte bei ihrem 
ablehnenden Standpunfte, worauf ſich die Kon: 
ferenz auflöjte. Am 1. März 1877 erfolgte der 
Friedensſchluß zwiſchen der Türkei und Serbien; 
doch feßte die Türkei troßdem ihre Rüftungen fort. 
Durd) das Londoner Prototoll, 31.März, forderten 
die europ. Mächte die Bforte nochmals zur fchleus 
nigen Ginführung von Reformen in den chriſtl. 
Provinzen und zum Friedensichluß mit Montenegro 
auf, jowie zur Abrüjtung; doch lehnte die Pforte 
9. April diefe —— unter Hinweis auf die 
neu erlafiene Verfaſſung des Osmaniſchen Reichs 
vom 23. Dez. 1876 und die Verſammlung xuſſ. 
Heere an ihren Grenzen ab. Tamit war jede Hoil: 
nung, den Frieden zu erhalten, abgeichnitten, ans 
dererſeits aber auch der Krieg auf Nußland und die 
Türkei beichräntt. Rußland ſchloß 16. April mit 
Rumänien einen Vertrag über Negelung des Durch⸗ 
marjches ab und erklärte 24. April der Pforte 
den Krieg; auch Montenegro berief 16. April jeine 


942 


Unterhänbfer aus Ronftantinopel ab und befand 
fih damit im Kriegszuſtande mit der Türkei. 

Am 24. April 1877 waren mobil und operations- 
fähig auf ruſſ. Seite: in Haulafien 164000 Mann, 
an ben Hüften des Schwarzen Meers 56000 Mann 
und in Beſſarabien 136000 Mann. Die nad) den 
Donauländern beitimmte Operationsarmee, welche 
durd weitere Nachſchübe bis 15. Juni auf 216000 
Mann anwuchs, verfügte über 24 3erlegbare Dampf: 
bartafjen. Den Dberbefebl der europ. Operations: 
armee führte Großfürft Nitolaus Nitolajewitic der 
Altere, den der aſiatiſchen Generaladjutant Loris 
Melitow, Die türk. Streitfräfte waren am 24. April 
tel ndermaßen verteilt: die Donau:Armee unter 
Abd:ul:sterim Paſcha war 145000 Mann ftark, und 
zwar ftanden 60000 Mann unter Osman Paſcha 
bei Widdin, 30000 Mann längs der Donau von 
Rahowa bis Siliftria, 10000 Mann in der Do: 
brudiha, 5000 Mann bei Selvi, 20000 Wann 
bei Schumla und Varna und 20000 Mann Rejerve 
bei Sofia, Adrianopel und Konitantinopel unter 
Achmed Gyub Paſcha. Die Donauflotille war durch 
6 Schiffe der Meeresflotte verſtärlt worden und 
beftand aus 4 Banzerlorvetten, 9 Monitors, 5 Ban; 
zerbooten und 5 Slanonenbooten. Außerdem be: 
fanden ſich in der europ, Türkei 15000 Dann unter 
Reli Paſcha in Bosnien, 20000 unter Suleiman 
Vaſcha in der Herzegowina und 20000 unter Ali 
Saib Paſcha in Albanien, 10000 unter Mehemed 
Ali Paſcha bei Novibazar, welde die Inſurreltion 
und die Gtreitlräfte Montenegros zu belämpfen 
hatten; ferner 15000 Mann in Macedonien, Epi: 
rus, Thefialien und auf den Inſeln, ſowie eine all: 
gemeine Neferve von 25000 Wann bei Konftanti: 
nopel. Im ganzen waren jomit auf dem curop. 
Kriegstheater 250000 Mann mit 510 Feldgeihüsen 
verfügbar. In Hleinafien führte Multar Baicha den 
Dberbefehl über 57000 Dann mit 162 Gejchüken, 
von denen zur Zeit der Kriegserllärung 37000 
Mann bei Batum, Ardahan, Kars, Bajazid und 
den Grenzpoiten, 20000 als Reſerve zwiihen Kara 
und Erzerum ftanden. Außerdem befand ſich ein 
Beobachtungslorps von 19000 Mann an ber perf. 
Grenze, 8000 Dann in Kurdiſtan, 22000 Dann 
in Syrien und 14000 in Jemen. Die Gejamt: 
ftärle der türk. Truppen in Aſien betrug mithin 
120 000 Mann mit 372 Feldgeſchuhen. 

I, gelbaug in Kleinafien. Am 24. April 
rüdte die rufj. Operationsarmee in vier Kolonnen 
in Armenien ein, und zwar General Oklobſchio 
vom untern Nionthale gegen Batum; General 
Dewel von Athaltalati gegen Ardahan; General 
Heiman —* der Oberbefehlshaber General Meli: 
to) von Alerandrapol gegen Hars; General Tergu: 
laſow von Griwan nad) Bajazid. General Okllobſchio 
hatte 11.Mai ein glü Ra Gefecht bei Khukubani, 
uberſchritt 28, Mai den Kintriſchi, vermochte jedoch 
während des Juni keine weitern Fortſchritte zu 
machen. General Dewel eridien 5. Mai vor Ar: 
dahan, welches feit 1872 mit einem Gürtel von 
Forts verjehen und von 10000 Mann mit zahl: 
reicher Artillerie unter Hadſchi Hufiein Paſcha be: 
feht war. General Heiman wurde deshalb von 
ber britten Kolonne 13. Mai nach Bantis (füdöftl. 
Ardahan) herangezogen und der Plak am folgenden 
zage eingeſchloſſen; 16. wurde das türf, Lager auf 
ber Gulawerdihoͤhe geſtürmt, darauf die Südfront 
der Befeitigungen und die Stadt bombarbiert und 
17, Mai, mit Ausnahme des Fort Namazan, 


Ruſſiſch-Türkiſcher Krieg von 1877 und 1878 


welches in ber folgenden Nacht geräumt wurde, er: 
ſtürmt, worauf der größte Teil der bier verwen: 
deten Truppen zur Beritärfung der vor Kars jteben- 
den dritten Kolonne abrüdte. General Yoris Meli: 
low drang, fait obne Widerftand zu finden, über 
den Karsfluß 28. April bis Zaim (norböftlih von 
Stars) vor, wo er ein Lager bezog, während ein 
Stavallerielorps unter Fürſt Tſchawtſchawatze im 
Süden und Diten ber Seltung itreifte und deren Ver: 
bindung mit Erzerum unterbrad), woburdh der türf. 
Oberbefehlshaber Multar Paſcha veranlaßt wurde, 
28. April mit 6000 Mann aus Kars auf der großen 
Straße nad Erzerum abzumarjdieren. Durch die 
Anſammlung itarter Truppenmajjen am Sogbanlü: 
Dagh wurde General Melitow für die Kolonne de3 
Generals Tergulaſow beforgt und rüdte 29. Mai 
mit einer Divifion und zahlreiher Kavallerie nad 
Hadſchi-Khalil und Ardoſt am Karsfluß ab, bei 
welcher Gelegenheit Fürft Tſchawtſchawatze in der 
Naht vom 30. zum 31. Mai 4000 türt. Reiter bei 
Begli: Ahmed auseinanderjprengte. Das Lager 
von — wurde aufgegeben und das Gros der Ein⸗ 
ſchließungstruppen auf den Höhen von Arawaſtan 
und Kogaly (weitlich Kars) aufgeitellt, um mit den 
eigentlichen Belagerungsarbeiten von Kars zu be: 
ginnen; 9, Jun traf der Großfürft Michael in 
Kürüfdara ein und übernahm perfönlich die obere 
Leitung; 15. Juni wurde ein größerer Ausfall aus 
der Feſtung zurüdgeichlagen, 17. bis 23. Juni mur- 
den die Forts Muchlis, Arab und Karadagh ohne 
bejondern Erfolgbombarbiert. Nunmehr trat jedod 
eine Beränderung der gejamten Kriegslage ein, 
welde die Aufhebung der Belagerung notwendig 
machte, Muktar da batte nämlich jeine Opera: 
tionsarmee am Sogbanlü:-Dagh inzwiſchen bis auf 
35000 Dann veritärkt und war auf der nach Baia: 
ib führenden Straße vorgerüdt, 19000 Mann 
eines Heerd unter Ismael Paſcha ftanden in ftar- 
ter Stellung bei Zewin und ſchlugen 25. Juni einen 
Angriff der Rufen unter General ilow ab. 
Gleichzeitig erichienen bei Bajazid von Kurdiften 
ber neue türt, Streitkräfte, während auch Mutter 
Paſcha vom Soghanlü:Dagb gegen Kars bin vor: 
rüdte, Am 9. Juli wurde deshalb die ng 
aufgehoben und die Truppen in cine Bet 
Stellung öftlid ber Feitung, fowie, als 
ſcha weiter vordrang, in die Linie Ketieie 
ürüfdara:Kadillar 20. Juli zurüdgezogen, die 
Belagerungsartillerie aber in der Feſtung Aleran: 
drapol gefichert. 

General Zergulafom marfchierte von Jodit 7. 
und 28, April nah Bajazid, welches 29. April von 
der nur 2000 Mann ftarten türf, Beſatung unter 
Ali Kjamali Paſcha geräumt wurde, legte Be 
in bie Eitabelle und drang bis Arfib und 
gegen Güben vor, wo er bis 8. Mai ftehen blieb, 
rüdte alddann auf der nach Erzerum führenden 
Straße über Dihadin 15. Mai bis im die Nähe on 
Karalilifia, welches von türk. Truppen geräumt 
wurde, erftiemte 16. Juni die von überlegenen 
Kräften bejeßte ftarte Stellung auf der Wafleribeide 
zwiſchen bem öftl. Gupbrat und Aras unmeit Deli 
baba und wies einen von 15000 Mann unter 
Rultat Paſcha welcher Berftärkungen berangefübrt 
hatte, 21. juni unternomnıenen An rıff blutig je: 
rüd. Auf die Nachricht vom Berluft der Shlatt 
von Zewin und der Gefährdung Bajazids, das fei 
14. Juni von 13000 Dann Zürten und Kurden 
unter Ali Kjamali Pascha eingefchloffen wurde un? 


‘ 


Ruſſiſch-Türkiſcher Krieg von 1877 und 1878 


nur geringe Borräte befaß, eilte General Tergu: 
tafow zum Entſaß dieſes Vlabes zurüch, erſtürmte 
10. Juli die turk. Einſchließungslinien und befreite 
die Befagung, worauf der Küdzug, unter Häus 
mung der durch Seuchen und J törung unhaltbar 
gewordenen Siadt, auf ruſſ. Gebiet nad) Igdir an: 
getreten wurde. i 

Während die Rufen in Armenien —— 
ſuchten, hatten die Zürlen in Abchaſien einen Auf: 
ſtand der mufelmanifhen Bevölterung berbeige: 
führt, welcher ſich troß der ftarfen, in Kaulaſien 
unter Großfürjt Michael zurüdgebliebenen Bejakun: 
gen aud) auf das Teret- und 3 agbeitangebiet aus: 
dehnte. Am 5. Mai beichoß eine türk. Flotte Poti 
und 12. Mai Suchum, in deflen Nähe 1000 Ticher: 
leſſen ausgeihifit wurden; 16. Mai wurde Suchum 
nad längerm Bombarbement genommen, 23. Mai 
3000 Ticherkefjen bei Kap Adler gelandet, ſodaß 
Ende Mai die ganze Küfte von Kap Adler bis Kap 
Drandy in türf, Befik und das nen bereits 
ernftlich bebrobt war, als die erſten Verſtärkungen 
von der Rionkolonne unter General Alchaſow ein: 
trafen, welder nun den Oberbefehl in Abchafien 
und Kutais übernahm, 1. Juni einen Landungsver: 
ſuch bei Sotſcha und 13, Yuni einen von der Land: 
und Seefeite gegen Itori gerichteten Angriff zurüd: 
wies, 23. uni bei Merguli fiegte und 27. Juni 
Dıfhomfhiri wieder in Befig nahm. Es trat nun 
ein * Stillſtand in den Operationen ein, 
welchen die Rufjen zur Befeitigung ihrer Stellungen 
—— Am 19. Aug. ſchritt General Alchaſow 
zum iff, Schlug 23. Aug. türk, Truppen und Ab: 
chafen aus der Gudautgftellung, worauf 31. Aug. 
Sudum geräumt und von den Rufien bejet wurde. 
Hiermit endete der Aufitand an der Küite, während 
im Zerel- und Pay irre wo im Juni fait 
volljtändige Rube , bie Erhebung der Berg: 
völler während des Auguft und September immer 
mehr an —— gewann und erſt im Jan. 
—— melde .r inheitgen Ye — 

er einheit eitung 
— betrug Ende November 175000 Mann 
und befchäftigte außer den —— Lolal⸗ und 
Beſatungstruppen jener Gebiete fortgejeht zwei 
mobile rufj. Divifionen. 

Bei der ruf. Armee in Armenien wurbe im 
Laufe des Auguft eine neue Verteilung der Truppen 
vorgenommen, um ben linfen Flügel bei Eriwan 
und die Hauptlolonne am Karsjluß zu veritärten. 

September trafen aud) aus dem europ. Ruß: 
and erbeblihe Zruppenabteilungen bei dieſem 
Heere ein (zwei Diviſionen und vier Reiterregimen: 
ter). General Otlobſchio wies 13. und 24. Aug., 
fowie 21. Sept. A ne bes von Batum ber vor: 
rüdenden Derwiſ pn cha in der befeftigten Stel: 
lung von Ru to blutig zurüd, griff 7. Nov. 
vergeblich bie Khugubanijtellung an, bejekte jedoch 
28. Dez. diefe nad dem Fall von Kars von den 
Zürfen te Stellung und das Land bis zum 
Kintriſchifluß. Bis zum Schluſſe des Kriegs trat 
bier fein gnis von zu. * ein. 

Mitte Auguft hatte General Melikow die Haupt: 
mafje der andrapolkolonne im Lager von Kü: 
rüfdara verfammelt; ihm geuslie: ftand Multar 
Paſcha in fait unangreifbarer Stellung, welche 
beide nad) Kars führende Straßen be te, vom 
Aladſcha⸗ bhis zum Kleinen Yagni. Am 
18, Aug. wurde die turk. Stellung relognosziert 
25. Aug. nah zwölfftündigem Kanipfe ein Angriff 


943 


der Türken zwar abgewiefen, doch blieb ber Kifils 
Zepe dicht vor den ruſſ. Linien in Feindeshand. 
Am 2. Dct. griff General Melitow die türf. Stel: 
lung von Norden ber an, vermochte jedod nicht, 
den Stleinen Yagni zu nehmen, und ging 4. Oft. mit 
Berluft von 4000 Dann ins Pager von Kürüldara 
zurüd, Multar Paſcha gab 9. Okt. den Hifil:Tepe 
auf, 309 Verſtärkungen an ſich und befejtigte feine 
Stellung vom Aladiha:Dagh zum Kleinen Yagni, 
wobei der Große Yagni_unbejegt gelafien wurde. 
Inzwiſchen hatte auf rufl. Seite Großfürſt Michael 
perjönlich die obere Leitung übernommen, lieb 
13. Dt. die feindliche Stellung im Norden durch 
General Lazarew umgehen und jchritt mit allen ver: 
fügbaren Truppen 14. Dt. zum Angriff, der mit 
einer vollitändigen Niederlage des Feindes enbigte; 
ſieben Paſchas kapitulierten mit 8000 Mann, Mut: 
tar eilte mit 6000 Dann von Hard nad dem 
Soghanlü:Dagh zurüd und fammelte dort die Ber: 
jprengten, aud wurden ihm fpäter aus Guropa 
gegen 10000 Dann Berjtärtungen — Die 
Ruſſen lieben zur Belagerung von Kars General 
Lazarew mit drei Divifionen und zahlreicher Ka: 
vallerie und Artillerie zurüd, während General 
Heiman mit dem Reſt der Alerandrapoltolonne 
20. DE. über Tikma zur Berfolgung Multar 
Paſchas aufbrach, 27. Oft. den Soghanlü :Dagh 
überfchritt und 4. Nov. die vor Erzerum liegen 
verſchanzte Stellung von Dewe :Boyun erftürmte, 
mobei die Turlen 43 Geihüse und 400 Gefangene 
verloren und in wilder Flucht nad Erzerum zurüd: 
eilten. Gin in der Nacht vom 9. zum 10.Nov, ver: 
juchter gewaltjamer Angriff diejer Feſtung führte 
zwar zum Befik des ort Azizie, hatte aber keinen 
Grfolg, da die Kolonnen ſich verirrten; auch mußte 
das ‚genommene Fort am andern Tage geräumt 
werben. Die Strenge des Winters machte eine 
Belagerung unmbgli, weshalb der Plak, in wels 
chem Ismael Paſcha fommandierte, lediglich einge: 
chloſſen wurde. Erzerum hielt ſich bis zum Schluß 
es Kriegs und wurde ef infolge der ‘Brälimina: 
rien von San : Stefano (}. d.) im April 1878 von 
den Ruſſen befekt. j 
Kars war unter Oberleitung des Großfürſten 
Michael vom General Lazarem nad) dem Siege am 
Aadiha:Dagh eingeichloffen worden. In der 
Naht vom 17. zum 18. Nov. wurden die Feſtun 
und die Forts durch Sturm genommen. Fun 
chas kapitulierten mit 17000 Mann und 303 
ejhügen, außerdem verloren die Türken 2500 
Mann an Toten, die Ruſſen nur 488 Tote und 
1781 Verwundele. Der größte Teil des Be: 
lagerungsbeers blieb als Bejakung in Kars und 
Ardahan, eine Divifion rüdte zur Verſtürlung Ge: 
neral Heimans zur Ginjhließungsarmee vor Gr: 
zerum. General Zergulafom wies 24. und 27. Aug. 
die Angrifle Ismael Paſchas, welcher von Bajazıd 
gegen Eriwan vorzudringen ſuchte, in der Stellung 
von Tſcharuchtzy und Chalfaly zurüd und ſchlug 
19. Sept. abermals einen türt. Vorſtoß ab. Ans 
fang Oktober mußte Jsmael Paſcha die Hälfte fei- 
ner Truppen an Muktar Baia abgeben und ging 
nad dejien Niederlage am Aladiha:Dagh 18. Ott. 
zurüd, erreichte in Eilmärſchen 24. Olt. Gerger und 
überfchritt 27. Olt. den Aras bei Köpriliöi, wo er 
fih mit der Nachhut Muttar Paſchas vereinigte, 
während die ihn nachſeßende Eriwankolonne unter 
General Tergulafow tags darauf mit der Borhut 
General Heimans ebendort zufammentraf und unter 


944 


Diele des Generals Loris Melilow demnächſt 
4.Nov, an dem Siege von Dewe:Boyun und der 
Einſchließung von Erzerum teilnahm. j 
11. Feldzug inder europäiihen Türkei. 
Die ruſſ. Operationsarmee war 24, April 1877 
unter dem Dberbefehl des Großfürſten Nilolaus 
Nitolajewitichdes Altern zwiſchen Bruth und Dnjeſtr 
verjammelt; die Türken hatten die Linie der Tonau 
der ganzen Länge nad) bejeht und dahinter bei 
Varna, Schumla, Selvi und Widdin Kejerven in 
Bereiticait., Nufiiherfeits bemäctigte man fich 
zunädjt der für den Aufmarſch der Armee wichtige: 
Ciienbahnbrüde über den Sereth unweit Braila 
(25. April) und jperrte die Donau bei Braila und 
Galap durch ſchwere Batterien, fpäter aud) durd) 
Xorpeboboote, weldye 11. und 25. Mai türk, Ban: 
zerſchiffe vernichteten. Am 3. Mai war der ganze 
untere Lauf der Donau, 20. Mai die Flußlinie bıs 
zur Aluta ne ruf. Truppen gededt, 
denen * oberhalb der Aluta die rumän. Armee 
anſchloß; 14. Mai verlegte Großfürit Nitolaus fein 
Hauptquartier von Kiſchinew nad Blojeichti. Am 
8. Mai wurde die Operationsarmee, welche bisher 
nur aus vier Armeelorpd und einigen Koſalen— 
divifionen beitand, um drei Armeelorps veritärtt, 
welche im Laufe des uni eintrafen. Das Opera: 
tionsziel der Rufen war Adrianopel; man beab: 
fihtigte, mit der Hauptarmee zwiichen Nitopoli und 
Puftichut die Donau zu überjpreiten und demnächit 
über den Ballan dorthin vorzudringen, während 
eine ftromabmwärts über die Donau gegangene Ar: 
mee von der Gegend des Trajanswalls (zwiſchen 
dem Donaufnie bei Rajjowa und dem Hafenplak 
Küſtendſche) aus gegen Siliftria, Schumla und 
Varna demonftrieren follte. Zur Durdführung 
diejed Plans waren die vorhandenen Streitträite 
jedod nicht ausreihend, Am 22. Juni jehten die 
Ruſſen von Galak aus mit Kähnen über die Donau, 
am folgenden Zage von Braila aus, bejepten 
26. Juni unter General Zimmermann Ylalticha, 
Zultiha und Hirfowa, vollendeten den Brüdenbau 
bei Braila und rüdten 15. Juli bis zum Trajand: 
wall vor, Grit 28. Aug. ftieß von dort aus ruf]. 
Kavallerie in füdl. Richtung vor, 26. Sept. ein ftär: 
tere3 Detachement von Medſchidſche auf Bazardichik, 
weldes von den Türken gehalten wurde. Im No: 
vember wurde das Land drei —— e weit vor 
dem Trajanswall beſegt und Baltihit und Ba: 
zardſchit beobachtet. In biefer —— blieben 
die ruſſ. Truppen, ohne vom Gegner beläſtigt zu 
werden, bis zur Beendigung des Kriegs ſtehen. 
Die ruſſ. Hauptarmee war am 26. Juni an der 
Tonau angelangt und begann den Übergang bei 
Simniga. Echon 20. Juni war bei Rarapan, ober: 
halb Ruſtſchut, eine Torpebojperre hergeitellt wor: 
den, um die türt, Monitors, welche bei Nuftichut 
lagen, vom Übergangspunfte fern zu halten; ebenfo 
24. Juni oberhalb von Nitopoli; aud waren bei 
Zurnu:Nagurelli und Flamunda Batterien erbaut, 
welche die bei Nitopoli liegenden Monitors mit 
Unterftühung einiger Torpedofutter abwehren foll: 
ten und diejelben 24, Juni [wer befchädigten. Bei 
Siſtowa befand ſich eine türk. Batterie, welder 
gegenüber 26. Juni drei ruſſ. Batterien erbaut 
wurden. Am 27. Juni ging die rufj. Vorhut von 
2 Uhr morgens an in Kähnen bei Simniha über bie 
Donau und vertrieb die ſchwache türk. Beſatung 
mit geringem Verluſt, worauf ununterbroden 
zrupven nadfolgten. Am 3. Juli wurde die 


NRuffifh-Türkifher Krieg von 1877 und 1878 


Brüde fertig und die 12000 Mann ſtarke Borkut 
unter General Gurko rüdte von Siſtowa genen 
Zirnomwa und Selvi vor, um den Baltan zu über: 
ſchreiten. Das 8. und 11. Korps follte folgen, in: 
des das 12, und 13, Korps unter dem Großfürit: 
Ihronfolger nad) Dften, gegen Schumla und Ruft: 
ſchuk, und das 9. Korps nad) Weiten, gegen Ras: 
grad und Nilopoli, diefe Bewegung deden follten, 
Am 13. Juli erreihte General Gurko auf einem 
Saumpfade 35 km öftlih des Schipkapaſſes den 
Kamm des Ballan und am folgenden Tage Haintiöi 
füdlich des Gebirges, ſchlug 16. yuli Kuluffi Baia 
bei Uflani und nahm 17. Juli Kazanlit, während 
gleichzeitig von Norden ber ein Angriff gegen dic 
türk. Stellung im Schipkapaſſe durd Zeile der 
9, Divifion ftattfand, welder feine Entſcheidung 
berbeiführte. Am 18. Quli griff General Gurto 
von Süden her den Sciplapaß an, worauf die 
Türlen 19, Juli die Stellung räumten, Inzwiſchen 

tten fich bei Jamboli unter Reuf Paſcha und bei 

drianopel unter Suleiman Paſcha größere Mailen 
türt, Truppen verfammelt, welche dem weitern 
Vorbringen General Gurtos bald ein Ziel fekten. 
Gurto ging 3. Aug. über den Hainliöipak_zurüd; 
die Ruflen blieben jedod im Belis des Schipla 
und Glenapafies. 

Bei Sijtowa waren erft 10, Juli vier ruſſ. Ar: 
meelorp® (8., 13., 12. und 9.) über die Donau ge: 
langt, während oleicyzeitig die Etellung gegenüber 
von Nikopoli durch rumän. Truppen beſeßt worden 
war, Am 5. Juli tonnte Bjela an der Jantra ohne 
Kampf bejept werden, da die türk. Armee unter 
Aod:ul-Kerim Paſcha noch immer nicht operation: 
fähig geworden war; 7. Juli ftanden die Vor: 
tru ya des Großfürft:Thronjolgers, welcher gegen 
Ruſtſchuk vorging, am Schwarzen Lom, a 
Kavallerie gegen Osmanbazar und Schumla bin 
jtreifte. Am 15. Juli wurde das 11. Korps auf 
das rechte Donau:Üfer herangezogen und zwiſchen 
Zirnowa und Dömanbazar aufgeitellt. Im Weiten 
war das 9. Korps 12. Juli vor Nilopoli einge: 
ofen und nahm diefe Feſtung nad) eintägiger 

Shoe und Erjtürmung der äußern Forts 
16, Juli durch Kapitulation ein, worauf 18. Juli 
eine ſchwache Pivijion nad) vlewna (1.d.) gegen 
Osman⸗Paſcha entiendet wurde, welcher von Widdin 
beranrüdte, Am 19. und 20, wurden die Angriffe 
der Rufien egen Plewna abgeihlagen, worauf 
Nilopolidure umänen bejegt und diedort ſtehende 
ruſſ. Divifion fowie weitere Berftärlungen von Tir: 
nowa und Damanbazar her bis 25. Juli zu den vor 
Plewna jtehenden Truppen herangezogen, aud) in 
Rußland 185000 Mann Reihswehr zum Dienft 
einberufen wurden. Auf Befehl bes Oberlonman 
dos griif General Krüdener, welder über 35000 
Mann verfügte, 30. Juli die Türken bei Plewna 
nochmals an, wurde jedod) blutig zurüdgeichlagen 
und ging am folgenden Tage unverfolgt nach Vo— 
radim zurüd, worauf das failerl. Hauptquartier 
von Zirnowa nad Biela verlegt wurde. Die Lage 
der ruff. Armee war ſomit Anfang Auguft eine fehr 
mißliche und konnte zu einer Kataſtrophe führen, 
all3 Osman Paſcha von Plewna 7— und Mehemed 

li Paſcha, welcher ſeit 18. Juli den Oberbefchl 
über die türk. Hauptarmee führte, gleichzeitig von 
Rasgrad her gegen die Linie der untern Jantra zum 
Angriff vorgingen. Tas kailerl. Hauptquartier 
wurde deshalb 14. Aug. nad Gornji:Studen bei 
Siſtowa zurüdverlegt und zahlreiche Verſtärkungen 


Ruſſiſch-Türkiſcher Krieg von 1877 


aus Rußland nachnefendet, welche die ruf. Armee 
auf dem europ. Hriegsichauplake bi3 Ende Dftober 
auf mebr als 400000 Mann bradten. Osman 
Paſcha blieb unthätig in Plewna ſtehen, dagegen 
drang Suleiman Paſcha 18. Aug. von Kazanlik 
gegen den Schipkapaß vor und demonjtrierte ſeit 
16. Aug. gegen den Hainkiöipah. Am 20. Aug. 
wurde das Dorf Schipfa von den Türfen beiekt 
und 21. bis 27. Aug. der Paß jelbit und die auf der 
SHöbe angelegten Befeſtigungen mit aroßer Heftigleit 
bejtürmt; doch wielen die Nullen, welche vom 23. 
ab von Sclwi und Gabrowa aus verjtärft wurden, 
alle Angriffe zurüd, wobei Suleiman Paſcha 10000 
Mann einbühte, jedoch auf der Paßhöhe ſtehen blieb 
und bi! 17. Sept. die ruf. Stellung fajt ununter: 
brocden bombardierte. Am 18. Sept. erfolgte ein 
abermals vergebliher Sturmangriff der Türken, 
welder denjelben 3000 Mann koitete, ebenfo unter 
Reuf Paſcha 8., 11. und 21. Nov. und 15. und 
23. Dez. 1877. Der Groffürjt: Thronfolger hatte 
nach der Niederlage, welche die Weſtarmee vor 
Plewna erlitten hatte, die vor Ruſtſchuk ftehenden 
Truppen binter den Schwarzen Com zurüdgezogen, 
jeine VBortruppen bielten die Linie des Meißen Yom 
bis Spahilar und jchlojien jih an die in Keſorowa 
und Slatariga jtehenden Bortruppen des 11. Korps; 
ihm gegenüber ftand Mehemed-Ali Paſcha in Ruſt— 
ſchuk, Rasarad, Esti: Diduma und Osmanbazar 
mit 60000 Mann Freldtruppen (dahinter Nejerven 
bei Schumla und 12000 Sigypter bei Varna), wel: 
cher 30. Aug. das 13. Armeelorps vom Schwarzen 
Yom zurüdwarf, jedody 31. Aug. und 4, Sept. ver: 
geblich Hadiliöi beitürmte. Am 5. Sept. ſchlug 
Mehemed: Ali das 12, Armeelorps bei Razeljewo, 
worauf die Rufen die Linie des Schwarzen Yom 
aänzlid aufgaben und nad) Biela zurüdgingen und 
21. Sept. einen von Türken und Ügyptern gegen 
die Tſchairlidi⸗Poſition (oſtlich vor der Linie Biela: 
Zirnowa) gerichteten Angriff zurüdichlugen. Mebe: 
med Ali gab nunmehr die Offenfive auf und führte 
das Heer nad Popkiöi und 29, Sept. nad) Habiliöi 
zurüd, worauf 2, Dt. der bisher vor dem Schipfa: 
paß lommandierende Suleiman Paſcha den Ober: 
befehl über die türk. Ditarmee übernahm. Suleiman 
ließ je eine Divifion bei Hadiliöi und Solenik jtehen 
und bezog mit der Hauptmafje feines Heers ein 
verſchanztes Lager bei Rasgrad 20. Olt. während 
die Ruſſen wieder bis an die Pinie des Schwarzen 
Lom vorgingen. Am 19. Nov. überjchritten die 
Türlen mit mehrern Divifionen den Lom, zerftörten 
Pyrgos und drangen bis an die ruf]. Hauptitellung 
bei Metichla_vor, wo das 12. ruf. Korps ftand. 
Diejes ließ Suleiman Paſcha 26. Nov. durch vier 
Divifionen angreifen, ohne jedoch einen Erfolg zu 
erzielen, und wandte ſich darauf gegen den rechten 
Flügel der ruff. Stellungen bei Marian und Glena. 
Am 4. Dez. nahmen die Türken Marian, Slatinika 
und Elena, vermochten jedoch am folgenden Tage 
nicht weiter vorzudringen und wurden 6. Dez. aus 
Slatinika zurüdgeichlagen; doc blieb Glena in 
ihrem Beſiß. Am 12. Dez. erneuerte Suleiman 
den Angriff gegen die ruf. Stellung bei Metichla, 
wurde jedoch abgewieien, worauf fein Heer in voller 
Auflöfung nah Ruſtſchuk floh. Während diejer 
Kämpfe zwiichen Lom und Jantra ſowie am Schipfa: 
paß war im weitl. Teil des Donauthals eine ent: 
ſcheidende Veränderung der gefamten Kriegslage 
eingetreten. Osman Bald, welcher mit 40000 
Mann in Plewna (f. d.) und mit 10000 Mann 
Converfation®=Lerifon. 19%. Auſſ. XIII 





a 


945 


(unter Adil Paſcha) bei Lowticha ſtand und fich 
lediglich auf Verteidigung feiner Stellungen be: 
ichrantte, war durch das rumän. Heer und die in: 


und 1878 


' zwiichen eingetroffenen rufi. Verſtärkungen einge: 


ſchloſſen und nach tapferm Widerftand 10. Dez. mit 
dem liberreit feines Heers zur Kapitulation ge: 
zwungen worden, Die Generale Gurko und Harzow 
batten das Yand bis zum Balkan bin von türk. 
Truppen aejäubert und 24. Okt. Dolnji-Dubniat 
und Gornm:Tubnial, 28. Oft. Teliſch nad) heftigen 


Kampfe genommen, aud in den eriten Tagen des 


November die nad Zofia führenden Balkanpäſſe in 
ihre Gewalt gebracht und die gegen Ende November 
und Anfang Dezember erfolgenden Borftöße der 
türf. Nejervearmee abgemwiejen. Nach dem Fall von 
Plewna kehrte Kaiſer Alerander II. 22, Dez. nadı 
Petersburg zurüd, während die bisherige Ein: 
ſchließungsarmee an die beiden, am Baltan jtehen: 
den Heere der Generale Gurko (vor Orkhanie) und 
Nadepti (am Schipkapaſſe) verteilt wurde; die 
rumän. Armee entjandte eine Divifion von Lom— 
Palanka gegen Widdin und fchrte mit den übrigen 
Truppen nad dem linten Donau:llier zurüd. Ser: 
bien erklärte 14. —* ebenfalls der Pforte den Krieg. 
General Gurko nahm 31. Dez. und 1, Jan. 1878 
den von Schalir Paſcha verteidigten Baba : Konal: 
pas durd die Garden, während aud) von Taichlöjen 
und Etropol Abteilungen den Slatikapab über: 
ichritten; 3. Jan. 1878 war Mehemed⸗Ali bei Sofia 
bereit3 auf drei Seiten von überlegenen Mafien 
eingeſchloſſen, weshalb derjelbe 4. Yan. in jüdweltl. 
Richtung nad) Höftendil abzog. Die Serben waren 
inzwijchen ebenfalls vorgerüdt, hatten 19. Dez. den 
Nıitolauspaß, 24. Dez. Ak-Palanka und 28. Des. 
Pirot nad heftigen Kampfe erobert, ebenjo von 
der Morawa ber 19. Dez. Niich eingeichlofien und 
23. Dez. die Belagerung diejes widtigen Platzes 
begonnen. Auch die Montenegriner waren jeit 
Anfang Auguft angriffsweile gegen die in der 
Herzegowina zurüdgebliebenen türk. Landwehren 
vorgegangen, hatten 8. Sept. die Garnifon von 
Vilſchiß zur Kapitulation gezwungen und bis Ende 
September jämtliche Forts im Dugapafie erobert, 
auch gleichzeitig von Norden und Süden ber_gegen 
das Fuürſtentum gerichtete Angriffe der Türlen 
zurüdgeichlagen. Fürſt Nilita gab den weitern 
Vormarſch in der Herzegowina auf und wandte ſich 
nad der Gegend des Stutarijees, ſchloß Ende No: 
vember Antıvari ein und zwang auch dieien Plak 
10. ‘jan. 1878 zur Kapitulation. Am 19. Jan. 
wurde Dulciano, 29. Yan. Sort Leiendra am Sku— 
tarifee erobert, worauf Fürit Nikita die Bojana 
überichritt und die Feſtung Skutari einſchloß. 

Auf die Nachricht von der Bejekung Sofas durch 
General Gurto überſchritt von Lowiſcha aus Ge: 
neral Karzow den Balltan 8. Jan. mittel3 des 
Trajanpafies, aud lieb General Radesti 5. Yan. 
öftlich und weitlich des Schipkapaſſes Kolonnen über 
das Gebirge gehen, um die Verteidiger des Paſſes 
einzufchließen, wobei es 8. Yan. zu heftigen Kämpfen 
fam, welche ſchließlich zur Kapitulation von 25000 
Türken führten. Am 13. an. ftand das ruſſ. Heer 
in der Linie Tatar-Bazardſchil-Kazanlik zum Vor: 
marſch gegen Pbilippopel und Adrianopel bereit, 
14. San. nahm General Gurko Pbilippopel, wo 
16. Yan. auc General Karzow eintraf, während 
die Türfen unter Fuad Paſcha ihren Rüdzug durch 
das Rhodopegebirge zu bewerlſtelligen verſuchten, 
hierbei jedoch faſt die geſamte Artillerie einbüßten. 

60 


46 


Die Generale Stobeljew und Radehli drangen Direkt 
gegen Adrianopel vor, wo — alle noch bei 
Konſtantinopel verfügbaren Reſerven, ſowie ein 
großer Teil der türk. Donau-Armee von Ruſtſchul 
über Varna und weiter mitteld Seetransports ver: 
fammelt worden waren; aud) — man die Stadt 
durch Erbauung von Forts u. ſ. w. verteidigungs— 
fäbig gemacht. 

Seitens der Pforte wurde 9. Jan. Mehemed-⸗Ali 
mit dent Oberbefehl über alle Truppen im der 
europ. Türkei betraut und gleichzeitig angewieſen, 
mit dent rufi. Oberfommtando einen Waffenſtillſtand 
abzuschließen. Am 19. Jan, wurde Adrianopel ge: 
räumt und am folgenden Tage durch die Ruſſen 
beſeht; alle noch verfügbaren türk. Truppen wurden 
in den befeitigten Linien von Tſchataldſche vor der 
Hauptitadt veriammelt und dem Befehl des aus 
Erzerum zurüdberufenen Ahmed Multar Paſcha 
unteritellt. Am 27, Jan. begannen im Haupt: 
quartier des Groffürjten Nitolaus zu Adrianopel 
die Waffenitillitandsverbandlungen, während die 
ruſſ. Truppen bis in die unmittelbare Nähe von 
Konitantinopel vordrangen, und gelangten 31. Jan. 
zum Abihluß. Tie Türken willigten dabei in die 
Räumung der Feltungen Widdin, Ruſtſchuk, Si: 
linria, Erzerum und Batum, von denen Widdin 
durch rumaͤniſche, Ruſtſchul, Siliitria und Erzerum 
durch run. Truppen bejekt wurden, während be: 
züglich Batums die getroffene Beitimmung vor: 
läufig nicht zum Bollzua gelangte. Tas ruſſ. Haupt: 
quartier wurde dann nad San:Stefano (}. d.) ver: 
legt und dort 3. März zwiichen Rußland und ber 
Inrtei ein Praliminarfriede abgeſchloſſen, deſſen 
Beſtimmungen jedoch zunächſt nicht zur Ausfüh— 
rung kamen, da die europ. Großmächte, insbeſon— 


Rußkohle 


dere Sſterreich-Ungarn und Großbritannien, auf 
Grund des Pariſer Vertrag: vom J. 1856 und 
der 1871 in London vereinbarten Zufakbeftim: 
mungen dejien vorgängige Beratung beaniprud- 
ten. Zur Unterftübung diefer Forderungen lief 
eine engl. ylotte ins Marmarameer ein, aud wur: 
den zwei Armeeforps in England mobilijiert und 
ind. Truppen (7000 Mann) mittels des Sueztanals 
nad) Malta herangezogen. Grit nach längern Ber: 
handlungen willigte Rußland darein, den Vertrag 
von San: Stefano einem europ. Kongreß zu unter: 
breiten. (S. Berliner Kongreß.) 

Yitteratur: e\\ahresberichte über die Verände— 
rungen und Fortichritte im Militärweien, 1877: 
(Berl, 1878); «Jahrbücher für die deutiche Armee 
und Marine» (Berl. 1877u.1878); «Militärwochen: 
blatt» (Berl. 1877); GC. von Sarauw, «Der ruji.: 
türf. Arien 1877/78» (Lpz. 1878); ©. Lecomte, 
«Guerre d’Orient en 1876 et 1877» (2 Bde., Bar. 
1878); von Trotha, «Der Kampf um Plewna— 
(Berl. 1878), Müller, »Der rufj.»türl. Krieg 1877» 
(Stuttg. 1878); Rüftow, «Der orient. Arieg in jet: 
ner neueiten Phaſe⸗ (Zür. 1878); Aund, «Der 
orient. Krieg in den 3.1876— 78» (in «Unſere Zeit>, 
Jahrg. 1878, 2. Hälftefa.); von Studrad, «Der ruſſ. 
türf. Krieg von 1877,78» (Hannov. 1879); F. von 
Jagwiß, «Bon Plewna bis Adrianopel» (Berl. 
1880); Hinze, «Gurfo und Suleiman Rajchas (Berl. 
1880); Kuropatlin:frahmer, «Aritiſche Nüdblide 
auf den rufl.:türf. Krieg 1877/78» (Berl. 1885); 
Schröder, «Ter Schiplapaß 1877» (Berl. 1880). 

unfohle it in manchen Gegenden die volt: 
tündihe Bereihnung für Steinkohle mit erdigen 
Bruch, im Geneniab zu Pechkohle, der Kohle mit 


muſcheligem Bruch, 


Berzeichnis 
ber 


Abbildungen und Barten 


zum dreizehnten Bande, 


A. Tafeln und Karten: 


Seite 
— DIES © 2 a een 
GATURE DIE 25 lan ee he er each re Her SE 
Nordpolarkarte. are ee, TO 
Südpolarkarter.. ee re 
POIRELUDE:- 0:5. 8 u ae u re u ee DI 
Pompeji: Ausgrabunge. ne. 158 
Provinz Poſen. (KarteJ. 208 
Drefien. . - - - re re N 
Provinzen Oft und een. (Harte) 27771 
Preußen: Hiſtoriſche Karte. 2234 
Protiſten und Protozoncnn . 42336 
RE a er re era ee re 
Kleinere Raubtieee ee Er 
RONMDGEL.: Tu 5.40.05 a A ri are ER 
Maumoael, IE => :5: 5 oe a ie re BOT 
Regenkarte won Europe: - > 2 200 0 0 556 
Renaiſſanee. re ER 
REDE: Er te er 
Reptilien. IT. . . .. 627 
Nheinland, Wejtfalen, Dias Hafjan — ——— und Grohe 
herzogtum Heffen. I. Nördliche Hälfte. (Sarte.) er . 669 


Rheinland, Weſifalen, Heſſen-Naſſau (preuß. Provinzen) und Groß 
herzogtum Heſſen. II. Südliche Hälfte. (Karte)...669 
Rineviechreſgfgfge 217713 


Verzeichnis der Abbildungen und Karten -zum dreizschnten Bande. 


Das alte Rom. A : 

Ron und Umgegend. (Karte) i 

Römiſches Reich) in feiner größten —— unter 
Rüſſeltiere. 


B. Abbildungen im Terte: 


Plätteiſen. (4 Figuren.) 

Plinthe. . Da —— 

Plymouth, Topographiſche Lage. 

Pompeji. (3 Figuren.) . j 
Portsmouth, Topographiſche Yage. . 
Poftgeldfendungen. (2 Figuren.) 

Prag, Topographiiche Lage. 

Rheinbund, Karte... 

Rheingau, Karte. — 

Rio de Janeiro, ine Lage. 
Roßbach, Schlachtfeld. 

Rotterdam, Topographiſche Lage. 

Rügen, Karte. — ae 
Rundſchrift. (1 Fatſimile und 3 — 


Drud von F. A. Brodhans in Leipfig. 


— (Karte.) 


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